Investmentsteuergesetz, Kommentar 9783504385446

Kretzschmann/Schwenke/Behrens/Hensel – der neue Kommentar zum InvStG gibt auf die zahlreichen Fragen zutreffende Antwort

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Investmentsteuergesetz, Kommentar
 9783504385446

Table of contents :
Vorwort
Bearbeiterverzeichnis
Inhaltsübersicht
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
Abkürzungsverzeichnis
Einführung (vor § 1)
Investmentsteuergesetz (InvStG)
Kapitel 1 Allgemeine Regelungen (§§ 1 bis 5a)
Kapitel 2 Investmentfonds (§§ 6 bis 24)
Abschnitt 1 Besteuerung des Investmentfonds (§§ 6 bis 15)
Abschnitt 2 Besteuerung des Anlegers eines Investmentfonds (§§ 16 bis 22)
Abschnitt 3 Verschmelzung von Investmentfonds (§ 23)
Kapitel 3 Spezial-Investmentfonds (§§ 25 bis 52)
Abschnitt 1 Voraussetzungen und Besteuerung eines Spezial-Investmentfonds (§§ 25 bis 33)
Abschnitt 2 Besteuerung des Anlegers eines Spezial-Investmentfonds (§§ 34 bis 51)
Abschnitt 3 Wegfall der Voraussetzungen eines Spezial-Investmentfonds (§ 52)
Kapitel 4 Altersvorsorgevermögenfonds (§ 53)
Kapitel 5 Verschmelzung von Spezial-Investmentfonds und von Altersvorsorgevermögenfonds (§ 54)
Kapitel 6 Bußgeldvorschriften, Anwendungs- und Übergangsvorschriften (§§ 55 bis 57)
Anhänge
Stichwortverzeichnis

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Kretzschmann · Schwenke · Behrens · Hensel · Klein Investmentsteuergesetz Kommentar

.

Kretzschmann · Schwenke · Behrens · Hensel · Klein

Investmentsteuergesetz Kommentar herausgegeben von

Jens Kretzschmann, LL.M. oec. Rechtsanwalt und Steuerberater in Berlin

Dr. Michael Schwenke Richter am Bundesfinanzhof in München

Dr. Stefan Behrens Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater in Frankfurt am Main

Matthias Hensel Ministerialrat, Bundesministerium der Finanzen in Berlin

Dr. Martin Klein Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater in Frankfurt am Main

2023

.

Bearbeiter Dr. Sebastian Adam Rechtsanwalt und Steuerberater in Frankfurt am Main Dr. Julian Albrecht Rechtsanwalt in Hamburg Dr. Stefan Behrens Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater in Frankfurt am Main Dr. Thomas Böcker, LL.M. Taxation Syndikusrechtsanwalt in Frankfurt am Main Dr. Harald Brandl Ministerialrat in München Bernhard Brielmaier, LL.M. Steuerberater und Head of Tax and Legal in München Wolfram Dickersbach Rechtsanwalt in Berlin Patrick Faller, M.I.Tax Steuerberater und Fachberater für Internationales Steuerrecht in Frankfurt am Main Carolin Gottschling, M.I.Tax (UNSW) Rechtsanwältin und Steuerberaterin in München Dr. Ulrich Grünwald Rechtsanwalt und Steuerberater in Berlin Dr. Alexander Hasbach Rechtsanwalt und Steuerberater in Düsseldorf Matthias Hensel Ministerialrat, Bundesministerium der Finanzen in Berlin Prof. Dr. Christian Jehke, LL.M. (Cambridge) Rechtsanwalt und Steuerberater in Berlin Oliver Joch, LL.M. oec. Rechtsanwalt und Steuerberater in Frankfurt am Main Dr. Philipp Jost, LL.M. Rechtsanwalt in Luxemburg

Susann Kammeter Richterin am FG, München Dr. Martin Klein Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater in Frankfurt am Main Dr. Matthias Korff Steuerberater in München Andreas Kortendick, LL.M. Steuerberater in Köln Jens Kretzschmann, LL.M. oec. Rechtsanwalt und Steuerberater in Berlin Dr. Mathias Link, LL.M. Rechtsanwalt und Steuerberater in Frankfurt am Main Martin Mager Rechtsanwalt in München Dr. Mascha Meynköhn Steuerberaterin in Hamburg Dr. Moritz Johannes Mühling, LL.M. Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater und Fachberater für Internationales Steuerrecht in Berlin Jan Neugebauer, LL.M. Avocat à la Cour und Rechtsanwalt in Luxemburg Dr. Ingo Oellerich Richter am FG Dr. Dajo Sanning Rechtsanwalt in Hamburg Matthias Schmidtheisler, LL.M. Steuerberater in Hamburg Dr. Helder Schnittker, LL.M. Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht in Berlin Dr. Michael Schwenke Richter am Bundesfinanzhof, München Holger Sedlmaier Leiter Steuern und Altersvorsorge beim BVI in Frankfurt am Main Tina Verleger Regierungsdirektorin, Bayerisches Landesamt für Steuern in München

Zitiervorschlag: Autor in Kretzschmann/Schwenke/Behrens/Hensel/Klein, InvStG, § 1 Rz. …

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-25082-9 © 2023 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Lichtenford, Mettmann Satz: PMGi – Agentur für intelligente Medien GmbH, Hamm Druck und Verarbeitung: Beltz Grafische Betriebe GmbH, Bad Langensalza Printed in Germany

Vorwort Das Investmentsteuerrecht ist beides: eine komplexe, das Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht ergänzende Spezialmaterie und gleichsam per definitionem relevant für eine Vielzahl von Steuerpflichtigen. Denn die Grundidee des Investmentsparens, welches die Erträge generiert, die das Investmentsteuergesetz zu besteuern dient, besteht gerade darin, es möglichst vielen Anlegern zu ermöglichen, sich auch mit kleineren Beträgen an breit gestreuten und professionell verwalteten Vermögen zu beteiligen. Anders als seine Vorgänger, das Investmentsteuergesetz 2004 und davor die steuerrechtlichen Regelungen des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften von 1957 und des Auslandsinvestmentgesetzes von 1969, enthält das hier kommentierte Investmentsteuergesetz 2018 dazu gleich zwei Besteuerungssysteme, nämlich ein seinerzeit neu konzipiertes für Publikums-Investmentfonds und ihre häufig (aber nicht notwendig) privaten Anleger sowie eines für Spezial-Investmentfonds und ihre institutionellen Anleger. Beide sind eng verwoben mit den entsprechenden aufsichtsrechtlichen Konzepten und werden ergänzt durch steuerrechtlich anspruchsvolle Regelungen zum Übergang vom seinerzeitigen alten zum jetzt geltenden neuen Investmentsteuerrecht. Einen weiteren Gipfel der Komplexität erreicht die Anwendung des Investmentsteuerrechts schließlich in grenzüberschreitenden Sachverhalten und in Verbindung mit konkurrierenden Besteuerungsregimes, wie etwa dem der Hinzurechnungsbesteuerung. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass das Investmentsteuergesetz 2018 trotz mehrjähriger Vorbereitung und gründlicher Diskussion in der Fachöffentlichkeit zahlreiche Rechtsfragen aufwirft, die der Anwender erkennen und beantworten muss, wenn er teure Fehler vermeiden will. Die Herausgeber sowie die Autorinnen und Autoren des vorliegenden Kommentars zum Investmentsteuergesetz, allesamt Praktiker aus Rechtsprechung, Verwaltung oder Beratung, haben es sich zur Aufgabe gemacht, den Leserinnen und Lesern mit einer umfassenden, systematischen und wissenschaftlich fundierten, aber dennoch praxisnahen Erläuterung des Investmentsteuergesetzes zu helfen, sich zu diesen Rechtsfragen eine informierte Meinung zu bilden. Dabei konnten sie die zu vielen dieser Fragen veröffentlichte Auffassung der Finanzverwaltung ebenso berücksichtigen wie die lebhafte Diskussion des Investmentsteuergesetzes 2018 in der Fachliteratur. Nach mehrjähriger Arbeit legen Herausgeber sowie Autorinnen und Autoren nun ein Werk vor, das die gestellte Aufgabe hoffentlich erfüllt. Die Erstauflage berücksichtigt die Vorschläge zur Änderung des Investmentsteuergesetzes in der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (BTDrucks. 20/4729 v. 30.11.2022), insbesondere zur Erleichterung von Nebeninvestitionen eines Spezial-Investmentfonds (neben der Investition in Immobilien) in Anlagen zur Erzeugung von erneuerbaren Energien und Ladeinfrastruktur für Elektromobilität, jeweils im Abschnitt über die Rechtsentwicklung in den Kommentierungen zu §§ 26, 29, 33, 42, 45 und 57 InvStG. Das kurz vor Drucklegung veröffentlichte, das BMF-Anwendungsschreiben vom 21.5.2019 ergänzende BMF-Schreiben vom 12.12.2022 (geändert durch BMF-Schreiben vom 14.12.2022), das neue Verwaltungsanweisungen zu § 31 InvStG enthält, konnte hingegen nicht mehr eingearbeitet werden. Nun ist es an der Zeit, uns bei allen Beteiligten zu bedanken, die durch ihr Engagement das Entstehen dieses Kommentars erst möglich gemacht haben. Hervorzuheben sind dabei zunächst die Autorinnen und Autoren, die die vorliegenden Kommentierungen unter hohem persönlichem Einsatz neben ihren zahlreichen beruflichen und privaten Verpflichtungen geschaffen haben. Besonders danken wollen wir aber auch den Verantwortlichen des Verlags Dr. Otto Schmidt und dabei insbesondere Herrn Rechtsanwalt Georg Hecl und Herrn Michael Kunze, die das Entstehen dieses Werks immer wieder unermüdlich gefördert und sehr intensiv begleitet haben. Abschließend bleibt die Bitte an die hoffentlich geneigten Leserinnen und Leser um Anregungen und Kritik. Sparen Sie damit bitte nicht, Ihr Feedback wird helfen, den Kommentar in seiner nächsten Auflage zu bereichern. Berlin/Frankfurt am Main/München, im Dezember 2022

Die Herausgeber VII

VIII

Bearbeiterverzeichnis Dr. Sebastian Adam Rechtsanwalt/Steuerberater, Frankfurt am Main

§§ 40, 47

Dr. Julian Albrecht Rechtsanwalt, Hamburg

§§ 6, 7, 24–28, Anhang 8

Dr. Stefan Behrens Rechtsanwalt/Fachanwalt für Steuerrecht/Steuerberater, Frankfurt am Main

§§ 1, 16, 29

Dr. Thomas Böcker, LL.M. Taxation Syndikusrechtsanwalt, Frankfurt am Main

§§ 37, 45, 50

Dr. Harald Brandl Ministerialrat, München

§§ 20, 36

Bernhard Brielmaier, LL.M. Steuerberater, Head of Tax and Legal, München

§§ 18, 19

Wolfram Dickersbach Rechtsanwalt, Berlin

Anhang 4

Patrick Faller, M.I.Tax Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht, Frankfurt am Main

§§ 18, 19

Carolin Gottschling, M.I.Tax (UNSW) Rechtsanwältin/Steuerberaterin, München

§§ 34, 35, 39, Anhang 6

Dr. Ulrich Grünwald Rechtsanwalt/Steuerberater, Berlin

Anhang 5

Dr. Alexander Hasbach Rechtsanwalt/Steuerberater, Düsseldorf

§§ 5a, 23, 54, Anhänge 1 und 2

Matthias Hensel Ministerialrat, Bundesministerium der Finanzen, Berlin

§§ 17–19, 56, 57

Prof. Dr. Christian Jehke, LL.M. (Cambridge) Rechtsanwalt/Steuerberater, Berlin

§§ 4, 5, 55

Oliver Joch, LL.M. oec. Rechtsanwalt/Steuerberater, Frankfurt am Main

§ 46

Dr. Philipp Jost, LL.M. Rechtsanwalt, Luxemburg

§§ 30–33

Susann Kammeter Richterin am FG, München

§§ 1, 16, 17

Dr. Martin Klein Rechtsanwalt/Fachanwalt für Steuerrecht/Steuerberater, Frankfurt am Main

Einführung Regelungsbereiche und Historie, §§ 8–11 IX

Bearbeiterverzeichnis

Dr. Matthias Korff Steuerberater, München

§§ 38, 51

Andreas Kortendick, LL.M. Steuerberater, Köln

Anhang 3

Jens Kretzschmann, LL.M. oec. Rechtsanwalt/Steuerberater, Berlin

§§ 6, 7, 24–28, 56, Anhang 8

Dr. Mathias Link, LL.M. Rechtsanwalt/Steuerberater, Frankfurt am Main

§§ 49, 53

Martin Mager Rechtsanwalt, München

§§ 12–14

Dr. Mascha Meynköhn Steuerberaterin, Hamburg

§§ 41–44

Dr. Moritz Johannes Mühling, LL.M. Rechtsanwalt/Fachanwalt für Steuerrecht/Steuerberater/ Fachberater für Internationales Steuerrecht, Berlin

Anhang 4

Jan Neugebauer, LL.M. Avocat à la Cour/Rechtsanwalt, Luxemburg

§§ 30–33

Dr. Ingo Oellerich Richter am FG

§§ 3, 15, 21, 22, 52

Dr. Dajo Sanning Rechtsanwalt, Hamburg

Anhang 7

Matthias Schmidtheisler, LL.M. Steuerberater, Hamburg

§ 48

Dr. Helder Schnittker, LL.M. Rechtsanwalt/Fachanwalt für Steuerrecht, Berlin

Anhang 4

Dr. Michael Schwenke Richter am BFH, München

Einführung Europarecht und Verfassungsrecht, § 2, Anhang 7

Holger Sedlmaier Leiter Steuern und Altersvorsorge beim BVI, Frankfurt am Main

Einführung Überblick

Tina Verleger Regierungsdirektorin, Bayerisches Landesamt für Steuern, München

Einführung Europarecht und Verfassungsrecht, §§ 2, 6, 7

X

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Seite VII

Bearbeiterverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XV

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XVII

Einführung (vor § 1) Einleitung 1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

Einleitung 2 Regelungsbereiche/Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

Einleitung 3 Europa- und Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

Investmentsteuergesetz (InvStG) Kapitel 1 Allgemeine Regelungen (§§ 1 bis 5a) §1 §2 §3 §4 §5 § 5a

Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesetzlicher Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuständige Finanzbehörden, Verordnungsermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . Prüfung der steuerlichen Verhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übertragung von Wirtschaftsgütern in einen Investmentfonds . . . . . . . . . .

69 135 179 186 191 197

Kapitel 2 Investmentfonds (§§ 6 bis 24) Abschnitt 1 Besteuerung des Investmentfonds (§§ 6 bis 15) §6 §7 §8 §9 § 10

Körperschaftsteuerpflicht eines Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erhebung der Kapitalertragsteuer gegenüber Investmentfonds . . . . . . . . . . . Steuerbefreiung aufgrund steuerbegünstigter Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachweis der Steuerbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Investmentfonds oder Anteilklassen für steuerbegünstigte Anleger; Nachweis der Steuerbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

207 236 259 277 285 XI

Inhaltsübersicht

Seite § 11 § 12 § 13 § 14 § 15

Erstattung von Kapitalertragsteuer an Investmentfonds durch die Finanzbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistungspflicht gegenüber steuerbegünstigten Anlegern . . . . . . . . . . . . . . . Wegfall der Steuerbefreiung eines Anlegers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung bei unberechtigter Steuerbefreiung oder -erstattung . . . . . . . . . . . . Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

296 306 314 322 335

Abschnitt 2 Besteuerung des Anlegers eines Investmentfonds (§§ 16 bis 22) § 16 § 17 § 18 § 19 § 20 § 21 § 22

Investmenterträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erträge bei Abwicklung eines Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorabpauschale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewinne aus der Veräußerung von Investmentanteilen . . . . . . . . . . . . . . . . Teilfreistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anteilige Abzüge aufgrund einer Teilfreistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Änderung des anwendbaren Teilfreistellungssatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

351 387 398 412 423 443 452

Abschnitt 3 Verschmelzung von Investmentfonds (§ 23) § 23 § 24

Verschmelzung von Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kein Wechsel zu den Besteuerungsregelungen für Spezial-Investmentfonds

465 487

Kapitel 3 Spezial-Investmentfonds (§§ 25 bis 52) Abschnitt 1 Voraussetzungen und Besteuerung eines Spezial-Investmentfonds (§§ 25 bis 33) § 25 § 26 § 27 § 28 § 29 § 30 § 31 XII

Getrennte Besteuerungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlagebestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsformen von inländischen Spezial-Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . Beteiligung von Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerpflicht des Spezial-Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inländische Beteiligungseinnahmen und sonstige inländische Einkünfte mit Steuerabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerabzug und Steueranrechnung bei Ausübung der Transparenzoption .

493 496 544 548 558 576 593

Inhaltsübersicht

§ 32 § 33

Haftung bei ausgeübter Transparenzoption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inländische Immobilienerträge und sonstige inländische Einkünfte ohne Steuerabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Seite 604 616

Abschnitt 2 Besteuerung des Anlegers eines Spezial-Investmentfonds (§§ 34 bis 51) § 34 § 35 § 36 § 37 § 38 § 39 § 40 § 41 § 42 § 43 § 44 § 45 § 46 § 47 § 48 § 49 § 50 § 51

Spezial-Investmenterträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausgeschüttete Erträge und Ausschüttungsreihenfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausschüttungsgleiche Erträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ermittlung der Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vereinnahmung und Verausgabung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Werbungskosten, Abzug der Direktkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abzug der Allgemeinkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verlustverrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerbefreiung von Beteiligungseinkünften und inländischen Immobilienerträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerbefreiung aufgrund von Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, der Hinzurechnungsbesteuerung und der Teilfreistellung . . . . Anteilige Abzüge aufgrund einer Steuerbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewerbesteuer bei Spezial-Investmenterträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zinsschranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anrechnung und Abzug von ausländischer Steuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fonds-Aktiengewinn, Fonds-Abkommensgewinn, Fonds-Teilfreistellungsgewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen, Teilwertansatz . . . . . . . . . . . Kapitalertragsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Feststellung der Besteuerungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

637 648 671 698 705 726 735 746 756 774 785 791 798 803 812 832 843 858

Abschnitt 3 Wegfall der Voraussetzungen eines Spezial-Investmentfonds (§ 52) § 52

Wegfall der Voraussetzungen eines Spezial-Investmentfonds . . . . . . . . . . . .

873

XIII

Inhaltsübersicht

Seite

Kapitel 4 Altersvorsorgevermögenfonds (§ 53) § 53

Altersvorsorgevermögenfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

887

Kapitel 5 Verschmelzung von Spezial-Investmentfonds und von Altersvorsorgevermögenfonds (§ 54) § 54

Verschmelzung von Spezial-Investmentfonds und Altersvorsorgevermögenfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

901

Kapitel 6 Bußgeldvorschriften, Anwendungs- und Übergangsvorschriften (§§ 55 bis 57) § 55 § 56 § 57

Bußgeldvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungs- und Übergangsvorschriften zum Investmentsteuerreformgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

925 931 969

Anhänge Anhang 1 Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

975

Anhang 2 Kapitalertragsteuer auf Investmenterträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

981

Anhang 3 Investmentvermögen in der Handels- und Steuerbilanz . . . . . . . . . . . . .

1005

Anhang 4 Besonderheiten bei Investmentvermögen in Personengesellschaftsform.

1025

Anhang 5 Umsatzsteuerliche Behandlung der Verwaltung von Investmentvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1087

Anhang 6 Grunderwerbsteuerliche Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1115

Anhang 7 Investmentfonds im Internationalen Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1125

Anhang 8 Aufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1169

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1185

XIV

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur Baur/Tappen/Mehrkhah4

Baur/Tappen/Mehrkhah, Investmentgesetze, Band 4, InvStG, Kommentar, 4. Auflage 2021

Beckmann/Scholtz/Vollmer

Beckmann/Scholtz/Vollmer, Investment, Kommentar (Loseblatt)

Behrens/Wachter2

Behrens/Wachter, GrEStG, Kommentar, 2. Aufl. 2022

Berger/Steck/Lübbehüsen

Berger/Steck/Lübbehüsen, InvG, InvStG, Kommentar, 2010

Bödecker/Ernst/Hartmann

Bödecker/Ernst/Hartmann, InvStG, Kommentar, 2016

Brandis/Heuermann

Brandis/Heuermann, EStG, KStG, GewStG und Nebengesetze, Kommentar (Loseblatt)

Brinkhaus/Scherer

Brinkhaus/Scherer, KAGG, AuslInvestmG, Kommentar, 2003

Dorn4

Dorn, Investmentsteuerrecht, 4. Aufl. 2021

D/P/M

Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, Kommentar zum KStG, UmwStG und zu den einkommensteuerrechtlichen Vorschriften der Anteilseignerbesteuerung (Loseblatt)

Ernst & Young

Ernst & Young, Körperschaftsteuergesetz-Kommentar (Loseblatt)

Frotscher/Geurts

Frotscher/Geurts, Kommentar zum Einkommensteuergesetz (Loseblatt)

F/W/B/S

Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Kommentar zum Außensteuerrecht (Loseblatt)

Gosch4

Gosch, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 4. Aufl. 2020

Haase2

Haase, InvStG, Kommentar, 2. Aufl. 2015

Häuselmann

Häuselmann, Investmentanteile, 2019

H/H/R

Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG, Kommentar (Loseblatt)

Kanzler/Kraft/Bäuml/Marx/ Hechtner/Geserich7

Kanzler/Kraft/Bäuml/Marx/Hechtner/Geserich, EStG, Kommentar, 7. Aufl. 2022

Kirchhof/Seer 21

Kirchhof/Seer, EStG, Kommentar, 21. Auflage 2022

Klein

15

Klein, Abgabenordnung, Kommentar, 15. Aufl. 2020

K/S/M

Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar (Loseblatt)

Moritz/Jesch/Mann2

Moritz/Jesch/Mann, Frankfurter Kommentar zum Kapitalanlagerecht, Band 2: InvStG, 2. Aufl. 2020

Moritz/Klebeck/Jesch

Moritz/Klebeck/Jesch, Frankfurter Kommentar zum Kapitalanlagerecht, Band 1: KAGB, 2016

Patzner/Döser/Kempf3

Patzner/Döser/Kempf, Investmentrecht – Kapitalanlagegesetzbuch, Investmentsteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl. 2017

Patzner/Kempf/Nagler

Patzner/Kempf/Nagler, Investmentsteuergesetz, Kommentar, 2018

Pöllath/Rodin/Wewel

Pöllath/Rodin/Wewel, Private Equity und Venture Capital Fonds, 2018

R/H/vL3

Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Umwandlungssteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl. 2019

Schaumburg4

Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 4. Aufl. 2017

Schmidt41 Schnitger/Fehrenbacher

Schmidt, EStG, Kommentar, 41. Aufl. 2022 2

Schnitger/Fehrenbacher, KStG, Kommentar, 2. Aufl. 2018

S/K/K

Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, Kommentar (Loseblatt)

Streck10

Streck, KStG, Kommentar, 10. Aufl. 2022

Tipke/Lang24

Tipke/Lang, Steuerrecht, 24. Aufl. 2021

XV

Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur T/K Vogel/Lehner

Tipke/Kruse, AO/FGO, Kommentar (Loseblatt) 7

Vogel/Lehner, DBA, Kommentar, 7. Aufl. 2021

Wassermeyer

Wassermeyer, DBA, Kommentar (Loseblatt)

W/B/A3

Weitnauer/Boxberger/Anders, KAGB, mit InvStG, Kommentar, 3. Aufl. 2021

W/R/S2

Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2. Aufl. 2015

W/S/M/H2

Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2022

XVI

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. ABl. Abs. Abschn. Abt. AbzStEntModG

AufbrG Aufl. AufsRSt. AusfAnw. AusfBest. AusFördG AVAVG

anderer Ansicht am angeführten Ort Amtsblatt Absatz Abschnitt Abteilung Gesetz zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung der Kapitalertragsteuer (Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz) v. 2.6.2021, BGBl. I 2021, 1259 abzüglich Aussetzung der Vollziehung Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Änderungsgesetz am Ende Anwendungserlass zur Abgabenordnung alte Fassung Absetzung für Abnutzung Aktiengesellschaft; auch: Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Alternativer Investmentfonds Gesetz zur Anpassung des Investmentsteuergesetzes und anderer Gesetze an das AIFM-Umsetzungsgesetz (AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz) v. 18.12.2013, BGBl. I 2013, 4318. Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM-Umsetzungsgesetz) v. 4.7.2013, BGBl. I 2013, 1981 Anschaffungskosten Aktiengesetz Alternative Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz anderer Meinung Amtliches Mitteilungsorgan der Verwaltung für Finanzen Anhang Anmerkung Abgabenordnung Artikel Außensteuergesetz Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATADUmsetzungsgesetz) v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2035 Aufbringungsgesetz Auflage Aufsichtsratsteuer Ausführungsanweisung Ausführungsbestimmungen Gesetz über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Ausfuhr Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung

BA BaFin BAG

Betriebsausgaben Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesarbeitsgericht

abzgl. AdV AEUV ÄndG a.E. AEAO a.F. AfA AG AIF AIFM-StAnpG AIFM-UmsG AK AktG Alt. AltZertG a.M. AMBlFin. Anh. Anm. AO Art. AStG ATADUmsG

XVII

Abkürzungsverzeichnis

BAGE Banz. BauGB bAV Ba.-Wü. Bay. BayFMBl. BB BbauG Bdb. BdF BeckOK Begr. BEPS-UmsG Besch. Beschl. betr. BewDV BewG bf. Bf(in) BFH BFHE BFH/NV BFM BGB BGBl. BGH BGHZ BKR BlStA BMF BP BR-Drucks. bspw. BStBl. BT-Drucks. Buchst. BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BVerwGE BVI BW bzgl. BZSt bzw.

XVIII

Sammlung der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bundesanzeiger Baugesetzbuch betriebliche Altersversorgung Baden-Württemberg Bayern Bayerisches Finanzministerialblatt Betriebs-Berater Bundesbaugesetz Brandenburg Bundesminister der Finanzen Beck’scher Online-Kommentar Begründung Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen v. 20.12.2016, BGBl. I 2016, 3000 Bescheid Beschluss betreffend Bewertungs-Durchführungsverordnung Bewertungsgesetz beschwerdeführend Beschwerdeführer(in) Bundesfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bundesfinanzministerium Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des BGH in Zivilsachen Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht Bundesministerium der Finanzen Aus Beruf und Praxis Bundesrats-Drucksache beispielsweise Bundessteuerblatt Bundestags-Drucksache Buchstabe Bundesverfassungsgericht Sammlung von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesverwaltungsgericht Sammlung von Entscheidungen des BverwG Bundesverband Investment und Asset Management e.V. Baden-Württemberg bezüglich Bundeszentralamt für Steuern beziehungsweise

Abkürzungsverzeichnis

DB DBA DDR ders. dgl. DGO DGStZ d.h. dies. Diss. DM DMBG DMEB DNotZ DStJG DStPr. DStR DStRE DStZ DStZ/A DStZ/B DStZ/E DurchfAO D-VG DVO DVR

Der Betrieb Doppelbesteuerungsabkommen Deutsche Demokratische Republik derselbe dergleichen Deutsche Gemeindeordnung Deutsche Gemeinde-Steuerzeitung (bis 1979, ab 1980 ZfK) das heißt dieselbe Dissertation Deutsche Mark D-Markbilanzgesetz DM-Eröffnungsbilanz Deutsche Notar-Zeitschrift Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V. Deutsche Steuer-Praxis Deutsches Steuerrecht DStR-Entscheidungsdienst Deutsche Steuerzeitung Deutsche Steuerzeitung, Ausgabe A (bis 1979) Deutsche Steuerzeitung, Ausgabe B – Eildienst (bis 1979) Deutsche Steuerzeitung – Eildienst (1980 bis 1989, ab 1990 StEd) Durchführungsanordnung (Verwaltungsanordnung) deutsche Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen Durchführungsverordnung Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau

-E ECLI

(Gesetzes-)Entwurf European Case Law Identifier, Europäischer Rechtsprechungs-Identifikator Entscheidungen der Finanzgerichte Europäische Gemeinschaft(en) Einführungsgesetz zur Abgabenordnung Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Vertrag zur Gründung der EG Einführungsgesetz Einführungsgesetz zu den Realsteuergesetzen Einheitswertforschreibungsgesetz Einleitung Einspruch Entscheidung Erbschaftsteuer Der Erbschaft-Steuer-Berater Erbschaftsteuergesetz Ergänzungsanweisung Ergänzungsveranlagungsrichtlinien erkennender Senat Erlass Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde Einkommensteuer Der Ertrag-Steuer-Berater Einkommensteuer-Durchführungsverordnung

EFG EG EGAO EGBGB EGV EinfG EinfGRealStG EinhWFortschrG Einl. Einspr. Entsch. ErbSt ErbStB ErbStG ErgAnw. ErgRichtl. erk. Senat Erl. ESMA ESt EStB EStDV

XIX

Abkürzungsverzeichnis

EStG EStH EStR EU EUAHiG

EWG EZ

Einkommensteuergesetz Einkommensteuer-Hinweise Einkommensteuer-Richtlinien Europäische Union Gesetz über die Durchführung der gegenseitigen Amtshilfe in Steuersachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EUAmtshilfegesetz) v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809 Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Erhebungszeitraum

f. FA, FÄ ff. FG FGO FinArch. FinAusglG FinBeh. FinMin. FinSen. FinVerw. Fn. FoStoG FR FS FVG

folgende Finanzamt, Finanzämter fortfolgende Finanzgericht Finanzgerichtsordnung Finanzarchiv Finanzausgleichsgesetz Finanzbehörde Finanzminister/ium Finanzsenator Finanzverwaltung Fußnote Fondsstandortgesetz v. 3.6.2021, BGBl. I 2021, 1498 Finanz-Rundschau Festschrift Gesetz über die Finanzverwaltung

G oder Ges. GA GBl. GbR gem. GemV GenG GewO GewSt GewStAndG GewStDV GewStG GewStPfl. GewStR GewStRG GewStVVO

Gesetz; auch bei zusammengesetzten Abkürzungen Generalanwalt Gesetzblatt Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemäß Gemeinnützigkeitsverordnung Genossenschaftsgesetz Gewerbeordnung Gewerbesteuer Gewerbesteueränderungsgesetz Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung Gewerbesteuergesetz Gewerbesteuerpflicht Gewerbesteuer-Richtlinien Gewerbesteuerrahmengesetz VO über die Erhebung der Gewerbesteuer in vereinfachter Form v. 31.3.1943 (RGBl. I, 237) Grundgesetz gegebenenfalls gleicher Ansicht Gesellschaft mit beschränkter Haftung Kommanditgesellschaft mit GmbH als Komplementärin

EuGH EuGHE

GG ggf. gl.A. GmbH GmbH & Co. KG XX

Abkürzungsverzeichnis

GmbHG GmbHR GmbHStB grds. GrESt GrS GrSt GrStG GVBl. GWR

Gesetz betr. die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Der GmbH-Steuer-Berater grundsätzlich Grunderwerbsteuer Großer Senat Grundsteuer Grundsteuergesetz Gesetzes- und Verordnungsblatt Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)

Halbs. Hbg. FG Hess. HFR HGB HK h.M. Hrsg.

Halbsatz Hamburg Hessisches Finanzgericht Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung Handelsgesetzbuch Herstellungskosten herrschende Meinung Herausgeber

i.d.F. i.d.R. i.H.d. i.H.v. INF insbes. InsO InvAG InvStG InvStRefG i.R.d. IRZ i.S.d. IStR i.S.v. i.Ü. i.V.m.

in der Fassung in der Regel in Höhe des/der in Höhe von Die Information über Steuer und Wirtschaft insbesondere Insolvenzordnung Investmentaktiengesellschaft Investmentsteuergesetz Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung (Investmentsteuerreformgesetz) v. 19.7.2016, BGBl. I 2016, 1730 im Rahmen der/des Zeitschrift für Internationale Rechnungslegung im Sinne der/des Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) im Sinne von im Übrigen in Verbindung mit

jM JStG JW

juris – Die Monatszeitschrift Jahressteuergesetz Juristische Wochenschrift

KAG KAGB Kap. KapErtrSt KapGes. KARBV Kartei KFR KG

Kommunalabgabengesetz Kapitalanlagegesetzbuch Kapitel Kapitalertragsteuer Kapitalgesellschaft Kapitalanlage-Rechnungslegungs- und -Bewertungsverordnung Steuerrechtsprechung im Karteiformat von 1919–1944 Kommentierte Finanzrechtsprechung Kommanditgesellschaft XXI

Abkürzungsverzeichnis

KGaA KöMoG KÖSDI KomAbgG Komm. KRG krit. KSt KStDV KStG KStPfl. KStR KStZ KV KVG KVStG KWG

Kommanditgesellschaft auf Aktien Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2050 Kölner Steuerdialog Kommunalabgabengesetz Kommentar Kontrollratsgesetz kritisch Körperschaftsteuer Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuerpflicht; Körperschaftsteuerpflichtiger Körperschaftsteuer-Richtlinien Kommunale Steuerzeitung Krankenversicherung Kapitalverwaltungsgesellschaft Kapitalverkehrsteuergesetz Kreditwesengesetz

LAG LFA Lfg. Ls. LSt LStDV LStR Ltd. LV

Lastenausgleichsgesetz Landesfinanzamt Lieferung Leitsatz Lohnsteuer Lohnsteuer-Durchführungsverordnung Lohnsteuer-Richtlinien Limited Lebensversicherung

m.a.W. MdI mE MinBlFin. Mio. MLI MoPeG MStb. MTR MV m.w.N. MwStR MwStSystRL

mit anderen Worten Minister des Innern meines Erachtens Ministerialblatt des Bundesministers der Finanzen Million Multilaterales Instrument Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436 Mitteilungsblatt der Steuerberater Mutter-Tochter-Richtlinie Mecklenburg-Vorpommern mit weiteren Nachweisen MehrwertSteuerrecht (Zeitschrift) Mehrwertsteuersystemrichtlinie

Nds. nF NJW Nr. nrkr. NRW NSt. n.v.

Niedersachsen neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Nummer nicht rechtskräftig Nordrhein-Westfalen Neues Steuerrecht von A-Z nicht veröffentlicht

XXII

Abkürzungsverzeichnis

NWB NZB

Neue Wirtschafts-Briefe Nichtzulassungsbeschwerde

o.a. o.Ä. OECD-MK OFD OFH OFPräs. o.g. OGA OGAW OHG ÖPP OVG OWiG

oben angeführt oder Ähnliches Musterkommentar der OECD Oberfinanzdirektion Oberster Finanzgerichtshof Oberfinanzpräsident oben genannt Organismus für gemeinsame Anlagen Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren Offene Handelsgesellschaft Öffentlich-private Partnerschaft Oberverwaltungsgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten

pAV PersGes. Präs.

private Altersvorsorge Personengesellschaft Präsident; auch bei zusammengesetzten Abkürzungen

R. RAO RBewG RdErl. RdF RealSt RegAmtsBl. RegE REIT Rev. RFH RFHE RFM RG RGBl. RGRK RGZ RhPf./Rh.-Pf. RIW rkr. RL RMBl. Rspr. RStBl. RVO RWP-Blattei Rz.

Rechtspruch Reichsabgabenordnung Reichsbewertungsgesetz Runderlass Recht der Finanzinstrumente auch: Reichsminister der Finanzen Realsteuer Regierungsamtsblatt Regierungsentwurf Real Estate Investment Trust Revision Reichsfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Reichsfinanzhofs Reichsfinanzministerium Reichsgericht Reichsgesetzblatt Kommentar der Reichsgerichtsräte Sammlung von Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rheinland-Pfalz Recht der Internationalen Wirtschaft rechtskräftig Richtlinie Reichsministerialblatt Rechtsprechung Reichssteuerblatt Reichsversicherungsordnung Rechts- und Wirtschaftspraxis Randziffer

s. S.

siehe Seite XXIII

Abkürzungsverzeichnis

Saarl. Sa.-Anh. Schl.-Holst. SGB sog. SolZ Sp. St StÄndG StAnpG StBerG

StuW StuZBl. StVj StWa. StWK

Saarland Sachsen-Anhalt Schleswig-Holstein Sozialgesetzbuch so genannt Solidaritätszuschlag Spalte Steuer Steueränderungsgesetz Steueranpassungsgesetz Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten Steuerbereinigungsgesetz Die Steuerberatung Steuerberater-Jahrbuch (mit Jahrgang) Die steuerliche Betriebsprüfung (Zeitschrift) Steuer-Eildienst (ab 1990, bis 1989 DStZ/E) Steuererlasse in Karteiform Steuerrecht kurzgefaßt steuerfrei Strafgesetzbuch Das Steuer-Lexikon Gesetz zur Neuordnung von Steuern Der Steuerpraktiker Steuerpflicht; Steuerpflichtiger steuerpflichtig ständige Rechtsprechung Steuersäumnisgesetz Steuern und Finanzen Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz) v. 23.6.2017, BGBl. I 2017, 1682 Steuern und Wirtschaft Steuer- und Zollblatt Steuerliche Vierteljahresschrift Steuerwarte Steuer- und Wirtschafts-Kurzpost

TGV Thür. Tz.

Teilgesellschaftsvermögen Thüringen Textziffer

u. u.a. Überl. Ubg UBGG u.E. UG UmwG UmwStG UntStRefG

und unter anderem Überleitung Die Unternehmensbesteuerung Gesetz über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften unseres Erachtens Unternehmensgesellschaft Umwandlungsgesetz Umwandlungssteuergesetz Unternehmensteuerreformgesetz

StBereinG Stbg. StbgJb. StBp. StEd StEK SteuK stfrei StGB StLex. StNG StP StPfl. stpfl. st. Rspr. StSäumG StuF StUmgBG

XXIV

Abkürzungsverzeichnis

UR Urt. USt UStAE UStDB UStDV UStG UStR usw. u.U.

Umsatzsteuer-Rundschau Urteil Umsatzsteuer Umsatzsteuer-Anwendungserlass Umsatzsteuer-Durchführungsbestimmungen Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung Umsatzsteuergesetz Umsatzsteuer-Richtlinien und so weiter unter Umständen

v. VAG VermBG VersW VerwBl. Vfg. VG vgl. vH VO VSt VStG vT VuV VwGO VwZG VZ

vom Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer Die Versicherungswirtschaft Verwaltungsblatt Verfügung Verwaltungsgericht vergleiche vom Hundert Verordnung Vermögensteuer Vermögensteuergesetz vom Tausend Vermietung und Verpachtung Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungszustellungsgesetz Veranlagungszeitraum

WEG WiGBl. WK WM WohnBG oder WBG Wpg. WPO WpPG WT WuW

Wohnungseigentumsgesetz Gesetzblatt der Verwaltung des vereinigten Wirtschaftsgebietes Werbungskosten Wertpapier-Mitteilungen Wohnungsbaugesetz Die Wirtschaftsprüfung Wirtschaftsprüferordnung Wertpapierprospektgesetz Der Wirtschaftstreuhänder Wirtschaft und Wettbewerb

ZAG z.B. ZerlG ZfgK ZfIR ZfK ZGR Ziff. ZPO z.T. zzgl. z.Zt.

Gesetz über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten zum Beispiel Zerlegungsgesetz Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Zeitschrift für Immobilienrecht Zeitschrift für Kommunalfinanzen (ab 1980, bis 1979 DGStZ) Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Ziffer Zivilprozessordnung zum Teil zuzüglich zur Zeit XXV

XXVI

Einführung (vor § 1) Einleitung 1 Überblick A. Grundlagen und wirtschaftliche Bedeutung I. Einführung und Klassifizierungen 1. Investmentvermögen . . . . . . . . . . . . . . 2. Klassifikation von Investmentvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Spezial-Investmentfonds . . . . . . . . . . . II. Entwicklung des verwalteten Vermögens III. Klassifizierung der Anleger . . . . . . . . . . . IV. Aufbau des InvStG und Verweise in andere Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Überblick über die Besteuerungssysteme I. Besteuerung von Investmentfonds auf der Ebene des Investmentfonds . . . . . . . II. Besteuerung von Investmentfonds auf der Anlegerebene 1. Natürliche Personen mit Anteilen im Privatvermögen a) Ausschüttungen . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorabpauschale . . . . . . . . . . . . . . . . c) Veräußerungsgewinne . . . . . . . . . . 2. Anteile im Betriebsvermögen a) Erstattung der Körperschaftsteuer des Investmentfonds an steuer-

1 4 11 23 27 32 35

38

44 48 55

begünstigte Anleger/Investmentfonds oder Anteilklassen für steuerbegünstigte Anleger . . . . . . . . . . . . 62 b) Ausschüttungen . . . . . . . . . . . . . . . 76 c) Vorabpauschalen . . . . . . . . . . . . . . 82 d) Veräußerungsgewinne . . . . . . . . . . 90 e) Übersicht über die Besteuerung von Investmentfonds im Betriebsvermögen III. Besteuerung von Spezial-Investmentfonds auf der Ebene des Spezial-Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 IV. Besteuerung von Spezial-Investmentfonds auf der Ebene der Anleger 1. Natürliche Personen mit Anteilen im Privatvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2. Anteile im Betriebsvermögen a) Ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträge . . . . . . . . . . . . . . . . 105 b) Gewinne aus der Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen . . . . . . 123 c) Übersicht über die Besteuerung von Spezial-Investmentfonds im Betriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . 131

A. Grundlagen und wirtschaftliche Bedeutung I. Einführung und Klassifizierungen 1. Investmentvermögen Über Investmentvermögen erhalten Anleger einen Zugang zu Wertpapier- und Immobilien- 1 märkten auf der ganzen Welt, verbunden mit Portfoliomanagement- und Risikosteuerungsleistungen. Dies gilt sowohl für Kleinanleger als auch für institutionelle Anleger. Investmentvermögen sind insbes. für die private Altersvorsorge (pAV) und betriebliche Al- 2 tersversorgung (bAV) bedeutend. Mitte 2021 betrug der Anteil von Investmentfonds bei den Kapitalanlagen von Lebensversicherungsunternehmen 46 % und von Pensionseinrichtungen 65 %. Von den 4,3 Billionen Euro (Stand 31.12.2021), die die Fondsbranche in Deutschland verwaltet, dienen rund 1,8 Billionen Euro der pAV und bAV, davon über 500 Milliarden Euro der bAV. Bei der Riester-Rente entfallen fast 3,3 Millionen der insgesamt 16,2 Millionen Verträge auf reine Fondssparpläne. Die Fondsgesellschaften verwalteten darin Ende des dritten Quartals 2021 ein Vermögen von 41 Milliarden Euro. Sedlmaier | 1

Rz. 3 | Einleitung 1 Überblick 3 Das KAGB definiert für das Investmentrecht grundlegend ein Investmentvermögen als Orga-

nismus für gemeinsame Anlagen, der von einer Anzahl von Anlegern Kapital einsammelt, um es gemäß einer festgelegten Anlagestrategie zum Nutzen dieser Anleger zu investieren und der kein operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors ist (§ 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB). Damit auch die in Deutschland verbreiteten Spezialfonds mit nur einem Anleger dem KAGB unterliegen, ist eine Anzahl von Anlegern gegeben, wenn die Anlagebedingungen, die Satzung oder der Gesellschaftsvertrag des Organismus für gemeinsame Anlagen die Anzahl möglicher Anleger nicht auf einen Anleger begrenzen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 KAGB).1 2. Klassifikation von Investmentvermögen

4 Die investmentrechtliche Definition und Klassifikation von Investmentvermögen bildet in ge-

wisser Hinsicht die Grundlage, ist ansonsten allerdings zu unterscheiden von der investmentsteuerrechtlichen Definition und Klassifikation von Investmentfonds (s. dazu Rz. 11 ff.). Investmentvermögen können investmentrechtlich in unterschiedlicher Weise klassifiziert werden. Grundlegend ist dabei die Klassifizierung nach der Art der Anleger und der Investitionsschwerpunkte.

5 Das KAGB unterscheidet grundlegend zwischen Investmentvermögen, die die Anforderungen

der Richtlinie 2009/65/EG2 erfüllen (OGAW), und anderen Investmentvermögen, die als Alternative Investmentfonds (AIF) bezeichnet werden (§ 1 Abs. 2 und Abs. 3 KAGB).

6 Ferner differenziert das KAGB zwischen offenen Investmentvermögen und geschlossenen In-

vestmentvermögen. OGAW sind stets offene Investmentvermögen (§ 1 Abs. 4 Nr. 1 KAGB). AIF sind offene Investmentvermögen, wenn Anteile an dem AIF vor Beginn der Liquidationsoder Auslaufphase auf Ersuchen eines Anteilseigners direkt oder indirekt aus den Vermögenswerten des AIF und nach den Verfahren und mit der Häufigkeit, die in den Vertragsbedingungen oder der Satzung, dem Prospekt oder den Emissionsunterlagen festgelegt sind, zurückgekauft oder zurückgenommen werden (§ 1 Abs. 4 Nr. 2 KAGB i.V.m. Art. 1 Abs. 2 der Delegierten VO Nr. 694/20143). Andere AIF sind geschlossene AIF (§ 1 Abs. 5 KAGB).

7 Zudem differenziert das KAGB zwischen Publikumsinvestmentvermögen und Spezial-AIF.

Spezial-AIF sind AIF, deren Anteile aufgrund von schriftlichen Vereinbarungen mit der Verwaltungsgesellschaft oder aufgrund der konstituierenden Dokumente des AIF nur von professionellen oder semiprofessionellen Anlegern erworben werden dürfen (§ 1 Abs. 6 Satz 1 KAGB). Damit können sich Privatanleger typischerweise nicht an Spezial-AIF beteiligen (§ 1 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 1 Abs. 19 Nr. 33 KAGB). Andere Investmentvermögen – OGAW und AIF, die nicht Spezial-AIF sind – sind Publikumsinvestmentvermögen (§ 1 Abs. 6 Satz 2 KAGB).

8 Innerhalb der offenen inländischen Publikumsinvestmentvermögen (also OGAW und offe-

ne AIF, die keine Spezial-AIF sind) differenziert das KAGB nach der rechtlichen Ausgestaltung der Investmentvermögen. Offene inländische Publikumsinvestmentvermögen sind entweder nicht rechtsfähige Sondervermögen (§ 1 Abs. 10 KAGB) oder Investmentaktiengesellschaften mit variablem Kapital (§ 91 Abs. 1 KAGB). Inländische Spezial-AIF können darüber

1 Weiterführend zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen des § 1 Abs. 1 KAGB vgl. BaFin v. 14.6.2013 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, zuletzt geändert am 9.3.2015. 2 RL 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13.7.2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betr. bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren, ABl. EU Nr. L 302, 1 (zuletzt geändert durch RL 2014/91/EU v. 23.7.2014). 3 Delegierte VO (EU) Nr. 694/2014 der Kommission v. 17.12.2013 zur Ergänzung der RL 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards zur Bestimmung der Arten von Verwaltern alternativer Investmentfonds, ABl. EU Nr. L 183, 18.

2 | Sedlmaier

A. Grundlagen und wirtschaftliche Bedeutung | Rz. 15

hinaus auch als offene Investmentkommanditgesellschaften errichtet werden (§ 91 Abs. 2 KAGB). Im Hinblick auf Anlageschwerpunkte offener inländischer Publikumsinvestmentvermögen 9 unterscheidet das KAGB zwischen Wertpapierfonds (OGAW, Gemischte Investmentvermögen, Sonstige Investmentvermögen und Dach-Hedgefonds) sowie Immobilien-Sondervermögen (§§ 192 bis 260 KAGB). Weitere Aussagen zu Anlageschwerpunkten enthält darüber hinaus die Fondskategorien-RL, 10 die die BaFin aufgrund des § 4 Abs. 2 KAGB erlassen hat.1 Danach setzt die Verwendung einer Fondskategorie (z.B. Aktienfonds, Equity Funds, Rentenfonds, Bond Funds, Immobilienfonds, Private-Equity Fonds etc.) oder einer ihrer begrifflichen Bestandteile (z.B. Renten, Bonds, Aktien, Immobilien, Private-Equity etc.) bei der Namensgebung oder im Vertrieb grds. voraus, dass nach den Anlagebedingungen fortlaufend mehr als 50 % des Wertes des Investmentvermögens in den die Fondskategorie bezeichnenden, d.h. namensgebenden Vermögensgegenständen angelegt sein müssen (z.B. Aktienfonds: mehr als 50 % Aktien; Rentenfonds: mehr als 50 % [fest-]verzinsliche Wertpapiere etc.) (Art. 2 Abs. 1 der Fondskategorien-RL). 3. Investmentfonds Das InvStG ist auf Investmentfonds und deren Anleger anzuwenden (§ 1 Abs. 1 InvStG). 11 Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 InvStG sind Investmentfonds grds. die Investmentvermögen nach § 1 Abs. 1 des KAGB. Es besteht jedoch keine Bindungswirkung an eine aufsichtsrechtliche Entscheidung der BaFin in Zweifelsfällen (§ 1 Abs. 2 Satz 2 InvStG). Zudem enthalten § 1 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 InvStG Ergänzungen und Ausnahmen. Investmentfonds sind allerdings auch Organismen für gemeinsame Anlagen i.S.d. § 1 Abs. 1 12 Satz 1 KAGB, bei denen die Zahl der möglichen Anleger auf einen Anleger begrenzt ist, KapGes., denen eine operative unternehmerische Tätigkeit untersagt ist und die keiner Ertragsbesteuerung unterliegen bzw. von einer Ertragsbesteuerung befreit sind, und Investmentvermögen, auf die das KAGB nach § 2 Abs. 3 KAGB nicht anzuwenden ist, weil deren Anleger ausschließlich die verwaltende KVG selbst als eine demselben Konzern angehörige Gesellschaft ist (§ 1 Abs. 2 Satz 3 InvStG). Zudem gelten haftungs- und vermögensrechtlich voneinander getrennte Teile eines Investmentfonds für Zwecke des InvStG als Investmentfonds (§ 1 Abs. 4 InvStG). Investmentfonds sind jedoch nicht Holdinggesellschaften, Einrichtungen der bAV, supranatio- 13 nale Einrichtungen/Organisationen, Zentralbanken, Einrichtungen, die Gelder zur Unterstützung von Sozialversicherungs- und Pensionssystemen verwalten, Arbeitnehmerbeteiligungssysteme oder Arbeitnehmersparpläne, Verbriefungszweckgesellschaften, Unternehmensbeteiligungsgesellschaften, Kapitalbeteiligungsgesellschaften im öffentlichen Interesse und REITs (§ 1 Abs. 3 InvStG). Ebenso keine Investmentfonds sind grds. Investmentvermögen in der Rechtsform einer Personengesellschaft, auch dann nicht, wenn sie nach § 1a KStG zur Körperschaftsbesteuerung optiert haben (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Satz 3 InvStG). OGAW sind immer Investmentfonds. Das InvStG lehnt sich bei der Definition von Aktien-, Misch- und Immobilienfonds an die 14 Fondskategorien-RL an.2 Nach § 2 Abs. 6 Satz 1 InvStG ist ein Investmentfonds ein Aktienfonds, wenn er gemäß den 15 Anlagebedingungen fortlaufend mehr als 50 % seines Aktivvermögens in Kapitalbeteiligungen 1 Abrufbar unter www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Aufsichtsrecht/Richtlinie/ rl_130722_fondskategorien.html. 2 Vgl. BT-Drucks. 18/8045. Sedlmaier | 3

Rz. 15 | Einleitung 1 Überblick

investiert. Alternativ ist ein Investmentfonds ebenfalls ein Aktienfonds nach § 2 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. Abs. 9a Satz 2 InvStG, wenn er gemäß seinen Anlagebedingungen fortlaufend mehr als 50 % seines Wertes in Kapitalbeteiligungen investiert. Falls auf den Wert abgestellt wird, sind Kredite entsprechend dem Anteil der Kapitalbeteiligung am Wert aller Vermögensgegenstände von den Kapitalbeteiligungen abzuziehen (§ 2 Abs. 9a Satz 3 InvStG). Der Gesetzgeber geht davon aus, dass damit beide Berechnungsmethoden zu demselben Ergebnis führen.1 Zu Einzelheiten zu diesem Themenkomplex s. § 2 InvStG Rz. 34 ff. 16 Ein Mischfonds liegt vor, wenn ein Investmentfonds nach seinen Anlagebedingungen fortlau-

fend mindestens 25 % seines Aktivvermögens bzw. seines Wertes in Kapitalbeteiligungen investiert, wobei bei dem Abstellen auf den Wert wiederum Kredite die Kapitalbeteiligungen anteilig mindern (§ 2 Abs. 7 i.V.m. § 2 Abs. 9a Satz 2 und 3 InvStG).

17 Kapitalbeteiligungen sind im Wesentlichen börsennotierte Aktien, sofern diese Aktien nicht

gleichzeitig Anteile an Investmentfonds sind (§ 2 Abs. 8 InvStG). Nach Auffassung der FinVerw. ist dabei rein auf die gehaltenen Aktien abzustellen, währenddessen marktrisikoerhöhende oder marktrisikosenkende Derivate nicht zu berücksichtigen sind.2 Anteile an Investmentfonds gelten zu 51 % ihres Wertes als Kapitalbeteiligung, wenn es sich um Aktienfonds handelt (§ 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 InvStG). Sie gelten zu 25 % ihres Wertes als Kapitalbeteiligung, wenn es sich um Mischfonds handelt (§ 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 4 InvStG). Sieht ein Aktienfonds in seinen Anlagebedingungen einen höheren Prozentsatz als 51 % seines Aktivvermögens für die fortlaufende Mindestanlage in Kapitalbeteiligungen vor, gilt abweichend der Investmentanteil im Umfang dieses höheren Prozentsatzes als Kapitalbeteiligung (§ 2 Abs. 8 Satz 2 InvStG). Sieht ein Mischfonds in seinen Anlagebedingungen einen höheren Prozentsatz als 25 % seines Aktivvermögens für die fortlaufende Mindestanlage in Kapitalbeteiligungen vor, gilt abweichend der Investmentanteil im Umfang dieses höheren Prozentsatzes als Kapitalbeteiligung (§ 2 Abs. 8 Satz 3 InvStG). Zu Einzelheiten zu diesem Themenkomplex s. § 2 InvStG Rz. 64 ff.

18 Die vom Branchenverband BVI (Bundesverband Investment und Asset Management e.V.) mit

der BaFin abgestimmten Muster-Anlagebedingungen3 enthalten hierfür gesonderte Bausteine.

19 Ein Immobilienfonds ist gegeben, wenn ein Investmentfonds nach seinen Anlagebedingungen

fortlaufend mehr als 50 % seines Aktivvermögens bzw. seines Wertes in Immobilien und Immobiliengesellschaften investiert, wobei bei dem Abstellen auf den Wert wiederum Kredite die Kapitalbeteiligungen anteilig mindern (§ 2 Abs. 9 Satz 1 i.V.m. Abs. 9a Sätze 2 und 3 InvStG). Zu Einzelheiten zu diesem Themenkomplex s. § 2 InvStG Rz. 84 ff.

20 Die vom BVI mit der BaFin abgestimmten Muster-Anlagebedingungen enthalten hierfür

ebenfalls gesonderte Bausteine.4

21 Im Gegensatz dazu sieht der BVI für statistische Zwecke im Kern folgende Kategorisierung vor:

– – – –

Aktienfonds sind Fonds mit mindestens 85 %-Aktienexposure. Rentenfonds sind Fonds mit mindestens 90 %-Rentenexposure. Mischfonds haben schwerpunktmäßig ein dauerhaft stabiles Aktien- und Rentenexposure. Immobilienfonds sind Fonds, die überwiegend in Immobilien investieren.

1 Vgl. BT-Drucks. 372/18. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.28. 3 Abrufbar unter www.bvi.de/service/muster-und-arbeitshilfen/kapitalanlagegesetzbuch-muster-anlagebedingungen/ 4 Abrufbar unter www.bvi.de/service/muster-und-arbeitshilfen/kapitalanlagegesetzbuch-muster-anlagebedingungen/

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A. Grundlagen und wirtschaftliche Bedeutung | Rz. 26

Das Abstellen auf das Exposure, also auf das eingegangene Marktrisiko, bei den Wertpapier- 22 fonds führt dazu, dass es entgegen der steuerlichen Einstufung nicht darauf ankommt, ob das Anlage-/Risikoprofil durch den Einsatz von Aktien oder Renten oder durch Derivate erreicht wird. 4. Spezial-Investmentfonds Spezial-Investmentfonds sind Investmentfonds, die die Voraussetzungen für eine Gewerbe- 23 steuerbefreiung nach § 15 Abs. 2 und 3 InvStG erfüllen und die in der Anlagepraxis nicht wesentlich gegen einen Katalog von Anlagebestimmungen, die aus den Anlagebedingungen hervorgehen müssen, verstoßen (§ 26 InvStG). Um die Voraussetzungen für die Gewerbesteuerbefreiung zu erfüllen, muss der objektive Ge- 24 schäftszweck auf die Anlage und Verwaltung der Mittel für gemeinschaftliche Rechnung der Anleger beschränkt sein (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 InvStG). Außerdem darf der Investmentfonds seine Vermögensgegenstände nicht im wesentlichen Umfang aktiv unternehmerisch bewirtschaften (§ 15 Abs. 2 Nr. 2 InvStG). Diese Voraussetzungen gelten als erfüllt, wenn die Einnahmen aus einer aktiven unternehmerischen Bewirtschaftung in einem Geschäftsjahr weniger als 5 % der gesamten Einnahmen des Investmentfonds betragen (§ 15 Abs. 3 InvStG). Zu Einzelheiten zu diesem Themenkomplex s. § 15 InvStG Rz. 9 ff. Der Katalog der einzuhaltenden Anlagebestimmungen in § 26 InvStG stimmt in weiten Teilen 25 mit den aufsichtsrechtlichen Vorgaben für Spezial-AIF mit festen Anlagebedingungen nach § 284 KAGB überein. Es bedarf beispielsweise einer Investmentaufsicht, es muss eine Rückgabemöglichkeit der Anteile bestehen, die Anlage hat nach dem Grundsatz der Risikomischung zu erfolgen, es sind nur bestimmte Anlagegegenstände zulässig und die Kreditaufnahme ist beschränkt. Im Detail gehen die Anforderungen des § 26 InvStG an einen Spezial-Investmentfonds je- 26 doch einerseits über die aufsichtsrechtlichen Vorgaben nach § 284 KAGB hinaus: Zunächst besteht nur steuerlich die Vorgabe, dass die Voraussetzungen für eine Gewerbesteuerbefreiung erfüllt sein müssen (§ 26 i.V.m. § 15 Abs. 2 und 3 InvStG). Ferner sind die Anforderungen an die Möglichkeit zur Rückgabe von Anteilen steuerlich höher (einmal pro Jahr statt lediglich vor der Liquidationsphase; § 26 Nr. 2 InvStG statt § 1 Abs. 4 Nr. 2 KAGB i.V.m. Art. 1 Abs. 2 der Delegierten Verordnung1), die erwerbbaren Wertpapiere sind steuerlich enger definiert (Wertpapiere im engeren Sinne des § 193 KAGB und sonstige Anlageinstrumente i.S.d. § 198 KAGB statt Wertpapiere i.S.d. § 284 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a KAGB), die Anforderungen an steuerlich erwerbbare Zielfondsanteile sind höher (AIF nur unter bestimmten Bedingungen statt alle offenen Investmentvermögen; § 26 Nr. 4 Buchst. h und i InvStG statt § 284 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. g KAGB), die Form der Unternehmensbeteiligung ist steuerlich auf Beteiligungen an Kapitalgesellschaften eingeschränkt (§ 26 Nr. 4 Buchst. m InvStG ggü. § 284 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. i KAGB), die maximale Beteiligungsquote ist steuerlich auf unter 10 % des Kapitals von Kapitalgesellschaften beschränkt (§ 26 Nr. 6 InvStG) und der Kreis der Anleger, die sich unmittelbar oder mittelbar steuerlich beteiligen dürfen, ist auf bis zu 100 Anleger, die grds. keine natürlichen Personen sein dürfen, begrenzt. Andererseits darf das Vermögen zu maximal 10 % des Werts in Vermögensgegenstände angelegt werden, die steuerlich (und auch nach § 284 Abs. 2 KAGB) ansonsten nicht erworben werden dürften (§ 26 Nr. 4 InvStG). Zu Einzelheiten zu diesem Themenkomplex s. § 26 InvStG Rz. 32.

1 Delegierte VO (EU) Nr. 694/2014 der Kommission v. 17.12.2013 zur Ergänzung der RL 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards zur Bestimmung der Arten von Verwaltern alternativer Investmentfonds, ABl. EU Nr. L 183, 18. Sedlmaier | 5

Rz. 27 | Einleitung 1 Überblick

II. Entwicklung des verwalteten Vermögens 27 Nach Angaben des BVI verwaltete die Branche zum 31.12.2021 insgesamt 4,3 Billionen Euro,

davon knapp 3,7 Billionen Euro in Investmentvermögen. Von den 3,7 Billionen Euro entfielen auf Publikumsfonds (in Deutschland und im Ausland aufgelegte Investmentvermögen, die überwiegend an Privatanleger in Deutschland vertrieben werden) fast 1,5 Billionen Euro und auf Spezialfonds (in Deutschland und im Ausland aufgelegte Investmentvermögen, die in Deutschland an institutionelle Anleger vertrieben werden) rund 2,2 Billionen Euro. Daneben verwaltete die Branche Vermögen außerhalb von Investmentfonds (sog. freie Mandate) von gut 0,6 Billionen Euro.

28 Das verwaltete Vermögen hat sich in den letzten zehn Jahren rasant entwickelt:

29 Dieses in Deutschland festzustellende Wachstum ist Teil eines globalen Trends. Seit 2011 ist

das verwaltete Vermögen weltweit von 20 Billionen Euro auf über 63 Billionen Euro gestiegen, und zwar zum einen, weil die Preise von Aktien, Anleihen und Immobilien deutlich gestiegen sind, und zum anderen, weil das Neugeschäft angezogen hat. Insbesondere nutzen institutionelle Anleger wie Versicherungen, Altersvorsorgeeinrichtungen und Stiftungen zunehmend die Anlage über Investmentvermögen.

30 Eine Gliederung der offenen Publikumsfonds (in Deutschland und im Ausland aufgelegte In-

vestmentvermögen, die an Privatanleger in Deutschland vertrieben werden) nach Anlageschwerpunkten in den letzten fünf Jahren kann der folgenden Tabelle entnommen werden:

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A. Grundlagen und wirtschaftliche Bedeutung | Rz. 33 Fondskategorie

2016

2021

Aktienfonds

340

633

Mischfonds

228

403

Rentenfonds

195

231

Immobilienfonds

88

125

Geldmarktfonds

11

34

sonstige Fonds

53

45

915

1.471

Summe Quelle: BVI; Angaben in Mrd. Euro; Stichtag ist jeweils der 31.12.

Eine Gliederung der in Deutschland aufgelegten offenen Spezialfonds (in Deutschland und im 31 Ausland aufgelegte Investmentvermögen, die in Deutschland an institutionelle Anleger vertrieben werden) nach Anlageschwerpunkten zum 31.12.2021 zeigt folgendes Bild: Fondskategorie

Bestand in Mrd. €

Aktienfonds

154

Rentenfonds gemischte Wertpapierfonds

463 1.104

Immobilienfonds

154

Hedgefonds

6

sonstige Fonds

105

Dachfonds Summe

160 2.150

Quelle: Deutsche Bundesbank Investmentfondsstatistik

III. Klassifizierung der Anleger Die Anleger in Publikumsfonds sind größtenteils den Kapitalverwaltungsgesellschaften nicht 32 bekannt. Daher existiert auch keine Übersicht über die in Publikumsfonds investierten Anlegergruppen. Der größte Teil entfällt aber sicherlich auf in Deutschland unbeschränkt stpfl. Privatanleger. Die Anleger in Spezialfonds sind den Kapitalverwaltungsgesellschaften hingegen bekannt:

Sedlmaier | 7

33

Rz. 33 | Einleitung 1 Überblick

34 Die Zusammensetzung der Anleger ist auch in steuerlicher Hinsicht interessant, da letztlich

bei der Ermittlung der Steuerbelastung – und der dadurch einhergehenden Renditeminderung – sowohl eine Besteuerung auf Fondsebene als auch eine Besteuerung auf Anlegerebene einzubeziehen ist und für einen großen Teil der in Spezialfonds investierenden Anleger steuerliche Sonderregelungen gelten (z.B. für Lebensversicherungsunternehmen: § 44a Abs. 5 EStG sowie § 8b Abs. 8 und § 21 KStG).

IV. Aufbau des InvStG und Verweise in andere Gesetze 35 Das InvStG besteht aus 58 Paragrafen (§§ 1 bis 57 und § 5a InvStG), die auf 6 Kapitel verteilt

sind. Die Kapitel sind in Abschnitte untergliedert.

36 Das InvStG enthält neben allgemeinen Regeln (Kapitel 1), Sonderregelungen für Altersvorsor-

gevermögensfonds (Kapitel 4) und Verschmelzungen (Kapitel 5) sowie Bußgeld- und Übergangsbestimmungen (Kapitel 6) im Wesentlichen zwei unterschiedliche Besteuerungssysteme: Ein Besteuerungssystem für Investmentfonds und deren Anleger (Kapitel 2) sowie ein anderes Besteuerungssystem für Spezial-Investmentfonds und deren Anleger (Kapitel 3). Bei beiden Besteuerungssystemen ist stets zwischen der Fonds- und der Anlegerebene zu trennen. Auf der Fondsebene werden z.T. nur Einkünfte ermittelt. Zum Teil sind Einkünfte des Fonds körperschaftsteuerpflichtig. Auf der Anlegerebene sind Besonderheiten zu beachten, die sich aus den Besteuerungsregelungen für bestimmte Anlegergruppen ergeben, wie z.B. vollumfänglich persönlich steuerbefreite Anleger oder Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen, bei denen nach § 21 KStG Zuführungen zu Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen steuerlich zu beachten sind. 8 | Sedlmaier

B. Überblick über die Besteuerungssysteme | Rz. 42

Das InvStG verweist in großem Umfang auf andere Gesetze. Wesentlich sind die Verweise 37 – in das KAGB, wobei § 2 Abs. 1 InvStG anordnet, dass die Begriffsbestimmungen des KAGB gelten, sofern das InvStG keine abweichenden Begriffsbestimmungen definiert, – auf die §§ 194 bis 203 AO im Rahmen einer Betriebsprüfung eines Investmentfonds (§ 5 Abs. 2 Satz 2 InvStG) und – in das EStG, KStG und GewStG zur Besteuerung eines Investmentfonds, zum Kapitalertragsteuerabzugsverfahren und zur materiellen Besteuerung der Anleger.

B. Überblick über die Besteuerungssysteme I. Besteuerung von Investmentfonds auf der Ebene des Investmentfonds Investmentfonds sind Körperschaft- und Gewerbesteuersubjekte (§ 6 Abs. 1 und § 15 Abs. 1 38 InvStG). Ein Investmentfonds ist grds. von der KSt und GewSt befreit (§ 6 Abs. 2 Satz 1 InvStG, § 15 Abs. 2 InvStG). Er ist jedoch partiell körperschaftsteuerpflichtig mit seinen inländischen Beteiligungseinnahmen, inländischen Immobilienerträgen und sonstigen inländischen Einkünften i.S.d. beschränkten Einkommensteuerpflicht, mit Ausnahme von Gewinnen aus dem Verkauf von Anteilen an KapGes. i.S.d. § 17 EStG (§ 6 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3, Abs. 4 und Abs. 5 InvStG). Der Steuersatz beträgt 15 % (§ 23 Abs. 1 KStG). Inländische Beteiligungseinnahmen sind im Wesentlichen inländische Dividenden (§ 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvStG i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 1 Buchst. a und § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Inländische Immobilienerträge sind Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung von im Inland belegenen Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten und Gewinne aus der Veräußerung von im Inland belegenen Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten (§ 6 Abs. 4 Satz 1 InvStG). Gewinne aus der Veräußerung von im Inland belegenen Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten sind insoweit steuerfrei, als sie auf Wertveränderungen entfallen, die vor dem 1. Januar 2018 eingetreten sind, sofern der Zeitraum zwischen der Anschaffung und der Veräußerung mehr als zehn Jahre beträgt (§ 6 Abs. 4 Satz 3 InvStG). Soweit die Steuer auf stpfl. Einkünfte im Wege des Kapitalertragsteuerabzugs erhoben wird, 39 sind der Ansatz von Werbungskosten sowie eine Verrechnung mit negativen Erträgen ausgeschlossen und der Steuersatz von 15 % umfasst bereits den Solidaritätszuschlag (§ 6 Abs. 7 Satz 3 und § 7 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 InvStG). Bei anderen stpfl. Einkünften, wie insbes. inländischen Immobilienerträgen, sind die Einkünf- 40 te als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (insbes. Absetzungen für Abnutzungen bei Gebäuden), die in einem wirtschaftlichen Zusammenhang zu den entsprechenden Einnahmen stehen, zu ermitteln (§ 6 Abs. 7 Satz 1 InvStG). Die Gewerbesteuerbefreiung setzt voraus, dass der objektive Geschäftszweck des Investment- 41 fonds auf die Anlage und Verwaltung seiner Mittel für gemeinschaftliche Rechnung der Anleger beschränkt ist und er seine Vermögensgegenstände nicht im wesentlichen Umfang aktiv unternehmerisch bewirtschaftet (§ 15 Abs. 2 Satz 1 InvStG).1 Dies gilt als erfüllt, wenn die Einnahmen aus einer aktiven unternehmerischen Bewirtschaftung in einem Geschäftsjahr weniger als 5 % der gesamten Einnahmen des Investmentfonds betragen (§ 15 Abs. 3 InvStG). Werden die Voraussetzungen für eine Gewerbesteuerbefreiung nicht eingehalten, bildet die ge- 42 werbliche Tätigkeit eines Investmentfonds einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 15 Abs. 4 Satz 1 InvStG). Die übrigen vermögensverwaltenden Tätigkeiten bleiben in diesem Fall gewerbesteuerfrei, insbes. infizieren gewerbliche Nebentätigkeiten im Zusammenhang mit der 1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.2 ff. Sedlmaier | 9

Rz. 42 | Einleitung 1 Überblick

Vermietung einer Immobilie nicht die originären gewerbesteuerfreien Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.1 Der GewSt unterliegt der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb, soweit er im Inland betrieben wird (§ 2 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 GewStG).2 43 Investmentfonds können nicht in das Besteuerungsregime für Spezial-Investmentfonds

wechseln (§ 24 InvStG).

II. Besteuerung von Investmentfonds auf der Anlegerebene 1. Natürliche Personen mit Anteilen im Privatvermögen a) Ausschüttungen 44 Ausschüttungen eines Investmentfonds sind grds. stpfl. (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 InvStG i.V.m. § 20

Abs. 1 Nr. 3 EStG). Bei Investmentfonds in Abwicklung kann ein Teil der Ausschüttung als steuerfreie Kapitalrückzahlung gelten (§ 17 InvStG, zu Einzelheiten zu diesem Themenkomplex s. § 17 InvStG Rz. 10 ff.). Zudem können die Ausschüttungen zum Teil stfrei gestellt sein (Teilfreistellungen). Erfüllt ein Investmentfonds die steuerlichen Voraussetzungen für einen Aktienfonds, sind 30 % der Ausschüttungen stfrei (§ 2 Abs. 6 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1 InvStG). Erfüllt er die steuerlichen Voraussetzungen für einen Mischfonds, sind 15 % der Ausschüttungen stfrei (§ 2 Abs. 7 i.V.m. § 20 Abs. 2 InvStG). Bei Immobilienfonds beträgt die Teilfreistellung 60 % bzw. 80 %, wenn der Immobilienfonds einen Auslandsschwerpunkt hat (§ 20 Abs. 3 InvStG).

45 Die stpfl. Ausschüttungen unterliegen dem grds. abgeltend wirkenden Steuerabzug von 25 %

(zuzüglich Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer), wenn die Fondsanteile in einem inländischen Depot verwahrt werden (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG, § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 EStG, § 43 Abs. 5 EStG, § 51a Abs. 2b EStG, § 1 Abs. 3 SolZG). Dabei sind Teilfreistellungen grds. zu berücksichtigen (§ 43a Abs. 2 Satz 1 EStG).

46 Vom Steuerabzug kann jedoch Abstand genommen werden, wenn der Anleger in Deutschland

unbeschränkt stpfl. ist und einen Freistellungsauftrag vorlegt, sofern die stpfl. Ertragsteile 801 Euro bei Einzelveranlagung bzw. 1.602 Euro bei Zusammenveranlagung von Ehegatten nicht übersteigen (§ 1 Abs. 1 bis 3 EStG i.V.m. § 44a Abs. 1 Satz 1 und § 20 Abs. 9 EStG). Entsprechendes gilt auch bei Vorlage einer Bescheinigung für Personen, die voraussichtlich nicht zur ESt veranlagt werden (§ 44a Abs. 1 Satz 4 EStG). In diesen Fällen erhält der Anleger die gesamte Ausschüttung ungekürzt gutgeschrieben.

47 Anleger, die nicht unbeschränkt stpfl. sind, erzielen mit den Ausschüttungen aus Investment-

fonds keine beschränkt stpfl. Einkünfte i.S.d. § 49 EStG. In diesen Fällen erfolgt auch kein Steuerabzug.

b) Vorabpauschale 48 Die Vorabpauschale ist der Betrag, um den die Ausschüttungen des Investmentfonds inner-

halb eines Kalenderjahrs den Basisertrag für dieses Kalenderjahr unterschreiten (§ 18 Abs. 1 Satz 1 InvStG). Der Basisertrag wird durch Multiplikation des Rücknahmepreises des Anteils zu Beginn eines Kalenderjahrs mit 70 % eines Basiszinses, der aus der langfristig erzielbaren Rendite öffentlicher Anleihen abgeleitet wird, ermittelt (§ 18 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 4

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.37. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.43.

10 | Sedlmaier

B. Überblick über die Besteuerungssysteme | Rz. 53

InvStG). Der Basiszins beträgt 0,87 % für das Jahr 20181, 0,52 % für das Jahr 20192, 0,07 % für das Jahr 20203, -0,45 % für das Jahr 20214 und -0,05 % für das Jahr 20225. Der Basisertrag ist auf den Mehrbetrag begrenzt, der sich zwischen dem ersten und dem letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis zuzüglich der Ausschüttungen innerhalb des Kalenderjahrs ergibt (§ 18 Abs. 1 Satz 3 InvStG). Im Jahr des Erwerbs der Anteile vermindert sich die Vorabpauschale um ein Zwölftel für jeden vollen Monat, der dem Monat des Erwerbs vorangeht (§ 18 Abs. 2 InvStG). Im Jahr der Veräußerung kommt es zu keinem Ansatz der Vorabpauschale.6 Die Vorabpauschale gilt am ersten Werktag des folgenden Kalenderjahres als zugeflossen (§ 18 Abs. 3 InvStG). Bei einem negativen Basiszins wird keine Vorabpauschale erhoben. Vorabpauschalen sind grds. stpfl. (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 InvStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG).

49

Erfüllt ein Investmentfonds jedoch die steuerlichen Voraussetzungen für einen Aktienfonds, 50 sind 30 % der Vorabpauschalen stfrei (§ 2 Abs. 6 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1 InvStG). Erfüllt er die steuerlichen Voraussetzungen für einen Mischfonds, sind 15 % der Vorabpauschalen stfrei (§ 2 Abs. 7 i.V.m. § 20 Abs. 2 InvStG). Bei Immobilienfonds beträgt die Teilfreistellung 60 % bzw. 80 %, wenn der Immobilienfonds einen Auslandsschwerpunkt hat (§ 20 Abs. 3 InvStG). Die stpfl. Vorabpauschalen unterliegen i.d.R. dem abgeltend wirkenden Steuerabzug von 25 % 51 (zuzüglich Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer), wenn die Fondsanteile in einem inländischen Depot verwahrt werden (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG, § 43a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 EStG, § 43 Abs. 5 EStG, § 51a Abs. 2 Buchst. b EStG, § 1 Abs. 3 SolZG). Dabei sind Teilfreistellungen grds. zu berücksichtigen (§ 43a Abs. 2 Satz 1 EStG). Vom Steuerabzug kann jedoch Abstand genommen werden, wenn der Anleger in Deutschland 52 unbeschränkt stpfl. ist und einen Freistellungsauftrag vorlegt, sofern die stpfl. Ertragsteile 801 Euro bei Einzelveranlagung bzw. 1.602 Euro bei Zusammenveranlagung von Ehegatten nicht übersteigen (§ 1 Abs. 1 bis 3 EStG i.V.m. § 44a Abs. 1 Satz 1 und § 20 Abs. 9 EStG). Entsprechendes gilt auch bei Vorlage einer Bescheinigung für Personen, die voraussichtlich nicht zur ESt veranlagt werden (§ 44a Abs. 1 Satz 4 EStG). In diesen Fällen wird keine Steuer abgeführt. Andernfalls haben unbeschränkt stpfl. Anleger der inländischen depotführenden Stelle den 53 Betrag der abzuführenden Steuer zur Verfügung zu stellen (§ 44 Abs. 1b i.V.m. Abs. 1 Satz 7 EStG). Zu diesem Zweck darf die depotführende Stelle den Betrag der abzuführenden Steuer von einem bei ihr unterhaltenen und auf den Namen des Anlegers lautenden Konto ohne Einwilligung des Anlegers einziehen (§ 44 Abs. 1b i.V.m. Abs. 1 Satz 8 EStG). Soweit der Anleger nicht vor Zufluss der Vorabpauschale widerspricht, darf die depotführende Stelle auch insoweit den Betrag der abzuführenden Steuer von einem auf den Namen des Anlegers lautenden Konto einziehen, wie ein mit dem Anleger vereinbarter Kontokorrentkredit für dieses Konto nicht in Anspruch genommen wurde (§ 44 Abs. 1b i.V.m. Abs. 1 Satz 9 EStG). Soweit der Anleger seiner Verpflichtung, den Betrag der abzuführenden Steuer der inländischen depotführenden Stelle zur Verfügung zu stellen, nicht nachkommt, hat die depotführende Stelle dies dem für sie zuständigen FA anzuzeigen (§ 44 Abs. 1b i.V.m. Abs. 1 Satz 10 EStG). Der Anleger muss in diesem Fall die Vorabpauschale insoweit in seiner Einkommensteuererklärung angeben (§ 32d Abs. 3 Satz 1 EStG).

1 2 3 4 5 6

BMF v. 4.1.2018 – IV C 1 - S 1980 - 1/14/10001 :038, BStBl. I 2018, 249. BMF v. 9.1.2019 – IV C 1 - S 1980 - 1/14/10001 :038, BStBl. I 2019, 58. BMF v. 29.1.2020 – IV C 1 - S 1980 - 1/19/10038 :001, BStBl. I 2020, 218. BMF v. 6.1.2021 – IV C 1 - S 1980 - 1/19/10038 :004, BStBl. I 2021, 56. BMF v. 7.1.2022 – IV C 1 - S 1980 - 1/19/10038 :005, BStBl. I 2022, 122. BT-Drucks. 18/8739. Sedlmaier | 11

Rz. 54 | Einleitung 1 Überblick 54 Anleger, die nicht unbeschränkt stpfl. sind, erzielen mit den Vorabpauschalen aus Investment-

fonds keine beschränkt stpfl. Einkünfte i.S.d. § 49 EStG. In diesen Fällen erfolgt auch kein Steuerabzug. c) Veräußerungsgewinne

55 Werden Anteile an dem Investmentfonds nach dem 31.12.2017 veräußert, ist der Gewinn

grds. stpfl. (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 InvStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG). Dies gilt sowohl für Anteile, die vor dem 1.1.2018 erworben wurden und die zum 31.12.2017 als veräußert und zum 1.1.2018 wieder als angeschafft gelten (§ 56 Abs. 2 InvStG), als auch für nach dem 31.12.2017 erworbene Anteile.

56 Erfüllt ein Investmentfonds jedoch die steuerlichen Voraussetzungen für einen Aktienfonds,

sind 30 % der Veräußerungsgewinne stfrei (§ 2 Abs. 6 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1 InvStG). Erfüllt er die steuerlichen Voraussetzungen für einen Mischfonds, sind 15 % der Veräußerungsgewinne stfrei (§ 2 Abs. 7 i.V.m. § 20 Abs. 2 InvStG). Bei Immobilienfonds beträgt die Teilfreistellung 60 % bzw. 80 %, wenn der Immobilienfonds einen Auslandsschwerpunkt hat (§ 20 Abs. 3 InvStG).

57 Bei Gewinnen aus dem Verkauf von Anteilen, die vor dem 1.1.2018 erworben wurden und die

zum 31.12.2017 als veräußert und zum 1.1.2018 wieder als angeschafft gelten, ist zu beachten, dass im Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung auch die Gewinne aus der zum 31.12.2017 erfolgten fiktiven Veräußerung zu versteuern sind, falls die Anteile tatsächlich nach dem 31.12.2008 erworben worden sind (§ 56 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 InvStG).

58 Sofern die Anteile in einem inländischen Depot verwahrt werden, nimmt die depotführende

Stelle den abgeltend wirkenden Steuerabzug von 25 % (zuzüglich Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer) unter Berücksichtigung etwaiger Teilfreistellungen vor (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EStG, § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2 EStG, § 43 Abs. 5 EStG, § 51a Abs. 2b EStG, § 1 Abs. 3 SolZG). Der Steuerabzug kann durch die Vorlage eines ausreichenden Freistellungsauftrags bzw. einer NV-Bescheinigung vermieden werden (§ 44a Abs. 2 EStG). Werden Anteile von einem Privatanleger mit Verlust veräußert, dann ist der Verlust mit anderen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen verrechenbar (§ 20 Abs. 6 EStG). Sofern die Anteile in einem inländischen Depot verwahrt werden und bei derselben depotführenden Stelle im selben Kalenderjahr positive Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt wurden, nimmt die depotführende Stelle die Verlustverrechnung vor (§ 43 Abs. 3 Sätze 2 und 3 EStG).

59 Bei einer Veräußerung der vor dem 1.1.2009 erworbenen Fondsanteile (bestandsgeschützte

Alt-Anteile) nach dem 31.12.2017 ist der Gewinn, der nach dem 31.12.2017 entsteht, bei Privatanlegern grds. bis zu einem Betrag von 100.000 Euro steuerfrei (§ 56 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 InvStG). Dieser Freibetrag kann nur in Anspruch genommen werden, wenn diese Gewinne gegenüber dem für den Anleger zuständigen FA erklärt werden (§ 56 Abs. 6 Sätze 2 ff. InvStG).

60 Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns ist der Gewinn um die während der Besitzzeit

angesetzten Vorabpauschalen ohne Berücksichtigung etwaiger Teilfreistellungen zu mindern (§ 19 Abs. 1 Satz 3 und 4 InvStG).

61 Anleger, die nicht unbeschränkt stpfl. sind, erzielen mit den Gewinnen aus der Rückgabe oder

Veräußerung von Anteilen an Investmentfonds keine beschränkt stpfl. Einkünfte i.S.d. § 49 EStG. In diesen Fällen erfolgt auch kein Steuerabzug.

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B. Überblick über die Besteuerungssysteme | Rz. 66

2. Anteile im Betriebsvermögen a) Erstattung der Körperschaftsteuer des Investmentfonds an steuerbegünstigte Anleger/Investmentfonds oder Anteilklassen für steuerbegünstigte Anleger Auf Antrag des Investmentfonds sind Einkünfte, die ansonsten nach § 6 Abs. 2 InvStG partiell 62 körperschaftsteuerpflichtig sind, für steuerbegünstigte Anleger stfrei (§ 8 Abs. 1 und 2 InvStG). Dabei ist grds. zwischen steuerbegünstigten Anlegern, für die eine vollständige Körperschaftsteuerbefreiung gilt (§ 8 Abs. 1 InvStG), und Anlegern, für die lediglich in Bezug auf inländische Immobilienerträge eine Befreiung von der KSt gilt (§ 8 Abs. 2 InvStG), zu unterscheiden. Ist der Anleger eine inländische Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, 63 die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dient oder eine Stiftung des öffentlichen Rechts, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dient, oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die ausschließlich und unmittelbar kirchlichen Zwecken dient, dann erhält er im Ergebnis auf Antrag vom Fonds die auf der Fondsebene angefallene Kapitalertragsteuer anteilig für seine Besitzzeit erstattet (§ 12 Abs. 1 InvStG i.V.m. § 7 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 1 InvStG und § 44a Abs. 7 Satz 1 EStG). Dies gilt nicht, wenn die Anteile in einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb solch einer inländische Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse gehalten werden (§ 44a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG). Dasselbe gilt für vergleichbare ausländische Anleger mit Sitz und Geschäftsleitung in einem Amts- und Beitreibungshilfe leistenden ausländischen Staat (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 InvStG i.V.m. § 44a Abs. 7 Satz 1 EStG). Zu Einzelheiten zum Verfahren s. § 7 InvStG Rz. 67 ff. Die Erstattung setzt im Hinblick auf die auf der Fondsebene angefallene Kapitalertragsteuer 64 auf deutsche Dividenden und Erträge aus deutschen eigenkapitalähnlichen Genussrechten im Wesentlichen voraus, dass deutsche Aktien und deutsche eigenkapitalähnliche Genussrechte vom Fonds als wirtschaftlichem Eigentümer ununterbrochen 45 Tage innerhalb von 45 Tagen vor und nach dem Fälligkeitszeitpunkt der Kapitalerträge gehalten wurden und in diesen 45 Tagen ununterbrochen Mindestwertänderungsrisiken i.H.v. 70 % bestanden (§ 8 Abs. 4 Satz 1 InvStG i.V.m. § 36a EStG.1 Die Erstattung setzt ferner voraus, dass der Anleger seit mindestens drei Monaten vor dem Zufluss der körperschaftsteuerpflichtigen Erträge des Fonds zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer der Anteile ist und dass keine Verpflichtung zur Übertragung der Anteile auf eine andere Person besteht (§ 8 Abs. 4 Satz 2 InvStG). Dem Antrag sind Nachweise über die Steuerbefreiung und ein von der depotführenden Stel- 65 le ausgestellter Investmentanteil-Bestandsnachweis beizufügen (§ 9 Abs. 1 InvStG). Der Investmentanteil-Bestandsnachweis ist eine nach amtlichem Muster erstellte Bescheinigung über den Umfang der durchgehend während des Kalenderjahres vom Anleger gehaltenen Anteile sowie den Zeitpunkt und Umfang des Erwerbs und der Veräußerung von Anteilen während des Kalenderjahres (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 InvStG).2 Ferner kann die Kapitalertragsteuer des Investmentfonds vollständig erstattet werden, wenn 66 die Anteile an dem Investmentfonds im Rahmen von Altersvorsorge- oder Basisrentenverträgen gehalten werden, die nach §§ 5 oder 5a des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes zertifiziert wurden (§ 7 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 InvStG).

1 BMF v. 3.4.2017 – IV C 1 - S 2299/16/10002, BStBl. I 2017, 726. 2 BMF v. 7.8.2019 – IV C 1 - S 1980 - 1/16/10012 :009 – DOK 2019/0669860, BStBl. I 2019, 871. Sedlmaier | 13

Rz. 67 | Einleitung 1 Überblick 67 Die Steuerbefreiung setzt voraus, dass der Anbieter eines Altersvorsorge- oder Basisrentenver-

trags dem Investmentfonds innerhalb eines Monats nach dessen Geschäftsjahresende mitteilt, zu welchen Zeitpunkten und in welchem Umfang Anteile erworben wurden (§ 9 Abs. 3 InvStG).

68 Neben einer vollständigen Erstattung der KSt kommt für einige Anleger eine anteilige Steuer-

befreiung bzw. eine beschränkte Erstattung der KSt auf inländische Immobilienerträge in Betracht (§ 8 Abs. 2 InvStG). Dies setzt voraus, dass der Anleger eine inländische juristische Person des öffentlichen Rechts ist, soweit die Investmentanteile nicht einem nicht von der KSt befreiten Betrieb gewerblicher Art zuzurechnen sind, oder der Anleger eine von der KSt befreite inländische (oder vergleichbare ausländische) Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse ist, die nicht ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dient (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 InvStG). Bei vergleichbaren ausländischen Anlegern ist wiederum Voraussetzung, dass er seinen Sitz und seine Geschäftsleitung in einem Amts- und Beitreibungshilfe leistenden ausländischen Staat hat. Das InvStG enthält keine expliziten Aussagen zur Frage, welche Nachweise zu erbringen sind.

69 Es besteht jedoch keine Pflicht für Investmentfonds, an dem Befreiungsverfahren teilzuneh-

men.1

70 Investmentfonds oder Anteilklassen sind in vollem Umfang steuerbefreit, wenn sich aus-

schließlich steuerbegünstigte Anleger nach § 8 Abs. 1 InvStG (Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen, bzw. Altersvorsorge-/Basisrentenverträge) beteiligen dürfen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 InvStG). Dabei ist die 45-Tageregelung nach § 36a EStG zu erfüllen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 InvStG).

71 Investmentfonds oder Anteilklassen sind im Hinblick auf die KSt auf inländische Immobilien-

erträge steuerbefreit, wenn sich ausschließlich steuerbegünstigte Anleger nach § 8 Abs. 1 oder 2 InvStG beteiligen dürfen (§ 10 Abs. 2 InvStG).

72 Generell soll die steuerliche Entlastung des Investmentfonds ausschließlich den steuer-

begünstigten Anlegern zugutekommen, weshalb nach § 12 Abs. 1 InvStG eine Auszahlung der nicht erhobenen bzw. erstatteten Steuer an die steuerbegünstigten Anleger vorgesehen ist. Die FinVerw. beanstandet es jedoch nicht, wenn ein Investmentfonds mit ausschließlich steuerbegünstigten Anlegern im Einvernehmen mit den Anlegern auf die Auszahlung von Befreiungsbeträgen an die Anleger verzichtet und stattdessen die Befreiungsbeträge dem Fondsvermögen zuführt.2

73 Da die Zuführung der Befreiungsbeträge zum Fondsvermögen sowohl aus der Sicht der jewei-

ligen KVG als auch aus der Sicht der steuerbegünstigten Anleger administrativ vorteilhaft ist, ist praktisch davon auszugehen, dass die Nichtbeanstandungsregelung typischerweise genutzt wird.

74 Um sicherzustellen, dass letztlich nur steuerbegünstigte Anleger beteiligt sind, müssen die

Anleger ihre Steuerbefreiung gegenüber dem Investmentfonds nachweisen und ferner muss in den Anlagebedingungen geregelt werden, dass nur eine Rückgabe von Investmentanteilen an den Investmentfonds zulässig und eine Übertragung von Investmentanteilen ausgeschlossen ist (§ 10 Abs. 3 und 4 InvStG). Hierdurch kann jedoch ein zivilrechtlich wirksamer Übertrag von Anteilen nicht ausgeschlossen werden, weshalb steuerlich unzulässige Anteilsübertragungen anzuzeigen sind (§ 13 Abs. 1 Satz 2 InvStG). Ebenso müssen Anleger, bei denen die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung wegfallen, dies gegenüber dem Investmentfonds anzeigen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 InvStG). Soweit nicht begünstigte Anleger an einem Investmentfonds

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.8. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 12.4.

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B. Überblick über die Besteuerungssysteme | Rz. 81

oder einer Anteilklasse beteiligt sind, der/die ausschließlich für steuerbegünstigte Anleger aufgelegt wurde, entfällt anteilig die Steuerbefreiung des Investmentfonds und die nicht begünstigten Anleger sind gegenüber dem Investmentfonds zum Ausgleich der anfallenden Steuerbelastung verpflichtet (§ 13 Abs. 2 und 3 InvStG). Scheitert eine Erstattung oder eine Abstandnahme vom Steuerabzug nach den o.g. Regelungen 75 oder wurde von der Verwahrstelle Kapitalertragsteuer einbehalten und nicht wieder erstattet, obwohl für die Einbehaltung kein gesetzlicher Grund bestand, kann der Investmentfonds nach § 11 Abs. 1 InvStG eine Erstattung beim Betriebsstätten-FA der Verwahrstelle beantragen. b) Ausschüttungen Ausschüttungen des Fonds sind grds. einkommen- bzw. körperschaftsteuerpflichtig und ge- 76 werbesteuerpflichtig (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 InvStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG und § 20 Abs. 8 Satz 1 EStG bzw. § 8 Abs. 1 KStG, § 7 GewStG). Bei Investmentfonds in Abwicklung kann ein Teil der Ausschüttung als steuerfreie Kapitalrückzahlung gelten (§ 17 InvStG). Zudem können die Ausschüttungen zum Teil steuerfrei gestellt sein (Teilfreistellungen). Erfüllt ein Investmentfonds die steuerlichen Voraussetzungen für einen Aktienfonds, sind 77 60 % der Ausschüttungen steuerfrei für Zwecke der ESt und 30 % für Zwecke der GewSt, wenn die Anteile von natürlichen Personen im Betriebsvermögen gehalten werden (§ 2 Abs. 6 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 InvStG). Für stpfl. Körperschaften sind generell 80 % der Ausschüttungen stfrei für Zwecke der KSt und 40 % für Zwecke der GewSt (§ 2 Abs. 6 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 5 InvStG). Für Körperschaften, die Lebens- oder Krankenversicherungsunternehmen sind und bei denen die Anteile den Kapitalanlagen zuzurechnen sind, oder die Kreditinstitute sind und bei denen die Anteile dem Handelsbestand zuzuordnen sind oder als Umlaufvermögen auszuweisen sind, sind 30 % der Ausschüttungen stfrei für Zwecke der KSt und 15 % für Zwecke der GewSt (§ 20 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 5 InvStG). Erfüllt ein Investmentfonds die steuerlichen Voraussetzungen für einen Mischfonds, ist die 78 Hälfte der für Aktienfonds geltenden Teilfreistellung anzusetzen (§ 20 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 InvStG). Bei Immobilienfonds beträgt die Teilfreistellung 60 % bzw. 80 %, wenn der Immobilienfonds 79 einen Auslandsschwerpunkt hat (§ 20 Abs. 3 InvStG). Für Zwecke der GewSt sind bei Immobilienfonds 30 % stfrei bzw. 40 %, wenn der Immobilienfonds einen Auslandsschwerpunkt hat (§ 20 Abs. 5 InvStG). Die Ausschüttungen unterliegen i.d.R. dem Steuerabzug von 25 % (zzgl. Solidaritätszuschlag) 80 (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG, § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 1 Abs. 3 SolZG). Dabei ist beim Steuerabzug lediglich die Teilfreistellung für Privatanleger, d.h. für Aktienfonds i.H.v. 30 %, für Mischfonds i.H.v. 15 %, für Immobilienfonds ohne Auslandsschwerpunkt i.H.v. 60 % und für Immobilienfonds mit Auslandsschwerpunkt i.H.v. 80 %, zu berücksichtigen (§ 43a Abs. 2 Satz 1 EStG). Vom Steuerabzug kann jedoch Abstand genommen werden, wenn der Anleger 81 – ein inländisches Kreditinstitut oder inländisches Finanzdienstleistungsinstitut i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. b EStG oder eine inländische Kapitalverwaltungsgesellschaft ist (§ 43 Abs. 2 Satz 2 EStG), – eine von der KSt befreite inländische Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse ist (44a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG), – eine inländische juristische Person des öffentlichen Rechts ist (§ 44a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG), Sedlmaier | 15

Rz. 81 | Einleitung 1 Überblick

– ein sog. Dauerüberzahler ist, bei dem die Kapitalertragsteuer aufgrund der Art seiner Geschäfte auf Dauer höher wäre als die gesamte festzusetzende ESt oder KSt (§ 44a Abs. 5 EStG), oder – in Deutschland nicht unbeschränkt einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtig ist, da Ausschüttungen aus Investmentfonds nicht zu den beschränkt stpfl. Einkünften gehören (§ 49 EStG). c) Vorabpauschalen 82 Die Vorabpauschale ist der Betrag, um den die Ausschüttungen des Fonds innerhalb eines

Kalenderjahrs den Basisertrag für dieses Kalenderjahr unterschreiten (§ 18 Abs. 1 Satz 1 InvStG). Zur Höhe und Ermittlung vgl. Rz. 48.

83 Bei bilanzierenden Anlegern führt die Vorabpauschale zur Bildung eines aktiven Ausgleichs-

postens in der Steuerbilanz, der kein abschreibbares Wirtschaftsgut ist.1

84 Vorabpauschalen sind nicht anzusetzen, wenn die Investmentanteile im Rahmen der bAV

nach dem Betriebsrentengesetz (z.B. im Rahmen eines contractual trust arrangements – CTA), von einem Versicherungsunternehmen im Rahmen von Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht, von Kapitalversicherungen mit Sparanteil oder fondsgebundenen Lebensversicherungen oder von Kranken- und Pflegeversicherungsunternehmen zur Sicherung von Altersrückstellungen gehalten werden (§ 16 Abs. 2 InvStG).

85 Erfüllt ein Investmentfonds die steuerlichen Voraussetzungen für einen Aktienfonds, sind

60 % der Vorabpauschale stfrei für Zwecke der ESt und 30 % für Zwecke der GewSt, wenn die Anteile von natürlichen Personen im Betriebsvermögen gehalten werden (§ 2 Abs. 6 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 InvStG). Für stpfl. Körperschaften sind generell 80 % der Vorabpauschale stfrei für Zwecke der KSt und 40 % für Zwecke der GewSt (§ 2 Abs. 6 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 5 InvStG). Für Körperschaften, die Lebens- oder Krankenversicherungsunternehmen sind und bei denen die Anteile den Kapitalanlagen zuzurechnen sind, oder die Kreditinstitute sind und bei denen die Anteile dem Handelsbestand zuzuordnen sind oder als Umlaufvermögen auszuweisen sind, sind 30 % der Vorabpauschale stfrei für Zwecke der KSt und 15 % für Zwecke der GewSt (§ 20 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 5 InvStG).

86 Erfüllt ein Investmentfonds die steuerlichen Voraussetzungen für einen Mischfonds, ist die

Hälfte der für Aktienfonds geltenden Teilfreistellung anzusetzen (§ 20 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 und Abs. 5 InvStG).

87 Bei Immobilienfonds beträgt die Teilfreistellung 60 % bzw. 80 %, wenn der Immobilienfonds

einen Auslandsschwerpunkt hat (§ 20 Abs. 3 InvStG). Für Zwecke der GewSt sind bei Immobilienfonds 30 % stfrei bzw. 40 %, wenn der Immobilienfonds einen Auslandsschwerpunkt hat (§ 20 Abs. 5 InvStG).

88 Die Vorabpauschale unterliegt i.d.R. dem Steuerabzug von 25 % (zzgl. Solidaritätszuschlag)

(§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG, § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 1 Abs. 3 SolZG). Dabei sind beim Steuerabzug Teilfreistellungen für Aktienfonds i.H.v. 30 %, für Mischfonds i.H.v. 15 %, für Immobilienfonds ohne Auslandsschwerpunkt i.H.v. 60 % und für Immobilienfonds mit Auslandsschwerpunkt i.H.v. 80 % zu berücksichtigen (§ 43a Abs. 2 Satz 1 EStG).

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 18.5.

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B. Überblick über die Besteuerungssysteme | Rz. 94

Vom Steuerabzug kann jedoch Abstand genommen werden, wenn der Anleger 89 – ein inländisches Kreditinstitut oder inländisches Finanzdienstleistungsinstitut i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. b EStG oder eine inländische Kapitalverwaltungsgesellschaft ist (§ 43 Abs. 2 Satz 2 EStG), – eine von der KSt befreite inländische Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse ist (44a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG), – eine inländische juristische Person des öffentlichen Rechts ist (§ 44a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG), – ein sog. Dauerüberzahler ist, bei dem die Kapitalertragsteuer aufgrund der Art seiner Geschäfte auf Dauer höher wäre als die gesamte festzusetzende ESt oder KSt (§ 44a Abs. 5 EStG), oder – in Deutschland nicht unbeschränkt einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtig ist, da Ausschüttungen aus Investmentfonds nicht zu den beschränkt stpfl. Einkünften gehören (§ 49 EStG). d) Veräußerungsgewinne Gewinne aus der Veräußerung der Anteile unterliegen grds. der ESt bzw. KSt und der GewSt 90 (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 InvStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG, § 7 GewStG). Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns ist der Gewinn um die während der Besitzzeit angesetzten Vorabpauschalen zu mindern (§ 19 Abs. 1 Satz 3 InvStG). Bei bilanzierenden Anlegern erfolgt dies durch die Auflösung der gebildeten aktiven Ausgleichsposten in der Steuerbilanz.1 Erfüllt ein Investmentfonds jedoch die steuerlichen Voraussetzungen für einen Aktienfonds, 91 sind 60 % der Veräußerungsgewinne steuerfrei für Zwecke der ESt und 30 % für Zwecke der GewSt, wenn die Anteile von natürlichen Personen im Betriebsvermögen gehalten werden (§ 2 Abs. 6 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 InvStG). Für stpfl. Körperschaften sind generell 80 % der Veräußerungsgewinne stfrei für Zwecke der KSt und 40 % für Zwecke der GewSt (§ 2 Abs. 6 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 5 InvStG). Für Körperschaften, die Lebens- oder Krankenversicherungsunternehmen sind und bei denen die Anteile den Kapitalanlagen zuzurechnen sind, oder die Kreditinstitute sind und bei denen die Anteile dem Handelsbestand zuzuordnen sind oder als Umlaufvermögen auszuweisen sind, sind 30 % der Veräußerungsgewinne stfrei für Zwecke der KSt und 15 % für Zwecke der GewSt (§ 20 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 5 InvStG). Erfüllt ein Investmentfonds die steuerlichen Voraussetzungen für einen Mischfonds, ist die 92 Hälfte der für Aktienfonds geltenden Teilfreistellung anzusetzen (§ 20 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 und 5 InvStG). Bei Immobilienfonds beträgt die Teilfreistellung 60 % bzw. 80 %, wenn der Immobilienfonds 93 einen Auslandsschwerpunkt hat (§ 20 Abs. 3 InvStG). Für Zwecke der GewSt sind bei Immobilienfonds 30 % stfrei bzw. 40 %, wenn der Immobilienfonds einen Auslandsschwerpunkt hat (§ 20 Abs. 5 InvStG). Die Gewinne aus der Veräußerung der Anteile unterliegen i.d.R. keinem Steuerabzug, weil 94 der Anleger entweder ein Kreditinstitut ist (§ 43 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EStG), er eine von der KSt befreite inländische Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse oder eine inländische juristische Person des öffentlichen Rechts ist (§ 44a Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EStG), er eine andere unbeschränkt stpfl. Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse ist (§ 43 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 i.V.m. § 43 Abs. 1

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 19.4 und 19.10. Sedlmaier | 17

Rz. 94 | Einleitung 1 Überblick

Satz 1 Nr. 9 EStG), die Kapitalerträge Betriebseinnahmen eines inländischen Betriebs sind (§ 43 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EStG) oder der Anleger nicht unbeschränkt einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtig ist, weil die Veräußerungsgewinne nicht zu den beschränkt stpfl. Einkünften gehören (§ 49 EStG). 95 e) Übersicht über die Besteuerung von Investmentfonds im Betriebsvermögen Ausschüttungen

Vorabpauschalen

Veräußerungsgewinne

Inländische Anleger Einzelunternehmer

Kapitalertragsteuer: 25 % (Teilfreistellung für Aktienfonds i.H.v. 30 %, für Mischfonds i.H.v. 15 %, für Immobilienfonds i.H.v. 60 % bzw. für Immobilienfonds mit Auslandsschwerpunkt i.H.v. 80 % wird berücksichtigt)

Kapitalertragsteuer: Abstandnahme

materielle Besteuerung: ESt und GewSt ggf. unter Berücksichtigung von Teilfreistellungen (Aktienfonds 60 % für ESt/30 % für GewSt; Mischfonds 30 % für ESt/15 % für GewSt; Immobilienfonds 60 % für ESt/30 % für GewSt; Immobilienfonds mit Auslandsschwerpunkt 80 % für ESt/40 % für GewSt) Regelbesteuerte Körperschaften (typischerweise Industrieunternehmen; Banken, sofern Anteile nicht im Handelsbestand gehalten werden; Sachversicherer) Lebens- und Kranken-versicherungsunternehmen und Pensionsfonds, bei denen die Fondsanteile den Kapitalanlagen zuzurechnen sind Banken, die die Fondsanteile im Handelsbestand halten

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Kapitalertragsteuer: Abstandnahme bei Banken, ansonsten 25 % (Teilfreistellung für Aktienfonds i.H.v. 30 %, für Mischfonds i.H.v. 15 %,für Immobilienfonds i.H.v. 60 % bzw. für Immobilienfonds mit Auslandsschwerpunkt i.H.v. 80 % wird berücksichtigt)

Kapitalertragsteuer: Abstandnahme

materielle Besteuerung: KSt und GewSt ggf. unter Berücksichtigung von Teilfreistellungen (Aktienfonds 80 % für KSt/40 % für GewSt; Mischfonds 40 % für KSt/20 % für GewSt; Immobilienfonds 60 % für KSt/30 % für GewSt; Immobilienfonds mit Auslandsschwerpunkt 80 % für KSt/40 % für GewSt) Kapitalertragsteuer: Abstandnahme materielle Besteuerung: KSt und GewSt, soweit keine steuerlich absetzbaren versicherungstechnischen Rückstellungen gebildet werden, ggf. unter Berücksichtigung von Teilfreistellungen (Aktienfonds 30 % für KSt/15 % für GewSt; Mischfonds 15 % für KSt/7,5 % für GewSt; Immobilienfonds 60 % für KSt/30 % für GewSt; Immobilienfonds mit Auslandsschwerpunkt 80 % für KSt/40 % für GewSt)

Kapitalertragsteuer: Abstandnahme materielle Besteuerung: KSt und GewSt ggf. unter Berücksichtigung von Teilfreistellungen (Aktienfonds 30 % für KSt/15 % für GewSt; Mischfonds 15 % für KSt/ 7,5 % für GewSt; Immobilienfonds 60 % für KSt/30 % für GewSt; Immobilienfonds mit Auslandsschwerpunkt 80 % für KSt/40 % für GewSt)

B. Überblick über die Besteuerungssysteme | Rz. 99 Ausschüttungen

Vorabpauschalen

Veräußerungsgewinne

Inländische Anleger Steuerbefreite gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Anleger (insbes. Kirchen, gemeinnützige Stiftungen) Andere steuerbefreite Anleger (insbes. Pensionskassen, Sterbekassen und Unterstützungskassen, sofern die im KStG geregelten Voraussetzungen erfüllt sind)

Kapitalertragsteuer: Abstandnahme materielle Besteuerung: stfrei – zusätzlich kann die auf der Fondsebene angefallene KSt auf Antrag erstattet werden

Kapitalertragsteuer: Abstandnahme materielle Besteuerung: stfrei – zusätzlich kann die auf der Fondsebene angefallene KSt, die auf inländische Immobilienerträge entfällt, auf Antrag erstattet werden

III. Besteuerung von Spezial-Investmentfonds auf der Ebene des SpezialInvestmentfonds Ein Spezial-Investmentfonds ist ein Investmentfonds, der die Voraussetzungen des § 26 96 InvStG erfüllt. Er ist grds. von der KSt und GewSt befreit (§ 29 Abs. 1 i.V.m. § 6 InvStG und § 29 Abs. 4 InvStG). Er ist jedoch partiell körperschaftsteuerpflichtig mit seinen inländischen Beteiligungsein- 97 nahmen, inländischen Immobilienerträgen und sonstigen inländischen Einkünften i.S.d. beschränkten Einkommensteuerpflicht, mit Ausnahme von Gewinnen aus dem Verkauf von Anteilen an KapGes. (§ 29 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 bis Abs. 5 InvStG). Inländische Beteiligungseinnahmen sind im Wesentlichen inländische Dividenden (§ 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvStG i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 1a und § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Inländische Immobilienerträge sind Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung von im Inland belegenen Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten und Gewinne aus der Veräußerung von im Inland belegenen Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten (§ 6 Abs. 4 Satz 1 InvStG). Gewinne aus der Veräußerung von im Inland belegenen Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten sind insoweit stfrei, als sie auf Wertveränderungen entfallen, die vor dem 1.1.2018 eingetreten sind, sofern der Zeitraum zwischen der Anschaffung und der Veräußerung mehr als zehn Jahre beträgt (§ 6 Abs. 4 Satz 3 InvStG). Der Steuersatz beträgt 15 % (§ 23 Abs. 1 KStG). Soweit die stpfl. Einkünfte im Wege des Ka- 98 pitalertragsteuerabzugs erhoben werden, umfasst der Steuersatz von 15 % bereits den Solidaritätszuschlag (§ 7 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 InvStG). Die partielle Körperschaftsteuerpflicht entfällt im Hinblick auf die inländischen Betei- 99 ligungseinnahmen, wenn der Spezial-Investmentfonds gegenüber dem Entrichtungspflichtigen, d.h. gegenüber der Verwahrstelle, unwiderruflich erklärt, dass den Anlegern des SpezialSedlmaier | 19

Rz. 99 | Einleitung 1 Überblick

Investmentfonds Steuerbescheinigungen ausgestellt werden sollen (Transparenzoption) (§ 30 Abs. 1 Satz 1 InvStG). In diesem Fall gelten die Anleger als Gläubiger der inländischen Beteiligungseinnahmen und als Schuldner der Kapitalertragsteuer (§ 30 Abs. 1 Satz 2 InvStG). Soweit sonstige inländische Einkünfte partiell körperschaftsteuerpflichtig sind und diese bei Vereinnahmung durch den Spezial-Investmentfonds einem Steuerabzug unterliegen, entfällt die Körperschaftsteuerpflicht ebenfalls durch Ausübung der Transparenzoption (§ 30 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 InvStG). Zu Einzelheiten zur Transparenzoption s. § 30 InvStG Rz. 10 ff. 100 Die partielle Körperschaftsteuerpflicht entfällt im Hinblick auf inländische Immobilien-

erträge, wenn der Spezial-Investmentfonds auf ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche inländische Immobilienerträge Kapitalertragsteuer gem. § 50 InvStG erhebt, an die zuständige FinBeh. abführt und den Anlegern Steuerbescheinigungen nach § 45a Abs. 2 EStG ausstellt (§ 33 Abs. 1 InvStG). Dies gilt entsprechend für sonstige inländische Einkünfte, die bei Vereinnahmung durch den Spezial-Investmentfonds nicht dem Steuerabzug unterliegen (§ 33 Abs. 4 Satz 1 InvStG).

101 Die Einbehaltungs- und Abführungspflicht gilt grds. auch dann als erfüllt, wenn der Spezial-

Investmentfonds aufgrund einer gesetzlichen Regelung vom Steuerabzug Abstand nimmt. Eine derartige Abstandnahme ist insbes. bei von der KSt befreiten inländischen Körperschaften vorgesehen (vgl. § 50 Abs. 2 Satz 2 InvStG i.V.m. § 44a Abs. 7 Satz 1 EStG).1 Ist ein Investmentfonds oder ein Spezial-Investmentfonds an einem Spezial-Investmentfonds beteiligt, der inländische Immobilienerträge erzielt, kann Letzterer nicht per se vom Steuerabzug Abstand nehmen (§ 33 Abs. 2 Satz 2 InvStG).

102 Ein Spezial-Investmentfonds gilt als aufgelöst, wenn der Spezial-Investmentfonds seine Anla-

gebedingungen so ändert, dass er § 26 InvStG nicht mehr erfüllt, oder wenn er wesentlich gegen die Anlagebestimmungen des § 26 InvStG verstößt (§ 52 Abs. 1 Satz 1 InvStG). Allerdings führen nur wesentliche Verstöße zu einem Verlust des Steuerstatus als Spezial-Investmentfonds und nicht jede geringfügige Abweichung von den Anlagebestimmungen. Die Aberkennung des Status als Spezial-Investmentfonds ist nur als ultima ratio für besondere Ausnahmefälle gedacht.2 Liegen im Falle der Auflösung die Voraussetzungen für einen Investmentfonds vor, so gilt dieser mit der Auflösung als neu aufgelegt (§ 52 Abs. 1 Satz 2 InvStG).

IV. Besteuerung von Spezial-Investmentfonds auf der Ebene der Anleger 1. Natürliche Personen mit Anteilen im Privatvermögen 103 Nur in Ausnahmefällen können natürliche Personen an Spezial-Investmentfonds beteiligt

sein, die ihre Anteile im Privatvermögen halten. Dies ist nur zulässig, wenn die Beteiligung natürlicher Personen aufgrund aufsichtsrechtlicher Regelungen erforderlich ist oder eine mittelbare Beteiligung über eine vermögensverwaltende Personengesellschaft vor dem 9.6.2016 erworben wurde (§ 26 Nr. 8 Buchst. b und c InvStG). In diesem Fall gehören die ausgeschütteten Erträge, die ausschüttungsgleichen Erträge und die Gewinne aus der Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen als Spezial-Investmenterträge zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 34 Abs. 1 InvStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG). Diese Einkünfte unterliegen nicht dem Abgeltungsteuersatz von 25 %, sondern dem progressiven Einkommensteuertarif (§ 34 Abs. 2 Satz 1 InvStG, § 32a EStG).

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.10. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.3.

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B. Überblick über die Besteuerungssysteme | Rz. 110

Der Spezial-Investmentfonds hat generell auf die ausgeschütteten Erträge, die ausschüttungs- 104 gleichen Erträge und die Gewinne aus der Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen 15 % Kapitalertragsteuer einzubehalten (§ 50 InvStG). Der Steuerabzug ist nicht abgeltend (§ 34 Abs. 2 Satz 1 InvStG). 2. Anteile im Betriebsvermögen a) Ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträge Ausgeschüttete Erträge sind die von einem Spezial-Investmentfonds ermittelten Einkünfte, die 105 zur Ausschüttung verwendet werden (§ 35 Abs. 1 InvStG). Hierzu zählen nicht Zurechnungsbeträge, Immobilien-Zurechnungsbeträge, Absetzungsbeträge und Substanzbeträge (§ 35 Abs. 2 InvStG). Zurechnungsbeträge sind inländische Beteiligungseinnahmen und sonstige inländische Ein- 106 künfte mit Steuerabzug, wenn die Transparenzoption ausgeübt wurde, weil in diesem Fall diese Einkünfte des Spezial-Investmentfonds steuerlich unmittelbar den Anlegern zugerechnet werden und damit nicht noch einmal bei ihrer Ausschüttung an die Anleger steuerlich zuzurechnen sind (§ 35 Abs. 3 i.V.m. § 30 Abs. 1 InvStG). Immobilien-Zurechnungsbeträge sind inländische Immobilienerträge und sonstige inländische Einkünfte ohne Steuerabzug, die aufgrund der ausgeübten Immobilien-Transparenzoption eines beteiligten Dach-Spezial-Investmentfonds dessen Anlegern zugerechnet werden (§ 35 Abs. 3a i.V.m. § 33 Abs. 2 Satz 3 InvStG). Zu Einzelheiten zur Immobilien-Transparenzoption s. § 33 InvStG Rz. 42 ff. Absetzungsbeträge sind die Ausschüttungsbestandteile, die auf die Absetzungen für Abnut- 107 zungen oder Substanzverringerung im Zusammenhang mit Einnahmen aus der Vermietung und Verpachtung entfallen (§ 35 Abs. 4 InvStG). Hintergrund der Regelung ist, dass die Höhe der Ausschüttung nach aufsichtsrechtlichen Vorgaben bestimmt wird und dabei Gebäudeabschreibungen nicht mindernd berücksichtigt werden, d.h., die Anleger erhalten Mieteinnahmen des Spezial-Investmentfonds ohne Berücksichtigung der Gebäudeabschreibung ausgeschüttet.1 Substanzbeträge sind Ausschüttungen, soweit diese keine ausgeschütteten Erträge, aus- 108 geschüttete ausschüttungsgleiche Erträge der Vorjahre, steuerfrei thesaurierbare Kapitalerträge, Zurechnungsbeträge, Immobilien-Zurechnungsbeträge und Absetzungsbeträge enthalten (§ 35 Abs. 5 InvStG). Typischerweise entstehen Substanzbeträge aufgrund von Differenzen zwischen der aufsichtsrechtlichen Ertrags- und Aufwandsrechnung, die für die Bemessung der Ausschüttungshöhe relevant ist, und der steuerlichen Einkünfteermittlung (vgl. insbes. § 11 KARBV und §§ 37 bis 41 InvStG). Bei der steuerlichen Einkünfteermittlung ist z.B. die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung nach § 7 EStG zu berücksichtigen, nicht aber in der aufsichtsrechtlichen Ertrags- und Aufwandsrechnung (§ 39 Abs. 1 Satz 2 InvStG, § 11 Abs. 2 KARBV). Substanzbeträge sind auch ausgeschüttete Erträge, die auf Zeiträume entfallen, in denen der Anleger nicht an dem Spezial-Investmentfonds beteiligt war (§ 35 Abs. 6 InvStG). Ausgeschüttete Erträge sind bei bilanzierenden Anlegern zeitlich nach den allgemeinen steu- 109 erbilanziellen Grundsätzen – im Zeitpunkt der Anspruchsentstehung – zu erfassen. Hierbei ist der aufsichtsrechtliche Ausschüttungsbeschluss maßgeblich.2 Ausschüttungsgleiche Erträge sind die vom Spezial-Investmentvermögen ermittelten positi- 110 ven Einkünfte, die keine stfrei thesaurierbaren Kapitalerträge sind und die nicht zur Ausschüttung verwendet werden (§ 36 Abs. 1 Satz 1 InvStG). Steuerfrei thesaurierbare Kapitalerträge 1 BT-Drucks. 18/8045, 103, Begründung des Regierungsentwurfs zu § 35 Abs. 4 InvStG. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.7. Sedlmaier | 21

Rz. 110 | Einleitung 1 Überblick

sind Erträge aus Stillhalterprämien, Gewinne aus dem Verkauf von Anteilen an KapGes., Gewinne aus dem Verkauf von Kapitalforderungen und Termingeschäftsgewinne (mit Ausnahme von Dividenden und Zinsen, die wirtschaftlich Teil von Zahlungen aufgrund von Swap-Verträgen sind) und Gewinne aus der Veräußerung von Investmentanteilen und Spezial-Investmentanteilen (§ 36 Abs. 2 InvStG). Keine ausschüttungsgleichen Erträge sind die inländischen Beteiligungseinnahmen und die sonstigen inländischen Einkünfte mit Steuerabzug, wenn die Transparenzoption wahrgenommen wurde (§ 36 Abs. 1 Satz 2 InvStG). Die ausschüttungsgleichen Erträge sind den Anlegern zuzuordnen, die im Zeitpunkt des Zuflusses der Einnahmen oder des Abflusses der Werbungskosten Anteile an dem Spezial-Investmentfonds halten (§ 36 Abs. 4 Satz 1 InvStG). Zu Einzelheiten zur besitzzeitanteiligen Zuordnung von Erträgen s. § 36 InvStG Rz. 54 ff. 111 Ausschüttungsgleiche Erträge gelten mit Ablauf des Geschäftsjahres des Spezial-Investment-

fonds den Anlegern als zugeflossen (§ 36 Abs. 4 Satz 2 InvStG). Steuerfrei thesaurierbare Kapitalerträge gelten generell mit Ablauf des 15. Geschäftsjahres nach dem Geschäftsjahr der Vereinnahmung als zugeflossen (§ 36 Abs. 5 InvStG).

112 Ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträge sind grds. einkommensteuer- bzw. körper-

schaftsteuerpflichtig und gewerbesteuerpflichtig (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InvStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG, § 7 GewStG). Sie unterliegen weder einer Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 40 EStG bzw. § 8b KStG noch sind sie nach einem DBA stfrei (§ 34 Abs. 2 und 3 InvStG).

113 Auf ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträge ist jedoch insoweit § 3 Nr. 40 EStG bzw.

§ 8b KStG anzuwenden, als sie ausländische Dividenden, ausländische Erträge aus eigenkapitalähnlichen Genussrechten und Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an KapGes. enthalten (§ 42 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Sätze 1 und 2 InvStG). Die Steuerfreiheit gilt nicht für Erträge aus einer steuerlich nicht vorbelasteten Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, d.h., wenn diese keiner Ertragsbesteuerung unterliegt oder hiervon befreit ist (§ 42 Abs. 3 InvStG). Gewerbesteuerlich sind nach § 3 Nr. 40 EStG oder § 8b KStG stfreie Beträge aus ausländischen Dividenden und ausländischen eigenkapitalähnlichen Genussrechten wieder hinzuzurechnen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 InvStG). Eine gewerbesteuerliche Kürzung kommt nur ausnahmsweise in Betracht (§ 45 Abs. 1 Satz 2 InvStG).

114 Im Hinblick auf ausländische Dividenden und ausländische Erträge aus eigenkapitalähnlichen

Genussrechten setzt die Anwendung des § 8b KStG voraus, dass die ausschüttende KapGes. eine Immobilien-Gesellschaft, eine ÖPP-Projektgesellschaft oder eine Gesellschaft nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz ist und die rechnerisch auf den Anleger entfallende Beteiligung an der KapGes. mindestens 10 % beträgt (§ 42 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 30 Abs. 2 InvStG und § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG).

115 § 3 Nr. 40 EStG bzw. § 8b KStG sind jedoch nicht auf ausländische Dividenden, ausländische

Erträge aus eigenkapitalähnlichen Genussrechten und Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an KapGes. anzuwenden, wenn der Anleger ein Lebens- oder Krankenversicherungsunternehmen ist und der Spezial-Investmentanteil den Kapitalanlagen zuzurechnen ist oder wenn der Anleger ein Kreditinstitut, Finanzdienstleistungsinstitut, Wertpapierinstitut oder Finanzunternehmen i.S.d. § 8b Abs. 7 KStG ist und der Spezial-Investmentfonds in wesentlichem Umfang Anteile hält, die im Falle der Direktanlage dem Handelsbestand zuzuordnen oder als Umlaufvermögen auszuweisen wären (§ 42 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 30 Abs. 3 Nr. 1 und 2 InvStG).

116 Die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge sind zu 60 % körperschaftsteuerfrei,

soweit sie inländische Beteiligungseinnahmen enthalten, die vom Spezial-Investmentfonds versteuert wurden (§ 42 Abs. 4 Satz 1 InvStG). Sie sind zu 100 % körperschaftsteuerfrei, wenn der Anleger dem Körperschafsteuergesetz unterliegt und bei ausgeschütteten oder aus-

22 | Sedlmaier

B. Überblick über die Besteuerungssysteme | Rz. 122

schüttungsgleichen inländischen Beteiligungseinnahmen eines ausländischen Investmentfonds dieser keinen Ermäßigungsanspruch nach einem DBA aufgrund eines Quellensteuerhöchstsatzes von 15 % hat (§ 42 Abs. 4 Satz 2 InvStG). Die ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Beteiligungseinnahmen, die vom Spezial-Investmentfonds versteuert wurden, sind jedoch grds. in vollem Umfang gewerbesteuerpflichtig (§ 45 Abs. 1 InvStG). Die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge sind zu 20 % körperschaftsteuerfrei, 117 soweit sie inländische Immobilienerträge enthalten, die vom Spezial-Investmentfonds versteuert wurden (§ 42 Abs. 5 Satz 1 InvStG). Sie sind zu 100 % körperschaftsteuerfrei, wenn der Anleger dem Körperschafsteuergesetz unterliegt und bei ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen inländischen Immobilienerträgen eines ausländischen Investmentfonds dieser keinen Ermäßigungsanspruch nach einem DBA aufgrund eines Quellensteuerhöchstsatzes von 15 % hat (§ 42 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 42 Abs. 4 Satz 2 InvStG). In diesem Umfang sind diese Erträge auch gewerbesteuerfrei, weil § 45 Abs. 1 Satz 1 InvStG die Anwendung des § 42 Abs. 5 InvStG für Zwecke der GewSt nicht ausschließt und damit die Befreiung dieser Erträge auch für die Ermittlung des Gewerbeertrags nach § 7 GewStG gilt. Die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge sind ferner insoweit bei den Anle- 118 gern einkommen- bzw. körperschaftsteuerfrei und gewerbesteuerfrei, als sie aus einem ausländischen Staat stammende Einkünfte enthalten, die nach einem DBA in Deutschland stfrei sind (§ 43 Abs. 1 Satz 1 InvStG, § 7 GewStG). Dies gilt im Wesentlichen für ausländische Immobilienerträge, grds. jedoch nicht für ausländische Schachteldividenden und ausländische Investmenterträge (§ 43 Abs. 1 Satz 2 InvStG). Ausnahmsweise sind ausländische Schachteldividenden unter weiteren Bedingungen stfrei (§ 43 Abs. 1 Satz 3 InvStG). Soweit ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträge Ausschüttungen von Investment- 119 fonds, Vorabpauschalen oder Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Investmentfonds enthalten, sind die Teilfreistellungen nach § 20 InvStG entsprechend – für Zwecke der GewSt nur zur Hälfte – anzuwenden (§ 43 Abs. 3 i.V.m. § 45 Abs. 2 InvStG). Soweit ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche Erträge mit ausländischen Quellensteuern 120 belastete Einkünfte enthalten, kann die entsprechend den Regelungen für die Direktanlage anrechenbare ausländische Quellensteuer auf der Anlegerebene angerechnet werden (§ 47 Abs. 1 Satz 1 InvStG). Dasselbe gilt für ausländische Quellensteuern, die auf ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche Erträge in Sitzstaaten ausländischer Spezial-Investmentfonds einbehalten werden (§ 47 Abs. 1 Satz 2 InvStG). Eine Anrechnung ausländischer Quellensteuer scheidet aus, soweit diese auf nach DBA stfreie ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche Erträge entfällt (§ 47 Abs. 5 InvStG). Ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträge inländischer Spezial-Investmentfonds, mit 121 Ausnahme der aufgrund von DBA steuerbefreiten Erträge, unterliegen dem Kapitalertragsteuerabzug (§ 50 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 43 Abs. 1 InvStG). Der Steuersatz beträgt 15 % zzgl. Solidaritätszuschlag (§ 50 Abs. 1 Satz 1 InvStG, SolZG). Der inländische Spezial-Investmentfonds muss selbst als Entrichtungspflichtiger die Steuer einbehalten und abführen (§ 50 Abs. 1 Satz 1 InvStG). Dabei sind nach dem Gesetzeswortlaut anrechenbare ausländische Quellensteuern zu berücksichtigen (§ 50 Abs. 2 i.V.m. § 47 InvStG). Die FinVerw. beanstandet es jedoch nicht, wenn die Berücksichtigung der ausländischen Quellensteuern im Steuerabzugsverfahren unterbleibt.1 Für den Steuerabzug sind generell die für den Steuerabzug auf Zinsen anwendbaren Vor- 122 schriften des EStG anzuwenden (§ 50 Abs. 2 Satz 2 InvStG). Soweit die ausgeschütteten und

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 50.10. Sedlmaier | 23

Rz. 122 | Einleitung 1 Überblick

ausschüttungsgleichen Erträge in der Direktanlage den Kapitalertragsteuerregelungen für sog. neue Abzugstatbestände nach dem EStG unterliegen würden, sind diese Regelungen anzuwenden (§ 50 Abs. 3 InvStG).1 b) Gewinne aus der Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen 123 Gewinne aus der Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen sind grds. einkommen- bzw.

körperschaftsteuerpflichtig (§ 34 Abs. 1 Nr. 3 InvStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG). Sie sind grds. weder nach § 3 Nr. 40 EStG noch nach § 8b KStG stfrei (§ 34 Abs. 2 InvStG). Sie sind zudem auch grds. gewerbesteuerpflichtig (§ 7 GewStG).

124 Gewinne aus der Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen entstehen regelmäßig durch

Rückgabe oder Veräußerung der Spezial-Investmentanteile. Zudem gelten mit der Auflösung eines Spezial-Investmentfonds aufgrund des Wegfalls der Voraussetzungen für einen Spezial-Investmentfonds die Anteile als veräußert (§ 52 Abs. 2 Satz 1 InvStG).

125 Auf Gewinne aus der Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen ist der Anleger-Aktien-

gewinn, der Anleger-Abkommensgewinn und der Anleger-Teilfreistellungsgewinn anzuwenden (§ 49 Abs. 1 InvStG).

126 Der Anleger-Aktiengewinn drückt aus, in welchem Umfang – bei einer unterstellten (antei-

ligen) Direktanlage in die Vermögensgegenstände des Spezial-Investmentfonds im Zeitpunkt des Erwerbs eines Spezial-Investmentanteils und einer unterstellten (anteiligen) Veräußerung dieser Vermögensgegenstände im Zeitpunkt der Veräußerung eines Spezial-Investmentanteils – § 3 Nr. 40 EStG bzw. § 8b Abs. 2 KStG anzuwenden wäre (§ 48 Abs. 3 i.V.m. § 49 Abs. 2 Satz 1 InvStG). Hierfür ermittelt der Spezial-Investmentfonds den sog. Fonds-Aktiengewinn und den anlegerindividuellen Anleger-Aktiengewinn (§ 48 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 InvStG). Dividenden fließen nicht in den Fonds-/Anleger-Aktiengewinn ein (§ 48 Abs. 3 InvStG). Die einzelnen Bestandteile des Fonds-Aktiengewinns werden unter § 48 InvStG Rz. 58 ff. beschrieben. Werden in den Fonds-/Anleger-Aktiengewinn einfließende Erträge ausgeschüttet bzw. gelten sie als ausgeschüttet, scheiden sie aus dem Fonds-/Anleger-Aktiengewinn aus (§ 48 Abs. 3 Satz 1 InvStG). Gewinne aus der Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen sind in Höhe des Anleger-Aktiengewinns nach § 3 Nr. 40 EStG bzw. § 8b Abs. 2 KStG – wie darin geregelt anteilig – einkommen- bzw. körperschaftsteuerfrei (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 InvStG). Die Gewinne aus der Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen sind in Höhe des Anleger-Aktiengewinns zudem gewerbesteuerfrei (§ 7 GewStG).

127 Der Anleger-Abkommensgewinn drückt aus, in welchem Umfang – bei einer unterstellten

(anteiligen) Direktanlage in die Vermögensgegenstände des Spezial-Investmentfonds im Zeitpunkt des Erwerbs eines Spezial-Investmentanteils und einer unterstellten (anteiligen) Veräußerung dieser Vermögensgegenstände im Zeitpunkt der Veräußerung eines Spezial-Investmentanteils – Erträge und Wertveränderungen nach einem DBA stfrei wären (§ 48 Abs. 5 InvStG i.V.m. § 49 Abs. 2 Satz 2 InvStG). Die einzelnen Bestandteile des Fonds-Abkommensgewinns werden unter § 48 InvStG Rz. 75 ff. beschrieben. Werden solche Erträge als ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche Erträge beim Anleger zugerechnet, scheiden sie aus dem Fonds-/Anleger-Abkommensgewinn aus (§ 48 Abs. 5 InvStG). Gewinne aus der Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen sind in Höhe des Anleger-Abkommensgewinns einkommen- bzw. körperschaftsteuerfrei (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 InvStG). Die Gewinne aus der Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen sind in Höhe des Anleger-Abkommensgewinns zudem gewerbesteuerfrei (§ 7 GewStG).

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 50.12.

24 | Sedlmaier

B. Überblick über die Besteuerungssysteme | Rz. 131

Der Anleger-Teilfreistellungsgewinn drückt aus, in welchem Umfang – bei einer unterstell- 128 ten (anteiligen) Direktanlage in die Vermögensgegenstände des Spezial-Investmentfonds im Zeitpunkt des Erwerbs eines Spezial-Investmentanteils und einer unterstellten (anteiligen) Veräußerung dieser Vermögensgegenstände im Zeitpunkt der Veräußerung eines Spezial-Investmentanteils – Erträge und Wertveränderungen aus Ziel-Investmentfonds der Teilfreistellung nach § 20 InvStG unterliegen würden (§ 48 Abs. 6 InvStG i.V.m. § 49 Abs. 2 Satz 2 InvStG). Die einzelnen Bestandteile des Fonds-Teilfreistellungsgewinns werden unter § 48 InvStG Rz. 81 ff. beschrieben. Werden solche Erträge als ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche Erträge beim Anleger zugerechnet, scheiden sie aus dem Fonds-/Anleger-Teilfreistellungsgewinn aus (§ 48 Abs. 6 InvStG). Gewinne aus der Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen sind in Höhe des Anleger-Teilfreistellungsgewinns einkommen- bzw. körperschaftsteuerfrei (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 InvStG). Die Gewinne aus der Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen sind zudem zur Hälfte des Anleger- Teilfreistellungsgewinns gewerbesteuerfrei (§ 45 Abs. 2 InvStG). Ist der Anleger-Aktiengewinn, der Anleger-Abkommensgewinn oder der Anleger-Teilfreistel- 129 lungsgewinn negativ, führt dies zu einer Erhöhung der steuerlichen Bemessungsgrundlage (§ 49 Abs. 1 i.V.m. § 44 InvStG). Der Gewinn aus der Veräußerung eines Spezial-Investmentanteils unterliegt dem Kapital- 130 ertragsteuerabzug (§ 50 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InvStG). Der Steuersatz beträgt 15 % zzgl. Solidaritätszuschlag (§ 50 Abs. 1 Satz 1 InvStG, SolZG). Der inländische Spezial-Investmentfonds muss selbst als Entrichtungspflichtiger die Steuer einbehalten und abführen (§ 50 Abs. 1 Satz 1 InvStG). Für den Steuerabzug sind die Kapitalertragsteuerregelungen für sog. neue Abzugstatbestände nach dem EStG anzuwenden.1 c) Übersicht über die Besteuerung von Spezial-Investmentfonds im Betriebsvermögen Das InvStG erfordert im Zusammenspiel mit dem EStG, dem KStG und dem GewStG zur 131 Ermittlung der stpfl. bzw. der kapitalertragsteuerpflichtigen Erträge eine differenzierte Betrachtung der Ertragsbestandteile des Fonds. Zudem sind anlegergruppenspezifische Besteuerungsregelungen zu beachten. Nachfolgend werden daher tabellarisch die für verschiedene Anlegergruppen relevanten steuerlichen Regelungen hinsichtlich der einzelnen Ertragsbestandteile des Fonds im Hinblick auf die Kapitalertragsteuer und die materielle Besteuerung dargestellt. Dabei wird zwischen zwei Gruppen von Erträgen differenziert: Erträge, die sowohl im Falle der Ausschüttung als auch im Falle der Thesaurierung auf der Anlegerebene zeitnah steuerlich zu erfassen sind (sog. ausschüttungsgleiche Erträge; § 36 Abs. 1 Satz 1 InvStG), und Erträge, die generell erst im Falle der Ausschüttung auf der Anlegerebene zu erfassen sind (sog. stfrei thesaurierbare Kapitalerträge; § 36 Abs. 2 InvStG). Zu den stfrei thesaurierbaren Kapitalerträgen zählen Erträge aus Stillhalterprämien, Gewinne aus der Veräußerung von Aktien und Renten sowie Termingeschäftsgewinne (nicht jedoch aus Swap-Verträgen, wenn sich die Höhe der getauschten Zahlungsströme nach Dividenden und Zinsen bestimmt) und Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Zielfonds (§ 36 Abs. 2 InvStG). Die stfrei thesaurierbaren Kapitalerträge gelten erst mit Ablauf des 15. Geschäftsjahres nach dem Geschäftsjahr ihrer Vereinnahmung als zugeflossen (§ 36 Abs. 5 InvStG).

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 50.8. Sedlmaier | 25

Rz. 131 | Einleitung 1 Überblick Thesaurierte oder ausgeschüttete

Zinsen und sonstige Erträge

Deutsche Dividenden (Transparenz-Option wurde nicht ausgeübt)

Ausländische Dividenden

Deutsche Mieterträge und Gewinne aus dem Verkauf deutscher Immobilien

Ausländische Mieterträge und Gewinne aus dem Verkauf ausländischer Immobilien

Inländische Anleger Regelbesteuerte Körperschaften (typischerweise Industrieunternehmen; Banken, sofern Anteile nicht im Handelsbestand gehalten werden; Sachversicherer)

26 | Sedlmaier

Kapitalertragsteuer: Abstandnahme bei Banken, ansonsten 15 %

Kapitalertragsteuer: Abstandnahme bei Banken, ansonsten 15 %

Kapitalertragsteuer: Abstandnahme

Kapitalertragsteuer: Abstandnahme bei Banken, ansonsten 15 %

Kapitalertragsteuer: Keine, falls die Erträge nach DBA stfrei sind, ansonsten Abstandnahme für Banken bzw. 15 %

materielle Besteuerung: KSt und GewSt; ggf. können ausländische Quellensteuern angerechnet oder abgezogen werden

materielle Besteuerung: stfrei für Zwecke der KSt; GewSt

materielle Besteuerung: generell KSt und GewSt; ausländische Quellensteuer ist bis zum DBAHöchstsatz anrechenbar oder bei der Ermittlung der Einkünfte abziehbar; ausnahmsweise stfrei, wenn die ausländischen Dividenden aus Beteiligungen an Immobilien-Gesellschaften, ÖPP-Projekt-gesellschaften oder Gesellschaften stammen, deren Unternehmensgegenstand auf die Erzeugung erneuerbarer Energien gerichtet ist, und auf der Ebene dieser Gesellschaften eine steuerliche Vorbelastung vorhanden ist

materielle Besteuerung: stfrei für Zwecke der KSt und GewSt

materielle Besteuerung: Je nach Quellenstaat sind die Erträge in Deutschland stfrei (DBAFreistellung) oder stpfl., mit der Möglichkeit, ausländische Steuern bis zum DBA-Höchstsatz anzurechnen (Anrechnungsmethode) oder bei der Ermittlung der Einkünfte abzuziehen

B. Überblick über die Besteuerungssysteme | Rz. 131 Thesaurierte oder ausgeschüttete

Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen und Pensionsfonds, bei denen die Fondsanteile den Kapitalanlagen zuzurechnen sind

Zinsen und sonstige Erträge

Deutsche Dividenden (Transparenz-Option wurde nicht ausgeübt)

Ausländische Dividenden

Deutsche Mieterträge und Gewinne aus dem Verkauf deutscher Immobilien

Ausländische Mieterträge und Gewinne aus dem Verkauf ausländischer Immobilien

materielle Besteuerung: KSt und GewSt, soweit keine steuerlich absetzbaren versicherungs-technischen Rückstellungen gebildet werden; ggf. können ausländische Quellensteuern angerechnet oder abgezogen werden

materielle Besteuerung: stfrei für Zwecke der KSt und GewSt

materielle Besteuerung: je nach Quellenstaat sind die Erträge in Deutschland stfrei (DBAFreistellung) oder stpfl. (soweit keine steuerlich absetzbaren versicherungs-technischen Rückstellungen gebildet werden), mit der Möglichkeit ausländische Steuern bis zum DBA-Höchstsatz anzurechnen (Anrechnungsmethode) oder bei der Ermittlung der Einkünfte abzuziehen

materielle Besteuerung: KSt und GewSt; ausländische Quellensteuer ist bis zum DBAHöchstsatz anrechenbar oder bei der Ermittlung der Einkünfte abziehbar

materielle Besteuerung: stfrei für Zwecke der KSt und GewSt

materielle Besteuerung: je nach Quellenstaat sind die Erträge in Deutschland stfrei (DBAFreistellung) oder stpfl. mit der Möglichkeit, auslän-dische Steuern bis zum DBA-Höchstsatz anzu-rechnen (Anrechnungsmethode) oder bei der Ermittlung der Einkünfte abzuziehen

Kapitalertragsteuer: keine bzw. Abstandnahme materielle Besteuerung: KSt und GewSt, soweit keine steuerlich absetzbaren versicherungstechnischen Rückstellungen gebildet werden; ggf. können ausländische Quellensteuern angerechnet oder abgezogen werden

materielle Besteuerung: stfrei für Zwecke der KSt; GewSt, soweit keine steuerlich absetzbaren versicherungs-technischen Rückstellungen gebildet werden

Banken, die die Fondsanteile im Handelsbestand halten

Kapitalertragsteuer: keine bzw. Abstandnahme

Steuerbefreite gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Anleger (insbes. Kirchen, gemeinnützige Stiftungen)

Kapitalertragsteuer: keine bzw. Abstandnahme

materielle Besteuerung: KSt und GewSt; ggf. können ausländische Quellensteuern angerechnet oder abgezogen werden

materielle Besteuerung: stfrei für Zwecke der KSt; GewSt

materielle Besteuerung: stfrei

Sedlmaier | 27

Rz. 131 | Einleitung 1 Überblick Thesaurierte oder ausgeschüttete

Andere steuerbefreite Anleger (insbes. Pensionskassen, Sterbekassen und Unterstützungskassen, sofern die im KStG geregelten Voraussetzungen erfüllt sind)

Zinsen und sonstige Erträge

Deutsche Dividenden (Transparenz-Option wurde nicht ausgeübt)

Ausländische Dividenden

Deutsche Mieterträge und Gewinne aus dem Verkauf deutscher Immobilien

Ausländische Mieterträge und Gewinne aus dem Verkauf ausländischer Immobilien

Kapitalertragsteuer: 15 %

Kapitalertragsteuer: keine, falls die Erträge nach DBA stfrei sind, ansonsten 15 %

Kapitalertragsteuer: keine bzw. Abstandnahme materielle Besteuerung: stfrei

Gewerbliche Kapitalertragsteuer: Personengesell- 15 % schaften

Kapitalertragsteuer: Abstandnahme

materielle Besteuerung: Auf der Ebene der Personengesellschaften fällt ggf. GewSt an. Insoweit kommt es nicht zu einer Belastung mit GewSt auf der Ebene der Mitunternehmer. Für Zwecke der ESt oder KSt werden die Einkünfte der Personengesellschaft einheitlich und gesondert festgestellt. Die Mitunternehmer haben diese Einkünfte nach den Regeln zu versteuern, die gelten würden, wenn sie unmittelbar an dem Fonds beteiligt wären. Bei Mitunternehmern, die nicht dem KStG unterliegen, wird die anteilig auf den Mitunternehmer entfallende GewSt auf die ESt angerechnet. Ausländische Anleger

Kapitalertragsteuer: Abstandnahme

Kapitalertragsteuer: 15 %

Kapitalertragsteuer: Abstandnahme

materielle Besteuerung: Der Anleger wird mit den deutschen Mieterträgen und Erträgen aus der Veräußerung deutscher Immobilien beschränkt stpfl. Durch die Abgabe einer Steuererklärung in Deutschland kann er hinsichtlich der mit Kapitalertragsteuern belasteten deutschen Mieten und Gewinne aus der Veräußerung deutscher Immobilien eine Erstattung erhalten, wenn er noch eigene Betriebsausgaben im Zusammenhang mit diesen Erträgen geltend machen kann oder der Anleger eine Körperschaft, Personenvereinigung und Vermögensmasse ist, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dient, und er eine nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats der EU oder nach den Rechtsvorschriften eines Staates des EWR gegründete Gesellschaft i.S.d. Art. 54 AEUV oder des Art. 34 des Abkommens über den EWR ist, deren Sitz und Ort der Geschäftsleitung sich innerhalb des Hoheitsgebiets eines dieser Staaten befindet, und mit diesen Staaten ein Amtshilfeabkommen besteht. Ansonsten richtet sich die materielle Besteuerung nach den Regeln des Sitzstaates des Anlegers. Ausgeschüttete Gewinne aus dem Verkauf von Kapitalforderungen und aus Terminbzw. nach 15 Jahren als geschäften zugeflossen geltende

28 | Sedlmaier

Gewinne aus dem Verkauf von Aktien

B. Überblick über die Besteuerungssysteme | Rz. 131 Thesaurierte oder ausgeschüttete

Zinsen und sonstige Erträge

Deutsche Dividenden (Transparenz-Option wurde nicht ausgeübt)

Ausländische Dividenden

Deutsche Mieterträge und Gewinne aus dem Verkauf deutscher Immobilien

Ausländische Mieterträge und Gewinne aus dem Verkauf ausländischer Immobilien

Inländische Anleger Regelbesteuerte Körperschaften (typischerweise Industrieunternehmen; Banken, sofern Anteile nicht im Handelsbestand gehalten werden; Sachversicherer)

Kapitalertragsteuer: Abstandnahme

Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen und Pensionsfonds, bei denen die Fondsanteile den Kapitalanlagen zuzurechnen sind

Kapitalertragsteuer: Abstandnahme

Banken, die die Fondsanteile im Handelsbestand halten

materielle Besteuerung: KSt und GewSt; ggf. können ausländische Quellensteuern angerechnet oder abgezogen werden

materielle Besteuerung: KSt und GewSt, soweit keine steuerlich absetzbaren versicherungstechnischen Rückstellungen gebildet werden; ggf. können ausländische Quellensteuern angerechnet oder abgezogen werden

materielle Besteuerung: stfrei, sofern es sich nicht um Gewinne aus dem Verkauf nicht vorbelasteter KapGes. handelt; für Zwecke der KSt gelten 5 % der stfreien Einnahmen als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben

materielle Besteuerung: KSt und GewSt, soweit keine steuerlich absetzbaren versicherungstechnischen Rückstellungen gebildet werden; ggf. können ausländische Quellensteuern angerechnet oder abgezogen werden

Kapitalertragsteuer: Abstandnahme materielle Besteuerung: KSt und GewSt; ggf. können ausländische Quellensteuern angerechnet oder abgezogen werden

Steuerbefreite gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Anleger (insbes. Kirchen, gemeinnützige Stiftungen)

Kapitalertragsteuer: Abstandnahme

Andere steuerbefreite Anleger (insbes. Pensionskassen, Sterbekassen und Unterstützungskassen, sofern die im KStG geregelten Voraussetzungen erfüllt sind)

Kapitalertragsteuer: Abstandnahme

materielle Besteuerung: stfrei

materielle Besteuerung: stfrei

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Rz. 131 | Einleitung 1 Überblick Thesaurierte oder ausgeschüttete

Zinsen und sonstige Erträge

Deutsche Dividenden (Transparenz-Option wurde nicht ausgeübt)

Ausländische Dividenden

Deutsche Mieterträge und Gewinne aus dem Verkauf deutscher Immobilien

Ausländische Mieterträge und Gewinne aus dem Verkauf ausländischer Immobilien

Gewerbliche Kapitalertragsteuer: Personengesell- Abstandnahme schaften materielle Besteuerung: Auf der Ebene der Personengesellschaften fällt ggf. GewSt an. Insoweit kommt es nicht zu einer Belastung mit GewSt auf der Ebene der Mitunternehmer. Für Zwecke der ESt oder KSt werden die Einkünfte der Personengesellschaft einheitlich und gesondert festgestellt. Die Mitunternehmer haben diese Einkünfte nach den Regeln zu versteuern, die gelten würden, wenn sie unmittelbar an dem Fonds beteiligt wären. Bei Mitunternehmern, die nicht dem KStG unterliegen, wird die anteilig auf den Mitunternehmer entfallende GewSt auf die ESt angerechnet. Ausländische Anleger

Kapitalertragsteuer: Abstandnahme materielle Besteuerung: Die materielle Besteuerung richtet sich nach den Regeln des Sitzstaates des Anlegers.

132 Soweit Kapitalertragsteuer, ESt und KSt erhoben wird, wird ein Solidaritätszuschlag als Er-

gänzungsabgabe erhoben (SolZG).

133 Verbleiben negative Erträge nach Verrechnung mit gleichartigen positiven Erträgen auf der

Ebene des Fonds, werden diese steuerlich auf Ebene des Fonds vorgetragen (§ 41 Abs. 2 InvStG). Diese können auf Ebene des Fonds mit künftigen gleichartigen positiven stpfl. Erträgen der Folgejahre verrechnet werden (§ 41 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 InvStG). Eine direkte Zurechnung der negativen steuerlichen Erträge an den Anleger ist nicht möglich. Damit wirken sich diese negativen Beträge beim Anleger bei der ESt bzw. KSt erst in dem VZ (Steuerjahr) aus, in dem das Geschäftsjahr des Fonds endet bzw. die Ausschüttung für das Geschäftsjahr des Fonds erfolgt, in dem die negativen steuerlichen Erträge auf Ebene des Fonds verrechnet werden. Bei einer Rückgabe der Anteilscheine oder einer Veräußerung der Anteilscheine ist der jeweilige Verlustvortrag auf Fondsebene entsprechend anteilig zu kürzen (§ 41 Abs. 2 Satz 3 InvStG).

134 Substanzauskehrungen, d.h. Ausschüttungen, die keine ausgeschütteten Erträge sind, sind

nicht steuerbar (§ 34 Abs. 1 i.V.m. § 35 Abs. 5 InvStG). Dies bedeutet für einen bilanzierenden Anleger, dass die Substanzauskehrungen in der Handelsbilanz zwar ertragswirksam zu vereinnahmen sind, in der Steuerbilanz dagegen aufwandswirksam ein passiver Ausgleichsposten zu bilden ist und damit technisch die historischen Anschaffungskosten steuerneutral gemindert werden. Alternativ können die fortgeführten Anschaffungskosten um den anteiligen Betrag der Substanzausschüttung vermindert werden.

135 Für die in der obigen tabellarischen Übersicht getroffenen Aussagen zur Kapitalertragsteuer

wird unterstellt, dass der Anleger alle notwendigen anlegerspezifischen Informationen/Bescheinigungen (insbes. Nichtveranlagungsbescheinigungen und Freistellungserklärungen) dem Spezial-Investmentfonds (i.d.R. der Kapitalverwaltungsgesellschaft als gesetzlichem Vertreter) rechtzeitig zur Verfügung gestellt hat. Ferner wird unterstellt, dass steuerbefreite Anleger die Fondsanteile im Rahmen ihrer steuerbefreiten Sphäre halten (vgl. insbes. § 44a Abs. 4 Satz 4 EStG).

30 | Sedlmaier

Einleitung 2 Regelungsbereiche/Historie A. Regelungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 2

A. Regelungsbereiche Das Investmentsteuergesetz 2018 („InvStG 2018“) ergänzt einkommensteuerliche und körper- 1 schaftsteuerliche sowie auch gewerbesteuerliche Regelungszusammenhänge im Hinblick auf die Besteuerung von Investmentfonds und ihrer Anleger. Investmentfonds sind grds. Investmentvermögen nach § 1 Abs. 1 KAGB (§ 1 Abs. 2 Satz 1 InvStG, s. § 1 InvStG Rz. 10 ff.). Ein Investmentvermögen ist jeder Organismus für gemeinsame Anlagen, der von einer Anzahl von Anlegern Kapital einsammelt, um es gemäß einer festgelegten Anlagestrategie zum Nutzen dieser Anleger zu investieren und der kein operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors ist (§ 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB). Über Investmentvermögen erhalten Anleger – Kleinanleger wie institutionelle Anleger – einen Zugang zu Wertpapier- und Immobilienmärkten auf der ganzen Welt, verbunden mit Portfoliomanagement- und Risikosteuerungsleistungen. Dies gilt sowohl für Kleinanleger als auch für institutionelle Anleger. Das InvStG 2018 steht damit insbes. neben dem KAGB für das Investmentrecht, das primär dem Anlegerschutz und dem Marktfunktionsschutz, d.h. dem öffentlichen Interesse am Funktionieren der Finanzmärkte, dient.1 Dessen Bestimmungen sind in der Mehrzahl sowohl dem öffentlichen wie dem Privatrecht zuzurechnen, enthält also neben den öffentlich-rechtlichen Pflichten der BaFin und der Aufsichtsunterworfenen auch den Inhalt der Anlagebeziehung.2 Konkret verbunden sind das InvStG 2018 und das KAGB insbes. dadurch, dass § 1 InvStG für die Bestimmung des Anwendungsbereichs des InvStG (s. § 1 InvStG Rz. 8 f.) und § 2 InvStG für Begriffsbestimmungen (s. § 2 InvStG Rz. 8 ff.) auf Vorschriften des KAGB verweist, ohne dass jedoch in der zentralen Frage, wann ein Gebilde ein Investmentvermögen und damit ein Investmentfonds ist, eine Bindung an aufsichtsrechtliche Entscheidungen besteht (s. § 1 Abs. 2 Satz 2 InvStG und dazu § 1 InvStG Rz. 53 f.). Die Bedeutung des Investmentsteuerrechts erschließt sich darüber hinaus, wenn man es auch wirtschaftspolitisch als Bestandteil der europarechtlich vorgeprägten Regulierung des Investmentwesens betrachtet. Ebenso wie das Investmentrecht ist es relevant für die Attraktivität Deutschlands als Investmentstandort und die Attraktivität der Anlage in Investmentfonds und Spezial-Investmentfonds durch inländische und ausländische Anleger. Es ist damit ebenso wie die aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen dem Wettbewerb mit den Konzepten anderer Staaten ausgesetzt3 und muss zugleich den Spagat schaffen, taugliche Lösungen für Massenverfahren ebenso anzubieten wie die Möglichkeit, im Vergleich zur Direktanlage auftretende Mehrfachbelastungen zu vermeiden. Das Investmentsteuerrecht fristet dabei nun schon seit geraumer Zeit nicht mehr das in der Vergangenheit beklagte Dasein außerhalb des rechtspolitischen Diskurses,4 kann sich aber auch aufgrund seiner engen Verwobenheit mit einkommensteuerlichen Regelungsgeflechten – wie insbes. dem verkorksten5 Kapitalertragsteuerrecht – einer besonderen Komplexität nicht entziehen. Vielleicht erweckte es auch deshalb in der Vergangenheit den Eindruck, besonders miss-

1 2 3 4 5

Zetzsche in Assmann/Wallach/Zetzsche, KAGB, 2019, Einleitung Rz. 1. Zetzsche in Assmann/Wallach/Zetzsche, KAGB, 2019, Einleitung Rz. 123. Vgl. BT-Drucks. 15/1553, 65. Anzinger, FR 2016, 101. Anzinger, FR 2016, 101 (110). Klein | 31

Rz. 1 | Einleitung 2 Regelungsbereiche/Historie

brauchsanfällig zu sein.1 Viele als missliebig erkannte Gestaltungen konnten allerdings auch im Falle der Direktanlage auftreten, hatten ihre Ursache also gerade nicht im Investmentsteuerrecht.2

B. Historie 2 In dem mit Art. 2 des Investmentmodernisierungsgesetzes v. 15.12.20033 eingeführten InvStG

(hiernach InvStG 2004) wurden erstmals mit Wirkung für nach dem 31.12.2003 beginnende Wirtschaftsjahre von Investmentvermögen die bis dahin in dem Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) und dem Auslandsinvestmentgesetz (AuslInvestmG) enthaltenen steuerrechtlichen Regelungen im Investmentwesen zusammengeführt.4 Schon mit dem KAGG v. 16.4.19575 war die investmentsteuerlich eingeschränkte Transparenz begründet worden, die sodann mit dem AuslInvestmG v. 28.7.19696 konzeptionell auch für qualifizierte (sog. weiße) Auslandsfonds übernommen wurde und die dann das InvStG 2004 für in- und ausländische Fonds fortführte.7 Das InvStG 2004 wurde in der Folgezeit wiederholt und – wie z.B. mit dem AIFM-StAnpG v. 24.12.20138 – umfangreich geändert und ergänzt, um es an veränderte Rahmenbedingungen – wie z.B. die Einführung des KAGB durch das AIFM-UmsG v. 4.7.20139 – anzupassen.

3 Die sog. semitransparente oder eingeschränkt transparente Besteuerung, die auch das InvStG

2004 prägte, bedeutete, dass Anleger in ein Investmentvermögen im Grundsatz so gestellt sein sollten, als hätten sie die i.R.d. Fonds erzielten Erträge selbst erzielt.10 Sie sollten also nicht besser oder schlechter gestellt sein, als wenn sie direkt in die vom Investmentvermögen gehaltenen Vermögensgegenstände investiert hätten. Dabei war Transparenz nicht im Sinne einer „Volltransparenz“ zu verstehen, wie sie z.B. bei Personengesellschaften zum Tragen kommt. Sie galt vielmehr – zugunsten wie zulasten eines StPfl. – nur, soweit sie das Gesetz ausdrücklich anordnete.11

4 Dafür, dass Anleger grds. nicht schlechter als bei der Direktanlage gestellt wurden, sorgte die

Befreiung – allerdings nur inländischer Fonds – von der KSt und der GewSt, die § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2004 normierte,12 nachdem § 11 Abs. 1 Satz 1 InvStG 2004 sie, sofern es sich um Sondervermögen handelte, zunächst als grds. (abstrakt) stpfl. Zweckvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG fingiert hatte, während Investmentaktiengesellschaften ohnehin als Aktiengesellschaften grds. stpfl. KapGes. waren. Zudem wurde (inländischen) Fonds die von den an 1 2 3 4

5 6 7 8 9 10 11

12

BT-Drucks. 18/8045, 49 f. Vgl. Rehm/Nagler, BB 2015, 1248 (1250 f.). BGBl. I 2003, 2676. Für einen Überblick über die Geschichte der Fondsbesteuerung s. Kohl, Ubg 2017, 643; Anzinger, FR 2016, 101 (104 f.). BGBl. I 1957, 378. BGBl. I 1969, 986. S. dazu auch W. Wassermeyer, IStR 2001, 193. BGBl. I 2013, 4318. BGBl. I 2013, 1981. BFH v. 11.10.2000 – I R 99/96, BStBl. II 2001, 22. BFH v. 4.3.1980 – VIII R 48/76, BStBl. II 1980, 453, zu den mit dem InvStG vergleichbaren Regelungen des früheren KAGG; v. 7.4.1992 – VIII R 79/88, BStBl. II 1992, 786, zu Regelungen des AuslInvG; v. 11.10.2000 – I R 99/96, BStBl. II 2001, 22; v. 3.3.2010 – I R 109/08, BFH/NV 2010, 1364, zur Fortsetzung des eingeschränkten Transparenzprinzips durch das InvStG; FG Hbg. v. 24.6.2008 – 6 K 171/ 05, EFG 2008, 1816 (rkr.); FG Ba.-Wü. v. 20.7.2009 – 6 K 1871/09, juris (rkr.), s. auch Täske, FS Flick, 1997, 587 (596). Zur Frage der Vereinbarkeit mit EU-Recht s. den Vorlagebeschluss des BFH v. 18.12.2019 – I R 33/17 (Az. des EuGH C-537/20; Vorinstanz FG Münster v. 20.4.2017 – 10 K 3059/14 K, EFG 2017, 1110).

32 | Klein

B. Historie | Rz. 7

sie gezahlten Kapitalerträgen einbehaltene KapErtrSt erstattet bzw. es durfte von deren Einbehalt gleich abgesehen werden. Dadurch wurde eine weitere Besteuerungsebene auf dem Weg der Erträge zu den Anlegern vermieden, die die Anlage über Investmentfonds unattraktiv gemacht hätte. Eine Besserstellung gegenüber der Direktanlage – etwa durch die Möglichkeit, Erträge unver- 5 steuert zu thesaurieren und wieder anzulegen – verhinderte weitgehend das Konzept der ausschüttungsgleichen Erträge (§ 1 Abs. 3 Satz 3 InvStG 2004): Gewisse (allerdings nicht alle, insbes. nicht Gewinne aus der Veräußerung von Aktien, was das sog. Fondsprivileg ausmachte) von einem Fonds erzielte Erträge galten als mit Ablauf des Geschäftsjahres des Fonds ausgeschüttet und den Anlegern zugeflossen (§§ 1 Abs. 3 Satz 5, 2 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2004). Das InvStG 2004 sorgte damit wie die Regelungen zur Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG dafür, dass StPfl. die Versteuerung ihnen zuzurechnender Erträge grds. nicht aufschieben konnten (zur Konkurrenz dieser Besteuerungsregime s. § 7 Abs. 7 AStG a.F.). Zunehmend zeichnete sich jedoch ein grundlegender Reformbedarf ab, dem nach Auffassung 6 des Gesetzgebers nicht mehr durch bloße Änderungen innerhalb des bestehenden Systems der Investmentbesteuerung entsprochen werden konnte. Er befürchtete, dabei werde das ohnehin schon äußerst komplexe Investmentbesteuerungssystem noch komplexer und verwaltungsaufwendiger und damit für ein Massenbesteuerungsverfahren nicht mehr praktikabel sein. Bei Publikums-Investmentfonds stünde dann der administrative Aufwand in einem deutlichen Missverhältnis zu den Besteuerungsergebnissen, da in sie vorwiegend Kleinanleger investierten. Mit der Reform der Investmentbesteuerung sollten administrativer Aufwand abgebaut und daneben unionsrechtliche Risiken ausgeräumt, sog. Steuersparmodelle verhindert, steuerliches Gestaltungspotenzial eingeschränkt und Systemfehler des bis dahin geltenden Rechts korrigiert werden.1 Insbesondere die Sorge, das vormals bestehende System der Investmentbesteuerung sei mit EU-Recht unvereinbar und daraus könnten sich fiskalische Risiken für Deutschland ergeben, veranlasste die Investmentsteuerreform. Das InvStG 2004 hatte nämlich inländische Investmentfonds von KapErtrSt auf empfangene Dividenden freigestellt, während solche, wenn sie an ausländische Investmentfonds gezahlt wurden, einem abgeltend wirkenden Abzug von KapErtrSt unterlagen. Zwar mussten inländische Investmentvermögen bei der Ausschüttung von inländischen Dividenden bzw. bei Nichtausschüttung derselben aufgrund des fingierten Zuflusses daraus gespeister ausschüttungsgleicher Erträge wiederum KapErtrSt erheben, sodass man annehmen könnte, es komme in beiden Fällen, dem des inländischen wie dem des ausländischen Fonds, zu einer Einmalbesteuerung, nämlich bei ausländischen Investmentfonds auf Ebene der Fonds und bei inländischen Investmentfonds auf Ebene der Anleger.2 Nachdem allerdings der EuGH im Hinblick auf eine auf der ersten Stufe vergleichbare Ungleichbehandlung gebietsansässiger und gebietsfremder Investmentfonds nach polnischem Recht in der Sache Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company3 entschieden hat, auch die Notwendigkeit, die Kohärenz des Steuersystems zu wahren, rechtfertige eine solche Ungleichbehandlung nicht, da die Prüfung des Grundes der steuerlichen Kohärenz grds. im Hinblick auf ein und dasselbe Steuersystem durchgeführt werden müsse, ist zu besorgen, dass die Anlegerebene bei dieser Prüfung ausgeblendet werden und das frühere deutsche Besteuerungssystem aus Gründen der Kohärenz als nicht unionsrechtlich zulässig zu betrachten sein könnte. Nach Vorarbeiten einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe in den Jahren 2011 und 20124 und der 7 Einholung eines am 17.10.2014 vorgelegten Gutachtens des Instituts Copenhagen Economics 1 S. detailliert die Begründung des Gesetzentwurfs in BT-Drucks. 18/8045, 49 ff.; krit. dazu Rehm/Nagler, BB 2015, 1248. 2 BT-Drucks. 18/8045, 49 ff.; s. auch Rehm/Nagler, BB 2015, 1248 (1250). 3 EuGH v. 10.4.2014 – C-190/12, IStR 2014, 333. 4 S. dazu auch Steinmüller, NWB 2012, 808. Klein | 33

Rz. 7 | Einleitung 2 Regelungsbereiche/Historie

zu „volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer Reform der Investmentbesteuerung auf den Kapitalmarkt, den Finanzstandort und die Altersvorsorge in Deutschland“1 veröffentlichte daher das BMF am 21.7.2015 zunächst einen Diskussionsentwurf und sodann am 16.12.2015 einen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung. Am 24.2.2016 billigte das Bundeskabinett den Regierungsentwurf, der dem BR2 und dem BT3 zugeleitet wurde. Der BR nahm dazu Stellung.4 Nach Vorlage des Berichts und der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des BT v. 8.6.20165 nahm der BT den Gesetzentwurf am 9.6.2016 an6 und der BR stimmte dem Gesetz am 8.7.20167 zu. 8 Das noch vor seinem Inkrafttreten 1.1.2018 durch das BEPS-UmsG v. 20.12.20168 und das

StUmgBG v. 23.6.20179 ergänzte InvStG i.d.F. des InvStRefG v. 19.7.201610 wurde auch seit seinem Inkrafttreten wiederholt geändert und ergänzt, und zwar – durch das „JStG 2018“ v. 11.12.2018,11 – das „JStG 2019“ v. 12.12.2019,12 – das JStG 2020 v. 21.12.2020,13 – das Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz v. 2.6.2021,14 – das Fondsstandortgesetz v. 3.6.2021,15 – das ATADUmsG v. 25.6.202116 und schließlich – das KöMoG v. 25.6.2021.17

9 Auf eine Bitte der seinerzeitigen Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und SPD18 soll(te) das

BMF nach Ablauf der drei ersten Anwendungsjahre des seit 2018 geltenden InvStG 2018 gegenüber dem Finanzausschuss des BT berichten, ob und inwieweit die angestrebten Ziele der Neuregelung erreicht wurden. Insbesondere solle das BMF erläutern, wie die EU-Rechtslage beurteilt wird, ob die in der Gesetzesbegründung des Investmentsteuerreformgesetzes angeführten Steuergestaltungsmodelle wirksam ausgeschlossen wurden, ob neue Steuergestaltungsmodelle im Besteuerungsregime für Investmentfonds und/oder dem Besteuerungsregime für Spezial-Investmentfonds aufgetreten sind und welche tatsächlichen Folgen bei dem Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft, für die Bürger und die FinVerw. eingetreten sind. Darüber hinaus soll(te) das BMF über die fiskalischen Auswirkungen berichten. Insbesondere solle

1 www.copenhageneconomics.com/dyn/resources/Publication/publicationPDF/9/279/1428656705/ volkswirtschaftlicheauswirkungeneinerreformderinvestmentbestauerungaufdenkapitalmarkt_denfinanzstandortunddiealtersvorsorgeindeutschland-2.pdf. 2 BR-Drucks. 119/16 v. 11.3.2016. 3 BT-Drucks. 18/8045 v. 7.4.2016. 4 BR-Drucks. 119/16 v. 22.4.2016, mit Gegenäußerung der Bundesregierung v. 4.5.2016, BT-Drucks. 18/ 8345. 5 BT-Drucks. 18/8739. 6 BR-Drucks. 320/16 v. 17.6.2016. 7 BR-Drucks. 320/16 B. 8 BGBl. I 2016, 3000. 9 BGBl. I 2017, 1682. 10 BGBl. I 2016, 1730. 11 BGBl. I 2018, 2338. 12 BGBl. I 2019, 2451. 13 BGBl. I 2020, 3096. 14 BGBl. I 2021, 1259. 15 BGBl. I 2021, 1498. 16 BGBl. I 2021, 2035. 17 BGBl. I 2021, 2050. 18 BT-Drucks. 18/8739, 90.

34 | Klein

B. Historie | Rz. 10

dargestellt werden, ob die Höhe der Vorabpauschale und der Teilfreistellungsätze weiterhin angemessen erscheine. Zur Durchführung der Evaluation hat das BMF u.a. ein Forschungsvorhaben vergeben und im 10 März 2021 erste Zwischenergebnisse im Rahmen eines Workshops zum Thema „Unionsrechtliche Fragen zum Investmentsteuergesetz 2018“ mit Fachvertretern aus Verbänden, Beraterschaft und FinVerw. diskutiert. Das endgültige Ergebnis der Evaluierung bzw. eine Unterrichtung des Finanzausschusses des BT darüber durch das BMF steht, soweit ersichtlich, noch aus, wird aber bis zum Ende des Jahres 2022 erwartet.

Klein | 35

36 | Klein

Einleitung 3 Europa- und Verfassungsrecht A. B. I. II.

III. IV.

V. VI. VII.

VIII. C. I. II.

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfassungsrechtliche Fragestellungen Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verstoß gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot? 1. Veräußerungsgewinnbesteuerung bei inländischen Immobilienerträgen auf Fondsebene (Fondseingangsseite) . . 2. Veräußerungsgewinnbesteuerung bei inländischen Immobilienerträgen auf Anlegerebene (Fondsausgangsseite) . Ausschluss der Anwendung von § 8b KStG in § 6 Abs. 6 InvStG . . . . . . . . . . Treaty override im Anwendungsbereich des InvStG 2018 1. Voraussetzungen für eine Freistellung nach DBA gem. § 16 Abs. 4 InvStG . 2. Fiktion unmittelbar bezogener Einkünfte gem. § 33 Abs. 3 Satz 2 InvStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorabpauschale auf Anlegerebene . . . Teilfreistellung bei Nachweis des Überschreitens von Anlagegrenzen (§ 20 Abs. 4 InvStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestandsschutz für die Beteiligung von natürlichen Personen an Spezial-Investmentfonds (§ 26 Nr. 8 Sätze 2 und 3 InvStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestandsschutz für „Alt-Anteile“ (§ 56 Abs. 2 InvStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfluss des Unionsrechts auf das InvStG 2018 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Generelle Steuerpflicht in- und ausländischer Investmentfonds gem. § 6 InvStG 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsprechung des EuGH zur Gleichbehandlung in- und ausländischer Investmentfonds . . . . . . . . . . 3. Steuerbefreiung inländischer Investmentfonds gem. § 11 InvStG 2004 . . 4. Steuerpflicht ausländischer Investmentfonds nach dem InvStG 2004 . . 5. Steuerpflicht in- und ausländischer Investmentfonds gem. § 6 InvStG . .

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III. Steuerbefreiung nach § 8 Abs. 1 und 2 InvStG 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 8 Abs. 1 Nr. 1 InvStG – Amts- und Beitreibungshilfe leistender Staat . . . 3. § 8 Abs. 2 Nr. 1 InvStG – vergleichbare ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts . . . . . 4. § 8 Abs. 4 InvStG iVm. § 36a EStG . IV. Steuerfreie Thesaurierung (§ 1 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 InvStG 2004) vs. Vorabpauschale (§ 18 InvStG) . . . . . . . . . . V. Teilfreistellung unter Berücksichtigung der Investmentfondsbesteuerung (§ 20 i.V.m. § 6 InvStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Teilfreistellung – Nachweis tatsächlicher Überschreitung (§ 20 Abs. 4 InvStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Anlagebestimmungen (§ 26 InvStG) . VIII. Pauschalbesteuerung (§ 6 InvStG 2004) vs. Besteuerung nach dem InvStG 2018 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Umsatzsteuer-Freiheit von Fonds-Managementgebühren (§ 4 Nr. 8 Buchst. h UStG a.F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Mögliche Verstöße gegen das EU-Beihilfeverbot im InvStG 2018 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Verbotstatbestand in Art. 107 Abs. 1 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Steuerneutralität von Investmentanlagen als grundsätzlich nicht selektives Leitprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Selektive Maßnahmen im InvStG 2018? a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . b) Reduktion des Steuersatzes . . . . c) Umfang der Besteuerung . . . . . . d) Sonderregelung für die GewSt . . e) Vergleichbare Sach- und Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . 5. Beibehaltung der Semitransparenz bei Spezial-Investmentfonds . . . . . . .

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54

Literatur: Petersen, Steuerbilanzielle Erfassung der Erträge aus Investmentfonds, DStR 2006, 1674; Wellisch/Quast/Lenz, Besonderheiten bei der Besteuerung und Bilanzierung inländischer und ausländischer Schwenke/Verleger | 37

Rz. 1 | Einleitung 3 Europa- und Verfassungsrecht Investmentvermögen, BB 2008, 490; Wünsche/Brielmaier, Erhebung von Quellensteuern auf Dividenden bei Investmentfonds – insbesondere Analyse des EuGH-Urteils v. 10.5.2012 in den verbundenen Rs. FIM Santander ua., BB 2012, 2467; Rehm/Nagler, Fallstricke bei der geplanten Reform der Investment-Besteuerung, BB 2015, 1248; Anzinger, Wesen, Reformbedürfnis und Reformoptionen des Investmentsteuerrechts, FR 2016, 101; Böcker, Die neue Fondsbesteuerung im Zuge der Investmentsteuerreform, NWB 2016, 2789; Buge/Bujotzek/Steinmüller, Die InvSt-Reform ist verabschiedet, BB 2016, 1594; Hahne, BMF: Umsatzsteuerbefreiung der Fondsverwaltung – Erleichterungen bei ausgelagerten Verwaltungsleistungen, RdF 2016, 83; Hahne, Unterschiedliche Behandlung der an gebietsfremde OGAW gezahlten Dividenden in Frankreich unionsrechtswidrig, DStR 2012, 1016; Haug, Investmentfonds und Außensteuerrecht: Abgrenzungsfragen nach dem InvStRefG, IStR 2016, 597; Kußmann/Patzner/Kloster/Bui, Investmentbesteuerung vor der Zeitenwende – Grundlegende Systemänderungen in der konzeptionellen Besteuerung von Publikums-Investmentfonds, Ubg 2016, 596; Lechner, (Erneute) Reform der Investmentbesteuerung – ein Überblick, RdF 2016, 208; Neumann, Investmentsteuerreform: Ausgewählte Problemfelder, DB 2016, 1779; Patzner/Nagler, Kernpunkte des ab 2018 in Deutschland geltenden deutschen Investmentsteuerregimes, IStR 2016, 725; Stadler/Mager, Der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung, DStR 2016, 697; Nagler/Niedling/Patzner, Cum/Cum-Gestaltungen und die Erstattung unionsrechtswidrig erhobener Kapitalertragsteuern, RdF 2017, 289; Herr/Stiefel, Europarechtliche Diskriminierung ausländischer Investmentfonds auch unter dem InvStG 2018?, IStR 2019, 929.

A. Einführung 1 Mit Wirkung ab dem 1.1.2018 wurde durch das Gesetz zur Reform der Investmentbesteue-

rung v. 19.7.20161 ein neues intransparentes Besteuerungssystem für Publikums-Investmentfonds eingeführt, das wesentlich einfacher, leichter administrierbar und gestaltungssicherer sein soll als das bisherige semitransparente Besteuerungssystem.2 Insbesondere werden inländische und ausländische Investmentfonds künftig gleichbehandelt. Das bisherige semitransparente Besteuerungssystem wird daneben mit einigen Modifikationen für Spezial-Investmentfonds, in die grds. nur institutionelle Anleger investieren dürfen,3 fortgeführt. Anlass für diese umfassende Reform waren unionsrechtliche Risiken, die Komplexität der Investmentbesteuerung, die Anfälligkeit für Steuergestaltungen, Probleme bei der rückwirkenden Korrektur fehlerhafter Besteuerungsgrundlagen bei Publikumsfonds sowie letztlich die Unterscheidung zwischen Investmentfonds und Investitionsgesellschaften.4 Die Neuregelungen des InvStG 2018 müssen sich an dem Ziel des Gesetzgebers messen lassen, unionsrechtliche Risiken auszuräumen5 und den generellen Vorgaben des Verfassungsrechts zu genügen.

B. Verfassungsrechtliche Fragestellungen I. Einführung 2 Um die genannten Ziele zu erreichen und nicht ein noch komplexeres und verwaltungsauf-

wendigeres Investmentbesteuerungssystem zu schaffen, hat sich der Gesetzgeber für einen grundlegenden Systemwechsel bei der Besteuerung von Investmentfonds und seiner Anleger entschieden. Die zentralen Änderungen des InvStG 2018 werfen in verfassungsrechtlicher Hinsicht neue Fragestellungen auf, insbes. hinsichtlich der gleichmäßigen und gerechten Verteilung der Steuerlast sowie des rechtsstaatlich verankerten Vertrauensschutzes. Dabei gilt es, insbes. die Prägung des materiellen Steuerrechts durch den allgemeinen Gleichheitssatz 1 2 3 4 5

BGBl. I 2016, 1730. BT-Drucks. 18/8045, 49 (54). BR-Drucks. 119/16, 1, 107; BT-Drucks. 18/8045, 54; § 26 Nr. 8 InvStG. BT-Drucks. 18/8045, 49. BR-Drucks. 119/16, 1.

38 | Schwenke/Verleger

B. Verfassungsrechtliche Fragestellungen | Rz. 4

in Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten. Das sich hieraus ableitende Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit besagt, dass sich die Verteilung der steuerlichen Lasten an der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Einzelnen zu orientieren hat. Auch wenn der Gesetzgeber grds. missbräuchlichen oder unliebsamen Gestaltungen entgegentreten kann, hat er gleichwohl bei der Rechtssetzung wirtschaftliche Dispositionen der Stpfl. zu berücksichtigen und Entwertungen durch nachträgliche Steuerbelastungen zu vermeiden. Nachfolgend werden einzelne verfassungsrechtliche Fragen zu Regelungen des InvStG 2018 beleuchtet und bewertet.

II. Verstoß gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot? 1. Veräußerungsgewinnbesteuerung bei inländischen Immobilienerträgen auf Fondsebene (Fondseingangsseite) Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 InvStG unterliegt der Investmentfonds mit seinen inländischen Im- 3 mobilienerträgen der KSt. Inländische Immobilienerträge sind u.a. der Gewinn aus der Veräußerung von im Inland belegenen Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten (§ 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 InvStG). Wertveränderungen, die vor dem 1.1.2018 eingetreten sind, sind stfrei, sofern der Zeitraum zwischen der Anschaffung und der Veräußerung mehr als zehn Jahre beträgt (§ 6 Abs. 4 Satz 3 InvStG). Dies gilt für in- und ausländische Investmentfonds gleichermaßen. Nach bisherigem Recht wurde zunächst zwischen Immobilien-Veräußerungsgewinnen eines ausländischen und eines inländischen Investmentfonds unterschieden. Veräußerungsgewinne ausländischer Investmentfonds unterlagen bislang als sonstige Einkünfte gem. § 49 Abs. 1 Nr. 8 i.V.m. § 22 Nr. 2 EStG der beschränkten Steuerpflicht, soweit der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre betrug (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Gewinne aus Veräußerungen außerhalb der zehnjährigen Haltedauer waren dagegen nach bisherigem Recht stfrei. Mit Ablauf der Haltedauer von zehn Jahren hatte der ausländische Investmentfonds damit – ausweislich der Gesetzesbegründung – eine bestandsgeschützte Rechtsposition erworben.1 Das Gesetz greift dies auf und nimmt in der Bestandschutzregelung des Satzes 3 des § 6 Abs. 4 InvStG Wertzuwächse wie auch Wertverluste, die auf Zeiträume vor dem Inkrafttreten des Gesetzes entfallen, von der Besteuerung aus, falls die Immobilie nach einer Haltedauer von zehn Jahren veräußert wird. Umgekehrt bedeutet dies allerdings, dass Wertveränderungen nach diesem Zeitpunkt der Besteuerung unterworfen werden, und zwar unabhängig davon, ob der 10-Jahreszeitraum schon zum Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes abgelaufen war oder nicht. Die Veräußerungsgewinnbesteuerung gem. § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 InvStG geht mit einer sog. 4 „unechten“ Rückwirkung2 einher. Veräußerungsgewinne und -verluste ausländischer Investmentfonds unterliegen ab dem 1.1.2018 der Besteuerung. Die Bestandsschutzregelung in § 6 Abs. 4 Satz 3 InvStG sorgt zwar dafür, dass Wertveränderungen vor diesem Zeitpunkt steuerbefreit bleiben, Wertveränderungen nach diesem Zeitpunkt werden allerdings der Besteuerung unterworfen. Soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden („tatbestandliche Rückanknüpfung“), liegt eine „unechte“ Rückwirkung vor.3 Eine solche unechte Rückwirkung ist nicht grds. unzulässig, denn die Gewährung vollständigen Schutzes zugunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde den dem Gemeinwohl verpflichte-

1 BT-Drucks. 18/8045, 73. 2 Von einer verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässigen „echten“ Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen) wird hingegen gesprochen, wenn das Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift. 3 BVerfG v. 7.7.2010 – 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BStBl. II 2011, 76, m.w.N. Schwenke/Verleger | 39

Rz. 4 | Einleitung 3 Europa- und Verfassungsrecht

ten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Hinblick auf einen Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zulasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen.1 Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht insbes. nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren.2 Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz.3 Nach der Rspr. des BVerfG4 verstößt eine Besteuerung gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes und ist nichtig, soweit sie auf Vermögensgegenstände zugreift, die nach der zuvor geltenden Rechtslage bereits steuerentstrickt waren und bis zum Zeitpunkt der Verkündung der neuen gesetzlichen Regelung stfrei realisiert worden sind oder stfrei hätten realisiert werden können.5 5 Der Regierungsentwurf ging zunächst davon aus, dass Gründe für eine besondere Schutzwür-

digkeit der ausländischen Investmentfonds auf einen Fortbestand der Steuerbefreiungsregelung in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht ersichtlich seien6 und sah vor, auch die in der Vergangenheit liegenden Wertveränderungen der Besteuerung zu unterwerfen, wenn zum Zeitpunkt der Verkündung des InvStRefG die zehnjährige Haltefrist noch nicht abgelaufen war. Erst der BT-Finanzausschuss erweiterte die Steuerfreiheit von Wertveränderungen einer Immobilie bis zum Inkrafttreten des Gesetzes.7 Nunmehr genügt für die Steuerfreiheit der entsprechenden, vor Inkrafttreten des Gesetzes eingetretenen Wertveränderung, wenn der Zeitraum zwischen der Anschaffung und der Veräußerung mehr als zehn Jahre beträgt.

6 Die Besteuerung der Wertveränderungen auf Ebene des ausländischen Investmentfonds,

die nach dem 31.12.2017 eintreten, begegnet im Grundsatz keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Nach § 6 Abs. 4 Satz 3 InvStG sind Wertveränderungen, die in dem Veräußerungsgewinn erfasst werden und die bis zum 31.12.2017 eingetreten sind, sogar dann stfrei, wenn diese nach der zuvor geltenden Rechtslage bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des InvStRefG nicht stfrei hätten realisiert werden können, da die zehnjährige Haltefrist bis zum 31.12.2017 noch nicht abgelaufen war. Dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz wird in dieser Fallkonstellation Rechnung getragen. Allerdings werden Wertveränderungen nach dem 31.12.2017 auch dann erfasst, wenn die Haltefrist von zehn Jahren bereits zum Zeitpunkt der Verkündung des Gesetzes abgelaufen war. In dieser Fallkonstellation wird zwar auf einen Vermögensgegenstand zugegriffen, der nach der zuvor geltenden Rechtslage bereits steuerentstrickt war und bis zum Zeitpunkt der Verkündung der neuen gesetzlichen Regelung stfrei hätte realisiert werden können. Die verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition bezieht sich jedoch nur auf die Wertsteigerungen bis zum 31.12.2017. Der Stpfl. kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die alte Rechtslage quasi „auf alle Zeit“ perpetuiert werden muss.

7 Inländische Investmentfonds konnten im Hinblick auf die Besteuerung von Immobilien-Ver-

äußerungsgewinnen nach der Rechtslage bis zum Inkrafttreten des InvStG 2018 keine verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition erwerben, da nach früherem Recht die Regelungen zu den privaten Veräußerungsgeschäften (§§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) infolge des Fondsprivilegs (§ 11 InvStG 2004) keine Anwendung fanden. Durch die in § 11 InvStG 2004 normierte Steuerbefreiung auf Ebene des inländischen Investmentfonds konnte kein Vertrauen auf eine Steuerfreiheit von Wertsteigerungen bilden. Um Wettbewerbsverzerrungen zu ver1 2 3 4 5 6 7

BVerfG v. 10.10.2012 – 1 BvL 6/07, BStBl. II 2012, 932, m.w.N. BVerfG v. 10.4.1984 – 2 BvL 19/82, BVerfGE 67, 1; v. 30.9.1987 – 2 BvR 933/82, BVerfGE 76, 256. ZB BVerfG v. 8.12.2009 – 2 BvR 758/07, BVerfGE 125, 104. BVerfG v. 7.7.2010 – 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BStBl. II 2011, 76. BFH v. 20.2.2016 – VIII R 10/13, BFHE 255, 537 Rz. 10. BT-Drucks. 18/8045, 73. BT-Drucks. 18/8739, 101.

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B. Verfassungsrechtliche Fragestellungen | Rz. 12

meiden, soll die Regelung des § 6 Abs. 4 Satz 3 InvStG sowohl bei inländischen als auch bei ausländischen Investmentfonds Geltung beanspruchen.1 Verfassungsrechtliche Grundfragen sind insoweit nicht berührt. 2. Veräußerungsgewinnbesteuerung bei inländischen Immobilienerträgen auf Anlegerebene (Fondsausgangsseite) Nach bisheriger Rechtslage konnten Einnahmen i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 InvStG 2004, 8 mithin Erträge aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten, sonstigen Erträgen und Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 und 3 EStG unabhängig davon, ob der Investmentfonds die Erträge tatsächlich zur Ausschüttung verwendet, zu ausschüttungsgleichen Erträgen führen. Ausschüttungsgleiche Erträge galten mit Ablauf des Geschäftsjahres, in dem sie von dem Investmentfonds vereinnahmt worden sind, beim Anleger gleichwohl als zugeflossen und unterlagen bei ihm der Besteuerung als Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1, 2 InvStG 2004 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG.2 Schüttete der inländische Investmentfonds Gewinne aus der Veräußerung von Immobilien au- 9 ßerhalb der zehnjährigen Haltefrist i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG aus, waren diese Ausschüttungen gem. § 2 Abs. 3 InvStG 2004 stfrei, soweit die Anteile im Privatvermögen gehalten wurden. Nicht ausgeschüttete Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften waren uneingeschränkt stpfl., wenn der Anleger seinen nach dem 31.12.2008 angeschafften Investmentanteil veräußert hat (§ 1 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 3 InvStG aF).3 Nach Maßgabe der bisherigen Rechtslage konnte sich auf Ebene des Anlegers keine bestands- 10 geschützte Rechtsposition bilden, die eine stfreie Ausschüttung der aufgrund eines Bestandsschutzes stfrei gestellten Immobilien-Veräußerungsgewinne rechtfertigen könnte.4 Die Entscheidung über die Verwendung der Erträge des abgelaufenen Geschäftsjahres oblag der Entscheidung des Investmentfonds und damit außerhalb der Entscheidungsbefugnis des Anlegers. Die Anlagepolitik des Fonds war maßgebend für die Besteuerung des Anlegers.5

III. Ausschluss der Anwendung von § 8b KStG in § 6 Abs. 6 InvStG Gemäß § 6 Abs. 6 InvStG ist die Anwendung von § 8b KStG ausgeschlossen. § 6 Abs. 6 InvStG 11 zielt darauf ab, Investmentfonds anderen Anlegern mit Streubesitzbeteiligungen gleichzustellen. Beträgt die Beteiligung zum Beginn des Kalenderjahres unmittelbar weniger als 10 % des Grund- oder Stammkapitals, sind die Dividenden bei der Ermittlung des Einkommens zu berücksichtigen (§ 8b Abs. 4 Satz 1 KStG). Die Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG sind gewahrt. 12 Hiernach sind wesentlich gleiche Tatbestände gleich und wesentlich ungleiche Tatbestände ungleich zu behandeln. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen.6 Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Wahl des Steuergegenstands und bei der Bestimmung des Steuersatzes dabei einen weitreichenden Entscheidungsspielraum, der insbes. 1 2 3 4 5 6

BT-Drucks. 18/8045, 73 f. Petersen, DStR 2006, 1674 (1675); Wellisch/Quast/Lenz, BB 2008, 490. Bauderer/Mendel in Haase, InvStG, 2. Aufl. 2015, § 1 Rz. 350. BT-Drucks. 18/8045, 74. Kußmann/Patzner/Kloster/Bui, Ubg 2016, 596 (597). BFH v. 28.4.2016 – IV R 20/13, BStBl. II 739 Rz. 15 m.w.N. Schwenke/Verleger | 41

Rz. 12 | Einleitung 3 Europa- und Verfassungsrecht

im Bereich der Ertragsteuern vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt wird: Durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast an der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit.1 Beide Leitlinien werden nicht berührt. 13 Die Publikums-Investmentfonds sind geprägt von einer Vielzahl von Anlegern, bei denen

die Beteiligungshöhe des Einzelnen geringer als 10 % ist. Demgegenüber zeichnen sich Spezial-Investmentfonds durch eine beschränkte Anlegerzahl aus (max. 100, vgl. § 26 Nr. 8 Satz 1 InvStG), weshalb § 30 Abs. 2 Nr. 2 InvStG die Anwendbarkeit von § 8b KStG normiert.

IV. Treaty override im Anwendungsbereich des InvStG 2018 1. Voraussetzungen für eine Freistellung nach DBA gem. § 16 Abs. 4 InvStG 14 Gemäß § 16 Abs. 4 Satz 1 InvStG werden Freistellungen nach einem DBA für Ausschüttungen

eines ausländischen Investmentfonds nur gewährt, wenn der Investmentfonds in dem Staat, dem nach dem jeweiligen DBA das Besteuerungsrecht zusteht, der allgemeinen Ertragsbesteuerung unterliegt und die Ausschüttung zu mehr als 50 % auf nicht steuerbefreiten Einkünften des Investmentfonds beruht (§ 16 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 InvStG). Dies gilt auch dann, wenn nach dem jeweiligen DBA die Besteuerung der Ausschüttung in diesem Staat 0 % nicht übersteigen darf (§ 16 Abs. 4 Satz 2 InvStG). Von einer allgemeinen Ertragsbesteuerung ist auszugehen, wenn der Anleger nachweist, dass der Investmentfonds einer Ertragsbesteuerung i.H.v. mindestens 10 % unterliegt und nicht von ihr befreit ist (§ 16 Abs. 4 Satz 3 InvStG). § 16 Abs. 4 Satz 1 InvStG zielt darauf ab, die zweckwidrige Nutzung von Abkommensvorteilen zu verhindern.2

15 Ob die mit § 16 Abs. 4 InvStG verbundene Überschreibung einer völkerrechtlichen Verein-

barung (sog. „treaty override“) verfassungswidrig ist, ist mittlerweile durch die Rspr. des BVerfG geklärt. Ein treaty override ist ein Akt der innerstaatlichen Gesetzgebung, der im Widerspruch zu einem völkerrechtlichen Vertrag, insbes. einem DBA, steht. Das Abkommensrecht wird durch ein nationales Gesetz einseitig überschrieben. Es besteht kein Streit darüber, dass ein treaty override einen Verstoß gegen Völkerrecht darstellt und dem völkerrechtlichen Grundsatz des „pacta sunt servanda“ widerspricht. Hiervon zu trennen ist allerdings die Fragestellung, ob dieser Völkerrechtsverstoß auch einen Verstoß gegen Verfassungsrecht, insbes. gegen das Rechtsstaatsprinzip i.V.m. dem sog. Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des GG beinhaltet. Eine Antwort hat das BVerfG bereits in seiner Reichskonkordat-Entscheidung gegeben und entschieden, dass „das Grundgesetz in seiner Völkerrechtsfreundlichkeit nicht so weit geht, die Einhaltung bestehender völkerrechtlicher Verträge durch eine Bindung des Gesetzgebers an das ihnen entsprechende Recht zu sichern“, sondern „die Erfüllung der bestehenden völkerrechtlichen Vertragspflichten der Verantwortung des zuständigen Gesetzgebers“ überlässt.3 Diese Auffassung hat das BVerfG in seiner treaty-override-Entscheidung 20154 bestätigt und damit einer „völkerrechtsfreundlichen Aufladung des Rechtsstaatsprinzips“5 eine klare Absage erteilt. Geklärt ist damit, dass es im Hinblick auf das vom BVerfG in seiner Abwägungsentscheidung besonders gewichtete Demokratieprinzip eine verfassungsrechtliche Pflicht zur uneingeschränkten Befolgung völkerrechtlicher Normen, die nach Art. 59 Abs. 2 GG in nationales Recht transformiert worden sind, nicht gibt. Die Entscheidung des BVerfG geht jedoch darüber hinaus: Völkerrechtliche Verträge, auch wenn sie über den Trans1 BFH v. 28.4.2016 – IV R 20/13, BStBl. II 739 Rz. 16 m.w.N. 2 BT-Drucks. 18/8045, 87. 3 BVerfG v. 26.3.1957 – 2 BvG 1/55, BVerfGE 6, 309; bestätigt durch BVerfG v. 9.7.1971 – 2 BvR 225/69, BVerfGE 31, 145. 4 BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, IStR 2016, 191. 5 Krumm, AöR 138, 363.

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B. Verfassungsrechtliche Fragestellungen | Rz. 18

formationsakt objektives Recht setzen, genießen keine Vorrangstellung gegenüber einfachen Gesetzen. Wenn aber völkerrechtliche Verträge den Rang (einfacher) Bundesgesetze haben, ist eine Normenkollision nach Auffassung des BVerfG nach dem sog. lex-posterior-Grundsatz aufzulösen.1 Unmittelbar angesprochen wird vom BVerfG der Fall eines sog. „offenen“ treaty override, in dem der Gesetzgeber seinen Willen zur Abkommensüberschreibung ausdrücklich erklärt.2 Liegt jedenfalls ein solches vor, ist nach Auffassung des BVerfG in Rz. 50 die Geltung des lex-posterior-Grundsatzes abbedungen, d.h., ungeachtet einer späteren oder auch spezielleren abkommensrechtlichen Vorschrift geht die innerstaatliche Rechtsvorschrift kraft ausdrücklicher gesetzgeberischer Anordnung dem Abkommensrecht vor. Der Gesetzgeber hat in § 16 Abs. 4 InvStG seinen Willen zur Abkommensüberschreibung hin- 16 reichend zum Ausdruck gebracht („ungeachtet des Abkommens“), sodass weder mit Blick auf den Rang noch auf die Zeitfolge noch auf die Spezialität der Regelung Zweifel am Vorrang des § 16 Abs. 4 InvStG vor inhaltlich abweichenden völkerrechtlichen Vereinbarungen in DBA bestehen. Durch die Formulierung des § 16 Abs. 4 InvStG bringt der Gesetzgeber vielmehr zum Ausdruck, dass er eine gegenüber Zustimmungsgesetzen zu DBA vorrangige Regelung treffen wollte. Ein hiermit verbundenes treaty override unterliegt daher mit Blick auf die jüngste Rspr. des BVerfG3 keinen verfassungsrechtlichen Zweifeln. 2. Fiktion unmittelbar bezogener Einkünfte gem. § 33 Abs. 3 Satz 2 InvStG Gemäß § 33 Abs. 3 Satz 2 InvStG gilt § 33 Abs. 3 Satz 1 InvStG, wonach die ausgeschütteten 17 oder ausschüttungsgleichen inländischen Immobilienerträge bei beschränkt stpfl. Anlegern als unmittelbar bezogene Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f, Nr. 6 oder Nr. 8 EStG gelten, auch „für die Anwendung der Regelungen in Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung“. Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 InvStG gelten bei ausgeübter ImmobilienTransparenzoption beschränkt stpfl. Einkünfte i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f, Nr. 6 oder 8 EStG als den Anlegern unmittelbar zugeflossen. Die Vorschrift entspricht § 15 Abs. 2 Satz 2 InvStG i.d.F. des AIFM-Steuer-Anpassungsgesetzes.4 Mithin behalten inländische Immobilienerträge ihre Rechtsnatur auch für die Zwecke von DBA. Nach Auffassung des Gesetzgebers soll hierdurch das deutsche Besteuerungsrecht bei Immobilienerträgen gesichert5 und eine Umqualifikation der Immobilienerträge durch den mittelbaren Bezug über einen SpezialInvestmentfonds ausgeschlossen werden. Die Vorschrift verhindere eine – auch der Systematik der DBA widersprechende – stfreie Vereinnahmung inländischer Immobilienerträge durch ausländische Anleger über Spezial-Investmentfonds.6 Durch die Qualifizierung der Erträge als Immobilienerträge steht Deutschland als Belegenheitsstaat gem. Art. 6 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1 OECD-MA das Besteuerungsrecht zu. Die gesetzlichen Regelungen gelten „auch für die Anwendung der Regelungen in Abkommen 18 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung“. Der Gesetzgeber hat damit seinen Willen zur Abkommensüberschreibung hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht. Ein hiermit verbundenes treaty override unterliegt mit Blick auf die jüngste Rspr. des BVerfG7 keinen verfassungsrechtlichen Zweifeln.

1 BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, IStR 2016, 191 Rz. 49 f. 2 Im Fall des § 50d Abs. 8 EStG hat der Gesetzgeber dies durch die Formulierung „ungeachtet des Abkommens“ zum Ausdruck gebracht. 3 BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1. 4 BT-Drucks. 18/8045, 101. 5 BT-Drucks. 18/11132, 55 f. 6 BT-Drucks. 18/8045, 101. 7 BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1. Schwenke/Verleger | 43

Rz. 19 | Einleitung 3 Europa- und Verfassungsrecht 19 Nach den nationalen Regeln gelten die inländischen Immobilienerträge aus Spezial-Invest-

mentfonds i.S.d. § 29 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 5 InvStG auf Ebene des Anlegers als inländische Immobilienerträge. Für diese Erträge steht dem Belegenheitsstaat gem. Art. 6 Abs. 1, Art. 13 Abs. 1 OECD-MA das Besteuerungsrecht zu. Der Anleger eines Spezial-Investmentfonds erzielt grds. Spezial-Investmenterträge gem. § 34 Abs. 1 InvStG i.V.m. § 20 Nr. 3a EStG. Nach Maßgabe von Art. 10 OECD-MA könnten die Erträge als Dividenden qualifiziert werden, für die nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA eine privilegierte Besteuerung greift. Ein hiermit ggf. verbundenes treaty override ist mit Blick auf die jüngste Rspr. des BVerfG nicht verfassungswidrig (vgl. insoweit die vertieften Ausführungen unter Rz. 15 f.).

V. Vorabpauschale auf Anlegerebene 20 Nach § 18 i.V.m. § 16 Abs. 1 Nr. 2 InvStG unterliegt die Vorabpauschale als Investmentertrag

der Besteuerung. Die Vorabpauschale ist eine pauschale Bemessungsgrundlage in Höhe einer risikolosen Marktverzinsung für den Fall, dass die Ausschüttungen des Investmentfonds in dem VZ die Marktverzinsung nicht erreichen. Nach bislang geltender Rechtslage wurden einzelne Ertragsbestandteile dem Anleger mit Ablauf des Fondsgeschäftsjahres, in dem diese vom Investmentfonds vereinnahmt worden sind, im Fall der Thesaurierung als sog. ausschüttungsgleiche Erträge i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 3 InvStG 2004 zugerechnet (§ 2 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2004). Zwar setzte die Zurechnung dieser ausschüttungsgleichen Erträge eine tatsächliche Erzielung der Erträge auf Ebene des Investmentfonds voraus. Jedoch erfolgte nach dem bisherigen System auch bei negativer Wertentwicklung des Anteils die Zurechnung ausschüttungsgleicher Erträge.

21 Gemäß § 18 Abs. 1 InvStG haben Anleger eines Investmentfonds künftig während der Halte-

dauer der Anteile für am Jahresende gehaltene Investmentanteile eine Vorabpauschale zu versteuern. Die Vorabpauschale wird jahresbezogen ermittelt, wodurch ein absoluter Wertzuwachs irrelevant ist. Vermindert sich der Wert des Anteils im Jahr 01 und steigt dieser im Jahr 02, bliebe zwar im Jahr 01 ein Ansatz einer Vorabpauschale aus, die gleichwohl im Jahr 02 zum Ansatz käme. Der Basisertrag ist auf die tatsächliche Wertsteigerung im Geschäftsjahr des Investmentfonds begrenzt, d.h., im Fall des Verlustes werden keine fiktiven Wertsteigerungen versteuert. Hintergrund ist die Vermeidung einer übermäßigen Besteuerung bei renditeschwachen Vermögensgegenständen. Die Vorabpauschale zielt auf die Vermeidung zeitlich unbeschränkter Stundungsmöglichkeiten und damit auf die Verhinderung von Gestaltungen sowie die Verstetigung des Steueraufkommens.1

22 Diese Mindestbesteuerung fiktiver Einnahmen auf Ebene des Anlegers erfolgt grds. losge-

löst von der individuellen Leistungsfähigkeit des Anlegers, denn die tatsächliche Erzielung von Fondserträgen auf Ebene des Fondsanlegers ist kein erforderliches Kriterium für den Steuerzugriff. Die Vorabpauschale ist eine pauschale Besteuerung des Anlegers, die losgelöst von den tatsächlichen Ertragsverhältnissen, sondern vielmehr aufgrund unrealisierter Gewinne des Investmentfonds erfolgt. Mit Blick auf die verfassungsrechtlich gebotene Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit begegnet die Vorabpauschale zunächst verfassungsrechtlichen Bedenken (Art. 3 Abs. 1 GG). Das sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebende Prinzip der Besteuerung nach der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besagt, dass sich die Verteilung der steuerlichen Lasten an der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Einzelnen zu orientieren hat.2 Bei der Wahl des Steuergegenstands und des Steuersatzes hat der Gesetzgeber einen gewissen Entscheidungsspielraum, der nur durch das Gebot der 1 BT-Drucks. 18/8045, 55. 2 BVerfG v. 14.6.2016 – 2 BvR 290/10, BStBl. II 2016, 801 Rz. 33; v. 30.9.2015 – 2 BvR 1066/10, FR 2016, 78 Rz. 27.

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B. Verfassungsrechtliche Fragestellungen | Rz. 26

Ausrichtung der Steuerlast an der finanziellen Leistungsfähigkeit und dem Gebot der Folgerichtigkeit begrenzt ist. Dabei ist der Gesetzgeber berechtigt, sich generalisierender, pauschalierender und typisierender Regelungen zu bedienen, wobei er von einem Gesamtbild auszugehen hat, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen den regelungsbedürftigen Sachverhalt zutreffend wiedergibt.1 Er hat sich aber am Normalfall zu orientieren.2 Eine reine Cash-flow-Besteuerung würde zwar eine deutliche Vereinfachung darstellen und 23 die tatsächliche Leistungsfähigkeit des einzelnen Anlegers zutreffend abbilden. Gleichzeitig würde sie aber zu einer erheblichen Steuerstundung führen, die die Fondsanlage gegenüber der Direktanlage erheblich besser stellen würde.3 Infolge der Abschirmwirkung einer CashFlow-Besteuerung wäre es zudem möglich, dass vermögende Anleger eigene Investmentfonds auflegen und diese als zeitlich unbeschränkte, generationenübergreifende Kapitalanlage nutzen, deren Besteuerung durch rechtzeitigen Wegzug in niedrig besteuernde ausländische Staaten vollständig vermieden werden könnte.4 Die bisherigen ausschüttungsgleichen Erträge werden durch eine pauschale Bemessungs- 24 grundlage i.H.v. 70 %5 des Basiszinses nach § 18 Abs. 4 InvStG, multipliziert mit dem Rücknahmepreis des Investmentanteils zu Beginn des Kalenderjahres und vermindert um die innerhalb eines Kalenderjahres erfolgten Ausschüttungen, ersetzt. Der Basiszins ist aus der langfristig erzielbaren Rendite öffentlicher Anleihen abzuleiten. Dabei ist auf den Zinssatz abzustellen, den die Deutsche Bundesbank anhand der Zinsstrukturdaten jeweils auf den ersten Börsentag des Jahres errechnet. Das BMF veröffentlicht den maßgebenden Zinssatz im BStBl. Teil I. Eine KapErtrSt auf die Vorabpauschale wird nicht erhoben, wenn der Rücknahmepreis am Ende des Kalenderjahres geringer ist als zu Beginn des Kalenderjahres sowie für den Fall, dass die Ausschüttungen höher sind als die ermittelte Vorabpauschale. Als milderes Mittel käme allenfalls in Betracht, dem Anleger die Möglichkeit einzuräumen, 25 den Nachweis der tatsächlich erzielten Erträge zu erbringen. Dies ginge aber zulasten der Vereinfachungs- und Typisierungserfordernisse.6 Die Erhebung der Vorabpauschale erfolgt in einem Massenverfahren, sodass ihre Ausgestaltung praktikabel sein muss. Daher dürfen aus verfassungsrechtlicher Sicht Gegebenheiten des Einzelfalls vernachlässigt und Sachverhalte typisiert werden. Die mit der Typisierung verbundene Ungleichbehandlung der steuerlichen Belastung wird zudem zeitnah im Fall der Veräußerung berücksichtigt. Die regelmäßige Haltedauer bei Investmentfonds beträgt drei Jahre. Grundsätzlich wird nicht beanstandet, wenn sich zunächst eine laufende höhere Belastung 26 für den einzelnen Stpfl. ergibt, solange sich die Wirkung des objektiven Nettoprinzips über die Veranlagungszeiträume entfaltet.7 Das objektive Nettoprinzip gebietet den Abzug von Aufwendungen, die der Stpfl. für die Erzielung und Sicherung seiner Einkünfte aufwenden muss.8 Es setzt jedoch von Verfassungs wegen nicht notwendigerweise voraus, dass der Abzug von Aufwendungen in jedem VZ erfolgt.9 Eine Beschränkung des vertikalen Verlustausgleichs wird grds. nicht durch das allgemeine Leistungsfähigkeitsprinzip ausgeschlossen, solange tat1 BVerfG v. 16.3.2005 – 2 BvL 7/00, BGBl. I 2005, 1622. 2 BVerfG v. 22.2.1984 – 1 BvL 10/80, BGBl. I 1984, 682; v. 16.3.2005 – 2 BvL 7/00, BGBl. I 2005, 1622; v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BStBl. II 2007, 192. 3 BT-Drucks. 18/8045, 88. 4 BT-Drucks. 18/8045, 88. 5 Der Abschlag i.H.v. 30 % bildet die Verwaltungskosten ab. 6 BVerfG v. 12.10.2010 – 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 245; v. 25.9.1992 – 2 BvL 5/91, 8/91, 14/91, BVerfGE 87, 172. 7 BVerfG v. 22.7.1991 – 1 BvR 313/88, DStR 1991, 1278. 8 BVerfG v. 22.7.1991 – 1 BvR 313/88, DStR 1991, 1278; BFH v. 28.4.2016 – IV R 20/13, BStBl. II 2016, 739. 9 BFH v. 28.4.2016 – IV R 20/13, BStBl. II 2016, 739. Schwenke/Verleger | 45

Rz. 26 | Einleitung 3 Europa- und Verfassungsrecht

sächlich entstandene Verluste überhaupt, ggf. in einem anderen VZ und wenn auch beschränkt auf die gleiche Einkunftsart, steuerlich berücksichtigt werden. Nach § 44 Abs. 1b EStG sind bei inländischen und ausländischen Investmentfonds für die Vorabpauschale nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 InvStG die Regelungen des § 44 Abs. 1 Sätze 7 bis 11 EStG entsprechend anzuwenden. § 44 Abs. 1 Satz 8 EStG ermöglicht dem Entrichtungspflichtigen, Zugriff auf ein bei ihm unterhaltenes Konto ohne Einwilligung des Gläubigers der Kapitalerträge zu nehmen, wenn liquide Mittel zum KapErtrSt-Abzug in Form der Vorabpauschale nicht zur Verfügung gestellt werden. Ein schwerwiegender Eingriff in die Rechte des Gläubigers der Kapitalerträge ist hierin gleichwohl nicht zu sehen (a.A. Hasbach in Anh. 2 Rz. 29 ff.). In der Regel wird die Einwilligung der Gläubiger der Kapitalerträge bereits durch Abschluss des Konto- bzw. Depotvertrags erteilt bzw. ist konkludent anzunehmen. § 44 Abs. 1 Satz 7 und Satz 8 EStG stehen in einem Rangverhältnis. Nach Satz 7 „hat“ der Gläubiger dem zum Steuerabzug Verpflichteten den Fehlbetrag zur Verfügung zu stellen, er ist gesetzlich hierzu verpflichtet. Erst wenn dies nicht erfolgt, normiert Satz 8 für den Entrichtungspflichtigen eine gesetzliche Ermächtigung. Diese ist jedoch hinsichtlich des persönlichen und sachlichen Anwendungsbereichs als auch der Höhe nach begrenzt. Der Zugriff folgt der gesetzlichen Verpflichtung nach. Zudem steht dem Gläubiger der Kapitalerträge ein Widerspruchsrecht zu. Die Beschränkung des Verlustausgleichs gem. § 19 Abs. 1 Satz 3 InvStG i.V.m. § 20 Abs. 6 EStG ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach der gefestigten Rspr. des BFH1 bestehen nach Maßgabe von Art. 3 Abs. 1 GG insoweit keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Verlustausgleichsbeschränkung, als der Verlustausgleich nicht versagt, sondern lediglich zeitlich gestreckt wird. Eine Verlagerung des Verlustausgleichs auf spätere VZ ist im Hinblick darauf, dass Art. 3 Abs. 1 GG seine Wirkung grds. veranlagungszeitraumübergreifend entfaltet, nicht zu beanstanden.2 Der BFH lässt es genügen, wenn die Verluste überhaupt steuerlich berücksichtigt werden, sei es auch in einem anderen VZ. 27 Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 InvStG ist der Gewinn aus der Veräußerung von Investmentanteilen

um die während der Besitzzeit angesetzte Vorabpauschale zu vermindern. § 19 Abs. 1 Satz 3 InvStG zielt darauf ab, eine Überbesteuerung zu vermeiden.3 Veräußert der Fondsanleger seine Anteile mit Verlust, führt dies zu einem nach § 20 Abs. 6 EStG eingeschränkt verrechenbaren Verlust. Hiernach dürfen Verluste aus Kapitalvermögen nicht mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden; sie dürfen auch nicht nach § 10d EStG abgezogen werden.

28 Der Einkunftsart „Kapitalvermögen“ sind gem. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG Investmenterträge

nach § 16 InvStG zuzuordnen, die neben den Gewinnen aus Veräußerungen von Investmentanteilen auch Ausschüttungen des Investmentfonds erfassen.

VI. Teilfreistellung bei Nachweis des Überschreitens von Anlagegrenzen (§ 20 Abs. 4 InvStG) 29 Der Nachweis, dass der Investmentfonds die Anlagegrenzen während des Geschäftsjahres tat-

sächlich durchgehend überschritten hat, ist tatbestandliche Voraussetzung für die Gewährung der Teilfreistellung (§ 20 Abs. 4 InvStG). Das Gesetz lässt es jedoch offen, welche Unterlagen zur Nachweisführung geeignet und ausreichend sind. Die Regelung des § 20 Abs. 4 InvStG ist mit Blick auf den Grundsatz der Normenklarheit und Bestimmtheit prüfungswürdig.

1 BFH v. 22.8.2012 – I R 9/11, BStBl. II 2013, 512; v. 20.9.2012 – IV R 36/10, BStBl. II 2013, 498. 2 BFH v. 18.10.2006 – IX R 28/05, BStBl. II 2007, 259; v. 10.2.2015 – IX R 8/14, BFH/NV 2015, 830; v. 29.4.2005 – XI B 127/04, BStBl. II 2005, 609. 3 BT-Drucks. 18/8045, 90.

46 | Schwenke/Verleger

B. Verfassungsrechtliche Fragestellungen | Rz. 32

Nach dem sich aus Art. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten Bestimmtheitsgebot muss eine Norm ein 30 Minimum an Messbarkeit und Voraussehbarkeit aufweisen, wobei es dem Gesetzgeber unbenommen bleibt, sich unbestimmten Rechtsbegriffen zu bedienen, um eine möglichst große Anzahl von Fällen einzubeziehen. Dies bedingt, dass die wesentlichen Bestimmungen mit hinreichender Genauigkeit formuliert sind, um sie im Einzelfall durch Auslegung zu konkretisieren. Bereits aus dem Wortlaut von § 20 Abs. 4 InvStG ergibt sich, dass nur solche Nachweise denkbar sind, anhand derer der Verlauf der Anlagegrenzen während des Geschäftsjahres des Investmentfonds abzulesen ist. Dies wird durch die Gesetzesbegründung1 hinreichend konkretisiert, wonach Vermögensverzeichnisse oder eine schriftliche Bestätigung des Investmentfonds in Betracht kommen. Dem Grundsatz der Normenklarheit und Bestimmtheit i.S.d. Art. 20 Abs. 3 GG dürfte damit Genüge getan sein.

VII. Bestandsschutz für die Beteiligung von natürlichen Personen an Spezial-Investmentfonds (§ 26 Nr. 8 Sätze 2 und 3 InvStG) Gemäß § 26 Nr. 8 Satz 1 InvStG dürfen sich künftig natürliche Personen an Spezial-Invest- 31 mentfonds weder unmittelbar noch mittelbar über Personengesellschaften beteiligen, soweit keine Ausnahmen i.S.d. § 26 Nr. 8 Satz 2 Buchst. a und b InvStG vorliegen. Bereits bestehende Strukturen werden einem zeitlich befristeten Bestandsschutz gem. § 26 Nr. 8 Satz 3 InvStG unterworfen:2 für ab dem 24.2.2016 erworbene Beteiligungen bis zum 1.1.2020 und bei früheren Erwerben bis zum 1.1.2030. Nach Ablauf der Bestandsfrist unterliegen die Einkünfte dem allgemeinen progressiven Einkommensteuertarif und nicht dem ggf. günstigeren Abgeltungsteuersatz.3 Die Regelung des § 26 Nr. 8 InvStG begegnet mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnis- 32 mäßigkeit keinen verfassungsrechtlichen Bedenken und ist mit dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung vereinbar. Die Norm ist geeignet, das Ziel zu erreichen,4 eine einheitliche Besteuerung aller natürlichen Personen nach den Besteuerungsregelungen des Kapitels 2 des InvStG 2018 sicherzustellen. Der Ausschluss natürlicher Personen von den Besteuerungsregelungen des Kapitels 3 des InvStG 2018 ist angemessen. Eine Maßnahme ist angemessen und damit verhältnismäßig im engeren Sinne, wenn die Nachteile, die mit der Maßnahme verbunden sind, nicht völlig außer Verhältnis zu den Vorteilen stehen, die sie bewirkt. Die Normierung des Ausschlusses natürlicher Personen von der Beteiligung an Spezial-Investmentfonds betrifft nur natürliche Personen, die die Anteile nicht im Betriebsvermögen halten und die nicht aufgrund aufsichtsrechtlicher Regelungen zwingend beteiligt sein müssen. Die Begrenzung des Bestandsschutzes bezweckt die Vermeidung eines „Schlussverkaufs“, um in den Genuss der „Semi-Transparenz“ zu gelangen.5 Der Gesetzgeber hat bei der Festlegung des zeitlichen Rahmens des Bestandsschutzes die Interessen der betroffenen Anleger an einem Schutz ihrer in der Vergangenheit getätigten Investitionen gegenüber dem Gebot der steuerlichen Gleichbehandlung aller natürlichen Personen abgewogen. Es sind keine Gründe ersichtlich, die es rechtfertigen, Gleiches (natürliche Personen) ungleich (nach den Besteuerungsregelungen in Kapitel 2 oder Kapitel 3) zu behandeln. Es sind zudem keine Anhaltspunkte ersichtlich, die gegen die Annahme des Gesetzgebers6 angeführt werden könnten, dass der gewählte Zeitraum für den Bestandsschutz gem. § 26 Nr. 8 Satz 3 InvStG nicht ausreichend sei,

1 2 3 4 5 6

BT-Drucks. 18/8045, 92. Böcker, NWB 2016, 2789 (2795). BT-Drucks. 18/8045, 96. BT-Drucks. 18/8045, 95. BT-Drucks. 18/8045, 96. BT-Drucks. 18/8045, 96. Schwenke/Verleger | 47

Rz. 32 | Einleitung 3 Europa- und Verfassungsrecht

um ohne wirtschaftliche Beeinträchtigung die von natürlichen Personen getätigten Investitionen abzubauen.

VIII. Bestandsschutz für „Alt-Anteile“ (§ 56 Abs. 2 InvStG) 33 Anteile an Investmentfonds, an Kapital-Investitionsgesellschaften nach dem InvStG 2004 oder

anderen Organismen, die zum 1.1.2018 erstmals in den Anwendungsbereich des InvStG 2018 fallen („Alt-Anteile“), gelten mit Ablauf des 31.12.2017 als veräußert und mit Beginn des 1.1.2018 als angeschafft (§ 56 Abs. 2 Satz 1 InvStG). Im Zeitpunkt der Umstellung auf das neue Besteuerungssystem erfolgt eine fiktive Veräußerung und (Neu-)Anschaffung der Investmentanteile. Ein dabei entstehender Gewinn i.S.d. § 2 Abs. 14 InvStG ist gem. § 56 Abs. 3 InvStG grds. zu dem Zeitpunkt steuerlich zu berücksichtigen, zu dem der Alt-Anteil tatsächlich veräußert wird.

34 Diese Fiktion gilt vorbehaltslos, d.h. grds. auch für Alt-Anteile, die der Anleger vor Einfüh-

rung der Abgeltungsteuer zum 1.1.2009 erworben hat. Nach § 21 Abs. 2 Satz 2 InvStG 2004 war die Rückgabe oder Veräußerung von Investmentanteilen im Privatvermögen mit Ausnahme der Anteile an Spezial-Sondervermögen („Millionärsfonds“) gem. § 21 Abs. 2a InvStG 2004 und geldmarktorientierten Fonds gem. § 21 Abs. 2b InvStG 2004 nicht steuerbar, soweit die Anteile vor dem 1.1.2009 erworben wurden. Gewinne und Verluste aus der Rückgabe und Veräußerung von privaten Investmentanteilen sind seit der Einführung der Abgeltungsteuer Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG. Durch den in § 21 Abs. 2 Satz 2 InvStG 2004 normierten Bestandsschutz sollte ein Gleichlauf mit § 52 Abs. 28 Satz 11 EStG erreicht werden, der für die Anwendung von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG im Bereich der Direktanlage ebenfalls auf eine Anschaffung nach dem 31.12.2008 abstellt.1

35 Der Verzicht auf eine dauerhafte Koexistenz von altem und neuem Investmentsteuerrecht bei

Alt-Anteilen im Privatvermögen bedarf einer näheren Untersuchung. Fraglich ist, ob die gesetzgeberische Wertungsentscheidung der Veräußerungs- und Anschaffungsfiktion für AltAnteile verfassungsrechtlichen Grundsätzen standhält, namentlich dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und dem verfassungsrechtlich geschützten Vertrauen der Anleger. Der Gesetzgeber geht ausweislich der Gesetzesbegründung davon aus, dass die Einschränkung des Bestandschutzes keine verfassungsrechtlich zu rechtfertigende Ungleichbehandlung der Fondsanlage gegenüber der Direktanlage i.S.d. Art. 3 Abs. 1 GG darstellt.2

36 Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Wahl des Steuergegenstands und bei

der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Dieser Entscheidungsfreiheit sind jedoch durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien Grenzen gesetzt: zum einen durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast an der finanziellen Leistungsfähigkeit und zum anderen durch das Gebot der Folgerichtigkeit.3 Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf abgezielt werden, Stpfl. bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedrigerer Einkommen angemessen sein muss. Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne einer Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes.4 Der allgemei1 2 3 4

Moritz/Strohm in Moritz/Jesch/Mann, InvStG, 2015, § 21 Rz. 35. BR-Drucks. 119/16, 145. BFH v. 22.9.2016 – IV R 2/13, BStBl. II 2017, 165. BVerfG v. 6.7.2010 – 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268; BFH v. 20.9.2012 – IV R 36/10, BStBl. II 2013, 498; v. 10.9.2015 – IV R 8/13, BStBl. II 2015, 1046.

48 | Schwenke/Verleger

B. Verfassungsrechtliche Fragestellungen | Rz. 38

ne Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln.1 Der allgemeine Gleichheitssatz gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen.2 Aus ihm ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen.3 Für die Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen kommt es wesentlich darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann.4 Abweichend von der Einschränkung des Bestandsschutzes für private Investmentanteile un- 37 terliegen (andere) Anteile, die nicht Investmentanteile sind (also z.B. Gesellschaftsanteile, Aktien etc.) in der Direktanlage, die vor dem 1.1.2009 erworben wurden, uneingeschränkt dem Bestandsschutz und können außerhalb der einjährigen Spekulationsfrist stfrei veräußert werden (§ 52 Abs. 28 Satz 11 EStG). Dies gilt vorbehaltslos, mithin auch für Wertveränderungen, die nach dem 1.1.2009 eintreten. Daher werden Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen in der Direkt- bzw. in der Fondsanlage unterschiedlich besteuert. Die Ungleichbehandlung hält jedoch verfassungsrechtlichen Grundsätzen stand, da zum einen die Anlage in Investmentfonds nicht mit der Direktanlage vergleichbar ist und zum anderen die Kappung des Bestandsschutzes zur Verhinderung von Steuerumgehungen erforderlich und damit gerechtfertigt ist. Die fehlende Vergleichbarkeit kommt bereits darin zum Ausdruck, dass, anders als bei der Direktanlage, Veräußerungsgewinne und Termingeschäftsgewinne als Folge der SemiTransparenz des bisherigen Investmentsteuerrechtes auf Investmentfondsebene stfrei thesauriert werden konnten und erst dann besteuert wurden, wenn der Investmentfonds sie an die Anleger ausgeschüttet oder wenn der Anleger seinen Investmentanteil veräußert bzw. zurückgegeben hat.5 Das Investmentsteuerrecht verfolgt den Zweck, die Rechtsformabhängigkeit des Ertragsteuerrechts zu mildern und die Administrierbarkeit der transparenten Besteuerung bei einem großen Anlegerkreis zu gewährleisten.6 Bei Einführung der Abgeltungsteuer hat der Gesetzgeber einen Bestandsschutz für die Steu- 38 erfreiheit von Veräußerungsgewinnen aus vor 2009 angeschafften Wertpapieren eingeräumt. Vermögende Einzelanleger nutzten diesen Bestandsschutz zur dauerhaften Umgehung der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen (sog. „Millionärsfonds“).7 Erwarben Einzelanleger vor dem 1.1.2009 Investmentanteile im Privatvermögen, wurden die im Investmentvermögen thesaurierten Gewinne aus der Veräußerung von nach dem 31.12.2008 durch das Investmentvermögen erworbenen Wertpapieren mangels Fiktion als ausschüttungsgleiche Erträge beim Anleger regelmäßig nicht besteuert. Der Gewinn aus der Veräußerung des Investmentanteils selbst war nach einer Haltedauer von einem Jahr nicht stpfl.8 Mit dem JStG 2008 1 BVerfG v. 6.7.2010 – 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268; v. 21.6.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164; v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210. 2 BVerfG v. 8.6.2004 – 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412; v. 21.6.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164; v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210. 3 BVerfG v. 6.7.2010 – 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268; v. 2.4.2004 – 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99, BVerfGE 110, 274; v. 11.1.2005 – 2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164; v. 21.6.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164; v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210; BFH v. 6.12.2016 – IX R 48/15, BStBl. II 2017, 313. 4 BVerfG v. 11.1.2005 – 2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164; v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210. 5 Bauderer/Mundel in Haase, InvStG, 2. Aufl. 2015, § 1 Rz. 350; Gottschling/Schatz in Moritz/Jesch/ Mann, InvStG, 2015, § 1 Rz. 276. 6 Anzinger, FR 2016, 101 (104). 7 BT-Drucks. 18/8045, 126. 8 BT-Drucks. 16/7036, 28. Schwenke/Verleger | 49

Rz. 38 | Einleitung 3 Europa- und Verfassungsrecht

hat der Gesetzgeber § 21 Abs. 2a InvStG i.d.F. des AIFM-StAnpG geschaffen, um diese Umgehungsmöglichkeit einzuschränken.1 Nach Auffassung des Gesetzgebers habe sich jedoch gezeigt, dass diese Maßnahme nur eingeschränkt wirksam gewesen sei. Um die dauerhafte Umgehungsmöglichkeit auszuschließen, war daher eine zeitliche Kappung des Bestandsschutzes erforderlich.2 39 Die zeitliche Einschränkung des Bestandsschutzes ist dem zulässigen Systemwechsel ge-

schuldet. Verfassungsrechtlichen Schutz genießt die Rechtsposition, die der Stpfl. zum Zeitpunkt des Systemwechsels materiell-rechtlich innehatte.3 Bei der Bestimmung der Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz ist allerdings zu berücksichtigen, dass das BVerfG dem Gesetzgeber gerade bei der Umstrukturierung komplexer Regelungssysteme stets einen besonders weiten Spielraum bei der Ausgestaltung der Übergangsvorschriften einräumt.4 Nach der Rspr. des BVerfG ist Art. 3 Abs. 1 GG nur dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt.5 Die verfassungsrechtliche Prüfung von Stichtags- und Übergangsvorschriften beschränkt sich damit grds. darauf, ob der Gesetzgeber den ihm zukommenden Spielraum in sachgerechter Weise genutzt, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und die gefundene Lösung im Hinblick auf den Sachverhalt und das System der Gesamtregelung sachlich vertretbar erscheint.6

40 Der Gesetzgeber hat sich bei der Reform der Investmentbesteuerung für einen stichtagsbezo-

genen Wechsel des Besteuerungsregimes entschieden. Indem er die Steuerfreiheit bestandsgeschützter Anteile normiert, setzt er seine einmal getroffene Wertungsentscheidung konsequent um. Mit dem Systemwechsel geht ein Ausschluss einer Verrechnung von Wertveränderungen, die zwischen dem Anschaffungszeitpunkt und dem 31.12.2017 eingetreten sind, mit Wertveränderungen ab dem 1.1.2018 einher. Die ursprünglich normierte Durchbrechung in § 56 Abs. 6 Satz 4 InvStG i.d.F. v. 23.6.2017 hat der Gesetzgeber durch das JStG 2018 v. 11.12.20187 aus Gründen der Vereinfachung8 gestrichen. § 56 Abs. 6 Satz 4 InvStG i.d.F. v. 23.6.2017 regelte das Wiederaufleben des Freibetrags für den Fall, dass in einem Folgejahr Verluste aus der Veräußerung von bestandsgeschützten Alt-Anteilen realisiert wurden.

41 Gleichwohl könnten die Regelungen unter Beachtung von Vertrauensschutzgesichtspunkten

verfassungsrechtlich bedenklich sein. Die Einschränkung des Bestandsschutzes betrifft in der Vergangenheit liegende Anschaffungen, wobei die Rechtsfolgen aber erst bei tatsächlicher Veräußerung nach dem 31.12.2017 eintreten. § 56 Abs. 2 InvStG normiert insoweit eine unechte Rückwirkung, da sie auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte in der Zukunft einwirkt und schwebende Rechtspositionen nachträglich entwertet. Die unechte Rückwirkung ist nach der Rspr. des BVerfG grds. zulässig, soweit der Gesetzgeber die sich aus dem rechtsstaatlichen Prinzip ergebenden verfassungsrechtlichen Schranken, namentlich den Vertrauensschutz, beachtet. Das Vertrauen ist insbes. enttäuscht, wenn der Gesetzgeber einen entwertenden Eingriff normiert, mit dem der Betroffene nicht zu rechnen brauchte, den er mithin bei seinen Dispositionen nicht berücksichtigen konnte. Nach der Rspr. des BVerfG kann sich der Einzelne dann nicht auf den Schutz seines Vertrauens berufen, wenn sein Vertrauen auf den Fortbestand einer ihm günstigen Regelung eine Rücksichtnahme durch den Gesetzgeber 1 2 3 4 5 6 7 8

BT-Drucks. 16/7036, 28. BT-Drucks. 18/8045, 126. BFH v. 2.2.2016 – I R 21/14, BStBl. II 2017, 794 Rz. 26. BFH v. 6.12.2016 – IX R 48/15, BStBl. II 2017, 313 Rz. 13. BVerfG v. 17.11.2009 – 1 BvR 2192/05, BVerfGE 125, 1. BVerfG v. 1.4.2014 – 2 BvL 2/09, BVerfGE 136, 127 Rz. 50. BGBl. I 2018, 2338. BR-Drucks. 372/18, 36.

50 | Schwenke/Verleger

C. Einfluss des Unionsrechts auf das InvStG 2018 | Rz. 45

billigerweise nicht beanspruchen darf.1 Der Bürger kann grds. nicht darauf vertrauen, dass der Gesetzgeber Steuervergünstigungen und steuerliche Freiräume aufrechterhält sowie von der Erhebung zusätzlicher Steuern absieht.2 Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht nicht so weit, den Begünstigten vor jeder Enttäuschung seiner Erwartungen in die Dauerhaftigkeit der Rechtslage zu bewahren; vielmehr müssen auf seiner Seite gewichtige zusätzliche Interessen angeführt werden können, die den öffentlichen Interessen vorgehen.3 Ein derartiges, vom BVerfG gefordertes, überwiegendes schutzwürdiges Vertrauen der Anleger 42 in Investmentfondsanteile ist vorliegend nicht gegeben. Vertrauen auf die Nichtsteuerbarkeit von Gewinnen aus der Veräußerung von Investmentfondsanteilen konnte sich allenfalls bei Anteilen, deren Anschaffung vor dem 1.1.2009 erfolgte, gebildet haben, denn mit Einführung der Abgeltungsteuer sind Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG. Diesem schutzwürdigen Vertrauen hat der Gesetzgeber durch die Regelung in § 56 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 InvStG Genüge getan, indem er Wertveränderungen, die zwischen dem Anschaffungszeitpunkt und dem 31.12.2017 eingetreten sind, stfrei belässt. Zudem räumt § 56 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 InvStG für Wertveränderungen bei bestandsgeschützten Alt-Anteilen, die ab dem 1.1.2018 eingetreten sind, einen Freibetrag i.H.v. 100.000 Euro ein. Der Stpfl. kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die alte Rechtslage quasi „auf alle Zeit“ perpetuiert werden muss (vgl. die Ausführungen in Rz. 6). Der Ausschluss der Steuerfreiheit für Wertveränderungen bei bestandsgeschützten Anteilen 43 an Spezial-Sondervermögen („Millionärsfonds“) gem. § 21 Abs. 2a InvStG 2004 und geldmarktorientierten Fonds gem. § 21 Abs. 2b InvStG 2004 wird in § 56 Abs. 6 Satz 6 InvStG folgerichtig fortgeführt.

C. Einfluss des Unionsrechts auf das InvStG 2018 I. Vorbemerkung Für den Bereich der direkten Steuern müssen die Mitgliedstaaten ihre Gesetzgebungskom- 44 petenz unter Wahrung des Unionsrechts ausüben.4 Die Grundfreiheiten als individuelle Ansprüche jedes Einzelnen gelten auch im Steuerrecht unmittelbar, sodass der Rspr. des EuGH insoweit große Bedeutung für den Bereich der direkten Steuern beizumessen ist. Für den Anwendungsbereich des InvStG sind namentlich die Grundfreiheiten in Gestalt der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) und der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 und 64 AEUV) bestimmend.

II. Generelle Steuerpflicht in- und ausländischer Investmentfonds gem. § 6 InvStG 1. Vorbemerkung Eines der tragenden Ziele der Reform der Investmentbesteuerung ist die Ausräumung unions- 45 rechtlicher Risiken. Dies soll durch eine umfangreiche Gleichstellung in- und ausländischer 1 BVerfG v. 28.11.1984 – 1 BvR 1157/82, BVerfGE 68, 287 (307) Rz. 46; v. 9.2.1983 – 1 BvL 8/80, 1 BvL 16/81, 1 BvR 257/80, 1 BvR 890/80, 1 BvR 1357/81, BVerfGE 63, 152 (175) Rz. 93. 2 BVerfG v. 8.3.1983 – 2 BvL 27/81, BVerfGE 63, 312 (330 f.) m.w.N. 3 BVerfG v. 8.3.1983 – 2 BvL 27/81, BVerfGE, 63, 312 (331) Rz. 64. 4 EuGH v. 10.4.2014 – C-190/12, IStR 2014, 333; v. 10.5.2012 – C-338–347/11, IStR 2012, 432; v. 20.10.2011 – C-284/09, IStR 2011, 840; v. 14.12.2006 – C-170/05, IStR 2007, 62; 11.3.2004 – C-9/02, IStR 2004, 236. Schwenke/Verleger | 51

Rz. 45 | Einleitung 3 Europa- und Verfassungsrecht

Investmentfonds und Spezial-Investmentfonds erreicht werden.1 Erfolgen soll dies im Grundsatz durch eine einheitliche Vorbelastung der erzielten inländischen Einkünfte mit KSt auf Fondsebene gem. § 6 Abs. 2 InvStG, ggf. i.V.m. § 29 Abs. 1 InvStG für Spezial-Investmentfonds. 2. Rechtsprechung des EuGH zur Gleichbehandlung in- und ausländischer Investmentfonds 46 Mit Urteil v. 10.5.2012 hat der EuGH2 seine in den Rs. „Denkavit“3 und „Kommission/

Deutschland“4 entwickelten Grundsätze auf Investmentfonds angewendet und zum französischen Investmentsteuerrecht entschieden, dass Rechtsvorschriften, die Dividenden inländischer Herkunft unterschiedlich steuerlich behandeln, je nachdem, ob die Dividenden von gebietsansässigen oder gebietsfremden Investmentfonds bezogen werden, gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gem. Art. 64 und 65 AEUV verstoßen. Nach dem damaligen französischen Recht konnten Investmentfonds mit Sitz in Frankreich Dividenden von französischen KapGes. stfrei vereinnahmen, während gebietsfremde Investmentfonds einer Quellensteuer i.H.v. 25 % unterlagen. Diese Ungleichbehandlung stelle nach Auffassung des EuGH eine unzulässige Diskriminierung ausländischer Investmentfonds in Gestalt eines Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit dar, die nicht gerechtfertigt werden könne.

47 Die unterschiedliche Besteuerung sei auf der Tatbestandsebene zunächst geeignet, zum einen

ausländische Investmentfonds von Investitionen in Gesellschaften mit Sitz in Frankreich und zum anderen in Frankreich ansässige Anleger vom Erwerb von Anteilen an ausländischen Investmentfonds abzuhalten.5 Für die Beurteilung einer Vergleichbarkeit der Situation sei dabei allein auf die Ebene des Fonds abzustellen und Steueranrechnungs- und Steuerabzugsmöglichkeiten auf Ebene des Anlegers nicht zu berücksichtigen.6 Der von der Rspr. grds. anerkannte Rechtfertigungsgrund der Notwendigkeit, die Kohärenz im Steuersystem zu wahren, lag nach Auffassung des EuGH nicht vor. Eine Rechtfertigung mit der Kohärenz im Steuersystem könne nur Erfolg haben, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil, d.h. Nichtbesteuerung der an die Investmentfonds ausgeschütteten Dividenden auf Fondsebene bzw. Fondseingangsseite, und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung, d.h. Besteuerung dieser Dividenden auf Anlegerebene bzw. Fondsausgangsseite, besteht, wobei die Unmittelbarkeit dieses Zusammenhangs im Hinblick auf das mit der fraglichen Regelung verfolgte Ziel beurteilt werden muss.7 Da die Befreiung der Dividenden von der Quellensteuer nach französischem Recht nicht von der Voraussetzung abhängig sei, dass die vom Investmentfonds bezogene Dividende von diesem weiter an die Anleger ausgeschüttet und dort der Besteuerung unterworfen wird, bestehe kein unmittelbarer Zusammenhang.8

48 Seine Rechtsauffassung hat der EuGH im Urteil v. 10.4.20149 zum polnischen Investmentsteu-

errecht bestätigt. In der Rs. „Emerging Markets“10 begehrte ein Investmentfonds mit Sitz in den USA (Drittstaat) die Erstattung von Quellensteuer, die von einer Gesellschaft mit Sitz in Polen für die Ausschüttung von Dividenden an den Investmentfonds einbehalten und abge-

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

BT-Drucks. 18/8045, 54 (72). EuGH v. 10.5.2012 – C-338–347/11 – Santander, IStR 2012, 432 Rz. 39 ff. EuGH v. 14.12.2006 – C-170/05 – Denkavit, Slg. 2006, I-11949. EuGH v. 20.11.2011 – C-284/09 – Kommission/Deutschland, Slg. 2011, I-9879 = DStR 2011, 2038. EuGH v. 10.5.2012 – C-338–347/11 – Santander, IStR 2012, 432 Rz. 17. EuGH v. 10.4.2014 – C-190/12 – Emerging Markets, IStR 2014, 333 Rz. 63 f. EuGH v. 10.5.2012 – C-338-347/11 – Santander, IStR 2012, 432 Rz. 51. EuGH v. 10.5.2012 – C-338-347/11 – Santander, IStR 2012, 432 Rz. 52 f. EuGH v. 10.4.2014 – C-190/12 – Emerging Markets, IStR 2014, 333. EuGH v. 10.4.2014 – C-190/12 – Emerging Markets, IStR 2014, 333.

52 | Schwenke/Verleger

C. Einfluss des Unionsrechts auf das InvStG 2018 | Rz. 50

führt wurde. Der von Deutschland im Rahmen dieses Verfahrens vorgeschlagenen erweiterten Auslegung des Begriffs der steuerlichen Kohärenz im Verhältnis zu Drittstaaten und Vornahme einer Gesamtbetrachtung der verschiedenen Besteuerungsebenen unter Annahme einer Ausschüttung an die im Ausland ansässigen Anteilseigner sowie dem Hinweis der Sicherung des Steueraufkommens ist der EuGH nicht gefolgt.1 Diese Rspr.2 fortführend hat der EuGH am 17.3.20223 entschieden, dass die portugiesischen 49 Regelungen, nach denen Dividenden an gebietsfremde OGA einem (endgültigen) Steuerabzug an der Quelle unterliegen, während OGA nach portugiesischem Recht bzw. solche, die über eine Betriebsstätte in Portugal verfügen, eine Befreiung von einem solchen Quellensteuerabzug vorbehalten ist, gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstoßen (Art. 63 AEUV). Bei der Prüfung der Vergleichbarkeit einer grenzüberschreitenden Situation mit einer innerstaatlichen Situation sei nach seiner ständigen Rspr. das mit den nationalen Bestimmungen verfolgte Ziel, deren Zweck und Inhalt zu berücksichtigen.4 Ziele eine Regelung auf die Vermeidung oder Verringerung der mehrfachen Belastung oder der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung ausgeschütteter Dividenden, sei die Situation gebietsfremder OGA der eines gebietsansässigen OGA vergleichbar, wenn ein Mitgliedstaat die von ansässigen Gesellschaften ausgeschütteten Dividenden nicht nur bei gebietsansässigen Empfängergesellschaften, sondern auch bei gebietsfremden Empfängergesellschaften der Besteuerung unterwerfe.5 Sei Ziel eine Verlagerung der Besteuerung auf die Inhaber der Anteile, nimmt der EuGH seine Rspr. im Urt. C-480/16 (Fidelity Funds) in Bezug, wonach die fehlende Möglichkeit der Besteuerung gebietsfremder Anteilsinhaber in die Logik der Verlagerung der Besteuerung vom Anlagevehikel auf den Anteilsinhaber passe.6 Da weder die unterschiedlichen Besteuerungstechniken, die Besteuerung portugiesischer OGA mit anderen Steuern sowie die Möglichkeit gebietsfremder OGA zur Begründung einer inländischen Betriebsstätte den EuGH überzeugen konnten, bejaht er eine objektive Vergleichbarkeit der Situationen, da die portugiesischen Vorschriften über den Quellensteuerabzug als einziges Unterscheidungsmerkmal auf den Ansässigkeitsort des OGA abstellen.7 Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dem Ausgleich dieses Vorteils durch eine bestimmte steuerliche Belastung sei nicht gegeben, da die Befreiung der Dividenden an gebietsansässige OGA nicht an die Bedingung geknüpft sei, dass die OGA die Dividenden weiterleiten und auf der Ebene der Anteilseigner besteuert werden.8 Eine Rechtfertigung zur Kohärenz des nationalen Steuersystems liege nicht vor.9 Zu den Regelungen des InvStG 2004 bleibt der Ausgang des Verfahrens in der Rechtssache 50 C-537/2010 abzuwarten. Gegenständlich ist die Frage, ob Art. 63 AEUV einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der inländische Spezial-Immobilienfonds mit ausschließlich ausländischen Anlegern von der KSt befreit sind, während ausländische Spezial-Immobilienfonds mit ausschließlich ausländischen Anlegern hinsichtlich ihrer im Inland erzielten Vermietungseinkünfte der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht unterliegen.

1 EuGH v. 10.4.2014 – C-190/12 – Emerging Markets, IStR 2014, 333 Rz. 89 ff., 96 ff. 2 Bestätigt durch EuGH v. 21.6.2018 – C-480/16 – Fidelity Fund u.a., juris; v. 30.1.2020 – C-156/17 – Köln-Aktienfonds Deka, juris. 3 EuGH v. 17.3.2022 – C-545/19 – AllianzGI-Fonds AEVN, juris. 4 EuGH v. 17.3.2022 – C-545/19 – AllianzGI-Fonds AEVN, juris, Rz. 59. 5 EuGH v. 17.3.2022 – C-545/19 – AllianzGI-Fonds AEVN, juris, Rz. 64 ff. 6 EuGH v. 17.3.2022 – C-545/19 – AllianzGI-Fonds AEVN, juris, Rz. 68 ff. 7 EuGH v. 17.3.2022 – C-545/19 – AllianzGI-Fonds AEVN, juris, Rz. 74. 8 EuGH v. 17.3.2022 – C-545/19 – AllianzGI-Fonds AEVN, juris, Rz. 78 ff. 9 EuGH v. 17.3.2022 – C-545/19 – AllianzGI-Fonds AEVN, juris, Rz. 81. 10 Vorabentscheidungsersuchen des BFH v. 18.12.2019 – I R 33/17, BFHE 269, 225. Schwenke/Verleger | 53

Rz. 51 | Einleitung 3 Europa- und Verfassungsrecht

3. Steuerbefreiung inländischer Investmentfonds gem. § 11 InvStG 2004 51 § 11 InvStG 2004 fußte auf dem sog. „Transparenzprinzip“, welches der Vermeidung der

mehrfachen Belastung mit Ertragsteuern durch die Qualifizierung des Investmentvermögens als Besteuerungssubjekt diente, das persönlich von der KSt und GewSt befreit war. Die nach Abzug der Werbungskosten verbleibenden Erträge (§ 1 Abs. 3 Sätze 2 und 3 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG 2004) aus inländischen Investmentfonds wurden nach dem bisherigen semi-transparenten Besteuerungssystem beim Anleger so besteuert, als ob sie ihm unmittelbar, ohne Zwischenschaltung eines Investmentvermögens, zugeflossen wären. Die Steuerbefreiung auf Ebene des Investmentfonds (Fondseingangsseite) korrespondierte mit der Besteuerung auf der Ebene des Anlegers (Fondsausgangsseite). Die inländischen Investmentfonds waren verpflichtet, bei Ausschüttungen von inländischen Dividenden oder bei Thesaurierung am Ende ihres Geschäftsjahres für ihre Anleger KapErtrSt zu erheben und abzuführen (§ 7 InvStG 2004). § 11 InvStG 2004 zielte darauf ab, dass die Anleger keiner höheren, aber auch keiner niedrigeren Gesamtsteuerbelastung als bei einer Direktanlage unterlagen. 4. Steuerpflicht ausländischer Investmentfonds nach dem InvStG 2004

52 Ausländische Investmentfonds unterlagen gem. § 2 Nr. 1 KStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 5

Buchst. a EStG der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht. Nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG wurde für die inländischen Dividendeneinkünfte, die an Investmentfonds mit Sitz außerhalb des Quellenstaates gezahlt wurden, ein KapErtrSt-Abzug vorgenommen. Die KSt ist vorbehaltlich der Teilerstattung auf Basis anwendbarer DBA gem. § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG i.V.m. § 44a Abs. 9 EStG abgegolten. Die Befreiung von der KapErtrSt gem. § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2004 galt nicht für ausländische Investmentfonds. Während inländische Investmentfonds auf Fondsausgangsseite ihre Erträge als ausgeschüttete oder als ausschüttungsgleiche Erträge für ihre Anleger der KapErtrSt unterworfen haben, war nach Ansicht des Gesetzgebers die Besteuerung außerhalb des Quellenstaates auf Anlegerebene nicht möglich. Eine Korrespondenz der Steuerbefreiung auf Fondseingangsseite mit der Besteuerung auf Fondsausgangsseite sei nicht gewährleistet gewesen. Auch wenn durch die Besteuerung der Fondseingangsseite eine Einmalbesteuerung sichergestellt war – anders als nach den Rechtsgrundlagen, die Gegenstand der Entscheidungen Emerging Markets und Santander waren –,1 waren Zweifel an der unionsrechtlichen Rechtfertigung der deutschen Regelungen geäußert worden.2 Ähnlich verhielt es sich bei inländischen Immobilieneinkünften. Inländische Immobilienfonds waren hinsichtlich dieser Einkünfte von der KapErtrSt befreit, während ausländische Fonds nach den allgemeinen Regeln beschränkt stpfl. waren.

53 Durch den KapErtrSt-Abzug auf Ebene des ausländischen Investmentfonds und die Erhebung

der KapErtrSt auf Ebene des Anlegers durch inländische Investmentfonds sollte die Einmalbesteuerung sichergestellt werden.3 Da jedoch nicht ausgeschlossen werden konnte, dass der EuGH das deutsche Besteuerungssystem aus Gründen der Kohärenz als unionsrechtlich unzulässig betrachtet, war nach Auffassung des Gesetzgebers zum Ausschluss fiskalischer Risiken eine Änderung des Besteuerungssystems geboten.4

1 Vgl. vertiefende Ausführungen unter Rz. 44 ff. sowie EuGH v. 10.4.2014 – C-190/12 – Emerging Markets, IStR 2014, 333 und v. C-190/12 und v. 10.5.2012 – C-338-347/11 – Santander, IStR 2012, 432. 2 BFH v. 18.12.2019 – I R 33/17, BFHE 269, 225; Hahne, DStR 2012, 1016 (1022); Wünsche/Brielmaier, BB 2012, 2467; a.A. FG Hessen v. 21.8.2019 – 4 K 999/17, IStR 2020, 143 (Rev. I R 1/20); v. 21.8.2019 – 4 K 2079/16, EFG 2020, 462 (Rev. I R 2/20). 3 BT-Drucks. 18/8045, 49. 4 BT-Drucks. 18/8045, 49.

54 | Schwenke/Verleger

C. Einfluss des Unionsrechts auf das InvStG 2018 | Rz. 58

5. Steuerpflicht in- und ausländischer Investmentfonds gem. § 6 InvStG Seit dem InvStG 2018 gilt für Investmentfonds ein intransparentes Besteuerungssystem, wo- 54 nach Investmentfonds mit solchen Einkünften der Besteuerung unterliegen, für die Deutschland nach völkerrechtlichen Grundsätzen ein Besteuerungsrecht zusteht.1 Darüber hinaus findet keine Besteuerung statt. Eine Unterscheidung zwischen in- und ausländischen Investmentfonds entfällt (§ 6 Abs. 2 Satz 2 InvStG).2 Ab dem 1.1.2018 unterliegen sowohl in- als auch ausländische Investmentfonds gem. § 6 55 Abs. 2 Satz 2 InvStG mit Dividenden aus deutschen KapGes., bestimmten Kompensationszahlungen für deutsche Dividenden, inländischen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, inländischen Immobilienveräußerungsgewinnen sowie sonstigen Einkünften aus deutschen Quellen der Körperschaftsteuer. Inländische Investmentfonds sind mit Einkünften unbeschränkt stpfl., mit denen auch ausländische Investmentfonds unter Beachtung der abkommensrechtlichen Regelungen der Besteuerung unterliegen. Bei deutschen Dividenden und sonstigen Einkünften, die einem Steuerabzug unterliegen, ist die KSt und der Solidaritätszuschlag durch den Steuerabzug abgegolten (§ 7 Abs. 2 InvStG). Bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und Veräußerungsgewinnen findet grds. eine Veranlagung statt. Mithin werden inländische und ausländische Investmentfonds hinsichtlich der Körperschaftsteuerbelastung auf Ebene des Investmentfonds gleichgestellt. Eine bis 2017 ggf. unionsrechtlich problematische Besteuerung in- und ausländischer Fonds ist durch die Einführung einer Körperschaftsteuerpflicht für in- und ausländische Investmentfonds beseitigt. Zweifel ergeben sich allenfalls im Hinblick auf die aufgrund der Besteuerung des Investment- 56 fonds gebotene Teilfreistellung aller Erträge aus dem Investmentfonds auf Ebene des Anlegers, die im Ergebnis nur inländischen, nicht aber ausländischen Anlegern gewährt wird. Teile der Literatur3 vertreten die Auffassung, dass die vom nationalen Gesetzgeber gewährte Teilfreistellung für Ausländer wertlos sei, da sie ausschließlich durch den für sie zuständigen ausländischen Fiskus unbeschränkt besteuert werden. Dies kann jedoch dem deutschen Gesetzgeber nicht angelastet werden. Weitergehende Ausführungen zu einer möglichen unionsrechtswidrigen Diskriminierung bei der Teilfreistellung unter Berücksichtigung der Investmentfondsbesteuerung im Licht des Pkw-Maut-Urteils des EuGH vgl. Rz. 67 ff. Inländische Dividenden, inländische Immobilienerträge und sonstige inländische Einkünfte 57 unterliegen zukünftig bereits auf Ebene des Investmentfonds der Besteuerung, sodass die Besteuerung der Ausschüttung eines Investmentfonds auf Ebene des ausländischen Anlegers insoweit entbehrlich ist und eine Teilfreistellung nicht angezeigt ist. Die Erträge aus Investmentfonds sind keine Erträge i.S.d. § 49 EStG. Die Einmalbesteuerung ist gesichert. Die Berücksichtigung der Vorbelastung auf Fondsebene ist durch den für den ausländischen Anleger zuständigen ausländischen Fiskus zu berücksichtigen. Soweit es bei einem Spezial-Investmentfonds zu einer unmittelbaren Zurechnung der Divi- 58 denden kommt bzw. der Spezial-Investmentfonds inländische Immobilienerträge oder sonstige inländische Einkünfte an einen beschränkt stpfl. Anleger ausschüttet oder diese als zugeflossen gelten, liegen als unmittelbar vom Anleger bezogene Einkünfte vor, die der beschränkten Steuerpflicht nach §§ 30, 33 InvStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f, Nr. 5 Buchst. a, Nr. 6 und 8 EStG bzw. nach sonstigen Tatbeständen des § 49 Abs. 1 EStG unterliegen. Mangels Vorbelastung auf Ebene des Spezial-Investmentfonds bedarf es keiner Teilfreistellung der unmittelbar dem Anleger zuzurechnenden Erträge. Unionsrechtliche Probleme stellen sich nicht.

1 BT-Drucks. 18/8045, 54; Haug, IStR 2016, 597 (603). 2 Lechner, RdF 2016, 208 (211); Neumann, DB 2016, 1779 (1781). 3 Rehm/Nagler, BB 2015, 1248 (1250). Schwenke/Verleger | 55

Rz. 59 | Einleitung 3 Europa- und Verfassungsrecht

III. Steuerbefreiung nach § 8 Abs. 1 und 2 InvStG 1. Vorbemerkung 59 § 8 InvStG normiert eine Steuerbefreiung von Einkünften nach § 6 Abs. 2 InvStG (§ 8 Abs. 1

InvStG) bzw. von inländischen Immobilienerträgen (§ 8 Abs. 2 InvStG), soweit an dem inoder ausländischen Investmentfonds begünstigte Anleger beteiligt sind. 2. § 8 Abs. 1 Nr. 1 InvStG – Amts- und Beitreibungshilfe leistender Staat

60 Aufgrund der Anwendung auf vergleichbare ausländische Anleger mit Sitz und Geschäftslei-

tung in einem Amts- und Beitreibungshilfe leistenden Staat1 kann i.R.d. Steuerbefreiung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 InvStG allenfalls die Frage gestellt werden, ob es mangels einer Besteuerung der im Ausland ansässigen Anleger einer Beitreibungshilfe bedarf und damit eine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit angenommen werden kann. Der EuGH hält eine Regelung eines Mitgliedstaats zur Gewährung eines Steuervorteils, dessen Gewährung von der Erfüllung von Bedingungen abhängt, deren Einhaltung durch Einholung von Auskünften bei dem zuständigen ausländischen Staat nachgeprüft werden kann, grds. für gerechtfertigt.2 Die Beschränkung könne durch die zwingenden Gründe der Wirksamkeit der steuerlichen Kontrollen und der Sicherstellung der Durchsetzung eines mitgliedstaatlichen Steueranspruchs gerechtfertigt sein. Gleichzeitig prüft der EuGH jedoch, ob i.S.d. Verhältnismäßigkeit der Zweck der Beschränkung eine Beitreibungshilfe erfordert. In der Rechtssache C-436/08 und C-437/08 war nach seiner Ansicht in Ermangelung einer auf die betroffene ausländische Körperschaft entfallenden inländischen Steuer keine Vollstreckungshilfe erforderlich.3

61 Bezogen auf § 8 Abs. 1 Nr. 1 InvStG könnte vorgebracht werden, dass mangels beschränkter

StPfl. der durch die Beteiligung an einem Investmentfonds erzielten Erträge der in der Gesetzesbegründung vorgebrachte Grund der Unterstützung bei der Beitreibung von zu Unrecht gewährten Steuervergünstigungen eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit begründet. Dem ist nach hier vertretener Auffassung jedoch die Regelung des § 14 InvStG entgegenzuhalten. Hiernach haftet der Anleger für den zu Unrecht gewährten Steuervorteil. Eine Unionsrechtswidrigkeit sollte sich daher aus § 8 Abs. 1 Nr. 1 InvStG nicht ergeben. 3. § 8 Abs. 2 Nr. 1 InvStG – vergleichbare ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts

62 Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 InvStG sind inländische Immobilienerträge steuerbefreit, soweit an

dem Investmentfonds inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts beteiligt sind. Fraglich ist, ob ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts eine entsprechende Steuerbefreiung vermitteln können. Nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 1 InvStG wohl nicht, sodass ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit denkbar wäre. Anders als § 8 Abs. 1 Nr. 1 InvStG enthält § 8 Abs. 2 Nr. 1 InvStG nicht den Einschub „vergleichbare ausländische Anleger“, jedoch § 8 Abs. 2 Nr. 2 InvStG. Der einschränkende Verweis in § 8 Abs. 2 Nr. 1 „soweit sie nicht unter Nummer 1 fallen“ bezieht sich nur auf den ersten Teil der Nr. 2, mithin auf die inländischen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen. In der Folge wären ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts unter § 8 Abs. 2 Nr. 2

1 Vgl. § 2 Abs. 15 InvStG. 2 EuGH v. 10.2.2011 – C-436/08 und C-437/08 – Haribo Lakritzen Hans Riegel und Österreichische Salinen, juris. 3 EuGH v. 10.2.2011 – C-436/08 und C-437/08 – Haribo Lakritzen Hans Riegel und Österreichische Salinen, Rz. 73.

56 | Schwenke/Verleger

C. Einfluss des Unionsrechts auf das InvStG 2018 | Rz. 65

InvStG zu subsumieren.1 Diese Sichtweise wird durch den Satzbau und die Verwendung des Satzteils „oder“ untermauert. Eine Unionsrechtswidrigkeit wird nicht gesehen; ein den Ausschluss von der Steuerbefreiung rechtfertigender Grund ist nicht ersichtlich. 4. § 8 Abs. 4 InvStG iVm. § 36a EStG Die Steuerbefreiung nach § 8 Abs. 1 InvStG setzt gem. § 8 Abs. 4 Satz 1 InvStG voraus, dass 63 der Investmentfonds die Voraussetzungen für eine Anrechenbarkeit von KapErtrSt nach § 36a EStG erfüllt, mithin während einer Mindesthaltedauer von 45 Tagen ununterbrochen wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien ist und ein Mindestwertänderungsrisiko trägt sowie nicht verpflichtet ist, die Kapitalerträge ganz oder überwiegend, unmittelbar oder mittelbar anderen Personen zu vergüten. Zudem muss der Anleger seit mindestens drei Monaten zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer der Investmentanteile sein und es darf keine Verpflichtung zur Übertragung der Anteile auf eine andere Person bestehen. Die Regelung gilt sowohl für in- und ausländische Investmentfonds bzw. in- und ausländische Anleger. Ziel ist die Verhinderung möglicher missbräuchlicher Gestaltungen zur Umgehung der Dividendenbesteuerung.2 Eine steuerliche Schlechterstellung eines Steuerausländers hat der Gesetzgeber nicht normiert. Vielmehr hat er anlehnend an § 8b Abs. 4 KStG zur Vermeidung einer Unionsrechtswidrigkeit beim Steuerinländer angeknüpft und die Steueranrechnung in Abhängigkeit von der Haltedauer und der Risikobereitschaft gestellt. Liegen diese nicht entsprechend § 36a EStG vor, sind drei Fünftel der einbehaltenen und abgeführten KapErtrSt nicht anrechenbar. Im Ergebnis entspricht der Umfang der Besteuerung des Steuerinländers der definitiven Steuerbelastung des Steuerausländers. Eine Unionsrechtswidrigkeit wird nicht gesehen.3

IV. Steuerfreie Thesaurierung (§ 1 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 InvStG 2004) vs. Vorabpauschale (§ 18 InvStG) Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 3 InvStG 2004 konnten bestimmte Einkünfte auf Ebene des Invest- 64 mentfonds stfrei thesauriert werden, was zu einer Besserstellung der Anleger über Investmentfonds im Vergleich zur Direktanlage führte (sog. Fondsprivileg)4. Im Fall der Thesaurierung durch das Investmentvermögen waren diese Erträge beim Anleger nicht steuerbar und wurden erst bei Ausschüttung bzw. Rückgabe oder Veräußerung des Fondsanteils besteuert.5 Die stfreie Ertragsthesaurierung galt grds. für in- und ausländische Investmentfonds. Gleichwohl erschien die Erhebungsform und Grundlagenbemessung wegen mittelbarer Diskriminierung unionsrechtlich bedenklich. Ausländische Investmentfonds erfüllten i.d.R. die gesetzlichen Voraussetzungen nicht und konnten somit die stfreie Thesaurierung für sich nicht reklamieren Nach § 18 InvStG werden Erträge des Investmentfonds auf Anlegerebene grds. erst im Zeit- 65 punkt der Ausschüttung besteuert. Thesauriert der Fonds seine Erträge oder werden weniger Erträge ausgeschüttet als der jährlich mindestens zu versteuernde sog. Basisertrag, werden auf Anlegerebene fiktive Erträge in Form einer Vorabpauschale erfasst, die die bisherigen ausschüttungsgleichen Erträge ersetzt. Die Erhebung der Vorabpauschale gilt vorbehaltslos, d.h. sowohl für inländische als auch für ausländische Anleger. Eine Ungleichbehandlung ist nicht ersichtlich. 1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.13. 2 BT-Drucks. 19/13436, 175. 3 Mann in BeckOK EStG, § 36a Rz. 21 (Stand: Oktober 2021); Bedenken wohl Schneider-Deters in Moritz/Jesch/Mann2, § 8 InvStG Rz. 26; a.A. Nagler/Niedling/Patzner, RdF 2017, 289 (294). 4 Steinmüller in Haase, InvStG, 2. Aufl. 2015, § 3 Rz. 126 ff. 5 Bauderer/Mundel in Haase, InvStG, 2. Aufl. 2015, § 1 Rz. 352; Kußmann/Patzner/Kloster/Bui, Ubg 2016, 596 (597). Schwenke/Verleger | 57

Rz. 66 | Einleitung 3 Europa- und Verfassungsrecht

V. Teilfreistellung unter Berücksichtigung der Investmentfondsbesteuerung (§ 20 i.V.m. § 6 InvStG) 66 Anknüpfend an die Fondskategorie wird auf Ebene des Anlegers die Vorsteuerbelastung auf

Ebene des Investmentfonds (§ 6 InvStG) durch anlegerspezifische typisierende Teilfreistellungssätze kompensiert. Erfasst werden alle Investmenterträge i.S.d. § 16 Abs. 1 InvStG, mithin Ausschüttungen nach § 2 Abs. 11 InvStG, Vorabpauschalen nach § 18 InvStG und Gewinne aus der Veräußerung von Investmentanteilen nach § 19 InvStG. Gesetzgeberisches Ziel ist die Gleichstellung mit der Direktanlage.1

67 In diesem Zusammenhang wird von Teilen der Literatur2 vertreten, dass die Teilfreistellung

nach § 20 InvStG zu einer unionsrechtswidrigen Diskriminierung gebietsfremder Privatanleger3 führen kann. Das InvStG gleiche über die Teilfreistellung die steuerliche Vorbelastung auf Fondsebene nur für inländische Anleger wieder aus. Die Zweifel der Vereinbarkeit mit Unionsrecht werden mit dem Urt. des EuGH4 zur Pkw-Maut (Infrastrukturabgabe) begründet. Diese Einschätzung überzeugt nicht.

68 Die Pkw-Maut wurde von jedem Nutzer inländischer Autobahnen erhoben, sodass sowohl ge-

bietsfremde als auch gebietsangehörige Nutzer grds. gleichbehandelt wurden. Haltern von im Inland zugelassenen Fahrzeugen wurde eine Kompensation durch Anrechnung der Pkw-Maut auf die Kraftfahrzeugsteuer gewährt, während Nutzern mit im Ausland zugelassenen Kraftfahrzeugen eine solche Entlastung nicht möglich war. Nach Auffassung des EuGH5 werden durch die Kombination der nationalen Maßnahmen – Anrechnung der erhobenen Infrastrukturabgabe auf die Kfz-Steuer – die Halter und Fahrer von in einem anderen Mitgliedstaat als Deutschland zugelassenen Fahrzeugen in Bezug auf die Benutzung der Autobahnen weniger günstig behandelt als die Halter von im Inland zugelassenen Fahrzeugen, obwohl sie sich hinsichtlich dieser Benutzung in einer vergleichbaren Situation befinden.

69 Mit Blick auf § 20 InvStG fehlt es jedoch gerade an einer solchen Ungleichbehandlung. Die

Teilfreistellung nach § 20 InvStG gilt in gleicher Weise für gebietsfremde Anleger, soweit sie einer StPfl. unterliegen (vgl. § 20 InvStG Rz. 15). Im Übrigen mangelt es an einer Situation, die objektiv vergleichbar ist. Ausländische Anleger unterliegen mit ihren ausgeschütteten Investmenterträgen mangels beschränkter StPfl. im Inland gerade keiner Besteuerung; § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG enthält gerade keinen Verweis auf § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Die fehlende Freistellung eines nicht besteuerten Ertrags kann keinen Verstoß gegen Unionsrecht begründen.6 Zwar hat der EuGH die steuerlichen Auswirkungen gesetzesübergreifend7 beurteilt. Jedoch unterscheidet sich die Infrastrukturabgabe von der Teilfreistellung nach dem InvStG. Anders als bei der Infrastrukturabgabe sind bei der Besteuerung nach dem InvStG die verschiedenen Besteuerungsebenen, mithin die Ebene des Investmentfonds (Dividendenbesteue1 BT-Drucks. 18/8045, 91. 2 Wohl nicht gänzlich ablehnend Schneider-Deters in Moritz/Jesch/Mann2, § 8 InvStG Rz. 22; Rehm/ Nagler, BB 2015, 1248 (1250); Nagler/Niedling/Patzner, RdF 2017, 289 (296); Herr/Stiefel, IStR 2019, 929 (931). 3 Halten Anleger ihre Anteile im Betriebsvermögen einer inländischen Betriebsstätte, unterliegen die Investmenteinkünfte nach §§ 49 Abs. 1 Nr. 2, 15 Abs. 1 Nr. 1, 20 Abs. 8 EStG der StPfl. Die Teilfreistellung nach § 20 InvStG greift. 4 EuGH v. 18.6.2019 – C-591/17 – Republik Österreich ./. Bundesrepublik Deutschland, NVwZ 2019, 1023. 5 EuGH v. 18.6.2019 – C-591/17 – Republik Österreich ./. Bundesrepublik Deutschland, NVwZ 2019, 1023 Rz. 49. 6 So auch Jüdes/Schwarz in Bordewin/Brandt, EStG, § 20 InvStG 2018 Rz. 27 (Stand: Dezember 2021); Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 20 InvStG Anm. 1 (Stand: Dezember 2021); Kleutgens in Moritz/Jesch/Mann2, § 20 InvStG Rz. 27. 7 InfrAG i.V.m. KraftStG.

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C. Einfluss des Unionsrechts auf das InvStG 2018 | Rz. 72

rung) und die des Anlegers (Teilfreistellung) zu betrachten. Die Infrastrukturabgabe hatte die gleiche Person zu tragen, die von der Kraftfahrzeugsteuer entlastet werden sollte. Zudem kommt es bei der Teilfreistellung nach § 20 InvStG nur zu einer pauschalen Entlastung, die im Einzelfall auch für inländische Anleger im Vergleich zum InvStG 2004 zu einer Schlechterstellung führen kann. Im Fall der Infrastrukturabgabe hat der EuGH1 es als wesentliches Element angesehen, dass die Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer der Höhe der Abgabe entsprach, sodass die Halter von im Inland zugelassenen Fahrzeugen nicht schlechter als zuvor gestellt waren.

VI. Teilfreistellung – Nachweis tatsächlicher Überschreitung (§ 20 Abs. 4 InvStG) Die Erträge aus Investmentfonds, die gemäß ihren Anlagebedingungen fortlaufend überwie- 70 gend in Aktien und andere Kapitalbeteiligungen oder Immobilien investieren (Aktien- und Immobilienfonds), werden nach § 20 InvStG je nach Anlageschwerpunkt zu einem bestimmten Prozentsatz stfrei gestellt.2 Für den Fall, dass die Anlagebedingungen eines Investmentfonds keine hinreichenden Aussagen zum Überschreiten der Schwellenwerte für den Aktienoder Immobilienanteil enthalten oder keine Anlagebedingungen des Investmentfonds existieren, hat der Anleger gem. § 20 Abs. 4 InvStG die Möglichkeit, individuell nachzuweisen, dass der Investmentfonds die Anlagegrenzen während des Geschäftsjahres tatsächlich durchgehend überschritten hat. Gelingt der Nachweis, wird die Teilfreistellung auf Antrag des Anlegers i.R.d. Veranlagungsverfahrens angewendet. Als Nachweisinstrumente sollen insbes. Vermögensverzeichnisse des Investmentfonds und/oder schriftliche Bestätigungen des Fondsverwalters in Betracht kommen.3 Ob diese Regelung den vom EuGH geforderten Nachweismöglichkeiten zur Verhinderung 71 eines Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit genügt, erscheint zumindest prüfungswürdig. Ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit ist zu bejahen, wenn eine Norm eines Mitgliedstaats geeignet ist, einen deutschen Anleger davon abzuhalten, Anteile an einem ausländischen Investmentfonds zu zeichnen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn eine solche Anlage einer pauschalen Besteuerung unterliegt, ohne dem Anleger die Möglichkeit zu geben, Unterlagen oder Informationen beizubringen, mit denen er die Höhe seiner tatsächlichen Einkünfte nachweist.4 Nach Auffassung des Gesetzgebers werden mit der in § 20 Abs. 4 InvStG geregelten Nachweismöglichkeit auf Anlegerebene die Anforderungen erfüllt, die sich aus dem Unionsrecht ergeben.5 Der EuGH6 hat entschieden, dass dem Anleger die Möglichkeit eingeräumt werden müsse, Belege vorzulegen, anhand derer die FinVerw. die Angaben, die erforderlich sind, um die Steuer auf die Erträge aus den Investmentfonds ordnungsgemäß zu bemessen, klar und genau prüfen kann. Der Inhalt, die Form und das Maß an Präzision, denen die Angaben genügen müssen, seien von der FinVerw. zu bestimmen. Viele ausländische Investmentfonds werden zwar keine Anlagebedingungen i.S.d. § 2 Abs. 12 72 InvStG haben bzw. die Anlagebedingungen nicht erfüllen, sodass auf Ebene des Anlegers die Erträge des Investmentfonds nicht zu einem bestimmten Prozentsatz stfrei gestellt werden können. Durch die Möglichkeit des individuellen Nachweises nach § 20 Abs. 4 InvStG, dass

1 EuGH v. 18.6.2019 – C-591/17 – Republik Österreich ./. Bundesrepublik Deutschland, NVwZ 2019, 1023 Rz. 44. 2 BT-Drucks. 18/8045, 90. 3 BT-Drucks. 18/8045, 92. 4 EuGH v. 9.10.2014 – C-326/12 – van Caster und van Caster, IStR 2014, 808. 5 BT-Drucks. 18/8045, 92. 6 EuGH v. 9.10.2014 – C-326/12 – van Caster und van Caster, IStR 2014, 808 Rz. 51 f. Schwenke/Verleger | 59

Rz. 72 | Einleitung 3 Europa- und Verfassungsrecht

der Investmentfonds während des gesamten Geschäftsjahres die Schwellenwerte überschritten hat, wird den Anforderungen der Rspr. des EuGH aber Genüge getan.

VII. Anlagebestimmungen (§ 26 InvStG) 73 In § 26 InvStG werden die in- und ausländischen Spezial-Investmentfonds definiert, auf die

Kapitel 3 des InvStG 2018 anzuwenden ist. Ein Spezial-Investmentfonds ist ein Investmentfonds, der die Voraussetzungen für eine GewSt-Befreiung nach § 15 Abs. 2 und 3 InvStG erfüllt und in der Anlagepraxis die weiteren Anlagebestimmungen gem. § 26 Nr. 1 bis 10 InvStG erfüllt. Die in § 26 InvStG definierten Anlagebestimmungen führen die bereits bislang geltenden Anlagebestimmungen nach § 1 Abs. 1b Satz 2 InvStG 2004 weitgehend fort.1 Die Voraussetzungen eines Spezial-Investmentfonds sind dann nicht erfüllt, wenn ein wesentlicher Verstoß gegen die Anlagebedingungen vorliegt (§ 26 Satz 1 InvStG). Die grundsätzliche StPfl. inländischer Beteiligungseinnahmen, inländischer Immobilienerträge und der sonstigen inländischen Einkünfte bei Spezial-Investmentfonds gem. § 29 Abs. 1 i.V.m. §§ 6, 7 InvStG entfällt, wenn der Spezial-Investmentfonds gem. § 30 InvStG die Transparenzoption ausübt bzw. nach Maßgabe der §§ 33, 50 InvStG die KapErtrSt erhebt, an die zuständige FinBeh. abführt und den Anlegern Steuerbescheinigungen gem. § 45a Abs. 2 EStG ausstellt.2 Liegen die Voraussetzungen i.S.d. § 26 InvStG nicht vor, gilt der Spezial-Investmentfonds als aufgelöst (§ 52 Abs. 1 Satz 1 InvStG) bzw. gilt ein Investmentfonds mit Auflösung als neu aufgelegt (§ 52 Abs. 1 Satz 2 InvStG). Die Regelungen gelten unterschiedslos für in- und ausländische Investmentfonds. Faktisch werden jedoch nur inländische Spezial-Investmentfonds die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 26 InvStG erfüllen und damit an der Steuerbefreiung partizipieren. Eine ggf. relevante Unionsrechtswidrigkeit könnte sich daraus ergeben, dass Anleger davon abgehalten werden könnten, in ausländische Investmentfonds zu investieren.3 Es handelt sich damit um eine faktische Diskriminierung, die gegen die Grundfreiheiten verstößt.

VIII. Pauschalbesteuerung (§ 6 InvStG 2004) vs. Besteuerung nach dem InvStG 2018 74 Nach dem bisherigen Investmentsteuerregime wurde zwischen der Besteuerung von trans-

parenten, intransparenten und semi-transparenten Investmentfonds unterschieden. Maßgebend für die Qualifikation als transparenten, intransparenten oder semi-transparenten Investmentfonds war der Transparenzstatus des Investmentfonds. Kernstück des Transparenzprinzips war § 5 InvStG 2004, der die Bekanntgabe- und Nachweispflichten einer Investmentgesellschaft beinhaltete. Die §§ 2 und 4 InvStG 2004, die die Besteuerung des Anlegers regelten, waren nur dann anzuwenden, wenn die Investmentgesellschaft den Anlegern bei jeder Ausschüttung bezogen auf einen Investmentanteil unter Angabe der Wertpapieridentifikationsnummer ISIN des Investmentfonds und des Zeitraums, auf den sich die Angaben beziehen, die Besteuerungsgrundlagen i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 1 InvStG 2004 in deutscher Sprache bekannt gab (transparent). Erforderlich waren bis zu 33 Besteuerungsgrundlagen, wie z.B. Betrag der ausgeschütteten, ausschüttungsgleichen Erträge und der ausländischen Einkünfte. Lagen die Angaben i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c oder f InvStG 2004 nicht vor, so wurde der Investmentfonds als semi-transparenter Fonds qualifiziert. Erfüllte der Fonds die Voraus1 BT-Drucks. 18/8045, 94; BMF v. 4.6.2014 – IV C 1 - S 1980 - 1/13/10007:007 – DOK 2014/0500897, juris, ergänzt durch BMF v. 23.10.2014 – IV C 1 - S 1980 - 1/13/10007:007 – DOK 2014/0939400, juris. 2 Neumann, DB 2016, 1779 (1781). 3 EuGH v. 9.10.2014 – C-326/12 – van Caster und van Caster, IStR 2014, 808.

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C. Einfluss des Unionsrechts auf das InvStG 2018 | Rz. 78

setzungen des § 5 Abs. 1 InvStG 2004 nicht oder nicht rechtzeitig, war er intransparent und wurde einer Strafbesteuerung nach § 6 InvStG 2004 unterworfen. § 6 InvStG 2004 normierte eine Pauschalbesteuerung dergestalt, dass mindestens 6 % des letzten Rücknahmepreises anzusetzen waren. § 6 InvStG 2004 galt grds. unterschiedslos für inländische und ausländische Investmentfonds. Jedoch zeigte die Praxis, dass i.d.R. ausländische Investmentfonds den in § 5 InvStG 2004 normierten Berichtspflichten nicht nachkamen. Mit Urteil v. 9.10.20141 sowie seinem Folgeurteil v. 21.5.20152 hat der EuGH entschieden, dass 75 eine nationale Regelung, die eine pauschale Besteuerung verbunden mit der Unmöglichkeit für den Anleger, aufgrund der tatsächlich erzielten Erträge besteuert zu werden, wenn dieser Fonds bestimmten gesetzlichen Verpflichtungen nicht genügt, eine Maßnahme darstelle, die den Kapitalverkehr im Zusammenhang mit der Erbringung von Finanzdienstleistungen beeinträchtigt. Sie sei geeignet, gebietsansässige Anleger davon abzuhalten, Anteile an ausländischen Investmentfonds zu zeichnen, und einer Rechtfertigung nicht zugänglich. Der BFH hat mit Urteil v. 17.11.20153 entschieden, dass § 6 InvStG 2004 nicht unter die stand-stillKlausel des Art. 64 Abs. 1 AEUV fällt. Dem Anleger müsse die Möglichkeit zustehen, Belege vorzulegen, anhand derer die FinVerw. die Angaben klar und genau prüfen kann, die erforderlich sind, um die Steuer auf die Erträge aus den Investmentfonds wie bei „transparenten“ und „semitransparenten“ Fonds ordnungsgemäß zu bemessen. Der Inhalt, die Form und das Maß an Präzision, denen die Angaben genügen müssen, sind von der FinVerw. zu bestimmen. Sie könne Angaben in derselben Qualität verlangen, wie sie in § 5 Abs. 1 Nr. 3 InvStG 2004 vorgeschrieben und durch einen gesetzlich zur Erbringung von Steuerberatungsleistungen befugten Berufsträger zu überprüfen und zu bestätigen seien. Bei lückenhaften Angaben sei die FinVerw. jedoch gehalten, ihre innerstaatlichen und abkommensrechtlichen Möglichkeiten zu nutzen, um die Angaben der Klägerin zu vervollständigen. Sind die Angaben nicht aufklärbar, komme eine Schätzung zugunsten der Anleger in Betracht. Im Verwaltungsweg4 wurde zunächst inländischen Anlegern von Investmentfonds aus EU-/ 76 EWR-Staaten eine Nachweismöglichkeit zur Vermeidung der Pauschalbesteuerung eingeräumt. Das BMF-Schreiben v. 23.5.20165 ermöglichte dem Stpfl., auch bei Vorliegen eines Drittstaatenfonds die Besteuerungsgrundlagen durch Vorlage von Unterlagen selbst nachzuweisen. Ein damit ggf. für den Einzelnen verbundener Verwaltungsaufwand ist nicht von unionsrechtlicher Relevanz.6 Durch die Anfügung von § 6 Abs. 2 InvStG 2004 wurde das EuGH-Urteil v. 9.10.20147 umge- 77 setzt. Die Regelung wird auf EU-Investmentfonds beschränkt. Entsprechend des zeitgleich eingeführten § 22a Abs. 2 InvStG 2004 ist § 6 Abs. 2 InvStG 2004 in allen Fällen anzuwenden, in denen die Steuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist. Die Besteuerungsregelungen nach dem InvStG 2018 sind nunmehr darauf ausgelegt, dass die 78 Anleger, die Kreditinstitute und die FinVerw. die erforderlichen Besteuerungsgrundlagen ohne Mithilfe des Investmentfonds ermitteln können.8 Für die Besteuerung des Anlegers nach § 16 InvStG genügen zukünftig vier Kennzahlen: Höhe der Ausschüttung, Rücknahmepreis am Anfang und am Ende des Kalenderjahres sowie die Angabe, ob es sich um einen Aktien-, Misch-, Immobilien- oder einen sonstigen Investmentfonds handelt. Die Beurteilung, ob ein

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EuGH v. 9.10.2014 – C-326/12 – van Caster und van Caster, IStR 2014, 808. EuGH v. 21.5.2015 – C-560/13 – Wagner-Raith, DStR 2015, 1235. BFH v. 17.11.2015 – VIII R 27/12, BStBl. II 2016, 539. BMF v. 28.7.2015 – IV C 1 - S 1980 - 1/11/10014, BStBl. I 2015, 610. BMF v. 23.5.2016 – IV C 1 - S 1980 - 1/11/10014, BStBl. I 2016, 504. BFH v. 15.1.2015 – I R 69/12, BFHE 249, 99 Rz. 43. EuGH v. 9.10.2014 – C-326/12 – van Caster und van Caster, IStR 2014, 808. BR-Drucks. 119/19, 95; BT-Drucks. 18/8045, 2; Patzner/Nagler, IStR 2016, 725 (727). Schwenke/Verleger | 61

Rz. 78 | Einleitung 3 Europa- und Verfassungsrecht

Aktien- oder Immobilienfonds vorliegt, lässt sich grds. anhand der veröffentlichten Anlagebedingungen des Investmentfonds ermitteln.

IX. Umsatzsteuer-Freiheit von Fonds-Managementgebühren (§ 4 Nr. 8 Buchst. h UStG a.F.) 79 Nach bisherigem Recht war die Verwaltung von Investmentfonds i.S.d. InvStG 2004 von der

USt befreit (§ 4 Nr. 8 Buchst. h UStG a.F.). Erfasst waren hiervon im wesentlichen OGAW, Spezial-Investmentfonds sowie AIF, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1b Satz 2 InvStG 2004 erfüllten, nicht jedoch geschlossene AIF, wie z.B. Private Equity oder Venture Capital Fonds (§ 1 Abs. 1b InvStG 2004).1 Korrelierend damit waren vergleichbare ausländische Kapitalanlagevehikel einbezogen. § 1 Abs. 1b Satz 2 Nr. 2 InvStG 2004 setzte voraus, dass die Investmentfonds „offen“ ausgestaltet waren, d.h., dass die Anleger ihre Anteile grds. in regelmäßigen Abständen zurückgeben konnten. Die nationale FinVerw.2 hat Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL, wonach die Mitgliedstaaten die Verwaltung von durch die Mitgliedstaaten als solche definierten Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften von der Steuer zu befreien haben, restriktiv ausgelegt.

80 Mit Urteil v. 9.12.2015 hat der EuGH in der Rs. Fiscale Eenhaid X3 entschieden, dass die Ver-

waltung von Immobilienfonds, die einer besonderen staatlichen Aufsicht unterliegen, gem. Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der RL 77/388/EWG (jetzt Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL) von der USt befreit ist. Ab 1.1.2018 ist die Verwaltung von Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapiere i.S.d. § 1 Abs. 2 KAGB und die Verwaltung von mit diesen vergleichbaren alternativen Investmentfonds i.S.d. § 1 Abs. 3 KAGB stfrei (§ 4 Nr. 8 Buchst. h UStG). Ob diese Ergänzung des UStG im Rahmen des InvStRefG hinreichend ist, wird bereits von Teilen der Literatur4 bezweifelt. Diese Zweifel werden nicht geteilt.

81 Der EuGH hat entschieden, dass die Mitgliedstaaten ermächtigt sind, den Begriff „Sonder-

vermögen“ zu definieren.5 Die Befugnis sei durch das Verbot begrenzt, der vom Unionsgesetzgeber verwendeten Formulierung zuwiderzuhandeln.6 Ein Mitgliedstaat könne insbes. nicht, ohne den Wortlaut des Begriffs „Sondervermögen“ zu missachten, auswählen, welchen von den Sondervermögen die Befreiung gewährt wird und welchen nicht. Die genannten Bestimmungen räumen ihm somit lediglich die Befugnis ein, in seinem innerstaatlichen Recht die Fonds zu definieren, die unter den Begriff „Sondervermögen“ fallen.7 Der EuGH weist in seiner Entscheidung8 darauf hin, dass Fonds, die Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren i.S.d. OGAW-RL darstellen, Sondervermögen sind. Wie Art. 1 Abs. 2 dieser RL zu entnehmen sei, sind OGAW Organismen, deren ausschließlicher Zweck es ist, beim Publikum beschaffte Gelder nach dem Grundsatz der Risikostreuung in Wertpapieren zu investieren, und deren Anteilsscheine auf Verlangen der Anteilsinhaber unmittelbar oder mittelbar zulasten des Vermögens dieser Organismen zurückgenommen oder ausgezahlt werden.9 Als Sondervermögen seien darüber hinaus auch Fonds anzusehen, die zwar keine Organismen für gemeinsame Anlagen i.S.d. OGAW-RL darstellen, die jedoch dieselben Merkmale aufweisen 1 2 3 4 5 6 7 8 9

BT-Drucks. 18/68 (neu), 70; Abschn. 4.8.2013 Abs. 1 ff. UStAE. Abschn. 4.8.2013 Abs. 9 UStAE; Hahne, RdF 2016, 83 (84). EuGH v. 9.12.2015 – C-595/13, ABl. EU 2016 Nr. C 48, 2 = BB 2016, 31. Böcker, NWB 2016, 2789 (2798); Buge/Bujotzek/Steinmüller, BB 2016, 1594 (1599); Stadler/Mager, DStR 2016, 697 (703). EuGH v. 9.12.2015 – C-595/13, ABl. EU 2016 Nr. C 48, 2 = BB 2016, 31 Rz. 31. EuGH v. 9.12.2015 – C-595/13, ABl. EU 2016 Nr. C 48, 2 = BB 2016, 31 Rz. 32. EuGH v. 9.12.2015 – C-595/13, ABl. EU 2016 Nr. C 48, 2 = BB 2016, 31 Rz. 32. EuGH v. 9.12.2015 – C-595/13, ABl. EU 2016 Nr. C 48, 2 = BB 2016, 31 Rz. 36. EuGH v. 9.12.2015 – C-595/13, ABl. EU 2016 Nr. C 48, 2 = BB 2016, 31 Rz. 36.

62 | Schwenke/Verleger

C. Einfluss des Unionsrechts auf das InvStG 2018 | Rz. 84

wie diese und somit dieselben Umsätze tätigen oder diesen zumindest soweit ähnlich sind, dass sie mit ihnen im Wettbewerb stehen.1 Die unionsrechtliche Steuerbefreiung i.S.v. Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der RL 77/388/EWG bzw. Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL gelte für Anlageorganismen, die auf nationaler Ebene einer besonderen Aufsicht unterliegen.2 Zu den Kriterien, nach denen die Vergleichbarkeit i.S.d. § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG n.F. zu 82 beurteilen ist, schweigt das Gesetz. Nach der Gesetzesbegründung3 setzt die Vergleichbarkeit insbes. voraus, dass die Fonds einer besonderen staatlichen Aufsicht unterliegen und denselben Anlegerkreis wie OGAW ansprechen.4 Diese Kriterien entsprechen den Anforderungen des EuGH,5 wonach Fonds erfasst werden, die dieselben Merkmale wie OGAW aufweisen, dieselben Umsätze tätigen oder zumindest ihnen soweit ähnlich sind, dass sie mit ihnen im Wettbewerb stehen. Anlagevehikel können vornehmlich nur dann miteinander im Wettbewerb stehen, wenn deren Anlagepolitik auf denselben Anlegerkreis abzielt. Soweit Anlagevehikel eine andere Anlegergruppe im Fokus haben als die auf Privatanleger ausgerichteten OGAW, fallen diese nicht unter die USt-Befreiung.6 Die Entsch. des EuGH ist mit Blick auf den Anwendungsbereich hinreichend umgesetzt.

X. Mögliche Verstöße gegen das EU-Beihilfeverbot im InvStG 2018 1. Vorbemerkung Das InvStRefG ist durch einen Systemwechsel geprägt. (Publikums)Investmentfonds sollen 83 künftig der KSt unterliegen. Auch wenn sich die Besteuerung von Investmentfonds damit der Regelbesteuerung von Körperschaften angenähert hat, ergeben sich weiterhin unionsrechtliche Risiken im Hinblick auf das unionsrechtliche Beihilfeverbot. 2. Der Verbotstatbestand in Art. 107 Abs. 1 AEUV Art. 107 Abs. 1 AEUV verbietet „staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen 84 gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen [...], soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen.“ Die Einstufung als staatliche Beihilfe i.S.v. Art. 107 Abs. 1 AEUV ist dabei nach der klassischen Rspr. des EuGH von der Erfüllung von vier Voraussetzungen abhängig.7 (1) Es muss sich um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handeln. (2) Die Maßnahme muss geeignet sein, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. (3) Dem Begünstigten muss durch sie ein selektiver Vorteil gewährt werden. (4) Sie muss den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen. Von diesen vier Voraussetzungen sind drei bei Steuerbegünstigungen als erfüllt anzusehen. Lediglich das Kriterium der Selektivität einer Regelung hat im Steuerrecht eine entscheidende Bedeutung für die Einstufung als staatliche Beihilfe.8

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EuGH v. 9.12.2015 – C-595/13, ABl. EU 2016 Nr. C 48, 2 = BB 2016, 31 Rz. 37. EuGH v. 9.12.2015 – C-595/13, ABl. EU 2016 Nr. C 48, 2 = BB 2016, 31 Rz. 40. BT-Drucks. 18/8045, 141. Vgl. auch BMF v. 13.12.2017 – III C 3 - S 7160 - h/16/10001, BStBl. I 2018, 72. EuGH v. 9.12.2015 – C-595/13, ABl. EU 2016 Nr. C 48, 2 = BB 2016, 31 Rz. 37. A.A. wohl Böcker, NWB 2016, 2789 (2798). Z.B. EuGH v. 26.4.2018 – C-233/16 – ANGED, ABl. EU 2018 Nr. C 211, 2. Z.B. GA Kokott v. 16.4.2014 – C-66/14 – FA Linz, Rz. 114. Schwenke/Verleger | 63

Rz. 85 | Einleitung 3 Europa- und Verfassungsrecht 85 Der EuGH prüft in ständiger Rspr.1 in drei Schritten die De-jure-Selektivität2 bei Regelungen,

die zwar keine Subventionen im eigentlichen Sinn darstellen, aber – wie Steuervergünstigungen – Belastungen vermindern, die ein Unternehmen i.d.R. zu tragen hat. In einem ersten Schritt ist zunächst das Bezugssystem zu ermitteln, d.h. die in dem betreffenden Mitgliedstaat geltende allgemeine oder „normale“ Steuerregelung.3 Dieses steckt den Rahmen ab, in dem die Selektivität der fraglichen Maßnahme geprüft wird. Im zweiten Schritt ist festzustellen, ob die fragliche Maßnahme vom Bezugssystem insoweit abweicht, als sie Unterscheidungen zwischen Unternehmen einführt, die sich im Hinblick auf das mit der Steuerregelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden.4 Liegt keine Abweichung vom Bezugssystem vor oder befinden sich die unterschiedlich behandelten Unternehmen nicht in einer rechtlich wie tatsächlich vergleichbaren Lage, so ist die Maßnahme nicht selektiv. Stellt die Maßnahme aber eine relevante Abweichung vom Bezugssystem dar, ist in einem dritten Schritt schließlich zu prüfen, ob die Abweichung durch die Natur oder den inneren Aufbau des Bezugssystems „gerechtfertigt“ werden kann.5 Dies ist insbes. der Fall, wenn die Maßnahme unmittelbar auf den Grund- oder Leitprinzipien des mitgliedstaatlichen Bezugssystems beruht.6 Auch wenn gerade bei der Prüfung des Kriteriums der „Selektivität“ noch vieles im Fluss erscheint,7 dürfte die Selektivität einer begünstigenden Steuerregelung jedoch nicht zweifelhaft sein, wenn sich die Begünstigung auf „eine oder mehrere einzeln identifizierbare Branchen, die nach ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit abgegrenzt werden können“,8 beschränkt. 3. Steuerneutralität von Investmentanlagen als grundsätzlich nicht selektives Leitprinzip

86 Speziell in Bezug auf die Besteuerung von Investmentfonds erkennt die Europäische Kommis-

sion ausdrücklich an, dass steuerliche Maßnahmen, die der Gewährleistung der Steuerneutralität von Investitionen in Investmentfonds, d.h. der steuerlichen Gleichstellung der Investment- mit der Direktanlage, dienen, grds. keine selektiven Steuervorteile darstellen.9 Steuervergünstigungen, die auf die steuerliche Transparenz auf Ebene des Intermediärs abzielen, erscheinen als unproblematisch, wenn ihre Wirkung darin besteht, „die wirtschaftliche Doppelbesteuerung im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des fraglichen Steuersystems zu reduzieren bzw. zu beseitigen.“.10 Das Leitprinzip der Steuerneutralität von Invest-

1 Z.B. EuGH v. 9.10.2014 – C-522/13 – Navantia, HFR 2014, 1134 Rz. 35 ff.; v. 18.7.2013 – C-6/12 – P, IStR 2013, 635 Rz. 19 ff.; v. 8.9.2011 – C-78/08 bis C-80/08 – Paint Graphos, Slg. 2011, I-7611 Rz. 49 ff. 2 Zu unterscheiden von der subsidiären De-facto-Selektivität. 3 EuGH v. 9.10.2014 – C-522/13 – Navantia, HFR 2014, 1134 Rz. 35 f.; v. 8.9.2011 – C-78/08 bis C-80/ 08 – Paint Graphos, Slg. 2011, I-7611 Rz. 49. 4 EuGH v. 9.10.2014 – C-522/13 – Navantia, HFR 2014, 1134 Rz. 37 ff.; v. 8.9.2011 – C-78/08 bis C-80/ 08 – Paint Graphos, Slg. 2011, I-7611 Rz. 51 ff. 5 Z.B. EuGH v. 9.10.2014 – C-522/13 – Navantia, HFR 2014, 1134 Rz. 42 ff.; v. 18.7.2013 – C-6/12 – P, DStR 2013, 1588 Rz. 22. 6 EuGH v. 9.10.2014 – C-522/13 – Navantia, HFR 2014, 1134 Rz. 43; v. 18.7.2013 – C-6/12 – P, DStR 2013, 1588 Rz. 22 ff.; v. 8.9.2011 – C-78/08 bis C-80/08 – Paint Graphos, Slg. 2011, I-7611 Rz. 65 und 69. 7 Vgl. z.B. die grundsätzliche Kritik von GA Kokott v. 16.4.2014 – C-66/14 – FA Linz, Rz. 85 u. 113; GA Saugmandsgaard (v. 19.9.2018 – C-374/17 – A-Brauerei) will dagegen ein Nebeneinander zweier Prüfungsmethoden, der klassischen Prüfungsmethode und der sog. Methode „des Bezugsrahmens“, erkennen; s. hierzu auch Ellenrieder/Mörwald, IStR 2018, 861. 8 GA Kokott v. 16.4.2014 – C-66/14 – FA Linz, Rz. 115. 9 Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV, 2016/C 262/01, ABl. EU 2016 Nr. C 262/1, Rz. 161 ff. 10 Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV, 2016/C 262/01, ABl. EU 2016 Nr. C 262/1, Rz. 162.

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C. Einfluss des Unionsrechts auf das InvStG 2018 | Rz. 90

mentanlagen könne jedoch nicht Regelungen rechtfertigen, die „eine günstigere steuerliche Behandlung“ der Investment- gegenüber der Direktanlage bewirken.1 Eine derartige steuerliche Besserstellung der Investmentanlage überschreite das für eine Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung Erforderliche und sei somit als selektiver Steuervorteil zu qualifizieren. Damit müssen sich die Regelungen des InvStG 2018 auch nach Auffassung der Kommission grds. am Kriterium der Selektivität messen lassen. 4. Selektive Maßnahmen im InvStG 2018? a) Vorbemerkung Maßgebliches Bezugssystem für das intransparente Besteuerungsregime für Investmentfonds 87 ist die „normale“ Besteuerung von Körperschaften, d.h. insbes. die Regelbesteuerung nach dem KStG. Ausgehend hiervon stellen sich verschiedene Regelungen im InvStG 2018 als mögliche selektive Maßnahmen dar. b) Reduktion des Steuersatzes Ein begünstigend wirkender Unterschied der Besteuerung nach §§ 6, 7 InvStG zur „normalen“ 88 Ertragsbesteuerung von Körperschaften zeigt sich an der Reduzierung des Steuersatzes für den – abgeltend wirkenden – KapErtrSt-Abzug auf der Fondseingangsseite nach § 7 Abs. 1 InvStG. Die Regelung reduziert die auf inländische Dividenden einzubehaltende KapErtrSt generell, d.h. für ausländische wie inländische Investmentfonds, auf 15 %.2 Der Steuersatz bleibt nach § 7 Abs. 1 Satz 3 InvStG, selbst soweit SolZ zu erheben ist, bei 15 %. Effektiv führt diese Regelung also zu einer Reduktion des Körperschaftsteuersatzes auf 14,218 % bzw. einem Sondersteuersatz für von Investmentfonds vereinnahmte Dividenden. c) Umfang der Besteuerung Investmentfonds unterliegen der KSt nach § 6 Abs. 2 Satz 2 InvStG überdies nur mit ihren 89 inländischen (Beteiligungs-, Immobilien- oder sonstigen) Einkünften. Im Übrigen bleiben sie von der KSt befreit. Die Investmentfondsbesteuerung kennt also – anders als das KStG, welches „inländische“ Körperschaften nach dem Welteinkommensprinzip besteuert – ausschließlich eine „partielle“ Körperschaftsteuerpflicht. Neben den ausländischen Einkünften inländischer Investmentfonds werden insbes. Veräußerungsgewinne i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG weiterhin keiner deutschen Besteuerung unterworfen. Der Umfang der StPfl. weicht folglich ebenfalls von der Regelbesteuerung im KStG ab. d) Sonderregelung für die GewSt Ein Investmentfonds gilt gem. § 15 Abs. 1 InvStG als partiell gewerbesteuerpflichtige sonstige 90 juristische Person i.S.d. § 2 Abs. 3 GewStG. Wie bisher ist er gem. § 15 Abs. 2 InvStG von der GewSt aber vollständig befreit, wenn sein objektiver Geschäftszweck auf die Anlage und Verwaltung seiner Mittel beschränkt ist und dabei eine aktive unternehmerische Bewirtschaftung der Vermögensgegenstände ausgeschlossen ist (§ 15 Abs. 2 InvStG). Der Gesetzesbegründung selbst ist zu entnehmen, dass § 15 InvStG sich insofern von den allgemeinen steuerlichen Grundsätzen entfernt.3 Die Regelung ist dabei nicht Ausfluss der inhärenten Ge-

1 Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV, 2016/C 262/01, ABl. EU 2016 Nr. C 262/1, Rz. 164. 2 Nach § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG beträgt der Regelsatz hingegen 25 % (zzgl. SolZ). 3 BT-Drucks. 18/8045, 96 ff. Schwenke/Verleger | 65

Rz. 90 | Einleitung 3 Europa- und Verfassungsrecht

werbesteuerfreiheit der reinen Vermögensverwaltung zu sehen, sondern Relikt des investmentsteuerlichen Transparenzprinzips. Auch hiervon entfernt sich das Gesetz jedoch durch die Einführung einer Bagatellgrenze in § 15 Abs. 3 InvStG. Die Voraussetzungen für die Gewerbesteuerbefreiung nach § 15 Abs. 2 InvStG gelten danach als erfüllt, solange die Einnahmen aus gewerblicher Tätigkeit weniger als 5 % der gesamten Einnahmen des Investmentfonds betragen. Eine solche (relative) Bagatellgrenze ist der GewSt ansonsten gänzlich fremd. e) Vergleichbare Sach- und Rechtslage 91 In einem nächsten Schritt stellt sich die Frage, ob sich Investmentfonds und der Regelbesteue-

rung nach dem KStG unterliegende Körperschaften insofern in einer vergleichbaren Sachund Rechtslage befinden. Das könnte zunächst deshalb zweifelhaft sein, weil Investmentfonds auch außerhalb des Steuerrechts besonderen rechtlichen Regelungen unterliegen – z.B. denen des KAGB – und insbes. im Falle von Publikumsfonds auch beachtliche faktische Unterschiede zu „normalen“ Körperschaften aufweisen. Dennoch sollten sich Investmentfonds und sonstige Körperschaften „im Hinblick auf das mit der Steuerregelung [...] verfolgte Ziel“1 zumindest nach dem durch das InvStG 2018 vollzogenen Wechsel hin zu einem intransparenten Besteuerungsregime in einer vergleichbaren rechtlichen und tatsächlichen Situation befinden. Denn der EuGH scheint bei der Feststellung einer Abweichung vom Ziel des Referenzsystems, d.h. der KSt, auszugehen,2 nicht vom Ziel der einzelnen fraglichen Regelung. Danach dürfte allein die Anlage für fremde Rechnung durch den Fonds oder die zwingende Risikomischung die Vergleichbarkeit im Hinblick auf den Fiskalzweck der Ertragsbesteuerung nicht ausschließen können. f) Rechtfertigung

92 Die festgestellten Abweichungen wären schließlich nur dann nicht als Beihilfe i.S.d. Art. 107

Abs. 1 AEUV zu qualifizieren, wenn sie durch die Natur oder den inneren Aufbau des Bezugssystems – also des KStG – gerechtfertigt wären. Die begünstigend wirkenden Regelungen müssten daher unmittelbar auf Grund- oder Leitprinzipien der deutschen Ertragsbesteuerung beruhen. Ein derartiger Nachweis dürfte aber nur schwerlich zu führen sein. So erklärt sich die Ermäßigung des Körperschaftsteuersatzes ausweislich der Gesetzesbegründung allein aus dem Bestreben, Wettbewerbsnachteile für inländische Investmentfonds zu verhindern, die sich etwa daraus ergeben würden, dass zahlreiche DBA die deutsche Steuer im grenzüberschreitenden Fall auf 15 % beschränken.3 Letztlich geht es auch bei der Beschränkung der StPfl. auf inländische Einkünfte4 (Rz. 57 f.) des Fonds darum, Standortnachteile für die deutsche Investmentbranche zu vermeiden. Das ist laut Gesetzesbegründung auch der Grund für die Ausgestaltung der Gewerbesteuerbefreiung und der diesbezüglichen neuartigen Bagatellgrenze.5 Jedenfalls zielt das intransparente Besteuerungssystem des InvStG 2018 nicht (mehr) auf die von der Kommission im Grundsatz anerkannte Rechtfertigung6 einer (steuerlichen) Gleichbehandlung der Investment- und der Direktanlage. Die Steuerneutralität einer Investmentanlage wäre im Übrigen auch nicht ein Grund- oder Leitprinzip der deutschen Ertrags1 EuGH v. 8.9.2011 – C-78/08 bis C-80/08 – Paint Graphos, Slg. 2011, I-7611 Rz. 49. 2 EuGH v. 8.9.2011 – C-78/08 bis C-80/08 – Paint Graphos, Slg. 2011, I-7611 Rz. 54: „im Hinblick auf das mit der Körperschaftsteuerregelung verfolgte Ziel, d.h. die Besteuerung der Gesellschaftsgewinne, in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden.“ 3 BT-Drucks. 18/8045, 87. 4 Die Ausweitung der StPfl. auf inländische Fonds erklärt sich freilich vor allem mit den ansonsten bestehenden unionsrechtlichen Risiken, s. BT-Drucks. 18/8045, 84. 5 BT-Drucks. 18/8045, 97. 6 Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV, 2016/C 262/01, ABl. EU 2016 Nr. C 262/1, Rz. 163.

66 | Schwenke/Verleger

C. Einfluss des Unionsrechts auf das InvStG 2018 | Rz. 93

besteuerung. Ob die Administrierbarkeit1 der neuen Investmentfondsbesteuerung derartige Regelungen erfordert, ist zudem mehr als zweifelhaft. 5. Beibehaltung der Semitransparenz bei Spezial-Investmentfonds Als Beihilfe könnte zudem das Beibehalten des semi-transparenten Besteuerungsregimes für 93 Spezial-Investmentfonds eingestuft werden. Dies gilt unabhängig davon, ob man als Bezugssystem die vorgeschlagene Investmentfondsbesteuerung oder ebenfalls die Regelbesteuerung nach dem KStG ansieht. Eine Rechtfertigung liegt jedoch schon deshalb nahe, weil sowohl die Transparenzoption gem. § 30 InvStG als auch die Steuerbefreiung gem. § 33 InvStG auf eine Steuerneutralität der Anlage über einen Spezial-Investmentfonds abzielt, also letztlich auf dem von der Kommission anerkannten Leitgedanken der Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung beruht.

1 Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV, 2016/C 262/01, ABl. EU 2016 Nr. C 262/1, Rz. 139. Schwenke/Verleger | 67

68 | Schwenke/Verleger

Investmentsteuergesetz (InvStG) v. 19.7.2016 (BGBl. I 2016, 1730), zuletzt geändert durch G v. 25.6.2021 (BGBl. I 2021, 2050)

Kapitel 1 Allgemeine Regelungen (§§ 1 bis 5a)

§1 Anwendungsbereich (1) Dieses Gesetz ist anzuwenden auf Investmentfonds und deren Anleger. (2) 1Investmentfonds sind Investmentvermögen nach § 1 Absatz 1 des Kapitalanlagegesetzbuchs. 2Für Zwecke dieses Gesetzes besteht keine Bindungswirkung an die aufsichtsrechtliche Entscheidung nach § 5 Absatz 3 des Kapitalanlagegesetzbuches. 3Als Investmentfonds im Sinne dieses Gesetzes gelten auch 1. Organismen für gemeinsame Anlagen, bei denen die Zahl der möglichen Anleger auf einen Anleger begrenzt ist, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 1 Absatz 1 des Kapitalanlagegesetzbuchs erfüllt sind, 2. Kapitalgesellschaften, denen nach dem Recht des Staates, in dem sie ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung haben, eine operative unternehmerische Tätigkeit untersagt ist und die keiner Ertragsbesteuerung unterliegen oder die von der Ertragsbesteuerung befreit sind, und 3. von AIF-Kapitalverwaltungsgesellschaften verwaltete Investmentvermögen nach § 2 Absatz 3 des Kapitalanlagegesetzbuchs. (3) 1Keine Investmentfonds im Sinne dieses Gesetzes sind 1. Gesellschaften, Einrichtungen und Organisationen nach § 2 Absatz 1 und 2 des Kapitalanlagegesetzbuchs, 2. Investmentvermögen in der Rechtsform einer Personengesellschaft oder einer vergleichbaren ausländischen Rechtsform, es sei denn, es handelt sich um Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren nach § 1 Absatz 2 des Kapitalanlagegesetzbuchs oder um Altersvorsorgevermögensfonds nach § 53, 3. Unternehmensbeteiligungsgesellschaften nach § 1a Absatz 1 des Gesetzes über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften, 4. Kapitalbeteiligungsgesellschaften, die im öffentlichen Interesse mit Eigenmitteln oder mit staatlicher Hilfe Beteiligungen erwerben, und 5. REIT-Aktiengesellschaften nach § 1 Absatz 1 des REIT-Gesetzes und andere REITKörperschaften, -Personenvereinigungen oder -Vermögensmassen nach § 19 Absatz 5 des REIT-Gesetzes. 2 Sondervermögen und vergleichbare ausländische Rechtsformen gelten nicht als Personengesellschaft im Sinne des Satzes 1 Nummer 2. 3Investmentvermögen in der Rechtsform einer Personengesellschaft sind auch dann keine Investmentfonds, wenn sie nach § 1a des Körperschaftsteuergesetzes zur Körperschaftsbesteuerung optiert haben. (4) Haftungs- und vermögensrechtlich voneinander getrennte Teile eines Investmentfonds gelten für die Zwecke dieses Gesetzes als eigenständige Investmentfonds. Behrens/Kammeter | 69

§ 1 | Anwendungsbereich A. I. II. III. IV.

B. C. I.

II. III.

D. I.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand und -zweck . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG 2018 . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zu § 1 KAGB . . . . . . . . . . Anwendungsbereich des InvStG 2018 (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition des Begriffs „Investmentfonds“ (Abs. 2) Anknüpfung an die Definition des Begriffs „Investmentvermögen“ in § 1 Abs. 1 KAGB (Abs. 2 Satz 1) 1. Legaldefinition von „Investmentvermögen“ in § 1 Abs. 1 KAGB . . . . . . . 2. Merkmale von „Investmentvermögen“ i.S.v. § 1 Abs. 1 KAGB a) Organismus i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Organismus für gemeinsame Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einsammeln von Kapital von einer „Anzahl von Anlegern“ . . . . d) „Einsammeln von Kapital“ von einer Anzahl von Anlegern . . . . . . e) Festgelegte Anlagestrategie . . . . . f) Investments zum Nutzen der Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Kein operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors h) Ausschließliche Fremdverwaltung durch Kapitalverwaltungsgesellschaft kein Definitionsmerkmal des Begriffs des Investmentvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keine Bindungswirkung aufsichtsrechtlicher Entscheidungen nach § 5 Abs. 3 KAGB (Abs. 2 Satz 2) . . . . . . . . Fiktive Investmentfonds (Abs. 2 Satz 3) 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ein-Anleger-Fonds . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kapitalgesellschaften ohne operative unternehmerische Tätigkeit und ohne Ertragsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . 4. Konzerneigener AIF . . . . . . . . . . . . . . Einschränkung des Anwendungsbereichs des InvStG (Abs. 3) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 2 3 6 7 8

10

20 26 28 29 31 38 46

53 54 56 57 61 70

74

II. Liste nicht als Investmentfonds zu behandelnder Vehikel (Abs. 3 Nr. 1) . . . 75 III. Personengesellschaften und vergleichbare ausländische Rechtsformen 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 2. Zentralisierte Geschäftsführung und Vertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 3. Beschränkte Haftung . . . . . . . . . . . . . 97 4. Freie Übertragbarkeit der Anteile . . 99 5. Gewinnzuteilung . . . . . . . . . . . . . . . . 101 6. Kapitalaufbringung . . . . . . . . . . . . . . 103 7. Unbegrenzte Lebensdauer der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 8. Gewinnverteilung . . . . . . . . . . . . . . . 108 9. Formale Gründungsvoraussetzungen 112 IV. Unternehmensbeteiligungsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 V. Kapitalbeteiligungsgesellschaften im öffentlichen Interesse . . . . . . . . . . . . . . 116 VI. REIT-Aktiengesellschaften . . . . . . . . . . 118 E. Sondervermögen und vergleichbare ausländische Rechtsformen (Abs. 3 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 F. Option zur Körperschaftsbesteuerung nach § 1a KStG (Abs. 3 S. 3) . . . . . . . . 125 G. Haftungs- und vermögensrechtlich voneinander getrennte Teile eines Investmentfonds (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . 127 H. ABC der potenziellen Investmentvermögen I. Akquisitionsgesellschaften . . . . . . . . . . 137 II. Bürgerenergieprojekte . . . . . . . . . . . . . 138 III. Carried Interest-Vehikel . . . . . . . . . . . . 139 IV. Co-Investment-Gesellschaften . . . . . . . 140 V. Family offices . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 VI. Feeder-Vehikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 VII. Finanzierungsgesellschaften . . . . . . . . 144 VIII. Garantie-Fonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 IX. Genossenschaften i.S.d. GenG . . . . . . . 146 X. Immobilienaktiengesellschaften . . . . . 147 XI. Investment-Clubs . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 XII. Joint ventures . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 XIII. Leasing-Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . 151 XIV. Leasing-Objektgesellschaften i.S.v. § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 17 KWG . . . . . . . . . . 152 XV. Special Purpose Acquisition Company (SPAC) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

Literatur: Henke/Lang, Qualifizierung ausländischer Rechtsgebilde am Beispiel der Delaware-LLC, IStR 2001, 518; Schnittker/Lemaitre, Steuersubjektqualifikation ausländischer Personen- und Kapitalgesell-

70 | Behrens/Kammeter

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 1 § 1 schaften anhand des Rechtstypenvergleichs: Welche Vergleichskriterien sind heranzuziehen?, GmbHR 2003, 1314; Herrmann, Die Einordnung ausländischer Gesellschaften im Ertragsteuerrecht am Beispiel der US-amerikanischen Limited Liability Company, RIW 2004, 445; Waclawik, Aufsichtsrechtliche Aspekte der Tätigkeit privater Family Offices, ZBB 2005, 401; Frey/Harbarth; REIT-AG – Gesellschafts-, kapitalmarkt- und steuerrechtliche Wesensmerkmale einer neuen Rechtsfigur; ZIP 2007, 1177; Quass/Becker, Die REIT-AG nach dem Gesetz über deutsche Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen, AG 2007, 421; Wichke/Bachner, Der Real Estate Investment Trust (REIT) nach deutschem Recht, ZfIR 2007, 697; Kühne/Eberhardt, Erlaubnispflicht eines Family Office unter Berücksichtigung des neuen Finanzdienstleistungstatbestands der Anlageberatung, BKR 2008, 133; von Levonius/Bernau, Der neue Tatbestand der „Anlageverwaltung“ als erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung, WM 2009, 1216; Süß/Mayer, Zweifelsfragen im Anwendungsbereich des InvStG, DStR 2009, 1741; Klein/Lorenz/Reichel, Pension Pooling – mit dem OGAW-IV-Umsetzungsgesetz eine Chance vertan?, BB 2012, 331; Krause/ Klebeck, Family Office und AIFM-Richtlinie, Zugleich eine Suche nach dem Regelungsadressat der AIFM-Richtline, BB 2012, 2063; Bäuml, Investmentvermögen im neuen Kapitalanlagegesetzbuch, FR 2013, 640; Böcker, Das KAGB – Die wichtigsten Änderungen durch den Regierungsentwurf gegenüber dem Diskussionsentwurf, NWB 2013, 299; Haisch/Helios, Investmentsteuerrechtsreform aufgrund AIFM-RL und KAGB, BB 2013, 23; Haisch/Helios, Investmentsteuerreform aufgrund KAGB und AIFMStAnpG – Änderungen noch möglich, BB 2013, 1687; Hartrott/Goller, Immobilienfonds nach dem Kapitalanlagegesetzbuch, BB 2013, 1603; Jesch/Alten, Erlaubnisantrag für KVGs nach §§ 21 ff. KAGb – bisherige Erkenntnisse und offene Fragen, RdF 2013, 191; Jesch/Haug, Das neue Investmentsteuergesetz, DStZ 2013, 774; Loritz/Uffmann, Der Geltungsbereich des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) und Investmentformen außerhalb desselben, WM 2013, 2193; Merkt, Fallen REIT-Aktiengesellschaften unter das KAGB?, BB 2013, 1986; Seibt/Jander-McAlister, Club Deals mit Family Offices nach der AIFM-Regulierung, DB 2013, 2374 und 2433; Wallach, Umsetzung der AIFM-RL in deutsches Recht – erstumfassende Regulierung des deutschen Investmentrechts, RdF 2013, 92; Wollenhaupt/Beck, Das neue Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB), DB 2013, 1950; Zetzsche/Preiner, Was ist ein AIF, WM 2013, 2101; Conradi/JanderMcAlister, REIT-AGs sind keine Investmentvermögen im Sinne des KAGB, WM 2014, 733; Jansen/Lübbehüsen, Neues Investmentsteuergesetz doch noch im Jahr 2013 – auch der Steuergesetzgeber bescherte uns zu Weihnachten, RdF 2014, 29; Kußmaul/Kloster, Anteilsbegriff nach KAGB und InvStG im Spannungsfeld zwischen Aufsichts- und Steuerrecht, RdF 2014, 300; Simonis/Grabbe/Faller, Neuregelung der Fondsbesteuerung durch das AIFM-StAnpG, DB 2014, 16; Haisch, Investmentsteuerreform – Wird jetzt alles gut?, RdF 2015, 194; Fischer, Fondsbesteuerung und Fremdverwaltung, FR 2016, 27; Helios/Mann, Das Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung, Sonderausgabe 1/2016; Lechner, (Erneute) Reform der Investmentbesteuerung – ein Überblick, RdF 2016, 208; Stöber/Kleinert, Kein Erfordernis der Fremdverwaltung im Investmentsteuerrecht – Zu den Grenzen der Gesetzesauslegung im Steuer(straf)recht, BB 2016, 278; Lorenz/John, Die (Nicht-)Anwendbarkeit des KAGB in praxisrelevanten Sonderkonstellationen, Holdinggesellschaften und Arbeitnehmerbeteiligungssysteme, BKR 2019, 386; Niedling/Hempelmann, Private Equity Fonds und das seit 2018 geltende Investmentsteuerrecht – praktische (Anwendungs-)Fragen, RdF 2019, 41; Stadler/Mager, Der neue Investmentsteuererlass zu Anwendungsfragen zum Investmentsteuergesetz v. 21.5.2019 – Vergleich zum Entwurf v. 15.6.2019, BB 2019, 1760; Stöber/ Kleinert, Millionärsfonds im Steuer(straf)recht: Wie geht es weiter?, BB 2019, 1174; Haug, Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG) – Folgen aus dem Optionsmodell für die Investmentbesteuerung, FR 2021, 410; Knittel, Einordnung einer US-amerikanischen LLC als Personen- oder Kapitalgesellschaft, FR 2021, 1067; Linn/Maywald, Der Rechtstypenvergleich nach MoPeG und KöMoG, IStR 2021, 825.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck § 1 Abs. 1 InvStG regelt den persönlichen Anwendungsbereich des Investmentsteuergesetzes.1 1 Das InvStG ist auf Investmentfonds, und zwar (Publikums-)Investmentfonds i.S.v. Kapitel 2, Spezial-Investmentfonds i.S.v. Kapitel 3 und auf deren Anleger anzuwenden. Der Begriff des 1 BT-Drucks. 18/8045 v. 7.4.2016, 66. Behrens/Kammeter | 71

§ 1 Rz. 1 | Anwendungsbereich Anlegers eines Investmentfonds ist nicht in § 1 InvStG, sondern in § 2 Abs. 10 InvStG definiert.1 Anleger ist gem. § 2 Abs. 10 InvStG derjenige, dem der Investmentanteil oder SpezialInvestmentanteil nach § 39 AO zuzurechnen ist. Die Regelungen in § 1 Abs. 2 bis 4 InvStG enthalten die Legaldefinition des Begriffs des Investmentfonds für die Zwecke des InvStG. Der Begriff des Investmentfonds ist – weil er im KAGB nicht bzw. terminologisch nur als Teilmengenbegriff in Gestalt des Alternativen Investmentfonds (§ 2 Abs. 3 KAGB) verwandt wird – ein eigenständiger steuerrechtlicher Begriff.2 Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 sind Investmentfonds Investmentvermögen nach § 1 Abs. 1 KAGB. Die in § 1 Abs. 1b InvStG i.d.F. des AIFMStAnpG geregelten besonderen steuerlichen Anforderungen an einen Investmentfonds (u.a. Investmentaufsicht, Rückgaberecht und Vermögensanlage in bestimmte eligible assets) sind für die Bestimmung des Begriffs des Investmentfonds nicht relevant.3 In § 1 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 und 2 wird der Anwendungsbereich aus steuerrechtlichen Gründen auf sog. fiktive Investmentfonds, d.h. auf Vehikel, die nach Aufsichtsrecht keine Investmentvermögen sind, erweitert, und zwar auf Organismen für gemeinsame Anlagen, bei denen die Zahl der möglichen Anleger auf einen Anleger begrenzt ist, und auf KapGes., denen nach dem Recht des Staates, in dem sie ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung haben, eine operative unternehmerische Tätigkeit untersagt ist und die keiner Ertragsbesteuerung unterliegen oder die von der Ertragsbesteuerung befreit sind. Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 gelten als Investmentfonds im Sinne des InvStG 2018 auch von AIF-KVGs i.S.v. § 2 Abs. 3 KAGB verwaltete AIF, d.h. auf konzerneigene Alternative Investmentfonds. Diese konzerneigenen Investmentvermögen unterliegen gem. § 2 Abs. 3 KAGB zwar keinem aufsichtsrechtlichen Anlegerschutz, sie sollen jedoch dem steuerlichen Regime des InvStG 2018 unterfallen.4 § 1 Abs. 3 nimmt bestimmte Investmentvermögen vom Anwendungsbereich des Investmentsteuergesetzes aus, insbesondere – allerdings nicht OGAW und Altersvorsorgevermögenfonds – Personengesellschaften und vergleichbare ausländische Rechtsformen. Sondervermögen und vergleichbare ausländische Rechtsformen gelten gem. § 1 Abs. 3 Satz 2 unabhängig vom sog. Typenvergleich nicht als Personengesellschaften i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 3 InvStG sind Investmentvermögen in der Rechtsform einer Personengesellschaft auch dann keine Investmentfonds, wenn sie nach § 1a KStG zur Körperschaftsbesteuerung optiert haben. Investmentvermögen in der Rechtsform der Personengesellschaft und deren Gesellschafter werden mithin auch dann nicht nach den Regelungen des InvStG besteuert, wenn solche Personengesellschafts-Investmentvermögen zur Besteuerung nach dem KStG optiert haben. Gemäß § 1a Abs. 1 Satz 3 KStG sind Investmentfonds und Spezial-Investmentfonds in der Rechtsform der Personengesellschaft von der Option zur Körperschaftsbesteuerung nach § 1a KStG ausgeschlossen, d.h., die investmentsteuergesetzlichen Vorschriften gehen insoweit vor. Bestehende Investmentfonds und Spezial-Investmentfonds in der Rechtsform der Personengesellschaft können auch nicht gem. § 1 Abs. 4 KStG zur Personengesellschaftsbesteuerung optieren, weil die Rückoption nach § 1a Abs. 4 KStG die vorherige Ausübung der Option zur Körperschaftsbesteuerung voraussetzt.5 Aufgrund der Regelungen in § 1 Abs. 2 und Abs. 3 InvStG sind die Begriffe des Investmentfonds einerseits und des Investmentvermögens andererseits nicht deckungsgleich, d.h., es kommt zu einem Auseinanderfallen von Aufsichts- und Steuerrecht. Dass sich das Steuerrecht vom Aufsichtsrecht teilweise abkoppelt, ist eine Folge der unterschiedlichen Zielsetzungen beider Regelungsmaterien. Die sich vom Aufsichtsrecht lösenden 1 Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 1 InvStG Rz. 2, vermuten als Grund dafür, dass der Begriff des Anlegers in § 2 Abs. 10 InvStG unter Rückgriff auf die Begriffe des Investmentanteils bzw. Spezial-Investmentanteils gem. § 2 Abs. 4 InvStG definiert ist und ein normübergreifender Verweis vermieden werden sollte. 2 Helios/Mann, DB Sonderausgabe 1/2016, 4. 3 Ab 1.1.2018 müssen diese Merkmale – allerdings teilweise modifiziert – erfüllt werden, wenn der Investmentfonds steuerrechtlich als Spezial-Investmentfonds i.S.v. § 26 behandelt werden soll. 4 Jetter/Mager, SteuK 2016, 23. 5 Haug, FR 2021, 410 (411).

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A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 2 § 1

Regelungen in § 1 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 sind abschließend. Wenn es sich bei der Auflegung eines Investmentvermögens um ein Scheingeschäft handelt, in Wirklichkeit also kein Investmentvermögen errichtet werden sollte, gilt allerdings § 41 Abs. 2 AO, wonach, wenn durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt wird, das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgebend ist. Auch § 42 AO kommt theoretisch in Betracht, um die Existenz eines Investmentvermögens und Investmentfonds mit der Rechtsfolge zu negieren, dass das InvStG nicht anwendbar wäre. Eine Nichtanerkennung von Zweckvermögen als rein steuerrechtlichen Konstrukten auf der Grundlage von § 42 AO hätte die Zuordnung der Wirtschaftsgüter zum ,wahren’ wirtschaftlichen Eigentümer zur Folge. Denn letztlich kann die Einschaltung eines solchen Zweckvermögens zur Abschirmung steuerlicher Einkünfte ebenso rechtsmissbräuchlich erfolgen wie der Einsatz einer zudem zivilrechtlich existenten, aber steuerrechtlich nach § 42 AO negierten Domizilgesellschaft. Die Zurechnung der zu einem Investmentvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter gem. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO zu den bzw. zum Anleger scheidet (vorbehaltlich § 42 AO) grds. aus, und zwar auch dann, wenn die allgemeinen oder besonderen Anlagebedingungen oder sonstigen konstituierenden Dokumente des Investmentvermögens einen Sachauskehranspruch des bzw. der Anleger gegenüber der Verwaltungsgesellschaft vorsehen. Denn das InvStG sieht die Trennung zwischen dem Investmentvermögen einerseits und den Vermögen der bzw. des Anlegers vor. Der Trennungsgrundsatz steht der Zurechnung der Anlagegegenstände zum bzw. zu den Anlegern auf Grundlage von § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO entgegen.1 In den Gesetzesmaterialien hat sich der Gesetzgeber jedoch ausdrücklich eine Ausweitung des Katalogs der Sonderregelungen vorbehalten, um auf spätere Umgehungsgestaltungen kurzfristig reagieren zu können.2 § 1 Abs. 4 regelt, dass haftungs- und vermögensrechtlich voneinander getrennte Teile eines Investmentfonds für die Zwecke des InvStG als eigenständige Investmentfonds gelten. Nach Tz. 1.13 BMF-Entwurf sind haftungs- und vermögensrechtlichen voneinander getrennte Teile eines Investmentvermögens in der Rechtsform der Personengesellschaft für die Zwecke der Besteuerung nach dem Einkommen (außerhalb des InvStG 2018) als eigenständige Personengesellschaften zu betrachten, wobei keine gesonderte Feststellung vorzunehmen ist, wenn an dem haftungs- und vermögensrechtlich getrennten Teil der Personengesellschaft nur eine Person beteiligt ist, die mit ihren Einkünften in Deutschland einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtig ist.

II. Anwendungsbereich § 1 InvStG ist in Bezug auf jedes Vehikel bzw. in Bezug auf jede Kapitalsammelstelle zu prüfen, 2 um zu ermitteln, ob der Anwendungsbereich des InvStG eröffnet ist. Zu unterscheiden ist zwischen sog. (vormals Publikums-)Investmentfonds i.S.v. Kapitel 2 des InvStG 2018, sog. Spezial-Investmentfonds i.S.v. Kapitel 3 des InvStG 2018, sog. Nicht-OGAW/Altersvorsorgevermögen-Fonds in der Rechtsform einer (in- oder ausländischen) Personengesellschaft und Fonds, die besonderen Spezialgesetzen unterliegen. Nur die Besteuerung der sog. (Publikums)Investmentfonds i.S.v. Kapitel 2 und der sog. Spezial-Investmentfonds i.S.v. Kapitel 3 und deren Anleger richtet sich nach dem InvStG 2018. Auf Nicht-OGAW/AltersvorsorgevermögenFonds in der Rechtsform einer Personengesellschaft sind grds. die allgemeinen steuerlichen Regelungen des EStG und KStG sowie GewStG anzuwenden,3 d.h., sowohl bei gewerblichen (bzw. gewerblich geprägten oder infizierten) als auch bei vermögensverwaltenden Personenge1 Vgl. Stöber/Kleinert, BB 2016, 278 (283). 2 BR-Drucks. 119/16, 72. 3 Das Investmentsteuerregime für Spezial-Investmentfonds ist jedoch auf Altersvorsorgevermögensfonds nach § 53 Abs. 3 Satz 1 InvStG anzuwenden, sofern sie die spezifischen Voraussetzungen der dortigen Abs. 1 und 2 erfüllen. Behrens/Kammeter | 73

§ 1 Rz. 2 | Anwendungsbereich sellschaften werden sämtliche Erträge und Gewinne der Personengesellschaft auf Ebene der in Deutschland steuerpflichtigen Anleger besteuert. Personengesellschaften sind ertragsteuerlich transparent, d.h., nur ihre Anleger sind gem. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG bzw. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO steuerpflichtig. Gewerbliche (gewerblich geprägte oder infizierte) Personengesellschaften sind allerdings gem. § 5 GewStG selbst Schuldner der GewSt.1 Bei Fonds, die Spezialgesetzen unterliegen, richtet sich die Besteuerung nach der Art des Vehikels. So richtet sich die Besteuerung für REIT-AG und deren Anleger auch dann ausschließlich nach dem deutschen REITGesetz, wenn die REIT-AG im Einzelfall ein Investmentvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB ist.2 Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 sind REIT-AG nach § 1 Abs. 1 REIT-Gesetz und andere REIT-Körperschaften, -Personenvereinigungen und -Vermögenmassen nach § 19 Abs. 5 REIT-Gesetz keine Investmentfonds i.S.d. InvStG 2018, d.h., die Regelungen des InvStG 2018 sind insoweit insgesamt nicht anwendbar.

III. Rechtsentwicklung 3 § 1 InvStG 2018 ist durch Art. 1 InvStRefG vom 19.7.2016 in Kraft getreten.3 § 1 Abs. 1 und

Abs. 2 Satz 1 InvStG 2018 ersetzen § 1 Abs. 1 Satz 1 InvStG a.F.,4 wonach das InvStG a.F. anzuwenden war auf OGAW i.S.v. § 1 Abs. 2 KAGB und AIF i.S.v. § 1 Abs. 3 KAGB sowie auf Anteile an OGAW oder AIF. Die in das InvStG a.F. durch das AIFM-StAndG eingeführte Differenzierung zwischen Investmentfonds und Investitionsgesellschaften wurde durch das Inkrafttreten des InvStG 2018 obsolet.5 Die ab 1.1.2018 gültige partielle Körperschafsteuerpflicht der sog. (Publikums-)Investmentfonds i.S.v. Kap. 2 InvStG 2018 für inländische Einkünfte des Fonds, wodurch deutsche und ausländische Anleger von sog. (Publikums-)Investmentfonds i.S.v. Kap. 2 InvStG 2018 über eine Körperschaftsteuer-Belastung auf Fonds-Ebene erstmals mittelbar belastet werden, beseitigt die aus EuGH-Rspr. zur Pauschalbesteuerung nach § 6 InvStG a.F. sowie zur EU-rechtlich gebotenen Kapitalertragsteuererstattung an gebietsfremde Investmentfonds resultierenden EU-rechtlichen Risiken.6 Allerdings birgt die Beschränkung der sog. Teilfreistellung auf inländische Anleger neue EU-rechtliche Risiken, die dem Unionsrechtswidrigkeitspotential der geplanten Pkw-Maut vergleichbar sind.7 Die partielle Körperschaftsteuerpflicht der sog. (Publikums-)Investmentfonds im Sinne von Kapitel 2 InvStG 2018 wird für Kleinanleger trotz der Möglichkeit der Teilfreistellung nach §§ 20 ff. InvStG 2018 in vielen Fällen zur steuerlichen Mehrbelastung führen.8 § 1 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 InvStG 2018, d.h. die Fiktion von Ein-Anlegerfonds, KapGes., denen eine operative unternehmerische Tätigkeit untersagt ist und die keiner Ertragsbesteuerung unterliegen oder die von der Ertragsbesteuerung befreit sind, sowie von AIF-KVGs i.S.v. § 2 Abs. 3 KAGB verwaltete Investmentvermögen als Investmentfonds i.S.v. InvStG 2018, hatte im InvStG a.F. keine Entsprechung. § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 InvStG 2018 entspricht § 1 Abs. 1a Nr. 1 bis 3 InvStG a.F., d.h., bestimmte Holdinggesellschaften und Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge sowie Unternehmensbeteiligungsgesellschaften i.S.v. § 1a Abs. 1 UBGG sowie Kapitalbeteiligungsgesellschaften, die im öffentlichen Interesse mit Eigenmitteln und mit staatlicher Hilfe Beteiligungen erwerben, waren schon vor 2018 und sind auch weiterhin vom An1 Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG ist, wenn die Tätigkeit einer Personengesellschaft Gewerbebetrieb ist, Steuerschuldner die Personengesellschaft selbst. 2 BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, Tz. II.2. 3 BGBl. I 2016, 1730. 4 InvStG v. 15.12.2003, BGBl. I 2676, zuletzt geändert durch Art. 2 und Art. 11 Abs. 2 Satz 2 InvStRefG v. 19.7.2016, BGBl. I 2016, 1730. 5 Vgl. z.B. Kempf/Hirtz, DStR 2016, 1; Patzner/Nagler in Patzner/Döser/Kempf3, Vor § 1 InvStG Rz. 2. 6 Referentenentwurf des BMF v. 16.12.2015, Begründung zu Art. 1, § 1 InvStG, 46. 7 Rehm/Nagler, BB 2015, 2007. 8 Faller/Wolf/Brielmaier, DB 2016, 489; Patzner/Nagler in Patzner/Döser/Kempf3, § 1 InvStG Rz. 5.

74 | Behrens/Kammeter

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 7 § 1

wendungsbereich des InvStG ausgenommen. § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG 2018, wonach AIF in der Rechtsform einer (in- oder ausländischen) Personengesellschaft mit Ausnahme der Altersvorsorgevermögensfonds i.S.v. § 53 InvStG 2018 keine Investmentfonds i.S.v. InvStG 2018 sind, hatte im InvStG a.F. keine Entsprechung. Allerdings richtete sich die Besteuerung von Personen-Investitionsgesellschaften und deren Anlegern nach § 18 InvStG a.F. nach den allgemeinen ertragsteuerrechtlichen Regelungen des EStG, KStG und GewStG, sodass für die ganz überwiegende Mehrzahl der AIF in der Rechtsform der Personengesellschaft materiell keine Änderung eingetreten ist.1 Die Regelung in § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 InvStG 2018, wonach REIT-AG und -Körperschaften keine Investmentfonds i.S.v. InvStG 2018 sind, hatte in InvStG a.F. ebenfalls keine Entsprechung. Hingegen tritt § 1 Abs. 4 InvStG 2018 an die Stelle von § 1 Abs. 1 Satz 2 InvStG a.F., wonach Teilsondervermögen i.S.v. § 96 Abs. 2 Satz 1 KAGB, Teilgesellschaftsvermögen i.S.v. § 117 oder § 132 KAGB oder vergleichbare rechtlich getrennte Einheiten eines ausländischen OGAW oder AIF (Teilfonds) für die Zwecke des InvStG a.F. selbst als OGAW oder AIF galten. Die Formulierung in § 1 Abs. 4 InvStG 2018 wurde bewusst weit gefasst, um sich vom Aufsichtsrecht zu lösen.2

Mit dem JStG 2020 v. 21.12.20203 wurde Satz 2 in Abs. 2 von § 1 InvStG eingefügt. Danach 4 besteht für die Zwecke des InvStG ausdrücklich keine Bindungswirkung an die aufsichtsrechtliche Entscheidung nach § 5 Abs. 3 KAGB über die Einordnung eines Vehikels als Investmentvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 KAGB. Diese Gesetzesänderung war vom Bundesrat beantragt worden.4 Durch das KöMoG v. 25.6.20215 ist § 1 Abs. 3 InvStG um einen neuen Satz 3 erweitert worden, 5 wonach Investmentvermögen in der Rechtsform einer Personengesellschaft auch dann keine Investmentfonds sind, wenn sie nach § 1a KStG zur Körperschaftsbesteuerung optiert haben.

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG 2018 Nach § 1 InvStG 2018 bestimmt sich, ob das InvStG 2018 zur Anwendung kommt.

6

2. Verhältnis zu § 1 KAGB Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 InvStG sind Investmentfonds Investmentvermögen nach § 1 Abs. 1 7 KAGB. Es handelt sich um einen sog. abstrakten gesetzlichen Verweis, d.h., für maßgebend erklärt § 1 Abs. 2 Satz 1 InvStG die Tatbestandsmerkmale von § 1 Abs. 1 KAGB, unabhängig davon, ob im konkreten Einzelfall das KAGB anwendbar ist.6 Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 InvStG besteht für Zwecke des InvStG keine Bindungswirkung an die aufsichtsrechtliche Entscheidung nach § 5 Abs. 3 KAGB.7 Als Investmentfonds i.S.v. InvStG 2018 gelten u.a. auch von

1 M.a.W. wurden jene Personengesellschaften zwar zunächst dem Anwendungsbereich des InvStG a.F. un-terworfen, um sodann über § 18 InvStG a.F. sogleich den allgemeinen Regeln wieder zugeführt zu werden. 2 Vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung v. 7.4.2016, 67. 3 BGBl. I 2020, 3096. 4 BT-Drucks. 356/19, 78. 5 BGBl. I 2021, 2050. 6 Vgl. Bödecker in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 1 InvStG Rz. 25; so auch bereits Neumann/Lübbehüsen, DB 2013, 2053; Mann in W/B/A3, § 1 InvStG Rz. 4. 7 Gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 KAGB entscheidet die BaFin in Zweifelsfällen, dass ein inländisches Unternehmen den Vorschriften des KAGB unterliegt oder ein Investmentvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 KAGB vorliegt. Gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 KAGB bindet die Entscheidung der BaFin die Verwaltungsbehörden. Behrens/Kammeter | 75

§ 1 Rz. 7 | Anwendungsbereich AIF-KVG verwaltete Investmentvermögen nach § 2 Abs. 3 KAGB. Die Gesellschaften, Einrichtungen und Organisationen, die nach § 2 Abs. 1, Abs. 2 KAGB nicht unter das KAGB fallen, d.h. bestimmte Holdinggesellschaften und Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung, sind gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1 KAGB keine Investmentfonds i.S.v. InvStG. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 InvStG sind Investmentvermögen in der Rechtsform einer Personengesellschaft oder einer vergleichbaren ausländischen Rechtform ausnahmsweise dann Investmentfonds i.S.v. InvStG, wenn es sich um Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren nach § 1 Abs. 2 KAGB, d.h. um OGAW, oder um Altersvorsorgevermögensfonds nach § 53 InvStG 2018 handelt. § 1 KAGB ist mithin für die Bestimmung des Anwendungsbereichs des InvStG 2018 maßgebend. Dabei löst sich § 1 InvStG 2018 in vielerlei Hinsicht von den Regelungen zum Anwendungsbereich des KAGB: § 1 Abs. 3 Satz 2 InvStG 2018 fingiert die in Nr. 1 bis 3 genannten Vehikel als Investmentfonds i.S.v. InvStG 2018, obwohl es sich nicht um Investmentvermögen i.S.v. § 1 KAGB handelt bzw. obwohl die in Nr. 3 genannten konzerninternen Investmentvermögen nicht unter die Regelungen des KAGB fallen. § 1 Abs. 3 Satz 1 InvStG 2018 nimmt bestimmte Vehikel vom Anwendungsbereich des InvStG 2018 aus, obwohl es sich um Investmentvermögen nach § 1 KAGB handelt.

B. Anwendungsbereich des InvStG 2018 (Abs. 1) 8 Nach § 1 Abs. 1 InvStG ist das Gesetz anzuwenden auf Investmentfonds und deren Anleger.

Die Besteuerung von Investmentfonds und deren Anleger richtet sich daher in erster Linie nach den Vorschriften des InvStG und nur subsidiär, soweit gesetzlich vorgesehen bzw. zugelassen, nach den allgemeinen steuerrechtlichen Regelungen, z.B. in EStG und KStG. Der Begriff „Investmentfonds“ wird in § 1 Abs. 2 bis Abs. 4 legal definiert. Die in § 1 Abs. 1 Satz 1 InvStG a.F. enthaltene Unterscheidung zwischen OGAW i.S.v. § 1 Abs. 2 KAGB und AIF i.S.v. § 1 Abs. 3 KABG ist in § 1 Abs. 1 nicht mehr enthalten, allerdings ohne dass sich daraus eine Änderung ergibt.1 Anleger ist gem. § 2 Abs. 10 derjenige, dem der Investmentanteil oder Spezial-Investmentanteil nach § 39 AO zuzurechnen ist. Die Begriffe des Investmentanteils und Spezial-Investmentanteils sind in § 2 Abs. 4 legal definiert als „Anteil an einem Investmentfonds bzw. Spezial-Investmentfonds, unabhängig von der rechtlichen Ausgestaltung des Anteils oder des (Spezial-)Investmentfonds“. Gemäß § 39 Abs. 1 AO sind Investmentanteile dem Eigentümer, d.h. dem zivilrechtlichen Rechtsinhaber zuzurechnen. Gehören Investmentanteile oder Spezial-Investmentanteile zum Betriebsvermögen (auch ggf. Sonderbetriebsvermögen) einer Mitunternehmerschaft, ist u.E. die Mitunternehmerschaft Anleger i.S.v. § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 10 InvStG.2 Gemäß § 39 Abs. 2 AO gilt davon abweichend jedoch Folgendes: – Übt ein anderer als der zivilrechtliche Rechtsinhaber die tatsächliche Herrschaft über einen Investmentanteil oder Spezial-Investmentanteil in der Weise aus, dass er den zivilrechtlichen Rechtsinhaber im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf den Investmentanteil oder Spezial-Investmentanteil wirtschaftlich ausschließen kann, so ist ihm der Investmentanteil bzw. Spezial-Investmentanteil zuzurechnen. Bei Treuhandverhältnissen sind die Investmentanteile bzw. Spezial-Investmentanteile dem Treugeber, beim Sicherungseigentum dem Sicherungsgeber und beim Eigenbesitz dem Eigenbesitzer zuzurechnen. – Investmentanteile, die mehreren zur gesamten Hand zustehen, werden den Beteiligten anteilig zugerechnet, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist.

1 OGAW und AIF sind auch steuerrechtlich lediglich Unterfälle des Begriffs Investmentfonds; vgl. Jesch/Haug, DStZ 2013, 771 (773); Mann in W/B/A3, § 1 KAGB Rz. 36. 2 Vgl. § 2 InvStG Rz. 101: „Die Mitunternehmerschaft selbst ist Anleger und nicht die jeweiligen Mitunternehmer“.

76 | Behrens/Kammeter

C. Definition des Begriffs „Investmentfonds“ (Abs. 2) | Rz. 11 § 1

§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO ist insbesondere auf über vermögensverwaltende Personengesellschaften 9 gehaltene Investmentanteile und Spezial-Investmentanteile anwendbar.

C. Definition des Begriffs „Investmentfonds“ (Abs. 2) I. Anknüpfung an die Definition des Begriffs „Investmentvermögen“ in § 1 Abs. 1 KAGB (Abs. 2 Satz 1) 1. Legaldefinition von „Investmentvermögen“ in § 1 Abs. 1 KAGB Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 sind Investmentfonds Investmentvermögen nach § 1 Abs. 1 KAGB. 10 Durch diese Bezugnahme auf § 1 Abs. 1 KAGB wird der Anwendungsbereich des InvStG 2018 grds. auf alle Investmentvermögen erstreckt.1 Die bisherige Unterscheidung zwischen OGAW und AIF als Anknüpfungspunkt für den Anwendungsbereich des InvStG ist ab 1.1.2018 entfallen.2 Die Definition des Begriffs „Investmentfonds“ umfasst sowohl OGAW als auch AIF. Anders als nach § 1 Abs. 1b InvStG a.F. ist die Qualifikation als Investmentfonds nicht mehr von der Einhaltung bestimmter Voraussetzungen (Anlagebestimmungen) abhängig.3 In den Gesetzesmaterialien wird darauf hingewiesen, dass damit für Investmentfonds die in der Praxis aufwendige Prüfung und Überwachung der Anlagebestimmungen durch die Finanzbehörden und KVG entfallen sei. Für die Frage, ob ein Investmentfonds sog. Spezial-Investmentfonds ist und deshalb die Regelungen von Kapitel 3 des InvStG 2018 anwendbar sind, bedarf es allerdings weiterhin der Prüfung und Überwachung der Anlagebestimmungen durch die Finanzbehörden und KVG. In der Fassung vom 3.3.2016 hat § 1 Abs. 1 KAGB den folgenden Wortlaut: „1Investmentvermögen ist jeder Organismus für gemeinsame Anlagen, der von einer Anzahl von Anlegern Kapital einsammelt, um es gemäß einer festgelegten Anlagestrategie zum Nutzen dieser Anleger zu investieren und der kein operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors ist. 2Eine Anzahl von Anlegern im Sinne des Satzes 1 ist gegeben, wenn die Anlagebedingungen, die Satzung oder der Gesellschaftsvertrag des Organismus für gemeinsame Anlagen die Anzahl möglicher Anleger nicht auf einen Anleger begrenzen.“

Entgegen einer zum InvStG in der vor dem 24.12.2013 gültigen Fassung vonseiten der FinVerw. 11 vertretenen Ansicht4 ist der Begriff des Investmentvermögens nach der Auffassung von Behrens nicht dahingehend festgelegt, dass die Anlageentscheidungen unbeeinflusst von jeglichen Vorgaben der Anleger allein durch die KVG zu treffen seien. Ein Gebot der ausschließlichen Fremdverwaltung von Investmentvermögen durch die KVG ist in § 1 Abs. 1 KAGB nicht enthalten (vgl. hierzu unter Rz. 42 ff.). Damit legt das KAGB entsprechend den Vorgaben der AIFM-RL5

1 Kammeter, ISR 2016, 101. 2 BT-Drucks. 18/8045 v. 7.4.2016, 66. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 InvStG a.F. war das InvStG anzuwenden auf OGAW i.S.v. § 1 Abs. 2 KAGB und AIF i.S.v. § 1 Abs. 3 KAGB sowie auf Anteile an OGAW oder AIF. 3 Vgl. aber § 26 betr. Spezial-Investmentfonds. Diese müssen gem. § 26 über § 1 Abs. 2 InvStG 2018 hinaus zusätzliche Voraussetzungen erfüllen, damit sich ihre Besteuerung und die Besteuerung ihrer Anleger nach Kapitel 3 des InvStG 2018 richtet; vgl. Kempf/Hirtz, DStR 2016, 1. 4 Vgl. das verwaltungsinterne Schreiben des BMF v. 26.7.2016 – IV C 1 - S 1980 – 1/15/10001:004; vgl. dazu Fischer, FR 2016, 27; Stöber/Kleinert, BB 2016, 278. 5 Die positiven Definitionsmerkmale in § 1 Abs. 2 KAGB folgen weitestgehend der Definition von AIF in Art. 4 Abs. 1a AIFM-RL. Nicht enthalten in der Definition von AIF in der AIFM-RL ist die Negativ-Abgrenzung zur operativ tätigen Unternehmen außerhalb des Finanzsektors. Das Erfordernis dieser Negativ-Abgrenzung wird allerdings in der Stellungnahme der ESMA zur AIFM-RL klargestellt; vgl. ESMA, Final Reports – Guidelines on key concepts of the AIFM-RL, Annex III, 31. Behrens/Kammeter | 77

§ 1 Rz. 11 | Anwendungsbereich einen materiellen Investmentfonds-Begriff zugrunde.1 Den Begriff des Investmentvermögens rein materiell zu definieren, war aufgrund der Vorgaben der AIFM-RL erforderlich geworden. Damit ging eine erhebliche Ausweitung des aufsichtsrechtlichen Anwendungsbereichs einher. Die aufgrund der aufsichtsrechtlichen Ausweitung des Anwendungsbereichs erforderlich gewordene Anpassung des InvStG erfolgte durch das AIFM-StAnpG mit Wirkung ab 24.12.2013.2 § 1 Abs. 1 Satz 1 InvStG i.d.F. des AIFM-SteuerAnpG stellte nicht auf Investmentfonds und deren Anleger, sondern auf OGAW i.S.v. § 1 Abs. 2 KAGB und AIF i.S.v. § 1 Abs. 3 KAGB sowie auf Anteile an OGAW oder AIF ab. Weil alle Investmentvermögen, die nicht die Anforderung der OGAW-RL erfüllen, AIF sind, stellte der Begriff des Investmentvermögens auch im InvStG i.d.F. des AIFM-StAnpG den Oberbegriff dar.3 12 Daraus, dass das InvStG 2018 anders als das InvStG i.d.F. des AIFM-StAnpG seinen Anwen-

dungsbereich nicht mehr unter Hinweis auf „Anteile an OGAW oder AIF“, sondern unter Hinweis auf Investmentvermögen i.S.d. § 1 Abs. 1 KAGB bzw. die Anleger von Investmentvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 KAGB regelt, ergibt sich inhaltlich keine Änderung. Denn in § 2 Abs. 10 wird als Anleger derjenige bezeichnet, dem der (Spezial-)Investmentanteil nach § 39 AO zuzurechnen ist. Gemäß § 2 Abs. 4 meint (Spezial-)Investmentanteil den Anteil an einem (Spezial-)Investmentfonds, unabhängig von der rechtlichen Ausgestaltung des Anteils oder des (Spezial-)Investmentfonds. Wie schon nach § 1 Abs. 1 Satz 1 InvStG i.d.F. des AIFMStAnpG stellt eine Rechtsbeziehung ungeachtet ihrer rechtlichen Ausgestaltung nur dann einen (Spezial-)Investmentanteil dar, wenn sie zu einem Organismus besteht, der selbst als Investmentvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 KAGB anzusehen ist; nur dann ist die Rechtsbeziehung (Spezial-)Investmentanteil.4 Ob die Rechtsbeziehung gesellschaftsrechtlicher, mitgliedschaftlicher oder schuldrechtlicher Art ist, spielt keine Rolle.5

13 Zum Begriff des Investmentvermögens äußert sich die ESMA im Final Report vom 2.4.2013.6

Die BaFin hat mit ihrem Auslegungsschreiben zum Anwendungsbereich des KAGB und zum Begriff des „Investmentvermögens“ vom 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015, Stellung genommen.7 Die Verbände haben während des Gesetzgebungsverfahrens zum InvStRefG darauf hingewiesen, dass sich die Investmentbranche maßgeblich an diesem Schreiben8 orientiere. Dabei fielen weiche Formulierungen9 und Hinweise auf eine Einzelfallbetrachtung10 auf. Auch

1 BT-Drucks. 17/12294 v. 6.2.2013, 188, mit dem Hinweis darauf, dass nach dem aufzuhebenden InvG nur Organismen für gemeinsame Anlagen, die die Anforderungen des InvG erfüllten, dem InvG unterfielen, d.h. Fonds, die den Anforderungen des InvG nicht entsprachen, dennoch zulässig waren und teilweise Teilausschnitten anderer Gesetze, z.B. dem Vermögensanlagengesetz oder dem Tatbestand des Finanzkommissionsgeschäfts oder der Anlageverwaltung nach dem KWG unterfielen oder unreguliert waren. Anders als nach InvG auf Grundlage des sog. formellen Investmentfonds-Begriffs müssen Investmentfonds den Anforderungen entweder der OGAW-RL oder denen der AIFMRL und damit den Anforderungen des KAGB entsprechen; anderenfalls sind sie unzulässig, d.h., es handelt sich um unerlaubtes Investmentgeschäft. 2 BGBl. I 2013, 4318. 3 Jansen/Lübbehüsen, RdF 2014, 28. 4 Berger in Berger/Steck/Lübbehüsen, § 1 InvStG Rz. 143; Haisch/Helios, BB 2013, 1692. 5 Kußmaul/Kloster, RdF 2014, 300 (301, Fn. 11). 6 Vgl. ESMA/2013/600 v. 2.4.2013, Final Report – Guidelines on key concepts of the AIFM-RL. 7 Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006. 8 Vgl. die Kritik an den Regelungen des Diskussionsentwurfs des InvStG durch die Verbände, Ziffer A.1. 9 Z.B.: „Die folgenden Merkmale können einzeln oder kumulativ auf das Vorliegen einer Anlagestrategie hindeuten ...“, vgl. BaFin-Schreiben I.5.; „Eine Anlage zum Nutzen der Anleger dürfte regelmäßig auch dann nicht vorliegen ...“, vgl. BaFin-Schreiben I.6. 10 Vgl. BaFin-Schreiben, II.2.: „Die Frage, ob ein REIT als Investmentvermögen zu qualifizieren ist, kann nicht allgemein, sondern – wie bei den (börsennotierten) Immobiliengesellschaften – nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden.“ Gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 5 InvStG 2018 sind

78 | Behrens/Kammeter

C. Definition des Begriffs „Investmentfonds“ (Abs. 2) | Rz. 14 § 1

würden wesentliche Begriffe wie „Anlagestrategie“ vorausgesetzt, obwohl diese weder in der AIFM-RL noch im KAGB definiert sind. Fraglich sei, ob eine Anlagestrategie nur dann vorliege, wenn der AIFM Handlungsspielräume habe, oder auch dann, wenn im Rahmen der Anlagekriterien dem AIFM kein Handlungsspielraum mehr verbleibe. Interpretationsspielraum gebe es auch insoweit, als es für das Vorliegen eines „Organismus“ nicht auf die Rechtsform, sondern darauf ankommen soll, ob ein rechtlich und wirtschaftlich (z.B. durch einen getrennten Rechnungskreis) verselbstständigtes gepooltes Vermögen aufgelegt werde. Eine rechtssichere Qualifikation einzelner Instrumente sei letztlich anhand dieser Kriterien nicht gewährleistet. Rechtssicherheit sei jedoch erforderlich, z.B. weil nach § 44 Abs. 1b EStG inländische depotführende Stellen bei ausländischen Investmentfonds auf die Vorab-Pauschale Kapitalertragsteuer nach den Regelungen des § 44 Abs. 1 Sätze 7 bis 9 EStG erheben müssen und sie hierfür haften, es sei denn, sie weisen nach, dass sie die ihnen auferlegten Pflichten weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt haben (vgl. § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG.). Da im Massenverfahren eine Vielzahl insbesondere von ausländischen Instrumenten nicht sicher im Hinblick auf die Qualifikation als Investmentvermögen überprüfbar sei, sei zu erwarten, dass in vielen Fällen ein Kapitalertragsteuerabzug erfolgen werde, der im Veranlagungsverfahren nach § 32d Abs. 4 EStG überprüft werden müsse. Hierdurch würden sowohl die depotführenden Stellen als auch die FinVerw. administrativ belastet.

Mit Wirkung ab 1.1.2021 regelt § 1 Abs. 2 Satz 2 InvStG, dass für Zwecke des InvStG keine 14 Bindungswirkung an die aufsichtsrechtliche Entscheidung nach § 5 Abs. 3 KAGB besteht. Es handelt sich um einen sog. abstrakten Legalverweis, d.h., § 1 Abs. 2 Satz 2 InvStG erklärt die Tatbestandsmerkmale i.S.v. § 1 Abs. 1 KAGB für maßgebend, auch wenn im konkreten Einzelfall das KAGB nicht anwendbar ist (vgl. Rz. 54 f., 58 f.). Der Gesetzgeber begründet diese eigentlich mit § 5 Abs. 3 Satz 2 KAGB in Widerspruch stehende Regelung mit den unterschiedlichen Aufgabenstellungen von BaFin einerseits und der FinVerw. andererseits. Während sich die Entscheidungen der BaFin an deren Aufgabenstellung des Anlegerschutzes orientierten, gehe es bei der FinVerw. um die Sicherung des Steuersubstrats und die Verhinderung von Steuersparmodellen. Auch aufgrund der zum Teil engeren Fassung des Begriffs des Investmentfonds (z.B. sind nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 InvStG Investmentvermögen in der Rechtsform einer Personengesellschaft vom Anwendungsbereich des InvStG ausgenommen) und der zum Teil weiteren Fassung des InvStG (Investmentfonds liegen nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 InvStG auch dann vor, wenn die Zahl der Anleger auf eine Person begrenzt ist) im Vergleich zur aufsichtsrechtlichen Definition des Begriffs des Investmentvermögens bedürfe es einer eigenständigen Entscheidung der FinBeh.1 Die FinVerw. hatte bereits vor dieser zum 1.1.2021 in Kraft getretenen Gesetzesänderung die Auffassung vertreten, dass es sich bei § 1 Abs. 2 Satz 1 – wie auch schon bei der Auslegung von § 1 Satz 2 und § 2 InvG a.F. durch die BaFin2 – um einen abstrakten Verweis handele, d.h., nach Ansicht der FinVerw. bestand auch schon vor dem 1.1.2021 keine formelle Bindung der FinVerw. an die Auslegungsergebnisse der BaFin zu § 1 KAGB.3 FinanzREIT-Aktiengesellschaften i.S.v. § 1 Abs. 1 REITG und andere REIT-Körperschaften, -Personenvereinigungen oder -Vermögensmassen nach § 19 Abs. 5 REITG keine Investmentfonds i.S.v. InvStG 2018. Die Kritik der Verbände ist mithin nur insoweit berechtigt, als nicht börsennotierte Immobiliengesellschaften betroffen sind. 1 BT-Drucks. 19/22850, 105; s. bereits BR-Drucks. 356/19, 78. 2 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 – 1/08/10019 – DOK 2009/0539738, BStBl. I 2009, 931 Rz. 5: „Auch für die Definition des ausländischen Investmentvermögens und des ausländischen Investmentanteils folgt das Investmentsteuerrecht dem Aufsichtsrecht. Der Auslegung des § 1 Satz 2 und § 2 InvG durch das Aufsichtsrecht (BaFin in ihrem Rundschreiben vom 22.12.2008, Anhang 7) – unabhängig davon, ob die ausländischen Investmentanteile in Inland öffentlich vertrieben werden dürfen – ist auch für das Steuerrecht zu folgen. Es besteht keine formale Bindungswirkung des Steuerrechts an die aufsichtsrechtliche Entscheidung.“ 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 1.2; vgl. auch Helios/Mann, DB Sonderausgabe 1/2016, 4. Behrens/Kammeter | 79

§ 1 Rz. 14 | Anwendungsbereich behörden seien keine Verwaltungsbehörden i.S.v. § 5 Abs. 3 Satz 2 KAGB. In der Praxis würde zwar die große Mehrzahl der Fälle steuerrechtlich genauso beurteilt wie aufsichtsrechtlich. In aggressiven Gestaltungsfällen seien allerdings Abweichungen denkbar. 15 § 1 Abs. 2 Satz 2 InvStG und zuvor bereits die Verwaltungsansicht haben zur Folge, dass sich

StPfl. auf von der BaFin erteilte Registrierungen, Erlaubnisse und Negativatteste steuerrechtlich nicht vollständig verlassen können. Unseres Erachtens fehlte für die Zeit vor Inkrafttreten von § 1 Abs. 2 Satz 2 InvStG für die Sichtweise, dass aufsichtsrechtliche Interpretationen – insbesondere der BaFin – für die FinVerw. irrelevant seien, die Rechtsgrundlage, d.h., es ist u.E. nicht erlaubt, bei der Auslegung von § 1 Abs. 2 Satz 1 InvStG die grds. unterschiedlichen Zielrichtungen des Aufsichtsrechts einerseits (Schutz der Anleger) und des Steuerrechts andererseits (Erzielung von Steuereinnahmen) zu berücksichtigen. Dies folgte aus dem ausdrücklichen Verweis in § 1 Abs. 2 Satz 1 InvStG auf die Legaldefinition des Begriffs „Investmentvermögen“ in § 1 Abs. 1 KAGB.1 Weil es um die Auslegung ein und derselben Vorschrift ging, mussten Aufsichts- und Steuerbehörden bei der Auslegung von § 1 Abs. 1 KAGB nach hier vertretener Auffassung stets zum selben Ergebnis gelangen. Nach § 5 Abs. 3 KAGB entschied in Zweifelsfällen die BaFin, ob ein Investmentvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 KAGB vorlag, wobei ihre Entscheidung die Verwaltungsbehörden band (Tatbestandswirkung). Der Begriff „Verwaltungsbehörden“ umfasste u.E. auch die FinBeh. und FÄ.

16 Der Streit um die so verstandene Bindung des Steuerrechts an das Aufsichtsrecht dürfte in der

Praxis indes in zwei Richtungen relativiert sein. Tatsächlich dürften die Finanzbehörden den Entscheidungen der BaFin in diesem Punkt fast ausnahmslos folgen. Letztere ist als nationale Aufsichtsbehörde bei der Subsumtion eines Sachverhalts unter den Begriff, der über ihre Zuständigkeit im Einzelfall entscheidet, u.E. die sachnähere Behörde. Gleichwohl ist diese Bindung durch die im Investmentsteuerrecht angelegten Abweichungen systembedingt nicht absolut. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Weiterungen des Investmentfondsbegriffs in § 1 Abs. 2 Satz 3 InvStG.

17 In der Literatur wird die Anknüpfung der Festlegung des Anwendungsbereichs des InvStG an

den Begriff des Investmentvermögens i.S.v. § 1 Abs. 1 KAGB wegen dessen tatbestandlicher Offenheit kritisiert.2 Nach anderer Ansicht macht der ebenfalls geforderte (weitestgehende) Gleichlauf zwischen Aufsichts- und Steuerrecht ein Anknüpfen an die aufsichtsrechtlichen Begrifflichkeiten notwendig.3 Nach Rz. 1.2 des BMF-Anwendungsschreibens kann zur Auslegung des Begriffs des Investmentvermögens auf die aufsichtsrechtlichen Verwaltungsverlautbarungen zurückgegriffen werden, auch wenn schon für Zeiten vor dem 1.1.2021 aus Sicht der FinVerw. keine Bindung an die aufsichtsrechtliche Entscheidung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 KAGB zum Vorliegen eines Investmentvermögens bestehen sollte.4

18 In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass § 1 Abs. 2 Satz 2 InvStG i.d.F. des JStG 2020

zwar theoretische Klarheit brächte, jedoch nicht die Subsumtionsproblem im Einzelfall löse. Dem ist zuzustimmen.5 Im Einzelnen ist nicht erkennbar, in welchen Hinsichten die Tatbestandsmerkmale von § 1 KAGB aufgrund der unterschiedlichen Aufgabenstellungen der BaFin einerseits und der FinVerw. andererseits unterschiedlich ausgelegt werden könnten. 1 S. auch Bindl/Mager, BB 2016, 2711, mit dem zutreffenden Hinweis, dass es sich hierbei um keine entsprechende Anwendung einer Begriffsbestimmung des KAGB nach § 2 Abs. 1 InvStG handelt, weil § 1 Abs. 2 Satz 1 InvStG bereits selbst die unmittelbare Anwendung der Legaldefinition von „Investmentvermögen“ in § 1 Abs. 1 KAGB ausdrücklich anordnet. 2 Z.B. Haisch, RdF 2015, 294 (299). 3 Helios/Mann, DB Sonderausgabe 1/2016, 4. 4 Im BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 1.2, wird auf das Auslegungsschreiben der BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 (Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006), verwiesen. Es handelt sich um keinen abschließenden Verweis. 5 Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 1 InvStG Anm. 6.

80 | Behrens/Kammeter

C. Definition des Begriffs „Investmentfonds“ (Abs. 2) | Rz. 21 § 1

Hingewiesen wird auch auf den Wertungswiderspruch zu § 2 Abs. 1 InvStG, wonach die Begriffsbestimmungen des KAGB entsprechend für das InvStG gelten sollen. Nicht anwendbar wäre § 5 Abs. 3 Satz 2 KAGB von vornherein in den Fällen, in denen § 1 19 InvStG Beschränkungen oder Erweiterungen des Begriffs des Investmentfonds für Zwecke des InvStG gegenüber dem Begriff des Investmentvermögens nach § 1 Abs. 1 KAGB enthält. Außer den Fällen von § 1 Abs. 2 Satz 3 und § 1 Abs. 3 InvStG betrifft dies sog. konzerninterne Investmentvermögen i.S.v. § 2 Abs. 3 KAGB und die sog. kleinen AIF, die von sog. kleinen AIF-Kapitalverwaltungsgesellschaften verwaltet werden (§ 2 Abs. 4 KAGB). In den Fällen von § 2 Abs. 3 und 4 KAGB kann auch eine deutsche GmbH ein Investmentfonds für die Zwecke des InvStG sein.1 § 1 Abs. 1 KAGB und § 1 Abs. 2 Satz 1 InvStG 2018 setzen keine bestimmten Rechtsformen und keine bestimmten Rechtsstrukturen voraus.2 2. Merkmale von „Investmentvermögen“ i.S.v. § 1 Abs. 1 KAGB a) Organismus i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB

Organismus meint ein in einem Investmentvehikel bzw. in einer Kapitalsammelstelle rechtlich 20 oder wirtschaftlich verselbstständigtes gepooltes Vermögen. Nach der Gesetzesbegründung muss dieses Vermögen rechtlich oder wirtschaftlich von den Anlegern verselbstständigt sein.3 Daran fehlt es, wenn die Anlagegegenstände dem Anleger zuzurechnen sind.4 Vermögensverwaltungsmandate (sog. managed accounts), bei denen einem Verwalter lediglich die Verfügungsmacht eingeräumt wird, aber bei denen der Anleger Eigentümer der Wertpapiere und sonstigen Anlagegegenstände ist, begründen keine Organismen für gemeinsame Kapitalanlagen.5 Ein Organismus i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB kann nach der Gesetzesbegründung nur dann 21 vorliegen, wenn die Vermögensgegenstände dem Organismus und nicht dem Anleger zuzurechnen sind.6 Dem Vorliegen eines Organismus i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB steht es nicht entgegen, wenn die Vermögensgegenstände nach § 92 Abs. 1 KAGB oder einer vergleichbaren ausländischen Vorschrift im Miteigentum der Anleger stehen.7

1 BT-Drucks. 19/22851, 85, zu § 44 Abs. 1 Satz 4 EStG, nach dessen durch das JStG 2020 eingeführten Nr. 5 ein Investmentfonds selbst den Steuerabzug durchzuführen hat, wenn die Investmentanteile weder im Inland noch im Ausland bei einem depotführenden Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut oder einem Wertpapierhandelsunternehmen oder einer Wertpapierhandelsbank verwahrt werden. In der Gesetzesbegründung zu dieser Regelung im JStG 2020 wird darauf hingewiesen, dass die Anteile an kleineren AGs und an GmbHs üblicherweise nicht durch ein Kreditinstitut verwahrt werden. Zum konzerninternen Investmentfonds i.S.v. § 2 Abs. 3 KAGB vgl. Rz. 70 ff. Wegen Rechtsformzwangs gem. § 27 InvStG können kleinere Investment-AGs und Investment-GmbHs allerdings keine Spezialinvestmentfonds sein. 2 Mann in W/B/A3, § 1 InvStG Rz. 5, mit dem Hinweis, dass grds. auch Investmentfonds in der Rechtsform der GmbH in den Anwendungsbereich des InvStG fallen. 3 BT-Drucks. 18/8045 v. 7.4.2016, 66. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 1.3. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 1.3; vgl. BT-Drucks. 18/8045 v. 7.4.2016, 66. Die Verbände hatten in ihrer Kritik an den Regelungen des Diskussionsentwurfs des InvStG angemerkt, dass möglicherweise ein Vermögensverwaltungsmandat als Investmentfonds anzusehen sei, weil „ein separiertes Vermögen in Form eines treuhänderisch verwalteten Depots als Organismus für gemeinsame Anlagen angesehen werden könnte“. Die Verbände hatten gefordert, dass – weil diese Einordnung weder von der FinVerw. noch von den betroffenen Kunden und Kreditinstituten gewünscht sein dürfte – gesetzlich ausdrücklich klargestellt werde, dass Vermögensverwaltungsmandate keine Investmentfonds sind. Diese gesetzliche Klarstellung ist nicht erfolgt, jedoch im BMF-Anwendungsschreiben, Rz. 1.3, enthalten. 6 BT-Drucks. 18/8045 v. 7.4.2016, 67. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 1.3. Behrens/Kammeter | 81

§ 1 Rz. 22 | Anwendungsbereich 22 Der Begriff des Organismus wird grds. weit ausgelegt.1 In der Literatur wird für das Vorliegen

eines Organismus i.S.v. § 1 Abs. 1 KAGB verlangt, dass der Anleger die Verfügungsbefugnis über die einzelnen Vermögensgegenstände verloren hat und auch nicht ohne weiteres wieder herstellen kann.2 Wegen des Erfordernisses, Investmentvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB von der individuellen Portfolioverwaltung abzugrenzen, ist dem zuzustimmen.3 Dass mehrere Depots über eine identische Anlagestrategie miteinander verbunden sind, führt nicht zum Vorliegen eines Organismus i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB.4

23 Organismus ist nicht notwendigerweise eine eigene Rechtspersönlichkeit. Dass die Ver-

mögensgegenstände nach § 92 Abs. 1 KAGB oder einer vergleichbaren ausländischen Vorschrift im Miteigentum der Anleger stehen, steht dem Vorliegen eines Organismus nicht entgegen.5 Insbesondere stellen Sondervermögen i.S.v. § 1 Abs. 10 KAGB Organismen dar. Auch anglo-amerikanische Trusts können Organismen i.S.v. § 1 Abs. 1 KAGB sein. Kein Organismus sind Individualbeziehungen wie Vermögensverwaltungsmandate (managed accounts) oder club deals.6

24 Kein Organismus i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB liegt vor, wenn das hingegebene Kapital der

Anleger ohne jede rechtliche oder wirtschaftliche Trennung Teil des Gesamtvermögens eines Dritten wird, der mit dem Kapital eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt oder verfolgen kann.7 Die Kapitalüberlassung im Rahmen von Schuldverschreibungen fällt daher nicht in den Anwendungsbereich des InvStG, auch wenn die Höhe der Rückzahlungs- oder Ertragszahlungspflicht von der Wertentwicklung anderer Finanzprodukte abhängt.8 Mithin sind auch Zertifikate keine Anteile an Investmentfonds i.S.d. InvStG.9

1 Wollenhaupt/Beck, DB 2013, 1950. 2 Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 1 InvStG Rz. 31; Krause in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Vor 405 Rz. 15; Jesch in Baur/Tappen/Mehrkhah4, § 1 InvStG Rz. 7. 3 Bäuml, FR 2013, 641; BT-Drucks. 18/8045, 66. 4 Zetsche/Preiner, WM 2013, 2101 (2103). 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 1.3. 6 Wallach, RdF 2013, 92. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 1.4. 8 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 1.4; vgl. auch BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, Tz. I.2.: „Daraus folgt, dass eine gemeinsame Anlage vorliegt, wenn die Anleger an den Chancen und Risiken des Organismus beteiligt werden sollen. Diese Merkmale sind erfüllt, wenn sowohl eine Gewinn- als auch eine Verlustbeteiligung der Anleger an der Wertentwicklung der Vermögensgegenstände vorliegt, in die der Organismus investiert ist“. Vom Anwendungsbereich des InvStG 2018 ausgenommen sind auch Zertifikate und Schuldverschreibungen, die von einer Verbriefungszweckgesellschaft nach Art. 2 Abs. 3 Buchst. g i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. an AIFM-RL begeben werden. 9 BT-Drucks. 18/8045 v. 7.4.2016, 66 f. Die Verbände hatten in ihrer Kritik an den Regelungen des Diskussionsentwurfs des InvStG darauf hingewiesen, dass es zahlreiche Zertifikate gebe, bei denen keine eindeutige Qualifikation als Kapitalforderung i.S.v. § 20 Abs. 1 Satz 7 EStG oder als AIF im Sinne des KAGB möglich sei, weshalb WM Datenservice diese Zertifikate als „AIF im Zweifel“ einstufe. Die Einstufung von WM Datenservice, die bis Ende 2017 Auswirkungen auf die Erwerbbarkeit von Vermögensgegenständen nach § 1 Abs. 1b InvStG gehabt habe, hätte weitreichende Folgen (z.B. Vorbelastung mit 15 % KSt, Vorabpauschale und Bereitstellung der erforderlichen Steuerliquidität). Die Verbände forderten daher eine gesetzliche Klarstellung dahingehend, dass Zertifikate, bei denen „die Bank in der Verwendung der Anlegergelder frei sei und dem Anleger nicht verspreche, die Anlegergelder etwa in die dem selbst erstellten Index oder dem Referenzportfolio zugrunde liegenden Vermögenswerte zu investieren,“ im weiteren Sinne nicht als Investmentfonds i.S.d. InvStG gelten. Diese gesetzliche Klarstellung ist nicht erfolgt, jedoch im BMF-InvStG-Anwendungsschreiben v. 21.5.2019, Rz. 1.4, enthalten.

82 | Behrens/Kammeter

C. Definition des Begriffs „Investmentfonds“ (Abs. 2) | Rz. 26 § 1

Interne Fonds i.S.v. § 124 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 VAG 20161 stellen keine rechtlich verselbststän- 25 digten Organismen und damit keine Investmentfonds nach § 1 Abs. 2 Satz 1 InvStG 2018 dar.2 Der Begriff „interner Fonds“ meint Vermögenswerte, die in einem von den Versicherungsunternehmen gehaltenen und in der Regel in Anteile aufgeteilten internen Fonds enthalten sind. b) Organismus für gemeinsame Anlagen Nach den Leitlinien von ESMA muss ein Vehikel vorliegen, welches das externe, von den In- 26 vestoren eingesammelte Kapital poolt, um eine gemeinschaftliche Rendite für die Investoren zu generieren, die daraus resultiert, dass gemeinschaftliche Risiken durch das Kaufen, Halten und Verkaufen von Vermögensgegenständen eingegangen werden.3 „Gemeinsame Anlage“ bedeutet dementsprechend, dass die Anleger – und im Falle sog. Ein-Anleger-Fonds i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 InvStG 2018 der eine Anleger – an den Chancen und Risiken des Organismus beteiligt sind.4 Der Anleger muss sich mit seinem Anteil am Wert des Organismus beteiligen, der sich aus den im Organismus befindlichen Vermögensgegenständen abzgl. der Verbindlichkeiten ergibt.5 Dass die Gewinn- oder Verlustbeteiligung vertraglich begrenzt wird, steht dem Merkmal „gemeinsame Anlage“ nicht entgegen. Auch (ggf. sekundäre) Mindestzahlungszusagen (sog. Garantiefonds) stehen dem Vorliegen eines Organismus für gemeinsame Anlagen nicht entgegen. Eine gemeinsame Anlage liegt jedoch nicht vor, wenn die Anleger unbedingte Kapitalrückzahlungsansprüche erhalten, unabhängig davon, ob mit dem Anleger ein qualifizierter Rangrücktritt vereinbart wurde.6 Nach in der Literatur geäußerter Ansicht ist zwischen der Qualifikation als Investmentvermögen sowie als Investmentanteil zu unterscheiden. Eine gemeinsame Anlage liege immer dann vor, wenn zumindest eine Investorengruppe an den Chancen und Risiken partizipiert. Ist diese Voraussetzung erfüllt, liege eine gemeinsame Anlage auch dann vor, wenn Instrumente ausgereicht würden, die diese Voraussetzung nicht erfüllten (wie z.B. Darlehen oder darlehensähnliche Instrumente). Diese Instrumente seien nicht geeignet, um als Investmentanteil anerkannt zu werden.7 Dem ist zuzustimmen. Ob es ein Organismus für gemeinsame Anlagen ist oder nicht, muss einheitlich beurteilt werden und nicht aus Sicht einzelner Investoren. Freilich müssen dann die Voraussetzungen im Übrigen, also durch andere Beteiligte, erfüllt sein. Daher ist es möglich, dass es neben Anteilseignern auch Darlehensgeber gibt. Für Letztere gelten dann jedoch mangels Anleger-Qualifikation die allgemeinen ertragsteuerrechtlichen Regelungen. Gewährt ein Investor lediglich ein Darlehen, liegt aus Sicht dieses Investors keine gemeinsame Anlage vor. Ein Investor, der einen Investmentanteil hält und zudem ein Darlehen an diesen Investmentfonds ausgereicht hat, wird u.E. nur in Bezug auf Erträge aus dem Investmentanteil, nicht jedoch mit Erträgen aus dem Darlehen nach den Regelungen des InvStG besteuert.

1 Gesetz über die Beaufsichtigung von Versicherungsunternehmen. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 1.5. 3 ESMA/2013/611, 6; vgl. auch die Definition von „Gemeinschaftsrendite“ auf S. 3 f.: „Die erzielte Rendite aus der Risikobündelung infolge des Erwerbs, Besitzes oder Verkaufs von Anlagevermögen – einschließlich von Tätigkeiten zur Optimierung bzw. Steigerung des Werts dieser Vermögenswerte – unabhängig davon, ob dabei für die Anleger unterschiedliche Renditen erzielt werden, wie beispielsweise im Rahmen einer maßgeschneiderten Dividendenpolitik“. 4 BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, Tz. I.2. 5 BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, Tz. I.2. Abs. 3. 6 Jesch in Baur/Tappen/Mehrkhah/Behme, Investmentgesetze, Band 1, 4. Aufl. 2020, § 1 KAGB Rz. 8. Der Rangrücktritt ändert nichts daran, dass der Darlehensgeber einen grds. unbedingt bestehenden Kapitalrückzahlungsanspruch hat; vgl. Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 1 KAGB Rz. 39. 7 Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 1 KAGB Rz. 37. Behrens/Kammeter | 83

§ 1 Rz. 27 | Anwendungsbereich 27 Im Falle stiller Beteiligungen ist bei einer Gewinn- und Verlustbeteiligung das Kriterium „für

gemeinsame Anlagen“ erfüllt. Nach dem BaFin-Auslegungsschreiben zum Anwendungsbereich des KAGB und zum Begriff des „Investmentvermögens“ gilt dies jedenfalls im Verhältnis zu den Anlegern, deren stille Beteiligungen die gleichen Ausgestaltungsmerkmale in Bezug auf die Gewinn- und Verlustbeteiligung aufweisen.1 Unter diesen Voraussetzungen können auch Genussrechte und Namensschuldverschreibungen einen Organismus für gemeinsame Anlagen begründen.2 c) Einsammeln von Kapital von einer „Anzahl von Anlegern“

28 Der Organismus für gemeinsame Anlagen muss von einer Anzahl von Anlegern Kapital ein-

sammeln. Weil gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 InvStG Organismen für gemeinsame Anlagen, bei denen die Zahl der möglichen Anleger auf einen Anleger begrenzt ist, als Investmentfonds i.S.v. InvStG 2018 gelten, wenn die übrigen Voraussetzungen von § 1 Abs. 1 KAGB erfüllt sind, kommt es gem. § 1 InvStG für die Zwecke der Anwendung des InvStG auf das Merkmal „eine Anzahl von Anlegern“ nicht an.3 Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 KAGB muss es nach der Fondsdokumentation zulässig sein, dass sich mehr als ein Anleger kapitalmäßig an dem Organismus beteiligt. Ob tatsächlich mehr als ein Anleger beteiligt ist, hat keine Bedeutung.4 Sog. „Ein-Anleger-Fonds“ fallen damit in den Anwendungsbereich des KAGB, wenn deren konstitutive Dokumente den Beitritt weiterer Investoren zulassen.5 Gesellschafter oder sonstige Beteiligte, die nur aus strukturellen Gründen in geringem Umfang Anteile halten, sind nach Auffassung von Jetter/Mager nicht als Anleger zu berücksichtigen.6 Dem ist u.E. nur insoweit zuzustimmen, wie eine weitere Beteiligung solcher Gesellschafter/Beteiligten nach dem Vertragswerk ausgeschlossen ist. Das bedeutet, dass der geschäftsführende Kommanditist oder der Komplementär einer GmbH & Co. KG, die von dem Initiator strukturell gestellt werden müssen, um eine Gesellschaftsgründung überhaupt vollziehen zu können, nicht als Anleger in diesem Sinne gelten, sofern keine Anlage erfolgt, dh., sofern solche Beteiligte, deren Beteiligung strukturell für das jeweilige Vehikel erforderlich ist, sich nicht über eine ggf. notwendige Mindestbeteiligung hinaus an dem Fondsvehikel beteiligen können.7 Wenn jedoch der geschäftsführende Kommanditist und/oder der Komplementär gesellschaftsvertraglich verpflichtet ist, selbst eine Einlage – z.B. in Höhe eines bestimmten Mindest-Prozentsatzes bezogen auf die gesamten Einlagen aller Investoren – zu leisten, zählen u.E. auch der geschäftsführende Kommanditist und/oder der Komplementär als Anleger. Bei einem Treuhandkommanditisten, der 1 BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, Tz. I.2.b., unter Hinweis darauf, dass es in Anlehnung an § 96 Abs. 1 KAGB für die Einordnung als gemeinsame Anlage unerheblich ist, ob die Beteiligungen unterschiedliche Ausgestaltungsmerkmale insbesondere hinsichtlich der Ertragsverwendung, des Ausgabeaufschlags, des Rücknahmeabschlags, der Währung der Beteiligung, der Verwaltungsvergütung, der Mindestanlagesumme oder einer Kombination dieser Merkmale aufweisen. 2 BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, Tz. I.2. letzter Satz. 3 Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 1 InvStG Rz. 44. 4 Jesch/Alten, RdF 2013, 191; Wallach, RdF 2013, 92; vgl. BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, Tz. I.2. Abs. 4. Beim qualifizierten Rangrücktritt wird der Anleger nicht generell am Verlust des Organismus beteiligt, sondern er verpflichtet sich lediglich, das zur Verfügung gestellte Kapital nicht zurückzufordern (pactum de non petendo), wenn dadurch ein Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens herbeigeführt würde. Solange die Erfüllung des Anspruchs des Anlegers nicht die Insolvenz des Organismus auslöst, hat der Anleger einen Anspruch auf die Rückzahlung seines zur Verfügung gestellten Kapitals in voller Höhe, unabhängig davon, ob der Organismus zwischendurch einen Verlust erlitten hat oder nicht. 5 Wollenhaupt/Beck, DB 2013, 1959. 6 Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 1 KAGB, Rz. 44, unter Hinweis auf die Fälle, in denen ein zweiter Gesellschafter zur Gründung der Gesellschaft erforderlich ist. 7 BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, Tz. I.4.

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C. Definition des Begriffs „Investmentfonds“ (Abs. 2) | Rz. 29 § 1

Fondsanteile auf Rechnung von zwei oder mehreren Treugebern hält, ist das Tatbestandsmerkmal der Mehrzahl von Anlegern erfüllt.1 Dies gilt für offen angezeigte Treuhandschaften, bei denen eine Identifizierung der jeweiligen Treugeber und der von ihnen übertragenen Vermögenswerte – getrennt vom eigenen Vermögen des Treuhänders – eindeutig möglich ist.2 Dasselbe sollte u.E. aber auch bei nicht offen angezeigten Treuhandschaften gelten.3 Denn auch sog. verdeckte Treuhandverhältnisse werden – wenn ihr Bestehen und ihre tatsächliche Durchführung nachgewiesen werden – für steuerliche Zwecke anerkannt.4 Bei Bruchteilsgemeinschaften liegt eine Mehrzahl von Anlegern vor.5 Die investmentrechtliche Transparenz ist auch bei Feeder- und Dachfonds zu beachten.6 Ist konzeptionell eine Mehrzahl von Anlegern ausgeschlossen, liegt investmentrechtlich eine individuelle Vermögensverwaltung vor.7 Investmentsteuerrechtlich kann gem. § 1 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 InvStG dennoch ein Investmentfonds gegeben sein. d) „Einsammeln von Kapital“ von einer Anzahl von Anlegern Ein Einsammeln von Kapital („raising capital“) meint typischerweise diejenigen Aktivitäten, 29 die die Verwalter von Investmentfonds im Rahmen des Vertriebs von Anteilen an den von ihnen verwalteten Vehikeln entfalten.8 Ein solches Einsammeln von Kapital liegt nicht vor, wenn sich eine begrenzte Anzahl von Personen aus Eigeninitiative zusammenschließt, um gewisse Geldbeträge (und nur diese) zu investieren.9 Der bloß passive Erhalt von Geldern oder das Bündeln von Anlegergeldern ausschließlich auf Initiative der Anleger wird nicht als Einsammeln von Kapital angesehen.10 Der Begriff des Einsammelns von Kapital ist bewusst weit gefasst.11 Die ESMA sieht das Einsammeln von Kapital als nicht entscheidend an, weil ein neu gegründeter AIF, auf den einige oder alle Vermögensgegenstände eines liquidierten AIF, der ursprünglich Kapital vom Anleger eingesammelt hat, übertragen werden, als AIF zu qualifizieren sei, obwohl er nicht selbst Kapital eingesammelt hat.12 Unseres Erachtens ist das Einwerben der Gelder des Erstfonds nach Liquidation und Übertragung seines gesamten Vermögens oder eines Teils davon auf ein neues Investmentvermögen dem aufnehmenden Investmentvermögen zuzurechnen.13 Im Grundsatz erfordert das Merkmal „Einsammeln von Kapital“ eine gewisse Aktivität des Investmentvermögens, dh., die Initiative für das Einsammeln von Kapital 1 Zetzsche/Preiner, WM 2013, 2101 (2104), mit Hinweis auf die sog. Destinatär-Theorie, wonach ein entsprechender Ein-Anleger-Fonds dann AIF sei, wenn bei Hinwegdenken des einen Anlegers eine Mehrzahl von Anlegern beteiligt wäre. 2 Schneider-Deters in Patzner/Döser/Kempf3, § 1 KAGB Rz. 8, mit dem Hinweis darauf, dass es anderenfalls möglich erscheint, die jeweiligen Anforderungen, die sich aus der unterschiedlichen Natur der Anleger ergeben (professioneller, semi-professioneller oder privater Anleger) zu umgehen. 3 Vgl. BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, Tz. 4: „Beteiligen sich mehrere Anleger über einen Treuhänder an dem Organismus, liegt eine Anzahl von Anlegern auch dann vor, wenn sich laut Satzung, Gesellschaftsvertrag oder den Anlagebedingungen nur der Treuhänder als Anleger an dem Organismus beteiligen darf; die BaFin stellt in diesen Fällen eine materielle Betrachtung an und schaut in Übereinstimmung mit den Leitlinien von ESMA durch den Treuhänder auf die Anleger durch“. 4 Vgl. z.B. Fu in Gosch, § 39 AO Rz. 154; Fischer in H/H/Sp, § 39 AO Rz. 265. 5 Krause in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Vor 405 Rz. 22. 6 Wollenhaupt/Beck, DB 2013, 1950 (1951). 7 Krause in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Vor 405 Rz. 19. 8 Schneider-Deters in Patzner/Döser/Kempf3, § 1 KAGB Rz. 6. 9 Krause in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Vor 405 Rz. 16. 10 Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 1 InvStG Rz. 46. 11 Tollmann in Dornseifer/Jesch/Klebeck/Tollmann, AIFM-Richtlinie, 2013, Art. 4 Rz. 8. 12 ESMA, discussion paper – key concepts of the Alternative Investment Fund Managers Directive and types of AIFM, 10. 13 Krause/Klebeck, RdF 2013, 4 (8); a.A. Gottschling in Moritz/Klebeck/Jesch, § 1 KAGB Rz. 53. Behrens/Kammeter | 85

§ 1 Rz. 29 | Anwendungsbereich muss vom Investmentvermögen bzw. von seinem Verwalter ausgehen. Auch wenn – anders als noch unter dem InvG – eine öffentliche Vertriebstätigkeit für das Einsammeln vom Kapital nicht gefordert wird,1 muss die Tätigkeit eine gewisse Gewerbsmäßigkeit aufweisen, die sich in einer Gewinnerzielungsabsicht ausdrückt.2 Die ESMA verlangt eine Geschäftstätigkeit durch einen Organismus für gemeinsame Anlagen oder eine Person oder eine Einrichtung, die in seinem Namen handelt, der direkte oder indirekte Schritte unternimmt, um die Kapitalübertragung bzw. Kapitalbindung durch einen oder mehrere Anleger einzuwerben.3 Auszuscheiden sind daher rein passive Vorgänge, bei denen sich mehrere Personen zusammenfinden und initiativ Geld zusammenlegen.4 Das Einsammeln von Kapital liegt auch bei einem einmaligen Fundraising vor.5 30 Holding- und Akquisitionsgesellschaften, die von bzw. auf Rechnung von Investmentver-

mögen gegründet werden, sind selbst keine Investmentvermögen, auch wenn sie vom sie gründenden Investmentvermögen finanziert werden. Solche Holding- und Akquisitionsgesellschaften sammeln nicht selbst Kapital ein.6 Auch Joint-Venture-Vehikel sammeln selbst kein Kapital ein. Die Initiative zu ihrer Gründung und Finanzierung wird vielmehr von den dieses Vehikel gründenden Joint-Venture-Partnern ergriffen.7 In der Literatur wird empfohlen, vorsorglich allen Joint-Venture-Partnern die laufende Geschäftsführung des Joint-Venture-Vehikels einzuräumen, weil nach Auffassung der ESMA kein Investmentvermögen vorliege, wenn die Investoren als Gruppe laufende Ermessens- bzw. Kontrollbefugnis im Hinblick auf das Tagesgeschäft des Vehikels haben.8 Auch Vehikel zur Ermöglichung von Co-Investments, z.B. im Rahmen von Private-Equity-Transaktionen, sammeln i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB kein Kapital ein. Auch Beteiligungen natürlicher Personen im Rahmen von Management-Beteiligungsprogrammen oder von Veräußerern im Rahmen sog. Rückbeteiligungen an Vehikeln führen nicht dazu, dass das Vehikel ein Investmentvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB ist. Solche Vehikel sammeln i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB kein Kapital ein. Auch Family-Office-Vehikel und sog. Investment-Clubs sind wegen des Fehlens eines Einsammelns von Kapital keine Investmentvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB, wenn es sich bei den Beteiligten um Privat1 ESMA, discussion paper – key concepts of the Alternative Investment Fund Managers Directive and types of AIFM, 10. 2 Mann in W/B/A3, Anh. 2 AIFM-StAnpG Rz. 43; Krause/Klebeck, RdF 2013, 4 (8). 3 ESMA, Leitlinien zu Schlüsselbegriffen der Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM-RL), unter VI.13. 4 Krause in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Vor 405 Rz. 16; kritisch Röchling in Moritz/Klebeck/Jesch, § 1 KAGB Rz. 54, nach deren Ansicht die Passivität des Vorgangs nicht realitätsnah sei, zumal ein Einsammeln auch auf Initiative der Anleger erfolgen könne, unter Hinweis auf ESMA’s discussion paper – key concepts of the Alternative Investment Fund Managers Directive and types of AIFM (ESMA 2012/117), 5. 5 ESMA, Leitlinien zu Schlüsselbegriffen der Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM-RL), unter VI.14. 6 Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 1 InvStG Rz. 47, mit dem Hinweis, dass solche Holdingund Akquisitionsgesellschaften auch keine eigene Anlagestrategie haben, weil die Holding- und Akquisitionsgesellschaften lediglich der Umsetzung der Anlagestrategie des an ihnen beteiligten Investmentvermögens dienen. 7 Eckhold/Balzer in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2014, § 22 Rz. 10 und 16; Jesch in Baur/Tappen/Mehrkhah/Behme, Investmentgesetze, Band 1, 4. Aufl. 2020, § 1 KAGB Rz. 9. 8 Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 1 InvStG Rz. 48, unter Hinweis auf ESMA 2013/611, Leitlinien zu Schlüsselbegriffen der Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFMD) v. 13.8.2013, Rz. 12 (c). Nach den ESMA-Leitlinien haben die Investoren als Gruppe laufend Ermessen oder Kontrolle im Hinblick auf das Tagesgeschäft des Joint-Venture-Vehikels, wenn die Investoren eine unmittelbare und laufende Entscheidungsbefugnis im Hinblick auf das Tagesgeschäft des Vehikels haben und ihr Ermessen und ihre Kontrolle wesentlich über das gewöhnliche Maß hinausgehen, das im Rahmen von Gesellschafterversammlungen ausgeübt wird. Vgl. hierzu C. 2. f).

86 | Behrens/Kammeter

C. Definition des Begriffs „Investmentfonds“ (Abs. 2) | Rz. 34 § 1

personen handelt, die sich untereinander zusammengeschlossen haben, um ihr privates Vermögen gemeinsam anzulegen.1 Unseres Erachtens kann es darauf, ob es sich bei solchen sich untereinander zusammenschließenden Personen um Privatpersonen handelt, nicht ankommen. Auch im Falle eines Zusammenschlusses von institutionellen Investoren zum Zwecke einer gemeinsamen Vermögensanlage sammelt der durch diesen Zusammenschluss entstehende sog. Investment-Club kein Kapital ein.2 e) Festgelegte Anlagestrategie Ein Investmentvehikel hat eine festgelegte Anlagestrategie, wenn die Kriterien, nach denen 31 das eingesammelte Kapital angelegt wird, und der Handlungs- und Entscheidungsspielraum, der dem Verwalter des Vehikels verbleiben soll, schriftlich und so genau bestimmt sind, dass nicht von dem Vorliegen einer bloßen Unternehmensstrategie ausgegangen werden kann.3 Laut Final Report der ESMA hat ein Organismus eine festgelegte Anlagestrategie, wenn er im 32 Rahmen einer Strategie festlegt, wie das gemeinschaftliche Kapital verwaltet werden muss, damit es einen gemeinsamen Return für die Anleger generiert.4 Nach den von der BaFin vorgegebenen Kriterien sollen die Richtlinien, nach denen eine Anlage zu erfolgen hat, in der Weise konkretisiert werden, dass z.B. die Anlage in bestimmte Kategorien von Vermögensgegenständen oder in bestimmte geografische Regionen vorgegeben wird, dass Beschränkungen bei der asset allocation oder beim leverage vorgenommen werden oder bestimmte Haltefristen oder sonstige Risiko-Diversifikationsvorgaben vorgegeben werden.5 Die Anlagestrategie muss entweder unmittelbar oder über eine Bezugnahme Teil der Anlagebedingungen sein und spätestens in dem Zeitpunkt, zu dem eine Beteiligung an dem Vehikel für die jeweiligen Anleger bindend ist, festgelegt und gleichsam auch in der Weise für den Anlageorganismus rechtlich bindend sein, dass den Anlegern gegenüber eine durchsetzbare Verpflichtung zur Einhaltung der Strategie besteht.6 Die KVG hat sicherzustellen, dass die einmal festgelegte Anlagestrategie eingehalten wird.7 33 Die Anlagestrategie muss derart konkret und detailliert festgelegt sein, dass ihre Einhaltung durch die Anleger oder einen sachverständigen Dritten objektiv überprüft werden kann.8 Im Fall der Abweichung von der Anlagestrategie bzw. ihrer Änderung muss es bestimmte Zustimmungs- bzw. Informationserfordernisse geben.9 Abzugrenzen ist die festgelegte Anlagestrategie vom in der Satzung oder dem Gesellschaftsver- 34 trag festgelegten Geschäftszweck bzw. Unternehmensgegenstand einer Gesellschaft. Der Ge1 ESMA 2013/600, Annex III, Ziff. II., betr. sog. bereits bestehende Gruppe (pre-existing group); vgl. BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, Tz. I.3.b., wonach dies für sog. Investment-Clubs nur insoweit gilt, als keines der Mitglieder gewerbsmäßig angeworben worden ist und ein solches Anwerben weiterer Mitglieder auch nicht geplant sei. 2 Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 1 InvStG Rz. 51. 3 Gesetzesbegründung der Bundesregierung, BT-Drucks. 17/12294, 201. 4 BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, Tz. I.5. Angaben zur Anlagestrategie werden sowohl i.R.d. Erlaubnis nach § 22 Abs. 1 Nr. 10 KAGB als auch bei der Registrierung nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 KAGB als auch beim Reporting nach § 35 KAGB gefordert – so das Muster der ESMA; vgl. auch BaFin, Merkblatt für die Meldepflichten von AIF-Verwaltungsgesellschaften v. 16.7.2014, zuletzt geändert am 5.3.2015. 5 BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, Tz. 4. 6 BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, Tz. 4. 7 Schröder/Rahn, GWR 2014, 49 (50), die darauf hinweisen, dass die KVG geeignete Verfahren einzurichten habe. 8 Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 1 InvStG Rz. 52. 9 ESMA 2013/611, Leitlinien zu Schlüsselbegriffen der Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFMD) v. 13.8.2013, Rz. 20. Behrens/Kammeter | 87

§ 1 Rz. 34 | Anwendungsbereich schäftszweck bzw. Unternehmensgegenstand umschreibt allgemein den Tätigkeitsbereich der Gesellschaft. Er soll zum einen die Öffentlichkeit hierüber informieren und zum anderen das Registergericht in die Lage versetzen, dessen Zulässigkeit zu überprüfen. Die Anlagestrategie beschreibt die Art und Weise, wie der Geschäftszweck bzw. Unternehmensgegenstand auszuführen ist.1 35 Die ESMA nennt die folgenden Indizien für die Annahme einer festgelegten Anlagestrategie,

die nicht vollständig erfüllt sein müssen, sondern im Rahmen einer Gesamtbildbetrachtung zu bewerten sind:2 – Die Anlagestrategie ist spätestens zu dem Zeitpunkt bestimmt und festgelegt, wenn die Verpflichtungen der Anleger gegenüber dem Organismus für sie verbindlich werden. – Die Anlagestrategie wird in einem Dokument dargelegt, das Bestandteil der Vertragsbedingungen bzw. Satzung des Organismus ist bzw. auf das darin Bezug genommen wird. – Der Organismus bzw. die juristische Person, die den Organismus verwaltet, unterliegt gegenüber den Anlegern einer von ihnen rechtlich durchsetzbaren Verpflichtung, sich nach der Anlagestrategie einschließlich etwaiger Änderungen zu richten. – Die Anlagestrategie umfasst auch Anlagerichtlinien mit Verweis auf alle oder einzelne der nachstehend genannten Kriterien: – Anlage in bestimmte Kategorien von Vermögenswerten bzw. gemäß Einschränkungen bezüglich der Anlageaufteilung; – Verfolgung bestimmter Strategien; – Anlage in bestimmten geografischen Gebieten; – Einhaltung von Einschränkungen bezüglich von Hebelfinanzierungen; – Einhaltung von Mindesthaltezeiten oder – Einhaltung von anderen Einschränkungen zur Risikostreuung.

36 Auf Grundlage der Ausführungen der ESMA sind auch sog. blind pools vom Begriff des In-

vestmentvermögens erfasst, obwohl bei blind pools zum Zeitpunkt der Anlageentscheidung des Anlegers nicht festgelegt ist, in welche Vermögensgegenstände konkret investiert werden soll.3 Denn laut ESMA darf die Tatsache, dass Anlageentscheidungen ausschließlich der juristischen Person überlassen bleiben, die einen Organismus verwaltet, nicht dazu genutzt werden, die Bestimmungen der AIFM-RL auszuhebeln. In der Literatur wird dagegen eingewandt, dass – weil die Anlagestrategie im freien Ermessen der Verwaltungsgesellschaft stehe – nicht von einer festgelegten Anlagestrategie ausgegangen werden könne, bzw. dass eine bloß vorläufige Konkretisierung oder ein Verweis auf gesetzliche Vorschriften nicht ausreiche.4 Weil für das Vorliegen eines Investmentvermögens nicht gefordert wird, dass dem Anleger eine laufende Ermessens- oder Kontrollbefugnis zusteht, bzw. weil eine solche Befugnis gerade nicht vorliegen darf, und weil deshalb die Festlegung der Anlagestrategie der KVG obliegt,5 muss es genügen, dass die KVG die Anlagestrategie festlegt; mithin sind auch sog. blind pools als Investmentvermögen einzustufen, vorausgesetzt, die KVG hält die einmal festgelegte Anlagestrategie ein.6

1 Merkt, BB 2013, 1986 (1991). 2 Krause in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Vor 405 Rz. 24. 3 Grundsätzlich steht bei einem sog. blind pool die asset-Klasse, in die investiert werden soll, fest; allein die Auswahl des konkreten Investitionsgegenstands ist offen. 4 Mann in W/B/A3, Anh. 2 AIFM-StAnpG Rz. 53. 5 Eckhold/Balzer in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 22 Rz. 22. 6 Gottschling in Moritz/Klebeck/Jesch, § 1 KAGB Rz. 70, mit dem Hinweis darauf, dass der Anleger wesentliche Änderungen nicht hinnehmen müsse.

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C. Definition des Begriffs „Investmentfonds“ (Abs. 2) | Rz. 40 § 1

In der Literatur besteht Einigkeit, dass die Abgrenzung zwischen festgelegter Anlagestrategie 37 einerseits und bloßer Geschäftsstrategie andererseits in der Praxis häufig Schwierigkeiten bereitet, d.h. die entscheidenden Kriterien noch nicht hinreichend festgelegt sind. Auch operativ tätige Unternehmen können einen sehr beschränkten Geschäftshorizont bzw. eine konkrete Strategie haben.1 Unter welchen Voraussetzungen nur eine bloße Geschäftsstrategie vorliegt und ab wann eine festgelegte Anlagestrategie, ist nicht in allen Fällen mit hinreichender Rechtssicherheit ermittelbar.2 f) Investments zum Nutzen der Anleger Der Organismus für gemeinsame Anlagen muss das von einer Anzahl von Anlegern einge- 38 sammelte Kapital gemäß einer festgelegten Anlagestrategie zum Nutzen dieser Anleger investieren. Aus dem Merkmal zum Nutzen der Anleger wird das Erfordernis einer Renditeerwartung abgeleitet, die zumindest auch im Interesse der Anleger bestehen muss.3 Dieses Merkmal ist nicht erfüllt, wenn das eingesammelte Kapital zum Nutzen des Vehikels selbst4 oder desjenigen investiert wird, der das Vehikel betreibt.5 In der Literatur wird geltend gemacht, dass das Merkmal des Investments zum Nutzen der 39 Anleger verfassungsrechtlich unzulässig sei, weil ein egoistischer Unternehmer besser gestellt werde als ein Unternehmer, der nur im Interesse der Anleger handelt.6 Unseres Erachtens ist dieser Literaturansicht nicht zu folgen,7 weil moralische Wertungen bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs des KAGB und erst recht des InvStG irrelevant sind; zudem ist es vom Einzelfall abhängig, ob die Einordnung als Investmentvermögen im Ergebnis zu einer Besserstellung führt. Das Einsammeln von Kapital für nicht gewerbliche Zwecke steht der Annahme eines AIF ent- 40 gegen, weil im Falle der Verfolgung nicht gewerblicher Zwecke kein Investment zum Nutzen der Anleger gegeben ist.8 Die Kapitalanlage für eigene Zwecke des Organismus führt ebenfalls zum Ausschluss der Qualifikation des Organismus als Investmentvermögen.9 Zertifikate, die von Banken emittiert werden und die an Referenzportfolios oder Indices gekoppelt sind, sind daher keine Investmentanteile. Weil der Emittent bei einer Schuldverschreibung nicht ver1 Krause/Klebeck, RdF 2013, 4, verweisen darauf, dass jedes wirtschaftlich geführte Unternehmen über einen Businessplan sowie Strategien zur Geschäftsentwicklung verfüge. 2 So auch Eckhold/Balzer in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 22 Rz. 21; Gottschling in Moritz/Klebeck/Jesch, § 1 KAGB Rz. 71. 3 Krause/Klebeck, BB 2012, 2063 (2066); Jesch in Baur/Tappen/Mehrkhah/Behme, Investmentgesetze, Band 1, 4. Aufl. 2020, § 1 KAGB Rz. 18; Eckhold/Balzer in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 22 Rz. 24. 4 Eingesammeltes Kapital wird auch dann nicht zum Nutzen der Anleger angelegt, wenn das Vehikel – ggf. neben der Verfolgung des Ziels der Erwirtschaftung einer Rendite für die Anleger – gemeinnützige, eigenwirtschaftliche oder operative Ziele verfolgt; vgl. Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 1 InvStG Rz. 53. 5 BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, Tz. I.6., mit dem Hinweis, dass eine Investition zum eigenen Nutzen z.B. vorliegt, wenn eine Bank zwar eine Schuldverschreibung in Form eines Zertifikats imitiert, dessen Wertentwicklung an verschiedene Wertpapiere als underlying gekoppelt ist, die Bank aber diese Wertpapiere überhaupt nicht erwirbt bzw. erwerben muss, sondern eigene Investitionszwecke mit dem eingesammelten Geld verfolgt. 6 Loritz/Uffmann, WM 2013, 2193 (2200). 7 Im Ergebnis ebenso Gottschling in Moritz/Klebeck/Jesch, § 1 KAGB Rz. 76: Hier würden die Ebenen des Investmentvermögens und des Fondsinitiators vermischt. 8 ESMA, discussion paper – key concepts of the Alternative Investment Fund Managers Directive and types of AIFM, 9 f. Bei dieser Abgrenzung zwischen gewerblichen und nicht gewerblichen Zwecken ist nicht auf § 15 EStG abzustellen. 9 Wollenhaupt/Beck, DB 2013, 1950 (1951 f.). Behrens/Kammeter | 89

§ 1 Rz. 40 | Anwendungsbereich pflichtet ist, die Einlagen der Anleger in einer bestimmten Weise bzw. in einem bestimmten Index oder ein bestimmtes Referenzportfolio zu investieren, tätigt der Emittent im Grundsatz keine Investments zum Nutzen der Anleger.1 41 Das Merkmal des Investments zum Nutzen der Anleger ist weit gefasst und nicht trennscharf.2

Nicht nur Investmentvehikel, sondern auch operativ tätige Unternehmen wirtschaften letztlich auch zugunsten ihrer Gesellschafter. Investments zum Nutzen der Anleger können auch dann vorliegen, wenn das Investmentvermögen seine Erträge thesauriert, ebenso wie auch operativ tätige Unternehmen zugunsten ihrer Gesellschafter wirtschaften, wenn sie ihre Gewinne nicht ausschütten.3

42 Aus dem Merkmal des Investments zum Nutzen der Anleger wird das Erfordernis der Verwal-

tung des Vermögens für Dritte, d.h. das Erfordernis der Vermögensverwaltung für die Anleger abgeleitet.4 Die Anleger dürfen keine (Letzt-)Entscheidungsbefugnisse im Hinblick auf die Vermögensanlage haben. Bloße Vetorechte werden demgegenüber nicht als schädlich angesehen.5 Weisungsrechte jedoch schließen die Einordnung des Geschehens als kollektive Vermögensverwaltung aus.6 Maßgeblich für die Beurteilung sind die tatsächlichen Verhältnisse, nicht die vertragliche Gestaltung.7

43 Im Gegensatz zu fortlaufend ausübbaren Weisungsrechten ist die Abstimmung oder gar Be-

stimmung der Anlagestrategie durch den Anleger unschädlich, was im Falle von Ein-AnlegerFonds oder beim Zusammenschluss von Investoren der Fall sein kann, die das Investmentvermögen zu einem bestimmten Zweck auflegen. Die Verwaltung des Vermögens für Dritte setzt allerdings voraus, dass der Verwaltungsgesellschaft ein gewisser Entscheidungsspielraum verbleibt.8 Nach Verwaltungsansicht ist der Anwendungsbereich des InvStG nicht eröffnet, wenn Anleger planmäßig aktiv in die Verwaltungsbefugnis der Verwaltungsgesellschaft durch Vorgabe von Anlageentscheidungen eingreifen und hierdurch die Letztverantwortlichkeit der Verwaltungsgesellschaft faktisch ausgeschlossen ist und damit im Ergebnis lediglich formal besteht.9 Die Verwaltungsbefugnis obliegt nicht den Anlegern, sondern der Kapitalverwaltungsgesellschaft i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 1 KAGB (externe Kapitalverwaltung) oder – bei interner Verwaltung eines Investmentvermögens des Gesellschaftstyps – den Organen des Investmentvermögens.10 Die Verwaltung des Investmentvermögens hat innerhalb der bindenden Vorgaben der festgelegten Anlagestrategie zu erfolgen.

44 Bereits aus der in § 1 Abs. 1 KAGB niedergelegten Eigenständigkeit des gepoolten Vermögens

ergibt sich nach einem nicht veröffentlichten BMF-Schreiben v. 26.7.201611 die Voraussetzung

1 Bäuml, FR 2013, 640 (643). Das Vorliegen eines Organismus ist ferner auch deshalb zu verneinen, weil es hier an einer wirtschaftlichen Trennung der eingeworbenen Mittel vom (sonstigen) Vermögen des Einwerbenden fehlt; vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 1.4. 2 So auch Gottschling in Moritz/Klebeck/Jesch, § 1 KAGB Rz. 77; Volhard/Jang in W/B/A3, § 1 KAGB Rz. 21. 3 Krause in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Vor 405 Rz. 27. 4 Gottschling in Moritz/Klebeck/Jesch, § 1 KAGB Rz. 80. 5 Vgl. z.B. Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG – CRR-VO, 5. Aufl. 2016, § 1 KWG Rz. 325. 6 von Livonius/Bernau, WM 2009, 1216 (1220). 7 ESMA, discussion paper – key concepts of the Alternative Investment Fund Managers Directive and types of AIFM, 11; Tollmann in Dornseifer/Jesch/Klebeck/Tollmann, AIFM-Richtlinie, 2013, Art. 4 Rz. 31. 8 Tollmann in Dornseifer/Jesch/Klebeck/Tollmann, AIFM-Richtlinie, 2013, Art. 4 Rz. 33. 9 BMF v. 26.7.2016 – IV C 1 - S 1980 – 1/15/10001:004, unter Hinweis darauf, dass hiervon die zulässige beratende Tätigkeit eines Anlageausschusses zu unterscheiden sei. 10 Vgl. exemplarisch zur Selbstverwaltung einer Investment-AG § 112 Abs. 2 KAGB – interne Kapitalverwaltung. 11 BMF v. 26.7.2016 – IV C 1 - S 1980 – 1/15/10001:004, zitiert bei A. Höpfner, www.fgs-blog.de/neuefahndungswelle-bei-sog.-millionaersfonds/(14.3.2017).

90 | Behrens/Kammeter

C. Definition des Begriffs „Investmentfonds“ (Abs. 2) | Rz. 46 § 1

der eigenständigen Verwaltung des Investmentvermögens („Grundsatz der Fremdverwaltung“). Dem Wesen des Investmentvermögens ist somit – neben der rechtlichen Verselbständigung des Vermögens – auch die Lösung vom Vermögensverwaltungsrecht der Anleger immanent. Eine faktische Übernahme der Portfolioverwaltung durch unmittelbare Einzelanweisungen der Anleger an die Verwaltungsgesellschaft ist auch in § 36 KAGB nicht vorgesehen. Sog. Anlegerausschüsse mit beratender Funktion stehen der Einordnung als Investmentvermögen allerdings nicht entgegen. In der Literatur wird die Frage nach der Schädlichkeit der Vorgabe von Anlageentscheidungen durch Anleger für die Annahme eines Investmentvermögens unterschiedlich beurteilt.1 Die FinVerw. führt beim Einsatz als Investmentmantel des Anlegers fungierender Investmentvehikel gar steuerstrafrechtliche Ermittlungen durch.2 Auffassung von Behrens: Ein Gebot der ausschließlichen Fremdverwaltung von Investmentvermögen durch die KVG ist in § 1 Abs. 1 KAGB nicht enthalten. Auch spricht § 26 Abs. 1 KAGB, wonach Investmentvermögen im ausschließlichen Interesse der Anleger zu verwalten sind, dafür, dass die Anleger ihre Interessen gegenüber der KVG äußern dürfen. Nach den Leitlinien der ESMA zu Schlüsselbegriffen der AIFM-RL3 steht es der Einordnung als Investmentvermögen nur entgegen, wenn die Anteilseigner des Organismus – als Gruppe – laufende Ermessens- bzw. Kontrollbefugnis haben.4 Dass einem oder mehreren, jedoch nicht allen vorstehend genannten Anteilseignern eine laufende Ermessens- bzw. Kontrollbefugnis gewährt wurde, sollte nach Auffassung der ESMA nicht als Nachweis dafür herangezogen werden, dass es sich bei dem Organismus nicht um einen Organismus für gemeinsame Anlagen handelt. Eine gelegentlich ausübbare Ermessens- bzw. Kontrollbefugnis ist danach sogar dann kein Argument gegen das Vorliegen eines Investmentvermögens, wenn die Anleger diese Befugnis als Gruppe eingeräumt erhalten. Nach Auffassung von Schneider-Deters5 muss sich der „Nutzen“ nicht unbedingt stets in ei- 45 nem Wertzuwachs ausdrücken. Es sei daher fahrlässig, auf diese Weise Modelle, bei denen zumindest zunächst gezielt Verluste zugewiesen würden, aus dem Anwendungsbereich des KAGB auszuscheiden. Unseres Erachtens ist dem zuzustimmen, vorausgesetzt, die Verluste werden nur zunächst erzielt. Um das Merkmal des Investierens des eingezahlten Kapitals „zum Nutzen der Anleger“ bejahen zu können, muss u.E. beabsichtigt sein, insgesamt einen Überschuss im Sinne eines Wertzuwachses zu erzielen. g) Kein operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors Operativ tätige Unternehmen außerhalb des Finanzsektors sind keine Investmentvermögen. 46 Nach der Gesetzesbegründung sind dies produzierende und andere operativ tätige Unterneh-

1 Für die Schädlichkeit z.B. Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 1 InvStG Rz. 60 ff.; für die Unschädlichkeit solcher Vorgaben für Zwecke der Einordnung als Investmentvermögen z.B. Fischer, FR 2016, 27; Stöber/Kleinert, BB 2016, 278. 2 BMF v. 26.7.2016 – IV C 1 - S 1980 – 1/15/10001:004, Rz. 3; gegen die Rechtmäßigkeit steuerstrafrechtlicher Ermittlungen vgl. Fischer, FR 2016, 27; Stöber/Kleinert, BB 2019, 1174. 3 Berichtigte Fassung v. 30.1.2014 der am 13.8.2013 veröffentlichten Leitlinien der ESMA zu Schlüsselbegriffen der AIFM-RL (ESMA/2013/611), Ziff. VI.12.(c). 4 Den Begriff der laufenden Ermessens- und Kontrollbefugnis definiert die ESMA als „eine Form einer unmittelbaren und kontinuierlichen Entscheidungsgewalt – unabhängig davon, ob sie ausgeübt wird oder nicht – über operative Fragen in Bezug auf die tägliche Verwaltung der Vermögenswerte des Organismus, die wesentlich weiter reicht als die normale Ausübung von Entscheidungs- oder Kontrollbefugnissen in Form der Abstimmung bei Aktionärsversammlungen über Fragen wie Fusionen oder Abwicklung, die Wahl von Anteilseignervertretern, die Ernennung von Vorstandmitgliedern oder Abschlussprüfern oder die Feststellung des Jahresabschlusses“; vgl. die berichtigte Fassung v. 30.1.2014 der Leitlinien der ESMA zu Schlüsselbegriffen der AIFM-RL (ESMA/2013/611), Ziff. II. 5 Schneider-Deters in Patzner/Döser/Kempf3, § 1 KAGB Rz. 10. Behrens/Kammeter | 91

§ 1 Rz. 46 | Anwendungsbereich men.1 Der Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 AIFM-RL enthält diese Einschränkung nicht.2 Der Sache nach folgt sie bereits aus dem Merkmal der festgelegten Anlagestrategie. Investmentvermögen sind nur solche Vehikel, deren Tätigkeit auf die bloße Anlage und Verwaltung von Vermögensgegenständen gerichtet ist. Auch die ESMA geht davon aus, dass Organismen i.S.v. Art. 4 Abs. 1 AIFM-RL keinen allgemeinen kommerziellen oder industriellen Unternehmensgegenstand verfolgen dürfen.3 Unternehmen, die Immobilien entwickeln oder errichten, Güter und Handelswaren produzieren, kaufen, verkaufen, tauschen oder sonstige Dienstleistungen außerhalb des Finanzsektors anbieten, sind operativ tätige Unternehmen.4 Keine Investmentvermögen sind weiterhin z.B. auch Unternehmen, die Anlagen erneuerbarer Energien oder Hotels selbst betreiben, Güter produzieren und Rohstoffe lagern.5 47 Die ESMA nimmt Unternehmen von der Definition der Investmentvermögen aus, die einen

„general commercial or industrial purpose“ verfolgen. Dies bedeutet, dass die ESMA-Leitlinien auf einen allgemein-kommerziellen oder industriellen Zweck abstellen.6 Ein solcher allgemein-kommerzieller oder allgemein-industrieller Zweck liegt nach Ansicht der ESMA vor, wenn der Zweck in der Verfolgung einer Geschäftsstrategie liegt, die sich u.a. durch Merkmale auszeichnet wie die überwiegende Ausübung (i) einer kommerziellen Tätigkeit einschließlich Kauf, Verkauf und/oder Austausch von Waren oder Gütern und/oder Verkehr mit nicht finanziellen Dienstleistungen oder (ii) einer industriellen Tätigkeit einschließlich der Produktion von Waren oder der Errichtung von Immobilien oder (iii) einer Kombination daraus.

48 Ist ein Unternehmen operativ tätig und investiert es daneben zu Anlagezwecken, entscheidet

nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht der Schwerpunkt der Tätigkeit.7 Die operative Tätigkeit muss, um das Vehikel nicht als Investmentvermögen einzuordnen, außerhalb des Finanzsektors liegen. Weder das KAGB noch sonstige Gesetze enthalten eine Definition des Merkmals „Finanzsektor“.8 Unter Rückgriff auf volkswirtschaftliche Begrifflichkeiten sind hierunter vor allem die Finanzmärkte und Finanzintermediäre zu verstehen. Insbesondere Banken und Versicherungen sind daher keine „operativ tätigen Unternehmen außerhalb des Finanzsektors“: sie sind in ihrem Bereich zwar operativ tätig, jedoch innerhalb des Finanzsektors.9

49 Fraglich ist, unter welchen Voraussetzungen Holdinggesellschaften operativ tätige Unterneh-

men außerhalb des Finanzsektors sind. Gemäß § 2 Nr. 1 KAGB sind Holdinggesellschaften ausdrücklich vom Anwendungsbereich des KAGB und gem. § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvStG 2018 i.V.m. § 2 Nr. 1 KAGB auch vom Anwendungsbereich des InvStG 2018 ausgenommen. Die Existenz von § 2 Abs. 1 Nr. 1 KAGB zeigt, dass der Gesetzgeber des KAGB davon ausgegangen ist, dass Holdinggesellschaften grds. nicht operativ tätig sind. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Vehikel als Holdinggesellschaft i.S.v. § 2 Nr. 1 KAGB einzuordnen ist, kann in der Praxis große Abgrenzungsschwierigkeiten bereiten.10 Ob das entscheidende Abgrenzungsmerkmal zwischen Holdinggesellschaften einerseits und Investmentvermögen

1 BT-Drucks. 17/12294, 201. 2 Der KAGB-Gesetzgeber hat die in Art. 4 Abs. 1 AIFM-RL enthaltene Definition um die Klarstellung ergänzt, dass operativ tätige Unternehmen außerhalb des Finanzsektors nicht unter den Begriff des Investmentvermögens fallen; vgl. BT-Drucks. 17/12294, 201. 3 ESMA, Final Reports – Guidelines on key concepts of the AIFM-RL, Annex III, 31. 4 BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, Tz. I.7. 5 Jesch in Baur/Tappen/Mehrkhah/Behme, Investmentgesetze, Band 1, 4. Aufl. 2020, § 1 KAGB Rz. 20. 6 ESMA, Leitlinien zu Schlüsselbegriffen der Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM-RL), unter VI. 21. 7 Vgl. auch Wenzel in Brandis/Heuermann, § 1 InvStG Rz. 20. 8 Böcker, NWB 2013, 299 (300). 9 Mann in W/B/A3, Anh. 2 AIFM-StAnpG Rz. 57c. 10 Gottschling in Moritz/Klebeck/Jesch, § 1 KAGB Rz. 86.

92 | Behrens/Kammeter

C. Definition des Begriffs „Investmentfonds“ (Abs. 2) | Rz. 53 § 1

andererseits darin gesehen werden kann, dass die Anlagestrategie von Investmentvermögen letztlich immer auf den Verkauf ausgerichtet ist, erscheint zweifelhaft, weil auch bei Holdinggesellschaft eine Ausrichtung auf den Verkauf vorliegen kann.1 Immobilienaktiengesellschaften sind keine Investmentvermögen, wenn sie operative Unter- 50 nehmen sind.2 Der Betrieb einer Immobilie, d.h. ihre aktive Bewirtschaftung3 (nicht aber ihre Vermietung oder Verpachtung), ist eine operative Tätigkeit.4 Dies gilt auch für die Projektentwicklung, das Facility Management, Makler- und Bewertungstätigkeiten sowie die Finanzierungsberatung im Zusammenhang mit dem Kauf oder Verkauf einer Immobilie. Wenn solche Tätigkeiten auf externe Dienstleister ausgelagert werden, liegt dennoch kein Investmentvermögen vor, wenn die unternehmerischen Entscheidungen im laufenden Betrieb bei der Immobilienaktiengesellschaft verbleiben.5 Wenn der Unternehmensgegenstand einer – ggf. börsennotierten – Immobilienaktiengesellschaft auf den Erwerb, die Vermietung, die Verpachtung, die Verwaltung sowie den Verkauf von Immobilien ausgerichtet ist, soll es auf eine Detailabwägung der Tatbestandsmerkmale „festgelegte Anlagestrategie“ und „allgemeine Unternehmensstrategie“ ankommen.6 Ob die REIT-AG als operative Unternehmen außerhalb des Finanzsektors aus dem Anwen- 51 dungsbereich des KAGB herausfallen, ist strittig. Dafür wird angeführt, dass die Vorstände von REIT-AG z.T. einer strengeren Regulierung als AIFM unterliegen.7 Außerdem sind REITAG in vollem Umfang dem börsengesellschaftlichen Regelungsregime unterworfen. Ebenso wie KWG-regulierte Kreditinstitute, die nicht dem KAGB unterfallen, wenn sie einen Schwerpunkt in der Vermögensverwaltung haben, sind auch REIT-AG nicht in den Anwendungsbereich des KAGB einzubeziehen. Nach einer Literaturansicht ist die These, dass REIT-AG eine festgelegte Anlagestrategie verfolgen würden und daher als Investmentvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB zu qualifizieren wären, wissenschaftlich nicht zu halten.8 Wegen der ausdrücklichen Regelung in § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 InvStG 2018, wonach REITs keine Investmentvermögen sind, ist diese aufsichtsrechtliche Diskussion für die Frage nach der Anwendbarkeit des InvStG 2018 bedeutungslos. Private-Equity-Fonds, die auf die unternehmerischen Entscheidungen der Zielunternehmen 52 Einfluss nehmen, sind u.E. operativ tätige Unternehmen innerhalb des Finanzsektors.9 h) Ausschließliche Fremdverwaltung durch Kapitalverwaltungsgesellschaft kein Definitionsmerkmal des Begriffs des Investmentvermögens

In einem nicht veröffentlichten, verwaltungsinternen BMF-Schreiben v. 26.7.201610 folgerte die 53 FinVerw. aus § 31 Abs. 1 InvG, seit 22.7.2013 § 93 Abs. 1 KAGB,11 dass Anlageentscheidungen 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Gottschling in Moritz/Klebeck/Jesch, § 1 KAGB Rz. 86. Hartrott/Goller, BB 2013, 1603 (1604). Z.B. Hotelbetrieb, Pflegeeinrichtung. BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, Tz. I.7.a. BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, Tz. II.1. BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, Tz. II.2. Merkt, BB 2013, 1986. Merkt, BB 2013, 1986, unter Verweis auf § 14 Abs. 1 REITG. So u.E. auch Mann in Weitnauer/Boxberger/Anders, KAGB, 1. Aufl. 2014, Anh. 2 AIFM-StAnpG Rz. 57b und 57c; Niedling/Hempelmann, RdF 2019, 41; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 1 InvStG Rz. 20 a.E. 10 BMF v. 26.7.2016 – IV C 1 - S 1980 – 1/15/10001:004. 11 Das KAGB trat im Grundsatz am 22.7.2013 in Kraft, vgl. BGBl. I 2013, 1981, Art. 28 Abs. 2. Gemäß § 93 Abs. 1 KAGB ist die KVG berechtigt, im eigenen Namen über die zu einem Sondervermögen gehörenden Gegenstände nach Maßgabe des KAGB und der Anlagebedingungen zu verfügen und alle Rechte aus ihnen auszuüben. Behrens/Kammeter | 93

§ 1 Rz. 53 | Anwendungsbereich bei einem Spezialfonds allein durch die KVG zu treffen seien, und zwar unbeeinflusst von jeglichen Vorgaben der Anleger. Spezialfonds müssten ohne jede unmittelbare oder auch nur mittelbare Einflussnahme der Anleger verwaltet werden. Auffassung von Behrens: Die Richtigkeit dieser Auffassung lässt sich aus § 1 KAGB nicht herleiten. Vielmehr spricht § 26 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 KAGB, wonach Investmentvermögen im ausschließlichen Interesse der Anleger zu verwalten sind, eher dafür, dass die Anleger ihre Interessen gegenüber der KVG äußern dürfen.1

II. Keine Bindungswirkung aufsichtsrechtlicher Entscheidungen nach § 5 Abs. 3 KAGB (Abs. 2 Satz 2) 54 Ob für die Zwecke von § 1 Abs. 2 Satz 1 InvStG 2018 ein Investmentvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1

KAGB vorliegt, prüfen die FinBeh. eigenständig.2 In der Literatur wird darüber gestritten, ob diese eigenständige Prüfung durch die FinBeh. unter der Zielrichtung des Steuerrechts3 oder ob auch durch die FinBeh. eine Auslegung von § 1 Abs. 1 KAGB unter der Prämisse des Aufsichtsrechts (Verbraucherschutz) zu erfolgen hat.4 Für das Erfordernis einer eigenständigen finanzbehördlichen Auslegung mit der Zielrichtung des Steuerrechts wird die mit dem AIFMStAnpG5 begonnene und dem InvStRefG6 fortgesetzte Lösung des Steuerrechts vom Aufsichtsrecht angeführt.7

55 Unklar ist, in welchen Fällen diese verschiedenen Ansichten zu unterschiedlichen Ergebnissen

führen. Aus § 1 Abs. 2 Satz 2 InvStG 2018 i.d.F. des JStG 2020 v. 21.12.20208 folgt u.E. lediglich die Klarstellung, dass die FinBeh. grds. nicht an die Entscheidungen anderer Behörden gebunden sind, es sei denn, die vorgreifliche Wirkung eines Bescheids einer anderen Behörde als Grundlagenbescheid ist in einem gestuften Verwaltungsverfahren ausdrücklich gesetzlich angeordnet.9 Auch FG sind nicht an aufsichtsrechtliche Entscheidungen zu § 1 Abs. 1 KAGB gebunden, sondern haben eine eigenständige Entscheidung zu treffen.10 Kommen FinBeh. oder -gerichte bei der Auslegung von § 1 Abs. 1 KAGB zu einem von der aufsichtsrechtlichen Entscheidung abweichenden Ergebnis, ist keine Konsultation der BaFin erforderlich.11

III. Fiktive Investmentfonds (Abs. 2 Satz 3) 1. Vorbemerkung 56 § 1 Abs. 2 Satz 3 InvStG erweiterte den Anwendungsbereich des InvStG im Wege einer gesetz-

lichen Fiktion über das Aufsichtsrecht, d.h. über den Anwendungsbereich des KAGB, hinaus.12 1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12

So auch Stöber/Kleinert, BB 2016, 278 (282), unter Hinweis auf § 9 Abs. 1 Satz 1 InvG. So auch bereits zum InvStG 2004 z.B. Jesch/Haug, DStZ 2013, 774; Haisch/Helios, FR 2014, 313. So Mann in W/B/A3, § 1 InvStG Rz. 4. So Bindl/Mager, BB 2016, 2711. G v. 18.12.2013, BGBl. I 2013, 4318. G v. 19.7.2016, BGBl. I 2016, 1730. So Mann in W/B/A3, § 1 InvStG Rz. 4, unter Hinweis auf BT-Drucks. 18/8045/68. Dort wird allerdings lediglich zu § 1 Abs. 4 InvStG 2018 ausgeführt, dass die Formulierung bewusst weiter gefasst sei als in § 1 Abs. 1 Satz 2 InvStG i.d.F. des AIFM-StAnpG, „um sich vom Aufsichtsrecht zu lösen“. BGBl. I 2020, 3096. Mann in W/B/A3, § 1 InvStG Rz. 4 Fn. 17, zitiert zur fehlenden Bindung von Entscheidungen anderer Behörden für das Steuerrecht BFH v. 1.3.1951 – I 52/50 U, BStBl. III 1951, 120; v. 8.2.1995 – I R 73/ 94, BStBl. II 1995, 552. BFH v. 29.1.2003 – I R 106/00, BFH/NV 2003, 868; v. 8.7.1971 – V R 1/68, BStBl. II 1972, 70. Mann in W/B/A3, § 1 InvStG Rz. 4. BT-Drucks. 18/8045 v. 7.4.2016, 67.

94 | Behrens/Kammeter

C. Definition des Begriffs „Investmentfonds“ (Abs. 2) | Rz. 59 § 1

In der Gesetzesbegründung wird darauf hingewiesen, dass die Gesetzestechnik des § 1 Abs. 2 Satz 3 InvStG 2018 „die Möglichkeit schafft, auf Umgehungsgestaltungen durch Erweiterung des Katalogs kurzfristig zu reagieren“.1 Bisher hat der Gesetzgeber von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht. 2. Ein-Anleger-Fonds Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 KAGB ist eine Anzahl bzw. Mehrzahl von Anlegern als Vorausset- 57 zung für das Vorliegen eines Investmentvermögens gegeben, wenn die Möglichkeit besteht, dass sich mehr als ein Anleger am Vermögen beteiligt. Demgegenüber sind Investmentfonds gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 auch Investmentvermögen, bei denen die Zahl der Anleger auf einen beschränkt ist, wenn die übrigen Voraussetzungen von § 1 Abs. 1 KAGB erfüllt sind.2 Durch diese Regelung wollte der Gesetzgeber die Vermeidung der Anwendung des InvStG durch bloße Satzungsänderung (wodurch es bis Ende 2017 möglich war, Anlagevehikel aus dem Anwendungsbereich des InvStG herauszunehmen) verhindern.3 Vor 2018 ließ sich die Anwendung des InvStG durch die zivilrechtlich wirksame Beschränkung der Anzahl der Anleger auf einen ausschließen. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 KAGB ist keine Anzahl von Anlegern i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB 58 gegeben, wenn die Anlagebedingungen, die Satzung oder der Gesellschaftsvertrag des Organismus für gemeinsame Anlagen die Anzahl möglicher Anleger auf einen Anleger begrenzen. Im Falle von Teil-Sondervermögen, Teil-Gesellschaftsvermögen und vergleichbaren rechtlich getrennten Einheiten eines ausländischen OGAW oder AIF (Teilfonds) i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 2 InvStG a.F. war diese Ein-Anleger-Ausnahmeregelung auf den jeweiligen Teilfonds anzuwenden, d.h., ein Teilfonds unterlag nicht den Regelungen des InvStG a.F., wenn an ihm nach den Anlagebedingungen etc. nur ein Anleger beteiligt sein konnte. Fraglich ist, wie im Falle der Begrenzung auf nur einen Anleger noch ein Organismus für 59 gemeinsame Anlagen vorliegen kann.4 Bei einem Ein-Anleger-Fonds ist eine gemeinsame Anlage im wörtlichen Sinne, d.h. eine gebündelte Anlage für eine Mehrzahl von Anlegern, nicht gegeben. In der Gesetzesbegründung wird davon ausgegangen, dass, obwohl die Zahl der möglichen Anleger auf einen Anleger begrenzt ist, die übrigen Voraussetzungen von § 1 Abs. 1 KAGB – und damit auch die Einordnung des Ein-Anleger-Fonds als Organismus für gemeinsame Anlagen – erfüllt sein können. Auch die FinVerw. geht davon aus, dass Organismen – mit Ausnahme der Beschränkung der möglichen Anzahl der Anleger (§ 1 Abs. 1 Satz 2 KAGB) – sämtliche weiteren Voraussetzungen von § 1 Abs. 1 KAGB erfüllen können.5 Weil das Merkmal „Organismus für gemeinsame Anlagen“ immer schon dann erfüllt ist, wenn der einzelne Anleger an den Chancen und Risiken des Organismus beteiligt ist (s. Rz. 26 f.), ist dem zuzustimmen. Nach anderer in der Literatur vertretener Ansicht soll die Erfüllung des Merkmals „Organismus für gemeinsame Anlagen“ voraussetzen, dass das Investmentvehikel so ausgestaltet werden könnte, dass es einer gemeinsamen Anlage auch bei mehreren Anlegern zugänglich wäre.6 Angesichts der zur Einordnung als Investmentvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB erforderlichen Verselbständigung der zum Fonds gehörenden Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten wird diese Voraussetzung stets erfüllt sein, sodass 1 BT-Drucks. 18/8045 v. 7.4.2016, 67. 2 Mann in W/B/A3, § 1 InvStG Rz. 8, weist darauf hin, dass aufsichtsrechtlich nur Finanzportfolioverwaltung vorliegen könne, wenn die Beteiligung an dem Organismus auf einen Anleger beschränkt ist. 3 BR-Drucks. 119/16, 72; BT-Drucks. 18/8045 v. 7.4.2016, 67: „Diese Regelung verhindert, dass sich Investmentvermögen, die sonst dem Anwendungsbereich des InvStG unterfallen würden, durch bloße Satzungsänderung dem Besteuerungsregime bewusst entziehen“. 4 BT-Drucks. 18/8045 v. 7.4.2016, 67. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 1.6. 6 Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 1 InvStG Rz. 65. Behrens/Kammeter | 95

§ 1 Rz. 59 | Anwendungsbereich sich daraus u.E. keine Beschränkung für das Vorliegen eines „Organismus für gemeinsame Anlagen“ ergibt. 60 Das Merkmal „Einsammeln von Kapital“ i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KAGB ist bei Ein-Anleger-

Fonds zumindest dann erfüllt, wenn ein Fondsinitiator zunächst das Einsammeln von Kapital bei einer Vielzahl von Anlegern anstrebt und dann auf Wunsch eines Anlegers die Beschränkung auf nur einen Anleger in den Anlagebedingungen akzeptiert. Darüber hinaus ist das Merkmal „Einsammeln von Kapital“ aber auch dann erfüllt, wenn der Fondsinitiator konzeptionell von vornherein die Möglichkeit der Vereinbarung eines Ein-Anleger-Fonds anbietet.1

3. Kapitalgesellschaften ohne operative unternehmerische Tätigkeit und ohne Ertragsbesteuerung 61 Ebenso gelten als Investmentfonds i.S.d. InvStG Kapitalgesellschaften, denen nach dem Recht

des Staates, in dem sie ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung haben, eine operative unternehmerische Tätigkeit untersagt ist und die keiner Ertragsbesteuerung unterliegen oder die von der Ertragsbesteuerung befreit sind. Diese Regelung ist erstmalig durch das InvStG 2018 eingefügt worden, d.h., insoweit werden bisher nicht vom InvStG erfasste Kapitalanlagevehikel dem Anwendungsbereich des InvStG 2018 unterworfen.2 Der Gesetzgeber bezweckt die Vermeidung systemwidriger Besteuerungslücken und damit eine sachgerechte Besteuerung.3 Im Antragsverfahren auf Ausstellung einer Statusbescheinigung i.S.v. § 7 Abs. 2 oder § 29 Abs. 2 InvStG muss geprüft werden, ob das betroffene Vehikel eine KapGes. ist und ob ihr „eine operative unternehmerische Tätigkeit“ untersagt ist und sie keiner Ertragsbesteuerung unterliegt oder von der Ertragsbesteuerung befreit ist.

62 In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass § 1 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 InvStG 2018 dazu beitragen

solle, die Besteuerungslücke zu beheben, die dadurch entstanden sei, dass die Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG seit Einführung von § 8 Abs. 2 AStG „in der Praxis nicht in dem vom Gesetzgeber vorgesehenen Maß greift“.4 Tatsächlich ist § 1 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 InvStG 2018 seinem Gesetzeswortlaut nach so weit gefasst, dass auch Gesellschaften sog. fiktive Investmentfonds sein und in den Anwendungsbereich des InvStG 2018 fallen könnten, die keine kollektiven Kapitalanlagevehikel sind.5 Dementsprechend ist die Befürchtung geäußert worden, dass die wenig punktgenaue Erweiterung des Begriffs des Investmentfonds ohne Bezug zum Aufsichtsrecht in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 InvStG 2018 dazu führen könnte, dass unvorhergesehen auch Gesellschaften erfasst würden, die keine Kapitalanlagevehikel sind.6 Obwohl es nach dem Wortlaut von § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 InvStG auf die Merkmale für das Vorliegen eines Investmentvermögens i.S.v. § 1 Abs. 1 KAGB insgesamt nicht anzukommen scheint, wird in der Literatur die Meinung vertreten, dass die Merkmale in § 1 Abs. 1 KAGB mit Ausnahme der Anzahl von Anlegern und des Einsammelns von Kapital dennoch erfüllt sein müssen. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 InvStG könne nicht als Generalklausel dahingehend verstanden werden, dass alle Fallgruppen, in denen die Anwendung „sachgerecht“ (insbes. „fiskalisch vorteilhaft“) wäre, von § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 InvStG erfasst sind.7 Nach hier vertretener Ansicht ist dem zuzustimmen: Alle übrigen Erweiterungen und Ausnahmen von der Definition des Investmentvermögens in § 1 Abs. 1 KAGB, die in § 1 Abs. 2 und 3 InvStG 2018 geregelt sind, bauen auf den Merkmalen von § 1 Abs. 1 KAGB auf. 1 Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 1 InvStG Rz. 66, die in Rz. 67 bei Ein-Anleger-Fonds eine möglichst weitgehende Orientierung an den aufsichtsrechtlichen Vorgaben und ggf. die Herbeiführung einer entsprechenden Klärung mit der FinVerw. empfehlen. 2 Elser/Thiede, NWB 2016, 53; Stadler/Mager, DStR 2016, 698. 3 Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 7.4.2016, 66. 4 Mann in W/B/A3, § 1 InvStG Rz. 10; Bujotzek/Steinmüller, DB 2016, 1595. 5 Mann in W/B/A3, § 1 InvStG Rz. 11. 6 Stadler/Mager, DStR 2016, 697; Lechner, RdF 2016, 208 (210). 7 Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 1 InvStG Rz. 71.

96 | Behrens/Kammeter

C. Definition des Begriffs „Investmentfonds“ (Abs. 2) | Rz. 65 § 1

Dass sich § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 InvStG 2018 vollständig von den Tatbestandsmerkmalen des Investmentvermögens nach § 1 Abs. 1 KAGB lösen soll, widerspricht der Systematik von § 1 Abs. 2 und 3 InvStG 2018. Dass § 1 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 InvStG 2018 dazu beitragen solle, die Besteuerungslücke zu beheben, die dadurch entstanden sei, dass die Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG seit Einführung von § 8 Abs. 2 AStG „in der Praxis nicht in dem vom Gesetzgeber vorgesehenen Maß greift“, kann u.E. darüber nicht hinweghelfen. Beim ausländischen Vehikel ist auf Grundlage eines Rechtstypenvergleichs zu ermitteln, ob 63 es sich bei dem Vehikel um eine KapGes. handelt.1 Die Anwendung von § 1 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 InvStG 2018 setzt allerdings nicht voraus, dass die KapGes. aufsichtsrechtlich mit einer InvAG vergleichbar ist.2 Die KapGes. darf in ihrem Tätigkeitsstaat keiner Ertragsbesteuerung unterliegen oder von 64 ihr befreit sein. Das Merkmal „einer Ertragsbesteuerung unterliegen“ ist erfüllt, wenn auf die KapGes. eine Ertragsbesteuerung konkret oder abstrakt, also auch ohne tatsächliche Belastung mit Ertragsteuer, anwendbar ist.3 Die Rechtslage ist anders als diejenige nach § 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 5 AStG sowie § 19a Abs. 2 Satz 1 REITG, die auf die konkrete Ertragsteuerbelastung abstellen.4 Nach hier vertretener Ansicht ist eine Ertragsbesteuerung jede objektive Besteuerung, die an Netto-Erträge anknüpft (vgl. auch § 16 InvStG Rz. 83).5 § 1 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 InvStG 2018 stellt – anders als § 16 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 3 InvStG – auf keine Ertragsbesteuerung von nominell mindestens 10 % ab. Unterliegt die KapGes. also einer Ertragsbesteuerung von mehr als 0 %, ist sie kein sog. fiktiver Investmentfonds i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 InvStG 2018. Nach hier vertretener Ansicht sind nur persönliche Steuerbefreiungen, nicht aber bestimmte 65 Einkunftsarten betreffende sachliche Steuerbefreiungen für § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 relevant. Unseres Erachtens ist § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 InvStG 2018 auch dann nicht erfüllt, wenn die betreffende KapGes. im konkreten Fall ausschließlich von der sachlichen Steuerbefreiung erfasste Einkünfte erzielt. Die FinVerw. vertritt allerdings im zuletzt genannten Punkt die gegenteilige Ansicht.6 Gegen die Verwaltungsansicht spricht, dass der Gesetzeswortlaut von § 1 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 insoweit dem Gesetzeswortlaut von § 16 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 3 InvStG 2018 entspricht, dort mit der Formulierung „und nicht von ihr befreit ist“ ausweislich der Gesetzesbegründung nur persönliche Steuerbefreiungen gemeint sind.7

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 1.8, worin auf die Kriterien des BMF-Schreibens betr. US-LLC v. 19.3.2004, BStBl. I 2004, 411, sowie die Tabellen 1 und 2 des BMF-Schreibens v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, verwiesen wird. Zu den i.R.d. sog. Typenvergleichs zu prüfenden Merkmalen vgl. Rz. 90 ff. 2 Mann in W/B/A3, § 1 InvStG Rz. 13 a.E. 3 Vgl. auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 1.11 letzter Satz: „Die konkrete Belastung der Kapitalgesellschaft mit Ertragsteuern ist unbeachtlich.“ 4 Mann in W/B/A3, § 1 InvStG Rz. 15; vgl. hierzu BFH v. 3.5.2006 – I R 124/04, BStBl. II 2011, 547, betr. Vorliegen einer Niedrigbesteuerung nach § 8 Abs. 3 AStG bei irischen Tochtergesellschaften im International Financial Services Centre in Dublin in Bezug auf eine das Versicherungsgeschäft betreibende irische Tochtergesellschaft, für die der irische Finanzminister die Entscheidung über das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen und über die Höhe des anzuwendenden Steuersatzes getroffen und einen Bescheid erlassen hatte, mit dem die Steuererleichterung auf 25 % reduziert worden war. 5 Vgl. auch Mann in W/B/A3, § 1 InvStG Rz. 15, nach dessen Ansicht es weitere Voraussetzung für das Vorliegen einer Ertragsbesteuerung ist, dass persönliche Verhältnisse unberücksichtigt bleiben. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 1.11: „§ 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 InvStG setzt weiterhin voraus, dass die Kapitalgesellschaft nicht der Ertragsbesteuerung unterliegt oder von dieser befreit ist. Dies ist der Fall, wenn sie aus dem persönlichen Anwendungsbereich des betreffenden nationalen Steuergesetzes ausgenommen wurde oder sachlich in vollem Umfang steuerbefreit ist. Die konkrete Belastung der Kapitalgesellschaft mit Ertragsteuern ist unbeachtlich.“ 7 BT-Drucks. 18/8045, 87; ebenso Mann in W/B/A3, § 1 InvStG Rz. 15 m.w.N. Behrens/Kammeter | 97

§ 1 Rz. 66 | Anwendungsbereich 66 Nach dem Gesetzeswortlaut1 kommt es für die Frage, ob der KapGes. eine operative unter-

nehmerische Tätigkeit untersagt ist, nur auf das Recht des Staates an, in dem sie ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung hat. Ungeklärt ist bisher, unter welchen Voraussetzungen eine Untersagung einer operativen unternehmerischen Tätigkeit vorliegt, insbesondere, ob hierfür eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag bzw. in der Satzung oder den Anlagebedingungen ausreicht. Unseres Erachtens muss sich dies unmittelbar aus dem auf die KapGes. anwendbaren Gesetzesrecht ihres Sitz- oder Geschäftsleitungsstaates ergeben.2

67 Der Begriff „operative unternehmerische Tätigkeit“ ist u.E. wie in § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB

auszulegen. Entsprechend der Definition in den ESMA-Leitlinien zu „allgemein kommerzieller oder industrieller Zweck“ sind daher insbesondere solche Unternehmen als operativ tätig anzusehen und damit von § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 InvStG nicht betroffen, die Immobilien entwickeln oder errichten, Güter und Handelswaren produzieren, kaufen, verkaufen, tauschen oder sonstige Dienstleistungen außerhalb des Finanzsektors anbieten.3 Wie im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB sind auch im Rahmen von § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 InvStG Unternehmen, die sich im Rahmen ihrer operativen Tätigkeit fremder Dienstleister oder Gruppen interner Gesellschaften bedienen, als operativ und damit nicht als (fiktive) Investmentfonds anzusehen, solange die unternehmerischen Entscheidungen im laufenden Geschäftsbetrieb durch die ausdrückliche Vereinbarung von Gestaltungs-, Lenkungs- und Verwaltungsrechten bei dem Unternehmen selbst verbleiben.4 Investitionen zu Anlagezwecken (z.B. Anlagen in Finanzinstrumente), die zusätzlich zu der operativen Tätigkeit getätigt werden, schließen das Vorliegen einer operativen unternehmerischen Tätigkeit und damit den Ausschluss aus dem Anwendungsbereich des InvStG 2018 nicht aus, solange die Investitionen zu Anlagezwecken lediglich untergeordnete Neben- oder Hilfstätigkeiten darstellen.5 Nach der Gesetzesbegründung sollen insbesondere Luxemburger Kapitalanlagevehikel wie die Luxemburger Verwaltungsgesellschaft für Familienvermögen SFP (Société de Gestion de Patrimoine Familial) in den Anwendungsbereich des InvStG fallen.6

68 Nach Verwaltungsansicht7 und nach den Gesetzesmaterialien8 sind gemeinnützige GmbHs

i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG nicht betroffen, weil diese im Rahmen von wirtschaftlichen Geschäfts- oder Zweckbetrieben unternehmerisch tätig werden dürfen.9 Für ausländische Einrichtungen gilt dies u.E. entsprechend, d.h., es kommt darauf an, ob ihnen ein vergleichbares unternehmerisches Tätigwerden nach dem Gesetzesrecht des Sitz- bzw. GeschäftsleitungsortsStaates gestattet ist.

1 Ertragsbesteuerung ist jede objektive, an Erträgen anknüpfende Besteuerung, die persönliche Verhältnisse unberücksichtigt lässt. Die Bestimmung des Begriffs der allgemeinen Ertragsbesteuerung betragsmäßig mit mindestens 10 % in § 16 Abs. 4 Satz 3 InvStG 2018 ist, was die Mindestbesteuerung von 10 % anbelangt, für § 1 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 InvStG 2018 ohne Bedeutung; vgl. Mann in W/B/A3, § 1 InvStG Rz. 15. 2 Ebenso BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 1.19, weil dort von „Rechtsvorgaben“ desjenigen Staates, in dem die KapGes. ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung hat, die Rede ist. 3 ESMA/2013/601, S. 3. 4 BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, Tz. I.7., mit dem Hinweis darauf, dass die BaFin bei konkreten Anhaltspunkten überprüfen wird, ob diese Voraussetzungen tatsächlich dauerhaft eingehalten werden. 5 BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, Tz. I.7. 6 Mann in W/B/A3, § 1 InvStG Rz. 11, weist darauf hin, dass weitere (ausländische) Anwendungsfälle bisher nicht bekannt geworden, aber denkbar seien. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 1.10. 8 BR-Drucks. 119/16, 72. 9 Bödecker in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 1 InvStG Rz. 41, mit dem Hinweis darauf, dass gemeinnützige Einrichtungen partiell im Rahmen wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe stpfl. sind.

98 | Behrens/Kammeter

C. Definition des Begriffs „Investmentfonds“ (Abs. 2) | Rz. 71 § 1

Es stellt sich die Frage, ob nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 KStG befreite Kapitalgesellschaften, d.h. 69 KapGes., deren Hauptzweck die Verwaltung des Vermögens für einen nicht rechtsfähigen Berufsverband der in § 5 Abs. 1 Nr. 5 KStG bezeichneten Art ist, sofern ihre Erträge im Wesentlichen aus dieser Vermögensverwaltung herrühren und ausschließlich dem Berufsverband zufließen, von § 1 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 InvStG erfasst sind. Körperschaften oder Vermögensvereinigungen i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 6 KStG dürfen vorbehaltlich einer Geringfügigkeitsgrenze nicht unternehmerisch tätig sein.1 Nach hier vertretener Ansicht ist § 1 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 InvStG 2018 nicht anwendbar, wenn eine unternehmerische Tätigkeit – und sei es auch nur bis zu einer Geringfügigkeitsgrenze – zulässig ist. 4. Konzerneigener AIF Wie bereits vor 2018 gilt das InvStG für konzerneigene AIF nach § 2 Abs. 3 KAGB, obwohl 70 das KAGB selbst auf solche konzerneigenen AIF nicht anwendbar ist. Diese Regelung entspricht § 1 Abs. 1a InvStG a.F., worin auch schon bisher die in § 2 Abs. 3 KAGB geregelte Ausnahme für AIF, die innerhalb eines Konzerns verwaltet werden, für Zwecke des InvStG nicht übernommen wurde.2 Konzerneigene AIF können gem. § 26 Nr. 1 Satz 2 InvStG, wonach für Investmentfonds, die nach § 2 Abs. 3 KAGB von AIF-KVGs verwaltet werden, das Erfordernis einer Aufsicht über Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage als erfüllt gilt, als Spezial-Investmentfonds ausgestaltet werden, obwohl sie keiner Aufsicht über Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage unterstehen. Weil § 2 Abs. 3 KAGB lediglich die AIF-KVG als Verwalter für konzerneigene AIF aus dem Anwendungsbereich des KAGB ausnimmt, nicht jedoch das Investmentvermögen selbst, ist § 2 Abs. 3 KAGB lediglich als deklaratorische Bestätigung der Gesetzeslage zu verstehen.3 In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass die in § 2 Abs. 3 KAGB geregelte Konzernausnahme in der Praxis vor allem Versicherungskonzernen sowie sonstigen Kapitalsammelstellen diene, die konzernintern Gelder in Investmentvermögen verwalten und von einer konzerneigenen KVG verwalten lassen.4 § 2 Abs. 3 KAGB lautet wie folgt: Das KAGB „ist nicht anzuwenden auf AIF-Kapitalverwaltungsgesellschaften, soweit sie einen oder mehrere AIF verwalten, deren Anleger 1. ausschließlich eine der folgenden Gesellschaften sind: a) die AIF-Kapitalverwaltungsgesellschaft selbst, b) eine Muttergesellschaft der AIF-Kapitalverwaltungsgesellschaft, c) eine Tochtergesellschaft der AIF-Kapitalverwaltungsgesellschaft oder d) eine andere Tochtergesellschaft einer Muttergesellschaft der AIF-Kapitalverwaltungsgesellschaft und 2. selbst keine AIF sind.“

Auf KVGs, die AIF verwalten, deren Anleger ausschließlich Konzernunternehmen sind, ist 71 das KAGB mithin nicht anwendbar. Der Gesetzgeber hielt diese aufsichtsrechtliche Ausnahme

1 Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 1 InvStG Rz. 70. 2 In BT-Drucks. 17/12603 v. 4.3.2013, 22, wird dies damit begründet, dass „die konzernverwalteten Fonds bereits derzeit unter das InvStG fallen und kein steuerrechtlicher Grund besteht, diese zukünftig auszunehmen“. 3 Mann in W/B/A3, § 1 InvStG Rz. 16. 4 Bödecker in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 1 InvStG Rz. 52; Emde/Dornseifer/Dreibus, KAGB, 2. Aufl. 2019, § 2 Rz. 37; vgl. auch Mann in W/B/A3, § 1 InvStG Rz. 17, wonach § 1 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 InvStG 2018 primär zur Rechtssicherheit für Versicherungsunternehmen (die teilweise Muttergesellschaften einer AIF-Verwaltungsgesellschaft i.S.v. § 2 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b KAGB sind) führt, weil Versicherungsunternehmen regelmäßig Investmentfonds als Mittel zur Steuerung der Überschussbeteiligung (§ 153 Abs. 1 VVG) nutzen. Behrens/Kammeter | 99

§ 1 Rz. 71 | Anwendungsbereich für geboten, weil kein Anlegerschutz erforderlich sei.1 Gemäß § 1 Abs. 19 Nr. 26 KAGB sind Mutter-Unternehmen solchen Unternehmen, die Mutter-Unternehmen i.S.v. § 290 HGB sind. Tochter-Unternehmen sind gem. § 1 Abs. 19 Nr. 35 KAGB solche Unternehmen, die TochterUnternehmen i.S.v. § 290 HGB sind. Gemäß § 290 HGB ist für die Bestimmung der Konzernzugehörigkeit die Möglichkeit der Ausübung eines mittelbaren oder unmittelbaren beherrschenden Einflusses maßgeblich. Von einem solchen Einfluss ist auszugehen, wenn ein Unternehmen die Möglichkeit hat, die Geld- und Finanzpolitik eines anderen Unternehmens dauerhaft zu bestimmen, wobei ohne Bedeutung ist, ob dieser Einfluss auch tatsächlich ausgeübt wird.2 72 Unter § 2 Abs. 3 KAGB kann auch ein Joint Venture fallen, und zwar dann, wenn sämtliche

Mitglieder des Joint Venture gemeinsam auf das Joint Venture einen beherrschenden Einfluss ausüben. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 ist allerdings nicht anwendbar, wenn die Mitglieder des Joint Venture als Gruppe laufende Ermessens- bzw. Kontrollbefugnisse haben, sodass sie direkt auf die Vermögensgegenstände des Joint Venture zugreifen können.3 Mangels Investments „zum Nutzen der Anleger“ liegt dann bereits kein Investmentvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 KAGB vor (s. Rz. 38 ff.).

73 Weil für konzerneigene AIF nach § 2 Abs. 3 KAGB das KAGB nicht gilt, gibt es für solche

konzerneigenen (Publikums-)Investmentvermögen – d.h. Kapitel II-Investmentvermögen – keinen Rechtsformzwang (vgl. §§ 91, 139 KAGB)4. Mithin kann ein Investmentfonds i.S.v. § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 InvStG auch die Rechtsform z.B. einer GmbH haben.5 Als Investmentfonds kann sich die GmbH selbst verwalten (intern verwaltete Investmentgesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 12 KAGB). Die GmbH ist in diesem Falle zugleich ihre eigene AIF-KVG und die Investmentgesellschaft bzw. das Investmentvermögen. Die GmbH unterhält in einem solchen Fall zwei Vermögenssphären: (1) Das Vermögen der GmbH in ihrer Funktion als AIF-KVG und (2) das Vermögen des Investmentfonds. Ob der Ertrag aus der Verwaltungstätigkeit der normalen Besteuerung nach KStG und GewStG unterliegt oder § 6 Abs. 5 Nr. 2 InvStG 2018 analog anzuwenden ist, bedarf der Klärung. Die Vergleichbarkeit mit dem Fall der InvAG spricht für die analoge Anwendung von § 6 Abs. 5 Nr. 2 InvStG 2018. Zumindest der Ertrag des Investmentvermögens unterliegt dem InvStG, d.h., insoweit sind die Erträge gem. § 6 Abs. 7 1 2 3 4

BT-Drucks. 18/8045, 67. Die Anwendung des InvStG sei steuerrechtlich dennoch sachgerecht. Merkt in Baumbach/Hopt, HGB, 41. Aufl. 2022, § 290 HGB Rz. 7. Boxberger/Rödder in W/B/A3, § 2 KAGB Rz. 16. Die Regelungen in §§ 91, 139 KAGB, wonach offene inländische Investmentvermögen grds. nur als Sondervermögen oder als Investment-AGs mit veränderlichem Kapital und geschlossene inländische Investmentvermögen grds. nur als Investment-AGs mit fixem Kapital oder als geschlossene Investment-KG aufgelegt werden dürfen, finden mithin auf konzerneigene AIF i.S.v. § 2 Abs. 3 KAGB keine Anwendung. Ebenso betr. von sog. Sub-Threshold-AIFM i.S.v. § 2 Abs. 4 KAGB verwalteten AIF, die ebenfalls z.B. die Rechtsform der GmbH haben können, in der Praxis jedoch in aller Regel die Rechtsform der GmbH & Co. KG haben, weil diese, wenn später die nach § 2 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 KAGB relevante Schwelle überschritten werden sollte, ohne steuerlichen Realisationsakt (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG) als GmbH & Co. geschl. InvKG ausgestaltet werden können. 5 Für inländische Spezial-Investmentfonds gilt jedoch der originär steuerrechtliche Typenzwang des § 27 InvStG. Ein konzerneigener AIF in der Rechtsform einer GmbH ist nur in Gestalt eines (Publikums-)Investmentfonds möglich, weil es sich bei einer solchen GmbH (selbst wenn sich seit Inkrafttreten des MoMiG der Verwaltungssitz einer solchen GmbH im Ausland befinden kann) jedenfalls nunmehr um einen inländischen Investmentfonds i.S.v. § 2 Abs. 2 InvStG handelt. Das BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung) stellt allein auf das „jeweilige Privatrecht“ ab, vgl. Rz. 2.2: „Die Einordnung eines Investmentfonds als inländisch oder ausländisch richtet sich nach dem jeweiligen Recht, dem der Investmentfonds unterliegt. Die maßgebliche Rechtsordnung bestimmt sich unter Beachtung des Rechts desjenigen Staats, unter dem der Investmentfonds aufgelegt wurde und nach dessen Bestimmungen sich die Ausgestaltung und die Anlagebedingungen des Investmentfonds richten. Maßgeblich ist somit das jeweilige Privatrecht.“

100 | Behrens/Kammeter

D. Einschränkung des Anwendungsbereichs des InvStG (Abs. 3) | Rz. 75 § 1

InvStG nach Einnahmenüberschussrechnungsgrundsätzen zu ermitteln und sind Steuererklärungen nach dem InvStG abzugeben. Insbesondere für ausländische Gesellschafter kann ein solcher GmbH-AIF aus steuerlicher Sicht vorteilhaft sein.

D. Einschränkung des Anwendungsbereichs des InvStG (Abs. 3) I. Vorbemerkung In § 1 Abs. 3 InvStG 2018 sind Ausnahmen vom Anwendungsbereich des InvStG 2018 gere- 74 gelt.1 Die Ausnahmeregelungen in § 1 Abs. 3 InvStG 2018 sind sowohl auf inländische als auch auf ausländische Investmentfonds anzuwenden. Nach in der Literatur vertretener Ansicht sind die in § 1 Abs. 3 InvStG 2018 geregelten Ausnahmetatbestände weit auszulegen, weil das InvStG 2018 an den weiten Begriff des Investmentvermögens anknüpfe und es insoweit einer Korrektur bedürfe.2 Nach hier vertretener Ansicht ist dieses Argument nicht nachvollziehbar. Vom Begriff des Investmentvermögens kann u.E. nicht auf die Notwendigkeit einer weiten Auslegung der in § 1 Abs. 3 InvStG 2018 geregelten Ausnahmetatbestände geschlossen werden.

II. Liste nicht als Investmentfonds zu behandelnder Vehikel (Abs. 3 Nr. 1) Gesellschaften, Einrichtungen und Organisationen nach § 2 Abs. 1 und 2 KAGB sind keine 75 Investmentfonds i.S.d. InvStG, obwohl die Merkmale von § 1 Abs. 1 KAGB erfüllt sind und deshalb Investmentvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 KAGB vorliegen. Die in § 1 Abs. 3 InvStG vom Anwendungsbereich des InvStG ausgenommenen Gesellschaften, Einrichtungen und Organisationen können u.E. nicht über die Regelung in § 1 Abs. 2 InvStG, falls die Voraussetzungen einer der Fallgruppen von § 1 Abs. 2 InvStG gegeben sein sollten, doch in den Anwendungsbereich des InvStG fallen. § 1 Abs. 3 ist gegenüber § 1 Abs. 2 InvStG lex specialis.3 § 2 Abs. 1 und 2 KAGB hat den folgenden Wortlaut: „(1) Dieses Gesetz ist nicht anzuwenden auf 1. Holdinggesellschaften, die eine Beteiligung an einem oder mehreren anderen Unternehmen halten, a) deren Unternehmensgegenstand darin besteht, durch ihre Tochterunternehmen oder verbundenen Unternehmen oder Beteiligungen jeweils eine Geschäftsstrategie zu verfolgen, den langfristigen Wert der Tochterunternehmen, der verbundenen Unternehmen oder der Beteiligungen zu fördern, und b) die aa) entweder auf eigene Rechnung tätig sind und deren Anteile zum Handel auf einem organisierten Markt im Sinne des § 2 Absatz 11 des Wertpapierhandelsgesetzes in der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zugelassen sind, oder bb) ausweislich ihres Jahresberichts oder anderer amtlicher Unterlagen nicht mit dem Hauptzweck gegründet wurden, ihren Anlegern durch Veräußerung ihrer Tochterunternehmen oder verbundenen Unternehmen eine Rendite zu verschaffen; 2. Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung, die unter die Richtlinie 2003/41/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Juni 2003 über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (ABl. L 235 vom 23.9.2003, S. 10) fallen, gegebenenfalls einschließlich

1 § 1 Abs. 3 InvStG 2018 entspricht weitgehend § 1 Abs. 1a InvStG 2004. 2 Mann in W/B/A3, § 1 InvStG Rz. 18. 3 Wie hier Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 1 InvStG Rz. 77 f. Behrens/Kammeter | 101

§ 1 Rz. 75 | Anwendungsbereich a) der in Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie 2003/41/EG aufgeführten zugelassenen Stellen, die für die Verwaltung solcher Einrichtungen verantwortlich und in ihrem Namen tätig sind, oder b) der nach Artikel 19 Absatz 1 der Richtlinie 2003/41/EG bestellten Vermögensverwalter, sofern sie nicht Investmentvermögen verwalten; 3. die Europäische Zentralbank, die Europäische Investitionsbank, der Europäische Investitionsfonds, die europäischen Entwicklungsfinanzierungsinstitute und bilaterale Entwicklungsbanken, die Weltbank, den Internationalen Währungsfonds und sonstige supranationale Einrichtungen und vergleichbare internationale Organisationen, soweit diese Einrichtungen oder Organisationen jeweils a) Investmentvermögen verwalten und b) diese Investmentvermögen im öffentlichen Interesse handeln; 4. nationale Zentralbanken; 5. staatliche Stellen und Gebietskörperschaften oder andere Einrichtungen, die Gelder zur Unterstützung von Sozialversicherungs- und Pensionssystemen verwalten; 6. Arbeitnehmerbeteiligungssysteme oder Arbeitnehmersparpläne; 7. Verbriefungszweckgesellschaften. (2) Finanzdienstleistungsinstitute und Kreditinstitute, die über eine Erlaubnis nach dem Kreditwesengesetz verfügen, bedürfen für die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen im Sinne von § 2 Absatz 3 des Wertpapierhandelsgesetzes für AIF keiner Erlaubnis nach diesem Gesetz.“

76 Die Definition des AIF in Art. 4 Abs. 1 AIFM-RL und der materielle Begriff des Investment-

vermögens in § 1 Abs. 1 KAGB sind bewusst weit gefasst worden, um die Vielzahl der Anlagevehikel, die im Bereich des sog. grauen Kapitalmarkts bisher in weiten Teilen unreguliert eingesetzt worden waren, zum Schutz der Stabilität der Finanzmärkte und zum Schutz der Anleger einer umfassenden Aufsicht zu unterwerfen. Die weite materielle Definition des Begriffs des Investmentvermögens in § 1 Abs. 1 KAGB hat allerdings zur Folge, dass einerseits Vehikel dem Anwendungsbereich des KAGB unterfielen, deren Erfassung weder vom Richtlinien- noch vom KAGB-Gesetzgeber gewollt war, sodass deshalb ausdrückliche Ausnahmen vom Anwendungsbereich der AIFM-RL und des KAGB zu regeln waren. Zum anderen entstand durch die weite materielle Definition von Investmentvermögen in § 1 KAGB in Randbereichen vielfach Unklarheit, sodass die in § 2 KAGB geregelten Ausnahmen auch der Abgrenzung der Reichweite der Definition von Investmentvermögen in § 1 KAGB dienen.1

77 Der Ausnahmekatalog in § 2 Abs. 1 KAGB entspricht den Richtlinienvorgaben in § 2 Abs. 3

AIFM-RL.2 Weil das KAGB im Gegensatz zur AIFM-RL auch OGAW und deren Verwalter erfasst, ist der Ausnahmekatalog in § 2 Abs. 1 KAGB insofern weiter als die Richtlinienvorgabe, als es um die Frage geht, ob die aufgeführten Einrichtungen als OGAW-KVGs anzusehen sind.3 § 2 Abs. 2 KAGB setzt Art. 6 Abs. 8 Satz 1 AIFM-RL um.4 Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute, die bereits eine Erlaubnis nach dem KWG besitzen, benötigen keine zusätzliche Erlaubnis nach dem KAGB, wenn sie Wertpapierdienstleistungen i.S.v. § 2 Abs. 3 WpHG, etwa die Finanzportfolioverwaltung i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 7 WpHG, für einen AIF erbringen.5 § 2 Abs. 2 KAGB beabsichtigt mithin die Vermeidung einer Doppelregulierung von Vermögensverwaltungsleistungen.6

78 Nach Auffassung der EU-Kommission soll die Ausnahme von Holdinggesellschaften nach

Art. 2 Abs. 3 Buchst. a AIFM-RL gesellschaftsrechtliche Strukturen innerhalb von Großkon1 2 3 4 5 6

Schneider/Deters in Patzner/Döser/Kempf3, § 2 KAGB Rz. 1. BT-Drucks. 17/12294, 204. BT-Drucks. 17/12294, 204. BT-Drucks. 17/12294, 205. Vollhard/Jang in Dornseifer/Jesch/Klebeck/Tollmann, AIFM-Richtlinie, 2013, Art. 6 Rz. 40. KVGs sind nicht nur, soweit sie die kollektive Vermögensverwaltung erbringen, sondern auch insoweit, als sie die nach § 20 Abs. 2 und 3 KAGB bezeichneten Leistungen und Nebendienstleistungen als Bankgeschäfte erbringen, gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b KWG von den Vorschriften des KWG ausgenommen. Sie unterfallen daher dem KAGB.

102 | Behrens/Kammeter

D. Einschränkung des Anwendungsbereichs des InvStG (Abs. 3) | Rz. 78 § 1

zernen vom Anwendungsbereich der AIFM-RL ausnehmen. Abzugrenzen sind Holdinggesellschaften danach in erster Linie von Private-Equity-Strukturen.1 In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass die Abgrenzung in Einzelfällen wegen der geringen Unterschiede zwischen langfristig orientierten Private-Equity-Fonds und Holdingsstrukturen nicht zweifelsfrei durchführbar sei.2 Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a KAGB muss die Geschäftsstrategie der Gesellschaft, um Holdinggesellschaft im Sinne dieser Vorschrift zu sein, auf die Förderung des langfristigen Werts der Konzerngesellschaften oder Beteiligungen abzielen. Maßgeblich ist die tatsächliche Unternehmenspolitik, die bloße Aufnahme einer entsprechenden Satzungsbestimmung reicht nicht aus.3 Weicht die Gesellschaft in Einzelfällen von dieser Politik ab, steht dies der Einordnung als Holdinggesellschaft, auf die das KAGB nicht anzuwenden ist, nicht entgegen. Boxberger/Rödder weisen darauf hin, dass hiermit die Finanzmarktregulierung das Konzernrecht weiter entwickele, in dem es Holdinggesellschaften eine Fürsorgepflicht für ihre verbundenen Unternehmen oder sonstigen Beteiligungen auferlegt.4 Weitere Voraussetzung für die Einordnung einer Gesellschaft als Holdinggesellschaft ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b KAGB, dass die Gesellschaft entweder auf eigene Rechnung tätig ist und ihre Anteile zum Handel auf einem organisierten Markt i.S.v. § 2 Abs. 5 WpHG in der EU oder in einem EWR-Mitgliedsstaat zugelassen sind, oder ausweislich ihres Jahresberichts oder anderer amtlicher Unterlagen nicht mit dem Hauptzweck gegründet wurde, ihren Anlegern durch Veräußerung ihrer Tochter-Unternehmen oder verbundenen Unternehmen eine Rendite zu verschaffen. In der ersten Alternative, wonach die Holdinggesellschaft sowohl auf eigene Rechnung tätig sein muss, als auch ihre Anteile zum Handel auf einem organisierten Markt i.S.d. WpHG in der EU bzw. im EWR zugelassen sein müssen, verlangt das Merkmal „auf eigene Rechnung“, dass die Holdinggesellschaft ihre Beteiligungen nicht für Dritte hält. Bei der Abgrenzung einer konzernleitenden Holding von einem AIF ist zu beachten, dass keine Kapitalanlage eines Investors vorliegt, wenn Kontrolle ausgeübt und Einfluss auf die Verwaltung des Unternehmens genommen wird.5 Hiervon die Abgrenzung von Private-Equity-Fonds abhängig zu machen, erscheint wenig überzeugend, weil das Geschäftsmodell von Private-Equity-Fonds i.d.R. gerade darin besteht, einen solchen Einfluss auszuüben.6 Auch das Merkmal der Börsennotierung hilft für die Abgrenzung von Private-Equity-Strukturen oft nicht, zumal der Richtliniengeber keine Bereichsausnahme für börsennotierte Anlagegesellschaften schaffen wollte.7 Eine Abgrenzung zu Private-Equity-Fonds sollte jedoch im Regelfall § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b Doppelbuchst. bb KAGB ermöglichen, weil hier der Nachweis genügen sollte, dass der Jahresbericht oder andere amtliche Unterlagen keinen Hinweis enthalten, dass die Holdinggesellschaft zum Zwecke der Renditeerzielung durch Veräußerung von Beteiligungen gegründet worden sei.8 Langfristige Fonds mit unbegrenzter Laufzeit (sog. evergreen Fonds) könnten sich allerdings auf diese Bereichsausnahme berufen, wenn ihre Erlösquelle im Bezug von regelmäßigen Erträgen in Form von Dividenden und anderen Ausschüttungen besteht. Klassische Akquisitionsvehikel oder Special Purpose Vehicle sind aber i.d.R. von der Bereichsausnahme erfasst.9 1 FAQ der EU-Kommission, ID 1146. Vgl. Lorenz/John, BKR 2019, 386. 2 Boxberger/Rödder in W/B/A3, § 2 KAGB Rz. 2; Krause in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Vor § 405 Rz. 36; Tollmann in Dornseifer/Jesch/Klebeck/Tollmann, AIFM-Richtlinie, 2013, Art. 2 Rz. 81. 3 Boxberger/Rödder in W/B/A3, § 2 KAGB Rz. 3. 4 Boxberger/Rödder in W/B/A3, § 2 KAGB Rz. 3. 5 Zetzsche, WM 2013, 2109. 6 Boxberger/Rödder in W/B/A3, § 2 KAGB Rz. 5; vgl. BMF v. 16.12.2003 – IV A 6 - S 2240 - 153/03, BStBl. I 2004, 40, in dessen Rz. 16 die Grenze zwischen der für die Annahme einer gewerblichen Tätigkeit unschädlichen Wahrnehmung von Aufsichtsrechten einerseits und der Ausübung eines insofern schädlichen Einflusses auf das Management der Portfolio-Gesellschaften andererseits gezogen wird. 7 Zetzsche, WM 2013, 2108, mit Verweis auf den achten Erwägungsgrund der AIFM-RL. 8 FAQ der Kommission, ID 1146. 9 Die Obergesellschaft, die die Anteile am Akquisitions- oder Special Purpose Vehicle hält, kann jedoch selbst ein regulierungspflichtiger AIF sein; vgl. Boxberger/Rödder in W/B/A3, § 2 KAGB Rz. 6 Fn. 7. Behrens/Kammeter | 103

§ 1 Rz. 79 | Anwendungsbereich 79 Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 KAGB sind vom Anwendungsbereich des KAGB und damit gem. § 1

Abs. 3 Nr. 1 auch vom Anwendungsbereich des InvStG 2018 Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung ausgenommen, die unter die IORP-RL fallen. Diese Ausnahme gilt auch für die in Art. 2 Abs. 1 IORP-RL genannten Verwalter solcher Einrichtungen und die nach Art. 19 Abs. 1 der IORP-RL bestellten Vermögensverwalter, sofern sie nicht Investmentvermögen verwalten. Solche Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung werden vom Anwendungsbereich des KAGB ausgenommen, weil sie bereits wirksam durch die IORP-RL reguliert werden. Damit sollten aber Pensionsfonds nur insoweit vom Anwendungsbereich des KAGB befreit sein, wie sie von der IORP-RL erfasste Tätigkeiten verrichten.1

80 Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 bis Nr. 5 KAGB sind supranationale Einrichtungen, Zentralbanken

und Sozialversicherungs- und Pensionssysteme vom Anwendungsbereich des KAGB und gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1 auch vom Anwendungsbereich des InvStG ausgeschlossen. Für supranationale Einrichtungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 KAGB gilt die Einschränkung, dass die von ihnen verwalteten Investmentvermögen im öffentlichen Interesse handeln müssen. Diesbezüglich wird auf die Gründungsdokumente der Einrichtung abgestellt werden müssen, weil eine tatsächliche Beurteilung, ob die Geschäftstätigkeit laufend dem öffentlichen Interesse erfolgt, in der Praxis häufig schwierig sein und damit zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen würde. Nationale Fördereinrichtungen, wie die KfW, Investitionsbanken der Bundesländer oder Sparkassenverbände und ihre Beteiligungsgesellschaften, die AIF verwalten, fallen nicht unter diese Bereichsausnahme. Zum Teil können sie jedoch schon nicht als Investmentvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 KAGB eingeordnet werden. Dass diese nationalen Fördereinrichtungen nicht nach § 2 Abs. 1 KAGB vom Anwendungsbereich des KAGB ausgenommen sind, leuchtet nicht ein, weil sie – nicht anders als supranationale Organisationen – i.d.R. im öffentlichen Interesse handeln.

81 Einrichtungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 KAGB, die Gelder zur Unterstützung von Sozialversiche-

rungs- und Pensionssystemen verwalten, umfassen Unterstützungskassen, berufsständische Versorgungswerke sowie Versorgungseinrichtungen des öffentlichen Dienstes oder der Kirchen.2

82 Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 6 KAGB sind Arbeitnehmerbeteiligungssysteme und Arbeitnehmer-

sparpläne vom Anwendungsbereich des KAGB und gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1 mithin auch vom Anwendungsbereich des InvStG 2018 ausgenommen. Art. 2 Abs. 3 Buchst. f AIFM-RL sieht keine Definition von Arbeitnehmerbeteiligungssystemen oder Arbeitnehmersparplänen vor. Um den Besonderheiten solcher Beteiligungsformen in den Mitgliedsstaaten Rechnung zu tragen, sollte vielmehr nach Auffassung der EU-Kommission jedes nationale Modell auf seine Vereinbarkeit mit der Definition eines AIFM untersucht werden.3 Weil Arbeitnehmerbeteiligungssysteme und Arbeitnehmersparpläne die gesetzliche Altersvorsorge ergänzen sollen, kommt es auf eine bestimmte Qualifikation der Arbeitnehmer nicht an; vielmehr sind sämtliche Arbeitnehmer erfasst, unabhängig vom Grad der Einbindung in die Geschäftstätigkeit des Unternehmens des Arbeitgebers.4 Unter die Ausnahme sollten alle Arten der betrieblichen Altersvorsorge, Arbeitnehmersparpläne und sonstige Arbeitnehmerbeteiligungssysteme, wie beispielsweise die in der Private-Equity-Branche üblichen Management-Beteiligungsprogramme 1 Tollmann in Dornseifer/Jesch/Klebeck/Tollmann, AIFM-Richtlinie, 2013, Art. 2 Rz. 87; Boxberger/ Rödder in W/B/A3, § 2 KAGB Rz. 7. Verwalten mehrere Pensionsfonds gemeinsam ein Anlagevehikel (sog. Pooling von Pensionsfonds), das selbst kein Pensionsfonds ist, wäre eine KAGB-Zulassung erforderlich. Eine Anwendung des InvStG 2018 auf den Pensionsfonds kommt jedoch auch in dieser Konstellation nicht in Betracht. Anwendbar ist das InvStG 2018 ggf. auf das von Pensionsfonds verwaltete Anlagevehikel. 2 BT-Drucks. 17/12294, 205. 3 FAQ der Kommission, ID 1155. 4 Vgl. Lorenz/Joh, BKR 2019, 386.

104 | Behrens/Kammeter

D. Einschränkung des Anwendungsbereichs des InvStG (Abs. 3) | Rz. 84 § 1

fallen. Hierbei dürfte es mangels der gewerblichen Absicht bei der Beschaffung von Kapital bei den meisten Modellen fraglich sein, ob überhaupt ein Einsammeln von Kapital und deshalb ein Investmentvermögen i.S.v. § 2 Abs. 1 KAGB gegeben ist.1 Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. § 1 Abs. 19 Nr. 36 KAGB sind Verbriefungszweckgesellschaf- 83 ten vom Anwendungsbereich des KAGB und gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1 InvStG 2018 auch vom Anwendungsbereich des InvStG 2018 ausgenommen. Verbriefungszweckgesellschaften sind Gesellschaften, die ausschließlich klassische oder synthetische Asset-Backed-Security-Transaktionen und weitere, zur Erfüllung dieser Transaktionen geeignete Tätigkeiten durchführen.2 Ob bzw. unter welchen Voraussetzungen eine Gesellschaft, die nach ausländischem Recht als Verbriefungszweckgesellschaft anzusehen ist (z.B. Luxemburger securitization vehicles), gem. § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvStG 2018 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 7 KAGB vom Anwendungsbereich des InvStG 2018 ausgenommen ist, richtet sich nach den Regelungen der EZB-Verordnung, d.h. Verordnung (EG) Nr. 24/2009 der Europäischen Zentralbank v. 19.12.20083. Die Ausnahme vom Anwendungsbereich des InvStG 2018 setzt keine Tranchierung der von der (ausländischen) Verbriefungszweckgesellschaft ausgegebenen Schuldtitel voraus, weil das KAGB durch den Verweis auf die EZB-Verordnung den engeren Verbriefungsbegriff i.S.v. Art. 17 AIFM-RL, der eine Unterteilung in Tranchen voraussetzt, für Zwecke von § 2 Abs. 1 Nr. 7 KAGB nicht anwendet.4 § 1 Abs. 3 Nr. 1 InvStG 2018 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 6 KAGB wirkt konstitutiv, weil zumindest beim klassischen ABS die Verbriefungszweckgesellschaft Vermögenswerte erwirbt, hält, verwaltet und die Investitionen von Anlegern bündelt, indem sie diese über Wertpapiere an der Gesamtheit der Vermögenswerte partizipieren lässt. Verbriefungszweckgesellschaften können daher als gemeinschaftliche Kapitalanlage angesehen werden. Vor Inkrafttreten des KAGB wurde die Einordnung auch ausländischer Verbriefungszweckgesellschaften als Investmentvermögen mit dem Hinweis auf fehlende Risikomischung bzw. fehlendes Ziel der Risikostreuung abgelehnt.5 Die Risikomischung bzw. das Ziel der Risikostreuung ist aber mit Inkrafttreten des KAGB kein Definitionsmerkmal des Investmentvermögens mehr, weil § 1 Abs. 1 KAGB das Merkmal der Risikomischung bzw. Risikostreuung nicht als Voraussetzung für das Vorliegen eines Investmentvermögens regelt. Schon in der AIFM-RL findet sich ein weiter Verbriefungsbegriff, um marktübliche Verbrie- 84 fungsstrukturen vom Anwendungsbereich der Fondsregulierung auszunehmen.6 Gemäß § 1 Abs. 19 Nr. 36 KAGB sind Verbriefungszweckgesellschaften Gesellschaften, „deren einziger Zweck darin besteht, eine oder mehrere Verbriefungen im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 24/2009 der Europäischen Zentralbank vom 19. Dezember 2008 über die Statistik über die Aktiva und Passiva von finanziellen Mantelkapitalgesellschaften, die Verbriefungsgeschäfte betreiben (ABl. L 15 vom 20.1.2009, S. 1), und weitere zur Erfüllung dieses

1 BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, Tz. 3. 2 Schneider-Deters in Patzner/Döser/Kempf3, § 2 KAGB Rz. 14. 3 § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvStG 2018 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 7 KAGB i.V.m. § 1 Abs. 19 Nr. 36 KAGB i.V.m. Art. 1 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 24/2009 der Europäischen Zentralbank v. 19.12.2008. Nach Tz. 4.1 der Guidance Note on the Definitions of „Financial Vehidle Corporation“ and „Securitization“ under Regulation ECB/2008/30 wird ein Vehikel, dass Schuldverschreibungen an Anleger ausgibt und die Zahlungen der Anleger dazu verwendet, um neue Darlehen auf eigene Rechnung auszureichen, nicht als Verbriefungsvehikel für Zwecke der Verordnung (EG) Nr. 24/2009 angesehen. Verbriefungsvehikel können lediglich von anderen Darlehensgebern ausgereichte Darlehen kaufen. 4 Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 1 InvStG Rz. 81, mit dem Hinweis in Rz. 82 darauf, dass regelmäßig das für die Besteuerung des Investmentvehikels bzw. der Anleger zuständige FA über die Einordnung als Verbriefungszweckgesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvStG 2018 zu entscheiden hat. Es sei empfehlenswert, die Regularien insbes. von ausländischen Verbriefungszweckgesellschaften möglichst eng an den entsprechenden Vorgaben auszurichten. 5 Berger in Berger/Steck/Lübbehüsen, § 1 InvStG Rz. 161. 6 Wollenhaupt/Beck, DB 2013, 1952. Behrens/Kammeter | 105

§ 1 Rz. 84 | Anwendungsbereich Zwecks geeignete Tätigkeiten durchzuführen.“ Diese Definition entspricht Art. 4 Abs. 1 Doppelbuchst. an AIFM-RL. Bei einer Verbriefungszweckgesellschaft handelt sich um eine zur Verbriefung gegründete Gesellschaft, auf die ein Originator Vermögensgegenstände überträgt und die durch diese Gegenstände besicherte Schuldtitel ausgibt.1 § 1 Abs. 19 Nr. 36 KAGB verweist auf Art. 1 Abs. 2 VO (EG) Nr. 24/2009; es wird also eine andere Definition der Verbriefungszweckgesellschaft verwendet als in § 29 Abs. 5 KAGB i.V.m. Art. 50 Buchst. a Level 2-VO, der auf Art. 4 Nr. 36 Bankenrichtlinie verweist. Die beiden Verweise unterscheiden sich dahingehend, dass gem. Art. 1 Abs. 2 VO (EG) Nr. 24/2009 für die Einordnung als Verbriefungszweckgesellschaft weder eine Tranchierung erforderlich ist noch die Beschränkung auf Kreditrisiken.2 Der Begriff in § 1 Abs. 9 Nr. 36 KAGB soll laut EU-Kommission gleichwohl eng auszulegen sein, um eine Umgehung des KAGB zu verhindern.3 85 § 2 Abs. 2 KAGB, wonach Finanzdienstleistungsinstitute und Kreditinstitute, die über eine Er-

laubnis nach dem KWG verfügen, für die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen i.S.v. § 2 Abs. 3 WpHG für AIF keiner Erlaubnis nach KAGB bedürfen, sodass gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1 InvStG 2018 auch der Anwendungsbereich des InvStG 2018 nicht eröffnet ist, dient der Umsetzung von Art. 6 Abs. 8 Satz 1 AIFM-RL. Finanzdienstleistungsinstitute und Kreditinstitute sind von den Vorschriften des KAGB ausgenommen, weil sie bereits in Bezug auf die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen i.S.v. § 2 Abs. 3 WpHG für AIF reguliert werden. Ansonsten dürfte auch mindestens im Falle der individuellen Portfolioverwaltung aufgrund des fehlenden Kollektivinvestmentcharakters der materielle Anwendungsbereich des InvStG 2018 nicht eröffnet sein.4 Der Vertrieb von Fondsanteilen durch solche Institute muss allerdings im Rahmen der Vorschriften des KAGB erfolgen.5

III. Personengesellschaften und vergleichbare ausländische Rechtsformen 1. Vorbemerkung 86 Investmentvermögen in der Rechtsform einer Personengesellschaft oder einer vergleichbaren

ausländischen Rechtsform sind keine Investmentfonds i.S.d. InvStG 2018. Einzige Ausnahmen sind Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren nach § 1 Abs. 2 KAGB in der Rechtsform der Personengesellschaft und Altersvorsorgevermögensfonds nach § 53 InvStG 2018. OGAW sind infolge der Rechtsgrundverweisung auf § 1 Abs. 2 KAGB ausschließlich inländische OGAW6 sowie EU-OGAW7. EU-OGAW sind OGAW, die dem Recht eines anderen EU- oder EWR-Mitgliedstaats unterliegen. In einem Drittstaat aufgelegte Investmentvermögen in einer der Personengesellschaft entsprechenden Rechtsform sind nicht von der Rückausnahme für OGAW erfasst.8 Teilweise wird die Beschränkung der Rückausnahme auf OGAW und EU-OGAW durch die FinVerw. als unionsrechtswidriger Eingriff in die Kapitalverkehrsfreiheit gesehen.9 Dass OGAW und EU-OGAW in der Rechtsform der Personengesellschaft nicht vom 1 2 3 4 5 6 7

Haisch/Helios, BB 2013, 1690. Krause/Klebeck, RdF 2013, 11. Kommission FAQ zur AIFM-RL, ID 1157; kritisch Wollenhaupt/Beck, DB 2013, 1952. Krause in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Vor 405 Rz. 31; zu sog. managed accounts vgl. Rz. 20. AIFM-RL, Erwägungsgrund 9. §§ 192 ff. KAGB. § 1 Abs. 2 KAGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13.7.2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren, sog. OGAW-Richtlinie. 8 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 1.15. 9 Bödecker in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 1 InvStG Rz. 105; nach Bödecker ist dadurch, dass NichtEU-OGAW von der Regelung ausgenommen sind, der Vertrieb dieser als Massenprodukt nicht mehr möglich, da sich die Regelungen der Besteuerung von Personengesellschaften nur schlecht für eine

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D. Einschränkung des Anwendungsbereichs des InvStG (Abs. 3) | Rz. 88 § 1

Anwendungsbereich des InvStG 2018 ausgenommen sind, beruht nach einer in der Literatur geäußerten Annahme darauf, dass OGAW vor 2019 als Investmentfonds qualifizierten und dem investmentsteuerlichen Besteuerungsregime unterfielen.1 Sowohl OGAW und EU-OGAW in der Rechtsform sowohl der Personengesellschaft als auch der Altersvorsorgevermögensfonds nach § 53 InvStG 2018 kommen in der Praxis bisher kaum vor. Von dem Ausschluss aus dem Anwendungsbereich des InvStG 2018 nach § 1 Abs. 3 Satz 1 87 Nr. 2 InvStG betroffen ist eine Vielzahl typischer Fonds-Vehikel im Bereich der alternativen Investments, wie z.B. Luxemburger société en commandite simple2 oder Delaware Limited Partnerships. Auf solche Fonds-Vehikel sind die allgemeinen Besteuerungsregeln für Personengesellschaften anwendbar.3 Inländische Investmentvermögen in der Rechtsform einer Personengesellschaft sind die ge- 88 schlossene Investment-KG i.S.v. §§ 149 bis 161 KAGB und die offene Investment-KG i.S.v. §§ 124 bis 138 KAGB, die durch das KAGB als dritte Rechtsform eines offenen Investmentvermögens neben Sondervermögen und Investment-Aktiengesellschaften (mit veränderlichem Kapital) eingeführt wurden.4 Zudem ist im sog. Sub-Threshold-Bereich die Rechtsform der

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große Anzahl von Anlegern eignet. Hierdurch würden bei gegebener Vergleichbarkeit zu EU-OGAW Drittstaatenfonds benachteiligt. Mit Hinweis auf das EuGH-Urt. v. 10.4.2014 (C-190/12) merkt Bödecker an, dass es für die Unterschiedlichkeit der Situationen nicht ausreicht, wenn der Investmentfonds nicht unter den einheitlichen OGAW-Regelungsrahmen der EU fällt. Da die OGAW-Richtlinie nicht für in Drittstaaten ansässige Investmentfonds gilt, würde dies seiner Ansicht nach der Kapitalverkehrsfreiheit in diesem Zusammenhang jede praktische Wirksamkeit nehmen. Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 1 InvStG Rz. 87. Vom Anwendungsbereich des InvStG 2018 ausgeschlossen sind nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 InvStG 2018 auch Luxemburger société en commandite spéciale (SCSp), die in Anlehnung an die englische limited partnership konzipiert wurde; vgl. Diesel, RIW 2013, 145; Hoor/Medler, IStR 2017, 402. Die fehlende Rechtspersönlichkeit der SCSp führt nicht zur Vergleichbarkeit mit einem Sondervermögen; vgl. Mann in W/B/A3, § 1 InvStG Rz. 25. Vgl. insbes. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO, § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG bei gewerblichen oder gewerblich geprägten Personengesellschaften oder § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO bei vermögensverwaltenden, gewerblich entprägten Personengesellschaften. Damit kam der Gesetzgeber Forderungen der Wirtschaft nach Schaffung eines Vehikels zur Bündelung betrieblicher Altersvorsorgevermögen international tätiger Unternehmen (Pension-Asset-Pooling) nach; vgl. Wortprotokoll der 44. Sitzung des Finanzausschusses v. 23.2.2011, Protokoll Nr. 17/44, insbes. S. 9 ff. und 26 ff. Die Investment-KG ist für die Zwecke der Anwendung von DBA transparent, sodass die Anleger an ihren Status geknüpfte Abkommensvorteile in Anspruch nehmen können. Ein auf die Aufnahme der offenen Investment-KG als steuertransparente Personengesellschaft gerichteter Vorschlag des BVI i.R.d. OGAW-IV UmsG zum InvStG war damals nicht umgesetzt worden; vgl. Klein/Lorenz/Reichel, BB 2012, 331; zur Kritik der Länder vgl. BR-Drucks. 95/13 (B), 2. Der Bundesrat hatte gefordert, von der Einbeziehung der Investment-KG in das privilegierte Investmentbesteuerungssystem abzusehen (Streichung der §§ 15a, 11 Abs. 1 S. 2 und 1 Abs. 1f Nr. 3 InvStG a.F.). Die vom Bundestag gewollte Vermengung des Investmentsteuerprivilegs (steuerfreie Thesaurierung von Veräußerungsgewinnen) bei gleichzeitigem transparentem Durchschleusen der Erträge an die Gesellschafter (keine Steuersubjektqualität der Investment-KG, Transparenz für Zwecke der DBA) sei widersprüchlich und systemwidrig. Nach BT-Drucks. 17/13036, 1, führt das Nebeneinander der bei gewerblichen Personengesellschaften sowie bei begünstigten Investmentfonds geltenden Besteuerungsansätze zu nicht absehbaren Folgeproblemen und Gestaltungsmöglichkeiten. Zudem sei die Einführung der Investment-KG nicht erforderlich, weil das von der Wirtschaft gewünschte Pension-Pooling bereits mit inländischen Rechtsformen (insbes. Sondervermögen) verwirklicht werden könne. Die gewünschte DBA-Transparenz deutscher Sondervermögen könne im Rahmen einer Revision von DBA oder von Verständigungsverfahren geregelt werden. Nach Ansicht der Bundesregierung sind die Rechtsformen Sondervermögen und Investment-AG zur Umsetzung des Pensions-Poolings nicht geeignet, weil sie selbst Körperschaftsteuersubjekte und damit regelmäßig keine transparenten Vehikel im Sinne der DBA seien; vgl. BT-Drucks. 17/13036, 7. Behrens/Kammeter | 107

§ 1 Rz. 88 | Anwendungsbereich GmbH & Co. KG zulässig. Durch das AIFM-StAnpG wurde die offene Investment-KG als ertragsteuerliche transparente Personengesellschaft in das InvStG eingeführt (vgl. § 1 Abs. 1f Nr. 3), aber beschränkt auf offene Investment-KG, deren Geschäftszweck unmittelbar und ausschließlich der Abdeckung von betrieblichen Altersvorsorgeverpflichtungen dient. Gemäß § 18 InvStG i.d.F. vom 31.12.2017 sind Personen-Investitionsgesellschaften Investitionsgesellschaften in der Rechtsform einer Investment-Kommanditgesellschaft oder einer vergleichbaren ausländischen Rechtsform. Mit BMF-Schreiben v. 12.2.20151 hat die FinVerw. anerkannt, dass § 18 InvStG a.F. nach dessen Sinn und Zweck dahingehend auszulegen ist, dass die Vorschriften auf alle Investitionsgesellschaften in der Rechtsform einer Personengesellschaft (z.B. GmbH & Co. KG) und vergleichbarer ausländischer Rechtsformen anzuwenden sind. Aus der Gesetzesbegründung zum AIFM-StAnpG ergebe sich, dass der steuerrechtliche Status quo, nach dem geschlossene Fonds in der Rechtsform einer Personengesellschaft den allgemein für Personengesellschaften und deren Beteiligte geltenden Besteuerungsregeln unterliegen, fortgeführt werden sollte.2 Im BMF-Schreiben v. 12.2.2015 wird zudem klargestellt, dass – mangels einer spezialgesetzlichen Regelung in § 1 Abs. 2a Satz 3 InvStG a.F. – nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AO der Geschäftsführer die steuerlichen Pflichten einer Investment-KG zu erfüllen hat. Sofern im Gesellschaftsvertrag keine anderweitigen Abreden getroffen wurden, steht nach § 164 HGB die Geschäftsführung bei einer KG dem Komplementär zu. Aus den Vorschriften des KAGB, insbesondere aus § 154 KAGB, wonach die geschlossene InvestmentKG eine ihrem Unternehmensgegenstand entsprechende externe AIF-KVG bestellen kann, der dann insbesondere die Verwaltung des Kommanditanlagevermögens obliegt, ergeben sich keine davon abweichenden Rechtsfolgen. Auch schon nach § 18 Satz 2 InvStG a.F. sind die Einkünfte von Personen-Investitionsgesellschaften gem. § 180 Abs. 1 Nr. 2 AO gesondert und einheitlich festzustellen.3 Gemäß § 18 Satz 3 InvStG a.F. sind diese Einkünfte von den Anlegern nach den allgemeinen steuerrechtlichen Regelungen zu versteuern. 89 Investmentvermögen in einer der deutschen Personengesellschaft vergleichbaren auslän-

dischen Rechtsform sind anhand eines qualifizierten Rechtstypenvergleichs zu ermitteln.4 Festzustellen sind die gesellschaftsrechtlichen Eigenschaften des einzuordnenden Rechtsgebildes nach dem jeweils geltenden ausländischen Gesellschaftsrecht. Anschließend ist ein Rechtsvergleich mit konkreten bzw. abstrakten Rechtsformen des deutschen Rechts durchzuführen. Ob eine ausländische Gesellschaft als Personengesellschaft oder als Körperschaft zu behandeln ist, bestimmt sich für Zwecke der deutschen Besteuerung ausschließlich nach deutschem Steuerrecht. Insbesondere die Einordnung nach Zivil- oder Steuerrecht des jeweiligen ausländischen Staates ist nicht maßgebend.5

90 Die ausländische Gesellschaft muss, soll § 18 InvStG a.F. bzw. § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG

2018 anwendbar sein, im Wesentlichen die Merkmale einer nach deutschem Recht errichte-

1 BMF v. 12.2.2015 – IV C 1 - S 1980 – 1/14/10004, BStBl. I 2015, 185. 2 Hinweis auf BR-Drucks. 740/13, 29 bis 31. 3 Das BMF stellte zudem klar, dass eine gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte einer ausländischen Personen-Investitionsgesellschaft in entsprechender Anwendung von § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AO nicht vorzunehmen ist, wenn nur ein Anleger mit diesen Einkünften im Inland stpfl. ist. 4 RFH v. 12.2.1930 – VI A 899/27, RStBl. 1930, 444; BFH v. 16.12.1992 – I R 32/92, BStBl. II 1993, 399; Schnittker in W/R/S2, Rz. 3.5 ff.; Kammeter in Moritz/Jesch/Mann2, § 18 InvStG Rz. 12 zu § 18 InvStG a.F.: Während die im Inland für eine Besteuerung als Personen-Investitionsgesellschaft infrage kommenden Rechtsformen im KAGB abschließend benannt sind, scheidet dies angesichts der großen und einem steten Wandel unterworfenen Vielfalt an ausländischen Formen von vornherein aus. 5 BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003, BStBl. I 2010, 354, sowie die Neuregelung des BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258.

108 | Behrens/Kammeter

D. Einschränkung des Anwendungsbereichs des InvStG (Abs. 3) | Rz. 92 § 1

ten Personengesellschaft aufweisen. Nach Verwaltungsansicht,1 die von der Rspr.2 grds. geteilt wird, sind die folgenden Merkmale zu prüfen: – zentralisierte Geschäftsführung und Vertretung – beschränkte Haftung – freie Übertragbarkeit der Anteile – Gewinnzuteilung ohne Ausschüttungsbeschluss der Gesellschafterversammlung – Kapitalaufbringung durch Einlagen oder (auch) in Form von Dienstleistungen Die folgenden weiteren Kriterien sind nach Verwaltungsansicht ebenfalls zu berücksichtigen, 91 lassen sich zur Einordnung als Körperschaft oder als Personengesellschaft jedoch nur begrenzt verwenden: – unbegrenzte Lebensdauer der Gesellschaft – Gewinnverteilung (nach dem Verhältnis der Aktiennennbeträge bzw. Geschäftsanteile oder nach Köpfen) – formale Gründungsvoraussetzungen (lediglich Abschluss eines Gesellschaftsvertrags oder Bestätigung des Gesellschaftsvertrags durch eine „öffentliche Instanz“ (z.B. Eintragung in das Handelsregister) Keine entscheidende Bedeutung für die Einordnung kommt der Frage zu, ob das ausländische 92 Gebilde im Ausland als rechtsfähig anerkannt wird.3 Ohne Bedeutung ist die Anzahl der Gesellschafter.4 Die Maßgeblichkeit dieses Kriterienkatalogs hat der BFH im AdV-Beschl. I B 76/20 v. 18.5.2021 im Grundsatz bestätigt. Gleichzeitig hat er klargestellt, dass die einzelnen Merkmale nicht gleichmäßig bedeutsam sind.5 Als besonders bedeutsam stuft der BFH die folgenden Kriterien ein: – Geschäftsführung und Vertretung – beschränkte Haftung – Gewinnzuteilung Die Merkmale Übertragbarkeit der Anteile, Kapitalaufbringung und Lebensdauer sind nach Ansicht des BFH im dem AdV-Beschl. I B 76/20 zugrunde liegenden Sachverhalt einer onemember-LLC nach dem Recht des US-Bundesstaates Colorado nicht dazu geeignet, die Gleichstellung mit einer inländischen KapGes. in Zweifel zu ziehen.6 Auch wenn stets betont wird, dass es auf eine Gesamtwürdigung aller Umstände ankommt, führt dies im Ergebnis

1 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tabelle 1 und 2 mit Übersichten der ausländischen Rechtsformen; geändert durch BMF v. 20.11.2000 – IV B 4 - S 1300 - 222/00, BStBl. I 2000, 1509; BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA – 22/04, BStBl. I 2004, 411 (sog. LLCSchreiben); OFD Frankfurt v. 15.6.2016 – S 2241 A - 107 – St 213, IStR 2016, 860. 2 BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BFH/NV 2008, 2123; v. 18.5.2021 – I B 75/20 (AdV), BFH/NV 2021, 1489. 3 RFH v. 12.2.1930 – VI A 899/27, RStBl. 1930, 444; BFH v. 3.2.1988 – I R 134/84, BStBl. II 1988, 588, betr. KG thailändischen Rechts, die nach dem Recht Thailands zivilrechtlich als juristische Person anerkannt ist. 4 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751, wonach eine GmbH & Co. KG nicht als solche körperschaftsteuerpflichtig ist, trotz unbestimmter Vielzahl rein kapitalistisch beteiligter Kommanditisten; so auch BFH v. 18.5.2021 – I B 76/20 (AdV), BFH/NV 2021, 1491 Rz. 30. Es wäre nicht sachgerecht, würde sich die Einordnung einer Gesellschaft allein deshalb ändern, weil er einen Teil seiner Anteile an einen Dritten veräußert. 5 BFH v. 18.5.2021 – I B 76/20 (AdV), BFH/NV 2021, 1491 Rz. 28. 6 BFH v. 18.5.2021 – I B 76/20 (AdV), BFH/NV 2021, 1491 Rz. 29. Behrens/Kammeter | 109

§ 1 Rz. 92 | Anwendungsbereich u.E. zu einer Art „Sperrminorität“ der drei vorrangigen Merkmale gegenüber den übrigen Katalogkriterien.1 Der BFH dürfte sich damit gegen den von der FinVerw. verwendeten Merkmalsmehrheitstest2 gestellt haben.3 2. Zentralisierte Geschäftsführung und Vertretung 93 Eine zentralisierte Geschäftsführung und Vertretung liegt nach Verwaltungsansicht dann vor,

„wenn eine Person oder mehrere Personen – jedoch nicht alle Gesellschafter – auf Dauer ausschließlich befugt sind, die zur Durchführung des Gesellschaftszwecks erforderlichen Entscheidungen ohne Zustimmung aller – ggf. der übrigen – Gesellschafter zu treffen“. Dies ist der Fall, „wenn Geschäftsführung und Außenvertretung der Gesellschaft von fremden Dritten oder durch ein eigenständiges Gremium (board of managers) wahrgenommen werden“.4 Das Merkmal der Geschäftsführung und Vertretung spricht für die Qualifikation als Personengesellschaft, „wenn die Gesellschafter die Geschäfte der Gesellschaft selbst führen und sie allein vertretungsberechtigt“ sind. Für die Einordnung als Personengesellschaft spricht es insbes., wenn die Geschäftsführung und die Vertretung von sämtlichen Gesellschaftern wahrgenommen werden. Ist ein Teil der Gesellschafter von der Geschäftsführung ausgeschlossen, so ist eine dezentralisierte Geschäftsführung und Vertretung nur dann anzunehmen, „wenn die Gesellschaft ... von den geschäftsführenden Gesellschaftern nur in deren Eigenschaft als Gesellschafter und nicht durch ernannte oder gewählte Geschäftsführer geleitet wird“.5

94 Zu prüfen ist mithin zunächst, ob nur Gesellschafter oder auch Nicht-Gesellschafter zur Ge-

schäftsführung und Vertretung befugt sind. Ernennen die Gesellschafter eines ausländischen Rechtsgebildes fremde Dritte, also Nicht-Gesellschafter, zu Geschäftsführern und Vertretern, spricht dies für die Einordnung als KapGes.6

95 Anschließend ist zu prüfen, ob alle Gesellschafter oder nur einzelne Gesellschafter zur Ge-

schäftsführung und Vertretung befugt sind. Der erstgenannte Fall spricht für die Einordnung als Personengesellschaft. Im zweitgenannten Fall ist nach dem BMF-Schreiben v. 19.3.20047 danach zu differenzieren, ob die Einschränkung der Geschäftsführungsbefugnis auf gesetzlicher oder auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage beruht. Enthält das dem einzuordnenden ausländischen Rechtsgebilde zugrunde liegende Gesetz eine Regelung, die (wie bei einer KG deutschen Rechts) die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis nur einzelnen Gesellschaftern zuweist, so stellt die Geschäftsführung und Vertretung durch einzelne Gesellschafter insoweit ein Kriterium für die Qualifikation als Personengesellschaft dar. Beruht die Ein-

1 Knittel, FR 2021, 1067 (1072); sprechen die drei vorrangigen Kriterien alle für das Vorliegen einer Personen- oder Kapitalgesellschaft, können bei konsequenter Anwendung des Beschlusses die anderen Kriterien keine ausschlaggebende Bedeutung mehr haben. Der BFH geht damit über die Auffassung der FinVerw. hinaus. Es bleibt abzuwarten, ob eine Anpassung des BMF-Schreibens v. 19.3.2004 erfolgen wird. 2 BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA – 22/04, BStBl. I 2004, 411, wonach es darauf ankommt, ob die Mehrzahl der ungewichteten Merkmale für die Einordnung als Personen- oder Kapitalgesellschaft spricht. 3 Knittel, FR 2021, 1067 (1072). 4 BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA – 22/04, BStBl. I 2004, 411. Für die Einordnung als Körperschaft spricht es mithin, wenn Geschäftsführung und Außenvertretung der Gesellschaft von fremden Dritten oder durch ein eigenständiges Gremium wahrgenommen werden, dem neben Gesellschaftern auch Nicht-Gesellschafter angehören können (Fremdorganschaft, vgl. z.B. §§ 76 bis 78 AktG, §§ 3, 35 GmbHG); vgl. OFD Frankfurt v. 15.6.2016 – S 2241 A - 107 – St 213, IStR 2016, 860. 5 BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA – 22/04, BStBl. I 2004, 411. 6 Und zwar auch dann, wenn neben Gesellschaftern nur ein Nicht-Gesellschafter zur Geschäftsführung und Vertretung berufen ist (Schnittker in W/R/S2, Rz. 3.23). 7 BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA – 22/04, BStBl. I 2004, 411.

110 | Behrens/Kammeter

D. Einschränkung des Anwendungsbereichs des InvStG (Abs. 3) | Rz. 96 § 1

schränkung der zur Geschäftsführung befugten Personen hingegen nicht auf einer gesetzlichen, sondern auf einer gesellschaftsvertraglichen Regelung, kann nach Auffassung des BMF insoweit ein Merkmal für das Vorliegen einer KapGes. gegeben sein, auch wenn die Geschäftsführung und Vertretung ausschließlich von Gesellschaftern ausgeübt wird.1 Für die Einordnung als KapGes. spricht es nach Ansicht der Rspr. auch, wenn den Gesellschaftern der ausländischen Gesellschaft durch die gesetzlichen Regelungen Auskunftsrechte gegenüber dem Gesellschafter eingeräumt werden (vgl. hierzu § 51a GmbHG).2 In einem dritten Prüfungsschritt ist zu untersuchen, ob eine Körperschaft zur Geschäftsfüh- 96 rung und Vertretung befugt ist. Die FinVerw. vertritt die Ansicht, dass, wenn an einem ausländischen Rechtsgebilde ein oder mehrere zur Geschäftsführung und Vertretung berufene Gesellschafter in der Rechtsform einer Körperschaft beteiligt sind und deren Geschäftsleitungsorganen (z.B. board of directors) auch Gesellschaftsfremde angehören können, von einer zentralisierten Geschäftsführung auszugehen sei.3 Der Einsatz eines Fremd-Geschäftsführers soll auch dann für eine zentralisierte Geschäftsführung sprechen, wenn diese nicht unmittelbar von dem ausländischen Rechtsgebilde, sondern über eine beteiligte Körperschaft eingesetzt wird. Eine dezentralisierte Geschäftsführung wird auf Grundlage dieser Verwaltungsäußerung nur dann zu bejahen sein, wenn die Geschäftsleitung der Körperschaft durch einen Gesellschafter des einzuordnenden Gebildes erfolgt. In der Literatur wird kritisch angemerkt, dass durch solch ein extensives Verständnis des Begriffs der zentralisierten Geschäftsführung im Ergebnis ausländische und deutsche Rechtsformen unterschiedlich behandelt werden.4 In der Tat werden – wie das Beispiel der deutschen GmbH & Co. KG5 zeigt – in- und ausländische Rechtsformen insoweit verschieden behandelt, was u.E. nicht zu rechtfertigen ist. Auch nach der Änderung des Personengesellschaftsrechts durch das G zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts6 mit Wirkung zum 1.1.2024 bleibt es bei dem Grundsatz der Selbstorganschaft, sodass dieses Kriterium auch nach dem 1.1.2024 unverändert zur Abgrenzung herangezogen werden kann.7 Das Merkmal „zentralisierte Geschäftsführung und Vertretung“ gehört zu den drei vom BFH als besonders bedeutsam eingestuften Katalogkriterien.8

1 BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA – 22/04, BStBl. I 2004, 411 Tz. IV.1. letzter Abs.: „Eine zentralisierte Geschäftsführung kann auch vorliegen, wenn die ernannten und gewählten Geschäftsführer nach der Satzung aus dem Gesellschafterbestand stammen müssen. Das gilt nicht, wenn nur ohnehin gesetzlich zur Geschäftsführung berufene Gesellschafter ernannt oder gewählt werden dürfen.“ 2 FG München v. 10.11.2020 – 6 V 1784/20, DStR 2021, 513 Rz. 27. 3 BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA – 22/04, BStBl. I 2004, 411 Tz. IV.1.; vgl. zuletzt OFD Frankfurt v. 15.6.2016 – S 2241 A - 107 – St 213, IStR 2016, 860 Rz. 18. 4 Schnittker in W/R/S2, Rz. 3.25, unter Hinweis darauf, dass bei einer deutschen GmbH & Co. KG die Geschäftsführung der GmbH durch einen (aus Sicht sowohl der GmbH als auch der KG) gesellschaftsfremden Dritten wahrgenommen werden kann, ohne dass dies der Qualifikation der KG als Personengesellschaft entgegenstünde. 5 Nach st. BFH-Rspr. (vgl. insbes. BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751) ist eine GmbH & Co. KG ertragsteuerrechtlich eine Personengesellschaft; sie kann einer KapGes. als alleiniger persönlich haftender Gesellschafter auch nicht im Hinblick auf die Beteiligung einer KapGes. gleichgestellt werden (vgl. BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 [758 ff.]; v. 25.7.1995 – VIII R 54/93, BStBl. II 1995, 794 m.w.N.). § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG bzw. § 2 Abs. 2 GewStG sind auf die GmbH & Co. KG mithin nicht anwendbar. Die GmbH & Co. KG ist, sofern sie gewerblich tätig oder geprägt ist, grds. Mitunternehmerschaft i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (Wacker in Schmidt41, § 15 EStG Rz. 702). 6 MoPeG v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. 7 Linn/Maywald, IStR 2021, 825 (828). 8 BFH v. 18.5.2021 – I B 76/20, BFH/NV 2021, 1491 Rz. 29; vgl. zur Einordnung unter Rz. 90 ff. Behrens/Kammeter | 111

§ 1 Rz. 97 | Anwendungsbereich 3. Beschränkte Haftung 97 Merkmal der Körperschaft ist, dass die Gesellschafter oder Mitglieder der Körperschaft nicht

mit ihrem eigenen Vermögen für die Verbindlichkeiten der Körperschaft haften. Diese Haftungsbeschränkung muss sich, um für die Einordnung des Gebildes als Körperschaft zu sprechen, aus dem für das ausländische Rechtsgebilde maßgebenden Gesellschaftsrecht ergeben. Verbürgt sich ein Gesellschafter für die Schulden der Gesellschaft oder erlaubt das Konzernrecht einen Durchgriff durch die Gesellschaft auf ihre Gesellschafter, steht dies der Einordnung als Körperschaft nicht entgegen.1 Umgekehrt liegt keine beschränkte Haftung im Sinne der Einordnung eines Vehikels als Körperschaft vor, wenn das für die Gesellschaft geltende Gesellschaftsrecht die persönliche Haftung mindestens eines Gesellschafters mit seinem Vermögen für die Schulden der Gesellschaft vorsieht, vertraglich eine Haftung der Gesellschafter jedoch z.B. durch entsprechende Vereinbarungen mit den Gläubigern der Gesellschaft ausgeschlossen wird.2

98 In der Literatur wird darauf verwiesen, dass bei der GmbH & Co. KG eine gesellschaftsrecht-

liche Haftungsbeschränkung existiere, was der Einordnung als Personengesellschaft jedoch nicht entgegenstehe; aus diesem Grund habe das Kriterium der beschränkten Haftung nur Indizwirkung. Unseres Erachtens kann die GmbH & Co. KG nicht als Beleg dafür angeführt werden, dass die Einordnung als Personengesellschaft trotz beschränkter Haftung angenommen werde. Denn die Komplementärin haftet gem. § 161 Abs. 1 HGB mit ihrem gesamten Vermögen unbeschränkt für die Schulden der KG. Die Haftungsbeschränkung bei der Komplementärin (d.h. zugunsten des bzw. der Gesellschafter der Komplementärin) ergibt sich lediglich aus deren Rechtsnatur. Abzustellen für die Frage der Haftungsbeschränkung ist indes auf die zu qualifizierende Gesellschaft – d.h. hier die KG – selbst. Unzutreffend ist der Hinweis auch für die KGaA, weil diese ertragsteuerrechtlich nur in Bezug auf die Kommanditaktionäre uneingeschränkt wie eine KapGes. behandelt wird. Der Komplementär wird zumindest z.T. wie ein Mitunternehmer besteuert,3 weil er für die Schulden der KGaA mit seinem Vermögen unbeschränkt haftet.4 Auch wenn durch das MoPeG mit Wirkung v. 1.1.2024 die Haftung für die Gesellschafter in den §§ 721–721b BGB neu geregelt wird, führt dies u.E. nicht zu einer Änderung, die eine Neubewertung des Kriteriums notwendig machen würde. Das Merkmal „beschränkte Haftung“ gehört zu den drei vom BFH als besonders bedeutsam eingestuften Katalogkriterien. 4. Freie Übertragbarkeit der Anteile

99 Anteile an Körperschaften sind typischerweise frei übertragbar.5 Demgegenüber ist die Über-

tragung von Beteiligungen an Personengesellschaften i.d.R. ausgeschlossen bzw. nur mit Zustimmung der anderen Gesellschafter oder eines anderen Gesellschafters zulässig. Nach Verwaltungsansicht ist die freie Übertragbarkeit der Anteile ein Merkmal für die Einordnung des

1 Herrmann, RIW 2004, 445 (448). 2 BFH v. 22.9.2016 – IV R 35/13, BStBl. II 2017, 116, wonach dieselben Grundsätze auch im Rahmen der Anwendung von § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gelten, d.h., es bestimmt sich nach den gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen, wer persönlich haftender Gesellschafter i.S.v. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG ist. 3 Vgl. BFH v. 21.6.1989 – X R 14/88, BStBl. II 1989, 881, Ls. 1: „Der persönlich haftende Gesellschafter einer KGaA ist gem. § 15 Abs. 1 Nr. 3 EStG in jeder Beziehung als Gewerbetreibender zu behandeln. Der von ihm im Rahmen der KGaA erzielte anteilige Gewinn ist ihm einkommensteuerrechtlich unmittelbar zuzurechnen. Er kann wie ein Mitunternehmer Sonderbetriebsvermögen haben.“; vgl. auch BFH v. 15.3.2017 – I R 41/16, BFH/NV 2017, 1548, wonach (entgegen Hess. FG v. 31.5.2016 – 4 K 1879/13, EFG 2016, 1517) der persönlich haftende Gesellschafter einer KGaA eine Ergänzungsbilanz aufzustellen hat, in der die seine Einlage übersteigenden Anschaffungskosten zu erfassen sind. 4 Vgl. auch Schnittker in W/R/S, Rz. 3.26, mit weiteren Hinweisen. 5 Vgl. z.B. § 15 GmbHG, § 68 AktG.

112 | Behrens/Kammeter

D. Einschränkung des Anwendungsbereichs des InvStG (Abs. 3) | Rz. 102 § 1

Vehikels als Körperschaft, wenn nach den maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen oder aufgrund des Gesellschaftsvertrags die Vermögens- und Mitgliedschaftsrechte aus der Beteiligung ohne Zustimmung der anderen Gesellschafter auf Dritte übertragen werden können, sodass der Erwerber in vollem Umfang in die Gesellschafterstellung des Veräußerers eintritt. Demgegenüber ist keine freie Übertragbarkeit gegeben, wenn zur Übertragung der Anteile die Zustimmung aller oder bestimmter Gesellschafter erforderlich ist.1 In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass das Merkmal der freien Übertragbarkeit von Anteilen nur eingeschränkt zur Abgrenzung geeignet sei, weil auch GmbH-Anteile in der Praxis häufig nicht frei übertragbar seien und auch Aktien i.S.v. § 68 Abs. 2 Satz 1 AktG vinkuliert werden könnten. In Personengesellschaftsverträgen könne vereinbart werden, dass die Anteile frei übertragbar sind. Kapital- und Personengesellschaften unterscheiden sich in diesem Punkt also zumindest durch 100 ein gegensätzliches Regel-Ausnahme-Verhältnis, was bei der Gewichtung der Kriterien i.R.d. Qualifikation zu berücksichtigen ist.2 Die Übertragbarkeit der Anteile ist u.E. schon dann mit der Folge beschränkt, dass dieses Kriterium für die Einordnung des Vehikels als Personengesellschaft spricht, wenn die Beschränkung der Übertragbarkeit der Anteile nur einen Teil der Gesellschafter betrifft. Eine anglo-amerikanische limited partnership ist daher in dieser Hinsicht als Personengesellschaft zu klassifizieren, wenn die Übertragung der limited partnership interests an die Zustimmung des general partner gebunden ist, der general partner seinen Anteil jedoch ohne Zustimmung der limited partners übertragen kann. Dies gilt erst recht, wenn die Kommanditisten ihre Anteile nur mit vorheriger Zustimmung des Komplementärs und der Komplementär seine Anteile nur mit vorheriger Zustimmung der Kommanditisten übertragen kann. Die Übertragbarkeit der Anteile hat der BFH als Katalogkriterium von nachrangiger Bedeutung eingestuft.3 5. Gewinnzuteilung Bei einer Körperschaft hängt die Zuteilung von Gewinnanteilen an Gesellschafter von einem 101 entsprechenden Beschluss der Gesellschafterversammlung ab. Bei Personengesellschaften bedarf es demgegenüber grds. keines Ausschüttungsbeschlusses. Die Gesellschafter sind vielmehr berechtigt, ihre Gewinnanteile zu entnehmen, bzw. die geschäftsführungsbefugten Gesellschafter sind berechtigt, den Gewinn der Personengesellschaft auch ohne Beschluss der Gesellschafterversammlung nach den Regelungen des Gesellschaftsvertrags an die Gesellschafter zu verteilen bzw. Gewinnanteile entsprechend auszuzahlen. In der Literatur wird die Eignung dieses Merkmals zur Einordnung ausländischer Vehikel 102 streitig diskutiert,4 in der Rspr. jedoch in jüngerer Zeit zur Abgrenzung herangezogen.5 Im Urteil vom 20.8.20086 stimmte der BFH dem Merkmalskatalog der FinVerw., der auch das Kriterium der Gewinnzuteilung enthält, zu. Es spricht mithin für die Einordnung als Personengesellschaft, wenn Gewinnausschüttungen keinen Beschluss der Gesellschafterversammlung voraussetzen. Auch im Beschl. v. 18.5.2021 wurde die Gewinnzuteilung vom BFH als ein für die Einordnung als Personen- oder Kapitalgesellschaft besonders bedeutsames Kriterium eingestuft.7

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Vgl. OFD Frankfurt v. 15.6.2016 – S 2241 A - 107 – St 213, IStR 2016, 860, unter B.II.3. a.E. So auch Schnittker in W/R/S2, Rz. 3.28. BFH v. 18.5.2021 – I B 76/20, BFH/NV 2021, 1491; vgl. zur Einordnung unter Rz. 92. Henke/Lang, IStR 2001, 518; Schnittker/Lemaitre, GmbHR 2003, 1314 (1317). FG Ba.-Wü. v. 14.1.2009 – 4 K 4968/08, rkr., RIW 2009, 887. BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BFH/NV 2008, 2123. BFH v. 18.5.2021 – I B 76/20, BFH/NV 2021, 1491 Rz. 29; näher hierzu unter Rz. 90 ff. Behrens/Kammeter | 113

§ 1 Rz. 103 | Anwendungsbereich 6. Kapitalaufbringung 103 Bei einer Körperschaft sind die Gesellschafter verpflichtet, das Gesellschaftskapital durch Ein-

lagen aufzubringen. Demgegenüber wird bei einer Personengesellschaft die Bereitstellung von Eigenkapital nicht gesetzlich gefordert. Deshalb spricht es nach Ansicht der FinVerw. für die Einordnung als Personengesellschaft, wenn im Gesellschaftsvertrag auf Einlagen verzichtet wird oder Einlagen auch in Form von Dienstleistungen erbracht werden dürfen.1 Dies gilt u.E. auch dann, wenn nur einer der Gesellschafter (und zwar i.d.R. der general partner) keine Einlage in Form von Kapital aufbringen muss. Der Komplementär bzw. general partner ist u.E. auch dann nicht zur Kapitalaufbringung verpflichtet, wenn er der Gesellschaft Kapital zur Verfügung stellen muss, damit diese ihre Verbindlichkeiten erfüllen kann, soweit dieses Kapital an den general partner zurückzuzahlen ist, sobald die Gesellschaft wieder ausreichend Kapital hat. Dieses Kriterium sollte u.E. selbst dann für die Einordnung als Personengesellschaft sprechen, wenn die ausländische Gesellschaftsform von Gesetzes wegen auf dem Konzept des wechselseitigen Vertrauens basiert und kein Konzept eines Mindestkapitals kennt, nach dem Gesellschaftsvertrag im konkreten Fall jedoch alle Gesellschafter zur Leistung monetärer Einlagen bzw. von Sacheinlagen verpflichtet sind. Teilweise wird infrage gestellt, inwieweit das Merkmal der Kapitalaufbringung überhaupt noch zur Abgrenzung herangezogen werden kann, seitdem es mit der Unternehmergesellschaft2 möglich ist, eine KapGes. auch ohne wesentliches Eigenkapital zu gründen.3 Der BFH hat diese Frage offengelassen.4 Jedenfalls wurde das Merkmal „Kapitalaufbringung“ vom BFH als nachrangiges Kriterium eingestuft, sodass das Merkmal zumindest nicht geeignet ist, um eine auf die drei besonders bedeutsamen Kriterien „Geschäftsführung und Vertretung“, „beschränkte Haftung“ und „Gewinnzuteilung“ gestützte Einordnung in Zweifel zu ziehen.5 7. Unbegrenzte Lebensdauer der Gesellschaft

104 Ein Wesensmerkmal der Körperschaft ist die grds. unbegrenzte – d.h. vom Gesellschafter-

bestand unabhängige – Lebensdauer der Gesellschaft. Seit dem Inkrafttreten des Handelsrechtsreformgesetzes vom 22.6.19986 führen auch bei einer Personenhandelsgesellschaft der Tod, die Kündigung oder die Insolvenz eines Gesellschafters nicht mehr zur Auflösung der Gesellschaft, sondern zum Ausscheiden des betreffenden Gesellschafters aus der Gesellschaft (vgl. § 131 HGB). Nach Verwaltungsansicht lässt sich dieses Kriterium deshalb zur Einordnung nur noch begrenzt verwenden, und zwar dann, wenn die Lebensdauer nach ausländischem Recht oder nach dem Gesellschaftsvertrag begrenzt ist oder es sich bei der Gesellschaft nicht um eine Personenhandelsgesellschaft handelt.7 Zukünftig dürfte dieses Merkmal weder bei Personenhandelsgesellschaften noch bei Nicht-Personenhandelsgesellschaften eine tragende Rolle spielen, da ab dem 1.1.2024 durch die Änderungen des MoPeG auch für BGBGesellschaften der Grundsatz „Ausscheiden vor Auflösung“ gelten wird.8

1 OFD Frankfurt v. 15.6.2016 – S 2241 A - 107 – St 213, IStR 2016, 860, unter B.II.5.; BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA – 22/04, BStBl. I 2004, 411. 2 Die Gründung einer UG ist bereits mit einem Mindesteigenkapital von einem Euro möglich. 3 FG München v. 10.11.2020 (6 V 1784/20, EFG 2021, 143) misst der fehlenden Beitragspflicht bei Gründung mit Verweis auf die Unternehmergesellschaft keine gewichtige Indizwirkung bei; so auch Linn/Maywald, IStR 2021, 825 (829); Siebenhüter, EFG 2021, 143 (145). 4 BFH v. 18.5.2021 – I B 76/20 (AdV), IStR 2021, 971 (974) Rz. 29. 5 BFH v. 18.5.2021 – I B 76/20 (AdV), IStR 2021, 971 (974) Rz. 29; näher hierzu unter Rz. 92. 6 BGBl. I 1998, 1474. 7 OFD Frankfurt v. 15.6.2016 – S 2241 A - 107 – St 213, IStR 2016, 860 Rz. 26. 8 Linn/Maywald, IStR 2021, 825 (829). Inwiefern dieses Merkmal dann noch zur Abgrenzung von Personen- und Kapitalgesellschaften taugt, darf zumindest angezweifelt werden.

114 | Behrens/Kammeter

D. Einschränkung des Anwendungsbereichs des InvStG (Abs. 3) | Rz. 108 § 1

Nach Verwaltungsansicht ist von der unbegrenzten Lebensdauer der Gesellschaft auszugehen, 105 wenn das ausländische Gesellschaftsrecht zwar die Auflösung der Gesellschaft aus den genannten oder vergleichbaren Gründen bestimmt, die Gesellschafter aber trotz Vorliegens eines Auflösungsgrundes die Fortsetzung der Gesellschaft vereinbaren können und diese Fortsetzung im Gesellschaftsvertrag von vornherein ohne weitere Bedingungen festgelegt ist.1 Die Annahme einer begrenzten Lebensdauer setzt nach Verwaltungsansicht voraus, dass die Gesellschaft bei Eintritt bestimmter Ereignisse ohne weiteres Zutun der Gesellschafter aufgelöst wird. Sie sei deshalb anzunehmen, wenn bei Vorliegen eines Auflösungsgrundes die Fortführung der Gesellschaft mit den übrigen Gesellschaftern von einem gesondert zu fassenden Gesellschafterbeschluss abhängt. Für die Annahme einer begrenzten Lebensdauer reicht es nach Verwaltungsansicht aus, wenn das ausländische Recht oder der Gesellschaftsvertrag zumindest ein Ereignis als Auflösungsgrund benennt. Sei der Eintritt eines solchen Ereignisses jedoch realistischerweise nicht zu erwarten, sei dieses Ereignis nicht als Auflösungsgrund anzuerkennen.2 Weil eine deutsche KG nicht aufgelöst wird, wenn ein Gesellschafter der KG durch Tod, Kün- 106 digung oder Insolvenz aus der KG ausscheidet, steht eine vergleichbare Rechtslage der Einordnung auch eines ausländischen Rechtsgebildes als Personengesellschaft u.E. nicht entgegen. Dafür, dieses Kriterium als für die Einordnung des Gebildes als Personengesellschaft erfüllt zu werten, reicht es u.E. aus, wenn das Rechtsgebilde bei Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters automatisch beendet wird.3 Denn auch bei der deutschen KG tritt deren Beendigung mit dem Austritt des vorletzten Gesellschafters ein.4 Das Kriterium der begrenzten Lebensdauer der Gesellschaft ist als für die Einordnung als Per- 107 sonengesellschaft sprechend zu werten, wenn der Tod oder die Insolvenz nur eines der Gesellschafter (z.B. des general partner) bzw. die Kündigung nur durch einen Gesellschafter zur Auflösung bzw. Beendigung der Gesellschaft führt.5 Der BFH misst dem Merkmal der Lebensdauer eine nur untergeordnete Bedeutung gegenüber den drei aus seiner Sicht besonders bedeutsamen Katalogkriterien „Geschäftsführung und Vertretung“, „beschränkte Haftung“ und „Gewinnzuteilung“ zu.6 8. Gewinnverteilung Bei einer Körperschaft bemisst sich der Gewinnanteil des Gesellschafters i.d.R. nach dem Ver- 108 hältnis der Aktiennennbeträge (vgl. bei der AG § 60 Abs. 1 AktG) bzw. nach den Geschäftsanteilen (vgl. bei der GmbH § 29 Abs. 3 GmbHG). Im Fall von Personengesellschaften erfolgt die Verteilung i.d.R. nach Maßgabe der Einlagen und im Übrigen nach Köpfen (vgl. §§ 161, 168 HGB). Die Verteilbarkeit eines Teils des Gewinns unabhängig von der Einlage berücksichtigt den persönlichen Einsatz des Gesellschafters in einer Personengesellschaft, während bei dem Gesellschafter einer Körperschaft die Stellung als Kapitalgeber im Vordergrund steht.7 1 OFD Frankfurt v. 15.6.2016 – S 2241 A - 107 – St 213, IStR 2016, 860 Rz. 27. 2 OFD Frankfurt v. 15.6.2016 – S 2241 A - 107 – St 213, IStR 2016, 860, Rz. 28. 3 Dies gilt auch nach Inkrafttreten des MoPeG weiterhin, da sich durch dieses nichts an dem Grundsatz ändert, dass eine Personengesellschaft mindestens aus zwei Gesellschaftern bestehen muss; vgl. § 712a Abs. 1 BGB i.d.F. ab 1.1.2024. 4 Die Vermögensgegenstände und Schulden der KG gehen kraft Anwachsung nach § 738 BGB auf den letzten „Gesellschafter“ über. 5 Dies kann ab dem Inkrafttreten des MoPeG wohl nicht mehr in der Form zur Abgrenzung herangezogen werden, da unter Geltung des neuen § 723 BGB die genannten Gründe nur noch dann zur Auflösung der Gesellschaft führen, wenn dies im Gesellschaftsvertrag vereinbart wurde. Der gesetzliche Normalfall sieht dann folglich die Fortführung der Gesellschaft vor. 6 BFH v. 18.5.2021 – I B 76/20 (AdV), IStR 2021, 971 (974) Rz. 29; näher hierzu unter Rz. 90 ff. 7 So auch OFD Frankfurt v. 15.6.2016 – S 2241 A - 107 – St 213, IStR 2016, 860, unter B.II 7. Behrens/Kammeter | 115

§ 1 Rz. 109 | Anwendungsbereich 109 Das Kriterium der Gewinnverteilung spricht für die Einordnung als Personengesellschaft,

wenn auch nur einer der Gesellschafter (z.B. der general partner) trotz nicht geleisteter Einlage einen Geschäftsführungs-Gewinnvorab oder wenn sog. carried interest partner einen kapitaldisproportionalen carried interest erhalten. Denn bereits unter diesen Vorrausetzungen liegt keine sich streng am Verhältnis der Aktiennennbeträge oder Geschäftsanteile richtende Gewinnverteilung vor.

110 Durch das MoPeG wird die Gewinnverteilung bei Personenhandelsgesellschaften (§ 120

Abs. 1 Satz 2 HGB i.d.F. v. 1.1.2024) und Nicht-Personenhandelsgesellschaften (§ 709 Abs. 3 BGB i.d.F. v. 1.1.2024) neu geregelt. Künftig kommt es damit vorrangig „auf die Anteilsquote, hilfsweise auf die Beitragsquote und lediglich höchsthilfsweise auf die Kopfteile“ an.1 Durch die Annäherung an die Gewinnverteilung von KapGes. dürfte das Merkmal der Gewinnverteilung ab 2024 kein taugliches Abgrenzungskriterium mehr sein.2

111 Bereits jetzt misst der BFH dem Merkmal der Gewinnverteilung eine geringere Bedeutung zu

als den drei seines Erachtens vorrangigen Katalogkriterien „Geschäftsführung und Vertretung“, „beschränkte Haftung“ und „Gewinnzuteilung“.3 9. Formale Gründungsvoraussetzungen

112 Die Entstehung einer KapGes. (AG, KGaA, GmbH) setzt deren Eintragung in das Handels-

register voraus. Die Eintragung erfolgt erst nach einer Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Errichtung und Anmeldung. Zur Errichtung einer KapGes. muss somit der Gesellschaftsvertrag zu seiner Durchführbarkeit durch eine „öffentliche Instanz“ bestätigt werden.4 Der Abschluss eines Gesellschaftsvertrags allein genügt nicht, damit dieses Kriterium i.S.d. Einordnung des Rechtsgebildes als Körperschaft erfüllt ist. Personenhandelsgesellschaften entstehen dagegen bereits durch den Gesellschaftsvertrag; ihre Eintragung ins Handelsregister hat gem. § 123 HGB nur Bedeutung für die Wirksamkeit gegenüber Dritten.5

113 Soweit ein ausländisches Rechtsgebilde grds. mit Abschluss des Gesellschaftsvertrags ge-

gründet ist und die Eintragung in ein Handelsregister bzw. eine irgendwie geartete Bestätigung des Gesellschaftsvertrags durch eine „öffentliche Instanz“ für die rechtliche Existenz der Gesellschaft nicht erforderlich ist, sprechen diese Gründungsvoraussetzungen u.E. für die Einordnung des Rechtsgebildes als Personengesellschaft.

114 Der BFH zählt dieses Merkmal nicht zu den besonders bedeutsamen Katalogkriterien bei der

Einordnung einer ausländischen Gesellschaft als Personen- oder Kapitalgesellschaft.6

IV. Unternehmensbeteiligungsgesellschaften 115 Ebenfalls keine Investmentfonds i.S.v. InvStG 2018 sind Unternehmensbeteiligungsgesell-

schaften i.S.v. § 1a Abs. 1 des Gesetzes über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften. Diese waren schon nach § 1 Abs. 1a InvStG a.F. vom Anwendungsbereich des InvStG ausgenommen. Unternehmensbeteiligungsgesellschaften („UBG“) müssen nach § 1a Abs. 1 UBGG von der zuständigen Behörde als solche anerkannt werden und bestimmte Anforderungen nach § 2 UBGG hinsichtlich Rechtsform, Unternehmensgegenstand, Sitz und Kapital erfüllen.

1 2 3 4 5 6

RegE MoPeG v. 8.1.2021, 283. Linn/Maywald, IStR 2021, 825 (829). BFH v. 18.5.2021 – I B 76/20 (AdV), IStR 2021, 971 (974) Rz. 29; näher hierzu unter Rz. 90 ff. BFH v. 23.6.1992 – IX R 182/87, BStBl. II 1992, 972. So auch OFD Frankfurt v. 15.6.2016 – S 2241 A - 107 – St 213, IStR 2016, 860, unter B.II.8. BFH v. 18.5.2021 – I B 76/20 (AdV), IStR 2021, 971 (974) Rz. 29; näher hierzu unter Rz. 90 ff.

116 | Behrens/Kammeter

D. Einschränkung des Anwendungsbereichs des InvStG (Abs. 3) | Rz. 117 § 1

Sind diese Voraussetzungen gegeben, geht das UBGG als lex specialis dem InvStG vor.1 Das UBGG ist ein Vorläufer des KAGB, das private-equity- und venture capital-Fonds erstmals – allerdings auf freiwilliger Basis – einer Art Regulierung unterwarf. Auch hier stand bereits der Anlegerschutz im Vordergrund, der durch eine Beschränkung der Anlagepolitik erreicht werden sollte.2 Sitz und Geschäftsleitung einer Unternehmensbeteiligungsgesellschaft müssen im Inland oder in einem EU-/EWR-Mitgliedstaat liegen und der Unternehmensgegenstand muss satzungsmäßig auf Erwerb, Halten, Verwaltung und Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen i.S.v. UBGG beschränkt sein (vgl. § 2 Abs. 2 und 3 UBGG). Obwohl die Unternehmensbeteiligungsgesellschaft alle Voraussetzungen für das Vorliegen eines Investmentvermögens nach § 1 Abs. 1 KAGB erfüllt, gelten (vorbehaltlich etwaiger Sonderregeln) abhängig von der Rechtsform der UBG die Vorschriften des KStG oder EStG. Unternehmensbeteiligungsgesellschaften sind nach § 3 Nr. 23 GewStG von der GewSt befreit. Gewinnanteile, die die Gesellschafter der Unternehmensbeteiligungsgesellschaft von dieser erhalten, sind unter den Voraussetzungen der § 9 Nr. 2a GewStG ebenfalls von der GewSt befreit.

V. Kapitalbeteiligungsgesellschaften im öffentlichen Interesse Keine Investmentfonds i.S.v. InvStG sind Kapitalbeteiligungsgesellschaften, die im öffentlichen 116 Interesse mit Eigenmitteln oder mit staatlicher Hilfe Beteiligungen erwerben. Unter § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 fallen im Wesentlichen von der öffentlichen Hand getragene Mittelständische Beteiligungsgesellschaften. Sie sind vom Anwendungsbereich des InvStG 2018 ausgenommen, weil ihr eigentlicher Zweck nicht auf die kollektive Vermögensanlage gerichtet ist. Schon nach § 1 Abs. 1a Nr. 3 InvStG a.F. waren solche Kapitalbeteiligungsgesellschaften vom Anwendungsbereich des InvStG a.F. ausgenommen und den allgemeinen Besteuerungsregelungen unterworfen.3 Der Begriff der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft ist gesetzlich nicht definiert. Ge- 117 meint sind Kapitalbeteiligungsgesellschaften, deren Tätigkeit sich auf die Versorgung mittelständischer Unternehmen mit Eigenkapital und eigenkapitalähnlichen Instrumenten mit dem Ziel der regionalen Wirtschaftsförderung konzentriert.4 Weil der Bundesrat im Gesetzgebungsprozess nicht mit seiner Forderung durchgedrungen war, derartige Kapitalbeteiligungsgesellschaften vom Anwendungsbereich des KAGB auszuschließen,5 musste die Ausnahme vom Anwendungsbereich des InvStG in § 1 Abs. 1a Nr. 3 InvStG a.F. bzw. § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 InvStG 2018 geregelt werden. Nach Ansicht der BaFin sind Mittelständische Beteiligungsgesellschaften nicht als Investmentvermögen anzusehen, wenn sie nicht zum Nutzen ihrer Anleger investieren, sondern nur im öffentlichen Interesse für die Zwecke der Wirtschaftsförderung tätig werden; das Merkmal des öffentlichen Interesses erfordert es nicht, dass die Gesellschaft ausschließlich öffentlich-rechtliche Gesellschafter hat.6 Auf dieser Grundlage handelt es sich bei § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 InvStG 2018 (wie auch schon bei § 1 Abs. 1a Nr. 3 InvStG a.F.) um eine Klarstellung des Gesetzgebers. Organismen, die nicht auf die kollektive Vermögensanlage ausgerichtet sind, sind schon nach § 1 Abs. 1 KAGB keine Investmentvermögen. Eine Begrenzung auf eine bestimmte Rechtsform ist § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 nicht zu entnehmen. Typischerweise sind Gesellschafter Mittelständischer Beteiligungsgesellschaften Landeseinrichtungen der Wirtschaftsförderung, von Kammern, der Wirt1 BR-Drucks. 740/13 v. 8.11.2013, 57, in der auf die spezialgesetzliche Regelung im UBGG hingewiesen wird. 2 Mann in W/B/A3, Anh. 2 AIFM-StAnpG Rz. 71. 3 BR-Drucks. 740/13 v. 8.11.2013, 58. 4 BR-Drucks. 791/1/12, 3. 5 BR-Drucks. 791/1/12, 3 f. 6 BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, Tz. II.6. Behrens/Kammeter | 117

§ 1 Rz. 117 | Anwendungsbereich schaftsverbände und der Bankenverbände. Mittelständische Beteiligungsgesellschaften haben die Aufgabe, im Rahmen der öffentlichen Förderprogramme durch Zuführung des Beteiligungskapitals zu günstigen Bedingungen kleine und mittlere Unternehmen zu unterstützen und die Neugründung mittelständischer Unternehmen zu erleichtern.1 Die Auslegung von § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 orientiert sich an § 3 Nr. 24 GewStG, der eine § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 vergleichbare, wenn auch etwas engere Formulierung enthält. Die dort im Einzelnen genannten Gesellschaften unterfallen jedenfalls auch § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4. In der Regel haben Mittelständische Beteiligungsgesellschaften die Rechtsform der GmbH. Zudem fehlt es i.d.R. am Einsammeln von Kapital, weil die im öffentlichen Interesse tätigen Kapitalbeteiligungsgesellschaften i.d.R. nicht aktiv am Markt tätig werden.2

VI. REIT-Aktiengesellschaften 118 Keine Investmentfonds i.S.d. InvStG sind gem. § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 InvStG sog. REIT-Ak-

tiengesellschaften nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über deutsche Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen (REIT-Gesetz) und andere REIT-Körperschaften, -Personenvereinigungen oder -Vermögensmassen nach § 19 Abs. 5 REIT-Gesetz. Mit dem REITGesetz vom 28.5.20073 war in Deutschland ein weiteres Anlagevehikel für die kollektive Anlage in Immobilienwerten geschaffen worden.4 Kennzeichnend für diesen – neben offenen Immobilienfonds in Form von Sondervermögen und geschlossenen Fonds in personengesellschaftsrechtlicher Form – weiteren Typ von Immobilienfonds ist primär seine steuerrechtliche Privilegierung, die auch der Grund dafür ist, dass die REIT-Aktiengesellschaft nicht im InvG und anschließend im KAGB geregelt worden ist, sondern im REIT-Gesetz.5

119 Zur Definition der REIT-Aktiengesellschaften verweist § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 auf die Regelun-

gen in § 1 Abs. 1 und § 19 Abs. 5 REIT-Gesetz, die wie folgt lauten:

„REIT-Aktiengesellschaften sind Aktiengesellschaften, deren Unternehmensgegenstand sich darauf beschränkt, 1. Eigentum oder dingliche Nutzungsrechte an a) inländischem unbeweglichen Vermögen mit Ausnahme von Bestandsmietwohnimmobilien, b) ausländischem unbeweglichen Vermögen, soweit dies im Belegenheitsstaat im Eigentum einer REIT-Körperschaft, -Personenvereinigung oder -Vermögensmasse oder einer einem REIT vergleichbaren Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse stehen darf und c) anderen Vermögensgegenständen im Sinne des § 3 Abs. 7 zu erwerben, zu halten, im Rahmen der Vermietung, der Verpachtung und des Leasings einschließlich notwendiger immobiliennaher Hilfstätigkeiten zu verwalten und zu veräußern, 2. Anteile an Immobilienpersonengesellschaften zu erwerben, zu halten, zu verwalten und zu veräußern, 3. Anteile an REIT-Dienstleistungsgesellschaften zu erwerben, zu halten, zu verwalten und zu veräußern, 4. Anteile an Auslandsobjektgesellschaften zu erwerben, zu halten, zu verwalten und zu veräußern sowie 5. Anteile an Kapitalgesellschaften zu erwerben, zu halten, zu verwalten und zu veräußern, die persönlich haftende Gesellschafter einer Gesellschaft im Sinne der Nummer 2 und an dieser vermögensmäßig nicht beteiligt sind und deren Aktien zum Handel an einem organisierten Markt im Sinne von § 2 Absatz 11 des Wertpapierhandelsgesetzes in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zugelassen sind.“ 1 2 3 4 5

Sarrazin in Lenski/Steinberg, § 3 Nr. 24 GewStG Rz. 2 (Stand: März 2022); BR-Drucks. 791/1/12, 3 f. Mann in W/B/A3, Anh. 2 AIFM-StAnpG Rz. 79. BGBl. I 2007, 914. Frey/Harbarth, ZIP 2007, 1177; Wicke/Bachner, ZfIR 2007, 697; Quass/Becker, AG 2007, 421. Systematisch richtig, vgl. Köndgen in Berger/Steck/Lübbehüsen, Einleitung InvG Rz. 32.

118 | Behrens/Kammeter

D. Einschränkung des Anwendungsbereichs des InvStG (Abs. 3) | Rz. 120 § 1 „Andere REIT-Körperschaften, -Personenvereinigungen oder -Vermögensmassen im Sinne dieser Vorschrift sind alle Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen, die nicht im Inland ansässig sind, deren Bruttovermögen zu mehr als zwei Dritteln aus unbeweglichem Vermögen besteht, deren Bruttoerträge zu mehr als zwei Dritteln aus der Vermietung und Verpachtung und der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen stammen, die in ihrem Sitzstaat keiner Investmentaufsicht unterliegen, deren Anteile im Rahmen eines geregelten Marktes gehandelt werden und deren aus Immobilien stammenden Ausschüttungen an ihre Anleger nicht mit einer der deutschen Körperschaftsteuer vergleichbaren ausländischen Steuer in ihrem Sitzstaat vorbelastet sind.“

Aufsichtsrechtlich kann die Frage, ob eine REIT-Aktiengesellschaft als Investmentvermögen zu 120 qualifizieren ist, nach Ansicht der BaFin nicht allgemein, sondern – wie bei den (börsennotierten) Immobiliengesellschaften – nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden.1 Wie bei (börsennotierten) Immobilien-Aktiengesellschaften verweist die BaFin darauf, dass, wenn der Unternehmensgegenstand auf den Erwerb, die Vermietung, die Verpachtung, die Verwaltung sowie den Verkauf von Immobilien und nicht auf eine operative Tätigkeit ausgerichtet ist, eine Abgrenzung nur anhand des Tatbestandsmerkmals „festgelegte Anlagestrategie“ i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB vs. „allgemeine Unternehmensstrategie“ erfolgen kann.2 In der Literatur wurde demgegenüber geltend gemacht, dass das REIT-Gesetz Vorrang vor dem KAGB habe und die REIT-Aktiengesellschaft schon per se nicht als Investmentvermögen einzustufen sei.3 REIT-Aktiengesellschaften unterlägen teilweise noch strengeren Regulierungen als denen, die das KAGB für KVGs statuiert, weil sie dem börsengesellschaftlichen Regelungsregime unterfallen. Auch seien die Regelungen zur Vorhaltung von Eigenkapitalreserven wesentlich strenger.4 Die Anwendung des KAGB neben dem REIT-Gesetz führe zu Friktionen und Wertungs- und Logikwidersprüchen.5 Zudem liege wegen der erheblichen Flexibilität bei der Gestaltung der Unternehmenspolitik eher keine Anlagestrategie i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB vor.6 Für die Besteuerung der REIT-Aktiengesellschaften und ihrer Aktionäre ist diese Diskussion seit dem 1.1.2018 ohne Bedeutung, weil § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 InvStG REIT-Aktiengesellschaften und andere REIT-Körperschaften, -Personenvereinigung und -Vermögensmassen i.S.v. §§ 1 Abs. 1, 19 Abs. 5 REIT-Gesetz ohne weitere Voraussetzungen aus dem Anwendungsbereich des InvStG ausnimmt. Bis 31.12.2003 waren ausländische REIT-Aktiengesellschaften (insbes. US-REITs) als ausländische Investmentvermögen dem AuslInvestmG unterworfen worden.7 Schon zuvor war für die Zeit ab Inkrafttreten des REIT-Gesetzes anerkannt, dass die REIT-Aktiengesellschaften und deren Aktionäre allein unter das REIT-Gesetz fallen.8 Zuvor zählte die FinVerw. Gesellschaftsvermögen von ausländischen Immobilienunternehmen nicht zu den ausländischen Investmentvermögen i.S.v. InvStG a.F., deren Anteile an einer Börse zum amtlichen Markt zugelassen oder in einen anderen organisierten Markt einbezogen waren und die in ihrem Sitzstaat keiner Investmentsaufsicht unterlagen.9 1 BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, Tz. II.2. 2 BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, Tz. II.1. 3 Conradi/Jander-McAlister, WM 2014, 733 (734); Jesch in Baur/Tappen/Mehrkhah/Behme, Investmentgesetze, Band 1, 4. Aufl. 2020, § 1 KAGB Rz. 21. 4 Merkt, BB 2013, 1986 (1987). 5 Vgl. auch Eckhold/Balzer in Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl. 2015, § 22 Rz. 23. 6 Merkt, BB 2013, 1986 (1989 f.). 7 Brinkhaus/Schmitt in Brinkhaus/Scherer, KAGG/AuslInvestmG, 2003, Vor §§ 16 bis 20 AuslInvestmG Rz. 14. 8 Vgl. Berger in Berger/Steck/Lübbehüsen, § 1 InvStG Rz. 140. 9 BMF v. 2.6.2005 – IV C 1 - S 1980 – 1 – 87/05, BStBl. I 2005, 728 gültig bis 17.8.2009, Tz. 6, zweiter Spiegelstrich, mit dem Hinweis darauf, dass Investmentaufsicht eine Aufsicht sei, die über eine Bankoder Wertpapieraufsicht und die Überprüfung steuerlicher Voraussetzungen hinaus aus Gründen des Anlegerschutzes gesetzliche Vorgaben zur Struktur des Portfolios kontrolliert (Wahrung des Grundsatzes der Risikomischung). Vgl. Auch BMF v. 18.8.2009 – IV C 1-S 1980-1/08/10019, Tz. 6. Behrens/Kammeter | 119

§ 1 Rz. 121 | Anwendungsbereich 121 Aus fiskalischer Sicht ist die Herausnahme aller REIT-Gesellschaften aus dem Anwendungs-

bereich des InvStG insofern angezeigt, als die inländischen REIT-Aktiengesellschaften nach § 13 Abs. 1 REITG einer Ausschüttungsverpflichtung unterliegen, die über das investmentsteuerrechtliche Minimum in Form der vormaligen ausschüttungsgleichen Erträge und der heutigen Vorabpauschale regelmäßig hinausreicht: 90 % des handelsrechtlichen Jahresüberschusses. Die Entlastung des inländischen Anlegers (auch in ausländischen REIT-Pendants i.S.v. § 19 Abs. 5 REITG) ist an eine entsprechende Vorbelastung geknüpft (§ 19a REITG). In der Regel sind diese Entlastungen (aufgrund der im Inlandsfall nach § 16 Abs. 1 REITG bedingten bzw. der definitorischen Steuerfreiheit der anderen REIT-Gesellschaften nach § 19 Abs. 5 REITG) allerdings ausgeschlossen (§ 19 Abs. 3 REITG, wonach vorbehaltlich § 19a REITG die Regelungen in § 3 Nr. 40 EStG und § 8b KStG nicht anwendbar sind).

122 Die Anwendung von DBA-Schachtelprivilegien auf Ausschüttungen und sonstige Bezüge aus

ausländischen REITs in der Rechtsform (nach dem sog. Rechtstypenvergleich) einer KapGes. ist nach § 19 Abs. 6 REIT-Gesetz vorbehaltlich der Regelungen in § 19a REIT-Gesetz in Bezug auf steuerliche Vorbelastungen der ausgeschütteten Gewinne ausgeschlossen. Gemäß § 19 Abs. 6 REIT-Gesetz ist die Doppelbesteuerung insoweit unbeschadet des DBA nicht durch Freistellung, sondern durch Anrechnung der auf diese Einkünfte erhobenen ausländischen Steuer zu vermeiden. Für ausländische REITs in der Rechtsform einer KapGes. erfüllt § 19 Abs. 6 REIT-Gesetz daher die Funktion von § 16 Abs. 4 InvStG in Bezug auf die Anwendbarkeit von DBA-Schachtelprivilegien auf Ausschüttungen der ausländischen KapGes.

E. Sondervermögen und vergleichbare ausländische Rechtsformen (Abs. 3 Satz 2) 123 § 1 Abs. 3 Satz 2 regelt, dass Sondervermögen und vergleichbare ausländische Rechtsformen nicht

als Personengesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 gelten, unabhängig davon, ob sie nach dem sog. Typenvergleich überwiegend die Merkmale einer Personengesellschaft erfüllen und deshalb als Personengesellschaft einzuordnen wären. Solche Sondervermögen und vergleichbare ausländische Rechtsformen (Investmentfonds des Vertragstyps), wie z.B. Luxemburger Fonds commun de placement (FCP), französischer Fonds commun de placement à risque (FCPR) und Fonds communs de placement dans l'innovation (FCPI), italienischer Fondo chiuso, spanischer Fondo de capital-riesgo (FCR) und Schweizer Anlagefonds, sind nicht vom Anwendungsbereich des InvStG 2018 ausgenommen.Vor Geltung des InvStG 2018 war die Einordnung ausländischer Fonds in Vertragsform als Personen- oder Kapital-Investitionsgesellschaften strittig.1 Dieser insbes. zu § 18 InvStG a.F. geführte Streit ist für das InvStG 2018 erledigt.2 Zum Teil ähneln derartige Fonds auf Grundlage des sog. Rechtstypenvergleichs3 eher der Personengesellschaft als der KapGes., sodass § 19 Abs. 1 Satz 3 InvStG a.F. ihrer Einordnung als Kapital-Investitionsgesellschaft und damit Vermögensmasse i.S.v. § 2 Nr. 1 KStG eigentlich entgegenstand. In der FinVerw. gab es eine Tendenz, solche Fonds als Kapital-Investitionsgesellschaften i.S.v. § 19 InvStG zu behandeln.4 1 Z.B. Bruge/Bujotzek/Steinmüller, DB 2016, 1595; Helios/Mann, DB-Sonderausgabe 1/2016, 7. 2 Mann in W/B/A3, § 1 InvStG Rz. 26. 3 RFH v. 12.2.1930 – VI A 899/27, RStBl. 1930, 444; BFH v. 23.6.1992 – IX R 182/87, BStBl. II 1992, 972; v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521; v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263; vgl. auch BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 Tabellen 1 und 2; v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1303 USA – 22/04, BStBl. I 2004, 411. 4 Motivation hierfür dürfte nicht zuletzt ein praktikabler Verwaltungsvollzug gewesen sein, wie er gerade bei einer Inbound-Investition eines solchen Vehikels zur Herausforderung werden kann. Es ist nicht auszuschließen, dass das Ergebnis – ein Investor (Körperschaftsteuersubjekt) vs. unzählige Einzelanleger (Personengesellschaft) – die Rechtsanwendung (d.h. die Durchführung des Typenvergleichs) hier im Einzelfall beeinflusst hat.

120 | Behrens/Kammeter

F. Option zur Körperschaftsbesteuerung nach § 1a KStG (Abs. 3 S. 3) | Rz. 125 § 1

Nach der Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 handelt es sich um eine Klarstellung, 124 dass sich Sondervermögen und vergleichbare ausländische Rechtsformen als Investmentfonds qualifizieren und sich nicht deren Besteuerungsregime entziehen können.1 Unseres Erachtens regelt § 1 Abs. 3 Satz 2 InvStG 2018 eine sog. unwiderlegliche Vermutung. Bei entsprechender Ausgestaltung kommt die Einordnung eines ausländischen Sondervermögens in Vertragsform als Personengesellschaft auf Grundlage des sog. Typenvergleichs in Betracht. So kann in der Vereinbarung der Anlagetätigkeit im Fondsvertrag (Règlement) die Regelung eines gemeinsamen Zwecks erkannt werden, wie sie für eine Personen- bzw. Kommanditgesellschaft typisch und für ein Sondervermögen eher untypisch ist. Die Rückgabe von Anteilen kann ausgeschlossen und an deren Stelle die Übertragbarkeit der Anteile auf Dritte vorgesehen sein. Häufig ist die Übertragbarkeit der Anteile ausgeschlossen bzw. unter strenge Voraussetzungen gestellt, was die innere Verbundenheit der Anleger z.B. eines französischen FPCI im Sinne eines geschlossenen Fonds im Gegensatz zu den Anteilsscheininhabern eines Sondervermögens belegt. Das Règlement eines FPCI kann zudem eine abweichende Beteiligung der Anleger an den Gewinnen und Verlusten sowie am Liquidationserlös vorsehen, d.h., es findet häufig anders als bei einem deutschen Sondervermögen keine schematische Durchrechnung auf die Anleger statt. Zudem besteht am Fondsvermögen ggf. ein gemeinsames Eigentum mit Merkmalen eines Gesamthandsvermögens. Ausländische Sondervermögen können rechtlich verselbstständigte Gebilde darstellen, die in einer für deutsche Sondervermögen untypischen Weise Rechte und Pflichten erwerben können. Die Verwaltungsgesellschaft tritt ggf. im fremden Namen des FPCI bzw. von deren Anteilseignern auf, wo hingegen nach der Konstruktion des Sondervermögens die KVG im eigenen Namen für Rechnung der Anteilsinhaber nach außen auftritt. Zudem könnte die Ansicht vertreten werden, dass der Umstand, dass die Verwaltungsgesellschaft nicht Gesellschafter des FPCI wird, der Vergleichbarkeit zur Personengesellschaft nicht entgegenstehe, weil auch bei Personengesellschaften Fremdgeschäftsführer zur rechtsgeschäftlichen Geschäftsführung der Gesellschaft auf Grundlage eines Dienstleistungsvertrags oder Auftragsverhältnisses tätig werden können. Weil ausländische Sondervermögen ggf. Träger von Verbindlichkeiten sein können, ist ggf. geregelt, dass nur das Sondervermögen und die Anteilseigner des Sondervermögens nur mit ihrem Anteil an den gehaltenen Vermögensgegenständen haften. Im Zusammenhang mit den Spezialvorschriften zum FPCI, die für den Bereich von private equity einen geschlossenen Fonds mit abweichender Gewinnverteilung ermöglichen, geht diese Haftungsregelung stark in die Richtung einer Haftungsbeschränkung, wie sie für deutsche KGs typisch ist. Demgegenüber ist eine Haftungsregelung im Bereich der Sondervermögen nicht denkbar, weil das Sondervermögen selbst keinerlei Verbindlichkeiten begründen kann. Für Zwecke der Frage nach der Anwendbarkeit des InvStG 2018 sind all diese Erwägungen wegen § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG unter der Geltung des InvStG 2018 irrelevant.

F. Option zur Körperschaftsbesteuerung nach § 1a KStG (Abs. 3 S. 3) Durch das G zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts v. 25.6.20212 ist in einem neu- 125 en Satz 3 von § 1 Abs. 3 InvStG geregelt worden, dass Investmentvermögen in der Rechtsform einer Personengesellschaft, wenn es sich um keine OGAW i.S.v. § 1 Abs. 2 KAGB und um keine Altersvorsorgevermögensfonds nach § 53 InvStG handelt, also Investmentvermögen, die kraft ihrer Rechtsform als Personengesellschaft gem. § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG nicht unter das InvStG fallen, auch dann keine Investmentfonds i.S.v. § 1 Abs. 1 InvStG sind, wenn sie

1 Vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum Investmentsteuerreformgesetz v. 7.4.2016, 67, BTDrucks. 18/8045. 2 BGBl. I 2021, 2050. Behrens/Kammeter | 121

§ 1 Rz. 125 | Anwendungsbereich nach § 1a KStG zur Körperschaftsbesteuerung optiert haben. In der Gesetzesbegründung1 findet sich dazu lediglich die Aussage, dass die Option zur Körperschaftsbesteuerung nicht durch eine Anwendung des InvStG überlagert werden solle. Investmentfonds i.S.d. InvStG, d.h. Personenhandelsgesellschaften, die als OGAW i.S.v. § 1 Abs. 2 KAGB oder Altersvorsorgevermögensfonds i.S.v. § 53 InvStG Investmentfonds gem. § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 InvStG unter das InvStG 2018 fallen, können gem. § 1a Abs. 1 Satz 6 KStG nicht zur Körperschaftsbesteuerung optieren, weil § 1a Abs. 1 Sätze 1 bis 5 KStG auf solche Personengesellschafts-Investmentfonds keine Anwendung findet. 126 In § 2 Abs. 8 Satz 5 Nr. 1 InvStG ist geregelt, dass Anteile an einer Personengesellschaft auch

dann nicht als Kapitalbeteiligungen gelten, wenn die Personengesellschaft zur Körperschaftsbesteuerung optiert hat. Nach den Gesetzesmaterialien2 soll durch diese Regelung erreicht werden, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Aktienfonds weiterhin einfach überprüfbar bleiben. Es soll sich aus dem Vermögensverzeichnis des Investmentfonds ermitteln lassen, ob in dem für die Aktien-Teilfreistellung erforderlichen Maß Kapitalbeteiligungen gehalten werden.3 Gemäß § 2 Abs. 16 InvStG gelten Anteile an Personengesellschaften, die nach § 1a KStG zur Körperschaftsbesteuerung optiert haben, auch für die Zwecke der §§ 26, 28 und 48 InvStG nicht als Beteiligung an einer KapGes. Dadurch soll nach der Gesetzesbegründung insbes. sichergestellt werden, dass die Einhundert-Anleger-Grenze i.S.v. § 26 Nr. 8 InvStG und deren Überwachung durch die Mitteilungspflichten nach § 28 InvStG nicht durch die Option zur Körperschaftsbesteuerung umgangen werden können. Anteile an optierenden Personengesellschaften werden nicht in die Ermittlung des Aktiengewinns nach § 48 Abs. 3 InvStG einbezogen, wodurch die ohnehin komplexe Ermittlung und Überprüfung des Aktiengewinns nicht weiter erschwert werden soll. Zudem sollen unerwünschte Steuerspargestaltungsmöglichkeiten verhindert werden, die andernfalls bei einer Einbeziehung von optierenden Personengesellschaften durch die Ausübung und den Widerruf der Option entstehen könnten. Unberührt von § 2 Abs. 16 InvStG bleibt dagegen die Folge auf Fondsebene einer ausgeübten Option zu Körperschaftsbesteuerung, dass die Einkünfte, die ein Investmentfonds oder Spezial-Investmentfonds aus einer Beteiligung an einer zur Körperschaftsbesteuerung optierenden Personengesellschaft erzielt, auf Fondsebene als Kapitaleinkünfte i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG und damit als inländische Beteiligungseinnahmen i.S.v. § 6 Abs. 3 InvStG gelten. Ebenso von § 2 Abs. 16 InvStG unbeeinflusst bleibt die Folge auf Anlegerebene, dass der erhöhte Teilfreistellungssatz nach § 20 Abs. 1 Satz 3 InvStG für Körperschaftsteuersubjekte auf Investmenterträge einer Personengesellschaft anzuwenden ist, die zur Körperschaftsbesteuerung optiert hat. Der bisherige § 20 Abs. 3a InvStG regelt, dass die Teilfreistellungen auch für Investmentanteile anzuwenden sind, die mittelbar über Personengesellschaften gehalten werden. Dies gilt in der Folge auch für die anteiligen Abzüge aufgrund einer Teilfreistellung nach § 21 InvStG. Durch die Möglichkeit der Option zur Körperschaftsbesteuerung verändern sich jedoch die Rahmenbedingungen: Optiert eine Personenhandelsgesellschaft nach § 1a KStG zur Körperschaftsbesteuerung, werden die Erträge aus dem Investmentanteil nicht mehr den Mitunternehmern, sondern direkt der optierenden Personengesellschaft zugerechnet. § 20 Abs. 3a Satz 2 InvStG stellt klar, dass in diesen Fällen nicht mehr auf die Teilfreistellungssätze abzustellen ist, die für die Mitunternehmer gelten, sondern dass ausschließlich der für Körperschaftsteuersubjekte geltende Teilfreistellungssatz anzuwenden ist. Anwendungsbeginn der für optierende Personengesellschaften geltenden Regelungen im InvStG ist der 1.1.2022 (§ 57 1 BR-Drucks. 244/21 v. 26.3.2021, 27 ff. 2 BT-Drucks. 19/28656 v. 19.4.2021, S. 29. 3 Andernfalls – so die Gesetzesbegründung – müsste von jedem Anlegerfinanzamt durch Auskunftsersuchen gegenüber den für die Besteuerung der Personengesellschaften zuständigen FÄ geklärt werden, ob die Personengesellschaft tatsächlich optiert hat und ob eine ursprünglich ausgeübte Option widerrufen wurde. Diese Prüfung würde besonders komplex, wenn auch über mehrstufige Personengesellschaftsstrukturen Beteiligungen an optierenden Personengesellschaften gehalten werden.

122 | Behrens/Kammeter

G. Haftungs-/vermögensrechtl. getrennte Teile eines Investmentfonds (Abs. 4) | Rz. 127 § 1

Abs. 6 InvStG). Dies stimmt mit dem Zeitpunkt überein, zu dem erstmalig die Ausübung der Option zur Körperschaftsbesteuerung nach § 1a KStG wirksam werden konnte.1 Diese Regelungen lassen sich wie folgt veranschaulichen:

G. Haftungs- und vermögensrechtlich voneinander getrennte Teile eines Investmentfonds (Abs. 4) Haftungs- und vermögensrechtlich voneinander getrennte Teile eines Investmentfonds werden 127 gem. § 1 Abs. 4 InvStG für Zwecke des InvStG als eigenständige Investmentfonds fingiert. Die Anwendung von § 1 Abs. 4 InvStG setzt voraus, dass das Investmentvehikel, innerhalb dessen haftungs- und vermögensrechtlich voneinander getrennte Teile bestehen, insgesamt ein Investmentfonds ist, also die Voraussetzungen von § 1 Abs. 1 KAGB erfüllt sind oder einer der Erweiterungsfälle in § 1 Abs. 2 Satz 2 InvStG 2018 vorliegt, ohne dass eine Ausnahme nach § 1 Abs. 3 InvStG 2018 gegeben ist. Auch ein Ein-Anleger-Fonds i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 InvStG 2018 kann daher mehrere haftungs- und vermögensrechtlich voneinander getrennte Teile i.S.v. § 1 Abs. 4 InvStG 2018 haben. § 1 Abs. 4 InvStG 2018 entspricht im Wesentlichen § 1 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2004 und der Verwaltungsansicht zur Rechtslage vor 2018.2

1 § 34 Abs. 1a KStG, wonach § 1a KStG erstmals für den VZ 2021 mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass der Antrag erstmals für nach dem 31.12.2021 beginnende Wirtschaftsjahre gestellt werden kann. 2 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 – 1/08/10019 – DOK 2009/0539738, BStBl. I 2009, 931 Rz. 4; BRDrucks. 740/13, 37. Behrens/Kammeter | 123

§ 1 Rz. 128 | Anwendungsbereich 128 Das KAGB und ausländische aufsichtsrechtliche Gesetze erlauben unter bestimmten Voraus-

setzungen, selbstständige Untergliederungen von Investmentfonds zu bilden. Betroffen sind in Deutschland insbes. Teilgesellschaftsvermögen i.S.v. § 117 KAGB und § 132 KAGB.1 Betroffen sind zudem vergleichbare, rechtlich getrennte Einheiten eines ausländischen Investmentvermögens. Gemäß § 117 Abs. 1 KAGB können Investmentaktiengesellschaften mit veränderlichem Kapital Teilgesellschaftsvermögen bilden. Gemäß § 117 Abs. 2 Satz 2 KAGB wird jedes Teilgesellschaftsvermögen im Verhältnis der Aktionäre untereinander als eigenständiges Gesellschaftsvermögen behandelt. Die Rechte von Aktionären und Gläubigern im Hinblick auf ein Teilgesellschaftsvermögen, insbes. dessen Bildung, Verwaltung und Auflösung, beschränken sich gem. § 117 Abs. 2 Satz 3 KAGB auf die Vermögensgegenstände dieses Teilgesellschaftsvermögens. Für die auf das einzelne Teilgesellschaftsvermögen entfallenden Verbindlichkeiten haftet gem. § 117 Abs. 2 Satz 4 KAGB nur das betreffende Teilgesellschaftsvermögen. Die haftungs- und vermögensrechtliche Trennung gilt gem. § 117 Abs. 2 Satz 5 KAGB auch für den Fall der Insolvenz der Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital und die Abwicklung eines Teilgesellschaftsvermögens. Nach § 132 Abs. 1 Satz 1 KAGB kann der Gesellschaftsvertrag einer Investmentkommanditgesellschaft die Bildung von Teilgesellschaftsvermögen vorsehen. Es gelten in diesem Fall § 117 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 KAGB entsprechende Regelungen (vgl. § 132 Abs. 1 Sätze 2 bis 5 KAGB).

129 Seit dem 20.3.2020 haben auch geschlossene Investment-KGs die Möglichkeit, sog. Teilgesell-

schaftsvermögen einzurichten.2 § 140 Abs. 3 KAGB erklärt seitdem die für Investment-AG mit veränderlichem Kapital (InvAG mvK) geltenden §§ 117 Abs. 1, 2, 4, 6 bis 9 und 118 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 KAGB als für die Investment-AG mit fixem Kapital (InvAG mfK) entsprechend anwendbar und § 149 Abs. 2 KAGB die für die offene Investment-KG geltenden §§ 132 Abs. 1, 3 bis 8, 134 Abs. 2 KAGB als für die geschlossene Investment-KG entsprechend anwendbar. Wichtigstes Ausgestaltungsmerkmal auch dieser seit 20.3.2020 zulässigen geschlossenen Teilgesellschaftsvermögen ist deren haftungs- und vermögensrechtliche Trennung voneinander, die im Verhältnis der Anleger untereinander dazu führt, dass jedes Teilgesellschaftsvermögen als eigenständiges Gesellschaftsvermögen behandelt wird.3

130 In einer Umbrella-Konstruktion zusammengefasste Teilsondervermögen i.S.v. § 96 Abs. 2

Satz 1 KAGB erfüllen, weil es sich um Sondervermögen i.S.v. § 1 Abs. 10 KAGB handelt, bereits unmittelbar die Voraussetzungen von § 1 Abs. 2 InvStG, sodass § 1 Abs. 4 InvStG nicht einschlägig ist.4 In der Literatur wird dies z.T. anders gesehen.5 Für diese Gegenmeinung spricht, dass § 1 Abs. 4 InvStG 2018 nicht konkret Bezug auf Teilsondervermögen i.S.v. § 96 Abs. 2 Satz 1 KAGB und Teilgesellschaftsvermögen i.S.v. §§ 117, 132 KAGB nimmt. Nach hier vertretener Ansicht ist diese Meinungsverschiedenheit, was die Anwendung des InvStG 2018

1 Teilsondervermögen i.S.v. § 96 Abs. 2 Satz 1 KAGB sind nach Rz. 1.17 des BMF-Anwendungsschreibens Sondervermögen i.S.v. § 1 Abs. 10 KAGB, sodass es der Anwendung von § 1 Abs. 4 InvStG 2018 nicht bedarf; a.A. Wenzel in Brandis/Heuermann, § 1 InvStG 2018 Rz. 29.3 unter III. § 96 Abs. 2 Satz 1 KAGB regelt, dass mehrere Sondervermögen, die sich hinsichtlich der Anlagepolitik oder eines anderen Ausstattungsmerkmals unterscheiden (Teilsondervermögen), unter Berücksichtigung der Festlegung in der Rechtsverordnung nach § 96 Abs. 4 KAGB zusammengefasst werden können (Umbrella-Konstruktion). 2 G zur Einführung von Sondervorschriften für die Sanierung und Abwicklung von zentralen Gegenparteien und zur Anpassung des WpHG an die Unterrichtungs- und Nachweispflichten nach den Art. 4a und 10 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 v. 19.3.2020, BGBl. I 2020, 529. 3 § 140 Abs. 2 Satz 1, § 117 Abs. 2 Satz 2 KAGB analog, § 149 Abs. 2 Satz 1, § 132 Abs. 1 Satz 3 KAGB analog. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 1.17 Sätze 1 und 2; Mann in W/B/A3, § 1 InvStG 2018 Rz. 36. 5 Wenzel in Brandis/Heuermann, § 1 InvStG 2018 Rz. 29.3 unter III.

124 | Behrens/Kammeter

G. Haftungs-/vermögensrechtl. getrennte Teile eines Investmentfonds (Abs. 4) | Rz. 134 § 1

anbelangt, akademisch, weil Teilsondervermögen i.S.v. § 96 Abs. 2 Satz 1 KAGB nach beiden Meinungen als eigenständige Investmentfonds zu behandeln sind. Die Fiktion des § 1 Abs. 4 InvStG 2018 findet auch dann Anwendung, wenn bei ausländischen 131 Investmentfonds der Vertragsform eine haftungs- und vermögensrechtliche Trennung einzelner Teile des Investmentfonds vorliegt.1 Die Anwendung von § 1 Abs. 4 InvStG 2018 setzt keine vollständige Vergleichbarkeit mit den deutschen aufsichtsrechtlichen Anforderungen nach §§ 96, 117, 132 KAGB voraus. Vielmehr ist das Bestehen einer haftungs- und vermögensrechtlichen Trennung ausreichend.2 Die haftungs- und vermögensrechtliche Trennung setzt voraus, dass im Verhältnis der Anleger untereinander jeder haftungs- und vermögensrechtlich getrennte Teil als eigenständig behandelt wird, die Rechte von Anlegern und Gläubigern sich auf die Vermögensgegenstände des betreffenden Teils beschränken und für Verbindlichkeiten eines Teils nur der betreffende Teil haftet. Diese haftungs- und vermögensrechtliche Trennung hat auch für den Fall der Insolvenz zu gelten. Dass persönlich haftende Gesellschafter für die Verbindlichkeiten aller Teilfonds haften (§ 132 Abs. 5 Satz 1 KAGB), ist für die Anwendung von § 1 Abs. 4 InvStG 2018 unschädlich.

Nach den Gesetzesmaterialien entspricht § 1 Abs. 4 im Wesentlichen § 1 Abs. 1 Satz 2 InvStG 132 i.d.F. des AIFM-SteuerAnpG.3 Allerdings enthalten das KAGB und das InvStG 2018 den zuvor verwendeten Begriff des Teilfonds nicht. Die Formulierung in § 1 Abs. 4 ist bewusst weiter gefasst worden, um sich vom Aufsichtsrecht zu lösen.4 Für jeden dieser haftungs- und vermögensrechtlich voneinander getrennten Teile eines Investmentfonds (im InvStG a.F. waren diese unter dem eigenständigen steuerrechtlichen Oberbegriff der Teilfonds zusammengefasst) ist gesondert zu prüfen, ob er die Voraussetzungen von § 26 für die Einordnung als Spezial-Investmentfonds erfüllt. Wie schon im InvStG 2018 für Investmentfonds und Investitionsgesellschaften kann es auch im InvStG n.F. in Umbrella-Konstruktionen dazu kommen, dass einzelne Teile als Investmentfonds qualifizieren, andere Teile als Spezial-Investmentfonds.5 Nach InvStG a.F. war die Steuerbefreiung i.S.v. § 11 Abs. 1 InvStG a.F. getrennt für die Teilfonds anzuwenden.6 An sich ist die Separierung verschiedener Teile eines Investmentfonds auf das InvStG be- 133 schränkt („... für die Zwecke dieses Gesetzes ...“).7 Für § 1 Abs. 1 Satz 2 InvStG a.F. war jedoch anerkannt, dass diese Trennung Folgewirkungen auch außerhalb des InvStG a.F. haben konnte, weil z.B. §§ 11 Abs. 1 und 19 Abs. 1 InvStG über das InvStG a.F. hinausgehende Wirkung entfalteten.8 Wegen der Herausnahme von Investmentvermögen in der Rechtsform einer Personengesell- 134 schaft oder einer vergleichbaren ausländischen Rechtsform aus dem Anwendungsbereich des InvStG n.F. in § 1 Abs. 3 Nr. 2 stellt sich die Frage, ob § 1 Abs. 4 auf Investmentvermögen in der Rechtsform einer Personengesellschaft oder vergleichbaren ausländischen Rechtsform au1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 1.17 Satz 3. 2 Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 1 InvStG Rz. 98, unter Hinweis auf BT-Drucks. 18/8045, 68, die betonen, dass sich die Formulierung von § 1 Abs. 4 InvStG 2018 bewusst vom deutschen Aufsichtsrecht gelöst hat. 3 Die investmentsteuerrechtliche Separierung rechtlich getrennter Einheiten von Umbrella-Investmentvermögen (Teil-Sondervermögen, Teil-Gesellschaftsvermögen oder vergleichbare rechtlich getrennte Einheiten eines ausländischen Investmentvermögens bzw. Teilfonds) war in § 1 Abs. 1 Satz 2 InvStG i.d.F. des AIFM-StAnpG erstmals gesetzlich geregelt worden. Diese Separierung war zuvor in Verwaltungsregelungen anerkannt worden; vgl. Berger in Berger/Steck/Lübbehüsen, § 1 InvStG Rz. 10. 4 BT-Drucks. 18/8045 v. 7.4.2016, 68. 5 Zum InvStG n.F. vgl. BR-Drucks. 740/13, 37; Elser in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Vor InvStG Rz. 36. 6 Nach BR-Drucks. 740/13, 37, entsprach dies der früheren aufsichtsrechtlichen Systematik und den steuerrechtlichen Verwaltungsregelungen. 7 Vgl. Mann in W/B/A3, Anh. 2 AIFM-StAnpG Rz. 64; Jansen/Lübbehüsen, RdF 2014, 29. 8 Gottschling/Schatz in Moritz/Jesch/Mann2, § 1 InvStG Rz. 48; Jansen/Lübbehüsen, RdF 2014, 28 (29). Behrens/Kammeter | 125

§ 1 Rz. 134 | Anwendungsbereich ßerhalb des InvStG insbes. bei der einheitlichen und gesonderten Gewinn- oder Einkünftefeststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO zu beachten ist. Nach § 18 InvStG a.F. waren auf Personengesellschaften zwar auch schon bisher die allgemeinen ertragsteuerrechtlichen Regelungen anwendbar. Jedoch konnte jeder Teilfonds – z.B. einer luxemburgischen SCS1 bzw. SCSp2 – gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 InvStG als eigenständige Personengesellschaft behandelt werden. Ob die steuerrechtliche Verselbstständigung von Teilfonds eines AIF in der Rechtsform einer Personengesellschaft auch nach 2017 noch investmentsteuerrechtlich begründet werden kann, ist fraglich. Unseres Erachtens ist es auch noch nach 2017 geboten, z.B. eine luxemburgische SCS mit z.B. drei Buchungskreisen (weil sie drei Teilfonds hat) ertragsteuerrechtlich als drei verschiedene Personengesellschaften zu behandeln.3 Aufgrund der haftungs- und vermögensrechtlichen Trennung sind Anleger jeweils nur an dem Vermögen des durch sie gezeichneten Teilfonds beteiligt, sodass z.B. eine Zurechnung von Einkünften eines Teilfonds zu den Anlegern eines anderen Teilfonds nicht in Betracht kommt.4 Auch die FinVerw. erkennt an, dass haftungs- und vermögensrechtlich voneinander getrennte Teile eines Investmentvermögens in der Rechtsform einer Personengesellschaft für die Zwecke der Besteuerung nach dem Einkommen als eigenständige Personengesellschaften zu betrachten sind. Es ist daher keine gesonderte Feststellung vorzunehmen, wenn an dem haftungs- und vermögensrechtlich getrennten Teil der Personengesellschaft nur eine Person beteiligt ist, die mit ihren Einkünften in Deutschland einkommens- oder körperschaftsteuerpflichtig ist.5 Die Gewerblichkeit eines Teilfonds, die sich aus eigener gewerblicher Tätigkeit oder aufgrund gewerblicher Prägung oder sog. gewerblicher Infektion ergeben könnte, strahlt nicht auf die übrigen Teilfonds aus.6 Auf § 1 Abs. 4 InvStG 2018 kann zur Begründung ebendieses Befunds indes nicht verwiesen werden. Dessen eindeutiger Wortlaut wie auch seine systematische Stellung im Normengefüge stehen dem entgegen.7 135 Wie bei haftungs- und vermögensrechtlich voneinander getrennten Teilen eines Investment-

vermögens in der Rechtsform einer Personengesellschaft sind u.E. auch einzelne Compartments einer Verbriefungszweckgesellschaft als eigenständige Steuersubjekte anzuerkennen, obwohl Verbriefungszweckgesellschaften gem. § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvStG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 7 KAGB vom Anwendungsbereich des InvStG ausgeschlossen sind, sodass § 1 Abs. 4 InvStG nicht anwendbar ist.8 Dies gilt zumindest dann, wenn die Compartments völlig eigenständige, nur durch die gemeinsame gesellschaftsrechtliche Hülle verbundene Teilvermögen sind, bei denen es sich um keine einzelne oder einzelnen bonitätsabgestuften Tranche(n) einer einheitlichen Verbriefung handelt.9 1 Société en commandite simple. 2 Société en commandite special. 3 Die luxemburgische SCS und SCSp sind grds. mit der inländischen InvKG vergleichbar. Denn nach luxemburgischem Gesellschaftsrecht beteiligen sich die Anleger als Kommanditisten und ist eine Nachschusspflicht der Kommanditisten einer SCS und SCSp ausgeschlossen. Auch bestimmt sich die Höhe der Gewinnbeteiligung ohne weiteres anhand der gesetzlichen oder hiervon abweichenden gesellschaftsvertraglichen Regelungen. Die Vergleichbarkeit zur inländischen InvKG bejahend z.B. R. Kammeter in Moritz/Jesch/Mann2, § 18 InvStG Rz. 20. 4 Mann in W/B/A3, § 1 InvStG Rz. 23. 5 Vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 1.13, unter Hinweis auf § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AO; vgl. auch Bindl/Mager, BB 2016, 2711, mit dem zutreffenden Argument, dass, weil bereits reine Innengesellschaften selbstständige Mitunternehmerschaften begründen können, der Teilfonds einer Personengesellschaft aufgrund seiner haftungs- und vermögensrechtlichen Verselbstständigung erst recht eine steuerrechtlich eigenständige Beurteilung rechtfertigt. 6 Mann in W/B/A3, § 1 InvStG Rz. 23; Bödecker in BeckOK/InvStG, § 1 Rz. 110; ebenso Bindl/Mager, BB 2016, 2711. 7 Ebenso z.B. Mann in W/B/A3, § 1 InvStG Rz. 23 und 36. 8 Bindl/Mager, BB 2016, 2711. 9 Etwaige bonitätsabgestufte Tranchen einer einheitlichen Verbriefung sind vielmehr in dem einzelnen Compartment zu einem „Verbriefungs(teil)vermögen“ zusammengefasst.

126 | Behrens/Kammeter

H. ABC der potenziellen Investmentvermögen | Rz. 137 § 1

Nach § 96 Abs. 1 Satz 1, § 108 Abs. 4 KAGB können Anteile an einem Sondervermögen oder 136 an einer Investmentaktiengesellschaft verschiedene Ausgestaltungsmerkmale – z.B. hinsichtlich der Ertragsverwendung, des Ausgabeaufschlags, des Rücknahmeabschlags, der Verwaltungsvergütung oder der Währung des Anteils – haben. Zwar wurden solche Anteilsklassen für die Anwendung des InvStG insofern als selbstständige Investmentvermögen behandelt, als für die einzelnen Anteilsklassen nach § 5 InvStG a.F. separate Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln waren.1 Weil Anteilsklassen (anders als Teilfonds) jedoch keine verselbstständigten Vermögensmassen sind, sondern lediglich unterschiedliche Rechte (z.B. hinsichtlich Ertragsverwendung, Währung, Verwaltungsvergütung, Mindestanlagesumme) an ein und derselben Vermögensmasse verbriefen, gilt § 1 Abs. 4 für die verschiedenen Anteilsklassen ein und desselben Investmentvermögens nicht.2 Für die Anwendung von § 1 Abs. 1b und des § 22 Abs. 2 InvStG a.F. war generell auf die Ebene des gesamten Investmentfonds abzustellen.

H. ABC der potenziellen Investmentvermögen I. Akquisitionsgesellschaften Akquisitionsgesellschaften, deren Zweck darauf beschränkt ist, bestimmte Wirtschaftsgüter zu 137 kaufen und zu halten, sind grds. keine AIF. Ihr Zweck ist zwar auf bestimmte Geschäfte bzw. Tätigkeiten beschränkt. Sie sammeln jedoch kein Kapital bei Anlegern ein.3 Auch kann der Unternehmensgegenstand von Akquisitionsgesellschaften nicht als „eine festgelegte Anlagestrategie“ i.S.v. § 1 Abs. 1 KAGB bezeichnet werden. So fehlt es regelmäßig an der Festlegung von Investitionsrichtlinien, die über eine allgemeine Geschäftsstrategie eines operativ tätigen Unternehmens hinausgehen. Die Gründe, die gegen die Einordnung von Zweckgesellschaften (special purpose vehicles; SPV) als Investmentvermögen sprechen,4 gelten auch für Akquisitionsgesellschaften. In der Regel sind Akquisitionsgesellschaften ausweislich ihres Jahresberichts und anderer amtlicher Unterlagen nicht mit dem Hauptzweck gegründet worden, ihren Anlegern durch Veräußerung ihrer Tochterunternehmen oder verbundenen Unternehmen eine Rendite zu verschaffen; ihre Einordnung als Investmentvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 KAGB scheidet damit auch in Anwendung von § 1 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 KWG (sog. Holdinggesellschaftsausnahme) aus. Dass der ggf. alleinige Gesellschafter der Akquisitionsgesellschaft ein AIF ist, führt nicht dazu, dass auch die Akquisitionsgesellschaft als AIF einzuordnen ist.5 Der Anlegerschutz wird schon durch das Vorliegen eines AIF auf Gesellschafterebene sichergestellt.6

1 BMF v. 4.6.2014 – IV C 1 - S 1980 – 1/13/10007:002, DStR 2014, 1168 Tz. 1; Mann in W/B/A3, Anh. 2 AIFM-StAnpG Rz. 66. 2 Mann in W/B/A3, § 1 InvStG Rz. 36, mit dem Hinweis darauf, dass für Anteilsklassen i.S.v. § 96 Abs. 1 Satz 1 KAGB keine Statusbescheinigungen i.S.v. § 7 Abs. 3 Satz 1 InvStG 2018 auszustellen sind. Dies gilt für § 29 Abs. 2 InvStG 2018 ebenso; vgl. auch Helios/Mann, DB Sonderausgabe 1/2016, 5; zur identischen Rechtslage nach § 1 Abs. 1 Satz 2 InvStG a.F. vgl. bereits Berger in Berger/Steck/Lübbehüsen, § 1 InvStG Rz. 201; Mann in W/B/A3, Anh. 2 AIFM-StAnpG Rz. 66, der darauf hinweist, dass dieses Ergebnis gesetzestechnisch aus einem Umkehrschluss aus § 1 Abs. 1 Satz 2 InvStG a.F. folge. Ein solcher Umkehrschluss ist auch aus § 1 Abs. 4 zu ziehen. 3 Haisch/Helios, BB 2013, 23 (26). 4 Vgl. in Bezug auf SPACs unten in XV. 5 Stellungnahme von EVCA v. 23.3.2012 zum Diskussionsentwurf der ESMA-Guidelines. 6 Haisch/Helios, BB 2013, 23 (26). Behrens/Kammeter | 127

§ 1 Rz. 138 | Anwendungsbereich

II. Bürgerenergieprojekte 138 In Bezug auf Projekte zur Finanzierung und zum Betrieb von dezentralen Erzeugungsanlagen,

integrierten Versorgungssystemen und Energieeinsparprojekten auf kommunaler und regionaler Ebene vertritt die BaFin im Auslegungsschreiben1 die Ansicht, dass ein Investmentvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 KAGB zumindest dann nicht vorliegt, wenn solche Bürgerenergieprojekte oder sonstige Unternehmen die Anlagen (z.B. Biogas-, Solar- oder Windkraftanlagen) im Rahmen eines laufenden Geschäftsbetriebs selbst betreiben und deshalb als operativ tätige Unternehmen anzusehen sind. Als operativ tätige Unternehmen anzusehen sind sie auch dann, wenn sie sich im Rahmen ihrer operativen Tätigkeiten fremder Dienstleister oder gruppeninterner Gesellschaften bedienen, solange die unternehmerischen Entscheidungen im laufenden Geschäftsbetrieb bei dem Unternehmen selbst verbleiben. Werde schon gar keine festgelegte Anlagestrategie verfolgt, liege bereits aus diesem Grunde kein Investmentvermögen i.S.v. § 1 KAGB vor, sodass es auf die Abgrenzung, ob operative Tätigkeiten vorliegen oder nicht, nicht mehr ankomme.

III. Carried Interest-Vehikel 139 Carried Interest-Vehikel sind grds. nicht als Investmentvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 KAGB ein-

zuordnen. Sie sammeln2 gar kein oder zumindest kein „externes“ Kapital3 ein. Die Executives und Manager, die sich an Carried Interest-Vehikeln beteiligen, stehen im Lager des AIF, des Managers und/oder des Sponsors des AIF.4 Der von der AIFM-Richtlinie vorgesehene Anlegerschutz gilt den Anlegern, nicht den Managern und Sponsoren. Die Ausnahme für Arbeitnehmerbeteiligungssysteme in § 2 Abs. 1 Nr. 6 KAGB gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1 spricht u.E. dafür, auch Carried Interest-Vehikel vom Anwendungsbereich des InvStG auszunehmen.5 Carried Interest-Vehikel gelten gem. § 1 Abs. 19 Nr. 7 KAGB und auch schon nach Annex II der AIFM-Richtlinie als Vergütungskonstrukte. Die Einstufung gleichzeitig als AIF und als Vergütungskonstrukt wäre widersprüchlich.6

IV. Co-Investment-Gesellschaften 140 Wenn die Co-Investment-Gesellschaft einem Vergütungskonstrukt oder einem Joint Venture

ähnelt, ist die Anwendung des InvStG ausgeschlossen. Als Vergütungskonstrukt ist eine CoInvestment-Gesellschaft nur insoweit einzuordnen, als ihre Gesellschafter kapitaldisproportional am Gewinn beteiligt werden, und auch nur, wenn die Gesellschafter – wie auch carriedinterest-Berechtigte – durch ihr Know-how, ihre Kontakte etc. zum Erfolg des Investments beitragen. Einem Joint Venture ähnlich ist eine Co-Investmentgesellschaft, wenn die Co-Investoren von sich aus zusammentreten, um über die Co-Investment-Gesellschaft parallel zum Fonds zu investieren. Wird die Co-Investment-Gesellschaft vom Fonds-Initiator gegründet und bietet der Fonds-Initiator die Zeichnung von Beteiligungen an dieser Gesellschaft potentiellen Interessenten an, die selbst über die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises keinen 1 2 3 4 5

BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, Tz. II.7. Reine Carry-Vehikel, die kein sog. Team Commitment aufzubringen haben. Carry-Vehikel, die ein sog. Team Commitment aufbringen. Frage 8 des Diskussionspapiers und Stellungnahmen der EVCA v. 23.3.2012, 5 f. Vgl. auch Mann in W/B/A3, § 1 InvStG Rz. 19 Fn. 78, wonach die Ausnahme für Arbeitnehmer-Beteiligungssysteme und Arbeitnehmer-Sparpläne nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvStG 2018 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 6 KAGB „steuerrechtlich interessant“ sein kann für Management-Beteiligungsgesellschaften und Carried Interest-Vehikel. 6 Haisch/Helios, BB 2013, 23 (Fn. 43).

128 | Behrens/Kammeter

H. ABC der potenziellen Investmentvermögen | Rz. 142 § 1

Einfluss haben, ist demgegenüber die Einordnung als Investmentvermögen nach § 1 KAGB nicht ausgeschlossen.

V. Family offices Der Begriff „family office“ ist gesetzlich nicht definiert. Die BaFin versteht unter „family of- 141 fice“ Unternehmen, unabhängig von ihrer Rechtsform, die sich mit der bankenunabhängigen Verwaltung großer privater Vermögen befassen. Sog. private family offices verwalten das Vermögen einzelner oder mehrerer Mitglieder einer einzigen Familie.1 Die BaFin geht davon aus, dass private family offices als Angestellte der Vermögensinhaber, vermögensverwaltende KapGes. der Vermögensinhaber, Kommanditgesellschaften mit den Mitgliedern der Familie als Kommanditisten als Dienstleister aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrags organisiert sind. Externe family offices verwalten das Vermögen mehrerer Familien typischerweise auf der Basis von Geschäftsbesorgungsverträgen. Private family offices, bei denen die Initiative für die Auflegung des Vehikels für Anlagen innerhalb der Mitglieder einer Familie stattfindet, sind bereits wegen des Fehlens eines gewerbsmäßigen Anwerbens der Anleger keine Investmentvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 KAGB.2 Nach Ansicht der BaFin umfasst die Familie Ehegatten, Lebenspartnerschaften und nahe Angehörige wie Eltern, Geschwister, Kinder, Neffen, Nichten und Enkeln, Onkel und Tanten, Cousine und Cousins ersten Grades und die jeweiligen Hinterbliebenen.3 Dies entspricht dem Erwägungsgrund (7) der AIFM-Richtlinie, wonach „family office-Vehikel“, die das Privatvermögen von Anlegern investieren, ohne Fremdkapital zu beschaffen, nicht als AIF gemäß dieser Richtlinie betrachtet werden sollten. Dabei meint die Beschaffung von Fremdkapital das Einsammeln von Kapital („... without raising external capital ...“).4 Sog. Multi-family offices sind keine Investmentvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 KAGB, wenn sie 142 nicht auf die gepoolte Anlage von eingeworbenem Geld einer Familie mit demjenigen einer oder mehrerer anderer Familien abzielen, sondern jeweils individuell eine Optimierung der Vermögenssituation anstreben.5 Zudem erscheint der Zweck des KAGB, die Vermeidung sog. systemischer Risiken sowie der Schutz der Investoren, bei family offices nicht einschlägig. Der Regelungszweck der AIFM-Richtlinie und mithin auch des KAGB erfordert eine gewisse Öffentlichkeit.6 Bei family offices, auch bei multi-family offices, erfolgt die Tätigkeit lediglich gegenüber einem abgegrenzten Personenkreis und ist daher mit der Erbringung von marktmäßigen Finanzdienstleistungen gegenüber unzähligen Anlegern nicht vergleichbar.7 Nach ei1 BaFin, Merkblatt zur Erlaubnispflicht gem. § 32 Abs. 1 KWG für family offices v. 30.6.2008 (Stand: 10.2.2009), Abschn. „5. Organisationsformen privater und externer family offices“. 2 BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, Tz. I.3.a., unter Hinweis auf ESMA/2013/611, S. 4 und 6 f., wonach solche family offices als „bereit bestehende Gruppe“ anzusehen sind, sodass solche Vehikel das Merkmal „Kapitalbeschaffung“ nicht erfüllen. 3 BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, Tz. I.3.a., unter Hinweis auf ESMA/2013/611, 4. 4 Nach Erwägungsgrund (7) der AIFM-RL werden sog. family offices grds. nicht von dieser RL erfasst: „Wertpapierfirmen, wie z.B. family-office-Vehikel, die das Privatvermögen von Anlegern investieren ohne Fremdkapital zu beschaffen, sollten nicht als AIF gemäß dieser Richtlinie betrachtet werden“. 5 Krause/Klebeck, BB 2012, 2063 (2066), mit dem Hinweis darauf, dass das Fehlen der Absicht, die Vermögenssituationen der verschiedenen Familien parallel zu optimieren, in den Vermögensverwaltungsverträgen eindeutig zu fixieren ist. 6 So mit Blick auf die Einordnung von family offices unter das KWG, vgl. Waclawik, ZBB 2005, 401 (405). 7 Kühne/Eberhardt, BKR 2008, 133 (141); Krause/Klebeck, BB 2012, 2063 (2068), unter Hinweis auf Erwägungsgrund (8) von MiFID, wonach Personen, die ihr eigenes Vermögen verwalten, nicht in den Anwendungsbereich von MiFID fallen. Behrens/Kammeter | 129

§ 1 Rz. 142 | Anwendungsbereich ner in der Literatur vertretenen Ansicht macht § 1 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 InvStG in Fällen, in denen die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind, die aufsichtsrechtliche Ausnahme von sog. family offices vom KAGB für das InvStG wieder rückgängig.1 § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InvStG ist u.E. jedoch auf sog. family offices regelmäßig nicht anwendbar, weil sog. family offices, selbst wenn als KapGes. organisiert, regelmäßig einer Ertragsbesteuerung unterliegen und nicht gänzlich von ihr befreit sind.

VI. Feeder-Vehikel 143 Feeder-Vehikel, die einen Zugang zu Investmentvermögen (sog. Master-Fonds) bzw. Anteile

an Investmentvermögen (d.h. Anteile an sog. Master-Fonds) vermitteln, haben selbst „externe“ Anleger, bei denen sie Kapital einsammeln. Feeder-Vehikel erfüllen daher in der Regel die Kriterien von § 1 Abs. 1 KAGB für die Einordnung als Investmentvermögen.2 Feeder-Fonds sind in § 1 Abs. 19 Nr. 11 KAGB, Feeder-AIF sind in § 1 Abs. 19 Nr. 13 KAGB legaldefiniert.

VII. Finanzierungsgesellschaften 144 Wie special purpose vehicles stellen auch Finanzierungsgesellschaften i.d.R. keine AIF dar.3

Ihr Zweck besteht in der Ermöglichung der Kapitalaufnahme, nicht jedoch im Einsammeln von Kapital bei externen Anlegern. Auch fehlt es an einer Anlagestrategie. Zudem handeln Finanzierungsgesellschaften i.d.R. nicht für Rechnung der Anleger, sondern allenfalls bei wirtschaftlicher Betrachtung für Rechnung des Konzerns bzw. der finanzierten Gesellschaft. Das eingeworbene Kapital wird dabei ohne wirtschaftliche oder rechtliche Trennung Vermögen der Finanzierungs- oder einer anderen Konzerngesellschaft, die mit dem Kapital eigene Interessen verfolgt.4 Die von Finanzierungsgesellschaften ausgegebenen Instrumente stellen im Regelfall keine (Investment-)Anteile dar, sodass zumindest die Vorschriften des InvStG nicht auf die Inhaber dieser Instrumente anwendbar sind.5

VIII. Garantie-Fonds 145 Bei Garantie-Fonds wird den Anlegern eine Zusage erteilt, dass bei Rücknahme von Anteilen

mindestens ein bestimmter oder bestimmbarer Betrag an die Anleger gezahlt wird (sog. Mindestzahlungszusage).6 Unterschreitet der Anteilswert des Investmentvermögens am Garantiestichtag den garantierten Mindestrücknahmepreis, ist die KVG verpflichtet, den Unterschiedsbetrag aus ihren eigenen Mitteln in das Investmentvermögen zu zahlen.7 Nach Ansicht der BaFin tragen die Anleger trotz der Mindestzahlungszusage die Gewinne und Verluste des Organismus, weshalb auch sog. Garantiefonds Investmentvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 KAGB sind. Die Mindestzahlungszusage führe nicht dazu, dass das Risiko für den Anleger ausgeschlossen sei, weil der Anleger grds. am Gewinn und Verlust des Organismus partizipiere. Der – auch nur in einem bestimmten Umfang – gewährte Schutz vor einer Verlustbeteiligung durch eine 1 2 3 4

Bödecker in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 1 InvStG Rz. 42. ESMA, Guidelines on key concepts of the AIFM-RL, Tz. 19. Krause in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Vor 405 Rz. 51 (Stand: August 2012). BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 1.4, betr. die Kapitalhingabe zum Erwerb von Schuldverschreibungen. 5 Haisch/Helios, BB 2013, 23 (26 f.). 6 BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, Tz. I.2., unter Hinweis auf § 20 Abs. 2 Nr. 7 KAGB. 7 Steck/Kringel in Berger/Steck/Lübbehüsen, § 7 InvG Rz. 36.

130 | Behrens/Kammeter

H. ABC der potenziellen Investmentvermögen | Rz. 147 § 1

Mindestzahlungszusage erfolge erst sekundär. Auch die Verfolgung einer Anlagestrategie, deren Inhalt es sei, sicherzustellen, dass der Anleger mindestens den von ihm investierten Betrag zurückerhalte (ohne dass ein unbedingter Kapitalrückzahlungsanspruch des Anlegers vorliegt), führe nicht dazu, dass eine Verlustbeteiligung des Anlegers ausgeschlossen sei. Eine solche Anlagestrategie verfolge zwar das Ziel, mindestens den Investitionsbetrag zurückzuzahlen, könne jedoch nicht das Risiko des Eintretens eines Verlustes ausschließen. Unseres Erachtens ist der Ansicht der BaFin uneingeschränkt zuzustimmen.

IX. Genossenschaften i.S.d. GenG Genossenschaften i.S.d. GenG1 (eG) sind Gesellschaften mit nicht geschlossener Mitglieder- 146 zahl, deren Zweck darauf gerichtet ist, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern.2 Aufgrund dieser im GenG vorgegebenen Ausrichtung auf einen besonderen Förderzweck3 liegt bei Genossenschaften keine fondstypische reine Gewinnerzielungsabsicht vor. Auch wenn Satzungsregelungen der Genossenschaft die Beteiligung an anderen Unternehmen erlauben, führt dies nicht zur Einordnung der Genossenschaft als Investmentvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 KAGB, weil derartige Satzungsregelungen nur im Rahmen der Vorgaben des GenG (Förderzweck) angewandt werden dürfen. Eine Genossenschaft i.S.v. § 1 Abs. 1 GenG verfolgt zudem i.d.R. keine festgelegte Anlagestrategie. Schließlich steht der definitionsgemäß gemeinschaftliche Geschäftsbetrieb dem negativen Tatbestandsmerkmal „kein operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors“ grds. entgegen; im Fall der Kreditgenossenschaft erfolgt die Herausnahme über § 2 Abs. 2 KAGB i.V.m. § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvStG. Bei nach ausländischem Recht gegründeten Genossenschaften kann es zur Einordnung als Investmentvermögen i.S.v. § 1 KAGB kommen (z.B. bei nach dem Recht der Niederlande errichteten Genossenschaften (coöperatief W.A., B.A. oder U.A.).

X. Immobilienaktiengesellschaften Eine Immobilienaktiengesellschaft ist nur dann ein Investmentvermögen, wenn alle Tat- 147 bestandsmerkmale von § 1 Abs. 1 KAGB erfüllt sind.4 Insbesondere darf die Immobilienaktiengesellschaft keine operative Tätigkeit entfalten. Zudem darf sie keine festgelegte Anlagestrategie, sondern nur eine allgemeine Unternehmensstrategie haben. Nach Auffassung der BaFin und der ESMA sind insbes. solche Unternehmen als operativ tätig anzusehen, „die Immobilien entwickeln und errichten“.5 Auch Immobilienaktiengesellschaften, die sich im Rahmen ihrer operativen Tätigkeit fremder Dienstleister oder gruppeninterner Gesellschaften bedienen, sind als operativ tätig anzusehen, wenn die unternehmerischen Entscheidungen im laufenden Geschäftsbetrieb durch die ausdrückliche Vereinbarung von Gestaltungs-, Lenkungs- und Weisungsrechten bei dem Unternehmen selbst verbleiben. Wenn ein operatives Unternehmen zusätzlich zu der operativen Tätigkeit noch Investitionen zu Anlagezwecken tä1 G betr. die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften v. 16.10.2006, BGBl. I 2006, 2230, zuletzt geändert durch G v. 17.7.2017, BGBl. I 2017, 2434. 2 Zu den wesentlichen Genossenschaftsarten vgl. Bauer in Bauer, Genossenschafts-Handbuch, § 1 Rz. 42 ff. (Stand: März 2017) (Kredit-, Einkaufs-, Absatz-, Produktiv-, Konsum-, Werk- und Nutzungsgenossenschaften etc.). 3 Die Einhaltung insbes. des genossenschaftlichen Förderzwecks unterliegt der regelmäßigen Prüfung der Prüfungsverbände (vgl. §§ 53 bis 64c GenG). 4 BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, unter Bezugnahme auf die guidelines und key concept of the AIFMD der ESMA. 5 BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, Tz. I.7. Behrens/Kammeter | 131

§ 1 Rz. 147 | Anwendungsbereich tigt, wie z.B. die Anlage in Finanzinstrumente, führt dies nicht zur Einordnung des Unternehmens als Investmentvermögen, wenn die Investitionen zu Anlagezwecken lediglich untergeordnete Neben- oder Hilfstätigkeiten darstellen. Im Immobilienbereich werden die folgenden Tätigkeiten als operativ angesehen: – Der Betrieb einer Immobilie, z.B. eines Hotels oder einer Pflegeeinrichtung; – die Projektentwicklung, d.h. die Konzeption, der Ankauf, die Entwicklung der Immobilie und der anschließende Verkauf der selbst entwickelten Immobilie; – das „Facility Management“; – Makler- und Bewertungstätigkeiten und – Finanzierungsberatung im Zusammenhang mit dem Kauf oder Verkauf einer Immobilie. Der Erwerb, die Vermietung, die Verpachtung, die Verwaltung sowie der Verkauf von Immobilien nach einer längeren Vermietungs- bzw. Verpachtungsphase stellen demgegenüber keine operative Tätigkeiten dar. 148 Wenn der Unternehmensgegenstand einer ggf. börsennotierten Immobilienaktiengesellschaft

auf den Erwerb, die Vermietung, die Verpachtung, die Verwaltung sowie den Verkauf von Immobilien ausgerichtet ist und damit keine operative Tätigkeit beinhaltet, scheidet die Einordnung der Immobilienaktiengesellschaft als Investmentvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 KAGB aus, wenn die Immobilienaktiengesellschaft keine sog. festgelegte Anlagestrategie hat, sondern lediglich eine allgemeine Unternehmensstrategie. Eine sog. festgelegte Anlagestrategie ist gegeben, wenn die Kriterien, nach denen das eingesammelte Kapital angelegt werden soll, in einem über eine allgemeine Geschäftsstrategie hinausgehenden Umfang schriftlich verbindlich bestimmt sind.1 Eine sog. festgelegte Anlagestrategie unterscheidet sich mithin von einer allgemeinen Unternehmensstrategie dadurch, dass die Anlagekriterien genau bestimmt und die Handlungsspielräume in den Anlagebedingungen, der Satzung oder im Gesellschaftsvertrag eingeschränkt sind. Nach den Leitlinien der ESMA hat ein Organismus dann eine festgelegte Anlagestrategie, wenn er im Rahmen einer Strategie festlegt, wie das gemeinschaftliche Kapital verwaltet werden muss, damit es einen gemeinsamen return für die Anleger generiert. Die folgenden Merkmale können einzeln oder kumulativ auf das Vorliegen einer sog. festgelegten Anlagestrategie hindeuten: – Die Strategie ist spätestens zu dem Zeitpunkt festgelegt, zu dem die Beteiligung des Anlegers bindend geworden ist. – Die Strategie ist in einem Dokument dargestellt, das Teil der Anlagebedingungen oder der Satzung des Organismus ist oder auf das in den Anlagebedingungen oder der Satzung Bezug genommen wird. – Der Organismus hat eine rechtlich bindende und von den Anlegern durchsetzbare Verpflichtung, die Strategie den Anlegern gegenüber einzuhalten. – Die Strategie konkretisiert die Richtlinien, nach denen die Anlage zu erfolgen hat (z.B. Anlage in bestimmten Kategorien von Vermögensgegenständen, Beschränkungen bei der sog. asset allocation, Verfolgung bestimmter Strategien, Anlage in bestimmte geografische Regionen, Beschränkungen des leverage, bestimmte Haltefristen oder sonstige Risikodiversifikationsvorgaben).

XI. Investment-Clubs 149 Unter Investment-Clubs werden Vereinigungen von natürlichen Personen verstanden, die sich

für die gemeinsame Anlage ihres privaten Vermögens in Wertpapieren oder anderen Finanz1 Gesetzesbegründung zum AIFM-UmsG, BR-Drucks. 791/12.

132 | Behrens/Kammeter

H. ABC der potenziellen Investmentvermögen | Rz. 151 § 1

instrumenten zusammen gefunden haben. Nach Ansicht der BaFin ist unter der Voraussetzung, dass kein einziges Mitglied gewerbsmäßig angeworben worden ist und der Club weiterhin davon absieht, an den Markt heranzutreten, um weitere Mitglieder gewerbsmäßig anzuwerben, das Tatbestandsmerkmal „Einsammeln von Kapital“ nicht erfüllt, weshalb solche Investment-Clubs keine Investmentvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 KAGB sind.1 Dem ist u.E. uneingeschränkt zuzustimmen.

XII. Joint ventures Joint venture ist das planmäßige Zusammenwirken von zwei oder mehreren Parteien unter 150 Erbringung eines Beitrags zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels.2 Werden zur Erfüllung der joint venture-Vereinbarung keine Gelder in einem Vehikel gepoolt, stellen joint ventureVereinbarungen schon keine Organismen i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB dar.3 Ein joint venture sammelt kein Kapital von „externen“ Anlegern ein, vielmehr treten die Partner von sich aus zusammen, um ihre Beiträge zu bündeln. In der Regel haben die Partner Kontrollrechte und zumindest im Hinblick auf Grundlagengeschäfte Entscheidungsmöglichkeiten. Zumeist wird bei einem joint venture der Kreis der Partner auch im Voraus bekannt sein. AIF richten sich demgegenüber grds. an einen unbestimmten Anlegerkreis.4 Dementsprechend sollen joint ventures nach Erwägungsgrund 8 der AIFM-RL vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen sein. Darauf weist auch die Gesetzesbegründung zum Entwurf das KAGB ausdrücklich hin, ohne allerdings für joint ventures eine ausdrückliche Ausnahme vom Anwendungsbereich des KAGB zu regeln.5 Weil keine ausdrückliche Ausnahme von joint ventures in der AIFM-RL oder im KAGB oder InvStG 2018 geregelt ist,6 muss in jedem Einzelfall anhand der Merkmale von § 1 Abs. 1 KAGB geprüft werden, ob ein Investmentvermögen vorliegt.

XIII. Leasing-Gesellschaften Gesellschaften, die bei Anlegern Kapital einsammeln, um damit einen Vermögensgegenstand 151 zu erwerben und anschließend über diesen einen Finanzierungs- oder Operate-Leasingvertrag als Leasinggeber abzuschließen, können als Investmentvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 KAGB anzusehen sein.7 Die BaFin führt hierzu Folgendes aus: Der Kauf und die anschließende Vermietung von Vermögensgegenständen stellt eine „Anlage“ dar. Sowohl das Finanzierungsleasing als auch das Operate-Leasing beruhen auf Mietverträgen, die beim Finanzierungsleasing um kaufrechtliche Elemente ergänzt sind. Sowohl das Finanzierungsleasing als auch das OperateLeasing sind daher als Anlagetätigkeiten zu qualifizieren. Investmentvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 KAGB liegt vor, wenn die Anleger am Gewinn und Verlust der Gesellschaft partizipieren und die Gesellschaft über eine festgelegte Anlagestrategie verfügt und kein operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors ist. Weil weder die AIFM-RL noch das KAGB oder InvStG 2018 einen ausdrücklichen Ausnahmetatbestand für Leasing-Gesellschaften enthalten, 1 BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, Tz. I.3.b. 2 Vgl. Krause in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Vor 405 Rz. 42 (Stand: August 2012) und IAS 31: „Joint venture is a contractual arrangement whereby two or more parties undertake an economic activity that is subject to joint control“. 3 BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, Tz. I.1. 4 Haisch/Helios, BB 2013, 23 (26). 5 BT-Drucks. 17/12294, 205. 6 Nach Schneider-Deters in Patzner/Döser/Kempf3, § 2 KAGB Rz. 9, beruht dies darauf, dass der Begriff joint venture angesichts der Vielzahl der in der Praxis denkbaren Gestaltungsformen nur schwer zu fassen sei. 7 BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, Tz. II.4. Behrens/Kammeter | 133

§ 1 Rz. 151 | Anwendungsbereich ist in jedem Einzelfall anhand der Merkmale von § 1 KAGB zu prüfen, ob ein Investmentvermögen vorliegt.

XIV. Leasing-Objektgesellschaften i.S.v. § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 17 KWG 152 Die BaFin führt zu Leasing-Objektgesellschaften i.S.v. § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 17 KWG Folgendes

aus:1 Leasing-Objektgesellschaften i.S.v. § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 17 KWG sind Unternehmen, die als einzige Finanzdienstleistung i.S.v. § 1 Abs. 1a Satz 2 das Finanzierungsleasing betreiben, nur als Leasing-Objektgesellschaft für ein einzelnes Leasingobjekt tätig werden, keine eigenen geschäftspolitischen Entscheidungen treffen und von einem Institut mit Sitz im EWR verwaltet werden, das nach dem Recht des Herkunftsstaates zum Betrieb des Finanzierungsleasings zugelassen ist. Leasing-Objektgesellschaften sind wegen der im KWG vorgesehenen Bereichsausnahme keine Finanzdienstleistungsinstitute und benötigen damit keine Erlaubnis zum Betreiben des Finanzierungsleasings. Lediglich der Verwalter einer solchen Leasing-Objektgesellschaft muss über eine entsprechende Erlaubnis verfügen. Leasing-Objektgesellschaften sind überwiegend in der Rechtsform der GmbH & Co. KG gegründet. Beteiligt an der Leasing-Objektgesellschaft sind Gesellschaften der Leasinggebergruppe (als Komplementär und Kommanditist) und in einigen Fällen auch der Leasingnehmer selbst (als Kommanditist). Diese Leasing-Objektgesellschaften treten nicht an das Publikum heran, um Gelder zum Erwerb des Leasinggegenstands zu sammeln, sondern die Fremdfinanzierung erfolgt regelmäßig durch ein Kreditinstitut.

153 Sind an der Leasing-Objektgesellschaft nur die Leasinggeber-Gruppe und der Leasingnehmer

beteiligt, liegt kein Investmentvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 KAGB vor. Es handelt sich um keinen Organismus für gemeinsame Anlagen, weil die Leasing-Objektgesellschaft ein reines Finanzierungsvehikel ist. Dies gilt zumindest dann, wenn die Leasing-Objektgesellschaft über die strukturell erforderliche Mindesteinlage hinaus kein Kapital einsammelt und das Leasing-Objekt von einem Kreditinstitut fremdfinanziert wird. Ist der Leasingnehmer im Einzelfall an der Leasing-Objektgesellschaft beteiligt und bringt er über die Mindesteinlage hinaus weiteres Kapital in die Gesellschaft ein, ist die Leasing-Objektgesellschaft zumindest dann weiterhin als reines Finanzierungsvehikel – und damit nicht als Investmentvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 KAGB – anzusehen, wenn die Einlage des Leasingnehmers Voraussetzung für die Fremdfinanzierung ist.

154 Sind an der Leasing-Objektgesellschaft neben der Leasinggeber-Gruppe und dem Leasingneh-

mer dagegen noch weitere Personen beteiligt, käme grds. eine Qualifizierung als Investmentvermögen in Betracht. Entscheidendes Kriterium ist hierbei regelmäßig, ob aufgrund der Beteiligung des Dritten Kapital eingesammelt wird.

XV. Special Purpose Acquisition Company (SPAC) 155 Special Purpose Acquisition Companies, abgekürzt „SPACs“, sind Akquisitionszweckgesell-

schaften, die mit dem Ziel gegründet werden, die nicht börsennotierten Anteile an einer operativen Gesellschaft zu erwerben und mit ihr zu fusionieren. SPACs sind also zunächst leere Unternehmenshüllen ohne operatives Geschäft. Durch ihren Börsengang sammeln sie Kapital von Investoren ein, mit dem Ziel, ein nicht börsengelistetes Unternehmen zu kaufen.2

1 BaFin v. 14.6.2013, zuletzt geändert am 9.3.2015 – Q 31 - Wp 2137 - 2013/0006, Tz. II.5. 2 BaFin, Mitteilung zu „Was sind die Besonderheiten solcher Akquisitionszweckgesellschaften? Worauf sollten Kleinanleger achten?“, zuletzt geändert am 2.7.2021: „Verschiedene europäische Börsen haben seit Ende 2020 Listings von sog. SPACs verzeichnet. ... Eine SPAC ist eine in der Rechtsform einer

134 | Behrens/Kammeter

Begriffsbestimmungen | § 2

Es muss i.d.R. vorgesehen sein, dass die Aktionäre mit einer bestimmten Mehrheit über die Verwendung des Treuhandvermögens und damit über die von der Geschäftsführung vorgeschlagene Unternehmenszusammenführung entscheiden. Anleger können Aktien einer SPAC i.d.R. zum Ausgabepreis zurückgeben, wenn sie der Unternehmenszusammenführung nicht zustimmen. Anleger, die die Aktien über die Börse zu einem möglicherweise höheren Preis erworben haben, sind hinsichtlich des Erstattungsanspruchs bei Rückgabe für gewöhnlich auf den Ausgabepreis beschränkt. Wenn innerhalb des in der Satzung der SPAC bestimmten Zeitraums keine geeignete Zielgesellschaft gefunden und keine Unternehmenszusammenführung erreicht werden kann, sehen die Vertragsbedingungen zumeist vor, dass eine SPAC liquidiert werden muss.1 SPACs sind im Regelfall keine Investmentvermögen i.S.v. § 1 KAGB und damit keine Investmentfonds i.S.v. § 1 InvStG, weil sie keine festgelegte Anlagestrategie haben.

§2 Begriffsbestimmungen (1) Die Begriffsbestimmungen des Kapitalanlagegesetzbuchs gelten entsprechend, soweit sich keine abweichenden Begriffsbestimmungen aus diesem Gesetz ergeben. (2) Ein inländischer Investmentfonds ist ein Investmentfonds, der dem inländischen Recht unterliegt. (3) Ein ausländischer Investmentfonds ist ein Investmentfonds, der ausländischem Recht unterliegt. (4) 1Investmentanteil ist der Anteil an einem Investmentfonds, unabhängig von der rechtlichen Ausgestaltung des Anteils oder des Investmentfonds. 2Spezial-Investmentanteil ist der Anteil an einem Spezial-Investmentfonds, unabhängig von der rechtlichen Ausgestaltung des Anteils oder des Spezial-Investmentfonds. (5) 1Ein Dach-Investmentfonds ist ein Investmentfonds, der Investmentanteile an einem anderen Investmentfonds (Ziel-Investmentfonds) hält. 2Ein Dach-Spezial-Investmentfonds ist ein Spezial-Investmentfonds, der Spezial-Investmentanteile an einem anderen SpezialInvestmentfonds (Ziel-Spezial-Investmentfonds) hält. (6) 1Aktienfonds sind Investmentfonds, die gemäß den Anlagebedingungen fortlaufend mehr als 50 Prozent ihres Aktivvermögens in Kapitalbeteiligungen anlegen (AktienfondsKapitalbeteiligungsquote). 2Ein Dach-Investmentfonds ist auch dann ein Aktienfonds, wenn der Dach-Investmentfonds nach seinen Anlagebedingungen verpflichtet ist, derart in Ziel-Investmentfonds zu investieren, dass fortlaufend die Aktienfonds-Kapitalbeteiligungsquote erreicht wird, und die Anlagebedingungen vorsehen, dass der Dach-Invest-

Aktiengesellschaft gegründete Mantelgesellschaft ohne operative Tätigkeit und ohne Betriebs- oder Anlagevermögen. Sie sammelt beispielsweise über einen Börsengang oder eine Privatplatzierung, an die sich eine Börsennotierung anschließt, Kapital ein, um es in die Unternehmenszusammenführung mit einer noch nicht börsennotierten Zielgesellschaft zu investieren und diese damit mittelbar an die Börse zu bringen. Die Unternehmenszusammenführung soll für die SPAC-Aktionäre zu einem Wertzuwachs führen. Da die Zielgesellschaft im Zeitpunkt des Börsengangs einer SPAC noch nicht konkret bestimmt ist, werden SPACs unter Verwendung der US-Klassifizierung oft als ,Blank Check Companies’ (deutsch: ,Blankoscheckgesellschaften’) bezeichnet.“ 1 BaFin, Mitteilung zu „Was sind die Besonderheiten solcher Akquisitionszweckgesellschaften? Worauf sollten Kleinanleger achten?“, zuletzt geändert am 2.7.2021. Behrens/Kammeter und Schwenke/Verleger | 135

§ 2 | Begriffsbestimmungen mentfonds für die Einhaltung der Aktienfonds-Kapitalbeteiligungsquote auf die bewertungstäglich von den Ziel-Investmentfonds veröffentlichten tatsächlichen Kapitalbeteiligungsquoten abstellt. 3Satz 2 ist nur auf Ziel-Investmentfonds anzuwenden, die mindestens einmal pro Woche eine Bewertung vornehmen. 4In dem Zeitpunkt, in dem der Investmentfonds wesentlich gegen die Anlagebedingungen verstößt und dabei die AktienfondsKapitalbeteiligungsquote unterschreitet, endet die Eigenschaft als Aktienfonds. (7) 1Mischfonds sind Investmentfonds, die gemäß den Anlagebedingungen fortlaufend mindestens 25 Prozent ihres Aktivvermögens in Kapitalbeteiligungen anlegen (Mischfonds-Kapitalbeteiligungsquote). 2Ein Dach-Investmentfonds ist auch dann ein Mischfonds, wenn der Dach-Investmentfonds nach seinen Anlagebedingungen verpflichtet ist, derart in Ziel-Investmentfonds zu investieren, dass fortlaufend die Mischfonds-Kapitalbeteiligungsquote erreicht wird, und die Anlagebedingungen vorsehen, dass der Dach-Investmentfonds für deren Einhaltung auf die bewertungstäglich von den Ziel-Investmentfonds veröffentlichten tatsächlichen Kapitalbeteiligungsquoten abstellt. 3Satz 2 ist nur auf Ziel-Investmentfonds anzuwenden, die mindestens einmal pro Woche eine Bewertung vornehmen. 4Absatz 6 Satz 4 ist entsprechend anzuwenden. (8) 1Kapitalbeteiligungen sind 1. zum amtlichen Handel an einer Börse zugelassene oder auf einem organisierten Markt notierte Anteile an einer Kapitalgesellschaft, 2. Anteile an einer Kapitalgesellschaft, die keine Immobilien-Gesellschaft ist und die a) in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ansässig ist und dort der Ertragsbesteuerung für Kapitalgesellschaften unterliegt und nicht von ihr befreit ist, oder b) in einem Drittstaat ansässig ist und dort einer Ertragsbesteuerung für Kapitalgesellschaften in Höhe von mindestens 15 Prozent unterliegt und nicht von ihr befreit ist, 3. Investmentanteile an Aktienfonds in Höhe von 51 Prozent des Wertes des Investmentanteils oder 4. Investmentanteile an Mischfonds in Höhe von 25 Prozent des Wertes des Investmentanteils. 2Sieht ein Aktienfonds in seinen Anlagebedingungen einen höheren Prozentsatz als 51 Prozent seines Aktivvermögens für die fortlaufende Mindestanlage in Kapitalbeteiligungen vor, gilt abweichend von Satz 1 Nummer 3 der Investmentanteil im Umfang dieses höheren Prozentsatzes als Kapitalbeteiligung. 3Sieht ein Mischfonds in seinen Anlagebedingungen einen höheren Prozentsatz als 25 Prozent seines Aktivvermögens für die fortlaufende Mindestanlage in Kapitalbeteiligungen vor, gilt abweichend von Satz 1 Nummer 4 der Investmentanteil im Umfang dieses höheren Prozentsatzes als Kapitalbeteiligung. 4Im Übrigen gelten Investmentanteile nicht als Kapitalbeteiligungen. 5Auch nicht als Kapitalbeteiligungen gelten 1. Anteile an Personengesellschaften, auch wenn die Personengesellschaften Anteile an Kapitalgesellschaften halten oder wenn die Personengesellschaften nach § 1a des Körperschaftsteuergesetzes zur Körperschaftsbesteuerung optiert haben, 2. Anteile an Kapitalgesellschaften, die nach Absatz 9 Satz 6 als Immobilien gelten, 3. Anteile an Kapitalgesellschaften, die von der Ertragsbesteuerung befreit sind, soweit sie Ausschüttungen vornehmen, es sei denn, die Ausschüttungen unterliegen einer Besteuerung von mindestens 15 Prozent und der Investmentfonds ist nicht davon befreit und

136 | Schwenke/Verleger

Begriffsbestimmungen | § 2

4. Anteile an Kapitalgesellschaften, a) deren Einnahmen unmittelbar oder mittelbar zu mehr als 10 Prozent aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften stammen, die nicht die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 2 erfüllen oder b) die unmittelbar oder mittelbar Beteiligungen an Kapitalgesellschaften halten, die nicht die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer 2 erfüllen, wenn der gemeine Wert derartiger Beteiligungen mehr als 10 Prozent des gemeinen Werts der Kapitalgesellschaften beträgt. (9) 1Immobilienfonds sind Investmentfonds, die gemäß den Anlagebedingungen fortlaufend mehr als 50 Prozent ihres Aktivvermögens in Immobilien und Immobilien-Gesellschaften anlegen (Immobilienfondsquote). 2Auslands-Immobilienfonds sind Investmentfonds, die gemäß den Anlagebedingungen fortlaufend mehr als 50 Prozent ihres Aktivvermögens in ausländische Immobilien und Auslands-Immobiliengesellschaften anlegen (Auslands-Immobilienfondsquote). 3Auslands-Immobiliengesellschaften sind Immobilien-Gesellschaften, die ausschließlich in ausländische Immobilien investieren. 4Investmentanteile an Immobilienfonds oder an Auslands-Immobilienfonds gelten in Höhe von 51 Prozent des Wertes des Investmentanteils als Immobilien. 5Sieht ein Immobilienfonds oder ein Auslands-Immobilienfonds in seinen Anlagebedingungen einen höheren Prozentsatz als 51 Prozent seines Aktivvermögens für die fortlaufende Mindestanlage in Immobilien vor, gilt der Investmentanteil im Umfang dieses höheren Prozentsatzes als Immobilie. 6Anteile an Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen, bei denen nach gesetzlichen Bestimmungen oder nach deren Anlagebedingungen das Bruttovermögen zu mindestens 75 Prozent aus unbeweglichem Vermögen besteht, gelten in Höhe von 75 Prozent des Wertes der Anteile als Immobilien, wenn die Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen einer Ertragsbesteuerung in Höhe von mindestens 15 Prozent unterliegen und nicht von ihr befreit sind oder wenn deren Ausschüttungen einer Besteuerung von mindestens 15 Prozent unterliegen und der Investmentfonds nicht davon befreit ist. 7Absatz 6 Satz 4 ist entsprechend anzuwenden. (9a) 1Die Höhe des Aktivvermögens bestimmt sich nach dem Wert der Vermögensgegenstände des Investmentfonds ohne Berücksichtigung von Verbindlichkeiten des Investmentfonds. 2Anstelle des Aktivvermögens darf in den Anlagebedingungen auf den Wert des Investmentfonds abgestellt werden. 3Bei der Ermittlung des Umfangs des in Kapitalbeteiligungen angelegten Vermögens sind in den Fällen des Satzes 2 die Kredite entsprechend dem Anteil der Kapitalbeteiligungen am Wert aller Vermögensgegenstände abzuziehen. 4Satz 3 gilt entsprechend für die Ermittlung des Umfangs des in Immobilien angelegten Vermögens. (10) Anleger ist derjenige, dem der Investmentanteil oder Spezial-Investmentanteil nach § 39 der Abgabenordnung zuzurechnen ist. (11) Ausschüttungen sind die dem Anleger gezahlten oder gutgeschriebenen Beträge einschließlich des Steuerabzugs auf den Kapitalertrag. (12) Als Anlagebedingungen gelten auch die Satzung, der Gesellschaftsvertrag oder vergleichbare konstituierende Rechtsakte eines Investmentfonds. (13) Als Veräußerung von Investmentanteilen und Spezial-Investmentanteilen gilt auch deren Rückgabe, Abtretung, Entnahme oder verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft sowie eine beendete Abwicklung oder Liquidation des Investmentfonds oder Spezial-Investmentfonds. (14) Der Gewinnbegriff umfasst auch Verluste aus einem Rechtsgeschäft. (15) Ein Amts- und Beitreibungshilfe leistender ausländischer Staat ist ein Mitgliedstaat der Europäischen Union oder ein Drittstaat, der Schwenke/Verleger | 137

§ 2 | Begriffsbestimmungen 1. der Bundesrepublik Deutschland Amtshilfe gemäß der Amtshilferichtlinie im Sinne des § 2 Absatz 2 des EU-Amtshilfegesetzes oder gemäß vergleichbaren völkerrechtlichen Vereinbarungen leistet und 2. die Bundesrepublik Deutschland bei der Beitreibung von Forderungen gemäß der Beitreibungsrichtlinie im Sinne des § 2 Absatz 2 des EU-Beitreibungsgesetzes oder gemäß vergleichbaren völkerrechtlichen Vereinbarungen unterstützt. (16) Anteile an Personengesellschaften, die nach § 1a des Körperschaftsteuergesetzes zur Körperschaftsbesteuerung optiert haben, gelten für die Zwecke der §§ 26, 28 und 48 nicht als Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, sondern es sind weiterhin die für Personengesellschaften geltenden Regelungen anzuwenden. A. I. II. III. IV. B. I. II.

C. D. I. II. III. E. I. II. III. IV. V. F. G. I. II. III. IV.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . Begriffsbestimmungen des KAGB (Abs. 1) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispielhafte Begriffsbestimmungen des KAGB 1. Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verwahrstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inländischer Investmentfonds (Abs. 2) Ausländischer Investmentfonds (Abs. 3) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ort der Geschäftsleitung im Inland . . . Grenzüberschreitende Fondsverwaltung Investmentanteil (Abs. 4) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zertifikate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbriefungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Genussrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Collaterized debt obligations (CDO) . . Dach-Fonds (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . Aktienfonds (Abs. 6) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wert des Aktienfonds . . . . . . . . . . . . . . . Fixe prozentuale Mindestquote in Anlagebedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fortlaufende Anlage 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wesentliche Verletzung der Vermögensgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kurzfristiges Unterschreiten der Vermögensgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Passive Grenzverletzung der Vermögensgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . .

138 | Schwenke/Verleger

1 2 3 7

V.

8

10 14 15

16 17 18 21 23 24 25 27 28 34 37 38 39 40 43 44

VI. H. I. I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX. J. I. II. III. IV. V.

5. „Fortlaufende“ Anlage im Fall der Neuauflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. „Fortlaufende“ Anlage während der Liquidationsphase . . . . . . . . . . . . . . . Ermittlung der Aktienfonds-Kapitalbeteiligungsquote 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zivilrechtliches und wirtschaftliches Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Dachfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren i.S.d. § 1 Abs. 2 KAGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zufluss bis zum 31.12.2018 . . . . . . . . ETF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mischfonds (Abs. 7) . . . . . . . . . . . . . . . Kapitalbeteiligungen i.S.d. Abs. 8 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anteile i.S.d. Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 . . . . . . Anteile i.S.d. Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 . . . . . . Anteile i.S.d. Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 . Anteile an körperschaftlich strukturierten Ziel-(Spezial-)Investmentfonds . . . . Über Personengesellschaften gehaltene Beteiligungen an Kapitalgesellschaften (Abs. 8 Satz 5 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . Anteile an bestimmten Kapitalgesellschaften (Abs. 8 Satz 5 Nr. 2) . . . . . . . . Anteile an REITs und REIT-ähnlichen Kapitalgesellschaften (Abs. 8 Satz 5 Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anteile an Holdinggesellschaften (Abs. 8 Satz 5 Nr. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Immobilienfonds (Abs. 9) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ermittlung Immobilienquote . . . . . . . . Zeitpunkt des Erfüllens der Anlagegrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dachfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berücksichtigung von Anteilen an inund ausländischen REIT . . . . . . . . . . . .

46 47 48 50 52 55 56 58 63 64 66 69 71 73 74 80 81 82 84 88 91 93 94

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 1 § 2 K. L. M. I. II. III. IV. N. I. II. III.

Aktivvermögen (Abs. 9a) . . . . . . . . . . . Anleger nach Abs. 10 . . . . . . . . . . . . . . Ausschüttungen (Abs. 11) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerabzugsbeträge . . . . . . . . . . . . . . . . Sachausschüttung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitalrückzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlagebedingungen (Abs. 12) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlagebedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . Vergleichbare konstituierende Rechtsakte 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Side letter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95 98 103 105 106 107 108 109

3. Fonds- bzw. Verkaufsprospekte . . . . 112 O. Veräußerung (Abs. 13) . . . . . . . . . . . . . 116 P. Gewinnbegriff (Abs. 14) . . . . . . . . . . . . 120 Q. Amts- und Beitreibungshilfe leistender ausländischer Staat (Abs. 15) I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 II. Mitgliedstaat der Europäischen Union . 122 III. Drittstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 IV. Amtshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 R. Anteile an optierenden Personengesellschaften (Abs. 16) . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

110 111

Literatur: Anzinger, Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an girosammelverwahrten Aktien im System der Kapitalertragsteuer, RdF 2012, 394; Krause/Klebeck, Fonds(anteils)begriff nach der AIFM-Richtlinie und dem Entwurf des KAGB, RdF 2013, 4; Werner, Das neue Kapitalanlagegesetzbuch, StBW 2013, 811; Bindl/Mager, Ausgewählte Zweifelsfragen und Lösungsvorschläge zum InvStG n.F., BB 2016, 2711; Dyckmans, Grundlegende Neukonzeption der Investmentbesteuerung, Ubg 2016, 62; Haisch, Abzugsverbot bei den Teilfreistellungen nach § 20 InvStG n.F. im Lichte des BFH-Urteils I R 61/14, RdF 2016, 329; Kempf/Hirtz, Schwerpunkte des Referentenentwurfs eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung, DStR 2016, 1; Neumann, Investmentsteuerreform: Ausgewählte Problemfelder, DB 2016, 1779; Stadler/Mager, Der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung, DStR 2016, 697; Warnke, Die Investmentsteuerreform und ihre wesentlichen Änderungen, EStB 2016, 305; Behrens, Transparenz- und Immobilien-Transparenzoption nach dem InvStG 2018, RdF 2017, 297; Bindl/Mager: Besteuerung von Dachfonds nach dem InvStG 2018 – Stellungnahme zum Entwurf eines Reparaturgesetzes und Alternativvorschlag, DStR 2017, 465; Bindl/Stadler, Die Immobilientransparenz gem. § 33 Abs. 2 InvStG 2018 bei Dach- und Masterfonds-Strukturen, BB 2017, 1943; Ebner, Teilfreistellung bei Investmentfonds in der Praxis, RdF 2017, 305; Ebner, Investmentfonds im ausländischen Kontext – Reform der Investmentbesteuerung soll die Besteuerung vereinfachen und Steuerschlupflöcher schließen, NWB 2017, 479; Ernst, Reform der Investmentbesteuerung und Auswirkungen auf die Durchführung der betrieblichen Altersvorsorge, BB 2017, 2723; Haase/Dorn, Investmentsteuerrecht – Einführung, 2. Aufl. 2015; Haug, Besteuerung von Spezial-Investmentfonds nach dem InvStG 2018 – Aktuelle Einzelfragen und erste Lösungsansätze, Ubg 2017, 303; Kelterborn/Küpper, Investmentsteuerreform: Praxishinweise und Erleichterungen aus dem BMF, BB 2017, 2263; Hahne/Michaelis, Entwurf eines „JStG 2019“: Vorgeschlagene Änderungen bei der Abgeltungsteuer und der Investmentbesteuerung, RdF 2019, 196; Stadler/Mager, Der neue Investmentsteuererlass zu Anwendungsfragen zum Investmentsteuergesetz v. 21.5.2019 – Vergleich zum Entwurf v. 15.6.2018, BB 2019, 1760; Weber/Krauß, ADRs, Pre-Release ADRs und „Phantom-Aktien“: Zivil- und steuerrechtliche Konsequenzen der (unterbliebenen) Aktienhinterlegung, DStR 2019, 960; Haug, Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts – Folgen aus dem Optionsmodell für die Investmentbesteuerung, FR 2021, 410.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck § 2 InvStG enthält steuerliche Definitionen und Begriffsbestimmungen, auf die sich die Rege- 1 lungen des neuen InvStG beziehen.

Schwenke/Verleger | 139

§ 2 Rz. 2 | Begriffsbestimmungen

II. Anwendungsbereich 2 Der Anwendungsbereich ergibt sich aus § 1 Abs. 1 und 2 InvStG (vgl. die Kommentierung zu

§ 1 InvStG). Der Besteuerung nach dem InvStG unterliegen grds. sämtliche Kapitalanlagevehikel, die aufsichtsrechtlich durch das KAGB geregelt werden, und deren Anleger.1 Mithin sind die steuerlichen Definitionen und Begriffsbestimmungen in den Abs. 1 bis 16 des § 2 InvStG sowohl für die Besteuerungsregelungen für Investmentfonds, für Spezial-Investmentfonds sowie für Altersvorsorgevermögenfonds als auch für die Besteuerung des Anlegers eines Investmentfonds und eines Spezial-Investmentfonds maßgebend.2 § 2 InvStG i.V.m. § 56 Abs. 1 Satz 1 InvStG ist ab dem 1.1.2018 anzuwenden.

III. Rechtsentwicklung 3 Investmentsteuerreformgesetz v. 19.7.2016.3 § 2 InvStG i.d.F. des InvStRefG lehnt sich an

den bisherigen § 1 InvStG a.F. an. Letzterer verwies in Abs. 2 bei der Definition wichtiger Begrifflichkeiten auf die Begriffsbestimmungen des KAGB, soweit sich aus dem InvStG a.F. keine abweichenden Begriffsbestimmungen ergaben. Die eigenständigen steuerlichen Begriffsbestimmungen ergaben sich aus § 1 Abs. 2 Satz 2 bis 6 InvStG a.F.

4 „JStG 2018“ v. 11.12.2018.4 Durch Art. 15 des „JStG 2018“ wurden bereits erste Änderungen

und Konkretisierungen in § 2 InvStG vorgenommen. So wurden die Definitionen von „Aktienfonds“ (Abs. 6), „Mischfonds“ (Abs. 7), „Kapitalbeteiligungen“ (Abs. 8) und „Immobilienfonds“ (Abs. 9) konkretisiert. Insbesondere erfolgte eine Reduzierung der Mindestbeteiligungsquote an Kapitalbeteiligungen bzw. Immobilien von „mindestens 51 Prozent“ auf „mehr als 50 Prozent“. In Abs. 9a wird das „Aktivvermögen“ definiert, welches für die Ermittlung der Kapitalbeteiligungsquote maßgebend ist. Zudem wurden die Regelungen in § 2 Abs. 8 Sätze 2 und 3 sowie in § 2 Abs. 9 Satz 3 InvStG neu gefasst, um es Dach-Investmentfonds zu erleichtern, die Kapitalbeteiligungsquote eines Aktien- oder Mischfonds bzw. die Immobilienquote eines Immobilienfonds zu erreichen. Die Änderungen und Konkretisierungen traten mit Wirkung vom 15.12.2018 in Kraft.

5 „JStG 2019“ v. 12.12.2019.5 Das „JStG 2019“ beinhaltet in Art. 17 weitere Änderungen und

Ergänzungen des § 2 InvStG. So wurde dem Abs. 8 ein neuer Satz 5 angefügt, der eine Negativabgrenzung enthält, wann eine Kapitalbeteiligung bei der Ermittlung der maßgeblichen Kapitalbeteiligungsquote keine Berücksichtigung findet. Nach der Gesetzesbegründung sollen die einzelnen Tatbestände des § 2 Abs. 8 Satz 5 InvStG zum einen Gestaltungen verhindern, mit denen die Aktienteilfreistellung ausgenutzt wird, ohne dass bei den von den Investmentfonds gehaltenen Kapitalbeteiligungen eine steuerliche Vorbelastung eingetreten ist. Zum anderen soll eine einfache Überprüfbarkeit der Voraussetzungen für eine Aktienteilfreistellung durch die FinVerw. erreicht werden.6 Zudem wurden in § 2 Abs. 9 InvStG die bisher getrennten Definitionen des Immobilienfonds in § 2 Abs. 9 InvStG und des Auslands-Immobilienfonds in § 20 Abs. 3 Satz 2 InvStG i.d.F. v. 19.7.2016 zusammengefasst. § 2 Abs. 9 InvStG definiert den Begriff der Immobilienfonds und der Auslands-Immobilienfonds. In Satz 6 wird nun geregelt, unter welchen Voraussetzungen Anteile an in- und ausländischen REITs i.H.v. 75 % des Werts der Anteile als Immobilien gelten. Letztlich wurde in § 2 Abs. 13 InvStG der

1 2 3 4 5 6

BT-Drucks. 18/8045, 54. BT-Drucks. 18/8045, 68. BGBl. I 2016, 1730. BGBl. I 2018, 2338. BGBl. I 2019, 2451. BT-Drucks. 19/13436, 170.

140 | Schwenke/Verleger

B. Begriffsbestimmungen des KAGB (Abs. 1) | Rz. 9 § 2

Begriff der Veräußerung um Fälle einer beendeten Abwicklung oder Liquidation des Investmentfonds und Spezial-Investmentfonds erweitert. Die Änderungen in § 2 Abs. 8 Satz 5, Abs. 9 und 13 InvStG durch das „JStG 2019“ sind zum 1.1.2020 anzuwenden.1 Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts v. 25.6.2021.2 Durch Art. 4 des 6 KöMoG wurde § 2 Abs. 8 Satz 5 Nr. 1 InvStG um einen Halbsatz ergänzt. Hiernach gelten Anteile an Personengesellschaften auch dann nicht als Kapitalbeteiligungen, wenn die Personengesellschaften nach § 1a KStG zur Körperschaftsbesteuerung optiert haben. Zudem wurde ein neuer Abs. 16 in § 2 InvStG aufgenommen. Dieser regelt, dass Anteile an Personengesellschaften, die nach § 1a KStG zur Körperschaftsbesteuerung optiert haben, für Zwecke der §§ 26, 28 und 48 InvStG nicht als Beteiligung an einer KapGes. gelten. Vielmehr sind insoweit weiterhin die für Personengesellschaften geltenden Regelungen anzuwenden. Die Regelungen gelten ab dem 1.1.2022 (§ 57 Abs. 6 Nr. 2 InvStG).

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften § 2 Abs. 1 InvStG verweist auf die Begriffsbestimmungen des Kapitalanlagegesetzbuches 7 (KAGB).3 Das KAGB ist ein in sich geschlossenes Regelwerk, das den Aufsichts- und Regulierungsrahmen für Investmentvermögen und ihre Kapitalverwaltungsgesellschaften bildet.4 Durch den Verweis auf das KAGB werden ein weitgehender Gleichlauf zwischen Steuer- und Aufsichtsrecht hergestellt und Abgrenzungsprobleme in der Praxis vermieden (vgl. jedoch § 1 Abs. 2 Satz 2 InvStG).5 Eine Ausnahme ergibt sich nur dann, soweit das InvStG eigenständig Begriffsbestimmungen für Zwecke des InvStG definiert. In diesem Fall sind diese spezialgesetzlichen Definitionen vorrangig gegenüber den allgemeinen Bestimmungen des KAGB.6 Hierdurch bezweckt der Gesetzgeber die in Teilen weiterhin notwendige Entkoppelung von Aufsichts- und Steuerrecht.

B. Begriffsbestimmungen des KAGB (Abs. 1) I. Vorbemerkung Gemäß § 2 Abs. 1 InvStG gelten die Begriffsbestimmungen des KAGB entsprechend, soweit 8 sich keine abweichenden Begriffsbestimmungen aus dem InvStG ergeben. Die aufsichtsrechtlichen Begriffsbestimmungen sind insbes. in § 1 KAGB normiert, aber beispielsweise auch in § 17 KAGB die Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG). Durch den Verweis auf das KAGB sind die in § 1 KAGB oder in anderen Vorschriften des 9 KAGB enthaltenen Begriffsbestimmungen grds. auf das InvStG anzuwenden.7 Die Verweisung auf die Begriffsbestimmungen des KAGB hat zur Folge, dass sowohl künftige gesetzgeberische Maßnahmen im Rahmen des aufsichtsrechtlichen KAGB als auch Auslegungsfragen8 im Zusammenhang mit den tatbestandlichen Voraussetzungen des KAGB unmittelbar auf das InvStG durchschlagen. 1 2 3 4 5 6 7

Art. 17 Nr. 17 des „JStG 2019“ v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451. BGBl. I 2021, 2050. Eine Übersicht über das Aufsichtsrecht enthält Anhang 8. Weitnauer in W/B/A3, Einl. II.1.; Mansfeld in Moritz/Klebeck/Jesch, Einl. Rz. 21. BT-Drucks. 18/8045, 54. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.1. BT-Drucks. 18/8045, 68; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 2 InvStG 2018 Rz. 10 ff.; Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 2 InvStG Rz. 9. 8 Vgl. insoweit umfangreiche Stellungnahmen der BaFin bzw. der Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA). Schwenke/Verleger | 141

§ 2 Rz. 10 | Begriffsbestimmungen

II. Beispielhafte Begriffsbestimmungen des KAGB 1. Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) 10 Nach § 17 Abs. 1 KAGB sind KVG Unternehmen mit satzungsmäßigem Sitz und Hauptver-

waltung im Inland, deren Geschäftsbetrieb darauf gerichtet ist, inländische Investmentvermögen, EU-Investmentvermögen oder ausländische Alternative Investmentfonds (AIF) zu verwalten (kollektive Vermögensverwaltung). Verwaltung eines Investmentvermögens liegt vor, wenn mindestens die Portfolioverwaltung oder das Risikomanagement für ein oder mehrere Investmentvermögen erbracht wird. Die KVG hat ausschließlich im Interesse der Anleger zu handeln, Anleger sowie Investmentvermögen gleich zu behandeln und die Marktintegrität zu wahren. In organisatorischer Hinsicht hat die KVG die Gewähr u.a. für ein Interessenkonfliktmanagement sowie ein Risiko- und Liquiditätsmanagement zu tragen.

11 Das KAGB differenziert dabei zwischen internen und externen KVG.1 Die KVG ist eine exter-

ne KVG, wenn sie vom Investmentvermögen oder im Namen des Investmentvermögens bestellt ist und aufgrund dieser Bestellung für die Verwaltung des Investmentvermögens verantwortlich ist (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 KAGB). Die externe KVG darf nur in der Rechtsform der AG, der GmbH oder als KG, bei der eine GmbH persönlich haftende Gesellschafterin ist (GmbH & Co. KG), auftreten. Die interne KVG ist das Investmentvermögen selbst, wenn die Rechtsform des Investmentvermögens eine interne Verwaltung zulässt und der Vorstand oder die Geschäftsführung des Investmentvermögens entscheidet, keine externe Kapitalverwaltungsgesellschaft zu bestellen (§ 17 Abs. 2 Nr. 2 KAGB). Die KVG handelt bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben unabhängig von der Verwahrstelle und ausschließlich im Interesse der Anleger (§ 26 Abs. 1 KAGB). Die KVG muss über eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation verfügen, die die Einhaltung der von ihr zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen gewährleistet (§ 28 Abs. 1 Satz 1 KAGB; vgl. Anh. 8 Rz. 40).

12 AIF-Kapitalverwaltungsgesellschaften sind KVG gem. § 17 KAGB, die mindestens einen AIF

verwalten oder zu verwalten beabsichtigen (§ 1 Abs. 16 KAGB). Gemäß § 1 Abs. 17 KAGB sind EU-Verwaltungsgesellschaften Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU/des EWR, die den Anforderungen an eine Verwaltungsgesellschaft oder an eine intern verwaltete Investmentgesellschaft i.S.d. Richtlinie 2009/65/EG oder an einen Verwalter alternativer Investmentfonds i.S.d. Richtlinie 2011/61/EU2 entsprechen.

13 Ausländische AIF-Verwaltungsgesellschaften sind Unternehmen mit Sitz in einem Dritt-

staat, die den Anforderungen an einen Verwalter alternativer Investmentfonds i.S.d. Richtlinie 2011/61/EU entsprechen, § 1 Abs. 18 KAGB. 2. Verwahrstellen

14 Der Begriff der Verwahrstelle ist Ausfluss unionsrechtlicher Terminologie und hat den auch

heute noch gängigen Begriff der „Depotstelle“ abgelöst.3 Die rechtlichen Grundlagen ergeben sich aus §§ 68 bis 90 KAGB. Für jedes Investmentvermögen hat die KVG eine Verwahrstelle zu beauftragen (Verwahrstellenvertrag). Der Verwahrstelle obliegt die Verwahrung der Vermögensgegenstände des Investmentfonds sowie eine eigenständige, inhaltlich eingegrenzte

1 Werner, StBW 2013, 811. 2 RL 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 8.6.2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der RL 2003/41/EG und 2009/65/EG und der VO (EG) Nr. 1060/ 2009 und (EU) Nr. 1095/2010, ABl. EU 2011 Nr. L 174, 1. 3 Art. 21 der RL 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 8.6.2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der RL 2003/41/EG und 2009/65/EG und der VO (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 1095/2010, ABl. EU 2011 Nr. L 174, 1.

142 | Schwenke/Verleger

D. Ausländischer Investmentfonds (Abs. 3) | Rz. 17 § 2

Überwachungspflicht (§§ 72, 76 KAGB). Verwahrstellen können EU-Kreditinstitute (§§ 68 Abs. 2, 80 Abs. 2 Nr. 1 KAGB) und Wertpapierfirmen (§ 80 Abs. 2 Nr. 2 KAGB) sein. Bei bestimmten geschlossenen AIF können auch Treuhänder beauftragt werden (§ 80 Abs. 3 KAGB). Eine Verwahrstelle kann letztlich nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 KAGB eine andere Kategorie von Einrichtung sein, die einer Beaufsichtigung und ständigen Überwachung unterliegt (z.B. Prime Broker) und die am 21.7.2011 unter eine der von den Mitgliedstaaten der EU/des EWR gem. Art. 23 Abs. 3 der RL 2009/65/EG festgelegten Kategorien von Einrichtungen fällt, aus denen eine Verwahrstelle gewählt werden kann. Bei der Ausübung ihrer Tätigkeit handeln die Verwahrstellen unabhängig von den KVG und ausschließlich im Interesse der Anleger (vgl. Anh. 8 Rz. 41).1

C. Inländischer Investmentfonds (Abs. 2) Ein inländischer Investmentfonds ist ein Investmentfonds, der dem inländischen Recht unter- 15 liegt. Die bisherige Begriffsbestimmung in § 1 Abs. 2 Satz 3 InvStG a.F. hat auf das inländische Aufsichtsrecht abgestellt.2 § 2 Abs. 2 InvStG lehnt sich nunmehr an § 1 Abs. 7 KAGB an, der darauf abstellt, welchem „Recht“ das Investmentvermögen unterliegt. Maßgebend ist das Recht des Staates, unter dem der Investmentfonds aufgelegt wurde und nach dessen Bestimmungen sich die Ausgestaltung sowie die Anlagebedingungen oder vergleichbare konstituierende Dokumente des Investmentfonds richten.3 Damit wird auf das jeweils anwendbare Zivil- oder Privatrecht abgestellt.4 Der Ort der effektiven Geschäftsführung ist zumindest für die Qualifikation als inländischer Investmentfonds irrelevant.

D. Ausländischer Investmentfonds (Abs. 3) I. Vorbemerkung Ein ausländischer Investmentfonds ist ein Investmentfonds, der ausländischem Recht unter- 16 liegt. Die Regelung stellt – wie im Aufsichtsrecht (vgl. § 1 Abs. 8 bis 9 KAGB) – darauf ab, welchem Recht der ausländische Investmentfonds unterliegt. Anders als das KAGB, das zwischen EU-Investmentvermögen und ausländischen AIF unterscheidet, differenziert das InvStG nur zwischen inländischen und ausländischen Investmentfonds. Maßgebend ist, nach welchem staatlichen Recht sich die Ausgestaltung des Investmentfonds sowie die Anlagebedingungen oder vergleichbare konstituierende Dokumente richten.5 Damit wird auf das jeweils anwendbare Zivil- oder Privatrecht abgestellt.6 Dies entspricht der bisherigen nationalen Sichtweise zur Auslegung von § 1 Abs. 8 und 9 KAGB.7

II. Ort der Geschäftsleitung im Inland Fraglich ist, ob ein ausländischer Investmentfonds bei einem Ort der Geschäftsleitung im 17 Inland in einen inländischen Investmentfonds umzuqualifizieren ist. Ort der Geschäftsleitung 1 2 3 4 5 6 7

Häuselmann, Investmentanteile, 2019, 58; Haase/Dorn, Investmentsteuerrecht, 2. Aufl. 2015, 57 ff. Bauderer/Mundel in Haase2, § 1 InvStG Rz. 243; Dyckmans, Ubg 2016, 62 (63). BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.2. BT-Drucks. 18/8045, 74; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.2. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.2. BT-Drucks. 18/8045, 68. BaFin, Rundschreiben 14/2008 (WA) zum Anwendungsbereich des InvG nach § 1 Satz 1 Nr. 3 InvG v. 22.12.2008, unter Ziff. I. Nr. 1 Buchst. e. Schwenke/Verleger | 143

§ 2 Rz. 17 | Begriffsbestimmungen ist der Ort, an dem Geschäftsführungsmaßnahmen von einiger Wichtigkeit getroffen werden, die aus tatsächlichen, organisatorischen und rechtlichen Gründen für den gewöhnlichen Betrieb erforderlich sind.1 Abzugrenzen hiervon ist die Festlegung der Grundsätze der Unternehmenspolitik und die sonstige Mitwirkung der Gesellschafter an ungewöhnlichen Maßnahmen. Aus dem klaren Wortlaut der Norm ergibt sich, dass alleiniger Maßstab für die Frage, ob ein in- oder ausländischer Investmentfonds vorliegt, das staatliche Recht ist, welchem der Investmentfonds unterliegt.2 Für dieses Begriffsverständnis spricht auch die Gesetzeshistorie. Diese zeigt, dass der Gesetzgeber, wie bereits in § 1 Abs. 2 Sätze 3 bis 5 InvStG a.F., bewusst anlehnend an das Aufsichtsrecht den satzungsmäßigen Sitz als charakterisierend formuliert hat, weil er nicht den Sitz der tatsächlichen Verwaltung erfassen wollte. Der Gesetzgeber wollte bereits unter dem alten Besteuerungsregime hierdurch einer Abweichung der steuerlichen von der aufsichtsrechtlichen Definition des Investmentfonds vorbeugen. Er hat durch die geänderte Formulierung in § 2 Abs. 3 InvStG zu erkennen gegeben, dass er nicht von seinem bisherigen Rechtsverständnis abweichen wollte, sondern vielmehr sich an das Aufsichtsrecht anlehnt. Hierfür spricht schließlich auch die Gesetzesbegründung3, wonach sich § 2 Abs. 3 InvStG am Aufsichtsrecht orientiert, das sich nach den Vorschriften des internationalen Privatrechts richtet.4

III. Grenzüberschreitende Fondsverwaltung 18 Strittig diskutiert wird, ob ein ausländischer Investmentfonds bei einer (grenzüberschrei-

tenden) Fondsverwaltung im Inland eine (Vertreter-)Betriebsstätte in Deutschland begründet. Eine grenzüberschreitende Verwaltung von Investmentfonds kann zum einen über Zweigniederlassungen, zum anderen im Wege des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs erfolgen.5 Liegt eine grenzüberschreitende Verwaltung vor, berührt dies nicht die Qualifikation als ausländischen Investmentfonds. Diese richtet sich ausschließlich nach dem staatlichen Recht seiner Ausgestaltung sowie der Anlagebedingungen oder vergleichbarer konstituierender Dokumente.

19 Nach einer Ansicht in der Literatur6 ergebe sich aus den Regelungen zur Gewerbesteuerbefrei-

ung des Investmentfonds nach § 15 InvStG, dass dieser eine solche Betriebsstätte jedenfalls dann nicht begründe, wenn er seine Vermögensgegenstände nicht in wesentlichem Umfang aktiv unternehmerisch bewirtschaftet. Denn nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InvStG sei die Gewerbesteuerfreiheit nur dann gegeben, wenn der Investmentfonds seine Vermögensgegenstände nicht in wesentlichem Umfang aktiv unternehmerisch bewirtschafte.

20 Ein derart weitgehendes Normverständnis ist dem § 15 InvStG jedoch nicht zu entnehmen.

Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber bereits in der Gesetzesbegründung7 zum OGAW-IV-Umsetzungsgesetz klargestellt hat, dass er sich durch die Regelung des § 1 Nr. 1 Buchst. c InvStG i.d.F. des OGAW-IV-UmsG bzw. § 1 Abs. 1f Nr. 1 Buchst. c InvStG a.F. von der bisherigen Auffassung, es komme vornehmlich auf den Ort an, von dem das Sondervermögen aus verwaltet werde, lösen wollte. Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber durch die Regelungen im neuen InvStG eine erneute Kehrtwende vollziehen wollte, ergeben sich weder aus

1 BFH v. 5.11.2014 – IV R 30/11, BStBl. II 2015, 601. 2 Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 2 InvStG Rz. 12; so bereits zum InvStG a.F. Völker in Moritz/ Jesch/Mann, InvStG, Bd. 2, 2015, § 5 Rz. 47; Bauderer/Mundel in Haase2, § 1 InvStG Rz. 243. 3 BT-Drucks. 18/8045, 68. 4 Volhard/Jung in W/B/A3, § 1 KAGB Rz. 45. 5 Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 2 InvStG Rz. 13. 6 Stadler/Mager, DStR 2016, 697. 7 BT-Drucks. 17/4510, 93.

144 | Schwenke/Verleger

E. Investmentanteil (Abs. 4) | Rz. 23 § 2

dem Normverständnis des § 2 InvStG noch aus der Gesetzesbegründung.1 Die Definition in § 2 Abs. 3 InvStG lässt auch bei einer grenzüberschreitenden Verwaltung eine zweifelsfreie Unterscheidung zwischen inländischen und ausländischen Investmentfonds zu.

E. Investmentanteil (Abs. 4) I. Vorbemerkung § 2 Abs. 4 InvStG definiert den Anteil an einem Investmentfonds als „Investmentanteil“ und 21 den Anteil an einem Spezial-Investmentfonds als „Spezial-Investmentanteil“. Auf die rechtliche Ausgestaltung des Anteils oder die des Investmentfonds kommt es dabei nicht an.2 Insbesondere gelten auch „Aktien“ einer Investmentaktiengesellschaft als Investmentanteile oder Spezial-Investmentanteile, wenn die Investmentaktiengesellschaft die Voraussetzungen eines Investmentfonds nach § 1 Abs. 2 InvStG oder eines Spezial-Investmentfonds nach § 26 InvStG erfüllt.3 Soweit im Kapitel 1 des InvStG auf Investmentanteile Bezug genommen wird, sind grds. auch Spezial-Investmentanteile umfasst.4 Die Anteile können mitgliedschaftliche Rechte verkörpern, z.B. Aktien einer Investment- 22 aktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital i.S.d. § 108 Abs. 4 i.V.m. § 96 KAGB, bzw. auf einer vertraglichen Gestaltung5 beruhen, wie beispielsweise bei Anteilen an einem Sondervermögen i.S.d. § 92 KAGB.6 Maßgebend ist, ob die schuldrechtlichen Beziehungen zwischen dem Investmentvermögen und der Vertragspartei auf Eigen- oder Fremdkapital beruhen.7 Nur eigenkapitalähnliche Anteile vermitteln einen Investmentanteil. Dieses Verständnis ist Ausfluss des aufsichtsrechtlichen materiell-rechtlichen Investmentbegriffs. Ein eigenkapitalähnlicher Anteil liegt vor, wenn der Anleger sowohl an den Erträgen als auch an den stillen Reserven und stillen Lasten des Investmentvermögens partizipiert, d.h., der Anleger Chancen und Risiken der Wertentwicklung der gemeinschaftlichen Anlage trägt.8 Wird zwischen dem Investmentvermögen und dem Anleger ein „Entgelt“ für die Kapitalüberlassung betragsmäßig fixiert oder ein unbedingter Kapitalrückzahlungsanspruch vereinbart, liegt kein „Anteil“ i.S.d. § 2 InvStG vor. Die Kapitalbeteiligung muss erfolgsabhängig ausgestaltet sein.

II. Zertifikate Zertifikate sind Schuldverschreibungen eines Emittenten, die Anlegern die Teilnahme an der 23 Kursentwicklung bestimmter Wertpapiere oder anderer Finanzinstrumente verbriefen. Entscheidungserheblich für die Frage, ob Zertifikate Anteile an Investmentfonds begründen, ist, ob das vom Anleger eingesammelte Kapital gem. einer festgelegten Anlagestrategie „zum Nutzen der Anleger investiert“ wird (§ 1 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 InvStG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB). Bereits nach bisheriger Auffassung der FinVerw.9 liegt kein ausländischer Investment-

1 So auch Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 2 InvStG Rz. 13; Dyckmans, Ubg 2016, 62 (63); Kempf/ Hirtz, DStR 2016, 1 (2). 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.3. 3 BT-Drucks. 18/8045, 69. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.4. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.3; Moroni in Moritz/Klebeck/Jesch, § 92 KAGB Rz. 1; Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 2 InvStG Rz. 20. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.3. 7 Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 1 InvStG Rz. 36. 8 Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 1 InvStG Rz. 36. 9 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 – 1/08/10019 – DOK 2009/0539738, BStBl. I 2009, 931. Schwenke/Verleger | 145

§ 2 Rz. 23 | Begriffsbestimmungen anteil vor, wenn der Emittent nicht dazu verpflichtet ist, den Emissionserlös in Vermögensgegenstände i.S.d. § 2 Abs. 4 InvG anzulegen, und der Wertpapierinhaber keinen Anspruch auf das jeweilige Bezugsobjekt hat sowie keine Rechte an diesem erwirbt, sondern nur einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den jeweiligen Emittenten auf eine Leistung hat, die sich nach der Entwicklung des jeweiligen Bezugsobjekts bemisst. Die BaFin hat diese Sichtweise übernommen.1 Hiernach liege bei Schuldverschreibungen in Form eines Zertifikats, dessen Wertentwicklung an verschiedene Wertpapiere oder an einen selbst erstellten Index gekoppelt ist, keine Investition zum Nutzen der Anleger vor, wenn die Bank in der Verwendung der Anlegergelder frei ist und dem Anleger nicht verspricht, die Anlegergelder etwa in die dem selbst erstellten Index oder dem Referenzportfolio zugrunde liegenden Vermögenswerte zu investieren. Maßgebend ist, ob die Zertifikate die gesamte Wertentwicklung sowie etwaige stille Reserven des Investmentvermögens auf die Zertifikateinhaber transportieren.2 Anhaltspunkte, die dafür sprechen würden, dass sich die FinVerw. von dieser Rechtsauffassung löst und die Einordnung des Zertifikats unter der Geltung des neuen InvStG anders beurteilen würde, ergeben sich weder aus dem Wortlaut der Norm, der Gesetzesbegründung noch aus dem Anwendungserlass. Vielmehr wird hiernach der Begriff des Investmentvermögens nicht erfüllt, wenn die Höhe der Anlagesumme und des Rückzahlungsanspruchs aus der Schuldverschreibung in Relation zur Wertentwicklung anderer Finanzinstrumente steht.3 Zudem sind nach dem BMF-Schreiben ausdrücklich Zertifikate und Schuldverschreibungen vom Anwendungsbereich ausgenommen, die von einer Verbriefungszweckgesellschaft nach Art. 2 Abs. 3 Buchst. g i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der RL 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 8.6.2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM-Richtlinie) begeben werden.4

III. Verbriefungen 24 Verbriefungen bzw. asset backed securities (ABS) sind handelbare Verbindlichkeiten in Form

von z.B. Pfandbriefen. Verbriefungen bzw. ABS sind jedoch keine Investmentanteile, denn nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvStG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 7 KAGB sind Verbriefungszweckgesellschaften keine Investmentfonds i.S.d. InvStG (vgl. vertiefende Ausführungen zu § 1 InvStG Rz. 82 ff.). Fehlt es an einem Rechtsträger eines Investmentvermögens, können von ihm ausgegebene Beteiligungen begriffsnotwendigerweise keine Investmentanteile i.S.d. § 2 Abs. 4 InvStG begründen.5

IV. Genussrechte 25 Die Beteiligung des Anlegers kann gesellschaftsrechtlicher, mitgliedschaftlicher oder schuld-

rechtlicher Natur sein, sodass grds. jede Art der Beteiligung, mithin auch Genussrechte, denkbar ist. Bei Genussrechten ist zwischen Eigenkapital- und Fremdkapital-Genussrechten zu unterscheiden. Maßgebend ist auch hier wiederum, ob die Rechtsbeziehung zwischen einem Investmentvermögen und einer Vertragspartei derart ausgestaltet ist, dass diese als Investmentanteil qualifiziert werden muss.

26 Dass Genussrechte Anteile an Investmentfonds sein können, ergibt sich bereits aus dem Um-

kehrschluss der Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 5 VermAnlG. Hiernach sind Vermögensanlagen 1 2 3 4 5

BaFin v. 14.6.2013 (geändert am 9.3.2015) – Q 31 – Wp 2137 – 2013/0006, Tz. I.6. Krause/Klebeck, RdF 2013, 4 (11). BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 1.4.; vgl. § 1 InvStG Rz. 24, 40. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 1.4. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 1.4.

146 | Schwenke/Verleger

F. Dach-Fonds (Abs. 5) | Rz. 28 § 2

i.S.d. VermAnlG nicht als Anteile an Investmentvermögen i.S.d. § 1 Abs. 1 KAGB ausgestaltete Genussrechte. Die Charakterisierung der Genussrechte als Investmentanteil wird daher durch die Ausgestaltung der Gewinn- und Verlustbeteiligung bestimmt. Genussrechte vermitteln nur dann einen Investmentanteil, wenn neben der Gewinn- und Verlustteilnahme auch eine Beteiligung an den stillen Reserven gegeben ist.1

V. Collaterized debt obligations (CDO) Collaterized debt obligations (CDO) sind festverzinsliche Wertpapiere, die die Zweckgesell- 27 schaft zur Finanzierung des Portfolios herausgibt. Die CDO sind in verschiedene Tranchen unterteilt, die sich u.a. in der Höhe der Verzinsung, dem Vorrang bei der Verteilung der laufenden Erträge und Liquidationserlöse oder den Gläubigerrechten unterscheiden.2 Der Rückzahlungsbetrag und die Zinszahlungen werden aus den Cashflows der zugrunde liegenden Finanzinstrumente finanziert. Für die Schuldtitel sind als Bezeichnung z.B. gebräuchlich bei der Verbriefung von Konsumentenkrediten „Consumer ABS“, von grundpfandrechtlich gesicherten gewerblichen Krediten „commercial mortgage-backed securities (CMBS)“, von Schuldverschreibungen „collaterised bond obligations (CBO)“, von Darlehensforderungen „collaterised loan obligations (CLO)“ oder von Schuldverschreibungen „collaterised debt obligations (CDO)“.3 Unter Hinzuziehung der aufsichtsrechtlichen Regelungen sind nach Auffassung der FinVerw. CDO regelmäßig keine Investmentanteile, wenn der Geschäftszweck nicht hauptsächlich auf die gemeinschaftliche Kapitalanlage gerichtet ist.4

F. Dach-Fonds (Abs. 5) Ein Dach-Investmentfonds ist ein Investmentfonds, der Investmentanteile an einem anderen 28 Investmentfonds (Ziel-Investmentfonds) hält (§ 2 Abs. 5 Satz 1 InvStG). Ein Dach-SpezialInvestmentfonds ist ein Spezial-Investmentfonds, der Spezial-Investmentanteile an einem anderen Spezial-Investmentfonds (Ziel-Spezial-Investmentfonds) hält (§ 2 Abs. 5 Satz 2 InvStG).5 Der Investmentfonds „hält“ einen Anteil, wenn er Anleger i.S.d. § 2 Abs. 10 InvStG ist. Eine bestimmte Anlagequote enthält § 2 Abs. 5 InvStG nicht. Die aufsichtsrechtlichen Vorgaben der zu § 4 Abs. 2 KAGB ergangenen Fondskategorien-RL v. 22.7.2013 (geändert am 8.4.2020)6 sind insoweit unbeachtlich.7 Nach Art. 3 der RL zur Festlegung von Fondskategorien gem. § 4 Abs. 2 KAGB und weiteren Transparenzanforderungen setzt die Verwendung der Fondskategorie „Dachfonds“ voraus, dass nach den Anlagebedingungen fortlaufend mehr als 50 % des Werts des Investmentvermögens in Zielfondsanteilen angelegt sein müssen. Dieses Erfordernis setzt das InvStG nur für die Charakterisierung als „Aktienfonds“ nach § 2 Abs. 6 Satz 1 InvStG voraus. Mithin ist der Begriff des Dach-Investmentfonds weiter gefasst als nach dem Aufsichtsrecht. 1 So wohl auch Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 1 InvStG Rz. 36; Krause/Klebeck, RdF 2013, 4 (12). 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 1.2; BaFin v. 22.12.2008 – WA 41-Wp 21362008/0001, Tz. I. 4 b). 3 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 – 1/08/10019 – DOK 2009/0539738, BStBl. I 2009, 931 Anh. 7 I. Nr. 4b. 4 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 – 1/08/10019 – DOK 2009/0539738, BStBl. I 2009, 931 Rz. 5 sowie Anh. 7 I. Nr. 4b. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.5. 6 https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Aufsichtsrecht/Richtlinie/ rl_130722_fondskategorien.html. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.5. Schwenke/Verleger | 147

§ 2 Rz. 29 | Begriffsbestimmungen 29 Grundgedanke eines Dach-Investmentfonds ist es, das Vermögen in verschiedene andere In-

vestmentfonds anzulegen, um das Risiko durch eine Streuung in verschiedene Zielfonds (z.B. Aktien-, Renten-, Geldmarkt- oder Immobilienfonds) zu minimieren.1 Der Dach-Investmentfonds selbst ist ein selbstständiges Investmentvermögen i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB und nicht mit den sog. Umbrella-Fonds zu verwechseln, die selbst keine Sondervermögen sind.

30 Dach-Investmentfonds, die als Zweckvermögen nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG (inländische In-

vestmentfonds) bzw. als Vermögensmassen nach § 2 Nr. 1 KStG gelten, sind unbeschränkt bzw. beschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Soweit an einem Investmentfonds Anleger beteiligt sind, die die Voraussetzungen des § 44a Abs. 7 Satz 1 EStG erfüllen, oder vergleichbare ausländische Anleger mit Sitz und Geschäftsleitung in einem Amts- und Beitreibungshilfe leistenden ausländischen Staat, sind die Einkünfte nach § 6 Abs. 2 InvStG auf Antrag steuerbefreit (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 InvStG). Anleger i.S.d. § 44a Abs. 7 Satz 1 EStG ist eine inländische Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG oder Stiftung des öffentlichen Rechts, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dient, oder juristische Person des öffentlichen Rechts, die ausschließlich und unmittelbar kirchlichen Zwecken dient. Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG sind solche, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 AO).

31 § 2 Abs. 5 InvStG lässt es genügen, wenn der Dach-Spezial-Investmentfonds nicht nur Anteile

an Spezial-Investmentfonds, sondern auch Anteile an Investmentfonds hält, die keine Spezial-Investmentfonds i.S.d. § 26 InvStG sind.2 Ein solches Normverständnis ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von § 2 Abs. 5 InvStG. Wäre es die Intention des Gesetzgebers gewesen, dass die Charakterisierung als Dach-Spezial-Investmentfonds das ausschließliche Halten von Spezial-Investmentanteilen voraussetzt, wäre eine entsprechende Formulierung („nur“) angezeigt gewesen. Für das vorgenannte Begriffsverständnis spricht zudem, dass nach § 26 Nr. 4 Buchst. h InvStG ein Spezial-Investmentfonds „nur“ mindestens 90 % seines Werts in die genannten Vermögensgegenstände anlegen muss. Diese Sichtweise wurde entsprechend in Rz. 2.5 des BMF-Schreibens3 ergänzt.

32 Sind an einem Dach-Investmentfonds oder einem Dach-Spezial-Investmentfonds ausschließ-

lich steuerbefreite Anleger i.S.d. § 44a Abs. 7 Satz 1 EStG beteiligt, sind diese Dachfonds rein nach dem Wortlaut des § 8 InvStG grds. nicht als steuerbegünstigte Anleger zu qualifizieren („kann“). Daher sind an dem Ziel-Investmentfonds nicht unmittelbar steuerbefreite Anleger beteiligt, sodass der Ziel-Investmentfonds keine steuerbefreiten Erträge erzielen könnte. Um die nach bisherigem Recht mögliche durchgängige steuerbefreite Anlage über einen Dach-Investmentfonds oder Dach-Spezial-Investmentfonds auch nach neuem Recht im Anwendungsbereich des § 8 InvStG zu ermöglichen („doppelte Transparenz“)4, sieht das BMFSchreiben5 vor, dass Dach-Investmentfonds und Dach-Spezial-Investmentfonds, an denen sich nach den Anlagebedingungen ausschließlich steuerbegünstige Anleger i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 InvStG beteiligen dürfen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 InvStG), selbst als steuerbegünstigte

1 Haase/Dorn, Investmentsteuerrecht, 2. Aufl. 2015, 192 f. 2 So auch Behrens, RdF 2017, 297 (299); Bindl/Stadler, BB 2017, 1943 (1945); zweifelnd Ebner, RdF 2017, 305 (308). 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.5. 4 BT-Drucks. 15/1553, 128; Ackert/Füchsl in Haase2, § 10 InvStG Rz. 51 ff.; Boxberger in Moritz/Jesch/ Mann, InvStG, Bd. 2, 2015, § 10 Rz. 14; Bindl/Mager, DStR 2017, 465; Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2720). 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.10 f.

148 | Schwenke/Verleger

G. Aktienfonds (Abs. 6) | Rz. 36 § 2

Anleger i.S.d. § 8 Abs. 1 InvStG gelten.1 Eine Steuerbegünstigung des Dach-Investmentfonds oder Dach-Spezial-Investmentfonds soll aber dann ausgeschlossen sein, wenn sich an einem Dach-Investmentfonds oder Dach-Spezial-Investmentfonds neben den steuerbegünstigten Anlegern auch nicht steuerbegünstigte Anleger beteiligen dürfen.2 Demgegenüber greift die „doppelte Transparenz“ wohl im Anwendungsbereich des § 33 33 Abs. 2 Satz 3 und 4 InvStG bei Dach-Investmentfonds bzw. Dach-Spezial-Investmentfonds zumindest auf der ersten Stufe.3 Bereits mit dem Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz v. 23.6.20174 hat § 33 InvStG eine Änderung erfahren. Nach § 33 Abs. 2 Satz 1 InvStG gelten die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen inländischen Immobilienerträge bei einem vereinnahmenden Dach-Spezial-Investmentfonds als Erträge nach § 6 Abs. 4 InvStG (vgl. zu den weitergehenden Einzelheiten § 33 InvStG Rz. 38 ff.). Diese Erträge werden auf Ebene des Dachfonds nicht in Spezial-Investmenterträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG umqualifiziert. Die ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen inländischen Immobilienerträge behalten vielmehr ihre Rechtsnatur als Einkünfte nach § 6 Abs. 4 InvStG, d.h. inländische Immobilienerträge.5 Als solche unterliegen sie nach § 29 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 2 und 4 InvStG der Besteuerung. Die Änderungen des § 33 InvStG zielen darauf ab, etwaige Steuerumgehungsmöglichkeiten rechtssicher auszuschließen und potentielle Regelungslücken zu schließen (weitergehend hierzu § 33 InvStG Rz. 37).6

G. Aktienfonds (Abs. 6) I. Vorbemerkung Aktienfonds sind gem. § 2 Abs. 6 InvStG Investmentfonds, die nach ihren Anlagebedingungen 34 fortlaufend mehr als 50 % ihres Aktivvermögens in Kapitalbeteiligungen anlegen („Aktienfonds-Kapitalbeteiligungsquote“). Die Investition in Aktien und damit die Qualifikation als Aktienfonds ist nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 6 InvStG sowie der Gesetzesbegründung davon unabhängig, ob der Investmentfonds aus der Beteiligung tatsächlich Beteiligungseinnahmen generiert. Was Kapitalbeteiligungen sind, ergibt sich aus § 2 Abs. 8 InvStG. Die Qualifikation als Ak- 35 tienfonds muss sich aus den Anlagebedingungen i.S.d. § 2 Abs. 12 InvStG ergeben. Unter Berücksichtigung von § 1 Abs. 4 InvStG, wonach Teilsondervermögen und Teilgesellschaftsvermögen für Zwecke der Anwendung des InvStG als eigenständige Investmentfonds gelten, sind für jeden getrennten Teil eines Investmentfonds getrennte Anlagebedingungen zu erstellen und i.S.d. § 2 Abs. 6, 7 und 9 InvStG zu würdigen. Das Vorliegen eines Aktienfonds ist maßgebend für die in § 20 InvStG normierte Aktienteil- 36 freistellung. § 2 Abs. 6 InvStG formuliert die Mindestquote für die Qualifikation als Aktienfonds („Aktienfonds-Kapitalbeteiligungsquote“)7, die notwendig ist, um in den Genuss der Teilfreistellung nach § 20 Abs. 1 InvStG zu gelangen. Die Teilfreistellung auf Ebene des Anlegers soll die steuerliche Vorbelastung auf Ebene des Investmentfonds pauschal kompensieren. Daher ist es unbeachtlich, ob der Investmentfonds das Wertänderungsrisiko aus den gehaltenen Kapitalbeteiligungen absichert, da Sicherungsgeschäfte keine Auswirkung auf die steuerli1 2 3 4 5 6 7

Vgl. weitergehende Ausführungen zu § 8 InvStG. Schneider-Deters in Moritz/Jesch/Mann2, § 8 InvStG Rz. 59. So auch Haug, Ubg 2017, 303 (307). StUmgBG v. 23.6.2017, BGBl. I 2017, 1682. BT-Drucks. 18/12127, 40, 65. BT-Drucks. 18/12127, 65. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.6. Schwenke/Verleger | 149

§ 2 Rz. 36 | Begriffsbestimmungen che Belastung der laufenden Einnahmen aus Kapitalbeteiligungen haben.1 Nach dem Willen des BT-Finanzausschusses2 soll die Anwendung der Teilfreistellung evaluiert werden, sodass mögliche Gestaltungen sowie ein Steuerbelastungsvergleich zu einer Anpassung der Teilfreistellungssätze führen können. Für die Bestimmung des Anwendungsbereichs der Aktienteilfreistellung wird die Kategorisierung der BaFin übernommen (Fondskategorien-RL v. 22.7.20133).4

II. Wert des Aktienfonds 37 Nach dem BMF-Anwendungsschreiben5 ist bei der Ermittlung des anteilig auf Kapitalbetei-

ligungen entfallenden Vermögens eines Investmentfonds auf den Wert der von dem Investmentfonds gehaltenen Vermögensgegenstände (Aktiva) abzustellen (Aktivvermögen i.S.d. § 2 Abs. 9a InvStG). § 2 Abs. 6 InvStG wurde insoweit durch das „JStG 2018“ v. 11.12.20186 konkretisiert. Ziel-(Spezial-)Investmentanteile gehen mit ihrem Nettoinventarwert in das Aktivvermögen ein.7 Die Bezugnahme auf das Aktivvermögen ergibt sich aus der systematischen Verknüpfung mit § 20 Abs. 1 und 2 InvStG. Die hierin vorgesehene Teilfreistellung von Investmenterträgen auf Anlegerebene berücksichtigt typisierend die steuerliche Vorbelastung von mehr als 50 % (bei Aktienfonds) des Aktivvermögens.

III. Fixe prozentuale Mindestquote in Anlagebedingungen 38 Fraglich ist, ob bei der Kategorisierung als Aktienfonds anhand der Aktienfonds-Kapitalbetei-

ligungsquote im Einzelfall ausreichend ist, wenn in den Anlagebedingungen Formulierungen wie z.B. „überwiegend“, „mehr als die Hälfte“ oder vergleichbare Festlegungen getroffen wurden. Nach dem Wortlaut der Regelung des § 2 Abs. 6 InvStG hat sich die fixe prozentuale Mindestquote von mehr als 50 % aus den Anlagebedingungen selbst zu ergeben. Dieses Verständnis hätte zur Folge, dass Investmentfonds, deren Anlagebedingungen eine solche fixe prozentuale Grenze nicht formulieren, entsprechende Änderungen vorzunehmen haben. Quantitativ entsprechen Formulierungen wie „überwiegend“ bzw. „mehr als die Hälfte“ einem Anteil von mehr als 50 %. Sinn und Zweck einer Kategorisierung ist es, dem Anleger eine Orientierung zur Unterscheidung der angebotenen Investmentvermögen zu ermöglichen. Die Kategorisierung legt fest, wie ein Investmentvermögen nach den Anlagebedingungen oder der Satzung investiert sein muss, damit es z.B. als Aktien- oder Geldmarktfonds klassifiziert werden kann. Zudem sind die Anlagebedingungen nur ein erstes Indiz für die Prüfung der Voraussetzungen einer Teilfreistellung. Denn dem Anleger steht es frei, nach § 20 Abs. 4 InvStG nachzuweisen, dass der Investmentfonds die Anlagegrenzen während des Geschäftsjahres des Investmentfonds tatsächlich durchgehend überschritten hat. Daher sollte es keinen qualitativen Unterschied machen, ob in den Anlagebedingungen eine fixe prozentuale Wertgrenze formuliert oder diese durch Worte umschrieben wird. Werden Formulierungen wie beispielsweise „überwiegend“, „mehr als die Hälfte“ oder vergleichbare Formulierungen verwandt, können diese nach dem allgemeinen Sprachgebrauch geeignet sein, dem Ziel und dem Zweck der Kategorisierung Genüge zu tun. Eine Änderung der Anlagebedingungen wäre nach 1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.6. 2 BT-Drucks. 18/8739, 92. 3 www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Konsultation/2013/kon_0713_fondskategorien_kagb_wa.html. 4 BT-Drucks. 18/8045, 69. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.42. 6 BGBl. I 2018, 2338. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.11.

150 | Schwenke/Verleger

G. Aktienfonds (Abs. 6) | Rz. 40 § 2

dieser Rechtsauffassung nicht zwingend geboten. Ob die Gerichte diesem an der Praxis orientierten Verständnis folgen, ist jedoch ungeklärt und fraglich. Immerhin hat der Gesetzgeber ausdrücklich eine fixe, zahlenmäßig festgelegte Mindestquote formuliert. Ob dies in der Praxis sinnhaft erscheint, dürfte angesichts des klaren Gesetzeswortlauts nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein. In der Praxis dürfte jedoch von Bedeutung sein, dass dieses Rechtsverständnis der FinVerw. nicht fernliegend ist. Immerhin zeigte sich dieses Rechtsverständnis im BMF-Schreiben v. 14.6.2017,1 wonach es zumindest bei ausländischen Investmentfonds i.S.d. § 2 Abs. 3 InvStG nicht beanstandet wurde, wenn die Anlagebedingungen i.S.d. § 2 Abs. 12 InvStG lediglich eine „überwiegende“ (d.h. mehr als 50-prozentige) Anlage in Kapitalbeteiligungen vorsahen. Dies hätte jedoch zu einer Ungleichbehandlung von inländischen und ausländischen Investmentfonds führen können, wobei die Begünstigung ausländischer Investmentfonds im Gesetz keine Stütze fand. Daher wurde § 2 Abs. 6 Satz 1 InvStG durch das „JStG 2018“ v. 11.12.2018 geändert.2 In der Folge erfuhr die Fondskategorie-RL eine entsprechende Änderung.3 Durch die gesetzliche Änderung in § 2 Abs. 6 Satz 1 InvStG sollen einheitliche Maßstäbe für inländische und ausländische Investmentfonds geschaffen sowie vermieden werden, dass Anleger die sich aus der Nichtbeanstandungsregelung ergebende Teilfreistellung nur bei positiven Investmenterträgen in Anspruch nehmen, während Verluste in voller Höhe geltend gemacht werden.4 Soweit inländische Investmentfonds in ihren Anlagebedingungen eine mindestens 51-prozentige Anlage in Kapitalbeteiligungen geregelt haben, führt die Änderung des § 2 Abs. 6 InvStG nicht zwingend dazu, dass diese ihre Anlagebedingungen ändern müssen. Denn eine mindestens 51-prozentige Anlage erfüllt erst recht die Anforderungen des geänderten § 2 Abs. 6 Satz 1 InvStG.5

IV. Fortlaufende Anlage 1. Vorbemerkung § 2 Abs. 6 Satz 1 InvStG setzt voraus, dass der Investmentfonds gem. seinen Anlagebedingun- 39 gen fortlaufend mehr als 50 % seines Aktivvermögens in Kapitalbeteiligungen anlegt. Nach der Gesetzesbegründung6 meint „fortlaufend“, dass aus den Anlagebedingungen ein dauerhaftes Erreichen oder Überschreiten von 50 % Aktienanteil erkennbar sein muss. Gemäß BMFAnwendungsschreiben hat der Investmentfonds die durchgehende Erfüllung der Vermögenszusammensetzung, d.h. grds. an jedem Tag des Geschäftsjahres, anzustreben.7 Mithin ist ein tatsächliches Erreichen bzw. Überschreiten von 50 % Aktienanteil nicht zwingend. Das „Anstreben“ als subjektives Element muss sich aus den Anlagebedingungen selbst ergeben. Mithin muss sich zur Überzeugung des zuständigen FA aus den Formulierungen der Anlagebedingungen ergeben, dass ein tatsächliches Erreichen bzw. Überschreiten seitens des Investmentfonds intendiert bzw. beabsichtigt ist. 2. Wesentliche Verletzung der Vermögensgrenzen Zu den Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Vorgaben für die Vermögenszusammensetzung 40 schweigt sowohl der Gesetzeswortlaut des § 2 Abs. 6 InvStG als auch die Gesetzesbegründung. 1 BMF v. 14.6.2017 – IV C 1 - S 1980 – 1/16/10010:001 – DOK 2017/0518429, DB 2017, 1485 Tz. 1. 2 BGBl. I 2018, 2338. 3 https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Aufsichtsrecht/Richtlinie/ rl_130722_fondskategorien.html. 4 BT-Drucks. 19/4455, 65. 5 BT-Drucks. 19/4455, 65. 6 BT-Drucks. 18/8045, 69. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.7. Schwenke/Verleger | 151

§ 2 Rz. 40 | Begriffsbestimmungen Allein § 52 Abs. 1 Satz 1 InvStG enthält eine dem § 15 Abs. 3 Satz 1 InvStG a.F. vergleichbare Formulierung. § 2 Abs. 6 Satz 4 InvStG bestimmt lediglich, dass in dem Zeitpunkt, in dem der Investmentfonds wesentlich gegen die Anlagebedingungen verstößt und dabei die Aktienfonds-Kapitalbeteiligungsquote unterschreitet, die Eigenschaft als Aktienfonds endet. Die durch den Verlust des Status als Aktienfonds bedingte Änderung der Teilfreistellungsquote fingiert nach § 22 Abs. 1 Satz 1 InvStG eine Veräußerung mit anschließender Anschaffung der Investmentanteile. 41 Der Begriff der „wesentlichen“ Verletzung der Vermögensgrenzen ist ein unbestimmter

Rechtsbegriff, der einer Auslegung zugänglich ist. Der Begriff kann nicht abstrakt generell, sondern anhand der rechtlichen Rahmenbedingungen im konkreten Einzelfall bestimmt werden. Wegen der Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs „wesentlich“, d.h. „dauerhaft“ oder „ständig“, bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass die Abweichung ein bedeutendes und nicht nur ein kurzfristiges, im Sinne von „vorübergehendes“, „nicht dauerhaftes“, Maß erreicht haben muss (vgl. weitere Ausführungen unter Rz. 43). Bei § 1 Abs. 1d Satz 1 und § 15 Abs. 3 Satz 1 InvStG a.F. hat der Gesetzgeber zur Beurteilung der „Wesentlichkeit“ den Grad, die Dauer und den wertmäßigen Umfang im Verhältnis zum Gesamtwert des Vermögens des Verstoßes sowie die Anstrengungen, die der Verwalter unternimmt, um den Verstoß zu beseitigen, zugrunde gelegt.1 Kein Verstoß im Sinne einer „Wesentlichkeit“ liegt insbes. vor, wenn der Verstoß nicht durch eine aktive Transaktion, sondern durch eine passive Grenzverletzung herbeigeführt wurde – dies aber nur dann, wenn der Investmentfonds unverzüglich nach Kenntnis der Grenzverletzung ihm mögliche und zumutbare Maßnahmen unternimmt, um die für ihn erforderliche Kapitalbeteiligungsquote wiederherzustellen.2 Mögliche Maßnahmen sollen laut BMF-Schreiben v. 21.5.2019 (Rz. 2.18) in Abhängigkeit von den jeweiligen Vermögensgegenständen und deren Handelbarkeit zu beurteilen sein. Die Ausführungen des ersten BMF-Schreibens zum InvStG 2018 v. 14.6.20173 fortführend kann es nach Ansicht des BMF zu einer passiven Grenzverletzung insbes. aufgrund von Wertveränderungen der gehaltenen Vermögensgegenstände, einer unbeabsichtigten oder unverschuldeten fehlerhaften Einstufung eines Vermögensgegenstands als Kapitalbeteiligung oder aufgrund der marktüblichen Dauer der Abwicklung des Eigentumserwerbs an Wertpapieren und deren Bezahlung (Settlement) kommen.4

42 Ein wesentlicher Verstoß ist nach § 153 Abs. 2 AO der zuständigen FinBeh. anzuzeigen.5 Der

Investmentfonds ist zudem verpflichtet, den Anlegern in öffentlich zugänglicher Weise mitzuteilen, wenn sich der Teilfreistellungssatz i.S.d. § 20 InvStG ändert.6 Die Mitteilung kann beispielsweise auf der Internetseite des Investmentfonds erfolgen. Verletzt der Fonds die vorgegebenen Vermögensgrenzen, muss er darüber hinaus unverzüglich seine früheren und nun nicht mehr zutreffenden Angaben zum anwendbaren Teilfreistellungssatz gegenüber dem Entrichtungspflichtigen oder dem Finanzinformationsdienstleister (z.B. WM-Datenservice) korrigieren.7

1 BT-Drucks. 17/12603, 24. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.18. 3 BT-Drucks. 17/12603, 24; BMF v. 14.6.2017 – IV C 1 - S 1980 – 1/16/10010:001 – DOK 2017/ 0518429, DB 2017, 1485 Tz. 1. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.18. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.22. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.22. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.22.

152 | Schwenke/Verleger

G. Aktienfonds (Abs. 6) | Rz. 45 § 2

3. Kurzfristiges Unterschreiten der Vermögensgrenzen Bei dem Begriff des „kurzfristigen“ Unterschreitens der Vermögensgrenzen handelt es sich 43 gleichfalls um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der einer Auslegung zugänglich ist. Der Begriff kann nicht abstrakt generell, sondern anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls konkretisiert werden. Zur Verfahrensvereinfachung geht die FinVerw. grds. nicht von einem wesentlichen Verstoß aus, wenn ein Aktienfonds in einem Geschäftsjahr an insgesamt bis zu 20 einzelnen oder zusammenhängenden Geschäftstagen i.S.d. § 675n BGB (= Bankarbeitstag) die Vermögensgrenzen des § 2 Abs. 6 InvStG unterschreitet (20-Geschäftstage-Grenze).1 Die 20-Geschäftstage-Grenze soll für jedes Geschäftsjahr gesondert zu betrachten sein. Eine zusammenhängende Grenzverletzung in den letzten zehn Geschäftstagen eines Geschäftsjahres und in den ersten elf Geschäftstagen des folgenden Geschäftsjahres stellt nach Ansicht der FinVerw. keine Überschreitung der 20-Geschäftstage-Grenze dar.2 Bei einem Rumpfgeschäftsjahr soll die 20-Geschäftstage-Grenze zusammen mit dem nächsten Geschäftsjahr oder mit nachfolgenden Rumpfgeschäftsjahren zu betrachten sein, sodass der Betrachtungszeitraum mindestens ein Jahr beträgt. Diese Regelung führt sowohl für die Praxis der Investmentfonds als auch die der FinVerw. zu einer erheblichen Erleichterung bei der Prüfung des Vorliegens eines wesentlichen Verstoßes. Die 20-Geschäftstage-Grenze sollte mit Blick auf das Ziel der Verfahrensvereinfachung vor der Wertung der Beurteilungskriterien nach Rz. 2.18 geprüft werden.3 4. Passive Grenzverletzung der Vermögensgrenzen Eine passive Grenzverletzung der Vermögensgrenzen führt nicht zum Verlust des Status als 44 Aktienfonds, wenn der Investmentfonds unverzüglich nach Kenntnis der Grenzverletzung ihm mögliche und zumutbare Maßnahmen unternimmt, um die für ihn erforderliche Kapitalbeteiligungsquote wiederherzustellen.4 Wegen der Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs „passiv“ bleibt unklar, ob auch gleichgültiges oder bewusst fahrlässiges Verhalten vom Gesetzgeber erfasst werden sollen.5 Angelehnt an die Definition, wonach „passiv“ ein Zustand ist, in dem jemand etwas mit sich geschehen lässt und nicht aktiv tätig wird, wird ein gleichgültiges oder bewusst fahrlässiges Verhalten wohl nicht grds. zum Verlust des Status als Aktienfonds führen.6 „Unverzüglich“ wird juristisch als ohne schuldhaftes Zögern i.S.d. Legaldefinition nach § 121 45 BGB verstanden, was ggf. eine Reaktionszeit von mehreren Tagen bedeuten kann, auch wenn umgangssprachlich eher „sofort“ verstanden wird.7 Bei der Feststellung der Unverzüglichkeit sind vielmehr die berechtigten Belange der Beteiligten angemessen zu berücksichtigen.8 Eine sorgfältige Prüfung der Sach- und Rechtslage in der gebotenen Eile wird im Einzelfall kein schuldhaftes Zögern begründen können. Ob eine einmonatige Verletzung noch als unschädlich angesehen werden kann, mag bezweifelt werden.9 Erst nach Ablauf dieser Prüfungsphase tritt die aufschiebend bedingte wesentliche Verletzung der Vermögensgrenzen ein. Welche Maßnahmen möglich und zumutbar sind, bestimmt sich anhand der Gesamtumstände des konkreten Einzelfalls. 1 2 3 4 5 6

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.19. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.20. So wohl auch Stadler/Mager, BB 2019, 1760 (1761). BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.18. Bejahend Haug, Ubg 2017, 303 (305). So auch Wenzel in Brandis/Heuermann, § 2 InvStG 2018 Rz. 29 (Stand: Oktober 2021); a.A. wohl Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 2 InvStG Rz. 52. 7 „Unverzüglich“ i.S.d. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB. 8 Wendtland in BeckOK/BGB, § 121 Rz. 6–8. 9 So wohl aber Ebner, RdF 2017, 305 (311). Schwenke/Verleger | 153

§ 2 Rz. 46 | Begriffsbestimmungen 5. „Fortlaufende“ Anlage im Fall der Neuauflage 46 Bei neu aufgelegten Aktienfonds wird die „fortlaufende Anlage“ in Kapitalbeteiligungen auch

innerhalb einer sechsmonatigen Anlaufphase (§ 211 Abs. 3 KAGB) erfüllt, wenn der Investmentfonds innerhalb dieses Zeitraums noch nicht mehr als 50 % seines Aktivvermögens in Kapitalbeteiligungen anlegt.1 6. „Fortlaufende“ Anlage während der Liquidationsphase

47 Die gesetzlich normierte „fortlaufende Anlage“ in Kapitalbeteiligungen wird auch innerhalb

von sechs Monaten während der Abwicklung eines Investmentfonds erfüllt, sofern der Investmentfonds innerhalb des Zeitraums nicht mehr die vorausgesetzte tatsächliche Vermögenszusammensetzung des § 2 Abs. 6 InvStG erreicht.2 Grundsätzlich werden wohl auch Maßnahmen zur Liquiditätsbeschaffung als solche zur Abwicklung gelten. Dies setzt aber ein dokumentiertes Anzeigeverlangen der Anleger voraus.

V. Ermittlung der Aktienfonds-Kapitalbeteiligungsquote 1. Vorbemerkung 48 Für die Qualifikation als Aktienfonds ist das „Aktivvermögen“ maßgebend. Der Begriff „Ak-

tivvermögen“ ist nicht in § 2 InvStG definiert, mithin gelten nach § 2 Abs. 1 InvStG grds. die Begriffsbestimmungen des KAGB entsprechend. Nach § 168 Abs. 1 Sätze 2 und 3 KAGB ist der Wert des Investmentvermögens die Summe der Verkehrswerte der zum Investmentvermögen gehörenden Vermögensgegenstände abzgl. der zu Lasten des Investmentvermögens aufgenommenen Kredite und sonstigen Verbindlichkeiten. Nach dem KAGB ist dabei das Nettofondsvermögen maßgebend.

49 Hiervon abweichend ist nach § 2 Abs. 6 Satz 1 InvStG bei der Ermittlung des anteilig auf Ka-

pitalbeteiligungen entfallenden Vermögens eines Investmentfonds (nur) auf den Wert der von dem Investmentfonds gehaltenen Vermögensgegenstände (Aktiva) abzustellen (Aktivvermögen). Verbindlichkeiten und Rückstellungen bleiben unberücksichtigt. Bei der Ermittlung des Aktivvermögens gehen Ziel-(Spezial-)Investmentfondsanteile i.S.d. § 2 Abs. 5 InvStG mit ihren Nettoinventarwert ein. Die Maßgeblichkeit des Aktivvermögens resultiert aus der Teilfreistellung von Investmenterträgen auf Anlegerebene. Die Teilfreistellungen von Investmenterträgen auf Ebene des Anlegers nach § 20 Abs. 1 und 2 InvStG berücksichtigen in typisierender Weise die steuerliche Vorbelastung von mehr als 50 % des Aktivvermögens. 2. Zivilrechtliches und wirtschaftliches Eigentum

50 Zur Ermittlung der Kapitalbeteiligungsquote will die FinVerw.3 nur solche Kapitalbeteiligun-

gen berücksichtigen, bei denen der Investmentfonds sowohl zivilrechtlicher als auch wirtschaftlicher Eigentümer i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO ist. Für Zwecke der Berechnung der Kapitalbeteiligungsquote wird jedoch grds. nicht beanstandet, dass der Investmentfonds bereits bei schuldrechtlichem Erwerb (Handelstag) von zivilrechtlichem Eigentum ausgeht, wenn der sachenrechtliche Erwerb innerhalb von fünf Tagen nach dem Handelstag tatsächlich erfolgt und bei der Veräußerung ebenfalls auf den Handelstag abgestellt wird. Überträgt ein Investmentfonds das zivilrechtliche Eigentum an Kapitalbeteiligungen z.B. im Rahmen eines Wertpapier-

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.8. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.8. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.9.

154 | Schwenke/Verleger

G. Aktienfonds (Abs. 6) | Rz. 52 § 2

darlehens oder eines Wertpapierpensionsgeschäfts, sollen diese Beteiligungen grds. nicht (mehr) i.R.d. Ermittlung der Kapitalbeteiligungsquote zu berücksichtigen sein, auch wenn ein Rückübertragungsanspruch besteht. Wenn umgekehrt Kapitalbeteiligungen im Rahmen eines Wertpapierleih- oder eines Wertpapierpensionsgeschäfts an einen Investmentfonds übertragen werden, sollen diese für Zwecke der Kapitalbeteiligungsquote zu berücksichtigen sein, wenn neben dem zivilrechtlichen Eigentum auch das wirtschaftliche Eigentum übertragen wird.1 Bei der Beurteilung des wirtschaftlichen Eigentums sind nach Auffassung der FinVerw. die Umstände des Einzelfalls zu würdigen, sodass sie keine pauschale Aussage zur Berücksichtigung von Wertpapierleih- und Wertpapierpensionsgeschäften i.R.d. Kapitalbeteiligungsquote trifft.2 Stellungnahme. Die Sichtweise der FinVerw. entspricht nicht dem Regelungsverständnis, das 51 der gesetzlichen Konzeption des § 39 AO zugrunde liegt. Ausreichend muss vielmehr das wirtschaftliche Eigentum sein.3 § 2 Abs. 6 InvStG bildet die Grundlage für die Gewährung der Aktienteilfreistellung auf Ebene des Anlegers. Er normiert diejenigen Vermögensgegenstände, bei denen es auf Ebene des Investmentfonds zu einer steuerlichen Vorbelastung mit Ertragsteuern kommt. Investmentfonds erzielen nach § 6 Abs. 3 InvStG inländische Beteiligungseinnahmen. Inländische Beteiligungseinnahmen sind u.a. Einnahmen nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 1a i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt der Anteilseigner (§ 20 Abs. 5 Satz 1 EStG). Anteilseigner ist derjenige, dem die Anteile im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses entweder zivilrechtlich nach § 39 Abs. 1 AO oder – wenn ein anderer als der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über die Anteile hat – nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO wirtschaftlich zuzurechnen sind.4 Wirtschaftlicher Eigentümer ist derjenige, der den zivilrechtlichen Eigentümer wirtschaftlich von seinen Eigentümerrechten ausschließen kann. Aus Sicht des BFH können als abstrakte Zurechnungskriterien sowohl eine „Ausschließungsmacht“ (der andere hat jedenfalls faktisch die negativen Befugnisse des Eigentümers inne, d.h., er kann [gerade)] den Eigentümer an der Sachnutzung hindern) als auch eine „aktive Nutzungsmacht“ (der andere hat jedenfalls faktisch die positiven Befugnisse des Eigentümers inne, d.h., er kann wie ein Eigentümer z.B. Nutzungen ziehen) gelten.5 Zwar führe der Gesetzeswortlaut nur das erste Kriterium an. Es lasse sich der Norm jedoch darüber hinausgehend als Leitprinzip entnehmen, dass es auf eine „wirtschaftliche Dispositionsbefugnis“ ankomme.6 3. Dachfonds Probleme wirft die Regelung des § 2 Abs. 6 InvStG i.V.m. § 2 Abs. 8 Nr. 3 InvStG für Dach- 52 fonds auf, die ausschließlich in Aktienfonds investieren. Ein Dachfonds ist ein Fonds, der gem. § 2 Abs. 5 Satz 1 InvStG Investmentanteile an einem anderen Investmentfonds (Zielfonds) hält (s. Rz. 28 ff.). Die Anteile an dem Zielfonds gelten nur i.H.v. 51 % des Werts der Investmentanteile als Kapitalbeteiligung i.S.d. § 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 InvStG.

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.10. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.10. 3 So auch Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 2 InvStG Rz. 45; Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 2 InvStG Anm. 12 (Stand: Dezember 2021); Hartmann in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 2 Rz. 99 (Stand: Oktober 2021); a.A. Wenzel in Brandis/Heuermann, § 2 InvStG 2018 Rz. 43 (Stand: Oktober 2021); Häuselmann, Investmentanteile, 2019, 96, der aus Praktikabilitätsgründen allein auf das zivilrechtliche Eigentum abstellen will. 4 BFH v. 2.2.2022 – I R 22/20, BStBl. II 2022, 324 Rz. 22 ff.; Levedag in Schmidt41, § 20 EStG Rz. 231. 5 BFH v. 2.2.2022 – I R 22/20, BStBl. II 2022, 324 Rz. 36. 6 BFH v. 2.2.2022 – I R 22/20, BStBl. II 2022, 324 Rz. 36. Schwenke/Verleger | 155

§ 2 Rz. 52 | Begriffsbestimmungen

53 Um die Voraussetzungen für eine Aktienteilfreistellung gem. § 20 Abs. 1 InvStG zu erreichen,

müsste ein Dachfonds annähernd 100 % seines Werts in Zielfonds investieren, was aufgrund von Mittelzuflüssen und Mittelabflüssen in der Praxis nicht darstellbar sein dürfte.1 Andererseits schränkt weder der Gesetzeswortlaut noch die Gesetzesbegründung die fortlaufende Investition auf eine „unmittelbare“ ein, sodass bei der Ermittlung der Aktienfonds-Kapitalbeteiligungsquote auch mittelbare fortlaufende Investitionen in Kapitalbeteiligungen Berücksichtigung finden müssen. Dies hat der Gesetzgeber erkannt und durch das „JStG 2018“2 § 2 Abs. 6 InvStG u.a. um einen Satz 2 ergänzt. Hiernach ist ein Dach-Investmentfonds ein Aktienfonds, wenn er nach seinen Anlagebedingungen verpflichtet ist, derart in Ziel-Investmentfonds zu investieren, dass die Aktienfonds-Kapitalbeteiligungsquote fortlaufend erreicht wird und die Anlagebedingungen vorsehen, dass der Dach-Investmentfonds für die Einhaltung der Aktienfonds-Kapitalbeteiligungsquote auf die bewertungstäglich von den Ziel-Investmentfonds veröffentlichten tatsächlichen Kapitalbeteiligungsquoten abstellt.

54 Die Qualifikation des Dach-Investmentfonds als Aktienfonds i.S.d. § 2 Abs. 6 Satz 2 InvStG

setzt jedoch voraus, dass der Ziel-Investmentfonds mindestens einmal pro Woche eine Bewertung vornimmt (§ 2 Abs. 6 Satz 3 InvStG). Dies soll nach Auffassung der FinVerw. der Vermeidung etwaiger Gestaltungen dienen.3 Die FinVerw. wird es mit Blick auf eine hinreichende Übergangszeit für eine IT-technische Umsetzung grds. nicht beanstanden, wenn ein Dach-Investmentfonds vor dem 1.7.2019 im Regelfall davon ausgeht, dass die Ziel-Investmentfonds mindestens einmal pro Woche eine Bewertung vornehmen.4 1 2 3 4

So auch Kelterborn/Küpper, BB 2017, 2263 (2265). G v. 11.12.2018, BGBl. I 2018, 2338. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.15 f. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.16.

156 | Schwenke/Verleger

G. Aktienfonds (Abs. 6) | Rz. 58 § 2

4. Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren i.S.d. § 1 Abs. 2 KAGB OGAW sind Investmentvermögen, die die Anforderungen der OGAW-RL i.d.F. v. 28.8.2014 55 erfüllen (§ 1 Abs. 2 KAGB). Sie dürfen nach § 199 KAGB für gemeinschaftliche Rechnung der Anleger kurzfristige Kredite nur bis zur Höhe von 10 % des aufsichtsrechtlichen Werts des OGAW aufnehmen. Bei diesen Vehikeln lässt es die FinVerw. für den Zeitraum vor dem 1.1.2020 unbeanstandet, wenn zur Bestimmung der Kapitalbeteiligungsquote auf den Nettoinventarwert abgestellt wird.1 Der „Nettoinventarwert“ ist die Summe aller bewerteten Vermögensgegenstände abzgl. sämtlicher Verbindlichkeiten. Gleiches soll nach dem BMF-Schreiben v. 21.5.2019 auch für andere Investmentfonds gelten, die nur kurzfristige Kredite aufnehmen dürfen und wenn die maximale Kreditaufnahme höchstens 30 % des aufsichtsrechtlichen Werts des Investmentfonds beträgt. Kurzfristige Kredite, die eine Laufzeit von maximal einem Jahr haben, dürfen nicht für die Anschaffung von Vermögensgegenständen des Investmentfonds verwendet werden.2 5. Zufluss bis zum 31.12.2018 Nach § 2 Abs. 6 InvStG muss sich die Kapitalbeteiligungsquote aus den Anlagebedingungen 56 ergeben. Die FinVerw. wird für die Besteuerung von Investmenterträgen, die dem Anleger bis zum 31.12.2018 zufließen, nicht beanstanden, dass in den Anlagebedingungen auf den Nettoinventarwert abgestellt wird.3 Dies setzt voraus, dass der Investmentfonds tatsächlich die anhand des Aktivvermögens ermittelte Kapitalbeteiligungsquote fortlaufend eingehalten und dies gegenüber den Anlegern oder in öffentlich zugänglicher Weise (z.B. auf der Internetseite des Investmentfonds) oder gegenüber einem Finanzinformationsdienstleister versichert hat. Ergab sich das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Aktienfondsteilfreistellung nicht aus 57 den Anlagebedingungen, beanstandete dies die FinVerw. für eine Übergangszeit bis einschließlich 31.12.2018 nicht. Stattdessen durften Finanzinformationsdienstleister und die Entrichtungspflichtigen auf eine Eigenerklärung des Investmentfonds vertrauen, dass der Investmentfonds während des gesamten Kalenderjahres 2018 fortlaufend mindestens 51 % seines Werts in Kapitalbeteiligungen investiert und damit in tatsächlicher Hinsicht die Voraussetzungen eines Aktienfonds erfüllen wird (Selbstdeklaration).4 Hat der Investmentfonds eine falsche Selbstdeklaration abgegeben, wird zu prüfen sein, ob bei den für den Investmentfonds handelnden Personen eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung in mittelbarer Täterschaft oder Beihilfe zur Steuerhinterziehung gegeben ist.

VI. ETF Investmentfonds, die nach ihren Anlagebedingungen die Wertentwicklung von Kapitalbetei- 58 ligungen (auch) synthetisch mittels Finanzderivaten (z.B. Aktien-Swaps) abbilden können, erfüllen nicht die Voraussetzungen des § 2 Abs. 6 InvStG5 – es sei denn, die Anlagebedingungen sehen ergänzend eine Mindestbeteiligungsquote von (mehr) als 50 % unmittelbar in Kapitalbeteiligungen vor.6 Wird nur die Wertentwicklung von Kapitalbeteiligungen (auch) synthetisch mittels Finanzderivaten abgebildet, liegt kein Aktienfonds vor. In diesem Fall sind bei der Besteuerung des Anlegers die Erträge aus Investmentfonds nicht nach § 20 InvStG stfrei

1 2 3 4 5 6

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.12. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.12. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.13. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.27. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.6; Ebert, RdF 2017, 305 (307). BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.6. Schwenke/Verleger | 157

§ 2 Rz. 58 | Begriffsbestimmungen zu stellen. Der Ausschluss dieser Fonds dient im Ergebnis der Verhinderung von Steuergestaltungen, bei denen Fonds die Besteuerung von Zinsen und Dividenden mithilfe von Swap-Verträgen umgehen.1 Mithilfe von Finanzderivaten war nach dem bis zum 31.12.2017 geltenden InvStG die Umgehung der jährlichen Besteuerung von Zinsen und Dividenden möglich.2 Zinsen und Dividenden waren gem. § 1 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 InvStG a.F. i.V.m. § 20 Abs. 1 und 2 EStG auch dann jährlich vom Anleger zu versteuern, wenn diese nicht ausgeschüttet, sondern vom Investmentfonds thesauriert wurden (sog. ausschüttungsgleiche Erträge). Zur Vermeidung dieser Besteuerung investierten „steueroptimierte“ Investmentfonds nicht direkt in verzinsliche Anleihen oder Aktien, sondern mittelbar über ein Finanzderivat (z.B. mittels SwapVertrag zwischen dem Investmentfonds und einem Kreditinstitut).3 Dies hatte zur Folge, dass keine stpfl. ausschüttungsgleichen Erträge, sondern stfrei thesaurierbare Gewinne aus Termingeschäften gem. § 1 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 InvStG a.F. i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG anfielen. 59 ETF4 sind Sondervermögen und unterliegen grds. dem Anwendungsbereich des InvStG. Der

ETF zielt darauf ab, die Wertentwicklung eines bestimmten Index, wie z.B. DAX (Deutscher Aktienindex), abzubilden.5 Ein synthetischer ETF bildet den Index durch Finanzmarktinstrumente – wie z.B. Derivate, Swaps und Wertpapierleihen – ab.6

60 § 2 Abs. 6 InvStG bildet die Grundlage für die Gewährung der Aktienteilfreistellung und be-

zweckt die Abbildung der steuerlichen Vorbelastung auf Ebene des Investmentfonds. Investmentfonds, ggf. Spezial-Investmentfonds über § 29 Abs. 1 InvStG, unterliegen mit Gewinnen aus Termingeschäften i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG nicht der Körperschaftsteuerpflicht gem. § 6 Abs. 2 bis 5 InvStG i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 1a, § 21, § 49 Abs. 1 EStG. Mangels steuerlicher Vorbelastung der Erträge aus Investmentfonds i.S.d. § 16 InvStG bedarf es keiner Teilfreistellung gem. § 20 InvStG.

61 Übt ein Spezial-Investmentfonds die Transparenzoption gem. § 30 Abs. 1 Satz 1 InvStG aus,

sind, wie nach bisherigem Recht, Gewinne aus Termingeschäften i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG stfrei thesaurierbare Kapitalerträge (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 Halbs. 1 InvStG). Soweit die Erträge aus Swap-Verträgen jedoch bei wirtschaftlicher Betrachtung ein Surrogat für Zinsen oder Dividenden darstellen, sind diese gem. § 36 Abs. 2 Nr. 2 Halbs. 2 InvStG nicht stfrei thesaurierbar.7

62 Sichert der Investmentfonds das Wertänderungsrisiko aus den gehaltenen Kapitalbetei-

ligungen ab, soll dies nach Auffassung der FinVerw. für Zwecke des § 2 Abs. 6 InvStG unbeachtlich sein, da Sicherungsgeschäfte keine Auswirkung auf die steuerliche Belastung der laufenden Einnahmen aus Kapitalbeteiligungen haben.8

H. Mischfonds (Abs. 7) 63 Mischfonds sind nach § 2 Abs. 7 Satz 1 InvStG Investmentfonds, die gem. den Anlagebedin-

gungen fortlaufend mindestens 25 % ihres Aktivvermögens in Kapitalbeteiligungen anlegen („Mischfonds-Kapitalbeteiligungsquote“). Die zum Aktienfonds getroffenen Aussagen (vgl. insoweit Rz. 34 ff.) gelten für Mischfonds entsprechend. 1 2 3 4 5 6 7 8

BT-Drucks. 18/8045, 50 (106). BT-Drucks. 18/8045, 50. BT-Drucks. 18/8045, 50. ETF (= exchange traded fund) ist ein passiv gemanagter, börsengehandelter Fonds. Hyzik in Moritz/Klebeck/Jesch, § 209 KAGB Rz. 9. Hyzik in Moritz/Klebeck/Jesch, § 209 KAGB Rz. 10, 13. BT-Drucks. 18/8045, 106; vgl. im Übrigen die weiteren Ausführungen zu § 36. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.6.

158 | Schwenke/Verleger

I. Kapitalbeteiligungen i.S.d. Abs. 8 | Rz. 66 § 2

I. Kapitalbeteiligungen i.S.d. Abs. 8 I. Vorbemerkung § 2 Abs. 8 InvStG definiert den Begriff der Kapitalbeteiligung i.S.d. § 2 Abs. 6 InvStG, die 64 Grundlage für die Bestimmung der Aktienfonds-Kapitalbeteiligungsquote nach § 2 Abs. 6 Satz 1 InvStG und der Mischfonds-Kapitalbeteiligungsquote nach § 2 Abs. 7 Satz 1 InvStG ist. Die Aufzählung ist abschließend und normiert diejenigen Vermögensgegenstände, bei denen es auf Ebene des Investmentfonds zu einer steuerlichen Vorbelastung mit Ertragsteuern kommt. Maßgebend für das Vorliegen eines Aktienfonds ist eine fortlaufende Anlage in Kapitalbeteiligungen i.S.d. § 2 Abs. 8 InvStG. Eine Beschränkung des Kreises der erwerbbaren Vermögensgegenstände auf einen Teil der in § 2 Abs. 8 InvStG genannten Kapitalbeteiligungen (z.B. börsengehandelte Kapitalgesellschaftsanteile), ist unschädlich.1 Als Kapitalbeteiligungen gelten nach § 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 bis 4 InvStG: – zum amtlichen Handel an einer Börse zugelassene oder auf einem organisierten Markt notierte Anteile an KapGes., – Anteile an EU-/EWR-KapGes., die keine Immobiliengesellschaften sind und dort einer Ertragsbesteuerung unterliegen sowie nicht von ihr befreit sind, – Anteile an Drittstaaten-KapGes., die dort einer Ertragsbesteuerung von mindestens 15 % unterliegen und nicht von ihr befreit sind, – Investmentanteile an Aktienfonds i.H.v. 51 % des Werts des Investmentanteils oder – Investmentanteile an Mischfonds i.H.v. 25 % des Werts des Investmentanteils. Investmentanteile gelten mit Ausnahme der Fälle des § 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 oder 4 InvStG nicht als Kapitalbeteiligung. Finanzderivate, die die Wertentwicklung von Kapitalbeteiligungen synthetisch nachbilden, 65 stellen keine Kapitalbeteiligungen i.S.d. § 2 Abs. 8 InvStG dar2 – ebenso wenig wie Anteile an REIT-AG i.S.d. §§ 1 ff. REITG und ausländischen Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen i.S.d. REITG, die nach § 2 Abs. 9 Satz 6 InvStG als Immobilien gelten.3 § 2 Abs. 8 InvStG bildet die Vermögensgegenstände ab, bei denen es zu einer steuerlichen Vorbelastung mit Ertragsteuern kommt. REIT-AG sind nach Maßgabe des § 16 REITG von der KSt und GewSt befreit, sodass eine steuerliche Vorbelastung nicht vorliegt

II. Anteile i.S.d. Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 Nach § 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 InvStG sind Kapitalbeteiligungen zum amtlichen Handel an 66 einer Börse zugelassene oder auf einem organisierten Markt notierte Anteile an einer KapGes. Hierunter fallen alle Beteiligungen an börsengehandelten KapGes.4 Kapitalgesellschaften sind z.B. die GmbH, die AG, aber auch vergleichbare ausländische Gesellschaften. Hinterlegungsscheine (sog. depositary receipts, z.B. american depositary receipt [ADR], global depositary receipts [GDR], european depositary receipts [EDR]) auf Aktien stellen keine Kapitalbeteiligungen i.S.d. § 2 Abs. 8 InvStG dar. Sie selbst sind keine Anteile an einer KapGes.5 Aufgrund der Regelungen in den Depotverträgen ist die Depotbank (depositary) zivilrecht-

1 2 3 4 5

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.6. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.28. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.28; Ebner, NWB 2017, 479 (480). BT-Drucks. 18/8045, 69. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.28. Schwenke/Verleger | 159

§ 2 Rz. 66 | Begriffsbestimmungen liche Eigentümerin der Aktien, der die mitgliedschaftsrechtlichen Teilhaberechte zustehen.1 Gleichwohl ist sie durch die schuldrechtlichen Vereinbarungen (deposit agreement) mit dem ADR-Inhaber verpflichtet, die aus den Aktien fließenden Dividenden und Bezugsrechte über die Verwahrkette weiterzuleiten. Daher wird der ADR-Inhaber wirtschaftlich einem Aktionär gleichgestellt und die Dividendenzahlung dem Inhaber der Hinterlegungsscheine zugerechnet. Mithin sind Hinterlegungsscheine (depositary receipts) auf inländischen Aktien unter den Begriff „Aktien“ zu subsumieren.2 67 Ein organisierter Markt im investmentrechtlichen Sinn ist gem. § 2 Abs. 1 InvStG i.V.m. § 1

Abs. 19 Nr. 29 KAGB ein Markt, der anerkannt und für das Publikum offen ist und dessen Funktionsweise ordnungsgemäß ist, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist.3 Börsen – als organisierte Märkte – regeln und überwachen multilaterale Systeme, die nach festgelegten Regeln Kauf- und Verkaufsaufträge von dort zum Handel zugelassenen Wirtschaftsgütern und Rechten zusammenführen und so einen Vertragsschluss generieren (§ 2 BörsG).4

68 Nach § 193 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 4 KAGB darf die Kapitalanlagegesellschaft für Rechnung

des Sondervermögens nur Wertpapiere erwerben, die an einer Börse oder einem organisierten Markt außerhalb der Mitgliedstaaten der EU und des EWR zugelassen oder einbezogen sind oder deren Zulassung oder Einbeziehung beantragt wurde, wenn diese Börse oder dieser organisierte Markt von der BaFin zugelassen ist. Die FinVerw. geht von einer widerlegbaren Vermutung aus, dass es sich bei den in der BaFin-Liste5 nicht aufgeführten Marktplätzen außerhalb der EU und des EWR nicht um Börsen handelt.6 Anhand welcher Kriterien die Vermutung widerlegt werden kann, lässt das BMF-Schreiben offen. Maßgeblich wird sein, ob das fragliche Handelssystem einer Börse vergleichbar ist. Kennzeichnend für eine Börse ist das Zusammenbringen einer Vielzahl von Interessenten am Kauf und Verkauf. Das Matching von Kaufs- und Verkaufsorder muss einer Vielzahl von Marktteilnehmern offenstehen und nicht nur ein begrenztes Angebot und eine begrenzte Nachfrage weniger Nutzer zusammenführen wollen.7

III. Anteile i.S.d. Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 69 Kapitalbeteiligungen i.S.d. § 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 InvStG sind Anteile an einer KapGes., die

keine Immobiliengesellschaft ist und die in einem Mitgliedstaat der EU/des EWR ansässig ist und dort der Ertragsbesteuerung für KapGes. unterliegt und nicht von ihr befreit ist (Buchst. a), oder in einem Drittstaat ansässig ist und dort einer Ertragsbesteuerung für KapGes. i.H.v. mindestens 15 % unterliegt und nicht von ihr befreit ist (Buchst. b). Ob bei ausländischen Rechtsformen eine KapGes. vorliegt, sollte anhand eines Rechtstypenvergleichs entsprechend den Kriterien des BMF-Schreibens v. 19.3.20048 sowie den Tabellen 1 und 2 des BMF-Schreibens v. 24.12.19999 erfolgen.10 In Abgrenzung zu § 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 InvStG

1 Häuselmann, Investmentanteile, 2019, 98; Haase/Dorn, Investmentsteuerrecht, 2. Aufl. 2015, 57 ff.; Weber/Krauß, DStR 2019, 960. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.6. 3 Gottschling in Moritz/Klebeck/Jesch, § 1 KAGB Rz. 389 ff. 4 Gottschling in Moritz/Klebeck/Jesch, § 1 KAGB Rz. 388. 5 BaFin v. 16.2.2011 (zuletzt geändert am 20.5.2021) – WA 43 - Wp 2100 - 2013/0003. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.29. 7 Kumpan in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl. 2018, § 2 BörsG Rz. 2a. 8 BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA – 22/04, BStBl. I 2004, 411. 9 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076. 10 Entsprechend den Ausführungen im BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 1.8, 1.12.

160 | Schwenke/Verleger

I. Kapitalbeteiligungen i.S.d. Abs. 8 | Rz. 72 § 2

setzt § 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 InvStG nicht börsengehandelte Anteile an KapGes. voraus. Nach § 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 InvStG sind nicht börsengehandelte Anteile an Immobilien-KapGes. i.S.d. § 1 Abs. 19 Nr. 22 KAGB keine Kapitalbeteiligungen. Derartige Beteiligungen dienen allein der Charakterisierung als Immobilienfonds nach § 2 Abs. 9 InvStG (vgl. Rz. 84 ff.) bei der Ermittlung des Teilfreistellungssatzes gem. § 20 Abs. 3 Satz 1 InvStG.1 Ertragsteuern sind alle Steuern, deren Bemessungsgrundlage der Ertrag der KapGes. ist und die von einer Gebietskörperschaft im Ansässigkeitsstaat der KapGes. erhoben werden. Durch § 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 InvStG soll eine ungerechtfertigte Inanspruchnahme der Teil- 70 freistellung verhindert werden.2 Nutzt beispielsweise ein inländischer Investmentfonds einen in Luxemburg ansässigen private-equity-Fonds dazu, die aus verzinslichen Wertpapieren erzielten, in Luxemburg nicht der Besteuerung unterliegenden Zinserträge im Wege einer Ausschüttung des private-equity-Fonds in Dividenden umzuqualifizieren, mangelt es an einer steuerlichen Vorbelastung. Bei der Weiterausschüttung dieser steuerlich unbelasteten Erträge durch den Investmentfonds an den Anleger erscheint es daher folgerichtig, die Teilfreistellung nach § 20 InvStG nicht anzuwenden. Demgemäß sollte aber auch nach wirtschaftlicher Betrachtung die Ausnahme nach § 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 InvStG so zu verstehen sein, dass es auch dann schädlich ist, wenn alle oder fast alle Einkünfte sachlich steuerbefreit sind.3 Anderenfalls würden Möglichkeiten zur Generierung „weißer Einkünfte“ eröffnet. Denn die Teilfreistellung ist auf alle Erträge aus dem Investmentfonds anzuwenden.4 Für dieses Verständnis spricht der mit § 2 Abs. 8 i.V.m. § 20 InvStG verfolgte Gesetzeszweck. Der Gesetzgeber will durch die Teilfreistellung berücksichtigen, dass die meisten ausländischen Erträge steuerlich vorbelastet sind und Letztere durch Pauschalierung neutralisieren. Durch die typisierende Abmilderung der Doppelbesteuerung soll ein Gleichlauf mit der Direktanlage erreicht werden.

IV. Anteile i.S.d. Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 Die Aktienteilfreistellung wird nach § 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 InvStG grds. auch für In- 71 vestmentanteile an Dach-Investmentfonds gewährt. Für die Berechnung, ob ein Dach-Investmentfonds die Voraussetzungen der Kapitalbeteiligungsquote eines Aktien- bzw. Mischfonds erfüllt, gibt § 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 InvStG vor, in welchem Umfang die Anteile an Aktien- bzw. Mischfonds als Kapitalbeteiligungen betrachtet werden. Danach gelten 51 % des Werts der Investmentanteile an einem Aktienfonds bzw. 25 % des Werts der Investmentanteile an einem Mischfonds als Kapitalbeteiligungen, weil nur insoweit sichergestellt ist, dass der Aktien- bzw. Mischfonds tatsächlich Aktien oder andere Kapitalbeteiligungen hält.5 Das bereits durch die FinVerw. im Billigkeitswege6 akzeptierte Abstellen auf eine höhere Min- 72 destanlagequote in den Anlagebedingungen der Ziel-Investmentfonds wurde durch das „JStG 2018“ v. 11.12.20187 in § 2 Abs. 8 Sätze 2 und 3 InvStG aufgenommen. Die Regelungen sollen es Dach-Investmentfonds erleichtern, die Kapitalbeteiligungsquote eines Aktien- oder Mischfonds zu erreichen.8 § 2 Abs. 8 Sätze 2 und 3 InvStG sind nicht als Wahlrecht des Dach1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.31. 2 BT-Drucks. 18/8045, 69. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.30; wohl a.A. Gottschling in Moritz/Jesch/ Mann2, § 2 InvStG Rz. 87; Hartmann in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 2 Rz. 139 (Stand: Oktober 2021); vermittelnder Ansicht Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 2 InvStG Anm. 14b (Stand: Dezember 2021). 4 BT-Drucks. 18/8045, 90. 5 BT-Drucks. 18/8045, 69. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.32. 7 BGBl. I 2018, 2338. 8 BT-Drucks. 19/4455, 67. Schwenke/Verleger | 161

§ 2 Rz. 72 | Begriffsbestimmungen Investmentfonds ausgestaltet („gilt“). Andernfalls würde nur bei positiven Investmenterträgen davon Gebrauch gemacht.1 Die Teilfreistellung solle jedoch einheitlich im Gewinn- oder Verlustfall angewendet werden.

V. Anteile an körperschaftlich strukturierten Ziel-(Spezial-) Investmentfonds 73 Nach § 2 Abs. 8 Satz 4 InvStG sind Anteile an körperschaftlich strukturierten Ziel-(Spezial-)

Investmentfonds mit Ausnahme der in § 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 InvStG normierten Fälle keine Kapitalbeteiligungen i.S.d. § 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 und 2 InvStG (vgl. Rz. 67 ff.). Körperschaftlich strukturierte Ziel-(Spezial-)Investmentfonds, wie z.B. Investment-Aktiengesellschaften mit veränderlichem Kapital i.S.d. § 108 KAGB oder SICAV-SA, aber auch körperschaftlich strukturierte private-equity-Fonds, können zwar als Investmentfonds qualifizieren. Anteile an solchen Investmentfonds sind jedoch keine Kapitalbeteiligung i.S.v. § 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 und 2 InvStG, sondern vielmehr Investmentanteile.

VI. Über Personengesellschaften gehaltene Beteiligungen an Kapitalgesellschaften (Abs. 8 Satz 5 Nr. 1) 74 Der durch das „JStG 2019“ v. 12.12.20192 neu eingefügte § 2 Abs. 8 Satz 5 InvStG regelt, in

welchen Fällen Anteile an KapGes. nicht als Kapitalbeteiligungen gelten und daher nicht als Vermögensgegenstände betrachtet werden, die ein Investmentfonds halten muss, um die Voraussetzungen eines Aktien- oder Mischfonds zu erfüllen.3 Ziel der normierten Tatbestände sei die Verhinderung von Gestaltungen, bei denen die Aktienteilfreistellung ausgenutzt wird, ohne dass bei den vom Investmentfonds gehaltenen Kapitalbeteiligungen eine steuerliche Vorbelastung eingetreten sei. Zudem solle eine einfache Überprüfbarkeit der Voraussetzungen für eine Aktienteilfreistellung durch die FinVerw. erreicht werden.4

75 Nach § 2 Abs. 8 Satz 5 Nr. 1 InvStG gelten Anteile an Personengesellschaften nicht als Kapi-

talbeteiligung, auch wenn die Personengesellschaften Anteile an KapGes. halten oder wenn die Personengesellschaften nach § 1a KStG zur Körperschaftsbesteuerung optiert haben. Letzter Halbsatz wurde durch das KöMoG5 ergänzt.

76 Mittelbar über Personengesellschaften, wie z.B. private-equity-Fonds, gehaltene Beteiligun-

gen an KapGes. werden nicht als Kapitalbeteiligungen eingeordnet. Bereits nach der im BMFSchreiben v. 21.5.2019 dargestellten Auffassung der FinVerw. blieben für die Zwecke des § 2 Abs. 8 InvStG mittelbar über Personengesellschaften gehaltene Kapitalbeteiligungen unberücksichtigt.6

77 Teile der Literatur7 favorisieren eine Unterscheidung zwischen vermögensverwaltenden und

gewerblich tätigen Personengesellschaften. Wenn die Personengesellschaft vermögensverwaltend ist, spreche viel dafür, dass eine Kapitalbeteiligung gegeben ist (vgl. § 39 Abs. 1 Nr. 2 AO). Offen sei dies jedoch, wenn die Personengesellschaft gewerblich tätig, geprägt oder infi1 2 3 4 5 6 7

BT-Drucks. 19/4455, 67. BStBl. I 2019, 2451. BT-Drucks. 19/13436, 170. BT-Drucks. 19/13436, 170. G v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2050. Vgl. bereits BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.33. Wenzel in Brandis/Heuermann, § 2 InvStG 2018 Rz. 48 (Stand: Oktober 2021); Hahne/Michaelis, RdF 2019, 196 (198); Stadler/Mager, BB 2019, 1760 (1762); Stadler/Mager, DStR 2016, 697.

162 | Schwenke/Verleger

I. Kapitalbeteiligungen i.S.d. Abs. 8 | Rz. 79 § 2

ziert ist. Nach dieser Literaturansicht sind mittelbar über Personengesellschaften gehaltene Beteiligungen an KapGes. ebenfalls Kapitalbeteiligungen i.S.d. § 2 Abs. 8 InvStG, denn auch dann dürfte regelmäßig eine die Teilfreistellung rechtfertigende körperschaftsteuerliche Vorbelastung gegeben sein. Für diese Betrachtungsweise spricht zwar, dass – anders als bei Mitunternehmerschaften – bei 78 vermögensverwaltenden Personengesellschaften dem Grundsatz der steuerlichen Transparenz bei Personengesellschaften folgend eine Durchschau stattfindet, sodass die Annahme einer Kapitalbeteiligung auf den ersten Blick plausibel und damit vertretbar erscheint. Jedoch spricht gegen diese Sichtweise bereits der Wortlaut des Gesetzes. Nach § 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 und 2 InvStG sind Anteile „an“ einer KapGes. Kapitalbeteiligungen i.S.d. § 2 Abs. 6 und 7 InvStG, was nur eine unmittelbar gehaltene Kapitalbeteiligung zulässt. Denn nur in diesem Fall kann die FinVerw. relativ einfach durch Depotauszüge der Verwahrstelle überprüfen, ob der Investmentfonds tatsächlich in hinreichendem Maß Kapitalbeteiligungen hält.1 Eine einfache Überprüfbarkeit sei auch deshalb geboten, weil andernfalls durch mehrstufige Strukturen verschleiert werden kann, dass am Ende der Kette z.B. Offshore-Gesellschaften stehen, die keiner Ertragsbesteuerung unterliegen und daher nicht zur Aktienteilfreistellung berechtigen. Diese Sichtweise hat der Gesetzgeber nun klarstellend gesetzlich normiert. Die Konzeption des InvStRefG zielt darauf ab, steuerliches Gestaltungspotential einzuschränken. Die Erfahrungen der Prüfungspraxis haben gezeigt, dass vornehmlich luxemburgische private-equityFonds genutzt werden, um weiße Einkünfte zu generieren. Um dieser Gefahr zu begegnen, sind mittelbar über Personengesellschaften gehaltene Beteiligungen an KapGes. nicht zu berücksichtigen. Eine in Betracht kommende Einschränkung der wirtschaftlichen Spielräume der StPfl. muss unter Beachtung des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und des Willens des Gesetzgebers gegenüber dem Interesse an der Vermeidung von Gestaltungsmodellen zurücktreten. Anteile an einer Personengesellschaft gelten auch dann nicht als Kapitalbeteiligungen, wenn 79 die Personengesellschaft zur Körperschaftsbesteuerung optiert (s. auch Rz. 127). Mit Blick auf die Zielsetzung und die Systematik der Teilfreistellung, die steuerliche Vorbelastung auf Ebene der ausschüttenden Gesellschaft auf Anlegerebene zu kompensieren, erscheint die Nichtberücksichtigung widersprüchlich. Nach § 1a KStG können Personengesellschaften (optierende Gesellschaft) unter bestimmten Voraussetzungen zur Körperschaftbesteuerung optieren, sodass sie als Körperschaftssubjekt der Besteuerung unterliegen. Durch § 2 Abs. 8 Satz 5 Nr. 1 a.E. InvStG will der Gesetzgeber erreichen, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Aktienfonds einfach überprüfbar bleiben. Es soll sich bereits aus dem Vermögensverzeichnis des Investmentfonds ermitteln lassen, ob in dem für die Aktienteilfreistellung erforderlichen Maß Kapitalbeteiligungen gehalten werden.2 Eine Berücksichtigung bei der Berechnung der Quote würde bedeuten, dass jedes Anlegerfinanzamt durch Auskunftsersuchen gegenüber den für die Besteuerung der Personengesellschaften zuständigen FÄ klären muss, ob die Personengesellschaft tatsächlich optiert hat und eine ursprünglich ausgeübte Option widerrufen wurde. Besonders komplex würde die Prüfung, wenn über mehrstufige Personengesellschaftsstrukturen Beteiligungen an optierenden Personengesellschaften gehalten werden. Mit Blick auf das Ziel der Investmentsteuerreform, administrativen Aufwand abzubauen und Besteuerungsgrundlagen überprüfbar zu gestalten, ist die Einschränkung zumindest nachvollziehbar.3

1 BT-Drucks. 19/13436, 170. 2 BT-Drucks. 19/28656, 29. 3 So auch Haug, FR 2021, 410. Schwenke/Verleger | 163

§ 2 Rz. 80 | Begriffsbestimmungen

VII. Anteile an bestimmten Kapitalgesellschaften (Abs. 8 Satz 5 Nr. 2) 80 § 2 Abs. 8 Satz 5 Nr. 2 InvStG schließt Anteile an KapGes., die nach § 2 Abs. 9 Satz 6 InvStG

als Immobilien gelten, bei der Ermittlung der Kapitalbeteiligungsquote für die Qualifikation als Aktien- oder Mischfonds aus. Dies sind Anteile an in- und ausländischen REIT-Gesellschaften, die den Vorgaben an eine inländische REIT-AG nach § 12 Abs. 2 Buchst. a REITG entsprechen und bei denen eine steuerliche Vorbelastung entweder auf Ebene des REIT oder auf der Ebene seiner Anleger vorliegt.1 § 2 Abs. 8 Satz 5 Nr. 2 InvStG soll sicherstellen, dass diese Anteile nicht gleichzeitig auch als Kapitalbeteiligungen berücksichtigt werden.2 Anteile an KapGes., die nach gesetzlichen Bestimmungen oder nach ihren Anlagebedingungen mindestens 75 % ihres Vermögens in unbewegliches Vermögen anlegen, gelten nach § 2 Abs. 9 Satz 6 InvStG als Immobilien. Das BMF3 stellt klar, dass der verbleibende Anteilswert von 25 %, der nach § 2 Abs. 9 Satz 6 InvStG nicht unter die Immobilienfiktion fällt, nicht als Kapitalbeteiligung gilt.4

VIII. Anteile an REITs und REIT-ähnlichen Kapitalgesellschaften (Abs. 8 Satz 5 Nr. 3) 81 Nach § 2 Abs. 8 Satz 5 Nr. 3 InvStG gelten Anteile an KapGes., die von der Ertragsbesteuerung

befreit sind, soweit sie Ausschüttungen vornehmen, grds. nicht als Kapitalbeteiligungen, es sei denn, die Ausschüttungen unterliegen einer Besteuerung von mindestens 15 % und der Investmentfonds ist hiervon nicht befreit. § 2 Abs. 8 Satz 5 Nr. 3 InvStG erfasst im Wesentlichen ausländische REIT- Körperschaften, -Personenvereinigungen oder -Vermögensmassen, deren Bruttovermögen zu weniger als 75 % aus unbeweglichem Vermögen besteht und mithin deren Anteile nicht als Immobilien nach § 2 Abs. 9 Satz 6 InvStG gelten. Anders als § 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 InvStG, der nur eine abstrakte Steuerbelastung erfordert, verlangt der Wortlaut des § 2 Abs. 8 Satz 5 Nr. 3 InvStG eine tatsächliche Mindeststeuerbelastung.

Beispiel:5 Insbesondere US-REITs sind von der Ertragsbesteuerung in den USA befreit, soweit sie Ausschüttungen vornehmen. Die Ausschüttungen der US-REITs unterliegen aber grds. einer Quellensteuerbelastung in den USA. Die Quellensteuerhöchstbelastung beträgt nach dem DBA USA-Deutschland 15 %. Mithin sind Anteile an US-REITs mit weniger als 75 % unbeweglichem Vermögen grds. Kapitalbeteiligungen i.S.d. § 2 Abs. 8 Satz 5 Nr. 3 InvStG.

IX. Anteile an Holdinggesellschaften (Abs. 8 Satz 5 Nr. 4) 82 Ausgeschlossen werden nach § 2 Abs. 8 Satz 5 Nr. 4 Buchst. a InvStG Anteile an Holdingge-

sellschaften, deren Einnahmen unmittelbar oder mittelbar zu mehr als 10 % aus Beteiligungen an nicht oder niedrig besteuerten Offshore-KapGes. stammen. Durch die Erfassung auch mittelbarer Einnahmen will der Gesetzgeber wohl mehrstufige Strukturen erfassen, um Umgehungsgestaltungen zu verhindern. Gleiches gilt, wenn die Holdinggesellschaft mehr als 10 % ihres gemeinen Werts unmittelbar oder mittelbar in nicht hinreichend besteuerte OffshoreKapGes. angelegt hat (§ 2 Abs. 8 Satz 5 Nr. 4 Buchst. b InvStG). Von einer nicht hinreichend

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BT-Drucks. 19/13436, 172. BT-Drucks. 19/13436, 170. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.33a. Krit. Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 2 InvStG Rz. 103, die die restlichen 25 % mangels Aussage separat beurteilt wissen möchte. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.33f.

164 | Schwenke/Verleger

J. Immobilienfonds (Abs. 9) | Rz. 84 § 2

besteuerten Offshore-KapGes. ist nach Auffassung des BMF auszugehen, wenn diese nicht der in § 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b InvStG beschriebenen Mindestbesteuerung unterliegt.1 Die Regelung in § 2 Abs. 8 Satz 5 Nr. 4 InvStG zielt darauf ab, Umgehungsgestaltungen über Holdinggesellschaften auszuschließen.2 Andernfalls könnte ein Investmentfonds über Holdinggesellschaften Dividendenerträge generieren, die keinerlei steuerliche Vorbelastung aufweisen. Hält ein Investmentfonds Anteile an einer entsprechenden Offshore-KapGes. ohne die Zwischenschaltung einer Holdingsgesellschaft unmittelbar, wären diese Anteile von der Berücksichtigung als Kapitalbeteiligung ausgeschlossen. Beispiel:3 Der Investmentfonds hält alle Anteile an einer Holdinggesellschaft in einem anderen europäischen Staat. In diesem europäischen Staat werden – ähnlich wie in Deutschland – Dividenden und Veräußerungsgewinne auf Kapitalbeteiligungen bei der Holdinggesellschaft von der Besteuerung freigestellt. Die Holdinggesellschaft hält wiederum Anteile an einer Offshore-KapGes., die in ihrem Ansässigkeitsstaat keiner Ertragsbesteuerung unterliegt. Die Offshore-KapGes. investiert ausschließlich in Anleihen und erzielt daraus Zinsen. Die Zinsen werden von der Offshore-KapGes. an die Holdinggesellschaft ausgeschüttet und dabei in Dividenden umqualifiziert. Bei der Weiterausschüttung der ausländischen Holdinggesellschaft an den Investmentfonds fallen in anderen Staaten typischerweise keine (Quellen-)Steuerbelastungen an. Auf diesem Weg wäre es möglich, steuerfreie Zinseinnahmen zu generieren und gleichzeitig eine Aktienteilfreistellung i.H.v. 80 % bei körperschaftsteuerpflichtigen Anlegern zu erlangen.

Die Gesetzesbegründung4 lässt es genügen, dass kein Fall des § 2 Abs. 8 Satz 5 Nr. 4 InvStG 83 vorliegt, wenn der Investmentfonds nicht für alle seine Investitionen in Aktien und sonstige Kapitalbeteiligungen einen Nachweis erbringt. Die FinVerw. werde einen derartigen Nachweis nur in den Ausnahmefällen fordern, in denen ein Gestaltungsmodell naheliegt.5 Insbesondere werde sie generell keinen Nachweis fordern, wenn es sich um Aktien von international bekannten AG handelt, die unzweifelhaft unternehmerisch tätig sind. Für diesen Zweck könne davon ausgegangen werden, dass bei Aktien, die in national und international handelsüblichen Aktienindizes enthalten sind, kein Fall des § 2 Abs. 8 Satz 5 Nr. 4 InvStG vorliegt bzw. kein Nachweis zu erbringen ist. Anders als es die Gesetzesbegründung6 zulässt, hat das BMF bislang per Verwaltungsregelung keine weiteren Aktien oder Aktiengruppen bestimmt, die ohne Einzelfallprüfung als Kapitalbeteiligung anzuerkennen sind. Eine generelle Ausnahme für börsennotierte Unternehmen – wie teilweise von Verbändeseite gefordert – lässt der Gesetzgeber nicht zu. Eine solche würde die Wirksamkeit der Regelung wesentlich beeinträchtigen. Es habe sich gezeigt, dass es in manchen ausländischen Staaten relativ einfach sei, eine Börsennotierung zu erreichen, die für Gestaltungszwecke eingesetzt werden kann.7

J. Immobilienfonds (Abs. 9) I. Vorbemerkung Durch das „JStG 2019“ v. 12.12.20198 werden in § 2 Abs. 9 InvStG die bislang getrennten De- 84 finitionen des Begriffs des Immobilienfonds und des Auslandsimmobilienfonds nach § 20 Abs. 3 Satz 1 InvStG zusammengefasst und vereinheitlicht. Die Qualifikation als Immobilien-

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BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.33f. BT-Drucks. 19/13436, 171. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.33f. BT-Drucks. 19/13436, 171. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.33g. BT-Drucks. 19/13436, 171. BT-Drucks. 19/13436, 172. BGBl. I 2019, 2451. Schwenke/Verleger | 165

§ 2 Rz. 84 | Begriffsbestimmungen fonds bzw. Auslandsimmobilienfonds ist maßgebend für die Teilfreistellung auf Anlegerebene gem. § 20 Abs. 3 InvStG. 85 Immobilienfonds sind Investmentfonds, die gem. ihren Anlagebedingungen fortlaufend mehr

als 50 % ihres Aktivvermögens in Immobilien und Immobiliengesellschaften anlegen (Immobilienfondsquote). Auslands-Immobilienfonds sind Investmentfonds, die gem. ihren Anlagebedingungen fortlaufend mehr als 50 % ihres Aktivvermögens in ausländische Immobilien und Auslands-Immobiliengesellschaften anlegen (Auslands-Immobilienfondsquote). Aufgrund eines Redaktionsversehens sind Beteiligungen an Immobiliengesellschaften bei der Neufassung des § 2 Abs. 9 Satz 1 InvStG durch das „JStG 2018“ nicht übernommen worden. Diese werden durch das „JStG 2019“ v. 12.12.20191 wieder in die Immobilienfondsquote einbezogen.2 Nach Sinn und Zweck der Regelung und dem unveränderten Wortlaut des § 20 Abs. 3 Satz 1 InvStG sind Immobiliengesellschaften weiterhin für die Immobilienquote zu berücksichtigen.3 Investmentanteile an Immobilienfonds oder Auslands-Immobilienfonds gelten i.H.v. 51 % des Werts des Investmentanteils als Immobilien. § 2 Abs. 9 InvStG formuliert die Mindestquote für die Qualifikation als Immobilienfonds, die notwendig ist, um in den Genuss der Teilfreistellung nach § 20 Abs. 3 InvStG zu gelangen (Immobilienquote). Um die erhöhte Teilfreistellung nach § 20 Abs. 3 Satz 2 InvStG in Anspruch nehmen zu können, muss mehr als 50 % des Aktivvermögens des Investmentfonds in ausländischen Immobilien und Auslands-Immobiliengesellschaften angelegt sein. Sieht ein Immobilienfonds oder ein AuslandsImmobilienfonds in seinen Anlagebedingungen einen höheren Prozentsatz als 51 % seines Aktivvermögens für die laufende Mindestanlage in Immobilien vor, gilt der Investmentanteil im Umfang dieses höheren Prozentsatzes als Immobilie (§ 2 Abs. 9 Satz 5 InvStG).

86 Zur Auslegung der Begriffe „Immobilie“ und „Immobiliengesellschaft“ werden die Fonds-

kategorien-RL v. 22.7.20134 und § 1 Abs. 19 Nr. 21 und 22 KAGB in Bezug genommen. Immobiliengesellschaften i.S.d. § 1 Abs. 19 Nr. 22 KAGB können rechtsformunabhängig als Kapital- oder Personengesellschaften ausgestaltet sein.5

87 Auslands-Immobiliengesellschaften sind Immobiliengesellschaften, die ausschließlich in

ausländische Immobilien investieren (§ 2 Abs. 9 Satz 3 InvStG). Andere Vermögensgegenstände, die im Zusammenhang mit ausländischen Immobilien stehen und im Verhältnis zu den Immobilien wirtschaftlich unbedeutend sind, verhindern nicht die Qualifikation einer Immobiliengesellschaft, die ansonsten ausschließlich in ausländische Immobilien investiert, als Auslands-Immobiliengesellschaft.6 Eine Immobilien-Holdinggesellschaft ist nach Auffassung des BMF7 nur dann als Auslands-Immobiliengesellschaft anzuerkennen, wenn der Investmentfonds nachweist, dass es sich bei allen von der Holdinggesellschaft gehaltenen Beteiligungen um Immobiliengesellschaften handelt, die ausschließlich in ausländische Immobilien investieren. Eine Immobilien-Holdinggesellschaft, die ihrerseits in Immobilien-Holdinggesellschaften investiert, sei nicht als Auslands-Immobiliengesellschaft anzuerkennen. Die Regelungen des § 2 Abs. 9 Satz 3 InvStG sollen eine einfache Überprüfbarkeit des Umfangs des ausländischen Immobilienbesitzes insbes. in mehrstöckigen Besitzstrukturen sicherstellen und ergeben sich für die Rechtslage bis 31.12.2019 aus § 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 InvStG.8

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BGBl. I 2019, 2451. BT-Drucks. 19/13436, 172. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.34a. www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Konsultation/2013/kon_0713_fondskategorien_kagb_wa.html. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.35. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.35b. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.35b. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.35b.

166 | Schwenke/Verleger

J. Immobilienfonds (Abs. 9) | Rz. 90 § 2

II. Ermittlung Immobilienquote Nach dem BMF-Schreiben v. 21.5.20191 sind bei der Ermittlung der Immobilienquote 100- 88 prozentige Beteiligungen an Immobiliengesellschaften in der Rechtsform einer Personenoder Kapitalgesellschaft mit dem Verkehrswert der Immobilien zzgl. des Werts der Bewirtschaftungsgegenstände i.S.d. § 231 Abs. 3 KAGB (z.B. Telefonanlage, Reinigungsgeräte, Schneepflug) anzusetzen. Dies soll nach Auffassung der FinVerw. aber nur dann gelten, wenn sich diese Werte aus dauerhaft öffentlich zugänglichen Informationen des Investmentfonds (z.B. Jahresberichte) ergeben. Fehlt es an einer entsprechenden Veröffentlichung, soll nur der Beteiligungswert der Immobiliengesellschaft anzusetzen sein. Hält der Investmentfonds weniger als 100 % der Anteile an einer Immobiliengesellschaft, ist nur der auf die Beteiligungsquote entfallende Wert anzusetzen.2 Diese Sichtweise erscheint auf den ersten Blick plausibel, führt sie doch dazu, dass durch die 89 Verkehrswertbetrachtung die unmittelbare Investition eines Investmentfonds in Immobilien und die mittelbare Anlage über Immobiliengesellschaften gleichbehandelt werden. Jedoch sprechen bereits der Wortlaut von § 2 Abs. 9 InvStG sowie der Sinn und Zweck der Wertermittlung gegen diese Auslegung. Nach § 2 Abs. 9 Satz 1 InvStG sind Immobilienfonds Investmentfonds, die gem. ihren Anlagebedingungen fortlaufend mehr als 50 % ihres Aktivvermögens u.a. in Immobiliengesellschaften anlegen. Maßgebend ist der Wert der direkten Anlage. Bei der Ermittlung des Werts ist entsprechend Rz. 2.42 des BMF-Schreibens v. 21.5.20193 auf die gehaltenen Vermögensgegenstände, d.h. auf das Aktivvermögen abzustellen. Eine Gleichbehandlung der unmittelbaren Investition eines Investmentfonds in Immobilien mit der mittelbaren Anlage über Immobiliengesellschaften ist nicht zwingend. Sinn und Zweck der Ermittlung der Immobilienquote ist die Höhe des Teilfreistellungssatzes nach § 20 InvStG. Finanziert die ausländische Immobiliengesellschaft ihre Immobilie mittels Gesellschafterdarlehen, minimieren die Zinsaufwendungen die Mieteinnahmen der ausländischen Immobiliengesellschaft und damit die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung im Ansässigkeitsstaat. Die Zinseinnahmen aus den gewährten Gesellschafterdarlehen unterliegen auf Ebene des Anlegers der erhöhten Teilfreistellungsquote ohne entsprechende steuerliche Vorbelastung. Infolge der allgemeinen Veröffentlichungspflicht nach § 107 KAGB obliegt es dem jeweils zuständigen Anleger-FA, die Immobilienquote in Zweifelsfällen anhand der sich aus dem Jahresbericht ergebenden Werte zu ermitteln. Beteiligt sich ein Investmentfonds – praxisüblich – an 40 bis 60 Immobiliengesellschaften, hat der Investmentfonds die Option, die Offenlegung für jede einzelne Beteiligung gesondert auszuüben. Zudem trägt bei mehrstöckigen Beteiligungen der von der FinVerw. gefundene Lösungsansatz nicht zu dem mit der Investmentsteuerreform verfolgten Zweck der Vereinfachung bei. Letztlich haftet der Sichtweise der FinVerw. das Restrisiko einer ggf. über mehrere Veranlagungszeiträume dauernden rechtlichen Unsicherheit an, ob die Ermittlung des Verkehrswerts einer Außenprüfung standhält. Das Instrument der verbindlichen Auskunft i.S.d. § 89 AO erscheint insoweit als ungeeignet. Für die Zwecke der Ermittlung der Immobilienquote gelten folgende Aktiva, soweit sie sich 90 auf den Rücknahmepreis auswirken, als Immobilien: – aktivierte und noch nicht abgeschriebene Anschaffungsnebenkosten i.S.d. § 248 Abs. 3 KAGB, – Forderungen aus schwebenden Grundstücksveräußerungsgeschäften,

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.37. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.38; vgl. Beispiel in Kelterborn/Küpper, BB 2017, 2263 (2266). 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.42. Schwenke/Verleger | 167

§ 2 Rz. 90 | Begriffsbestimmungen – Forderungen aus der Grundstücksbewirtschaftung (z.B. Nebenkostenforderungen gegenüber Mietern und Pächtern der Immobilie), – Steuererstattungsansprüche im Zusammenhang mit der Immobilie und – sonstige immobilienbezogene Vermögensgegenstände.1

III. Zeitpunkt des Erfüllens der Anlagegrenzen 91 Immobilienfonds2 sind gem. § 2 Abs. 9 Satz 1 InvStG Investmentfonds, wenn gemäß den An-

lagebedingungen fortlaufend mehr als 50 % ihres Aktivvermögens in Immobilien bzw. Immobiliengesellschaften angelegt werden. Die Anlage muss fortlaufend erfolgen, d.h. grds. an jedem Tag des Geschäftsjahres.3 Ist ein neu aufgelegter Immobilienfonds in der Zeit der Anlaufphase nicht in der Lage, die 50 %-Grenze durch Ankäufe von Immobilien bzw. von Beteiligungen an Immobiliengesellschaften zu erreichen, stellt sich die Frage, ob es unschädlich ist, wenn die Mindestanlagequote zwar in der Anlaufzeit nicht eingehalten, diese aber gemäß den Anlagebedingungen angestrebt und in der Frist des § 244 KAGB erfüllt wird. Nach § 244 KAGB gelten die Anlagegrenzen in den §§ 231 bis 238 und § 243 sowie § 253 Abs. 1 Satz 1 KAGB für das Immobilien-Sondervermögen einer AIF-Kapitalverwaltungsgesellschaft erst, wenn seit dem Zeitpunkt der Bildung dieses Sondervermögens eine Frist von vier Jahren verstrichen ist. Der Wortlaut des Gesetzes lässt durch die Verwendung der Formulierung „anlegen“ den Schluss zu, dass es ausreicht, wenn die Mindestquote in den Anlagebedingungen vorgesehen ist, aber die 50 %-Grenze in der Anlaufphase noch nicht erfüllt ist. Dies wird auch durch die entsprechende Gesetzesbegründung gestützt.4 Im BMF-Schreiben v. 21.5.20195 wurde die Frist des § 244 KAGB für die Erfüllung der „fortlaufenden“ Anlage des Vermögens in Immobilien und Immobiliengesellschaften übernommen. Die FinVerw. lässt es i.d.R. genügen, wenn der Investmentfonds bereits innerhalb der vierjährigen Frist des § 244 KAGB die „fortlaufende Anlage“ seines Vermögens in Immobilien und Immobiliengesellschaften erfüllt. Er muss jedoch innerhalb von zwölf Monaten nach Auflage eine erste Immobilie oder eine erste Beteiligung an einer Immobiliengesellschaft sachenrechtlich erworben oder zumindest einen schuldrechtlichen Vertrag zum Erwerb abgeschlossen haben.6 Durch die Verwendung „in der Regel“ wurde ein Regel-Ausnahme-Verhältnis implementiert, das zugleich sicherstellen soll, Gestaltungen zu verhindern. Denn die Immobilienteilfreistellung gem. § 20 Abs. 3 Satz 1 InvStG wird losgelöst von der tatsächlichen Erzielung etwaiger Immobilieneinkünfte gewährt. Hält der Immobilienfonds neben einer Immobilie oder einer Beteiligung an einer Immobiliengesellschaft auch Rentenpapiere, werden nach Maßgabe von § 20 Abs. 3 Sätze 1 und 2 InvStG Einkünfte hieraus ebenfalls i.H.v. bis zu 80 % freigestellt.

92 Erwirbt der Investmentfonds nicht innerhalb von zwölf Monaten nach Auflage erste Immobi-

lien oder eine erste Beteiligung an einer Immobiliengesellschaft, sind die für Immobilienfonds geltenden Teilfreistellungssätze von Anfang an nicht anwendbar.7 § 244 KAGB verfolgt den Zweck des sukzessiven Aufbaus des Sondervermögens.8 Werden Immobilienfonds allein mit

1 2 3 4 5 6 7

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.39. Die Ausführungen gelten entsprechend für Auslands-Immobilienfonds. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.40 i.V.m. Rz. 2.7. BT-Drucks. 18/8045, 70. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.40. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.40. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.40; Kelterborn/Küpper, BB 2017, 2263 (2266). 8 Wösthoff in Moritz/Klebeck/Jesch, § 244 KAGB Rz. 4.

168 | Schwenke/Verleger

K. Aktivvermögen (Abs. 9a) | Rz. 96 § 2

der Motivation aufgelegt, im Wege der Gestaltung in den Genuss erhöhter Teilfreistellungssätze zu gelangen, erscheint dieses Vorgehen konsequent und sachgerecht.

IV. Dachfonds § 2 Abs. 9 Satz 4 InvStG regelt die Anlage eines Dachfonds in einen Zielfonds. In diesen Fällen 93 gelten 51 % des Werts des Investmentanteils als Immobilien.1 In der Praxis müssen reine DachImmobilienfonds u.a. für die Anteilsrückgaben und Verwaltungskosten Liquidität vorhalten, sodass sie unter Umständen die Voraussetzungen für eine Teilfreistellung nach § 20 Abs. 3 InvStG nicht erfüllen können. Im Hinblick auf den Verlust der Eigenschaft als Immobilienfonds gilt nach § 2 Abs. 9 Satz 7 InvStG die Regelung des § 2 Abs. 6 Satz 4 InvStG entsprechend.

V. Berücksichtigung von Anteilen an in- und ausländischen REIT Der durch das „JStG 2019“ v. 12.12.20192 eingefügte Satz 6 in § 2 Abs. 9 InvStG berücksichtigt 94 erstmalig unter bestimmten Voraussetzungen Anteile an inländischen REIT-AG und ausländischen REIT-Körperschaften, -Personenvereinigungen oder -Vermögensmassen mit 75 % des Anteilswerts als Immobilien. Diese Mindestanforderung entspricht den gesetzlichen Bestimmungen an eine inländische REIT-AK nach § 12 Abs. 2 Buchst. a REITG. Voraussetzung für die Berücksichtigung als Immobilie ist, dass eine Mindeststeuerbelastung entweder auf Ebene des REITs oder auf der Ebene des Investmentfonds gegeben ist. Erforderlich ist auf Ebene des REITs eine Ertragsteuerbelastung von nominell 15 %, ohne dass der REIT persönlich steuerbefreit ist oder dass dem REIT eine nahezu vollumfängliche sachliche Steuerbefreiung gewährt wird.3 Alternativ soll nach Auffassung des BMF eine tatsächliche Quellen- oder sonstige Steuerbelastung der Ausschüttungen an den Investmentfonds i.H.v. mindestens 15 % genügen, wenn diese Steuerbelastung definitiv ist, d.h. keine Erstattung dieser Steuer möglich ist.4 Hierdurch soll sichergestellt werden, dass die Immobilienteilfreistellung, die ein Ausgleich für eine steuerliche Vorbelastung ist, nur gewährt wird, wenn die Immobilienerträge einer Mindeststeuerbelastung auf Ebene des Immobilienfonds oder auf einer vorgelagerten Ebene unterliegen.

K. Aktivvermögen (Abs. 9a) Durch das „JStG 2018“ v. 11.12.20185 wurde Abs. 9a eingefügt, der für Zwecke der Ermittlung 95 der Kapitalbeteiligungsquoten nach § 2 Abs. 6 und 7 InvStG und der Immobilienquote nach § 2 Abs. 9 InvStG den Begriff des Aktivvermögens definiert. § 2 Abs. 9a InvStG trat am 15.12.2018 in Kraft. Die Höhe des Aktivvermögens bestimmt sich grds. nach dem Wert der Vermögensgegen- 96 stände des Investmentfonds ohne Berücksichtigung von Verbindlichkeiten des Investmentfonds. Vermögensgegenstände sind insbes. der Wert von Aktien, sonstigen Kapitalbeteiligungen, verzinslichen Wertpapieren, derivativen Finanzprodukten, Beteiligungen an Personengesellschaften und Immobilien. In § 2 Abs. 6, 7 und 9 InvStG i.d.F. v. 19.7.20166 stellte der Ge1 2 3 4 5 6

BT-Drucks. 18/8045, 70. BGBl. I 2019, 2451. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.40a. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.40a. BGBl. I 2018, 2338. BGBl. I 2016, 1730. Schwenke/Verleger | 169

§ 2 Rz. 96 | Begriffsbestimmungen setzgeber noch auf den „Wert des Investmentfonds“ ab. „Wert des Investmentfonds“ ist das Fondsvermögen, mithin der Wert sämtlicher Vermögensgegenstände des Fonds abzgl. sämtlicher Verbindlichkeiten (Nettoinventarwert).1 Durch die Änderungen in § 2 Abs. 6, 7 und 9 InvStG und die Einfügung von § 2 Abs. 9a InvStG will der Gesetzgeber klarstellen, dass die Verbindlichkeiten bei der Ermittlung der Kapitalbeteiligungsquote grds. unberücksichtigt bleiben.2 97 Infolge der nachträglichen Einführung lässt es § 2 Abs. 9a Satz 2 InvStG genügen, wenn in

den Anlagebedingungen anstelle des Aktivvermögens auf den Wert des Investmentfonds abgestellt wird. Wird in den Anlagebedingungen auf den Nettoinventarwert abgestellt, sind nach § 2 Abs. 9a Satz 3 InvStG bei der Ermittlung des Umfangs des in Kapitalbeteiligungen angelegten Vermögens die Kredite entsprechend dem Anteil der Kapitalbeteiligungen am Wert aller Vermögensgegenstände abzuziehen. Dies gilt gem. § 2 Abs. 9a Satz 4 InvStG entsprechend bei der Ermittlung des Umfangs des in Immobilien angelegten Vermögens.

Beispiel:3 Der Investmentfonds hält Aktien im Wert von 460 € und verzinsliche Wertpapiere im Wert von 540 €. Außerdem hat er kurzfristige Kredite i.H.v. 100 € aufgenommen. Der Nettoinventarwert beträgt 460 € + 540 € ./. 100 € = 900 €. Auf die Aktien entfallen anteilig 100 x 460/1.000 = 46 € Kredite. Nach Abzug der Kredite verbleibt ein Wert der Aktien i.H.v. 460 € ./. 46 € = 414 €. Die Kapitalbeteiligungsquote beträgt 414/900 = 46 %. Es wird damit nur die Kapitalbeteiligungsquote eines Mischfonds i.S.d. § 2 Abs. 7 InvStG und nicht die eines Aktienfonds i.S.d. § 2 Abs. 6 InvStG erreicht. In der Folge führen das Abstellen auf das Aktivvermögen nach § 2 Abs. 9a Satz 1 InvStG und das modifizierte Abstellen auf den Nettoinventarwert nach § 2 Abs. 9a Satz 2 bis 4 InvStG zum gleichen Ergebnis.

L. Anleger nach Abs. 10 98 Anleger ist derjenige, dem der Investmentanteil oder Spezial-Investmentanteil nach § 39 AO

zuzurechnen ist. Im InvStG a.F. war der Anleger in § 1 Abs. 2 Satz 2 InvStG a.F. legal definiert. Das KAGB unterscheidet zwischen Privatanlegern i.S.d. § 1 Abs. 19 Nr. 31 KAGB, semiprofessionellen Anlegern nach § 1 Abs. 19 Nr. 33 KAGB und professionellen Anlegern i.S.d. § 1 Abs. 19 Nr. 32 KAGB. Diese Unterscheidung wird im InvStG nicht nachvollzogen. Maßgebend für das InvStG ist die steuerliche Zurechnung von Wirtschaftsgütern gem. § 39 AO.

99 Anleger können grds. natürliche Personen, juristische Personen (z.B. KapGes.) oder Per-

sonengesellschaften (vgl. weitergehende Ausführungen in Rz. 101) sein. Die Beteiligung des Anlegers kann gesellschaftsrechtlicher, mitgliedschaftlicher oder schuldrechtlicher Natur sein.4 An einem Spezial-Investmentfonds dürfen sich natürliche Personen künftig nur beteiligen, wenn die natürlichen Personen ihre Anteile im Betriebsvermögen halten, die Beteiligung natürlicher Personen aufgrund aufsichtsrechtlicher Regelungen erforderlich ist oder die mittelbare Beteiligung von natürlichen Personen an einem Spezial-Investmentfonds vor dem 9.6.2016 erworben wurde (§ 26 Nr. 8 Satz 2 lit. a bis c Sätze 3 und 4 InvStG). Am 9.6.2016 hat der Deutsche Bundestag den Entwurf eines Investmentsteuerreformgesetzes angenommen.

100 Der Verweis in § 2 Abs. 10 InvStG auf § 39 AO dient der Konkretisierung. Der Investment-

anteil oder Spezial-Investmentanteil ist grds. dem zivilrechtlichen Eigentümer zuzurechnen, es sei denn, es gibt einen davon abweichenden wirtschaftlichen Eigentümer i.S.d. § 39 Abs. 2

1 2 3 4

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.43. BT-Drucks. 19/4455, 65. BT-Drucks. 19/4455, 68. Bauderer/Mundel in Haase2, § 1 InvStG Rz. 242.

170 | Schwenke/Verleger

M. Ausschüttungen (Abs. 11) | Rz. 103 § 2

Nr. 1 AO.1 Nach Maßgabe des Wortlauts sowie des Regelungszusammenhangs, wonach § 39 Abs. 2 AO als Sonderregelung zu § 39 Abs. 1 AO zu verstehen ist, ergibt sich ein Regel-Ausnahme-Verhältnis, das die Zurechnung eines Wirtschaftsguts nur zu dem zivilrechtlichen Eigentümer oder zu dem wirtschaftlichen Eigentümer zulässt. Zweck des wirtschaftlichen Eigentums als Ausdruck der wirtschaftlichen Betrachtungsweise des Steuerrechts ist die Zurechnung von Einkommen und Leistungsfähigkeit im Sinne einer gleichheitsgerechten Verteilung der Finanzierungslasten.2 Die Zurechnung ist maßgeblich für die Höhe der Teilfreistellung (vgl. insoweit § 20 InvStG Rz. 5, 8, 58 f.), die an die ertragsteuerliche Situation des jeweiligen Anlegers anknüpft (§ 20 Abs. 1 Sätze 2 und 3, Abs. 2 InvStG). Bei Treuhandverhältnissen (z.B. CTA = contractual trust arrangement)3 ist der Treugeber der Anleger i.S.d. § 2 Abs. 10 InvStG (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 Alt. 1 AO). Dies sollte auch für den Eintritt des Sicherungsfalls gelten.4 Die Gesetzesbegründung5 bestimmt den wirtschaftlichen Eigentümer lediglich nach § 39 101 Abs. 2 Nr. 1 AO. Gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO werden Wirtschaftsgüter, die mehreren zur gesamten Hand zustehen, den Beteiligten anteilig zugerechnet, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist. Anleger in Investmentfonds können auch Mitunternehmerschaften für im Gesamthandsvermögen gehaltene Investmentanteile sein.6 Möglicherweise hatte der Gesetzgeber bei der Abfassung die st. Rspr.7 zu § 39 AO i.V.m. § 15 EStG im Blick, wonach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG als lex specialis eine anteilige Zurechnung zu den Mitunternehmern nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO sperrt. Die Mitunternehmerschaft selbst ist Anleger und nicht die jeweiligen Mitunternehmer. Für vermögensverwaltende Personengesellschaften bleibt es bei der Bruchteilsbetrachtung nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO, wonach die einzelnen Gesellschafter der vermögensverwaltenden Personengesellschaft als Anleger gelten und ihnen die Investmentanteile quotal zuzurechnen sind. Zur weiteren Definition des Begriffs des Anlegers, vor allem mit Blick auf die (Mindest-)An- 102 zahl der Anleger, schweigt § 2 InvStG. Insoweit sind die Regelungen des KAGB zugrunde zu legen. Nach § 1 Abs. 1 KAGB sammelt das Investmentvermögen von einer Anzahl von Anlegern Kapital ein. Die Verwendung des Wortes „Anlegern“ zeigt, dass es grds. mindestens zwei Anleger sein müssen. Diese Lesart wird bestätigt durch die Formulierung in § 1 Abs. 1 Satz 2 KAGB, wonach eine Anzahl von Anlegern i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB gegeben ist, wenn die Anlagebedingungen, die Satzung oder der Gesellschaftsvertrag die Anzahl möglicher Anleger nicht auf einen Anleger begrenzen. Daneben werden gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 InvStG auch Ein-Anleger-Fonds vom Anwendungsbereich des InvStG erfasst.

M. Ausschüttungen (Abs. 11) I. Vorbemerkung Ausschüttungen sind die dem Anleger tatsächlich gezahlten oder gutgeschriebenen Beträge 103 einschließlich des Steuerabzugs auf den sich aus der Ausschüttung ergebenden Kapitalertrag. Die Begriffsdefinition orientiert sich an dem bisherigen Recht (§ 1 Abs. 3 Satz 1 InvStG a.F.).8 1 2 3 4 5 6 7 8

BT-Drucks. 18/8045, 70. FG Hessen v. 10.3.2017 – 4 K 977/14, AG 2018, 48; Anzinger, RdF 2012, 394 (400). Haisch, RdF 2016, 329 (332); Ernst, BB 2017, 2723 (2726). Hageböke, Der Konzern 2018, 383; undifferenziert BMF v. 18.1.2016 – IV C 1 - S 2252/08/10004:017 – DOK 2015/0468306, BStBl. I 2016, 85; Revision anhängig unter I R 19/18. BT-Drucks. 18/8045, 70. Neumann, DB 2016, 1779. BFH v. 25.2.1991 – GrS 7/89, BStBl. II 1991, 691; v. 20.2.2003 – III R 34/01, BStBl. II 2003, 700; v. 28.2.2013 – IV R 50/09, BStBl. II 2013, 494. BT-Drucks. 18/8045, 70. Schwenke/Verleger | 171

§ 2 Rz. 103 | Begriffsbestimmungen Zahlungen eines Spezial-Investmentfonds an dessen Anleger fallen nicht unter die Definition des § 2 Abs. 11 InvStG.1 104 Für bilanzierende Anleger gelten für die Besteuerung von Ausschüttungen als Investment-

erträge nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 InvStG die allgemeinen steuerbilanzrechtlichen Grundsätze, sodass Ausschüttungen im Zeitpunkt der Anspruchsentstehung zu bilanzieren sind.2 Sofern in den Vertragsbedingungen geregelt ist, dass bestimmte Ertragsarten grds. ausgeschüttet werden, führt dies allein noch nicht zur Entstehung eines Ausschüttungsanspruchs. Ein Ausschüttungsanspruch entsteht in diesen Fällen erst durch die Konkretisierung im Ausschüttungsbeschluss.3 S. auch Anh. 3 Rz. 27. Bei anderen betrieblichen und bei privaten Anlegern gilt § 11 EStG.

II. Steuerabzugsbeträge 105 Steuerabzüge i.S.d. § 2 Abs. 11 InvStG sind die inländische gezahlte KapErtrSt sowie die hie-

rauf entfallenden Annexsteuern, wie SolZ und ggf. Kirchensteuer.4 § 2 Abs. 11 InvstG erfasst alle Steuerabzugsbeträge, die bei einer Ausschüttung auf der „Ausgangsseite“ eines Investmentfonds erhoben werden. Steuerabzugsbeträge, die bei Vereinnahmung von Kapitalerträgen durch den Investmentfonds angefallen sind („Eingangsseite“), fallen dagegen nicht unter § 2 Abs. 11 InvStG und sind damit für die Höhe der Ausschüttung unbeachtlich.5 Gezahlte ausländische Quellensteuer, die auf die Ausschüttungen eines ausländischen Investmentfonds einbehalten wurde, ist als Steuerabzug der Ausschüttung hinzuzurechnen.

III. Sachausschüttung 106 Nicht zweifelsfrei ist, ob der Gesetzgeber auch Sachausschüttungen von § 2 Abs. 11 InvStG

erfassen wollte. Der Wortlaut „gezahlte oder gutgeschriebene Beträge“ lässt den Schluss zu, dass der Gesetzgeber nur Geldbeträge als Ausschüttungen i.S.d. § 2 Abs. 11 InvStG definieren wollte. Dagegen spricht aber der Sinn und Zweck der Definition der Ausschüttungen. Die Definition soll sicherstellen, dass sämtliche Beträge in Geld oder Geldeswert, die dem Anleger tatsächlich aus dem Investmentfonds zufließen, unter den Begriff der Ausschüttung fallen.6 Demgemäß formuliert das BMF-Schreiben v. 21.5.20197, dass ggf. auch Sachausschüttungen als Ausschüttungen i.S.d. § 2 Abs. 11 InvStG in Betracht kommen. Gleiches gilt für die Wiederanlage der Erträge unter Ausgabe neuer Anteile.8

IV. Kapitalrückzahlung 107 Fraglich ist, ob Kapitalrückzahlungen unter dem Begriff der Ausschüttungen i.S.d. § 2 Abs. 11

InvStG zu subsumieren sind. Dagegen könnte zunächst die Gesetzesbegründung9 sprechen,

1 2 3 4 5 6 7 8

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.44. Vgl. allgemein hierzu Anhang 3. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.46. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.45. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.45. Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 2 InvStG Anm. 22 (Stand: Dezember 2021). BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.44. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.44; Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 2 InvStG Rz. 147. 9 BT-Drucks. 18/8045, 70.

172 | Schwenke/Verleger

N. Anlagebedingungen (Abs. 12) | Rz. 109 § 2

wonach sich der Begriff an dem bisherigen Recht des § 2 InvStG a.F.1 orientieren soll. Richtigerweise ist jedoch aufgrund der offenen Gesetzesformulierung „dem Anleger gezahlte und gutgeschriebene Beträge“ der Schluss zu ziehen, dass § 2 Abs. 11 InvStG auch Kapitalrückzahlungen, d.h. Rückzahlungen von in den Investmentfonds geleisteten Einlagen, erfassen will.2 Hierfür spricht neben der abweichenden Formulierung des § 2 Abs. 11 InvStG im Vergleich zur Formulierung des § 2 InvStG a.F. auch die Begründung zu § 16 InvStG,3 wonach stfreie Kapitalrückzahlungen grds. nicht anerkannt werden. Diese Sichtweise trägt auch einem Massenverfahren hinreichend Rechnung, in dem eine Kapitalrückzahlung in sachgerechter Form nicht von „echten“ Gewinnausschüttungen abzugrenzen ist.

N. Anlagebedingungen (Abs. 12) I. Vorbemerkung Gemäß § 2 Abs. 12 InvStG gelten als Anlagebedingungen auch die Satzung, der Gesellschafts- 108 vertrag oder vergleichbare konstituierende Rechtsakte eines Investmentfonds. Neben den in § 2 Abs. 12 InvStG Genannten gelten die allgemeinen und besonderen Anlagebedingungen als Anlagebedingungen i.S.v. Abs. 12.4 § 2 Abs. 12 InvStG erweitert den Begriff der Anlagebedingungen nach § 1 Abs. 1 Satz 2 KAGB. Hiernach werden die Anlagebedingungen, die Satzung oder der Gesellschaftsvertrag erfasst. Bereits das bisherige Recht gem. § 1 Abs. 2 Satz 6 InvStG a.F. ging über die Regelung des KAGB hinaus. Fraglich ist, ob der Gesetzgeber durch die Verwendung von „konstituierende Rechtsakte“ in § 2 Abs. 12 InvStG anstelle von „konstituierende Dokumente“ in § 1 Abs. 2 Satz 6 InvStG a.F. ein qualitatives „Mehr“ normieren wollte oder ihm lediglich ein redaktionelles Versehen unterlaufen ist. Gegen die Annahme eines redaktionellen Versehens könnte zwar sprechen, dass der Gesetzgeber den Begriff der Anlagebedingungen durch § 2 Abs. 12 InvStG erweitern wollte. Dieses „Erweitern“ bezieht sich aber nur auf die Regelung des KAGB und nicht auf die Regelungen des InvStG a.F. Überzeugender erscheint daher die Annahme eines redaktionellen Versehens, denn aus § 2 Abs. 12 InvStG ergibt sich, dass die Anlagebedingungen weit zu verstehen sind und alle Dokumente umfasst werden sollen, die die rechtlichen Verhältnisse, die Mittelverwendung und Anlagetätigkeit des Investmentfonds festlegen.5 Für dieses Verständnis spricht zudem die Gesetzesbegründung, die von „konstituierenden Dokumenten“ spricht.6

II. Anlagebedingungen Anlagebedingungen sind schriftliche Regelungen, die die rechtlichen Verhältnisse zwischen 109 dem Investmentfonds und seinen Anlegern ausgestalten.7 Hierin werden u.a. die Anlagegrundsätze und Anlagegrenzen festgelegt. Die Anlagebedingungen legen z.B. fest, in welche Vermögensgegenstände investiert werden darf oder wie Auszahlungen an den Anleger vorzunehmen sind. Der Begriff „Anlagebedingungen“ umfasst sämtliche schriftlichen Bedingungen, die das Rechtsverhältnis zwischen der Kapitalverwaltungsgesellschaft und dem Anleger

1 BT-Drucks. 15/1553, 123. 2 So auch Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 2 InvStG Anm. 22 (Stand: Dezember 2021); Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 2 InvStG Rz. 150; Ernst, BB 2017, 2723 (2724). 3 BT-Drucks. 18/8045, 85. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.42. 5 Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 2 InvStG Rz. 147. 6 BT-Drucks. 18/8045, 70. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.48. Schwenke/Verleger | 173

§ 2 Rz. 109 | Begriffsbestimmungen in Bezug auf das jeweilige Investmentvermögen regeln.1 Diese sind grds. zusätzlich zum Gesellschaftsvertrag bzw. der Satzung zu erstellen und dem Anleger zur Verfügung zu stellen. Die notwendigen Angaben der Anlagebedingungen ergeben sich aus § 162 Abs. 2 KAGB. Werden die Anlagebedingungen nicht in deutscher Sprache vorgelegt, kann die FinBeh. verlangen, dass eine Übersetzung vorgelegt wird (§ 87 Abs. 2 AO).2 § 87 Abs. 2 AO räumt den FinBeh. insoweit ein Ermessen ein.

III. Vergleichbare konstituierende Rechtsakte 1. Vorbemerkung 110 Nach der Gesetzesbegründung3 soll durch § 2 Abs. 12 InvStG der Begriff der Anlagebedingun-

gen auf die Satzung, den Gesellschaftsvertrag oder vergleichbare konstituierende Dokumente eines Investmentfonds erweitert werden. „Konstituierend“ als unbestimmter Rechtsbegriff ist einer Auslegung zugänglich. Der Begriff kann nicht abstrakt generell, sondern ist anhand der rechtlichen Rahmenbedingungen im konkreten Einzelfall zu bestimmen. Wegen der Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs „vergleichbar“, d.h. dem Sinn entsprechend, bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass den Anlagebedingungen vergleichbare konstituierende Rechtsakte solche Rechtshandlungen sind, welche die Anlageziele und die Anlagepolitik des Investmentfonds beinhalten und rechtsverbindlich disponieren. Die vergleichbaren konstituierenden Rechtsakte müssen sich an der Satzung bzw. dem Gesellschaftsvertrag messen lassen.

2. Side letter 111 Fraglich ist, ob side letter zu den Anlagebedingungen i.S.d. § 2 Abs. 12 InvStG zählen oder

zumindest mit ihnen vergleichbar sind. Side letter enthalten Nebenvereinbarungen, die die Vertragsparteien außerhalb des Hauptvertrags getroffen haben, um beispielsweise eine Publikation im Handelsregister zu vermeiden. Anhaltspunkte dafür, dass side letters nicht einbezogen werden sollen, ergeben sich aus der Gesetzesbegründung grds. nicht. Die BaFin hat in Tz. 12 ihres Merkblattes zum Erlaubnisverfahren für eine AIF-Kapitalverwaltungsgesellschaft nach § 22 KAGB v. 22.3.20134 bestimmt, dass der Begriff „Anlagebedingungen“ sämtliche schriftlichen Bedingungen, die das Rechtsverhältnis zwischen der Kapitalverwaltungsgesellschaft und dem Anleger in Bezug auf das jeweilige Investmentvermögen regeln, umfasst. Damit zählen im Ergebnis auch sog. „side letters“ zu den Anlagebedingungen. Dieses Rechtsverständnis wird auch von der FinVerw. geteilt.5 Durch die Formulierung im BMF-Schreiben6 bringt die FinVerw. zum Ausdruck, dass sie es für erforderlich, aber auch ausreichend hält, dass die vertragliche Nebenabrede verbindliche Vorgaben für den Investmentfonds enthält. Sie fordert jedoch nicht, dass die Nebenabrede verbindlich für alle Anleger gilt.7

1 BaFin-Merkblatt zum Erlaubnisverfahren für eine AIF-Kapitalverwaltungsgesellschaft nach § 22 KAGB v. 22.3.2013, geändert am 27.11.2017, Tz. 12. 2 So auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 20.18. 3 BT-Drucks. 18/8045, 70. 4 www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/WA/mb_130322_erlaubnisverfahren_aif-22kagb.html. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.48; so auch Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 2 InvStG Anm. 23 (Stand: Dezember 2021).“ 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.48: „[...] Regelung der Rechtsverhältnisse des Anlegers in Bezug auf den Investmentfonds handeln. [...] verbindliche Vorgaben für den Investmentfonds enthalten.“ 7 Hartmann in BeckOK/InvStG, § 2 Rz. 266 (Stand: Oktober 2021); Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 2 InvStG Anm. 23 (Stand: Dezember 2021).

174 | Schwenke/Verleger

N. Anlagebedingungen (Abs. 12) | Rz. 113 § 2

3. Fonds- bzw. Verkaufsprospekte Bei einer luxemburgischen SICAV (Société d’Investissement à Capital Variable) stellt die Sat- 112 zung den konstituierenden Rechtsakt dar. Die Anlagepolitik sowie die für die Anwendung des deutschen InvStG relevanten Angaben sind in diesen Fällen dem ausländischen Aufsichtsrecht entsprechend in Fonds- bzw. Verkaufsprospekten enthalten. Orientiert an dem Leitbild eines inländischen Sondervermögens unterscheidet sich die SICAV hinsichtlich ihrer rechtlichen Strukturen. Bei einem inländischen Sondervermögen bilden die Vertragsbedingungen den konstituierenden Rechtsakt, deren Erstellung und Änderung „unilateral“ durch die Kapitalverwaltungsgesellschaft erfolgt. Bei einer SICAV bedarf es zur Änderung der Satzung der Zustimmung sämtlicher Anleger bzw. Aktionäre. Diskussionswürdig in diesem Zusammenhang ist daher, ob Fonds- bzw. Verkaufsprospekte als Anlagebedingungen i.S.d. § 2 Abs. 12 InvStG einzuordnen sind.“ Fonds- bzw. Verkaufsprospekte dienen einer sachgerechten Anlageentscheidung und sollen 113 Anleger umfangreich und verlässlich über den Emittenten und das betreffende Wertpapier oder die Vermögensanlage informieren (Art. 6 VO [EU] 2017/1129)1. Sie sind eine wesentliche Grundlage des Anlegers für seine Investmententscheidung. Ob Fondsprospekte vergleichbare konstituierende Dokumente sind, war bereits nach § 1 Abs. 2 Satz 6 InvStG a.F. nicht abschließend geklärt. Anhaltspunkte dafür, dass Fonds- bzw. Verkaufsprospekte nicht als vergleichbare konstituierende Rechtsakte eines Investmentfonds qualifiziert werden sollen, ergeben sich aus dem Wortlaut des Gesetzes sowie seiner Gesetzesbegründung grds. nicht. Vielmehr lässt es der Gesetzgeber in § 2 Abs. 12 InvStG durch die Formulierung „gelten auch“ grds. offen, welche Dokumente als Anlagebedingungen zu qualifizieren sind. Zudem verwendet der Gesetzgeber in § 2 Abs. 12 InvStG und der entsprechenden Gesetzesbegründung unterschiedliche Begriffe, die eine unterschiedliche rechtliche Qualität aufweisen. Fonds- bzw. Verkaufsprospekte sind einerseits Dokumente, die umfangreiche Hintergrundinformationen über den Investmentfonds liefern und ein hohes Vertrauen genießen sowie bei Anlageentscheidungen eine wesentliche Rolle spielen.2 Anderseits handelt es sich bei einem Fondsprospekt nicht um einen vergleichbaren konstituierenden Rechtsakt, welcher rechtsverbindliche Dispositionen3 trifft und die Verpflichtung zur Einhaltung der Voraussetzungen nach § 26 InvStG enthält. Die Gesetzgebungshistorie zeigt, dass der Gesetzgeber § 2 Abs. 12 InvStG bewusst abweichend von § 1 Abs. 2 Satz 6 InvStG a.F. formuliert hat, weil er eben gerade nicht Fonds- bzw. Verkaufsprospekte erfassen wollte. In Kenntnis der in der Praxis unterschiedlich vertretenen Rechtsfrage, ob Fondsprospekte zu den konstituierenden Dokumenten gehören,4 hat der Gesetzgeber bewusst anstelle von „Dokumenten“ den Begriff der „Rechtsakte“ gewählt. Nach dem BMF-Schreiben v. 21.5.20195 stellen Angaben in den Verkaufsprospekten mangels Regelung eines Rechtsverhältnisses grds. keine Anlagebedingungen dar. Erlauben die Anlagebedingungen oder das ausländische Aufsichtsrecht für Investmentfonds hingegen die Festlegung der Anlagepolitik eines Investmentfonds im Verkaufsprospekt, ist das Verkaufsprospekt insoweit ebenfalls Bestandteil der Anlagebedingungen.6

1 VO (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14.6.2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist, und zur Aufhebung der RL 2003/71/EGT. 2 So auch Wenzel in Brandis/Heuermann, § 2 InvStG 2018 Rz. 79 (Stand: Oktober 2021); Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 2 InvStG Rz. 159. 3 Haug, Ubg 2017, 303 (305). 4 Bejahend: Wenzel in Brandis/Heuermann, § 2 InvStG 2018 Rz. 79 (Stand: Oktober 2021); Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 2 InvStG Rz. 159. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.49. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.49. Schwenke/Verleger | 175

§ 2 Rz. 114 | Begriffsbestimmungen 114 Ergeben sich aus Abweichungen vom Verkaufsprospekt Ansprüche der Anleger aus Prospekt-

haftung, sind die Angaben in einem Verkaufsprospekt als Bestandteil der Anlagebedingungen zu betrachten. Gleiches gilt, soweit die Änderung des Verkaufsprospekts einer Genehmigung durch eine Aufsichtsbehörde bedarf.1

115 Nach Maßgabe dieses Rechtsverständnisses scheiden Jahresberichte oder ähnliche Dokumen-

te mangels Regelung eines Rechtsverhältnisses als vergleichbare konstituierende Rechtsakte aus.2

O. Veräußerung (Abs. 13) 116 Nach § 2 Abs. 13 InvStG gilt als Veräußerung von Investmentanteilen und Spezial-Invest-

mentanteilen „auch“ deren Rückgabe, Abtretung, Entnahme oder verdeckte Einlage in eine KapGes. Durch die Verwendung des Wortes „auch“ ist die Aufzählung in § 2 Abs. 13 InvStG nicht abschließend. Die Regelung zielt darauf ab, alle Arten von Realisationstatbeständen zu erfassen und einheitlich zu behandeln.3 Die FinVerw.4 geht von einer Veräußerung aus bei – einer einseitig vom Investmentfonds oder Spezial-Investmentfonds herbeigeführten Rücknahme der Investmentanteile oder Spezial-Investmentanteile ohne vorheriges Rückgabeverlangen der Anleger und – einer beendeten Abwicklung eines Investmentfonds oder eines Spezial-Investmentfonds. Als Ende der Abwicklung ist aus Vereinfachungsgründen der Zeitpunkt der Auszahlung der letzten Rate zu betrachten.

117 Durch das „JStG 2019“ v. 12.12.20195 wurde in § 2 Abs. 13 InvStG der Begriff der Veräuße-

rung um Fälle einer beendeten Abwicklung oder Liquidation des Investmentfonds und Spezial-Investmentfonds erweitert. Da die beendete Abwicklung oder Liquidation ein vergleichbarer Realisationstatbestand ist, wurde die Definition entsprechend erweitert.6

118 Problematisch erscheinen in diesem Kontext die Fälle der Einlage von Investmentanteilen in

das Betriebsvermögen einer natürlichen Person. Nach dem Wortlaut von § 2 Nr. 13 InvStG ist dies keine Veräußerung. Die Bewertung auf Ebene des Betriebsvermögens orientiert sich an § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG, wonach Einlagen grds. mit dem Teilwert für den Zeitpunkt der Zuführung anzusetzen sind. Sie sind jedoch höchstens mit den Anschaffungskosten anzusetzen, wenn das zugeführte Wirtschaftsgut ein solches i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG ist, ein Anteil an einer KapGes. i.S.d. § 17 EStG ist oder innerhalb der letzten drei Jahre vor der Zuführung angeschafft wurde.

119 Ungeklärt lässt das BMF-Schreiben die Frage, ob Verschmelzungsvorgänge auf Anlegerebene

Veräußerungen i.S.d. § 2 Abs. 13 InvStG darstellen. Zumindest bei Verschmelzungen zum Buchwertansatz könnte eine Veräußerung mangels Realisation zu verneinen sein. Diesen Ansatz verfolgt der Gesetzgeber zumindest im Umkehrschluss bei Verschmelzungen auf Fondsebene, § 49 Abs. 1 InvStG i.V.m. Rz. 49.4 des BMF-Anwendungsschreibens (konsolidierte Fassung). Hiernach fallen Vorgänge, die dem Umwandlungssteuergesetz unterliegen (z.B. Verschmelzung von Investmentaktiengesellschaften mit veränderlichem Kapital nach § 108 KAGB) und soweit ein Ansatz über dem Buchwert erfolgt, als Gewinnrealisation in sonstiger Weise unter den Anwendungsbereich des § 49 InvStG. Anknüpfend an den Übergang des 1 2 3 4 5 6

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.49. So auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.49. BT-Drucks. 18/8045, 70; Dyckmans, Ubg 2016, 62 (63). BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.50. BGBl. I 2019, 2451. BT-Drucks. 19/13436, 173.

176 | Schwenke/Verleger

Q. Amts- und Beitreibungshilfe leistender ausländischer Staat (Abs. 15) | Rz. 124 § 2

wirtschaftlichen Eigentums an den Anteilen von einer Person auf eine andere wäre wohl eine Veräußerung bei Verschmelzungsvorgängen auf Anlegerebene zu bejahen. Hierfür spricht § 23 Abs. 2 InvStG, der für Verschmelzungsvorgänge auf Ebene des Investmentfonds eine von den allgemeinen Grundsätzen, wonach die Verschmelzung als Veräußerungs- und Anschaffungsgeschäft qualifiziert,1 abweichende Regelung normiert.

P. Gewinnbegriff (Abs. 14) Der Gewinnbegriff umfasst auch Verluste aus einem Rechtsgeschäft (§ 2 Abs. 14 InvStG). § 2 120 Abs. 14 InvStG dient der Klarstellung.2 Um den Gesetzestext kurz zu halten, verwendet der Gesetzgeber i.d.R. nur den Begriff „Gewinn“ (z.B. § 16 Abs. 1 Nr. 3 InvStG „Gewinne aus der Veräußerung eines Investmentanteils“) und lässt die Verluste unerwähnt.

Q. Amts- und Beitreibungshilfe leistender ausländischer Staat (Abs. 15) I. Vorbemerkung § 2 Abs. 15 InvStG definiert den Begriff der Amts- und Beitreibungshilfe leistenden auslän- 121 dischen Staaten. Ein Amts- und Beitreibungshilfe leistender ausländischer Staat ist ein Mitgliedstaat der EU oder ein Drittstaat, der der Bundesrepublik Deutschland Amtshilfe gem. der Amtshilfe-RL i.S.d. § 2 Abs. 11 EUAHiG oder gem. vergleichbaren völkerrechtlichen Vereinbarungen leistet und die Bundesrepublik Deutschland bei der Beitreibung von Forderungen gem. der Beitreibungs-RL i.S.d. § 2 Abs. 2 EU-Beitreibungsgesetz oder gemäß vergleichbaren völkerrechtlichen Vereinbarungen unterstützt.

II. Mitgliedstaat der Europäischen Union Mitgliedstaaten der EU sind Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, 122 Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, die Slowakei, Slowenien, Spanien, die Tschechische Republik, Ungarn und Zypern. Daneben werden die weiteren Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) Island, Liechtenstein und Norwegen erfasst.

III. Drittstaat Drittstaat ist jeder Staat, der weder Mitgliedstaat der EU noch ein Staat des EWR ist.

123

IV. Amtshilfe Nach der RL 2011/16/EU des Rates v. 15.2.2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungs- 124 behörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der RL 77/799/EWG3 und der RL 2010/24/EU des Rates v. 16.3.2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.10; BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 – b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 00.02. 2 BT-Drucks. 18/8045, 70. 3 ABl. EU 2011 Nr. L 64, 1. Schwenke/Verleger | 177

§ 2 Rz. 124 | Begriffsbestimmungen Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen1 sind die EU-Staaten verpflichtet, Amts- und Beitreibungshilfe zu leisten. Der Begriff der Amtshilfe-RL wird in § 2 Abs. 11 EUAHiG2 auch für die Zwecke des InvStG legal definiert. Hinsichtlich der Beitreibungs-RL verweist § 2 Abs. 15 Nr. 2 InvStG auf die Legaldefinition in § 2 Abs. 2 EUBeitrG. 125 Ein Drittstaat i.S.d. § 2 Abs. 15 InvStG ist ein solcher, der der Bundesrepublik Deutschland

Amtshilfe und Unterstützung in Beitreibungsverfahren aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen leistet, die mit der Amts- und Beitreibungsrichtlinie vergleichbar sind.

126 Bestimmte Steuervergünstigungen nach dem InvStG sollen nach der Auffassung des Gesetz-

gebers nur dann gewährt werden, wenn ein Investmentfonds, ein Spezial-Investmentfonds oder der Anleger dem Recht eines Amts- und Beitreibungshilfe leistenden ausländischen Staates unterliegt oder dort ansässig ist. Um die rechtmäßige Inanspruchnahme von Steuervergünstigungen durch ausländische Investmentfonds, ausländische Spezial-Investmentfonds oder ausländische Anleger überwachen zu können, sei es erforderlich, dass der jeweilige ausländische Staat Amtshilfe im Besteuerungsverfahren leistet.3 Zudem bedürfe es einer Unterstützung bei der Beitreibung von Steuerforderungen insbes. für den Fall, dass Steuervergünstigungen zu Unrecht gewährt wurden.

R. Anteile an optierenden Personengesellschaften (Abs. 16) 127 Die Einfügung von Abs. 16 in § 2 InvStG resultiert aus der Einführung der Option zur Kör-

perschaftsbesteuerung in § 1a KStG. Nach § 2 Abs. 16 InvStG gelten Anteile an Personengesellschaften, die nach § 1a KStG zur Körperschaftsbesteuerung optiert haben, für die Zwecke der §§ 26, 28 und 48 InvStG nicht als Beteiligung an einer KapGes., sondern es sind weiterhin die für Personengesellschaften geltenden Regelungen anzuwenden. Hierdurch will der Gesetzgeber insbes. sicherstellen, dass die 100-Anleger-Grenze des § 26 Nr. 8 InvStG und deren Überwachung durch die Mitteilungspflichten nach § 28 InvStG nicht durch die Option zur Körperschaftsbesteuerung umgangen werden.4 Die Nichtberücksichtigung der Anteile an optierenden Personengesellschaften hat zur Folge, dass diese bei der Ermittlung des Aktiengewinns nach § 48 Abs. 3 InvStG nicht miteinbezogen werden. Dadurch solle die ohnehin komplexe Ermittlung und Überprüfung des Aktiengewinns nicht weiter erschwert werden.5 Der Gesetzgeber schließt es nicht aus, dass im Fall einer Berücksichtigung der entsprechenden Anteile durch die Ausübung und den Widerruf der Option unerwünschte Steuerspargestaltungsmöglichkeiten geschaffen werden könnten.

128 Die Fiktion gilt nur punktuell. So sollen etwa Einkünfte, die ein Investmentfonds oder Spezi-

al-Investmentfonds aus einer Beteiligung an einer optierenden Personengesellschaft erzielt, als Kapitaleinkünfte i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG und damit als inländische Beteiligungseinnahmen i.S.d. § 6 Abs. 3 InvStG zu qualifizieren sein (§ 1a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 KStG). Personengesellschaften, die zur Körperschaftsbesteuerung optiert haben, kommen abweichend von § 2 Abs. 16 InvStG in den Genuss des erhöhten Teilfreistellungssatzes nach § 20 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 3a Satz 2 InvStG für Körperschaftsteuersubjekte. Die punktuelle Fiktion erscheint inkonsequent.6 In der Folge der Ausübung der Option nach § 1a KStG werden die Gesellschaft und die Gesellschafter für Ertragsteuern besteuert wie eine KapGes. und deren Anteilseigner. 1 ABl. EU 2010 Nr. L 84, 1. 2 I.d.F. des G zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen v. 21.12.2019, BGBl. I 2019, 2875. 3 BT-Drucks. 18/8045, 70. 4 BT-Drucks. 19/28656, 29. 5 BT-Drucks. 19/28656, 30. 6 Ebenso Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 2 InvStG Anm. 27 (Stand: Dezember 2021).

178 | Schwenke/Verleger

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 1 § 3

Ob es unter Beachtung der Zielsetzung des Gesetzgebers von § 1a KStG,1 Unterschiede zu beseitigen und Personengesellschaften die Möglichkeit einzuräumen, dieselben steuerlichen Regelungen in Anspruch zu nehmen wie KapGes., genügen wird, dass das Außerachtlassen einen unvorhersehbaren Statuswechsel und damit einhergehend eine Besteuerung eines fiktiven Veräußerungsgewinns nach § 52 InvStG vermeidet und den Prüfungsaufwand für die FinVerw. mindert,2 werden wohl die Gerichte zu gegebener Zeit zu entscheiden haben.

§3 Gesetzlicher Vertreter (1) 1Die Rechte und Pflichten eines Investmentfonds nach diesem Gesetz sind von dem gesetzlichen Vertreter des Investmentfonds wahrzunehmen oder zu erfüllen. 2Die Rechte und Pflichten gegenüber einem Investmentfonds nach diesem Gesetz sind gegenüber dem gesetzlichen Vertreter des Investmentfonds wahrzunehmen oder zu erfüllen. (2) 1Als gesetzlicher Vertreter von inländischen Investmentfonds gilt für die Zwecke dieses Gesetzes die Kapitalverwaltungsgesellschaft oder die inländische Betriebsstätte oder Zweigniederlassung einer ausländischen Verwaltungsgesellschaft. 2Wird der inländische Investmentfonds von einer ausländischen Verwaltungsgesellschaft verwaltet, die über keine inländische Betriebsstätte oder Zweigniederlassung verfügt, so gilt die inländische Verwahrstelle als gesetzlicher Vertreter. (3) Während der Abwicklung eines inländischen Investmentfonds ist die inländische Verwahrstelle oder der an ihrer Stelle bestellte Liquidator gesetzlicher Vertreter des Investmentfonds. (4) Die Verwaltungsgesellschaft eines ausländischen Investmentfonds gilt als gesetzlicher Vertreter, sofern kein davon abweichender gesetzlicher Vertreter nachgewiesen wird. A. I. II. III. B.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . 1 Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . 5 Aktive und passive Vertretungsbefugnis (Abs. 1) I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 II. Aktive Vertretungsbefugnis (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 III. Passive Vertretungsbefugnis (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

C. Person des gesetzlichen Vertreters inländischer Investmentfonds (Abs. 2) . . . . . D. Gesetzlicher Vertreter bei Abwicklung des Investmentfonds (Abs. 3) I. Abwicklung eines inländischen Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abwicklung eines ausländischen Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Gesetzlicher Vertreter eines ausländischen Investmentfonds (Abs. 4) . . . . .

13

21 26 27

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck § 3 InvStG behandelt die Frage, wer die investmentsteuerrechtlichen Rechte und Pflichten ei- 1 nes Investmentfonds wahrnimmt oder erfüllen muss (aktive Vertretungsbefugnis) bzw. wem gegenüber sie wahrzunehmen oder zu erfüllen sind (passive Vertretungsbefugnis). Dies ist 1 BT-Drucks. 19/28656, 1. 2 So zumindest Haug, FR 2021, 410. Schwenke/Verleger und Oellerich | 179

§ 3 Rz. 1 | Gesetzlicher Vertreter notwendig, weil ein Investmentfonds selbst nicht handlungsfähig ist. Tatsächlich handeln kann letztlich nur eine natürliche Person. Gemäß § 1 Abs. 2 InvStG sind Investmentfonds Investmentvermögen i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB. Ein Investmentvermögen im Sinne dieser Vorschrift ist jeder Organismus für gemeinsame Anlagen, der von einer Anzahl von Anlegern Kapital einsammelt, um es gemäß einer festgelegten Anlagestrategie zum Nutzen dieser Anleger zu investieren und der kein operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors ist. Der Begriff „Organismus für gemeinsame Anlagen“ setzt voraus, dass ein Investmentvehikel vorliegt, in dem das von den Investoren eingesammelte Kapital gepoolt wird. Dies wiederum erfordert ein rechtlich oder wirtschaftlich von den Anlegern verselbstständigtes Vermögen.1 Nunmehr wird zudem der Investmentfonds selbst als Steuersubjekt behandelt; der Gesetzgeber wechselt m.a.W. zu einem System der intransparenten Besteuerung.2 Aufgrund dessen muss festgelegt werden, wer die steuerlichen Rechte und Pflichten des Investmentfonds wahrnimmt/erfüllt bzw. wem gegenüber sie wahrzunehmen bzw. zu erfüllen sind. 2 Zu diesem Zweck überträgt der Gesetzgeber die Vertretungsbefugnis auf den gesetzlichen

Vertreter des Investmentfonds (§ 3 Abs. 1 InvStG). Wer nun wiederum der gesetzliche Vertreter im Sinne dieser Bestimmung ist, bestimmt § 3 Abs. 2 und 4 InvStG im Wege einer Fiktion („gilt“). Dieser Fiktion bedarf es, weil ein Investmentfonds häufig nicht als Körperschaft strukturiert ist. § 3 Abs. 3 InvStG betrifft den Sonderfall der Abwicklung eines Investmentfonds. In diesem Fall ist die inländische Verwahrstelle bzw. der an ihrer Stelle bestellte Liquidator gesetzlicher Vertreter des Investmentfonds.

II. Rechtsentwicklung 3 § 3 InvStG ist bereits im Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung (Investmentsteuerre-

formgesetz – InvStRG)3 enthalten gewesen; seitdem ist die Vorschrift nicht geändert worden. Die Vorschrift ist seit dem 1.1.2018 anwendbar (Art. 11 Abs. 3 Satz 1 InvStRG).

4 Im Wesentlichen führt § 3 Abs. 2 und 3 InvStG die Regelung des § 1 Abs. 2a InvStG i.d.F. des

Gesetzes zur Anpassung des Investmentsteuergesetzes und anderer Gesetze an das AIFM-Umsetzungsgesetz (AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz – AIFM-StAnpG)4 fort.5 Diese Regelung war allerdings deutlich knapper formuliert, was nichts daran ändert, dass der Regelungsgehalt im Wesentlichen gleichgeblieben ist.6

III. Verhältnis zu anderen Vorschriften 5 § 3 InvStG ist eine Spezialvorschrift zu anderweitigen steuerrechtlichen Vertretungsvorschrif-

ten. Unmittelbar betrifft sie – ausweislich des Wortlauts – nur die Vertretung bei der Wahrnehmung von Rechten und Erfüllung von Pflichten nach dem InvStG. Dass für Rechte und Pflichten aus anderen materiellen Steuergesetzen abweichende Regelungen gelten sollten, vermag allerdings nicht zu überzeugen. Insoweit ist eine analoge Anwendung des § 3 InvStG geboten.7

1 2 3 4 5 6

BT-Drucks. 18/8045, 66. Haase, jM 2017, 30; Keltenborn/Küpper, BB 2017, 2263. G v. 19.7.2016, BGBl. I 2016, 1730. G v. 18.12.2013, BGBl. I 2003, 4318, m.W.v. 24.12.2013. BT-Drucks. 18/8045, 71. Hoffmann in Korn, § 3 InvStG Rz. 2; Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 3 InvStG Rz. 1; Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 3 InvStG Rz. 2. 7 Hoffmann in Korn, § 3 InvStG Rz. 6; Schlund in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 3 Rz. 15; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 3 InvStG Rz. 2.

180 | Oellerich

B. Aktive und passive Vertretungsbefugnis (Abs. 1) | Rz. 10 § 3

Etwaige daneben noch bestehende Lücken des § 3 InvStG sind durch die allgemeine Bestimmung des § 34 AO auszufüllen (zu entsprechenden Fällen s. Rz. 17).1 § 3 InvStG ist im Zusammenhang mit § 1 Abs. 4 InvStG zu betrachten. Haftungs- und ver- 6 mögensrechtlich voneinander getrennte Teile eines Investmentfonds gelten für die Zwecke des InvStG hiernach als eigenständige Investmentfonds. Demnach sind auch die Vertretungsregelungen gem. § 3 InvStG auf diese (ggf.) mehreren Investmentfonds zu beziehen.2 § 3 InvStG steht mittelbar in Zusammenhang mit § 4 Abs. 1 InvStG, der regelt, welches FA 7 örtlich zuständig für die Besteuerung eines Investmentfonds ist. Dies ist das FA, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung des gesetzlichen Vertreters i.S.d. § 3 InvStG befindet. Diese bestimmt sich nach § 10 AO, so dass insoweit der gesetzliche Vertreter von Bedeutung ist.

B. Aktive und passive Vertretungsbefugnis (Abs. 1) I. Vorbemerkung § 3 Abs. 1 InvStG enthält die grundlegende Aussage, dass die aktive und passive Vertretungs- 8 befugnis des selbst nicht handlungsfähigen Investmentfonds bei dessen gesetzlichem Vertreter liegt. Wer der gesetzliche Vertreter des Investmentfonds ist, bestimmt § 3 Abs. 1 InvStG selbst nicht; Aussagen hierzu enthält § 3 Abs. 2 bis 4 InvStG. § 3 Abs. 1 InvStG befasst sich mit der Rechtsfolge, die sich allein auf die steuerrechtlichen Rechte und Pflichten des Investmentfonds bezieht („Rechte und Pflichten [...] nach diesem Gesetz“).3 Die Vorschrift befasst sich nicht mit der Frage, ob Fehlverhalten dritter Personen, die durch 9 den gesetzlichen Vertreter bevollmächtigt worden sind, dem Investmentfonds zuzurechnen ist. Die FinVerw. nimmt dies an, soweit der gesetzliche Vertreter selbst keine sorgfältige Auswahl, Kontrolle oder Überwachung des Dritten besorgt hat.4 Dem ist zuzustimmen. Ein Verhalten Dritter kann ferner zugerechnet werden, wenn es sich hierbei um Erfüllungsgehilfen des gesetzlichen Vertreters handelt (§ 278 BGB).5

II. Aktive Vertretungsbefugnis (Abs. 1 Satz 1) § 3 Abs. 1 Satz 1 InvStG regelt die aktive Vertretungsbefugnis, befasst sich m.a.W. mit der 10 Frage, wer die steuerrechtlichen Rechte und Pflichten nach dem InvStG (und analog nach anderen materiellen Steuergesetzen, s. bereits Rz. 5) für den Investmentfonds wahrnehmen muss. Diese Vertretungsbefugnis ist umfassend. Zu den investmentsteuerrechtlichen Rechten und Pflichten eines Investmentfonds mag insb. gehören:6 – die Verpflichtung zur Abgabe von Steuererklärungen,7 – der Antrag auf Steuerbefreiung gem. § 8 Abs. 1 oder 2 InvStG,

Vgl. auch Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 3 InvStG Rz. 22. Wenzel in Brandis/Heuermann, § 3 InvStG Rz. 27. Wenzel in Brandis/Heuermann, § 3 InvStG Rz. 2. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 3.3; so auch Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 3 InvStG Rz. 5; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 3 InvStG Rz. 3. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 3.3; so auch Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 3 InvStG Rz. 5; Schlund in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 3 Rz. 17. 6 Hoffmann in Korn, § 3 InvStG Rz. 6. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 3.1; Schlund in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 3 Rz. 15. 1 2 3 4

Oellerich | 181

§ 3 Rz. 10 | Gesetzlicher Vertreter – der Antrag auf Erstattung von KapErtrSt an den Investmentfonds durch die FinBeh. gem. § 11 Abs. 1 InvStG, – die Berechtigung zur Stellung von Erklärungen oder Anträgen für den Investmentfonds, etwa im Falle des § 30 Abs. 1 Satz 1 InvStG, – die Verpflichtung zur Eintragung der unmittelbar und mittelbar über Personengesellschaften beteiligten Anleger nach § 28 Abs. 2 InvStG, – die Berechtigung zur Ausübung des vertraglich vereinbarten Sonderkündigungsrechts (vgl. § 28 Abs. 3 InvStG), – die Erhebung von Steuern nach § 33 Abs. 1 InvStG, – der Nachweis eines abweichenden Beginns der Abwicklung eines Investmentfonds durch einen gesetzlichen Vertreter eines ausländischen Investmentfonds nach § 17 Abs. 2 InvStG. 11 Verwaltungsverfahrensrechtlich und prozessual zählt zu den Rechten auch die Möglichkeit,

Einspruch gegen Steuerbescheide oder andere Bescheide einlegen und ggf. anschließend Klage erheben zu können. Aus Sicht des Investmentfonds erheblicher sind die Pflichten, die es wahrzunehmen gilt; das Steuerschuldverhältnis dient der Durchsetzung eines Steueranspruchs des Staats. Diesbezüglich muss der gesetzliche Vertreter des Investmentfonds nicht nur für eine rechtzeitige Zahlung fälliger Steuerschulden sorgen; zuvor muss er im Rahmen des Steuerfestsetzungsverfahrens die Mitwirkungspflichten erfüllen, die der Steuerpflichtige zu erfüllen hat (§§ 90, 93 ff., 137, 140 ff. AO). Ebenso muss der gesetzliche Vertreter sich um die Erstellung der Steuererklärungen für den Investmentfonds kümmern.

III. Passive Vertretungsbefugnis (Abs. 1 Satz 2) 12 § 3 Abs. 1 Satz 2 InvStG erlegt dem gesetzlichen Vertreter die passive Vertretungsbefugnis

auf, die – wie die aktive Vertretungsbefugnis – umfassend ist. Sie behandelt die Frage, wem gegenüber Rechte und Pflichten, die sich gegen den Investmentfonds richten, geltend zu machen oder zu erfüllen sind. Im Zusammenhang mit dem Vollzug des Investmentsteuerrechts geht es hierbei vornehmlich darum, dass für die Festsetzung und Durchsetzung des Steueranspruchs der gesetzliche Vertreter für den Investmentfonds heranzuziehen ist. Insbesondere ist der gesetzliche Vertreter des Investmentfonds der Bekanntgabeadressat von Steuerbescheiden, auch wenn Inhaltsadressat weiterhin der Investmentfonds bleibt.1

C. Person des gesetzlichen Vertreters inländischer Investmentfonds (Abs. 2) 13 Als gesetzlicher Vertreter inländischer Investmentfonds gilt grds. die Kapitalverwaltungs-

gesellschaft. Was darunter zu verstehen ist, wird in § 17 KAGB näher definiert. Kapitalverwaltungsgesellschaften sind nach § 17 Abs. 1 KAGB Unternehmen mit satzungsmäßigem Sitz und Hauptverwaltung im Inland, deren Geschäftsbetrieb darauf gerichtet ist, inländische Investmentvermögen, EU-Investmentvermögen oder ausländische AIF zu verwalten. Die Verwaltung eines Investmentvermögens liegt vor, wenn mindestens die Portfolioverwaltung oder das Risikomanagement für ein oder mehrere Investmentvermögen erbracht wird. Nach § 17 Abs. 2 KAGB ist die Kapitalverwaltungsgesellschaft entweder (1) eine externe Kapitalverwaltungsgesellschaft, die vom Investmentvermögen oder im Namen des Investmentvermögens 1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 3.2; Dorn, Investmentsteuerrecht, 3. Aufl. 2018, 106; Schlund in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 3 Rz. 16; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 3 InvStG Rz. 2.

182 | Oellerich

C. Person des gesetzlichen Vertreters inländischer Investmentfonds (Abs. 2) | Rz. 17 § 3

bestellt ist und aufgrund dieser Bestellung für die Verwaltung des Investmentvermögens verantwortlich ist, oder (2) eine interne Kapitalverwaltungsgesellschaft, die das Investmentvermögen selbst verwaltet, wenn die Rechtsform des Investmentvermögens eine interne Verwaltung zulässt und der Vorstand oder die Geschäftsführung des Investmentvermögens entscheidet, keine externe Kapitalverwaltungsgesellschaft zu bestellen. In diesem Fall wird das Investmentvermögen als Kapitalverwaltungsgesellschaft zugelassen. Mit anderen Worten fallen Investmentvermögen und Kapitalverwaltungsgesellschaft in diesem Fall zusammen. Gemeinsam ist beiden Fällen, dass auch diese Gesellschaften nicht selbst handeln können, sondern dass es auf ihre gesetzlichen Vertreter i.S.d. § 34 Abs. 1 AO ankommt.1 Wegen der weiteren Einzelheiten kann auf die Kommentierungen zu § 34 AO verwiesen werden.2 Eine externe Kapitalverwaltungsgesellschaft kann nur eine AG, eine GmbH oder eine 14 GmbH & Co. KG sein. Bei einer externen Kapitalverwaltungsgesellschaft sind folgende Personen gesetzliche Vertreter i.S.d. § 3 Abs. 1 InvStG: – GmbH: Geschäftsführer (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG), – AG: Vorstand (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AktG), – GmbH & Co. KG: Diese wird letztlich durch den Geschäftsführer (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG) der Komplementär-GmbH vertreten. Bei der GmbH kann sich der Fall ergeben, dass der Geschäftsführer i.S.d. § 35 GmbHG sein 15 Amt niederlegt und daher die Gesellschaft führungslos wird. Allein für den Fall der Passivlegitimation ist der Gesetzgeber dieser Gefahr durch § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG entgegengetreten. Hat eine Gesellschaft keinen Geschäftsführer (Führungslosigkeit), wird die Gesellschaft hiernach für den Fall, dass ihr gegenüber Willenserklärungen abgegeben oder Schriftstücke zugestellt werden, durch die Gesellschafter vertreten. Eine analoge Anwendung des § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG auf die Fälle der Aktivvertretung ist nicht geboten.3 Das bedeutet, dass in den Fällen einer führungslosen KVG diese zwar weiterhin als gesetzliche Vertreterin des Investmentfonds gilt, sie aber gleichwohl die Rechte wegen ihrer Führungslosigkeit nicht geltend machen kann. Umgekehrt kann sich das FA, soweit es um die Wahrnehmung der Pflichten geht, an die Gesellschafter der KVG halten. Eine entsprechende Situation kann sich bei der AG ergeben. Hier tritt an die Stelle der Gesellschafter allein für Zwecke der Passivlegitimation der Aufsichtsrat (§ 78 Abs. 1 Satz 2 AktG). In den Fällen der internen Kapitalverwaltung ist die Investmentgesellschaft zugleich Kapital- 16 verwaltungsgesellschaft (bspw. selbstverwaltete Investmentaktiengesellschaft). Dies bedeutet, dass die interne Kapitalverwaltungsgesellschaft selbst die Rechte und Pflichten nach § 3 Abs. 1 InvStG wahrzunehmen hat.4 Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass haftungs- und vermögensrechtlich voneinander getrennte Teile eines Investmentfonds für investmentsteuerrechtliche Zwecke als eigenständige Investmentfonds gelten (§ 1 Abs. 4 InvStG). Diese Regelung schlägt auch auf die Vertretung bei der internen Kapitalverwaltung durch.5 Die Wahrnehmung der Rechte und Pflichten obliegt in diesen Fällen dem fiktiven Investmentfonds.6 Aus dem Gesetz ergibt sich nicht unmittelbar, was gelten soll, wenn Investmentfonds keine 17 Kapitalverwaltungsgesellschaft haben. Dies gilt etwa in den Fällen des § 1 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 und 2 InvStG. Hier fingiert das Gesetz, dass Anlagevehikel, die nicht unter § 1 Abs. 1 KAGB fallen, gleichwohl als Investmentfonds gelten (Fiktion). § 3 Abs. 2 InvStG hilft hier nicht wei-

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BT-Drucks. 18/8045, 71; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 3 InvStG Rz. 8. Im Einzelnen bspw. Jatzke in Gosch, § 34 AO Rz. 8 ff.; Loose in Tipke/Kruse, § 34 AO Rz. 6. BFH v. 28.8.2012 – I B 69/12, BFH/NV 2013, 50. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 3.5. So zutreffend auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 3.5. Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 3 InvStG Rz. 7. Oellerich | 183

§ 3 Rz. 17 | Gesetzlicher Vertreter ter; die Lücke kann insoweit nur durch Rückgriff auf § 34 Abs. 1 AO geschlossen werden (s. bereits Rz. 5). 18 Wird ein inländischer Investmentfonds von einer ausländischen Kapitalverwaltungsgesell-

schaft verwaltet, so ist hinsichtlich der Vertretungsmacht zu differenzieren. Maßgebendes Kriterium ist, ob die ausländische Kapitalverwaltungsgesellschaft über eine inländische Betriebsstätte oder Zweigniederlassung verfügt. Was unter einer Betriebsstätte zu verstehen ist, richtet sich nach § 12 Abs. 1 AO.1 Eine Zweigniederlassung ist demgegenüber eine Betriebsstelle, die einen rechtlich unselbstständigen Teil der Verwaltungsgesellschaft bildet und die die Dienstleistungen erbringt, für die der Verwaltungsgesellschaft eine Zulassung oder Genehmigung erteilt wurde; alle Betriebsstellen einer Verwaltungsgesellschaft mit satzungsmäßigem Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU, einem anderen Vertragsstaat des EWR oder einem Drittstaat, die sich in ein und demselben Mitgliedstaat oder Vertragsstaat befinden, gelten als eine einzige Zweigniederlassung (§ 1 Abs. 19 Nr. 38 KAGB). Besteht eine inländische Betriebsstätte oder Zweigniederlassung, so gilt die inländische Betriebsstätte oder die Zweigniederlassung als Kapitalverwaltungsgesellschaft und damit als Vertreterin des Investmentfonds (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 InvStG). Unerheblich sind insoweit die tatsächlichen Verhältnisse.2 Auch wenn die tatsächlichen Verhältnisse anders gelegen sein sollten, greift doch die gesetzliche Typisierung.3

19 Andernfalls – fehlt also eine inländische Betriebsstätte oder Zweigniederlassung – gilt die in-

ländische Verwahrstelle als gesetzliche Vertreterin des inländischen Investmentfonds (§ 3 Abs. 2 Satz 2 InvStG). Eine Verwahrstelle ist ein Kreditinstitut i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 EUVO Nr. 575/2013 mit satzungsmäßigem Sitz in der EU oder in einem anderen Vertragsstaat des EWR, das gem. § 32 KWG oder den im Herkunftsmitgliedstaat des EU-OGAW anzuwendenden Vorschriften, die die RL 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der RL 2002/87/EG und zur Aufhebung der RL 2006/48/EG und 2006/49/EG4 umsetzen, zugelassen ist (§ 68 Abs. 2 KAGB).

20 Das Problem mehrerer gesetzlicher Vertreter kann sich nicht stellen. Für jedes Investment-

vermögen kann nur eine Kapitalverwaltungsgesellschaft zuständig sein, die für die Einhaltung der Anforderungen dieses Gesetzes verantwortlich ist (§ 17 Abs. 3 KAGB).

D. Gesetzlicher Vertreter bei Abwicklung des Investmentfonds (Abs. 3) I. Abwicklung eines inländischen Investmentfonds 21 Wie bereits im früheren Recht (§ 1 Abs. 2a Satz 4 InvStG a.F.) ist die inländische Verwahr-

stelle die gesetzliche Vertreterin des Investmentfonds, wenn dieser abgewickelt wird. Ist allerdings – und insoweit besteht eine Änderung zur bisherigen Rechtslage – ein Liquidator bestellt, tritt dieser an die Stelle der inländischen Verwahrstelle (§ 3 Abs. 3 InvStG).

22 Was unter dem Begriff der Abwicklung zu verstehen ist, ergibt sich nicht unmittelbar aus der

Norm selbst. Eine Abwicklung i.S.d. § 3 Abs. 3 InvStG soll ab dem Zeitpunkt des Übergangs

1 Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 3 InvStG Rz. 41. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 3.4; Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 3 InvStG Rz. 7; Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 3 InvStG Rz. 40; Schlund in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 3 Rz. 25; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 3 InvStG Rz. 8; wohl auch Hoffmann in Korn, § 3 InvStG Rz. 9. 3 Zutreffend Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 3 InvStG Rz. 40; Schlund in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 3 Rz. 25. 4 ABl. EU Nr. L 176 v. 27.6.2013, 338.

184 | Oellerich

D. Gesetzlicher Vertreter bei Abwicklung des Investmentfonds (Abs. 3) | Rz. 26 § 3

des Verwaltungs- und Verfügungsrechts an den Vermögensgegenständen des Investmentfonds auf die Verwahrstelle oder den Liquidator vorliegen.1 Dieser Beginn ergibt sich aus § 17 Abs. 2 Satz 1 InvStG: Als Begin der Abwicklung eines inländischen Investmentfonds gilt der Zeitpunkt, zu dem das Recht der KVG zur Verwaltung des Investmentfonds erlischt. Für diesen Moment sieht auch § 100 Abs. 1 KAGB vor, dass das Sondervermögen auf die Verwaltungsstelle übergeht, wenn das Sondervermögen im Eigentum der KVG oder im Miteigentum der Anleger steht. Zur selben Zeit erlangt die Verwahrstelle auch die aktive und passive Vertretungsbefugnis.2 Der Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts ist der FinVerw. anzuzeigen.3 Im Rahmen der Abwicklung hat die Verwahrstelle das Sondervermögen abzuwickeln und an 23 die Anleger zu verteilen (§ 100 Abs. 2 KAGB). Hierauf beschränkt sich die Tätigkeit der Verwahrstelle; daher muss auch ihre Stellung als gesetzlicher Vertreter mit dem Abschluss dieser Aufgabe enden. Regelmäßig werden aber auch anschließend für vergangene Zeiträume noch Pflichten zu erle- 24 digen sein. Nach Abschluss der Abwicklung besteht gleichwohl kein Anlass für die Erfüllung dieser Pflichten durch die inländische Verwahrstelle; dies gilt insb. für die steuerlichen Erklärungspflichten. Hierfür muss die Vertretungsbefugnis der Verwahrstelle nicht verlängert werden. In diesem Fall gilt vielmehr wieder § 3 Abs. 2 InvStG.4 Vertreter ist dann regelmäßig wieder die den Investmentfonds zuletzt verwaltende KVG.5 Weil auch durch den Abschluss der Abwicklung die Vertretungsbefugnis erneut wechselt und die FinVerw. hiervon Kenntnis erlangen muss, ist auch dieser Wechsel anzuzeigen.6

Wird ein Investmentfonds dadurch beendet, dass sämtliche Anteile zurückgegeben werden 25 und das liquidierte Vermögen ausgekehrt wird, findet § 3 Abs. 3 InvStG weder unmittelbar noch analog Anwendung.7 In diesem Fall kommt es mithin gar nicht erst zu einem Wechsel der Vertretungsbefugnis von § 3 Abs. 2 zu Abs. 3 InvStG. Anwendbar ist grds. § 3 Abs. 2 InvStG.8

II. Abwicklung eines ausländischen Investmentfonds Nicht geregelt ist in § 3 Abs. 3 InvStG der Fall der Abwicklung eines ausländischen Invest- 26 mentfonds.9 Hier ist allein § 3 Abs. 4 InvStG mit der Maßgabe einschlägig, dass die Verwaltungsgesellschaft als gesetzlicher Vertreter gilt, soweit kein davon abweichender gesetzlicher Vertreter nachgewiesen wird (dazu Rz. 27 f.). 1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 3.6; Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 3 InvStG Rz. 7; Schlund in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 3 Rz. 22. 2 Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 3 InvStG Anm. 7; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 3 InvStG Rz. 10. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 3.6; Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 3 InvStG Anm. 7; Schlund in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 3 Rz. 33. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 3.7; Hoffmann in Korn, § 3 InvStG Rz. 10; Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 3 InvStG Anm. 7; Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 3 InvStG Rz. 48; Schlund in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 3 Rz. 25; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 3 InvStG Rz. 10. 5 Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 3 InvStG Rz. 48. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 3.7; Hoffmann in Korn, § 3 InvStG Rz. 10; Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 3 InvStG Anm. 7. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 3.6; Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 3 InvStG Anm. 7; Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 3 InvStG Rz. 49; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 3 InvStG Rz. 10. 8 Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 3 InvStG Rz. 49. 9 Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 3 InvStG Rz. 56. Oellerich | 185

§ 3 Rz. 27 | Gesetzlicher Vertreter

E. Gesetzlicher Vertreter eines ausländischen Investmentfonds (Abs. 4) 27 Die Verwaltungsgesellschaft eines ausländischen Investmentfonds gilt als gesetzlicher Vertre-

ter, sofern kein davon abweichender gesetzlicher Vertreter nachgewiesen wird (§ 3 Abs. 4 InvStG). Aufgrund der besonderen Schwierigkeiten, die aufgrund der Verifizierung eines Sachverhalts mit Auslandsbezug entstehen, erlegt das Gesetz damit dem Investmentfonds auf, darzulegen und nachzuweisen, dass ggf. eine andere Person aktiv und passiv vertretungsbefugt ist. Solange dieser Nachweis nicht angetreten ist, gilt die Fiktion des § 3 Abs. 4 InvStG. So ist etwa im Fall der Abwicklung (s. Rz. 22 ff.) unerheblich, dass dem Grunde nach das Faktum der Abwicklung feststeht. Denn allein hierdurch ist nicht bekannt, wer zum Liquidator bestellt worden ist. § 3 Abs. 4 InvStG verlangt ausdrücklich, dass der abweichende gesetzliche Vertreter nachgewiesen werden muss, was nicht nur seine konkrete Bezeichnung, sondern auch die Vorlage der zum Nachweis notwendigen Dokumente voraussetzt.

28 Wer Verwaltungsgesellschaft eines ausländischen Investmentfonds ist, bestimmt sich nach dem

ausländischen Aufsichtsrecht.1 Regelmäßig handelt es sich um eine ausländische Verwaltungsgesellschaft, in den Fällen einer grenzüberschreitenden Verwaltung mag es sich auch um eine inländische KVG handeln.2 Erfolgt die Verwaltung eines ausländischen Investmentfonds in einer mit der internen Kapitalverwaltung nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 KAGB vergleichbaren Art und Weise, ist der Investmentfonds selbst die Verwaltungsgesellschaft (z.B. selbstverwaltete SICAV-SA).3

§4 Zuständige Finanzbehörden, Verordnungsermächtigung (1) Für die Besteuerung von Investmentfonds ist das Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung des gesetzlichen Vertreters nach § 3 befindet. (2) Befindet sich die Geschäftsleitung des gesetzlichen Vertreters außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes, so ist für die Besteuerung des Investmentfonds zuständig 1. das Finanzamt, in dessen Bezirk sich das Vermögen des Investmentfonds oder, wenn dies für mehrere Finanzämter zutrifft, das Finanzamt, in dessen Bezirk sich der wertvollste Teil des Vermögens befindet, sofern der Investmentfonds Einkünfte nach § 6 Absatz 2 erzielt, die keinem Steuerabzug unterliegen, 2. das Bundeszentralamt für Steuern in allen übrigen Fällen. (3) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Zuständigkeit nach Absatz 2 Nummer 2 und nach § 9 Absatz 1 Nummer 2 einer anderen Finanzbehörde oder mehreren anderen Finanzbehörden übertragen. A. I. II. B. C. I.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand- und zweck . . . . . . 1 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Inländische Geschäftsleitung (Abs. 1) . . 3 Ausländische Geschäftsleitung (Abs. 2) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

II. Zuständigkeit des Finanzamts (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zuständigkeit des Bundeszentralamt für Steuern (Abs. 2 Satz 1 Nr. 2) . . . . . . . . . . D. Verordnungsermächtigung (Abs. 3) . . .

1 Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 3 InvStG Rz. 54. 2 Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 3 InvStG Rz. 10. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 3.9.

186 | Oellerich und Jehke

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B. Inländische Geschäftsleitung (Abs. 1) | Rz. 3 § 4

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand- und zweck § 4 InvStG wurde durch das InvStRefG v. 19.7.20161 eingefügt und ist ab dem 1.1.2018 (vgl. 1 Art. 11 Abs. 3 Satz 1 InvStRefG) anzuwenden. Die Abs. 1 und 2 der Norm regeln abschließend die örtliche Zuständigkeit der FÄ zur Besteuerung von Investmentfonds und knüpfen dabei an den Ort der Geschäftsleitung des gesetzlichen Vertreters an. Sie stellen eine Sonderregelung i.S.d. § 17 AO dar, weswegen ein Rückgriff auf die §§ 18 ff. AO unzulässig ist. Abs. 3 enthält eine Verordnungsermächtigung zur abweichenden Übertragung von Zuständigkeiten.

II. Anwendungsbereich Die Vorschrift ist als allgemeine Regelung des 1. Kapitels persönlich anzuwenden auf in- und 2 ausländische Investmentfonds (vgl. § 1 Abs. 2 InvStG), Spezial-Investmentfonds (vgl. § 26 InvStG) und Altersvorsorgevermögenfonds (vgl. § 53 InvStG). Die Vorschrift hat keine Bedeutung für Kapitalverwaltungsgesellschaften oder Verwahrstellen und Anleger. Hier gelten die allgemeinen Regelungen der §§ 16 ff. AO.2 Die Regelungen des § 4 InvStG gelten für das gesamte Besteuerungsverfahren, einschließlich der Außenprüfung3 nach § 5 InvStG.4 Insbesondere ist das zuständige FA (vgl. Rz. 7 f.) Adressat von KSt- und GewSt-Erklärungen; es erlässt die entsprechenden Steuerbescheide (§ 155 Abs. 1 Satz 1 AO) und stellt Statusbescheinigungen aus (§ 7 Abs. 3 Satz 1 InvStG).5

B. Inländische Geschäftsleitung (Abs. 1) Die Zuständigkeit des FA richtet sich gem. § 4 Abs. 1 InvStG grds. nach dem Ort der Ge- 3 schäftsleitung des gesetzlichen Vertreters des Investmentfonds (vgl. § 3 InvStG). Dies ist der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung (§ 10 AO). Nach st. Rspr. des BFH sowie der Auffassung der FinVerw. liegt dieser dort, wo der für die Geschäftsführung maßgebende Wille gebildet wird.6 Dies beurteile sich danach, an welchem Ort die für die Geschäftsführung erforderlichen erheblichen Maßnahmen ausgeführt werden. Dabei sind die tatsächlichen und rechtsgeschäftlichen Handlungen des gewöhnlichen Betriebs und die gewöhnliche Verwaltung (sog. Tagesgeschäft) maßgeblich.7 Soweit die KVG in der Rechtsform einer KapGes. (§ 18 Abs. 1 KAGB) handelt, befindet sich die Geschäftsleitung in den Büroräumen der Geschäftsführung.8 Nehmen mehrere Personen gleichwertige Geschäftsführungsaufgaben von unterschiedlichen Orten aus wahr, kommen grds. mehrere Orte der Geschäftsleitung in Betracht.9 Soweit mehrere Orte der Geschäftsleitung in Betracht kommen, ist der Ort der Geschäftslei-

1 BGBl. I 2016, 1730. 2 Mann in Brandis/Heuermann, § 4 InvStG Rz. 4. 3 Gleichwohl kann das zuständige FA auch ein anderes FA mit der Durchführung der Außenprüfung gem. § 195 Satz 2 AO beauftragen (sog. Auftragsprüfung), soweit das zweckdienlich ist. 4 BFH v. 17.7.1998 – I B 12/98, BFH/NV 1999, 153. 5 Mann in W/B/A3, § 4 InvStG Rz. 1. 6 RFH v. 23.6.1938 – III 40/38, RStBl. 38, 949; BFH v. 23.1.1991 – I R 22/90, BStBl. II 1991, 554; BFH v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 4.1. 7 BFH v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86, m.w.N. 8 BFH v. 7.12.1994 – I K 1/93, BStBl. II 1995, 175. 9 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 4.1. Jehke | 187

§ 4 Rz. 3 | Zuständige Finanzbehörden, Verordnungsermächtigung tung anhand einer Gewichtung der Tätigkeiten zu bestimmen.1 Ist dies aufgrund der Gleichwertigkeit der Geschäftsführungsaufgaben nicht möglich, so bestehen in diesem Fall mehrere Orte der Geschäftsleitung.2 Ein sodann entstehender Zuständigkeitskonflikt ist über die allgemeinen Regelungen zur mehrfachen örtlichen Zuständigkeit gem. § 25 AO zu lösen. Es gilt der Grundsatz der Erstbefassung, soweit sich die FÄ nicht anderweitig verständigen oder durch die Aufsichtsbehörde eine andere Zuständigkeit bestimmt wird. 4 Gesetzlicher Vertreter ist daher bei inländischen Investmentfonds entsprechend der bisherigen

Regelung des § 1 Abs. 2a InvStG i.d.F. des AIFM-StAnpG und derjenigen des § 3 Abs. 2 Satz 1 InvStG 2018 die inländische Kapitalverwaltungsgesellschaft, hilfsweise die inländische Zweigniederlassung oder Betriebsstätte einer ausländischen Verwaltungsgesellschaft, die wiederum durch ihren gesetzlichen Vertreter gem. § 34 AO vertreten wird. Ist bei grenzüberschreitender Verwaltung die inländische Zweigniederlassung einer ausländischen Verwaltungsgesellschaft gesetzlicher Vertreter (§ 3 Abs. 2 Satz 1 InvStG), richtet sich die Zuständigkeit nach § 4 Abs. 2 InvStG, denn in Zweigniederlassungen liegt grds. nicht der Ort der geschäftlichen Oberleitung. Abs. 1 findet im Umkehrschluss dazu nur Anwendung, wenn die Geschäftsleitung innerhalb des Geltungsbereichs des InvStG 2018 liegt.3 Bei der Verwaltung durch eine ausländische Verwaltungsgesellschaft ohne inländische Betriebsstätte oder Zweigniederlassung ist die inländische Verwahrstelle gesetzlicher Vertreter (§ 3 Abs. 2 Satz 2 InvStG). Befindet sich ein inländischer Investmentfonds in der Liquidation, ist gesetzlicher Vertreter die inländische Verwahrstelle oder der an ihrer Stelle bestellte Liquidator (§ 3 Abs. 3 InvStG). Bei ausländischen Investmentfonds (§ 2 Abs. 3 InvStG) gilt die Verwaltungsgesellschaft als gesetzlicher Vertreter, sofern kein anderer gesetzlicher Vertreter nachgewiesen wird (§ 3 Abs. 4 InvStG).

5 Bei Investmentgesellschaften – in der Rechtsform einer Investmentaktien- oder einer Invest-

mentkommanditgesellschaft (§ 1 Abs. 11 KAGB) – ist wiederum danach zu differenzieren, ob die jeweilige Gesellschaft gem. § 1 Abs. 12 KAGB oder § 1 Abs. 13 KAGB intern oder extern verwaltet wird. Im Falle der internen Verwaltung ist auf den Ort der Geschäftsleitung abzustellen, wohingegen bei einer externen Verwaltung nach den allgemeinen Regelungen über die Zuständigkeit der Ort der Geschäftsleitung der KVG maßgebend ist.4

6 Unerheblich ist es darüber hinaus, wenn die KVG i.S.d. § 14 KStG organschaftlich eingebun-

den ist, da sie weiterhin den eigenen Ort der Geschäftsleitung beibehält. Etwas anderes gilt allenfalls dann, wenn die KVG als Organgesellschaft derart ausgeprägt in die Organschaft eingegliedert ist, dass sie faktisch eine Betriebsabteilung des Organträgers darstellt. Sodann ist der Ort der Geschäftsleitung beim jeweiligen Organträger.5

7 Ein Wechsel der KVG zieht gem. § 26 AO stets auch den Wechsel des FA nach sich, wenn die

KVG in unterschiedlichen örtlichen Zuständigkeitsbezirken angesiedelt sind. Gemäß § 26 Satz 1 AO tritt der Wechsel der Zuständigkeit in dem Zeitpunkt ein, in dem eines der beiden FÄ hiervon erfährt. Allerdings kann das bisher zuständige FA das Verfahren fortführen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens dient und das nunmehr zuständige FA zustimmt (§ 26 Satz 2 AO).

1 BFH v. 5.11.2014 – IV R 30/11, BStBl. II 2015, 601; Gersch in Klein15, § 10 AO Rz. 3. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 4.1; BFH v. 5.11.2014 – IV R 30/11, BStBl. II 2015, 601; a.A. Mann in W/B/A3, § 4 InvStG Rz. 3. 3 Mann in W/B/A3, § 4 InvStG Rz. 13 m.w.N; Schlund in BeckOK/InvStG, § 4 Rz. 19; a.A. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 4.1. 4 Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 4 InvStG Rz. 39. 5 Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 4 InvStG Rz. 39 m.w.N.

188 | Jehke

C. Ausländische Geschäftsleitung (Abs. 2) | Rz. 12 § 4

Im Rahmen der Liquidation ist zwar ein Zuständigkeitswechsel nicht von vornherein aus- 8 geschlossen. Indes muss ein solcher aus Effizienzgründen unterbleiben. Die örtliche Zuständigkeit bleibt für die Zeit der Liquidationsphase bestehen.1 Wird ein ausländischer Investmentfonds grenzüberschreitend durch eine inländische KVG 9 verwaltet, ist grds. dasjenige FA zuständig, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung der KVG befindet, soweit kein anderer Vertreter nachgewiesen wird (vgl. § 4 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 4 InvStG). Darüber hinaus kann von dem Grundsatz in § 4 Abs. 1 InvStG durch landesrechtliche Rechtsverordnungen gem. § 17 Abs. 2 Nr. 2 FVG abgewichen werden. Die Zentralisierung der Zuständigkeiten der FÄ dient dabei der Hebung von Synergieeffekten sowie der Bündelung von Know-how.2 Hiervon machen die Länder regelmäßig Gebrauch.3

C. Ausländische Geschäftsleitung (Abs. 2) I. Vorbemerkung Befindet sich die Geschäftsleitung des gesetzlichen Vertreters im Ausland, regelt § 4 Abs. 2 10 InvStG eine abgestufte Zuständigkeit.4 Die Zuständigkeit richtet sich danach, ob der Investmentfonds inländische Einkünfte gem. § 6 Abs. 2 InvStG erzielt oder nicht. Dadurch wird der Tatsache Rechnung getragen, dass das BZSt keine Steuerveranlagung vornimmt. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang allerdings, ob der Investmentfonds daneben noch weitere inländische Einkünfte nach § 6 Abs. 2 InvStG bezieht, die einem Kapitalertragsteuerabzug auf der Fondsseite unterliegen.5

II. Zuständigkeit des Finanzamts (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1) § 4 Abs. 2 Nr. 1 InvStG betrifft Investmentfonds mit teilweisen oder ausschließlichen6 in- 11 ländischen Einkünften i.S.d. § 6 Abs. 2 InvStG, die keinem Steuerabzug unterliegen. Die Regelung ist vergleichbar mit derjenigen des § 20 Abs. 3 AO. Soweit sich die Geschäftsleitung nicht im Geltungsbereich des Gesetzes befindet, ist grds. dasjenige FA zuständig, in dessen Bezirk sich das inländische Vermögen des Investmentfonds befindet. Sofern ein Investmentfonds inländisches Vermögen in den Bezirken mehrerer FÄ besitzt, richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort, an dem sich der wertvollste Teil des Vermögens befindet.7 Der steuerliche Wert des Inlandsvermögens bestimmt sich nach dem Bewertungsgesetz (BewG). Nach dem Wortlaut („sofern“ statt „soweit“) greift die Regelung bereits dann, wenn nur eine Einkunftsart keinem Steuerabzug unterliegt.8 Die Regelung betrifft insbes. Fälle, in denen ausländische Investmentfonds inländische Im- 12 mobilien halten. Ausländische Investmentfonds unterliegen mit ihren inländischen Dividenden- und Immobilienerträgen selbst der KSt im Rahmen der beschränkten StPfl. In diesem Fall richtet sich die Zuständigkeit nach dem Belegenheitsort der Immobilie bzw. bei Vorliegen von mehreren Immobilien nach dem Belegenheitsort der wertvollsten inländischen Immobi1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 4.5; Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 4 InvStG Rz. 46. 2 Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 4 InvStG Rz. 41; Mann in W/B/A3, § 4 InvStG Rz. 2. 3 S. hierzu die Übersicht in Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 4 InvStG Rz. 42 ff. 4 BT-Drucks. 18/8045, 71. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 4.2. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 4.3. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 4.3; Mann in W/B/A3, § 4 InvStG Rz. 7. 8 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 4.2; BT-Drucks. 18/8045, 71. Jehke | 189

§ 4 Rz. 12 | Zuständige Finanzbehörden, Verordnungsermächtigung lie. Die Regelung dient einer sachgerechten Aufkommensverteilung, da das Steueraufkommen dem Land zufließt, in dem sich die Immobilie befindet.1 Die Beurteilung des Werts erfolgt aus der Sicht des Investmentfonds, nicht aus derjenigen des Anlegers, denn Investmentfonds (§ 6 InvStG) und auch Spezial-Investmentfonds (§ 29 Abs. 1 InvStG) sind selbst Steuersubjekte.2

III. Zuständigkeit des Bundeszentralamt für Steuern (Abs. 2 Satz 1 Nr. 2) 13 In allen übrigen Fällen – im Wesentlichen bei inländischen Dividenden und Kompensati-

onszahlungen – ist das BZSt für die Besteuerung von ausländischen Investmentfonds, die dem Steuerabzug unterliegende Einkünfte erzielen (§ 6 Abs. 3 und 5 InvStG), zuständig. In diesem Fall ist das BZSt gem. § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 3 Satz 1 InvStG auch für die Ausstellung der Statusbescheinigung zuständig. Ferner besteht dessen Zuständigkeit, wenn der Investmentfonds keine inländischen Einkünfte erzielt.3

14 Die Zuständigkeitsregelung kommt jedoch nur in Ausnahmefällen zu Anwendung. Denn § 7

Abs. 2 InvStG regelt eine Abgeltungswirkung des Steuerabzuges bei den Einkünften des Investmentfonds, die einem Steuerabzug unterliegen. Daher ist eine Veranlagung zur KSt für derartige Einkünfte nicht durchzuführen.4 Soweit es dennoch zur Steuererhebung und Anwendung der Zuständigkeit des BZSt kommt, stellt sich die Frage nach Abführung und Verteilung des Länderanteils an der KSt.5

15 Der Investmentfonds muss auch dann die Mitteilung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InvStG an

das BZSt richten, wenn er Einkünfte nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG erzielt, bei denen aufgrund eines ausländischen Schuldners der Kapitalerträge oder einer ausländischen leistenden Körperschaft generell vom Steuerabzug abgesehen wird.6

16 Geht im Rahmen der Abwicklung eines Investmentfonds die gesetzliche Vertretung gem. § 3

Abs. 3 InvStG auf die Verwahrstelle oder den Liquidator über, kann für die Besteuerung des Investmentfonds eine andere FinBeh. örtlich zuständig werden (vgl. § 4 InvStG i.V.m. § 26 Satz 1 AO). Eine Ausnahme hiervon gilt gem. § 26 Satz 3 Nr. 3 AO für Investmentfonds des Gesellschaftstyps während der Abwicklungsphase. Die Beibehaltung der örtlichen Zuständigkeit bei der Beauftragung des bisherigen gesetzlichen Vertreters im Rahmen der Abwicklung von Investmentfonds des Vertragstyps oder bei Teilgesellschaftsvermögen sollte aus Praktikabilitätsgründen mittels Zuständigkeitsvereinbarung nach § 27 AO sichergestellt werden.7

17 Die Auffangzuständigkeit des BZSt trat erstmalig zum 1.1.2018 in Kraft. Bedenken des Bun-

desrechnungshofs während des Gesetzgebungsverfahrens dahingehend, dass die Regelung aufgrund von Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Zuständigkeit für die Entscheidung über Anträge von ausländischen Investmentfonds bereits mit Verkündung des Gesetzes und nicht erst zum 1.1.2018 in Kraft treten solle,8 ist der Gesetzgeber nicht begegnet.

1 2 3 4 5 6 7 8

BT-Drucks. 18/8045, 71. Mann in W/B/A3, § 4 InvStG Rz. 7. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 4.4. BT-Drucks. 18/8045, 71. BR-Drucks. 119/1/16. BMF v. 15.5.2018 – IV C 1 - S 1980 - 1/16/10010:013 – DOK 2018/0369481, DB 2018, 1374. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 4.5. Bundesrechnungshof v. 24.2.2016 – VIII 1 - 2014 - 1080, Rz. 2.1.3 ff., 4.

190 | Jehke

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 1 § 5

D. Verordnungsermächtigung (Abs. 3) Das BMF kann in Abweichung von der Grundregel in § 4 Abs. 1 und 2 InvStG mit Zustim- 18 mung des Bundesrates durch Rechtsverordnung anstelle des BZSt ein zentral zuständiges FA oder mehrere andere FÄ für zuständig erklären. Dies betrifft die Zuständigkeit des BZSt in den Fällen des § 4 Abs. 2 Nr. 2 und § 9 Abs. 1 Nr. 2 InvStG (Ausstellung einer Befreiungsbescheinigung). Die Zentralisierung soll der Effizienzsteigerung und somit der Verwaltungsökonomie dienen. Bislang hat das BMF von der Ermächtigung jedoch keinen Gebrauch gemacht.

§5 Prüfung der steuerlichen Verhältnisse (1) Die zuständige Finanzbehörde ist zur Überprüfung der steuerlichen Verhältnisse befugt. (2) 1Eine Prüfung nach Abs. 1 ist zulässig bei Investmentfonds zur Ermittlung 1. der steuerlichen Verhältnisse des Investmentfonds, 2. der Voraussetzungen für eine Besteuerung als Spezial-Investmentfonds und 3. der Besteuerungsgrundlagen der Anleger. 2 Die §§ 194 bis 203 der Abgabenordnung sind entsprechend anzuwenden. A. I. II. B.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand- und zweck . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuständige Finanzbehörde und Art der Außenprüfung (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . C. Umfang der Prüfung (Abs. 2 Satz 1) I. Steuerliche Verhältnisse des Investmentfonds (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1) . . . . . . . . . . . .

1 5 7

II. Voraussetzungen für die Besteuerung eines Spezial-Investmentfonds (Nr. 2) . . . . III. Besteuerungsgrundlagen der Anleger (Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Anwendung der Regeln der Abgabenordnung (Abs. 2 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . .

12 14 15

9

Literatur: Höring, Das Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung („Investmentsteuerreformgesetz – InvStRefG“), DStZ 2016, 727; Höring, Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung („Investmentsteuerreformgesetz – InvStRefG“), DStZ 2016, 383.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand- und zweck Die Vorschrift beinhaltet eine spezialgesetzliche Rechtsgrundlage zur Zulässigkeit der Prüfung 1 der steuerlichen Verhältnisse eines Publikum-Investmentfonds (Nr. 1) einschließlich der Voraussetzungen für die Besteuerung eines Spezial-Investmentfonds gem. § 26 InvStG (Nr. 2) sowie der Besteuerungsgrundlagen der Anleger (Nr. 3) durch die nach § 4 InvStG zuständige

Jehke | 191

§ 5 Rz. 1 | Prüfung der steuerlichen Verhältnisse Behörde.1 Als lex specialis geht die Vorschrift derjenigen des § 193 AO vor.2 § 5 InvStG wurde durch das InvStRefG v. 19.7.20163 in das InvStG eingefügt und ist seit dem 1.1.2018 anwendbar. 2 Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 InvStG gelten inländische Investmentfonds als Zweckvermögen nach

§ 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG und ausländische Investmentfonds als Vermögensmassen nach § 2 Nr. 1 KStG. Trotz der daraus resultierenden eigenständigen Steuerrechtsfähigkeit (vgl. § 6 Abs. 2 InvStG) besitzen sie keine eigene (zivilrechtliche) Rechtsfähigkeit, da sie zivilrechtlich eine nicht rechtsfähige Vermögensmasse darstellen. Dennoch ermöglicht § 5 InvStG die Durchführung einer Außenprüfung.

3 Die Regelung entspricht in Teilen derjenigen des bisherigen § 11 Abs. 3 InvStG 2004. § 11

Abs. 3 sah die Möglichkeit einer Außenprüfung bei inländischen Investmentfonds vor. Diese umfasste jedoch weder die Prüfungen von Investitionsgesellschaften und Kapitalverwaltungsgesellschaften noch die Prüfung der steuerlichen Verhältnisse der Anleger eines Investmentfonds. Daneben war es ebenfalls nicht möglich, eine Außenprüfung von EU- und ausländischen Investmentfonds vorzunehmen.

4 Grundsätzlich bleibt es auch weiterhin dabei, dass Außenprüfungen nur im Geltungsbereich

der Abgabenordnung zulässig sind, sodass es im Regelfall – sowohl bei inländischen als auch bei ausländischen Investmentfonds – eines im Inland ansässigen Vertreters (vgl. § 3 Abs. 2–4 InvStG) oder einer inländischen Einrichtung eines mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Investmentfonds bedarf. Außenprüfungen auf ausländischem Hoheitsgebiet sind lediglich möglich, wenn gleichzeitig eine Prüfung nach § 12 EU-Amtshilfegesetz stattfindet.4

II. Anwendungsbereich 5 Als allgemeine Regelung des 1. Kapitels gilt § 5 InvStG für alle inländischen und auslän-

dischen5 Investmentfonds (§ 1 Abs. 2 InvStG) sowie Spezial-Investmentfonds (§ 26 InvStG) einschließlich Altersvorsorgevermögenfonds (§ 53 InvStG), unabhängig von der Rechtsform. Für die Bestimmung des Anwendungsbereichs werden bisweilen systematische Erwägungen herangezogen. Danach soll sich dieser daraus ergeben, dass § 5 in Kapitel 1 des InvStG verankert wurde, in welchem die „Allgemeinen Regelungen“ normiert sind.6 Demgegenüber leitet die FinVerw. den Anwendungsbereich aus einem Umkehrschluss zu § 25 InvStG her.7 § 5 InvStG ist nicht anwendbar auf Außenprüfungen von Kapitalverwaltungsgesellschaften und Anleger eines Investmentfonds sowie auf Prüfungen von Investmentvermögen in der Rechtsform einer Personengesellschaft, die nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG nicht in den Anwendungsbereich des InvStG 2018 fällt.8 Eine Rückausnahme besteht wiederum für Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren gem. § 1 Abs. 2 KAGB (OGAW) und für Altersvorsorgevermögensfonds gem. § 53 InvStG (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 Halbs. 2 InvStG). Ebenso unterliegen auch die KVG sowie die Anleger nicht § 5 InvStG. Die Außenprüfung erfolgt dabei über die allgemeinen Regelungen der §§ 193 ff. AO.9

1 2 3 4 5 6 7 8 9

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 5.1. BT-Drucks. 18/8045, 72. BGBl. I 2016, 1730. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 5.3, mit Verweis auf BMF v. 23.11.2015 – IV B 6 - S 1320/07/10004:007, BStBl. I 2015, 928, zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch in Steuersachen. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 5.1. Höring, DStZ 2016, 727 (729); Höring, DStZ 2016, 383 (385). BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), „Allgemeines“. Mann in Brandis/Heuermann, § 5 InvStG Rz. 5. Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 5 InvStG Rz. 23.

192 | Jehke

B. Zuständige Finanzbehörde und Art der Außenprüfung (Abs. 1) | Rz. 7 § 5

In sachlicher Hinsicht stellt die Regelung des § 5 InvStG eine abschließende spezialgesetzli- 6 che Vorschrift dar, die um die allgemeinen steuerlichen Verfahrensvorschriften der §§ 193 ff. AO ergänzt wird. Aufgrund dessen sind Außenprüfungen gem. § 5 InvStG grds. im Geltungsbereich der AO durchzuführen.1 Demnach findet § 5 InvStG lediglich bei Außenprüfungen im Inland Anwendung. Allerdings kann im Einzelfall eine Prüfungsbefugnis im Hinblick auf Investmentvermögen im Ausland erteilt werden (§§ 10 ff. EUAHiG). Hiernach kann eine gleichzeitige Außenprüfung in mehreren Mitgliedstaaten der EU durchgeführt werden (vgl. § 12 EUAHiG).2 Gemäß § 12 Abs. 1 EUAHiG muss die zuständige FinBeh. hierfür an das zentrale Verbindungsbüro herantreten, welches sodann mit dem Mitgliedstaat vereinbart, eine gleichzeitige Außenprüfung durchzuführen. Das zentrale Verbindungsbüro ist gem. § 3 Abs. 2 EUAHiG stets das BZSt, soweit das BMF von seiner Befugnis aus § 3 Abs. 2 Satz 2 EUAHiG keinen Gebrauch macht. Das ist bisher nicht erfolgt. Die jeweiligen Außenprüfer werden wiederum durch die zuständige FinBeh. bestimmt (§ 12 Abs. 2 EUAHiG). Soweit durch den Mitgliedstaat das Einverständnis zur gemeinsamen Außenprüfung erteilt wird, benennt das zentrale Verbindungsbüro gem. § 12 Abs. 3 EUAHiG einen Bediensteten, der für die Beaufsichtigung und Koordinierung der gleichzeitigen Außenprüfung verantwortlich ist.

B. Zuständige Finanzbehörde und Art der Außenprüfung (Abs. 1) Mit der Durchführung der Außenprüfung ist das für die Besteuerung des Investmentfonds 7 nach § 4 InvStG zuständige FA betraut. Ausweislich des Wortlauts von § 5 Abs. 1 Satz 1 InvStG ist eine voraussetzungslose und umfassende Außenprüfung zulässig. Ihre Anordnung unterliegt insofern keinem zusätzlichen Begründungserfordernis. Grund hierfür ist, dass § 5 InvStG an die Vorschrift des § 193 Abs. 1 AO angelehnt ist, die ihrerseits keine zusätzlichen Voraussetzungen statuiert.3 Neben vollständigen Außenprüfungen zur Überprüfung der steuerlichen Verhältnisse sind auch Sonderformen (§ 5 Abs. 2 Satz 4 BpO), wie z.B. die abgekürzte Außenprüfung (§ 203 AO), zulässig. Denn regelmäßige, vollständige Außenprüfungen aller Investmentfonds sind wegen der personell eingeschränkten Kapazitäten in den FinBeh. kaum möglich.4 Die FinVerw. entscheidet insofern nach freiem Ermessen (§ 5 AO), das zu begründen ist. Ein Wechsel auf die volle Prüfung ist jederzeit möglich.5 Zulässig ist auch eine UStNachschau gem. § 27b Abs. 3 Satz 1 UStG, da es sich hierbei nicht um eine Außenprüfung i.S.d. § 193 AO handelt und § 5 InvStG somit keine Sperrwirkung entfaltet.6 Alternativ kann die FinBeh. Einzelermittlungen nach den §§ 85, 88, 90 AO durchführen.7 Der Prüfungsumfang ist abschließend in § 5 Abs. 2 Satz 1 InvStG bestimmt. Die FinVerw. sieht diesbezüglich in einer nicht enumerativen Aufzählung insbes. folgende Prüfungsgegenstände vor:8 – die Ermittlung der Einkünfte des Investmentfonds nach § 6 Abs. 2 InvStG, – die (teilweise) Erstattung oder Abstandnahme vom Kapitalertragsteuerabzug nach § 7 Abs. 1 und 5, § 10 Abs. 5 und § 11 InvStG auf der Fondseingangsseite, – die Voraussetzungen für die Einstufung eines Investmentfonds als Aktienfonds, Mischfonds oder Immobilienfonds, – die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach den §§ 8 oder 10 InvStG, 1 2 3 4 5

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 5.3. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 5.3. Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 5 InvStG Rz. 38; Rüsken in Klein15, § 193 AO Rz. 35. Intemann in Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 203 Rz. 11. Intemann in Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 203 Rz. 31 f.; BFH v. 21.6.1994 – VIII R 54/92, BStBl. II 1994, 678. 6 Mann in W/B/A3, § 5 InvStG Rz. 3. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 5.2. 8 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 5.1. Jehke | 193

§ 5 Rz. 7 | Prüfung der steuerlichen Verhältnisse – die Voraussetzungen für eine Gewerbesteuerbefreiung nach § 15 Abs. 2 InvStG, – das Vorliegen der Voraussetzungen des § 26 InvStG für die Annahme eines Spezial-Investmentfonds, – die für Zwecke der Anlegerbesteuerung ermittelten Besteuerungsgrundlagen nach den §§ 29 bis 49 InvStG und – den Einbehalt und die Abführung von KapErtrSt nach § 50 InvStG bei Spezial-Investmentfonds. Bei der Außenprüfung sind die Formalien der §§ 194 bis 203 AO zu beachten.1 8 Eine weitere Prüfungsgrundlage stellt § 50b EStG dar, sofern sich die Außenprüfung auf die

(teilweise) Erstattung oder die Abstandnahme vom Kapitalertragsteuerabzug auf der Fondseingangsseite oder den Einbehalt und die Abführung von Kapitalertragsteuer nach § 50 InvStG erstreckt.2

C. Umfang der Prüfung (Abs. 2 Satz 1) I. Steuerliche Verhältnisse des Investmentfonds (Abs. 2 Satz 1 Nr. 1) 9 Die Prüfung der steuerlichen Verhältnisse des Investmentfonds entspricht derjenigen des

§ 194 Abs. 1 Satz 1 AO. Der Prüfer hat die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse des Investmentfonds aufzuklären, die für die StPfl. des Investmentfonds und für die Bemessung der KSt oder GewSt maßgebend sind (§ 199 Abs. 1 AO). Umfasst ist – obgleich anders als in § 5 Abs. 2 Nr. 2 InvStG nicht klargestellt – auch die Überprüfung der Voraussetzungen über das Vorliegen eines Investmentfonds i.S.d. InvStG.3 Die Vorschrift legt den Umfang der Außenprüfung beim Investmentfonds sowohl in sachlicher als auch in persönlicher Hinsicht fest. Nicht davon umfasst sind die steuerlichen Verhältnisse der Anleger, die durch das InvStRefG erstmals in § 5 Abs. 2 Nr. 3 InvStG als tauglicher Prüfungsgegenstand niedergelegt sind. Ebenfalls nicht erfasst sind die steuerlichen Verhältnisse der Kapitalverwaltungsgesellschaften (Prüfung nach § 193 AO).4 Die FinVerw. hat den Umfang der Außenprüfung im Übrigen nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen (§ 4 BPO).

10 Die Überprüfung der für die Besteuerung der Anleger relevanten Grundlagen ist bei Investment-

fonds und Spezial-Investmentfonds zulässig.5 Neben der Ermittlung der Einkünfte des Investmentfonds nach § 6 Abs. 2 InvStG umfasst die Prüfung auch die Voraussetzungen der Steuerbefreiung, soweit der Investmentfonds gem. § 15 Abs. 2 und 3 InvStG bzw. § 29 Abs. 4 InvStG i.d.F. des AIFM-Steuer-Anpassungsgesetzes von der GewSt befreit ist. Weitere aufzuklärende Befreiungen können sich aus den §§ 8–10, 15, 30, 33 InvStG ergeben. Schließlich hat der Prüfer zu untersuchen, ob der Investmentfonds seine Verpflichtung zum Einbehalt und zur Abführung der Kapitalertragsteuer gem. § 7 Abs. 1 InvStG bzw. bei Spezial-Investmentfonds nach § 50 InvStG erfüllt. Weitere „steuerliche Verhältnisse“ i.S.d. § 5 InvStG, die überprüft werden können, sind die für Zwecke der Anlegerbesteuerung ermittelten Besteuerungsgrundlagen nach den §§ 29 bis 49 InvStG. Außerdem können die Voraussetzungen oder der Wegfall der Voraussetzungen für die Einstufung eines Investmentfonds als Aktien-, Misch- oder Immobilienfonds geprüft werden.6

1 2 3 4 5 6

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 5.2. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 5.2. Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 5 InvStG Rz. 53; Mann in W/B/A3, § 5 InvStG Rz. 4. Mann in Brandis/Heuermann, § 5 InvStG Rz. 11a. Patzner/Nagler in Patzner/Döser/Kempf, § 5 InvStG Rz. 1; BT-Drucks. 18/8045, 72. Vgl. die zusammenfassende Darstellung der überprüfbaren „steuerlichen Verhältnisse“ im BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 5.1.

194 | Jehke

D. Anwendung der Regeln der Abgabenordnung (Abs. 2 Satz 2) | Rz. 16 § 5

Auf die Übernahme der Prüfung der Berichte nach den §§ 101, 120 und 135 KAGB als eigen- 11 ständigen Prüfungspunkt (vgl. § 11 Abs. 3 InvStG 2004) hat der Gesetzgeber mit Einführung des InvStRefG bewusst verzichtet.

II. Voraussetzungen für die Besteuerung eines Spezial-Investmentfonds (Nr. 2) Eine Außenprüfung ist auch zulässig, wenn überprüft werden soll, ob überhaupt ein Spezial- 12 Investmentfonds i.S.d. § 26 InvStG vorliegt. Sinn und Zweck ist die Ermittlung des gesamten für die Entstehung und Ausgestaltung des Steueranspruchs erheblichen Sachverhalts. Hierfür müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen. Ermittlungen „ins Blaue hinein“ sind hingegen nicht erlaubt. Zu beachten ist, dass nur die Feststellung eines wesentlichen Verstoßes gegen die Anlagebestimmungen zum Fehlen der Voraussetzung eines Spezial-Investmentfonds insgesamt führt (vgl. § 15 Abs. 3 InvStG i.d.F. des AIFM-Steuer-Anpassungsgesetzes). Die Überprüfung umfasst neben den weitestgehend gleichlautenden bisherigen Voraussetzun- 13 gen des § 1 Abs. 1b Satz 2 InvStG 2004 und des § 15 Abs. 2 und 3 InvStG (GewSt-Befreiung) insbesondere folgende in § 26 InvStG aufgeführte Voraussetzungen: – Recht der Anleger zur Rückgabe oder Kündigung ihrer Anteile, Aktien oder Beteiligung – Anlage nach dem Grundsatz der Risikomischung (mehr als drei Vermögensgegenstände) – Anlage zu mind. 19 % in einen der in Nr. 4 genannten Vermögensgegenstände (Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Derivate, etc.) – Einhaltung der Bedingungen der Kreditaufnahme – Einhaltung der maximalen Anlegerzahl von 100 sowie des Ausschlusses natürlicher Personen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 InvStG i.d.F. des AIFM-Steuer-Anpassungsgesetzes) – Erfüllung der Pflicht zur Ausübung eines Sonderkündigungsrechts

III. Besteuerungsgrundlagen der Anleger (Nr. 3) Da die Besteuerungsgrundlagen der Anleger grds. nicht Gegenstand der Prüfung der steuerli- 14 chen Verhältnisse des Investmentfonds sind (vgl. § 194 Abs. 1 Satz 1 AO), schreibt § 5 Abs. 2 Nr. 3 InvStG diese als zulässigen Prüfungsgegenstand vor. Die Besteuerungsgrundlagen umfassen bei Investmentfonds die Angabe der Höhe der Ausschüttung, des Werts des Fondsanteils am Jahresanfang und am Jahresende sowie die Angabe der Art des Investmentfonds. Die Art des Investmentfonds ist wiederum entscheidend für die Bestimmung und Gewährung der Teilfreistellung gem. § 20 InvStG. Liegt der Außenprüfung ein Spezial-Investmentfonds zugrunde, sind von der Besteuerungsgrundlage die ausgeschütteten Erträge, die ausschüttungsgleichen Erträge sowie die anderen für eine zutreffende Besteuerung auf Anlegerebene notwendigen Steuerkennzahlen (z.B. anrechenbare Quellensteuern und [partiell] steuerbefreite Erträge nach §§ 42 ff. InvStG) erfasst.

D. Anwendung der Regeln der Abgabenordnung (Abs. 2 Satz 2) Die allgemeinen Regelungen der Außenprüfung (Umfang, Zuständigkeit, Anordnung und 15 Grundsätze) der §§ 194 ff. AO finden entsprechende Anwendung, soweit § 5 InvStG als lex specialis keine besondere Regelung enthält. Zuständig für die Außenprüfung ist das für die Besteuerung des Investmentfonds zuständige 16 FA (§ 195 AO; vgl. § 4 InvStG). Die Durchführung bedarf einer vorherigen schriftlichen PrüJehke | 195

§ 5 Rz. 16 | Prüfung der steuerlichen Verhältnisse fungsanordnung, die Angaben zum voraussichtlichen Prüfungsbeginn, zum Namen des Prüfers sowie zum sachlichen Umfang enthalten muss (§§ 194, 196 AO). Einer besonderen Begründung für die Außenprüfung bedarf es nicht. Adressat der Prüfungsanordnung ist der gesetzliche Vertreter des Investmentfonds i.S.d. § 3 InvStG. Die Bekanntgabe an den Anleger (auch bei Spezial-Investmentfonds) genügt daher nicht. 17 Die Prüfungsanordnung muss dem Investmentfonds, soweit keine Gefährdung des Prüfungs-

zwecks wegen Verdunkelungsgefahr vorliegt, in angemessener Zeit vor Beginn der Außenprüfung bekannt gegeben werden (§ 197 AO). Der drohende Ablauf der Festsetzungsfrist stellt keine Gefährdung des Prüfungszwecks dar.1

18 Der Prüfer hat bei der Außenprüfung die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse des

Steuerpflichtigen und daher sämtliche Umstände, die für die Festsetzung der Steuer bedeutsam sind, zu ermitteln. Die FinVerw. ist dabei verpflichtet, sowohl die zuungunsten als auch zugunsten des StPfl. bestehenden Umstände zu ermitteln und hat dadurch für eine rechtmäßige Steuererhebung zu sorgen. Rein fiskalische Gesichtspunkte hat der Prüfer dabei außer Acht zu lassen (§ 199 Abs. 1 AO). Zur Wahrung seines rechtlichen Gehörs muss der StPfl. über den festgestellten Sachverhalt und die sich daraus ergebenen steuerlichen Auswirkungen unterrichtet werden (§ 199 Abs. 2 AO). Soweit eine Unterrichtung unterblieben ist, kann diese zumeist nach § 126 Abs. 1 Nr. 3 AO geheilt werden.

19 Den StPfl. treffen i.R.d. Außenprüfung zusätzlich zu der allgemeinen Mitwirkungspflicht des

§ 90 AO auch Duldungs- und Mitwirkungspflichten gem. § 200 AO. Neben der allgemeinen Mitwirkungspflicht hat der StPfl. gem. § 199 Abs. 1 Satz 2 AO die Pflicht, Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen und die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu erteilen und die FinVerw. bei der Einsichtnahme in die Datenverarbeitungsanlagen (§ 146 Abs. 6 AO) zu unterstützen. In der Praxis fallen hierunter insbes. auch Prüfungsberichte (§§ 101, 120, 135 KAGB), einschlägige Revisionsberichte und Protokolle der KVG-Geschäftsleitung und die von ihr gefassten Beschlüsse. Soweit der StPfl. den Mitwirkungspflichten nicht nachkommt, kann die FinVerw. diese mit Zwangsmitteln gem. § 328 AO durchsetzen. Daneben2 ist ein Verzögerungsgeld möglich (§ 146 Abs. 2b AO). Den Prüfern ist zudem eine Datenzugriffsmöglichkeit einzuräumen (§ 147 Abs. 6 AO). Gegen die Aufforderung zur Mitwirkung (Verwaltungsakt) kann sich der StPfl. im Wege des Einspruchs und der anschließenden Anfechtungsklage wehren.

20 Mit Beginn der Außenprüfung der steuerlichen Verhältnisse des Investmentfonds (Nr. 1) wird

zugleich der Eintritt der Festsetzungsverjährung (§§ 169 ff. AO) gem. § 171 Abs. 4 AO gehemmt. Die Regelung dient der Sicherstellung, dass die aus der Außenprüfung resultierenden Feststellungen auch steuerlich berücksichtigt werden können. Aufgrund dessen ist der zeitliche Umfang der Außenprüfung durch den Ablauf der Festsetzungsfrist begrenzt. Bestandskräftige Steuerbescheide können in diesem Fall nur bei Vorliegen neuer Tatsachen i.S.d. § 173 AO geändert werden. Erfolgt eine Prüfung der Besteuerungsgrundlagen der Anleger (Nr. 3), führt diese ebenfalls zu einer Hemmung der Festsetzungsverjährung auf Anlegerebene.3

21 Zu beachten ist zudem, dass bei Spezial-Investmentfonds auch noch außerhalb der allgemein

geltenden Feststellungsfristen eine gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (§ 51 Abs. 1 InvStG) erfolgen kann. Maßgebend hierfür ist § 181 Abs. 5 AO. Ziel dessen ist die Ermöglichung der materiell zutreffenden Besteuerung, um Unzulänglichkeiten, die durch die rechtliche Verselbstständigung des Feststellungsverfahrens bedingt sind, 1 BFH v. 24.2.1989 – III R 36/88, BStBl. II 1989, 445. 2 Haselmann in Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 146 Rz. 36; FG Schl.-Holst. v. 1.2.2011 – 3 K 64/10, EFG 2011, 846. 3 Differenzierend hingegen Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 5 InvStG Rz. 103.

196 | Jehke

Übertragung von Wirtschaftsgütern in einen Investmentfonds | Rz. 23 § 5a

auszugleichen.1 § 181 Abs. 5 Satz 2 AO ordnet wiederum ausdrücklich an, dass hierauf innerhalb des Feststellungsbescheids hinzuweisen ist. Unterbleibt der Hinweis, führt das zur Rechtswidrigkeit des Feststellungsbescheids, sodass er aufzuheben ist.2 Zu beachten ist allerdings, dass die Regelung des § 181 Abs. 5 AO bei Investmentfonds (Publikumsfonds) keine Anwendung findet. Grund hierfür ist das vorherrschende Trennungsprinzip – also die Trennung zwischen der Fonds- und der Anlegerebene –, infolge derer es zu einer intransparenten Besteuerung kommt, da auf der Fondsebene keine einheitliche und gesonderte Feststellung vorgenommen wird. Im Rahmen der Durchführung der Außenprüfung gem. § 5 InvStG ist der Außenprüfung die 22 Möglichkeit eröffnet, sog. Kontrollmitteilungen gem. § 194 Abs. 3 AO für die Anleger-FÄ anzufertigen, in denen die bekannt gewordenen Verhältnisse eines Anlegers übermittelt werden.3 Hierdurch wird stichprobenweise die zutreffende Besteuerung von Lebenssachverhalten bei Dritten überprüft und sichergestellt.4 Die Befugnis, Mitteilungen i.S.d. § 194 Abs. 3 AO zu übermitteln, ist wiederum Ausfluss der Ermittlungspflicht des FA aus § 88 AO.5 Will sich der StPfl. gegen die Durchführung der Außenprüfung wehren, hat er die Prüfungs- 23 anordnung mit einem Einspruch bzw. einer anschließenden Anfechtungsklage anzufechten. Soweit geboten, kann er daneben einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung stellen. Da der Einspruch und die Klage keine aufschiebende Wirkung haben, ist ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gem. § 361 Abs. 2 Satz 2 AO zulässig. Nach Durchführung der Außenprüfung kann sich der StPfl. im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die Prüfungsanordnung wehren.

§ 5a Übertragung von Wirtschaftsgütern in einen Investmentfonds 1

Werden ein oder mehrere Wirtschaftsgüter aus dem Betriebsvermögen eines Anlegers in das Vermögen eines Investmentfonds übertragen, so ist bei der Übertragung der Teilwert anzusetzen. 2Die Übertragung von einem oder mehreren Wirtschaftsgütern aus dem Privatvermögen eines Anlegers in das Vermögen eines Investmentfonds gilt als Veräußerung zum gemeinen Wert. 3Die Sätze 1 und 2 sind unabhängig davon anzuwenden, ob bei der Übertragung der Wirtschaftsgüter neue Investmentanteile ausgegeben werden. A. I. II. III. IV.

1 2 3 4 5

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG

1 4 5

a) Verhältnis zu § 6 Abs. 2 InvStG . . b) Verhältnis zu §§ 23, 54 InvStG . . . 2. Verhältnis zu Vorschriften außerhalb des InvStG a) Verhältnis zu § 6 Abs. 1 Nr. 4, 5, Abs. 5 und 6 EStG . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnis zu §§ 17, 20, 22, 23 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7 8

11 12

Ratschow in Klein15, § 181 AO Rz. 33. BFH v. 11.5.2010 – IX R 48/09, BFH/NV 2010, 1788. Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 5 InvStG Rz. 106. Ratschow in Klein15, § 194 AO Rz. 41. Ratschow in Klein15, § 194 AO Rz. 41. Jehke und Hasbach | 197

§ 5a Rz. 1 | Übertragung von Wirtschaftsgütern in einen Investmentfonds B. Übertragung von Wirtschaftsgütern aus dem Betriebsvermögen eines Anlegers (Satz 1) I. Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . 13 II. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

C. Übertragung von Wirtschaftsgütern aus dem Privatvermögen eines Anlegers (Satz 2) I. Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . 22 II. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck 1 § 5a InvStG enthält spezielle Regelungen für die Übertragung von Wirtschaftsgütern durch

Anleger in das Vermögen von Investmentfonds, Spezial-Investmentfonds und Altersvorsorgevermögenfonds. Durch die Vorschrift wird sichergestellt, dass die in den übertragenen Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven und Lasten im Zeitpunkt der Übertragung beim Anleger der Besteuerung unterworfen werden. Eine steuerneutrale Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen Anleger und Fonds ist damit ausgeschlossen.1 Hierdurch soll verhindert werden, dass Anleger Wirtschaftsgüter steuerneutral in das Vermögen von Investmentfonds, Spezial-Investmentfonds und Altersvorsorgevermögenfonds übertragen, der Fonds die erhaltenen Wirtschaftsgüter aufgrund der beschränkten Steuerpflicht ertragsteuerneutral veräußert und die erzielten Veräußerungsgewinne letztlich erst bei Ausschüttung durch den Fonds an die Anleger besteuert werden (Vermeidung einer Steuerstundung).

2 Ohne § 5a InvStG würde sich bei Übertragung von Wirtschaftsgütern in das Vermögen von

Investmentfonds, Spezial-Investmentfonds und Altersvorsorgevermögenfonds die Frage stellen, ob die Übertragung nach allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen zur Aufdeckung von stillen Reserven führt oder ertragsteuerneutral erfolgen kann. Bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern auf einen Altersvorsorgevermögenfonds in der Rechtsform einer offenen Investmentkommanditgesellschaft i.S.d. § 53 Abs. 1 InvStG wären bspw. die zu Personengesellschaften entwickelten Grundsätze zu beachten. Eine Aufdeckung von stillen Reserven würde unterbleiben, soweit der Anleger an dem Altersvorsorgevermögenfonds beteiligt ist, da ihm entweder die Wirtschaftsgüter nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO weiterhin steuerlich zuzurechnen wären (wie bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften)2 oder § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG, § 24 UmwStG anzuwenden wäre (wie bei gewerblichen oder gewerblich geprägten Personengesellschaften). Ob auf eine Übertragung von Wirtschaftsgütern in das Vermögen eines Investmentfonds in Form eines Sondervermögens die Vorschriften zur (verdeckten) Einlage in eine KapGes. (insbes. § 6 Abs. 6 EStG) direkt oder entsprechend anwendbar sind, war zur Rechtslage vor der Investmentsteuerreform 2018 umstritten (s. auch Rz. 6). Verneint man dies, schließt § 5a InvStG auch diese Lücke. Insoweit ist § 5a InvStG konstitutiv.3

3 Beabsichtigt ein Anleger die Übertragung von Wirtschaftsgütern in das Vermögen eines In-

vestmentfonds, Spezial-Investmentfonds und Altersvorsorgevermögenfonds, hat er neben den sich unmittelbar aus § 5a InvStG ergebenden steuerlichen Folgen in seine Überlegungen auch einzubeziehen, dass das Investmentsteuerrecht im Grundsatz keine steuerneutralen Kapitalausschüttungen zulässt. Ausnahmen hierzu bilden lediglich Ausschüttungen während der Liquidationsphase eines Investmentfonds (§ 17 InvStG) sowie bei Spezial-Investmentfonds und Altersvorsorgevermögenfonds die Verwendung von Substanzbeträgen i.S.d. § 35 Abs. 5, 6 InvStG. Schüttet der Investmentfonds, Spezial-Investmentfonds oder Altersvorsorgever-

1 Boxberger in Moritz/Jesch/Mann2, § 5a InvStG Rz. 6 („verfassungsrechtlich unbedenklich“). 2 Vgl. hierzu z.B. BFH v. 26.4.2012 – IV R 44/09, BStBl. II 2013, 142; v. 21.7.2016 – IV R 26/14, BStBl. II 2017, 202. 3 Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 5a InvStG Anm. 1, 5 f. (Stand: August 2021).

198 | Hasbach

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 6 § 5a

mögenfonds die im Zusammenhang mit dem übertragenen Wirtschaftsgut erzielten Erträge aus (z.B. Gewinne aus der Veräußerung des übertragenen Wirtschaftsguts), führen diese beim Anleger grds. zu stpfl. Einkünften. Vor diesem Hintergrund ist vor der Übertragung sorgfältig zu prüfen, ob ein Verkauf der Wirtschaftsgüter an den Fonds oder, soweit aufsichtsrechtlich zulässig, jedenfalls die Ausgabe neuer Anteile, die später bis zur Höhe der Anschaffungskosten steuerneutral zurückgegeben werden können, wirtschaftlich sinnvoller ist.

II. Anwendungsbereich § 5a InvStG spricht lediglich von „Investmentfonds“ und „Investmentanteilen“. Allerdings 4 steht § 5a InvStG im Kapitel 1 unter den allgemeinen Regelungen des Investmentsteuergesetzes und ist damit nicht nur auf die Übertragung von Wirtschaftsgütern in das Vermögen von Investmentfonds, sondern auch auf die Übertragung von Wirtschaftsgütern in das Vermögen von Spezial-Investmentfonds und Altersvorsorgevermögenfonds anwendbar. § 5a InvStG gilt ferner gleichermaßen für inländische wie für ausländische Investmentfonds, Spezial-Investmentfonds und Altersvorsorgevermögenfonds.1

III. Rechtsentwicklung Eine mit § 5a InvStG vergleichbare Regelung enthielt § 15a Abs. 4 InvStG a.F. Danach war bei 5 der Übertragung eines Wirtschaftsguts aus einem Betriebsvermögen des Anlegers in das Gesellschaftsvermögen einer offenen Investmentkommanditgesellschaft der Teilwert anzusetzen. § 15a Abs. 4 InvStG wurde zusammen mit den Regelungen über die Besteuerung von Investmentfonds in der Rechtsform von offenen Investmentkommanditgesellschaften mit dem Gesetz zur Anpassung des Investmentsteuergesetzes und anderer Gesetze an das AIFM-Umsetzungsgesetz (AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz) v. 23.12.20132 kodifiziert und betraf ausschließlich die Übertragung von Wirtschaftsgütern in das Vermögen von offenen Investmentkommanditgesellschaften. Eine Vorschrift für die Übertragung von Wirtschaftsgütern auf Investmentfonds und Spezial-Investmentfonds existierte nicht. Auch im Gesetzgebungsverfahren zum Investmentsteuerreformgesetz 2018 war zunächst 6 nur eine Regelung für die Übertragung von Wirtschaftsgütern aus einem Betriebsvermögen in das Vermögen von offenen Investmentkommanditgesellschaften vorgesehen (§ 53 Abs. 5 InvStRG-E).3 Auf Empfehlung des Finanzausschusses und des Wirtschaftsausschusses wurde jedoch anstelle der für Altersvorsorgevermögenfonds vorgesehenen Spezialregelung eine allgemeine Regelung für die Übertragung von Wirtschaftsgütern in das Vermögen von Investmentfonds kodifiziert, die nicht nur auf die Übertragung von Wirtschaftsgütern in das Vermögen von Altersvorsorgevermögenfonds, sondern auch auf die Übertragung von Wirtschaftsgütern in das Vermögen von Investmentfonds und Spezial-Investmentfonds Anwendung findet (vgl. § 5a InvStRG-E).4 Dabei erweiterte der Gesetzgeber den Anwendungsbereich auch auf die Übertragung von Wirtschaftsgütern aus dem Privatvermögen des Anlegers. Zusätzlich stellte er klar, dass eine Aufdeckung der stillen Reserven unabhängig davon zu erfolgen hat, ob an den Anleger im Gegenzug für die Übertragung neue Investmentanteile ausgegeben werden. Anlass für diese Erweiterungen waren Erkenntnisse aus der Praxis, wonach nicht nur bei Investmentvermögen in Form einer offenen Investmentkommanditgesellschaft, 1 Boxberger in Moritz/Jesch/Mann2, § 5a InvStG Rz. 8; Hoffmann in Korn, § 5a InvStG Rz. 7 (Stand: September 2019); Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 5a InvStG Anm. 1 (Stand: August 2021). 2 BGBl. I 2013, 4318. 3 BT-Drucks. 18/8045, 38. 4 BR-Drucks. 119/16 (B), 5. Hasbach | 199

§ 5a Rz. 6 | Übertragung von Wirtschaftsgütern in einen Investmentfonds sondern auch bei Investmentvermögen in Form eines Sondervermögens Übertragungen von Wirtschaftsgütern ohne Ausgabe neuer Investmentanteile vorgenommen werden, und dass nach Auffassung der Anleger mit der Übertragung eine erfolgsneutrale Verlagerung stiller Reserven auf den Investmentfonds einhergehe.1

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG a) Verhältnis zu § 6 Abs. 2 InvStG 7 § 5a InvStG ist auch auf die Übertragung von Wirtschaftsgütern durch einen Dach-Invest-

mentfonds auf einen Ziel-Investmentfonds anwendbar. Ob der Dach-Investmentfonds mit einem durch die Anwendung von § 5a InvStG entstehenden Übertragungsgewinn schlussendlich der KSt unterliegt, richtet sich demgegenüber nach § 6 Abs. 2 InvStG. § 5a InvStG führt insoweit nicht zu einer generellen Besteuerung der Übertragung von Wirtschaftsgütern durch Dach-Investmentfonds auf Ziel-Investmentfonds. Daher ist bspw. die Übertragung von (Spezial-)Investmentanteilen eines Dach-Investmentfonds auf einen Ziel-Investmentfonds trotz § 5a InvStG im Ergebnis steuerfrei möglich. b) Verhältnis zu §§ 23, 54 InvStG

8 Werden Wirtschaftsgüter auf der Grundlage einer Verschmelzung i.S.d. § 1 Abs. 19 Nr. 37

KAGB auf einen Investmentfonds, Spezial-Investmentfonds oder einen Altersvorsorgevermögenfonds übertragen, ergeben sich die steuerlichen Folgen grundsätzlich aus § 23 InvStG (Verschmelzung von Investmentfonds) und § 54 InvStG (Verschmelzung von Spezial-Investmentfonds und Altersvorsorgevermögenfonds). § 5a InvStG einerseits und §§ 23, 54 InvStG andererseits verfolgen unterschiedliche Ziele. Während infolge von § 5a InvStG die in den übertragenen Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven im Zeitpunkt der Übertragung aufgedeckt werden und damit eine steuerneutrale Übertragung von Wirtschaftsgütern verhindert wird, stellen §§ 23, 54 InvStG im Gegensatz hierzu sicher, dass durch eine Verschmelzung von Investmentfonds, Spezial-Investmentfonds und Altersvorsorgevermögenfonds weder auf Ebene der Anleger noch auf Ebene der beteiligten Fonds stille Reserven in den Investmentanteilen bzw. in den übertragenen Vermögensgegenständen aufgedeckt und besteuert werden (s. hierzu § 23 InvStG Rz. 1 und § 54 InvStG Rz. 1).

9 § 1 Abs. 19 Nr. 37 KAGB (i.V.m. § 2 Abs. 1 InvStG) definiert den Begriff „Verschmelzung“ als

– Auflösung ohne Abwicklung eines Sondervermögens, einer Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital oder einer offenen Investmentkommanditgesellschaft – durch Übertragung sämtlicher Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten – eines (bzw. zweier) oder mehrerer offener Investmentvermögen – auf ein anderes bestehendes (bzw. neues, dadurch gegründetes) übernehmendes Sondervermögen, auf einen anderen bestehenden (bzw. neuen, dadurch gegründeten) übernehmenden EU-OGAW, auf eine andere bestehende (bzw. neue, dadurch gegründete) übernehmende Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital oder auf eine andere bestehende (bzw. neue, dadurch gegründete) übernehmende offene Investmentkommanditgesellschaft – gegen Gewährung von Anteilen bzw. Aktien des übernehmenden Investmentvermögens an die Anleger bzw. Aktionäre des übertragenden Investmentvermögens sowie – ggf. einer Barzahlung i.H.v. nicht mehr als 10 % des Werts eines Anteils oder einer Aktie am übertragenden Investmentvermögen. 1 BR-Drucks. 119/16 (B), 5; BT-Drucks. 18/8739, 96 f.

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B. Übertragung von WG aus dem BV eines Anlegers (Satz 1) | Rz. 13 § 5a

Die Verschmelzung führt damit ebenfalls zu einer Übertragung von Wirtschaftsgütern in 10 das Vermögen eines Investmentfonds, Spezial-Investmentfonds bzw. Altersvorsorgevermögenfonds. Allerdings stammen die Wirtschaftsgüter – außer im Fall einer „downstream-Verschmelzung“ – nicht aus dem Vermögen des Anlegers, sodass § 5a InvStG schon tatbestandlich nicht auf die Verschmelzung von Investmentfonds anwendbar ist.1 Wird ein Dach-Investmentfonds auf einen Ziel-Investmentfonds bzw. ein Dach-Spezial-Investmentfonds auf einen Ziel-Spezial-Investmentfonds verschmolzen („downstream-Verschmelzung“), ist die mit der Verschmelzung einhergehende Übertragung der Wirtschaftsgüter nach dem Wortlaut grds. von § 5a InvStG erfasst. Im Anwendungsbereich der §§ 23, 54 InvStG gehen diese speziellen Regelungen § 5a InvStG allerdings vor (lex speciales). 2. Verhältnis zu Vorschriften außerhalb des InvStG a) Verhältnis zu § 6 Abs. 1 Nr. 4, 5, Abs. 5 und 6 EStG § 5a Satz 1 InvStG regelt die Übertragung von Wirtschaftsgütern aus dem Betriebsvermögen 11 eines Anlegers in das Vermögen eines Investmentfonds, Spezial-Investmentfonds oder Altersvorsorgevermögenfonds. Der dort für diese Fälle festgelegte Ansatz des Teilwerts ist zwingend und auch von buchführungspflichtigen StPfl. zu beachten (§ 5 Abs. 6 EStG). § 5a Satz 1 InvStG verdrängt zudem die allgemeinen ertragsteuerlichen Regelungen über die Entnahme, die Einlage, die Überführung oder den Tausch von Wirtschaftsgütern i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 4, 5, Abs. 5 und 6 EStG. Dies gilt unabhängig davon, ob dem Anleger bei der Übertragung neue Anteile an dem Fonds gewährt werden (§ 5a Satz 3 InvStG). b) Verhältnis zu §§ 17, 20, 22, 23 EStG Für die Übertragung von Wirtschaftsgütern aus dem Privatvermögen eines Anlegers in das 12 Vermögen eines Investmentfonds oder Spezial-Investmentfonds fingiert § 5a Satz 2 InvStG die Übertragung als Veräußerung zum gemeinen Wert (vgl. Rz. 23 f.). Ob das übertragene Wirtschaftsgut steuerverstrickt ist und ob die (fiktive) Veräußerung des Wirtschaftsguts steuerlich relevant ist, folgt nicht aus § 5a Satz 2 InvStG, sondern ist nach §§ 17, 20, 22, 23 EStG zu beurteilen.2 Ist danach die Veräußerung des Wirtschaftsguts ein steuerbarer Vorgang, stellt nach § 5a Satz 2 InvStG auch die Übertragung des Wirtschaftsguts in das Vermögen eines Investmentfonds und Spezial-Investmentfonds eine „Veräußerung“ in diesem Sinne dar und löst die Rechtsfolgen aus (Ersatzrealisationstatbestand).

B. Übertragung von Wirtschaftsgütern aus dem Betriebsvermögen eines Anlegers (Satz 1) I. Tatbestandsvoraussetzungen § 5a Satz 1 InvStG knüpft tatbestandlich an die Übertragung von Wirtschaftsgütern aus dem 13 Betriebsvermögen eines Anlegers in das Vermögen eines Investmentfonds, Spezial-Invest1 Etwas anderes würde allerdings gelten, sofern man die Verschmelzung als einen liquidationsähnlichen Vorgang qualifizieren würde, bei dem das Vermögen des übertragenden Investmentfonds steuerlich zunächst als an die Anleger ausgeschüttet und sodann als von den Anlegern – unter Berücksichtigung von § 5a InvStG – in den übernehmenden Investmentfonds eingelegt gilt (s. hierzu § 23 InvStG Rz. 2). 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 5a.3; Boxberger in Moritz/Jesch/Mann2, § 5a InvStG Rz. 23.

Hasbach | 201

§ 5a Rz. 13 | Übertragung von Wirtschaftsgütern in einen Investmentfonds mentfonds oder Altersvorsorgevermögenfonds an. Der steuerrechtliche Begriff des Wirtschaftsguts ist weit gefasst1 und auf der Grundlage einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszulegen2. Hierunter fallen alle Gegenstände i.S.d. bürgerlichen Rechts, wie Sachen und Rechte, aber auch tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten und Vorteile, deren Erlangung der StPfl. sich etwas kosten lässt und die nach der Verkehrsauffassung einer besonderen Bewertung zugänglich sind.3 Vorausgesetzt, die Gegenstände, Zustände, Möglichkeiten und Vorteile sind (zumindest zusammen mit dem Betrieb) übertragbar oder auf irgendeine Art und Weise verwertbar.4 14 Erfasst werden sowohl die Übertragung eines Wirtschaftsguts als auch die Übertragung meh-

rerer Wirtschaftsgüter. Hintergrund für diese ausdrückliche Klarstellung im Rahmen der Investmentsteuerreform 2018 dürfte der Wille des Gesetzgebers gewesen sein, die zu § 15a Abs. 4 InvStG a.F. geführte Diskussion zu beenden, ob die Übertragung eines Mitunternehmeranteils die Übertragung eines Wirtschaftsguts oder mehrerer Wirtschaftsgüter darstellt.5

15 § 5a Satz 1 InvStG setzt die Übertragung des Wirtschaftsguts in das Vermögen eines Invest-

mentfonds, Spezial-Investmentfonds oder Altersvorsorgevermögenfonds voraus. Aufsichtsrechtlich ist die Übertragung von Wirtschaftsgütern im Wege der Sacheinlage nur in begrenztem Umfang möglich. Nach § 71 Abs. 1 Satz 3 KAGB sind Sacheinlagen bei OGAW grds.6 unzulässig. Entsprechendes gilt bei Publikumsinvestmentaktiengesellschaften mit veränderlichem Kapital (§ 109 Abs. 5 KAGB). Die Verbote dienen dem Schutz der übrigen am Investmentfonds beteiligten Anleger vor einer fehlerhaft zu hohen Bewertung der eingebrachten Vermögensgegenstände und einer damit verbundenen Verwässerung ihrer Anteile.7 Bei Spezial-Investmentfonds sind Sacheinlagen hingegen zulässig, da an diesen nur professionelle und semi-professionelle Investoren beteiligt sind und deren Schutzbedürftigkeit üblicherweise geringer ist.8 Ebenfalls besteht kein Erfordernis, die übrigen Anleger zu schützen, soweit an den das Wirtschaftsgut übertragenden Anleger im Gegenzug keine neuen Anteile gewährt werden („verdeckte Einlage“). Eine Übertragung von Wirtschaftsgütern i.S.d. § 5a Satz 1 InvStG wird daher insbes. bei Spezial-Investmentfonds und Altersvorsorgevermögenfonds sowie beim nicht unter das KAGB fallenden „Ein-Anleger-Investmentvermögen“ i.S.d. § 1 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 InvStG in Betracht kommen.

16 Ein Wirtschaftsgut wird i.S.d. § 5a Satz 1 InvStG übertragen, wenn es infolge eines Rechts-

geschäfts steuerlich nicht mehr dem Anleger, sondern dem Investmentfonds zuzurechnen ist (Wechsel der steuerlichen Zurechnung).9 Dies ist nach Maßgabe des § 39 AO zu beurteilen. 1 BFH v. 2.3.1970 – GrS 1/69, BStBl. II 1970, 382; v. 8.4.1992 – XI R 34/88, BStBl. II 1992, 893; v. 26.11.2014 – X R 20/12, BStBl. II 2015, 325. 2 BFH v. 14.3.2006 – I R 109/04, BFH/NV 2006, 1812; v. 26.11.2014 – X R 20/12, BStBl. II 2015, 325. 3 BFH v. 2.3.1970 – GrS 1/69, BStBl. II 1970, 382; v. 8.4.1992 – XI R 34/88, BStBl. II 1992, 89; v. 5.6.2008 – IV R 67/05, BStBl. II 2008, 960. 4 Reddig in Kirchhof/Seer21, § 5 EStG Rz. 75; Krumm in Brandis/Heuermann, § 5 EStG Rz. 305 (Stand: Dezember 2021); Weber-Grellet in Schmidt41, § 5 EStG Rz. 95. 5 Hoffmann in Korn, § 5a InvStG Rz. 13 (Stand: September 2019); Mann in W/B/A3, Anh. 1 § 5a InvStG Rz. 3. Zu § 15a Abs. 4 InvStG a.F. s. Mann in Brandis/Heuermann, § 15a InvStG a.F. Rz. 24 (Stand: April 2017). 6 Ausnahmen hierzu bilden die Umwandlungen in einen Feederfonds nach § 180 Abs. 4 KAGB sowie die Verschmelzung von offenen Publikumsinvestmentvermögen nach § 190 KAGB. 7 Boxberger in Moritz/Klebeck/Jesch, § 109 KAGB Rz. 23; Kunschke/Bachmann in Assmann/Wallach/ Zetzsche, KAGB, 2019, § 71 Rz. 10. 8 Lindauer in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Investment, § 109 KAGB Rz. 20 (Stand: April 2014); Boxberger in Moritz/Klebeck/Jesch, § 109 KAGB Rz. 24. 9 Boxberger in Moritz/Jesch/Mann2, § 5a InvStG Rz. 14; Hoffmann in Korn, § 5a InvStG Rz. 14 (Stand: September 2019); Mann in W/B/A3, Anh. 1 § 5a InvStG Rz. 3; Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 5a InvStG Anm. 5 (Stand: August 2021).

202 | Hasbach

B. Übertragung von WG aus dem BV eines Anlegers (Satz 1) | Rz. 18 § 5a

Nach § 39 Abs. 1 AO sind Wirtschaftsgüter grds. dem zivilrechtlichen Eigentümer zuzurechnen. Dies gilt nicht, wenn ein Dritter die tatsächliche Herrschaft über das Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann (wirtschaftliches Eigentum). In diesem Fall ist dem Dritten das Wirtschaftsgut steuerlich zuzurechnen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO). Eine Übertragung i.S.d. § 5a Satz 1 InvStG liegt damit beim Übergang des zivilrechtlichen Eigentums (sofern nicht ausnahmsweise das wirtschaftliche Eigentum beim Anleger oder einem Dritten zurückbleibt) sowie beim Übergang des wirtschaftlichen Eigentums vor. Eine bloße Nutzungsüberlassung stellt hingegen keine Übertragung i.S.d. § 5a Satz 1 InvStG dar.1 Im Unterschied zu § 5a Satz 2 InvStG, der die steuerlichen Folgen der Übertragung von Wirt- 17 schaftsgütern aus dem Privatvermögen regelt, muss nach Satz 1 das Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen des Anlegers (nicht eines Dritten2) übertragen werden. Unerheblich ist, ob es sich um ein Wirtschaftsgut des Anlage- oder Umlaufvermögens handelt.3 Der umgekehrte Fall, die Übertragung von Wirtschaftsgütern aus dem Vermögen eines Investmentfonds, Spezial-Investmentfonds oder Altersvorsorgevermögenfonds auf einen Anleger, ist nicht von § 5a Satz 1 InvStG erfasst. Hier gelten die allgemeinen investmentsteuerrechtlichen Regelungen (z.B. Übertragung im Rahmen einer Sachausschüttung oder Liquidation). Zur Übertragung von Wirtschaftsgütern durch einen Dach-(Spezial-)Investmentfonds in das Vermögen eines Ziel-(Spezial-)Investmentfonds s. Rz. 7. Ob die Übertragung in diesem Sinne „aus“ dem Betriebsvermögen erfolgt, ist nach dem Ver- 18 anlassungsprinzip zu beurteilen, d.h. danach, ob die Übertragung betrieblich veranlasst ist. Die betriebliche Veranlassung folgt nicht bereits daraus, dass das übertragene Wirtschaftsgut vor der Übertragung durch den Anleger betrieblich genutzt wurde. Auch ist die Zuordnung der Anteile an dem übernehmenden Investmentfonds zum Betriebsvermögen des Anlegers allenfalls ein Indiz für eine betriebliche Veranlassung der Übertragung.4 Entscheidend ist letztlich, ob das die Übertragung der Wirtschaftsgüter „auslösende Moment“ dem betrieblichen Bereich des Anlegers zuzurechnen ist.5 Ist die Übertragung der Wirtschaftsgüter danach betrieblich veranlasst, erfolgt die Übertragung selbst dann „aus dem Betriebsvermögen“ des Anlegers i.S.d. § 5a Satz 1 InvStG, wenn die Wirtschaftsgüter zuvor dem Privatvermögen zugeordnet waren. Sie gelten dann zunächst für eine juristische Sekunde als in das Betriebsvermögen eingelegt und von dort als in das Vermögen des Investmentfonds übertragen.6 Auf die Einlage in das Betriebsvermögen finden die allgemeinen ertragsteuerlichen Regelungen Anwendung (z.B. § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. c EStG). Umgekehrt wird ein betrieblich genutztes Wirtschaftsgut zunächst aus dem Betriebsvermögen entnommen und anschließend i.S.d. § 5a Satz 2 InvStG aus dem Privatvermögen in das Vermögen eines Investmentfonds übertragen, wenn die Übertragung nicht betrieblich veranlasst ist. Für eine betriebliche Veranlassung kann sprechen, dass der Anleger im Zuge der Übertragung neue Anteile erhält (§ 5a Satz 3 InvStG) und diese neu ausgegebenen Anteile dem Betriebsvermögen zugeordnet werden, sodass die darauf entfallenden Erträge in der betrieblichen Sphäre anfallen. 1 Hoffmann in Korn, § 5a InvStG Rz. 14 (Stand: September 2019); Mann in W/B/A3, Anh. 1 § 5a InvStG Rz. 3. 2 Boxberger in Moritz/Jesch/Mann2, § 5a InvStG Rz. 14; Mann in W/B/A3, Anh. 1 § 5a InvStG Rz. 3. 3 Mann in W/B/A3, Anh. 1 § 5a InvStG Rz. 3. 4 Vgl. zur betrieblichen Veranlassung von Leistungsbeziehungen zwischen einem Gesellschafter und seiner GmbH sowie damit zusammenhängenden Aufwendungen BFH v. 12.3.1964 – IV 376/62 U, BStBl. III 1964, 464; v. 11.3.1976 – IV R 185/71, BStBl. II 1976, 380. 5 Allgemein zum Veranlassungszusammenhang BFH v. 21.9.2009 – GrS 1/06, BStBl. II 2010, 672; v. 28.2.2013 – IV R 4/11, BFH/NV 2013, 1081; v. 15.12.2016 – IV R 22/14, BFH/NV 2017, 454. 6 Zum Tatbestandsmerkmal „aus dem Betriebsvermögen“ bei § 23 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1 EStG s. BMF v. 5.10.2000 – IV C 3 - S 2256 - 263/00, BStBl. I 2000, 1383 Rz. 4 Beispiel 5. Hasbach | 203

§ 5a Rz. 19 | Übertragung von Wirtschaftsgütern in einen Investmentfonds 19 Nach § 5a Satz 3 InvStG ist § 5a Satz 1 InvStG unabhängig davon anzuwenden, ob der Anleger

im Gegenzug für die Übertragung des Wirtschaftsguts neue Anteile an dem Investmentfonds, Spezial-Investmentfonds bzw. Altersvorsorgevermögenfonds erhält. Nicht eindeutig geregelt ist der Fall, in dem der Anleger im Gegenzug für die Übertragung des Wirtschaftsguts ein fremdübliches Entgelt erhält. Der Entwurf des BMF-Anwendungsschreibens v. 11.8.2017 enthielt hierzu die Aussage, es sei nicht zu beanstanden, wenn das fremdübliche Entgelt als Teilwert i.S.d. § 5a Satz 1 InvStG angesetzt werde. In der finalen Fassung des BMF-Anwendungsschreibens ist diese Aussage nicht mehr zu finden. Da § 5a Satz 1 InvStG der Sicherstellung einer Besteuerung der in den übertragenen Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven bereits im Zeitpunkt der Übertragung dient (Rz. 1) und es bei Übertragung eines Wirtschaftsguts gegen ein fremdübliches Entgelt zur (vollständigen) Aufdeckung von stillen Reserven und Lasten kommt, sprechen mit Blick auf den Telos gute Gründe dafür, die Übertragung von Wirtschaftsgütern gegen ein fremdübliches Entgelt, das nicht in neuen Investmentanteilen besteht, von dem Anwendungsbereich des § 5a Satz 1 InvStG auszunehmen (teleologische Reduktion). Der Veräußerungsgewinn für das übertragene Wirtschaftsgut ergibt sich dann aus der Differenz zwischen (fremdüblichem) Entgelt und Buchwert. Erhält der Anleger lediglich ein hinter dem Teilwert zurückbleibendes Entgelt und erhält der Anleger i.H.d. Differenz keine oder lediglich eine in neuen Anteilen an dem Investmentfonds, Spezial-Investmentfonds bzw. Altersvorsorgevermögenfonds bestehende Gegenleistung, ist § 5a Satz 1 InvStG auf die Differenz anzuwenden.1

II. Rechtsfolgen 20 Liegen die Voraussetzungen des § 5a Satz 1 InvStG vor, ist bei der Übertragung der Teilwert

anzusetzen. Der Wertansatz ist zwingend, ein Wahlrecht besteht nicht.2 Teilwert ist der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG).3 Liegt der Teilwert unter dem Buchwert des übertragenen Wirtschaftsguts, ist der Teilwert auch dann anzusetzen, wenn die Wertminderung nicht voraussichtlich dauernd ist.4

21 Der in § 5a Satz 1 InvStG geregelte Wertansatz ist in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung.

Zum einen stellt der Teilwert den Wert dar, mit dem das Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen des Anlegers ausscheidet, sodass es in Höhe der Differenz zum Buchwert des übertragenen Wirtschaftsguts zur Aufdeckung von stillen Reserven bzw. stillen Lasten kommt. Die Besteuerung der aufgedeckten stillen Reserven und Lasten erfolgt nach allgemeinen Grundsätzen (z.B. Anwendung von § 3 Nr. 40 EStG, § 8b Abs. 2 KStG).5 Zum anderen hat der übernehmende Investmentfonds, Spezial-Investmentfonds bzw. Altersvorsorgevermögenfonds die in sein Vermögen übertragenen Wirtschaftsgüter mit Anschaffungskosten i.H.d. Teilwerts anzusetzen (ggf. zzgl. Anschaffungsnebenkosten).6 Erhält der Anleger im Gegenzug für die Übertragung neue Anteile, entsprechen die Anschaffungskosten für diese Anteile dem Teil-

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 5a.4. 2 Boxberger in Moritz/Jesch/Mann2, § 5a InvStG Rz. 11; Mann in W/B/A3, Anh. 1 § 5a InvStG Rz. 3. 3 Zum Begriff „Teilwert“ s. Gabert-Pipersberg in H/H/R, § 6 EStG Anm. 420 ff. (Stand: Mai 2017); Schindler in Kirchhof/Seer21, § 6 EStG Rz. 86 ff. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 5a.2; Mingels in Bödecker/Ernst/Hartmann in BeckOK, § 5a InvStG Rz. 25 (Stand: Mai 2022). 5 Mingels in Bödecker/Ernst/Hartmann in BeckOK, § 5a InvStG Rz. 24 f. (Stand: Mai 2022). 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 5a.5; Hoffmann in Korn, § 5a InvStG Rz. 16 (Stand: September 2019); Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 5a InvStG Anm. 5 (Stand: August 2021).

204 | Hasbach

C. Übertragung von WG aus dem PV eines Anlegers (Satz 2) | Rz. 24 § 5a

wert des übertragenen Wirtschaftsguts (ggf. zzgl. Anschaffungsnebenkosten).1 Erhält der Anleger hingegen keine neuen Anteile oder lediglich ein fremdunüblich niedriges Entgelt, erhöhen sich die Anschaffungskosten der Anteile, die der Anleger bereits hält, um den Teilwert bzw. im Fall einer teilentgeltlichen Übertragung um die Differenz zwischen Teilwert und Entgelt (nachträgliche Anschaffungskosten).2

C. Übertragung von Wirtschaftsgütern aus dem Privatvermögen eines Anlegers (Satz 2) I. Tatbestandsvoraussetzungen § 5a Satz 2 InvStG knüpft an die Übertragung von einem oder mehreren Wirtschaftsgütern 22 aus dem Privatvermögen eines Anlegers in das Vermögen eines Investmentfonds, Spezial-Investmentfonds oder Altersvorsorgevermögenfonds an. Trotz gering abweichender Formulierung sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5a Satz 2 InvStG und des § 5a Satz 1 InvStG im Wesentlichen identisch. Die Ausführungen zu § 5a Satz 1 InvStG gelten insoweit entsprechend (Rz. 13 ff.). Auch für die Anwendung des § 5a Satz 2 InvStG ist es unerheblich, ob der Anleger im Gegenzug für die Übertragung neue Anteile erhält oder nicht (§ 5a Satz 3 InvStG). Im Unterschied zu § 5a Satz 1 InvStG muss das Wirtschaftsgut jedoch aus dem Privatvermögen des Anlegers in das Vermögen des Investmentfonds, Spezial-Investmentfonds bzw. Altersvorsorgevermögenfonds übertragen werden (zur Abgrenzung „Übertragung aus Privatvermögen/Betriebsvermögen“ s. Rz. 18).

II. Rechtsfolgen § 5a Satz 2 InvStG enthält nicht nur eine Regelung zum Wertansatz, mit dem das Wirtschafts- 23 gut als übertragen gilt, sondern zugleich einen Ersatzrealisationstatbestand. Danach „gilt“ das übertragene Wirtschaftsgut durch den Anleger als zum gemeinen Wert veräußert. Die Rechtsfolgen gehen damit über die des § 5a Satz 1 InvStG hinaus, der nur den Wertansatz regelt. Ob und inwieweit das Wirtschaftsgut steuerverstrickt ist und die Veräußerung des Wirtschaftsguts steuerlich relevant ist, folgt nicht aus § 5a Satz 2 InvStG, sondern ist anhand der allgemeinen ertragsteuerlichen Vorschriften (§§ 17, 20, 22, 23 EStG) zu beurteilen.3 Als Veräußerungspreis ist im Rahmen der Übertragung der gemeine Wert des Wirtschafts- 24 guts anzusetzen. Der gemeine Wert ist der Wert eines Wirtschaftsguts, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts bei einer Veräußerung zu erzielen wäre, wobei einerseits alle Umstände zu beachten sind, die den Preis beeinflussen, andererseits aber ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse unberücksichtigt bleiben (§ 9 Abs. 2 BewG).

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 5a.6. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 5a.7 f. (mit Beispiel); Mingels in Bödecker/ Ernst/Hartmann in BeckOK, § 5a InvStG Rz. 27 (Stand: Mai 2022). 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 5a.3; Boxberger in Moritz/Jesch/Mann2, § 5a InvStG Rz. 23. Hasbach | 205

206 | Hasbach

Kapitel 2 Investmentfonds (§§ 6 bis 24) Abschnitt 1 Besteuerung des Investmentfonds (§§ 6 bis 15)

§6 Körperschaftsteuerpflicht eines Investmentfonds (1) 1Inländische Investmentfonds gelten als Zweckvermögen nach § 1 Absatz 1 Nummer 5 des Körperschaftsteuergesetzes und sind unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. 2Ausländische Investmentfonds gelten als Vermögensmassen nach § 2 Nummer 1 des Körperschaftsteuergesetzes und sind beschränkt körperschaftsteuerpflichtig. (2) 1Investmentfonds sind vorbehaltlich des Satzes 2 steuerbefreit. 2Nicht steuerbefreit sind inländische Beteiligungseinnahmen, inländische Immobilienerträge und sonstige inländische Einkünfte. 3Die nach Satz 2 steuerpflichtigen Einkünfte sind zugleich inländische Einkünfte nach § 2 Nummer 1 des Körperschaftsteuergesetzes. (3) 1Inländische Beteiligungseinnahmen sind 1. Einnahmen nach § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 1a des Einkommensteuergesetzes und 2. Entgelte, Einnahmen und Bezüge nach § 2 Nummer 2 Buchstabe a bis c des Körperschaftsteuergesetzes. 2 Die Regelungen zum Steuerabzug nach § 32 Absatz 3 des Körperschaftsteuergesetzes sind entsprechend anzuwenden. (4) 1Inländische Immobilienerträge sind 1. Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung von im Inland belegenen Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten und 2. Gewinne aus der Veräußerung von im Inland belegenen Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten. 2 Zur Ermittlung des Gewinns nach Satz 1 Nummer 2 ist § 23 Absatz 3 Satz 1 bis 4 des Einkommensteuergesetzes entsprechend anzuwenden. 3Wertveränderungen, die vor dem 1. Januar 2018 eingetreten sind, sind steuerfrei, sofern der Zeitraum zwischen der Anschaffung und der Veräußerung mehr als zehn Jahre beträgt. (5) 1Sonstige inländische Einkünfte sind 1. Einkünfte nach § 49 Absatz 1 des Einkommensteuergesetzes mit Ausnahme der Einkünfte nach § 49 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe e des Einkommensteuergesetzes, soweit sie nicht von den Absätzen 3 oder 4 erfasst werden, und 2. bei inländischen Investmentfonds in der Rechtsform einer Investmentaktiengesellschaft darüber hinaus a) Einkünfte, die die Investmentaktiengesellschaft oder eines ihrer Teilgesellschaftsvermögen aus der Verwaltung ihres Vermögens erzielt, und Kretzschmann/Albrecht/Verleger | 207

§ 6 | Körperschaftsteuerpflicht eines Investmentfonds b) Einkünfte, die die Investmentaktiengesellschaft oder eines ihrer Teilgesellschaftsvermögen aus der Nutzung ihres Investmentbetriebsvermögens nach § 112 Absatz 2 Satz 1 des Kapitalanlagegesetzbuchs erzielt. 2 Von gewerblichen Einkünften nach § 49 Absatz 1 Nummer 2 des Einkommensteuergesetzes ist nur auszugehen, wenn der Investmentfonds seine Vermögensgegenstände aktiv unternehmerisch bewirtschaftet. (6) § 8b des Körperschaftsteuergesetzes ist nicht anzuwenden. (6a) Die Anschaffung oder Veräußerung einer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung an einer Personengesellschaft gilt als Anschaffung oder Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter. (7) 1Die Einkünfte sind als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten, die in einem wirtschaftlichen Zusammenhang zu den Einnahmen stehen, zu ermitteln. 2§ 4 Absatz 5 bis 7 des Einkommensteuergesetzes gilt bei der Ermittlung der Einkünfte nach Satz 1 entsprechend. 3Bei Einkünften, die einem Steuerabzug unterliegen, sind der Ansatz der Werbungskosten sowie eine Verrechnung mit negativen Einkünften ausgeschlossen. 4Weicht das Geschäftsjahr des Investmentfonds vom Kalenderjahr ab, gelten die Einkünfte des Investmentfonds als in dem Kalenderjahr bezogen, in dem sein Geschäftsjahr endet. (8) 1Nicht ausgeglichene negative Einkünfte sind in den folgenden Veranlagungszeiträumen abzuziehen. 2§ 10d Absatz 4 des Einkommensteuergesetzes ist sinngemäß anzuwenden. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . II. Geltungsbereich 1. Sachlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . 2. Persönlicher Geltungsbereich . . . . . . . 3. Zeitlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . B. Persönliche Körperschaftsteuerpflicht (Abs. 1) I. Adressat: Inländische und ausländische Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fiktion: Körperschaftliche Einordnung III. Keine Steuerbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . IV. Teilvermögen und Anteilsklassen . . . . . . C. Sachliche Körperschaftsteuerpflicht (Abs. 2) I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inländische und ausländische Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Besteuerungsgegenstand: Enumerierte inländische Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verweis auf das KStG (Abs. 2 Satz 3) . . D. Inländische Beteiligungseinnahmen (Abs. 3) I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Definition inländischer Beteiligungseinnahmen (Abs. 3 Satz 1) 1. Dividenden u.a. (Abs. 3 Satz 1 Nr. 1) .

208 | Kretzschmann/Albrecht/Verleger

1 3 4 5 6 7

13 15 18 19

21

III. E. I. II. III. IV. F. I. II.

22 23 25

III.

26 27

G.

2. Entgelte aus Wertpapierdarlehen u.a. (Abs. 3 Satz 1 Nr. 2) a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wertpapierdarlehen . . . . . . . . . . . . c) Wertpapierpensionsgeschäft . . . . . d) Ersatzgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . e) Einschaltung von Intermediären . Steuererhebung durch Kapitalertragsteuer (Abs. 3 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . Inländische Immobilienerträge (Abs. 4) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inländische Immobilienerträge (Abs. 4 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewinnermittlung nach dem EStG (Abs. 4 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestandsschutz (Abs. 4 Satz 3) . . . . . . . . Sonstige inländische Einkünfte (Abs. 5) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffsdefinition (Abs. 5 Satz 1 Nr. 1) 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gewerbliche Einkünfte (Abs. 5 Satz 2) Besonderheiten für Investmentaktiengesellschaften (Abs. 5 Satz 1 Nr. 2) 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verwaltungseinkünfte (Abs. 5 Nr. 2 Buchst. a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einkünfte aus Investmentbetriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausschluss von § 8b KStG auf Fondseingangsseite (Abs. 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30 32 35 37 39 40 47 48 55 56 62 63 65 74 75 76 78

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 2 § 6 H. Beteiligung an Personengesellschaften (Abs. 6a) I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Allgemeine Behandlung von Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anschaffung oder Veräußerung der Beteiligung an einer Personengesellschaft I. Einkünfteermittlung (Abs. 7) I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Überschuss Einnahmen über Werbungskosten (Abs. 7 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . .

81 82 84

III. Nicht abziehbare Werbungskosten (Abs. 7 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kein Werbungskostenabzug und keine Verlustverrechnung bei Abzugseinkünften (Abs. 7 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Einkünfteermittlungszeitraum (Abs. 7 Satz 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . J. Verlustvortrag (Abs. 8) . . . . . . . . . . . . . .

95 96 97 98

89 90

Literatur: Haisch, Investmentsteuerreform – Wird jetzt alles gut?, RdF 2015, 294; Anzinger, Wesen, Reformbedürfnis und Reformoptionen des Investmentsteuerrechts, FR 2016, 101; Bindl/Mager, Ausgewählte Zweifelsfragen und Lösungsvorschläge zum InvStG n.F., BB 2016, 2711; Buge/Bujotzek/Steinmüller, Die InvSt-Reform ist verabschiedet, DB 2016, 1594; Lechner, (Erneute) Reform der Investmentbesteuerung – ein Überblick, RdF 2016, 208; Stadler/Bindl, Das neue InvStG – Überblick und Korrekturbedarf, DStR 2016, 1953; Hahne, Zur Besteuerung inländischer Beteiligungseinnahmen von Investmentfonds nach der Investmentsteuerreform 2018, DStR 2017, 2310; Haug, Besteuerung von Spezial-Investmentfonds nach dem InvStG 2018 – Aktuelle Einzelfragen und erste Lösungsansätze, Ubg 2017, 303; Bödecker, Anwendungsschreiben zum Investmentsteuergesetz, Ubg 2019, 545; Hagen/Schober, Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren Förderung der Elektromobilität – Auswirkungen auf die Besteuerung von Kapitalanlagen und (Spezial-)Investmentfonds – Teil II, BB 2019, 1693; Hahne/Michaelis, Entwurf eines „JStG 2019“: Vorgeschlagene Änderungen bei der Abgeltungsteuer und der Investmentbesteuerung, RdF 2019, 196; Hensel, Zehn Highlights aus dem ersten Teil des BMF-Schreibens zur Anwendung des InvStG 2018, RdF 2019, 204; Stadler/Mager, Der neue Investmentsteuererlass zu Anwendungsfragen zum Investmentsteuergesetz v. 21.5.2019 – Vergleich zum Entwurf v. 15.6.2018, BB 2019, 1760; Albrecht/Kretzschmann, Investitionen institutioneller Anleger in Krypto-Fonds – Ein rechtsgebietsübergreifender Überblick, WM 2020, 1237.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck § 6 InvStG ist eine zentrale Vorschrift im neuen InvStG und regelt die Besteuerung von inlän- 1 dischen und ausländischen Investmentfonds. Die zentralen Vorschriften für die KStPfl. des Investmentfonds sind dabei § 6 Abs. 1 und 2 InvStG. Die nachfolgenden Absätze präzisieren den Umfang der sachlichen KStPfl. des Investmentfonds und beinhalten Regelungen zum Werbungskostenabzug sowie zum Verlustvortrag. Im Gegensatz zur früheren Rechtslage, bei der die Anleger eines Investmentfonds nicht anders 2 besteuert werden sollten als bei einer Direktanlage und die Fonds daher gerade keiner Besteuerung unterworfen wurden (vgl. § 11 InvStG 2004), sieht das neue Investmentsteuerrecht mit einer StPfl. auf Fondsebene in § 6 InvStG eine zweite Besteuerungsebene vor. Dies stellt einen Paradigmenwechsel1 dar.

1 Boxberger in W/B/A3, § 6 InvStG Rz. 1; Haug, Ubg 2017, 303 (303); Anzinger, FR 2016, 101 (102). Kretzschmann/Albrecht/Verleger | 209

§ 6 Rz. 3 | Körperschaftsteuerpflicht eines Investmentfonds

II. Geltungsbereich 1. Sachlicher Geltungsbereich 3 Der sachliche Anwendungsbereich von § 6 InvStG erstreckt sich auf die KStPfl. auf Ebene des

Investmentfonds.

2. Persönlicher Geltungsbereich 4 § 6 InvStG gilt für inländische wie für ausländische Investmentfonds. Über den Verweis in

§ 29 Abs. 1 InvStG gilt die Norm grds. auch für Spezial-Investmentfonds, soweit in den Regelungen des Kapitels 3 nichts anderes geregelt ist (z.B. Optierung zur Transparenzoption nach § 30 InvStG oder Steuerabzug bei inländischen Immobilienerträgen nach § 33 InvStG). Dasselbe gilt aufgrund des Verweises in § 53 Abs. 3 Satz 1 InvStG auch für Altersvorsorgevermögensfonds. 3. Zeitlicher Geltungsbereich

5 § 6 InvStG gilt ab dem 1.1.2018 (Art. 11 Abs. 3 InvStRefG). Die durch das „JStG 2019“1 be-

wirkten Änderungen gelten nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 InvStG ab dem 1.1.2020.

III. Rechtsentwicklung 6 § 6 InvStG läutet mit der Normierung einer persönlichen und beschränkten sachlichen KStPfl.

für Investmentfonds einen Paradigmenwechsel ein (s. dazu Rz. 1). Die Norm ist daher ohne Vorgänger im InvStG 2004. § 11 Abs. 1 InvStG 2004 statuierte im Gegenteil eine Befreiung für Investmentfonds von der KSt.

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 7 Verhältnis zu § 7 InvStG. § 7 InvStG regelt die Erhebung von KapErtrSt gegenüber Invest-

mentfonds auf der Fondseingangsseite.

8 Verhältnis zu §§ 8, 10 InvStG. Nach §§ 8, 10 InvStG kann ein Investmentfonds von der nach

§ 6 InvStG grds. angeordneten KStPfl. unter bestimmten Voraussetzungen (Beteiligung steuerbegünstigter Anleger) teilweise bzw. in Gänze befreit werden.

9 Verhältnis zu §§ 11 InvStG. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 InvStG erstattet das Betriebsstätten-FA

des Entrichtungspflichtigen auf Antrag des Investmentfonds die einbehaltene KapErtrSt, wenn auf nicht nach § 6 Abs. 2 InvStG stpfl. Kapitalerträge KapErtrSt und Solidaritätszuschlag einbehalten und abgeführt wurde und der Entrichtungspflichtige keine Erstattung vorgenommen hat.

10 Verhältnis zu § 15 InvStG. § 15 InvStG regelt die GewStPfl. sowie die Gewerbesteuerbefrei-

ung eines Investmentfonds.

11 Verhältnis zu § 29 InvStG. § 29 Abs. 1 InvStG verweist auf § 6 InvStG, sodass auch Spezial-

Investmentfonds (und über § 53 Abs. 3 Satz 1 InvStG auch Altersvorsorgevermögensfonds) mit den in § 6 Abs. 2 InvStG genannten Einkünften kstpfl. sind. Allerdings sehen §§ 30, 33 InvStG (optionale) Befreiungen auf Fondsebene vor.

1 G v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451.

210 | Kretzschmann/Albrecht/Verleger

B. Persönliche Körperschaftsteuerpflicht (Abs. 1) | Rz. 15 § 6

Verhältnis zu Doppelbesteuerungsabkommen. Zum Verhältnis des § 6 InvStG zu den von 12 Deutschland abgeschlossenen DBA sowie zur Abkommensberechtigung von Investmentfonds nach dem neuen InvStG s. Anh. 7 Rz. 37.

B. Persönliche Körperschaftsteuerpflicht (Abs. 1) I. Adressat: Inländische und ausländische Investmentfonds § 6 Abs. 1 InvStG behandelt die persönliche StPfl. und ordnet inländische und ausländische 13 Investmentfonds in das körperschaftsteuerliche Gesamtgefüge ein. Ob ein Investmentfonds inländisch oder ausländisch ist, richtet sich nicht nach dem Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) oder dem statutarischen Sitz (§ 11 AO), sondern nach den investmentsteuerlichen Definitionen des § 2 Abs. 2 und 3 InvStG (vgl. § 2 InvStG Rz. 15 ff.). Entscheidend für die Einordnung (nicht aber für die StPfl. – diese ist ja gerade für beide gleich) ist damit, welchem Recht der Investmentfonds unterliegt, d.h. nach welcher Rechtsordnung er gegründet und ausgestaltet wurde und nach welchem Recht sich seine Anlagebedingungen richten.1 Maßgeblich ist daher das Privatrecht.2 Die Gleichstellung inländischer und ausländischer Rechtssubjekte bzw. Vermögensmassen 14 wirkt zunächst überraschend, kommt aber nicht von ungefähr: Ein latentes Risiko der Unionsrechtswidrigkeit sollte von vornherein ausgeschlossen werden, von diesem Gedanken ist das reformierte InvStG maßgeblich motiviert (s. Einl. 3 Europa- und Verfassungsrecht Rz. 45 ff.).

II. Fiktion: Körperschaftliche Einordnung Abs. 1 beinhaltet zwei Fiktionen: (1) Inländische Investmentfonds gelten als Zweckvermögen 15 nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG und sind damit – rechtsformunabhängig – eine unbeschränkt stpfl. Körperschaft im steuerlichen Sinne. Für in Personengesellschaftsform organisierte OGAW oder Altersvorsorgevermögensfonds nach § 53 InvStG (beide können auch – der Altersvorsorgevermögensfonds sogar nur, § 53 Abs. 1 InvStG – als PersGes. bestehen, vgl. § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG) bedeutet diese Fiktion, dass das Steuerrecht die gesellschaftsrechtliche Einordnung negiert und gleichsam eine juristische Person für Besteuerungszwecke „erschafft“. Für ohnehin als KapGes. gegründete Investmentfonds hat dies immerhin einen körperschaftsinternen Wechsel von einer KapGes. zu einem Zweckvermögen zur Folge.3 Teilweise wird bestritten, dass § 6 Abs. 1 Satz 1 InvStG tatsächlich auch eine Wirkung für Investmentfonds entfaltet, die als KapGes. gegründet und damit ohnehin schon Körperschaft sind.4 Argumentiert wird, dass ein Spezialgesetz eine grds. getroffene Einordnung nicht überschreiben könne. Das ist u.E. nicht richtig. Ebenso wie § 6 InvStG in Abs. 2 die sachliche StPfl. von Investmentfonds gegenüber anderen Körperschaften begrenzen und Abs. 7 die Einkünfteermittlung hin zu einer Überschussrechnung modifizieren kann, kann Abs. 1 eben auch die körperschaftsteuerliche Einordnung hin zum Zweckvermögen ändern.5 Etwaige Beschränkungen 1 BT-Drucks. 18/8045, 68; vgl. weitergehende Ausführungen in § 2 InvStG Rz. 15 ff. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.2. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.3, Wolny in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 6 InvStG Rz. 20; Hillebrand/Scharenberg in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 6 InvStG Rz. 9. 4 Mann in Brandis/Heuermann, § 6 InvStG Rz. 18; Mann in Moritz/Jesch/Mann2, § 6 InvStG Rz. 72. 5 Diese ist ohnehin immer in Teilen Fiktion. Eine „natürliche“ Einordnung wie bei natürlichen Personen gibt es bei juristischen Personen, die eben erst qua gesetzlicher Anordnung rechtsfähig und mögliches Steuersubjekt sind, nicht. Kretzschmann/Albrecht/Verleger | 211

§ 6 Rz. 15 | Körperschaftsteuerpflicht eines Investmentfonds der Fiktion auf bestimmte Rechtsformen hätten – wie in Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 – einer ausdrücklichen Regelung bedurft. Aus dem Wortlaut allein ist jedoch tatsächlich nicht ableitbar, ob es sich tatsächlich um einen Wechsel von der KapGes. zum Zweckvermögen handeln soll oder ob die Einordnung als Zweckvermögen zusätzlich und neben die Qualifizierung als KapGes. tritt.1 Im Zusammenhang mit § 1 Abs. 1 KStG wird jedoch deutlich, dass Ersteres zutrifft, denn die körperschaftsteuerliche Einordnung in den Katalog des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 KStG ist eine Alternative. Es ist kaum denkbar, wie eine Gesellschaft gleichzeitig mehreren Nummern in § 1 Abs. 1 KStG unterfallen soll. 16 (2) Ausländische Investmentfonds gelten nach § 6 Abs. 1 Satz 2 InvStG als Vermögensmassen

i.S.d. § 2 Abs. 1 KStG, und zwar ebenfalls rechtsformunabhängig. Sie sind damit beschränkt stpfl. mit den in Abs. 2 aufgeführten inländischen Einkünften. Dies sollte mit der Neufassung des Absatzes 1 Satz 2 durch das „JStG 2019“2 klargestellt werden.3

17 Die Fiktionen haben entscheidende Konsequenzen innerhalb des Systems des InvStG. Eine be-

sonders wichtige ist, dass Investmentfonds nicht als KapGes. gelten und daher potenziell unbeschränkt zulässige Anlagegegenstände für Spezial-Investmentfonds sind (§ 26 Nr. 4 Buchst. h, Nr. 5, 6 InvStG, s. hierzu auch § 26 InvStG Rz. 79 ff.).4

III. Keine Steuerbefreiung 18 Mindestens ebenso interessant wie das, was § 6 Abs. 1 InvStG regelt, ist das, was er nicht re-

gelt: Er befreit Investmentfonds nicht (mehr) persönlich von der KStPfl. Das bisherige System der transparenten Besteuerung wird im neuen InvStG, zumindest für Investmentfonds, nicht übernommen; für Spezial-Investmentfonds vgl. §§ 29 f. InvStG, insbes. § 29 Abs. 1 InvStG.

IV. Teilvermögen und Anteilsklassen 19 § 1 Abs. 4 InvStG bestimmt, dass haftungs- und vermögensrechtlich voneinander getrennte

Teile eines Investmentfonds für Zwecke des InvStG als eigenständige Investmentfonds gelten. Folglich sind sie auch eigene Körperschaftsteuersubjekte.5 Das betrifft in sog. Umbrella-Konstruktionen Teilsonder- (§ 96 Abs. 2 Satz 1 KAGB, zur Frage, ob hier ein Rückgriff auf § 1 Abs. 4 KStG überhaupt notwendig ist, s. § 1 InvStG Rz. 105 f.) und Teilgesellschaftsvermögen (§§ 117, 132 KAGB).

20 Verschiedene Anteilsklassen eines Investmentfonds (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 1 KAGB) sind keine

eigenen Subjekte der Körperschaftsbesteuerung, sondern steuerlich unselbstständige Teile des Investmentfonds.6 Denn Anteilsklassen sind keine verselbstständigten Vermögensmassen, sondern verbriefen lediglich unterschiedliche Rechte am Investmentvermögen.7 Die Anteile einer Anteilsklasse werden nach verschiedenen Ausgestaltungsmerkmalen, insbes. hinsichtlich der Ertragsverwendung, des Ausgabeaufschlags, des Rücknahmeabschlags, der Währung des Anteilswerts, der Verwaltungsvergütung, der Mindestanlagesumme oder einer Kombination dieser Merkmale unterteilt. 1 2 3 4 5 6 7

So wohl Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 6 InvStG Anm. 5. G v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451. BT-Drucks. 19/13436, 173. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.27. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.2. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.2. BMF v. 4.6.2014 – IV C 1 - S 1980-1/13/10007 :002 – DOK 2014/0500897, juris; Höring in Moritz/ Klebeck/Jesch, § 96 KAGB Rz. 3.

212 | Kretzschmann/Albrecht/Verleger

C. Sachliche Körperschaftsteuerpflicht (Abs. 2) | Rz. 23 § 6

C. Sachliche Körperschaftsteuerpflicht (Abs. 2) I. Vorbemerkung Innerhalb der Grundnorm des § 6 InvStG ist es neben dem ersten Absatz Abs. 2, der die zen- 21 trale Abkehr vom ehemaligen semi-transparenten Prinzip für einfache Investmentfonds manifestiert. Er normiert zwar in seinem Satz 1 zunächst eine vollständige persönliche Befreiung von der KStPfl., schränkt sodann aber in Satz 2 die Steuerbefreiung dergestalt ein, dass bestimmte inländische Einkünfte der KSt unterliegen.1 Diese Einkünfte sind nach Satz 3 der Vorschrift inländische Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 1 KStG. Die von Satz 2 normierte Rückausnahme von der Steuerbefreiung des Satzes 1 bewirkt eine diametrale Abkehr des noch in § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2004 verankerten Semi-Transparenzprinzips, das Investmentfonds unter dem InvStG 2004 weitgehend2 steuerfrei stellte. Die Systematik des Absatzes 2 ist deshalb bemerkenswert, da er in Ergänzung zu Absatz 1 bestimmt, mit welchen Einkünften Investmentfonds der KSt unterliegen, also eine gewisse Einschränkung vornimmt. Absatz 2 behandelt somit die sachliche Steuerpflicht.3 Aus diesem Regelungsmechanismus folgt zudem, dass (inländische) Investmentfonds grds. unbeschränkt stpfl. und damit abkommensberechtigte Personen im Rahmen eines DBA (s. Anh. 7 Rz. 37) sein können.4

II. Inländische und ausländische Investmentfonds Auch § 6 Abs. 2 Satz 1 InvStG differenziert nicht zwischen inländischen und ausländischen 22 Investmentfonds. Vielmehr erfasst Satz 1 unterschiedslos in- und ausländische Investmentfonds.5 Zur Frage, wann ein inländischer Investmentfonds und wann ein ausländischer Investmentfonds vorliegt, s. § 2 Abs. 2 und 3 InvStG sowie Rz. 15 f.). Durch die einheitliche Regelung der StPfl. sollen nach dem Willen des Gesetzgebers von vornherein EU-rechtliche Risiken, resultierend aus der Anwendung von unterschiedlichen Besteuerungstechniken, vermieden werden (s. dazu Einl. 3 Europa- und Verfassungsrecht Rz. 45 ff.).6

III. Besteuerungsgegenstand: Enumerierte inländische Einkünfte § 6 Abs. 2 Satz 2 InvStG etabliert eine Besteuerung für Investmentfonds, dies allerdings nicht 23 im Sinne einer reinen Vermögenszuwachstheorie: Nicht sämtliche Einnahmen/Gewinne eines Investmentfonds sind steuerbar, sondern nur solche aus bestimmten Quellen (sog. Quellenprinzip). Die Aufzählung sachlich stpfl. Einkünfte in § 6 Abs. 2 Satz 2 InvStG ist abschließend.7 Im Einzelnen sind es Einkünfte aus folgenden Quellen:

1 Hahne/Michaelis, RdF 2019, 196 (200); Hagen/Schober, BB 2019, 1693 (1693); Wolny in Bödecker/ Ernst/Hartmann, § 6 InvStG Rz. 28. 2 Ausgenommen waren nach § 11 Abs. 1 Satz 4 InvStG 2004 gewisse Einkünfte von intern verwalteten Investmentaktiengesellschaften. Diese Einkünfte bleiben nach § 6 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 InvStG 2018 stpfl. 3 Mann in Moritz/Jesch/Mann2, § 6 InvStG Rz. 91; vgl. auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.4. 4 BT-Drucks. 19/13436, 173. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.4. 6 BT-Drucks. 18/8045, 72. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.4; BT-Drucks. 18/8045, 72; beachte allerdings für den Sonderfall einer Dachfondsstruktur mit von einem Spezial-Investmentfonds ausgeschütteten Immobilienerträgen § 33 Abs. 2 Satz 1 InvStG. Gemäß dieser Norm sind die Erträge auf Eingangsseite des einfachen Investmentfonds keine (stfreien) Spezial-Investmenterträge, sondern gelten als Erträge nach § 6 Abs. 4 InvStG. Kretzschmann/Albrecht/Verleger | 213

§ 6 Rz. 23 | Körperschaftsteuerpflicht eines Investmentfonds – inländische Beteiligungseinnahmen, s. näher Abs. 3, – inländische Immobilienerträge, s. näher Abs. 4, – sonstige inländische Einkünfte, s. näher Abs. 5. 24 Konsequenz dieses Quellenprinzips in Kombination mit der Gleichbehandlung inländischer

wie ausländischer Investmentfonds ist, dass auch inländische Investmentfonds nur mit (bestimmten) inländischen Einkünften in Deutschland stpfl. sind. Vor allem Veräußerungsgewinne aus Wertpapieren, ausländische Dividenden und Immobilienerträge, unbesicherte und gewinnunabhängige Zinsen können (außerhalb aktiv unternehmerischer Bewirtschaftung) daher von Investmentfonds stfrei vereinnahmt werden.1 Gleiches gilt für (Spezial-)Investmenterträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 3 und 3a EStG, da diese nicht Teil der enumerativen Aufzählung in § 6 Abs. 2 InvStG sind.2

IV. Verweis auf das KStG (Abs. 2 Satz 3) 25 § 6 Abs. 2 Satz 3 InvStG erklärt die Einkünfte nach Satz 2 gleichzeitig zu Einkünften nach § 2

Nr. 1 KStG. Das ist formulierungstechnisch ungenau, denn § 2 Nr. 1 KStG definiert überhaupt keine Einkünfte, sondern erwähnt sie lediglich. Gemeint ist aber, dass die in Satz 2 genannten Einkünfte bei ausländischen Investmentfonds einer beschränkten KStPfl. unterliegen.3 Satz 3 stellt somit sicher, dass die KStPfl. ausländischer Investmentfonds derjenigen inländischer Investmentfonds entspricht. Sie geht aber auch nicht darüber hinaus, insbes. ist durch § 6 Abs. 2 Satz 3 InvStG nicht der gesamte § 49 Abs. 1 EStG (gleichsam an § 6 Abs. 5 Nr. 1 InvStG mit seinen Ausnahmeregelungen vorbei) anwendbar.4

D. Inländische Beteiligungseinnahmen (Abs. 3) I. Vorbemerkung 26 § 6 Abs. 3 InvStG konkretisiert im System des § 6 InvStG (als erster von drei Absätzen) die

inländischen Einkünfte, für die nach Abs. 2 eine sachliche StPfl. besteht. Er definiert inländische Beteiligungseinnahmen und regelt den Steuerabzug für bestimmte inländische Beteiligungseinnahmen. Inländische Beteiligungseinnahmen i.S.d. § 6 Abs. 3 InvStG unterliegen in voller Höhe der Besteuerung. Weder ist die Steuerbefreiung für Beteiligungserträge nach § 8b KStG auf Ebene des Investmentfonds anwendbar (§ 6 Abs. 6 InvStG), noch ist ein Abzug von WK bzw. eine Verlustverrechnung möglich (§ 6 Abs. 7 und 8 InvStG). Die Erhebung der KapErtrSt gegenüber dem Investmentfonds erfolgt mit abgeltender Wirkung (§ 7 InvStG). Die Norm arbeitet mit zahlreichen Verweisketten (in der Regel wird, um einen Einkünftetatbestand zu definieren, vom Investmentsteuerrecht auf eine Abzugsvorschrift verwiesen, die wiederum auf eine materiell-rechtliche Steuernorm verweist) und ist für den Rechtsanwender aus sich heraus kaum verständlich. Im System der Kapitalertragbesteuerung ist das allerdings nicht außergewöhnlich.

1 Mann in Brandis/Heuermann, § 6 InvStG Rz. 27; BT-Drucks. 18/8045, 72. 2 Mann in Moritz/Jesch/Mann2, § 26 InvStG Rz. 99; Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2720 f.). Eine Ausnahme gilt für gewisse Spezial-Investmenterträge, die nach § 33 Abs. 2 InvStG in Dachfondsstrukturen in inländische Immobilienerträge umqualifiziert werden, die auf Ebene des Dachfonds nach § 6 Abs. 4 InvStG stpfl. sind (s. dazu § 33 InvStG Rz. 38 f.). 3 BT-Drucks. 18/8045, 72. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.4.

214 | Kretzschmann/Albrecht/Verleger

D. Inländische Beteiligungseinnahmen (Abs. 3) | Rz. 30 § 6

II. Definition inländischer Beteiligungseinnahmen (Abs. 3 Satz 1) 1. Dividenden u.a. (Abs. 3 Satz 1 Nr. 1) § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvStG definiert inländische Beteiligungseinnahmen als Einnahmen 27 nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 1a EStG. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 1a EStG definiert selbst aber keine Einnahmen, sondern verweist zu ihrer Beschreibung seinerseits auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG, der u.a. folgende Einkünfte benennt:1 – Dividenden aus Aktien, auch girosammel- oder streifbandverwahrt; – Ausbeuten und sonstige Bezüge aus Aktien, Genussrechte, mit denen das Recht am Gewinn und Liquidationserlös einer KapGes. verbunden ist; – Dividenden aus GmbH-Anteilen; – Bezüge aus verdeckten Gewinnausschüttungen; – Bezüge aus der Auflösung einer KapGes. (abgesehen vom Nennkapital); – Bezüge, die aufgrund einer Kapitalherabsetzung anfallen. Auch Einnahmen aus Hinterlegungsscheinen auf inländische Aktien2 sowie Einkünfte nach 28 § 19 Abs. 1 REITG sind inländische Beteiligungseinnahmen im Sinne dieser Vorschrift.3 Wesentlicher praktischer Anwendungsfall von Satz 1 Nr. 1 dürften Dividenden sein, die von inländischen KapGes. ausgeschüttet werden.4 Die Norm ist u.E. unpräzise, was ihre Definition von bzw. Beschränkung auf inländische Ein- 29 künfte anbelangt. Die Verweise in Nr. 1 und Nr. 2 beziehen sich jeweils auf Normen, die ihrerseits den Inlandsbezug zwar voraussetzen, aber nicht definieren. Sie selbst erhalten auch keine eigene Beschränkung. Dafür stehen im jeweiligen System § 43 Abs. 3 EStG (bei Nr. 1) und über einen Verweis in § 8 Abs. 1 KStG auch § 49 EStG (bei Nr. 2) bereit, auf die § 6 Abs. 3 Satz 1 InvStG aber nicht explizit verweist. Auch wenn Sinn und Zweck der Norm ein eindeutiges Auslegungsergebnis ergeben – ein ausländischer Investmentfonds kann nicht mit Dividenden von ausländischen Gesellschaften in Deutschland stpfl. sein –, wäre ein klarstellender Hinweis bzw. ein jeweils umfassenderer Verweis wünschenswert gewesen. 2. Entgelte aus Wertpapierdarlehen u.a. (Abs. 3 Satz 1 Nr. 2) a) Vorbemerkung

Darüber hinaus erweitert Satz 1 Nr. 2 die StPfl. auf Entgelte, Einnahmen und Bezüge nach § 2 30 Nr. 2 Buchst. a bis c KStG im Wege eines Rechtsfolgenverweises.5 In einem System abschließend aufgezählter Besteuerungsgegenstände besteht für den Fiskus die Gefahr der Umgehung einer StPfl. durch „Verpackung“ von Einkünften in anderen Formen. Dem will Satz 1 Nr. 2 vorbeugen. Ein Investmentfonds kann sich somit nicht seiner StPfl. entziehen, indem er Wertpapiere „verleiht“ und statt einer Dividende Kompensationszahlungen für das Wertpapierdarlehen vereinnahmt.6 § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG i.V.m. Satz 2 (dazu Rz. 40) fügt sich ein in das legislative 1 Umfangreiche Übersicht bei Hahne, DStR 2017, 2310 (2311). 2 Sog. ADR, EDR, GDR, IDR: american, european, global oder international depository receipts, s. dazu BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.6, mit Verweis auf BMF v. 24.5.2013 – IV C 1 - S 2204/12/10003, BStBl. I 2013, 718, und v. 18.12.2018 – IV C 1 - S 2204/12/10003, BStBl. I 2018, 1400; Mann in Brandis/Heuermann, § 6 InvStG Rz. 33, erwartet ob der seiner Ansicht nach nicht vorhandenen Vorteile gegenüber dem Aktienerwerb insoweit keine praktische Relevanz. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.6. 4 Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 6 InvStG Anm. 20. 5 BT-Drucks. 18/8045, 73; Hahne, DStR 2017, 2310 (2312). 6 BT-Drucks. 28/8045, 73; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.9. Kretzschmann/Albrecht/Verleger | 215

§ 6 Rz. 30 | Körperschaftsteuerpflicht eines Investmentfonds Bemühen, „als unliebsam definierte“1 Wertpapierdarlehensgeschäfte zu unterbinden oder jedenfalls keine steuerliche Motivation für sie zu bieten. Es ist wichtig, sich diesen telos der Vorschrift bei ihrer Auslegung ins Gedächtnis zu rufen: § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG soll vermeintliche Steuerumgehungen verhindern, nicht aber zu erhöhten Belastungen führen. Konsequenterweise ist sowohl das „Ob“ als auch das „Wie viel“ einer Besteuerung nach Nr. 2 akzessorisch zu den (auf Fondsebene hypothetischen) Einkünften, die die überlassenen/übertragenen Anteile nach Nr. 1 erzielen würden bzw. beim Empfänger erzielen. Das sieht auch die FinVerw. so.2 31 Entgelte, Einnahmen und Bezüge sind sämtliche Leistungen, die der Investmentfonds aus der

Überlassung/Übertragung erhält.3 Dies umfasst neben dem Entgelt der Kompensationszahlung und der „Leih“-Gebühr auch sonstige Leistungen, wie z.B. Zinsen aus einem Wertpapier, das dem Investmentfonds zur Sicherung des Darlehens überlassen wurde. Im Einzelnen erfasst Satz 1 Nr. 2 durch seinen Verweis auf § 2 Nr. 2 KStG folgende Einkünfte: – Entgelte für die Überlassung von Anteilen an einer inländischen KapGes. im Rahmen eines Wertpapierdarlehens (Buchst. a); – Entgelte für die Übertragung von Anteilen an einer inländischen KapGes. im Rahmen eines echten Wertpapierpensionsgeschäfts nach § 340b Abs. 2 HGB (Buchst. b); – Einnahmen und Bezüge der in § 8b Abs. 10 Satz 2 KStG genannten Art für die Überlassung von Anteilen an einer inländischen KapGes. (Buchst. c). b) Wertpapierdarlehen

32 Sachlich kstpfl. ist ein Investmentfonds mit Entgelten, die ihm dafür entrichtet werden, dass

er einem anderen Geschäftsanteile an einer inländischen KapGes. überlässt und sich der andere verpflichtet, Anteile gleicher Art, Güte und Menge zurückzuerstatten (vgl. § 200 Abs. 1 KAGB). Damit ist insbes. das Wertpapierdarlehen (umgangssprachlich auch Wertpapierleihe genannt, obwohl es sich in den seltensten Fällen um ein unentgeltliches Geschäft handeln wird, vgl. § 598 BGB) gemeint.4 Das Darlehensentgelt bzw. die sogenannte Dividendenkompensationszahlung bemisst sich i.d.R. nach der Höhe der während der Laufzeit des Wertpapierdarlehens vom Darlehensnehmer vereinnahmten Dividenden.

33 Der Inlandsbezug wird dadurch sichergestellt, dass die überlassenen Anteile an KapGes. beste-

hen müssen, die ihren Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) oder ihren Sitz (§ 11 AO) im Inland haben. Das führt zu einem Besteuerungszugriff des deutschen Fiskus z.B. in Fällen, in denen sich ein Steuerausländer von einem ausländischen Investmentfonds deutsche Aktien leiht.5

34 Da § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG lediglich ein Substitut für Einkünfte nach Nr. 1 ist, sind die

Entgelte, Einnahmen und Bezüge nicht der Besteuerung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG zu unterwerfen, wenn in dem Zeitraum der Überlassung oder Übertragung keine Ansprüche auf inländische Beteiligungseinnahmen i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvStG aus den überlassenen oder übertragenen Anteilen entstehen. Erforderlich ist damit eine Wertpapierleihe über den Dividendenstichtag hinaus.6 1 Kögel in Gosch4, § 32 KStG Rz. 40. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.9. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.8, für ein weites Verständnis auch Mann in Brandis/Heuermann, § 6 InvStG Rz. 36 m.w.N.; a.A. Hahne, DStR 2017, 2310 (2314). 4 Weitere Fälle – allerdings ohne praktische Relevanz – bei Mann in Brandis/Heuermann, § 6 InvStG Rz. 36. 5 Beispiel bei Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 6 InvStG Anm. 20; kritisch hierzu Hahne, DStR 2017, 2310 (2316). 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.9; Wolny in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 6 InvStG Rz. 100; Mann in Moritz/Jesch/Mann2, § 6 InvStG Rz. 160.

216 | Kretzschmann/Albrecht/Verleger

D. Inländische Beteiligungseinnahmen (Abs. 3) | Rz. 37 § 6

c) Wertpapierpensionsgeschäft Im Gegensatz zum Wertpapierdarlehen wird beim Pensionsgeschäft das Wertpapier nicht nur 35 darlehensweise im Wege eines Sachdarlehens nach § 607 BGB übertragen, sondern wird geund verkauft, wobei im Zuge der Hin- und Rückgabe folglich Beträge als Kaufpreis gezahlt werden. Der Verweis in § 2 Nr. 2 KStG erfasst nur echte Wertpapierpensionsgeschäfte nach § 340b Abs. 2 HGB, d.h. solche, bei denen der Pensionsnehmer nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist, die in Pension genommenen Vermögensgegenstände zurück zu übertragen.1 Wiederum gilt, dass eine restriktive Auslegung dergestalt vorzunehmen ist, dass stpfl. inländische Beteiligungseinnahmen nur dann vorliegen, wenn überhaupt Dividenden vom Pensionsnehmer während der Laufzeit des Geschäfts vereinnahmt wurden.2 Die Gleichstellung von echten Wertpapierpensions- mit Wertpapierdarlehensgeschäften ist 36 aufgrund ihrer wirtschaftlich nur marginalen Differenz gerechtfertigt. Beide unterscheiden sich nur darin, dass der Pensionsnehmer aufgrund des Kauf-/Verkaufsvorgangs während des Pensionszeitraums einen Gegenwert in Form des Kaufpreises hinterlässt. Bilanziell werden beide Phänomene gleichbehandelt.3 Das gilt im Übrigen auch für Repo- und Buy/Sell-BackGeschäfte, die ebenfalls unter den Begriff des echten Pensionsgeschäfts gefasst werden und deren Entgelte daher für Investmentfonds ebenfalls gem. § 6 Abs. 2 und 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG steuerbar sind.4 d) Ersatzgeschäfte Einkünfte nach § 2 Nr. 2 Buchst. c KStG sind Einnahmen und Bezüge i.S.d. § 8b Abs. 10 Satz 2 37 KStG. Hierzu zählen Einkünfte, die bei einer Wertpapierleihe aus Wirtschaftsgütern erzielt werden, die statt einer Barzahlung als Leihgebühr bzw. als Kompensationszahlungen überlassen werden.5 Die Inbezugnahme von § 2 Nr. 2 Buchst. c KStG dient dazu, die Umgehung der (verhinderten) Umgehung zu verhindern. § 8b Abs. 10 Satz 2 KStG ist eine Zurechnungsund Qualifikationsvorschrift, beides im Wege der Fiktion. Begreift man Wertpapierdarlehen als ein potenzielles Mittel, Dividenden und deren Besteuerung zu vermeiden, so stellen Geschäfte nach § 8b Abs. 10 Satz 2 KStG einen Weg dar, die wirtschaftlichen Ergebnisse eines Wertpapierdarlehens (und damit indirekt u.U. einer Dividende) zu erreichen, ohne Wertpapierdarlehen (inkl. Besteuerung) zu sein. In diesen Fällen erhält der Entleiher kein direktes Entgelt für die Überlassung, sondern stattdessen Wirtschaftsgüter, aus denen sich eine Einnahmequelle ergeben kann. Diese Einkünfte werden nach § 8b Abs. 10 Satz 2 KStG fiktiv der Körperschaft zugerechnet, die diese Wirtschaftsgüter überlässt. Gleichzeitig werden sie als Entgelt für die (ursprüngliche) Überlassung der Anteile qualifiziert. Im Rahmen des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG bedeutet das, dass der die Anteile überlassende (und im Gegenzug Wirtschaftsgüter erhaltene) Investmentfonds auch mit diesen Entgelten sachlich stpfl. ist.6 Beispiel:7 Das Kreditinstitut A gewährt dem Investmentfonds B ein Wertpapierdarlehen über Schuldverschreibungen. Gleichzeitig überträgt B Aktien im Wege eines gegenläufigen Wertpapierdarlehens an A, aus dem A für die Dauer der Laufzeit des Darlehens Dividenden erhält. B vereinnahmt etwaige Zinserträge. Anstelle

1 Mann in Moritz/Jesch/Mann2, § 6 InvStG Rz. 174. 2 Wolny in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 6 InvStG Rz. 109; vgl. auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.9. 3 Böcking/Wolsiffer/Bär in MüKo HGB, 4. Aufl. 2020, § 340b Rz. 41. 4 Mann in Brandis/Heuermann, § 6 InvStG Rz. 37. 5 Witt in H/H/R, § 2 KStG Anm. 130. 6 Mann in Moritz/Jesch/Mann2, § 6 InvStG Rz. 182; Wolny in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 6 InvStG Rz. 117. 7 Angelehnt an Hahne, DStR 2017, 2310 (2313). Kretzschmann/Albrecht/Verleger | 217

§ 6 Rz. 37 | Körperschaftsteuerpflicht eines Investmentfonds der Dividenden- oder Zinskompensationszahlungen vereinbaren A und B einen Differenzausgleich für den Fall, dass die vereinnahmten Erträge des einen die entsprechenden Erträge des anderen übersteigen. In diesem Fall gelten die bei A verbleibenden Einnahmen aus Dividenden als (fiktive) Dividendenkompensationszahlung zugunsten von B nach § 8b Abs. 10 Satz 2 KStG. Im Ergebnis erzielt B i.H.d. fiktiven Dividendenkompensationszahlung stpfl. Einkünfte i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG i.V.m. § 2 Nr. 2 Buchst. c, § 8b Abs. 10 Satz 2 KStG.

38 § 2 Nr. 2 Buchst. c KStG – und damit auch § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG – sind allerdings

nach der hier vertretenen Ansicht „stumpfe Schwerter“: Sie schützen den Fiskus zwar vor Umgehungen von Wertpapierdarlehen durch modifizierte Gegenleistungspraktiken, nicht jedoch vor wirtschaftlich und bilanziell vergleichbaren Umgehungen, die anstelle von Wertpapierdarlehen auf Wertpapierpensionsgeschäften gewählt werden. Indem § 2 Nr. 2 Buchst. c KStG ausschließlich auf § 8b Abs. 10 Satz 2 KStG, nicht aber auf § 8b Abs. 10 Satz 4 KStG verweist, nimmt es Ersatzgeschäfte für Pensionsgeschäfte aus der sachlichen StPfl. aus.1 Dieser eingeschränkte Anwendungsbereich des § 2 Nr. 2 Buchst. c KStG ist wegen der direkten Inbezugnahme auch für § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG relevant. Der Gesetzeswortlaut ist insoweit eindeutig und erlaubt keine extensive, steuerbegründende Auslegung. e) Einschaltung von Intermediären

39 Eine häufige Gestaltung in der Praxis ist es, dass Gläubiger und Schuldner im Rahmen eines

Wertpapierdarlehens oder eines echten Wertpapierpensionsgeschäfts keine direkten Vertragsbeziehungen eingehen, sondern einen Intermediär (sog. zentrale Gegenpartei, z.B. Eurex Clearing AG) einschalten. Die FinVerw. negiert richtigerweise in diesen Fällen aufgrund der im Steuerrecht gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise den Intermediär und hält allein die „ursprünglichen“ Vertragsparteien, bei denen die wirtschaftlichen Vorteile und Lasten liegen, für Schuldner und Gläubiger des Darlehens- bzw. Pensionsgeschäfts (obwohl nach zivilrechtlich-formaler Betrachtungsweise die zentrale Gegenpartei sogar beide Rollen simultan annimmt). Dies hat auch Auswirkungen für die Entrichtungspflicht im Rahmen des Steuerabzugs. Denn die Steuerabzugsverpflichtung verbleibt bei dem ursprünglichen Darlehens- oder Pensionsnehmer, der das Vertragsverhältnis mit einem Investmentfonds als Darlehens- oder Pensionsgeber begründet hat.2

III. Steuererhebung durch Kapitalertragsteuer (Abs. 3 Satz 2) 40 Inländische Beteiligungseinnahmen in Form von Gebühren und Kompensationszahlun-

gen (s. Rz. 26 ff.),3 die von einem Investmentfonds erzielt werden, unterliegen gem. § 6 Abs. 2 Satz 2 InvStG einem Kapitalertragsteuerabzug. Nach dieser Norm sind die Regelungen zum Steuerabzug nach § 32 Abs. 3 KStG entsprechend anzuwenden. Der Satz statuiert einen weiteren Rechtsfolgenverweis.4 Dieser betrifft aber nicht die Einbeziehung bestimmter Einkünfte in die sachliche StPfl. nach Abs. 2, sondern die Erhebungsform für die nach Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 bereits bestehende Besteuerung. Die Höhe des Steuerabzugs ergibt sich demgegenüber aus § 7 InvStG.5 Vgl. auch die tiefergehenden Ausführungen in Anhang 2. 1 Vgl. für das Körperschaftsteuerrecht Levedag in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2015, § 2 Rz. 127; Witt in H/H/R, § 2 KStG Anm. 130; a.A. Mann in Brandis/Heuermann, § 6 InvStG Rz. 38, mit missverständlichem Verweis auf Witt in H/H/R, § 2 KStG Anm. 130; a.A. mit Verweis auf den „weit gefassten Begriff der Überlassung von Anteilen“ auch Hillebrand/Scharenberg in Beckmann/ Scholtz/Vollmer, § 6 InvStG Rz. 27. 2 S. dazu sowie zum ähnlichen Fall des agency lending BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.19 ff. 3 Hahne, DStR 2017, 2310 (2314 f.), allerdings auf S. 2311 zunächst missverständlich („insgesamt“). 4 BT-Drucks. 18/8045, 73. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.17.

218 | Kretzschmann/Albrecht/Verleger

D. Inländische Beteiligungseinnahmen (Abs. 3) | Rz. 46 § 6

Für inländische Einnahmen nach Nr. 21 gelten grds. die allgemeinen Regeln zum Kapital- 41 ertragsteuerabzug (§§ 43 ff. EStG) (vgl. § 32 Abs. 3 Satz 3 KStG i.V.m. § 6 Abs. 3 Satz 2 InvStG).2 Entrichtungspflichtig ist danach – unabhängig von etwaigen DBA-Erstattungsansprüchen3 – der Schuldner der Kapitalerträge (§ 44 Abs. 1 Satz 3 EStG). Das ist in den „Normal“-Fällen des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG der Schuldner der Vergütung und bei sammelverwahrten Aktien und Genussscheinen die die Kapitalerträge auszahlende (inländische, s. Rz. 45) Stelle.4 Für Einkünfte aus den „Ersatzgeschäften“ (s. oben Rz. 32 f.) ist nach der Sondervorschrift in 42 § 32 Abs. 3 Satz 4 KStG (i.V.m. § 6 Abs. 3 Satz 2 InvStG) die Körperschaft, die die Einnahmen oder Bezüge leistet, entrichtungspflichtig.

Konsequenz ist, dass derjenige, der sich von einem Investmentfonds Wertpapiere leiht, bei Leis- 43 tung einer Kompensationszahlung Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen hat.5 Die Pflicht zum Steuerabzug trifft inländische Entrichtungspflichtige. Relevant ist die Ansässigkeit, ggf. auch die einer Zweigniederlassung. Eine inländische Zweigniederlassung eines ausländischen Kreditinstituts ist damit entrichtungspflichtig.6 Die Norm nimmt ausländische Entitäten nicht explizit von der Entrichtungspflicht aus. Die deutschen Behörden können aber nur in ihrem eigenen räumlichen Kompetenzbereich sicherstellen und erzwingen, dass Beträge entrichtet werden. Weiter als diese Kompetenz kann auch die Verpflichtung zu einer Entrichtung nicht gehen. Ausländische Rechtsgebilde (nach oben Gesagtem inkl. ausländischer Zweigniederlassungen inländischer Kreditinstitute) sind daher nicht zum Abzug von KapErtrSt verpflichtet.7 Bei Zweifeln über die Pflicht zur Vornahme eines Steuerabzugs aufgrund einer unsicheren 44 oder unbekannten Qualifizierung des Empfängers (als Investmentfonds oder Spezial-Investmentfonds) ist der Abzug vorzunehmen.8 Hätte keine Steuer einbehalten werden müssen (weil der Empfänger kein [Spezial-]Investmentfonds und auch sonst keine inländische KapGes. ist, für die § 32 Abs. 3 KStG originär gilt)9, muss der Darlehens- oder Pensionsnehmer eine Erstattung beim zuständigen FA nach § 37 Abs. 2 AO beantragen.10 Wurde entgegen einer Entrichtungspflicht kein (ausreichender) Steuerabzug vorgenommen 45 und erhält der Investmentfonds somit einen Bruttobetrag ausbezahlt, hat er die nach § 4 InvStG zuständige Behörde darüber zu informieren. Diese kann die Steuer nachfordern (§ 44 Abs. 5 Satz 2 EStG i.V.m. §§ 167 Abs. 1, 155 AO) oder den Investmentfonds diesbezüglich – jeweils mit den gewöhnlichen investmentsteuerlichen Tarifen – veranlagen.11 Die Höhe der zu entrichtenden KapErtrSt beträgt in diesen Fällen 15 % zzgl. Solidaritätszuschlag (§ 32 Abs. 3 Satz 2 KStG), wird aber bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 und 3 InvStG auf 15 % insgesamt reduziert.

Da sich die Norm nur auf Erträge nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG bezieht, hätte sie auch 46 dort als Satz 2 der Nr. 2 verortet werden können. Dies hätte den Bezug für den Rechtsanwender auch ohne Verweiskette über § 32 Abs. 3 KStG nach § 2 Nr. 2 Halbs. 2 KStG deutlich gemacht.

1 2 3 4 5 6 7 8

D.h. Einkünfte nach § 2 Nr. 2 Halbs. 2 Buchst. a und b KStG. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.10. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.15. Boxberger in W/B/A3, § 6 InvStG Rz. 16, Mann in Moritz/Jesch/Mann2, § 6 InvStG Rz. 197. BT-Drucks. 18/8045, 73. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.14. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.14. Eine fehlende Statusbescheinigung ist in diesem Zusammenhang nicht unmittelbar relevant, da § 7 Abs. 1 InvStG nicht auf § 6 Abs. 3 Satz 2 InvStG verweist. 9 Zu weit BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.16. 10 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.16. 11 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.22 f. Kretzschmann/Albrecht/Verleger | 219

§ 6 Rz. 47 | Körperschaftsteuerpflicht eines Investmentfonds

E. Inländische Immobilienerträge (Abs. 4) I. Vorbemerkung 47 Abs. 4 ist systematisch ähnlich aufgebaut wie Abs. 3. Der erste Satz ist jeweils materiell-recht-

licher, der zweite eher verfahrensrechtlicher Art, wobei der erste Satz in beiden Fällen in zwei Nummern unterteilt ist. Abs. 4 InvStG unterscheidet sich von Abs. 3 jedoch in seiner Bestandsschutzregelung in Satz 3.

II. Inländische Immobilienerträge (Abs. 4 Satz 1) 48 § 6 Abs. 4 Satz 1 InvStG bestimmt, welche Erträge als inländische Immobilienerträge nach § 6

Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 InvStG stpfl. sind. Die Norm definiert Immobilienerträge als – Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten; – Gewinne aus der Veräußerung von Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten.

49 Eine Legaldefinition des Begriffs „Grundstück“ kennt das deutsche Recht nicht. Er wird aller-

dings in zahlreichen Gesetzen vorausgesetzt und in Bezug genommen.1 Gemeint ist nach dem tatsächlichen Sprachgebrauch sowie dem bürgerlich-rechtlichen Verständnis (vgl. z.B. §§ 94, 873 BGB) ein räumlich abgegrenzter, katastermäßig vermessener und bezeichneter Bereich der Erdoberfläche, der – zumindest in Deutschland – in einem Grundbuch eingetragen ist.2

50 Grundstücksgleiche Rechte sind u.a. Erbbaurechte und Wohnungseigentum nach dem WEG.

Aufsichtsrechtlich fallen auch bestimmte, der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienende Nießbrauchrechte nach § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 KAGB unter die grundstücksgleichen Rechte. Es ist davon auszugehen, dass die FinVerw. auch Einkünfte und Gewinne, die aus ihnen resultieren, in die StPfl. nach § 6 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 InvStG einbeziehen wird. Dafür sprechen auch gute Gründe.3

51 Inländisch sind diese Immobilienerträge dann, wenn die Grundstücke oder die grundstücks-

gleichen Rechte, aus denen sich Veräußerungsgewinne oder Mieteinkünfte speisen, im Inland belegen sind.

52 Nr. 1 behandelt sog. Vermietungs- und Verpachtungseinkünfte (VuV-Einkünfte). Vermie-

tungen und Verpachtungen sind gekennzeichnet durch eine Nutzungsüberlassung auf Zeit gegen Entgelt.4 Auffällig ist, dass der Wortlaut der Norm enger ist als der des § 21 EStG, sich nämlich ausdrücklich auf VuV-Einkünfte aus Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten beschränkt. § 21 EStG umfasst demgegenüber Einkünfte aus VuV sämtlicher unbeweglicher und einiger beweglicher Vermögen sowie von Rechten und zählt Immobilien selbst innerhalb der unbeweglichen Vermögen nur als einen Beispielfall neben anderen (Schiffen) auf. Für eine Erstreckung der Besteuerung auf diese weiteren Einkünfte lässt Abs. 4 keinen Raum, es kommt aber eine Besteuerung nach § 6 Abs. 5 Nr. 1 InvStG in Betracht.5

53 Nr. 2 unterwirft Veräußerungsgewinne aus Immobilien der sachlichen StPfl. § 6 Abs. 4 Satz 1

Nr. 2 InvStG verweist nicht auf die Anforderungen an ein privates Veräußerungsgeschäft, wie

1 Z.B. in § 1 Abs. 19 Nr. 21 KAGB für die Definition von „Immobilien“. 2 BGH v. 19.12.1967 – V BLw 24/67, BGHZ 49, 145. 3 Neben dem natürlichen Sprachgebrauch und der vergleichbaren wirtschaftlichen Situation ist dies der Gleichklang mit dem Aufsichtsrecht, vgl. auch § 26 InvStG Rz. 73 f. 4 Mellinghoff in Kirchhof/Seer21, § 21 EStG Rz. 3. 5 Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 6 InvStG Anm. 25.

220 | Kretzschmann/Albrecht/Verleger

E. Inländische Immobilienerträge (Abs. 4) | Rz. 56 § 6

es bei § 49 Abs. 1 Nr. 8 EStG der Fall ist.1 Die StPfl. tritt damit unabhängig davon ein, wie lange die Immobilie gehalten wurde.2 Die Vorschrift erfasst nur unmittelbare Immobilienveräußerungen durch einen Investmentfonds oder durch die die Immobilie haltende PersGes., an der der Investmentfonds eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung hält. Die Veräußerung von Anteilen an grundbesitzenden PersGes. (mittelbare Immobilienveräußerung) ist in Verbindung mit § 6 Abs. 6a InvStG tatbestandlich und damit stpfl. (s. Rz. 81 ff.).

Einkünfte und Gewinne nach § 6 Abs. 4 InvStG unterliegen keinem Steuerabzug, sondern wer- 54 den im Wege der Veranlagung festgesetzt.3 Eine Ausnahme besteht für den Fall, dass ein Investmentfonds an einem Spezial-Investmentfonds beteiligt ist und dieser Spezial-Investmentfonds auf ausgeschüttete Immobilienerträge Abzugssteuern einbehält. Hier normiert § 33 Abs. 2 Satz 1 InvStG zunächst den Rechtsgrund für eine Besteuerung, indem er anstelle von Spezial-Investmenterträgen Immobilienerträge nach § 6 Abs. 4 InvStG fingiert. § 33 Abs. 2 Satz 2 InvStG ordnet für diese Erträge – obwohl (fiktiv) solche nach § 6 Abs. 4 InvStG – einen Steuerabzug an.

III. Gewinnermittlung nach dem EStG (Abs. 4 Satz 2) § 6 Abs. 4 Satz 2 InvStG ist eine Gewinnermittlungsvorschrift. Sie enthält jedoch keine originä- 55 ren Regeln, sondern erklärt zur Ermittlung des Gewinns nach Satz 1 Nr. 2 den § 23 Abs. 3 Sätze 1 bis 4 EStG für entsprechend anwendbar.4 Für die Einkünfteermittlung i.R.d. § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 InvStG ist Satz 2 nicht anwendbar, insoweit gilt § 6 Abs. 7 InvStG. Veräußerungsgewinn nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 InvStG ist daher die Differenz zwischen Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zzgl. Werbungskosten andererseits. Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mindern sich um Absetzungen für Abnutzung (AfA), soweit sie bei der Ermittlung der Einkünfte abgezogen worden sind. Hat ein Investmentfonds vor dem 1.1.2018 AfA bei der Einkünfteermittlung der Anleger angesetzt, mindern sich die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten ebenfalls. Das gilt allerdings nicht in Fällen, in denen die Wertsteigerungen vor dem 1.1.2018 nach § 6 Abs. 4 Satz 3 InvStG stfrei sind (s. Rz. 56 ff.).5

IV. Bestandsschutz (Abs. 4 Satz 3) Nach § 6 Abs. 4 Sätze 1 und 2 InvStG sind sämtliche Veräußerungsgewinne, die aus der Ver- 56 äußerung von Immobilien herrühren, steuerbar. Allerdings sind gem. § 6 Abs. 4 Satz 3 InvStG Wertveränderungen, die vor Inkrafttreten des neuen InvStG am 1.1.2018 eingetreten sind, stfrei, sofern der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung mehr als zehn Jahre beträgt. Der Begriff der Wertveränderungen erfasst sowohl die in dem maßgeblichen Zeitraum anfallenden Wertsteigerungen als auch Wertverluste.6 Maßgeblich ist – wie stets im Rahmen von § 23 EStG – der Abschluss des obligatorischen Rechtsgeschäfts (Verpflichtungsgeschäft).7 Vgl. auch die weitergehenden Ausführungen in der Einl. 3 Europa- und Verfassungsrecht Rz. 3 ff.

1 Zwar wird § 49 Abs. 1 Nr. 8 EStG von § 6 Abs. 5 InvStG in Bezug genommen, entfaltet aber für die speziellere Vorschrift des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 InvStG keine Sperrwirkung (§ 6 Abs. 5 Nr. 1 a.E. InvStG), s. auch Mann in Brandis/Heuermann, § 6 InvStG Rz. 53 m.w.N. 2 Beachte aber für vor dem 1.1.2018 erworbene Immobilien die Bestandsschutzregelung des § 6 Abs. 4 Satz 3 InvStG. 3 Mann in Moritz/Jesch/Mann2, § 6 InvStG Rz. 230. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.28. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.28, mit Berechnungsbeispiel in Rz. 6.30. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.29. 7 St. Rspr., s. BFH v. 13.12.2005 – IX R 14/03, BStBl. II 2006, 513; ebenso BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.29. Kretzschmann/Albrecht/Verleger | 221

§ 6 Rz. 57 | Körperschaftsteuerpflicht eines Investmentfonds 57 Die Grundaussage „Wertveränderungen sind steuerfrei“ wird von zwei maßgeblichen Ein-

schränkungen begleitet. Zum einen betrifft die Steuerfreiheit nur solche Wertsteigerungen, die bis einschließlich 31.12.2017 eingetreten sind. Alle danach folgenden Wertsteigerungen sind immer und unabhängig von Haltefristen zu versteuern. Das bedingt, dass auf den Stichtag eine Bewertung vorzunehmen ist (bzw. vielmehr war) (s. dazu und zu Vereinfachungsregelungen Rz. 58). Die zweite Einschränkung überlagert die erste, ist also Grundvoraussetzung für die Steuerfreiheit auch solcher Wertsteigerungen, die bis Ende des Jahres 2017 entstanden sind: Die von § 6 Abs. 4 Satz 1 InvStG behandelten Anlagegegenstände (also Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte) müssen zwischen ihrem Anschaffungs- und dem Veräußerungszeitpunkt mindestens zehn Jahre gehalten worden sein. Beispiel: Ein Investmentfonds kauft im Jahr 2010 eine Immobilie zu 100. Am 31.12.2017 hat sie einen Wert von 180. Am 1.1.2021 veräußert der Investmentfonds sie für 200. Aus diesem Geschäft entsteht nach § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG i.V.m. § 6 Abs. 4 Satz 2 InvStG ein Veräußerungsgewinn von 100, der nach § 6 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 Sätze 1 bis 3 InvStG i.H.v. 80 stfrei und i.H.v. 20 zu versteuern ist.

Dieses Verständnis der Bestandsschutzregelung wurde erst in letzter Sekunde durch die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Bundestags in das Gesetz aufgenommen.1 Noch der Regierungsentwurf2 enthält eine Fassung, nach der der Bestandsschutz nur dann anwendbar wäre, wenn die Zehn-Jahres-Frist am Tag der Verkündung des Gesetzes (nicht: am Tag der Veräußerung) abgelaufen gewesen wäre. Dies wurde3 und wird4 als verfassungsrechtlich unproblematisch angesehen. Es ist allerdings kaum von der Hand zu weisen, dass die Exspektanzen, einen Gewinn nach Erfüllung der Haltefrist stfrei vereinnahmen zu können, mit jedem Jahr innerhalb der Frist wachsen. Außerdem hätte die zunächst angedachte Fassung dazu geführt, dass Immobilienerwerbe ca. zehn Jahre vor dem Stichtag steuerlich vollkommen unterschiedlich behandelt würden, je nachdem, ob der Erwerb zehn Jahre vor dem Stichtag erfolgte oder auch nur einen Tag früher (Alles-oder-Nichts). 58 Die FinVerw. lässt Vereinfachungen im Rahmen der Verkehrswertberechnung zum Stichtag

zu. So kann regelmäßig auf die letzte aufsichtsrechtlich gebotene Verkehrswertberechnung nach § 168 Abs. 3 KAGB (auf den die §§ 248 Abs. 1, 271 Abs. 1, 278, 286 Abs. 1 KAGB jeweils für verschiedene Arten von Investmentvermögen verweisen) abgestellt werden.5 Ebenfalls akzeptiert die FinVerw. Bewertungen nach vergleichbaren Vorgaben ausländischer Aufsichtsrechtsordnungen.6 Besteht keine Pflicht zur Verkehrswertermittlung (und wurde eine solche auch tatsächlich nicht durchgeführt), ist auch eine lineare monatsweise Aufteilung des Veräußerungsgewinns auf Zeiträume vor dem 31.12.2017 möglich, solange diese Aufteilung nicht zu offensichtlichen Widersprüchen zu den tatsächlichen Wertverhältnissen führt.7

59 Die Bestandsschutzregelung gilt ob ihres klaren Wortlauts nur für Immobilien, die über-

haupt irgendwann angeschafft wurden. Andere Erwerbsvorgänge (Schenkung, Errichtung) mögen bei der Investitionstätigkeit von Investmentfonds, die nach § 1 Abs. 2 Satz 1 InvStG zwingend Investmentvermögen nach dem KAGB sein müssen, weniger relevant sein. Immer1 2 3 4

BT-Drucks. 18/8739, 18, 97. BT-Drucks. 18/8045, 14. BT-Drucks. 18/8045, 73. Mann in Brandis/Heuermann, § 6 InvStG Rz. 55; Mann in Moritz/Jesch/Mann2, § 6 InvStG Rz. 298; so wohl auch Hensel, RdF 2019, 204 (206); a.A. Boxberger in W/B/A3, § 6 InvStG Rz. 23, der auch die aktuelle Regelung noch als „halbherzig“ bezeichnet. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.31. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.31. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.32; Letzteres wird man nur in absoluten Ausnahmefällen makroökonomischer Art (plötzlich und massiv eintretende Wertverluste oder Wertsteigerungen sämtlicher Immobilien innerhalb einer größeren Region) annehmen können.

222 | Kretzschmann/Albrecht/Verleger

E. Inländische Immobilienerträge (Abs. 4) | Rz. 61 § 6

hin wird aber in § 6 Abs. 4 Satz 2 InvStG auch auf die Sätze 2 und 3 von § 23 Abs. 3 EStG Bezug genommen. Diese behandeln aber gerade andere Erwerbs- und Veräußerungsvorgänge als Anschaffung und Veräußerung. Es ist daher anzunehmen, dass der Gesetzgeber die Einschränkung der Zehn-Jahres-Frist aus § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG fast wortgleich übernommen hat, ohne zu bedenken, dass dort ohnehin nur der Gewinn vormals angeschaffter Wirtschaftsgüter steuerbar ist. Im Rahmen des § 6 Abs. 4 InvStG ist das nicht der Fall, weshalb die Beschränkung der partiellen und temporären Steuerfreiheit auf Gewinne angeschaffter Immobilien nicht nachvollziehbar ist. Stellungnahme Verleger. Der Verweis auf § 23 Abs. 3 Sätze 1 bis 4 EStG in § 6 Abs. 4 Satz 2 60 InvStG dient lediglich der Ermittlung des Gewinns aus der „Veräußerung“ nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 InvStG. So definiert § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG den Gewinn und Verlust für Zwecke der Gewinnermittlung. Eine Veräußerung ist die entgeltliche Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an einem Wirtschaftsgut.1 § 23 Abs. 3 Satz 2 bzw. Satz 3 EStG bestimmen den Wertansatz bei Einlage bzw. Entnahme. Eine Einlage ist mangels Entgeltlichkeit keine „Veräußerung“; eine in § 23 Abs. 1 Satz 5 EStG normierte Gleichstellung sieht § 6 Abs. 4 InvStG nicht vor, ebenso wenig einen Verweis hierauf. § 2 Abs. 13 InvStG, der die Veräußerung einer Einlage gleichstellt, ist nicht anwendbar; dieser erfasst lediglich Investment- bzw. Spezialinvestmentanteile. Mangels einer dem § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG entsprechenden Regelung liegt im Fall einer Entnahme keine Anschaffung i.S.d. § 6 Abs. 4 InvStG vor. Eine Anschaffung ist der entgeltliche Erwerb eines Wirtschaftsguts von einem Dritten. § 6 Abs. 4 Satz 3 InvStG setzt die Rspr. des BVerfG2 um. Nach dem InvStG 2004 unterlagen Immobilien-Veräußerungsgewinne eines ausländischen Investmentfonds nach § 49 Abs. 1 Nr. 8 EStG als sonstige Einkünfte i.S.d. § 22 Nr. 2 EStG nur dann der beschränkten StPfl., wenn die Veräußerung innerhalb der zehnjährigen Haltefrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erfolgt ist. Mit Ablauf der Zehnjahresfrist erwarb der ausländische Investmentfonds eine bestandsgeschützte Rechtsposition, die durch die Regelung in § 6 Abs. 4 Satz 3 InvStG – und nur die – sichergestellt werden soll.3 In Bezug auf inländische Investmentfonds ist Satz 3 keine Bestandsschutzregelung, sondern 61 eine temporäre Steuerbefreiung. Im Gegensatz zu ausländischen Investmentfonds waren für inländische Fonds die Regelungen über private Veräußerungsgeschäfte im InvStG 2004 nie anwendbar.4 So konnten sich auch keine Exspektanzen und schützenswerte Rechtspositionen bilden. Während ausländische Investmentfonds vor Bekanntgabe der ersten Entwürfe zum InvStRefG davon ausgingen, auch und sogar Wertveränderungen nach dem 1.1.2018 stfrei vereinnahmen zu können, hielten inländische Investmentfonds derartige Gewinne nie für potenziell stfrei. Gerade im Hinblick auf die im Gesetzgebungsverfahren noch kurz vor Verabschiedung vorgenommene Modifikation (s. dazu Rz. 57) dürfte dies für viele inländische Investmentfonds zu verkappten Mitnahmeeffekten führen, die nach der hier vertretenen Ansicht wirtschaftlich zu begrüßen, aber nach oben Gesagtem aufgrund sonst drohender Wettbewerbsverzerrungen nicht geboten waren.5

1 BFH v. 27.8.1992 – IV R 89/90, BStBl. II 1993, 225 Rz. 14, m.w.N. 2 BVerfG v. 7.7.2010 – 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BStBl. II 2011, 76; BT-Drucks. 18/8045, 73. 3 Vgl. vertiefende Ausführungen in § 2 InvStG Rz. 3 ff. 4 BT-Drucks. 18/8045, 73. 5 Diese führt aber BT-Drucks. 18/8045, 74, an. Das ist umso erstaunlicher, als die Wettbewerbsverzerrungen womöglich unter Geltung des alten Rechts bestanden, aber gerade nicht perpetuiert wurden. Vgl. weitergehende Ausführungen in § 2 InvStG Rz. 7. Kretzschmann/Albrecht/Verleger | 223

§ 6 Rz. 62 | Körperschaftsteuerpflicht eines Investmentfonds

F. Sonstige inländische Einkünfte (Abs. 5) I. Vorbemerkung 62 § 6 Abs. 5 InvStG konkretisiert die sachliche StPfl. für die sonstigen inländischen Einkünfte

nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Alt. 3 InvStG. Abs. 5 besteht aus zwei Nummern, von denen die erste für sämtliche Investmentfonds und die zweite nur für inländische Investmentfonds in der Rechtsform einer Investmentaktiengesellschaft anwendbar ist. Satz 2 modifiziert den Begriff der gewerblichen Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG, auf den Satz 1 Nr. 1 verweist.

II. Begriffsdefinition (Abs. 5 Satz 1 Nr. 1) 1. Vorbemerkung 63 Sonstige inländische Einkünfte sind gem. § 6 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 InvStG Einkünfte nach § 49

Abs. 1 EStG mit Ausnahme der Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG, d.h. Veräußerungsgewinne aus einer wesentlichen Beteiligung an einer inländischen KapGes. i.S.d. § 17 EStG. Da ausländische Investmentfonds aufgrund der üblichen DBA-Regelungen in Deutschland insoweit keiner Besteuerungspflicht unterliegen, soll eine einheitliche Steuerfreiheit für in- und ausländische Investmentfonds Standortnachteile für inländische Fonds verhindern.1 Die Norm ist gegenüber Einkünften nach § 6 Abs. 3 und 4 InvStG subsidiär (§ 6 Abs. 5 Nr. 1 a.E. InvStG). Die Gesetzesbegründung geht sogar davon aus, dass Investmentfonds regelmäßig nur Einkünfte nach den Abs. 3 und 4 erzielen und bezeichnet die sonstigen Einkünfte nach Nr. 1 als Sonderfälle.2 Über ihren Verweis in § 49 Abs. 1 EStG erweitert die Norm die sachliche StPfl. für Investmentfonds u.a. auf folgende Einkünfte:3 – Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit im Inland (außer nach § 17 EStG) (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a–d, Buchst. f–g EStG); – Erträge aus Wandelanleihen und Gewinnobligationen, wenn der Schuldner Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat oder wenn es sich um Fälle nach § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG handelt, d.h. wenn kein inländisches Kreditinstitut/ Finanzdienstleistungsinstitut die die Kapitalerträge auszahlende Stelle ist (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG); – Zinsen auf durch inländischen Grundbesitz (bzw. grundstücksgleiche Rechte) gesichertes Fremdkapital, nicht aber Zinsen aus Anleihen und Forderungen, die in ein öffentliches Schuldbuch eingetragen oder über die Sammelurkunden i.S.d. § 9a DepotG oder Teilschuldverschreibungen ausgegeben sind (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa EStG); – Erträge aus nicht beteiligungsähnlichen Genussrechten, allerdings auch hier nur, wenn der Schuldner Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat4 (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. bb EStG); – bestimmte sonstige Einkünfte. 1 BT-Drucks. 18/8045, 74. 2 BT-Drucks. 18/8045, 74; auch Mann in Brandis/Heuermann, § 6 InvStG Rz. 61, geht von geringer praktischer Bedeutung aus. 3 Eine umfassende analytische Auseinandersetzung mit annähernd sämtlichen beschränkt stpfl. inländischen Einkünften aus dem EStG ist im Rahmen einer Investmentsteuerkommentierung weder leistbar noch sinnvoll. Die nachfolgende Kommentierung beschränkt sich daher auf die investmentsteuerlichen Spezifika, insbes. den Maßstab der Gewerblichkeit und die Ausnahme von § 17-EStGEinkünften. 4 Gosch in Kirchhof/Seer21, § 49 EStG Rz. 50; ebenfalls BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.35.

224 | Kretzschmann/Albrecht/Verleger

F. Sonstige inländische Einkünfte (Abs. 5) | Rz. 67 § 6

Trotz der zahlreichen Besteuerungstatbestände in der in Bezug genommenen Norm des § 49 64 Abs. 1 EStG bleibt der abschließende Charakter von § 6 InvStG erhalten. Die Norm sollte daher nicht vorschnell die Charakterisierung als Auffangtatbestand erhalten.1 Nach Ansicht der FinVerw. ist die isolierende Betrachtungsweise aus § 49 Abs. 2 EStG bei der Prüfung der Voraussetzung des § 49 Abs. 1 EStG zu beachten,2 auch wenn § 6 Abs. 5 Nr. 1 InvStG auf Abs. 2 überhaupt nicht verweist.3 2. Gewerbliche Einkünfte (Abs. 5 Satz 2) Wichtigster Anwendungsfall der sonstigen inländischen Einkünfte dürften die inländischen 65 gewerblichen Einkünfte sein.4 Durch die Einfügung des Satzes 2 in Absatz 5 durch das „JStG 2019“5 wurde gesetzlich klargestellt, dass die Gewerblichkeit nicht anhand des allgemeinen ertragsteuerlichen Maßstabs, sondern anhand des speziellen investmentsteuerlichen Maßstabs zu beurteilen ist, der in § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InvStG verankert ist.6 Nach Abs. 5 Satz 2 ist nur dann von gewerblichen Einkünften nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG auszugehen, wenn der Investmentfonds seine Vermögensgegenstände aktiv unternehmerisch bewirtschaftet. Der Maßstab des § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InvStG wird damit auch i.R.d. § 6 Abs. 5 InvStG 66 anwendbar.7 Die FinVerw.8 ging bereits vor der Einfügung von Satz 2 von der Maßgeblichkeit des investmentsteuerlichen Ansatzes aus.9 Die ausdrückliche Normierung des Abgrenzungsmaßstabs in § 6 Abs. 5 Satz 2 InvStG führt systematisch zu einem Gleichlauf von Körperschaft- und Gewerbesteuerpflicht und damit zu einem gewissen Maß an investmentsteuerimmanenter Stringenz. Sie sorgt zudem in erfreulicher Weise für Rechtssicherheit. Der Maßstab der aktiven unternehmerischen Bewirtschaftung ist enger als der allgemeine 67 Maßstab zur Abgrenzung der Gewerblichkeit von der Vermögensverwaltung (s. § 15 InvStG Rz. 16 ff.).10 Eine aktive unternehmerische Bewirtschaftung ist damit immer eine gewerbliche Tätigkeit im allgemeinen Sinne. Handelt es sich hingegen schon nach allgemeinen Grundsätzen um eine vermögensverwaltende Tätigkeit, liegt keine aktive unternehmerische Bewirtschaftung vor. Gleichzeitig ist eine gewerbliche Tätigkeit nicht zwangsläufig eine aktive unternehmerische Bewirtschaftung.11 Der engere investmentsteuerliche Maßstab soll die Eigenheiten der Investmentanlage berücksichtigen, bei der es naturgemäß zu sehr umfangreichen Vermögensanlagen kommt, die dadurch einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordern. Außerdem wird die Investmentanlage durch professionelle Verwalter mit entsprechenden beruflichen Erfahrungen durchgeführt. Diese allgemeinen Abgrenzungskriterien des § 15 Abs. 2 EStG sind im Investmentfondskontext daher ungeeignet.12 Eine aktive unternehmerische Bewirtschaftung ist erst dann anzunehmen, wenn Verwalter eines Investmentfonds in das operative Geschäft von Unternehmen eingreifen, an denen der Investmentfonds Anteile hält. Bei derartigen Eingriffen handelt es sich um unternehmerisches Han-

1 So aber Mann in Brandis/Heuermann, § 6 InvStG Rz. 60; Haisch, RdF 2015, 294 (296). 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.36. 3 Mit gut nachvollziehbaren Gründen verweist Mann in Brandis/Heuermann, § 6 InvStG Rz. 62, darauf, dass es eines Verweises auf § 49 Abs. 2 EStG auch nicht bedarf. 4 So auch BT-Drucks. 18/8045, 74, die allerdings auch insoweit von einem „Sonderfall“ spricht. 5 G v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451. 6 BT-Drucks. 19/13436, 173. 7 BT-Drucks. 19/13436, 173. 8 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.36. 9 Ebenso Mann in Brandis/Heuermann, § 6 InvStG Rz. 61. 10 Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 15 InvStG Rz. 66. 11 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.8. 12 BT-Drucks. 19/13436, 173; BT-Drucks. 18/8045, 84. Kretzschmann/Albrecht/Verleger | 225

§ 6 Rz. 67 | Körperschaftsteuerpflicht eines Investmentfonds deln, das eine aktive unternehmerische Bewirtschaftung indiziert.1 Denn ein unternehmerisches Eingreifen in das operative Geschäft von Portfoliounternehmen entspricht nicht dem Gepräge einer kollektiven Vermögensverwaltung,2 sodass dann auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Investmentanlage die Schwelle zur Gewerblichkeit überschritten ist.3 68 Trotz des speziellen investmentsteuerlichen Maßstabs sollen die sonstigen von der Rspr. ent-

wickelten allgemeinen Abgrenzungskriterien teilweise anwendbar sein. Insbesondere soll zur Abgrenzung auf das Gesamtbild der Betätigung und die Verkehrsauffassung abgestellt werden.4 Zudem soll nach Auffassung des Gesetzgebers und der FinVerw. generell von einer aktiven unternehmerischen Bewirtschaftung auszugehen sein, wenn sich ein Investmentfonds an einer Mitunternehmerschaft beteiligt,5 sodass die daraus erzielten Einkünfte vom Investmentfonds nach § 6 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 InvStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu versteuern sind.

69 Stellungnahme Verleger. Dieser letztgenannten Auslegung ist nicht zu folgen, die Beteiligung

an einer Mitunternehmerschaft führt nur in Ausnahmefällen zu Einkünften aus § 6 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 InvStG.6 Gegebenenfalls ist gerade dieses Verständnis auch der FinVerw. und dem Gesetzgeber durch die Verwendung des Wortlauts in § 6 Abs. 5 Satz 2 InvStG „nur“ und der hierzu ergangenen Gesetzesbegründung7 „generell“8 zu unterstellen. Denn die Beteiligung eines Investmentfonds an einer Mitunternehmerschaft kann allenfalls nach den allgemeinen Abgrenzungskriterien zu gewerblichen Einkünften auf Ebene des Investmentfonds führen.9 Das bloße Beteiligtsein kann aber schon nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 5 Satz 2 InvStG nicht zu gewerblichen Einkünften des Investmentfonds führen. Denn es fehlt insoweit bereits begrifflich an einer aktiven Bewirtschaftung von Vermögensgegenständen.10 Auch systematisch vermag eine unterstellte extensive Auslegung des Satzes 2 durch die FinVerw. nicht zu überzeugen. Denn die Beteiligung eines Investmentfonds an einer originär gewerblichen oder nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG gewerblich infizierten PersGes. soll i.R.d. § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InvStG die Grenze zur aktiven unternehmerischen Bewirtschaftung auch nach Auffassung der FinVerw. nicht überschreiten, wenn lediglich Beratungs- oder Kontrollfunktionen (z.B. Entsendung von Vertretern der KVG in ein Aufsichtsgremium), Kommanditistenrechte oder sonstige Verwaltungsrechte ausgeübt werden.11 Da § 6 Abs. 5 Satz 2 InvStG gerade die Abgrenzungsvorschrift des § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InvStG übernimmt, kann es bei Anwendung

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.7. 2 BMF v. 16.12.2003 – IV A 6 - S 2240 - 153/03, BStBl. I 2004, 40 Rz. 16, für (geschlossene) privateequity-Fonds in der Rechtsform einer PersGes., die wegen § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG nicht dem InvStG unterfallen und deren Gewerblichkeit daher nach allgemeinen Merkmalen zu beurteilen ist. 3 Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 15 InvStG Rz. 25; vgl. auch Boxberger in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 15 Rz. 10. 4 BT-Drucks. 19/13436, 173. 5 BT-Drucks. 19/13436, 173; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.36. 6 Wolny in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 6 InvStG Rz. 203c; kritisch auch Mann in Moritz/Jesch/Mann2, § 6 InvStG Rz. 320. 7 BT-Drucks. 19/13436, 173. 8 „Generell“ zu verstehen z.B. i.S.v. „grundsätzlich“ oder „vielmals“. 9 Mann in Moritz/Jesch/Mann2, § 6 InvStG Rz. 320. 10 Wolny in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 6 InvStG Rz. 203c; Stadler/Mager, BB 2019, 1760 (1763). Auch der Gesetzgeber stellt maßgeblich auf die aktive Bewirtschaftung von Vermögensgegenständen durch den Investmentfonds ab, vgl. BT-Drucks. 19/13436, 173. 11 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.39; so auch die allgemeine Meinung in der Literatur, vgl. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 15 InvStG Anm. 20; Gottschling in Moritz/ Jesch/Mann2, § 15 InvStG Rz. 70 f.; Scharenberg in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 15 InvStG Rz. 13; Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2715); Stadler/Bindl, DStR 2016, 1953 (1956); Lechner, RdF 2016, 208 (213).

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F. Sonstige inländische Einkünfte (Abs. 5) | Rz. 72 § 6

des § 6 Abs. 5 Satz 2 InvStG nicht zu einer extensiveren Auslegung kommen.1 Anderenfalls würde auch die durch die Neuregelung intendierte Verdrängung der allgemeinen Abgrenzungskriterien des § 15 Abs. 2 EStG nicht erreicht. Die bloße Beteiligung an einer originär gewerblich tätigen oder gewerblich infizierten PersGes. begründet mithin keine aktive unternehmerische Tätigkeit des Investmentfonds.2 Dies gilt erst recht für die Beteiligung an einer lediglich gewerblich geprägten PersGes. Denn eine solche Beteiligung geht schon nach allgemeinen Grundsätzen nicht über die Vermögensverwaltung hinaus.3 Die Frage nach dem Abgrenzungsmaßstab zur Vermögensverwaltung i.R.d. § 6 Abs. 5 InvStG 70 hat zumindest in einer Branche enorme Auswirkungen: Die Gewerblichkeit von private-equity- und venture-capital-Fonds wird seit Langem anhand des sog. private-equity-Erlasses beurteilt.4 Er ist an zahlreichen Stellen vergleichsweise streng und sieht z.B. Fremdkapitalaufnahme oder Reinvestitionen als Indizien gewerblicher Tätigkeit an. Für andere Fonds ist die Auswirkung weniger gravierend, da ihre Tätigkeit nicht nach dem genannten Erlass, sondern nach den Maßstäben des gewerblichen Wertpapierhandels beurteilt wird und insbes. die höchstrichterliche Rspr. insoweit mittlerweile äußerst hohe Maßstäbe an die Gewerblichkeit ansetzt.5 Der private-equity-Erlass sagt hingegen nur etwas über die Gewerblichkeit eines Fonds nach allgemeinen Regeln aus und nichts über dessen aktive unternehmerische Bewirtschaftung. Da auch nach dem private-equity-Erlass das aktive Management der Portfolio-Gesellschaften durch den Fonds zur Gewerblichkeit des private-equity-Fonds führt,6 besteht nunmehr ein Gleichlauf zwischen private-equity-Erlass und den Vorschriften des Investmentsteuerrechts. Die Übertragung des Maßstabs aus § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InvStG verhindert insofern, dass es zu einer definitiv wirkenden Mehrfachbelastung auf Fondsebene kommt: Da § 8b Abs. 2 KStG für Investmentfonds im Gegensatz zu sonstigen KapGes. nicht gilt (§ 6 Abs. 6 InvStG) und es für die Einkünfte, die in diesem Zusammenhang typischerweise vereinnahmt werden, keine Teilfreistellung nach § 20 InvStG gibt, führen sonstige inländische Einkünfte zu einer echten Belastungswirkung auf Fondsebene, die neben die ohnehin schon mehrstufige Steuerbelastung (KapGes. versteuert Gewinne, anhand derer sich maßgeblich der Veräußerungspreis bemisst, Investmentfonds hat zu versteuernde sonstige inländische Einkünfte, Anleger vereinnahmt zu versteuernde Investmenterträge) bei Veräußerungsgewinnen aus Kapitalgesellschaftsanteilen tritt. Auch ausländische, in Deutschland investierende und als KapGes. ausgestaltete Invest- 71 mentfonds müssen diese gegenüber dem InvStG 2004 mit seiner Ausnahme für Kapitalinvestitionsgesellschaften (§ 19 InvStG 2004) eingetretene Verschärfung beachten und ihre Investitionen in Deutschland sorgfältig auf ein Gewerblichkeitsrisiko (d.h. das Vorliegen einer inländischen Betriebsstätte) hin überprüfen. Die StPfl. auf im Rahmen eines Gewerbebetriebs erzielte Veräußerungsgewinne verbunden mit der Nichtanwendung von § 8b KStG kann schnell zu bösen Überraschungen führen. Die in letzter Zeit vermehrt aufkommenden Fonds, die in sog. crypto assets (auch crypto to- 72 kens, crypto currencies etc. genannt, bekanntestes Beispiel: Bitcoin) investieren, sollten die Beschränkung auf bestimmte Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie bestimmte sonstige Einkünfte hingegen zum Anlass nehmen, darüber nachzudenken, ihr Geschäft, soweit es keinen ge1 So auch Wolny in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 6 InvStG Rz. 203b; Stadler/Mager, BB 2019, 1760 (1763); offengelassen von Mann in Moritz/Jesch/Mann2, § 6 InvStG Rz. 320. 2 Wolny in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 6 InvStG Rz. 203b; Scharenberg in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 15 InvStG Rz. 13; Lechner, RdF 2016, 208 (213); a.A. wohl Bödecker, Ubg 2019, 545 (551). 3 BFH v. 25.5.2011 – I R 60/10, BStBl. II 2011, 858; vgl. dazu auch Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2715), im Kontext des § 15 InvStG. 4 BMF v. 16.12.2003 – IV A 6 - S 2240 - 153/03, BStBl. I 2004, 40. 5 BFH v. 20.12.2000 – X R 1/97, BStBl. II 2001, 706. 6 BMF v. 16.12.2003 – IV A 6 - S 2240 - 153/03, BStBl. I 2004, 40 Rz.16. Kretzschmann/Albrecht/Verleger | 227

§ 6 Rz. 72 | Körperschaftsteuerpflicht eines Investmentfonds werblichen Charakter annimmt, in Kapitalgesellschaftsform zu organisieren. Aus dem InvStG ergibt sich für diese Anlageklasse grds. weder eine StPfl. auf Fondsebene1 noch eine Pflicht zum Einbehalt bei der Ausschüttung an die eigenen Anleger. 73 Den Ausschluss von § 17-EStG-Einkünften aus dem Besteuerungskatalog begründet der Ge-

setzgeber mit anderenfalls befürchteten Standortnachteilen für inländische Investmentfonds.2 Zwar unterscheidet auch § 6 Abs. 5 Nr. 1 InvStG nicht zwischen in- und ausländischen Investmentfonds. Im Konfliktfall weisen die von Deutschland abgeschlossenen DBA das Besteuerungsrecht für Veräußerungsgewinne aber regelmäßig nicht dem Quellenstaat zu (vgl. Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). Nach hier vertretener Ansicht geht es vielmehr um die Wettbewerbsfähigkeit von Investmentfonds insgesamt und die Kapitalausstattung deutscher Unternehmen. Beim Vergleich der Wettbewerbsfähigkeit mit ausländischen Investmentfonds ist zu beachten, dass diese in ihrem Sitzstaat ggf. einer Besteuerung unterliegen.3 Viel härter getroffen würden indes die Investitionsobjekte: Ohne die Ausnahme von Einkünften nach § 17 EStG wären „durch die Hintertür“ neben Dividenden (nach Abs. 3 Satz 1 Nr. 1) auch Veräußerungsgewinne von Kapitalgesellschaftsanteilen (sofern – wie bei private equity immer und selbst bei venture capital regelmäßig – innerhalb der letzten fünf Jahre eine mindestens 1-prozentige Beteiligung bestand) betroffen. Deutsche KapGes. würden für als KapGes. oder Sondervermögen organisierte Investmentvermögen plötzlich zu steuerlich höchst unattraktiven Investitionsgegenständen. Dies könnte für die genannten Investoren ein gewichtiger Grund sein, von Investitionen in deutsche KapGes. abzusehen. Die Ausnahme in § 6 Abs. 5 Nr. 1 InvStG ist daher wichtig. Nicht anwendbar ist sie allerdings auf Fälle, in denen die Geschäftsanteile zum steuerlichen Betriebsvermögen einer inländischen Betriebsstätte gehören. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG geht Buchst. e – und damit auch dem Ausschluss nach § 6 Abs. 5 Nr. 1 InvStG – vor.4

III. Besonderheiten für Investmentaktiengesellschaften (Abs. 5 Satz 1 Nr. 2) 1. Vorbemerkung 74 Nur für Investmentaktiengesellschaften sieht Nr. 2 zwei weitere Besteuerungstatbestände vor.

Danach sind ebenfalls stpfl.: – Einkünfte, die eine Investmentaktiengesellschaft oder eines ihrer Teilgesellschaftsvermögen aus der Verwaltung ihres Vermögens erzielt (Buchst. a), und – Einkünfte, die eine Investmentaktiengesellschaft oder eines ihrer Teilgesellschaftsvermögen aus der Nutzung ihres Investmentbetriebsvermögens nach § 112 Abs. 2 Satz 1 des KAGB erzielt (Buchst. b). 2. Verwaltungseinkünfte (Abs. 5 Nr. 2 Buchst. a)

75 Die erste Regelung war in dieser Form bereits in § 11 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 InvStG 2004 enthal-

ten (allerdings in negativer Formulierung, da es im Rahmen des § 11 InvStG 2004 um Steuerbefreiungen ging, von denen die Verwaltungseinkünfte gerade ausgenommen wurden). Sie be1 Albrecht/Kretzschmann, WM 2020, 1237 (1241). Die FinVerw. stuft die bislang existierenden crypto assets sämtlich als Wirtschaftsgüter ein (BMF v. 10.5.2022 – V C 1 - S 2256/19/10003 :001, BStBl. I 2022, 668 Rz. 31), sodass in diesem Zusammenhang vornehmlich sonstige Einkünfte nach §§ 22 Nr. 2, 23 EStG infrage kommen. Diese werden in § 49 Abs. 1 EStG nur insoweit in Bezug genommen, als es sich um private Veräußerungsgeschäfte mit inländischen Grundstücken oder verbundenen Rechten (für die ohnehin Abs. 4 Vorrang hat) handelt. 2 BT-Drucks. 18/8045, 74. 3 Anderenfalls hätte man in § 6 Abs. 5 InvStG eine subject-to-tax-Klausel einfügen können. 4 Mann in Brandis/Heuermann, § 6 InvStG Rz. 63.

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G. Ausschluss von § 8b KStG auf Fondseingangsseite (Abs. 6) | Rz. 78 § 6

trifft Einkünfte, die eine (intern verwaltete) Investmentaktiengesellschaft aus der Verwaltung ihres Vermögens erzielt. Nicht zuletzt Gleichbehandlungserwägungen gegenüber extern verwalteten Investmentfonds (insbes. Sondervermögen, die mangels Rechtsfähigkeit zwingend extern verwaltet sein müssen), bei denen die in Nr. 2 genannten Einkünfte ebenfalls der Besteuerung unterfallen, führten zu einer ausdrücklichen Aufnahme in den Besteuerungskatalog. Die Besteuerung ist nur dann auf Ebene der Investmentaktiengesellschaft durchzuführen, wenn die Vergütung bzw. das Vermögen der Gesellschaft selbst und nicht einem Teilgesellschaftsvermögen als eigenständigem Körperschaftsteuersubjekt zugerechnet werden kann.1 Der Gesetzgeber hält derartige Einkünfte für solche aus Gewerbebetrieb (sodass sie bereits von Nr. 1 erfasst sind) und misst Nr. 2 daher vornehmlich deklaratorischen Charakter zu.2 Diese Frage wird für nach §§ 2 Abs. 4, 44 KAGB registrierte und intern verwaltete Investmentfonds in der Rechtsform einer GmbH interessant sein. Solche fallen ausweislich des Wortlauts nicht unter Nr. 2, sodass der Frage, ob die durch die Verwaltungsgebühr abgegoltene (interne) Verwaltung des Investmentfonds isoliert zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führt, selbst wenn die Vermögensgegenstände des Investmentfonds nicht aktiv unternehmerisch bewirtschaftet werden, erhebliche Bedeutung zukommt. Der Wortlaut des Gesetzes legt es hier nahe, dass Nr. 1 nicht erfüllt ist und dass Nr. 2 schon mangels Investmentaktiengesellschaft nicht einschlägig sein kann. Dies spricht aufgrund des klaren Wortlauts für eine Nichtsteuerbarkeit der Erträge, die allerdings systematisch nicht gerechtfertigt ist. 3. Einkünfte aus Investmentbetriebsvermögen Die zweite Regelung bezieht sich auf Einkünfte aus der Nutzung von Investmentbetriebsver- 76 mögen. Sie soll ebenfalls eine steuerliche Gleichbehandlung mit extern verwalteten Investmentaktiengesellschaften ermöglichen und flankiert damit die Regelung der Nr. 1. Da die Verwaltungsgebühr bei extern verwalteten Investmentaktiengesellschaften auf Ebene der externen KVG der Ertragsbesteuerung unterliegt, sollen auch bei intern verwalteten Investmentaktiengesellschaften sämtliche durch die Verwaltungstätigkeit veranlassten Einkünfte auf Ebene des Investmentfonds steuerlich erfasst werden.3

Das nun in Bezug genommene Investmentbetriebsvermögen (§ 112 Abs. 2 Satz 1 KAGB) ist 77 von dem Investmentanlagevermögen (s. § 120 Abs. 2 Satz 2 KAGB) abzugrenzen und darf nur von intern verwalteten Gesellschaften erworben werden. Unternehmensaktien hingegen können auch extern verwaltete Gesellschaften ausgeben. Das Investmentbetriebsvermögen umfasst dasjenige bewegliche und unbewegliche Vermögen einer intern verwalteten Investmentaktiengesellschaft, das sie originär zur Ausübung ihrer Verwaltungstätigkeit benötigt.4 Einkünfte, die aus diesem Investmentbetriebsvermögen resultieren, sind insofern allein durch die interne Verwaltungstätigkeit der Investmentaktiengesellschaft veranlasst. Dieser Anknüpfungspunkt lässt damit präziser auf die Verwaltungstätigkeit einer Investmentaktiengesellschaft (im Gegensatz zu extern verwalteten Gesellschaften ohne Verwaltungstätigkeit) schließen.5

G. Ausschluss von § 8b KStG auf Fondseingangsseite (Abs. 6) § 6 Abs. 6 InvStG erklärt § 8b KStG für nicht anwendbar. Die Norm ist notwendig, um das gesetz- 78 geberische Ziel, nämlich die Abkehr von der ehemaligen Semi-Transparenz durch eine echte Besteuerungswirkung auf Ebene eines Investmentfonds, auch für Dividendeneinkünfte zu errei1 2 3 4 5

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.38. BT-Drucks. 18/8045, 74. BT-Drucks. 18/8739, 97. BT-Drucks. 18/8739, S. 97. Mann in Brandis/Heuermann, § 6 InvStG Rz. 67. Kretzschmann/Albrecht/Verleger | 229

§ 6 Rz. 78 | Körperschaftsteuerpflicht eines Investmentfonds chen.1 § 8b KStG führt dazu, dass Veräußerungsgewinne, die eine Körperschaft aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen erzielt, sowie Dividenden, die eine Körperschaft (außerhalb sog. Streubesitzbeteiligungen) von einer KapGes. im Wege der Ausschüttung erhält, im Erg. und vorbehaltlich weiterer Bestimmungen in § 8b Abs. 7 KStG zu 95 % stfrei sind. Inländische und ausländische Investmentfonds sind nach Abs. 1 Körperschaften, sodass sie ohne § 6 Abs. 6 InvStG von dieser Regelung profitieren würden. § 6 Abs. 6 InvStG wirkt damit grds. konstitutiv. 79 Der tatsächliche Anwendungsbereich der Norm ist allerdings enger, als es zunächst den An-

schein hat.2 Da Veräußerungsgewinne (§ 8b Abs. 2 KStG) ohnehin nicht der sachlichen StPfl. nach § 6 Abs. 2 InvStG unterfallen, bedarf es diesbezüglich keiner Steuerbefreiung. Dividenden, die aus Streubesitzbeteiligungen von unter 10 % am Kapital der ausschüttenden Gesellschaft herrühren, sind ebenfalls nicht nach § 8b KStG privilegiert (§ 8b Abs. 4 Satz 1 KStG). Auswirkungen hat die Versagung der Steuerbefreiung damit für Investmentfonds, die maßgeblich (d.h. mit mindestens 10 % am Kapital) an Portfoliogesellschaften, die Dividenden ausschütten, beteiligt sind (was nach dem neuen InvStG für Investmentfonds möglich ist – eine Beschränkung wie in § 1 Abs. 1b Satz 2 Nr. 7 InvStG 2004 existiert für sie nicht mehr). Eine maßgebliche Beteiligung besteht in der Regel bei Private equity-Fonds, die allerdings häufig als PersGes. organisiert und schon deshalb keine Investmentfonds sind (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG).3

80 Der Ausschluss von § 8b KStG in § 6 Abs. 6 InvStG kann u.E. keine Wirkung für Vorgänge

entfalten, die sich außerhalb des InvStG abspielen. So wird die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage für gewerbliche PersGes., an denen ein Investmentfonds beteiligt ist, nicht durch diese Beteiligung erhöht. Der Gewerbeertrag ist vielmehr insoweit nach § 7 Satz 4 GewStG unter Berücksichtigung von § 8b KStG zu ermitteln.

Beispiel: An der P-KG ist die I-InvAG beteiligt. Die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage der P ist nach § 7 Satz 4 GewStG von ihren Gesellschaftern abhängig. § 7 Satz 4 GewStG bestimmt, dass bei der Ermittlung des Gewerbeertrags für natürliche Personen (unmittelbar oder mittelbar über PersGes.) das Teileinkünfteverfahren anzuwenden ist und „im Übrigen [...] § 8b des Körperschaftsteuergesetzes anzuwenden [ist].“ § 6 Abs. 6 InvStG vermag diese gewerbesteuerliche Wertung, die der § 8b-Befreiung die Rolle als Auffangtatbestand zumisst, nicht zu beseitigen.

H. Beteiligung an Personengesellschaften (Abs. 6a) I. Vorbemerkung 81 Nach § 6 Abs. 6a InvStG soll die Anschaffung oder Veräußerung einer unmittelbaren oder mit-

telbaren Beteiligung an einer PersGes. als Anschaffung oder Veräußerung der anteiligen Wirtschaftsgüter gelten. Die Fiktion nach Abs. 6a fand Eingang in § 6 InvStG durch das „JStG 2019“4 und ist nach § 57 Abs. 1 Satz 1 InvStG ab dem 1.1.2020 anzuwenden. Ziel ist es, potenzielle Besteuerungslücken insbes. im Fall der Veräußerung von Immobilien zu schließen.5

1 Kritisch Boxberger in W/B/A3, § 6 InvStG Rz. 36; Mann in Brandis/Heuermann, § 6 InvStG Rz. 71, hält sie hingegen für sachgerecht; so auch Hillebrand/Scharenberg in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 6 InvStG Rz. 46. 2 Mann in Moritz/Jesch/Mann, § 6 InvStG Rz. 350. 3 Hillebrand/Scharenberg in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 6 InvStG Rz. 46. Die Begründung zu Abs. 6 in BT-Drucks. 18/8045, 75 („Damit werden Investmentfonds anderen Anlegern mit Streubesitz-Beteiligungen gleichgestellt“) ist daher sachlich zutreffend, allerdings eben keine Begründung, sondern eine reine Beschreibung der Folgen; kritisch dazu auch Buge/Bujotzek/Steinmüller, DB 2016, 1594 (1596). 4 G v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451. 5 BT-Drucks. 19/13436, 174.

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H. Beteiligung an Personengesellschaften (Abs. 6a) | Rz. 86 § 6

II. Allgemeine Behandlung von Personengesellschaften Einkünfte, die über eine vermögensverwaltende Personengesellschaft erzielt werden, werden 82 vom Investmentfonds selbst erzielt. Grundlage hierfür ist die anteilige Zurechnung der Wirtschaftsgüter nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO.1 Unklar ist u.E. die Behandlung der Beteiligung an gewerblich tätigen, gewerblich geprägten 83 oder gewerblich infizierten Personengesellschaften. Nach der Rspr. des BFH gilt hier § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO nicht und die Einkünfte werden über § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zugerechnet. Vor dem Hintergrund, dass § 6 InvStG keine § 8b Abs. 6 KStG vergleichbare Regelung kennt, läge es nahe, insoweit Abs. 3 und 4 InvStG als nicht anwendbar anzusehen. Dies würde allerdings bedeuten, dass bei Beteiligungen an Mitunternehmerschaften immer nur Abs. 5 in Betracht kommt.2 Hierdurch wird einerseits der vom Gesetzgeber mit Einführung des Abs. 6a verfolgte Zweck nicht erreicht und zum anderen können dann, wenn – wie hier vertreten (s. Rz. 68 f.) – eine Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft nicht automatisch eine Besteuerung nach Abs. 5 auslöst, Besteuerungslücken auftreten. Nach hier vertretener Ansicht kann dieses Ergebnis, d.h. mögliche Besteuerungslücken, dadurch vermieden werden, dass die Qualifikation der entsprechenden Einkünfte als gewerbliche Einkünfte bei der Zuordnung der Einnahmen bzw. Einkünfte zu den inländischen Beteiligungseinnahmen und inländischen Immobilienerträgen negiert wird.3 So verstanden, bestätigt die Einführung des Abs. 6a dieses Verständnis, Abs. 6a bildet aber nicht die Grundlage für die Unbeachtlichkeit der Qualifikation als gewerbliche Einkünfte.4

III. Anschaffung oder Veräußerung der Beteiligung an einer Personengesellschaft § 6 Abs. 6a InvStG ergänzt die Absätze 3 bis 5 und trifft eine Regelung für den Fall, dass der 84 Investmentfonds mittelbar über eine Beteiligung an Personengesellschaften Wirtschaftsgüter anschafft oder veräußert. Die Vorschrift fingiert eine Anschaffung oder Veräußerung von Wirtschaftsgütern durch den Investmentfonds, wenn der Investmentfonds eine Beteiligung an einer PersGes. unmittelbar oder mittelbar anschafft oder veräußert. Absatz 6a ordnet mithin eine Durchschau durch PersGes. an, die noch über die Wirkung des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO hinausgeht. Abs. 6a erfasst u.E. sowohl gewerbliche (und gewerblich geprägte) als auch vermögensver- 85 waltende Personengesellschaften.5 Dies ergibt sich daraus, dass der Wortlaut nicht beschränkt ist. Soweit allerdings angenommen werden würde, dass die Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft die Anwendung von Abs. 3 und Abs. 4 sperrt (s. Rz. 83), ginge diese Ausdehnung auf Mitunternehmerschaften ins Leere. Systematisch entspricht Abs. 6a wörtlich der Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG (und § 20 86 Abs. 2 Satz 3 EStG) und wird insbes. im Zusammenhang mit Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 relevant. 1 Siehe Mann in Moritz/Jesch/Mann2, § 6 InvStG Rz. 269, ausführlich für inländische Immobilienerträge; ausführlich und intuitiv zu § 20 EStG Buge in H/H/R, § 20 EStG Anm. 23. 2 So wohl auch Mann in Moritz/Jesch/Mann2, § 6 InvStG Rz. 270, der dieses Ergebnis durch eine extensive Auslegung des Abs. 6a dann aber vermeidet. 3 Siehe insoweit auch Mann in Moritz/Jesch/Mann2, § 6 InvStG Rz. 233, der bei der Qualifikation als Vermietung und Verpachtung die Subsidiaritätsklausel des § 21 Abs. 3 EStG mit der h.M. zum InvStG 2004 mit Recht für unbeachtlich hält. 4 Mann in Moritz/Jesch/Mann2, § 6 InvStG Rz. 360, nimmt unter Berufung auf Abs. 6a eine Zurechnung der Wirtschaftsgüter auch bei Mitunternehmerschaften an. 5 Mann in Moritz/Jesch/Mann2, § 6 InvStG Rz. 355. Kretzschmann/Albrecht/Verleger | 231

§ 6 Rz. 86 | Körperschaftsteuerpflicht eines Investmentfonds Danach ist die unmittelbare Veräußerung von Immobilien durch einen Investmentfonds auf Ebene des Fonds stpfl. Nicht erfasst werden hingegen Veräußerungserlöse aus der Veräußerung von Anteilen an grundbesitzenden PersGes. durch den Investmentfonds. Solche mittelbaren Immobilienveräußerungen waren vor Einfügung des Abs. 6a durch das „JStG 2019“1 allenfalls nach § 6 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 InvStG i.V.m. §§ 49 Abs. 1 Nr. 8, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG stpfl. Da Abs. 5 aber keine Sondervorschrift enthält, wonach Wertveränderungen der Immobilie auch nach Ablauf der zehnjährigen Haltefrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG auf Ebene des Investmentfonds stpfl. sind, hätten solche Wertsteigerungen bei mittelbaren Veräußerungen über PersGes. stfrei realisiert werden können. Aus Sicht des Gesetzgebers lag darin eine Besteuerungslücke, die § 6 Abs. 6a InvStG schließen soll, indem die mittelbare Veräußerung der unmittelbaren gleichgestellt wird, sodass die Vorschrift des § 6 Abs. 4 Satz 3 InvStG anwendbar ist.2 Da nunmehr auch mittelbare Veräußerungsgeschäfte Abs. 4 unterfallen, stellt Abs. 6a ein umfassendes Vorrangverhältnis von Abs. 4 im Verhältnis zu Abs. 5 her.3 87 Der unmittelbare Regelungsbereich des Abs. 6a ist auf die Anschaffung oder Veräußerung ei-

nes Anteils an einer Personengesellschaft beschränkt. Er ergänzt die sonst geltenden Regelungen zur Transparenz der PersGes., begründet diese aber nicht selbst. Zur Auslegung kann vollumfänglich auf die zu § 20 Abs. 2 Satz 3 EStG entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden.4

88 Trotz des engen Zusammenhangs mit mittelbaren Immobilienveräußerungen ist die Norm

auf die mittelbare Veräußerung sämtlicher Wirtschaftsgüter anwendbar. Dies folgt zum einen bereits aus dem offenen Wortlaut und zum anderen aus der Systematik. Denn die Vorschrift ist nicht in Abs. 4 integriert, sondern in einem eigenständigen Absatz geregelt worden.5 § 6 Abs. 6a InvStG erfasst sowohl unmittelbare Beteiligungen eines Investmentfonds an einer Personengesellschaft als auch mittelbare Beteiligungen. Tatbestandliche mittelbare Beteiligungen an einer PersGes. liegen vor, wenn der Investmentfonds über eine oder mehrere zwischengeschaltete PersGes. Gesellschafter der PersGes. ist.6 Eine Beteiligung, die mittelbar über eine KapGes. gehalten wird, ist keine tatbestandliche mittelbare Beteiligung.7 Denn in diesen Fällen unterliegt die mittelbare Veräußerung jedenfalls auf Ebene der zwischengeschalteten KapGes. der Ertragsbesteuerung, sodass aus Belastungsgesichtspunkten kein Erfordernis für eine (weitere) Besteuerung auf Investmentfondsebene besteht.

I. Einkünfteermittlung (Abs. 7) I. Vorbemerkung 89 § 6 Abs. 7 InvStG ist eine Einkünfteermittlungsvorschrift. Sie gibt in Satz 1 eine Ermittlungs-

art vor. Satz 2 verweist auf Abzugsverbote aus dem Einkommensteuerrecht. Satz 3 schließt für Einkünfte, die einem Kapitalertragsteuerabzug unterliegen, sowohl den Ansatz von Werbungskosten als auch eine Verlustverrechnung aus. Satz 4 enthält eine Regelung für den Einkünfteermittlungszeitraum für Investmentfonds mit einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr. Aus der Systematik der Norm ergibt sich eine getrennte Betrachtung sowie Behandlung von Veranlagungs- und Abzugssteuern (Schedulenbesteuerung).8 1 2 3 4 5 6 7 8

G v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451. BT-Drucks. 19/13436, 174. BT-Drucks. 19/13436, 174. Siehe zu diesen Grundsätzen BMF v. 18.1.2016 – IV C 1 - S 2252/08/10004 :017 – DOK 2015/ 0468306, BStBl. I 2016, 85 Rz. 74 ff.; eingehend Buge in H/H/R, § 20 EStG Anm. 535 ff. Mann in Moritz/Jesch/Mann2, § 6 InvStG Rz. 360. Mann in Moritz/Jesch/Mann2, § 6 InvStG Rz. 358. Mann in Moritz/Jesch/Mann2, § 6 InvStG Rz. 358. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.37.

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I. Einkünfteermittlung (Abs. 7) | Rz. 93 § 6

II. Überschuss Einnahmen über Werbungskosten (Abs. 7 Satz 1) Die Norm bestimmt, dass sich die Einkünfte, mit denen ein Investmentfonds stpfl. ist, nach 90 dem Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten bestimmen. Dies gilt selbst dann, wenn ein Investmentfonds nicht gem. § 15 Abs. 2 InvStG von der GewSt befreit oder wenn er als KapGes. organisiert ist und nach § 8 Abs. 2 KStG grds. Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen würde.1 Liest man Satz 1 zusammen mit Satz 3 der Vorschrift, wird deutlich, dass sich die Vorschrift nur auf die Veranlagungseinkünfte des § 6 InvStG (d.h. insbes. solche aus Abs. 4) bezieht und damit insbes. bei inländischen Immobilienerträgen relevant wird.2 Der Einnahmebegriff des § 6 Abs. 7 Satz 1 InvStG gleicht dem einkommensteuerlichen Ein- 91 nahmebegriff in § 8 EStG.3 Zwar findet sich in § 6 Abs. 7 InvStG kein Verweis auf die §§ 8 ff. EStG, der Gesetzgeber hält die Normen aber – in der Tradition des § 3 Abs. 1 InvStG 20044 – für originär anwendbar.5 Systematischer Anknüpfungspunkt für diese Sichtweise ist § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG. Werbungskosten sind nur dann als solche abzugsfähig, wenn sie in einem wirtschaftlichen 92 Zusammenhang mit den Einnahmen stehen. Das wiederum bemisst sich nach den Gründen, aus denen der StPfl. die entsprechenden Ausgaben (aus ex ante-Sicht) tätigt. Diese Präzisierung ergibt sich bereits aus dem gefestigten Verständnis über den einkommensteuerlichen Werbungskostenbegriff, dem das Veranlassungsprinzip zugrunde liegt.6 Der eingeschobene Relativsatz „die in einem wirtschaftlichen Zusammenhang zu den Einnahmen stehen“ gibt das ganz herrschende Begriffsverständnis lediglich wieder und wäre damit entbehrlich gewesen. Besteht ein wirtschaftlicher Zusammenhang der Aufwendungen zu mehreren Einkunftsarten, entscheidet der engere und wirtschaftlich vorrangige Veranlassungszusammenhang.7 Entfallen WK auf nicht nach § 6 Abs. 2 InvStG steuerbare Einkünfte (z.B. ausländische Immobilienerträge, Gewinne aus der Veräußerung von Aktien oder Zinsen aus Rentenpapieren), kommt ein Werbungskostenabzug nicht in Betracht.8 Werbungskosten, die sowohl durch Veranlagungseinkünfte als auch durch dem Steuerabzug unterliegende oder nicht steuerbare Einkünfte veranlasst sind, müssen anteilig aufgeteilt werden.9 Im Rahmen von Immobilieneinnahmen zählen insbesondere Absetzungen für Abnutzung 93 und Absetzungen für Substanzverringerung (§ 7 EStG i.V.m. § 9 EStG) zu den Werbungskosten. Allerdings bedingt die Einkünfteermittlungsart, dass lediglich die Abschreibungssätze anwendbar sind, die für im Privatvermögen gehaltene Immobilien gelten.10 Durch das „JStG 2019“11 wurde § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 Satz 1 EStG ergänzt mit der Folge, dass Sonderabschreibungen nach § 7b EStG bei den Einkünften aus VuV als WK zum Abzug zugelassen werden. Demzufolge ist nach Maßgabe der Verweistechnik § 7b EStG bei Investmentfonds anzuwenden.12 Weiterer wichtiger Anwendungsfall sind Finanzierungskosten.13 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Boxberger in W/B/A3, § 6 InvStG Rz. 37. Mann in Moritz/Jesch/Mann2, § 6 InvStG Rz. 363. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 6 InvStG Anm. 35. BT-Drucks. 18/8045, 75. BT-Drucks. 18/8739, 97. S. z.B. das in BT-Drucks. 18/8045, 75, zitierte Urt. des BFH v. 28.2.2013 – IV R 4/11, BFH/NV 2013, 1081; ebenso BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.41. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.44. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.42. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.41. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.45; BT-Drucks. 18/8045, 74. G v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451. Gem. § 52 Abs. 15a Satz 1 EStG ist die Inanspruchnahme der Sonderabschreibungen nach § 7b EStG bereits ab dem VZ 2018 möglich. Boxberger in W/B/A, § 6 InvStG Rz. 41. Kretzschmann/Albrecht/Verleger | 233

§ 6 Rz. 94 | Körperschaftsteuerpflicht eines Investmentfonds 94 § 6 Abs. 7 Satz 1 InvStG erlaubt eine Verlustverrechnung zwischen verschiedenen Veranla-

gungseinkünften.1 Das ergibt sich aus einem Umkehrschluss aus Satz 3 sowie implizit aus § 6 Abs. 8 Satz 1 InvStG.

III. Nicht abziehbare Werbungskosten (Abs. 7 Satz 2) 95 Satz 2 erklärt § 4 Abs. 5–7 EStG für entsprechend anwendbar. Daraus folgt, dass einige WK

für den Investmentfonds auch i.R.d. Veranlagungseinkünfte nicht abzugsfähig sind. Da der Gesetzgeber die §§ 8 ff. EStG für im Rahmen von § 6 Abs. 7 InvStG originär anwendbar hält (s. Rz. 91) und damit auch § 9 Abs. 5 EStG, der mit seinen Verweisen auf einzelne Nummern des § 4 Abs. 5 EStG und auf § 4 Abs. 6 EStG bereits verschiedene Werbungskostenabzüge ausschließt, wurde der Verweis in Satz 2 (nachträglich) eingefügt, um insbes. den Abzug gezahlter GewSt zu unterbinden (vgl. § 4 Abs. 5b EStG).2 Ferner müssen aufgrund des Verweises auf § 4 Abs. 7 EStG Aufwendungen nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1–4, 6b, 7 EStG einzeln und getrennt von den sonstigen Aufwendungen aufgezeichnet werden. Dafür lässt die Verwaltung eine separate Aufzeichnung auf den Konten, die für die aufsichtsrechtliche Ertragsermittlung vorgehalten werden müssen, genügen.3

IV. Kein Werbungskostenabzug und keine Verlustverrechnung bei Abzugseinkünften (Abs. 7 Satz 3) 96 Einkünfte, bei denen ein Steuerabzug vorzunehmen ist, unterliegen einer sog. Brutto-Be-

steuerung. Das betrifft insbes. die inländischen Beteiligungseinnahmen nach § 6 Abs. 3 InvStG.4 Besteuert werden dabei sämtliche Einnahmen; weder der Abzug von Werbungskosten noch die Verrechnung von Einnahmen mit Verlusten aus anderen Einkunftsquellen ist möglich. Das betrifft sowohl Verrechnungen zwischen zwei Abzugseinkünften als auch Verrechnungen zwischen Abzugs- und Veranlagungseinkünften. Der Gesetzgeber begründet die Brutto-Besteuerung mit Vereinfachungs- und Gleichbehandlungserwägungen. Darüber hinaus bemüht er eine etwas überraschende Argumentation:5 Die nicht abzugsfähigen Werbungskosten seien für den Anleger keineswegs verloren, denn sie minderten den Wert des Investmentanteils und damit die Steuerlast bei einem späteren (entsprechend niedrigen) Veräußerungspreis. Zu einer Netto-Besteuerung führt dieser Effekt aber (nicht nur wegen § 20 Abs. 6 EStG) keineswegs.6 Innerhalb der nicht dem Steuerabzug unterliegenden Einkünfte i.S.d. § 6 Abs. 2 InvStG – insbes. bei den inländischen Immobilienerträgen – ist hingegen eine Verlustverrechnung und ein Werbungskostenabzug uneingeschränkt möglich.7

1 2 3 4 5 6

BT-Drucks. 18/8045, 75. BT-Drucks. 18/8739, 97. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.44. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.45. BT-Drucks. 18/8045, 75. Berechnungsbeispiel: Bei einer Brutto-Besteuerung können hypothetische Kosten von 100 auf Fondsebene nicht geltend gemacht werden. Auf Anlegerebene vermindern sie die Steuerlast pauschaliert um 25. Im Abzugsfall kann der Investmentfonds auf Kosten von 100 eine Steuerersparnis i.H.v. 15 erreichen. Die Steuerersparnis auf Anlegerebene beträgt 25 % auf den um die Steuerersparnis geminderten Betrag auf Fondsebene, also 25 % von 85, also 21,25. In einer Gesamtbetrachtung ist das eine deutlich höhere Entlastungswirkung. 7 Vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.50.

234 | Kretzschmann/Albrecht/Verleger

J. Verlustvortrag (Abs. 8) | Rz. 99 § 6

V. Einkünfteermittlungszeitraum (Abs. 7 Satz 4) Die KSt ist auch für Investmentfonds eine Abschnittssteuer. § 6 InvStG enthält insoweit keine 97 Modifikationen zum KStG. Folglich ist der Ermittlungszeitraum der Einkünfte grds. das Kalenderjahr (§ 7 Abs. 3 Satz 2 KStG). Nach § 6 Abs. 7 Satz 4 InvStG gelten die Einkünfte des Investmentfonds bei einem vom Kalenderjahr abweichenden Geschäftsjahr als in dem Kalenderjahr bezogen, in dem das Geschäftsjahr des Investmentfonds endet. Die Vorschrift überträgt die Parallelvorschrift des § 7 Abs. 4 Satz 2 KStG in das Investmentsteuerrecht. Letztere Vorschrift ist nicht direkt anwendbar, da für Investmentfonds keine handelsrechtliche Buchführungsverpflichtung besteht, die von § 7 Abs. 4 Sätze 1 und 2 KStG vorausgesetzt wird. Wegen der aufsichtsrechtlichen Vorgaben zur Buchführung für Investmentfonds hat der Gesetzgeber mit dem „JStG 2019“1 die Vorschrift des Satzes 4 geschaffen.2

J. Verlustvortrag (Abs. 8) § 6 Abs. 8 InvStG regelt die Möglichkeit eines Investmentfonds zum Verlustvortrag. § 6 98 Abs. 8 Satz 1 InvStG statuiert mangels Verweises auf § 10d Abs. 2 InvStG3 einen unbeschränkten Verlustvortrag, eine Mindestbesteuerung kennt das InvStG insoweit nicht.4 Ein Rücktrag von Verlusten in Vorjahre ist für Investmentfonds nicht zulässig.5 Verlustvor- wie -rückträge mögen sinnvoll und vor dem Hintergrund des Leistungsfähigkeitsprinzips auch in Teilen geboten sein, sie müssen in einem System der periodischen Abschnittsbesteuerung aber ausdrücklich normiert werden. Das ist in § 6 Abs. 8 InvStG für den Verlustrücktrag im Gegensatz zum Verlustvortrag nicht geschehen. Ein Verlustvortrag kommt nur dann zur Geltung, wenn eine Verlustverrechnung innerhalb 99 eines jeweiligen VZ nicht möglich ist. Für Veranlagungseinkünfte sieht § 6 Abs. 7 InvStG aber grds. Verrechnungsmöglichkeiten vor. Darüber hinaus sind keine gesonderten Verlustverrechnungskategorien wie noch nach § 3 Abs. 4 Satz 1 InvStG 2004 zu bilden. Denn § 6 Abs. 8 InvStG enthält – anders als § 41 Abs. 1 Satz 1 InvStG für Spezial-Investmentfonds – keine derartige Beschränkung.6 Dem Kapitalertragsteuerabzug unterliegende Einkünfte kommen als Verrechnungsgegenstand i.S.v. § 6 Abs. 8 InvStG von vornherein nicht in Betracht: § 6 Abs. 7 Satz 3 InvStG untersagt insoweit den Werbungskostenabzug, sodass negative (und damit verrechnungsfähige) Einkünfte ausscheiden.7 Anwendbar ist die Norm damit auf Fälle, in denen in einem VZ trotz Verrechnungsmöglichkeit innerhalb verschiedener Veranlagungseinkünfte ein Verlust entsteht (zwingend in Veranlagungseinkünften), in (irgend)einem darauffolgenden VZ aber positive Veranlagungseinkünfte gegeben sind.

1 G v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451. 2 BT-Drucks. 19/13436, 174. Die FinVerw. hatte schon zuvor die Einkünfteermittlung in entsprechender Anwendung des § 7 Abs. 4 Satz 2 KStG im Billigkeitswege nicht beanstandet, vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.43. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.51. 4 A.A. Lechner, RdF 2016, 211; Mann in Brandis/Heuermann, § 6 InvStG Rz. 86, der aus der Rechtsgrundverweisung auf § 10d Abs. 4 EStG offenbar auch einen Verweis auf § 10d Abs. 2 EStG lesen will. 5 Dazu bedarf es keines e contrario-Schlusses (so aber Mann in Brandis/Heuermann, § 6 InvStG Rz. 85), denn die Möglichkeit zum Verlustrücktrag hätte explizit erwähnt werden müssen. Wird sie das nicht, gibt es keinen Rücktrag, ohne dass man sich weiterer Auslegungstopoi bedienen müsste. 6 Mann in Moritz/Jesch/Mann2, § 6 InvStG Rz. 385. Verlustverrechnungskategorien widersprechen auch evident dem intendierten Vereinfachungszweck des InvStRefG. So nennt der Gesetzgeber u.a. die Komplexität der Verlustverrechnungskategorien als Anlass für die Reform, vgl. BT-Drucks. 18/8045, 52. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.50. Kretzschmann/Albrecht/Verleger | 235

§ 6 Rz. 100 | Körperschaftsteuerpflicht eines Investmentfonds 100 Satz 2 erklärt § 10d Abs. 4 EStG für sinngemäß1 anwendbar. Damit wird die verfahrensrecht-

liche Komponente der Verlustabzugsbeschränkung des EStG (die wiederum auf die AO und die FGO verweist) in Bezug genommen und als für Investmentfonds anwendbar erklärt. Der vortragsfähige Verlust wird vom FA gesondert (§ 10d Abs. 4 Satz 1 EStG) in einem bindenden Grundlagenbescheid (§ 182 Abs. 1 AO, Legaldefinition in 171 Abs. 10 AO) festgestellt.

§7 Erhebung der Kapitalertragsteuer gegenüber Investmentfonds (1) 1Bei Einkünften nach § 6 Absatz 2, die einem Steuerabzug unterliegen, beträgt die Kapitalertragsteuer 15 Prozent des Kapitalertrags. 2Es ist keine Erstattung von Kapitalertragsteuer nach § 44a Absatz 9 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes vorzunehmen. 3Wird Solidaritätszuschlag erhoben, so mindert sich die Kapitalertragsteuer in der Höhe, dass die Summe aus der geminderten Kapitalertragsteuer und dem Solidaritätszuschlag 15 Prozent des Kapitalertrags beträgt. 4Im Übrigen ist gegenüber Investmentfonds keine Kapitalertragsteuer zu erheben. (2) Soweit Einkünfte nach § 6 Absatz 2 einem Steuerabzug unterliegen, sind die Körperschaftsteuer und der Solidaritätszuschlag durch den Steuerabzug abgegolten. (3) 1Absatz 1 ist nur anzuwenden, wenn der nach § 44 des Einkommensteuergesetzes zum Abzug der Kapitalertragsteuer verpflichteten Person (Entrichtungspflichtiger) eine Bescheinigung vorliegt, in der die zuständige Finanzbehörde den Status als Investmentfonds bestätigt hat (Statusbescheinigung). 2Der Entrichtungspflichtige hat den Tag der Ausstellung der Statusbescheinigung und die darin verwendeten Identifikationsmerkmale aufzuzeichnen. (4) 1Die Erteilung der Statusbescheinigung erfolgt auf Antrag, der nach amtlich vorgeschriebenem Muster zu stellen ist. 2Die Gültigkeit der Statusbescheinigung darf höchstens drei Jahre betragen. 3In der Statusbescheinigung ist anzugeben, ob der Investmentfonds unbeschränkt oder beschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist. 4Die Statusbescheinigung kann rückwirkend für einen Zeitraum von sechs Monaten vor der Antragstellung erteilt werden. 5Die zuständige Finanzbehörde kann die Statusbescheinigung jederzeit zurückfordern. 6Fordert die zuständige Finanzbehörde die Statusbescheinigung zurück oder erkennt der Investmentfonds, dass die Voraussetzungen für ihre Erteilung weggefallen sind, so ist die Statusbescheinigung unverzüglich zurückzugeben. (5) 1Wenn ein unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtiger Investmentfonds innerhalb von 18 Monaten nach Zufluss eines Kapitalertrags eine Statusbescheinigung vorlegt, so hat der Entrichtungspflichtige dem Investmentfonds die Kapitalertragsteuer zu erstatten, die den nach Absatz 1 vorzunehmenden Steuerabzug übersteigt. 2Das Gleiche gilt, soweit der Investmentfonds innerhalb von 18 Monaten nach Zufluss eines Kapitalertrags nachweist, dass die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach den §§ 8 bis 10 vorliegen. 3Eine zuvor erteilte Steuerbescheinigung ist unverzüglich im Original zurückzugeben. 4Die Erstattung darf erst nach Rückgabe einer bereits erteilten Steuerbescheinigung erfolgen.

1 Unseres Erachtens gehen mit der Formulierung „sinngemäß“ anstatt „entsprechend“ (wie in Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 und Abs. 7 Satz 2) keine anderen Konsequenzen einher. Beide Begriffe sind synonym. Möglich, dass der Gesetzgeber hier redaktionelle Varianz walten lassen wollte.

236 | Kretzschmann/Albrecht/Verleger

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 1 § 7

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . II. Geltungsbereich 1. Sachlicher Geltungsbereich . . . . . . . . 2. Zeitlicher Geltungsbereich . . . . . . . . 3. Persönlicher Geltungsbereich . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . B. Kapitalertragsteuerabzug (Abs. 1) I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Umfang des Kapitalertragsteuerabzugs 1. Erfasste Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . 2. Weitere Voraussetzungen . . . . . . . . . 3. Reduktion des Quellensteuersatzes . III. Keine Absenkung des Kapitalertragsteuersatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammensetzung des Kapitalertragsteuerabzugs bei Solidaritätszuschlag . . V. Beschränkung des Kapitalertragsteuerabzugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Abgeltungswirkung (Abs. 2) . . . . . . . . D. Statusbescheinigung (Abs. 3) I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entrichtungspflichtiger . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsnatur der Statusbescheinigung . . IV. Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . V. Vorlage und Prüfung durch den Entrichtungspflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Statusbescheinigung bei ausländischen Investmentfonds 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesondertes Sammeldepot nur für Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gemischtes Sammeldepot . . . . . . . . .

1 2 3 4 6 8 14 15 17 18 19 20 22 24 27 28 29 32 34 36

VII. Rechtsfolgen bei Fehlen einer Statusbescheinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Aufzeichnungspflichten des Entrichtungspflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Verfahrensrechtliche Regelungen zur Statusbescheinigung (Abs. 4) I. Antrag auf Erteilung einer Statusbescheinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Statusbescheinigung für Anteilklassen 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anteilklassen eines Investmentfonds i.S.d. Kapitels 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anteilklassen eines Investmentfonds i.S.d. Kapitels 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gültigkeitsbeginn einer Statusbescheinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rückforderung einer Statusbescheinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Rückgabeverpflichtung . . . . . . . . . . . . . F. Erstattung durch den Entrichtungspflichtigen (Abs. 5) I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verhältnis zu § 11 InvStG . . . . . . . . . . . III. Aktiv- und Passivlegitimation . . . . . . . . IV. Erstattungsanspruch nach Abs. 5 Satz 1 V. Erstattungsanspruch nach Abs. 5 Satz 2 VI. Ausländische, beschränkt körperschaftsteuerpflichtige Investmentfonds . . . . . VII. Rückgabe der Steuerbescheinigungen (Abs. 5 Sätze 3 und 4) . . . . . . . . . . . . . . VIII. Verfahren nach Erstattung durch den Entrichtungspflichtigen . . . . . . . . . . . . .

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44 54 55 56 57 59 60

61 62 64 65 67 73 74 76

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Literatur: v. Schweinitz/Thiems, Die Umsetzungspflichten für Depotbanken bei Publikumsfonds nach dem Regierungsentwurf des Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung, DStR 2016, 1198; Stadler/ Bindl, Das neue InvStG – Überblick und Korrekturbedarf, DStR 2016, 1953; Behrens, Transparenz- und Immobilien-Transparenzoption nach dem InvStG 2018, RdF 2017, 297; Bindl/Mager, Besteuerung von Dachfonds nach dem InvStG 2018 – Stellungnahme zum Entwurf eines Reparaturgesetzes und Alternativvorschlag, DStR 2017, 465; Schurowski, Das neue Verfahren zur Behandlung des Kapitalertragsteuerabzugs nach dem Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz und die Abkehr vom OECD Model „Trace“ in Deutschland, FR 2021, 204.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck § 7 InvStG regelt die Erhebung der KapErtrSt gegenüber Investmentfonds auf Fondseingangs- 1 seite. Er ist mit seinem persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich lex specialis zu den Kretzschmann/Albrecht/Verleger | 237

§ 7 Rz. 1 | Erhebung der Kapitalertragsteuer gegenüber Investmentfonds allgemeinen Regelungen des EStG (insbes. §§ 43 ff. EStG). Die Norm ist mithin kein Rechtsgrund für eine Besteuerung oder den Steuerabzug. Absatz 1 bestimmt allein den Umfang und die Höhe des Kapitalertragsteuerabzugs, sie stellt den Rechtsgrund für die Verringerung des Steuersatzes auf 15 % dar. Aus Absatz 2 ergibt sich die abgeltende Wirkung des Steuerabzugs für Zwecke der KSt und des SolZ. Nach Absatz 3 ist Voraussetzung des Kapitalertragsteuerabzugs nach Absatz 1 eine Statusbescheinigung, aus der sich der Status als Investmentfonds ergibt. Die Erteilung der Statusbescheinigung ist in Absatz 4 geregelt. Absatz 5 regelt schließlich ein Erstattungsverfahren für die KapErtrSt, die den nach Abs. 1 Satz 1 vorzunehmenden Steuerabzug übersteigt.

II. Geltungsbereich 1. Sachlicher Geltungsbereich 2 § 7 InvStG regelt die Erhebung der KapErtrSt für Einkünfte nach § 6 Abs. 2 InvStG (zum

Umfang der erfassten Einkünfte s. § 6 InvStG Rz. 23 ff.), die nach den Regelungen des EStG (insbes. §§ 43 ff. EStG) einem Steuerabzug unterliegen. Einkünfte, die keinem Steuerabzug unterliegen, erfasst § 7 InvStG nicht, ebenso wenig Einkünfte, die im Veranlagungsverfahren festgesetzt werden.1 2. Zeitlicher Geltungsbereich

3 § 7 InvStG gilt ab dem 1.1.2018 (Art. 11 Abs. 3 InvStRefG). Er wurde zuletzt mit Art. 3 des

AbzStEntModG v. 2.6.20212 (hinsichtlich der Abs. 4 und 5) geändert und gilt in dieser Form gem. Art. 15 Abs. 1 desselben Gesetzes seit dem 3.6.2021. 3. Persönlicher Geltungsbereich

4 § 7 InvStG ist grds. anwendbar auf inländische und ausländische Investmentfonds (§ 2 Abs. 2

und 3 InvStG; vgl. weitergehende Ausführungen in § 2 InvStG Rz. 15 f.). Seit dem AbzStEntModG gilt das Erstattungsverfahren nach Abs. 5 Sätze 1 und 2 allerdings nur noch für unbeschränkt kstpfl. Investmentfonds.

5 Über § 29 Abs. 1 InvStG ist die Norm auch für Spezial-Investmentfonds i.S.d. § 26 InvStG

anwendbar, sofern im dritten Kapitel keine spezielleren Regelungen getroffen werden. § 53 Abs. 3 Satz 1 InvStG erweitert über § 29 Abs. 1 InvStG den persönlichen Anwendungsbereich auf Altersvorsorgevermögensfonds.

III. Rechtsentwicklung 6 § 7 InvStG wurde durch das InvStRefG v. 19.7.20163 neu eingeführt. Das InvStG a.F. kannte

keine KapErtrSt auf Fondseingangsseite und sah deshalb in § 11 Abs. 2 InvStG a.F. eine umfassende Erstattungsmöglichkeit für KapErtrSt vor, die auf Erträge eines Investmentfonds einbehalten und abgeführt wurde.

1 Dies sind grds. vor allem Immobilienerträge nach § 6 Abs. 4 InvStG (beachte aber die Ausnahmevorschrift des § 33 Abs. 2 Satz 2 InvStG). 2 BGBl. I 2021, 1259. 3 BGBl. I 2016, 1730.

238 | Kretzschmann/Albrecht/Verleger

B. Kapitalertragsteuerabzug (Abs. 1) | Rz. 14 § 7

Mit dem AbzStEntModG v. 2.6.20211 wurde das Erstattungsverfahren nach Abs. 5 Sätze 1 7 und 2 auf unbeschränkt kstpfl. Investmentfonds beschränkt.

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften Verhältnis zu § 10 InvStG. § 10 Abs. 5 InvStG enthält eine Spezialregelung zum (nicht vor- 8 zunehmenden) Steuerabzug gegenüber steuerbefreiten Investmentfonds oder Anteilsklassen. Verhältnis zu § 11 InvStG. § 11 Abs. 1 InvStG regelt wie § 7 Abs. 5 InvStG eine Erstattungs- 9 möglichkeit für zu viel einbehaltene Abzugsteuer, adressiert aber nicht den Entrichtungspflichtigen, sondern dessen Betriebsstätten-FA. Das Erstattungsverfahren nach § 7 Abs. 5 InvStG ist gegenüber § 11 Abs. 1 InvStG vorrangig (zum Verhältnis s. näher Rz. 62 f.). Verhältnis zu § 29 InvStG. Gemäß § 29 Abs. 1 InvStG gilt § 7 InvStG auch für Spezial-Invest- 10 mentfonds, sofern die Vorschriften des dritten Kapitels keine Abweichungen enthalten. Eine dieser Modifikationen ist § 29 Abs. 2 InvStG, nach dem eine Statusbescheinigung (vgl. § 7 Abs. 3 InvStG) den Status eines Spezial-Investmentfonds zu bestätigen hat. Verhältnis zu §§ 43 ff. EStG. Die allgemeinen Vorschriften der §§ 43 ff. EStG werden von § 7 11 InvStG als lex specialis suspendiert. § 7 InvStG begründet hingegen keinen eigenständigen Kapitalertragsteuerabzug, sondern knüpft an den nach allgemeinen Vorschriften bestehenden Kapitalertragsteuerabzug an und modifiziert diesen teilweise. Soweit § 7 InvStG keine abweichende Sonderregelung trifft, ist daher auf die allgemeinen Vorschriften der §§ 43 ff. EStG zurückzugreifen.2 Verhältnis zu §§ 50c ff. EStG. Nach dem Ausschluss der beschränkt kstpfl. Investmentfonds 12 aus dem Anwendungsbereich der Erstattungsvorschriften des Abs. 5 besteht keine Überschneidung mit den Regelungen der Erstattungsverfahren nach den DBAs mehr.3 Die Gefahr der Mehrfacherstattungen soll durch die Bündelung der Zuständigkeiten beim BZSt für beschränkt stpfl. Investmentfonds ausgeschlossen werden. Zur Nichtanwendung des § 50d Abs. 3 EStG s. Rz. 17. Verhältnis zu § 37 AO. § 37 Abs. 2 Satz 1 AO kennt ebenfalls Erstattungsansprüche für ohne 13 Rechtsgrund geleistete (u.a.) KapErtrSt, wird aber vom spezielleren § 7 Abs. 5 InvStG in dessen Anwendungsbereich verdrängt.4

B. Kapitalertragsteuerabzug (Abs. 1) I. Vorbemerkung Absatz 1 legt in vier Sätzen dar, in welcher Höhe KapErtrSt gegenüber Investmentfonds erho- 14 ben und abgeführt werden muss. Er bezieht sich auf „Einkünfte[n] nach § 6 Absatz 2, die einem Steuerabzug unterliegen,“ und setzt einen Steuerabzug dem Grunde nach voraus. § 7 InvStG hat somit keine steuerbegründende, sondern steuerbeschränkende Wirkung.5 Zudem steht die Anwendung des Abs. 1 unter dem Vorbehalt der Vorlage der Statusbescheinigung (vgl. Abs. 3).

1 2 3 4 5

BGBl. I 2021, 1259. Ramackers/Schlund in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 7 InvStG Rz. 28. Zu den Hintergründen vgl. Schurowski, FR 2021, 204 (213) und BT-Drucks. 19/27632, 62 f. Mann in Brandis/Heuermann, § 7 InvStG Rz. 31. Mann in Brandis/Heuermann, § 7 InvStG Rz. 9. Kretzschmann/Albrecht/Verleger | 239

§ 7 Rz. 15 | Erhebung der Kapitalertragsteuer gegenüber Investmentfonds

II. Umfang des Kapitalertragsteuerabzugs 1. Erfasste Einkünfte 15 Die Norm spricht in Satz 1 von „Einkünften nach § 6 Abs. 2 InvStG“.1 Im Wesentlichen er-

fasst Absatz 1 Beteiligungseinnahmen nach § 6 Abs. 3 Satz 1 InvStG,2 bei denen mangels Möglichkeit eines Werbungskostenabzugs die Einkünfte den Einnahmen entsprechen (Bruttobesteuerung). Im Einzelnen werden erfasst: – Inländische Beteiligungseinnahmen nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvStG umfassen insbesondere inländische Dividenden aus Aktien, Ausbeuten und sonstige Bezüge aus Aktien, Genussrechte, mit denen das Recht am Gewinn und Liquidationserlös einer KapGes. verbunden ist; Dividenden aus GmbH-Anteilen; Bezüge aus verdeckten Gewinnausschüttungen; Bezüge aus der Auflösung einer KapGes. (abgesehen vom Nennkapital) und Bezüge, die aufgrund einer Kapitalherabsetzung anfallen (s. § 6 InvStG Rz. 27 ff.). – Entgelte, Einnahmen und Bezüge nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG (s. § 6 InvStG Rz. 30 ff.). – Einzelne Einkünfte nach § 6 Abs. 5 InvStG: – Erträge aus Wandelanleihen und Gewinnobligationen, wenn der Schuldner Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat oder wenn es sich um Fälle nach § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG handelt; – Einnahmen aus typisch stillen Gesellschaften und partiarischen Darlehen, wenn der Schuldner Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat; – Zinsen auf durch inländischen Grundbesitz (bzw. grundstücksgleiche Rechte) gesichertes Fremdkapital, nicht aber Zinsen aus Anleihen und Forderungen, die in ein öffentliches Schuldbuch eingetragen oder über die Sammelurkunden i.S.d. § 9a DepotG oder Teilschuldverschreibungen ausgegeben sind (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa EStG), wenn das inländische Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsinstitut die Kapitalerträge als Schuldner auszahlt oder gutschreibt (§ 44 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 EStG); – Erträge aus nicht beteiligungsähnlichen Genussrechten, allerdings auch hier nur, wenn der Schuldner Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. bb EStG).

16 Daneben können prinzipiell auch Immobilienerträge erfasst sein. Diese unterliegen zwar nach

§ 6 Abs. 4 InvStG grds. keinem Steuerabzug. Wenn sich ein Investmentfonds jedoch an einem Spezial-Investmentfonds beteiligt und dieser im Rahmen von inländischen Immobilienerträgen auf (seiner) Fondsausgangsseite KapErtrSt nach §§ 33 Abs. 1, 50 Abs. 1 Satz 1 InvStG auf diese Erträge einbehält, ist auf Fondseingangsseite des einfachen Dach-Investmentfonds § 7 InvStG zu beachten.3 § 33 Abs. 2 Satz 1 InvStG fingiert insofern steuerbare Einkünfte nach § 6

1 Kritisch Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 7 InvStG Anm. 5. 2 BT-Drucks. 18/8045, 75. 3 So bemerkenswerter Weise auch die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 18/8045, 76, obwohl in der zunächst verabschiedeten Fassung des § 33 InvStG (die Norm wurde vor Inkrafttreten des neuen InvStG durch Art. 10 des SteuerumgehungsbekämpfungsG v. 23.6.2017 [BGBl. I 2017, 1682] geändert, s. dazu Behrens, RdF 2017, 297; Bindl/Mager, DStR 2017, 465) keine Fiktion dergestalt enthalten war, dass es sich bei den vom Spezial-Investmentfonds nach §§ 33, 50 InvStG ausgeschütteten Erträgen auf der Eingangsseite des beteiligten einfachen Dach-Investmentfonds nicht um Spezial-Investmenterträge, sondern um Einkünfte nach § 6 Abs. 4 InvStG handelt. Somit entfiel schon der Rechtsgrund für einen Steuerabzug. Dieser ist mittlerweile in § 33 Abs. 2 Satz 1 InvStG zu finden, § 33 Abs. 2 Satz 2 InvStG ordnet zudem einen Steuerabzug an.

240 | Kretzschmann/Albrecht/Verleger

B. Kapitalertragsteuerabzug (Abs. 1) | Rz. 19 § 7

Abs. 4 InvStG, die nach § 33 Abs. 2 Satz 2 InvStG einem Steuerabzug unterliegen (für den zudem die spezielle Steuersatzberechnung nach § 7 Abs. 1 Satz 3 InvStG nicht gilt). 2. Weitere Voraussetzungen Die Anwendung des Abs. 1 und damit auch die Reduktion der KapErtrSt setzt nach Abs. 3 17 voraus, dass dem Entrichtungspflichtigen eine Statusbescheinigung vorliegt. Weitere Voraussetzungen stellt das Gesetz nicht auf. Insbesondere sollte § 50d Abs. 3 EStG nicht zur Anwendung gelangen. Bis zu den Änderungen durch das AbzStEntModG1 waren Investmentfonds von der Regelung des § 50d Abs. 3 EStG ausgeschlossen (§ 50d Abs. 3 Satz 5 a.E. EStG a.F.). Dies wurde durch den Gesetzgeber unter Hinweis auf die Möglichkeiten des Einsatzes eines Investmentfonds zur steuerlichen Gestaltung aufgehoben.2 Somit stellt sich nunmehr (erstmals) die Frage nach der Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG i.R.d. Abs. 1 und auch i.R.d. Erstattungsverfahrens nach § 11 InvStG (s. § 11 InvStG Rz. 9). Für eine Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG könnte der in der Gesetzesbegründung zur Änderung des § 50d Abs. 3 EStG zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers sprechen, den Einsatz von ausländischen Investmentfonds an den Anforderungen des § 50d Abs. 3 EStG zu messen. Allerdings ergibt sich weder aus § 7 InvStG noch aus § 11 InvStG ein Verweis auf die Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG. Auch die Regelungen der §§ 43 ff. EStG ergeben diesen Verweis nicht, da § 44a Abs. 9 Satz 2 EStG auf die Reduktion der KapErtrSt, also auf ein Überschreiben des § 43a EStG, nicht anwendbar ist. Dass Satz 2 nur die Anwendung des § 44a Abs. 9 Satz 1 EStG anordnet, ergibt sich aus dem Normzweck, eine doppelte Erstattung auszuschließen. 3. Reduktion des Quellensteuersatzes Satz 1 ist innerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs der Norm lex specialis zu § 43a 18 EStG und sieht einen Quellensteuersatz von 15 % vor. Die Belastung mit KapErtrSt wirkt grds. definitiv (§ 7 Abs. 2 InvStG).3

III. Keine Absenkung des Kapitalertragsteuersatzes Satz 2 suspendiert die Regelung des § 44a Abs. 9 Satz 1 EStG. Diese sieht bei beschränkt StPfl. 19 eine Absenkung des Kapitalertragsteuersatzes von 25 % auf DBA-konforme 15 % (d.h. um 10 Prozentpunkte = 2/5) vor. Da § 7 Abs. 1 Sätze 1 und 3 InvStG bereits einen derart reduzierten Steuersatz standardmäßig vorsehen, ist eine weitere Reduktion nicht geboten.4 Die von den Sätzen 1 und 3 bemessenen 15 % inkl. SolZ entsprechen der grundsätzlichen Höhe des Quellensteuersatzes für Streubesitzdividenden nach Art. 10 Abs. 1 und 2 lit. b OECD-MA und des regelmäßig begrenzten Quellensteuersatzes nach den von Deutschland abgeschlossenen DBA. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 InvStG ist zunächst ungeachtet eines etwaigen DBA auch gegenüber ausländischen Investmentfonds grds. KapErtrSt i.H.v. 15 % des Kapitalertrags zu erheben.5

1 G v. 2.6.2021, BGBl. I 2021, 1259. 2 BT-Drucks. 19/27632, 60. 3 Ausnahmen kommen allenfalls bei der Beteiligung von steuerbegünstigten Anlegern an dem Investmentfonds nach Maßgabe der §§ 8 bis 10 InvStG in Betracht, vgl. Niedrig in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 7 InvStG Rz. 7; Watzlaw in Moritz/Jesch/Mann2, § 7 InvStG Rz. 11. 4 BT-Drucks. 18/8045, 76. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.2. Kretzschmann/Albrecht/Verleger | 241

§ 7 Rz. 20 | Erhebung der Kapitalertragsteuer gegenüber Investmentfonds

IV. Zusammensetzung des Kapitalertragsteuerabzugs bei Solidaritätszuschlag 20 Satz 3 behandelt die Zusammensetzung der zu erhebenden Steuer. Diese beträgt stets 15 %,

unabhängig davon, ob SolZ nach § 1 Abs. 1 SolZG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 5 SolZG erhoben wird oder nicht. Das bedeutet, dass sich die 15 %-Gesamtbelastung auf Fondseingangsseite bei einem Solidaritätszuschlagssatz von 5,5 % in 14,218 % KapErtrSt und 0,782 % SolZ aufteilt.1 Diese recht komplizierte Berechnungsmethode ist notwendig, da die Alternative – Verzicht auf die Belastung mit SolZ bei voller KapErtrSt – zu innerfiskalischen Unschärfen zwischen Bund und Ländern führen würde.2

21 § 7 Abs. 1 Satz 3 InvStG ist von der Motivation geprägt, Belastungsgleichheit zwischen in-

ländischen und ausländischen Investmentfonds zu schaffen.3 Inländische Investmentfonds wären ohne Satz 3 mit einem Steuersatz von 15 % zzgl. aktuell 5,5 % SolZ, d.h. mit insgesamt 15,825 % belastet. Zwar würde dieser Satz grds. auch gegenüber ausländischen Investmentfonds gelten. Diese würden sich aber – sofern sie aus einem Staat stammen, mit dem Deutschland ein DBA abgeschlossen hat – auf den typischen Quellensteuerhöchstsatz von 15 % (s. dazu Anh. 7 Rz. 32) berufen und so eine Erstattung von 0,825 Prozentpunkten fordern. Trotz der Intention (und auch der Wirkung), Gleichheit zu schaffen, muss man konstatieren, dass § 7 Abs. 1 Satz 3 InvStG für sich gesehen für inländische Investmentfonds (sowie ausländische aus einem Nicht-DBA-Staat) privilegierend wirkt. Gleichwohl muss er so wirken, um das level playing field aus ungleichen Startvoraussetzungen heraus schaffen zu können.

V. Beschränkung des Kapitalertragsteuerabzugs 22 Nach § 7 Abs. 1 Satz 4 InvStG ist gegenüber dem Investmentfonds i.Ü. keine KapErtrSt zu

erheben. Satz 4 schließt damit weitere Erhebungstatbestände gegenüber Investmentfonds aus. Insbesondere für diejenigen Kapitalerträge, die nach § 6 Abs. 2 InvStG nicht der KSt auf Investmentfondsebene unterliegen, ist daher keine KapErtrSt abzuführen. Dies betrifft u.a. Zinserträge aus unbesicherten und gewinnunabhängigen Darlehen, ausländische Dividenden, Veräußerungserlöse aus Anteilen an Körperschaften oder (Spezial-)Investmenterträge eines Dach-Investmentfonds, mit Ausnahme gewisser Immobilienerträge eines Ziel-Spezial-Investmentfonds.4

23 Nach § 33 Abs. 2 Satz 1 InvStG gelten die eigentlichen Spezial-Investmenterträge als Immobi-

lienerträge nach § 6 Abs. 4 InvStG, sodass, wie von § 7 Abs. 1 Satz 1 InvStG gefordert, „Einkünfte[n] nach § 6 Abs. 2 InvStG“ vorliegen. Wegen § 33 Abs. 2 Satz 2 InvStG unterliegen diese auch – eine weitere Anforderung des § 7 Abs. 1 Satz 1 InvStG – dem Steuerabzug. Diese Einkünfte sind damit, obwohl nachträglich,5 originär in das System des § 7 Abs. 1 InvStG eingebettet. Dieser Vorgang zeigt, dass sich durch Verweise an zunächst unvermuteter Stelle Erhebungspflichten ergeben können, die dennoch im Einklang mit § 7 Abs. 1 Satz 4 InvStG stehen. Die Norm führt nicht dazu, dass der Rechtsanwender mit einem Blick auf die §§ 6, 7 InvStG sämtliche Pflichten zum Steuerabzug gegenüber Investmentfonds ausmachen kann. § 7 Abs. 1 Satz 4 InvStG gilt daher nicht so absolut, wie er klingt. Die Abstandnahme vom

1 2 3 4

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.2. Dazu Mann in Brandis/Heuermann, § 7 InvStG Rz. 11. Vgl. BT-Drucks. 18/8045, 76; zweifelnd Boxberger in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 7 InvStG Rz. 4. Stadler/Bindl, DStR 2016, 1953 (1955 f.); Watzlaw in Moritz/Jesch/Mann2, § 7 InvStG Rz. 15 f.; vgl. auch BT-Drucks. 18/12127, 63. 5 S. Fn. 3 auf S. 240; zu den Hintergründen vgl. § 33 InvStG Rz. 44.

242 | Kretzschmann/Albrecht/Verleger

D. Statusbescheinigung (Abs. 3) | Rz. 27 § 7

Steuerabzug nach § 7 Abs. 1 Satz 4 InvStG erstreckt sich nur auf inländische Investmentfonds. Bei ausländischen Investmentfonds wird i.d.R. insoweit bereits nach den allgemeinen steuerlichen Regelungen keine KapErtrSt erhoben.1 Der beschränkten Einkommensteuerpflicht unterliegen nur die in § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG aufgeführten Einkünfte aus Kapitalvermögen. Daher wird bei Fehlen der Voraussetzungen für eine beschränkte StPfl. von der auszahlenden Stelle für diese Einkünfte kein Einbehalt der KapErtrSt vorgenommen.2 Allerdings darf nicht übersehen werden, dass ein ausländischer Investmentfonds nach den allgemeinen Regelungen aufgrund eines Orts der Geschäftsleitung im Inland unbeschränkt stpfl. sein kann, sodass die Sperrwirkung des § 7 Abs. 1 Satz 4 InvStG auch für ausländische Investmentfonds eine Bedeutung erlangen kann.

C. Abgeltungswirkung (Abs. 2) § 7 Abs. 2 InvStG regelt die umfassende Abgeltungswirkung abgezogener Kapitalertragsteu- 24 er. Eine Veranlagung zur KSt ist nicht durchzuführen,3 auch die Pflicht zur Abgabe einer Körperschaftsteuererklärung entfällt für den Investmentfonds insoweit.4 Absatz 2 steht nicht unter dem Vorbehalt von Abs. 3. Das bedeutet, dass die Abgeltungswir- 25 kung auch dann eintritt, wenn keine Statusbescheinigung (s. dazu Rz. 27 ff.) vorgelegen hat. Da das Veranlagungsverfahren in diesen Fällen suspendiert wird (Abs. 2 gilt), ggf. aber zu hohe Beträge abgeführt wurden (Abs. 1 gilt nicht, vgl. § 7 Abs. 3 Satz 1 InvStG), muss bei rechtzeitiger Vorlage der Statusbescheinigung der Differenzbetrag dem Investmentfonds nach § 7 Abs. 5 Satz 1 InvStG oder § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvStG erstattet werden; eine Erstattung findet nicht im Rahmen eines Veranlagungsverfahrens statt.5 Wurde entgegen einer Entrichtungspflicht kein (ausreichender) Steuerabzug vorgenommen 26 und erhält der Investmentfonds somit einen Bruttobetrag ausbezahlt, kann die Abgeltungswirkung des Abs. 2 nicht eintreten. In diesen Fällen hat der Investmentfonds die nach § 4 InvStG zuständige Behörde darüber zu informieren. Diese kann die Steuer nachfordern (§ 44 Abs. 5 Satz 2 EStG i.V.m. §§ 167 Abs. 1, 155 AO) oder den Investmentfonds diesbezüglich – jeweils mit den gewöhnlichen investmentsteuerlichen Tarifen – veranlagen.6

D. Statusbescheinigung (Abs. 3) I. Vorbemerkung Zentraler Regelungsgegenstand von § 7 Abs. 3 InvStG ist die sog. Statusbescheinigung. Die 27 Modifizierungen zum Kapitalertragsteuerabzug in Abs. 1 greifen ausweislich § 7 Abs. 3 Satz 1 InvStG nur, wenn dem Entrichtungspflichtigen vor Zufluss eine Statusbescheinigung vorliegt.7 1 BT-Drucks. 18/8045, 76. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.11; BMF v. 18.1.2016 – IV C 1 - S 2252/ 08/10004, BStBl. I 2016, 85 Rz. 313. 3 BT-Drucks. 18/8045, 76. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.12. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.13. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.25 f. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.15. Für bis zum 31.12.2018 zufließende Kapitalerträge – und vermutlich auch Erträge nach § 33 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 2 und 4 InvStG – ließ die FinVerw. einen Steuerabzug nach § 7 Abs. 1 InvStG auch dann zu, wenn dem Entrichtungspflichtigen anstelle einer Statusbescheinigung noch eine Nichtveranlagungs-Bescheinigung für einen Investmentfonds (NV-Bescheinigung NV-Art 5) vorlag (BMF v. 21.9.2017 – IV C 1 - S 1980 - 1/16/ 10010 :009 – DOK 2017/0798087, FR 2017, 1027 Tz. 6). Kretzschmann/Albrecht/Verleger | 243

§ 7 Rz. 28 | Erhebung der Kapitalertragsteuer gegenüber Investmentfonds

II. Entrichtungspflichtiger 28 Entrichtungspflichtiger ist nach der Klammerdefinition des Satzes 1 derjenige, der nach § 44

EStG zum Abzug der KapErtrSt verpflichtet ist. Dies wird i.d.R. eine Dividenden ausschüttende GmbH als Schuldnerin der Kapitalerträge (§ 44 Abs. 1 Satz 3 EStG) oder bei Dividenden aus girosammelverwahrten Aktien die Verwahrstelle (vgl. nähere Ausführungen in § 2 InvStG Rz. 11 f.) des Investmentfonds als auszahlende Stelle nach § 44 Abs. 1 Satz 4 EStG sein.1

III. Rechtsnatur der Statusbescheinigung 29 Mittels einer weiteren Legaldefinition bestimmt § 7 Abs. 3 Satz 1 InvStG, dass eine Status-

bescheinigung eine Bescheinigung ist, in der die zuständige FinBeh. den Status als Investmentfonds bestätigt hat. Auch für Spezial-Investmentfonds kann eine Statusbescheinigung ausgestellt werden. Darin ist gem. § 29 Abs. 2 InvStG der Status als Spezial-Investmentfonds zu bestätigen. Die Statusbescheinigung ist zum einen materiell-rechtliche Tatbestandsvoraussetzung des § 7 Abs. 1 InvStG für den besonderen Kapitalertragsteuerabzug und zum anderen Nachweis des Status als Investmentfonds. Die Statusbescheinigung soll eine praktikable und rechtssichere Durchführung des besonderen Kapitalertragsteuerabzugs sicherstellen.

30 Bei der Statusbescheinigung nach § 7 Abs. 3 InvStG handelt es sich um einen Verwaltungsakt

i.S.d. § 118 AO, nicht jedoch um einen Steuerbescheid nach § 155 Abs. 1 AO. Denn die unmittelbare Wirkung der Statusbescheinigung erschöpft sich in der Feststellung, dass es sich bei einer Entität um einen Investmentfonds i.S.d. § 1 Abs. 2 InvStG bzw. Spezial-Investmentfonds i.S.d. § 26 InvStG handelt. Die Statusbescheinigung stellt mithin weder einen Steuerbescheid (§ 155 Abs. 1 Satz 1 AO) noch einen Freistellungsbescheid (§ 155 Abs. 1 Satz 3 AO) dar. Strukturell ist die Statusbescheinigung z.B. einer Nichtveranlagungsbescheinigung nach § 44a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG vergleichbar. Rücknahme bzw. Widerruf der Statusbescheinigung richten sich nach §§ 130 ff. AO.2

31 Wer zuständige Finanzbehörde ist, richtet sich nach § 4 InvStG. Für inländische Investment-

fonds ist es nach § 4 Abs. 1 InvStG das FA, das für den Bezirk örtlich zuständig ist, in dem die Kapitalverwaltungsgesellschaft (§ 3 Abs. 2 Satz 1 InvStG) ihren Sitz hat. Für ausländische Investmentfonds erstellt das BZSt nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 InvStG die Statusbescheinigungen. Verfügt der ausländische Investmentfonds über einen sog. OGAW-Pass für Zwecke der Vertriebserleichterung, muss er dennoch eine Statusbescheinigung beantragen.3 Zwar sind alle OGAW – selbst solche in Personengesellschaftsform, vgl. § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 InvStG – Investmentfonds. Es ist aber nicht sehr verwunderlich, dass die deutsche FinVerw. den Eintritt privilegierender Besteuerungswirkungen nicht an eine Bescheinigung knüpfen möchte, die von einer ausländischen Behörde ausgestellt wurde und zudem mit dem Aufsichtsrecht ein anderes Rechtsgebiet betrifft.

1 BT-Drucks. 18/8045, 76; bei ausländischen Investmentfonds kommt typischerweise noch die Clearstream Banking Frankfurt AG in der Funktion als deutscher Zentralverwahrer in Betracht, BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.14. 2 Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 7 InvStG Anm. 20; Ramackers/Schlund in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 7 InvStG Rz. 71. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.15 a.E.

244 | Kretzschmann/Albrecht/Verleger

D. Statusbescheinigung (Abs. 3) | Rz. 35 § 7

IV. Maßgeblicher Zeitpunkt Die Statusbescheinigung muss vor Zufluss der Kapitalerträge vorgelegen haben, damit der 32 nach Abs. 1 privilegierte Kapitalertragsteuerabzug zur Anwendung gelangen kann.1 Das gilt nach Ansicht der FinVerw., die sich insofern auf nachvollziehbare Praktikabilitätserwägungen stützen kann, selbst für die Fälle, in denen eine Statusbescheinigung mit rückwirkender Gültigkeit beantragt wird.2 Das rückwirkende Antragsverfahren nach § 7 Abs. 4 Satz 4 InvStG ist somit allein für eine Erstattung nach § 7 Abs. 5 InvStG oder § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvStG relevant.3 § 7 Abs. 1 Satz 1 InvStG ist in Passivform gehalten und sagt nichts dazu, wer die Status- 33 bescheinigung aktiv vorlegen muss. In der Regel wird das der Investmentfonds (bzw. seine KVG) oder die Verwahrstelle sein.4

V. Vorlage und Prüfung durch den Entrichtungspflichtigen Nach dem Wortlaut der Norm ist eine Vorlage an den Entrichtungspflichtigen erforderlich. 34 „Vorlage“ bedeutet zwar nicht „Aushändigung“, impliziert aber grds. zumindest eine (temporäre) physische Übergabe. Sollte – auch aus Gründen der Rechtssicherheit für den Entrichtungspflichtigen – eine permanente physische Übergabe gemeint sein,5 müssten Investmentfonds sich in der Folge nicht nur eine, sondern zahlreiche Statusbescheinigungen ausstellen lassen (die dann allerdings im Fall von § 7 Abs. 4 Satz 5 InvStG sämtlich zurückgegeben werden müssten).6 Die FinVerw. erlaubt, dass an die Stelle der physischen Vorlage ein Abruf über die in der Bescheinigung enthaltenen Daten aus den Datenbanken marktüblicher Finanzinformationsdienstleister treten kann.7 Der Dienstleister muss allerdings bestätigen, dass ihm eine echte Original-Statusbescheinigung vorliegt. Greift der Entrichtungspflichtige auf dieses Datenbankverfahren zurück, gilt die Statusbescheinigung als vorgelegt.8 Der Entrichtungspflichtige hat zum Zeitpunkt der Erhebung der KapErtrSt die Gültigkeit 35 bzw. Echtheit der vorliegenden Statusbescheinigung zu prüfen. Die Prüfung durch den Entrichtungspflichtigen entfällt bei Nutzung des Datenbankverfahrens, da in diesen Fällen der Datenbankanbieter zuvor bereits die Echtheit der Original-Statusbescheinigung zu prüfen hatte.9 Der Entrichtungspflichtige bzw. der Finanzinformationsdienstleister kann regelmäßig auf die Echtheit der Statusbescheinigung vertrauen, wenn die Statusbescheinigung die ausstellende FinBeh. erkennen lässt und ein (ggf. elektronisches) Dienstsiegel dieser FinBeh. enthält.10

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.15; Ramackers/Schlund in Bödecker/Ernst/ Hartmann, § 7 InvStG Rz. 78. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.15. 3 Vgl. auch Niedrig in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 7 InvStG Rz. 31. 4 So auch die Formulierung im BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.15. 5 Kritisch – gerade im Hinblick auf § 55 Abs. 1 Nr. 1 InvStG – Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 7 InvStG Anm. 20; gegen eine Aufbewahrungspflicht des Entrichtungspflichtigen auch Ramackers/ Schlund in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 7 InvStG Rz. 77; a.A. Watzlaw in Moritz/Jesch/Mann2, § 7 InvStG Rz. 58. 6 Zum Plan des BZSt, dies zu tun, Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 7 InvStG Anm. 20. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.16. Als Beispiele für Finanzinformationsdienstleister nennt das BMF-Schreiben den WM-Datenservice. Auch die Datenbank des Finanzinformationsdienstleisters OMGEO kann genutzt werden, vgl. Watzlaw in Moritz/Jesch/Mann2, § 7 InvStG Rz. 63, unter Verweis auf die Webseite des BZSt. 8 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.16. 9 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.16 f. 10 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.17. Kretzschmann/Albrecht/Verleger | 245

§ 7 Rz. 36 | Erhebung der Kapitalertragsteuer gegenüber Investmentfonds

VI. Statusbescheinigung bei ausländischen Investmentfonds 1. Vorbemerkung 36 Die KapErtrSt ist nach § 7 Abs. 1 InvStG ferner in den Fällen zu erheben, in denen der Ent-

richtungspflichtige ein Depot für ein ausländisches Kreditinstitut führt, welches das Depot treuhänderisch für seine Kunden unterhält (Fremddepot, „Depot B“). Das Depot wird für eine Vielzahl von wirtschaftlichen Eigentümern treuhänderisch gehalten (Sammeldepot). Das „Depot B“ ist vom „Depot A“ zu unterscheiden. In Letzterem verwahrt das ausländische Kreditinstitut eigene Anteile, § 4 Abs. 2 DepotG. Das BMF-Schreiben v. 21.5.2019 unterscheidet dabei folgende Fälle:1

2. Gesondertes Sammeldepot nur für Investmentfonds 37 Bei einem Sammeldepot, das nur für Investmentfonds geführt wird, hat das ausländische Kre-

ditinstitut schriftlich oder mittels elektronischer Dokumente glaubhaft zu versichern, dass es sich bei den wirtschaftlichen Eigentümern ausschließlich um Investmentfonds handelt. Die schriftliche Versicherung des ausländischen Kreditinstituts muss die Bezeichnung und Anschrift des ausländischen Kreditinstituts, die Bezeichnung und Anschrift des Investmentfonds sowie Name und Funktion der Person, die für die ausländische depotführende Stelle die Versicherung abgibt, enthalten. Darüber hinaus hat das ausländische Kreditinstitut für sämtliche Investmentfonds gültige Statusbescheinigungen vorzulegen. Fehlt die Statusbescheinigung eines oder mehrerer Investmentfonds, sind die Regelungen für gemischte Sammeldepots anzuwenden.2 3. Gemischtes Sammeldepot

38 Wird ein Sammeldepot nicht nur für Investmentfonds, sondern auch für andere wirtschaftli-

che Eigentümer geführt, soll es nach Auffassung der FinVerw. für die Anwendung des § 7 Abs. 1 InvStG maßgeblich sein, in welchem Umfang der Wertpapierbestand auf die Investmentfonds entfällt. Hierzu hat das ausländische Kreditinstitut gegenüber dem Entrichtungspflichtigen schriftlich oder mittels elektronischer Dokumente glaubhaft zu versichern, in welchem Umfang die Depotbestände im Zeitpunkt des Zuflusses der Kapitalerträge auf konkret benannte Investmentfonds entfallen. Die schriftliche Versicherung hat die Bezeichnung und Anschrift des ausländischen Kreditinstituts, die Bezeichnung und Anschrift des Investmentfonds, die Bezeichnung und Anzahl der Kapitalbeteiligung (sofern vorhanden, mit nationaler oder internationaler Wertpapierkennnummer [international securities identification

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.3 ff. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.3 f.

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D. Statusbescheinigung (Abs. 3) | Rz. 41 § 7

number – ISIN]) sowie Name und Funktion der Person, die für das ausländische Kreditinstitut die Versicherung abgibt, zu enthalten. Dieses Vorgehen ist folgerichtig, denn der besondere Steuersatz nach § 7 Abs. 1 InvStG ist nur auf Investmentfonds i.S.d. § 1 InvStG anzuwenden, die ihren Status als Investmentfonds durch Statusbescheinigung i.S.d. § 7 Abs. 3 InvStG nachweisen. Dementsprechend fordert das BMF-Schreiben auch die Vorlage gültiger Statusbescheinigungen für sämtliche Investmentfonds durch das ausländische Kreditinstitut. Die Gültigkeit solcher Statusbescheinigungen ergibt sich aus § 7 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 4 Abs. 2 Nr. 2 InvStG. Liegt dem Entrichtungspflichtigen keine Statusbescheinigung vor, hat er die KapErtrSt nach den allgemeinen Grundsätzen ohne Berücksichtigung der Modifikationen des § 7 Abs. 1 InvStG zu erheben. In diesem Fall unterliegen zugleich die nicht von § 6 Abs. 2 InvStG umfassten Kapitalerträge der KapErtrSt nach den allgemeinen Regelungen der §§ 43 ff. EStG.1 Der Steuerabzug bei den inländischen Einkünften i.S.d. § 2 Nr. 2 Buchst. a bis c KStG nach § 6 Abs. 3 Satz 2 InvStG findet weiterhin Anwendung; diese Verpflichtung wird nicht von § 7 Abs. 3 InvStG suspendiert.2 Bei ausländischen Investmentfonds sind bei dem Steuerabzug die Beschränkungen des nationalen Besteuerungsrechts bei beschränkter StPfl. zu beachten.3 Wird eine Steuerbefreiung nach §§ 8 oder 10 InvStG geltend gemacht, hat das ausländische 39 Kreditinstitut den Zeitpunkt der Anschaffung der Kapitalbeteiligung durch den Investmentfonds anzugeben. Denn nach § 8 Abs. 3 Satz 1 InvStG richtet sich der Umfang der Steuerbefreiung nach dem Anteil, den steuerbegünstigte Anleger i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 InvStG zum Zeitpunkt des Zuflusses der Kapitalerträge halten (vgl. weitergehende Ausführungen in § 8 InvStG Rz. 43 f.).

VII. Rechtsfolgen bei Fehlen einer Statusbescheinigung Ohne Vorlage einer Statusbescheinigung darf der Entrichtungspflichtige den Investment- 40 fonds nicht als solchen nach § 7 Abs. 1 InvStG privilegiert behandeln. Beide steuerlichen Beschränkungen des § 7 Abs. 1 InvStG sind in diesem Fall suspendiert: Zum einen ist ein Steuerabzug für Kapitalerträge nach den allgemeinen Regelungen (§§ 43 ff. EStG) vorzunehmen, die etwa wie ausländische Dividenden nicht unter § 6 Abs. 2 InvStG fallen, und zum anderen ist grds. der reguläre Satz (von i.d.R. 25 %) anzuwenden.4 Dies folgt systematisch aus dem Umstand, dass die Vorschrift des Absatzes 1, die ihrerseits die allgemeinen Bestimmungen der §§ 43 ff. EStG im Wege der Spezialität verdrängt, nur unter der Voraussetzung des Abs. 3 anwendbar ist. Ohne Statusbescheinigung kommen mithin die allgemeinen Vorschriften über Höhe und Umfang der KapErtrSt zur Anwendung. Dies gilt auch für den Kapitalertragsteuerabzug gegenüber ausländischen Investmentfonds ohne Statusbescheinigung.5 Weiterhin anwendbar bleibt allerdings die von § 7 Abs. 1 InvStG unabhängige Regelung des 41 § 6 Abs. 3 Satz 2 InvStG, die auf § 32 Abs. 3 KStG verweist und insbes. Erträge aus Wertpapierleihgebühren und Dividendenkompensationszahlungen umfasst (s. dazu § 6 InvStG Rz. 40 ff.). Diese Erträge unterliegen daher auch gegenüber ausländischen Investmentfonds ohne Statusbescheinigung dem Kapitalertragsteuerabzug, obwohl es sich nach der allgemeinen Regel des § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG nicht um beschränkt stpfl. Einkünfte aus Kapitalver-

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BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.11. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.11. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.11. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.11. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.11; vgl. zur KapErtrSt bei beschränkt stpfl. Einkünften aus Kapitalvermögen auch BMF v. 18.1.2016 – IV C 1 - S 2252/08/10004 :017, BStBl. I 2016, 85 Rz. 312 ff. Kretzschmann/Albrecht/Verleger | 247

§ 7 Rz. 41 | Erhebung der Kapitalertragsteuer gegenüber Investmentfonds mögen handelt.1 Es kommt mithin zu der paradoxen Rechtsfolge, dass die von § 6 Abs. 3 Satz 2 InvStG erfassten Erträge aus Wertpapierleih- und echten Wertpapierpensionsgeschäften nur gegenüber Investmentfonds dem Kapitalertragsteuerabzug unterliegen, der ausländische Investmentfonds mangels Statusbescheinigung gegenüber dem Entrichtungspflichtigen aber gerade keinen Nachweis über seinen Status führen kann. Im Zweifel ist daher ein Kapitalertragsteuerabzug durch den Entrichtungspflichtigen vorzunehmen.2 42 Wird mangels Statusbescheinigung die reguläre anstelle der nach § 7 Abs. 1 InvStG privile-

gierten KapErtrSt oder KapErtrSt auf nicht von § 6 Abs. 2 InvStG erfasste Einkünfte einbehalten, findet entweder zugunsten inländischer, unbeschränkt kstpfl. – vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 InvStG – Investmentfonds das Erstattungsverfahren nach § 7 Abs. 5 Satz 1 oder bei sämtlichen Investmentfonds, soweit KapErtrSt von inländischen Entrichtungspflichtigen abgeführt wurde, dasjenige nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvStG Anwendung.3 Für den Fall eines Sammeldepots sieht das BMF hiervon abweichend eine bis einschließlich 31.12.2022 geltende Nichtbeanstandungsregelung vor, nach der auch der Entrichtungspflichtige innerhalb von 20 Geschäftstagen nach Zufluss des Kapitalertrags den Steuerabzug stornieren und die Differenzbeträge auszahlen kann, wenn die entsprechende Statusbescheinigung innerhalb dieses Zeitraums vorliegt und keine Steuerbescheinigungen ausgestellt wurden.4 Stellt sich hingegen im Falle eines Kapitalertragsteuerabzuges nach § 6 Abs. 3 Satz 2 InvStG, der von § 7 Abs. 1 InvStG unabhängig ist, nachträglich heraus, dass fälschlich KapErtrSt einbehalten wurde, weil der Empfänger der Kapitaleinkünfte kein (Spezial-)Investmentfonds ist, besteht ein Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO.5 Dies ergibt sich systematisch wiederum daraus, dass der im Vergleich zu § 37 Abs. 2 AO speziellere Erstattungsanspruch nach § 7 Abs. 5 InvStG an Fälle von § 7 Abs. 1 InvStG anknüpft,6 die bei einem Kapitalertragsteuerabzug nach § 6 Abs. 3 Satz 2 InvStG nicht vorliegen, sodass § 37 Abs. 2 AO nicht im Wege der Spezialität verdrängt wird.

VIII. Aufzeichnungspflichten des Entrichtungspflichtigen 43 Nach § 7 Abs. 3 Satz 2 InvStG hat der Entrichtungspflichtige den Tag der Ausstellung der

Statusbescheinigung und die darin verwendeten Identifikationsmerkmale aufzuzeichnen. Identifikationsmerkmale sind die Ordnungsnummer und die Steuernummer des Investmentfonds. Ruft der Entrichtungspflichtige die Daten der Statusbescheinigung von einem marktüblichen Finanzinformationsdienstleister ab, hat er gleichfalls die ausgewiesene Ordnungsnummer und die niedergelegte Steuernummer sowie den Tag der Ausstellung der Statusbescheinigung aufzuzeichnen.7 Diese erleichterte Verfahrensweise ist angelehnt an das bislang bewährte Verfahren bei der Vorlage von Nichtveranlagungs-Bescheinigungen bei inländischen Brokern.8 Als marktübliche Finanzinformationsdienstleiter bezeichnet die FinVerw. insbes. WM-Datenservice sowie Omgeo.9

1 Niedrig in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 7 InvStG Rz. 47; Hahne, DStR 2017, 2310 (2312). 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.16. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.10, 7.23; zur zeitlichen Anwendung s. auch Rz. 73. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.10. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.16. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.23. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.18. 8 Antwortschreiben des BMF an Deutsche Kreditwirtschaft (DK) und BVI v. 21.12.2017 – IV C 1 - S 1980 - 1/16/10010, DStR 2018, 194 Punkt 1; BMF v. 15.12.2015 – IV C 1 - S 1980 - 1/08/10011, juris. 9 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz 7.15.

248 | Kretzschmann/Albrecht/Verleger

E. Verfahrensrechtliche Regelungen zur Statusbescheinigung (Abs. 4) | Rz. 48 § 7

E. Verfahrensrechtliche Regelungen zur Statusbescheinigung (Abs. 4) I. Antrag auf Erteilung einer Statusbescheinigung § 7 Abs. 4 InvStG normiert die rechtlichen Voraussetzungen des Verfahrens für die Erteilung 44 einer Statusbescheinigung. Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 InvStG erfolgt die Erteilung einer Statusbescheinigung auf Antrag nach amtlich vorgeschriebenem Muster (Vordruck InvSt 8). Diese Vorgehensweise ist effektiv, denn da weltweit jeder Investmentfonds, der Einkünfte nach § 6 Abs. 2 InvStG erzielt (bzw. plant, diese zu erzielen), einen solchen Antrag stellen kann,1 ist mit hohen Fallzahlen zu rechnen. Antragsberechtigt sind Investmentfonds i.S.d. § 1 Abs. 2 Sätze 1 und 2 InvStG. Anteilklassen i.S.d. § 96 Abs. 1 KAGB eines Investmentfonds stellen keine eigenständigen Investmentfonds dar. Ein Ermessen über die Erteilung hat die zuständige FinBeh. bei Vorliegen der Voraussetzun- 45 gen nicht. Der Investmentfonds hat einen Anspruch auf Erteilung. Ohne Antrag kann die FinBeh. nicht von Amts wegen tätig werden. § 7 Abs. 4 Satz 1 InvStG gilt gleichfalls für Folgeanträge, sodass auch in diesen Fällen nur auf Antrag eine (neue) Statusbescheinigung ausgestellt wird. Antragsberechtigt ist grds. jeder in- und ausländische Investmentfonds bzw. Spezial-Invest- 46 mentfonds (§ 29 Abs. 2 InvStG). Dies umfasst Investmentfonds nach § 1 Abs. 2 und 4 InvStG, also auch Teilfonds, nicht aber verschiedene Anteilklassen eines Investmentfonds. Denn Anteilklassen stellen lediglich unterschiedlich ausgestaltete Anteile an einem einheitlichen Investmentvermögen dar. Eine Statusbescheinigung gilt mithin für alle Anteilklassen eines Investmentfonds.2 Der Antrag ist vom gesetzlichen Vertreter i.S.d. § 3 InvStG, im Regelfall also durch die KVG, zu stellen.3 Der Antrag ist selbst nicht fristgebunden. Systematisch ergibt sich aus § 7 Abs. 5 InvStG je- 47 doch, dass der Antrag innerhalb von 18 Monaten nach Zufluss von Kapitalerträgen zu stellen ist, damit ein Investmentfonds in den Genuss der Privilegierung nach § 7 Abs. 1 InvStG kommen kann.4 Nach § 7 Abs. 4 Satz 3 InvStG ist in der Statusbescheinigung anzugeben, ob der Investment- 48 fonds unbeschränkt oder beschränkt kstpfl. ist. Dies wiederum bestimmt sich nach § 6 Abs. 1 Satz 1 bzw. Satz 2 InvStG ausgehend von der Qualifikation als inländischer oder ausländischer Investmentfonds. Bei einem unbeschränkt kstpfl. Investmentfonds, dessen gültige Statusbescheinigung mit Gültigkeitsbeginn vor dem 1.7.2021 noch nicht die Angabe der unbeschränkten KStPfl. enthält, beanstandet es die FinVerw. nicht, wenn der Entrichtungspflichtige eine Erstattung nach § 7 Abs. 5 Satz 2 InvStG durchführt, wenn dem Entrichtungspflichtigen die unbeschränkte KStPfl. des Investmentfonds bekannt ist.5 Auf die Vorlage einer neuen Statusbescheinigung soll in diesen Fällen bis zum Ablauf der noch gültigen Statusbescheinigung verzichtet werden können.6 Eine Rechtfertigung (mit Ausnahme der wenigen potenziell erfassten Fälle) für eine Privilegierung der Erstattung nach § 7 Abs. 5 Satz 2 InvStG gegenüber

1 Und ihn voraussichtlich auch stellen wird, es sei denn, er erzielt keine Einkünfte, die von § 6 Abs. 2 InvStG erfasst sind, und erreicht den Steuersatz von 15 % durch DBA-Erstattungen, sodass er auf die Vorteilswirkungen des § 7 Abs. 1 InvStG – und damit eine Statusbescheinigung – nicht angewiesen ist. Insbesondere Investmentfonds, die ausschließlich Zinsen erwirtschaften, können daher regelmäßig auf eine Statusbescheinigung verzichten; vgl. Watzlaw in Moritz/Jesch/Mann2, § 7 InvStG Rz. 71. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.22. 3 Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 7 InvStG Anm. 25. 4 Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 7 InvStG Anm. 25. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.28a. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.28a. Kretzschmann/Albrecht/Verleger | 249

§ 7 Rz. 48 | Erhebung der Kapitalertragsteuer gegenüber Investmentfonds der Erstattung nach § 7 Abs. 5 Satz 1 InvStG und der Abstandnahme nach § 7 Abs. 1 InvStG ist nicht ersichtlich. 49 Die Ausstellung der Statusbescheinigung obliegt der zuständigen FinBeh. i.S.d. § 4 InvStG.

Ändert sich während des Gültigkeitszeitraums die örtliche Zuständigkeit des FA, führt das nicht zur Ungültigkeit der Statusbescheinigung.1 Dies dient ebenso der Entlastung der FinVerw. Auf der anderen Seite ist auch beim Statuswechsel eines Spezial-Investmentfonds in einen Investmentfonds nach § 52 InvStG eine neue Statusbescheinigung und damit ein neuerlicher Antrag erforderlich.2

50 Der Antrag auf Erteilung einer Statusbescheinigung ist gem. § 7 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 4

InvStG an die zuständige FinBeh. zu richten,3 mithin bei inländischen Investmentfonds i.d.R. das FA, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung des Investmentfonds befindet, und bei ausländischen Investmentfonds ohne Immobilienvermögen das BZSt (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 InvStG).4

51 Bei inländischen Investmentfonds ist i.d.R. das FA zuständig, in dessen Bezirk die KVG ihren

Sitz hat (§ 3 Abs. 2 Satz 1 InvStG). § 4 Abs. 2 InvStG konzipiert nach Art der Einkünfte eine Zuständigkeit des FA oder eine solche des BZSt. Das FA ist zuständig für Einkünfte nach § 6 Abs. 2 InvStG, die keinem Steuerabzug unterliegen. Die Zuständigkeit des BZSt für die übrigen Einkünfte ist dem Umstand geschuldet, dass das BZSt grds. keine Veranlagungen vornimmt. In den Fällen des § 4 Abs. 2 Nr. 1 InvStG obliegt die Zuständigkeit den Landesfinanzbehörden. Maßgebend für die Bestimmung der Zuständigkeit ist der Bezirk, in dem sich das Vermögen des Investmentfonds befindet. Trifft dies für mehrere FÄ zu, ist das FA zuständig, in dessen Bezirk sich der wertvollste Teil des Vermögens befindet. Dies gilt unter der Maßgabe, sofern der Investmentfonds ausschließlich oder teilweise Einkünfte nach § 6 Abs. 2 InvStG erzielt, die keinem Steuerabzug unterliegen. Bedeutung erlangt die vorrangige Zuständigkeitsnorm in Fällen, in denen ausländische Investmentfonds bspw. inländische Immobilien halten und mit ihren Immobilienerträgen einer KSt-Veranlagung unterliegen. § 4 Abs. 2 Nr. 1 InvStG ist § 20 Abs. 3 AO nachgebildet.

52 Für ausländische Investmentfonds ist das BZSt für die Ausstellung der Statusbescheinigung

zuständig. Das BZSt ist für Fälle des § 4 Abs. 2 Nr. 2 InvStG die zur Ausstellung einer Statusbescheinigung zuständige FinBeh. § 4 Abs. 2 Nr. 2 InvStG erfasst Fälle, die nicht von § 4 Abs. 2 Nr. 1 InvStG erfasst werden, mithin Fälle, in denen sich das Vermögen des ausländischen Investmentfonds im Inland befindet.

53 Ein OGAW-Pass kann die Statusbescheinigung nach § 7 Abs. 3 InvStG nicht ersetzen, da es

sich hierbei nicht um eine von einer deutschen FinBeh. ausgestellte Bescheinigung handelt.5 Der OGAW-Pass ist ein europäischer Pass, der lediglich bescheinigt, dass die Regeln der OGAW-RL6 eingehalten werden, und erlaubt zudem den Vertrieb des OGAW-Fonds an alle Arten von Anlegern und in allen Mitgliedsländern der EU, sobald dieser von der zuständigen Aufsichtsbehörde eines EU-Landes eine Zulassung erhalten hat.

1 2 3 4 5 6

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.21. Watzlaw in Moritz/Jesch/Mann2, § 7 InvStG Rz. 70. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.15. Watzlaw in Moritz/Jesch/Mann2, § 7 InvStG Rz. 75. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rn 7.15. RL 2009/65/EG v. 13.7.2009, ABl. EU 2009, Nr. L 302, 32.

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E. Verfahrensrechtliche Regelungen zur Statusbescheinigung (Abs. 4) | Rz. 56 § 7

II. Statusbescheinigung für Anteilklassen 1. Vorbemerkung Nach der bisherigen Verwaltungspraxis wurden aus Gründen der Praktikabilität für Anteil- 54 klassen eigenständige Steuernummern vergeben. Nach Rz. 4 des BMF-Schreibens v. 18.8.20091 wurden Anteilklassen wie ein selbstständiges Investmentvermögen behandelt. Anteile an einem Sondervermögen werden in Anteilklassen unterteilt. Dies geschieht anhand von Ausgestaltungsmerkmalen, insbes. Ertragsverwendung, Ausgabeaufschlag, Rücknahmeabschlag, Währung des Anteilswerts, Verwaltungsvergütung, Mindestanlagesumme oder einer Kombination dieser Merkmale. Bei den Anteilklassen handelt es sich um bloße „Ausprägungen“ des „einheitlichen“ Sondervermögens, auf das der Kapitalertrag entfällt.2 Anteilklassen oder ausländische unselbstständige Teile eines Investmentfonds stellen in Abgrenzung zu den haftungs- und vermögensrechtlich voneinander getrennten Teilen eines Investmentfonds (§ 1 Abs. 4 InvStG) keine eigenständigen Investmentfonds i.S.d. § 1 InvStG dar, mithin keine eigenständigen Steuersubjekte. Für die Frage, ob für Anteilklassen eigene Steuernummern zu vergeben sind, ist nach der Art des Investmentfonds zu unterscheiden. Maßgebend ist, ob ein Investmentfonds i.S.d. Kapitels 2 oder ein Spezial-Investmentfonds i.S.d. Kapitels 3 vorliegt. 2. Anteilklassen eines Investmentfonds i.S.d. Kapitels 2 Für die Vergabe eigenständiger Steuernummern und ggf. eigener Statusbescheinigungen für 55 Anteilklassen bildet das Besteuerungsregime nach dem InvStRefG keine ausreichende gesetzliche Grundlage (mehr), soweit es sich um einen Investmentfonds i.S.d. Kapitels 2 handelt. Ein Investmentfonds gilt nach § 6 Abs. 1 InvStG als Zweckvermögen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG bzw. als Vermögensmasse i.S.d. § 2 Nr. 1 KStG und unterliegt mit seinen in § 6 Abs. 2 Satz 2 InvStG genannten Einkünften einem neuen Besteuerungsregime, der intransparenten Besteuerung. Mit dem neuen Besteuerungsregime für Investmentfonds erfolgt keine Feststellung von Besteuerungsgrundlagen mehr, mithin entfällt auch die Verknüpfung von Fondsveranlagung und Anlegerveranlagung. Daraus folgend ist nur für den Investmentfonds selbst eine Steuernummer zu erteilen. In der Folge ist die Statusbescheinigung nur für den „einheitlichen“ Investmentfonds i.S.d. § 1 InvStG auszustellen. 3. Anteilklassen eines Investmentfonds i.S.d. Kapitels 3 Anders verhält es sich ggf. bei den Spezial-Investmentfonds i.S.d. § 26 InvStG. Nach § 51 56 Abs. 1 InvStG sind die Besteuerungsgrundlagen nach den §§ 29 bis 49 InvStG, die nicht ausgeglichenen negativen Erträge nach § 41 InvStG und die positiven Erträge, die nicht zu einer Ausschüttung verwendet wurden, gegenüber dem Spezial-Investmentfonds und dem Anleger gesondert und einheitlich festzustellen. Der Spezial-Investmentfonds ist für eine etwaige Körperschaftsteuerveranlagung und die Anteilklassen für das Feststellungsverfahren steuerlich zu erfassen. Gleichwohl ist nur eine einheitliche Statusbescheinigung für den Spezial-Investmentfonds zu vergeben. Denn gem. § 29 Abs. 1 InvStG gelten für den Spezial-Investmentfonds die Regelungen der §§ 6 und 7 InvStG entsprechend. Daher sind die Anteilklassen und der Spezial-Investmentfonds unter der Steuernummer des Spezial-Investmentfonds zu erfassen. Die einheitliche Statusbescheinigung ist, da Anteilklassen keine eigenständigen Investmentfonds i.S.d. § 1 InvStG darstellen, unter der Steuernummer des Spezial-Investmentfonds zu erteilen.

1 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 - 1/08/10019, BStBl I 2009, 931. 2 So auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.22. Kretzschmann/Albrecht/Verleger | 251

§ 7 Rz. 57 | Erhebung der Kapitalertragsteuer gegenüber Investmentfonds

III. Gültigkeitsbeginn einer Statusbescheinigung 57 Eine Statusbescheinigung darf nur mit Gültigkeit für höchstens drei Jahre ausgestellt wer-

den. Die Norm sagt nichts darüber aus, ob die Gültigkeit mit dem Ausstellungsdatum starten muss. § 7 Abs. 4 Satz 4 InvStG schafft die Möglichkeit einer rückwirkenden Erteilung für einen Zeitraum von sechs Monaten (gemeint wohl: von bis zu sechs Monaten) vor Antragsstellung.1 Daraus wird teilweise gefolgert, eine Ausstellung mit Beginn in der Zukunft käme nicht in Betracht.2 Nach hier vertretener Ansicht gibt das weder der Wortlaut noch das systematische Zusammenspiel mit Satz 4 her: Satz 2 lautet nicht „Die Gültigkeit der Statusbescheinigung darf höchstens drei Jahre ab Antragstellung [bzw. ab Erteilung o.Ä.] betragen.“ Auch ein Umkehrschluss aus dem Umstand, dass die rückwirkende Erteilung möglich ist, ist u.E. nicht zulässig. Verwaltungshandlungen mit Wirkung für die Zukunft sind die Norm, sie sind – anders als rückwirkende Handlungen oder Effekte – nicht begründungsbedürftig. Die Rückwirkungsmöglichkeit bedarf daher einer speziellen Regelung in Satz 4, des Beginns der Wirkung ab einem späteren Zeitpunkt in der Zukunft bedarf es nicht. Zwar mag ein praktisches Bedürfnis dafür sprechen, den Gültigkeitsbeginn möglichst auf den Ausstellungszeitpunkt der Statusbescheinigung zu legen, damit die FinVerw. den Status effektiv feststellen kann und eine missbräuchliche Verwendung fehlerhafter Statusbescheinigungen verhindert werden kann. Allerdings wird durch die bußgeldbewehrte Pflicht des Investmentfonds, eine fehlerhafte Statusbescheinigung zurückzugeben, ohnehin effektiv sichergestellt, dass der Investmentfonds keine unrichtig gewordene Statusbescheinigung missbräuchlich verwendet. So sieht denn das verpflichtende amtliche Muster für die Antragsstellung in Zeile 3 eine Angabe über das gewünschte erstmalige Gültigkeitsdatum vor. Gerade bei Folgeanträgen ist diese Möglichkeit für den Investmentfonds wichtig. Sie erlaubt ihm nämlich, entsprechende Anträge mit Rücksicht auf die Bearbeitungszeit schon vorher stellen zu können und gleichzeitig das Gültigkeitsdatum der neuen Bescheinigung an den Ablauf der alten anknüpfen zu können.3 Im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Befristung, der FinVerw. periodische Überprüfungsmöglichkeiten ohne eigenes Tätigwerden nach § 7 Abs. 4 Satz 5 InvStG zu ermöglichen, wird man den in die Zukunft geschobenen Fristbeginn aber auf einen überschaubaren Zeitraum von ca. 12 Monaten begrenzen müssen.

58 Die FinVerw. hat das Bedürfnis nach einer in die Zukunft gerichteten Ausstellung für Folge-

anträge erkannt und lässt diese für einen Zeitraum von sechs Monaten vor Auslaufen der Statusbescheinigung zu.4 Wird die Ausstellung einer Statusbescheinigung mehr als sechs Monate vor Ablauf einer Statusbescheinigung verlangt oder ist dem Antrag des Investmentfonds nicht zu entnehmen, dass eine Folgebescheinigung gewünscht wird, ist eine Statusbescheinigung auszustellen, die ab dem Tag der Ausstellung gültig ist.5

1 Eine rückwirkende Ausstellung ist explizit zu beantragen, vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.19. 2 Vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.20, für Erstbeantragungen; Mann in Brandis/Heuermann, § 7 InvStG Rz. 22; Niedrig in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 7 InvStG Rz. 38. 3 Die FinVerw. sieht überlappende Gültigkeitszeiträume zwar als unschädlich an (BMF-Anwendungsschreiben [konsolidierte Fassung], Rz. 7.20). Will der Investmentfonds aber nicht eine zu lange Gültigkeitsdauer durch Überlappungen verlieren, wäre er ohne die Möglichkeit eines zukünftigen Gültigkeitsbeginns der Folgebescheinigung gezwungen, die Bearbeitungsdauer der FinVerw. einzuschätzen. Nicht riskieren wird er nämlich eine Situation, in der er keine gültige Statusbescheinigung vorlegen kann und daher auf das administrativ aufwendige Erstattungsverfahren nach § 7 Abs. 5 InvStG verwiesen wird (die Gültigkeit würde zwar mit Datum der Antragsstellung eintreten, die für § 7 Abs. 1 und 3 InvStG entscheidende Ausstellung aber erst nach der Bearbeitung). 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.20. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.20.

252 | Kretzschmann/Albrecht/Verleger

F. Erstattung durch den Entrichtungspflichtigen (Abs. 5) | Rz. 61 § 7

IV. Rückforderung einer Statusbescheinigung Neben Ansprüchen des StPfl. gegenüber der FinVerw. beinhaltet § 7 Abs. 4 InvStG aber auch 59 umgekehrt Eingriffsbefugnisse der FinVerw. gegenüber Investmentfonds. So kann die zuständige FinBeh. (Ermessen) erteilte Statusbescheinigungen jederzeit zurückfordern. Für ein solches Rückforderungsverlangen gilt § 131 AO.1 Anwendungsfälle bzw. Begründungspflichten (abseits vom ohnehin geltenden § 121 AO) nennt das G nicht. Möglich ist aber z.B., dass ein Investmentfonds eine neue2 Statusbescheinigung anfordert, weil sich die dort wiedergegebenen Identifikationsmerkmale geändert haben.3 In diesem Fall ist eine Zurückforderung nicht nur zulässig, sondern geboten; das Ermessen der FinVerw. ist auf null reduziert.4 Dem Gesetzgeber müssen folglich noch andere Szenarien vorgeschwebt haben, als er eine Ermessensnorm in das G aufnahm.

V. Rückgabeverpflichtung § 7 Abs. 4 Satz 6 InvStG statuiert eine Rückgabepflicht des Investmentfonds hinsichtlich der 60 Statusbescheinigung. Ein behördliches Herausgabeverlangen nach Satz 5 ist hierbei nicht das einzige auslösende Moment: Erkennt der Investmentfonds positiv5 (über seine gesetzlichen Vertreter, § 3 InvStG), dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Statusbescheinigung entfallen sind, muss er die Statusbescheinigung auf eigene Initiative und unverzüglich (d.h. gem. § 121 BGB ohne schuldhaftes Zögern) zurückgeben. Gerade in diesem Zusammenhang ist die Auskunft der FinVerw., dass eine veränderte Zuständigkeit während der Gültigkeitsdauer nichts an der Wirksamkeit der Statusbescheinigung ändert, wichtig. Anderenfalls würde der Umzug einer – ggf. externen, sogar „fondsfremden“ – KVG (vgl. § 4 Abs. 1 InvStG i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 1 InvStG) – zu einer unverzüglichen Rückgabepflicht der Bescheinigung führen. Es ist durchaus denkbar, dass es hier, gerade im Hinblick auf die Rechtsfolgen eines Unterlassens – die Pflicht ist nach § 55 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 InvStG bußgeldbewehrt, ein Verstoß ist eine Ordnungswidrigkeit –, zu Missverständnissen kommen wird und zu viele Statusbescheinigungen grundlos zurückgegeben werden.

F. Erstattung durch den Entrichtungspflichtigen (Abs. 5) I. Vorbemerkung § 7 Abs. 5 Satz 1 InvStG regelt die Möglichkeit eines inländischen, mithin unbeschränkt kstpfl. 61 (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 InvStG) Investmentfonds, sich zu viel einbehaltene Kapitalertragsteuer erstatten zu lassen, sowie die spiegelbildliche Verpflichtung des Entrichtungspflichtigen zu einer entsprechenden Erstattung.6 Bis zum 1.7.2021 war das Erstattungsverfahren nach Absatz

1 Der Gesetzgeber hätte sich hier auch einer präziseren Terminologie bedienen können; vgl. auch die Kritik hieran von Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 7 InvStG Anm. 25. Die FinVerw. geht im BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.21, davon aus, dass der Widerruf nach § 131 Abs. 2 AO neben die (vermutlich rein tatsächliche) Rückforderung tritt. 2 „Neu“ meint in diesem Zusammenhang auch inhaltlich neu, nicht lediglich eine weitere Ausfertigung einer bestehenden Statusbescheinigung. 3 Eine solche Neubeantragung wird regelmäßig nicht notwendig sein, s. Fn. 1 auf dieser Seite sowie Rz. 49. 4 Mann in Brandis/Heuermann, § 7 InvStG Rz. 25; auch das BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.21, spricht in diesem Fall von „ist“ zurückzufordern. 5 Mann in Brandis/Heuermann, § 7 InvStG Rz. 25; Watzlaw in Moritz/Jesch/Mann2, § 7 InvStG Rz. 94. 6 Mann in Brandis/Heuermann, § 7 InvStG Rz. 32; Watzlaw in Moritz/Jesch/Mann2, § 7 InvStG Rz. 108; a.A. Ramackers/Schlund in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 7 InvStG Rz. 98. Kretzschmann/Albrecht/Verleger | 253

§ 7 Rz. 61 | Erhebung der Kapitalertragsteuer gegenüber Investmentfonds 5 auch auf beschränkt körperschaftsteuerpflichtige Investmentfonds anwendbar (§ 57 Abs. 3 Satz 1 InvStG). Absatz 5 enthält in den Sätzen 1 und 2 jeweils eigenständige Erstattungsansprüche, die unabhängig voneinander geltend gemacht werden können. Gemein ist beiden Ansprüchen, dass sie die Vorlage einer Statusbescheinigung i.S.d. Abs. 3 beim Entrichtungspflichtigen voraussetzen.1 Grundsätzlich ist der Entrichtungspflichtige unter den Voraussetzungen des Abs. 5 zur Erstattung der KapErtrSt verpflichtet. Die Erstattungsverpflichtung des Entrichtungspflichtigen besteht indes nicht, wenn die vom Investmentfonds vorgelegten Nachweise offensichtlich unrichtig sind. Der Entrichtungspflichtige hat insofern ein Prüfungsrecht.2 Dies ist auch insoweit angemessen, als der Entrichtungspflichtige einem Haftungsrisiko nach § 44 Abs. 5 EStG ausgesetzt ist.3 Bestehen keine begründeten Zweifel an der Echtheit und Richtigkeit der vorgelegten Nachweise, kann der Entrichtungspflichtige den Investmentfonds indes nicht auf den Erstattungsanspruch nach § 11 Abs. 1 InvStG verweisen.

II. Verhältnis zu § 11 InvStG 62 Bei der Erstattung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvStG wird der Überbetrag vom Betriebs-

stätten-FA des Entrichtungspflichtigen und nicht vom Entrichtungspflichtigen selbst erstattet. § 7 Abs. 5 Satz 1 InvStG geht sowohl § 11 Abs. 1 Satz 1 InvStG als auch § 37 Abs. 2 AO im Wege der Spezialität vor.4 Innerhalb der Frist des § 7 Abs. 5 Satz 1 und 2 InvStG ist daher zunächst beim Entrichtungspflichtigen eine Erstattung geltend zu machen. Systematisch folgt aus § 11 Abs. 1 Satz 1 InvStG aber, dass der Anspruch aus § 7 Abs. 5 InvStG gegen den Entrichtungspflichtigen mit der Erklärung des Entrichtungspflichtigen, dass er nicht erstattet habe und auch künftig keine Erstattung vornehmen werde, erlischt.5 Denn nach Abgabe dieser Erklärung steht zulasten des Investmentfonds fest, dass eine Erstattung der fehlerhaft abgeführten KapErtrSt nicht vom Entrichtungspflichtigen zu erlangen sein wird.

63 Es wäre unbillig, den Investmentfonds dennoch auf den Ablauf der Frist des § 7 Abs. 5 InvStG

zu verweisen,6 bevor ihm ein Anspruch gegen das Betriebsstätten-FA des Entrichtungspflichtigen nach § 11 Abs. 1 InvStG eröffnet wird.7 Das in § 11 Abs. 1 InvStG normierte Subsidiaritätsverhältnis soll insbes. eine doppelte Erstattung verhindern. Dieser Zweck ist aber mit Abgabe einer entsprechenden Erklärung des Entrichtungsverpflichteten erfüllt. Zudem folgt aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 1 InvStG, wonach eine „Erklärung des Entrichtungspflichtigen [vorzulegen ist], aus der hervorgeht, dass eine Erstattung weder vorgenommen wurde noch vorgenommen wird,“ nicht, dass eine Erstattung nach § 11 Abs. 1 InvStG auch bei Vorliegen einer entsprechenden Erklärung erst nach Ablauf der immerhin 18 Monate betragenden Frist des § 7 Abs. 5 InvStG möglich ist. Jedenfalls dann, wenn der Entrichtungspflichtige die Erstattung aufgrund begründeter Zweifel am Bestehen eines Erstattungsanspruchs verweigert, sollte das Verfahren nach § 11 Abs. 1 InvStG auch innerhalb der Frist des § 7 Abs. 5 InvStG zulässig sein, um dem Investmentfonds effektiven Rechtsschutz zu ermöglichen.8

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.24. 2 Mann in Brandis/Heuermann, § 7 InvStG Rz. 32; Watzlaw in Moritz/Jesch/Mann2, § 7 InvStG Rz. 108. 3 Watzlaw in Moritz/Jesch/Mann2, § 7 InvStG Rz. 108. 4 Watzlaw in Moritz/Jesch/Mann2, § 7 InvStG Rz. 107; Mann in Brandis/Heuermann, § 7 InvStG Rz. 31. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.25. 6 So aber die FinVerw., die eine Erklärung des Entrichtungspflichtigen nach § 11 Abs. 1 InvStG innerhalb der Frist des § 7 Abs. 5 InvStG für unzulässig hält, vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 11.7. 7 Ramackers/Schlund in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 7 InvStG Rz. 98; kritisch auch Watzlaw in Moritz/Jesch/Mann2, § 7 InvStG Rz. 106. 8 So auch Watzlaw in Moritz/Jesch/Mann2, § 7 InvStG Rz. 111.

254 | Kretzschmann/Albrecht/Verleger

F. Erstattung durch den Entrichtungspflichtigen (Abs. 5) | Rz. 67 § 7

III. Aktiv- und Passivlegitimation Der Anspruch wird durch die Verwaltungsgesellschaft des Investmentfonds (§ 3 InvStG) ge- 64 genüber dem Entrichtungspflichtigen geltend gemacht. Der Entrichtungspflichtige ist bei inländischen Investmentfonds regelmäßig die Verwahrstelle.1

IV. Erstattungsanspruch nach Abs. 5 Satz 1 Der Erstattungsanspruch nach § 7 Abs. 5 Satz 1 InvStG ist gerichtet auf den Überbetrag, der 65 den nach Abs. 1 vorzunehmenden Steuerabzug übersteigt. Anders als z.B. § 50c Abs. 3 EStG, der von der einbehaltenen und abgeführten KapErtrSt spricht, normiert § 7 Abs. 5 Satz 1 InvStG lediglich den „vorzunehmenden“ Steuerabzug. Gleichwohl ergibt sich bereits aus dem Wortlaut („zu erstatten“), dass nur zuvor tatsächlich abgeführte Kapitalertragsteuerbeträge vom Anspruch umfasst sind.2 Ein erstattungsfähiger Überbetrag kann sich entweder der Höhe oder schon dem Grunde nach ergeben.3 Im ersten Fall sind grds. Einkünfte nach § 6 Abs. 2 InvStG erzielt worden, aber mit einem höheren Steuersatz als 15 % insgesamt (§ 7 Abs. 1 Sätze 1 und 3 InvStG) belegt worden. Im zweiten Fall wurden Steuern abgezogen, obwohl mangels Vorliegen von Einkünften nach § 6 Abs. 2 InvStG überhaupt kein Rechtsgrund dafür bestand. In diesen Fällen4 hat ein Investmentfonds 18 Monate nach Zufluss des entsprechenden Er- 66 trags Zeit, eine Statusbescheinigung vorzulegen. Die Fristberechnung richtet sich nach § 108 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 187 ff. BGB. Es handelt sich hierbei um eine Ausschlussfrist,5 die bei Versäumen eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO) nicht zulässt.6 Die Erstattung nach Satz 1 steht ab dem 1.7.2021 nur unbeschränkt kstpfl. Investmentfonds zu (§ 57 Abs. 3 Satz 2 InvStG), die eine Steuerbescheinigung vorlegen, die sie als unbeschränkt kstpfl. Investmentfonds ausweist. Beschränkt kstpfl. Investmentfonds und solche, denen eine Vorlage nicht innerhalb von 18 Monaten gelingt, sind auf die Erstattung nach § 11 Abs. 1 InvStG verwiesen.

V. Erstattungsanspruch nach Abs. 5 Satz 2 § 7 Abs. 5 Satz 2 InvStG ordnet – in sprachlich unpräziser Form7 – an, dass bei Nachweis eines 67 Investmentfonds über die Voraussetzungen der §§ 8 bis 10 InvStG (steuerbegünstigte Anleger) das Gleiche gilt. Der Anspruch geht über den Erstattungsanspruch nach Abs. 5 Satz 1 hinaus und ermöglicht eine vollständige Erstattung abgeführter KapErtrSt, soweit steuerbegünstigte Anleger an dem Investmentfonds beteiligt sind.8 Der Anspruch nach § 7 Abs. 5 Satz 2 InvStG kann neben dem Anspruch aus Abs. 5 Satz 1 geltend gemacht werden, setzt

1 2 3 4 5 6 7 8

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.14. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 7 InvStG Anm. 35. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.23. Und nur in diesen Fällen – äußerst missverständlich BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.10, das einen Automatismus nahelegt: „Scheitert eine Anwendung des § 7 Absatz 1 InvStG, findet das Erstattungsverfahren nach § 7 Absatz 5 Satz 1 InvStG […] Anwendung.“ BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.1. Mann in Brandis/Heuermann, § 7 InvStG Rz. 32; Watzlaw in Moritz/Jesch/Mann2, § 7 InvStG Rz. 102; grds. Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 110 Rz. 12. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 7 InvStG Anm. 35. Niedrig in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 7 InvStG Rz. 60; vgl. auch Watzlaw in Moritz/Jesch/Mann2, § 7 InvStG Rz. 118. Kretzschmann/Albrecht/Verleger | 255

§ 7 Rz. 67 | Erhebung der Kapitalertragsteuer gegenüber Investmentfonds aber neben einer Statusbescheinigung zusätzlich den Nachweis der partiellen Steuerbefreiung voraus (§ 9 InvStG).1 68 Fraglich ist allerdings, ob die Erstattung nach Abs. 5 Satz 2 auch den beschränkt kstpfl. In-

vestmentfonds offensteht. Denn anders als Satz 1 setzt Satz 2 scheinbar keinen unbeschränkt kstpfl. Investmentfonds voraus. Die FinVerw. geht davon aus, dass (zumindest nach der Änderung durch das AbzStEntModG) der Begünstigte nach Abs. 5 Satz 2 immer ein unbeschränkt kstpfl. Investmentfonds sein muss.2 Hierfür spricht, dass nach dem Wortlaut des Satzes 2 ein Bezugspunkt zu Satz 1 hergestellt wird. Allerdings ist der Wortlaut des § 57 Abs. 3 Satz 2 InvStG unergiebig, da dieser nicht, was nahegelegen hätte, auf die Vorlage einer Statusbescheinigung abstellt, die den Investmentfonds als unbeschränkt kstpfl. Investmentfonds ausweist. Letztlich entscheidend ist, dass es der Intention des AbzStEntModG-Gesetzgebers entspricht, dass die Fälle der steuerbegünstigten Anleger der beschränkt kstpfl. Investmentfonds auf das Verfahren nach § 11 Abs. 1 InvStG beschränkt sind.3 Die praktische Relevanz dieser Frage dürfte sich allerdings in Grenzen halten.

69 Bei einem unbeschränkt kstpfl. Investmentfonds, dessen gültige Statusbescheinigung mit

Gültigkeitsbeginn vor dem 1.7.2021 noch nicht die Angabe der unbeschränkten KStPfl. enthält, beanstandet es die FinVerw. nicht, wenn der Entrichtungspflichtige eine Erstattung nach Abs. 5 Satz 2 durchführt, falls dem Entrichtungspflichtigen die unbeschränkte KStPfl. des Investmentfonds bekannt ist.4 Auf die Vorlage einer neuen Statusbescheinigung soll in diesen Fällen bis zum Ablauf der noch gültigen Statusbescheinigung verzichtet werden können.5

70 Darüber hinaus dürfte auch ein Nachweis der übrigen Voraussetzungen für die (partielle)

Steuerbefreiung des Investmentfonds nach §§ 8, 10 InvStG erforderlich sein.6 Das betrifft insbes. die gem. §§ 8 Abs. 4, 10 Abs. 1 Satz 2 InvStG erforderliche Einhaltung der Mindesthaltedauer i.S.d. § 36a EStG bei inländischen Beteiligungseinnahmen. Zwar verlangt die FinVerw. nur die Vorlage der nach § 9 InvStG erforderlichen Nachweise,7 zu denen der Nachweis der Mindesthaltedauer nicht gehört. Aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 5 Satz 2 InvStG ergibt sich diese Einschränkung jedoch nicht. Vielmehr verweist § 7 Abs. 5 Satz 2 InvStG allgemein auf den Nachweis, dass die Voraussetzungen der §§ 8, 10 InvStG vorliegen. Der Verweis umfasst mithin auch den Nachweis über die Mindesthaltedauer. Auch aus der Systematik des Erstattungsanspruchs ergibt sich, dass ein Nachweis über sämtliche Voraussetzungen der (partiellen) Steuerbefreiung nach §§ 8, 10 InvStG erforderlich ist. Denn der Erstattungsanspruch soll nur dann bestehen, wenn KapErtrSt einbehalten und abgeführt wurde, obwohl die betreffenden Kapitalerträge wegen der (partiellen) Steuerbefreiung materiell nicht der KapErtrSt unterliegen. Letzteres ist aber nach §§ 8 Abs. 4, 10 Abs. 1 Satz 2 InvStG nur dann der Fall, wenn auch die Mindesthaltedauer eingehalten wird. Auch die Mindesthaltedauer ist mithin gegenüber dem Entrichtungspflichtigen innerhalb der Frist des § 7 Abs. 5 Satz 2 InvStG nachzuweisen.8 Die Prüfung der Mindesthaltedauer wird bei inländischen Investmentfonds regel1 2 3 4 5 6

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.27. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.28a. BT-Drucks. 19/27632, 64. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.28a. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.28a. v. Schweinitz/Thiems, DStR 2016, 1198 (1202); Watzlaw in Moritz/Jesch/Mann2, § 7 InvStG Rz. 123, 131. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.27. Auch die Gesetzesbegründung stellt allein auf den Investmentanteil-Bestandsnachweis nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 InvStG ab, vgl. BT-Drucks. 18/ 8045, 76. 8 Da nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 5 Satz 2 InvStG sämtliche Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach §§ 8, 10 InvStG innerhalb der Frist des Satzes 2 gegenüber dem Entrichtungspflichtigen nachzuweisen sind, gilt dies auch für den Nachweis über die Einhaltung der Mindesthaltedauer; a.A. ohne nähere Begründung Watzlaw in Moritz/Jesch/Mann2, § 7 InvStG Rz. 123.

256 | Kretzschmann/Albrecht/Verleger

F. Erstattung durch den Entrichtungspflichtigen (Abs. 5) | Rz. 73 § 7

mäßig keine Probleme verursachen. Denn der Entrichtungspflichtige ist dann eine (inländische) Verwahrstelle, die den Anschaffungszeitpunkt von Kapitalbeteiligungen prüfen kann. Aus dem Regelungszusammenhang des Erstattungsanspruchs im Zusammenhang mit dem 71 Kapitalertragsteuerabzug folgt systematisch, dass der Erstattungsanspruch nach § 7 Abs. 5 Satz 2 InvStG nur solche Erträge erfasst, die einem Steuerabzug unterliegen. Nicht vom Erstattungsanspruch erfasst werden daher inländische Immobilienerträge, die nach §§ 8 Abs. 2, 10 Abs. 2 steuerbefreit sind.1 Aus dem Verweis in Abs. 5 Satz 2 auf §§ 8 bis 10 InvStG folgt zudem, dass der Erstattungsanspruch die Kapitalerträge nur anteilig erfasst, soweit steuerbegünstigte Anleger an dem Investmentfonds beteiligt sind.2 Zulässig ist es auch, einen Erstattungsanspruch nur teilweise, also nicht für sämtliche steuerbefreite Anleger gebündelt, geltend zu machen.3 Der nach § 7 Abs. 5 Satz 2 erstattete Betrag, der von § 12 Abs. 1 InvStG als Befreiungsbetrag 72 legal definiert wird, darf nicht in das reguläre Fondsvermögen gezahlt werden. Vielmehr ergibt sich aus § 12 Abs. 1 InvStG, dass ein tatsächlich nach Abs. 5 Satz 2 erstatteter Befreiungsbetrag nur von den nach § 8 Abs. 1, 2 InvStG begünstigten Anlegern gegenüber dem Investmentfonds beansprucht werden kann.4 Denn der Befreiungsbetrag erhöht den Wert jedes Investmentfondsanteils, sodass bei einer Erstattung in das reguläre Fondsvermögen mittelbar auch nicht steuerbegünstigte Anleger an der Erstattung partizipieren würden.5 Die Befreiungsbeträge sollten daher einem Treuhandkonto des Investmentfonds für die steuerbegünstigten Anleger gutgeschrieben werden.6 Aus dem Anspruch der steuerbegünstigten Anleger auf Auszahlung des Befreiungsbetrags gegen den Investmentfonds aus § 12 Abs. 1 InvStG folgt jedoch keine Verpflichtung des Investmentfonds, den Erstattungsanspruch gegen den Entrichtungspflichtigen aus § 7 Abs. 5 Satz 2 InvStG geltend zu machen. Beide Ansprüche stehen unabhängig nebeneinander, da § 12 Abs. 1 InvStG nur an einen etwaig nach § 7 Abs. 5 InvStG erstatteten Betrag anknüpft.7

VI. Ausländische, beschränkt körperschaftsteuerpflichtige Investmentfonds Für ausländische Investmentfonds greift das Verfahren nach § 7 Abs. 5 InvStG nicht (vgl. § 7 73 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 2 InvStG). Es greift nur dasjenige nach § 11 Abs. 1 InvStG. Anstelle des Betriebstätten-FA ist insoweit das BZSt für das Erstattungsverfahren zuständig (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 3 InvStG). Bis zum 1.7.2021 war das Erstattungsverfahren nach Absatz 5 auch auf beschränkt körperschaftsteuerpflichtige Investmentfonds anwendbar (§ 57 Abs. 3 Satz 1 InvStG). 1 Die Steuerbefreiung ist im Veranlagungswege geltend zu machen, vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.28. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.28. 3 Watzlaw in Moritz/Jesch/Mann2, § 7 InvStG Rz. 121. 4 Das kann nur den Betrag betreffen, der nach § 7 Abs. 5 Satz 2 InvStG erstattet wird, nicht aber denjenigen, der nach Satz 1 erstattet wird. Insofern bestehen nämlich zwischen steuerbegünstigten und anderen Anlegern keine Unterschiede, sodass eine Auszahlung an nur einige Anleger die anderen Anleger schlechterstellen würde. Als nicht steuerbegünstigter Anleger wäre man im Falle einer nachträglichen Erstattung nach § 7 Abs. 5 Satz 1 InvStG benachteiligt, wenn an dem Investmentfonds auch steuerbegünstigte Anleger beteiligt sind. § 12 Abs. 1 InvStG muss insoweit eingeschränkt ausgelegt werden; vgl. auch § 12 InvStG Rz. 22, sowie Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 7 InvStG Anm. 5. 5 BT-Drucks. 18/8045, 81. 6 Watzlaw in Moritz/Jesch/Mann2, § 7 InvStG Rz. 127; v. Schweinitz/Thiems, DStR 2016, 1198 (1201). 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.23. Kretzschmann/Albrecht/Verleger | 257

§ 7 Rz. 74 | Erhebung der Kapitalertragsteuer gegenüber Investmentfonds

VII. Rückgabe der Steuerbescheinigungen (Abs. 5 Sätze 3 und 4) 74 § 7 Abs. 5 Sätze 3 und 4 InvStG wollen einem Missbrauch möglicher Doppelerstattungen –

nach § 7 Abs. 5 InvStG und nach § 11 Abs. 1 InvStG – vorbeugen. In allen Fällen der Erstattung muss eine Steuerbescheinigung, die zuvor erteilt wurde und den fehlerhaften Abzugsbetrag enthält, unverzüglich im Original zurückgegeben werden (Satz 3), bevor (Satz 4) die Erstattung erfolgen darf. Anderenfalls wäre es theoretisch möglich, anhand der alten Steuerbescheinigung eine weitere Erstattung nach § 11 Abs. 1 InvStG gegenüber dem FA des Entrichtungspflichtigen zu beantragen. Die konditionale Verknüpfung von Rückgabe der alten und Ausstellung einer korrigierten Steuerbescheinigung ist restriktiver als die Parallelvorschrift des § 45a Abs. 6 EStG für das reguläre Kapitalertragsteuerverfahren.1 Die Rückgabepflicht ist zudem nach § 55 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 InvStG bußgeldbewehrt. Insgesamt zeigt sich, wie sensibel der Gesetzgeber bzgl. der Gefahr solcher Doppelerstattungen im Zuge der cum-ex-Affäre geworden ist. Wenn er jedoch eine Rückgabe im Original fordert, wird dies i.d.R. aber der Ausnahmefall bleiben. Originale gibt es nur von physischen Kopien oder elektronischen Dokumenten mit eindeutiger Signatur. Steuerbescheinigungen werden vom Entrichtungspflichtigen regelmäßig aber weder in der einen noch in der anderen Form, sondern als einfaches PDF-Dokument (vgl. § 45a Abs. 2 Satz 2 EStG) ausgestellt. Die FinVerw. erachtet es denn in diesen Fällen auch als zulässig, dass der Entrichtungspflichtige in der neu ausgestellten Steuerbescheinigung darauf hinweist, dass die ursprünglich erstellte Steuerbescheinigung für die betreffenden Kapitalerträge nach § 7 Abs. 5 InvStG ersetzt wird.2 In der Sache ist das eine Billigkeitsregelung, allerdings keine ganz uneigennützige, erreicht man damit doch, eine Vielzahl der Erstattungsvorgänge über § 7 Abs. 5 InvStG – und somit ohne Beteiligung eines FA wie in § 11 Abs. 1 InvStG – durchführen zu können.

75 Solange der Investmentfonds keine Erstattung beim Betriebsstätten-FA des Entrichtungs-

pflichtigen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvStG anstrebt und zu diesem Zweck eine Erklärung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 InvStG vom Entrichtungspflichtigen verlangt, lässt die FinVerw. es sogar zu, dass von der Neuausstellung einer Steuerbescheinigung vollständig abgesehen wird. Der Entrichtungspflichtige muss die Erstattungsbeträge lediglich intern dokumentieren und der FinVerw. auf Anforderung zur Verfügung stellen.3

VIII. Verfahren nach Erstattung durch den Entrichtungspflichtigen 76 Nachdem der Entrichtungspflichtige einen Erstattungsanspruch aus § 7 Abs. 5 InvStG erfüllt

hat, hat er seinerseits einen Anspruch auf Rückerstattung des abgeführten, 15 % des Kapitalertrags (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 InvStG) übersteigenden Betrags (Überbetrag) gegen das Betriebsstätten-FA, an das die KapErtrSt abgeführt worden ist.4 Der Anspruch folgt aus § 44b Abs. 5 Abs. 1 EStG, der insoweit nicht durch § 7 Abs. 5 InvStG im Wege der Spezialität verdrängt wird, da § 7 Abs. 5 InvStG keine besondere Verfahrensvorschrift für die Kapitalertragsteueranmeldung im Falle der nachträglichen Erstattung von KapErtrSt durch den Entrichtungspflichtigen an einen Investmentfonds nach § 7 Abs. 5 InvStG enthält. Der Entrichtungspflichtige kann die KapErtrSt bei der nächsten Kapitalertragsteueranmeldung entsprechend kürzen.5

1 Im Verfahren nach § 45a Abs. 6 EStG darf eine neue Steuerbescheinigung auch bei erfolgloser Rückforderung der alten Steuerbescheinigung erfolgen. Nach dem JStG 2020 v. 21.12.2020 (BGBl. I 2020, 3096) ist (ab dem 1.1.2023) auch eine Rückforderung von alten Steuerbescheinigungen nicht mehr erforderlich. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.30. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.31. 4 BMF v. 18.1.2016 – IV C 1 - S 2252/08/10004 :017, BStBl. I 2016, 85 Rz. 307. 5 Für eine Berücksichtigung in der folgenden Kapitalertragsteueranmeldung spricht sich Watzlaw in Moritz/Jesch/Mann2, § 7 InvStG Rz. 166, aus, wiederum ohne auf § 45b Abs. 5 EStG zu rekurrieren.

258 | Kretzschmann/Albrecht/Verleger

Steuerbefreiung aufgrund steuerbegünstigter Anleger | § 8

§8 Steuerbefreiung aufgrund steuerbegünstigter Anleger (1) Einkünfte nach § 6 Absatz 2 sind auf Antrag des Investmentfonds steuerbefreit, soweit 1. an dem Investmentfonds Anleger, die die Voraussetzungen des § 44a Absatz 7 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes erfüllen, oder vergleichbare ausländische Anleger mit Sitz und Geschäftsleitung in einem Amts- und Beitreibungshilfe leistenden ausländischen Staat beteiligt sind, oder 2. die Anteile an dem Investmentfonds im Rahmen von Altersvorsorge- oder Basisrentenverträgen gehalten werden, die nach den §§ 5 oder 5a des AltersvorsorgeverträgeZertifizierungsgesetzes zertifiziert wurden. (2) Inländische Immobilienerträge sind auf Antrag des Investmentfonds steuerbefreit, soweit an dem Investmentfonds beteiligt sind: 1. inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit die Investmentanteile nicht einem nicht von der Körperschaftsteuer befreiten Betrieb gewerblicher Art zuzurechnen sind, oder 2. von der Körperschaftsteuer befreite inländische Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen, soweit sie nicht unter Nummer 1 fallen, oder vergleichbare ausländische Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen mit Sitz und Geschäftsleitung in einem Amts- und Beitreibungshilfe leistenden ausländischen Staat. (3) 1Bei Einkünften, die einem Steuerabzug unterliegen, richtet sich der Umfang der Steuerbefreiung nach dem Anteil, den die steuerbegünstigten Anleger am Gesamtbestand der Investmentanteile eines Investmentfonds zum jeweiligen Zeitpunkt des Zuflusses der Einnahmen halten. 2Bei zu veranlagenden Einkünften richtet sich der Umfang der Steuerbefreiung nach dem Anteil des durchschnittlichen Investmentanteilbesitzes von steuerbegünstigten Anlegern am durchschnittlichen Gesamtbestand der Investmentanteile während des Geschäftsjahres des Investmentfonds. (4) 1Die Steuerbefreiung bei inländischen Beteiligungseinnahmen setzt voraus, dass der Investmentfonds die Voraussetzungen für eine Anrechenbarkeit von Kapitalertragsteuer nach § 36a des Einkommensteuergesetzes erfüllt. 2Die Steuerbefreiung nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 setzt zudem voraus, dass 1. der Anleger seit mindestens drei Monaten zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer der Investmentanteile ist und 2. keine Verpflichtung zur Übertragung der Anteile auf eine andere Person besteht. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . 2. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . 3. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . B. Steuerbefreiung der inländischen Einkünfte von Investmentfonds (Abs. 1) I. Einkünfte nach § 6 Abs. 2 und Antrag des Investmentfonds (Abs. 1 erster Satzteil)

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II. III. IV. V.

1. Einkünfte nach § 6 Abs. 2 InvStG . . . . 2. Antrag des Investmentfonds und Antragsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerbegünstigte Anleger nach § 44a Abs. 7 EStG und vergleichbare ausländische Anleger (Abs. 1 Nr. 1) . . . . . . . . . Altersvorsorge- oder Basisrentenverträge (Abs. 1 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Tatbestandsmerkmale (Abs. 4) Rechtsfolge: Steuerbefreiung der Einkünfte nach § 6 Abs. 2 InvStG 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Veranlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Klein | 259

§ 8 Rz. 1 | Steuerbefreiung aufgrund steuerbegünstigter Anleger

C. I. II.

III.

3. Steuerabzug a) Keine Veranlagung . . . . . . . . . . . . . b) Erstattung aa) Erstattung durch Entrichtungspflichtigen, das Betriebsstättenfinanzamt des Entrichtungspflichtigen oder das BZSt . . . . bb) Regelungslücke für Abzugsteuern, die nicht Kapitalertragsteuer sind? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) (Keine) Abstandnahme vom Steuerabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerbefreiung inländischer Immobilienerträge (Abs. 2) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inländische Immobilienerträge und Antrag des Investmentfonds (Abs. 2 erster Satzteil) 1. Inländische Immobilienerträge . . . . . . 2. Sonstige inländische Einkünfte . . . . . . 3. Antrag des Investmentfonds . . . . . . . . Inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts und bestimmte von der Körperschaftsteuer befreite in- oder ausländische Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen als steuerbegünstigte Anleger 1. Inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestimmte von der Körperschaftsteuer befreite in- oder ausländische Körper-

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IV. D.

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I. II.

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III. E.

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I. II.

schaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mehrstufige Strukturen: Investmentfonds, Dach-Investmentfonds und Dach-Spezial-Investmentfonds . . . . . . Rechtsfolge: Steuerbefreiung der inländischen Immobilienerträge . . . . . . . . . . Ermittlung des Umfangs der Steuerbefreiung (Abs. 3) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umfang der Steuerbefreiung bei dem Steuerabzug unterliegenden Einkünften (Abs. 3 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umfang der Steuerbefreiung bei zu veranlagenden Einkünften (Abs. 3 Satz 2) . Verhinderung von Steuerumgehungen (Abs. 4) Investmentfonds erfüllt Voraussetzungen des § 36a EStG (Abs. 4 Satz 1) . . . . Weitere Tatbestandsmerkmale für Steuerbefreiungen nach Abs. 1 und Abs. 2 (Abs. 4 Satz 2) 1. Weitere Tatbestandsmerkmale . . . . . . . 2. Zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer seit drei Monaten (Abs. 4 Satz 2 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine Verpflichtung zur Anteilsübertragung (Abs. 4 Satz 2 Nr. 2) . . . . . . . .

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Literatur: Bindl/Mager, Ausgewählte Zweifelsfragen und Lösungsvorschläge zum InvStG n.F., BB 2016, 2711; Neumann, Investmentsteuerreformgesetz: Ausgewählte Problemfelder DB 2016, 1779; Stadler/ Bindl, Das neue InvStG – Überblick und Korrekturbedarf DStR 2016, 1953; Ernst, Reform der Investmentbesteuerung und Auswirkungen auf die Durchführung der betrieblichen Altersvorsorge, BB 2017, 2723; Haug, Konsequenzen für die Investmentbesteuerung aufgrund „ATAD-UmsG“ und „JStG 2019“, Ubg 2021, 84.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck 1 § 8 InvStG regelt in seinen Abs. 1 und 2 die (ggf. nur partielle) Steuerbefreiung von Einkünf-

ten eines Investmentfonds in Abhängigkeit von der Beteiligung steuerbegünstigter Anleger (wie z.B. Kirchen und gemeinnützige Stiftungen) oder soweit Fondsanteile im Rahmen von zertifizierten Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen gehalten werden. Nach § 8 Abs. 1 InvStG sind sämtliche Einkünfte, mit denen ein Investmentfonds nach § 6 Abs. 2 InvStG überhaupt der Steuer unterliegt (also inländische Beteiligungseinnahmen, inländische Immobilienerträge und sonstige inländische Einkünfte, s. § 6 InvStG Rz. 23 ff.), auf Antrag steuerbefreit, soweit an ihm bestimmte steuerbefreite Anleger, wie z.B. Kirchen oder gemeinnützige Stiftungen, beteiligt sind. Sind an dem Investmentfonds nur solche Anleger beteiligt, läuft die Steuerbefreiung der Einkünfte des Investmentfonds (so der Wortlaut des Gesetzes) nach § 8 Abs. 1 260 | Klein

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 6 § 8

InvStG auf eine vollständige Steuerbefreiung des Investmentfonds hinaus. Ansonsten, also bei einer Beteiligung gar nicht steuerbegünstigter Anleger oder von in Abs. 2 bezeichneten Anlegern, sind nicht sämtliche Einkünfte des Investmentfonds, nämlich z.B. nur die inländischen Immobilienerträge nach § 8 Abs. 2 InvStG oder eben alle Einkünfte des Investmentfonds i.H.d. Beteiligung nicht steuerbegünstigter Anleger (i.S.d. Abs. 1) stpfl. Nach § 8 Abs. 2 InvStG sind (nur) inländische Immobilienerträge eines Investmentfonds steuerbefreit, soweit an diesem weniger steuerbegünstigte als die von § 8 Abs. 1 InvStG erfassten Anleger beteiligt sind, sodass damit nach dem Wortlaut des Gesetzes (s. aber zur großzügigeren Auffassung der FinVerw. Rz. 35) inländische Beteiligungseinnahmen und sonstige inländische Einkünfte des Investmentfonds nicht steuerbefreit werden. § 8 Abs. 3 InvStG regelt, wie der Umfang der Steuerbefreiung bei dem Steuerabzug unterliegenden (Satz 1) bzw. zu veranlagenden Einkünften (Satz 2) zu ermitteln ist. Abs. 4 enthält für die Steuerbefreiung von inländischen Beteiligungseinnahmen Regelungen zur Verhinderung von Missbräuchen.

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich § 8 InvStG regelt die von der Beteiligung steuerbegünstigter Anleger abhängende, ggf. partielle 2 Steuerbefreiung entweder für Einkünfte von Investmentfonds nach § 6 Abs. 2 InvStG (§ 8 Abs. 1 Abs. 1 InvStG), also alle Einkünfte, mit denen ein Investmentfonds im Inland der Steuer unterliegt, oder für einen anderen Anlegerkreis nur der inländischen Immobilienerträge (§ 8 Abs. 2 InvStG). 2. Persönlicher Anwendungsbereich § 8 InvStG gilt für in- und ausländische Investmentfonds, nicht aber für in- und ausländische 3 Spezial-Investmentfonds (s. § 25 InvStG), für die der Verweis auf die Regelungen für Investmentfonds in § 29 InvStG die §§ 8 bis 14 InvStG nicht umfasst. Spezial-Investmentfonds können eine für steuerbegünstigte Anleger unerwünschte Besteuerung auf Fondsebene durch Ausübung der Transparenzoption nach § 30 bzw. § 33 InvStG verhindern.1 3. Zeitlicher Anwendungsbereich § 8 InvStG ist seit dem 1.1.2018 anzuwenden, s. § 56 Abs. 1 Satz 1 InvStG.

4

III. Rechtsentwicklung Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung v. 19.7.2016.2 § 8 InvStG trat nach Art. 11 5 Abs. 3 Satz 1 InvStRefG v. 19.7.2016 am 1.1.2018 in Kraft und ist seit dem 1.1.2018 anzuwenden (§ 56 Abs. 1 Satz 1 InvStG). „JStG 2019“ v. 12.12.2019.3 Abs. 4 wurde neu gefasst aus Sorge, es könne Gestaltungen zur 6 Umgehung der Dividendenbesteuerung geben, auch wenn die Investmentanteile im Rahmen von Altersvorsorge- oder Basisrentenverträgen gehalten werden. Seit der seit dem 1.1.2020 geltenden Neufassung muss der Investmentfonds, um die Steuerbefreiung nutzen zu können, die Voraussetzungen des § 36a EStG auch dann erfüllen, wenn die Investmentanteile im Rahmen 1 S. Schneider-Deters in Moritz/Jesch/Mann2, § 8 InvStG Rz. 35. 2 BGBl. I 2016, 1730. 3 BGBl. I 2019, 2451. Klein | 261

§ 8 Rz. 6 | Steuerbefreiung aufgrund steuerbegünstigter Anleger von Altersvorsorge- oder Basisrentenverträgen gehalten werden. Zuvor hatte die FinVerw. Abs. 4 Nr. 2 a.F. über den Wortlaut hinaus auch in Fällen von Altersvorsorge- oder Basisrentenverträgen anwenden wollen.1 Dazu bedurfte es aber einer gesetzlichen Regelung, da nicht erkennbar war, dass das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthielt. Die Neufassung von Abs. 4 ist daher entgegen der Auffassung des Gesetzgebers2 nicht nur eine Klarstellung.3 Der mit der Neufassung gestrichene Verweis in § 8 Abs. 4 Nr. 2 InvStG a.F. auf § 36a EStG ging ins Leere, soweit mit der Steuerbefreiung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 InvStG andere als die Kapitalerträge i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG erfasst wurden.4

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 7 Verhältnis zum Europarecht. Insbesondere zwei Aspekte des § 8 InvStG geben Anlass, seine

Europarechtskonformität kritisch zu hinterfragen. Dies ist erstens in Abs. 1 Nr. 1 der Einbezug „vergleichbarer ausländischer Anleger“ (s. dazu Rz. 7) nur unter der Voraussetzung, dass sie Sitz und Geschäftsleitung in einem Staat haben, der Amts- und Beitreibungshilfe leistet (ein Kriterium auch der Begünstigung nach Abs. 2 Nr. 2). Generell ist es gerechtfertigt, dass ein Mitgliedstaat, der einen Vorteil von der Einhaltung von Verpflichtungen abhängig macht, deren Einhaltung nur in der Weise nachgeprüft werden kann, dass Auskünfte von den zuständigen Behörden eines Drittlands eingeholt werden, auch eine Verpflichtung des Drittlands zur Vorlage der Informationen verlangt (oder ansonsten den Vorteil versagt)5. Hier könnte man an einer Rechtfertigung allerdings insoweit zweifeln, als sich der Bedarf für eine Beitreibungshilfe nicht aufdrängt, wenn ausländische Anleger mit ihren inländischen Investmenterträgen in Deutschland nicht der StPfl. unterliegen (s. § 49 EStG). Allerdings kann auch ein ausländischer Anleger nach § 14 InvStG für zu Unrecht erstattete oder nicht erhobene Steuern haften und damit ein Anwendungsfall für eine Beitreibungshilfe gegeben sein. Unionsrechtlich kritischer ist zweitens, dass nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 InvStG inländische Immobilienerträge nur dann steuerbefreit sind, wenn (und soweit) inländische, nicht aber auch ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts an dem Investmentfonds beteiligt sind. Auch diese werden von dem Schutzbereich der „entpersonalisierten“ Kapitalverkehrsfreiheit6 erfasst. Sofern man also ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht auch unter § 8 Abs. 2 Nr. 2 InvStG („vergleichbare ausländische Körperschaften“) subsumieren möchte, verstieße der ersichtlich nicht zu rechtfertigende Ausschluss ausländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV).

8 Verhältnis zum Verfassungsrecht. S. dazu allgemein Einleitung „Europa- und Verfassungs-

recht“. § 8 InvStG begegnet keinen besonderen verfassungsrechtlichen Bedenken.

9 Verhältnis zu den §§ 25 ff. InvStG. § 8 InvStG gilt nicht für Spezial-Investmentfonds, s.

Rz. 3.

10 Verhältnis zu § 44a Abs. 7 EStG, § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG. Mit nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG

steuerbefreiten Anlegern vergleichbare Nicht-EU- bzw. Nicht-EWR-Anleger können bei der Anlage über einen Investmentfonds anders als bei der Direktanlage wie inländische gemeinnützige Körperschaften behandelt werden (s. zu Details Rz. 22, 39).

1 Vgl. Entwurf des BMF v. 11.8.2017 – IV C 1 - S 1980 – 1/16/10010:001, Rz. 8.18, sowie BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Anwendungsfragen, Rz. 8.29. 2 BT-Drucks. 19/13436, 175. 3 S. auch Boxberger in W/B/A3, § 8 InvStG Rz. 22. 4 S. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 8 InvStG Anm. 25. 5 Vgl. EuGH v. 18.12.2007 – C-101/05, Slg. 2007, I-11531. 6 S. Reimer in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, 2. Aufl. 2020, Rz. 7.99.

262 | Klein

B. Steuerbefreiung der inländischen Einkünfte von Investmentfonds (Abs. 1) | Rz. 13 § 8

Verhältnis zu § 10 InvStG. § 8 InvStG regelt dabei nach seinem Wortlaut die Steuerbefreiung 11 von Einkünften eines Investmentfonds, und zwar aller Einkünfte nach § 8 Abs. 1 InvStG und inländischer Immobilienerträge nach § 8 Abs. 2 InvStG, in Abhängigkeit vom Umfang der Beteiligung gewisser steuerbegünstigter Anleger. Nur wenn an dem Investmentfonds nur die in § 8 Abs. 1 InvStG bezeichneten Anleger beteiligt sind, läuft die antragsgebundene Steuerbefreiung aller Einkünfte, mit denen ein Investmentfonds überhaupt der Steuer unterliegen kann, faktisch auf eine vollständige Steuerbefreiung des Investmentfonds hinaus. § 10 InvStG regelt hingegen nach seinem Wortlaut die Steuerbefreiung ganzer Investmentfonds oder Anteilsklassen, an denen sich nach deren Anlagebedingungen nur steuerbegünstigte Anleger beteiligen dürfen. Ein praktisch relevanter Unterschied besteht – neben der nur nach § 8 InvStG möglichen partiellen Steuerbefreiung bei Beteiligung auch nicht steuerbegünstigter Anleger – darin, dass nur die Steuerbefreiung nach § 10 InvStG bereits beim Steuerabzug von dem Investmentfonds zufließenden Beteiligungserträgen berücksichtigt, vom Steuerabzug also abgesehen werden kann (§ 10 Abs. 5 InvStG). Für die Steuerbefreiung nach § 8 InvStG lehnt die FinVerw. dies ab,1 da zu deren Nachweis die Vorlage des Investmentanteil-Bestandsnachweises nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 InvStG gehört (s. dazu § 9 InvStG Rz. 15), der erst nach Ablauf des Kalenderjahres erstellt werden kann.2 Dem höheren Aufwand bei der Einrichtung der Steuerbefreiung nach § 10 InvStG (s. dazu § 10 InvStG Rz. 13 ff.) steht damit gegenüber, dass die Steuerbegünstigung der Anleger beim Bezug der Einkünfte nicht mehr nachgewiesen und Kapitalertragsteuer nicht erst einbehalten und sodann erstattet werden muss.3 § 8 InvStG im Zusammenhang der Vorschriften der §§ 8 bis 14 InvStG. § 8 InvStG ist Teil 12 des Regelungszusammenhangs der §§ 8 bis 14 InvStG, welcher die (ggf. nur partielle) Steuerbefreiung von Einkünften eines Investmentfonds (§ 8 InvStG) bzw. die umfassende Steuerbefreiung eines Investmentfonds (§ 10 InvStG) aufgrund des nachzuweisenden (§ 9 InvStG) steuerbegünstigten Status seiner Anleger, die Inanspruchnahme (§ 11 InvStG) und Ausreichung (§ 12 InvStG) der dadurch erzielten Steuerermäßigung an die Anleger und die Folgen des Wegfalls der Begünstigungsvoraussetzungen (§ 13 InvStG) sowie die Haftung für die unberechtigte Inanspruchnahme der Steuerermäßigung (§ 14 InvStG) umfasst. Besonders eng ist die Verknüpfung von § 8 und § 9 InvStG, der regelt, wie die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 8 InvStG nachzuweisen sind (s. § 9 InvStG Rz. 12).

B. Steuerbefreiung der inländischen Einkünfte von Investmentfonds (Abs. 1) I. Einkünfte nach § 6 Abs. 2 und Antrag des Investmentfonds (Abs. 1 erster Satzteil) 1. Einkünfte nach § 6 Abs. 2 InvStG Nach § 8 Abs. 1 InvStG steuerbefreit sind Einkünfte eines Investmentfonds nach § 6 Abs. 2 13 InvStG, also sämtliche (inländischen) Einkünfte, mit denen der Investmentfonds im Inland überhaupt der KSt (und ggf. der GewSt, § 15 GewStG) unterliegt. Dass § 8 Abs. 1 InvStG von „Einkünften“ nach § 6 Abs. 2 InvStG spricht, ist sprachlich ungenau, da in § 6 Abs. 2 InvStG von „Einnahmen“, „Erträgen“ und „Einkünften“ die Rede ist.4 Gemeint sind aber die in § 6 Abs. 2 Satz 2 InvStG genannten inländischen Beteiligungseinnahmen (§ 6 Abs. 3 InvStG, s. 1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Anwendungsfragen, Rz. 8.2; s. dazu auch Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 7 InvStG Anm. 5. 2 S. dazu auch Schneider-Deters in Moritz/Jesch/Mann2, § 8 InvStG Rz. 81. 3 S. Meinhardt in Beckmann/Scholz/Vollmer, § 10 InvStG Rz. 1 (Stand: September 2020). 4 S. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 8 InvStG Anm. 5. Klein | 263

§ 8 Rz. 13 | Steuerbefreiung aufgrund steuerbegünstigter Anleger dazu § 6 InvStG Rz. 27 ff.), inländischen Immobilienerträge (§ 6 Abs. 4 InvStG, s. dazu § 6 InvStG Rz. 48 ff.) und sonstigen inländischen Einkünfte (§ 6 Abs. 5 InvStG, s. dazu § 6 InvStG Rz. 62 ff.). 2. Antrag des Investmentfonds und Antragsverfahren 14 Adressat und Form des Antrags. Einkünfte nach § 6 Abs. 2 InvStG sind gem. § 8 Abs. 1

InvStG nur auf Antrag des inländischen oder ausländischen Investmentfonds steuerbefreit. Im Hinblick auf den Adressaten und die Form des Antrags ist danach zu unterscheiden, ob die betroffenen Einkünfte einem Steuerabzug unterliegen oder dies nicht der Fall ist, sodass die Steuer im Wege der Veranlagung erhoben wird.

15 Einkünfte, die dem Steuerabzug unterliegen. Der Gesetzgeber1 und ihm folgend die Fin-

Verw.2 verstehen den Antrag als (formloses, z.B. in elektronischer Form) Geltendmachen der Steuerbefreiung gegenüber dem Entrichtungspflichtigen (§ 7 Abs. 3 Satz 1 InvStG, s. dazu § 7 InvStG Rz. 28), z.B. durch Vorlage der als Nachweis für die Befreiung erforderlichen Unterlagen i.S.d. § 9 Abs. 1 InvStG.3 Entrichtungspflichtiger kann nach § 44 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG der Schuldner der Kapitalerträge, die den Verkaufsauftrag ausführende Stelle oder die die Kapitalerträge auszahlende Stelle sein. Bei inländischen Investmentfonds ist i.d.R. die Depotbank des Investmentfonds (Verwahrstelle), bei ausländischen Investmentfonds die Clearstream Banking AG (Frankfurt) als deutscher Zentralverwahrer der Entrichtungspflichtige.4 Tatsächlich ist der Entrichtungspflichtige der Adressat des Antrags (nur) für den Fall der Erstattung nach § 7 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 1 InvStG (s. dazu § 7 InvStG Rz. 67 ff.), wenn also der Investmentfonds dem Entrichtungspflichtigen innerhalb von 18 Monaten nach dem Zufluss des Kapitalertrags nachweist, dass die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach den §§ 8 oder 10 InvStG vorliegen. Ein nach zwingend zu beachtender (§ 44 Abs. 1 Satz 2 EStG) Auffassung der FinVerw. ausdrücklich unzulässiges5 Absehen vom Steuerabzug kommt praktisch nicht in Betracht, weil der auch vorzulegende Investmentanteil-Bestandsnachweis nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 InvStG erst nach dem Ablauf des Kalenderjahres und damit zu einem Zeitpunkt erstellt werden kann, zu dem der Kapitalertrag schon zugeflossen und die Abzugsteuer schon einbehalten und abgeführt sein muss.6 Adressat des Antrags auf Steuerbefreiung kann auch bei Einkünften, die dem Steuerabzug unterliegen, auch die FinBeh. sein, und zwar für den Fall der nach Auffassung der FinVerw.7 gegenüber der Erstattung nach § 7 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 1 InvStG subsidiären Erstattung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 InvStG (s. dazu § 11 InvStG Rz. 17) entweder das Betriebsstätten-FA des Entrichtungspflichtigen für inländische Investmentfonds oder das BZSt für ausländische Investmentfonds (§ 11 Abs. 1 Satz 3 InvStG, s. dazu § 11 InvStG Rz. 26).

16 Einkünfte, die keinem Steuerabzug unterliegen oder bei denen der Steuerabzug zu Un-

recht unterblieben ist. Die Steuerbefreiung wird im Veranlagungsverfahren und damit bei der für den Investmentfonds zuständigen FinBeh. (§ 4 InvStG) beantragt. Die als Nachweis der Steuerbefreiung erforderlichen Unterlagen sind der Steuererklärung des Investmentfonds beizufügen.8

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BT-Drucks. 18/8045, 77. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.8. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.8. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.8. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.2. S. dazu auch Schneider-Deters in Moritz/Jesch/Mann2, § 8 InvStG Rz. 81. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 11.7. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.9.

264 | Klein

B. Steuerbefreiung der inländischen Einkünfte von Investmentfonds (Abs. 1) | Rz. 21 § 8

Einheitlichkeit des Antrags. Nach der zu Einkünften, die keinem Steuerabzug unterliegen 17 oder bei denen der Steuerabzug zu Unrecht unterblieben ist, geäußerten Auffassung der FinVerw. kann der Antrag nur für alle Einkünfte einheitlich gestellt werden.1 Das ist angesichts der systematischen Platzierung dieser Meinungsäußerung wohl so zu verstehen, dass der Antrag gegenüber der FinBeh. im Hinblick auf Veranlagungseinkünfte nur einheitlich gestellt werden kann.2 Es gibt aber keinen Grund, warum derselbe Investmentfonds einen Antrag bei dem Entrichtungspflichtigen für Einkünfte, die dem Steuerabzug unterliegen, nicht abweichend stellen können sollte.3 Im Gegenteil: Da sich der Umfang der Steuerbefreiung bei Einkünften, die einem Steuerabzug unterliegen, nach dem Anteil der steuerbegünstigten Anleger jeweils im Zeitpunkt des Zuflusses der Einnahmen bestimmt (§ 8 Abs. 3 InvStG, s. dazu Rz. 42 ff.), ist sehr gut möglich, dass der Antrag für diese Einkünfte gegenüber dem Entrichtungspflichtigen zwingend anders als gegenüber der FinBeh. gestellt werden muss, ja sogar, dass mehrere Anträge gegenüber demselben Entrichtungspflichtigen, z.B. aufgrund sich ändernder Beteiligungsverhältnisse, oder weil Anleger zu unterschiedlichen Zeitpunkten ihre Investmentanteil-Bestandsnachweise (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 InvStG, s. dazu § 9 InvStG Rz. 15) beschaffen,4 jeweils anders gestellt werden müssen. Antragsfrist. Da die Steuerbefreiung auch noch nach Ablauf der in § 7 Abs. 5 InvStG vorgese- 18 henen 18 Monate für eine Erstattung von KapErtrSt durch den Investmentfonds gegenüber der FinVerw. geltend gemacht werden und zu einer Erstattung von Abzugsteuern führen kann, muss der Antrag gestellt werden können, solange die Abzugsteuer vom Betriebsstätten-FA des Entrichtungspflichtigen bei inländischen Investmentfonds bzw. dem BZSt bei ausländischen Investmentfonds noch erstattet werden kann. Keine (steuerrechtliche) Pflicht zur Geltendmachung. Ein Investmentfonds ist nicht (steuer- 19 rechtlich) verpflichtet, die Steuerbefreiung zu beantragen. Er kann sich angesichts der damit verbundenen Kosten und des administrativen Aufwands bei z.B. nur geringer Beteiligung steuerbegünstigter Anleger oder nur geringen stpfl. Einkünften dagegen entscheiden.5 Eine Verpflichtung des Investmentfonds, die Steuerbefreiung zu beantragen, kann sich allerdings aus Vereinbarungen mit den Anlegern ergeben.

II. Steuerbegünstigte Anleger nach § 44a Abs. 7 EStG und vergleichbare ausländische Anleger (Abs. 1 Nr. 1) § 8 Abs. 1 Nr. 1 InvStG nennt zwei Gruppen von Anlegern, deren Beteiligung an einem In- 20 vestmentfonds dazu führt, dass dessen Einkünfte nach § 6 Abs. 2 InvStG insoweit (s. dazu Abs. 3 und Rz. 42 ff.) auf Antrag steuerbefreit sind. Dies sind Anleger, die die Voraussetzungen des § 44a Abs. 7 Satz 1 EStG erfüllen (Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1) und vergleichbare ausländische Anleger mit Sitz und Geschäftsleitung in einem Amts- und Beitreibungshilfe leistenden ausländischen Staat (Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2). Anleger, die die Voraussetzungen des § 44a Abs. 7 Satz 1 EStG erfüllen (Abs. 1 Nr. 1 21 Alt. 1). Dies und damit steuerbegünstigte Anleger sind (i) inländische Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG, (ii) inländische Stiftungen des öffentlichen Rechts, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dienen und (iii) juristische Personen des öffentlichen Rechts, die ausschließlich und unmittelbar kirchlichen Zwecken dienen, allesamt also gemeinnützige, mildtätige 1 2 3 4 5

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.9. S. dazu auch Schneider-Deters in Moritz/Jesch/Mann2, § 8 InvStG Rz. 49. S. dazu auch Schneider-Deters in Moritz/Jesch/Mann2, § 8 InvStG Rz. 47. S. Meinhardt in Beckmann/Scholz/Vollmer, Investment, § 8 InvStG Rz. 19 (Stand: September 2020). Vgl. BT-Drucks. 18/8045, 77. Klein | 265

§ 8 Rz. 21 | Steuerbefreiung aufgrund steuerbegünstigter Anleger oder kirchliche Institutionen.1 Inländische Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG sind alle Körperschaftsteuersubjekte, die einem gemeinnützigen (§ 52 AO), mildtätigen (§ 53 AO) oder kirchlichen (§ 54 AO) Zweck nachgehen.2 Auch inländische Stiftungen des öffentlichen Rechts3 sind steuerbegünstigte Anleger, wenn sie ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dienen, juristische Personen des öffentlichen Rechts4 hingegen nur, wenn sie ausschließlich und unmittelbar kirchlichen Zwecken dienen (also z.B.5 die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften, wie u.a. die evangelischen und katholischen Kirchen6. Nachzuweisen ist die Eigenschaft, Anleger zu sein, der die Voraussetzungen des § 44a Abs. 7 Satz 1 EStG erfüllt, nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 InvStG (nur) durch die Bescheinigung nach § 44a Abs. 7 Satz 2 EStG (s. dazu § 9 InvStG Rz. 14). Die FinVerw. lässt indes darüber hinaus auch zu, dass der Nachweis durch (amtlich beglaubigte oder nach Vorlage des Originals auch nicht beglaubigte) Kopien von Freistellungsbescheiden oder Anlagen zum Körperschaftsteuerbescheid, die die Steuerbefreiung bescheinigen, geführt wird.7 Die Steuerbefreiung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 InvStG wird nicht gewährt (und Nachweise zum steuerbegünstigten Status des Anlegers sind folglich nicht vorzulegen), wenn die Investmentanteile des Anlegers einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb nach § 64 AO oder in einem nicht von der KSt befreiten Betrieb gewerblicher Art nach § 4 KStG des Anlegers zuzurechnen sind.8 22 Vergleichbare ausländische Anleger mit Sitz und Geschäftsleitung in einem Amts- und

Beitreibungshilfe leistenden ausländischen Staat (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InvStG). Es muss sich um inländischen gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Institutionen vergleichbare Anleger handeln. Um vergleichbar zu sein, muss ein ausländischer Anleger die gleichen Voraussetzungen nach den §§ 51 bis 68 AO i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG erfüllen wie ein steuerbegünstigter inländischer Anleger (§ 9 Abs. 2 Satz 2 InvStG).9 Unklar ist, ob zu den Voraussetzungen, die ein ausländischer Anleger erfüllen muss, um ein vergleichbarer ausländischer Anleger i.S.v. § 8 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InvStG zu sein, auch die Voraussetzungen nach § 51 Abs. 2 AO gehören. Danach setzt die Steuerbegünstigung einer Körperschaft, die steuerbegünstigte Zwecke im Ausland verwirklicht, voraus, dass natürliche Personen, die ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, gefördert werden oder die Tätigkeit der Körperschaft neben der Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke auch zum Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland beitragen kann. Es würde also nicht reichen, den inländischen Regeln vergleichbare steuerbegünstigte Zwecke im Ausland zu erfüllen, sondern es müsste der besagte besondere Inlandsbezug bestehen. Gegen die Relevanz von § 51 Abs. 2 AO für die Vergleichbarkeitsprüfung in § 8 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InvStG könnte man anführen, dass der Wortlaut von § 8 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InvStG anders als § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG, nach dem auch EU- und EWR-Körperschaften nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG gehören können,10 keine nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG steuerbefreiten ausländischen Anleger verlangt. Hätte es darauf ankommen sollen, dass ein ausländischer Anleger, um ein vergleichbarer ausländischer Anleger i.S.v. § 8 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InvStG zu sein, auch die Voraussetzungen nach § 51 Abs. 2 AO erfüllt, hätte danach § 8 Abs. 1 Nr. 1 InvStG nur auf § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG verweisen müssen. Allerdings ließe das unberücksichtigt, dass Nicht-EU- oder Nicht-EWR-Körperschaf-

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S. dazu Intemann in H/H/R, § 44a EStG Anm. 19 (Stand: August 2019). S. dazu Kruschke in H/H/R, § 5 KStG Anm. 151, 162 (Stand: Februar 2021). S. dazu Hüttemann/Rawert in Staudinger, BGB, 2017, Vorbemerkungen zu §§ 80–88 Rz. 407 ff. S. dazu Klein in H/H/R, § 1 KStG Anm. 65 (Stand: Februar 2020). Zu weiteren Beispielen mit Nachweisen s. Klein in H/H/R, § 1 KStG Anm. 65 (Stand: Februar 2020). BFH v. 11.7.2012 – I R 76/11, BFH/NV 2012, 1966. Zu Details s. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 9.2 und 9.3. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 9.5. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 9.12. S. dazu Kruschke in H/H/R, § 5 KStG Anm. 371 ff. (Stand: Februar 2021).

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B. Steuerbefreiung der inländischen Einkünfte von Investmentfonds (Abs. 1) | Rz. 24 § 8

ten dann nicht vergleichbare Anleger sein könnten, da sie nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG grds. nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG steuerbefreite Anleger sein können.1 Da § 8 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InvStG sie hingegen nicht ausschließt, können sie, wenn sie auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 2 AO erfüllen, mit nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG steuerbefreiten Anlegern vergleichbare Anleger sein und damit als Nicht-EU- oder Nicht-EWR-Anleger bei der Anlage über einen Investmentfonds anders als bei der Direktanlage wie inländische gemeinnützige Körperschaften behandelt werden. Die vergleichbaren Anleger müssen ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung in einem Amts- und 23 Beitreibungshilfe leistenden ausländischen Staat haben (s. § 2 Abs. 15 InvStG und dazu § 2 InvStG Rz. 121 ff.). Befinden sich Sitz und Geschäftsleitung in verschiedenen Staaten, muss es sich bei beiden Staaten um einen Amts- und Beitreibungshilfe leistenden Staat i.S.d. § 2 Abs. 15 InvStG handeln.2 Nachzuweisen ist die Vergleichbarkeit durch die Befreiungsbescheinigung des BZSt nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 InvStG (s. dazu § 9 InvStG Rz. 18 ff.).

Mehrstufige Strukturen: Investmentfonds, Dach-Investmentfonds und Dach-Spezial-Invest- 24 mentfonds. Sie gelten selbst als steuerbegünstigte Anleger, wenn sich an ihnen nach ihren Anlagebedingungen ausschließlich steuerbegünstigte Anleger i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 InvStG beteiligen dürfen.3 Damit sollten u.E. nicht nur zwei-, sondern auch mehrstufige Strukturen steuerbegünstigte Anleger sein können, solange sich jeweils steuerbegünstigte Anleger (dann einschließlich der Investmentfonds oder Dach-Investmentfonds, die als steuerbegünstigte Anleger gelten) beteiligen dürfen. Dürfen sich hingegen auch andere Anleger beteiligen, ist ein Investmentfonds, Dach-Investmentfonds oder Dach-Spezial-Investmentfonds nach Ansicht der FinVerw. insgesamt kein steuerbegünstigter Anleger.4 Vom Kreis der steuerbegünstigten Anleger ausgeschlossen sind damit zum einen Investmentfonds, Dach-Investmentfonds und Dach-Spezial-Investmentfonds, an denen nur zum Teil steuerbegünstigte Anleger beteiligt sind und die nur die (partielle) Steuerbefreiung ihrer Einkünfte nach § 8 InvStG beantragen. Ausgeschlossen sind aber auch Investmentfonds, an denen, ohne dass das in den Anlagebedingungen zwingend so geregelt ist, ausschließlich steuerbegünstigte Anleger beteiligt sind und die deshalb die Steuerbefreiung sämtlicher ihrer Einkünfte nach § 8 Abs. 1 InvStG beantragen können.5 Dass damit die bloße Möglichkeit der Beteiligung nicht steuerbegünstigter Anleger einen Investmentfonds, Dach-Investmentfonds oder Dach-Spezial-Investmentfonds disqualifiziert, selbst steuerbegünstigter Anleger zu sein,6 ergibt sich nicht zwingend aus dem Gesetz. Zwar spricht der Wortlaut von § 8 InvStG anders als der des § 10 InvStG nicht von der Steuerbefreiung des Investmentfonds, sondern der seiner Einkünfte, sodass Wortlaut des Gesetzes es zulässt, den Investmentfonds, der die Steuerbefreiung nach § 8 InvStG beantragt, selbst nicht als steuerbefreit zu erachten.7 Zwingend richtig ist das indes nicht, da z.B. der Gesetzgeber8 wie auch die FinVerw.9 selbst

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S. dazu Kruschke in H/H/R, § 5 KStG Anm. 163, 374 (Stand: Februar 2021). BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.7. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.10. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.10. Bis zum 30.6.2018 erlaubte es die FinVerw. Investmentfonds, Dach-Investmentfonds und Dach-Spezial-Investmentfonds, sich auch durch Selbstdeklaration, dass bei ihnen die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 InvStG vorliegen, d.h. sich also an ihnen tatsächlich nur steuerbegünstigte Anleger beteiligen, als steuerbegünstigter Anleger zu qualifizieren, s. BMFAnwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.11. Seit dem 31.12.2019 werden Spezial-Investmentfonds nur dann als steuerbegünstigte Anleger nach § 8 Abs. 1 InvStG betrachtet, wenn sie ihre Anlagebedingungen an die Anforderungen des § 10 Abs. 3 InvStG angepasst haben, BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.11. „Fallbeileffekt“, s. Boxberger in W/B/A3, § 8 InvStG Rz. 13. A.A. Boxberger in W/B/A3, § 8 InvStG Rz. 13. BT-Drucks. 18/8045, 77. S. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.1. Klein | 267

§ 8 Rz. 24 | Steuerbefreiung aufgrund steuerbegünstigter Anleger im Zusammenhang mit § 8 InvStG von einer Steuerbefreiung des Investmentfonds ausgehen. Systematisch konsequenter, wenn auch zugegeben komplexer wäre es, die anteilige Steuerbefreiung auch bei Investmentfonds, Dach-Investmentfonds und Dach-Spezial-Investmentfonds, an denen nur zum Teil steuerbegünstigte Anleger beteiligt sind bzw. sein dürfen, anteilig zu gewähren.1

III. Altersvorsorge- oder Basisrentenverträge (Abs. 1 Nr. 2) 25 Zertifizierte Altersvorsorge- oder Basisrentenverträge (Abs. 1 Nr. 2). Einkünfte eines In-

vestmentfonds nach § 6 Abs. 2 InvStG sind auf Antrag auch steuerfrei, soweit die Anteile am Investmentfonds im Rahmen von Altersvorsorgeverträgen (§ 1 AltZertG) oder Basisrentenverträgen (§ 2 AltZertG) gehalten werden, die nach §§ 5 oder 5a AltZertG zertifiziert wurden. Dazu gehören auch Investmentanteile, die von Versicherungsunternehmen im sog. Vorstock gehalten werden.2 Für die Steuerbefreiung bei Investmentanteilen, die im Rahmen von zertifizierten Altersvorsorge- oder Basisrentenverträgen gehalten werden, muss in einem vorgeschalteten Mitteilungsverfahren der Anbieter des Altersvorsorge- oder Basisrentenvertrags dem Investmentfonds innerhalb eines Monats nach Ende dessen Geschäftsjahres mitteilen, wann und in welchem Umfang in dem Geschäftsjahr des Investmentfonds Anteile erworben und wieder veräußert wurden (§ 9 Abs. 3 InvStG, s. dazu § 9 InvStG Rz. 21 f.).3 Die FinVerw. beanstandet es nicht, wenn der Anbieter des Altersvorsorge- oder Basisrentenvertrags stattdessen innerhalb eines Monats nach Ende des Geschäftsjahres des Investmentfonds dem Investmentfonds für jeden Geschäftstag des betreffenden Geschäftsjahres mitteilt, in welchem Umfang Investmentanteile an diesem Investmentfonds gehalten wurden.4 Nicht ebenso umfassend nach § 8 Abs. 1 InvStG – wohl aber nach dem Gesetzeswortlaut des § 8 Abs. 2 InvStG (nur) im Hinblick auf ihre inländischen Immobilienerträge und nach Ansicht der FinVerw. auch darüber hinaus im Hinblick auf ihre sonstigen inländischen Einkünfte5 – begünstigt sind andere Systeme der betrieblichen Altersvorsorge, wie z.B. nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG steuerbefreite Pensions- oder Unterstützungskassen.6 Diese unterliegen damit wie auch bei der Direktanlage (§ 44a Abs. 8 Satz 1 EStG), gegenüber der der Gesetzgeber keine Verbesserung regeln wollte,7 mit ihren inländischen Beteiligungseinnahmen einer definitiven Kapitalertragsteuerbelastung i.H.v. 15 %.8

IV. Weitere Tatbestandsmerkmale (Abs. 4) 26 Die Steuerbefreiung inländischer Beteiligungseinnahmen knüpft § 8 Abs. 4 InvStG an weitere

Voraussetzungen (s. dazu Rz. 45 ff.).

1 2 3 4 5 6 7 8

S. Schneider-Deters in Moritz/Jesch/Mann2, § 8 InvStG Rz. 17. S. BT-Drucks. 18/8045, 77 und BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.12. S. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 9.14. S. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 9.14. S. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.14 und dazu Rz. 35. Kritisch dazu Ernst, BB 2017, 2023 (2024 und 2026), und Boxberger in W/B/A3, § 8 InvStG Rz. 8. S. BT-Drucks. 18/8045, 77 („Um den Status quo fortzuführen ...“). Besonders kritisch zu der damit auch hier verfestigten Definitivbelastung eines Altersvorsorgesystems mit Steuern Boxberger in W/B/A3, § 8 InvStG Rz. 8.

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B. Steuerbefreiung der inländischen Einkünfte von Investmentfonds (Abs. 1) | Rz. 30 § 8

V. Rechtsfolge: Steuerbefreiung der Einkünfte nach § 6 Abs. 2 InvStG 1. Vorbemerkung Liegen die Voraussetzungen vor und wird der Antrag gestellt, so sind die Einkünfte des Invest- 27 mentfonds nach § 6 Abs. 2 InvStG (ggf. anteilig, „soweit“, s. auch § 8 Abs. 3 InvStG) steuerbefreit. Wie die Steuerbefreiung gewährt wird, ist unübersichtlich geregelt: 2. Veranlagung Wenn und soweit der Investmentfonds mit Einkünften zur Steuer veranlagt wird, weil die Ein- 28 künfte keinem Steuerabzug unterliegen oder weil der Steuerabzug zu Unrecht unterblieben ist, wird die (anteilige) Steuerbefreiung im Rahmen dieser Veranlagung von der dafür zuständigen FinBeh. (§ 4 InvStG) berücksichtigt. 3. Steuerabzug a) Keine Veranlagung Aufgrund der Abgeltungswirkung des Steuerabzugs (§ 7 Abs. 2 InvStG) kann die (teilweise) 29 Steuerbefreiung nicht im Rahmen einer Veranlagung des Investmentfonds zur Steuer geltend gemacht werden.1 b) Erstattung aa) Erstattung durch Entrichtungspflichtigen, das Betriebsstättenfinanzamt des Entrichtungspflichtigen oder das BZSt Soweit Einkünfte nach § 6 Abs. 2 InvStG einem Steuerabzug unterliegen, hat der Entrich- 30 tungspflichtige (nur) einem unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen, also inländischen Investmentfonds (§ 6 Abs. 1 Satz 1 InvStG) die (ggf. anteilige) Steuer zu erstatten, wenn dieser innerhalb von 18 Monaten nach Zufluss eines Kapitalertrags nachweist, dass die Voraussetzungen einer (teilweisen) Steuerbefreiung nach § 8 InvStG erfüllt sind (§ 7 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 1 InvStG). Soweit Einkünfte nach § 6 Abs. 2 InvStG einem Steuerabzug unterliegen, kann die Kapitalertragsteuer inländischen Investmentfonds nach § 11 Abs. 1 Satz 1 InvStG auf Antrag auch von dem Betriebsstätten-FA des Entrichtungspflichtigen erstattet werden, soweit der Investmentfonds aufgrund der Beteiligung steuerbegünstigter Anleger (teilweise) steuerbefreit ist. Von dieser Erstattungsmöglichkeit soll nach Auffassung des BMF nur Gebrauch gemacht werden, wenn die Voraussetzungen für das Erstattungsverfahren beim Entrichtungspflichtigen nicht vorliegen.2 Ausländischen Investmentfonds (§ 6 Abs. 1 Satz 2 InvStG) ist die Möglichkeit der Steuererstattung durch den Entrichtungspflichtigen seit der Änderung des § 7 Abs. 5 InvStG durch das AbzStEntModG vom 2.6.20213 verwehrt. Sie können eine Erstattung einbehaltener Kapitalertragsteuer seitdem nur noch von dem BZSt erhalten, das in ihrem Fall an die Stelle des Betriebsstätten-FA des Entrichtungspflichtigen tritt (§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 InvStG).

1 S. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.13. 2 S. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 11.7. 3 BGBl. I 2021, 1259. Klein | 269

§ 8 Rz. 31 | Steuerbefreiung aufgrund steuerbegünstigter Anleger bb) Regelungslücke für Abzugsteuern, die nicht Kapitalertragsteuer sind? 31 Die Normen, die regeln, wie die Steuerbefreiung nach § 8 Abs. 1 InvStG im Fall von Einkünf-

ten, die dem Steuerabzug unterliegen, umgesetzt wird, sind terminologisch nicht aufeinander abgestimmt. § 7 Abs. 2 InvStG ordnet für alle Einkünfte, die einem Steuerabzug unterliegen, dessen abgeltende Wirkung an; eine Veranlagung ist ausgeschlossen.1 § 7 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 1 InvStG regelt, dass die Steuerbefreiung nach den §§ 8 und 10 InvStG im Fall inländischer Investmentfonds mittels Erstattung der Kapitalertragsteuer durch den Entrichtungspflichtigen berücksichtigt wird, § 11 Abs. 1 InvStG regelt die Erstattung von Kapitalertragsteuer durch das Betriebsstätten-FA des Entrichtungspflichtigen (Satz 1) bzw. das BZSt (Satz 3). Dass es explizite Erstattungsregeln nur für die Kapitalertragsteuer gibt, wirft die Frage auf, wie mit Abzugsteuern zu verfahren ist, die nicht Kapitalertragsteuer sind, also z.B. dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG oder nach § 50a Abs. 7 EStG.2 Um auch insoweit der Steuerbefreiung nach § 8 Abs. 1 InvStG bzw. § 10 InvStG Rechnung zu tragen, sollten – bis zu einer gebotenen gesetzgeberischen Reparatur der redaktionellen Ungereimtheit – im Hinblick auf diese anderen Abzugsteuern die Erstattungsregelungen in den §§ 7 Abs. 5 und 11 Abs. 1 InvStG analog angewandt werden. c) (Keine) Abstandnahme vom Steuerabzug

32 Dass ein Entrichtungspflichtiger (§ 7 Abs. 3 Satz 1 InvStG) alternativ vom Steuerabzug abse-

hen kann, soweit die Einkünfte des Investmentfonds steuerbefreit sind, ist für die Steuerbefreiung nach § 8 InvStG – anders als in § 10 Abs. 5 InvStG für vollständig steuerbefreite Investmentfonds – nicht ausdrücklich geregelt. Dafür, eine Abstandnahme vom Steuerabzug in den Fällen des § 8 InvStG grds. für zulässig zu halten, spräche zwar, dass sie in § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvStG und in § 12 Abs. 1 InvStG vorausgesetzt wird. Ein nach zwingend zu beachtender (§ 44 Abs. 1 Satz 2 EStG) Auffassung der FinVerw. ausdrücklich unzulässiges3 Absehen vom Steuerabzug kommt aber praktisch nicht in Betracht, weil der dazu dem Entrichtungspflichtigen vorzulegende Investmentanteil-Bestandsnachweis nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 InvStG erst nach dem Ablauf des Kalenderjahres und damit zu einem Zeitpunkt erstellt werden kann, zu dem der Kapitalertrag schon zugeflossen und die Abzugsteuer schon einbehalten und abgeführt sein muss.4

C. Steuerbefreiung inländischer Immobilienerträge (Abs. 2) I. Vorbemerkung 33 § 8 Abs. 2 InvStG regelt die (partielle) Steuerbefreiung inländischer Immobilienerträge eines

Investmentfonds in Abhängigkeit von der Beteiligung inländischer juristischer Personen des öffentlichen Rechts und bestimmter von der KSt befreiter inländischer oder vergleichbarer ausländischer Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen.

1 S. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.13. 2 Dass die Kapitalertragsteuer nicht die einzige relevante Abzugsteuer ist, sieht auch die FinVerw., die von „Einkünften, die einem Steuerabzug unterliegen (im wesentlichen inländische Beteiligungseinnahmen) ...“ spricht, s. S. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.21. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.2. 4 S. dazu auch Schneider-Deters in Moritz/Jesch/Mann2, § 8 InvStG Rz. 81.

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C. Steuerbefreiung inländischer Immobilienerträge (Abs. 2) | Rz. 36 § 8

II. Inländische Immobilienerträge und Antrag des Investmentfonds (Abs. 2 erster Satzteil) 1. Inländische Immobilienerträge § 8 Abs. 2 InvStG regelt die (partielle) Steuerbefreiung inländischer Immobilienerträge, nach 34 § 6 Abs. 4 Satz 1 InvStG also der Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung von im Inland belegenen Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten und der Gewinne aus der Veräußerung von im Inland belegenen Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten. S. dazu § 6 InvStG Rz. 48 ff. 2. Sonstige inländische Einkünfte Andere Erträge als inländische Immobilienerträge1 sind nach dem Wortlaut des Gesetzes ent- 35 gegen der Absicht des Gesetzgebers, nur inländische Beteiligungserträge besteuern zu wollen,2 nicht steuerbefreit. Insoweit besteht gesetzgeberischer Korrekturbedarf (Steuerbefreiung aller Einkünfte, die nicht der KapErtrSt nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 KStG unterliegen), wenn die Fondsanlage nicht gegenüber der Direktanlage benachteiligt werden soll.3 Die FinVerw. wendet zwar mit Blick auf den Sinn und Zweck des § 8 Abs. 2, die steuerbegünstigten Anleger bei der Fondsanlage weitgehend so zu stellen, wie sie bei einer Direktanlage stünden, die Steuerbefreiung über ihren Wortlaut hinaus auch bei sonstigen inländischen Einkünften i.S.d. § 6 Abs. 5 InvStG an, weil diese Einkünfte bei den Anlegern i.S.d. § 8 Abs. 2 InvStG im Falle einer Direktanlage ebenfalls nicht stpfl. sind.4 Das ist systematisch richtig,5 sollte aber in Anbetracht der Rspr. des BFH zur Beachtung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung6 dringend auch gesetzlich geregelt werden. 3. Antrag des Investmentfonds Die Steuerbefreiung wird i.R.d. Veranlagung des Investmentfonds zur Steuer gewährt,7 und 36 die FinVerw. geht, indem sie vorschreibt, dass die als Nachweis für die Steuerbefreiung erforderlichen Unterlagen der Steuererklärung beizufügen sind,8 wohl davon aus, dass der Antrag auf Gewährung der Steuerbefreiung mit der Steuererklärung gestellt werden muss. Da indes das Gesetz keine mit z.B. § 20 Abs. 2 Satz 3 UmwStG vergleichbare Regelung enthält, die vorschreibt, bis wann der Antrag gestellt sein muss und die Steuerbefreiung „im Veranlagungsverfahren“, d.h. bis zu dessen Beendigung mit Bekanntgabe des Steuerbescheides9 und auch darüber hinaus jeweils bis zum Erlass etwaiger Änderungsbescheide gewährt werden kann, muss auch der Antrag auf Gewährung der Steuerbefreiung bis dahin gestellt werden können.

1 Wie z.B. als sonstige inländische Einkünfte zu qualifizierende Einkünfte aus Immobilien verwaltenden, gewerblich geprägten Personengesellschaften, vgl. Neumann, DB 2016, 1779. 2 BT-Drucks. 18/8045, 77. 3 Vgl. Stadler/Bindl, DStR 2016, 1953 (1957); Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2713). 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.14. 5 Schneider-Deters in Moritz/Jesch/Mann2, § 8 InvStG Rz. 16. 6 BFH v. 28.11.2016 – GrS 1/15, BStBl. II 2017, 393; v. 23.8.2017 – I R 52/14, BStBl. II 2018, 232; v. 23.8.2017 – X R 38/15, BStBl. II 2018, 236. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.20 Satz 1. 8 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.21 i.V.m. 8.9 letzter Satz. 9 Drüen in T/K, § 78 AO Rz. 5 (Stand: Februar 2021). Klein | 271

§ 8 Rz. 37 | Steuerbefreiung aufgrund steuerbegünstigter Anleger

III. Inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts und bestimmte von der Körperschaftsteuer befreite in- oder ausländische Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen als steuerbegünstigte Anleger 1. Inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts 37 Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts leiten ihre Rechtsfähigkeit aus dem öffent-

lichen Recht ab. Zu ihnen gehören vor allem1 der Bund, die Länder, die Kreise und Gemeinden,2 die Gemeindeverbände, die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften, d.h. u.a. die evangelischen und katholischen Kirchen,3 die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Landwirtschaftskammern, Rechtsanwalts-, Steuerberater-, Wirtschaftsprüfer- und Ärztekammern, Landeszentralbanken, Sozialversicherungsträger, Universitäten und die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.4 Inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts unterliegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG mit ihren Betrieben gewerblicher Art der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht5 und ansonsten nach § 2 Nr. 2 KStG im Hinblick auf bestimmte dem Steuerabzug unterliegende Einkünfte der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht.6 Um einem Investmentfonds eine partielle Steuerbefreiung seiner inländischen Immobilienerträge vermitteln zu können, dürfen die Anteile der juristischen Person des öffentlichen Rechts am Investmentfonds keinem nicht von der KSt befreiten Betrieb der gewerblichen Art der juristischen Person des öffentlichen Rechts zuzuordnen sein (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 2 InvStG).

38 § 8 Abs. 2 Nr. 1 InvStG erstreckt sich nach dem Wortlaut nur auf inländische und damit an-

ders als Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 2 nicht auch auf vergleichbare ausländische Anleger bzw. Körperschaften. Ausländische Körperschaften des öffentlichen Rechts vermitteln daher nach dem Wortlaut der Norm dem Investmentfonds, an dem sie sich beteiligen, keine Steuerbefreiung seiner inländischen Immobilienerträge. Damit werden ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts mittelbar in Deutschland besteuert. Mit der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV), deren persönlicher Anwendungsbereich weder eine bestimmte Ansässigkeit in einem EU-Staat noch eine Rechtsform voraussetzt,7 ist dies nicht zu vereinbaren (s. dazu auch Rz. 7). 2. Bestimmte von der Körperschaftsteuer befreite in- oder ausländische Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen

39 Zu den nur im Hinblick auf inländische Immobilienerträge steuerbegünstigten Anlegern zäh-

len nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 InvStG „von der Körperschaftsteuer befreite inländische oder vergleichbare ausländische Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen, soweit sie nicht unter Abs. 2 Nr. 1 fallen“. Damit beschreibt das Gesetz von der KSt befreite inländische Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, deren Körperschaftsteuerbefreiung nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 KStG nicht gilt, soweit ihre inländischen Einkünfte einem Steuerabzug unterliegen. Das sind alle nach § 5 Abs. 1 KStG von der KSt befreiten Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen mit Ausnahme beschränkt StPfl. i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG, also ausländischer gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher 1 2 3 4 5 6 7

Für weitere Beispiele s. Klein in H/H/R, § 1 KStG Anm. 65 (Stand: Februar 2020). S. BFH v. 10.11.2011 – V R 41/10, BFHE 235, 554. BFH v. 11.7.2012 – I R 76/11, BFH/NV 2012, 1966. BFH v. 6.7.1967 – V 76/64, BStBl. III 1967, 582. S. dazu Klein in H/H/R, § 1 KStG Anm. 65 (Stand: Februar 2020). S. dazu Witt in H/H/R, § 2 KStG Anm. 5, 101 (Stand: September 2020). S. Reimer in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, 2. Aufl. 2020, Rz. 7.99.

272 | Klein

D. Ermittlung des Umfangs der Steuerbefreiung (Abs. 3) | Rz. 43 § 8

Institutionen (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG). Letztere unterliegen damit wie inländische gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Institutionen (diese allerdings nach § 44a Abs. 7 EStG) keinem abgeltenden Steuerabzug. In § 8 Abs. 2 Nr. 2 InvStG werden sie mit der Formulierung „soweit sie nicht unter Abs. 2 Nr. 1 fallen“ ausgenommen.1 3. Mehrstufige Strukturen: Investmentfonds, Dach-Investmentfonds und Dach-SpezialInvestmentfonds Wie bei der Steuerbefreiung nach § 8 Abs. 1 InvStG erkennt die FinVerw.2 Investmentfonds, 40 Dach-Investmentfonds und Dach-Spezial-Investmentfonds selbst als nach § 8 Abs. 2 InvStG begünstigte Anleger an, wenn sich an ihnen ausschließlich steuerbegünstigte Anleger nach § 8 Abs. 1 oder Abs. 2 InvStG beteiligen dürfen.3 Auch insoweit schließt die geforderte Ausschließlichkeit von der Begünstigung Fälle aus, in denen begünstigte Anleger i.S.d. § 8 Abs. 2 InvStG neben anderen, nicht steuerbegünstigten Anlegern an Investmentfonds, Dach-Investmentfonds und Dach-Spezial-Investmentfonds beteiligt sind oder auch nur sein dürfen (s. dazu auch Rz. 24).

IV. Rechtsfolge: Steuerbefreiung der inländischen Immobilienerträge Liegen die Voraussetzungen vor und wird der Antrag gestellt, so sind die inländischen Immo- 41 bilienerträge des Investmentfonds (ggf. anteilig, „soweit“, s. auch § 8 Abs. 3 InvStG) steuerbefreit. Die (anteilige) Steuerbefreiung wird i.R.d. Veranlagung des Investmentfonds von der dafür zuständigen FinBeh. (§ 4 InvStG) berücksichtigt.

D. Ermittlung des Umfangs der Steuerbefreiung (Abs. 3) I. Vorbemerkung § 8 Abs. 3 InvStG regelt in seinen Sätzen 1 (für dem Steuerabzug unterliegende Einkünfte) 42 und 2 (für zu veranlagende Einkünfte), wie der Umfang der Steuerbefreiung nach den Abs. 1 bzw. 2 bei Beteiligung steuerbegünstigter Anleger zu berechnen ist.

II. Umfang der Steuerbefreiung bei dem Steuerabzug unterliegenden Einkünften (Abs. 3 Satz 1) Bei einem Steuerabzug unterliegenden Einkünften richtet sich der Umfang der Steuerbefrei- 43 ung nach § 8 Abs. 3 Satz 1 InvStG nach dem Anteil, den die steuerbegünstigten Anleger am Gesamtbestand der Investmentanteile eines Investmentfonds zum jeweiligen Zeitpunkt des Zuflusses der Einnahmen halten. Maßgebend soll nach dem Willen des Gesetzgebers4 und der FinVerw.5 der Bestand am Ende des Geschäftstages vor dem Zufluss der Einnahmen sein. Bei

1 Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 8 InvStG Anm. 5. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.15. 3 Sie berücksichtigt damit in der Literatur geäußerte Kritik (s. Bindl/Mager, BB 2016, 2711 [2713] und Bindl/Mager, DStR 2017, 465 [467], wohl auch im Hinblick auf in der Praxis verbreitete Master-Zielfonds-Strukturen betroffener Anleger, s. Brandl in Brandis/Heuermann, § 8 InvStG Rz. 13 [Stand: März 2020]). 4 Vgl. BT-Drucks. 18/8045, 78. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.21. Klein | 273

§ 8 Rz. 43 | Steuerbefreiung aufgrund steuerbegünstigter Anleger Dividenden kommt es nach Auffassung der FinVerw. auf den Bestand am Tag der Hauptversammlung an.1 Beeinflusst wird die Bestimmung des Umfangs der Steuerbefreiung zudem dadurch, dass nach § 8 Abs. 4 Satz 2 InvStG (s. dazu Rz. 47 ff.) der Anleger seit mindestens drei Monaten zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer der Investmentanteile sein muss, ohne verpflichtet sein zu dürfen, die Anteile auf eine andere Person zu übertragen. Relevant sind danach abweichend vom Wortlaut des Abs. 3 Satz 1 nicht alle steuerbegünstigten Anleger, die zum jeweiligen Zeitpunkt des Zuflusses der Einnahmen oder am Ende des Geschäftstages vor dem Zufluss Anteile halten, sondern nur jene, die das zu diesem Zeitpunkt schon seit drei Monaten tun.2

III. Umfang der Steuerbefreiung bei zu veranlagenden Einkünften (Abs. 3 Satz 2) 44 Bei zu veranlagenden Einkünfte richtet sich der Umfang der Steuerbefreiung nach § 8 Abs. 3

Satz 2 InvStG nach dem Anteil des durchschnittlichen Investmentanteilbesitzes von steuerbegünstigten Anlegern am durchschnittlichen Gesamtbestand der Investmentanteile während des Geschäftsjahres des Investmentfonds. Die Durchschnittswerte können bewertungstäglich, aber auch anhand von Monatsendwerten ermittelt werden.3 Nach § 8 Abs. 4 Satz 2 InvStG (s. dazu Rz. 46 ff.) setzt die Steuerbefreiung nach Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 voraus, dass der Anleger seit mindestens drei Monaten zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer der Investmentanteile ist (§ 8 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 InvStG), ohne verpflichtet sein zu dürfen, die Anteile auf eine andere Person zu übertragen (§ 8 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 InvStG). Während das bei dem Steuerabzug unterliegenden Einkünften im Falle des Satzes 1 noch so verstanden werden kann, dass nur die steuerbegünstigten Anleger zählen, die ihre Anteile im Zeitpunkt des Zuflusses der Einnahmen seit drei Monaten halten (s. dazu Rz. 43), müsste das zusätzliche Erfordernis des § 8 Abs. 4 Satz 2 InvStG im Fall der zu veranlagenden Einkünfte dazu führen, dass in die Durchschnittsberechnung nach § 8 Abs. 3 Satz 2 InvStG nur die Anleger einzubeziehen sind, die für mindestens drei Monate (nicht notwendig innerhalb des betroffenen Geschäftsjahres des Investmentfonds) rechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer ihrer Anteile sind. Das verkompliziert die Durchschnittsberechnung. Zugleich dürfte es im Fall zu veranlagender Einkünfte aufgrund der in § 8 Abs. 3 Satz 2 InvStG vorgesehenen Durchschnittsbetrachtung praktisch kaum notwendig sein,4 mit § 8 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 InvStG Steuerumgehungen durch kurzfristige Übertragungen von Investmentanteilen an steuerbegünstigte Anleger auszuschließen.5 Das spricht u.E. dafür, § 8 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 InvStG telelogisch zu reduzieren und im Rahmen von § 8 Abs. 3 Satz 2 InvStG nicht anzuwenden.6

E. Verhinderung von Steuerumgehungen (Abs. 4) I. Investmentfonds erfüllt Voraussetzungen des § 36a EStG (Abs. 4 Satz 1) 45 Um die an seine steuerbegünstigten Anleger i.S.d. § 8 Abs. 1 InvStG knüpfende Steuerbefrei-

ung seiner inländischen Beteiligungseinnahmen in Anspruch nehmen zu können, muss ein Investmentfonds nach § 8 Abs. 4 Satz 1 InvStG die Voraussetzungen für eine Anrechenbarkeit

1 2 3 4 5 6

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.21. S. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 8 InvStG Anm. 20; Christ in BeckOK/InvStG, § 8 Rz. 55. Vgl. BT-Drucks. 18/8045, 78 und BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.23. S. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 8 InvStG Anm. 20; Christ in BeckOK/InvStG, § 8 Rz. 55. Vgl. BT-Drucks. 18/8045, 78. S. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 8 InvStG Anm. 20.

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E. Verhinderung von Steuerumgehungen (Abs. 4) | Rz. 47 § 8

von Kapitalertragsteuer nach § 36a EStG erfüllen. Im Wesentlichen bedeutet dies, dass der Investmentfonds im Fall von Kapitalerträgen i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG (Dividenden aus sammelverwahrten Aktien) während einer Mindesthaltedauer von 45 Tagen (§ 36a Abs. 2 EStG)1 ununterbrochen (nur) der (sog.) wirtschaftliche (nicht aber auch der zivilrechtliche) Eigentümer der Aktien sein und ein Mindestwertänderungsrisiko (§ 36a Abs. 3 EStG)2 tragen muss sowie nicht verpflichtet sein darf, die Kapitalerträge ganz oder überwiegend, unmittelbar oder mittelbar anderen Personen zu vergüten (§ 36a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG)3. Seit der seit dem 1.1.2020 geltenden Neufassung des § 8 Abs. 4 InvStG gilt dies auch für Fälle des Abs. 1 Nr. 2, also solche, in denen Anteile an dem Investmentfonds im Rahmen von Altersvorsorgeoder Basisrentenverträgen gehalten werden. Zuvor hatte die FinVerw. Abs. 4 Nr. 2 a.F. über den Wortlaut hinaus auch in Fällen von Altersvorsorge- oder Basisrentenverträgen anwenden wollen.4 Dazu bedurfte es aber einer gesetzlichen Regelung, da nicht erkennbar war, dass das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthielt. Der Verweis in Abs. 4 Nr. 2 a.F. auf § 36a EStG ging ohnehin ins Leere, soweit mit der Steuerbefreiung nach Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 andere als die Kapitalerträge i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG erfasst wurden.5

II. Weitere Tatbestandsmerkmale für Steuerbefreiungen nach Abs. 1 und Abs. 2 (Abs. 4 Satz 2) 1. Weitere Tatbestandsmerkmale § 8 Abs. 4 Satz 2 InvStG knüpft in seinen Nr. 1 und 2 die Steuerbefreiungen nach § 8 Abs. 1 46 Nr. 1 und Abs. 2 InvStG daran, dass weitere Voraussetzungen erfüllt werden. § 8 Abs. 4 InvStG enthält damit weitere Tatbestandsmerkmale dieser Steuerbefreiungen und, ohne das explizit auszusprechen, für die Ermittlung des Umfangs der Steuerbefreiungen nach Abs. 3. 2. Zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer seit drei Monaten (Abs. 4 Satz 2 Nr. 1) Dreimonatsfrist. Ein steuerbegünstigter Anleger muss nach dem Wortlaut des Gesetzes zu- 47 nächst „seit mindestens drei Monaten“ zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer der Investmentanteile sein, damit der Investmentfonds die an den Anleger knüpfende Steuerbefreiung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 InvStG in Anspruch nehmen kann. Die Formulierung des Gesetzes schließt es allerdings – anders als z.B. die der Mindesthaltedauer in § 36a Abs. 2 EStG – aus, dass der Anleger nur insgesamt, d.h. davor und danach für drei Monate Eigentümer sein muss (was für die angestrebte Missbrauchsbekämpfung ausgereicht hätte), sagt aber ohnehin nicht ausdrücklich, wovor die drei Monate abgelaufen sein müssen. Bei einem Steuerabzug unterliegenden Einkünften wie Kapitalerträgen dürfte grds. auf den Zufluss der Einnahme abzustellen sein. Inzwischen hat allerdings das BMF seine ursprünglich damit 1 S. dazu BMF v. 3.4.2017 – IV C 1 - S 2299/16/10002, BStBl. I 2017, 726, unter Berücksichtigung der Änderungen v. 20.2.2018 – IV C 1 - S 2299/16/10002 – DOK 2018/0121297, BStBl. I 2018, 308 Rz. 2 ff., sowie Link in H/H/R, § 36a EStG Anm. 15 und Gosch in Kirchhof/Seer21, § 36a EStG Rz. 7a. 2 S. dazu BMF v. 3.4.2017 – IV C 1 - S 2299/16/10002, BStBl. I 2017, 726, unter Berücksichtigung der Änderungen v. 20.2.2018 – IV C 1 - S 2299/16/10002 – DOK 2018/0121297, BStBl. I 2018, 308 Rz. 9 ff., sowie Link in H/H/R, § 36a EStG Anm. 20 und Gosch in Kirchhof/Seer21, § 36a EStG Rz. 8 ff. 3 S. dazu BMF v. 3.4.2017 – IV C 1 - S 2299/16/10002, BStBl. I 2017, 726, unter Berücksichtigung der Änderungen v. 20.2.2018 – IV C 1 - S 2299/16/10002 – DOK 2018/0121297, BStBl. I 2018, 308 Rz. 83 ff., sowie Link in H/H/R, § 36a EStG Anm. 10, und Gosch in Kirchhof/Seer21, § 36a EStG Rz. 9. 4 Vgl. Entwurf des BMF v. 11.8.2017 – IV C 1 - S 1980 – 1/16/10010:001, Rz. 8.18, sowie BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.29. 5 S. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 8 InvStG Anm. 25. Klein | 275

§ 8 Rz. 47 | Steuerbefreiung aufgrund steuerbegünstigter Anleger generell übereinstimmende Auffassung im Hinblick auf Dividenden geändert. Bei diesen soll bei der Berechnung der Dreimonatsfrist auf den Tag der Hauptversammlung abzustellen sein und nur für einen Übergangszeitraum bis einschließlich dem 31.12.2023 nicht beanstandet werden, wenn auf den Zeitpunkt des Zuflusses der Dividende abgestellt wird.1 Bei zu veranlagenden Einkünften – wie etwa den inländischen Immobilienerträgen – wäre ein Abstellen auf den Zufluss sinnlos. Das BMF nennt dies „technische Umsetzungsprobleme“,2 zieht aber daraus nicht den Schluss, dass die Regelung bei Veranlagungseinkünften unangebracht ist,3 sondern gestattet es bei inländischen Immobilienerträgen auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem sie im Anteilspreis erfasst werden.4 Für andere zu veranlagende Einkünfte – etwa aus dem Kreis der sonstigen inländischen Einkünfte – fehlt es an einer Regelung. 48 Nachweis. Für den Nachweis der Dreimonatsfrist soll auf den Investmentanteil-Bestandsnach-

weis (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 InvStG) abzustellen sein.5 Für die Zwecke des Steuerabzugs muss dazu der Entrichtungspflichtige anhand des Investmentanteil-Bestandsnachweises (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 InvStG) prüfen, ob eine Besitzzeit von drei Monaten erreicht ist,6 darf aber darüber hinaus auf eine zu dokumentierende Selbsterklärung des Anlegers vertrauen, dass er zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer ist (und Übertragungsverpflichtung besteht).7

49 Zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer. Nach dem Wortlaut von § 8 Abs. 4 Satz 2

Nr. 1 InvStG muss der Anleger zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer sein. Dass das Gesetz auch auf das zivilrechtliche Eigentum abstellt, erscheint systematisch unabgestimmt, da das InvStG nach § 2 Abs. 10 InvStG den sog. wirtschaftlichen Eigentümer als Anleger versteht. Die Formulierung erinnert an eine Entwurfsfassung von § 36a EStG, dessen Inhalt zunächst als § 36 Abs. 2a EStG8 vorgeschlagen worden war, welcher gleichfalls zivilrechtliches und wirtschaftliches Eigentum vorausgesetzt hatte. Nach einer Beschlussempfehlung des Finanzausschusses v. 8.6.2016 wurde die Regelung schließlich zu § 36a EStG,9 der auf das Erfor-

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.24 und 8.25, in der durch BMF-Schr. v. 6.9.2022 – IV C 1 - S 1980 – 1/19/10008:025 – DOK 2022/0750199, BStBl. I 2022, 1380, geänderten und ergänzten Fassung. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.26. 3 Fraglich ist, inwieweit für sie ein Bedarf für § 8 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 InvStG bei den inländischen Immobilienerträgen besteht, bei denen sich die Steuerbefreiung an einer Durchschnittsbetrachtung orientiert (§ 8 Abs. 3 Satz 2 InvStG) und sich praktisch nicht das Problem stellen dürfte, dass Steuerumgehungen (vgl. BT-Drucks. 18/8045, 78) durch kurzfristige Übertragungen von Investmentanteilen an steuerbegünstigte Anleger ausgeschlossen werden müssen. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.26 und 8.27 mit Beispiel. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.25 Satz 2. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.28 Satz 1. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.28 Satz 2. 8 S. den RegE des InvStRefG, BT-Drucks. 18/8045, 44. 9 S. BT-Drucks. 18/8739, 76 f. Zuvor war im Gesetzgebungsverfahren von zahlreichen Wirtschaftsverbänden (s. Schreiben von DIHK, BDI, ZDH, BDA, BdB, GDV, HDE, BGA an den Finanzausschuss des Bundestags v. 4.5.2016) überzeugend vorgetragen worden, dass ein Abstellen auch auf das wirtschaftliche Eigentum die Anwendung der Vorschrift erschweren würde und zur Bekämpfung von Missbräuchen nicht erforderlich sei (a.a.O., 12: „Verzicht auf das Merkmal ,zivilrechtliches Eigentum‘: Zumindest aber sollte auf die tatbestandliche Voraussetzung ,zivilrechtliches Eigentum‘ gem. § 36 Abs. 2a Satz 2 EStG-E verzichtet werden. Durch die kumulativ zu erfüllenden Tatbestandsmerkmale des zivilrechtlichen und wirtschaftlichen Eigentums wird es in der Praxis wegen eines strukturellen Auseinanderlaufens des zivilrechtlichen und wirtschaftlichen Eigentums in einer Reihe von Fällen zu Problemen kommen [so etwa bei Treuhandmodellen, für die daher eigens in § 36 Abs. 2a Satz 6 EStGE im Rahmen einer ,Fiktionsregelung‘ eine Sonderregelung gefunden werden musste]. Ein Auseinanderlaufen ist dabei in diesen Fällen nicht Ergebnis einer missbräuchlichen Steuergestaltung, sondern häufig die Folge von bestimmten [zivil-]rechtlichen Rahmenbedingungen [so etwa auch im Falle von Investmentfonds, die als Sondervermögen zwar wirtschaftliches, aber kein zivilrechtliches Eigentum

276 | Klein

Nachweis der Steuerbefreiung | § 9

dernis des wirtschaftlichen Eigentums begrenzt wurde.1 Nachdem also § 36a und auch § 50j EStG entgegen ersten Entwürfen aus guten Gründen nur noch verlangen, dass der StPfl. bzw. Gläubiger der Kapitalerträge während der Mindesthaltedauer wirtschaftlicher (und nicht mehr auch zivilrechtlicher) Eigentümer der Anteile war bzw. ist, erscheint es als noch zu bereinigendes Redaktionsversehen, dass in § 8 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 InvStG die Bezugnahme auf das zivilrechtliche Eigentum nicht auch gestrichen wurde.2 3. Keine Verpflichtung zur Anteilsübertragung (Abs. 4 Satz 2 Nr. 2) Der steuerbegünstigte Anleger darf zudem nicht verpflichtet sein, die Anteile auf eine andere 50 Person zu übertragen, damit der Investmentfonds die an den Anleger knüpfende Steuerbefreiung nach Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 erreichen kann. Dieses aus § 8 Abs. 4 InvStG a.F. übernommene Kriterium ist neben dem Erfordernis, dass der Anleger ohnehin schon zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer sein muss, fragwürdig. Es ist unklar, welche Steuerumgehung dadurch vermieden werden soll, dass sich ein Anleger, ohne seinen Status als zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer zu beeinträchtigen, verpflichtet, die Anteile zu übertragen. Immerhin darf ein Entrichtungspflichtiger für Zwecke des Steuerabzugs auf eine zu dokumentierende Selbsterklärung des Anlegers vertrauen, dass keine Verpflichtung zur Übertragung besteht.3 Der Anleger kann auch dauerhaft bzw. bis auf Widerruf erklären, dass er generell keine Geschäfte mit seinen Investmentanteilen getätigt hat und tätigen wird, die eine Übertragungsverpflichtung beinhalten. Der Entrichtungspflichtige hat die Erklärung intern zu dokumentieren und der FinVerw. auf Anforderung zur Verfügung zu stellen.4 Dabei führt eine Veräußerungsfiktion nach § 22 Abs. 1 Satz 1 oder 2, § 52 Abs. 2 oder nach § 56 Abs. 2 InvStG nicht zu einem Neubeginn der Dreimonatsfrist.5

§9 Nachweis der Steuerbefreiung (1) Die Steuerbefreiung nach § 8 Absatz 1 Nummer 1 ist nachzuweisen durch 1. eine Bescheinigung nach § 44a Absatz 7 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes oder 2. eine vom Bundeszentralamt für Steuern auszustellende Bescheinigung über die Vergleichbarkeit des ausländischen Anlegers mit Anlegern nach § 44a Absatz 7 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (Befreiungsbescheinigung) und 3. eine von der depotführenden Stelle des Anlegers nach Ablauf des Kalenderjahres nach amtlichem Muster erstellte Bescheinigung über den Umfang der durchgehend während des Kalenderjahres vom Anleger gehaltenen Investmentanteile sowie den Zeitpunkt und Umfang des Erwerbs oder der Veräußerung von Investmentanteilen während des Kalenderjahres (Investmentanteil-Bestandsnachweis).

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erwerben]. Der Verzicht auf das Merkmal des zivilrechtlichen Eigentums würde die Anwendung der Vorschrift erheblich erleichtern. Letztlich dürfte es im Hinblick auf das Regelungsziel der Vermeidung von missbräuchlichen Steuergestaltungen auch ausreichend sein, ausschließlich auf das wirtschaftliche Eigentum abzustellen.“). S. BT-Drucks. 18/8739, 77 f., 115. Kritisch auch Christ in BeckOK/InvStG, § 8 Rz. 62. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.28. S. dazu insgesamt BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.28. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.24. Klein | 277

§ 9 Rz. 1 | Nachweis der Steuerbefreiung (2) 1Die Befreiungsbescheinigung ist nur auszustellen, wenn der ausländische Anleger die Vergleichbarkeit nachweist. 2Eine Vergleichbarkeit setzt voraus, dass der ausländische Anleger eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse ist, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dient (§§ 51 bis 68 der Abgabenordnung). 3§ 7 Absatz 4 ist auf die Befreiungsbescheinigung entsprechend anzuwenden. (3) Die Steuerbefreiung nach § 8 Absatz 1 Nummer 2 setzt voraus, dass der Anbieter eines Altersvorsorge- oder Basisrentenvertrags dem Investmentfonds innerhalb eines Monats nach dessen Geschäftsjahresende mitteilt, zu welchen Zeitpunkten und in welchem Umfang Anteile erworben oder veräußert wurden. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . 1 II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . 2 2. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . 3 3. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . 4 III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . 6 B. Nachweis der Voraussetzungen der Steuerbefreiung aufgrund der Beteiligung steuerbegünstigter Anleger (Abs. 1 und 2) I. Nachweis der Steuerbefreiungsvoraussetzungen aufgrund Beteiligung steuerbegünstigter Anleger (Abs. 1) 1. Nachweis der Steuerbefreiung . . . . . . . 12 2. Bescheinigung nach § 44a Abs. 7 Satz 2 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

3. Befreiungsbescheinigung . . . . . . . . . . . 4. Investmentanteil-Bestandsnachweis a) Umfang der vom Anleger gehaltenen Investmentanteile, Zeitpunkt und Umfang von Erwerb oder Veräußerung von Investmentanteilen b) Kalenderjahr und abweichendes Geschäftsjahr . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Keine Angaben zu wirtschaftlichem Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Regelungen zur Befreiungsbescheinigung (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Nachweis der Befreiungsvoraussetzungen bei Altersvorsorge- oder Basisrentenverträgen (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literatur: Höring, Aktuelle Entwicklungen zum Investmentsteuergesetz 2018 (InvStG 2018), DStZ 2019, 906.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck 1 § 9 InvStG regelt, wie gegenüber dem Adressaten des erforderlichen Antrags (s. § 8 InvStG

Rz. 14 ff.) nachzuweisen ist, dass die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung der Einkünfte eines Investmentfonds nach § 8 Abs. 1 InvStG erfüllt sind. Dabei betreffen Abs. 1 (Liste der beizubringenden Bescheinigungen) und Abs. 2 (Regelungen zur Befreiungsbescheinigung) des § 9 InvStG die Steuerbefreiung aufgrund der Beteiligung steuerbegünstigter Anleger nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 InvStG (s. dazu § 8 InvStG Rz. 13 ff.) und Abs. 3 die Steuerbefreiung aufgrund des Haltens der Investmentanteile im Rahmen zertifizierter Altersvorsorge- oder Basisrentenverträge nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 InvStG (s. dazu § 8 InvStG Rz. 25).

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A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 6 § 9

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich § 9 InvStG regelt die Anforderungen an den Nachweis der Voraussetzungen für die Steuerbe- 2 freiung der Einkünfte eines Investmentfonds nach § 8 Abs. 1 InvStG. § 9 InvStG enthält keine Regelungen zur Steuerbefreiung inländischer Immobilienerträge nach § 8 Abs. 2 InvStG, wird aber in § 10 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 InvStG (s. dazu § 10 InvStG Rz. 23) zur Regelung des Nachweises der Steuerbefreiung eines Anlegers gegenüber einem nach § 10 InvStG (insgesamt) steuerbefreiten Investmentfonds in Bezug genommen. 2. Persönlicher Anwendungsbereich § 9 InvStG gilt für in- und ausländische Investmentfonds und deren Anleger sowie für Anbie- 3 ter von Altersvorsorge- oder Basisrentenverträgen, die die geforderten Nachweise erbringen müssen, wenn der Investmentfonds die Steuerbefreiung des § 8 Abs. 1 InvStG in Anspruch nehmen können soll. Da § 8 Abs. 1 InvStG nicht für in- und ausländische Spezial-Investmentfonds (s. § 25 InvStG) gilt, für die der Verweis auf die Regelungen für Investmentfonds in § 29 InvStG die §§ 8 bis 14 InvStG nicht umfasst, gilt auch § 9 InvStG nicht für sie. 3. Zeitlicher Anwendungsbereich § 9 InvStG ist seit dem 1.1.2018 anzuwenden, s. § 56 Abs. 1 Satz 1 InvStG.

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III. Rechtsentwicklung Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung v. 19.7.2016.1 § 9 InvStG trat nach Art. 11 5 Abs. 3 Satz 1 InvStRefG v. 19.7.2016 am 1.1.2018 in Kraft und ist seit dem 1.1.2018 anzuwenden, s. § 56 Abs. 1 Satz 1 InvStG.

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften Verhältnis zum Europarecht. § 9 Abs. 1 Nr. 2 InvStG fordert nur für den Fall ausländischer 6 Anleger als Nachweis der Vergleichbarkeit ausländischer Anleger mit inländischen (steuerbegünstigten) Anlegern nach § 44a Abs. 7 Satz 1 EStG eine Befreiungsbescheinigung. Dies stellt erstere aber nicht schlechter als, sondern im Ergebnis nur ebenso wie inländische Anleger. Auch letztere müssen nämlich mit der Bescheinigung nach § 44a Abs. 7 Satz 2 EStG einen vergleichbaren Nachweis erbringen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 InvStG) und es macht das Wesen der Befreiungsbescheinigung aus, dass sie inhaltlich im Grundsatz nicht über das hinausgeht, was auch die Bescheinigung nach § 44a Abs. 7 Satz 2 EStG vorsieht. Die Vergleichbarkeit mit inländischen (steuerbegünstigten) Anlegern nachzuweisen erscheint, was europarechtlich bedenklich wäre, nicht unmöglich zu leisten, jedenfalls wenn die Anforderungen an das, was ausländische Anleger vorlegen können, nicht zu formalistisch sind, also auch Belege ausreichen, die zwar nicht das Maß an Detailliertheit aufweisen und nicht in der Form Bescheinigungen entsprechen, über die Inländer verfügen können, es den Steuerbehörden aber nichtsdestoweniger erlauben, klar und genau zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung vorliegen.2 Im Übrigen gilt § 9 Abs. 1 Nr. 2 InvStG für

1 BGBl. I 2016, 1730. 2 EuGH v. 30.6.2011 – C-262/09 – Meilicke, DStR 2011, 1262 Rz. 1, 41, 43, 46. Klein | 279

§ 9 Rz. 6 | Nachweis der Steuerbefreiung in- und ausländische Investmentfonds, an denen sich steuerbegünstigte ausländische Anleger beteiligen. 7 Verhältnis zum Verfassungsrecht. S. dazu allgemein Einleitung „Europa- und Verfassungs-

recht“. § 9 InvStG begegnet keinen besonderen verfassungsrechtlichen Bedenken.

8 Verhältnis zu § 8 InvStG. § 9 InvStG ergänzt § 8 Abs. 1 InvStG um Vorschriften zum Nach-

weis der Voraussetzungen einer Steuerbefreiung von Einkünften eines Investmentfonds nach § 8 Abs. 1 InvStG. § 9 InvStG enthält keine Regelungen zum Nachweis der Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 8 Abs. 2 InvStG. Die Steuer auf die dort angesprochenen inländischen Immobilienerträge wird im Wege der Veranlagung erhoben, in deren Zuge die Voraussetzungen der Steuerbefreiung geprüft werden.1

9 Verhältnis zu § 10 InvStG. § 10 InvStG regelt anders als § 8 InvStG nicht nur eine Steuerbe-

freiung bestimmter Einkünfte eines Investmentfonds, sondern eine vollständige Steuerbefreiung von Investmentfonds bzw. Anteilklassen selbst. Die Nachweise dafür, dass die Voraussetzungen dieser Steuerbefreiung nach § 10 InvStG erfüllt sind, regelt § 10 Abs. 4 InvStG mit Verweis u.a. auf § 9 InvStG (s. dazu § 10 InvStG Rz. 22). Allerdings regelt § 10 Abs. 4 Satz 1 InvStG den Nachweis des Anlegers gegenüber dem Investmentfonds, während § 9 InvStG die Nachweise regelt, die der Investmentfonds gegenüber dem Adressaten des Antrags auf Anwendung der Steuerbefreiung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 InvStG erbringen muss. Nur inzident bedeutet dies, dass auch der Anleger diese Nachweise – d.h. insbes. die Bescheinigung nach § 44a Abs. 7 Satz 2 EStG bzw. die Befreiungsbescheinigung – dem Investmentfonds vorlegen muss, wenn der Investmentfonds die Steuerbefreiung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 InvStG beanspruchen können soll.

10 Verhältnis zu den §§ 25 ff. InvStG. § 9 InvStG gilt nicht für Spezial-Investmentfonds, s. Rz. 6. 11 Verhältnis zu den §§ 8 bis 14 InvStG insgesamt. § 9 InvStG ist Teil des Regelungszusammen-

hangs der §§ 8 bis 14 InvStG, welcher die partielle (§ 8 InvStG) bzw. umfassende (§ 10 InvStG) Steuerbefreiung eines Investmentfonds aufgrund des nachzuweisenden (§ 9 InvStG) steuerbegünstigten Status seiner Anleger, die Inanspruchnahme (§ 11 InvStG) und Ausreichung (§ 12 InvStG) der dadurch erzielten Steuerermäßigung an die Anleger und die Folgen des Wegfalls der Begünstigungsvoraussetzungen (§ 13 InvStG) sowie die Haftung für die unberechtigte Inanspruchnahme der Steuerermäßigung (§ 14 InvStG) umfasst.

B. Nachweis der Voraussetzungen der Steuerbefreiung aufgrund der Beteiligung steuerbegünstigter Anleger (Abs. 1 und 2) I. Nachweis der Steuerbefreiungsvoraussetzungen aufgrund Beteiligung steuerbegünstigter Anleger (Abs. 1) 1. Nachweis der Steuerbefreiung 12 Mit der verkürzten Formulierung „die Steuerbefreiung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 ist nachzuwei-

sen“ meint das Gesetz, dass der Investmentfonds gegenüber dem Adressaten seines Antrags auf Anwendung der Steuerbefreiung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 InvStG (s. dazu § 8 InvStG Rz. 14 ff.) den steuerbegünstigten Status seiner Anleger sowie Umfang und Zeitpunkt bzw. Zeitraum ihrer Beteiligung nachweisen muss, um eine Steuerbefreiung seiner Einkünfte nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 InvStG beanspruchen zu können.2 Den Status seiner inländischen steuerbegünstigten Anleger weist der Investmentfonds durch die Bescheinigung (des Anlegers) nach § 44a Abs. 7 1 BT-Drucks. 18/8045, 79; s. auch Boxberger in W/B/A3, § 9 InvStG Rz. 3. 2 So auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 9.1; s. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 9 InvStG Anm. 5.

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B. Beteiligung steuerbegünstigter Anleger (Abs. 1 und 2) | Rz. 13 § 9

Satz 2 EStG und den Status seiner ausländischen steuerbegünstigten Anleger durch die in § 9 Abs. 1 Nr. 2 InvStG definierte und sodann in § 9 Abs. 2 InvStG näher geregelte Befreiungsbescheinigung des BZSt nach. Hinzu kommt in beiden Fällen das Erfordernis, einen Investmentanteil-Bestandsnachweis (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 InvStG) vorzulegen. Die Steuerbefreiung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 InvStG wird nicht gewährt (und Nachweise zum steuerbegünstigten Status des Anlegers sind folglich nicht vorzulegen), wenn die Investmentanteile des Anlegers einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb nach § 64 AO1 oder einem nicht von der KSt befreiten Betrieb gewerblicher Art nach § 4 KStG2 des Anlegers zuzurechnen sind.3 2. Bescheinigung nach § 44a Abs. 7 Satz 2 EStG

§ 44a Abs. 7 Satz 1 EStG regelt, dass bei bestimmten inländischen gemeinnützigen Körper- 13 schaften (Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG), bei gemeinnützigen öffentlich-rechtlichen Stiftungen sowie bei kirchlichen öffentlichrechtlichen Körperschaften davon abzusehen ist, von bestimmten, ihnen zufließenden Kapitalerträgen Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen.4 Dies gilt für Kapitalerträge i.S.d. § 43 Abs. Nr. 1, 2, 3 und 7a bis 7c EStG.5 Voraussetzung ist allerdings nach § 44a Abs. 7 Satz 2 EStG, dass der Gläubiger der Kapitalerträge durch eine Bescheinigung seines FA nachweist, zu den nach § 44a Abs. 7 Satz 1 EStG begünstigten Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen zu gehören (NV-Bescheinigung). Ebendiese Bescheinigung benötigt grds. auch ein Investmentfonds von seinem (steuerbegünstigten) Anleger, wenn er die Steuerbefreiung seiner Einkünfte gestützt auf die Beteiligung des (steuerbegünstigten) Anlegers beanspruchen möchte. Daneben akzeptiert es die FinVerw.,6 wenn dem Entrichtungspflichtigen statt der NV-Bescheinigung eine amtlich beglaubigte Kopie entweder des zuletzt für einen nicht länger als fünf Jahre vor dem VZ des Zuflusses der Kapitalerträge zurückliegenden VZ erteilten Freistellungsbescheides oder der die Steuerbefreiung für den steuerbegünstigten Bereich bescheinigenden Anlage zum Körperschaftsteuerbescheid für einen nicht länger als drei Jahre vor dem VZ des Zuflusses der Kapitalerträge zurückliegenden VZ überlassen wird. Das Abstellen auf unterschiedliche VZ in der Vergangenheit – bis zu drei Jahre im Fall der Anlage zum Körperschaftsteuerbescheid, bis zu fünf Jahre im Fall der NV-Bescheinigung – wirkt beliebig, ist aber auf eine (nachträgliche) Anpassung (nur) der Regelung zur NV-Bescheinigung an Rz. 295 des Abgeltungssteuerschreibens des BMF7 zurückzuführen.8 Es hätte sich zur Vereinfachung von Prozessen angeboten, in beiden Fällen fünf Jahre vorzusehen.9 Darüber hinaus erkennt die Fin-

1 Zur Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb s. Kruschke in H/ H/R, § 5 KStG Anm. 180 (Stand: Februar 2021) und Seer in T/K, § 64 AO Rz. 12 (Stand: Mai 2021). 2 Zur Zuordnung und zum Umfang von Vermögen eines Betriebs gewerblicher Art s. Bürstinghaus in H/H/R, § 4 KStG Anm. 105 (Stand: Juni 2020); Paetsch in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl. 2022, § 4 Rz. 50. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 9.5. 4 S. dazu Intemann in H/H/R, § 44a EStG Anm. 19 (Stand: August 2019). 5 S. dazu Intemann in H/H/R, § 44a EStG Anm. 19 (Stand: August 2019). 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 9.2. 7 BMF v. 18.1.2016 – IV C 1 - S 2252/08/10004:017, BStBl. I 2016, 85. 8 BMF v. 28.7.2020 – IV C 1 - S 1980 - 1/19/10008:003 – DOK 2020/0504508, DStR 2020, 1805; s. auch Boxberger in W/B/A3, § 9 InvStG Rz. 4. 9 S. die insoweit stimmigere Regelung in § 58a AO zum Vertrauensschutz bei Mittelweitergaben. Danach darf eine steuerbegünstige Körperschaft darauf vertrauen, dass eine empfangende Körperschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG im Zeitpunkt der Zuwendung steuerbegünstigt ist und die Zuwendung für steuerbegünstigte Zwecke verwendet, wenn sie sich deren Steuerbegünstigung hat nachweisen lassen durch eine Anlage zum Körperschaftsteuerbescheid, deren Datum nicht länger als fünf Jahre zurückliegt, oder einen Freistellungsbescheid, dessen Datum nicht länger als fünf Jahre zurückliegt (§ 58a Abs. 2 AO). Klein | 281

§ 9 Rz. 13 | Nachweis der Steuerbefreiung Verw. auch nicht amtlich beglaubigte Kopien an, wenn durch einen Mitarbeiter des Investmentfonds oder der Verwahrstelle des Investmentfonds oder der depotführenden Stelle des Anlegers hierauf vermerkt wird, dass das Original der Bescheinigung oder des Bescheides vorgelegen hat.1 Weiterhin werden von der FinVerw. Bescheinigungen oder Bescheide in elektronischer Form anerkannt, die elektronisch dem Entrichtungspflichtigen mit dem Hinweis übermittelt werden, dass das Original der Bescheinigung oder des Bescheides vorgelegen hat.2 Schließlich reicht es der FinVerw., wenn die Bescheinigungen oder Bescheide nur einmal eingereicht werden, sofern sich die depotführende Stelle des Anlegers und die Kapitalverwaltungsgesellschaft des Investmentfonds in einem Konzernverbund befinden oder wenn bei verschiedenen Kapitalverwaltungsgesellschaften eines Konzernverbundes Nachweise zu erbringen sind.3 3. Befreiungsbescheinigung 14 Da eine Bescheinigung nach § 44a Abs. 7 Satz 2 EStG nur inländischen gemeinnützigen Kör-

perschaften, gemeinnützigen öffentlich-rechtlichen Stiftungen und kirchlichen öffentlichrechtlichen Körperschaften ausgestellt wird (s. § 44a Abs. 7 Satz 1 EStG), können ausländische, mit inländischen Anlegern i.S.d. § 44a Abs. 7 Satz 1 EStG vergleichbare Anleger damit nicht ihren steuerbegünstigten Status nachweisen. Für ausländische, mit inländischen Anlegern i.S.d. § 44a Abs. 7 Satz 1 EStG vergleichbare Anleger verlangt § 9 Abs. 1 Nr. 2 InvStG daher eine vom BZSt für maximal drei Jahre auszustellende4 „Bescheinigung über die Vergleichbarkeit des ausländischen Anlegers mit Anlegern nach § 44a Absatz 7 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes“, die in der Klammer in Abs. 1 Nr. 2 definierte Befreiungsbescheinigung, die der Investmentfonds vorlegen muss, um eine Steuerbefreiung seiner Einkünfte nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 InvStG gestützt auf die Beteiligung des entsprechenden Anlegers beanspruchen zu können. Weitere Regelungen zur Erteilung der Befreiungsbescheinigung enthält § 9 Abs. 2 InvStG (s. dazu Rz. 18 f.). Die FinVerw. weist darauf hin, dass die Befreiungsbescheinigung nur für Zwecke der Steuerbefreiung nach dem InvStG, nicht aber für Zwecke des Sonderausgabenabzugs von Spenden gelten soll und auch nicht zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen nach § 50 EStDV berechtigen soll.5 4. Investmentanteil-Bestandsnachweis a) Umfang der vom Anleger gehaltenen Investmentanteile, Zeitpunkt und Umfang von Erwerb oder Veräußerung von Investmentanteilen

15 Um eine Steuerbefreiung seiner Einkünfte nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 InvStG gestützt auf die Betei-

ligung steuerbegünstigter Anleger beanspruchen zu können, muss ein Investmentfonds schließlich den Umfang der durchgehend während des Kalenderjahres von dem jeweiligen steuerbegünstigten Anleger gehaltenen Investmentanteile sowie den Zeitpunkt und Umfang des Erwerbs oder der Veräußerung von Investmentanteilen während des Kalenderjahres nachweisen. Auskunft darüber gibt eine von der depotführenden Stelle des Anlegers nach Ablauf des Kalenderjahres nach amtlichem Muster6 erstellte Bescheinigung, nämlich der in § 9 Abs. 1 1 2 3 4

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 9.3. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 9.3. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 9.4. S. § 9 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 7 Abs. 4 Satz 2 InvStG und BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 9.6. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 9.6. 6 BMF v. 7.8.2019 – IV C 1 - S 1980 – 1/16/10012:009 – DOK 2019/0669860, BStBl. I 2019, 871; beachte, dass das BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung) in Rz. 9.8 noch irrtümlich auf das nicht mehr gültige BMF-Schr. v. 28.9.2018 – IV C 1 - S 1980 – 1/16/10012:009 – DOK 2018/0778413, BStBl. I 2018, 1085, verweist.

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B. Beteiligung steuerbegünstigter Anleger (Abs. 1 und 2) | Rz. 18 § 9

Nr. 3 InvStG definierte Investmentanteil-Bestandsnachweis. Dieser kann dem Anleger in Papierform oder elektronisch zur Verfügung gestellt werden.1 Dass der für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung vorzulegende Investmentanteil-Bestandsnachweis erst nach Ablauf des Kalenderjahres, für das er relevant ist, ausgestellt wird, führt dazu, dass bei Einkünften, die einem Steuerabzug unterliegen, die Steuerbefreiung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 InvStG nicht schon beim Abzug der Steuer berücksichtigt werden kann, so dass diese erstattet werden muss (s. § 8 InvStG Rz. 11). b) Kalenderjahr und abweichendes Geschäftsjahr Nach dem Wortlaut des Gesetzes haben sich die Angaben in dem Investmentanteil-Bestands- 16 nachweis auf das Kalenderjahr zu beziehen. Das ist stimmig, wenn auch die Besteuerungsgrundlagen für das Kalenderjahr ermittelt werden (§ 7 Abs. 3 Satz 2 KStG).2 Die FinVerw. gestattet es aber, dass Investmentfonds ihre Einkünfte für ein vom Kalenderjahr abweichendes Geschäftsjahr ermitteln,3 und in diesem Fall gelten die Einkünfte des Geschäftsjahres in demjenigen Kalenderjahr als bezogen, in dem das Geschäftsjahr endet.4 Dann sind der Zeitraum, für den die Einkünfte ermittelt werden, und der Zeitraum, für den mit dem InvestmentanteilBestandsnachweis der Umfang der durchgehend von dem jeweiligen steuerbegünstigten Anleger gehaltenen Investmentanteile sowie der Zeitpunkt und Umfang des Erwerbs oder der Veräußerung von Investmentanteilen bescheinigt werden, nicht kongruent.5 Hinzu kommt, dass der Investmentfonds erst nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sein Geschäftsjahr endet, zur Steuer veranlagt werden kann. Das spricht dafür, einen Investmentanteil-Bestandsnachweis abweichend vom Wortlaut des Gesetzes auch für einen vom Kalenderjahr abweichenden Zeitraum zuzulassen.6 c) Keine Angaben zu wirtschaftlichem Eigentum Keine Auskunft erteilt der Investmentanteil-Bestandsnachweis darüber, ob, was für die Be- 17 rechnung des Umfangs der Steuerbefreiung relevant ist, der Anleger seit mindestens drei Monaten zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer der Investmentanteile ist (§ 8 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 InvStG), ohne verpflichtet zu sein, die Anteile auf eine andere Person zu übertragen (§ 8 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 InvStG; s. dazu auch § 8 InvStG Rz. 47 ff.).

II. Regelungen zur Befreiungsbescheinigung (Abs. 2) Ausstellen der Befreiungsbescheinigung nur bei Nachweis der Vergleichbarkeit (Abs. 2 18 Satz 1). Das BZSt muss („... ist auszustellen ...“) die Befreiungsbescheinigung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 InvStG) nur ausstellen, wenn der Anleger die Vergleichbarkeit nachweist. Aus dem Zusammenhang ergibt sich auch ohne Definition des Begriffs Vergleichbarkeit, dass damit Vergleichbarkeit des ausländischen Anlegers mit Anlegern nach § 44a Abs. 7 Satz 1 EStG gemeint ist und dass der Nachweis gegenüber dem BZSt zu führen ist, welches zuständig ist, die Befreiungsbescheinigung auszustellen. Das Gesetz regelt nicht, wie der Nachweis zu führen ist. Auch das BMF, das an anderer Stelle detailliert zu Formalien der Erfüllung anderer Nachweis-

1 2 3 4 5 6

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 9.9. S. auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.43 Satz 1. S. auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.43 Satz 2. S. auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.43 Satz 3. S. Meinhardt in Beckmann/Scholz/Vollmer, § 9 InvStG Rz. 9 (Stand September 2020). S. Meinhardt in Beckmann/Scholz/Vollmer, § 9 InvStG Rz. 9 (Stand September 2020). Klein | 283

§ 9 Rz. 18 | Nachweis der Steuerbefreiung pflichten Stellung nimmt,1 enthält sich weiterer ausdrücklicher Einzelanweisungen. Da aber ein ausländischer Anleger genau die gleichen Voraussetzungen nach den §§ 51 bis 68 AO i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. KStG erfüllen muss wie ein steuerbegünstigter inländischer Anleger,2 wird man u.E. grds. davon ausgehen müssen, dass die Nachweisanforderungen denen des § 59 AO entsprechen,3 sich also aus der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung des Anlegers ergeben muss, welchen Zweck er verfolgt, dass dieser Zweck den Anforderungen an gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke entspricht und dass zudem der Zweck auch ausschließlich und unmittelbar verfolgt wird.4 Anforderungen an den Nachweis, dass die tatsächliche Geschäftsführung den Satzungsbestimmungen entspricht, also auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet ist, regelt § 63 Abs. 3 AO, der ordnungsgemäße Aufzeichnungen über Einnahmen und Ausgaben verlangt.5 19 Vergleichbarkeit (Abs. 2 Satz 2). Inhaltlich regelt das Gesetz, dass eine Vergleichbarkeit (des

ausländischen Anlegers mit Anlegern nach § 44a Abs. 7 Satz 1 EStG) voraussetzt, dass der ausländische Anleger eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse ist, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dient (§§ 51 bis 68 AO). Darüber hinaus muss der Anleger seinen Sitz und seine Geschäftsleitung in einem Amts- und Beitreibungshilfe leistenden ausländischen Staat haben (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 InvStG, s. dazu § 8 InvStG Rz. 23).6 Die Investmentanteile dürfen schließlich nicht einem stpfl. wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb oder einem nicht von der KSt befreiten Betrieb gewerblicher Art des steuerbegünstigten ausländischen Anlegers zuzurechnen sein.7

20 Entsprechende Anwendung von § 7 Abs. 4 InvStG (Abs. 2 Satz 3). Auf die Befreiungs-

bescheinigung ist nach § 9 Abs. 2 Satz 3 InvStG § 7 Abs. 4 InvStG, der die Erteilung der Statusbescheinigung (§ 7 Abs. 3 Satz 1 InvStG) regelt, entsprechend anzuwenden. Aus dem Verweis auf § 7 Abs. 4 InvStG ergibt sich, dass die Befreiungsbescheinigung auf Antrag erteilt wird, der nach amtlich vorgeschriebenem Muster zu stellen ist (§ 7 Abs. 4 Satz 1 InvStG). Die Befreiungsbescheinigung kann bis zu drei Jahre gültig sein, kann aber zurückgefordert bzw. muss zurückgegeben werden, wenn die Voraussetzungen für ihre Erteilung entfallen. Zu Einzelheiten s. § 7 InvStG Rz. 44 ff.

C. Nachweis der Befreiungsvoraussetzungen bei Altersvorsorge- oder Basisrentenverträgen (Abs. 3) 21 Mitteilungsverfahren. Damit ein Investmentfonds die Steuerbefreiung nach § 8 Abs. 1 Nr. 2

InvStG beanspruchen kann, muss ihm der Anbieter eines Altersvorsorge- oder Basisrentenvertrags, auf den die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung gestützt wird, nach § 9 Abs. 3 InvStG innerhalb eines Monats nach dem Ende seines Geschäftsjahres8 (des Investmentfonds) mittei1 2 3 4 5 6 7 8

S. z.B. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 9.3 oder 9.9. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 9.12. S. wohl auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 9.12. S. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 9 InvStG Anm. 10. S. Seer in T/K, § 63 AO Rz. 9 ff. (Stand: April 2020). S. auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 9.13. S. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 9.12. S. Meinhardt in Beckmann/Scholz/Vollmer, § 9 InvStG Rz. 12 (Stand: September 2020) mit dem Petitum, es dem Anbieter eines Altersvorsorge- oder Basisrentenvertrags für den Standardfall der Erstattung von Abzugsteuern zu gestatten, auf einen anderen Zeitraum (wie z.B. jährlich) abzustellen, um insbes. bei Beteiligung an Investmentfonds mit verschiedenen vom Kalenderjahr abweichenden Geschäftsjahren unnötigen administrativen Aufwand zu ersparen.

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Investmentfonds oder Anteilklassen für steuerbegünstigte Anleger | § 10

len, zu welchen Zeitpunkten und in welchem Umfang Anteile erworben oder veräußert wurden (sog. vorgeschaltetes Mitteilungsverfahren)1. Die FinVerw. beanstandet es nicht, wenn der Anbieter des Altersvorsorge- oder Basisrentenvertrags stattdessen innerhalb eines Monats nach Ende des Geschäftsjahres des Investmentfonds dem Investmentfonds für jeden Geschäftstag des betreffenden Geschäftsjahres mitteilt, in welchem Umfang Investmentanteile an diesem Investmentfonds gehalten wurden. Mit der Mitteilung wählt das Gesetz eine z.B. gegenüber den Nachweisanforderungen gem. § 9 Abs. 1 InvStG (Vorlage von Bescheinigungen) schwächere Form des Nachweises der Erfüllung von Befreiungsvoraussetzungen. Anders als für die Steuerbefreiung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 InvStG ist für die Steuerbefreiung nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 InvStG auch nicht nach § 8 Abs. 4 Satz 2 InvStG nachzuhalten, ob der Anleger seit mindestens drei Monaten zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer der Investmentanteile ist (§ 8 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 InvStG), ohne verpflichtet sein zu, die Anteile auf eine andere Person zu übertragen (§ 8 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 InvStG). Monatsfrist. Nach Wortlaut des Gesetzes muss der Anbieter eines Altersvorsorge- oder Basis- 22 rentenvertrags dem Investmentfonds innerhalb eines Monats nach dessen Geschäftsjahresende mitteilen, zu welchen Zeitpunkten und in welchem Umfang Anteile erworben oder veräußert wurden. Der (inländische) Investmentfonds selbst hat dann 18 Monate (§ 7 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 1 InvStG, s. § 7 InvStG Rz. 47, 66 und § 8 InvStG Rz. 15, 18) bzw. zwei Jahre (§ 11 Abs. 2 InvStG) Zeit, die Steuerbefreiung nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 InvStG gegenüber dem Entrichtungspflichtigen bzw. der FinBeh. dadurch geltend zu machen, dass er eine Erstattung einbehaltener Abzugsteuern beantragt.

§ 10 Investmentfonds oder Anteilklassen für steuerbegünstigte Anleger; Nachweis der Steuerbefreiung (1) 1Investmentfonds oder Anteilklassen sind steuerbefreit, wenn sich nach den Anlagebedingungen nur steuerbegünstigte Anleger nach § 8 Absatz 1 beteiligen dürfen. 2Inländische Beteiligungseinnahmen sind nur steuerbefreit, wenn der Investmentfonds die Voraussetzungen für eine Anrechenbarkeit der Kapitalertragsteuer nach § 36a des Einkommensteuergesetzes erfüllt. (2) Inländische Immobilienerträge eines Investmentfonds oder einer Anteilklasse sind steuerbefreit, wenn sich nur steuerbegünstigte Anleger nach § 8 Absatz 1 oder 2 beteiligen dürfen. (3) Die Steuerbefreiung nach den Absätzen 1 und 2 setzt voraus, dass die Anlagebedingungen nur eine Rückgabe von Investmentanteilen an den Investmentfonds zulassen und die Übertragung von Investmentanteilen ausgeschlossen ist. (4) 1Die Anleger haben ihre Steuerbefreiung gegenüber dem Investmentfonds nachzuweisen. 2Zum Nachweis der Steuerbefreiung hat 1. ein Anleger nach § 8 Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 eine gültige Bescheinigung nach § 9 Absatz 1 an den Investmentfonds zu übermitteln und 2. der Anbieter eines Altersvorsorge- oder Basisrentenvertrags gegenüber dem Investmentfonds mitzuteilen, dass er die Investmentanteile ausschließlich im Rahmen von Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen erwirbt. 1 S. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 9.14. Klein | 285

§ 10 Rz. 1 | Investmentfonds oder Anteilklassen für steuerbegünstigte Anleger (5) Bei der Auszahlung von Kapitalerträgen an steuerbefreite Investmentfonds oder Anteilklassen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 ist kein Steuerabzug vorzunehmen. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . 1 II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . 2 2. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . 3 3. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . 4 III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . 7 B. Steuerbefreiung von Investmentfonds und Anteilklassen, Steuerbefreiung inländischer Beteiligungseinnahmen von Investmentfonds (Abs. 1) I. Steuerbefreiung von Investmentfonds und Anteilklassen (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . 12 II. Zusätzliche Anforderung an die Steuerbefreiung inländischer Beteiligungseinnahmen (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

III. Weitere Tatbestandsmerkmale: Nur Rückgabe, keine Übertragung von Investmentanteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Steuerbefreiung inländischer Immobilienerträge (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Nur Rückgabe, keine Übertragung von Investmentanteilen (Abs. 3) . . . . . . . . . . E. Nachweis der Steuerbefreiung der Anleger (Abs. 4) I. Verpflichtung zum Nachweis der Steuerbefreiung (Abs. 4 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . II. Anforderungen an den Nachweis (Abs. 4 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Kein Steuerabzug von Kapitalerträgen (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literatur: Hahne/Völker, Anwendungsfragen des § 36a EStG bei Investmentfonds nach geltendem und künftigem Recht, BB 2017, 858; Schäfer, Überführung von Investmentfonds mit gemischter Anlegerstruktur in steuerprivilegierte Investmentfonds i.S.d. § 10 InvStG, BB 2020, 23.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck 1 § 10 InvStG regelt die Steuerbefreiung von Investmentfonds oder Anteilklassen, an denen sich

nach den Anlagebedingungen nur steuerbegünstigte Anleger beteiligen dürfen. Anders als nach § 8 InvStG sind nicht Einkünfte des Investmentfonds, sondern dieser selbst, und zwar wegen der ausschließlichen Beteiligung steuerbegünstigter Anleger auch nicht nur partiell, sondern grds. umfassend steuerbefreit. Dabei unterscheidet § 10 InvStG Investmentfonds, an denen sich nur steuerbegünstigte Anleger nach § 8 Abs. 1 InvStG beteiligen dürfen und die deshalb im Hinblick auf alle Einkunftsarten steuerbefreit sind (§ 10 Abs. 1 InvStG), und Investmentfonds, an denen sich (nur) steuerbegünstigte Anleger nach § 8 Abs. 1 oder 2 InvStG beteiligen dürfen und in deren Fall nach dem Wortlaut des Gesetzes nur inländische Immobilienerträge (§ 10 Abs. 2 InvStG), nach Ansicht der FinVerw.1 aber auch sonstige inländische Einkünfte nach § 6 Abs. 5 InvStG steuerbefreit sind (s. dazu Rz. 19). § 10 Abs. 3 InvStG regelt als weitere Tatbestandsmerkmale der Steuerbefreiungen nach den Abs. 1 und 2 („setzt voraus ...“), dass die Anlagebedingungen nur eine Rückgabe von Investmentanteilen an den Investmentfonds zulassen dürfen und die Übertragung von Investmentanteilen ausgeschlossen sein muss. § 10 Abs. 4 InvStG regelt, dass und wie die Anleger ihre Steuerbefreiung gegenüber dem Investmentfonds nachweisen müssen. § 10 Abs. 5 InvStG schreibt vor, dass bei der Auszahlung von Kapitalerträgen an steuerbefreite Investmentfonds oder Anteilsklassen i.S.v. § 10 Abs. 1 Satz 1 InvStG kein Steuerabzug vorzunehmen ist.

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 10.17 Satz 2; s. dazu auch Rz. 19.

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A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 9 § 10

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich § 10 InvStG regelt die von der Beteiligung steuerbegünstigter Anleger abhängende Steuerbe- 2 freiung von Investmentfonds, und zwar entweder für den engeren Kreis steuerbegünstigter Anleger nach § 8 Abs. 1 InvStG im Hinblick auf alle Einkünfte, mit denen ein Investmentfonds ansonsten in Deutschland der Steuer unterliegt (§ 10 Abs. 1 InvStG), oder für den weiteren Anlegerkreis nach § 8 Abs. 1 oder Abs. 2 InvStG im Hinblick auf inländische Immobilienerträge (§ 10 Abs. 2 InvStG) und nach Ansicht der FinVerw.1 auch sonstige inländische Einkünfte nach § 6 Abs. 5 InvStG. 2. Persönlicher Anwendungsbereich § 10 gilt für in- und ausländische Investmentfonds, nicht aber für in- und ausländische Spezi- 3 al-Investmentfonds (s. § 25 InvStG), für die der Verweis auf die Regelungen für Investmentfonds in § 29 InvStG die §§ 8 bis 14 InvStG nicht umfasst. Spezial-Investmentfonds können eine für steuerbegünstigte Anleger unerwünschte Besteuerung auf Fondsebene durch Ausübung der Transparenzoption nach § 30 bzw. § 33 InvStG verhindern.2 3. Zeitlicher Anwendungsbereich § 10 InvStG gilt seit dem 1.1.2018, s. § 56 Abs. 1 Satz 1 InvStG.

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III. Rechtsentwicklung Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung v. 19.7.2016.3 § 10 InvStG trat nach Art. 11 5 Abs. 3 Satz 1 InvStRefG v. 19.7.2016 am 1.1.2018 in Kraft und ist seit dem 1.1.2018 anzuwenden, s. § 56 Abs. 1 Satz 1 InvStG. JStG 2020 v. 21.12.2020.4 In Abs. 5 wurden hinter den Worten „Bei der Auszahlung von Ka- 6 pitalerträgen an steuerbefreite Investmentfonds oder Anteilklassen“ die Worte „im Sinne des Absatzes 1 Satz 1“ eingefügt, um die Befreiung vom Steuerabzug explizit auf Investmentfonds oder Anteilsklassen i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 1 InvStG zu beschränken (BR-Drucks. 503/20, 113), sie also nicht mehr – wie zuvor – bei nach § 10 Abs. 2 i.V.m. § 8 Abs. 2 InvStG auch nur partiell steuerbefreiten Investmentfonds zu gestatten.

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften Verhältnis zum Europarecht. S. dazu allgemein Einleitung „Europa- und Verfassungsrecht“.

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Verhältnis zum Verfassungsrecht. S. dazu allgemein Einleitung „Europa- und Verfassungs- 8 recht“. Verhältnis zu § 8 InvStG. § 8 InvStG regelt die (ggf. anteilige) Steuerbefreiung aller oder auch 9 nur bestimmter Einkünfte eines Investmentfonds, an dem sich neben anderen Anlegern auch steuerbegünstigte Anleger beteiligen können. § 10 InvStG regelt die gänzliche Befreiung von

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BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 10.17 Satz 2; s. dazu auch Rz. 19. Schneider-Deters in Moritz/Jesch/Mann2, § 8 InvStG Rz. 35. BGBl. I 2016, 1730. BGBl. I 2020, 3096. Klein | 287

§ 10 Rz. 9 | Investmentfonds oder Anteilklassen für steuerbegünstigte Anleger deutscher KSt für Investmentfonds oder Anteilsklassen, an denen sich nach deren Anlagebedingungen nur steuerbegünstigte Anleger beteiligen dürfen. Terminologisch unterscheiden sich § 8 InvStG und § 10 InvStG dadurch, dass Ersterer von der Steuerbefreiung von Einkünften von Investmentfonds, Letzterer zumindest in § 10 Abs. 1 Satz 1 InvStG von der Steuerbefreiung von Investmentfonds und Anteilsklassen spricht (s. dazu auch Rz. 12). Wenn sich an einem Investmentfonds tatsächlich nur steuerbegünstigte Anleger nach § 8 Abs. 1 InvStG beteiligen, ist der Unterschied zwischen der Anwendung von § 8 Abs. 1 InvStG (Steuerbefreiung aller Einkünfte) und § 10 InvStG (umfassende Steuerbefreiung) tatsächlich gering und besteht im Wesentlichen darin, dass im Fall des nach § 10 Abs. 1 InvStG steuerbefreiten Investmentfonds die Steuerbefreiung schon beim Steuerabzug von Kapitalerträgen berücksichtigt werden darf (§ 10 Abs. 5 InvStG). Das ist bei nach § 8 Abs. 1 InvStG steuerbefreiten Beteiligungserträgen wegen der Notwendigkeit, den erst nach Ablauf des Kalenderjahres des Zuflusses der Erträge auszustellenden Investmentanteil-Bestandsnachweis vorzuweisen (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 InvStG), nicht möglich (s. § 8 InvStG Rz. 11, 32). Die materiell gebotene Entlastung von Kapitalertragsteuer kann bei nach § 8 Abs. 1 InvStG steuerbefreiten Beteiligungserträgen nur durch die Erstattung der Kapitalertragsteuer erreicht werden, die einem wegen der Öffnung für Anleger nach § 8 Abs. 1 oder Abs. 2 InvStG nach § 10 Abs. 2 InvStG nur im Hinblick auf inländische Immobilienerträge steuerbefreiten Investmentfonds im Hinblick auf seine nach § 8 Abs. 1 InvStG steuerbegünstigten Anleger neben der Steuerbefreiung nach § 10 Abs. 2 InvStG zusteht. Das wirft die Frage auf, ob und wie ein Investmentfonds, dessen Beteiligungserträge wegen der Beteiligung steuerbegünstigter Anleger nach § 8 Abs. 1 InvStG ganz oder zum Teil (s. § 8 Abs. 3 Satz 1 InvStG) steuerbefreit sind, es erreichen kann, möglichst steuerneutral ein nach § 10 Abs. 1 InvStG steuerbefreiter Investmentfonds zu werden oder zumindest eine nach § 10 Abs. 1 InvStG begünstigte Anteilsklasse (§ 96 KAGB) zu haben. Anders als die Herauskündigung nicht steuerbegünstigter Anleger oder die Bildung haftungs- und vermögensrechtlich getrennter Teilfonds (§ 1 Abs. 4 InvStG) kommt dafür praktisch in erster Linie die für die Anleger u.E. steuerneutrale Bildung von Anteilsklassen (§ 96 KAGB) in Betracht.1 Für die Steuerneutraltität der Bildung von Anteilsklassen und des Wechsels eines Anlegers von einer in eine andere Anteilsklasse spricht, dass der Rechtsträger (Investmentfonds), an dem der Anleger beteiligt ist, derselbe bleibt.2 Selbst wenn man aber annähme, der Wechsel eines Anlegers von einer in eine andere Anteilsklasse sei ein steuerbarerer Vorgang (Tausch), böte es sich praktisch an, dass nur die steuerbefreiten Anleger in eine neue Anteilsklasse wechseln, die nicht steuerbegünstigten Anleger also zurückbleiben und dann eine Anteilsklasse bilden.3 An eine nur für steuerbegünstigte Anleger i.S.d. § 8 Abs. 1 InvStG gebildete und damit nach § 10 Abs. 1 InvStG steuerbefreite Anteilsklasse können dann Kapitalerträge ausgezahlt werden, ohne dass Abzugsteuer einbehalten wird. 10 Verhältnis zu den §§ 8 bis 14 InvStG. § 10 InvStG ist Teil des Regelungszusammenhangs der

§§ 8 bis 14 InvStG, welcher die ggf. partielle Steuerbefreiung bestimmter Einkünfte eines Investmentfonds (§ 8 InvStG) bzw. die umfassende Steuerbefreiung eines Investmentfonds aufgrund des nachzuweisenden (§ 9 InvStG) steuerbegünstigten Status seiner Anleger, die Inanspruchnahme (§ 11 InvStG) und Ausreichung (§ 12 InvStG) der dadurch erzielten Steuerermäßigung an die Anleger und die Folgen des Wegfalls der Begünstigungsvoraussetzungen (§ 13 InvStG) sowie die Haftung für die unberechtigte Inanspruchnahme der Steuerermäßigung (§ 14) umfasst.

11 Verhältnis zu den §§ 25 ff. InvStG. § 8 InvStG gilt nicht für Spezial-Investmentfonds, s. Rz. 6.

1 S. dazu im Detail ausführlich Schäfer, BB 2020, 23 und Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 10 InvStG Rz. 142 ff. 2 Kein Rechtsträgerwechsel, keine Verschmelzung bei Zusammenlegen von Anteilsklassen, s. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.2; zu Details s. Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 10 InvStG Rz. 153. 3 Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 10 InvStG Rz. 153.

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B. Steuerbefreiung von Investmentfonds und Anteilklassen (Abs. 1) | Rz. 13 § 10

B. Steuerbefreiung von Investmentfonds und Anteilklassen, Steuerbefreiung inländischer Beteiligungseinnahmen von Investmentfonds (Abs. 1) I. Steuerbefreiung von Investmentfonds und Anteilklassen (Abs. 1 Satz 1) Vorangestellte Rechtsfolge Steuerbefreiung von Investmentfonds und Anteilklassen. § 10 12 Abs. 1 Satz 1 InvStG stellt die Rechtsfolge voran, Investmentfonds oder Anteilklassen seien steuerbefreit, wenn die nachfolgend formulierten (und in Satz 2 ergänzten) Voraussetzungen erfüllt seien. Anders als § 8 InvStG spricht § 10 Abs. 1 Satz InvStG damit nicht von der Steuerbefreiung der Einkünfte von Investmentfonds, sondern der Investmentfonds bzw. der Anteilklasse selbst. Konsequent durchgehalten wird dieser Wechsel der Perspektive in § 10 InvStG allerdings nicht: § 10 Abs. 1 Satz 2 InvStG und § 10 Abs. 2 InvStG sprechen jeweils davon, Beteiligungseinnahmen bzw. Immobilienerträge seien steuerbefreit. Das spricht dafür, die Relevanz der terminologischen Unterscheidung nicht zu hoch zu bewerten (zu Investmentfonds s. § 1 Abs. 2 InvStG und dazu § 1 InvStG Rz. 10 ff.). Als eigenständige Investmentfonds gelten nach § 1 Abs. 4 InvStG auch haftungs- und vermögensrechtlich voneinander getrennte Teile eines Investmentfonds, sog. Teilfonds (s. dazu § 1 InvStG Rz. 127 ff.). Dies sind die Teilsondervermögen i.S.d. § 96 Abs. 2 Satz 1 KAGB und Teilgesellschaftsvermögen i.S.d. §§ 117 oder 132 KAGB und vergleichbare, rechtlich getrennte Einheiten eines ausländischen Investmentvermögens (vgl. BT-Drucks. 18/8045, 79). Als Investmentfonds kann auch ein Teilfonds (vollständig) steuerbefreit sein.1 Anteilklassen eines Investmentfonds, in denen Anteile nach Ausgestaltungsmerkmalen zusammengefasst sein können (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 1 KAGB), können (vollständig) steuerbefreit sein, wenn sich nur steuerbegünstigte Anleger an ihnen beteiligen können. Anteilklassen sind Anteile an einem Investmentvermögen, die nach verschiedenen Ausgestaltungsmerkmalen, insbes. hinsichtlich der Ertragsverwendung, des Ausgabeaufschlags, des Rücknahmeabschlags, der Währung des Anteilswerts, der Verwaltungsvergütung, der Mindestanlagesumme, einer Kombination dieser Merkmale oder eben auch im Hinblick auf die Beschränkung auf zulässige Anleger i.S.d. § 10 Abs. 1 oder 2 InvStG unterteilt werden können (§ 96 Abs. 1 Satz 1 KAGB).2 Eine solche Abschottung bestimmter Anlegergruppen kann sich wegen der mit der Steuerbefreiung nach § 10 Abs. 1 InvStG verbundenen Möglichkeit, sie schon beim Steuerabzug zu berücksichtigen (§ 10 Abs. 5 InvStG, s. auch Rz. 9), anbieten, was letztlich eine wirtschaftliche Frage ist.3 Beteiligung nur steuerbegünstigter Anleger nach den Anlagebedingungen. Voraussetzung 13 der Steuerbefreiung des Investmentfonds bzw. der Anteilklasse nach § 10 Abs. 1 Satz 1 InvStG ist, dass sich an ihm bzw. ihr nach den Anlagebedingungen nur steuerbegünstigte Anleger nach § 8 Abs. 1 InvStG beteiligen dürfen. Das ist der Fall, wenn sich nur Anleger beteiligen dürfen, die gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1 InvStG die Voraussetzungen des § 44a Abs. 7 Satz 1 EStG erfüllen (s. dazu § 8 InvStG Rz. 21) oder vergleichbare ausländische Anleger mit Sitz und Geschäftsleitung in einem Amts- und Beitreibungshilfe leistenden ausländischen Staat sind (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 InvStG; s. dazu § 8 InvStG Rz. 22) und/oder die Anteile an dem Investmentfonds gem. § 8 Abs. 1 Nr. 2 InvStG im Rahmen von Altersvorsorge- oder Basisrentenverträgen (s. dazu § 8 InvStG Rz. 25) gehalten werden dürfen.4 Dürfen sich auch Anleger i.S.v. § 8 Abs. 2 InvStG beteiligen, kommt die Steuerbefreiung nach § 10 Abs. 2 InvStG in Betracht (s. dazu Rz. 19); bei Beteiligung steuerbegünstigter Anleger nach § 8 Abs. 1 InvStG kann der Investmentfonds insoweit (d.h. soweit steuerbegünstigte Anleger nach § 8 Abs. 1 InvStG beteiligt

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S. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 10 InvStG Anm. 5. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 10.2. S. im Detail Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 10 InvStG Rz. 35. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 10.1. Klein | 289

§ 10 Rz. 13 | Investmentfonds oder Anteilklassen für steuerbegünstigte Anleger sind) dann zusätzlich die Steuerbefreiung inländischer Beteiligungseinnahmen nach § 8 Abs. 1 InvStG beantragen. Investmentfonds, Dach-Investmentfonds und Dach-Spezial-Investmentfonds, an denen sich nach den Anlagebedingungen ausschließlich steuerbegünstigte Anleger i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 InvStG beteiligen dürfen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 InvStG), gelten selbst als steuerbegünstigter Anleger i.S.d. § 8 Abs. 1 InvStG.1 Mit der Formulierung „für den Status als Investmentfonds oder Anteilklasse i.S.d. § 10 InvStG ist es unschädlich“ toleriert es die FinVerw.2, wenn eine Kapitalverwaltungsgesellschaft bei neu aufgelegten Investmentfonds gegen Ausgabe von neuen Anteilen Kapital i.H.v. maximal 1 Mio. Euro für einen Zeitraum von maximal drei Monaten zur Verfügung stellt, damit der Investmentfonds damit seine Geschäftstätigkeit aufnehmen kann (sog. Seed-Money) oder Investmentanteile für die Zwecke der technischen Abwicklung von Anteilscheingeschäften oder zur Orderabwicklung von Personen gehalten werden, die nicht die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 oder 2 InvStG erfüllen (z.B. Anbieter von Altersvorsorge- oder Basisrentenverträgen oder Kreditinstitute, die im Rahmen von Altersvorsorge- oder Basisrentenverträgen als depotführende Stelle oder als Kommissionär fungieren, oder Kreditinstitute, die Orderabwicklung für andere steuerbegünstigte Anleger i.S.d. § 8 InvStG vornehmen). 14 Anlagebedingungen. Die Beschränkung auf die o.g. Anleger muss sich nach § 10 Abs. 1

InvStG aus den Anlagebedingungen des Investmentfonds ergeben. Nur für eine Übergangszeit bis zum 30.6.2018 akzeptierte es die FinVerw. (d.h. sie berücksichtigte die Steuerbefreiung), wenn sich tatsächlich nur die o.g. Anleger an einem Investmentfonds beteiligten und die Anlagebedingungen erst bis zum 30.6.2018 an die Vorgaben von § 10 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 InvStG angepasst wurden.3

15 Nachweise. Anders als im Fall der Steuerbefreiung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 InvStG, für die § 9

Abs. 1 InvStG dies ausdrücklich regelt, ordnet § 10 InvStG nicht an, dass der Investmentfonds den steuerbegünstigten Status seiner Anleger nachweist. Über den Wortlaut des Gesetzes hinaus verlangt aber die FinVerw.,4 dass der Investmentfonds seine Steuerbefreiung gegenüber dem Entrichtungspflichtigen bzw. bei zu veranlagenden Einkünften jedenfalls bei erstmaliger Geltendmachung der Steuerbefreiung gegenüber dem FA dadurch nachweist, dass er alle seine steuerbegünstigten Anleger angibt bzw. auflistet und deren Bescheinigungen nach § 44a Abs. 7 Satz 2 EStG, deren Befreiungsbescheinigungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 InvStG oder deren sonstige Bescheinigungen vorlegt, aus denen sich der steuerbegünstigte Status des jeweiligen Anlegers ergibt. Nur ein Investmentanteil-Bestandsnachweis ist jeweils nicht erforderlich. S. dazu Rz. 22 ff. zu § 10 Abs. 4 InvStG.

16 Kein Antrag. Anders als § 8 InvStG für die (teilweise) Steuerbefreiung von Einkünften eines

Investmentfonds setzt § 10 Abs. 1 InvStG nicht voraus, dass der vollständig steuerbefreite Investmentfonds die Steuerbefreiung beantragt. Ein solches Antragserfordernis wird im Fall der nur partiellen Steuerbefreiung nach § 8 InvStG damit begründet, dass es angesichts der damit verbundenen Kosten einem Investmentfonds überlassen bleiben soll, die Steuerbefreiung in Anspruch zu nehmen oder auch nicht5. Dass ein solches Wahlrecht nicht auch im Fall der Steuerbefreiung nach § 10 InvStG besteht, zumal sie nach § 10 Abs. 4 Satz 1 InvStG mit der Verpflichtung der Anleger einhergeht, die Voraussetzungen ihrer Steuerbefreiung nachzuweisen (s. dazu Rz. 22), erklärt sich daraus, dass der Investmentfonds, wenn sich an ihm nach den Anlagebedingungen nur steuerbegünstigte Anleger beteiligen dürfen, auf die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung ausgerichtet ist.6 1 2 3 4 5 6

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 8.10; s. auch § 8 InvStG Rz. 24. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 10.2. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 10.8. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 10.3 und 10.9. BT-Drucks. 18/8045, 77. S. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 10 InvStG Anm. 5.

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B. Steuerbefreiung von Investmentfonds und Anteilklassen (Abs. 1) | Rz. 17 § 10

II. Zusätzliche Anforderung an die Steuerbefreiung inländischer Beteiligungseinnahmen (Abs. 1 Satz 2) § 10 Abs. 1 Satz 2 InvStG knüpft – innerhalb der Steuerbefreiung von Investmentfonds oder 17 Anteilklassen nach § 10 Abs. 1 InvStG – die Steuerbefreiung inländischer Beteiligungseinnahmen zudem daran, dass der Investmentfonds die Voraussetzungen für eine Anrechenbarkeit der Kapitalertragsteuer nach § 36a EStG1 erfüllt. Der Investmentfonds muss dazu während der Mindesthaltedauer von 45 Tagen vor und 45 Tagen nach der Fälligkeit der Erträge (§ 36a Abs. 2 EStG) wirtschaftlicher Eigentümer2 (nach § 39 AO)3 der Anteile sein, die die inländischen Beteiligungserträge generieren (§ 36a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG), dabei ein Mindestwertveränderungsrisiko (§ 36a Abs. 3 EStG) tragen (§ 36a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) und hierzu nach § 36a Abs. 3 EStG auch Absicherungsgeschäfte nahestehender Personen einbeziehen. Er darf nicht verpflichtet sein, die Beteiligungserträge ganz oder überwiegend, unmittelbar oder mittelbar anderen Personen zu vergüten (§ 36a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG). Wenn der Entrichtungspflichtige die Mindesthaltedauer prüfen kann, darf dieser nach Auffassung der FinVerw. bei der Abstandnahme vom Steuerabzug grds. darauf vertrauen, dass der Investmentfonds die Mindesthaltedauer nach § 36a Abs. 2 EStG erreichen wird.4 Eine Abstandnahme oder eine Erstattung einbehaltener Kapitalertragsteuer durch den Entrichtungspflichtigen ist ausgeschlossen, wenn der Entrichtungspflichtige nicht die Verwahrstelle i.S.d. §§ 68 ff. oder §§ 80 ff. KAGB des Investmentfonds ist und daher nicht die Mindesthaltedauer prüfen kann.5 Der Entrichtungspflichtige kann nach Auffassung der FinVerw. auch grds. darauf vertrauen, dass der Investmentfonds das Mindestwertänderungsrisiko nach § 36a Abs. 3 EStG trägt.6 Stellt der Entrichtungspflichtige aber nach der Abstandnahme vom Steuerabzug fest, dass der Investmentfonds die Aktien oder Genussscheine vor Erreichen der Mindesthaltedauer nach § 36a Abs. 2 EStG veräußert hat, soll der Entrichtungspflichtige nach Auffassung der FinVerw. nachträglich Kapitalertragsteuer zu erheben haben.7 Das bedeutet wohl, dass der Entrichtungspflichtige den Betrag i.H.d. Kapitalertragsteuer von dem Investmentfonds zurückfordern und die Steuer anmelden und abführen muss. Um das Risiko zu reduzieren, dass der Entrich-

1 BMF v. 3.4.2017 – IV C 1 - S 2299/16/10002, BStBl. I 2017, 726 (Anwendungsfragen zur Beschränkung der Anrechenbarkeit der Kapitalertragsteuer nach § 36a EStG, ergänzt durch BMF v. 20.2.2018 – IV C 1 - S 2299/16/10002, BStBl. I 2018, 308); s.a. Link in H/H/R, § 36a EStG Anm. 10 ff. 2 Das ist grds. der Fall, wenn der Investmentfonds (zivilrechtlicher) Eigentümer ist (§ 39 Abs. 1 AO) und nicht ein anderer als der Investmentfonds als Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über die Anteile in der Weise ausübt, dass er den Investmentfonds im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf die Anteile wirtschaftlich ausschließen kann (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO); s. hierzu BMF v. 9.7.2021 – IV C 6 - S 2134/19/10003:007, BStBl. I 2021, 1002 Rz. 2 ff. (wirtschaftliche Zurechnung bei Wertpapiergeschäften). Die Frage des wirtschaftlichen Eigentums an Aktien bedarf stets einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls. Die tatbestandliche „tatsächliche Sachherrschaft“ über ein Wirtschaftsgut übt in der Regel derjenige aus, der im Besitz der Sache ist und Gefahr, Nutzen und Lasten trägt; der (dauerhafte) Ausschluss des Eigentümers manifestiert sich darin, dass der Herausgabeanspruch des zivilrechtlichen Eigentümers wirtschaftlich wertlos ist oder kein Herausgabeanspruch mehr besteht. Als Indizien für das Vorliegen wirtschaftlichen Eigentums gelten Kostentragung, (dauerhafte) Nutzung, Teilnahme an Wertsteigerungen und ein (Wert-)Ersatzanspruch gegen den rechtlichen Eigentümer, s. BFH v. 2.2.2022 – I R 22/20, DStR 2022, 525. Jedenfalls wenn ein Investmentfonds nicht nur (zivilrechtlicher) Eigentümer von Aktien ist, sondern auch Kurschancen und -risiken trägt, sollte ihm das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien zuzurechnen sein, s. BFH v. 29.9.2021 – I R 40/17, DB 2022, 641. 3 S. Drüen in T/K, § 39 AO Rz. 21. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 10.13. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 10.15. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 10.13. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 10.13. Klein | 291

§ 10 Rz. 17 | Investmentfonds oder Anteilklassen für steuerbegünstigte Anleger tungspflichtige dies gegenüber dem Investmentfonds nicht durchsetzen kann, soll der Entrichtungspflichtige die Abstandnahme vom Steuerabzug unter den Vorbehalt der Prüfung des § 36a EStG stellen, d.h. die potentiell abzuführende Kapitalertragsteuer auf einem eindeutig dem Investmentfonds zuzuordnenden Konto (z.B. einem Treuhandkonto) führen, bis geklärt ist, ob die Voraussetzungen des § 36a EStG erfüllt sind. Der der potentiellen Steuer entsprechende Betrag soll dann im Anteilswert erst zu berücksichtigen sein, wenn die Voraussetzungen des § 36a EStG erfüllt sind.1 Zugleich soll allerdings (auch) der Investmentfonds, wenn er (nachträglich, also nach Bruttoauszahlung von Kapitalerträgen) erkennt, dass er die Voraussetzungen des § 36a EStG nicht erfüllt, dies gegenüber der nach § 4 InvStG zuständigen FinBeh. anzeigen und eine Zahlung nach § 36a Abs. 4 EStG leisten.2 In der Literatur ist dies umstritten. Dafür, dass für den Investmentfonds auch § 36a Abs. 4 EStG gilt, spricht der Wortlaut von § 10 Abs. 1 Satz 2 InvStG.3 Dagegen wird eingewandt, § 10 Abs. 5 InvStG sehe eine vorbehaltlose Abstandnahme vom Steuerabzug vor.4 Unseres Erachtens spricht für die Ansicht, dass auch § 36 Abs. 4 EStG zu beachten ist, dass § 10 Abs. 1 Satz 2 InvStG die Steuerbefreiung des Investmentfonds im Hinblick auf Beteiligungseinnahmen an die zusätzliche Voraussetzung knüpft, dass der Investmentfonds die Voraussetzungen des § 36a EStG erfüllt und bei der Anwendung von § 10 Abs. 5 InvStG, der einen steuerbefreiten Investmentfonds voraussetzt, eben auch diese Voraussetzung zu berücksichtigen ist. Selbstverständlich kann, auch wenn das die FinVerw. so nicht explizit vorsieht,5 nicht beides, also eine Verpflichtung des Entrichtungspflichtigen, die Steuer nachträglich zu erheben, und eine Verpflichtung des Investmentfonds, den Betrag nach § 36a Abs. 4 EStG zu leisten, nebeneinander bestehen. Erhebt der Entrichtungspflichtige nachträglich die Kapitalertragsteuer, sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 36a Abs. 4 EStG nicht erfüllt und es ist keine Zahlung nach § 36a Abs. 4 EStG zu leisten, da eben doch ein Steuerabzug vorgenommen wurde.

III. Weitere Tatbestandsmerkmale: Nur Rückgabe, keine Übertragung von Investmentanteilen 18 Einleitend mit der Formulierung „Die Steuerbefreiung nach den Abs. 1 und 2 setzt voraus ...“

enthält § 10 Abs. 3 InvStG weitere Tatbestandsmerkmale, die erfüllt sein müssen, damit ein Investmentfonds nach § 10 Abs. 1 oder Abs. 2 InvStG steuerbefreit ist. Dazu dürfen die Anlagebedingungen des Investmentfonds nur eine Rückgabe von Investmentanteilen an den Investmentfonds zulassen und die Übertragung von Investmentanteilen muss ausgeschlossen sein (s. dazu Rz. 21).

C. Steuerbefreiung inländischer Immobilienerträge (Abs. 2) 19 Nach § 10 Abs. 2 InvStG sind inländische Immobilienerträge eines Investmentfonds oder ei-

ner Anteilklasse steuerbefreit, wenn sich an dem Investmentfonds oder der Anteilklasse nur steuerbegünstigte Anleger nach § 8 Abs. 1 oder 2 InvStG beteiligen dürfen. Die Beschränkung auf Anleger nach § 8 Abs. 1 oder 2 InvStG muss sich nach dem insoweit von § 10 Abs. 1 InvStG abweichenden Wortlaut des § 10 Abs. 2 InvStG nicht ausdrücklich aus den Anlage-

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BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 10.14. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 10.16. Hahne/Völker, BB 2017, 858 (860 f.). Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 10 InvStG Rz. 83. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 10.14 und 10.16.

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D. Nur Rückgabe, keine Übertragung von Investmentanteilen (Abs. 3) | Rz. 21 § 10

bedingungen ergeben.1 Auch die Steuerbefreiung nach § 10 Abs. 2 InvStG erfordert keinen Antrag. Sie ist i.R.d. Veranlagung des Investmentfonds zur Steuer geltend zu machen.2 Hintergrund der Regelung nur für inländische Immobilienerträge in § 10 Abs. 2 InvStG ist, dass die auch, also zusätzlich zu denen nach § 8 Abs. 1 InvStG zugelassenen steuerbegünstigten Anleger nach § 8 Abs. 2 InvStG im Fall der Direktanlage zwar im Hinblick auf diese Immobilienerträge, anders als die Anleger nach § 8 Abs. 1 InvStG aber nicht im Hinblick auf Beteiligungseinnahmen steuerbefreit wären, weshalb es der besonderen Regelung für Immobilienerträge und den um die Anleger nach § 8 Abs. 2 InvStG erweiterten Anlegerkreis bedarf. Sonstige Einkünfte. Da die Anleger nach § 8 Abs. 2 InvStG im Fall der Direktanlage nicht 20 nur im Hinblick auf Immobilienerträge, sondern auch im Hinblick auf sonstige inländische Einnahmen keiner Steuer unterlägen, wendet die FinVerw. die Steuerbefreiung über den Wortlaut des Gesetzes hinaus auch bei sonstigen inländischen Einkünften i.S.d. § 6 Abs. 5 InvStG an, die bei Anlegern i.S.d. § 8 Abs. 2 InvStG im Falle einer Direktanlage ebenfalls nicht stpfl. sind.3 Das ist systematisch überzeugend,4 sollte aber in Anbetracht der Rspr. des BFH zur Beachtung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung5 dringend auch gesetzlich geregelt werden. Auch für die Steuerbefreiung nach § 10 Abs. 2 InvStG dürfen die Anlagebedingungen des Investmentfonds nach § 10 Abs. 3 InvStG nur eine Rückgabe von Investmentanteilen an den Investmentfonds zulassen und müssen die Übertragung von Investmentanteilen ausschließen (s. dazu Rz. 18).

D. Nur Rückgabe, keine Übertragung von Investmentanteilen (Abs. 3) § 10 Abs. 3 InvStG enthält weitere Tatbestandsmerkmale der Steuerbefreiungen nach § 10 21 Abs. 1 und 2 InvStG. Die Anlagebedingungen dürfen nur eine Rückgabe von Investmentanteilen an den Investmentfonds zulassen und die Übertragung von Investmentanteilen muss ausgeschlossen sein. Damit soll sichergestellt werden, dass sich an einem steuerbefreiten Investmentfonds oder einer steuerbefreiten Anteilklasse tatsächlich nur steuerbegünstigte Anleger beteiligen.6 Nach dem Wortlaut des Abs. 3 muss sich nur die Beschränkung auf die Rückgabe an den Investmentfonds aus den Anlagebedingungen ergeben. Der Ausschluss der Übertragbarkeit kann sich nach dem insoweit offenen Wortlaut des Abs. 3 auch aus anderen Umständen ergeben. Ausreichen soll z.B., dass Namensanteilscheine ausgegeben werden oder in den allgemeinen Geschäftsbedingungen die Wirksamkeit der Übertragung von Anteilen von der Zustimmung des Investmentfonds abhängig gemacht wird.7 Auch könnte dem Investmentfonds eine Untersagungsmöglichkeit hinsichtlich einer Übertragung eingeräumt werden.8

1 S. aber Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 10 InvStG Rz. 90 und 165 dazu, dass ein solches Erfordernis nach Sinn und Zweck der Norm in § 10 Abs. 2 InvStG hineingelesen werden sollte. Nach hier vertretener Ansicht sollte das Gesetz entsprechend ergänzt werden, wenn der Gesetzgeber wollte, dass sich die Beschränkung auf Anleger nach § 8 Abs. 1 oder 2 InvStG aus den Anlagebedingungen ergeben muss. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 10.3 und 10.18. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 10.3 und 10.17. 4 S. auch Schneider-Deters in Moritz/Jesch/Mann2, § 8 InvStG Rz. 16. 5 BFH v. 28.11.2016 – GrS 1/15, BStBl. II 2017, 393; v. 23.8.2017 – I R 52/14, BStBl. II 2018, 232; v. 23.8.2017 – X R 38/15, BStBl. II 2018, 236. 6 BT-Drucks. 18/8045, 80. 7 BT-Drucks. 18/8045, 80. 8 BT-Drucks. 18/8045, 80; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 10.20. Klein | 293

§ 10 Rz. 22 | Investmentfonds oder Anteilklassen für steuerbegünstigte Anleger

E. Nachweis der Steuerbefreiung der Anleger (Abs. 4) I. Verpflichtung zum Nachweis der Steuerbefreiung (Abs. 4 Satz 1) 22 § 10 Abs. 4 Satz 1 InvStG regelt die Verpflichtung der Anleger, gegenüber dem Investment-

fonds ihre Steuerbefreiung nachzuweisen. Aus dem Zusammenhang ergibt sich, dass es um Investmentfonds geht, die eine Steuerbefreiung nach § 10 Abs. 1 oder 2 InvStG beanspruchen, welche jeweils auf dem steuerbegünstigten Status ihrer Anleger bzw. darauf beruht, dass sich an ihnen nur steuerbegünstigte Anleger i.S.d. § 8 Abs. 1 InvStG (§ 10 Abs. 1 InvStG) oder § 8 Abs. 1 oder 2 InvStG (§ 10 Abs. 2 InvStG) beteiligen dürfen. Die Form des Nachweises regelt § 10 Abs. 4 Satz 2 InvStG (s. dazu Rz. 23). Das Gesetz spricht in diesem Zusammenhang abweichend von Formulierungen in z.B. §§ 8 Abs. 1 oder Abs. 2, 10 Abs. 1 oder Abs. 2 InvStG erstmals von der Steuerbefreiung der Anleger, nicht deren Steuerbegünstigung. Letzteres ist gemeint, dass nämlich die Anleger ihren Status als steuerbegünstigte Anleger1 nachweisen müssen, und die abweichende Formulierung „Steuerbefreiung“ ist damit wohl nur ein Redaktionsversehen. Auffällig ist zudem, dass § 10 Abs. 4 Satz 1 InvStG eine (zivilrechtliche) Verpflichtung der Anleger gegenüber dem die Steuerbefreiung nach § 10 Abs. 1 oder Abs. 2 InvStG beanspruchenden Investmentfonds begründet, der nach dem Wortlaut des Gesetzes – anders als der die Steuerbefreiung nach § 8 Abs. 1 InvStG beanspruchende Investmentfonds (s. § 9 Abs. 1 InvStG) – selbst nicht (öffentlich-rechtlich gegenüber der FinVerw.) verpflichtet ist, die Steuerbegünstigung seiner Anleger gegenüber der FinVerw. oder dem Entrichtungspflichtigen nachzuweisen. Dessen ungeachtet verlangt die FinVerw.2 solche Nachweise, und das obwohl sie nach dem Wortlaut des Gesetzes eigentlich nur prüfen müsste, ob sich nach den Anlagebedingungen nur steuerbegünstigte Anleger nach § 8 Abs. 1 InvStG (für § 10 Abs. 1 InvStG) bzw. nach § 8 Abs. 2 InvStG (für § 10 Abs. 2 InvStG) beteiligen dürfen.3 Nach Auffassung der FinVerw. muss ein Investmentfonds seine Steuerbefreiung (d.h. die des Investmentfonds) gegenüber dem Entrichtungspflichtigen dadurch nachweisen, dass er alle seine steuerbegünstigten Anleger angibt bzw. auflistet und deren Bescheinigungen nach § 44a Abs. 7 Satz 2 EStG, deren Befreiungsbescheinigungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 InvStG oder deren sonstige Bescheinigungen vorlegt, aus denen sich der steuerbegünstigte Status des jeweiligen Anlegers ergibt.4 Bei Investmentanteilen, die im Rahmen von Altersvorsorge- oder Basisrentenverträgen gehalten werden, sind nicht die Anspruchsberechtigten aus den Altersvorsorge- oder Basisrentenverträgen, sondern die Anbieter der Altersvorsorge- oder Basisrentenverträge anzugeben und die Zertifizierung nach § 5 oder § 5a AltZertG vorzulegen.5 Erzielt ein steuerbefreiter Investmentfonds zu veranlagende Einkünfte, muss er nach Auffassung der FinVerw. bei erstmaliger Geltendmachung der Steuerbefreiung gegenüber dem FA alle steuerbegünstigten Anleger auflisten sowie Bescheinigungen nach § 44a Abs. 7 Satz 2 EStG, Befreiungsbescheinigungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 InvStG oder sonstige Bescheinigungen, aus denen sich der steuerbegünstigte Status der jeweiligen Anleger ergibt, und Anlagebedingungen, aus denen sich ergibt, dass nur steuerbegünstigte Anleger am Investmentfonds beteiligt sein dürfen und die Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 InvStG erfüllt werden, vorlegen.6 Ein Investmentanteil-Bestandsnachweis7 ist nicht vorzulegen.8 Das ist schlüssig, da der Investmentanteil-Bestandsnachweis erst nach Ablauf des Kalenderjahres erstellt werden kann (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 InvStG) 1 2 3 4 5 6 7

So auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 10.21. S. aber BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 10.3 ff. Schlüssig daher allein BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 10.6. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 10.3. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 10.3. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 10.9. Zur davon abweichenden Rechtslage bei nach § 8 Abs. 1 InvStG steuerbefreiten Einkünften eines Investmentfonds s. § 9 InvStG Rz. 15. 8 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 10.9.

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F. Kein Steuerabzug von Kapitalerträgen (Abs. 5) | Rz. 25 § 10

und eine Verpflichtung, ihn vorzulegen, § 10 Abs. 5 InvStG zuwiderliefe, der den Entrichtungspflichtigen verpflichtet, bei der Auszahlung von Kapitalerträgen an nach § 10 Abs. 1 Satz 1 InvStG steuerbefreite Investmentfonds vom Steuerabzug abzusehen.

II. Anforderungen an den Nachweis (Abs. 4 Satz 2) Anleger nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 InvStG. Nach § 10 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 InvStG hat 23 ein Anleger nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 InvStG zum Nachweis seiner Steuerbefreiung „eine gültige Bescheinigung nach § 9 Abs. 1 InvStG“ an den Investmentfonds zu übermitteln. Das ist sprachlich ungenau, da § 9 Abs. 1 InvStG in seinen drei Nummern zwei Bescheinigungen, nämlich die nach § 44a Abs. 7 Satz 2 EStG für inländische steuerbegünstigte Anleger und die Befreiungsbescheinigung für ausländische steuerbegünstigte Anleger sowie darüber hinaus auch den Investmentanteil-Bestandsnachweis regelt.1 Nur Letzterer ist keine Bescheinigung. Gemeint sind in § 10 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 InvStG nur die beiden Ersten, also die Bescheinigung nach § 44a Abs. 7 Satz 2 EStG2 und die Befreiungsbescheinigung.3 Die FinVerw. erkennt für Anleger nach § 8 Abs. 2 InvStG auch eine NV-Bescheinigung nach § 44a Abs. 8 Satz 2 EStG als ausreichend an.4 In allen Fällen unterliegt die Art der Übermittlung des Nachweises keinen Formvorgaben, kann also schriftlich, elektronisch oder durch ein automationsgestütztes Datenübermittlungsverfahren erfolgen.5 Das Gesetz verlangt – anders als z.B. in § 9 Abs. 1 Nr. 1 InvStG – ausdrücklich die Vorlage einer Bescheinigung, die gültig sein soll. Da damit kaum gemeint sein kann, dass da, wo die Gültigkeit der Bescheinigung nicht ausdrücklich verlangt wird, es darauf nicht ankommen soll, sollte dem Tatbestandsmerkmal keine eigene Bedeutung zukommen.6 Altersvorsorge- oder Basisrentenvertrag. Ein Anbieter eines Altersvorsorge- oder Basisren- 24 tenvertrags hat nach § 10 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 InvStG gegenüber dem Investmentfonds mitzuteilen, dass er die Investmentanteile ausschließlich im Rahmen von Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen erwirbt.

F. Kein Steuerabzug von Kapitalerträgen (Abs. 5) Körperschaftsteuer auf stpfl. Einkünfte eines Investmentfonds kann im Wege der Veranlagung 25 oder durch Steuerabzug erhoben werden. Dem Steuerabzug können Einkünfte eines Investmentfonds nach § 50a EStG oder nach den §§ 43 ff. EStG unterliegen und im letzten Fall wird die Steuer durch Abzug von Kapitalertragsteuer erhoben. Nur für diesen letzten Fall enthält § 10 Abs. 5 InvStG eine Sonderregel: Nach § 10 Abs. 5 InvStG ist (schon) bei der Auszahlung von Kapitalerträgen an steuerbefreite Investmentfonds oder Anteilklassen (nur) i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 1 InvStG, also solche, an denen sich nach den Anlagebedingungen nur Anleger i.S.d. § 8 Abs. 1 InvStG beteiligen dürfen, kein Steuerabzug vorzunehmen.7 Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 InvStG steuerbefreite Investmentfonds unterscheiden sich dadurch von Investmentfonds, deren Einkünfte nach § 8 InvStG ganz oder zum Teil steuerbefreit sind und in deren Fall wegen der Verpflichtung zur Vorlage eines Investmentanteil-Bestandsnachweises (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 InvStG) die Steuerbefreiung nicht schon beim Steuerabzug berücksichtigt werden 1 2 3 4 5 6 7

S. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 10 InvStG Anm. 25. So BT-Drucks. 18/8045, 80; s. auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 10.22. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 10.22. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 10.22. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 10.22. S. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 10 InvStG Anm. 25. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 10.24. Klein | 295

§ 10 Rz. 25 | Investmentfonds oder Anteilklassen für steuerbegünstigte Anleger kann, sodass die Steuer erstattet werden muss (s. dazu § 8 InvStG Rz. 11, 32). Das Gebot, schon beim Zufluss von Kapitalerträgen vom Steuerabzug abzusehen, gilt nach dem inzwischen klaren Wortlaut des Gesetzes aber auch dann nicht, wenn sich an dem Investmentfonds auch Anleger i.S.d. § 8 Abs. 2 InvStG beteiligen, wie das bei nach § 10 Abs. 2 InvStG steuerbefreiten Investmentfonds der Fall ist. Allerdings bedurfte es dazu der Einschränkung des § 10 Abs. 5 InvStG durch das JStG 2020 v. 21.12.20201, mit dem hinter den Worten „Bei der Auszahlung von Kapitalerträgen an steuerbefreite Investmentfonds oder Anteilklassen“ die Worte „im Sinne des Absatzes 1 Satz 1“ eingefügt wurden. Dabei wollte die FinVerw. – was zwingend zu beachten war (§ 44 Abs. 1 Satz 2 EStG) – schon nach der Fassung von Abs. 5 vor seiner Ergänzung durch das JStG 2020 nach der Systematik von § 10 InvStG unterscheiden zwischen im Hinblick auf alle Einkunftsarten steuerbefreiten Investmentfonds, an denen sich nur steuerbegünstigte Anleger nach § 8 Abs. 1 InvStG beteiligen dürfen (§ 10 Abs. 1 InvStG), und Investmentfonds, an denen sich nur steuerbegünstigte Anleger nach § 8 Abs. 1 oder 2 InvStG beteiligen dürfen und die im Hinblick auf inländische Beteiligungseinnahmen und sonstige Einkünfte, die dem Kapitalertragsteuerabzug unterliegen, nicht steuerbefreit sind (§ 10 Abs. 2 InvStG, s. dazu Rz. 19). Dies war angesichts der sich nur auf bestimmte Einkunftsarten erstreckenden Steuerbefreiung nach § 10 Abs. 2 InvStG (s. Rz. 19) inhaltlich berechtigt, fand aber keinen Anklang im weiten Wortlaut von Abs. 5, der nicht zwischen den Fällen des Abs. 1 und des Abs. 2 unterschied und dessen Einschränkung daher entgegen der Ansicht des Gesetzgebers2 nicht nur eine Klarstellung war.3

§ 11 Erstattung von Kapitalertragsteuer an Investmentfonds durch die Finanzbehörden (1) 1Das Betriebsstättenfinanzamt des Entrichtungspflichtigen erstattet auf Antrag des Investmentfonds die einbehaltene Kapitalertragsteuer, wenn 1. auf nicht nach § 6 Absatz 2 steuerpflichtige Kapitalerträge Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag einbehalten und abgeführt wurde und der Entrichtungspflichtige keine Erstattung vorgenommen hat, 2. in über § 7 hinausgehender Höhe Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag einbehalten und abgeführt wurde und der Entrichtungspflichtige keine Erstattung vorgenommen hat oder 3. in den Fällen der §§ 8 und 10 nicht vom Steuerabzug Abstand genommen wurde und eine Statusbescheinigung, eine Steuerbescheinigung und eine Erklärung des Entrichtungspflichtigen vorgelegt werden, aus der hervorgeht, dass eine Erstattung weder vorgenommen wurde noch vorgenommen wird. 2Die Erstattung nach Satz 1 Nummer 3 setzt zusätzlich voraus, dass die Bescheinigungen und die Mitteilungen nach den §§ 8 bis 10 beigefügt werden. 3Bei beschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Investmentfonds tritt das Bundeszentralamt für Steuern an die Stelle des Betriebsstättenfinanzamtes des Entrichtungspflichtigen. 3Eine Steuerbescheinigung gilt als vorgelegt, soweit bei beschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Investmentfonds Angaben nach § 45a Absatz 2a des Einkommensteuergesetzes übermittelt wurden. 1 BGBl. I 2020, 3096; s. dazu auch Rz. 6. 2 BR-Drucks. 503/20, 113. 3 Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 10 InvStG Anm. 30.

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A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 2 § 11

(2) 1Der Antrag auf Erstattung der Kapitalertragsteuer ist innerhalb von zwei Jahren nach Ablauf des Geschäftsjahres des Investmentfonds für das Geschäftsjahr nach amtlich vorgeschriebenem Muster zu stellen. 2Beträgt der Zeitraum zwischen dem Zugang eines Antrags auf Erteilung einer Statusbescheinigung als Investmentfonds oder eines Antrags auf Erteilung einer Bescheinigung nach § 9 Absatz 1 und der Bestandskraft der Entscheidung über diesen Antrag mehr als sechs Monate, so verlängert sich die Antragsfrist entsprechend. 3Im Übrigen kann die Antragsfrist nicht verlängert werden. 4Eine Erstattung ist ausgeschlossen, wenn die Unterlagen nach Absatz 1 Satz 1 oder 2 nicht innerhalb der Antragsfrist eingereicht werden. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . 1 II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . 2 2. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . 3 3. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . 4 III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . 6 B. Erstattung von Kapitalertragsteuer (Abs. 1) I. Erstattung von Kapitalertragsteuer auf Antrag (Abs. 1 Sätze 1 und 3) 1. Verpflichtung zur Erstattung auf Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

2. Für Investmentfonds nicht steuerpflichtige Kapitalerträge (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kapitalertragsteuereinbehalt in über § 7 InvStG hinausgehender Höhe (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Nach §§ 8 oder 10 InvStG steuerbefreite Kapitalerträge bzw. Investmentfonds (Abs. 1 Satz 1 Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . . II. BZSt-Zuständigkeit bei ausländischen Investmentfonds (Abs. 1 Satz 3) . . . . . . . . . C. Antrag auf Kapitalertragsteuererstattung (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18 22 24 26 27

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck Investmentfonds unterliegen nur mit bestimmten inländischen Einkünften der KSt i.H.v. 1 15 % (inkl. SolZ). Deshalb beträgt auch die Kapitalertragsteuer auf Kapitalerträge, mit denen ein Investmentfonds der Steuer unterliegt, statt 25 % (§ 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) zzgl. SolZ (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 SolZG) nur 15 % inkl. SolZ (§ 7 Abs. 1 Sätze 1 und 3 InvStG). Sind an einem Investmentfonds steuerbegünstigte Anleger beteiligt (§§ 8, 10 InvStG), können die Kapitalerträge (§ 8 InvStG) bzw. der Investmentfonds (§ 10 InvStG) sogar ganz steuerbefreit sein. Nur im Fall des nach § 10 Abs. 1 InvStG steuerbefreiten Investmentfonds (und im Fall der Freistellung nach § 50c Abs. 2 EStG, s. dazu Rz. 8) darf die Steuerbefreiung allerdings schon beim Steuerabzug berücksichtigt werden, indem dieser ganz oder zum Teil unterbleibt (§ 10 Abs. 5 InvStG, s. § 8 InvStG Rz. 11, 32 und § 10 InvStG Rz. 9). § 11 InvStG regelt für verschiedene Fälle in seinen Abs. 1 Nr. 1 bis 3, dass einem Investmentfonds Kapitalertragsteuer zu erstatten ist, die die Steuer übersteigt, die der Investmentfonds nach §§ 6 ff. InvStG schulden soll (zur parallel bestehenden Erstattungsmöglichkeit nach § 50c Abs. 3 EStG Rz. 8).

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich § 11 InvStG regelt die Erstattung von Kapitalertragsteuer an Investmentfonds, soweit deren 2 Einbehalt den von dem Investmentfonds geschuldeten Betrag übersteigt.

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§ 11 Rz. 3 | Erstattung von Kapitalertragsteuer an Investmentfonds 2. Persönlicher Anwendungsbereich 3 § 11 InvStG gilt für in- und ausländische Investmentfonds, nicht aber für in- und ausländische

Spezial-Investmentfonds (s. § 25 InvStG), für die der Verweis auf die Regelungen für Investmentfonds in § 29 die §§ 8 bis 14 InvStG nicht umfasst. Letzteres ist inhaltlich nicht gerechtfertigt, soweit § 11 InvStG – wie z.B. im Fall der Erstattung bei nachträglicher Vorlage der Statusbescheinigung nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 InvStG (ebenso aber auch in Fällen des § 11 Abs. 1 Nr. 1 InvStG) dazu dient, die zutreffende Besteuerung nach den §§ 6 und 7 InvStG zu erreichen, welche vorbehaltlich anderer Regelungen auch für Spezialfonds gelten (§ 29 Abs. 1 InvStG). Für Spezialfonds erscheint damit eine entsprechende Geltung von § 11 InvStG geboten. 3. Zeitlicher Anwendungsbereich

4 § 11 InvStG gilt ab dem 1.1.2018, s. § 56 Abs. 1. Die Neufassung von § 11 Abs. 1 InvStG durch

das „JStG 2019“ (s. Rz. 5) ist seit dem 1.1.2020 anzuwenden (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 InvStG). Die Ergänzung von § 11 InvStG durch das AbzStEntModG (s. Rz. 5) ist mit Ausnahme der redaktionellen Anpassung von Abs. 2 Satz 4, die ab dem 9.6.2021 gilt (Tag nach der Verkündung im BGBl. v. 8.6.2021, s. Art. 15 AbzStEntlModG v. 2.6.2021, BGBl. I 2021, 1259), ab dem 1.7.2021 anzuwenden (§ 57 Abs. 3).

III. Rechtsentwicklung 5 Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung v. 19.7.2016.1 § 11 InvStG trat nach Art. 11

Abs. 3 Satz 1 InvStRefG v. 19.7.2016 am 1.1.2018 in Kraft und ist seit dem 1.1.2018 anzuwenden, s. § 56 Abs. 1 Satz 1 InvStG. „JStG 2019“ v. 12.12.2019.2 Abs. 1 wurde neu gefasst und damit die Voraussetzungen einer Erstattung von zu viel einbehaltener Kapitalertragsteuer vereinheitlicht. Unabhängig davon, aus welchem der in § 11 InvStG genannten Gründe zu viel Kapitalertragsteuer erhoben wurde, muss der Investmentfonds mit dem Erstattungsantrag nunmehr eine Statusbescheinigung, eine Steuerbescheinigung und eine Erklärung des Entrichtungspflichtigen vorlegen, aus der hervorgeht, dass eine Erstattung weder vorgenommen wurde noch vorgenommen wird.3 Die neuen Regelungen sind seit dem 1.1.2020 anzuwenden (§ 57 Abs. 1 Nr. 4 InvStG). Gesetz zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung der Kapitalertragsteuer v. 2.6.2021.4 § 11 Abs. 1 InvStG wird um die neuen Sätze 3 und 4 erweitert, die Teil der Regelungen sind, mit denen die vormals drei parallelen Verfahren zur Erstattung von Kapitalertragsteuer durch den Entrichtungspflichtigen, dessen Betriebsstätten-FA oder das BZSt auf zwei Verfahren – nach § 11 InvStG oder DBA – jeweils beim BZSt reduziert wurden, um den Kontrollaufwand für Verwaltung und Investmentfonds zu verringern und das Verfahren besser vor potentiellen Missbräuchen zu schützen.5 Nach Satz 3 können beschränkt körperschaftsteuerpflichtige Investmentfonds anders als noch nach § 7 Abs. 5 InvStG vor der Änderung durch das AbzStEntModG bei nachträglicher Vorlage der Statusbescheinigung eine Erstattung nicht mehr von dem Entrichtungspflichtigen erhalten (s. auch § 7 Abs. 4 Satz 3 und Abs. 5 InvStG). Stattdessen müssen sie sie bei der FinVerw. – und zwar nach dem neuen Abs. 1 Satz 3 bei dem BZSt – beantragen. Der neue Satz 4 berücksichtigt, dass nach

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BGBl. I 2016, 1730. BGBl. I 2019, 2451. BT-Drucks. 19/13436, 175. BGBl. I 2021, 1259. BT-Drucks. 19/27632, 63.

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A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 10 § 11

dem ebenfalls neuen § 45a Abs. 2a EStG Steuerbescheinigungsdaten auch elektronisch übermittelt werden. Schließlich wird Abs. 2 Satz 4 redaktionell an die Änderung des § 11 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 durch das „JStG 2019“ v. 12.12.2019 angepasst.

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften Verhältnis zum Europarecht. S. dazu allgemein Einleitung „Europa- und Verfassungsrecht“.

6

Verhältnis zum Verfassungsrecht. S. dazu allgemein Einleitung „Europa- und Verfassungs- 7 recht“. Verhältnis zu DBA. Hat ein ausländischer Investmentfonds einen Anspruch auf Entlastung 8 von inländischer Kapitalertragsteuer auf weniger als 26,375 % (inkl. SolZ) aus einem DBA, bestehen die Möglichkeit der Erstattung nach § 11 InvStG und die Möglichkeit einer Kapitalertragsteuerentlastung nach dem DBA i.V.m. § 50c EStG (s. auch § 7 InvStG Rz. 12)1 nebeneinander und überschneiden sich.2 Seit der Änderung von § 11 InvStG durch das AbzStEntModG v. 2.6.20213 (s. Rz. 5) ist in beiden Fällen das BZSt, also nicht mehr wie zuvor das Betriebsstätten-FA des Entrichtungspflichtigen, für die Erstattung nach § 11 InvStG und das BZSt für die Erstattung nach § 50c Abs. 3 Satz 1 EStG i.V.m. dem DBA zuständig. Im Einzelfall mag die Entlastung nach § 50c Abs. 3 Satz 1 EStG, die zu beantragen der ausländische Investmentfonds vier Jahre Zeit hat (§ 50c Abs. 3 Satz 2 EStG), vorteilhafter sein als die innerhalb von zwei Jahren (§ 11 Abs. 2 Satz 1 InvStG) zu beantragende Erstattung nach § 11 InvStG (s. auch Rz. 9). Verhältnis zu § 50d Abs. 3 EStG. § 50d Abs. 3 EStG gilt seit der Neufassung von § 50d Abs. 3 9 EStG durch AbzStEntModG v. 2.6.20214 und dem damit einhergegangenen Entfallen der Ausnahme für Investmentfonds5 für Investmentfonds und deren mögliche Ansprüche auf Kapitalertragsteuerentlastung nach einem DBA. § 50d Abs. 3 EStG gilt indes nicht für Erstattungen nach § 11 InvStG, weil weder § 11 InvStG auf § 50d Abs. 3 EStG verweist noch sich Letzterer auf Fälle des § 11 InvStG erstreckt, sodass es insoweit auf das Entfallen der Ausnahme für Investmentfonds nicht ankommt (s. dazu auch § 7 InvStG Rz. 17). Verhältnis zu § 7 Abs. 5 InvStG. Seit der Einschränkung von § 7 Abs. 5 InvStG durch das 10 AbzStEntModG v. 2.6.20216 können nur noch inländische Investmentfonds (zuvor allerdings auch ausländische) Kapitalertragsteuer durch den Entrichtungspflichtigen oder durch das Betriebsstätten-FA des Entrichtungspflichtigen erstatten lassen, wenn von an den Investmentfonds gezahlten Kapitalerträgen wegen der Nichtvorlage einer Statusbescheinigung bzw. der Nichtberücksichtigung einer Steuerbefreiung nach § 8 Abs. 1 oder § 10 Abs. 1 InvStG in über die mögliche Entlastung hinausgehender Höhe Kapitalertragsteuer einbehalten wurde. Nach Ansicht des BMF7 soll von der Erstattungsmöglichkeit nach § 11 InvStG aber nur Gebrauch gemacht werden, wenn die Abstandnahme vom Steuerabzug z.B. mangels rechtzeitiger Ausstellung einer Statusbescheinigung fehlgeschlagen ist und die Voraussetzungen für das Erstattungsverfahren beim Entrichtungspflichtigen nach § 7 Abs. 5 InvStG nicht vorliegen (s. dazu Rz. 17).

1 2 3 4 5 6 7

S. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 7 InvStG Anm. 5. S. auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 11.8. BGBl. I 2021, 1259. BGBl. I 2021, 1259. S. dazu Hagena in H/H/R, § 50d EStG Anm. J 21-4 (Stand 11/2021). BGBl. I 2021, 1259. S. auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 11.7. Klein | 299

§ 11 Rz. 11 | Erstattung von Kapitalertragsteuer an Investmentfonds 11 Verhältnis zu den §§ 8 bis 14 InvStG. § 11 ist Teil des Regelungszusammenhangs der §§ 8

bis 14 InvStG, welcher die (ggf. nur partielle) Steuerbefreiung von Einkünften eines Investmentfonds (§ 8 InvStG) bzw. die umfassende Steuerbefreiung eines Investmentfonds (§ 10 InvStG) aufgrund des nachzuweisenden (§ 9 InvStG) steuerbegünstigten Status seiner Anleger, die Inanspruchnahme (§ 11 InvStG) und Ausreichung (§ 12 InvStG) der dadurch erzielten Steuerermäßigung an die Anleger und die Folgen des Wegfalls der Begünstigungsvoraussetzungen (§ 13 InvStG) sowie die Haftung für die unberechtigte Inanspruchnahme der Steuerermäßigung (§ 14 InvStG) umfasst. § 11 InvStG regelt dabei trotz seiner systematischen Stellung nach den §§ 8 und 10 InvStG nicht nur die Erstattung von Kapitalertragsteuer aufgrund der Beteiligung steuerbegünstigter Anleger (§ 11 Abs. 1 Nr. 3 InvStG), sondern in § 11 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InvStG darüber weit hinausgehend auch die aufgrund anderer Umstände (z.B. ungerechtfertigter Einbehalt von Kapitalertragsteuer, nachträgliche Vorlage der Statusbescheinigung).

12 Verhältnis zu den §§ 25 ff. InvStG. § 11 InvStG gilt nicht ausdrücklich auch für Spezial-In-

vestmentfonds (§ 25 InvStG), seine entsprechende Anwendung erscheint aber geboten, s. Rz. 3.

B. Erstattung von Kapitalertragsteuer (Abs. 1) I. Erstattung von Kapitalertragsteuer auf Antrag (Abs. 1 Sätze 1 und 3) 1. Verpflichtung zur Erstattung auf Antrag 13 Verpflichtung zur Erstattung von Kapitalertragsteuer. § 11 Abs. 1 Satz 1 InvStG regelt drei

Fälle, in denen das Betriebsstätten-FA eines Entrichtungspflichtigen einem unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Investmentfonds (bzw. i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 3 InvStG das BZSt einem beschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Investmentsfonds) auf dessen Antrag die einbehaltene Kapitalertragsteuer nebst SolZ in bestimmter Höhe zu erstatten hat.

14 Antrag. Die Erstattung setzt einen Antrag des Investmentfonds voraus. Zu Einzelheiten s.

§ 11 Abs. 2 InvStG und Rz. 27.

15 Einbehalten und abgeführt. In der einleitenden Formulierung von § 11 Abs. 1 Satz 1 InvStG

spricht das Gesetz dabei von „einbehaltener Kapitalertragsteuer“, in § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 InvStG aber, ohne dass damit u.E. eine Differenzierung bezweckt ist, von „Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag“, die „einbehalten und abgeführt wurde“.1

16 „Wenn“ statt „soweit“. Auch fällt auf, dass das G das Betriebsstätten-FA zur Kapitalertrag-

steuererstattung verpflichtet, wenn – also nicht soweit – die Erstattungsvoraussetzungen vorliegen. Nach der Entscheidung des BFH v. 20.5.20152 und dem daraufhin erfolgten Austausch von „wenn“ durch „soweit“ in § 50d Abs. 9 EStG durch das Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnverkürzungen und -verlagerungen v. 20.12.20163 sollte dem Gesetzgeber der Unterschied zwischen einem qualitativ-konditionalen „wenn“ und einem quantitativ konditionierenden „soweit“ bekannt sein.4 Das BMF verwendet dementsprechend in seiner Verwaltungsanweisung die Formulierung „sofern“.5 Auch insoweit ist natürlich klar, dass „soweit“ oder „sofern“ gemeint

1 2 3 4 5

S. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 11 InvStG Anm. 5. BFH v. 20.5.2015 – I R 68/14, BStBl. II 2016, 90. BGBl. I 2016, 3000. S. auch Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 11 InvStG Anm. 5. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 11.1.

300 | Klein

B. Erstattung von Kapitalertragsteuer (Abs. 1) | Rz. 18 § 11

sind und nicht Kapitalertragsteuer erstattet werden soll, wo das systematisch nicht gerechtfertigt ist. Mit der unpräzisen Formulierung schafft der Gesetzgeber allerdings ohne Not ein Risiko, an dem „wenn“ festgehalten zu werden, was z.B. bei den nur zum Teil steuerbefreiten Investmentfonds praktisch relevant werden kann. Vorrangigkeit der Erstattung nach § 7 Abs. 5 InvStG. Nach Ansicht des BMF1 „soll“ schließ- 17 lich von der Erstattungsmöglichkeit nach § 11 Abs. 1 InvStG (also wohl in allen drei Fallgruppen) nur Gebrauch gemacht werden, wenn die Abstandnahme vom Steuerabzug – z.B. mangels rechtzeitiger Ausstellung einer Statusbescheinigung – fehlgeschlagen ist und die Voraussetzungen für das Erstattungsverfahren beim Entrichtungspflichtigen nach § 7 Abs. 5 InvStG, welches ohnehin nur noch inländischen Investmentfonds zur Verfügung steht (s. dazu „Verhältnis zu § 7 Abs. 5 InvStG“ in Rz. 10), nicht vorliegen. Das G gibt für eine solche Subsidiarität nichts her.2 Gleichwohl soll das Betriebsstätten-FA des Entrichtungspflichtigen (bzw. das BZSt bei ausländischen Investmentfonds) eine Erstattung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 InvStG erst nach Ablauf der 18-Monatsfrist des § 7 Abs. 5 Satz 1 oder 2 InvStG vornehmen.3 Das BMF begründet all das damit, dass die Erklärung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 InvStG (also die des Entrichtungspflichtigen, dass eine Erstattung (nach § 7 Abs. 5 InvStG) weder vorgenommen wurde noch vorgenommen wird (s. dazu Rz. 19), nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen zum Erstattungsverfahren erst nach Ablauf der 18-Monatsfrist des § 7 Abs. 5 Satz 1 InvStG ausgestellt werden dürfe, wenn der Entrichtungspflichtige nicht vom Steuerabzug Abstand nimmt oder keine Erstattung vornimmt, weil er nicht die Verwahrstelle i.S.d. §§ 68 ff. oder §§ 80 ff. KAGB des Investmentfonds ist und daher nicht die Mindesthaltedauer i.S.d. § 36a Abs. 2 EStG prüfen kann.4 2. Für Investmentfonds nicht steuerpflichtige Kapitalerträge (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) Regelungsinhalt. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvStG regelt die Erstattung von Kapitalertragsteuer 18 nebst SolZ, die von Kapitalerträgen einbehalten und abgeführt wurde, mit denen der Investmentfonds gem. § 6 InvStG gar nicht der KSt unterliegt (s. § 6 InvStG Rz. 24). Nach Auffassung des Gesetzgebers könnte es nämlich zu einem Einbehalt von Kapitalertragsteuer auf Zinsen kommen, wenn ein inländischer Investmentfonds dem Entrichtungspflichtigen keine Statusbescheinigung vorlegt oder wenn bei einem ausländischen Investmentfonds weder der Status als Steuerausländer noch als Investmentfonds belegt wurde.5 Betroffen sein können also z.B. Zinsen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, die nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG dem Kapitalertragsteuerabzug unterliegen, bei fehlendem Inlandsbezug aber keine inländischen Einkünfte i.S.v. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG und damit Einkünfte nach § 6 Abs. 2 InvStG wären, mit denen ein Investmentfonds im Inland der Steuer unterliegt, sodass die Kapitalertragsteuer zu erstatten wäre. Das Gleiche gilt, wenn Kapitalertragsteuer zu Unrecht abgezogen wird (also z.B. irrig Kapitalerträge nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG statt solche nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG angenommen werden). Zu unterscheiden ist das von dem ebenso denkbaren Fall, dass Einkünfte für Investmentfonds stpfl. Einkünfte sind, ohne dass Kapitalertragsteuer einbehalten werden muss (also z.B. Zinsen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 bzw. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG, ohne dass die Voraussetzungen für einen Kapitalertragsteuerabzug nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG erfüllt sind), sodass der Investmentfonds mit diesen Einkünften zur Steuer veranlagt wird (wegen bestehender StPfl. und mangels Kapitalertragsteuerabzugs kein Erstattungsfall). Eine Erstat-

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BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 11.17. S. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 11 InvStG Anm. 5. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 11.7. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 11.7. BT-Drucks. 18/8045, 80 f. Klein | 301

§ 11 Rz. 18 | Erstattung von Kapitalertragsteuer an Investmentfonds tung von Kapitalertragsteuer und SolZ nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvStG setzt voraus, dass diese nicht schon vom Entrichtungspflichtigen erstattet wurde. Gemeint ist hier in der Nr. 1 der Fall der nachträglichen Vorlage der Statusbescheinigung (§ 7 Abs. 3 InvStG, s. dazu § 7 InvStG Rz. 61 ff.), mit der der Investmentfonds seinen Status als Investmentsfonds i.S.d. InvStG nachweist und bei deren Vorlage im Zeitpunkt des Zuflusses der Kapitalerträge keine Kapitalertragsteuer zu erheben gewesen wäre (s. § 7 Abs. 1 Satz 4 InvStG), weil der Investmentfonds mit den Kapitalerträgen schon nach § 6 Abs. 2 InvStG nicht der Steuer unterliegt.1 Bei Vorlage der Statusbescheinigung erst nach Zufluss der Kapitalerträge hat der Entrichtungspflichtige die einbehaltene Kapitalertragsteuer zu erstatten (§ 7 Abs. 5 Satz 1 InvStG i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 4 InvStG, s. dazu § 7 InvStG Rz. 65 f.). 19 Vorzulegende Unterlagen (Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2, Satz 4). Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2

InvStG sind eine Statusbescheinigung2, eine Steuerbescheinigung (über die Abführung der Kapitalertragsteuer) und eine Erklärung des Entrichtungspflichtigen, dass eine Erstattung (nach § 7 Abs. 5 InvStG) weder vorgenommen wurde noch vorgenommen wird, vorzulegen.3

20 Form, insbesondere elektronische Übermittlung der Steuerbescheinigungsdaten an das

BZSt (Abs. 1 Satz 4). Die vorzulegenden Unterlagen können schriftlich oder in elektronischer Form übermittelt werden.4 Nach § 11 Abs. 1 Satz 4 InvStG gilt eine Steuerbescheinigung als vorgelegt, soweit bei beschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Investmentfonds Angaben nach § 45a Abs. 2a EStG übermittelt wurden. Diese mit dem AbzStEntModG v. 2.6.2021 in § 11 Abs. 1 InvStG neu aufgenommene Regelung ist vor dem Hintergrund des ebenfalls neu geschaffenen § 45a Abs. 2a EStG zu sehen, nach dem bei beschränkt StPfl. auf deren Verlangen die Steuerbescheinigungsdaten elektronisch an das BZSt zu übermitteln sind. Die elektronische Übermittlung ersetzt die bisherige Ausstellung einer Steuerbescheinigung gem. § 45a Abs. 2 EStG des zum Steuerabzug verpflichteten Kreditinstituts gegenüber dem Kunden bzw. dem Gläubiger der Kapitalerträge. Deshalb fingiert § 11 Abs. 1 Satz 4 InvStG für diese Fälle, dass die nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 InvStG vorzulegende Steuerbescheinigung als vorgelegt gilt, sofern die Steuerbescheinigungsdaten übermittelt wurden.5

21 Frist. Nach § 11 Abs. 2 Satz 4 InvStG ist eine Erstattung ausgeschlossen, wenn „die Unterla-

gen nach Absatz 1 Satz 1 oder 2“ nicht innerhalb der Antragsfrist von 18 Monaten nach § 11 Abs. 2 InvStG (s. dazu Rz. 27) vorgelegt werden. Nach Ansicht des BMF setzt die „Erstattung gemäß § 11 Absatz 1 Satz 2 InvStG“6 zudem bei ausländischen Investmentfonds eine Erklärung des ausländischen Investmentfonds voraus, dass keine Erstattung nach § 50d EStG (jetzt § 50c EStG) beim BZSt beantragt wurde und auch kein Antrag gestellt wird (s. dazu „Verhältnis zu DBA“ unter Rz. 8). Das kann so absolut nicht richtig sein, da es einem ausländischen Investmentfonds unbenommen bleiben muss, aus einem DBA eine weitergehende Entlastung von inländischer Kapitalertragsteuer zu beanspruchen, wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Nur eine doppelte Erstattung ist selbstverständlich auszuschließen.

1 Das BMF (s. BMF-Anwendungsschreiben [konsolidierte Fassung], Rz. 11.2) vermengt dies unzutreffend mit den Fällen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvStG, in denen ein Investmentfonds mit Kapitalerträgen zwar der Steuer unterliegt, diese aber auf 15 % reduziert ist. 2 Zu einer Erleichterung dazu s. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 11.4. 3 S. auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 11.3. 4 BT-Drucks. 18/8045, 81. 5 S. auch BT-Drucks. 19/27632, 64 und Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 11 InvStG Anm. 5. 6 Gemeint sein kann bzw. können nur die Erstattungen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 InvStG, da Satz 2 in allen bislang geltenden Fassungen von § 11 Abs. 1 InvStG stets nur weitere Voraussetzungen für die Erstattung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 InvStG definierte, aber keine Erstattung regelte.

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B. Erstattung von Kapitalertragsteuer (Abs. 1) | Rz. 24 § 11

3. Kapitalertragsteuereinbehalt in über § 7 InvStG hinausgehender Höhe (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) Regelungsinhalt. Mit der Formulierung „in über § 7 hinausgehender Höhe“ in § 11 Abs. 1 22 Satz 1 Nr. 2 InvStG ist gemeint, dass Kapitalertragsteuer (nebst SolZ) erstattet wird, die die Kapitalertragsteuer (nebst SolZ) übersteigt, welche § 7 Abs. 1 Sätze 1 und 3 InvStG von den Kapitalerträgen zu erheben erlaubt, mit denen ein Investmentfonds der Steuer unterliegt (Absenkung des Steuersatzes von 25 % zzgl. SolZ auf 15 % inkl. SolZ, s. dazu § 7 InvStG Rz. 18 ff.). Auch in diesem Fall setzt eine Erstattung durch das Betriebsstätten-FA des Entrichtungspflichtigen (bzw. für ausländische Investmentfonds durch das BZSt, § 11 Abs. 1 Satz 3 InvStG) voraus, dass die Kapitalertragsteuer (nebst SolZ) nicht schon vom Entrichtungspflichtigen (§ 7 Abs. 3 InvStG) erstattet wurde. Gemeint ist hier in der Nr. 2 der Fall der nachträglichen Vorlage der Statusbescheinigung (§ 7 Abs. 3 InvStG, s. dazu § 7 InvStG Rz. 61 ff.), mit der der Investmentfonds seinen Status als Investmentfonds i.S.d. InvStG nachweist und bei deren Vorlage im Zeitpunkt des Zuflusses der Kapitalerträge der Entrichtungspflichtige berechtigt gewesen wäre, Kapitalertragsteuer nur i.H.v. 15 % (inkl. SolZ) einzubehalten (s. § 7 Abs. 1 Sätze 1 und 3 InvStG). Bei Vorlage der Statusbescheinigung erst nach Zufluss der Kapitalerträge hat der Entrichtungspflichtige die über 15 % hinausgehend einbehaltene Kapitalertragsteuer zu erstatten (§ 7 Abs. 5 Satz 1 InvStG i.V.m. § 7 Abs. 1 Sätze 1 und 3 InvStG, s. dazu § 7 InvStG Rz. 65). Vorzulegende Unterlagen. § 11 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 InvStG gilt auch für die Erstattung 23 nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvStG, sodass dieselben Anforderungen wie im Fall der Erstattung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvStG gelten (s. dazu Rz. 19).1 4. Nach §§ 8 oder 10 InvStG steuerbefreite Kapitalerträge bzw. Investmentfonds (Abs. 1 Satz 1 Nr. 3) Regelungsinhalt. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvStG regelt die Erstattung von Kapitalertragsteuer 24 nebst SolZ in Fällen, in denen Kapitalerträge eines Investmentfonds wegen der Beteiligung steuerbegünstigter Anleger ganz oder zum Teil steuerbefreit sind (§ 8 Abs. 1 InvStG) bzw. Investmentfonds (oder Anteilsklassen) nach § 10 Abs. 1 InvStG steuerbefreit sind. Für Investmentfonds, an denen nur steuerbegünstigte Anleger nach § 8 Abs. 1 InvStG beteiligt sein dürfen und die deshalb vollständig steuerbefreit sind (§ 10 Abs. 1 Satz 1 InvStG), regelt § 10 Abs. 5 InvStG, dass von an den Investmentfonds auszuzahlenden Kapitalerträgen keine Kapitalertragsteuer abzuziehen ist. Für Investmentfonds, an denen sich auch nicht steuerbegünstigte Anleger beteiligen dürfen und bei denen deshalb nur Einkünfte – je nach Umfang der Beteiligung steuerbegünstigter Anleger – ganz oder zum Teil steuerbefreit sind (§ 8 Abs. 1 InvStG), ist die Abstandnahme vom Steuerabzug nicht ausdrücklich geregelt und tatsächlich wegen der Verpflichtung zur Vorlage des erst nach Ablauf des Kalenderjahres und damit nach Zufluss der Kapitalerträge zu erstellenden Investmentanteil-Bestandsnachweises (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 InvStG) ausgeschlossen (s. dazu § 8 InvStG Rz. 11, 32). Der zu weite Wortlaut von § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 InvStG berücksichtigt das nicht, wenn er von „Fällen der §§ 8 und 10 InvStG“ spricht, in denen „nicht vom Steuerabzug Abstand genommen wurde“. Gemeint sein kann nur der Fall des § 10 Abs. 5 i.V.m. § 10 Abs. 1 InvStG, es sei denn, man möchte auch die Fälle des § 7 Abs. 1 Satz 4 InvStG einbeziehen (Abstandnahme vom Steuerabzug von Kapitalerträgen eines Investmentfonds, mit denen dieser nicht stpfl. ist), die allerdings bereits von § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvStG erfasst sind und zudem nicht von Steuerbefreiungen nach § 8 oder § 10 InvStG abhängen. Anders als § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 InvStG setzt § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 InvStG nur voraus, dass nicht vom Steuerabzug Abstand genommen wurde, d.h. die Steuer abgezogen wurde, nicht aber auch, dass sie abgeführt wurde. Angesichts der Dis1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 11.3. Klein | 303

§ 11 Rz. 24 | Erstattung von Kapitalertragsteuer an Investmentfonds kussion darüber, wem anzulasten ist, wenn ein zum Steuerabzug Verpflichteter seine Pflicht verletzt, abgezogene Steuer auch abzuführen, fällt es schwer, diese vom Wortlaut der Nr. 1 und 2 abweichende Formulierung als ein bloßes Versehen zu begreifen und deshalb auch in Nr. 3 zu verlangen, dass die Steuer auch abgeführt wurde.1 25 Erweiterter Umfang vorzulegender Unterlagen (Abs. 1 Satz 2). Nach Abs. 1 Satz 2 InvStG

sind „die Bescheinigungen und die Mitteilungen nach den §§ 8 bis 10“ beizufügen. Das ist sprachlich ungenau,2 gemeint sind die nicht in §§ 8 und 10 InvStG, sondern in § 9 InvStG geregelten Bescheinigungen zum Nachweis der Steuerbefreiung, d.h. die Bescheinigung nach § 44a Abs. 7 Satz 2 EStG (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 InvStG) und die Befreiungsbescheinigung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 InvStG) sowie der Investmentanteil-Bestandsnachweis (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 InvStG). Insgesamt sind damit für eine Erstattung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 InvStG vorzulegen3 (1) eine Statusbescheinigung des Investmentfonds, (2) eine Steuerbescheinigung über die Abführung der Kapitalertragsteuer, (3) eine Bescheinigung i.S.d. § 44a Abs. 7 Satz 2 EStG oder eine Befreiungsbescheinigung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 InvStG oder die Mitteilungen i.S.d. § 10 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 InvStG der Anbieter eines Altersvorsorge- oder Basisrentenvertrags sowie (4) ein Investmentanteil-Bestandsnachweis i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 3 InvStG oder die Mitteilungen i.S.d. § 9 Abs. 3 InvStG der Anbieter eines Altersvorsorge- oder Basisrentenvertrags sowie (5) die Erklärung des Entrichtungspflichtigen, aus der hervorgeht, dass eine Erstattung nach § 7 Abs. 5 InvStG weder vorgenommen wurde noch vorgenommen wird, sowie schließlich – nach Auffassung der FinVerw. – (6) bei ausländischen Investmentfonds die Erklärung des ausländischen Investmentfonds, dass keine Erstattung nach § 50d EStG (heute § 50c EStG) beim BZSt beantragt wurde und auch kein Antrag gestellt wird (s. zur Kritik an dem uneingeschränkten Verlangen nach Letzterer Rz. 21).

II. BZSt-Zuständigkeit bei ausländischen Investmentfonds (Abs. 1 Satz 3) 26 Nach § 11 Abs. 1 Satz 3 InvStG tritt bei beschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Investment-

fonds das BZSt an die Stelle des Betriebsstätten-FA des Entrichtungspflichtigen. Gemeint ist, dass in diesen Fällen das BZSt und nicht das Betriebsstätten-FA des Entrichtungspflichtigen zuständig ist, die Kapitalertragsteuer zu erstatten. § 11 Abs. 1 Satz 3 InvStG ist Teil der durch das AbzStEntModG v. 2.6.20214 modifizierten Regelungen, mit denen die abstrakte Gefahr mehrfacher Erstattungen durch die Bündelung der Zuständigkeit für Erstattungsanträge ausländischer Investmentfonds beim BZSt gebannt werden sollte (s. dazu „Rechtsentwicklung“ unter Rz. 5).

C. Antrag auf Kapitalertragsteuererstattung (Abs. 2) 27 Frist (Abs. 2 Sätze 1 bis 3). Der Antrag auf Erstattung der Kapitalertragsteuer nach § 11

Abs. 1 InvStG ist innerhalb von zwei Jahren nach Ablauf des Geschäftsjahres des Investmentfonds für das Geschäftsjahr zu stellen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 InvStG). Die Frist ist länger als die für eine Erstattung durch den Entrichtungspflichtigen (§ 7 Abs. 5 InvStG: 18 Monate nach Zufluss des Kapitalertrags)5, kann aber grds. nicht verlängert werden (§ 11 Abs. 2 Satz 3 1 2 3 4 5

S. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 11 InvStG Anm. 5. S. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 11 InvStG Anm. 5. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 11.6. BGBl. I 2021, 1259. Noch länger, nämlich vier Jahre nach § 50c Abs. 3 Satz 2 EStG (s. dazu Klein in H/H/R, § 50c EStG Anm. J 21-7), beträgt die Frist für einen auf ein DBA gestützten Kapitalertragsteuererstattungsantrag eines ausländischen Investmentfonds.

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C. Antrag auf Kapitalertragsteuererstattung (Abs. 2) | Rz. 30 § 11

InvStG), ohne dass der Gesetzgeber eine besondere Begründung dafür hat erkennen lassen. Nur ausnahmsweise verlängert sie sich nach § 11 Abs. 2 Satz 2 InvStG, wenn der Investmentfonds die Erteilung einer Statusbescheinigung oder einer Bescheinigung nach § 9 Abs. 1 InvStG (gemeint ist die Befreiungsbescheinigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 InvStG)1 beantragt und soweit („entsprechend“) der Zeitraum zwischen dem Zugang eines solchen Antrags (bei der zuständigen FinBeh. oder dem BZSt) und der Bestandskraft einer Entscheidung darüber mehr als sechs Monate beträgt.2 Verzögerungen in einem vor dem Erstattungsverfahren durchzuführenden Antragsverfahren auf Erteilung einer Statusbescheinigung als Investmentfonds oder als steuerbegünstigter Anleger (z.B. aufgrund langer Bearbeitungsdauer der FinBeh. oder aufgrund eines Rechtsbehelfsverfahrens) gehen also nicht zu Lasten des Investmentfonds.3 Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Verlängerung der Antragsfrist hat aber der Investmentfonds nachzuweisen.4 Adressat. Aus § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 3 InvStG ergibt sich, dass der Antrag im Fall von unbe- 28 schränkt körperschaftsteuerpflichtigen (inländischen) Investmentfonds an das Betriebsstätten-FA des Entrichtungspflichtigen und im Fall von beschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Investmentfonds an das BZSt zu richten ist. Form. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 InvStG ist der Antrag auf Kapitalertragsteuererstattung „nach 29 amtlich vorgeschriebenem Muster“ zu stellen. Die zwingend, d.h. zur Vermeidung eines Ausschlusses einer Erstattung innerhalb der Antragsfrist (§ 11 Abs. 2 Satz 4 InvStG) vorzulegenden Unterlagen können schriftlich oder elektronisch übermittelt werden.5 Umfang des Antrags (Abs. 2 Satz 1). Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 InvStG ist „der Antrag“ auf 30 Kapitalertragsteuererstattung „für das Geschäftsjahr“ zu stellen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist damit nur ein Antrag und dieser damit als Sammelantrag6 zu stellen. Auch nach Auffassung des BMF kann pro Betriebsstätten-FA nur ein Antrag für ein Geschäftsjahr des Investmentfonds gestellt werden, der sich auf das gesamte Geschäftsjahr beziehen und sämtliche Erstattungsgründe umfassen muss.7 Einzelanträge für einzelne mit Kapitalertragsteuer belastete Erträge oder für mehrere steuerbefreite Anleger sind ausgeschlossen. Die Kapitalertragsteuer wird im Rahmen eines einheitlichen Bescheides für das gesamte Geschäftsjahr erstattet.8 Nicht ausgeschlossen ist, dass ein Investmentfonds, der mehrere Entrichtungspflichtige mit unterschiedlichen Betriebsstätten-FÄ hat, auch mehrere Anträge (einen je BetriebsstättenFA) stellen kann.9 Vor der Änderung von § 11 Abs. 1 InvStG durch das AbzStEntModG (s. dazu „Rechtsentwicklung“ unter Rz. 5) und der damit angeordneten ausschließlichen Zuständigkeit des BZSt für Erstattungsanträge ausländischer Investmentfonds (§ 11 Abs. 1 Satz 3 InvStG) war es z.B. denkbar, dass ausländische Investmentfonds Aktien über verschiedene inländische Unterverwahrer hielten und dann damit deren, also ggf. unterschiedliche Betriebsstätten-FÄ Adressaten der dann ebenso notwendigerweise mehreren Erstattungsanträge waren.10

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BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 11.10. S. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 11 InvStG Anm. 10. Vgl. BT-Drucks. 18/8045, 81. BT-Drucks. 18/8045, 81. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 11.11. Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 11 InvStG Rz. 93. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 11.9. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 11.9. S. Meinhardt in Beckmann/Scholz/Vollmer, § 11 InvStG Rz. 13 (Stand: September 2020) und Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 11 InvStG Rz. 96. 10 Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 11 InvStG Rz. 96. Klein | 305

§ 12 Rz. 1 | Leistungspflicht gegenüber steuerbegünstigten Anlegern

§ 12 Leistungspflicht gegenüber steuerbegünstigten Anlegern (1) Der Investmentfonds hat den steuerbegünstigten Anlegern einen Betrag in Höhe der aufgrund der §§ 8 und 10 nicht erhobenen Steuer und der nach § 7 Absatz 5 oder nach § 11 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 erstatteten Steuer (Befreiungsbetrag) auszuzahlen. (2) 1Die Anbieter von Altersvorsorge- oder Basisrentenverträgen haben den Befreiungsbetrag zugunsten der Berechtigten aus den Altersvorsorge- oder Basisrentenverträgen wieder anzulegen. 2Ein Anspruch auf Wiederanlage besteht nur, wenn zum Zeitpunkt des Zuflusses des Befreiungsbetrags an den Anbieter (Stichtag) ein Altersvorsorge- oder Basisrentenvertrag besteht. 3Die Höhe des wieder anzulegenden Betrags richtet sich nach der Anzahl der Investmentanteile, die im Rahmen des Vertrags am Stichtag gehalten werden, im Verhältnis zum Gesamtzufluss. A. I. II. III. IV. B.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . 1 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . 10 Auszahlung des Befreiungsbetrags (Abs. 1) I. Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 II. Steuerbegünstigter Anleger . . . . . . . . . . . . 15

III. Befreiungsbetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsfolge: Auszahlungspflicht . . . . . . . . C. Wiederanlage des Befreiungsbetrags durch Anbieter von Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen (Abs. 2) I. Wiederanlagepflicht (Abs. 2 Satz 1) . . . . . II. Stichtagslösung (Abs. 2 Satz 2) . . . . . . . . . III. Verteilungsschlüssel (Abs. 2 Satz 3) . . . . .

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Literatur: Neumann, Investmentsteuerreformgesetz: Ausgewählte Problemfelder, DB 2016, 1779; Schweinitz/Thiems, Die Umsetzungspflicht für Depotbanken bei Publikumsfonds nach dem Regierungsentwurf des Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung, DStR 2016, 1198. Verwaltungsanweisungen: BMF v. 21.5.2019 – S 1980 - 1/16/10010:001, BStBl. I 2019, 527.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck 1 § 12 InvStG begründet eine Verpflichtung für gem. § 8 oder § 10 InvStG steuerbefreite Invest-

mentfonds, die aufgrund ihrer Steuerbefreiung bei ihnen nicht erhobenen oder ihnen erstatteten Steuern an ihre steuerbegünstigten Anleger auszahlen bzw. für diese wiederanzulegen. Hierfür definiert Abs. 1 die aufgrund der Steuerbefreiung nicht erhobenen bzw. erstatteten Beträge als sog. Befreiungsbeträge und ordnet deren Auszahlung an die steuerbegünstigten Anleger an. Abs. 2 enthält eine Sondervorschrift für Anbieter von Altersvorsorge oder Basisrentenverträgen, die die Befreiungsbeträge zugunsten der Berechtigten aus diesen Verträgen wieder anlegen müssen.

2 Der Zweck der Vorschrift erklärt sich vor dem Hintergrund der Steuerbefreiungen gem. § 8

und § 10 InvStG. Die Steuerbefreiung dieser Investmentfonds beruht allein auf dem Umstand, dass einige oder alle ihre Anleger steuerbegünstigt sind. Aufgrund des für Investmentfonds geltenden intransparenten Besteuerungssystems ist es zwar rechtstechnisch erforderlich, den jeweiligen Investmentfonds von der Steuer zu befreien. Die aus der Steuerbefreiung resultierenden Vorteile, welche das Gesetz als „Befreiungsbeträge“ definiert, sollen allerdings dennoch nur den steuerbegünstigten Anlegern zukommen. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu 306 | Mager

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 5 § 12

ausdrücklich, dass die Befreiungsbeträge nur den steuerbegünstigten Anlegern zustehen und nicht auf andere Anleger des Investmentfonds verteilt werden dürfen;1 die Befreiungsbeträge dürfen nicht dem Vermögen des Investmentfonds zugeführt werden, sondern müssen von dem Investmentfonds an die steuerbegünstigten Anleger oder an die Anbieter der Altersvorsorge- oder Basisrentenverträge ausgezahlt werden.2 Die Vorschrift dürfte allerdings nicht nur das Verhältnis zwischen einerseits steuerbegünstigten und andererseits nicht steuerbegünstigten Anleger eines Investmentfonds betreffen. Vielmehr bezweckt die Vorschrift auch die zutreffende Aufteilung der Befreiungsbeträge zwischen den steuerbegünstigten Anlegern untereinander. § 12 enthält deshalb einen gesetzlich normierten, zivilrechtlichen Anspruch der steuer- 3 begünstigten Anleger gegenüber gem. § 8 bzw. § 10 InvStG steuerbefreiten Investmentfonds, an denen sie beteiligt sind, auf Auszahlung der Befreiungsbeträge (s. ausführlich Rz. 13 ff.).3 Die Vorschrift ist individualschützend und stellt keine bloß öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Investmentfonds dar. Es handelt sich auch nicht um Ansprüche aus einem Steuerschuldverhältnis, da die Rechtsbeziehungen zwischen dem Investmentfonds und seinen Anlegern rein privatrechtlicher Natur sind und deshalb nicht Gegenstand eines Steuerschuldverhältnisses sein können. Die Verortung zivilrechtlicher Ansprüche in einem Steuergesetz ist systematisch jedenfalls 4 ungewöhnlich. Man kann sich deshalb berechtigterweise die Frage stellen, ob es überhaupt erforderlich gewesen wäre, eine Vorschrift wie den § 12 InvStG zu normieren. In der Tat wäre es denkbar gewesen, die Anleger im Hinblick auf die Befreiungsbeträge schlichtweg auf ihre sich aus den Anlagebedingungen ergebenden vertrags- oder gesellschaftsrechtlichen Ansprüche gegenüber dem jeweiligen Investmentfonds zu verweisen. Nur hätte sich dann bei vielen betroffenen Investmentfonds die Frage gestellt, ob ihre Anlagebedingungen überhaupt eine hinreichende Rechtsgrundlage dafür bieten, die Befreiungsbeträge nicht gemäß der allgemeinen Gewinnverteilungsabrede, sondern davon abweichend nur an die steuerbegünstigten Anleger auszuzahlen. Ferner hätte der Gesetzgeber als zusätzliche Tatbestandsvoraussetzung der Steuerbefreiung gem. § 8 bzw. § 10 InvStG normieren können, dass die Anlagebedingungen des jeweiligen Investmentfonds eine Verpflichtung zur Auszahlung der Befreiungsbeträge an die steuerbegünstigten Anleger vorsehen müssen. Damit wäre sichergestellt, dass die Befreiungsbeträge tatsächlich der gesetzgeberischen Intention entsprechend allein an die steuerbegünstigten Anleger ausgezahlt werden. Nur hätte dies ggf. eine Vielzahl von Investmentfonds von der Inanspruchnahme der Steuerbefreiungstatbestände gem. § 8 bzw. § 10 InvStG ausgenommen – insbes. Bestandsfonds, die keine solche Auszahlungsregelung vorsehen und bei denen sich die Anlagebedingungen ggf. nicht mehr ändern lassen. Insofern mag § 12 InvStG eine Norm sein, die sich systematisch nicht recht in das Gesetz einfügt. Sie verfolgt aber einen nachvollziehbaren steuerlichen Zweck.4 In der Praxis empfiehlt es sich, die in § 12 InvStG geregelten Ansprüche in die Fondsdoku- 5 mentation entsprechend zu integrieren.5

1 Vgl. Hahne/Völker, BB 2017, 858 (860): Mit § 12 Abs. 1 InvStG „wird verhindert, dass mittelbar auch steuerlich nicht begünstigte Anleger von der partiellen Steuerbefreiung des Investmentfonds profitieren“. 2 Regierungsentwurf des InvStRefG v. 7.4.2016, BT-Drucks. 18/8045, 81. 3 Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 12 InvStG Anm. 1; Meinhardt in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 12 InvStG Rz. 1. 4 Vgl. auch Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 12 InvStG Rz. 1, 10 („aufgrund des klaren steuerlichen Hintergrunds der Norm als spezifischer Bestandteil der Besteuerungsregelungen von Investmentfonds“). 5 Siehe hierzu ausführlich Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 12 InvStG Rz. 60 ff., unter Verweis auf die vom BVI herausgegebenen Mustertexte. Mager | 307

§ 12 Rz. 6 | Leistungspflicht gegenüber steuerbegünstigten Anlegern

II. Anwendungsbereich 6 Der persönliche Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst gem. § 8 oder § 10 InvStG steuer-

befreite Investmentfonds und Anteilsklassen sowie deren Anleger. Wie der gesamte Regelungskomplex der §§ 8–14 InvStG gilt die Vorschrift dabei im Prinzip gleichermaßen für inund ausländische Investmentfonds, nicht hingegen für Spezial-Investmentfonds (vgl. § 25 InvStG). Der sachliche Anwendungsbereich betrifft die sog. Befreiungsbeträge und deren Auszahlung an die steuerbegünstigten Anleger steuerbefreiter Investmentfonds. Zeitlich ist die Vorschrift seit dem 1.1.2018 anwendbar (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 1 InvStG).

III. Rechtsentwicklung 7 Die Vorschrift wurde i.R.d. InvStRefG eingeführt und ist mit dem neuen, seit dem 1.1.2018

gültigen InvStG in Kraft getreten. Sie ist seitdem unverändert geblieben. Die FinVerw. hat einige Anmerkungen zur Auslegung der Vorschrift im Investmentsteuererlass vorgenommen (insbes. zur Rechtsnatur und Besteuerung der Befreiungsbeträge sowie zur Möglichkeit des Verzichts auf eine Auszahlung).1

8 Eine Vorgängernorm des heutigen § 12 InvStG existierte im InvStG a.F. nicht. Für den gesam-

ten Regelungskomplex der Steuerbefreiungen gem. §§ 8–14 InvStG gilt, dass diese Vorschriften unter Geltung des früheren für Investmentfonds geltenden semi-transparenten Besteuerungsregimes nicht erforderlich waren, da Investmentfonds grds. und unabhängig von der Beteiligung steuerbegünstigter Anleger steuerbefreit waren.

9 Die Vorschrift war i.R.d. Gesetzgebungsverfahrens zum InvStRefG von Anfang an vorgese-

hen. Bereits der Diskussionsentwurf v. 21.7.2015 enthielt in dessen § 11 die Verpflichtung zur Auszahlung von Befreiungsbeträgen an steuerbegünstigte Anleger.2 Abs. 1 erhielt seine heutige Fassung im Zuge des Regierungsentwurfs, ohne dass dessen Regelungsinhalt sich wesentlich veränderte.3 Abs. 2 entspricht in seiner heutigen Fassung der Formulierung im Referentenentwurf.4 Im Gegensatz zum Diskussionsentwurf wurde insbes. die Regelung gestrichen, wonach Befreiungsbeträge als Leistungen i.S.d. § 22 Nr. 5 Satz 1 EStG zu qualifizieren sein sollten.

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 10 Die Vorschrift ist Teil des Regelungskomplexes der §§ 8–14 InvStG, der sich mit der Steuer-

befreiung von Investmentfonds beschäftigt. § 12 InvStG gilt sowohl für gem. § 8 InvStG als auch für gem. § 10 InvStG steuerbefreite Investmentfonds. Die Definition der Befreiungsbeträge in Abs. 1 knüpft an die Steuererstattungen gem. § 7 Abs. 5 InvStG und § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvStG an.

11 Weitere Regelungen in Bezug auf die Befreiungsbeträge enthalten die §§ 13, 14 InvStG. Ein

systematisch enger Zusammenhang besteht insbes. zu § 13 Abs. 3 InvStG, der eine Verpflichtung der betroffenen Anleger zur Rückzahlung von Befreiungsbeträgen für den Fall vorsieht, dass ein Investmentfonds seine Steuerbefreiung aufgrund der Beteiligung nicht steuerbegünstigter Anleger verliert. Ähnlich wie § 12 InvStG betrifft er ebenfalls allein das Verhältnis zwi1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 12.1 ff. 2 Diskussionsentwurf des InvStRefG v. 21.7.2015, abrufbar unter: www.bvkap.de/sites/default/files/ news/reinversion_invstrefg_diskussionsentwurf_9-7-2015_20150722110526.pdf [abgerufen am 12.10.2022]. 3 Regierungsentwurf des InvStRefG v. 7.4.2016, BT-Drucks. 18/8045, 17, 82. 4 Referentenentwurf des InvStRefG v. 16.12.2015.

308 | Mager

B. Auszahlung des Befreiungsbetrags (Abs. 1) | Rz. 16 § 12

schen Investmentfonds und Anleger (zur abweichenden Zielrichtung s. ausführlich § 13 InvStG Rz. 26 ff.). Ferner beschränken die Befreiungsbeträge die Höhe der Rückzahlungspflichten bzw. der Inan- 12 spruchnahme eines Investmentfonds gem. § 13 Abs. 4 InvStG und § 14 Abs. 6 Satz 5 InvStG sowie die Anlegerhaftung gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 InvStG.

B. Auszahlung des Befreiungsbetrags (Abs. 1) I. Investmentfonds Normadressat des § 12 Abs. 1 InvStG sind Investmentfonds. Sie sind verpflichtet, die Befrei- 13 ungsbeträge auszuzahlen. Der Begriff des Investmentfonds ist legaldefiniert in § 1 Abs. 2 Satz 1 InvStG. Der jeweilige Investmentfonds muss gem. § 8 oder § 10 InvStG steuerbefreit sein bzw. eine 14 gem. § 10 InvStG steuerbefreite Anteilsklasse haben. Zwar wird eine einschränkende Auslegung der Rechtsfolgen des § 12 InvStG im Anwendungsbereich von nach § 10 InvStG steuerbefreiten Investmentfonds in der Literatur zumindest teilweise für richtig erachtet.1 Dessen ungeachtet erstreckt sich aber der Anwendungsbereich des § 12 InvStG im Grundsatz gleichermaßen auf Steuerbefreiungen nach § 8 und § 10 InvStG.2 In beiden Fällen können steuerbegünstigte und nicht steuerbegünstigte Anleger am Investmentfonds beteiligt sein. Im Rahmen des § 10 InvStG betrifft dies z.B. den Fall, in dem nur eine Anteilsklasse des Investmentfonds steuerbefreit ist. Ferner ist sowohl i.R.d. § 8 InvStG als auch des § 10 InvStG die richtige Aufteilung der Befreiungsbeträge zwischen den steuerbegünstigten Anlegern des Investmentfonds untereinander zu gewährleisten.

II. Steuerbegünstigter Anleger Auszahlungsberechtigter sind die steuerbegünstigten Anleger des Investmentfonds. Der Be- 15 griff des steuerbegünstigten Anlegers wird im InvStG nicht legaldefiniert. Im Rahmen des § 12 Abs. 1 InvStG sind hierunter Anleger gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1 InvStG sowie § 8 Abs. 2 InvStG (d.h. steuerbefreite Anleger und juristische Personen des öffentlichen Rechts; s. hierzu § 8 InvStG Rz. 20 ff., 37 ff.) zu verstehen. Aus dem Regelungszusammenhang ergibt sich, dass Anleger gem. § 8 Abs. 1 Nr. 2 InvStG (Berechtigte aus Altersvorsorge- oder Basisrentenverträgen) nicht erfasst sind, weil Abs. 2 für diese eine Spezialregelung enthält.3

III. Befreiungsbetrag § 12 Abs. 1 enthält die Legaldefinition für den Begriff des Befreiungsbetrags. Der Befreiungs- 16 betrag ist danach der Betrag i.H.d. aufgrund der §§ 8 und 10 InvStG nicht erhobenen Steuer und der nach § 7 Abs. 5 InvStG oder nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvStG erstatteten Steuer.

1 Vgl. Neumann, DB 2016, 1779 (1783); zustimmend Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 12 InvStG Rz. 29. 2 So auch das BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 12.4, allerdings mit Nichtbeanstandungsregelungen, insbes. für den Fall, dass der Investmentfonds im Einvernehmen mit den Anlegern auf die Auszahlung des Befreiungsbetrags verzichtet; vgl. dazu unten Rz. 27 f. 3 Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 12 InvStG Anm. 5. Mager | 309

§ 12 Rz. 17 | Leistungspflicht gegenüber steuerbegünstigten Anlegern 17 Der Befreiungsbetrag stellt im Ergebnis eine reine Rechengröße dar („Betrag“).1 Er bestimmt

die Höhe der von § 12 Abs. 1 InvStG begründeten zivilrechtlichen (s. Rz. 3 f.) Auszahlungsansprüche der steuerbegünstigten Anleger gegenüber steuerbefreiten Investmentfonds. Weder beim Befreiungsbetrag selbst noch bei den Auszahlungsansprüchen gem. § 12 Abs. 1 InvStG handelt es sich um einen Steuer-, Steuervergütungs-, Haftungs- oder Erstattungsanspruch; es handelt sich um keine Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (vgl. § 37 AO).

18 Der erste Fall des Befreiungsbetrags sind die Beträge i.H.d. gem. § 8 und § 10 InvStG nicht

erhobenen Steuer. Hierbei handelt es sich um hypothetische Steuerbeträge, die bei unterstellter StPfl. des Investmentfonds anteilig auf die steuerbegünstigten Anleger entfallen würden.2 Betroffen sind einerseits die inländischen Immobilienerträge gem. § 6 Abs. 4 InvStG und die sonstigen inländischen Einkünfte gem. § 6 Abs. 5 InvStG ohne Steuerabzug sowie andererseits Kapitalerträge, bei denen ein Steuerabzug gem. § 10 Abs. 5 InvStG unterblieben ist.

19 Die auf nicht erhobenen Steuern beruhenden Befreiungsbeträge sind grds. im Veranlagungs-

verfahren zu ermitteln. Wenn der Investmentfonds nur Einkünfte erzielt, bei denen in zutreffender Höhe ein Steuerabzug vorgenommen wurde, ist kein Veranlagungsverfahren durchzuführen, sodass der Investmentfonds selbst zu ermitteln hat, in welchem betragsmäßigen Umfang nach § 10 Abs. 5 InvStG vom Steuerabzug Abstand genommen wurde.3

20 Der zweite Fall des Befreiungsbetrags sind die nach § 7 Abs. 5 InvStG oder nach § 11 Abs. 1

Satz 1 Nr. 2 InvStG erstatteten Steuern.

21 Die Vorschrift erfasst unstreitig Erstattungen gem. § 7 Abs. 5 Satz 2 InvStG (s. ausführlich

§ 7 InvStG Rz. 67 ff.). Damit sind die Fälle gemeint, in denen gegenüber einem Investmentfonds Kapitalertragsteuer erhoben wurde, dieser aber innerhalb von 18 Monaten nach Zufluss des Kapitalertrags gegenüber dem Entrichtungspflichtigen nachweist, dass die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung gem. §§ 8 bis 10 InvStG vorlagen. Dann hat der Entrichtungspflichtige die Steuer zu erstatten, die nicht abgezogen worden wäre, wenn die Voraussetzungen der Steuerbefreiung bereits bei Zufluss nachgewiesen worden wären. Der Investmentfonds hat den Betrag gem. § 12 Abs. 1 InvStG an die steuerbegünstigten Anleger auszuzahlen.

22 Nach dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 InvStG führen aber auch Erstattungsfälle gem. § 7 Abs. 5

Satz 1 InvStG zur Entstehung von Befreiungsbeträgen (s. ausführlich § 7 InvStG Rz. 65 f.). Hierbei handelt es sich um den Fall, dass ein Investmentfonds innerhalb von 18 Monaten nach dem Zufluss des Kapitalertrags gegenüber dem Entrichtungspflichtigen eine Statusbescheinigung als Investmentfonds (§ 7 Abs. 3 InvStG) vorlegt. Der Entrichtungspflichtige hat dann die Differenz zwischen dem regulären Steuerabzug (25% zzgl. SolZ) und dem gegenüber Investmentfonds gem. § 7 Abs. 1 InvStG zulässigen Steuerabzug (15%) zu erstatten. Insoweit erscheint eine Auszahlungsverpflichtung als Befreiungsbetrag an die steuerbegünstigten Anleger gem. § 12 Abs. 1 InvStG jedoch wenig sinnvoll, weil diese Beträge nicht nur den steuerbegünstigten, sondern allen Anlegern des Investmentfonds zustehen. Vor diesem Hintergrund wird argumentiert, die Vorschrift müsse dahingehend einschränkend ausgelegt werden, dass eine Auszahlungspflicht an steuerbegünstigte Anleger für nach § 7 Abs. 5 Satz 1 InvStG erstattete Steuern nur insoweit besteht, wie die zugrunde liegenden Einkünfte des Investmentfonds tatsächlich auf steuerbegünstigte Anleger entfallen.4 Richtigerweise sollte die Vorschrift des § 12 Abs. 1 InvStG allerdings so ausgelegt werden, dass sie allein auf § 7 Abs. 5 Satz 2 InvStG verweist und für nach § 7 Abs. 5 Satz 1 InvStG erstattete Steuern überhaupt keine Auszahlungspflicht besteht, auch nicht insoweit, wie die zugrunde liegenden Einkünfte auf steuer1 2 3 4

Christ/Ramackers in BeckOK InvStG, § 12 Rz. 24. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 12.2. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 12.2. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 12 InvStG Anm. 5; Christ/Ramackers in BeckOK InvStG, § 12 Rz. 23; Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 12 InvStG Rz. 35.

310 | Mager

B. Auszahlung des Befreiungsbetrags (Abs. 1) | Rz. 27 § 12

begünstigte Anleger entfallen. Erstattungen gem. § 7 Abs. 5 Satz 1 InvStG beruhen allein auf dem Status als Investmentfonds und nicht auf der Steuerbegünstigung der Anleger, sodass kein Grund für eine Auszahlungspflicht besteht. Schließlich sind auch Erstattungen gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvStG erfasst (s. ausführ- 23 lich § 11 InvStG Rz. 22 f.). Hierbei handelt es sich um Fälle, in denen gegenüber einem Investmentfonds Kapitalertragsteuer erhoben wurde, dieser eigentlich nach §§ 8 bis 10 InvStG steuerbefreit ist, aber die Voraussetzungen einer Erstattung gem. § 7 Abs. 5 InvStG (z.B. mangels rechtzeitigen Erhalts der Statusbescheinigung) nicht erfüllt werden können.

IV. Rechtsfolge: Auszahlungspflicht Die Rechtsfolge des § 12 Abs. 1 InvStG besteht darin, dass der Investmentfonds die Befrei- 24 ungsbeträge an die steuerbegünstigten Anleger auszuzahlen hat. Es handelt sich um eine zivilrechtliche Leistungspflicht des Investmentfonds gegenüber den einzelnen steuerbegünstigten Anlegern. Jeder steuerbegünstigte Anleger hat Anspruch auf einen Befreiungsbetrag i.H.d. nicht erhobenen bzw. erstatteten Steuern, soweit die zugrunde liegenden Einkünfte des Investmentfonds auf ihn als steuerbegünstigten Anleger entfallen. Der Gesetzeswortlaut lässt allerdings zugegebenermaßen offen, ob bzw. inwiefern die Vor- 25 schrift tatsächlich individuelle Ansprüche der steuerbegünstigten Anleger gegen den Investmentfonds begründet. Das Gesetz spricht nur ganz allgemein davon, dass die Befreiungsbeträge den steuerbegünstigten Anlegern auszuzahlen seien. Man könnte dies so verstehen, dass das Gesetz lediglich eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung ohne individualschützenden Charakter begründet. Gegen eine solche Auslegung spricht jedoch nicht nur der Wortlaut der Überschrift („Leistungspflicht“), sondern vor allem auch der Zweck der Steuerbefreiungsvorschriften der §§ 8–14 InvStG insgesamt, wonach steuerbegünstigte Anleger i.R.d. Fondsanlage nicht schlechter gestellt werden sollen als bei einer Direktanlage. Dieses Ziel wird nur erreicht, wenn die Anleger die auf sie entfallenden Befreiungsbeträge tatsächlich erhalten. Folgerichtig ist davon auszugehen, dass § 12 InvStG einen gesetzlich normierten, zivilrechtlichen Anspruch begründet (s. hierzu bereits Rz. 3).1 Abweichend von der hier vertretenen Auffassung wird teilweise auch vertreten, dass es sich um eine öffentlich-rechtliche Norm handele, die lediglich individualschützenden Charakter habe, sodass sie im Falle einer Verletzung einen Schadensersatzanspruch i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB begründe.2 Der steuerbegünstigte Anleger kann mit dem Investmentfonds vereinbaren, dass der jeweilige 26 Befreiungsbetrag gegen Ausgabe neuer Anteile wiederangelegt wird. Anlagebedingungen sehen in der Praxis häufig eine solche Wiederanlage vor.3 Die Wiederanlage stellt eine Auszahlung i.S.d. § 12 Abs. 1 InvStG dar.4 Dies entspricht dem Zuflussprinzip gem. § 11 EStG, wonach Einnahmen zugeflossen sind, wenn der StPfl. über sie wirtschaftlich verfügen kann.5 Ferner beanstandet es die FinVerw. nicht, wenn bei einem Investmentfonds oder einer An- 27 teilsklasse nach § 10 Abs. 1 oder Abs. 2 InvStG im Einvernehmen mit den Anlegern auf eine Auszahlung verzichtet wird und der Befreiungsbetrag ohne Ausgabe neuer Anteile dem

1 Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 12 InvStG Anm. 1, 5; Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 12 InvStG Rz. 35. 2 Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 12 InvStG Rz. 48. Der von Schäfer erwähnte vertragsrechtliche Anspruch aus dem Investmentvertrag besteht daneben, aber natürlich nur, wenn sich daraus ein entsprechender Auszahlungsanspruch tatsächlich ergibt. 3 Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 12 InvStG Rz. 39. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 12.3. 5 Krüger in Schmidt41, § 11 EStG Rz. 15 m.w.N. Mager | 311

§ 12 Rz. 27 | Leistungspflicht gegenüber steuerbegünstigten Anlegern Fondsvermögen zugeführt wird.1 Diese teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs des § 12 Abs. 1 InvStG ist gerechtfertigt, weil die Wiederanlage der Befreiungsbeträge ohne Ausgabe neuer Anteile dazu führt, dass sich der Wert der bestehenden Anteile erhöht und dadurch die Befreiungsbeträge wirtschaftlich den steuerbegünstigten Anlegern in zutreffender Höhe zugutekommen.2 28 Die teleologische Reduktion kann allerdings nur eingeschränkt gelten, wenn ein Investment-

fonds bzw. eine Anteilsklasse steuerbegünstigte Anleger sowohl gem. § 8 Abs. 1 InvStG als auch gem. § 8 Abs. 2 InvStG hat. Dann ist die Wiederanlage ohne Ausgabe neuer Anteile nur im Hinblick auf die nach § 10 Abs. 2 InvStG steuerbefreiten Erträge (d.h. für inländische Immobilienerträge gem. § 6 Abs. 4 InvStG und sonstige inländische Einkünfte gem. § 6 Abs. 5 InvStG) gerechtfertigt, weil nur insoweit die Wiederanlage zu einer zutreffenden Verteilung der Befreiungsbeträge zwischen den steuerbegünstigten Anlegern führt. Nach Auffassung der FinVerw. soll darüber hinaus auch die Wiederanlage gem. § 7 Abs. 5 Satz 1 InvStG erstatteter Steuerbeträge möglich sein.3 Nach hier vertretener Auffassung folgt die Nichtauszahlungspflicht aber bereits daraus, dass es sich insoweit gar nicht um Befreiungsbeträge handelt (s. Rz. 22).

29 Die Auszahlung der Befreiungsbeiträge ist nach Auffassung der FinVerw. auf Anlegerebene

nicht steuerbar.4 Diese Auffassung ist zutreffend, weil nach § 16 InvStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG nur die Ausschüttungen, Vorabpauschalen und Gewinne aus der Veräußerung von Investmentanteilen stpfl. Kapitaleinkünfte sind.5

30 Bei gemeinnützigen Anlegern unterliegen die ausgezahlten Befreiungsbeträge dem Grundsatz

der zeitnahen Mittelverwendung gem. § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO.6 Daran ändert die Nichtsteuerbarkeit nichts, weil „Mittel“ alle Vermögenswerte einer gemeinnützigen Körperschaft sind, nicht nur die Einkünfte im technischen Sinn.7

31 Für den Fall, dass Befreiungsbeträge zu Unrecht gezahlt werden, enthält § 13 Abs. 3 InvStG

eine spezielle Regelung zur Rückabwicklung. Diese Regelung betrifft aber nur den Fall, dass ein steuerbegünstigter Anleger seine Steuerbegünstigung verloren oder seine Anteile auf einen nicht steuerbegünstigten Anleger übertragen hat und deshalb insoweit die Steuerbefreiung des Investmentfonds entfallen ist (s. § 13 InvStG Rz. 26). Für alle andere Fälle (z.B. versehentliche Zahlung an einen nicht steuerbegünstigten Anleger oder versehentlich zu hohe Zahlung an einen steuerbegünstigten Anleger, Übertragung von Anteilen an einen anderen steuerbegünstigten Anleger) erfolgt die Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht, weil die Leistung ohne Rechtsgrund erfolgt ist (zur Frage der analogen Anwendung s. § 13 InvStG Rz. 27).

32 Die Befreiungsbeträge sollen zwar den steuerbegünstigten Anlegern zugutekommen und dür-

fen deshalb nicht dem Fondsvermögen zugeführt werden.8 Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Befreiungsbeträge zunächst Bestandteil des Vermögens des Investmentfonds und davon nicht vermögensmäßig getrennt sind. Die steuerbegünstigten Anleger haben gem. § 12 Abs. 1 InvStG lediglich schuldrechtliche Ansprüche gegen den Investmentfonds auf Auszahlung.

1 2 3 4 5 6 7 8

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 12.4. Hierzu bereits Neumann, DB 2016, 1779 (1783). BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 12.4. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 12.1. Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 12 InvStG Rz. 36. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 12.5. BFH v. 20.3.2017 – X R 13/15, BStBl. II 2017, 1110; Gersch in Klein15, § 55 AO Rz. 4. Regierungsentwurf des InvStRefG v. 7.4.2016, BT-Drucks. 18/8045, 81.

312 | Mager

C. Wiederanlage des Befreiungsbetrags (Abs. 2) | Rz. 35 § 12

C. Wiederanlage des Befreiungsbetrags durch Anbieter von Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen (Abs. 2) I. Wiederanlagepflicht (Abs. 2 Satz 1) Anbieter von Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen sind gem. Abs. 2 Satz 1 verpflichtet, 33 die Befreiungsbeträge zugunsten der aus diesen Verträgen Berechtigten wiederanzulegen. Die Verpflichtung ist nicht abdingbar.1 Sie unterliegen nicht der Auszahlungspflicht, weil es sich um keine steuerbegünstigten Anleger i.S.d. Abs. 1 handelt (s. Rz. 15). Sachlich rechtfertigt sich diese Regelung dadurch, dass Altersvorsorge- und Basisrentenverträge der Alterssicherung dienen und keine laufenden Auszahlungen während der Einzahlungsphase vorsehen.

II. Stichtagslösung (Abs. 2 Satz 2) Nach Abs. 2 Satz 2 besteht nur dann ein Anspruch auf Wiederanlage, wenn der Altersvorsor- 34 ge- bzw. Basisrentenvertrag zum Zeitpunkt des Zuflusses des Befreiungsbetrags an den Anbieter besteht (sog. Stichtag). Hierbei handelt es sich um eine administrative Erleichterung für die Anbieter von Altersvorsorge- oder Basisrentenverträgen. Denn eigentlich wäre der Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs auf Auszahlung des jeweiligen Befreiungsbetrags maßgeblich. Dies würde jedoch dazu führen, dass die Anbieter bei jeder Auszahlung eines Befreiungsbetrags feststellen müssten, zu welchem Zeitpunkt die zugrunde liegende Steuer erstattet bzw. nicht erhoben wurde. So wäre für jede einzelne Dividendenzahlung, die ein Investmentfonds erhält, eine andere Verteilung des Befreiungsbetrags unter den Berechtigten aus den Altersvorsorge- oder Befreiungsbeträgen vorzunehmen.2 Vor diesem Hintergrund legt Abs. 2 Satz 2 eine abweichende, für jeden ausgezahlten Befreiungsbetrag einheitliche Stichtagsdefinition fest.

III. Verteilungsschlüssel (Abs. 2 Satz 3) Als Verteilungsschlüssel sieht Abs. 2 Satz 3 vor, dass sich die Höhe des für den jeweiligen Be- 35 rechtigten wieder anzulegenden Betrags nach der Anzahl der Investmentanteile, die i.R.d. Vertrags am Stichtag gehalten werden, im Verhältnis zum Gesamtzufluss richtet. Diese Formulierung ist missverständlich. Gemeint ist vielmehr, dass sich der Anteil eines Berechtigten an dem einem Anbieter zufließenden Befreiungsbetrag nach dem Verhältnis der (i) Anzahl der Investmentanteile, die i.R.d. Vertrags für den jeweiligen Berechtigten gehalten werden und für die ein Befreiungsbetrag gezahlt wurde, zur (ii) Gesamtzahl der Investmentanteile, die der Anbieter der Verträge hält und für die ein Befreiungsbetrag gezahlt wurde, richtet.3

1 Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 12 InvStG Rz. 50. 2 Regierungsentwurf des InvStRefG v. 7.4.2016, BT-Drucks. 18/8045, 82. 3 Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 12 InvStG Anm. 15; a.A. Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, § 12 InvStG Rz. 56, der davon ausgeht, dass hieraus keine abweichenden rechnerischen Ergebnisse folgen. Mager | 313

§ 13 Rz. 1 | Wegfall der Steuerbefreiung eines Anlegers

§ 13 Wegfall der Steuerbefreiung eines Anlegers (1) 1Fallen die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung eines Anlegers eines Investmentfonds oder einer Anteilklasse nach § 10 weg, so ist der Anleger verpflichtet, dies dem Investmentfonds innerhalb eines Monats nach dem Wegfall der Voraussetzungen mitzuteilen. 2Das Gleiche gilt, wenn ein Anleger seine Investmentanteile an einem Investmentfonds oder einer Anteilklasse nach § 10 auf einen anderen Anleger überträgt. (2) Die Steuerbefreiung eines Investmentfonds oder einer Anteilklasse nach § 10 entfällt in dem Umfang, in dem bei den Anlegern des Investmentfonds die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung wegfallen oder die Investmentanteile auf einen anderen Anleger übertragen werden. (3) Der Anleger hat unverzüglich die in den Fällen des Absatzes 2 zu Unrecht gewährten Befreiungsbeträge an den Investmentfonds zurückzuzahlen. (4) 1Der Investmentfonds hat in den Fällen des Absatzes 2 die zurückgezahlten Befreiungsbeträge und die noch nicht ausgezahlten Befreiungsbeträge unverzüglich an die nach § 4 Absatz 1 oder Absatz 2 Nummer 1 zuständige Finanzbehörde zu zahlen. 2Fehlt eine nach § 4 Absatz 1 oder Absatz 2 Nummer 1 zuständige Finanzbehörde, so hat der Investmentfonds die zurückgezahlten Befreiungsbeträge und die noch nicht ausgezahlten Befreiungsbeträge unverzüglich an den Entrichtungspflichtigen zu zahlen. A. I. II. III. IV. B.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . 1 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . 9 Mitteilung der Beteiligung nicht steuerbegünstigter Anleger (Abs. 1) I. Investmentfonds oder Anteilsklasse nach § 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 II. Erfasste Vorgänge 1. Wegfall der Steuerbefreiung eines Anlegers (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2. Übertragung der Anteile (Abs. 1 Satz 2) 18

III. Rechtsfolge: Mitteilungspflicht . . . . . . . . . C. Anteiliges Entfallen der Steuerbefreiung des Investmentfonds (Abs. 2) . . . . . . . . . D. Verpflichtung der Anleger zur Rückzahlung von Befreiungsbeträgen (Abs. 3) . E. Verpflichtung des Investmentfonds zur Rückzahlung von Befreiungsbeträgen (Abs. 4) I. Rückzahlung an die zuständige Finanzbehörde (Abs. 4 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rückzahlung an den Entrichtungspflichtigen (Abs. 4 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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30 33

Literatur: Lechner, (Erneute) Reform der Investmentbesteuerung – ein Überblick, RdF 2016, 208; Kirchhain, Reform des Investmentsteuergesetzes – praktische Auswirkungen für gemeinnützige Organisationen, Non Profit Law Yearbook 2017, 175.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck 1 § 13 InvStG enthält die Rechtsfolgen für den Fall, dass nicht steuerbegünstigte Anleger an

gem. § 10 InvStG steuerbefreiten Investmentfonds oder Anteilsklassen beteiligt sind.

2 Die Bedeutung der Vorschrift erklärt sich vor dem Hintergrund der Steuerbefreiung i.S.d. § 10

InvStG, die tatbestandlich voraussetzt, dass sich lediglich bestimmte steuerbegünstigte Anleger an dem jeweiligen Investmentfonds bzw. der Anteilsklasse beteiligen dürfen. Trotz dieses Ausschlusses kann es zu Situationen kommen, in denen tatsächlich nicht steuerbegünstigte An314 | Mager

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 8 § 13

leger an gem. § 10 InvStG steuerbefreiten Investmentfonds oder Anteilsklassen beteiligt sind. Das Gesetz hält dies in zwei Fällen für möglich: Praktisch relevant dürfte dabei vor allem die erste Fallgruppe des Wegfalls der Steuerbegünstigung eines Anlegers sein (Abs. 1 Satz 1). Weniger häufig dürfte die zweite Fallgruppe vorkommen, in der ein steuerbegünstigter Anleger seine Anteile an einen nicht steuerbegünstigten Anleger überträgt (Abs. 1 Satz 2), denn eine solche Übertragung ist gem. § 10 Abs. 3 InvStG eigentlich unzulässig. Der Zweck der Steuerbefreiung gem. § 10 InvStG besteht bekanntlich darin, den steuer- 3 begünstigten Anleger bei einem mittelbaren Investment über einen Investmentfonds nicht schlechter zu stellen als bei einem unmittelbaren Investment. Im Falle einer Beteiligung nicht steuerbegünstigter Anleger entfällt der tragende Grund für die Steuerbefreiung des Investmentfonds. Zweck des § 13 InvStG ist daher die Versagung der Steuerbefreiung in diesen Fällen und die Rückabwicklung der Steuerbegünstigungen, die mit der (vermeintlichen) Steuerbefreiung einhergegangen waren. Vor diesem Hintergrund ordnet § 13 InvStG als wesentliche Rechtsfolge in dessen Abs. 2 das 4 anteilige Entfallen der Steuerbefreiung des Investmentfonds bzw. der Anteilsklasse an. Um sicherzustellen, dass der Investmentfonds von der Beteiligung nicht steuerbegünstigter Anleger erfährt, enthält Abs. 1 eine entsprechende Mitteilungspflicht des Anlegers gegenüber dem Investmentfonds. In den letzten beiden Absätzen regelt § 13 die Rückabwicklung bereits gewährter Befreiungsbeträge: Diese sind gem. Abs. 3 vom Anleger an den Investmentfonds zurückzuzahlen und der Investmentfonds hat die Befreiungsbeträge gem. Abs. 4 an die Finanzverwaltung (bzw. ersatzweise an den Entrichtungspflichtigen) zu erstatten.

II. Anwendungsbereich Der persönliche Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst gem. § 10 InvStG steuerbefreite 5 Investmentfonds und Anteilsklassen sowie deren Anleger. Wie der gesamte Regelungskomplex der §§ 8–14 InvStG gilt die Vorschrift dabei im Prinzip gleichermaßen für in- und ausländische Investmentfonds, nicht hingegen für Spezial-Investmentfonds (vgl. § 25 InvStG). In Bezug auf den sachlichen Anwendungsbereich ist zu berücksichtigen, dass die Vorschrift allein die Steuerbefreiung gem. § 10 InvStG bzw. deren Entfallen regelt und im Rahmen der Steuerbefreiung gem. § 8 InvStG keine Anwendung findet (ausführlich hierzu Rz. 11). Zeitlich ist die Vorschrift seit dem 1.1.2018 anwendbar (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 1).

III. Rechtsentwicklung Die Vorschrift wurde im Rahmen des InvStRefG eingeführt und ist mit dem neuen, seit dem 6 1.1.2018 gültigen InvStG in Kraft getreten. Sie ist seitdem unverändert geblieben. Die FinVerw. hat sich zur Auslegung der Vorschrift bisher nicht offiziell geäußert; das BMF-Anwendungsschreiben zum InvStG 2018 enthält keine Ausführungen zu § 13 InvStG. Eine Vorgängernorm des heutigen § 13 InvStG existierte im InvStG a.F. nicht. Für den gesam- 7 ten Regelungskomplex der Steuerbefreiungen gem. §§ 8–14 InvStG gilt, dass diese Vorschriften unter Geltung des früheren für Investmentfonds geltenden semi-transparenten Besteuerungsregimes nicht erforderlich waren, da Investmentfonds grds. und unabhängig von der Beteiligung steuerbegünstigter Anleger steuerbefreit waren. In das Gesetzgebungsverfahren wurde § 13 InvStG erst mit dem Regierungsentwurf des 8 InvStRefG vom 7.4.2016 eingebracht1 und anschließend inhaltlich unverändert verabschiedet. 1 Regierungsentwurf des InvStRefG v. 7.4.2016, BT-Drucks. 18/8045, 17, 82. Mager | 315

§ 13 Rz. 8 | Wegfall der Steuerbefreiung eines Anlegers Der Diskussionsentwurf vom 21.7.2015 enthielt überhaupt keine vergleichbare Vorschrift, sondern sah in dessen § 12 InvStG lediglich Haftungsregelungen für den Fall unberechtigter Steuerbefreiungen bzw. Erstattungen vor.1 Der Referentenentwurf vom 7.4.2016 enthielt neben den im Vergleich zum Diskussionsentwurf erweiterten Haftungstatbeständen des § 12 InvStG eine Mitteilungspflicht für Anleger eines steuerbefreiten Investmentfonds gem. § 9 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 8 Abs. 6 Satz 1 InvStG, falls diese ihre Steuerbegünstigung verlieren; die Mitteilungspflicht bestand jedoch gegenüber der depotführenden Stelle und nicht unmittelbar gegenüber dem Investmentfonds.2

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 9 Die Vorschrift ist Teil des Regelungskomplexes der §§ 8–14 InvStG, der sich mit der Steuer-

befreiung von Investmentfonds beschäftigt. Aufgrund des beschränkten Anwendungsbereichs (s. Rz. 5) besteht ein Zusammenhang des § 13 InvStG innerhalb dieses Regelungskomplexes aber nur mit den §§ 10–12 und 14 InvStG.

B. Mitteilung der Beteiligung nicht steuerbegünstigter Anleger (Abs. 1) I. Investmentfonds oder Anteilsklasse nach § 10 10 Die Mitteilungspflicht nach Abs. 1 besteht nur im Hinblick auf die Beteiligung nicht steuer-

begünstigter Anleger an nach § 10 InvStG steuerbefreiten Investmentfonds bzw. Anteilsklassen. Dies können einerseits Investmentfonds bzw. Anteilsklassen sein, die aufgrund der Beschränkung des Anlegerkreises auf gem. § 8 Abs. 1 InvStG steuerbegünstigte Anleger (d.h. insbesondere gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Körperschaften sowie im Rahmen von Altersvorsorge- oder Basisrentenverträgen gehaltene Investmentanteile) mit all ihren Einkünften i.S.d. § 6 Abs. 2 InvStG steuerbefreit sind (d.h. inländische Beteiligungseinnahmen, inländische Immobilienerträge und sonstige inländische Einkünfte). Andererseits kann es sich um Investmentfonds bzw. Anteilsklassen handeln, die aufgrund der Beschränkung des Anlegerkreises auf gem. § 8 Abs. 2 InvStG steuerbegünstigte Anleger (d.h. insbesondere andere steuerbefreite Körperschaften) nur mit ihren inländischen Immobilienerträgen gem. § 6 Abs. 4 InvStG und sonstigen inländischen Einkünften gem. § 6 Abs. 5 InvStG steuerbefreit sind.

11 In der steuerrechtlichen Literatur wird davon ausgegangen, dass die Vorschrift auf nach § 8

InvStG steuerbefreite Investmentfonds keine Anwendung findet, d.h. solche Investmentfonds, an denen teilweise steuerbegünstigte Anleger i.S.d. § 8 Abs. 1 InvStG oder § 8 Abs. 2 InvStG beteiligt sind. Begründet wird dies mit dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift („Steuerbefreiung eines Investmentfonds oder einer Anteilklasse nach § 10“).3 Diese Auffassung ist im Ergebnis zutreffend. Zugegebenermaßen ist der Wortlaut insoweit allerdings nicht eindeutig, weil sich die Formulierung „nach § 10“ auch lediglich auf die „Anteilklasse“ (und nicht den „Investmentfonds“) beziehen könnte. Dies hätte jedoch die wenig sinnvolle Konsequenz, dass eine Mitteilungsverpflichtung nach Abs. 1 auch bei einem Investmentfonds bestehen würde, der weder nach § 8 InvStG noch nach § 10 InvStG steuerbefreit ist. Im Rahmen des insoweit wortgleichen Abs. 2 ergäbe diese Auslegung noch weniger Sinn, denn ein 1 Diskussionsentwurf des InvStRefG v. 21.7.2015, abrufbar unter www.bvkap.de/sites/default/files/news/ reinversion_invstrefg_diskussionsentwurf_9-7-2015_20150722110526.pdf [abgerufen am 12.10.2022]. 2 Referentenentwurf des InvStRefG v. 16.12.2015, abrufbar unter www.bundesfinanzministerium.de [abgerufen am 2.8.2020]. 3 Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 13 InvStG Anm. 1; Meinhardt in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 13 InvStG Rz. 1; Brandl in Brandis/Heuermann, § 13 InvStG Rz. 1.

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B. Mitteilung der Beteiligung nicht steuerbegünstigter Anleger (Abs. 1) | Rz. 14 § 13

nicht steuerbefreiter Investmentfonds kann keine Steuerbefreiung verlieren. Selbst ein nach § 8 steuerbefreiter Investmentfonds ist bei Wegfallen der Steuerbegünstigung eines Anlegers insoweit von vornherein nicht steuerbefreit, sodass das in Abs. 2 angeordnete Entfallen der Steuerbefreiung ins Leere liefe. Vieles spricht allerdings für eine analoge Anwendung der Abs. 1, 3 und 4 auch auf Betei- 12 ligungen steuerbegünstigter Anleger an nach § 8 InvStG steuerbefreiten Investmentfonds. Zwar dürfte das Problem im Allgemeinen weniger drängend sein, weil die Kapitalertragsteuer lediglich erstattet wird (keine Abstandnahme). Dennoch sind entsprechende Fälle denkbar, insbesondere bei einem rückwirkenden Wegfall der Steuerbegünstigung eines Anlegers. Die Voraussetzungen einer Analogie im Hinblick auf die Mitteilungspflicht gem. Abs. 1 sind gegeben. Eine Regelungslücke besteht, weil nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass die zivilrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen Investmentfonds und Anleger immer und in jedem Fall Mitteilungspflichten mit identischem Inhalt vorsehen. Eine Mitteilungsverpflichtung des Anlegers wird sich auch nicht aus § 153 AO ergeben, weil keine steuerliche Erklärung gegeben ist. Diese Regelungslücke dürfte planwidrig gewesen sein. Die Interessenlage ist vergleichbar, weil der Investmentfonds diese Information ohne eine entsprechende Mitteilung nicht bekommen kann. Eine analoge Anwendung des Abs. 2 scheidet hingegen mangels Regelungslücke aus, weil die Steuerbefreiung eines Investmentfonds nach § 8 InvStG bei Wegfall der Steuerbegünstigung des Anlegers insoweit automatisch entfällt. Im Hinblick auf die Abs. 3 und 4 dürften die Voraussetzungen einer Analogie hingegen wiederum gegeben sein. Insoweit lässt sich nicht einwenden, dass es an der Regelungslücke deshalb fehle, weil die Rückabwicklung der Befreiungsbeträge im Verhältnis zwischen Anleger und Investmentfonds nach Bereicherungsrecht und die Rückabwicklung im Verhältnis zwischen Investmentfonds und FinBeh. nach den Regeln der AO erfolgen könne. Im Rahmen des Abs. 3 spielen bereicherungsrechtliche Regelungen (wie z.B. die Entreicherung gem. § 818 Abs. 3 BGB) keine Rolle. Ferner hat die Rückzahlung unverzüglich zu erfolgen. Abs. 4 beschränkt die Rückabwicklung auf die nicht ausgezahlten bzw. zurückgezahlten Befreiungsbeträge und sieht spezielle Regelungen für den Zahlungsempfänger vor. Dass im Rahmen des § 8 InvStG andere Regelungen gelten sollen, erschiene nicht sachgerecht.

II. Erfasste Vorgänge 1. Wegfall der Steuerbefreiung eines Anlegers (Abs. 1 Satz 1) § 13 InvStG unterscheidet zwei Fallgruppen von Ereignissen auf Anlegerebene, die das Entfal- 13 len der Steuerbefreiung auf Ebene des Investmentfonds bzw. der Anteilsklasse zur Folge haben. Der erste Fall ist in Abs. 1 Satz 1 beschrieben und besteht im Wegfall der Voraussetzungen der Steuerbefreiung eines Anlegers. Die gesetzliche Formulierung ist insofern missglückt, als eigentlich nicht von der Steuerbe- 14 freiung, sondern vielmehr von der Steuerbegünstigung die Rede sein müsste. Sowohl die Mitteilungspflicht gem. Abs. 1 als auch der Wegfall der Steuerbefreiung auf Fondsebene gem. Abs. 2 sind inhaltlich immer insoweit gerechtfertigt, wie nicht steuerbegünstigte Anleger an dem Investmentfonds bzw. der Anteilsklasse beteiligt sind. Mit steuerbegünstigten Anlegern sind dabei nach hier vertretener Auffassung alle in § 8 InvStG genannten Anlegergruppen gemeint. Häufig wird es sich hierbei tatsächlich um steuerbefreite Anleger handeln (z.B. eine Stiftung, die ihre Gemeinnützigkeit verliert). Zwingend ist dies jedoch nicht. So sind Anbieter von zertifizierten Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 2 InvStG typischerweise stpfl. und inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 InvStG sind gar nicht steuerbar. Naheliegend ist, dass es sich hierbei um ein Redaktionsversehen in Gestalt der Verwechslung der Anlegerebene (Steuerbegünstigung) mit der Fondsebene (Steuerbefreiung) handelt, sodass die Vorschrift nicht nur für steuerbefreite, sondern – Mager | 317

§ 13 Rz. 14 | Wegfall der Steuerbefreiung eines Anlegers jedenfalls in entsprechender Anwendung – auch für die anderen nach § 8 InvStG steuerbegünstigten Anleger gelten sollte. 15 Dass die Voraussetzungen der Steuerbegünstigung wegfallen, bedingt, dass der Anleger sie

zunächst einmal erfüllt haben muss und sie erst nachträglich1 nicht mehr gegeben sind. In der Praxis wird es sich vielfach um Fälle handeln, in denen der Anleger im Beitrittszeitpunkt zunächst steuerbegünstigt gewesen ist und er die Steuerbegünstigung zu einem späteren Zeitpunkt während des Beteiligungszeitraums verliert (z.B. eine Stiftung, die ihre Gemeinnützigkeit verliert oder die Anteile in einen stpfl. wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb überführt).

16 Unstreitig dürfte in diesem Zusammenhang sein, dass die Vorschrift aber auch den Fall er-

fasst, in dem der Anleger seine Steuerbegünstigung zwar nachträglich, aber mit Rückwirkung verliert (z.B. eine gemeinnützige Stiftung im Fall des § 61 Abs. 3 AO). Dass die Steuerbegünstigung im Rechtssinne dann niemals bestanden hat, ist unerheblich, weil es nach dem Wortlaut der Vorschrift darauf ankommt, dass die „Voraussetzungen der Steuerbegünstigung“ weggefallen. Dies ist der Fall, weil die zum rückwirkenden Verlust der Steuerbegünstigung führenden Ereignisse erst nachträglich eingetreten sind.

17 Schließlich sollte § 13 InvStG nach seinem Sinn und Zweck auch den Fall erfassen, dass ein

Anleger die Voraussetzungen der Steuerbegünstigung niemals erfüllte (z.B. aufgrund eines Irrtums). In diesem Fall sind die Mitteilungspflicht und der anteilige Verlust der Steuerbefreiung erst recht angemessen. Da der Wortlaut diesen Fall nicht abdeckt, liegt insoweit eine entsprechende Anwendung der Vorschrift nahe.

2. Übertragung der Anteile (Abs. 1 Satz 2) 18 Die zweite Fallgruppe einer Mitteilungspflicht besteht gem. Abs. 1 Satz 2 dann, wenn ein steu-

erbegünstigter Anleger seine Anteile auf einen anderen Anleger überträgt. Einer solchen Übertragung steht eigentlich ohnehin § 10 Abs. 3 InvStG entgegen, wonach die Steuerbefreiung eines Investmentfonds bzw. einer Anteilsklasse voraussetzt, dass die Übertragung von Investmentanteilen an andere Anleger nach den Anlagebedingungen ausgeschlossen und nur eine Rückgabe an den Investmentfonds zulässig ist. Man könnte daher annehmen, dass der Fall gar nicht vorkommen kann. Das Gesetz geht aber offenbar davon aus, dass Übertragungen dennoch möglich sind (z.B. unter Verstoß gegen die Anlagebedingungen; vgl. § 10 InvStG Rz. 20). Jedenfalls dürfte es sich in der Praxis um Ausnahmefälle handeln.

19 Umstritten ist, ob der Wortlaut des Abs. 1 Satz 2 zu weit geraten ist, weil er ganz allgemein

Übertragungen an andere Anleger erfasst (d.h. an jeden, der nicht Übertragender ist). Für den insoweit wortgleichen Abs. 2 und den dort angeordneten Wegfall der Steuerbefreiung entspricht es der allgemeinen Auffassung in der Literatur, den Anwendungsbereich der Vorschrift insoweit teleologisch zu reduzieren, als sie nur für Übertragungen an andere, nicht mindestens gleichermaßen steuerbegünstigte Anleger gilt. Erfolgt die Übertragung an einen gleichermaßen steuerbegünstigten Anleger, gibt es keinen Grund für den Wegfall der Steuerbefreiung des Investmentfonds (s. Rz. 26).2

20 Teilweise wird vertreten, dass diese teleologische Reduktion auch im Rahmen der Mittei-

lungspflicht nach Abs. 1 Satz 2 vorzunehmen sei.3 Dem wird allerdings entgegengesetzt,

1 So ausdrücklich z.B. Ramackers/Schlund in BeckOK, § 13 InvStG Rz. 1. 2 A.A. Brandt in Brandis/Heuermann, § 13 InvStG Rz. 3, unter Hinweis darauf, dass es auch bei einer Anteilsübertragung auf einen anderen steuerbegünstigten Anleger sachgerecht sei, die Mitteilungspflicht bestehen zu lassen, weil der Investmentfonds aus den unterschiedlichsten Gründen auf eine korrekte Unterrichtung angewiesen sei. 3 Kirchhain, Non Profit Law Yearbook 2017, 175 (201); Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 13 InvStG Anm. 5, 10.

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C. Anteiliges Entfallen der Steuerbefreiung des Investmentfonds (Abs. 2) | Rz. 24 § 13

dass der Investmentfonds auch im Fall der Übertragung an einen gleichermaßen steuerbegünstigten Anleger auf eine korrekte Unterrichtung über die Anlegerzusammensetzung angewiesen ist. Dies gelte insbesondere in Bezug auf die zutreffende Zuordnung des Befreiungsbetrags nach § 12 InvStG. Ferner sei dies für den Nachweis der Steuerbefreiung des Investmentfonds gegenüber dem Entrichtungspflichtigen bzw. dem FA bedeutsam, welcher den Nachweis der Steuerbegünstigung der Anleger beinhaltet.1 Nach hier vertretener Auffassung lässt sich trotz der Verortung der Mitteilungspflicht in § 13 InvStG nicht mit Sicherheit sagen, dass Abs. 1 nur in Zusammenhang mit den Abs. 2 bis 4 zu verstehen ist, die den Wegfall der Steuerbefreiung des Investmentfonds regeln bzw. voraussetzen. Vielmehr lässt sich ebenso vertreten, dass ein Zusammenhang mit § 12 InvStG besteht, der gerade auch die richtige Zuordnung der Befreiungsbeträge zwischen den steuerbegünstigten Anlegern untereinander regelt. Der Wortlaut spricht für dieses Verständnis, sodass es folgerichtig ist, die teleologische Reduktion im Rahmen des Abs. 1 nicht vorzunehmen.

III. Rechtsfolge: Mitteilungspflicht Der Mitteilungsverpflichtete ist im Falle des Abs. 1 Satz 1 der nicht steuerbegünstigte Anle- 21 ger und im Falle des Abs. 1 Satz 2 der übertragende Anleger. Adressat der Mitteilung ist der Investmentfonds bzw. dessen gesetzlicher Vertreter (§ 3 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 InvStG), d.h. bei inländischen Investmentfonds gem. § 3 Abs. 2 InvStG im Regelfall die KVG und bei ausländischen Investmentfonds gem. § 3 Abs. 4 InvStG im Grundsatz deren Verwaltungsgesellschaft. Hinsichtlich des Inhalts der Mitteilung bestehen keine ausdrücklichen gesetzlichen Vorgaben. Entscheidend ist, dass der Investmentfonds alle Informationen erhält, die es ihm ermöglichen, zu ermitteln, ob und in welchem Umfang seine Steuerbefreiung entfallen ist. Die Mitteilung hat innerhalb eines Monats nach dem Wegfall der Voraussetzungen der Steu- 22 erbegünstigung bzw. nach der Übertragung zu erfolgen.

C. Anteiliges Entfallen der Steuerbefreiung des Investmentfonds (Abs. 2) Die Beteiligung eines nicht steuerbegünstigten Anlegers an einem steuerbefreiten Investment- 23 fonds bzw. einer steuerbefreiten Anteilklasse i.S.d. § 10 InvStG führt gem. Abs. 2 zum anteiligen Entfallen der Steuerbefreiung. Die daraus resultierende teilweise StPfl. ist folgerichtig, weil die Steuerbefreiung auf Fondsebene allein durch die Steuerbegünstigung der Anleger gerechtfertigt ist (Rz. 3). Der Gesetzgeber hätte auch den vollständigen Verlust der Steuerbefreiung nach § 10 InvStG anordnen können. Dies wäre aber wenig sachgerecht gewesen, da § 13 InvStG Ausnahmefälle regelt, die es nicht rechtfertigen würden, den Investmentfonds auf die Voraussetzungen des § 8 InvStG zu verweisen (z.B. Erforderlichkeit eines Investmentanteil-Bestandsnachweises, Erstattungsverfahren statt Abstandnahme vom Kapitalertragsteuerabzug).

Die Tatbestandsvoraussetzungen sind nach ihrem Wortlaut grds. identisch mit denen der 24 Mitteilungspflicht nach Abs. 1. Allerdings ist der Wortlaut der Vorschrift zu weit geraten, weil er ganz allgemein Übertragungen an andere Anleger erfasst (d.h. an jeden, der nicht Übertragender ist). Richtigerweise ist der Anwendungsbereich der Vorschrift insoweit teleologisch zu reduzieren, als nur Übertragungen an andere nicht mindestens gleichermaßen2 steuerbegünstigte Anleger erfasst sind. Dies entspricht der allgemeinen Auffassung in der

1 Ramackers/Schlund in BeckOK, § 13 InvStG Rz. 24; Brandl in Brandis/Heuermann, § 13 InvStG Rz. 3. 2 So ähnlich auch die Formulierung von Meinhard in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 13 InvStG Rz. 4. Mager | 319

§ 13 Rz. 24 | Wegfall der Steuerbefreiung eines Anlegers Literatur.1 Denn erfolgt die Übertragung an einen gleichermaßen steuerbegünstigten Anleger, gibt es keinen Grund für den Wegfall der Steuerbefreiung des Investmentfonds. Dementsprechend ordnet auch § 14 Abs. 2 InvStG eine Haftung nur für den Fall an, dass die Übertragung auf einen Erwerber erfolgt, der nicht die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 oder Abs. 2 InvStG erfüllt. Umstritten ist lediglich, ob diese teleologische Reduktion auch im Anwendungsbereich des insoweit wortgleichen Abs. 1 anzuwenden ist (s. Rz. 20). Nicht erfasst sind somit Übertragungen durch (i) einen nach § 8 Abs. 1 InvStG an einen ebenfalls nach § 8 Abs. 1 InvStG steuerbegünstigten Anleger, (ii) einen nach § 8 Abs. 2 InvStG an einen ebenfalls nach § 8 Abs. 2 InvStG steuerbegünstigten Anleger und einen nach § 8 Abs. 2 InvStG an einen nach § 8 Abs. 1 InvStG steuerbegünstigten Anleger. Die Steuerbefreiung entfällt in dem Umfang, in dem nicht (mindestens gleichermaßen) steuerbegünstigte Anleger beteiligt sind (d.h. anteilige StPfl.). Im Falle der Anteilsübertragung durch einen nach § 8 Abs. 1 InvStG an einen nach § 8 Abs. 2 InvStG steuerbegünstigten Anleger entfällt zwar die Steuerbefreiung gem. § 10 Abs. 1 InvStG anteilig. Sachgerecht ist es jedoch in diesem Fall, dass der Investmentfonds insoweit die Steuerbefreiung nach § 10 Abs. 2 InvStG in Anspruch nehmen kann. 25 Die Steuerbefreiung entfällt mit dem Wegfall der Steuerbegünstigung des Anlegers und

nicht erst mit dessen Mitteilung gem. Abs. 1.2 Zwar enthält Abs. 2 keine ausdrückliche Regelung im Hinblick auf den maßgeblichen Zeitpunkt. Dies entspricht aber dem Sinn und Zweck der Vorschrift, weil die Rechtfertigung für die Steuerbefreiung des Investmentfonds entfallen ist, sobald der Anleger nicht mehr steuerbegünstigt ist. Im Übertragungsfall kommt es dementsprechend auf den Zeitpunkt der Übertragung an (und nicht auf die Mitteilung)3. Maßgeblich dürfte dabei der Übergang des wirtschaftlichen (und nicht des zivilrechtlichen) Eigentums sein.4

D. Verpflichtung der Anleger zur Rückzahlung von Befreiungsbeträgen (Abs. 3) 26 Sind einem Anleger Befreiungsbeträge i.S.d. § 12 InvStG zu einem Zeitpunkt gewährt worden,

als er seine Steuerbefreiung bereits verloren oder Anteile übertragen hatte und infolgedessen die Steuerbefreiung des Investmentfonds entfallen war, ordnet Abs. 3 die Rückzahlung dieser Beträge an den Investmentfonds an. Tatbestandlich knüpft die Vorschrift vollständig an die Fälle des Abs. 2 an. Dies bedeutet, dass eine Rückzahlungspflicht nach Abs. 3 besteht, falls und insoweit die Steuerbefreiung des Investmentfonds bzw. der Anteilsklasse entfallen ist. Nur dann fehlt die Rechtsgrundlage für eine Gewährung von Befreiungsbeträgen nach § 12 InvStG, sodass zwischenzeitliche Befreiungsbeträge „zu Unrecht“ gewährt worden und zurückzuzahlen sind. Falls z.B. eine Übertragung auf einen mindestens gleichermaßen steuerbegünstigten Anleger erfolgt ist, entfällt die Steuerbefreiung nicht, sodass auch keine Rückzahlungspflicht nach Abs. 3 besteht (s. Rz. 19, 24).

27 Dieses Ergebnis mag nicht sachgerecht erscheinen, weil sich die Rückabwicklung nach Berei-

cherungsrecht (z.B. Entreicherung gem. § 818 Abs. 3 BGB) von der Rückabwicklung gem.

1 Lechner, RdF 2016, 208 (213); Kirchhain, Non Profit Law Yearbook 2017, 175 (201); Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 13 InvStG Anm. 5, 10; Boxberger in W/B/A3, § 13 InvStG Rz. 3; Ramackers/ Schlund in BeckOK, § 13 InvStG Rz. 24; Brandl in Brandis/Heuermann, § 13 InvStG Rz. 3; Meinhard in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 13 InvStG Rz. 4. 2 Brandl in Brandis/Heuermann, § 13 InvStG Rz. 4; Ramackers/Schlund in BeckOK, § 13 InvStG Rz. 32; Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 13 InvStG Anm. 10. 3 So auch Brandl in Brandis/Heuermann, § 13 InvStG Rz. 4. 4 Ramackers/Schlund in BeckOK, § 13 InvStG Rz. 32.

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E. Verpflichtung zur Rückzahlung von Befreiungsbeträgen (Abs. 4) | Rz. 33 § 13

Abs. 3 unterscheidet. Es erscheint jedoch fraglich, ob eine planwidrige Regelungslücke als Voraussetzung für eine Analogie gegeben ist. Insofern kann Abs. 3 wohl nicht analog auch auf die unzutreffende Auszahlung von Befreiungsbeträgen angewendet werden, wenn damit nicht gleichzeitig der Verlust der Steuerbefreiung des Investmentfonds einherging. Persönlich ist der Anleger zur Rückzahlung verpflichtet. Gemeint ist der Anleger, dessen Steu- 28 erbegünstigung weggefallen ist bzw. der seine Anteile übertragen hat. Die Rückzahlung hat an den Investmentfonds zu erfolgen. Die Rückzahlung muss unverzüglich erfolgen, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 29 Satz 1 BGB). Was eine unverzügliche Rückzahlung darstellt, ist unter Berücksichtigung der im Rahmen der Mitteilungspflicht nach Abs. 1 geltenden Monatsfrist auszulegen. Die Mitteilungspflicht dürfte früher als die Rückzahlungspflicht eintreten, sodass für eine fristgemäße Rückzahlung ein Zeitraum von mehr als einem Monat zur Verfügung steht.1

E. Verpflichtung des Investmentfonds zur Rückzahlung von Befreiungsbeträgen (Abs. 4) I. Rückzahlung an die zuständige Finanzbehörde (Abs. 4 Satz 1) Abs. 4 Satz 1 sieht zwei Konstellationen vor, in denen ein Investmentfonds Befreiungsbeträge 30 i.S.d. § 12 Abs. 1 InvStG an die FinBeh. zurückzuzahlen hat. Einerseits ist dies der Fall, dass ein Investmentfonds Befreiungsbeträge gem. Abs. 3 von einem Anleger zurückerhalten hat. Diese Beträge muss der Investmentfonds an die FinBeh. weiterleiten (hierzu ausführlich Rz. 31 ff.). Andererseits ist dies Fall, wenn der Investmentfonds über Befreiungsbeträge verfügt, diese aber nicht mehr vom Investmentfonds an den Anleger ausgezahlt werden, weil die Steuerbegünstigung des Anlegers und damit die Steuerbefreiung des Investmentfonds bzw. der Anteilsklasse bereits anteilig entfallen waren. Auch diese Befreiungsbeträge muss der Investmentfonds an die zuständigen FinBeh. zahlen. Zahlungsempfänger ist die nach § 4 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 InvStG zuständige Finanzbe- 31 hörde. Gemäß § 4 Abs. 1 InvStG ist das FA zuständig, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung des gesetzlichen Vertreters befindet (d.h. der Kapitalverwaltungsgesellschaft oder der inländischen Betriebsstätte einer ausländischen Verwaltungsgesellschaft, vgl. § 3 Abs. 2 InvStG). Befindet sich die Geschäftsleitung des gesetzlichen Vertreters im Ausland, ist das FA zuständig, in dessen Bezirk sich das Vermögen bzw. der wertvollste Teil des Vermögens befindet. Die Zahlung hat unverzüglich zu erfolgen (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB), d.h. ohne schuldhaftes 32 Zögern. Dabei beginnt die Frist mit dem Erhalt der Rückzahlung des Anlegers gem. Abs. 3 bzw. dem Erhalt der Mitteilung nach Abs. 1 (oder der anderweitigen Kenntniserlangung über den Verlust der Steuerbegünstigung des Anlegers).2

II. Rückzahlung an den Entrichtungspflichtigen (Abs. 4 Satz 2) Nach Abs. 4 Satz 2 soll die Zahlung der Befreiungsbeträge durch den Investmentfonds für den 33 Fall, dass es an einer nach § 4 Abs. 1 oder § 4 Abs. 2 Nr. 1 InvStG zuständigen FinBeh. fehlt, an den Entrichtungspflichtigen erfolgen. Die Vorschrift wird zu Recht als missglückt kritisiert. 1 Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 13 InvStG Anm. 15; Ramackers/Schlund in BeckOK, § 13 InvStG Rz. 39. 2 Ramackers/Schlund in BeckOK, § 13 InvStG Rz. 46; Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 13 InvStG Anm. 20; Brandl in Brandis/Heuermann, § 13 InvStG Rz. 6. Mager | 321

§ 13 Rz. 33 | Wegfall der Steuerbefreiung eines Anlegers Die Situation, dass keine nach § 4 Abs. 1 oder § 4 Abs. 2 Nr. 1 InvStG zuständige FinBeh. vorhanden ist, dürfte vor allem vorkommen, wenn ein Investmentfonds mit Geschäftsleitung des gesetzlichen Vertreters im Ausland ausschließlich dem Steuerabzug unterliegende Einkünfte erzielt. In einem solchen Fall wäre nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 InvStG das BZSt zuständig. Es stellt sich dann aber die Frage, warum die Zahlung nicht auch an das BZSt zu erfolgen hat.1 Dies wäre folgerichtig. 34 Die Gesetzesbegründung sieht die Bedeutung des Abs. 4 Satz 2 in Situationen, in denen die

zuständige FinBeh. aus Sicht des Investmentfonds nicht zweifelsfrei und unverzüglich bestimmbar ist. Die Auffangregelung (Zahlung an den Entrichtungsverpflichteten) soll sicherstellen, dass die Rückzahlung an den Fiskus nicht aufgrund von Schwierigkeiten bei der Bestimmung der zuständigen FinBeh. verzögert wird.2 Hierbei handelt es sich aber um etwas anderes als das vom Gesetzeswortlaut vorausgesetzte Fehlen einer zuständigen FinBeh.

35 Vor dem Hintergrund der Gesetzesbegründung wird in der Praxis erwartet, dass Investment-

fonds zur Vermeidung einer eventuellen Haftung des gesetzlichen Vertreters ggf. zügig feststellen, dass eine „Finanzbehörde fehlt“, um die Zahlung an den Entrichtungspflichtigen vornehmen zu können.3

§ 14 Haftung bei unberechtigter Steuerbefreiung oder -erstattung (1) 1Der Anleger nach § 8 Absatz 1 oder 2, der zum Zeitpunkt des Zuflusses der Einnahmen bei dem Investmentfonds die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nicht oder nicht mehr erfüllt, haftet für die Steuer, die einem Investmentfonds oder einer Anteilklasse zu Unrecht erstattet wurde oder bei dem Investmentfonds oder der Anteilklasse zu Unrecht nicht erhoben wurde. 2Die Haftung ist beschränkt auf die Höhe des dem Anleger zugewendeten und nicht an den Investmentfonds zurückgezahlten Befreiungsbetrags. (2) 1Der Anleger nach § 8 Absatz 1 oder 2, der einen Investmentanteil an einem Investmentfonds oder an einer Anteilklasse nach § 10 auf einen Erwerber überträgt, der nicht die Voraussetzungen des § 8 Absatz 1 oder 2 erfüllt, haftet für die Steuer, die dem Investmentfonds oder der Anteilklasse zu Unrecht erstattet wurde oder bei dem Investmentfonds oder der Anteilklasse zu Unrecht nicht erhoben wurde. 2Die Haftung ist beschränkt auf die Höhe der erstatteten oder nicht erhobenen Steuer, die auf den Erwerber entfällt und von dem Erwerber nicht an den Investmentfonds zurückgezahlt wurde. (3) 1Der Anbieter eines Altersvorsorge- oder Basisrentenvertrags haftet für die Steuer, die einem Investmentfonds oder einer Anteilklasse zu Unrecht erstattet wurde oder bei einem Investmentfonds oder einer Anteilklasse zu Unrecht nicht erhoben wurde. 2Die Haftung ist beschränkt auf die Höhe der Kapitalertragsteuer, die aufgrund falscher, unterlassener oder verspäteter Mitteilungen des Anbieters zu Unrecht erstattet oder nicht erhoben wurde. 3Die Haftung ist ausgeschlossen, wenn der Anbieter eines Altersvorsorge- oder Basisrentenvertrags nachweist, dass er nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat.

1 Ramackers/Schlund in BeckOK, § 13 InvStG Rz. 46; Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 13 InvStG Anm. 20. 2 Regierungsentwurf des InvStRefG v. 7.4.2016, BT-Drucks. 18/8045, 82. 3 Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 13 InvStG Anm. 20.

322 | Mager

Haftung bei unberechtigter Steuerbefreiung oder -erstattung | § 14

(4) Die depotführende Stelle haftet für die Steuer, die aufgrund eines falschen Investmentanteil-Bestandsnachweises einem Investmentfonds zu Unrecht erstattet wurde oder bei einem Investmentfonds zu Unrecht nicht erhoben wurde. (5) Der gesetzliche Vertreter des Investmentfonds haftet für die Steuer, die einem Investmentfonds oder einer Anteilklasse zu Unrecht erstattet wurde oder bei einem Investmentfonds oder einer Anteilklasse zu Unrecht nicht erhoben wurde, wenn der gesetzliche Vertreter 1. bei der Geltendmachung einer Steuerbefreiung wusste oder bei Anwendung einer angemessenen Sorgfalt hätte erkennen können, dass die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nicht vorlagen, oder 2. zu einem späteren Zeitpunkt erkennt, dass die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nicht vorlagen, aber die zuständige Finanzbehörde daraufhin nicht unverzüglich unterrichtet. (6) 1Soweit die Haftung reicht, sind der Investmentfonds und die Haftungsschuldner nach den Absätzen 1 bis 5 Gesamtschuldner. 2Die zuständige Finanzbehörde kann die Steuerschuld oder Haftungsschuld nach pflichtgemäßem Ermessen gegenüber jedem Gesamtschuldner geltend machen. 3Vorrangig in Anspruch zu nehmen sind die Haftungsschuldner nach den Absätzen 1 bis 5. 4Sind Tatbestände der Absätze 1 bis 5 nebeneinander erfüllt, so ist vorrangig der Haftungsschuldner nach den Absätzen 1, 2 oder 3 in Anspruch zu nehmen, danach der Haftungsschuldner nach Absatz 4 und zuletzt der Haftungsschuldner nach Absatz 5. 5Die Inanspruchnahme des Investmentfonds ist ausgeschlossen, soweit der Investmentfonds nachweist, dass er dem Anleger oder dem Anbieter eines Altersvorsorge- oder Basisrentenvertrags den zu Unrecht gewährten Befreiungsbetrag zugewendet hat und dass eine Rückforderung gegenüber dem Anleger oder dem Anbieter eines Altersvorsorge- oder Basisrentenvertrags ausgeschlossen oder uneinbringlich ist. A. I. II. III. IV.

B. I. II. III. C. I. II. III. D. I. II.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zu den Vorschriften der AO Haftung der Anleger (Abs. 1) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftungstatbestand (Abs. 1 Satz 1) . . . . . Haftungsbeschränkung (Abs. 1 Satz 2) . . Haftung bei Übertragung i.S.v. § 10 Abs. 3 InvStG (Abs. 2) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftungstatbestand (Abs. 2 Satz 1) . . . . . Haftungsbeschränkung (Abs. 2 Satz 2) . . Haftung des Anbieters eines Altersvorsorge- oder Basisrentenvertrags (Abs. 3) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftungstatbestand (Abs. 3 Satz 1) . . . . .

1 7 11 14 15 17 18 24

25 27 28

III. Haftungsbeschränkung (Abs. 3 Satz 2) . . IV. Exkulpationsmöglichkeit (Abs. 3 Satz 3) . E. Haftung der depotführenden Stelle (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Haftung des gesetzlichen Vertreters (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Verhältnis der Haftungsschuldner zueinander (Abs. 6) I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundsatz: Gesamtschuldnerische Haftung (Abs. 6 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auswahlermessen der Finanzbehörde (Abs. 6 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Vorrangige Inanspruchnahme der Haftungsschuldner (Abs. 6 Satz 3) . . . . . . . . . V. Inanspruchnahme verschiedener Haftungsschuldner (Abs. 6 Satz 4) . . . . . . . . . VI. Haftungsausschluss für den Investmentfonds (Abs. 6 Satz 5) . . . . . . . . . . . . . . . . .

36 44 45 49

59 60 63 64 65 66

31 32

Literatur: Jetter/Mager, Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung, SteuK 2016, 23. Mager | 323

§ 14 Rz. 1 | Haftung bei unberechtigter Steuerbefreiung oder -erstattung

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck 1 § 14 regelt die Haftungsansprüche der FinBeh. und deren Geltendmachung für den Fall, dass

Steuerbefreiungen gem. § 8 oder § 10 InvStG von einem Investmentfonds zu Unrecht in Anspruch genommen wurden.

2 Steuerliche Haftung bedeutet das Einstehenmüssen von Dritten für eine fremde Steuerschuld.1

Steuerschuldner ist der Investmentfonds. Die Abs. 1 bis 5 begründen für bestimmte Dritte (den Haftungsschuldner) eine sich im Hinblick auf Kausalität und Verschulden unterscheidende Haftungsschuld.2 Abs. 6 regelt die Reihenfolge, in der Steuerschuldner und Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen sind.

3 Die Vorschrift bildet den Abschluss der Regelungen über steuerbefreite Investmentfonds gem.

§§ 8 bis 14 InvStG. Sie bezweckt die Absicherung der Steueransprüche des Fiskus. Dies ist bei § 14 InvStG nicht anders als bei sonstigen steuerlichen Haftungsansprüchen (z.B. §§ 69 ff. AO).

4 Eine Besonderheit der Vorschrift besteht allerdings darin, dass sie auch den Steuerschuldner

schützt. Im Allgemeinen sind Haftungsansprüche grds. subsidiär gegenüber dem Steueranspruch (vgl. § 219 Satz 1 AO).3 Demgegenüber ordnet § 14 InvStG die vorrangige Inanspruchnahme der Haftungsschuldner an. Sie schließt sogar die Inanspruchnahme des Steuerschuldners aus, falls er die sich aus der zu Unrecht in Anspruch genommenen Steuerbefreiung ergebenden Befreiungsbeträge ausgekehrt hat und auch nicht zurückerlangen kann. Diese Besonderheit rechtfertigt sich inhaltlich u.a. daraus, dass die Steuerbefreiungen von Investmentfonds nach den §§ 8 und 10 InvStG nicht auf bestimmten Eigenschaften des Investmentfonds selbst beruhen, sondern auf dem steuerlichen Status der Anleger, und somit von Dritten abhängig sind, die folgerichtig vorrangig in Anspruch zu nehmen sind.

5 Abs. 1 begründet die Haftung der Anleger eines nach § 8 oder § 10 InvStG steuerbefreiten

Investmentfonds, wenn diese die Voraussetzungen der Steuerbegünstigung nicht mehr erfüllen. Abs. 2 sieht für Anleger eines gem. § 10 InvStG steuerbefreiten Investmentfonds die Haftung vor, falls sie Anteile an nicht steuerbegünstigte Anleger übertragen. Für Anbieter von Altersvorsorge- oder Basisrentenverträgen enthält Abs. 3 einen speziellen Haftungstatbestand. Nach Abs. 4 haftet die depotführende Stelle für falsche Investmentanteil-Bestandsnachweise. Abs. 5 regelt die Haftung des gesetzlichen Vertreters des Investmentfonds.

6 Der Investmentfonds als Steuerschuldner und die Haftungsschuldner sind grds. Gesamt-

schuldner (Abs. 6 Sätze 1 und 2). Allerdings sind vorrangig die Haftungsschuldner in Anspruch zu nehmen (Abs. 6 Satz 3). Was das Verhältnis der Haftungsschuldner untereinander betrifft, so sind vorrangig die Haftungsschuldner nach den Abs. 1 bis 3, dann der Haftungsschuldner nach Abs. 4 und zuletzt nach Abs. 5 in Anspruch zu nehmen (Abs. 6 Satz 4). Die Inanspruchnahme des Investmentfonds ist ausgeschlossen, insoweit er Befreiungsbeträge ausgekehrt hat und nicht zurückerlangen kann (Abs. 6 Satz 5).

II. Anwendungsbereich 7 Persönlich begründet die Vorschrift eine Haftung für steuerbegünstigte Anleger (Abs. 1 u. 2),

Anbieter von zertifizierten Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen (Abs. 3), depotführende 1 BFH v. 2.5.1984 – VIII R 239/82, BStBl. II 1984, 695; Rüsken in Klein15, § 69 AO Rz. 1. 2 S. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 14 InvStG Anm. 1. 3 BFH v. 23.9.2009 – VII R 43/08, BStBl. II 2019, 215; Rüsken in Klein15, § 191 AO Rz. 35.

324 | Mager

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 14 § 14

Stellen (Abs. 4) und gesetzliche Vertreter des Investmentfonds (Abs. 5). Sie richtet sich auch an den Investmentfonds als Steuerschuldner, insoweit sie das Verhältnis zwischen Steuerschuldner und Haftungsschuldner regelt (Abs. 6). Sachlich begründet § 14 InvStG eine Haftungsschuld für bestimmte Dritte im Falle der unbe- 8 rechtigten Inanspruchnahme von Steuerbefreiungen nach §§ 8 und 10 InvStG. Ferner regelt sie das Verhältnis, in dem der Fiskus Steuerschuldner und Haftungsschuldner in Anspruch nehmen kann. Wie der gesamte Regelungskomplex der §§ 8–14 InvStG gilt die Vorschrift dabei im Prinzip 9 gleichermaßen für Fälle der unberechtigten Inanspruchnahme von Steuerbefreiungen durch in- und ausländische Investmentfonds, nicht hingegen in Bezug auf die Steuerbefreiung von Spezial-Investmentfonds (vgl. § 25 InvStG). Zeitlich ist die Vorschrift seit dem 1.1.2018 anwendbar (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 1 InvStG).

10

III. Rechtsentwicklung Die Vorschrift wurde i.R.d. InvStRefG eingeführt und ist mit dem neuen, seit dem 1.1.2018 11 gültigen InvStG in Kraft getreten. Sie ist seitdem unverändert geblieben. Die FinVerw. hat sich zur Auslegung der Vorschrift bisher nicht offiziell geäußert; der Investmentsteuererlass enthält keine Ausführungen zu § 14 InvStG. Eine Vorgängernorm des heutigen § 14 InvStG existierte im InvStG a.F. nicht. Für den gesam- 12 ten Regelungskomplex der Steuerbefreiungen gem. §§ 8–14 InvStG gilt, dass diese Vorschriften unter Geltung des früheren für Investmentfonds geltenden semi-transparenten Besteuerungsregimes nicht erforderlich waren, da Investmentfonds grds. und unabhängig von der Beteiligung steuerbegünstigter Anleger steuerbefreit waren. Die Vorschrift war i.R.d. Gesetzgebungsverfahrens zum InvStRefG von Anfang an vorgese- 13 hen. Bereits der Diskussionsentwurf v. 21.7.2015 enthielt in dessen § 12 InvStG für Fälle der unberechtigten Steuerbefreiung oder Erstattung bestimmte (allerdings deutlich kürzere) Haftungsregelungen.1 Die heutige Fassung der Vorschrift entspricht weitgehend der Fassung des § 12 InvStG des Referentenentwurfs, wobei die Abs. 1 und 2 noch in einem gemeinsamen Absatz zusammengefasst waren.2 Ihre endgültige Fassung erhielt sie in § 14 InvStG des Regierungsentwurfs, der inhaltlich unverändert verabschiedet wurde und seitdem auch nicht geändert worden ist.3

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG Die Vorschrift ist Teil des Regelungskomplexes der §§ 8–14 InvStG, der sich mit der Steuer- 14 befreiung von Investmentfonds beschäftigt. Die Haftungstatbestände des § 14 InvStG knüpfen an bestimmte Eigenschaften bzw. Verhaltensweisen der Haftungsschuldner an, die in den vorangehenden Vorschriften beschrieben sind.

1 Diskussionsentwurf des InvStRefG v. 21.7.2015, abrufbar unter: www.bvkap.de/sites/default/files/ news/reinversion_invstrefg_diskussionsentwurf_9-7-2015_20150722110526.pdf [abgerufen am 12.10.2022]. 2 Referentenentwurf des InvStRefG v. 16.12.2015, abrufbar unter: www.bundesfinanzministerium.de [abgerufen am 2.8.2020]. 3 Regierungsentwurf des InvStRefG v. 7.4.2016, BT-Drucks. 18/8045, 17 (82 f.). Mager | 325

§ 14 Rz. 15 | Haftung bei unberechtigter Steuerbefreiung oder -erstattung 2. Verhältnis zu den Vorschriften der AO 15 Die Haftungsregelungen nach § 14 InvStG sind nicht abschließend. Dementsprechend werden

für den jeweils Betroffenen die allgemeinen Haftungsregelungen nach den §§ 69 ff. AO nicht verdrängt.1 Dies dürfte in der Praxis insbes. die Haftung des gesetzlichen Vertreters bei grob fahrlässiger oder vorsätzlicher Verletzung seiner Pflichten gem. § 69 AO und die Haftung des Beteiligten an einer Steuerhinterziehung gem. § 71 AO betreffen.2

16 Verfahrensrechtlich gelten die Vorschriften der AO, insbes. § 191 für den Haftungsbescheid

und § 219 AO für die Zahlungsaufforderung.3 Hierbei sind allerdings die speziellen Regelungen des § 14 Abs. 6 InvStG zu beachten, insbes. die vorrangige Inanspruchnahme der Haftungsschuldner im Verhältnis zum Investmentfonds (Umkehrung der Vorrangregelung des § 219 AO).4

B. Haftung der Anleger (Abs. 1) I. Vorbemerkung 17 Nach Abs. 1 haftet der Anleger, wenn einem Investmentfonds eine Steuerbefreiung zu Unrecht

gewährt wurde, weil der Anleger die Voraussetzungen der Steuerbegünstigung nicht erfüllte. Die Haftung ist verschuldensunabhängig. Sie ist jedoch der Höhe nach auf die Höhe des erlangten Befreiungsbetrags begrenzt. Der Sache nach handelt es sich um die Herausgabe eines ungerechtfertigten Steuervorteils, was die verschuldensunabhängige Haftung rechtfertigt.5

II. Haftungstatbestand (Abs. 1 Satz 1) 18 Haftungsschuldner ist der Anleger gem. § 8 Abs. 1 oder 2 InvStG (s. § 8 InvStG Rz. 20 ff.

und 37 ff.). Er muss an einem Investmentfonds beteiligt sein, der gem. § 8 oder § 10 InvStG steuerbefreit ist bzw. eine gem. § 10 InvStG steuerbefreite Anteilsklasse hat.

19 Voraussetzung der Haftung des Anlegers ist, dass dieser – so der Wortlaut der Vorschrift – die

Voraussetzungen seiner Steuerbefreiung nicht oder nicht mehr erfüllt. Diese Formulierung ist unpräzise. Nach der Gesetzesterminologie ist der Investmentfonds „steuerbefreit“, der Anleger aber „steuerbegünstigt“. Gemeint ist daher, dass der Anleger die Voraussetzungen seiner Steuerbegünstigung nicht oder nicht mehr erfüllt (hierzu § 13 InvStG Rz. 13 ff.).

20 Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Zufluss der Einnahmen beim Investmentfonds. Dies ist für

Einkünfte, die dem Steuerabzug unterliegen, ohne Weiteres nachvollziehbar, weil die Steuerbefreiung des Investmentfonds zum Zeitpunkt des Zuflusses der Einnahmen zu ermitteln ist (vgl. § 8 Abs. 3 Satz 1 InvStG). Bei zu veranlagenden Einkünften passt die Regelung hingegen nicht, weil die Steuerbefreiung nicht davon abhängig ist, ob bei Zufluss die Voraussetzungen der Steuerbegünstigung bestanden (vgl. § 8 Abs. 3 Satz 2 InvStG).

1 Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 14 InvStG Anm. 5; Schäfer/Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/ Mann2, § 14 InvStG Rz. 39. 2 Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 14 InvStG Anm. 1. 3 Ramackers/Schlund in BeckOK, § 14 InvStG Rz. 26; Schäfer/Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 14 InvStG Rz. 23. 4 Ramackers/Schlund in BeckOK, § 14 InvStG Rz. 26; Schäfer/Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 14 InvStG Rz. 23. 5 BT-Drucks. 18/8045, 82.

326 | Mager

B. Haftung der Anleger (Abs. 1) | Rz. 24 § 14

Die Haftung erstreckt sich auf die zu Unrecht erstatteten oder zu Unrecht nicht erhobenen 21 Steuern. Vorausgesetzt wird damit, dass es zu einer Erstattung oder Nichterhebung von Steuern gegenüber dem Investmentfonds oder der Anteilsklasse gekommen ist. Da § 14 Abs. 1 InvStG nur eine Haftung für unrechtmäßige Erstattungs- bzw. Nichterhebungsfälle aufgrund der Geltendmachung einer Steuerbefreiung gem. § 8 bzw. § 10 InvStG enthält, kommen allein folgende Fallgruppen in Betracht: – Erstattungsfälle aufgrund von § 7 Abs. 5 Satz 2 InvStG und § 11 Abs. 1 Nr. 2 InvStG sowie – Nichterhebungsfälle im Hinblick auf gem. § 8 Abs. 2 InvStG bzw. § 10 Abs. 2 InvStG steuerbefreite inländische Immobilienerträge bzw. sonstige steuerbefreite inländische Einkünfte ohne Steuerabzug sowie Kapitalerträge, bei denen ein Steuerabzug gem. § 10 Abs. 5 InvStG unterblieben ist. Eine Haftung des Anlegers für z.B. gem. § 7 Abs. 5 Satz 1 InvStG zu Unrecht erstattete Steuern oder für aus anderen Gründen beim Investmentfonds nicht erhobene Steuern besteht jedenfalls nach hier vertretener Auffassung nicht.

Die Steuererstattung bzw. Nichterhebung gegenüber dem Investmentfonds ist zu Unrecht erfolgt, 22 wenn der Investmentfonds die tatbestandlichen Voraussetzungen der Erstattungs- bzw. Nichterhebungsvorschrift tatsächlich nicht erfüllte. Im Rahmen des Abs. 1 ist eine Steuererstattung bzw. Nichterhebung allerdings nur dann zu Unrecht erfolgt, wenn sie auch gerade darauf beruht, dass ein Anleger nicht oder nicht mehr die Voraussetzungen der Steuerbegünstigung gem. § 8 Abs. 1 bzw. Abs. 2 InvStG erfüllt. Es muss ein entsprechender Kausalzusammenhang bestehen. Dies ergibt sich zwar nicht zwingend aus dem Wortlaut der Vorschrift, ist aber im Tatbestandsmerkmal „zu Unrecht“ angelegt und unter Berücksichtigung des Zwecks der Vorschrift geboten. Mitunter wird zwar darauf hingewiesen, dass der Haftungstatbestand gerade keine Kausalität 23 des Verhaltens des Anlegers voraussetze.1 Diese Aussage ist aber missverständlich. Zutreffend ist, dass Abs. 1 weder ein bestimmtes Verhalten des Anlegers voraussetzt (d.h., dass die fehlende Steuerbegünstigung des Anlegers nicht kausal auf seinem Verhalten beruhen muss) noch ein Verschulden des Anlegers erfordert.2 Richtigerweise bedarf es aber eines Kausalzusammenhangs zwischen der vermeintlichen Steuerbegünstigung des Anlegers und der zu Unrecht erfolgten Steuererstattung oder Nichterhebung (Rz. 22) und damit letztlich auch der zu Unrecht erfolgten Gewährung des Befreiungsbetrags, für den der Anleger als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden soll. Anderenfalls könnte z.B. ein nicht mehr nach § 8 Abs. 1 InvStG, sondern nur noch nach § 8 Abs. 2 InvStG steuerbegünstigter Anleger auch für solche Steuern gem. § 14 Abs. 1 InvStG haftbar gemacht werden, die deshalb gegenüber dem Investmentfonds zu Unrecht nicht erhoben wurden, weil andere Anleger auch die Voraussetzungen einer Steuerbegünstigung nach § 8 Abs. 2 InvStG nicht mehr erfüllen.

III. Haftungsbeschränkung (Abs. 1 Satz 2) Die Haftung des Anlegers ist gem. Abs. 1 Satz 2 der Höhe nach beschränkt auf den dem An- 24 leger ausgezahlten und nicht zurückgezahlten sog. Befreiungsbetrag. Gemeint ist der Betrag i.H.d. gegenüber dem Investmentfonds nicht erhobenen bzw. erstatteten Steuern, die dem Anleger gem. § 12 InvStG ausgezahlt wurden und die er nicht bereits aufgrund der Regelung des § 13 Abs. 3 InvStG (oder anderer z.B. zivilrechtlicher Ansprüche) an den Investmentfonds zurückgezahlt hat. Soweit der Anleger von vornherein gar keinen Befreiungsbetrag erhalten oder diesen zwar erhalten, aber bereits zurückgezahlt hat, besteht keine Haftung.

1 Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 14 InvStG Anm. 5; Meinhardt in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 14 InvStG Rz. 1; Schäfer/Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 14 InvStG Rz. 23. 2 So bereits die Gesetzesbegründung, vgl. BT-Drucks. 18/8045, 82. Mager | 327

§ 14 Rz. 25 | Haftung bei unberechtigter Steuerbefreiung oder -erstattung

C. Haftung bei Übertragung i.S.v. § 10 Abs. 3 InvStG (Abs. 2) I. Vorbemerkung 25 Abs. 2 begründet eine Haftung für (i) steuerbegünstigte Anleger von nach § 10 InvStG steuer-

befreiten Investmentfonds oder Anteilsklassen, die (ii) ihre Anteile auf einen Erwerber übertragen haben, der nicht mindestens gleichermaßen steuerbegünstigt ist, wobei (iii) dem Erwerber Befreiungsbeträge ausgezahlt wurden, die er nicht zurückgezahlt hat. Zwar hat der übertragende Anleger als Haftungsschuldner in diesem Fall keinen Steuervorteil erlangt, den er herauszugeben hat. Diesen hat ja gerade der Erwerber erlangt. Die Haftung rechtfertigt sich jedoch daraus, dass der übertragende Anleger gegen § 10 Abs. 3 InvStG verstoßen hat, wonach die Übertragung von Investmentanteilen eines nach § 10 InvStG steuerbefreiten Investmentfonds bzw. einer Anteilsklasse ausgeschlossen ist. Die Pflichtverletzung muss zwar nicht schuldhaft begangen sein; allerdings ist kaum vorstellbar, dass der Verstoß nicht wenigstens fahrlässig erfolgt.

26 Für den Fiskus ist der Haftungstatbestand von Bedeutung, weil die gesetzliche Verpflichtung

zur Rückzahlung von Befreiungsbeträgen nach § 13 Abs. 3 InvStG nur den übertragenden Anleger erfasst, nicht aber den Fall, dass Befreiungsbeträge an den Erwerber gezahlt wurden (s. § 13 InvStG Rz. 26)

II. Haftungstatbestand (Abs. 2 Satz 1) 27 Die Tatbestandsmerkmale des Abs. 2 Satz 1 sind weitgehend bereits aus anderen Normen be-

kannt: – Haftungsschuldner ist – wie i.R.d. Abs. 1 – ein nach § 8 Abs. 1 oder Abs. 2 InvStG steuerbegünstigter Anleger (s. § 8 InvStG Rz. 20 ff. und 37 ff.). – Er muss an einem Investmentfonds oder einer Anteilsklasse nach § 10 InvStG beteiligt sein. Erfasst ist also nur der Fall der Übertragung eines nach § 10 InvStG steuerbefreiten Investmentfonds (vgl. hierzu auch § 13 InvStG Rz. 10 ff.). – Ein Investmentanteil muss übertragen worden sein (s. § 13 InvStG Rz. 18 ff.). – Nach dem Wortlaut der Vorschrift muss der Erwerber ein nicht nach § 8 Abs. 1 oder Abs. 2 InvStG steuerbegünstigter Anleger sein. Richtigerweise kommt es allerdings darauf an, dass der Erwerber nicht mindestens gleichermaßen steuerbegünstigt wie der übertragende Anleger ist. Nur dann entfällt die Steuerbefreiung und ist deshalb die Haftung gerechtfertigt (vgl. § 13 InvStG Rz. 19). – Dem Investmentfonds muss eine Steuer erstattet worden sein (vgl. § 7 Abs. 5 Satz 2 InvStG bzw. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvStG) oder es muss ihm gegenüber eine Steuer nicht erhoben worden sein (gem. § 10 Abs. 2 InvStG steuerbefreite inländische Immobilienerträge bzw. sonstige steuerbefreite inländische Einkünfte ohne Steuerabzug sowie Kapitalerträge, bei denen ein Steuerabzug gem. § 10 Abs. 5 InvStG unterblieben ist; s. Rz. 21). – Die Erstattung oder Nichterhebung muss zu Unrecht erfolgt sein. Dies ist der Fall, wenn der Investmentfonds die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nicht erfüllte. Die Übertragung von Anteilen eines steuerbegünstigten an einen nicht gleichermaßen steuerbegünstigten Anleger hat immer den Wegfall der Steuerbefreiung zur Folge (vgl. § 13 Abs. 2 InvStG, vgl. § 13 InvStG Rz. 23 ff.). Die Tatsache, dass die Steuer erstattet bzw. nicht erhoben wurde, muss gerade auf der Übertragung beruhen (Kausalität).

328 | Mager

D. Haftung d. Anbieters eines Altersvorsorge-/Basisrentenvertrags (Abs. 3) | Rz. 34 § 14

III. Haftungsbeschränkung (Abs. 2 Satz 2) Die Haftung ist gem. Abs. 2 Satz 2 der Höhe nach beschränkt auf die erstattete oder nicht 28 erhobene Steuer, die auf den Erwerber entfällt und von dem Erwerber nicht an den Investmentfonds zurückgezahlt wurde. Die Steuer entfällt auf den Erwerber, insoweit sie für vom Investmentfonds oder der Anteilsklasse erzielte Einkünfte geschuldet wird, die auf den Erwerber entfallen.1 Die erstattete oder nicht erhobene Steuer muss als Befreiungsbetrag an den Erwerber aus- 29 gezahlt worden sein. Anderenfalls würde das Tatbestandsmerkmal der fehlenden Rückzahlung keinen Sinn ergeben. Ferner bedürfte es dann keines Haftungstatbestands, weil sich bei Auszahlung an den übertragenden Anleger bzw. bei unterbliebener Auszahlung die Rückabwicklung nach § 13 Abs. 3 und 4 InvStG richtet. Die Rückzahlung durch den Erwerber muss unterblieben sein. Wenn der Investmentfonds 30 die Befreiungsbeträge zurückerhalten hat, bedarf es keiner Anlegerhaftung.

D. Haftung des Anbieters eines Altersvorsorge- oder Basisrentenvertrags (Abs. 3) I. Vorbemerkung Abs. 3 regelt die Haftung von Anbietern zertifizierter Altersvorsorge- und Basisrentenverträge. 31 Haftungsgrund ist die schuldhafte Verletzung von Mitteilungspflichten nach § 9 Abs. 3 InvStG bzw. § 10 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 InvStG. Es handelt sich um Mitteilungen, die Anbieter gegenüber Investmentfonds vornehmen müssen und die es den Investmentfonds ermöglichen sollen, ihre partielle oder vollständige Steuerbefreiung zu beurteilen.

II. Haftungstatbestand (Abs. 3 Satz 1) Haftungsschuldner sind die Anbieter zertifizierter Altersvorsorge- und Basisrentenverträge 32 i.S.d. §§ 5, 5a AltZertG (vgl. § 8 InvStG Rz. 25), die an einem Investmentfonds bzw. einer Anteilsklasse beteiligt sind. Aus dem Gesetz ergibt sich nicht, ob Anbieter zertifizierter Altersvorsorge- und Basisrenten- 33 verträge auch nach Abs. 1 oder Abs. 2 als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden können. Der Wortlaut der Vorschrift erlaubt dies, da es sich bei ihnen um Anleger gem. § 2 Abs. 10 InvStG handelt. Allerdings enthält Abs. 3 einen speziellen Haftungstatbestand, der in Bezug auf Kausalität und Verschulden eigenständige Wertungen trifft. Folglich sollte Abs. 3 als lex specialis anzusehen sein.2 Die Haftung setzt voraus, dass es zu einer Erstattung oder Nichterhebung von Steuern ge- 34 genüber dem Investmentfonds oder der Anteilsklasse gekommen ist. Abs. 3 Satz 1 erfasst nach seinem Wortlaut grds. alle Erstattungs- und Nichterhebungsfälle. Aus dem Regelungszusammenhang ergibt sich, dass es sich um Erstattungen bzw. Nichterhebungen handeln muss, die auf der Geltendmachung einer Steuerbefreiung gem. § 8 InvStG bzw. § 10 InvStG beruhen (hierzu Rz. 35). Ferner beschränkt Satz 2 die Haftung jedoch der Höhe nach auf die zu Unrecht erstattete oder nicht erhobene KapErtrSt (s. Rz. 36 ff.). Daraus folgt, dass die Haf1 Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 14 InvStG Anm. 10. 2 So im Hinblick auf Abs. 1 auch Schäfer/Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 14 InvStG Rz. 24 f., die aber davon ausgehen, dass der Haftungstatbestand des Abs. 2 gleichrangig neben Abs. 3 steht. Mager | 329

§ 14 Rz. 34 | Haftung bei unberechtigter Steuerbefreiung oder -erstattung tung im Ergebnis eine Erstattung oder Nichterhebung von Kapitalertragsteuern voraussetzt. Für Einkünfte, die nicht der KapErtrSt unterliegen (d.h. für zu Unrecht freigestellte inländische Immobilienerträge oder sonstige inländische Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug unterliegen), besteht hingegen keine Haftung.1 Für freigestellte Einkünfte besteht eine gesetzliche Lücke.2 35 Zu Unrecht ist die Erstattung bzw. Nichterhebung der Steuer erfolgt, wenn der Investment-

fonds die Voraussetzungen der Steuerbefreiung gem. § 8 InvStG oder § 10 InvStG nicht erfüllte, die Grundlage der Erstattung bzw. Nichterhebung war. Im Rahmen des Abs. 3 ist eine Steuererstattung bzw. Nichterhebung nur dann zu Unrecht erfolgt, wenn sie darauf beruht, dass ein Anbieter die Anteile nicht im Rahmen von Altersvorsorge- oder Basisrentenverträgen gehalten hat. Dieser Kausalzusammenhang ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut des Satzes 1, aber aus dem Regelungszusammenhang der Vorschrift.

III. Haftungsbeschränkung (Abs. 3 Satz 2) 36 Nach seinem Wortlaut regelt Abs. 3 Satz 2 eigentlich nur eine Haftungsbeschränkung der

Höhe nach. Die Haftung beschränkt sich auf die Höhe der KapErtrSt, die aufgrund einer falschen, unterlassenen oder verspäteten Mitteilung des Anbieters zu Unrecht erstattet oder nicht erhoben wurde.

37 Damit enthält die Vorschrift aber den eigentlichen Haftungsgrund, d.h. die die Haftung be-

gründende Pflichtverletzung des Anbieters: Der Anbieter muss seine Mitteilungspflichten verletzt haben, indem er entweder eine falsche Mitteilung i.S.d. § 9 Abs. 3 InvStG oder § 10 Abs. 4 Nr. 2 InvStG getätigt hat, eine solche unterlassen hat oder diese verspätet übermittelt hat.3

38 Eine Mitteilung ist falsch, wenn die Angaben nicht mit den Tatsachen übereinstimmen. Der

Begriff ist objektiv zu verstehen; subjektive Elemente sind allein i.R.d. Exkulpationsmöglichkeit nach Satz 3 zu berücksichtigen.4 Die Frage, was i.R.d. Abs. 3 relevante Tatsachen sind, hängt von der Art der Mitteilungspflicht ab.

39 Die Mitteilungspflicht nach § 9 Abs. 3 InvStG betrifft Investmentfonds, an denen sich auch

steuerbegünstige Anleger beteiligen können, da nur im Umfang der steuerbegünstigten Anleger eine Steuerbefreiung gewährt wird. In diesem Zusammenhang ist seitens des Anbieters der zertifizierten Altersvorsorge- und Basisrentenverträge mitzuteilen, zu welchen Zeitpunkten und in welchem Umfang Anteile am Investmentfonds erworben oder veräußert wurden. Relevante Tatsachen, die falsch sein können, sind folglich die Zahl und die Zeitpunkte der im Rahmen von Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen erworbenen sowie veräußerten Anteile des Investmentfonds.5

40 Die Mitteilung i.S.d. § 10 Abs. 4 Nr. 2 InvStG betrifft demgegenüber vollständig steuerbefreite

Investmentfonds i.S.d. § 10 InvStG. Hier reicht die Bestätigung gegenüber dem Investmentfonds, dass die Anteile ausschließlich im Rahmen zertifizierter Altersvorsorge- bzw. Basis-

1 Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 14 InvStG Anm. 15; Ramackers/Schlund in BeckOK, § 14 InvStG Rz. 44. 2 Ramackers/Schlund in BeckOK, § 14 InvStG Rz. 44; Schäfer/Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 14 InvStG Rz. 73. 3 S. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 14 InvStG Anm. 15; Schäfer/Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/ Mann2, § 14 InvStG Rz. 73. 4 Schäfer/Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 14 InvStG Rz. 59. 5 BT-Drucks. 18/8045, 82; Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 14 InvStG Anm. 15; Schäfer/Enders/ Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 14 InvStG Rz. 60.

330 | Mager

E. Haftung der depotführenden Stelle (Abs. 4) | Rz. 46 § 14

rentenverträge gehalten werden, um die Steuerbefreiung des Anlegers nachzuweisen. Falsch ist die Mitteilung, wenn dies tatsächlich nicht für alle angegebenen Anteile der Fall ist. Der Fall der verspäteten Mitteilung betrifft lediglich das Mitteilungsverfahren nach § 9 Abs. 3 41 InvStG. Die Mitteilung ist innerhalb eines Monats nach Geschäftsjahresende des Investmentfonds zu übermitteln. Unterlassen wird eine Mitteilung, wenn die relevante Tatsache gar nicht oder unvollständig übermittelt wird und auch nicht nachgeholt wird.

Die falsche Mitteilung muss gem. Satz 2 kausal für den zu Unrecht gewährten Steuervorteil sein.1 42 Der Anbieter von Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen haftet nach dem eindeutigen 43 Wortlaut des Satzes 2 nur für die nicht erhobenen bzw. erstatteten KapErtrSt. Nicht betroffen von der Haftung ist damit die (i.R.d. Veranlagungsverfahrens) nicht erhobene KSt (hierzu bereits ausführlich Rz. 21).2

IV. Exkulpationsmöglichkeit (Abs. 3 Satz 3) Die Haftung des Anbieters von zertifizierten Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen ist – 44 anders als bei der Gruppe der steuerbegünstigten Anleger i.S.v. § 8 Abs. 1 Nr. 1 InvStG –verschuldensabhängig. Denn § 14 Abs. 3 Satz 3 InvStG sieht eine Exkulpationsmöglichkeit für den Anbieter solcher Verträge vor. Die Anbieter können sich von ihrer Haftung exkulpieren, wenn sie nachweisen, dass sie weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt haben. Einfache Fahrlässigkeit führt somit nicht zu einer Haftung. Die Nachweispflicht hierfür liegt allerdings beim Anbieter. Für die Frage der Haftung ist grds. auf den Zeitpunkt der Abgabe einer falschen Mitteilung abzustellen. In den Fällen, in welchen der Anbieter nach Abgabe der Mitteilung von der Fehlerhaftigkeit erfährt, ist er allerdings zur Berichtigung verpflichtet. Unterlässt er dies schuldhaft, so haftet er ebenfalls.3

E. Haftung der depotführenden Stelle (Abs. 4) Abs. 4 regelt die Haftung der depotführenden Stelle für einen falschen Investmentanteil-Be- 45 standsnachweis. Es handelt sich um eine verschuldensunabhängige Haftung. Der Investmentanteil-Bestandsnachweis ist in § 9 Abs. 1 Nr. 3 InvStG definiert (§ 9 InvStG Rz. 15 ff.). Die Bescheinigung ist nach amtlichem Muster zu erstellen und gibt Auskunft über den Umfang der durchgehend während des Kalenderjahres von einem steuerbegünstigten Anleger gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 InvStG gehaltenen Investmentanteile sowie den Zeitpunkt und Umfang des Erwerbs oder der Veräußerung von Investmentanteilen während des Kalenderjahres. Die Haftung der depotführenden Stelle wird durch eine falsche Bescheinigung ausgelöst. Sie 46 ist falsch, wenn die Angaben zum Umfang der vom Anleger während des Kalenderjahres gehaltenen Investmentanteile oder zum Zeitpunkt und Umfang des Erwerbs bzw. der Veräußerung von Investmentanteilen unzutreffend sind.4 Relevant ist insbes. der Fall, wenn die Anzahl der vom steuerbegünstigten Anleger gehaltenen Investmentanteile zu hoch angegeben wurde.5 1 BT-Drucks. 18/8045, 82; hierzu ausführlich Schäfer/Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 14 InvStG Rz. 74 ff. 2 S. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 14 InvStG Anm. 15; Ramackers/Schlund in BeckOK, § 14 InvStG Rz. 44. 3 BT-Drucks. 18/8045, 82; ausführlich und auch zur Einbeziehung von Tax-Compliance-ManagementSystemen Schäfer/Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 14 InvStG Rz. 74 ff. 4 S. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 14 InvStG Anm. 20; Brandl in Brandis/Heuermann, § 14 InvStG 2018 Rz. 9. 5 BT-Drucks. 18/8045, 83. Mager | 331

§ 14 Rz. 47 | Haftung bei unberechtigter Steuerbefreiung oder -erstattung 47 Zwischen dem falschen Investmentanteil-Bestandsnachweis und der Erstattung bzw. fehlen-

den Erhebung der Steuer muss ein kausaler Zusammenhang bestehen.1 Ein Verschulden ist nicht erforderlich.

48 Die Haftung besteht in dem Umfang der zu Unrecht erstatteten bzw. nicht erhobenen Steuer.

Praktisch relevant dürfte allerdings nur der Erstattungsfall sein, weil ein Investmentanteil-Bestandsnachweis erst nachträglich ausgestellt wird und somit eine Vorabbefreiung nicht in Betracht kommt.2

F. Haftung des gesetzlichen Vertreters (Abs. 5) 49 Abs. 5 regelt die Haftung des gesetzlichen Vertreters eines Investmentfonds. Wer gesetzli-

cher Vertreter ist, ergibt sich aus § 3 Abs. 2 bis 4 InvStG. Dies ist regelmäßig die Verwaltungsgesellschaft des Investmentfonds.

50 Die Haftung betrifft nur Fälle, in denen eine Steuerbefreiung geltend gemacht wird.3 Hieraus

folgt, dass der Haftungstatbestand des Abs. 5 nur Steuerbefreiungen nach § 8 Abs. 1 und 2 InvStG erfasst, denn nur diese Steuerbefreiungen bedürfen der Geltendmachung (§ 8 InvStG Rz. 13 ff. und 33 ff.). Die Steuerbefreiung des Investmentfonds bzw. der Anteilsklasse nach § 10 InvStG setzt hingegen keinen Antrag voraus, auch wenn es bestimmter Nachweise gegenüber dem Entrichtungspflichtigen der KapErtrSt bzw. den FinBeh. bedarf (§ 10 InvStG Rz. 21 ff.), und kann somit auch keine Haftung nach § 14 Abs. 5 InvStG auslösen.4

51 Die Vorschrift sieht zwei Haftungstatbestände vor. Haftungsgrund ist im ersten Fall (Nr. 1) ein

aktives Tun, nämlich die Geltendmachung der Steuerbefreiung trotz positiver Kenntnis bzw. fahrlässiger Unkenntnis vom Fehlen der Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung. Im zweiten Fall (Nr. 2) ist der Haftungsgrund ein Unterlassen, nämlich die nicht unverzügliche Unterrichtung der zuständigen FinBeh. über das Fehlen der Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung, obwohl der gesetzliche Vertreter hierüber zu einem Zeitpunkt nach der Antragstellung Kenntnis erlangt.

52 Gegenstand der Kenntnis bzw. fahrlässigen Unkenntnis können im Prinzip alle tatbestandli-

chen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 bzw. Abs. 2 InvStG sein. Praktisch relevant dürfte aber allein der Fall sein, dass Anleger des Investmentfonds nicht die Voraussetzungen der Steuerbegünstigung gem. § 8 Abs. 1 bzw. Abs. 2 InvStG erfüllten, obwohl die geltend gemachte Steuerbefreiung des Investmentfonds mit der vermeintlichen Steuerbegünstigung dieser Anleger begründet wurde.

53 Wissen i.S.d. Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 setzt positive Kenntnis über das Nichtvorliegen der Voraus-

setzungen der Steuerbefreiung in dem Zeitpunkt voraus, in dem der gesetzliche Vertreter die Steuerbefreiung gegenüber einer FinBeh. oder der zum Kapitalertragssteuerabzug verpflichteten Person geltend macht. Hierbei dürfte es sich um einen strafrechtlich relevanten Ausnahmefall handeln. Parallel kommt eine Haftung nach § 71 AO in Betracht.5

54 Gemäß Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 genügt es für die Haftung aber auch, wenn der gesetzliche Vertre-

ter das Fehlen der Voraussetzungen bei Anwendung einer angemessenen Sorgfalt hätte erkennen können. Nach dem Wortlaut der Vorschrift genügt somit ein fahrlässiges Verhalten.6 1 2 3 4

BT-Drucks. 18/8045, 83. Schweinitz/Thiems, DStR 2016, 1198 (1201). Dies ergibt sich zwar ausdrücklich nur aus dem Wortlaut des Abs. 5 Nr. 1, gilt aber auch für die Nr. 2. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 14 InvStG Anm. 25; Ramackers/Schlund in BeckOK, § 14 InvStG Rz. 44; Schäfer/Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 14 InvStG Rz. 100. 5 Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 14 InvStG Anm. 25. 6 A.A. Meinhardt in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 14 InvStG Rz. 16, der nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift eine grob fahrlässige Pflichtverletzung voraussetzt.

332 | Mager

G. Verhältnis der Haftungsschuldner zueinander (Abs. 6) | Rz. 59 § 14

Die Haftung ist damit weiter als der Haftungstatbestand des § 69 AO, der nur im Falle mindestens grober Fahrlässigkeit eingreift. Die praktische Relevanz auch dieses Tatbestands dürfte sich allerdings ebenfalls in Grenzen halten. Denn die Anleger müssen dem Investmentfonds zum Nachweis ihrer Steuerbegünstigung bestimmte amtliche Nachweise vorlegen. Nur dann kann die Steuerbefreiung durch den Investmentfonds geltend gemacht werden. In der Regel darf sich der gesetzliche Vertreter des Investmentfonds auf diese Nachweise verlassen. Sofern also keine besonderen Anhaltspunkte vorliegen, aus denen sich ergibt, dass die vom Anleger vorgelegten Nachweise unzutreffend sein könnten, besteht kein Raum für die Annahme eines fahrlässigen Verhaltens. Die Haftung nach Abs. 5 Nr. 2 setzt wiederum positive Kenntnis des gesetzlichen Vertreters 55 darüber voraus, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht erfüllt waren. Das InvStG sieht keine aktive Benachrichtigungspflicht vor, sondern statuiert nur eine Haftung für den Fall, dass die Benachrichtigung nicht unverzüglich erfolgt. Die Benachrichtigungspflicht dürfte sich jedoch aus § 153 AO ergeben.1 Ohne Hinweis des betreffenden Anlegers dürfte der Investmentfonds regelmäßig keine haftungsbegründende Kenntnis erlangen. Vor diesem Hintergrund ist die hier vertretene Auffassung (s. § 13 InvStG Rz. 12) zu verstehen, dass der Anleger in analoger Anwendung des § 13 Abs. 1 Satz 1 InvStG auch bei Steuerbefreiungen gem. § 8 Abs. 1 und Abs. 2 InvStG (und nicht nur gem. § 10 InvStG) verpflichtet ist, den Investmentfonds vom Nichtbestehen seiner Steuerbegünstigung zu unterrichten. Unverzüglich ist eine Unterrichtung, wenn sie ohne schuldhaftes Zögern erfolgt (§ 121 Abs. 1 56 Satz 1 BGB). Die zivilrechtliche Begriffsdefinition findet auch im Steuerrecht Anwendung, wobei die zivilrechtlich vielfach zugrunde gelegte Frist von maximal zwei Wochen2 nicht schematisch auf das Steuerrecht und den § 14 Abs. 5 InvStG übertragen werden kann.3 Wann ein schuldhaftes Zögern gegeben ist, hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalls ab und schließt auch die Möglichkeit einer rechtlichen Beratung ein. In dem Fall allerdings, dass der Investmentfonds vom Anleger auf das Fehlen der Steuerbegünstigung hingewiesen wird, dürfte eine kurzfristige Unterrichtung – jedenfalls innerhalb von zwei Wochen – regelmäßig empfehlenswert sein. Der Umfang der Haftung richtet sich auf die zu Unrecht erstattete bzw. nicht erhobene Steu- 57 er. Zwischen dem Nichtvorliegen der Voraussetzungen der Steuerbefreiung des Investmentfonds und der unberechtigten Erstattung bzw. Nichterhebung muss ein Kausalzusammenhang bestehen. Gemäß Abs. 6 Satz 4 ist die Haftung des gesetzlichen Vertreters subsidiär gegenüber den an- 58 deren Haftungstatbeständen des § 14 InvStG. Sie wird erst dann ausgelöst, wenn eine Haftung des Anlegers, des Anbieters eines Altersvorsorge- oder Basisrentenvertrags oder die der depotführenden Stelle ausgeschlossen ist.

G. Verhältnis der Haftungsschuldner zueinander (Abs. 6) I. Vorbemerkung Abs. 6 regelt das Verhältnis, in dem der Investmentfonds und die Haftungsschuldner i.S.d. 59 Abs. 1 bis 5 in Anspruch zu nehmen sind.

1 Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 14 InvStG Anm. 25. 2 Diese Obergrenze wird von Schäfer/Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 14 InvStG Rz. 108, für einschlägig gehalten. 3 Ausführlich hierzu z.B. Jehke/Dreher, DStR 2012, 2467. Mager | 333

§ 14 Rz. 60 | Haftung bei unberechtigter Steuerbefreiung oder -erstattung

II. Grundsatz: Gesamtschuldnerische Haftung (Abs. 6 Satz 1) 60 Nach Satz 1 haften der Investmentfonds und die Haftungsschuldner i.S.d. Abs. 1 bis 5 grds.

als Gesamtschuldner. Was unter der Gesamtschuld zu verstehen ist, ergibt sich aus § 44 AO. Nach § 44 Abs. 1 Satz 2 schuldet jeder Gesamtschuldner die gesamte Leistung. Dies bedeutet, dass der Investmentfonds und die Haftungsschuldner gem. Abs. 1 bis 5 allesamt die Steuer in voller Höhe schulden.

61 Satz 1 stellt klar, dass die Gesamtschuld nur besteht, „insoweit die Haftung reicht“. Diese

Formulierung trägt dem Umstand Rechnung, dass die Haftungshöhe der betroffenen Haftungsschuldner aufgrund der verschiedenen Haftungstatbestände und -beschränkungen unterschiedlich sein kann. Ein Haftungsschuldner haftet natürlich nur bis zur Höhe seiner eigenen Haftungsschuld als Gesamtschuldner. Wird die Leistung durch einen Schuldner erbracht, so werden die sonstigen Gesamtschuldner frei (§ 44 Abs. 2 Satz 1 AO).1

62 Die nachfolgenden Sätze regeln allerdings die Frage, wer vorrangig in Anspruch zu nehmen

ist. Grundsätzlich wird das derjenige sein, der auch die unrechtmäßige Erstattung bzw. Nichterhebung zu verschulden hat.

III. Auswahlermessen der Finanzbehörde (Abs. 6 Satz 2) 63 Korrespondierend zur in Satz 1 geregelten Gesamtschuld bestimmt Satz 2 aus Sicht der Fin-

Beh. als Gläubigerin, dass sie die Steuerschuld oder Haftungsschuld nach pflichtgemäßem Ermessen gegenüber jedem Gesamtschuldner geltend machen kann. Sie besitzt ein entsprechendes Auswahlermessen, welches nur dadurch eingeschränkt ist, dass dieses pflichtgemäß auszuüben ist.2 Dabei sind insbes. die gesetzliche Haftungsfolge der Sätze 3 und 4 sowie der Haftungsausschluss nach Satz 5 zu berücksichtigen.

IV. Vorrangige Inanspruchnahme der Haftungsschuldner (Abs. 6 Satz 3) 64 Gemäß Satz 3 sind die Haftungsschuldner vorrangig in Anspruch zu nehmen. Gemeint ist,

dass sie im Verhältnis zum Investmentfonds von der FinBeh. vorrangig heranzuziehen sind. Im Verhältnis der Haftungsschuldner gem. Abs. 1 und 2 ist dieser Vorrang gerechtfertigt, weil diese Haftungsschuldner nur insoweit haften, wie der jeweilige Befreiungsbetrag nicht an den Investmentfonds zurückgezahlt wurde. Im Verhältnis zu den Haftungsschuldnern gem. Abs. 3 bis 5 dürfte sich diese Regelung dadurch erklären, dass die Haftungsschuldner hier eine schwerwiegende Pflichtverletzung begangen haben.

V. Inanspruchnahme verschiedener Haftungsschuldner (Abs. 6 Satz 4) 65 Im Verhältnis der Haftungsschuldner zueinander bestimmt Satz 4, dass zunächst gleichrangig

die Haftungsschuldner nach Abs. 1 bis 3 (d.h. die Anleger und die Anbieter von Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen) haften. Die Festlegung einer Haftungsreihenfolge zwischen diesen verschiedenen Haftungsschuldnern dürfte deshalb nicht erforderlich gewesen sein, weil sie

1 S. Meinhardt in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 14 InvStG Rz. 20; s. auch Schäfer/Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 14 InvStG Rz. 116 ff., mit weiteren Ausführungen zum Ausgleich im Innenverhältnis. 2 Vgl. Meinhardt in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 14 InvStG Rz. 19; Schäfer/Enders/Lebioda in Moritz/ Jesch/Mann2, § 14 InvStG Rz. 119 ff.

334 | Mager

Gewerbesteuer | § 15

jeweils unterschiedliche Sachverhalte betreffen. Danach ist die depotführende Stelle als Haftungsschuldner gem. Abs. 4 und an letzter Stelle der gesetzliche Vertreter als Haftungsschuldner gem. Abs. 5 in Anspruch zu nehmen.

VI. Haftungsausschluss für den Investmentfonds (Abs. 6 Satz 5) Satz 5 enthält einen Haftungsausschluss für Investmentfonds. Der Investmentfonds kann 66 nicht für die zu Unrecht erstatteten bzw. nicht erhobenen Steuer in Anspruch genommen werden, wenn er nachweist, dass (i) er den Befreiungsbetrag an seinen vermeintlichen steuerbegünstigten Anleger bzw. Anbieter von Altersvorsorge- bzw. Basisrentenverträgen geleistet hat und (ii) eine Rückforderung ausgeschlossen ist. Die Rückforderung des Befreiungsbetrags kann insbes. ausgeschlossen sein, wenn Verjährung eingetreten ist oder der Anleger in die Insolvenz geraten ist.1 Mit dieser Vorschrift will der Gesetzgeber klarstellen, dass grds. derjenige, der den ungerechtfertigten Steuervorteil tatsächlich erhalten hat, vorrangig in Anspruch genommen werden muss.

§ 15 Gewerbesteuer (1) Investmentfonds gelten als sonstige juristische Personen des privaten Rechts nach § 2 Absatz 3 des Gewerbesteuergesetzes. (2) 1Ein Investmentfonds ist von der Gewerbesteuer befreit, wenn 1. sein objektiver Geschäftszweck auf die Anlage und Verwaltung seiner Mittel für gemeinschaftliche Rechnung der Anleger beschränkt ist und 2. er seine Vermögensgegenstände nicht in wesentlichem Umfang aktiv unternehmerisch bewirtschaftet. 2Satz 1 Nummer 2 ist nicht auf Beteiligungen an Immobilien-Gesellschaften nach § 1 Absatz 19 Nummer 22 des Kapitalanlagegesetzbuchs anzuwenden. (3) Die Voraussetzungen des Absatzes 2 gelten als erfüllt, wenn die Einnahmen aus einer aktiven unternehmerischen Bewirtschaftung in einem Geschäftsjahr weniger als 5 Prozent der gesamten Einnahmen des Investmentfonds betragen. (4) 1Die aktive unternehmerische Tätigkeit eines gewerbesteuerpflichtigen Investmentfonds bildet einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. 2Der Gewinn des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ist als Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben zu ermitteln. 3Der so ermittelte Gewinn ist der Gewinn nach § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes zur Ermittlung des Gewerbeertrags. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . 2. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . 3. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . .

1 3 4 5

III. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . B. Fiktion der Gewerbesteuerpflicht (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gewerbesteuerbefreiung (Abs. 2) I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6 7 9

1 BT-Drucks. 18/8045, 83. Mager und Oellerich | 335

§ 15 Rz. 1 | Gewerbesteuer II. Beschränkung des objektiven Geschäftszwecks auf Anlage und Verwaltung der Mittel des Fonds für gemeinschaftliche Rechnung 1. Begriff des objektiven Geschäftszwecks 2. Anlage und Verwaltung der Mittel des Fonds für gemeinschaftliche Rechnung 3. Beschränkung des objektiven Geschäftszwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Keine aktive unternehmerische Bewirtschaftung 1. Begriff der aktiven unternehmerischen Bewirtschaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unterschiede bei den verschiedenen Vermögensarten a) Differenzierung nach dem Vermögen des Investmentfonds . . . . . b) Wertpapiergeschäfte . . . . . . . . . . . . c) Unternehmensbeteiligungen . . . . . d) Immobilienanlage

aa) bb) (1) (2) (a) (b)

12 13 15

16

D. E. I.

21 22 23

II. III.

Vermietung und Verpachtung Veräußerung Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . Einzelobjektbetrachtung Grundstücksbegriff . . . . . . . . . Absicht kurzfristiger Veräußerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Portfoliobetrachtung . . . . . . . . cc) Immobilien-Gesellschaften . . . 3. Nicht in wesentlichem Umfang . . . . . . Bagatellgrenze (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . Umfang der Gewerbesteuerpflicht (Abs. 4) Sachliche Beschränkung der Gewerbesteuerpflicht (Abs. 4 Satz 1) . . . . . . . . . . Gewinnermittlung (Abs. 4 Satz 2) . . . . . Ermittlung des Gewerbeertrags (Abs. 4 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25 28 31 32 35 38 39 42

46 49 50

Literatur: Elser/Stadler, Einschneidende Änderungen der Investmentbesteuerung nach dem nunmehr in Kraft getretenen AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz, DStR 2014, 233; Haisch/Helios, Steuerliche Produktregulierung durch das AIFM-StAnpG – Antworten auf Zweifelsfragen, FR 2014, 313; Bindl/Mager, Ausgewählte Zweifelsfragen und Lösungsvorschläge zum InvStG n.F., BB 2016, 2811; Lechner, (Erneute) Reform der Investmentbesteuerung – ein Überblick, RdF 2016, 208; Stadler/Bindl, Das neue InvStG – Überblick und Korrekturbedarf, DStR 2016, 1953.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck 1 § 15 InvStG enthält Sonderregelungen für die gewerbesteuerliche Behandlung von Invest-

mentfonds. § 15 Abs. 1 und 2 InvStG führen im Erg. zu einer Gewerbesteuerfreiheit von Investmentfonds. Allenfalls sind Investmentfonds mit ihrem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gewerbesteuerpflichtig (§ 15 Abs. 1 InvStG i.V.m. § 2 Abs. 3 GewStG). § 15 Abs. 3 InvStG schränkt aber auch das wieder ein, wenn die Einnahmen aus einer unternehmerischen Betätigung 5 % der gesamten Einnahmen des Investmentfonds nicht übersteigen. Die gewerbliche Tätigkeit eines Investmentfonds bildet stets nur einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, dessen isolierter Gewerbeertrag durch Einnahme-Überschussrechnung zu ermitteln ist (§ 15 Abs. 4 InvStG).

2 § 15 Abs. 1 und 2 InvStG ähnelt §§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 11 Abs. 1 InvStG 2004; allerdings

verfolgt dieser eine grundsätzlich andere Zielrichtung. Während die alte Rechtslage noch vom Transparenzprinzip ausging, stellen Investmentfonds nunmehr sonstige juristische Personen des privaten Rechts i.S.d. § 2 Abs. 3 GewStG (§ 15 Abs. 1 InvStG) dar. Das führt zu einer gewerbesteuerlichen Relevanz des Investmentfonds, allerdings nur im Umfang seines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs. Um die Gewerbesteuerbefreiung zu beurteilen, wollte der Gesetzgeber eigenständige steuerrechtliche Maßstäbe zugrunde legen. § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB („Investmentvermögen ist jeder Organismus für gemeinsame Anlagen, der von einer Anzahl von Anlegern Kapital einsammelt, um es gemäß einer festgelegten Anlagestrategie zum Nutzen dieser Anleger zu investieren und der kein operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors ist.“) hielt er für ungeeignet, da diese Bestimmung nicht nach steuerrechtlichen 336 | Oellerich

B. Fiktion der Gewerbesteuerpflicht (Abs. 1) | Rz. 7 § 15

Notwendigkeiten, sondern i.S.d. Anlegerschutzes ausgelegt wird. Ferner wollte der Gesetzgeber eine eigenständige gewerbesteuerliche Abgrenzung zu den gewerblichen Unternehmen des Finanzsektors, um keine Wettbewerbsverzerrungen zu provozieren.1

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich § 15 InvStG befasst sich mit der Gewerbesteuerpflicht bzw. -befreiung von Investmentfonds.

3

2. Persönlicher Anwendungsbereich Der persönliche Anwendungsbereich des § 15 InvStG erstreckt sich auf sämtliche Invest- 4 mentfonds, auch auf Spezial-Investmentfonds. § 29 Abs. 4 InvStG, nach dem diese von der GewSt befreit sind, hat grds. klarstellenden Charakter (s. im Ergebnis § 29 InvStG Rz. 58 f.). Denn sie müssen ohnehin die Voraussetzungen des § 15 InvStG erfüllen (s. § 26 InvStG).2 3. Zeitlicher Anwendungsbereich § 15 InvStG ist durch das InvStRefG v. 19.7.20163 eingeführt worden. Wie auch das neue 5 InvStG i.Ü. gilt er grds. ab dem 1.1.2018. Die Änderungen des § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und des Abs. 4 Satz 1 InvStG mit Wirkung ab dem 18.12.2019 durch das „JStG 2019“4 haben allein klarstellende Bedeutung.5

III. Verhältnis zu anderen Vorschriften § 15 Abs. 2 und 3 InvStG ist gesetzestechnisch auch für die Frage von Bedeutung, wann ein 6 Spezial-Investmentfonds vorliegt. Voraussetzung für dessen Vorliegen ist, dass die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 und 3 InvStG vollumfänglich vorliegen (§ 26 InvStG). Dass die Spezial-Investmentfonds von der GewSt befreit sind, regelt indes § 29 Abs. 4 InvStG.

B. Fiktion der Gewerbesteuerpflicht (Abs. 1) § 15 Abs. 1 InvStG knüpft an die Fiktion6 des § 2 Abs. 3 GewStG an. Hiernach gilt auch die Tätig- 7 keit der sonstigen juristischen Personen des privaten Rechts und der nicht rechtsfähigen Vereine, soweit sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (ausgenommen Land- und Forstwirtschaft) unterhalten, als Gewerbebetrieb. Indem § 15 Abs. 1 InvStG die Investementfonds als sonstige juristische Personen des privaten Rechts fingiert („gilt“), ordnet der Gesetzgeber zugleich die GewStPfl. an (doppelte Fiktion). Dies gilt unabhängig von der Rechtsform des Investmentfonds.7 Die Vo-

1 2 3 4 5 6

BT-Drucks. 18/8045, 83. BT-Drucks. 18/8045, 98. BGBl. I 2016, 1730. G v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 15 InvStG Anm. 1. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 15 InvStG Anm. 5; Mann in Brandis/Heuermann, § 15 InvStG Rz. 11. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.1; Buge/Bujotzek/Steinmüller, DB 2016, 1594 (1596); Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 15 InvStG Rz. 6; Schlund in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 15 Rz. 16; a.A. Mann in Brandis/Heuermann, § 15 InvStG Rz. 11, 13. Oellerich | 337

§ 15 Rz. 7 | Gewerbesteuer raussetzungen eines Gewerbebetriebs sind nicht – wie sonst üblich – zu prüfen.1 Soweit der Investmentfonds in der Rechtsform einer KapGes. geführt wird, ist § 15 Abs. 1 InvStG ebenfalls nicht deklaratorisch. Die Tätigkeit eines Investmentfonds ist hier nicht qua Rechtsform in toto Gewerbebetrieb, sondern aufgrund des § 15 Abs. 1 InvStG ebenfalls nur im Rahmen des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs gewerblich und der Gewerbeertrag damit nur insoweit gewerbesteuerpflichtig. Soweit in der Literatur vertreten wird, der Gesetzgeber hätte – um eine rechtsformneutrale Behandlung der Investmentfonds sicherzustellen – eine ausdrückliche Einschränkung im Hinblick auf § 2 Abs. 2 GewStG einfügen müssen,2 ist dies zu formal und berücksichtigt nicht ausreichend, dass sich mit allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (Sinn und Zweck, lex specialis) vergleichbare Auslegungsergebnisse erzielen lassen. Ungeachtet dessen sind bei der Auslegung verfassungsrechtliche Grundsätze (Art. 3 Abs. 1 GG) einzubeziehen. 8 Dem Umfang nach schränkt § 15 Abs. 1 InvStG durch den Verweis auf § 2 Abs. 3 GewStG die

GewStPfl. aber zugleich wieder ein. Beschränkt wird die GewStPfl. auf die Erträge aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (dazu § 15 Abs. 4 Satz 1 InvStG). Das setzt voraus, dass der Investmentfonds im Inland eine inländische Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO unterhält, der die Einkünfte zugeordnet werden können.3 In den Gewerbeertrag gehen nur inländische Einkünfte ein.4

C. Gewerbesteuerbefreiung (Abs. 2) I. Vorbemerkung 9 Der Gesetzgeber hat die Gewerbesteuerbefreiung bewusst von spezifischen investmentsteuer-

rechtlichen Voraussetzungen abhängig gemacht:5 (1) Der objektive Geschäftszweck muss auf die Anlage und Verwaltung der Mittel des Investmentfonds für gemeinschaftliche Rechnung der Anteils- oder Aktieninhaber beschränkt sein und (2) der Fonds darf seine Vermögensgegenstände nicht in wesentlichem Umfang aktiv unternehmerisch bewirtschaften. Die eigenständigen investmentsteuerrechtlichen Voraussetzungen hielt der Gesetzgeber für notwendig, weil es sich bei einem Investmentfonds um eine komplexe Anlageform handelt, die regelmäßig einen kaufmännischen eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, aber nicht stets der GewSt unterliegen soll. Außerdem wird die Investmentanlage durch professionelle Verwalter mit entsprechenden beruflichen Erfahrungen durchgeführt. Insbesondere diese Merkmale sind nach Auffassung des Gesetzgebers für eine Abgrenzung ungeeignet.6 M.a.W. entspringen die besonderen Voraussetzungen für eine GewSt dem gesetzgeberischen Wunsch, einen grds. gewerbesteuerlichen Gewerbebetrieb regelmäßig stfrei zu stellen.

10 Liegen die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 InvStG vor, ist der Investmentfonds nicht nur in

toto gewerbesteuerbefreit (persönliche Steuerbefreiung).7 Er kann ggf. einen Spezial-Investmentfonds darstellen, soweit seine Anlagebestimmungen nicht wesentlich gegen die Maßgaben des § 26 InvStG verstoßen. Wenn es nur an der Voraussetzung nach § 15 Abs. 2 Nr. 2 InvStG fehlt, kann dies wegen § 15 Abs. 3 InvStG (erneute Fiktion) unbeachtlich sein.

1 Mann in Brandis/Heuermann, § 15 InvStG Rz. 11. 2 In diesem Sinne Mann in Brandis/Heuermann, § 15 InvStG Rz. 11. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.1 und 15.43; Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2714); Mann in Brandis/Heuermann, § 15 InvStG Rz. 12. 4 BT-Drucks. 18/8045, 84; Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 15 InvStG Anm. 5; Stadler/Bindl, DStR 2016, 1953 (1956 f.). 5 BT-Drucks. 18/8045, 83; Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 15 InvStG Anm. 10. 6 BT-Drucks. 18/8045, 84. 7 Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2714); Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 15 InvStG Anm. 10.

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C. Gewerbesteuerbefreiung (Abs. 2) | Rz. 14 § 15

Der Investmentfonds muss sich die Gewerbesteuerfreiheit nicht in einem Freistellungsverfah- 11 ren bestätigen lassen. Insbesondere ist nicht notwendig, dass er eine Gewerbesteuererklärung abgibt, um hierdurch einen Freistellungsbescheid zu veranlassen.1 Dies birgt allerdings für ihn das Risiko, dass das FA im Rahmen der Verjährungsfristen, insbes. im Zusammenhang mit einer Betriebsprüfung, ggf. gleich für mehrere Erhebungszeiträume, die Rechtsauffassung des Investmentfonds, gewerbesteuerfrei zu sein, verwirft.

II. Beschränkung des objektiven Geschäftszwecks auf Anlage und Verwaltung der Mittel des Fonds für gemeinschaftliche Rechnung 1. Begriff des objektiven Geschäftszwecks Der Begriff des objektiven Geschäftszwecks ist sprachlich unscharf.2 Grundsätzlich beschreibt 12 der Zweck ein subjektives Moment, der andererseits nach dem Gesetzeswortlaut aber objektiv beschrieben werden soll. So ist auch nach Auffassung der FinVerw. nicht nur auf die subjektive Zweckbestimmung abzustellen, die sich insbes. aus den Anlagebedingungen, der Satzung, dem Gesellschaftsvertrag oder den vergleichbaren konstituierenden Dokumenten ergibt (§ 2 Abs. 12 KAGB), es sollen auch die tatsächlich durchgeführten Geschäfte maßgebend sein. Es müssen damit sowohl subjektive als auch objektive Merkmale für eine Vermögensverwaltung sprechen, d.h., der Geschäftszweck muss auch in tatsächlicher Hinsicht auf das Ziehen von Nutzungen aus den angeschafften Vermögensgegenständen beschränkt sein.3 2. Anlage und Verwaltung der Mittel des Fonds für gemeinschaftliche Rechnung

Dieser objektive Geschäftszweck muss in der Anlage und Verwaltung der Mittel des Fonds für 13 gemeinschaftliche Rechnung bestehen. Dass der objektive Geschäftszweck auf die Anlage und Verwaltung der Mittel für gemeinschaftliche Rechnung der Anteils- oder Aktieninhaber beschränkt ist, ist bei Investmentfonds regelmäßig zu unterstellen.4 Investmentvermögen ist gem. § 1 Abs. 1 KAGB jeder Organismus für gemeinsame Anlagen, der von einer Anzahl von Anlegern Kapital einsammelt, um es gemäß einer festgelegten Anlagestrategie zum Nutzen dieser Anleger zu investieren und der kein operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors ist. Ein Widerspruch mag dahingehend bestehen, als eine Anlage und Verwaltung für gemein- 14 same Rechnung vorausgesetzt wird, § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 InvStG aber auch Organismen für gemeinsame Anlagen, bei denen die Zahl der möglichen Anleger auf einen Anleger begrenzt ist, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 KAGB erfüllt sind, als Investmentfonds gelten lässt. Gleichwohl will die FinVerw. auch in diesem Fall oder wenn der Investmentfonds faktisch nur einen Anleger hat, die Gewerbesteuerbefreiung nicht ausschließen.5 Dem ist in letzterem Fall schon deshalb zuzustimmen, weil in dem Fall des faktisch alleinigen Anlegers der Geschäftszweck allgemeiner formuliert sein kann. Schwieriger wird es in dem Fall, dass auch nach den Anlagebedingungen nur ein Anleger vorliegen kann.6 Ein solcher Investment1 Mann in Brandis/Heuermann, § 15 InvStG Rz. 16. 2 Krit. auch Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 15 InvStG Anm. 10. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.3; Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 15 InvStG Rz. 20; Schlund in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 15 Rz. 30. 4 Mann in Brandis/Heuermann, § 15 InvStG Rz. 21; deshalb das Kriterium für unerheblich haltend Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 15 InvStG Rz. 21. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.4; Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 15 InvStG Anm. 10. 6 Dies gleichwohl für unerheblich haltend BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.4; Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 15 InvStG Rz. 22; Mann in Brandis/Heuermann, § 15 InvStG Rz. 22; Schlund in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 15 Rz. 32. Oellerich | 339

§ 15 Rz. 14 | Gewerbesteuer fonds wird konzeptionell keine gemeinschaftliche Anlage verfolgen. Warum ein solcher Investmentfonds eine Gewerbesteuerbefreiung erlangen soll, die ein Einzelner ggf. nicht in Anspruch nehmen könnte, weil die Gewerblichkeit bei diesem weiter anzunehmen ist, erhellt sich nicht. 3. Beschränkung des objektiven Geschäftszwecks 15 Der objektive Geschäftszweck muss auf die Anlage und Verwaltung der Mittel für gemein-

schaftliche Rechnung der Anteils- oder Aktieninhaber beschränkt sein. Dies verlangt im Erg., dass die Anlagebedingungen und konstituierenden Dokumente konstitutionell diese Maßgabe erfüllen, aber ebenso die tatsächliche Tätigkeit des Investmentfonds diesen Maßgaben entspricht. Sowohl konstitutionell als auch tatsächlich muss sich der Fonds m.a.W. im Rahmen des zulässigen objektiven Geschäftszwecks bewegen. Dies verlangt nicht eine vollständige Deckungsgleichheit; beide müssen sich aber im Rahmen der Anlage und Verwaltung für gemeinschaftliche Rechnung bewegen. Nicht ausreichend wäre es, anhand einer gewichtenden Betrachtung zu dem Schluss zu gelangen, dass der Fonds das Ziel verfolgt, die Mittel für gemeinschaftliche Rechnung der Anteils- oder Aktieninhaber anzulegen und zu verwalten.

III. Keine aktive unternehmerische Bewirtschaftung 1. Begriff der aktiven unternehmerischen Bewirtschaftung 16 Der Ausschluss aktiver unternehmerischer Bewirtschaftung der Vermögensgegenstände soll

insbes. ausschließen, dass der Verwalter des Investmentfonds sich in das operative Geschäft von Unternehmen einmischt, an denen der Investmentfonds Anteile hält.1 In diesen Fällen indiziert das Handeln des Investmentfonds eine unternehmerische Betätigung, die nicht gewerbesteuerbefreit sein soll.2 Allerdings handelt es sich hierbei nur um einen besonders deutlichen und wichtigen Fall, in dem eine gewerbliche Betätigung vorliegt, die nicht steuerlich begünstigt werden soll. Darin erschöpfen soll sich § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InvStG nicht („insbesondere“). Es stellt sich daher die Frage, was unter der aktiven unternehmerischen Bewirtschaftung genau zu verstehen sein soll.

17 Bedauerlicherweise definiert das Gesetz den Begriff der aktiven unternehmerischen Bewirt-

schaftung nicht. Die Gesetzesmaterialien erschöpfen sich in einem Regelbeispiel. Sie weisen allerdings in der Folge darauf hin, dass es – wie bei der alten Rechtslage zu § 1 Abs. 1b Satz 2 Nr. 3 InvStG 2004 – um die Abgrenzung der gewerblichen Betätigung zur unschädlichen Vermögensverwaltung geht. Ergänzend wird auf die Grundsätze des BMF verwiesen.3 Deckungsgleich ist die investmentsteuerliche Abgrenzung zur einkommensteuerlichen Abgrenzung aber nicht.4 Bei Fonds muss Leitgedanke die kollektive Vermögensverwaltung sein, der also konzeptionell gemeinschaftlich nachgegangen wird.5 Auch hierbei handelt es sich indes um einen enorm unbestimmten Rechtsbegriff, der weiterer Ausfüllung, insbes. nach den Umständen des Einzelfalls, bedarf.

18 Schon hinsichtlich des § 1 Abs. 1b Satz 2 Nr. 3 InvStG 2004 galt nach Auffassung der FinVerw.

Folgendes: Die allgemeinen Grundsätze zur Abgrenzung einer gewerblichen von einer vermögensverwaltenden Tätigkeit, die durch die Rspr. und die FinVerw. für einkommensteuerliche Zwecke entwickelt wurden, sind bei der Beurteilung einer aktiven unternehmerischen Be1 2 3 4 5

BT-Drucks. 18/8045, 84; Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 15 InvStG Anm. 10. BT-Drucks. 18/8045, 84; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.7. BMF v. 3.3.2015 – IV C 1 - S 1980 – 1/13/10007:003, BStBl. I 2015, 227. Vgl. auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.8. Mann in Brandis/Heuermann, § 15 InvStG Rz. 26.

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C. Gewerbesteuerbefreiung (Abs. 2) | Rz. 21 § 15

wirtschaftung der Vermögensgegenstände von Investmentfonds nicht unmittelbar anwendbar. Sofern sich jedoch aus den allgemeinen Grundsätzen ergibt, dass eine Tätigkeit vermögensverwaltenden und keinen gewerblichen Charakter hat, dann liegt auch keine aktive unternehmerische Bewirtschaftung vor.1 Festgehalten werden kann mithin, dass die Grundsätze zu § 15 Abs. 2 EStG insoweit vollumfänglich auch für Investmentfonds anwendbar sind, als sich hiernach ergibt, dass Vermögensverwaltung vorliegt.2 Dies bedeutet, dass der Begriff der aktiven unternehmerischen Bewirtschaftung – zugunsten der Investmentfonds – enger zu verstehen ist als derjenige der gewerblichen Tätigkeit,3 ohne dass allerdings hiermit schon gesagt wäre, wie die Abgrenzungslinien dann verlaufen. Umgekehrt ist – nach Auffassung der FinVerw. – trotz Vorliegen von Merkmalen einer ge- 19 werblichen Tätigkeit unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Investmentanlage (kollektive Vermögensverwaltung) zu prüfen, ob darin auch eine aktive unternehmerische Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InvStG zu sehen ist.4 Die professionelle, standardisierte, kollektive Verwaltung eines Vermögens für die Anleger stellt die Aufgabe und das Wesensmerkmal eines Investmentfonds dar. Hierbei ist die berufliche Expertise des Verwalters immanenter Bestandteil der Vermögensverwaltung im Rahmen der Investmentanlage und kein Merkmal für eine aktive unternehmerische Bewirtschaftung der Vermögensgegenstände. Auch der wert- und zahlenmäßige Umfang der Geschäfte eines Investmentfonds soll kein Indiz für eine aktive unternehmerische Tätigkeit darstellen.5 Unbedenklich ist Letzteres nicht, weil unabhängig von dem Umstand einer kollektiven Vermögensverwaltung der Umfang der Geschäfte gegen eine bloße Fruchtziehung spricht. Insoweit sieht auch die FinVerw., dass Art und Umfang der Umschichtung der Vermögensgegenstände den Rahmen einer aktiven unternehmerischen Bewirtschaftung erreichen können.6 Die FinVerw. betrachtet alle Tätigkeiten, die einem OGAW erlaubt sind, nicht als aktive un- 20 ternehmerische Bewirtschaftung.7 2. Unterschiede bei den verschiedenen Vermögensarten a) Differenzierung nach dem Vermögen des Investmentfonds Ob die Grenzen der Vermögensverwaltung überschritten werden, hing schon nach der alten – 21 und insoweit unveränderten Rechtslage – von dem Vermögen des Fonds ab. Entsprechend differenzierte die Praxis schon früher nach Wertpapiergeschäften, Unternehmensbeteiligungen und Immobilienanlagen. Das geschieht – zu Recht – auch nach den neuen Verwaltungsgrundsätzen.8 Hierbei greift die FinVerw. auf die allgemeinen Grundsätze zur Abgrenzung gewerblicher Betätigung von der allgemeinen Vermögensverwaltung zurück.

1 BMF v. 3.3.2015 – IV C 1 - S 1980 – 1/13/10007:003, BStBl. I 2015, 227; so nun auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.8. 2 So auch Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 15 InvStG Rz. 24; Schlund in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 15 Rz. 40. – Zu diesen Grundsätzen ausführlich Hufeld in Kirchhof/Kulosa/ Ratschow in BeckOK, § 15 EStG Rz. 1029 ff. 3 Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 15 InvStG Rz. 24; Schlund in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 15 Rz. 42. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.8. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.9. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.9; so auch Gottschling in Moritz/Jesch/ Mann2, § 15 InvStG Rz. 28. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.10. 8 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.11 ff. Oellerich | 341

§ 15 Rz. 22 | Gewerbesteuer b) Wertpapiergeschäfte 22 Die Umschichtung von Wertpapieren – selbst in erheblichen Umfang – gehört nach zustim-

mungswürdiger Auffassung der FinVerw., auf die sich die Gesetzesmaterialien beziehen – regelmäßig zur privaten Vermögensverwaltung. Danach ist der bloße – auch kurzfristige – Umschlag von Wertpapieren als privates Geschäft zu betrachten. Dies gilt erst recht im Rahmen der Investmentanlage, sodass hier die Häufigkeit der Umschichtung kein Merkmal einer aktiven unternehmerischen Tätigkeit darstellt. Von einer aktiven unternehmerischen Bewirtschaftung ist jedoch auszugehen, wenn Umschichtungen im Rahmen des Hochfrequenzhandels als Geschäftsfeld eines Investmentfonds erfolgen oder wenn die wesentliche Anlagestrategie des Investmentfonds auf die kurzfristige Ausnutzung von Preisunterschieden an verschiedenen Börsenplätzen ausgerichtet ist. Ein Kriterium für die Wesentlichkeit kann in diesem Zusammenhang die Anzahl der durchgeführten Transaktionen darstellen. Umschichtungen, die weder im Rahmen des Hochfrequenzhandels noch im Rahmen der wesentlichen Anlagestrategie zur kurzfristigen Ausnutzung von Preisunterschieden an verschiedenen Börsenplätzen getätigt werden, führen nicht zu einer aktiven unternehmerischen Bewirtschaftung.1 c) Unternehmensbeteiligungen

23 Ein Investmentfonds darf sich – nach Auffassung des BMF – nicht am aktiven Management

von Portfolio-Gesellschaften (auch nicht über verbundene Dritte) beteiligen. Es darf auch keine rechtliche oder faktische Weisungsbefugnis gegenüber Zielunternehmen, die selbst operativ tätig sind, bestehen. Die Wahrnehmung von Aufsichtsratsfunktionen in den gesellschaftsrechtlichen Gremien der Portfolio-Gesellschaften und die Wahrnehmung von Gesellschafterrechten sind dagegen unschädlich.2 Das alles entspricht den allgemeinen Grundsätzen der Rspr., nach denen die bloße Einflussmöglichkeit, die aus einer Beteiligung stammt, keine Gewerblichkeit zu begründen vermag.3 Ebenso vermögen bloße Kontrollbefugnisse, wie sie durch Aufsichtsratstätigkeiten vermittelt werden, keine Gewerblichkeit zu begründen.4 Sie können bereits den Gesetzesmaterialien als ein Fall entnommen werden, den der Gesetzgeber insbes. im Blick hatte.5

24 Keine aktive unternehmerische Bewirtschaftung liegt vor, wenn sich ein Investmentfonds an

einer gewerblich infizierten Personengesellschaft6 oder an einer gewerblich geprägten Personengesellschaft beteiligt.7 Der (passive) Umstand der Beteiligung führt eben nicht zu einer aktiven unternehmerischen Bewirtschaftung; auch Bewirtschaftung ist mehr als eine bloße Beteiligung. d) Immobilienanlage aa) Vermietung und Verpachtung

25 Die Vermietung und Verpachtung von Grundvermögen bzw. das Halten von Beteiligungen

an Immobilien-Gesellschaften hat nach Auffassung des BMF grds. vermögensverwaltenden Charakter, auch dann, wenn der vermietete Grundbesitz sehr umfangreich ist und der Verkehr mit vielen Mietern erhebliche Verwaltungsarbeit erforderlich macht oder die vermieteten Räu-

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BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.11 bis 15.13. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.14. BFH v. 25.7.2001 – X R 55/97, BStBl. II 2001, 809. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.14. Vgl. BT-Drucks. 18/8045, 84. Lechner, RdF 2016, 208 (213); Stadler/Bindl, DStR 2016, 1953 (1956). Mann in Brandis/Heuermann, § 15 InvStG Rz. 29.

342 | Oellerich

C. Gewerbesteuerbefreiung (Abs. 2) | Rz. 28 § 15

me gewerblichen Zwecken dienen.1 Auch dies entspricht der Rspr. des BFH zum Einkommensteuerrecht, die die FinVerw. auf das Investmentsteuerrecht übertragen hat.2 Das BMF hat in einem Katalog festgehalten, wann im Zusammenhang mit einer VuV-Tätig- 26 keit eine aktive unternehmerische Bewirtschaftung ausscheiden soll:3 – abgeschlossene Mietverhältnisse (auch über möblierte Wohn- und Büroräume) mit einer vertraglichen Laufzeit von mindestens einem Monat; – Zusatzleistungen oder Nebenleistungen des Vermieters gegenüber dem Mieter (allerdings nicht bei langfristigen Vermietungen, die – gemessen an den regionalen und nationalen Gepflogenheiten – das übliche Maß überschreiten); – Reinigung der Gemeinschafts- und Außenflächen; – Vereinbarung von Umsatzmieten; – häufiger Mieterwechsel bei dem Grunde nach langfristig abgeschlossenen Mietverhältnissen; – Marketing-/Werbeleistungen, es sei denn, die vorgenommenen Werbemaßnahmen führen aufgrund ihres Umfangs und ihrer Qualität zur Gewerblichkeit; – geringfügige Einnahmen aus Nebentätigkeit, wie z.B. der Energieerzeugung mittels Fotovoltaik-Anlagen, Blockheizkraftwerken, Geothermieanlagen und vergleichbarer Anlagen, wobei die Bagatellgrenze i.S.d. § 15 Abs. 3 InvStG zu beachten ist; – kurzfristige Vermietungen zur kurzzeitigen Überbrückung von Leerständen (regelmäßig maximaler Überbrückungszeitraum von einem Jahr). Hierbei handelt es sich indes allein um Kriterien, die gegen eine aktive unternehmerische Be- 27 wirtschaftung sprechen. Dies darf nicht dahin verstanden werden, dass es sich hierbei um einen abschließenden Katalog handelt. Im Einzelfall ist unabhängig von diesen konkreten Kriterien zu prüfen, ob bei einer VuV-Tätigkeit eine aktive unternehmerische Bewirtschaftung oder eine steuerlich unschädliche Vermögensverwaltung vorliegt. bb) Veräußerung (1) Allgemeines Der Bereich der Vermögensverwaltung wird überschritten und eine aktive unternehmerische 28 Tätigkeit ist dementsprechend anzunehmen, wenn sich die Geschäftstätigkeit als Grundstückshandel darstellt. Die FinVerw. nimmt dies in zwei Fallkonstellationen an:4 (1) Einerseits geht sie von einem gewerblichen Grundstückshandel aus, wenn eine Immobilie oder mehrere Immobilien bereits mit dem Ziel der kurzfristigen Weiterveräußerung erworben würden (Einzelobjektbetrachtung). (2) Andererseits geht sie bei Veräußerungen von Immobilien, die ohne das Ziel der kurzfristigen Weiterveräußerung erworben wurden, dann von einer aktiven unternehmerischen Bewirtschaftung aus, wenn der Umschlag von Immobilien prägend für die Tätigkeit des Investmentfonds ist (Portfoliobetrachtung). Nach Auffassung des BMF ist es unschädlich, wenn einzelne Immobilien veräußert werden, die als Teil einer Vielzahl von Immobilien in einem einheitlichen Erwerbsvorgang angeschafft wurden und die veräußerten Immobilien in der Gesamtschau des Portfolioerwerbs von untergeordneter Bedeutung sind.5 Von einer untergeordneten Bedeutung soll ausgegangen werden können, wenn die auf die ver-

1 2 3 4 5

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.16. BFH v. 17.1.1961 – I 53/60 S, BStBl. III 1961, 233; v. 21.8.1990 – VIII R 271/84, BStBl. II 1991, 126. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.17. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.18. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.19. Oellerich | 343

§ 15 Rz. 28 | Gewerbesteuer äußerten Immobilien entfallenden Anschaffungskosten weniger als 10 % der gesamten Anschaffungskosten des Portfolioerwerbs betragen.1 Die Auffassung des BMF ergibt sich nicht durch eine einfache Auslegung anhand des Gesetzes. Anders als die Fallgruppe der Einzelobjektbetrachtung können die Grundsätze zur Portfoliobetrachtung nicht bereits aus dem BMF-Schreiben zum alten Investmentsteuerrecht entnommen werden, sodass auch nicht davon ausgegangen werden darf, dass der Gesetzgeber sie bei Erlass des neuen Investmentsteuerrechts gebilligt hat. Als Rechtsfortbildung, die der Rechtssicherheit dient, sind die Grundsätze gleichwohl zu begrüßen. Sie stehen insbes. mit dem Gedanken, eine kollektive Vermögensverwaltung aus der Gewerblichkeit auszunehmen, in Einklang. Zwingend sind sie gleichwohl nicht. 29 Die Drei-Objekte-Regel2 ist angesichts dessen nicht auf Investmentfonds anwendbar.3 Das

kann allerdings nicht mit dem Argument begründet werden, es fehle an einer aktiven Bewirtschaftung, wenn Vermögen umgeschichtet werde.4 Denn bei einer solch formalistischen Betrachtung könnte es überhaupt nicht auf die Quantität und auch nicht auf die Absichten der hinter dem Fonds stehenden Organe ankommen. Es wäre – um ein extremes Beispiel zu bemühen – schwerlich überzeugend, auch bei einem „Hochfrequenzhandel“ nicht von einer schädlichen Betätigung auszugehen. Die Drei-Objekte-Grenze passt auf einen Investmentfonds aber unter dem Gesichtspunkt einer kollektiven Vermögensverwaltung nicht. Die DreiObjekte-Grenze ist entwickelt für die Abgrenzung der Vermögensverwaltung von der gewerblichen Betätigung im Einkommensteuerrecht, wo Steuersubjekt die einzelne natürliche Person ist. Dieser Gedanke passt auf eine kollektive Vermögensverwaltung nicht.

30 Für die Beurteilung einer aktiven unternehmerischen Bewirtschaftung sind nach Ansicht des

BMF Objekte außer Betracht zu lassen, deren Verkauf erforderlich war, um dem Rückgabeverlangen von Anlegern entsprechen zu können. Gleiches gilt im Rahmen der Liquidation eines Investmentfonds.5 Dem ist zuzustimmen. In beiden Fällen deutet der Verkauf nicht auf eine strukturelle aktive unternehmerische Betätigung hin, sondern entspricht nur besonderen Umständen des Einzelfalls. (2) Einzelobjektbetrachtung (a) Grundstücksbegriff

31 Für die Prüfung, ob ein als aktive unternehmerische Tätigkeit anzusehender Grundstückshan-

del vorliegt, ist unter dem Begriff der Immobilie – nach Auffassung des BMF – jedes in einem Grundbuchblatt geführte Grundstück i.S.d. § 3 Abs. 1 GBO zu verstehen. Wohnungen, an denen Sondereigentum besteht, stellen eigenständige Immobilien dar. Von diesem – für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „keine aktive unternehmerische Bewirtschaftung“ geltenden – Immobilienbegriff bleibt insbes. die Ermittlung des Veräußerungsgewinns i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG für selbstständige Gebäudeteile unberührt.6

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.19. 2 Dazu BFH v. 13.8.2002 – VIII R 14/99, BStBl. II 2002, 811; v. 23.8.2017 – X R 7/15, DStR 2018, 180; v. 23.8.2017 – X R 8/15, BFH/NV 2018, 340. 3 Elser/Stadler, DStR 2014, 233 (234); Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 15 InvStG Rz. 43; Haisch/ Helios, FR 2014, 313 (318, Fn. 54); Mann in Brandis/Heuermann, § 15 InvStG Rz. 28. 4 In diesem Sinne aber Haisch/Helios, FR 2014, 313 (318, Fn. 54). 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.20. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.21.

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C. Gewerbesteuerbefreiung (Abs. 2) | Rz. 34 § 15

(b) Absicht kurzfristiger Veräußerung Bezogen auf das so definierte Grundstück prüft die FinVerw., ob dieses Grundstück bereits 32 mit dem Ziel der kurzfristigen Veräußerung erworben worden ist. Da es sich hierbei um ein subjektives Merkmal handelt, will die FinVerw. nach objektiven Gesichtspunkten, die auf eine entsprechende subjektive Zielrichtung schließen lassen, entscheiden. Hierbei verfährt sie mit beispielhaftem Charakter und unter Verwendung stark typisierender Merkmale. So führt das BMF aus:1 Unschädlich und damit kein Indiz für eine aktive unternehmerische Bewirtschaftung ist (1) die Veräußerung einer Immobilie, an der Baumaßnahmen durchgeführt werden, deren Aufwand als Herstellungskosten zu qualifizieren ist, wenn – die Immobilie nach Abschluss einer solchen Baumaßnahme noch mindestens drei Jahre gehalten wird, bevor die Immobilie veräußert wird (Nachhaltefrist), oder – die Immobilie vor Beginn einer solchen Baumaßnahme mindestens drei Jahre gehalten wurde (Vorhaltefrist) oder – innerhalb der letzten drei Jahre vor der Veräußerung der Immobilie die Kosten für die durchgeführten oder abgeschlossenen Baumaßnahmen 15 % des zuletzt festgestellten Verkehrswerts der Immobilie nicht übersteigen (15 %-Grenze); oder (2) die Konzeption oder die Entwicklung einer Immobilie, wenn die Absicht besteht, die Immobilie zu vermieten und im Bestand zu halten, um dauerhaft Erträge zu erwirtschaften; Hiervon ist auszugehen, wenn die einzelne Immobilie mindestens drei Jahre nach Fertigstellung gehalten wird (Neubau-Nachhaltefrist). Die Neubau-Nachhaltefrist ist grds. auch auf Baumaßnahmen im Zusammenhang mit Nutzungsänderungen von bestehenden Immobilien anwendbar, z.B. wenn eine Gewerbeimmobilie erworben und in ein Wohngebäude umgebaut wird. Bei bestehenden Immobilien liegt jedoch kein Indiz für eine aktive unternehmerische Bewirtschaftung vor, wenn die Vorhaltefrist erreicht wird oder die 15 %-Grenze nicht überschritten wird.

oder (3) der Abschluss eines Kaufvertrages über eine Immobilie, welche vom Verkäufer während oder nach Unterzeichnung des Kaufvertrags, aber vor dem wirtschaftlichen Übergang von Nutzen und Lasten entwickelt wird. Bei Weiterveräußerung einer solchen Immobilie ist jedoch die Neubau-Nachhaltefrist einzuhalten. Das BMF sieht bei Vorliegen eines dieser Fälle kein Indiz mehr für eine aktive unternehmeri- 33 sche Bewirtschaftung. Die verschiedenen dargestellten Fälle sollten indes allein als Beispiele verstanden werden, in denen es an Indizien für eine aktive unternehmerische Bewirtschaftung fehlt. Sie haben keinen abschließenden Charakter dergestalt, dass es nur bei ihrem Vorliegen an derartigen Indizien fehlt. Bei der Einzelobjektbetrachtung geht es nämlich darum zu klären, ob eine Immobilie bereits mit der Absicht der kurzfristigen Weiterveräußerung erworben worden ist (Rz. 28). Da der Investmentfonds dies praktisch nicht erklären wird, muss von den objektiven Umständen des Einzelfalls auf eine solche Absicht geschlossen werden. Wesentlich ist aber, dass es sich um eine Absicht zur kurzfristigen Veräußerung handelt. 34 Dass sich ein Investmentfonds die Veräußerung eines Grundstücks vorbehält, nachdem es die Vermögenssubstanz langfristig ausgenutzt hat, rechtfertigt nicht den Schluss einer aktiven unternehmerischen Bewirtschaftung von Unternehmen. Eine aktive unternehmerische Bewirtschaftung in Abgrenzung zur kollektiven Vermögensverwaltung ist nur dort anzunehmen, wo es erworben wird, um es – ohne Ausnutzung seiner Vermögenssubstanz – gewinnbringend wieder veräußern zu können. Das BMF zieht insoweit wiederholt typisierend eine Dreijahres1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.22 ff. Oellerich | 345

§ 15 Rz. 34 | Gewerbesteuer grenze ein, die allerdings wiederum dem Gesetz nicht zwingend entnommen werden kann. Soweit dem Investmentfonds hierdurch ein „safe haven“ verschafft wird, ist diese Rechtsfortbildung zu begrüßen. Ist dies allerdings nicht der Fall, muss sich der Rechtsanwender daneben fragen, ob die objektiven Umstände des Einzelfalls i.Ü. gegen eine aktive unternehmerische Bewirtschaftung sprechen. (3) Portfoliobetrachtung 35 Soweit nicht bereits eine Einzelobjektbetrachtung für eine aktive unternehmerische Bewirt-

schaftung spricht, ist nach Auffassung des BMF bei Betrachtung des gesamten Portfolios (nach hier vertretener Auffassung unter Einbeziehung der von Immobiliengesellschaften gehaltenen Immobilien)1 nicht von einer aktiven unternehmerischen Bewirtschaftung auszugehen, wenn – die für den Veräußerungszeitpunkt ermittelten Verkehrswerte verkaufter Immobilien in den letzten fünf Jahren 50 % des Verkehrswerts des durchschnittlichen Immobilienstands desselben Zeitraums nicht übersteigen (sind seit Auflage des Investmentfonds weniger als fünf Jahre vergangen, ist dieser kürzere Zeitraum maßgebend) oder – die durchschnittliche Haltedauer der in den letzten fünf Jahren veräußerten Immobilien mindestens fünf Jahre beträgt.2

36 Der Verkehrswert des durchschnittlichen Immobilienbestands ist als Durchschnittswert al-

ler von dem Investmentfonds im Fünfjahreszeitraum durchgeführten Immobilienbewertung zu ermitteln.3 Allerdings hat das BMF selbst erkannt, dass dies für Investmentfonds zu erheblichen Schwierigkeiten führt. Die Verkehrswertermittlung wird in der Praxis nicht anlasslos, etwa zu jedem Bilanzstichtag, durchgeführt. Sie wirft regelmäßig auch nicht unerhebliche Schwierigkeiten auf und führt in der Praxis regelmäßig auch zu wenig eindeutigen und zweifelsfreien Ergebnissen. Darüber hinaus ist eine Verkehrswertermittlung regelmäßig kostenintensiv. Es wird von der FinVerw. daher nicht beanstandet, wenn dieser Durchschnittswert nicht ermittelt wird und stattdessen auf die Jahresendwerte in den letzten fünf Jahresberichten abgestellt wird. Dies gilt entsprechend für die Ermittlung des Verkehrswerts einer Immobilie zu deren Veräußerungszeitpunkt. Zeiträume, bevor ein Investmentfonds die erste Immobilie angeschafft hat (Anlaufphase), sind für die Ermittlung des Verkehrswerts des durchschnittlichen Immobilienbestands nicht zu berücksichtigen.4

37 Aus der bloßen Lektüre und Auslegung des Gesetzes können auch diese Einzelheiten zur Port-

fortliobetrachtung nicht entnommen werden. Gleichwohl wird in den Materialien auf die Grundsätze des alten BMF-Schreibens Bezug genommen.5 Daraus kann geschlossen werden, dass der Gesetzgeber die geltende Gesetzeslage in Kenntnis dieser Verwaltungsgrundsätze geschaffen hat und diese auch der Definition seiner Gesetzesbegriffe zugrunde legen wollte. Eine elegante gesetzgeberische Technik ist dies freilich nicht. Auch insoweit sollten sie allerdings nur dazu dienen, dem Investmentfonds einen „safe haven“ zu geben. Soweit die Voraussetzungen nach dem BMF-Schreiben im Einzelfall nicht vorliegen, darf hieraus nicht e contrario der Schluss gezogen werden, es liege eine aktive unternehmerische Bewirtschaftung vor. Vielmehr muss der Rechtsanwender dann die Umstände des Einzelfalls daraufhin überprüfen, ob sie für oder gegen eine kollektive Vermögensverwaltung sprechen.

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So auch Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 15 InvStG Rz. 56. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.33. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.34. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.34. BMF v. 3.3.2015 – IV C 1 - S 1980 – 1/13/10007:003, BStBl. I 2015, 227.

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C. Gewerbesteuerbefreiung (Abs. 2) | Rz. 41 § 15

cc) Immobilien-Gesellschaften Eine Ausnahme von dem Kriterium der aktiven unternehmerischen Bewirtschaftung enthält 38 § 15 Abs. 2 Satz 2 InvStG. Eine Beteiligung an Immobilien-Gesellschaften gem. § 1 Abs. 19 Nr. 22 InvStG ist hiernach unschädlich. Diese Ausnahme berücksichtigt, dass es bei Immobilienfonds aufsichtsrechtlich zulässig und üblich ist, dass sie ihre Immobilien mittelbar über Immobilien-Gesellschaften (z.B. in der Rechtsform einer GmbH) halten.1 Ob und aus welchen Gründen die Immobilien-Gesellschaft selbst gewerbesteuerpflichtig ist, ist nicht von Bedeutung.2 3. Nicht in wesentlichem Umfang Nach § 1 Abs. 1b Satz 2 Nr. 3 InvStG a.F. war Voraussetzung, dass keine aktive unternehmeri- 39 sche Bewirtschaftung vorlag. Die gesetzliche Neufassung in § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InvStG ist nicht mehr dermaßen strikt, sondern verlangt allein, dass nicht in wesentlichem Umfang eine aktive unternehmerische Bewirtschaftung erfolgt, ohne allerdings diesen Begriff näher zu definieren. Auf nachdrücklichen Wunsch der Wirtschaft hat der Gesetzgeber diese Milderung in § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InvStG implementiert.3 Hierdurch stellt sich jedoch die Frage des Verhältnisses zu § 15 Abs. 3 InvStG, nach dem Ein- 40 nahmen aus einer aktiven unternehmerischen Bewirtschaftung in einem Geschäftsjahr i.H.v. weniger als 5 % der gesamten Einnahmen des Investmentfonds unschädlich sind. Will man dem Merkmal in § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InvStG einen eigenen Anwendungsbereich belassen, muss man davon ausgehen, dass ggf. auch bei einem höheren Anteil als 5 % im Rahmen einer wertenden Betrachtung noch von einem unwesentlichen Umfang ausgegangen werden können soll.4 § 15 Abs. 3 InvStG wird man umgekehrt allenfalls entnehmen können, dass ein Anteil von 5 % stets unwesentlich ist.5 Für die Frage, wann ausnahmsweise auch eine Überschreitung der 5 %-Grenze unschädlich 41 sein mag, erscheint ein Blick auf § 26 InvStG für Spezial-Investmentfonds hilfreich. Es soll nach den Gesetzesmaterialien nicht jede geringfügige Abweichung von den Anlagebestimmungen die einschneidenden Folgen der Veräußerungsfiktion nach § 52 InvStG auslösen. Vielmehr ist die Aberkennung des Status als Spezial-Investmentfonds nur als Ultima Ratio für besondere Ausnahmefälle gedacht. Ein Ausnahmefall wäre beispielsweise gegeben, wenn ein Verstoß bewusst und zweckgerichtet für missbräuchliche Steuergestaltungen herbeigeführt wurde.6 Letzteres ist an dieser Stelle nicht weiter von Bedeutung; von Bedeutung ist aber, dass es das Ultima-ratio-Konzept gebietet, auch bei einem Anteil von Einnahmen aus aktiver unternehmerischer Bewirtschaftung von 5 % und mehr im Rahmen einer wertenden Betrachtung von einer steuerunschädlichen kollektiven Vermögensverwaltung ausgehen zu dürfen.7 Es dürfte allerdings anzunehmen sein, dass dies über die Spezial-Investmentfonds hinausgehend auch für die übrigen Investmentfonds gilt. Nach der hier vertretenen Auffassung kommt § 15 Abs. 3 InvStG allein die Funktion zu, eine wertende Betrachtung entbehrlich zu machen und unabhängig von einer Einzelfallbetrachtung eine aktive unternehmerische Bewirtschaftung ausscheiden zu lassen. Diese Norm entfaltet keine Sperrwirkung dergestalt,

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BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.15. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.15. Mann in Brandis/Heuermann, § 15 InvStG Rz. 30. Demgegenüber hält Mann in Brandis/Heuermann, § 15 InvStG Rz. 30, die Vorschrift neben Abs. 3 für verzichtbar. 5 Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 15 InvStG Anm. 10. 6 BT-Drucks. 18/8045, 94 f.; Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 15 InvStG Anm. 10. 7 In diesem Sinne Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 15 InvStG Anm. 10. Oellerich | 347

§ 15 Rz. 41 | Gewerbesteuer dass darüberhinausgehend nicht angesichts der Umstände des Einzelfalls noch von einer kollektiven Vermögensverwaltung auszugehen ist.

D. Bagatellgrenze (Abs. 3) 42 Damit nicht jedwede geringfügige gewerbliche Tätigkeit eine GewStPfl. aller inländischen Ein-

künfte auslöst, sieht § 15 Abs. 3 InvStG eine Bagatellgrenze vor.1 Danach gelten die Voraussetzungen für eine Gewerbesteuerbefreiung als erfüllt, wenn der Anteil der Einnahmen aus gewerblicher Tätigkeit weniger als 5 % der gesamten Einnahmen des Investmentfonds beträgt. Vermieden werden soll der Wegfall der Gewerbesteuerbefreiung bei vergleichsweise geringfügigen Verstößen gegen die Maßgaben des § 15 Abs. 2 InvStG.2 Durch § 15 Abs. 3 InvStG wird die bisherige Billigkeitsregelung des BMF3 ersetzt.4

43 Hinsichtlich des Begriffs der Einnahmen bestehen im Vergleich zum sonstigen Ertragsteuer-

recht keine Besonderheiten. Gemeint sind die zugeflossenen Güter in Geld oder Geldeswert ohne Berücksichtigung von Werbungskosten, m.a.W. die Bruttoeinnahmen.5 Einbezogen werden nicht allein die inländischen, sondern die weltweiten Einnahmen des Investmentfonds.6

44 Unerheblich ist, ob der Investmentfonds bewusst oder unbewusst bis zu 5 % seiner Einnah-

men aus einer gewerblichen Betätigung erzielt.7 Zur ähnlichen Rechtslage zu § 1 Abs. 1b Satz 2 Nr. 5 InvStG a.F. vertrat die FinVerw. die gegenteilige Auffassung: Ein bewusstes und planmäßiges Halten von unzulässigen Vermögensgegenständen werde nicht erfasst.8 Es mag dahingestellt bleiben, ob diese Rechtsauffassung zum alten Recht Zustimmung verdient. Jedenfalls in § 15 Abs. 3 InvStG schlägt sich eine derartige Differenzierung in keiner Weise nieder. Ausgehend von dem Zweck einer typisierenden, Billigkeitsgesichtspunkten entsprechenden De-minimis-Regelung kann eine solche auch nicht über den Wortlaut hinaus in den Tatbestand implementiert werden.

45 Liegen die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 InvStG vor, wird das Vorliegen der Voraussetzun-

gen des § 15 Abs. 2 InvStG fingiert und der Investmentfonds ist gewerbesteuerbefreit. Es ist daher unerheblich, welche der beiden Voraussetzungen in § 15 Abs. 2 Satz 1 InvStG konkret nicht erfüllt ist oder gar ob beide Voraussetzungen kumulativ nicht erfüllt sind.9

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BT-Drucks. 18/8045, 84. Brielmaier/Wolf/Faller, DB 2016, 488 (490); Mann in Brandis/Heuermann, § 15 InvStG Rz. 41. BMF v. 3.3.2015 – IV C 1 - S 1980 – 1/13/10007:003, BStBl. I 2015, 227 Tz. 4a. Wie hier BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.36; Mann in Brandis/Heuermann, § 15 InvStG Rz. 43: gesetzliche Festschreibung der Billigkeitsregelung. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.35; Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 15 InvStG Rz. 58; Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 15 InvStG Anm. 15; Mann in Brandis/ Heuermann, § 15 InvStG Rz. 42; Schlund in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 15 Rz. 107. BT-Drucks. 18/8045, 84; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.35; Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 15 InvStG Rz. 58; Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 15 InvStG Anm. 15; Mann in Brandis/Heuermann, § 15 InvStG Rz. 42. Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 15 InvStG Rz. 60; Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 15 InvStG Anm. 15; Mann in Brandis/Heuermann, § 15 InvStG Rz. 44. BMF v. 23.10.2014 – IV C 1 - S 1980 – 1/13/10007:007 – DOK 2014/0939400, DStR 2014, 2346 Tz. 4. Bindl/Mager, BB 2016, 2811 (2814); Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 15 InvStG Anm. 15; a.A. Lechner, RdF 2016, 208 (213).

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E. Umfang der Gewerbesteuerpflicht (Abs. 4) | Rz. 49 § 15

E. Umfang der Gewerbesteuerpflicht (Abs. 4) I. Sachliche Beschränkung der Gewerbesteuerpflicht (Abs. 4 Satz 1) § 15 Abs. 4 InvStG beschränkt die GewStPfl. Der Investmentfonds wird nicht vollumfänglich, 46 sondern nur im Umfang des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs gewerbesteuerpflichtig (keine Infizierung anderer Einkünfte).1 Soweit der Investmentfonds aktiv unternehmerisch tätig ist, also nicht unter § 15 Abs. 2 und 3 InvStG fällt, stellt seine Tätigkeit einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb dar. Einkünfte aus den übrigen Betätigungen sind für die Ermittlung des Gewerbeertrags herauszulösen.2 Damit unterliegen nur die Einkünfte aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der GewSt und nicht die gesamten körperschaftsteuerpflichtigen Einkünfte des Investmentfonds i.S.d. § 6 Abs. 2 InvStG.3 Hierdurch will der Gesetzgeber vermeiden, dass durch die GewSt der Standort Deutschland international weniger attraktiv erscheint.4 Dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen sind allein die Einkünfte aus der aktiven 47 unternehmerischen Betätigung des Investmentfonds; die frühere Anknüpfung an eine gewerbliche Betätigung hat er konsequenterweise bereinigt (s. bereits Rz. 5), wenn auch die neue Wortwahl („Tätigkeit“ anstelle von „Bewirtschaftung“) wiederum wenig glücklich erscheint.5 Zur Auslegung des Begriffs kann auf die Kriterien verwiesen werden, die auch bei § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InvStG gelten (eingehend unter Rz. 16).6 Der GewSt unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird (§ 2 48 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Im Inland betrieben wird ein Gewerbebetrieb, soweit für ihn im Inland oder auf einem in einem inländischen Schiffsregister eingetragenen Kauffahrteischiff eine Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO unterhalten wird (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Soweit daher Einkünfte aus einer Auslandsbetriebsstätte erzielt werden, scheidet eine GewStPfl. aus.7

II. Gewinnermittlung (Abs. 4 Satz 2) § 15 Abs. 4 Satz 2 InvStG bestimmt ausdrücklich eine Gewinnermittlung nach den Grundsät- 49 zen der Einnahmenüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG). Grundsätze des Betriebsvermögensvergleichs sind für die Gewinnermittlung daher nicht maßgebend. Dahinter steht nach Auffassung des Gesetzgebers die Erwägung, dass Investmentfonds in der Regel Vermögensverwaltung betreiben und es nur in Ausnahmefällen zu einer GewStPfl. kommen kann. Insbesondere könnte es sein, dass der Investmentfonds von einer Gewerbesteuerbefreiung ausgegangen ist und erst im Rahmen der Betriebsprüfung festgestellt wird, dass bestimmte Tätigkeiten des Investmentfonds die GewStPfl. auslösen.8 In diesem Fall soll dem Investmentfonds nicht nachträglich der Betriebsvermögensvergleich aufgedrängt werden.

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BT-Drucks. 18/8045, 84. BT-Drucks. 18/8045, 84. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 15.37. Gottschling in Moritz/Jesch/Mann, § 15 InvStG Rz. 61; Schlund in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 15 Rz. 113. Insoweit krit. auch Mann in Brandis/Heuermann, § 15 InvStG Rz. 53. So auch Mann in Brandis/Heuermann, § 15 InvStG Rz. 53. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 15 InvStG Anm. 20. BT-Drucks. 18/8045, 84. Oellerich | 349

§ 15 Rz. 50 | Gewerbesteuer

III. Ermittlung des Gewerbeertrags (Abs. 4 Satz 3) 50 Der Gewinn des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ist zugleich der Gewinn nach § 7 Satz 1

GewStG. Der Gewerbeertrag ermittelt sich des Weiteren – wie auch sonst – nach §§ 8 bis 11 GewStG. Folglich erfolgt insbes. eine Beschränkung auf inländische gewerbliche Einkünfte, weil ausländische gewerbliche Einkünfte nach § 9 Nr. 3 GewStG zu kürzen sind.1 Letzteres ergibt sich indes bereits aus den allgemeinen Grundsätzen zur GewSt (s. Rz. 48). Gewinnermittlungszeitraum ist auch hier der Erhebungszeitraum.2

1 BT-Drucks. 18/8045, 84; Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 15 InvStG Rz. 75; Mann in Brandis/ Heuermann, § 15 InvStG Rz. 65. 2 Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 15 InvStG Rz. 77; Mann in Brandis/Heuermann, § 15 InvStG Rz. 66; Schlund in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 15 Rz. 154.

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Abschnitt 2 Besteuerung des Anlegers eines Investmentfonds (§§ 16 bis 22)

§ 16 Investmenterträge (1) Erträge aus Investmentfonds (Investmenterträge) sind 1. Ausschüttungen des Investmentfonds nach § 2 Absatz 11, 2. Vorabpauschalen nach § 18 und 3. Gewinne aus der Veräußerung von Investmentanteilen nach § 19. (2) 1Investmenterträge sind nicht anzusetzen, wenn die Investmentanteile im Rahmen von Altersvorsorge- oder Basisrentenverträgen gehalten werden, die nach § 5 oder § 5a des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes zertifiziert wurden. 2Vorabpauschalen sind nicht anzusetzen, wenn die Investmentanteile gehalten werden 1. im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge nach dem Betriebsrentengesetz, 2. von Versicherungsunternehmen im Rahmen von Versicherungsverträgen nach § 20 Absatz 1 Nummer 6 Satz 1 und 4 des Einkommensteuergesetzes oder 3. von Kranken- und Pflegeversicherungsunternehmen zur Sicherung von Alterungsrückstellungen. (3) Auf Investmenterträge aus Investmentfonds sind § 3 Nummer 40 des Einkommensteuergesetzes und § 8b des Körperschaftsteuergesetzes nicht anzuwenden. (4) 1Ist die Ausschüttung eines ausländischen Investmentfonds nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen, so wird die Freistellung ungeachtet des Abkommens nur gewährt, wenn 1. der Investmentfonds in dem Staat, dem nach dem Abkommen das Besteuerungsrecht zusteht, der allgemeinen Ertragsbesteuerung unterliegt und 2. die Ausschüttung zu mehr als 50 Prozent auf nicht steuerbefreiten Einkünften des Investmentfonds beruht. 2 Satz 1 ist auch dann anzuwenden, wenn nach dem Abkommen die Besteuerung der Ausschüttung in diesem Staat 0 Prozent nicht übersteigen darf. 3Von einer allgemeinen Ertragsbesteuerung ist auszugehen, wenn der Anleger nachweist, dass der Investmentfonds einer Ertragsbesteuerung in Höhe von mindestens 10 Prozent unterliegt und nicht von ihr befreit ist. A. I. II. III. IV. B.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . 1 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . 11 Der Katalog der Investmenterträge (Abs. 1) I. Investmenterträge

1. Bedeutung und Einordnung . . . . . . . . 33 2. Besteuerung im Rahmen der unbeschränkten und beschränkten Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 3. Kapitalertragsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . 39 II. Ausschüttungen des Investmentfonds (Abs. 1 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

Kammeter/Behrens | 351

§ 16 Rz. 1 | Investmenterträge III. Vorabpauschalen nach § 18 InvStG (Abs. 1 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gewinne aus der Veräußerung von Investmentanteilen nach § 19 InvStG (Abs. 1 Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Kein oder nur teilweiser Ansatz von Investmenterträgen (Abs. 2) I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zertifizierte Altersvorsorge- und Basisrentenverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Betriebliche und private Altersvorsorge 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Betriebliche Altersvorsorge (Abs. 2 Satz 2 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Private Altersvorsorge: Kapital- und Rentenversicherungen der 3. Schicht (Abs. 2 Satz 2 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . .

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D. E. I. II.

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4. Private Altersvorsorge: Kranken- und Pflegeversicherungsunternehmen (Abs. 2 Satz 2 Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . . Unanwendbarkeit von § 3 Nr. 40 EStG und § 8b KStG (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . Treaty override (Abs. 4) Sinn und Zweck der Norm . . . . . . . . . . . . Tatbestandsvoraussetzungen 1. Ausschüttungen, die nach einem DBA freigestellt sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausländischer Investmentfonds . . . . . 3. Allgemeine Ertragsbesteuerung . . . . . 4. Ausschüttung aus überwiegend nicht steuerbefreitem Substrat . . . . . . . . . . . Verfahrensfragen 1. Feststellungslast . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kapitalertragsteuer . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literatur: Kußmaul/Patzner/Kloster/Bui, Investmentbesteuerung vor der Zeitenwende – Grundlegende Systemänderungen in der konzeptionellen Besteuerung von Publikums-Investmentfonds, Ubg 2016, 596; Richter, Die Auswirkungen der geplanten Reform der Investmentbesteuerung auf das Verhältnis zur Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 bis 14 AStG, Ubg 2016, 9; Schmieszek, Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung (Investmentsteuerreformgesetz) v. 19.7.2016 (BGBl. I 2016, 1730), StEd 2016, 627; Stadler/Mager, Der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung, DStR 2016, 697; Warnke, Die Investmentsteuerreform und ihre wesentlichen Änderungen, EStB 2016, 305; Carlé, Die Reform der Investmentbesteuerung ab dem 1.1.2018, ErbStB 2017, 20; Anemüller, Steuerabzugsverfahren, Rechtsgrundlagen und aktuelle Entwicklungen, ErbStB 2018, 55; Hasbach, Die Verschmelzung von (Spezial-)Investmentfonds, FR 2018, 1117; Michalowski, Neuregelungen aus dem Blickwinkel des gestaltungsinteressierten Kapitalanlegers, ErbStB 2018, 89; Anemüller, Die ertragsteuerliche Behandlung der Vorabpauschale i.S.d. § 18 InvStG beim Privatanleger, ErbStB 2019, 87; Bödecker, Anwendungsschreiben zum Investmentsteuergesetz, Ubg 2019, 545; Höreth/Stelzer, Jahressteuergesetz 2018 – Überblick und finale Änderungen; DStZ 2019, 13; Stadler/Mager, Der neue Investmentsteuererlass zu Anwendungsfragen zum InvStG v. 21.5.2019 – Vergleich zum Entwurf v. 15.6.2018, BB 2019, 1760; Rüsch, Die Subject-to-Tax-Klausel des § 16 Abs. 4 InvStG für Ausschüttungen ausländischer Investmentfonds, ISR 2020, 140; Grabbe, Schnittstelle von Hinzurechnungs- und Investmentbesteuerung: Einfacher als gedacht!, DB 2022, 223.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck 1 § 16 InvStG ist das Herzstück der Fondsanlegerbesteuerung neuen Typs. Er läutet daher zu

Recht den Abschnitt 2 („Besteuerung des Anlegers eines Investmentfonds“) in Kapitel 2 ein. Liegt ein inländischer oder ausländischer Investmentfonds nach § 1 InvStG vor und sind die weiteren Anforderungen an einen Kapitel 3-Fonds (Spezial-Investmentfonds) nicht erfüllt,1 richtet sich die Besteuerung des Anlegers nach den Rechtsfolgen des § 16 InvStG.

1 Oder gerade im Hinblick auf die Anforderungen des § 26 InvStG nicht erfüllbar, z.B. von private-equity- oder venture-capital-Fonds in der Rechtsform ausländischer KapGes.; Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 16 InvStG Anm. 6 (Stand: August 2021).

352 | Kammeter/Behrens

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 5 § 16

Abs. 1 fasst dabei die Besteuerung im Lebenszyklus eines Fondsinvestments zusammen: 2 Während der Haltedauer kommt es zur Besteuerung der tatsächlichen Ausschüttungen (Nr. 1) bzw. eines fiktiven Mindestvolumens in Form der Vorabpauschale (Nr. 2), soweit Erstere dahinter zurückbleiben. Bei Veräußerung findet schließlich die Veräußerungsgewinn- als Schlussbesteuerung des Anlegerengagements statt (Nr. 3).1 Der Gewinn kann freilich auch ein Verlust sein (ausdrücklich § 2 Abs. 14 InvStG). Abs. 1 hat dabei eine doppelte Funktion. Zum einen definiert er den steuerlichen Ertrag eines Investmentfondsanlegers in sehr konzentrierter und gleichsam vor die Klammer gezogener Form: eine genauere Ausgestaltung erfolgt erst in einzelnen Normen, auf die weiterverwiesen wird (§ 2 Abs. 11; §§ 18 und 19 InvStG). Zum anderen bestimmt er jedoch abschließend, woraus sich Investmentfondserträge im Einzelnen speisen können, um sie sodann einheitlich den steuerlichen Folgen beim Anleger zuzuführen. Alleiniger Anknüpfungspunkt zur Beantwortung dieser Frage ist § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG.2 Die Einheitlichkeit des Investmentfondsertrags reicht dabei so weit, dass etwa auch der Veräußerungsgewinn (§§ 16 Abs. 1 Nr. 3; 19 InvStG) hierunter fällt. Das an sich in der Systematik des § 20 Abs. 2 EStG zu erwartende Veräußerungsäquivalent sucht man daher dort vergebens.3 Abs. 2 schafft sodann Bereichsausnahmen zu Abs. 1. Bei bestimmten, besonders zertifizierten 3 und damit regulierten Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen kommen überhaupt keine Investmenterträge zum Ansatz, wenn der Anbieter die Kundengelder in diesem Zusammenhang in Investmentanteilen angelegt hat (Satz 1). Bei anderen qualifizierten Investmentzwecken unterbleibt zwar nicht der vollständige Ansatz von Investmenterträgen, es kommt allerdings nicht zur fiktiven Investmentertragsbesteuerung in Form der Vorabpauschale nach Abs. 1 Nr. 2 (Satz 2). Jene Investmentzwecke orientieren sich ebenfalls (abstrakt) am Gedanken der Altersvorsorge bei kollektiver Teilung eines biometrischen Risikos, wie etwa des Langlebigkeits- oder des Morbiditätsrisikos i.R.d. Versichertengemeinschaft. Abs. 3 schließt die allgemeinen Regeln zur Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteue- 4 rung bei Einschaltung eines körperschaftlichen Beteiligungsvehikels in Gestalt des Teileinkünfteverfahrens und der § 8b-KStG-Steuerfreiheit aus.4 An deren Stelle tritt die investmentsteuerrechtliche, deutlich feinziseliertere Regelung des § 20 InvStG. Abs. 4 macht schließlich die abkommensrechtliche Steuerfreistellung von Ausschüttungen ei- 5 nes ausländischen Investmentfonds von weiteren Voraussetzungen abhängig. Eine solche inländische Steuerfreiheit soll beim Anleger nur dann zum Zuge kommen, wenn der Fonds seinerseits einer gewissen steuerlichen Mindestvorbelastung unterliegt. Abs. 4 stellt damit eine einseitige tatbestandliche Einschränkung der betreffenden Abkommen dar (sog. treaty overriding)5.

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.1. 2 Ungeachtet der allgemeinen Subsidiaritätsklausel des § 20 Abs. 8 EStG, vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.3. 3 Für Zwecke der Kapitalertragsteuer wird jedoch der Veräußerungstatbestand (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EStG) zur differenzierten Bestimmung der betr. Bemessungsgrundlage (§ 43a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG) isoliert. 4 Zur rein deklaratorischen Natur jener Bestimmung vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.16. 5 Zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit eines solchen abkommensbrüchigen Vorgehens vgl. BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, IStR 2016, 191 = NJW 2016, 1295, sowie Einl. Europa- und Verfassungsrecht Rz. 14 ff. Kammeter/Behrens | 353

§ 16 Rz. 6 | Investmenterträge

II. Anwendungsbereich 6 § 16 InvStG richtet sich i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG an den inländischen, nach EStG oder

nach KStG unbeschränkt steuerpflichtigen Anleger, gleich ob er an einem in- (§ 2 Abs. 2 InvStG) oder ausländischen (§ 2 Abs. 3 InvStG) Investmentfonds beteiligt ist. Für den beschränkt stpfl. Anleger gibt es bewusst kein Äquivalent zu § 16 InvStG im Katalog des § 49 EStG.1 § 16 InvStG betrifft nur die Anlegerbesteuerung im Bereich der (vormaligen Publikums-)Investmentfonds. Die Besteuerung der Anleger eines Spezial-Investmentfonds ist hingegen in den §§ 34 ff. InvStG geregelt.

7 Zeitlich ist § 16 InvStG ab dem 1.1.2018 anzuwenden (§ 56 Abs. 1 Satz 1 InvStG). Steuerneu-

trale Substanzausschüttungen sind seitdem nicht mehr möglich (zur Ausnahme der Liquidationsbesteuerung vgl. § 17 InvStG).

III. Rechtsentwicklung 8 Im Zentrum der Norm steht die Ertragsermittlung beim Anleger. Jener Bereich war in den

Vorgängerregimen jeweils in ganz unterschiedlichem Kontext geregelt. Während die beiden ersten deutschen Kodifikationen des Investmentsteuerrechts diesen Aspekt noch für den inund ausländischen Investor separat regelten,2 adressierte das InvStG 2004 jenen Bereich einheitlich in § 2 InvStG. Jenen Ertragsnormen war indes gemein, dass sie vom Grundsatz der technischen Teiltransparenz3 ausgingen: Auch seinerzeit kam dem Investmentvermögen zwar schon die Qualität eines Körperschaftsteuersubjekts zu.4 Allerdings ordnete der Gesetzgeber in weiten Teilen (aber eben nicht durchgehend) eine Transparenz dergestalt an, dass wesentliche Ertragsteile dem Anleger zuzurechnen waren. Soweit die Zurechnung angeordnet war, hatte sie zwei Dimensionen: Die quantitative Seite bestand darin, dass eine Zurechnung unabhängig von Ausschüttungen erfolgte. Im Thesaurierungsfall geschah dies über das Instrument der ausschüttungsgleichen Erträge.5 Die qualitative Komponente bestand in der Fortschreibung des ursprünglichen Wesens der vom Investmentvermögen erzielten Einnahmen. Erzielte

1 Das Investment eines im Ausland ansässigen Anlegers über einen inländischen Fonds sollte gerade nicht mit einem steuerlichen Nachteil verbunden sein. Die Wettbewerbsneutralität und damit die Vermeidung einer Benachteiligung des Fondsstandorts Deutschland war hier Leitgedanke, vgl. R. Kammeter, NWB 2012, 1970 (1973 f.); davon zu trennen ist die territoriale StPfl. des (in- wie ausländischen) Investmentfonds selbst (§ 6 InvStG; vgl. Rz. 38). Ebenfalls nach anderen Regeln erfolgt die Besteuerung der Anleger eines Spezial-Investmentfonds (§ 25 InvStG), wenn jener die Transparenzoption(en) ausübt (vgl. §§ 30 Abs. 1, 33 Abs. 2 InvStG). 2 Im Wesentlichen sind hier § 39 KAGG für den inländischen, § 17 AuslInvestmG für den ausländischen Anleger zu nennen. Jene Gesetzeswerke fassten noch Aufsichts- und Steuerrecht zusammen. Die Trennlinie ihrer Anwendungsbereiche verlief zwischen in- und ausländischem Investmentvermögen. 3 Der (auch vom Gesetzgeber) bisweilen verwendete Begriff der „Semitransparenz“ (z.B. BT-Drucks. 18/8045, 1) beschreibt diesen Befund nur unzureichend. Ungeachtet des Umstands, dass jener Begriff in der Literatur für diejenigen Investmentvermögen reserviert war, die wegen ihrer – gemessen am Katalog des § 5 Abs. 1 Satz 1 InvStG 2004 – nur unzureichenden Veröffentlichung von Besteuerungsgrundlagen § 5 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2004 unterfielen, geht jener Begriff in Anbetracht einer nicht per se gegebenen „Halbtransparenz“ („semi“, lat. = halb) fehl. Die (technische) Transparenz musste vom Gesetzgeber vielmehr ausdrücklich angeordnet sein; sie galt dann auch nur insoweit und damit stets nur punktuell. 4 § 38 Abs. 1 Satz 1 KAGG, § 11 Abs. 1 (Satz 1) InvStG 2004. 5 § 39 Abs. 1 Satz 1 2. Fallgruppe, Satz 2 KAGG, § 17 Abs. 1 Satz 1 2. Fallgruppe, Satz 3 AuslInvestmG, § 1 Abs. 3 Satz 3, § 2 Abs. 1 Satz 1 2. Fallgruppe, Satz 2 InvStG 2004.

354 | Kammeter/Behrens

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 13 § 16

das Investmentvermögen bspw. nach DBA stfreie Einnahmen, änderte sich an jener Qualität bei einer Ausschüttung an den oder einer Zurechnung zu dem Anleger prinzipiell nichts.1 Dieser Antagonismus zwischen dem körperschaftsteuerrechtlichen Trennungsprinzip auf der 9 einen und dem investmentsteuerrechtlichen Transparenzprinzip auf der anderen Seite war Aushängeschild und Grund zahlloser Missverständnisse beim unbedarften Rechtssetzer wie -anwender gleichermaßen.2 Darüber hinaus führte jenes architektonische Spannungsverhältnis zu unbedachten Bruchstellen im System, die nicht selten das Einfallstor für kreative bis kriminelle Gestaltungen bildeten. Hiervon wollte sich der Reformgesetzgeber bewusst verabschieden: „Um die EU-rechtlichen Risiken auszuräumen, einzelne Steuersparmodelle zu verhindern und die Gestaltungsanfälligkeit zu reduzieren, ... sieht der Gesetzentwurf vor, ein neues Besteuerungssystem für Publikums-Investmentfonds einzuführen, das wesentlich einfacher, leichter administrierbar und gestaltungssicherer ist.“3 § 16 InvStG ist dieser Transparenzgedanke daher fremd. Der Investmentfonds ist ein recht- 10 lich4 vollständig intransparentes Körperschaftsteuersubjekt. Das körperschaftsteuerrechtliche Trennungsprinzip kommt vollumfänglich zur Anwendung – im Hinblick auf das Fehlen eines Mechanismus entsprechend § 27 KStG (stfreie Einlagenrückgewähr) sogar in noch schärferem Maße als nach allgemeinen körperschaftsteuerrechtlichen Grundsätzen. Gleichgültig, ob und welche Einnahme(arte)n auf der Fondseingangsseite erzielt werden, auf der Fondsausgangsseite stehen stets Einkünfte aus Investmenterträgen nach § 16 InvStG (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG). § 16 InvStG bildet damit eine doppelte Schutzmauer gegen jegliche Versuche, Sachverhalte aus dem Innenleben des Fonds zum Anleger und umgekehrt5 zu transportieren.

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften § 16 InvStG weist neben jenen Normen, die dort ausdrücklich genannt sind, auch zahlreiche 11 Bezüge zu weiteren Normen innerhalb wie außerhalb des InvStG auf. Diese werden nachfolgend kurz dargestellt: § 2 InvStG definiert vorrangig (§ 2 Abs. 1 InvStG) die für die Anwendung des InvStG spezi- 12 fischen Begrifflichkeiten. Einzelheiten finden sich nachfolgend im Zusammenhang mit der Kommentierung des jeweiligen Normteils von § 16 InvStG. § 6 InvStG regelt die Besteuerung des Investmentfonds selbst. Aufgrund des nunmehr gelten- 13 den strikten Trennungsprinzips im Bereich der Kapitel 2-Investmentfonds findet sich nunmehr kein innerer rechtlicher Zusammenhang zur Fondsausgangsseite mehr. Dies gilt etwa

1 § 40 Abs. 3 KAGG, § 4 Abs. 1 InvStG 2004; verbunden war damit auch die konzeptionelle Steuerfreistellung der Investmentfondsebene. Eine Besteuerung sollte erst- und letztmals auf Anlegerebene erfolgen. 2 Das Investmentsteuerrecht bildete den Schnittpunkt zahlreicher Steuerrechtsgebiete und der dahinter stehenden Systeme. Zu nennen sind hier vor allem das Einkommen-, Körperschaft-, internationale, Umsatz- und auch das Kapitalertragsteuerrecht – dies alles zusätzlich zur primären inhaltlichen Anknüpfung an das Aufsichtsrecht und unter Wahrung immer raumgreifender unions- und verfassungsrechtlicher Prämissen. Kurzum: So wohlüberlegt und -begründet der investmentsteuerrechtliche Systemansatz alter Prägung war, so sehr überstieg dessen Komplexität doch die Ressourcen seiner Administratoren. Die gerade in der Schlussphase zunehmend sichtbar gewordenen Gestaltungen brachten schließlich das (Reform-)Fass zum Überlaufen, vgl. R. Kammeter, NWB 2012, 1970 (1971). 3 BT-Drucks. 18/8045. 4 Die Teilfreistellungen in § 20 InvStG folgen dem Gedanken der wirtschaftlichen Transparenz, vgl. R. Kammeter, NWB 2012, 1970 (1974 f.). 5 Etwa für qualifizierte Beteiligungsverhältnisse; in Bezug auf steuerbegünstigte Anleger vgl. allerdings §§ 8 bis 14 InvStG. Kammeter/Behrens | 355

§ 16 Rz. 13 | Investmenterträge auch für den Fall des § 33 Abs. 2 InvStG (inländische Immobilienerträge beim vereinnahmenden Investmentfonds).1 Ein wirtschaftlicher Ausgleich für diese Vorbelastung erfolgt sodann allein über das Instrument der Teilfreistellung nach § 20 InvStG. 14 § 17 InvStG normiert eine Ausnahme zum Grundsatz des § 16 InvStG. Während nach § 20

Abs. 1 Nr. 3 EStG alle Investmenterträge nach § 16 InvStG dem Grunde nach stpfl. sind, definiert § 17 InvStG eine Ausnahme hiervon. Unter den dort genannten (vor allem zeitlichen) Voraussetzungen sind Ausschüttungen2 i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 InvStG stfrei, soweit der letzte im Kalenderjahr festgesetzte Rücknahmepreis die fortgeführten AK unterschreitet.3

15 § 20 InvStG regelt den Umfang der Investmenterträge nach § 16 Abs. 1 InvStG, der stfrei

bleibt – dies in Abhängigkeit von der Natur des Investmentfonds (Aktien-, Misch- oder Immobilienfonds) und der des Anlegers (natürliche Personen mit Anteilen im Privatoder Betriebsvermögen, Körperschaften, Lebens- oder Krankenversicherer sowie die genannten finanzmarktnahen Unternehmen). Die Teilfreistellung betrifft Ausschüttungen, Vorabpauschalen und Veräußerungsgewinne gleichermaßen.4 § 22 InvStG sieht für den Fall, dass sich die bisherigen Freistellungssätze ändern, eine fiktive Veräußerung als Abgrenzungsinstrument vor.

16 § 23 InvStG regelt den Fall der Verschmelzung (durch Aufnahme oder durch Neugründung)5

inländischer (Abs. 1) oder ausländischer Investmentfonds desselben Staats (Abs. 4).6 Dieser ist auf Anlegerebene grds. erfolgsneutral (§ 23 Abs. 3 Satz 2 InvStG).7 Insbesondere liegt kein Tausch vor (§ 23 Abs. 3 Satz 1 InvStG). Erträge i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 InvStG liegen jedoch dann vor, wenn die Anleger des übertragenden Investmentfonds eine Barzahlung nach § 190 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 KAGB erhalten (§ 23 Abs. 3 Satz 3 InvStG).8

1 Bindl/Stadler, BB 2017, 1943 (1944); derartige Immobilienerträge werden (nur auf der Fondseingangsseite) zu Einkünften nach § 6 Abs. 4 InvStG umqualifiziert, § 33 Abs. 2 Satz 1 InvStG. 2 Unklar ist, ob Vorabpauschalen in der Abwicklungsperiode im Einzelfall zur Anwendung kommen. Dafür spricht zum einen der Wortlaut, zum anderen, dass § 17 als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist. Ebenso ist die bewusste Differenzierung des Gesetzgebers zwischen Investmenterträgen allg. und Vorabpauschalen im Besonderen an anderer Stelle (z.B. § 16 Abs. 2 Satz 2 InvStG) hierfür ins Feld zu führen. Gegen einen Ansatz der Vorabpauschale in der Liquidationsphase spricht jedoch, dass der Gesetzgeber vor allem den Inlandsfall vor Augen hatte und insofern von einer steten Abwicklung (§ 100 Abs. 2 KAGB) ausgehen konnte, BT-Drucks. 18/8045, 88. Der atypische Fall, dass in einem Umfeld aus Abwicklung und Ausschüttung dennoch ausnahmsweise die Voraussetzungen für den Ansatz einer Vorabpauschale gegeben sein könnten, wurde offenkundig nicht bedacht. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass sich wegen des absehbaren Endes eines Investmentfonds der Nichtansatz der Vorabpauschale nur kurz- bis allenfalls mittelfristig auswirken sollte, ist diese Regelungslücke i.S.d. letztgenannten Ansicht zu schließen. Dies scheint auch die Haltung des BMF zu sein, wie sie in der Tz. III des Schreibens v. 20.12.2018 – IV C 1 - S 1980 - 1/18/10009 – DOK 2018/1035471, BStBl. I 2019, 14 („Madoff-Fonds“), zum Ausdruck kam. Gründe für die isolierte Privilegierung dieses Einzelfalls sind jedenfalls nicht ersichtlich. 3 Letzter Rücknahmepreis im Kalenderjahr zzgl. Ausschüttungen abzgl. der fortgeführten AK (§ 17 Abs. 1 Satz 1 InvStG). Da diese Frage erst mit Ablauf eines Kalenderjahres zu beantworten ist, sieht § 44b Abs. 1 EStG auch nur eine entsprechende Erstattungsregelung des Abzugsverpflichteten vor. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 20.1 und 20.5; im Organschaftsfall ist § 15 Satz 1 Nr. 2a KStG zu beachten, Höreth/Stelzer, DStZ 2019, 13 (15). 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.8. 6 Zur Definition des in- oder ausländischen Investmentfonds vgl. § 2 Abs. 2 und 3 InvStG i.V.m. BMFAnwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.2. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.17; danach geht auch Bestandsschutzcharakter von Altanteilen nach § 56 Abs. 6 Satz 1 InvStG auf die neu ausgegebenen Anteile am übernehmenden Investmentfonds über. 8 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.20.

356 | Kammeter/Behrens

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 19 § 16

§ 34 Abs. 3 Satz 2 InvStG enthält einen Rechtsgrundverweis auf die treaty-overriding-Bestim- 17 mung des § 16 Abs. 4 InvStG für die Frage der abkommensrechtlichen Steuerfreiheit von Ausschüttungen eines ausländischen Spezial-Investmentfonds. Bilaterale subject-to-tax-Klauseln stehen zu § 16 Abs. 4 InvStG als national-unilateraler 18 Rückfallklausel in einem Spannungsverhältnis.1 In zahlreichen DBA stehen danach vorgesehene Steuerbefreiungen unter dem Vorbehalt einer tatsächlichen Besteuerung durch den hierzu grds. berufenen Vertragsstaat. Dieser historische Ausnahmefall ist zwischenzeitlich zum Standard geworden.2 Gleichwohl finden sich daneben zahlreiche unilaterale „Steuervorbehaltsklauseln“. Aus Sicht des Gesetzgebers ist die subject-to-tax-Klausel des § 16 Abs. 4 InvStG zur Missbrauchsvermeidung indes erforderlich.3 Soweit eine bilaterale Rückfallklausel im Einzelfall noch strengere Anforderungen an eine Freistellung formuliert, bleibt sie von § 16 Abs. 4 InvStG indes unberührt.4 § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG5 stellt Gewinnausschüttungen stfrei, soweit für das Kalender- oder 19 Wirtschaftsjahr, in dem sie bezogen werden, oder für die vorangegangenen sieben Kalenderoder Wirtschaftsjahre aus einer Beteiligung an derselben ausländischen Gesellschaft Hinzurechnungsbeträge i.S.v. § 10 Abs. 2 AStG a.F.6 der ESt oder KSt unterlegen haben, kein Fall des § 11 Abs. 1 oder 2 AStG a.F. vorlag und der StPfl. dies nachweist; § 3c Abs. 2 EStG gilt in diesen Fällen entsprechend. Bei ausländischen Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen i.S.v. § 7 Abs. 1 AStG a.F., die bis 31.12.2017 als sog. Kapital-Investitions1 R. Kammeter, IWB 2013, 720 (721 f.); ferner: Multilaterales Instrument („Mehrseitiges Übereinkommen zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung“) auf Grundlage der OECD-Empfehlung (Stand: 16.5.2017), dort insbes. Art. 5 (abrufbar unter www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/ Steuern/2017-06-07-Mehrseitiges-Uebereinkommen-z-Umsetzung-steuerabkommensbezogenerMassnahmen-z-Verhinderung-d-Gewinnverkuerzung-u-Gewinnverlagerung.pdf;jsessionid=8A50458C8DC108C5B5DB233A3D0CDF0C?__blob=publicationFile&v=2 [zuletzt abgerufen am 30.3.2022]). Das Ratifizierungsgesetz („Gesetz zu dem Mehrseitigen Übereinkommen v. 24.11.2016 zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung“) wurde Ende 2020 verabschiedet und ist für die Bundesrepublik Deutschland am 1.4.2021 in Kraft getreten. Weil Deutschland von dem zusätzlichen Vorbehalt des Art. 35 Abs. 7 lit. a i) und ii) MLI Gebrauch gemacht hat, ist neben der Ratifizierung in einem zweiten Schritt die Notifizierung der OECD darüber erforderlich, dass die internen Verfahren abgeschlossen sind. Die Bundesregierung sieht hier jeweils ein separates Anwendungsgesetz für die von dem MLI erfassten DBA vor. Dieser zweite Schritt ist Stand September 2022 noch zu keinem deutschen DBA erfolgt. Im Einzelnen dazu Schwenke/Drüen in Wassermeyer, DBA, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 184 ff. (Stand: April 2021). 2 Art. 22 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 ff., Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b D-VG sowie im zugehörigen Protokoll Nr. 4. 3 BT-Drucks. 18/8045, 87: „[Die] Regelung soll die zweckwidrige Nutzung von Abkommensvorteilen verhindern“. 4 Die Normen stehen im Verhältnis der Rechtsfolgenkonkurrenz zueinander. Wenngleich eine Regelung i.S.v. § 50d Abs. 9 Satz 3 EStG („Bestimmungen eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (...) bleiben unberührt, soweit sie jeweils die Freistellung von Einkünften in einem weitergehenden Umfang einschränken“) vorliegend fehlt, ist von ebendiesem Verständnis des Gesetzgebers auszugehen. Der Wortlaut des Gesetzes ist einerseits restriktiver („... wird nur gewährt, wenn ...“) und beansprucht damit uneingeschränkte Geltung, zugleich dürfte indes auch eine (speziellere) abkommensrechtliche Rückfallklausel auf tatbestandlicher Ebene nicht verdrängt sein; s. auch Remmel in H/ H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 16 InvStG Anm. 21 f. 5 § 3 Nr. 41 EStG wurde durch G v. 25.6.2021 (BGBl. I 2021, 2035) aufgehoben. Aufgrund der in § 11 AStG n.F. geregelten Berücksichtigung eines Kürzungsbetrags bedarf es der Regelung des § 3 Nr. 41 EStG nicht mehr (BT-Drucks. 19/28652, 32). Gemäß § 52 Abs. 4 Satz 15 EStG erfolgt die Anwendung von § 3 Nr. 41 EStG letztmalig für den VZ 2021. 6 Das AStG wurde durch ATADUmsG v. 25.6.2021 (BGBl. I 2021, 2035) umfassend geändert. Zur Anwendbarkeit des neuen AStG vgl. § 21 AStG. Zum Verhältnis der §§ 7–13 AStG n.F. zu § 16 InvStG nachfolgend unter Rz. 31. Kammeter/Behrens | 357

§ 16 Rz. 19 | Investmenterträge gesellschaften i.S.v. § 19 InvStG a.F. einzuordnen waren oder gar nicht unter das InvStG a.F. fielen, kann trotz des in § 7 Abs. 7 AStG a.F. geregelten Vorrangs des InvStG n.F. vor § 7 Abs. 1 bis 6a AStG noch nach 2017 gem. § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG a.F. den Gesellschaftern bzw. Anteilsinhabern ein Hinzurechnungsbetrag zufließen.1 Dazu kann es folgendermaßen kommen: Bei Kapital-Investitionsgesellschaften konnten gem. § 19 Abs. 4 InvStG a.F. vor 2018 den Gesellschaftern Hinzurechnungsbeträge zufließen.2 Gemäß § 56 Abs. 1 InvStG (s. § 56 InvStG Rz. 14 ff.) ist das InvStG in der am 31.12.2017 geltenden Fassung – und damit auch § 19 Abs. 4 InvStG a.F. – für die Zeit vor dem 1.1.2018 weiterhin anzuwenden. Besteuerungssachverhalte, welche noch vor dem 1.1.2018 verwirklicht wurden, sind noch nach dem InvStG a.F. zu bewerten. Die intertemporale Abgrenzung erfolgt auf der Tatbestandsebene. Für die Anwendung der §§ 7 bis 14 AStG a.F. bedeutet dies, dass der relevante Zeitpunkt für die Verwirklichung des Besteuerungstatbestands grds. das Ende des Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft ist. Denn § 7 Abs. 2 Satz 1 AStG a.F. stellt auf die Beteiligungsverhältnisse zum Ende des Wirtschaftsjahres dieser Gesellschaft ab (maßgebendes Wirtschaftsjahr). Solange das maßgebende Wirtschaftsjahr einer ausländischen Kapital-Investitionsgesellschaft, die sich zugleich als Zwischengesellschaft qualifiziert, noch im Jahr 2017 endet, bemessen sich die Rechtsfolgen nach dem Regime des AStG. Mit anderen Worten: Weil § 19 Abs. 4 InvStG a.F. noch bis zum 31.12.2017 anwendbar ist, führen die Einkünfte jener Zwischengesellschaft unter den weiteren Voraussetzungen des AStG Anfang 2018 letztmalig zur Hinzurechnungsbesteuerung. Dass die hieraus resultierenden Hinzurechnungsbeträge gem. § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG a.F. erst unmittelbar nach Ablauf des maßgebenden Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft – und damit im zeitlichen Anwendungsbereich des neuen InvStG – als zugeflossen gelten, steht dem nicht entgegen. In Bezug auf die betreffende ausländische Kapital-Investitionsgesellschaft oder die nicht unter das InvStG a.F. fallende ausländische Gesellschaft ist daher, obwohl seit dem 1.1.2018 § 7 Abs. 7 AStG a.F. anwendbar ist, für das Feststellungsjahr 2018, d.h. für das kalenderjahrgleiche Wirtschaftsjahr 2017, noch eine Erklärung nach § 18 Abs. 3 AStG a.F. abzugeben. § 7 Abs. 7 AStG a.F. steht einer Anwendung von §§ 7 bis 14 AStG a.F. auf nach dem 31.12.2017 erzielte Einkünfte der ab dem 1.1.2018 als Kapitel-2-Investmentfonds anzusehenden ausländischen Gesellschaft indes entgegen. Ab diesem Zeitpunkt besteht auch keine Verpflichtung zur Abgabe einer Erklärung nach § 18 Abs. 3 AStG a.F. mehr. Aus § 56 InvStG oder sonstigen Übergangsregelungen zur Einführung des InvStG n.F. ergibt sich allerdings nicht, dass § 3 Nr. 41 EStG, soweit Hinzurechnungsbeträge noch nicht verbraucht sind und die Sieben-Jahres-Frist noch nicht abgelaufen ist, nachlaufende Ausschüttungen und Veräußerungsgewinne aus den nämlichen (vormaligen) Zwischengesellschaften nicht mehr stfrei stellt, wenn Ausschüttungen oder Veräußerungsgewinne erst in 2018 oder später erfolgen bzw. erzielt werden. § 7 Abs. 7 AStG a.F. schließt bei Anwendbarkeit des InvStG n.F. nur die Anwendung von § 7 Abs. 1 bis 6a AStG a.F. aus, nicht jedoch die Anwendung von § 3 Nr. 41 EStG. Unseres Erachtens sind daher in parallelen Erklärungen nach § 18 Abs. 3 AStG a.F. i.V.m. § 3 Nr. 41 Satz 2 EStG für Feststellungsjahre ab einschließlich 2018 stfreie Erträge nach § 3 Nr. 41 EStG bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen anzusetzen, soweit die bis zum 1.1.2018 zugeflossenen Hinzurechnungsbeträge noch nicht verbraucht sind. Nur auf diese Weise ist das gesetzliche Regelungsziel zu erreichen, wonach eine Einmal(nicht aber eine Zweimal-)Besteuerung der Zwischeneinkünfte in Gestalt des Hinzurechnungsbetrags beim Zurechnungsempfänger zu erfolgen hat. Die FinVerw. hat diesem Mismatch aus dem ungeregelten Übergang vom AStG in das InvStG zwar zwischenzeitlich im

1 Vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.7 Satz 3. 2 Gem. § 19 Abs. 4 InvStG a.F. waren §§ 7 bis 14 AStG abweichend von § 7 Abs. 7 AStG anwendbar und ist, soweit Hinzurechnungsbeträge nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG angesetzt worden sind, auf Ausschüttungen und Veräußerungsgewinne auch nach 2017 § 3 Nr. 41 EStG weiterhin anzuwenden.

358 | Kammeter/Behrens

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 20 § 16

Rahmen einer Billigkeitslösung Rechnung getragen – dies jedoch nur teilweise, sodass in vielen Fällen eine vollständige Entlastung noch aussteht.1 § 3 Nr. 41 Buchst. b EStG2 stellt Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer auslän- 20 dischen Kapitalgesellschaft sowie aus deren Auflösung oder Herabsetzung ihres Kapitals stfrei, soweit für das Kalender- oder Wirtschaftsjahr, in dem sie bezogen werden, oder für die vorangegangenen sieben Kalender- oder Wirtschaftsjahre aus einer Beteiligung an derselben ausländischen Gesellschaft Hinzurechnungsbeträge gem. § 10 Abs. 2 AStG a.F. der ESt oder KSt unterlegen haben, kein Fall des § 11 Abs. 1 oder 2 AStG a.F. vorlag, der StPfl. dies nachweist und der Hinzurechnungsbetrag ihm nicht als Gewinnanteil zugeflossen ist. Gemäß § 56 Abs. 2 InvStG gelten Anteile an Kapital-Investitionsgesellschaften i.S.v. § 19 InvStG a.F. oder an Organismen, die zum 1.1.2018 erstmals in den Anwendungsbereich des InvStG fallen (Alt-Anteile), mit Ablauf des 31.12.2017 als veräußert und mit Beginn des 1.1.2018 als angeschafft. Die Frage nach dem Vorliegen eines fiktiven Veräußerungsgewinns nach § 56 Abs. 3 InvStG hat insofern Auswirkungen auf die gesonderten und einheitlichen Feststellungen nach § 18 AStG a.F., als eine Steuerbefreiung des fiktiven Veräußerungsgewinns i.S.v. § 56 Abs. 3 InvStG in Anwendung von § 3 Nr. 41 Buchst. b EStG in Betracht kommt. Weil die Prüfung, ob Hinzurechnungsbeträge der ESt oder KSt unterlegen haben, gem. § 3 Nr. 41 Satz 2 EStG im Rahmen der gesonderten Feststellung nach § 18 AStG a.F. zu erfolgen hat,3 kann die Steuerbefreiung des fiktiven Veräußerungsgewinns i.S.v. § 56 Abs. 3 InvStG gem. § 3 Nr. 41 Buchst. b EStG im Rahmen der Steuererklärung des Anteilsinhabers oder in der gesonderten Feststellung nach § 56 Abs. 5 InvStG nur dann geltend gemacht werden, wenn eine entsprechende gesonderte Feststellung nach § 18 AStG a.F. vorliegt. Denn § 18 Abs. 1 AStG a.F. ordnet die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen auch für die Anwendung von § 3 Nr. 41 EStG an. Unseres Erachtens ist danach wie folgt zu differenzieren: – Ist der Anleger weder Investmentfonds noch Spezial-Investmentfonds, ist der Gewinn aus der fiktiven Veräußerung nach § 56 Abs. 2 Satz 1 InvStG gem. § 56 Abs. 3 Satz 1 InvStG erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung des Alt-Anteils zu berücksichtigen.4 Unseres Erachtens liegt deshalb auch erst im Jahr der tatsächlichen Veräußerung des Alt-Anteils ein nach § 3 Nr. 41 Buchst. b EStG stfreier Veräußerungsgewinn vor. Dies gilt unabhängig davon, dass in diesem stfreien Veräußerungsgewinn ein zum 31.12.2017 angefalle1 Auf Grundlage eines Bund-Länder-Beschlusses der ESt- und ASt-Referatsleiter hat das BayLfSt hierzu eine verwaltungsinterne Verfügung erlassen, Vfg. v. 18.12.2020 – S 2342.1.1-22/12 St36. Ansatzpunkt der Verwaltungslösung ist der fiktive Veräußerungstatbestand des § 56 Abs. 2 InvStG als Veräußerungstatbestand i.S.d. § 3 Nr. 40 Buchst. b Satz 1 EStG (s. hierzu vor allem Rz. 20). Danach ist primär eine (auch rückwirkende) Berücksichtigung i.R.d. fiktiven Veräußerungsgewinns zum 31.12.2017 anzustreben (Grundfall und Billigkeitsregelung I). Im Übrigen steht der Hinzurechnungsbetrag des (Zufluss-)Jahres 2018 (= Rumpfwirtschaftsjahr 2017) (nachträglich) als weiteres steuerfreies Verrechnungsvolumen für etwaige Ausschüttungen auf das regulär unterjährig endende Wirtschaftsjahr 2017 zur Verfügung. Soweit jedoch das Verrechnungsvolumen weder hiermit noch mit dem fiktiven Veräußerungsgewinn zum 31.12.2017 genutzt werden kann (Billigkeitsregelung II), soll es ersatzlos untergehen. Insofern begegnet jene an sich begrüßenswerte Billigkeitsregelung unverändert den oben ausgeführten Bedenken. Im Ergebnis – und damit unabhängig von der Regelungstechnik – ist allein eine vollständige Entlastung für bereits versteuerte fiktive Hinzurechnungsbeträge sachgerecht und daher anzustreben. 2 § 3 Nr. 41 EStG wurde aufgehoben durch ATADUmsG v. 25.6.2021 (BGBl. I 2021, 2035). Aufgrund der in § 11 AStG n.F. eingeführten Berücksichtigung eines Kürzungsbetrags bedarf es der Regelung des § 3 Nr. 41 EStG nicht mehr (BT-Drucks. 19/28652, 32). Gemäß § 52 Abs. 4 Satz 15 EStG erfolgt die Anwendung von § 3 Nr. 41 EStG letztmalig für den VZ 2021. 3 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernr. 1/2004, 3 Rz. 18.1.2.2 Nr. 6, 18.1.2.3 Buchst. c und 18.1.2.8 letzter Satz; Vordruck ASt 1 B (11), Zeile 32 f. 4 BT-Drucks. 18/8045, wonach der Gewinn oder Verlust aus der fiktiven Veräußerung in der Steuerbilanz des Anlegers bis zur tatsächlichen Veräußerung nicht abzubilden ist. Kammeter/Behrens | 359

§ 16 Rz. 20 | Investmenterträge ner fiktiver Veräußerungsgewinn i.S.v. § 56 Abs. 3 Satz 1 InvStG enthalten ist. Beispielsweise sind im Feststellungsjahr 2018, soweit noch nicht verbrauchte Hinzurechnungsbeträge vorhanden sind, stfreie Veräußerungsgewinne nach § 3 Nr. 41 Buchst. b EStG gem. § 18 AStG a.F. festzustellen, solange aus der Veräußerung der Beteiligung insgesamt ein Gewinn realisiert wird. Ob und in welchem Umfang zuvor ein fiktiver Veräußerungsgewinn zum 31.12.2017 festgestellt wurde, ist dabei ohne Belang. Denn bei dem fiktiven Veräußerungsergebnis handelt es sich um nicht mehr als um einen reinen Rechenposten zum Zwecke einer zeitlichen Abgrenzung zweier inkompatibler Besteuerungsregimes. – Ist der Anleger ein Investmentfonds oder Spezial-Investmentfonds, gilt der zum 31.12.2017 angefallene fiktive Veräußerungsgewinn bereits zum 31.12.2017 als realisiert. Ein nach § 3 Nr. 41 Buchst. b EStG stfreier Veräußerungsgewinn entstand mithin bereits im Feststellungsjahr 2017, soweit noch nicht verbrauchte Hinzurechnungsbeträge vorhanden waren. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts in § 56 Abs. 3 Satz 7 InvStG ist eine abweichende Auslegung ausgeschlossen. Der fiktive Veräußerungsgewinn markiert hier eine echte Zäsur. Indes bleibt es auch in diesem Fall bei einer Fiktion, die allein die Veräußerung und Wiederanschaffung der betr. Anteile nach § 56 Abs. 2 Satz 1 InvStG zum Gegenstand hat. Deren rechnerisches Ergebnis ist zwar im Unterschied zur vorgenannten Fallgruppe sofort zu berücksichtigen. Die Fiktion reicht jedoch nicht so weit, dass der Anleger im Ergebnis nicht mehr seine „alten Anteile“, sondern ein Aliud in Händen hält. So unverändert die Anteile sind, so unverändert stehen auch noch nicht verbrauchte Hinzurechnungsbeträge (einschließlich eines letztmaligen Hinzurechnungsbetrags zum 1.1.2018) in den sachlichen und zeitlichen Grenzen des § 3 Nr. 41 Buchst. b EStG als Ausgleichsposten zur Verfügung. Es ist insbesondere für Zwecke der Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 41 EStG nicht erforderlich, dass die „Quelle“ der dort genannten nachlaufenden Ausschüttungen oder des Veräußerungsgewinns zu ebendiesen Zeitpunkten weiterhin eine Zwischengesellschaft i.S.d. § 8 Abs. 1 AStG a.F. ist. Das Gesetz spricht in § 3 Nr. 41 EStG lediglich von einer „Beteiligung an derselben ausländischen Gesellschaft“. Dies ist sachgerecht, da in der Praxis etliche Zwischengesellschaften diesen Status (etwa durch Anhebung des örtlichen Steuerniveaus nach § 8 Abs. 3 AStG a.F.) auch wieder verlieren. Gleichwohl ist in all diesen Fällen eine erneute Besteuerung der nachfolgenden tatsächlichen Ausschüttungen bzw. des Veräußerungsgewinns nicht i.S.d. Hinzurechnungsregimes. 21 § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG erklärt sämtliche Investmenterträge nach § 16 InvStG zu Einkünften

aus Kapitalvermögen,1 soweit sie nicht nach § 20 Abs. 8 EStG einer anderen Einkunftsart zugehören.2 Mit dieser nun erstmaligen Schaffung einer separaten nationalen Anknüpfungsnorm für Investmenterträge verfolgte der Gesetzgeber zweierlei: Zum einen konnte man nun innerstaatlich gezielt an diese besondere Art von Einkünften – etwa für Zwecke der KapErtrSt – anknüpfen und differenzierte Regelungen aufsetzen3 – dies insbes. in Anbetracht der (besonders in der praktischen Umsetzung sehr komplexen) Regelung zur Teilfreistellung bestimmter Ertragsteile.4 Eine fortgeführte pauschale Anknüpfung an § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG hätte dies nicht ohne Weiteres zugelassen. Der maßgebliche Grund für die Schaffung eines separaten Einkünftetatbestands war zum anderen die Motivation, die Nutzung dividendenbezogener Regelungen in DBA durch Investmentfondskonstrukte zu beenden bzw. zu unterbin-

1 Bislang handelte es sich um Einkünfte gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG 2004 (laufende Einkünfte im Privatvermögen) oder um solche gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 8 Abs. 5 Satz 1 InvStG 2004 (Veräußerungstatbestand im Privatvermögen). 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.3. 3 § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 und 5 EStG. 4 § 43a Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 und 3 EStG.

360 | Kammeter/Behrens

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 25 § 16

den.1 Das abkommensrechtliche Schachtelprivileg sollte etwa auf Fondstrukturen keine Anwendung (mehr) finden.2 § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 9 EStG stellt 15 % der Erträge eines Versicherungsvertrags frei, soweit 22 sich diese aus Investmenterträgen speisen. Hierdurch soll die definitive wirtschaftliche Vorbelastung der Investmenterträge infolge der StPfl. des Investmentfonds selbst (§ 6 InvStG) pauschal ausgeglichen werden. Daher ist diese partielle Steuerfreiheit nach § 52 Abs. 28 Satz 21 EStG i.d.F. v. 19.7.2016 bzw. § 52 Abs. 28 Satz 23 i.d.F. v. 21.12.2020 auf die ab 2018 dem Versicherer zugeflossenen Ausschüttungen sowie auf die ab 2018 eingetretenen Wertveränderungen der Investmentanteile beschränkt.3 § 43 EStG sieht im Fall einer inländischen Depotverwahrung eine umfassende Kapitalertrag- 23 steuerpflicht beim Anleger vor, i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 5 EStG auch in dem Fall, dass die Anteile an inländischen Investmentfonds in keinem Depot verwahrt werden.4 Dies gilt sowohl für laufende Erträge i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InvStG (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG) als auch für Erträge i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 3 InvStG (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EStG; Veräußerungsgewinne).5 Ausnahmen hiervon sieht § 43 Abs. 2 Satz 2 EStG für inländische Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute ebenso vor wie für inländische Kapitalverwaltungsgesellschaften als Gläubiger der Kapitalerträge. Allein für die Kapitalertragsteuerpflicht auf Investmenterträge aus Veräußerungsgewinnen (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EStG) sieht § 43 Abs. 2 Satz 3 EStG die Abstandnahme vor – dies allerdings auch nur bei unbeschränkt stpfl. Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen (Nr. 1) wie auch im Falle einer Zuordnung der Kapitalerträge zu einem inländischen Betrieb (Nr. 2).6 § 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG sieht den regulären Kapitalertragsteuersatz von 25 % für sämtliche 24 Erträge nach § 16 Abs. 1 InvStG (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und 9 EStG) vor. Der betr. Teilfreistellungssatz (§ 20 InvStG) ist dabei zu beachten (§ 43a Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 und 3 EStG [Rechtsgrundverweis]).7 Ein Gang des Privatanlegers in die Veranlagung, allein um die betr. Teilfreistellung zu erhalten, soll dadurch vermieden werden.8 Die Bemessungsgrundlage für den Kapitalertragsteuereinbehalt auf Veräußerungsgewinne nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 InvStG ist § 19 InvStG zu entnehmen (§ 43a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG). § 44 Abs. 1b EStG erklärt Abs. 1 Sätze 7 bis 11 auf die Vorabpauschale nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 25 InvStG für entsprechend anwendbar. Danach greift folgender Stufenmechanismus: Diejenige Stelle, welche die Investmenterträge an den Anleger auszahlt und ein Kredit- oder Finanz-

1 R. Kammeter, IWB 2012, 1970 (1973). 2 Jene Gestaltungen, welche im Ergebnis die Transformation stpfl. Zinsen in stfreie Dividenden verfolgten, wurden in der Frühphase der Diskussion zur Investmentsteuerreform sichtbar und sollten durch die Neuregelung adressiert werden; vgl. BMF v. 2.12.2013 – IV C 1 - S 1980 - 1/12/10005 :004 – DOK 2013/1101789, BStBl. I 2013, 1506. Dem folgte die Rspr. nicht, FG Sa.-Anh. v. 22.3.2017 – 3 K 383/16, EFG 2017, 1943 (bestätigt durch BFH v. 15.3.2021 – I R 61/17, BFH/NV 2021, 974); FG Düsseldorf v. 17.10.2017 – 6 K 1141/14 K,G,F, rkr., EFG 2017, 1939; FG Düsseldorf v. 17.12.2018 – 2 K 3874/15 F, EFG 2019, 505 – Rev. I R 8/19, mit Anm. R. Kammeter, ISR 2019, 256; a.A. noch FG Hess. v. 29.11.2017 – 4 K 1186/16, FR 2018, 894 (aufgehoben durch BFH v. 15.3.2021 – I R 1/18, BB 2021, 2337). 3 BT-Drucks. 18/8045, 133; im Einzelnen und mit zahlreichen Beispielen BMF v. 29.9.2017 – IV C 1 - S 2252/15/10008 :11 – DOK 2017/0796174, BStBl. I 2017, 1314. 4 Die Fondseingangsseite regelt § 7. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.4. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.8; Anemüller, ErbStB 2019, 87 (90). 7 BT-Drucks. 18/8045, 136. 8 Die Kapitalertragsteuerfreistellung des betrieblichen Anlegers (§ 43 Abs. 2 Satz 2 und 3 EStG) geht Hand in Hand mit dessen (Pflicht-)Veranlagung (§ 25 Abs. 1 und 3 Satz 1 EStG; § 31 Abs. 1 KStG). Dort sind die betr. Teilfreistellungssätze zu beachten. Kammeter/Behrens | 361

§ 16 Rz. 25 | Investmenterträge dienstleistungsinstitut i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. b EStG, ein in- oder ausländisches Wertpapierhandelsunternehmen oder eine in- oder ausländische Wertpapierhandelsbank ist, welche die Anteile an dem Investmentfonds verwahrt oder verwaltet (§ 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 EStG), hat den Kapitalertragsteuerabzug vorzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 3 EStG). Werden die Anteile an einem Investmentfonds nicht von einer entsprechenden Stelle verwahrt oder verwaltet, ist der Investmentfonds selbst die auszahlende Stelle (§ 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 5 EStG). Im Fall der Vorabpauschale handelt es sich indes um fiktive Erträge („dry-income“), sodass der an erster Stelle vorgesehene Einbehalt aus den übrigen „echten“ Erträgen (§ 44 Abs. 1 Satz 7 Halbs. 1 EStG) ins Leere laufen kann. In diesem Fall hat der „Gläubiger“ des fiktiven Ertrags den Fehlbetrag dem Abzugsverpflichteten zur Verfügung zu stellen (§ 44 Abs. 1 Satz 7 Halbs. 2 EStG). Dem Grundsatz nach ist hier eine aktive Mitwirkung des Gläubigers gefordert. Oftmals sehen die AGB der Banken die erforderliche Veräußerung von Investmentfondsanteilen zur Deckung eigener Entgeltforderungen vor. Mit einer entsprechenden Ausdehnung jener AGB-Klauseln zur Begleichung von Steuerverbindlichkeiten rechnete der Gesetzgeber.1 Nachdem dies jedoch nicht mit Sicherheit erwartet werden konnte, schuf der Gesetzgeber auch eine Alternativregelung. Danach kann sich der Abzugsverpflichtete an einem bei ihm ebenfalls unterhaltenen Konto des Gläubigers bedienen – unabhängig von dessen Einwilligung (§ 44 Abs. 1 Satz 8 EStG).2 Der Abzugsverpflichtete kann hierbei auch das betr. Konto im Rahmen eines Kontokorrentkredits überziehen, sofern der Gläubiger hiergegen vor Zufluss3 der Erträge nicht widerspricht (§ 44 Abs. 1 Satz 9 EStG). Scheitern beide Wege aus Sicht des Abzugsverpflichteten – weder Kooperation noch Zugriff auf ein (belastbares) Konto des Gläubigers –4, dann hat er diesen Sachverhalt an das für ihn zuständige Betriebsstätten-FA anzuzeigen (§ 44 Abs. 1 Satz 10 EStG).5 Nach § 44 Abs. 1 Satz 11, Abs. 1b EStG hat sodann das FA die zu wenig erhobene KapErtrSt vom Gläubiger der Erträge (Anleger) nachzufordern. 26 § 44a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 Satz 3, Abs. 5 Satz 4, Abs. 7 Satz 2 und Abs. 8 Satz 2 EStG

regeln die Abstandnahme vom Kapitalertragsteuerabzug auf Investmenterträge, sofern dem Entrichtungspflichtigen eine NV-Bescheinigung vorgelegt wird.6 Neben den genannten Normen finden sich in R 24 Abs. 2 und R 25 KStR 2015/KStR 2022 sowie in § 7 Abs. 3 Satz 1 InvStG weitere Rechtsgrundlagen für eine Abstandnahme vom Kapitalertragsteuerabzug.

27 § 44a Abs. 4 Satz 1 EStG suspendiert die Pflicht zum Kapitalertragsteuerabzug auch im Fall

von Investmenterträgen nach § 43 Abs. 1 Nr. 5 EStG, sofern der Gläubiger ein inländisches steuerbefreites Körperschaftsteuersubjekt oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist.7

28 § 45a EStG regelt die Anmeldung und Bescheinigung der KapErtrSt. Das BMF hat in der

Neufassung seines Schreibens v. 15.12.20178 zur Ausstellung von Steuerbescheinigungen für Kapitalerträge nach § 45a Abs. 2 und 3 EStG auch Stellung zu Fragen im Zusammenhang mit der Investmentsteuerreform genommen. 1 BT-Drucks. 18/8045, 137 f. 2 Anemüller, ErbStB 2018, 55 (59). Im Regelfall dürfte es sich um das Verrechnungskonto des betr. Depots handeln. Allerdings ist von der Gesetzesformulierung auch ein Zugriff auch auf alle anderen Konten des Gläubigers beim Abzugsverpflichteten gedeckt. 3 In diesem Fall müsste man richtigerweise von Zurechnung jener fiktiven Erträge sprechen, § 18 Abs. 3 InvStG („gilt als zugeflossen“). 4 Der Gesetzgeber geht hier von „besonderen Ausnahmefällen“ aus, BT-Drucks. 18/8045, 138. 5 Unterbleibt die Anzeige, haftet der Abzugsverpflichtete entsprechend § 44 Abs. 5 EStG; in diesem Sinne Weber-Grellet in Schmidt41, § 44 EStG Rz. 14. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.7; zum Kapitalertragsteuerabzug bei ausländischen Anlegern vgl. Rz. 38. 7 Als negatives Tatbestandsmerkmal ist weiterhin zu beachten, dass die Erträge nicht in den (aus Gründen der Wettbewerbsneutralität) stpfl. Bereichen jener Steuersubjekte anfallen (wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb oder Betrieb gewerblicher Art, § 44a Abs. 4 Satz 5 EStG). 8 BMF v. 15.12.2017 – IV C 1 - S 2401/08/10001:018 – DOK 2017/1044120, BStBl. I 2018, 13.

362 | Kammeter/Behrens

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 30 § 16

§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a EStG erfasst Einkünfte aus Investmentfonds (§ 20 Abs. 1 29 Nr. 3 EStG) nicht im Rahmen der beschränkten StPfl.1 Auch sofern vor der Neufassung 2018 inländische Immobilienerträge der beschränkten StPfl. unterfielen,2 besteht angesichts der eigenständigen StPfl. des Investmentfonds selbst (§ 6 InvStG) hierfür kein Grund mehr.

§§ 21 und 24 UmwStG werden durch § 16 InvStG nicht verdrängt, d.h., die stl. Behandlung 30 der Einbringung von Anteilen an in der Rechtsform der KapGes. oder der Personengesellschaft errichteten Kapitel-2-Investmentfonds richtet sich nach § 21 oder § 24 UmwStG.3 Das InvStG enthält keine ausdrückliche Regelung, die der Anwendbarkeit von §§ 21, 24 UmwStG entgegenstünde. Insbesondere sollte der Anwendbarkeit von §§ 21, 24 UmwStG nicht entgegenstehen, dass inländische Investmentfonds gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 InvStG als Zweckvermögen nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG und ausländische Investmentfonds nach § 6 Abs. 1 Satz 2 InvStG als Vermögensmassen nach § 2 Nr. 1 KStG gelten.4 Dass auch die FinVerw. diese Auffassung vertritt, lässt sich einem Umkehrschluss aus Rz. 23.10 des BMF-Schreibens v. 21.5.20195 entnehmen. Danach geht § 23 Abs. 1 InvStG den Vorschriften des UmwStG vor, wenn die an einer Verschmelzung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwG) beteiligten inländischen Investmentfonds jeweils Rechtsträger i.S.v. § 3 Abs. 1 und 2 UmwG (z.B. inländische Investmentaktiengesellschaften in den Fällen des § 191 KAGB) sind (wobei dies auch in den Fällen des § 281 KAGB gilt). Hieraus folgt, dass außerhalb des Anwendungsbereichs von § 23 Abs. 1 InvStG die Vorschriften des UmwStG auch nach Ansicht der FinVerw. nicht verdrängt werden. Für Zwecke von §§ 21 und 24 UmwStG bleiben in der Rechtsform der KapGes. errichtete Kapitel-2-Investmentsfonds KapGes. i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG.6 Andernfalls wäre auf die Einbringung von Investmentanteilen an Kapitel-2-Investmentfonds in eine Mitunternehmerschaft gegen Gesellschaftsrechte oder ohne Gegenleistung § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG anwendbar.7 Im Fall der Einbringung eines Mitunternehmeranteils in eine Personengesellschaft wären gegenüber § 24 UmwStG die Anforderungen bzw. nachlaufenden Fristen in § 6 Abs. 5 Sätze 4 bis 6 EStG nachteilig. Die Einbringung von Investmentanteilen gegen neue Anteile in KapGes. wäre nur als Bestandteile von Betrieben, Teilbetrieben oder Mitunternehmeranteilen nach § 20 UmwStG möglich, nicht aber nach § 21 UmwStG. Unseres Erachtens kann die Unanwendbarkeit von §§ 21 und 24 UmwStG auf Einbringungen von Investmentanteilen an Kapitel-2-Investmentfonds in der Rechtsform

1 Zu den Gründen vgl. Fn. 1 auf S. 354 und Rz. 38. 2 § 49 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. b EStG a.F.; für den Spezial-Investmentfonds gilt nunmehr § 49 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a EStG (Dividendendirektbezug des Anlegers bei ausgeübter Transparenzoption, § 30 Abs. 1 Satz 2 InvStG) und § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f, Nr. 6 oder 8 EStG (Immobilienerträge bei ausgeübter Transparenzoption, § 33 Abs. 3 Satz 1 InvStG), vgl. BT-Drucks. 18/8045, 139. Bei nicht ausgeübter Transparenzoption bleibt der Spezial-Investmentfonds selbst stpfl., §§ 29 Abs. 1, 6 InvStG. 3 Im Anwendungsbereich des § 24 UmwStG gilt die 100-prozentige Beteiligung an einer KapGes. als Teilbetrieb, vorausgesetzt, diese Beteiligung ist keine funktional wesentliche Betriebsgrundlage eines anderen Teilbetriebs des Einbringenden, vgl. Rz. 24.02 und 15.06 des BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 - b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314. 4 Vgl. Mann in Brandis/Heuermann, § 6 InvStG 2018 Rz. 18: „Die Zweckvermögensfiktion des Satzes 1 greift nicht, soweit ein Investmentfonds bereits aufgrund seiner Rechtsform nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG als KSt-Subjekt qualifiziert“. Die im Rahmen von § 6 Abs. 1 Satz 1 InvStG relevante Frage, ob der dort vorgenommenen Fiktion („gelten als“) materielle Wirkung zukommt oder diese nur klarstellenden Charakter hat, ist im Rahmen von § 6 Abs. 1 Satz 2 InvStG nicht anders zu beantworten. Dogmatisch korrekt dürfte man daher nicht von einer Fiktion sprechen. Es handelt sich vielmehr um eine unwiderlegliche Vermutung. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.10. 6 § 6 Abs. 1 InvStG regelt nicht, dass die Klassifizierung als KapGes. i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG für die Zwecke des UmwStG bedeutungslos sei; vgl. auch Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 6 InvStG Rz. 5. 7 Investmentanteile sind als Wirtschaftsgüter anzusehen. Kammeter/Behrens | 363

§ 16 Rz. 30 | Investmenterträge der KapGes. oder (gewerblichen) Personengesellschaft dem InvStG nicht entnommen werden, d.h., §§ 21 und 24 UmwStG sind grds. anwendbar. 31 §§ 7–13 AStG1 i.d.F. des ATADUmsG v. 25.6.20212 schränken den bisher in § 7 Abs. 7 AStG

a.F. normierten Vorrang der Investmentbesteuerung vor der Hinzurechnungsbesteuerung ein. Grundsätzlich schließt das Vorliegen von Investmenterträgen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG i.V.m. § 16 Abs. 1 InvStG zwar auch weiterhin die Anwendung der §§ 7–13 AStG aus. Eine Ausnahme gilt nun jedoch dann, wenn die den Einkünften zugrunde liegenden Geschäfte zu mehr als einem Drittel mit dem StPfl. oder ihm nahestehenden Personen betrieben werden (§ 7 Abs. 5 Satz 2 AStG).3 Die Anwendung des § 13 AStG, der eine Hinzurechnung bei niedrig besteuerten Einkünften mit Kapitalanlagecharakter auch dann ermöglicht, wenn die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 AStG i.Ü. nicht erfüllt sind, ist allerdings durch § 13 Abs. 5 Satz 1 InvStG weiterhin ohne Rückausnahme ausgeschlossen, wenn auf die Einkünfte der Gesellschaft die Vorschriften des InvStG anzuwenden sind.4 Bezogen auf § 13 AStG schließt die Zwischenschaltung eines Investmentvermögens auch die mittelbare Zurechnung der Einkünfte der nachgeschalteten Gesellschaften aus (§ 13 Abs 5 Satz 2 InvStG). § 14 AStG a.F. § 7 Abs. 7 AStG a.F. wurde durch das InvStRefG v. 19.7.20165 dahingehend geändert, dass die Regelungen des AStG auch dann nicht anwendbar sind, wenn Ausschüttungen eines Kapitel-2-Investmentfonds DBA-befreit sind.6 Um sog. „weiße Einkünfte“ durch

1 Vgl. Anh. 7 Rz. 124 ff. 2 BGBl. I 2021, 2035. 3 Bei der Berechnung ist auf die Summe der Einkünfte aus Geschäften mit dem StPfl. und ihm nahestehenden Personen abzustellen (BT-Drucks. 19/28652, 54). Für Publikumsinvestmentfonds mit großem Anlegerkreis sollte die Bedeutung der Rückausnahme des § 7 Abs. 5 Satz 2 AStG mangels Beherrschung von sehr überschaubarer Bedeutung sein (vgl. Haug, DStZ 2021, 612 [616]). Denkbar ist eine zur Hinzurechnungsbesteuerung führende Konstellation vor allem dann, wenn ein Investmentfonds mit wenigen Anlegern über Objektgesellschaften investiert und diese nicht nur mit Eigenkapital, sondern auch mit Fremdkapital (Gesellschafterdarlehen) finanziert. Vermittelt durch den Investmentfonds sind die Objektgesellschaften dann dem Anleger nahestehende Personen, mit der Folge, dass sämtliche Einkünfte des Fonds aus „Geschäften“ mit nahestehenden Personen (der Gesellschafterdarlehensfinanzierung) stammen. Die praktische Bedeutung der Regelung sollte allerdings in diesem Fall begrenzt sein. Wenn nicht die Einkünfte des Investmentfonds ausnahmsweise inländische Einkünfte i.S.d. § 6 Abs. 2 Satz 2 InvStG sind, ist die Steuerbefreiung gem. § 6 Abs. 2 Satz 1 InvStG bei der Frage der „Niedrigbesteuerung“ zu berücksichtigen. Im Ergebnis verblieben dann nur wenige Fälle, in denen Einkünfte eines ausländischen Investmentfonds der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen (vgl. Grabbe, DB 2022, 223 [225]). 4 Weil es sich bei Investmentfonds um marktübliche standardisierte Anlageformen handelt und keine Beherrschungssituation gegeben ist, hielt der Gesetzgeber eine Hinzurechnungsbesteuerung weder für notwendig noch für angemessen (vgl. BT-Drucks. 19/28652, 64). 5 BGBl. I 2016, 1730. 6 § 7 Abs. 7 AStG in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung lautete wie folgt: „Die Absätze 1 bis 6a sind nicht anzuwenden, wenn auf die Einkünfte, für die die ausländische Gesellschaft Zwischengesellschaft ist, die Vorschriften des Investmentsteuergesetzes in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden sind, es sei denn, Ausschüttungen oder ausschüttungsgleiche Erträge wären nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der inländischen Bemessungsgrundlage auszunehmen.“ Durch das InvStRefG v. 19.7.2016 (BGBl. I 2016, 1730) wurde § 7 Abs. 7 AStG wie folgt neu gefasst: „Die Absätze 1 bis 6a sind nicht anzuwenden, wenn auf die Einkünfte, für die die ausländische Gesellschaft Zwischengesellschaft ist, die Vorschriften des Investmentsteuergesetzes in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden sind.“ Damit hat der Gesetzgeber auch nach dem 31.12.2017 an dem grundsätzlichen Vorrang der Regelungen des InvStG festgehalten, der – mit Ausnahme von Kapital-Investitionsgesellschaften nach § 19 InvStG a.F. – zumindest seit der Änderung des § 7 Abs. 7 AStG durch das EURLUmsG v. 9.12.2004 (BGBl. I 2004, 3310) seit 1.1.2004 galt.

364 | Kammeter/Behrens

B. Der Katalog der Investmenterträge (Abs. 1) | Rz. 34 § 16

eine DBA-Schachtelbefreiung zu verhindern, hat der Gesetzgeber den sog. treaty override in § 16 Abs. 4 InvStG eingeführt. Hiernach wird die DBA-Schachtelbefreiung nur unter der Voraussetzung einer Mindestbesteuerung auf Fondsebene gewährt. Damit hat der Gesetzgeber ab 1.1.2018 das Verhältnis zwischen AStG und InvStG abschließend und umfassend durch spezialgesetzliche Vorschriften geregelt und keine Durchbrechung des Vorrangs der Regelungen des InvStG angeordnet. Die Intention des Gesetzgebers war es, für die Anleger von Kapitel-2-Investmentfonds und deren Depotbanken einfache und massentaugliche Besteuerungsregelungen einzuführen. Eine aufwändige Prüfung aufseiten des StPfl., ob auf Ebene von Kapitel-2-Investmentfonds nachgeschalteten Gesellschaften Hinzurechnungsbeträge mit der Folge der Zurechnung nach § 14 AStG a.F. angefallen sind, hat für 2018 bis 20211 nicht zu erfolgen. Nach § 10 Abs. 6 AStG ist der Hinzurechnungsbetrag zu mindern, wenn die zugrunde liegen- 32 den Einkünfte aus der Zurechnung der Vorabpauschale stammen. Hierdurch soll die Doppelbelastung mit Investment- und Hinzurechnungsbesteuerung im Fall der Thesaurierung vermieden werden.2 Wurden die Erträge des Investmentfonds dagegen ausgeschüttet, soll § 11 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AStG n.F. die Doppelbesteuerung verhindern.

B. Der Katalog der Investmenterträge (Abs. 1) I. Investmenterträge 1. Bedeutung und Einordnung § 16 Abs. 1 InvStG enthält eine Legaldefinition des Begriffs der Investmenterträge. Die 33 Norm adressiert allein die Fondsausgangsseite. Eine (rechtliche) Verknüpfung mit Tatbeständen auf der Fondseingangsseite ist infolge des durch die Investmentsteuerreform im Bereich der Kapitel-2-Fonds strikt installierten Trennungsprinzips nicht mehr gegeben.3 Damit ist ein erheblicher Vereinfachungseffekt verbunden. Beispielsweise entfällt das umfangreiche Fondsreporting für steuerliche Zwecke nach § 5 InvStG 2004 ersatzlos. An dessen Stelle tritt ein neuer Mechanismus. Für die (laufende) Anlegerbesteuerung genügen danach grds. die folgenden vier Daten: Höhe der Ausschüttung, Rücknahmepreis am Anfang und Ende des Kalenderjahres sowie die Angabe, ob es sich um einen Aktien-, Misch-, Immobilien- oder einen sonstigen Investmentfonds handelt.4 Die Höhe der Ausschüttungen wäre für die laufende Besteuerung auf tatsächlicher Grundlage 34 ausreichend. Dies würde auch dem neuen, voll intransparenten Charakter des Investmentfonds gerecht werden. Eine echte cash-flow-Besteuerung wäre danach sachgerecht und die denkbar einfachste Lösung gewesen.5 Dass auch die Rücknahmepreise zu Beginn wie am Ende 1 2 3 4

Vgl. § 21 Abs. 4 Satz 1 AStG i.d.F. des ATADUmsG v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2035. BT-Drucks. 19/28652, 59. Ausdrücklich zum Trennungsprinzip BT-Drucks. 18/8045, 54. BT-Drucks. 18/8045, 85; Carlé, ErbStB 2017, 20 (23). Die Erfassung des Veräußerungsgewinns nach § 19 InvStG erfordert darüber hinaus noch weitere Daten, wie beispielsweise die zwischenzeitlich angesetzten Vorabpauschalen (§ 19 Abs. 1 Satz 2 InvStG). Eine besondere Herausforderung können zudem die in der Besitzzeit des Anlegers durch unterschiedliche Teilfreistellungssätze verursachten fiktiven Veräußerungsergebnisse (§ 22 Abs. 1 InvStG) darstellen (vgl. hierzu insbes. BMFAnwendungsschreiben [konsolidierte Fassung], Rz. 22.1 bis 22.7). Dies gilt besonders für den Fall einer Anteilsverwahrung in einem ausländischen Depot, welches nicht dem inländischen Kapitalertragsteuerabzugsverfahren unterliegt. 5 Dieser Vorschlag einer echten cash-flow-Besteuerung wurde auch zu Beginn in die entsprechende Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung des Reformkonzepts eingebracht. Allerdings wurde er aufgrund der befürchteten fiskalischen Einnahmeausfälle „mehrheitlich“ abgelehnt; R. Kammeter, NWB 2012, 1970 (1973). Kammeter/Behrens | 365

§ 16 Rz. 34 | Investmenterträge eines Kalenderjahres erforderlich sind, ist auf eine weitere Besteuerungsgröße zurückzuführen: eine Besteuerung auf fiktiver Grundlage in Gestalt der sog. Vorabpauschale (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 18 InvStG). Da infolge der rechtlichen Intransparenz des Investmentfonds neuen Typs die Kategorie der ausschüttungsgleichen Erträge (§ 1 Abs. 3 Satz 3 InvStG 2004) nicht fortgeführt werden konnte, trat an deren Stelle die Vorabpauschale. 35 Die Vorabpauschale löst sich im Gegensatz zu den vormaligen ausschüttungsgleichen Erträ-

gen vollständig von den Gegebenheiten auf der Fondseingangsseite. Weder spielen Fragen nach der Zusammensetzung der Erträge (z.B. stfreie oder quellensteuerbehaftete Auslandseinkünfte mit Anrechnungspotenzial, Zinselemente für Zwecke der Zinsschranke) noch nach deren Höhe am Gesamtertrag (z.B. Zwischengewinn) eine Rolle. Bei der Vorabpauschale handelt es sich um eine fiktive Ertragszuweisung.

36 Darüber hinaus unterfällt dem Investmentertrag auch die Veräußerungsebene (§ 16 Abs. 1

Nr. 3 i.V.m. § 19 InvStG). War dies vor der Reform detailliert und aufgrund der seinerzeit technischen Teiltransparenz des Investmentfonds auch sehr komplex in § 8 InvStG 2004 geregelt, ist die jetzige Regelung in § 19 InvStG wegen der neuen, intransparenten Rechtsstruktur des Investmentfonds überschaubar. 2. Besteuerung im Rahmen der unbeschränkten und beschränkten Steuerpflicht

37 Der unbeschränkt steuerpflichtigen Anleger hat als natürliche Person wie als Körperschaft-

steuersubjekt die Investmenterträge als Teil seines Welteinkommens zu versteuern. Die Einkünftenorm für natürliche Personen ist § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Werden diese Einkünfte im Rahmen von Gewinneinkünften (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG, betriebliche Anleger) oder von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 EStG) erzielt, sind sie diesen zuzuordnen (§ 20 Abs. 8 Satz 1 EStG, Subsidiaritätsklausel).1 Die Kapitalertragsteuerabzugsverpflichtung normiert § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 (laufende Investmenterträge) und Nr. 9 (veräußerungsbedingte Investmenterträge) EStG.2

38 Für den beschränkt steuerpflichtigen Anleger sieht § 49 EStG jedoch keine StPfl. vor.3 Dem

deutschen Steuerbegehr ist mit der StPfl. des Investmentfonds selbst (§ 6 InvStG) abschließend Rechnung getragen.4 Dementsprechend existiert auch keine Kapitalertragsteuerabzugsverpflichtung auf der Fondsausgangsseite gegenüber dieser Anlegergruppe.5 Die Abstandnahme vom Kapitalertragsteuerabzug setzt eine entsprechende Feststellung als Steuerausländer voraus. Grundlage für diese (turnusmäßig zu überprüfende) Feststellung ist § 154 AO (Legitimationsprüfung) oder auch die Identifizierung nach §§ 3, 4 GwG. Ergeben sich danach weitere Unklarheiten, kann die depotführende Stelle auf eine von einer ausländischen Finanzbehörde ausgestellte Wohnsitzbescheinigung vertrauen.6 Ein Statuswechsel ist durch schriftliche

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.3; für unbeschränkt stpfl. Körperschaftsteuersubjekte i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 KStG gilt § 8 Abs. 2 KStG (Einkünfte aus Gewerbebetrieb); i.Ü. verbleibt es bei § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.4. 3 Vgl. Fn. 1 auf S. 354. 4 BT-Drucks. 18/8045, 139; Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 16 InvStG Anm. 9 „ausländische Anleger“ (Stand: August 2021). 5 Elser/Stiegler, IStR 2017, 567 (568); BMF v. 18.1.2016 – IV C 1 - S 2252/08/10004 :017, BStBl. I 2016, 85, zuletzt geändert durch BMF v. 3.6.2021 – IV C 1 - S 2252/19/10003 :002 – DOK 2021/0005928, BStBl. I 2021, 723 Rz. 313 Satz 1. 6 BMF v. 18.1.2016 – IV C 1 - S 2252/08/10004 :017, BStBl. I 2016, 85, zuletzt geändert durch BMF v. 3.6.2021 – IV C 1 - S 2252/19/10003 :002 – DOK 2021/0005928, BStBl. I 2021, 723 Rz. 314.

366 | Kammeter/Behrens

B. Der Katalog der Investmenterträge (Abs. 1) | Rz. 40 § 16

beweiskräftige Unterlagen – wie zB durch melderechtliche Nachweise – zu belegen.1 Ist die Eigenschaft als Steuerausländer der depotführenden Stelle nicht (rechtzeitig) bekannt oder nachgewiesen, ist eine Erstattung beim zuständigen Betriebsstätten-FA entsprechend § 37 Abs. 2 Satz 1 AO zu beantragen.2 3. Kapitalertragsteuer Das inländische Kreditinstitut, das inländische Finanzdienstleistungsinstitut, das inländische 39 Wertpapierhandelsunternehmen oder die inländische Wertpapierhandelsbank, welche die Investmenterträge auszahlen oder gutschreiben, sind zum Kapitalertragsteuerabzug verpflichtet (§ 44 Abs. 1 Satz 3 und 4, § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und 9 EStG).3 Soweit inländische Kapitalverwaltungsgesellschaften selbst unmittelbar Depotgeschäfte (§ 20 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 4 KAGB) ausüben, qualifizieren sie sich durch dieses Bankgeschäft (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG) als eigenständiges Kreditinstitut i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 KWG und sind zum Abzug der KapErtrSt verpflichtet.4 Werden die Investmentanteile nicht von einer entsprechenden Stelle verwahrt oder verwaltet, hat der Investmentfonds selbst die Kapitalertragsteuer auf Vorabpauschalen (§ 44 Abs. 1b EStG) und Ausschüttungen abzuführen (§§ 44 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 Nr. 5 EStG). Kapitalerträge unterliegen dem Kapitalertragsteuerabzug grds. in vollem Umfang (§ 43a Abs. 2 40 Satz 1 Halbs. 1 EStG). Jedoch sind bei Investmenterträgen die anwendbaren Teilfreistellungssätze für Privatanleger nach § 20 Abs. 1 Satz 1 EStG zu berücksichtigen (§ 43a Abs. 2 Satz 1

1 BMF v. 18.1.2016 – IV C 1 - S 2252/08/10004 :017, BStBl. I 2016, 85, zuletzt geändert durch BMF v. 3.6.2021 – IV C 1 - S 2252/19/10003 :002 – DOK 2021/0005928, BStBl. I 2021, 723 Rz. 314. 2 Da es sich bei den genannten Nachweisen nicht um formelle steuerrechtliche Bescheinigungen wie NV-Bescheinigungen, einen Freistellungsauftrags etc. handelt, könnte man auch § 44b Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 EStG als Rechtsgrundlage heranziehen (str.), vgl. Mann in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, BeckOK EStG, § 44b Rz. 16 („aus persönlichen oder sachlichen Gründen besteht keine Pflicht zum Steuerabzug (z.B. persönliche Steuerfreiheit, ...“). Andererseits lehnt Mann einen Rückgriff hierauf offenbar ab, sobald der Anwendungsbereich der Alt. 2 der Norm (verspätete Vorlage einer Bescheinigung) eröffnet ist, ohne dass zugleich der Tatbestand erfüllt ist, Mann, a.a.O., Rz. 17 („Auf andere als die ausdrücklich genannten Bescheinigungen ist § 44b Abs. 5 nicht – auch nicht entsprechend – anzuwenden. In Betracht kommt allenfalls eine Erstattung nach § 37 Abs. 2 AO [BFH 29.1.2015 – I R 11/13, BFH/NV 2015, 950; Gersch in K/S/M, § 44b Rz. F5 (Stand: März 2022)]“). Die FinVerw. scheint dieses Normenverhältnis indes pragmatisch zu handhaben und eröffnet am Ende notfalls den Weg zu § 37 Abs. 2 AO, vgl. BMF v. 18.1.2016 – IV C 1 - S 2252/08/10004 :017, BStBl. I 2016, 85, zuletzt geändert durch BMF v. 3.6.2021 – IV C 1 - S 2252/19/10003 :002 – DOK 2021/0005928, BStBl. I 2021, 723 Rz. 307 und 309. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.5; zum inländischen Kreditinstitut zählt gem. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. b Satz 2 EStG auch die inländische Zweigstelle oder -niederlassung eines ausländischen Unternehmens i.S.d. §§ 53 und 53b KWG. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.6. Gleiches gilt danach auch für die inländischen Zweigstellen und -niederlassungen ausländischer Kapitalverwaltungsgesellschaften (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. b Satz 2 EStG). Allgemein soll nach der Verwaltungsauffassung die Bereichsausnahme vom Begriff des Kreditinstituts nach § 2 Abs. 2 Nr. 3b KWG nur die übrigen Tätigkeiten der Kapitalverwaltungsgesellschaft oder der extern verwalteten Investmentgesellschaft erfassen. Angesichts des Wortlauts der Norm („sofern“) ist diese Lesart abzulehnen; in diesem Sinne auch das BaFin-Merkblatt „Ausnahme für Kapitalverwaltungsgesellschaften“ v. 23.7.2013, zuletzt geändert am 30.8.2021, Tz. 2. Der Sache nach trifft eine solche Abzugsverpflichtung inländische Investmentfonds in der Rechtsform einer GmbH oder einer KGaA. Da hier die Anteile nicht von einer inländischen depotführenden Stelle verwahrt werden, wird die Erhebung der Kapitalertragsteuer dem Investmentfonds selbst auferlegt, Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 16 InvStG Anm. 1 „Verhältnis zu § 44 EStG“ (Stand: August 2021). Kammeter/Behrens | 367

§ 16 Rz. 40 | Investmenterträge Halbs. 2 und 3 EStG)1 Mit dem Kapitalertragsteuerabzug ist die ESt beim Privatanleger zum gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 Satz 1 EStG in gleicher Höhe grds. abgegolten (Abgeltungswirkung nach § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 EStG), i.Ü. hat er die Wirkung einer Vorauszahlung (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG, ggf. i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG).

II. Ausschüttungen des Investmentfonds (Abs. 1 Nr. 1) 41 § 16 Abs. 1 InvStG nennt die Ausschüttungen nach § 2 Abs. 11 InvStG an erster Stelle. Jene

Norm definiert diesen Terminus wie folgt: Ausschüttungen sind die dem Anleger gezahlten oder gutgeschriebenen Beträge einschließlich des Steuerabzugs auf den Kapitalertrag. Der Bereich der tatsächlichen oder gutgeschriebenen Beträge umfasst neben den Barausschüttungen auch die Wiederanlage der Erträge in Form der Ausgabe neuer Anteile sowie Sachausschüttungen.2 Der ebenfalls genannte Bereich der Steuerabzüge auf den Kapitalertrag umfasst begrifflich alle Formen des Quellenabzugs. Zu nennen sind hier etwa die KapErtrSt ebenso wie die Annexsteuern (Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer), beim Blick ins Ausland auch die dortigen Quellensteuern auf Ausschüttungen eines ausländischen Investmentfonds.3 Aufgrund der strikten Intransparenz des Investmentfonds neuer Prägung gilt dies jedoch nur, soweit die Steuerabzüge auf der Fondsausgangsseite erfolgen.4 Abzüge auf der Fondseingangsseite sind vor diesem Hintergrund unbeachtlich.5 Soweit danach auf der Fondsausgangsseite beachtliche Steuerabzüge auf den Kapitalertrag vorliegen, sind sie für die Ertragsermittlung nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 InvStG den Ausschüttungen hinzuzuaddieren.6

42 Zu den Investmenterträgen gehören des Weiteren auch Entgelte und Vorteile, die neben den

Investmenterträgen oder an deren Stelle gewährt werden (§ 20 Abs. 3, Abs. 1 Nr. 3 EStG). Das BMF-Schreiben nennt hier beispielhaft Schadensersatz- und Kulanzzahlungen, die ein Anleger als Ausgleich für Verluste infolge von Beratungsfehlern erhalten hat,7 des Weiteren auch Bestandsprovisionen, die Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitute den Anlegern erstattet haben.8

43 Der Zeitpunkt der steuerlichen Ertragserfassung richtet sich dabei nach allg. Grundsätzen:

Der private Anleger benötigt dafür den tatsächlichen Zufluss (§ 11 Abs. 1 Satz 1 EStG),9 beim betrieblichen Anleger genügt die Entstehung eines entsprechenden Anspruchs (§ 11 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG). Dies ist erst mit Konkretisierung im

1 Von der im Gesetzentwurf zunächst vorgesehenen Berücksichtigung der entsprechenden Teilfreistellungssätze auch für betriebliche Anleger wurde auf Bitten der Kreditwirtschaft abgesehen, BT-Drucks. 18/8739, 115 f. Die Komplexität der Datenerhebung und -umsetzung wurden hierfür ebenso ins Feld geführt wie Haftungsrisiken infolge der damit verbundenen Fehleranfälligkeit. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.44. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.45. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.45. 5 Es handelt sich insofern aus Sicht des Anlegers um eine fremde Steuer, vgl. Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 16 InvStG Anm. 6 „gezahlte in- und ausländische Steuer“ (Stand: August 2021). Dies hat zur Folge, dass eine Anrechnung jener Beträge beim Anleger gem. § 32d Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 EStG oder § 34c Abs. 1 EStG (i.V.m. § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 KStG) ausscheidet. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.45. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.2, unter Verweis auf BMF v. 18.1.2016 – IV C 1 - S 2252/08/10004 :017, BStBl. I 2016, 85 Rz. 83. 8 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.2, unter Verweis auf BMF v. 17.1.2019 – IV C 1 - S 2252/08/10004 :023 – DOK 2019/0030786, BStBl. I 2019, 51 Rz. 84; der betr. Teilfreistellungssatz des Investmentfonds, in dessen sachlichem Zusammenhang die Zahlungen erfolgten, ist danach zu beachten. 9 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.47.

368 | Kammeter/Behrens

B. Der Katalog der Investmenterträge (Abs. 1) | Rz. 45 § 16

Ausschüttungsbeschluss und nicht etwa bereits mit allg. Ausschüttungszusagen in den Anlagebedingungen der Fall.1 Als weitere Folge des strikten Trennungsprinzips bei Investmentfonds ist nunmehr die Zu- 44 sammensetzung der Erträge irrelevant.2 Eine technische Teiltransparenz existiert nicht mehr. Dem Anleger fließt ein qualitativ einheitlicher, prinzipiell stpfl. Strom an Erträgen zu.3 Dies gilt sogar dann, wenn feststeht, dass ausschließlich eingebrachte Substanz ausgekehrt wird (Substanzausschüttung). Die einzige Ausnahme hiervon macht das Gesetz in § 17 InvStG für die Phase der Abwicklung. In allen anderen Fällen wird eine gegenläufige Entlastung durch die infolge der (Substanz-)Ausschüttung geminderten Anteilswerte erst im Rahmen der (Teil-)Veräußerung (§ 19 Abs. 1 Satz 1, § 2 Abs. 13 InvStG) gewährt. Soweit verrechnungsfähige positive Erträge beim abgeltungsteuerpflichtigen Anleger vorhanden sind, ist auch ein (negativer)4 Veräußerungsgewinn in Form eines negativen verrechenbaren Kapitalertrags ausgleichsfähig.5 Dem betrieblichen Anleger steht zudem das Instrument der Teilwertabschreibung zur Verfügung.6 Wirtschaftlich mag dieser Befund – StPfl. einer Substanzausschüttung als wirtschaftliches 45 Nullsummenspiel – nicht überzeugen. Rechtlich dürfte diese Regelung indes weder in ihrer Existenz (im Rahmen einer verfassungsrechtlichen Kontrolle) noch in ihrer Wirksamkeit (im Rahmen einer europarechtlichen Überprüfung) gefährdet sein, soweit die Diskussion eine Benachteiligung ausländischer Strukturen zum Gegenstand hat.7 Denn für die Prüfung am Maßstab der beiden genannten Rechtskreise ist die Vergleichsgruppe entscheidend. Hierfür bildet vorliegend der Investmentfondsbegriff des § 1 Abs. 2 Satz 1 InvStG i.V.m. § 1 Abs. 1 KAGB den Ausgangspunkt. Dieser Investmentfondsbegriff ist in seinen allein materiell-rechtlichen Anforderungen – jeder Organismus für gemeinsame Anlagen, der von einer Anzahl von Anlegern Kapital einsammelt, um es gemäß einer festgelegten Anlagestrategie zum Nutzen dieser Anleger zu investieren, und der kein operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsek-

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.46. 2 Eine besondere Ausnahme vom Grundsatz der Einheitlichkeit des Investmentertrags existiert im Fall eines (Spezial-)Investmentfonds als Anleger in einem Spezial-Investmentfonds (Dach-[Spezial-]Investmentfondskonstruktion). Beteiligt sich ein Dach-Investmentfonds an einem Spezial-Investmentfonds mit ausgeübter Transparenzoption für inländische Immobilienerträge, würde die Einheitlichkeit des Investmentertrags nach § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG einer Einmalbesteuerung der inländischen Immobilienerträge im Wege stehen. Denn Spezial-Investmenterträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG sind in § 6 InvStG nicht genannt. Um dies zu vermeiden, hat der Gesetzgeber nachträglich in § 33 Abs. 2 eine Sonderregelung geschaffen. Anknüpfend an die vormalige Supertransparenz des § 15 Abs. 2 Satz 2 und 3 InvStG 2004 behalten hier die Immobilienerträge der Fondseingangsseite ihre Natur auch auf der Fondsausgangsseite (§ 33 Abs. 2 Satz 1, § 6 Abs. 4 InvStG); vgl. die Beschlussempfehlung des BTFinanzausschusses mit Bericht v. 26.4.2017, BT-Drucks. 18/12127, 63 f. 3 BT-Drucks. 18/8045, 85 a.E.; hierfür wird auch der Gedanke der Vereinfachung ins Feld geführt. 4 § 2 Abs. 14 InvStG. 5 Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 16 InvStG Anm. 6 „Kapitalrückzahlungen“ (Stand: August 2021), verbunden mit dem Hinweis auf Alternative Investments mit kapitalistischer Rechtsform. Der auf den Veräußerungszeitpunkt verschobene Entlastungsmechanismus stoße hier an seine Grenzen. Aufgrund des „geschlossenen Fondscharakters“ solcher Investments komme hier zumeist auch eine sukzessive Anteilsveräußerung nicht infrage, was jedoch der Gesetzgeber als Ausweg aus der (offenbar erkannten) Misslage vorschlägt; BT-Drucks. 18/8045, 86. Bei Personengesellschaften und ihren ausländischen Äquivalenten (Rechtstypenvergleich) stellt sich dieses Problem mangels Anwendbarkeit des InvStG grds. nicht, § 1 Abs. 1 und 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG. 6 Vgl. auch Anh. 3 Rz. 21 ff.; vgl. auch ausdrücklich im Zusammenhang mit der Teilfreistellung die Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 18/8045, 92 a.E. 7 Vgl. Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 16 InvStG Anm. 6 „Besonderheiten bei Alternativen Investments“ (Stand: August 2021); hierauf Bezug nehmend Jung in BeckOK InvStG, § 16 Rz. 36 (Stand: Januar 2022). Kammeter/Behrens | 369

§ 16 Rz. 45 | Investmenterträge tors ist – sowohl für den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) wie auch für die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 Abs. 1 AEUV) die Bezugsgröße. Eine Ungleichbehandlung lässt sich danach weder strukturell im Vergleich zu ausländischen Gebilden noch im Hinblick auf die Besteuerung von In- oder Outbound-Investitionen feststellen. Eine Parallele zur Entsch. des BFH v. 13.7.20161 kann daher nicht gezogen werden. Denn die in jener Entsch. angesprochene, für KapGes. allg. geltende Regelung des § 27 KStG schafft zunächst in Abs. 1 die Voraussetzungen für den Mechanismus einer steuerneutralen Einlagenrückgewähr (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG) – dies allerdings nur bei unbeschränkter StPfl. § 27 Abs. 8 KStG erweitert den Kreis sodann auf KapGes. mit unbeschränkter StPfl. in einem Mitgliedstaat der EU. Mit Urt. v. 10.4.2019 hat der BFH entschieden, dass grds. auch in Drittstaaten ansässige KapGes. (die nicht unter das InvStG fallen) ihren Gesellschaftern nicht steuerbare Einlagen zurückgewähren können.2 Eine solche gesetzliche Differenzierung findet sich im Bereich der Besteuerung von Investmentfonds mit ihren eigenen Sachstrukturen jedoch nicht.3 Zum Entwurf des JStG 20224 hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme v. 2.11.20225 vorgeschlagen, das Antragsverfahren zur Feststellung der Einlagenrückgewähr nach § 27 Abs. 8 KStG mit Wirkung ab dem 2023 auch auf Drittstaatengesellschaften zu erstrecken. Die Bundesregierung hat diesem Vorschlag zugestimmt.6 46 Eine andere Frage ist allerdings, ob die generelle StPfl. von Substanzausschüttungen aus In-

vestmentfonds dem grundrechtlichen Postulat einer Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit (Art. 3 Abs. 1 GG) gerecht wird. Eine Entlastung erst bei einer (möglicherweise viele Jahre später – wenn überhaupt) nachfolgenden Veräußerung oder bei der Liquidation des Fonds kann durchaus auch ins Leere laufen.

47 Stellungnahme Kammeter. Dem Regelungsziel einer spürbaren Vereinfachung des Besteue-

rungsverfahrens im Bereich des Massenmarkts (Kapitel-2-Fonds) hätte eine umfassende Systematik analog § 27 KStG jedoch diametral entgegengestanden. Ein Feststellungsverfahren analog § 27 Abs. 8 KStG in sämtlichen Auslandsfällen wäre nicht administrierbar gewesen. Eine (erneute) Abschottung des deutschen Markts (einschließlich höherer Verwaltungsentgelte für den inländischen Anleger), wie es gerade bis 2017 bedingt durch § 6 InvStG 2004 der Fall war, wäre andernfalls die Folge. Eine alternative Ausgestaltung lag daher auf der Hand. Der Gesetzgeber durfte sich dabei am Regelfall orientieren. Besonderheiten, die im Tatsächlichen durchaus bekannt sind, können generalisierend vernachlässigt werden. Er ist im Gegenzug gerade nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen.7 Der Regelfall bemisst sich vorliegend am Leitbild des vormaligen Publikumsfonds für

1 BFH v. 13.7.2016 – VIII R 47/13, AG 2016, 819 unter II.2.c und d. 2 BFH v. 10.4.2019 – I R 15/16, BFH/NV 2019, 1312; vgl. auch unter „Auffassung Behrens“. 3 Vor diesem Hintergrund ist das BMF-Schreiben zu den sog. Madoff-Fonds v. 20.12.2018 – IV C 1 - S 1980 - 1/18/10009 – DOK 2018/1035471, BStBl. I 2019, 14, zu begrüßen. Eine gesetzliche Grundlage für dieses Handeln der Exekutive wäre indes geboten (Art. 20 Abs. 3 GG), gerade angesichts der bewussten Abgrenzung des Gesetzgebers vom § 27 KStG-Mechanismus im Bereich der Investmentfondsbesteuerung, BT-Drucks. 18/8045, 85 a.E.; vgl. auch Beschl. des GrS des BFH v. 28.11.2016 – GrS 1/15, BStBl. II 2017, 393 unter Tz. C.III.1. und 3.a. Die Voraussetzungen von § 17 InvStG als einziger Ausnahme von diesem gesetzlichen Grundsatz liegen bei den genannten Madoff-Fonds nicht vor; allgemein zum strukturellen Gesetzesdefizit Kobor in BeckOK AO, § 85 Rz. 42 (Stand: Januar 2022). 4 BT-Drucks. 20/3879. 5 BT-Drucks. 20/4229, 26 f. 6 BT-Drucks. 20/4229, 59. 7 BVerfG v. 31.5.1990 – 2 BvL 12/88 u.a., BVerfGE 82, 159 [185 f.] = NVwZ 1991, 53 = NJW 1991, 830; v. 10.4.1997 – 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 [6] = NJW 1997, 2101; v. 7.5.2013 – 2 BvR 909/06, BVerfGE 133, 377 [412] = NJW 1982, 15; v. 30.9.2015 – 2 BvR 1961/10, NJW 2016, 469 Rz. 31; st. Rspr.

370 | Kammeter/Behrens

B. Der Katalog der Investmenterträge (Abs. 1) | Rz. 51 § 16

den Kleinanleger und nicht etwa am Ausnahmefall eines geschlossenen Investmentfonds mit alternativen Investments. Auf der anderen Seite stellen die beiden zur Korrektur einer auf die Gesamtlaufzeit des Fonds- 48 engagements drohenden Übermaßbesteuerung installierten Mechanismen einen verfassungsrechtlich hinreichenden Ausgleich dar. Sowohl die Systematik der Veräußerungsgewinnbesteuerung wie auch die in § 17 InvStG verankerte Ausnahme für den Fall einer Fondsabwicklung stellen ausreichende Entlastungsmechanismen dar. Der Gesetzgeber durfte hierbei auf einen typischen Fall eines Fondsinvestments abstellen und bei der Ausgestaltung der Ausgleichsmechanismen – insbes. des § 17 InvStG – pauschalieren.1 Die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit gem. Art. 3 Abs. 1 GG hat der Gesetzgeber dabei 49 nicht nur für den Regelfall sichergestellt. Selbst im atypischen Fall2 wird eine solche über die beschriebenen Mechanismen wie einer Besteuerung nach § 17 InvStG, vor allem aber mittels einer Veräußerung ermöglicht. Auch wenn diese Möglichkeit zunächst aktiv durch eine Veräußerung der betreffenden Anteile genutzt werden musste, genügte dies den verfassungsrechtlichen Anforderungen: Der Gesetzgeber hatte diesen Weg eröffnet und der StPfl. kann diese Gestaltungsmöglichkeiten auch legal, mit zumutbarem Aufwand und ohne nennenswertes finanzielles oder rechtliches Risiko nutzen.3 Eine durch Passivität verursachte gleichheitswidrige Besteuerung vermag jedenfalls in diesen atypischen Fällen keinen Verfassungsverstoß zu begründen.4 Zwischenzeitlich hat der Gesetzgeber zudem dafür ausdrücklich gesorgt, dass am Ende einer Liquidation nach § 17 InvStG eine Veräußerung und damit ein automatischer Verlustausweis erfolgt.5 Ob die normative Ausgestaltung eines Regelungsgefüges dem verfassungsrechtlichen Postulat 50 einer leistungsgerechten Besteuerung genügt, bemisst sich zudem nicht abschnittsbezogen, sondern über die Laufzeit eines Investments. Das Nettoprinzip als Ausfluss des Leistungsfähigkeitsprinzips versteht das BVerfG jedenfalls abschnittsübergreifend.6 Ebenso wenig kann eine Parallele mit der verfassungsrechtlichen Wertung und der Judikatur 51 zu § 27 KStG überzeugen. Der Gesetzgeber hat mit dem InvStG ein in sich geschlossenes Sys1 BVerfG v. 5.11.2014 – 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, 350 [375 f.] = NVwZ 2015, 288 Rz. 67 (betr. Verfassungsmäßigkeit der Luftverkehrssteuer), wonach der Steuergesetzgeber aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung Steuersätze typisierend bestimmen und dabei die Besonderheiten des einzelnen Falles vernachlässigen darf, wenn die daraus erwachsenden Vorteile im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen, er sich realitätsgerecht am typischen Fall orientiert und ein vernünftiger, einleuchtender Grund vorhanden ist; vgl. auch BVerfG v. 23.6.2015 – 1 BvL 13/11, BVerfGE 139, 285 [313] = NJW 2015, 3221 Rz. 77 (betr. Verfassungswidrigkeit der Bewertung von Grundvermögen gem. §§ 138 ff. BewG bei § 8 Abs. 2 GrEStG); v. 29.3.2017 – 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, 106 = NZG 2017, 828 Rz. 106 ff. = NJW 2017, 2267; st. Rspr. 2 Hierin liegt m.E. der wesentliche Unterschied zu BVerfG v. 17.11.2009 – 1 BvR 2192/05, DStRE 2010, 387. Der zwangsläufige Umgliederungsmechanismus eines Körperschaftsteuerguthabens im Zusammenhang mit dem punktuellen Wechsel vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren betraf den Regelfall. 3 BVerfG v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, NJW 2008, 3121 = DStRE 2008, 1003 Rz. 134 betr. die Verfassungsmäßigkeit der Abfärberegelung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG; zuvor bereits BVerfG v. 26.10.2004 – 2 BvR 246/98, DStRE 2005, 877 (879). 4 In diesem Zusammenhang ist zudem eine Besteuerung nach dem Kapitel-3-Regime zu nennen. Der Mechanismus des § 27 KStG ist dort berücksichtigt, § 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG. 5 § 2 Abs. 13 InvStG i.d.F. des „JStG 2019“ v. 12.12.2019 (BGBl. I 2019, 2451; BStBl. I 2020, 17): „Als Veräußerung von Investmentanteilen und Spezial-Investmentanteilen gilt auch (…) eine beendete Abwicklung oder Liquidation des Investmentfonds oder Spezial-Investmentfonds.“ 6 BVerfG v. 22.7.1991 – 1 BvR 313/88, NJW 1992, 168. Kammeter/Behrens | 371

§ 16 Rz. 51 | Investmenterträge tem geschaffen, welches sich vom allgemeinen Besteuerungssystem intransparenter Einheiten maßgeblich unterscheidet. Die Trennung beider Systeme erfolgt dabei über den Terminus des Investmentfonds. § 1 InvStG definiert dieses Rechtsinstitut, grenzt es ab und ordnet es damit umfassend in die gesamte Steuersystematik ein.1 Insofern bestehen zwischen den Systemen grundlegende Strukturunterschiede. 52 Soweit die BFH-Rspr. nun im Kontext des § 27 KStG Art. 3 Abs. 1 GG thematisiert, erfolgt

dies in anderem Zusammenhang. Es geht hier nicht um einen Verstoß gegen das Gebot einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit schlechthin, sondern um eine Ungleichbehandlung innerhalb des Systems des § 27 KStG. Ausgangspunkt der Betrachtung bildet hier § 27 Abs. 1 KStG, welcher für den Inlandsfall das System der steuerneutralen Einlagenrückgewähr etabliert. Alle Gleichbehandlungsfragen für das übrige Unions- und EWR-Gebiet wie auch Drittstaaten sind an dieser gesetzgeberischen Grundentscheidung zu messen. Eine solche Grundentscheidung im Sinne einer steuerneutralen Einlagenrückgewähr findet sich indes im Investmentsteuerrecht gerade nicht.2

53 Der Gesetzgeber hat mit diesem System eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Re-

gelung installiert. Ob eine andere, ebenfalls verfassungskonforme Regelung zweckmäßiger gewesen wäre, ist vor diesem Hintergrund ohne Belang. Dem Gesetzgeber kommt insofern eine Einschätzungsprärogative zu.3

54 Stellungnahme Behrens. § 16 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 11 InvStG verstößt insoweit gegen

Art. 3 Abs. 1 GG, als keine nicht steuerbare Einlagenrückgewähr aus Investmentfonds ermöglicht wird.4 Die Besteuerung der Rückgewähr von Einlagen ist systemwidrig, weil die zurückgewährten Einlagen weder wirtschaftlich noch rechtlich Ertrag darstellen. Vielmehr handelt es sich bei der Rückgewähr von Einlagen um eine erfolgsneutrale Vermögensumschichtung bzw. ggf. Rückzahlung von AK. Es besteht ein Widerspruch zu dem im deutschen Einkommensteuerrecht geltenden Grundprinzip der Ertragsbesteuerung sowie der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.

55 Die vonseiten der FinVerw. angeführten praktischen Schwierigkeiten bei der Ermittlung, ob

mit einer Auszahlung bzw. Ausschüttung durch den Fonds Einlagen zurückgewährt werden, können nicht als Rechtfertigungsgrund für diese systemwidrige Besteuerung zurückgewährter Einlagen herangezogen werden. Zwar erkennt das BVerfG einerseits in st. Rspr. Typisierungsund Vereinfachungserfordernisse an und berücksichtigt dabei, dass Steuergesetze i.d.R. Massenvorgänge des Wirtschaftslebens betreffen, weshalb sie, um praktikabel zu sein, Sachverhalte, an die sie dieselben steuerrechtlichen Folgen knüpfen, typisieren und dabei die Besonder-

1 So wird das Verhältnis zum transparenten Besteuerungssystem auf der anderen Seite ebenso (im Sinne einer prinzipiellen Subsidiarität diesem gegenüber) definiert, vgl. die Investmentvermögen in der Rechtsform der Personengesellschaft betr. Regelung in § 1 Abs. 3 Nr. 2 InvStG. 2 Als Reaktion des Gesetzgebers auf BFH v. 13.7.2016 – VIII R 47/13, BFH/NV, 2016, 1225, sowie v. 10.4.2019 – I R 15/16, BFH/NV 2019, 1312, wäre m.E. auch die ersatzlose Streichung des § 27 KStG unter Verweis auf die im Investmentsteuerrecht bereits etablierten Ausgleichsmechanismen denkbar. Ob dies jedoch auch wirtschaftspolitisch ratsam wäre, ist eine andere Frage. 3 Die Feinheit der Ausdifferenzierung des Steuertatbestands unterfällt grds. dem Gestaltungsspielraum des Steuergesetzgebers. Eine optimale Lösung muss er nicht finden (BVerfG v. 5.11.2014 – 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, 350 [375 f.] = NVwZ 2015, 288 Rz. 68). 4 Vgl. auch BFH v. 13.7.2016 – VIII R 47/13, BFH/NV, 2016, 1225, insbes. Rz. 18, wonach eine nicht steuerbare Einlagenrückgewähr auch von Drittstaatsgesellschaften getätigt werden kann, auch wenn für diese kein steuerliches Einlagekonto i.S.d. § 27 KStG geführt wird; Jung in BeckOK InvStG, § 16 Rz. 36; Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 16 InvStG Anm. 1 und 5 (Stand: August 2021); vgl. dazu auch BMF v. 21.4.2022 – IV C 2 - S2836/20/10001 :002, Ziff. I, betr. Rückzahlung von nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen und Rückzahlung von Nennkapital durch Drittstaaten-KapGes.

372 | Kammeter/Behrens

B. Der Katalog der Investmenterträge (Abs. 1) | Rz. 57 § 16

heiten des einzelnen Falles vernachlässigen müssen, und dies sogar „in weitem Umfang“.1 Andererseits leitet das BVerfG aus dem generellen verfassungsrechtlichen Maßstab des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) für die direkten Steuern sowohl das systemtragende Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuersubjekts ab als auch das Gebot, dieses Prinzip bei der Ausgestaltung des einfachen Rechts folgerichtig umzusetzen.2 Vereinfachungsgründe vermögen Verstöße gegen das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuersubjekts sowie das Gebot, dieses Prinzip bei der Ausgestaltung des einfachen Rechts folgerichtig umzusetzen, zumindest dann nicht zu rechtfertigen, wenn der Verstoß, wie insbes. bei geschlossenen Investmentfonds mit alternativen Investments, in der Praxis regelmäßig auftretende Sachverhaltskonstellation betrifft.3 Die Typisierung, dass alle Ausschüttungen von Kapitel-2-Fonds aus vom Fonds erwirtschafteten Erträgen bestehen, orientiert sich nicht realitätsgerecht am typischen Fall. Die in § 17 InvStG vorgesehene Ausnahme hilft in vielen Fällen nicht, weil sie erst ab Beginn 56 der Liquidationsphase (und bei sog. Ein-Anleger-Fonds i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 InvStG gar nicht) anwendbar ist, häufig jedoch bereits zuvor die Vermögenswerte des Investmentfonds veräußert und die Erlöse ausgekehrt werden.4 Der in BT-Drucks. 18/8045, 85, hervorgehobenen Möglichkeit, dass der Investmentfonds, statt seine Erträge auszuschütten, Anteile zurücknimmt, stehen in vielen Fällen wirtschaftliche, bilanzielle oder rechtliche Gründe entgegen.5 Zudem sind bei Investmentfonds mit für die KVG unbekanntem Anlegerkreis Anteilsrücknahmen praktisch schwer umsetzbar. Dadurch, dass die Rückgewähr von Einlagen durch Investmentfonds als stpfl. Investment- 57 ertrag behandelt wird, besteht eine Benachteiligung von Investmentfonds gegenüber solchen in- und ausländischen KapGes., für die das InvStG nicht gilt. Bei nicht unter das InvStG fallenden KapGes. sind stfreie Rückzahlungen von Einlagen nach § 27 KStG oder, soweit sie in einem Drittstaat ansässig sind, auf Grundlage des BFH-Urt. v. 10.4.20196 bzw. des BMFSchreibens v. 21.4.20227 möglich, wobei die Höhe des ausschüttbaren Gewinns einer Drittstaaten-KapGes. nach dem jeweiligen ausländischen Handels- und Gesellschaftsrecht zu ermitteln ist, seine Verwendung und damit auch die nachrangige Rückgewähr von Einlagen jedoch der gesetzlichen Verwendungsfiktion des § 27 Abs. 1 Sätze 3 und 5 KStG unterliegt. Die Einlagenrückgewähr durch Drittstaaten-KapGes. ebenso wie die Einlagenrückgewähr deutscher und EU-ausländischer KapGes. mit den AK des Gesellschafters für seine Anteile zu verrechnen, wird mit dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit begründet. Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz wird als mit dem Argument, die FinVerw. habe bei Drittstatten-Gesellschaften ein Verifikationsproblem, nicht zu rechtfertigen angesehen.8 Meines Erachtens gilt dies unabhängig davon, ob die KapGes. ein Investmentvermögen ist. Dies bedeu-

1 Vgl. BVerfG v. 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, unter C.I.2.a; v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210, beginnend ab C.I.2.b; v. 6.7.2010 – 2 BvL 13/09, DStR 2010, 1563 (1565). 2 Vgl. nur BVerfG v. 12.10.2010 – 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 Rz. 50 f. m.w.N. 3 Insbesondere bei geschlossenen Fonds, die in alternative Investments investieren, erfolgen steuerneutrale Kapitalrückzahlungen typischerweise nicht erst in der Liquidationsphase, sondern schon während der Laufzeit. 4 Stadler/Mager, DStR 2016, 697 (700) mit dem Hinweis darauf, dass regelmäßig in der Liquidationsphase, die in vielen Fällen nur ein paar Tage dauert, nur noch die letzten (kleineren) Beträge verteilt würden. 5 Stadler/Mager, DStR 2016, 697 (701). 6 BFH v. 10.4.2019 – I R 15/16, BFH/NV 2019, 1312. 7 Vgl. BMF v. 21.4.2022 – IV C 2 - S 2836/20/10001 :002, BStBl. I 2022, 647, betr. Rückzahlung von nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen und Rückzahlung von Nennkapital durch DrittstaatenKapGes. 8 Intemann, Ubg 2019, 658. Kammeter/Behrens | 373

§ 16 Rz. 57 | Investmenterträge tet, dass die tragende Begründung von § 16 Abs. 1 Nr. 1 InvStG, d.h. die Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens in Bezug auf Anteile an Investmentfonds, den Verstoß gegen das Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nicht zu rechtfertigen vermag.1 58 Um das Regelungsziel der spürbaren Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens im Bereich

des Massenmarkts (Kapitel-2-Fonds) zu erreichen, scheidet die Feststellung der auf den einzelnen Anteilsinhaber entfallenden Einlagen aus praktischen Gründen aus. Eine Auflösung des Konflikts zwischen dem Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und dem Ziel der Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens könnte darin liegen, Ausschüttungen des Kapitel-2-Fonds an den Anleger bis zur Höhe der von dem betr. Anleger aufgewandten AK gegen die AK zu verrechnen, d.h. in Abkehr von der in § 27 KStG geregelten Verwendungsreihenfolgefiktion Ausschüttungen im Ergebnis zunächst als Rückgewähr von (fingierten) Einlagen zu behandeln. Beim Investmentanteilserwerb von Steuerinländern würde über die Besteuerung des Veräußerungsgewinns beim Anteilsveräußerer der vom Kapitel-2-Fonds erwirtschaftete Ertrag einmal der Steuer unterworfen.2 Dadurch, dass die individuellen AK des betreffenden Anteilsinhabers um zurückgewährte (fingierte) Einlagen reduziert würden, fiele im Falle der Veräußerung der Investmentanteile durch den Anteilsinhaber kein Veräußerungsverlust an.

III. Vorabpauschalen nach § 18 InvStG (Abs. 1 Nr. 2) 59 Neben den tatsächlichen Ausschüttungen nach Nr. 1 unterfallen auch die Vorabpauschalen

gem. § 16 Abs. 1 Nr. 2 InvStG dem Bereich der nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG stpfl. Investmenterträge (zu Einzelheiten s. § 18 InvStG Rz. 18).3 Bei den Vorabpauschalen handelt es sich um Ertragszuweisungen auf fiktiver Grundlage. Sie stellen eine Fortsetzung der vormaligen ausschüttungsgleichen Erträge nach § 1 Abs. 3 Satz 3 InvStG 2004 insofern dar, als eine ausschüttungsunabhängige, laufende Besteuerung von Anlagen in Investmentfonds sichergestellt wird. Eine reine cash-flow-Besteuerung und damit die Möglichkeit einer unbefristeten Ertragsthesaurierung schien dem Gesetzgeber unter haushalterischen Gesichtspunkten nicht vertretbar.4 Der Unterschied zu den ausschüttungsgleichen Erträgen liegt indes im Wechsel von einer tatsächlichen zu einer extern-fiktiven Bezugsgröße. Bei den ausschüttungsgleichen Erträgen bildeten noch die tatsächlichen Ertragsverhältnisse auf der Fondseingangsseite den Referenzpunkt. Maßstab für die Vorabpauschale ist zunächst die langfristige Rendite öffentlicher Anleihen als Idealtypus einer risikolosen Marktverzinsung.5 Ein entsprechender Ertrag bildet die vom Gesetzgeber erwartete Mindestgröße für die laufende Besteuerung. Dieser Zinssatz wird um einen pauschalierten Verwaltungskostensatz des Fonds6 i.H.v. 30 % reduziert (§ 18 Abs. 1 Satz 2 InvStG), um sodann auf den Fondsanteilswert7 zu Jahresbeginn angelegt zu werden. Ausschüttungen (als Grundlage für eine Besteuerung auf tatsächlicher Grundlage) werden gegengerechnet. Eine verbleibende Differenz ist als Vorabpauschale zu versteuern (Aufstockung). Diese gilt am ersten Werktag des folgenden Kalenderjahres als zugeflossen (§ 18 Abs. 3 InvStG).

1 Vgl. auch BFH v. 13.7.2016 – VIII R 47/13, BFH/NV, 2016, 1225, insbes. Rz. 19. 2 Problematisch allerdings wäre der Investmentanteilserwerb von Steuerausländern, vgl. oben in Rz. 2. 3 Zum Umgang mit der Vorabpauschale im Sonderfall der Investmentfondsverschmelzung Hasbach, FR 2018, 1117 (1120 f.). 4 BT-Drucks. 18/8045, 88 f.; Warnke, EStB 2016, 305 (307). 5 § 18 Abs. 4 Satz 1 InvStG; BT-Drucks. 18/8045, 88 „pauschale Bemessungsgrundlage in Höhe einer risikolosen Marktverzinsung“. 6 BT-Drucks. 18/8045, 89. 7 Rücknahmepreis (§ 18 Abs. 1 Satz 2 InvStG), hilfsweise Börsen- oder Marktpreis (§ 18 Abs. 1 Satz 4 InvStG).

374 | Kammeter/Behrens

B. Der Katalog der Investmenterträge (Abs. 1) | Rz. 61 § 16

Gleichwohl besteht auch in der Welt der Vorabpauschale das „Thesaurierungsprivileg“ der 60 Fonds- im Vergleich zur Direktanlage fort.1 Dieses speist sich aus der Differenz zwischen der Vorabpauschale auf der einen und den tatsächlich im Fonds erzielten Erträgen auf der anderen Seite. Da Letztere, namentlich in Form von Zinsen und Dividenden, auch bei einem Wertrückgang im Vermögensstamm anfallen, die Vorabpauschale bei einer negativen (Gesamt-) Wertentwicklung des Investmentfondsanteils im Verlauf eines Kalenderjahres jedoch nicht zum Ansatz kommt (§ 18 Abs. 1 Satz 3 InvStG), dürfte das Thesaurierungspotenzial im Systemvergleich sogar gewachsen sein. Dies gilt aktuell auch im Fall eines positiven Wertzuwachses im Jahresverlauf. Das derzeitige Bemessungsniveau der Vorabpauschale ist insbes. in der gegenwärtigen Epoche der Niedrigzinsen begrenzt. In 2019 belief bzw. beläuft sich der Basiszinssatz auf 0,52 %,2 woraus sich für die Berechnung der Vorabpauschale ein Zinssatz von 0,36 % ergab (§ 18 Abs. 1 Satz 2 InvStG).3 In 2021 und 2022 beläuft sich der Basiszinssatz auf –0,45 %4 bzw. –0,88 %5, weshalb es zur Erhebung einer Vorabpauschale von vornherein nicht kommt.6 Bei Fortschreibung der historischen Gegebenheiten – zunehmende Aktiengewinne einschließlich Dividenden in Niedrigzinsphasen und umgekehrt – könnte das System der Vorabpauschale indes unerwartete Effekte zeitigen: In Phasen einer zurückhaltenden Börsenentwicklung parallel zu steigenden Zinsen dürfte es zu einem erhöhten Steueraufkommen beitragen.7

IV. Gewinne aus der Veräußerung von Investmentanteilen nach § 19 InvStG (Abs. 1 Nr. 3) Daneben zählen auch die Veräußerungsgewinne (und -verluste, § 2 Abs. 14 InvStG) zu den 61 Investmenterträgen (zu Einzelheiten vgl. § 19 InvStG Rz. 14). Im Unterschied zur alten Rechtslage8 lässt sich aufgrund der strengen rechtlichen Intransparenz des Investmentfonds neuer Prägung der Veräußerungsgewinn jedoch vergleichsweise einfach ermitteln. Die Systematik ergibt sich aus § 20 Abs. 4 EStG, § 19 Abs. 1 Satz 1 InvStG. Während der Besitzzeit

1 Instruktiv Michalowski, ErbStB 2018, 89 (91). Der Autor konstatiert vor dem geschilderten Hintergrund zu Recht die mit Fortbestehen des Thesaurierungsprivilegs verbundene Attraktivität eines Fondsinvestments („Für den gestaltungsinteressierten Anleger ist der Blickwinkel somit weiterhin auf die hinter der Vorabpauschale stehende steuerliche Grundsystematik der Thesaurierungsbesteuerung mit der ihr immanenten steuerlichen Abschirmwirkung und ihrem langfristig wirkenden Steuerstundungseffekt zu richten.“). Zum signifikanten Renditeunterschied einer langfristigen Fonds- gegenüber einer entsprechenden Direktanlage s. Modellrechnung „Thesaurierungseffekt“, a.a.O., S. 94. 2 BMF v. 9.1.2019 – IV C 1 - S 1980 - 1/14/10001 :038 – DOK 2018/1024898, BStBl. I 2019, 58. 3 Angesichts der aktuell sehr moderaten Besteuerung mittels der Vorabpauschale ist nicht auszuschließen, dass bei entsprechender politischer Neubewertung an der Zinssatzhöhe nachjustiert wird, sobald die für alle Beteiligten schwierige tatsächliche Umstellung auf das neue Besteuerungssystem bewältigt ist. Andernfalls könnte verwaltungsintern die Diskussion dahingehend erneut aufflammen, ob nicht die Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 ff. AStG) als weiterer Mechanismus zur Durchbrechung der steuerlichen Intransparenz eines Investmentfonds im Sinne einer steuerlichen Mindesterfassung aktiviert werden sollte; vgl. derzeit § 7 Abs. 7 AStG; vgl. auch Stadler/Bindl, DStR 2016, 1953 (1960). 4 BMF v. 6.1.2021 – IV C 1 - S 1980-1/19/10038 :004 – DOK 2021/0011044, BStBl. I 2021, 56. 5 BMF v. 7.1.2022 – IV C 1 - S 1980-1/19/10038 :005 – DOK 2021/1337413, BStBl. I 2022, 122. 6 BMF v. 7.1.2022 – IV C 1 - S 1980-1/19/10038 :005 – DOK 2021/1337413, BStBl. I 2022, 122. Aufgrund des negativen Basisertrags können die Ausschüttungen des Investmentfonds den Basisertrag nicht unterschreiten. 7 Die Begrenzung auf die unter Einbeziehung aller Ausschüttungen absolute Wertentwicklung eines Investmentfondsanteils im Jahresverlauf (§ 18 Abs. 1 Satz 3 InvStG) stellt jedoch auch in solchen Phasen einen wesentlichen Kappungseffekt dar. 8 § 8 InvStG 2004. Kammeter/Behrens | 375

§ 16 Rz. 61 | Investmenterträge angesetzte Vorabpauschalen sind vom Veräußerungsgewinn abzuziehen (§ 19 Abs. 1 Satz 3 InvStG).1

C. Kein oder nur teilweiser Ansatz von Investmenterträgen (Abs. 2) I. Vorbemerkung 62 Die beiden Sätze des § 16 Abs. 2 InvStG unterscheiden sich auf der Rechtsfolgenseite in dem

Umfang, in dem Investmenterträge abweichend von Abs. 1 nicht zum Ansatz kommen. Satz 1 schließt den Ansatz von Investmenterträgen (Abs. 1 Nr. 1, 2 und 3) insgesamt, Satz 2 allein den Ansatz von Vorabpauschalen (Abs. 1 Nr. 2) aus. Tatbestandlich liegt beiden Sätzen die Wertung zugrunde, dass bestimmte Engagements in Investmentfonds aus sozialpolitischen Erwägungen im Zusammenhang mit der Altersvorsorge privilegiert sein sollen. Die Besteuerung wird dazu temporär ausgesetzt. Im Bereich der Alterseinkünftebesteuerung auf individuell zuordenbarer Produktbasis (Satz 1) erfolgt die Besteuerung erst in der Auszahlungsphase (nachgelagerte Besteuerung).2 Gleiches gilt grds. im Bereich der kollektiven Altersvorsorgeeinrichtungen (Satz 2 Nr. 1 und 2). Hier wird die Besteuerung auf dieser Ebene über einen bereits vorhandenen Mechanismus, nämlich der Bildung von Rückstellungen, §§ 21, 21a KStG, vermieden. Dieser Mechanismus knüpft jedoch an tatsächliche Erträge an, was bei der Vorabpauschale als rein steuerlicher Ertragszuweisung nicht möglich wäre.3 Daher wird § 16 Abs. 1 Nr. 2 InvStG in diesen Fällen suspendiert. Wenngleich im Fall des § 16 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 (Investmentfondsinvestitionen von Kranken- und Pflegeversicherern zur Sicherung von Alterungsrückstellungen)4 keine stpfl. Erträge am Ende der Produktkette stehen, fallen hier die genannten sozialpolitischen Gründe derart ins Gewicht, dass von einem Ansatz der Vorabpauschalen gleichwohl abgesehen wird. Die Problematik der Vorabpauschale als liquiditätsfreie (d.h. nicht mit tatsächlich zufließenden Mitteln tilgbare) Steuerbelastung bestünde zudem auch hier.

63 Abs. 2 richtet sich in beiden Sätzen an den Produkteanbieter als Anleger.5 Die Anlegereigen-

schaft bestimmt sich nach § 2 Abs. 10 InvStG i.V.m. § 39 AO. Sind dem Produkteanbieter die Investmentfondsanteile danach zuzurechnen und ist deren Zweckbindung gegeben, greift jene (partielle) Steuerbefreiung.

II. Zertifizierte Altersvorsorge- und Basisrentenverträge 64 Nach § 16 Abs. 2 Satz 1 sind Investmenterträge (Ausschüttungen, Vorabpauschalen und Ver-

äußerungsgewinne) im Fall einer Investition in Investmentfonds nicht anzusetzen, wenn diese im Rahmen von zertifizierten Altersvorsorge- oder Basisrentenverträgen unternommen wird. Die relevante Zertifizierung richtet sich nach §§ 5 und 5a des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz (AltZertG).6

1 Die Vorabpauschalen erhöhen nicht die ursprünglichen AK. Eine Teilwertabschreibung steht dem betrieblichen Anleger daher nicht zur Verfügung; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 18.5; vgl. auch BFH v. 29.3.2017 – I R 73/15, BStBl. II 2017, 1065 (ausschüttungsgleiche Erträge). 2 Nach § 22 Nr. 5 EStG (Altersvorsorgeverträge) oder § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa 4. Gruppe EStG (Basisrentenverträge), BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.9. 3 BT-Drucks. 18/8045, 86; die Vorabpauschale als sog. „Dry-Income“ würde ohne die Regelung des § 16 Abs. 2 Satz 2 InvStG eine echte steuerliche Belastung darstellen; vgl. auch Stadler/Bindl, DStR 2016, 1953 (1959). 4 §§ 146 Abs. 1 Nr. 2, 148 Satz 1 VAG i.V.m. § 341f Abs. 3 HGB. 5 Jung in BeckOK InvStG, § 16 Rz. 76 (Stand: Januar 2022). 6 Landläufig als Rürup-Verträge (§§ 5a, 2a AltZertG) und Riester-Verträge (§§ 5, 1 AltZertG) bekannt.

376 | Kammeter/Behrens

C. Kein oder nur teilweiser Ansatz von Investmenterträgen (Abs. 2) | Rz. 67 § 16

Altersvorsorgeverträge zählen zur sog. 2. Schicht der Alterssicherungssysteme.1 Steuerliche 65 Anreize in der Einzahlungsphase sollen hier zu einer weitergehenden Absicherung im Alter animieren. Die Legaldefinition dieses Vertragstyps findet sich in § 1 AltZertG. Die wesentliche materielle Komponente findet sich in § 1 Abs. 1 Nr. 2 AltZertG. Danach hat der Vertrag im Grundsatz eine lebenslange und unabhängig vom Geschlecht berechnete Altersversorgung vorzusehen, die nicht vor Vollendung des 62. Lebensjahres oder einer vor Vollendung des 62. Lebensjahres beginnenden Leistung aus einem gesetzlichen Alterssicherungssystem des Vertragspartners (Beginn der Auszahlungsphase) gezahlt werden darf (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 1 AltZertG).2 Die Höhe der steuerlichen Förderung in Form des Sonderausgabenabzugs ist derzeit auf 2.100 Euro begrenzt.3 Diese Altersvorsorgeform wird andererseits jedoch über Zulagen und damit zum Teil unabhängig von der mit dem individuellen Grenzsteuersatz verbundenen Entlastungswirkung gefördert.4 Basisrentenverträge5 zählen hingegen zur sog. 1. Schicht der Alterssicherungssysteme. Diese 66 Form der Altersvorsorge ist nach Höhe6 und Umfang7 der steuerlichen Förderung der gesetzlichen Alterssicherung gleichgestellt.8 Neben dem Aspekt einer Zusatzversorgung sollen hier gerade auch nicht gesetzlich Pflichtversicherte zur Schaffung einer eigenen Altersvorsorge mit den steuerlichen Anreizen der gesetzlichen Rentenversicherung angehalten werden. In beiden Fällen korrespondiert die steuerliche Förderung in der Einzahlungsphase mit einer 67 vollen (Altersvorsorgeverträge) oder einer bis zum Jahr 2040 linear wachsenden (Basisrentenverträge) StPfl. in der Auszahlungsphase. In beiden Fällen soll jene steuerliche Förderung in der Ansparphase nicht durch eine steuerliche Definitivbelastung im Produktbinnenbereich konterkariert werden. Insofern setzt § 16 Abs. 2 Satz 1 InvStG die Steuerfreiheit des Investmentfonds selbst für derartige Investments (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 InvStG) auf der Anlegerebene (Produktanbieter) fort. Die Erträge aus (inländischen) Zielinvestments fließen damit idealtypisch dem zertifizierten Produkt eines qualifizierten Anbieters steuerlich unbelastet zu.

1 Alterseinkünftegesetz 2005, BGBl. I 2004, 1427. Eingeführt wurde der Altersvorsorgevertrag mit dem Altersvermögensgesetz, BGBl. I 2001, 1310. Die Einteilung nach „Säulen“ differenziert hingegen nach gesetzlichen, betrieblichen und privaten Altersvorsorgewegen. In diesem System sind die beiden hier genannten Vertragsarten in die 3. Säule einzuordnen. 2 Von diesem Grundgedanken ergeben sich (zwischenzeitlich) zahlreiche Modifikationen, z.B. Kapitalauszahlung i.H.v. 30 % des zu Beginn der Auszahlungsphase zur Verfügung stehenden Kapitals (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a Teils. 4 AltZertG), Genossenschaftswohnmodell (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b, Nr. 5 AltZertG) oder zur Immobilienfinanzierung (§ 1 Abs. 1a AltZertG). 3 § 10a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 EStG. 4 §§ 84, 85 EStG. 5 § 2 Abs. 1a AltZertG i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. bb EStG. 6 Beiträge sind grds. bis zum Höchstbetrag zur knappschaftlichen Rentenversicherung als Sonderausgabe abziehbar, § 10 Abs. 3 Sätze 1 und 2 EStG. Dieser beläuft sich in 2022 auf 24,7 % bei einer Beitragsbemessungsgrenze von 103.800 Euro. Dadurch ergibt sich ein förderfähiger Höchstbetrag von 25.639 Euro (Zusammenveranlagung: 51.278 Euro). 7 2022 sind davon 94 %, also höchstens 24.101 Euro bei Einzel- und 48.202 Euro bei Zusammenveranlagten abziehbar, § 10 Abs. 3 Sätze 4 und 6 EStG. 8 Im Unterschied zu Altersvorsorgeverträgen (§ 93 EStG: „Schädliche Verwendung“) ist die Mittelverwendung aus einem Basisrentenvertrag für Zwecke der Altersversorgung gesetzlich zementiert, § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1, Abs. 1 Nr. 2 Sätze 2 und 5 EStG; vgl. auch § 2 Abs. 1 Satz 1 AltZertG. Kapitalinvestitionen sind hier in Anlehnung an die gesetzliche Rentenversicherung unwiderruflich für Zwecke der Altersabsicherung gebunden. Kammeter/Behrens | 377

§ 16 Rz. 68 | Investmenterträge 68 Aufgrund des Zertifizierungsverfahrens sind die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung

nach § 16 Abs. 2 Satz 1 InvStG bereits geklärt. Die Steuerbefreiung kann daher schon im Stadium des Kapitalertragsteuerabzugs berücksichtigt werden.1

III. Betriebliche und private Altersvorsorge 1. Vorbemerkung 69 § 16 Abs. 2 Satz 2 InvStG regelt Fälle, in denen die Vorabpauschale (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 InvStG)

nicht zum Ansatz kommt. Adressaten sind Einrichtungen der betrieblichen (Nr. 1) oder der privaten (Nr. 2 und 3) Altersvorsorge, die Investmentfonds zu diesem Zweck halten. Voraussetzung ist, dass diese die Investmentfonds entweder unmittelbar oder mittelbar über Personengesellschaften halten. Die Transparenz einer Personengesellschaft ist nach Verwaltungsansicht insbes. im Fall eines zwischengeschalteten Spezial-Investmentfonds nicht gegeben.2 Klassische Master-/Feederfondskonstruktionen kommen insofern nicht infrage.3 Der gesetzgeberischen Intention, Beeinträchtigungen bei der betrieblichen bzw. privaten Altersvorsorge durch Befreiung von der Vorabpauschale zu vermeiden, wird damit nur in einem schmalen Korridor entsprochen.4

70 Die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 Satz 2 InvStG – insbes. die Qualifikation des Produkte-

anbieters und die Zweckbindung der Investmentfondsanlage – können erst im Rahmen der Veranlagung des Anbieters überprüft werden. Liegt keine NV-Bescheinigung vor und ist eine Abstandnahme auch nicht aus anderen Gründen gegeben, ist der Kapitalertragsteuerabzug regulär durchzuführen.5 Für die Frage, ob eine während der Haltedauer angesetzte Vorabpauschale vom Veräußerungsgewinn nach § 19 Abs. 1 Satz 3 abzuziehen ist, genügt nicht deren Erhebung im Kapitalertragsteuerabzugsverfahren, wenn von deren Ansatz in der Veranlagung nach § 16 Abs. 2 Satz 2 InvStG abgesehen wird.6

1 Wenngleich das BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung) hierzu schweigt, ergibt sich dies auch im Umkehrschluss aus der gegenteiligen Aussage in den Fällen des § 16 Abs. 2 Satz 2 InvStG (Rz. 16.11). Erklärt der Anleger zudem unter Nachweis der (im BStBl. I veröffentlichten) Zertifizierung, dass die Fonds im Rahmen dieser von ihm angebotenen Produktgruppe gehalten werden, scheidet eine Haftung des zum Kapitalertragsteuerabzug Verpflichteten nach § 44 Abs. 5 Satz 1 letzter Halbsatz EStG mangels grober Fahrlässigkeit aus. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.10, wonach die Vorabpauschale anzusetzen ist, soweit ein Anleger Spezial-Investmentanteile hält und der Spezial-Investmentfonds seinerseits die Anteile am Investmentfonds hält (dreistufige Struktur); auf Ebene des Spezial-Investmentfonds unterliegt die Vorabpauschale nicht der Steuer, jedoch ist sie Bestandteil der ausschüttungsgleichen Erträge i.S.v. § 36 InvStG, ohne dass eine stfreie Thesaurierung auf Ebene des Spezial-Investmentfonds möglich wäre, vgl. § 36 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 InvStG; vgl. Wenzel in Brandis/Heuermann, § 36 InvStG 2018 Rz. 15 (Stand: Dezember 2021). 3 Zur Begrifflichkeit vgl. § 1 Abs. 19 Nr. 11 und 12 KAGB; vgl. auch § 1 Abs. 3 Satz 2, § 6 Abs. 1 und § 29 Abs. 1 InvStG (steuerrechtliche Intransparenz). 4 Stadler/Mager, BB 2019, 1760 (1764), die darauf hinweisen, dass es keinen Unterschied machen kann, ob die Vorabpauschale dem Anleger unmittelbar oder in Form von ausschüttungsgleichen Erträgen zugerechnet wird; es sei insofern unverständlich, dass mehrstufige Investmentstrukturen benachteiligt werden, die insbes. bei Altersvorsorgeeinrichtungen und Unternehmen, die Direktzusagen im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge gewähren, üblich seien. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.11. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 19.4.

378 | Kammeter/Behrens

C. Kein oder nur teilweiser Ansatz von Investmenterträgen (Abs. 2) | Rz. 73 § 16

2. Betriebliche Altersvorsorge (Abs. 2 Satz 2 Nr. 1) In Nr. 1 ist die Zweckbindung des Investmentfondsengagements mit der betrieblichen Alters- 71 vorsorge nach dem Betriebsrentengesetz (Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung – BetrAVG) definiert. Die Zwecksetzung ist in § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG mit der Zusage des Arbeitgebers von Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung an den Arbeitnehmer aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses umschrieben.1 § 16 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 InvStG erfasst dabei alle fünf vom BetrAVG zugelassenen Formen der Altersvorsorge und -absicherung, § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG (Durchführungswege):2 – Direktzusage (§ 1 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Alt. 1 BetrAVG), – Direktversicherung (§ 1b Abs. 2 Satz 1 BetrAVG), – Pensionsfonds (§ 1b Abs. 3 Satz 1 BetrAVG), – Pensionskasse (§ 1b Abs. 3 Satz 1 BetrAVG) sowie – Unterstützungskasse (§ 1b Abs. 4 Satz 1 BetrAVG). Aber auch soweit die Direktzusage durch einen CTA (Contractual Trust Agreement) kapital- 72 unterlegt ist und hierbei Investmentfondsanteile gehalten werden, unterfällt dies dem Tatbestand des § 16 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 InvStG.3 Gleiches gilt für Pensionssicherungsvereine auf Gegenseitigkeit i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 15 KStG (§ 14 BetrAVG). Investmentfondsanlagen dieser Einrichtungen sind ebenfalls vom Ansatz einer Vorabpauschale ausgenommen.4 3. Private Altersvorsorge: Kapital- und Rentenversicherungen der 3. Schicht (Abs. 2 Satz 2 Nr. 2) Werden die Investmentanteile zur Sicherung von Zusagen aus klassischen Lebensversiche- 73 rungsprodukten i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Sätze 1 und 4 EStG (Kapital- und Rentenversicherungen) unterhalten, sieht § 16 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 InvStG eine Befreiung der betr. Versicherungsunternehmen5 vom Ansatz der Vorabpauschale vor.6 Gleiches gilt, wenn die Fondsanteile im Rahmen von fondsgebundenen Lebensversicherungen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 4 EStG gehalten werden. Die FinVerw. umschreibt die Versicherung in diesem Kontext wie folgt:7 „Eine Versicherung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG unterscheidet sich von einer Vermögensanlage ohne Versicherungscharakter dadurch, dass ein wirtschaftliches Risiko abgedeckt wird, das aus der Unsicherheit und Unberechenbarkeit des menschlichen Lebens für den Lebensplan des Menschen erwächst (biometrisches Risiko). Die durch die Lebensversicherung typischerweise abgedeckten Gefahren sind der Tod (Todesfallrisiko) oder die ungewisse Lebensdauer (Erlebensfallrisiko, Langlebigkeitsrisiko).“

1 Im Einzelnen Höfer in Höfer/de Groot/Küpper/Reich, Betriebsrentenrecht (BetrAVG), Bd. I Arbeitsrecht, Kap. 2 Rz. 1 ff. 2 BT-Drucks. 18/8045, 86; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.12 und 16.13. Die dortige Aufzählung qualifizierter Einrichtungen ist nicht abschließend („insbesondere“, Rz. 16.12 Satz 2). 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.12. Ein CTA stellt keinen eigenen bAVDurchführungsweg dar. Er dient lediglich der (insolvenzsicheren) Kapitalunterlegung einer Direktzusage im Wege einer Treuhandlösung. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.12. 5 § 1 VAG. 6 BT-Drucks. 18/8045, 86. 7 BMF v. 1.10.2009 – IV C 1 - S 2252/07/0001 – DOK 2009/0637786, BStBl. I 2009, 1172 Tz. I. Kammeter/Behrens | 379

§ 16 Rz. 73 | Investmenterträge Das Versicherungsunternehmen kann die Investmentfondsanteile dazu sowohl in der direkten Kapitalanlage (Anlagestock)1 als auch im sog. Vorstock2 halten. 4. Private Altersvorsorge: Kranken- und Pflegeversicherungsunternehmen (Abs. 2 Satz 2 Nr. 3) 74 §§ 146 Abs. 1 Nr. 2, 148 Satz 1 VAG i.V.m. § 341f Abs. 3 HGB verpflichten private Kranken-

und Pflegeversicherungsunternehmen i.S.d. § 1 VAG, Rückstellungen zum Ausgleich für den mit zunehmendem Alter überproportional steigenden Versicherungsaufwand zu bilden.3 Werden die hierfür reservierten Mittel in Investmentfonds angelegt, entfällt der Ansatz einer Vorabpauschale.4 Nicht befreit sind hingegen Versicherer, die die Investmentanteile im Zusammenhang mit nicht genannten Versicherungstypen halten, wie z.B. Risikolebens- oder Unfallversicherungen.5

D. Unanwendbarkeit von § 3 Nr. 40 EStG und § 8b KStG (Abs. 3) 75 § 16 Abs. 3 InvStG schließt die Steuerbefreiung von Schachteldividenden nach § 8b KStG und

die teilweise Steuerbefreiung von Beteiligungseinkünften im Betriebsvermögen nach § 3 Nr. 40 EStG (Teileinkünfteverfahren) für Investmenterträge jenes Anlegerkreises aus. Die Norm ist rein deklaratorischer Natur: Investmenterträge sind Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG, sodass sie den genannten (partiellen) Steuerbefreiungsvorschriften bereits tatbestandlich nicht unterfallen.6 Im Ergebnis soll ausschließlich das differenzierte Teilfreistellungsregime des § 20 InvStG zur Anwendung kommen.7

76 Zu erwähnen ist, dass § 16 Abs. 3 InvStG nicht ausschließlich § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG für

unanwendbar erklärt, sondern sämtliche Varianten des dortigen Teilfreistellungsregimes. Angesichts der in § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG für sämtliche Investmenterträge nach § 16 InvStG einheitlich definierten Einkunftsart erscheint dieser Ausschluss gerade in Anbetracht der rein deklaratorischen Natur von § 16 Abs. 3 InvStG überschießend. Indes stellt dieser umfassende

1 § 125 Abs. 5 VAG (anlageartbezogene Abteilung des Sicherungsvermögens nach § 125 Abs. 2 VAG). 2 Rz. 16.14 des BMF-Anwendungsschreibens (konsolidierte Fassung) verweist hierzu auf Rz. 8.12. Dort umschreibt das BMF den Begriff des Vorstocks wie folgt: „Der Vorstock (auch Dispostock genannt) dient als eine Art Puffer des Versicherungsunternehmens. Er gewährleistet, dass unmittelbar nach dem Eingang der Beiträge der Altersvorsorgesparer die daraus erwachsenden Verpflichtungen des Versicherungsunternehmens hinsichtlich der Bedeckung nach § 125 Abs. 5 VAG erfüllt werden können. Die für den ,Puffer‘ benötigten Investmentanteile des Vorstocks werden beim Versicherungsunternehmen in separaten Depots im freien Vermögen verwahrt und sind nicht Teil der direkten Kapitalanlage. Sie sind, anders als die Investmentanteile im Anlagestock, noch nicht einem konkreten Altersvorsorge- oder Basisrentenvertrag zugeordnet.“; alternativer Sprachgebrauch: „Überhanganteile aus fondsgebundenem Geschäft“. 3 Neben diesen Alterungsrückstellungen (§ 341f Abs. 3 HGB) dienen die Zinserträge (Gutschrift der Überzinsen i.H.v. 90 % zugunsten des Versichertenkollektivs, § 12a Abs. 1 VAG a.F. [jetzt: § 150 Abs. 1 VAG]) sowie der 10-prozentige Beitragszuschlag (§ 12 Abs. 4a VAG a.F. [jetzt: § 149 VAG]) als weitere Instrumente zur Absicherung der steigenden Mehrbelastung mit zunehmendem Alter des Versicherten (GKV-GesundheitsreformG 2000, BGBl. I 1999, 2626). 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.15. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.14. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.16; BT-Drucks. 18/8045, 86 f. § 16 Abs. 3 InvStG ist somit fiskalischer Vorsicht entsprungen. Diese fußt zum einen auf dem Erfahrungshorizont der letzten Jahre auf Grundlage der sichtbar gewordenen Gestaltungen, zum anderen darauf, dass normative oder Rechtsprechungsänderungen im Bereich der ausgeschlossenen Normen zu einer weitergehenden Steuerbefreiung im Zeitablauf führen könnten. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.16.

380 | Kammeter/Behrens

E. Treaty override (Abs. 4) | Rz. 77 § 16

Ausschluss auch nochmals klar, dass keine der übrigen Varianten in § 3 Nr. 40 EStG einschlägig sein kann. Bedeutung erlangt dies insbes. im Hinblick auf § 17 EStG (§ 3 Nr. 40 Buchst. c EStG). Denn auch dann, wenn der Investmentfonds die Rechtsform einer KapGes. hat und eine Beteiligung i.H.v. mindestens 1 % (zumindest zu einem Zeitpunkt innerhalb der letzten fünf Jahre) im Raum steht, liegt kein Fall von § 17 EStG vor. An diesem Befund ändert auch nicht die ersatzlose Streichung von § 8 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 InvStG a.F. etwas. Jener ausdrücklich angeordnete Ausschluss des § 17 EStG war der vormaligen Situation geschuldet, wonach sich jene Veräußerungsgewinne als Erträge i.S.v. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG qualifizierten. Mit der nunmehr einheitlichen Zuordnung der Gewinne aus der Veräußerung von Investmentanteilen zu den laufenden Erträgen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG i.V.m. § 16 Abs. 1 Nr. 3, § 19 InvStG ist diese Situation entfallen. Mithin sind auch im Falle eines als KapGes. organisierten Investmentfonds nicht die Regelungen in §§ 17, 3 Nr. 40 Buchst. c EStG einschlägig, wenn der veräußernde Anleger die 1 %-Grenze i.S.v. § 17 EStG erfüllt und die Investmentanteile bei Veräußerung oder Rückgabe im Privatvermögen gehalten hat. Auch § 20 Abs. 8 EStG, wonach u.a. Einkünfte der in § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG bezeichneten Art, wenn sie zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus selbstständiger Arbeit oder aus Vermietung und Verpachtung gehören, diesen Einkünften zuzurechnen sind, vermag die Anwendung von § 17 EStG nicht zu begründen. Denn im Gegensatz zum InvStG 2017 gelten inländische Investmentfonds gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 InvStG als Zweckvermögen nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG und ausländische Investmentfonds nach § 6 Abs. 1 Satz 2 InvStG als Vermögensmassen nach § 2 Nr. 1 KStG. Investmentanteile stellen damit seit 1.1.2018 für die Zwecke von § 17 EStG keine Anteile an KapGes. i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG mehr dar. Jene Anteile sind nunmehr einheitlich in § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG erfasst. Diese in § 6 Abs. 1 InvStG geregelten unwiderleglichen Vermutungen gelten aufgrund des Verweises von § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG auf die Investmenterträge i.S.v. § 16 InvStG auch einkommensteuerlich. Zudem betont § 2 Abs. 4 Satz 1 InvStG, dass „Investmentanteil“ der Anteil an einem Investmentfonds ist – unabhängig von der rechtlichen Ausgestaltung des Anteils oder des Investmentfonds. Dass ein Investmentfonds die Rechtsform der KapGes. hat, kann folglich in keinem Fall zur Anwendung von § 17 EStG führen.

E. Treaty override (Abs. 4) I. Sinn und Zweck der Norm § 16 Abs. 4 InvStG adressiert Regelungen in deutschen DBA, welche Einkünfte aus auslän- 77 dischen Investmentfonds stfrei stellen. Explizite Freistellungsregelungen für Investmentfonds finden sich in deutschen DBA nicht. Die Norm zielt daher auf das allgemeine abkommensrechtliche Schachtelprivileg ab. Die Ratio jenes Schachtelprivilegs entspricht im Ausgangspunkt derjenigen des § 8b KStG: Allein durch die Zwischenschaltung von Körperschaftsteuersubjekten zwischen der operativen Gesellschaft auf der einen und der letztlich wirtschaftlich begünstigten natürlichen Person auf der anderen Seite soll sich die Steuerlast in toto nicht erhöhen. Denn mit der Zwischenschaltung allein ist keine Wertschöpfung verbunden. Die Nutzung solcher zwischengeschalteten Gesellschaften kann indes aus zahlreichen wirtschaftlichen und rechtlichen Gründen wie Haftungsbeschränkung, Finanzierungsfunktion, nationalen Rechtsanforderungen etc. erforderlich sein und soll nicht durch steuerliche Belastungen auf die (in der Totalperiode lediglich) weitergereichten Ausschüttungen sanktioniert werden. Belastungsgleichheit mit Betriebsstättenerträgen bildet hier den Maßstab.1 Kaskadeneffekte gilt es zu vermeiden.2 Ausgehend vom OECD-Musterabkommen ist das Schachtelprivileg, soweit 1 Tischbirek/Specker in Vogel/Lehner7, Art. 10 OECD-MA Rz. 11; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, DBA, Art. 10 OECD-MA Rz. 9 (Stand: August 2014). 2 Instruktiv Gosch in Gosch4, § 8b KStG Rz. 1. Kammeter/Behrens | 381

§ 16 Rz. 77 | Investmenterträge es sich an den Quellenstaat (= Ansässigkeitsstaat der ausschüttenden Gesellschaft) richtet, regelmäßig in Art. 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a OECD-MA verankert. Der Quellensteuersatz ist von 15 % (Art. 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b OECD-MA) auf 5 % reduziert. Der Ansässigkeitsstaat der nutzungsberechtigten Gesellschaft rechnet die Quellensteuer bis zum zulässigen Höchstsatz an (Art. 23A Abs. 2 OECD-MA). Ein Teil der deutschen DBA geht hier in Anbetracht der exportorientierten, weltweit präsenten deutschen Wirtschaft noch einen Schritt weiter und sieht die komplette Steuerfreistellung in diesem Zusammenhang vor. Der Quellensteuersatz ist hier im Einzelfall auf 0 % reduziert,1 Deutschland als Ansässigkeitsstaat der die Ausschüttung beziehenden Gesellschaft stellt jene regelmäßig frei.2 Angesichts des nationalen Schachtelprivilegs in § 8b KStG3 spielt das internationale Schachtelprivileg in den einzelnen DBA aus deutscher Sicht zumeist nur hinsichtlich des reduzierten bzw. ausgeschlossenen Quellensteuersatzes eine Rolle.4 Da jedoch im Kontext mit Investmentfonds § 8b KStG von der Anwendung zweifach ausgeschlossen ist,5 lebt hier die Attraktivität des internationalen Schachtelprivilegs in vollem Umfang auf.6 Diese abkommensrechtliche Freistellung in Deutschland als Ansässigkeitsstaat nimmt die Rechtsfolge des § 16 Abs. 4 InvStG in den Blick.

1 Vgl. auch die Fn. zu Art. 10 Abs. 2 Nr. 1 D-VG, BMF v. 22.8.2013 – IV B 2 - S 1301/13/10009, abrufbar unter www.bundesfinanzministerium.de => Themen => Steuern => Internationales Steuerrecht => Allgemeine Informationen („Je nach den Verhältnissen im Einzelfall kommt zusätzlich ein Nullsatz in Betracht.“); ein Nullsatz ist insbes. mit einigen wirtschaftlich bedeutenden Staaten vereinbart (z.B. USA, Schweiz, Frankreich); Übersicht zu den deutschen DBA bei Tischbirek/Specker in Vogel/ Lehner7, Art. 10 OECD-MA Rz. 67. 2 Vgl. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a D-VG; Ismer in Vogel/Lehner7, Art. 23A OECD-MA Rz. 91, deutsche Abkommensübersicht in Rz. 90. 3 Dies galt bis zur Einführung der Restriktionen in § 8b Abs. 4 KStG zum 1.3.2013 in noch stärkerem Maße, Art. 1 Nr. 4 Buchst. a G zur Umsetzung des EuGH-Urt. v. 20.10.2011 in der Rs. C-284/09 v. 21.3.2013, BGBl. I 2013, 561. 4 Das internationale Schachtelprivileg wurde in Deutschland als Ansässigkeitsstaat in den letzten Jahren in dem Bemühen herangezogen, die „Schachtelstrafe“ des § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG (5 % nicht abziehbare Betriebsausgaben) zu beseitigen. Dies hat die Rspr. unter Verweis auf den Sinn und Zweck jener Regelung – Preis für die Durchbrechung des in § 3c EStG verankerten Rechtsgedankens (s. § 8b Abs. 5 Satz 2 KStG) – zu Recht abgelehnt; BFH v. 29.8.2012 – I R 7/12, BStBl. II 2013, 89 unter II.5.; zum Sonderfall des DBA Frankreich s. FG München v. 13.3.2017 – 7 K 59/14, rkr., EFG 2017, 942; vgl. auch BFH v. 22.9.2016 – I R 29/15, BFH/NV 2017, 324. 5 § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG ist in § 8b Abs. 1 KStG nicht genannt; zudem ist § 8b KStG in § 16 Abs. 3 InvStG ausdrücklich ausgeschlossen. 6 Die Mutter-Tochter-RL (RL 2011/96/EU des Rates v. 30.11.2011 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, ABl. EU 2011 Nr. L 345, 1 ff., zuletzt geändert durch die RL (EU) 2015/121 des Rates v. 27.1.2015, ABl. EU Nr. L 21, 1) ist zwar neben DBA anwendbar (Art. 7 Abs. 2 MTR), führt allerdings ebenfalls zu keiner Freistellung. Zum einen stellt § 8b KStG deren Umsetzung im Empfängerstaat der Zahlungen dar, zum anderen wirkt sie nicht unmittelbar, sondern bedarf der Umsetzung (Art. 288 Abs. 3 AEUV). Die RL wendet sich an die Mitgliedstaaten. Eine Ausnahme macht die Rspr. in dem Fall, dass die RL eine hinreichend konkrete, unbedingte und unmittelbar wirkende individuelle Rechtsposition einräumt, die Frist für die Umsetzung abgelaufen ist und der Mitgliedstaat diesen Rechtsanspruch nicht frist- oder ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt hat (grundlegend EuGH v. 4.12.1974 – C-41/74 – Van Duyn/ Home Office, Slg. 1974, 1337 Rz. 12; ferner EuGH v. 5.4.1979 – C-148/78 – Ratti, Slg. 1979, 1629, 1. Leitsatz). Nach Art. 2 Buchst. a Abs. i MTR qualifizieren sich die in Anh. I genannten Gesellschaften allein aufgrund ihrer Rechtsform. Dort findet sich Buchst. f die AG. Insofern würde eine InvestmentAG zwar grds. in den Anwendungsbereich der RL fallen. Indes ist die aktuelle Fassung der MTR auch von der Zulässigkeit nationaler Maßnahmen zur Missbrauchsabwehr geprägt (vgl. Art. 1 Abs. 2, 3 und 4 MTR). Sieht man in § 16 Abs. 4 InvStG eine Missbrauchsvermeidungsnorm, wäre diese von den genannten Kautelen der MTR gedeckt mit der Folge, dass entgegen dem ersten Anschein Art. 4 und 5 MTR keine unbedingten individuellen Rechtspositionen einräumen.

382 | Kammeter/Behrens

E. Treaty override (Abs. 4) | Rz. 79 § 16

§ 16 Abs. 4 InvStG macht eine an sich gegebene abkommensrechtliche Freistellung von wei- 78 teren Voraussetzungen abhängig.1 Technisch ist die Norm eine unilaterale subject-to-taxKlausel.2 Nur wenn die steuerlichen Mindestanforderungen erfüllt sind, bleibt es bei der abkommensrechtlichen Freistellung. Der Umstand, dass hierdurch völkerrechtliche Verträge in Gestalt der DBA überschrieben werden (treaty override), ist verfassungsrechtlich zulässig.3

II. Tatbestandsvoraussetzungen 1. Ausschüttungen, die nach einem DBA freigestellt sind Tatbestandlich erfasst § 16 Abs. 4 Satz 1 InvStG nur Ausschüttungen. Die Norm knüpft damit 79 isoliert an die Investmentertragskategorie des § 16 Abs. 1 Nr. 1 InvStG an. Der Begriff der Ausschüttung ist in § 2 Abs. 11 InvStG legaldefiniert. Als einzig praktisch relevanter Fall für abkommensrechtlich freigestellte Ausschüttungen ist wie vorstehend erörtert das Schachtelprivileg entsprechend der Art. 10 und 23A OECD-MA zu nennen. Nur soweit Ausschüttungen eines Investmentfonds in dem betr. Abkommen – nach Auffassung Kammeter – ausdrücklich4 dem dortigen Dividendenartikel zugeordnet sind, kommt eine Aktivierung jenes Schachtelprivilegs in Betracht. Die Beantwortung der Frage, ob mit der Neufassung des InvStG i.Ü. eine Zuordnung zum Dividendenartikel ausscheidet, ist allerdings umstritten. Stellungnahme Kammeter. Diese Frage ist insofern zu bejahen, als eine Zuordnung zu Art. 10 OECD-MA nach dessen unmittelbarem Wortlaut nicht mehr erfolgen kann. Denn einer Subsumtion unter die dritte Fallgruppe des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA („aus sonstigen Gesellschaftsanteilen stammende Einkünfte, die nach dem Recht des Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind“) ist mit der eigenständigen Qualifikation der Investmenterträge in § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG zwischenzeitlich der Weg versperrt.5 Auch ist die Definition des Dividendenbegriffs nicht allein für den Quellenstaat von Bedeutung.6 Für Zwecke des Methodenartikels (Schachtelprivileg) gilt dies gleichermaßen für den Ansässigkeitsstaat, ohne dass dieser jedoch an die Interpretation jenes Begriffs durch den Quellenstaat gebunden wäre.7 Dies korreliert indes mit der jüngeren DBA-Praxis, wonach für Investmentfonds durchgehend Sonderregelungen vereinbart werden, welche (das jeweilige Vertragsäquivalent zu) Art. 10 OECD-MA zwar ausdrücklich, aber unter weiteren fondsspezifischen Kautelen für anwendbar erklären.8 Stellungnahme Behrens. Die Frage ist zu verneinen. Die in § 20 Abs. 1 EStG angelegte nationale Unterscheidung zwischen Dividenden (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) und Investmenterträgen i.S.d. § 16 InvStG (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG) hat insoweit für das Abkommensrecht und damit,

1 Nur wenn eine abkommensrechtliche Freistellung im Einzelfall gegeben ist (1. Prüfungsschritt), stellt sich die Frage des § 16 Abs. 4 InvStG (2. Prüfungsschritt). Soweit im Abkommen selbst eine entsprechende Subject-to-tax-Klausel enthalten ist und eine Freistellung bereits danach ausscheidet, kommt es auf § 16 Abs. 4 InvStG nicht mehr an. 2 Statt aller Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 16 InvStG Anm. 9 (Stand: August 2021). Eine Verankerung der Regelung auf bilateraler Ebene (DBA) sei „praktisch nicht umsetzbar“ gewesen, BTDrucks. 18/8045, 87. 3 Vgl. Fn. 5 auf S. 353. 4 Art. 10 Abs. 3 letzter Satzteil DE-VG. 5 Vgl. vormals § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG 2014 – Zuordnung zu § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. 6 Vgl. Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, DBA, Art. 10 OECD-MA Rz. 108 (Stand: März 2013). 7 Keine sog. Qualifikationsverkettung, Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, DBA, Art. 10 OECD-MA Rz. 109 (Stand: März 2013): „Vielmehr legen beide Vertragsstaaten den Dividendenbegriff unter Anwendung von Art. 10 Abs. 3 autonom aus Sicht ihres innerstaatlichen Rechts iÜ aus.“ 8 Vgl. noch zum InvStG 2004: Kaeser in Wassermeyer, DBA, Art. 10 OECD-MA Rz. 229 (Stand: Januar 2014). Kammeter/Behrens | 383

§ 16 Rz. 79 | Investmenterträge soweit § 16 Abs. 4 InvStG betroffen ist, auch für die Auslegung des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA keine Bedeutung. Bei der Auslegung des Dividendenbegriffs des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA sind nur die innerstaatlichen Regelungen des jeweiligen Quellenstaats zu beachten.1 Irrelevant ist hingegen das innerstaatliche Begriffsverständnis im Wohnsitzstaat.2 Im Anwendungsbereich des § 16 Abs. 4 InvStG, der Ausschüttungen ausländischer Investmentfonds behandelt, ist die inländische Sonderstellung der Investmenterträge in § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG mithin unbeachtlich. Überdies enthält § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG (oder eine andere inländische Vorschrift) auch keinen entsprechenden sog. treaty override, womit die inländische Einkünftequalifikation auch nicht auf diesem Wege Geltung erlangen könnte (ebenso Anh. 7 Rz. 16). 80 Vorabpauschalen sind tatbestandlich von § 16 Abs. 4 Satz 1 InvStG nach dessen Wortlaut

nicht erfasst. Dies wird indes nur in dem Fall relevant, dass man auch in Vorabpauschalen eine Form von Investmenterträgen (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 InvStG) sieht, die grds. einer abkommensrechtlichen Freistellung unterfallen. Lehnt man dies ab, bedarf es auch keiner Regelung entsprechend § 16 Abs. 4 InvStG. Ob Vorabpauschalen dem abkommensrechtlichen Schachtelprivileg unterfallen, ist in der Literatur allerdings umstritten.3 Weil die sog. Vorabpauschalen Ausschüttungen des Investmentfonds vorwegnehmen, sollten sie auch im Anwendungsbereich von DBA und von § 16 Abs. 4 InvStG Ausschüttungen i.S.v. § 2 Abs. 11 InvStG gleichgestellt sein (ebenso Anh. 7 Rz. 20).4

81 Bei einer ertragsteuerlichen Organschaft ist § 15 Sätze 3 und 4 KStG zu beachten. Danach ist

für Zwecke des § 16 Abs. 4 InvStG auf den Organträger als Anleger i.S.d. § 2 Abs. 10 InvStG abzustellen. 2. Ausländischer Investmentfonds

82 Die Frage, ob ein Investmentfonds in- oder ausländisch ist, beantwortet § 2 Abs. 2 und 3

InvStG. Es kommt danach darauf an, welchem Recht er unterliegt. Dies ist nicht etwa wie in der Vorgängerregelung (§ 1 Abs. 2 Sätze 3 bis 5 InvStG 2004) das Aufsichtsrecht. Entschei-

1 Nach dem Verständnis Behrens ebenso Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, DBA, Art. 10 OECDMA Rz. 108 (Stand: März 2013) sowie Rz. 140, 149 (Stand: August 2014), allerdings anders in Rz. 109, vgl. Fn. 7 auf S. 383. 2 Tischbirek/Specker in Vogel/Lehner7, Art. 10 OECD-MA Rz. 184; vgl. zu diesem Verhältnis der in § 20 Abs. 1 EStG und in DBA vorkommenden Begrifflichkeiten: Schmidt in BeckOK EStG, § 20 Rz. 224 ff. (Stand: Juli 2022). 3 Kammeter, ISR 2016, 99 (104, Fn. 55); zur Figur der ausschüttungsgleichen Erträge Tischbirek/Specker in Vogel/Lehner7, Art. 10 OECD-MA Rz. 22, 213 und 230 mit Hinweis auf die Verwaltungsauffassung zu Zeiten der Geltung des KAGG, welche dies für thesaurierte Erträge im Inbound-Fall bejahte (BMF v. 30.3.1998 – IV C 7 - S 1301 Jap-5/98, BStBl. I 1998, 367; das Schreiben wurde durch Nichtaufnahme in die Positivliste des BMF v. 23.4.2010 – IV A 6 - O 1000/09/10095 – DOK 2010/0197416, BStBl. I 2010, 391, für die Zeit ab dem 1.1.2009 außer Kraft gesetzt); vgl. auch die Parallele zu anderen Formen der fiktiven Ertrags- bzw. Einkünftezuweisung wie die Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 ff. AStG; zu den Argumenten in jenem Kontext Tischbirek/Specker in Vogel/Lehner7, Art. 10 OECD-MA Rz. 222 ff. 4 Die abkommensrechtliche Diskussion ist in diesem Punkt nicht entschieden (vgl. Fn. 1 auf dieser Seite) – dies nicht zuletzt, weil die normative DBA-Landschaft für sich keine zwingenden Argumente in die eine oder die andere Richtung bietet. Stellt man am Ende auf die Gesamtstimmigkeit des abkommensrechtlichen Normengefüges ab, spricht alles für eine Gleichbehandlung jener fiktionsbasierten Surrogate mit dem Original. Denn diesem sind sie als innerstaatliche Hilfskonstrukte sachlich nachgebildet (auch wenn sich die Vorabpauschale im Vergleich zu den ausschüttungsgleichen Erträgen des Vorgängerregimes hiervon ein Stück weit entfernt hat); vgl. auch Richter, Ubg 2016, 9 (10), der die Folgeprobleme beim abkommensrechtlichen Umgang mit der Vorabpauschale für den Fall beschreibt, dass man jene nicht unter den Dividendenbegriff des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA oder auch nur eine andere Verteilungsnorm zu subsumieren vermag.

384 | Kammeter/Behrens

E. Treaty override (Abs. 4) | Rz. 83 § 16

dend ist vielmehr, unter welchem Recht der Investmentfonds aufgelegt wurde und nach wessen Bestimmungen sich die Ausgestaltung und die Anlagebedingungen richteten. Abzustellen ist dabei auf das jeweilige Privatrecht.1 Aufgrund der abkommensrechtlichen Anforderungen des Schachtelprivilegs – Beteiligungskette aus KapGes. – kommen hier im Grundsatz (vorbehaltlich anderslautender Regelungen im konkret anzuwendenden DBA) nur ausländische Investmentfonds in dieser Rechtsform in Betracht.2 3. Allgemeine Ertragsbesteuerung

Wesentliche Voraussetzung ist, dass der Investmentfonds in dem Staat, dem nach dem DBA das 83 Besteuerungsrecht zusteht, der allgemeinen Ertragsbesteuerung unterliegt, § 16 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 InvStG. Das Besteuerungsrecht steht insofern dem Ansässigkeitsstaat des Investmentfonds zu.3 § 16 Abs. 4 Satz 3 InvStG definiert für die Zwecke von § 16 Abs. 4 InvStG den Terminus der allgemeinen Ertragsbesteuerung.4 Danach muss der Fonds einer Ertragsbesteuerung i.H.v. mindestens 10 % unterliegen und nicht von ihr befreit sein. Es genügt, dass es sich um eine nominelle Steuerbelastung in dieser Höhe handelt.5 Schädlich ist hingegen eine persönliche Befreiung. Eine sachliche Steuerbefreiung von einzelnen Einkunftsarten ist unschädlich.6 Dies gilt ebenso für Verlustverrechnungsmöglichkeiten und andere konkrete Situationen, die eine effektiv niedrigere Steuer im Einzelfall zur Folge haben. Betrifft die sachliche Steuerbefreiung hingegen alle oder fast alle Einkunftsarten, ist dies schädlich.7 Zudem dürften in diesem Fall auch die weiteren Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 InvStG nicht erfüllt sein. Der Begriff

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.2. Der Wortlaut ist der Gesetzesbegründung entlehnt, BT-Drucks. 18/8045, 68. Dort wird diese Interpretation auf eine Parallele zum Aufsichtsrecht (§ 1 Abs. 7 bis 9 KAGB) gestützt; in der dortigen Gesetzesbegründung findet sich der Hinweis auf das Internationale Privatrecht, BR-Drucks. 791/12, 366. Friktionen zum Internationalen Steuerrecht (Abkommensrecht) sind damit nicht ausgeschlossen. Selbst wenn man im jeweiligen Privatrecht einen tauglichen Anknüpfungspunkt für die Frage der abkommensrechtlichen Ansässigkeit sieht (Art. 4 Abs. 1 OECD-MA „Person, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ... eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist“), ist vorliegend bereits problematisch, dass die StPfl. des § 6 Abs. 2 InvStG hieran nicht anknüpft. Vielmehr sind dort allein die stpfl. inländischen Einkünfte genannt, gleich ob es sich um einen inländischen oder einen ausländischen Investmentfonds handelt, der diese erzielt. Darüber hinaus stellt der (in der Sache unveränderte) territoriale Besteuerungsansatz des § 6 Abs. 2 InvStG vor dem Hintergrund des Art. 4 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA eine weitere Hürde dar (wenngleich diese aus Sicht des Gesetzgebers mit der nachträglichen Schaffung des Etiketts „unbeschränkte Steuerpflicht“ in § 6 Abs. 1 Satz 1 zweite Satzhälfte InvStG nunmehr genommen sein soll). Hinzu kommen schließlich offene Fragen im Fall der Doppelansässigkeit, etwa bei der grenzüberschreitenden Fondsverwaltung, vgl. Art. 4 Abs. 3 OECD-MA (Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung als tie-breaker). 2 Zum sog. Rechtstypenvergleich vgl. BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 411, sowie die Tabellen 1 und 2 in BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.19; das Schreiben stellt hier zu Recht auf den abkommensrechtlich relevanten Terminus der Ansässigkeit ab. Maßgeblich dürfte hier aus Verwaltungssicht das privatrechtliche Kriterium des § 2 Abs. 3 InvStG sein, vgl. Rz. 2.2 des Schreibens; zu den offenen Fragen in diesem Zusammenhang vgl. Fn. 1 auf dieser Seite. 4 Nach Ansicht von Rüsch, ISR 2020, 142, ist die Konkretisierung in § 16 Abs. 4 Satz 3 InvStG angesichts des Gesetzeswortlauts („… ist auszugehen …“) als unwiderlegbare Vermutung formuliert und hat praktisch wenig Bedeutung. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.22, eine tatsächliche Belastungsrechnung im konkreten Einzelfall ist mithin nicht erforderlich. 6 Unausgesprochenes Leitbild bilden §§ 6 Abs. 1, 7 InvStG als unschädliche Form einer sachlich begrenzten StPfl. 7 Insgesamt hierzu BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.22. Nach Ansicht von Rüsch, ISR 2020, 142, hat diese Verwaltungsansicht keine gesetzliche Grundlage. Kammeter/Behrens | 385

§ 16 Rz. 83 | Investmenterträge der Ertragsbesteuerung unterstellt eine im Zeitablauf gemessene Veränderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Nettobetrachtung) als Grundlage der Besteuerung1. § 16 Abs. 4 Satz 2 InvStG stellt klar, dass Satz 1 auch in den Fällen anwendbar ist, in denen abkommensrechtlich ein Quellensteuerhöchstsatz von 0 % im Ansässigkeitsstaat des Investmentfonds gilt.2 4. Ausschüttung aus überwiegend nicht steuerbefreitem Substrat 84 § 16 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 InvStG ordnet eine wirtschaftliche Belastungsrechnung an. Danach

muss die einzelne Ausschüttung auf überwiegend nicht steuerbefreiten Einkünften beruhen. Beruhen bedeutet Kausalität zwischen diesen Merkmalen. Dies soll dann nicht der Fall sein, wenn der Fonds sachliche Steuerbefreiungen im quantitativ schädlichen Umfang in Anspruch nimmt oder die ausgeschütteten Erträge von seiner steuerlichen Bemessungsgrundlage abzieht.3 Eine Durchschau auf die einzelnen Zielgesellschaften und die dortige Steuerbelastung soll hingegen nicht statthaft sein.4 Dies würde dem Vereinfachungszweck und der Grundkonzeption der neuen Besteuerungsvorschriften für Investmentfonds widersprechen.5 Diese Auffassung vermag nicht zu überzeugen. Das Schachtelprivileg ist per se auf die Vermeidung der wirtschaftlichen Doppel- und Mehrfachbesteuerung in Konzernsachverhalten gerichtet. Rechtliche Aspekte wie das Trennungsprinzip einer KapGes. dürfen in diesem Zusammenhang daher keine Rolle spielen. Diese Zielrichtung flankiert § 16 Abs. 4 InvStG vielmehr, wenn er eine wirtschaftliche Mindestvorbelastung in den Blick nimmt. Konsequent wäre es daher, nicht nur den Rechtsmantel des Investmentfonds für die Untersuchung einer wirtschaftlichen Mindestbelastung beiseite zu schieben, sondern die relevante Ausschüttungskette auch notfalls bis zur Quelle hin zu untersuchen. Dies gilt umso mehr, als ein Investmentfonds schon kraft seiner Definition nicht das erste Glied in dieser Kette ist: § 1 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 KAGB setzt voraus, dass es sich bei dem Organismus um „kein operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors“ handelt. Ein Investmentfonds hat damit in aller Regel eine Qualität, die derjenigen einer Gesellschaft der zweiten Stufe bzw. einer Zwischenholding vergleichbar ist. Ausgehend von der Idee des Schachtelprivilegs ist eine Steuerfreiheit dort sachgerecht. Konsequent wäre es daher, für die Frage der steuerlichen Vorbelastung nicht beim Investmentfonds selbst stehen zu bleiben. Die Fallzahlen im Bereich des § 16 Abs. 4 InvStG dürften sich zudem sehr in Grenzen halten. Selbst die Gestaltungen, die zur Schaffung der Norm maßgeblich mit beigetragen haben, stützen dieses Petitum.6 Eine steuerliche Vorbelastung war hier nicht auszumachen. Vielmehr standen am Anfang der Kette Zinseinnahmen, die beim Schuldner zu Betriebsausgaben und beim Investmentfonds als Gläubiger wie auch dessen Anlegern zu keiner steuerlichen Belastung geführt hatten.

1 Üblicherweise bildet hierfür ein Jahresturnus die Grundlage; allerdings ist dies dem Begriff der Ertragsbesteuerung nicht immanent; a.A. Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 16 InvStG Anm. 20 („jährliche Abschnittsbesteuerung“) (Stand: August 2021). 2 § 16 Abs. 4 Satz 2 InvStG ist u.E. in der Tat rein deklaratorisch. Auch ohne diese Klarstellung konnte man keinen redlichen Zweifel haben, dass eine Quellensteuersatzbegrenzung auf 0 % auf der Fondsausgangsseite zu einem Ausschluss des Grundtatbestands führt. Denn Satz 1 richtete sich mit seiner Ausnahme von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auf der Rechtsfolgenseite allein an Deutschland als Ansässigkeitsstaat des Anteilseigners. Die Nr. 1 und 2 in Satz 1 stellen tatbestandlich allein auf die Fondseingangsseite ab, BR-Drucks. 119/16, 97. Die Situation der Fondsausgangsseite im Quellenstaat ist daher kein Anknüpfungspunkt des Tatbestands in § 16 Abs. 4 Satz 1 InvStG. Satz 2 stellt insofern lediglich klar, dass dieser Aspekt die „Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Satzes 1“ (BR-Drucks. 119/16, 97) unberührt lässt. 3 BT-Drucks. 18/8045, 87; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.20. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.20. 5 BT-Drucks. 18/8045, 87. 6 Zuletzt etwa BFH v. 21.3.2021 – I R 61/17, BFH/NV 2021, 974 (insbes. Rz. 4: „zu mehr als 90 % festverzinsliche Wertpapiere“).

386 | Kammeter/Behrens

Erträge bei Abwicklung eines Investmentfonds | § 17

III. Verfahrensfragen 1. Feststellungslast Soweit ein Sachverhalt nicht aufklärbar ist, trägt grds. jede Seite im Steuerverfahren die Fest- 85 stellungslast (objektive Beweislast) für die ihr günstigen Umstände. Der StPfl. hat danach etwa die Voraussetzungen für steuermindernde Umstände darzulegen, die FinVerw. für die Frage, ob ein bestimmter Sachverhalt sich steuererhöhend auswirkt. Indem § 16 Abs. 4 InvStG eine an sich nach dem einschlägigen DBA gegebene Steuerfreistellung von weiteren Voraussetzungen abhängig macht, begünstigt er strukturell die FinVerw. Nach allgemeinen Grundsätzen läge es an ihr, die weiteren Voraussetzungen darzulegen. Hieran ändert auch die erhöhte Mitwirkungspflicht des StPfl. für Auslandssachverhalte gem. § 90 Abs. 2 AO im Grundsatz nichts, soweit er im zumutbaren Rahmen alle insoweit gebotenen Möglichkeiten zur Sachverhaltsaufklärung ausschöpft.1 Vorliegend könnte im Einzelfall durchaus die Grenze der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit erreicht sein, soweit es um die Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 InvStG geht. Dieser knüpft für jede einzelne Ausschüttung an Tatbestände auf der Fondseingangsseite an (sachliche Steuerfreiheit, Zusammensetzung der Ausschüttung, Kausalität), die sich nicht ohne Mitwirkung der Fondsverwaltung aufklären lassen. Umso erstaunlicher ist hier, dass – anders als bei der Nr. 1 – keine Umkehr der Feststellungslast im Gesetz verankert ist.2 Für die Frage der allgemeinen Ertragsteuerbelastung in § 16 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 InvStG liegt nämlich die objektive Beweislast beim StPfl.: Satz 3 verlangt den entsprechenden Nachweis ausdrücklich vom Anleger. 2. Kapitalertragsteuer Die Frage der abkommensrechtlichen Steuerfreiheit von Ausschüttungen und damit die tat- 86 bestandliche Prüfung des § 16 Abs. 4 InvStG ist im Veranlagungs- und nicht im Steuerabzugsverfahren zu klären.3 Im Steuerabzugsverfahren ist allenfalls ausländische Quellensteuer anzurechnen (§ 43a Abs. 3 EStG). Eine abkommensrechtliche Freistellung ist dort nicht zu berücksichtigen.4

§ 17 Erträge bei Abwicklung eines Investmentfonds (1) 1Während der Abwicklung eines Investmentfonds gelten Ausschüttungen eines Kalenderjahres insoweit als steuerfreie Kapitalrückzahlung, wie der letzte in diesem Kalenderjahr festgesetzte Rücknahmepreis die fortgeführten Anschaffungskosten unterschreitet. 2Maßgeblich für die Zwecke des Satzes 1 sind bei bestandsgeschützten Alt-Anteilen die fiktiven Anschaffungskosten nach § 56 Absatz 2 Satz 2 und 3. 3Im Übrigen ist auf die tatsächlichen Anschaffungskosten abzustellen. 4Satz 1 ist höchstens für einen Zeitraum von fünf Kalenderjahren nach dem Kalenderjahr, in dem die Abwicklung beginnt, anzuwenden. 1 Kobor in BeckOK AO, § 90 Rz. 25 ff. (Stand: Januar 2022). 2 Nach Ansicht von Rüsch, ISR 2020, 142, gilt die Beweislastumkehr nur für die unwiderlegbare Vermutung in § 16 Abs. 4 Satz 3 InvStG, nicht aber für das Vorliegen der allgemeinen Ertragsteuerbelastung an sich. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.17. 4 § 50d Abs. 2 EStG (Freistellung im Abzugsverfahren auf DBA-Grundlage) richtet sich an den inländischen Schuldner (Quellenstaat) und behandelt daher den gegenläufigen Sachverhalt. Kammeter/Behrens und Hensel/Kammeter | 387

§ 17 Rz. 1 | Erträge bei Abwicklung eines Investmentfonds (2) 1Als Beginn der Abwicklung eines inländischen Investmentfonds gilt der Zeitpunkt, zu dem das Recht der Kapitalverwaltungsgesellschaft zur Verwaltung des Investmentfonds erlischt. 2Als Beginn der Abwicklung eines ausländischen Investmentfonds gilt der Zeitpunkt, zu dem das Recht der Verwaltungsstelle zur Verwaltung des Investmentfonds erlischt, es sei denn, der gesetzliche Vertreter des ausländischen Investmentfonds weist einen davon abweichenden Beginn der Abwicklung nach. (3) Die Anschaffungskosten eines Investmentanteils sind um die Ausschüttungen, die nach Absatz 1 nicht zu den Erträgen gehören, zu mindern. A. I. II. III. IV.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . 1 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2. Verhältnis zu Vorschriften des EStG . . 8 B. Grundregelung (Abs. 1) I. Steuerfreiheit der Kapitalrückzahlung (Abs. 1 Satz 1) 1. „Während der Abwicklung eines Investmentfonds“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2. „Gelten Ausschüttungen nur insoweit als steuerfreie Kapitalrückzahlung, wie

II. III. IV. V. C. D.

der letzte in diesem Kalenderjahr festgesetzte Rücknahmepreis die fortgeführten Anschaffungskosten unterschreitet“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition der fortgeführten Anschaffungskosten (Abs. 1 Sätze 2 und 3) . . . . . Abwicklungsphase (Abs. 1 Satz 4) . . . . . . Rechtslage bis 31.12.2019 . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Erstattung von Kapitalertragsteuer in den Fällen der steuerfreien Kapitalrückzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abwicklungsbeginn (Abs. 2) . . . . . . . . . Minderung der Anschaffungskosten (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12 14 18 22 24 27 31

Literatur: Jansen/Greger, Investmentsteuer 2018 – Erste Praxis- und Anwendungsfragen, BB 2018, 1243.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck 1 § 17 InvStG beinhaltet Sonderregelungen zur Besteuerung von Ausschüttungen im Zeit-

raum der Abwicklungsphase von Investmentfonds. Die Regelung weicht vom allgemeinen Grundsatz in § 16 InvStG ab. Dieser sagt aus, dass Ausschüttungen generell einer Besteuerung unterliegen – unabhängig davon, ob die Quelle Zins-, Dividenden- oder Veräußerungserträge sind oder lediglich Substanzauskehr darstellen. Indem § 17 InvStG die Steuerfreiheit von Ausschüttungen in der Liquidationsphase anordnet, durchbricht der Gesetzgeber den in § 16 InvStG geregelten Grundsatz für den klar definierten Zeitraum der Abwicklung. Dadurch werden jedenfalls die in einer Ausschüttung enthaltenen Kapitalrückzahlungen als Teil einer Substanzauskehrung in diesem Zeitraum stfrei gestellt. Damit entspricht § 17 InvStG insoweit der grundsätzlichen Rechtslage vor dem 1.1.2018.

2 Die in § 17 InvStG geregelte Ausnahme zu § 16 InvStG ist sachgerecht. Eine Liquidation be-

deutet Veräußerung der Wirtschaftsgüter (im Fondsvermögen) und Auskehr des Erlöses (= Substanzauskehr). Ein reguläres Wirtschaften (auf going concern-Basis) ist hier gerade nicht mehr zu verzeichnen. Sollten gleichwohl noch Wertzuwächse in jener Phase zu verzeichnen sein, werden diese typisiert ermittelt und nur insoweit der Besteuerung unterworfen, als Ausschüttungen in hinreichender Höhe erfolgen.

388 | Hensel/Kammeter

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 7 § 17

II. Anwendungsbereich Die Steuerfreiheit gilt allein für den Zeitraum der Abwicklung. Kapitalrückzahlungen außer- 3 halb dieses Zeitraumes werden von der Regelung nicht erfasst. § 17 InvStG gilt für sämtliche Investmentfonds – unabhängig vom Rechtstyp. Zudem besteht keine Differenzierung zwischen inländischen und ausländischen Investmentfonds.

III. Rechtsentwicklung Die Genese dieser Vorschrift ist ein klassisches Beispiel für die Tatsache, dass zwischen dem 4 Entwurf eines Gesetzes und der tatsächlichen Verabschiedung der Norm regelmäßig diverse Ergänzungen, Streichungen oder auch Klarstellungen erfolgen. Die Sonderregelung zur Steuerfreiheit war im Diskussionsentwurf des BMF vom Juli 2015 nicht enthalten. Erst der Referentenentwurf des BMF zur Investmentsteuerreform beinhaltete eine solche Regelung. Dem Zögern liegt vor allem das Problem zugrunde, dass entsprechend dem alten System eine steuerlich neutrale Behandlung von Kapital durch einen entsprechenden steuerlichen Ausweis von Substanz sichergestellt werden müsste. Dies hätte allerdings dem Vereinfachungseffekt des neuen Besteuerungsregimes für Publikum-Investmentfonds entgegengestanden. Der Gesetzgeber kam hierbei den Forderungen der Verbände nach. Diese hatten nämlich an- 5 geführt, dass die Besteuerung von Substanzausschüttungen im Rahmen einer mehrjährigen Liquidationsphase zu einer nicht gerechtfertigten Besteuerung der Vermögensphäre führen würde (zur Frage, ob der Fünfjahreszeitraum ausreichend ist, vgl. Rz. 18). Für andere Fälle, in denen nach Auffassung der Verbände konzeptbedingt ebenfalls ein nicht unerheblicher Teil der Substanz ausgeschüttet werden muss (z.B. bei einem – insbes. als Teil der Altersvorsorge aufgesetzten – Fondsentnahmeplan mit Kapitalverzehr zum Laufzeitende), sah der Gesetzgeber hingegen nicht die Notwendigkeit für eine Ausnahmeregelung. Mit dem „JStG 2019“ v. 12.12.20191 wurde Abs. 1 maßgeblich neu gefasst. Nach § 57 Satz 1 6 Nr. 6 InvStG gelten die Änderungen ab dem 1.1.2020. Anlass der Neuregelung war der Befund, dass die bisherige Fassung der Norm nicht sicherstelle, dass erst die von den Anlegern erzielten Wertsteigerungen aus vorangegangenen Geschäftsjahren versteuert werden, bevor es zu steuerfreien Kapitalrückzahlungen kommt.2 Darüber hinaus sollte klargestellt werden, dass negative AK ausgeschlossen seien. Dementsprechend wurde Abs. 1 Satz 1 dahingehend geändert, dass steuerfreie Kapitalrückzahlungen nur insoweit angenommen werden, wie der letzte im Kalenderjahr festgesetzte Rücknahmepreis die fortgeführten AK unterschreiten würde. In den Sätzen 2 und 3 regelte der Gesetzgeber, welche – fortgeführten – AK maßgeblich seien sollten. Für die Anteile, die vor 2009 erworben waren, seien die fiktiven AK zum 1.1.2018 maßgebend. Im Übrigen seien die tatsächlichen AK zu berücksichtigen.

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG

§ 16 Abs. 1 Nr. 1 InvStG regelt den stpfl. Ertrag eines Fonds. Dies ist grds. alles, was der Fonds 7 an den Anleger ausschüttet. Was unter Ausschüttung zu verstehen ist, definiert § 2 Abs. 11 InvStG. Danach umfassen Ausschüttungen sämtliche Beträge, die dem Anleger ausgezahlt oder gutgeschrieben werden, und zwar unabhängig von deren Herkunft. § 17 InvStG nimmt von dem umfassenden Ertragsbegriff des § 16 InvStG bestimmte Ausschüttungen wieder heraus. 1 BGBl. I 2019, 2451. 2 Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drucks. 356/19, 201. Hensel/Kammeter | 389

§ 17 Rz. 8 | Erträge bei Abwicklung eines Investmentfonds 2. Verhältnis zu Vorschriften des EStG 8 Die nach § 16 InvStG stpfl. Erträge aus Investmentfonds werden über § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG

zu stpfl. Einnahmen des Anlegers. Insofern wirkt sich § 17 InvStG als Ausnahme zu § 16 InvStG beim Anleger dahingehend aus, dass dessen Einnahmen aus Kapitalvermögen gerade nicht Ausschüttungen i.S.d. § 17 InvStG umfassen.

9 § 44b Abs. 1 EStG regelt im Kontext zu § 17 InvStG die Erstattung von Kapitalertragsteuern,

die auf nicht steuerbare Ausschüttungen in der Ausschüttungsphase anfallen.

B. Grundregelung (Abs. 1) I. Steuerfreiheit der Kapitalrückzahlung (Abs. 1 Satz 1) 1. „Während der Abwicklung eines Investmentfonds“ 10 Mit der Formulierung macht der Gesetzgeber deutlich, dass die Steuerfreiheit von Ausschüt-

tungen1 restriktiv allein auf die Zeit des Abwicklungsverfahrens beschränkt ist (zum Hintergrund s. Rz. 3). Dies ist im Hinblick auf das Ziel des Gesetzgebers, ein relativ einfaches System der Besteuerung zu gewährleisten, gerechtfertigt. Weitere Ausnahmen von diesem Grundsatz hätten zu mehr Verwaltungsaufwand auf allen Seiten – insbes. bei den auszahlenden Stellen bezüglich möglicher Erstattungsbeträge sowie ggf. aufseiten der FinVerw. wegen möglicher Veranlagungsfälle – geführt. Demgegenüber ist es nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber die in anderen Fällen entstandene Besteuerung von Substanzauskehrungen erst zum Zeitpunkt der Rückgabe oder der Veräußerung der Anteile berücksichtigt (zur verfassungsrechtlichen Diskussion § 16 InvStG Rz. 47 ff.).

11 Nach Satz 1 ist es notwendig, dass die Erträge während der Abwicklung eines Investment-

fonds ausgeschüttet werden, um in den Anwendungsbereich der Norm zu gelangen. Unter Abwicklung in diesem Sinne ist eine solche nach § 100 KAGB oder einer ausländischen vergleichbaren Vorschrift zu vestehen. Die genaue Definition dieses Zeitraums ergibt sich aus Abs. 2. Problematisch sind hierbei die Fälle, in denen das Verwaltungsrecht der KVG bereits vor dem 1.1.2018 erloschen ist. Zu diesem Zeitpunkt galt das neue InvStG noch nicht. Nach dem Wortlaut knüpft der Fristbeginn des § 17 Abs. 1 InvStG allein an das Erlöschensmoment nach § 17 Abs. 2 Satz 1 InvStG an. Insofern könnte die Anwendung des § 17 InvStG in diesen Fällen zweifelhaft sein. Unseres Erachtens ist jedoch § 17 InvStG dahingehend extensiv auszulegen, dass Fonds, deren Abwicklungsbeginn vor dem Anwendungsbeginn des neuen InvStG lag, ebenfalls in den Anwendungsbereich des § 17 Abs. 1 InvStG fallen. Diese erweiternde Anwendung des § 17 InvStG ist sachgerecht. Denn unter der Geltung des alten InvStG waren Substanzausschüttungen stets stfrei möglich. Allerdings kann die Frist des Abs. 2 frühestens am 1.1.2018 beginnen (vgl. Rz. 20 f.). 2. „Gelten Ausschüttungen nur insoweit als steuerfreie Kapitalrückzahlung, wie der letzte in diesem Kalenderjahr festgesetzte Rücknahmepreis die fortgeführten Anschaffungskosten unterschreitet“

12 Mit dieser Formulierung möchte der Gesetzgeber sicherstellen, dass eine steuerfreie Kapital-

rückzahlung erst dann möglich ist, wenn zuvor alle vom Anleger erzielten Wertsteigerungen

1 Mit dem Wortlaut ist in der Abwicklungsphase allein von Ausschüttungen auszugehen. Selbst wenn die Voraussetzungen für den Ansatz einer Vorabpauschale vorliegen sollten, ist diese im Hinblick auf das absehbare Ende eines Investmentfonds nicht anzusetzen (vgl. ausführlicher § 16 InvStG Fn. 2 auf S. 356).

390 | Hensel/Kammeter

B. Grundregelung (Abs. 1) | Rz. 14 § 17

besteuert wurden.1 Zwingend ist nach der Formulierung zunächst, dass für die Anteile Rücknahmepreise festgesetzt werden. Denn ohne diese können keine Vergleichsrechnungen vorgenommen werden. Der maßgebliche Rücknahmepreis muss allerdings nicht unbedingt am Ende des Kalenderjahres festgesetzt werden.2 Ausweislich des insofern eindeutigen Wortlauts ist auf den überhaupt letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis abzustellen. Wenn ein Investmentfonds in dem Kalenderjahr jedoch keine Rücknahmepreise ermittelt und auch veröffentlicht, dann ist die Anwendung von § 17 ausgeschlossen, sodass die Ausschüttung voll zu versteuern ist.3 Das Gesetz lässt alternativ keine Börsen- oder Marktpreise als Vergleichsmaßstab zu. Hintergrund hierfür ist die Tatsache, dass eine rechtssichere Bewertung des Fondsvermögens für die Vergleichsberechnung erforderlich ist. Börsen- oder Marktpreise können diese Sicherheit nicht gewährleisten, wenn z.B. Investmentfonds vorübergehend geschlossen sind oder an den Märkten für derartige Vehikel ein sehr geringer Handelsumfang besteht. Denn insofern beeinflussen externe Erwartungen der Marktteilnehmer oder Marktunzulänglichkeiten die Preisbildung. Da zudem in den §§ 18, 22 InvStG jeweils der Markt- oder Börsenpreis als Alternative ausdrücklich vorgesehen ist, kann eine Regelungslücke in § 17 InvStG nicht konstatiert werden. Auch entspricht die Nichtregelung der Gesetzesbegründung.4 Eine analoge Anwendung der erwähnten Ersatzgrößen für eine unterbliebene Rücknahmepreisfeststellung ist damit für Zwecke des § 17 InvStG ausgeschlossen.5 Der Maßstab zur Bildung der fortgeführten AK ergibt sich zum einen aus Abs. 1 Satz 2 und 13 3 sowie zum anderen aus Abs. 3. Denn mit den fortgeführten AK sind die um die steuerfreien Kapitalrückzahlungen geminderten AK gemeint.6 Beispiel: Der Anleger A hat im Kalenderjahr 01 den Investmentanteil für 100 € erworben. Im Kalenderjahr 02 beginnt die Abwicklung des Investmentfonds. Am 10.5.03 werden 8 € und am 10.8.03 werden 7 € – also insgesamt 15 € – ausgeschüttet. Der letzte im Kalenderjahr 03 festgestellte Rücknahmepreis am 31.12. beträgt 90 €. Lösung: Dieser letzte Rücknahmepreis unterschreitet die AK des A um 10 €, sodass nach § 17 Abs. 1 Satz 1 InvStG die Ausschüttungen des Jahres 03 i.H.v. 10 € als steuerfreie Kapitalrückzahlung und i.H.v. 5 € als stpfl. Ertrag gelten. Nach § 17 Abs. 3 InvStG mindern die steuerfreien Kapitalrückzahlungen die AK. Das heißt, im Jahr 04 sind bei der Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 1 InvStG nicht mehr die AK von 100 €, sondern nur noch die fortgeführten AK von 90 € anzusetzen.

II. Definition der fortgeführten Anschaffungskosten (Abs. 1 Sätze 2 und 3) Abs. 1 Sätze 2 und 3 dienen dem Ziel, den Wertmaßstab für die fortgeführten AK zu bilden. 14 Sie finden abhängig vom Anschaffungsdatum der Fondsanteile Anwendung. Wenn der Anleger die Investmentanteile vor dem Jahr 2009 erworben hat und sie seitdem im Privatvermögen gehalten hat, sind die bis Ende 2017 eingetretenen Wertveränderungen steuerfrei (vgl. § 56 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 InvStG). Sie dürfen daher für die Berechnung des stpfl. Wertzuwachses keine Rolle spielen, sodass bei der Berechnung nach Satz 2 auf die fiktiven AK zum 1.1.2018 abzustellen ist. Hat der Anleger hingegen die Anteile nach Einführung der Abgeltungsteuer erworben oder im Betriebsvermögen gehalten, ist in diesem Fall auf die tatsächlichen AK abzustellen, da alle Wertveränderungen stpfl. sind. 1 2 3 4 5 6

Vgl. BR-Drucks. 356/19, 201. So auch Jung in BeckOK/InvStG, § 17 Rz. 23. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 17.3. BT-Drucks. 19/13436, 176. A.A. Jung in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 17 InvStG Rz. 25 (Stand: Dezember 2020). Vgl. BR-Drucks. 356/19, 201. Hensel/Kammeter | 391

§ 17 Rz. 15 | Erträge bei Abwicklung eines Investmentfonds 15 Fraglich sind die Folgen, wenn die Anschaffungskosten nicht vorliegen. Hier ist vorab fest-

zustellen: Liegen dem Entrichtungspflichtigen keine AK vor, ist im Steuerabzugsverfahren durchgängig § 17 InvStG nicht anzuwenden.1 Eine Erstattung nach § 44b EStG ist nicht vorzunehmen. Warum keine AK vorliegen, ist nicht entscheidend. Der Steuereinbehalt ist also auch dann vorzunehmen, wenn vorher eine Depotübertragung erfolgte und keine Übermittlung der AK durchgeführt wurde. Dem Anleger bleibt es aber unbenommen, diese als Voraussetzung für die Geltendmachung von steuerfreien Kapitalrückzahlungen in der Veranlagung nachzuweisen. Eine Ausnahme lässt die FinVerw. bei nicht bestandsgeschützten Alt-Anteilen (vgl. § 56 Abs. 6 InvStG zum Begriff) zu, da hier mit Ersatzwerten gearbeitet werden kann.2 Danach kann folgender Ersatzwert für die fortgeführten AK zugrunde gelegt werden: Ersatzwert = Rücknahmepreis zum 31.12.2017 ./. fiktiver Veräußerungsgewinn nach § 56 Abs. 3 Satz 1 InvStG zum 31.12.2017

Beispiel:3 Der Anleger A erwirbt im Jahr 2009 einen Investmentanteil an dem teil-thesaurierenden Investmentfonds I zu einem Preis von 100 €. In den Jahren 2009 bis 2017 sind 25 € ausschüttungsgleiche Erträge (die auch in den Folgejahren nicht ausgeschüttet wurden), 5 € ausgeschüttete AfA-Beträge und 10 € Substanzausschüttungen angefallen. Der Rücknahmepreis zum 31.12.17 beträgt 150 €. Lösung: Der fiktive Veräußerungsgewinn beträgt 150 € ./. 100 € ./. 25 € + 5 € + 10 € = 40 €. Als Ersatzwert sind 150 € ./. 40 € = 110 € anzusetzen. Die zutreffenden fortgeführten AK wären dagegen 100 €, da die ausschüttungsgleichen Erträge, die Substanzausschüttungen in den Jahren vor 2018 und die ausgeschütteten AfA-Beträge grds. nicht bei der Fortführung der AK zu berücksichtigen sind.

16 Sollte es dem StPfl. im Veranlagungsverfahren gelingen, die Höhe der tatsächlichen AK nach-

zuweisen und zu belegen, dass die Summe der nach § 17 Abs. 1 Satz 1 InvStG steuerneutral zu behandelnden Ausschüttungen die Höhe der AK noch nicht erreicht hat, ist nach der FinVerw. von einer steuerneutralen Kapitalrückzahlung auszugehen.4 Sofern der StPfl. von dieser Nachweismöglichkeit Gebrauch macht, ist er bei nachfolgender Veräußerung des Investmentanteils verpflichtet, bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns die steuerneutralen Kapitalrückzahlungen gewinnerhöhend zu berücksichtigen und das FA auf diesen Umstand hinzuweisen. Denn der Entrichtungspflichtige geht ja von anderen Werten aus.

17 Beim Ansatz des oben angeführten Ersatzwerts durch den Entrichtungspflichtigen beanstan-

det es die FinVerw. allerdings nicht, wenn der StPfl. keine korrigierten Werte in seiner Steuererklärung gegenüber dem FA angibt und es ist auch von Amts wegen keine Korrektur vorzunehmen. Denn bei tatsächlicher Veräußerung des Investmentanteils ist sichergestellt, dass das für die Gesamthaltedauer zutreffende Besteuerungsergebnis erreicht wird.5

III. Abwicklungsphase (Abs. 1 Satz 4) 18 Abs. 1 Satz 4 begrenzt die Möglichkeit zur stfreien Ausschüttung innerhalb der Abwicklungs-

phase auf einen Zeitraum von fünf Kalenderjahren zzgl. des Kalenderjahrs, in dem die Abwicklung beginnt. Der Gesetzgeber typisiert damit für das Steuerrecht die Abwicklung auf fünf Jahre. Damit werden auch Gestaltungen, die mit einer – länger laufenden – Abwicklung einhergehen könnten, vermieden. Der Gesetzgeber bezieht sich somit ausdrücklich nicht auf 1 2 3 4 5

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 17.17. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 17.19. Vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 17.20. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 17.22. Vgl. hierzu Beispiel in BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 17.23.

392 | Hensel/Kammeter

B. Grundregelung (Abs. 1) | Rz. 22 § 17

mögliche anderweitige Bestimmungen im Aufsichtsrecht. Allerdings beginnt die Frist erst mit dem Erlöschen des Verwaltungsrechts (§ 99 KAGB). Fraglich ist allerdings, ob der Zeitraum von fünf Kalenderjahren tatsächlich angemessen ist. 19 Grundsätzlich ist u.E. davon auszugehen, dass ein Zeitraum von fünf Jahren in Anbetracht der damit einhergehenden Begünstigung ausreichend und damit angemessen ist. Dies gilt auch in den praktisch relevanten Fällen der illiquiden Immobilienfonds. Denn dort geht der Abwicklung zusätzlich eine bis zu 36-monatige erfolglose Rettungsphase voraus (§ 257 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 KAGB), in welcher der Abverkauf wesentlicher Teile des Portfolios vorbereitet werden sollte. In Anbetracht dessen sind in diesen Fällen fünf Jahre nicht zu kurz bemessen. Indes gibt es auch Konstellationen, welche die Fünfjahresfrist als zu kurz erscheinen lassen. So 20 gibt es in der Praxis z.B. Investmentfonds, die bereits vor Einführung der Abgeltungsteuer im Jahr 2009 im Rahmen eines betrügerischen Schneeballsystems Geld gesammelt haben. Diese werden seit Ende 2008 nicht mehr gehandelt und teils seit 2009 oder 2010 liquidiert. Es werden nun Zahlungen an die Anleger geleistet, die u.a. aus der Insolvenzmasse, aus Anlegerentschädigungseinrichtungen sowie aufgrund freiwilliger Zahlungen von Intermediären erfolgen. Mit diesen Zahlungen wird erreicht, dass ein Teil der ursprünglichen AK ausgezahlt wird. Allerdings würde § 17 InvStG keine Anwendung finden, da zumindest ab dem Jahr 2010 die Abwicklungsphase begonnen hat und der Fünfjahreszeitraum somit bereits vor Einführung des neuen Investmentsteuerregimes abgeschlossen war. Obwohl tatsächlich kein Wertzuwachs ausgezahlt und lediglich die AK zurückerstattet werden, erfolgt dem Wortlaut des § 17 InvStG nach eine Besteuerung nach § 16 InvStG. Insbesondere in den Fällen, in denen nicht nur Vermögensgegenstände lediglich liquidiert werden, sondern erst in langwierigen Rechtsstreitverfahren Schadensersatz- und sonstige Ansprüche realisiert werden müssen, sollte überlegt werden, ob abweichend von § 17 Abs. 1 Satz 4 InvStG im Wege der Billigkeit der Abwicklungszeitraum auf über fünf Jahre hinaus verlängert wird. Die FinVerw. hat diese Überlegungen aufgenommen. So beginnt zum einen die Abwicklung 21 für Zwecke des § 17 InvStG frühestens zum 1.1.2018.1 Damit kann auch in den angeführten Altfällen die Abwicklungsphase greifen. Zum anderen konkretisiert sie den Abwicklungszeitraum. Danach erstreckt sich die Abwicklungsphase vom Abwicklungsbeginn und kann bis zu sechs Jahre dauern, wenn der Abwicklungsbeginn auf den 1. Januar datiert. Wenn die Abwicklung z.B. am 30.6.2018 beginnt, dann endet der Fünfjahreszeitraum erst am 31.12.2023.2

IV. Rechtslage bis 31.12.2019 Vom 1.1.2018 bis zum 31.12.2019 hatte § 17 Abs. 1 InvStG folgenden Wortlaut: „Während der Abwicklung eines Investmentfonds gelten Ausschüttungen nur insoweit als Ertrag, wie in ihnen der Wertzuwachs eines Kalenderjahres enthalten ist. Zur Ermittlung dieses Wertzuwachses ist die Summe der Ausschüttungen für ein Kalenderjahr zu ermitteln und mit dem letzten in dem Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis zusammenzurechnen. Übersteigt die sich daraus ergebende Summe den ersten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis, so ist die Differenz der Wertzuwachs. Satz 1 ist höchstens für einen Zeitraum von fünf Kalenderjahren nach dem Kalenderjahr, in dem die Abwicklung beginnt, anzuwenden.“

Sätze 2 und 3 ermittelten in der Zusammenschau die Höhe des Wertzuwachses. Während Satz 2 den Minuenden bestimmte, diente Satz 3 der eigentlichen Ermittlung des Wertzuwachses durch den Abzug des ersten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreises von diesem Wert. Festzustellen ist allerdings, dass der Wertzuwachs – anders als etwa der „Gewinn“ i.S.d. § 2 Abs. 14 InvStG – kraft Natur der Sache nicht negativ werden konnte. Die vorstehenden 1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 17.28. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 17.25. Hensel/Kammeter | 393

22

§ 17 Rz. 22 | Erträge bei Abwicklung eines Investmentfonds Regelungen waren gleichermaßen in den Fällen eines unterjährigen Erwerbs oder einer unterjährigen Veräußerung des Investmentanteils anzuwenden.1 23 Fortgeführte Anschaffungskosten spielten bei der Anwendung des § 17 InvStG a.F. tat-

bestandlich keine Rolle.2 Damit konnten über die Anwendung des § 17 InvStG a.F. die Regelungen über eine „normale“ Veräußerung nach § 19 Abs. 1 Satz 3 InvStG teilweise umgangen werden. Denn es bestand in der Phase der Liquidation die Möglichkeit, Ausschüttungen steuerfrei zu erhalten, welche die fortgeführten AK überstiegen.

Beispiel:3 Der Anleger A erwirbt im Jahr 2015 einen Investmentanteil zu einem Preis von 60 €. Der letzte im Jahr 2017 festgestellte Rücknahmepreis beträgt 100 €. Nach § 56 Abs. 3 Satz 1 InvStG entsteht ein fiktiver Veräußerungsgewinn i.H.v. 40 € (100 € Veräußerungserlös ./. 60 € AK). Dieser fiktive Veräußerungsgewinn ist aber nicht sofort im Jahr 2017, sondern erst im Jahr der tatsächlichen Veräußerung zu versteuern (§ 56 Abs. 3 Satz 1 InvStG). Im Jahr 2018 befindet sich der Investmentfonds in der Abwicklung und schüttet 30 € aus. Dadurch sinkt der Rücknahmepreis auf 70 €. Diese Ausschüttung unterliegt jetzt nach § 17 Abs. 1 Satz 1 und 3 InvStG in voller Höhe der Besteuerung, da der Rücknahmepreis am Ende des Jahres 2018 (70 €) nicht die tatsächlichen AK (60 €) unterschreitet. Das heißt, es waren noch stpfl. Wertzuwächse vorhanden, die vorrangig als ausgeschüttet gelten. Im Jahr 2019 veräußert A den Investmentanteil zu einem Preis von 70 €. Dadurch entsteht ein Veräußerungsverlust i.H.v. 30 € (70 € Veräußerungserlös ./. 100 € fiktive AK zum 1.1.2018), der zzgl. des Gewinns aus der fiktiven Veräußerung zum 31.12.2017 i.H.v. 40 € zu einem stpfl. Gewinn von 10 € führt. Damit hat A im VZ 2018 30 € Ausschüttungen und im VZ 2019 einen Veräußerungsgewinn i.H.v. 10 € zu versteuern. Über die gesamte Haltedauer muss A 40 € versteuern, was der tatsächlichen Wertsteigerung im Gesamtzeitraum entspricht. Nach der Fassung des § 17 InvStG vor dem 1.1.20 war indes die Ausschüttung des Jahres 2018 steuerfrei (Ertrag 0, da [70+30] nicht > 100). Diese ausgeschütteten Wertzuwächse blieben u.U. auch steuerfrei. Denn es gab keine gesetzliche Regelung, nach welcher am Ende der Liquidation auch stets von einer Veräußerung oder Rückgabe auszugehen gewesen wäre. Eine Korrektur über den Veräußerungstatbestand, wonach sich die insofern reduzierten AK von 30 (60 ./. 30) durch einen entsprechend höheren Veräußerungsgewinn von 40 (70 ./. 30) ausgewirkt hätten, war nicht sichergestellt. Der steuerfreie Ausschüttungsanteil erhöhte sich in der Folge idealtypisch bis zu AK von 0. Mit der Altregelung ging der Fiskus damit gleichsam in Vorleistung, ohne auf einen späteren Ausgleich verlässlich setzen zu können. Mit der Neuregelung ist dieser Mechanismus abgeschafft. Ausschüttungsbeträge oberhalb der fortgeführten AK sind nunmehr stpfl., unterhalb jener nach § 17 InvStG n.F. steuerfrei. Gleichwohl ist festzuhalten, dass eine Rückwirkung der Neuregelung auf die Zeit vor dem 1.1.20 und für die bis dahin abgeschlossenen Liquidationsfälle nicht möglich ist. Im Übrigen ist der beschriebene Altmechanismus für die Jahre 2018 und 2019 weiterhin anzuwenden.4

V. Exkurs: Erstattung von Kapitalertragsteuer in den Fällen der steuerfreien Kapitalrückzahlung 24 Nach der Systematik des neuen Investmentsteuerrechts sind Ausschüttungen von Investment-

fonds in voller Höhe stpfl. Erträge. Sie unterliegen demnach- von den Ausnahmen einer subjektiven Steuerbefreiung abgesehen – dem Kapitalertragsteuerabzug.

1 BMF v. 3.5.2017 – IV C 1 - S 2252/08/10004:020, BStBl. I 2017, 739 Rz. 308a. 2 § 17 Abs. 3 InvStG a.F. spielte nur außerhalb des Anwendungsbereichs von § 17 Abs. 1 InvStG eine Rolle, z.B. bei Veräußerungen. 3 BT-Drucks. 19/13436, 176 f. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 17.16.

394 | Hensel/Kammeter

C. Abwicklungsbeginn (Abs. 2) | Rz. 28 § 17

Die einzige – objektive – Ausnahme bei Ausschüttungen besteht in den Fällen des § 17 InvStG 25 bei der Kapitalrückzahlung. Hier sah sich der Gesetzgeber vor das Problem gestellt, wie diese Ausnahme im Rahmen der Kapitalertragsteuer zu berücksichtigen ist. Denn auch von Gesetzes wegen ist der Ausgangspunkt für die Frage, ob die Ausschüttung einen stpfl. Ertrag oder eine steuerneutrale Rückzahlung darstellt, grundlegend der letzte im Kalenderjahr festgestellte Rücknahmepreis. Dieser ist jedoch zum Zeitpunkt, in dem über die Frage des Steuereinbehalts durch die auszahlende Stelle entschieden werden muss (spätestens der 10. Werktag des Folgemonats der Ausschüttung, § 20 Abs. 1 Nr. 3, § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, § 44 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Satz 5 EStG), noch nicht bekannt. Um zu verhindern, dass in diesen Fällen die Erstattung allein über den – administrativ auf- 26 wendigen – Weg der Veranlagung erreicht wird, bestimmte der Gesetzgeber in § 44b Abs. 1 EStG, der bisher unbesetzt – also ohne Regelungsinhalt – war, dass die auf Ausschüttungen eines Investmentfonds in dessen Liquidationsphase erhobene Kapitalertragsteuer zu erstatten sei, soweit die Ausschüttungen Kapitalrückzahlungen darstellen. Die auszahlende Stelle i.S.d. § 44 Abs. 1 Satz 2 und 3 i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG (i.d.R. das depotführende Kreditinstitut des Inhabers der Investmentanteile) hat die Erstattung vorzunehmen. Ob die Ausschüttungen steuerneutrale Kapitalrückzahlungen oder stpfl. Investmenterträge darstellen, bestimmt sich nach der FinVerw.1 entsprechend dem Wortlaut des § 17 Abs. 1 InvStG. Steuerfrei sind nach der Neuregelung Ausschüttungen insoweit, als der letzte in diesem Kalenderjahr festgesetzte Rücknahmepreis die fortgeführten AK unterschreitet. Beispiel:2 Am Anfang des Jahres 01 beträgt der Rücknahmepreis für einen Anteil an dem abzuwickelnden A-Investmentfonds 100 €, die fortgeführten AK belaufen sich auf 90. Der A-Investmentfonds schüttet 20 € pro Anteil während des Jahres 01 aus. Am Ende des Jahres 01 beträgt der Rücknahmepreis für einen Anteil 85 €. Lösung: Steuerpflichtig sind (20 € + 85 €) ./. 90 € = 15 €; steuerneutrale Kapitalrückzahlungbeträge liegen über 5 € vor. Die auf die Ausschüttungen i.H.v. 20 € zunächst erhobene Kapitalertragsteuer hat die zum Steuerabzug verpflichtete Stelle nach § 44b Abs. 1 EStG an den Anleger nach Ablauf des Jahres 01 anteilig zu erstatten.

C. Abwicklungsbeginn (Abs. 2) § 17 Abs. 2 InvStG definiert den Beginn der Abwicklung. Nach Satz 1 gilt bei inländischen 27 Investmentfonds als der Beginn der Abwicklung der Zeitpunkt, zu dem das Recht der KVG zur Verwaltung des Investmentfonds erlischt. Bei Sondervermögen ist das der Zeitpunkt, in dem entweder das Eigentum an den Vermögensgegenständen oder die Verfügungsbefugnis über das Vermögen von der Kapitalverwaltungsstelle auf die Verwahrstelle übergeht (§ 100 Abs. 1 KAGB). Auch wenn es insbes. bei (inländischen) Immobilien-Sondervermögen üblich ist, dass die Abwicklung bereits durch die KVG gestartet wird,3 ist der Wortlaut der gesetzlichen Fiktion eindeutig. Satz 2 definiert für ausländische Fonds grds. die gleichen Maßgaben wie für inländische 28 Fonds. Allerdings haben die gesetzlichen Vertreter von ausländischen Fonds die Möglichkeit, einen davon abweichenden Beginn der Abwicklung nachzuweisen. Hintergrund für die unterschiedliche Handhabungsweise ist die Tatsache, dass in den Rechtsgebieten anderer Staaten

1 BMF v. 3.5.2017 – IV C 1 - S 2252/08/10004:020, BStBl. I 2017, 739 Rz. 308a. 2 Nach BMF v. 3.5.2017 – IV C 1 - S 2252/08/10004:020, BStBl. I 2017, 739 Rz. 308a. 3 Vgl. hierzu auch BaFin v. 27.12.2012 – WA 42 - Wp 2136 - 2012/0039, abrufbar unter www.bafin.de/ dok/7853214. Hensel/Kammeter | 395

§ 17 Rz. 28 | Erträge bei Abwicklung eines Investmentfonds der Beginn der Abwicklung von Gesetzes wegen nicht mit dem Verlust der Verwaltung durch die KVG einhergehen muss. Eine analoge Anwendung auf inländische Fonds ist nicht möglich.1 Aus den genannten Hintergründen liegt hier keine planwidrige Gesetzeslücke bezüglich der inländischen Fonds vor, sondern eine bewusste Ausnahmeregelung für die ausländischen Fonds. 29 Umgekehrt findet § 17 InvStG nach dem Wortlaut in den Fällen keine Anwendung, in denen

üblicherweise auch in der Abwicklungsphase das Recht der KVG zur Verwaltung des Fonds fortbesteht.2 In diesen Fällen bleibt es beim Grundtatbestand des § 16 InvStG. Sämtliche Auskehrungen führen nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 InvStG zu stpfl. Erträgen. Eine Korrektur ist seit dem 18.12.2019 nunmehr unmittelbar über § 2 Abs. 13 InvStG3 möglich. Danach gilt als Veräußerung von Investmentanteilen und Spezial-Investmentanteilen u.a. die Liquidation des Investmentfonds oder Spezial-Investmentfonds. Auch vor der Neufassung des Gesetzes war eine erweiternde Auslegung des § 2 Abs. 13 InvStG geboten. Denn der BFH hatte im Hinblick auf einen privaten Forderungsausfall entschieden, dass die Unternehmensteuerreform 2008 (Abgeltungsteuer 2009) einen Paradigmenwechsel von der bloßen Erfassung der Erträge hin zur Einbeziehung der Vermögensebene vollzogen habe. Es sei daher folgerichtig, dass ein Anleger, der aus einer Quelle Erträge i.S.d. § 20 Abs. 1 EStG generiert, auch einen Veräußerungsverlust steuerlich geltend machen können muss, wenn die Quelle endgültig ausfällt.4 Unter Zugrundelegung dieses Leitgedankens war von Anfang an eine extensive Auslegung des Veräußerungstatbestands in § 2 Abs. 13 InvStG dahingehend, dass mit Abschluss der Liquidation die entsprechende Ertragsquelle endgültig ausfällt und damit gleichsam veräußert wird, nicht nur sachgemäß, sondern auch geboten. Diesen Gedanken hat letztlich die Gesetzesbegründung zur Neuregelung aufgegriffen, die ausführt, dass die Liquidation ein der Veräußerung vergleichbarer Realisationsakt sei.5

30 In Fällen, die allein wegen des fortbestehenden Rechts einer KVG zur Abwicklung des Invest-

mentfonds nicht unter die Begünstigung des § 17 InvStG fallen, führt daher der letzte Akt der Liquidation über den Veräußerungstatbestand des § 19 InvStG zum Eintritt des zutreffenden steuerlichen Ergebnisses. Dies dürfte allerdings nur ausländische Fonds betreffen. Denn für inländische Fonds regeln §§ 100 Abs. 3, 100b KAGB, dass eine andere KVG zu benennen ist. Damit wäre der Tatbestand des § 17 Abs. 2 InvStG gleichwohl erfüllt mit der Folge, dass eine Liquidation vorläge.

D. Minderung der Anschaffungskosten (Abs. 3) 31 § 17 Abs. 3 InvStG bestimmt, dass die Anschaffungskosten eines Investmentfonds um die

Ausschüttungen, die nach Abs. 1 nicht zu den Erträgen gehören, zu mindern sind. Dass die AK im Falle einer stfreien Substanzauskehr gemindert werden müssen und somit zu fortgeführten AK werden, ist folgerichtig. Nur so wird vermieden, dass die Substanzauskehr dop-

1 So auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 17.26; a.A. Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 17 InvStG Rz. 10 (Stand: August 2021). 2 Im Inland stehen dem §§ 100 Abs. 3, 100b KAGB entgegen („andere Kapitalverwaltungsgesellschaft“). Ausnahmen sind jedoch vor dem Hintergrund von § 2 Abs. 4 Satz 1 KAGB möglich, wenn unter den Gegebenheiten des dortigen Satzes 2 eine Besteuerung solcher registrierten Spezial-AIF nach dem Kapitel-2-Regime zu erfolgen hat (vgl. § 27 InvStG). Entsprechendes gilt für die Sonderfälle des § 1 Abs. 2 Satz 3 InvStG. Gleichwohl ist hier nicht ausgeschlossen, dass das Recht der KVG zur Verwaltung des Investmentfonds aus anderen (vor allem rechtsgeschäftlichen) Gründen erlischt. 3 § 2 InvStG i.d.F. des „JStG 2019“ v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451. 4 BFH v. 24.10.2017 – VIII R 13/15, BStBl. II 2020, 831. 5 BT-Drucks. 356/19, 198.

396 | Hensel/Kammeter

D. Minderung der Anschaffungskosten (Abs. 3) | Rz. 33 § 17

pelt zugunsten des StPfl. berücksichtigt wird. Diese Bestimmung ist bereits für das Kapitalertragsteuerverfahren zu beachten. Neben den Kapitalrückzahlungen sind bei der Ermittlung der fortgeführten AK auch Teil- 32 wertabschreibungen und -zuschreibungen zu berücksichtigen.1 Bei bilanzierenden Anlegern sind damit grds. die in der Bilanz angesetzten Buchwerte als fortgeführte AK zugrunde zu legen. Bewertungsobergrenze sind die um die stfreien Kapitalrückzahlungen geminderten tatsächlichen AK (§ 17 Abs. 1 Satz 3 InvStG). Beispiel:2 Die A-GmbH (A) mit kalenderjahrgleichem Wirtschaftsjahr erwirbt am 1.3.01 einen Investmentanteil für 100 €. Am 31.12.01 beträgt der Rücknahmepreis 110 €. Im Kalenderjahr 02 beginnt die Abwicklung des Investmentfonds. Am 10.5.02 werden 35 € ausgeschüttet. Der Rücknahmepreis beträgt am 31.12.02 70 €. A nimmt eine Teilwertabschreibung von 30 € vor. Am 15.6.03 schüttet der Investmentfonds 20 € aus. Der Rücknahmepreis beträgt am 31.12.03 80 €. A hat eine Teilwertzuschreibung um 10 € vorzunehmen. Am 5.2.04 veräußert A den Investmentanteil zu einem Preis von 90 €. Lösung: Maßgebend für die Ermittlung der stfreien Kapitalrückzahlung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 InvStG für das Jahr 02 ist der Buchwert zum 31.12.02 i.H.v. 70 €. Der Rücknahmepreis Ende 02 von 70 € unterschreitet den Buchwert von 70 € nicht, sodass die Ausschüttung am 10.5.02 in voller Höhe von 35 € einen stpfl. Investmentertrag darstellt. Der Rücknahmepreis zum 31.12.03 i.H.v. 80 € unterschreitet den Buchwert zum 31.12.03 i.H.v. 80 € nicht, sodass die Ausschüttung am 15.6.03 in voller Höhe von 20 € als stpfl. Investmentertrag einzustufen ist. Im Jahr 04 hat A einen Veräußerungsgewinn von 10 € zu versteuern (90 € Veräußerungserlös ./. 80 € Buchwert = 10 €). Über die Gesamthaltedauer ergeben sich folgende stpfl. Auswirkungen: 35 € stpfl. Ausschüttung in 02 ./.

30 € Teilwertabschreibung in 02

+

20 € stpfl. Ausschüttung in 03

+

10 € Teilwertzuschreibung in 03

+

10 € Veräußerungsgewinn in 04

=

45 € zu versteuerndes Einkommen (zvE)

Kontrollrechnung: Vereinnahmt hat A: 35 € Ausschüttung in 02 +

20 € Ausschüttung in 03

+

90 € Veräußerungserlös in 04

=

145 €

Aufgewendet hat A 100 € AK, sodass ein Saldo von 45 € verbleibt.

Keine Buchwerte sind anzusetzen, wenn aufgrund der fiktiven Veräußerung nach § 56 Abs. 2 33 und 3 InvStG oder § 22 InvStG diese die tatsächlichen AK übersteigen. In diesem Fall sind für die Ermittlung der fortgeführten AK lediglich die um die Kapitalrückzahlung bereinigten AK zu berücksichtigen, da nur so sachtriftige Ergebnisse bei der Besteuerung erzielt werden.3

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 17.6. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 17.8. 3 Vgl. Beispiel BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 17.10. Hensel/Kammeter | 397

§ 17 Rz. 34 | Erträge bei Abwicklung eines Investmentfonds 34 Soweit gem. § 17 Abs. 1 Satz 3 InvStG auf die tatsächlichen Anschaffungskosten abzustellen

ist, sind Substanzausschüttungen, gleich in welchem Jahr sie angefallen sind, mindernd zu berücksichtigen. Allerdings ist es aus Verwaltungssicht nicht zu beanstanden, wenn eine solche Minderung der AK bei Substanzausschüttungen in den Jahren 2009 bis 2017 unterblieben ist.1

35 Eine steuerneutrale Ausschüttung nach § 17 InvStG ist ausgeschlossen, wenn die Summe der

stfreien Substanzausschüttungen die Anschaffungskosten erreicht. Der überschießende Betrag ist als stpfl. Ausschüttung i.S.d. § 16 InvStG zu behandeln.2 Dies entspricht dem Willen des Gesetzgebers.3

§ 18 Vorabpauschale (1) 1Die Vorabpauschale ist der Betrag, um den die Ausschüttungen eines Investmentfonds innerhalb eines Kalenderjahres den Basisertrag für dieses Kalenderjahr unterschreiten. 2Der Basisertrag wird ermittelt durch Multiplikation des Rücknahmepreises des Investmentanteils zu Beginn des Kalenderjahres mit 70 Prozent des Basiszinses nach Absatz 4. 3Der Basisertrag ist auf den Mehrbetrag begrenzt, der sich zwischen dem ersten und dem letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis zuzüglich der Ausschüttungen innerhalb des Kalenderjahres ergibt. 4Wird kein Rücknahmepreis festgesetzt, so tritt der Börsen- oder Marktpreis an die Stelle des Rücknahmepreises. (2) Im Jahr des Erwerbs der Investmentanteile vermindert sich die Vorabpauschale um ein Zwölftel für jeden vollen Monat, der dem Monat des Erwerbs vorangeht. (3) Die Vorabpauschale gilt am ersten Werktag des folgenden Kalenderjahres als zugeflossen. (4) 1Der Basiszins ist aus der langfristig erzielbaren Rendite öffentlicher Anleihen abzuleiten. 2Dabei ist auf den Zinssatz abzustellen, den die Deutsche Bundesbank anhand der Zinsstrukturdaten jeweils auf den ersten Börsentag des Jahres errechnet. 3Das Bundesministerium der Finanzen veröffentlicht den maßgebenden Zinssatz im Bundessteuerblatt. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . 1 II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . 2 2. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . 5 3. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . 6 III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

B. I. II. III.

2. Verhältnis zu Vorschriften des EStG . . 3. Verhältnis zu Doppelbesteuerungsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestimmung der Vorabpauschale (Abs. 1) Definition der Vorabpauschale (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition des Basisertrags (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begrenzung des Basisertrags (Abs. 1 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18 22

24 28 32

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 17.15. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 17.30; negative AK sind jedoch für Zwecke des § 19 InvStG bei bestandsgeschützten Altanteilen (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 InvStG) zu berücksichtigen, BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 17.31 f. 3 BT-Drucks. 19/13436, 175.

398 | Hensel/Kammeter und Hensel/Brielmaier/Faller

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 1 § 18 IV. Börsen- oder Marktpreis als Ersatzwert (Abs. 1 Satz 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 V. Ermittlungsschema . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 C. Vorabpauschale im Erwerbsjahr von Investmentanteilen (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . 36

D. Zufluss der Vorabpauschale (Abs. 3) . . . E. Definition des Basiszinses (Abs. 4) . . . .

39 41

Literatur: Hagen, Steuerliche Behandlung und Problemfelder bei Fondsanlagen durch institutionelle Anleger, Ubg 2008, 337; Rockel/Patzner, Handels- und steuerbilanzielle Behandlung von Investmentfondsanteilen im Vergleich zu den Neuregelungen des UntStRefG 2008 für die private Kapitalanlage, DStR 2008, 2122; Simonis/Grabbe/Faller, Neuregelung der Fondsbesteuerung durch das AIFM-StAnpG, DB 2014, 16; Bindl/Mager, Ausgewählte Zweifelsfragen und Lösungsvorschläge zum InvStG n.F., BB 2016, 2711; Buge/Bujotzek/Steinmüller, Die InvSt-Reform ist verabschiedet, DB 2016, 1594; Faller/Wolf/ Brielmaier, Der Regierungsentwurf zur Reform der Investmentbesteuerung v. 24.2.2016, DB 2016, 488; Haug, Investmentfonds und Außensteuerrecht – Abgrenzungsfragen nach dem InvStRefG, IStR 2016, 597; Helios/Mann, Das Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung, DB Sonderausgabe 2016; Jansen/ Greger, Reform der Investmentbesteuerung – erste Analyse des Referentenentwurfs FR 2016, 116; Jetter/ Mager, Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung, SteuK 2016, 23; Kammeter, Änderungen durch die geplante Reform der Investmentbesteuerung – vom Referentenentwurf bis zum Regierungsentwurf des InvStRefG, ISR 2016, 99; Kempf/Müller, Überblick über das neue Investmentsteuergesetz, SteuK 2016, 517; Kral/Watzlaw, Die geplante Reform der Investmentbesteuerung – Praxishinweise und Handlungsbedarf aus Sicht einer depotführenden Stelle, BB 2016, 2198; Kußmaul/ Kloster, Konzeptionelle Zukunft ausschüttungsgleicher Erträge sowie der Pauschalbesteuerung bei Publikums-Investmentfonds nach dem 31.12.2017, Ubg 2016, 672; Kußmaul/Patzner/Kloster/Bui, Investmentbesteuerung vor der Zeitenwende – Grundlegende Systemänderungen in der konzeptionellen Besteuerung von Publikums-Investmentfonds, Ubg 2016, 596; Lechner, (Erneute) Reform der Investmentbesteuerung – ein Überblick, RdF 2016, 208; Rockel/Patzner, Behandlung von Erträgen aus Investmentfonds in der Steuerbilanz betrieblicher Anleger am Beispiel des investmentsteuerlichen Werbungskostenabzugsverbots, DStR 2007, 1546; Stadler/Bindl, Das neue InvStG – Überblick und Korrekturbedarf, DStR 2016, 1953; Stadler/Mager, Der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung, DStR 2016, 697; Kral/Watzlaw, Die Vorabpauschale nach Einführung der Investmentsteuerreform, BB 2018, 2717. Verwaltungsanweisungen: BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 – 11/04, BStBl. I 2004, Sonder-Nr. 1, 3 (Grundsätze zur Anwendung des AStG); BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 – 1/08/10019, BStBl. I 2009, 931 (Zweifels- und Auslegungsfragen zum InvStG); BMF v. 21.5.2019 – IV C 1 - S 1980 – 1/16/10010:001 – DOK 2019/0415199, BStBl. I 2019, 527 (Anwendungsfragen zum InvStG in der ab dem 1.1.2018 geltenden Fassung).

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck Mit der Novellierung des Investmentsteuerrechts durch das Gesetz zur Reform der Invest- 1 mentbesteuerung vom 19.7.20161 wurde seitens des Gesetzgebers neben weiteren Zielen angestrebt, den Aufwand für die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen aufseiten der Wirtschaft und der Bürger einerseits sowie den Kontrollaufwand der Verwaltung andererseits in den Massenverfahren bei Publikums-Investmentfonds und deren Anlegern erheblich zu verringern. Ausgehend von dieser Grundaussage und der Tatsache, dass die in § 16 InvStG aufgeführten Investmenterträge allein der Besteuerung auf Ebene der Anleger von Investmentfonds unterliegen, definiert § 18 InvStG die einzelnen Bestimmungen zur neu eingeführten Vorabpauschale. Denn Hintergrund zur Einführung der Vorabpauschale ist maßgebend die Vorstellung, dass der Gesetzgeber sich zur Wahrung eines relativ einfach zu handhabenden 1 BGBl. I 2016, 1730. Hensel/Brielmaier/Faller | 399

§ 18 Rz. 1 | Vorabpauschale Investmentsteuerrechts von der Besteuerung der ausschüttungsgleichen Erträge im Bereich der Publikumsfonds lösen musste. Gleichzeitig wäre die Bezugnahme allein auf die cash-flow-Besteuerung zum einen mit temporären Verlusten bei den Steuereinnahmen verbunden. Denn in Thesaurierungsfällen hätte der Fiskus grds. bis zur Rückgabe oder Veräußerung der Fondsanteile auf die Besteuerung warten müssen. Zum anderen wären – im Gegensatz zu einer weiteren wesentlichen Zielsetzung der Investmentsteuerreform – zusätzlich Anreize zur Steuergestaltung gesetzt worden. So hätten z.B. vermögende Anleger nunmehr durch die Bildung eigener Investmentfonds die Abschirmwirkung dieser Produkte für die entsprechenden Kapitalanlage nutzen können. Um diese gegensätzlichen Ziele in Einklang zu bringen, hat sich der Gesetzgeber zur Einführung der Vorabpauschale entschieden. Denn mit dem Ansatz der in der Norm angeführten vier Parameter zur Bildung der Vorabpauschale (Rücknahmepreis am Beginn und Ende des Kalenderjahres, Basiszinssatz sowie Ausschüttungsbetrag) wird ohne zusätzliche Steuermindereinnahmen das maßgebende Ziel der Reform – die Vereinfachung – nicht verfehlt.1 In gewisser Weise soll die Vorabpauschale daher an das Regime der Besteuerung ausschüttungsgleicher Erträge anknüpfen bzw. dieses ersetzen.2 Insoweit wird ein Element der transparenten Besteuerung in das neue intransparente Besteuerungssystem überführt.3

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich 2 Die Besteuerung des Anlegers eines Investmentfonds wird durch § 18 InvStG ergänzt und ist

in Abschnitt 2 des Kapitels 2 des InvStG geregelt. Die Vorabpauschale findet daher sachlich Anwendung auf die Besteuerung von Investmentfonds bzw. deren Anlegern. Sie kommt dagegen nicht zur Anwendung bei Spezial-Investmentfonds, die in Kapitel 3 des InvStG behandelt werden, da nach § 25 InvStG getrennte Besteuerungsregelungen vorgesehen sind und in Kapitel 3 keine abweichenden Bestimmungen hinsichtlich der Anwendung von § 18 getroffen sind.

3 Rein praktisch hängt die sachliche Anwendung der Vorabpauschale u.a. von der Höhe der

Ausschüttungen des Investmentfonds ab, da die Vorabpauschale als der Betrag definiert ist, um den die Ausschüttungen eines Investmentfonds innerhalb eines Kalenderjahres den Basisertrag für dasselbe Kalenderjahr unterschreiten. Hiermit wird u.a. klargestellt, dass, sofern die Ausschüttungen eines Investmentfonds hoch genug sind, keine Vorabpauschale zur Anwendung kommen soll.

4 Keine Anwendung findet die Vorabpauschale auf Fälle, in denen die Investmentanteile im

Rahmen von Altersvorsorge- oder Basisrentenverträgen gehalten werden, die nach § 5 oder § 5a des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes zertifiziert wurden (§ 16 Abs. 2 Satz 1 InvStG; vgl. § 16 InvStG Rz. 64 ff.). Darüber sind Vorabpauschalen ebenfalls nicht in solchen Fällen anzusetzen, in denen die Investmentanteile im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung nach dem Betriebsrentengesetz (§ 16 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 InvStG; vgl. § 16 InvStG Rz. 71 f.), von Versicherungsunternehmen im Rahmen von Versicherungsverträgen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Sätze 1 und 4 EStG (§ 16 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 InvStG; vgl. § 16 InvStG Rz. 73) oder von Kranken- und Pflegeversicherungsunternehmen zur Sicherung von Altersrückstellungen (§ 16 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 InvStG; vgl. § 16 InvStG Rz. 74) gehalten werden. Damit werden 1 BT-Drucks. 18/8045, 49. 2 Kempf/Müller, SteuK 2016, 517 (519); Faller/Wolf/Brielmaier, DB 2016, 488 (491); Helios/Mann, DB Sonderausgabe 1/2016, 14; Kammeter, ISR 2016, 99 (104). 3 Kußmaul/Patzner/Kloster/Bui, Ubg 2016, 596 (600).

400 | Hensel/Brielmaier/Faller

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 8 § 18

sowohl sämtliche Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung1 als auch Kapitalund Rentenversicherungen von der Vorabpauschale befreit. Dies greift die von zahlreichen Verbänden und Anlegern vorgetragenen Bedenken gegenüber dem ursprünglichen Diskussionsentwurf auf.2 2. Zeitlicher Anwendungsbereich § 18 InvStG wurde im Zuge des Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung vom 5 19.7.20163 eingeführt und ist zusammen mit den übrigen Vorschriften zur Besteuerung der Anleger von Investmentfonds ab dem 1.1.2018 anzuwenden (§ 56 Abs. 1 Satz 1 InvStG). 3. Persönlicher Anwendungsbereich Die Regelungen von § 18 InvStG sind persönlich auf alle Anleger anzuwenden, die mit den 6 Erträgen aus Investmentfonds in Deutschland einer Besteuerung unterliegen. Da die Vorabpauschale nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 InvStG ein Bestandteil der Erträge aus Investmentfonds ist, ist sie ebenfalls von § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG umfasst. In Ermangelung eines Anknüpfungspunktes in § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG unterliegen die Erträge aus Investmentfonds grds. nicht der beschränkten StPfl. in Deutschland, sofern sie nicht bspw. im Rahmen eines Gewerbebetriebes erzielt werden, für den im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 1 EStG).4 Die grds. fehlende beschränkte StPfl. auf Investmenterträge erscheint zum einen aufgrund der steuerlichen Vorbelastung inländischer Erträge auf Ebene des Investmentfonds sachgerecht. Zum anderen dient diese steuerliche Behandlung der Gleichstellung inländischer und ausländischer Anteile an Investmentfonds, die von Steuerausländern gehalten werden. Die Vorabpauschale findet somit grds. Anwendung in den Fällen der unbeschränkten StPfl. 7 und ist gleichsam für Einkommensteuerpflichtige, die ihre Anteile an dem entsprechenden Investmentfonds im Privatvermögen oder im Betriebsvermögen halten, sowie für körperschaftsteuerpflichtige Anleger anwendbar. Sie kann ebenfalls in Fällen einer mittelbaren Beteiligung an Investmentfonds über Spezial-Investmentfonds (auch mehrstufig) an die Inhaber der Spezial-Investmentanteile vermittelt werden.

III. Rechtsentwicklung Die Regelungen zur Vorabpauschale wurden im Rahmen des Investmentsteuerrechts durch 8 das Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung vom 19.7.20165 ins InvStG eingeführt und ergänzen die Regelungen zur Besteuerung der Anleger von Investmentfonds. Da für Investmentfonds grds. eine cash-flow basierte Betrachtungsweise Anwendung finden soll, nimmt die Vorabpauschale bei Investmentfonds in gewisser Weise die Rolle der ausschüttungsgleichen Erträge bei Spezial-Investmentfonds ein.6 Die Vorabpauschale wurde zusammen mit dem Besteuerungssystem von Investmentfonds komplett neu ins InvStG aufgenommen und war daher noch nicht – auch nicht in abgewandelter Form – im InvStG i.d.F. bis 31.12.2017 vertreten.

1 2 3 4 5 6

Jetter/Mager, SteuK 2016, 23 (27). Jansen/Greger, FR 2016, 116 (118). BGBl. I 2016, 1730. Helios/Mann, DB Sonderausgabe 1/2016, 15. BGBl. I 2016, 1730. Faller/Wolf/Brielmaier, DB 2016, 488 (491); Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2715). Hensel/Brielmaier/Faller | 401

§ 18 Rz. 9 | Vorabpauschale 9 Bereits im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Reform der Investmentbesteuerung wur-

de die Regelung des § 18 InvStG erheblichen Modifikationen unterworfen. Gegenüber dem Referentenentwurf zur Reform der Investmentbesteuerung wurde durch den Regierungsentwurf aufgenommen, dass der Basisertrag der Höhe nach auf den Mehrbetrag begrenzt ist, der sich aus der Differenz zwischen dem ersten und letzten Rücknahmepreis des Kalenderjahres ergibt. Unterjährige Ausschüttungen verringern somit den Höchstbetrag der Vorabpauschale, da sie regelmäßig den Anteilspreis und damit den Rücknahmepreis reduzieren.1 Noch im Diskussionsentwurf bezog sich die Begrenzung der Höhe nach auf die Vorabpauschale als solche, nicht auf den Basisertrag. Darüber hinaus wurde durch den Regierungsentwurf aufgenommen, dass bei Kranken- und Pflegeversicherungsunternehmen keine Vorabpauschale angesetzt wird, wenn diese die Anteile zur Sicherung von Altersrückstellungen halten (s. auch Rz. 5). Dies fußt u.a. darauf, dass diese Versicherungen hierauf keine Rückstellung für Beitragsrückerstattungen bilden können.2 Eine maßgebliche Änderung erfuhr zudem der Zuflusszeitpunkt. Während der ursprüngliche Gesetzentwurf den Zufluss der Vorabpauschale noch auf das Ende des Kalenderjahres fingiert, bestimmt § 18 Abs. 3 InvStG nunmehr, dass die Vorabpauschale am ersten Werktag des Folgejahres als zugeflossen gilt. Dies geschah mit Rücksicht auf die Vereinfachung der Steuererhebung durch Ausnutzung von Sparer-Pauschbeträgen nach § 20 Abs. 9 EStG bei Privatanlegern.

10 Die Regelung des § 18 InvStG wurde bereits vor erstmaliger Anwendung am 1.1.2018 (Rz. 8)

im Rahmen des Gesetzes zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen v. 20.12.20163 einer Änderung unterzogen. In diesem Zusammenhang wurde der Verweis auf § 203 Abs. 2 BewG durch einen Verweis auf den ebenfalls neu eingefügten § 18 Abs. 4 InvStG ersetzt. Dieser neue Abs. 4 definiert, dass der Basiszins aus der langfristig erzielbaren Rendite öffentlicher Anleihen abzuleiten ist. Demnach ist auf den Zinssatz abzustellen, den die Deutsche Bundesbank anhand der Zinsstrukturdaten jeweils auf den ersten Börsentag des Jahres errechnet und den das BMF im BStBl. veröffentlicht. Bei diesen Zinsstrukturdaten handelt es sich um Schätzwerte, die auf Basis der Umlaufrenditen von bestimmten Anleihen (Bundesanleihen, Bundesobligationen, Bundesschatzanweisungen) festgestellt werden.4 Die Änderung wurde entsprechend den Ausführungen des Gesetzgebers notwendig, da § 203 BewG mit dem Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rspr. des BVerfG v. 4.11.20165 vollständig neu gefasst wurde und infolge dieser Neufassung § 203 Abs. 2 BewG zukünftig keine eigenständige Definition des Basiszinses mehr vorsieht, sodass der Verweis in § 18 InvStG auf diese Bestimmung leerlaufen würde.6

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG 11 § 18 bestimmt neben den Gewinnen aus der Übertragung von Investmentanteilen sowie den

Ausschüttungen als dritte Säule die der Besteuerung unterliegenden Investmenterträge i.S.d. § 16 InvStG. Als Bestandteil dieser Erträge findet die Vorabpauschale Anwendung bei der Besteuerung der Anleger eines Investmentfonds. Die Erträge aus Investmentfonds unterliegen

1 Stadler/Mager, DStR 2016, 697 (701). 2 BT-Drucks. 18/8045, 86; Buge/Bujotzek/Steinmüller, DB 2016, 1594 (1597); Stadler/Bindl, DStR 2016, 1953 (1959). 3 BGBl. I 2016, 3000. 4 Helios/Mann, DB Sonderausgabe 1/2016, 15 m.w.N. 5 BGBl. I 2016, 2464. 6 Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2715); BT-Drucks. 18/10506, 90.

402 | Hensel/Brielmaier/Faller

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 15 § 18

grds. nicht der beschränkten StPfl., sondern lediglich der unbeschränkten StPfl. (Rz. 7) von Einkommensteuerpflichtigen, die ihre Anteile an dem entsprechenden Investmentfonds im Privatvermögen oder im Betriebsvermögen halten, sowie von Körperschaftsteuerpflichtigen (Rz. 7). § 16 Abs. 2 Satz 1 InvStG regelt, dass Investmenterträge, d.h. auch die Vorabpauschale, nicht 12 anzusetzen sind, wenn Investmentanteile im Rahmen von Altersvorsorge- oder Basisrentenverträgen gehalten werden, die nach § 5 oder § 5a des Altersvorsorge-Zertifizierungsgesetzes zertifiziert wurden. Die Regelung knüpft damit an das bisherige InvStG i.d.F. bis 31.12.2017 an und nimmt die Investmenterträge im Fall von zertifizierten Altersvorsorge- oder Basisrentenverträgen von der Besteuerung aus, da bei derartigen Verträgen die Erträge nur in der Auszahlungsphase auf Ebene der stpfl. Zahlungsempfänger einer Besteuerung unterworfen werden sollen.1 Nach § 5 des Altersvorsorge-Zertifizierungsgesetzes erteilt die Zertifizierungsstelle die Zertifizierung nach § 1 Abs. 3 des Altersvorsorge-Zertifizierungsgesetzes, wenn ihr die erforderlichen Angaben und Unterlagen vorliegen. Zudem müssen die Vertragsbedingungen des Altersvorsorgevertrags dem § 1 Abs. 1, 1a oder beiden Absätzen sowie § 2a des Altersvorsorge-Zertifizierungsgesetzes entsprechen und der Anbieter des Altersvorsorgevertrags den Anforderungen des § 1 Abs. 2 des Altersvorsorge-Zertifizierungsgesetzes genügen. In § 5a des Altersvorsorge-Zertifizierungsgesetzes werden entsprechende Anforderungen für Basisrentenverträge definiert. § 16 Abs. 2 Satz 2 InvStG ordnet an, dass die Vorabpauschale nicht anzusetzen ist, wenn die 13 Investmentanteile in bestimmten förderungswürdigen Konstellationen gehalten werden, und befreit damit sachlich Einrichtungen der betrieblichen oder privaten Altersvorsorge von der Vorabpauschale (Rz. 4). Nach § 16 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 InvStG soll die Vorabpauschale nicht angesetzt werden im Rahmen der bAV nach dem Betriebsrentengesetz. Dadurch sollen sämtliche Durchführungswege der bAV von der Vorabpauschale befreit werden, d.h., sie soll nicht gegenüber Pensionsfonds, Pensionskassen und Unterstützungskassen erhoben werden. Darüber hinaus soll sie nicht anfallen, wenn Arbeitgeber die Investmentanteile zur Deckung ihrer Verpflichtung aus einer Direktzusage oder wenn Versicherungsunternehmen die Investmentanteile zur Deckung von Verpflichtungen aus einer Direktversicherung halten. Nach § 16 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 InvStG sollen Versicherungsunternehmen von der Vorabpauschale befreit werden, wenn die Investmentanteile zur Sicherung von Verpflichtungen aus Lebensversicherungsprodukten i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Sätze 1 und 4 EStG gehalten werden. Dies schließt somit sowohl Kapitallebens- als auch Rentenversicherungen sowie fondsgebundene Lebensversicherungen ein. Ferner werden Kranken- oder Pflegeversicherungsunternehmen von der Vorabpauschale befreit, wenn sie die Investmentanteile zur Absicherung von Alterungsrückstellungen einsetzen, um einen Beitragsanstieg aufgrund des mit dem Alter steigenden Krankheitsrisikos zu verhindern oder abzumildern.2 Auf die Vorabpauschale als Bestandteil der Investmenterträge (Rz. 6) finden nach § 16 Abs. 3 14 InvStG die Regelungen des § 3 Nr. 40 EStG bzw. § 8b KStG keine Anwendung. Gewinne aus der Veräußerung von Investmentanteilen sind nach § 19 InvStG für Privatanle- 15 ger unter entsprechender Anwendung von § 20 Abs. 4 EStG zu ermitteln. Im Rahmen der Ermittlung des Gewinns sind die während der Besitzzeit angesetzten Vorabpauschalen abzuziehen, und zwar unabhängig von einer möglichen Teilfreistellung nach § 20 InvStG. Der Abzug der Vorabpauschale vom Gewinn aus der Veräußerung erfolgt, um eine mögliche Doppelbesteuerung zu vermeiden. Der Abzug der Vorabpauschale erfolgt auch dann, wenn diese angesetzt wurde, jedoch ggf. aufgrund des Sparer-Pauschbetrags faktisch nicht besteuert wurde. Ferner kann der Abzug der Vorabpauschale auch zu einem negativen Gewinn bzw. zu steuer1 BT-Drucks. 18/8045, 86. 2 BT-Drucks. 18/8045, 86. Hensel/Brielmaier/Faller | 403

§ 18 Rz. 15 | Vorabpauschale lich abzugsfähigen Verlusten führen.1 Auch darin zeigt sich der „Nachfolgecharakter“ der Vorabpauschale mit Blick auf die ausschüttungsgleichen Erträge im bis 31.12.2017 geltenden Investmentsteuerrecht. Sofern es tatsächlich zu einem Verlust infolge der Berücksichtigung in Vorjahren erfasster Vorabpauschalen kommt, könnte ggf. eine Vereinbarkeit mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip infrage gestellt werden.2 In Anlehnung an die geübte Praxis des InvStG i.d.F. bis 31.12.2017 und in Übereinstimmung mit dem Schreiben des BMF vom 18.8.20093 soll bei bilanzierenden StPfl. die Vorabpauschale durch die Bildung eines sog. Ausgleichspostens in der Steuerbilanz abgebildet werden (vgl. Anh. 3 Rz. 45).4 Bei StPfl., die ihren Gewinn durch eine Einnahmenüberschussrechnung ermitteln, soll ein entsprechender Merkposten verzeichnet werden. Der Ausgleichsposten bzw. der Merkposten ist im Jahr der Veräußerung der Investmentanteile bzw. des Zuflusses des Veräußerungserlöses bei Einnahmenüberschussermittlern entsprechend gewinnmindernd zu berücksichtigen, um eine Doppelbesteuerung der Vorabpauschale zu vermeiden.5 Bei dem Ausgleichsposten bzw. dem Merkposten soll es sich nicht um ein abschreibungsfähiges Wirtschaftsgut handeln.6 Dies bedeutet systematisch, dass sie bspw. auch nicht im Rahmen von Teilwertabschreibungen gewinnmindernd aufgelöst bzw. abgeschrieben werden können.7 16 Zu § 25 InvStG s. Rz. 2. 17 Als Bestandteil der Investmenterträge finden auf die Vorabpauschale die Regelungen zur Teil-

freistellung Anwendung, sofern es sich bei dem entsprechenden Investmentfonds um einen Aktienfonds, Mischfonds oder Immobilienfonds handelt (§ 20 InvStG Rz. 29 ff., 45 f., 47 ff.). Auf ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträge eines Spezial-Investmentfonds, die u.a. aus Vorabpauschalen bestehen können, ist die Teilfreistellung des § 20 InvStG entsprechend anzuwenden.8 2. Verhältnis zu Vorschriften des EStG

18 Die Vorabpauschale ist als Teil der Erträge aus Investmentfonds nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 InvStG

von § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG umfasst. Somit finden auf sie grds. dieselben steuerlichen Vorschriften wie für andere Kapitaleinkünfte Anwendung, u.a. die Regelungen zur Subsidiarität des § 20 Abs. 8 EStG sowie zum Sparer-Pauschbetrag des § 20 Abs. 9 EStG. Sofern die Vorabpauschale von dem Sparer-Pauschbetrag kompensiert werden kann, findet dennoch eine Kürzung des Gewinns aus der Veräußerung der Investmentanteile um die Vorabpauschale statt (Rz. 15).

19 Im Rahmen des InvStRefG wurde mit Wirkung zum 1.1.2018 auch das Verfahren zum Kapi-

talertragsteuerabzug bei Investmentfonds überarbeitet. So wurde § 43 Abs. 1 Satz 1 EStG dergestalt geändert, dass alle Investmenterträge inkl. der Vorabpauschale nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG einem Kapitalertragsteuerabzug unterliegen. Gemäß des modifizierten § 43a EStG beträgt die Kapitalertragsteuer 25 % des Investmentertrags. Dabei sind mögliche

1 2 3 4 5 6 7 8

BT-Drucks. 18/8045, 90; Kußmaul/Kloster, Ubg 2016, 672 (673). Hierzu umfassend m.w.N. Kußmaul/Kloster, Ubg 2016, 672 (673). BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 – 1/08/10019, BStBl. I 2009, 931 Rz. 29. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 18.5; Stadler/Bindl, DStR 2016, 1953 (1958); zur Bildung von steuerlichen Ausgleichsposten zum InvStG i.d.F. v. 31.12.2017 vgl. u.a. Rockel/Patzner, DStR 2007, 1546; Rockel/Patzner, DStR 2008, 2122. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 19.4. BT-Drucks. 18/8045, 90; Helios/Mann, DB Sonderausgabe 1/2016, 16. Helios/Gstädtner in Haisch/Helios, Rechtshandbuch Finanzinstrumente, 2011, § 7 Rz. 148; Hagen, Ubg 2008, 337 (341). BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 20.1.

404 | Hensel/Brielmaier/Faller

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 22 § 18

Teilfreistellungen bereits beim Steuerabzug zu berücksichtigen.1 Zuständig für die Entrichtung der Kapitalertragsteuer ist nach § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 EStG das inländische Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. b EStG, das inländische Wertpapierhandelsunternehmen oder die inländische Wertpapierhandelsbank, das oder die die entsprechenden Investmentanteile verwahrt oder verwaltet, mithin die depotführende Stelle des Anlegers. Liegt keine Verwaltung durch eine dieser Stellen vor, ist nach § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 5 EStG der Investmentfonds selbst Entrichtungspflichtiger. Da bei der Vorabpauschale – anders als bei Ausschüttungen oder Anteilsveräußerungen – dem Anleger kein Geld zufließt, sind die zum Zweck des Steuerabzugs erforderlichen Geldbeträge nach § 44 Abs. 1 Satz 8 i.V.m. Abs. 1b EStG von seinem Konto einzuziehen, ohne dass es seiner Einwilligung bedarf. Eine Einwilligung soll insbes. nicht erforderlich sein, da es sich bei der Erhebung der KapErtrSt um ein Massenverfahren handelt.2 Ferner ist es möglich, soweit der Anleger nicht vor Zufluss der Kapitalerträge widerspricht, dass nach § 44 Abs. 1 Satz 9 i.V.m. Abs. 1b EStG auch ein Kontokorrentkredit zur Deckung der KapErtrSt auf die Vorabpauschale ausgeschöpft werden darf. Die Erstattung bereits erhobener KapErtrSt bei nachfolgendem Widerspruch soll ausgeschlossen sein.3 Angesichts der Tatsache, dass gem. § 18 Abs. 3 InvStG die Vorabpauschale erst am ersten Werktag des folgenden Kalenderjahres als zugeflossen gilt, dürften diese Sonderregelungen in der Praxis oftmals keine Wirkungen entfalten. Denn am Anfang eines Jahres ist der Sparer-Pauschbetrag, den in der Praxis die Anleger bei ihren depotführenden Stellen beantragt haben, noch regelmäßig nicht ausgeschöpft.4 Damit wird die Vorabpauschale häufig vom Sparer-Pauschbetrag erfasst, sodass zusätzliche Erhebungsmaßnahmen nicht notwendig sind. Soweit vom KapErtrSt-Abzug mangels Freistellungsauftrags nicht Abstand genommen wer- 20 den kann und gleichzeitig durch den StPfl. gegenüber seiner depotführenden Stelle keine Steuerliquidität über ein Verrechnungskonto zur Verfügung gestellt wird, hat die depotführende Stelle dies dem zuständigen Betriebsstätten-FA anzuzeigen (§ 44 Abs. 1 Satz 10 EStG). Das FA hat den fehlenden Steuerbetrag vom Anleger anzufordern. Teilweise wird vertreten, dass trotz Zahlung auf Anforderung eine steuerliche Erklärungspflicht auf Basis des § 32d Abs. 3 Satz 1 EStG erwächst.5 Diese Auffassung kann mit Blick auf eine zutreffende KapErtSt-Zahlung durch die StPfl., wenn auch nach Aufforderung, angezweifelt werden. Sofern die Investmentanteile im ausländischen Depot verwahrt werden, besteht für den Anleger hingegen die Steuererklärungspflicht für die Vorabpauschale nach § 32d Abs. 3 Satz 1 EStG. Zur beschränkten Steuerpflicht s. Rz. 6.

21

3. Verhältnis zu Doppelbesteuerungsabkommen Die abkommensrechtliche Einordnung der Vorabpauschale ist ungeklärt. Für den Fall, dass 22 DBA die Erträge aus der Beteiligung an einem Investmentfonds in den jeweiligen Dividendenartikel einbeziehen, stellt sich die Frage, ob und inwieweit nicht zahlungswirksame Erträge, wie die Vorabpauschale, ebenfalls erfasst sind (zu Fragen der Investmentfonds im Abkommensrecht vgl. Anhang 7). Ein erheblicher Teil der deutschen DBA nimmt wie die deutsche Verhandlungsgrundlage explizit Stellung zur Behandlung von Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem Investmentvermögen (vgl. ausführlich § 16 InvStG Rz. 77 ff.). Fraglich ist, ob der Begriff des Investmentvermögens dahingehend einschränkend zu verstehen ist, dass lediglich solche Investmentvermögen umfasst sein sollen, die dem sog. semi-transparenten 1 2 3 4 5

Lechner, RdF 2016, 208 (215). BT-Drucks. 18/8739, 120. BT-Drucks. 18/8739, 120; Helios/Mann, DB Sonderausgabe 1/2016, 16. So explizit BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 18.12. Kral/Watzlaw, BB 2018, 2717 (2721). Hensel/Brielmaier/Faller | 405

§ 18 Rz. 22 | Vorabpauschale Besteuerungsregime des InvStG bis 31.12.2017 unterliegen.1 Das semi-transparente Besteuerungsregime könnte ab 2018 grds. nur noch auf Spezial-Investmentfonds Anwendung finden. Fraglich ist, ob die Vorabpauschale als eine Art fiktive Ausschüttung vom jeweiligen Wortlaut des DBA erfasst wäre.2 Sofern man darauf abstellt, dass vom Dividendenbegriff nur Ausschüttungen umfasst sein können, und legt man die bisherige Rechtslage des § 1 Abs. 3 Satz 1 InvStG i.d.F. bis 31.12.2017 zugrunde, umfasst der Begriff der „Ausschüttungen“ sowohl die „ausgeschütteten Erträge“ als auch alle weiteren tatsächlich gezahlten oder gutgeschriebenen Beträge, d.h. auch solche, die bereits als „ausschüttungsgleiche Erträge“ versteuert wurden. Ausschüttungsgleiche Erträge waren hiervon jedoch nicht umfasst.3 Dies spricht gegen eine Einbeziehung der Vorabpauschale in den Dividendenbegriff. 23 Auf Basis des ab 2018 geltenden deutschen Investmentsteuerrechts ist die Bedeutung der ab-

kommensrechtlichen Behandlung der Vorabpauschale allerdings erheblich eingeschränkt. So erfolgt bei inländischen Investmentfonds mangels einer beschränkten StPfl. auf Vorabpauschalen, die Steuerausländern zuzurechnen sind, keine deutsche Steuerbelastung. Eventuell einbehaltene KapErtrSt wäre den ausländischen Anlegern zu erstatten. Im Falle eines ausländischen Investmentfonds mit deutschen Anlegern erscheint es ebenfalls unwahrscheinlich, dass auf die Vorabpauschale eine Quellensteuer erhoben wird. Die überwiegende Zahl ausländischer Besteuerungsregime für Investmentfonds ist cash-flow basiert. Daher kannten schon bisher nur wenige Staaten das Konstrukt ausschüttungsgleicher Erträge (z.B. Österreich), auf die Quellensteuer einbehalten worden wäre. Es darf deshalb auch infrage gestellt werden, ob Quellensteuer auf eine Vorabpauschale entstehen würde, auf die die Vorschriften eines DBA Auswirkung hätten. Die Problematik dürfte sich in der Praxis somit regelmäßig nicht stellen.

B. Bestimmung der Vorabpauschale (Abs. 1) I. Definition der Vorabpauschale (Abs. 1 Satz 1) 24 Die Regelung des § 18 Abs. 1 Satz 1 InvStG beinhaltet eine Legaldefinition der Vorabpau-

schale. Als Vorabpauschale wird der Wert festgelegt, um den die Ausschüttungen eines Investmentfonds innerhalb eines Kalenderjahres den Basisertrag für dieses Kalenderjahr unterschreiten. Zur Ermittlung der Vorabpauschale werden daher verschiedene Größen bzw. Kennzahlen benötigt, im Besonderen die Höhe der Ausschüttungen auf den zu betrachtenden Investmentanteil sowie der Basisertrag des nämlichen Investmentanteils. Der Basisertrag ist ebenfalls legal definiert (Rz. 28).

25 Durch die konkrete Formulierung in § 18 Abs. 1 Satz 1 InvStG, d.h. „Betrag, um den die Aus-

schüttungen [...] den Basisertrag [...] unterschreiten“, soll zum einen erreicht werden, dass die Vorabpauschale kein negativer Wert sein kann.4 Eine negative Vorabpauschale soll daher ausgeschlossen sein und auch nicht in solchen Fällen angesetzt werden können, in denen bspw. Wertverluste des Fondsanteils eintreten.5 Zum anderen soll aber auch eine Übermaßbesteuerung vermieden werden, da bei der Bemessung der Vorabpauschale die – besteuerten – Ausschüttungen zugunsten des StPfl. berücksichtigt werden.

1 Zur Frage einer solchen Abgrenzung bezogen auf die Differenzierung zwischen Investmentfonds und Investitionsgesellschaften nach dem InvStG i.d.F. v. 31.12.2017 vgl. Tischbirek/Specker in Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 10 OECD-MA Rz. 230. 2 Kammeter, ISR 2016, 99 (104) m.w.N. 3 Tischbirek/Specker in Vogel/Lehner7, Art. 10 OECD-MA Rz. 230. 4 Stadler/Bindl, DStR 2016, 1953 (1958). 5 BT-Drucks. 18/8045, 89.

406 | Hensel/Brielmaier/Faller

B. Bestimmung der Vorabpauschale (Abs. 1) | Rz. 29 § 18

Im Rahmen der Ermittlung der Vorabpauschale soll einheitlich auf die Ausschüttungen in- 26 nerhalb eines Kalenderjahres abgestellt werden. Das Geschäftsjahr des Investmentfonds ist somit unbeachtlich. Dasselbe gilt für die Ermittlung des Basisertrags, der ebenfalls für dasselbe Kalenderjahr ermittelt werden soll. Im Kontext von Ausschüttungen sollte das Abstellen auf das Kalenderjahr Investmentfonds, Anleger und depotführende Stellen vor keine unüberwindbaren Herausforderungen stellen, da i.d.R. nachvollziehbar sein sollte, ob, wann und in welcher Höhe Ausschüttungen getätigt wurden. Dennoch können in der Praxis einzelne Fälle enormen Zusatzaufwand bei der Informationsbeschaffung und -bereitstellung verursachen. Der Begriff der Ausschüttungen bestimmt sich dabei nach § 2 Abs. 11 InvStG und umfasst damit den gutgeschriebenen Betrag einschließlich etwaiger Steuerabzüge. Auch zugeflossene oder gutgeschriebene Beträge, die aufgrund einer Teilfreistellung nach § 20 InvStG keiner Besteuerung beim Anleger unterliegen, sind für die Ermittlung der Vorabpauschale nicht aus den Ausschüttungen zu kürzen. Dies ist wegen der umfassenden Anwendung des § 20 InvStG auf Ausschüttungen sowie die Vorabpauschale auch systematisch folgerichtig. Zum Realisationszeitpunkt von Ausschüttungen s. § 16 InvStG Rz. 43. Aufgrund der steuerlichen Veranlagung der von Vorabpauschalen betroffenen Anteilsinhaber 27 in Deutschland – und damit in Euro – ergibt sich bei Investmentfonds, deren Anteile in Fremdwährung nominiert sind oder deren Ausschüttung in Fremdwährungen gezahlt werden, die Notwendigkeit einer Währungsumrechnung für die einzelnen Komponenten zur Ermittlung der Vorabpauschale (erster Rücknahmepreis des Kalenderjahres, Ausschüttungen, letzter Rücknahmepreis des Kalenderjahres). Die FinVerw. möchte sämtliche Fremdwährungskomponenten einheitlich mit dem Referenzkurs der EZB zu dem jeweils relevanten Stichtag umgerechnet wissen.1 Fraglich ist allerdings, ob sich eine derartige Vorgabe aus dem Investmentsteuerrecht selbst ableiten lässt. Teilweise weicht dieses Vorgehen auch erheblich von anderen handels- oder steuerrechtlichen Umrechnungssystematiken ab. Vorteil der einheitlichen Festlegung eines Umrechnungskurses ist jedoch die gleichmäßige Ermittlung der Vorabpauschale für sämtliche Anleger, unabhängig von der Zuordnung der Investmentanteile zum Betriebs- oder Privatvermögen sowie von privatwirtschaftlichen Absprachen mit den depotführenden Stellen der Anleger. Als Resultat können damit selbst positive Wertveränderungen, die nur auf der Aufwertung der Fremdwährung beruhen, zum Ansatz einer Vorabpauschale führen, selbst wenn der zugrunde liegende Investmentanteil in Fremdwährung nominell keine positive Kursveränderung zeigt.

II. Definition des Basisertrags (Abs. 1 Satz 2) § 18 Abs. 1 Satz 2 InvStG beinhaltet die Legaldefinition des Basisertrags. Dieser ermittelt 28 sich durch Multiplikation des Rücknahmepreises des Investmentanteils zu Beginn des Kalenderjahres mit 70 % des Basiszinses nach § 18 Abs. 4 InvStG. Zur Ermittlung des Basisertrags werden daher verschiedene Größen bzw. Kennzahlen im Zusammenhang mit dem einzelnen Investmentanteil benötigt. Zunächst ist der Rücknahmepreis des Investmentanteils zu ermitteln. Der Rücknahmepreis 29 selbst ist nicht konret legal definiert. § 71 Abs. 3 Satz 1 KAGB enthält zwar einige Modalitäten für den Rücknahmepreis bei inländischen Investmentfonds. Für ausländische Investmentfonds finden diese jedoch nicht unmittelbar Anwendung. In der Praxis spiegelt der Rücknahmepreis aber den Preis wider, den der Anleger bei Rückgabe seiner Fondsanteile von der Fondsgesellschaft ausbezahlt erhält. Dieser kann, muss jedoch nicht, mit dem Nettoinventarwert des Fondsanteils übereinstimmen, da einige Fondsgesellschaften Abschläge vom Nettoin-

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 18.6. Hensel/Brielmaier/Faller | 407

§ 18 Rz. 29 | Vorabpauschale ventarwert vornehmen („Rücknahmeabschlag“), bspw. in Form von gestaffelten Rücknahmegebühren abhängig von der Haltedauer des Anteils. Daher kann es der Fall sein, dass der Rücknahmepreis für verschiedene Anleger variiert. Dem Grunde nach sollte jedoch der Rücknahmepreis in aller Regel nicht über dem Nettoinventarwert eines Investmentanteils liegen. Sofern also der eigentliche Wert des entsprechenden Fondsanteils von dem Rücknahmepreis nach oben abweicht, stellt dies für den Anleger mit Blick auf die Ermittlung der Vorabpauschale keinen Nachteil dar, da sich diese auf den niedrigeren Rücknahmepreis bezieht. Mit Abstellen auf den Rücknahmepreis „zu Beginn des Kalenderjahres“ sollte nicht zwingend der Rücknahmepreis auf den 1.1. verstanden werden, sondern vielmehr der erste Rücknahmepreis im Kalenderjahr, sodass auch für unterjährig aufgelegte Investmentfonds eine Vorabpauschale anfällt.1 Sofern kein Rücknahmepreis auf den Beginn des Kalenderjahres festgesetzt wurde, ordnet § 18 Abs. 1 Satz 4 InvStG eine Verwendung des ersten Börsen- oder Marktpreises an (Rz. 34).2 30 Der Rücknahmepreis muss mit 70 % des Basiszinses („Rechnungszins“) nach § 18 Abs. 4

InvStG multipliziert werden („Basisertrag“). Der Rechnungszins ist dabei nach Auffassung der FinVerw. mit mindestens drei Dezimalen anzusetzen, der Basisertrag mit mindestens vier Nachkommastellen.3 Durch das Abstellen auf 70 % und damit den Abschlag von 30 % auf den Basiszins soll berücksichtigt werden, dass der Anleger Erträge des Investmentfonds lediglich abzgl. der den Anteilspreis mindernden Verwaltungskosten erhält.4 Diese werden damit im Ergebnis i.H.v. 30 % des Basiszinses typisiert. Eine Möglichkeit zum Nachweis höherer tatsächlicher Verwaltungskosten ist gesetzlich hingegen nicht vorgesehen.

31 § 18 Abs. 1 Satz 2 InvStG stellt auf den Basiszins nach § 18 Abs. 4 InvStG ab. § 203 BewG

wurde mit dem Gesetz zur Anpassung des ErbStG an die Rspr. des BVerfG v. 4.11.20165 vollständig neu gefasst, sodass § 203 Abs. 2 BewG keine eigene Bestimmung des Basiszinses vorsieht (Rz. 11). Daher wurde der Verweis auf § 18 Abs. 4 InvStG ergänzt.

III. Begrenzung des Basisertrags (Abs. 1 Satz 3) 32 § 18 Abs. 1 Satz 3 InvStG begrenzt den Basisertrag auf den Mehrbetrag, der sich zwischen

dem ersten und dem letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis zzgl. der Ausschüttungen innerhalb des Kalenderjahres ergibt. Durch diesen Satz soll eine Übermaßbesteuerung vermieden werden. Ohne diese Begrenzung könnte der als Vorabpauschale stpfl. Betrag beim Anleger die tatsächlich erzielte kalkulatorische Jahresrendite eines Investmentanteils überschreiten. Im Besonderen soll eine Begrenzung der Vorabpauschale auf die tatsächliche Wertsteigerung des Fondsanteils im VZ sichergestellt werden.6

33 Abgestellt wird auf den ersten und den letzten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahme-

preis, nicht auf den Rücknahmepreis zu Beginn und zum Ende des VZ. Sofern für einen Investmentanteil bspw. lediglich zum 1.4. und zum 31.10. eines Jahres Rücknahmepreise festgesetzt würden, könnten nach dem reinen Wortlaut von § 18 Abs. 1 Satz 3 InvStG für die entsprechende Wertsteigerungsbegrenzung nur diese beiden Werte herangezogen werden. Dies scheint allerdings, abhängig von den tatsächlichen Gegebenheiten, der gesetzgeberischen Intention nicht vollumfänglich zu entsprechen. Vielmehr sollte in derartigen Fällen zum 1.1.

1 2 3 4 5 6

Helios/Mann, DB Sonderausgabe 1/2016, 15. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 18.7. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 18.4. BT-Drucks. 18/8045, 89. BGBl. I 2016, 2464. BT-Drucks. 18/8045, 89.

408 | Hensel/Brielmaier/Faller

B. Bestimmung der Vorabpauschale (Abs. 1) | Rz. 35 § 18

und zum 31.12. eines Jahres sowie zu eventuellen anderen relevanten Zeitpunkten auf adäquate verfügbare Alternativwerte abgestellt werden. Alternativ könnte überlegt werden, in diesen Fällen auf den Börsen- oder Marktpreis abzustellen.1 Sofern der Investmentfonds bzw. die Fondsgesellschaft – wie im deutschen Publikumsfondsmarkt üblich – bspw. täglich, wöchentlich oder wenigstens monatlich Rücknahmepreise festsetzt, dürfte das Problem mangelnder Informationen zu Anteilswerten allerdings regelmäßig nicht auftreten. Gerade bei ausländischen Investmentfonds, die nicht auf den deutschen Markt ausgelegt sind, können sich jedoch hinsichtlich der Verfügbarkeit von Rücknahmepreisen Hindernisse ergeben.

IV. Börsen- oder Marktpreis als Ersatzwert (Abs. 1 Satz 4) Nach § 18 Abs. 1 Satz 4 InvStG tritt der Börsen- oder Marktpreis an die Stelle des Rücknah- 34 mepreises, wenn kein Rücknahmepreis festgesetzt wird. Sowohl für die Ermittlung des Basisertrags nach § 18 Abs. 1 Satz 2 InvStG als auch dessen Begrenzung auf die Wertsteigerungen im VZ nach § 18 Abs. 1 Satz 3 InvStG werden grds. festgesetzte Rücknahmepreise benötigt. Über die Öffnungsklausel nach Satz 4 sollten Börsen- oder Marktpreise sowohl nach Satz 2 als auch Satz 3 angesetzt werden können. Auffällig ist, dass kein expliziter Verweis auf Börsen i.S.d. § 2 Abs. 1 BörsenG oder eine vergleichbare ausländischen Börse gemacht wurde. Ein solcher Hinweis war noch in § 1 Abs. 1b Satz 2 Nr. 2 Satz 2 InvStG bis 31.12.2017 enthalten. Hieraus kann abgeleitet werden, dass es nicht notwendig auf die Börsendefinition des § 2 Abs. 1 BörsenG ankommen soll. Diese sieht vor, dass Börsen teilrechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts sind, die nach Maßgabe des BörsenG multilaterale Systeme regeln und überwachen, welche Kauf- und Verkaufsinteressen von einer Vielzahl von Personen hinsichtlich zum Handel zugelassener Wirtschaftsgüter und Rechten nach festgelegten Bestimmungen dergestalt zusammenbringen, dass es zu einem Kauf der Handelsobjekte kommt. Ferner wird auch nicht darauf abgestellt, dass an der Börse ein tatsächlicher Handel stattfindet2 oder die Börse einer Aufsicht unterliegt. Für die Börsenklausel des § 7 Abs. 6 Satz 3 AStG lässt es das BMF bspw. auch genügen, dass die Anteile „ohne weiteres gehandelt werden können.“3 Zudem ist kein Anhaltspunkt ersichtlich, welche Börsenpreise zugrunde zu legen sein sollen. Es kann sich in diesem Zusammenhang die Frage stellen, ob es ggf. einen Vorrang einzelner Börsen gegenüber anderen Börsen gibt. Eine gesetzliche Basis hierfür bietet das InvStG aber nicht. Denkbar wäre auch eine anderweitige marktorientierte Preisfindung, z.B. durch Marktplätze von Online-Banken, die nicht den Regelungen von Börsen oder deren üblicher Ausgestaltung entsprechen müssen. Insgesamt kann u.E. daher der für den StPfl. günstigste Börsen- oder Marktpreis zugrunde gelegt werden.

V. Ermittlungsschema Ein Schema zur Ermittlung der Vorabpauschale enthält der Gesetzentwurf der Bundesregie- 35 rung zum Investmentsteuerreformgesetz.4

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 18.8. 2 Anders z.B. § 1 Abs. 1b Satz 2 Nr. 2 Satz 2 oder Nr. 6 InvStG bis 31.12.2017. 3 Simonis/Grabbe/Faller, DB 2014, 16 (18); BMF v. 15.4.2004 – IV B 4 - S 1340 – 11/04, BStBl. I 2004 Sondernummer 1, 3, Rz. 7.6.2. 4 Vgl. BT-Drucks. 18/8045, 89. Hensel/Brielmaier/Faller | 409

§ 18 Rz. 36 | Vorabpauschale

C. Vorabpauschale im Erwerbsjahr von Investmentanteilen (Abs. 2) 36 Nach § 18 Abs. 2 InvStG vermindert sich die Vorabpauschale um ein Zwölftel für jeden vollen

Monat, der dem Monat des Erwerbs der Investmentanteile durch den StPfl. vorangeht. Damit erfolgt grds. eine monatsgenaue Ermittlung der Vorabpauschale im Erwerbsjahr.1 Allerdings fließt der Monat des Erwerbs vollständig in die Berechnung der Vorabpauschale ein. Die Vorabpauschale wird daher nicht gesondert dergestalt ermittelt, dass Rücknahmepreise auf den Erwerbszeitpunkt angesetzt werden. Vielmehr erfolgt lediglich eine zeitlich anteilige Kürzung der entsprechenden Vorabpauschale, und zwar unabhängig davon, ob der Anleger die entsprechenden Erträge tatsächlich erhalten hat. Zu beachten ist, dass sich die Kürzung nicht wie ursprünglich geplant auf den Basisertrag, sondern direkt auf die Vorabpauschale bezieht.2 Eine Doppelbesteuerung wird durch die Kompensation der Vorabpauschale im Rahmen der Schlussbesteuerung bei Rückgabe oder Veräußerung der Investmentanteile vermieden.

37 Das InvStG selbst definiert nicht, zu welchem Zeitpunkt ein Investmentanteil als „erworben“

anzusehen ist. Maßgeblich dürfte aber der Schlusstag sein, an dem der Erwerb der Anteile rechtsverbindlich abgewickelt wurde („Zuteilung“), da mit Zuteilung sowohl das Kursrisiko der Anteile auf den Anleger übergeht als auch seine Ausschüttungsberechtigung erwächst. Nach den allgemeinen Grundsätzen des § 39 AO sind die Anteile ab diesem Zeitpunkt für steuerliche Zwecke dem Anleger zuzurechnen. Denkbar wären auch das schuldrechtliche Anschaffungsgeschäft („Zeichnung“) oder der Moment der physischen „Einbuchung“ der Investmentanteile ins Anlegerdepot. In der Grundstruktur handelt es sich bei der Frage nach dem Erwerbszeitpunkt aber um eine Frage der steuerlichen Zurechnung des Wirtschaftsguts „Investmentanteil“ zum Anleger. Demnach sollte die Zeichnung als Erwerbszeitpunkt ausscheiden, da bei ihr noch kein Übergang der Anteile stattgefunden hat. Die physische Einbuchung ist dagegen regelmäßig kein rechtserheblicher Akt, sie ist nur die girale Darstellung des Übertragungsakts. Ein Beispiel für die anteilige Kürzung der Vorabpauschale nach § 18 Abs. 2 InvStG lässt sich wie folgt illustrieren:3 Beispiel: Der Basiszins nach § 18 Abs. 4 InvStG beträgt aufgrund eines BMF-Schreibens für das Jahr 1 %. Da nur 70 % davon anzusetzen sind, beträgt der maßgebende Zinssatz 0,7 %. Wert des Investmentanteils am Jahresanfang 01 Wert des Investmentanteils am Jahresende 01 Ausschüttung je Investmentanteil während des Jahres 01

100 € 100,50 € 0,10 €

Lösung: Für die Vorabpauschale könnte maximal der Basisertrag i.H.v. 0,70 € pro Anteil angesetzt werden (100 € x 0,7 % = 0,70 €). Die Wertsteigerung während des Kalenderjahres beträgt 0,50 € + 0,10 € Ausschüttung = 0,60 €. Die Wertsteigerung von 0,60 € bildet die Obergrenze für die Vorabpauschale. Von dieser Obergrenze sind die Ausschüttungen des Jahres 01 i.H.v. 0,10 € abzuziehen, sodass eine Vorabpauschale von 0,50 € verbleibt. Anleger A hat den Investmentanteil erst am 10.7.01 erworben. Die für das gesamte Jahr 01 berechnete Vorabpauschale i.H.v. 0,50 € mindert sich um 6/12 auf 0,25 €.

38 Zu keinem Ansatz einer Vorabpauschale kommt es im Jahr der Veräußerung von Invest-

mentanteilen. Zwar ergibt sich dies nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut, sondern le1 Faller/Wolf/Brielmaier, DB 2016, 488 (491). 2 Kral/Watzlaw, BB 2016, 2198 (2200). 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 18.11.

410 | Hensel/Brielmaier/Faller

D. Zufluss der Vorabpauschale (Abs. 3) | Rz. 40 § 18

diglich aus der Gesetzesbegründung.1 Allerdings widerspräche der (teilweise) Ansatz einer Vorabpauschale für das Jahr der Veräußerung der Systematik der Investmentbesteuerung mit ihrer abschließenden Besteuerung bei Anteilsscheinrückgabe bzw. -veräußerung. Eine derartige Vorabpauschale würde aufgrund des Gesetzeswortlauts am 1.1. des auf die Veräußerung folgenden Jahres zugerechnet und versteuert. Gleichzeitig müsste diese Besteuerung auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückwirken und das Veräußerungsergebnis nachträglich mindern. Damit würde die Besteuerung auf zwei Perioden auseinandergezogen, obwohl alle Erträge und Wertsteigerungen, die Basis einer Vorabpauschale sein können, über den Rücknahmepreis bzw. den Veräußerungserlös bereits im Veräußerungsergebnis enthalten sind. Daher ist der Nichtansatz einer Vorabpauschale im Jahr der Veräußerung von Investmentanteilen nur folgerichtig.

D. Zufluss der Vorabpauschale (Abs. 3) § 18 Abs. 3 InvStG fingiert den Zufluss der Vorabpauschale am ersten Werktag des folgen- 39 den Kalenderjahres. Somit werden die fiktiven Erträge nicht in dem Kalenderjahr erfasst, für das sie ermittelt werden. Noch im Diskussions- und Regierungsentwurf zum InvStRefG war der Zufluss zum Geschäftsjahresende des Investmentfonds vorgesehen.2 Der Hintergrund für diese Regelung ist nicht primär im Investmentsteuerrecht, sondern maßgeblich im Kapitalertragsteuerabzugsverfahren zu finden und beruht auf praktischen Erwägungen. So handelt es sich bei der Vorabpauschale um eine unbare Maßnahme, da kein Geld fließt, sondern lediglich ein fiktiver Wert festgesetzt wird. Dementsprechend bestimmt § 44 Abs. 1 Sätze 8 und 9 EStG, dass die auszahlenden Stellen ermächtigt werden, zwecks Einzugs der für den Steuerabzug erforderlichen Geldbeträge auf ein Konto des StPfl. zuzugreifen. Es ist zu erwarten, dass in der Praxis ein Rückgriff auf Giro- oder Kontokorrentkonten zu Unmut bei den Anlegern führt. Denn es dürfte insbes. dem einzelnen (Privat-)Anleger schwer zu vermitteln sein, dass für fiktive Wertzuwächse reale Steuerabzüge notwendig sind. Derartige „Vermittlungskonflikte“ vermeidet der Gesetzgeber durch die Zuflussfiktion zu Beginn des Folgejahres. Denn die Anleger erteilen oftmals bei ihren Kreditinstituten einen Freistellungsauftrag. Weil dieser zu Anfang eines Kalenderjahres – dem Zeitpunkt des fiktiven Zuflusses der Vorabpauschale – regelmäßig noch nicht erschöpft ist, werden die Vorabpauschalbeträge folglich vom Sparer-Pauschbetrag erfasst, sodass damit ein Steuerabzugsverfahren vermieden wird. In Fällen, in denen kein (ausreichender) Freistellungsauftrag erteilt wurde oder für Anleger, bei denen nicht aufgrund anderer Freistellungsbescheinigungen Abstand vom Kapitalertragsteuerabzug genommen werden kann, kommt es jedoch zum Erfordernis der Bereitstellung einer Steuerliquidität durch den StPfl. Um eine mögliche Doppelbesteuerung zu vermeiden, wird die Vorabpauschale vom Gewinn 40 aus der Veräußerung der Investmentanteile abgezogen (§ 19 Abs. 1 Satz 3 InvStG, Rz. 15). Im Zeitpunkt des Zuflusses soll bei bilanzierenden StPfl. eine Doppelerfassung durch die Bildung eines sog. Ausgleichspostens in der Steuerbilanz erfolgen.3 Bei StPfl., die ihren Gewinn durch eine Einnahmenüberschussrechnung ermitteln, soll ein entsprechender Merkposten gebildet werden. Dieser soll im Jahr der Veräußerung der Investmentanteile bzw. des Zuflusses des Veräußerungserlöses bei Einnahmenüberschussermittlern gewinnmindernd aufgelöst werden (Rz. 15; vgl. Anh. 3 Rz. 45, 58).

1 Kral/Watzlaw, BB 2018, 2717 (2719). 2 Kral/Watzlaw, BB 2016, 2198 (2200). 3 Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2715). Hensel/Brielmaier/Faller | 411

§ 18 Rz. 41 | Vorabpauschale

E. Definition des Basiszinses (Abs. 4) 41 Nach § 18 Abs. 4 Satz 1 ist der Basiszins, der für die Ermittlung des Basisertrags erforderlich

ist, aus der langfristig erzielbaren Rendite öffentlicher Anleihen abzuleiten. Dies folgt dem Grundgedanken, eine risikolose Marktverzinsung für die Bestimmung der Vorabpauschale heranzuziehen.1 Die Entscheidung des Gesetzgebers, für die Vorabpauschale den Basiszins als Grundlage zu wählen, dürfte maßgebend auf der Vorstellung beruhen, dass dieser Wert nicht manipulierbar sein dürfte. Zudem ist er in einem stabilen Marktumfeld auch mittelfristig keinen enormen Schwankungen ausgesetzt, sodass die StPfl. keiner übermäßigen Besteuerung ausgesetzt sind. Für die Ableitung nach Satz 1 ist gem. § 18 Abs. 4 Satz 2 auf den Zinssatz abzustellen, den die Deutsche Bundesbank anhand der Zinsstrukturdaten jeweils auf den ersten Börsentag des Jahres errechnet.2 Nach § 18 Abs. 4 Satz 3 InvStG veröffentlicht das BMF den maßgebenden Zinssatz im BStBl. Dies entspricht der bereits bekannten Veröffentlichung des Basiszinses, wie diese bisher für Zwecke des § 203 Abs. 2 BewG und des ErbStG jeweils zum Kalenderjahresbeginn erfolgte.

42 Durch die Veröffentlichung des Basiszinses zu Beginn eines Kalenderjahres steht die maximale

Vorabpauschale (70 % x Basiszins x Rücknahmepreis) für ein Kalenderjahr bereits frühzeitig fest. Insofern ermöglicht dies einem Investmentfonds, seine Ausschüttungspolitik zu planen, selbst wenn die genaue Höhe einer möglichen Vorabpauschale aufgrund der Unsicherheit der Wertentwicklung über das Kalenderjahr hinweg noch nicht feststeht. Insbesondere kann durch Ausschüttungen i.H.d. maximalen Vorabpauschale der Ansatz einer Vorabpauschale und damit ggf. die Notwendigkeit einer Bereitstellung von Steuerliquidität durch Anleger für das Kalenderjahr verhindert werden. Ebenso können Fondsmanagement und Anleger von voll thesaurierenden Investmentfonds die maximale Höhe der notwendigen Steuerliquidität zum 1.1. des Folgejahres vorab ermitteln.

§ 19 Gewinne aus der Veräußerung von Investmentanteilen (1) 1Für die Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung von Investmentanteilen, die nicht zu einem Betriebsvermögen gehören, ist § 20 Absatz 4 des Einkommensteuergesetzes entsprechend anzuwenden. 2§ 20 Absatz 4a des Einkommensteuergesetzes ist nicht anzuwenden. 3Der Gewinn ist um die während der Besitzzeit angesetzten Vorabpauschalen zu vermindern. 4Die angesetzten Vorabpauschalen sind ungeachtet einer möglichen Teilfreistellung nach § 20 in voller Höhe zu berücksichtigen. (2) 1Fällt ein Investmentfonds nicht mehr in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes, so gelten seine Anteile als veräußert. 2Als Veräußerungserlös gilt der gemeine Wert der Investmentanteile zu dem Zeitpunkt, zu dem der Investmentfonds nicht mehr in den Anwendungsbereich fällt. A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 5 7

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 BT-Drucks. 18/8045, 89; Helios/Mann, DB Sonderausgabe 1/2016, 14. 2 Vgl. zur Ermittlung von Zinsstrukturdaten u.a. Eisele in Rössler/Troll, BewG, § 203 Rz. 5.

412 | Hensel/Brielmaier/Faller

9

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 3 § 19

B. I. II. III.

2. Verhältnis zu anderen Vorschriften des Ertragsteuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung (Abs. 1) Entsprechende Anwendung des § 20 Abs. 4 EStG (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keine Anwendung des § 20 Abs. 4a EStG (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berücksichtigung der Vorabpauschale (Abs. 1 Sätze 3 und 4) . . . . . . . . . . . . . . . .

14

18

C. Ausscheiden aus dem Anwendungsbereich des InvStG (Abs. 2) I. Besteuerungszeitpunkt aufgrund Veräußerungsfiktion (Abs. 2 Satz 1) . . . . . . . . . . . 37 II. Gemeiner Wert als fiktiver Veräußerungserlös (Abs. 2 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

24 25

Literatur: Schmitt-Homann, Abgeltungsteuer: Verlustanteil, Forderungsausfall, Bezugsrecht und Wertpapieranleihe – kritische Anmerkungen zum neuen BMF-Anwendungsschreiben, BB 2010, 351; Jachmann-Michel, Abgeltungsteuer – Erste Rechtsprechungslinien und offene Fragen, StuW 2018, 9. Verwaltungsanweisung: BMF v. 21.5.2019 – IV C 1 - S 1980 – 1/16/10010:001 – DOK 2019/0415199, BStBl. I 2019, 527 (Anwendungsfragen zum InvStG in der ab dem 1.1.2018 geltenden Fassung).

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck Mit dem Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung vom 19.7.20161 hat der Gesetzgeber 1 die Besteuerung von kollektiven Kapitalanlagen und deren Anlegern von Grunde auf neu ausgerichtet. Dazu wurde für Investmentfonds ein intransparentes Besteuerungsregime mit Steuerpflichten sowohl auf Fonds- als auch auf Anlegerebene neu geschaffen. Hinsichtlich der Besteuerung der Anleger in Investmentfonds wird das System ausgeschütteter und ausschüttungsgleicher Erträge zugunsten einer neuen, grds. cash flow-basierten Besteuerung abgeschafft. Demnach werden ab 1.1.2018 lediglich Zahlungszuflüsse aus Ausschüttungen auf und aus der Veräußerung von Investmentanteilen durch Anleger besteuert. Durchbrochen wird dieses System unter bestimmten Voraussetzungen von der sog. Vorabpauschale, um Gestaltungsmöglichkeiten durch Ertragsthesaurierung zu vermeiden.2 Insgesamt soll die während der Besitzzeit aller Investmentanteile realisierte Wertveränderung der Besteuerung auf Anlegerebene unterliegen. In diesem Kontext dient die StPfl. von Rückgabe- bzw. Veräußerungsgewinnen, die in § 16 Abs. 1 Nr. 3 InvStG definiert wird, der Sicherstellung der Schlussbesteuerung im Rahmen des Fondsinvestments.3 Die Regelung des § 19 Abs. 1 InvStG dient als Ermittlungsvorschrift für Gewinne, die Pri- 2 vatanleger aus der Veräußerung von Investmentanteilen erzielen. Während diese Veräußerungsgewinne gem. § 16 Abs. 1 Nr. 3 InvStG legal als Teil der Investmenterträge und damit der grds. steuerbaren und stpfl. Kapitalerträge definiert werden, beantwortet § 19 Abs. 1 InvStG die Frage, wie sich ein Veräußerungsgewinn aus Investmentanteilen ergibt, dergestalt, dass § 20 Abs. 4 EStG, nicht jedoch § 20 Abs. 4a EStG entsprechend anzuwenden ist. Im Ergebnis betrifft § 19 Abs. 1 InvStG damit nicht die StPfl. der Veräußerungsgewinne aus Investmentanteilen dem Grunde nach, sondern ist die Ausgangsbasis zur Ermittlung der stpfl. Kapitalerträge der Höhe nach. Damit nimmt § 19 Abs. 1 InvStG systematisch die Funktion des § 8 Abs. 5 InvStG a.F. ein, 3 indem er die Ermittlung des Veräußerungsergebnisses festlegt und so die Schlussbesteue1 BGBl. I 2016, 1730. 2 BT-Drucks. 16/4841, 105. 3 BT-Drucks. 16/4841, 105. Hensel/Brielmaier/Faller | 413

§ 19 Rz. 3 | Gewinne aus der Veräußerung von Investmentanteilen rung im System der Investmentbesteuerung sicherstellt. Im Ergebnis dient diese Schlussbesteuerung dazu, die im gesamten Investitionszyklus erzielte Wertveränderung steuerlich abzubilden und so der Kapitalbesteuerung zugänglich zu machen. 4 In § 19 Abs. 2 InvStG wird für Fälle, in denen ein Investmentfonds nicht länger in den An-

wendungsbereich des InvStG fällt, die Veräußerung der Anteile an diesem Investmentfonds fingiert. Somit sieht das Gesetz in diesen besonderen Veränderungen den Auslöser für ein steuerbares Veräußerungsereignis und definiert abweichend vom Grundsatzverweis des § 19 Abs. 1 InvStG als fiktiven Veräußerungserlös den gemeinen Wert der Investmentanteile. Laut Gesetzesbegründung soll diese Behandlung die stringente Trennung zwischen den Besteuerungsregimen des InvStG und des sonstigen allgemeinen Ertragsteuerrechts sicherstellen.1

II. Anwendungsbereich 5 Während § 19 Abs. 1 InvStG explizit nur auf Veräußerungen und diesen gleichgestellte Vor-

gänge im Zusammenhang mit Anteilen an Investmentfonds im Privatvermögen Anwendung findet, sind derartige Einschränkungen in § 19 Abs. 2 InvStG nicht enthalten. Dies lässt sich mit Blick auf die unterschiedliche Funktion der beiden Absätze rechtfertigen. Anders als Abs. 1 bezieht sich Abs. 2 auf die Definition eines bestimmten, der Veräußerung gleichgestellten Vorgangs und damit auf einen Tatbestand, der für private und betriebliche Anleger gleichermaßen regelbar ist. Aufgrund unterschiedlicher Gewinnermittlungsprinzipien besteht lediglich für Privatanleger Regelungsbedarf hinsichtlich der Ermittlung eines Veräußerungsgewinns.

6 § 19 InvStG findet insgesamt aufgrund seiner Stellung lediglich für Investmentfonds Anwen-

dung. Er wird auch nicht über spezielle Regelungen in das Recht der Spezial-Investmentfonds transportiert. Vielmehr bestehen für Spezial-Investmentfonds gesonderte Regelungen in den §§ 48 und 49 InvStG.

III. Rechtsentwicklung 7 Die Vorschrift des § 19 InvStG enthält politisch relativ unumstrittene Regelungen. Es über-

rascht dann auch nicht, dass es während des Gesetzgebungsverfahrens zum InvStRefG vergleichsweise geringe Diskussionen um die Vorschrift des § 19 InvStG gab. Lediglich im Bereich der Berücksichtigung der Vorabpauschale bei der Ermittlung des Veräußerungsergebnisses ergaben sich Fragestellungen. So schlugen die Fachausschüsse des Bundesrats zum InvStRefG noch eine Änderung des § 19 Abs. 1 Satz 3 InvStG vor, die Bedenken gegen die Berücksichtigung der Vorabpauschale im Rahmen der Veräußerungsgewinnermittlung beseitigen wollte. Ähnlich wie die Ausschüsse des Bundesrats sahen auch einige Sachverständige im Rahmen der Bundestagsanhörung eine Beeinträchtigung der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Insbesondere könne es durch das Zusammenwirken von steuerpflichtiger Vorabpauschale und nicht verrechenbaren, erhöhten Veräußerungsverlusten zu einer Definitivbesteuerung kommen. In seiner finalen Stellungnahme verzichtete der Bundesrat jedoch auf diesen Änderungsvorschlag, da er abweichend von seinen Fachausschüssen keinen Änderungsbedarf sah. Gleiches galt für den Finanzausschuss des Bundestags, der dem § 19 InvStG ohne Änderungen seine Zustimmung erteilte. Entsprechend stimmten sowohl der Bundestag als auch der Bundesrat dem Entwurf der Bundesregierung zum InvStRefG zu.

1 BT-Drucks. 16/4841, 105.

414 | Hensel/Brielmaier/Faller

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 12 § 19

Im Grundsatz handelt es sich bei § 19 InvStG um die steuersystematische Fortentwicklung 8 des § 8 Abs. 5 InvStG a.F., die sich praktisch nahtlos in die Prinzipien der Ermittlung von Veräußerungsgewinnen anderer Wirtschaftsgüter für Zwecke des deutschen Steuerrechts einreiht. Lediglich spezifische Anpassungen auf Ebene des Veräußerungserlöses und der steuerlichen Anschaffungskosten tragen den investmentsteuerlichen Besonderheiten Rechnung. Bei dieser Form der Veräußerungsgewinnermittlung handelt es sich sodann um ein akzeptiertes und bekanntes Verfahren, das in praxi auch systemseitig durch Banken einer belastbaren Umsetzung zugeführt werden kann.

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG Bezüglich des fiktiven Veräußerungsgewinns im Zusammenhang mit dem Übergang von al- 9 tem zu neuem Investmentsteuerrecht bestehen Sonderregelungen in § 56 Abs. 2 InvStG. Auf sie ist daher die Vorschrift des § 19 Abs. 1 InvStG nicht anzuwenden. Der fiktive Veräußerungsgewinn per 31.12.2017 ist bei tatsächlicher Veräußerung der Investmentanteile nach dem 1.1.2018 nicht Kapitalertrag i.S.d. des § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG i.V.m. § 16 InvStG, sondern noch als Kapitalertrag i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu versteuern. Das InvStG in der ab 1.1.2018 geltenden Fassung sieht in sich selbst einige Einzelfälle vor, in 10 denen eine Veräußerung fingiert wird oder die der Veräußerung von Investmentanteilen gleichgestellt werden. Diese Vorschriften regeln damit, wann ein Veräußerungsgewinn dem Grunde nach anfällt. Regelmäßig machen sie aber keine Vorgaben zur Ermittlung des Veräußerungsergebnisses, wodurch § 19 Abs. 1 InvStG eine Art Auffangeigenschaft zuteil wird. Wird durch eine Vorschrift des InvStG die Veräußerung ausgelöst, so ermittelt sich das Veräußerungsergebnis nach § 19 Abs. 1 InvStG. Teilweise macht das InvStG parallel zur Auslösung der Veräußerung Vorgaben bezüglich einzelner Komponenten der Veräußerungsgewinnermittlung, insbes. zum fiktiven Veräußerungserlös oder zu den Anschaffungskosten. So regelt bspw. § 2 Abs. 13 InvStG mit den Fällen der Rückgabe, der Abtretung, der Entnah- 11 me oder der verdeckten Einlage von Investmentanteilen in eine KapGes. ebenso wie mit der Liquidation oder beendeten Abwicklung von Investmentfonds eine Gruppe an Sachverhalten, die der Veräußerung qua Gesetz gleichstellt sind. Gleiches gilt nach Auffassung der FinVerw. bei einseitig vom Investmentfonds herbeigeführten Rücknahmen.1 Aufgrund der allgemeinen ertragsteuerlichen Systematik sollte auch der Tausch von Investmentanteilen in andere Wirtschaftsgüter einen Veräußerungstatbestand auslösen. Besonderheiten bestehen insoweit für die Ausgabe von Anteilen am übernehmenden Investmentfonds im Rahmen einer Verschmelzung von inländischen Investmentfonds nach § 23 InvStG oder bestimmter ausländischer Investmentfonds nach § 23 Abs. 4 InvStG. Hier soll durch die gesetzliche Definition des § 23 Abs. 3 Satz 1 InvStG gerade kein steuerbarer Tausch vorliegen, indem der Realisationstatbestand in diesen Fällen unterbunden wird. Eine darüber hinausgehende Anwendung der Grundsätze des deutschen Umwandlungssteuerrechts ist schon durch den spezialgesetzlichen Charakter des § 23 InvStG und dessen abschließenden Anwendungsbereich nicht anzudenken (vgl. § 23 InvStG Rz. 16 f.). Die Vorschriften des § 22 Abs. 1 Sätze 1 und 2 InvStG fingieren die Veräußerung von Invest- 12 mentanteilen, wenn sich der anwendbare Teilfreistellungssatz mit Blick auf einen Investmentfonds unterjährig oder zum Ende eines VZ ändert. Diese Veräußerungsfiktion ist systemseitig stringent, dient sie doch dazu, die Wertveränderungen in den Perioden unterschiedlicher Teilfreistellungssätze zu trennen und jeweils einer aufgrund des anwendbaren Teilfreistellungssat1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.50. Hensel/Brielmaier/Faller | 415

§ 19 Rz. 12 | Gewinne aus der Veräußerung von Investmentanteilen zes zutreffenden Besteuerung zuzuführen. Die Steuerstundung in § 22 Abs. 3 InvStG führt dazu, dass es erst bei tatsächlicher Veräußerung des Investmentanteils zur Besteuerung kommt, sodass eine Besteuerung ohne Zahlungsfluss (sog. „dry taxation“) in diesen Fällen vermieden wird. Insoweit trifft die depotführende Stelle des Anlegers in der Kommunikation mit und der Datenaufbereitung für den Anleger eine besondere Verantwortung. Da es sich beim Wechsel des Teilfreistellungssatzes um keinen tatsächlichen Veräußerungsvorgang handelt, definiert § 22 Abs. 2 InvStG darüber hinaus spezifisch den Rücknahme- bzw. Börsenoder Marktpreis bei Wechsel des Teilfreistellungssatzes als fiktiven Veräußerungserlös. 13 Indirekte Verbindung mit den Regelungen des § 19 InvStG hat die Vorschrift des § 17 Abs. 3

InvStG. Soweit bei Investmentfonds in Abwicklung die fortgeführten AK den letzten in einem Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis unterschreiten, stellen die Ausschüttungen des Kalenderjahres (ggf. auch nur teilweise) keine stpfl. Investmenterträge dar, sondern stammen wirtschaftlich aus der Substanz des Investmentfonds (§ 17 Abs. 1 InvStG). Entsprechend unterliegen Ausschüttungen insoweit keiner Besteuerung und mindern als „steuerfreie Kapitalrückzahlung“ nach § 17 Abs. 3 InvStG die steuerlichen Anschaffungskosten der Investmentanteile. Derartige Anschaffungskostenminderungen haben dann auch Auswirkungen auf die Ermittlung der Veräußerungsgewinne nach § 19 Abs. 1 InvStG. 2. Verhältnis zu anderen Vorschriften des Ertragsteuerrechts

14 Durch den Verweis in § 16 InvStG stellen auch die Gewinne aus der Veräußerung von Invest-

mentanteilen sog. Investmenterträge und damit Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG dar. Damit handelt es sich bei den Veräußerungsgewinnen aus Investmentanteilen um laufende Kapitalerträge, nicht um Veräußerungsgewinne i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG. Zugleich ist der Ausschluss des Werbungskostenabzugs nach § 20 Abs. 9 EStG auf die Veräußerungsgewinne aus Investmentanteilen voll anwendbar. Ein Abzug von Kosten im Zusammenhang mit den veräußerten Investmentanteilen ist für den Privatanleger außerhalb der Veräußerungskosten nicht möglich. Aufgrund der Subsidiaritätsklausel des § 20 Abs. 8 EStG stellen Veräußerungsergebnisse bei betrieblichen Anlegern Betriebseinnahmen bzw. -ausgaben dar.

15 Nach § 19 Abs. 1 InvStG sind beim Privatanleger die Regelungen des § 20 Abs. 4 EStG zur

Ermittlung eines Veräußerungsgewinns aus Investmentanteilen entsprechend anzuwenden. Dabei umfasst der Sachnormverweis die Systematik der Gewinnermittlung, sodass sich der Gewinn aus der Veräußerung von Investmentanteilen im Grundsatz aus der Differenz zwischen dem um die Veräußerungskosten geminderten Veräußerungserlös und den steuerlichen Anschaffungskosten ergibt. Für betriebliche Anleger finden die allgemeinen Grundsätze der Gewinnermittlung über den Betriebsvermögensvergleich bzw. die Einnahmenüberschussrechnung Anwendung, sodass sich insbes. angepasste Bilanzansätze und gebildete Ausgleichsposten im Zusammenhang mit den Investmentanteilen bei Veräußerung steuerlich auswirken.

16 Für alle Investmenterträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG i.V.m. § 16 InvStG und damit auch für

Gewinne aus der Veräußerung von Investmentanteilen fehlt ein Verweis in § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG. Daher besteht keine beschränkte StPfl. für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an inländischen Investmentfonds durch Steuerausländer.

17 Die Veräußerungsgewinne aus Investmentanteilen als Teil der Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1

Nr. 3 EStG i.V.m. § 16 InvStG können in Deutschland lediglich dann einer Besteuerung unterliegen, wenn das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik nicht ausgeschlossen ist. Dies könnte grds. der Fall sein, sofern ausländische Investmentanteile durch deutsche Privatanleger veräußert werden. In diesen Fällen würde das OECD-MA ebenso wie die deutsche Verhandlungsgrundlage nach Art. 13 Abs. 5 das Besteuerungsrecht an den Investmentanteilen ausschließlich Deutschland zuweisen. Demnach würde sich keine Beschränkung der deutschen Besteuerungsbefugnis rechtfertigen lassen. Etwas anderes könnte sich jedoch ergeben, wenn 416 | Hensel/Brielmaier/Faller

B. Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung (Abs. 1) | Rz. 20 § 19

es sich bei dem ausländischen Investmentfonds im einen Immobilienfonds handelt, der von Art. 13 Abs. 4 des OECD-MA oder der deutschen Verhandlungsgrundlage erfasst wird. Dies wäre grds. dann möglich, wenn der deutsche Privatanleger Anteile an einem Immobilienfonds in Gesellschaftsform veräußert und dieser Immobilienfonds seinen Investitionsschwerpunkt (direkt oder indirekt mehr als 50 % des Vermögens des Fonds) im Sitzstaat des Investmentfonds hätte. In diesem Falle dürften grds. der Quellenstaat und Deutschland als Ansässigkeitsstaat besteuern. Zu bedenken ist, jedoch, dass nach wie vor international nicht abschließend geklärt ist, ob Investmentanteile nach dem InvStG „Anteile“ oder „Rechte“ i.S.d. Art. 13 Abs. 4 OECD-MA darstellen.

B. Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung (Abs. 1) I. Entsprechende Anwendung des § 20 Abs. 4 EStG (Abs. 1 Satz 1) Die Vorschrift des § 19 Abs. 1 Satz 1 InvStG bestimmt, dass für die Ermittlung des Gewinns 18 aus der Veräußerung von Investmentanteilen, die nicht zu einem Betriebsvermögen gehören, § 20 Abs. 4 EStG entsprechend anzuwenden ist. Mithin legt sie die Systematik der Gewinnermittlung in der für das Privatvermögen üblichen Vorgehensweise fest. Der Gewinn aus der Veräußerung ergibt sich daher analog § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG grds. als Differenz zwischen dem (fiktiven) Veräußerungserlös abzgl. etwaiger Veräußerungskosten und den Anschaffungskosten (inkl. etwaiger Anpassungen). Durch diese Ermittlungsmethode können sich auch Verluste ergeben. In diesem Zusammenhang stellt § 2 Abs. 14 InvStG sicher, dass solche Verluste grds. auch steuererheblich sind. Der Verweis auf § 20 Abs. 4 EStG findet explizit keine Anwendung auf Investmentanteile, 19 die im Betriebsvermögen gehalten werden. Hintergrund hierfür ist die Tatsache, dass bei betrieblichen Anlegern die Besonderheiten der Einkünfteermittlung durch Betriebsvermögensvergleich oder Einnahmenüberschussrechnung zu berücksichtigen sind. Da der Gesetzgeber für betriebliche Anleger die Anwendung des § 20 Abs. 4 EStG ausdrücklich verneint, fingiert er mittelbar auch, dass bei betrieblichen Anlegern selbst ohne einen förmlichen Antrag nach § 43 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 EStG der KapErtrSt-Abzug unterbleiben kann. Denn Voraussetzung für den KapErtrSt-Abzug ist das Bestehen einer für den Abzugsverpflichteten erkennbaren Bemessungsgrundlage. Dies ist bei Anwendung des § 20 Abs. 4 EStG – grds. als Überschuss des Veräußerungserlöses abzgl. der Veräußerungskosten über die Anschaffungskosten – gegeben. Anders sieht es jedoch bei der Gewinnermittlung durch den Betriebsvermögensvergleich aus. Ein KapErtrSt-Abzug aufgrund des Betriebsvermögensvergleichs ist einem Kreditinstitut mangels der entsprechenden Kenntnis des Steuerbilanzansatzes beim Anleger naturgemäß nicht möglich. Die FinVerw. möchte insoweit auf eine Bemessungsgrundlage abstellen, wie sie sich für einen Privatanleger nach § 20 Abs. 4 EStG ergeben würde.1 Neben der tatsächlichen Veräußerung legt § 2 Abs. 13 InvStG auch die Rückgabe, Abtretung, 20 Entnahme oder verdeckte Einlage von Investmentanteilen ebenso wie die beendete Abwicklung oder Liquidation eines Investmentfonds als Realisationstatbestände („Veräußerung“) fest. Daneben bestehen einige weitere spezifische Fälle, die als Veräußerung i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 1 InvStG gewertet werden (s. auch Rz. 11 ff.). Zunächst waren die Abwicklung und Liquidation eines Investmentfonds nicht in dieser Aufzählung aufgeführt – wie auch bei den Veräußerungssurrogaten des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG. Dies war aus einem deutschen Blickwinkel nachvollziehbar. In der Regel handelt es sich bei der Liquidation eines inländischen Investmentfonds um einen längeren Prozess (vgl. § 100 KAGB), in dem das Vermögen in Form von Ausschüttungen ausgekehrt wird bzw. die Investmentanteile zurückgegeben werden. Hierfür be1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 19.13. Hensel/Brielmaier/Faller | 417

§ 19 Rz. 20 | Gewinne aus der Veräußerung von Investmentanteilen inhaltet das Gesetz in § 16 Abs. 1 Nr. 1 und 3 InvStG, unter Berücksichtigung des § 17 InvStG, jeweils eine Regelung. Endet dagegen ein ausländischer Investmentfonds nach Auskehrung des Fondsvermögens mit der Liquidation und dem ersatzlosen Untergang der Fondsanteile (ohne Rückgabe), so wurde durch die explizite Einfügung der „beendeten Abwicklung und Liquidation“ in § 2 Abs. 13 durch das „JStG 2019“1 klargestellt, dass darin für Zwecke des InvStG ebenfalls eine Form der Veräußerung i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 1 InvStG zu sehen ist. 21 Nicht aufgeführt bleibt dagegen die Ausbuchung von Fondsanteilen aus einem Privatdepot

wegen Wertlosigkeit. Hier stellt sich die Frage, ob derartige Sachverhalte im Privatvermögen überhaupt zu berücksichtigen sind, mit der ausschließlichen Folgen einer (früheren) Verlustnutzbarkeit. Für betriebliche Anleger stellen sich hier keine Abgrenzungsfragen, da jegliche Betriebsvermögensmehrung oder -minderung zu beachten ist, insbes. Teilwertabschreibungen und Wertaufholungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG. Anders sieht dies für Privatanleger aus. Jedoch hat hierzu die Rspr. bereits Stellung genommen und die Verluste aus der Ausbuchung von Kapitalanlagen wegen Wertlosigkeit berücksichtigt.2 Die FinVerw. folgt dem nunmehr.3 Allerdings gilt für derartige Verluste die beschränkte Verlustverrechnungsmethode i.S.d. § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG, die auch auf Fondsanteile als WG i.S.d. § 20 Abs. 1 EStG (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG) anwendbar ist.

22 Wie im Falle aller Veräußerungen von Kapitalvermögen soll auch bei der Veräußerung von

Investmentanteilen das sog. Fifo-Verfahren („first-in-first-out“), nach dem die zuerst angeschafften Investmentanteile auch als erste als veräußert gelten, Anwendung finden. Dies hat insbes. Bedeutung, wenn gleichartige Investmentanteile zu verschiedenen Zeitpunkten erworben wurden. Entsprechend sind die notwendigen Informationen zu Anschaffungskosten und zugehörigen Vorabpauschalen durch die depotführenden Stellen vorzuhalten und bei der Veräußerung zu berücksichtigen. Allerdings können im Veranlagungsverfahren betriebliche Anleger die Höhe der Anschaffungskosten und die Höhe der anzusetzenden Vorabpauschale mit der Durchschnittsmethode ermitteln.4

23 Durch den umfassenden Verweis des § 19 Abs. 1 Satz 1 InvStG auf den § 20 Abs. 4 EStG

gelten alle dessen Sätze auch im Bereich der Ermittlung der Veräußerungsgewinne aus Investmentvermögen. Insoweit finden auch die Veräußerungserlös- und Anschaffungskostenfiktionen in § 20 Abs. 4 Sätze 2–4, 6–9 EStG vollumfänglich Anwendung. Für alle Investmentanteile, die bei erstmaliger Anwendung des neuen InvStG am 1.1.2018 bereits von Privatanlegern gehalten werden, wurden die steuerlichen Anschaffungskosten durch § 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 InvStG auf den letzten im Kalenderjahr 2017 festgesetzten Rücknahmepreis, bei dessen Fehlen den Börsen- oder Marktpreis, festgelegt. Anpassungen an diesen Anschaffungskosten ergeben sich im Falle von Substanzauskehrungen nach § 17 Abs. 1 und 3 InvStG.

II. Keine Anwendung des § 20 Abs. 4a EStG (Abs. 1 Satz 2) 24 Nach § 19 Abs. 1 Satz 2 InvStG sind die Regelungen des § 20 Abs. 4a EStG zu Kapitalmaß-

nahmen nicht anzuwenden. Dies ist folgerichtig. Für Verschmelzungen von Investmentfonds enthält § 23 InvStG spezialgesetzliche Sonderregelungen – auch für Barzahlungen (§ 23 Abs. 3 Satz 3 InvStG) –, sodass es einer Anwendung von § 20 Abs. 4a Sätze 1, 2 und 7 EStG nicht bedarf. § 20 Abs. 4a Sätze 3 und 4 EStG beinhalten Sondervorschriften für die Fälle, in denen bei Anleihen die Einlösung in Form von anderen Wertpapieren bzw. in Form von Kapitalerhöhungen gegen Einlagen („debt equity swap“) erfolgen kann. Sie scheinen somit auf In1 2 3 4

G v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451. BFH v. 3.12.2019 – VIII R 34/16, BStBl. II 2020, 836. BMF v. 3.6.2021 – IV C 1 - S 2252/19/10003:002 – DOK 2021/0005928, BStBl. I 2021, 723 Rz. 63. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 19.9.

418 | Hensel/Brielmaier/Faller

B. Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung (Abs. 1) | Rz. 27 § 19

vestmentfonds unter Beachtung der aufsichtsrechtlichen Bestimmungen (z.B. des KAGB) nur schwerlich übertragbar. Demgegenüber regelt § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG Fragen einer Zuweisung insbes. von Aktien im Graubereich zwischen stpfl. Sachausschüttungen und stfreien Kapitalmaßnahmen. Aufgrund des vorherrschenden aufsichtsrechtlichen Rahmenwerks sah der Gesetzgeber – nachvollziehbar – eine entsprechende Regelungsnotwendigkeit für Fondsanteile insoweit nicht.

III. Berücksichtigung der Vorabpauschale (Abs. 1 Sätze 3 und 4) § 19 Abs. 1 Satz 3 InvStG bestimmt, dass der Gewinn um die während der Besitzzeit angesetz- 25 ten Vorabpauschalen zu mindern ist. Hintergrund für diese Regelung ist die Vermeidung einer Überbesteuerung.1 Denn sowohl die Besteuerung der Vorabpauschale als auch des Veräußerungsgewinns beruhen maßgebend auf dem gleichen Wertzuwachs. Wurden die einzelnen Investmentanteile im Bestand eines StPfl. über mehrere Tranchen er- 26 worben und erfolgt lediglich die Veräußerung eines Teilbestands der Fondsanteile, ist eine Aufteilung der insgesamt angesetzten Vorabpauschalen vorzunehmen. Dies liegt an dem im Privatvermögen anzuwendenden Fifo-Verfahren als Veräußerungsreihenfolge. Diese Zuordnung einzelner Investmentanteile zu Veräußerungen2 macht auch die zutreffende Zuordnung einzelner Vorabpauschalen zu den jeweiligen Investmentanteilen notwendig. Daher ist durch inländische depotführende Stellen eine solche Aufteilung und Zuordnung der Vorabpauschalen vorzuhalten. Unter der angesetzten Vorabpauschale ist nach Satz 4 die Brutto-Vorabpauschale zu verste- 27 hen.3 Zwar wäre grds. auch die Bezugnahme auf die der Besteuerung unterworfene „steuerpflichtige“ Vorabpauschale nach Anwendung einer möglichen Teilfreistellung i.S.d. § 20 InvStG denkbar. Dies würde aber der gesamten Systematik des Zusammenwirkens aus Vorabpauschale und Schlussbesteuerung der Veräußerungsgewinne widersprechen. Denn durch die Versteuerung der Vorabpauschale wurde bereits der Wertzuwachs über die Haltedauer der Investmentanteile erfasst. Zugleich würde ein Ansatz lediglich der stpfl. Vorabpauschale dazu führen, dass auf die nach § 20 InvStG teilweise stfreien Beträge aus der Vorabpauschale im Veräußerungszeitpunkt Steuern erhoben werden. Dadurch würde der gesetzlich intendierte Entlastungseffekt des Teilfreistellungssatzes konterkariert. Zutreffend kann damit nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift ausschließlich die Berücksichtigung der Brutto-Vorabpauschale sein. Der Einfluss von Vorabpauschalen bei der Ermittlung eines Veräußerungsgewinns lässt sich anhand des nachfolgenden Beispiels darstellen. Beispiel: Angesetzte Vorabpauschalen in den Jahren 01–03:

1.000 €

Davon haben der KapErtrSt bei 30 % Freistellung unterlegen:

700 €

Veräußerungsgewinn vor Vorabpauschalen im Jahr 04:

1.200 €

Lösung: Bei Ansatz der Brutto-Vorabpauschale ergibt sich ein zutreffender Gewinn von 200 €. Fände dagegen lediglich die stpfl. Vorabpauschale Berücksichtigung, so beliefe sich der Gewinn auf 500 €. Damit würde der durch die laufende Teilfreistellung beabsichtigte Entlastungseffekt bei Veräußerung verwässert.

1 BT-Drucks. 18/8045, 90. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 19.14. 3 So auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 19.11. Hensel/Brielmaier/Faller | 419

§ 19 Rz. 28 | Gewinne aus der Veräußerung von Investmentanteilen 28 Nach der Gesetzesbegründung1 mindert die Vorabpauschale auch den Veräußerungs-

gewinn, wenn dieser zwar angesetzt, aber z.B. auf Grund des Sparer-Pauschbetrags nicht besteuert wurde. Dies ist auch folgerichtig, da die Vorschrift der Vermeidung einer doppelten Berücksichtigung eines Wertzuwachses dient. Daher kann es durch den Ansatz der Vorabpauschale auch zu einem steuerwirksamen Verlust kommen.2 Dieses Verständnis ist nur systemgerecht, muss doch im Falle eines Verlustes durch eine Vorabpauschale das im Rücknahme-/ Veräußerungspreis verkörperte Vermögen einen Wertverlust erlitten haben. Dieser Wertverlust kann nur dann vollständig auf Anlegerebene „transportiert“ werden, wenn der Eingang der Brutto-Vorabpauschale in die Veräußerungsgewinnermittlung zu einem steuererheblichen Verlust führt.

29 Maßgebend ist jedoch, dass es auch tatsächlich zum Ansatz der Vorabpauschale gekommen

ist. Dies ist für den KapErtrSt-Abzug nicht der Fall, wenn die Anteile in einem Depot eines ausländischen Kreditinstituts gehalten wurden, welches nicht zum Steuereinbehalt verpflichtet ist. In diesem Fall sind die Vorabpauschalen vom StPfl. in der Veranlagung zu erklären. Dies gilt auch, wenn die Anteile von einem ausländischen Institut an ein inländisches Institut übertragen wurden und anschließend die Veräußerung erfolgt. Ist der Anleger der Pflicht zur Angabe in der Steuerveranlagung nachgekommen, ist die Vorabpauschale im Sinne dieser Vorschrift angesetzt. Allerdings hat dies für den KapErtrSt-Abzug zunächst keine Bedeutung.3 Das inländische Institut kann die Vorabpauschale nicht berücksichtigen; dem StPfl. bleibt der Weg über die Veranlagung offen.

30 Aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift – der Vermeidung der Doppelbesteuerung – folgt,

dass ein steuermindernder Ansatz der Vorabpauschale nur dann erfolgen kann, wenn sie rechtmäßig erfolgt. Dementsprechend ist keine Minderung vorzunehmen, wenn zwar ein Steuerabzug auf die Vorabpauschale vorgenommen, diese aber bei einer Altersvorsorgeeinrichtung nach § 16 Abs. 2 Satz 2 InvStG freigestellt wurde.4 Das Gleiche gilt, wenn zum Zeitpunkt des Abzugs der Vorabpauschale der Anleger nicht der ESt- oder KSt-Pflicht unterlag.

31 Von einer angesetzten Vorabpauschale ist dagegen auch auszugehen, wenn der stpfl. Teil der

Vorabpauschale mit Verlusten des laufenden oder früherer Jahre verrechnet wurde.5 Dies ist folgerichtig, da sich die Vorabpauschale auch in diesen Fällen steuerlich ausgewirkt hat. Die Verrechnung einer Vorabpauschale mit Verlusten führt dazu, dass die betreffenden Verluste nicht zum Ausgleich anderer positiver Kapitalerträge genutzt werden können.

32 Fraglich ist, ob eine Vorabpauschale auch dann als angesetzt gilt, wenn aufgrund einer NV-

Bescheinigung keine Kapitalertragsteuer erhoben wurde. Die FinVerw. bejaht dies.6 Vom Sinn und Zweck des Satzes muss dieser Auffassung nicht ohne weiteres zugestimmt werden. Denn tatsächlich erfolgt auf den ersten Blick – mangels Besteuerung der Vorabpauschale im Rahmen des KapErtrSt-Verfahrens – keine Doppelbesteuerung, wenn die Vorabpauschale bei der Veräußerung nicht berücksichtigt wird. Auch das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit könnte gegen die Berücksichtigung der Vorabpauschale sprechen. Tatsächlich wird der zum Zeitpunkt der Veräußerung realisierte Wertzuwachs der Besteuerung unterworfen. Dass im Zeitraum des Wertzuwachses zwischenzeitlich keine Besteuerung erfolgte, sollte nicht entscheidend sein. Auch bei der Besteuerung des Veräußerungsgewinns anderer Kapitalanlagen – z.B. Aktien, Anleihen oder Finanzinnovationen – ist es nicht entscheidend für die

1 2 3 4 5 6

BT-Drucks. 18/8045, 90. So bereits BT-Drucks. 18/8045, 105. So auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 19.5. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 19.8. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 19.5. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 19.5.

420 | Hensel/Brielmaier/Faller

B. Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung (Abs. 1) | Rz. 36 § 19

Gewinnermittlung, ob der Zeitraum des Wertzuwachses möglicherweise in einem „steuerbefreiten“ Raum liegt. Indes erscheint diese Argumentation zwar für das KapErtrSt-Verfahren überzeugend, nicht 33 aber gleichermaßen für die Frage der generellen Berücksichtigung der Vorabpauschale bei der Veräußerungsgewinnbesteuerung auf Anlegerebene. Die Vorlage einer Bescheinigung, die die Abstandnahme vom KapErtrSt-Abzug ermöglicht, führt nicht zwangsweise dazu, dass eine Besteuerung der Vorabpauschale unterbleibt. Vielmehr führt diese dazu, dass StPfl. im Rahmen der Steuererklärung zur Deklaration von Vorabpauschalen verpflichtet sind (§ 32d Abs. 3 EStG). Bei erfolgter Besteuerung einer Vorabpauschale im Veranlagungsverfahren muss sie jedoch als angesetzt gelten, da es ansonsten systematisch zu einer ungewollten Doppelbesteuerung käme. Für Zwecke des KapErtrSt-Verfahrens kann die depotführende Stelle diese veranlagte Vorabpauschale nicht berücksichtigen. Allerdings sollte dem StPfl. dann auch die Möglichkeit offenstehen, im Rahmen der Steuerveranlagung im Jahr der Veräußerung von Investmentanteilen die auf diese entfallenden, angesetzten Vorabpauschalen zu berücksichtigen. Praktische Probleme ergeben sich zudem, wenn Fondsanteile vor ihrer Veräußerung von 34 dem Depot eines anderen Instituts übertragen wurden. Dies ist für den Steuerabzug relevant, da – wie bei der Direktanlage – für die Berücksichtigung bei der Veräußerung die entsprechenden Daten mitgeliefert werden müssten. Hier ist zwischen dem Depotübertrag aus dem Inland und aus dem Ausland zu unterscheiden. Im Falle der Inlandsübertragung hat das übertragende Kreditinstitut mitzuteilen, in welchem Umfang die Vorabpauschale angesetzt wurde. Für die Übertragungen vor dem Jahr 2021 lässt die FinVerw. pauschal zu, dass eine Vorabpauschale angesetzt wurde.1 Hintergrund hierfür ist die Tatsache, dass eine entsprechende IT-Implementierung bei den depotführenden Stellen der StPfl. eine geraume Zeit in Anspruch nimmt. Bei Depotübertragungen aus dem Ausland darf dagegen das übernehmende Kreditinstitut 35 keine Vorabpauschale für die Zeiträume abziehen, in denen die Investmentanteile bei dem übertragenden ausländischen Institut verwahrt wurden. Die Berücksichtigung kann dem StPfl. im Rahmen der Veranlagung allerdings nicht verwehrt sein. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der Anleger bei der Verwahrung von Investmentanteilen im Ausland im Rahmen der Veranlagung darzulegen hat, dass er die Vorabpauschale in der Vergangenheit auch erklärt hat oder dass die Vorabpauschale aus den oben genannten Gründen (SparerPauschbetrag, Verlustverrechnung) zu keiner Steuerfestsetzung führte.2 Aus der Gesetzesbegründung3 ergeben sich zudem die Vorgaben, inwiefern bei betrieblichen 36 Anlegern eine Doppelbesteuerung im Zusammenspiel von Vorabpauschale sowie Veräußerungsgewinn vermieden werden kann (vgl. § 18 InvStG Rz. 15 sowie ausführlich Anh. 3 Rz. 45, 58). Demnach ist bei bilanzierenden betrieblichen Anlegern i.H.d. angesetzten Vorabpauschale ein aktiver Ausgleichsposten in der Steuerbilanz zu bilden. Bei betrieblichen Anlegern mit Einnahmenüberschussrechnung ist entsprechend ein Merkposten anzusetzen. Diese – nicht abschreibungsfähigen – Posten sind bei Veräußerung erfolgswirksam aufzulösen und mindern im Jahr der Veräußerung bzw. zum Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses so den Gewinn.4

1 2 3 4

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 19.5. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 19.9. BT-Drucks. 18/8045, 90. Vgl. auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 18.5 und 19.10. Hensel/Brielmaier/Faller | 421

§ 19 Rz. 37 | Gewinne aus der Veräußerung von Investmentanteilen

C. Ausscheiden aus dem Anwendungsbereich des InvStG (Abs. 2) I. Besteuerungszeitpunkt aufgrund Veräußerungsfiktion (Abs. 2 Satz 1) 37 Fällt ein Investmentfonds nicht mehr in den Anwendungsbereich des InvStG, so gelten nach

§ 19 Abs. 2 Satz 1 InvStG seine Anteile als veräußert. Sinn und Zweck der Regelung ist es, eine klare Abgrenzung zwischen dem Regime der Investmentbesteuerung und dem allgemeinen Steuerrecht sicherzustellen.1 Eine fiktive Veräußerung liegt z.B. vor, wenn das Kapitalanlagevehikel nicht mehr die Voraussetzungen für ein Investmentvermögen nach § 1 KAGB erfüllt, da es dann bereits am Tatbestand des § 1 Abs. 2 Satz 1 InvStG mangelt. Gleiches gilt, sobald eine KapGes. i.S.d. § 1 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 InvStG der Ertragsbesteuerung unterworfen wird. Zu denken ist darüber hinaus an Fälle, in denen AIF, die ursprünglich als Investmentfonds qualifizierten, aufgrund eines Rechtsformwechsels in eine Personengesellschaftsform durch § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG aus dem Anwendungsbereich des InvStG herausfallen. Speziell für Investmentvermögen ausländischen Rechts kann diese Rechtsformwahl als Planungsansatz relevant sein.

38 Maßgebend für die Veräußerungsfiktion ist der Tag, an dem die Voraussetzungen erstmalig

nicht erfüllt sind. Dies kann der Tag sein, an dem eine Rechtsänderung in einem ausländischen Staat in Kraft tritt, nach der der Investmentfonds nicht mehr der Investmentaufsicht unterliegt, oder bei einem Investmentfonds i.S.d. § 1 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 InvStG der Tag, ab dem eine Ertragsbesteuerung eingeführt wird.2 Im Falle eines Rechtsformwechsels, der die Veräußerungsfiktion auslöst, sollte der Tag des Wirksamwerdens nach ausländischem Recht maßgeblich sein.

39 Bei ausländischen Vehikeln kann somit je nach Fallgestaltung die Möglichkeit bestehen, dass

die Gesellschaft zukünftig der Ertragsbesteuerung unterliegt und somit aus dem Anwendungsbereich des InvStG herausfällt. Letzteres dürfte für den Anleger in der Praxis allerdings schwierig zu erkennen sein. Hier ist dieser auf die Informationspolitik der KapGes. angewiesen.

40 Sofern die Anteile von einer inländischen auszahlenden Stelle verwaltet werden, obliegt es

ihr, für ausländische Vehikel diese Voraussetzungen zu überwachen. Der inländischen depotführenden Stelle des Anlegers und deren Informationsaustausch mit dem ausländischen Investmentfonds kommt somit für die zutreffende Abbildung von fiktiven Veräußerungen nach § 19 Abs. 2 InvStG zentrale Bedeutung zu.

41 Fraglich ist, wie zu verfahren ist, wenn die auszahlende Stelle erst im Nachhinein davon er-

fährt, dass die Voraussetzung der fiktiven Veräußerung erfüllt sind. So könnte das sog. Delta-Verfahren nach § 43a Abs. 3 Satz 7 EStG anzuwenden sein. Dies bedeutet, dass sie den Steuereinbehalt zu dem Zeitpunkt durchzuführen hat, in dem sie als die auszahlende Stelle von den Voraussetzungen der Veräußerung erfahren hat. Dies wirkt sich nach § 20 Abs. 3a EStG auch auf den materiell-rechtlichen Zeitpunkt aus. Die FinVerw. geht jedoch einen anderen Weg.3 Nach ihrer Auffassung soll es nicht beanstandet werden, dass ein Kreditinstitut für Zwecke des Steuerabzugs auf den Zeitpunkt abstellt, indem dem Kreditinstitut der Eintritt der Veräußerungsfiktion bekannt wird, wenn das Kreditinstitut erst in einem nachfolgenden Kalenderjahr Kenntnis erlangt. Das Kreditinstitut hat in diesem Fall jedoch den StPfl. darüber zu informieren, dass aufgrund der erst nachträglich bekannt gewordenen Veräußerungsfiktion ein unzutreffender Steuerabzug für etwaig ausgezahlte Erträge vorgenommen wurde, der im Veranlagungsverfahren zu korrigieren ist. Für diesen Zweck hat das Kreditinstitut dem StPfl. 1 BT-Drucks. 18/8045, 90. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 19.16. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 19.17.

422 | Hensel/Brielmaier/Faller

Teilfreistellung | § 20

den Tag, an dem die Veräußerungsfiktion eingetreten ist, mitzuteilen und die zwischenzeitlich erzielten Kapitalerträge mit Datum, Ertragsart und Ertragshöhe aufzulisten. Ob letzteres Vorgehen praktikabler ist, vermag sich erst in der Praxis zu zeigen. Sollten die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Satz 1 InvStG erfüllt sein, hat die auszahlende 42 Stelle den Steuereinbehalt nach § 44 Abs. 1 Sätze 7 ff. EStG durchzuführen, da es sich um eine unbare, aber steuerlich erhebliche Realisation handelt. Dementsprechend bestimmt § 44 Abs. 1 Sätze 8 und 9 EStG, dass die depotführende Stelle des Anlegers ermächtigt wird, zum Einzug der für den Steuerabzug erforderlichen Geldbeträge auf ein Konto des StPfl. zuzugreifen. Anders als im Falle der Vorabpauschale (vgl. § 18 InvStG Rz. 37) enthält das InvStG keine spezielle Regelung über den steuerlichen Zufluss des Veräußerungsergebnisses i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 3 InvStG i.V.m. § 19 Abs. 1 InvStG. Dadurch wird im Regelfall die Notwendigkeit zur Bereitstellung von Steuerliquidität seitens des StPfl. bestehen.

II. Gemeiner Wert als fiktiver Veräußerungserlös (Abs. 2 Satz 2) Nach § 19 Abs. 2 Satz 2 InvStG gilt als Veräußerungserlös der gemeine Wert der Investment- 43 anteile zu dem Zeitpunkt, zu dem der Investmentfonds nicht mehr in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fällt. Maßgebend dürfte also der Rücknahme-, Börsen- oder Marktpreis sein. Die Ermittlung dieses Werts dürfte in der Praxis nicht immer ohne erhebliche Hürden möglich sein. Speziell für Anteile an Investmentfonds, die weder zum Handel an einem (geregelten) Markt zugelassen sind noch regelmäßig Anteilwerte veröffentlichen oder adäquate Basisdaten für eine Preisfindung zugänglich machen, bleibt eine Preisfindung stark problembehaftet. Der Ansatz des gemeinen Werts dient mangels tatsächlicher Realisierung über den Markt aber systemgerecht dazu, die (unrealisierte) Wertveränderung im System der Investmentfondsbesteuerung und deren steuerliche Belastung von der steuerlichen Behandlung der Wertveränderung im allgemeinen Ertragsteuerrecht zu trennen. Dabei ist der als Veräußerungserlös angesetzte gemeine Wert korrespondierend als steuerliche AK außerhalb des Investmentsteuerrechts zu berücksichtigen.

§ 20 Teilfreistellung (1) 1Steuerfrei sind bei Aktienfonds 30 Prozent der Erträge (Aktienteilfreistellung). 2Bei natürlichen Personen, die ihre Investmentanteile im Betriebsvermögen halten, beträgt die Aktienteilfreistellung 60 Prozent. 3Bei Anlegern, die dem Körperschaftsteuergesetz unterliegen, beträgt die Aktienteilfreistellung 80 Prozent. 4Die Sätze 2 und 3 gelten nicht, 1. wenn der Anleger ein Lebens- oder Krankenversicherungsunternehmen ist und der Investmentanteil den Kapitalanlagen zuzurechnen ist oder 2. wenn der Anleger ein Institut oder Unternehmen nach § 3 Nummer 40 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes oder nach § 8b Absatz 7 des Körperschaftsteuergesetzes ist und der Investmentanteil dem Handelsbestand im Sinne des § 340e Absatz 3 des Handelsgesetzbuchs zuzuordnen oder zum Zeitpunkt des Zugangs zum Betriebsvermögen als Umlaufvermögen auszuweisen ist. 5Satz 4 Nummer 1 gilt entsprechend, wenn der Anleger ein Pensionsfonds ist. (2) Bei Mischfonds ist die Hälfte der für Aktienfonds geltenden Aktienteilfreistellung anzusetzen. Hensel/Brielmaier/Faller und Brandl | 423

§ 20 | Teilfreistellung (3) 1Bei Immobilienfonds sind 60 Prozent der Erträge steuerfrei (Immobilienteilfreistellung). 2Bei Auslands-Immobilienfonds sind 80 Prozent der Erträge steuerfrei (AuslandsImmobilienteilfreistellung). 3Die Anwendung der Immobilienteilfreistellung oder der Auslands-Immobilienteilfreistellung schließt die Anwendung der Aktienteilfreistellung aus. (3a) 1Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für Investmentanteile, die mittelbar über Personengesellschaften gehalten werden. 2Satz 1 ist nicht auf Personengesellschaften anzuwenden, die nach § 1a des Körperschaftsteuergesetzes zur Körperschaftsbesteuerung optiert haben. (4) Weist der Anleger nach, dass der Investmentfonds die Aktienfonds- oder MischfondsKapitalbeteiligungsquote oder Immobilienfonds- oder Auslands-Immobilienfondsquote während des Geschäftsjahres tatsächlich durchgehend überschritten hat, so ist die Teilfreistellung auf Antrag des Anlegers in der Veranlagung anzuwenden. (5) Bei der Ermittlung des Gewerbeertrags nach § 7 des Gewerbesteuergesetzes sind die Freistellungen nach den Absätzen 1 bis 3 nur zur Hälfte zu berücksichtigen. A. I. II. III. IV.

B. I. II.

III. IV.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zum Europarecht und Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verhältnis zu Vorschriften des EStG . . 4. Verhältnis zu Vorschriften der AO/Mitteilungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aktienteilfreistellung (Abs. 1) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundsatz: 30 % Aktienteilfreistellung (Abs. 1 Satz 1) 1. Aktienfonds a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kapitalbeteiligung aa) Berücksichtigungsfähige Vermögensgegenstände . . . . . . . . . bb) Wertermittlung des auf Kapitalbeteiligungen entfallenden Fondsvermögens . . . . . . . . . . . c) Fortlaufende Anlage . . . . . . . . . . . . 2. Erträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erhöhte Aktienteilfreistellung bei Anteilen im Betriebsvermögen (Abs. 1 Sätze 2 und 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausschluss des erhöhten Aktienteilfreistellungssatzes für bestimmte betriebliche Anleger (Abs. 1 Satz 4) 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lebens- oder Krankenversicherungsunternehmen (Abs. 1 Satz 4 Nr. 1) . . .

424 | Brandl

1 2 11 15

V. C. D. I. II.

17 23 26 27 III. 29 30 36 37 39 40

41 42

IV. E. I. II. F. G.

3. Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitute (Abs. 1 Satz 4 Nr. 2) . . . . . . . Pensionsfonds (Abs. 1 Satz 5) . . . . . . . . Mischfonds (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . Immobilienteilfreistellung (Abs. 3) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Immobilienteilfreistellung (Abs. 3 Satz 1) 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Immobilienfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. 60 %-Teilfreistellung (Abs. 3 Satz 1 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. 80 %-Teilfreistellung (Abs. 3 Satz 1 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ermittlung der Immobilienquote . . . . Auslands-Immobilienteilfreistellung (Abs. 3 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorrang der Immobilienteilfreistellung Mittelbar über Personengesellschaften gehaltene Investmentanteile (Abs. 3a) Teilfreistellung bei mittelbarer Anlage über eine Personengesellschaft (Abs. 3a Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rückausnahme bei KörperschaftsteuerOption der Personengesellschaft nach § 1a KStG (Abs. 3a Satz 2) . . . . . . . . . . . Individuelle Nachweismöglichkeit der Anlagegrenzen für den Anleger (Abs. 4) Teilfreistellungssätze bei der Ermittlung des Gewerbeertrags gem. § 7 GewStG (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43 44 45 47 48 49 51 52 53 55 57

58 61 62 66

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 1 § 20 Literatur: Kammeter, Neukonzeption der Investmentbesteuerung, NWB 2012, 1970; Bindl/Mager, Ausgewählte Zweifelsfragen und Lösungsvorschläge zum InvStG n.F., BB 2016, 2711; Böcker, Die neue Fondsbesteuerung im Zuge der Investmentsteuerreform, NWB 2016, 2789; Haisch, Abzugsverbot bei den Teilfreistellungen nach § 20 InvStG n.F. im Lichte des BFH-Urteils I R 61/14, RdF 2016, 329; Kempf/Hirtz, Schwerpunkte des Referentenentwurfs eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung, DStR 2016, 1; Kempf/Müller, Überblick über das neue Investmentsteuergesetz, SteuK 2016, 517; Neumann, Investmentsteuerreformgesetz: Ausgewählte Problemfelder, DB 2016, 1779; Roth, Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung, GWR 2016, 457; Stadler/Bindl, Das neue InvStG – Überblick und Korrekturbedarf, DStR 2016, 1953; Carlé, Die Reform der Investmentbesteuerung ab dem 1.1.2018, ErbStB 2017, 20; Delp, Investmentsteuerreform aus privater Anlegersicht, DB 2017, 447; Ebner, Teilfreistellung bei Investmentfonds in der Praxis, RdF 2017, 305; Haug, Besteuerung von Spezial-Investmentfonds nach dem InvStG 2018 – Aktuelle Einzelfragen und erste Lösungsansätze, Ubg 2017, 303; Jansen/Greger, Investmentsteuerreformgesetz – Folgen für betriebliche Anleger und die betriebliche Altersversorgung, RdF 2017, 138; Anemüller, Aktuelles bei Einkünften aus Kapitalvermögen, EStB 2018, 337; Hörster, Kabinett beschließt „Jahressteuergesetz 2018“ unter neuem Namen – Teil 3: Änderungen des Investmentsteuergesetzes und weiterer Gesetze, NWB 2018, 2538; Michalowski, Neuregelungen aus dem Blickwinkel des gestaltungsinteressierten Kapitalanlegers, ErbStB 2018, 89; Hagen/Schober, Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren Förderung der Elektromobilität – Auswirkungen auf die Besteuerung von Kapitalanlagen und (Spezial-)Investmentfonds, BB 2019, 1630 und 1693; Herr/Stiefel, Vorabpauschale und Teilfreistellung – Praktische Anwendungsfragen bei der Besteuerung von Investmentfonds nach dem JStG 2018, DStR 2019, 908; Stadler/Mager, Der neue Investmentsteuererlass zu Anwendungsfragen zum Investmentsteuergesetz v. 21.5.2019 – Vergleich zum Entwurf v. 15.6.2018, BB 2019, 1760; Ebner, Änderungen des Investmentsteuergesetzes durch das sog. JStG 2019, NWB 2020, 619; Haug, Konsequenzen für die Investmentbesteuerung aufgrund „ATAD-UmsG“ und „JStG 2019“, Ubg 2020, 84; Brühl/Weiss, „Check the box“ from good old Germany – Die Option zur Besteuerung als Körperschaft nach dem Entwurf des KöMoG, DStR 2021, 889; Hahne/Schober, Zweifelsfragen bezüglich der Berechnung der Immobilieninvestitionsquote bei steuerbegünstigten Immobilienfonds, BB 2021, 86; Haug, Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG) – Folgen aus dem Optionsmodell für die Investmentbesteuerung, FR 2021, 410; Böhmer/Schewe, Das BMF-Schreiben zur Option zur Körperschaftsbesteuerung, FR 2022, 69.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck Das in § 20 InvStG normierte neue Teilfreistellungssystem für Investmenterträge auf der An- 1 legerebene soll in typisierter Form einen Ausgleich für die steuerliche Vorbelastung bestimmter inländischer Erträge auf der Fondsebene schaffen.1 Erträge aus Investmentanteilen wären auf der Anlegerebene grds. in vollem Umfang stpfl.2 Jedoch kann die steuerliche Vorbelastung auf Ebene des Ziel-Investments und auf Fondsebene nicht unberücksichtigt bleiben.3 § 20 InvStG sieht deshalb zum Ausgleich dieser steuerlichen Vorbelastung Teilfreistellungen auf der Anlegerebene für Erträge aus Investmentfonds mit bestimmten Anlageschwerpunkten vor. Die Erträge aus Investmentfonds, die gemäß ihren Anlagebedingungen fortlaufend überwiegend in Aktien und andere Kapitalbeteiligungen (Aktienfonds) oder in Immobilien (Immobilienfonds) investieren, werden nach § 20 InvStG je nach Anlageschwerpunkt und je nach Anlegergruppe zu einem bestimmten Prozentsatz stfrei gestellt.4 Da der Ansatz der Teilfreistellungen typisiert erfolgt, ist er nicht von der tatsächlichen Vorbelastung 1 BT-Drucks. 18/8045, 91 = BR-Drucks. 119/16, 102; Böcker, NWB 2016, 2789 (2793); Haisch, RdF 2016, 329 (331); s. auch Michalowski, ErbStB 2018, 89 (92), mit Gestaltungsempfehlungen zur Optimierung der Rendite nach Steuern. 2 Kempf/Müller, SteuK 2016, 517 (519). 3 Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2715). 4 BT-Drucks. 18/8045, 90. Brandl | 425

§ 20 Rz. 1 | Teilfreistellung auf Fondsebene abhängig.1 Die Teilfreistellungen sind dabei nicht auf die aus Aktien oder Immobilien generierten fondsprägenden Ertragsbestandteile beschränkt, sondern erfassen auch die aus den anderen Vermögensgegenständen generierten Erträge des Fonds (wie z.B. Zinserträge).2

II. Anwendungsbereich 2 Zeitlich umfasst der Anwendungsbereich des § 20 InvStG alle Zuflusstatbestände ab dem

1.1.2018.3 In persönlicher Hinsicht gilt § 20 InvStG zunächst für alle unbeschränkt einkommensteueroder körperschaftsteuerpflichtigen Anleger i.S.d. § 2 Abs. 10 InvStG eines in- oder ausländischen Kapitel-2-Investmentfonds.4 Gebietsfremde Anleger können hingegen regelmäßig keine Teilfreistellung geltend machen, da Investmenterträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG i.V.m. § 16 InvStG keine beschränkte StPfl. gem. § 49 EStG begründen.5 Fließen einem beschränkt einkommensteuer- oder körperschaftsteuerpflichtigen Anleger jedoch Investmenterträge aus einem in- oder ausländischen Investmentfonds zu und sind die entsprechenden Investmentanteile dem Betriebsvermögen seiner inländischen Betriebsstätte zuzuordnen, kann auch dieser Anleger für die somit in Deutschland als Betriebsstätteneinkünfte (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) stpfl. Investmenterträge grds. eine Teilfreistellung nach § 20 InvStG bekommen.6 Zur Frage, ob die Teilfreistellung nach § 20 InvStG zu einer unionsrechtswidrigen Diskriminierung gebietsfremder Privatanleger führen kann, vgl. Rz. 15 und Einl. Europa- und Verfassungsrecht Rz. 67 ff.).

3 § 20 InvStG gilt als sachliche Teilsteuerbefreiung für alle Investmenterträge (vgl. § 20 Abs. 1

Nr. 3 EStG i.V.m. § 16 Abs. 1 InvStG) aus in- und ausländischen Aktienfonds (§ 2 Abs. 6 InvStG), Mischfonds (§ 2 Abs. 7 InvStG) und Immobilienfonds (§ 2 Abs. 9 InvStG). Bei sonstigen Fonds gibt es keine Teilfreistellung der Erträge.

4 Die Aktienteilfreistellung nach § 20 Abs. 1 InvStG gilt nur für die Erträge aus Aktienfonds

i.S.d. § 2 Abs. 6 InvStG. Die Höhe des Teilfreistellungssatzes ist dabei nach Anlegergruppen (vgl. nachfolgende Übersicht in Rz. 6) gestaffelt. Bei Mischfonds i.S.d. § 2 Abs. 7 InvStG ist nach § 20 Abs. 2 InvStG die Hälfte des für Aktienfonds geltenden Freistellungssatzes anzusetzen. Bei der Immobilienteilfreistellung hängt der Teilfreistellungssatz nach § 20 Abs. 3 InvStG davon ab, ob bei Immobilienfonds i.S.d. § 2 Abs. 9 InvStG eine überwiegende Anlage in inländische (60 % der Erträge sind stfrei) oder in ausländische (80 % der Erträge sind stfrei) Immobilien und Immobiliengesellschaften erfolgt.

5 Die Höhe der Teilfreistellung variiert zudem je nach Anlegertyp. Das heißt, es existieren ins-

bes. unterschiedliche Freistellungssätze für Privatanleger, für natürliche Personen mit Investmentanteilen im Betriebsvermögen und für körperschaftsteuerpflichtige Anleger. Der Teilfrei-

1 Vgl. bereits Kammeter, NWB 2012, 1970 (1974); Böcker, NWB 2016, 2789 (2793); Mertesdorf-Perathoner in BeckOK/InvStG, § 20 Rz. 7 f. (Stand: Januar 2022). 2 Delp, DB 2017, 447 (450); Kempf/Hirtz, DStR 2016, 1 (4); Mertesdorf-Perathoner in BeckOK/InvStG, § 20 Rz. 8 (Stand: Januar 2022). 3 Mertesdorf-Perathoner in BeckOK/InvStG, § 20 Rz. 29 (Stand: Januar 2022), unter Hinweis auf Art. 11 Abs. 3 Satz 1 InvStRefG v. 19.7.2016 (BGBl. I 2016, 1730). 4 Jüdes/Schwarz in Bordewin/Brandt, § 20 EStG, Teilfreistellung Rz. 9 (Stand: September 2021); Mann in W/B/A3, § 20 InvStG Rz. 2; Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 20 InvStG Anm. 1 (Stand: August 2021). 5 Jüdes/Schwarz in Bordewin/Brandt, § 20 EStG, Teilfreistellung Rz. 10 (Stand: September 2021); Mann in Brandis/Heuermann, § 20 InvStG Rz. 11 (Stand: Mai 2022). 6 Jüdes/Schwarz in Bordewin/Brandt, § 20 EStG, Teilfreistellung Rz. 10 (Stand: September 2021); Kleutgens in Moritz/Jesch/Mann2, § 20 InvStG Rz. 13.

426 | Brandl

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 8 § 20

stellungssatz knüpft somit an die ertragsteuerliche Situation des jeweiligen Anlegers an, dem die Investmentanteile nach § 39 AO zuzurechnen sind.1 Übersicht über die Teilfreistellungssätze für die Erträge bestimmter Anlegergruppen

6

Aktienfonds (Anlage zu fortlaufend mehr als 50 %2 ihres Aktivvermögens in Kapitalbeteiligungen)

Mischfonds (Anlage zu fortlaufend mindestens 25 %3 ihres Aktivvermögens in Kapitalbeteiligungen)

Inländische Immobilienfonds (Anlage zu fortlaufend mehr als 50 %4 ihres Aktivvermögens in Immobilien bzw. Immobiliengesellschaften)

Privatanleger

30 %

15 %

60 %

80 %

0%

Betriebliche Anleger (nach EStG)

60 %

30 %

60 %

80 %

0%

KSt-pflichtige Anleger

80 %

40 %

60 %

80 %

0%

Kreditinstitute und LV/KV in den Fällen des § 8b Abs. 7 bzw. Abs. 8 KStG

30 %

15 %

60 %

80 %

0%

Ausländische Sonstige Immobilienfonds Fonds (Anlage zu fortlaufend mehr als 50 %5 in ausländischen Immobilien bzw. ausländischen Immobiliengesellschaften)

Bei der Ermittlung des Gewerbeertrags nach § 7 GewStG sind nach § 20 Abs. 5 InvStG jeweils nur die halben o.g. Teilfreistellungssätze anzuwenden. Im Steuerabzugsverfahren sind generell die für Privatanleger geltenden Teilfreistellungssätze 7 anzuwenden. Erst im Veranlagungsverfahren werden die erhöhten Teilfreistellungssätze für einkommensteuerpflichtige Anleger, die ihre Anteile im Betriebsvermögen halten, und für körperschaftpflichtige Anleger zugrunde gelegt.6 Bei Mitunternehmerschaften und vermögensverwaltenden Personengesellschaften richtet 8 sich die Höhe des anwendbaren Teilfreistellungssatzes nach dem jeweiligen Beteiligten der Gesamthand.7 1 Neumann, DB 2016, 1779. 2 Vgl. die Legaldefinition der Aktienfonds-Kapitalbeteiligungsquote in § 2 Abs. 6 Satz 1 InvStG: „gemäß den Anlagebedingungen“ Anlage von „fortlaufend mehr als 50 Prozent ihres Aktivvermögens“ in Kapitalbeteiligungen. 3 Vgl. die Legaldefinition der Mischfonds-Kapitalbeteiligungsquote in § 2 Abs. 7 Satz 1 InvStG: „gemäß den Anlagebedingungen“ Anlage von „fortlaufend mindestens 25 Prozent ihres Aktivvermögens“ in Kapitalbeteiligungen. 4 Vgl. die Legaldefinition der Immobilienfondsquote in § 2 Abs. 9 Satz 1 InvStG: „gemäß den Anlagebedingungen“ Anlage von „fortlaufend mehr als 50 Prozent ihres Aktivvermögens in Immobilien und Immobilien-Gesellschaften“. 5 Vgl. die Legaldefinition der Auslands-Immobilienfondsquote in § 2 Abs. 9 Satz 2 InvStG: „gemäß den Anlagebedingungen“ Anlage von „fortlaufend mehr als 50 Prozent ihres Aktivvermögens in ausländische Immobilien und Auslands-Immobiliengesellschaften“. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 20.6. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 20.5. Brandl | 427

§ 20 Rz. 9 | Teilfreistellung 9 In Organschaftsfällen ist für die Anwendung des Teilfreistellungssatzes auf den für den Or-

ganträger geltenden Teilfreistellungssatz abzustellen.

10 Für fondsgebundene Lebensversicherungen wurde in § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 9 EStG eine ei-

gene Teilfreistellung von 15 % eingeführt.1

III. Rechtsentwicklung 11 § 20 InvStG wurde durch Art. 1 InvStRefG v. 19.7.20162 mit Wirkung v. 1.1.2018 (vgl. Art. 11

Abs. 3 S. 1 InvStRefG) neu in das InvStG eingefügt. Eine mit § 20 vergleichbare Regelung kannte das InvStG 2004 nicht.

12 Durch Art. 15 des Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel von

Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften („JStG 2018“) v. 11.12.20183 wurden in § 20 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und 2 InvStG die Wörter „mindestens 51 Prozent des Wertes“ durch die Wörter „mindestens 50 Prozent des Aktivvermögens“ ersetzt. Es handelt sich dabei um Folgeänderungen zur Änderung der Definition eines Immobilienfonds, da für dessen Vorliegen nach § 2 Abs. 9 InvStG eine Immobilienquote von mehr als 50 % ausreichen bzw. nach § 2 Abs. 9a InvStG für die Immobilienquote auf den Begriff des Aktivvermögens abgestellt werden sollte. Strukturell entsprechende Änderungen erfolgten auch bei der Definition von Aktienfonds (§ 2 Abs. 6 InvStG: „mehr als 50 % ihres Aktivvermögens“) und von Mischfonds (§ 2 Abs. 7 InvStG: „mindestens 25 % ihres Aktivvermögens“). Ziel dieser Änderungen war die zutreffende Anwendung der Teilfreistellung nach § 20 InvStG gleichermaßen für inländische und ausländische Investmentfonds und die Bestimmung von Kapitalbeteiligungsquoten.4 Insbesondere von den Voraussetzungen eines Aktienfonds hängt es ab, ob auf die Investmenterträge die Aktienteilfreistellung nach § 20 Abs. 1 InvStG anzuwenden ist.5 Die Anwendungsregelung in § 56 Abs. 1 Satz 5 InvStG i.d.F. des „JStG 2018“ sah ein Inkrafttreten der vorgenannten Änderungen bereits ab dem 11.8.2018 vor.6

13 Durch Art. 17 des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und

zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften („JStG 2019“) v. 12.12.20197 wurde Abs. 1 Satz 4 geändert, Abs. 1 Satz 5 neu angefügt, Abs. 3 neu gefasst, Abs. 3a neu eingefügt und Abs. 4 zur Vereinheitlichung der Terminologie sprachlich angepasst. Diese Änderungen in den Abs. 1, 3, 3a und 4 des § 20 InvStG sind nach § 57 Nr. 7 InvStG i.d.F. des Art. 17 des „JStG 2019“ ab dem 1.1.2020 anzuwenden. Durch die Neuregelung in Abs. 3a werden die Teilfreistellungen der Abs. 1 bis 3 aus systematischen Gründen auf die Fallgruppe erweitert, dass Investmentanteile mittelbar über Personengesellschaften gehalten werden. Dadurch wurde auch verhindert, dass sich ein Anleger, der mittelbar Investmentanteile hält, im Fall positiver Investmenterträge auf eine Verwaltungsauslegung zur Anwendung der Teilfreistellungen beruft und im Hinblick auf den Abzug von BA, Betriebsvermögensminderungen etc. (s. § 21 InvStG) einen (vollständigen) Abzug aufgrund einer fehlenden gesetzlichen Grundlage beansprucht.8

1 2 3 4 5 6

Mertesdorf-Perathoner in BeckOK/InvStG, § 20 Rz. 31 (Stand: Januar 2022). BGBl. I 2016, 1730. BGBl. I 2018, 2338; s. auch BR-Drucks. 372/18 v. 10.8.2018 zum RegE. Anemüller, EStB 2018, 337 (339). Vgl. die Begründung in BR-Drucks. 372/18 v. 10.8.2018, 69 zur Änderung von § 2 Abs. 6 und 7. Hörster, NWB 2018, 2538 (2542): der 11.8.2018 ist der Tag nach der Zuleitung des Gesetzentwurfs durch die Bundesregierung an den Bundesrat. 7 BGBl. I 2019, 2451. 8 BT-Drucks. 19/13436, 177.

428 | Brandl

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 18 § 20

Durch Art. 4 des KöMoG v. 25.6.20211 wurde dem § 20 Abs. 3a InvStG ein neuer Satz 2 14 angefügt, wonach § 20 Abs. 3a Satz 1 InvStG nicht auf Personengesellschaften anzuwenden ist, die nach § 1a KStG zur Körperschaftsbesteuerung optiert haben. Nach § 57 Abs. 6 Nr. 3 InvStG ist diese Neuregelung erstmals ab dem 1.1.2022 anzuwenden.

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zum Europarecht und Verfassungsrecht Die individuelle Nachweismöglichkeit des Anlegers im Veranlagungsverfahren gem. § 20 15 Abs. 4 InvStG war aufgrund der EuGH-Rspr. in der Rechtssache van Caster/van Caster2 europarechtlich im Hinblick auf die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) geboten.3 Siehe dazu auch Einl. Europa- und Verfassungsrecht Rz. 70 ff. Von der Vereinbarkeit der in § 20 InvStG normierten Teilfreistellung mit dem Unionsrecht ist trotz geäußerter Zweifel auch im Hinblick auf die faktische Beschränkung der Teilfreistellungregelungen auf inländische Anleger eines Investmentfonds auszugehen, da an gebietsfremde Privatanleger ausgeschüttete Investmenterträge in Deutschland mangels beschränkter StPfl. keiner Besteuerung unterliegen und insoweit keine Diskriminierungswirkung vorliegt.4 Siehe dazu auch Einl. Europa- und Verfassungsrecht Rz. 69. Die typisierende Freistellung bestimmter Anlegergruppen durch § 20 InvStG, die von der tat- 16 sächlichen steuerlichen Vorbelastung auf Fondsebene unabhängig ist, ist mit dem Verfassungsrecht vereinbar,5 da der Gesetzgeber gleich geartete Lebenssachverhalte grds. normativ zusammenfassen und tatsächliche Besonderheiten des Einzelfalls generalisierend vernachlässigen darf, solange er sich bei der gesetzlichen Typisierung realitätsgerecht am typischen Fall orientiert und keinen atypischen Fall als Leitbild wählt.6 Zur weiteren verfassungsrechtlichen Frage, ob § 20 Abs. 4 InvStG, dessen Wortlaut offenlässt, welche konkreten Unterlagen zur individuellen Nachweisführung des Anlegers geeignet und ausreichend sind, dem Grundsatz der Normenklarheit und Bestimmtheit i.S.d. Art. 20 Abs. 3 GG entspricht, s. Einl. Europaund Verfassungsrecht Rz. 29 f. 2. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG In § 2 Abs. 6 bis Abs. 9 InvStG wird definiert, unter welchen Voraussetzungen ein Aktien- 17 fonds (Abs. 6), ein Mischfonds (Abs. 7) und ein Immobilienfonds (Abs. 9) vorliegt. Die Bestimmung des Fondstypus ist eine vorgreifliche Frage für die Bestimmung des zutreffenden Teilfreistellungssatzes (vgl. Rz. 6). § 6 Abs. 2 InvStG regelt, mit welchen Einkünften ein Investmentfonds selbst der KSt bzw. 18 - unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 InvStG – auch der GewSt unterliegt (sog. intransparentes Besteuerungsregime). Insbesondere um diese steuerliche Vorbelastung auf

1 BGBl. I 2021, 2050. 2 EuGH v. 9.10.2014 – C-326/12, ECLI:EU:C:2014:2269 – van Caster/van Caster, FR 2014, 1100. 3 BR-Drucks. 119/16, 103; Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 20 InvStG Anm. 1 (Stand: August 2021). 4 Ausführlich zum Streitstand: Mann in Brandis/Heuermann, § 20 InvStG Rz. 6 m.w.N. (Stand: Mai 2022). 5 Mann in Brandis/Heuermann, § 20 InvStG Rz. 7 m.w.N. (Stand: Mai 2022); Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 20 InvStG Anm. 1 (Stand: August 2021). 6 BVerfG v. 21.6.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (182 f.); v. 29.3.2017 – 2 BvL 6/11, BStBl. II 2017, 1082. Brandl | 429

§ 20 Rz. 18 | Teilfreistellung Fondsebene zu kompensieren, normiert § 20 InvStG pauschalierte Teilfreistellungen der Erträge auf der Ebene der Anleger.1 19 Die Teilfreistellung ist auf alle in § 16 Abs. 1 InvStG genannten Arten von Investmenterträgen

anzuwenden. Neben der Teilfreistellung der Ausschüttung kommt es auch zu einer Teilfreistellung der Vorabpauschale (§ 18 InvStG) und des Gewinns aus der Veräußerung von Investmentanteilen (§ 19 InvStG).2

20 Auf Investmenterträge (s. Legaldefinition in § 16 Abs. 1 InvStG) aus Investmentfonds sind

gem. § 16 Abs. 3 InvStG die im Rahmen der Direktanlage bei den Anlegern ggf. zu berücksichtigenden Steuerbefreiungsnormen des § 3 Nr. 40 EStG und des § 8b KStG ausdrücklich nicht anzuwenden. Stattdessen ist bei den Investmentfondsanlegern zu prüfen, ob bzw. in welcher Höhe eine Aktienteilfreistellung oder eine Immobilienteilfreistellung nach § 20 InvStG in Betracht kommt.3

21 Eine Vorabpauschale ist auch dann für das gesamte Kalenderjahr zu erheben, wenn sich der

anwendbare Teilfreistellungssatz ändert und der Investmentanteil nach § 22 InvStG als angeschafft und veräußert gilt. Die Höhe der Teilfreistellung richtet sich nach dem anwendbaren Teilfreistellungssatz zum Zuflusszeitpunkt nach § 18 Abs. 3 InvStG.4

22 Als Kehrseite zur Teilfreistellung des § 20 InvStG können Werbungskosten und Betriebsaus-

gaben auch nur entsprechend der jeweiligen Höhe der Teilfreistellung nach § 21 InvStG berücksichtigt werden.5 Die Teilfreistellung ist gleichermaßen anzuwenden, wenn negative Erträge bzw. Verluste erzielt werden. Somit mindert die Teilfreistellung den steuerlich anzusetzenden Verlust.6 3. Verhältnis zu Vorschriften des EStG

23 Die Teilfreistellung nach § 20 InvStG ist auch in Fällen anzuwenden, in denen eine Teilwert-

zuschreibung (Wertaufholung) nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG nach vorheriger Teilwertabschreibung des Investmentanteils (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG i.V.m. § 21 Satz 2 InvStG) vorzunehmen ist.7

24 Parallel zu den Teilfreistellungen für Investmenterträge gem. § 20 InvStG regelt der ebenfalls

durch das InvStRefG v. 19.7.20168 mit Wirkung zum 1.1.2018 eingefügte § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 9 EStG, dass bei fondsgebundenen Lebensversicherungen als Ausgleich für die steuerliche Vorbelastung von Investmenterträgen 15 % des Unterschiedsbetrags zwischen der Versicherungsleistung und der Summe der auf sie entrichteten Beiträge stfrei sind, soweit der Unterschiedsbetrag aus Investmenterträgen stammt. Es werden somit nur die Teile des Unterschiedsbetrags von der Besteuerung freigestellt, die aus Investmenterträgen erzielt wurden. Daher ist bei Versicherungsprodukten, bei denen das Versicherungsunternehmen für den Kunden nicht nur Investmentanteile hält, sondern auch andere Kapitalanlagen tätigt (hybride Versicherungsprodukte), zwischen diesen Anlagegegenständen zu unterscheiden. Nur soweit der Unterschiedsbetrag auf solchen Erträgen (Ausschüttungen sowie Gewinne oder Verluste aus der Veräußerung des Investmentanteils) beruht, ist die Steuerbefreiung anzuwenden.9 Für 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 20 InvStG Anm. 1 (Stand: August 2021). BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 20.1. Rengers in Brandis/Heuermann, § 8b KStG Rz. 75 (Stand: Juli 2019). BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 20.4. Böcker, NWB 2016, 2789 (2793). BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 20.2. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 20.3. BGBl. I 2016, 1730. BT-Drucks. 18/8045, 133.

430 | Brandl

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 26 § 20

Verluste aus fondsgebundenen Versicherungsverträgen ist zudem gegenläufig in § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 9 EStG geregelt, dass 15 % eines solchen negativen Unterschiedsbetrags steuerlich unberücksichtigt bleiben und sie in dieser anteiligen Höhe nicht mit positiven anderen Kapitaleinkünften verrechnet werden dürfen.1 Die Teilfreistellungen der Investmenterträge für die Anleger gem. § 20 gelten im Veranla- 25 gungsverfahren und sind grds. auch bereits im Rahmen des Kapitalertragsteuerabzugs zu berücksichtigen.2 Dies stellt insbes. für Zwecke der Abgeltungsteuer sicher, dass Privatanleger nicht erst im Rahmen der Veranlagung von der Teilfreistellung profitieren.3 Zu beachten ist dabei allerdings, dass auch im Steuerabzugsverfahren von betrieblichen Anlegern oder Körperschaften nach § 43a Abs. 2 S. 1 EStG aus Vereinfachungsgründen (zunächst) nur die geringeren Teilfreistellungssätze für Privatanleger anzusetzen sind. Die höheren Teilfreistellungen für betriebliche Anleger und Körperschaften können erst im Rahmen der Veranlagung geltend gemacht werden.4 Betriebliche Anleger, die ihre Erträge aus Investmentfonds im Veranlagungsverfahren erklären müssen, erleiden somit im Hinblick auf Ertragsarten, die dem Steuerabzug unterliegen, einen Liquiditätsnachteil.5 Im Kapitalertragsteuerabzugsverfahren erhalten die inländischen depotführenden Stellen die steuerliche Klassifizierung, ob ein im inländischen Depot verwahrter Investmentfonds einer Teilfreistellung unterfällt, im Regelfall vom WM-Datenservice, dieser wiederum von der jeweiligen Kapitalverwaltungsgesellschaft.6 4. Verhältnis zu Vorschriften der AO/Mitteilungspflichten Ein wesentlicher Verstoß gegen die Vorgaben zur Vermögenszusammensetzung ist nach § 153 26 Abs. 2 AO der zuständigen FinBeh. anzuzeigen,7 da der Investmentfonds aufgrund des gesetzlichen Kriteriums der „fortlaufenden Anlage“ die durchgehende Erfüllung (d.h. grds. an jedem Tag des Geschäftsjahres) dieser Vermögenszusammensetzung anzustreben hat. Ein wesentlicher Verstoß gegen diese Vorgaben für die Vermögenszusammensetzung, der über ein kurzfristiges Unterschreiten der Vermögensgrenzen des § 2 Abs. 6 oder 7 InvStG aufgrund von Wertveränderungen der gehaltenen Vermögensgegenstände oder einer unbeabsichtigten oder unverschuldeten fehlerhaften Einstufung eines Vermögensgegenstands als Kapitalbeteiligung hinausgeht, d.h. der mehr als eine sog. „passive Grenzverletzung“ darstellt, führt folglich zum Verlust des Status als Aktien- oder Mischfonds (s. § 2 InvStG Rz. 39 ff.). Den Anlegern hat der Investmentfonds zudem in öffentlich zugänglicher Weise mitzuteilen, wenn sich der Teilfreistellungssatz i.S.d. § 20 InvStG ändert (z.B. durch einen Hinweis auf der Internetseite des Investmentfonds; s. dazu § 22 InvStG Rz. 7 ff.). Darüber hinaus ist der Investmentfonds verpflichtet, unverzüglich seine früheren und nun nicht mehr zutreffenden Angaben gegenüber Entrichtungspflichtigen oder Finanzinformationsdienstleistern (z.B. WM-Datenservice) zum anwendbaren Teilfreistellungssatz zu korrigieren.8

1 BT-Drucks. 18/8739, 111. 2 Mann in Brandis/Heuermann, § 20 InvStG Rz. 12 (Stand: Mai 2022); Stadler/Bindl, DStR 2016, 1953 (1960). 3 BR-Drucks. 119/16, 101; Roth, GWR 2016, 457 (460 f.). 4 Böcker, NWB 2016, 2789 (2794). 5 Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 20 InvStG Anm. 1 (Stand: August 2021). 6 Ebner, RdF 2017, 305 (308); Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 20 InvStG Anm. 1 (Stand: August 2021). 7 BMF v. 14.6.2017 – IV C 1 - S 1980 – 1/16/10010:001 – DOK 2017/0518429, DB 2017, 1485 Rz. 1. 8 BMF v. 14.6.2017 (IV C 1 - S 1980 – 1/16/10010:001 – DOK 2017/0518429, DB 2017, 1485 Rz. 1) an den BVI zur Bestimmung des anwendbaren Teilfreistellungssatzes. Brandl | 431

§ 20 Rz. 27 | Teilfreistellung

B. Aktienteilfreistellung (Abs. 1) I. Vorbemerkung 27 Durch die Besteuerung sämtlicher Erträge auf Ebene des Anlegers käme es wegen der 15-

prozentigen Besteuerung der inländischen Dividenden auf Fondsebene zu einer höheren Belastung von Anlagen in inländischen Aktien im Vergleich zu Renten- und Geldmarktanlagen. Daneben bliebe unberücksichtigt, dass die meisten ausländischen Dividenden steuerlich vorbelastet sind und die DBA regelmäßig keine vollständige Erstattung der steuerlichen Vorbelastung vorsehen. Ohne eine Berücksichtigung dieser Vorbelastungen wäre die Direktanlage in Aktien steuerlich günstiger als eine mittelbare Beteiligung über Fonds.1 Um eine Vereinfachung zu erreichen, wird die Höhe des vorbelasteten Fonds-Dividendenertragsanteils typisiert und beim Anleger pauschal die Dividendenvorbelastung mittels eines Freistellungsverfahrens berücksichtigt. Das Ergebnis dieser typisierenden Betrachtung ist eine „Aktienteilfreistellung“ i.H.v. 30 % des Gesamtertrags für Privatanleger. Diese Freistellungshöhe ist in § 20 Abs. 1 Satz 1 InvStG geregelt.2

28 Nach den Sätzen 2 und 3 erhöht sich der Freistellungssatz für einkommensteuerpflichtige be-

triebliche Anleger auf 60 % und für bestimmte körperschaftsteuerpflichtige Anleger auf 80 %. Die höheren Freistellungssätze für betriebliche und bestimmte körperschaftsteuerpflichtige Anleger berücksichtigen in pauschalierter Form die Steuerbefreiung von Veräußerungsgewinnen aus Aktien nach § 3 Nr. 40 EStG oder nach § 8b Abs. 2 KStG.

II. Grundsatz: 30 % Aktienteilfreistellung (Abs. 1 Satz 1) 1. Aktienfonds a) Vorbemerkung 29 Nach der Grundnorm des § 20 Abs. 1 Satz 1 InvStG beträgt die Aktienteilfreistellung bei Ak-

tienfonds 30 % der Investmenterträge gem. § 16 Abs. 1 InvStG. Ein Investmentfonds qualifiziert gem. § 2 Abs. 6 InvStG als Aktienfonds, wenn er gemäß seinen Anlagebedingungen fortlaufend mehr als 50 %3 seines Aktivvermögens in Kapitalbeteiligungen i.S.d. § 2 Abs. 8 InvStG anlegt (sog. Aktienfonds-Kapitalbeteiligungsquote). In dem Zeitpunkt, in dem der Investmentfonds wesentlich gegen diese Anlagebedingungen verstößt und dabei die Kapitalbeteiligungsquote von 50 % unterschreitet, endet seine Eigenschaft als Aktienfonds gem. § 2 Abs. 6 Satz 4 InvStG und somit seine Aktienteilfreistellung nach § 20 Abs. 1 InvStG. b) Kapitalbeteiligung aa) Berücksichtigungsfähige Vermögensgegenstände

30 Nach § 2 Abs. 8 InvStG gelten als Kapitalbeteiligungen4

– an der Börse gehandelte Anteile an KapGes., – Anteile an EU-/EWR-KapGes., die einer Ertragsbesteuerung unterliegen, – Anteile an Drittstaaten-KapGes. mit mindestens 15 % Ertragsbesteuerung,

1 BT-Drucks. 18/8045, 91 = BR-Drucks. 119/16, 102. 2 BT-Drucks. 18/8045, 91 = BR-Drucks. 119/16, 102. 3 Für die Maßgeblichkeit eines „geraden“ Grenzwerts von mehr als 50 % zur Erlangung der Aktienteilfreistellung sprachen sich bereits Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2716), aus. 4 Böcker, NWB 2016, 2789 (2793); zu Details vgl. § 2 InvStG Rz. 64 ff.

432 | Brandl

B. Aktienteilfreistellung (Abs. 1) | Rz. 34 § 20

– Anteile an Aktienfonds zu 51 % ihres Werts und – Anteile an Mischfonds zu 25 % ihres Werts. Problematisch kann sich diese Regelung insbes. für Dach-Investmentfonds (vgl. § 2 Abs. 5 31 Satz 1 InvStG) erweisen, die ausschließlich in Aktienfonds investieren. Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 8 InvStG müsste ein Dachfonds eigentlich 100 % seines Werts in die Zielfonds investieren und dürfte nur in ganz geringem Umfang Liquidität vorhalten, um die Voraussetzungen für die Aktienteilfreistellung nach § 20 Abs. 1 InvStG zu erfüllen.1 Entsprechend dem Inhalt der bereits vorher geltenden Verwaltungsauffassung2 wurden aber in § 2 Abs. 6 Satz 2 f. und in § 2 Abs. 7 Satz 2 f. InvStG für Dachfonds-/Zielfonds-Konstruktionen besondere Regelungen zur Ermittlung der Aktienfonds-Kapitalbeteiligungsquote bzw. der Mischfonds-Kapitalbeteiligungsquote geschaffen. Damit genügt es für das Erreichen der erforderlichen Aktienfonds- bzw. Mischfonds-Kapitalbeteiligungsquote des Dach-Investmentfonds, wenn der Dach-Investmentfonds nach seinen Anlagebedingungen verpflichtet ist, derart in Ziel-Investmentfonds zu investieren, dass fortlaufend die erforderliche Aktienfonds- bzw. MischfondsKapitalbeteiligungsquote erreicht wird und die Anlagebedingungen vorsehen, dass der DachInvestmentfonds für die Einhaltung seiner Kapitalbeteiligungsquote auf die bewertungstäglich von den Ziel-Investmentfonds veröffentlichten tatsächlichen Kapitalbeteiligungsquoten abstellt. Dazu muss aber der Ziel-Investmentfonds gesetzlich zwingend mindestens einmal pro Woche eine Bewertung vornehmen (s. § 2 Abs. 6 Satz 3 sowie § 2 Abs. 7 Satz 3 InvStG). Beschränken die Anlagebedingungen den Kreis der erwerbbaren Vermögensgegenstände auf 32 einen Teil der in § 2 Abs. 8 InvStG genannten Kapitalbeteiligungen (z.B. auf börsengehandelte Kapitalgesellschaftsanteile), ist diese gegenüber den gesetzlichen Vorgaben weitergehende Einschränkung unschädlich.3 Demgegenüber erfüllen Investmentfonds, die nach den Anlagebedingungen die Wertentwicklung von Kapitalbeteiligungen auch synthetisch mittels Finanzderivaten (z.B. Aktien-Swaps) abbilden können, nicht die Voraussetzungen des § 2 Abs. 6 InvStG, es sei denn, die Anlagebedingungen sehen ergänzend eine Mindestbeteiligungsquote von 51 % unmittelbar in Kapitalbeteiligungen vor.4 Anteile an körperschaftlich strukturierten Ziel-Investmentfonds (z.B. Investmentaktien- 33 gesellschaft mit veränderlichem Kapital i.S.d. § 108 KAGB oder SICAV-SA) sind nach § 2 Abs. 8 Satz 2 InvStG keine Kapitalbeteiligungen i.S.d. § 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 oder 2 InvStG. Unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 InvStG werden diese (Spezial-) Investmentanteile jedoch anteilig als Kapitalbeteiligungen behandelt.5 Angelegt in Kapitalbeteiligungen ist der Investmentfonds auch bei eigenkapitalähnlichen 34 Instrumenten (wie z.B. Genussrechten i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG), nicht hingegen nach § 2 Abs. 8 Satz 5 Nr. 1 InvStG bei Beteiligungen, die nur mittelbar über vermögensverwaltende oder gewerbliche Personengesellschaften gehalten werden (z.B. mittelbar über Private-equity-Fonds gehaltene Anteile). Allerdings sind seit dem VZ 2020 mittelbare Beteiligungen über Personengesellschaften nach § 20 Abs. 3a InvStG ebenfalls bei der Ermittlung der Teilfreistellungssätze zu berücksichtigen.

1 Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2720); Böcker, NWB 2016, 2789 (2793). 2 BMF v. 14.6.2017 (IV C 1 - S 1980 – 1/16/10010:001 – DOK 2017/0518429, DB 2017, 1485 Rz. 1) an den BVI zur Bestimmung des anwendbaren Teilfreistellungssatzes. 3 BMF v. 14.6.2017 – IV C 1 - S 1980 – 1/16/10010:001 – DOK 2017/0518429, DB 2017, 1485 Rz. 1; s. auch § 2 InvStG Rz. 64. 4 BMF v. 14.6.2017 – IV C 1 - S 1980 – 1/16/10010:001 – DOK 2017/0518429, DB 2017, 1485 Rz. 1. 5 BMF v. 14.6.2017 – IV C 1 - S 1980 – 1/16/10010:001 – DOK 2017/0518429, DB 2017, 1485 (1486) Rz. 2. Brandl | 433

§ 20 Rz. 35 | Teilfreistellung 35 Keine Anlage des Fonds in Kapitalbeteiligungen liegt in den Fällen des § 2 Abs. 8 Sätze 4 und

5 InvStG vor, so z.B. bei Fremdkapitalinstrumenten (wie z.B. Gesellschafter-Darlehen oder fremdkapitalähnlich ausgestaltete Genussrechte). Auch die synthetische Abbildung der Wertentwicklung einer Kapitalanlage über Finanzderivate reicht nicht aus.1 Anteile an REIT-Aktiengesellschaften i.S.d. §§ 1 ff. REITG und Anteile an anderen REIT-Körperschaften, -Personenvereinigungen oder -Vermögensmassen i.S.d. § 19 Abs. 5 REITG sind ebenfalls keine Kapitalbeteiligungen i.S.d. § 2 Abs. 8 InvStG.2 Ebenfalls keine Kapitalbeteiligungen sind nach § 2 Abs. 8 Satz 5 Nr. 1 InvStG nach der Ergänzung durch das KöMoG3 Anteile an Personengesellschaften, die nach § 1a KStG zur KSt-Besteuerung optiert haben.4 bb) Wertermittlung des auf Kapitalbeteiligungen entfallenden Fondsvermögens

36 Fraglich war bis zu einer klarstellenden Regelung im „JStG 2018“, ob sich die (damalige)

51 %5-Grenze in § 2 Abs. 6 InvStG a.F. auf den Nettoinventarwert oder das Aktivvermögen (Bruttowert) des jeweiligen Fonds bezog.6 Nach der Verwaltungsauffassung7 war bei der Ermittlung des anteilig auf Kapitalbeteiligungen entfallenden Vermögens eines Investmentfonds bereits bisher grds. auf den Wert der von dem Investmentfonds gehaltenen Vermögensgegenstände abzustellen (Aktivvermögen). Der durch das „JStG 2018“ v. 11.12.20188 eingefügte neue § 2 Abs. 9a InvStG enthält dazu nun eine gesetzliche Neuregelung zur Bestimmung des maßgeblichen Aktivvermögens. c) Fortlaufende Anlage

37 Die gesetzliche Einstufung als Aktienfonds (oder Mischfonds) lehnt sich primär an die in den

Anlagebedingungen vorgesehenen Anlagevorgaben an. Der Investmentfonds hat jedoch aufgrund des gesetzlich gegebenen Kriteriums der „fortlaufenden Anlage“ die durchgehende Erfüllung (d.h. grundsätzlich an jedem Tag des Geschäftsjahres) dieser Vermögenszusammensetzung anzustreben.9 Ein wesentlicher Verstoß gegen die Vorgaben für die Vermögenszusammensetzung führt zum Verlust des Status als Aktienfonds (oder Mischfonds). Unbeachtlich ist hingegen insbes. ein kurzfristiges Unterschreiten der Vermögensgrenzen des § 2 Abs. 6 oder 7 InvStG aufgrund von Wertveränderungen der gehaltenen Vermögensgegenstände oder einer unbeabsichtigten oder unverschuldeten fehlerhaften Einstufung eines Vermögensgegenstands als Kapitalbeteiligung. Eine solche kurzfristige passive Grenzverletzung führt daher nicht zum Verlust des Status eines Aktien- oder Mischfonds, wenn der Investmentfonds unverzüglich nach Kenntnis der Grenzverletzung ihm mögliche und zumutbare Maßnahmen unternimmt, um die für ihn erforderliche Kapitalbeteiligungsquote wiederherzustellen.10 Zur Verfahrensvereinfachung gilt dabei eine sog. 20-Geschäftstage-Grenze. Da-

1 BMF v. 14.6.2017 – IV C 1 - S 1980 – 1/16/10010:001 – DOK 2017/0518429, DB 2017, 1485 Rz. 2; Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2716); Mann in Brandis/Heuermann, § 20 InvStG Rz. 17 (Stand: Mai 2022); Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 20 InvStG Anm. 5 (Stand: August 2021); vgl. auch Rz. 32. 2 BMF v. 14.6.2017 – IV C 1 - S 1980 – 1/16/10010:001 – DOK 2017/0518429, DB 2017, 1485 Rz. 2. 3 Vgl. Art. 4 KöMoG v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2050. 4 BT-Drucks. 19/28656, 29; Mann in Brandis/Heuermann, § 20 InvStG Rz. 17 (Stand: Mai 2022); Haug, FR 2021, 410 (412). 5 Nunmehr gilt gem. § 2 Abs. 6 Satz 1 InvStG n.F. für die Feststellung der Aktienfonds-Kapitalbeteiligungsquote eine 50 %-Grenze bezogen auf das Aktivvermögen des Investmentfonds. 6 Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2716). 7 BMF v. 14.6.2017 – IV C 1 - S 1980 – 1/16/10010:001 – DOK 2017/0518429, DB 2017, 1485 Rz. 1. 8 BGBl. I 2018, 2338; s. dazu BR-Drucks. 372/18. 9 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.7. 10 Zu Details BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.18 ff.

434 | Brandl

B. Aktienteilfreistellung (Abs. 1) | Rz. 40 § 20

nach ist grds. nicht von einem wesentlichen Verstoß auszugehen, wenn ein Aktien- oder Mischfonds in einem Geschäftsjahr an insgesamt bis zu 20 einzelnen Geschäftstagen i.S.d. § 675n BGB (= Bankarbeitstage) die Vermögensgrenzen des § 2 Abs. 6 oder 7 InvStG unterschreitet.1 Die gesetzlich vorgegebene Zielsetzung der „fortlaufenden Anlage“ in Kapitalbeteiligungen 38 wird zeitlich nach einer Nichtbeanstandungsregelung der FinVerw.2 ausnahmsweise auch innerhalb von sechs Monaten nach Neuauflage oder während der Abwicklung eines Investmentfonds erfüllt, sofern der Investmentfonds innerhalb dieses Zeitraums noch nicht oder nicht mehr die gesetzlich vorausgesetzte tatsächliche Vermögenszusammensetzung des § 2 Abs. 6 oder 7 InvStG erreicht. 2. Erträge Die Teilfreistellung auf der Ebene des Anlegers, die sowohl beim Kapitalertragsteuerabzug als 39 auch im Rahmen der Veranlagung eingreift,3 ist auf alle Erträge des Investmentfonds i.S.d. § 16 InvStG anzuwenden.4 Das heißt, es kommt nicht nur bei der Ausschüttung zu einer Teilfreistellung, sondern es erfolgt auch eine Teilfreistellung der Vorabpauschale und des Gewinns aus der Veräußerung, Rückgabe, Abtretung, Entnahme oder verdeckten Einlage von Investmentanteilen.

III. Erhöhte Aktienteilfreistellung bei Anteilen im Betriebsvermögen (Abs. 1 Sätze 2 und 3) In § 20 Abs. 1 Sätze 2 und 3 InvStG werden für bestimmte Anlegergruppen erhöhte Aktien- 40 teilfreistellungen festgelegt. Der Freistellungssatz erhöht sich nach Satz 2 für einkommensteuerpflichtige betriebliche Anleger auf 60 Prozent und nach Satz 3 für körperschaftsteuerpflichtige Anleger auf 80 Prozent. Mit den höheren Freistellungssätzen sollen in pauschalierter Form die Steuerbefreiung von Veräußerungsgewinnen aus Aktien nach § 3 Nr. 40 EStG oder nach § 8b Abs. 2 KStG sowie die jeweilige steuerliche Vorbelastung berücksichtigt werden.5 Die erhöhte Aktienteilfreistellung der Sätze 2 und 3 knüpft somit an die ertragsteuerliche Situation des jeweiligen Anlegers an, d.h. desjenigen, dem die Investmentanteile nach § 39 AO zuzurechnen sind.6 Wenn eine Personenhandelsgesellschaft oder eine Partnerschaftsgesellschaft nach § 1a KStG zur Körperschaftsbesteuerung optiert, ist der für körperschaftsteuerpflichtige Anleger geltende Teilfreistellungssatz von 80 % nach § 20 Abs. 1 Satz 3 InvStG auf sie anzuwenden.7 Die erhöhten Teilfreistellungsquoten von 60 bzw. 80 % werden erst i.R.d. Veranlagungsverfahrens berücksichtigt. Im Steuerabzugsverfahren8 sind hingegen generell die für Privatanleger geltenden Teilfreistellungssätze maßgeblich, da die Regelungen des § 20 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 gem. § 43a Abs. 2 Satz 1 EStG beim Steuerabzug nicht anzuwenden sind.9 1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.19. 2 BMF v. 14.6.2017 – IV C 1 - S 1980 – 1/16/10010:001 – DOK 2017/0518429, DB 2017, 1485 Rz. 1; a.A. Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2716). 3 BT-Drucks. 18/8045, 90 f. = BR-Drucks. 119/16, 101. 4 Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 20 InvStG Anm. 5 (Stand: August 2021); Roth, GWR 2016, 457 (460). 5 BT-Drucks. 18/8739, 103. 6 Neumann, DB 2016, 1779; Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 20 InvStG Anm. 7 (Stand: August 2021). 7 Böhmer/Schewe, FR 2022, 69 (73). 8 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 20.6.; vgl. auch Rz. 7. 9 Mertesdorf-Perathoner in BeckOK/InvStG, § 20 Rz. 41 (Stand: Januar 2022). Brandl | 435

§ 20 Rz. 41 | Teilfreistellung

IV. Ausschluss des erhöhten Aktienteilfreistellungssatzes für bestimmte betriebliche Anleger (Abs. 1 Satz 4) 1. Vorbemerkung 41 Für die in der Gegenausnahme des § 20 Abs. 1 Satz 4 InvStG explizit genannten betrieblichen

Anleger gelten die höheren Freistellungssätze nicht. Mit den höheren Freistellungssätzen von 60 % bzw. 80 % gem. § 20 Abs. 1 Sätze 2 und 3 InvStG sollen die Steuerbefreiung von Veräußerungsgewinnen aus Aktien nach § 3 Nr. 40 EStG oder nach § 8b Abs. 2 KStG sowie die steuerliche Vorbelastung in pauschalierter Form berücksichtigt werden. Die Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 2 KStG gilt im Rahmen der Direktanlage unter den Voraussetzungen des § 8b Abs. 7 KStG jedoch nicht für Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und Finanzunternehmen bzw. unter den Voraussetzungen des § 8b Abs. 8 KStG ebenfalls nicht für Lebens- oder Krankenversicherungsunternehmen. Deshalb wird durch die Regelung in § 20 Abs. 1 Satz 4 ein erhöhter Aktienfreistellungssatz für diese Anlegergruppen ausgeschlossen und nur eine Aktienteilfreistellung i.H.v. 30 % zugelassen. Dies entspricht im Ergebnis einer sinngemäßen Anwendung des § 8b Abs. 7 KStG bzw. des § 8b Abs. 8 KStG bei der Aktienfondsanlage dieser Anlegergruppen.1 2. Lebens- oder Krankenversicherungsunternehmen (Abs. 1 Satz 4 Nr. 1)

42 In § 20 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 InvStG wird die Anwendung der erhöhten Aktienteilfreistellungen

für Lebens- oder Krankenversicherungsunternehmen als Anleger ausgeschlossen, soweit der Investmentanteil den Kapitalanlagen zuzurechnen ist. Dies entspricht einer sinngemäßen Anwendung des § 8b Abs. 8 KStG.2 Zur Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm wird auf die entsprechenden Kommentierungen zu § 8b Abs. 8 KStG3 verwiesen. Nach § 8b Abs. 8 KStG sind bei diesen Gesellschaften bei der Direktanlage neben Dividendenerträgen auch Veräußerungsgewinne stpfl. und Veräußerungsverluste steuerwirksam.4 Als Anleger von Aktienfonds verbleibt es bei Lebens- oder Krankenversicherungsunternehmen, soweit der Investmentanteil den Kapitalanlagen zuzurechnen ist, bei der Aktienteilfreistellung i.H.v. 30 % nach § 20 Abs. 1 Satz 1 InvStG, da die höheren Freistellungen der Sätze 2 und 3 für sie ausdrücklich nicht gelten. Für ihre Erträge als Anleger von Mischfonds gilt für Lebens- oder Krankenversicherungsunternehmen, soweit der Investmentanteil den Kapitalanlagen zuzurechnen ist, nach § 20 Abs. 2 InvStG der hälftige Teilfreistellungssatz i.H.v. 15 %. 3. Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitute (Abs. 1 Satz 4 Nr. 2)

43 Nach § 20 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 InvStG ist ein erhöhter Aktienteilfreistellungssatz ebenfalls aus-

geschlossen, wenn der Anleger ein Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut oder ein sonstiges Finanzunternehmen ist und der Investmentanteil dem Handelsbestand5 i.S.d. § 340e HGB zuzuordnen ist (Alt. 1) oder zum Zeitpunkt des Zugangs zum Betriebsvermögen als Umlaufvermögen6 auszuweisen ist (Alt. 2).7 Dies entspricht einer sinngemäßen Anwendung

1 BT-Drucks. 18/8739, 103. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 20.9. 3 Vgl. z.B. Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Anm. 235 ff. (Stand: April 2021); Rengers in Brandis/Heuermann, § 8b KStG Rz. 480 (Stand: Juli 2019). 4 Binnewies in Streck, KStG, 10. Aufl. 2021, § 8b Rz. 185. 5 Bis VZ 2019: „Zuordnung zum Handelsbuch“ (s. BT-Drucks. 18/8739, 103). 6 Bis VZ 2019: „Erwerb mit dem Ziel der Erzielung eines Eigenhandelserfolgs“ (s. BT-Drucks. 18/8739, 103). 7 S. dazu BT-Drucks. 19/13436, 177.

436 | Brandl

D. Immobilienteilfreistellung (Abs. 3) | Rz. 47 § 20

des § 8b Abs. 7 KStG.1 Zur Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen dieser Alternativen wird auf die entsprechenden Kommentierungen zu § 8b Abs. 7 KStG2 verwiesen.

V. Pensionsfonds (Abs. 1 Satz 5) Durch das „JStG 2019“ v. 12.12.20193 wurde mit Wirkung vom 1.1.2020 Abs. 1 Satz 5 neu 44 eingefügt. Diese Regelung ergänzt § 20 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 und § 30 Abs. 3 Nr. 1 InvStG dahingehend, dass die Ausnahmen für Lebens- und Krankenversicherungen – analog zu § 8b Abs. 8 KStG – entsprechend für Pensionsfonds gelten. Diese waren bislang versehentlich nicht erwähnt.4

C. Mischfonds (Abs. 2) Bei einem Mischfonds wird nach Abs. 2 die Aktienteilfreistellung hälftig gewährt. Das heißt, 45 bei Privatanlegern sind 15 %, bei einkommensteuerpflichtigen betrieblichen Anlegern 30 % und bei bestimmten körperschaftsteuerpflichtigen Anlegern 40 % der Erträge stfrei. Für Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen bleibt es bei dem 15-prozentigen Teilfreistellungssatz.5 Der Begriff des Mischfonds ist in § 2 Abs. 7 InvStG legaldefiniert. Danach sind Mischfonds 46 Investmentfonds, die nach ihren Anlagebedingungen fortlaufend mindestens 25 % ihres Aktivvermögens in Kapitalbeteiligungen i.S.v. § 2 Abs. 8 InvStG anlegen. Durch § 2 Abs. 7 InvStG i.d.F. des „JStG 2018“6 erfolgte eine ergänzende gesetzliche Regelung zum Begriff des Mischfonds (s. § 2 InvStG Rz. 63).

D. Immobilienteilfreistellung (Abs. 3) I. Vorbemerkung Auch bei inländischen Immobilienerträgen wird das Besteuerungsrecht Deutschlands durch 47 eine Besteuerung auf Ebene des Investmentfonds gesichert. Bei ausländischen Immobilienerträgen eines Investmentfonds kommt es fast ausnahmslos auch zu einer Besteuerung durch den Belegenheitsstaat der Immobilie. Um diese steuerliche Vorbelastung zu berücksichtigen und die Anlage in Immobilienfonds weiterhin attraktiv zu gestalten, werden die Erträge aus Immobilienfonds gem. § 20 Abs. 3 InvStG teilweise von der Besteuerung freigestellt.7 Durch das „JStG 2019“ v. 12.12.20198 wurde § 20 Abs. 3 InvStG dahingehend geändert, dass die bis dahin getrennten Definitionen für Immobilienfonds und Auslands-Immobilienfonds in § 2 Abs. 9 und in § 20 Abs. 3 Satz 1 InvStG zusammengefasst und vereinheitlicht wurden.9

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 20.10. 2 Vgl. z.B. Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Anm. 224 ff. (Stand: April 2021); Rengers in Brandis/Heuermann, § 8b KStG Rz. 430 ff. (Stand: August 2021). 3 BGBl. I 2019, 2451. 4 BT-Drucks. 19/13436, 177. 5 BT-Drucks. 18/8045, 91 = BR-Drucks. 119/16, 102. 6 G v. 11.12.2018, BGBl. I 2018, 2338; s. dazu auch BR-Drucks. 372/18. 7 BT-Drucks. 18/8045, 91 = BR-Drucks. 119/16, 102. 8 BGBl. I 2019, 2451. 9 BT-Drucks. 19/13436, 177. Brandl | 437

§ 20 Rz. 48 | Teilfreistellung

II. Immobilienteilfreistellung (Abs. 3 Satz 1) 1. Vorbemerkung 48 Bei Vorliegen der Voraussetzungen der sog. „Immobilienteilfreistellung“ des § 20 Abs. 3 S. 1

InvStG wird bei allen Anlegern eine einheitliche Steuerbefreiung der Ausschüttung, der Vorabpauschale und des Veräußerungsgewinns i.H.v. mindestens 60 % gewährt. Bei einem Anlagewert des Fonds von mehr als 50 %1 seines Aktivvermögens in ausländischen Immobilien oder ausländischen Immobiliengesellschaften steigt der Teilfreistellungssatz für die Anleger nach Nr. 2 der Vorschrift sogar auf 80 %. Dadurch wird die auf Ebene des Immobilienfonds bzgl. der inländischen Einkünfte entstandene Vorausbelastung neutralisiert und eine Doppelbesteuerung hinsichtlich der ausländischen Einkünfte weitgehend abgemildert, zum Teil sogar überkompensiert.2 2. Immobilienfonds

49 Immobilienfonds sind nach § 2 Abs. 9 Satz 1 InvStG (zu Details vgl. § 2 InvStG Rz. 84 ff.)

Investmentfonds, die gemäß ihren Anlagebedingungen fortlaufend mehr als 50 % des Aktivvermögens in Immobilien und Immobiliengesellschaften anlegen.

50 In dem Zeitpunkt, in dem der Immobilienfonds wesentlich gegen die Anlagebestimmungen

verstößt und dabei die Immobilienfondsquote unterschreitet, endet gem. § 2 Abs. 9 Satz 7 i.V.m. Abs. 6 Satz 4 InvStG seine Eigenschaft als Immobilienfonds.

3. 60 %-Teilfreistellung (Abs. 3 Satz 1 Nr. 1) 51 Die Immobilienteilfreistellung greift grds. bei allen Immobilienfonds gem. § 2 Abs. 9 Satz 1

InvStG ein. Für die Bestimmung des persönlichen Anwendungsbereichs dieser Vorschrift wurde die Kategorisierung der BaFin übernommen.3 Es kommt demnach darauf an, dass gem. den Anlagebedingungen (vgl. dazu § 2 Abs. 12 InvStG) fortlaufend mehr als 50 % des Aktivvermögens des Investmentfonds in Immobilien und/oder Immobiliengesellschaften angelegt werden. Für den Begriff der Immobiliengesellschaft ist nach der Gesetzesbegründung die aufsichtsrechtliche Definition in § 1 Abs. 19 Nr. 22 KAGB maßgeblich.4 Immobiliengesellschaften sind somit Gesellschaften, die nach dem Gesellschaftsvertrag oder der Satzung nur Immobilien sowie die zur Bewirtschaftung der Immobilien erforderlichen Gegenstände erwerben dürfen.5 4. 80 %-Teilfreistellung (Abs. 3 Satz 1 Nr. 2)

52 Als Immobilien gelten nach § 2 Abs. 9 Satz 4 InvStG auch Investmentanteile an Immobi-

lienfonds oder Auslands-Immobilienfonds. Sieht ein Immobilienfonds oder Auslands-Im1 Durch das „JStG 2018“ v. 11.12.2018 (BGBl. I 2018, 2338) wurden in § 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 InvStG die Wörter „mindestens 51 Prozent des Wertes“ durch die Wörter „mindestens 50 Prozent des Aktivvermögens“ ersetzt. 2 BT-Drucks. 18/8045, 91 = BR-Drucks. 119/16, 102. 3 Vgl. Art. 2 der Fondskategorien-RL der BaFin v. 8.4.2020, die aufgrund des § 4 Abs. 2 KAGB erlassen wurde. 4 BT-Drucks. 18/8045, 91 f. = BR-Drucks. 119/16, 103; Stadler/Bindl, DStR 2016, 1953 (1959). 5 Kritisch zur Bezugnahme auf den aufsichtsrechtlichen § 1 Abs. 19 Nr. 22 KAGB äußern sich Bindl/ Mager, BB 2016, 2711 (2716), weil insbes. Auslands-Immobiliengesellschaften ihren Gesellschaftsvertrag i.d.R. nicht an den Vorschriften des deutschen KAGB ausrichten werden. Stattdessen sei darauf abzustellen, ob eine Gesellschaft tatsächlich nur Immobilien bzw. Anteile an anderen Immobiliengesellschaften sowie die zur Bewirtschaftung der Immobilien erforderlichen Gegenstände erwirbt.

438 | Brandl

D. Immobilienteilfreistellung (Abs. 3) | Rz. 55 § 20

mobilienfonds in seinen Anlagebedingungen einen höheren Prozentsatz als 51 % seines Aktivvermögens für die fortlaufende Mindestanlage in Immobilien vor, gilt der Investmentanteil nach § 2 Abs. 9 Satz 5 InvStG sogar im Umfang dieses höheren Prozentsatzes als Immobilie. Zudem gelten nach § 2 Abs. 9 Satz 6 InvStG Anteile des Fonds an Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen (vgl. § 1 Abs. 1 KStG), bei denen nach gesetzlichen Bestimmungen oder nach deren Anlagebedingungen das Bruttovermögen zu mindestens 75 % aus unbeweglichem Vermögen besteht, i.H.v. 75 % des Werts der Anteile als Immobilien, wenn die Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen einer Ertragsbesteuerung von mindestens 15 % unterliegen und nicht von ihr befreit sind oder wenn deren Ausschüttungen einer Besteuerung von mindestens 15 % unterliegen und der Investmentfonds nicht davon befreit ist. 5. Ermittlung der Immobilienquote Für die Ermittlung der Immobilienquote sind 100-prozentige Beteiligungen an Immobilienge- 53 sellschaften in der Rechtsform einer Personen- oder Kapitalgesellschaft mit dem Verkehrswert der Immobilien zzgl. des Werts der Bewirtschaftungsgegenstände i.S.d. § 231 Abs. 3 KAGB (z.B. Telefonanlage, Reinigungsgeräte, Schneepflug) anzusetzen, wenn sich diese Werte aus dauerhaft öffentlich zugänglichen Informationen des Investmentfonds (z.B. Jahresberichte) ergeben. Soweit es an einer derartigen Veröffentlichung fehlt, ist nur der Beteiligungswert der Immobiliengesellschaft anzusetzen. Wenn der Investmentfonds weniger als 100 % der Anteile an einer Immobiliengesellschaft hält, ist nur der auf die Beteiligungsquote entfallende Wert anzusetzen.1 Folgende Aktiva gelten, soweit sie sich auf den Rücknahmepreis auswirken, für die Zwecke 54 der Ermittlung der Immobilienquote nach § 20 Abs. 3 Satz 1 InvStG auch als Immobilien:2 – aktivierte und noch nicht abgeschriebene Anschaffungsnebenkosten i.S.d. § 248 Abs. 3 KAGB, – Forderungen aus schwebenden Grundstücksveräußerungsgeschäften, – Forderungen aus der Grundstücksbewirtschaftung (z.B. Nebenkostenforderungen gegenüber Mietern und Pächtern der Immobilie), – Steuererstattungsansprüche im Zusammenhang mit der Immobilie und – sonstige immobilienbezogene Vermögensgegenstände.

III. Auslands-Immobilienteilfreistellung (Abs. 3 Satz 2) Investiert der Investmentfonds überwiegend in Auslandsimmobilien, reicht die Freistellung 55 von 60 % allerdings nicht aus, um die Vorbelastung mit ausländischen Steuern hinreichend zu berücksichtigen. Daher erhöht sich nach § 20 Abs. 3 Satz 2 InvStG die Freistellung auf 80 % für Auslands-Immobilienfonds. Ein Auslands-Immobilienfonds ist nach § 2 Abs. 9 Satz 2 InvStG (zu Details s. § 2 InvStG Rz. 85) ein Investmentfonds, der gemäß seinen Anlagebedingungen fortlaufend mehr als 50 %3 seines Aktivvermögens in ausländischen Immobilien und Auslands-Immobiliengesellschaften i.S.d. § 2 Abs. 9 Satz 3 InvStG anlegt (Auslands-Im-

1 BMF v. 14.6.2017 – IV C 1 - S 1980 – 1/16/10010:001 – DOK 2017/0518429, DB 2017, 1485 (1487) Rz. 3 mit Beispiel zur Ermittlung der Immobilienquote. 2 154 3 Durch das „JStG 2018“ v. 11.12.2018 (BGBl. I 2018, 2338; s. dazu BR-Drucks. 372/18 v. 10.8.2018) wurden in § 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 InvStG die Wörter „mindestens 51 Prozent des Wertes“ durch die Wörter „mindestens 50 Prozent des Aktivvermögens“ ersetzt. Brandl | 439

§ 20 Rz. 55 | Teilfreistellung mobilienfondsquote). Investmentanteile an Immobilienfonds oder an Auslands-Immobilienfonds gelten für diese Zwecke gem. § 2 Abs. 9 Satz 4 InvStG i.H.v. 51 % des Werts des Investmentanteils als Immobilien.1 56 In § 2 Abs. 9 Satz 3 InvStG werden Auslands-Immobiliengesellschaften als Immobiliengesell-

schaften legaldefiniert, die ausschließlich in ausländische Immobilien investieren. Diese rein steuerliche Regelung weist deutliche Parallelen zur investmentrechtlichen Definition des Begriffs der Immobilien-Gesellschaften in § 1 Abs. 19 Nr. 22 KAGB auf, weicht im Einzelnen jedoch davon ab.2 Eine Immobilien-Holdinggesellschaft ist nur dann als Auslands-Immobiliengesellschaft anzuerkennen, wenn der Investmentfonds nachweist, dass es sich bei allen von der Holdinggesellschaft gehaltenen Beteiligungen um Immobiliengesellschaften handelt, die ausschließlich in ausländische Immobilien investieren. Eine Immobilien-Holdinggesellschaft, die ihrerseits in Immobilien-Holdinggesellschaften investiert, ist hingegen nicht als AuslandsImmobiliengesellschaft anzuerkennen.3 Die Auslands-Immobiliengesellschaften können rechtsformunabhängig sowohl als Kapital- wie auch als Personengesellschaften ausgestaltet sein.

IV. Vorrang der Immobilienteilfreistellung 57 Für die Anwendung der Immobilienteilfreistellung wird eine zusätzliche Anwendung der Ak-

tienteilfreistellung explizit ausgeschlossen.4 Die Immobilienteilfreistellung ist also stets vorrangig, wenn ihre Voraussetzungen vorliegen.

E. Mittelbar über Personengesellschaften gehaltene Investmentanteile (Abs. 3a) I. Teilfreistellung bei mittelbarer Anlage über eine Personengesellschaft (Abs. 3a Satz 1) 58 Nach dem mit Wirkung vom 1.1.2020 durch das „JStG 2019“ v. 12.12.20195 neu eingefügten

Abs. 3a gelten die Teilfreistellungen der Abs. 1 bis 3 auch für Investmentanteile, die mittelbar über Personengesellschaften gehalten werden. Diese Regelung wurde aus systematischen Gründen ergänzt. Durch sie soll ein Rosinenpicken („cherry picking“)6 dahingehend verhindert werden, dass ein Anleger, der mittelbar Investmentanteile über eine Personengesellschaft hält, sich im Fall positiver Investmenterträge auf eine Verwaltungsauslegung zur Anwendung der Teilfreistellungen beruft und im Hinblick auf den Abzug von BA, Betriebsvermögensminderungen etc. (s. § 21 InvStG) einen (vollständigen) Abzug aufgrund einer fehlenden gesetzlichen Grundlage beansprucht.7

59 Die Teilfreistellung bei mittelbar über eine Personengesellschaft gehaltenen Investmentantei-

len gilt für vermögensverwaltende Personengesellschaften und Mitunternehmerschaften. Da-

1 Vgl. auch BMF v. 14.6.2017 – IV C 1 - S 1980 – 1/16/10010:001 – DOK 2017/0518429, DB 2017, 1485 (1487) Rz. 3. 2 Hahne/Schober, BB 2021, 86 (89). 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 20.10, „e. Auslands-Immobiliengesellschaften“. 4 BT-Drucks. 18/8045, 92 = BR-Drucks. 119/16, 103. 5 BGBl. I 2019, 2451. 6 Haug, Ubg 2020, 84 (90). 7 BT-Drucks. 19/13436, 177.

440 | Brandl

F. Individuelle Nachweismöglichkeit der Anlagegrenzen (Abs. 4) | Rz. 62 § 20

bei richtet sich die Höhe des anwendbaren Teilfreistellungssatzes nach den Verhältnissen des jeweiligen Gesellschafters der Gesamthand.1 Bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften ergibt sich die Anwendung der Teilfreistellung bereits aus der Durchschau aufgrund der Bruchteilsbetrachtung nach § 39 AO, wonach der Gesellschafter unmittelbar Inhaber der Investmentanteile ist. Für gewerbliche Personengesellschaften wirkt die gesetzlich durch § 20 Abs. 3a InvStG angeordnete Transparenz hingegen konstitutiv.2 Trotz des fehlenden Verweises in Abs. 5 auf Abs. 3a ist für Gewerbesteuerzwecke bei der Er- 60 mittlung des Gewerbeertrags nach § 7 Satz 4 GewStG ebenfalls nur der hälftige Teilfreistellungssatz des jeweiligen Anlegers zu berücksichtigen, da keine Gründe für eine Besserstellung mittelbarer Anleger gegenüber der Direktbeteiligung ersichtlich sind.3

II. Rückausnahme bei Körperschaftsteuer-Option der Personengesellschaft nach § 1a KStG (Abs. 3a Satz 2) Durch Art. 4 des KöMoG v. 25.6.20214 wurde dem § 20 Abs. 3a InvStG mit Wirkung zum 61 1.1.2022 ein neuer Satz 2 angefügt, wonach § 20 Abs. 3a Satz 1 InvStG nicht auf Personengesellschaften anzuwenden ist, die nach § 1a KStG zur Körperschaftsbesteuerung optiert haben. Wenn die Personengesellschaft von ihrem Optionsrecht nach § 1a KStG Gebrauch macht, werden somit die Investmenterträge nicht den Mitunternehmern zugerechnet, sondern direkt der optierenden Personengesellschaft.5 Folgerichtig bestimmt § 20 Abs. 3a Satz 1 InvStG, dass in den Optionsfällen nicht auf die für die Mitunternehmer geltenden Teilfreistellungssätze abzustellen ist, sondern ausschließlich der für Körperschaftsteuersubjekte geltende Teilfreistellungssatz anzuwenden ist,6 d.h. insbes. der 80 %- Teilfreistellungssatz des § 20 Abs. 1 Satz 3 InvStG.7 Sachlich erfasst § 20 Abs. 3a Satz 2 InvStG trotz des Wortlauts „Personengesellschaft“ nur die mittelbare Anlage in einen Investmentfonds über eine Personenhandelsgesellschaft8 oder eine Partnerschaftsgesellschaft, da nur diese nach § 1a Abs. 1 Satz 1 KStG optieren können.9

F. Individuelle Nachweismöglichkeit der Anlagegrenzen für den Anleger (Abs. 4) Mit der in Abs. 4 geregelten Nachweismöglichkeit auf Anlegerebene werden Anforderungen 62 erfüllt, die sich aus dem Europäischen Recht ergeben.10 Für den Fall, dass die Anlagebedingungen eines Investmentfonds keine hinreichenden Aussagen zum Überschreiten der Schwellenwerte für den Aktien- oder Immobilienteil enthalten oder keine Anlagebedingungen des Investmentfonds existieren, wird in § 20 Abs. 4 InvStG dem Anleger eine individuelle Nach-

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 20.5; Ebner, NWB 2020, 619 (623); Stadler/ Mager, BB 2019, 1760 (1764). 2 Ebner, NWB 2020, 619 (624) m.w.N. 3 Hagen/Schober, BB 2019, 1693 (1696); Haug, Ubg 2020, 84 (90). 4 BGBl. I 2021, 2050. 5 Mertesdorf-Perathoner in BeckOK/InvStG, § 20 Rz. 61 (Stand: Januar 2022). 6 BT-Drucks. 19/28656, 30. 7 BMF v. 10.11.2021 – IV C 2 - S 2707/21/10001:004 – DOK 2021/1162290, BStBl. I 2021, 2212 Rz. 59. 8 D.h. über eine OHG), KG, GmbH & Co. KG (vgl. Brühl/Weiss DStR 2021, 889 [891]) oder eine aufgrund Rechtstypenvergleichs mit diesen Gesellschaftsformen vergleichbare ausländische Gesellschaft. 9 Mann in Brandis/Heuermann, § 20 InvStG Rz. 38 f. (Stand: Mai 2022). 10 EuGH v. 9.10.2014 – C-326/12, ECLI:EU:C:2014:2269 – van Caster und van Caster, FR 2014, 1100; s. dazu Haug, Ubg 2020, 84 (90), der es für fraglich hält, ob der individuelle Nachweis in § 20 Abs. 4 InvStG europarechtlich geboten ist. Brandl | 441

§ 20 Rz. 62 | Teilfreistellung weismöglichkeit eingeräumt. Durch das „JStG 2019“ v. 12.12.20191 wurde der in den VZ 2018 und 2019 geltende Begriff „Anlagegrenzen“ durch „Aktienfonds-2 oder Mischfonds3-Kapitalbeteiligungsquote oder Immobilienfonds-4 oder Auslandsimmobilienfondsquote5 „ ersetzt, um die gesetzliche Terminologie zu vereinheitlichen.6 Wenn der Anleger hinreichende Nachweise vorlegen kann, aus denen sich ergibt, dass der Investmentfonds während des gesamten Geschäftsjahres die Schwellenwerte überschritten hat, wird die Teilfreistellung im Rahmen des Veranlagungsverfahrens gewährt. Hat der Investmentfonds ein vom Kalenderjahr abweichendes Geschäftsjahr, muss der Anleger im Veranlagungsverfahren den Nachweis für das Geschäftsjahr des Investmentfonds erbringen, in dem die Investmenterträge zugeflossen sind oder als zugeflossen gelten.7 Ein Nachweis gegenüber den zur Erhebung der Kapitalertragsteuer verpflichteten Personen ist dagegen nicht zulässig, da dies einen unverhältnismäßigen Aufwand aufseiten der Entrichtungspflichtigen auslösen würde.8 Wenn die jeweils erforderliche Aktienfonds- oder Mischfonds-Kapitalbeteiligungsquote oder Immobilienfonds- oder Auslands-Immobilienfondsquote an nicht mehr als 20 Geschäftstagen in einem Geschäftsjahr des Investmentfonds unterschritten wird, ist das i.d.R. unschädlich.9 63 Auch wenn das Gesetz es offenlässt, welche Unterlagen zur Nachweisführung geeignet und

ausreichend sind, ist der aus Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete verfassungsrechtliche Grundsatz der Normenklarheit und Bestimmtheit nicht verletzt, da die Gesetzesbegründung den Wortlaut des § 20 Abs. 4 InvStG hinreichend konkretisiert.10 Als Nachweisinstrumente kommen insbes. Vermögensverzeichnisse des Investmentfonds und/oder schriftliche Bestätigungen des Fondsverwalters in Betracht.11 Nicht ausreichend sind die Angaben zum Kapitalbeteiligungs- und Immobilienbestand in Halbjahres- oder Jahresberichten, da diese nur zwei Zeitpunkte in einem Jahr wiedergeben. Die Halbjahres- und Jahresberichte geben grds. keine Gewähr, dass eine bestimmte Kapitalbeteiligungs- und Immobilienquote fortlaufend eingehalten wurde. Nur wenn die Halbjahres- oder Jahresberichte eine ausdrückliche Bestätigung des Investmentfonds enthalten, dass die Aktienfonds- oder Mischfonds-Kapitalbeteiligungsquote oder die Immobilienfonds- oder Auslands-Immobilienfondsquote fortlaufend eingehalten wurde, kann dies als Nachweis dienen.12

64 Bestätigungen, die nach dem 31.12.2019 ausgestellt werden, müssen eine Auflistung enthal-

ten, in der für sämtliche Geschäftstage des betreffenden Geschäftsjahres die jeweils tatsächlich erreichten Kapitalbeteiligungs-, Immobilien- oder Auslands-Immobilienquoten angegeben werden.13

65 Kann der Anleger im Zeitpunkt der Erstellung der Steuererklärung noch nicht wissen, ob der

Investmentfonds im Geschäftsjahr die Anlagebedingungen erfüllen wird oder nicht, insbes. weil das Geschäftsjahr des Investmentfonds noch nicht abgeschlossen ist oder der Investmentfonds noch keine Bestätigung ausgestellt hat, kann eine Teilfreistellung vorläufig nach 1 2 3 4 5 6 7 8

9 10 11 12 13

BGBl. I 2019, 2451. Vgl. § 2 Abs. 6 Satz 1 InvStG. Vgl. § 2 Abs. 7 Satz 1 InvStG. Vgl. § 2 Abs. 9 Satz 1 InvStG. Vgl. § 2 Abs. 9 Satz 2 InvStG. BT-Drucks. 19/13436, 177. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 20.16. BT-Drucks. 18/8045, 92 = BR-Drucks. 119/16, 103; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 20.11. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 20.15 i.V.m. Rz. 2.19 ff. Vgl. dazu im Detail Einl. Europa- und Verfassungsrecht Rz. 29 f. BT-Drucks. 18/8045, 92 = BR-Drucks. 119/16, 103. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 20.12. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 20.13; zu den Voraussetzungen, die für Bestätigungen gelten, die vor dem 1.1.2020 ausgestellt wurden, s. Rz. 20.14.

442 | Brandl

Anteilige Abzüge aufgrund einer Teilfreistellung | § 21

§ 165 Abs. 1 Satz 1 AO berücksichtigt werden, wenn im vorangegangenen VZ die Nachweise nach § 20 Abs. 4 InvStG erbracht wurden.1

G. Teilfreistellungssätze bei der Ermittlung des Gewerbeertrags gem. § 7 GewStG (Abs. 5) Ist der Anleger gewerbesteuerpflichtig, werden nach § 20 Abs. 5 InvStG die Teilfreistellungen 66 nach § 20 Abs. 1 bis 3 InvStG für Erträge aus Aktien- oder Immobilienfonds bei der Ermittlung des Gewerbeertrags nur zur Hälfte berücksichtigt.2 Die Teilfreistellung ist primär ein Ausgleich für die steuerliche Vorbelastung der Investmentfonds mit KSt gem. § 6 Abs. 2 InvStG. Da auf Ebene der Investmentfonds jedoch gem. § 15 Abs. 2 InvStG grds. keine GewSt anfällt, fehlt es i.d.R. an einer gewerbesteuerlichen Vorbelastung. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber eine verminderte Freistellung der Erträge für die Zwecke der GewSt normiert.3

Bei Körperschaftsteuersubjekten dient die 80-prozentige Teilfreistellung aber nicht nur dem Aus- 67 gleich der Vorbelastung auf Fondsebene, sondern soll in pauschalierter Form auch berücksichtigen, dass Veräußerungsgewinne aus Beteiligungen nach § 8b Abs. 2 KStG zu 95 % von der Besteuerung freigestellt sind. Ähnliches gilt für einkommensteuerpflichtige betriebliche Anleger, bei denen die Aktienteilfreistellung auch einen pauschalen Ausgleich für die 40-prozentige Steuerfreiheit der Veräußerungsgewinne nach § 3 Nr. 40 EStG darstellt. Die Steuerfreiheit der Veräußerungsgewinne mindert in der Direktanlage auch die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage. Es ist daher sachgerecht, bei betrieblichen Anlegern eine gewerbesteuerlich verminderte Freistellung nur hinsichtlich der Dividenden und sonstigen Beteiligungseinnahmen, nicht aber hinsichtlich der Veräußerungsgewinne aus Beteiligungen vorzunehmen. Deshalb sieht Abs. 5 eine Minderung der Aktienteilfreistellung bei der Bemessungsgrundlage der GewSt um die Hälfte vor.4 Bei der Ermittlung des Gewerbeertrags einer Mitunternehmerschaft ist für die Berücksich- 68 tigung der Teilfreistellung nach § 20 InvStG und für die anteiligen Abzüge nach § 21 InvStG die Regelung des § 7 Satz 4 GewStG sinngemäß anzuwenden. Sind sowohl natürliche Personen, dem KStG unterliegende Anleger sowie Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute oder Lebens- oder Krankenversicherungsunternehmen beteiligt, richtet sich die Teilfreistellung nach dem Verhältnis der jeweiligen Beteiligung am Gewinn der Mitunternehmerschaft.5

§ 21 Anteilige Abzüge aufgrund einer Teilfreistellung 1

Betriebsvermögensminderungen, Betriebsausgaben, Veräußerungskosten oder Werbungskosten, die mit den Erträgen aus Aktien-, Misch- oder Immobilienfonds in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, dürfen unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum die Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen anfallen, bei der Ermittlung der Einkünfte in dem prozentualen Umfang nicht abgezogen werden, wie auf die Erträge eine Teilfreistellung anzuwenden ist. 2Entsprechendes gilt, wenn bei der Ermittlung der Einkünfte der Wert des Betriebsvermögens oder des Anteils am Betriebsver1 2 3 4 5

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 20.17. Carlé, ErbStB 2017, 20 (22). BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 20.19. BT-Drucks. 18/8045, 92 = BR-Drucks. 119/16, 103 f. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 20.20. Brandl und Oellerich | 443

§ 21 Rz. 1 | Anteilige Abzüge aufgrund einer Teilfreistellung mögen oder die Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder der an deren Stelle tretende Wert mindernd zu berücksichtigen sind. 3Für die Anwendung der Sätze 1 und 2 ist die Absicht zur Erzielung von Betriebsvermögensmehrungen oder von Erträgen aus Aktien-, Misch- oder Immobilienfonds ausreichend. A. I. II. III. IV.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . 1 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2. Verhältnis zu Vorschriften des EStG . . 9 3. Verhältnis zu Vorschriften des GewStG 10 B. Anteiliges Abzugsverbot (Satz 1) I. Betriebsvermögensminderungen, Betriebsausgaben, Veräußerungskosten oder Werbungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 II. Erträge eines Aktien-, Misch- oder Immobilienfonds 1. Begriff der Erträge . . . . . . . . . . . . . . . . 13

III. IV. C. I. II. III. D.

2. Aktien-, Misch- oder Immobilienfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirtschaftlicher Zusammenhang mit den Erträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teilabzugsverbot bei Betriebsvermögensminderungen (Satz 2) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erfasste Betriebsvermögensminderungen Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absicht zur Erzielung von Betriebsvermögensmehrungen oder Erträgen (Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15 17 24

25 26 27 28

Literatur: Bindl/Mager, Ausgewählte Zweifelsfragen und Lösungsvorschläge zum InvStG n.F., BB 2016, 2711; Haisch, Abzugsverbot bei den Teilfreistellungen nach § 20 InvStG n.F. im Lichte des BFH-Urteils I R 61/14, RdF 2016, 329; Stadler/Bindl, Das neue InvStG – Überblick und Korrekturbedarf, DStR, 2016, 1953; Delp, Investmentsteuerreform aus privater Anlegersicht, DB 2017, 447; Stadler/Mager, Der neue Investmentsteuererlass zu Anwendungsfragen zum Investmentsteuergesetz v. 21.5.2019 – Vergleich zum Entwurf v. 15.6.2018, BB 2019, 1760.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck 1 § 21 InvStG ergänzt § 20 InvStG. Da auf der einen Seite die Erträge aus Aktienfonds teilweise

stfrei gestellt werden, wird andererseits der Rechtsgedanke des § 3c Abs. 2 EStG auf das InvStG übertragen1 und insoweit ein Teilabzugsverbot etabliert. Bei dem Anleger werden Betriebsausgaben bzw. die Werbungskosten in dem Umfang gekürzt, in dem die Teilfreistellung gewährt wird. Wird die Aktien- oder Immobilienteilfreistellung im Veranlagungsverfahren berücksichtigt, erfolgt u.a. auch zu einem entsprechend geminderten Abzug eine Teilwertabschreibung der Investmentanteile. Die Vorschrift ist nicht nur bei natürlichen Personen, sondern auch dann anwendbar, wenn der Anleger eine KapGes. oder ein anderes Körperschaftsteuersubjekt ist.2 Gleiches gilt für die mindernde Berücksichtigung der Anschaffungsund Herstellungskosten gem. § 21 Satz 2 InvStG.

2 § 21 InvStG ist folgerichtig: Die Vorschrift dient der Vermeidung einer inkongruenten Be-

günstigung.3 Betriebsvermögensminderungen, Betriebsausgaben, Veräußerungskosten oder

1 BT-Drucks. 14/8045, 92. 2 BT-Drucks. 14/8045, 92. 3 Kleutgens in Moritz/Jesch/Mann2, § 21 InvStG Rz. 2; Mann in Brandis/Heuermann, § 21 InvStG Rz. 2; Mertesdorf-Perathoner in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 21 Rz. 1.

444 | Oellerich

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 6 § 21

Werbungskosten, die nur partiell besteuerten Einnahmen gegenüberstehen, sollen sich nicht steuerlich auswirken. Die Vorwürfe gegen die Verfassungskonformität der Vorschrift gehen ins Leere. Zwar 3 schränkt § 21 InvStG die steuerliche Abzugsfähigkeit ein und scheint daher mit dem objektiven Nettoprinzip in Konflikt zu geraten, das auch für Körperschaften gilt;1 dies steht aber in unmittelbarem und untrennbarem Zusammenhang mit der Anwendung des Teileinkünfteverfahrens auf die Einnahmen des Investmentfonds. Sind die Einnahmen nur teilweise steuerbar, so ist es von der Idee her nicht zu beanstanden, dass auch nur die entsprechenden Teile der damit wirtschaftlich in Zusammenhang stehenden Aufwendungen steuerlich geltend gemacht werden können.2 Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Anwendung des Teilabzugsverbots zu Verlusten führen kann. Gerade bei fehlenden oder geringen Betriebsvermögensmehrungen oder Erträgen, denen hohe Aufwendungen gegenüberstehen, ist dies der Fall. Dieser Effekt ist seitens der Rspr. zu § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG zu Recht als von der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers gedeckt angesehen worden;3 hinsichtlich des § 21 Satz 1 InvStG, der an § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG und die gesetzliche Konzeption des Teileinkünfteverfahrens angelehnt ist, kann insoweit nichts anderes gelten.4 Ebenso wenig bestehen unionsrechtliche Bedenken gegen § 21 InvStG, namentlich im Hin- 4 blick auf die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV). § 21 InvStG differenziert nicht danach, ob es sich um Beteiligungen an in- oder ausländischen Aktien-, Misch- oder Immobilienfonds handelt.5

II. Anwendungsbereich Wie § 20 InvStG bezieht sich § 21 InvStG auf den Anleger, der sich an einem Aktien-, Misch- 5 und Immobilienfonds beteiligt, und betrifft allein dessen Einkünfteermittlung. Unerheblich ist, ob es sich bei dem Anleger um eine natürliche Person, eine KapGes. oder ein anderes Körperschaftsteuersubjekt handelt.6 Ebenso nicht von Bedeutung ist, ob es sich um einen in- oder ausländischen Investmentfonds handelt.7

III. Rechtsentwicklung § 21 InvStG ist bereits in der Urfassung des neuen Investmentsteuergesetzes8 enthalten gewe- 6 sen und hat seitdem keine Änderungen erfahren. Die Vorschrift ist seit dem 1.1.2018 anwendbar (§ 56 Abs. 1 Satz 1 InvStG). Im InvStG war zuvor eine vergleichbare Regelung nicht enthalten.

1 BVerfG v. 12.10.2010 – 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224; v. 29.3.2017 – 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, 106. 2 So auch Mann in Brandis/Heuermann, § 21 InvStG Rz. 6. 3 BFH v. 6.4.2011 – IX R 40/10, BStBl. II 2011, 785; v. 7.2.2012 – IX R 1/11, BFH/NV 2012, 937; v. 3.11.2015 – VIII R 37/13, BStBl. II 2016, 283. 4 Kleutgens in Moritz/Jesch/Mann2, § 21 InvStG Rz. 3. 5 So auch zu § 3c EStG Desens in H/H/R, § 3c EStG Anm. 14. 6 BT-Drucks. 14/8045, 92; Mertesdorf-Perathoner in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 21 Rz. 2; Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 21 InvStG Anm. 1 (Stand: August 2021). 7 Mann in Brandis/Heuermann, § 21 InvStG Rz. 10; Mertesdorf-Perathoner in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 21 Rz. 2; Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 21 InvStG Anm. 1 (Stand: August 2021). 8 InvStRefG v. 19.7.2016, BGBl. I 2016, 1730. Oellerich | 445

§ 21 Rz. 7 | Anteilige Abzüge aufgrund einer Teilfreistellung

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG 7 Die Vorschrift steht in engem sachlichem Zusammenhang mit § 20 InvStG (s. bereits Rz. 1).

Dieser gewährt eine teilweise Freistellung der Erträge. Bei Aktienfonds sind grundsätzlich 30 % der Erträge stfrei (Aktienfreistellung, § 20 Abs. 1 Satz 1 InvStG). Ausnahmen bestehen gem. § 20 Abs. 1 Sätze 2 und 3 InvStG für natürliche Personen, die ihre Anteile im Betriebsvermögen halten (Aktienfreistellung i.H.v. 60 %), und Anleger, die dem KStG unterliegen (Aktienfreistellung i.H.v. 80 %). Bei Mischfonds ist die Hälfte der dargestellten Aktienfreistellung für Aktienfonds anzusetzen (§ 20 Abs. 2 InvStG). Bei Immobilienfonds wird differenziert: (1) Eine Immobilienfreistellung von 60 % wird gewährt, wenn mindestens 51 % des Fondswerts in inländischen Grundstücken und/oder inländischen Immobiliengesellschaften investiert wird. (2) Werden mindestens 51 % des Fondswerts in ausländische Grundstücke oder Immobiliengesellschaften investiert, steigt die Immobilienfreistellung auf 80 % der Erträge (§ 20 Abs. 3 InvStG). Für Anleger in diese Fonds führt der Gesetzgeber den Gedanken des Teileinkünfteverfahrens folgerichtig (dazu Rz. 2 f.) fort, indem er Betriebsvermögensminderungen, Betriebsausgaben, Veräußerungskosten oder Werbungskosten, die mit den begünstigten Erträgen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, ebenfalls teilweise vom Abzug ausschließt.

8 § 44 InvStG erweitert den Anwendungsbereich des § 21 InvStG für Anleger eines Spezial-In-

vestmentfonds. Auch hier ist unerheblich, ob es sich um einen in- oder ausländischen Spezial-Investmentfonds handelt.1 2. Verhältnis zu Vorschriften des EStG

9 Nicht ausdrücklich geregelt ist das Verhältnis zu ertragsteuerlichen Regelungen über die Ein-

schränkung der steuerlichen Geltendmachung von Betriebsvermögensminderungen, Betriebsausgaben, Veräußerungskosten oder Werbungskosten. So schränkt bspw. § 20 Abs. 9 EStG den Werbungskostenabzug ein, indem bei Kapitaleinkünften allein ein Sparerpauschbetrag gewährt wird. Diese Regelung wird nach hier vertretener Auffassung in den dort genannten Fällen nicht durch § 21 Satz 1 InvStG als lex specialis verdrängt.2 § 21 Satz 1 InvStG lässt nicht den Schluss zu, dass die Werbungskosten in den durch § 20 Abs. 9 EStG grds. erfassten Situationen ausnahmsweise auf einer ersten Stufe voll berücksichtigt und anschließend gem. § 21 Satz 1 InvStG anteilig abziehbar sein sollen.3 Ebenso behält der Zweck des § 20 Abs. 9 EStG, in den Fällen der (tariflich niedrigen) Abgeltungsteuer eine pauschalierende Berücksichtigung von Werbungskosten zu besorgen,4 voll seine Gültigkeit.5 Es würde auch an einem rechtfertigenden Grund fehlen, die investmentrechtlichen Einkünfte insoweit anders zu behandeln als die übrigen unter § 20 EStG fallenden Einkünfte.6 Damit läuft allerdings die Berücksichtigung der Werbungskosten in § 21 Satz 1 InvStG weitgehend leer.

1 Gloßner in Brandis/Heuermann, § 44 InvStG Rz. 10. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 21.2; Kleutgens in Moritz/Jesch/Mann2, § 21 InvStG Rz. 3; Mann in Brandis/Heuermann, § 21 InvStG Rz. 17; a.A. Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2717); Stadler/Bindl, DStR 2016, 1953 (1960); Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 21 InvStG Anm. 5 (Stand: August 2021). 3 Im Ergebnis auch Delp, DB 2017, 447 (449); Mann in Brandis/Heuermann, § 21 InvStG Rz. 17; Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 21 InvStG Anm. 5 (Stand: August 2021). 4 BT-Drucks. 16/4841, 57; Ratschow in Brandis/Heuermann, § 20 EStG Rz. 487. 5 Mann in Brandis/Heuermann, § 21 InvStG Rz. 17. 6 Kleutgens in Moritz/Jesch/Mann2, § 21 InvStG Rz. 6.

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B. Anteiliges Abzugsverbot (Satz 1) | Rz. 14 § 21

3. Verhältnis zu Vorschriften des GewStG Aufgrund des § 7 GewStG findet § 21 InvStG auch auf die Ermittlung des Gewerbeertrags bei 10 Gewerbesteuersubjekten Anwendung.1 Insoweit gilt Entsprechendes wie für § 3c EStG.2 Schwieriger ist das Verhältnis des § 21 InvStG zu den Kürzungs- und Hinzurechnungsvor- 11 schriften gem. § 8 und § 9 GewStG. Die Kürzung bzw. Hinzurechnung setzt erst nach der Anwendung des § 21 InvStG an. Das Verhältnis entspricht dem von § 3c EStG zu den Vorschriften der §§ 8 f. GewStG.3 Hierfür spricht namentlich, dass sich § 21 InvStG bereits bei der Ermittlung des Gewerbeertrags auswirkt (s. Rz. 10).4

B. Anteiliges Abzugsverbot (Satz 1) I. Betriebsvermögensminderungen, Betriebsausgaben, Veräußerungskosten oder Werbungskosten § 21 Satz 1 InvStG knüpft an die Begriffe der Betriebsvermögensminderung, der Betriebsaus- 12 gaben, der Veräußerungskosten und der Werbungskosten aus dem EStG an. Voraussetzung ist m.a.W., dass nach ertragsteuerlichen Grundsätzen zunächst einmal die Einnahmen des StPfl. aus dem Investmentfonds nach einkommensteuerlichen Maßgaben zu mindern sind. So finden sich namentlich der Begriff der Betriebsausgaben in § 4 Abs. 4 EStG, der Werbungskosten in § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG und der Begriff der Veräußerungskosten in §§ 16 Abs. 2 Satz 1, 17 Abs. 2 Satz 1 EStG. Investmentsteuerrechtliche Besonderheiten sind bei der Auslegung der Begriffe nicht zu beachten.5 Modifikationen ergeben sich auch nicht im Verhältnis zu § 20 Abs. 9 EStG, der den Werbungskostenabzug auf 801 € deckelt und den Abzug der tatsächlichen Werbungskosten ausschließt (dazu Rz. 9).

II. Erträge eines Aktien-, Misch- oder Immobilienfonds 1. Begriff der Erträge Was unter Erträgen zu verstehen ist, ist in § 16 Abs. 1 InvStG legaldefiniert. Investmenterträ- 13 ge sind hiernach – Ausschüttungen des Investmentfonds nach § 2 Abs. 11 InvStG, – Vorabpauschalen nach § 18 InvStG und – Gewinne aus der Veräußerung von Investmentanteilen nach § 19 InvStG. Für die Anwendung des § 21 Satz 1 InvStG ist nicht notwendig, dass tatsächlich Erträge im 14 vorgenannten Sinne erwirtschaftet werden.6 Es ist ausreichend, dass eine entsprechende Absicht des StPfl. besteht (§ 21 Satz 3 InvStG). Dazu noch eingehend Rz. 28 ff.

1 Mann in Brandis/Heuermann, § 21 InvStG Rz. 11; Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 21 InvStG Anm. 1 (Stand: August 2021). 2 BFH v. 22.2.2006 – I R 30/05, BFH/NV 2006, 1659. 3 Vgl. dazu Desens in H/H/R, § 3c EStG Anm. 26. 4 Im Ergebnis ebenso Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 21 InvStG Anm. 1 (Stand: August 2021). 5 Mann in Brandis/Heuermann, § 21 InvStG Rz. 16; Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 21 InvStG Anm. 5 (Stand: August 2021). 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 21.8. Oellerich | 447

§ 21 Rz. 15 | Anteilige Abzüge aufgrund einer Teilfreistellung 2. Aktien-, Misch- oder Immobilienfonds 15 Ausreichend ist nicht jedweder Ertrag aus einer Beteiligung an einem Investmentfonds. Der

Wortlaut des § 21 Satz 1 InvStG knüpft ausdrücklich an die Beteiligung an einem Aktienfonds (§ 2 Abs. 6 InvStG), einem Mischfonds (§ 2 Abs. 7 InvStG) bzw. einem Immobilienfonds (§ 2 Abs. 9 InvStG) an. Diese Beschränkung ergibt sich aus der Zielsetzung, den Abzug zu beschränken, soweit er mit teilweise stfrei gestellten Erträgen wirtschaftlich zusammenhängt. § 20 InvStG gewährt die Teilfreistellung auch nur für die Erträge der genannten Fonds und es kommt dementsprechend für die Anwendung des anteiligen Abzugsverbots darauf an, dass die Teilfreistellung gewährt wird, insbes. auch die Nachweisanforderungen des § 20 Abs. 4 InvStG erfüllt werden.1

16 Nicht unter den Wortlaut scheinen Auslands-Immobilienfonds zu fallen, die m.a.W. mehr-

heitlich ausländische Immobilien halten (vgl. § 2 Abs. 9 Satz 2 InvStG). Verstärkt zu werden scheint dieser Eindruck durch eine historische Betrachtung. Denn bis zum „JStG 2019“2 kannte das InvStG keine Auslands-Immobilienfonds. Das Gesetz sprach vielmehr von „Investmentfonds in ausländische Immobilien“. Bei diesen scheint es daher kein Problem gegeben zu haben, sie unter den Begriff des Immobilienfonds zu subsumieren. Aus diesem Grunde wird vertreten, der Gesetzgeber habe mit dem „JStG 2019“ eine neue Kategorie der Investmentfonds geschaffen, die in § 21 Satz 1 InvStG nicht genannt und damit vom Teilabzugsverbot schlicht nicht erfasst seien.3 Zu überzeugen vermag diese Auffassung nicht. Ein entsprechender Regelungsplan ist den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen.4 Auch ein legitimierender Grund für diese besondere Behandlung des Ausland-Immobilienfonds wäre nicht erkennbar.

III. Wirtschaftlicher Zusammenhang mit den Erträgen 17 Das Abzugsverbot knüpft an einen wirtschaftlichen Zusammenhang des Aufwands mit den

durch die Beteiligung erzielten Erträgen an. Definiert wird der Begriff des wirtschaftlichen Zusammenhangs nicht. Zu dem identischen Begriff in § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG5 hat der BFH entschieden, dass von dem allgemeinen Veranlassungszusammenhang auszugehen ist.6 Das bedeutet, dass die Aufwendungen objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und subjektiv dem Betrieb dienen müssen. Es reicht damit jede objektiv kausale oder finale Verknüpfung der Ausgaben mit den (anteilig) stfreien Einnahmen.7 Bei gemischter Veranlassung ist nach den Grundsätzen der wertenden Selektion zu entscheiden. In den Blick zu nehmen sind die Aufwandursachen. Stehen Ausgaben in mehreren Veranlassungszusammenhängen, ist zunächst zu prüfen, ob sich die Ausgaben den unterschiedlichen Ursachen zuordnen lassen. Ist eine anteilige Zuordnung nicht möglich, ist der vorrangige Veranlassungszusammenhang maßgeblich.8 Danach sind Aufwendungen der Einkunftsart zuzuordnen, die im Vordergrund steht und die Beziehungen zu den anderen Einkünften verdrängt. Maßgebend sind insoweit die Gesamtumstände des jeweiligen Einzelfalls.9 Diese Auslegung stimmt nicht nur mit derjenigen in § 34 Abs. 1 Satz 4 EStG, sondern auch mit derjenigen zu § 3c EStG überein, an die 1 2 3 4 5 6

BT-Drucks. 18/8045, 92; Mann in Brandis/Heuermann, § 21 InvStG Rz. 16. G v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451. In diesem Sinne Kleutgens in Moritz/Jesch/Mann2, § 21 InvStG Rz. 10. BT-Drucks. 19/13436, 177. BFH v. 6.4.2016 – I R 61/14, BStBl. II 2017, 48. In diesem Sinne Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2717); Haisch, RdF 2016, 329 (331); Kleutgens in Moritz/Jesch/Mann2, § 21 InvStG Rz. 12; Mann in Brandis/Heuermann, § 21 InvStG Rz. 18; Stadler/Bindl, DStR 2016, 1953 (1960). 7 Wissenschaftlicher Beirat Steuern der Ernst & Young GmbH, IStR 2016, 922 (925). 8 Kleutgens in Moritz/Jesch/Mann2, § 21 InvStG Rz. 14. 9 BFH v. 6.4.2016 – I R 61/14, BStBl. II 2017, 48.

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B. Anteiliges Abzugsverbot (Satz 1) | Rz. 21 § 21

ausdrücklich auch der Gesetzgeber anknüpfen wollte.1 Maßgebend ist auch hier nicht ein allein rechtlicher, sondern ggf. auch ein mittelbarer Zusammenhang, durch den eine inkongruente Besteuerung vermieden werden soll.2 Entscheidend ist für § 3c Abs. 2 EStG das auslösende Moment für die Aufwendungen.3 Aufwendungen sind der Einkunftsart zuzuordnen, die im Vordergrund steht und die Beziehungen zu den anderen Einkünften verdrängt. Maßgebend sind insoweit auch hier die Gesamtumstände des jeweiligen Einzelfalls.4 Übertragen auf § 21 InvStG bedeutet dies, dass Aufwendungen dann wirtschaftlich durch die stfreien Erträge veranlasst sind, wenn sie (jedenfalls vorwiegend) aufgrund der Beteiligung an dem Investmentfonds getätigt werden. Unerheblich ist für § 21 Satz 1 InvStG, ob der wirtschaftliche Zusammenhang unmittelbar 18 oder nur mittelbar ist.5 § 21 Satz 1 InvStG ist auch insoweit § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG nachgebildet, der im Gegensatz zu § 3c Abs. 1 EStG dieses Kriterium nicht kennt.6 Nachdem sich in § 3c Abs. 1 EStG nach Auffassung des Gesetzgebers das Merkmal der Unmittelbarkeit zur Vermeidung einer inkongruenten Begünstigung nicht bewährt hatte, hat er im Investmentsteuerrecht auf eine entsprechende Einschränkung verzichtet.7 Unerheblich ist ebenso ein zeitlicher Zusammenhang mit den Betriebsvermögensmehrungen 19 bzw. Einnahmen.8 Ausdrücklich sieht § 21 Satz 1 InvStG das Teilabzugsverbot unabhängig davon vor, in welchem VZ die Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen anfallen. Wie § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG9 ist § 21 Satz 1 InvStG auch auf vorweggenommene Betriebsausgaben oder Werbungskosten sowie nachträgliche Betriebsausgaben oder Werbungskosten ohne Einschränkungen anwendbar. Aus den vorstehenden Erläuterungen könnte der Schluss gezogen werden, dass allein der zeit- 20 liche Zusammenhang fehlen darf; es müssten allerdings in einem früheren oder späteren Zeitraum tatsächlich Betriebsvermögensmehrungen oder Erträge erzielt werden. Eine solche Folgerung wäre allerdings unzulässig. Wie § 21 Satz 3 InvStG zeigt, ist die Absicht zur Erzielung von Betriebsvermögensmehrungen oder Erträgen ausreichend. Das Teilabzugsverbot greift daher – wie auch § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG10 – vollkommen unabhängig von der Höhe der Erwerbseinnahmen im selben VZ oder in der Totalperiode. § 21 InvStG ist auf solche Finanzierungsaufwendungen anzuwenden, die aus Verbindlichkei- 21 ten stammen, die durch die Anschaffung von Investmentanteilen veranlasst sind, die dem Teilfreistellungsverfahren unterliegen. Bei Kreditinstituten ist nach Auffassung des BMF bspw. von einem wirtschaftlichen Zusammenhang i.S.d. § 21 InvStG zwischen teilfreigestellten Investmenterträgen und den Zinsausgaben für Kundeneinlagen, für Interbankeinlagen, für Schuldverschreibungen und für vergleichbare allgemeine Zinsaufwendungen (sog. Poolrefinanzierungskosten) auszugehen.11 Die Literatur lehnt diese Annahme – zu Recht – als zu pau1 BT-Drucks. 18/8045, 92. – Diese Verknüpfung vollzieht auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 21.5. 2 BFH v. 18.4.2012 – X R 5/10, DStR 2012, 1318; v. 28.2.2013 – IV R 49/11, DStR 2013, 953. 3 BFH v. 17.7.2013 – X R 6/12, BFH/NV 2014, 21. 4 BFH v. 28.2.2013 – IV R 49/11, DStR 2013, 953. 5 Kleutgens in Moritz/Jesch/Mann2, § 21 InvStG Rz. 14; Mann in Brandis/Heuermann, § 21 InvStG Rz. 18. 6 Zu § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG BFH v. 18.4.2012 – X R 5/10, BStBl. II 2013, 785; Nacke in Kanzler/Kraft/ Bäuml/Marx/Hechtner, EStG, 4. Aufl. 2019, § 3c Rz. 37; von Beckerath in K/S/M, § 3c EStG Rz. B 46 und C 6. 7 Kleutgens in Moritz/Jesch/Mann2, § 21 InvStG Rz. 14. 8 Mann in Brandis/Heuermann, § 21 InvStG Rz. 21. 9 Desens in H/H/R, § 3c EStG Rz. 54. 10 Dazu von Beckerath in K/S/M, § 3c EStG Rz. C 20. 11 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 21.6. Oellerich | 449

§ 21 Rz. 21 | Anteilige Abzüge aufgrund einer Teilfreistellung schal ab, da Einlagen nicht zum Zwecke des Erwerbs von Investmentanteilen aufgenommen würden.1 22 Diskutiert wird ferner die Frage, ob ein ausreichender wirtschaftlicher Zusammenhang auch

im Zusammenhang mit Pensionsverpflichtungen besteht, m.a.W. mit Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen, die auf der Aktivseite mit Einlagen in Investmentfonds abgedeckt werden.2 Die passivierten Beträge können hier nicht unter § 21 Satz 1 InvStG fallen. Denn die Aufwendungen entstehen hier nicht aufgrund der Beteiligung an einem Investmentfonds. Im Gegenteil: Die Beteiligung an dem Investmentfonds erfolgt, um die zukünftige Verpflichtung abzudecken.3 Nichts anderes gilt, wenn im Rahmen von Contractual Trust Arrangements (CTA) Pensionsverpflichtungen auf einen Trust ausgelagert und für diesen Investmentfondsanteile erworben werden.4

23 Eine vergleichbare Problematik ergibt sich bei Deckungsrückstellungen (§ 341f HGB) und

Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen bei Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen (§ 341e Abs. 2 HGB). Auch insoweit wird man eine wirtschaftliche Verursachung der Aufwendungen durch die Investmenterträge nicht annehmen können.5 Umgekehrt sind die Investmenterträge durch die drohende Inanspruchnahme aus den rückgestellten Beträgen veranlasst.6 Hierbei wird zwar nicht verkannt, dass es für die Frage des Veranlassungszusammenhangs nicht streng auf eine naturwissenschaftliche Kausalität, sondern auf eine wertende Selektion ankommt.7 Dies kann allerdings nicht dazu führen, dass die Kausalität im eigentlichen Sinne um 180 Grad in ihr Gegenteil verkehrt wird. Die Kausalität ist zunächst einmal Ausgangspunkt für die Ermittlung des Veranlassungszusammenhangs. Erst auf einer zweiten Stufe – bei gemischten Aufwendungen – kann es auf eine wertende Selektion ankommen.

IV. Rechtsfolge 24 § 21 Satz 1 InvStG begrenzt die steuerliche Abzugsfähigkeit der in Rz. 12 genannten Positio-

nen. Allerdings wird diesen die steuerliche Berücksichtigung nicht vollständig versagt: Die Höhe der Nichtabzugsfähigkeit korrespondiert mit der Höhe der Steuerbefreiung der in § 20 InvStG genannten Erträge. Entscheidend sind die Teilfreistellungssätze auf Anteilseignerebene.8

1 Kleutgens in Moritz/Jesch/Mann2, § 21 InvStG Rz. 15; Mann in Brandis/Heuermann, § 21 InvStG Rz. 19; darstellend Mertesdorf-Perathoner in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 21 Rz. 21. 2 Stadler/Bindl, DStR 2016, 1953 (1960). 3 So auch Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2716 f.); Stadler/Bindl, DStR 2016, 1953 (1960); Stadler/Mager, BB 2019, 1760 (1765). 4 Kleutgens in Moritz/Jesch/Mann2, § 21 InvStG Rz. 17; Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 21 InvStG Anm. 5 (Stand: August 2021). 5 Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2716); Kleutgens in Moritz/Jesch/Mann2, § 21 InvStG Rz. 16; Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 21 InvStG Anm. 5 (Stand: August 2021); Stadler/Bindl, DStR 2016, 1953 (1960); Stadler/Mager, BB 2019, 1760 (1765); a.A. Haisch, RdF 2016, 329 (332); Mann in Brandis/ Heuermann, § 21 InvStG Rz. 19. 6 Stadler/Bindl, DStR 2016, 1953 (1960). 7 BFH v. 27.3.2013 – I R 14/12, BFH/NV 2013, 1768; v. 6.4.2016 – I R 61/14, BStBl. II 2017, 48. 8 Haisch, RdF 2016, 329 (331); Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 21 InvStG Anm. 5 (Stand: August 2021).

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D. Absicht zur Erzielung von BV-Mehrungen/Erträgen (Satz 3) | Rz. 28 § 21

C. Teilabzugsverbot bei Betriebsvermögensminderungen (Satz 2) I. Vorbemerkung Gemäß § 21 Satz 2 InvStG gilt das Teilabzugsverbot nach § 21 Satz 1 InvStG entsprechend, 25 wenn bei der Ermittlung der Einkünfte der Wert des Betriebsvermögens oder des Anteils am Betriebsvermögen oder die Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder der an deren Stelle tretende Wert mindernd zu berücksichtigen sind. Die Vorschrift ist wortgleich mit § 3c Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG, sodass der Gesetzgeber eine vergleichbare Vorschrift auch insoweit folgerichtig im Investmentsteuerrecht implementiert hat.1 Wie § 3c Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG2 werden Gewinne oder Überschüsse erfasst, die aufgrund einer Veräußerung oder ähnlichen Realisierung von Anteilen an einem der in § 21 Satz 1 InvStG genannten Fonds entstehen, für die es besondere Vorschriften zur Ermittlung der Erträge gibt. Wie auch bereits bei § 21 Satz 1 InvStG kann auch hier auf die Auslegungsgrundsätze zu § 3c EStG zurückgegriffen werden, ohne dass sich investmentsteuerliche Spezifika ergäben, die Berücksichtigung finden müssten.

II. Erfasste Betriebsvermögensminderungen Der Begriff des Werts des Betriebsvermögens und des Werts des Anteils am Betriebsver- 26 mögens findet sich ebenso in § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG – dies mit identischem Bedeutungsgehalt.3 Ebenso ist der Begriff der Anschaffungs- und Herstellungskosten bzw. den an deren Stelle tretenden Wert im allgemeinen ertragsteuerlichen Sinne zu verstehen.4 In den Gesetzesmaterialien ausdrücklich angesprochen ist für den an deren Stelle tretenden Wert ausdrücklich der Fall einer Teilwertabschreibung auf die Investmentanteile von Aktien-, Misch- oder Immobilienfonds, die gem. § 21 Satz 2 InvStG teilweise keine Berücksichtigung finden darf.5

III. Rechtsfolge Auf Rechtsfolgenebene ordnet § 21 Satz 2 InvStG eine entsprechende Anwendung des § 21 27 Satz 1 InvStG an. M.a.W. gebietet die Vorschrift eine anteilige steuerliche Unbeachtlichkeit von Betriebsvermögensminderungen in dem Umfang, in dem die (beabsichtigten, § 21 Satz 3 InvStG) Betriebsvermögensmehrungen oder Erträge des Fonds bei dem Anteilseigner stfrei sind.

D. Absicht zur Erzielung von Betriebsvermögensmehrungen oder Erträgen (Satz 3) § 21 Satz 3 InvStG lässt für die Anwendung des Teilabzugsverbots ausreichen, dass allein die 28 Absicht zur Erzielung von Betriebsvermögensmehrungen oder Erträgen besteht. Diese Vorschrift ist folgerichtig insoweit, als § 21 InvStG auch i.Ü. § 3c EStG nachgebildet ist und dieser in § 3c Abs. 2 Satz 7 EStG eine § 21 Satz 3 InvStG entsprechende Vorschrift enthält. Es be1 BT-Drucks. 18/8045, 92. 2 Desens in H/H/R, § 3c EStG Rz. 64. 3 Mann in Brandis/Heuermann, § 21 InvStG Rz. 16; Mertesdorf-Perathoner in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 21 Rz. 17. 4 Mann in Brandis/Heuermann, § 21 InvStG Rz. 16; Mertesdorf-Perathoner in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 21 Rz. 17; Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 21 InvStG Anm. 10 (Stand: August 2021). 5 BT-Drucks. 18/8045, 92; Kleutgens in Moritz/Jesch/Mann2, § 21 InvStG Rz. 17. Oellerich | 451

§ 21 Rz. 28 | Anteilige Abzüge aufgrund einer Teilfreistellung stand Anlass zur Einfügung dieser Norm, weil der BFH hinsichtlich des § 3c EStG ursprünglich die Auffassung vertrat, dass der Abzug von Betriebsvermögensminderungen, AK oder Veräußerungskosten nicht begrenzt wird, wenn der StPfl. keine durch die Beteiligung verursachten Einnahmen erzielt hatte.1 Zunächst hatte der Gesetzgeber mit dem JStG 20102 ein Nichtanwendungsgesetz3 gegen diese Rspr. erlassen (ursprünglich § 3c Abs. 2 Satz 2 EStG). Um gleichwohl i.R.d. Investmentsteuerrechts nicht erneut in dieselbe „Falle“ zu laufen, antizipierte der Gesetzgeber diesmal die drohende Gefahr und hat nunmehr in § 21 InvStG sofort den Satz 3 vorgesehen. 29 Nicht gefolgt werden kann der Auffassung, die Vorschrift sei nur klarstellend.4 § 21 Satz 1

InvStG verlangt dem Grunde nach ausdrücklich einen Zusammenhang mit den Erträgen eines StPfl. aus dem Investmentfonds. Liegen diese nicht vor, so kann wegen dieser Formulierung auch ein wirtschaftlicher Zusammenhang nicht angenommen werden.

30 Nicht anders als § 3c Abs. 2 Satz 7 EStG (= § 3c Abs. 2 Satz 2 EStG i.d.F. des JStG 2010)5 ist

§ 21 Satz 3 InvStG verfassungskonform.6 Für die Regelung des § 21 Satz 3 InvStG sprechen dieselben sachlichen Gründe. Es soll verhindert werden, dass ggf. rückwirkend Änderungen vorgenommen werden müssen, weil Erträge aus der Beteiligung resultieren. Insgesamt soll auch hier von der Beurteilung entbunden werden, ob eine Beteiligung an einem Investmentfonds endgültig einnahmelos bleibt. Es ist nicht erkennbar, dass die Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse hier nicht in gleicher Weise vorgebracht werden könnten.

31 § 21 Satz 3 InvStG verschiebt die Frage des wirtschaftlichen Zusammenhangs (dazu Rz. 19 ff.)

auf eine subjektive Ebene. Dies kann – wie so oft im Steuerrecht – im Ergebnis nur unter Zugrundelegung sämtlicher objektiv zu beurteilender Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Dies führt zu dem Schluss, dass die Absicht, Erträge zu erzielen, von Beginn an ausscheidet, wenn objektiv feststeht, dass die Erzielung von Erträgen aus objektiven Gründen erkennbar ausscheiden muss. Andererseits ist unerheblich, ob im Ergebnis keine Betriebsvermögensmehrungen oder Erträge erwirtschaftet werden.7

§ 22 Änderung des anwendbaren Teilfreistellungssatzes (1) 1Ändert sich der anwendbare Teilfreistellungssatz oder fallen die Voraussetzungen der Teilfreistellung weg, so gilt der Investmentanteil als veräußert und an dem Folgetag als angeschafft. 2Der Investmentanteil gilt mit Ablauf des Veranlagungszeitraums als veräußert, wenn der Anleger in dem Veranlagungszeitraum den Nachweis nach § 20 Absatz 4 erbringt und in dem folgenden Veranlagungszeitraum keinen Nachweis oder einen Nachweis für einen anderen Teilfreistellungssatz erbringt. 1 BFH v. 25.6.2009 – IX R 42/08, BStBl. II 2010, 220; v. 14.7.2009 – IX R 8/09, BFH/NV 2010, 399; v. 18.3.2010 – IX B 227/09, BStBl. II 2010, 627. 2 G v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. 3 S. BT-Drucks. 17/2249, 50. 4 Mann in Brandis/Heuermann, § 21 InvStG Rz. 25; so auch für § 3c Abs. 2 Satz 7 EStG von Beckerath in Kirchhof/Seer21, § 3c EStG Rz. 30h, und in K/S/M, § 3c Rz. C 97; a.A. zu § 3c Abs. 2 EStG etwa Ott, DStZ 2010, 623 (635). 5 BFH v. 2.9.2014 – IX R 43/13, BStBl. II 2015, 257. 6 So wohl auch Kleutgens in Moritz/Jesch/Mann2, § 21 InvStG Rz. 22. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 21.8; Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 21 InvStG Anm. 15 (Stand: August 2021).

452 | Oellerich

Änderung des anwendbaren Teilfreistellungssatzes | § 22

(2) 1Als Veräußerungserlös und Anschaffungskosten ist 1. in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 der Rücknahmepreis des Tages anzusetzen, an dem die Änderung eingetreten ist oder an dem die Voraussetzungen weggefallen sind, oder 2. in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 der letzte festgesetzte Rücknahmepreis des Veranlagungszeitraums anzusetzen, in dem das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Teilfreistellung oder für einen anderen Teilfreistellungssatz nachgewiesen wurde. 2 Wird kein Rücknahmepreis festgesetzt, so tritt der Börsen- oder Marktpreis an die Stelle des Rücknahmepreises. 3Ändert sich der anwendbare Teilfreistellungssatz durch die Einlage eines Investmentanteils in ein Betriebsvermögen, ist der nach den Sätzen 1 und 2 anzusetzende Wert als Einlagewert im Sinne von § 6 Absatz 1 Nummer 5 Satz 1 zweiter Halbsatz Buchstabe c des Einkommensteuergesetzes anzusetzen. 4Der nach den Sätzen 1 bis 3 anzusetzende Wert gilt als Anschaffungskosten im Sinne von § 6 Absatz 1 Nummer 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes. 5Soweit der nach den Sätzen 1 bis 3 anzusetzende Wert höher ist als der Wert vor der fiktiven Veräußerung, sind Wertminderungen im Sinne von § 6 Absatz 1 Nummer 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes erst zum Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung des Investmentanteils zu berücksichtigen. 6Wertaufholungen im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 2 Satz 3 in Verbindung mit Nummer 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes sind erst zum Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung zu berücksichtigen, soweit auf die vorherigen Wertminderungen Satz 5 angewendet wurde und soweit der Wert vor der fiktiven Veräußerung überschritten wird. (3) 1Der Gewinn aus der fiktiven Veräußerung nach Absatz 1 gilt in dem Zeitpunkt als zugeflossen, in dem der Investmentanteil tatsächlich veräußert wird oder nach § 19 Absatz 2 als veräußert gilt. 2Der Gewinn aus der fiktiven Veräußerung nach Absatz 1 unterliegt dem gesonderten Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 32d des Einkommensteuergesetzes, wenn im Zeitpunkt der fiktiven Veräußerung die Voraussetzungen für eine Besteuerung nach § 20 Absatz 1 Nummer 3 des Einkommensteuergesetzes vorlagen und keine abweichende Zuordnung zu anderen Einkunftsarten nach § 20 Absatz 8 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes vorzunehmen war. A. I. II. III. B. I. II. III. IV.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . Fiktion der Veräußerung bzw. Anschaffung der Fondsanteile (Abs. 1) Änderung des Teilfreistellungssatzes (Abs. 1 Satz 1 Alt. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . Wegfall der Teilfreistellung (Abs. 1 Satz 1 Alt. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kein Nachweis oder Nachweis eines abweichenden Teilfreistellungssatzes (Abs. 1 Satz 2) 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tatbestandsvoraussetzungen a) Nachweis nach § 20 Abs. 4 InvStG b) Alternative Fälle aa) Kein weiterer Nachweis (Abs. 1 Satz 2 Alt. 1) . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nachweis eines abweichenden Teilfreistellungssatzes (Abs. 1 Satz 2 Alt. 2) . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Rechtsfolge a) Fiktion von Veräußerung und Anschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bewertung (Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Bewertung (Abs. 2) I. Rücknahmepreis (Abs. 2 Satz 1 InvStG) 1. Fälle des § 22 Abs. 1 Satz 1 InvStG . . . 2. Fälle des § 22 Abs. 1 Satz 2 InvStG . . . 3. Ausnahme: Börsen- oder Marktpreis (Abs. 2 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einlage eines Investmentanteils vom Privat- in das Betriebsvermögen (Abs. 2 Sätze 3 bis 6) a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einlagewert (Abs. 2 Sätze 3 und 4) c) Wertveränderungen (Abs. 2 Sätze 5 und 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zuflussfiktion (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . .

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36 37 40 41

22 23 Oellerich | 453

§ 22 Rz. 1 | Änderung des anwendbaren Teilfreistellungssatzes Literatur: Ebner, Teilfreistellung bei Investmentfonds in der Praxis, RdF 2017, 305; Hahne/Neumann, Entwurf eines JStG 2020 – Vorgeschlagene Änderungen bei der Abgeltungsteuer und der Investmentbesteuerung, RdF 2020, 284.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck 1 § 22 Abs. 1 InvStG enthält insgesamt zwei Doppelfiktionen. Fingiert wird in § 22 Abs. 1

Satz 1 InvStG (1) die Veräußerung und (2) die Anschaffung derselben Anteile am Folgetag, wenn sich der anwendbare Teilfreistellungssatz ändert oder die Voraussetzung für die Teilfreistellung wegfallen. Der Investmentanteil gilt – und dies ist dann die dritte Fiktion – mit Ablauf des VZ als veräußert, wenn der Anleger in dem VZ den Nachweis nach § 20 Abs. 4 InvStG erbringt und in dem folgenden VZ keinen Nachweis oder einen Nachweis für einen anderen Teilfreistellungssatz erbringt. Ohne dass dies im Wortlaut des Gesetzes ausdrücklich genannt ist, wird auch hier – das ist dann die vierte Fiktion – von einer Anschaffung am Folgetag ausgegangen. Der Gesetzgeber hält diese Regelungen für notwendig, um den gleichen Teilfreistellungssatz auf die Veräußerungsgewinne sowie die Ausschüttungen und die Vorabpauschale anwenden zu können. Hierdurch soll vermieden werden, dass übermäßige Ausschüttungen unter Geltung des Teilfreistellungssatzes vorgenommen werden, anschließend aber die Anlagebedingungen so abgeändert werden, dass keine Teilfreistellung mehr gewährt wird und dann Verluste aus der Veräußerung des – durch die Ausschüttungen wertgeminderten – Investmentsteueranteils vollumfänglich zum Abzug gebracht werden.1 Die Norm will m.a.W. in typisierender Weise eine andernfalls denkbare missbräuchliche Gestaltungsmöglichkeit einschränken.2

2 Da keine tatsächliche Veräußerung vorliegt und damit auch kein tatsächlicher Veräußerungs-

preis und (in den Fällen des § 22 Abs. 1 Satz 1 InvStG) keine tatsächlichen Anschaffungskosten bestimmt werden können, musste der Gesetzgeber einen anderen Wert zugrunde legen, der für die Ermittlung des Veräußerungserlöses und den Ansatz der Anschaffungskosten anzuwenden ist. Der Gesetzgeber hat diesen Wert grds. in dem Rücknahmepreis gefunden, der allerdings bezogen auf verschiedene Zeitpunkte maßgebend ist. In den Fällen des § 22 Abs. 1 Satz 1 InvStG ist es der Rücknahmepreis des Tages, an dem die Änderung eingetreten ist oder an dem die Voraussetzungen weggefallen sind (§ 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvStG). Demgegenüber ist in den Fällen des § 22 Abs. 1 Satz 2 InvStG der letzte festgesetzte Rücknahmepreis des VZ anzusetzen, in dem die Voraussetzungen für eine Teilfreistellung oder für einen anderen Teilfreistellungssatz nachgewiesen worden sind (§ 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InvStG). Hilfsweise stellt das Gesetz in beiden Fällen auf den Börsen- oder Marktpreis ab (§ 22 Abs. 2 Satz 2 InvStG). § 22 Abs. 2 Sätze 3 bis 6 InvStG enthält Bewertungsvorschriften für den Fall, dass Investmentanteile in ein Betriebsvermögen eingelegt werden und sich hierdurch der anzuwendende Teilfreistellungssatz ändert.

3 § 22 führt nicht zu einer Sofortbesteuerung. Dies erreicht der Gesetzgeber über eine Fiktion

des Zuflusszeitpunkts für den Veräußerungsgewinn, der erst in dem Zeitpunkt als zugeflossen gilt, in dem der Investmentanteil tatsächlich veräußert wird (§ 22 Abs. 3 Satz 1 InvStG).

1 BT-Drucks. 18/8045, 93. 2 Ebner, RdF 2017, 305 (309); Kleutgens in Moritz/Jesch/Mann2, § 22 InvStG Rz. 1, 3, der allerdings darauf hinweist, dass der Wortlaut des § 22 InvStG über diesen Gesetzeszweck hinausgeht; Mann in Brandis/Heuermann, § 22 InvStG Rz. 2, 6; Mertesdorf-Perathoner in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 22 Rz. 3; Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 22 InvStG Anm. 1 (Stand: August 2021).

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A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 6 § 22

Hierdurch soll einer vorzeitigen Besteuerung vorgebeugt werden; erreicht werden soll im Ergebnis nur eine sachgerechte Aufteilung der Bemessungsgrundlage für den späteren Veräußerungsgewinn.1 Verhindert werden soll andererseits, dass der StPfl. zu einem Zeitpunkt, in dem ihm noch keine Liquidität zugeflossen ist, bereits eine Steuer entrichten soll, die er aus seinem anderweitigen Vermögen entrichten muss (keine dry-income-Besteuerung).2 Damit folgt der Gesetzgeber dem Gebot einer Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, die allein in einer in Geldwert vorhandenen Ist-Leistungsfähigkeit bestehen kann.3 Hiernach darf ein Steuerzugriff grds. nur erfolgen, wenn es zu einer tatsächlichen Realisation von Vermögensmehrungen gekommen ist, nicht aber, wenn bloße Wertsteigerungen im Vermögen eines StPfl. zu verzeichnen sind.4

II. Anwendungsbereich Sachlich findet § 22 InvStG nur auf Beteiligungen an Investmentfonds Anwendung, hinsicht- 4 lich deren Erträge eine Teilfreistellung bestehen kann, die nachträglich entfallen oder sich jedenfalls verändern kann. Angesprochen sind damit Beteiligungen an Aktien-, Misch- und Immobilienfonds. Ob es sich um einen in- oder ausländischen Investmentfonds handelt, ist unerheblich.5 Keine Anwendung findet die Vorschrift auf Spezial-Investmentfonds (§ 26 InvStG) und Altersvorsorgevermögensfonds (§ 53 InvStG).6 Persönlich werden sowohl Beteiligungen von natürlichen als auch von juristischen Personen erfasst. Zeitlich ist die durch das InvStRefG7 eingefügte Bestimmung ab dem 1.1.2018 anwendbar 5 (§ 56 Abs. 1 Satz 1 InvStG). Das alte Investmentsteuerrecht enthielt keine entsprechende Bestimmung. Durch das JStG 20208 hat der Gesetzgeber die Vorschrift um Bewertungsregelungen für den Fall der Einlage von Investmentanteilen in das Betriebsvermögen ergänzt (§ 22 Abs. 2 Sätze 3 bis 6 InvStG). Zugleich hat er in § 22 Abs. 3 Satz 1 InvStG der Veräußerung die fiktive Veräußerung nach § 19 Abs. 2 InvStG gleichgestellt und in Satz 2 den Gewinn der besonderen Tarifregelung des § 32d Abs. 1 EStG unterworfen (25 %). Diese Änderungen sind ab dem 1.1.2021 anzuwenden (§ 57 Abs. 2 Nr. 3 InvStG).

III. Verhältnis zu anderen Vorschriften § 22 InvStG steht in engem sachlichem Zusammenhang zu § 20 InvStG, der eine Teilfreistel- 6 lung von Erträgen aus Aktien-, Misch- oder Immobilienfonds enthält. Die Vorschrift reagiert auf den Umstand, dass sich die Voraussetzungen für die Teilfreistellung verändern oder wegfallen.

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BT-Drucks. 18/8045, 93. Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 22 InvStG Anm. 1 (Stand: August 2021). Birk, Das Leistunsgfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 1983, 167. BFH v. 10.4.2013 – I R 80/12, BStBl. II 2013, 1004 (BVerfG-Az.: 2 BvL 8/13). Mann in Brandis/Heuermann, § 22 InvStG Rz. 5. Kleutgens in Moritz/Jesch/Mann2, § 22 InvStG Rz. 7; Mann in Brandis/Heuermann, § 22 InvStG Rz. 5. InvStRefG v. 19.7.2016, BGBl. I 2016, 1730. G v. 21.12.2020, BGBl. I 2020, 3096. Oellerich | 455

§ 22 Rz. 7 | Änderung des anwendbaren Teilfreistellungssatzes

B. Fiktion der Veräußerung bzw. Anschaffung der Fondsanteile (Abs. 1) I. Änderung des Teilfreistellungssatzes (Abs. 1 Satz 1 Alt. 1) 7 Der erste Anwendungsfall des § 22 Abs. 1 Satz 1 InvStG ist die Änderung des Teilfreistellungs-

satzes. Dieser ergibt sich namentlich aus einer Änderung der Anlagebedingungen; allerdings muss sich hierdurch auch der in § 20 InvStG bezeichnete Prozentsatz ändern.1 Unter § 22 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 InvStG fällt, dass ein neuer Anlageschwerpunkt bestimmt wird bzw. eine neue Anlagestrategie durch eine Modifikation der Anlagebedingungen begründet wird. Maßgebend ist in diesen Fällen der Zeitpunkt, in dem die Änderung der Anlagebedingungen wirksam wird.2 Ist etwa ein Investmentfonds nach seinen Anlagebedingungen nicht mehr als Aktienfonds zu behandeln, weil nicht mehr als 50 % seines Werts in Kapitalbeteiligungen besteht (vgl. § 2 Abs. 6 Satz 1 InvStG), sondern ist er nunmehr als Immobilienfonds zu behandeln, weil mindestens 50 % seines Werts in Immobilien oder Immobiliengesellschaften angelegt werden (vgl. § 2 Abs. 9 Satz 1 InvStG), mag sich die Freistellung bspw. von 30 % (§ 20 Abs. 1 Satz 1 InvStG) auf 60 % ändern (§ 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvStG). Ausreichend ist demgegenüber nicht, dass sich allein der Charakter des Investmentfonds verändert, soweit derselbe Prozentsatz anwendbar bleibt, so – um im Beispiel zu bleiben – die Änderung des Aktienfonds zu einem Immobilienfonds, wenn in beiden Fällen ein Teilfreistellungssatz von 80 % einschlägig ist (§ 20 Abs. 1 Satz 3, § 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG).3 In diesem Fall besteht auch kein Anlass, die einheitliche Anwendung eines Teilfreistellungssatzes auf sämtliche Investmenterträge sicherzustellen.4 Daneben kann sich eine Änderung der Anlagebedingungen insbes. bei Immobilienfonds ohne Wechsel zu einem anderen Fondstyp ergeben, wenn mindestens 51 % des Werts nicht mehr in inländischen, sondern ausländischen Immobilien oder Immobiliengesellschaften angelegt wird und umgekehrt (§ 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 InvStG: 60 % bzw. 80 %).

8 Umstritten ist die Behandlung in dem Fall, in dem die Kapitalbeteiligungs- oder Immobi-

lienfondsquote erstmals erreicht wird. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, eine Änderung könne nur vorliegen, wenn bereits zuvor eine Teilfreistellung gewährt worden ist.5 Zu überzeugen vermag das nicht, insbes. verstößt das nicht gegen die Wortlautgrenze. Denn man mag ebenso vertreten, dass bei einem erstmaligen Erreichen der Kapitalbeteiligungsoder Immobilienfondsquote der entsprechende Teilfreistellungssatz entsprechend von 0 % gestiegen ist. Dementsprechend nimmt insbes. auch die FinVerw. u.E. zu Recht an, dass § 22 Abs. 1 Satz 1 InvStG auch in diesen Fällen anwendbar ist.6 Auch der systematische Vergleich zu § 22 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 InvStG (s. Rz. 14), der den Fall erfasst, dass die Voraussetzungen der Teilfreistellungen entfallen, deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber auch den umgekehrten Fall erfassen wollte. Dieses Ergebnis erscheint u.E. sachgerecht.7

9 Ebenso mag eine tatsächliche Änderung der Anlagebedingungen ausreichend sein.8 Das ist

der Fall bei einem wesentlichen Verstoß gegen die Anlagebedingungen, der etwa zweck-

1 Zu solchen Fällen BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 22.2. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 22.2; Mann in Brandis/Heuermann, § 22 InvStG Rz. 11. 3 Mann in Brandis/Heuermann, § 22 InvStG Rz. 7. 4 Mann in Brandis/Heuermann, § 22 InvStG Rz. 7. 5 In diesem Sinne Kleutgens in Moritz/Jesch/Mann2, § 22 InvStG Rz. 10; Mann in Brandis/Heuermann, § 22 InvStG Rz. 7; Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 22 InvStG Anm. 5 (Stand: August 2021). 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 22.2. 7 So auch Häuselmann, Investmentanteile, 2019, Kap. 7 Rz. 15. 8 Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 22 InvStG Anm. 5 (Stand: August 2021); Warnke, EStB 2016, 305 (308).

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B. Fiktion der Veräußerung bzw. Anschaffung der Fondsanteile (Abs. 1) | Rz. 13 § 22

gerichtet zum Zwecke einer missbräuchlichen Steuergestaltung herbeigeführt wird.1 Hierbei handelt es sich allerdings nur um einen Beispielsfall.2 Ob im Übrigen von einem wesentlichen Verstoß ausgegangen werden kann, entscheidet sich durch eine Wertung anhand qualitativer und quantitativer Umstände des Einzelfalls. Kein Fall der Änderung liegt nach zutreffender Auffassung des BMF vor, wenn von Anfang an beabsichtigt war, die Anlagebedingungen tatsächlich nicht einzuhalten. In diesem Fall sind die Steuerbescheide der Anteilseigner nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern, wenn diese Tatsache dem FA nachträglich bekannt wird.3 Denkbar ist ebenso, dass fondsexterne Umstände zu einer Änderung des Teilfreistellungssat- 10 zes führen. Das mag etwa der Fall sein, wenn sich der Gesetzgeber dazu entscheiden sollte, die derzeit vorgesehenen gesetzlichen Teilfreistellungssätze abzuändern.4 Werden schließlich Investmentfonds nach § 23 InvStG verschmolzen und gilt für den aufneh- 11 menden Fonds ein abweichender Teilfreistellungssatz, so liegt ebenfalls ein Fall des § 22 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 InvStG vor.5 Demgegenüber6 wird vertreten, § 22 InvStG setze die Identität des Investmentfonds bzw. des Anlegers voraus; daher könne § 22 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 InvStG in diesen Fällen nicht erfüllt sein. Aus dem Wortlaut und auch aus Sinn und Zweck kann sich diese Annahme aber nicht ableiten. Eine Änderung des Teilfreistellungssatzes kann sich aber auch – ohne eine Änderung der An- 12 lagebedingungen – durch Änderungen der Vermögenszuordnung der Anteile ergeben. So gilt § 20 Abs. 1 Satz 1 InvStG nur, wenn der StPfl. eine natürliche Person ist, die die Anteile im Privatvermögen hält. Ordnet sie sie demgegenüber zu einem bestimmten Zeitpunkt dem Betriebsvermögen zu, sieht § 20 Abs. 1 Satz 2 InvStG einen Teilfreistellungssatz von 60 % vor. Das war zunächst unklar und dementsprechend umstritten, weil Wortlaut und Systematik auch den Schluss zuließen, dass allein fondsbezogene Änderungen unter § 22 InvStG fallen.7 Diesen Streit hat der Gesetzgeber durch das JStG 20208 (Rz. 5) zugunsten der hier vertretenen Auffassung entschieden, indem er Bewertungsvorschriften für Fälle einer geänderten Vermögenszuordnung in § 22 Abs. 2 Sätze 3 bis 6 InvStG aufgenommen hat.9 Nicht unter § 22 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 InvStG fällt die Konstellation, dass aufgrund geänderter 13 Anlagebedingungen keine Teilfreistellung der Einkünfte beim Anteilseigner mehr zu gewähren ist.10 Hierbei handelt es sich vielmehr um den Fall des Wegfalls der Teilfreistellung, der allein unter § 22 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 InvStG (dazu Rz. 13) fällt.

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 22.3; Kleutgens in Moritz/Jesch/Mann2, § 22 InvStG Rz. 19. 2 Kleutgens in Moritz/Jesch/Mann2, § 22 InvStG Rz. 19. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 22.4; unentschieden Kleutgens in Moritz/ Jesch/Mann,2 § 22 InvStG Rz. 20. 4 Kleutgens in Moritz/Jesch/Mann2, § 22 InvStG Rz. 19; Mann in Brandis/Heuermann, § 22 InvStG Rz. 7; Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 22 InvStG Anm. 5 (Stand: August 2021). 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.23; Ebner, RdF 2017, 305 (309); Helios/ Lindau in Moritz/Jesch/Mann2, § 23 InvStG Rz. 45 f.; Mann in Brandis/Heuermann, § 22 InvStG Rz. 7; Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 22 InvStG Anm. 5 (Stand: August 2021). 6 Kleutgens in Moritz/Jesch/Mann2, § 22 InvStG Rz. 21. 7 Hierzu Mertesdorf-Perathoner in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 22 Rz. 23. 8 G v. 21.12.2020, BGBl. I 2020, 3096. 9 So auch Mann in Brandis/Heuermann, § 22 InvStG Rz. 7; Mertesdorf-Perathoner in Bödecker/Ernst/ Hartmann, BeckOK/InvStG, § 22 Rz. 23. 10 So auch Mann in Brandis/Heuermann, § 22 InvStG Rz. 7; Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 22 InvStG Anm. 5 (Stand: August 2021). Oellerich | 457

§ 22 Rz. 14 | Änderung des anwendbaren Teilfreistellungssatzes

II. Wegfall der Teilfreistellung (Abs. 1 Satz 1 Alt. 2) 14 § 22 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 InvStG erfasst allein den Fall, dass – etwa aufgrund geänderter Anla-

gebedingungen – der Fonds nicht mehr als Aktien-, Misch- oder Investmentfonds qualifiziert werden kann,1 m.a.W. die Gründe für eine Teilfreistellung (vollständig) wegfallen. In der Literatur wird darüber hinaus darauf hingewiesen, dass theoretisch auch die Abschaffung der Anlagebedingungen bzw. eine Umgestaltung der Anlagebedingungen dergestalt, dass sie nicht mehr unter § 2 Abs. 12 InvStG fallen, theoretisch unter diese Alternative fallen kann.2 Stets muss es sich allerdings um Veränderungen auf der Ebene des Fonds handeln. Anders als in der ersten Alternative ist nicht ausreichend, dass es zu einer abweichenden Vermögenszuordnung (Wechsel vom Privat- zum Betriebsvermögen oder umgekehrt) kommt.

III. Rechtsfolge 15 Ändert sich der Teilfreistellungssatz oder fallen die Voraussetzungen für die Teilfreistellung

weg, so gilt der Investmentanteil als veräußert und am Folgetag als angeschafft. § 22 Abs. 1 Satz 1 InvStG fingiert m.a.W. sowohl die Veräußerung als auch die erneute Anschaffung desselben Anteils. Hinsichtlich der Veräußerung enthält die Vorschrift einen Ersatzrealisationstatbestand. Veräußerungszeitpunkt ist der Zeitpunkt, in dem sich der anwendbare Teilfreistellungssatz ändert oder die Voraussetzungen für die Teilfreistellung weggefallen sind. Das ist grds. der Tag, an dem die geänderten Anlagebedingungen wirksam werden.3 In den Fällen des § 20 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 InvStG kann es sich aber auch um den Zeitpunkt handeln, in dem der Anteilseigner die Anteile aus seinem Privat- in das Betriebsvermögen oder umgekehrt überführt.

16 Da sich der Anteilseigner der Anteile tatsächlich nicht begibt, wird im unmittelbaren zeitli-

chen Anschluss (Folgetag) eine Anschaffung fingiert. Anschaffungskosten sind in derselben Höhe wie der Veräußerungserlös anzusetzen (§ 22 Abs. 2 InvStG). Hierdurch wird gewährleistet, dass bei einem späteren tatsächlichen Realisationsakt nur noch die Differenz zwischen diesem Wert und dem dann vereinnahmten Veräußerungserlös der Besteuerung unterworfen wird.

17 Es ist ohne weiteres vorstellbar, dass sich der Teilfreistellungssatz während der Haltedauer

mehrfach ändert oder zunächst der Teilfreistellungssatz mehrfach wechselt und anschließend die Voraussetzungen für die Teilfreistellung wegfallen. In diesem Fall sind mehrere fiktive Veräußerungen und unmittelbar anschließend entsprechende Anschaffungen zu berücksichtigen. Die in Rz. 15 f. geschilderten Rechtsfolgen ergeben sich dann für einen Anteilseigner gleich mehrfach.

18 Ob ein Fall der fiktiven Veräußerung vorliegt und welcher Veräußerungserlös sich ergibt, ist

durch den Investmentfonds zu ermitteln. Den Anlegern eines Investmentfonds ist dafür in öffentlich zugänglicher Weise (z.B. durch einen Hinweis auf der Internetseite) durch den Investmentfonds mitzuteilen, dass und in welcher Weise sich der Teilfreistellungssatz i.S.d. § 20 geändert hat.4

1 Kleutgens in Moritz/Jesch/Mann2, § 22 InvStG Rz. 22; Mann in Brandis/Heuermann, § 22 InvStG Rz. 9. 2 Mann in Brandis/Heuermann, § 22 InvStG Rz. 9. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 22.2; Kleutgens in Moritz/Jesch/Mann2, § 22 InvStG Rz. 28; Mann in Brandis/Heuermann, § 22 InvStG Rz. 11. 4 Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 22 InvStG Anm. 5 (Stand: August 2021).

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B. Fiktion der Veräußerung bzw. Anschaffung der Fondsanteile (Abs. 1) | Rz. 21 § 22

Erhält die depotführende Stelle über die Umstände i.S.d. § 22 Abs. 1 Sätze 1 und 2 InvStG 19 keine Informationen und wird deshalb keine Kapitalertragsteuer einbehalten, sind die Rechtsfolgen im Veranlagungsverfahren zu ziehen.1

IV. Kein Nachweis oder Nachweis eines abweichenden Teilfreistellungssatzes (Abs. 1 Satz 2) 1. Vorbemerkung Während § 22 Abs. 1 Satz 1 InvStG auf eine Änderung der Anlagebedingungen abstellt, durch 20 die es zu einer Änderung des Teilfreistellungssatzes oder gar zu einem Wegfall der Teilfreistellung kommt, sieht § 22 Abs. 1 Satz 2 InvStG die Fiktion einer Veräußerung und einer im Anschluss folgenden erneuten Anschaffung derselben Anteile vor, sobald der Anleger den Nachweis nach § 20 Abs. 4 InvStG nicht mehr erbringt oder einen vom bisher nachgewiesenen abweichenden Teilfreistellungssatz nachweist. § 22 Abs. 1 Satz 2 InvStG stellt aus Sicht des BMF kein Wahlrecht des Anlegers dar. Vielmehr ist seiner Auffassung nach weiterhin der bisherige Teilfreistellungssatz anzuwenden und keine Veräußerungsfiktion anzunehmen, wenn sich aus öffentlich zugänglichen Quellen die Voraussetzungen für den bisherigen Teilfreistellungssatz feststellen lassen (z.B. aus im Internet veröffentlichten Anlagebedingungen des Investmentfonds).2 In der Literatur wird dies bisweilen abgelehnt, da anderenfalls keine Möglichkeit bestehe, falsche Informationen des Investmentfonds richtigzustellen.3 In der Praxis mag sich § 22 Abs. 1 Satz 2 InvStG so auswirken; sein Zweck ist es aber nicht, ein Wahlrecht zu schaffen. 2. Tatbestandsvoraussetzungen a) Nachweis nach § 20 Abs. 4 InvStG § 22 Abs. 1 Satz 2 InvStG greift nur, wenn der Anteilseigner zunächst für einen VZ den Nach- 21 weis nach § 20 Abs. 4 InvStG tatsächlich führt. § 20 Abs. 4 InvStG sieht vor, dass der Anteilseigner nachweist, dass der Investmentfonds (gemeint sind allein Aktien-, Misch- oder Immobilienfonds) während des Geschäftsjahres durchgehend die Anlagegrenzen überschritten hat. In diesem Fall ist auf seinen Antrag hin die entsprechende Teilfreistellung zu gewähren. Nachweis und Antrag können allein im Veranlagungsverfahren erfolgen, weil es für die Entrichtungspflichtigen der Kapitalertragsteuer aus Sicht des Gesetzgebers unzumutbar wäre, die vorgelegten Nachweise überprüfen zu müssen.4 Hiermit entsprach der Gesetzgeber unionsrechtlichen Maßgaben,5 um namentlich Anlegern ausländischer Investmentfonds die Möglichkeit der Teilfreistellung zu eröffnen, bei denen die Anlagebedingungen keine hinreichende Aussage zu den Voraussetzungen der Teilfreistellung enthalten oder ggf. keine Anlagebedingungen vorhanden sind.6

1 Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 22 InvStG Anm. 5 (Stand: August 2021). 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 22.7. 3 Kleutgens in Moritz/Jesch/Mann2, § 22 InvStG Rz. 24; Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 22 InvStG Anm. 6 (Stand: August 2021). 4 BT-Drucks. 18/8045, 92. 5 EuGH v. 9.10.2014 – C-326/12 – van Caster, DStRE 2014, 1318. 6 BT-Drucks. 18/8045, 92; Mann in Brandis/Heuermann, § 20 InvStG Rz. 40. Oellerich | 459

§ 22 Rz. 22 | Änderung des anwendbaren Teilfreistellungssatzes b) Alternative Fälle aa) Kein weiterer Nachweis (Abs. 1 Satz 2 Alt. 1) 22 § 22 Abs. 1 Satz 2 InvStG knüpft in seiner ersten Alternative daran an, dass der Nachweis

nach § 20 Abs. 4 InvStG in dem folgenden VZ nicht mehr geführt wird. Hierbei kommt es allein auf das Ergebnis an, ob der Nachweis geglückt ist. Sowohl der Fall, dass der Anteilseigner untätig bleibt, als auch die Vorlage nicht ausreichender Nachweise werden durch diese Alternative erfasst. Da der Nachweis gem. § 20 Abs. 4 InvStG nur erbracht wird, wenn der Anteilseigner darlegen konnte, dass der Investmentfonds die Anlagegrenzen während des Geschäftsjahres tatsächlich durchgehend überschritten hat, ist die Alternative auch erfüllt, wenn der Anteilseigner zwar Nachweise vorlegt, sich hieraus aber ergibt, dass eine Teilfreistellung nicht mehr zu gewähren ist.

bb) Nachweis eines abweichenden Teilfreistellungssatzes (Abs. 1 Satz 2 Alt. 2) 23 Unter die zweite Alternative fällt die Konstellation, dass sich durch die vom Anteilseigner vor-

gelegten Nachweise ein abweichender Teilfreistellungssatz ergibt. Diese Nachweise können sich sowohl auf Umstände auf Fondsebene beziehen (Vermögenszusammensetzung), als auch Umstände auf der Ebene des Anteilseigners betreffen. So mag der Anteilseigner seine Anteile an einem Aktienfonds aus dem Privatvermögen in das Betriebsvermögen einlegen oder umgekehrt (s. § 20 Abs. 1 Sätze 1 und 2 InvStG). 3. Rechtsfolge a) Fiktion von Veräußerung und Anschaffung

24 Fingiert wird in einem ersten Schritt nicht allein das Vorliegen einer Veräußerung; ebenso

enthält das Gesetz einen fiktiven Veräußerungszeitpunkt. Unabhängig von dem Zeitpunkt, zu dem die Veranlagung des Anteilseigners erfolgt und zu dem der Nachweis hätte geführt werden müssen, wird die Veräußerung mit dem Ablauf des VZ angesetzt, für den der Nachweis hätte geführt werden müssen. Dass und wie das Geschäftsjahr hiervon abweicht, ist unerheblich.1

25 Trotz des insoweit missverständlichen Wortlauts führt auch § 22 Abs. 1 Satz 2 InvStG nicht nur

zur Fiktion einer Veräußerung, sondern ebenfalls zu einer Anschaffungskostenfiktion.2 Der Wortlaut des § 22 Abs. 2 Satz 1 InvStG differenziert insoweit nicht und geht für alle Fälle des § 22 Abs. 1 InvStG von der Notwendigkeit aus, AK zu fingieren. Diese Notwendigkeit besteht auch tatsächlich. Auch hier müssen AK definiert werden, um im Fall einer späteren tatsächlichen Veräußerung (vgl. hierzu § 2 Abs. 13 InvStG) einen Veräußerungserlös bestimmen zu können.

26 Dass § 22 Abs. 1 Satz 1 InvStG die Anschaffung zeitlich mit dem Folgetag nach der Veräuße-

rung fixiert, gilt insoweit auch für die Fälle des § 22 Abs. 1 Satz 2 InvStG. Anschaffungszeitpunkt ist deshalb stets der Beginn des auf die fingierte Veräußerung folgenden VZ. b) Bewertung (Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2)

27 Als Veräußerungspreis anzusetzen ist der letzte festgesetzte Rücknahmepreis des VZ, in dem

das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Teilfreistellung oder für einen anderen Teilfreistellungssatz nachgewiesen worden sind (§ 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InvStG; zur Definition des

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 22.6; Mann in Brandis/Heuermann, § 22 InvStG Rz. 10. 2 So auch Mann in Brandis/Heuermann, § 22 InvStG Rz. 10.

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C. Bewertung (Abs. 2) | Rz. 31 § 22

Rücknahmepreises s. Rz. 29). Unter dem Begriff des festgesetzten Rücknahmepreises ist kein förmliches Verfahren zu verstehen. Gemeint ist allein, dass ein Rücknahmepreis durch den Investmentfonds ermittelt und anschließend veröffentlicht wird.1 Es muss sich hierbei nicht um einen Wert handeln, der zum Ende des VZ ermittelt wird. Ebenfalls kommt es nicht auf eine zeitliche Nähe zu dem maßgebenden Zeitpunkt i.S.d. § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InvStG an (s. bereits Rz. 30). Wird kein Rücknahmepreis festgesetzt, tritt an dessen Stelle der Börsen- oder Marktpreis 28 (§ 22 Abs. 2 Satz 2 InvStG). Damit ist auch hier nicht der Fall gemeint, dass der Fonds noch niemals einen Rücknahmepreis festgesetzt hat. Ausreichend ist, dass ein Rücknahmepreis in der Vergangenheit festgesetzt worden ist. Der Wortlaut, nach dem der „letzte festgesetzte Rücknahmepreis des Veranlagungszeitraums anzusetzen“ ist, ist insoweit missverständlich. Er ist nicht dahingehend zu verstehen, dass stets der Börsen- oder Marktpreis anzusetzen ist, wenn der letzte festgesetzte Rücknahmepreis aus einem anderen VZ stammt als dem, in dem der Nachweis nach § 20 Abs. 4 InvStG nicht mehr erbracht wird bzw. ein abweichender Teilfreistellungssatz nachgewiesen wird. Zwar mögen dann Börsen- oder Marktpreis aktueller sein. Der Gesetzgeber wollte allerdings typisierend dem Rücknahmepreis den Vorrang einräumen und nur hilfsweise auf einen anderen Wertmaßstab abstellen.

C. Bewertung (Abs. 2) I. Rücknahmepreis (Abs. 2 Satz 1 InvStG) 1. Fälle des § 22 Abs. 1 Satz 1 InvStG Mangels tatsächlicher Veräußerung und erneuter tatsächlicher Anschaffung musste der Ge- 29 setzgeber in den Fällen des § 21 Abs. 1 InvStG einen Hilfswert im Gesetz bestimmen, der für den Ansatz eines fiktiven Veräußerungserlöses bzw. der Anschaffungskosten am Folgetag herangezogen werden kann. Diesen Wert hat der Gesetzgeber in dem Rücknahmepreis gefunden. Legaldefiniert wird der Rücknahmepreis in § 71 Abs. 3 Satz 1 KAGB. Es handelt sich hierbei um den Preis für die Rücknahme von Anteilen oder Aktien. Er muss dem Nettoinventarwert des Anteils oder der Aktie am inländischen OGAW abzgl. eines in den Anlagebedingungen festzusetzenden Abschlags gem. § 165 Abs. 2 Nr. 8 KAGB entsprechen. Das ist der Betrag, zu dem das Investmentvermögen oder eine ihm nahestehende Rücknahmegesellschaft den Investmentanteil zurücknimmt. Unerheblich ist hierbei, ob es sich um einen aufgrund der gesetzlichen Pflicht zur Rücknahme festgesetzten Betrag oder eine freiwillige Festsetzung eines Rücknahmewerts durch das Investmentvermögen handelt.2 Maßgebend ist der Rücknahmepreis des Tages, an dem die Änderungen eingetreten oder an 30 dem die Voraussetzungen weggefallen sind. Gemeint ist damit grds. das Wirksamwerden der geänderten Anlagebedingungen. Sofern es etwa noch auf eine Genehmigung der Aufsichtsbehörde ankommt, ist frühestens mit deren Vorliegen von einer wirksamen Änderung auszugehen.3 Regelmäßig wird der Rücknahmepreis täglich festgesetzt, sodass es sich hierbei um einen ak- 31 tuellen realistischen Wert des einzelnen Anteils handelt. Ist dies allerdings nicht der Fall, bedeutet dies nicht, dass kein Rücknahmepreis festgesetzt worden ist und der Börsen- oder

1 Ernst/Feierabend in Moritz/Strohm, Besteuerung privater Kapitalanlagen, 2017, Kap. C Rz. 214. 2 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 – 1/08/10019, BStBl. I 2009, 931 Rz. 129; Hartmann in Bödecker/ Ernst/Hartmann, InvStG, 2016, § 8 Rz. 99. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 22.2; Mann in Brandis/Heuermann, § 22 InvStG Rz. 13. Oellerich | 461

§ 22 Rz. 31 | Änderung des anwendbaren Teilfreistellungssatzes Marktpreis nach § 22 Abs. 2 Satz 2 InvStG maßgebend wird. Das gilt jedenfalls so lange, wie der Rücknahmepreis wirksam bleibt. Unklarheiten bringt insoweit die Auffassung des BMF, das auch den Fall erfasst wissen will, dass in zeitlicher Nähe zum maßgebenden Tag kein Rücknahmepreis verfügbar ist.1 Soweit damit gemeint sein sollte, dass das BMF ein „Verfalldatum“ für Rücknahmepreise einziehen möchte, kann dem nicht zugestimmt werden. Dies läuft nicht nur der Systematik des Gesetzes zuwider, das typisierend einem existenten Rücknahmepreis den Vorzug gibt. Das BMF beantwortet insbes. auch nicht die wesentliche Frage, wann ein Rücknahmepreis nicht mehr in ausreichender zeitlicher Nähe zum maßgebenden Datum verfügbar ist oder nach welchen Maßgaben dies bestimmt werden soll. 2. Fälle des § 22 Abs. 1 Satz 2 InvStG 32 In den Fällen des § 22 Abs. 1 Satz 2 InvStG (Rz. 20 ff.) ist der letzte Rücknahmepreis (s. Rz. 29)

des VZ maßgebend, in dem die Voraussetzungen für eine Teilfreistellung oder einen anderen Teilfreistellungssatz nachgewiesen wurden (§ 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InvStG). 3. Ausnahme: Börsen- oder Marktpreis (Abs. 2 Satz 2)

33 Existiert am Tag, an dem die Änderungen i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 1 InvStG eingetreten oder an

dem die Voraussetzungen für die Teilfreistellung weggefallen sind, kein Rücknahmepreis, ist nach § 22 Abs. 2 Satz 2 InvStG hilfsweise auf den Börsen- oder Marktpreis abzustellen. Dies können Fälle sein, in denen Investmentfonds entweder keine Anteilsrücknahme vorsehen oder keinen Rücknahmepreis in zeitlicher Nähe zum maßgebenden Zeitpunkt festsetzen.2 So ist namentlich bei geschlossenen Fonds keine Rücknahme vorgesehen und deshalb wird auch kein Rücknahmepreis festgesetzt. Für diese Anteile hat sich indes ein Zweitmarkt gebildet, bspw. an der Börse Hamburg oder der Fondsbörse Deutschland, sodass hier namentlich auf den Börsenpreis als Hilfswert abgestellt werden kann.

34 Unter dem Begriff des Börsenpreises i.S.d. § 22 Abs. 2 Satz 2 InvStG wird der an einer amtlich

anerkannten Börse amtlich notierte oder im geregelten Markt festgestellte Preis sowie der während der Börsenzeit an einer Wertpapierbörse präsent oder in einem durch die Börsenordnung geregelten elektronischen Handel gebildete Preis verstanden.3 Der Marktpreis lässt sich demgegenüber als der Preis definieren, zu dem der Investmentanteil an dem jeweiligen Ende des Geschäftsjahres zu kaufen oder zu verkaufen ist.4 Entscheidend ist bei unterschiedlichen Verkaufsund Kaufpreisen der Preis, zu dem der Investmentanteil am Markt abgesetzt werden kann.5

35 Sind weder ein Rücknahmepreis noch ein Börsen- oder Marktpreis ermittelbar – was bei ge-

schlossenen Fonds vorkommt – sollen (in Anlehnung an § 43a Abs. 2 Satz 7 EStG) 30 % der Einnahmen aus der tatsächlichen Veräußerung als Ersatzbemessungsgrundlage zugrunde gelegt werden.6 Wegen der Sachnähe wird man dem mangels anderweitiger Regelung zustimmen können.7 1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 22.13; dem folgend Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 22 InvStG Anm. 10 (Stand: August 2021). 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 22.13; Mann in Brandis/Heuermann, § 22 InvStG Rz. 13; Mertesdorf-Perathoner in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 22 Rz. 49. 3 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 – 1/08/10019, BStBl. I 2009, 931 Rz. 129; Ernst/Feierabend in Moritz/Strohm, Besteuerung privater Kapitalanlagen, 2017, Kap. C Rz. 215. 4 Ernst/Feierabend in Moritz/Strohm, Besteuerung privater Kapitalanlagen, 2017, Kapitel C Rz. 216. 5 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 – 1/08/10019, BStBl. I 2009, 931 Rz. 129. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 22.14; Kleutgens in Moritz/Jesch/Mann2, § 22 InvStG Rz. 30; Mann in Brandis/Heuermann, § 22 InvStG Rz. 13; Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 22 InvStG Anm. 11 (Stand: August 2021). 7 So auch Kleutgens in Moritz/Jesch/Mann2, § 22 InvStG Rz. 30.

462 | Oellerich

C. Bewertung (Abs. 2) | Rz. 40 § 22

4. Einlage eines Investmentanteils vom Privat- in das Betriebsvermögen (Abs. 2 Sätze 3 bis 6) a) Vorbemerkung § 22 Abs. 2 Sätze 3 bis 6 InvStG enthalten besondere Maßgaben für die Einlage eines Invest- 36 mentfondsanteils aus dem Privat- in das Betriebsvermögen. Durch die Einlage ändert sich der Teilfreistellungssatz, sodass es auch in diesen Fällen zu einer Ersatzrealisation (Rz. 12, 15) kommen muss, die allerdings nicht sofort besteuert wird. Auch dieser Gewinn wird erst im fingierten Zuflusszeitpunkt besteuert (Rz. 3). b) Einlagewert (Abs. 2 Sätze 3 und 4) Wird ein Investmentanteil in ein Betriebsvermögen eingelegt und ändert sich dadurch der an- 37 wendbare Teilfreistellungssatz, ist der nach § 22 Abs. 2 Satz 1 und 2 InvStG anzusetzende Wert im Zeitpunkt der Einlage als Einlagewert i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. c EStG anzusetzen (vgl. § 22 Abs. 2 Satz 3 InvStG). Dadurch wird sichergestellt, dass die im Privatvermögen und die im Betriebsvermögen entstandenen Wertveränderungen getrennt erfasst und bei späterer tatsächlicher Veräußerung mit den jeweils für das Privatvermögen und das Betriebsvermögen geltenden Teilfreistellungssätzen besteuert werden.1 Stille Reserven können hierdurch nicht auf einen höheren Teilfreistellungssatz überspringen.2 Die Bezugnahme auf § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbs. 2 Buchst. c EStG führt nicht zu einem 38 Teilwertansatz, der durch die tatsächlichen AK/HK gedeckelt wird. Gemäß § 22 Abs. 2 Satz 3 InvStG treten anstelle dessen der Rücknahmepreis bzw. der Börsen- oder Marktpreis. In den Fällen der Einlage eines Investmentanteils aus dem Privat- in das Betriebsvermögen 39 tritt der nach § 22 Abs. 2 Satz 1 bis 3 InvStG ermittelte Wert auch für die Zwecke der Bewertung mit dem voraussichtlich dauerhaft niedrigeren Teilwert nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG an die Stelle der fortgeführten ursprünglichen AK der Investmentanteile (§ 22 Abs. 2 Satz 4 InvStG). Daher sind die Investmentanteile mit diesem Wert in der Steuerbilanz zu bewerten (Bewertungsobergrenze). Dadurch ändert sich die Bezugsgröße für etwaige Teilwertabschreibungen oder -zuschreibungen.3 § 22 Abs. 2 Satz 4 InvStG führt zu einer von der Handelsbilanz abweichenden Bewertung in der Steuerbilanz. Ein Ausweis latenter Steuern in der Handelsbilanz nach § 274 HGB ist nicht vorzunehmen, weil es zu keiner abweichenden Ertragsrealisation kommt. Denn durch die Einstellung des aufgedeckten, noch nicht zu versteuernden Gewinns in eine steuerliche Rücklage wird der Gewinn sowohl handels- als auch steuerrechtlich zeitgleich erst bei tatsächlicher Veräußerung des Investmentanteils realisiert.4 c) Wertveränderungen (Abs. 2 Sätze 5 und 6)

Treten Wertveränderungen (Wertminderungen und Wertaufholungen) bei der Bewertung des 40 Investmentanteils ein, sind diese nach § 22 Abs. 2 Sätze 5 und 6 InvStG erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Realisation zu berücksichtigen. Das ist folgerichtig, da allein durch die Veräußerungs- und Anschaffungsfiktion kein zusätzliches Abschreibungspotential geschaffen werden soll.5 Andererseits soll eine gewinnwirksame Teilwertabschreibung verhindert werden.6

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 22.14a; Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 22 InvStG Anm. 12 (Stand: August 2021). 2 Mann in Brandis/Heuermann, § 22 InvStG Rz. 13a. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 22.14b. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 22.14c. 5 Mann in Brandis/Heuermann, § 22 InvStG Rz. 13b. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 22.14e. Oellerich | 463

§ 22 Rz. 41 | Änderung des anwendbaren Teilfreistellungssatzes

D. Zuflussfiktion (Abs. 3) 41 Führt die Veräußerungsfiktion zu einem Gewinn, so ist dieser nicht sofort festzusetzen. Die

Versteuerung wird vielmehr auf den Zeitpunkt verschoben, zu dem der Investmentanteil tatsächlich veräußert wird (§ 22 Abs. 3 InvStG; zu Sinn und Zweck bereits Rz. 3). Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass damit nicht allein eine Veräußerung im engeren Sinne gemeint ist, sondern § 2 Abs. 13 InvStG den Begriff der Veräußerung von Investmentanteilen auf die Rückgabe, Abtretung, Entnahme oder verdeckte Einlage in eine KapGes. erstreckt. Diese sich unter den Begriffsbestimmungen befindende Fiktion gilt auch für § 22 Abs. 3 InvStG und stellt so sicher, dass auch hier der Zweck des § 2 Abs. 13 InvStG, sämtliche Realisationstatbestände einheitlich zu behandeln,1 erreicht wird.

42 Aus § 22 Abs. 3 InvStG ergibt sich auch, dass keine fiktiven Steuern bilanziell anzusetzen

sind. Der Besteuerungstatbestand ist noch nicht vollständig verwirklicht, weil der Gewinn oder Verlust aus der fiktiven Veräußerung erst bei tatsächlicher Veräußerung eines Alt-Anteils als zugeflossen gilt.2

43 Der durch das JStG 20203 eingefügte § 22 Abs. 3 Satz 2 InvStG bestimmt, dass der Gewinn

aus der fiktiven Veräußerung dem gesonderten Steuersatz nach § 32d Abs. 1 EStG i.H.v. 25 % unterliegt, wenn im Zeitpunkt der fiktiven Veräußerung die Voraussetzungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG vorlagen und die Einkünfte keiner anderen Einkunftsart zuzuordnen sind (§ 20 Abs. 8 Satz 1 EStG). Es soll sich nach den Gesetzesmaterialien um eine Klarstellung handeln, durch die verhindert werden soll, dass es zu widersprüchlichen Ergebnissen kommt, weil die Einlage von Investmentanteilen in das Betriebsvermögen dazu führt, dass auf den fiktiven Veräußerungsgewinn der für Privatvermögen geltende Teilfreistellungssatz, gleichzeitig aber der für das Betriebsvermögen progressive Einkommensteuertarif anzuwenden wäre.4

1 2 3 4

BT-Drucks. 18/8045, 70. Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 22 InvStG Anm. 5 (Stand: August 2021). G v. 21.12.2020, BGBl. I 2020, 3096. BT-Drucks. 19/22850, 109; Mann in Brandis/Heuermann, § 22 InvStG Rz. 15; Mertesdorf-Perathoner in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 22 Rz. 57.

464 | Oellerich

Abschnitt 3 Verschmelzung von Investmentfonds (§ 23)

§ 23 Verschmelzung von Investmentfonds (1) 1Werden inländische Investmentfonds nach den §§ 181 bis 191 des Kapitalanlagegesetzbuchs miteinander verschmolzen, so hat 1. der übertragende Investmentfonds die zu übertragenden Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten, die Teil des Nettoinventars sind, mit den Anschaffungskosten abzüglich der Absetzungen für Abnutzung oder Substanzverringerung (fortgeführte Anschaffungskosten) zu seinem Geschäftsjahresende (Übertragungsstichtag) anzusetzen und 2. der übernehmende Investmentfonds die übernommenen Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten mit den fortgeführten Anschaffungskosten zu Beginn des dem Übertragungsstichtag folgenden Tages anzusetzen. 2Ein nach § 189 Absatz 2 Satz 1 des Kapitalanlagegesetzbuchs bestimmter Übertragungsstichtag gilt als Geschäftsjahresende des übertragenden Investmentfonds. (2) Der übernehmende Investmentfonds tritt in die steuerliche Rechtsstellung des übertragenden Investmentfonds ein. (3) 1Die Ausgabe der Anteile am übernehmenden Investmentfonds an die Anleger des übertragenden Investmentfonds gilt nicht als Tausch. 2Die erworbenen Anteile an dem übernehmenden Investmentfonds treten an die Stelle der Anteile an dem übertragenden Investmentfonds. 3Erhalten die Anleger des übertragenden Investmentfonds eine Barzahlung nach § 190 des Kapitalanlagegesetzbuchs, so gilt diese als Ertrag nach § 16 Absatz 1 Nummer 1. (4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für die Verschmelzung von ausländischen Investmentfonds miteinander, die demselben Recht eines Amts- und Beitreibungshilfe leistenden ausländischen Staates unterliegen. A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG a) Verhältnis zu § 5a InvStG . . . . . . . b) Verhältnis zu § 54 InvStG . . . . . . . 2. Verhältnis zu Vorschriften außerhalb des InvStG a) Verhältnis zu § 20 Abs. 4a EStG . . b) Verhältnis zu Vorschriften des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Verschmelzung von inländischen Investmentfonds (Abs. 1 bis 3) I. Anwendungsbereich (Abs. 1) 1. Persönlicher Anwendungsbereich . . . .

1 3

10 12 13 14

19

2. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . II. Steuerliche Folgen auf Ebene der beteiligten Investmentfonds (Abs. 1 und 2) 1. Ansatz und Bewertung der übertragenen Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten (Abs. 1) a) Ansatz und Bewertung auf Ebene des übertragenden Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ansatz und Bewertung auf Ebene des übernehmenden Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerliche Rechtsnachfolge (Abs. 2) a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fortführung der Bemessungsgrundlage und Methode für Zwecke der Abschreibungen . . . . . . . . . . . .

21

28 31 34 35

Hasbach | 465

§ 23 Rz. 1 | Verschmelzung von Investmentfonds c) Nicht ausgeglichene negative Einkünfte i.S.d. § 6 Abs. 8 InvStG (Verlustvortrag) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zurechnung von Fristen und Zeiträumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Steuerliche Folgen auf Ebene der Anleger (Abs. 3) 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine Tauschgewinnbesteuerung . . . . 3. Steuerliche Rechtsnachfolge a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ansatz und Bewertung der neu erhaltenen Investmentanteile . . . . . . c) Vorabpauschalen i.S.d. § 18 . . . . . . d) Hinzurechnungs- und Abzugsbeträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36 38 39 40 42 43 46

C. I. II. III.

49

e) Steuerliche Ausgleichs- und Merkposten bei betrieblichen Anlegern f) Zurechnung von Fristen und Zeiträumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Änderung oder Wegfall des anwendbaren Teilfreistellungssatzes i.S.d. §§ 20 ff. InvStG . . . . . . . . . . . 4. Barzahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verschmelzung von ausländischen Investmentfonds (Abs. 4) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerliche Folgen auf Ebene der beteiligten Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . Steuerliche Folgen auf Ebene der Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50 51 52 55

56 61 62

Literatur: Zur Rechtslage vor der Investmentsteuerreform 2018: Nägele/Schaber/Staber, Die steuerliche Behandlung stiller Reserven bei der „Umwandlung“ von Spezialfonds, DB 1996, 1949; Zinkeisen, Die erfolgsneutrale „Fusion“ von Spezialfonds, DB 1996, 497; Ebner, Einzelfragen zur Besteuerung von Investmenterträgen – Veräußerungs- und Verschmelzungstatbestände bei betrieblichen Anlegern, NWB 2005, 2699; Schmittmann/Schöffel/Keller, Steuerliche Konsequenzen einer Fondszusammenlegung am Beispiel von Immobilien-Sondervermögen, DStR 2005, 1593; Ebner, Verschmelzung von Sondervermögen nach dem InvStG, DStZ 2007, 68; Brinkmann/Kempf, Die Neuregelung der Verschmelzung von Auslandsfonds, BB 2009, 2067; Löschinger/Helios, Steuer- und aufsichtsrechtliche Praxisfragen bei der Restrukturierung und Auflösung von Investmentfonds und Investmentaktiengesellschaften, DB 2009, 1724; Obermann/Brill/ Heeren, Konsolidierungen in der Fondsindustrie – Eine Untersuchung der aufsichtsrechtlichen und steuerrechtlichen Behandlung der Verschmelzung von inländischen Sondervermögen und Investmentaktiengesellschaften, DStZ 2009, 152; Patzner/Bruns, Fondsverschmelzungen und weitere Kapitalmaßnahmen im internationalen Umfeld, IStR 2009, 668; Tappen, Steuerrechtsänderungen durch das geplante OGAWIV-Umsetzungsgesetz, DStR 2011, 246. Zur Rechtslage nach der Investmentsteuerreform 2018: Bünning, Auswirkungen des neuen InvStG auf die Umwandlung von Immobilienfonds, BB 2017, 1066; Hasbach, Die Verschmelzung von (Spezial-)Investmentfonds – Ein Überblick über die steuerlichen Folgen und ausgewählte Fragen, FR 2018, 1117.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck 1 Regelungsgegenstand des § 23 InvStG sind die steuerlichen Folgen der Verschmelzung von

inländischen und ausländischen Investmentfonds sowohl für die beteiligten Investmentfonds als auch für die daran beteiligten Anleger. Das Investmentsteuergesetz i.d.F. vor der Investmentsteuerreform 2018 enthielt mit § 14 InvStG a.F. (Verschmelzung inländischer Investmentfonds) und mit § 17a InvStG a.F. (Verschmelzung ausländischer Investmentfonds) bereits vergleichbare Regelungen. Sinn und Zweck des § 23 InvStG ist es, bei einer Verschmelzung von Investmentfonds eine Veräußerungsgewinnbesteuerung durch Aufdeckung von stillen Reserven sowohl auf Ebene des übertragenden Investmentfonds als auch auf Ebene der an den Investmentfonds beteiligten Anleger zu vermeiden.1 Stattdessen gehen die stillen Reserven auf Ebene der übertragenden Investmentfonds auf den übernehmenden Investmentfonds 1 Vgl. BT-Drucks. 15/1553, 122 (zu § 14 InvStG 2004).

466 | Hasbach

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 2 § 23

und auf Ebene der Anleger auf die neu ausgegebenen Anteile über, sodass zwar einerseits Verschmelzungen steuerneutral erfolgen können, andererseits aber auch keine Steuerausfälle verursacht werden. Hierzu enthält § 23 InvStG verschiedene, zwischen der Ebene der Investmentfonds (Abs. 1 und 2) und der Ebene der Anleger (Abs. 3) differenzierende Regelungen. Ergänzt werden die Regelungen, die sich nur auf die Verschmelzung von inländischen Investmentfonds beziehen, durch Abs. 4, wonach auch eine Verschmelzung von ausländischen Investmentfonds unter den dort genannten Voraussetzungen steuerneutral möglich ist. Die Verschmelzung von Spezial-Investmentfonds und Altersvorsorgevermögenfonds ist in § 54 InvStG geregelt, der allerdings im Wesentlichen auf § 23 InvStG verweist. § 23 InvStG regelt lediglich die Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer steuerneutralen Ver- 2 schmelzung von Investmentfonds. Offen bleibt, welche Rechtsfolgen steuerlich zu ziehen sind, wenn die Voraussetzungen nicht erfüllt werden (z.B. bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen von Investmentfonds). Dies wirft die Frage nach der Rechtsnatur einer Verschmelzung von Investmentfonds auf. Denkbar ist, die Verschmelzung als einen liquidationsähnlichen Vorgang zu verstehen, bei dem das Vermögen des übertragenden Investmentfonds steuerlich zunächst als an die Anleger ausgeschüttet und sodann als von den Anlegern (unter Berücksichtigung von § 5a InvStG) in den übernehmenden Investmentfonds eingelegt gilt. Mit Blick auf die Regelungen des § 23 InvStG ist die Verschmelzung indes als Veräußerungs- und Anschaffungsvorgang bzw. tauschähnlicher Vorgang zu qualifizieren.1 Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 InvStG „gilt“ die Ausgabe der Anteile am übernehmenden Investmentfonds nicht als Tausch. Der Regelung liegt erkennbar die Annahme zugrunde, eine Verschmelzung von Investmentfonds führe nach den allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen auf Ebene des Anlegers grds. zu einem Tausch oder tauschähnlichen Vorgang von Alt- gegen Neu-Anteile.2 Andernfalls wäre eine solche Fiktion nicht erforderlich bzw. hätte diese anders ausgestaltet werden müssen. Erfüllt die Verschmelzung nicht die Voraussetzungen des § 23 InvStG, stellt die Verschmelzung daher beim Anleger eine Veräußerung der Alt-Anteile dar, die nach den allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen unter Berücksichtigung der Regelungen des InvStG der Besteuerung unterliegen. Gleichzeitig führt die Verschmelzung zu einer Anschaffung der neu ausgegebenen Anteile an dem übernehmenden Investmentfonds. Als Veräußerungspreis der Alt-Anteile und Anschaffungskosten der neu ausgegebenen Anteile ist der gemeine Wert der Anteile an dem übertragenden Investmentfonds zum Zeitpunkt des Übertragungsstichtags anzusetzen.3 Aus der Sicht des übertragenden Investmentfonds stellt die Verschmelzung eine 1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.5 f.; Kuhn in BeckOK, § 23 InvStG Rz. 38 (Stand: Mai 2022); Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 23 InvStG Anm. 25 (Stand: August 2021); Wenzel in Brandis/Heuermann, § 23 InvStG Rz. 15 (Stand: März 2022). 2 Ob diese Annahme in der Sache zutrifft, ist allerdings zweifelhaft. Nach § 190 Abs. 1 Nr. 3 KAGB erlischt der übertragende Investmentfonds mit Wirksamkeit der Verschmelzung und damit auch die Anteile an dem Investmentfonds. Ein Übergang der Anteile auf einen Dritten, wie er im Fall eines Tausches oder eines tauschähnlichen Vorgangs grds. erfolgt, findet gerade nicht statt. Insoweit steht die Regelung in einem gewissen Widerspruch zu § 13 Abs. 1 UmwStG, der für den im Ausgangspunkt insoweit vergleichbaren Fall einer Verschmelzung von Körperschaften eine Veräußerung der Anteile an der übertragenden Körperschaft und die Anschaffung der Anteile an der übernehmenden Körperschaft fingiert („gelten“). Auch im aufsichtsrechtlichen Schrifttum wird mit Verweis auf § 190 Abs. 3 KAGB die Auffassung vertreten, eine Verschmelzung führe nicht zum Tausch der untergehenden Anteile gegen die neu ausgegebenen Anteile (vgl. z.B. Kunschke/Herring in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 190 KAGB Rz. 9 [Stand: Juni 2016]). Allerdings steht diese Annahme im Einklang mit der Rspr. des BFH, wonach die Verschmelzung von Körperschaften auf Ebene der Gesellschafter einen tauschähnlichen Vorgang darstelle, bei dem die Gesellschafter der übertragenden Körperschaft ihre Anteile an dieser Gesellschaft gegen Anteile an der übernehmenden Körperschaft „tauschen“, ohne dass es zu einem Rechtsträgerwechsel komme (BFH v. 11.7.2012 – I R 47/11, BFH/NV 2013, 18; v. 24.1.2018 – I R 48/15, BStBl. II 2019, 45 = FR 2018, 752 m. Anm. Glahe). 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.6. Hasbach | 467

§ 23 Rz. 2 | Verschmelzung von Investmentfonds entgeltliche Übertragung von Vermögen auf einen Dritten dar, die unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 InvStG zu einer beschränkten StPfl. führen kann.1 Als Gegenleistung („Veräußerungsentgelt“) werden den Anlegern des übertragenden Investmentfonds neue Anteile an dem übernehmenden Investmentfonds gewährt.

II. Rechtsentwicklung 3 Gesetzliche Regelungen zur Übertragung sämtlicher Vermögensgegenstände von einem In-

vestmentvermögen auf ein anderes Investmentvermögen wurden erstmals mit dem Gesetz zur Modernisierung des Investmentwesens und zur Besteuerung von Investmentvermögen (Investmentmodernisierungsgesetz) v. 15.12.20032 geschaffen. Das Gesetz enthielt sowohl Regelungen zu dem aufsichtsrechtlichen Rahmen, unter dem eine Übertragung sämtlicher Vermögensgegenstände zulässig sein sollte (§ 40 InvG a.F.), als auch mit § 14 InvStG a.F. eine steuerliche Vorschrift, durch die die Steuerneutralität gewährleistet werden sollte.3

4 Bereits mit dem Gesetz zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht und

zur Änderung weiterer Vorschriften (Richtlinien-Umsetzungsgesetz) v. 9.12.20044 wurde § 14 InvStG a.F. vollständig neu gefasst. Dabei wurde u.a. klargestellt, dass nur die Übertragung aller Vermögensgegenstände von Sondervermögen i.S.d. § 40 InvG a.F., nicht aber von Investmentaktiengesellschaften steuerneutral möglich sein sollte. Die Begünstigung der Verschmelzung von Investmentaktiengesellschaften sollte einem späteren Gesetzgebungsverfahren vorbehalten bleiben.5 Zusätzlich wurde mit § 17a InvStG a.F. erstmals eine Regelung zur steuerlichen Behandlung von Verschmelzungen ausländischer Investmentvermögen geschaffen. Die Änderung des § 14 InvStG a.F. sowie die Einfügung des § 17a InvStG a.F. erfolgten rückwirkend mit Wirkung für alle nach dem 31.12.2003 beginnenden Geschäftsjahre.

5 Weitere kleinere – zum Teil nur redaktionelle – Änderungen der § 14, § 17a InvStG a.F. erfolg-

ten mit dem Gesetz zur Neuorganisation der Bundesfinanzverwaltung und zur Schaffung eines Refinanzierungsregisters v. 22.9.2005,6 dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.8.20077 und dem JStG 2009 v. 19.12.2008.8

6 Infolge des durch die Finanzkrise entstandenen Drucks zur Zusammenlegung von Invest-

mentvermögen wurde der Anwendungsbereich von § 14 InvStG a.F. mit dem Gesetz zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen (Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung) v. 16.7.20099 auf Investmentaktiengesellschaften erweitert.10 Allerdings wurde eine Erweiterung nur für Publikums-Investmentvermögen vorgenommen. Zusätzlich wurde klargestellt, dass auch mehrere, zeitgleiche Übertragungen auf ein übernehmendes Investmentvermögen von § 14 InvStG a.F. erfasst sein sollen. Auch § 17a InvStG a.F. wurde ergänzt. Dabei wurde der Anwendungsbereich auch auf solche Investmentvermögen erweitert, die keine Sondervermögen waren. Ferner wurden seitdem auch Verschmelzungen innerhalb von EWR-Staaten erfasst, mit denen Amtshilfe- und Auskunftsabkommen bestan-

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.5; Kuhn in BeckOK, § 23 InvStG Rz. 38 (Stand: Mai 2022). 2 BGBl. I 2003, 2676. 3 BT-Drucks. 15/1553, 129 f. 4 BGBl. I 2004, 3310. 5 BT-Drucks. 15/3677, 49. 6 BGBl. I 2005, 2809. 7 BGBl. I 2007, 1912. 8 BGBl. I 2008, 2794. 9 BGBl. I 2009, 1959. 10 BT-Drucks. 16/13429, 53.

468 | Hasbach

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 10 § 23

den. Des Weiteren wurde die Einschränkung eingefügt, dass die beteiligten Investmentvermögen Rechtsträger „desselben“ Staates sein müssen. Nach kleineren Änderungen durch das JStG 2010 v. 8.12.20101 wurde § 14 InvStG a.F. im 7 Rahmen des OGAW-IV-Umsetzungsgesetzes v. 22.6.20112 umfangreicher geändert und an die einschneidenden Änderungen des InvG angepasst. So wurde u.a. der Anwendungsbereich auf die alleinige Beteiligung inländischer Sondervermögen beschränkt und für die aufsichtsrechtlich seither zulässige Zahlung eines Barausgleichs ein eigener Tatbestand geschaffen. Zusätzlich wurde ergänzt, dass ein vom Geschäftsjahresende abweichender Verschmelzungsstichtag als steuerlicher Übertragungsstichtag galt. Darüber hinaus wurde eine gesetzliche Regelung für die in der Praxis bedeutsame Frage geschaffen, zu welchem Zeitpunkt der übernehmende Rechtsträger das übernommene Vermögen in seiner Vermögensaufstellung anzusetzen hat (Beginn des dem Verschmelzungsstichtag folgenden Tags).3 Ferner wurde mit dem OGAW-IV-Umsetzungsgesetz auch § 17a InvStG a.F. geändert. Seither knüpfte die Regelung u.a. nicht mehr an den gemeinsamen Sitz, sondern an das gemeinsame Aufsichtsrecht der an der Verschmelzung beteiligten Investmentvermögen an. Mit dem AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz v. 23.12.20134 erfolgten zuletzt die erforderlichen 8 redaktionellen Anpassungen der Verweise und der Terminologie an das Kapitalanlagegesetzbuch, das zum 22.7.2013 das Investmentgesetz ablöste.5 Anlässlich der Investmentsteuerreform 20186 wurden auch die Vorschriften über die Ver- 9 schmelzung von Investmentfonds neu konzipiert und die Verschmelzung von inländischen und ausländischen Investmentfonds einheitlich in § 23 InvStG geregelt.7 Dabei wurden die wesentlichen Regelungen der § 14, § 17a InvStG a.F. übernommen. Für die Verschmelzung von Spezial-Investmentfonds und Altersvorsorgevermögenfonds wurde mit § 54 InvStG eine eigenständige Regelung geschaffen, die jedoch im Wesentlichen auf § 23 InvStG verweist. § 23 InvStG ist erstmalig anwendbar auf Verschmelzungen, die nach dem 31.12.2017 wirksam werden (§ 56 Abs. 1 Satz 1 InvStG). Dies gilt auch für die Verschmelzung von Investmentfonds mit einem vom Kalenderjahr abweichenden Geschäftsjahr, da für diese für steuerliche Zwecke ein Rumpfgeschäftsjahr zum 31.12.2017 als beendet gilt (§ 56 Abs. 1 Satz 3 InvStG).

III. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG a) Verhältnis zu § 5a InvStG § 5a InvStG enthält Spezialregelungen für die Übertragung eines einzelnen Wirtschaftsguts 10 oder mehrerer Wirtschaftsgüter durch den Anleger in das Vermögen eines Investmentfonds. Erfolgt die Übertragung aus dem Betriebsvermögen des Anlegers, ist bei der Übertragung der Teilwert des Wirtschaftsguts anzusetzen (§ 5a Satz 1 InvStG). Erfolgt die Übertragung aus

1 BGBl. I 2010, 1768. 2 BGBl. I 2011, 1126. 3 Mit der Regelung wurde die bereits zuvor gängige Verwaltungspraxis kodifiziert; vgl. BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 – 1/08/10019, BStBl. I 2009, 931 Rz. 236. 4 BGBl. I 2013, 4318. 5 Vgl. Art. 1 und 2a des AIFM-Umsetzungsgesetzes v. 4.7.2013, BGBl. I 2013, 1981. 6 InvStRefG v. 19.7.2016, BGBl. I 2016, 1730. 7 Bereits der Diskussionsentwurf eines InvStRefG v. 21.7.2015 enthielt mit § 18 InvStG-E eine Vorschrift über die steuerlichen Folgen einer Verschmelzung von inländischen und ausländischen Investmentfonds, die sich allerdings von der letztlich in Kraft getretenen Regelung sprachlich und inhaltlich unterschied. Hasbach | 469

§ 23 Rz. 10 | Verschmelzung von Investmentfonds dem Privatvermögen des Anlegers, gilt die Übertragung als Veräußerung zum gemeinen Wert (§ 5a Satz 2 InvStG). Die Regelungen sind unabhängig davon anzuwenden, ob dem Anleger im Zusammenhang mit der Übertragung neue Anteile an dem Investmentfonds ausgegeben werden (§ 5a Satz 3 InvStG). § 5a InvStG dient dem Zweck, eine Verlagerung der in den übertragenen Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven auf einen Investmentfonds zu vermeiden (§ 5a InvStG Rz. 1). 11 Zwar werden auch im Rahmen einer Verschmelzung Wirtschaftsgüter auf einen Investment-

fonds übertragen. Allerdings stammen diese nicht – außer im Fall einer „downstream-Verschmelzung“ – aus dem Vermögen des Anlegers, sodass § 5a InvStG schon tatbestandlich nicht auf die Verschmelzung von Investmentfonds anwendbar ist.1 Wird ein Dach-Investmentfonds auf einen Ziel-Investmentfonds verschmolzen („downstream-Verschmelzung“), ist die mit der Verschmelzung einhergehende Übertragung der Wirtschaftsgüter nach dem Wortlaut grds. von § 5a InvStG erfasst. Im Anwendungsbereich des § 23 InvStG geht diese spezielle Regelung § 5a InvStG allerdings vor (lex specialis).

b) Verhältnis zu § 54 InvStG 12 § 54 InvStG enthält ebenfalls Regelungen zu den steuerlichen Folgen einer Verschmelzung

von Investmentvermögen. Während sich § 23 InvStG auf die Verschmelzung von Investmentfonds (Kapitel 2) bezieht, fällt in den Anwendungsbereich von § 54 InvStG die Verschmelzung von Spezial-Investmentfonds (Kapitel 3) und Altersvorsorgevermögenfonds (Kapitel 4). Die Anwendungsbereiche beider Vorschriften überschneiden sich damit nicht. Allerdings erklärt § 54 InvStG die Vorschrift des § 23 InvStG für entsprechend anwendbar. 2. Verhältnis zu Vorschriften außerhalb des InvStG a) Verhältnis zu § 20 Abs. 4a EStG

13 § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG ermöglicht einen aufgrund von gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen

vollzogenen, steuerneutralen Tausch von Anteilen an einer Körperschaft, Vermögensmasse oder Personenvereinigung gegen Anteile an einer anderen Körperschaft, Vermögensmasse oder Personenvereinigung. Zur Rechtslage vor der Investmentsteuerreform 2018 war umstritten, ob die nicht von § 14, § 17a InvStG a.F. erfassten Verschmelzungen in den Anwendungsbereich von § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG fielen.2 Die FinVerw. lehnte dies ab.3 In § 19 Abs. 1 Satz 2 InvStG hat der Gesetzgeber nun ausdrücklich geregelt, dass § 20 Abs. 4a EStG bei der Ermittlung von Gewinnen aus der Veräußerung von Investmentanteilen nicht anzuwenden ist (s. hierzu § 19 InvStG Rz. 24). Erfüllt eine Verschmelzung nicht die Voraussetzungen des § 23 InvStG und unterliegt sie damit den allgemeinen ertrag- und investmentsteuerlichen Regelungen (s. hierzu Rz. 2), bleibt § 20 Abs. 4a EStG damit auf Ebene der Anleger unberücksichtigt.4

1 Etwas anderes würde allerdings gelten, sofern man die Verschmelzung als einen liquidationsähnlichen Vorgang qualifizieren würde, bei dem das Vermögen des übertragenden Investmentfonds steuerlich zunächst als an die Anleger ausgeschüttet und sodann als von den Anlegern – unter Berücksichtigung von § 5a InvStG – in den übernehmenden Investmentfonds eingelegt gilt (s. hierzu Rz. 2). 2 Eine Anwendung bejahend: Ebner/Helios, BB 2010, 1631 (1641); Helios/Bickert in Moritz/Jesch, InvStG, 1. Aufl. 2015, § 14 InvStG 2004 Rz. 11; Patzner/Bruns, IStR 2009, 668 (674 f.); Brinkmann in Haase2, § 17a InvStG 2004 Rz. 86 ff.; a.A. Riegel/Königer in Baur/Tappen, Investmentgesetze, 3. Aufl. 2015, § 17a InvStG 2004 Rz. 4. 3 BMF v. 18.1.2016 – IV C 1 - S 2252/08/10004:017, BStBl. I 2016, 85 Rz. 100. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 19.3, 23.6.

470 | Hasbach

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 16 § 23

b) Verhältnis zu Vorschriften des UmwStG Nach der überwiegenden Auffassung zur Rechtslage vor der Investmentsteuerreform 2018 14 sollten die Regelungen des UmwStG nicht auf die Verschmelzung von Investmentfonds anwendbar sein.1 Investmentfonds in der Vertragsform seien keine verschmelzungsfähigen Unternehmensformen i.S.d. § 3 Abs. 1, 2 UmwG, sodass das UmwG und infolgedessen auch das UmwStG keine Anwendung fänden.2 Im Übrigen scheitere eine Anwendung der §§ 11 ff. UmwStG auf die Verschmelzung von Investmentfonds (z.B. Investmentaktiengesellschaften) daran, dass (Spezial-)Investmentfonds nach § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG a.F. von der KSt befreit seien, § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG jedoch voraussetze, dass das übergehende Vermögen der Besteuerung mit KSt unterliege.3

Zutreffend daran ist, dass die Verschmelzung von Investmentfonds in Vertragsform grds. keinen 15 Vorgang i.S.d. §§ 2 ff. UmwG darstellt.4 Dies schließt jedoch die Anwendbarkeit des UmwStG nicht aus.5 Das UmwStG erfasst auch Umwandlungen, die nicht im UmwG geregelt sind (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwStG i.V.m. § 1 Abs. 2 UmwG). Voraussetzung ist, dass diese Umwandlung durch Bundes- oder Landesgesetz ausdrücklich vorgesehen ist (§ 1 Abs. 2 UmwG) und sie einer Umwandlung i.S.d. § 1 Abs. 1 UmwG entspricht (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwStG). Die Verschmelzung von Investmentfonds nach §§ 181 ff., § 281 KAGB ist eine durch Bundes- 16 gesetz ausdrücklich geregelte Umwandlung außerhalb des UmwG und fällt daher unter § 1 Abs. 2 UmwG.6 Zudem ist die Verschmelzung nach Maßgabe der von der FinVerw. angewandten Kriterien mit einer Verschmelzung i.S.d. § 1 Abs. 1 UmwG vergleichbar:7 – Vergleichbarkeit der beteiligten Rechtsträger. Die aktive und passive Umwandlungsfähigkeit8 ergibt sich in den Fällen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwStG unmittelbar aus den bundes- bzw. landesrechtlichen Regelungen,9 d.h. hier aus den §§ 181 ff., § 281 KAGB. Ein 1 Dörschmidt in Haase2, § 14 InvStG 2004 Rz. 10 ff.; Helios/Bickert in Moritz/Jesch, 1. Aufl., § 14 InvStG 2004 Rz. 27; Kuhn in BeckOK, § 14 InvStG 2004 Rz. 26.1 (Stand: November 2021); Obermann/Brill/ Heeren, DStZ 2009, 152 (156). 2 Dörschmidt in Haase2, § 14 InvStG 2004 Rz. 10; Helios/Bickert in Moritz/Jesch, InvStG, 1. Aufl. 2015, § 14 InvStG 2004 Rz. 27; Kuhn in BeckOK, § 14 InvStG 2004 Rz. 26.1 (Stand: November 2021); Obermann/Brill/Heeren, DStZ 2009, 152 (156); so auch zur Rechtslage nach der Investmentsteuerreform 2018 Helios/Lindau in Moritz/Jesch/Mann2, § 23 InvStG Rz. 23, § 54 InvStG Rz. 5; Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 23 InvStG Anm. 1 (Stand: August 2021); Mann in Brandis/Heuermann, § 54 InvStG Rz. 7 (Stand: Mai 2020) (zu § 54 InvStG). 3 Helios/Bickert in Moritz/Jesch, InvStG, 1. Aufl. 2015, § 14 InvStG 2004 Rz. 28. 4 Obermann/Brill/Heeren, DStZ 2009, 152 (154); Patzner/Bruns, IStR 2009, 668 (670); Zinkeisen, DB 1996, 497 (498). 5 S. hierzu auch Hasbach, FR 2018, 1117 (1123 ff.). 6 Sagasser in Sagasser/Bula/Brünger, UmwG, 5. Aufl. 2017, § 2 Rz. 14 f.; a.A. Wenzel in Brandis/Heuermann, § 23 InvStG Rz. 10 (Stand: März 2022); zu § 40 InvG s. Klett/Brenncke in Kraft/Edelmann/ Bron, UmwStG, 2. Aufl. 2019, Kap. I Rz. 3. 7 Zu den allgemeinen Vergleichbarkeitskriterien s. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 – b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.07 i.V.m. Rz. 01.24 ff.; Graw in Rödder/Herlinghaus/ van Lishaut, UmwStG, 3. Aufl. 2019, § 1 Rz. 100 i.V.m. Rz. 52 ff.; Möhlenbrock in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 1 UmwStG Rz. 40 i.V.m. 95 ff. (Stand: Dezember 2015); Mückl in BeckOK, § 1 UmwStG Rz. 133 i.V.m. Rz. 165 ff. (Stand: Juni 2022). 8 Die „aktive Umwandlungsfähigkeit“ bezieht sich auf die Zulassung zum Kreis der umwandlungsfähigen Rechtsträger überhaupt, die „passive Umwandlungsfähigkeit“ hingegen auf die Zulässigkeit der Umwandlung mit einem Umwandlungspartner bestimmter Rechtsform (vgl. Graw in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 3. Aufl. 2019, § 1 Rz. 100, Fn. 4). 9 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 – b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.07; Graw in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 3. Aufl. 2019, § 1 Rz. 100; Möhlenbrock in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 1 UmwStG Rz. 40 (Stand: Dezember 2015); Mückl in BeckOK, § 1 UmwStG Rz. 133 (Stand: Juni 2022). Hasbach | 471

§ 23 Rz. 16 | Verschmelzung von Investmentfonds weiterer Rechtstypenvergleich (z.B. mit den in § 3 Abs. 1 und 2 UmwG genannten Unternehmensformen) ist nicht vorzunehmen. – Vergleichbarkeit der Rechtsnatur bzw. der Rechtsfolgen des Umwandlungsvorgangs. Eine Verschmelzung von Investmentfonds nach §§ 181 ff., § 281 KAGB ist zudem in den sie prägenden Strukturmerkmalen1 mit einer Verschmelzung i.S.d. § 1 Abs. 1 UmwG vergleichbar. Die Verschmelzung von Investmentfonds führt zu einer Übertragung des gesamten Aktiv- und Passivvermögens durch einen oder mehrere Investmentfonds auf einen übernehmenden Investmentfonds (§ 1 Abs. 19 Nr. 27 KAGB). Die Vermögensübertragung erfolgt aufgrund eines Rechtsgeschäfts, Grundlage ist der Verschmelzungsplan (§ 184 KAGB).2 Mit Wirksamkeit der Verschmelzung gehen alle Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten kraft Gesetzes von dem übertragenden auf den übernehmenden Investmentfonds über (§ 190 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 KAGB). Die Übertragung erfolgt gegen Gewährung von Anteilen an dem übernehmenden Investmentfonds an die Anteilsinhaber des übertragenden Investmentfonds (§ 1 Abs. 19 Nr. 37, § 190 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 KAGB). Letztlich führt die Verschmelzung zur Auflösung ohne Abwicklung des übertragenden Investmentfonds (§ 1 Abs. 19 Nr. 37, § 190 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 3 KAGB). – Sonstige Vergleichskriterien. Auch erfüllt eine Verschmelzung von Investmentfonds nach §§ 181 ff., § 281 KAGB die sonstigen Vergleichskriterien, die nach Auffassung der FinVerw. im Rahmen des Rechtstypenvergleichs beachtlich sind.3 So dürfen bspw. an Anleger des übertragenden Investmentfonds – ähnlich wie bei Zuzahlungen nach § 54 Abs. 4 UmwG – lediglich Barzahlungen i.H.v. maximal 10 % des Werts eines Anteils am übertragenden Investmentfonds geleistet werden (§ 1 Abs. 19 Nr. 37 KAGB). 17 Die Verschmelzung von Investmentfonds würde danach grds. in den Anwendungsbereich des

UmwStG (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwStG i.V.m. § 1 Abs. 2 UmwG) und unter die Regelungen der §§ 11 ff. UmwStG fallen. Damit stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von § 23 InvStG und §§ 11 ff. UmwStG. So könnte ein Rückgriff auf die §§ 11 ff. UmwStG durch die speziellere Regelung des § 23 InvStG gesperrt sein.4 Gegen eine Qualifikation als abschließende Regelung lässt sich anführen, dass sich die Regelungsbereiche, Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen von § 23 InvStG einerseits und von §§ 11 ff. UmwStG andererseits deutlich voneinander unterscheiden. Jedenfalls bei der Verschmelzung von Investmentfonds, die nicht unter § 23 InvStG fallen (z.B. grenzüberschreitende Verschmelzungen, Verschmelzungen zwischen Investmentfonds und Spezial-Investmentfonds, Verschmelzung eines Investmentfonds mit einem nicht in den Anwendungsbereich des InvStG fallenden Rechtsträger), sollte eine Anwendung der umwandlungsteuerrechtlichen Vorschriften nicht durch § 23 InvStG gesperrt sein.5 1 Zu den Strukturmerkmalen einer Verschmelzung s. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 – b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.30; Graw in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 3. Aufl. 2019, § 1 Rz. 64 ff.; Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl, UmwG/UmwStG, 9. Aufl. 2020, § 1 UmwStG Rz. 34 ff.; Möhlenbrock in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 1 UmwStG Rz. 103 ff. (Stand: Dezember 2015). 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 – b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.07 i.V.m. Rz. 01.30 f.; Möhlenbrock in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 1 UmwStG Rz. 108 (Stand: Dezember 2015). 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 – b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 01.07 i.V.m. Rz. 01.40. 4 In diesem Sinne BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.10; anders aber u.U. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 49.4. 5 Kuhn in BeckOK, § 23 InvStG Rz. 44.1 (Stand: Mai 2022); weitergehend Link (in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 23 InvStG Anm. 1 [Stand: August 2021]), nach dem die umwandlungssteuerrechtlichen Vorschriften – auch im Anwendungsbereich von § 23 InvStG – parallel anwendbar seien; a.A. Helios/Lindau in Moritz/Jesch/Mann2, § 23 InvStG Rz. 1, 23, § 54 InvStG Rz. 7; Mann in W/B/A3, Anh. 1 § 23 InvStG Rz. 2; Mann in Brandis/Heuermann, § 54 InvStG Rz. 9 (Stand: Mai 2020) (zu § 54 InvStG).

472 | Hasbach

B. Verschmelzung von inländischen Investmentfonds (Abs. 1 bis 3) | Rz. 20 § 23

Ist danach eine Anwendung der §§ 11 ff. UmwStG auf die Verschmelzung von Investment- 18 fonds nicht prinzipiell ausgeschlossen, stellt sich die Frage, ob auch eine Verschmelzung zum Buchwert oder Zwischenwert nach § 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG möglich ist. Dies setzt u.a. voraus, dass sichergestellt ist, dass die übergehenden Wirtschaftsgüter später bei dem übernehmenden Investmentfonds der Besteuerung mit KSt unterliegen. Zur Rechtslage vor der Investmentsteuerreform 2018 wurde hierzu vertreten, dass (spätestens) an diesem Tatbestandsmerkmal eine steuerneutrale Verschmelzung nach dem UmwStG scheitern würde, da Investmentfonds von der KSt befreit seien (§ 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG a.F.).1 Nach der Investmentsteuerreform 2018 lässt sich dieser Einwand nicht mehr aufrechterhalten.2 Investmentfonds sind seither nach § 6 Abs. 1 und 2 InvStG (partiell) körperschaftsteuerpflichtig. Eine vollständige Befreiung von der KSt, wie sie in § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG vorgesehen war, enthält das InvStG grds. nicht mehr (Ausnahme z.B. § 10 InvStG).3

B. Verschmelzung von inländischen Investmentfonds (Abs. 1 bis 3) I. Anwendungsbereich (Abs. 1) 1. Persönlicher Anwendungsbereich Die Regelungen in § 23 InvStG sind an der Verschmelzung von inländischen Investment- 19 fonds ausgerichtet. Abs. 1 Satz 1 InvStG knüpft hieran an. § 23 InvStG ist auf alle in § 1 Abs. 2 und 3 InvStG definierten Investmentfonds anwendbar, mit Ausnahme von Spezial-Investmentfonds i.S.d. § 26 InvStG sowie Altersvorsorgevermögenfonds i.S.d. § 53 InvStG, für die mit § 54 InvStG eine spezielle Vorschrift existiert. Erfasst werden damit sowohl Investmentfonds der Vertragsform als auch Investmentfonds der Gesellschaftsform. Sind an der Verschmelzung haftungs- und vermögensrechtlich voneinander getrennte Teile eines Investmentfonds i.S.d. § 1 Abs. 4 InvStG (z.B. Teilgesellschaftsvermögen einer Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital) beteiligt, ist § 23 InvStG auch auf diese Teile eines Investmentfonds anwendbar. § 23 Abs. 1 InvStG setzt voraus, dass es sich sowohl bei dem übertragenden als auch bei dem 20 aufnehmenden Investmentfonds um inländische Investmentfonds handelt, d.h. solche, die dem inländischen Recht unterliegen (§ 2 Abs. 2 InvStG).4 Eine grenzüberschreitende Verschmelzung (cross-border merger) unter Beteiligung eines oder mehrerer inländischer Investmentfonds fällt nicht in den Anwendungsbereich von § 23 InvStG (zur Verschmelzung ausländischer Investmentfonds, die demselben Recht unterliegen, s. Rz. 56 ff.). Ebenso wenig ist eine Verschmelzung von Investmentfonds auf einen Spezial-Investmentfonds bzw. Altersvorsorgevermögenfonds und umgekehrt nach § 23 InvStG steuerneutral möglich („gekreuzte“ Verschmelzung).5 Gleiches gilt für die Verschmelzung eines Investmentfonds mit einem nicht 1 Helios/Bickert in Moritz/Jesch, InvStG, 1. Aufl. 2015, § 14 InvStG 2004 Rz. 28. 2 Helios/Lindau in Moritz/Jesch/Mann2, § 54 InvStG Rz. 6 (zu § 54 InvStG); Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 23 InvStG Anm. 1 (Stand: August 2021); Mann in Brandis/Heuermann, § 54 InvStG Rz. 8 (Stand: Mai 2020) (zu § 54 InvStG). 3 Die Regelung in BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978 – b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314 Rz. 11.07 i.V.m. Rz. 03.17, ist insoweit überholt. 4 Maßgeblich für die Bestimmung des Rechts, dem der Investmentfonds unterliegt, ist das Recht des Staates, unter dem der Investmentfonds aufgelegt wurde und nach dessen Bestimmungen sich die Ausgestaltung und die Anlagebedingungen des Investmentfonds richten (BMF-Anwendungsschreiben [konsolidierte Fassung]), Rz. 2.2). 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 54.1; zum aufsichtsrechtlichen Verbot einer Verschmelzung von Spezial-Investmentvermögen auf Publikums-Investmentvermögen s. § 181 Abs. 1 Satz 1, § 281 Abs. 1 Satz 1 KAGB. Hasbach | 473

§ 23 Rz. 20 | Verschmelzung von Investmentfonds dem InvStG unterliegenden Rechtsträger. In den Anwendungsbereich von § 23 Abs. 1 InvStG fällt damit die Verschmelzung: auf

Sondervermögen

InvAG*

TGV InvAG**

x (§ 181 KAGB)

x (§ 191 Abs. 1 Nr. 1 KAGB)

x (§ 191 Abs. 1 Nr. 1 KAGB)

x (§ 191 Abs. 3 KAGB)

x (§ 191 Abs. 3 KAGB)

x (§ 191 Abs. 3 KAGB)

x (§ 191 Abs. 1 Nr. 4 KAGB)

x (§ 191 Abs. 1 Nr. 3 KAGB)

x1 (§ 191 Abs. 1 Nr. 2, 3 KAGB)

von Sondervermögen InvAG* TGV InvAG**

*InvAG:

Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital i.S.d. § 108 KAGB

**TGV InvAG:

Teilgesellschaftsvermögen einer Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital i.S.d. § 117 KAGB

2. Sachlicher Anwendungsbereich 21 Zentrales Tatbestandsmerkmal des § 23 Abs. 1 Satz 1 InvStG ist die Verschmelzung von In-

vestmentfonds nach §§ 181 bis 191 KAGB.2 Das InvStG enthält selbst keine Definition für den Begriff der Verschmelzung. Maßgeblich ist daher die investmentrechtliche Begriffsbestimmung (§ 2 Abs. 1 InvStG). Nach § 1 Abs. 19 Nr. 37 KAGB ist unter Verschmelzung – die Auflösung ohne Abwicklung eines Sondervermögens, einer Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital oder einer offenen Investmentkommanditgesellschaft – durch Übertragung sämtlicher Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten – eines (bzw. zweier) oder mehrerer offener Investmentvermögen – auf ein anderes bestehendes (bzw. neues, dadurch gegründetes) übernehmendes Sondervermögen, auf einen anderen bestehenden (bzw. neuen, dadurch gegründeten) übernehmenden EU-OGAW, auf eine andere bestehende (bzw. neue, dadurch gegründete) übernehmende Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital oder auf eine andere bestehende (bzw. neue, dadurch gegründete) übernehmende offene Investmentkommanditgesellschaft – gegen Gewährung von Anteilen bzw. Aktien des übernehmenden Investmentvermögens an die Anleger bzw. Aktionäre des übertragenden Investmentvermögens sowie – ggf. einer Barzahlung i.H.v. nicht mehr als 10 % des Werts eines Anteils oder einer Aktie am übertragenden Investmentvermögen

1 Sowohl auf ein anderes TGV derselben InvAG (Nr. 2) als auch auf ein TGV einer anderen InvAG (Nr. 3). 2 §§ 181 ff. KAGB regeln unmittelbar nur die Verschmelzung von Publikums-Investmentvermögen. In den Anwendungsbereich von § 23 Abs. 1 Satz 1 InvStG fallen aber auch Verschmelzungen, auf die die §§ 181 ff. KAGB nicht unmittelbar, sondern nur entsprechend anwendbar sind (z.B. Verschmelzung von Spezial-AIF nach § 281 KAGB, die nicht die Voraussetzungen eines Spezial-Investmentfonds i.S.d. § 26 InvStG erfüllen), vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.9; s. hierzu auch Helios/Lindau in Moritz/Jesch/Mann2, § 23 InvStG Rz. 7; Kuhn in BeckOK, § 23 InvStG Rz. 17 (Stand: Mai 2022); Lindauer in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 23 InvStG Rz. 19 (Stand: März 2020); Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 54 InvStG Anm. 5 (Stand: August 2021).

474 | Hasbach

B. Verschmelzung von inländischen Investmentfonds (Abs. 1 bis 3) | Rz. 24 § 23

zu verstehen. Die weitere in § 181 Abs. 2 KAGB angesprochene Verschmelzung i.S.d. Art. 2 Abs. 1 Buchst. p Ziff. iii der RL 2009/65/EG („Scheme of Arrangement“/„Scheme of Amalgamation“)1 hat im Rahmen des § 23 InvStG keine Bedeutung, da diese Verschmelzungsvariante nicht für rein inländische, sondern lediglich für grenzüberschreitende Verschmelzungen vorgesehen ist2 und grenzüberschreitende Verschmelzungen von der Anwendung des § 23 InvStG ausgeschlossen sind (Rz. 20). Entsprechendes gilt für Verschmelzungen nach § 191 Abs. 2 KAGB (Verschmelzung eines EU-OGAW auf eine OGAW-Investmentaktiengesellschaft oder auf ein Teilgesellschaftsvermögen einer OGAW-Investmentaktiengesellschaft). Zwar fehlt § 23 InvStG eine mit § 14 Abs. 8 InvStG a.F. vergleichbare Regelung. Dennoch ist 22 § 23 InvStG auch auf die zeitgleiche Verschmelzung von mehreren Investmentfonds auf einen übernehmenden Investmentfonds anwendbar.3 Dies folgt aus der Anknüpfung an den investmentrechtlichen Begriff der „Verschmelzung“ in § 1 Abs. 19 Nr. 37 KAGB, wonach eine Verschmelzung die Übertragung sämtlicher Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten „eines oder mehrerer übertragender Investmentvermögen“ ist. § 23 InvStG erfasst sowohl die Verschmelzung zur Aufnahme als auch zur Neugründung. Nach § 96 Abs. 1 KAGB können Anteile an einem Sondervermögen nach verschiedenen Aus- 23 stattungsmerkmalen unterteilt werden (Anteilklassen). Möglich ist bspw. die Unterteilung nach Ertragsverwendung (Ausschüttung, Thesaurierung), Ausgabeaufschlag oder Rückgabeabschlag. Auch wenn solche Anteilklassen gebildet werden, handelt es sich investmentrechtlich um ein einheitliches Sondervermögen. Auch steuerlich stellen Anteilklassen keine eigenständigen Körperschaftsteuersubjekte dar.4 Die Zusammenlegung solcher Anteilklassen ist daher ein steuerliches Nullum und fällt nicht in den Anwendungsbereich des § 23 InvStG.5 Der Investmentfonds führt die Anschaffungskosten unverändert fort, sodass die Zusammenlegung steuerneutral ohne Realisierung von stillen Reserven oder stillen Lasten erfolgt. Entsprechendes gilt auf Ebene der Anleger, auch wenn deren Anteile im Rahmen der Zusammenlegung ausgetauscht werden. Im Übrigen handelt es sich bei einer solchen Zusammenlegung von Anteilklassen nicht um eine Verschmelzung i.S.d. § 1 Abs. 19 Nr. 37 KAGB, da die Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten nicht auf einen anderen Rechtsträger übertragen werden, sodass auch aus diesem Grund eine Anwendung von § 23 InvStG ausscheidet.6 Die (bloße) Übertragung der Verwaltungsbefugnis eines Investmentfonds von einer Verwal- 24 tungsgesellschaft auf eine andere Verwaltungsgesellschaft fällt ebenfalls nicht in den Anwendungsbereich von § 23 Abs. 1 Satz 1 InvStG. Ungeachtet dessen, löst diese weder auf Ebene des Investmentfonds noch auf Ebene der Anleger steuerliche Folgen aus, da sich durch die Übertragung der Verwaltungsbefugnis die steuerliche Zurechnung der Vermögensgegenstände 1 Bei der Verschmelzung nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. p Ziff. iii der RL 2009/65/EG wird lediglich das Nettovermögen unter Zurückbehaltung der Verbindlichkeiten auf einen bestehenden oder neu gegründeten OGAW übertragen, sodass der übertragende OGAW bestehen bleibt, bis die Verbindlichkeiten getilgt sind. 2 Kunschke/Herring in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 181 KAGB Rz. 19 (Stand: Juni 2016); Sittmann/ Springer in W/B/A3, § 181 KAGB Rz. 7. 3 Helios/Lindau in Moritz/Jesch/Mann2, § 23 InvStG Rz. 10; Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG § 23 InvStG Anm. 5 (Stand: August 2021). 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.2; anders noch die Rechtslage vor der Investmentsteuerreform 2018, vgl. BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 – 1/08/10019 – DOK 2009/ 0539738, BStBl. I 2009, 931 Rz. 4. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.2 (wohl aber mit der Einschränkung, dass eine Zusammenlegung von Anteilklassen nur zum Geschäftsjahresende des Investmentfonds steuerneutral möglich sein soll); Helios/Lindau in Moritz/Jesch/Mann2, § 23 InvStG Rz. 17; Kuhn in BeckOK, § 23 InvStG Rz. 35 (Stand: Mai 2022); Lindauer in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 23 InvStG Rz. 28 (Stand: März 2020); Wenzel in Brandis/Heuermann, § 23 InvStG Rz. 14 (Stand: März 2022). 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.2. Hasbach | 475

§ 23 Rz. 24 | Verschmelzung von Investmentfonds des Investmentfonds sowie der den Anlegern zuzurechnenden Investmentanteile nicht ändert.1 25 Die Verschmelzung wird nach § 189 Abs. 1 KAGB grds. mit Ablauf des Geschäftsjahres des

übertragenden Sondervermögens wirksam, sofern – die Verschmelzung im laufenden Geschäftsjahr durch die BaFin genehmigt worden ist; – soweit erforderlich, die Hauptversammlungen der beteiligten Investmentvermögen zugestimmt haben; – die Werte des übernehmenden und des übertragenden Investmentvermögens zum Ende des Geschäftsjahres des übertragenden Investmentvermögens (Übertragungsstichtag) berechnet worden sind; – das Umtauschverhältnis der Anteile sowie ggf. der Barzahlung i.H.v. nicht mehr als 10 % des Nettoinventarwerts dieser Anteile zum Übertragungsstichtag festgelegt worden sind. Davon abweichend kann nach Maßgabe des § 189 Abs. 2 KAGB ein anderer Stichtag bestimmt werden, mit dessen Ablauf die Verschmelzung wirksam werden soll. Dieser muss allerdings zeitlich nach einer ggf. erforderlichen Zustimmung der Hauptversammlungen der beteiligten Investmentvermögen liegen. In diesem Fall sind die Werte der übertragenden und des übernehmenden Investmentvermögens i.S.d. § 189 Abs. 1 Nr. 3 KAGB sowie das Umtauschverhältnis i.S.d. § 189 Abs. 1 Nr. 4 KAGB zu diesem Stichtag zu berechnen bzw. festzulegen (§ 189 Abs. 2 Satz 3 KAGB). Eine Verschmelzung, die einmal wirksam geworden ist, kann nach § 189 Abs. 5 KAGB nicht mehr für nichtig erklärt werden.

26 Die Verschmelzung von Investmentvermögen wird damit nach § 189 Abs. 1 Nr. 1 KAGB nur

wirksam, wenn sie durch die BaFin nach § 182 KAGB genehmigt worden ist. Damit ist die Genehmigung durch die BaFin zugleich auch zwingende Voraussetzung für die Anwendung von § 23 InvStG. Unter welchen Voraussetzungen die Genehmigung zu erteilen ist, ergibt sich aus § 182 Abs. 5 KAGB. Die BaFin hat nach § 182 Abs. 5 Nr. 1 KAGB insb. zu prüfen, ob die geplante Verschmelzung den Anforderungen der §§ 183 bis 186 KAGB entspricht. Erteilt die BaFin die Genehmigung, wird die Verschmelzung auch dann wirksam, wenn die Voraussetzungen nicht vorgelegen haben sollten und die Genehmigung daher rechtswidrig sein sollte. Damit treten zugleich die investmentsteuerlichen Folgen des § 23 InvStG ein. Vor diesem Hintergrund besitzen die FinBeh. kein eigenes Recht, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 182 Abs. 5 KAGB zu prüfen.2 Sie sind daher auch dann an die Entsch. der BaFin gebunden, wenn diese rechtswidrig sein sollte. Solange die Genehmigung durch die BaFin wirksam ist, steht es der Steuerneutralität damit nicht entgegen, wenn die Voraussetzungen des § 182 Abs. 5 KAGB nicht vorgelegen haben sollten. Vergleichbares soll auch für Mängel in Bezug auf die Voraussetzungen des § 189 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 KAGB gelten.3 Etwas anderes gilt bei der Verschmelzung offener Spezial-AIF nach § 281 KAGB, da hier eine Genehmigung der BaFin nicht erforderlich ist (§ 281 Abs. 1 Satz 3 KAGB). In diesem Fall dürfen die aufsichtsrechtlichen Vorgaben für eine wirksame Verschmelzung durch die FinBeh. geprüft werden.4

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.3; Helios/Lindau in Moritz/Jesch/Mann2, § 23 InvStG Rz. 18. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.11; Helios/Lindau in Moritz/Jesch/ Mann2, § 23 InvStG Rz. 13; Kuhn in BeckOK, § 23 InvStG Rz. 20 (Stand: Mai 2022); Lindauer in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 23 InvStG Rz. 14 (Stand: März 2020); Wenzel in Brandis/Heuermann, § 23 InvStG Rz. 11 (Stand: März 2022). 3 Kuhn in BeckOK, § 23 InvStG Rz. 21.3 (Stand: Mai 2022). 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.12; Kuhn in BeckOK, § 23 InvStG Rz. 20 (Stand: Mai 2022); Lindauer in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 23 InvStG Rz. 21 (Stand: März 2020); Wenzel in Brandis/Heuermann, § 23 InvStG Rz. 11 (Stand: März 2022).

476 | Hasbach

B. Verschmelzung von inländischen Investmentfonds (Abs. 1 bis 3) | Rz. 29 § 23

Die Verschmelzung hat nach § 190 KAGB zur Folge, dass 27 – alle Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten des übertragenden Sondervermögens auf das übernehmende Sondervermögen übergehen; – die Anleger des übertragenden Sondervermögens Anleger des übernehmenden bzw. neu gegründeten Sondervermögens werden; dabei gelten die neuen Anteile an dem übernehmenden bzw. neu gegründeten Sondervermögen mit Beginn des Tages, der dem Übertragungsstichtag i.S.d. § 189 Abs. 1, 2 Satz 1 KAGB folgt, als ausgegeben (vgl. § 190 Abs. 3 KAGB); – die Anleger des übertragenden Sondervermögens Anspruch auf die Barzahlung haben, sofern diese im Verschmelzungsplan vorgesehen ist; dies gilt nicht, soweit das übernehmende Investmentvermögen Anteile an dem übertragenden Investmentvermögen hält; – die übertragenen Sondervermögen erlöschen.

II. Steuerliche Folgen auf Ebene der beteiligten Investmentfonds (Abs. 1 und 2) 1. Ansatz und Bewertung der übertragenen Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten (Abs. 1) a) Ansatz und Bewertung auf Ebene des übertragenden Investmentfonds Die Übertragung der Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten stellt bei dem übertra- 28 genden Investmentfonds grds. einen Veräußerungsvorgang dar, der nach allgemeinen ertragund investmentsteuerlichen Grundsätzen zur Zwangsrealisierung stiller Reserven führen würde (Rz. 2). Demgegenüber regelt § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvStG, dass der übertragende Investmentfonds die i.R.d. Verschmelzung übergehenden Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten mit den AK abzgl. Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung (fortgeführte Anschaffungskosten) anzusetzen hat. Der Ansatz des gemeinen Werts oder eines Zwischenwerts ist ausgeschlossen. Die Vorschrift ist zwingend; ein Wahlrecht – wie etwa aus dem UmwStG bekannt – besteht nicht.1 Werden die übertragenen Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten entgegen § 23 Abs. 1 Satz 1 InvStG nicht mit den fortgeführten AK beim übertragenden und übernehmenden Investmentfonds angesetzt, führt dies nicht zu einer Zwangsrealisation stiller Reserven. Stattdessen sind die Steuerfestsetzungen und die darin einbezogenen Einkünfte nach Maßgabe der allgemeinen abgabenrechtlichen Änderungsvorschriften zu korrigieren. De facto können durch eine Verschmelzung von inländischen Investmentfonds beim übertra- 29 genden Investmentfonds keine Übertragungsgewinne oder -verluste entstehen. Dies gilt auch im Hinblick auf die Kosten der Verschmelzung, da diese weder dem übertragenden noch dem übernehmenden Investmentfonds in Rechnung gestellt werden dürfen, sondern von der Kapitalverwaltungsgesellschaft zu tragen sind (§ 188 KAGB).2 Der zwingende Buchwertansatz hat allerdings auch zur Folge, dass negative Einkünfte des laufenden VZ sowie nicht ausgeglichene negative Einkünfte der vorangegangenen VZ i.S.d. § 6 Abs. 8 InvStG nicht durch den Ansatz eines über dem Buchwert liegenden Werts genutzt werden können (zum Übergang der

1 Helios/Lindau in Moritz/Jesch/Mann2, § 23 InvStG Rz. 24; Kuhn in BeckOK, § 23 InvStG Rz. 56 (Stand: Mai 2022); Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 23 InvStG Anm. 5 (Stand: August 2021); Wenzel in Brandis/Heuermann, § 23 InvStG Rz. 10, 16 (Stand: März 2022). 2 Etwas anderes kann ggf. bei der Verschmelzung von Spezial-AIF gelten, da hier § 188 KAGB nicht anwendbar ist (§ 281 Abs. 1 Satz 2 KAGB). Hasbach | 477

§ 23 Rz. 29 | Verschmelzung von Investmentfonds nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte auf den übernehmenden Investmentfonds s. Rz. 36 f.). 30 Steuerlicher Übertragungsstichtag ist nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvStG grds. das Ge-

schäftsjahresende des übertragenden Investmentfonds (z.B. 31.12., 24 Uhr). Bestimmen die beteiligten Investmentfonds nach § 189 Abs. 2 Satz 1 KAGB einen vom Geschäftsjahresende abweichenden Stichtag, zu dem die Verschmelzung wirksam werden soll, gilt dieser steuerlich als Geschäftsjahresende und damit als steuerlicher Übertragungsstichtag (§ 23 Abs. 1 Satz 2 InvStG). Für den übertragenden Investmentfonds ist ein Rumpfgeschäftsjahr zu bilden.1 b) Ansatz und Bewertung auf Ebene des übernehmenden Investmentfonds

31 Korrespondierend zu den Wertansätzen auf Ebene des übertragenden Investmentfonds hat

der übernehmende Investmentfonds die übernommenen Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten mit den fortgeführten AK anzusetzen (Buchwertverknüpfung; § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvStG). Ein steuerlicher Übernahmegewinn oder -verlust kann durch die Verschmelzung damit nicht entstehen. Nicht realisierte Gewinne und Verluste aus den Vermögensgegenständen und Verbindlichkeiten gehen auf den übernehmenden Investmentfonds über.

32 Der übernehmende Investmentfonds hat die übernommenen Vermögensgegenstände und

Verbindlichkeiten erstmals zu Beginn des dem Übertragungsstichtag folgenden Tages zu erfassen (z.B. 1.1., 0 Uhr). Eine doppelte Erfassung der übertragenen Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten sowohl beim übertragenden als auch beim übernehmenden Investmentfonds ist damit ausgeschlossen. Die Übernahme erfolgt in laufender Rechnung des übernehmenden Investmentvermögens und kann auch während eines Geschäftsjahres erfolgen.

33 Bei OGAW-Investmentfonds will es die FinVerw. nicht beanstanden, wenn der übernehmen-

de Investmentfonds die AK ausnahmsweise nicht fortführt. Entsprechend will die FinVerw. bei anderen Investmentfonds verfahren, wenn im Zeitpunkt der Verschmelzung sowohl der übertragende als auch der übernehmende Investmentfonds keine Vermögensgegenstände halten, die bei Veräußerung einer Besteuerung nach § 6 InvStG unterliegen.2 2. Steuerliche Rechtsnachfolge (Abs. 2) a) Vorbemerkung

34 Der übernehmende Investmentfonds tritt nach § 23 Abs. 2 InvStG in die steuerliche Rechts-

stellung des übertragenden Investmentfonds ein (steuerliche Rechtsnachfolge, „Fußstapfentheorie“). Die Regelung entspricht § 14 Abs. 3 Satz 2 InvStG a.F.3 Der übernehmende Investmentfonds kann sich auf alle steuerlich relevanten Umstände berufen, auf die sich auch der übertragende Investmentfonds hätte berufen können. Umgekehrt ist der übernehmende Investmentfonds aber auch an alle durch den übertragenden Investmentfonds begründeten, steuerlich relevanten Umstände gebunden. Die steuerliche Rechtsnachfolge bezieht sich allerdings nur auf Merkmale und Positionen, die auch der übernehmende Investmentfonds erfüllen bzw. innehaben kann, womit ggf. bestimmte, individuelle Merkmale und Positionen des übertragenden Investmentfonds von der steuerlichen Rechtsnachfolge nicht umfasst werden (z.B. Qualifikation als Aktien-, Misch- und Immobilienfonds i.S.d. § 2 Abs. 6, 7, 9 InvStG, Steuerbefreiung nach §§ 8, 10 InvStG). Die steuerliche Rechtsnachfolge tritt beim überneh1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.14; Lindauer in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 23 InvStG Rz. 26 (Stand: März 2020). 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.16. 3 BT-Drucks. 18/8045, 93.

478 | Hasbach

B. Verschmelzung von inländischen Investmentfonds (Abs. 1 bis 3) | Rz. 38 § 23

menden Investmentfonds zu Beginn des dem Übertragungsstichtag folgenden Tages ein, da er erst zu diesem Zeitpunkt die übernommenen Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten anzusetzen hat (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvStG). b) Fortführung der Bemessungsgrundlage und Methode für Zwecke der Abschreibungen Der übernehmende Investmentfonds hat bei der Ermittlung der Abschreibungen dieselben 35 Grundsätze anzuwenden, wie sie zuvor der übertragende Investmentfonds auf die übernommenen Vermögensgegenstände angewendet hat. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Bemessungsgrundlage und die Abschreibungsmethode.1 Soweit der übertragende Investmentfonds Wahlrechte ausgeübt hat, ist der übernehmende Investmentfonds hieran gebunden – es sei denn, die steuerlichen Vorschriften erlauben, ein einmal ausgeübtes Wahlrecht im Zeitablauf anderweitig ausüben zu dürfen. c) Nicht ausgeglichene negative Einkünfte i.S.d. § 6 Abs. 8 InvStG (Verlustvortrag) Nicht ausgeglichene negative Einkünfte i.S.d. § 6 Abs. 8 InvStG des übertragenden Invest- 36 mentfonds gehen mit der Verschmelzung auf den übernehmenden Investmentfonds über und mindern nach Maßgabe des § 6 Abs. 8 InvStG dessen positive Einkünfte in späteren VZ.2 Der Übergang der Verlustvorträge ist Folge der steuerlichen Rechtsnachfolge. § 23 Abs. 2 InvStG ist keine Einschränkung zu entnehmen, wonach der Übergang nicht ausgeglichener negativer Einkünfte ausgeschlossen sein könnte.3 Die auf den übernehmenden Investmentfonds übergehenden, nicht ausgeglichenen negativen 37 Einkünfte sind bei diesem erstmalig zu Beginn des dem Übertragungsstichtag folgenden Tages zu berücksichtigen.4 Erst zu diesem Zeitpunkt tritt die steuerliche Rechtsnachfolge bei dem übernehmenden Investmentfonds ein (Rz. 34). Entsprechendes gilt für die laufenden negativen Einkünfte des übertragenden Investmentfonds im Geschäftsjahr der Verschmelzung. Bei Verschmelzungen zum 31.12. sind die nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte (einschließlich der laufenden negativen Einkünfte im Geschäftsjahr der Verschmelzung) des übertragenden Investmentfonds gesondert festzustellen und erst im Folgenden VZ beim übernehmenden Investmentfonds zu berücksichtigen. Sollen sich die negativen Einkünfte des übertragenden Investmentfonds noch im VZ der Verschmelzung beim übernehmenden Investmentfonds auswirken, muss die Verschmelzung daher spätestens zum 30.12. erfolgen. d) Zurechnung von Fristen und Zeiträumen Soweit Fristen (z.B. Haltefristen) für die Besteuerung eines Investmentfonds von Bedeutung 38 sind, werden Zeiträume, in denen der übertragende Investmentfonds die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt, dem übernehmenden Investmentfonds zugerechnet.5 Maßgebend ist die ge-

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.15. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.15; Helios/Lindau in Moritz/Jesch/ Mann2, § 23 InvStG Rz. 31; Kuhn in BeckOK, § 23 InvStG Rz. 69 (Stand: Mai 2022); Lindauer in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 23 InvStG Rz. 24, 28 (Stand: März 2020); Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 23 InvStG Anm. 10 (Stand: August 2021); Wenzel in Brandis/Heuermann, § 23 InvStG Rz. 21 (Stand: März 2022). 3 So aber z.B. in § 4 Abs. 2 Satz 1 UmwStG. Auch nach Ansicht des Gesetzgebers gehen Verlustvorträge im Rahmen der Verschmelzung von Investmentfonds grds. mit über (BT-Drucks. 15/3677, 50). 4 Helios/Lindau in Moritz/Jesch/Mann2, § 23 InvStG Rz. 31; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 23 InvStG Rz. 21 (Stand: März 2022). 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.15; Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 23 InvStG Anm. 10 (Stand: August 2021). Hasbach | 479

§ 23 Rz. 38 | Verschmelzung von Investmentfonds meinsame Haltedauer beider Investmentfonds zusammen. Mit der Erweiterung der Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von Immobilien, die länger als zehn Jahre gehalten werden (§ 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 InvStG), hat die Zurechnung von Behaltensfristen mit der Investmentsteuerreform 2018 allerdings an Bedeutung verloren. Für die hierzu ergangene Übergangsregelung des § 6 Abs. 4 Satz 3 InvStG (Steuerfreiheit von vor dem 1.1.2018 eingetretenen Wertsteigerungen, sofern der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung mehr als zehn Jahre beträgt) ist dies jedoch weiterhin zu beachten.1

III. Steuerliche Folgen auf Ebene der Anleger (Abs. 3) 1. Vorbemerkung 39 § 23 Abs. 3 InvStG enthält Regelungen zur Besteuerung der Anleger, die infolge der Ver-

schmelzung ihre Anteile an dem übertragenden Investmentfonds verlieren und neue Anteile an dem übernehmenden Investmentfonds erhalten. Die Regelungen sind darauf gerichtet, eine Besteuerung beim Anteilseigner durch Aufdeckung von stillen Reserven zu vermeiden. § 23 Abs. 3 InvStG entspricht im Wesentlichen § 14 Abs. 4 InvStG a.F.2 2. Keine Tauschgewinnbesteuerung

40 Nach Auffassung des Gesetzgebers stellt die Verschmelzung von Investmentfonds aus Sicht

der an dem übertragenden Investmentfonds beteiligten Anleger grds. einen Tausch bzw. einen tauschähnlichen Vorgang dar, bei dem der Anleger für seine bisherigen Anteile neue Anteile an dem übernehmenden Investmentfonds erhält. Nach allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen würde dieser Tausch zur Aufdeckung von stillen Reserven führen (Rz. 2). Demgegenüber fingiert § 23 Abs. 3 Satz 1 InvStG, dass die Ausgabe neuer Anteile an dem übernehmenden Investmentfonds nicht als Tausch gilt.3 Eine (Tausch)Gewinnbesteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG i.V.m. § 16 Abs. 1 Nr. 3, § 19 InvStG findet somit nicht statt.4

41 Die Fiktion des § 23 Abs. 3 Satz 1 InvStG hat allerdings nicht nur Bedeutung für die Veräuße-

rungsgewinnbesteuerung im engeren Sinne. Aus ihr folgt, dass die Verschmelzung beim Anleger generell keine Veräußerung der Anteile darstellt. Knüpfen steuerliche Regelungen an die Veräußerung von Anteilen an Investmentfonds (oder allgemeiner von Wirtschaftsgütern) an, erfüllt eine Verschmelzung i.S.d. § 23 InvStG diese Voraussetzungen nicht. Eine Verschmelzung i.S.d. § 23 InvStG kann daher z.B. nicht die auf die Veräußerung von Anteilen hinausgeschobene Besteuerung fiktiver Veräußerungsgewinne i.S.d. § 22 Abs. 3, § 56 Abs. 3 Satz 1 InvStG auslösen. 3. Steuerliche Rechtsnachfolge a) Vorbemerkung

42 Statt der Besteuerung eines Tauschgewinns treten nach § 23 Abs. 3 Satz 2 InvStG die erworbe-

nen Anteile an dem übernehmenden Investmentfonds an die Stelle der Anteile an dem übertragenden Investmentfonds (steuerliche Rechtsnachfolge, „Fußstapfentheorie“). Die steuer1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 54.6 (zu § 54 InvStG). 2 BT-Drucks. 18/8045, 93. 3 Mit § 40 Sätze 5 und 6 InvG i.d.F. des Investmentänderungsgesetzes v. 21.12.2007 (BGBl. I 2007, 3089) enthielt das Aufsichtsrecht zeitweise eine mit § 14 Abs. 4 Satz 1 InvStG 2004 bzw. § 23 Abs. 3 Satz 1 InvStG vergleichbare Regelung. Hierdurch sollte eine Gleichbehandlung der Verschmelzung in der Handels- und Steuerbilanz des Anlegers gewährleistet werden (BT-Drucks. 16/5576, 68). 4 BT-Drucks. 18/8045, 93.

480 | Hasbach

B. Verschmelzung von inländischen Investmentfonds (Abs. 1 bis 3) | Rz. 45 § 23

liche Rechtsnachfolge ist das Gegenstück zu der Nichtaufdeckung stiller Reserven im Zeitpunkt der Verschmelzung und bezieht sich auf sämtliche, den Anteilen an dem übertragenden Investmentfonds anhaftenden steuerlichen Merkmale. Hierzu zählen u.a.: b) Ansatz und Bewertung der neu erhaltenen Investmentanteile Für im Privatvermögen gehaltene Anteile gelten die AK der untergehenden Anteile als AK 43 der neu erworbenen Anteile. Im Bereich des Betriebsvermögens sind die Buchwerte der untergehenden Anteile als Werte für die neu erhaltenen Anteile fortzuführen. Ein Wahlrecht zum Ansatz des Teilwerts oder gemeinen Werts besteht nicht.1 Stille Reserven, die in Anteilen an dem übertragenden Investmentfonds enthalten sind, gehen hierdurch auf die neu ausgegebenen Anteile über und unterliegen (erst) bei Veräußerung der neu erworbenen Anteile der Besteuerung. Werden die Anteile an dem übertragenden Investmentfonds nicht im Verhältnis 1:1 in Antei- 44 le an dem übernehmenden Investmentfonds umgetauscht und erhält der Anleger nominal mehr oder weniger Anteile, sind die AK bzw. Buchwerte der untergehenden Anteile neu zu allokieren und auf die neu erhaltenen Anteile gleichmäßig zu verteilen.2 Beispiel: A hält 100 Anteile an dem Investmentfonds X, für die ihm AK i.H.v. 1.000 € entstanden sind. Der Investmentfonds X wird auf den Investmentfonds Y verschmolzen. Im Zuge der Verschmelzung erhält A (1) 125 bzw. (2) 75 neue Anteile an dem Investmentfonds Y. Im Fall (1) betragen die AK der Anteile an dem Investmentfonds Y je Anteil 1.000 €/125 = 8 € und im Fall (2) 1.000 €/75 = 13,33 €.

Erhält der Anleger zusätzlich eine Ausgleichszahlung i.S.d. § 190 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 KAGB, hat dies auf die AK bzw. Buchwerte keine Auswirkungen, da die Zahlung als Kapitalertrag i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 InvStG gilt (§ 23 Abs. 3 Satz 3 InvStG; s. hierzu auch Rz. 55). Sind die Anteile an dem übertragenden Investmentfonds einem Betriebsvermögen zugeordnet 45 und hat der Anleger hierauf vor der Verschmelzung eine Teilwertabschreibung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG vorgenommen3, sind die geminderten Buchwerte der Altanteile als Wertansätze für die neu erworbenen Anteile fortzuführen. Erhält der Anleger nominal mehr oder weniger Anteile, als er bislang besessen hat, sind die geminderten Buchwerte entsprechend aufzuteilen (zur Aufteilung s. Rz. 44). Entfällt der Grund für die Teilwertabschreibung zu einem der Verschmelzung nachfolgenden Bilanzstichtag, hat unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 i.V.m. Nr. 1 Satz 4 EStG eine Wertzuschreibung bis maximal zur Höhe der historischen AK der Anteile an dem übertragenden Investmentfonds zu erfolgen.4 Ist der Anleger vor der Verschmelzung bereits an dem übernehmenden Investmentfonds beteiligt, kann die Verschmelzung u.U. zu einer Wertaufholung führen, auch wenn sich der Gesamtwert der Anteile des Anlegers nicht geändert hat.5 Dies droht insb. in Fällen, in denen

1 Helios/Lindau in Moritz/Jesch/Mann2, § 23 InvStG Rz. 34; Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 23 InvStG Anm. 15 (Stand: August 2021). 2 Helios/Lindau in Moritz/Jesch/Mann2, § 23 InvStG Rz. 34; Kuhn in BeckOK, § 23 InvStG Rz. 75.2 f. (Stand: Mai 2022). 3 Vgl. zu den Voraussetzungen einer Teilwertabschreibung auf Anteile an Investmentfonds BMF v. 2.9.2016 – IV C 6 - S 2171 – b/09/10002:002, BStBl. I 2016, 995. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.18; Kuhn in BeckOK, § 23 InvStG Rz. 76 (Stand: Mai 2022); Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 23 InvStG Anm. 15 (Stand: August 2021); Wenzel in Brandis/Heuermann, § 23 InvStG Rz. 23a (Stand: März 2022). 5 Zur vergleichbaren Problematik bei § 14 InvStG 2004 s. Bauer in Berger/Steck/Lübbehüsen, § 14 InvStG 2004 Rz. 63; Dörschmidt in Haase2, § 14 InvStG 2004 Rz. 126; Helios/Bickert in Moritz/Jesch, InvStG, 1. Aufl. 2015, § 14 InvStG 2004 Rz. 42; Kuhn in BeckOK, § 14 InvStG 2004 Rz. 55 ff. (Stand: November 2021). Hasbach | 481

§ 23 Rz. 45 | Verschmelzung von Investmentfonds sich der Buchwert und der Teilwert eines konkreten Investmentanteils nicht zweifelsfrei bestimmen lässt (z.B. bei girosammelverwahrten Anteilen). Beispiel: A hält im Betriebsvermögen 100 Anteile am Investmentfonds X und 100 Anteile am Investmentfonds Y (AK jeweils 5 € je Anteil, d.h. insgesamt jeweils 500 €). Zum 31.12.01 ist der Wert der Anteile am Investmentfonds X auf 3 € je Anteil (= 300 €) gefallen und A nimmt eine steuerlich zulässige Teilwertabschreibung hierauf vor. Am 31.10.02 wird der Investmentfonds X auf den Investmentfonds Y verschmolzen. Zu diesem Zeitpunkt beträgt der Wert der Anteile an dem Investmentfonds X weiterhin 3 € je Anteil. Der Wert der Anteile an dem Investmentfonds Y ist zwischenzeitlich auf 6 € je Anteil gestiegen. A erhält daher durch die Verschmelzung 50 neue Anteile an dem Investmentfonds Y (= 3 €/6 € x 100), sodass A nunmehr über 150 Anteile an dem Investmentfonds Y verfügt. Der Buchwert dieser Anteile beträgt 800 €, der Teilwert 900 €, sodass bei einer Bewertung des Gesamtbestands bis zum Wert von 900 € grds. eine Teilwertzuschreibung vorzunehmen sein könnte. Ob und durch welche Maßnahmen (z.B. buchhalterische Trennung, getrennte Verwahrung in zwei Depots) ein Anleger dies verhindern und eine Einzelbewertung der Anteile fortführen kann, ist nicht abschließend geklärt.1

c) Vorabpauschalen i.S.d. § 18 46 Die Verschmelzung führt nicht zum Ansatz einer Vorabpauschale i.S.d. § 18 InvStG. Zwar

endet zu diesem Zeitpunkt das Geschäftsjahr des übertragenden Investmentfonds (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 InvStG). § 18 InvStG knüpft jedoch an den Wertzuwachs innerhalb eines Kalenderjahres an und ist von dem Geschäftsjahr des Investmentfonds abgekoppelt.2

47 Maßgeblich für die Ermittlung der Vorabpauschale sind die Verhältnisse zum Ende eines Ka-

lenderjahres. Erfolgt die Verschmelzung zum 31.12., ist eine Vorabpauschale noch nach Maßgabe der Verhältnisse beim übertragenden Investmentfonds anzusetzen.3 Dem steht nicht entgegen, dass die Vorabpauschale erst am ersten Werktag des folgenden Kalenderjahres als zugeflossen gilt (§ 18 Abs. 3 InvStG) und der übertragende Investmentfonds zu diesem Zeitpunkt bereits erloschen bzw. der Anleger zu diesem Zeitpunkt allein an dem übernehmenden Investmentfonds beteiligt ist. Die Vorabpauschale entsteht dem Grunde nach bereits mit Ablauf des Kalenderjahres und lediglich der Zufluss dieses Ertrags wird auf den ersten Werktag des Folgejahres fingiert.

48 Erfolgt die Verschmelzung unterjährig, ist für die Ermittlung der Vorabpauschale ausschließ-

lich auf die Verhältnisse beim übernehmenden Investmentfonds abzustellen. Vergleichbar der Ermittlung einer Vorabpauschale bei einem unterjährigen Erwerb von Investmentanteilen (s. hierzu § 18 InvStG Rz. 36 ff.) ist zunächst die Vorabpauschale für das gesamte Kalenderjahr unter Berücksichtigung sämtlicher Ausschüttungen (einschließlich Ausschüttungen aus der Zeit vor der Verschmelzung) des übernehmenden Investmentfonds zu ermitteln, Ausschüttungen des übertragenden Investmentfonds bleiben außer Ansatz.4 Sodann ist die Vorabpauschale in einem zweiten Schritt entsprechend § 18 Abs. 2 InvStG zu kürzen und auf den Betrag zu begrenzen, der auf die Beteiligung an dem übernehmenden Investmentfonds entfällt. Zwar könnte gegen eine Anwendung von § 18 Abs. 2 InvStG vorgebracht werden, dass die Ausgabe der Anteile an dem übernehmenden Investmentfonds nach § 23 Abs. 3 Sätze 1, 2

1 Zur vergleichbaren Problematik bei § 14 InvStG 2004 s. Bauer in Berger/Steck/Lübbehüsen, § 14 InvStG 2004 Rz. 63; Dörschmidt in Haase2, § 14 InvStG 2004 Rz. 126; Helios/Bickert in Moritz/Jesch, InvStG, 1. Aufl. 2015, § 14 InvStG 2004 Rz. 42; vgl. allgemein zur Problematik der Bewertung von Anteilen und Wertpapieren, bei denen Einzelstücke nicht identifizierbar sind, z.B. Korn/Strahl in Korn, EStG, § 6 Rz. 344 (Stand: April 2022) m.w.N. 2 S. hierzu auch Hasbach, FR 2018, 1117 (1120). 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.21; Helios/Lindau in Moritz/Jesch/ Mann2, § 23 InvStG Rz. 38. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.19 („Vereinfachungsregel“).

482 | Hasbach

B. Verschmelzung von inländischen Investmentfonds (Abs. 1 bis 3) | Rz. 52 § 23

InvStG nicht als Tausch gilt, sodass der Anleger die neuen Investmentanteile grds. nicht „erwirbt“.1 Es spricht jedoch nichts dagegen, § 18 Abs. 2 InvStG aus Vereinfachungsgründen entsprechend anzuwenden, sodass die Vorabpauschale lediglich für den Zeitraum anzusetzen ist, in dem der Anleger nach der Verschmelzung an dem übernehmenden Investmentfonds beteiligt war.2 Das heißt, erfolgt die Verschmelzung zum 30.9., ist die Vorabpauschale nur für den Zeitraum 1.10. bis 31.12. anzusetzen. d) Hinzurechnungs- und Abzugsbeträge Die steuerliche Rechtsnachfolge i.S.d. § 23 Abs. 3 Satz 2 InvStG bezieht sich auf sämtliche die 49 untergehenden Anteile betreffenden steuerlichen Merkmale. Bei Veräußerung der neu erhaltenen Anteile sind daher im Rahmen der Veräußerungsgewinnbesteuerung auch Hinzurechnungs- und Abzugsbeträge zu berücksichtigen, die auf die Anteile am übertragenen Investmentvermögen entfallen: z.B. die während der Beteiligung an dem übertragenden Investmentfonds als zugeflossen geltenden Vorabpauschalen i.S.d. § 18 InvStG, der fiktive Veräußerungsgewinn aus der einer Verschmelzung zeitlich vorausgehenden Änderung bzw. Wegfall des Teilfreistellungssatzes nach § 22 Abs. 1 und 3 InvStG sowie der fiktive Übergangsgewinn i.S.d. § 56 Abs. 2 und 3 Satz 1 InvStG. Erhält der Anleger im Rahmen der Verschmelzung nominal mehr oder weniger Anteile, sind diese Hinzurechnungs- und Abzugsbeträge auf die neuen Anteile quotal aufzuteilen (zur Aufteilung s. Rz. 44). e) Steuerliche Ausgleichs- und Merkposten bei betrieblichen Anlegern Ausgleichs- oder Merkposten, die betriebliche Anleger in Zeiträumen vor der Verschmelzung 50 zu bilden hatten (z.B. für Vorabpauschalen)3, sind nach der Verschmelzung unverändert fortzuführen. Auch hier gilt: Erhält der Anleger im Rahmen der Verschmelzung nominal mehr oder weniger Anteile, sind diese Ausgleichs- oder Merkposten auf die neuen Anteile quotal aufzuteilen (zur Aufteilung s. Rz. 44). f) Zurechnung von Fristen und Zeiträumen Zwar haben Haltefristen bei der Besteuerung von Investmenterträgen nach der Investment- 51 steuerreform 2018 weiter an Bedeutung verloren. Im Einzelfall können diese jedoch weiterhin relevant sein (z.B. bei bestandsgeschützten Alt-Investmentanteilen i.S.d. § 56 Abs. 6 InvStG). In diesen Fällen bezieht sich die steuerliche Rechtsnachfolge i.S.d. § 23 Abs. 3 Satz 2 InvStG auch auf diese Merkmale.4 g) Änderung oder Wegfall des anwendbaren Teilfreistellungssatzes i.S.d. §§ 20 ff. InvStG Der Eintritt des übernehmenden Investmentfonds in die steuerliche Rechtsstellung des über- 52 tragenden Investmentfonds nach § 23 Abs. 2 InvStG umfasst nicht die Qualifikation als Aktien-, Misch- und Immobilienfonds i.S.d. § 2 Abs. 6, 7, 9 InvStG (s. auch Rz. 34). Gleichwohl steht es einer steuerneutralen Verschmelzung nach § 23 InvStG nicht entgegen, wenn die an-

1 2 3 4

Helios/Lindau in Moritz/Jesch/Mann2, § 23 InvStG Rz. 40. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.19 f. (mit Beispiel). S. hierzu BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 18.5; § 18 InvStG Rz. 15, 40. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.17, zu Alt-Investmentanteilen: Status als Alt-Investmentanteil geht auf die neu ausgegebenen Anteile an dem übernehmenden Investmentfonds über. S. auch Lindauer in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 23 InvStG Rz. 30 (Stand: März 2020); Wenzel in Brandis/Heuermann, § 23 InvStG Rz. 24 (Stand: März 2022). Hasbach | 483

§ 23 Rz. 52 | Verschmelzung von Investmentfonds wendbaren Teilfreistellungssätze i.S.d. § 20 InvStG des übertragenden und des übernehmenden Investmentfonds voneinander abweichen.1 53 Nach § 22 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvStG gelten Investmentanteile zum Rücknahme-

preis als veräußert und am Folgetag als angeschafft, wenn sich der anwendbare Teilfreistellungssatz i.S.d. § 20 InvStG ändert oder die Voraussetzungen hierfür später wegfallen. Zu einer solchen Änderung des Teilfreistellungssatzes oder einem Wegfall der Voraussetzungen hierfür kann es auch bei einer Verschmelzung von Investmentfonds kommen. Zwar führt die Verschmelzung grds. nicht zu einer Änderung der bei den beteiligten Investmentfonds anzuwendenden Teilfreistellungssätze als solches. Die Teilfreistellung betrifft jedoch die Besteuerung des Anlegers und erfolgt investmentanteilbezogen. Fällt ein Investmentanteil und die darauf entfallenden Erträge vor der Verschmelzung in den Anwendungsbereich einer Teilfreistellung nach § 20 InvStG und werden an den Anleger im Zuge der Verschmelzung Anteile ausgegeben, bei denen die darauf entfallenden Erträge nicht in demselben Umfang freizustellen sind, ändert sich i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 1 InvStG der anwendbare Teilfreistellungssatz bzw. fallen die Voraussetzungen hierfür weg, da die neu erhaltenen Anteile an die Stelle der untergehenden Anteile treten und diese nicht mehr in demselben Umfang für eine Teilfreistellung qualifizieren wie vor der Verschmelzung. § 22 Abs. 1 Satz 1 InvStG enthält eine eigenständige Veräußerungsfiktion, die nicht durch die steuerliche Rechtsnachfolge verdrängt wird.

54 Eine verschmelzungsbedingte Änderung des Teilfreistellungssatzes bzw. ein verschmelzungs-

bedingter Wegfall der Voraussetzungen hierfür ist Folge der steuerlichen Rechtsnachfolge i.S.d. § 23 Abs. 3 Satz 2 InvStG. Die Veräußerungs- und Anschaffungsfiktion des § 22 Abs. 1 Satz 1 InvStG ist daher auf die neu an dem übernehmenden Investmentfonds erhaltenen Anteile anzuwenden.2 Der fiktive Veräußerungsgewinn gilt bei tatsächlicher Veräußerung der neu erhaltenen Anteile als zugeflossen (§ 22 Abs. 3 InvStG) und ist erst zu diesem Zeitpunkt zu versteuern.

4. Barzahlungen 55 Im Rahmen von Verschmelzungen von Investmentfonds kann den Anlegern des übertragen-

den Investmentfonds ein Barausgleich gewährt werden, der in der Höhe 10 % des Werts der Anteile am übertragenden Investmentfonds nicht übersteigen darf (§ 1 Abs. 19 Nr. 37, § 189 Abs. 1 Nr. 4, § 190 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 KAGB). Solche Zahlungen führen beim Anleger weder zu einer anteiligen Veräußerungsgewinnbesteuerung, noch mindern sie die AK der Anteile. Stattdessen gelten diese nach § 23 Abs. 3 Satz 3 InvStG als Kapitalertrag i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 InvStG und sind vom Anleger entweder als Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG) oder als Einkünfte aus einer anderen Einkunftsart (§ 20 Abs. 8 Satz 1 EStG) zu versteuern. Bei Privatanlegern und nicht bilanzierenden Anlegern sind die Barzahlungen im Zeitpunkt des Zuflusses (§ 11 Abs. 1 Satz 1 EStG), bei bilanzierenden Anlegern im Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs (d.h. mit Wirksamkeit der Verschmelzung, § 190 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 KAGB) steuerlich zu erfassen. Barzahlungen werden damit nicht anders behandelt als sonstige Gegenleistungen, die ein Beteiligter an einer Körperschaft, Vermögensmasse oder Personenvereinigung im Rahmen von Kapitalmaßnahmen zusätzlich zu neuen Anteilen erhält (§ 20 Abs. 4a Satz 2 EStG). Erfüllt der übertragende Investmentfonds die Voraussetzungen für eine Teilfreistellung i.S.d. § 20 InvStG, ist diese auf die Barzahlung anwendbar.3 Auf die Kapitalerträge ist nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, § 44 Abs. 1 Sätze 3, 4 Nr. 1 EStG Kapitalertragsteuer durch die depotführende Stelle einzubehalten. 1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.23 f. (mit Beispiel); s. hierzu auch Hasbach, FR 2018, 1117 (1121). 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.22 f. (mit Beispiel); Helios/Lindau in Moritz/Jesch/Mann2, § 23 InvStG Rz. 46. 3 BT-Drucks. 18/8045, 93; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.22; Link in H/ H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 23 InvStG Anm. 15 (Stand: August 2021).

484 | Hasbach

C. Verschmelzung von ausländischen Investmentfonds (Abs. 4) | Rz. 58 § 23

C. Verschmelzung von ausländischen Investmentfonds (Abs. 4) I. Anwendungsbereich Die Regelungen über die Verschmelzung von inländischen Investmentfonds gelten nach § 23 56 Abs. 4 InvStG auch für die Verschmelzung von ausländischen Investmentfonds. Ausländische Investmentfonds sind nach § 2 Abs. 3 InvStG Investmentfonds, die ausländischem Recht unterliegen, d.h. Investmentfonds, die nach ausländischem Recht aufgelegt und deren Anlagebedingungen nach diesem Recht ausgestaltet wurden.1 Von § 23 Abs. 4 InvStG erfasst werden jedoch nur Verschmelzungen von ausländischen Investmentfonds, die demselben Recht eines Amts- und Beitreibungshilfe leistenden ausländischen Staates unterliegen. Die grenzüberschreitende Verschmelzung (cross-border merger) von Investmentfonds in unterschiedlichen ausländischen Staaten fällt nicht in den Anwendungsbereich von § 23 Abs. 4 InvStG.2 Als Amts- und Beitreibungshilfe leistende ausländische Staaten sind nach § 2 Abs. 15 InvStG Mitgliedstaaten der Europäischen Union und Drittstaaten definiert, die – der Bundesrepublik Deutschland Amtshilfe gem. der Amtshilferichtlinie i.S.d. § 2 Abs. 2 des EU-Amtshilfegesetzes oder gem. vergleichbaren völkerrechtlichen Vereinbarungen leisten und – die Bundesrepublik Deutschland bei der Beitreibung von Forderungen gem. der Beitreibungsrichtlinie i.S.d. § 2 Abs. 2 des EU-Beitreibungsgesetzes oder gem. vergleichbaren völkerrechtlichen Vereinbarungen unterstützen. Durch die Beschränkung auf Verschmelzungen von Investmentfonds, die demselben Recht ei- 57 nes ausländischen Staates unterliegen, ist gewährleistet, dass die Verschmelzung keine Auswirkung auf den Steuerstatus des Investmentfonds und den Steuerstatus der Anleger hat. Anders als bspw. im Rahmen von § 11 Abs. 2, § 13 Abs. 2 UmwStG oder § 12 Abs. 2 KStG hat der Gesetzgeber davon abgesehen, die Steuerneutralität an die inländische Steuerverstrickung des inländischen Vermögens des Investmentfonds bzw. an die inländische Steuerverstrickung der Anteile an dem übernehmenden Investmentfonds zu knüpfen. Durch die Beschränkung auf Investmentfonds, die demselben Recht eines ausländischen Staates unterliegen, werden im Grundsatz dieselben Wirkungen erreicht. Zentrales Tatbestandsmerkmal des § 23 Abs. 4 InvStG ist – ebenso wie in § 23 Abs. 1 InvStG 58 – die „Verschmelzung“ von Investmentfonds. Die auf Grundlage des ausländischen Rechts vorgenommene Vermögensübertragung muss die wesentlichen Merkmale einer Verschmelzung i.S.d. § 1 Abs. 19 Nr. 37 KAGB (i.V.m. § 2 Abs. 1 InvStG) aufweisen. Nach Auffassung der FinVerw. müsse der ausländische Verschmelzungsvorgang zudem inhaltlich den Vorgaben der §§ 181 bis 191 KAGB entsprechen.3 Nach hier vertretener Auffassung handelt es sich hingegen bei § 23 Abs. 4 InvStG um einen Rechtsfolgenverweis. Der Gesetzgeber hat die Voraussetzungen, unter denen eine ausländische Verschmelzung steuerneutral vorzunehmen ist, in § 23 Abs. 4 InvStG abschließend geregelt. § 23 Abs. 4 InvStG ist daher bereits dann anwendbar, wenn der ausländische Vorgang die wesentlichen Merkmale einer Verschmelzung i.S.d. § 1 Abs. 19 Nr. 37 KAGB aufweist und die ausländischen Regularien eingehalten werden, ohne dass Letztere mit denen der §§ 181 bis 191 KAGB vergleichbar sein müssen.4 1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.2. 2 BT-Drucks. 18/8045, 93 f. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.25 (bei Verschmelzungen auf Grundlage von Art. 37 bis 48 der OGAW-RL [2009/65/EG] seien diese Voraussetzungen erfüllt); ebenso Helios/ Lindau in Moritz/Jesch/Mann2, § 23 InvStG Rz. 48; Kuhn in BeckOK, § 23 InvStG Rz. 86 (Stand: Mai 2022); Lindauer in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 23 InvStG Rz. 34 (Stand: März 2020); Wenzel in Brandis/Heuermann, § 23 InvStG Rz. 29 (Stand: März 2022). 4 Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 23 InvStG Anm. 20 (Stand: August 2021). Hasbach | 485

§ 23 Rz. 59 | Verschmelzung von Investmentfonds 59 Keine Verschmelzung i.S.d. § 23 Abs. 4 InvStG ist die Zusammenlegung von Anteilklassen

bzw. ein damit vergleichbarer Vorgang nach ausländischem Recht. Die Zusammenlegung ist ein steuerliches Nullum, da Anteilklassen keine eigenständigen Körperschaftsteuersubjekte darstellen. Eine Aufdeckung von stillen Reserven erfolgt weder auf Ebene der beteiligten Investmentfonds noch auf Ebene der Anleger (s. hierzu auch Rz. 23).

60 Offen ist, inwieweit die FinBeh. die Einhaltung der ausländischen Vorschriften überprüfen

dürfen. Nach § 17a Satz 1 Nr. 1, Satz 3 InvStG a.F. musste die Einhaltung der ausländischen Vorschriften über die Wirksamkeit der Verschmelzung durch eine Bescheinigung der ausländischen Investmentaufsichtsbehörde gegenüber dem BZSt nachgewiesen werden. Dieses Tatbestandsmerkmal ist in § 23 Abs. 4 InvStG nicht mehr enthalten. Daraus kann allerdings nicht gefolgert werden, dass die FinBeh. nunmehr die Einhaltung sämtlicher ausländischer Vorschriften überprüfen dürfen. Die Prüfungskompetenz beschränkt sich auch im Rahmen von § 23 Abs. 4 InvStG lediglich auf die Frage, ob die Verschmelzung nach ausländischem Recht wirksam geworden ist.1 Wurde die Verschmelzung unter Nichtbeachtung einzelner Vorschriften vorgenommen, steht dies der Anwendung von § 23 Abs. 4 InvStG nicht entgegen, wenn die Verschmelzung dennoch wirksam geworden ist (z.B. aufgrund einer mit § 189 Abs. 5 KAGB vergleichbaren ausländischen Regelung). Als Nachweis über die Wirksamkeit der Verschmelzung reicht eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Aufsichtsbehörde i.S.v. Art. 39 Abs. 1 OGAW-RL aus.

II. Steuerliche Folgen auf Ebene der beteiligten Investmentfonds 61 Ausländische Investmentfonds unterliegen mit ihren inländischen Einkünften i.S.d. § 6 Abs. 2

Satz 1 InvStG der beschränkten StPfl. (§ 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 InvStG). Sind die Voraussetzungen des § 23 Abs. 4 InvStG erfüllt, führt die Verschmelzung auf Ebene des Investmentfonds nicht zu einer Veräußerungsgewinnbesteuerung (z.B. keine Besteuerung eines Gewinns von im Inland belegenen Grundstücken, § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 InvStG). Stattdessen hat der übertragende Investmentfonds zum Geschäftsjahresende die fortgeführten AK anzusetzen und der übernehmende Investmentfonds diese fortzuführen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 InvStG, s. hierzu Rz. 28 ff.).2 Ferner tritt der übernehmende Investmentfonds in die steuerliche Rechtsstellung des übertragenden Investmentfonds ein (§ 23 Abs. 2 InvStG, s. hierzu Rz. 34 ff.). Fällt die Verschmelzung der ausländischen Investmentfonds hingegen nicht in den Anwendungsbereich des § 23 Abs. 4 InvStG, führt die Verschmelzung auf Ebene des Investmentfonds grds. zur Aufdeckung von stillen Reserven (Rz. 2).

III. Steuerliche Folgen auf Ebene der Anleger 62 Aus Sicht des Anlegers stellt die Verschmelzung nach allgemeinen Grundsätzen einen Tausch

bzw. tauschähnlichen Vorgang der Anteile an dem übertragenden gegen Anteile an dem übernehmenden Investmentfonds dar und hat grds. die Aufdeckung von stillen Reserven zur Folge. Erfüllt die Verschmelzung jedoch die Voraussetzungen des § 23 Abs. 4 InvStG, gilt diese auf Ebene des Anlegers nicht als Tausch (§ 23 Abs. 3 Satz 1 InvStG, s. hierzu Rz. 40 f.). Stattdessen treten die erworbenen Anteile an dem übernehmenden Investmentfonds an die Stelle 1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.25, wonach die FinVerw. allerdings zusätzlich – entgegen der hier vertretenen Auffassung – die Vergleichbarkeit des ausländischen Verschmelzungsvorgangs mit den §§ 181 bis 191 KAGB zu überprüfen habe. 2 In Ausnahmefällen beanstandet es die FinVerw. nicht, wenn von der Fortführung der AK abgesehen wird (s. hierzu Rz. 33 sowie BMF-Anwendungsschreiben [konsolidierte Fassung], Rz. 23.25 i.V.m. Rz. 23.16).

486 | Hasbach

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 2 § 24

der Anteile an dem übertragenden Investmentfonds (§ 23 Abs. 3 Satz 2 InvStG, s. hierzu Rz. 42 ff.). § 23 Abs. 4 InvStG setzt nicht voraus, dass (zumindest) einer der beteiligten Investmentfonds im Inland i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 InvStG beschränkt stpfl. ist, sodass § 23 Abs. 3 InvStG beim Anleger auch dann anwendbar ist, wenn weder der übertragende noch der übernehmende Investmentfonds inländische Einkünfte i.S.d. § 6 Abs. 2 InvStG erzielt. Erhält der Anleger i.R.d. Verschmelzung Zahlungen, die mit denen des § 1 Abs. 19 Nr. 37, § 189 Abs. 1 Nr. 4, § 190 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 KAGB vergleichbar sind, gelten diese als Ausschüttung i.S.d. § 16 Abs. Nr. 1 (§ 23 Abs. 3 Satz 3 InvStG).

§ 24 Kein Wechsel zu den Besteuerungsregelungen für SpezialInvestmentfonds Wenn Investmentfonds oder ihre Anleger der Besteuerung nach Kapitel 2 unterlegen haben, so ist ein Wechsel zur Besteuerung nach Kapitel 3 ausgeschlossen. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . 2. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . 3. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 3 5 6 7

IV. B. I. II. III.

Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . Kein Besteuerungswechsel Investmentfonds oder ihre Anleger . . . . . Besteuerung nach Kapitel 2 unterlegen . . Faktisches Wahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . .

8 10 11 15

Literatur: Stadler/Bindl, Das neue InvStG – Überblick und Korrekturbedarf, DStR 2016, 1953.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck Die Norm flankiert und manifestiert einerseits die systemische Trennung zweier weitgehend 1 parallel laufender Besteuerungsregime. Andererseits verwehrt sie solchen Spezial-Investmentfonds, die erst in einem späteren Stadium die Anforderungen des § 26 InvStG erfüllen,1 die Besteuerung nach Kapitel 3 und führt somit gleichzeitig zu einer Aufweichung der vermeintlich klaren Trennung „Einfacher Investmentfonds = Kapitel 2; Spezial-Investmentfonds = Kapitel 3“. Ihre Rechtsfolge führt nämlich dazu, dass Spezial-Investmentfonds trotz ihres später erworbenen Status dauerhaft einer Besteuerung nach Kapitel 2 unterliegen. Zwingend notwendig ist § 24 InvStG nicht. Auch in anderen Bereichen des Steuerrechts fin- 2 den sich verschiedene Regelungsregime für verschiedene Rechtskonstruktionen. Ein Vergleich zum Rechtsformwechsel zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften drängt sich auf: Hier wie dort sind die steuerlichen Inkongruenzen der unterschiedlichen Systeme vor allem darauf zurückzuführen, dass in jeweils einem der Fälle (PersGes. immer und Spezial-Invest1 Diese Fonds werden damit nach § 26 InvStG zu Spezial-Investmentfonds – daran ändert auch § 24 InvStG nichts, er regelt nur die Zuordnung zu einem bestimmten Besteuerungsregime. Hasbach und Kretzschmann/Albrecht | 487

§ 24 Rz. 2 | Kein Wechsel zu den Besteuerungsregelungen für Spezial-Investmentfonds mentfonds bei Ausübung der Transparenzoption nach § 30 InvStG) potentiell eine Besteuerungsebene weniger vorhanden ist. Das UmwStG sieht für genau diesen Fall des Wegfalls einer Besteuerungsebene (getrennt besteuerte KapGes. wird in transparent besteuerte PersGes. formgewechselt) aber in § 9 UmwStG eine Regelung vor. Auch im InvStG a.F. war der Wechsel zwischen semi-transparenter und intransparenter Besteuerung möglich (§ 20 InvStG a.F. bzw. § 1 Abs. 1d InvStG a.F. i.V.m. § 15 Abs. 3 InvStG a.F.).

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich 3 Investmentfonds, die die in § 26 InvStG dargelegten Anlagebestimmungen erfüllen, werden

als sog. Spezial-Investmentfonds nicht nach den Vorschriften des Kapitels 2, sondern nach den §§ 25 ff. InvStG des Kapitels 3 besteuert. § 24 InvStG regelt den Fall, dass ein Investmentfonds (oder seine Anleger) zunächst nach Kapitel 2 besteuert wurde, aber gleichwohl die Voraussetzungen erfüllt, die § 26 InvStG an Spezial-Investmentfonds stellt. Ein Wechsel zur Besteuerung nach Kapitel 3 ist in diesen Fällen ausgeschlossen. Dies gilt zumindest dann, wenn ein vormals einfacher Investmentfonds seine Anlagebedingungen dahingehend ändert, dass die Anforderungen nach § 26 InvStG (erst) während der Fondslaufzeit erfüllt werden.

4 Nach der Gesetzesbegründung1 sowie dem folgend dem BMF-Schreiben zum InvStG2 soll

§ 24 InvStG auch anwendbar sein, wenn die Voraussetzungen des § 26 InvStG bereits von Beginn (des Investmentfonds) an vorlagen, aber erst geltend gemacht wurden, nachdem er einer Besteuerung nach Kapitel 2 unterlag. Was in diesem Zusammenhang unter „geltend gemacht“ werden zu verstehen ist, ist unklar. Materielles Kriterium für das Vorliegen eines Spezial-Investmentfonds ist eine solche Geltendmachung jedenfalls nicht (s. § 26 InvStG Rz. 5). Sollte mit diesem Hinweis gemeint sein, dass ein Spezial-Investmentfonds zusätzlich zur Erfüllung der Anforderungen des § 26 InvStG seinen Status (frühzeitig) in irgendeiner Form geltend machen muss, so finden sich für diese einschränkende Beurteilung keine überzeugenden Anhaltspunkte im Gesetz und mit § 25 InvStG sogar eine ausdrückliche gesetzliche Normierung des Gegenteils. Aus der Formulierung „Besteuerung nach Kapitel 2 unterlegen haben“ kann vor allem nicht geschlussfolgert werden, dass ein Spezial-Investmentfonds dauerhaft nach Kapitel 2 besteuert wird, wenn er – trotz anfänglicher Erfüllung der Kriterien des § 26 InvStG – durch falsche oder fehlende Erklärungen im Erfassungs- oder Besteuerungsverfahren fälschlicherweise als einfacher Investmentfonds behandelt wird. In diesen Fällen ist nicht die Besteuerung nach Kapitel 3 verwehrt, sondern die Besteuerung nach Kapitel 2 unzutreffend und im Rahmen verfahrensrechtlicher Möglichkeiten (§ 175 Abs. 1 Nr. 2 AO) zu korrigieren. Wer in unzutreffender Weise nach Kapitel 2 besteuert wurde, kann keiner Besteuerung nach Kapitel 2 i.S.d. § 24 InvStG unterlegen haben. Dass ein Fehler oder Unterlassen im Besteuerungsverfahren die materielle Folge haben soll, einen Spezial-Investmentfonds dauerhaft signifikant anders zu besteuern, wäre nicht nachvollziehbar. 2. Persönlicher Anwendungsbereich

5 Die Norm ist anwendbar auf alle Investmentfonds i.S.d. § 1 Abs. 2 InvStG, die nicht bereits

die Anforderungen an die Anlagebestimmungen des § 26 InvStG erfüllen.

1 BT-Drucks. 18/8045, 94. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 24.1.

488 | Kretzschmann/Albrecht

B. Kein Besteuerungswechsel | Rz. 10 § 24

3. Zeitlicher Anwendungsbereich § 24 InvStG gilt als Teil des reformierten Investmentsteuergesetzes ab dem 1.1.2018 (Art. 11 6 Abs. 3 InvStRefG).

III. Rechtsentwicklung Die Norm wurde durch das InvStG 2018 neu eingefügt. Auch zuvor wurde zwischen Invest- 7 mentfonds (§§ 1–17a InvStG a.F.) und Investitionsgesellschaften (§§ 10–20 InvStG a.F.) unterschieden, allerdings gab es mit § 20 InvStG a.F. sowie § 1 Abs. 1d InvStG a.F. i.V.m. § 15 Abs. 3 InvStG a.F. eine Durchlässigkeit zwischen den Erscheinungsformen, die § 24 InvStG gerade verhindern will.

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften Verhältnis zu § 25 InvStG. Das Verhältnis zu § 25 InvStG ist widersprüchlich: § 25 InvStG 8 postuliert, dass Spezial-Investmentfonds nicht nach Kapitel 2 besteuert werden, § 24 InvStG sagt – für Investmentfonds, die erst später zu Spezial-Investmentfonds werden – das Gegenteil. Weder § 24 InvStG noch § 26 InvStG ist zu entnehmen, dass ein Investmentfonds nur dann Spezial-Investmentfonds sein kann, wenn er die Voraussetzungen des § 26 InvStG von Beginn an (d.h. bevor eine Besteuerung nach Kapitel 2 greift) erfüllt. § 24 InvStG schreibt lediglich vor, dass für diese Spezial-Investmentfonds dann dennoch nicht Kapitel 3, sondern Kapitel 2 anwendbar ist. Der Gesetzgeber hätte diesen Widerspruch vermeiden können, indem er z.B. entweder in § 26 InvStG eine zusätzliche Anforderung dergestalt, dass die Voraussetzungen vor einer Besteuerung nach Kapitel 2 vorliegen müssen, eingefügt hätte oder den Regelungsgehalt des § 24 InvStG als „abweichende Bestimmung“ i.S.d. § 25 InvStG in Kapitel 3 verortet hätte. Er hat es nicht getan, sodass § 25 InvStG im Zusammenspiel mit § 24 InvStG wie folgt gelesen werden muss: Die Vorschriften des Kapitels 2 sind auf Spezial-Investmentfonds und deren Anleger nicht anzuwenden, es sei denn, in Kapitel 3 werden abweichende Bestimmungen getroffen oder der Investmentfonds oder seine Anleger unterlagen bereits der Besteuerung nach Kapitel 2. Verhältnis zu § 52 InvStG. § 52 InvStG regelt den umgekehrten Fall, in dem ein vormals als 9 Spezial-Investmentfonds eingestufter Fonds die Anlagebestimmungen in § 26 InvStG nicht mehr erfüllt und dadurch seine Qualifikation verliert. § 52 InvStG hat jedoch einen deutlich umfassenderen Regelungsbereich: Während § 24 InvStG lediglich den Wechsel in ein anderes Besteuerungsregime ausschließt, führt die Anwendung von § 52 InvStG dessen Wortlaut nach zu einer Auflösungs-, Neu-Auflage- und Anschaffungsfiktion. Dieser Automatismus fehlt zwar in § 24 InvStG. Faktisch muss ein Investmentfonds, der fortan als Spezial-Investmentfonds nach Kapitel 3 besteuert werden will, jedoch ebenfalls den Weg der Auflösung und NeuAuflage wählen.

B. Kein Besteuerungswechsel I. Investmentfonds oder ihre Anleger Zu Investmentfonds s. bereits Rz. 3. Die Formulierung „oder ihre Anleger“ ist unscharf. Ein 10 Wechsel zur Besteuerung nach Kapitel 3 ist nur dann ausgeschlossen, wenn die Anleger des Investmentfonds in ihrer Eigenschaft als Anleger dieses Investmentfonds der Besteuerung nach Kapitel 2 unterlegen haben. Ein Dach-Investmentfonds i.S.d. § 2 Abs. 5 Satz 1 InvStG ist ebenfalls Anleger (i.S.d. § 2 Abs. 10 InvStG) eines Investmentfonds. Nur weil der Dach-InvestKretzschmann/Albrecht | 489

§ 24 Rz. 10 | Kein Wechsel zu den Besteuerungsregelungen für Spezial-Investmentfonds mentfonds (als einfacher Dach-Investmentfonds, d.h. eben gerade nicht in seiner Eigenschaft als Anleger) einer eigenen Besteuerung nach Kapitel 2 unterlegen hat, hat dies nicht zur Folge, dass dem Ziel-Investmentfonds ein Wechsel des Besteuerungsregimes zu Kapitel 3 nach § 24 InvStG per se verwehrt ist. Dasselbe gilt für Anleger, die – als Anleger an einem Nicht-Spezial-Investmentfonds – nach Kapitel 2 besteuert worden sind, nun aber Anleger eines SpezialInvestmentfonds sind. Ein einziger Anleger, der neben seiner Beteiligung an einem SpezialInvestmentfonds auch an einem Nicht-Spezial-Investmentfonds beteiligt ist und in letzterer Eigenschaft einer Besteuerung nach Kapitel 2 unterliegt, „infiziert“ nicht den gesamten Spezial-Investmentfonds. Der Wortlaut des § 24 InvStG legt das aber nahe bzw. schließt es jedenfalls nicht aus. Im Bereich des Eingriffsrechts ist das nicht unbedenklich.

II. Besteuerung nach Kapitel 2 unterlegen 11 Dieses Tatbestandsmerkmal zeigt den eher pragmatischen, auf eine vereinfachte Sicherstellung

des Besteuerungsverfahrens ausgerichteten Charakter der Norm: Ziel ist nicht (wenngleich Wirkung), den Wechsel materiell-rechtlich künstlich zu erschweren oder zu verhindern, sondern, keine in der Besteuerungspraxis schwierig aufzulösenden Brüche in der fortlaufenden Besteuerung zu bewirken. Ein besonderer Fokus liegt auf dem Merkmal „nach Kapitel 2“ bzw. genauer „in einer für Kapitel 2, nicht aber Kapitel 3-typischen Weise“ unterlegen haben. Es versteht sich von selbst, dass ein Spezial-Investmentfonds, der grds. nach Kapitel 3, wegen der Verweisnorm des § 29 Abs. 1 InvStG aber auch nach §§ 6, 7 InvStG besteuert wird, keiner Besteuerung nach Kapitel 2 unterliegt. Anderenfalls wäre eine Besteuerung als Spezial-Investmentfonds kaum jemals möglich. Gemeint ist vielmehr der Eintritt von Besteuerungswirkungen, die inkompatibel mit einer Besteuerung nach den §§ 26 ff. InvStG wären, d.h. nach dem dortigen Regime nicht vorgesehen und damit untypisch sind.

12 Auf Fondsebene mit Kapitel 3 nicht zu vereinbarende Besteuerungswirkung ist die Erstattung

von Kapitalertragsteuer nach § 11 InvStG. Dies aufgrund der Gesetzessystematik, die in § 29 Abs. 1 InvStG auf §§ 6, 7 InvStG, nicht aber auf §§ 8–14 InvStG (und eben auch nicht auf § 11 InvStG) verweist. Unklar (wenngleich an anderer Stelle zu diskutieren, s. § 11 InvStG Rz. 3) ist jedoch, wieso das InvStG für einen Spezial-Investmentfonds, der die Transparenzoption nicht wahrnimmt und deshalb mit Einkünften nach § 6 Abs. 2 InvStG i.V.m. § 29 Abs. 1 InvStG potentiell der Kapitalertragsteuer unterliegt, keine behördliche Erstattungsnorm vorsieht. Die Verwaltung sieht auch die Erstattung von Kapitalertragsteuer nach § 7 Abs. 5 Satz 2 InvStG als Situation an, in der der Investmentfonds einer Besteuerung nach Kapitel 2 unterlegen hat.1

13 Die formell bestandskräftige Festsetzung von Körperschaftsteuer auf inländische Veranla-

gungseinkünfte (vgl. § 6 Abs. 2 InvStG) ist keine Besteuerung nach Kapitel 2.2 Zwar bestimmt § 33 Abs. 1, 3 InvStG für Veranlagungseinkünfte, dass für Spezial-Investmentfonds eine sachliche Steuerbefreiung greift, dies allerdings nur, wenn der jeweilige Spezial-Investmentfonds auf ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche Erträge/Einkünfte Kapitalertragsteuer nach § 50 InvStG erhebt und abführt. In der Frage, ob er das tut, ist der Spezial-Investmentfonds aber – ähnlich wie bei Transparenzoption nach § 30 InvStG – in den Grenzen des § 50 Abs. 1 Satz 1 InvStG3 frei. Behält er bei der Ausschüttung an die Anleger keine Steuer ein bzw. erfüllt er andere Anforderungen des § 33 Abs. 1, 3 InvStG nicht, besteht die Steuerpflicht im Wege der Veranlagung sehr wohl. Die nach § 33 gewährte Option ist die gesetzgeberische (nicht praxis1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 24.2. 2 So aber BT-Drucks. 18/8045, 94, nicht hingegen BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 24.3. 3 Mann in W/B/A3, § 33 InvStG Rz. 4.

490 | Kretzschmann/Albrecht

B. Kein Besteuerungswechsel | Rz. 15 § 24

relevantere) Ausnahme, nicht die Regel. Die Regelbesteuerung besteht auch für Spezial-Investmentfonds in einer Veranlagung nach § 6 Abs. 2, 7 InvStG i.V.m. § 29 Abs. 1 InvStG. Dann kann eben diese Regelbesteuerung für Spezial-Investmentfonds aber kaum eine „Besteuerung nach Kapitel 2“ sein, die einen Wechsel in die Spezial-Investmentfondsbesteuerung verhindern soll. Auch auf Anlegerebene führen Besteuerungswirkungen, die bereits nach Kapitel 2 eingetreten 14 sind, zu Inkongruenzen mit Kapitel 3, weshalb Anleger in diesen Fällen einer Besteuerung nach Kapitel 2 unterlegen haben sollen. Das betrifft z.B. den Kapitalertragsteuerabzug nach § 43a Abs. 2 Satz 2 EStG, bei dem die Teilfreistellung des § 20 InvStG berücksichtigt wurde, oder die formell bestandskräftige Festsetzung von Investmenterträgen nach § 16 InvStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG. In der Systematik ist das konsequent, in der Wirkung zumindest im zweiten Fall eigenartig: Ob ein Investmentfonds das Besteuerungsregime wechseln darf, hängt nach § 24 InvStG von den – ihm völlig unbekannten – Tatsachen ab, ob und wann (z.B.) eine natürliche Person als Anleger1 ihre Steuererklärung abgegeben hat und ob und wann das Wohnsitzfinanzamt deren Steuer festgesetzt hat. Es bleibt abzuwarten, wie die Praxis mit derlei Fällen umgehen wird.

III. Faktisches Wahlrecht Die Norm eröffnet Gestaltungspotential: Ist ein Investmentfonds so konzipiert, dass die Anla- 15 gebedingungen des § 26 InvStG grds. erfüllt sein werden, soll der Fonds aber nicht nach den Vorschriften des Kapitels 3 besteuert werden,2 so genügt in der Anlagepraxis eine Nichterfüllung der Anlagebestimmungen3 oder – nimmt man das von Gesetzgeber und Verwaltung eingeführte Kriterium der Geltendmachung (s. dazu bereits oben) ernst – die Selbstqualifikation im steuerlichen Erfassungsbogen als einfacher Investmentfonds, um wegen § 24 InvStG die Besteuerung nach Kapitel 3 dauerhaft zu verhindern.

1 Das neue InvStG erlaubt in mehreren Fällen auch die Beteiligung natürlicher Personen an einem Spezial-Investmentfonds, § 26 Nr. 8 Satz 2 InvStG. 2 Dies wird freilich die Ausnahme darstellen, ist aber wegen vereinzelt in Kapitel 2 vorzufindender vorteilhafter Regelungen zumindest denkbar, s. Gründe für die Wahl z.B. bei Wenzel in Brandis/Heuermann, § 26 InvStG Rz. 2. 3 Z.B. durch höhere Kreditaufnahme, Aufnahme einer natürlichen Person, ohne dass die Ausnahmevorschriften in § 26 Nr. 8 Satz 2 InvStG greifen, oder einfach eine fehlende Festsetzung der Anforderungen in den Anlagebedingungen. Kretzschmann/Albrecht | 491

492 | Kretzschmann/Albrecht

Kapitel 3 Spezial-Investmentfonds (§§ 25 bis 52) Abschnitt 1 Voraussetzungen und Besteuerung eines Spezial-Investmentfonds (§§ 25 bis 33)

§ 25 Getrennte Besteuerungsregelungen Die Vorschriften des Kapitels 2 sind auf Spezial-Investmentfonds und deren Anleger nicht anzuwenden, es sei denn, in Kapitel 3 werden abweichende Bestimmungen getroffen. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . .

1

III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . B. Getrennte Besteuerungsgrundlagen . . .

4 5 6

2 3

Literatur: Stadler/Bindl, Das neue InvStG – Überblick und Korrekturbedarf, DStR 2016, 1953.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck Da nach § 26 InvStG jeder Spezial-Investmentfonds (auch) ein Investmentfonds ist, bedarf es 1 einer Klärung, wie die unerwünschte Anwendung des Kapitels 2 auf Spezial-Investmentfonds ausgeschlossen wird. Anstatt auf den ohnehin anerkannten lex specialis-Grundsatz zurückzugreifen und so ein Regel-Ausnahme-Verhältnis der Besteuerungsregeln für Investmentfonds und Spezial-Investmentfonds zugrunde zu legen, hat sich der Gesetzgeber mit § 25 InvStG für eine explizite Regelung entschieden. Beide Besteuerungsregime stehen somit klar abgegrenzt nebeneinander.1 Aufgrund der weitreichenden Unterschiede zwischen den Fondsarten ist diese explizite Normierung im Sinne der Rechtssicherheit zu begrüßen. Der zweite Halbsatz trägt dem Umstand Rechnung, dass an verschiedenen Stellen im dritten Kapitel auf Regelungen des zweiten Kapitels verwiesen wird. Ohne diese Öffnungsklausel entstünden Widersprüche.

1 So auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 25 InvStG Anm. 1. Kretzschmann/Albrecht | 493

§ 25 Rz. 2 | Getrennte Besteuerungsregelungen

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich 2 § 25 InvStG ist die erste Norm des dritten Kapitels und gilt daher für (in- und ausländische)

Spezial-Investmentfonds. Durch den Verweis in § 53 Abs. 3 Satz 1 InvStG gilt § 25 InvStG – wie alle Regelungen des dritten Kapitels – entsprechend für Altersvorsorgevermögensfonds und deren Anleger.

2. Zeitlicher Anwendungsbereich 3 § 25 InvStG ist als Teil des reformierten Investmentsteuergesetzes ab dem 1.1.2018 anwendbar

(Art. 11 Abs. 3 InvStRefG).

III. Rechtsentwicklung 4 Die Regelung wurde mit dem InvStRefG neu in das Gesetz aufgenommen und hat im

InvStG a.F. keine direkte Entsprechung. Das ist auch nicht verwunderlich, da das hier aufzulösende Konkurrenzverhältnis zwischen den Normen des zweiten und des dritten Kapitels vormals mangels zweier investmentsteuerlicher Besteuerungsregime nicht existierte.

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 5 Zum widersprüchlichen Verhältnis zu § 24 InvStG s. die Kommentierung zu § 24 InvStG.

B. Getrennte Besteuerungsgrundlagen 6 Die Norm ist sprachlich etwas ungenau gefasst, denn der Bezug des Wortes „abweichend“ in

Halbs. 2 wird nicht (bzw. nur im Sinnzusammenhang) deutlich. Mit „[...] es sei denn, in Kapitel 3 werden abweichende Bestimmungen getroffen“ sind solche Bestimmungen gemeint, die von dem im ersten Halbsatz postulierten Trennungsgrundsatz abweichen, aber natürlich nicht von Kapitel 2 abweichende Vorschriften. Zur ungenauen Formulierung „und deren Anleger“ s. die Kommentierung zu § 24 InvStG. Auf Anleger von Spezial-Investmentfonds, die selbst einfache Investmentfonds sind, sind die Vorschriften des Kapitels 2 insoweit anzuwenden.

7 „Abweichende Bestimmung“ in Kapitel 3 ist (ausweislich der Gesetzesbegründung sogar al-

lein) § 29 Abs. 1 InvStG, der §§ 6, 7 InvStG für auf Spezial-Investmentfonds anwendbar erklärt, soweit nicht die Rückausnahmen der Abs. 2 bis 4 greifen (s. zu Einzelheiten dortige Kommentierung). Daneben finden sich als abweichende Bestimmung zu § 25 InvStG folgende weitere Verweise bzw. Bezugnahmen auf das zweite Kapitel:1

1 Diese Verweise erklären die jeweiligen Vorschriften des zweiten Kapitels, auf die sie sich beziehen, für direkt – und nicht lediglich für „entsprechend“ – anwendbar. Dies ist auch folgerichtig, da jeder Spezial-Investmentfonds gem. § 26 InvStG auch ein Investmentfonds ist. Ihrem Wortlaut nach „passen“ die Vorschriften des zweiten Kapitels also auch für Spezial-Investmentfonds, sodass es einer nur entsprechenden Anwendung nicht bedarf (Ausnahmen sind die Verweise in § 44 InvStG sowie in § 43 Abs. 3 InvStG, der die Spezial-Investmentfonds-spezifischen ausgeschütteten bzw. ausschüttungsgleichen Erträge regelt und daher § 20 InvStG für entsprechend anwendbar erklären muss).

494 | Kretzschmann/Albrecht

B. Getrennte Besteuerungsgrundlagen | Rz. 7 § 25

– § 26 InvStG nimmt Bezug auf § 15 Abs. 2 und 3 InvStG. Spezial-Investmentfonds ist danach nur ein Fonds, der von der GewSt befreit ist. Der Maßstab für diese Befreiung ist aufgrund des expliziten Verweises nicht § 15 EStG, sondern § 15 Abs. 2 und 3 InvStG. – § 29 Abs. 2 InvStG erwähnt § 7 (Abs. 3) InvStG und präzisiert, dass eine Statusbescheinigung über die Qualifikation als Spezial-Investmentfonds auszustellen ist. Dies ist allerdings weniger eine weitere Anwendungserklärung des zweiten Kapitels, sondern vielmehr eine notwendige Beschränkung bzw. Modifikation des globalen Verweises in § 29 Abs. 1 InvStG, ohne die einem Spezial-Investmentfonds eine falsche bzw. unvollständige Bescheinigung auszustellen wäre. – § 33 Abs. 2 Satz 2 InvStG erwähnt mit § 7 Abs. 1 Satz 3 InvStG eine Vorschrift des zweiten Kapitels, dies allerdings in einem negativen Sinne (insofern, als der geminderte Tarif der Kapitalertragsteuer nicht zum Tragen kommt).1 Es liegt also eher eine Ausnahme zu § 29 Abs. 1 InvStG vor als zu § 25 InvStG. – § 33 Abs. 2 Satz 1 InvStG normiert einen Rechtsfolgenverweis auf § 6 Abs. 4 InvStG. Inländische Immobilienerträge, die ein Dachfonds als ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche Einkünfte vereinnahmt, sind auf dessen Ebene keine Spezial-Investmenterträge i.S.d. § 20 Abs. 3a EStG, sondern inländische Immobilienerträge nach § 6 Abs. 4 InvStG – und zwar unabhängig davon, ob es sich bei dem Dachfonds um einen Investmentfonds oder einen Spezial-Investmentfonds handelt. Ähnliches regelt § 33 Abs. 2 Satz 4 Nr. 2 InvStG für die Anlegerebene in Fällen, in denen ein Fonds Gebrauch von der in § 33 Abs. 2 Satz 3 InvStG geregelten Immobilien-Transparenzoption macht. Unbeschränkt stpfl. Investmentfonds oder Dach-Spezial-Investmentfonds fließen nach dieser Fiktion inländische Immobilienerträge i.S.d. § 6 Abs. 4 InvStG zu. § 33 Abs. 2 Satz 7 InvStG entspricht dem bereits erwähnten § 33 Abs. 2 Satz 2 InvStG auf Anlegerebene.2 Wiederum wird der verringerte Kapitalertragsteuersatz des § 7 Abs. 1 Satz 3 InvStG für nicht anwendbar erklärt. – § 34 Abs. 3 Satz 2 InvStG verweist auf die subject-to-tax-Regelung des § 16 Abs. 4 InvStG. Ausschüttungen eines ausländischen Spezial-Investmentfonds werden nur dann von der Besteuerung im Inland freigestellt, wenn der (Spezial-)Investmentfonds in dem Staat, dem nach dem DBA das Besteuerungsrecht zusteht, der allgemeinen Ertragsbesteuerung unterliegt und die Ausschüttungen zu mehr als 50 % auf nicht steuerbefreiten Einkünften des (Spezial-)Investmentfonds beruhen. – § 43 Abs. 3 InvStG erweitert den Anwendungsbereich der Teilfreistellung (§ 20 InvStG) entsprechend auf ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche Erträge, die aus Ausschüttungen von Investmentfonds, Vorabpauschalen oder Gewinnen aus der Veräußerung von Investmentanteilen stammen. – § 44 InvStG erklärt korrespondierend die § 3c EStG-ähnliche Vorschrift des § 21 InvStG für entsprechend anwendbar, nach der Betriebsvermögensminderungen, Betriebsausgaben, Veräußerungskosten oder Werbungskosten in Zusammenhang mit „teilfreistellungsfähigen“ Fonds (d.h. Aktien-, Misch- oder Immobilienfonds) nur in dem Umfang abzugsfähig sind, wie die Besteuerung nicht durch die Teilfreistellung ausgeschlossen ist. – § 48 Abs. 6 InvStG statuiert schließlich für den sog. Fonds-Teilfreistellungsgewinn eine getrennte, an den Anlegerkategorien des § 20 Abs. 1 InvStG orientierte Ermittlung.

1 Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 25 InvStG Rz. 8. 2 Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 25 InvStG Rz. 9. Kretzschmann/Albrecht | 495

§ 26 | Anlagebestimmungen

§ 26 Anlagebestimmungen Ein Spezial-Investmentfonds ist ein Investmentfonds, der die Voraussetzungen für eine Gewerbesteuerbefreiung nach § 15 Absatz 2 und 3 erfüllt und in der Anlagepraxis nicht wesentlich gegen die nachfolgenden weiteren Voraussetzungen (Anlagebestimmungen) verstößt: 1. 1Der Investmentfonds oder dessen Verwalter ist in seinem Sitzstaat einer Aufsicht über Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage unterstellt. 2Diese Bestimmung gilt für Investmentfonds, die nach § 2 Absatz 3 des Kapitalanlagegesetzbuchs von AIFKapitalverwaltungsgesellschaften verwaltet werden, als erfüllt. 2. Die Anleger können mindestens einmal pro Jahr das Recht zur Rückgabe oder Kündigung ihrer Anteile, Aktien oder Beteiligung ausüben. 3. 1Das Vermögen wird nach dem Grundsatz der Risikomischung angelegt. 2Eine Risikomischung liegt regelmäßig vor, wenn das Vermögen in mehr als drei Vermögensgegenstände mit unterschiedlichen Anlagerisiken angelegt ist. 3Der Grundsatz der Risikomischung gilt als gewahrt, wenn der Investmentfonds in nicht nur unerheblichem Umfang Anteile an einem oder mehreren anderen Investmentfonds hält und diese anderen Investmentfonds unmittelbar oder mittelbar nach dem Grundsatz der Risikomischung angelegt sind. 4. Das Vermögen wird zu mindestens 90 Prozent des Wertes des Investmentfonds in die folgenden Vermögensgegenstände angelegt: a) Wertpapiere im Sinne des § 193 des Kapitalanlagegesetzbuchs und sonstige Anlageinstrumente im Sinne des § 198 des Kapitalanlagegesetzbuchs, b) Geldmarktinstrumente, c) Derivate, d) Bankguthaben, e) Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und vergleichbare Rechte nach dem Recht anderer Staaten, f) Beteiligungen an Immobilien-Gesellschaften nach § 1 Absatz 19 Nummer 22 des Kapitalanlagegesetzbuchs, g) Betriebsvorrichtungen und andere Bewirtschaftungsgegenstände nach § 231 Absatz 3 des Kapitalanlagegesetzbuchs, h) Investmentanteile an inländischen und ausländischen Organismen für gemeinsame Kapitalanlagen in Wertpapieren sowie an inländischen und ausländischen Investmentfonds, die die Voraussetzungen der Nummern 1 bis 7 erfüllen, i) Spezial-Investmentanteile, j) Beteiligungen an ÖPP-Projektgesellschaften nach § 1 Absatz 19 Nummer 28 des Kapitalanlagegesetzbuchs und an Infrastruktur-Projektgesellschaften nach § 1 Absatz 19 Nummer 23a des Kapitalanlagegesetzbuchs, wenn der Verkehrswert dieser Beteiligung ermittelt werden kann, k) Edelmetalle, l) unverbriefte Darlehensforderungen, m) Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, wenn der Verkehrswert dieser Beteiligungen ermittelt werden kann, n) Kryptowerte im Sinne von § 1 Absatz 11 Satz 4 des Kreditwesengesetzes, wenn deren Verkehrswert ermittelt werden kann und es sich nicht um Wertpapiere im Sinne des § 193 des Kapitalanlagegesetzbuchs handelt. 496 | Kretzschmann/Albrecht

Anlagebestimmungen | § 26

5.

1Höchstens

20 Prozent des Wertes des Investmentfonds werden in Beteiligungen an Kapitalgesellschaften investiert, die weder zum Handel an einer Börse zugelassen noch in einem anderen organisierten Markt zugelassen oder in diesen einbezogen sind. 2Investmentfonds, die nach ihren Anlagebedingungen das bei ihnen angelegte Geld in Immobilien, Immobilien-Gesellschaften oder in Infrastruktur-Projektgesellschaften anlegen, dürfen bis zu 100 Prozent ihres Wertes in Beteiligungen an Kapitalgesellschaften investieren, die die Voraussetzungen von Immobilien-Gesellschaften oder Infrastruktur-Projektgesellschaften erfüllen. 3Innerhalb der Grenzen des Satzes 1 dürfen auch Unternehmensbeteiligungen gehalten werden, die vor dem 28. November 2013 erworben wurden. 4Höchstens 20 Prozent des Wertes des Investmentfonds werden in Kryptowerte im Sinne von Nummer 4 Buchstabe n investiert. 6. 1Die Höhe der unmittelbaren Beteiligung oder der mittelbaren Beteiligung über eine Personengesellschaft an einer Kapitalgesellschaft liegt unter 10 Prozent des Kapitals der Kapitalgesellschaft. 2Dies gilt nicht für Beteiligungen eines Investmentfonds an a) Immobilien-Gesellschaften, b) ÖPP-Projektgesellschaften und c) Gesellschaften, deren Unternehmensgegenstand auf die Erzeugung erneuerbarer Energien nach § 5 Nummer 14 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes gerichtet ist. 7. 1Ein Kredit darf nur kurzfristig und nur bis zu einer Höhe von 30 Prozent des Wertes des Investmentfonds aufgenommen werden. 2Investmentfonds, die nach den Anlagebedingungen das bei ihnen eingelegte Geld in Immobilien anlegen, dürfen kurzfristige Kredite bis zu einer Höhe von 30 Prozent des Wertes des Investmentfonds und im Übrigen Kredite bis zu einer Höhe von 60 Prozent des Verkehrswertes der unmittelbar oder mittelbar gehaltenen Immobilien aufnehmen. 1 8. An dem Investmentfonds dürfen sich unmittelbar und mittelbar über Personengesellschaften insgesamt nicht mehr als 100 Anleger beteiligen. 2Natürliche Personen dürfen nur beteiligt sein, wenn a) die natürlichen Personen ihre Spezial-Investmentanteile im Betriebsvermögen halten, b) die Beteiligung natürlicher Personen aufgrund aufsichtsrechtlicher Regelungen erforderlich ist oder c) die mittelbare Beteiligung von natürlichen Personen an einem Spezial-Investmentfonds vor dem 9. Juni 2016 erworben wurde. 3 Der Bestandsschutz nach Satz 2 Buchstabe c ist bei Beteiligungen, die ab dem 24. Februar 2016 erworben wurden, bis zum 1. Januar 2020 und bei Beteiligungen, die vor dem 24. Februar 2016 erworben wurden, bis zum 1. Januar 2030 anzuwenden. 4Der Bestandsschutz nach Satz 2 Buchstabe c ist auch auf die Gesamtrechtsnachfolger von natürlichen Personen anzuwenden. 9. Der Spezial-Investmentfonds hat ein Sonderkündigungsrecht, wenn die zulässige Anlegerzahl überschritten wird oder Personen beteiligt sind, die nicht die Voraussetzungen der Nummer 8 Satz 2 erfüllen. 10. Die Anlagebestimmungen gehen aus den Anlagebedingungen hervor. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck 1. Definition des Begriffs „Spezial-Investmentfonds“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prüfungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich

1 6

1. Sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften . .

7 8 9 10

Kretzschmann/Albrecht | 497

§ 26 | Anlagebestimmungen B. Anlagebestimmungen für Spezial-Investmentfonds I. Kein Verstoß der Anlagepraxis gegen die Anlagebestimmungen, Gewerbesteuerbefreiung (Einleitungssatz) 1. Investmentfonds i.S.d. § 1 InvStG . . 2. Gewerbesteuerbefreiung a) Verweis auf § 15 Abs. 2 und 3 InvStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verortung des Wesentlichkeitserfordernisses im Rahmen der Gewerbesteuerfreiheit . . . . . . . . . c) Besonderheiten beim Zeitpunkt des Verstoßes . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kein wesentlicher Verstoß a) Kriterien aa) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . bb) Grad des Verschuldens . . . . . cc) Zeitdauer des Verstoßes . . . . dd) Wertmäßiger Umfang des Verstoßes . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Beseitigungsbemühungen des Verwalters . . . . . . . . . . . . . . . b) Bezugspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Doppelung des Merkmals „wesentlicher Verstoß“ in § 52 InvStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Staatliche Aufsicht (Nr. 1) . . . . . . . . . . III. Rückgaberechte (Nr. 2) 1. Mindestens jährliche Rückgabemöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausgestaltung und Umfang des Rückgaberechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unschädliche Verletzung der jährlichen Rückgabemöglichkeit . . . . . . . IV. Risikomischung (Nr. 3) 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Mittelbare Risikomischung . . . . . . . . V. Erlaubte Vermögensgegenstände (Nr. 4) 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schmutzgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Berechnung des Werts des Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Behandlung von Personengesellschaften a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . b) Vermögensverwaltend tätige Personengesellschaften . . . . . . . . . . . c) Gewerbliche Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Wertpapiere i.S.d. § 193 KAGB und sonstige Anlagegegenstände i.S.d. § 198 KAGB (Nr. 4 Buchst. a) a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . .

498 | Kretzschmann/Albrecht

12 13 14 18 19 20 23 24 25 26 27 28 32 34 37 40 41 45 47 50 51 53 54 55 56

57

b) Wertpapiere i.S.d. § 193 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 KAGB aa) EU-Börsennotierung bzw. Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 bb) Nicht-EU-Börsennotierung bzw. -antrag . . . . . . . . . . . . . . 60 cc) Keine Nachschusspflichten . 61 c) Wertpapiere i.S.d. § 193 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 bis 8 KAGB aa) Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 bb) Bezugsrechte . . . . . . . . . . . . . 63 cc) Anteile an geschlossenen Fonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 dd) Finanzinstrumente . . . . . . . . 66 d) Bezugsrechte i.S.d. § 193 Abs. 2 KAGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 e) Sonstige Anlagegegenstände i.S.d. § 198 KAGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 f) Verbriefungszweckgesellschaften 69 6. Geldmarktinstrumente (Nr. 4 Buchst. b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 7. Derivate (Nr. 4 Buchst. c) . . . . . . . . . 71 8. Bankguthaben (Nr. 4 Buchst. d) . . . . 72 9. Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte (Nr. 4 Buchst. e) . . . . . . . . . . 73 10. Immobilien-Gesellschaften (Nr. 4 Buchst. f) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 11. Betriebsvorrichtungen und Bewirtschaftungsgegenstände (Nr. 4 Buchst. g) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 12. Investmentanteile (Nr. 4 Buchst. h) . 79 13. Spezial-Investmentanteile (Nr. 4 Buchst. i) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 14. ÖPP-Projektgesellschaften und Infrastruktur-Projektgesellschaften (Nr. 4 Buchst. j) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 15. Edelmetalle (Nr. 4 Buchst. k) . . . . . . 89 16. Unverbriefte Darlehensforderungen (Nr. 4 Buchst. l) . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 17. Kapitalgesellschaften (Nr. 4 Buchst. m) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 18. Kryptowerte (Nr. 4 Buchst. n) . . . . . 93 VI. Beschränkungen für nicht börsengehandelte Beteiligungen, Immobilien und Kryptowerte (Nr. 5) 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 2. 20 %-Grenze für Beteiligungen . . . . 98 3. Ausnahme für Beteiligungen an Immobiliengesellschaften . . . . . . . . . . . 103 4. Grandfathering für Unternehmensbeteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 5. 20 %-Grenze für Kryptowerte . . . . . 106 6. Verhältnis zu Nr. 4 . . . . . . . . . . . . . . . 107 VII. Beschränkungen für einzelne Kapitalgesellschaften (Nr. 6) . . . . . . . . . . . . . . . 108

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 3 § 26 VIII. Beschränkung der Kreditaufnahme (Nr. 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 IX. 100-Anleger-Grenze (Nr. 8) 1. 100-Anleger-Grenze . . . . . . . . . . . . . . 117 2. Ausschluss natürlicher Personen . . . 120

X. Sonderkündigungsrecht bei Überschreiten der 100-Anleger-Grenze (Nr. 9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 XI. Verknüpfung von Anlagebestimmungen und Anlagebedingungen (Nr. 10) 123 XII. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

Literatur: Jansen/Greger, InvStG 2018 – im Fokus: Personengesellschaften als Anleger, DStR 2018, 282; Stadler/Lechner, Erwerbbarkeit von Wertpapieren durch Spezial-Investmentfonds nach dem InvStG 2018, DB 2018, 218; Herr/Stiefel, Vorabpauschale und Teilfreistellung – Praktische Anwendungsfragen bei der Besteuerung von Investmentfonds nach dem JStG 2018, DStR 2019, 908; Herr/Stiefel, Europarechtliche Diskriminierung ausländischer Investmentfonds auch unter dem InvStG 2018?, IStR 2019, 929; Walter/ Mehrgardt, Liquidation von Spezial-Investmentfonds im Steuerrecht, RdF 2019, 140; Schober/Weiss, Allgemeiner offener Spezial-AIF nach § 282 KAGB als Anlagevehikel für Alternative Investments, RdF 2019, 306; Sotta/Stadler, Das Entwurf-Schreiben des BMF zu Spezial-Investmentfonds v. 16.12.2019 – erste Anmerkungen, BB 2020, 279; Hahne, Die steuerliche Behandlung von Infrastruktur-Investmentfonds – Bestandsaufnahme und gesetzgeberischer Handlungsbedarf, DStR 2021, 2237.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck 1. Definition des Begriffs „Spezial-Investmentfonds“ § 26 InvStG definiert den Begriff des Spezial-Investmentfonds. Damit wäre eine Verortung 1 innerhalb des § 2 InvStG grds. angezeigt gewesen. Allerdings hat der Begriff als Zugangsschlüssel zum Kapitel 3 eine solch überragende Bedeutung, dass auch eine Verschiebung in einen eigenen Paragraphen gerechtfertigt ist. Aus der hier vertretenen Einordnung als Definitionsnorm ergibt sich, dass § 26 InvStG selbst keine unmittelbare Rechtsfolge anordnet. Vielmehr ergibt sich die positive Rechtsfolge von § 26 vor allem aus § 25 i.V.m. §§ 29 ff. InvStG. Für den Fall, dass § 26 InvStG nicht mehr erfüllt ist, leiten sich die Rechtsfolgen nach hier vertretener Auffassung allein aus § 52 InvStG ab (vgl. näher Rz. 127). § 26 InvStG ist damit aber eine Grundnorm im neuen InvStG. Sie legt die Anforderungen 2 dar, die ein Investmentfonds „im Wesentlichen“ erfüllen muss, um Spezial-Investmentfonds zu sein und somit – vorbehaltlich des § 24 InvStG – nicht nach Kapitel 2, sondern nach Kapitel 3 besteuert werden zu können. Sie wird durch die Vorgaben für die Rechtsform inländischer Spezial-Investmentfonds in § 27 InvStG, durch die bußgeldbewährte Durchsetzungsverpflichtung in § 28 Abs. 3 InvStG und die Auflösungsfiktion des § 52 InvStG ergänzt. Hieraus und aus dem Zusammenspiel mit § 25 InvStG ergeben sich bereits vier zentrale Aus- 3 sagen des § 26 InvStG: (1) Jeder Spezial-Investmentfonds ist auch ein Investmentfonds, die Begriffe stehen also in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zueinander. (2) Im Unterschied dazu stehen die beiden Besteuerungssysteme der Kapitel 2 und 3 nicht in einem Über-Unterordnungsverhältnis,1 sondern nebeneinander (vgl. § 25 InvStG). (3) Die Voraussetzungen müssen nicht vollständig erfüllt werden, ein „nicht wesentlicher“ Verstoß ist unschädlich. (4) § 26 InvStG enthält zwar keine zeitliche Einschränkung dergestalt, dass ein Spezial-Investmentfonds die Voraussetzungen zu Beginn seiner Laufzeit erfüllen muss; allerdings wird ein Spezial-Investmentfonds nicht immer, sondern eben nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 24 InvStG nach den Regelungen des Kapitels 3 besteuert. 1 So auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 25 InvStG Anm. 1. Kretzschmann/Albrecht | 499

§ 26 Rz. 4 | Anlagebestimmungen 4 Die Norm ist zweigeteilt aufgebaut: In einem Einleitungssatz findet sich die zentrale (steuerli-

che) Voraussetzung, dass der Spezial-Investmentfons die Gewerbesteuerbefreiung nach § 15 Abs. 2 und 3 InvStG erfüllt. Dem schließt sich ein Anforderungskatalog von außersteuerrechtlichen Punkten („Anlagebestimmungen“) an, die aus den Anlagebedingungen eines Fonds hervorgehen müssen (§ 26 Nr. 10 InvStG). Dass die Gewerbesteuerbefreiung als Tatbestandsmerkmal im Einleitungssatz gleichsam vor die Klammer gezogen wurde, hat allein den Grund, dass es sich hierbei im Unterschied zu den Nr. 1 bis 10 nicht um eine tatsächliche, sondern um eine subsumtionsbedürftige, materiell-rechtliche Frage handelt, die nicht – zumindest nicht wirksam – in die Anlagebedingungen aufgenommen werden kann. Es bedeutet ausweislich des klaren Wortlauts des Einleitungssatzes („[...] die nachfolgenden weiteren Voraussetzungen [...]“ im Plural) aber gerade nicht, dass dieser „Allgemeine Teil“ stets und die Nr. 1 bis 10 nur alternativ erfüllt sein müssen. Vielmehr muss sich ein Investmentfonds an sämtliche Anlagebestimmungen kumulativ halten, um als Spezial-Investmentfonds zu qualifizieren.

5 Entsprechen die Anlagebedingungen dem Anforderungskatalog und der Fonds den Voraus-

setzungen des § 15 Abs. 2 und 3 InvStG, ist er ipso iure Spezial-Investmentfonds – auch und selbst dann, wenn der Katalog „versehentlich“ erfüllt wird (freilich im Hinblick auf die geforderte explizite Begrenzung auf 100 Anleger und das Sonderkündigungsrecht des Fonds bei deren Überschreitung, vgl. § 26 Nr. 8 und 9 i.V.m. Nr. 10 InvStG, ein eher hypothetisches Szenario). Es besteht also kein dezidiertes Wahlrecht für die Qualifizierung als Spezial-Investmentfonds,1 allerdings kann – gesellschafts- oder vertragsrechtliche Zulässigkeit einer späteren Änderung der Anlagebestimmungen vorausgesetzt – § 24 InvStG genutzt werden, um trotz der Qualifikation als Spezial-Investmentfonds einer Besteuerung nach Kapitel 3 zu „entgehen“. Wenn hingegen die Gesetzesbegründung2 davon spricht, das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Spezial-Investmentfonds müsse (von Beginn) vom Fonds und den Anlegern (!) „geltend gemacht“ werden, kann damit kein materielles Anforderungskriterium gemeint sein. Insbesondere die – nicht in den Katalog der Nr. 1 bis 10 aufgenommene – Statusbescheinigung nach § 29 Abs. 2 InvStG i.V.m. § 7 Abs. 3 InvStG ist keine materielle Voraussetzung, sondern eine formelle Rechtsfolge. Ähnliches gilt für die Ausübung der Transparenzoption nach § 30 InvStG. Diese setzt zwar die Qualifikation als Spezial-Investmentfonds voraus, stellt aber umgekehrt keine Geltendmachung des Vorliegens der § 26-Voraussetzungen dar (und ist schon, wie sich aus § 42 Abs. 4 und 5 InvStG ergibt – gar keine Voraussetzung für Spezial-Investmentfonds). Ein Investmentfonds, dessen Anlagebedingungen und steuerliche Einordnung im Einklang mit § 26 InvStG stehen, ist auch dann Spezial-Investmentfonds, wenn die Transparenzoption nicht ausgeübt wurde.3 Auch die „Geltendmachung“ im Rahmen der Erklärung und Veranlagung der Anleger ist kein Erfordernis des § 26 InvStG. Werden Einkünfte eines Anlegers als solche gem. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG behandelt, ist diese Behandlung falsch und muss verfahrensrechtlich korrigiert werden. Wirkung für § 26 InvStG oder gar § 24 InvStG hat das aber nicht. 2. Prüfungskompetenz

6 Ob ein Investmentfonds die Kriterien des § 26 InvStG erfüllt, prüft die zuständige FinBeh. bei

Ausstellung einer Statusbescheinigung nach § 29 Abs. 2 InvStG i.V.m. § 7 Abs. 3 InvStG. In der Praxis dürfte sich diese Prüfung auf die materiell-steuerrechtlichen Anforderungen des Eingangssatzes beschränken. Zwar sind die Anlagebedingungen sowie ein Anteilsregister, aus dem sich die Anleger ergeben, einem Antrag auf Ausstellung einer Statusbescheinigung bei-

1 S. genauer § 24 InvStG Rz. 15 sowie Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 5. 2 BT-Drucks. 18/8045, 94. 3 Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 24 InvStG Rz. 18.

500 | Kretzschmann/Albrecht

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 9 § 26

zufügen.1 Bisher wurde (im Rahmen des § 1 Abs. 1b Satz 2 InvStG a.F.) die Prüfung der Anlagebedingungen aber meist an die Verwalter des Investmentfonds ausgelagert2 und auf diese Prüfung, die in den Fällen einer internen Verwaltung nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 KAGB und abseits des Advisor-Modells auch in den Fällen einer externen Verwaltung eine Selbstprüfung ist, vertraut. Ob das Steuerrecht auch im Bereich der Spezial-Investmentfonds-Statusbescheinigung ein „Massenverfahren“ ist,3 ist zwar zweifelhaft, sodass das beschriebene Vorgehen nicht alternativlos sein dürfte. Pragmatisch ist es gleichwohl, zumal von einer der (eingeschränkten) Aufsicht einer Regulierungsbehörde unterliegenden Kapitalverwaltungsgesellschaft zumindest keine mutwilligen Fehleinschätzungen zu erwarten sind.

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich § 26 InvStG gilt für (in- und ausländische) Spezial-Investmentfonds. Gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 2 7 InvStG muss auch ein Altersvorsorgevermögensfonds die Voraussetzungen des § 26 InvStG erfüllen. 2. Zeitlicher Anwendungsbereich § 26 InvStG gilt ab dem 1.1.2018 (Art. 11 Abs. 3 Satz 1 InvStRefG i.V.m. § 56 Abs. 1 Satz 1 8 InvStG).

III. Rechtsentwicklung § 26 InvStG wurde im Rahmen der umfassenden Neufassung des InvStG durch das InvStRefG 9 neu eingefügt. In der Sache bestehen weitgehende Parallelen zu seinem „heimlichen Vorgänger“ § 1 Abs. 1b Satz 2 InvStG a.F. Das ist auch konsequent: Der ehemalige § 1 Abs. 1b Satz 2 InvStG a.F. legte die Anforderungen an einen Investmentfonds dar, § 26 InvStG hat nun dieselbe Funktion für – die auf Rechtsfolgenseite an die „alten“ Investmentfonds angelegten – Spezial-Investmentfonds. Dennoch weichen sowohl die Tatbestandsvoraussetzungen als auch die Rechtsfolgen der Normen mitunter voneinander ab. Und auch wenn sich an den Besteuerungsfolgen eines Spezial-Investmentfonds im Vergleich zu einem ehemaligen Investmentfonds (und für ihn galt § 1 Abs. 1b InvStG a.F.) nicht allzu viel geändert hat und das semitransparente Besteuerungsregime grds. übernommen wurde, muss man anerkennen, dass es sich um ein komplett neues Gesetz handelt4 und § 26 InvStG somit auch in ein komplett neues, anderes Regelungswerk eingebettet ist. Das bedeutet nicht, dass sämtliche Verlautbarungen hinfällig sind. Es ist aber im Rahmen der Rechtsanwendung für jeden Aspekt gründlich gesondert zu prüfen, ob auf Verlautbarungen, Rechtsprechung und Literatur, die zur alten Norm ergangen ist, auch im Hinblick auf den Telos der Norm und ihre Rechtsfolgen zurückgegriffen werden kann.5 Auch nach Inkrafttreten des InvStG 2018 wurde § 26 InvStG bereits zweimal

1 2 3 4

BT-Drucks. 18/8045, 98. Vgl. BR-Drucks. 740/13, 58. So Mann in W/B/A3, § 26 InvStG Rz. 2. Es ist das „Investmentsteuergesetz vom 19. Juni 2017“, nicht das „Investmentsteuergesetz vom 15. Dezember 2003 in der Fassung vom 19. Juni 2017“ – der Gesetzgeber hätte es auch ohne weiteres neu benennen können. 5 Weitergehend Mann in W/B/A3, § 26 InvStG 2018 Rz. 3 m.w.N; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 1; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 26 InvStG Rz. 18. Kretzschmann/Albrecht | 501

§ 26 Rz. 9 | Anlagebestimmungen geändert: Einmal mit Wirkung zum 15.12.20181 (nur in Bezug auf Nr. 5 Satz 2) und ein weiteres Mal mit Wirkung zum 2.8.20212 (mit Bezug auf Nr. 4 Buchst. j, Nr. 4 Buchst. n sowie Nr. 5 Satz 2 und Satz 3). Im Einzelnen ergeben sich bei der aktuell gültigen Fassung im Vergleich zu § 1 Abs. 1b InvStG a.F. folgende Modifikationen (rein deskriptive Auflistung, zu den Gründen und Konsequenzen s. Rz. 28 ff.): – Nr. 1 wurde gegenüber der früheren Fassung sprachlich präzisiert. – Bei Nr. 2 fiel die Fiktion eines Rückgabe-/Kündigungsrechts bei Börsennotierung weg. – Nr. 4 Buchst. a definiert Wertpapiere als anlagefähige Vermögensgegenstände nunmehr als solche i.S.d. § 193 KAGB und enthält neu eingefügt sonstige anlagefähige Anlageinstrumente (definiert als solche i.S.d. § 198 KAGB). – Nr. 4 Buchst. h bis i wurden gegenüber der alten Fassung („Anteile oder Aktien an inländischen und ausländischen Investmentfonds“) konkretisiert und in zwei Punkte aufgeteilt. – Nr. 4 Buchst. k bis m wurden ebenfalls aufgeteilt. – Mit Nr. 4 Buchst. n wurde die Möglichkeit eröffnet, zu 20 % (vgl. Nr. 5 Satz 4) in bestimmte Kryptowerte i.S.d. § 1 Abs. 11 Satz 4 KWG zu investieren. – Nr. 5 Satz 2 wurde erweitert und erfasst Investmentfonds, die das bei ihnen angelegte Geld (ohne quantitatives Mindestmaß) in Immobilien, Immobilien-Gesellschaften oder in Infrastruktur-Projektgesellschaften investieren (nicht nur solche, die 100 % oder – vor August 2021 zumindest noch mehr als 50 % – ihres Wertes in Immobilien oder Immobilien-Gesellschaften investieren). – Nr. 6 beinhaltet die Klarstellung, dass die dort geregelte 10 %-Grenze für einzelne Kapitalgesellschaftsbeteiligungen nicht durch die Zwischenschaltung einer Personengesellschaft ausgehebelt werden kann. – Nr. 8 ist eine Regelung ohne Entsprechung in § 1 Abs. 1b Satz 2 InvStG a.F., war aber in §§ 15, 16 InvStG a.F. bereits im alten Recht in modifizierter Fassung (ohne die Einbindung natürlicher Personen, ohne die Erstreckung auf mittelbare Beteiligungen) für Spezial-Investmentfonds kodifiziert. – Nr. 9 ist eine neue Regelung ohne Entsprechung im InvStG a.F. – Nr. 10 wurde terminologisch angepasst. Auf Grundlage des JStG 2022 in der Form der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (BT-Drucks. 20/4729) wird § 26 InvStG angepasst werden, um Nebeninvestitionen (neben der Vermietung und Verpachtung einer Immobilie) in Anlagen zur Erzeugung von erneuerbaren Energien und Ladeinfrastruktur für Elektromobilität zu erleichtern. Dazu wird das im Eingangssatz niedergelegte Verbot der aktiven unternehmerischen Bewirtschaftung außerhalb der 5 %-Grenze des § 15 Abs. 3 InvStG in eine neue Nummer 7a überführt und diese Grenze für Einnahmen aus der Erzeugung oder Lieferung von Strom, die im Zusammenhang mit der Vermietung und Verpachtung von Immobilien stehen und aus dem Betrieb der genannten Anlagen stammen, auf 10 % erhöht, wenn das Überschreiten der 5 %-Grenze allein durch die genannten förderwürdigen Erträge erfolgt. Dies führt zu einer für Spezial-Investmentfonds bisher unbekannten möglichen GewStPfl. Die ergänzte Nummer 10 legt fest, dass sich die Vorgaben der Nummer 7a nicht in den Anlagebedingungen widerspiegeln müssen. Die Änderungen werden ab 1.1.2023 gelten.

1 Mit dem „JStG 2018“ v. 11.12.2018, BGBl. I 2018, 2338. 2 Mit dem FondsstandortG v. 3.6.2021, BGBl. I 2021, 1498.

502 | Kretzschmann/Albrecht

B. Anlagebestimmungen für Spezial-Investmentfonds | Rz. 12 § 26

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften Die zentrale Stellung und Relevanz der Vorschrift zeigt sich auch an den zahlreichen Verwei- 10 sen und Bezugnahmen, die sowohl von ihr als auch zu ihr ergehen: – § 5 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 InvStG enthält eine Befugnisnorm für die FinBeh., das Vorliegen der Voraussetzungen des § 26 InvStG zu überprüfen. – § 27 InvStG stellt weitere Anforderungen an inländische Spezial-Investmentfonds (bzgl. möglicher Rechtsformen) und hätte daher auch innerhalb des § 26 InvStG verortet werden können. – § 28 InvStG schafft zusätzliche Pflichten des Spezial-Investmentfonds und der unmittelbar und mittelbar beteiligten Personengesellschaften, um die Durchsetzung der Anforderungen des § 26 Nr. 8 und 9 InvStG bei der Beteiligung von Personengesellschaften abzusichern. – § 29 InvStG regelt als zentrale Rechtsfolgennorm des dritten Kapitels die Steuerpflicht eines die Voraussetzungen des § 26 InvStG erfüllenden Fonds. § 29 Abs. 3 InvStG nimmt dabei Bezug auf § 26 Nr. 6 InvStG und regelt die Nichtanwendung (inkl. treaty override) bestimmter Normen trotz Verletzung der 10 %-Grenze. – § 52 InvStG ist das negative Pendant zu § 29 InvStG und regelt die Rechtsfolgen bei einem wesentlichen Verstoß gegen die Anlagebestimmungen der Nr. 1 bis 10 (vgl. näher zu den Folgen eines Verstoßes Rz. 127). – § 53 Abs. 1 Nr. 2 InvStG nimmt global auf (u.a.) § 26 InvStG Bezug, indem er die Voraussetzungen eines Spezial-Investmentfonds auch als für Altersvorsorgevermögensfonds maßgeblich erklärt. Außerhalb dieser gesetzesinternen Bezugnahmen ist insbes. das Verhältnis zum KAGB rele- 11 vant. Der (investment-)steuerliche Begriff des Spezial-Investmentfonds nimmt auf den aufsichtsrechtlichen Begriff des Investmentvermögens (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB) u.a. über § 1 Abs. 2 Satz 1 InvStG Bezug, ohne jedoch mit ihm deckungsgleich zu sein (vgl. hierzu § 1 InvStG Rz. 10 sowie Anh. 8 Rz. 1). Nicht jedes Investmentvermögen ist Investmentfonds (als praktisch wichtigste Ausnahme dürften Personengesellschaften gelten, vgl. § 1 Abs. 3 Nr. 2 InvStG), geschweige denn Spezial-Investmentfonds (vgl. die zahlreichen zusätzlichen Anforderungen in § 26 InvStG). Umgekehrt muss ein Spezial-Investmentfonds nicht zwingend Investmentvermögen i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB sein, wie z.B. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 InvStG (1-Anleger-Fonds) oder § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 (nicht operative steuerbefreite KapGes.) zeigen. Dennoch wird sich der steuerrechtliche Rechtsanwender nicht nur aufgrund des Verweises in § 1 Abs. 2 Satz InvStG mit dem Aufsichtsrecht beschäftigen müssen. Daneben enthält auch § 26 InvStG originäre Verweise auf das KAGB, nämlich in Nr. 1 Satz 2, Nr. 4 Buchst. a, Nr. 4 Buchst. f und in Nr. 4 Buchst. g.

B. Anlagebestimmungen für Spezial-Investmentfonds I. Kein Verstoß der Anlagepraxis gegen die Anlagebestimmungen, Gewerbesteuerbefreiung (Einleitungssatz) 1. Investmentfonds i.S.d. § 1 InvStG

Spezial-Investmentfonds kann nur ein Gebilde sein, das Investmentfonds nach § 1 Abs. 2 bis 4 12 InvStG ist. In einer sog. Umbrella-Konstruktion, die mehrere Teilfonds beinhaltet, gilt auch hier § 1 Abs. 4 InvStG, d.h., es sind sämtliche Teilfonds getrennt zu betrachten und zu beurteilen.1 1 Vgl. Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 26 InvStG Rz. 23. Kretzschmann/Albrecht | 503

§ 26 Rz. 13 | Anlagebestimmungen 2. Gewerbesteuerbefreiung a) Verweis auf § 15 Abs. 2 und 3 InvStG 13 Der Spezial-Investmentfonds muss die Anforderungen an die Gewerbesteuerfreiheit des § 15

Abs. 2 und 3 InvStG erfüllen (vgl. hierzu eingehend § 15 InvStG Rz. 9 ff.). Die Gesetzesbegründung spricht an dieser Stelle von einer Rechtsgrundverweisung.1 Das ist auf den ersten Blick korrekt, wenngleich eine Rechtsgrundverweisung nach allgemeinem Verständnis keine Alternative, sondern ein „Mehr“ gegenüber einer Rechtsfolgenverweisung ist, also die Rechtsfolge des Grundes, auf den verwiesen wird, ebenfalls stets beinhaltet. Da § 29 Abs. 4 InvStG wegen § 25 InvStG aber eine „eigene“ Gewerbesteuerbefreiung als Rechtsfolge für Spezial-Investmentfonds enthält, dürfte der Verweis in § 26 InvStG eher ein Verweis sui generis sein, der allein die Tatbestandsmerkmale (aber nicht die Rechtsfolge) in Bezug nimmt. Im umgekehrten Negativ-Fall – Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 und 3 InvStG – ist die Bezeichnung der Rechtsgrundverweisung treffender, da sie regelmäßig ultimativ auch die Rechtsfolge des § 15 InvStG enthält: Zwar folgt auf einen Verstoß gegen die Anforderungen an die Gewerbesteuerfreiheit zunächst gem. § 52 InvStG die Auflösung des Spezial-Investmentfonds.2 Ist das Fehlen der Voraussetzungen der Gewerbesteuerfreiheit aber einziger Auflösungsgrund (oder sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 und 3 InvStG auf sonstige Weise erfüllt), gilt der Spezial-Investmentfonds fortan als (neu aufgelegter) einfacher Investmentfonds, der ab diesem Zeitpunkt gem. § 15 Abs. 1 bis 3 InvStG i.V.m. §§ 2, 5 GewStG gewerbesteuerpflichtig ist. Implizit führen Verstöße gegen § 15 Abs. 2 und 3 InvStG damit i.d.R. zur GewStPfl. des (gem. § 52 InvStG fingierten) Nachfolgefonds.3 b) Verortung des Wesentlichkeitserfordernisses im Rahmen der Gewerbesteuerfreiheit

14 Sowohl § 26 InvStG als auch § 52 Abs. 1 Satz 1 InvStG enthalten Wesentlichkeitserfordernisse

für Verstöße gegen die Anlagebestimmungen. Keines dieser Erfordernisse bezieht sich jedoch auf einen Verstoß gegen den Einleitungssatz des § 26 InvStG, d.h. die Gewerbesteuerfreiheit. Da ein Verstoß gegen § 26 InvStG schwere Rechtsfolgen nach sich zieht, muss u.E. nicht nur ein Verstoß gegen die Anlagebestimmungen ein „wesentlicher“ sein (s. Rz. 27), sondern es müssen auch die in Bezug genommenen § 15 Abs. 2 und 3 InvStG eingeschränkt ausgelegt werden, damit nur wesentliche Verstöße gegen die Anforderungen des § 15 Abs. 2 Satz 1 InvStG die Rechtsfolgen des § 52 InvStG (über § 26 InvStG) auslösen.4

15 Ansatzpunkt für eine solche einschränkende Auslegung wird regelmäßig das Wesentlichkeits-

erfordernis in § 15 Abs. 2 Nr. 2 InvStG sein. Hierzu ist zunächst zu bemerken, dass die Bagatellgrenze keine Kodifizierung dieses Wesentlichkeitserfordernisses ist. Dies bedeutet im Kontext des § 15 Abs. 2 Nr. 2 InvStG, dass auch beim Verstoß gegen die Bagatellgrenze nicht zwingend eine schädliche aktive unternehmerische Bewirtschaftung vorliegt.5 Unsicherheit herrscht allerdings darüber, ob ein wesentlicher Verstoß nur dann vorliegt, wenn er ein Aus-

1 BT-Drucks. 18/8045, 94; dem folgend Wenzel in Brandis/Heuermann, § 26 InvStG Rz. 15; Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 26 InvStG Rz. 25. 2 Soweit auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 5, § 52 InvStG Anm. 5. 3 Anders bzw. weniger weitgehend Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 5; § 29 InvStG Rz. 57 ff. 4 So auch Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 26 InvStG Rz. 29. Auch das BMF scheint nunmehr eine ähnliche Auslegung zu vertreten. Hatte das BMF in einem ersten Entwurfsschreiben v. 16.12.2019 – IV C 1 - S 1980 – 1/16/10010:005, Rz. 26.2, nur „kurzfristige“ Überschreitungen der Bagatellgrenze nach § 15 Abs. 3 InvStG als unschädlich betrachtet, werden nunmehr „geringfügige“ Überschreitungen toleriert, vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.2. 5 Mann in Brandis/Heuermann, § 15 InvStG Rz. 30; Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 15 InvStG Anm. 10.

504 | Kretzschmann/Albrecht

B. Anlagebestimmungen für Spezial-Investmentfonds | Rz. 18 § 26

maß erlangt, das nach §§ 1 Abs. 1d, 15 Abs. 3 InvStG a.F. gefordert wurde, oder ob ein weniger strenger Maßstab anzusetzen ist.1 Unabhängig hiervon muss nach dem Willen des Gesetzgebers zumindest im Rahmen der 16 §§ 26, 52 InvStG das Erfordernis eines wesentlichen Verstoßes auch in Bezug auf die etwaige Verletzung der Gewerbesteuerfreiheit hereingelesen werden, denn die Anforderungen des § 15 Abs. 3 InvStG a.F. sollten durch die Isolation der Gewerbesteuerbefreiungsvorschriften nicht angetastet werden.2 Da sich das Wesentlichkeitserfordernis eines Verstoßes (s. Rz. 19 ff.) nach dem eindeutigen Wortlaut nur auf einen Verstoß gegen die Anlagebestimmungen, nicht jedoch gegen die Anforderung der Gewerbesteuerfreiheit bezieht, scheint die richtige Verortung hierbei das Wesentlichkeitskriterium des in Bezug genommenen § 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 InvStG zu sein. Dies wäre auch insoweit konsequent, als hierdurch die Ungleichbehandlung von Investmentfonds und Spezial-Investmentfonds reduziert würde. Allerdings stand und steht auch die zweite Anforderung an die Gewerbesteuerfreiheit (der objektive Geschäftszweck i.S.d. § 15 Abs. 2 Nr. 1 InvStG) aufgrund der Aussage in der Gesetzesbegründung3 unter dem Vorbehalt eines wesentlichen Verstoßes, sodass insoweit das Wesentlichkeitskriterium auf Ebene der §§ 26, 52 InvStG angewandt werden muss. Zu den Kriterien für einen solchen wesentlichen Verstoß s. Rz. 19 ff. Speziell für die Kriterien der Gewerbesteuerfreiheit geht die FinVerw. davon aus, dass ein nur geringfügiges Überschreiten der Bagatellgrenze unschädlich ist.4 Was in diesem Kontext geringfügig bedeutet, ist nicht geklärt. Eine geringfügige Überschreitung kann sowohl in zeitlicher als auch in betragsmäßiger Hinsicht vorliegen. Im Gegensatz zu anderen geringfügigen Verstößen (s. Rz. 52) bezieht sich die 5 %-Grenze auf die aktive unternehmerische Bewirtschaftung in einem Geschäftsjahr. Da sie nicht zwingend häufiger steuerbilanziell zu berechnen und auszuweisen ist, müsste „geringfügig“ in diesem Zusammenhang eigentlich mindestens ein gesamtes Geschäftsjahr bedeuten.5 Das entspricht aber nicht dem Sinngehalt des Wortes. Daher dürfte davon auszugehen sein, dass „geringfügig“ hier nur bedeuten kann, dass die aktive unternehmerische Bewirtschaftung kurzfristig zurückgefahren wird. Hierbei können sich natürlich aufgrund der Langfristigkeit von Dispositionen längere Abwicklungszeiträume ergeben. Offen ist auch, wo betragsmäßig die Grenze für ein „geringfügiges“ Überschreiten der Baga- 17 tellgrenze liegt. Systematisch ergibt sich aus dem Ausnahmecharakter der Bagatellgrenze nach § 15 Abs. 3 InvStG, dass eine restriktive Auslegung geboten ist. Pauschale Aussagen verbieten sich insofern. Maßgeblich dürfte im Einzelfall stets sein, ob der Spezial-Investmentfonds aktiv versucht, die Bagatellgrenze (wieder) einzuhalten.6 c) Besonderheiten beim Zeitpunkt des Verstoßes Entscheidend für die zeitliche Anwendung des § 26 InvStG i.V.m. 52 InvStG7 ist aber, wann 18 der Verstoß gegen § 15 Abs. 2 und 3 InvStG im Einzelnen anzunehmen ist. Hier bereitet vor allem ein Überschreiten der Bagatellgrenze Probleme, da i.d.R. kein isoliertes Handeln den Verstoß hervorrufen wird, soweit zugleich ein wesentlicher Verstoß vorliegt. Damit bleibt als Ansatzpunkt nur der Beginn des entsprechenden Geschäftsjahres oder das Ende des Geschäftsjahres als auslösender Zeitpunkt denkbar. Für den Beginn des Geschäftsjahres spricht

1 Vgl. einerseits Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 15 InvStG Anm. 10 und andererseits Mann in Brandis/Heuermann, § 15 InvStG Rz. 30. 2 BT-Drucks. 18/8045, 95. 3 BT-Drucks. 18/8045, 84, 94. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.2. 5 Vgl. Bödecker in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 26 InvStG Rz. 24. 6 Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 26 InvStG Rz. 29. 7 Vgl. zum Zusammenspiel Rz. 10. Kretzschmann/Albrecht | 505

§ 26 Rz. 18 | Anlagebestimmungen insoweit, dass auch die GewStPfl. nach § 15 Abs. 1 InvStG für das Geschäftsjahr des Überschreitens der Bagatellgrenze ausgeschlossen ist. Dies hätte letztlich zur Folge, dass auch für den (dann ehemaligen) Spezial-Investmentfonds die GewStPfl. mit dem Beginn des Geschäftsjahres eintritt. Allerdings muss bedacht werden, dass die Rechtsfolge im Kontext der §§ 26, 52 InvStG ungleich schwerer ist als beim Entfallen der Gewerbesteuerfreiheit eines einfachen Investmentfonds, denn ein „Zurück“ gibt es nach der Anwendung des § 52 InvStG nicht mehr (§ 24 InvStG). Interessengerechter sollte es daher sein, dass ein Überschreiten der Bagatellgrenze, soweit es nicht vorsätzlich erfolgte, vorbehaltlich der nachfolgenden Überlegungen, allenfalls am Ende des Geschäftsjahres eintreten kann. 3. Kein wesentlicher Verstoß a) Kriterien aa) Vorbemerkung 19 Die Anlagepraxis des Spezial-Investmentfonds darf gegen die Anlagebestimmungen – gemäß

der Klammerdefinition sind dies die Voraussetzungen des § 26 Nr. 1 bis 10 InvStG – nicht wesentlich verstoßen. Ein Verstoß soll nur in Fällen vorliegen, in denen zum objektiven Überschreiten der Anlagebestimmungen ein subjektives Element hinzutritt. Es muss also schuldhaftes Handeln vorliegen.1 Das ergibt sich allerdings nicht direkt aus dem Wortlaut „Verstoß“, sodass u.E. sämtliche im Folgenden erwähnten Einschränkungen besser unter dem Merkmal „wesentlich“ zu diskutieren sind. Der Verstoß muss nämlich – wie auch bisher, vgl. § 15 Abs. 3 Satz 1 InvStG a.F. – wesentlich sein, damit ein Investmentfonds nicht (mehr) als Spezial-Investmentfonds qualifiziert. Das ist im Hinblick auf die strenge und vor allem automatisch – d.h. ohne behördliches Einschreiten, Bekanntgabe etc. – eintretende Rechtsfolge (§ 52 InvStG) auch geboten. Die Gesetzesbegründung2 weist die Aberkennung des Status als Spezial-Investmentfonds denn auch als „Ultima Ratio“ aus und erwähnt explizit „bewusste und zweckgerichtete“ Verstöße („für missbräuchliche Gestaltungen“) als Beispielsfall für nach § 26 InvStG maßgebliche Abweichungen. Aus dem Ultima ratio-Prinzip folgt, dass dem Spezial-Investmentfonds im Regelfall Gelegenheit zur Beseitigung eines Verstoßes zu geben ist.3 Ein Spezial-Investmentfonds dürfte daher von der FinVerw. zunächst unter Fristsetzung zur Behebung des Verstoßes aufgefordert werden müssen.4 Folgende Umstände sollen nach Auffassung des BMF bei der Bewertung einer Überschreitung im Wege einer Gesamtschau zu berücksichtigen sein: – Grad des Verschuldens des Verwalters bei der Entstehung des Verstoßes, – Zeitdauer des Verstoßes, – wertmäßiger Umfang des Verstoßes im Verhältnis zum Gesamtwert des Fondsvermögens, – Umfang der Bemühungen des Verwalters, die auf eine Beseitigung des Verstoßes gerichtet sind.5 bb) Grad des Verschuldens

20 Die Gesetzesbegründung nennt zwar bewusste und zielgerichtete Verstöße nur als einen An-

wendungsfall eines wesentlichen Verstoßes, trotzdem kann u.E. davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber nicht bewusste Verstöße aus dem Anwendungsbereich ausschließen 1 2 3 4 5

Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 5. BT-Drucks. 18/8045, 94. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.3. Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 26 InvStG Rz. 37. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.3.

506 | Kretzschmann/Albrecht

B. Anlagebestimmungen für Spezial-Investmentfonds | Rz. 23 § 26

(bzw. genauer: in den Anwendungsbereich des positiv formulierten § 26 InvStG gerade einbeziehen) wollte. Dass mit der Formulierung „bewusst“ allein vorsätzliches Handeln sanktioniert werden soll, lässt sich daraus allerdings nicht schließen – das würde den Wortlaut „Verstoß“, selbst in Abgrenzung zum rein objektiven „Überschreiten“,1 überdehnen. Auch bewusst fahrlässiges sowie gleichgültiges Verhalten kann die Rechtsfolge des § 52 InvStG auslösen.2 Darüber hinaus wird sowohl in der Literatur3 als auch in der Gesetzesbegründung4 in das Ver- 21 stoßerfordernis ein aktives Element hineingelesen, das sich in zwei Konstellationen zeigen und die Auflösungsfiktion des § 52 InvStG verhindern soll: (1) Zum einen soll ein Bestandsfonds, der mit seinen Anlagebedingungen die Anforderungen des § 26 InvStG nicht erfüllt, keinen Verstoß, sondern eine bloße „Nichterfüllung“ begehen.5 (2) Zum anderen sollen auch für neu aufgelegte Spezial-Investmentfonds sog. passive Grenzverletzungen grds. keinen Verstoß darstellen. Passive Grenzverletzungen sind solche, die nicht durch einen Geschäftsabschluss, also eine aktive, das Fondsvermögen verändernde Transaktion verursacht wurden. Die Gesetzesbegründung schreibt damit die Auffassung der FinVerw. zum InvStG a.F. fort und hebt sie gleichsam (zumindest indirekt) auf eine legislative Ebene. Allerdings ergibt sich aus § 26 InvStG auch, dass Grenzverstöße, die passiv herbeigeführt werden, zu beseitigen sind. Insoweit steht die (nicht erfolgende) Grenzverletzungsbeseitigung einem aktiven Tun gleich. Allerdings ist fraglich, ob mit aktiven, vermögensändernden Transaktionen auch die Aufnah- 22 me neuer (z.B. eines 101.) Investoren gemeint ist. Bislang stellte sich diese Frage nicht, da die zitierte Verwaltungsauffassung zu § 1 Abs. 1b Satz 2 InvStG a.F. erging, die die 100-PersonenGrenze nicht beinhaltete, sondern sich tatsächlich weitgehend in Anforderungen zu Qualität und Quantität von Investitionsgegenständen erschöpfte. Allerdings dürfte die Aufnahme eines zusätzlichen Investors rechtsformunabhängig eine Transaktion darstellen, die sich zudem (weitere Kapitalzusagen) auf das Vermögen des Spezial-Investmentfonds auswirken kann. Sinn und Zweck der Anforderung gebieten das ohnehin, denn ansonsten würde § 26 Nr. 8 InvStG weitgehend leer laufen.6 cc) Zeitdauer des Verstoßes Neben diesen beiden qualitativen Merkmalen erwähnt die Gesetzesbegründung7 eine weitere 23 Einschränkung für das Auslösen der Rechtsfolgen des § 52 InvStG, nämlich eine zeitliche: Kurzfristige Verstöße sollen, auch wenn sie aktiv und bewusst herbeigeführt wurden, unbeachtlich sein. Kurzfristig dürfte unserem Verständnis nach jedenfalls jedes unverzüglich (also ohne schuldhaftes Zögern) zurückgeführte Überschreiten sein. Im Übrigen dürfte es hier auf die Gegebenheiten des Einzelfalls unter Berücksichtigung der jeweils betroffenen Assetklasse, insbes. deren Handelbarkeit, ankommen.

1 Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 5. 2 Vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.3; so auch Haug, Ubg 2017, 303 (305); Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 5. 3 Haug, Ubg 2017, 303 (305); ihm – etwas missverständlich – folgend Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 5. 4 BT-Drucks. 18/8045, 95. 5 Diese Unterscheidung hätte aber u.E. keine Folgewirkung, denn ein solcher Bestandsfonds würde am 1.1.2018 nicht als Spezial-Investmentfonds qualifizieren. Eine Fortwirkung der Qualifikation als Spezial-Investmentfonds nach § 15 InvStG a.F. gibt es nicht. Lediglich für den Übergang hat das BMF die sog. Selbstzertifizierung zugelassen, die faktisch eine verlängerte Anpassungsfrist ist, vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.46. 6 § 26 Nr. 8 InvStG wird zudem von § 28 InvStG flankiert. Auch mit dieser Norm zeigt der Gesetzgeber, dass es ihm – gerade mit diesem Erfordernis – ernst ist. 7 BT-Drucks. 18/8045, 95. Kretzschmann/Albrecht | 507

§ 26 Rz. 24 | Anlagebestimmungen dd) Wertmäßiger Umfang des Verstoßes 24 Ob ein wesentlicher Verstoß gegen die Anlagebedingungen vorliegt, soll auch vom wertmäßi-

gen Umfang des Verstoßes im Verhältnis zum Gesamtwert des Fondsvermögens abhängen.1 Konkrete Wertgrenzen gibt die FinVerw. nicht vor. Da es sich auch bei diesem Kriterium um eines von mehreren handelt, dürfte auch ein hoher wertmäßiger Verstoß allein nicht die Wesentlichkeit des Verstoßes begründen. Vielmehr dürften sich aus einem hohen wertmäßigen Verstoß gesteigerte Anforderungen an die Beseitigungsbemühungen ergeben. Weiterhin dürfte danach zu differenzieren sein, ob es sich bei dem Verstoß um eine passive Grenzverletzung handelte oder ob ein aktiver Verstoß vorlag. ee) Beseitigungsbemühungen des Verwalters

25 Schließlich soll auch der Umfang der Bemühungen des Verwalters, die auf eine Beseitigung

des Verstoßes gerichtet sind, bei der Prüfung der Wesentlichkeit eines Verstoßes gegen die Anlagebedingungen zu berücksichtigen sein. Dieses Kriterium kommt insbes. bei den passiven Grenzverletzungen zum Tragen. Denn nach Auffassung der FinVerw. soll dann kein wesentlicher Verstoß anzunehmen sein, wenn der Verwalter unverzüglich nach Kenntnis der Grenzverletzung ihm mögliche und zumutbare Maßnahmen unternimmt, um die Einhaltung der Anlagebestimmungen wieder zu gewährleisten. Mögliche Maßnahmen sind abhängig von den jeweiligen Vermögensgegenständen und deren Handelbarkeit zu beurteilen.2 Maßgeblich sind demnach stets die Umstände des Einzelfalls. Da bereits im Falle der passiven Grenzverletzungen unverzüglich zumutbare Beseitigungsbemühungen zu unternehmen sind, wird man bei aktiven Verletzungen gesteigerte Anforderungen an die Beseitigungsbemühungen stellen müssen. Dies gilt umso mehr, wenn die FinVerw. den Spezial-Investmentfonds zur Beseitigung eines Verstoßes aufgefordert hat. b) Bezugspunkt

26 Der wesentliche Verstoß muss sich nach dem eindeutigen Wortlaut und dem systematischen

Zusammenspiel mit § 26 Nr. 10 InvStG auf die Anlagepraxis beziehen, nicht die Niederschrift der Anlagebestimmungen in den Anlagebedingungen. Letztere müssen hingegen vollständig frei von Verstößen sein. Das bedeutet, dass z.B. eine kurzfristige Beteiligung von mehr als 100 Anlegern unschädlich sein kann, die Anlagebedingungen aber nicht die Beteiligung von 101 Anlegern von vornherein vorsehen dürfen. Daher werden Verstöße gegen § 26 Nr. 10 InvStG stets nur zu einer Aberkennung des Status als Spezial-Investmentfonds führen, nie aber zu einer Nicht-Zuerkennung. c) Doppelung des Merkmals „wesentlicher Verstoß“ in § 52 InvStG

27 Das bedeutet aber auch, dass Rechtsfolge immer § 52 InvStG ist. Daher verwundert es (und

ist am wahrscheinlichsten mit der Parallele zur Vorgängerregelung des § 15 Abs. 3 Satz 1 InvStG a.F. zu erklären), dass § 52 InvStG die Formulierung „wesentlicher Verstoß“ ebenfalls wieder aufgreift. Aus dieser Doppelung lässt sich jedoch nicht schließen, dass diesem Merkmal im Rahmen des § 26 InvStG keine eigenständige Bedeutung zukommt.3 Denn nicht nur § 52 InvStG ist eine Rechtsfolgennorm, auch § 26 InvStG enthält als umfangreiche Legaldefinition die (verkappte) Rechtsfolge, dass Kapitel 3 überhaupt erst anwendbar ist. Fehlte das

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.3. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.4. 3 So aber Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 5.

508 | Kretzschmann/Albrecht

B. Anlagebestimmungen für Spezial-Investmentfonds | Rz. 28 § 26

Merkmal „wesentlich“ in § 26 InvStG, könnte es zu der Situation kommen, dass unwesentliche Verstöße, ohne die Rechtsfolge des § 52 InvStG auszulösen, schon dazu führen, dass kein Spezial-Investmentfonds mehr vorliegt und Kapitel 3 daher nicht mehr anwendbar ist, ohne dass es zu der als zwingende Konsequenz anzusehenden Rechtsfolge des § 52 InvStG kommt (s. dazu näher Rz. 127). Entbehrlich ist hingegen das erneute Aufgreifen des „wesentlichen Verstoßes“ in § 52 InvStG – hier hätte die Formulierung „Verstoß gegen § 26 InvStG“, die die Wesentlichkeitseinschränkung mit umfasst hätte, genügt.1

II. Staatliche Aufsicht (Nr. 1) Ein Spezial-Investmentfonds oder sein Verwalter muss in seinem (jeweiligen) Sitzstaat einer 28 Investmentaufsicht, d.h. einer Aufsicht über Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage unterstellt sein. Das war auch bisher schon so (§ 1 Abs. 1b Satz 2 Nr. 1 Satz 1 InvStG a.F.). Interessant daran war und ist, dass das Steuerrecht hier an eine Regel anknüpft, die dem Anlegerschutz – einem dem Steuerrecht nicht gerade immanenten Zweck – dient.2 Die Aufsicht muss eine staatliche sein, d.h. durch staatliche Aufsichtsbehörden erfolgen. Außerdem muss sich die Aufsicht auf das Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage beziehen. Eine Steuer-, Marktaufsicht etc. genügen nicht, nach Ansicht der FinVerw.3 und Stimmen in der Literatur auch nicht (sogar „erst recht“ nicht)4 eine bloße Registrierung nach § 2 Abs. 4 KAGB. Letztere sei nämlich gerade keine staatliche Beaufsichtigung im engeren Sinne (vgl. dazu Anh. 8 Rz. 37), sondern letztlich eine bloße Mitteilung über die Kapitalverwaltungsgesellschaft und die verwalteten Vermögen, bei der weder die Zuverlässigkeit oder die fachliche Eignung der handelnden Personen noch die Bonität der Gesellschaft selbst geprüft werde. Dies ist aber nach Ansicht der FinVerw. Voraussetzung dafür, einer staatlichen Aufsicht zu unterliegen. Dieser Ansicht ist jedenfalls für in Deutschland registrierte Gesellschaften nicht zuzustimmen. Sie ist seit Inkrafttreten des KAGB nicht mehr haltbar. Die im Anwendungsschreiben vom BMF genannte Ansicht verweist zwar nicht auf das BaFin-Rundschreiben 14/2008,5 ist aber annähernd wortgleich mit ihr. Dort heißt es: „Erst recht fehlt es an einer Investmentaufsicht im Sinne dieser Vorschrift, wenn ausländische Vermögen lediglich einer Registrierungspflicht im Sitzstaat unterliegen.“ Nun geht es im Rahmen des § 26 Nr. 1 InvStG zwar auch, aber nicht nur um ausländische Investmentfonds – das BMF hat die „geliehene“ Formulierung also auf inländische Vermögen ausgedehnt. Zudem erging das besagte Rundschreiben der BaFin im Jahr 2008, also fünf Jahre bevor das KAGB in Kraft trat. Dieses legt nun aber in § 2 Abs. 4 KAGB i.V.m. § 44 Abs. 1, 4 bis 9 KAGB einen umfangreichen Anforderungskatalog an die Registrierungspflicht und die laufenden Pflichten, die auch zum Anlegerschutz gegenüber der BaFin erbracht werden müssen, dar.6 § 44 Abs. 4 Satz 1 KAGB spricht denn auch von einem Registrierungsantrag, der vorliegen muss. Mehr noch: § 5 Abs. 6 Satz 2 KAGB und § 44 KAGB, die für registrierte Kapitalverwaltungsgesellschaften nicht nach § 2 Abs. 4 Satz 1 KAGB ausgeschlossen sind, erwähnen Befugnisse, die die BaFin „im Rahmen der Aufsicht“ und zur Abwendung von Gefahren wahrnehmen kann. Ein „grauer“ Kapitalmarkt existiert in Deutschland für Investmentvermögen nicht mehr. Auch registrierte Verwaltungsgesellschaften

1 Die Doppelung bestand allerdings auch schon in der früheren Fassung, vgl. § 1 Abs. 1d Satz 1 InvStG a.F. und § 15 Abs. 3 Satz 1 InvStG a.F. 2 Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 7. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.7. 4 Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 7. 5 BaFin-Rundschreiben 14/2008 (WA) v. 22.12.2008 – WA 41 – Wp 2136 – 2008/0001, abrufbar unter www.bafin.de. 6 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 10. Kretzschmann/Albrecht | 509

§ 26 Rz. 28 | Anlagebestimmungen und – mittelbar – ihre verwalteten Investmentvermögen unterliegen einer staatlichen Aufsicht und sind somit potentiell taugliche Spezial-Investmentfonds.1 29 Der Aufsicht muss nicht zwangsläufig der Spezial-Investmentfonds selbst unterliegen. Es ge-

nügt, wenn das auf den Verwalter zutrifft. Das InvStG zieht hier in Betracht, dass nicht alle Jurisdiktionen eine direkte Produktregulierung kennen2 – selbst das KAGB adressiert vorrangig die Kapitalverwaltungsgesellschaften der Investmentvermögen und nicht die Investmentvermögen selbst.3 Gleichwohl fordern auch Stimmen im Schrifttum, dass auch der Spezial-Investmentfonds selbst einer indirekten Produktaufsicht unterliegen muss.4 Aus dem Wortlaut des Gesetzes geht das u.E. nicht hervor.5 Insbesondere grenzt die Präzisierung „Aufsicht über Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage“ die Pflicht nicht dergestalt ein, dass diese sich zwangsläufig (auch) auf das Produkt selbst beziehen muss.6 Zwar ist das Vermögen (in externen Kapitalverwaltungsgesellschaften) nicht auf Ebene des Verwalters, sondern auf Ebene des Anlagevehikels selbst gepoolt. Das bedeutet aber nicht, dass eine reine Managerregulierung vollständig ohne Anlegerschutz einhergehen würde. Auch die Gesetzesbegründung7, die ohnehin nur zur alten Fassung zitiert wird,8 sieht eine solche Einschränkung nicht vor.9

30 In geografischer Hinsicht muss die Aufsicht im Sitzstaat des Investmentfonds oder dessen

Verwalters erfolgen. Es reicht also nicht aus, dass ein in seinem Sitzstaat keiner Aufsicht unterliegender Investmentfonds beim Vertrieb in andere Länder deren Aufsicht unterstellt ist.10

31 § 26 Nr. 1 Satz 2 InvStG enthält eine Fiktion: Konzern-Investmentvermögen i.S.d. § 2 Abs. 3

KAGB gelten als einer Aufsicht unterstellt. Der Steuergesetzgeber hat sich hier für eine recht elaborierte Regelungssystematik entschieden. Während im Aufsichtsrecht die Einordnung noch relativ klar ist (Konzern-Investmentvermögen sind regelmäßig Investmentvermögen i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB, aber gem. § 2 Abs. 3 KAGB von Regelungen des KAGB ausgenommen), bezieht das Steuerrecht diese Konstrukte gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 InvStG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB zunächst vollumfänglich ein, gewährt ihnen die Ausnahme, die ihnen das

1 Ebenso Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 10; a.A. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.7; Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 26 InvStG Rz. 58; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 26 InvStG Rz. 23. 2 Die Kritik von Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Fn. 26, dass der in der Gesetzesbegründung genannte Beweggrund (Gleichlauf mit der AIFM-Richtlinie) „wenig überzeugend“ sei, da sich der Gesetzgeber vom Aufsichtsrecht habe lösen wollen, ist ihrerseits wenig überzeugend: Zunächst ist dieses Motiv des Gesetzgebers an einigen Stellen zwar erkennbar, aber kein striktes Leitmotiv des InvStG, und zum anderen ist gerade § 26 Nr. 1 InvStG eine Norm, die massiv und unmittelbar an das Aufsichtsrecht anknüpft. Dann muss ein Gleichlauf mit dem Aufsichtsrecht aber gerade auch angestrebt werden. 3 Dies nicht absolut, sondern nur vorrangig – Vorschriften zu Anlagegegenständen, §§ 261 ff. KAGB, richten sich ebenso an die Investmentvermögen selbst. 4 Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 7. 5 So auch Wenzel in Brandis/Heuermann, § 26 InvStG Rz. 24; Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 26 InvStG Rz. 60. 6 So aber Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 7 m.w.N. zum Gesetzgebungsverfahren (allerdings einer vorherigen Fassung des InvStG). 7 BT-Drucks. 17/13562. 8 Schon das ist im Bereich des Eingriffsrechts zumindest dann problematisch, wenn es um Erweiterungen von Besteuerungstatbeständen oder – wie hier – um eine Beschränkung einer privilegierenden Besteuerung als Spezial-Investmentfonds geht, denn dass ein irgendwann geäußerter gesetzgeberischer Wille gleichsam stillschweigend auch bei späteren Gesetzesreformen angenommen und unterstellt werden kann, ist nicht überzeugend. 9 Eine Managerregulierung als ausreichend erachten auch Buge/Bujotzek/Steinmüller, DB 2016, 1594 (1598); Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 26 InvStG Rz. 61 ff. 10 So auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 10; Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 7.

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B. Anlagebestimmungen für Spezial-Investmentfonds | Rz. 34 § 26

Aufsichtsrecht bietet, nicht (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvStG verweist auf § 2 Abs. 1 und 2 KAGB, nicht aber auf § 2 Abs. 3 KAGB), eröffnet dann aber über § 26 Nr. 1 Satz 2 InvStG schließlich potentiell den Anwendungsbereich für Spezial-Investmentfonds.

III. Rückgaberechte (Nr. 2) 1. Mindestens jährliche Rückgabemöglichkeit Um als Spezial-Investmentfonds zu qualifizieren, müssen Anleger des Fonds das Recht haben, 32 mindestens einmal pro Jahr ihre Anteile, Aktien oder Beteiligungen zurückzugeben oder zu kündigen.1 Geschlossenen Fonds ist damit der Weg in das Steuerregime nach Kapitel 3 verwehrt.2 Es muss ein Recht des Anlegers bestehen, Rückgabe- und Anteilskaufrechte des Fonds sind keine Anlegerrechte.3 Das Rückgaberecht muss (lediglich) einmal pro Jahr ausgeübt werden können. Die Praxis 33 sieht – teilweise sogar verpflichtend, vgl. § 98 Abs. 1 KAGB – i.d.R. wesentlich kürzere Rückgabeintervalle vor. Dem „einmal jährlich offenen“ Fonds stehen daher in seiner Anlagepraxis durchaus auch illiquide Investitionsgegenstände zur Verfügung.4 „Ausübung“ des Rückgaberechts impliziert, dass das Recht nicht nur erklärt, sondern die Ausübung auch wirksam erfolgen kann. Allerdings sind auch im Hinblick auf das Liquiditätsmanagement des Investmentfonds gewöhnliche Kündigungsfristen erforderlich, sodass es bei einem Investmentfonds, der sämtlichen Anlegern einmal pro Jahr einen gemeinsamen Rückgabetermin (Vollzug) zubilligt, dazu kommen kann, dass Anleger aufgrund der Rückgabefrist auf den darauffolgenden Rückgabetermin verwiesen werden, sodass in Einzelfällen ein geringfügig längerer Zeitraum als ein Jahr zwischen Erklärung und Vollzug vergehen kann.5 Das bedeutet allerdings nicht, dass der Spezial-Investmentfonds die Zahlung noch weit hinter den Rückgabetermin hinauszögern kann. Das wäre auch keine Rückgabefrist mehr bzw. keine, die die Rückgabe – wie das Gesetz – aus Anlegersicht betrachtet, sondern allenfalls aus Fondssicht (Rückgabe des Geldes). Ein nur einmal jährlich stattfindender, kollektiver Rückgabetermin ist planbar genug, um danach die Auszahlung zügig vorzunehmen.6 2. Ausgestaltung und Umfang des Rückgaberechts Es soll sich um ein konzeptionelles Rückgaberecht handeln7 und müsse daher in Bezug auf 34 die Mehrheit der Anteile vorliegen. Individualvertragliche Abreden sollen daher weder nützen (wenn sie nur einem einzelnen oder einigen wenigen eingeräumt sind) noch schaden (wenn einzelne Anleger überhaupt kein Rückgaberecht haben). Ob sich diese Ansicht tatsächlich aus dem Wortlaut („die“ Anleger als Kollektiv im Gegensatz zu „dem“ Anleger als Individuum) ergeben soll, ist zweifelhaft.8 Unseres Erachtens bedeutet dieser Wortlaut zunächst einmal nur, dass einzelne individuelle Rückgaberechte nicht ausreichen. Daraus wird man aber nicht folgern können, dass lediglich die Mehrheit eines Kollektivs mit Rückgaberechten ausgestattet sein muss und Anteile ohne Rückgaberecht („side pockets“) z.B. für den Erwerb illi-

1 Nachfolgend wird den üblichen Gepflogenheiten folgend nur das Rückgaberecht erwähnt, die Ausführungen gelten aber für Kündigungsrechte (soweit nicht anders vermerkt) entsprechend. 2 Zur gesetzgeberischen Intention (der Vorgängernorm) BR-Drucks. 740/13, 38. 3 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 15. 4 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 15. 5 So auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 15. 6 Anders Wenzel in Brandis/Heuermann, § 26 InvStG Rz. 27. 7 Wenzel in Brandis/Heuermann, § 26 InvStG Rz. 27; Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 9. 8 So aber Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 9. Kretzschmann/Albrecht | 511

§ 26 Rz. 34 | Anlagebestimmungen quider Anlagegegenstände ausgegeben werden dürfen.1 Vielmehr streitet der Wortlaut für eine ausnahmslose Kündigungsmöglichkeit aller Anteile. Auch aus Sinn und Zweck der Norm sowie ihrer Historie ergibt sich unmittelbar nichts anderes: Das konzeptionelle Rückgaberecht wird in der Kommentarliteratur2 mit einem Verweis auf eine Gesetzesbegründung zu einem anderen Gesetz (InvG), das seit längerer Zeit nicht mehr in Kraft ist (2013) und ein anderes Rechtsgebiet (Aufsichtsrecht) behandelte und sich insoweit zudem auf einen anderen Gegenstand (ausländische Investmentanteile) bezog, begründet. Auch auf ein BaFin-Schreiben zu diesem Gesetz und Gegenstand wird in diesem Zusammenhang verwiesen.3 Selbst wenn man über die zeitliche und sachliche Diskrepanz zum InvStG 2018 hinwegsieht, bleibt festzuhalten, dass dieses Gesetz (§ 2 Abs. 9 InvG) nicht von „die“ Anleger, die ein Rückgaberecht haben sollen, sondern von „der“ Anleger, also dem, der ein Rückgaberecht haben soll, spricht. Bei diesem Wortlaut liegt die Ansicht, ein einziges Rückgaberecht würde genügen, recht nah. Die BaFin-Ansicht aus 2008 war also eine verschärfende Klarstellung, dass die Einräumung eines Rückgaberechts nicht genügte. Der Wortlaut und die zitierten Materialien können das Genügen eines konzeptionellen, nicht allen Anlegern offenstehenden Rückgaberechts also nicht begründen. Die Verwaltungs- und Beratungspraxis wird wohl jedoch wie gehabt verfahren und Rückgaberechte für die Mehrheit der Anteile genügen lassen. 35 Ein Kündigungsrecht kann nur gegenüber dem die Anteile ausgebenden Rechtsträger beste-

hen und ausgeübt werden, ein vertragliches Rückgaberecht hingegen kann neben der Kapitalverwaltungsgesellschaft oder dem Investmentfonds selbst auch von sog. Rückkaufgesellschaften eingeräumt werden.4 Das wird neben der Festsetzung in den Anlagebedingungen (vgl. § 26 Nr. 10 InvStG) ein – zu Beteiligungsbeginn bestehendes – Rechtsverhältnis zwischen Anleger und Rückkaufgesellschaft erfordern. Nach dem klaren Wortlaut der Nr. 2 muss das Recht nicht nur bestehen, sondern auch wirksam ausgeübt werden können. Das kann es bei lebensnaher Betrachtung aber nur dann, wenn auch die Gegenleistung gewährt werden kann. Es muss also sichergestellt werden, dass die Rückkaufgesellschaft keine Strohmanngesellschaft ohne gesicherte Solvenz ist.5 Die Gegenleistung kann grds. neben einer Barzahlung auch in einer Sachauskehr bestehen.6 Als Wert der Gegenleistung ist der aktueller Anteilswert zu bestimmen, marktübliche7 und vertraglich eingeräumte Rücknahmeabschläge können jedoch abgezogen werden.

36 Sind mehrere Teilfonds vorhanden, muss auf den jeweiligen Teilfonds innerhalb einer „Um-

brella“-Konstruktion abgestellt werden. Auf verschiedene Anteilsklassen kommt es in diesem Zusammenhang jedoch nicht an.8 Die Regelung war in ähnlicher Form schon in § 1 Abs. 1b Satz 2 Nr. 2 InvStG a.F. vorhanden. Dort galten die Voraussetzungen nach dem damaligen Satz 2 als erfüllt, wenn die Fondsanteile 1 Dafür besteht zumindest in Fonds, die § 26 Nr. 2 InvStG nicht übererfüllen und nur ein Rückgaberecht einmal pro Jahr vorsehen, keine Notwendigkeit. 2 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 15; Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 9; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 26 InvStG Rz. 27, wobei sich nicht einig zu sein scheint, ob es für die Mehrheit der Anleger oder die Mehrheit der Anteile bestehen muss. 3 BaFin-Rundschreiben 14/2008 (WA) v. 22.12.2008 – WA 41 – Wp 2136 – 2008/0001, Tz. I.2., abrufbar unter www.bafin.de. 4 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 15; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 26 InvStG Rz. 28; Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 9; Haisch/Helios, FR 2014, 317 mit Verweis auf Art. 1 Abs. 2 2. Spiegelstrich der OGAW-RL, die die mittelbare Rücknahme explizit erwähnt. 5 Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 26 InvStG Rz. 72. 6 Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 10. 7 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 15 sowie Haisch/Helios, FR 2014, 315 (317) sehen immerhin Abschläge von bis zu 15 % des Nettoinventarwerts als unschädlich an. 8 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 15; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 26 InvStG Rz. 27.

512 | Kretzschmann/Albrecht

B. Anlagebestimmungen für Spezial-Investmentfonds | Rz. 39 § 26

an einer Börse i.S.d. § 2 Abs. 1 BörsG (oder einer vergleichbaren ausländischen Börse) gehandelt wurden. Diese Fiktion wurde gestrichen, weil sie nun, da sich die Anforderung nur noch auf Spezial-Investmentfonds bezieht, leerlaufen würde. Anteile an Spezial-Investmentfonds werden schon wegen § 26 Nr. 8 Sätze 1 und 2 InvStG nicht an einer Börse gehandelt. 3. Unschädliche Verletzung der jährlichen Rückgabemöglichkeit

Das BMF-Schreiben sieht – der vorherigen Verwaltungspraxis entsprechend – recht umfang- 37 reiche Möglichkeiten vor, das Rückgabe- und Kündigungsrecht auszusetzen.1 Zum einen soll die Aussetzung möglich sein, wenn ein außergewöhnlicher Umstand i.S.d. § 98 Abs. 2 KAGB vorliegt. Als außergewöhnliche Umstände werden in diesem Zusammenhang insbes. Situationen genannt, in denen keine Rücknahmepreise (Nettoinventarwerte, auch net asset value – NAV) ermittelt werden können,2 also z.B. die Schließung von Börsen und Märkten und andere Ereignisse höherer Gewalt. Umstritten ist, ob auch eine Liquiditätsbeeinträchtigung des Fonds, die daraus resultiert, dass eine Vielzahl von Anlegern Anteile zurückgeben möchte, ein außergewöhnlicher Umstand ist. Die Rspr. hat das in einem Fall bejaht,3 ebenso wie die überwiegende Meinung in der Literatur.4 Die Anknüpfung an das Aufsichtsrecht ist sinnvoll. Die aufsichtsrechtliche Möglichkeit einer Aussetzung, die § 98 Abs. 2 KAGB vorsieht, wäre wirkungslos, wenn ein Investmentfonds aus steuerrechtlichen Gründen weiter zur Rücknahme von Anteilen verpflichtet wäre. Das BMF-Schreiben enthält keine Rechtsgrundverweisung auf § 98 Abs. 2 KAGB, sondern nimmt dessen Regelungsinhalt der „außergewöhnlichen Umstände“ in Bezug. Damit profitieren nicht nur Sondervermögen (§ 98 Abs. 2 KAGB ist allein auf sie anwendbar) von der Verwaltungspraxis, sondern mit der Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital auch die zweite nach § 27 InvStG zulässige Rechtsform für Spezial-Investmentfonds. In der Abwicklungsphase eines Investmentfonds darf das Rückgaberecht nach Ansicht der 38 FinVerw.5 sogar für einen Zeitraum von 60 Monaten oder, wenn das Aufsichtsrecht noch längere Fristen vorsieht, innerhalb dieser längeren Frist ausgesetzt werden. Fraglich ist, ob vereinbarte lock-up-Perioden, die für einen bestimmten Anlaufzeitraum die 39 Rückgabe beschränken, ein ansonsten gewährtes Rückgaberecht in schädlichem Ausmaß verhindern und zu einem Verstoß gegen § 26 Nr. 2 InvStG führen. Die Literatur nimmt das teilweise an.6 Dem ist zuzugeben, dass der Wortlaut keine lock-up-Perioden zulässt, die mindestens ein Jahr betragen. Vor dem Hintergrund der Gesetzesbegründung zum AIFM-StAnpG werden gesetzlich vorgesehene lock-up-Perioden unschädlich sein.7 Vertragliche lock-up-Perioden werden ohne Klarstellung durch die FinVerw. oder den Gesetzgeber aus Vorsichtsgründen aber wohl als schädlich eingestuft werden müssen.8

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.9. 2 Anders in W/B/A3, § 98 KAGB Rz. 14. 3 LG Frankfurt v. 19.12.2006 – 2/19 O 124/06, ECLI:DE:LGFFM:2006:1219.2.2019O124.06.0A, WM 2007, 2108. 4 Anders in W/B/A3, § 98 KAGB Rz. 14 m.w.N. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.9 f.; Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 10: „unnötig“. 6 Wenzel in Brandis/Heuermann, § 26 InvStG Rz. 27; wohl auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 15. 7 So wohl auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 15 mit Verweis auf BT-Drucks. 18/68, 40. 8 Dies forderte schon Hagen/Groseta/Schilling/Jenett in Baur/Tappen, Investmentgesetze, 3. Aufl. 2014, § 1 Abs. 1–2a zum InvStG a.F.; so auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 15; a.A. Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 26 InvStG Rz. 74, die auch vertragliche Mindesthaltedauern unter gewissen Voraussetzungen als unschädlich betrachtet. Kretzschmann/Albrecht | 513

§ 26 Rz. 40 | Anlagebestimmungen

IV. Risikomischung (Nr. 3) 1. Vorbemerkung 40 Das Vermögen eines Spezial-Investmentfonds muss nach den Grundsätzen der Risiko-

mischung angelegt sein (§ 26 Nr. 3 Satz 1 InvStG). Sätze 2 und 3 der Nr. 3 legen fest, wann diese Voraussetzung regelmäßig erfüllt ist (Satz 2) bzw. deren Erfüllung fingiert wird (Satz 3). Praktische Relevanz hat dieser Punkt i.d.R. nur für AIF, denn bei OGAW unterstellt die FinVerw., dass der Grundsatz der Risikomischung beachtet ist.1 Dennoch müssen auch OGAW diesen Punkt in die Anlagebedingungen aufnehmen (§ 26 Nr. 10 InvStG). 2. Grundsatz

41 „Grundsatz der Risikomischung“ beinhaltet ein intentionales Moment.2 Das Investitionsver-

halten des Spezial-Investmentfonds muss gerade darauf ausgerichtet sein, eine Risikomischung herbeizuführen und sicherzustellen. Eine Risikomischung en passant und sogar nur zufälligerweise genügt nicht.3

42 Eine Risikomischung liegt regelmäßig vor, wenn das Vermögen in mehr als drei (also mindes-

tens vier) Vermögensgegenstände mit unterschiedlichen Anlagerisiken angelegt ist.4 Als Vermögensgegenstand wird man zumindest jeden nach § 26 Nr. 4 InvStG zulässigen Anlagegegenstand ansehen müssen. Ein ggf. strengerer aufsichtsrechtlicher Maßstab an die Risikomischung (wie in § 262 Abs. 1 Satz 2 KAGB) ist schon deshalb nicht anzulegen,5 da § 26 Nr. 3 InvStG nicht von Sachwerten, sondern von Vermögensgegenständen spricht. Die Verwendung des handelsrechtlichen Begriffs „Vermögensgegenstand“6 spricht vielmehr dafür, dass über § 26 Nr. 4 InvStG hinaus sämtliche bilanzierungsfähigen Sachen und Rechte umfasst sind. Dass bedeutet praktisch, dass auch und sogar die „Schmutzgrenze“ (s. dazu Rz. 51) des § 26 Nr. 4 InvStG zur Risikomischung genutzt werden kann.

43 Das qualitative Element der unterschiedlichen Anlagerisiken bedingt, dass die Anlagen unter-

schiedliche Laufzeiten aufweisen, von unterschiedlichen Emittenten verschiedener Bonität platziert werden, andere Absatzchancen und -märkte avisieren oder sonstigen unterschiedlichen Risiken wie Währungsrisiken, Regulierungen etc. ausgesetzt sind.7

44 Ein quantitatives Element, das über den Maßstab der vier Anlagegegenstände hinausgeht,

enthält die Norm nicht explizit; insbes. schweigt sie zu der prozentualen Verteilung der Gegenstände. Mitunter wird die Einschränkung „regelmäßig“ als Einfallstor für bestimmte Mischquoten angesehen.8 Auch die FinVerw. geht implizit und an anderer Stelle von einer sol-

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.15. Das war auch bisher schon so: BMF v. 4.6.2014 – IV C 1 - S 1980 – 1/13/10007:002 – DOK 2014/0500897, FR 2014, 715 Tz. 2.3. 2 Anders wäre dies z.B. bei einer Formulierung wie „Das Vermögen wird risikogemischt investiert“. Hier wären auch „versehentliche“ Risikomischungen mit umfasst. 3 Eingehend zur Ausrichtung des Geschäftszwecks auf die risikogemischte Anlage Kretzschmann in Moritz/Klebeck/Jesch, § 214 KAGB Rz. 39 ff.; Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 12 m.w.N., allerdings zur alten Rechtslage im Aufsichtsrecht. 4 Hierbei handelt es sich letztlich um die Kodifizierung der aufsichtsrechtlichen Verwaltungspraxis, vgl. das an den BVI gerichtete Schreiben der BaFin v. 28.7.2009 – WA 41 – Wp 2136 – 2008/0001. 5 Diskutiert, aber ebenfalls abgelehnt von Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 13. 6 Dieser Begriff wird allerdings an vielen Stellen im Gesetz benutzt, vgl. z.B. § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InvStG; das steuerrechtliche Pendant wäre „Wirtschaftsgut“ gewesen. 7 Vergleiche näher zur parallelen Beurteilung im Aufsichtsrecht Kretzschmann in Moritz/Klebeck/Jesch, § 214 KAGB Rz. 32. 8 Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 13.

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B. Anlagebestimmungen für Spezial-Investmentfonds | Rz. 46 § 26

chen Quote aus.1 Letztlich ist das auch überzeugend.2 Neben der Einschränkung im Wortlaut spricht vor allem der Sinn und Zweck der Norm dafür, jedenfalls grobe Missverhältnisse zwischen den verschiedenen Anlagerisiken als ungenügend zu erachten: Eine Verteilung über vier Risikoklassen, verteilt 5 % – 5 % – 5 % – 85 %, hat nichts mit Risikomischung zu tun und widerspricht damit schon Satz 1 der Nr. 3.3 Nach hier vertretender Ansicht dürfen einzelne Anlagerisiken das Risikoprofil des Investmentfonds nicht dominieren, also 50 % bis 60 % des Werts des AIF nicht übersteigen.4 Dennoch hätte man dies für Zwecke höherer Rechtssicherheit deutlicher im Gesetzestext herausstellen können. 3. Ausnahmen Das BMF-Schreiben erwähnt einige Fälle, in denen die Risikomischung nicht eingehalten wer- 45 den muss.5 Dies sind zunächst die Anfangs- und die Liquidationsphasen eines Investmentfonds. Die Anfangsphase bemisst die FinVerw. mit sechs Monaten nach Auflage, bei Immobilienfonds i.S.d. § 2 Abs. 9 InvStG gar mit vier Jahren (vgl. auch die gleichlautende Frist in § 244 KAGB).6 Die Ausnahme ist zu begrüßen. Sie ist aber in der Investmentpraxis auch zwingend notwendig, denn kein Investmentfonds wird seine Investitionen auf einen Schlag erwerben oder veräußern, sodass an den zeitlichen Randbereichen eines Fonds stets Ungleichgewichte bestehen. Vor diesem Hintergrund erscheinen sechs Monate keinesfalls zu hoch gegriffen.7 Die FinVerw. wird in begründeten Fällen Fristverlängerungen einräumen bzw. Absichtserklärungen akzeptieren, wenn ein Fonds an der Einhaltung des Grundsatzes der Risikomischung aus Gründen verhindert war, die nicht von ihm zu vertreten sind.8 Was nicht vom Fonds zu vertretende Gründe sind, verrät das BMF-Schreiben nicht. Man wird aber Fälle „höherer Gewalt“ fordern müssen, um eine weitere – wenn auch temporäre – Aufweichung des Mischungsgrundsatzes zu rechtfertigen. Ein allgemein schwieriges Marktumfeld, das entsprechende Investitionen erschwert, dürfte nur dann ein nicht zu vertretender Grund zur Nichtinvestition in bestimmte Anlagegegenstände (und damit ein Ungleichgewicht die Risikoklassen betreffend) sein, wenn eine Investition mangels Angebote faktisch unmöglich ist. Darüber hinaus hat die FinVerw. weitere Fälle ausgemacht, in denen es dem Fonds nicht zu- 46 mutbar wäre, die Risikomischung einzuhalten.9 Das soll z.B. dann der Fall sein, wenn ein einzelner Anleger mehr als 49 % der Anteile (nicht: seiner Anteile) an einem Spezial-Investmentfonds zurückgibt. In diesen Fällen dürfte der Fonds ohnehin Herausforderungen im Liquiditätsmanagement haben, sodass die durchgängige Mischung des Risikos nur schwierig zu erreichen wäre. Genannt wird weiter die Verschmelzung eines Investmentfonds auf einen anderen. Werden hier die Vermögensgegenstände des übertragenden Fonds veräußert, erhält der übernehmende Fonds ausschließlich Bankguthaben aus der Transaktion – und damit lediglich einen Vermögensgegenstand mit einem Anlagerisiko. Letzter Fall, in dem die FinVerw. nicht beanstandet, dass ein Fonds nicht (ausreichend) risikogemischt investiert ist, ist die Än-

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.19. 2 Ebenso Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 20. 3 Vgl. für das insoweit gleichlaufende Aufsichtsrecht Kretzschmann in Moritz/Klebeck/Jesch, § 214 KAGB Rz. 35. 4 Kretzschmann in Moritz/Klebeck/Jesch, § 214 KAGB Rz. 3 m.w.N. zum Aufsichtsrecht. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.16; teilweise wird diese einschränkende Auslegung auch aus dem Wortlaut („wird angelegt“ anstatt „sind angelegt“) abgeleitet, vgl. Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 12. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.17. 7 Das KAGB kennt – allerdings für geschlossene Publikumsfonds – denn auch eine längere Frist von 18 Monaten, § 262 Abs. 1 Satz 3 KAGB. 8 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.18. 9 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.16. Kretzschmann/Albrecht | 515

§ 26 Rz. 46 | Anlagebestimmungen derung der Anlagestrategie. Erfolgt diese so grundlegend, dass nahezu sämtliche Anlagegegenstände veräußert und entsprechend der Folgestrategie neu angeschafft werden müssen, wird jedenfalls für einen kurzen Übergangszeitraum keine Risikomischung, sondern eine annähernd vollständige „Investition“ in Barmittel/Bankguthaben erfolgen. Diese Fälle erlauben jedoch keine langfristige Abkehr vom Grundsatz der Risikomischung, sondern gelten nur in einer Übergangsphase. Anschließend müsse der Grundsatz wieder unverzüglich hergestellt werden. Insoweit nimmt die FinVerw. also lediglich die schon durch die Gesetzesbegründung1 getätigte Vorgabe auf, kurzfristige Verstöße mit zeitiger Rückführung nicht zu ahnden. 4. Mittelbare Risikomischung 47 Satz 3 fingiert die Erfüllung des Grundsatzes der Risikomischung, wenn ein Investmentfonds in

nicht nur unerheblichem Umfang Anteile an mindestens einem anderen Investmentfonds hält und diese(r) Fonds die Risikomischung beachtet. Ausweislich des eindeutigen Gesetzeswortlauts muss auch dieser Investmentfonds die Risikomischung nur mittelbar beachten. Dies lässt mehrstufige Dachfonds-Konstruktionen zu, bei der – und das ist erstaunlich – nach der klaren Formulierung immer nur ein nicht nur unerheblicher Umfang in den Folgefonds investiert werden muss. Ein potentiell erheblicher Verwässerungsfaktor der Risikostreuung ist damit denkbar.

48 „Nicht nur unerheblich“ ist nach Ansicht der FinVerw. eine Investitionsquote von mindes-

tens 50 % des Fondsvolumens in einen oder mehrere risikodiversifizierte Fonds.2 Dem Sinn und Zweck der Vorschrift mag das entsprechen – bei geringeren Quoten wird eine Risikodiversifizierung gerade nicht bzw. nicht in hohem Maße sichergestellt. Der Wortlaut der Norm ist allerdings weiter gefasst: „Nicht unerheblich“ ist nicht dasselbe wie „überwiegend“ und sogar weniger als „beachtlich“3. Wenn der Gesetzgeber aber keinen überwiegenden, nicht einmal einen beachtlichen, sondern nur einen nicht unerheblichen Umfang fordert, wird man Quoten von deutlich unter 50 % genügen lassen müssen.4

49 Die Fiktion ist nur dann notwendig, wenn ein Fonds den Grundsatz der Risikomischung „an

sich“ nicht beachtet, also weniger als vier Vermögensgegenstände mit unterschiedlichen Anlagerisiken hält. Im Gegensatz zur früheren Rechtslage ist diese Fiktion eine Verschärfung: War im Rahmen des § 1 Abs. 1b Satz 2 Nr. 4 Satz 3 InvStG a.F. eine mittelbare Investition über (jegliche) Vermögen ausreichend, muss diese nun explizit über ganz spezielle Arten von Vermögen – nämlich Investmentfonds – erfolgen. Das schließt insbes. Risikomischungen über Derivate, aber auch über Immobilien- oder ÖPP-Projektgesellschaften aus.5 Die Beschränkung der mittelbaren Risikodiversifizierung auf nur einen6 bestimmten der in § 26 Nr. 4 InvStG genannten 1 BT-Drucks. 18/8045, 94. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.19; dem folgend Wenzel in Brandis/Heuermann, § 26 InvStG Rz. 33, sowie Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 20. Letzterer verneint allerdings explizit das Erfordernis einer Beherrschung des anderen Investmentfonds. 3 S. dazu auch Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 14. 4 Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 26 InvStG Rz. 102. Zur – insoweit gleichen – Rechtslage wurde das BMF zu § 1 Abs. 1b Satz 2 Nr. 4 Satz 3 InvStG a.F. von Verbandsseite gefragt, ob bereits 10 % des Vermögens als nicht unerheblich anzusehen sei. Auch damals (BMF v. 4.6.2014 – IV C 1 - S 1980 – 1/ 13/10007:002 – DOK 2014/0500897, FR 2014, 715 Tz. 2.3) verneinte dies das BMF und legte einen Maßstab von 50 % an. Auch wenn 10 % sicherlich noch im unerheblichen Rahmen liegen könnte, ist diese Grenze eher mit dem Wortlaut vereinbar als eine 50 %-Grenze. 5 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 20; Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 14. 6 Bzw. genau genommen mit § 26 Nr. 4 Buchst. h und i – auch ein Spezial-Investmentfonds ist nach dem Einleitungssatz des § 26 InvStG immer auch Investmentfonds – zwei der genannten Vermögensgegenstände.

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B. Anlagebestimmungen für Spezial-Investmentfonds | Rz. 52 § 26

Vermögensgegenstände ist nicht nachvollziehbar.1 Als Erfolg der Interessenvertreter muss es deshalb betrachtet werden, dass das BMF eine mittelbare Risikomischung bei sämtlichen Gesellschaften des § 26 Nr. 6 Satz 2 InvStG ausdrücklich zulässt.2

V. Erlaubte Vermögensgegenstände (Nr. 4) 1. Vorbemerkung § 26 Nr. 4 InvStG enthält eine Beschränkung zulässiger Anlagegegenstände für den Spezial- 50 Investmentfonds, und zwar im Sinne einer Positivliste. Andere Vermögensgegenstände dürfen grds. nicht gehalten werden. 2. Schmutzgrenze Um in kleinerem Umfang auch andere Anlagegegenstände zu erlauben, findet sich (wie auch 51 schon früher im § 1 Abs. 1b Satz 2 Nr. 5 InvStG a.F.) im Eingangssatz der Nr. 4 die RückEinschränkung, dass lediglich mindestens 90 % des Werts des Investmentfonds in die vorgegebenen Gegenstände investiert werden muss – die FinVerw. nennt die übrigen 10 % „Schmutzgrenze“.3 Die FinVerw. hat – allerdings zur alten Fassung der Norm – vertreten, dass diese Grenze nicht bewusst und planmäßig dauerhaft ausgenutzt werden dürfe: „Im Übrigen weise ich darauf hin, dass die Grenze des § 1 Abs. 1b S. 2 Nr. 5 InvStG, nach der mindestens 90 % in die in dem Katalog genannten Vermögensgegenstände investiert sein darf, dafür sorgen soll, dass nicht jedwede geringfügige Abweichung von den Anlagebestimmungen einen Verstoß begründet. Sie dient aber nicht dazu, dass Investmentfonds bewusst und planmäßig dauerhaft unzulässige Vermögensgegenstände halten.“4 Diese Ansicht war schon damals nicht überzeugend, da nicht vom Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Vorschrift gedeckt.5 Die Investition i.H.v. maximal 10 % ist ausweislich des klaren Wortlauts zulässig, sodass die geringfügig anderen Vermögensgegenstände gerade keine unzulässigen sind oder waren. Für die Unzulässigkeit musste zu einer qualitativen Eigenschaft (Nichtberücksichtigung im Nummernkatalog des § 1 Abs. 1b Satz 2 InvStG a.F.) eben auch eine qualitative Eigenschaft (Höhe von mehr als 10 %) hinzutreten. Spätestens aber seitdem die Anforderung in den § 26 InvStG, seinen Eingangssatz und damit 52 noch stärker in das Wesentlichkeitserfordernis eingebettet ist,6 ist diese Einschränkung der FinVerw. nicht mehr haltbar.7 Die FinVerw. hält an der Einschränkung dennoch auch für § 26 Nr. 4 InvStG fest.8 Bereits dieses Wesentlichkeitserfordernis sorgt nämlich dafür, dass nicht nur für Nr. 4 (früher Nr. 5), sondern für sämtliche Tatbestände gilt, dass geringfügige Abweichungen keinen relevanten Verstoß begründen. Dieses Erfordernis bestand auch schon früher nach § 1 Abs. 1d InvStG a.F. Indem der Gesetzgeber es aber nicht nur bewusst beibehalten, 1 So auch Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 26 InvStG Rz. 105. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.20. Eine Definition oder eine Rechtfertigung findet sich allerdings nicht. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.21. 4 BMF v. 23.10.2014 – IV C 1 - S 1980 – 1/13/10007:007 – DOK DOK 2014/0939400, DStR 2014, 2346. 5 Ablehnend auch (hinsichtlich des neuen § 26 Nr. 4 InvStG) Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 25 und Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 15; Gottschling in Moritz/Jesch/ Mann2, § 26 InvStG Rz. 120; Stadler/Sotta, BB 2020, 279 (279). 6 Im alten Investmentsteuergesetz fand sich das Wesentlichkeitserfordernis nicht in der Tatbestandsnorm § 1 Abs. 1b InvStG a.F., sondern nur in den Sanktionsnormen § 1 Abs. 1d InvStG a.F. und § 15 Abs. 3 Satz 1 InvStG, s. auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 5. 7 A.A. Wenzel in Brandis/Heuermann, § 26 InvStG Rz. 38. 8 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.21. Kretzschmann/Albrecht | 517

§ 26 Rz. 52 | Anlagebestimmungen sondern sogar prominenter platziert hat, hat er die legislative Intention erneuert und verdeutlicht, dass die 10 %-Grenze neben dem Wesentlichkeitserfordernis besteht und nicht nur ihre Ausprägung ist. Die damalige Argumentation der FinVerw. verfängt daher nicht mehr,1 § 26 Nr. 4 InvStG muss nicht übererfüllt werden. Es ist im Gegenteil vielmehr zu fragen, ob nicht aufgrund des Eingangssatzes neben dem dauerhaften, planmäßigen und bewussten Ausnutzen der 10 %-Grenze weitere temporäre geringfügige Überschreitungen ebenfalls unschädlich sein sollen.2 3. Berechnung des Werts des Investmentfonds 53 An mehreren Stellen innerhalb des § 26 InvStG werden anlagebezogene Vorgaben getätigt, die

den Wert des Anlagegegenstands in ein Verhältnis zum Wert des Spezial-Investmentfonds setzen. Neben der soeben angesprochenen 10 %-Schmutzgrenze im Einleitungssatz von § 26 Nr. 4 InvStG (und damit von Relevanz für die gesamte Nr. 4) sind das die Begrenzungen in Nr. 5 Sätze 1 und 2 sowie Nr. 7 Sätze 1 und 2. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, wie sich der Wert des Spezial-Investmentfonds berechnet. Für dieses Verständnis ist ein Blick auf die Historie des Katalogs erwerbbarer Vermögensgegenstände wichtig: § 26 Nr. 4 InvStG entstammt – wie auch schon § 1 Abs. 1b InvStG a.F. – im Wesentlichen § 2 Abs. 4 InvG (s. dazu die Einl. Regelungsbereiche und Historie Rz. 9) und soll die dortigen Mindeststandards im Hinblick auf Sicherheit und Liquidität von Anlagen auch für das Steuerrecht verbindlich machen.3 Im Rahmen von § 2 Abs. 4 InvG vertrat die BaFin die Auffassung, dass der Wert des Investmentfonds anhand des aktuellen Nettoinventarwerts zu bemessen ist.4 Der Gesetzgeber hat dieses Verständnis schon für das InvStG i.d.F. des AIFM-StAnpG übernommen.5 Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, warum diese Auslegung nicht auch für das InvStG maßgeblich sein sollte. Insbesondere kann nicht die Verwaltungsauffassung, die im Rahmen des § 2 Abs. 6 und 7 InvStG eine Wertberechnung rein anhand des Aktivvermögens vornimmt,6 im Rahmen des § 26 InvStG zugrunde gelegt werden, denn die dortige Begründung – Bezugnahme auf § 20 InvStG – greift hier aus systematischen Erwägungen gerade nicht. Der Nettoinventarwert (auch net asset Value – NAV) berechnet sich gem. § 168 Abs. 1 Satz 2 KAGB nach den Verkehrswerten der gehaltenen Vermögensgegenstände abzgl. aufgenommener Kredite und sonstiger Verbindlichkeiten. Ein Investmentfonds kann also nicht durch (die ohnehin begrenzte, vgl. § 26 Nr. 7 InvStG) Kreditaufnahme die Schmutzgrenze künstlich erhöhen. 4. Behandlung von Personengesellschaften a) Vorbemerkung

54 Besonderheiten gelten allgemein bei Investitionen in Personengesellschaften. Beteiligungen an

Personengesellschaften sind, anders als Beteiligungen an KapGes., nicht explizit als zulässige Anlagegegenstände aufgeführt und damit vorbehaltlich anderer Tatbestände7 kein per se zu-

1 Deshalb halten wir auch die Aussage, die zur früheren Rechtslage ergangenen Urteile und Verlautbarungen seien weiterhin anwendbar (so Mann in W/B/A3, § 26 InvStG 2018 Rz. 3 m.w.N.; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 1), für zu pauschal. 2 Zurückhaltend Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 26 InvStG Rz. 121. 3 Vgl. zum § 1 Abs. 1b InvStG a.F. Patzner/Kempf in Döser/Kempf/Patzner, Investmentrecht, 3. Aufl. 2017, § 1 InvStG Rz. 70. 4 BaFin-Rundschreiben 14/2008 (WA) v. 22.12.2008 – WA 41 – Wp 2136 – 2008/0001, abrufbar unter www.bafin.de. 5 BT-Drucks. 18/68 (neu), S. 42. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.11. 7 Gl.A. Bindl/Mager, BB 2017, 2711 (2718) mit der Empfehlung der Beantragung einer verbindlichen Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 25.

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B. Anlagebestimmungen für Spezial-Investmentfonds | Rz. 56 § 26

lässiger Erwerbsgegenstand. Gleichwohl unterscheidet die FinVerw. zwischen vermögensverwaltenden Personengesellschaften und solchen, die eine Mitunternehmerschaft begründen. b) Vermögensverwaltend tätige Personengesellschaften Investiert ein Spezial-Investmentfonds in eine vermögensverwaltende Personengesellschaft, ist 55 eine Durchschau auf die von der Personengesellschaft gehaltenen Vermögensgegenstände vorzunehmen. Das ergibt sich schon aus dem allgemein für vermögensverwaltende Personengesellschaften geltenden Grundsatz der sog. Bruchteilsbetrachtung (vgl. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO, s. aber § 2 Abs. 8 Satz 5 InvStG), wird aber von der FinVerw. noch einmal explizit klargestellt.1 Konsequenz dieser Betrachtung ist, dass die Vermögensgegenstände der Personengesellschaft dem Spezial-Investmentfonds anteilig (zu „Bruchteilen“) zuzurechnen sind und daher die Anforderungen des § 26 Nr. 4 InvStG ebenfalls erfüllen müssen. Folge der Bruchteilsbetrachtung ist aber auch, dass die Zurechnung nur zu Bruchteilen erfolgt und daher ein eigentlich unzulässiges Investment der Personengesellschaft die „Schmutzgrenze“ auch nur durchgerechnet ausschöpft. Beispiel: Eine vermögensverwaltende Personengesellschaft ist vollständig in nach § 26 Nr. 4 InvStG unzulässige Gegenstände investiert. Der Spezial-Investmentfonds legt aber nur 5 % seines Werts in diese Gesellschaft an. Die Anlage ist so lange zulässig, wie maximal 5 weitere % des Spezial-Investmentfondswerts „schmutzig“ angelegt werden.

Ebenfalls Folge der Bruchteilsbetrachtung und der im BMF-Schreiben genannten Klarstellung ist, dass Investitionen in vermögensverwaltende Personengesellschaften für Spezial-Investmentfonds auch insoweit zulässig sind, als diese Personengesellschaften nicht explizit in den Buchst. a bis m genannt sind, denn der „Durchschau-Logik“ folgend erwirbt der Investmentfonds steuerlich keine Anteile an der Personengesellschaft, sondern an den zivilrechtlich nur mittelbar gehaltenen Vermögensgegenständen. Die FinVerw. nimmt auch bei Personengesellschaften, die vermögensverwaltend tätig, aber gewerblich geprägt sind, eine Durchschau vor. Eine in einem Entwurfsschreiben2 veröffentlichte Meinung revidierte sie im finalen BMF-Schreiben.3 Das ist bemerkenswert, denn im Ertragsteuerrecht ist die gewerblich geprägte, vermögensverwaltend tätige Personengesellschaft Mitunternehmerschaft (vgl. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG), bei der die unter Rz. 65 zur Begründung der Durchschau bemühte Bruchteilsbetrachtung nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO keine Anwendung findet. c) Gewerbliche Personengesellschaften Beteiligungen an gewerblich tätigen Personengesellschaften können, vorbehaltlich der Ein- 56 haltung der Voraussetzungen der Gewerbesteuerfreiheit und Erfüllung eines Tatbestands von § 26 Nr. 4 InvStG, als zulässige Vermögensgegenstände erworben werden.4 Darüber hinaus sind sie im Rahmen der Schmutzgrenze erwerbbar.5 Eine gegenteilige Auffassung wäre nur dann zu vertreten, wenn § 26 InvStG die Investition in Personengesellschaften explizit behandeln (d.h. verbieten) würde. Die grundsätzliche Unzulässigkeit ergibt sich aber nicht aus ei-

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.29; eine Ausnahme bilden vermögensverwaltende Immobiliengesellschaften. 2 BMF v. 16.12.2019 – IV C 1 - S 1980 – 1/19/10008:005, Rz. 26.16. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.29. 4 S. aber BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.21; gl.A. Bindl/Mager, BB 2017, 2711 (2718) mit der Empfehlung auf Beantragung einer verbindlichen Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO. 5 S. auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.21. Kretzschmann/Albrecht | 519

§ 26 Rz. 56 | Anlagebestimmungen nem ausdrücklichen Verbot, das die Anwendung der Schmutzgrenze nach § 26 Nr. 4 InvStG im Wege der Spezialität verdrängen könnte, sondern aus dem diesbezüglichen Schweigen des Gesetzes innerhalb einer Positivauflistung. Die Schmutzgrenze kann somit nicht durch speziellere Regelungen verdrängt werden. Spezial-Investmentfonds können bis zu 10 % ihres Werts in gewerbliche Personengesellschaften also selbst dann investieren, wenn die Personengesellschaft weder Wertpapier noch Immobiliengesellschaft oder ÖPP-Projektgesellschaft ist.1 5. Wertpapiere i.S.d. § 193 KAGB und sonstige Anlagegegenstände i.S.d. § 198 KAGB (Nr. 4 Buchst. a) a) Vorbemerkung 57 § 26 Nr. 4 Buchst. a InvStG erlaubt die Investition in Wertpapiere i.S.d. § 193 KAGB und sons-

tige Anlagegegenstände nach § 198 KAGB. Im Gegensatz zu § 1 Abs. 1b Satz 2 Nr. 5 Buchst. a InvStG a.F. lässt das neue InvStG also nur noch bestimmte Arten von Wertpapieren als taugliche Anlagegegenstände zu, nämlich solche i.S.d. § 193 KAGB. Damit verengt der Gesetzgeber den Wertpapierbegriff des § 1 Abs. 1b Nr. 5 Buchst. a InvStG a.F. erheblich. Zu dieser Norm hatte die FinVerw. anerkannt, das Wertpapiere alle Wertpapiere umfasste, die ein Spezial-AIF mit festen Anlagegrenzen nach § 284 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a KAGB erwerben darf.2 Der dort geltende Wertpapierbegriff ist verhältnismäßig weit und kann nicht durch Rückgriff auf den für OGAW geltenden Wertpapierbegriff bestimmt werden.3 Diesen weiten Begriff hat der Gesetzgeber nunmehr auf die engen OGAW-Anlagegegenstände verkleinert, um Spezial-Investmentfonds daran zu hindern, untaugliche Anlagegegenstände durch Verbriefungen erwerbbar zu machen.4 Dieses Ziel hätte aber auch erreicht werden können, ohne die wichtigste Zielgruppe des Kapitels 3, die Spezial-AIF mit festen Anlagebedingungen, faktisch auf die Wertpapierinvestitionen eines OGAW zu beschränken. Insoweit hätte eine einfache Durchschaunorm bei bestimmten Finanzinstrumenten genügt.

58 Dieser Verweis auf eine Vorschrift, die im Aufsichtsrecht lediglich Vorgaben für OGAW, nicht

aber für AIF bereitstellt, ist auch gesetzestechnisch nicht unproblematisch, vor allem deshalb nicht, weil der Zulässigkeitskatalog in § 193 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 KAGB an mehreren Stellen direkten Bezug auf OGAW nimmt. Da der Fondsbegriff in Bezug auf OGAW aber (abweichend vom Grundprinzip des KAGB) ein formeller ist und es Investmentvermögen somit freisteht, als OGAW zu qualifizieren, können auch AIF in Wertpapiere investieren, ohne dass sie ipso iure OGAW werden (s. hierzu detaillierter Anh. 8 Rz. 32). Es bleibt damit die Frage offen, ob steuerlich auch AIF nach § 193 Abs. 1 Nr. 5 KAGB z.B. in Aktien investieren dürfen. Strenggenommen ist das nicht der Fall, da sie gerade einem inländischen OGAW zustehen müssen. Im Rahmen des Verweises ist jeder Bezug auf einen inländischen OGAW also als Bezug auf den Spezial-Investmentfonds zu lesen. Für die Auslegung der Begriffe des § 26 Abs. 4 Buchst. a InvStG kann auf die Auslegung durch die BaFin zurückgegriffen werden. Wichtig ist hier insbesondere der sog. FAQ eligable assets der BaFin.5

1 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 25. 2 BMF v. 23.10.2014 – IV C 1 - S 1980 – 1/13/10007:007 – DOK 2014/0939400, DStR 2014, 2346 unter 3. 3 BaFin v. 22.7.2013 (geändert am 5.7.2016) – WA 41 - Wp 2137 - 2013/0001, Fragenkatalog zu erwerbbaren Vermögensgegenständen (Eligible Assets), Teil 2 Nr. 1, abrufbar unter www.bafin.de; zum Wertpapierbegriff des § 284 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a KAGB vgl. von Livonius/Riedl in Moritz/Klebeck/Jesch, § 284 KAGB Rz. 24 ff. 4 BT-Drucks. 18/8739, 104. 5 BaFin v. 22.7.2013 (geändert am 5.7.2016) – WA 41 - Wp 2137 - 2013/0001, Fragenkatalog zu erwerbbaren Vermögensgegenständen (Eligible Assets), Teil 2 Nr. 1, abrufbar unter www.bafin.de.

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B. Anlagebestimmungen für Spezial-Investmentfonds | Rz. 64 § 26

b) Wertpapiere i.S.d. § 193 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 KAGB aa) EU-Börsennotierung bzw. Antrag Wertpapiere nach § 26 Nr. 4 Buchst. a InvStG i.V.m. § 193 KAGB sind solche, die an einer 59 Börse in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat zum Handel oder an einem anderen organisierten Mark zugelassen oder in diesen einbezogen sind (§ 193 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KAGB) oder bei denen eine solche Zulassung nach den Ausgabebedingungen zu beantragen ist, sofern die Zulassung oder Einbeziehung dieser Wertpapiere innerhalb eines Jahres nach ihrer Ausgabe erfolgt (§ 193 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KAGB). bb) Nicht-EU-Börsennotierung bzw. -antrag Auch Titel, die ausschließlich an einer Börse außerhalb der EU- oder EWR-Mitgliedstaaten 60 zum Handel oder an einem anderen organisierten Mark zugelassen oder in diesen einbezogen sind, fallen unter den Wertpapierbegriff des § 26 Nr. 4 Buchst. a InvStG i.V.m. § 193 KAGB, sofern die Wahl dieser Börse oder dieses organisierten Marktes von der BaFin zugelassen ist (§ 193 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KAGB). Auch hier werden ebenso solche Titel berücksichtigt, bei denen eine Zulassung nach den Ausgabebedingungen zu beantragen ist, sofern die Zulassung oder Einbeziehung dieser Wertpapiere innerhalb eines Jahres nach ihrer Ausgabe erfolgt (§ 193 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 KAGB). cc) Keine Nachschusspflichten Bei diesen Wertpapierkategorien müssen darüber hinaus gem. § 193 Abs. 1 Satz 2 KAGB die 61 Anforderungen des Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a bis c (i), Buchst. d (i) und Buchst. e bis g der RL 2007/16/EG erfüllt sein. Das bedeutet, dass sich aus diesen Wertpapieren keine Nachschusspflichten ergeben dürfen.1 Die nachfolgend genannten Wertpapiere unterliegen diesen zusätzlichen Anforderungen nicht. c) Wertpapiere i.S.d. § 193 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 bis 8 KAGB aa) Aktien Zulässige Wertpapiere für einen Spezial-Investmentfonds sind Aktien, die einem inländischen 62 OGAW bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln zustehen (§ 193 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KAGB). bb) Bezugsrechte Werden Gegenstände in Ausübung von Bezugsrechten, die zu einem inländischen OGAW – 63 hier also dem Spezial-Investmentfonds – gehören, erworben, handelt es sich ebenfalls um Wertpapiere (§ 193 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 KAGB). cc) Anteile an geschlossenen Fonds Anteile an geschlossenen Fonds gleich welcher Rechtsform sind erwerbbare Wertpapiere, 64 wenn sie die in Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und b der RL 2007/16/EG genannten Kriterien erfüllen (§ 193 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 KAGB).2 Sie müssen daher einer Unternehmenskontrolle unterlie1 Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 26 InvStG Rz. 136. 2 Klarstellend BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.26; Gottschling in Moritz/ Jesch/Mann2, § 26 InvStG Rz. 138; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 25; zweifelnd Stadler/Mager, DStR 2016, 697 (702). Kretzschmann/Albrecht | 521

§ 26 Rz. 64 | Anlagebestimmungen gen und, sofern sie extern von einem Rechtsträger verwaltet werden, muss dieser Rechtsträger den Vorschriften des Anlegerschutzes unterliegen. Unternehmenskontrolle bedeutet in diesem Zusammenhang eine sog. corporate governance, die ein gewisses Maß an Kontrollrechten und Einflussnahmemöglichkeiten der Anleger vorsieht.1 Darüber hinaus müssen sie durch den Verweis von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a (i) und Buchst. b (i) RL 2007/16/EG die Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 1 RL 2007/16/EG erfüllen.2 Den kritischsten Punkt in diesem Zusammenhang dürfte die Handelbarkeit darstellen, die häufig unter einem Zustimmungsvorbehalt steht.3 65 Fraglich ist, ob auch vermögensverwaltende Fonds unter § 193 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 KAGB

und damit unter § 26 Nr. 4 Buchst. a InvStG fallen können.4 Der Wortlaut der Norm gibt keine Begrenzung her. Allerdings findet bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften im Gegensatz zu gewerblich tätigen und gewerblich geprägten Personengesellschaften die sog. Bruchteilsbetrachtung nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO Anwendung, nach der die Anleger in steuerlicher Hinsicht keinen Anteil am Fonds (= der Personengesellschaft) zugerechnet bekommen, sondern direkt und zu Bruchteilen an den von der Gesellschaft gehaltenen Vermögensgegenständen. Die Frage hat praktische Auswirkungen und ist zusammen mit anderen Regelungen, z.B. § 26 Nr. 5 InvStG, zu sehen: Erfüllt ein vermögensverwaltender geschlossener Fonds die Anforderungen des § 193 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 KAGB, wäre er unabhängig von den von ihm gehaltenen Anlagegegenständen zulässiger Erwerbsgegenstand. Wendet man hingegen die Bruchteilsbetrachtung an, muss der vermögensverwaltende Fonds die Anforderungen in Bezug auf seine Anlagegegenstände selbst erfüllen. Die Anwendung der Bruchteilsbetrachtung kann für den Anleger aber auch positive Folgen haben, nämlich dann, wenn der vermögensverwaltende Fonds (z.B. mangels Handelbarkeit) § 193 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 KAGB nicht erfüllt. Da Personengesellschaften nicht per se zulässige Investitionsgegenstände sind (s. näher Rz. 54 ff.), wäre ohne Anwendung der Bruchteilsbetrachtung und eine daraus folgende Durchschau die Investition in vermögensverwaltende Personengesellschaften versperrt bzw. nur im Rahmen der Bestandsschutzregelung des § 26 Nr. 5 Satz 3 InvStG (und damit auch höhenmäßig begrenzt auf 20 %) möglich. Die Bruchteilsbetrachtung ist ein genuin steuerliches Institut und wäre damit grds. für das Investmentsteuerrecht im Verhältnis zu einer Regelung im KAGB sachnäher. Allerdings hat § 24 Nr. 4 Buchst. a InvStG mit seinem Verweis auf § 193 KAGB das dortige Verständnis direkt ins Steuerrecht importiert. Solange dieses Konkurrenzverhältnis zwischen den Auslegungsmöglichkeiten besteht, wird man u.E. zugunsten des StPfl. davon ausgehen müssen, dass die Bruchteilsbetrachtung als steuerlicher Grundsatz für vermögensverwaltende Personengesellschaften Anwendung findet, durch § 26 Nr. 4 Buchst. a InvStG i.V.m. § 193 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 KAGB aber in dessen Anwendungsbereich im Wege der Spezialität verdrängt wird: Ist ein vermögensverwaltender Fonds geschlossener Fonds und erfüllt die Anforderungen nach § 193 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 KAGB, kann er ohne weiteres von einem Spezial-Investmentfonds erworben werden.5 Erfüllt er die Anforderungen nicht, greift das steuerliche Grundprinzip und die Bewertung wird anhand der von der vermögensverwaltenden Personengesellschaft gehaltenen Vermögensgegenstände vorgenommen.

1 Höring in Moritz/Klebeck/Jesch, § 193 KAGB Rz. 31. 2 Die Verweiskette von § 26 Nr. 4 Buchst. a InvStG auf § 193 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 KAGB auf Art. 2 Abs. 2 Buchst. a (i) RL 2007/16/EG auf Art. 2 Abs. 1 RL 2007/16/EG kann nicht gerade als anwenderfreundlich bezeichnet werden und entging wohl auch dem BMF. Jedenfalls ist im BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.26, nicht die Rede von diesen zusätzlichen Anforderungen. 3 Höring in Moritz/Klebeck/Jesch, § 193 KAGB Rz. 31. 4 Dafür Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 25. 5 A.A. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.29, wonach bei vermögensverwaltenden AIF in der Rechtsform einer Personengesellschaft wie bei allen Personengesellschaften die Durchschau zur Anwendung gelangen soll.

522 | Kretzschmann/Albrecht

B. Anlagebestimmungen für Spezial-Investmentfonds | Rz. 70 § 26

dd) Finanzinstrumente Wertpapiere können schließlich vorliegen in Form von Finanzinstrumenten, die die in Art. 2 66 Abs. 2 Buchst. c der RL 2007/16/EG genannten Kriterien erfüllen (§ 193 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 KAGB), also wiederum Art. 2 Abs. 1 der RL 2007/16/EG beachten und darüber hinaus durch Vermögenswerte besichert oder an die Entwicklung anderer Vermögenswerte gekoppelt sind. d) Bezugsrechte i.S.d. § 193 Abs. 2 KAGB Ebenfalls unter den Wertpapierbegriff des § 193 KAGB fallen nach Abs. 2 Bezugsrechte, so- 67 fern die Wertpapiere, aus denen die Bezugsrechte herrühren, selbst den Kriterienkatalog des § 193 Abs. 2 KAGB erfüllen. e) Sonstige Anlagegegenstände i.S.d. § 198 KAGB Mit den sonstigen Anlagegegenständen nach § 198 KAGB sieht das reformierte InvStG eine 68 Erweiterung der zulässigen Anlageinstrumente vor. Sonstige Anlagegegenstände i.S.d. § 198 KAGB sind vor allem bestimmte nicht börsennotierte Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Aktien und Schuldscheindarlehen. Interessanterweise verweist das InvStG hier – d.h. nicht im Rahmen seiner „Schmutzgrenze“, sondern im „sauberen“ Teil – auf im KAGB geregelte Instrumente, die dort aber nur zu 10 % von OGAW erworben werden dürfen. Die Norm selbst verweist nur auf den Katalog des § 198 KAGB, nicht auf die dortige 10 %-Grenze.1 OGAW sind aber schon aus aufsichtsrechtlichen Gründen an eine 10 %-Grenze gebunden und können die sonstigen Vermögensgegenstände des § 198 KAGB ohnehin nicht in höherem Maße erwerben. Die Aufnahme in den Zulässigkeitskatalog des § 26 Nr. 4 Buchst. a InvStG stellt aber auch für sie insofern eine Erleichterung dar, als sie mit den aufsichtsrechtlich zulässigen 10 % nicht die Schmutzgrenze des § 26 Nr. 4 InvStG belasten. f) Verbriefungszweckgesellschaften Verbriefungszweckgesellschaften (§ 1 Abs. 19 Nr. 36 KAGB) können Anteile ausgeben, die die 69 Wertpapierkriterien nach §§ 193, 198 KAGB erfüllen. Tun sie das (wie es typischerweise der Fall ist), können diese Anteile von Spezial-Investmentfonds erworben werden, und zwar auch dann, wenn auf diesem Weg Vermögensgegenstände verbrieft werden, die nicht im Zulässigkeitskatalog des § 26 Nr. 4 InvStG enthalten sind.2 Der Gesetzgeber ist anderer Auffassung,3 hat diesen Willen aber nicht in ausreichendem Maß im Gesetzestext verankert. In der Praxis empfiehlt es sich ob der möglichen scharfen Konsequenzen dieser anderen Auffassung (§ 52 InvStG), die Erteilung einer verbindlichen Auskunft (§ 89 Abs. 2 AO) zu beantragen, bevor ein Spezial-Investmentfonds eine solche Anlage tätigt.4 6. Geldmarktinstrumente (Nr. 4 Buchst. b) Neben Wertpapieren darf ein Spezial-AIF steuerlich in unbegrenztem Umfang (vorbehaltlich 70 einer Risikomischung nach § 26 Nr. 3 InvStG) in Geldmarktinstrumente investieren. Dies um-

1 BT-Drucks. 18/8739, 99 f.; Buge/Bujotzek/Steinmüller, DB 2016, 1594 (1598). 2 H.M. in der Literatur: Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 25; Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 16; Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 26 InvStG Rz. 139; Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2718); kritisch zum gesetzgeberischen Willen auch Stadler/Bindl, DStR 2016, 1953 (1961). 3 BT-Drucks. 18/8739, 104. 4 So auch Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2718); Stadler/Bindl, DStR 2016, 1953 (1961). Kretzschmann/Albrecht | 523

§ 26 Rz. 70 | Anlagebestimmungen fasst vor allem Instrumente nach § 194 KAGB,1 unter die nach der Legaldefinition des § 194 Abs. 1 Halbs. 1 KAGB Instrumente fallen, die üblicherweise auf dem Geldmarkt gehandelt werden, sowie festverzinsliche Wertpapiere, die im Erwerbszeitpunkt höchstens 397 Tage laufen oder deren Verzinsung mindestens einmal alle 397 Tage marktgerecht angepasst wird, oder Wertpapiere, deren Risikoprofil demjenigen der genannten Wertpapiere entspricht.2 Geldmarktinstrumente, die nicht unter § 194 KAGB fallen, sind unter den Voraussetzungen des § 198 Nr. 2 KAGB bereits nach § 26 Nr. 4 Buchst. a KAGB erwerbbar. 7. Derivate (Nr. 4 Buchst. c) 71 Derivate sind Finanzinstrumente, bei denen der Kurs von ihrem jeweiligen Basiswert (under-

lying) abgeleitet wird. Sie sind für Spezial-Investmentfonds erwerbbar. Derivate-Definitionen finden sich im Aufsichts- und Kapitalmarktrecht an verschiedenen Stellen, so z.B. in § 197 KAGB und § 2 Abs. 3 WpHG. Die Ansicht der BaFin,3 dass Spezial-AIF mit festen Anlagebedingungen in aufsichtsrechtlicher Hinsicht nicht auf Derivate i.S.d. § 197 KAGB beschränkt sind, spricht u.E. dafür, dass für steuerliche Zwecke des § 26 Nr. 4 Buchst. c InvStG und sämtliche Spezial-Investmentfonds die weitergehende Definition des § 2 Abs. 3 WpHG anwendbar ist.4 Im Ergebnis greifen die Beschränkungen des § 197 KAGB im Rahmen des § 26 Nr. 4 Buchst. c InvStG schon deshalb nicht, weil der Gesetzgeber dies mit einem Verweis (z.B. auf § 197 KAGB) hätte manifestieren müssen, so, wie er es auch für Wertpapiere nach § 26 Nr. 4 Buchst. a InvStG mit dem Verweis auf §§ 193, 198 KAGB getan hat. 8. Bankguthaben (Nr. 4 Buchst. d)

72 Bankguthaben sind unbedingt rückzahlbare Sicht- oder Termineinlagen. Sie können bei in-

ländischen, aber auch bei jeglichen ausländischen Kreditinstituten gehalten werden, denn auch hier gelten mangels Verweises in Buchst. d nicht die Beschränkungen des § 195 KAGB. In welcher Währung die Guthaben denominieren, ist ebenso irrelevant. Ist der Rückzahlungsanspruch allerdings verbrieft, liegen Wertpapiere oder Geldmarktinstrumente vor.5 9. Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte (Nr. 4 Buchst. e)

73 Es gibt im deutschen Recht keine Legaldefinition des Begriffs „Grundstück“,6 er wird aller-

dings in zahlreichen Gesetzen vorausgesetzt und in Bezug genommen. Gemeint ist nach dem sachenrechtlichen Verständnis (vgl. z.B. §§ 94, 873 BGB) ein räumlich abgegrenzter, katastermäßig vermessener und bezeichneter Bereich der Erdoberfläche, der, zumindest in Deutschland, in einem Grundbuch eingetragen ist.7 Allerdings erlaubt § 26 Nr. 4 Buchst. e InvStG auch Grundstückerwerbe in anderen Staaten. 1 Es ist kein Grund ersichtlich, warum auf die engere kapitalmarktrechtliche Definition des § 2 Abs. 2 WpHG zurückzugreifen sein sollte. 2 S. Details bei Höring in Moritz/Klebeck/Jesch, § 194 Rz. 7. 3 BaFin v. 22.7.2013 (geändert am 5.7.2016) – WA 41 - Wp 2137 - 2013/0001, Fragenkatalog zu erwerbbaren Vermögensgegenständen (Eligible Assets), Teil 2 Ziff. 1., abrufbar unter www.bafin.de. 4 Dies liegt nahe, da die h.M. den Derivate-Begriff des WpHG als für § 284 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c KAGB relevant erachtet: vgl. Beckmann in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Investment, § 2 InvG Rz. 77; Köndgen in Berger/Steck/Lübbehüsen, InvG/InvStG, 2010, § 2 InvG Rz. 16; a.A. von Livonius/Riedl in Moritz/Klebeck/Jesch, § 284 KAGB Rz. 44 ff.; so letztlich auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 25. 5 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 25. 6 Umgekehrt bedienen sich Legaldefinitionen, wie z.B. in § 1 Abs. 19 Nr. 21 KAGB für „Immobilien“, des Grundstücksbegriffs. 7 BGH v. 19.12.1967 – V BLw 24/67, BGHZ 49, 145.

524 | Kretzschmann/Albrecht

B. Anlagebestimmungen für Spezial-Investmentfonds | Rz. 77 § 26

Grundstücksgleiche Rechte sind z.B. Erbbaurechte. Jedenfalls aufsichtsrechtlich gelten auch 74 bestimmte Nießbrauchrechte nach § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 KAGB als grundstücksgleiche Rechte. Diese Einbeziehung sollte auch für das Investmentsteuerrecht maßgeblich sein.1 Auch sie müssen nicht nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland bestehen. Ausländische vergleichbare Rechte sind ebenfalls zulässige Erwerbstitel. 10. Immobilien-Gesellschaften (Nr. 4 Buchst. f) Für Beteiligungen an Immobilien-Gesellschaften verweist § 26 Nr. 4 Buchst. f KAGB aus- 75 drücklich auf § 1 Abs. 19 Nr. 22 KAGB. Danach sind Immobilien-Gesellschaften solche Gesellschaften (rechtsformunabhängig)2, die nach ihrem Gesellschaftsvertrag oder ihrer Satzung nur Immobilien sowie die zu deren Bewirtschaftung erforderlichen Gegenstände erwerben dürfen. Auch hier (vgl. ebenso § 26 Nr. 10 InvStG) ist die tatsächliche Durchführung von (ausschließlich) Immobilieninvestitionen allenfalls notwendige Bedingung, zu der zwingend eine Manifestierung des Anlagegrundsatzes als hinreichende Bedingung in der Gesellschaftsdokumentation hinzutreten muss. Ein gewisses Maß an konkretisierter Verpflichtung wird man mit Blick auf den Verweis auf die klare Formulierung in § 1 Abs. 19 Nr. 22 KAGB fordern müssen.3 Mitunter wird4 der Verweis auf § 1 Abs. 19 Nr. 22 KAGB als zu eng kritisiert.5 Er schließe 76 insbes. den Erwerb von Immobilien-Holdinggesellschaften aus, obschon ein solches Investment regulatorisch nach § 235 Abs. 1 Nr. 2 KAGB für Immobilien-Sondervermögen erwerbbar wäre. Der Ruf nach erweiterter Auslegung ist nachvollziehbar und in der Sache überzeugend – es ist nicht erkennbar, wieso die Zwischenschaltung einer Holding-Gesellschaft etwas an der zulässigen Erwerbbarkeit ändern sollte. Die Systematik der Norm mit ihrem Verweis auf § 1 Abs. 19 Nr. 22 KAGB sowie dessen Wortlaut sprechen allerdings auf den ersten Blick gegen eine Einbeziehung. Allerdings darf § 1 Abs. 19 Nr. 22 KAGB insoweit nicht isoliert gelesen werden. Denn gerade § 235 Abs. 1 Nr. 2 KAGB zeigt mit seiner Formulierung, dass eine Immobilien-Gesellschaft gerade nicht auf das Erwerben einer Immobilie beschränkt ist, sondern dass eine Immobilien-Gesellschaft im Sinne der Norm sich auch an anderen Immobilien-Gesellschaften beteiligen kann. Dieser Auslegung hat sich auch die FinVerw. angeschlossen, die nunmehr auch Immobilien-Holdinggesellschaften als Immobilien-Gesellschaften behandelt.6 Immobilien-Gesellschaften können selbst Investmentvermögen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 77 KAGB (und damit auch Investmentfonds nach § 1 Abs. 2 Satz 1 InvStG) sein, sind es i.d.R. aber nicht. Es fehlt zumeist am Merkmal des Einsammelns von Kapital, häufig liegt auch ein operatives Unternehmen vor.7 Sollte eine Immobilien-Gesellschaft als Investmentfonds qualifizieren, kann sie nach Auffassung der FinVerw. als tauglicher Vermögensgegenstand i.S.d. 1 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 25. 2 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 25 – das Gegenteil hätte auch kenntlich gemacht werden müssen. 3 Großzügiger Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 25; vgl. auch BaFin-Auslegungsentscheidung zur Erwerbbarkeit eines AIF als Immobilien-Gesellschaft für Immobilien-Sondervermögen nach §§ 231 ff. KAGB und eines offenen Spezial-AIF mit festen Anlagebedingungen nach § 284 KAGB v. 9.4.2018 – WA 42 – QB 4100 – 2016/0005. 4 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 25. 5 Die FinVerw. (BMF v. 4.6.2014 – IV C 1 - S 1980 – 1/13/10007:002 – DOK 2014/0500897, FR 2014, 715 Tz. 2.4) will den Verweis (ebenfalls bezogen auf die frühere Rechtslage) neben § 1 Abs. 19 Nr. 22 KAGB auch auf § 235 KAGB verstanden wissen, spricht aber in diesem Zusammenhang etwas missverständlich von zusätzlichen „Anforderungen“. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.35. 7 Volhard/Jang in W/B/A3, § 1 KAGB Rz. 90. Kretzschmann/Albrecht | 525

§ 26 Rz. 77 | Anlagebestimmungen § 26 Nr. 4 Buchst. f InvStG gehalten werden, auch wenn sie die Voraussetzungen des § 26 Nr. 4 Buchst. h oder i InvStG nicht erfüllt.1 Von den Regelungen in § 26 Nr. 4 Buchst. h oder i InvStG geht in diesem Fall also keine Sperrwirkung aus. 11. Betriebsvorrichtungen und Bewirtschaftungsgegenstände (Nr. 4 Buchst. g) 78 Spezial-Investmentfonds dürfen Betriebsvorrichtungen und andere Bewirtschaftungsgegen-

stände i.S.d. § 231 Abs. 3 KAGB erwerben. Das sind Gegenstände, die zur Bewirtschaftung der Vermögensgegenstände eines Immobilien-Sondervermögens erforderlich sind, also u.a. Zubehör i.S.d. §§ 97 f. BGB, aber auch Rechte wie Dienstbarkeiten.2 Zu den Bewirtschaftungsgegenständen in diesem Sinne zählt auch eine Komplementär-GmbH einer ImmobilienGmbH & Co. KG, die – wie üblich – keinen oder nur einen geringen Anteil am Gesellschaftsvermögen der GmbH & Co. KG und auch sonst keine Vermögensgegenstände hält.3 12. Investmentanteile (Nr. 4 Buchst. h)

79 Spezial-Investmentfonds dürfen gem. Nr. 4 Buchst. h als Dach-Spezial-Investmentfonds in be-

stimmte andere kollektive Investitionsvehikel (Ziel-Investmentfonds, § 2 Abs. 5 Satz 1 InvStG) investieren, allerdings nicht in sämtliche: Nr. 4 Buchst. h enthält eine Beschränkung auf inländische und ausländische Organismen für gemeinsame Kapitalanlagen in Wertpapieren sowie inländische und ausländische Investmentfonds, die die Voraussetzungen der Nr. 1 bis 7 erfüllen. Mit „Organismen für gemeinsame Kapitalanlagen in Wertpapieren“ können trotz der leicht abweichenden Terminologie nur OGAW i.S.d. § 1 Abs. 2 KAGB gemeint sein,4 denn erstens ist nicht klar, wieso hier neben Anlagen in Wertpapiere noch eine weitere, vermeintlich speziellere Kategorie der Kapitalanlagen in Wertpapiere bestehen soll (und vor allem: in was sie bestehen soll), und zweitens ist das InvStG ohnehin grds. KAGB-akzessorisch auszulegen.5

80 Der Relativsatz „[...] die die Voraussetzungen der Nr. 1 bis 7 erfüllen“ musste im Vergleich zur

Vorgängervorschrift neu eingefügt werden, da § 1 Abs. 1b Satz 2 Nr. 5 InvStG a.F. nicht den Spezial-Investmentfonds, sondern den Investmentfonds selbst definierte. Früher musste sich der hier in Bezug genommene (Ziel-)Investmentfonds somit ohnehin an die Merkmale des § 1 Abs. 1b Satz 2 InvStG a.F. halten. Seit 2018 – da sich diese Voraussetzung nicht mehr in der einfachen Investmentfondsdefinition des § 1 InvStG, sondern in § 26 InvStG befindet – ist diese Konkretisierung notwendig. Der Relativsatz bezieht sich nur auf die letztgenannten Investmentfonds. Er ist der einzige Grund, warum OGAW neben Investmentfonds überhaupt neu und separat aufgeführt sind. OGAW sind nach § 1 Abs. 2 Satz 1 InvStG Investmentfonds – gem. § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG sogar dann, wenn sie in der Rechtsform der Personengesellschaft organisiert sind. Sie wären also durch den Begriff „Investmentfonds“ bereits erfasst. Dass sie in § 26 Nr. 4 Buchst. h InvStG dennoch eigenständig neben Investmentfonds erwähnt werden, kann seinen Grund somit nur in dem Distinktionsmerkmal „unabhängig von der Erfüllung der Voraussetzungen der Nr. 1 bis 7“ haben. 1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.23. 2 Kautenburger-Behr in W/B/A3, § 231 KAGB Rz. 27 f. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.24. Es steht zu hoffen, dass die FinVerw. der Komplementär-GmbH zubilligt, ihr Stammkapital zu halten. 4 So auch Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 26 InvStG Rz. 181. Auch das BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.25, beinhaltet ganz selbstverständlich einen Verweis auf OGAW nach dem KAGB. 5 Aus der Tatsache, dass hier ein expliziter Verweis auf das KAGB fehlt und zudem noch die Terminologie abweicht, ließe sich zugegebenermaßen auch das Gegenteil schließen. Es bleibt aber auch dann unklar, in welcher Hinsicht eine sachliche Differenzierung vorgenommen werden soll.

526 | Kretzschmann/Albrecht

B. Anlagebestimmungen für Spezial-Investmentfonds | Rz. 84 § 26

Fraglich ist, wann ein wesentlicher Verstoß im Sinne des Eingangssatzes von § 26 InvStG bei 81 Dachfondskonstruktionen vorliegt.1 Investmentanteile i.S.d. § 26 Nr. 4 Buchst. h InvStG müssen selbst die Anforderungen der Nr. 1 bis 7 erfüllen. Diese Erfüllung liegt aber nicht in der Hand des Dachfonds, sodass er Gefahr läuft, durch das Verhalten eines Dritten auf Ebene eines seiner Investments seinen eigenen steuerlichen Status zu verlieren (bzw. in einen einfachen Investmentfonds zu ändern). Das ist zwar auch in anderen Konstellationen möglich (man denke an eine vermögensverwaltende Personengesellschaft, die sich an einer anderen vormals vermögensverwaltenden Personengesellschaft beteiligt und deren plötzliche gewerbliche Betätigung zu einer „Infizierung“ der Obergesellschaft und einem Umschlagen in die Gewerblichkeit führt). Es ist in seinen Folgen aber derart gravierend, dass man hier eine solch mittelbare Überschreitung als – zumindest zunächst – weder bewusst, noch aktiv oder schuldhaft wird ansehen müssen. Erst das bewusste „Investiert-Bleiben“ trotz Kenntnis über den Verstoß dürfte zu einem wesentlichen Verstoß führen.2 13. Spezial-Investmentanteile (Nr. 4 Buchst. i) Taugliche Gegenstände sind Spezial-Investmentanteile i.S.d. § 2 Abs. 4 Satz 2 InvStG. Hie- 82 raus folgt, dass der Zielfonds als Spezial-Investmentfonds qualifizieren muss. Am einfachsten wird sich der Dachfonds hierüber durch Vorlage einer entsprechenden Statusbescheinigung nach § 29 Abs. 2 InvStG Gewissheit verschaffen können. Unseres Erachtens verliert der Zielfonds seinen Status als Spezial-Investmentfonds erst und nur unter den Voraussetzungen des § 52 InvStG. Die unter Rz. 81 beschriebene Gefahr besteht grds. auch im Rahmen der Nr. 4 Buchst. i. Aller- 83 dings ist ihr Eintreten u.E. weniger wahrscheinlich, und zwar aus zwei Gründen: (1) Der in Buchst. i genannte Spezial-Investmentfonds muss die Anforderungen der Nr. 1 bis 10 schon aus eigenem Antrieb verfolgen, denn ein (wesentlicher) Verstoß wirkt sich massiv auf seine Besteuerung aus. Im Gegensatz dazu ist der OGAW oder der einfache Investmentfonds in Buchst. h weit weniger genuin an einer Einhaltung interessiert, denn für ihn selbst ergeben sich keine unmittelbaren steuerlichen Änderungen. Wenn der Ziel-Investmentfonds aber nicht mit eigenen Sanktionen rechnen muss, wird er viel schneller gegen die Anforderungen verstoßen und dies umso mehr, als er – im Gegensatz zum Spezial-Ziel-Investmentfonds, für den § 26 InvStG vollständig originär gilt – die Anforderungen nur in tatsächlicher Hinsicht erfüllen, sie mangels Verweises auf den Eingangssatz oder § 26 Nr. 10 InvStG aber nicht schriftlich fixieren muss. Ein wichtiger „Merkposten“ und eine fixierte Handlungsanforderung für das Fondsmanagement entfällt. (2) Der zweite Grund für die geringere Gefahr eines Verstoßes nach § 26 Nr. 4 Buchst. h InvStG im Vergleich zu Buchst. i resultiert ebenfalls aus der unterschiedlichen Bezugnahme: Indem für einfache Investmentfonds nur auf die Nr. 1 bis 7 verwiesen wird, der Spezial-Investmentfonds aber (auch ohne expliziten Verweis) ohnehin den gesamten § 26 InvStG erfüllen muss, entfällt für einfache Investmentfonds nach Buchst. h auch das Wesentlichkeitserfordernis. Mit anderen Worten führt jeder (für ihn sanktionslose) Verstoß gegen die in den Nr. 1 bis 7 genannten Anforderungen durch den Zielfonds zu einem potentiellen3 Verstoß für den beteiligten Dachfonds. Aber nicht nur das Eintreten eines Verstoßes nach Nr. 4 Buchst. i ist weniger wahrscheinlich 84 als das nach Buchst. h, sondern auch die Rechtsfolgen dieses Verstoßes können – in be-

1 Zur Übergangserleichterung der FinVerw. für durch das InvStRefG unzulässige Investmentanteile i.S.v. § 1 Abs. 1b Satz 2 Nr. 5 Buchst. h InvStG a.F. vgl. BMF v. 21.12.2017 – IV C 1 - S 1980 – 1/16/ 10010:016 – DOK 2017/1058518, DStR 2018, 194 Rz. 5. 2 Ebenso Wenzel in Brandis/Heuermann, § 26 InvStG Rz. 69. 3 Vorbehaltlich der 90 %-Schwelle; außerdem ist auf Ebene des Dachfonds wieder das Wesentlichkeitserfordernis zu beachten. Kretzschmann/Albrecht | 527

§ 26 Rz. 84 | Anlagebestimmungen stimmten Konstellationen – weniger gravierend sein. Es ist nämlich denkbar, dass ein Investment nur deshalb aus dem Zulässigkeitskatalog fällt, weil der Ziel-Spezial-Investmentfonds entgegen Nr. 8 mehr als 100 Anleger aufnimmt oder die Fixierung der Anlagebestimmungen nach Nr. 10 nicht einhält. Sollte er dann seine Eigenschaft als Spezial-Investmentfonds verlieren, ist immerhin noch denkbar, dass er als fiktiv neu gegründeter (§ 52 InvStG) einfacher Investmentfonds tauglicher Anlagegegenstand nach Nr. 4 Buchst. h bleibt – hier wäre ein Verstoß gegen die Nr. 8 bis 10 nämlich unschädlich. Der umgekehrte Fall – einfacher Investmentfonds verstößt gegen die Nr. 1 bis 7 und ist daher nicht mehr zulässiger Investitionsgegenstand nach Nr. 4 Buchst. h, soll aber zulässiger Spezial-Investmentfonds nach Buchst. i werden – ist hingegen nicht denkbar. 14. ÖPP-Projektgesellschaften und Infrastruktur-Projektgesellschaften (Nr. 4 Buchst. j) 85 Spezial-Investmentfonds dürfen (Anteile an) ÖPP-Projektgesellschaften erwerben, also nach

dem in Bezug genommenen § 1 Abs. 19 Nr. 28 KAGB im Rahmen sog. Öffentlich-privater Partnerschaften (ÖPP) tätige Gesellschaften, die nach ihrer Gesellschaftsdokumentation gegründet wurden, um Anlagen oder Bauwerke zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben1 zu errichten, zu sanieren, zu betreiben oder zu bewirtschaften. Die Beteiligung an diesen Gesellschaften muss allerdings mit Verkehrswerten bewertbar sein. Mit ÖPP werden dauerhafte, in beiderseitigem Vorteil liegende und dem Gemeinwohl dienende Kooperationen zwischen öffentlichen Händen und der Privatwirtschaft angestrebt.2 Die Projekte erstrecken sich auf das Entwerfen, die Planung, Erstellung, Finanzierung, das Management, das Betreiben und das Verwerten von bislang in staatlicher Verantwortung erbrachten öffentlichen Leistungen.3

86 Umstritten ist, ob die Projektgesellschaft zwingend mit einem inländischen Projekt betraut

sein muss.4 Klar ist, dass die öffentliche Hand in Deutschland nur über inländische Projekte private Kooperationen eingehen kann. Das bedeutet aber nicht, dass nicht auch vergleichbare Projekte ausländischer Staaten als ÖPP-Projektgesellschaft qualifizieren können. Innerhalb der EU und des EWR wird man solche ausländischen Projektgesellschaften, sofern sie nach einem erweiterten Typenvergleich vergleichbar sind, im Wege unionskonformer Auslegung als zulässige Anlagegegenstände qualifizieren müssen und diese Auslegung – sofern man die auch Drittstaaten erfassende Kapitalverkehrsfreiheit tangiert sieht – auf Drittstaaten erweitern. In Bezug auf Drittstaaten ist das aber nicht zwingend geboten und – da § 1 Abs. 19 Nr. 28 KAGB (z.B. im Gegensatz zu § 1 Abs. 19 Nr. 21 Satz 1 KAGB) keine explizite Erweiterung auf „vergleichbare Gesellschaften nach dem Recht anderer Staaten“ enthält – auch nicht auf der Hand liegend. Eine gesetzgeberische Klarstellung – in § 1 Abs. 19 Nr. 28 KAGB oder § 26 Nr. 4 Buchst. j InvStG – wäre wünschenswert.

87 Ein Rechtsformerfordernis besteht mangels normierter Einschränkung in § 1 Abs. 19 Nr. 28

KAGB nicht.

88 Durch das sog. FondsstandortG5 wurde der Katalog erwerbbarer Gesellschaften um Infra-

struktur-Projektgesellschaften (vgl. § 1 Abs. 19 Nr. 23a KAGB) erweitert. Infrastruktur-Projektgesellschaften bilden den Anlageschwerpunkt von Infrastruktur-Sondervermögen. Dieser Fondstyp wurde ebenfalls durch das FondsstandortG in das KAGB (vgl. § 260a KAGB) eingefügt. Der Begriff der Infrastruktur-Projektgesellschaft ist im Vergleich zur ÖPP-Projektgesellschaft weiter, da das Erfordernis einer Öffentlich-Privaten Partnerschaft fehlt, eine Kooperati1 2 3 4

Beispiele in BT-Drucks. 15/5668, 10. BT-Drucks. 15/5668, 10. BT-Drucks. 15/5668, 10. Dafür Gottschling in Moritz/Klebeck/Jesch, § 1 KAGB Rz. 282; dagegen Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 25. 5 G v. 3.6.2021, BGBl. I 2021, 1498.

528 | Kretzschmann/Albrecht

B. Anlagebestimmungen für Spezial-Investmentfonds | Rz. 92 § 26

on zwischen der öffentlichen Hand und der Privatwirtschaft also entbehrlich ist. Infrastruktur-Projektgesellschaften können rein privatwirtschaftlich ausgestaltet sein.1 15. Edelmetalle (Nr. 4 Buchst. k) Edelmetalle sind besonders korrosionsbeständige Metalle.2 Im engeren Sinn zählen Platin, 89 Palladium, Gold und Silber dazu.3 Es besteht jedoch kein Grund, unter den Begriff auch sog. Halbedelmetalle wie Kupfer, Messing, Zinn oder Bronze zu fassen.4 Zertifikate über Edelmetalle oder andere Finanzinstrumente, deren Wert sich von Edelmetallen ableitet, fallen nicht unter Buchst. k. Hierfür wäre – wie in § 192 KAGB, dort allerdings im Rahmen einer negativen Abgrenzung – ein ausdrücklicher Hinweis notwendig gewesen. Die genannten Instrumente dürften aber häufig unter Buchst. a (Wertpapiere) oder Buchst. c (Derivate) fallen.5 16. Unverbriefte Darlehensforderungen (Nr. 4 Buchst. l) Spezial-Investmentfonds dürfen ihr Vermögen in unverbriefte Darlehensforderungen investie- 90 ren. Ob es sich um Sach- oder Gelddarlehen (§§ 607 ff. BGB bzw. §§ 488 ff. BGB) handelt, spielt keine Rolle.6 Das bedeutet zum einen, dass sie bestehende Darlehensforderungen erwerben (und natürlich eintreiben) dürfen. Darüber hinaus ist es ihnen steuerlich auch nicht verwehrt, Darlehen originär auszureichen.7 Diese Zulässigkeit besteht unabhängig von aufsichtsrechtlichen Beschränkungen zur Darlehensvergabe, die allerdings durch das OGAW-VUmsG8 im Nachgang zu einer Änderung der Verwaltungspraxis durch die BaFin9 moderat gelockert wurden. § 26 Nr. 4 Buchst. l InvStG sieht keine quantitative Begrenzung der Anlage in Darlehensforderungen vor. Nimmt der Umfang der Darlehensvergabe allerdings ein Ausmaß an, das eine aktive unternehmerische Bewirtschaftung der Vermögensgegenstände nahelegt, ist der Status als Spezial-Investmentfonds auch ohne Verstoß gegen § 26 Nr. 4 Buchst. l InvStG schon wegen der ggf. fehlenden Gewerbesteuerbefreiung (vgl. den Eingangssatz des § 26 InvStG) bedroht.10 17. Kapitalgesellschaften (Nr. 4 Buchst. m) Ein Spezial-Investmentfonds darf Beteiligungen an KapGes. erwerben, wenn der Verkehrswert 91 dieser Beteiligungen ermittelt werden kann. Kapitalgesellschaft ist eine Gesellschaft nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, also eine Europäische Gesellschaft, AG, KGaA und GmbH sowie eine nach einem Rechtstypenvergleich jeweils vergleichbare ausländische Gesellschaft.11 Entscheidend ist aber, was unter einer Beteiligung an einer KapGes. verstanden werden 92 kann. Gesetzeshistorisch würde es sich hierbei zunächst anbieten, auf einen investmentrechtlichen Beteiligungsbegriff abzustellen. Dieser ist sehr weit und erfasst alle Instrumente, die

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

BT-Drucks. 19/27631, 87. Hartrott in W/B/A3, § 192 KAGB Rz. 11. Alexander-Huhle in Moritz/Klebeck/Jesch, § 221 KAGB Rz. 19. Ebenso Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 25; für das Aufsichtsrecht AlexanderHuhle in Moritz/Klebeck/Jesch, § 221 KAGB Rz. 19. Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 25. Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 25. Wenzel in Brandis/Heuermann, § 26 InvStG Rz. 40; Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 26 InvStG Rz. 201; Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2718). G v. 18.3.2016, BGBl. I 2016, 348. BaFin v. 12.5.2015 – WA 41 – Wp 2100 – 2015/0001. Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 26 InvStG Rz. 202; Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2718). Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 25. Kretzschmann/Albrecht | 529

§ 26 Rz. 92 | Anlagebestimmungen eine mitgliedschaftsrechtliche Beteiligung an einem Unternehmen vermitteln, durch die sowohl Vermögensrechte (z.B. Teilnahme am Gewinn) als auch Verwaltungsrechte (z.B. Mitsprache- und Informationsrechte) gewährt werden.1 Allerdings ist die Verbindung zu den aufsichtsrechtlichen Begrifflichkeiten bereits durch das AIFM-StAnpG aufgehoben worden. Daher ist nach hier vertretener Auffassung nunmehr der steuerliche Beteiligungsbegriff zugrunde zu legen. Dies bedeutet, dass eine Beteiligung nur dann vorliegt, wenn hierdurch in steuerliches Eigenkapital investiert wird. Hieraus ergibt sich zudem unmittelbar, dass typische Unternehmensfinanzierungsinstrumente jedenfalls nicht als Beteiligung an einer KapGes. erworben werden können. Prominent dürfte hier eine typisch stille Gesellschaft sein, die u.E. im Kontext des § 26 InvStG weder als Beteiligung an einer KapGes. noch als Personengesellschaft qualifiziert werden kann. Aufgrund der steuersystematischen Nähe zu einem partiarischen Darlehen könnte ggf. ein Erwerb unter analoger Anwendung des § 26 Nr. 4 Buchst. l InvStG in Betracht kommen, da § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG auch eine parallele Behandlung vorsieht. Die Ermittlung des Verkehrswerts wird anhand anerkannter Bewertungsmethoden für Unternehmensbeteiligungen zu erfolgen haben.2 18. Kryptowerte (Nr. 4 Buchst. n) 93 Der Katalog des § 26 Nr. 4 InvStG wurde mit dem sog. FondsstandortG3 um einen neuen

Buchstaben n, der die Anlage in sog. Kryptowerte beinhaltet, erweitert. Diese Erweiterung ist im Gesetzgebungsverfahren erst mit der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses4 aufgenommen worden, im Gesetzesentwurf5 war sie noch nicht enthalten.

94 Für die Definition des Begriffs „Kryptowerte“ wird man auf die vergleichsweise weite6 Legal-

definition in § 1 Abs. 11 Sätze 4 und 5 KWG zurückgreifen können:

„Kryptowerte im Sinne dieses Gesetzes sind digitale Darstellungen eines Wertes, der von keiner Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert wurde oder garantiert wird und nicht den gesetzlichen Status einer Währung oder von Geld besitzt, aber von natürlichen oder juristischen Personen aufgrund einer Vereinbarung oder tatsächlichen Übung als Tausch- oder Zahlungsmittel akzeptiert wird oder Anlagezwecken dient und der auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden kann. Keine Kryptowerte im Sinne dieses Gesetzes sind [...] E-Geld im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 3 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes oder [...] ein monetärer Wert, der die Anforderungen des § 2 Absatz 1 Nummer 10 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes erfüllt oder nur für Zahlungsvorgänge nach § 2 Absatz 1 Nummer 11 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes eingesetzt wird.“

Der Gesetzgeber reagiert damit auf die steigende Relevanz von Investitionen in Kryptowerte (wie z.B. Bitcoin oder Ether), die durch eine voranschreitende Professionalisierung der Kryptobranche nicht mehr nur noch direkt von einzelnen Enthusiasten erworben werden, sondern längst die Wahrnehmbarkeitsschwelle in kollektiven Anlagevehikeln erreicht und überschritten haben. Es ist zu begrüßen, dass auch die Steuergesetzgebung die – insoweit bereits vorangeschrittenen und schon erfolgten – regulatorischen Legislativakte (vgl. u.a. § 1 Abs. 1a Nr. 6, 8 KWG; § 284 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. j KAGB) nachvollzieht.

1 BaFin-Fragenkatalog zum Anwendungsbereich des InvG nach § 1 Satz 1 Nr. 3 InvG und zum Rundschreiben 14/2008 (WA) v. 21.1.2010 – WA 41 – Wp 2136 – 2008/0001, Tz. 6; von Livonius/Riedl in Moritz/Klebeck/Jesch, § 284 KAGB Rz. 75 ff. 2 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 25, schlägt eine Orientierung an §§ 26, 28, 32 der Kapitalanlage-Rechnungslegungs- und -Bewertungsverordnung vor. 3 G v. 3.6.2021, BGBl. I 2021, 1498. 4 BT-Drucks. 19/28868. 5 BT-Drucks. 19/27631. 6 Insbesondere hat die in der Kryptobranche bisweilen anzutreffende Unterscheidung zwischen Utility-, Equity- und Currency-Token keinen direkten Eingang in das InvStG gefunden.

530 | Kretzschmann/Albrecht

B. Anlagebestimmungen für Spezial-Investmentfonds | Rz. 99 § 26

Ebenfalls zu begrüßen ist, dass der Gesetzgeber mit der Aufnahme von Kryptowerten in den 95 Katalog erlaubter Vermögensgegenstände für Spezial-Investmentfonds implizit klarstellt, dass eine Anlage in Kryptowerte mit einer Gewerbesteuerfreiheit einhergehen kann. Da nämlich die Gewerbesteuerfreiheit nach dem Eingangssatz des § 26 InvStG für sämtliche Spezial-Investmentfonds Voraussetzung ist, wäre die Aufnahme von Kryptowerten in den Erlaubniskatalog sinnlos, wenn Krypto-Fonds bereits das Merkmal der Gewerbesteuerfreiheit nie erfüllen könnten.

VI. Beschränkungen für nicht börsengehandelte Beteiligungen, Immobilien und Kryptowerte (Nr. 5) 1. Vorbemerkung Ein Spezial-Investmentfonds darf höchstens 20 % seines Werts in Beteiligungen an KapGes. 96 investieren, die weder zum Handel an einer Börse zugelassen noch in einem anderen organisierten Markt zugelassen oder in diesen einbezogen sind. Diese Begrenzung richtet sich direkt an private equity fonds, die regelmäßig nicht gelistete Geschäftsanteile von KapGes. erwerben und daher aufgrund von § 26 Nr. 5 InvStG nicht von der Besteuerung nach Kapitel 3 des InvStG profitieren (so sie denn überhaupt in den Anwendungsbereich fallen und nicht als Personengesellschaft – dies ist die typische Rechtsform dieser Fondsvehikel – ohnehin gem. § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG nach den normalen Regeln besteuert werden). Darüber hinaus darf ein Spezial-Investmentfonds maximal 20 % seines Werts in Kryptowerte 97 investieren. Diese Begrenzung wurde – zeitgleich mit der korrespondierenden Erweiterung, d.h. der Möglichkeit, überhaupt in Kryptowerte zu investieren (Nr. 4 Buchst. n) – durch das sog. FondsstandortG1 in § 26 InvStG aufgenommen. 2. 20 %-Grenze für Beteiligungen Kapitalgesellschaften sind auch hier (nur) Gesellschaften nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, also ins- 98 bes. Europäische Gesellschaften, AG, KGaA und GmbH sowie nach einem Rechtstypenvergleich jeweils vergleichbare ausländische Gesellschaften.2 § 26 Nr. 5 InvStG spricht explizit von KapGes., nicht von Körperschaften, sodass die Beschränkung nicht für die in § 1 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 KStG genannten Rechtsformen gilt (zum Begriff der Beteiligung vgl. Rz. 105). Das hat erhebliche Auswirkungen auf Dach-Zielfonds-Konstruktionen: Inländische Investmentfonds und Spezial-Investmentfonds nach § 6 Abs. 1 InvStG (bei Letzteren i.V.m. § 29 Abs. 1 InvStG) gelten als Zweckvermögen nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG und sind daher von vornherein nicht von der 20 %-Grenze umfasst.3 Fraglich ist, wie mit ausländischen Investmentfonds zu verfahren ist. Sie gelten gem. § 6 99 Abs. 1 Satz 2 InvStG als Vermögensmasse nach § 2 Nr. 1 KStG. Es werden somit regelmäßig keine nach einem Rechtstypenvergleich jeweils vergleichbare ausländische Gesellschaften vorliegen. Jedenfalls Investmentfonds aus EU-/EWR-Staaten wird man bedingt durch die Grundfreiheiten ohnehin nicht in geringerem Umfang als Anlagegegenstand zulassen dürfen, indem man auf sie – im Gegensatz zu deutschen Investmentfonds – § 26 Nr. 5 InvStG anwendet. Eine unionsrechtskonforme Auslegung ist insoweit geboten. Auch KapGes. aus Drittstaaten sind u.E. aber nicht im Sinne eines Rechtstypenvergleichs mit KapGes. nach § 1 Abs. 1 Nr. 1

1 G v. 3.6.2021, BGBl. I 2021, 1498. 2 Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 18. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.33; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 45; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 26 InvStG Rz. 47. Kretzschmann/Albrecht | 531

§ 26 Rz. 99 | Anlagebestimmungen KStG vergleichbar, wenn sie als Investmentfonds qualifizieren. Das ergibt sich darüber hinaus auch aus einem Umkehrschluss aus § 26 Nr. 3 Satz 3 InvStG, der ansonsten auf den nicht unerheblichen Erwerb (die Verwaltung geht in diesem Zusammenhang von 50 % aus, s. Rz. 48) inländischer Investmentfonds hätte beschränkt werden müssen – ein Erwerb eines (§ 26 Nr. 3 Satz 3 InvStG lässt ausdrücklich den Singular zu) ausländischen Investmentfonds wäre ansonsten im genannten Umfang gar nicht möglich. Auch die FinVerw. scheint dieser Auslegung offen gegenüberzustehen, da sie die 20 %-Grenze generell nicht auf Investmentanteile bzw. Spezial-Investmentanteile anwendet – unabhängig von der Herkunft der Investment- bzw. Spezial-Investmentfonds.1 100 Die Begriffe „Börsenzulassung“ oder (Zulassung oder Einbeziehung) in einem „anderen or-

ganisierten Markt“ müssen mangels steuerrechtlicher Präzisierung ausgelegt werden. Auf der Hand liegt eine KAGB-akzessorische Auslegung, allerdings in Bezug auf die Börsenzulassung nicht nach § 1 Abs. 19 Nr. 27 KAGB,2 sondern nach § 261 Abs. 1 Nr. 4 KAGB, denn es ist nicht ersichtlich, wieso nur Gesellschaften im EU-/EWR-Bereich von der mengenmäßigen Begrenzung für Anlagegegenstände umfasst sein sollen. Nicht an einer Börse zugelassen ist eine KapGes. demnach, wenn sie nicht auf einem durch staatliche Stellen genehmigten, geregelten und überwachten multilateralen System zugelassen ist.3 Ein anderer organisierter Markt muss anerkannt (nicht unbedingt staatlich zugelassen), ordnungsgemäß funktionsfähig und für das Publikum offen (d.h. liquide) sein.4

101 § 26 Nr. 5 InvStG enthält keine Vorgaben hinsichtlich der Berechnung der 20 %-Grenze,

setzt aber logisch voraus, dass der Beteiligungswert – wie auch der Fondswert als Vergleichsgröße5 – errechnet werden kann. Der Wert des Investmentfonds wird anhand des sog. Nettoinventarwerts ermittelt (s. dazu Rz. 53). Da die Beteiligungen nach § 26 Nr. 5 InvStG zum Gesamtwert ins Verhältnis gesetzt werden, bedeutet das, dass Kapitalgesellschaftsbeteiligungen zu veräußern sind, wenn ihre Kurse stärker steigen als diejenigen Kurse bzw. Werte anderer Gegenstände. Auch bei fallenden Kursen besteht eine Veräußerungspflicht, soweit die Wertminderungen der übrigen Vermögensgegenstände gravierender ausfallen. § 26 Nr. 5 InvStG führt somit zu einem Zwangs-Rebalancing.

102 Die FinVerw. sieht die 20 %-Grenze als eine absolute an.6 Ein Spezial-Investmentfonds darf

nach dieser Auffassung also nicht 20 % seines Werts in KapGes. anlegen und sich darüber hinaus in derselben Anlageklasse für weitere 10 % seines Werts der „Schmutzgrenze“ nach § 26 Nr. 4 InvStG bedienen.7 Diese Ansicht ist nicht zwingend, aber überzeugend. Sämtliche Anforderungen des Katalogs in § 26 InvStG sind kumulativ zu erfüllen,8 sodass § 26 Nr. 5 InvStG – auch im Sinne einer lex-specialis-Regelung – die Maximalgröße für Kapitalgesellschaftsinvestitionen vorgibt.

1 Vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.33; so auch Bödecker in Bödecker/ Ernst/Hartmann, § 26 InvStG Rz. 257. 2 So aber Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 18. 3 S. Moritz/Klebeck/Jesch in Moritz/Klebeck/Jesch, § 261 Rz. 36 f. 4 Volhard/Jang in W/B/A3, § 1 KAGB Rz. 104. 5 S. hierzu Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 45 m.w.N. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.35. 7 Von dieser Frage (ob Kapitalgesellschaftsanteile in einer Höhe von über 20 % des Fondswerts mithilfe der Schmutzgrenze erworben werden dürfen) ist die Frage zu trennen, ob grds. unzulässige Vermögensgegenstände wie Anteile an gewerblichen Personengesellschaften im Rahmen der Schmutzgrenze erworben werden dürfen, s. dazu Rz. 56. 8 Dies bezieht sich nur auf die Nummern, nicht auf die Buchstaben a bis m in Nr. 4, die alternativ erworben werden können.

532 | Kretzschmann/Albrecht

B. Anlagebestimmungen für Spezial-Investmentfonds | Rz. 105 § 26

3. Ausnahme für Beteiligungen an Immobiliengesellschaften § 26 Nr. 5 Satz 2 InvStG erlaubt es als Ausnahme Investmentfonds, die nach ihren Anlage- 103 bedingungen in Immobilien, Immobiliengesellschaften und Infrastruktur-Projektgesellschaften investieren, bis zu 100 % ihres Werts in Beteiligungen an Kapitalgesellschaften zu investieren, die die Voraussetzungen von Immobilien-Gesellschaften oder Infrastruktur-Projektgesellschaften erfüllen. Die Ausnahme richtet sich damit an Immobilienfonds i.S.d. § 2 Abs. 9 InvStG sowie an Infrastruktur-Sondervermögen. § 26 Nr. 5 InvStG erfuhr bereits mehrere Änderungen seit Inkrafttreten der Norm am 1.1.2018. Durch das „JStG 2018“1 wurde zunächst dessen Satz 2, nach dem zuvor 51 % des Werts nach den Anlagebedingungen in Immobilien oder Immobiliengesellschaften angelegt werden musste, in die jetzige Form geändert. Zwischenzeitlich enthielt Nr. 5 im Vergleich zur Fassung vor 2018 die Verschärfung (die Gesetzesbegründung spricht allerdings von Präzisierung und Klarstellung), dass nach den Anlagebedingungen mehr als 50 % des Aktivvermögens in Immobilien(-Gesellschaften) investiert sein muss – zuvor genügte – wie jetzt wieder – die nicht näher quantifizierte Investition „in Immobilien“. Nach Sinn und Zweck der Norm dürfen auch unter der Neufassung im Rahmen von § 26 Nr. 5 104 Satz 2 InvStG erworbene Beteiligungen an Immobiliengesellschaften nicht auf die 20 %Grenze des Satzes 1 angerechnet werden.2 Ein Immobilienfonds, der nahezu ausschließlich in Immobiliengesellschaften investiert, darf also trotzdem noch eine Betriebsgesellschaft, die keine Immobiliengesellschaft ist, halten. 4. Grandfathering für Unternehmensbeteiligungen Satz 3 enthält darüber hinaus – wie auch schon § 1 Abs. 1b Satz 2 Nr. 6 Satz 3 InvStG a.F. – 105 eine sog. grandfathering-Regelung für vor dem 28.11.2013 erworbene Unternehmensbeteiligungen, allerdings ebenfalls nur im Rahmen der 20 %-Grenze. „Unternehmensbeteiligungen“ sind wie in § 284 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. i KAGB zu verstehen und umfassen vor allem private-equity-Beteiligungen und Anteile an geschlossenen Fonds. Hierbei kommen vorrangig gewerblich tätige oder gewerblich geprägte Fonds in Betracht,3 da bei vermögensverwaltenden Fonds eine Durchschau auf deren gehaltene Investitionsgegenstände vorgenommen wird und diese auch (aber auch nur) an den Maßstäben des § 26 Nr. 1 bis 10 InvStG gemessen werden.4 Hybride Beteiligungsformen wie Anteile an typischen und atypischen stillen Gesellschaften sind Unternehmensbeteiligungen, soweit die Beteiligung ein gewisses Maß an Vermögens- und Verwaltungsrechten vermittelt.5 Erforderlich sind demnach eine Gewinnbeteiligung sowie Informations- und Kontrollrechte. Fallen die Beteiligungen bereits unter den Wertpapierbegriff des § 26 Nr. 4 Buchst. a InvStG (s. Rz. 57 ff.), ist ein Rückgriff auf § 26 Nr. 5 Satz 3 InvStG nicht mehr notwendig. Maßgeblicher Stichtag für den Bestandsschutz ist der

1 G v. 11.12.2018, BGBl. I 2018, 2338. 2 Vgl. Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 26 InvStG Rz. 230. 3 Wenzel in Brandis/Heuermann, § 26 InvStG Rz. 43; s. zur Erwerbbarkeit vermögensverwaltender Fonds Rz. 65. 4 Das verkennt Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26, dort Fn. 79, der die Gesetzesbegründung zur Vorgängernorm (BR-Drucks. 740/13, 40) kritisiert, da sie unzutreffender Weise davon ausgehe, vermögensverwaltende Fonds könnten zulässig erworben werden. Es wäre sicher außerhalb des § 26 Nr. 4 Buchst. a InvStG falsch, pauschal von einer solchen Zulässigkeit (und nicht von einer Durchschau) auszugehen – das tut die Gesetzesbegründung an der zitierten Stelle aber auch nicht. 5 BaFin v. 22.7.2013 (geändert am 5.7.2016) – WA 41 - Wp 2137 - 2013/0001, Fragenkatalog zu erwerbbaren Vermögensgegenständen (Eligible Assets), Teil 2 Ziff. 7, abrufbar unter www.bafin.de; ausführlich von Livonius/Riedl in Moritz/Klebeck/Jesch, § 284 KAGB Rz. 75 ff. Kretzschmann/Albrecht | 533

§ 26 Rz. 105 | Anlagebestimmungen Tag des Gesetzesbeschlusses des Bundestags zum AIFM-StAnpG.1 Relevante Handlung ist der „Erwerb“. Das kann – im Gegensatz zur Auffassung der FinVerw. zur Vorgängernorm2 sowie Stimmen in der Literatur3 – aber nicht das dingliche Vollzugsgeschäft meinen. Eine solche formelle, zivilrechtliche Betrachtungsweise ist dem Steuerrecht zwar nicht fremd, wird aber regelmäßig gemäß den wirtschaftlichen Begebenheiten korrigiert (vgl. § 39 Abs. 2 AO). Es kommt somit auf den Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums vor dem 28.11.2013 an.4 5. 20 %-Grenze für Kryptowerte 106 Korrespondierend zu Nr. 4 Buchst. n darf ein Spezial-Investmentfonds maximal 20 % seines

Werts in Kryptowerte investieren. Ebenso wie Nr. 4 Buchst. n wurde Nr. 5 Satz 4 durch das sog. FondsstandortG5 in § 26 InvStG aufgenommen. Auch insoweit sind dem InvStG die Anklänge an das KAGB anzumerken: § 284 Abs. 3 Satz 1 KAGB enthält neben der Begrenzung für Unternehmensbeteiligungen ebenfalls eine 20 %-Grenze für Investitionen in Kryptowerte für den Fondstyp des offenen inländischen Spezial-AIF mit festen Anlagebedingungen. Die für Unternehmensbeteiligungen in Bezug auf die Berechnung des Werts und die fehlende Kombination mehrerer Freigrenzen erwähnten Schwierigkeiten (s. Rz. 101 f.) ergeben sich auch für die Begrenzung der Anlage in Kryptowerte. 6. Verhältnis zu Nr. 4

107 Die Beschränkung nach § 26 Nr. 5 InvStG geht in ihrem Anwendungsbereich6 den Erlaub-

nisnormen des § 26 Nr. 4 InvStG vor. Ist eine Kapitalgesellschaftsbeteiligung weder zum Handel an einer Börse noch in einem anderen organisierten Markt zugelassen oder in diesen einbezogen, gilt die Begrenzung nach Nr. 5, auch wenn die Beteiligung einzelne Tatbestände der Nr. 4 erfüllt.7 Die Nr. 1 bis 10 des § 26 InvStG sind kumulativ zu erfüllen. Ebenso wenig, wie das Erfüllen von (z.B.) § 26 Nr. 4 Buchst. a, m oder n InvStG dazu führt, dass § 26 Nr. 10 InvStG nicht mehr erfüllt werden muss, führt es dazu, dass es nicht mehr auf § 26 Nr. 5 InvStG ankommt.

VII. Beschränkungen für einzelne Kapitalgesellschaften (Nr. 6) 108 Spezial-Investmentfonds dürfen sich nur zu weniger als 10 % am Kapital einer (einzelnen)

KapGes. beteiligen. Das gilt – im Gegensatz zur Vorgängernorm – ausdrücklich auch bei mittelbaren Beteiligungen über eine oder mehrere Personengesellschaften, dann aber durch-

1 Der Gesetzgeber verzichtet hier auf einen abgestuften Bestandsschutz, der bereits mit einem Regierungsbeschluss teilweise aufgeweicht wird (vgl. aber Rz. 121). Die Regelung ist damit verfassungsrechtlich nicht angreifbar, so auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 45. 2 BMF v. 4.6.2014 – IV C 1 - S 1980 – 1/13/10007:002 – DOK 2014/0500897, FR 2014, 715 Tz. 7. 3 Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 20. 4 Ebenso Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 45; Haisch/Helios, FR 2014, 313 (323) zur alten Rechtslage; letztlich kommt die FinVerw. zu demselben Ergebnis, hält aber (unnötigerweise) eine Billigkeitsregelung für erforderlich: BMF v. 4.6.2014 – IV C 1 - S 1980 – 1/13/10007:002 – DOK 2014/0500897, FR 2014, 715 Tz. 7. 5 G v. 3.6.2021, BGBl. I 2021, 1498. 6 Beachte die oben angesprochene Tatsache, dass Anteile an inländischen (Spezial-)Investmentfonds keine Anteile an KapGes. nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG sind. Auf sie ist § 26 Nr. 5 InvStG daher nicht anwendbar, und zwar originär nicht anwendbar (nicht im Wege der Konkurrenz). 7 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 25, 45; Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 18.

534 | Kretzschmann/Albrecht

B. Anlagebestimmungen für Spezial-Investmentfonds | Rz. 111 § 26

gerechnet über die Beteiligungskette.1 Der Begriff „Kapitalgesellschaft“ ist im Gegensatz zu § 26 Nr. 5 InvStG nicht näher konkretisiert und vor allem nicht auf nicht börsenzugelassene Gesellschaften beschränkt. Einer systematischen Auslegung folgend muss man also davon ausgehen, dass ein Spezial-Investmentfonds auch an KapGes., die an einer Börse oder an einem anderen organisierten Markt zugelassen oder in diesen einbezogen sind, nicht 10 % oder mehr halten darf.2 Damit sind Spezial-Investmentfonds in ihren Anlagen auf Streubesitzbeteiligungen an Kapitalgesellschaften begrenzt. Eine unternehmerische Einflussnahme wird ausgeschlossen (selbst operativ tätig sein dürfen Investmentfonds außerhalb des Finanzsektors aufgrund der Ableitung vom Begriff des Investmentvermögens ohnehin nicht, vgl. § 1 InvStG Rz. 46 ff., Anh. 8 Rz. 17). Auch die 10 %-Grenze gilt absolut, darf also nicht über die Schmutzgrenze des § 26 Nr. 4 109 InvStG oder die Bestandsschutzregelung des § 26 Nr. 5 Satz 3 InvStG überschritten werden. Wenn ein Spezial-Investmentfonds nie 10 % oder mehr am Kapital einer KapGes. beteiligt sein darf, bedeutet das zwangsläufig, dass (Schachtel-)Privilegien, die mit einer höheren Beteiligung verbunden sind, nicht greifen. Das betrifft u.a. Regelungen in DBA sowie die Anwendung der Mutter-Tochter-Richtlinie3. Selbst wenn ein Spezial-Investmentfonds unzulässigerweise höhere Quoten hält, wird dies nicht „belohnt“, wie § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG klarstellt (s. zu Details § 29 InvStG Rz. 44 ff.). Darüber hinaus zeitigt das Überschreiten einer Beteiligungshöhe von 10 % keine Rechtsfolgen. Insbesondere liegt kein wesentlicher Verstoß gegen die Anlagebestimmungen vor,4 der zum Verlust des Status als Spezial-Investmentfonds führen könnte (§ 52 InvStG). Der durch § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG bedingte Ausschluss von Einflussnahme und steuerlichen Privilegien – und nicht eine weitere spezielle Form der Risikostreuung – ist auch Sinn und Zweck der Regelung.5 Aus diesem Grund ist mit „Beteiligung“ (in Abgrenzung zum weiteren Begriff der Anlage) auch nur eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung am Nominalkapital gemeint. Gesellschafterdarlehen o.Ä. fallen nicht darunter und können über die Grenze hinaus gewährt werden (s. zum insofern einschlägigen Beteiligungsbegriff Rz. 92).6 Höhere Beteiligungsquoten sind aufgrund von Rückausnahmen in Satz 2 möglich bei Immo- 110 biliengesellschaften (§ 26 Nr. 6 Satz 2 Buchst. a InvStG), ÖPP-Projektgesellschaften (§ 26 Nr. 6 Satz 2 Buchst. b InvStG) und Gesellschaften, die auf die Erzeugung erneuerbarer Energien ausgerichtet sind. Im Gegensatz zu § 26 Nr. 4 Buchst. f und j InvStG verzichtet § 26 Nr. 6 Satz 2 InvStG auf eine nähere Definition bzw. einen Verweis auf das KAGB in Bezug auf Immobiliengesellschaften und ÖPP-Projektgesellschaften. Die nur sporadische Bezugnahme auf die KAGB-Definitionen könnte aber auch als e contrario-Argument (die nur vereinzelt fehlende Bezugnahme heißt i.V.m. der anderenorts vorhandenen, dass die KAGB-Definition nicht gilt) – und damit falsch – wahrgenommen werden. Keine Anwendung findet Nr. 6 auf Geschäftsanteile von kapitalgesellschaftsrechtlich orga- 111 nisierten Gesellschaften, die selbst Investmentfonds oder Spezial-Investmentfonds sind, da

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.38; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 50; hält also Spezial-Investmentfonds A 30 % an Personengesellschaft B und diese wiederum 30 % an KapGes. C, ist dem Erfordernis im Hinblick auf die Beteiligung von A an C Genüge getan. 2 So auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 50; Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 22 m.w.N. zur alten Rechtslage, bezüglich deren die Gesetzesbegründung und Teile der Literatur von einer anderen Annahme ausgingen. 3 Art. 3 Abs. 1 RL 90/435/EWG v. 23.7.1990. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.39. 5 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 50, sowie Gesetzesbegründung zur Vorgängernorm in BT-Drucks. 18/68, 42. 6 Wenzel in Brandis/Heuermann, § 26 InvStG Rz. 47; Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2718). Kretzschmann/Albrecht | 535

§ 26 Rz. 111 | Anlagebestimmungen diese nicht als KapGes. i.S.d. Norm gelten (vgl. § 6 Abs. 1 InvStG i.V.m. § 29 Abs. 1 InvStG) (s. Rz. 98).1

VIII. Beschränkung der Kreditaufnahme (Nr. 7) 112 Spezial-Investmentfonds dürfen nicht unbegrenzt Kredite aufnehmen. Schließt § 26 Nr. 5

InvStG faktisch private-equity-Fonds von der Besteuerung nach Kapitel 3 des InvStG aus, ordnet § 26 Nr. 7 InvStG dasselbe für gehebelte (Hedge-)Fonds an (§ 1 Abs. 19 Nr. 25 KAGB i.V.m. § 283 Abs. 1 Nr. 1 KAGB). Die Norm hat neben der Anforderung der Gewerbesteuerfreiheit (Eingangssatz von § 26 InvStG) eine eigenständige Beschränkungswirkung. Zwar wird – zumindest im Rahmen von private-equity- und venture- capital-Fonds2 – eine umfassende Kreditaufnahme noch immer als Zeichen gewerblicher Betätigung angesehen. Spezial-Investmentfonds müssen aber nicht den Maßstab der gewerblichen Tätigkeit nach § 15 EStG, sondern „nur“ den geringeren Maßstab einer Gewerbesteuerfreiheit nach § 15 InvStG (keine aktive unternehmerische Bewirtschaftung) erfüllen. Für die Beurteilung des gewerblichen Wertpapierhandels hat darüber hinaus jedenfalls die Rspr. das Merkmal einer Fremdkapitalaufnahme aufgegeben.3 Es ist daher möglich, dass Investmentfonds trotz signifikanter Kreditaufnahme die Anforderung der Gewerbesteuerbefreiung erfüllen. Diese hohe Kreditaufnahme zu unterbinden, ist Sinn und Zweck des § 26 Nr. 7 InvStG.

113 § 26 Nr. 7 Satz 1 InvStG gibt Beschränkungen in zeitlicher und quantitativer Hinsicht vor.

So dürfen höchstens Darlehen i.H.v. 30 % des Fondswerts aufgenommen werden, und das auch nur kurzfristig.

114 Der Wortlaut der Vorschrift ist missverständlich: „Ein Kredit“ (Singular) meint weder, dass

nur ein einziger und niemals mehrere Kredite aufgenommen werden können,4 noch meint die Formulierung, dass die 30 %-Grenze nur auf einen einzigen Kredit anzuwenden ist und durch die Aufnahme mehrerer Kredite höhere Kreditraten möglich sind. „Kredit“ bedeutet Aufnahme von Fremdkapital. Die Bezeichnung, die die Parteien des Kreditgeschäfts gewählt haben, ist irrelevant.5 Im Gegensatz zu Leverage i.S.d. § 1 Abs. 19 Nr. 25 KAGB fallen darunter keine Wertpapierdarlehen. Auch Hebelinstrumente wie Derivate sind nicht umfasst.6 Beides sind, wie sich aus § 1 Abs. 19 Nr. 25 Satz 1 KAGB ergibt, keine Unterkategorien des aufsichtsrechtlichen Kreditbegriffs, sondern stehen neben ihm (und bilden gemeinsam den Oberbegriff „Leverage“). Fraglich ist, ob auch durch Liquiditätsengpässe verursachte Kontoüberziehungen vom Kreditbegriff umfasst sind. Nach der hier vertretenen Auffassung sind sie das,7 in der Literatur wird es aber vereinzelt abgelehnt.8 Dem Sinn und Zweck der Vorschrift mag es entsprechen, eine liquiditätsbedingte Fremdkapitalaufnahme nicht vom Verbot zu erfassen. Dafür hat der Gesetzgeber aber ein Korrektiv eingefügt, denn die Norm ist (eingeschränkt) positiv 1 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 50; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 26 InvStG Rz. 47. 2 BMF v. 16.12.2003 – IV A 6 - S 2240 - 153/03, BStBl. I 2004, 40 Rz. 9. 3 S. Rspr.-Übersicht bei Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 15 EStG Anm. 1171. 4 Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 25. 5 Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 25. 6 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 50; Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 25. 7 Ebenso Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 50. 8 Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 26 InvStG Rz. 255; Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 25, will offenbar sogar Darlehen, die zu Investitionszwecken aufgenommen wurden, nicht unter den Kreditbegriff fassen. Unseres Erachtens ist eben diese Form der Kreditaufnahme einer der Hauptregelungspunkte der Nr. 7. Geht es um Brückenfinanzierungen für einzelne Investitionsgegenstände, wird der Kredit kurzfristig im Sinne der Norm sein und daher bis zu einer Höhe von 30 % zulässig.

536 | Kretzschmann/Albrecht

B. Anlagebestimmungen für Spezial-Investmentfonds | Rz. 118 § 26

formuliert: Eine Kreditaufnahme ist für diese kurzfristigen Kredite bis zu einer nicht unerheblichen Höhe zulässig. Wenn Kredite aber nicht vollständig unzulässig sind und der Telos der Norm in diesem Korrektiv bereits Niederschlag gefunden hat, besteht kein Grund, den Wortlaut der Vorschrift gegenüber dem normalen Sprachgebrauch zu beschränken. Kurzfristig ist ein Kredit ausweislich des BMF-Schreibens, wenn die Kreditlaufzeit maximal 115 ein Jahr beträgt.1 Die Norm ist damit i.V.m. dem BMF-Schreiben konkreter als frühere Verwaltungsverlautbarungen zur zulässigen Kreditaufnahme, z.B. im Rahmen des sog. privateequity-Erlasses, der zwar auch von kurzfristigen Zwischenfinanzierungen spricht, bei dem es jedoch sowohl an einer zeitlichen als auch einer höhenmäßigen Präzisierung fehlt.2 Satz 2 nimmt Investmentfonds (nicht zwingend Immobilienfonds i.S.d. § 2 Abs. 9 Satz 1 116 InvStG),3 die das bei ihnen angelegte Vermögen gemäß ihren Anlagebedingungen in Immobilien anlegen, teilweise von der Regelung des Satzes 1 aus.4 So dürfen auch sie im Grundsatz Kredite i.H.v. bis zu 30 % ihres Werts für höchstens ein Jahr aufnehmen. Zusätzlich ist es ihnen aber gestattet, weitere – nicht zwingend kurzfristige, wie sich aus einem Umkehrschluss zu § 26 Nr. 7 Satz 1 InvStG ergibt5 – Kredite in einer Höhe von bis zu 60 % des Verkehrswerts der unmittelbar oder mittelbar gehaltenen Immobilien aufzunehmen. Ob die Immobilien über eine Personengesellschaft oder andere Rechtskonstrukte gehalten werden, ist irrelevant (Umkehrschluss aus § 26 Nr. 8 Satz 1 InvStG).6 Die Verkehrswerte der Immobilien müssen zum Zweck der quotalen Bestimmung im Grundsatz fortlaufend bestimmt werden. Es steht zu hoffen, dass die Praxis hier zu einer vereinfachenden und pragmatischen Lösung kommen wird.7

IX. 100-Anleger-Grenze (Nr. 8) 1. 100-Anleger-Grenze Nach § 26 Nr. 8 Satz 1 InvStG dürfen sich höchstens 100 Anleger an einem Spezial-Invest- 117 mentfonds beteiligen. Wie auch schon in Nr. 6 hat der Gesetzgeber im Vergleich zur Vorgängerregelung (die sich übrigens nicht im Katalog des § 1 Abs. 1b Satz 2 InvStG a.F., sondern in § 15 Abs. 1 Satz 1 InvStG a.F. befand) explizit niedergelegt, dass diese Grenze auch bei der Zwischenschaltung einer oder mehrerer Personengesellschaften relevant ist. Dies ist nicht lediglich eine Klarstellung, sondern im Vergleich zur früheren Rechtslage, die die indirekte Beteiligung gestattete,8 eine Verschärfung. Für genuine Besteuerungszwecke sind Personengesellschaften ohnehin transparent. Nr. 8 118 Satz 1 erweitert diese Transparenz auf die eigentlich zivilrechtliche Frage der Gesellschafter-/Anlegereigenschaft. Diese Änderung ist nachvollziehbar, allerdings nicht aufgrund der in der Gesetzesbegründung genannten Argumentation: Dort9 heißt es, dieser Ausschluss solle 1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.40. 2 BMF v. 16.12.2003 – IV A 6 - S 2240 - 153/03, BStBl. I 2004, 40 Rz. 9. Es erscheint zumindest nicht abwegig, die hiesige Präzisierung auch für die von diesem BMF-Schreiben behandelte Abgrenzung zwischen vermögensverwaltender und gewerblicher Tätigkeit eines private-equity-Fonds zu übernehmen. 3 Wie hier Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 50; a.A. wohl Wenzel in Brandis/ Heuermann, § 26 InvStG Rz. 50. 4 Vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.40. 5 So auch Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 26 m.w.N. zur früheren Rechtslage. 6 Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 26. 7 Vorschlag bei Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 26. 8 So auch explizit die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 18/8045, 96. 9 BT-Drucks. 18/8045, 95. Kretzschmann/Albrecht | 537

§ 26 Rz. 118 | Anlagebestimmungen eine einheitliche Besteuerung aller natürlichen Personen nach Kapitel 2 sicherstellen. Es sei ohne besondere Rechtfertigung mit dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung unvereinbar, wenn einem Teil von vergleichbaren StPfl. die Besteuerungsregelungen des dritten Kapitels eingeräumt würden. Diese Argumentation aus der Perspektive der Anleger überzeugt nicht. Die Investition in einen Spezial-Investmentfonds ist gegenüber derjenigen in einen einfachen Investmentfonds schlicht eine Investition in eine andere Anlageklasse. Einer natürlichen Person steht es frei, sein Vermögen in Immobilien, Aktien, Derivate, Münzen, Weinberge, einfache oder Spezial-Investmentfonds zu investieren – mit unterschiedlichen steuerlichen Wirkungen. Vermeintliche Gleichbehandlungsgrundsätze anzuführen, um im Ergebnis sämtliche natürlichen Personen nach Kapitel 2 (und damit aus Sicht des StPfl. regelmäßig schlechter) zu besteuern, leuchtet nicht ein. Richtig wäre es, aus Sicht des Spezial-Investmentfonds selbst zu argumentieren: Einfache Investmentfonds sind die Regel, Spezial-Investmentfonds der – zusätzliche Voraussetzungen erfüllende – Spezialfall. In der Beantwortung der Frage, welche Arten von Fonds von dieser i.d.R. privilegierenden Ausnahme Gebrauch machen können, ist der Gesetzgeber weitgehend frei. So hat er typische Hedgefonds- (Nr. 7), private-equity- (Nr. 6) und auch Publikums-Gestaltungen (Nr. 8) herausgenommen. Der Investmentfonds selbst soll dieser Beschränkung nicht dadurch entgegentreten können, dass er eine Personengesellschaft zwischenschaltet. 119 Es dürfen nur zu einem einzelnen Zeitpunkt nicht mehr als 100 Anleger beteiligt sein. Das

kann dazu führen, dass innerhalb eines Geschäftsjahres deutlich mehr als 100 Anleger – aber eben nie zum selben Zeitpunkt – beteiligt sind.1

2. Ausschluss natürlicher Personen 120 Satz 2 regelt zunächst den Ausschluss der Beteiligung einer natürlichen Person, sei es unmit-

telbar oder mittelbar über eine Personengesellschaft. Dass auch mittelbare Beteiligungen ausgeschlossen sein sollen, ergibt sich hierbei zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut, wird aber bei einer Gesamtschau mit Satz 1 und auch mit § 28 InvStG deutlich.

121 Daneben werden aber – anders als im InvStG a.F. – Ausnahmefälle, in denen abweichend von

Satz 1 natürliche Personen an einem Spezial-Investmentfonds beteiligt sein dürfen, festgelegt: – Der erste Fall betrifft natürliche Personen, die ihre Spezial-Investmentanteile im Betriebsvermögen (nicht zwangsläufig „ihrem“ Betriebsvermögen, sondern auch dem Betriebsvermögen einer Personengesellschaft, an der die natürliche Person beteiligt ist)2 halten. Spätestens hier werden die Ausführungen in der Gesetzesbegründung vollends unverständlich und zeigen sich als vom – sehr konkreten – Ergebnis her gedacht. Während zu Satz 1 noch Gerechtigkeits- und Gleichbehandlungsgründe dafür angeführt werden, warum natürlichen Personen eine ganze Anlageklasse vorenthalten werden soll, führt die Begründung zu Satz 2 Fälle auf (rentierliche Nutzung großer Geldbeträge, sei es, um Verpflichtungen in der Altersvorsorge abzudecken, sei es, um sie für spätere Investitionen zu nutzen – aber selbstverständlich ist die natürliche Person als Anleger in ihren Motiven und Zwecken so lange und so weit vollkommen frei, als sie die Beteiligung ihrem Betriebsvermögen zurechnen kann), die „gleicher“ seien und deshalb von einer Besteuerung nach Kapitel 3 profitieren sollten. – Die zweite Ausnahme erlaubt die Beteiligung natürlicher Personen in Situationen, in denen aufsichtsrechtliche Regelungen (inländische wie ausländische) zwingend eine solche Beteiligung voraussetzen. Die Gesetzesbegründung3 nennt als Beispiel eine Regelung, nach

1 Wenzel in Brandis/Heuermann, § 26 InvStG Rz. 53. 2 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 60. 3 BT-Drucks. 18/8045, 95.

538 | Kretzschmann/Albrecht

B. Anlagebestimmungen für Spezial-Investmentfonds | Rz. 121 § 26

der die Vergütung der Fondsmanager zwingend in (Spezial-)Investmentanteilen erfolgen muss. Schon diese Begründung zeigt also, dass der „Zwang“ zur Beteiligung natürlicher Personen kein rechtlicher, sondern auch ein faktischer sein kann (nicht ein Fonds, bei dem das Management zumindest teilweise in Anteilen vergütet werden muss, setzt zwingend die Beteiligung voraus, „lediglich“ die rechtlich i.d.R. nicht obligatorischen Vergütungsregelungen des Fonds tun es; rein faktisch wird es natürlich aber kaum ein Management geben, das auf seine Vergütung verzichtet). Die Beteiligung natürlicher Personen aus diesem Grund kann auch mittelbar über eine Personengesellschaft erfolgen.1 Zudem muss auch dann, wenn sich ein Dachfonds in Form einer Personengesellschaft an dem Spezialfonds beteiligt, eine Beteiligung des Managements des Dachfonds am Dachfonds und damit mittelbar am Spezial-Investmentfonds möglich sein, wenn das für den Dachfonds anwendbare Aufsichtsrecht dies vorschreibt. – Dritter und letzter Ausnahmefall ist die Bestandsschutzregelung in § 26 Nr. 8 Satz 2 Buchst. c InvStG. Buchst. c regelt allerdings nur die Voraussetzungen des Bestandsschutzes, die speziellen Rechtsfolgen finden sich in § 26 Nr. 8 Sätze 3 und 4 InvStG. Altanteile2 sind gem. Buchst. c unter zwei Voraussetzungen geschützt: In zeitlicher Hinsicht muss die Beteiligung vor dem 9.6.2016 erworben worden sein. Dazu muss ein qualitatives Element treten: Die Beteiligung muss von natürlichen Personen gehalten werden und an einem Spezial-Investmentfonds bestehen. Die Beteiligung kann nur eine mittelbare sein, da auch nach dem InvStG a.F. eine unmittelbare Beteiligung natürlicher Personen ausgeschlossen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 InvStG a.F.), nach der dazu ergangenen Verwaltungsauffassung eine mittelbare aber gestattet war. Außerdem kann es sich nur um im Privatvermögen gehaltene Beteiligungen handeln, denn für im Betriebsvermögen gehaltene Beteiligungen besteht aufgrund der ersten Ausnahme keine Notwendigkeit einer Bestandsschutzregelung.3 Mit „Spezial-Investmentfonds“ ist ein Spezial-Investmentfonds im „alten“ Sinne nach § 15 Abs. 1 Satz 1 InvStG a.F. gemeint, denn weder war die aktuelle Fassung des Gesetzes mit der Definition aus § 26 InvStG vor dem 9.6.2016 in Kraft noch wäre nach aktuellem Verständnis des Begriffs „Spezial-Investmentfonds“ eine zu schützende mittelbare Beteiligung natürlicher Personen möglich.4 Dennoch ist es merkwürdig, dass das Gesetz in derselben Norm, in der es einen Rechtsbegriff definiert, diesen kommentarlos außerhalb dieser Definition verwendet – ein klarstellender Hinweis auf die alte Norm wäre wünschenswert gewesen. Da das Gesetz das Erwerbserfordernis einer mittelbaren Beteiligung explizit erwähnt, ist zudem deutlich, dass beide Beteiligungsverhältnisse – dasjenige zwischen Spezial-Investmentfonds und Personengesellschaft sowie dasjenige zwischen Personengesellschaft und natürlicher Person – zum maßgeblichen Zeitpunkt bestanden haben müssen.5 Beteiligen sich natürliche Personen nach dem 9.6.2016 an einer bereits an einem Spezial-Investmentfonds investierten Personengesellschaft, greift die Regelung ebenso wenig wie in Fällen, in denen sich Personengesellschaften mit langjährigen Bestandsgesellschaftern nach dem 9.6.2016 an einem Spezial-Investmentfonds beteiligen.6 Das bedeutet aber, dass ein Fonds, der nach altem Recht Spezial-Investmentfonds war und an dem Personengesellschaften beteiligt sind, da1 Wenzel in Brandis/Heuermann, § 26 InvStG Rz. 56; Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 26 InvStG Rz. 279. 2 Nicht deren Inhaber – die Norm ist anteilsbezogen zu verstehen, was bedeutet, dass ein Erwerb zu unterschiedlichen Zeitpunkten jeweils getrennt für jeden Erwerbsmoment gesondert zu beurteilen ist; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 26 InvStG Rz. 58. 3 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 60. 4 Die Grandfathering-Regelung muss auch Anteile an solchen Vermögen erfassen, die allein aufgrund der Rz. 297 des BMF-Schreibens v. 18.8.2009 (BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 – 1/08/10019 – DOK 2009/0539738, BStBl. I 2009, 931) als Investmentfonds i.S.d. InvStG a.F. eingestuft wurden, soweit sie ab dem 1.1.2018 die Anforderungen an einen Spezial-Investmentfonds erfüllen. 5 So auch die Gesetzesbegründung: BR-Drucks. 18/8045, 96. 6 Vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.43. Kretzschmann/Albrecht | 539

§ 26 Rz. 121 | Anlagebestimmungen rauf hinwirken muss, dass dieser Anleger (die Personengesellschaft) während der Investitionszeit keine weiteren Anleger aufnimmt, wenn er diesen Status unter Berufung auf § 26 Nr. 8 Satz 2 Buchst. c InvStG beibehalten will. Dies kann zu Schwierigkeiten führen, wenn die Anlagebedingungen ein solches Informations- oder gar ein Kündigungsrecht (vgl. § 26 Nr. 9 InvStG) nicht vorsehen und sich nicht ohne Zustimmung der betroffenen Personengesellschafts-Anleger ändern lassen.1 Unseres Erachtens ist das Problem aber noch weitreichender, denn erfasst werden neben Neueintritten von natürlichen Personen in die Personengesellschaft noch weitere Fälle, in denen sich der Gesellschafterbestand ändert: Sofern es sich um eine vermögensverwaltende Personengesellschaft handelt, greift für die Zuordnung der Wirtschaftsgüter der Personengesellschaft an die Gesellschafter die sog. Bruchteilsbetrachtung (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO). Danach halten die Gesellschafter steuerlich keine Gesellschaftsanteile, sondern es werden die von der Gesellschaft gehaltenen Wirtschaftsgüter – z.B. ein Anteil an einem Spezial-Investmentfonds – anteilig (zu Bruchteilen) den Gesellschaftern zugerechnet. Scheidet ein Altgesellschafter aus der Personengesellschaft aus, wird der von der Gesellschaft gehaltene Spezial-Investmentanteil diesem nicht mehr zugerechnet. Stattdessen erhöht sich der Bruchteilsanteil jedes anderen Gesellschafters – und zwar ohne, dass diese Gesamtrechtsnachfolger nach § 26 Nr. 8 Satz 4 InvStG wären. Daher kann potentiell nicht nur der Eintritt neuer, sondern auch der Austritt alter Gesellschafter dazu führen, dass Buchst. c nicht erfüllt wird und ein Spezial-Investmentfonds (sofern ein wesentlicher Verstoß vorliegt) seinen Status verliert. Abhilfe gegen dieses äußerst unbefriedigende Ergebnis (der Austritt eines Gesellschafters ist selbst von dem Personengesellschafts-Anleger nicht mehr in dem Maße kontrollierbar wie der Eintritt eines Neugesellschafters) könnten verschiedene Argumentationsstränge schaffen: Erstens könnte man argumentieren, dass ein solcher Verstoß nicht wesentlich und daher unbeachtlich sei. Zweitens könnte man Satz 2 stärker personen- und weniger anteilsbezogen auslegen und lediglich fordern, dass „irgendeine“ mittelbare Beteiligung (einer betreffenden Person, gleich welcher Höhe) anstatt „der“ mittelbaren Beteiligung vor dem 9.6.2016 erworben wurde. Diese teleologische Reduktion ist u.E. geboten, denn bejaht man in derartigen Situationen erst einmal einen Verstoß, ist nicht gesagt, dass dieser niemals wesentlich wäre. Folgendes Beispiel mag das verdeutlichen: Beispiel: Eine vermögensverwaltende Personengesellschaft mit 101 Alt-Gesellschaftern ist seit 2015 an einem Spezial-Investmentfonds beteiligt. Anfang 2018 scheidet ein Gesellschafter aus, die übrigen 100 Gesellschafter erhalten Neuanteile nach Bruchteilen. Es wurden in 100 Fällen neue Anteile erworben, und zwar nach dem 9.6.2016. Stellt man nun statt auf die Personen auf die Anteile ab, wären 100 natürliche Personen unzulässigerweise an dem Spezial-Investmentfonds beteiligt – wohl kaum ein „unwesentlicher“ Verstoß.

Die Rechtsfolgen sind abgestuft nach dem Erwerbszeitpunkt der mittelbaren Beteiligung geregelt: Beteiligungen, die vor dem 24.2.2016 erworben wurden, sind bis zum 1.1.2030 bestandsgeschützt, zwischen dem 24.2.2016 und dem 8.6.2016 (einschließlich) noch bis zum 1.1.2020. Der 24.2.2016 war der Tag, an dem die Bundesregierung über den Gesetzesentwurf beschlossen hat. Der Gesetzgeber erhebt somit implizit den unbewussten Anspruch, dass StPfl. nicht nur über Parlamentsvorgänge, sondern auch über Kabinettsbeschlüsse stets informiert sein können und sollen. In der Phase zwischen Beschluss der Bundesregierung (24.2.2016) und Beschlussfassung des Bundestags (9.6.2016)2 erworbene Anteile genießen nämlich nur einen sehr eingeschränkten Bestandsschutz von zwei Jahren ab Inkrafttreten des neuen InvStG.

1 S. zu den Informationspflichten, die sich ein Spezial-Investmentfonds gegenüber beteiligten Personengesellschaften einräumen lassen muss, § 28 InvStG sowie die dortige Kommentierung. 2 S. BT-Plenarprotokoll 18/176, 17400D.

540 | Kretzschmann/Albrecht

B. Anlagebestimmungen für Spezial-Investmentfonds | Rz. 122 § 26

Satz 4 stellt klar, dass auch Gesamtrechtsnachfolger von natürlichen Personen, die die Voraussetzungen des § 26 Nr. 8 Satz 2 Buchst. c InvStG erfüllen, von der Regelung profitieren. Dabei verweist Satz 4 nur auf den „Bestandsschutz nach Satz 2 Buchstabe c“ und nimmt Satz 3 mit dessen gestuften Rechtsfolgen aus. Begreift man Satz 3 als zeitliche Beschränkung zu einem ansonsten gleichsam unbeschränkten Bestandsschutz (Satz 2: „Natürliche Personen dürfen nur beteiligt sein, wenn [...] die mittelbare Beteiligung [...] vor dem 9.6.2016 erworben wurde), würden Gesamtrechtsnachfolger zeitlich unbegrenzt profitieren. Das kann nicht gewollt sein,1 der Wortlaut ist insoweit allerdings ungenau. Die natürlichen Personen, die wegen § 26 Nr. 8 Satz 2 Buchst. c InvStG mittelbar an einem Spezial-Investmentfonds beteiligt sind (bzw. beteiligt bleiben), werden mit ihren Einkünften aus dem Spezial-Investmentfonds nach ihrem persönlichen Steuersatz besteuert (§ 34 Abs. 2 Satz 1 InvStG).2 Damit ist zweifelhaft, ob der Bestandsschutz aus Anlegersicht tatsächlich eine Privilegierung darstellt (so suggeriert es jedoch die Gesetzesbegründung)3, denn eine Besteuerung nach dem Abgeltungsteuertarif in einem einfachen Investmentfonds kann – je nach persönlichem Steuersatz sowie der Vorbelastung auf Ebene des Investmentfonds – niedriger ausfallen.

X. Sonderkündigungsrecht bei Überschreiten der 100-Anleger-Grenze (Nr. 9) Nach § 26 Nr. 9 InvStG müssen die materiellen Beschränkungen der Nr. 8 (100-Anleger-Be- 122 grenzung sowie der Ausschluss natürlicher Personen ohne „Ausnahmegenehmigung“) in gleichsam verfahrensrechtlicher Hinsicht von einem Sonderkündigungsrecht für den Spezial-Investmentfonds flankiert werden. Interessanterweise ist nicht vorgegeben, dass sich das Sonderkündigungsrecht auf einen bestimmten Anleger beziehen muss, jedenfalls dann nicht, wenn es um die quantitative Begrenzung des § 26 Nr. 8 Satz 1 InvStG geht. Theoretisch wäre also eine Klausel (und ihre Ausübung) zulässig, nach der einem Bestandsanleger gekündigt wird, weil ein von ihm verschiedener Anleger (als anderenfalls 101.) aufgenommen wird. Denn sobald 101 Anleger im Fonds investiert sind, sind sie alle gleichermaßen unzulässige Anleger i.S.d. § 26 Nr. 8 InvStG. Eine Abstufung oder ein Verursachungserfordernis sieht die Norm nicht vor. Auch § 28 Abs. 3 InvStG ist insofern nicht konkreter formuliert. Die Vertragspraxis wird hier aber zu gegenüber § 26 Nr. 9 InvStG konkretisierten Sonderkündigungsrechten kommen. Auch andere Parameter wie Kündigungsfristen oder Abfindungen sind nicht vorgegeben. Unseres Erachtens ist die explizite Auflistung dieser Anforderung unnötig. Der Einleitungssatz stellt bereits klar, dass die bloße Verankerung der Anlage- und Anlegergrenzen nicht ausreicht, sondern die Voraussetzungen auch in der tatsächlichen Durchführung „gelebt“ werden und bei wesentlichen Verstößen alsbald zurückgeführt werden müssen. § 26 Nr. 9 InvStG ist daher eine etwas paternalistische Vorschrift, die einen Investmentfonds davor bewahren will, im Falle der Überschreitung nach Nr. 8 kein probates Instrument zur Wiedererfüllung der Anforderung in den Anlagebedingungen zu haben.4 Und auch das erledigt § 26 Nr. 9 InvStG nicht

1 Vgl. auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.43, wonach der Bestandsschutz im Erbfall weiter gilt. Das spricht dafür, dass der Erbe auch nach Auffassung der FinVerw. lediglich so lange vom Bestandsschutz profitiert, wie es der Erblasser an seiner Stelle getan hätte. 2 S. auch BT-Drucks. 18/8045, 96. 3 BT-Drucks. 18/8045, 96. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.44, führt dazu explizit aus: „Das Sonderkündigungsrecht bedeutet nicht, dass der ganze Spezial-Investmentfonds aufgelöst werden soll [das würde nach § 52 Abs. 1 Satz 1 InvStG ohne eine derartige Ausübung ohnehin fiktiv geschehen, Anm. des Verfassers], sondern dass ein Sonderkündigungsrecht gegenüber einzelnen Anlegern ausgeübt werden kann [...]“. Kretzschmann/Albrecht | 541

§ 26 Rz. 122 | Anlagebestimmungen konsequent: Die Norm gibt lediglich vor, dass der Spezial-Investmentfonds ein Sonderkündigungsrecht „hat“. Der Einleitungssatz hingegen fordert darüber hinaus (implizit, da auf alle Anlagebestimmungen bezogen) die Möglichkeit, dieses Kündigungsrecht auch (aufsichtsrechtlich) wirksam ausüben zu können.1 Die an § 26 Nr. 8 und 9 InvStG gebundene Rechtsfolge ergibt sich erst aus § 28 Abs. 3 InvStG. Wie alle Anforderungen muss sich auch das Sonderkündigungsrecht aus den Anlagebedingungen ergeben (s. Rz. 4). Da die Anlagebedingungen investmentsteuerlich aber weit auszulegen sind (vgl. § 2 InvStG Rz. 108) und ein solches Sonderkündigungsrecht ohnehin einer vertraglichen Grundlage bedarf2 (andere Rechtsgründe – z.B. gesetzlicher Art – sind insofern nicht ersichtlich)3, ergibt sich dieses Erfordernis in praktischer Hinsicht auch ohne § 26 Nr. 10 InvStG.

XI. Verknüpfung von Anlagebestimmungen und Anlagebedingungen (Nr. 10) 123 Wie schon § 1 Abs. 1b Satz 2 Nr. 10 InvStG a.F. enthält § 26 Nr. 10 InvStG den Hinweis, dass

die Anlagebestimmungen (Steuerrecht) aus den Anlagebedingungen (Zivil-/Aufsichtsrecht) hervorgehen müssen. Die tatsächliche Einhaltung in der Anlagepraxis ist notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung für eine Besteuerung nach Kapitel 3. Der Gesetzgeber hat diesen – dem Steuerrecht mit seiner wirtschaftlichen, auf die tatsächlichen Verhältnisse abzielenden, nicht unbedingt immanenten – Grundsatz eindeutig zum Ausdruck gebracht. Der Begriff der Anlagebedingungen ist in § 2 Abs. 12 InvStG 2018 näher erläutert (vgl. auch § 2 InvStG Rz. 108 ff.).

124 Die korrekte Übernahme der Anlagebestimmungen in die Anlagebedingungen kann von der

FinVerw. geprüft werden, wenn sie eine Statusbescheinigung nach § 29 Abs. 2 InvStG erteilt. In der Außenprüfung (vgl. § 5 InvStG) hat die FinVerw. darüber hinaus die Möglichkeit, den tatsächlich „gelebten“ Sachverhalt, d.h. auch Verstöße in der Anlagepraxis gegen die Bestimmungen, zu überprüfen. Letzteres könnte sie auch ohne das Erfordernis einer schriftlichen Fixierung.4

125 Es genügt eine sinngemäße Übernahme der Vorgaben, eine Festschreibung im exakten

Wortlaut ist nicht erforderlich.5 Es sei jedoch dazu geraten, an dieser Stelle keine allzu große Phantasie und Kreativität walten zu lassen – Fonds, die den Status als Spezial-Investmentfonds nicht aus dem alten Recht übernehmen, sondern sich nach neuem Recht als Spezial-

1 Die Ausgestaltung des Rechts ist also nur im Hinblick auf § 26 Nr. 9 InvStG, nicht aber auf den Einleitungssatz „weitgehend frei“ (andere Gewichtung Wenzel in Brandis/Heuermann, § 26 InvStG Rz. 62). 2 Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 26 InvStG Rz. 288; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 65; a.A. Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 29, der von einem gesetzlichen Sonderkündigungsrecht ausgeht. Das ist nicht überzeugend, auch wenn der Wortlaut des § 29 Nr. 9 InvStG es nahelegt. Nr. 9 ist jedoch wie sämtliche Nummern des Katalogs nicht als Zustandsbeschreibung zu lesen, sondern als quasi programmatische Zielvorgabe (so bestimmt auch Nr. 6 nicht mit zivilrechtlicher Wirkung, dass der Spezial-Investmentfonds nie 10 % oder mehr an einer KapGes. hält. Selbstverständlich hat ein Fonds, der z.B. 12 % hält, auch im Verhältnis zur Gesellschaft und den anderen Gesellschaftern entsprechende Gesellschafterrechte. Er verliert ggf. seinen Status als Spezial-Investmentfonds.). 3 Insbesondere wird nur in seltenen Fällen ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung eines Anlegers vorliegen (§ 314 BGB); so auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 65. 4 Weitergehend Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 30. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.45.

542 | Kretzschmann/Albrecht

B. Anlagebestimmungen für Spezial-Investmentfonds | Rz. 127 § 26

Investmentfonds gründen wollen, können, da die Vorgaben inhaltlich ohnehin erfüllt werden müssen, auch gleich die Anforderungen im Wortlaut übernehmen. Überwiegend abgelehnt wird die Ansicht, ein Verweis in den Anlagebedingungen auf § 26 InvStG insgesamt (d.h. Nr. 1 bis 10) genüge, um die Anforderung des § 26 Nr. 10 InvStG zu erfüllen.1 Richtig daran ist, dass Sinn und Zweck des Anforderungskatalogs in § 26 InvStG an verschiedener Stelle der Anlegerschutz ist (s. Rz. 28 und 64). Dennoch ist u.E. zweifelhaft, ob sich diese Auslegung auch unter grammatischen und systematischen Erwägungen halten lässt. Ein systematischer Vergleich zu § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG, bei dem ein dynamischer Verweis auf § 302 AktG explizit normiert ist, lässt jedenfalls nicht den Schluss zu, dass der Gesetzgeber dies nun als Maßstab für alle folgenden Gesetze, in denen er Normenverweise in Verträgen regeln will, nehmen muss. Im Gegenteil ist es Wesen deutscher (insgesamt kontinentaler) Gesetzes- und Vertragskultur, auf normierte Regelungen Bezug zu nehmen. Auch der Wortlaut „gehen hervor“ muss nicht zwangsläufig „sind enthalten“, „sind niedergelegt“ etc. heißen. Unabhängig davon ist – wie oben beschrieben – eine möglichst getreue Übernahme in die Anlagebedingungen in der Praxis unbedingt empfehlenswert. Für den Übergang und die Anpassung der Anlagebedingungen hat die FinVerw. eine Über- 126 gangsfrist bis zum 30.6.2018 gewährt, wobei Finanzdienstleiter insoweit auf eine Eigenerklärung des Spezial-Investmentfonds vertrauen dürfen (Selbstdeklaration).2 Die übrigen Voraussetzungen des § 26 InvStG müssen aber vom 1.1.2018 an vorgelegen haben.

XII. Rechtsfolge Da es sich bei § 26 InvStG um eine Definitionsnorm handelt, ist die unmittelbare Rechtsfolge 127 einfach zu bestimmen: Solange der Investmentfonds die Anforderungen des § 26 InvStG erfüllt, ist er ein Spezial-Investmentfonds. Dies würde auf den ersten Blick nahelegen, dass der Anwendungsbefehl der §§ 29 ff. InvStG innerhalb eines Besteuerungszeitraums (mehrmals) wechseln kann. Dem hat der Gesetzgeber nach unserem Verständnis aber in zwei Richtungen einen Riegel vorgeschoben. Als erstes lässt § 24 InvStG einen Wechsel von Kapitel 2 in Kapitel 3 nur dann zu, wenn weder Investmentfonds noch Anleger einer Besteuerung nach Kapitel 2 unterlegen haben (s. im Einzelnen § 24 InvStG Rz. 11 ff.). Zum zweiten schreibt § 52 InvStG fest, dass ein Herauswechseln aus dem Kapitel 3 nur mit einer Besteuerungszäsur erfolgen soll.3 Wird zudem berücksichtigt, dass zahlreiche Normen des InvStG von einer fortlaufenden Anwendung während des (Rumpf-)Geschäftsjahres ausgehen,4 gilt hinsichtlich der Wirkung des Erfüllens der Voraussetzungen eines Spezial-Investmentfonds in zeitlicher Hinsicht Folgendes: – Erstmaliges Erfüllen der Voraussetzungen des § 26 InvStG. Für das Geschäftsjahr, in dem der Investmentfonds erstmalig die Voraussetzungen des § 26 InvStG erfüllt, ergibt sich aus § 24 InvStG, ob die Regelungen des Kapitels 3 zur Anwendung kommen können (s. näher § 24 InvStG Rz. 3 ff.). Wird der Investmentfonds bereits unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 26 InvStG errichtet, so gilt Kapitel 3 von dem Zeitpunkt der Errichtung an.5 Erfüllt der Investmentfonds zunächst die Voraussetzungen des § 26 InvStG nicht,

1 Mann in W/B/A3, Anh. 1 InvStG 2018, § 26 Rz. 30. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.46. 3 Unseres Erachtens muss § 52 Abs. 3 InvStG im Zusammenspiel mit § 24 auch so verstanden werden, dass ein Zurückwechseln in die Kapitel 3-Besteuerung nicht mehr möglich ist, auch wenn der Wortlaut des § 24 InvStG einen solchen Rückwechsel ggf. erlauben würde. 4 Vgl. § 15 Abs. 3 InvStG, § 22 Abs. 1 InvStG, § 36 Abs. 4 Satz 2 InvStG, § 41 Abs. 2 InvStG, § 51 InvStG. 5 Vgl. näher § 24 InvStG Rz. 4 zum vom BMF eingeführten Kriterium des „Geltendmachens“. Kretzschmann/Albrecht | 543

§ 26 Rz. 127 | Anlagebestimmungen kann er u.E. noch in das Regime des Kapitels 3 wechseln, wenn er noch nicht der Besteuerung nach Kapitel 2 unterlegen hat.1 Folge ist dann aber konsequenterweise, dass die Besteuerung nach Kapitel 3 seit der Errichtung gilt. Hat er bereits der Besteuerung nach Kapitel 2 unterlegen, scheidet ein Wechsel allerdings aus. Zum Sonderfall der Selbstdeklaration im Jahr 2018 s. Rz. 126. – Nichtmehrerfüllen der Voraussetzungen des § 26 InvStG. Die Folgen eines Nichtmehrerfüllens der Tatbestandsmerkmale des § 26 InvStG richten sich u.E. allein nach § 52 InvStG.2 Aus § 52 Abs. 1 Satz 1 und 2 InvStG ergibt sich dabei, dass die Besteuerungsregeln des Kapitels 3 bis zum Ende des nach § 52 Abs. 1 Satz 3 InvStG zu bildenden Rumpfgeschäftsjahres weitergelten.3 Dieser in § 52 InvStG vorausgesetzten Rechtsfolge liefe es zuwider, würden die einzelnen Besteuerungsnormen des Kapitels 3 bereits vor dem Ende des gebildeten Rumpfwirtschaftsjahres nicht mehr zur Anwendung kommen. In der Regel führt dies auch zu keinen Friktionen, da das Rumpfwirtschaftsjahr nach § 52 Abs. 1 Satz 3 InvStG bereits beim Wegfall der Voraussetzungen des § 26 InvStG gebildet wird.4 Allenfalls für einen Verstoß gegen die Voraussetzungen für die Gewerbesteuerfreiheit ließe sich aufgrund des ungenauen Wortlauts des § 52 Abs. 1 Satz 1 InvStG etwas anderes vertreten. Denn § 52 Abs. 1 Satz 1 InvStG nimmt die Voraussetzungen für die Gewerbesteuerbefreiung gerade nicht in den Wortlaut auf. Hier dürfte es sich um ein gesetzgeberisches Versehen handeln, denn nach der Gesetzesbegründung erfasst § 52 Abs. 1 InvStG „die steuerlichen Folgen für den Fall, dass ein Spezial-Investmentfonds nicht mehr die in § 26 InvStG normierten Voraussetzungen erfüllt“5. Daher wird auch die Verletzung der Voraussetzungen der Gewerbesteuerfreiheit allein nach den Regelungen des § 52 InvStG zu beurteilen sein.6 Eine gegenteilige Ansicht würde letztlich dazu führen, dass die Qualifikation als Spezial-Investmentvermögen isoliert für § 29 Abs. 4 InvStG entfällt, ansonsten der Verstoß gegen die Voraussetzungen der Gewerbesteuerfreiheit aber keine Rechtsfolgen hat. Dies wird der Verankerung des Merkmals in § 26 InvStG (und nicht in § 29 Abs. 4 InvStG) nicht gerecht.

§ 27 Rechtsformen von inländischen Spezial-Investmentfonds Inländische Spezial-Investmentfonds können gebildet werden 1. in Form eines Sondervermögens nach § 1 Absatz 10 des Kapitalanlagegesetzbuchs oder 2. in Form einer Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital nach § 108 des Kapitalanlagegesetzbuchs.

1 So wohl auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 24.1; a.A. Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 24 InvStG Anm. 5. 2 So Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 26 InvStG Rz. 313; implizit auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 24 InvStG Anm. 5. 3 So auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 52 InvStG Anm. 5; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 52.11. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 52.11. 5 BT-Drucks. 18/8045, 122. 6 So auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 24 InvStG Anm. 5, § 29 InvStG Anm. 20; Ernst in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 52 InvStG Rz. 27 und 31.

544 | Kretzschmann/Albrecht

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 4 § 27

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . .

1 4 5 6 7

B. Rechtsformzwang I. Numerus clausus zulässiger Rechtsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sondervermögen und Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital . III. Inländische Spezial-Investmentfonds . . . IV. „Gebildet“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9 10 12 14

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck Die Norm ist eine Ergänzung zu § 26 InvStG. Sie legt fest, in welchen Rechtsformen inländi- 1 sche Spezial-Investmentfonds organisiert sein können. Sie ist damit der Sache nach eine weitere Norm mit Anforderungen für die Qualifizierung als Spezial-Investmentfonds.1

Die Rechtsform eines Investmentfonds geht nicht aus den Anlagebedingungen hervor, kann 2 also keine Anlagebestimmung nach § 26 Nr. 1 bis 10 InvStG sein. Dennoch hätte man die Anforderung an die Rechtsform neben der Anforderung an die Gewerbesteuerfreiheit im Einleitungssatz zu § 26 InvStG regeln können. Es sei allerdings zugestanden, dass § 27 InvStG mit seinem Rechtsformzwang ein weit formelleres Kriterium behandelt als die auslegungsbedürftigeren Anlagebestimmungen und die materielle Gewerbesteuerfreiheit in § 26 InvStG. Außerdem gilt § 27 InvStG nur für einen Teil aller Spezial-Investmentfonds, nämlich für inländische. Ob die Norm wirklich einschränkenden Charakter hat, kann bezweifelt werden. Wenn Ge- 3 setzgeber und Verwaltung davon ausgehen, dass inländische Spezial-Investmentfonds (bzw. deren Kapitalverwaltungsgesellschaften) gem. § 26 Nr. 1 InvStG zwingend einer Vollregulierung (im Gegensatz zu einer bloßen Registrierung nach §§ 2 Abs. 4, 44 KAGB) unterliegen, gem. § 26 Nr. 2 InvStG als offene Fonds konzipiert sein müssen und außerdem schon nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG keine Personengesellschaften sein dürfen, kommen ohnehin keine anderen Rechtsformen für Spezial-Investmentfonds in Betracht.2 Nach der hier im Rahmen des § 26 Nr. 1 InvStG vertretenen Ansicht ist eine registrierte Verwaltungsgesellschaft hingegen ausreichend, sodass § 27 InvStG (z.B. im Hinblick auf eine sonst mögliche GmbH) konstitutive Bedeutung zukommt.

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich § 27 InvStG gilt nur für inländische Investmentfonds, die den Status als Spezial-Investment- 4 fonds anstreben. Da die Norm im Zusammenspiel mit § 26 InvStG die Anforderungen an diesen Status erst darlegt, kann die Norm nicht auf solche Rechtsgebilde (Spezial-Investmentfonds) beschränkt sein, deren Schaffung sie erst ermöglicht.

1 Allerdings bemisst der Gesetzgeber in § 53 Abs. 1 Nr. 2 InvStG, dass Altersvorsorgevermögensfonds die Voraussetzungen eines Spezial-Investmentfonds erfüllen müssen. Damit kann er aber nicht den Rechtsformzwang des § 27 InvStG meinen, da er in § 53 InvStG einen anders lautenden – Investmentkommanditgesellschaft – statuiert hat. Sauberer wäre daher die Formulierung gewesen: „Inländische Spezial-Investmentfonds werden nur dann nach Kapitel 3 besteuert, wenn sie [...]“. 2 Vgl. auch Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 27 InvStG Rz. 13. Kretzschmann/Albrecht | 545

§ 27 Rz. 5 | Rechtsformen von inländischen Spezial-Investmentfonds 2. Zeitlicher Anwendungsbereich 5 § 27 InvStG gilt ab dem 1.1.2018 (Art. 11 Abs. 3 InvStRefG).

III. Rechtsentwicklung 6 Vorgängervorschrift zu § 27 InvStG ist § 1 Abs. 1f InvStG a.F., der ebenfalls einen numerus

clausus an zulässigen Rechtsformen enthielt. Neben dem Sondervermögen und der Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital erwähnte er besondere Formen der offenen Investmentkommanditgesellschaft. Letztere ist in der neuen Fassung des InvStG nicht mehr im dritten Kapitel, sondern umfassend in § 53 InvStG geregelt.

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 7 § 26 InvStG legt weitere umfassende Anforderungen, die ein Spezial-Investmentfonds erfüllen

muss, dar.

8 § 53 InvStG erweitert den Katalog zulässiger Rechtsformen implizit (nämlich indem er die

Rechtsform zur Voraussetzung macht) um die offene Investmentkommanditgesellschaft – allerdings (wie auch bisher in § 1 Abs. 1f Nr. 3 Satz 1 InvStG a.F.) nur für Altersvorsorgevermögensfonds.

B. Rechtsformzwang I. Numerus clausus zulässiger Rechtsformen 9 Die Norm enthält einen numerus clausus möglicher Rechtsformen für inländische Spezial-In-

vestmentfonds. Dieser ist nicht sehr extensiv – lediglich zwei Rechtsformen stehen zur Verfügung: Das Sondervermögen nach § 1 Abs. 10 KAGB oder die Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital nach § 108 KAGB. Der Charakter der Norm als Rechtsformzwang ist offenkundig, aber – wie auch in der insoweit gleichlautenden Vorgängervorschrift § 1 Abs. 1f InvStG a.F. – nicht einwandfrei umgesetzt. Eindeutiger wäre diese Begrenzung gewesen, wenn der Gesetzgeber unter Zuhilfenahme des Wortes „nur“ deutlich gemacht hätte, dass § 27 InvStG keinen unverbindlichen Optionskatalog enthält, neben dem auch noch andere Rechtsformen zulässig sind. Die gesetzgeberische Intention ist aber insgesamt ebenso klar1 wie die Formulierung, wenn man sie in einen lebensnahen Sinnzusammenhang setzt: „Inländische Spezial-Investmentfonds können nur gebildet werden in Form eines Sondervermögens oder einer Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital.“.

II. Sondervermögen und Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital 10 Die für inländische Spezial-Investmentfonds zulässigen Rechtsformen unterscheiden sich in

Rechtsnatur, Ausgestaltung, Voraussetzungen und zivilrechtlichen Folgen. Ein Sondervermögen nach § 1 Abs. 10 KAGB muss in aufsichtsrechtlicher Hinsicht die Voraussetzungen der §§ 92 ff. KAGB erfüllen. Es hat keine eigene Rechtspersönlichkeit und entsteht auf schuld1 Allerdings hat der Gesetzgeber auch in der Gesetzesbegründung auf Formulierungen wie „ausschließlich“ etc. verzichtet, BT-Drucks. 18/8045, 96.

546 | Kretzschmann/Albrecht

B. Rechtsformzwang | Rz. 13 § 27

rechtlicher Basis durch einen Vertrag zwischen der Kapitalverwaltungsgesellschaft und den Anlegern mit Einwerbung der ersten Anlegergelder.1 Ein Investmentvermögen kann ohne Rechtspersönlichkeit kein zivilrechtliches Eigentum an den Anlagegenständen erwerben. Diese können je nach Ausgestaltung in den Anlagebedingungen entweder den Anlegern (sog. Miteigentumslösung) oder der Kapitalverwaltungsgesellschaft (sog. Treuhandlösung) gehören (§ 92 Abs. 1 Satz 1 KAGB). Eine Vorgabe an die Verwaltungsgesellschaft enthält § 27 Nr. 1 InvStG im Gegensatz zu § 1 Abs. 1f Nr. 1 Buchst. a bis c InvStG a.F. nicht mehr. Auch eine ausländische AIF-Verwaltungsgesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 18 KAGB kann daher Verwalter des Sondervermögens sein.2 Eine Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital ist im Gegensatz zum Son- 11 dervermögen eine juristische Person und damit eine Rechtspersönlichkeit. Sie ist nach § 108 Abs. 1 KAGB eine besondere Spielart der AG, d.h. der Rechtsform, die stets die Grundlage für die Investmentaktiengesellschaft sein muss. Von der AG unterscheidet sich die Investmentaktiengesellschaft dadurch, dass § 108 Abs. 2 KAGB das Aktienrecht zwar grds. für anwendbar erklärt, bestimmte (durchaus zentrale, s. z.B. Kapitalerhöhung und -herabsetzung in den §§ 182 bis 240 AktG) Regelungen hiervon aber ausnimmt. Insoweit tritt das Investmentrecht an die Stelle des Gesellschaftsrechts.3

III. Inländische Spezial-Investmentfonds Spezial-Investmentfonds sind nicht auf inländische Rechtsgebilde beschränkt, sie können auch 12 im Ausland bestehen. Daran ändert § 27 InvStG nichts, auch wenn er nur inländische SpezialInvestmentfonds behandelt. Er darf insbes. nicht dahingehend missverstanden werden, dass er ausländische Spezial-Investmentfonds per se untersagt. Das Gegenteil ist richtig: Ausländische Spezial-Investmentfonds sind an keinen Rechtsformzwang gebunden und damit – zumindest in dieser Hinsicht – einfacher und flexibler zu gründen als inländische. Die Formulierung des § 27 InvStG ist insoweit eindeutig. Konsequenz dessen ist, dass ausländische Investmentfonds unabhängig von ihrer Rechtsform Spezial-Investmentfonds sein können, sofern sie die Voraussetzungen des § 26 InvStG erfüllen. Der Gesetzgeber hat darauf verzichtet, einen Zusatz in die Aufzählung aufzunehmen, dass sich der Zwang – wie u.a. in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 InvStG – auf ausländische Spezial-Investmentfonds und vergleichbare ausländische Rechtsformen erstreckt. Es ist daher kein Rechtstypenvergleich vorzunehmen,4 auch einem Sondervermögen oder einer Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital nicht vergleichbare ausländische Rechtsformen sind mögliche Vehikel für Spezial-Investmentfonds. Inländisch ist ein Spezial-Investmentfonds nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 InvStG, 13 wenn er inländischem Recht unterliegt. Das bedeutet,5 dass er nach inländischem Recht gegründet und ausgestaltet wurde und seine Anlagebedingungen sich nach deutschem Recht richten.6 Auf eine aufsichtsrechtliche Beurteilung kommt es nicht (mehr) an (s. § 2 InvStG Rz. 15), auf den steuerlichen Sitz (§ 11 AO) oder den Ort der Geschäftsführung (§ 10 AO) auch nicht. Das ist einerseits konsequent, denn jedenfalls ein Sondervermögen hat mangels Rechtspersönlichkeit7 keinen eigenen statutarischen Sitz. Andererseits ist es erstaunlich, wenn 1 Gottschling in Moritz/Klebeck/Jesch, § 1 KAGB Rz. 182. 2 Jesch in Moritz/Jesch/Mann2, § 27 InvStG Rz. 16; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 27 InvStG Anm. 5. 3 Hierzu sowie zur Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital insgesamt Lorenz in W/B/ A2, Anh. 1 InvStG 2018, § 108 Rz. 1 ff.; Boxberger in Moritz/Klebeck/Jesch, § 108 KAGB Rz. 1 ff. 4 Mann in W/B/A2, Anhang 1 InvStG 2018, § 27 Rz. 3. 5 Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 2 InvStG Anm. 6. 6 BT-Drucks. 18/8045, 68; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.2. 7 Volhard/Jang in W/B/A3, § 1 KAGB Rz. 52. Kretzschmann/Albrecht | 547

§ 27 Rz. 13 | Rechtsformen von inländischen Spezial-Investmentfonds man sich die Konsequenzen vor Augen führt: Mit der Einführung eines formellen, dem Steuerrecht eher fremden Kriteriums für die geografische Zuordnung ermöglicht man es Management-Teams von Investmentfonds, vollständig oder überwiegend aus Deutschland heraus tätig zu sein, dies allerdings in einer ausländischen (EU-)Rechtsform und damit jedenfalls für Zwecke des § 27 InvStG in deutlich flexiblerer Form. Dem Fondsstandort Deutschland mag das nützen, der Wahl deutscher Rechtsformen oder deutschen Rechts im Geschäftsverkehr eher nicht.

IV. „Gebildet“ 14 Ein inländischer Spezial-Investmentfonds muss als Sondervermögen oder Investmentaktien-

gesellschaft mit veränderlichem Kapital gebildet werden. Diese Formulierung ist (und war bereits in der insoweit gleichlautenden Vorgängervorschrift § 1 Abs. 1f InvStG a.F.) missverständlich, regelt sie doch nicht explizit den Fall, was bei einem Rechtsformwechsel nach Gründung („Bildung“) geschieht. Die Möglichkeit, einen Spezial-Investmentfonds als Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital zu gründen, dann in eine andere aufsichtsrechtlich zulässige Form einer (Kapital-)Gesellschaft formzuwechseln und als Spezial-Investmentfonds fort zu existieren,1 war sicher nicht vom Gesetzgeber gewollt. Der Wortlaut des § 27 InvStG schließt sie aber nicht offenkundig aus. Mehr noch: § 27 InvStG enthält keine immanente Rechtsfolge und im Gegensatz zu § 26 InvStG ist diese auch nicht in § 52 InvStG geregelt. Wollte man also erreichen, dass ein während der Fondslaufzeit in eine „schädliche“ Rechtsform formgewechselter Spezial-Investmentfonds seinen Status verliert und die Auflösungsfiktion des § 52 Abs. 1 InvStG greift, müsste man neben einer extensiven Auslegung des § 27 InvStG auch noch § 52 InvStG (eine Sanktionsnorm!) analog anwenden.2

§ 28 Beteiligung von Personengesellschaften (1) 1Personengesellschaften, die unmittelbar oder mittelbar über andere Personengesellschaften Anleger eines Spezial-Investmentfonds sind, haben dem Spezial-Investmentfonds innerhalb von drei Monaten nach einem Erwerb des Spezial-Investmentanteils den Namen und die Anschrift ihrer Gesellschafter mitzuteilen. 2Die Personengesellschaft hat dem Spezial-Investmentfonds Änderungen in ihrer Zusammensetzung innerhalb von drei Monaten anzuzeigen. (2) Der gesetzliche Vertreter des Spezial-Investmentfonds hat die unmittelbar und mittelbar über Personengesellschaften beteiligten Anleger spätestens sechs Monate nach dem Erwerb eines Spezial-Investmentanteils in einem Anteilsregister einzutragen.

1 Also – je nach Auffassung zu § 26 Nr. 1 InvStG (s. § 26 InvStG Rz. 28) – im registrierten Bereich in eine GmbH; Formwechsel nach den §§ 190 ff. UmwG sollten auch für Investmentaktiengesellschaften nicht unmöglich sein, denn der Gesetzgeber sieht die Investmentaktiengesellschaft, die auch im registrierten Bereich eine aufsichtsrechtlich zulässige Rechtsform ist, im Grundsatz als „normale“ AG an; vgl. Freitag in Moritz/Klebeck/Jesch, § 91 KAGB Rz. 34; dieses Verständnis hat auch in § 108 Abs. 2 KAGB Ausdruck gefunden; zweifelnd allerdings Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 27 InvStG Anm. 5; offengelassen von Jesch in Moritz/Jesch/Mann2, § 27 InvStG Rz. 10. 2 Dafür Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 27 InvStG Anm. 5; Jesch in Moritz/Jesch/Mann2, § 27 InvStG Rz. 10.

548 | Kretzschmann/Albrecht

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 2 § 28

(3) Erlangt der Spezial-Investmentfonds Kenntnis von einer Überschreitung der zulässigen Anlegerzahl oder von der Beteiligung natürlicher Personen, die nicht die Voraussetzungen des § 26 Nummer 8 erfüllen, so hat er unverzüglich sein Sonderkündigungsrecht auszuüben oder sonstige Maßnahmen zu ergreifen, um die zulässige Anlegerzahl und Anlegerzusammensetzung wiederherzustellen. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . 1 II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . 4 III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . 6 B. Anzeige- und Mitteilungspflicht durch an Spezial-Investmentfonds beteiligte Personengesellschaften (Abs. 1) I. Normadressat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 II. Pflichtauslösende Momente 1. Erwerbsvorgänge (Abs. 1 Satz 1) . . . . . 12 2. Aktualisierungen (Abs. 1 Satz 2) . . . . . 15 III. Anzeigepflicht 1. Im Rahmen von Erwerbsvorgängen (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

C. I. II. III. D. I. II. III. E.

2. Im Rahmen von Aktualisierungen (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Form und Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Weigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verpflichtung zum Führen eines Anteilsregisters (Abs. 2) Anteilsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pflichtauslösendes Moment . . . . . . . . . . . Eintragungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . Verpflichtende Ausübung des Sonderkündigungsrechts (Abs. 3) Pflichtauslösendes Moment . . . . . . . . . . . Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . (Rechts-)Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17 20 22

24 25 27

29 32 33 34

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck § 28 InvStG soll die Einhaltung der anlegerbezogenen Anlagebestimmungen aus § 26 Nr. 8 1 InvStG sicherstellen.1 Dazu verpflichtet er den Spezial-Investmentfonds (Abs. 2) sowie seine (auch mittelbaren) Anteilseigner (Abs. 1), Informationen zu erheben, anzuzeigen und in einem neu zu schaffenden Anteilsregister zu dokumentieren. Abs. 3 gibt vor, unter welchen Voraussetzungen das nach § 26 Nr. 9 InvStG erforderliche Sonderkündigungsrecht ausgeübt werden muss. Die amtliche Überschrift „Beteiligung von Personengesellschaften“ ist unglücklich gewählt, 2 denn lediglich Abs. 1, der sich an Personengesellschaften richtet, geht auch zwingend mit der Beteiligung einer Personengesellschaft einher. Die beiden folgenden Absätze müssen von einem Spezial-Investmentfonds stets beachtet werden, auch dann, wenn sich andere Investoren als Personengesellschaften an ihm beteiligen. Sämtliche in dieser Vorschrift niedergelegten Pflichten sind bei vorsätzlichen oder leichtfertigen Verstößen bußgeldbewehrt (§ 55 Abs. 1 Nr. 2–5, Abs. 2 InvStG). Die Norm ist sprachlich und konzeptionell stark verbesserungswürdig. In ihrer jetzigen Form erschwert sie eine verlässliche Rechtsanwendung.

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 28.1. Kretzschmann/Albrecht | 549

§ 28 Rz. 3 | Beteiligung von Personengesellschaften

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich 3 Die Norm ist adressiert an (inländische und ausländische) Spezial-Investmentfonds. Sie ist

aber auch adressiert an potentiell sämtliche Personengesellschaften im In- und Ausland (nach einem Rechtstypenvergleich) und hat damit einen außerordentlich weiten Anwendungsbereich.

2. Zeitlicher Anwendungsbereich 4 § 26 InvStG gilt ab dem 1.1.2018 (Art. 11 Abs. 3 InvStRefG).

III. Rechtsentwicklung 5 Es handelt es sich um eine im Rahmen des InvStRefG neu gefasste Vorschrift, die im

InvStG a.F. keine Entsprechung hatte.

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 6 § 28 InvStG flankiert die materiellen Pflichten des § 26 Nr. 8 und 9 InvStG. Außerdem soll er

sicherstellen, dass die FinVerw. ihr Prüfungsrecht über die Erfüllung der Anforderungen an Spezial-Investmentfonds (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InvStG) effektiver ausüben kann.

7 Der Verstoß gegen die Pflichten, die § 28 Abs. 1 bis 3 InvStG statuiert, ist eine Ordnungswid-

rigkeit, § 55 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 InvStG, und nach § 55 Abs. 2 InvStG potentiell bußgeldbewehrt. Die Rechtsfolge des § 52 InvStG ergibt sich hingegen nicht direkt aus Verstößen gegen § 28 InvStG.1

8 § 53 Abs. 1 Nr. 2 InvStG nimmt global auf (u.a.) § 28 InvStG Bezug, indem er die Voraus-

setzungen eines Spezial-Investmentfonds auch als für Altersvorsorgevermögensfonds maßgeblich erklärt.

B. Anzeige- und Mitteilungspflicht durch an Spezial-Investmentfonds beteiligte Personengesellschaften (Abs. 1) I. Normadressat 9 § 28 Abs. 1 InvStG statuiert zwei Pflichten: Unmittelbar oder mittelbar an Spezial-Investment-

fonds beteiligte Personengesellschaften müssen – im Erwerbsfall dem Spezial-Investmentfonds innerhalb von drei Monaten nach Erwerb Namen und Anschrift der eigenen Gesellschafter mitteilen und – laufend ihre Gesellschafterzusammensetzung beachten und über Änderungen ebenfalls innerhalb von drei Monaten berichten.

10 § 28 Abs. 1 InvStG richtet sich an Personengesellschaften, und das in einem bemerkenswer-

ten Ausmaß: Neben Personengesellschaften, die sich unmittelbar an Spezial-Investmentfonds beteiligen, trifft die Verpflichtung auch Personengesellschaften, die über mehrstöckige Betei-

1 Vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 28.7; Jesch in Moritz/Jesch/Mann2, § 28 InvStG Rz. 11.

550 | Kretzschmann/Albrecht

B. Anzeige- und Mitteilungspflicht der beteiligten PersGes. (Abs. 1) | Rz. 13 § 28

ligungsverhältnisse Spezial-Investmentanteile halten. Dies stellt einen neben Spezial-Investmentfonds und deren unmittelbaren Anlegern völlig neuen Adressatenkreis dar, und zwar einen, der womöglich überhaupt nicht über die Anlage in einen Spezial-Investmentfonds „weiter unten“ in der Beteiligungskette informiert ist oder – als Minderheitsgesellschafter der unmittelbar beteiligten Personengesellschaft – keinen direkten Einfluss auf die Anlageentscheidung hat. Die mittelbare Beteiligung muss freilich nicht (kann aber) über mehrere Personengesellschaften bestehen, auch wenn die Norm von „mittelbar über andere Personengesellschaften“ (im Plural) spricht. Problematisch ist, dass das Gesetz von den Personengesellschaftern als „Anlegern“ spricht – 11 das sind sie aber aufgrund der Durchschau auf ihre Gesellschafter i.S.v. § 26 Nr. 8 InvStG gerade nicht.1 Nimmt man dies ernst – und es ist durchaus denkbar, dass eine verpflichtete Personengesellschaft es ernst nimmt und sich bei ihrer Weigerung, ihre Gesellschafter anzuzeigen, darauf beruft –, bedeutet das, dass § 28 Abs. 1 InvStG für einen Großteil der Personengesellschaften nicht anwendbar ist.2 Für den betroffenen Spezial-Investmentfonds hätte dies ernste Konsequenzen. Es macht ihm nämlich die Erfüllung seiner eigenen Pflicht aus § 28 Abs. 2 InvStG unmöglich.3 Bis auf Weiteres wird Spezial-Investmentfonds nichts anderes übrig bleiben, die Regelung in Abs. 1 in korrekter Formulierung individualvertraglich bzw. korporationsrechtlich zu vereinbaren.

II. Pflichtauslösende Momente 1. Erwerbsvorgänge (Abs. 1 Satz 1) Im einfachsten Fall trifft die Anzeigepflicht eine Personengesellschaft, wenn sie sich direkt an 12 einem Spezial-Investmentfonds beteiligt. Aber selbst in diesem Grundfall müssen einige Dinge beachtet werden. Das betrifft allen voran datenschutzrechtliche Grundsätze, denn das Anteilsregister ist zwar der Öffentlichkeit nicht zugänglich, die Weitergabe der Gesellschafterdaten erfolgt aber jedenfalls an den Spezial-Investmentfonds sowie – das ist Sinn der Vorschrift – an den deutschen Fiskus. Die Vertragsdokumentation von Personengesellschaften4 wird dies zu berücksichtigen haben. Wie bereits erwähnt, ist aber auch der Fall möglich, dass eine Personengesellschaft durch den 13 Erwerbsvorgang gar nicht direkt, sondern nur mittelbar an dem Spezial-Investmentfonds beteiligt wird. Das Gesetz verfolgt hier einen ungewöhnlichen Ansatz: Anstatt auch in diesen Fällen weiterhin allein die unmittelbar beteiligte Gesellschaft zu verpflichten (diese unterwirft sich schließlich „sehenden Auges“ dem InvStG) und – damit das Ziel der Transparenz erreicht werden kann – diese Verpflichtung der unmittelbar beteiligten Gesellschaft darauf zu erstrecken, auch Informationen ihrer eigenen Personengesellschafts-Gesellschafter mitzuteilen, ent-

1 S. Kritik insoweit bei Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 28 InvStG Anm. 5. Mehr noch: Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 10 InvStG ist Anleger derjenige, dem ein (Spezial-)Investmentanteil nach § 39 AO zuzurechnen ist. Jedenfalls bei vermögensverwaltenden Personengesellschaften erfolgt die Zurechnung nach dem sog. Bruchteilsprinzip, § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO. 2 Das ist umso merkwürdiger, wenn man bedenkt, dass gerade die gewerblichen Personengesellschaften (die nach dieser Argumentation zumindest unter § 28 InvStG fallen) im Hinblick darauf, dass die an ihnen beteiligten Mitunternehmer ihre Beteiligung im Betriebsvermögen halten (vgl. § 26 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a InvStG), weniger „verdächtig“ sind. 3 § 28 Abs. 2 InvStG benutzt den Terminus „Anleger“ im korrekten Zusammenhang, diese Pflicht bleibt also bestehen. 4 Und zwar im Prinzip von sämtlichen Personengesellschaften, da eine Gesellschaft nicht wissen kann, ob und wann sie – ausgelöst durch eine weiter unten in der Beteiligungskette stehende Personengesellschaft – mittelbar Spezial-Investmentanteile halten wird. Kretzschmann/Albrecht | 551

§ 28 Rz. 13 | Beteiligung von Personengesellschaften schied sich der Gesetzgeber dazu, die Obergesellschaft direkt – und in Bezug auf ihre eigenen Gesellschafter an der direkt beteiligten Untergesellschaft vorbei – zu adressieren. Ob die betreffende Ober-Personengesellschaft von dem Erwerb des Spezial-Investmentanteils überhaupt fristgerecht Kenntnis erlangt, ist keinesfalls sicher, spielt aber nicht im Rahmen von § 28 Abs. 1 InvStG, sondern erst im Rahmen der Sanktionsnorm des § 55 Abs. 1 Nr. 2 und 3 InvStG eine Rolle. Bestünde die Pflicht hingegen immer direkt gegenüber der unmittelbar beteiligten Personengesellschaft, müsste diese aktiv auf die Obergesellschaft(en) zugehen und die Details erfragen.1 Das Ziel, der FinVerw. eine möglichst gute Prüfungsgrundlage (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InvStG) für die Beurteilung der Einhaltung von § 26 Nr. 8 InvStG an die Hand zu geben, wäre in weit höherem Maße erfüllt. Aus Sicht der unmittelbar beteiligten Personengesellschaft ist der gewählte Weg freilich zu begrüßen, trägt sie doch auf diese Weise nicht die Verantwortung für die Anzeigepflicht der gesamten Beteiligungskette.2 14 Umgekehrt bedeutet das allerdings, dass sich sämtliche Personengesellschaften weltweit ver-

sichern müssen, dass nicht „weiter unten“ in ihrer Beteiligungskette eine Investition an einem Instrument besteht, das nach deutschem Verständnis ein Spezial-Investmentfonds ist. Auf den Umfang typischerweise durchgeführter due diligence müsste dies bei sämtlichen Erwerbsvorgängen mit beteiligten Personengesellschaften – national wie international – beträchtlichen Einfluss haben. 2. Aktualisierungen (Abs. 1 Satz 2)

15 § 28 Abs. 1 Satz 2 InvStG schließlich statuiert eine Aktualisierungspflicht für die Personenge-

sellschaften. Da die Voraussetzung nach § 26 Nr. 8 InvStG zu jedem Zeitpunkt und nicht nur bei Erwerben beachtet werden muss, ist das auch konsequent. Satz 2 ist jedoch genügsam in Bezug auf die pflichtauslösenden Momente: Angezeigt werden müssen lediglich Änderungen in der Zusammensetzung der Personengesellschaft, d.h. Gesellschafterwechsel.3 Adress-, Status- oder Rechtsformwechsel der Gesellschafter der Personengesellschaft sind nach dem Wortlaut nicht umfasst,4 obwohl sie für die Ausübung des Prüfungsrechts für die Verwaltung und die steuerlichen Folgerungen entscheidend sein können (s. genauer zum Zweck des § 28 Abs. 1 und 2 InvStG Rz. 1 f.).5

III. Anzeigepflicht 1. Im Rahmen von Erwerbsvorgängen (Abs. 1 Satz 1) 16 Die Personengesellschaft muss Namen und Anschrift ihrer Gesellschafter anzeigen. Der Be-

griff „Name“ ist im Zusammenhang mit Gesellschaften unpräzise, es muss allerdings davon ausgegangen werden, dass in diesem Fall die Firma (inkl. Rechtsform) angezeigt werden muss.

1 Womöglich wird sie das in der Praxis auch unter dem jetzigen Gesetzeswortlaut tun, eine Pflicht dazu lässt sich aber nicht in das Gesetz hineinlesen und so ist davon auszugehen, dass die Personengesellschaft nicht allzu viel Druck auf ihre Gesellschafter ausüben wird. Nachdem zu Beginn des Satzes 1 von § 28 Abs. 1 InvStG die mittelbare Beteiligung ausdrücklich erwähnt wird, am Ende („[...] Anschrift ihrer Gesellschafter“ – nicht: „unmittelbaren und mittelbaren Gesellschafter“) jedoch nicht, muss davon ausgegangen werden, dass jede Personengesellschaft ihre Anzeigepflicht erfüllt, indem sie nur ihre direkten Gesellschafter meldet. 2 S. allerdings die Problematik in Rz. 23, dass sich eine mittelbar beteiligte Personengesellschaft der Anzeigepflicht verweigert. Es steht zu vermuten, dass sich die Vertragspraxis hier mit den unten genannten Lösungen helfen wird. 3 Vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 28.4. 4 Ebenso Mann in W/B/A3, § 28 InvStG Rz. 1. 5 Jesch in Moritz/Jesch/Mann2, § 28 InvStG Rz. 28.

552 | Kretzschmann/Albrecht

B. Anzeige- und Mitteilungspflicht der beteiligten PersGes. (Abs. 1) | Rz. 20 § 28

Darüber hinausgehende Informationen müssen dem Gesetzeswortlaut nach nicht angezeigt werden, auch wenn das im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Norm (Sicherstellung, dass § 26 Nr. 8 InvStG eingehalten wird) zweifelhaft erscheint. Ob eine natürliche Person ihre Beteiligung im Privat- oder Betriebsvermögen hält, wird anhand der angezeigten Daten jedenfalls kaum zu beurteilen sein – dies wäre aber im Hinblick darauf, dass die Personengruppe zulässiger Anleger ist, die andere aber nicht (§ 26 Nr. 8 Satz 2 Buchst. a InvStG), entscheidend.1 2. Im Rahmen von Aktualisierungen (Abs. 1 Satz 2) Im Rahmen der Aktualisierungspflicht nach Satz 2 sind „Änderungen in [der] Zusammenset- 17 zung [der Personengesellschaft]“ anzuzeigen. Das kann nur bedeuten, dass nicht lediglich die bloße Tatsache über eine Änderung mitgeteilt wird, sondern auch der an Satz 1 orientierte Inhalt (Name und Adresse).2 Hier hätte man sich eine genauere Formulierung des (bußgeldbewehrten) Tatbestands gewünscht. Auch Ein- und Austrittsdatum der Gesellschafter müssten im Rahmen der Pflicht nach 18 Satz 2 angezeigt werden, wolle man Verstöße seriös erkennen können.3 Sind nämlich prima facie Überbeteiligungen von mehr als 100 Anlegern beim Spezial-Investmentfonds gegeben, muss geprüft werden, ob diese Anleger tatsächlich allesamt gleichzeitig zu einem Zeitpunkt beteiligt waren oder in konsekutiver Folge. Ein Register, das auf einer Anzeige beruht, die drei Monate nach dem Gesellschafterwechsel ergeht und das Ein- und Austrittsdatum nicht terminiert, wird das nicht leisten können. Die FinVerw. fordert daher – stringent –, dass in das Register auch die „Besitzzeiten“ sämtlicher Anleger aufgenommen werden müssen.4

Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit der Bezeichnung „Zusammensetzung“ in Satz 2 19 wiederum (wie in Satz 1) nur unmittelbare Gesellschafterbeteiligungen erfassen wollte. „Zusammensetzung“ ist also im Rahmen des Satzes 2 als unmittelbare Zusammensetzung zu lesen.5 Beispiel: Am Spezial-Investmentfonds S ist Personengesellschaft P1 beteiligt, an dieser wiederum P2 und an dieser P-alt. P-alt überträgt die Beteiligung an P2 auf P-neu (sämtlich Personengesellschaften). Es ändert sich die Zusammensetzung von P2 und mittelbar auch diejenige von P1. P-neu muss originär nach § 28 Abs. 1 Satz 1 InvStG anzeigen. Nur P2 ist aber nach § 28 Abs. 1 Satz 2 InvStG verpflichtet, die Anzeige zu aktualisieren.

3. Form und Frist Die Mitteilung der Personengesellschaft muss nach Ansicht der FinVerw. schriftlich erfolgen.6 20 Dafür findet sich im Gesetz – weder in § 28 Abs. 1 InvStG noch in § 55 Abs. 1 Nr. InvStG, den die Verwaltung als Begründung für das Schriftformerfordernis bemüht – keine Stütze.7 1 Buge in H/H/R, EStG/KStG, Anh. zu § 20 EStG, § 28 InvStG Anm. 5. Die FinVerw. fordert über den Wortlaut hinaus immerhin eine Angabe der Steuernummer und Angaben über eine etwaige Steuerbefreiung, BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 28.6. 2 Buge in H/H/R, EStG/KStG, Anh. zu § 20 EStG, § 28 InvStG Anm. 5. 3 Jesch in Moritz/Jesch/Mann2, § 28 InvStG Rz. 30, spricht sich daher für eine entsprechende Anzeigepflicht aus. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 28.6. 5 Vgl. Jesch in Moritz/Jesch/Mann2, § 28 InvStG Rz. 29. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 28.2. 7 Gl.A. Mann in W/B/A3, § 28 InvStG Rz. 1; ebenfalls Wenzel in Brandis/Heuermann, § 28 InvStG Rz. 10, der allerdings aus Beweisgründen die Schriftform empfiehlt; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 28 InvStG Anm. 5, empfiehlt die Textform; Jesch in Moritz/Jesch/Mann2, § 28 InvStG Rz. 26, empfiehlt Schrift- oder Textform. Kretzschmann/Albrecht | 553

§ 28 Rz. 20 | Beteiligung von Personengesellschaften Im Gegenteil: Dort, wo es der Gesetzgeber für notwendig erachtet hat (§ 53 Abs. 2 InvStG), hat er das Schriftformerfordernis ausdrücklich normiert. 21 Die Frist zur Anzeige beträgt drei Monate ab dem Erwerb des Spezial-Investmentanteils.

Die FinVerw. sieht das Verpflichtungsgeschäft als relevanten Erwerbszeitpunkt an.1 Richtigerweise dürfte es wegen § 2 Abs. 10 InvStG i.V.m. § 39 AO auf den Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums ankommen.2

4. Weigerung 22 Weigert sich eine Personengesellschaft, ihrer Mitteilungspflicht nachzukommen, obwohl sie

dazu aufgefordert wurde, muss der Spezial-Investmentfonds nach Ansicht der FinVerw. davon ausgehen, dass durch diese Personengesellschaft keine zulässige Anlegerzahl und keine zulässige Anlegerzusammensetzung gewährleistet ist. Er müsse daher sein Sonderkündigungsrecht nach (sic) § 28 Abs. 3 InvStG ausüben.3 „Nach“ § 28 Abs. 3 InvStG kann der SpezialInvestmentfonds sein Sonderkündigungsrecht nicht ausüben, denn weder gibt § 28 Abs. 3 InvStG das in diesen Fällen her,4 noch besteht das Kündigungsrecht nach § 28 Abs. 3 InvStG.5 Die Anlagebedingungen werden diesen Fall zu berücksichtigen haben, damit der Spezial-Investmentfonds seinen Verpflichtungen aus § 26 Nr. 8 InvStG und § 28 Abs. 2 InvStG nachkommen kann.6 Aufgrund des nachfolgend diskutierten Aspekts ist es sogar empfehlenswert, wenn nicht gar erforderlich, dass das Kündigungsrecht in den Anlagebedingungen verschuldensunabhängig für Weigerungen in der gesamten nach oben folgenden Beteiligungskette ausgestaltet wird.

23 Unklar ist in diesem Zusammenhang auch, was passiert, wenn sich eine mittelbar beteiligte

Personengesellschaft weigert, ihrer Pflicht nach § 28 Abs. 1 nachzukommen. Sie steht in keinem vertraglichen oder unmittelbar gesellschaftsrechtlichen Verhältnis zum Spezial-Investmentfonds. Um die Sicherstellung der Anlegergrenzen aus § 26 Nr. 8 InvStG zu gewährleisten, muss das Kündigungsrecht in diesem Fall gegenüber der unmittelbar beteiligten Personengesellschaft ausgeübt werden. Das kann in der Praxis zu Problemen führen: Man nehme an, die unmittelbar an einem Spezial-Investmentfonds beteiligte Personengesellschaft ist ein private equity fonds („PE-Fonds“, Investmentvermögen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB), an der sich ein family office in Form einer weiteren Personengesellschaft beteiligt hat. Der PE-Fonds ist aufgrund seiner Rechtsform (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG) kein Investmentfonds i.S.d. § 1 Abs. 1 InvStG, erst recht kein Spezial-Investmentfonds i.S.d. § 26 InvStG. Das bedeutet, dass das family office nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar an einem Spezial-Investmentfonds beteiligt ist. Weigert es sich, seine eigenen Gesellschafter preiszugeben, muss dennoch gegenüber dem PE-Fonds das Sonderkündigungsrecht ausgeübt werden. Faktisch wird das family office somit – selbst wenn es nur marginal am PE-Fonds beteiligt sein sollte – über das Inves1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 28.2. Die FinVerw. beweist damit ein gewisses Maß an geistlicher Flexibilität, geht sie doch (in der gleichlautenden) Vorgängernorm zu § 26 Nr. 8 Satz 3 InvStG davon aus, dass mit derselben Formulierung („Erwerb“) das Verfügungsgeschäft gemeint ist (BMF v. 4.6.2014 – IV C 1 - S 1980 – 1/13/10007:002, DStR 2014, 1168 Rz. 7). 2 So auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 28 InvStG Anm. 5; Skowronek in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 28 InvStG Rz. 61; a.A. Jesch in Moritz/Jesch/Mann2, § 28 InvStG Rz. 16; Wenzel in Brandis/ Heuermann, § 28 InvStG Rz. 10. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 28.3. 4 Dies ist freilich nicht gravierend, da Abs. 3 ohnehin nur eine Pflicht normiert, aber nichts darüber aussagt, in welchen weiteren Fällen die Ausübung möglich sein kann. Sie erfolgt dann nur nicht „nach“ § 28 Abs. 3 InvStG. 5 Rechtsgrundlage sind vielmehr die inter partes vereinbarten Anlagebedingungen selbst, wie BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 28.7, auch präziser formuliert. 6 Wenzel in Brandis/Heuermann, § 28 InvStG Rz. 11.

554 | Kretzschmann/Albrecht

C. Verpflichtung zum Führen eines Anteilsregisters (Abs. 2) | Rz. 26 § 28

titionsverhalten des PE-Fonds bestimmen bzw. einzelne Investitionen regelrecht torpedieren können. Das könnte dann wiederum zu Konflikten mit der BaFin führen, die solche de factoVetorechte von Investoren ablehnt.1

C. Verpflichtung zum Führen eines Anteilsregisters (Abs. 2) I. Anteilsregister Der gesetzliche Vertreter eines Spezial-Investmentfonds (§ 3 InvStG) ist verpflichtet, ein An- 24 teilsregister zu führen und unmittelbar und mittelbar beteiligte Anleger in diesem Anteilsregister zu erfassen. Der Name ist irreführend, denn in diesem Register werden nicht Anteile, sondern Anleger erfasst. Das Anteilsregister dient dem Zweck, dass die FinVerw. ihr Prüfungsrecht nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InvStG wahrnehmen kann.2 Es wird intern geführt und ist nicht öffentlich zugänglich.3

II. Pflichtauslösendes Moment Auslösendes Moment für die Eintragung eines Anlegers in das Anteilsregister ist der Erwerb 25 eines Spezial-Investmentanteils – und zwar der Erwerb durch eine Personengesellschaft, nicht der Erwerb eines anderen Spezial-Investmentanteils durch den Spezial-Investmentfonds, wie es der Wortlaut aber suggeriert.4 Das ist aber nicht die einzige sprachliche Unklarheit: „Eines“ Spezial-Investmentanteils darf natürlich nicht als Erwerb irgendeines Spezial-Investmentanteils,5 sondern muss als Erwerb „des“ Spezial-Investmentanteils oder zumindest als Erwerb „eines Spezial-Investmentanteils des jeweiligen Spezial-Investmentfonds“ gelesen werden. Warum der Gesetzgeber hier eine von § 28 Abs. 1 Satz 1 InvStG (dort: „Erwerb des Spezial-Investmentanteils) abweichende Formulierung gewählt hat,6 leuchtet nicht ein. Zusammengefasst will der Gesetzgeber wohl eigentlich sagen: „Der gesetzliche Vertreter des SpezialInvestmentfonds hat die unmittelbar und mittelbar über eine oder mehrere Personengesellschaften beteiligten Anleger spätestens sechs Monate, nachdem die unmittelbar beteiligte Personengesellschaft den Spezial-Investmentanteil erworben hat, in ein Anteilsregister aufzunehmen.“ Interessanterweise verzichtet § 28 Abs. 2 InvStG auf ein Pendant zu § 28 Abs. 1 Satz 2 InvStG. 26 Folgert man daraus, dass zwischenzeitliche, nach Erwerb eintretende Änderungen im Gesellschafterbestand der Personengesellschaft zwar von dieser nach § 28 Abs. 1 Satz 2 InvStG mitgeteilt, aber vom Spezial-Investmentfonds im Anteilsregister nicht eingetragen werden müssen, kann die Vorschrift ihren Zweck – vollständige Information gegenüber dem Fiskus – endgültig nicht erreichen. Die FinVerw. erklärt § 28 Abs. 2 InvStG auch in Fällen des § 28 Abs. 1

1 Private equity fonds müssen daher in ihren eigenen Anlagebedingungen Sorge dafür tragen, unkooperative Gesellschafter in diesen Fällen zwangsausschließen zu können. 2 BT-Drucks. 18/8045, 97; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 28.5. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 28.5. 4 Die Gesetzesformulierung ist hier gegenüber Abs. 1 im Wesentlichen gleichgeblieben, obwohl sich der Normadressat geändert hat und eine Änderung auch des Wortlauts insoweit angezeigt gewesen wäre. 5 Beispiel: Gesellschafter G ist an Personengesellschaft P und diese wiederum ist am Spezial-Investmentfonds S1 beteiligt. Erwirbt P eine Beteiligung an einem weiteren Spezial-Investmentfonds S2, kann der gesetzliche Vertreter von S1 das (1) nicht wissen und muss es (2) nicht zum Anlass nehmen, G (erneut) einzutragen. 6 Hier hätte die Formulierung im Gegensatz zum in vorgehender Fn. diskutierten Fall gleichbleiben können. Kretzschmann/Albrecht | 555

§ 28 Rz. 26 | Beteiligung von Personengesellschaften Satz 2 InvStG für anwendbar.1 Das ist eine Erweiterung der Pflichten eines Spezial-Investmentfonds über den Gesetzeswortlaut hinaus.2

III. Eintragungsgegenstand 27 Der Spezial-Investmentfonds muss „die [...] beteiligten Anleger“ in das Anteilsregister eintragen.

Fraglich ist damit, welche Informationen genau zu erfassen sind. Die FinVerw. hat sich dahingehend positioniert, dass die Erfassungspflicht bei inländischen Anlegern auch deren Steuernummer sowie eine etwaige Steuerbefreiung umfasst. Zusätzlich soll für einen inländischen Anleger erfasst werden, ob der Anleger mittelbar über eine Personengesellschaft investiert hat, wobei bis zum 31.12.2021 nicht beanstandet wird, wenn nur dessen Name und Anschrift in das Anteilsregister aufgenommen wurden. Darüber hinaus haben aus dem Anteilsregister ab dem 1.1.2019 auch die Besitzzeiten sämtlicher Anleger hervorzugehen.3 Das ist im Hinblick auf das Ziel, das Prüfungsrecht aus § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InvStG zu erleichtern,4 verständlich. Es ist aber im Gesetzeswortlaut nicht angelegt und ist vom Spezial-Investmentfonds auch gar nicht erfüllbar. § 28 Abs. 1 InvStG bereitet in Fällen der Beteiligung von Personengesellschaften gleichsam den Boden für Abs. 2, denn ohne die Verpflichtung der Personengesellschaft nach Abs. 1 könnte der Spezial-Investmentfonds seiner eigenen Verpflichtung aus Abs. 2 nicht nachkommen. Daraus kann man nur schlussfolgern, dass sich der Eintragungsgegenstand nach Abs. 2 an den gem. Abs. 1 anzuzeigenden Informationen bemisst. Verpflichtet die FinVerw. einen Spezial-Investmentfonds dazu, Anlegerdaten einzutragen, die über das hinausgehen, was die Personengesellschaft nach Abs. 1 anzuzeigen verpflichtet ist, verlangt sie nach § 28 InvStG Unmögliches. Der Spezial-Investmentfonds könnte sich einzig damit behelfen, eine entsprechende weitergehende Pflicht der beteiligten Personengesellschaft in ihre Anlagebedingungen aufzunehmen. Dies ist unter Beratungsgesichtspunkten unbedingt zu empfehlen.

28 Ausländische bzw. beschränkt stpfl. Anleger sind „als solche“5 zu kennzeichnen. Der steuer-

liche Status eines Anlegers dürfte sich aber nicht in allen Fällen aus den gem. § 28 Abs. 1 InvStG abzurufenden Informationen ergeben. Es ist z.B. denkbar, dass ein Anleger mit ausländischer Meldeadresse dennoch in Deutschland unbeschränkt stpfl. ist (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 9 AO).

D. Verpflichtende Ausübung des Sonderkündigungsrechts (Abs. 3) I. Pflichtauslösendes Moment 29 Abs. 3 adressiert genau wie Abs. 2 den Spezial-Investmentfonds. Erlangt dieser Kenntnis von

einem Verstoß nach § 26 Nr. 8 InvStG (mehr als 100 Anleger oder unzulässige Beteiligung einer natürlichen Person), muss er unverzüglich sein Sonderkündigungsrecht ausüben, das gem. § 26 Nr. 9 in den Anlagebedingungen enthalten sein muss, oder sonstige Maßnahmen ergreifen, um den Verstoß zu revidieren. Gleiches gilt, wenn sich eine der nach Abs. 1 verpflichteten Personengesellschaften weigert, ihrer Anzeigepflicht nachzukommen (s. Rz. 22). 1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 28.4. 2 Gegen eine entsprechende Anwendung des § 28 Abs. 2 InvStG daher Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 28 InvStG Anm. 10; a.A. Jesch in Moritz/Jesch/Mann2, § 28 InvStG Rz. 43; Klusak/Lange in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 28 InvStG Rz. 14. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 28.6. 4 Nicht: zu ermöglichen. Nicht erst § 28 Abs. 2 InvStG ermöglicht es der FinVerw., Prüfungen anzustellen. Er erleichtert die Prüfungen lediglich. 5 Diese etwas merkwürdige Formulierung wählt das BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 28.6.

556 | Kretzschmann/Albrecht

D. Verpflichtende Ausübung des Sonderkündigungsrechts (Abs. 3) | Rz. 33 § 28

An das Maß der Kenntnis sind ob der Bußgeldbewehrung (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 InvStG) der 30 Norm hohe Anforderungen zu stellen: Ein „Kennen-Können“ reicht nicht aus, es ist vielmehr positive Kenntnis von dem Verstoß gegen § 26 Nr. 8 InvStG erforderlich.1 Ein Spezial-Investmentfonds kann auf die von der Personengesellschaft getätigten Angaben vertrauen, es sei denn, es bestehen konkrete Anhaltspunkte für Falschangaben.2

Auch in Abs. 3 ist an keiner Stelle davon die Rede, dass die Handlungspflicht nur bei Betei- 31 ligungen über Personengesellschaften eintritt. Das wäre auch bemerkenswert, denn es ist nicht ersichtlich, wieso ein Verstoß gegen § 26 Nr. 8 InvStG nur dann bußgeldbewehrt nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 InvStG sein soll, wenn die unzulässige Beteiligung nicht direkt, sondern über eine Personengesellschaft erfolgt.3 Vor diesem Hintergrund ist es aber nicht verständlich, warum der Gesetzgeber die Norm bei § 28 InvStG mit dessen amtlicher Überschrift „Beteiligung von Personengesellschaften“ verortet hat. Natürlich besteht aufgrund der vorzunehmenden Durchschau in diesem Zusammenhang das größte Risiko für einen Verstoß. Auszuschließen ist ein Verstoß gegen § 26 Nr. 8 InvStG aber auch ohne die Beteiligung von Personengesellschaften nicht.

II. Frist Das Sonderkündigungsrecht muss unverzüglich ausgeübt werden, also nach dem hier relevan- 32 ten4 zivilrechtlichen Maßstab des § 121 Abs. 1 BGB ohne schuldhaftes Zögern. Der Zeitpunkt der Ausübung des Rechts ist von dem Zeitpunkt zu trennen, in dem die Rechtsfolgen wirksam werden. Weder § 26 Nr. 9 InvStG noch § 28 Abs. 3 InvStG geben diesbezüglich Fristen vor. Mit Blick auf die klare ratio dieser Normen, Verstöße rasch zu beheben, wird man aber kurze Wirksamkeitsfristen von maximal sechs Monaten fordern müssen.

III. Sonstige Maßnahmen Der Spezial-Investmentfonds ist nicht auf die Ausübung seines Sonderkündigungsrechts be- 33 schränkt, sondern kann alternativ „sonstige Maßnahmen“ ergreifen, um die zulässige Anlegerzahl bzw. -zusammensetzung wiederherzustellen. Weder Gesetzgeber noch FinVerw. präzisieren, was unter sonstigen Maßnahmen im Einzelnen zu verstehen ist.5 Das ist letztlich zu begrüßen, da es dem Spezial-Investmentfonds gewisse Freiheiten bietet in Bezug auf die Art und Weise, in der er die Einhaltung der Anlagebestimmung des § 26 Nr. 8 InvStG sicherstellt. Klar ist, dass die Maßnahme geeignet sein muss, die Anlegerzahl zu verringern bzw. eine natürliche Person auszuschließen. Möglichkeiten wären eine Zwangsübertragung auf einen anderen, zulässigen Anleger, eine zwangsweise Rücknahme des Spezial-Investmentanteils6 oder die Errichtung eines zusätzlichen Teilvermögens i.S.d. § 1 Abs. 4 InvStG, in das der betreffende Anleger aufgenommen wird und das entweder überhaupt nicht als Spezial-Investmentvermögen qualifiziert oder die Anlegerzahl in beiden Teilvermögen auf maximal 100 Anleger begrenzt.

1 So auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 28.8 (wohl auch für beide Formen der Verstöße gegen § 26 Nr. 8 InvStG, nicht lediglich in Bezug auf eine unzulässige Beteiligung natürlicher Personen). 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 28.8. 3 Umso erstaunlicher, dass der Gesetzgeber offensichtlich vom Gegenteil ausgeht: BT-Drucks. 18/8045, 97, wonach lediglich mittelbare Beteiligungen erfasst sein sollen. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 28.7. Das Sonderkündigungsrecht ist zwar steuerrechtlich vorgegeben, behandelt aber die Rechtsbeziehung zweier Zivilrechtssubjekte. 5 Wenzel in Brandis/Heuermann, § 28 InvStG Rz. 21, geht von einer überschaubaren Praxisrelevanz aus. 6 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 28 InvStG Anm. 15; Jesch in Moritz/Jesch/Mann2, § 28 InvStG Rz. 53. Kretzschmann/Albrecht | 557

§ 28 Rz. 34 | Beteiligung von Personengesellschaften

E. (Rechts-)Folgen 34 § 28 InvStG beinhaltet keine eigenen Rechtsfolgen, muss aber zusammen mit § 26 Nr. 8 und 9

InvStG sowie § 55 InvStG gelesen werden. Die FinVerw. geht davon aus, dass ein Verstoß gegen § 28 Abs. 3 InvStG gleichzeitig einen Verstoß gegen § 26 Nr. 9 InvStG darstellt und deshalb die Rechtsfolge des § 52 InvStG auslöst.1 Dem ist zuzugeben, dass ein Verstoß gegen § 28 InvStG jedenfalls nicht direkt zur Auflösungs- und Veräußerungsfiktion des § 52 InvStG führt. Auch im Ergebnis ist der FinVerw. nicht zu widersprechen: Das Regelungssystem aus § 26 Nr. 8 und 9, § 28 Abs. 1 bis 3, § 52 und § 55 InvStG macht deutlich, dass der Gesetzgeber die anlegerbezogenen Beschränkungen für Spezial-Investmentfonds als eines deren zentralen Wesensmerkmale betrachtet. Allerdings erscheint der „Umweg“ über § 26 Nr. 9 InvStG artifiziell, weil § 26 Nr. 9 InvStG eben gerade nichts zur Ausübung des Sonderkündigungsrechts sagt, sondern lediglich dessen Vorhandensein voraussetzt. Ein zwar vorhandenes, aber nicht oder nicht fristgemäß ausgeübtes Sonderkündigungsrecht kann daher keinen Verstoß nach § 26 Nr. 9 InvStG begründen. Unseres Erachtens ist allerdings davon auszugehen, dass ein Verstoß gegen § 26 Nr. 8 InvStG, dem ein weiterer nach § 28 Abs. 3 InvStG folgt, regelmäßig ein wesentlicher Verstoß ist, der – und deshalb ist der FinVerw. insoweit zuzustimmen – die Rechtsfolgen des § 52 InvStG nach sich zieht.

35 Der Verstoß gegen die in § 28 Abs. 1 bis 3 InvStG festgesetzten Pflichten ist, sofern er vorsätz-

lich oder leichtfertig begangen wurde, eine Ordnungswidrigkeit und kann eine Ahndung mit Bußgeldern auslösen (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 bis 5, Abs. 2 InvStG). Die tatsächliche Rechtsdurchsetzung wird hier jedoch auf inländische Verpflichtete beschränkt bleiben.2

36 Die Norm verursacht einen erheblichen administrativen Aufwand. Im Gegensatz zu (z.B.)

dem aus dem GwG3 bekannten Transparenzregister betrifft die Meldung nicht nur sog. wirtschaftlich Berechtigte, sondern sämtliche Gesellschafter. Auch die Vorschriften zum steuerlichen Informationsaustausch (Fatca4 und CRS5) gehen nicht so weit, dass sämtliche Anleger erfasst und mitgeteilt werden. Relevant ist das Anteilsregister für potentiell jede Personengesellschaft (weltweit).

§ 29 Steuerpflicht des Spezial-Investmentfonds (1) Die Vorschriften der §§ 6 und 7 für die Besteuerung von Investmentfonds sind auf Spezial-Investmentfonds anzuwenden, soweit sich aus den nachfolgenden Regelungen keine Abweichungen ergeben. (2) In der Statusbescheinigung nach § 7 Absatz 3 ist der Status als Spezial-Investmentfonds zu bestätigen. (3) 1Bei einer Überschreitung der zulässigen Beteiligungshöhe nach § 26 Nummer 6 sind auf den Spezial- Investmentfonds keine Besteuerungsregelungen anzuwenden, die eine über dieser Grenze liegende Beteiligungshöhe voraussetzen. 2Dies gilt auch, wenn in Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung Abweichendes geregelt ist. (4) Spezial-Investmentfonds sind von der Gewerbesteuer befreit. 1 2 3 4 5

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 28.7. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 55 InvStG Anm. 1. Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten v. 23.6.2017, BGBl. I 2017, 1822. FATCA-USA-Umsetzungsverordnung v. 23.7.2014, BGBl. I 2014, 1222. Finanzkonten-Informationsaustauschgesetz v. 21.12.2015, BGBl. I 2015, 2531.

558 | Kretzschmann/Albrecht und Behrens

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 2 § 29

A. I. II. III. IV. B.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . 1 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . 9 Körperschaftsteuerpflicht von SpezialInvestmentfonds (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . 20 C. Statusbescheinigung (Abs. 2) I. Beantragung der Statusbescheinigung nach § 29 Abs. 2 InvStG . . . . . . . . . . . . . . 31 II. Rechtsfolgen der Bescheinigung als Spezial-Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

III. Rückforderung und Widerruf der Statusbescheinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Schachtelprivilegien (Abs. 3) I. Nichtanwendung von Schachtelprivilegien (Abs. 3 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Nichtanwendung von DBA-Schachtelprivilegien (Abs. 3 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . E. Gewerbesteuerbefreiung von Spezial-Investmentfonds (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . .

38

45 55 58

Literatur: Kral/Watzlaw, Die geplante Reform der Investmentbesteuerung – Praxishinweise und Handlungsbedarf aus Sicht einer Depot führenden Stelle, BB 2015, 2198; Bindl/Mager, Ausgewählte Zweifelsfragen und Lösungsvorschläge zum InvStG n.F., BB 2016, 2711; Böcker, Die neue Fondsbesteuerung im Zuge der Investmentsteuerreform, NWB 2016, 2789; Kammeter, Änderungen durch die geplante Reform der Investmentbesteuerung – vom Referentenentwurf (18.12.2015) bis zum Regierungsentwurf (24.2.2016) des InvStRefG, ISR 2016, 99; Neumann, Investmentsteuerreformgesetz: Ausgewählte Problemfelder, DB 2016, 1779; von Schweinitz/Thiems, Die Umsetzungspflichten für Depotbanken bei Publikumsfonds nach dem Regierungsentwurf des Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung, DStR 2016, 1198; Stadler/Bindl, Das neue InvStG – Überblick und Korrekturbedarf, DStR 2016, 1953; Stöber, Zur verfassungs- und europarechtlichen (Un-)Zulässigkeit von Treaty Overrides, DStR 2016, 1889; Bindl/ Mager, Besteuerung von Dachfonds nach dem InvStG 2018 – Stellungnahme zum Entwurf eines Reparaturgesetzes und Alternativvorschlag, DStR 2017, 465; Bindl/Stadler, Die Immobilientransparenz gem. § 33 Abs. 2 InvStG 2018 bei Dach- und Masterfonds-Strukturen, BB 2017, 1943; Hahne/Völker, Anwendungsfragen des § 36a EStG bei Investmentfonds nach geltendem und künftigem Recht (§ 36a EStG), BB 2017, 858; Haug, Besteuerung von Spezial-Investmentfonds nach dem InvStG 2018 – Aktuelle Einzelfragen und erste Lösungsansätze, Ubg 2017, 303; Ebner, Belastungsvergleiche bei (Spezial-)Investmentfonds, RdF 2018, 132; Behrens/Bielinis, Cum/cum-Geschäfte und Spezial-Investmentfonds, RdF 2020, 105; Bindl/Schober, Investmentsteuererlass-Entwurf zu Spezial-Investmentfonds – Darstellung und kritische Würdigung ausgewählter Aspekte, BB 2020, 599; Stadler/Sotta, Das Entwurf-Schreiben des BMF zu Spezial-Investmentfonds v. 16.12.2019 – Erste Anmerkungen, BB 2020, 279.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck Gemäß § 25 InvStG sind die für Investmentfonds geltenden Vorschriften auf Spezial-Invest- 1 mentfonds i.S.v. Kapitel III nicht anzuwenden, es sei denn, in Kapitel III werden abweichende Bestimmungen getroffen. Eine derartige abweichende Bestimmung enthält § 29 Abs. 1 InvStG, wonach die partielle KSt-Pflicht nach §§ 6 und 7 InvStG auch für Spezial-Investmentfonds gilt, soweit sich aus §§ 30 ff. InvStG keine Abweichungen ergeben. Nach § 29 Abs. 2 InvStG muss die zuständige Behörde i.S.v. § 4 InvStG im Falle eines Spezial- 2 Investmentfonds in der Statusbescheinigung i.S.v. § 7 Abs. 3 InvStG den Status als SpezialInvestmentfonds bestätigen. Aus der Bescheinigung muss ersichtlich sein, ob es sich um einen Investmentfonds oder um einen Spezial-Investmentfonds handelt.1 Nach § 29 Abs. 3 InvStG sind auf den Spezial-Investmentfonds bei einer Überschreitung der zulässigen Beteiligungs1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 29.4; Mann in W/B/A3, § 29 InvStG Rz. 3. Behrens | 559

§ 29 Rz. 2 | Steuerpflicht des Spezial-Investmentfonds höhe nach § 26 Nr. 6 InvStG keine Besteuerungsregelungen anzuwenden, die eine über diese Grenze liegende Beteiligungshöhe voraussetzen, wobei dies auch gilt, wenn in DBA Abweichendes geregelt ist. § 29 Abs. 4 InvStG befreit Spezial-Investmentfonds von der GewSt. 3 § 29 InvStG ist die eigentliche Grundnorm zur Besteuerung von Spezial-Investmentver-

mögen.1 Sie ist Ausdruck des durch das InvStG mit Wirkung ab 1.1.2018 bewirkten Systemwechsels,2 dass Spezial-Investmentfonds nicht mehr generell steuerbefreit sind,3 sondern bestimmte Einkünfte auf Ebene des Spezial-Investmentfonds im Ausgangspunkt der (Körperschafts-)Besteuerung unterliegen.4 Nach der Gesetzesbegründung befriedigt § 29 InvStG i.V.m. mit den Optionen nach §§ 30, 33 InvStG dennoch weiterhin „das berechtigte Interesse der Wirtschaft an einer weiterhin semi-transparent besteuerten Investmentanlage“.5 Trotz „Vorzeichenwechsels“ verstand der Gesetzgeber das neue Besteuerungssystem für Spezial-Investmentfonds zunächst als Beibehaltung der alten Rechtslage des InvStG 2004.6 Die hiermit verbundene Frage, ob eine steuerliche Transparenz des Spezial-Investmentfonds dessen eigentliche Grundstruktur darstellte, konnte Auswirkungen darauf haben, ob ausländische Staaten Spezial-Investmentfonds als abkommensberechtigt qualifizieren würden. Nach hier vertretener Ansicht waren nach der Konzeption des § 29 Abs. 1 i.V.m. § 6 InvStG Spezial-Investmentfonds in ihrer Grundstruktur auch schon vor Inkrafttreten des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften („JStG 2019“) v. 12.12.20197 mit Wirkung ab dem 1.1.2020 (§ 57 Abs. 1 Nr. 2 InvStG) als intransparent zu qualifizieren. Hierauf deutet der Aufbau der §§ 29 ff. InvStG hin, wie auch, dass die Anwendung der Transparenzvorschriften von einem aktiven Tätigwerden des SpezialInvestmentfonds bzw. seiner Vertreter abhängig ist.8 Bis zum 31.12.2019 war § 6 Abs. 2 Satz 1 InvStG dahingehend formuliert, dass Investmentfonds mit ihren inländischen Beteiligungseinnahmen, inländischen Immobilienerträgen und sonstigen inländischen Einkünften der KSt unterlagen. Ab dem 1.1.2020 sind Investmentfonds gem. § 6 Abs. 2 Satz 1 InvStG n.F. vollumfänglich, d.h. mit sämtlichen Einkünften, von der KSt befreit, vorbehaltlich der Rückausnahme in § 6 Abs. 2 Satz 2 InvStG n.F., wonach inländische Beteiligungseinnahmen, inländische Immobilienerträge und sonstige inländische Einkünfte von der Steuerbefreiung ausgenommen sind. Ziel dieser Änderung war es, die Abkommensberechtigung inländischer Investmentfonds sicherzustellen.9

4 Zur Begründung des Paradigmenwechsels zur grundsätzlichen Besteuerung von Spezial-In-

vestmentfonds finden sich in den Gesetzgebungsmaterialien zum InvStRefG Hinweise auf die Beseitigung von „EU-rechtlichen Risiken“ und die Verhinderung von „Steuerumgehungsgestaltungen“.10 Die prinzipielle StPfl. wurde insbes. deshalb eingeführt, um eine Steuerbefreiung von Erträgen ausländischer Anleger auf Grundlage des EU-rechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes zu verhindern.11 Es bleibt bei der generellen Befreiung von Spezial-Investmentfonds von der GewSt, weil die GewSt bei ausländischen Anlegern regelmäßig keine Be-

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 29 InvStG Anm. 1. Haug, Ubg 2017, 303; Kammeter, ISR 2016, 99; a.A. wohl Ebner, RdF 2018, 132 (133). Zur Rechtslage bis Ende 2017 vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG. BT-Drucks. 18/8045, 97: „Dadurch sind auch bei Spezial-Investmentfonds die inländischen Beteiligungseinnahmen, die inländischen Immobilienerträge und die sonstigen inländischen Einkünfte grundsätzlich steuerpflichtig.“ BT-Drucks. 18/8045, 53. BT-Drucks. 18/8045, 54. BGBl. I 2019, 2451. A.A. wohl Ebner, RdF 2018, 132 (133 f.). BT-Drucks. 19/13436, 173; vgl. § 6 InvStG Rz. 21. BT-Drucks. 18/8045, 56. Vgl. Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 18/8045, 97.

560 | Behrens

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 8 § 29

deutung hat.1 Mit den „Steuerumgehungsgestaltungen“ dürfte sich der Gesetzgeber insbes. auf die Erschwerung von Cum-/Cum-Gestaltungen bezogen haben.2

II. Anwendungsbereich § 29 InvStG wurde i.R.d. Art. 1 des InvStRefG3 vom 19.7.2016 verkündet und trat nach Art. 11 5 Abs. 3 InvStRefG am 1.1.2018 in Kraft. § 29 InvStG gilt für alle Spezial-Investmentfonds i.S.v. §§ 25 ff. InvStG und somit sowohl für inländische als auch für ausländische Spezial-Investmentfonds. § 29 InvStG enthält keine eigene Definition des Spezial-Investmentfonds. Es müssen daher die in § 26 InvStG geregelten Voraussetzungen, insbes. die für die Gewerbesteuerbefreiung nach § 15 Abs. 2 und 3 InvStG, erfüllt werden. Zudem darf nicht wesentlich gegen die in § 26 Ziff. 1 bis 10 InvStG genannten Anlagebestimmungen verstoßen werden. § 29 InvStG findet auch dann Anwendung, wenn gegen die Vorgaben des § 26 InvStG verstoßen wird, vorausgesetzt, dieser Verstoß ist nicht i.S.d. § 52 Abs. 1 Satz 1 InvStG wesentlich ist. Aufgrund der Anordnung des § 53 Abs. 3 Satz 1 InvStG ist § 29 InvStG auch auf Altersvorsorgevermögenfonds anwendbar.

III. Rechtsentwicklung Aufgrund des Paradigmenwechsels hat § 29 InvStG kein unmittelbares Äquivalent im InvStG 6 2004. Als Gegenstück kann jedoch § 11 Abs. 1 InvStG 2004 verstanden werden, dessen Satz 2 inländische Sondervermögen, trotz ihrer Qualifikation als Zweckvermögen i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG und mithin als KSt-Subjekt, vollständig von der KSt befreite. Die Einkünfte unterlagen hiernach aufgrund des universellen Transparenzprinzips erst auf Ebene der Anleger der Besteuerung. Die vollständige KSt-Befreiung von Spezial-Investmentfonds kann nach neuem Recht durch Ausübung der Optionen nach §§ 30, 33 InvStG erreicht werden. § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG (i.V.m. § 26 Nr. 6 InvStG) entspricht den Regelungen in § 1 Abs. 1e 7 i.V.m. Abs. 1b Nr. 7 InvStG 2004. § 29 Abs. 3 Satz 2 InvStG hat keine Entsprechung im InvStG 2004. § 29 Abs. 4 InvStG entspricht der Gewerbesteuerbefreiung nach § 11 Abs. 1 Satz 2 und 3 InvStG 2004. Im Referentenentwurf des BMF vom 16.12.2015 waren die Regelungen des § 29 InvStG noch 8 mit geringen inhaltlichen Unterschieden in § 22 InvStG-RefE erfasst. § 29 InvStG in seiner jetzigen Form wurde durch den Regierungsentwurf v. 11.3.20164 ins Gesetzgebungsverfahren

1 Vgl. Klusak/Lange in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 29 InvStG Rz. 1. 2 Näher hierzu Wolny in BeckOK, § 29 InvStG Rz. 10 ff. (Stand: August 2022). Der Gesetzgeber hat ab 2016 spezielle Regelungen eingeführt, die verhindern sollen, dass es (insbes.) ausländischen beschränkt stpfl. Inhabern deutscher Aktien durch Vereinbarungen um den Dividendenstichtag (sog. Cum/cumGeschäfte) mit anrechnungsberechtigten oder steuerbefreiten inländischen Vertragsparteien ermöglicht wird, wirtschaftlich eine Absenkung der Belastung von inländischen Dividenden unter den Standardsatz der DBA von 15 % zu erreichen. Nicht nur das EStG (mit § 36a und § 50j), sondern auch das InvStG (mit § 8 Abs. 4, § 10 Abs. 1 Satz 2 und § 31 Abs. 3) enthält hinsichtlich der KapErtrSt-Anrechnung bzw. der Befreiung von der KapErtrSt beschränkende Sonderregelungen, die die Besonderheiten eines indirekten Investments in deutsche Aktien über einen Investmentfonds berücksichtigen. Seit 1.1.2020 gelten Verschärfungen in § 31 Abs. 3 InvStG n.F., mit denen der Gesetzgeber die Absenkung der KapErtrSt-Belastung auf unter 15 % mittels Cum/cum-Geschäften verhindern will, die nicht unmittelbar mit den vom Spezial-Investmentfonds gehaltenen Aktien getätigt werden, sondern (eine Ebene höher) mit den Spezial-Investmentanteilen; vgl. hierzu Behrens/Bielinis, RdF 2020, 105. 3 BGBl. I 2016, 1730. 4 BR-Drucks. 119/16, 22. Behrens | 561

§ 29 Rz. 8 | Steuerpflicht des Spezial-Investmentfonds eingeführt und fand schließlich unverändert Einzug ins InvStRefG. Nach der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses in BT-Drucks. 20/4729 v. 30.11.2022 zum Entwurf des JStG 2022 wird ab 1.1.2023 für den Fall, dass der Spezial-Investmentfonds Einnahmen aus der Erzeugung oder Lieferung von Strom, die im Zusammenhang mit der Vermietung und Verpachtung von Immobilien stehen und (i) aus dem Betrieb von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien i.S.v. § 3 Nr. 21 EEG oder (ii) aus dem Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge oder Elektrofahrräder stammen, gem. § 26 InvStG-Entwurf nicht mehr vorausgesetzt werden, dass der Spezial-Investmentfonds die Voraussetzungen für die GewSt-Befreiung nach § 15 Abs. 2 und 3 erfüllt (vgl. auch § 26 InvStG Rz. 9). Wenn die bisherige Weniger-als-5 %-Grenze nur durch derartige Einnahmen aus der Erzeugung oder Lieferung von Strom überschritten wird, ist der Spezial-Investmentfonds gewerbesteuerpflichtig, bleibt aber Spezial-Investmentfonds, wenn die Einnahmen aus der aktiven unternehmerischen Bewirtschaftung in einem Geschäftsjahr weniger als 10 % der gesamten Einnahmen des Investmentfonds betragen (allerdings können die Voraussetzungen für eine erweiterte Kürzung bei Grundstücksunternehmen nach § 9 Nr. 1 Satz 3 Buchst. b GewStG einschlägig sein). Deshalb wird der bisher nur auf Investmentfonds anwendbare § 15 InvStG ab 1.1.2023 auch auf Spezial-Investmentfonds anwendbar sein. Als Folgeänderung von § 26 InvStG-Entwurf wird der bisherige Abs. 4 durch Regelungen ersetzt, wonach eine Minderung der KSt des Spezial-Investmentfonds aufgrund der gezahlten GewSt und auch der Werbungskostenabzug vom Spezial-Investmentfonds gezahlter GewSt ausgeschlossen werden. Unabhängig davon wird zur Schließung einer Regelungslücke auch § 11 InvStG und damit das Erstattungsverfahren von KapErtrSt durch die FinBeh. ab 1.1.2023 auf Spezial-Investmentfonds anwendbar sein, was gem. BT-Drucks. 20/4729 (S. 165) insbes. Fälle betrifft, in denen in über § 7 InvStG hinausgehender Höhe KapErtrSt und SolZ einbehalten wurde und der Entrichtungspflichtige keine Erstattung nach § 7 Abs. 5 InvStG vorgenommen hat (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvStG).

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 9 Verhältnis zu §§ 6 und 7 InvStG. § 29 Abs. 1 InvStG erklärt alle Regelungen der §§ 6 und 7

InvStG für auf Spezial-Investmentfonds anwendbar. Mit § 29 Abs. 1 InvStG enthält das Kapitel 3 mithin eine abweichende Bestimmung zu § 25 Halbs. 1 InvStG, wonach die Vorschriften des Kapitels 2 auf Spezial-Investmentfonds (und deren Anleger) nicht anzuwenden sind. Nach § 29 Abs. 1 InvStG sind §§ 6, 7 InvStG im Grundsatz auf Spezial-Investmentfonds anzuwenden.

10 Verhältnis zu §§ 8 bis 14 InvStG. Der Verweis des § 29 Abs. 1 InvStG beschränkt sich auf

§§ 6 und 7 InvStG. Für §§ 8–14 InvStG verbleibt es beim Nichtanwendungsbefehl des § 25 InvStG. Dafür enthalten §§ 30 bis 33 InvStG Möglichkeiten, sachliche Befreiungen von der KSt durch Optionsausübung zu erreichen; diese Befreiungen führen im Ergebnis dazu, dass auf Ebene der Spezial-Investmentfonds keine effektive Besteuerung erfolgt. Durch die Ausübung der Transparenzoption i.S.v. § 30 InvStG bzw. den Steuerabzug i.S.v. § 33 i.V.m. § 50 InvStG kann die Steuerbefreiung steuerbegünstigter Anleger geltend gemacht werden. Wird die Transparenzoption i.S.v. § 30 InvStG bzw. wird der Steuerabzug i.S.v. §§ 33, 50 InvStG nicht ausgeübt bzw. vorgenommen, ist die Besteuerung eines Spezial-Investmentfonds mit steuerbegünstigten Anlegern gegenüber der Besteuerung eines Kapitel II-Investmentfonds mit steuerbegünstigten Anlegern nachteilig.1

11 Verhältnis zu § 16 InvStG. § 16 Abs. 4 InvStG regelt einen sog. treaty override in Bezug auf

Regelungen in deutschen DBA, welche die Einkünfte aus ausländischen Investmentfonds auf Ebene in Deutschland stpfl. Anleger steuerfrei stellen (s. § 16 InvStG Rz. 77 ff.). § 29 Abs. 3 1 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 29 InvStG Anm. 5; Klusak/Lange in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 29 InvStG Rz. 4; Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 29 InvStG Rz. 23.

562 | Behrens

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 19 § 29

InvStG führt demgegenüber für den Fall der Überschreitung der nach § 26 Abs. 6 Satz 1 InvStG zulässigen Beteiligungsquote zur Nichtanwendbarkeit etwaiger Privilegien für Schachtelbeteiligungen auf Ebene des Investmentfonds, wobei § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG im Grundsatz alle Steuerbegünstigungen erfasst, die für Spezial-Investmentfonds Anwendung finden können, einschließlich DBA-Schachtelprivilegien (s. Rz. 55 ff.; § 29 Abs. 3 Satz 2 InvStG ordnet ausdrücklich einen treaty override an). Verhältnis zu § 25 InvStG. § 29 Abs. 1 InvStG stellt eine abweichende Bestimmung i.S.d. § 25 12 Halbs. 2 InvStG dar.1 Mit der Anwendbarkeit der §§ 6 und 7 InvStG verweist § 29 Abs. 1 InvStG auf die wesentlichen Vorschriften über die Besteuerung von Investmentfonds. Verhältnis zu § 26 InvStG. § 29 Abs. 3 InvStG ordnet die Nichtanwendbarkeit von Schachtel- 13 privilegien und anderen Begünstigungen an, die eine Beteiligung von mindestens 10 % an einer KapGes. voraussetzen, wenn die 10 %-Grenze i.S.d. § 26 Nr. 6 Satz 1 InvStG überschritten wird. § 29 Abs. 4 InvStG ist aufgrund von § 26 i.V.m. § 15 Abs. 2 und 3 InvStG weitgehend deklaratorisch.

Verhältnis zu § 30 InvStG. Die Transparenzoption nach § 30 Abs. 1 Satz 1 InvStG stellt eine 14 Abweichung i.S.d. § 29 Abs. 1 Halbs. 2 InvStG dar. § 30 Abs. 2 Nr. 1 InvStG beinhaltet eine § 29 Abs. 3 InvStG vergleichbare Regelung für die Besteuerung auf Anlegerebene. Hinsichtlich der GewSt trifft § 30 InvStG keine Aussagen. Die Gewerbesteuerbefreiung des Spezial-Investmentfonds ergibt sich unabhängig von der Ausübung der Transparenzoption aus § 29 Abs. 4 InvStG. Verhältnis zu § 33 InvStG. Die Möglichkeit des Steuerabzugs nach § 33 Abs. 1 i.V.m. § 50 15 InvStG stellt eine Abweichung i.S.v. § 29 Abs. 1 Halbs. 2 InvStG dar. Verhältnis zu §§ 37 ff. InvStG. Diese Regelungen enthalten die Einkünfteermittlung auf Ebe- 16 ne des Spezial-Investmentfonds, die ausschließlich Bedeutung für die – auf Ebene der Anleger zu versteuernden – ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge (§§ 35, 36 InvStG) hat. Für die Frage, welche Einkünfte auf Ebene des Spezial-Investmentfonds selbst zu versteuern sind, kommt es ausschließlich auf die Regelungen in §§ 6, 7 i.V.m. § 29 Abs. 1 InvStG an.2 Die Regelungen in §§ 37 ff. InvStG sind für die Ermittlung der vom Spezial-Investmentfonds selbst zu versteuernden Einkünfte ohne Bedeutung.3 Für Zwecke der Besteuerung des SpezialInvestmentfonds selbst müssen ein WK-Überhang nach § 6 Abs. 8 InvStG i.V.m. § 10d Abs. 4 EStG und daneben für Zwecke der Anlegerbesteuerung nicht ausgeglichene negative Erträge nach § 41 Abs. 2 i.V.m. § 51 Abs. 1 InvStG gesondert festgestellt werden.4 Verhältnis zu § 52 InvStG. § 52 Abs. 1 Satz 1 InvStG hat u.a. Auswirkungen auf die Frage, ob 17 ein Verstoß gegen § 26 Nr. 6 InvStG aufgrund von § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG zum Wegfall von Schachtelprivilegien führt oder der Spezial-Investmentfonds als aufgelöst gilt. Im Einzelfall kann die Anwendung des § 52 Abs. 1 Satz 1 InvStG dazu führen, dass die Regelungen in § 29 InvStG (§ 29 Abs. 3 InvStG bzgl. der Nichtanwendung von § 8b KStG und § 29 Abs. 4 InvStG bzgl. der Gewerbesteuerbefreiung) konstitutive Wirkung haben. Verhältnis zu § 53 InvStG. Gemäß § 53 Abs. 3 Satz 1 InvStG sind die Regelungen des § 29 18 InvStG auch auf Altersvorsorgevermögensfonds i.S.v. § 53 Abs. 1 InvStG anzuwenden. Verhältnis zu § 55 InvStG. Ordnungswidrig kann auch die Nicht- oder nicht rechtzeitige 19 Rückgabe der besonderen Statusbescheinigung für Spezial-Investmentfonds sein (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InvStG.). 1 So ausdrücklich BT-Drucks. 18/8045, 94. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 29.1 und 37.4. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 29.1; Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 29 InvStG Rz. 24 f. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 29.3. Behrens | 563

§ 29 Rz. 20 | Steuerpflicht des Spezial-Investmentfonds

B. Körperschaftsteuerpflicht von Spezial-Investmentfonds (Abs. 1) 20 Gemäß § 29 Abs. 1 InvStG sind die §§ 6, 7 InvStG auf Spezial-Investmentfonds anwendbar.

Folglich unterliegen die Spezial-Investmentfonds mit inländischen Beteiligungseinnahmen, inländischen Immobilienerträgen und sonstigen inländischen Einkünften im Grundsatz der KSt. Dies gilt allerdings nur vorbehaltlich der Ausübung der Transparenzoption i.S.v. § 30 InvStG bzw. des Steuerabzugs gem. § 33 i.V.m. § 50 InvStG. § 29 Abs. 1 InvStG ist eine abweichende Bestimmung i.S.d. § 25 Halbs. 2 InvStG. § 6 InvStG regelt die KSt-Behandlung allein des Spezial-Investmentfonds. § 7 InvStG enthält die Vorschriften über den KapErtrSt-Abzug auf der Fondseingangsseite. Der Anwendungsbefehl des § 29 Abs. 1 InvStG setzt auf Tatbestandsseite voraus, dass der Fonds als Spezial-Investmentfonds i.S.d. §§ 25 ff. InvStG qualifiziert.

21 Der Verweis des § 29 Abs. 1 InvStG bezieht sich auf alle Absätze der §§ 6, 7 InvStG. Erfasst ist

damit auch § 6 Abs. 1 Satz 1 InvStG, wonach die inländischen Spezial-Investmentfonds Zweckvermögen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 InvStG sind, sodass sie der KSt unterworfen sind. Ausländische Spezial-Investmentvermögen werden nach § 29 Abs. 1 InvStG als Vermögensmassen i.S.d. § 2 Nr. 1 KStG behandelt und sind mithin beschränkt KSt-pflichtig. Nach § 29 Abs. 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 InvStG werden Einkünfte i.S.d. § 6 Abs. 2 InvStG, die dem Steuerabzug unterliegen, mit einer KapErtrSt i.H.v. 15 % belegt. Wird SolZ erhoben, beträgt die Gesamtbelastung aus der Summe von KapErtrSt und SolZ maximal 15 % (§ 7 Abs. 1 Satz 3 InvStG). Gemäß § 7 Abs. 2 InvStG sind die KSt und der entsprechende SolZ durch den Steuerabzug abgegolten.

22 Auf inländische Immobilienerträge i.S.d. § 6 Abs. 4 InvStG und sonstige inländische Einkünfte

i.S.d. § 6 Abs. 5 InvStG fällt grds. KSt i.H.v. 15 % zzgl. SolZ an.

23 Ausweislich des letzten Teilsatzes des § 29 Abs. 1 InvStG gelten diese Grundsätze jedoch nur,

wenn sich aus den § 29 Abs. 1 InvStG nachfolgenden Regelungen keine Abweichungen ergeben bzw. der Investmentfonds von den nachfolgenden Regelungen (§§ 30, 33 InvStG) keinen Gebrauch macht.1 Abweichende Regelungen sehen insbes. §§ 30 bis 33 InvStG vor, die Spezial-Investmentvermögen die Option zur steuerlichen Transparenz bzw. die sog. Erhebungsoption einräumen. Nach der Gesetzesbegründung soll durch §§ 30 bis 33 InvStG eine vollständige Transparenz des Spezial-Investmentfonds „wie bei einer Personengesellschaft“ hergestellt werden.2 Nach hier vertretener Ansicht passt dieser Vergleich nicht, denn die inländischen Beteiligungseinnahmen werden gem. §§ 30 Abs. 1 Satz 2, 33 Abs. 2 Satz 4 InvStG unmittelbar dem Anleger zugerechnet, auch wenn insoweit grds. eine einheitliche und gesonderte Feststellung im Sinne eines für die Veranlagung der Anleger bindenden Grundlagenbescheids gem. § 182 Abs. 1 AO vorgesehen ist.3

24 Die sog. Transparenzoption i.S.v. § 30 Abs. 1 Satz 1 InvStG gilt für inländische Beteiligungs-

einnahmen i.S.d. § 6 Abs. 3 InvStG wie auch für sonstige inländische Einkünfte i.S.d. § 6 Abs. 5 InvStG, die auf Fondseingangsseite einem Steuerabzug unterliegen (§ 30 Abs. 5 InvStG). Die Transparenzoption des § 30 Abs. 1 InvStG steht im Grundsatz jedem Spezial-Investmentfonds zur Verfügung. Die Transparenzoption kann nur einheitlich für alle dem Steuerabzug unterlie1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 29.1. 2 BR-Drucks. 119/16 v. 11.3.2016, 110. Keine vollständige Transparenz gilt allerdings gem. § 30 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 InvStG in Bezug auf die Anwendbarkeit von § 8b KStG und § 3 Nr. 40 EStG, außerdem bei Pensionsfonds i.S.v. § 236 VAG. 3 Zu § 51 InvStG vgl. § 51 InvStG Rz. 13. Nicht gesondert und einheitlich festgestellt wird die Höhe der nach § 50 InvStG einbehaltenen KapErtrSt. Für die Anrechnung beim Anleger bedarf es stets einer Steuerbescheinigung (vgl. BMF-Anwendungsschreiben [konsolidierte Fassung], Rz. 51.10). Einheitlich und gesondert nach § 51 Abs. 1 InvStG festzustellen sind die sog. Zurechnungsbeträge i.S.v. § 35 Abs. 3 InvStG und die sog. Immobilien-Zurechnungsbeträge i.S.v. § 35 Abs. 3a InvStG.

564 | Behrens

B. Körperschaftsteuerpflicht von Spezial-Investmentfonds (Abs. 1) | Rz. 28 § 29

genden inländischen Beteiligungseinnahmen und sonstigen inländischen Einkünfte mit Steuerabzug und nur für alle Anleger einheitlich vorgenommen werden.1 Die ausgeübte Transparenzoption bindet den Spezial-Investmentfonds vom Zeitpunkt ihrer (erstmaligen) Ausübung dauerhaft.2 Die Immobilien-Transparenzoption des § 33 InvStG erfasst inländische Immobilienerträge 25 i.S.d. § 6 Abs. 4 InvStG und solche sonstigen inländischen Einkünfte i.S.d. § 6 Abs. 5 InvStG, die auf Fondseingangsseite keinem Steuerabzug unterliegen (§ 33 Abs. 4 Satz 1 InvStG). Zwischen den (Immobilien-)Transparenzoptionen gem. § 30 InvStG und gem. § 33 InvStG 26 bestehen keine inhaltlichen Überschneidungen, sie stehen in keinem Konkurrenz- bzw. Subsidiaritätsverhältnis. Die Ausübung nur einer der beiden Transparenzoptionen führt nicht dazu, dass der Spezial-Investmentfonds in toto als transparent zu behandeln ist. Optiert der Spezial-Investmentfonds daher auf Grundlage des § 30 InvStG für inländische Beteiligungseinnahmen und sonstige inländische Einkünfte, die auf Fondseingangsseite einem Steuerabzug unterliegen, zur Transparenz, führt dies nicht automatisch dazu, dass dieser Spezial-Investmentfonds auch hinsichtlich der inländischen Immobilienerträge und der sonstigen inländischen Einkünfte ohne Steuerabzug als transparent zu behandeln ist.3 Die Ausübung der Transparenz- und der Immobilien-Transparenzoption hat nicht nur die in 27 §§ 30, 33 InvStG ausdrücklich genannten steuerlichen Folgen. Zudem muss bei der Entscheidung hinsichtlich der Option berücksichtigt werden, dass bei Ausübung der Option den Anlegern die Erträge/Einkünfte/Einnahmen schon im Zeitpunkt der tatsächlichen Vereinnahmung auf Fondseingangsseite zuzurechnen sind. Auf Ebene des Spezial-Investmentfonds stehen die Erträge/Einkünfte/Einnahmen, für die die Option ausgeübt wurde, nicht zur Verrechnung mit solchen Verlusten zur Verfügung, die steuerlich auf Fondsebene anfallen. Diese faktischen Wahlrechte des Spezial-Investmentfonds schaffen zwar eine zusätzliche Kom- 28 plexität, die jedoch nach Einschätzung des Gesetzgebers aufgrund der begrenzten Anlegerzahl gem. § 26 Nr. 8 Satz 1 InvStG administrativ noch bewältigt werden kann.4 Das Erfordernis dieser Wahlrechte folgt aus den primär- und sekundärrechtlichen Gleichbehandlungsgeboten, weil durch sie eine Gleichbehandlung von inländischen und ausländischen Spezial-Investmentfonds ermöglicht wird.5 Dabei ist nach in der Literatur geäußerter Auffassung zu beachten, dass ausländische Spezial-Investmentfonds nicht zu einer KapErtrSt-Erhebung zugunsten des deutschen Staates verpflichtet werden können, sondern eine Erhebung nur auf freiwilliger Basis möglich ist. Die ausländischen Spezial-Investmentfonds sollen durch die Gewährung steuerlicher Vorteile zur freiwilligen Erhebung von KapErtrSt animiert werden.6

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.5 und 30.6; vgl. § 30 InvStG Rz. 17. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.13; vgl. § 30 InvStG Rz. 18. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.7; vgl. Wolny in BeckOK, § 29 InvStG Rz. 24 (Stand: August 2022). 4 BT-Drucks. 18/8045, 1 f. 5 BT-Drucks. 18/8045, 97. 6 Mann in W/B/A3, § 29 InvStG Rz. 2. Allerdings gibt es die Fallkonstellation, in der die inländische FinVerw. verlangt, dass Steuerausländer die inländische Abzugsteuer, KapErtrSt oder sonstige inländische Quellensteuer an ein inländisches FA abführen (z.B. zu § 50a Abs. 5 Satz 2 EStG, vgl. BMF v. 25.11.2010 – IV C 3 - S 2303/09/10002, BStBl. I 2010, 1350: „Die Abzugsverpflichtung besteht unabhängig davon, ob der Vergütungsschuldner im Inland seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt, seine Geschäftsleitung, seinen Sitz oder einen ständigen Vertreter hat.“). Vgl. auch BFH v. 22.8.2007 – I R 46/02, BStBl. II 2008, 190: „Ein im Ausland ansässiger Vergütungsschuldner kann zum Steuerabzug gem. § 50a Abs. 5 Satz 2 EStG 1990 i.d.F. des JStG 1996 verpflichtet sein.“ Weiteres Beispiel für die Indienstnahme von Personen, die keine beschränkt oder unbeschränkt StPfl. sind, für Zwecke des inländischen Steuerabzugs ist die Lohnsteuerabzugsverpflichtung des ausländischen Verleihers gem. § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Behrens | 565

§ 29 Rz. 29 | Steuerpflicht des Spezial-Investmentfonds 29 Sollte der Spezial-Investmentfonds nicht von der Transparenzoption des § 30 Abs. 1 Satz 1

InvStG Gebrauch machen und gem. § 33 Abs. 1 i.V.m. § 50 InvStG keine KapErtrSt auf ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche inländische Immobilienerträge erheben, unterliegt der Spezial-Investmentfonds mit den betreffenden Einkünften i.S.v. § 6 Abs. 2 bis 5 InvStG der KSt, ohne dass er von den Begünstigungsvorschriften der §§ 8 bis 14 InvStG Gebrauch machen kann. §§ 8 bis 14 InvStG sind von dem Verweis in § 29 Abs. 1 InvStG nicht umfasst. Steuerbefreiungen aufgrund steuerbegünstigter Anleger nach §§ 8 bis 10 InvStG können Spezial-Investmentfonds aufgrund des fehlenden Verweises in § 29 Abs. 1 InvStG also nicht beantragen, weshalb die Ausübung der Transparenz- und der Immobilien-Transparenzoption für steuerbegünstigte Anleger Voraussetzung dafür ist, dass sie nicht mit KSt belastet werden, d.h., dass sie durch die Fondsanlage nicht schlechter gestellt werden als im Fall des Direktinvestments. Für andere Anleger kann die Ausübung der Transparenzoption jedoch (z.B. wegen Wegfalls der Deckelung des KESt-Abzugs auf 15 % nach § 7 Abs. 1 Satz 3 InvStG) nachteilig sein.1

30 Nutzt der Spezial-Investmentfonds keine der Befreiungsmöglichkeiten i.S.v. §§ 30, 33 InvStG,

richtet sich die Einkünfteermittlung des Spezial-Investmentfonds nach § 6 Abs. 7 InvStG. §§ 37 ff. InvStG finden keine Anwendung auf die Besteuerung des Spezial-Investmentfonds selbst. §§ 37 ff. InvStG beziehen sich ausschließlich auf die Besteuerung auf der Anlegerebene.2 Übersteigen bei der Besteuerung auf Fondsebene die Ausgaben des Fonds seine Einnahmen, sind die Verluste nach § 6 Abs. 8 InvStG i.V.m. § 10d Abs. 4 EStG und § 8 Abs. 1 KStG gesondert festzustellen. Nur hinsichtlich der Besteuerung der Anleger ist eine Feststellung der nicht ausgeglichenen negativen Erträge nach § 41 Abs. 2 i.V.m. § 51 Abs. 1 InvStG erforderlich.3

C. Statusbescheinigung (Abs. 2) I. Beantragung der Statusbescheinigung nach § 29 Abs. 2 InvStG 31 In der Statusbescheinigung nach § 29 Abs. 2 InvStG i.V.m. § 7 Abs. 3 InvStG wird dem Spezi-

al-Investmentfonds vom zuständigen FA explizit der Status als Spezial-Investmentfonds bescheinigt Nach hier vertretener Auffassung sind aufgrund des Wortlauts des § 29 Abs. 2 InvStG wie auch des Verweises gem. § 29 Abs. 1 InvStG diesbezüglich die Regelungen in § 7 InvStG anwendbar.4 Die Erteilung der Statusbescheinigung erfolgt auf Antrag nach amtlichem Muster.5 Um die Prüfung der Erteilungsvoraussetzungen durch die FinVerw. vor Ausstellung der Bescheinigung zu ermöglichen, sollen die Fonds laut der Gesetzesbegründung wie auch den amtlichen Mustern dem Antrag auf Erteilung der Statusbescheinigung ihre Anlagebedingungen und ein Anteilsregister beifügen, in dem die Anleger verzeichnet sind.6 Das zuständige FA ist im Regelfall hierdurch aber auf eine summarische Prüfung beschränkt, weil insbes. die einzelnen Voraussetzungen des § 26 InvStG nicht auf ihre Einhaltung in der Praxis hin untersucht werden (können). Den zuständigen FÄ steht es aber offen, auf Grundlage der allgemeinen Mitwirkungspflichten gem. § 90 AO weitere Informationen vom den Antrag auf Erteilung einer Statusbescheinigung stellenden Investmentfonds zu fordern.7 1 2 3 4 5

Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 29 InvStG Anm. 4 (Stand: Juni 2020). BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 29.2. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 29.3. Vgl. auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 29.4. InvSt 8 – Fragebogen zur steuerlichen Erfassung eines Investmentfonds/Antrag auf Ausstellung einer Statusbescheinigung nach § 7 Abs. 3 InvStG – Formular-ID 034265. 6 Ermöglichung der Prüfung der Voraussetzungen des § 26 Nr. 8 InvStG, BT-Drucks. 18/8045, 98. 7 Klusak/Lange in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 29 InvStG Rz. 7.

566 | Behrens

C. Statusbescheinigung (Abs. 2) | Rz. 35 § 29

Welche FinBeh. für die Erteilung der Statusbescheinigung zuständig ist, richtet sich nach § 4 32 InvStG. Die Statusbescheinigung wird nicht dadurch unwirksam, dass sich die Zuständigkeit des FA nach Erteilung der Statusbescheinigung ändert oder die Bezeichnung des Investmentfonds geändert wird.1 Die Statusbescheinigung ist in ihrer Rechtsqualität ein sonstiger Verwaltungsakt i.S.d. § 130 33 AO und mithin kein Steuerbescheid oder Freistellungsbescheid i.S.d. § 155 AO.2 Die Gültigkeit der Statusbescheinigung ist gem. § 7 Abs. 4 Satz 2 InvStG auf drei Jahre beschränkt. Die Statusbescheinigung kann gem. § 7 Abs. 4 Satz 3 InvStG mit rückwirkender Gültigkeit von bis zu sechs Monaten vor dem Zeitpunkt der Antragsstellung erteilt werden.3 Die Rückwirkung bedarf jedoch der gesonderten Beantragung. Soweit keine Rückwirkung beantragt wurde, entfaltet die Bescheinigung Wirkung ab dem Zeitpunkt ihrer Ausstellung.4 Die Nichtbescheinigung des Status als Spezial-Investmentfonds führt daher nicht zwingend 34 dazu, dass der Spezial-Investmentfonds nicht als solcher behandelt werden kann. Die Statusbescheinigung hat insoweit lediglich deklaratorischen Charakter.5 Bis einschließlich 30.6.2018 durften Finanzinformationsdienstleister und Entrichtungspflichtige auf eine Eigenerklärung des Spezial-Investmentfonds vertrauen, dass die Voraussetzungen von § 26 InvStG erfüllt sind.6 Die FinVerw. beanstandet es nicht, wenn ein Spezial-Investmentfonds seine Anlagebedingungen erst bis zum 30.6.2018 an die Vorgaben von § 26 InvStG angepasst hat, vorausgesetzt, der Spezial-Investmentfonds hielt die Anlagebestimmungen tatsächlich ein.7

II. Rechtsfolgen der Bescheinigung als Spezial-Investmentfonds Die konkreten Rechtsfolgen der Bescheinigung des Status als Spezial-Investmentfonds nach 35 § 29 Abs. 2 InvStG hängen maßgeblich davon ab, ob der Spezial-Investmentfonds gegenüber dem Entrichtungspflichtigen von der Transparenzoption nach § 30 Abs. 1 Satz 1 InvStG Gebrauch gemacht hat. Ein Spezial-Investmentfonds kann dadurch, dass er gegenüber dem Entrichtungspflichtigen unwiderruflich erklärt, dass den Anlegern des Spezial-Investmentfonds Steuerbescheinigungen gem. § 45a Abs. 2 EStG ausgestellt werden sollen, die sog. Transparenzoption ausüben. Bevor bzw. wenn der Spezial-Investmentfonds durch seinen gesetzlichen Vertreter gegenüber dem Entrichtungspflichtigen der KapErtrSt erklärt, dass seinen Anlegern Steuerbescheinigungen (§ 45a Abs. 2 EStG) ausgestellt werden sollen, muss der Status als Spezial-Investmentfonds m.E. durch Vorlage der Bescheinigung i.S.v. § 29 Abs. 2 InvStG nachgewiesen sein.8 Durch die unwiderruflich abgegebene Erklärung, dass den Anlegern der Spezial-Investmentfonds Steuerbescheinigungen (§ 45a Abs. 2 EStG) ausgestellt werden sollen, entfällt gem. § 30 Abs. 1 Satz 1 InvStG die KSt-Pflicht für die dem KapErtrSt-Abzug unterliegenden inländischen Beteiligungseinnahmen auf Fondsebene. Gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.18 und 7.21; Boxberger in W/B/A3, § 7 InvStG Rz. 23. 2 Schlund in BeckOK, § 7 InvStG Rz. 71. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.19, wonach der Zeitpunkt der Antragsstellung der Zeitpunkt des Eingangs des Antrags auf Ausstellung einer Statusbescheinigung bei der zuständigen FinBeh. ist. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 7.20. 5 Wolny in BeckOK, § 29 InvStG Rz. 38 (Stand: August 2022). 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.46 (sog. Selbstdeklaration als Spezial-Investmentfonds). 7 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 70. 8 Im BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.3, wird allerdings darauf hingewiesen, dass für die Ausübung der Transparenzoption keine besondere Form vorgesehen ist, zum Nachweis die Erklärung jedoch schriftlich oder elektronisch erfolgen sollte. Behrens | 567

§ 29 Rz. 35 | Steuerpflicht des Spezial-Investmentfonds InvStG gelten die Anleger in diesem Fall als Gläubiger der inländischen Beteiligungseinnahmen und als Schuldner der KapErtrSt, d.h., die Regelungen des EStG zum Steuerabzug von Kapitalerträgen werden in der Weise angewendet, als ob dem jeweiligen Anleger die inländischen Beteiligungseinnahmen unmittelbar selbst zugeflossen wären.1 Im Falle anrechnungsberechtigter oder steuerbefreiter Spezial-Investmentfonds-Anleger ist dadurch die Absenkung der KapErtrSt auf unter 15 % oder auf null erreichbar. Nach Auffassung der FinVerw. gilt die Zurechnung der inländischen Beteiligungseinnahmen unmittelbar zu den Spezial-Investmentfonds-Anlegern beginnend mit der (erstmaligen) Ausübung der Transparenzoption zeitlich unbeschränkt für sämtliche Geschäftsjahre des Spezial-Investmentfonds und unabhängig von einem (späteren) Anlegerwechsel einheitlich für alle dem Steuerabzug unterliegenden inländischen Beteiligungseinnahmen und dem Steuerabzug unterliegenden sonstigen inländischen Einkünfte.2 Bei ausländischen Anlegern unterliegen die gem. § 31 Abs. 1 Satz 1 InvStG direkt zugerechneten inländischen Beteiligungseinnahmen der beschränkten StPfl. nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 oder 5 EStG, ggf. i.V.m. § 2 Nr. 1 oder Nr. 2 KStG.3 36 Bei Nichtausübung der Transparenzoption des § 30 Abs. 1 Satz 1 InvStG wird der besondere

KapErtrSt-Satz von 15 % einschließlich SolZ sowie die sachliche Beschränkung des KapErtrSt-Abzugs auf Einkünfte i.S.v. § 6 Abs. 2 InvStG – d.h. auf inländische Beteiligungseinnahmen i.S.v. § 6 Abs. 3, inländische Immobilienerträge i.S.v. § 6 Abs. 4 und sonstige inländische Einkünfte i.S.v. § 6 Abs. 5 InvStG – nach § 7 Abs. 3 Satz 1 InvStG nur gewährt, wenn der Spezial-Investmentfonds dem Entrichtungspflichtigen eine Bescheinigung über seinen Status als Spezial-Investmentfonds vorlegt. Wird die Statusbescheinigung eines Kapitel III-Fonds nicht vorgelegt, beträgt der KapErtrSt-Satz 25 % zzgl. SolZ (d.h. 26,375 %) und der KapErtrSt-Abzug wird auf sämtliche Kapitalerträge, insbes. auch auf Zinsen, nach Maßgabe der §§ 43 ff. EStG vorgenommen.4 Bei Nichtausübung der Transparenzoption hat die Statusbescheinigung mithin die gleiche Wirkung wie bei Kapitel II-Fonds. Bei nachträglicher Vorlage der Statusbescheinigung hat der Spezial-Investmentfonds insoweit einen Anspruch auf Erstattung von KapErtrSt, als der Steuerabzug auf nicht von § 7 Abs. 1 InvStG umfasste Tatbestände vorgenommen wurde oder den hiernach anzuwendenden Steuersatz übersteigt.5 Wenn ein unbeschränkt stpfl. (Spezial-)Investmentfonds innerhalb von 18 Monaten nach Zufluss eines Kapitalertrags eine Statusbescheinigung vorlegt, hat der Entrichtungspflichtige dem (Spezial-)Investmentfonds gem. § 7 Abs. 5 Satz 1 InvStG die KapErtrSt zu erstatten, die den nach § 7 Abs. 1 InvStG vorzunehmenden Steuerabzug übersteigt. Beschränkt stpfl. (Spezial-)Investmentfonds können bei nachträglicher Vorlage der Statusbescheinigung eine Erstattung von einbehaltener KapErtrSt seit dem 9.6.2021 nur noch beim BZSt beantragen.6 Das Betriebsstätten-FA des Entrichtungspflichtigen erstattet gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 InvStG auf Antrag des Spezial-Investmentfonds die auf Rechnung des Spezial-Investmentfonds einbehaltene KapErtrSt, wenn (Nr. 1) auf nicht nach § 6 Abs. 2 InvStG stpfl. Kapital1 Der Steuerabzug ist gem. § 31 Abs. 1 Satz 1 InvStG unter Berücksichtigung des Status des jeweiligen Anlegers vorzunehmen; vgl. BMF v. 15.12.2017 – IV C 1 - S 2401/08/10001:018, BStBl. I 2018, 13 Rz. 12, betr. KapErtrSt und Ausstellung von Steuerbescheinigungen für Kapitalerträge nach § 45a Abs. 2 und 3 EStG. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.4 und 30.6; zuvor BMF-Verbändeschreiben v. 21.12.2017, DStR 2018, 194; kritisch zur Verwaltungsansicht z.B. Bindl/Schober, BB 2020, 599 (604); a.A. als die Verwaltungsansicht Behrens, RdF 2017, 298. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.16 und 30.17. 4 Kral/Watzlaw, BB 2015, 2198. 5 Kral/Watzlaw, BB 2015, 2198. 6 Nach Inkrafttreten des AbzStEntModG v. 2.6.2021 (BGBl. I 2021, 1259) können beschränkt stpfl. Investmentfonds bei nachträglicher Vorlage der Statusbescheinigung eine Erstattung nicht mehr von dem Entrichtungspflichtigen, sondern nur noch vom Betriebsstätten-FA des Entrichtungspflichtigen erhalten; anders noch § 7 Abs. 5 InvStG in der vor Inkrafttreten des AbzStEntModG geltenden AltFassung.

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C. Statusbescheinigung (Abs. 2) | Rz. 41 § 29

erträge KapErtrSt und SolZ einbehalten und abgeführt wurden und der Entrichtungspflichtige keine Erstattung vorgenommen hat, sowie (Nr. 2) in über § 7 InvStG hinausgehender Höhe KapErtrSt und SolZ einbehalten und abgeführt wurden und der Entrichtungspflichtige keine Erstattung vorgenommen hat und u.a. eine Statusbescheinigung vorgelegt wird. Im Falle der Ausübung der Transparenzoption beschränkt sich die Wirkung der Status- 37 bescheinigung gegenüber dem Entrichtungsverpflichteten auf den Nachweis, dass der SpezialInvestmentfonds zur Ausübung der Transparenzoption berechtigt ist.1 Für den Entrichtungspflichtigen hat dies zur Folge, dass er gem. § 31 Abs. 1 Satz 1 InvStG den Steuerabzug nunmehr unmittelbar für den Anleger vorzunehmen hat.2 Die Anleger des Spezial-Investmentfonds gelten gem. § 30 Abs. 1 Satz 2 InvStG als Gläubiger der inländischen Beteiligungseinnahmen und als Schuldner der KapErtrSt.

III. Rückforderung und Widerruf der Statusbescheinigung Die zuständige FinBeh. kann nach dem Wortlaut von § 29 Abs. 2 i.V.m. § 7 Abs. 4 Satz 4 38 InvStG die Statusbescheinigung jederzeit zurückfordern. Der Regelungsgehalt des § 7 Abs. 4 Satz 4 InvStG dürfte sich auf die Begründung eines Anspruchs auf Rückgabe der physischen Bescheinigung beschränken. Die Entscheidung, ob die Bescheinigung zurückgefordert wird, liegt, wie der Wortlaut des § 7 Abs. 4 Satz 4 InvStG erkennen lässt („kann“), im Ermessen der zuständigen FinBeh. Die Gesetzesbegründung führt insoweit aus, dass die Rückforderung „bei Bedarf“ erfolgen kann.3 Die zuständige FinBeh. hat § 5 AO zu beachten, wonach sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten hat. Die FinBeh. hat ihre Ermessenserwägungen auch zum Zweck der Gewährung rechtlichen Gehörs darzulegen (vgl. § 102 Satz 2 FGO). Die Rechtswirkung der Statusbescheinigung – als Verwaltungsakt – wird im Regelfall durch 39 Widerruf i.S.d. § 131 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 AO beseitigt. Laut BMF sollen die Statusbescheinigungen im Grundsatz unter Widerrufsvorbehalt nach § 120 Abs. 2 Nr. 3 AO ergehen.4 Trotz des Widerrufsvorbehalts erfordert die Ausübung des Widerrufs eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung des FA.5 Die FinVerw. kann mithin, entgegen dem missverständlichen Wortlaut des § 7 Abs. 4 Satz 4 40 InvStG, die Bescheinigung nur in begründeten Fällen zurückfordern bzw. widerrufen. Sie hat die Statusbescheinigung zurückzufordern (Ermessensreduktion auf null), wenn eine andere FinBeh. z.B. nach Zuständigkeitswechsel eine weitere Statusbescheinigung ausgestellt hat. Begründet kann die Rückforderung einer Statusbescheinigung als Spezial-Investmentfonds zudem sein, wenn der Investmentfonds nicht (mehr) die Voraussetzungen der §§ 26 bis 28 InvStG erfüllt. Bei Verstößen gegen § 26 InvStG ist die Bescheinigung erst dann zurückzufordern und zu widerrufen, wenn der Verstoß wesentlich war und die Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 Satz 1 InvStG erfüllt sind.6 Gilt der Spezial-Investmentfonds nach § 52 Abs. 1 Satz 1 InvStG als aufgelöst, ist m.E. die 41 Statusbescheinigung zurückzufordern und dem fiktiv neu aufgelegten Kapitel-2-Investment-

1 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 29 InvStG Anm. 9 (Stand: Juni 2020); Klusak/Lange in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 29 InvStG Rz. 6; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 29 InvStG Rz. 13 (Stand: Mai 2020). 2 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 29 InvStG Anm. 9 (Stand: Juni 2020). 3 BT-Drucks. 18/8045, 76. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 29.4 i.V.m. Rz. 7.19. 5 Loose in Tipke/Kruse, § 131 AO Rz. 15 (Stand: Juni 2020). 6 Klusak/Lange in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 29 InvStG Rz. 8. Behrens | 569

§ 29 Rz. 41 | Steuerpflicht des Spezial-Investmentfonds fonds auf Antrag eine „eigene“, d.h. eine neue Statusbescheinigung i.S.v. § 7 Abs. 3 und 4 InvStG auszustellen. 42 Der Spezial-Investmentfonds hat die Statusbescheinigung unverzüglich nach § 7 Abs. 4 Satz 5

InvStG zurückzugeben, wenn die zuständige FinBeh. diese zurückfordert oder der Spezial-Investmentfonds erkennt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Statusbescheinigung weggefallen sind. „Unverzüglich“ ist im zivilrechtlichen Sinn1 zu verstehen und bedeutet somit nach der Legaldefinition des § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB, dass die Rückgabe ohne schuldhaftes Zögern zu erfolgen hat. Dies richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.2

43 Die Rückgabepflicht ist durch den gesetzlichen Vertreter des Investmentfonds i.S.v. § 3 Abs. 2

bis 4 InvStG zu erfüllen. Die vorsätzliche oder leichtfertige Nichtrückgabe bzw. die verspätete Rückgabe stellt gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InvStG eine Ordnungswidrigkeit dar und kann gem. § 55 Abs. 2 InvStG zu einer Geldbuße von bis zu 10.000 € führen.

44 Der Vorwurf der Leichtfertigkeit richtet sich m.E. nur auf die Erfüllung der Rückgabever-

pflichtung, nicht aber auf die Verkennung, dass die Voraussetzungen des Status als SpezialInvestmentfonds nicht mehr vorliegen. Die Geldbuße kann nach § 30 Abs. 1 OWiG auch gegen die handelnden Beteiligten des gesetzlichen Vertreters angeordnet werden.

D. Schachtelprivilegien (Abs. 3) I. Nichtanwendung von Schachtelprivilegien (Abs. 3 Satz 1) 45 Überschreitet ein Spezial-Investmentfonds die zulässige Beteiligungshöhe nach § 26 Nr. 6

InvStG, finden für ihn gem. § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG solche Besteuerungsregelungen keine Anwendung, die eine über dieser Grenze liegende Beteiligungshöhe voraussetzen. Gemäß § 26 Nr. 6 Satz 1 InvStG darf ein Spezial-Investmentfonds unmittelbar oder mittelbar über eine Personengesellschaft nur zu weniger als 10 % am Kapital einer KapGes. beteiligt sein. SpezialInvestmentfonds sind mithin auf das Halten von Streubesitzbeteiligungen beschränkt.3 Dies gilt allerdings nicht für die in § 26 Nr. 6 Satz 2 InvStG genannten Fälle4 und auch nicht für Beteiligungen an anderen unter § 26 Nr. 4 Buchst. h oder i InvStG fallenden Investmentfonds, die die Rechtsform einer KapGes. haben.5 In den Fällen von § 26 Nr. 6 Satz 2 InvStG ist eine Kapitalbeteiligung des Spezial-Investmentfonds von 10 % und mehr zulässig und sind auch die sich daraus ergebenden Besteuerungsvorteile möglich.6 Die Begrenzung der zulässigen Beteiligungshöhe auf unter 10 % gem. § 26 Nr. 6 Satz 1 InvStG gilt auch nicht für Beteiligungen an KapGes., die Bewirtschaftungsgegenstände i.S.v. § 231 Abs. 3 KAGB darstellen.7 Weil (Spezial-)Investmentfonds gem. § 6 Abs. 1 InvStG als Zweckvermögen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 KStG bzw. als Vermögensmassen nach § 2 Nr. 1 KStG gelten, sind Anteile eines Spezial-Investmentfonds an anderen unter § 26 Nr. 4 Buchst. h oder i InvStG fallenden (Spezial-)Investment-

1 Klusak/Lange in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 29 InvStG Rz. 8; Mann in W/B/A3, § 29 InvStG Rz. 4; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 29 InvStG Rz. 9 (Stand: Juni 2020). 2 Bspw. Armbrüster in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2018, § 121 Rz. 7; Singer in Staudinger, BGB, 2017, § 121 Rz. 8. 3 BT-Drucks. 18/8045, 98; vgl. § 26 InvStG Rz. 108 f. 4 D.h. für die Beteiligungen eines Spezial-Investmentfonds an Immobilien-Gesellschaften, ÖPP-Projektgesellschaften und Gesellschaften, deren Unternehmensgegenstand auf die Erzeugung erneuerbarer Energien nach § 5 Nr. 14 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes gerichtet ist. 5 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 29 InvStG Anm. 14 (Stand: Juni 2020); vgl. § 26 InvStG Rz. 111. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 29.5. 7 Z.B. die Beteiligung an der Komplementär-GmbH einer Immobilien-Gesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG; vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.37.

570 | Behrens

D. Schachtelprivilegien (Abs. 3) | Rz. 50 § 29

fonds von § 26 Nr. 6 Satz 1 InvStG nicht erfasst, sodass Spezial-Investmentfonds auch mehr als 10 % der Anteile an anderen (Spezial-)Investmentfonds in der Rechtsform einer KapGes. (z.B. Investment-AG) erwerben dürfen.1 Die Regelung des § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG ist darin begründet, dass bei einer unwesentlichen 46 Überschreitung (§ 52 Abs. 1 Satz 1 InvStG) der nach § 26 Nr. 6 Satz 1 InvStG zulässigen Beteiligungshöhe der Spezial-Investmentfonds von den Schachtelprivilegierungen wie auch der Steuerbefreiung für Spezial-Investmentfonds profitieren könnte.2 Nach Auffassung des BMF stellt ein Verstoß gegen die Höchstbeteiligungsquote des § 26 Nr. 6 InvStG grds. keinen wesentlichen Verstoß gegen die Anlagebestimmungen dar.3 Nach dem Wortlaut von Halb. 2 von Rz. 26.39 des BMF-InvStG-Anwendungsschreibens sind dem Spezial-Investmentfonds bzw. seinen Anlegern vielmehr etwaige steuerliche Vorteile, die sich aus der Überschreitung ergeben könnten, zu versagen. Gemäß § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG werden alle Besteuerungsvorteile ausgeschlossen, die sich aus einer Schachtelbeteiligung ergeben könnten.4 Der Gesetzgeber will verhindern, dass der Spezial-Investmentfonds aus dem Überschreiten der zulässigen Beteiligungshöhe für ihn günstige Besteuerungsfolgen ableiten kann. Der Verstoß gegen § 26 Nr. 6 InvStG muss nicht schuldhaft erfolgen. Subjektive Elemente sind 47 für Zwecke des § 29 Abs. 3 InvStG irrelevant. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG, der lediglich ein Überschreiten, nicht aber einen (schuldhaften) Verstoß fordert.5 Subjektive Elemente könnten allenfalls bei der Bestimmung der Wesentlichkeit des Verstoßes gegen § 26 Nr. 1 InvStG im Rahmen des § 52 Abs. 1 Satz 1 InvStG erheblich werden. Aufgrund der Folgen eines wesentlichen Verstoßes gibt dieses Normverhältnis auch die Prüfungsreihenfolge vor. Liegt ein wesentlicher Verstoß vor, führt dieser zur Auflösung des Spezial-Investmentfonds. Damit ist auch die Vorschrift des § 29 Abs. 3 InvStG unanwendbar. § 52 Abs. 1 InvStG ist mithin gegenüber § 29 Abs. 3 InvStG vorrangig zu prüfen. Auf der Rechtsfolgenseite ordnet § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG an, dass Besteuerungsregeln, die 48 eine Beteiligungshöhe von mindestens 10 % am Kapital einer KapGes. voraussetzen, nicht anzuwenden sind. § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG führt damit zur Nichtanwendbarkeit etwaiger Privilegien für Schachtelbeteiligungen. Die Einkünfte aus den Schachtelbeteiligungen sind daher entgegen den Befreiungsvorschriften der anderen Steuergesetze stpfl. § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG erfasst im Grundsatz alle Steuerbegünstigungen, die für Spezial-Investmentfonds Anwendung finden können. § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG erfasst insbes. auch § 8b Abs. 4 KStG, dessen Nichtanwendbarkeit 49 auf Ebene des Spezial-Investmentfonds sich jedoch schon aus § 29 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 6 InvStG ergibt. Der Regelungsgehalt von § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG dürfte sich insoweit in einer Klarstellung erschöpfen.6 § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG bezieht sich zudem auf Steuerbefreiungen, die auf der Mutter-Toch- 50 ter-Richtlinie7 beruhen. Mit dem Ausschluss von § 8b KStG ist schon die Umsetzung der Mutter-Tochter-Richtlinie für im Inland ansässige Anteilsinhaber erfasst. Für im Ausland ansässi-

1 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 26 InvStG Anm. 50 (Stand: Juni 2020); Gottschling in Moritz/ Jesch/Mann2, § 26 InvStG Rz. 250; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 26 InvStG Rz. 47. 2 Klusak/Lange in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 29 InvStG Rz. 10. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 26.39. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 29.5. 5 Klusak/Lange in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 29 InvStG Rz. 11; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 29 InvStG Anm. 14 (Stand: Juni 2020); Mann in W/B/A3, § 29 InvStG Rz. 5. 6 So auch Wolny in BeckOK, § 29 InvStG Rz. 45 (Stand: August 2022); in diese Richtung auch Klusak/ Lange in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 29 InvStG Rz. 11. 7 RL 2011/96/EU v. 29.12.2011, ABl. EU Nr. L 345, 8, zuletzt geändert durch RL 2015/121 v. 27.1.2015, ABl. EU Nr. L 21, 1. Behrens | 571

§ 29 Rz. 50 | Steuerpflicht des Spezial-Investmentfonds ge Spezial-Investmentvermögen, die an inländischen KapGes. beteiligt sind, führt § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG zum Ausschluss von § 43b i.V.m. § 50c EStG. Für ausländische Investmentfonds hat § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG damit einen eigenständigen Regelungsgehalt gegenüber § 6 Abs. 6 InvStG.1 Auf Ausschüttungen ausländischer KapGes. findet § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG keine Anwendung, weil ausländische Beteiligungseinnahmen bereits nach § 6 Abs. 2, Abs. 3 i.V.m. § 29 Abs. 1 InvStG auf Ebene von (Spezial-)Investmentfonds nicht steuerbar sind.2 51 Begünstigungen, die eine geringere Beteiligungsschwelle als 10 % vorsehen, sind auch dann

anwendbar, wenn der Fonds eine Beteiligung von 10 % oder mehr erwirbt.3 Nach seinem Wortlaut stellt § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG auf Besteuerungsregelungen ab, „die eine über dieser Grenze liegende Beteiligungshöhe voraussetzen“. § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG bezieht sich damit ausdrücklich und allein auf die konkreten Tatbestandsvoraussetzungen der jeweiligen Vorschrift, nicht aber auf die tatsächliche Höhe der Beteiligung des Investmentfonds. Dies beantwortet aber noch nicht die Frage, ob diese Beteiligung dann aufgrund eines Verstoßes gegen § 26 Nr. 6 InvStG, wenn dieser Verstoß ausnahmsweise als wesentlich anzusehen ist, gem. § 52 InvStG zur fiktiven Auflösung des Spezial-Investmentfonds führt.

52 Für die Anwendung der gewerbesteuerlichen Kürzungsvorschriften der § 9 Nr. 2a, 7 und 8

GewStG ist § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG nicht relevant, weil deren Anwendung aufgrund der Gewerbesteuerfreiheit des Spezial-Investmentfonds nach § 26 Satz 1 i.V.m. § 15 Abs. 2 und 3 InvStG bzw. § 29 Abs. 4 InvStG schon im Grundsatz ausscheidet. Die Schachtel-Befreiungen nach § 9 Nr. 2a, 7 und 8 GewStG sind gem. § 29 Abs. 4 InvStG für Spezial-Investmentfonds ohne Bedeutung.

53 Hinsichtlich der Anwendung des § 8b KStG stellt sich die Frage nach dem Normverhältnis

zwischen § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG und § 29 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 6 InvStG in den Fällen, in denen § 26 Nr. 6 Satz 1 InvStG nicht greift (bspw. bei § 26 Nr. 6 Satz 2 InvStG). § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG steht dann der Anwendung des § 8b KStG nicht entgegen. Jedoch enthält § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG keinen positiven Anwendungsbefehl für die Privilegierungsvorschriften. Die fehlende Erfüllung des § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG suspendiert mithin nicht den Regelungsgehalt anderer Vorschriften, die eine Anwendung von Privilegierungsvorschriften ausschließen. Hinsichtlich der Anwendung des § 6 Abs. 6 InvStG regelt daher § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG „keine Abweichung“ i.S.d. § 29 Abs. 1 Halbs. 2 InvStG.4 § 29 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 6 InvStG sperrt § 8b KStG im Ergebnis auch dann, wenn die Voraussetzungen des § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG nicht gegeben sind.

54 Im Falle der Ausübung der Transparenzoption des § 30 Abs. 1 InvStG kommt § 29 Abs. 3

InvStG mangels Zurechnung der Dividenden zum Investmentfonds selbst nicht zur Anwendung.5 Ist die Beteiligung an einer ausländischen KapGes. ausnahmsweise einer inländischen Betriebsstätte eines Spezial-Investmentfonds zuzurechnen, sodass gem. § 6 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 InvStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG auf Ebene des Spezial-Investmentfonds steuerbare sonstige inländische Einkünfte vorliegen, kommt § 8b KStG schon aufgrund der Regelung in § 6 Abs. 6 InvStG nicht zur Anwendung.6 Ausländische Spezial-Investmentfonds, die

1 Klusak/Lange in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 29 InvStG Rz. 12. 2 Bei Ausschüttungen ausländischer KapGes. an beteiligte Spezial-Investmentfonds kommt es auf § 8b Abs. 4 KStG mithin von vornherein nicht an; vgl. Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 29 InvStG Anm. 15 (Stand: Juni 2020). 3 Wie hier auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 29 InvStG Anm. 14 (Stand: Juni 2020). 4 Im Ergebnis auch Klusak/Lange in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 29 InvStG Rz. 12. 5 Wolny in BeckOK, § 29 InvStG Rz. 48 (Stand: August 2022). 6 Auf § 8b Abs. 4 KStG kommt es in diesem Fall nicht an; vgl. Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 29 InvStG Rz. 34; Klusak/Lange, in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 29 InvStG Rz. 12; Wolny in BeckOK, § 29 InvStG Rz. 45 (Stand: August 2022).

572 | Behrens

D. Schachtelprivilegien (Abs. 3) | Rz. 56 § 29

an einer inländischen KapGes. entgegen § 26 Nr. 6 Satz 1 InvStG zu 10 % oder mehr beteiligt sind, können gem. § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG keine Freistellung oder Erstattung von auf Ausschüttungen solcher inländischer KapGes. einbehaltener KapErtrSt gem. § 43b i.V.m. § 50c EStG beantragen bzw. ist ein solcher Antrag auf Freistellung oder Erstattung wegen § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG nicht begründet.1 Die Freistellung von Dividenden bzw. Gewinnausschüttungen ausländischer KapGes. gem. dem sog. Methodenartikel von DBA stellt eine sog. Besteuerungsregel i.S.v. § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG dar.2 Der Begriff „Besteuerungsregel“ umfasst sämtliche die Besteuerung betreffenden Rechtsnormen i.S.v. § 4 AO. Dividenden bzw. Gewinnausschüttungen in einem anderen DBA-Staat ansässiger KapGes. an an ihnen beteiligte, im Inland ansässige Spezial-Investmentfonds sind nur in dem Ausnahmefall gem. § 6 Abs. 5 Nr. 1 InvStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG auf Ebene des inländischen Spezial-Investmentfonds steuerbar, wenn die Beteiligung an der ausschüttenden ausländischen KapGes. einer inländischen Betriebsstätte des Spezial-Investmentfonds zuzurechnen ist. Beträgt die Beteiligung an einer ausländischen KapGes. in diesem Fall 10 % oder mehr, ist die Anwendung des DBASchachtelprivilegs gem. § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG ausgeschlossen.

II. Nichtanwendung von DBA-Schachtelprivilegien (Abs. 3 Satz 2) Nach der ausdrücklichen Regelung in § 29 Abs. 3 Satz 2 InvStG sind auch solche Begünstigun- 55 gen nicht anzuwenden, die auf einem DBA beruhen. Hierdurch sollen Gestaltungsmissbräuche durch zweckwidrige Nutzung von DBA-Vorteilen ausgeschlossen werden.3 § 29 Abs. 3 Satz 2 InvStG ist nicht so zu verstehen, dass das DBA eine ausdrückliche Privilegierung von Spezial-Investmentfonds vorsehen muss. § 29 Abs. 3 Satz 2 InvStG soll vielmehr generell für den Fall der Überschreitung der nach § 26 Abs. 6 Satz 1 InvStG zulässigen Beteiligungsquote DBA-Schachtelprivilegien ausschalten. Insoweit erschöpft sich der Gehalt von § 29 Abs. 3 Satz 2 InvStG gegenüber § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG in der ausdrücklichen Anordnung eines treaty override.4 Nach der Rspr. des BVerfG ist das Überschreiben von DBA durch einfaches Gesetzesrecht ver- 56 fassungsgemäß.5 Einzelne Vorschriften von DBA werden durch ihre entsprechenden Transformationsgesetze lediglich in den Stand einfachgesetzlicher Regelungen erhoben und können somit ebenfalls vom Nichtanwendungsbefehl des § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG erfasst werden.6 Zwar stellt ein solcher treaty override einen Verstoß gegen Völkerrecht dar,7 doch schlägt dieser nach der Auffassung des BVerfG nicht auf die verfassungsrechtliche Ebene durch. Das BVerfG leitet aus dem Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes keine Pflicht des Gesetzgebers ab, jede völkerrechtliche Norm zu befolgen. Das BVerfG hat daher die Verfassungsmäßigkeit von treaty overrides zumindest in solchen Fällen anerkannt, in de-

1 2 3 4 5

Klusak/Lange in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 29 InvStG Rz. 12. Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 29 InvStG Anm. 15 (Stand: Juni 2020). BT-Drucks. 18/8045, S 98. Klusak/Lange in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 29 InvStG Rz. 13. Zur Zulässigkeit der Überschreibung von Völkervertragsrecht durch innerstaatliches Recht vgl. BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1 = DStR 2016, 359, betr. § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG; krit. Stöber, DStR 2016, 1889; a.A. noch BFH v. 11.12.2013 – I R 4/13, BStBl. II 2014, 791; Normenkontrollverfahren anhängig beim BVerfG unter Az. 2 BvL 15/14, betr. Tatbestands- und Verfassungsmäßigkeit des § 50d Abs. 10 EStG 2002/2009 und der dazu ergangenen Übergangsvorschriften, Auslegung von DBA und Vorrang der prinzipiellen Völkerrechtsfreundlichkeit des GG sowie Zulässigkeit eines treaty override. 6 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 29 InvStG Anm. 14 (Stand: Juni 2020). 7 Z.B. Schwenke in Wassermeyer, DBA, Vor Art. 1 Rz. 14 (Stand: März 2020). Behrens | 573

§ 29 Rz. 56 | Steuerpflicht des Spezial-Investmentfonds nen durch nationales Recht ein schon bestehendes DBA überschrieben wird.1 Verfassungsrechtlich dürfte der Streit um die Zulässigkeit von treaty overrides trotz weiterhin anhängiger Verfahren vor dem BVerfG2 entschieden sein. Unionsrechtlich ist hingegen noch nicht abschließend geklärt, ob treaty overrides und deren Auswirkungen mit europäischen Primärbzw. Sekundärrecht vereinbar sind.3 57 Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht stellt § 29 Abs. 3 Satz 2 InvStG im Verhältnis

zu DBA-Schachtelprivilegien bereits einen treaty override dar.4 Weil es sich bei durch Transformationsgesetz i.S.v. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG in einfaches Bundesrecht transformierten DBA-Regelungen um Rechtsnormen i.S.v. § 4 AO und deshalb auch um Besteuerungsregeln i.S.v. § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG handelt, ist dieser Meinung zuzustimmen. § 29 Abs. 3 Satz 2 InvStG hat nur deklaratorische Bedeutung, weil § 29 Abs. 3 Satz 1 InvStG nicht durch DBA verdrängt werden kann.5 Aus § 29 Abs. 3 Satz 2 InvStG ergibt sich, dass der inländische Gesetzgeber davon ausgeht, dass Spezial-Investmentvermögen für Zwecke der deutschen DBA als im Inland ansässige Personen anzuerkennen sind.6

E. Gewerbesteuerbefreiung von Spezial-Investmentfonds (Abs. 4) 58 Gemäß § 29 Abs. 4 InvStG sind Spezial-Investmentfonds (nach der Beschlussempfehlung des

Finanzausschusses in BT-Drucks. 20/4729 v. 30.11.2022 bis 31.12.2022, danach unter bestimmten Voraussetzungen nicht mehr bei Erzielung in § 26 Nr. 7a InvStG-Entwurf bestimmter Einnahmen aus der Erzeugung oder Lieferung von Strom) in vollem Umfang von der GewSt befreit. Die Regelung knüpft an die Gewerbesteuerbefreiungen nach § 11 Abs. 1 Sätze 2 und 3 InvStG 2004 an. Gemäß § 53 Abs. 3 Satz 1 InvStG findet § 29 Abs. 4 InvStG auch auf Altersvorsorgevermögensfonds Anwendung.

59 Nach dem Willen des Gesetzgebers soll es sich bei § 29 Abs. 4 InvStG lediglich um eine Klar-

stellung handeln.7 Dies folge daraus, dass bereits die Qualifikation als Spezial-Investmentfonds nach § 26 InvStG voraussetze, dass der Investmentfonds die Anforderungen an die Gewerbesteuerbefreiung nach § 15 Abs. 2 und 3 InvStG erfüllt.8

60 Es sind jedoch Fälle denkbar, in denen § 29 Abs. 4 InvStG konstitutive Wirkung zukommt. In

den Grenzen des § 52 Abs. 1 InvStG besteht die Möglichkeit, dass ein Investmentfonds die Voraussetzungen des Einleitungssatzes des § 26 InvStG nicht (mehr) erfüllt, weil er nicht (mehr) zur Gänze nach § 15 Abs. 2 und 3 InvStG von der GewSt befreit ist. Nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 InvStG gilt ein Spezial-Investmentfonds aber erst dann als aufgelöst, wenn ein wesentlicher Verstoß gegen die Anlagebestimmungen des § 26 InvStG vorliegt. Insoweit ist bisher ungeklärt, ob sich das Kriterium der Wesentlichkeit des Verstoßes gegen die Anlage-

1 BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, DStR 2016, 359; vgl. hierzu z.B. Stöber, DStR 2016, 1889 (1893). 2 Aktenzeichen 2 BvL 15/14, betr. § 50d Abs. 10 EStG 2002/2009. 3 Kokott, Das Steuerrecht der Europäischen Union, 2018, § 2 Rz. 190 f.; Musil in Musil/Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, 2019, Einführung Rz. 77; vgl. aber auch EuGH v. 6.12.2007 – C-298/05, IStR 2008, 63; v. 19.9.2012 – C-540/11, IStR 2013, 307. 4 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 29 InvStG Anm. 15 (Stand: Juni 2020). 5 So Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 29 InvStG Rz. 48; Klusak/Lange in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 29 InvStG Rz. 13. 6 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 29 InvStG Anm. 154 (Stand: Juni 2020), auch mit dem Hinweis, dass dies mangels insoweit struktureller Unterschiede auch für Kapitel-II-Investmentfonds gilt. 7 BT-Drucks. 18/8045, 98; so auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 29.6. 8 Stadler/Bindl, DStR 2016, 1953 (1961); Wenzel in Brandis/Heuermann, § 29 InvStG Rz. 20 (Stand: Mai 2020); Wolny in BeckOK, § 29 InvStG Rz. 54 (Stand: August 2022).

574 | Behrens

E. Gewerbesteuerbefreiung von Spezial-Investmentfonds (Abs. 4) | Rz. 61 § 29

bestimmungen des § 26 InvStG in § 52 InvStG auch auf die Nichteinhaltung von § 15 Abs. 2 und 3 InvStG bezieht. Die FinVerw. lehnt diese Sichtweise ab. In Ziff. 26.1 des BMF-Schreibens findet sich – in Übereinstimmung mit dem Gesetzeswortlaut von § 26 Halbs. 1 InvStG – lediglich im zweiten Spiegelstrich zu den weiteren Anlagebestimmungen nach § 26 InvStG ein Hinweis auf die Wesentlichkeit eines Verstoßes, nicht aber im ersten Spiegelstrich zur Gewerbesteuerbefreiung nach § 15 Abs. 2 und 3 InvStG. Zudem führt das BMF aus, dass „Spezial-Investmentfonds generell die Anforderungen für eine Gewerbesteuerbefreiung nach § 15 InvStG erfüllen müssen“ [Hervorhebung durch Verfasser].1 Richtigerweise sollte die (Un-)Wesentlichkeitsschwelle des § 52 Abs. 1 InvStG auch auf Verstö- 61 ße gegen § 15 Abs. 2 und 3 InvStG angewandt werden.2 Hierfür spricht insbes. der Wortlaut des § 52 Abs. 1 InvStG, der nicht zwischen den einzelnen Voraussetzungen des § 26 InvStG unterscheidet. Nach hier vertretener Ansicht handelt es sich auch hinsichtlich der Kriterien von § 15 Abs. 2 InvStG (Beschränkung des objektiven Geschäftszwecks auf die Anlage und Verwaltung seiner Mittel für gemeinschaftliche Rechnung der Anleger; keine aktiv unternehmerische Bewirtschaftung seiner Vermögensgegenstände in wesentlichem Umfang) um Anlagebedingungen i.S.v. § 52 Abs. 1 Satz 1 InvStG.3 Außerdem spricht hierfür, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Auflösung nur als ultima ratio in Betracht kommt und auch bei unwesentlichen Verstößen gegen die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 und 3 InvStG die unmittelbare Auflösung des Spezial-Investmentfonds unverhältnismäßig erscheint. Mithin verbleibt bei unwesentlichen Verstößen gegen § 15 Abs. 2 und 3 InvStG ein Anwendungsbereich für § 29 Abs. 4 InvStG, in dessen Rahmen die Regelung in § 29 Abs. 4 InvStG selbst die Gewerbesteuerbefreiung konstituiert.4 Durch das Inkrafttreten der Änderung von § 26 entsprechend der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses in BT-Drucks. 20/4729 v. 30.11.2022 wird die hier vertretene Meinung ab 1.1.2023 gesetzlich abgesichert, weil die vorgeschlagene neue Nr. 7a von § 26 InvStG dann ausdrücklich zu den gesetzlich definierten Anlagebestimmungen gehören wird, gegen die der Spezial-Investmentfonds in der Anlagepraxis nicht wesentlich verstoßen darf.

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 29.6. 2 Dies ist vor dem Hintergrund des Wortlauts des § 26 InvStG nicht unumstritten; so wie hier Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 52 InvStG Anm. 5 (Stand: Juni 2020); diese Frage offenlassend Kröger in Brandis/Heuermann, § 52 InvStG Rz. 35 (Stand: Mai 2020). 3 Es handelt sich bei den Voraussetzungen von § 15 Abs. 2 und 3 InvStG jedoch nicht um Anlagebestimmungen; so auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 52 InvStG Anm. 5. Der Begriff der Anlagebestimmungen ist in § 26 Satz 1 InvStG legal definiert (s. § 26 InvStG Rz. 4). Ab 1.1.2023 gehört Nr. 7a von § 26 InvStG-Entwurf zu den Anlagebestimmungen. Nach Nr. 7a müssen die Einnahmen aus einer aktiven unternehmerischen Bewirtschaftung i.S.v. § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InvStG in einem Geschäftsjahr grds. weniger als 5 % der gesamten Einnahmen des Spezial-Investmentfonds betragen. Jedoch erhöht sich diese Grenze auf 10 %, wenn die Weniger-als-5 %-Grenze nur durch Einnahmen überschritten wird, die der Investmentfonds aus der Erzeugung oder Lieferung von Strom erzielt, die im Zusammenhang mit der Vermietung und Verpachtung von Immobilien stehen und (i) aus dem Betrieb von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien i.S.d. § 3 Nr. 21 EEG oder (ii) aus dem Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge oder Elektrofahrräder stammen. Diese Anlagebestimmung muss gem. Nr. 10 von § 26 InvStG-Entwurf nicht aus den Anlagebedingungen hervorgehen. 4 Im Ergebnis ebenso Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 29 InvStG Anm. 20 (Stand: Juni 2020); Klusak/Lange in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 29 InvStG Rz. 16. Behrens | 575

§ 30 | Inländ. Beteiligungseinnahmen/sonstige Einkünfte mit Steuerabzug

§ 30 Inländische Beteiligungseinnahmen und sonstige inländische Einkünfte mit Steuerabzug (1) 1Die Körperschaftsteuerpflicht für die inländischen Beteiligungseinnahmen eines Spezial-Investmentfonds entfällt, wenn der Spezial-Investmentfonds gegenüber dem Entrichtungspflichtigen unwiderruflich erklärt, dass den Anlegern des Spezial-Investmentfonds Steuerbescheinigungen gemäß § 45a Absatz 2 des Einkommensteuergesetzes ausgestellt werden sollen (Transparenzoption). 2Die Anleger gelten in diesem Fall als Gläubiger der inländischen Beteiligungseinnahmen und als Schuldner der Kapitalertragsteuer. (2) § 8b des Körperschaftsteuergesetzes ist vorbehaltlich des Absatzes 3 auf die dem Anleger zugerechneten Beteiligungseinnahmen anwendbar, soweit 1. es sich um Gewinnausschüttungen einer Gesellschaft im Sinne des § 26 Nummer 6 Satz 2 handelt und 2. die auf die Spezial-Investmentanteile des Anlegers rechnerisch entfallende Beteiligung am Kapital der Gesellschaft die Voraussetzungen für eine Freistellung nach § 8b des Körperschaftsteuergesetzes erfüllt. (3) 1§ 3 Nummer 40 des Einkommensteuergesetzes und § 8b des Körperschaftsteuergesetzes sind auf die dem Anleger zugerechneten inländischen Beteiligungseinnahmen nicht anzuwenden, wenn der Anleger 1. ein Lebens- oder Krankenversicherungsunternehmen ist und der Spezial-Investmentanteil den Kapitalanlagen zuzurechnen ist oder 2. ein Institut oder Unternehmen nach § 3 Nummer 40 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes oder § 8b Absatz 7 des Körperschaftsteuergesetzes ist und der Spezial-Investmentfonds in wesentlichem Umfang Anteile hält, die a) dem Handelsbestand im Sinne des § 340e Absatz 3 des Handelsgesetzbuchs zuzuordnen wären oder b) zum Zeitpunkt des Zugangs zum Betriebsvermögen als Umlaufvermögen auszuweisen wären, wenn sie von dem Institut oder Unternehmen unmittelbar erworben worden wären. 2 Satz 1 Nummer 1 gilt entsprechend, wenn der Anleger ein Pensionsfonds ist. (4) 1Ist der Anleger des Spezial-Investmentfonds ein Dach-Spezial-Investmentfonds, so sind die Absätze 1 bis 3 entsprechend auf den Dach-Spezial-Investmentfonds und dessen Anleger anzuwenden. 2Dies gilt nicht, soweit der Dach-Spezial-Investmentfonds SpezialInvestmentanteile an einem anderen Dach-Spezial-Investmentfonds hält. (5) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für sonstige inländische Einkünfte eines Spezial-Investmentfonds, die bei Vereinnahmung durch den Spezial-Investmentfonds einem Steuerabzug unterliegen. A. I. II. III. IV.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

576 | Neugebauer/Jost

1 4 5 6

2. Verhältnis zu Vorschriften des EStG und des KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Transparenzoption (Abs. 1) I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entfall der Körperschaftsteuerpflicht und Zurechnung beim Anleger (Abs. 1 Sätze 1 und 2)

8 9

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 2 § 30

C. I. II. III.

1. Transparenzoption und deren Voraussetzungen a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Voraussetzungen einer wirksamen Ausübung der Transparenzoption aa) Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Entrichtungspflichtiger als Adressat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausübung als echtes Wahlrecht . . . . . . 3. Besonderheit: Verschmelzung von Spezial-Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsfolgen einer ausgeübten Transparenzoption a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anlegerebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Spezial-Investmentfondsebene . . . Anwendbarkeit des körperschaftsteuerlichen Schachtelprivilegs (Abs. 2) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10 13 15 18 23 24 25 28

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D. Besonderheiten bei Versicherungen und Banken (Abs. 3) I. Regelungshintergrund . . . . . . . . . . . . . . . II. Tatbestand 1. Lebens- oder Krankenversicherungsunternehmen (Abs. 3 Satz 1 Nr. 1) . . . 2. Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute (Abs. 3 Satz 1 Nr. 2) . . . . . . . . . . . 3. Pensionsfonds (Abs. 3 Satz 2) . . . . . . . III. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Dach-Spezial-Investmentfonds (Abs. 4) I. Anwendbarkeit der Transparenzoption auf zwei Ebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Keine Transparenz für drei- oder mehrstöckige Spezial-Investmentfonds-Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Sonstige inländische Einkünfte mit Steuerabzug (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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45 46 49 50

Literatur: Haisch, Investmentsteuerreform – Wird jetzt alles gut?, RdF 2015, 294; Lechner, (Erneute) Reform der Investmentbesteuerung – ein Überblick, RdF 2016, 208; Behrens, Transparenz- und Immobilien-Transparenzoption nach dem InvStG 2018, RdF 2017, 297; Bünning, Auswirkungen des neuen InvStG auf die Umwandlung von Immobilienfonds, BB 2017, 1066; Hahne, Zur Besteuerung inländischer Beteiligungseinnahmen von Investmentfonds nach der Investmentsteuerreform 2018, DStR 2017, 2310; Ebner, Belastungsvergleiche bei (Spezial-)Investmentfonds, RdF 2018, 132; Bindl/Schober, Investmentsteuer-Erlass-Entwurf zu Spezial-Investmentfonds, Darstellung und kritische Würdigung ausgewählter Aspekte, BB 2020, 599; Hahne, Die Transparenzoption nach § 30 InvStG bei Spezial-Investmentfonds, FR 2021, 415.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck Spezial-Investmentfonds, und zwar unabhängig davon, ob es sich um einen inländischen oder 1 ausländischen Spezial-Investmentfonds handelt, unterliegen mit ihren (i) inländischen Beteiligungseinnahmen und (ii) sonstigen inländischen Einkünften mit Steuerabzug der KSt i.H.v. 15 %1. Insoweit kommt es – zur Sicherung des inländischen Besteuerungsrechts2 – zum KapErtrSt-Abzug mit abgeltender Wirkung, wobei eine Anrechnung beim Investor des Spezial-Investmentfonds nicht erfolgen kann.3 Hiernach werden also Investmentfonds und SpezialInvestmentfonds den gleichen steuerlichen Regelungen zur anteiligen KSt-Pflicht unterworfen. § 30 InvStG betrifft unter den Voraussetzungen der sog. Transparenzoption den Entfall der 2 KSt-Pflicht des Spezial-Investmentfonds in Bezug auf inländische Beteiligungseinnahmen i.S.v. § 29 Abs. 1, § 6 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 InvStG. Die Transparenzoption gilt nach Maßgabe des § 30 Abs. 5 InvStG auch für die sonstigen inländischen Einkünfte mit Steuerabzug. 1 Einschließlich des SolZ. 2 Vgl. BT-Drucks. 119/16, 109. 3 Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 30 InvStG Rz. 8 ff. Neugebauer/Jost | 577

§ 30 Rz. 2 | Inländ. Beteiligungseinnahmen/sonstige Einkünfte mit Steuerabzug Im Gegensatz zu einem Investmentfonds kann demzufolge ein Spezial-Investmentfonds durch einseitige Willenserklärung die eigene KSt-Pflicht abwählen, um die steuerlichen Konsequenzen auf diese Weise auf die Anlegerebene „durchzureichen“. In der Grundkonstellation, also ohne Ausübung des Wahlrechts zur steuerlichen Transparenz, wäre der Spezial-Investmentfonds nämlich selbst über § 7 Abs. 2 und § 29 Abs. 1 InvStG abgeltend u.a. in Bezug auf inländische Beteiligungseinnahmen zu besteuern. 3 Nicht von § 30 InvStG erfasst werden demgegenüber inländische Immobilienerträge gem.

§ 6 Abs. 4 InvStG sowie sonstige Einkünfte ohne Steuerabzug gem. § 6 Abs. 5 InvStG – diese fallen in den Anwendungsbereich von § 33 InvStG als Spezialvorschrift. Einkünfte, die nach Maßgabe der §§ 6, 29 Abs. 1 InvStG auf Ebene des Spezial-Investmentfonds bereits nicht besteuert würden (z.B. Dividenden von ausländischen Gesellschaften oder Veräußerungsgewinne, unabhängig von ihrer Herkunft) werden ebenfalls nicht von § 30 InvStG erfasst.1

II. Anwendungsbereich 4 § 30 InvStG normiert die Rechtsfolgen sowohl auf Spezial-Investmentfonds- als auch auf An-

legerebene unter der optionalen Durchschau, d.h. der Wahlentscheidung zur KSt-Befreiung des Spezial-Investmentfonds bei inländischen Beteiligungseinnahmen sowie sonstigen inländischen und dem Steuerabzug unterliegenden Einkünften (Transparenzoption des § 30 Abs. 1 Satz 1 InvStG). Vorausgesetzt wird demnach, dass es sich um einen Spezial-Investmentfonds handeln muss, also einen Investmentfonds i.S.d. § 1 Abs. 2 InvStG, der (i) in seiner Anlagepraxis nicht wesentlich gegen die Anlagebestimmungen verstößt, also insoweit die Voraussetzungen des § 26 Nr. 1–10 InvStG erfüllt, und (ii) gem. § 15 Abs. 2 und 3 InvStG die GewSt-Befreiung in Anspruch nehmen kann. Fehlt es an einem der vorstehenden beiden Tatbestandsvoraussetzungen, kann die Transparenzoption nicht ausgeübt werden (vgl. dazu im Detail § 26 InvStG Rz. 13 ff.).

III. Rechtsentwicklung 5 Die Vorschrift wurde i.R.d. InvStRefG v. 19.7.20162 mit Geltung ab dem 1.1.2018 neu geschaf-

fen und geht somit auf keine Vorgängervorschrift zurück. Durch das JStG 2019 v. 12.12.20193 wurden bestimmte Änderungen hinsichtlich § 8b Abs. 7 KStG und § 3 Nr. 40 Satz 3 EStG (i.R.d. BEPS-UmsG v. 20.12.20164) für das InvStG übernommen. Außerdem hat der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang die Rechtsfolge des § 30 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvStG durch Einfügung eines Abs. 3 Satz 2 auf Pensionsfonds erweitert. Weiterhin wurde mit dem JStG 2019 der Verweis in § 30 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG auf § 3 Nr. 40 Satz 4 EStG aufgehoben. Sämtliche Änderungen gelten insoweit ab dem 1.1.2020 (vgl. § 57 Satz 1 Nr. 8 InvStG).

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG 6 Die Regelungsmaterie des § 30 InvStG wird flankiert durch Vorschriften zum Steuerabzug

bzw. zur Steueranrechnung gem. § 31 InvStG sowie eine Haftungsvorschrift, § 32 InvStG. Im

1 2 3 4

Mann in Brandis/Heuermann, § 30 InvStG Rz. 6. BGBl. I 2016, 1730. BGBl. I 2019, 2451. BGBl. I 2016, 3000.

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B. Transparenzoption (Abs. 1) | Rz. 10 § 30

Hinblick auf inländische Immobilienerträge und nicht dem Steuerabzug unterliegende inländische Einkünfte regelt § 33 InvStG als Spezialvorschrift Entsprechendes. Der allgemein die Besteuerung von Spezial-Investmentfonds regelnde § 29 Abs. 1 InvStG er- 7 klärt die Vorschriften der §§ 6, 7 InvStG (Bestimmungen zur Besteuerung von Investmentfonds) auch für Spezial-Investmentfonds anwendbar, allerdings nur insoweit als keine hiervon abweichenden Regelungen getroffen werden. Die §§ 30–33 InvStG stellen hiervon abweichende Regelungen dar, da insoweit unter bestimmten Umständen der Spezial-Investmentfonds steuerbefreit sein kann. Die §§ 8–10 InvStG zu Steuerbefreiungen für bestimmte steuerbegünstigte Anleger sind auf Spezial-Investmentfonds nicht anwendbar (vgl. §§ 25, 29 Abs. 1 InvStG). 2. Verhältnis zu Vorschriften des EStG und des KStG Aufgrund der unmittelbaren Zurechnung der inländischen Beteiligungseinnahmen beim An- 8 leger sind grds. auch zunächst § 3 Nr. 40 EStG und § 8b KStG unter den dort genannten Voraussetzungen anwendbar bzw. sind insoweit bezogene Einkünfte beim Anleger entsprechend steuerlich begünstigt. Als lex specialis modifizieren bzw. verdrängen § 30 Abs. 2 und § 30 Abs. 3 InvStG allerdings § 3 Nr. 40 EStG und § 8b KStG. Die Vorschriften zum KapErtrStEinbehalt gem. §§ 43 ff. EStG sind anwendbar auf die dem Anleger unmittelbar zugerechneten inländischen Beteiligungseinnahmen sowie sonstigen Einkünfte.

B. Transparenzoption (Abs. 1) I. Vorbemerkung Abs. 1 der Vorschrift regelt eine umfassende Transparenz in Bezug auf die Einkünfte des 9 Spezial-Investmentfonds, d.h., dem Anleger werden bei Ausübung der Option originär die erzielten Einkünfte in eigener Person i.S.d. § 2 Abs. 1 EStG zugerechnet. Der Wortlaut der Vorschrift ist insoweit eindeutig: Es kommt lediglich zu einer Einkünftezurechnung und es werden nicht auch die Wirtschaftsgüter des Spezial-Investmentfonds den Anlegern zugerechnet.1

II. Entfall der Körperschaftsteuerpflicht und Zurechnung beim Anleger (Abs. 1 Sätze 1 und 2) 1. Transparenzoption und deren Voraussetzungen a) Vorbemerkung Generell gesprochen ist die Transparenzoption für Spezial-Investmentfonds ein in der Praxis 10 häufig gewählter Weg, um auf diese Weise die StPfl. auf Investmentfondsebene zu vermeiden.2 Regelmäßig ist dies z.B. bei steuerbefreiten Körperschaften (s. § 44a Abs. 7 EStG) anzuraten. Sinnvoll kann dies auch bei Lebens- oder Krankenversicherungen sein, da insoweit ggf. die Bildung einer versicherungstechnischen Rückstellung infrage kommt, wodurch die stpfl. Einkünfte erheblich reduziert werden können. Nichtsdestotrotz ist im Hinblick auf bestimmte Anleger, denen nach allgemeinen Besteuerungsgrundsätzen eine teilweise Steuerbefreiung zu1 Vgl. Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 30 InvStG Anm. 1; hiervon scheint auch die FinVerw. auszugehen, die im BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.15, von der Zurechnung der Kapitalerträge ausgeht. 2 Zum Belastungsvergleich s. Ebner, RdF 2018, 138. Neugebauer/Jost | 579

§ 30 Rz. 10 | Inländ. Beteiligungseinnahmen/sonstige Einkünfte mit Steuerabzug gutekommt (s. § 44a Abs. 8 EStG und § 5 Abs. 2 Nr. 1 KStG, der insoweit nur eine Besteuerung von Einkünften regelt, die dem Steuerabzug unterliegen), wie dies etwa für Versorgungswerke der Fall ist, darauf hinzuweisen, dass die Ausübung der Transparenzoption auch im Belastungsvergleich mit steuerlichen Nachteilen einhergehen kann. Wird die Transparenzoption nämlich nicht ausgeübt, beträgt die Besteuerung des Spezial-Investmentfonds nach § 7 Abs. 1 Satz 3 InvStG 14.218 % zzgl. SolZ, also insgesamt 15 %, hingegen bei Ausübung auf Anlegerebene 15 % zzgl. SolZ. 11 Die Transparenzoption steht sowohl inländischen als auch ausländischen Spezial-Invest-

mentfonds i.S.v. Kapitel 3 gleichermaßen zu, eine Unterscheidung findet insoweit nicht statt (vgl. auch § 2 Abs. 2 und 3 InvStG). Notwendig ist allerdings, in einem denklogisch ersten Schritt, dass der Spezial-Investmentfonds selbst als Zurechnungssubjekt nach § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG anzusehen ist in Bezug auf sämtliche von der Transparenzoption zu erfassenden Einkünfte.

12 Vom Anwendungsbereich der Transparenzoption umfasst sind einerseits inländische Betei-

ligungseinnahmen gem. § 6 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 InvStG (vornehmlich Gewinnausschüttungen gem. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 1a EStG sowie Entgelte, Einnahmen und Bezüge gem. § 2 Nr. 2 Buchst. a–c KStG) und andererseits, über den Verweis des § 30 Abs. 5 InvStG, die sonstigen inländischen Einkünfte i.S.d. § 6 Abs. 5 InvStG mit Steuerabzug. Die vorstehend beschriebene Möglichkeit ist eine „abweichende Regelung“ i.S.v. § 29 Abs. 1 InvStG, die einem Investmentfonds nicht zur Verfügung steht. b) Voraussetzungen einer wirksamen Ausübung der Transparenzoption aa) Erklärung

13 Der Spezialfonds-Investmentfonds, durch seinen gesetzlichen Vertreter,1 muss gegenüber dem

Entrichtungspflichtigen der KapErtrSt erklären, und zwar unwiderruflich, dass den Anlegern des Spezial-Investmentfonds Steuerbescheinigungen nach § 45a Abs. 2 EStG auszustellen sind. Ob letztlich tatsächlich Steuerbescheinigungen durch den Entrichtungspflichtigen ausgestellt werden, ist unerheblich für die Wirksamkeit der Optionsausübung.2 Das Gesetz sieht keine besondere Form zur Abgabe der Erklärung vor; es handelt sich nach allgemeinen Grundsätzen aber um eine empfangsbedürftige Willenserklärung gem. § 130 BGB,3 die aber aufgrund ihres Rechtscharakters als Gestaltungsrecht keiner Bedingung unterliegen darf. In der Praxis, gerade aus Dokumentations- und Beweisgesichtspunkten, ist Schriftform ratsam.4 Die Erklärung ist ebenfalls nicht fristgebunden und kann entweder beim Erwerb eines entsprechenden Investments oder zu jedem späteren Zeitpunkt abgegeben werden.5

14 In Bezug auf die Erklärung fordert die FinVerw., dass der Spezial-Investmentfonds in geeig-

neter Weise sowohl (i) den Ausschluss nachträglicher Änderungen als auch (ii) den Verzicht eines Widerrufsrechts zum Ausdruck bringt.6 Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang da1 So BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.2. 2 So die weit überwiegende Auffassung, vgl. Behrens, RdF 2017, 297; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 30 InvStG Anm. 5; wohl anders BT-Drucks. 18/8045, 97, wonach die Steuerbefreiung von der Ausstellung der Steuerbescheinigung an die Anleger abhängen soll. 3 Ebenfalls für die Anwendbarkeit der allgemeinen Vorschriften des BGB Wolny in BeckOK, § 30 InvStG Rz. 26. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung) kommt in Rz. 30.3. ebenfalls zur Auffassung, dass dem G keine besondere Form zu entnehmen ist, neben der Schriftform aber auch die elektronische Form ausreichend sein soll (also Textform, § 126b BGB); so auch schon Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 30 InvStG Anm. 5. 5 Vgl. dazu bereits BMF v. 21.12.2017 – V C 1 – S 1980 – 1/16/10010 :016, DStR 2018, 194 Rz. 6. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.3.

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B. Transparenzoption (Abs. 1) | Rz. 17 § 30

rauf, dass die FinVerw. – verfassungsrechtlich vor dem Hintergrund des klaren Gesetzeswortlauts nicht unbedenklich1 – eine Rücknahme der Erklärung dann nicht beanstanden will, wenn eine vor der Veröffentlichung des BMF-Schreibens v. 20.1.2021 zur Änderung des BMFSchreibens v. 21.5.20192 im BStBl., d.h. vor dem 20.1.2021 ausgeübte Transparenzoption vor dem ersten Zufluss der jeweiligen Einkünfte im ersten Geschäftsjahr, das nach dem 31.12.2020 beginnt, mit Wirkung ab diesem Geschäftsjahr zurückgenommen wird.3 In einem solchen Fall darf die Transparenzoption erneut ausgeübt werden. Da die Erklärung ansonsten unwiderruflich ist, entfaltet sie ab der erstmaligen Ausübung zeitlich unbeschränkte Geltung für sämtliche Geschäftsjahre des Spezial-Investmentfonds. bb) Entrichtungspflichtiger als Adressat Der Begriff des Entrichtungspflichtigen wird in § 7 Abs. 3 InvStG legal definiert, als die nach 15 § 44 EStG zum Abzug der KapErtrSt verpflichtete Person. Die Gesetzesbegründung geht davon aus, dass bei einem inländischen Spezial-Investmentfonds die Verwahrstelle (vgl. §§ 68 ff. KAGB) insoweit regelmäßig4 als Adressat der Erklärung heranzuziehen ist, da bei girosammelverwahrten Aktien die Verwahrstelle als die Dividenden auszahlende Stelle anzusehen ist.5 Handelt es sich demgegenüber um Anteile, die nicht verwahrfähig sind, wie beispielsweise GmbH-Anteile, so ist die GmbH selbst als die Dividenden auszahlende Stelle und Schuldnerin der KapErtrSt als Entrichtungspflichtige nach § 44 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 EStG anzusehen. Bei ausländischen Spezial-Investmentfonds kommt § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 3 EStG zur An- 16 wendung, will heißen, dass die danach letzte inländische Stelle als die Dividenden an eine ausländische Stelle Auszahlende KapErtrSt zu erheben hat und demzufolge als Entrichtungspflichtige gilt.6 Im Regelfall wird das die Clearstream Banking AG Frankfurt als Wertpapiersammelbank sein,7 wobei, sofern als Zwischenverwahrer gem. § 3 Abs. 2 DepotG für ausländische Kreditinstitute tätig, auch jedes andere inländische Kreditinstitut als Empfangsberechtigter infrage kommen kann.8 Insoweit haben ausländische Spezial-Investmentfonds zwei Möglichkeiten: Entweder können sie die Transparenzoption direkt gegenüber der letzten inländischen Verwahrstelle oder aber, wie in der Praxis häufig wahrgenommen, gegenüber ihrer jeweiligen ausländischen Verwahrstelle das Wahlrecht ausüben, welche die Erklärung dann an die letzte inländische Verwahrstelle als dem Entrichtungspflichtigen weitergibt.9 Hat der Spezial-Investmentfonds es mit mehreren Entrichtungspflichtigen zu tun, so kommt 17 nur eine einheitliche Ausübung des Wahlrechts gegenüber sämtlichen Entrichtungspflichtigen in Betracht.10 Als Vereinfachung lässt es die FinVerw. hierbei ausreichen, dass die einem Entrichtungspflichtigen gegenüber abgegebene Erklärung Rechtswirkung den übrigen Entrichtungspflichtigen gegenüber entfaltet, und zwar selbst dann, wenn nachträgliche Entrichtungspflichtige hinzutreten (aber natürlich nur nach vorheriger wirksamer Ausübung gegenüber einem anderen Entrichtungspflichtigen).11 Einhergehend mit dieser Vereinfachung erwächst die 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Mann in Brandis/Heuermann, § 30 InvStG Rz. 15. BStBl. I 2019, 527. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung) Rz. 30.4. Zu Ausnahmen, sofern keine Verwahrstelle erforderlich ist, vgl. Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 30 InvStG Anm. 5. BT-Drucks. 18/8045, 98. BT-Drucks. 18/8045, 98. Lechner, RdF 2016, 216. BT-Drucks. 18/8045, 98. BT-Drucks. 18/8045, 98. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.5. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.5. Neugebauer/Jost | 581

§ 30 Rz. 17 | Inländ. Beteiligungseinnahmen/sonstige Einkünfte mit Steuerabzug Pflicht des Spezial-Investmentfonds, alle übrigen Entrichtungspflichtigen unverzüglich über die ausgeübte Transparenzoption zu informieren. Ein etwaiger Verstoß hiergegen, sei es durch Unterlassen der Informationspflicht an sich oder einen Verstoß aus zeitlicher Sicht gegen die geforderte Unverzüglichkeit, soll nach Auffassung der FinVerw. zu einem Haftungstatbestand im Hinblick auf § 32 InvStG führen können, und zwar insoweit, als Steuern zu Unrecht nicht erhoben oder erstattet wurden.1 2. Ausübung als echtes Wahlrecht 18 Die Transparenzoption stellt ein echtes und umfängliches Wahlrecht des Spezial-Investment-

fonds dar. Aufgrund ihrer Unwiderruflichkeit kann die Erklärung per Spezial-Investmentfonds nur einmalig ausgeübt werden. Eine ausgeübte Transparenzoption gilt folglich im Grundsatz dauerhaft.2 Die FinVerw. will auch nur eine einheitliche Ausübung für alle Anleger zulassen; eine Ausübung für einzelne Anleger ist demnach unwirksam.3 Außerdem muss das Wahlrecht auch einheitlich für sämtliche dem Steuerabzug unterliegenden inländischen Beteiligungseinnahmen (§ 6 Abs. 3 Satz 1 InvStG) und alle sonstigen inländischen Einkünfte mit Steuerabzug (§ 6 Abs. 5 InvStG) ausgeübt werden.4 § 33 InvStG bleibt hiervon allerdings unberührt, d.h., die Option kann losgelöst von der Behandlung von inländischen Immobilienerträgen und sonstigen inländischen Einkünften ohne Steuerabzug ausgeübt werden.5

19 Jegliche Aufteilungsmöglichkeiten im Anwendungsbereich des § 30 Abs. 1 oder Abs. 5

InvStG, entweder nach Art der Einkünfte oder ihrer Höhe, werden von der FinVerw. ebenfalls nicht anerkannt,6 was u.E. in Einklang mit der Gesetzesbegründung einerseits steht, die von einer „vollständige[n] Transparenz“ spricht,7 und andererseits der Rechtsfolgenverweisung des § 30 Abs. 5 InvStG bzgl. entsprechender Behandlung der sonstigen inländischen Einkünfte des Spezial-Investmentfonds mit Steuerabzug. Aufgrund der Einheitlichkeitsvoraussetzung der Ausübung der Transparenzoption sowie deren Unwiderruflichkeit ist es also für die Attraktivität des Spezial-Investmentfonds entscheidend, sowohl die derzeitigen, bereits investierten Anleger, aber auch künftige Anleger für den Investmentfonds insoweit als Entscheidungsgrundlage heranzuziehen.

20 Ist die Ausübung des Wahlrechts bereits vor dem 20.1.2021, also vor Veröffentlichung des

BMF-Schr. v. 20.1.2021 zur Änderung des BMF-Schr. v. 21.5.20198 erfolgt, dann erachtet die FinVerw. die so ausgeübte Transparenzoption auch dann grds. (für die Vergangenheit und Zukunft) als wirksam, wenn nicht alle in den Rz. 30.2 bis 30.7 geforderten Voraussetzungen erfüllt sind.9 Die FinVerw. vertritt weiter den Standpunkt, dass ein Widerruf von nicht in Einklang mit den Rz. 30.2 bis 30.7 stehenden Erklärungen als nicht „formgerecht“ zur Ausübung der Transparenzoption einzustufen und insoweit – wie bei „formgerechte[n] Erklärungen“ grds. ausgeschlossen sei. Dies ist deswegen verwunderlich, da es – z.B. bei einem Verstoß gegen das Aufteilungsverbot nach Art und Höhe von Einkünften bei Erklärung der Transparenzoption – i.S.d. Gesetzesbegründung, die von einer „vollständige[n] Transparenz“ spricht, bereits an einer wirksamen Ausübung der Transparenzoption von Anfang an fehlen sollte. Hier würde sich die Frage eines Widerrufs mithin nicht stellen. 1 2 3 4 5 6 7 8 9

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.5. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.13. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.6. Mann in Brandis/Heuermann, § 30 InvStG Rz. 13; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.5. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.7. Wolny in BeckOK, § 30 InvStG Rz. 39. BT-Drucks. 18/8045, 98. BStBl. I 2019, 527. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.9.

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B. Transparenzoption (Abs. 1) | Rz. 23 § 30

Wird das Wahlrecht demgegenüber nicht vom Spezial-Investmentfonds ausgeübt, bleibt es 21 dabei, dass die inländischen Beteiligungseinnahmen und sonstigen inländischen Einkünfte körperschaftsteuerpflichtig für den Fonds sind (§ 29 Abs. 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 InvStG), wobei der einzelne Anleger insoweit keine Anrechnungsmöglichkeit hat.1 Je nach Anlegertyp kommt unter den weiteren Voraussetzungen des § 42 Abs. 4 InvStG eine teilweise bzw. vollständige Steuerbefreiung der in den ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen enthaltenen inländischen Beteiligungseinnahmen zum Tragen. § 42 Abs. 5 InvStG sieht Steuerbefreiungen für die inländischen Einkünfte mit Steuerabzug vor. Im Hinblick auf eine fehlerhafte Ausübung des Wahlrechts gilt Folgendes: Sofern eine wirk- 22 same Erklärung seitens des Spezial-Investmentfonds an den Entrichtungspflichtigen vorliegt, jedoch die für den KapErtrSt-Abzug maßgeblichen Angaben des § 31 Abs. 1 Satz 2 InvStG nicht mitgeteilt werden, resultiert daraus nicht die Unwirksamkeit der Transparenzoption.2 Dem Entrichtungspflichtigen ist es nicht erlaubt, Steuerbescheinigungen auszustellen – die KapErtrSt ist vollumfänglich für die inländischen Beteiligungseinnahmen und sonstigen inländischen Einkünfte mit Steuerabzug einzubehalten. § 32 Abs. 1 InvStG kommt zur Anwendung für den Fall, dass der Entrichtungspflichtige den KapErtrSt-Einbehalt gänzlich oder teilweise unterlässt. Sobald die relevanten Angaben gem. § 31 Abs. 1 Satz 2 InvStG durch den Spezial-Investmentfonds vorgelegt werden, kann der Entrichtungspflichtige die entsprechende Steuerbescheinigung ausstellen.3 3. Besonderheit: Verschmelzung von Spezial-Investmentfonds Im Hinblick auf Verschmelzungen von Spezial-Investmentfonds gilt Folgendes: Maßgeblicher 23 Zeitpunkt der Beurteilung ist der Übertragungsstichtag i.S.v. § 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 InvStG. Bei der Verschmelzung zweier Spezial-Investmentfonds ist ab dem Übertragungsstichtag folgenden Tag der Status des übernehmenden Spezial-Investmentfonds ausschlaggebend.4 Ein durch den übernehmenden Spezial-Investmentfonds bereits vor der Verschmelzung ausgeübtes Wahlrecht umfasst ab dem vorstehend genannten Zeitpunkt auch die aus dem Vermögen des übertragenden Spezial-Investmentfonds stammenden inländischen Beteiligungseinnahmen und sonstigen inländischen Einkünfte mit Steuerabzug. Für den Fall, dass der zu übernehmende Spezial-Investmentfonds in der Vergangenheit von dem Wahlrecht keinen Gebrauch gemacht hat, ist der übernehmende Spezial-Investmentfonds verpflichtet, den Entrichtungspflichtigen des übernehmenden Spezial-Investmentfonds von der seinerseits ausgeübten Transparenzoption zu unterrichten. Hat im Gegensatz dazu nur der zu übernehmende Spezial-Investmentfonds die Transparenzoption ausgeübt, erlischt die Steuerbefreiung bzgl. der relevanten Einkünfte des zu übernehmenden Spezial-Investmentfonds mit Ablauf des Übertragungsstichtags. Mit dem Tag, der auf den Übertragungsstichtag folgt, sind die relevanten Einkünfte, d.h. inländische Beteiligungseinnahmen sowie sonstige inländische Einkünfte mit Steuerabzug dem aufnehmendem Spezial-Investmentfonds zuzurechnen und dort nach § 29 Abs. 1, § 6 Abs. 2, 3 und 5 InvStG körperschaftsteuerpflichtig, es sei denn, dieser hat bereits – wie vorstehend beschrieben – selbst von der Wahlmöglichkeit Gebrauch gemacht.

1 2 3 4

Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 30 InvStG Rz. 98. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.22. Stadler/Jetter in Moritz/Jesch/Mann2, § 30 InvStG Rz. 57. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.9. Neugebauer/Jost | 583

§ 30 Rz. 24 | Inländ. Beteiligungseinnahmen/sonstige Einkünfte mit Steuerabzug 4. Rechtsfolgen einer ausgeübten Transparenzoption a) Vorbemerkung 24 Im Hinblick auf die Rechtsfolgenbetrachtung ist strikt zwischen Rechtsfolgen für den Spezial-

Investmentfonds einerseits und den Anleger andererseits zu unterscheiden. § 30 Abs. 1 Satz 1 InvStG regelt, dass durch die wirksame Ausübung der Transparenzoption (i) die KSt-Pflicht des Spezial-Investmentfonds i.H.v. 15 % (inkl. SolZ) entfällt und (ii) die von Abs. 1 erfassten Einkünfte dem Anleger unmittelbar zuzurechnen sind. Es kommt demzufolge zu einer vollständigen Transparenz,1 wie auch § 36 Abs. 1 Satz 2 InvStG klarstellt, wonach die inländischen Beteiligungseinnahmen und sonstigen inländischen Einkünfte keine ausschüttungsgleichen Erträge sind. § 30 Abs. 1 Satz 2 InvStG fingiert, dass der jeweilige Anleger bei Ausübung der Transparenzoption zum Gläubiger der so zugerechneten Einkünfte wird, somit auch als Schuldner der KapErtrSt zu behandeln ist. b) Anlegerebene

25 Konkret folgt aus § 30 Abs. 1 Satz 1 InvStG, dass im Zurechnungszeitpunkt des § 31 Abs. 1

Satz 3 InvStG der jeweilige Bruttobetrag (also vor Abzug von Aufwendungen) den Anlegern zumindest steuerlich als zugeflossen gilt.2 Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass bei gewerblichen Anlegern handelsrechtlich ein Zufluss nicht stattgefunden hat, da es sich insoweit lediglich um eine steuerliche Fiktion handelt. Hierfür sind Ausgleichsposten in der Steuerbilanz des Anlegers – und zwar i.H.d. Nettobetrags, also ohne Steueraufwand (vgl. § 35 Abs. 3 InvStG) – zu bilden.3 Bei betrieblichen Anlegern, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG berechnen, ist ein Merkposten ebenfalls i.H.d. Nettobetrags zu bilden.4

26 § 31 Abs. 1 Satz 1 InvStG kommt zur Anwendung, sodass die Anleger wie bei einer Direkt-

anlage gestellt werden und die Regelungen zum KapErtrSt-Abzug so anzuwenden sind, als ob dem jeweiligen Anleger die inländischen Beteiligungseinnahmen und sonstigen inländischen Einkünfte unmittelbar zugeflossen sind. Der Nachweis der Anrechenbarkeit i.R.v. § 36a EStG hat durch den Anleger zu erfolgen (vgl. dazu § 31 Abs. 3 InvStG). Inländische Beteiligungseinnahmen sind beim Anleger im Rahmen dessen unbeschränkter StPfl. zu erfassen; für beschränkt stpfl. Anleger ergibt sich die StPfl. entweder über § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG oder § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG. Für die Besteuerung des Anlegers im Spezial-Investmentfonds nach den §§ 37 ff. InvStG folgt aus der Transparenz, dass die auf diese Weise als direkt bezogen geltenden inländischen Beteiligungseinnahmen und sonstigen inländischen Einkünfte weder als ausgeschüttete Erträge gem. § 35 Abs. 1 InvStG noch als ausschüttungsgleiche Erträge gem. § 36 Abs. 1 Satz 2 InvStG einzuordnen sind. Das Gesetz definiert diese für Besteuerungszwecke des Spezial-Investmentfonds insoweit ausgeklammerten Einkünfte gem. § 35 Abs. 3 InvStG als sog. Zurechnungsbeträge, d.h. als zugeflossene inländische Beteiligungseinnahmen und sonstige inländische Einkünfte mit Steuerabzug nach Abzug der KapErtrSt und bestimmter Zuschlagsteuern zur KapErtrSt. Bei tatsächlicher Ausschüttung von Zurechnungsbeträgen durch den Spezial-Investmentfonds gelten diese als vorrangig ausgeschüttet (§ 35 Abs. 2 Satz 1 InvStG).

1 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 30 InvStG Anm. 5; Mann in Moritz/Jesch/Mann2, § 30 InvStG Rz. 8. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.15. 3 Allgemein dazu Wolny in BeckOK, § 30 InvStG Rz. 39; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.11. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.12.

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C. Anwendbarkeit des körperschaftsteuerlichen Schachtelprivilegs (Abs. 2) | Rz. 30 § 30

Im Fall der Anteilsveräußerung am Spezial-Investmentfonds wird der Gewinn aus der Ver- 27 äußerung um Zurechnungsbeträge und Immobilien-Zurechnungsbeträge, die nicht an den Anleger ausgeschüttet werden, gem. § 49 Abs. 3 Satz 5 InvStG gemindert. c) Spezial-Investmentfondsebene Auf Ebene des Fonds entfällt bei Ausübung der Transparenzoption (i) dessen StPfl. in Bezug 28 auf die vom Anleger als direkt bezogen geltenden inländischen Beteiligungseinnahmen und sonstigen inländischen Einkünfte1 und (ii) die Pflicht zur Abgabe einer KSt-Erklärung bei dem für den Spezial-Investmentfonds nach § 4 InvStG zuständigen FA2. Durch die auf diese Weise erfolgte Zurechnung liegt u.E. aber keine Steuerbefreiung im wörtlichen bzw. sachlichen Sinne vor, da insoweit das Zurechnungssubjekt der Einkünfte geändert wird, es aber nicht zu einer objektiven Steuerbefreiung der Einkünfte an sich kommt.3 Der Spezial-Investmentfonds ist aber verpflichtet, das Wahlrecht einheitlich für alle Anleger auszuüben. Die sog. Zurechnungsbeträge nach § 35 Abs. 3 InvStG sind weder auf Ebene des Spezial-Investmentfonds körperschaftsteuerbar noch als solche auf Ebene des Anlegers einkommen- oder körperschaftsteuerbar. Die Zurechnung der an den Spezial-Investmentfonds ausgeschütteten inländischen Beteiligungserträge oder sonstigen dem Steuerabzug unterliegenden inländischen Erträge erfolgt auf Anlegerebene mit dem Brutto-Betrag gemäß § 31 Abs. 1 S. 3 InvStG im Zurechnungszeitpunkt dieser Erträge bei dem Spezial-Investmentfonds.4

Die Ausübung der Transparenzoption hat regelmäßig keine Auswirkungen auf den Werbungs- 29 kostenabzug für den Spezial-Investmentfonds. Im Hinblick auf inländische Beteiligungseinnahmen scheidet ein Werbungskostenabzug ohnehin von vornherein aufgrund der Steuerabzugsregelung aus (vgl. dazu § 6 Abs. 7 Satz 3 InvStG). Entsprechendes kommt für sonstige inländische Einkünfte mit Steuerabzug nach § 30 Abs. 5 InvStG zur Anwendung. Bei Ausübung der Transparenzoption kommt es – wie beschrieben – zur steuerlichen Zurechnung der inländischen Beteiligungseinnahmen zum Anleger, es fehlt demnach am wirtschaftlichen Zusammenhang mit inländischen Einnahmen (wie von § 6 Abs. 7 Satz 1 InvStG vorausgesetzt).

C. Anwendbarkeit des körperschaftsteuerlichen Schachtelprivilegs (Abs. 2) I. Anwendungsbereich § 30 Abs. 2 InvStG enthält spezielle Regelungen bzgl. des Schachtelprivilegs des § 8b KStG 30 für körperschaftsteuerpflichtige Anleger eines Spezial-Investmentfonds und insoweit zugerechnete Beteiligungseinnahmen – mithin ist in einem denklogisch ersten Schritt die wirksame Ausübung der Transparenzoption des § 30 Abs. 1 Satz 1 InvStG erforderlich. Demzufolge hat die Regelung nur Auswirkungen für den jeweiligen Anleger über die auf diese Weise durch § 30 Abs. 1 Satz 2 InvStG erfolgte Zurechnung, aber keine Relevanz für den SpezialInvestmentfonds selbst. Regelungshintergrund – ausweislich der Gesetzesbegründung5 – ist die Eingrenzung des Anwendungsbereichs von § 8b KStG zur Verhinderung von Umgehungsmöglichkeiten (Nr. 1 der Vorschrift). Ebenfalls soll die Gleichschaltung zur Direktanlage erreicht werden (Nr. 2 der Vorschrift). Auswirkungen auf das Teileinkünfteverfahren, das abschließend in § 30 Abs. 3 InvStG geregelt ist, ergeben sich aus § 30 Abs. 2 InvStG nicht. 1 2 3 4

Wolny in BeckOK, § 30 InvStG Rz. 39. Mann in Brandis/Heuermann, § 30 InvStG Rz. 19. So auch Haisch, RdF 2015, 294; Bünning, BB 2017, 1070. Vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.15; Mann in Moritz/Jesch/Mann2, § 30 InvStG Rz. 7. 5 BT-Drucks. 18/8045, 99. Neugebauer/Jost | 585

§ 30 Rz. 31 | Inländ. Beteiligungseinnahmen/sonstige Einkünfte mit Steuerabzug 31 Die Anwendung von § 30 Abs. 2 InvStG setzt aber nach Auffassung der FinVerw. eine vorran-

gige Prüfung dahingehend voraus, dass kein Ausschlussgrund nach § 30 Abs. 3 InvStG gegeben ist.1 § 30 Abs. 2 InvStG ist als Rechtsgrundverweis auf § 8b KStG ausgestaltet, wobei durch die einschränkenden Bestimmungen von § 30 Abs. 2 und 3 InvStG bestimmte Regelungen des § 8b KStG unanwendbar sind. Die Transparenzoption ist gerade nur für inländische Beteiligungseinnahmen und sonstige inländische Einkünfte mit Steuerabzug anwendbar. Für die Vorschriften des § 8b KStG bedeutet dies konkret: – § 8b Abs. 1 und Abs. 5 KStG bleiben durch die Rechtsgrundverweisung uneingeschränkt anwendbar, da § 30 Abs. 2 InvStG und § 30 Abs. 3 InvStG insoweit keine einschränkenden Bestimmungen anordnen – hiervon geht die weit überwiegende Ansicht in der Literatur2 als auch die FinVerw.3 aus. – § 8b Abs. 2 und Abs. 3 KStG haben keinen gesonderten Anwendungsbereich, da die Transparenzoption des § 30 Abs. 1 InvStG lediglich für inländische Beteiligungseinnahmen und sonstige Einkünfte mit Steuerabzug gilt. Die von § 8b Abs. 2 und 3 KStG erfassten Gewinne und Gewinnminderungen spielen hier keine Rolle. – Die FinVerw. – in Einklang mit der Auffassung, dass es sich bei § 30 Abs. 2 InvStG um einen Rechtsgrundverweis handelt – erfordert, dass die Voraussetzungen des § 8b Abs. 4 KStG vollständig auf Ebene des Anlegers erfüllt sind.4 Zu beachten ist hier aber § 30 Abs. 2 Nr. 2 InvStG: Der auf den Anleger rechnerisch entfallende Teil der Beteiligung des SpezialInvestmentfonds am Kapital der ausschüttenden Gesellschaft muss die 10 %-Grenze des § 8b Abs. 4 Satz 1 EStG erreichen. Dabei geht die FinVerw. davon aus, dass die 10-prozentige Mindestbeteiligung durchgerechnet zum Beginn des Kalenderjahres zu ermitteln ist.5 – Aufgrund von § 2 Abs. 10 InvStG ist bei einer Zwischenschaltung einer gewerblichen Personengesellschaft diese als Anleger im Spezial-Investmentfonds anzusehen. Aufgrund von § 8b Abs. 6 KStG i.V.m. § 30 Abs. 2 Nr. 2 InvStG sind die Voraussetzungen des § 8b KStG auf Ebene des jeweiligen Mitunternehmers der Personengesellschaft zu prüfen. – Die Regelungen der § 8b Abs. 7, 8 und Abs. 9 KStG erfordern eine direkte Beteiligung an einer Körperschaft gem. § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG. Kommt die Transparenzoption zur Anwendung, fehlt es an dieser Voraussetzung des § 8b Abs. 7, 8 und 9 KStG. Insoweit kommen dann aber die spezialgesetzlichen Bestimmungen des § 30 Abs. 3 InvStG zum Tragen, der eine vergleichbare, d.h. die einer Direktanlage entsprechende Besteuerung für Institute, Unternehmen und Pensionsfonds nach § 8b Abs. 7 KStG einführt. Eine dem § 8b Abs. 9 KStG entsprechende Regelung ist aber im Anwendungsbereich von § 30 Abs. 3 InvStG nicht vorgesehen. Dies ist u.E. auch stringent, da § 43 Abs. 2 Satz Nr. 2 EStG i.R.d. Umsetzung der Mutter-Tochter-Richtlinie eine unmittelbare Beteiligung in der Tochtergesellschaft erfordert. Auch hier gilt der Grundsatz, dass § 30 Abs. 1 InvStG lediglich zu einer Zurechnung der Einkünfte an den Anleger führt, nicht jedoch zu einer Zurechnung der Wirtschaftsgüter. – Aus dem gleichem Grund kommt § 8b Abs. 10 KStG nicht zur Anwendung. Denn auch bei der Wertpapierleihe oder einem echten Wertpapierpensionsgeschäft werden dem Anleger im Spezial-Investmentfonds lediglich Einkünfte zugerechnet, wohingegen der SpezialInvestmentfonds selbst entweder als Verleiher oder als Entleiher, also als Zurechnungssubjekt des Wertpapiergeschäfts anzusehen ist.

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.24. 2 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 30 InvStG Anm. 10; Mann in Brandis/Heuermann, § 30 InvStG Rz. 26. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.23 ff. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.24. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.23.

586 | Neugebauer/Jost

C. Anwendbarkeit des körperschaftsteuerlichen Schachtelprivilegs (Abs. 2) | Rz. 35 § 30

II. Regelungsvoraussetzungen Die 95-prozentige Steuerbefreiung für Schachteldividenden aus § 8b Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 KStG 32 ist von zwei kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 InvStG abhängig. D.h., die einem körperschaftsteuerpflichtigen Anleger zuzurechnenden inländischen Beteiligungseinnahmen gelten gem. § 30 Abs. 2 Nr. 1 InvStG nur dann als Schachteldividenden, wenn (i) es sich um Gewinnausschüttungen einer Gesellschaft i.S.d. § 26 Nr. 6 Satz 2 InvStG handelt, also um Immobiliengesellschaften, „ÖPP-Gesellschaften“ und Gesellschaften zur Erzeugung erneuerbarer Energie, und (ii) die auf die Spezial-Investmentanteile des Anlegers rechnerisch entfallende Beteiligung am Kapital der Gesellschaft die Voraussetzungen für eine Freistellung nach § 8b KStG erfüllt, also die 10-prozentige Schwelle nach § 8b Abs. 4 KStG erreicht ist. Nach vorherrschender Auffassung – in Einklang mit der Position der FinVerw. – ist dabei die 10 %-Schwelle auf „durchgerechneter“ Basis zu bestimmen.1 Nicht erfasst von Abs. 2 der Vorschrift sind dabei allerdings sog. Dividendenersatzzahlungen 33 i.S.v. § 6 Abs. 3 Satz 2 InvStG. Obwohl es sich insoweit um inländische Beteiligungseinnahmen gem. § 6 Abs. 3 InvStG handelt, unterliegen solche Dividendensurrogate gerade nicht der begünstigten Besteuerung des Schachtelprivilegs nach § 8b KStG – i.Ü. sind u.E., dem weiten Wortlaut der Vorschrift entsprechend, jegliche Bezüge als Beteiligungseinnahmen zu erfassen, denen auch im Anwendungsbereich des § 8b KStG die entsprechende Steuerfreistellung zugutekäme, wie z.B. Ausschüttungen auf Genussrechte am Eigenkapital einer KapGes.2 Im Hinblick auf die zeitliche Anwendung, also die Frage, zu welchen Zeitpunkt die 10 %- 34 Grenze erreicht sein muss, kommt es auf die Frage an, ob § 30 Abs. 2 Nr. 2 InvStG als (modifizierter) Rechtsgrundverweis oder Rechtsfolgenverweis verstanden wird.3 Das BMF-Anwendungsschreiben geht dabei davon aus, dass die 10-prozentige Beteiligungsgrenze zu Beginn des Kalenderjahrs auf Anlegerebene erfüllt sein muss, bedeutet also, dass aus Sicht der Auffassung, die die Nr. 2 der Vorschrift als Rechtsgrundverweis erfasst, somit auch die weitere Voraussetzung von § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG (neben der Beteiligungshöhe auch der zeitliche Aspekt) separat erfüllt sein muss.

III. Rechtsfolge § 8b KStG kommt zur Anwendung, allerdings vorbehaltlich des § 30 Abs. 3 InvStG (vgl. dazu 35 Rz. 36 ff.). Aus materiell-rechtlicher Sicht bedurfte es trotz der direkt erfolgenden Zurechnung beim Anleger bei ausgeübter Transparenzoption einer solchen Regelung, da § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG nur bei unmittelbarer Beteiligung an einer KapGes. zum Tragen kommt und dies durch die Zwischenschaltung eines Spezial-Investmentfonds gerade nicht vorliegt.4 Richtigerweise stellt demzufolge Abs. 2 der Vorschrift einen Rechtsgrundverweis dar, der allerdings einschränkend die vorstehend genannten zusätzlichen Bedingungen (zur ausschüttenden Gesellschaft und Abs. 3) aufstellt.5

1 Dies ist unstreitig, da durch den Sinn und Zweck („Volltransparenz gem. § 30 Abs. 1 Satz 2 InvStG“) einerseits und den klaren Wortlaut („... rechnerisch entfallende Beteiligung ...“) andererseits insoweit gestützt; vgl. statt vieler Wolny in BeckOK, § 30 InvStG Rz. 54; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.34. 2 Stadler/Jetter in Moritz/Jesch/Mann2, § 30 InvStG Rz. 121. 3 Eine Übersicht zum Streitstand findet sich bei Stadler/Jetter in Moritz/Jesch/Mann2, § 30 InvStG Rz. 133. 4 In diesem Sinn auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 30 InvStG Anm. 10. 5 A.A. und die Vorschrift als Rechtsfolgenverweis betrachtend mit weiteren Nachweisen zum Stand in der Literatur: Stadler/Jetter in Moritz/Jesch/Mann2, § 30 InvStG Rz. 133. Neugebauer/Jost | 587

§ 30 Rz. 36 | Inländ. Beteiligungseinnahmen/sonstige Einkünfte mit Steuerabzug

D. Besonderheiten bei Versicherungen und Banken (Abs. 3) I. Regelungshintergrund 36 § 30 Abs. 3 InvStG hat dahingehend einschränkenden Charakter, indem die Vorschrift die

Anwendung der (Teil-)Freistellungsregeln des § 8b KStG und § 3 Nr. 40 EStG bei ausgeübter Transparenzoption gem. § 30 Abs. 1 Satz 2 InvStG ausschließt bzw. an weitere Voraussetzungen knüpft, sofern der dahinterstehende Anleger des Spezial-Investmentfonds entweder – ein Lebens- oder Krankenversicherungsunternehmen ist und der Spezial-Investmentanteil den Kapitalanlagen zuzurechnen ist; oder – ein Institut oder Unternehmen nach § 3 Nr. 40 Satz 3 EStG oder § 8b Abs. 7 KStG ist und der Spezial-Investmentfonds in wesentlichem Umfang Anteile hält, die – dem Handelsbestand i.S.d. § 340e Abs. 3 HGB zuzuordnen wären oder – zum Zeitpunkt des Zugangs zum Betriebsvermögen als Umlaufvermögen auszuweisen wären, wenn sie von dem Institut oder Unternehmen unmittelbar erworben worden wären. Laut Gesetzesbegründung1 sollen die Vorschriften des § 8b Abs. 7 und Abs. 8 KStG und § 3 Nr. 40 Satz 3 EStG i.R.d. Transparenzoption Geltung finden, sodass ein der Direktanlage entsprechendes Ergebnis auf Anlegerebene erzielt werden kann. Eine Zurechnung der zugrunde liegenden Vermögensgegenstände findet nicht statt. Über Satz 2 der Vorschrift gilt § 30 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvStG entsprechend für Pensionsfonds. Abs. 3 der Vorschrift ist i.R.d. „JStG 2019“ v. 12.12.20192 umfänglich überarbeitet worden3 und seit dem 1.1.2020 anwendbar (vgl. insoweit § 57 Satz 1 Nr. 8 InvStG). Bis zum 31.12.2019 war die Vorschrift des § 30 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG dahingehend ausgestaltet, dass es für die Anwendung von § 8b KStG und § 3 Nr. 40 EStG auf die zugerechneten Beteiligungseinnahmen maßgeblich war, ob der SpezialInvestmentfonds in wesentlichem Umfang Geschäfte tätigte, die (i) dem Handelsbuch des Instituts oder Unternehmens zuzurechnen waren oder (ii) als mit dem Ziel der kurzfristigen Erzielung eines Eigenhandelserfolgs erworben anzusehen waren, wenn sie von dem Institut oder Unternehmen unmittelbar getätigt worden wären.

II. Tatbestand 1. Lebens- oder Krankenversicherungsunternehmen (Abs. 3 Satz 1 Nr. 1) 37 Nach § 30 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvStG kommen die §§ 8b KStG und § 3 Nr. 40 EStG bei Anle-

gern, die als Lebens- oder Krankenversicherungsunternehmen einzuordnen sind, dann nicht zur Anwendung im Hinblick auf die gem. § 30 Abs. 1 Satz 2 InvStG zugerechneten inländischen Beteiligungseinnahmen gem. § 6 Abs. 3 InvStG, wenn der Spezial-Investmentanteil (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 2 InvStG)4 den Kapitalanlagen zuzurechnen ist. Dies soll eine § 8b Abs. 8 KStG insoweit entsprechende Regelung darstellen.5 Daher sind auch die Begriffe Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen als deckungsgleich mit denen des § 8b Abs. 8 KStG zu verstehen.6 1 BT-Drucks. 18/8045, 99. 2 BGBl. I 2019, 2451. 3 Dies wurde notwendig, um die Änderungen des § 8b KStG und § 3 Nr. 40 EStG durch das BEPSUmsG v. 20.12.2016 (BGBl. I 2016, 3000) entsprechend zu erfassen. 4 Spezial-Investmentanteil ist danach der Anteil an einem Spezial-Investmentfonds, unabhängig von der rechtlichen Ausgestaltung des Anteils oder des Spezial-Investmentfonds. 5 BT-Drucks. 18/8045, 99. 6 Stadler/Jetter in Moritz/Jesch/Mann2, § 30 InvStG Rz. 152.

588 | Neugebauer/Jost

D. Besonderheiten bei Versicherungen und Banken (Abs. 3) | Rz. 41 § 30

Aufgrund fehlender spezialgesetzlicher Regelungen entweder durch das InvStG selbst oder das 38 KAGB sind insoweit die Vorgaben des VAG zur Bestimmung eines Lebens- oder Krankenversicherungsunternehmens maßgeblich. Dies sind dabei generell Unternehmen, die der Versicherungsaufsicht (§ 1 VAG) unterstehen und dem Geschäft von Lebens- und Krankenversicherungen nachgehen. Für Pensionskassen gilt § 232 VAG, d.h., diese werden als Lebensversicherungsunternehmen behandelt und unterfallen demzufolge auch dem Anwendungsbereich des § 30 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvStG.1 Bei Pensionsfonds (§ 236 VAG) handelt es sich gerade nicht um Lebens- oder Krankenversicherungsunternehmen und demzufolge sind sie nicht vom Anwendungsbereich des § 30 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvStG erfasst.2 Zur spezialgesetzlichen Sonderregelung des § 30 Abs. 3 Satz 2 InvStG s. Rz. 42. Für den Ausschluss von § 8b Abs. 1 bis Abs. 7 KStG kommt es i.R.d. § 30 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 InvStG allerdings nur, wenn der Spezial-Investmentanteil (gem. § 2 Abs. 4 Satz 2 InvStG) den Kapitalanlagen zuzurechnen ist. Insoweit geben die §§ 341 ff. HGB den Rechtsrahmen, zusammen mit der VO über die Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen (RechVersV), vor, der zu einer Zuordnung zu den Kapitalanlagen führt.3 Die Begrifflichkeit „Kapitalanlage“ stammt direkt aus dem Jahresabschluss – hierbei ist für Spezial-Investmentanteile i.d.R. gem. § 7 Satz 1 RechVersV der Ausweis als sonstige Kapitalanlagen nach § 3 Nr. 1 Buchst. b RechVersV (Aktivposten C Nr. III) vorgesehen.4 2. Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute (Abs. 3 Satz 1 Nr. 2) Nach § 3 Nr. 40 Satz 3 EStG sowie § 8b Abs. 7 KStG sind die Steuerbefreiungen der § 3 Nr. 40 39 Buchst. a EStG sowie § 8b Abs. 1 und 4 KStG auf Beteiligungen an Körperschaften nicht anzuwenden, die bei Kredit- bzw. Finanzdienstleistungsinstituten dem Handelsbestand gem. § 340e Abs. 3 HGB zuzuordnen sind, wenn sie durch das jeweilige Unternehmen direkt erworben worden sind. Vorstehende Regelungen werden durch § 30 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG auf Spezial-Invest- 40 mentfonds übertragen. Es kommt also zum Ausschluss der Steuerbefreiung für, aufgrund der Transparenzoption, direkt bezogene Dividenden, wenn der Spezial-Investmentfonds in wesentlichem Umfang Anteile hält, die (i) dem Handelsbestand gem. § 340e Abs. 3 HGB zuzuordnen oder (ii) zum Zeitpunkt des Zugangs zum Betriebsvermögen als Umlaufvermögen auszuweisen wären, sofern sie – im Rahmen einer hypothetischen Prüfung – von dem Institut oder Unternehmen unmittelbar erworben worden wären. Auch hier ist Hintergrund für die gesetzliche Normierung des § 30 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG, Umgehungsmöglichkeiten zu verhindern und die Investition über einen Spezial-Investmentfonds möglichst einer Direktinvestition gleichzustellen.5 Eine derartige Gleichstellung ist im Anwendungsbereich des § 30 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG 41 dann als gerechtfertigt anzusehen, wenn der Spezial-Investmentfonds (i) im wesentlichen Umfang Anteile hält, für welche (ii) eine Zuordnung zum Handelsbestand gem. § 340e Abs. 3 HGB bei Direkterwerb erfolgt wäre (§ 30 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a InvStG) oder alternativ (iii) zum Zeitpunkt des Zugangs zum Betriebsvermögen als Umlaufvermögen, bei unterstelltem Direkterwerb, auszuweisen wären (§ 30 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b InvStG).

1 2 3 4 5

Stadler/Jetter in Moritz/Jesch/Mann2, § 30 InvStG Rz. 152. Im Detail dazu Gosch in Gosch4, § 8b KStG Rz. 162. Vgl. RechVersV v. 8.11.1994, BGBl. I 1994, 3378. So Mann in Brandis/Heuermann, § 30 InvStG 2018 Rz. 31. BT-Drucks. 18/8045, 99. Neugebauer/Jost | 589

§ 30 Rz. 42 | Inländ. Beteiligungseinnahmen/sonstige Einkünfte mit Steuerabzug 3. Pensionsfonds (Abs. 3 Satz 2) 42 § 30 Abs. 3 Satz 2 InvStG erklärt die Regelung des § 30 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvStG als für

entsprechend anwendbar, wenn es sich bei dem Anleger um einen Pensionsfonds handelt (zu Pensionskassen vgl. Rz. 38). § 236 VAG definiert einen Pensionsfonds als eine rechtsfähige Versorgungseinrichtung,1 die (i) Leistungen der bAV erbringt, wobei (ii) u.a. die Höhe der Leistungen nicht für alle vorgesehenen Leistungsfälle durch versicherungsförmige Garantien zugesagt werden darf sowie (iii) den Arbeitnehmern ein eigener Anspruch auf Leistung gegen den Pensionsfonds zusteht (s. dazu § 1b Abs. 3 BetrAVG) und (iv) die Altersversorgungsleistung als lebenslange Zahlung oder als Einmalkapitalzahlung zu erbringen ist. In der Praxis häufig anzutreffende sog. contractual trust arrangements (CTA), die rechtlich betrachtet nur als Treuhänder mit der Verwaltung der durch den Treugeber zur Verfügung gestellten Mittel beauftragt werden, sind nicht als Pensionsfonds i.S.d. § 236 VAG einzustufen.2

43 Satz 2 ist durch das „JStG 2019“ v. 12.12.20193 eingeführt worden und gilt gem. § 57 Satz 1

Nr. 8 InvStG ab dem 1.1.2020. Demnach gilt insoweit auch der Ausschluss des § 8b Abs. 1 bis 7 KStG für Pensionsfonds ab dem 1.1.2020, denn § 8b Abs. 8 Satz 5 KStG sieht insoweit eine Gleichstellung zwischen Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen vor. Trotz der generellen steuerlichen Gleichbehandlung dieser Unternehmen mit Pensionsfonds (vgl. z.B. neben § 8b Abs. 8 KStG auch § 9 Nr. 2 Satz 2, Nr. 2a Satz 5 GewStG)4 hatte § 30 Abs. 3 InvStG i.d.F des InvStRefG v. 19.7.20165 keine Regelung bzw. Gleichstellung für Pensionsfonds vorgesehen.6 Aufgrund dieses gesetzgeberischen Versehens7 war § 8b KStG bei ausgeübter Transparenzoption für Pensionsfonds also in der Vergangenheit und bis zum 31.12.2019 anwendbar.8

III. Rechtsfolge 44 Liegen die Voraussetzungen vor, hat der jeweilige Anleger die nach § 30 Abs. 1 Satz 2 InvStG

zugerechneten inländischen Beteiligungseinnahmen gem. § 6 Abs. 3 InvStG bereits bei Zufluss an den Spezial-Investmentfonds vollumfänglich der Besteuerung zu unterwerfen.

E. Dach-Spezial-Investmentfonds (Abs. 4) I. Anwendbarkeit der Transparenzoption auf zwei Ebenen 45 § 30 Abs. 4 InvStG erfasst zunächst doppelstöckige Spezial-Investmentfonds-Strukturen und

erklärt die Vorschriften des § 30 Abs. 1 bis 3 InvStG für entsprechend anwendbar, wenn der Anleger eines Spezial-Investmentfonds9 ein Dach-Spezial-Investmentfonds (§ 2 Abs. 5 Satz 1 InvStG)10 ist und erweitert damit die Transparenzoption auf diese Konstellationen. 1 2 3 4 5 6 7 8

9 10

Vgl. § 237 Abs. 3 Nr. 1 VAG zu den verfügbaren Rechtsformen. Mann in Brandis/Heuermann, § 30 InvStG 2018 Rz. 38 m.w.N. BGBl. I 2019, 2451. Die Voraussetzungen des § 44a Abs. 5 Satz 1 EStG für einen Pensionsfonds als sog. Dauerüberzahler zum Bezug einer NV08-Bescheinigung sind regelmäßig erfüllt. BGBl. I 2016, 1730. Vgl. auch BR-Drucks. 356/19, 204. BT-Drucks. 19/13436, 178. So wohl auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 30 InvStG Anm. 15; Mann in Brandis/Heuermann, § 30 InvStG 2018 Rz. 38. Letzterer wird als Ziel-Spezial-Investmentfonds bezeichnet, vgl. § 2 Abs. 5 Satz 2 InvStG. Ein Dach-Spezial-Investmentfonds ist danach ein Spezial-Investmentfonds, der Spezial-Investmentanteile an einem anderen Spezial-Investmentfonds (Ziel-Spezial-Investmentfonds) hält.

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E. Dach-Spezial-Investmentfonds (Abs. 4) | Rz. 49 § 30

II. Anwendungsbereich Bei dem Anleger eines Spezial-Investmentfonds muss es sich zunächst selbst um einen Spezi- 46 al-Investmentfonds handeln (der Dach-Spezial-Investmentfonds), bei welchem demnach eigenständig die Voraussetzungen des § 26 InvStG vorliegen müssen. Weiterhin muss der DachSpezial-Investmentfonds die Transparenzoption gem. § 30 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 InvStG in der Weise ausgeübt haben, dass er durch unwiderrufliche Erklärung gegenüber dem Entrichtungspflichtigen des Ziel-Spezial-Investmentfonds erklärt, den eigenen Anlegern (also denen des Dach-Spezial-Investmentfonds) Steuerbescheinigungen nach § 45a Abs. 2 EStG auszustellen. Hat der Ziel-Spezial-Investmentfonds mehrere Entrichtungspflichtige, sind sämtliche Entrichtungspflichtige seitens des Dach-Spezial-Investmentfonds über die Ausübung der Transparenzoption zu informieren.1 Weiterhin kann es zu einer vollständigen Transparenz im Sinne einer einheitlichen Ausübung für alle Anleger (vgl. Rz. 18) nur dann kommen, wenn – gegenüber einem Entrichtungspflichtigen durch den Dach-Spezial-Investmentfonds anderweitig abgegebene Erklärung – diese auch für inländische Beteiligungseinnahmen aus direkt gehaltenen Beteiligungen des Dach-Spezial-Investmentfonds gilt.2 Rechtsfolge ist dann, dass die Zurechnung der Einkünfte über zwei Beteiligungsstufen direkt 47 bei den Anlegern des Dach-Spezial-Investmentfonds erfolgen kann (§ 30 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 2 InvStG – sog. doppelte Transparenz). In der Steuerbescheinigung (vgl. § 31 InvStG Rz. 10 ff.) sind die Anleger des Dach-Spezial-Investmentfonds anzugeben.3 Die FinVerw. will die wirksame Ausübung der Transparenzoption durch den Dach-Spezial-Investmentfonds allerdings nur einheitlich gegenüber allen von ihm gehaltenen Beteiligungen an Ziel-Spezial-Investmentfonds zulassen (die ihrerseits die Transparenzoption nach § 30 Abs. 1 Satz 1 InvStG ausgeübt haben).4

Den Anlegern des Dach-Spezial-Investmentfonds sind bei wirksamer Ausübung der Transparenz- 48 option durch den Dach-Spezial-Investmentfonds die inländischen Beteiligungseinnahmen sowie sonstigen inländischen und dem Steuerabzug unterliegenden Einkünfte zuzurechnen, und zwar in dem Zeitpunkt, in dem die Einkünfte, hätte der Ziel-Spezial-Investmentfonds keine Transparenzoption ausgeübt, zuzurechnen gewesen wären (§ 31 Abs. 1 Satz 3 InvStG). Ob auf einer der beiden Ebenen (entweder beim Ziel-Spezial-Investmentfonds oder Dach-Spezial-Investmentfonds) eine Thesaurierung oder (unmittelbare) Ausschüttung stattfindet, ist insoweit unerheblich.5

III. Keine Transparenz für drei- oder mehrstöckige SpezialInvestmentfonds-Strukturen Die Regelung lässt die Transparenzoption nach § 30 Abs. 4 Satz 2 InvStG für zwei Fondsebe- 49 nen zu, d.h., die Zurechnung über drei- oder mehrstöckige Spezial-Investmentfonds-Strukturen ist ausgeschlossen.6 Grund dieser Vereinfachungsregelung ist wohl ein Vereinfachungsgedanke bzw. die Verhinderung von komplexen Strukturen und deren erschwerte Nachprüfbarkeit.7 In einer dreistöckigen Spezial-Investmentfonds-Struktur – bei unterstellter Transparenzerklärung der jeweiligen Spezial-Investmentfonds gem. § 30 Abs. 1 Satz 1 InvStG (ggf. i.V.m. § 30 Abs. 4 Satz1 InvStG) – wäre daher wie folgt vorzugehen: Ist an einem ZielSpezial-Investmentfonds ein Dach-Spezial-Investmentfonds (Stufe 1) beteiligt, dessen Anleger 1 2 3 4 5 6 7

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.37. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.34. BT-Drucks. 18/8045, 100. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.34. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.40. Vgl. auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.33. Wolny in BeckOK, § 30 InvStG Rz. 39. Neugebauer/Jost | 591

§ 30 Rz. 49 | Inländ. Beteiligungseinnahmen/sonstige Einkünfte mit Steuerabzug selbst ein Dach-Spezial-Investmentfonds (Stufe 2 – sozusagen ein Dach-Dach-Spezial-Investmentfonds) ist, hat der Steuereinbehalt gegenüber dem Dach-Spezial-Investmentfonds (der Stufe 1) abgeltende Wirkung. Denn für den Entrichtungspflichtigen ist der Dach-Dach-Spezial-Investmentfonds (Stufe 2) nicht berechtigt, die Transparenzoption wegen § 30 Abs. 4 Satz 2 InvStG gegenüber dem Dach-Spezial-Investmentfonds (der Stufe 1) auszuüben. Der Entrichtungspflichtige hat demzufolge gegenüber dem Dach-Dach-Spezial-Investmentfonds (Stufe 2) den Steuerabzug vorzunehmen in Bezug auf die inländischen Beteiligungseinnahmen sowie sonstigen inländischen und dem Steuerabzug unterliegenden Einkünfte, welcher dann abgeltende Wirkung entfaltet (15 % KSt, inkl. SolZ – vgl. § 6 Abs. 3, § 7 Abs. 2 i.V.m. § 29 Abs. 1 InvStG, nicht aber GewSt, § 29 Abs. 4 InvStG). Eine Anrechnung der KSt beim Anleger kann nicht erfolgen, da es sich hierbei nicht um eine eigene, sondern fremde Steuer (StPfl. ist der Dach-Dach-Spezial-Investmentfonds der Stufe 2) handelt.1 Insoweit kommt aber das Freistellungsverfahren des § 42 Abs. 4 bzw. Abs. 5 InvStG zum Tragen. Auf Anlegerebene des DachDach-Spezial-Investmentfonds (Stufe 2) sind die ausgeschütteten/zugerechneten Einkünfte (d.h. die mit abgeltender Wirkung besteuerten inländischen Beteiligungseinnahmen bzw. sonstigen inländischen und dem Steuerabzug unterliegenden Einkünfte des Dach-Dach-Spezial-Investmentfonds (Stufe 2) für die ESt- bzw. KSt zu 60 % (gem. § 42 Abs. 4 Satz 1 InvStG) bzw. 100 % (gem. § 42 Abs. 4 Satz 2 InvStG) freizustellen (s. im Detail § 42 InvStG Rz. 36 ff.).

F. Sonstige inländische Einkünfte mit Steuerabzug (Abs. 5) 50 § 30 Abs. 5 InvStG sieht vor, dass § 30 Abs. 1 bis 4 InvStG entsprechend für sonstige inländische

Einkünfte eines Spezial-Investmentfonds, die bei Vereinnahmung durch den Spezial-Investmentfonds einem Steuerabzug unterliegen, gelten, will heißen, dass bei wirksam ausgeübter Transparenzoption auch solche Einkünfte dem Anleger des Spezial-Investmentfonds direkt zuzurechnen sind. Sonstige inländische Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug unterliegen, werden von § 33 Abs. 4 InvStG erfasst (s. im Detail § 33 InvStG Rz. 57 ff.). Nach Auffassung der FinVerw. kann die Erklärung nur einheitlich gegenüber sämtlichen Entrichtungspflichtigen für alle inländischen Beteiligungseinnahmen (§ 30 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 29 Abs. 1 InvStG, § 6 Abs. 3 Satz 1 InvStG) und sonstigen inländischen Einkünfte mit Steuerabzug ausgeübt werden.2 Hat demgegenüber der Spezial-Investmentfonds die Transparenzoption nicht oder nicht wirksam ausgeübt, verbleibt es bei den allgemeinen Vorschriften und die sonstigen inländischen Einkünfte mit Steuerabzug sind somit auf Fondseingangsseite körperschaftsteuerpflichtig (§ 6 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Nr. 1 InvStG i.V.m. § 29 Abs. 1 InvStG). Der Steuerabzug hat dann abgeltende Wirkung (§ 7 Abs. 2 InvStG i.V.m. § 29 Abs. 1 InvStG). Auf Anlegerseite erfolgt dann die Qualifikation als ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche Erträge (§ 34 Abs. 1 InvStG).

51 Dabei sind Einkünfte, die auf Spezial-Investmentfonds-Eingangsseite einem Steuerabzug

unterliegen würden, in § 6 Abs. 5 InvStG (i.V.m. § 29 Abs. 1 InvStG) abschließend geregelt. Es handelt sich demnach einerseits um Einkünfte i.R.d. beschränkten StPfl. nach § 49 EStG (§ 6 Abs. 5 Nr. 1 InvStG) und andererseits um Einkünfte einer Investmentaktiengesellschaft (§ 6 Abs. 5 Nr. 2 InvStG). Insoweit müssen also (i) inländische Einkünfte vorliegen und – im Sinne einer zusätzlichen Voraussetzung – (ii) diese auch einem Steuerabzug unterliegen.3 Letzterer ergibt sich aus den allgemeinen Regeln,4 also im Wesentlichen den §§ 43 ff. EStG, wobei es unerheblich ist, wer den Steuerabzug vornimmt. 1 2 3 4

BT-Drucks. 18/8045, 100. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.44. Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 30 InvStG Anm. 25. § 7 InvStG selbst ist dabei kein eigenständiger Steuerabzugstatbestand, sondern fungiert lediglich als Modifikationsvorschrift für einen bereits anderweitig bestehenden Steuerabzugstatbestand (vgl. § 7 InvStG Rz. 1 und 14).

592 | Neugebauer/Jost

Steuerabzug und Steueranrechnung bei Ausübung der Transparenzoption | § 31

§ 31 Steuerabzug und Steueranrechnung bei Ausübung der Transparenzoption (1) 1Nimmt ein Spezial-Investmentfonds die Transparenzoption wahr, so sind die Regelungen des Einkommensteuergesetzes zum Steuerabzug vom Kapitalertrag so anzuwenden, als ob dem jeweiligen Anleger die inländischen Beteiligungseinnahmen oder die sonstigen inländischen Einkünfte unmittelbar selbst zugeflossen wären. 2In den Steuerbescheinigungen sind neben den nach § 45a des Einkommensteuergesetzes erforderlichen Angaben zusätzlich anzugeben: 1. Name und Anschrift des Spezial-Investmentfonds als Zahlungsempfänger, 2. Zurechnungszeitpunkt des Kapitalertrags, 3. Name und Anschrift der am Spezial-Investmentfonds beteiligten Anleger als Gläubiger der Kapitalerträge, 4. Gesamtzahl der Anteile des Spezial-Investmentfonds und Anzahl der Anteile der einzelnen Anleger jeweils zum Zurechnungszeitpunkt sowie 5. Anteile der einzelnen Anleger an der Kapitalertragsteuer. 3Zurechnungszeitpunkt ist der Tag, an dem die jeweiligen Kapitalerträge dem Spezial-Investmentfonds zugerechnet werden; dies ist bei Kapitalerträgen nach § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 1a des Einkommensteuergesetzes der Tag des Gewinnverteilungsbeschlusses. (2) Wird vom Steuerabzug Abstand genommen oder wird die Steuer erstattet, so hat der Spezial-Investmentfonds die Beträge an diejenigen Anleger auszuzahlen, bei denen die Voraussetzungen für eine Abstandnahme oder Erstattung vorliegen. (3) 1Die auf Kapitalerträge im Sinne des § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1a oder des § 36a Absatz 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes bei Ausübung der Transparenzoption erhobene Kapitalertragsteuer wird auf die Einkommen- oder Körperschaftsteuer des Anlegers angerechnet, wenn 1. der Spezial-Investmentfonds die Voraussetzungen für eine Anrechenbarkeit nach § 36a Absatz 1 bis 3 des Einkommensteuergesetzes erfüllt und 2. der Anleger innerhalb eines Zeitraums von 45 Tagen vor und 45 Tagen nach dem Zurechnungszeitpunkt mindestens 45 Tage ununterbrochen wirtschaftlicher Eigentümer der Spezial-Investmentanteile ist (Mindesthaltedauer), der Anleger während der Mindesthaltedauer unter Berücksichtigung von gegenläufigen Ansprüchen und von Ansprüchen nahestehender Personen ununterbrochen das volle Risiko eines sinkenden Wertes der Spezial-Investmentanteile trägt und nicht verpflichtet ist, den ihm nach § 30 Absatz 1 unmittelbar zugerechneten Kapitalertrag ganz oder überwiegend, unmittelbar oder mittelbar anderen Personen zu vergüten. 2Fehlen die Voraussetzungen des Satzes 1, so sind drei Fünftel der Kapitalertragsteuer nicht anzurechnen. 3Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden, wenn 1. die Kapitalerträge des Anlegers im Sinne des § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1a und des § 36a Absatz 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes im Veranlagungszeitraum nicht mehr als 20 000 Euro betragen oder 2. der Spezial-Investmentfonds im Zurechnungszeitpunkt seit mindestens einem Jahr ununterbrochen wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien oder Genussscheine ist und der Anleger im Zurechnungszeitpunkt seit mindestens einem Jahr ununterbrochen wirtschaftlicher Eigentümer der Spezial-Investmentanteile ist. 4Ein Spezial-Investmentfonds und der an ihm beteiligte Anleger gelten unabhängig von dem Beteiligungsumfang als einander nahestehende Personen im Sinne des Satzes 1 und Neugebauer/Jost | 593

§ 31 Rz. 1 | Steuerabzug und Steueranrechnung bei Ausübung der Transparenzoption des § 36a Absatz 3 des Einkommensteuergesetzes. 5Wurde für einen Anleger kein Steuerabzug vorgenommen oder ein Steuerabzug erstattet und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, ist der Anleger verpflichtet, 1. dies gegenüber seinem zuständigen Finanzamt anzuzeigen, 2. Kapitalertragsteuer in Höhe von 15 Prozent der Kapitalerträge im Sinne des § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1a und des § 36a Absatz 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes nach amtlich vorgeschriebenen Vordruck auf elektronischem Weg anzumelden und 3. die angemeldete Steuer zu entrichten. 6 Die Anzeige, Anmeldung und Entrichtung hat bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn durch Bestandsvergleich ermitteln, nach Ablauf des Wirtschaftsjahres, bei Investmentfonds nach Ablauf des Geschäftsjahres und bei anderen Steuerpflichtigen nach Ablauf des Kalenderjahres bis zum Zehnten des folgenden Monats zu erfolgen. § 42 der Abgabenordnung bleibt unberührt. A. I. II. III. B.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . 1 Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . 4 Steuerabzug bei ausgeübter Transparenzoption (Abs. 1) I. Einkommensteuerrechtliche Regelung zum Kapitalertragsteuerabzug (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 II. Steuerbescheinigung und Zurechnungszeitpunkt (Abs. 1 Sätze 2 und 3) 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2. Steuerbescheinigung – zusätzliche Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 3. Zurechnungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . 15

C. Abstandnahme bzw. Erstattung an Anleger (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 D. Anrechnung von Kapitalertragsteuer beim Anleger (Abs. 3) I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 II. Erweiterte Anrechnungsvoraussetzungen (Abs. 3 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 III. Rechtsfolge bei Nichtvorliegen der Tatbestandsmerkmale (Abs. 3 Satz 2) . . . . . . 27 IV. Rückausnahme (Abs. 3 Satz 3) . . . . . . . . . 28 V. Definition der nahestehenden Person (Abs. 3 Satz 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 VI. Durchführung von Berichtigungen (Abs. 3 Sätze 5 und 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

Literatur: Hahne/Völker, Anwendungsfragen des § 36a EStG bei Investmentfonds nach geltendem und künftigem Recht, BB 2017, 861; Kretzschmann/Schwarz, Verschärfte Anforderungen an die Anrechenbarkeit der Kapitalertragsteuer gem. § 36a EStG, FR 2017, 223; Behrens/Bielinis, Cum/cum-Geschäfte und Spezial-Investmentfonds, RdF 2020, 105.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck 1 Die Regelung des § 31 InvStG dient der systematischen Fortführung der Transparenzoption

gem. § 30 InvStG und bestimmt u.a. die Einzelheiten zum KapErtrSt-Abzug bzw. zur Anrechnung von KapErtrSt. Eine wirksame Ausübung der Transparenzoption gem. § 30 Abs. 1 Satz 1 InvStG vorausgesetzt,1 regeln § 31 Abs. 1 und Abs. 2 InvStG die verfahrensrechtlichen Fragen zum KapErtrSt-Abzug in Bezug auf den Anleger im Spezial-Investmentfonds für inländische Beteiligungseinnahmen und sonstige inländische Einkünfte mit Steuerabzug. § 31 Abs. 3 InvStG enthält einschränkende Regelungen zur Anrechnung von KapErtrSt im Hinblick auf

1 Wenzel in Brandis/Heuermann, § 30 InvStG 2018 Rz. 1 und 7.

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A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 5 § 31

sog. Cum/cum-Gestaltungen. Die Vorschrift gilt gleichermaßen für inländische als auch ausländische Spezial-Investmentfonds sowie Altersvorsorgevermögensfonds.1 Im Grundfall stellen Spezial-Investmentfonds als Zweckvermögen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG 2 unbeschränkt stpfl. Körperschaftsubjekte dar, für welche aus investmentsteuerrechtlicher Sicht zunächst die §§ 6, 7 InvStG entsprechend Anwendung finden. Es kommt also zu einer partiellen StPfl. auf Ebene des Spezial-Investmentfonds, d.h., es besteht eine KSt-Pflicht des SpezialInvestmentfonds in Bezug auf inländische Beteiligungseinnahmen, inländische Immobilienerträge und sonstige inländische Einkünfte i.S.v. § 29 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 InvStG (vgl. dazu auch § 30 InvStG Rz. 7). Insoweit unterliegen also – zur Sicherung des inländischen Besteuerungsrechts2 – die inländischen Beteiligungseinnahmen und sonstigen inländischen Einkünfte mit Steuerabzug einer KSt-Belastung an der Einkunftsquelle mit 15 %. Diesem KapErtrSt-Abzug kommt abgeltende Wirkung zu. Eine Anrechnung beim Investor des Spezial-Investmentfonds darf nicht erfolgen.3 Im Anwendungsbereich von § 30 InvStG und unter den Voraussetzungen der Transparenzoption entfällt die KSt-Pflicht des Spezial-Investmentfonds u.a. für inländische Beteiligungseinnahmen i.S.v. § 29 Abs. 1, § 6 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 InvStG.4 Der Spezial-Investmentfonds wählt demzufolge die eigene KSt-Pflicht ab mit der Folge, dass die steuerlichen Konsequenzen entstehen. Letzteren Fall greift dann § 31 InvStG weiter auf.

II. Rechtsentwicklung Die Vorschrift wurde i.R.d. InvStRefG v. 19.7.20165 mit Geltung ab dem 1.1.2018 neu ge- 3 schaffen. Mit dem „JStG 2019“ v. 12.12.20196 wurden Anpassungen dahingehend vorgenommen, bei Kapitalerträgen den Zuordnungszeitpunkt genauer zu fassen (vgl. dazu Abs. 1 Satz 3) sowie um die steuerlichen Anreize bei Cum/cum-Gestaltungen zu verhindern (vgl. dazu Abs. 3). Vorstehend genannte Änderungen der ursprünglichen Fassung des § 31 InvStG gelten ab dem 1.1.2020 (§ 57 Satz 1 Nr. 9 InvStG).

III. Verhältnis zu anderen Vorschriften § 31 InvStG regelt als lex specialis-Vorschrift die Anwendbarkeit der §§ 43 ff. EStG sowie des 4 § 36a EStG im Hinblick auf den Spezial-Investmentfonds und hat demnach Einfluss auf die entsprechende Regelungsmaterie des EStG. § 31 Abs. 1 InvStG bestimmt dabei (i) die konkrete Anwendung der Vorschriften zum KapErtrSt-Abzug gem. §§ 43 ff. EStG und (ii) Besonderheiten für Steuerbescheinigungen nach § 45a EStG. § 31 Abs. 2 InvStG trifft Regelungen zur Abstandnahme vom Steuerabzug bzw. Erstattung von KapErtrSt. § 31 Abs. 3 InvStG trifft Bestimmungen zur Anwendbarkeit des § 36a EStG und der Anrechenbarkeit von KapErtrSt, gerade vor dem Hintergrund von sog. Cum/cum-Transaktionen. In Bezug auf die Immobilien-Transparenzoption nach § 33 Abs. 2 Satz 3 InvStG sind die 5 Regelungen des § 31 Abs. 1 und 2 InvStG über § 33 Abs. 2 Satz 5 InvStG für entsprechend anwendbar erklärt. § 31 InvStG ist auf den Steuerabzug nach § 33 Abs. 1 InvStG nicht anwendbar. Dieser Steuerabzug erfolgt insoweit einzig über § 50 InvStG (zu weiteren Einzelheiten s. § 50 InvStG Rz. 19). 1 2 3 4

Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 31 InvStG Anm. 1. Vgl. BT-Drucks. 119/16, 109. Stadler/Jetter in Moritz/Jesch/Mann2, § 30 InvStG Rz. 8 ff. Die Transparenzoption gilt nach Maßgabe des § 30 Abs. 5 InvStG auch für die sonstigen inländischen Einkünfte mit Steuerabzug. 5 BGBl. I 2016, 1730. 6 BGBl. I 2019, 2451. Neugebauer/Jost | 595

§ 31 Rz. 6 | Steuerabzug und Steueranrechnung bei Ausübung der Transparenzoption 6 Ohne wirksame Ausübung der Transparenzoption ist der Anwendungsbereich von § 31

InvStG nicht eröffnet, sodass es bei den allgemeinen Bestimmungen verbleibt. Der KapErtrStAbzug gegenüber dem Spezial-Investmentfonds richtet sich nach § 7 InvStG i.V.m. § 29 Abs. 1 InvStG (und §§ 43 ff. EStG).

7 Über § 53 Abs. 3 InvStG gilt § 31 InvStG entsprechend für Altersvorsorgevermögensfonds.

B. Steuerabzug bei ausgeübter Transparenzoption (Abs. 1) I. Einkommensteuerrechtliche Regelung zum Kapitalertragsteuerabzug (Abs. 1 Satz 1) 8 Unter der Voraussetzung der wirksam ausgeübten Transparenzoption sind die Anleger des

Spezial-Investmentfonds als Gläubiger der inländischen Beteiligungseinnahmen und der sonstigen inländischen Einkünfte mit Steuerabzug zu behandeln und demzufolge auch KapErtrSt-Schuldner (vgl. dazu im Detail § 30 InvStG Rz. 24 ff.). Der jeweilige Entrichtungspflichtige (i.d.R. die Verwahrstelle) hat dabei jeden einzelnen Anleger gesondert zu bewerten.1 Da der Anleger folglich so behandelt wird, als seien die inländischen Beteiligungseinnahmen oder die sonstigen inländischen Einkünfte mit Steuerabzug ihm unmittelbar selbst zugeflossen, sind im Hinblick auf die §§ 43 ff. EStG für den Steuerabzug insbes. die folgenden Vorschriften von Bedeutung: – Im Grundsatz hat ein KapErtSt-Einbehalt i.H.v. 25 % zu erfolgen (vgl. § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, insbes. i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 1a EStG); – Die ggf. notwendige Abstandnahme vom Steuerabzug und Erstattungsvorschriften unter Zugrundelegung des jeweiligen Anleger-Status sind zu beachten (§ 44a und § 44b EStG); hier ist vor allem an steuerbefreite Körperschaften nach § 44a Abs. 7 EStG zu denken sowie Anleger, die eine Dauerüberzahlerbescheinigung nach § 44a Abs. 5 EStG vorweisen können – in beiden Fällen hat ein Steuerabzug nicht zu erfolgen.2 Praxisrelevant ist auch der Anlegerstatus von Pensions- oder Unterstützungskassen, denen eine Reduzierung der 25prozentigen KapErtrSt auf 3/5 zu gewähren ist, sofern die Voraussetzungen der §§ 44a Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 EStG erfüllt sind. – Unabhängig vom Vorliegen des Teileinkünfteverfahrens bzw. der Schachtelprivilegierung (§ 3 Nr. 40 EStG bzw. § 8b KStG) ist gem. § 43 Abs. 1 Satz 3 EStG ein voller KapErtrStAbzug vorzunehmen.

II. Steuerbescheinigung und Zurechnungszeitpunkt (Abs. 1 Sätze 2 und 3) 1. Vorbemerkung 9 Die Ausübung der Transparenzoption erfordert, dass der Spezial-Investmentfonds gegenüber

dem Entrichtungspflichtigen der KapErtrSt unwiderruflich erklärt, den Anlegern des SpezialInvestmentfonds Steuerbescheinigungen nach § 45a Abs. 2 EStG auszustellen (vgl. hierzu § 30 InvStG Rz. 9 ff.). In dieser Steuerbescheinigung müssen die Angaben nach § 31 Abs. 1 Satz 2 InvStG enthalten sein. Die Vorschrift bestimmt also die inhaltlichen Vorgaben an die Steuerbescheinigung, die über § 45a EStG hinausgehen.

1 BT-Drucks. 18/8045, 100. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 31.2.

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B. Steuerabzug bei ausgeübter Transparenzoption (Abs. 1) | Rz. 13 § 31

2. Steuerbescheinigung – zusätzliche Angaben Zur klaren Zuordnung der Kapitalerträge bzw. der Steuerabzugsbeträge erfordert § 31 Abs. 1 10 Satz 2 InvStG, dass in der Steuerbescheinigung nach § 45a EStG zusätzlich 1. der Name und die Anschrift des Spezial-Investmentfonds als Zahlungsempfänger, 2. der Zurechnungszeitpunkt1 (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 3 InvStG, s. Rz. 15), 3. der Name und die Anschrift der am Spezial-Investmentfonds beteiligten Anleger als Gläubiger der Kapitalerträge, 4. die Gesamtzahl der Anteile des Spezial-Investmentfonds und die Anzahl der Anteile der einzelnen Anleger jeweils zum Zurechnungszeitpunkt2 sowie 5. die Anteile der einzelnen Anleger an der KapErtrSt aufgeführt werden. Im Hinblick auf Nr. 2 und Nr. 4 ist bis einschließlich dem 31.12.2019 auf den Zuflusszeit- 11 punkt beim Spezial-Investmentfonds abzustellen. Es ist nur eine Steuerbescheinigung auszustellen, in welcher alle Anleger des Spezial-Invest- 12 mentfonds zu benennen sind,3 wobei die FinVerw. fordert, dass ggf. auch die Änderung der Anlegerzusammensetzung in der Steuerbescheinigung ausgewiesen wird.4 Zu beachten ist, dass pro inländischer Beteiligungseinnahme eine Einzelsteuerbescheinigung zu erstellen ist.5 Das Original der Steuerbescheinigung hat der Spezial-Investmentfonds zu verwahren und den einzelnen Anlegern jeweils eine Kopie zu übermitteln. Letzteres kann auch direkt durch den Entrichtungspflichtigen erfolgen.6 Grundsätzlich empfiehlt es sich aus Sicht der übermittelnden Partei für den Adressaten, also den jeweiligen Anleger, nicht bestimmte Informationen (wie z.B. andere Anleger) unkenntlich zu machen.7 Vorausgesetzt, dass an dem Spezial-Investmentfonds ausschließlich steuerbefreite Anleger beteiligt sind und somit ein Steuerabzug an der Quelle unterbleibt, entfällt auch das Ausstellen einer Steuerbescheinigung. Die Darlegungspflicht erfolgt „durch die Kette“, d.h., der Anleger muss dies gegenüber dem Spezial-Investmentfonds nachweisen und dieser wiederum gegenüber dem Entrichtungspflichtigen – Gleiches gilt bei ausländischen Spezial-Investmentfonds.8 Hat der Entrichtungspflichtige – entgegen der materiellen Rechtslage – den Steuerabzug den- 13 noch vorgenommen, kann der Anleger beim Betriebsstätten-FA des Entrichtungspflichtigen gem. § 37 Abs. 2 AO das Erstattungsverfahren für die einbehaltene KapErtrSt beantragen. Insoweit fordert die FinVerw., dass der Anleger eine Erklärung des Entrichtungspflichtigen vorlegt, wonach der Entrichtungspflichtige bestätigt, dass keine Erstattung – der in der Steuerbescheinigung ausgewiesenen KapErtrSt (sowie SolZ) – an den Anleger erfolgt ist und auch keine Erstattung in Zukunft durch den Entrichtungspflichtigen erfolgen wird.9

1 I.d.F. des InvStRefG v. 19.7.2016: Zeitpunkt des Zuflusses des Kapitalertrags bei dem Spezial-Investmentfonds. 2 I.d.F. des InvStRefG v. 19.7.2016: Gesamtzahl der Anteile des Spezial-Investmentfonds zum Zeitpunkt des Zuflusses und Anzahl der einzelnen Anleger. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 31.2. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 31.12. 5 Schuldner der Kapitalerträge verwenden Muster II und auszahlende Stellen verwenden Muster III des BMF-Schreibens v. 15.12.2017 (BStBl. I 2018, 13). 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 31.2. 7 Was auch von der FinVerw. akzeptiert wird. 8 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 31.5. 9 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 31.10. Neugebauer/Jost | 597

§ 31 Rz. 14 | Steuerabzug und Steueranrechnung bei Ausübung der Transparenzoption 14 Bei einer Dach-Spezial-Investmentfonds-Konstellation ist Folgendes zu beachten:1 Die Trans-

parenzoption ist über § 30 Abs. 4 InvStG auch bei doppelstöckigen Spezial-InvestmentfondsStrukturen anwendbar (§§ 30 Abs. 1 bis 3 InvStG gelten entsprechend), sodass den Anlegern des Dach-Spezial-Investmentfonds die inländischen Beteiligungseinnahmen (§ 6 Abs. 3 InvStG) sowie sonstige inländische und dem Steuerabzug unterliegende Einkünfte (§ 6 Abs. 5 InvStG) direkt zuzurechnen sind, und zwar in dem Zeitpunkt, in dem die Einkünfte, hätte der Ziel-Spezial-Investmentfonds keine Transparenzoption ausgeübt, zuzurechnen gewesen wären (§ 31 Abs. 1 Satz 3 InvStG). Ein etwaiger Steuerabzug ist dann unter Zugrundelegung des Steuerstatus des Anlegers im Dach-Spezial-Investmentfonds durchzuführen, wobei der Entrichtungspflichtige demzufolge nur eine Steuerbescheinigung ausstellt, welche die Angaben des § 31 Abs. 1 Satz 2 InvStG enthält und sämtliche Anleger des Dach-Spezial-Investmentfonds auflistet.2 3. Zurechnungszeitpunkt

15 Durch das „JStG 2019“ v. 12.12.20193 ist § 31 Abs. 1 Satz 2 InvStG dahingehend angepasst

worden, dass in der Steuerbescheinigung der Zurechnungszeitpunkt der Kapitalerträge zu vermerken ist (Nr. 2). In der Vorgängerfassung der Norm (also die des InvStRefG v. 19.7.20164) war noch der Zeitpunkt des Zuflusses des Kapitalertrags beim Spezial-Investmentfonds anzugeben. Neben Unklarheiten bzgl. des konkreten Zurechnungszeitpunkts (tatsächlicher Zufluss vs. Zuflussfiktion des § 38 Abs. 2 InvStG) kam es offenkundig in Bezug auf inländische Beteiligungseinnahmen zu einem Konflikt mit den insoweit relevanten Zurechnungsvorschriften.5 Mit dem „JStG 2019“ hat man nunmehr auf eine einheitliche Systematik mit dem EStG umgestellt, d.h., als Anteilseigner wird derjenige angesehen, dem nach § 39 AO die Anteile am Kapitalvermögen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses zuzurechnen sind (so ursprünglich schon § 20 Abs. 5 Satz 2 EStG). Entscheidend ist also nunmehr bei ausgeübter Transparenzoption durch den ebenfalls i.R.d. „JStG 2019“ neu gefassten § 31 Abs. 1 Satz 3 InvStG, dass der Zurechnungszeitpunkt derjenige Tag ist, an dem die infrage stehenden Kapitalerträge dem Spezial-Investmentfonds zugerechnet werden. Bei Kapitalerträgen aus § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 1a EStG ist das der Tag des Gewinnverteilungsbeschlusses. Folglich ist der Zurechnungszeitpunkt nunmehr einheitlich der für die Besteuerung entscheidende Zeitpunkt und in der Steuerbescheinigung anzugeben. Abweichend davon ist bei sonstigen inländischen Einkünften mit Steuerabzug unverändert auf den Zuflusszeitpunkt abzustellen.6

C. Abstandnahme bzw. Erstattung an Anleger (Abs. 2) 16 § 31 Abs. 2 InvStG regelt, dass ausnahmslos diejenigen Anleger KapErtrSt-Erstattungsbeträge

erhalten, in deren Person die Voraussetzungen für eine Abstandnahme oder Erstattung der KapErtrSt gegeben sind. Regelungshintergrund ausweislich der Gesetzesbegründung ist dabei, dass Erstattungsbeträge gerade nicht dem Vermögen des Spezial-Investmentfonds zufließen, um zu verhindern, dass sämtliche, also auch insoweit nicht (vollständig oder teilweise) qualifizierende Anleger von der Befreiung profitieren würden.7 Die Auszahlung des Erstat-

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Zum rechtlichen Hintergrund und zur weitergehenden Einordnung vgl. § 30 InvStG Rz. 45 ff. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 31.4. BGBl. I 2019, 2451. BGBl. I 2016, 1730. Zum Hintergrund: BT-Drucks. 19/14909, 52. BT-Drucks. 19/14909, 52. BT-Drucks. 18/8045, 100.

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D. Anrechnung von Kapitalertragsteuer beim Anleger (Abs. 3) | Rz. 19 § 31

tungsbetrags an den jeweiligen begünstigten Anleger kann entweder als Geldzahlung geleistet werden oder in Form von neuen Anteilen an dem Spezial-Investmentfonds.1 Kann auf der anderen Seite ausgeschlossen werden, dass nicht bzw. weniger begünstigte Anle- 17 ger am Spezial-Investmentfonds beteiligt sind, besteht das vorgenannte Regelungsbedürfnis nicht.2 In der Praxis willkommene Vereinfachungsregeln werden von der FinVerw.3 demnach in den folgenden Konstellationen zugelassen: Ein-Anleger-Spezial-Investmentfonds können in der Weise gemanagt werden, dass der Spezial-Investmentfonds keine Erstattungsbeträge an den Einzelanleger auszahlt (sofern dieser einverstanden ist) und stattdessen die Beträge dem Fondsvermögen gutschrieben werden. Sind demgegenüber an einem Spezial-Investmentfonds mehrere Anleger beteiligt, die aber sämtlich den Anspruch auf KapErtrSt-Erstattung in gleicher Höhe geltend machen können, so kann der Spezial-Investmentfonds auch in diesem Fall die Beträge dem Fondsvermögen gutschreiben (sofern alle Anleger einverstanden sind). § 35 Abs. 3 InvStG ist auf die insoweit dem Fondsvermögen gutgeschriebenen Beträge anzuwenden.4

D. Anrechnung von Kapitalertragsteuer beim Anleger (Abs. 3) I. Vorbemerkung § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG i.V.m. § 31 Abs. 3 InvStG erlaubt die Anrechenbarkeit der KapErtrSt 18 auf die ESt bzw. KSt des Anlegers, wenn dieser als Gläubiger der Beteiligungseinnahmen bzw. als Schuldner der KapErtrSt aufgrund von § 30 Abs. 1 Satz 2 InvStG anzusehen ist. Der ebenfalls mit dem InvStRefG v. 19.7.20165 eingeführte § 36a EStG enthält im Hinblick auf sog. Cum/cum-Gestaltungen Missbrauchsvermeidungsregelungen, die der Gesetzgeber über § 31 Abs. 3 InvStG auch in den Anwendungsbereich von Spezial-Investmentfonds übertragen hat, um einer Umgehung der Dividendenbesteuerungstatbestände durch die Einschaltung von Spezial-Fonds entgegenzuwirken.6 § 31 Abs. 3 Satz 1 InvStG in der ursprünglichen Fassung des InvStRefG v. 19.7.20167 machte bereits die Anrechenbarkeit der KapErtrSt beim Anleger davon abhängig, dass der Spezial-Investmentfonds die Voraussetzungen für eine Anrechenbarkeit nach § 36a Abs. 1 bis 3 EStG erfüllte. Durch die Nachbesserungen von § 31 Abs. 3 InvStG durch das „JStG 2019“ v. 12.12.20198 wollte der Gesetzgeber die Handhabung rechtsicherer machen und etwaige, bisher nicht erfasste Umgehungsmöglichkeiten ausschließen.9 Demzufolge erweitert der neue § 31 Abs. 3 Satz 1 InvStG die Anrechnungsvoraussetzungen 19 sowohl auf Spezial-Investmentfonds-Ebene (Satz 1 Nr. 1)10 als auch auf Anlegerebene (Satz 1 Nr. 2). Fehlen diese kumulativen Voraussetzungen, sind nach § 31 Abs. 3 Satz 2 InvStG 3/5 der KapErtrSt nicht anzurechnen, es sei denn, die Rückausnahmevorschrift des § 31 Abs. 3 Satz 3 InvStG kommt zum Tragen.

1 BT-Drucks. 18/8045, 100. 2 Kritisch insoweit zu den wirtschaftlichen Auswirkungen von Vereinfachungsregelungen: Kloster in Moritz/Jesch/Mann2, § 31 InvStG Rz. 37. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 31.19. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 31.20. 5 BGBl. I 2016, 1730. 6 BT-Drucks. 18/8045, 100. 7 BGBl. I 2016, 1730. 8 BGBl. I 2019, 2451. 9 Zur Motivlage vgl. im Detail BT-Drucks. 19/14909, 53 f. 10 Dies entspricht der ursprünglichen Rechtslage des InvStRefG v. 19.7.2016, also vor dem „JStG 2019“. Neugebauer/Jost | 599

§ 31 Rz. 20 | Steuerabzug und Steueranrechnung bei Ausübung der Transparenzoption

II. Erweiterte Anrechnungsvoraussetzungen (Abs. 3 Satz 1) 20 § 31 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvStG führt die Vorgängerregelung fort und setzt voraus, dass der

Spezial-Investmentfonds die Voraussetzungen für eine Anrechenbarkeit nach § 36a Abs. 1 bis 3 EStG selbst erfüllen muss. Teilfonds sind dabei jeweils als eigenständige Spezial-Investmentfonds zu behandeln (vgl. § 1 Abs. 4 InvStG).1 Notwendig ist der Verweis deshalb, weil § 36a EStG ursprünglich für die Direktanlage geschaffen wurde und die Möglichkeit einer „Durchsicht“ bei Ausübung der Transparenzoption durch einen Spezial-Investmentfonds nicht bei § 36a EStG erfasst ist.2 Der Wortlaut des §36a EStG erfasst in einem solchen Fall eben nicht den Spezial-Investmentfonds selbst. Außerdem ist es dem Anleger aufgrund der bloßen Zurechnung von Einkünften – und gerade nicht dem zugrunde liegenden Wirtschaftsgut (vgl. § 30 InvStG Rz. 9) – in der Praxis kaum möglich, in eigener Person die Anforderungen des § 36a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG aufgrund der fehlenden Stellung als wirtschaftlicher Eigentümer zu erfüllen.3 Sollte das Wahlrecht andererseits nicht vom Spezial-Investmentfonds ausgeübt werden, bedeutet dies, dass die inländischen Beteiligungseinnahmen und sonstigen inländischen Einkünfte körperschaftsteuerpflichtig für den Spezial-Investmentfonds selbst bleiben (§ 29 Abs. 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 InvStG), d.h. der einzelne Anleger keine Anrechnungsmöglichkeit hat (vgl. § 30 InvStG Rz. 1). Auch in diesen Fällen kann es nicht zu einer umittelbaren Anwendung des § 36a EStG kommen.4

21 § 31 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG ist mit dem „JStG 2019“ neu geschaffen worden und nimmt,

verschärfend, das Verhältnis zwischen Anleger und Spezial-Investmentfonds in den Blick. Kumulativ zur Nr. 1 muss der Anleger – eine Mindesthaltedauer erfüllen, – das Wertänderungsrisiko tragen und – nicht verpflichtet sein, Zurechnungsbeträge weiterzugeben.

22 Bezüglich der Mindesthaltedauer muss der Anleger innerhalb eines Zeitraums von 45 Tagen

vor und 45 Tagen nach dem Zurechnungszeitpunkt (d.h. in einem 91-Tage-Zeitraum um den Zurechnungszeitpunkt, vgl. dazu Rz. 15) mindestens 45 Tage ununterbrochen wirtschaftlicher Eigentümer der Spezial-Investmentanteile sein. Jedwede, auch kurzzeitige Unterbrechung, schließt die volle Anrechnung aus.5

23 Das Wertänderungsrisiko der Spezial-Investmentanteile muss vom Anleger während der

Mindesthaltedauer (unter Berücksichtigung von gegenläufigen Ansprüchen und von Ansprüchen nahestehender Personen) ununterbrochen getragen werden. Demnach sind Transfergeschäfte bzgl. des Risikos (Optionen, Swaps etc.), sei es auf den früheren Eigentümer oder eine dritte Partei, schädlich und führen zur Beschränkung der Anrechnung.6

24 Außerdem darf der Anleger nicht verpflichtet sein, den ihm nach § 30 Abs. 1 InvStG unmit-

telbar zugerechneten Kapitalertrag (sog. Zurechnungsbetrag nach § 35 Abs. 3 InvStG) ganz oder überwiegend, unmittelbar oder mittelbar, anderen Personen zu vergüten.

25 Vereinfachend lässt die FinVerw. auch in diesem Zusammenhang zu, dass für den Fall, dass es

sich um einen Ein-Anleger-Spezial-Investmentfonds handelt und der Anleger seine Anteile

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Hahne/Völker, BB 2017, 861; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 31 InvStG Anm. 15. Kloster in Moritz/Jesch/Mann2, § 31 InvStG Rz. 40. Kloster in Moritz/Jesch/Mann2, § 31 InvStG Rz. 41. Kretzschmann/Schwarz, FR 2017, 223 (235). BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 31.24. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 31.25.

600 | Neugebauer/Jost

D. Anrechnung von Kapitalertragsteuer beim Anleger (Abs. 3) | Rz. 30 § 31

am Spezial-Investmentfonds nicht auf einen Dritten überträgt, § 31 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG nicht zur Anwendung kommt.1 Ist eine PersGes. zwischen Spezial-Investmentfonds und Anleger zwischengeschaltet, wird 26 also der Spezial-Investmentfonds-Anteil direkt von der PersGes. gehalten, ist für die Gesellschafter der PersGes. – nach allgemeinen steuerrechtlichen Grundsätzen – wie folgt zu differenzieren:2 Handelt es sich um eine vermögensverwaltende PersGes., gilt die Bruchteilsbetrachtung nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO. Die Spezial-Investmentfonds-Anteile sind anteilig den Gesellschaftern der vermögensverwaltenden PersGes. zuzurechnen, sodass die Gesellschafter i.H.d. zugerechneten Anteile als Anleger zu behandeln sind. Ob dabei die Beteiligung an der PersGes. im Privat- oder Betriebsvermögen des Gesellschafters gehalten wird, ist insoweit irrelevant.3 Die Voraussetzungen des § 31 Abs. 3 InvStG sind dann jeweils per Anleger zu prüfen. Handelt es sich dagegen bei der PersGes. um eine Mitunternehmerschaft, so gilt diese selbst als Anleger am Spezial-Investmentfonds auf Basis der sog. Einheitsbetrachung.4

III. Rechtsfolge bei Nichtvorliegen der Tatbestandsmerkmale (Abs. 3 Satz 2) Sofern die Tatbestandsmerkmale des § 31 Abs. 3 Satz 1 InvStG nicht erfüllt sind, hat die An- 27 rechnung i.H.v. 3/5 der KapErtrSt (also entsprechend 15 % der Kapitalerträge) zu unterbleiben. Umgekehrt bleiben aber 2/5 der KapErtrSt (also entsprechend 10 % der Kapitalerträge) anrechenbar.

IV. Rückausnahme (Abs. 3 Satz 3) Die Rückausnahme von § 31 Abs. 3 Satz 3 InvStG regelt diejenigen Fälle, in denen der Anleger 28 die volle KapErtrSt-Anrechnung geltend machen kann, auch dann, wenn die Voraussetzungen von § 31 Abs. 3 Satz 1 InvStG nicht erfüllt sind. Zum einen gilt dies im Sinne einer De-minimis-Regelung dann, wenn die Kapitalerträge des 29 Anlegers gem. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a und § 36a Abs. 1 Satz 4 EStG im jeweiligen VZ 20.000 Euro oder weniger betragen. Nach dem gesetzgeberischen Willen5 ist die Freigrenze von 20.000 Euro/VZ anlegerbezogen zu interpretieren, d.h. auf alle Kapitalerträge des Anlegers aus § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG und § 36a Abs. 1 Satz 4 EStG aus allen Quellen der Direktanlage und allen Quellen der Fondsanlage.6 Zum anderen kommt es dann zur vollen Anrechnung, wenn es sich um eine längerfristige 30 Anlage handelt, weil der Gesetzgeber hierbei nicht das Risiko von Steuerumgehungen sieht. Das soll nach dem Willen des Gesetzgebers dann der Fall sein, wenn der Spezial-Investmentfonds im Zurechnungszeitpunkt seit mindestens einem Jahr ununterbrochen wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien/Genussscheine ist und der Anleger im Zurechnungszeitpunkt seit mindestens einem Jahr ununterbrochen wirtschaftlicher Eigentümer der Spezial-Investmentanteile ist. Kurzfristige Unterbrechungen sind schädlich, die wirtschaftliche Eigentümerposition muss ohne, noch so kurze, Unterbrechung bestanden haben.7 Veräußerungs- mit Rück1 2 3 4 5 6 7

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 31.28. Vgl. zum Folgenden BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 31.30 f. BFH v. 25.9.2018 – GrS 2/16, BStBl. II 2019, 262. BFH v. 25.2.1991 – GrS 7/89, BStBl. II 1991, 691. BT-Drucks. 19/14909, 55. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 31.34. BT-Drucks. 19/14909, 54. Neugebauer/Jost | 601

§ 31 Rz. 30 | Steuerabzug und Steueranrechnung bei Ausübung der Transparenzoption übertragungsgeschäfte (z.B. Wertpapierdarlehen), bei denen das wirtschaftliche Eigentum hin und her wechselt, resultieren in einem Neubeginn der Jahresfrist.1

V. Definition der nahestehenden Person (Abs. 3 Satz 4) 31 Die Bezugnahme auf nahestehende Personen dient ebenfalls der Verhinderung von Umge-

hungsmöglichkeiten. Aus Sicht der Gesetzessystematik ist die Frage nach einer nahestehenden Person dafür maßgeblich zu bestimmen, ob der Spezial-Investmentfonds und der Anleger ein volles Wertänderungsrisiko nach § 31 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvStG i.V.m. § 36a Abs. 3 EStG oder nach § 31 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG getragen haben. Über den Verweis auf den gesamten Satz 1 der Vorschrift kommt eine einheitliche Auslegung des Begriffs der nahestehenden Personen sowohl für die Nr. 1 als auch die Nr. 2 zum Tragen.2

32 In der Ursprungsfassung des § 31 Abs. 3 InvStG i.R.d. InvStRefG v. 19.7.20163 legt die Fin-

Verw. den Begriff der nahestehenden Person unter Zugrundlegung des § 1 Abs. 2 AStG aus.4 Insoweit muss also eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung von mindestens 25 % an dem Anleger bestehen, wobei eine wesentliche Beteiligung sowohl durch Körperschaften als auch PersGes. vermittelt werden kann und alle unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen für die Berechnung der 25 %-Grenze zusammenzurechnen sind.5 Dies gilt damit für die beiden VZ zwischen dem 1.1.2018 und 31.12.2019. Insoweit ließen sich zwecks Umgehung der Ursprungsnorm 5 Anleger in einem Spezial-Investmentfonds bündeln, die jeweils einen Spezial-Investmentfonds-Anteil i.H.v. 20 % halten.6 Nunmehr und als Reaktion auf solche Umgehungsmöglichkeiten sieht die Neuregelung des § 31 Abs. 3 Satz 4 InvStG mit Wirkung ab dem 1.1.2020 (§ 57 Satz 1 Nr. 9 InvStG) vor, dass ein Spezial-Investmentfonds und der an ihm beteiligte Anleger unabhängig von dem Beteiligungsumfang als einander nahestehende Personen i.S.v. § 31 Abs. 3 Satz 1 InvStG und von § 36a Absatz 3 EStG gelten. In anderen Worten: (i) Es sind sämtliche Anleger eines Spezial-Investmentfonds untereinander – und zwar unabhängig von ihrem Beteiligungsumfang – als einander nahestehende Person zu werten und (ii) ist auch der Spezial-Investmentfonds gegenüber den Anlegern eine nahestehende Person.7

33 Für die in der Praxis bei Spezial-Investmentfonds häufig anzutreffende Anlegerbasis hat die

FinVerw. folgende Fallgruppen aufgestellt, bei denen im Regelfall nicht von nahestehenden Personen i.S.d. § 31 Abs. 3 Satz 4 InvStG auszugehen ist:8 – Pensionsverpflichtetes Unternehmen und Pensionstreuhandeinrichtung (contractual trust arrangements [CTA]); – Versicherungsunternehmen und Versicherungsnehmer; und – Versicherungsunternehmen und Publikums-Investmentfonds, soweit das Versicherungsunternehmen die Anteile an dem Publikums-Investmentfonds im Sicherungsvermögen aufgrund von fondsgebundenen Versicherungsverträgen hält. Hier liegen grds. gegenläufige Interessen vor, sodass die vorstehende Behandlung der beteiligten Personen als nicht nahestehende sachgerecht ist.

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BT-Drucks. 19/14909, 56. Kloster in Moritz/Jesch/Mann2, § 31 InvStG Rz. 68. BGBl. I 2016, 1730. BMF v. 3.4.2017 – IV C 1 - S 2299/16/10002, BStBl. I 2017, 726 Rz. 66; BT-Drucks. 19/14909, 56. BMF v. 3.4.2017 – IV C 1 - S 2299/16/10002, BStBl. I 2017, 726 Rz. 66. Vgl. Wenzel in Brandis/Heuermann, § 30 InvStG 2018 Rz. 1 und 7; BT-Drucks. 19/14909, 56. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 31.36. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 31.37.

602 | Neugebauer/Jost

D. Anrechnung von Kapitalertragsteuer beim Anleger (Abs. 3) | Rz. 37 § 31

VI. Durchführung von Berichtigungen (Abs. 3 Sätze 5 und 6) § 31 Abs. 3 Sätze 5 und 6 InvStG nehmen Berichtigungskonstellationen in den Blick, wenn 34 also bei einem Anleger trotz Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 31 Abs. 3 Satz 1 InvStG entweder (i) kein Steuerabzug vorgenommen oder (ii) ein Steuerabzug erstattet wurde. In beiden Fällen regelt § 31 Abs. 3 Satz 5 InvStG die Verpflichtung des Anlegers, 1. den Vorgang gegenüber dem für den Anleger zuständigen FA anzuzeigen, und 2. nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck und elektronisch die entsprechende KapErtrSt anzumelden, und zwar i.H.v. 15 % der Kapitalerträge (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a und § 36a Abs. 1 Satz 4 EStG), und 3. die auf diese Weise angemeldete KapErtrSt an das zuständige FA zu entrichten.

§ 31 Abs. 3 Satz 2 InvStG i.d.F. des InvStRefG v. 19.7.20161 ist dabei die Vorgängervorschrift des 35 nunmehr ab dem 1.1.2020 geltenden § 31 Abs. 3 Sätze 5 und 6 InvStG. Unter der ursprünglichen Regelung des § 31 Abs. 3 Satz 2 InvStG a.F. war alleine – und in Fortführung der Gesetzessystematik des § 31 Abs. 3 Satz 1 InvStG a.F. – das Verhalten des Spezial-Investmentfonds ausschlaggebend, also die Frage, ob dieser die Vorgaben des § 36a Abs. 1 bis 3 EStG (vgl. Rz. 20 ff.) erfüllte. Einheitlich zu den Rechtsfolgen eines Verstoßes des Spezial-Investmentfonds gegen die Vorgaben des § 31 Abs. 3 Satz 1 InvStG a.F. i.V.m. § 36a Abs. 1 bis 3 EStG, die nur den Anleger trafen, regelte § 31 Abs. 3 Satz 2 InvStG a.F. die Pflichten auf Anlegerseite, die sich in der Anzeige gegenüber dem zuständigen FA und der Zahlung i.H.d. unterbliebenen oder erstatteten KapErtrSt erschöpften und die Vorgaben des § 36a Abs. 4 EStG a.F. wiedergaben.2 § 31 Abs. 3 Sätze 5 und 6 InvStG führen diesen Grundgedanken im Wesentlichen fort, unter Hinzunahme der verfahrensrechtlichen Neuregelungen, die § 36a Abs. 4 EStG i.R.d. „JStG 2019“ v. 12.12.20193 erfahren hat und die damit in das InvStG übertragen wurden. Die Steueranmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck, d.h. die KapErtrSt-Anmeldung, gilt gem. § 168 Satz 1 AO als Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO.4 § 31 Abs. 3 Satz 5 InvStG stellt den Anwender, also den Anleger, vor erhebliche Herausforde- 36 rungen in der Praxis.5 Denn in Bezug auf die Handlungen/Unterlassungen des Spezial-Investmentfonds besteht für den Anleger regelmäßig ein Informationsdefizit.6 Hier kommt der Fondsdokumentation eine wesentliche Bedeutung zu bzw. der vertraglichen Gestaltung des Rechtsverhältnisses (z.B. side letter) zwischen Spezial-Investmentfonds und Anleger, die ggf. Regelungen dazu enthalten kann, welche Informationen der Spezial-Investmentfonds dem Anleger zu welchem Zeitpunkt zur Verfügung stellen muss. Hieraus können sich im Ergebnis nämlich auch haftungsrechtliche Fragen stellen.7 § 31 Abs. 3 Satz 6 InvStG regelt bestimmte Fristen, die für die Verpflichtung bzgl. aller drei 37 Verfahrensschritte, also die Anzeige, Anmeldung und Entrichtung nach § 31 Abs. 3 Satz 5 InvStG, in Abhängigkeit vom Anlegertyp zu beachten sind. Handelt es sich bei dem Anleger (i) um einen bilanzierenden StPfl. gem. § 4 Abs. 1 EStG, sind alle drei Verfahrensschritte nach Ablauf des Wirtschaftsjahrs bis zum Zehnten des Folgemonats zu erfolgen, handelt es sich (ii) um einen Investmentfonds, dann nach Ablauf des Geschäftsjahrs bis zum Zehnten des Folgemonats, und handelt es sich (iii) um einen anderen StPfl., dann nach Ablauf des Kalenderjahrs bis zum Zehnten des Folgemonats. 1 BGBl. I 2016, 1730. 2 Vgl. § 31 Abs. 3 Satz 2 InvStG a.F. auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 31 InvStG Anm. 5; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 31.42. 3 BGBl. I 2019, 2451. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 31.38. 5 Vgl. dazu insbes. die ausführliche Darstellung bei Kloster in Moritz/Jesch/Mann2, § 31 InvStG Rz. 91. 6 Hahne/Völker, BB 2017, 861. 7 Andeutend Wenzel in Brandis/Heuermann, § 30 InvStG 2018 Rz. 21. Neugebauer/Jost | 603

§ 32 | Haftung bei ausgeübter Transparenzoption

§ 32 Haftung bei ausgeübter Transparenzoption (1) 1Der Entrichtungspflichtige haftet für die Steuer, die bei ausgeübter Transparenzoption zu Unrecht nicht erhoben oder erstattet wurde. 2Die Haftung ist ausgeschlossen, soweit der Entrichtungspflichtige nachweist, dass er die ihm auferlegten Pflichten weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat. (2) Der Anleger haftet für die Steuer, die bei ausgeübter Transparenzoption zu Unrecht nicht erhoben oder erstattet wurde, wenn die Haftung nach Absatz 1 ausgeschlossen oder die Haftungsschuld uneinbringlich ist. (3) 1Der gesetzliche Vertreter des Spezial-Investmentfonds haftet für die Steuer, die bei ausgeübter Transparenzoption zu Unrecht nicht erhoben oder erstattet wurde, wenn die Haftung nach den Absätzen 1 und 2 ausgeschlossen oder die Haftungsschuld uneinbringlich ist. 2Die Haftung setzt voraus, dass der gesetzliche Vertreter zum Zeitpunkt der Abstandnahme vom Steuerabzug oder der Erstattung von Kapitalertragsteuer Kenntnis von den fehlenden Voraussetzungen für eine Abstandnahme oder Erstattung hatte und dies dem Entrichtungspflichtigen nicht mitgeteilt hat. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher und zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zu Vorschriften der AO . . . 3. Verhältnis zu Vorschriften des EStG . . B. Haftung des Entrichtungspflichtigen (Abs. 1) I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unrechtmäßige Nichterhebung oder Erstattung der Kapitalertragsteuer (Abs. 1 Satz 1) 1. Pflichtverletzung des Entrichtungspflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Exkulpationsmöglichkeit des Entrichtungspflichtigen (Abs. 1 Satz 2) 1. Verschulden des Entrichtungspflichtigen a) Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit . b) Zurechnung des Verhaltens von Erfüllungsgehilfen . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsfolge 1. Erlass eines Haftungs-/Nachforderungsbescheids durch die Finanzbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftungsobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

604 | Neugebauer/Jost

1 3 7 11 12 15 17

19

C. I. II. III.

IV.

V. D. I. II.

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III. IV.

Inanspruchnahme des Anlegers (Abs. 2) Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Systemfremdheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tatbestand der Anlegerinanspruchnahme 1. Inanspruchnahme des Entrichtungspflichtigen ausgeschlossen oder nicht erfolgreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolge 1. Anspruchsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inanspruchnahme durch Nachforderungsbescheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keine Gesamtschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung des gesetzlichen Vertreters (Abs. 3) Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen der Vertreterhaftung 1. Unrechtmäßige Nichterhebung oder Erstattung von Kapitalertragsteuer bei ausgeübter Transparenzoption (Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inanspruchnahme des Entrichtungspflichtigen ausgeschlossen oder nicht erfolgreich (Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2) . . . 3. Positive Kenntnis des gesetzlichen Vertreters und fehlende Mitteilung (Abs. 3 Satz 2) a) Positive Kenntnis des gesetzlichen Vertreters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fehlende Mitteilung des gesetzlichen Vertreters an den Entrichtungspflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keine Gesamtschuld . . . . . . . . . . . . . . . . .

29 30

31 32 33 34 35

36

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39 40 41 42

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 2 § 32 Literatur: Dyckmans, Der Diskussionsentwurf des BMF zum Investmentsteuerreformgesetz: Ende der eingeschränkten Transparenz?, Ubg 2015, 531; Dyckmans, Grundlegende Neukonzeption der Investmentbesteuerung – Überblick über die wesentlichen Änderungen durch den Referentenentwurf zum Investmentsteuerreformgesetz, Ubg 2016, 62; Faller/Wolf/Brielmaier, Der Regierungsentwurf zur Reform der Investmentbesteuerung v. 24.2.2016, DB 2016, 488; Jetter/Mager, Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung, SteuK 2016, 23; Lechner, (Erneute) Reform der Investmentbesteuerung – ein Überblick, RdF 2016, 208; Stadler/Mager, Der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung, DStR 2016, 697.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck Hintergrund. Nach § 6 Abs. 1 InvStG gelten inländische Investmentfonds (nach Kapitel 2 des 1 InvStG) als „andere Zweckvermögen des privaten Rechts“ i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG und damit als unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Die (partielle) StPfl. erstreckt sich dabei auf inländische Beteiligungseinnahmen, inländische Immobilienerträge sowie sonstige Einkünfte (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 ff. InvStG). Diese unterliegen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 InvStG grds. einer KapErtrSt i.H.v. 15 %. Dies gilt nach § 29 Abs. 1 InvStG auch für SpezialInvestmentfonds, welche demnach (im Wege einer Fiktion) bezüglich sämtlicher inländischen Beteiligungseinnahmen, inländischen Immobilienerträge sowie sonstigen Einkünfte als (Kapitalertrag-)Steuerschuldner einzustufen sind und demzufolge einem intransparenten Besteuerungsregime unterliegen.1 Im Falle der Erklärung des Spezial-Investmentfonds gegenüber dem Entrichtungspflichtigen, 2 dass den Anlegern des Spezial-Investmentfonds Steuerbescheinigungen gem. § 45a Abs. 2 EStG ausgestellt werden sollen (sog. Transparenzoption, vgl. dazu im Detail § 30 InvStG), entfällt die KSt-Pflicht eines Spezial-Investmentfonds in Bezug auf dessen inländische Beteiligungseinnahmen gem. § 30 Abs. 1 Satz 1 InvStG. Als Folge der Ausübung der Transparenzoption sind die hinter dem Spezial-Investmentfonds stehenden Anleger, und nicht (mehr) der Spezial-Investmentfonds als solcher, Schuldner einer etwaig anfallenden KapErtrSt, vgl. insoweit § 30 Abs. 1 Satz 2 InvStG. Folglich verändert sich das System der Besteuerung bei Ausübung der Transparenzoption: Der jeweilige Anleger gilt als Gläubiger der inländischen Beteiligungseinnahmen und als Schuldner der Kapitalertragsteuer und nicht der Spezial-Investmentfonds selbst. Daher wurde mit § 32 InvStG eine eigene Haftungsnorm und damit spezifische Regelungen in Bezug auf die Haftung bei ausgeübter Transparenzoption geschaffen. Ziel ist dabei, einen etwaigen Steuerausfall abzuschöpfen, der im Fall zu Unrecht nicht erhobener oder zu Unrecht erstatteter KapErtrSt entsteht.2 Der zugrunde liegende Zweck des § 32 InvStG ist mithin die Sicherung des staatlichen Steueraufkommens.3 Demgegenüber liegen bei Nichtausübung der Transparenzoption sog. ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträge vor, von denen ggf. ein Steuerabzug gem. § 50 Abs. 1 Nr. 1 InvStG vorzunehmen ist, wobei § 50 Abs. 1 Nr. 1 InvStG auf die §§ 43 ff. EStG verweist, sodass sich eine etwaige Haftung in diesem Fall nach § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG richtet.4

1 2 3 4

Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 32 InvStG Rz. 2. Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 32 InvStG Rz. 2. Wenzel in Brandis/Heuermann, § 32 InvStG Rz. 1. Vgl. Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 32 InvStG Anm. 5. Neugebauer/Jost | 605

§ 32 Rz. 3 | Haftung bei ausgeübter Transparenzoption

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher und zeitlicher Anwendungsbereich 3 In sachlicher Hinsicht enthält § 32 InvStG eine abschließende Regelung bzgl. der materiellen

Möglichkeit der Haftungsinanspruchnahme der in den persönlichen Anwendungsbereich von § 32 InvStG fallenden Adressaten für den Fall der unberechtigten Abstandnahme vom Steuerabzug bzw. der unberechtigten Steuererstattung. Telos des § 32 InvStG ist damit die Sicherung des staatlichen Steueranspruchs bei ausgeübter Transparenzoption eines Spezial-Investmentfonds, wobei maßgeblicher Bezugspunkt des (Steuer-)Anspruchs aus § 32 InvStG der im Falle zu Unrecht nicht erfolgten Erhebung oder Erstattung von KapErtrSt entstehende Steuerausfall ist.1

4 Anwendung findet die Vorschrift des § 32 InvStG nach ihrem insoweit eindeutigen Wortlaut

einzig auf Spezial-Investmentfonds i.S.d. § 26 InvStG. Es muss sich demnach um einen Investmentfonds handeln (vgl. § 1 Abs. 2 InvStG), der zusätzlich nicht nur die Voraussetzungen der Gewerbesteuerbefreiung nach § 15 Abs. 2 und 3 InvStG erfüllt, sondern darüber hinaus in seiner Anlagepraxis nicht wesentlich gegen die in § 26 InvStG aufgelisteten Anlagebestimmungen verstößt. Da ein nachträglicher Wegfall der in § 26 InvStG an die Qualifizierung als Spezial-Investmentfonds gestellten Voraussetzungen die Auflösung des betroffenen SpezialInvestmentfonds zur Folge hat (vgl. § 52 Abs. 1 Satz 1 InvStG), dürfen die Voraussetzungen des § 26 InvStG für die Anwendbarkeit des § 32 InvStG auch nicht nachträglich wegfallen. § 32 InvStG gilt nicht nur für inländische, sondern auch für ausländische Spezial-Investmentfonds2 sowie für Altersvorsorgevermögensfonds und deren Anleger, sofern die Altersvorsorgevermögensfonds als Spezial-Investmentfonds im zuvor dargestellten Sinne zu qualifizieren sind (vgl. § 53 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 InvStG).

5 Der Anwendungsbereich des § 32 InvStG ist nur im Falle der Ausübung einer der Trans-

parenzregelungen des Kapitels 3 des InvStG eröffnet. Infrage kommen insofern neben der (Dividenden-)Transparenzoption des § 31 InvStG insbes. auch die Ausübung der sog. Immobilien-Transparenzoption nach § 33 Abs. 2 Satz 3 InvStG. Die Anwendbarkeit des § 32 InvStG auf sog. „doppelstöckige Strukturen“, in denen ein Dach-Spezial-Investmentfonds gegenüber seinem Ziel-Spezial-Investmentfonds erklärt, dass den Anlegern des Dach-Spezial-Investmentfonds Steuerbescheinigungen gem. § 45a Abs. 2 EStG auszustellen sind, ergibt sich dabei aus § 33 Abs. 2 Satz 5 InvStG.3

6 Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 InvStG (bzw. Art. 11 Abs. 3 InvStRefG) ist § 32 InvStG seit dem

1.1.2018 anwendbar.

2. Persönlicher Anwendungsbereich 7 § 32 InvStG normiert eine gesetzlich gestaffelte Haftung, nach welcher (ob seiner Zuständig-

keit für die KapErtrSt-Erhebung im Falle der Ausübung einer Transparenzoption) vorrangig der Entrichtungspflichtige haftet (vgl. § 32 Abs. 1 InvStG). Sodann haften subsidiär die Anleger (§ 32 Abs. 2 InvStG) sowie an letzter Stelle und damit nachrangig nach den Anlegern der gesetzliche Vertreter des Spezial-Investmentfonds (§ 32 Abs. 3 InvStG).4 1 Wenzel in Brandis/Heuermann, § 32 InvStG Rz. 1. 2 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 32 InvStG Anm. 1. 3 Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 30 InvStG Rz. 1 bzw. § 32 InvStG Rz. 13 f., welche ebenfalls darauf hinweisen, dass sich für den Entrichtungspflichtigen Pflichten aus § 36a EStG sowie im Fall einer fiktiven Veräußerung von Spezial-Investmentfonds aus § 52 InvStG ergeben können, deren Verstoß eine Haftung aus § 32 InvStG auslösen kann. 4 Zum Vorangegangenen etwa Wenzel in Brandis/Heuermann, § 32 InvStG Rz. 1, sowie Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 32 Rz. 3 ff.; ebenso Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 32 InvStG Anm. 1.

606 | Neugebauer/Jost

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 14 § 32

Der Entrichtungspflichtige i.S.d. § 32 Abs. 1 InvStG ist gem. § 29 Abs. 1, § 7 Abs. 3 S. 1 8 InvStG die nach § 44 EStG zum Abzug der KapErtrSt verpflichtete Person. Bei ihr handelt es sich in diesem Zusammenhang regelmäßig um die Verwahrstelle gem. §§ 68 Abs. 2, 80 Abs. 2 KAGB bzw. die letzte inländische Stelle nach § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 3 EStG i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1 InvStG.1 Die subsidiär haftenden Anleger nach § 32 Abs. 2 InvStG sind demgegenüber in der Regel 9 diejenigen, denen nach § 39 AO Spezial-Investmentfondsanteile zugerechnet werden können (vgl. § 2 Abs. 10 InvStG).2 Der gem. § 32 Abs. 3 InvStG haftende gesetzliche Vertreter eines (Spezial-)Investmentfonds 10 ist gem. § 3 Abs. 2 Satz 1 InvStG regelmäßig die Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) des (Spezial-)Investmentfonds oder die inländische Betriebsstätte oder Zweigniederlassung einer ausländischen Verwaltungsgesellschaft. Als gesetzlicher Vertreter eines ausländischen (Spezial-)Investmentfonds gilt dabei, im Falle eines fehlenden Nachweises eines abweichenden gesetzlichen Vertreters, die Verwaltungsgesellschaft des ausländischen (Spezial-)Investmentfonds, § 3 Abs. 4 InvStG.

III. Rechtsentwicklung § 32 InvStG hat keine Vorgängernorm im InvStG a.F., sondern wurde vielmehr i.R.d. InvSt- 11 RefG v. 19.7.20163 mit Geltung ab dem 1.1.2018 neu in das InvStG eingefügt.

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG Da § 31 InvStG Regelungen zum KapErtrSt-Abzug bei wirksamer Ausübung einer Trans- 12 parenzoption enthält und § 32 InvStG in sachlicher Hinsicht Bestimmungen bei unberechtigter Abstandnahme vom Steuerabzug bzw. im Falle der unberechtigten Steuererstattung trifft, knüpft § 32 InvStG rein systematisch an § 31 InvStG an.4 Demgegenüber ist § 32 InvStG auf den Steuerabzug nach § 33 InvStG grds. nicht anwendbar. 13 Der Steuerabzug erfolgt im Anwendungsbereich des § 33 InvStG grds. nach § 50 InvStG. Diese grundsätzliche Nichtanwendbarkeit des § 32 InvStG im Anwendungsbereich des § 33 InvStG ergibt sich insbes. aus einem Rückschluss aus dem Wortlaut des § 33 Abs. 2 Satz 5 InvStG, nach welchem § 32 InvStG einzig bei Ausübung der sog. Immobilien-Transparenzoption für entsprechend anwendbar erklärt wird.5 Aus seiner Stellung in Kapitel 3 des InvStG (in dessen Anwendungsbereich nur Spezial-Invest- 14 mentfonds nach § 26 InvStG fallen), ergibt sich in systematischer Hinsicht eine Spezialität des § 32 InvStG gegenüber § 14 InvStG, welcher ob seiner Verortung in Kapitel 2 des InvStG nur auf Investmentfonds i.S.d. § 1 Abs. 2 InvStG anwendbar ist. Siehe zur Differenzierung der Anwendungsbereiche der Kapitel 2 und Kapitel 3 des InvStG auch § 25 InvStG.

1 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 32 InvStG Anm. 5, mit Verweis auf die Inhaltsgleichheit mit der Einzelaufzählung in § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG. 2 Mann in W/B/A3, § 32 InvStG Rz. 5; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 32 InvStG Rz. 13. 3 BGBl. I 2016, 1730. 4 Wenzel in Brandis/Heuermann, § 32 InvStG Rz. 7. 5 So etwa auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 32 InvStG Anm. 1. Neugebauer/Jost | 607

§ 32 Rz. 15 | Haftung bei ausgeübter Transparenzoption 2. Verhältnis zu Vorschriften der AO 15 Die Haftungsregelungen des § 32 InvStG sind nach zutr. Auffassung nicht abschließender Na-

tur, sondern stehen neben den Haftungsregelungen der AO (§§ 69 ff. AO). Neben einer Inanspruchnahme auf Basis des § 32 InvStG ist folgerichtig auch stets eine Inanspruchnahme auf Basis der §§ 69 ff. AO möglich.1

16 Auch trifft § 32 InvStG lediglich Regelungen materiell-rechtlicher Natur, sodass hinsichtlich

etwaiger prozeduraler Durchsetzungsmaßnahmen auf die allgemeinen Regelungen und dabei insbes. auf § 191 AO zurückgegriffen werden muss.2 Insoweit ist das grds. bestehende Auswahlermessen der FinBeh. aber durch § 32 InvStG gesetzlich vorgegeben. 3. Verhältnis zu Vorschriften des EStG

17 Nach § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG haftet grds. der Entrichtungspflichtige (Schuldner der Kapital-

erträge, die den Verkaufsauftrag ausführende Stelle oder die die Kapitalerträge auszahlende Stelle) für die KapErtrSt, die einzubehalten und abzuführen ist. Demgegenüber kodifiziert § 32 InvStG eine Haftungsregelung für zu Unrecht nicht erhobene oder erstattete KapErtrSt. Trotz begrifflicher Unterschiede sind die Haftungssubjekte beider Normen identisch. Insbesondere ist KapErtrSt auch in dem Fall geschuldet, in dem sie zu Unrecht nicht erhoben oder erstattet worden ist. Demzufolge verdrängt § 32 Abs. 1 InvStG den § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG.3 Demgegenüber ist § 44 Abs. 5 Satz 3 EStG i.R.d. § 32 Abs. 1 InvStG entsprechend anwendbar.

18 Da die Inanspruchnahme der Anleger nach § 32 Abs. 2 InvStG, welche die KapErtrSt gem.

§ 30 Abs. 1 Satz 2 InvStG i.V.m. § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG ohnehin schulden, nur bei Vorliegen der zusätzlichen Voraussetzungen des § 32 Abs. 2 InvStG möglich ist, verdrängt § 32 Abs. 2 InvStG in seinem Anwendungsbereich den § 44 Abs. 5 Satz 2 EStG.4

B. Haftung des Entrichtungspflichtigen (Abs. 1) I. Vorbemerkung 19 Nach § 32 Abs. 1 InvStG haftet primär der Entrichtungspflichtige für die Steuer, die bei aus-

geübter Transparenzoption zu Unrecht nicht erhoben oder erstattet worden ist. Allerdings enthält § 32 Abs. 1 Satz 2 InvStG eine gesetzliche Möglichkeit der Exkulpation des Entrichtungspflichtigen. Danach entfällt eine Haftung des Entrichtungspflichtigen, wenn dieser nachweist, dass er die ihm obliegenden Pflichten weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat. Im Falle des Vorliegens einer bloß objektiven Pflichtverletzung und der entsprechenden Exkulpation des Entrichtungspflichtigen besteht daher keine Haftung nach § 32 Abs. 1 InvStG.5

1 So explizit Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 32 InvStG Rz. 18; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 32 InvStG Rz. 1. 2 Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 32 InvStG Rz. 1 und 19. 3 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 32 InvStG Anm. 1, 5; Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 32 InvStG Rz. 1 und § 32 InvStG Rz. 20 f.; Wolny in BeckOK, § 32 InvStG Rz. 28. 4 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 32 InvStG Anm. 1, 10; Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 32 InvStG Rz. 20 und 22. 5 Mann in W/B/A3, § 32 InvStG Rz. 2.

608 | Neugebauer/Jost

B. Haftung des Entrichtungspflichtigen (Abs. 1) | Rz. 21 § 32

II. Unrechtmäßige Nichterhebung oder Erstattung der Kapitalertragsteuer (Abs. 1 Satz 1) 1. Pflichtverletzung des Entrichtungspflichtigen Der Entrichtungspflichtige haftet für die Steuer, die bei ausgeübter Transparenzoption entwe- 20 der zu Unrecht nicht erhoben oder erstattet wurde. Voraussetzung für die Haftung im Falle der unrechtmäßigen Nichterhebung ist, dass von dem Spezial-Investmentfonds eine wirksame Statusbescheinigung gem. § 7 Abs. 3 i.V.m. § 29 Abs. 2 InvStG dem Entrichtungspflichtigen vorgelegt wurde. Andernfalls kommt eine Haftung aus einer zu Unrecht erfolgten Erstattung in Betracht.1 Im Falle der Ausübung der Transparenzoption eines Spezial-Investmentfonds sind nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 31 Abs. 1 Satz 1 InvStG die Regelungen des EStG zum KapErtrSt-Abzug (§§ 43–45e EStG) so anzuwenden, als ob den jeweiligen Anlegern die inländischen Beteiligungseinnahmen oder die sonstigen inländischen Einkünfte unmittelbar selbst zugeflossen wären. Die Anleger gelten dabei nach § 30 Abs. 1 Satz 2 InvStG auch als Schuldner der KapErtrSt, welche in Bezug auf die in § 43 EStG aufgeführten Kapitalerträge gezahlt werden muss. Regelungen zur Abstandnahme vom Steuerabzug finden sich in § 44a EStG. Als Schuldner der Kapitalerträge (vgl. zuvor) obliegt dem Entrichtungspflichtigen die Pflicht, 21 den KapErtrSt-Abzug für die Anleger des Spezial-Investmentfonds vorzunehmen, die im Falle der Ausübung der Transparenzoption ihrerseits Gläubiger der Kapitalerträge sind. Konsequenterweise muss der Entrichtungspflichtige im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Abstandnahme vom Steuerabzug nach § 44a EStG von einem solchen Steuerabzug absehen.2 Bei der Prüfung der Voraussetzungen für eine Abstandnahme vom Steuerabzug hat der Entrichtungspflichtige gem. dem BMF-Schreiben v. 29.10.2020 u.a. zu berücksichtigen, ob der Spezial-Investmentfonds die Voraussetzungen der Mindesthaltedauer nach § 36a Abs. 2 EStG erfüllt hat.3 Daraus ergibt sich, dass vom Vorliegen einer Pflichtverletzung des Entrichtungspflichten auszugehen ist, sofern KapErtrSt einzubehalten und abzuführen war, und eine entsprechende Einbehaltung und Abführung an die zuständige FinBeh. seitens des Entrichtungspflichtigen gar nicht oder nicht in richtiger Höhe erfolgt ist.4 Ob und in welcher Höhe der Einbehalt oder die Abführung vorzunehmen ist, richtet sich nach dem materiellen Steueranspruch. Eine Pflichtverletzung liegt im Falle des zu geringen oder nicht durchgeführten Einbehalts allerdings nicht vor, wenn die Verwahrstelle zwar zu wenig Steuern einbehalten, dies aber noch rechtzeitig vor Abgabe der KapErtrSt-Anmeldung korrigiert hat.5

1 Wolny in BeckOK, § 32 InvStG Rz. 53. 2 Vgl. insoweit Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 32 InvStG Rz. 25. 3 BMF v. 29.10.2020 – IV C 1 - S 1980 – 1/19/10008 :016 – DOK 2020/1103096, BStBl. I 2020, 527 Rz. 32.2, mit Verweis darauf, dass die Regelungen des BMF-Schreibens v. 21.5.2019 (IV C 1 - S 1980 – 1/16/10010 :001 – DOK 2019/0415199, BStBl. I 2019, 527) in Rz. 8.31 entsprechend anzuwenden sind und der Entrichtungspflichtige damit zu prüfen hat, ob die Mindesthaltedauer erreicht wird. Insofern wird zudem darauf hingewiesen, dass diese Prüfung grds. eine EDV-technische Umsetzung erfordert und es deshalb grds. nicht beanstandet wird, wenn der Entrichtungspflichtige im Jahr 2018 noch keine Prüfung der Mindesthaltedauer vorgenommen hat. Zudem wird angemerkt, dass der Entrichtungspflichtige hinsichtlich des Mindestwertänderungsrisikos und der Vergütungsverpflichtung darauf vertrauen darf, dass der Investmentfonds mit der Antragsstellung konkludent angibt, dass er ein hinreichendes Mindestwertänderungsrisiko getragen hat und keine Vergütungsverpflichtung besteht. 4 Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 32 InvStG Rz. 25; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG § 32 InvStG Anm. 5. 5 Wolny in BeckOK, § 32 InvStG Rz. 56. Neugebauer/Jost | 609

§ 32 Rz. 22 | Haftung bei ausgeübter Transparenzoption 2. Beweislast 22 Den FinBeh. obliegt in diesem Zusammenhang die Nachweispflicht hinsichtlich des Vorliegens

einer Pflichtverletzung des Entrichtungspflichtigen in Gestalt der Herbeiführung einer unrechtmäßigen Nichterhebung oder Erstattung von KapErtrSt. Das wiederum ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 32 Abs. 1 Satz 2 InvStG, welcher dem Entrichtungspflichtigen die Beweislast für das fehlende Verschulden einer objektiv vorliegenden Pflichtverletzung auferlegt. Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass zuvor der Nachweis des Vorliegens einer Pflichtverletzung erfolgt sein muss. Dieser Nachweis obliegt nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen den FinBeh. als Gläubiger und Anspruchsteller des Haftungsanspruchs aus § 32 Abs. 1 InvStG.1

III. Exkulpationsmöglichkeit des Entrichtungspflichtigen (Abs. 1 Satz 2) 1. Verschulden des Entrichtungspflichtigen a) Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit 23 Vorsätzliches Handeln des Entrichtungspflichtigen liegt vor, wenn dem Entrichtungspflichti-

gen seine Pflichten bekannt waren und der Entrichtungspflichtige deren Verletzung bewusst herbeiführt.2 Insofern genügt, ähnlich wie bei § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG, die billigende Inkaufnahme einer Pflichtverletzung.3 Demgegenüber liegt eine grob fahrlässige Inkaufnahme der Steuerverkürzung durch die unrechtmäßigerweise Nichterhebung oder Erstattung von KapErtrSt nach Ansicht des BFH dann vor, wenn der Entrichtungspflichtige die nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem und nicht entschuldbarem Maße verletzt.4 Davon kann in der Regel bei bloßen Fehlern und Nachlässigkeiten, die üblicherweise vorkommen können und mit denen gerechnet werden muss, allerdings nicht die Rede sein.5 b) Zurechnung des Verhaltens von Erfüllungsgehilfen

24 Der Entrichtungspflichtige muss sich das Verhalten eines Erfüllungsgehilfen nach allgemeinen

Regeln (§ 278 BGB) zurechnen lassen.6 2. Beweislast

25 Wie zuvor ausgeführt, obliegt grds. den nach § 4 InvStG zuständigen FinBeh. der Nachweis

des Vorliegens eines Pflichtenverstoßes des Entrichtungspflichtigen. Sofern den FinBeh. der Nachweis eines solchen Pflichtenverstoßes gelingt, wird die Schuldhaftigkeit des Handelns des Entrichtungspflichtigen in Bezug auf den (objektiv) vorliegenden Pflichtenverstoß widerlegbar vermutet.7 Dem Entrichtungspflichtigen obliegt dann die Beweislast hinsichtlich des

1 So etwa auch Mann in W/B/A3, § 32 InvStG Rz. 2. 2 So Wenzel in Brandis/Heuermann, § 32 InvStG Rz. 11 und Mann in W/B/A3, § 32 InvStG Rz. 2, jeweils mit Verweis auf BFH v. 12.7.1983 – VII B 19/83, BStBl. II 1983, 655 (Haftung für Lohnsteuer). 3 Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 32 InvStG Rz. 29, mit Verweis auf Kirchhof in BeckOK, § 44 EStG Rz. 159.1 sowie Wenzel in Brandis/Heuermann, § 32 InvStG Rz. 11. 4 BFH v. 3.2.1983 – IV R 153/80, BStBl. II 1983, 324; v. 10.8.1988 – IX R 219/84, BStBl. II 1989, 131; ebenso Wenzel in Brandis/Heuermann, § 32 InvStG Rz. 11. 5 So etwa auch Mann in W/B/A3, § 32 InvStG Rz. 3, mit Verweis auf BFH v. 10.2.2015 – IX R 18/14, BStBl. II 2017, 7. 6 Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 32 InvStG Rz. 29; Mann in W/B/A3, § 32 InvStG Rz. 3 m.w.N. 7 Wenzel in Brandis/Heuermann, § 32 InvStG Rz. 10; Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 32 InvStG Rz. 30.

610 | Neugebauer/Jost

B. Haftung des Entrichtungspflichtigen (Abs. 1) | Rz. 27 § 32

Nichtvorliegens eines schuldhaften Handelns.1 Gelingt dem Entrichtungspflichtigen in der Folge der Beweis des nicht schuldhaften Handelns (d.h., dass der Pflichtenverstoß weder vorsätzlich noch grob fahrlässig herbeigeführt worden ist), entfällt mangels Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 Abs. 1 InvStG die Haftungsschuld des Entrichtungspflichtigen und damit auch gleichzeitig die Grundlage für eine mögliche Inanspruchnahme des selbigen. Eine Inanspruchnahme des Entrichtungspflichtigen ist den FinBeh. in diesem Fall folgerichtig nicht möglich.2

IV. Rechtsfolge 1. Erlass eines Haftungs-/Nachforderungsbescheids durch die Finanzbehörde Sofern die zuvor dargestellten Voraussetzungen vorliegen und dem Entrichtungspflichtigen 26 nicht die Exkulpation nach § 32 Abs. 1 Satz 2 InvStG gelingt, können die zuständigen FinBeh. den Entrichtungspflichtigen mittels Haftungsbescheids nach § 191 AO in Anspruch nehmen. Grundsätzlich gewährt § 191 Abs. 1 Satz 1 AO – nach allgemeinen Grundsätzen – einen Ermessensspielraum hinsichtlich der Auswahl des Haftungsschuldners.3 Dieses Ermessen sollte jedoch durch das gestufte Haftungsregime des § 32 InvStG (s. Rz. 7) vorweggenommen sein und als Folge die Inanspruchnahme des Entrichtungspflichtigen bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 Abs. 1 InvStG sowie einer fehlenden Möglichkeit des Entrichtungspflichtigen zur Exkulpation regelmäßig ermessensfehlerfrei sein.4 Eine Inanspruchnahme des Entrichtungspflichtigen ist im Falle des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 InvStG zudem mittels Nachforderungsbescheids nach §§ 167 Abs. 1 Satz 1, 155 AO möglich.5 Statthaftes Rechtsmittel gegen beide Bescheide ist jeweils der Einspruch nach § 347 AO.6 Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass es in analoger Anwendung des § 44 Abs. 5 Satz 3 27 EStG des Erlasses eines Haftungs- oder Nachforderungsbescheids (als Vollstreckungstitel) weder im Falle der richtigen Anmeldung der KapErtrSt durch den Entrichtungspflichtigen noch in dem Fall bedarf, in dem der Entrichtungspflichtige seine Zahlungsverpflichtung gegenüber den zuständigen FinBeh. oder einem eine Außenprüfung durchführenden Betriebsprüfer schriftlich anerkannt hat. Das wiederum wird damit begründet, dass sowohl die Steueranmeldung als auch das schriftliche Anerkenntnis einem Steuerbescheid gleichstehen und die FinBeh. demzufolge bereits über einen vollstreckbaren Titel verfügen. Die Einholung eines weiteren Vollstreckungstitels (sei es in Form eines Haftungs- oder eines Nachforderungsbescheids) gegen den Entrichtungspflichtigen sei folgerichtig obsolet.7 Für eine analoge An-

1 Vgl. zum Vorangegangenen Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 32 InvStG Rz. 30, mit Verweis auf Kirchhof in BeckOK, § 44 EStG Rz. 159. 2 So Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 32 InvStG Anm. 5, sowie Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/ Mann2, § 32 InvStG Rz. 31, die auch darauf hinweisen, dass im Falle des Nichtvorliegens eines materiellen Haftungsanspruchs gegenüber dem Entrichtungspflichtigen nach § 32 Abs. 1 InvStG (wegen des dem § 32 InvStG innewohnenden Stufenverhältnisses/Nachrangprinzips) die Inanspruchnahme der Anleger und/oder des gesetzlichen Vertreters des Spezial-Investmentfonds von vornherein ausscheidet. 3 Vgl. Wortlaut des § 191 Abs. 1 Satz 1 AO: „Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden.“ 4 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 32 InvStG Anm. 5; Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 32 InvStG Rz. 33. 5 Mann in W/B/A3, § 32 InvStG Rz. 4. 6 Wenzel in Brandis/Heuermann, § 32 InvStG Rz. 12. 7 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 32 InvStG Anm. 5. Neugebauer/Jost | 611

§ 32 Rz. 27 | Haftung bei ausgeübter Transparenzoption wendung spricht u.E. die Übertragbarkeit des einschlägigen Rechtsgedankens der Verwaltungseffizienz. 2. Haftungsobjekt 28 Haftungsobjekt des § 32 Abs. 1 Satz 1 InvStG ist die zu Unrecht nicht erhobene oder erstattete

KapErtrSt, vgl. § 32 Abs. 1 Satz 1 InvStG i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 InvStG.1 In diesem Zusammenhang obliegt den zuständigen FinBeh. die Beweislast bezüglich der Höhe der Steuerverkürzung und damit des Bestehens eines Anspruchs aus § 32 Abs. 1 Satz 1 InvStG.

C. Inanspruchnahme des Anlegers (Abs. 2) I. Subsidiarität 29 Sofern eine Haftung des Entrichtungspflichtigen mangels Vorliegens der Tatbestandsvoraus-

setzungen des § 32 Abs. 1 InvStG nicht gegeben oder die Haftungsschuld uneinbringlich ist, kommt eine subsidiäre Inanspruchnahme der Anleger in Betracht. Insofern handelt es sich um haftungsbegründende Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 Abs. 2 InvStG.2

II. Systemfremdheit 30 Trotz seiner systematischen Stellung handelt es sich bei § 32 Abs. 2 InvStG nicht um eine Haf-

tungsregelung i.S.d. Einstehens für eine fremde Schuld. Bei Transparenzoptionsausübung gelten die Anleger nach § 30 Abs. 1 Satz 2 InvStG nämlich als Schuldner der KapErtrSt und Gläubiger etwaiger inländischer Beteiligungseinnahmen.3 Ob ihrer Qualifizierung als originäre Steuerschuldner der KapErtrSt ist § 32 Abs. 2 InvStG damit als bloße Regelung für die Inanspruchnahme der Anleger zu sehen – welche ebenfalls Leistungsempfänger etwaig zu Unrecht erstatteter (KapErtr-)Steuern sind – und damit letztlich als Mittel zur Durchsetzung des originären materiell-rechtlichen Steueranspruchs und Instrument zur Vermeidung einer Steuerverkürzung.4 Da es sich bei § 32 Abs. 2 InvStG mithin nicht um eine Dritthaftungsregelung handelt, enthält diese Norm (anders als etwa § 32 Abs. 1 InvStG und § 32 Abs. 3 InvStG) auch gerade keine Exkulpationsmöglichkeit der Anleger, welche folgerichtig verschuldensunabhängig haften. Dies erscheint auch nicht unbillig, da den Anlegern bei Transparenzoptionsausübung keine besonderen Pflichten obliegen und § 32 Abs. 2 InvStG, wie in Rz. 2 dargestellt, einzig den Zweck verfolgt, einen von den Anlegern ungerechtfertigter Weise erhaltenen (Steuer-)Vorteil abzuschöpfen und damit den originären Steueranspruch durchzusetzen.5 1 Vgl. auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 32 InvStG Anm. 5, mit Verweis darauf, dass inhaltlich trotz anderslautender Formulierung kein Unterschied zu § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG bestehe und die KapErtrSt nur dann zu Unrecht nicht erhoben oder erstattet worden ist, wenn sie gleichwohl geschuldet wird. Damit sei die geschuldete KapErtrSt nach § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG identisch mit der zu Unrecht nicht erhobenen oder erstatteten KapErtrSt in § 32 Abs. 1 Satz 1 InvStG. 2 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 32 InvStG Anm. 10; Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 32 InvStG Rz. 36. 3 So etwa Mann in W/B/A3, § 32 InvStG Rz. 6 m.w.N., mit Verweis darauf, dass die Eigenschaft als Steuerschuldner der Inanspruchnahme des Gläubigers der Beteiligungseinnahmen nicht entgegensteht; s. auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 32 InvStG Anm. 10, welcher die Notwendigkeit der Differenzierung von Steuer- und Haftungsschuld unter Hinweis auf § 33 Abs. 1 AO begründet. 4 Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 32 InvStG Rz. 34. 5 Wenzel in Brandis/Heuermann, § 32 InvStG Rz. 13; Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 32 InvStG Rz. 35.

612 | Neugebauer/Jost

C. Inanspruchnahme des Anlegers (Abs. 2) | Rz. 34 § 32

III. Tatbestand der Anlegerinanspruchnahme 1. Inanspruchnahme des Entrichtungspflichtigen ausgeschlossen oder nicht erfolgreich Anknüpfend an die Ausführungen zu Abs. 1 in Rz. 23 ff. ist eine Haftung des Entrichtungs- 31 pflichtigen dann ausgeschlossen, wenn dem Entrichtungspflichtigen die Erbringung des Entlastungsbeweises nach § 32 Abs. 1 Satz 2 InvStG gelingt. Die Haftungsschuld ist dagegen uneinbringlich, wenn der Entrichtungspflichtige nicht mit Erfolg in Anspruch genommen werden kann. Für die Begründbarkeit der Uneinbringlichkeit bedarf es der Durchführung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen seitens der zuständigen FinBeh. gegenüber dem Entrichtungspflichtigen.1 Allerdings sollte auf Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wohl dann verzichtet werden können, wenn der Entrichtungspflichtige offensichtlich nicht über vollstreckbares Vermögen verfügt.2 Eine Uneinbringlichkeit der Haftungsschuld liegt daher insbes. bei Insolvenz des Entrichtungspflichtigen vor, da dessen Inanspruchnahme dann nicht erfolgreich wäre.3 Nicht von Relevanz bei der Beurteilung der Uneinbringlichkeit der Haftungsschuld ist, ob die Inanspruchnahme des Anlegers für die FinBeh. mit einem geringeren Aufwand verbunden wäre.4 2. Beweislast Da es sich bei der Uneinbringlichkeit der Haftungsschuld i.S.d. § 32 Abs. 2 InvStG um eine 32 haftungsbegründende Tatbestandsvoraussetzung handelt, obliegt insofern den FinBeh. die Beweislast.5

IV. Rechtsfolge 1. Anspruchsumfang Die Inanspruchnahme der Anleger richtet sich – aufgrund der Subsidiarität und Anknüpfung 33 an den Haftungsanspruch des Entrichtungspflichtigen – grds. nach § 32 Abs. 1 InvStG und damit nach dem originären materiell-rechtlichen Haftungsanspruch des Entrichtungspflichtigen (dem Grunde nach und im Hinblick auf dessen Umfang).6 Folgerichtig erfasst der Anspruch aus § 32 Abs. 2 InvStG gerade nicht zusätzliche, neben den verkürzten Steuern angefallene Kosten, wie etwaig angefallene Säumniszuschläge oder Vollstreckungskosten.7 2. Inanspruchnahme durch Nachforderungsbescheid Da es sich bei § 32 Abs. 2 InvStG nicht um eine Haftungsregelung für fremde Schuld handelt 34 (s. Rz. 30), ist eine Inanspruchnahme des Anlegers allein durch Nachforderungsbescheid gem. § 167 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 155 AO möglich.8 1 Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 32 InvStG Rz. 38, mit Hinweis auf den Rechtsgedanken des § 771 BGB. 2 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 32 InvStG Anm. 10. 3 Vgl. etwa Mann in W/B/A3, § 32 InvStG Rz. 5. 4 Wenzel in Brandis/Heuermann, § 32 InvStG Rz. 13; so zudem explizit Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 32 InvStG Anm. 10. 5 Vgl. etwa Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 32 InvStG Rz. 38. 6 So explizit Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 32 InvStG Rz. 39. 7 Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 32 InvStG Rz. 39 m.w.N. 8 So etwa Mann in W/B/A3, § 32 InvStG Rz. 6, unter Verweis auf die gleichlaufende Auslegung bei § 44 Abs. 5 Satz 2 EStG. Neugebauer/Jost | 613

§ 32 Rz. 35 | Haftung bei ausgeübter Transparenzoption

V. Keine Gesamtschuld 35 Es fragt sich abschließend, ob der Entrichtungspflichtige und die Anleger als Gesamtschuld-

ner i.S.d. § 44 Abs. 1 Satz 1 AO angesehen werden können und den zuständigen FinBeh. als Folge damit grds. bei der Auswahl des Haftungsschuldners ein (Auswahl-)Ermessen zusteht. Dies ist primär für den Fall relevant, dass der Anspruch gem. § 32 Abs. 1 InvStG gegen den Entrichtungspflichtigen besteht, dieser aber uneinbringlich ist und daher auch ein Anspruch gegen den Anleger gem. § 32 Abs. 2 InvStG gegeben ist. Gegen eine solche gesamtschuldnerische Haftung sowie ein Auswahlermessen der FinBeh. spricht jedoch der dem § 32 InvStG innewohnende Grundgedanke der Subsidiarität. Denn entsprechend der Gesetzestechnik soll primär der Entrichtungspflichtige haften, wohingegen die Anleger nach dem insofern eindeutigen Wortlaut des § 32 Abs. 2 InvStG nur dann in Anspruch genommen werden sollen, „wenn die Haftung nach Absatz 1 ausgeschlossen oder die Haftungsschuld uneinbringlich ist“. Folgerichtig wäre ein den FinBeh. etwaig zustehendes Auswahlermessen jedenfalls gesetzlich vorgeprägt.1 In diesem Zusammenhang bleibt auch festzuhalten, dass § 32 InvStG lediglich das Verhältnis zwischen der FinVerw. und dem Entrichtungspflichtigen bzw. Anleger regelt. Die Norm verhält sich dagegen nicht dazu, ob der Entrichtungspflichtige im Falle seiner Inanspruchnahme Regress beim Anleger suchen kann.2

D. Haftung des gesetzlichen Vertreters (Abs. 3) I. Subsidiarität 36 Sofern sowohl eine Haftung nach § 32 Abs. 1 InvStG wie auch nach § 32 Abs. 2 InvStG aus-

geschlossen oder die jeweilige Haftungsschuld uneinbringlich ist (i.S.d. dem § 32 InvStG innewohnenden Stufenverhältnisses), haftet nach § 32 Abs. 3 InvStG an letzter Stelle der gesetzliche Vertreter des Spezial-Investmentfonds.

II. Voraussetzungen der Vertreterhaftung 1. Unrechtmäßige Nichterhebung oder Erstattung von Kapitalertragsteuer bei ausgeübter Transparenzoption (Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1) 37 Ob des Stufenverhältnisses knüpft auch die Haftung des gesetzlichen Vertreters an die un-

rechtmäßige Nichterhebung oder Erstattung von KapErtrSt bei ausgeübter Transparenzoption an (insofern sind die Haftungsvoraussetzungen des § 32 Abs. 3 InvStG deckungsgleich mit denen der Abs. 1 und 2 des § 32 InvStG). 2. Inanspruchnahme des Entrichtungspflichtigen ausgeschlossen oder nicht erfolgreich (Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2)

38 Da Anlegern nach § 32 Abs. 2 InvStG keine Exkulpationsmöglichkeit zusteht und deren Inan-

spruchnahme aus § 32 Abs. 2 InvStG damit nicht ausgeschlossen sein kann, genügt zur Begründung einer Haftung des gesetzlichen Vertreters allerdings bereits die Uneinbringlichkeit der Haftungsschuld gegenüber den Anlegern.3 Eine Uneinbringlichkeit der Haftungsschuld 1 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 32 InvStG Anm. 15; Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 32 InvStG Rz. 48. 2 Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 32 InvStG Rz. 49. 3 Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 32 InvStG Rz. 42; ebenso BT-Drucks. 18/8045 v. 7.4.2016, 101.

614 | Neugebauer/Jost

D. Haftung des gesetzlichen Vertreters (Abs. 3) | Rz. 41 § 32

lässt sich in diesem Zusammenhang, so wie bei § 32 Abs. 2 InvStG, gerade nicht unter Verweis darauf begründen, dass eine Inanspruchnahme des gesetzlichen Vertreters mit weniger Schwierigkeiten verbunden wäre als die der Anleger.1 3. Positive Kenntnis des gesetzlichen Vertreters und fehlende Mitteilung (Abs. 3 Satz 2) a) Positive Kenntnis des gesetzlichen Vertreters Darüber hinaus ist tatbestandliche Haftungsvoraussetzung, dass der gesetzliche Vertreter 39 wusste, dass die Voraussetzungen für eine Abstandnahme vom Steuerabzug oder eine Erstattung von KapErtrSt tatsächlich nicht vorliegen. Der Wortlaut des § 32 Abs. 3 Satz 2 InvStG setzt demnach eine positive Kenntnis des Vertreters voraus. Nicht ausreichend ist daher eine (grob) fahrlässige Unkenntnis.2 b) Fehlende Mitteilung des gesetzlichen Vertreters an den Entrichtungspflichtigen Des Weiteren darf der gesetzliche Vertreter dies dem Entrichtungspflichtigen nicht mitgeteilt 40 haben, vgl. § 32 Abs. 3 Satz 2 a.E. InvStG.3 Der gesetzliche Vertreter kann sich durch eine solche Mitteilung an den Entrichtungspflichtigen folglich „enthaften“, wobei besagte Mitteilung – anders als i.R.d. § 44 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG – insbes. nicht unverzüglich erfolgen muss.4 Auch sonst sind an die Mitteilung des gesetzlichen Vertreters an den Entrichtungspflichtigen keine besonderen formalen Anforderungen zu stellen. Enders/Lebioda5 weisen in diesem Zusammenhang allerdings zu Recht darauf hin, dass die Mitteilung einen Kausalitätsprozess in Gang setzen muss, welcher den Entrichtungspflichtigen jedenfalls theoretisch in die Lage versetzen muss, die Entstehung eines ungerechtfertigten Steuervorteils zu vermeiden. Dem ist zuzustimmen, da nach hier vertretener Ansicht die Annahme einer Enthaftung des gesetzlichen Vertreters andernfalls nicht begründbar ist.

III. Rechtsfolge Die Inanspruchnahme des gesetzlichen Vertreters kann jedenfalls durch Haftungsbescheid 41 nach § 191 AO erfolgen, da es sich bei § 32 Abs. 3 InvStG um einen „echten“ Haftungstatbestand i.S.d. Einstehens für eine fremde Schuld handelt.6

1 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 32 InvStG Anm. 15. 2 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 32 InvStG Anm. 15, mit Verweis darauf, dass die insofern anderslautende Formulierung in der amtlichen Gesetzesbegründung, welche von Wissen und hätte wissen müssen spricht (BT-Drucks. 18/8045 v. 7.4.2016, 101: „Sofern auch die Inanspruchnahme des Anlegers erfolglos bleibt, haftet nach Absatz 3 der gesetzliche Vertreter des Spezial-Investmentfonds i.S.d. § 3 InvStG. Dessen Haftung setzt voraus, dass er wusste oder hätte wissen müssen, dass die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung tatsächlich nicht vorliegen.“), keinen Niederschlag im Gesetzeswortlaut gefunden hat und damit die grob fahrlässige Unkenntnis des gesetzlichen Vertreters hinsichtlich der Abstandnahme vom Steuerabzug oder der Erstattung von KapErtrSt folglich gerade nicht genügt. 3 So auch Wenzel in Brandis/Heuermann, § 32 InvStG Rz. 16. 4 Mann in W/B/A3, § 32 InvStG Rz. 6. 5 Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 32 InvStG Rz. 42. 6 So Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 32 InvStG Anm. 15, sowie Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/ Mann2, § 32 InvStG Rz. 47; a.A. Mann in W/B/A3, § 32 InvStG Rz. 6, und Wenzel in Brandis/Heuermann, § 32 InvStG Rz. 16, die darüber hinaus auch die Inanspruchnahme durch Nachforderungsbescheid als möglich erachten und damit Abs. 1 und Abs. 3 in verfahrensrechtlicher Hinsicht gleichbehandeln. Neugebauer/Jost | 615

§ 32 Rz. 42 | Haftung bei ausgeübter Transparenzoption

IV. Keine Gesamtschuld 42 Hinsichtlich einer möglichen gesamtschuldnerischen Haftung der Anleger und des gesetzli-

chen Vertreters des Spezial-Investmentfonds gilt das in Rz. 35 zu § 32 Abs. 2 InvStG Ausgeführte entsprechend. Aufgrund des gesetzlich angeordneten Stufenverhältnisses der Haftung (nachrangige Haftung des gesetzlichen Vertreters des Spezial-Investmentfonds hinter dem primär haftenden Entrichtungspflichtigen sowie den subsidiär haftenden Anlegern) ist ein im Falle einer gesamtschuldnerischen Haftung der Anleger und des gesetzlichen Vertreters etwaig bestehendes Auswahlermessen mithin jedenfalls vorgeprägt.1

§ 33 Inländische Immobilienerträge und sonstige inländische Einkünfte ohne Steuerabzug (1) Die Steuerpflicht für die inländischen Immobilienerträge eines Spezial-Investmentfonds entfällt, wenn der Spezial-Investmentfonds auf ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche inländische Immobilienerträge Kapitalertragsteuer gemäß § 50 erhebt, an die zuständige Finanzbehörde abführt und den Anlegern Steuerbescheinigungen gemäß § 45a Absatz 2 des Einkommensteuergesetzes ausstellt. (2) 1Die ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen inländischen Immobilienerträge gelten bei einem vereinnahmenden Investmentfonds oder Dach-Spezial-Investmentfonds als Einkünfte nach § 6 Absatz 4. 2Diese unterliegen einem Steuerabzug ohne Berücksichtigung des § 7 Absatz 1 Satz 3. 3Der Steuerabzug gegenüber einem Dach-Spezial-Investmentfonds entfällt, wenn der Dach-Spezial-Investmentfonds unwiderruflich gegenüber dem Ziel-Spezial-Investmentfonds erklärt, dass den Anlegern des Dach-Spezial-Investmentfonds Steuerbescheinigungen gemäß § 45a Absatz 2 des Einkommensteuergesetzes ausgestellt werden sollen (Immobilien-Transparenzoption). 4Bei ausgeübter ImmobilienTransparenzoption gelten 1. beschränkt steuerpflichtigen Anlegern unmittelbar Einkünfte im Sinne des § 49 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe f, Nummer 6 oder 8 des Einkommensteuergesetzes, 2. Anlegern, die unbeschränkt steuerpflichtige Investmentfonds oder Dach-Spezial-Investmentfonds sind, Einkünfte nach § 6 Absatz 4 und 3. sonstigen Anlegern Spezial-Investmenterträge als zugeflossen. 5 § 31 Absatz 1 und 2 sowie § 32 sind entsprechend anzuwenden. 6Dach-Spezial-Investmentfonds, bei denen nach Satz 4 Nummer 1 oder 2 inländische Immobilienerträge zugerechnet werden, können insoweit keine Immobilien-Transparenzoption ausüben. 7Gegenüber dem Dach-Spezial-Investmentfonds ist in den Fällen des Satzes 4 Nummer 1 oder 2 ein Steuerabzug ohne Berücksichtigung des § 7 Absatz 1 Satz 3 vorzunehmen. (3) 1Die ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen inländischen Immobilienerträge gelten bei beschränkt steuerpflichtigen Anlegern als unmittelbar bezogene Einkünfte nach § 49 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe f, Nummer 6 oder Nummer 8 des Einkommensteuergesetzes. 2Satz 1 und Absatz 2 Satz 4 Nummer 1 gelten auch für die Anwendung der Regelungen in Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. 3Der Abzug der Kapitalertragsteuer durch den Spezial-Investmentfonds auf die in den ausgeschütteten oder aus1 Siehe etwa Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 32 InvStG Anm. 15.

616 | Neugebauer/Jost

Inländ. Immobilienerträge u. sonstige inländ. Einkünfte ohne Steuerabzug | § 33

schüttungsgleichen Erträgen enthaltenen inländischen Immobilienerträge hat bei beschränkt steuerpflichtigen Anlegern, abweichend von § 50 Absatz 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes, keine abgeltende Wirkung. (4) 1Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend für sonstige inländische Einkünfte, die bei Vereinnahmung keinem Steuerabzug unterliegen. 2Die sonstigen inländischen Einkünfte gelten bei beschränkt steuerpflichtigen Anlegern als unmittelbar bezogene Einkünfte nach dem Tatbestand des § 49 Absatz 1 des Einkommensteuergesetzes, der der Vereinnahmung durch den Spezial-Investmentfonds zugrunde lag. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . II. Anwendungsbereich 1. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . 2. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zu Doppelbesteuerungsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Körperschaftsteuerbefreiung durch Abzug (Abs. 1) I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. (Faktisches) Wahlrecht oder Erhebungspflicht 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zeitliche oder sachliche Beschränkung des Wahlrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verhältnis zu § 30 InvStG . . . . . . . . . . III. Tatbestandsvoraussetzungen der Körperschaftsteuerbefreiung im Einzelnen 1. Inländische Immobilienerträge und sonstige inländische Einkünfte . . . . . . 2. Steuerabzug auf Fondsausgangsseite gem. § 50 InvStG a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Steuerabzug nach § 50 InvStG . . . . c) Ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche Erträge . . . . . . . . . . . . . . . . d) Korrektur der Bemessungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Steuerbescheinigungen gem. § 45a Abs. 2 InvStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Besonderheiten bei Verschmelzungsvorgängen gem. § 54 InvStG . . . . . . . . IV. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Besteuerung bei Dach-Spezial-Investmentfonds (Abs. 2) I. Rechtsentwicklung und Normzweck . . . II. Steuerpflichtigkeit inländischer Immobilienerträge („Semi-Transparenz“) (Abs. 2 Sätze 1 und 2)

1 5 6 8

III.

10 17

18 19 20 23

D. I.

24 25 26 29 30 31 32 33 36

II. III. E. I. II.

1. Umqualifizierung der inländischen Immobilienerträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wahlrechtsausübung nach Abs. 1 . . . . 3. Körperschaftsteuerpflicht der (DachSpezial-)Investmentfonds . . . . . . . . . . Immobilien-Transparenzoption (Abs. 2 Sätze 3 bis 7) 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsbereich a) Persönlicher Anwendungsbereich b) Sachlicher Anwendungsbereich . . 3. Immobilien-Transparenzausübungserklärung a) Unwiderruflichkeit . . . . . . . . . . . . . b) Einheitlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zurechnung inländischer Immobilienerträge bei beschränkt steuerpflichtigen Anlegern (Abs. 3) Fiktive Umqualifizierung in inländische Immobilienerträge (Abs. 3 Satz 1) 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Tatbestand a) Wahlrechtsausübung durch Spezial-Investmentfonds nach Abs. 1 . . b) Begriff der beschränkt steuerpflichtigen Anleger i.S.d. Abs. 3 Satz 1 . 4. Qualifizierung in eine der Einkunftsklassen des § 49 EStG . . . . . . . . . . . . . . Treaty override (Abs. 3 Satz 2) . . . . . . . . Steuerabzug ohne abgeltende Wirkung (Abs. 3 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige inländische Einkünfte ohne Steuerabzug (Abs. 4) Entsprechende Anwendbarkeit der Abs. 1 bis 3 auf sonstige inländische Einkünfte ohne Steuerabzug (Abs. 4 Satz 1) . . . . . Fiktive Umqualifizierung (Abs. 4 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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58 63

38

Neugebauer/Jost | 617

§ 33 Rz. 1 | Inländ. Immobilienerträge u. sonstige inländ. Einkünfte ohne Steuerabzug Literatur: Dyckmans, Der Diskussionsentwurf des BMF zum Investmentsteuerreformgesetz: Ende der eingeschränkten Transparenz?, Ubg 2015, 531; Stadler/Jetter, Der Diskussionsentwurf zum Investmentsteuerreformgestez (InvStRefG), DStR 2015, 1833; Bindl/Mager, Ausgewählte Zweifelsfragen und Lösungsvorschläge zum InvStG n.F., BB 2016, 2711; Böcker, Die neue Fondsbesteuerung im Zuge der Investmentsteuerreform, NWB 2016, 2789; Buge/Bujotzek/Steinmüller, Die InvSt-Reform ist verabschiedet, DB 2016, 1594; Helios/Mann, Das Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung, DB-Sonderausgabe 1/ 2016, 20; Hillebrand/Mattheis, Grundlegende Reform der Investmentbesteuerung, StuB 2016, 895: Höring, Das Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung, DStZ 2016, 727; Kammeter, Änderungen durch die geplante Reform der Investmentbesteuerung – vom Referentenentwurf (18.12.2015) bis zum Regierungsentwurf (24.2.2016) des InvStRefG, ISR 2016, 99; Kempf/Müller, Überblick über das neue Investmentsteuergesetz, SteuK 2016, 517; Lechner, (Erneute) Reform der Investmentbesteuerung – ein Überblick, RdF 2016, 208; Neumann, Investmentsteuerreformgesetz: Ausgewählte Problemfelder, BB 2016, 1779; Stadler/Bindl, Das neue InvStG – Überblick und Korrekturbedarf, DStR 2016, 1953; Warnke, Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung, EStB 2016, 305; Behrens, Transparenz- und Immobilientransparenzoption nach dem InvStG 2018, RdF 2017, 297; Bindl/Mager, Besteuerung von Dachfonds nach dem InvStG 2018, DStR 2017, 465; Bindl/Stadler, Die Immobilientransparenz nach § 33 Abs. 2 InvStG 2018 bei Dach- und Masterfonds-Strukturen, BB 2017, 1943; Bindl/Leidel, Immobilieninvestments über Spezial-Investmentfonds nach dem InvStG 2018, DB 2018, 722; Haug, Inbound-Investitionen in inländischen Grundbesitz nach dem InvStG 2018, IWB 2018, 6; Bindl/Schober, Investmentsteuererlass-Entwurf zu Spezial-Investmentfonds – Darstellung und kritische Würdigung ausgewählter Aspekte, BB 2020, 599; Stadler/Sotta, Das Entwurf-Schreiben des BMF zu Spezial-Investmentfonds v. 16.12.2019 – erste Anmerkungen, BB 2020, 279; Hahne, Die Transparenzoption nach § 30 InvStG bei Spezial-Investmentfonds, FR 2021, 415.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck 1 Gemäß § 29 Abs. 1 InvStG unterliegen Spezial-Investmentfonds i.S.v. § 26 InvStG grds. nach

§ 6 Abs. 4 InvStG hinsichtlich ihrer Immobilienerträge der KSt (i.H.v. 15 % zzgl. SolZ) und haben diese demzufolge eigenständig zu versteuern. Abweichend davon erlauben die §§ 33 Abs. 1 und 2 i.V.m. Abs. 4 InvStG nunmehr Spezial-Investmentfonds bei inländischen Immobilienerträgen und nicht dem Steuerabzug unterliegenden inländischen Einkünften, eine Besteuerung auf Ebene des Anlegers durch Ausübung der sog. Transparenzoption herbeizuführen. § 33 InvStG betrifft in- und ausländische Spezial-Investmentfonds (§§ 2 Abs. 2 und 3 InvStG), die inländische Immobilienerträge und sonstige inländische Einkünfte erzielen.

2 § 33 Abs. 1 InvStG regelt die tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen die sachliche

Steuerbefreiung der Spezial-Investmentfonds bei inländischen Immobilienerträgen und sonstigen inländischen Einkünften, die bei der Vereinnahmung keinem Steuerabzug unterliegen, greift. Erzielen Spezial-Investmentfonds inländische Erträge, die der KapErtrSt unterliegen, so gelten diese mit dem Steuerabzug als abgegolten (§ 29 Abs. 1 i.V.m. § 7 Abs. 2 InvStG) und die Regelung des § 33 Abs. 1 InvStG greift insoweit dann nicht ein. § 33 Abs. 1 InvStG räumt dem Spezial-Investmentfonds hingegen ein (faktisches) Wahlrecht zur Besteuerung inländischer Einkünfte ein, die keinem Steuerabzug unterliegen, wie inländische Immobilieneinkünfte. Dies führt entweder auf Ebene des Spezial-Investmentfonds zu einer Besteuerung oder durch Ausübung der (Semi-)Transparenzoption auf Ebene des Anlegers.

3 § 33 Abs. 2 InvStG führt Spezialregelungen zur Besteuerung inländischer Immobilienerträge

bei in- und ausländischen mehrstöckigen Investmentfondsstrukturen ein, wobei die von § 33 Abs. 2 InvStG erfassten ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen inländischen Immobilienerträge nicht ihre Qualifikation als Einkünfte nach § 6 Abs. 4 InvStG auf Ebene des vereinnahmenden Investmentfonds verlieren. Nur im Fall einer doppelstöckigen Spezial-Investmentfondskonstruktion erlaubt § 33 Abs. 2 Satz 3 InvStG die unmittelbare Zurechnung aus618 | Neugebauer/Jost

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 8 § 33

geschütteter oder ausschüttungsgleicher Immobilienerträge an die Anleger des Dach-SpezialInvestmentfonds (sog. Immobilien-Transparenzoption). § 33 Abs. 3 InvStG regelt für beschränkt stpfl. Investoren die steuerliche Qualifizierung aus- 4 geschütteter oder ausschüttungsgleicher Immobilienerträge, soweit es auf Ebene des SpezialInvestmentfonds zu einem Steuerabzug nach § 33 Abs. 1 i.V.m. § 50 InvStG kommt.1 § 33 Abs. 4 InvStG erweitert den Anwendungsbereich der Abs. 1–3 auf sonstige inländische Einkünfte, die keinem Steuerabzug auf Fondseingangsseite unterliegen.

II. Anwendungsbereich 1. Persönlicher Anwendungsbereich Persönlich ist § 33 InvStG auf Spezial-Investmentfonds i.S.d. § 26 InvStG wie auch auf deren 5 Anleger anwendbar. Sowohl inländische als auch ausländische Spezial-Investmentfonds sind dabei vom Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst. Ebenso kommen die Regelungen entsprechend für Altersvorsorgevermögenfonds nach § 53 Abs. 3 Satz 1 InvStG zum Tragen. Keine Anwendung findet die Vorschrift hingegen auf Investmentfonds nach Kapitel 2 des InvStG, da dies dem intransparenten Besteuerungssystem für solche Investmentfonds widersprechen würde.2 Dies gilt gleichermaßen für die Immobilien-Transparenzoption nach § 33 Abs. 2 Satz 3 InvStG (s. dazu Rz. 9). 2. Sachlicher Anwendungsbereich Sachlich findet § 33 InvStG gem. § 33 Abs. 1 InvStG auf inländische Immobilienerträge i.S.v. 6 § 26 InvStG i.V.m. § 6 Abs. 4 InvStG und gem. § 33 Abs. 4 Satz 1 InvStG auf sonstige inländische Einkünfte i.S.v. § 6 Abs. 5 InvStG, die nicht der KapErtrSt unterliegen, Anwendung. Umfasst wird von der Befreiung lediglich die KSt, da Spezial-Investmentfonds per se von der GewSt befreit sind (§ 29 Abs. 4 InvStG). Soweit die Voraussetzung der GewSt-Befreiung nicht vorliegt, entfällt die Transparenzoption nach § 33 InvStG.3 Aufgrund der Verwendung der Terminologie aus § 6 Abs. 4 und 5 InvStG scheint eine eigen- 7 ständige Auslegung des Begriffs der Immobilienerträge isoliert für § 33 InvStG ausgeschlossen. Somit sind insbes. Gewinnausschüttungen einer inländischen Immobilien-KapGes. mit inländischen Immobilieneinkünften nicht als Immobilienerträge i.S.v. § 6 Abs. 4 InvStG anzusehen.4 Diese Dividenden unterliegen hingegen der Steuerfreistellung nach § 30 InvStG. Ebenso findet die Vorschrift keine Anwendung auf sonstige, nicht von § 6 InvStG umfassten Einkünfte, wie z.B. solche von ausländischen KapGes., und zwar selbst dann, wenn diese inländische Immobilienerträge erzielen sollten.

III. Rechtsentwicklung Während der Gesetzgeber in § 33 Abs. 3 InvStG im Wesentlichen die Regelungen des § 15 8 Abs. 2 InvStG 2004 übernommen hat, finden sich die übrigen Absätze erstmalig im Investmentsteuerrecht wieder und reflektieren die Intention des Gesetzgebers für Spezial-Invest-

1 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 20; Mann in Brandis/Heuermann § 33 InvStG 2018 Rz. 35. 2 BT-Drucks. 18/12127,65; Mann in W/B/A3, § 33 InvStG 2018 Rz. 3. 3 Stadler/Jetter, DStR 2015, 1839; Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG Rz. 9. 4 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 5. Neugebauer/Jost | 619

§ 33 Rz. 8 | Inländ. Immobilienerträge u. sonstige inländ. Einkünfte ohne Steuerabzug mentfonds, die semi-transparente Besteuerung aufrechtzuerhalten.1 § 33 InvStG wurde i.R.d. InvStRefG v. 19.7.20162 eingeführt, jedoch bereits vor Inkrafttreten der Vorschrift abgeändert.3 Zeitlich findet die Bestimmung demnach seit dem 1.1.2018 Anwendung (§ 56 InvStG). 9 Regelungshintergrund und Ziel der Einführung von § 33 Abs. 2 InvStG sollte in mehrstöcki-

gen Fondsstrukturen die Verhinderung potenzieller Steuerstrukturierungsmöglichkeiten für ausländische Fondsinvestoren sein, welche andernfalls eine potenzielle Nichtbesteuerung von inländischen Immobilienerträgen hätten erreichen können.4 § 33 Abs. 1 InvStG soll daher sicherstellen, dass auch bei ausländischen Anlegern in Spezial-Investmentfonds ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche inländische Immobilienerträge nicht ihre Qualifikation auf Ebene des vereinnahmenden Investmentfonds verlieren und der ausländische Dach-Investmentfonds entweder (i) mit einbehaltener KapErtrSt vorbelastet wird oder (ii) bei Vorliegen der Immobilien-Transparenzoption die ausländischen Anleger im Dach-Spezial-Investmentfonds selbst mit dem Steuerabzug belastet werden. Auf Grundlage des JStG 2022 in der Form der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses5 wird § 33 InvStG klarstellend angepasst werden, um sicherzustellen, dass im Falle einer nach der Änderung des § 26 InvStG möglichen GewStPfl. des Spezial-Investmentfonds diese bei Ausübung der Transparenzoption nicht entfällt. Hierzu wird Abs. 1 Satz 1 auf die KSt begrenzt und ein klarstellender Satz 2 angefügt. Die Regelung ist ab 1.1.2023 anzuwenden.

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG 10 Verhältnis zu § 6 InvStG. Die Vorschrift des § 33 Abs. 1 und 4 InvStG regelt die Erfüllung

der Körperschaftsteuerpflicht des Spezial-Investmentfonds für inländische Immobilienerträge und sonstige inländische Einkünfte, bei denen auf Fondseingangsseite kein abgeltender Steuerabzug erfolgt. Diese Einkünfte sind nach § 6 Abs. 2 Satz 2 InvStG auf Ebene des SpezialInvestmentfonds nicht steuerbefreit, weswegen § 33 InvStG die Umsetzung der StPfl. in diesem Falle regelt. Die Begriffe der inländischen Immobilienerträge und sonstigen inländischen Einkünfte werden in § 6 Abs. 4 und 5 InvStG legaldefiniert. Die Vorschrift des § 33 InvStG baut insoweit auf § 6 InvStG auf.

11 Verhältnis zu § 7 InvStG. § 33 Abs. 1 und 4 InvStG ist nur auf inländische Einkünfte anwend-

bar, die keinem Steuerabzug gem. § 7 Abs. 2 i.V.m. § 29 Abs. 1 InvStG unterliegen. Insoweit deckt sich bereits der Anwendungsbereich beider Vorschriften nicht. Hingegen regelt § 33 Abs. 2 InvStG die Körperschaftsteuerpflicht des (Dach-Spezial-)Investmentfonds. Der besondere Steuerabzug nach § 33 Abs. 2 Satz 2 InvStG verdrängt daher § 7 Abs. 1 Satz 4 InvStG. Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 2 InvStG findet überdies die Steuerermäßigung des § 7 Abs. 1 Satz 3 InvStG keine Anwendung. Der Einbehalt der KSt richtet sich i.Ü. nach §§ 29 Abs. 1, 7 InvStG.6

12 Verhältnis zu §§ 8 bis 10 InvStG. Die §§ 8 bis 10 InvStG regeln die Steuerbefreiung aufgrund

der Beteiligung von steuerbegünstigten Anlegern. Die Normen sind neben § 33 InvStG anwendbar.7

1 Zur europarechtlichen Notwendigkeit der Abänderung s. z.B. Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 33 InvStG Rz. 1 ff. 2 BGBl. I 2016, 1730. 3 SteuerumgehungsbekämpfungsG v. 23.6.2017, BGBl. I 2017, 1682. 4 Behrens, RdF 2017, 300; Bindl/Mager DStR 2017, 466; Bindl/Stadler BB 2017, 1943. 5 BT-Drucks. 20/4729. 6 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 1. 7 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 1.

620 | Neugebauer/Jost

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 17 § 33

Verhältnis zu § 29 InvStG. Gemäß § 29 Abs. 1 InvStG sind die Vorschriften der §§ 6 und 7 13 InvStG auf die Besteuerung von Spezial-Investmentfonds anzuwenden, soweit sich aus den Regelungen der §§ 30 ff. InvStG keine Abweichungen ergeben. Eine solche Abweichung besteht in dem Steuerabzug nach § 33 InvStG. Die Gewerbesteuerbefreiung von Spezial-Investmentfonds gem. § 29 Abs. 4 InvStG ist neben § 33 InvStG anwendbar, als dieser nur die sachliche Körperschaftsteuerbefreiung regelt. Verhältnis zu § 30 InvStG. Bei § 33 InvStG handelt es sich in erster Linie um eine Parallel- 14 vorschrift zu § 30 InvStG. Während Letzterer für Spezial-Investmentfonds die Transparenzoption für Einkünfte mit Steuerabzug regelt, betrifft § 33 Abs. 1 und 4 InvStG nur inländische Immobilienerträge und sonstige inländische Einkünfte ohne Steuerabzug. Da es i.R.d. Umsetzung des Transparenzprinzips bei § 30 InvStG zu einer Zurechnung der unterliegenden Einkünfte kommt (§ 30 InvStG Rz. 10 ff.), erzielen Anleger weiterhin ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche inländische Immobilienerträge, die insoweit dem Steuerabzug nach § 50 EStG unterliegen (sog. Semi-Transparenz-Option).1 Unabhängig von der Ausübung der Transparenzoption des § 30 InvStG kann die Freistellungsoption des § 30 InvStG ausgeübt werden. Verhältnis zu §§ 31, 32 InvStG. Auf den Steuerabzug nach § 33 InvStG ist § 32 InvStG grds. 15 nicht anwendbar. Besagter Steuerabzug erfolgt im Anwendungsbereich des § 33 InvStG nach § 50 InvStG. Diese grundsätzliche Nichtanwendbarkeit des § 32 InvStG im Anwendungsbereich des § 33 InvStG ergibt sich insbes. aus einem Rückschluss aus dem Wortlaut des § 33 Abs. 2 Satz 5 InvStG, nach welchem § 32 InvStG einzig bei Ausübung der sog. ImmobilienTransparenzoption für entsprechend anwendbar erklärt wird. Gleiches gilt für die Anwendung von § 31 InvStG.2 Verhältnis zu § 50 InvStG. Das Verhältnis zu § 50 InvStG ist in der Literatur strittig. Wäh- 16 rend die FinVerw. und Teile der Literatur davon ausgehen, dass es sich bei § 33 InvStG um eine Spezialvorschrift zu § 50 InvStG handelt,3 geht ein Teil der Literatur4 davon aus, dass es für die Anwendbarkeit des § 50 InvStG unerheblich ist, ob die Steuerbefreiung des § 42 Abs. 5 InvStG die Bemessungsgrundlage für den Steuerabzug herabsetzt und es somit unabhängig von der Ausübung des Wahlrechts nach § 33 InvStG regelmäßig zu einem Steuerabzug nach § 50 InvStG kommt. 2. Verhältnis zu Doppelbesteuerungsabkommen Zur Wahrung des deutschen Besteuerungsrechts5 und zur Vermeidung von Steuergestaltun- 17 gen6 erweitert § 33 Abs. 3 Satz 2 InvStG in Form eines treaty overrides für ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche Immobilienerträge von Spezial-Investmentfonds die Direktzurechnung als inländische Immobilienerträge auch für Zwecke von DBA (insbes. Art. 13 OECD-MA).7

1 Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 33 InvStG Rz. 28; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 1. 2 So etwa auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 1. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.1 sowie 33.11. 4 Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG Rz. 11. 5 BT-Drucks. 18/12127, 65. 6 BT-Drucks. 18/8045, 101. 7 Mann in W/B/A3, § 33 InvStG 2018 Rz. 14 f.; Wolny in BeckOK InvStG, § 33 Rz. 201, sowie unten Rz. 55. Neugebauer/Jost | 621

§ 33 Rz. 18 | Inländ. Immobilienerträge u. sonstige inländ. Einkünfte ohne Steuerabzug

B. Körperschaftsteuerbefreiung durch Abzug (Abs. 1) I. Vorbemerkung 18 § 33 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 InvStG führt eine Erhebungsoption für inländische Immobilien-

erträge und sonstige Einkünfte ohne Steuerabzug ein. Hiernach entfällt die StPfl. für die inländischen Immobilienerträge eines Spezial-Investmentfonds, wenn der Spezial-Investmentfonds auf (i) ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche inländische Immobilienerträge (ii) KapErtrSt auf der Fondsausgangsseite gem. § 50 InvStG erhebt sowie (iii) den Anlegern Steuerbescheinigungen gem. § 45a Abs. 2 EStG ausstellt. Die Ausübung des Wahlrechts nach § 33 Abs. 1 InvStG durch den Spezial-Investmentfonds erfolgt somit durch Erhebung der KapErtrSt und Ausstellung der Steuerbescheinigungen gem. § 45a Abs. 2 EStG.

II. (Faktisches) Wahlrecht oder Erhebungspflicht 1. Vorbemerkung 19 Sowohl Literatur1 als auch FinVerw.2 sind sich einig, dass § 33 Abs. 1 InvStG dem Spezial-

Investmentfonds ein (faktisches) Wahlrecht einräumt, ob dieser auf Ebene des Spezial-Investmentfonds, also selbst, inländische Immobilienerträge mit 15 % KSt (zzgl. SolZ) versteuert oder für die (Semi-)Transparenzoption nach § 33 Abs. 1 InvStG optiert. Für ausländische Spezial-Investmentfonds ist unstreitig, dass es sich hierbei um ein echtes Wahlrecht handelt.3 Es stellt sich allerdings die Frage, ob sich diese Erhebungsoption aufgrund der Gesetzessystematik für inländische Spezial-Investmentfonds nicht zu einer Erhebungspflicht verdichtet.4 Für die FinVerw.5 handelt es sich bei § 33 Abs. 1 InvStG gegenüber den allgemeinen Regelungen des § 50 InvStG um eine lex specialis-Vorschrift und verdrängt somit den Anwendungsbereich des § 50 InvStG, aber nur, wenn es nicht durch den Spezial-Investmentfonds zu einer Ausübung der Transparenzoption kommt. Dem wird in Teilen der Literatur6 richtigerweise auch zugestimmt. Sofern die inländischen Immobilienerträge von dem Spezial-Investmentfonds selbst versteuert wurden, unterliegt nur die nach Anwendung des § 42 Abs. 5 InvStG verbleibende Bemessungsgrundlage der KapErtrSt nach § 50 InvStG. Bei Anlegern, die dem KStG unterliegen, sind die in den ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträgen enthaltenen inländischen Immobilienerträge, die bereits von dem Spezial-Investmentfonds versteuert wurden, nach § 42 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 4 Satz 2 InvStG stfrei. Aufgrund der auf null abgesenkten Bemessungsgrundlage würde somit der KapErtrSt-Abzug nach § 50 InvStG entfallen.7 Dem wird von Teilen der Literatur8 entgegengehalten, dass es sich bei die-

1 2 3 4 5 6 7 8

Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 33 InvStG Rz. 23; Wolny in BeckOK InvStG, § 33 Rz. 30. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.1. Stadler/Bindl, DStR 2016, 1962; Mann in W/B/A3, § 33 InvStG 2018 Rz. 4. So wohl Stadler/Bindl, DStR 2016, 1962; Haug, IWB 2018, 15; Mann in W/B/A3, § 33 InvStG Rz. 4; Pöllath/Rodin/Wewel, Private Equity und Venture Capital Fonds, 2018, § 25 Rz. 207; Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG Rz. 11; Mann in W/B/A3, § 33 InvStG 2018 Rz. 4. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.1. Im Ergebnis ebenso Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 5; Wolny in BeckOK InvStG, § 33 Rz. 33. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.1. Stadler/Bindl, DStR 2016, 1962; Haug, IWB 2018, 15; Mann in W/B/A3, § 33 InvStG Rz. 4; Pöllath/ Rodin/Wewel, Private Equity und Venture Capital Fonds, 2018, § 25 Rz. 207, Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG Rz. 11; Mann in W/B/A3, § 33 InvStG 2018 Rz. 4.

622 | Neugebauer/Jost

B. Körperschaftsteuerbefreiung durch Abzug (Abs. 1) | Rz. 22 § 33

ser Auffassung um eine Vermischung von Tatbestand und Rechtsfolge handelt.1 § 33 Abs. 1 InvStG fordert lediglich, dass im Fall der Ausübung der Transparenzoption durch den Spezial-Investmentfonds gem. § 50 InvStG ein Steuerabzug erfolgt, trifft jedoch keine Aussagen darüber, ob die Bemessungsgrundlage des Steuerabzugs nach § 42 Abs. 5 InvStG reduziert wird. 2. Zeitliche oder sachliche Beschränkung des Wahlrechts Nicht endgültig geklärt ist hingegen, inwieweit sowohl in zeitlicher als auch in sachlicher Hin- 20 sicht eine Ausübung des Optionsrechts möglich ist. Nach Auffassung der FinVerw. sei trotz fehlendem, ausdrücklich geregeltem Verbot der Widerruflichkeit der Transparenzoption2 in § 33 Abs. 1 InvStG davon auszugehen, dass eine jährlich wechselnde Ausübung nicht erlaubt sei.3 Der Gesetzgeber hat jedoch hierzu (derzeit) noch keine Regelung getroffen,4 sodass zumindest zu jedem VZ ein Wechsel theoretisch möglich sein sollte, mit der Konsequenz eines jährlichen Wechsels in und aus der Steuerpflichtigkeit auf Ebene des Spezial-Investmentfonds.5 Die StPfl. entfällt nur, wenn und soweit der Spezial-Investmentfonds hinsichtlich sämtlicher 21 inländischer Immobilienerträge eines Geschäftsjahrs den Steuerabzug vornimmt.6 Eine unterschiedliche, d.h. nicht einheitliche Ausübung der Transparenzoption, entweder hinsichtlich bestimmter Anleger oder bestimmter inländischer Immobilienerträge, sollte nicht möglich sein. Eine Aufteilung bspw. nach Art der Immobilienerträge (z.B. Miete, Erbbauzins etc.) oder des Investorentypus wäre somit nicht möglich.7 Kommt es demgegenüber nur zu einer solchen teilweisen Erhebung der KapErtrSt, unterliegt der gesamte inländische Immobilienertrag auf Ebene des Spezial-Investmentfonds der KSt.8 Teilweise wird auch vertreten, dass eine einheitliche Ausübung des Wahlrechts für inländische 22 Immobilienerträge und sonstige inländische Einkünfte ohne Steuerabzug aufgrund der tatbestandlichen Verknüpfung in § 33 InvStG zwingend notwendig sei.9 Während in der Praxis aufgrund der Komplexität i.R.d. Einkünfteermittlung eine unterschiedliche Behandlung von inländischen Immobilienerträgen nach § 33 Abs. 1 InvStG und sonstigen inländischen Einkünften nach § 33 Abs. 4 InvStG wohl der Ausnahmefall bleiben dürfte, ist jedoch festzuhalten, dass der Wortlaut der Norm dieser unterschiedlichen Behandlung gerade nicht entgegenstünde. Hätte der Gesetzgeber demgegenüber einen Gleichlauf gewollt, hätte er dies in einem einheitlichen Tatbestand lösen müssen.10

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Bindl/Leidel, DB 2018, 722. Vgl. hingegen § 30 Abs. 1 Satz 1 InvStG: „... unwiderruflich erklärt ...“. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.3. S. hierzu Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG Rz. 11. So wohl auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 5; Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG Rz. 11. BT-Drucks. 18/8045, 101; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.3; Buge in H/ H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 5; Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG Rz. 11; Haug, IWB 2018, 16. A.A. Wolny in BeckOK InvStG, § 33 Rz. 33; ebenso wohl auch Behrens, RdF 2017, 302. Ebenso Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 33 InvStG Rz. 28. Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG Rz. 11; Mann in W/B/A3, § 33 InvStG Rz. 4; Haug in Moritz/Jesch/Mann3, § 33 InvStG Rz. 35; wohl auch Dyckmanns, Ubg 2015, 539, sowie BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.3. Ebenso Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 25. Neugebauer/Jost | 623

§ 33 Rz. 23 | Inländ. Immobilienerträge u. sonstige inländ. Einkünfte ohne Steuerabzug 3. Verhältnis zu § 30 InvStG 23 Der Gesetzgeber hat sowohl von der Gesetzessystematik als auch vom Wortlaut her keinen

Gleichlauf der Transparenzoptionen nach § 30 InvStG und § 33 InvStG herbeigeführt, d.h., das Wahlrecht nach § 33 Abs. 1 InvStG kann unabhängig von der Transparenzoption nach § 30 InvStG ausgeübt werden.1

III. Tatbestandsvoraussetzungen der Körperschaftsteuerbefreiung im Einzelnen 1. Inländische Immobilienerträge und sonstige inländische Einkünfte 24 § 33 Abs. 1 InvStG findet auf inländische Immobilienerträge i.S.v. § 26 InvStG i.V.m. § 6 Abs. 4

InvStG und gem. § 33 Abs. 4 InvStG auf sonstige inländische Einkünfte gem. § 6 Abs. 5 InvStG, die nicht der KapErtrSt unterliegen, Anwendung (s. ausführlich unter Rz. 6 f.). 2. Steuerabzug auf Fondsausgangsseite gem. § 50 InvStG a) Vorbemerkung

25 Gemäß § 33 Abs. 1 InvStG entfällt die StPfl. des Spezial-Investmentfonds nur, wenn dieser auf

ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche inländische Immobilienerträge KapErtrSt gem. § 50 InvStG erhebt. b) Steuerabzug nach § 50 InvStG

26 Entrichtungspflichtig ist gem. § 50 Abs. 1 Satz 1 InvStG der Spezial-Investmentfonds. Die

Verpflichtung nach § 50 InvStG bei Ausübung der Transparenzoption trifft hierbei lediglich inländische Spezial-Investmentfonds. Ausländische Spezial-Investmentfonds können durch den deutschen Gesetzgeber aufgrund völkerrechtlicher Beschränkungen nicht zum Einbehalt verpflichtet werden.2 Ausländische Spezial-Investmentfonds können jedoch den Steuerabzug freiwillig vornehmen und an die FinVerw. abführen.3

27 Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 InvStG beträgt die KapErtrSt 15 % und richtet sich nach den für

Zinsen geltenden Vorschriften (§ 50 Abs. 2 Satz 2 InvStG i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, Satz 2 EStG). Die KapErtrSt ist im Zeitpunkt der Ausschüttung einzubehalten, bei Thesaurierung am Geschäftsjahresende, oder bei unterjährigen Sachverhalten, wie bei der Veräußerung von Spezial-Investmentfondsanteilen, im Zeitpunkt der Veräußerung (§ 36 Abs. 4 Satz 2 InvStG).4 Die Zahlung muss bis zum 10. Tag des Folgemonats nach dem Fälligkeitszeitpunkt erfolgen.5

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.2, Stadler/Jetter, DStR 2015, 1839; Dyckmans, Ubg 2015, 539; Helios/Mann, DB-Sonderausgabe 1/2016, 20; Lechner, RdF 2016, 216; Böcker, NWB 2016, 2795; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG § 33 Anm. 1; Mann in Brandis/ Heuermann, § 33 InvStG Rz. 11; s. auch § 30 InvStG Rz. 12. 2 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 5. 3 BT-Drucks. 18/8045, 9; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 5; Bindl/Stadler, BB 2017, 1943 (1944); Hillebrand/Mattheis, StuB 2016, 900; sowie kritisch hierzu Neumann, DB 2016, 1781. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.8. 5 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 5; Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 33 InvStG Rz. 39.

624 | Neugebauer/Jost

B. Körperschaftsteuerbefreiung durch Abzug (Abs. 1) | Rz. 30 § 33

Hinsichtlich einer etwaigen Abstandnahme vom KapErtrSt-Abzug ist ebenfalls die Vorschrift 28 des § 44a EStG anwendbar.1 Erforderlich ist hierfür die Vorlage einer Freistellungsbescheinigung durch den Anleger. Ebenso folgt die FinVerw.2 dieser Ansicht und sieht die Einbehaltungspflicht auch dann erfüllt, wenn die Nichtabführung von KapErtrSt aufgrund einer solchen Freistellungsbescheinigung erfolgt,3 da Sinn und Zweck der Regelung eine tatsächliche Abführung in diesen Fällen auch nicht erforderlich machen.4 Dies gilt ebenfalls gegenüber inländischen Kreditinstituten, inländischen Finanzdienstleistungsinstituten oder inländischen KVG nach § 50 Abs. 2 Satz 2 InvStG i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 und Satz 2 sowie Abs. 2 Satz 2 EStG (sog. Interbankenprivileg).5 Hinsichtlich beschränkt stpfl. Anleger6 ist hingegen nicht eindeutig geklärt, ob von einem Steuerabzug entsprechend dem originären Anwendungsbereich des § 50 InvStG abgesehen werden kann,7 da insoweit das deutsche Besteuerungsrecht nach § 33 Abs. 3 InvStG bereits ausreichend gesichert erscheint und insoweit der Abgeltungsteuer gerade keine abgeltende Wirkung zukommt. Dagegen gehen Teile der Literatur8 eher davon aus, dass § 33 Abs. 3 Satz 1 InvStG die Rechtsfolge des Steuerabzugs bei ausländischen Investoren im Regelfall gerade auslöst und somit der Steuerabzug stattzufinden hat. c) Ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche Erträge Der Spezial-Investmentfonds muss auf ausgeschüttete (gem. § 35 InvStG) oder ausschüttungs- 29 gleiche (gem. § 36 InvStG) Erträge KapErtrSt nach § 50 InvStG abführen, soweit diese Erträge inländische Immobilienerträge enthalten. Hierbei muss es sich um sämtliche inländischen Immobilienerträge eines Geschäftsjahrs handeln (s. Rz. 21). Jedoch ist der Steuerabzug nur in der Höhe vorzunehmen, in der die ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträge tatsächlich auch inländische Immobilienerträge enthalten.9 Die Höhe der ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträge ist i.R.d. Einkünfteermittlung nach den §§ 37 ff. InvStG zu ermitteln und ist somit nicht automatisch identisch mit den inländischen Immobilienerträgen des Spezial-Investmentfonds.10 d) Korrektur der Bemessungsgrundlagen Strittig ist, inwieweit Berechnungsfehler bei der Ermittlung der Erträge oder nachträgliche 30 Korrekturen infolge einer Betriebsprüfung die StPfl. auf Ebene des Spezial-Investmentfonds in vollem Umfang aufleben lassen. Nach hier vertretener Ansicht entfällt die StPfl. des SpezialInvestmentfonds nach § 29 InvStG zwar nur dann, wenn und soweit der Spezial-Investmentfonds hinsichtlich sämtlicher inländischer Immobilienerträge eines Geschäftsjahrs den Steuerabzug vornimmt,11 jedoch sollte deswegen ein bloßer Berechnungsfehler nicht zum Aufleben 1 Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG Rz. 13; Mann in W/B/A3, § 33 InvStG Rz. 5; Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 33 InvStG Rz. 40; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 25. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.10. 3 Daneben auch Bindl/Mager, BB 2016, 2719; a.A. Neumann, DB 2016, 181. 4 Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG Rz. 14. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.10. 6 Für (ausländische) Dach-Spezial-Investmentsfonds s. Rz. 38 ff. 7 Vgl. BT-Drucks. 18/8045, 121; allg. BMF v. 18.1.2016 – IV C 1 - S 2252/08/10004 :017 – DOK 2015/ 0468306, BStBl. I 2016, 85 Rz. 313; so wohl Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG Rz. 13. 8 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 5; Behrens, RdF 2017, 303. 9 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 5; Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG Rz. 12. 10 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 5. 11 A.A. Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG Rz. 12, nachdem nachträgliche Korrekturen im Rahmen einer Außenprüfung die KStPfl. (rückwirkend) begründen, selbst wenn der Spezial-Investmentfonds sein Wahlrecht vollumfänglich ausgeübt hat. Neugebauer/Jost | 625

§ 33 Rz. 30 | Inländ. Immobilienerträge u. sonstige inländ. Einkünfte ohne Steuerabzug der KStPfl. führen, sondern nur zu einer Haftung des Spezial-Investmentfonds für die nicht korrekt einbehaltene Quellensteuer.1 Eine Klarstellung durch den Gesetzgeber wäre hier jedoch wünschenswert.2 e) Zuständigkeit 31 Der Steuerabzug muss an das zuständige FA abgeführt werden. Hierbei handelt es sich um

das FA, in dessen Bezirk sich das Vermögen bzw. der wertvollste Teil gem. § 4 Abs. 2 Nr. 1 InvStG befindet. Nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 InvStG ist die Zuständigkeit des BZSt hingegen nicht gegeben, da in dessen Zuständigkeitsbereich nur Einkünfte fallen, die bereits auf Fondseingangsseite der Quellensteuer unterlagen.3 3. Steuerbescheinigungen gem. § 45a Abs. 2 InvStG

32 Im Rahmen der Steuerbefreiung nach § 33 Abs. 1 InvStG hat der Spezial-Investmentfonds ge-

genüber den Anlegern eine Bescheinigung nach § 45a Abs. 2 InvStG auszustellen.4 Da es sich bei der Ausstellung der Steuerbescheinigungen um eine materielle Voraussetzung des § 33 Abs. 1 InvStG handelt, ist diese auch dann auszustellen, wenn im Einzelfall von einem Steuerabzug abgesehen werden kann.5 4. Besonderheiten bei Verschmelzungsvorgängen gem. § 54 InvStG

33 Bei einer Verschmelzung von Spezial-Investmentfonds miteinander gilt gem. § 54 Abs. 1 Satz 1

InvStG der § 23 Abs. 1 bis 3 InvStG entsprechend, d.h., ab dem auf den Übertragungsstichtag folgenden Tag kommt es auf die Verhältnisse des übernehmenden Spezial-Investmentfonds an.6 Eine Ausübung der Transparenzoption nach dem Übertragungsstichtag bleibt dem übernehmenden Spezial-Investmentfonds jedenfalls hinsichtlich der erzielten ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträge nach Verschmelzung vorbehalten.

34 Hat der übernehmende Spezial-Investmentfonds bereits die Transparenzoption nach § 33

Abs. 1 InvStG ausgeübt, entfällt für nach dem Übertragungsstichtag erzielte inländische Immobilienerträge bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen ebenfalls die KStPfl. hinsichtlich der inländischen Immobilienerträge des untergegangenen übertragenden Spezial-Investmentfonds. Für die inländischen Immobilienerträge des übertragenden Spezial-Investmentfonds bis zum Übertragungsstichtag hat der übernehmende Spezial-Investmentfonds eine KSt-Erklärung einzureichen und die KSt abzuführen.

35 Hat der übernehmende Spezial-Investmentfonds hingegen nicht die Transparenzoption

nach § 33 Abs. 1 InvStG ausgeübt, endet eine etwaige Transparenzoption mit dem Ablauf des Übertragungsstichtags (§ 54 Abs. 1 Satz 1 InvStG i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvStG). Insoweit endet zu diesem Zeitpunkt ebenfalls die Steuerbefreiung hinsichtlich der inländischen Immobilienerträge des übertragenden Spezial-Investmentfonds. Hinsichtlich der aus1 Analog § 32 InvStG, s. ausführlich zur Haftung des Entrichtungspflichtigen § 32 InvStG Rz. 19 ff. 2 Stadler/Bindl, DStR 2016, 1962; Bindl/Mager, BB 2016, 2719; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 5. 3 Vgl. im Ergebnis auch BT-Drucks. 18/8045, 101; ebenso Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG Rz. 5; Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 33 InvStG Rz. 41. 4 Inhaltlich regelt sich die Ausstellung der Steuerbescheinigungen für Kapitalerträge durch den SpezialInvestmenfonds nach BMF v. 15.12.2017 – IV C 1 - S 2401/08/10001 :018 BStBl. I 2018, 13. 5 S. hierzu Rz. 28; ebenso Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG Rz. 15. 6 Ebenso BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.60; Wolny in BeckOK InvStG, § 33 Rz. 37; wohl zweifelnd, aber im Ergebnis zustimmend Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 33 InvStG Rz. 44.

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C. Besteuerung bei Dach-Spezial-Investmentfonds (Abs. 2) | Rz. 38 § 33

geschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträge des übertragenden Spezial-Investmentfonds vor dem Ablauf des Übertragungsstichtags hat der übernehmende Spezial-Investmentfonds insoweit den Steuerbezug vorzunehmen, die einbehaltene Steuer an die FinVerw. abzuführen und den Anlegern eine Steuerbescheinigung nach § 45a Abs. 2 InvStG auszustellen.

IV. Rechtsfolge Bei wirksamer Ausübung der Transparenzoption nach § 33 Abs. 1 InvStG entfällt die KStPfl. 36 des Spezial-Investmentfonds hinsichtlich der inländischen Immobilienerträge. Die Pflicht zur Einreichung einer eigenen Körperschaftsteuererklärung des Spezial-Investmentfonds entfällt hingegen nur, wenn sowohl hinsichtlich der inländischen Immobilieneinkünfte als auch der sonstigen Einkünfte, die keinem Quellensteuerabzug unterliegen, ein Steuerabzug gem. § 33 Abs. 4 i.V.m. § 50 InvStG erfolgt.1 Unberührt davon bleibt die Verpflichtung zur Einreichung einer Feststellungserklärung nach § 51 InvStG. Im Gegensatz zu § 30 Abs. 1 Satz 2 InvStG – insoweit kommt es zu einer Zurechnung der 37 Erträge an den Anleger (§ 32 InvStG Rz. 2, 30) – bleibt es im Regelfall (s. für die Ausnahmen Rz. 39 betr. Dach-Spezial-Investmentfonds und Rz. 9, 38 betr. ausländische Anleger) für die Anleger bei inländischen ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträgen eines SpezialInvestmentfonds i.S.d. § 34 InvStG. Die Ausübung der Transparenzoption hat somit für den Anleger keine unmittelbare Rechtsfolge.2

C. Besteuerung bei Dach-Spezial-Investmentfonds (Abs. 2) I. Rechtsentwicklung und Normzweck § 33 Abs. 2 InvStG in der heutigen Fassung war noch nicht im InvStRefG v. 19.7.20163 enthal- 38 ten, wurde jedoch noch vor Inkrafttreten der Vorschriften durch das SteuerumgehungsbekämpfungsG v. 23.6.20174 in den § 33 InvStG eingefügt. Mit Inkrafttreten des § 33 Abs. 2 InvStG sollten in mehrstöckigen Fondsstrukturen potenzielle Steuerstrukturierungsmöglichkeiten für ausländische Fondsinvestoren verhindert werden, die andernfalls zu einer potenziellen Nichtbesteuerung von inländischen Immobilienerträgen geführt hätten.5 Dazu wurden mit § 33 Abs. 2 InvStG Spezialregelungen zur Besteuerung in- und ausländischer mehrstöckiger Investmentfondsstrukturen mit inländischen Immobilienerträgen eingefügt, bei gleichzeitiger Normierung, dass die § 33 Abs. 2 InvStG unterliegenden ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Immobilienerträge nicht ihre Qualifikation auf Ebene des vereinnahmenden Investmentfonds als Einkünfte nach § 6 Abs. 4 InvStG verlieren. Nur im Fall einer doppelstöckigen Spezial-Investmentfondskonstruktion erlaubt § 33 Abs. 2 Satz 3 InvStG die unmittelbare Zurechnung ausgeschütteter oder ausschüttungsgleicher Immobilienerträge an die Anleger des Dach-Spezial-Investmentfonds (sog. Immobilien-Transparenzoption).

1 S. hierzu Rz. 22; ebenso Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 5; anders Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG Rz. 16, der jedoch von einer einheitlichen Ausübung des Wahlrechts für inländische Immobilienerträge und sonstige inländische Einkünfte ohne Steuerabzug ausgeht. 2 Ebenso Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG Rz. 17; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 5. 3 BGBl. I 2016, 1730. 4 BGBl. I 2017, 1682. 5 Behrens, RdF 2017, 300; Bindl/Mager, DStR 2017, 466; Bindl/Stadler, BB 2017, 1943. Neugebauer/Jost | 627

§ 33 Rz. 39 | Inländ. Immobilienerträge u. sonstige inländ. Einkünfte ohne Steuerabzug

II. Steuerpflichtigkeit inländischer Immobilienerträge („SemiTransparenz“) (Abs. 2 Sätze 1 und 2) 1. Umqualifizierung der inländischen Immobilienerträge 39 Nach § 33 Abs. 2 Satz 1 InvStG gelten die an einen – in- oder ausländischen (vgl. zur Abgren-

zung § 2 Abs. 2 und 3 InvStG)1 – (einfachen)2 Investmentfonds bzw. Dach-Spezial-Investmentfonds i.S.v. § 2 Abs. 5 Satz 2 InvStG, aufgrund einer Beteiligung an einem (Ziel-)SpezialInvestmentfonds, ausgeschütteten oder (diesen im Wege der Zuflussfiktion nach § 36 InvStG zurechenbaren) ausschüttungsgleichen inländischen Immobilienerträge als Einkünfte nach § 6 Abs. 4 InvStG. Eine Umqualifizierung in Spezial-Investmenterträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG (welche nach §§ 6 Abs. 2 Satz 1, 29 Abs. 1 InvStG auf Ebene von Spezial-Investmentfonds keiner Besteuerung unterliegen)3 findet damit nicht statt. Dies gilt auch für ausschüttungsgleiche Erträge.4 2. Wahlrechtsausübung nach Abs. 1

40 Ungeschriebene Tatbestandvoraussetzung ist insofern, dass der Steuerabzug auf der Fonds-

ausgangsseite – wie bei Abs. 3 – nicht freiwillig vorgenommen wird, d.h., dass der Ziel-Spezial-Investmentfonds freiwillig von dem Wahlrecht aus § 33 Abs. 1 InvStG Gebrauch gemacht hat und damit als Folge eine Besteuerung der inländischen Immobilienerträge des das Wahlrecht ausübenden Ziel-Spezial-Investmentfonds entfällt (vgl. dazu Rz. 52). Andernfalls besteht das der Norm zugrunde liegende Regelungsbedürfnis der Sicherung des deutschen Besteuerungsrecht nicht, welches aus der fehlenden (Kapitalertrag-)Besteuerung auf Ebene des Spezial-Investmentfonds resultiert, sodass es in diesem Fall auch keiner Umqualifizierung der inländischen Immobilienerträge in Einkünfte nach § 6 Abs. 4 InvStG bedarf.5 3. Körperschaftsteuerpflicht der (Dach-Spezial-)Investmentfonds

41 Als Folge der Umqualifizierung der inländischen Immobilienerträge unterliegen die aus der

Anteilsinhaberschaft an einem Ziel-Spezial-Investmentfonds erwachsenden Erträge auf Ebene der diese Erträge vereinnahmenden Anleger des Ziel-Spezial-Investmentfonds (d.h. der [Dach-Spezial-]Investmentfonds) grds. der KSt i.H.v. 15 % zzgl. 0,825 % SolZ.6 Entgegen vereinzelter Literaturstimmen beschränkt sich die StPfl. der (Dach-Spezial-)Investmentfonds da-

1 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 10. 2 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 10, weist unter Verweis auf BT-Drucks. 18/ 12127, 64, in diesem Zusammenhang richtigerweise darauf hin, dass der Begriff Dach-Investmentfonds hier bewusst nicht verwendet wurde, da es sich insoweit um einen Investmentfonds handelt, welcher in andere (einfache) Investmentfonds investiert (vgl. § 2 Abs. 5 Satz 1 InvStG) und damit gerade nicht in andere (Ziel-)Spezial-Investmentfonds i.S.d. § 2 Abs. 5 Satz 2 InvStG. 3 Vgl. Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG Rz. 20 (Stand: Oktober 2021), mit Hinweis darauf, dass dem (Spezial-)Investmentfonds jedenfalls ein Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO zustünde. 4 Mann in W/B/A3, § 33 InvStG Rz. 7; Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG Rz. 21 (Stand: Oktober 2021). 5 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 10. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.14; so explizit auch Mann in W/B/A3, § 33 InvStG Rz. 7, sowie Wolny in BeckOK InvStG, § 33 Rz. 78 (Stand: Oktober 2021); im Ergebnis auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 10, unter analoger Anwendung des § 50 InvStG, gleichzeitig anmerkend, dass insofern eine gesetzgeberische Klarstellung wünschenswert wäre, da sich aus dem Ausschluss der Anwendbarkeit des § 7 Abs. 1 Satz 3 InvStG in § 33 Abs. 2 Satz 2 InvStG keine Rückschlüsse auf den tatsächlich anwendbaren Steuersatz ziehen lassen.

628 | Neugebauer/Jost

C. Besteuerung bei Dach-Spezial-Investmentfonds (Abs. 2) | Rz. 44 § 33

bei gerade nicht etwa auf den inländischen Immobilienanteil,1 sondern umfasst – entsprechend dem insofern eindeutigen Wortlaut von § 33 Abs. 2 Satz 1 InvStG – sämtliche vom Ziel-Spezial-Investmentfonds vereinnahmten inländischen Immobilienerträge des SpezialInvestmentfonds.2 Die fällige KSt (inkl. des SolZ) wird dabei im Wege des Quellensteuerabzugs einbehalten, 42 welcher nach §§ 7 Abs. 2, 29 Abs. 1 InvStG abgeltende Wirkung hat. Ein Steuerabzug scheidet allerdings dann aus, wenn der (Dach-)Spezial-Investmentfonds steuerbegünstigte Anleger i.S.d. § 10 Abs. 1 und 2 InvStG hat.3 Auch findet die Steuerermäßigung des § 7 Abs. 1 Satz 3 InvStG keine Anwendung (vgl. § 33 Abs. 2 Satz 2 InvStG), sodass die Steuerbelastung im Ergebnis derjenigen im Falle der unmittelbaren Erwirtschaftung der inländischen Immobilienerträge durch den betroffenen (Dach-Spezial-)Investmentfonds entspricht.4 Es kommt dadurch zu einer Vereinheitlichung der Steuerbelastung inländischer Immobilienerträge.5 Angemerkt sei abschließend, dass die steuerliche Vorbelastung der (Dach-Spezial-)Investmentfonds auf der Ebene deren Anleger nach § 42 Abs. 5 InvStG steuermindernd berücksichtigt wird.6

III. Immobilien-Transparenzoption (Abs. 2 Sätze 3 bis 7) 1. Vorbemerkung Nach § 33 Abs. 2 Satz 3 InvStG haben Dach-Spezial-Investmentfonds die Möglichkeit, eine 43 Belastung mit KSt durch Steuerabzug an der Quelle im zuvor dargestellten Sinne auf ihrer Ebene zu verhindern, und zwar durch Erklärung gegenüber dem Ziel-Spezial-Investmentfonds, dass den eigenen Anlegern Steuerbescheinigungen gem. § 45a Abs. 2 EStG ausgestellt werden (sog. Immobilien-Transparenzoption). Zweck der Immobilien-Transparenzoption ist es, final über die Erhebung von KapErtrSt auf Ebene des Ziel-Spezial-Investmentfonds zu entscheiden, um so insbes. auch eine etwaige Besteuerung auf Ebene (ausländischer) Dach-Spezial-Investmentfonds durchsetzen zu können und damit das inländische Besteuerungsrecht zu sichern.7 Die Immobilien-Transparenzoption entspricht dabei im Wesentlichen der Transparenzoption des § 30 Abs. 1 Satz 1 InvStG. Allerdings können besagte Transparenzoptionen unabhängig voneinander ausgeübt werden.8 2. Anwendungsbereich a) Persönlicher Anwendungsbereich Entsprechend des insoweit eindeutigen Wortlauts ist die Ausübung der Immobilien-Trans- 44 parenzoption des § 33 Abs. 2 Satz 3 InvStG einzig durch den Dach-Spezial-Investmentfonds gem. § 2 Abs. 5 Satz 2 InvStG möglich und ist damit nur in doppelstöckigen Spezial-Invest-

1 So etwa Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 10. 2 Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG 2018 Rz. 20 (Stand: Oktober 2021); Behrens, RdF 2017, 300; a.A. Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 10. 3 Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG 2018 Rz. 22 (Stand: Oktober 2021). 4 Behrens, RdF 2017, 300. 5 So BT-Drucks. 18/12127, 64; s. auch Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 33 InvStG Rz. 103. 6 Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG 2018 Rz. 7 (Stand: Oktober 2021); Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 10. 7 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 15; Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 33 InvStG Rz. 75; Wolny in BeckOK InvStG, § 33 Rz. 89 (Stand: Oktober 2021). 8 Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG 2018 Rz. 26 (Stand: Oktober 2021). Neugebauer/Jost | 629

§ 33 Rz. 44 | Inländ. Immobilienerträge u. sonstige inländ. Einkünfte ohne Steuerabzug mentfonds-Strukturen anwendbar.1 Investmentfonds nach Kapitel 2 unterfallen dem Anwendungsbereich demgegenüber gerade nicht.2 b) Sachlicher Anwendungsbereich 45 In sachlicher Hinsicht beschränkt sich die Immobilien-Transparenzoption auf inländische Im-

mobilienerträge i.S.v. § 33 Abs. 2 Satz 1 InvStG, welche in Erträge nach § 6 Abs. 4 InvStG umqualifiziert worden sind (vgl. dazu Rz. 39). Zudem kann die Immobilien-Transparenzoption rein denklogisch einzig in dem Fall eingreifen, in welchem der Ziel-Spezial-Investmentfonds von dem Wahlrecht aus § 33 Abs. 1 InvStG Gebrauch gemacht hat, da es andernfalls bereits auf Ebene des Ziel-Spezial-Investmentfonds zu einer Besteuerung mit KSt kommen würde, weshalb es keiner (nochmaligen) Besteuerung auf Ebene der Anleger des Ziel-SpezialInvestmentfonds bedarf.3

3. Immobilien-Transparenzausübungserklärung a) Unwiderruflichkeit 46 Die Erklärung der Immobilientransparenzoption ist nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut

des § 33 Abs. 2 Satz 3 InvStG unwiderruflich. Die Unwiderruflichkeit beschränkt sich, mangels gegenteiliger Anhaltspunkte im Wortlaut, gerade nicht bloß auf einzelne Geschäftsjahre. Diese Auffassung vertritt auch die FinVerw., indem diese die Wirksamkeit der ImmobilienTransparenzoptionsausübung u.a. davon abhängig macht, dass die Erklärung den nachträglichen Ausschluss von Änderungen sowie den Verzicht auf die Widerruflichkeit der Erklärung ausreichend zum Ausdruck bringt.4 Da einzig die Immobilien-Transparenzausübungserklärung, nicht aber die Wahlrechte des Ziel-Spezial-Investmentfonds unwiderruflich ausgestaltet sind (vgl. dazu Rz. 20), kann es zu der Situation kommen, dass der Ziel-Spezial-Investmentfonds seine Wahlrechtsausübung widerruft. Als Folge lebt einerseits die KapErtrSt auf Ebene des Ziel-Spezial-Investmentfonds wieder auf, was andererseits die Notwendigkeit der Besteuerung auf Ebene der Anleger des Ziel-Spezial-Investmentfonds entfallen lässt und den Anwendungsbereich des § 33 Abs. 2 Satz 3 InvStG nicht eröffnet.5 b) Einheitlichkeit

47 Die Ausübung der Immobilien-Transparenzoption kann von dem Dach-Spezial-Investment-

fonds dabei nur einheitlich für alle vereinnahmten inländischen Immobilienerträge sowie für sämtliche seiner Anleger erfolgen.6 Darüber hinaus geht die FinVerw. davon aus, dass die Transparenzoption bei Investitionen in mehrere Ziel-Spezial-Investmentfonds gegenüber den

1 Wolny in BeckOK InvStG, § 33 Rz. 86 (Stand: Oktober 2021). 2 Als Begründung weist Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 33 InvStG Rz. 74, insofern darauf hin, dass die Ausstellung von Steuerbescheinigungen gem. § 45a Abs. 2 EStG ob des meist unbekannten Anlegerkreises von (einfachen) Investmentfonds praktisch meist ohnehin nicht möglich wäre und die Erweiterung des Anwendungsbereichs auf Investmentfonds den bzgl. dieser geltenden Grundsatz der intransparenten Besteuerung durchbrechen würde. 3 Siehe Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 33 InvStG Rz. 75, und Wolny in BeckOK InvStG, § 33 Rz. 86 (Stand: Oktober 2021); so explizit auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.15. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.16 und 33.18; so auch Haug in Moritz/ Jesch/Mann2, § 33 InvStG Rz. 81. 5 Siehe dazu etwa Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 15. 6 Wolny in BeckOK InvStG, § 33 Rz. 94 f. (Stand: Oktober 2021).

630 | Neugebauer/Jost

D. Zurechnung bei beschränkt stpfl. Anlegern (Abs. 3) | Rz. 50 § 33

verschiedenen Ziel-Spezial-Investmentfonds nur einheitlich erfolgen kann.1 Dem ist nicht zuzustimmen. Gegen eine einheitliche Ausübung der Immobilien-Transparenzoption spricht, dass ein solches Erfordernis nicht im Wortlaut des § 33 Abs. 2 InvStG angelegt ist. Im Gleichklang mit § 30 Abs. 1 InvStG, bei dem u.E. die Transparenzoption gegenüber mehreren Entrichtungspflichtigen uneinheitlich erfolgen kann, muss dies auch hier gegenüber mehreren Ziel-Spezial-Investmentfonds gelten.2 Folgt man dagegen der Ansicht des BMF, entfaltet die Erklärung gegenüber einem der Ziel-Spezial-Investmentfonds Wirkung gegenüber allen anderen. Im Falle der Erklärung gegenüber einem Ziel-Spezial-Investmentfonds sollen die anderen hierüber unverzüglich informiert werden. Wird dies unterlassen, droht eine Haftung gem. § 33 Abs. 3 Satz 5 i.V.m. § 32 InvStG.3 c) Form Eine besondere Form ist für die Erklärung zwar nicht vorgesehen. Aus praktischen Gründen 48 und zur Nachweisbarkeit der Ausübung der Immobilien-Transparenzoption empfiehlt sich allerdings, die Erklärung schriftlich oder elektronisch abzugeben.4

D. Zurechnung inländischer Immobilienerträge bei beschränkt steuerpflichtigen Anlegern (Abs. 3) I. Fiktive Umqualifizierung in inländische Immobilienerträge (Abs. 3 Satz 1) 1. Vorbemerkung Nach § 33 Abs. 3 Satz 1 InvStG gelten die ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen inlän- 49 dischen Immobilienerträge i.S.d. § 6 Abs. 4 InvStG bei beschränkt steuerpflichtigen Anlegern als unmittelbar bezogene Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f, Nr. 6 oder Nr. 8 EStG.5 Im Ergebnis werden Anlegern zufließende Erträge mithin fiktiv umqualifiziert und behalten dadurch ihre Qualifizierung als inländische Immobilienerträge.6 2. Telos Telos dieser Vorschrift – oder vielmehr der Umqualifizierung der ausgeschütteten oder aus- 50 schüttungsgleichen inländischen Immobilienerträge in beschränkt stpfl. Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f, Nr. 6 oder Nr. 8 EStG – ist die Sicherung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich der betroffenen Erträge.7 Genauer gesagt soll im grenzüberschreitenden

1 2 3 4

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.21. Ebenso wie hier Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 15. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.22. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.16. Dies unterstreicht das BMF auch dadurch, dass es in Rz. 33.18 ausdrücklich klarstellt, dass die Beschränkung der Immobilien-Transparenzoptionserklärung auf Teile der ausgeschütteten/ausschüttungsgleichen Immobilienerträge zur Unwirksamkeit der Erklärung führt. 5 Mann merkt in diesem Zusammenhang an, dass es sich insofern um eine abschließende Aufzählung handelt, s. etwa Mann in W/B/A3, § 33 InvStG Rz. 10, sowie in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG 2018 Rz. 38 (Stand: Oktober 2021). 6 Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 33 InvStG Rz. 103; Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG 2018 Rz. 36 (Stand: Oktober 2021). 7 So bereits BT-Drucks. 18/8045, 101. Neugebauer/Jost | 631

§ 33 Rz. 50 | Inländ. Immobilienerträge u. sonstige inländ. Einkünfte ohne Steuerabzug Kontext das Unterlaufen der beschränkt inländischen StPfl. durch Zwischenschaltung eines Spezial-Investmentfonds und Entscheidung des selbigen gegen eine eigene (Kapitalertrag-) Steuerpflicht nach §§ 33 Abs. 1, 50 Abs. 1 InvStG durch die unmittelbare Zuweisung der Einkünfte an die Anleger (im Sinne einer Direktanlage) verhindert werden.1 Durch die Hinwegfiktion des Spezial-Investmentfonds2 für die Zwecke der Steuererhebung und die damit einhergehende Wiederherstellung der Qualifikation der Erträge als inländische Immobilienerträge und Besteuerung auf Ebene der Anleger als beschränkt stpfl. Einkünfte nach § 49 EStG (dem Status quo ohne Zwischenschaltung eines Spezial-Investmentfonds) soll der zuvor geschilderten einer zweistufigen Einkünfteermittlung immanenten Gefahr der Steuerverkürzung im Inland entgegengewirkt werden.3 51 Angemerkt sei in diesem Zusammenhang, dass § 33 Abs. 3 Satz 1 InvStG nach seinem Wort-

laut einzig in Fällen einer direkten Beteiligung von Anlegern in einem Spezial-Investmentfonds anwendbar ist. Im Falle des Investments eines Anlegers über einen Dach-Spezial-Investmentfonds in einen Ziel-Spezial-Investmentfonds und der Ausübung der Immobilien-Transparenzoption des Dach-Spezial-Investmentfonds gegenüber dem Ziel-Spezial-Investmentfonds ordnet § 33 Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 InvStG (welcher insofern spezieller ist als § 33 Abs. 3 Satz 1 InvStG) allerdings die gleiche Rechtsfolge an.4 3. Tatbestand a) Wahlrechtsausübung durch Spezial-Investmentfonds nach Abs. 1

52 Wie in Rz. 40 erläutert, beschränkt sich der Anwendungsbereich des § 33 Abs. 3 Satz 1 InvStG

nach Sinn und Zweck der Vorschrift auf die Fälle, in denen sich der Spezial-Investmentfonds nach § 33 Abs. 1 InvStG gegen eine Besteuerung auf eigener Ebene entscheidet, also das Wahlrecht nach § 33 Abs. 1 InvStG ausübt, da das deutsche Besteuerungsrecht andernfalls, ob der Erhebung von 15 % KapErtrSt auf Ebene des Spezial-Investmentfonds (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 1 InvStG), gesichert ist, und mithin das der Norm zugrunde liegende Sicherungsbedürfnis nicht besteht.5 b) Begriff der beschränkt steuerpflichtigen Anleger i.S.d. Abs. 3 Satz 1

53 Der Anwendungsbereich des § 33 Abs. 3 Satz 1 InvStG ist nach seinem Wortlaut auf be-

schränkt stpfl. Anleger begrenzt. Der Begriff der beschränkt stpfl. Anleger erfasst nach der insoweit h.M.6 und Auffassung in der FinVerw.7 sog. Steuerausländer i.S.d. § 2 Nr. 1 KStG und § 1 Abs. 4 EStG. Demgegenüber fallen nach § 2 Nr. 2 KStG beschränkt kstpfl. Anleger nicht in den Anwendungsbereich des § 33 Abs. 3 Satz 1 InvStG, da diese auch im Falle einer Direktanlage keine stpfl. Einkünfte erzielen und es folglich zu keiner Steuerverkürzung durch Zwischenschaltung eines Spezial-Investmentfonds kommen kann, welcher entgegengewirkt wer-

1 Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG 2018 Rz. 35 (Stand: Oktober 2021). 2 Mann in W/B/A3, § 33 InvStG Rz. 11, spricht in diesem Zusammenhang auch von „Supertransparenz“ des Spezial-Investmentfonds. 3 Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 33 InvStG Rz. 101, 104; Wolny in BeckOK InvStG, § 33 Rz. 197 (Stand: Oktober 2021); Mann in W/B/A2, § 33 InvStG Rz. 11. 4 So auch Wolny in BeckOK InvStG, § 33 Rz. 198 (Stand: Oktober 2021). 5 Mann in W/B/A3, § 33 InvStG Rz. 11; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 20; Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 33 InvStG Rz. 101. 6 Klusak in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 33 InvStG Rz. 42; Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 33 InvStG Rz. 103; Mann in W/B/A3, § 33 InvStG Rz. 37 m.w.N. 7 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 – 1/08/10019, BStBl. I 2009, 931 Rz. 255.

632 | Neugebauer/Jost

D. Zurechnung bei beschränkt stpfl. Anlegern (Abs. 3) | Rz. 55 § 33

den müsste.1 Im Inland einer unbeschränkten StPfl. unterliegende Anleger werden nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 33 Abs. 3 Satz 1 InvStG nicht erfasst, auch nicht solche nach § 1 Abs. 3 EStG oder § 1a EStG.2 4. Qualifizierung in eine der Einkunftsklassen des § 49 EStG Die Einstufung in eine der gelisteten Einkunftsklassen des § 49 EStG hängt von der Art der 54 maßgeblichen Immobilienerträge ab sowie davon, ob die Spezial-Investmentfondsanteile, aus denen den Anlegern Immobilienerträge erwachsen, von den Anlegern im Betriebs- oder Privatvermögen gehalten werden.3 Regelmäßig sollten, insbes. auch ob der aus § 26 Nr. 8 Satz 2 InvStG resultierenden Vorgaben hinsichtlich des Haltens von Beteiligungen von natürlichen Personen an Spezial-Investmentfonds,4 Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG vorliegen, wohingegen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung oder sonstige Einkünfte i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 6 oder 8 EStG einzig dann gegeben sein sollten, wenn Spezial-Investmentfondsanteile ausnahmsweise im Privatvermögen gehalten werden.5

II. Treaty override (Abs. 3 Satz 2) Entsprechend der Vorgängernorm des § 15 Abs. 2 Satz 3 (ggf. i.V.m. § 16 Satz 8) InvStG a.F. 55 findet die in Rz. 49 dargestellte fiktive Umqualifizierung nach § 33 Abs. 3 Satz 1 InvStG zur Sicherung des deutschen Besteuerungsrechts und Vermeidung von Gestaltungen6 auch im Rahmen von DBA Anwendung. Inländische Immobilienerträge behalten ihre Rechtsnatur mithin auch auf der Ebene von DBA (sog. offener treaty override).7 Unmittelbare Folge und gesetzgeberische Intention besagten treaty overrides ist die Anwendbarkeit der DBA-Artikel zu unbeweglichem Vermögen und dessen Veräußerung (Art. 6 und 13 Abs. 1 OECD-MA) auf die Steuerausländern zufließenden Erträge aus inländischen Immobilienanteilen und gerade nicht der Dividendenregelungen – das deshalb, weil die Regelungen zu unbeweglichem Vermögen und dessen Veräußerung das inländische Besteuerungsrecht nicht einschränken, sondern vielmehr Deutschland das Besteuerungsrecht hinsichtlich der aus inländischen Immobilien erwachsenden Erträge zuweist (sog. Besteuerungsrechtszuordnung nach dem Belegenheitsprinzip).8 Das gilt nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 33 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 InvStG auch dann, wenn beschränkt stpfl. Anlegern aufgrund der Ausübung der Immobilien-

1 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 20; Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG 2018 Rz. 37 (Stand: Oktober 2021). 2 Mann in W/B/A3, § 33 InvStG Rz. 11; Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG 2018 Rz. 35 (Stand: Oktober 2021). 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.31. 4 Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG 2018 Rz. 35 (Stand: Oktober 2021), weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Beteiligungen von natürlichen Personen über Personengesellschaften für den Status als Spezial-Investmentfonds – anders als zuvor – grds. schädlich sind, § 26 Nr. 8 Satz 2 InvStG solche Beteiligungen von natürlichen Personen an Spezial-Investmentfonds allerdings in einem gewissen Umfang zulässt. 5 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 20; Wolny in BeckOK InvStG, § 33 Rz. 199 (Stand: Oktober 2021); s. auch Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 33 InvStG Rz. 103 f. m.w.N. 6 Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG 2018 Rz. 43 (Stand: Oktober 2021). 7 Mann in W/B/A, § 33 InvStG Rz. 14; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 20; so im Ergebnis auch Wolny in BeckOK InvStG, § 33 Rz. 198 (Stand: Oktober 2021). 8 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.33; Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG 2018 Rz. 44 (Stand: Oktober 2021); so auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 20, der in diesem Zusammenhang von einer abkommensrechtlichen Sicherung des inländischen Besteuerungsrechts spricht. Neugebauer/Jost | 633

§ 33 Rz. 55 | Inländ. Immobilienerträge u. sonstige inländ. Einkünfte ohne Steuerabzug Transparenzoption nach § 33 Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 InvStG durch den Spezial-Investmentfonds (beschränkt stpfl.) Immobilienerträge zuzurechnen sind.1 56 Der Verfassungsmäßigkeit eines solchen offenen treaty overrides stehen im vorliegenden Fall

keine Bedenken gegenüber, insbes. vor dem Hintergrund, dass dieser die im internationalen Steuerrecht geltende Grundregel der Zuordnung des Besteuerungsrechts hinsichtlich der aus unbeweglichem Vermögen erwachsenden (Immobilien-/Veräußerungs-)Erträge zum Belegenheitsstaat umsetzt und darüber hinaus kein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip oder die Völkerrechtsfreundlichkeit des GG ersichtlich ist.2

III. Steuerabzug ohne abgeltende Wirkung (Abs. 3 Satz 3) 57 Abweichend von der Grundregel des § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG hat ein (Kapitalertrag-)Steuer-

abzug nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 33 Abs. 3 Satz 3 InvStG keine abgeltende Wirkung. Diese Regelung entspricht dem § 15 Abs. 2 Satz 5 (ggf. i.V.m. § 16 Satz 8) InvStG a.F.3 Als Folge der fehlenden Abgeltungswirkung des Steuerabzug bedarf es daher der Durchführung eines Veranlagungsverfahrens bzgl. der nach § 33 Abs. 3 Satz 1 InvStG fiktiv umqualifizierten, den beschränkt stpfl. Anlegern zuzurechnenden, inländischen Immobilienerträge.4 Sofern diese Anleger weitere beschränkt stpfl. Einkünfte generieren, bedarf es bzgl. dieser der Durchführung eines gesonderten Veranlagungsverfahrens.5

E. Sonstige inländische Einkünfte ohne Steuerabzug (Abs. 4) I. Entsprechende Anwendbarkeit der Abs. 1 bis 3 auf sonstige inländische Einkünfte ohne Steuerabzug (Abs. 4 Satz 1) 58 Nach § 33 Abs. 4 Satz 1 InvStG gelten die Abs. 1 bis 3 für sonstige inländische Einkünfte, die

bei Vereinnahmung keinem Steuerabzug unterlegen haben (und damit folgerichtig erst im Rahmen einer Veranlagung auf Ebene der Anleger erfasst werden können), entsprechend. Die Vorschrift stellt dabei das Gegenstück zu § 30 Abs. 5 InvStG dar, welcher nur auf inländische Einkünfte Anwendung findet, die bei Vereinnahmung durch den Spezial-Investmentfonds einem Steuerabzug unterliegen.6 1 Vgl. bereits BT-Drucks. 18/12137, 65; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 20, merkt insofern an, dass § 33 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 InvStG systematisch in Abs. 2 hätte eingegliedert werden und Abs. 3 Satz 2 in diesem Fall für entsprechend anwendbar hätte erklärt werden sollen, sogleich aber zudem darauf hinweisend, dass die Regelung des § 33 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 InvStG folgerichtig sei und i.R.d. Immobilien-Transparenzoptionsausübung das Pendant zu § 33 Abs. 3 Satz 1 InvStG darstelle. 2 Vgl. etwa Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 33 InvStG Rz. 106; ebenso Mann in W/B/A3, § 33 InvStG Rz. 14, und Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 20, im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit jeweils unter Verweis auf BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1 = DStR 2016, 359; so auch Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG 2018 Rz. 45 (Stand: Oktober 2021), welcher in diesem Zusammenhang ebenfalls darauf hinweist, dass der teilweise konstruierte Verstoß eines treaty override gegen die Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit nach Art. 4 Abs. 3 AEUV nicht überzeugt. 3 Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG 2018 Rz. 48 (Stand: Oktober 2021). 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.34; so etwa auch Haug in Moritz/Jesch/ Mann2, § 33 InvStG Rz. 108, und Wolny in BeckOK InvStG, § 33 Rz. 202 (Stand: Oktober 2021). 5 Mann in W/B/A3, § 33 InvStG Rz. 16; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 20. 6 Wolny in BeckOK InvStG, § 33 Rz. 208 (Stand: Oktober 2021); Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG 2018 Rz. 50 (Stand: Oktober 2021).

634 | Neugebauer/Jost

E. Sonstige inländische Einkünfte ohne Steuerabzug (Abs. 4) | Rz. 62 § 33

Die Begrifflichkeit der sonstigen inländischen Einkünfte erfasst dabei grds. die Einkünfte gem. 59 § 6 Abs. 5 InvStG i.V.m. § 29 Abs. 1 InvStG.1 Nach § 6 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 InvStG sind sonstige Einkünfte inländische Einkünfte nach § 49 Abs. 1 EStG, soweit diese keine inländischen Beteiligungseinnahmen nach § 49 Abs. 3 EStG oder inländische Immobilienerträge nach § 49 Abs. 4 EStG sind.2 Explizit aus dem Anwendungsbereich des § 6 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 InvStG – und damit der Definition der sonstigen Einkünfte – ausgenommen sind in diesem Zusammenhang auch Gewinne aus der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung an einer inländischen KapGes. nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e i.V.m. § 17 EStG. Der Gesetzgeber verfolgt dadurch das Ziel, ggf. entstehende Standortnachteile für deutsche (Spezial-)Investmentfonds zu vermeiden, die sich daraus ergeben können, dass regelmäßig eine Besteuerung der inländischen (Spezial-)Investmentfonds aus der Veräußerung wesentlicher Beteiligungen an inländischen KapGes. erwachsenden Gewinne erfolgt, aber oftmals dann keine Besteuerung erfolgt, wenn derartige Gewinne von ausländischen (Spezial-)Investmentfonds generiert würden.3 Neben der Einstufung als sonstige Einkünfte im zuvor dargestellten Sinn setzt die Vorschrift 60 darüber hinaus voraus, dass besagte sonstige Einkünfte bei Vereinnahmung durch den Spezial-Investmentfonds keinem Steuerabzug auf Ebene des Spezial-Investmentfonds unterlegen haben und es damit – zur Sicherung des inländischen Besteuerungsrechts – nach § 33 Abs. 3 Satz 1 InvStG zu einer (fiktiven) Umqualifizierung der beschränkt stpfl. Immobilieneinkünfte in solche nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f, Nr. 6 oder Nr. 8 EStG gekommen ist.4 Insofern gelten die Erläuterungen in Rz. 54 entsprechend.5 Aus dem zuvor Ausgeführten ergibt sich im Umkehrschluss, dass der Spezial-Investmentfonds 61 durch die Durchführung eines Steuerabzugs auf Fondsebene die (fiktive) Umqualifizierung der sonstigen Einkünfte in entsprechender Anwendung des § 33 Abs. 3 Satz 1 InvStG vermeiden kann. Dem Spezial-Investmentfonds steht es frei, ob er im Hinblick auf die sonstigen Einkünfte das ihm zustehende Wahlrecht ausübt, mit der beschriebenen Folge der fiktiven Umqualifizierung dieser Einkünfte in nach § 49 Abs. 1 InvStG beschränkt stpfl. Einkünfte. Der Spezial-Investmentfonds kann im Falle der Erzielung sonstiger inländischer Einkünfte 62 ohne Steuerabzug sowie inländischer Immobilienerträge die Wahlrechte der §§ 33 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 InvStG u.E. unabhängig voneinander ausüben.6 Die demgegenüber vertretene a.A., welche auch vom BMF (wenn auch ohne jedwede erklärende Ausführungen) vertreten wird,7 die für die Einheitlichkeit der Ausübung der Wahlrechte der § 33 Abs. 1 InvStG und § 33 Abs. 4 Satz 1 InvStG i.V.m. § 33 Abs. 1 InvStG plädiert, findet u.E. keine Stütze im Wortlaut des § 33 InvStG. Der schlichte Hinweis auf die tatbestandliche Verknüpfung der Wahlrechte durch den Verweis in § 33 Abs. 4 Satz 1 InvStG auf § 33 Abs. 1 InvStG genügt nach der hier vertretenen Auffassung zur Begründung einer Pflicht zur einheitlichen Ausübung der Wahlrechte in diesem Zusammenhang nicht.8 Insofern verbleibt nach hier vertretener Auffassung als Auslegungsinstrument einzig der Wortlaut, welcher keine Anhaltspunkte für die Not1 So explizit auch Mann in W/B/A3, § 33 InvStG Rz. 17. 2 Alle nicht als beschränkt stpfl. nach § 49 Abs. 1 EStG zu klassifizierenden Einkünfte sind im Umkehrschluss stfrei, vgl. etwa BT-Drucks. 18/8045, 74, und Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 25. 3 Siehe BT-Drucks. 18/8045, 74, mit Verweis darauf, dass dies vor allem daran liege, dass die von Deutschland geschlossenen DBA regelmäßig dem Quellenstaat kein Besteuerungsrecht für Veräußerungsgewinne zuweisen. 4 So explizit auch Mann in W/B/A3, § 33 InvStG Rz. 17; Wolny in BeckOK InvStG, § 33 Rz. 209 (Stand: Oktober 2021). 5 Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 33 InvStG Rz. 109; Wolny in BeckOK InvStG, § 33 Rz. 212 (Stand: Oktober 2021). 6 So etwa Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 25. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.36. 8 So aber Mann in W/B/A3, § 33 InvStG Rz. 4. Neugebauer/Jost | 635

§ 33 Rz. 62 | Inländ. Immobilienerträge u. sonstige inländ. Einkünfte ohne Steuerabzug wendigkeit einer einheitlichen Wahlrechtsausübung enthält. Allerdings ist anzuerkennen, dass eine unterschiedliche Ausübung der Wahlrechte zu nicht zu unterschätzenden praktischen Problemen bei der Steuererhebung führen kann, weshalb jedenfalls Praktikabilitätsgründe für die Notwendigkeit der einheitlichen Ausübung der Wahlrechte aus § 33 Abs. 1 InvStG und § 33 Abs. 4 Satz 1 InvStG i.V.m. § 33 Abs. 1 InvStG herangezogen werden können.1

II. Fiktive Umqualifizierung (Abs. 4 Satz 2) 63 Nach insoweit übereinstimmender Auffassung hat § 33 Abs. 4 Satz 2 InvStG einzig klarstel-

lenden Charakter. Die dem § 33 Abs. 4 Satz 2 InvStG innewohnende Rechtsfolge des Erhalts der Rechtsnatur der von einem Spezial-Investmentfonds vereinnahmten sonstigen inländischen Einkünfte ohne Steuerabzug im Falle der Ausschüttung oder Zurechnung ausschüttungsfähiger Einkünfte an den Anleger (auf dessen Ebene die als beschränkt stpfl. zu qualifizierenden Einkünfte einer Besteuerung unterliegen, s. dazu Rz. 50 ff.) ergibt sich bereits aus § 33 Abs. 3 Satz 1 InvStG, welcher schon nach § 33 Abs. 4 Satz 1 InvStG für entsprechend anwendbar erklärt wird.2 Nach dem Wortlaut des § 33 Abs. 4 Satz 2 InvStG gelten die Erträge den Anlegern (zur Sicherung des deutschen Besteuerungsrechts) als unmittelbar zugeflossen, sodass eine Umqualifizierung derselben auch in diesem Fall lediglich fiktiv stattfindet.3

1 Ebenso Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 33 InvStG Rz. 36, welcher u.a. darauf verweist, dass eine getrennte Ausübung die Komplexität i.R.d. Einkünfteermittlung nach den §§ 29 Abs. 1 Halbs. 1, 6 InvStG einerseits und den §§ 37 ff. InvStG andererseits erhöhen würde. 2 Auf diese klarstellende Funktion weisen etwa Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 33 InvStG Rz. 111, und Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 25, hin; s. auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.37. 3 Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG 2018 Rz. 51 (Stand: Oktober 2021); so im Ergebnis auch Wolny in BeckOK InvStG, § 33 Rz. 216 (Stand: Oktober 2021).

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Abschnitt 2 Besteuerung des Anlegers eines Spezial-Investmentfonds (§§ 34 bis 51)

§ 34 Spezial-Investmenterträge (1) Erträge aus Spezial-Investmentfonds (Spezial-Investmenterträge) sind 1. ausgeschüttete Erträge nach § 35, 2. ausschüttungsgleiche Erträge nach § 36 Absatz 1 und 3. Gewinne aus der Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen nach § 49. (2) 1Auf Spezial-Investmenterträge sind § 2 Absatz 5b, § 20 Absatz 6 und 9, die §§ 32d und 43 Absatz 5 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes nicht anzuwenden. 2§ 3 Nummer 40 des Einkommensteuergesetzes und § 8b des Körperschaftsteuergesetzes sind vorbehaltlich des § 42 nicht anzuwenden. (3) 1Die Freistellung von ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen aufgrund eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung richtet sich nach § 43 Absatz 1. 2Ungeachtet von Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung wird die Freistellung von Ausschüttungen eines ausländischen Spezial-Investmentfonds nur unter den Voraussetzungen des § 16 Absatz 4 gewährt. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zu Vorschriften des EStG . . 3. Verhältnis zu DBA . . . . . . . . . . . . . . . . B. Spezial-Investmenterträge (Abs. 1) I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ertragsbestandteile 1. Ausgeschüttete Erträge . . . . . . . . . . . . .

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C. I. II. III. D. I. II.

2. Ausschüttungsgleiche Erträge . . . . . . . 3. Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendbarkeit der Abgeltungsteuer (Abs. 2) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abgeltungsteuer (Abs. 2 Satz 1) . . . . . . . . Ausschluss des § 3 Nr. 40 EStG und des § 8b KStG (Abs. 2 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . Anwendbarkeit der DBA (Abs. 3) Ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträge (Abs. 3 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . Ausschüttungen (Abs. 3 Satz 2) . . . . . . . .

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36 38

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Literatur: Stadler/Jetter, Der Diskussionsentwurf zum Investmentsteuerreformgesetz, DStR 2015, 1840; Helios/Mann, Das Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung – Darstellung, Meinung und Handlungsempfehlung, DB Sonderausgabe I/2016, 1; Stadler/Bindl, Das neue InvStG – Überblick und Korrekturbedarf, DStR 2016, 1965; Behrens, Transparenz- und Immobilien-Transparenzoption nach dem InvStG 2018, RdF 2017, 297; Klein/Hörner/Adam, Ausgewählte internationale Aspekte des InvStG 2018, ISR 2018, 216; Korff, Gewerbesteuer bei Beteiligungserträgen über Spezial-Investmentfonds nach dem InvStG 2018, DStZ 2018, 943; Hoch/Preller, Die zivilrechtsdogmatischen Beziehungen innerhalb des Investmentvielecks, BKR 2019, 22; Schäfer, Neue Haftungsrisiken für Steuerberater bei Anlagen in InvestGottschling | 637

§ 34 Rz. 1 | Spezial-Investmenterträge mentfonds im Zuge der Investmentsteuerreform 2018, BB 2019, 1879; Stiegler, Transparente Besteuerung vermögensverwaltender, ausländischer Kapitalgesellschaften – Besteuerungskonzepte, Anwendungsvoraussetzungen und Rechtsfolgen, IStR 2020, 1.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck 1 Das 3. Kapitel des neu gefassten Investmentsteuergesetzes1 regelt die Besteuerung der sog.

Spezial-Investmentfonds. Nach der Konzeption des neuen Investmentsteuerrechts werden Spezial-Investmentfonds ebenso wie Publikums-Investmentfonds grds. intransparent behandelt, d.h., Spezial-Investmentfonds unterliegen mit bestimmten, numerisch aufgezählten inländischen Einkünften im Inland der KSt.2 Während in Kapitel 3 die §§ 25 bis 33 InvStG die Voraussetzungen für die Qualifikation als Spezial-Investmentfonds und die Besteuerung auf der Fondsebene selbst regeln, betreffen die §§ 34 ff. InvStG die Besteuerung der Anleger eines Spezial-Investmentfonds mit ihren Spezial-Investmenterträgen. Diese qualifizieren bei Privatanlegern grds. als Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG, können aber bei Zugehörigkeit zu anderen Einkunftsarten auch diesen zuzurechnen sein (s. § 20 Abs. 8 EStG), also bei gewerblichen Anlegern als gewerbliche Einkünfte zu qualifizieren sein.

2 Im Rahmen des Abschn. 2 stellt § 34 InvStG die Grundvorschrift für die Besteuerung von An-

legern in Spezial-Investmentfonds dar. In der Zusammenschau mit §§ 35 f. und §§ 37 ff. InvStG sind dies die Regelungen, die für die Besteuerung wesentlich sind. Letztlich ist mit § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG die Steuerbarkeit der Spezial-Investmenterträge als Einkünfte aus Kapitalvermögen erfasst.

3 § 34 InvStG enthält die Regelungen zu den Spezial-Investmenterträgen.

Abs. 1 enthält dabei zunächst die Definition der Spezial-Investmenterträge. Nur mit diesen ist der Anleger stpfl., sodass diese die wesentliche Vorschrift zur Anlegerbesteuerung bei den Spezial-Investmentfonds darstellt. Abs. 2 Satz 1 schließt grds. die Anwendbarkeit der Abgeltungsteuer und damit insbes. den gesonderten Steuertarif des § 32d EStG i.H.v. 25 % auf Spezial-Investmenterträge aus. Der Steuerabzug entfaltet daher keine abgeltende Wirkung nach § 43 Abs. 5 EStG.3 Darüber hinaus sind auch § 3 Nr. 40 EStG i.R.d. Teileinkünfteverfahrens und das Beteiligungsprivileg des § 8b KStG nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 42 InvStG anwendbar (§ 34 Abs. 2 Satz 2 InvStG), wenn ausnahmsweise natürliche Personen Anleger des Spezial-Investmentfonds sind (s. § 26 InvStG Rz. 120 f.). Abs. 3 regelt schließlich, ob und inwieweit Anleger eines Spezial-Investmentfonds DBA-Freistellungen auf ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträge bzw. auf Ausschüttungen ausländischer Spezial-Investmentfonds (§ 34 Abs. 3 Satz 1 bzw. 2 InvStG) in Anspruch nehmen können, und verweist hierzu auf §§ 43 Abs. 1 bzw. 16 Abs. 4 InvStG (s. § 43 InvStG Rz. 13 ff. und § 16 InvStG Rz. 77 ff.). Bei § 34 Abs. 3 Satz 1 InvStG handelt es sich um eine Rechtsgrundverweisung. Ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträge werden steuerfrei gestellt, indem auf der Fondseingangsseite die DBA-Freistellung der zugrunde liegenden Einkünfte faktisch an die Anleger weitergeleitet wird.4 Die DBA-Freistellung von Ausschüttungen eines ausländischen Spezial-Investmentfonds wird nach § 34 Abs. 3 Satz 2 InvStG im Inland nur

1 2 3 4

Zum neuen InvStG s. ausführlich Helios/Mann, DB Sonderausgabe I/2016, 1. § 29 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 und 2 InvStG. S. auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 34.3. Jetter/Leidel in Beckmann/Scholz/Vollmer, § 34 InvStG Rz. 2 und 18 ff.

638 | Gottschling

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 7 § 34

unter den zusätzlichen Voraussetzungen der einen treaty override darstellenden unilateralen subject-to-tax-Klausel in § 16 Abs. 4 InvStG gewährt. Die Besteuerungssystematik der §§ 34 ff. InvStG für Spezial-Investmenterträge entspricht 4 vom Prinzip her der bisherigen Besteuerung der Investmentfonds gem. § 1 Abs. 1d–1g, 2, 2a, 3, 4, §§ 2 ff. InvStG a.F. und legt damit eine semi-transparente Besteuerung zugrunde. SpezialInvestmentfonds und deren Anleger werden jeweils getrennt als einzelne Steuersubjekte betrachtet (Trennungsprinzip).1 Dies bedeutet, dass Erträge auf Ebene des Spezial-Investmentfonds selbstständig erfasst und ggf. gem. §§ 29 ff. InvStG besteuert werden. Auf Anleger und deren Besteuerung hat dies zunächst keine unmittelbare Auswirkung. Eine Zurechnung beim Anleger erfolgt nicht, d.h., der Anleger erzielt Erträge aus seiner Beteiligung an einem SpezialInvestmentfonds unabhängig davon, wann und in welcher Höhe diese auf Ebene des SpezialInvestmentfonds anfallen. Ebenso wenig erfolgt eine Zurechnung der vom Spezial-Investmentfonds gehaltenen Wirtschaftsgüter zum Anleger.2 Ausnahmen ergeben sich lediglich in den Fällen, in denen der Spezial-Investmentfonds die Transparenzoption des § 30 InvStG bzw. die Immobilien-Transparenzoption des § 33 Abs. 2 InvStG ausübt.3 Der Grundgedanke der (Spezial-)Investmentfondsbesteuerung war von jeher, dass dem Anle- 5 ger in den Spezial-Investmentfonds keine andere Steuerbelastung entstehen soll als bei der Direktanlage. Die Zwischenschaltung eines Investmentvehikels soll den Anleger weder besser noch schlechter stellen.4 Dies soll durch das Transparenzprinzip erreicht werden. Jedoch wird dieses nicht durchgängig durchgehalten, der Spezial-Investmentfonds also i.R.d. Besteuerung nicht vollständig negiert (daher nur „eingeschränktes Transparenzprinzip“). Der Umfang ergibt sich aus den jeweiligen Spezialregelungen (so z.B. § 42 InvStG hinsichtlich § 3 Nr. 40 EStG und § 8b KStG oder § 43 InvStG für DBA-Vergünstigungen).5 Als Mittel zur Füllung von Gesetzeslücken ist das Transparenzprinzip daher nur bedingt geeignet.6 Die Semi-Transparenz ergibt sich für den Anleger dadurch, dass sich auf der Fondsausgangs- 6 seite die von den Anlegern erzielten Spezial-Investmenterträge nach den auf der Fondseingangsseite nach den vom Spezial-Investmentfonds erzielten Einkünften bestimmen (vgl. § 35 Abs. 1, § 36 Abs. 1 InvStG). Darüber hinaus kann der Anleger bestimmte Steuerbefreiungen oder Steuervergünstigungen dergestalt geltend machen, als wäre er selbst unmittelbar beteiligt und hätte die Erträge erzielt.

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich In persönlicher Hinsicht regelt § 34 InvStG die Besteuerung der Anleger eines Spezial-Invest- 7 mentfonds. Dies ergibt sich neben dem Wortlaut auch aus der systematischen Stellung in Kapitel 3 des InvStG. Er gilt grds. sowohl für inländische als auch für ausländische Anleger, die in in- oder ausländische Spezial-Investmentfonds investieren.7 Wer tauglicher Anleger ist, ergibt sich aus der Definitionsnorm des § 2 InvStG: Nach § 2 Abs. 10 InvStG ist Anleger grds. derjenige, dem ein Spezial-Investmentanteil nach § 39 AO zuzurechnen ist. Auch wenn § 39 1 Lübbehüsen in Berger/Steck/Lübbehüsen, Vor §§ 1 ff. InvStG Rz. 19, zum alten Recht; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 34 InvStG Anm. 1. 2 Siehe auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 34 InvStG Anm. 1. 3 Zur Transparenzoption s. auch Behrens, RdF 2017, 297. 4 Lübbehüsen in Berger/Steck/Lübbehüsen, Vor §§ 1 ff. InvStG Rz. 20, zum bisherigen Recht. 5 Grundlegend hierzu BFH v. 11.10.2000 – I R 99/96, BStBl. II 2001, 22 (23), noch zum AuslInvestmG. 6 Ebenso Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 34 InvStG Anm. 1. 7 Soweit sie im Inland der Besteuerung unterliegen, s. auch Klein/Hörner/Adam, ISR 2018, 216 (217); Stiegler, IStR 2020, 1. Gottschling | 639

§ 34 Rz. 7 | Spezial-Investmenterträge Abs. 1 AO zunächst auf den zivilrechtlichen Eigentümer des Spezial-Investmentanteils abstellt, ist nach § 39 Abs. 1 Nr. 2 AO letztlich das wirtschaftliche Eigentum entscheidend, also die Ausübung der tatsächlichen Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Gleiches gilt auch für ausländische Spezial-Investmentfonds, wobei hier für die Bestimmung des zivilrechtlichen Eigentums das Internationale Privatrecht zu beachten ist.1 8 Erfasst sind von § 34 InvStG dabei grds. sowohl betriebliche Anleger als auch natürliche Per-

sonen (zu den Einschränkungen s. nachfolgend) als Anleger. Darüber hinaus fallen nach § 53 InvStG auch Altersvorsorgevermögensfonds und deren Anleger in den Anwendungsbereich des § 34 InvStG. Die korrespondierende Vorschrift für „Kapitel 2-Anleger“, d.h. Anleger eines Publikums-Investmentfonds, findet sich in § 16 InvStG.

9 § 34 InvStG betrifft in sachlicher Hinsicht Erträge aus Spezial-Investmentfonds, also aus-

geschüttete Erträge, ausschüttungsgleiche Erträge und Gewinne aus der Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen (§§ 35, 36 und 49 InvStG; zur näheren Erläuterung s. dort). 2. Zeitlicher Anwendungsbereich

10 Nach Art. 11 Abs. 3 InvStRefG2/§ 56 Abs. 1 Satz 1 InvStG gilt § 34 InvStG wie das insgesamt

neu gefasste InvStG seit dem 1.1.2018. Übergangsregelungen sind grds. nicht vorgesehen.

III. Rechtsentwicklung 11 § 34 InvStG wurde im Rahmen des InvStRefG v. 19.7.20163 eingeführt. Eine direkte Vorgän-

gerregelung im InvStG gibt es zu § 34 InvStG zwar keine. § 34 Abs. 1 InvStG entspricht aber i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG im Wesentlichen § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 InvStG a.F., während § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 InvStG a.F. in § 34 Abs. 2 Satz 2 widergespiegelt wird.4 Der Grundsatzgedanke einer abschließenden Regelung war bereits im alten InvStG angelegt5 und findet sich nunmehr in § 43 InvStG, sodass § 34 Abs. 3 Satz 1 InvStG auch ohne eine spezifische Vorgängervorschrift keine inhaltliche Neuerung darstellt.

12 Vollständig neu geregelt wurde hingegen der Ausschluss der Abgeltungsteuer für Anleger,

die ihre Anteile am Spezial-Investmentfonds im Privatvermögen halten. Der Anwendungsbereich dürfte jedoch sehr beschränkt sein (s. Rz. 29). Auch die in § 34 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 16 Abs. 4 InvStG geregelten zusätzlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von DBA-Schachtelprivilegien für Ausschüttungen ausländischer Spezial-Investmentfonds haben keinen Vorläufer im alten InvStG.6

1 2 3 4 5 6

S. auch Hoch/Preller, BKR 2019, 22; Schäfer, BB 2019, 1879. BGBl. I 2016, 1730. BGBl. I 2016, 1730. S. auch Höring in BeckOK, § 34 InvStG Rz. 11. § 4 InvStG a.F. S. in diesem Zusammenhang BFH v. 15.3.2021 – I R 61/17, FR 2022, 28 mit Anm. Heinrichs.

640 | Gottschling

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 16 § 34

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG § 34 InvStG verweist auf verschiedene Paragrafen des InvStG. So werden nach § 34 Abs. 3 13 Satz 2 InvStG nur unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 InvStG Ausschüttungen nach einem DBA freigestellt. § 34 Abs. 3 Satz 2 InvStG ist damit eine „abweichende Bestimmung“ i.S.d. § 25 InvStG. Abs. 1 verweist weiterhin auf § 35, § 36 Abs. 1 und § 49 InvStG und die dortigen Definitionen der ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge sowie der Gewinne aus der Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen. In den §§ 42 ff. InvStG finden sich bestimmte Sonderregelungen für Spezial-Investmenterträge. So werden bestimmte Steuerbegünstigungen sowie korrespondierende Abzugsbeschränkungen (§§ 42 bis 44 InvStG), Gewerbesteuerpflicht (§ 45 InvStG), Zinsschranke (§ 46 InvStG i.V.m. § 4h EStG), die Anrechnung ausländischer Quellensteuern (§ 47 InvStG) und die Zusammensetzung des Fonds-Aktiengewinns, des Fonds-Abkommensgewinns und des FondsTeilfreistellungsgewinns (§ 48 InvStG) festgelegt. Nach § 50 InvStG ist der Kapitalertragsteuerabzug für Spezial-Investmenterträge inländischer Spezial-Investmentfonds vorzunehmen. Letztlich sieht § 51 InvStG eine gesonderte und einheitliche Feststellung der für die Besteuerung der Anleger eines Spezial-Investmentfonds relevanten Werte vor. 2. Verhältnis zu Vorschriften des EStG § 20 Abs. 1 EStG enthält die Definition der Einkünfte aus Kapitalvermögen. Die Steuerbarkeit 14 der Spezial-Investmenterträge ergibt sich aus § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG. Demgegenüber ergibt sich der Steuerabzug für Kapitalerträge nicht wie erwartet aus § 43 EStG, sondern aus § 50 InvStG. § 50 Abs. 2 Satz 2 InvStG verweist aber seinerseits wiederum auf die für den Kapitalertragsteuerabzug i.S.v. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG geltenden Vorschriften des EStG. 3. Verhältnis zu DBA § 34 Abs. 3 InvStG regelt das Verhältnis der Vorschrift zu DBA, wobei Satz 1 parallel zu den 15 jeweiligen Regelungen eines DBA anwendbar ist, da er lediglich eine entsprechende Freistellung der den ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen zugrunde liegenden Einkünfte voraussetzt. Es handelt sich um eine innerstaatliche Steuerbefreiung.1 Demgegenüber regelt § 34 Abs. 3 Satz 2 InvStG durch die Rechtsgrundverweisung auf § 16 16 Abs. 4 InvStG weitere Tatbestandsmerkmale (nämlich eine subject-to-tax-Klausel), die zusätzlich zu den Voraussetzungen des entsprechenden DBA vorliegen müssen, wenn Ausschüttungen eines ausländischen Spezial-Investmentfonds im Inland steuerbefreit sein sollen. In der Regel werden diese nicht vorliegen, sodass es sich formal gesehen um einen – wenn auch verfassungsrechtlich zulässigen – treaty override handelt.2

1 Jetter/Leidel in Beckmann/Scholz/Vollmer, § 34 InvStG Rz. 5. 2 Ebenso Jetter/Leidel in Beckmann/Scholz/Vollmer, § 34 InvStG Rz. 5 und 29. Gottschling | 641

§ 34 Rz. 17 | Spezial-Investmenterträge

B. Spezial-Investmenterträge (Abs. 1) I. Vorbemerkung 17 § 34 Abs. 1 InvStG definiert die Erträge aus Spezial-Investmentfonds als Spezial-Investment-

erträge. Diese setzen sich zusammen aus: – den ausgeschütteten Erträgen nach § 35 InvStG, – den ausschüttungsgleichen Erträgen nach § 36 Abs. 1 InvStG sowie – den Gewinnen aus der Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen nach § 49 InvStG. Die Aufzählung ist abschließend, d.h., soweit Erträge nicht von der vorstehenden Definition erfasst sind, sind sie auch nicht steuerbar.1 Für Investmentfonds, die nicht als Spezial-Investmentfonds qualifizieren, sind nicht die §§ 34 ff. InvStG, sondern § 16 Abs. 1 InvStG anwendbar. Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Spezial-Investmentfonds ergeben sich hierbei aus § 26 InvStG (zur Definition und den Voraussetzungen im Einzelnen § 26 InvStG Rz. 12 ff.). Die weiterführenden Vorschriften enthalten auch Verfahren zur Ermittlung der Erträge. Der Begriff der Spezial-Investmenterträge findet im InvStG jedoch kaum Verwendung (im Wesentlichen bei § 45 InvStG zur GewSt). Dies liegt insbes. daran, dass Veräußerungsgewinne nicht der laufenden Anlegerbesteuerung unterliegen und §§ 42 bis 47 InvStG nur diese (also die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge) betreffen.

II. Ertragsbestandteile 1. Ausgeschüttete Erträge 18 Die Begriffsbestimmung der ausgeschütteten Erträge ergibt sich aus § 35 InvStG (s. § 35

InvStG Rz. 9 ff.). Danach qualifizieren als ausgeschüttete Erträge alle Einkünfte, die entsprechend der §§ 37 bis 41 InvStG ermittelt werden und die der jeweilige Spezial-Investmentfonds tatsächlich für eine Ausschüttung an den Anleger verwendet. Die Definition deckt sich nicht vollständig mit der der Ausschüttungen nach § 2 Abs. 11 InvStG,2 wonach Letzterer alle dem Anleger gezahlten oder gutgeschriebenen Beträge (nicht Erträge) einschließlich des Steuerabzugs vom Kapitalertrag erfasst. Abweichungen zwischen den beiden Ertragsberechnungen können sich sowohl in positiver als auch negativer Hinsicht ergeben. So können die ausgeschütteten Erträge durch nicht steuerbare Teilbeträge niedriger, oder auch höher3 als die nach § 2 Abs. 11 InvStG ermittelten Ausschüttungen sein. Zu den ausgeschütteten Erträgen gehört zudem auch die jeweilige Kapitalertragsteuer sowie eventuell einbehaltene ausländische Quellensteuern. Negative Erträge können grds. nur vorgetragen werden und mit positiven Einkünften in Folgejahren verrechnet werden (§ 41 Abs. 1 und 2 InvStG). 2. Ausschüttungsgleiche Erträge

19 Die ausschüttungsgleichen Erträge ergeben sich aus § 36 Abs. 1 InvStG. Soweit Spezial-Invest-

mentfonds ihre Erträge nicht an die Anleger ausschütten, sondern thesaurieren, sind diese als sog. ausschüttungsgleiche Erträge bei dem Anleger stpfl. Dem Anleger werden also Erträge zugerechnet, die ihm noch nicht zugeflossen sind.4 Hiervon werden u.a. erfasst:

1 2 3 4

Moritz/Strohm in Moritz/Jesch/Mann2, § 34 InvStG Rz. 11. Ausführlich Moritz/Strohm in Moritz/Jesch/Mann2, § 34 InvStG Rz. 17. Z.B. aufgrund nicht abziehbarer WK. S. auch Jetter/Leidel in Beckmann/Scholz/Vollmer, § 34 InvStG Rz. 8.

642 | Gottschling

B. Spezial-Investmenterträge (Abs. 1) | Rz. 24 § 34

– Kapitalerträge nach § 20 EStG, mit Ausnahme steuerfrei thesaurierbarer Kapitalerträge i.S.d. § 36 Abs. 2 InvStG. Diese gelten nach § 36 Abs. 5 InvStG mit Ablauf des 15. Geschäftsjahres nach dem Geschäftsjahr der Vereinnahmung als ausschüttungsgleiche Erträge und zu diesem Zeitpunkt als zugeflossen, soweit sie die Verluste der Vorjahre übersteigen und nicht bis zum Ende des 15. Geschäftsjahres oder in den vorherigen Geschäftsjahren ausgeschüttet wurden. – Erträge aus der Vermietung/Verpachtung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten sowie entsprechende Veräußerungsgewinne sowie – sonstige Erträge i.S.d. § 36 Abs. 3 InvStG. Wie schon unter dem alten Investmentsteuerrecht – dem die Definition der ausschüttungs- 20 gleichen Erträge im Wesentlichen entspricht – soll so verhindert werden, dass der Anleger steuerliche Vorteile aus einer thesaurierungsbedingten Steuerstundung ziehen kann, und so eine Bevorzugung gegenüber dem Direktanleger vermieden werden. Negative Erträge können grds. nur vorgetragen werden und mit positiven Einkünften in Folgejahren verrechnet werden (§ 41 Abs. 1 und 2 InvStG). 3. Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen Letztlich gehören auch Gewinne aus der Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen zu den 21 nach § 34 Abs. 1 InvStG stpfl. Erträgen. Nach h.M. ist unter der Veräußerung die entgeltliche Übertragung, also der Übergang zumindest des wirtschaftlichen Eigentums gegen eine angemessene Gegenleistung zu verstehen. Hier soll eine Art Schlussbesteuerung stattfinden.1 Die Veräußerungsgewinne des § 49 InvStG umfassen nach § 2 Abs. 13 InvStG auch die Rückgabe, Abtretung, Entnahme oder verdeckte Einlage der Spezial-Investmentanteile in eine KapGes. Spezial-Investmenterträge sind grds. in vollem Umfang steuerbar und stpfl.2 Nach § 49 Abs. 1 22 Satz 1 InvStG sind bei Gewinnen aus der Veräußerung von Investmentanteilen allerdings auch positive bzw. negative Anleger-Aktiengewinne sowie positive bzw. negative Anleger-Abkommensgewinne zu berücksichtigen.3 Die Definition des Gewinnbegriffs findet sich in § 2 Abs. 14 InvStG und umfasst auch Ver- 23 luste aus einem Rechtsgeschäft. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, sind nach § 49 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 InvStG bei der Gewinnermittlung die während der Besitzzeit bereits versteuerten ausschüttungsgleichen Erträge, inländische Beteiligungseinnahmen sowie sonstige inländische Einkünfte mit Steuerabzug, die den Anlegern nach § 30 Abs. Satz 2 InvStG bereits steuerlich zugerechnet wurden, zu berücksichtigen. Gleichermaßen sind ausschüttungsgleiche Erträge, die in einem späteren Geschäftsjahr innerhalb der Besitzzeit ausgeschüttet wurden, dem Veräußerungserlös hinzuzurechnen (§ 49 Abs. 3 Satz 3 InvStG). Bei Privatanlegern handelt es sich bei den Spezial-Investmenterträgen um Einkünfte aus Ka- 24 pitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG, die allerdings nicht der Abgeltungsteuer unterliegen. Spezial-Investmenterträge können aber bei Zugehörigkeit zu anderen Einkunftsarten auch diesen zuzurechnen (s. § 20 Abs. 8 EStG), also bei betrieblichen Anlegern Betriebseinnahmen sein. Eine beschränkte StPfl. wird für beschränkt stpfl. Anleger grds. nicht begründet, da Spezial-Investmenterträge als Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG in dem in § 49 EStG geregelten Katalog inländischer Einkünfte, mit denen beschränkt StPfl. in Deutschland der Steuer unterliegen, nicht genannt werden.4

1 2 3 4

Moritz/Strohm in Moritz/Jesch/Mann2, § 34 InvStG Rz. 19. Wenzel in Brandis/Heuermann, § 34 InvStG Rz. 1. Vgl. Stadler/Bindl, DStR 2016, 1953 (1964 f.). Ebenso Mann in W/B/A3, § 34 InvStG Rz. 1. Gottschling | 643

§ 34 Rz. 25 | Spezial-Investmenterträge 25 Es spricht einiges dafür, dass der Begriff der Erträge vorliegend eine Nettogröße darstellt. Die-

se muss allerdings auf den Spezial-Investmentfonds und nicht auf den Anleger bezogen sein.1 Die Interpretation wird durch die Definitionen der ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge gestützt, da diesen die nach §§ 37 bis 41 InvStG ermittelten Einkünfte des Spezial-Investmentfonds zugrunde liegen.2 Vollständig lässt sich dies in Bezug auf Veräußerungsgewinne jedoch nicht durchhalten, da die Veräußerung nicht auf Spezial-Investmentfondsebene, sondern auf Anlegerebene erfolgt.

26 § 34 Abs. 1 InvStG ist eine Definitions- und keine Rechtsfolgennorm.3 Die wesentliche

Rechtsfolge findet sich demgegenüber in § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG. Danach sind Spezial-Investmenterträge Einkünfte aus Kapitalvermögen und als Einnahmen auf Anlegerebene steuerbar.4 Entgegen der vorstehenden Beurteilung für die Ertragsermittlung auf Spezial-Investmentfondsebene qualifizieren Spezial-Investmenterträge auf Anlegerebene als Bruttobeträge. Diese können gem. §§ 42, 43 InvStG ganz oder teilweise von der Steuer befreit sein. Erst nach Abzug der Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben ergeben sich die jeweiligen Einkünfte. § 44 InvStG ist hierbei zu berücksichtigen.5

C. Anwendbarkeit der Abgeltungsteuer (Abs. 2) I. Vorbemerkung 27 § 34 Abs. 2 InvStG suspendiert i.R.d. Ermittlung der Spezial-Investmenterträge explizit be-

stimmte allgemeine steuerliche Vorschriften. Dies betrifft insbes. die Anwendbarkeit der Abgeltungsteuer6 sowie die Steuervergünstigungen der § 3 Nr. 40 EStG (Teileinkünfteverfahren) und § 8b KStG (Beteiligungsprivileg). Die Aufzählung ist enumerativ.7 Eine erweiternde Auslegung ist daher nicht möglich.

II. Abgeltungsteuer (Abs. 2 Satz 1) 28 Grundsätzlich sind Spezial-Investmenterträge Betriebseinnahmen des Gewerbebetriebs ei-

nes Anlegers,8 d.h., sie unterliegen der KSt und GewSt.9 Dies ergibt sich schon aufgrund § 26 Nr. 8 InvStG, der den Anlegerkreis der Spezial-Investmentfonds im Wesentlichen auf betriebliche Anleger begrenzt. Ausnahmen ergeben sich für Altbeteiligungen und aufsichtsrechtlich gebotene Beteiligungen natürlicher Personen. Hierbei kann es sich nur um semiprofessionelle Anleger i.S.d. § 1 Abs. 19 Nr. 33 Buchst. b KAGB handeln,10 also Geschäftsleiter, Risikoträger11

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Höring in BeckOK, § 34 InvStG Rz. 23; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 34 InvStG Anm. 5. S. auch Berger in Berger/Steck/Lübbehüsen, § 1 InvStG Rz. 267, zum bisherigen Recht. S. auch Höring in BeckOK, § 34 InvStG Rz. 18. Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 34 InvStG Anm. 10. Ausführlich zum Besteuerungsverfahren und der Gewinnermittlung Moritz/Strohm in Moritz/Jesch/ Mann2, § 34 InvStG Rz. 20 ff. So auch § 2 Abs. 5b, § 20 Abs. 6 und 9, § 32d, § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG. Ebenso Wenzel in Brandis/Heuermann, § 34 InvStG Rz. 13; Höring in BeckOK, § 34 InvStG Rz. 30; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 34 InvStG Anm. 10. Höring in BeckOK, § 34 InvStG Rz. 22. Korff, DStZ 2018, 943. So auch Bödecker in BeckOK, § 26 InvStG Rz. 286. Mitarbeiter, deren Tätigkeiten einen wesentlichen Einfluss auf das Risikoprofil der Verwaltungsgesellschaft oder der verwalteten Investmentvermögen haben.

644 | Gottschling

C. Anwendbarkeit der Abgeltungsteuer (Abs. 2) | Rz. 31 § 34

sowie bestimmte weitere, in § 37 Abs. 1 KAGB genannte Mitarbeiter,1 sofern sie in AIF investieren, die von der Verwaltungsgesellschaft, für die sie tätig sind, verwaltet werden. Diese Ausnahmeregelung ist notwendig, da Anhang II Buchst. m der AIFM-Richtlinie2 für diese Personen zwingend vorsieht, dass je nach der rechtlichen Struktur des AIF und seiner Vertragsbedingungen oder seiner Satzung ein erheblicher Anteil der variablen Vergütungskomponente – in jedem Fall mindestens 50 % – aus Anteilen des betreffenden AIF oder gleichwertigen Beteiligungen oder mit Anteilen verknüpften Instrumenten oder gleichwertigen unbaren Instrumenten bestehen muss. Der Mindestwert von 50 % kommt nur dann nicht zur Anwendung, wenn weniger als 50 % des vom AIF verwalteten Gesamtportfolios auf AIF entfallen. Diese Beteiligungen werden meist im Privatvermögen gehalten. Während § 1 Abs. 19 Nr. 33 29 Buchst. b KAGB jedoch lediglich verlangt, dass es sich um eine in § 37 Abs. 1 KAGB genannte Person handelt, sie also qualifiziert, wenn sie neben ihrer festen Vergütung auch eine variable Vergütung erhält, reicht dies für die Möglichkeit einer Beteiligung an Spezial-Investmentfonds nicht aus, da hier eine „aufsichtsrechtlich gebotene“, d.h. zwingende Beteiligung erforderlich ist.3 Sollten die Spezial-Investmentanteile nicht im Betriebsvermögen gehalten werden, erzielt der Anleger Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG. Für diesen Fall erklärt § 34 Abs. 2 Satz 1 InvStG die meisten Sondervorschriften, die für Ein- 30 künfte aus Kapitalvermögen gelten, für nicht anwendbar. Insbesondere werden hierdurch die Abgeltungsteuer nach § 32d EStG und die abgeltende Wirkung des Kapitalertragsteuerabzugs nach § 43 Abs. 5 EStG ausgeschlossen.4 Die Spezial-Investmenterträge werden daher im Veranlagungswege versteuert und müssen dementsprechend in der persönlichen Steuererklärung deklariert werden. Dies führt im Ergebnis dazu, dass die Spezial-Investmenterträge bei natürlichen Personen, die ihre Anteile im Privatvermögen halten, der tariflichen ESt5 statt der Abgeltungsteuer unterliegen. Haben natürliche Personen die Spezial-Investmentanteile über Personengesellschaften erworben (§ 26 Nr. 8 Satz 2 Buchst. c InvStG),6 die dem Bestandsschutz unterliegen, wird ihr Steuersatz ebenfalls von 25 % auf die entsprechende tarifliche ESt angehoben.7 In der Konsequenz stehen dem Anleger dann auch ein voller Abzug der tatsächlichen WK 31 (keine Anwendung des § 20 Abs. 9 EStG,8 insbes. auch keine Anrechnung auf den Sparerpauschbetrag)9 und eine erweiterte Verlustverrechnung (keine Anwendung des § 20 Abs. 6 EStG) zu.10 Hierdurch können insbes. negative Spezial-Investmenterträge grds. unbeschränkt mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten unter Anwendung des allgemeinen progressiven Einkommensteuertarifs verrechnet werden.11 Allgemeine Verlustverrechnungsbeschränkungen – wie z.B. nach § 10d EStG – bleiben allerdings anwendbar. Die Anrechnung 1 Mitarbeiter mit Kontrollfunktionen und alle Mitarbeiter, die eine Gesamtvergütung erhalten, aufgrund derer sie sich in derselben Einkommensstufe befinden wie Geschäftsleiter und Risikoträger. 2 RL 2011/61/EU. 3 BT-Drucks. 18/8045, 96; ebenso Wenzel in Brandis/Heuermann, § 26 InvStG Rz. 56; nicht differenzierend Bödecker in BeckOK, § 26 InvStG Rz. 286. 4 Wenzel in Brandis/Heuermann, § 34 InvStG Rz. 13; Stadler/Jetter, DStR 2015, 1833 (1840). 5 §§ 32d, 32a EStG. 6 Bei Erwerb vor dem 9.6.2016. Des Weiteren besteht ein zeitlich begrenzter Bestandsschutz für Erwerbe vor dem bzw. ab dem 24.2.2016. 7 Mann in W/B/A3, § 34 InvStG Rz. 2; Höring in BeckOK, § 34 InvStG Rz. 35; Stadler/Jetter, DStR 2015, 1840. 8 Die Beschränkungen des § 9 EStG sind anwendbar, BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 34.5. 9 Vgl. Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 34 InvStG Anm. 10. 10 BT-Drucks. 18/8045, 102; Mann in W/B/A3, § 34 InvStG Rz. 2; so auch Patzner/Kempf in Patzner/ Döser/Kempf, § 34 InvStG Rz. 2. 11 Vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 34.5. Gottschling | 645

§ 34 Rz. 31 | Spezial-Investmenterträge ausländischer Steuern ist in § 47 InvStG geregelt, der als lex specialis § 32d Abs. 5 EStG vorgeht.1 32 Durch diese Regelungen soll insgesamt eine unangemessene Privilegierung gegenüber den

Anlegern von Publikums-Investmentfonds verhindert werden, die durch die Möglichkeit zur steuerneutralen Thesaurierung von Veräußerungsgewinnen und Gewinnen aus Termingeschäften bei Spezial-Investmentfonds nach § 36 Abs. 2 InvStG entstehen könnte.2

III. Ausschluss des § 3 Nr. 40 EStG und des § 8b KStG (Abs. 2 Satz 2) 33 § 34 Abs. 2 Satz 2 InvStG bezieht sich auf betriebliche Anleger und schließt die Anwendbar-

keit der § 3 Nr. 40 EStG und § 8b KStG grds. aus. Erfasst sind hiervon Körperschaften und natürliche Personen, die ihre Spezial-Investmenterträge im Betriebsvermögen halten. Hintergrund dieser Regelung ist, dass Spezial-Investmenterträge auf Spezial-InvestmentfondsEbene nicht oder zumindest nur partiell mit KSt vorbelastet sind und daher die pauschalen steuerlichen Vergünstigungen dieser Vorschriften nicht geboten erscheinen.3

34 Darüber hinaus ist die Regelung deklaratorisch.4 Spezial-Investmenterträge sind Einkünfte

i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG. § 3 Nr. 40 EStG und § 8b KStG erfassen diese jedoch nicht explizit bei den dort genannten Bezügen, Gewinnen oder Betriebsvermögensmehrungen,5 sodass deren Anwendbarkeit ausgeschlossen ist.6 Auf Anlegerebene unterliegen die Erträge daher nicht dem Teileinkünfteverfahren bzw. sind bei körperschaftsteuerpflichtigen Anlegern nicht unter den Voraussetzungen des § 8b KStG effektiv zu 95 % steuerbefreit. Aufgrund des semi-transparenten Besteuerungskonzepts bei Spezial-Investmentfonds können jedoch Teile der Erträge aus einem Spezial-Investmentfonds unter die Steuerbegünstigung des § 3 Nr. 40 EStG und des § 8b KStG fallen.7 Enthalten Spezial-Investmenterträge daher solche Erträge, wird über § 42 InvStG eine partielle Steuerbegünstigung gewährt.8 Dies entspricht auch dem Grundgedanken des § 2 Abs. 2 InvStG a.F.9 Veräußerungsgewinne i.S.d. § 34 Abs. 1 Nr. 3 InvStG auf Anleger-Aktiengewinne fallen auch ohne ausdrückliche Regelung unter § 3 Nr. 40 EStG bzw. § 8b KStG (s. § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvStG).

35 Zu beachten ist hierbei allerdings noch, dass eine explizite Anwendbarkeit des § 3 Nr. 40

Satz 2 EStG nicht ausgeschlossen wurde. Hierdurch können Anleger i.S.v. § 26 Nr. 8 Satz 2 Buchst. b und c InvStG, die ihre Spezial-Investmentanteile im Privatvermögen halten, i.R.d. § 42 InvStG gegenüber natürlichen Personen, die ihre Spezial-Investmentanteile im Betriebsvermögen halten, schlechter behandelt werden, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund ersichtlich ist.10

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Höring in BeckOK, § 34 InvStG Rz. 32; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 34.4. BT-Drucks. 18/8045, 102; s. auch Moritz/Strohm in Moritz/Jesch/Mann2, § 34 InvStG Rz. 39. Wenzel in Brandis/Heuermann, § 34 InvStG Rz. 14; BT-Drucks. 18/8045, 102. Ebenso BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 34.6; s. auch Patzner/Kempf in Patzner/Döser/Kempf, § 34 InvStG Rz. 2. Wenzel in Brandis/Heuermann, § 34 InvStG Rz. 14; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 34 InvStG Anm. 10. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 34.6. BT-Drucks. 18/8045, 102. Bestätigend BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 34.6. Vgl. Mann in W/B/A3, § 34 InvStG Rz. 3. Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 34 InvStG Anm. 10.

646 | Gottschling

D. Anwendbarkeit der DBA (Abs. 3) | Rz. 39 § 34

D. Anwendbarkeit der DBA (Abs. 3) I. Ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträge (Abs. 3 Satz 1) § 34 Abs. 3 InvStG regelt die Möglichkeiten einer DBA-Freistellung der ausgeschütteten und 36 ausschüttungsgleichen Erträge nach §§ 35, 36 InvStG unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 InvStG, die direkt auf Ebene des Anlegers erfolgt. Nach § 34 Abs. 3 Satz 1 InvStG besteht i.V.m. § 43 Abs. 1 InvStG für Anleger die Möglichkeit einer Steuerfreistellung für Spezial-Investmenterträge (oder Teile hiervon), wenn und soweit Deutschland nach dem jeweils anwendbaren DBA auf sein Besteuerungsrecht verzichtet hat1 und die Einkünfte daher im anderen Staat besteuert werden (dürfen). So soll eine steuerliche Doppelbelastung von ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen vermieden werden.2 Bei diesen Erträgen aus Spezial-Investmentanteilen handelt es sich i.d.R. um Ertragsbestandteile, die tatsächlich einer Vorbelastung in dem Quellenstaat unterlegen haben.3 Hiervon werden bspw. Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung, die im Belegenheitsstaat der Immobilie besteuert wurden, erfasst.4 Entscheidend ist hierbei die Fondseingangsseite und die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang die Spezial-Investmentfondserträge die DBA-Voraussetzungen erfüllen.5 Gewinne aus der Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen können nach § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvStG, d.h. als Fonds-Abkommensgewinne, von der Steuerfreistellung aufgrund eines DBA profitieren. § 34 Abs. 3 Satz 1 InvStG ist eher deklaratorisch zu verstehen.6 Dem Investmentsteuergesetz 37 liegt wie bereits dargestellt ein (eingeschränktes) Transparenzprinzip zugrunde. Daher kann ein Anleger keine DBA-Vorteile auf der Eingangsseite des Spezial-Investmentfonds geltend machen, wenn er hierfür nicht eine spezialgesetzliche Vorschrift – hier § 43 InvStG – in Anspruch nehmen kann. Eine unmittelbare Steuerbefreiung ausländischer ausgeschütteter oder ausschüttungsgleicher Erträge aufgrund von DBA erscheint unwahrscheinlich.7

II. Ausschüttungen (Abs. 3 Satz 2) § 34 Abs. 3 Satz 2 InvStG ist eine abweichende Bestimmung i.S.d. § 25 InvStG, da er § 16 38 Abs. 4 InvStG für anwendbar erklärt (§ 25 InvStG Rz. 7 5. Spiegelstrich). Es findet demnach eine zweistufige Prüfung statt. Zunächst müssen die Ausschüttungen nach den Regelungen des fraglichen DBA steuerfrei sein. Erst wenn dies bejaht werden kann, sind die Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 InvStG (s. dazu § 16 InvStG Rz. 77 ff.) in einem zweiten Schritt zu prüfen. Andernfalls erübrigt sich dessen Prüfung. Liegen die Voraussetzungen für die Steuerfreistellung nach einem DBA vor, nicht jedoch die 39 des § 16 Abs. 4 InvStG, wird die Freistellung versagt. § 34 Abs. 3 Satz 2 InvStG statuiert damit einen treaty override, der jedoch verfassungsgemäß ist.8 Dieser treaty override des § 16 Abs. 4 1 Vgl. Mann in W/B/A3, § 34 InvStG Rz. 4; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 34 InvStG Rz. 17; Höring in BeckOK, § 34 InvStG Rz. 43. 2 Jetter/Leidel in Beckmann/Scholz/Vollmer, § 34 InvStG Rz. 18. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 34.7. 4 BT-Drucks. 18/8045, 102. 5 Wenzel in Brandis/Heuermann, § 34 InvStG Rz. 17; zu Einzelheiten der DBA-Berechtigung von Investmentfonds s. auch Klein/Hörner/Adam, ISR 2018, 216. 6 Ebenso Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 34 InvStG Anm. 15. 7 Ebenso Höring in BeckOK, § 34 InvStG Rz. 45; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 34 InvStG Anm. 15. 8 BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1; ebenso Jetter/Leidel in Beckmann/Scholz/Vollmer, § 34 InvStG Rz. 5 und 29. Gottschling | 647

§ 34 Rz. 39 | Spezial-Investmenterträge InvStG statuiert eine unilaterale subject-to-tax-Klausel, dass nämlich die Steuerbefreiung von einer hinreichenden steuerlichen Vorbelastung des Spezial-Investmentfonds in dessen Ansässigkeitsstaat abhängig ist.1 In der Konsequenz bedeutet dies, dass der Spezial-Investmentfonds einer nominellen Steuerbelastung i.H.v. mindestens 10 % unterliegen muss und nicht persönlich steuerbefreit sein darf. Darüber hinaus dürfen die Ausschüttungen nicht zu mehr als 50 % auf nicht steuerbefreiten Einkünften des Spezial-Investmentfonds beruhen (§ 34 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 16 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 InvStG),2 wobei hier die Ebene des Spezial-Investmentfonds entscheidend ist.3 40 Laut Gesetzesbegründung soll die Vorschrift Gestaltungsmissbräuche durch die zweckwidrige

Nutzung von Abkommensvorteilen ausschließen,4 so z.B. aus Schachtelbeteiligungen.5 Ausländische Investmentfonds unterliegen i.d.R. in ihren Ansässigkeitsstaaten keiner Besteuerung. Daher führt § 34 Abs. 3 InvStG regelmäßig zum Ausschluss von etwaigen Freistellungsregelungen aus DBA, demnach auch einer Steuerbefreiung ausländischer ausgeschütteter und ausschüttungsgleicher Erträge unmittelbar nach einem DBA.6

§ 35 Ausgeschüttete Erträge und Ausschüttungsreihenfolge (1) Ausgeschüttete Erträge sind die nach den §§ 37 bis 41 ermittelten Einkünfte, die von einem Spezial-Investmentfonds zur Ausschüttung verwendet werden. (2) 1Zurechnungsbeträge, Immobilien-Zurechnungsbeträge und Absetzungsbeträge gelten vorrangig als ausgeschüttet. 2Substanzbeträge gelten erst nach Ausschüttung sämtlicher Erträge des laufenden und aller vorherigen Geschäftsjahre als verwendet. (3) Zurechnungsbeträge sind die zugeflossenen inländischen Beteiligungseinnahmen und sonstigen inländischen Einkünfte mit Steuerabzug nach Abzug der Kapitalertragsteuer und der bundes- oder landesgesetzlich geregelten Zuschlagsteuern zur Kapitalertragsteuer, wenn die Transparenzoption nach § 30 ausgeübt wurde. (3a) Immobilien-Zurechnungsbeträge sind die inländischen Immobilienerträge und sonstigen inländischen Einkünfte ohne Steuerabzug, für die ein Dach-Spezial-Investmentfonds die Immobilien-Transparenzoption nach § 33 ausgeübt hat. (4) 1Absetzungsbeträge sind die ausgeschütteten Einnahmen aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten, soweit auf diese Einnahmen Absetzungen für Abnutzungen oder Substanzverringerung entfallen. 2Absetzungsbeträge können nur im Geschäftsjahr ihrer Entstehung oder innerhalb von vier Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres ihrer Entstehung und nur zusammen mit den Einnahmen im Sinne des Satzes 1 ausgeschüttet werden. (5) Substanzbeträge sind die verbleibenden Beträge einer Ausschüttung nach Abzug der ausgeschütteten Erträge, der ausgeschütteten ausschüttungsgleichen Erträge der Vorjahre, 1 Vgl. Höring in BeckOK, § 34 InvStG Rz. 45; Patzner/Kempf in Patzner/Döser/Kempf, § 34 InvStG Rz. 3 f. sowie BT-Drucks. 18/8045, 102. 2 Jetter/Leidel in Beckmann/Scholz/Vollmer, § 34 InvStG Rz. 22. 3 Vgl. Moritz/Strohm in Moritz/Jesch/Mann2, § 34 InvStG Rz. 43. 4 BT-Drucks. 18/8045, 102; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 34.8. 5 Detailliert hierzu Jetter/Leidel in Beckmann/Scholz/Vollmer, § 34 InvStG Rz. 23. 6 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 34 InvStG Anm. 15; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 34 InvStG Rz. 18; Mann in W/B/A3, § 34 InvStG Rz. 4.

648 | Gottschling

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 1 § 35

der steuerfrei thesaurierbaren Kapitalerträge im Sinne des § 36 Absatz 2, der Zurechnungsbeträge, der Immobilien-Zurechnungsbeträge und der Absetzungsbeträge. (6) Werden einem Anleger Erträge ausgeschüttet, die auf Zeiträume entfallen, in denen der Anleger nicht an dem Spezial-Investmentfonds beteiligt war, gelten insoweit Substanzbeträge als ausgeschüttet. (7) § 36 Absatz 4 Satz 1 ist entsprechend anzuwenden. A. I. II. III. IV.

B. C. I. II. D. E. I.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zu Vorschriften des EStG . . Ausgeschüttete Erträge (Abs. 1) . . . . . . . Verwendungsreihenfolge (Abs. 2) Verwendungsreihenfolge (Abs. 2 Satz 1) . Substanzbeträge (Abs. 2 Satz 2) . . . . . . . . Zurechnungsbeträge (Abs. 3) . . . . . . . . . Immobilien-Zurechnungsbeträge (Abs. 3a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 4 5 7 8 9 13 15 17

II. F. I. II. G. I. II. H. I. II. III. I.

Mehrstöckige Fondsstrukturen . . . . . . . . Absetzungsbeträge (Abs. 4) Definition (Abs. 4 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . Zeitraum (Abs. 4 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . Substanzbeträge (Abs. 5) Restgröße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fiktive Substanzauskehrung (Abs. 6) Substanzauskehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Billigkeitsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entsprechende Anwendung des § 36 Abs. 4 Satz 1 InvStG (Abs. 7) . . . . . . . . .

24 25 28 30 33 35 39 42 43

20

Literatur: Helios/Mann, Das Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung – Darstellung, Meinung und Handlungsempfehlung, DB Sonderausgabe I/2016, 1; Stadler/Bindl, Das neue InvStG – Überblick und Korrekturbedarf, DStR 2016, 1965; Ebner, Investmentsteuererlass v. 21.5.2019 und JStG 2019 unter besonderer Berücksichtigung von Spezial-Investmentfonds, RdF 2019, 314; Hahne/Michaelis, Entwurf eines „JStG 2019“: Vorgeschlagene Änderungen bei der Abgeltungsteuer und der Investmentbesteuerung, RdF 2019, 196.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck Das 3. Kapitel des neu gefassten Investmentsteuergesetzes1 regelt die Besteuerung der sog. 1 Spezial-Investmentfonds (§ 26 InvStG). Nach der Konzeption des neuen Investmentsteuerrechts werden Spezial-Investmentfonds ebenso wie Publikums-Investmentfonds grds. intransparent behandelt, d.h., Spezial-Investmentfonds unterliegen mit bestimmten, numerisch aufgezählten inländischen Einkünften im Inland der KSt (§ 29 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 und 2 InvStG). Während in Kapitel 3 die §§ 25 bis 33 InvStG die Voraussetzungen für die Qualifikation als Spezial-Investmentfonds und die Besteuerung auf der Fonds-Ebene selbst regeln, betreffen die §§ 34 ff. InvStG die Besteuerung der Anleger eines Spezial-Investmentfonds mit ihren Spezial-Investmenterträgen. Diese qualifizieren bei Privatanlegern grds. als Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG, können aber bei Zugehörigkeit zu anderen Einkunftsarten auch diesen zuzurechnen sein (s. § 20 Abs. 8 EStG), also bei gewerblichen Anlegern als gewerbliche Einkünfte zu qualifizieren sein. 1 Zum neuen InvStG s. ausführlich Helios/Mann, DB Sonderausgabe I/2016, 1. Gottschling | 649

§ 35 Rz. 2 | Ausgeschüttete Erträge und Ausschüttungsreihenfolge 2 Die Anleger erzielen grds. Spezial-Investmenterträge i.S.d. § 34 InvStG (§ 34 InvStG Rz. 17),

wozu auch die in § 35 Abs. 1 InvStG legal definierten ausgeschütteten Erträge i.S.d. § 2 Abs. 11 InvStG gehören. Daneben sind in § 35 InvStG die Regelungen zur Einkünfteermittlung sowie in § 35 Abs. 2 bis 6 InvStG die vorgesehene Ausschüttungsreihenfolge enthalten. Diese Reihenfolge ist hierbei grds. zwingend einzuhalten.1 Die einzelnen Elemente der ausgeschütteten Erträge werden in den Abs. 3 bis 5 legal definiert. § 35 Abs. 3 InvStG enthält die Definition der Zurechnungsbeträge, Abs. 4 der Absetzungsbeträge und Abs. 5 der Substanzbeträge. Abs. 6 enthält letztlich eine Ausnahmeregelung zur Ausschüttungsreihenfolge, indem er eine besitzanteilige Zurechnung der Erträge zum Anleger vorsieht, wenn dieser Erträge aus Zeiträumen erhält, in denen er noch nicht an dem Spezial-Investmentfonds beteiligt war. Korrespondierend hierzu enthält Abs. 7 die entsprechende Anwendung des § 36 Abs. 4 Satz 1 InvStG für eine besitzzeitanteilige Zurechnung von Einnahmen und WK.

3 Die Vorschrift des § 35 InvStG ist damit von zentraler Bedeutung für die Besteuerung der An-

leger eines Spezial-Investmentfonds. Dadurch, dass vorrangig die Beträge ausgeschüttet werden, die beim Anleger stpfl. sind, und erst im Folgenden Substanzauskehrungen stattfinden, soll – ähnlich wie nach dem früheren § 3a InvStG a.F.2 – verhindert werden, dass der Bezug stpfl. Erträge durch den Anleger durch eine vorrangige Ausschüttung nicht steuerbarer Beträge verhindert wird.

II. Anwendungsbereich 4 § 35 InvStG betrifft sowohl inländische als auch ausländische Spezial-Investmentfonds und in

diesem Rahmen die Besteuerung des Anlegers mit seinen Spezial-Investmenterträgen aus diesen Fonds. Darüber hinaus ist er über § 53 InvStG auch auf Altersvorsorgevermögensfonds und deren Anleger anwendbar. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut sowie aus seiner systematischen Stellung in Kapitel 3 des Investmentsteuergesetzes.

III. Rechtsentwicklung 5 § 35 InvStG wurde durch das InvStRefG3 gegenüber dem Gesetzentwurf durch den Finanzaus-

schuss unverändert in das InvStG eingeführt. Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 InvStG ist § 35 InvStG seit dem 1.1.2018 anzuwenden.4 Im Rahmen des „JStG 2019“5 wurde § 35 Abs. 3a InvStG hinsichtlich der Immobilien-Zurechnungsbeträge und § 35 Abs. 7 InvStG zur besitzzeitanteiligen Zurechnung ausgeschütteter Erträge neu hinzugefügt sowie § 35 Abs. 4 InvStG um einen neuen Satz 2 erweitert. Daneben wurden redaktionelle Anpassungen in § 35 Abs. 2, 3 und 5 InvStG vorgenommen, die nach Auffassung des Gesetzgebers aber rein deklaratorischer Natur sind.6 Die Änderungen durch das „JStG 2019“ sind nach § 57 Satz 1 Nr. 10 InvStG seit dem 1.1.2020 anzuwenden.

6 In § 35 Abs. 1 InvStG wird im Wesentlichen § 1 Abs. 3 Satz 2 InvStG a.F. fortgeführt, wobei

die einzelnen Einkunftsarten, die den ausgeschütteten Erträgen zugrunde liegen, nicht mehr aufgeführt werden. § 35 Abs. 2 Satz 2 entspricht im Grundsatz den Regelungen des früheren § 3a InvStG a.F. Die in Letzterem bereits verwendeten, bislang jedoch nicht definierten Sub-

1 2 3 4 5 6

S. Wenzel in Brandis/Heuermann, § 35 InvStG Rz. 1. Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 35 InvStG Anm. 1; Höring in BeckOK, § 35 InvStG Rz. 2. G v. 19.7.2016, BGBl. I 2016, 1730. Art. 11 Abs. 3 Satz 1 InvStRefG. G v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451. BT-Drucks. 19/13436, 178 f.

650 | Gottschling

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 7 § 35

stanzbeträge finden sich nunmehr in Abs. 5. Die in § 35 Abs. 3 Satz 1 InvStG kodifizierten Absetzungsbeträge spiegeln die bisher anerkannte Verwaltungspraxis wider, sind in der Definition des Abs. 4 aber enger gefasst. Darüber hinaus werden die Zurechnungsbeträge definiert. Der Begriff der Zurechnungsbeträge (Abs. 3) und der fiktiven Substanzauskehrung (Abs. 6) wird erstmalig verwendet.1 Die fiktive Substanzauskehrung ersetzt zum Teil die Besteuerung des Zwischengewinns beim Erwerb.2

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG § 35 InvStG ist eng mit anderen Vorschriften des InvStG verknüpft, im Wesentlichen jedoch 7 mit §§ 29 ff. InvStG. Die Ermittlung der ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge i.S.d. § 35 InvStG erfolgt unter Zugrundelegung des Welteinkommensprinzips virtuell als Einkünfte des SpezialInvestmentfonds.3 Diese Herangehensweise weicht damit von den steuerbaren Einkünften gem. § 6 i.V.m. § 29 Abs. 1 InvStG ab.4 § 35 Abs. 3 InvStG verweist in Bezug auf die Zurechnungsbeträge auf § 30 InvStG, da diese bei Ausübung der Transparenzoption entstehen und in der Folge die inländischen Beteiligungseinnahmen und sonstigen inländischen Einkünfte mit Steuerabzug dem Anleger zugerechnet werden. Demgegenüber werden die Erträge, die den Anlegern über die ImmobilienTransparenzoption des § 33 InvStG zugerechnet werden, in § 35 Abs. 3 InvStG nicht genannt. Aus systematischen Gründen wäre dies allerdings geboten gewesen, um eine Doppelbesteuerung von ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Immobilienerträgen zu vermeiden5 Das JStG 2019 hat mit § 35 Abs. 3a InvStG Regelungen für die Immobilien-Transparenzoption eingeführt. § 35 Abs. 1 InvStG spezifiziert die in § 34 Abs. 1 Nr. 1 InvStG genannten ausgeschütteten Erträge. Die für § 35 InvStG relevanten ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge werden auf Grundlage der §§ 37 bis 41 InvStG ermittelt. Von den so ermittelten Einkünften des Spezial-Investmentfonds ergeben sich Abweichungen durch Kapitalerträge, die nach § 36 Abs. 2 InvStG steuerfrei thesauriert werden können. § 36 Abs. 1 InvStG enthält eine präzisere Bestimmung der steuerbaren Einkünfte, sodass hierauf zurückzugreifen ist.6 Nach §§ 42, 43 InvStG sind ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträge auf Anlegerebene ganz oder zum Teil steuerfrei. § 51 InvStG legt fest, dass die Besteuerungsgrundlagen des § 35 InvStG gesondert und einheitlich festzustellen sind. Die Übergangsvorschriften des § 56 Abs. 7 Satz 4 InvStG sehen für bestimmte, eng begrenzte Ausnahmefälle vor, dass ausschüttungsgleiche Erträge, die nach dem alten Investmentsteuerregime erzielt wurden, als Substanzbeträge qualifiziert werden können, die nach § 35 Abs. 5 InvStG ausgeschüttet werden.

1 Patzner/Kempf in Patzner/Döser/Kempf, § 34 InvStG Rz. 2; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 35 InvStG Anm. 1. 2 Vgl. § 51 Abs. 4 InvStG a.F. 3 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 35 InvStG Anm. 1. 4 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 35 InvStG Anm. 1. 5 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 35 InvStG Anm. 1, 15. 6 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 35 InvStG Anm. 1; s. auch § 36 InvStG Rz. 19 ff. Gottschling | 651

§ 35 Rz. 8 | Ausgeschüttete Erträge und Ausschüttungsreihenfolge 2. Verhältnis zu Vorschriften des EStG 8 Die ausgeschütteten Erträge werden beim Privatanleger nach § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG als

Einkünfte aus Kapitalvermögen als sog. Spezial-Investmenterträge i.S.d. § 34 Abs. 1 Nr. 1 InvStG besteuert. Im Rahmen der betrieblichen Einkünfte stellen sie i.d.R. Betriebseinnahmen i.S.d. § 20 Abs. 8 EStG dar.

B. Ausgeschüttete Erträge (Abs. 1) 9 § 35 Abs. 1 InvStG definiert die ausgeschütteten Erträge als Teil der Erträge aus Spezial-In-

vestmentfonds nach § 34 Abs. 1 InvStG. Grundlage hierfür sind die gem. §§ 37 bis 41 InvStG ermittelten Einkünfte. Nach § 37 Abs. 1 InvStG sind dies die dem Spezial-Investmentfonds steuerlich zuzurechnenden Einkünfte, die von dem Spezial-Investmentfonds tatsächlich zur Ausschüttung verwendet werden.

10 Die sachliche StPfl. der Erträge auf der Fondseingangsseite erstreckt sich dabei auf Kapital-

erträge, Erträge aus Vermietung und Verpachtung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten, sonstige Erträge und Erträge aus Veräußerungsgeschäften. Die Definition ist damit sehr umfassend.1 Darüber hinaus sind in Vorjahren steuerfrei thesaurierte Kapitalerträge i.S.d. § 36 Abs. 2 InvStG als ausgeschüttete Erträge erfasst, soweit diese nicht bereits aufgrund der partiellen investmentsteuerlichen Transparenz nach § 36 Abs. 5 InvStG in ausschüttungsgleiche Erträge umqualifiziert wurden.2 Nicht erfasst werden hingegen Bezüge, die aus Ausschüttungen einer Körperschaft stammen, für die Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S.d. § 27 KStG als verwendet gelten, soweit sie die AK der Beteiligung nicht übersteigen. Gleiches gilt für Substanzauskehrungen und ausschüttungsgleiche Erträge aus den Vorjahren sowie Zurechnungs- und Absetzungsbeträge.3 Hintergrund dieser Ausnahmen ist, dass Erstere bereits steuerlich beim Anleger erfasst wurden, während Letztere nicht der Besteuerung unterliegen. Die Ermittlung der stpfl. Einkünfte des Spezial-Investmentfonds richtet sich nach § 6 Abs. 7 InvStG (s. dazu § 6 InvStG Rz. 89 ff.). Die Ertragsermittlung auf der Fondseingangsebene ist daher letztlich die Grundlage für die Beurteilung der Ausschüttungen auf Ebene der Anleger.4 Die Regelungen zur Ermittlung der Einkünfte nach §§ 37 ff. InvStG sind demgegenüber nur für die Anlegerbesteuerung anzuwenden.5

11 In Bezug auf die Einkünfteermittlung verweist § 35 Abs. 1 InvStG auf §§ 37–41 InvStG.6 Nach

§ 37 InvStG erfolgt die Ermittlung der Einkünfte grds. als Einnahmenüberschussrechnung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG.7 Veräußerungsgewinne werden nach § 23 EStG ermittelt. §§ 39 f. InvStG enthalten Sondervorschriften zu den WK, § 41 InvStG zur Möglichkeit der Verrechnung mit Verlusten. Letztlich sind auch die steuerfrei thesaurierbaren Kapitalerträge erfasst.8

1 S. auch Wenzel in Brandis/Heuermann, § 35 InvStG Rz. 10. 2 S. auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.3; Jetter/Willner in Beckmann/ Scholtz/Vollmer, § 35 InvStG Rz. 5. 3 Wenzel in Brandis/Heuermann, § 35 InvStG Rz. 10; Jetter/Willner in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 35 InvStG Rz. 6; Mann in W/B/A3, § 35 InvStG Rz. 1. 4 Jetter/Willner in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 35 InvStG Rz. 5. 5 Entwurf des BMF zur Ergänzung des BMF-Schreibens v. 21.5.2019 (IV C 1 - S 1980 - 1/19/10008 :005, BStBl. I 2019, 527), Rz. 35.34; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 35 InvStG Anm. 1: virtuelle Einkünfteermittlung. 6 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 35 InvStG Anm. 1, will auf § 36 InvStG zurückgreifen. 7 Kloster in Moritz/Jesch/Mann2, § 35 InvStG Rz. 21; Jetter/Willner in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 35 InvStG Rz. 8. 8 S. auch Kloster in Moritz/Jesch/Mann2, § 35 InvStG Rz. 21 m.w.N.

652 | Gottschling

C. Verwendungsreihenfolge (Abs. 2) | Rz. 15 § 35

Aus der Natur der Sache ergibt sich, dass positive Einkünfte vorliegen müssen.1 Andernfalls 12 handelt es sich bei der ausgeschütteten Liquidität um Substanzbeträge.2 Letztlich müssen die Einkünfte des Spezial-Investmentfonds auch tatsächlich zur Ausschüttung verwendet werden,3 der bloße Ausschüttungsbeschluss genügt nicht. In zeitlicher Hinsicht enthält § 35 Abs. 1 InvStG keine Aussage. Es gelten daher die allgemeinen Regelungen zur Bestimmung des Zuflusszeitpunkts.4

C. Verwendungsreihenfolge (Abs. 2) I. Verwendungsreihenfolge (Abs. 2 Satz 1) § 35 Abs. 2 InvStG legt die Reihenfolge fest, in der Beträge und Erträge als ausgeschüttet gel- 13 ten (Verwendungsreihenfolge). Diese ist grds. verbindlich5 und ergibt sich wie folgt: 1. Zurechnungs- und Immobilien-Zurechnungsbeträge, 2. Absetzungsbeträge, 3. bereits besteuerte ausschüttungsgleiche Erträge der Vorjahre, die in den Folgejahren steuerneutral ausgeschüttet werden können, 4. ausgeschüttete Erträge des laufenden oder gerade abgelaufenen Geschäftsjahres (einschließlich der ausgeschütteten, in Vorjahren steuerfrei thesaurierten Erträge i.S.d. § 36 Abs. 2 InvStG) und 5. Substanzbeträge.6 Dabei gelten Zurechnungs- und Immobilien-Zurechnungsbeträge sowie Absetzungsbeträge 14 nach § 35 Abs. 2 Satz 1 InvStG als vorrangig ausgeschüttet, da diese grds. steuerneutral ausgeschüttet werden können.7 Erstere sind vom Anleger bereits vorversteuert, sodass dies sachlich geboten erscheint.8 Bei Letzteren wurde die von der FinVerw. bisher schon angenommene „negative Thesaurierung“9 kodifiziert. Dabei dürfen auch Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG i.V.m. § 27 KStG, die dem Spezial-Investmentfonds aus einer Beteiligung zugeflossen sind, ebenfalls erst nachrangig nach den Erträgen ausgeschüttet werden.

II. Substanzbeträge (Abs. 2 Satz 2) § 35 Abs. 2 Satz 2 InvStG legt demgegenüber die nachrangige Ausschüttung von Substanz- 15 beträgen fest. Substanzbeträge gelten erst nach der Ausschüttung sämtlicher Erträge10 des lau-

1 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 - 1/08/10019 – DOK 2009/0539738, BStBl. I 2009, 931 Rz. 15, zum bisherigen Recht. 2 Soweit keine ausschüttungsgleichen Erträge der Vorjahre vorliegen; s. auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 35 InvStG Anm. 10.. 3 Jetter/Willner in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 35 InvStG Rz. 9. 4 Ausführlich hierzu Kloster in Moritz/Jesch/Mann2, 35 InvStG Rz. 4; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 35 InvStG Anm. 1; Lübbehüsen in Berger/Steck/Lübbehüsen, § 2 InvStG Rz. 67 ff. m.w.N., jeweils zum bisherigen Recht. 5 Wenzel in Brandis/Heuermann, § 35 InvStG Rz. 14. 6 S. auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.4 f. 7 Zur alten Rechtslage Kloster in Moritz/Jesch/Mann2, § 35 InvStG Rz. 25 ff. 8 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 35 InvStG Anm. 10. 9 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 - 1/08/10019 – DOK 2009/0539738, BStBl. I 2009, 931 Rz. 16b. 10 Dies bedeutet, dass auch solche Erträge erfasst sind, die auf Ebene des Anlegers nach §§ 42, 43 InvStG steuerfrei sind. Gottschling | 653

§ 35 Rz. 15 | Ausgeschüttete Erträge und Ausschüttungsreihenfolge fenden und aller vorherigen Geschäftsjahre als verwendet. Die Regelung entspricht § 3a InvStG a.F. und enthält vor allem sämtliche Erträge des laufenden und der vorangegangenen Geschäftsjahre nach dem Regimewechsel zum neuen InvStG zum 31.12.2017.1 Erfasst werden damit auch Zwischenausschüttungen. § 35 Abs. 2 Satz 2 InvStG verwendet nicht ganz nachvollziehbar einen anderen Wortlaut für die Definition der Substanzbeträge als § 35 Abs. 5 InvStG. Eine einheitliche Auslegung erscheint dennoch geboten.2 Nach § 35 Abs. 5 InvStG gelten Substanzbeträge als ausgeschüttet, sofern und soweit keine anderen Beträge und Erträge innerhalb der relevanten Zeiträume für eine Ausschüttung zur Verfügung stehen.3 Dies gilt darüber hinaus für Erträge, die dem Anleger ausgeschüttet werden und auf Zeiträume entfallen, in denen der Anleger nicht an dem Spezial-Investmentfonds beteiligt war (§ 35 Abs. 6 InvStG). 16 § 35 Abs. 2 Satz 2 InvStG legt keine weitere Verwendungsreihenfolge für die Ausschüttung der

genannten Erträge fest. In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es zwar, dass ausschüttungsgleiche Erträge der Vorjahre vorrangig vor ausgeschütteten Erträgen des laufenden oder der gerade abgelaufenen Geschäftsjahre als verwendet gelten sollen.4 Der Wortlaut von Abs. 2 Satz 2 lässt eine solche Einschränkung indes nicht zu. Der Spezial-Investmentfonds kann vielmehr frei festlegen, inwieweit er ausschüttungsgleiche Erträge der Vorjahre oder ausgeschüttete Erträge des laufenden oder des abgelaufenen Geschäftsjahres und welche Ertragskomponenten er ausschüttet.5 Im Vergleich zur vorherigen Rechtslage nach dem InvStG 2004 stellt dies trotzdem eine Einschränkung dar. Während vor Inkrafttreten des AIFM-StAnpG6 der Investmentfonds grds. nach h.M. völlig frei darin war, ob er Ertragskomponenten ausschüttete oder steuerneutral Substanz auskehrte,7 war die FinVerw. hier schon immer restriktiver, was mit dem AIFM-StAnpG dann zumindest teilweise in § 3a InvStG a.F. ins G übernommen und unter dem InvStG n.F. fortgeführt wurde. Innerhalb der drei Ertragsbestandteile sieht § 35 Abs. 2 InvStG keine festgelegte Reihenfolge vor.8

D. Zurechnungsbeträge (Abs. 3) 17 § 35 Abs. 3 InvStG definiert den Begriff der Zurechnungsbeträge. Hierbei handelt es sich um

zugeflossene inländische Beteiligungseinnahmen nach § 6 Abs. 3 InvStG und sonstige inländische Einkünfte mit Steuerabzug der Kapitalertragsteuer und der bundes- und landesgesetzlich geregelten Zuschlagsteuern zur Kapitalertragsteuer, wenn die Transparenzoption nach § 30 InvStG ausgeübt wurde.9

18 Nach § 30 Abs. 1 Satz 2 und § 31 InvStG gilt der Anleger bei ausgeübter Transparenzoption

als Gläubiger der inländischen Beteiligungseinnahmen und als Schuldner der Kapitalertragsteuer. Dies bedeutet, dass diese Einkünfte für steuerliche Zwecke unmittelbar durch die Anleger realisiert werden. Die Zurechnung erfolgt bereits im Zeitpunkt des Zuflusses beim Spezial-

1 Vgl. Wenzel in Brandis/Heuermann, § 34 InvStG Rz. 14; Jetter/Willner in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 35 InvStG Rz. 10. 2 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 35 InvStG Anm. 10. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.8. 4 BT-Drucks. 18/8045, 103. 5 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 35 InvStG Anm. 10. 6 G v. 18.12.2013, BGBl. I 2013, 4318. 7 S. z.B. Berger in Berger/Steck/Lübbehüsen, § 1 InvStG Rz. 270. 8 S. Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 35 InvStG Anm. 10. 9 S. Patzner/Kempf in Patzner/Döser/Kempf, § 34 InvStG Rz. 3; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.9.

654 | Gottschling

D. Zurechnungsbeträge (Abs. 3) | Rz. 19 § 35

Investmentfonds und die Einkünfte werden dem Steuerabzug unterworfen.1 Hieraus folgt, dass es sich bei den Zurechnungsbeträgen i.S.d. § 35 Abs. 3 InvStG um Nettobeträge handelt.2 Dies gilt nicht in den Fällen, in denen Kapitalertragsteuer nicht abgeführt oder erstattet wird. Werden diese Beträge dem Vermögen des Spezial-Investmentfonds ohne Ausgabe neuer Anteile (wieder) zugeführt, gelten diese ebenfalls als Zurechnungsbeträge, sodass der Bruttobetrag für die Ausschüttung zur Verfügung steht.3 Es ist nur konsequent, die Ausschüttungsbestandteile als nicht steuerbare Auskehrungen zu qualifizieren, da der Anleger sie erst mit der Ausschüttung erhält.4 Handelt es sich bei dem Anleger um einen bilanzierenden Anleger, hat er in seiner Steuer- 19 bilanz einen aktiven Ausgleichsposten zu bilden,5 der dann bei Ausschüttung bzw. bei Veräußerung des Spezial-Investmentanteils entsprechend aufzulösen ist.6 Für nicht bilanzierende Anleger nach § 4 Abs. 3 EStG gilt, dass sie entsprechend einen Merkposten zu generieren haben.7 Die Höhe des Ausgleichs- bzw. Merkpostens hängt davon ab, ob der Netto- oder der Bruttobetrag relevant wird (nachfolgend).8 Beispiel:9 An dem zum 1.1.01 neu aufgelegten Spezial-Investmentfonds S ist nur der Anleger A mit einem SpezialInvestmentanteil (Ausgabepreis: 500 Euro) beteiligt. S investiert das Kapital in eine Aktie der X-AG zum Preis von 100 Euro und eine mit 2,5 % festverzinsliche Anleihe zu einem Nennwert von 400 Euro (Zinszahlungstermin 30.12.). Am 1.3.01 (Tag der Hauptversammlung) beschließt die X-AG eine Ausschüttung i.H.v. 4 Euro Dividende pro Aktie. S übt die Transparenzoption nach § 30 Abs. 1 Satz 1 InvStG aus. A gilt hierdurch als Gläubiger der Kapitalerträge und erzielt Beteiligungseinnahmen i.H.v. 4 Euro. Die Verwahrstelle des S behält 1 Euro Kapitalertragsteuer ein und führt diese für Rechnung des A an das FA ab. S fließt die Nettodividende i.H.v. 3 Euro zu. Neben der Dividende der X-AG erzielt S in 01 Zinserträge i.H.v. 10 Euro. S beschließt Anfang des Jahres 02, die laufenden Erträge des Jahres 01 auszuschütten und nimmt die Ausschüttung am 10.1.02 i.H.v. 13 Euro pro Anteil vor. Dem Anleger A sind folgende Erträge und Beträge zuzurechnen: 3 Euro Zurechnungsbeträge, 10 Euro ausgeschüttete Erträge (Zinsen) und 0 Euro Substanzbeträge. Buchung beim Anleger bei Zufluss der Dividende (Zufluss beim S: 1.3.01): Aktiver Ausgleichsposten (aAP) (Zurechnungsbeträge)

3 € an Ertrag

Steueraufwand

1€

4€

Buchung der Ausschüttung (vereinfacht ohne Steuerabzug): Bank

13 € an Ertrag an aAP (Zurechnungsbeträge)

10 € 3€

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.9. 2 Vgl. Jetter/Willner in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 35 InvStG Rz. 12, mit Verweis auf die korrespondierende einkommensteuerliche Behandlung. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.10. 4 Vgl. Jetter/Willner in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 35 InvStG Rz. 12. 5 S. Jetter/Willner in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 35 InvStG Rz. 12. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.11; Kloster in Moritz/Jesch/Mann2, § 35 InvStG Rz. 52. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.12. 8 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.13. 9 Nach dem BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.14 ff. Gottschling | 655

§ 35 Rz. 19 | Ausgeschüttete Erträge und Ausschüttungsreihenfolge Abwandlung 1: Abweichend zum Sachverhalt im Ausgangsbeispiel beschließt S, nur die Zinsen des Jahres 01 auszuschütten, und nimmt die Ausschüttung am 10.1.02 i.H.v. 10 Euro pro Anteil vor. Dem Anleger A sind folgende Erträge und Beträge zuzurechnen: 3 Euro Zurechnungsbeträge (Vorrang des § 35 Abs. 2 InvStG, vgl. Rz. 35.4), 7 Euro ausgeschüttete Erträge (Zinsen), 3 Euro ausschüttungsgleiche Erträge (Zinsen) und 0 Euro Substanzbeträge. Buchung beim Anleger bei Zufluss der Dividende (Zufluss beim S: 1.3.01): aAP (Zurechnungsbeträge)

3 € an Ertrag

Steueraufwand

1€

4€

Buchung der Ausschüttung/Thesaurierung (vereinfacht ohne Steuerabzug): Bank

10 € an Ertrag

3 € an aAP (Zurechnungsbeträge)

aAP (agE der Vorjahre)

10 € 3€

Abwandlung 2: Am 31.3.01 beträgt der Preis der X-AG-Aktie 110 Euro. Der Rücknahmepreis des Spezial-Investmentanteils beläuft sich damit auf 515,50 Euro (500 Euro Ausgabepreis + 10 Euro unrealisierte Wertsteigerung aus der X-AG-Aktie + 3 Euro liquide Mittel aus Zurechnungsbeträgen + 2,50 Euro angewachsene Zinsen). A veräußert seinen Spezial-Investmentanteil am 31.3.01 zu diesem Preis. Der Gewinn aus der Veräußerung des Spezial-Investmentanteils ermittelt sich wie folgt: Einnahmen aus der Veräußerung

515,50 €

Anschaffungskosten

./. 500 €

Minderungsbetrag nach § 49 Abs. 3 Satz 5 InvStG bzw. Auflösung des Ausgleichspostens

./. 3 €

Gewinn

= 12,50 €

Buchung beim Anleger bei Zufluss der Dividende (Zufluss beim S: 1.3.01): aAP (Zurechnungsbeträge)

3 € an Ertrag

Steueraufwand

1€

4€

Buchung der Veräußerung (vereinfacht ohne Steuerabzug): Bank

515,50 € an Spezial-Investmentanteile an aAP (Zurechnungsbeträge) an Ertrag

500 € 3€ 12,50 €

E. Immobilien-Zurechnungsbeträge (Abs. 3a) I. Vorbemerkung 20 Immobilien-Zurechnungsbeträge umfassen sowohl inländische Immobilienerträge als auch

sonstige inländische Einkünfte ohne Steuerabzug, für die ein Dach-Spezial-Investmentfonds die Immobilien-Transparenzoption nach § 33 Abs. 2 Satz 3 InvStG ausgeübt hat. Nach § 33 656 | Gottschling

E. Immobilien-Zurechnungsbeträge (Abs. 3a) | Rz. 24 § 35

Abs. 2 Satz 4 InvStG gelten die ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen inländischen Immobilienerträge unmittelbar den Anlegern des Dach-Spezial-Investmentfonds als zugeflossen. Die Erträge unterliegen bereits bei den Ziel-Spezial-Investmentfonds dem Kapitalertrag- 21 steuerabzug. Eine erneute Besteuerung bei Auskehrung dieser Erträge an einen Dach-SpezialInvestmentfonds soll daher nicht dem erneuten Kapitalertragsteuereinbehalt unterliegen.1 Das „JStG 2019“ hat damit bestehende Rechtsunsicherheiten beseitigt, da bislang auf ImmobilienZurechnungsbeträge lediglich § 35 Abs. 3 InvStG analog angewendet wurde. Abs. 3a ist daher zur Vermeidung von ungerechtfertigten Doppelbesteuerungen geboten.2 Ausschüttungen eines Dach-Spezial-Investmentfonds gelten unabhängig davon, ob der Ziel- 22 Spezial-Investmentfonds diese Beträge ganz oder teilweise an den Dach-Spezial-Investmentfonds ausgeschüttet hat, als nicht steuerbare Immobilien-Zurechnungsbeträge.3 Auf Anlegerebene ist für die Immobilien-Zurechnungsbeträge analog zu den Zurechnungs- 23 beträgen gem. § 35 Abs. 3 InvStG ein aktiver Ausgleichsposten für die unmittelbar zugerechneten inländischen Immobilienerträge in Höhe des Nettobetrags (ohne Steueraufwand) in der Steuerbilanz (bei bilanzierenden Anlegern) bzw. ein Merkposten zu bilden.4 Der aktive Ausgleichsposten ist bei Ausschüttung der Immobilien-Zurechnungsbeträge und bei Veräußerung des Spezial-Investmentanteils entsprechend aufzulösen.

II. Mehrstöckige Fondsstrukturen Nach § 30 Abs. 4 Satz 1 InvStG und § 33 Abs. 2 Satz 3 InvStG ist die Transparenzoption über 24 zwei Beteiligungsstufen zwischen Dach- und Ziel-Spezial-Investmentfonds (§ 2 Abs. 5 Satz 2 InvStG) möglich, während in den Fällen, in denen es sich bei einem Anleger des DachSpezial-Investmentfonds um einen Dach-Spezial-Investmentfonds zweiter Stufe handelt, nach § 30 Abs. 4 Satz 2 InvStG bzw. § 33 Abs. 2 Satz 6 InvStG eine weitere Transparenzoption ausgeschlossen ist. Die auf Zielfondsebene ermittelten Zurechnungs- und Immobilien-Zurechnungsbeträge behalten ihre rechtliche Qualität auf der Dachfondsebene bei und werden von diesem an den Anleger steuerneutral ausgeschüttet.5 Beispiel:6 An dem zum 1.1.01 neu aufgelegten Spezial-Investmentfonds Z ist ausschließlich der Dach-Spezial-Investmentfonds D beteiligt. An dem Dach-Spezial-Investmentfonds D ist ausschließlich der Anleger A beteiligt. Z investiert das Kapital in eine Aktie der X-AG zum Preis von 1.000 Euro. D investiert zudem in eine mit 3 % festverzinsliche Anleihe zu einem Nennwert von 4.000 Euro. Am 1.3.01 (Tag der Hauptversammlung) beschließt die X-AG eine Ausschüttung i.H.v. 100 Euro Dividende pro Aktie. Z übt die Transparenzoption nach § 30 Abs. 1 Satz 1 InvStG aus und D übt die Transparenzoption nach § 30 Abs. 4 Satz 1 InvStG aus. A gilt hierdurch als Gläubiger der Kapitalerträge und erzielt Beteiligungseinnahmen i.H.v. 100 Euro. Die Verwahrstelle der X-AG behält 25 Euro Kapitalertragsteuer und 1,37 Euro Solidaritätszuschlag ein und führt diese für Rechnung des A an das FA ab. Z fließt die Nettodividende i.H.v. 73,63 Euro zu. Z beschließt die Ausschüttung der Beträge. D beschließt eine Ausschüttung der Zinsen i.H.v. 120 Euro.

1 BT-Drucks. 19/13436, 178. 2 Ebenso Hahne/Michaelis, RdF 2019, 196 (202); Jetter/Willner in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 35 InvStG Rz. 13. 3 BT-Drucks. 19/13436, 179; Ebner, RdF 2019, 314 (320). 4 Jetter/Willner in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 35 InvStG Rz. 13. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.20. 6 Nach dem BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.21. Gottschling | 657

§ 35 Rz. 24 | Ausgeschüttete Erträge und Ausschüttungsreihenfolge Dem Dach-Spezial-Investmentfonds D sind die folgenden Beträge zuzurechnen: 73,63 Euro Zurechnungsbeträge Dem Anleger A sind die folgenden Beträge zuzurechnen: 100 Euro Dividenden (im Zeitpunkt des Zuflusses der Dividende beim Zielfonds aufgrund der Steuerbescheinigung, § 30 Abs. 1 und 4 InvStG), 73,63 Euro Zurechnungsbeträge (Ausschüttungsreihenfolge gem. § 35 Abs. 2 InvStG), 46,37 Euro ausgeschüttete Erträge (Zinsen) und 73,63 Euro ausschüttungsgleiche Erträge (Zinsen). Buchung beim Anleger A bei Zufluss der Dividende (Zufluss beim Z-Fonds: 1.3.01): aAP (Zurechnungsbeträge)

73,63 € an Ertrag

Steueraufwand

26,37 €

100 €

Buchung beim Anleger A bei der Ausschüttung des D-Fonds (vereinfacht ohne Steuerabzug): Bank aAP (agE der Vorjahre)

120 € an aAP (Zurechnungsbeträge) 73,63 € an Ertrag

73,63 € 120 €

F. Absetzungsbeträge (Abs. 4) I. Definition (Abs. 4 Satz 1) 25 § 35 Abs. 4 InvStG definiert die Absetzungsbeträge und legt deren Verwendung fest. Nach § 35

Abs. 4 Satz 1 InvStG sind Absetzungsbeträge die ausgeschütteten Einnahmen aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten, soweit auf diese Einnahmen AfA oder Substanzverringerung entfallen. Absetzungsbeträge für Abnutzung (AfA) bzw. Substanzverringerung (AfS) für Immobilien mindern die stpfl. Einkünfte auf Ebene des Immobilien-Spezial-Investmentfonds. Diese können daher steuerneutral an die Anleger ausgeschüttet werden. Die Behandlung entspricht im Ergebnis dann dem der Direktanlage.1

26 § 35 Abs. 4 Satz 1 InvStG ist eine reine Definitionsnorm, sodass sich die Rechtsfolge erst im

Zusammenspiel mit § 35 Abs. 2 InvStG ergibt. Während der Besitzzeit des Anlegers zugeflossene Absetzungsbeträge erhöhen darüber hinaus den Gewinn aus der Veräußerung der Spezial-Investmentanteile (s. § 49 Abs. 3 Satz 4 InvStG, § 49 InvStG Rz. 38 ff.). Das BMFSchreiben zum § 35 Abs. 4 InvStG wurde erst am 6.9.2022 veröffentlicht, das bereits vorher veröffentliche Schreiben sparte diesen Absatz aus, sodass dies noch nicht als final angesehen werden konnte. Danach sind die Absetzungsbeträge objektbezogen zu ermitteln,2 wobei es aus Vereinfachungsgründen nicht zu beanstanden sei, wenn bei der Ermittlung der Absetzungsbeträge anstelle einer objektbezogenen Betrachtung eine Betrachtung je Ertragskategorie erfolgt.3 Zudem sollen keine Absetzungsbeträge vorliegen, wenn der Spezial-Investmentfonds insgesamt keine positiven Erträge aus Vermietung und Verpachtung erzielt.4 Werden die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung nur teilweise ausgeschüttet, ermitteln sich die Absetzungsbeträge im Fall der objektbezogenen Betrachtung nach der folgenden Formel:

1 2 3 4

S. auch BT-Drucks. 18/8045, 103. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.25. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.26. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.

658 | Gottschling

F. Absetzungsbeträge (Abs. 4) | Rz. 27 § 35

Ausgeschüttete Absetzungsbeträge sind steuerneutral mit den AK des Spezial-Investment- 27 fondsanteils zu verrechnen.1 Nach Auffassung der FinVerw.2 haben bilanzierende Anleger einen passiven Ausgleichsposten i.H.d. Absetzungsbeträge in der Steuerbilanz zu bilden. Dieser Ausgleichsposten ist Bestandteil des Wirtschaftsguts Spezial-Investmentfondsanteil und ist im Fall einer Teilwert-Abschreibung buchwertmindernd zu berücksichtigen. Alternativ zur Bildung eines passiven Ausgleichspostens sind die AK oder die fortgeführten AK des Anlegers für den Spezial-Investmentanteil zu mindern. Bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ist eine nochmalige Erfassung dieser Beträge auf geeignete Weise zu vermeiden. Der passive Ausgleichsposten ist bei Veräußerung des Spezial-Investmentanteils entsprechend aufzulösen.3 Beispiel 1:4 Beispiel zur objektbezogenen Betrachtung (vereinfacht ohne Steuerabzug): Der Spezial-Investmentfonds S, an dem ausschließlich der Anleger A beteiligt ist, erzielt im Jahr 01 Einnahmen aus der Vermietung eines inländischen Grundstücks in Höhe von 100 €. Im Zusammenhang mit diesen Einnahmen sind AfA in Höhe von 20 € sowie sonstige Direktkosten i. S. d. § 39 Absatz 1 Satz 1 InvStG und anteilige Allgemeinkosten in Höhe von 25 € angefallen. Daraus ergibt sich eine Liquidität aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 75 €. S beschließt die Ausschüttung der Liquidität aus Vermietung und Verpachtung in voller Höhe. Dem Anleger A sind folgende Erträge und Beträge zuzurechnen: – 20 € Absetzungsbeträge und – 55 € ausgeschüttete Erträge. Buchung der Ausschüttung beim Anleger A (vereinfacht ohne Steuerabzug): Aktiva

Wert an

Passiva

Wert

Bank

75 € an

Ertrag

55 €

passiver Ausgleichsposten (pAP) (AfA)

20 €

Abwandlung 1: Anders als im Ausgangsbeispiel beschließt S, die Liquidität aus Vermietung und Verpachtung nur in Höhe eines Teilbetrags von 37,50 € auszuschütten. Absetzungsbeträge = 20 x 37,50 / 75 = 10 € Dem Anleger A sind folgende Erträge und Beträge zuzurechnen: – 10 € Absetzungsbeträge, – 27,50 € ausgeschüttete Erträge und – 27,50 € ausschüttungsgleiche Erträge. Buchung der Ausschüttung beim Anleger A (vereinfacht ohne Steuerabzug): Aktiva

Wert

an

Passiva

Wert

Bank

37,50 €

an

Ertrag

55 €

aktiver Ausgleichsposten (aAP) (ausschüttungsgleiche Erträge)

27,50 €

pAP (AfA)

10 €

Abwandlung 2: Anders als im Ausgangsbeispiel fallen sonstige Direktkosten i.S.d. § 39 Abs. 1 Satz 1 InvStG und anteilige Allgemeinkosten i.H.v. 100 € an. Des Weiteren erzielt S Grundstücksveräußerungsgewinne i.H.v. 50 €. S beschließt, 40 € auszuschütten. 1 Jetter/Willner in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 35 InvStG Rz. 14. 2 Entwurf des BMF zur Ergänzung des BMF-Schreibens v. 21.5.2019 (IV C 1 - S 1980 - 1/19/10008 :005, BStBl. I 2019, 527), Rz. 35.29. 3 S. auch § 49 Abs. 3 Satz 4 InvStG; Höring in BeckOK, § 35 InvStG Rz. 52; Mann in W/B/A3, § 35 InvStG Rz. 3. 4 Nach dem BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.30 ff. Gottschling | 659

§ 35 Rz. 27 | Ausgeschüttete Erträge und Ausschüttungsreihenfolge Berechnung der liquiden Mittel des Spezial-Investmentfonds S: Art

Zwischensumme

Einnahmen aus VuV

Betrag

100 €

sonstige Direktkosten i.S.d. § 39 Abs. 1 Satz 1 InvStG und anteilige Allgemeinkosten Liquidität aus VuV

./. 100 € 0€

0€

Grundstücksveräußerungsgewinne

50 €

für Ausschüttung verfügbar

50 €

davon werden zur Ausschüttung verwendet

40 €

Absetzungsbeträge = 20 x 0 / 0 = 0 € Dem Anleger A sind 40 € ausgeschüttete Erträge (Veräußerungsgewinne) zuzurechnen. Absetzungsbeträge können nicht ausgeschüttet werden. Beispiel 2: Beispiel zu Absetzungsbeträgen bei Dach-Ziel-Spezial-Investmentfonds-Konstruktionen: An dem zum 1.1.01 neu aufgelegten Spezial-Investmentfonds Z ist ausschließlich der Dach-Spezial-Investmentfonds D beteiligt. An dem Dach-Spezial-Investmentfonds D ist ausschließlich der Anleger A beteiligt. Z investiert das Kapital in eine inländische Immobilie. Daraus erzielt Z Einnahmen aus der Vermietung i.H.v. 100 €. Es werden AfA-Beträge i.H.v. 15 € geltend gemacht. Darüber hinaus fallen sonstige Direktkosten i.S.d. § 39 Abs. 1 Satz 1 InvStG und anteilige Allgemeinkosten von 25 € an. Z übt das Wahlrecht nach § 33 Abs. 1 InvStG und D die Immobilien-Transparenzoption nach § 33 Abs. 2 Satz 3 InvStG aus. Die Erträge gelten bei A gem. § 33 Abs. 2 Satz 4 Nr. 3 InvStG als unmittelbar bezogene SpezialInvestmenterträge. Z beschließt die Ausschüttung der investmentrechtlichen Erträge in voller Höhe. D schüttet die erhaltene Ausschüttung nicht weiter an den Anleger A aus. Berechnung der Liquidität und der steuerrechtlichen Erträge des Spezial-Investmentfonds Z: Art inländische Einnahmen aus VuV

./. sonstige Direktkosten i.S.d. § 39 Abs. 1 Satz 1 InvStG und anteilige Allgemeinkosten = Liquidität ./. Kapitalertragsteuer, § 50 InvStG für A ./. Solidaritätszuschlag für A

Betrag 100 € ./. 25 € 75 € ./. 9 € ./. 0,50 €

= tatsächliche Auszahlung an D

65,50 €

inländische Einnahmen aus VuV

100 €

./. sonstige Direktkosten i.S.d. § 39 Abs. 1 Satz 1 InvStG und anteilige Allgemeinkosten

./. 25 €

./. AfA

./. 15 €

= Spezialinvestmenterträge des A ./. Kapitalertragsteuer, § 50 InvStG für A ./. Solidaritätszuschlag für A = Immobilien-Zurechnungsbeträge des D

Dem Dach-Spezial-Investmentfonds D sind die folgenden Beträge zuzurechnen: – 50,50 € Immobilien-Zurechnungsbeträge und – 15 € Absetzungsbeträge.

660 | Gottschling

60 € ./. 9 € ./. 0,50 € 50,50 €

F. Absetzungsbeträge (Abs. 4) | Rz. 28 § 35 Dem Anleger A sind die folgenden Erträge zuzurechnen: – 60 € Spezial-Investmenterträge aus Z. Die Absetzungsbeträge i.H.v. 15 € sind dem Anleger A nicht zuzurechnen, weil der Dach-Spezial-Investmentfonds D die Liquidität aus der Ausschüttung des Ziel-Spezial-Investmentfonds Z nicht weiter ausgeschüttet hat. Buchung der Spezial-Investmenterträge aus Z beim Anleger A bei Zufluss (Zufluss bei D): Aktiva

Wert

an

Passiva

Wert

aAP (Immobilien-Zurechnungsbeträge)

50,50 €

an

Ertrag

60 €

Steueraufwand

9,50 €

Fortsetzung des Beispiels 2: Im Folgejahr erzielt D keine Erträge. D schüttet die vorhandene Liquidität i.H.v. 65,50 € aus. Dem Anleger A sind die folgenden Beträge zuzurechnen: 50,50 € Immobilien-Zurechnungsbeträge und 15 € Substanzbeträge. Wird der aufgrund von AfA oder AfS entstandene Liquiditätsüberhang in späteren Jahren ausgeschüttet, handelt es sich insoweit nicht mehr um Absetzungsbeträge, sondern – sofern keine anderen ausschüttungsfähigen Erträge vorhanden sind – um Substanzbeträge. Die Ausschüttungsreihenfolge ist zu beachten. Buchung der Ausschüttung des Dach-Spezial-Investmentfonds D beim Anleger A: Aktiva

Wert

an

Passiva

Wert

Bank

65,50 €

an

aAP (Immobilien-Zurechnungsbeträge)

50,50 €

Spezial-Investmentanteile

15 €

Die Buchung der in der Ausschüttung von D enthaltenen Immobilien-Zurechnungsbeträge erfolgt steuerneutral gegen Ausbuchung des aktiven Ausgleichpostens für Immobilien-Zurechnungsbeträge.

Für Geschäftsjahre, die vor dem 1.1.2024 enden, beanstandet die FinVerw. nicht, wenn zur Ermittlung der Absetzungsbeträge eine von dem BMF-Schreiben abweichende, aber in sich folgerichtig umgesetzte und nicht willkürliche Methode angewendet wird.1 Ermittelt der Spezial-Investmentfonds die Absetzungsbeträge nach der ertragskategoriebezogenen Gesamtbetrachtung und werden die maßgeblichen Einnahmen nur teilweise ausgeschüttet, sind die Absetzungsbeträge für jede Ertragskategorie separat wie folgt zu ermitteln:2

II. Zeitraum (Abs. 4 Satz 2) Nach dem durch das „JStG 2019“3 neu eingeführten Satz 2 können seit 1.1.2020 (§ 57 Satz 1 28 Nr. 9 InvStG) Absetzungsbeträge nur im Geschäftsjahr ihrer Entstehung oder innerhalb von vier Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres ihrer Entstehung und nur zusammen mit den Einnahmen aus der Vermietung und Verpachtung ausgeschüttet werden. Ein Vortrag und eine spätere Ausschüttung sind demgegenüber nicht zulässig. Im Ergebnis muss die Ausschüttung 1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.37. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.37a. 3 G v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451. Gottschling | 661

§ 35 Rz. 28 | Ausgeschüttete Erträge und Ausschüttungsreihenfolge innerhalb des in § 51 Abs. 2 InvStG genannten Zeitraums erfolgen, also spätestens bis zum Ablauf von vier Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres, in dem die Einnahmen aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten entstanden sind. Andernfalls handelt es sich unter Beachtung der gesetzlichen Ausschüttungsreihenfolge gem. § 35 Abs. 2 InvStG um Substanzbeträge, sofern keine anderen ausschüttungsfähigen Erträge vorhanden sind. Eine unmittelbare steuerfreie Vereinnahmung durch den Anleger ist dann nicht mehr möglich.1 Die Neuregelung wird aufgrund ihrer überschießenden Tendenz in der Literatur zu Recht kritisiert.2 Denn der Gesetzgeber geht in nicht korrekter Weise davon aus, dass sämtliche auf AfA und AfS entfallenden Einnahmen als Liquiditätsüberhang anzusehen sind,3 was z.B. bei nicht benötigten Rücklagen nach Ablauf der Planperiode jedoch nicht gerechtfertigt ist, weil diese nicht mehr vorrangig steuerneutral ausgeschüttet werden können.4 29 Eine Verwendungsreihenfolge legt § 35 Abs. 2 Satz 1 InvStG nicht fest, sodass der Spezia-

Investmentfonds bzw. der Anleger grds. darin frei ist, welche Erträge und wann er Zurechnungsbeträge, Immobilien-Zurechnungsbeträge und Absetzungsbeträge ausschüttet.5 Beispiel:6 Der Spezial-Investmentfonds S, an dem ausschließlich Anleger A beteiligt ist, erzielt im Jahr 01 Einnahmen aus der Vermietung eines inländischen Grundstücks i.H.v. 100 Euro. Im Zusammenhang mit diesen Einnahmen sind AfA i.H.v. 20 Euro und weitere WK i.H.v. 25 Euro angefallen. Daraus ergibt sich ein investmentrechtlich ausschüttungsfähiger Ertrag i.H.v. 75 Euro. S beschließt die Ausschüttung dieses Ertrags in voller Höhe. Dem Anleger A sind folgende Erträge und Beträge zuzurechnen: 20 Euro Absetzungsbeträge und 55 Euro ausgeschüttete Erträge. Buchung beim Anleger A bei Ausschüttung (vereinfacht ohne Steuerabzug): Bank

75 € an Ertrag an passiver Ausgleichsposten (pAP) (AfA)

55 € 20 €

Abwandlung 1: Anders als im Ausgangsbeispiel beschließt S, die investmentrechtlichen Erträge nur in Höhe eines Teilbetrags von 37,50 Euro auszuschütten. Dem Anleger A sind folgende Erträge und Beträge zuzurechnen: 10 Euro Absetzungsbeträge, 27,50 Euro ausgeschüttete Erträge und 27,50 Euro ausschüttungsgleiche Erträge. Buchung beim Anleger A bei Ausschüttung (vereinfacht ohne Steuerabzug): Bank

37,50 € an Ertrag

55 €

aAP (agE der Vorjahre)

27,50 € an pAP (AfA)

10 €

Werden mangels positiver Erträge aus Vermietung und Verpachtung nach Abzug von AfA und AfS nur liquide Mittel aus der AfA oder AfS ausgeschüttet, können keine Absetzungsbeträge vorliegen.

1 Jetter/Willner in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 35 InvStG Rz. 15. 2 Jetter/Willner in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 35 InvStG Rz. 15; Kloster in Moritz/Jesch/Mann2, § 35 InvStG Rz. 62. 3 BT-Drucks. 19/13436, 179. 4 Siehe Jetter/Willner in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 35 InvStG Rz. 15. 5 Siehe Jetter/Willner in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 35 InvStG Rz. 15, Kloster in Moritz/Jesch/Mann2, § 35 InvStG Rz. 62, a.A. wohl BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.5. 6 Nach dem Entwurf des BMF zur Ergänzung des BMF-Schreibens v. 21.5.2019 (IV C 1 - S 1980-1/19/ 10008 :005, BStBl. I 2019, 527), Rz. 35.31–35.34 (vereinfacht, ohne Berücksichtigung des Steuerabzugs).

662 | Gottschling

F. Absetzungsbeträge (Abs. 4) | Rz. 29 § 35 Abwandlung 2: Anders als im Ausgangsbeispiel fallen WK i.H.v. 80 Euro an. Des Weiteren erzielt S Veräußerungsgewinne i.H.v. 50 Euro. S beschließt, die investmentrechtlichen Immobilienerträge i.H.v. 20 Euro (100 Euro ./. 80 Euro) sowie 40 Euro Veräußerungsgewinne auszuschütten. Berechnung der liquiden Mittel des S-Fonds: Inländische Immobilieneinnahmen

100 Euro

AfA

0 Euro

WK

./. 80 Euro

Veräußerungsgewinne

+ 50 Euro

Für Ausschüttung verfügbar

70 Euro

Davon werden zur Ausschüttung verwendet

60 Euro

Berechnung der steuerrechtlichen Immobilienerträge: Inländische Immobilieneinnahmen

100 Euro

AfA

./. 20 Euro

WK

./. 80 Euro

Inländische Immobilienerträge

0 Euro

Dem Anleger A sind folgende Erträge und Beträge entsprechend der Ausschüttungsreihenfolge gem. § 35 Abs. 2 InvStG zuzurechnen: 50 Euro ausgeschüttete Erträge (Veräußerungsgewinne) und 10 Euro Substanzbeträge. Buchung beim Anleger A bei Ausschüttung (vereinfacht ohne Steuerabzug): Bank

60 € an Ertrag

50 €

an Spezial-Investmenterträge

10 €

Beispiel zur Berücksichtigung von Absetzungsbeträgen bei Dach-Zielfondsstrukturen: An dem zum 1.1.01 neu aufgelegten Spezial-Investmentfonds Z ist ausschließlich der Dach-Spezial-Investmentfonds D beteiligt. An dem Dach-Spezial-Investmentfonds D ist ausschließlich der Anleger A beteiligt. Z investiert das Kapital in eine inländische Immobilie. Daraus erzielt Z Einnahmen aus der Vermietung i.H.v. 100 Euro. Es werden AfA-Beträge i.H.v. 20 Euro geltend gemacht. Darüber hinaus fallen weitere WK i.H.v. 25 Euro an. Z übt das Wahlrecht nach § 33 Abs. 1 InvStG und D die ImmobilienTransparenzoption nach § 33 Abs. 2 Satz 3 InvStG aus. Die Erträge gelten beim A gem. § 33 Abs. 2 Satz 4 Nr. 3 InvStG als unmittelbar bezogene Spezial-Investmenterträge. Z beschließt die Ausschüttung der investmentrechtlichen Erträge in voller Höhe: Investmentrecht Inländische Immobilienerträge

Steuerrecht 100 €

100 €

AfA

./. 0 €

./. 20 €

WK

./. 25 €

./. 25 €

Kapitalertragsteuer, § 50 InvStG

./. 8,25 €

Solidaritätszuschlag

./. 0,45 €

Für Ausschüttung verfügbar Steuerrechtliche Erträge

66,30 € 55 €

Gottschling | 663

§ 35 Rz. 29 | Ausgeschüttete Erträge und Ausschüttungsreihenfolge D beschließt die Thesaurierung der Erträge. Dem Dach-Spezial-Investmentfonds D sind die folgenden Beträge zuzurechnen: 46,30 Euro Immobilien-Zurechnungsbeträge 20 Euro Absetzungsbeträge Dem Anleger A sind die folgenden Beträge zuzurechnen: 55 Euro Spezial-Investmenterträge Die Absetzungsbeträge i.H.v. 20 Euro sind dem Anleger A nicht zuzurechnen, weil D Einnahmen aus inländischen Immobilien nicht weiter ausgeschüttet hat. Buchung beim Anleger A bei Thesaurierung beim D-Fonds: aAP (Immobilien-Zurechnungsbeträge Steueraufwand

46,30 € an Ertrag

55 €

8,70 €

Fortsetzung des Beispiels: Im Folgejahr erzielt D keine Erträge. D schüttet die vorhandene Liquidität i.H.v. 66,30 Euro aus. Dem Anleger A sind die folgenden Beträge zuzurechnen: 46,30 Euro Immobilien-Zurechnungsbeträge 20 Euro Substanzbeträge Buchung beim Anleger A bei Ausschüttung des D-Fonds: Bank

66,30 € an aAP (Immobilien-Zurechnungsbeträge) an Spezial-Investmentanteile

46,30 € 20 €

Die Verbuchung der Immobilien-Zurechnungsbeträge erfolgt steuerneutral gegen Ausbuchung des aktiven Ausgleichpostens für Immobilien-Zurechnungsbeträge. Wird der aufgrund von AfA oder AfS entstandene Liquiditätsüberhang in späteren Jahren ausgeschüttet, handelt es sich insoweit nicht mehr um Absetzungsbeträge, sondern – sofern keine anderen ausschüttungsfähigen Erträge vorhanden sind – um Substanzbeträge. Die Ausschüttungsreihenfolge ist zu beachten.

G. Substanzbeträge (Abs. 5) I. Restgröße 30 § 35 Abs. 5 InvStG regelt letztlich die Substanzbeträge als Restgröße einer Ausschüttung nach

Abzug – der ausgeschütteten Erträge des laufenden bzw. gerade beendeten Geschäftsjahres, – der ausgeschütteten ausschüttungsgleichen Erträge der Vorjahre, – der steuerfrei thesaurierbaren Kapitalerträge nach § 36 Abs. 2 InvStG, – der Zurechnungsbeträge nach § 35 Abs. 3 InvStG, – der Immobilien-Zurechnungsbeträge nach § 35 Abs. 3a InvStG und – und der Absetzungsbeträge nach § 35 Abs. 4 InvStG.1 Zu den ausgeschütteten Erträgen zählen auch die ausgeschütteten, in Vorjahren steuerfrei thesaurierten Erträge i.S.d. § 36 Abs. 2 InvStG.2 Hierdurch ergibt sich allerdings ein Zirkelschluss, weil die Definition der Substanzbeträge auf die in § 35 Abs. 2 InvStG festgelegte Verwen1 BT-Drucks. 18/8045, 104. 2 S. auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.38.

664 | Gottschling

G. Substanzbeträge (Abs. 5) | Rz. 34 § 35

dungsreihenfolge rekurriert, die wiederum eine Verwendungsfiktion für die Substanzbeträge festschreibt. Eine gleichförmige Auslegung ist daher geboten.1 Hierbei stellt sich allerdings das Problem, dass § 35 Abs. 2 und 5 InvStG nicht identisch for- 31 muliert sind. Während § 35 Abs. 2 InvStG zunächst die Ausschüttung „sämtlicher Erträge des laufenden und aller vorherigen Geschäftsjahre“ verlangt, definiert § 35 Abs. 5 InvStG Substanzbeträge als verbleibende Beträge einer Ausschüttung nach Abzug der „ausgeschütteten Erträge, der ausgeschütteten ausschüttungsgleichen Erträgen der Vorjahre“ sowie weiterer Erträge. § 35 Abs. 5 InvStG ist somit enger gefasst. Auch Erträge i.S.d. § 35 Abs. 2 InvStG können daher nur ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträge sein.2 Nach § 36 Abs. 2 InvStG thesaurierte und auch steuerfrei thesaurierbare Kapitalerträge sind daher nicht vom Begriff der Erträge i.S.v. § 35 Abs. 2 und 5 InvStG erfasst, soweit sie noch nicht ausgeschüttet wurden bzw. die 15-Jahres-Frist des § 36 Abs. 5 InvStG noch nicht abgelaufen ist. Diese Erträge werden also nicht zwangsweise ausgeschüttet3 und sie sind nicht Gegenstand der Verwendungsreihenfolge. In der Konsequenz können daher Substanzbeträge vorliegen, die zur Ausschüttung verwendet werden können, selbst wenn thesaurierte, steuerfrei thesaurierbare Kapitalerträge vorliegen.4 Zurechnungsbeträge und Absetzungsbeträge unterliegen demgegenüber keiner dementsprechenden Problematik. Änderungen ergeben sich in Bezug auf die Fondseingangsseite, soweit eine Ausschüttung aus 32 Anteilen an einer KapGes. erfolgt, die der Spezial-Investmentfonds hält und die als Einlagenrückgewähr i.S.d. § 27 KStG qualifiziert. In der Vergangenheit erfolgte nach Auffassung der FinVerw. ein „Direktzugriff“, d.h., eine steuerfreie Weiterausschüttung war möglich.5 Nach dem neuen InvStG können die Beträge, die aus einer Einlagenrückgewähr bezogen werden, nur steuerfrei weiterausgeschüttet werden, wenn keine weiteren Zurechnungsbeträge, Absetzungsbeträge oder Erträge vorhanden sind.6 Den Begriff des Einlagekontos kennt das InvStG nicht.

II. Rechtsfolge § 35 Abs. 5 InvStG ist die Legaldefinition der Substanzbeträge, sodass dies, die Vorlage von 33 Substanzbeträgen, die primäre Rechtsfolge ist. Die weiteren Rechtsfolgen ergeben sich erst i.V.m. der Verwendungsreihenfolge des § 36 Abs. 3 InvStG, wobei nie mehr Subtanzbeträge vorliegen können, als für die Ausschüttung als verwendet gelten.7 Auf Anlegerebene mindern die ausgekehrten Substanzbeträge die (fortgeführten) AK der 34 Spezial-Investmentanteile.8 Bilanzierende Anleger können stattdessen auch einen passiven Ausgleichsposten bilden.9 In beiden Fällen erhöhen damit die Substanzbeträge, die dem Anleger während dessen Besitzzeit zugeflossen sind, den Gewinn aus der Veräußerung von Spezi-

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Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 35 InvStG Anm. 25. Ebenso Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 35 InvStG Anm. 25. Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 35 InvStG Anm. 25. Stadler/Bindl, DStR 2016, 1953 (1963); Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 36 InvStG Rz. 25. Vgl. BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 - 1/08/10019 – DOK 2009/0539738, BStBl. I 2009, 931 Rz. 93; s. auch Kloster in Moritz/Jesch/Mann2, § 35 InvStG Rz. 67. BT-Drucks. 18/8045, 104; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 34 InvStG Rz. 24; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.40. Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 35 InvStG Anm. 25. Mann in W/B/A3, § 35 InvStG Rz. 3; Stadler/Bindl, DStR 2016, 1953 (1963). Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 35 InvStG Anm. 25; Kloster in Moritz/Jesch/Mann2, § 35 InvStG Rz. 69; Jetter/Willner in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 35 InvStG Rz. 16. Gottschling | 665

§ 35 Rz. 34 | Ausgeschüttete Erträge und Ausschüttungsreihenfolge al-Investmentanteilen (§ 49 Abs. 3 Satz 4 InvStG).1 Die Ermittlung der Substanzbeträge hat grds. für jeden Anleger gesondert zu erfolgen.2 Beispiel:3 An dem zum 1.1.01 neu aufgelegten Spezial-Investmentfonds S ist zunächst nur der Anleger A mit einem Spezial-Investmentanteil (Ausgabepreis: 1.000 Euro) beteiligt. S investiert das Kapital in – eine mit 6 % festverzinsliche Anleihe zu einem Nennwert von 100 Euro (Zinszahlungstermin 30.12.), – eine Aktie der X-AG zu einem Preis von 100 Euro und – eine Aktie der Y-AG zu einem Preis von 100 Euro. Das übrige Kapital i.H.v. 700 Euro dient als Liquiditätsreserve und verändert seinen Wert nicht. Der Spezial-Investmentfonds übt die Transparenzoption gem. § 30 Abs. 1 Satz 1 InvStG aus. Jahr 01:

S erzielt 6 Euro Zinsen, die nicht ausgeschüttet werden und vom Anleger A als ausschüttungsgleiche Erträge versteuert werden.

1.4.02:

S vereinnahmt 4 Euro Dividenden

30.6.02:

S veräußert die Anleihe zum Nennwert von 100 Euro und erzielt einen Stückzins i.H.v. 3 Euro.

S veräußert die X-Aktie zu einem Preis von 102 Euro (= 2 Euro Aktienveräußerungsgewinn). Der Wert der Y-Aktie beträgt 106 Euro. Der Rücknahmepreis des Spezial-Investmentanteils beträgt danach 1.021 Euro (1.000 Euro Ausgabepreis Anteil A + 6 Euro Zinsen des Jahres 01 + 4 Euro Dividenden + 3 Euro Stückzinsen + 2 Euro Aktienveräußerungsgewinn aus X-Aktie + 6 Euro unrealisierte Wertsteigerungen aus Y-Aktie). 1.7.02:

Zu diesem Preis (1.021 Euro) wird ein Spezial-Investmentanteil an den Anleger B ausgegeben. Das von B gegebene Kapital fließt in voller Höhe in die Liquiditätsreserve ein und führt nicht zu Erträgen.

Aufsichtsrechtlich führt S einen Ertragsausgleich bei den ordentlichen Erträgen (insbes. Dividenden und Zinsen) einschließlich der periodengerecht abgegrenzten Zinsen und bei den realisierten außerordentlichen Erträgen (insbes. Aktienveräußerungsgewinne) durch. Im Hinblick auf unrealisierte Kursgewinne und -verluste wird kein aufsichtsrechtlicher Ertragsausgleich vorgenommen. Daher stellt S von dem vereinnahmten Anschaffungspreis 9 Euro in den Ertragsausgleichstopf für Zinsen, 4 Euro in den Ertragsausgleichstopf für Dividenden und 2 Euro in den Ertragsausgleichstopf für realisierte Aktienveräußerungsgewinne ein.

15.8.02:

S veräußert die Y-Aktie zu einem Preis von 109 Euro (= 9 Euro Aktienveräußerungsgewinn).

Am Anfang des Jahres 03 beschließt S, pro Anteil 13 Euro (insgesamt 26 Euro) auszuschütten. Die Ausschüttung erfolgt am 10.1.03 und setzt sich aufsichtsrechtlich wie folgt zusammen: – 6 Euro Zinsen des Jahres 01 – 20 Euro aus den laufenden Erträgen des Jahres 02 (3 Euro Stückzinsen + 9 Euro Ertragsausgleich für Zinsen, und 4 Euro vereinnahmte Dividenden + 4 Euro Ertragsausgleich für Dividenden). Nach § 35 InvStG sind dem Anleger A folgende Erträge und Beträge zuzurechnen: – 4 Euro Zurechnungsbeträge (Dividenden), – 6 Euro ausgeschüttete ausschüttungsgleiche Erträge der Vorjahre (Zinsen 01), – 3 Euro Zinsen (Stückzinsen 02), – 0 Euro Veräußerungsgewinne aus Aktien und – 0 Euro Substanzbeträge. 1 S. hierzu Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 49 InvStG Rz. 15. 2 Vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.39. 3 Nach dem BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.41 (vereinfacht, ohne Berücksichtigung des Steuerabzugs).

666 | Gottschling

H. Fiktive Substanzauskehrung (Abs. 6) | Rz. 37 § 35 Dem Anleger B sind nach § 35 InvStG folgende Erträge und Beträge zuzurechnen: – 0 Euro Zurechnungsbeträge (Dividenden), – 0 Euro ausgeschüttete ausschüttungsgleiche Erträge der Vorjahre (Zinsen 01), – 0 Euro Zinsen (Stückzinsen 02), – 4,50 Euro Veräußerungsgewinne aus Aktien (9 Euro realisierte Gewinne aus der Veräußerung der YAktie werden dem B zu 50 % zugerechnet) und – 8,50 Euro Substanzbeträge.

H. Fiktive Substanzauskehrung (Abs. 6) I. Substanzauskehrung § 35 Abs. 6 InvStG enthält Regelungen für tatsächlich an den Anleger ausgeschüttete und aus- 35 schüttungsgleiche Erträge, wenn diese auf Zeiträume entfallen, in denen der Anleger noch nicht an dem Spezial-Investmentfonds beteiligt war. Diese werden als ausgeschüttete Substanzbeträge fingiert.1 Die Vorschrift stellt damit eine Ausnahmeregelung zu der in § 35 Abs. 2 InvStG festgelegten Ausschüttungsreihenfolge dar. Die Beträge sind für jeden Anleger individuell besitzzeitanteilig2 und taggenau3 zu ermitteln. Betroffen von der Regelung sollten vor allem ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträge der Vorjahre sein. Darüber hinaus kommen aber auch ausgeschüttete Erträge des laufenden bzw. des abgelaufenen Geschäftsjahres in Betracht, abhängig von den jeweiligen Zeitpunkten des Beitritts des Anlegers und der Ausschüttung.4 Nach Auffassung der FinVerw. sollen zudem die steuerfrei thesaurierbaren Kapitalerträge i.S.d. § 36 Abs. 2 InvStG erfasst sein.5 Korrespondierend zur taggenauen Ermittlung der Beträge sind auch die Werbungskosten 36 entsprechend festzustellen.6 Bei der Zurechnung der Allgemeinkosten i.S.d. § 40 InvStG ist auf die Verhältnisse des Vorjahres, bezogen auf die Werte auf Spezial-Investmentfondsebene, abzustellen. Eine anlegerbezogene Quotenermittlung kann, muss aber nicht vorgenommen werden. Abgegrenzte WK, die sich auf den Rücknahmepreis des Spezial-Investmentanteils ausgewirkt haben, sind in die besitzzeitanteilige Aufteilung der WK einzubeziehen, sofern die WK nicht ausschließlich nach dem Abflussprinzip angesetzt werden.7 Ausnahmen von der taggenauen Zurechnung werden für Immobilienfonds in Bezug auf Miet- 37 erträge zugelassen, wenn zumindest an den für die Anlegerbesteuerung relevanten Tagen eine Berechnung vorgenommen wird. „Relevante Tage“ in diesem Sinne sind zumindest die Bilanzstichtage der Anleger sowie der Zeitpunkt der Ausgabe und Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen.8 Eine tranchenbezogene Ermittlung ist hingegen nicht erforderlich. Als Erträge i.S.d. § 35 Abs. 6 InvStG qualifizieren nach Verwaltungsauffassung insbes. angewachsene Zinsen und Mieterträge.

1 S. auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.42. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.42 i.V.m. Rz. 35.39; Kloster in Moritz/ Jesch/Mann2, § 35 InvStG Rz. 70. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.44. 4 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 35 InvStG Anm. 30. 5 Vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.44. 6 Siehe auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.43; Kloster in Moritz/Jesch/ Mann2, § 35 InvStG Rz. 78. 7 Vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.53. 8 Vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.45. Gottschling | 667

§ 35 Rz. 37 | Ausgeschüttete Erträge und Ausschüttungsreihenfolge Das BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung) enthält unter Rz. 35.46 und 35.48 Beispiele zur Berechnung bei Immobilien-Investments: Beispiel 1:1 Anleger A veräußert am 15.4. einen Spezial-Investmentanteil des ausschließlich in Immobilien investierenden Spezial-Investmentfonds S. Die angewachsenen Mieterträge pro Anteil zum 31.3. betragen 3 Euro, die Aufwendungen 0,30 Euro und die angewachsenen Mieterträge zum 30.4. betragen 4 Euro, die Aufwendungen 0,40 Euro. Die angewachsenen Mieterträge und die Aufwendungen zum 15.4. dürfen vereinfacht wie folgt ermittelt werden: [Wert des Vormonats] + ([aufgelaufene Tage ab der letzten Bewertung bis zur Veräußerung]/[Anzahl der Tage im Bewertungsmonat der Veräußerung]) x [Wertzuwachs im Bewertungsmonat der Veräußerung]) angewachsene Mieterträge:

3 € + (15/30) x (4 € ./. 3 €) = 3,50 € zum 15.4.

Aufwendungen:

0,3 € + (15/30) x (0,4 € ./. 0,3 €) = 0,35 € zum 15.4

Beispiel 2:2 Der Anleger A eines Spezial-Investmentfonds (Geschäftsjahr = Kj.) erwirbt am 1.1.18 10 Anteile (von insgesamt 100 ausgegebenen Anteilen) und am 1.7.18 nochmals 60 Anteile (von insgesamt 200 ausgegebenen Anteilen). Dem A sind bezogen auf 10 Anteile anteilig die Erträge bis zum 30.6.18 und ab dem 1.7.18 bezogen auf 70 Anteile die Erträge bis zum 31.12.18 zuzurechnen. Es ist nicht erforderlich, für die anteilige Zurechnung der Erträge ab dem 1.7.18 zwischen den 10 Anteilen (1. Tranche) und den 60 Anteilen (2. Tranche) zu differenzieren.

38 Demgegenüber ist nach Auffassung der FinVerw.3 ausschließlich auf den Entstehungszeit-

punkt abzustellen, wenn bei Ertragsarten eine Abgrenzung nach dem Entstehungszeitraum nicht möglich ist. Dies ist dann der Fall, wenn erst bei der Realisierung die Höhe des Ertrags rechtssicher ermittelbar ist. So steht erst im Zeitpunkt des Beschlusses der Hauptversammlung fest, in welcher Höhe ein Dividendenanspruch besteht. Eine Zurechnung erfolgt daher bei denjenigen Anlegern, die zu diesem Zeitpunkt am Spezial-Investmentfonds beteiligt sind.4 Es wird jedoch nicht beanstandet, wenn ein Spezial-Investmentfonds für die besitzzeitanteilige Zurechnung von Dividenden einheitlich auf den Tag nach der Hauptversammlung (Ex-Tag) abstellt, wohingegen es auf den Fälligkeitstermin grds. nicht ankommt. Realisierte Veräußerungsgewinne werden den Anlegern nach dem jeweils im Realisationszeitpunkt vorhandenen Beteiligungsverhältnis zugerechnet. Zusammenfassendes Beispiel 3:5 An dem zum 1.1.01 neu aufgelegten Spezial-Investmentfonds S ist zunächst nur der Anleger A mit einem Spezial-Investmentanteil (Ausgabepreis 1.000 Euro) beteiligt. S investiert das Kapital in eine mit 6 % festverzinsliche Anleihe zu einem Nennwert von 100 Euro (Zinszahlungstermin 31.12), eine Aktie der X-AG zu einem Preis von 100 Euro und eine Aktie der Y-AG zu einem Preis von 100 Euro. Das übrige Kapital i.H.v. 700 Euro dient als Liquiditätsreserve und verändert seinen Wert nicht. Der Fonds übt die Transparenzoption gem. § 30 Abs. 1 Satz 1 InvStG aus.

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Nach dem BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.46. Nach dem BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.48. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.49. S. auch Kloster in Moritz/Jesch/Mann2, § 35 InvStG Rz. 80. Nach dem BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.52 (vereinfacht, ohne Berücksichtigung des Steuerabzugs).

668 | Gottschling

H. Fiktive Substanzauskehrung (Abs. 6) | § 35 1.4.01

S vereinnahmt 4 Euro Dividenden.

30.6.01

– der Wert der X-Aktie beträgt 112 Euro, – der Wert der Y-Aktie beträgt 90 Euro, – es sind rechnerisch 3 Euro Zinsen aus der Anleihe angewachsen. – der Rücknahmepreis des Spezial-Investmentanteils beträgt 1.009 Euro (1.000 Euro Ausgabepreis + 4 Euro Dividenden + 3 Euro angewachsene Zinsen + 12 Euro unrealisierte Wertsteigerungen aus der X-Aktie ./. 10 Euro unrealisierte Wertverluste aus der Y-Aktie = 1.009 Euro).

1.7.01

Zu diesem Preis (1.009 Euro) wird ein zweiter Spezial-Investmentanteil an den Anleger B ausgegeben. Das von B gegebene Kapital fließt in voller Höhe in die Liquiditätsreserve ein und führt nicht zu Erträgen.

Aufsichtsrechtlich führt S einen Ertragsausgleich bei den ordentlichen Erträgen (insbes. Dividenden und Zinsen) einschließlich der periodengerecht abgegrenzten Zinsen und bei den realisierten außerordentlichen Erträgen (insbes. Aktienveräußerungsgewinne) durch. Im Hinblick auf unrealisierte Kursgewinne und -verluste wird kein aufsichtsrechtlicher Ertragsausgleich vorgenommen. Daher stellt S von dem vereinnahmten Anschaffungspreis des B 4 Euro in den Ertragsausgleichstopf für Dividenden und 3 Euro in den Ertragsausgleichstopf für Zinsen ein. 1.10.01

S veräußert die X-Aktie zu einem Preis von 110 Euro und die Y-Aktie zu einem Preis von 95 Euro.

31.12.01 Aus der Anleihe fließen dem S 6 Euro Zinsen zu. Der Rücknahmepreis des Spezial-Investmentanteils beträgt 1.012 Euro (1.000 Euro Ausgabepreis Anteil A + 1.009 Euro Ausgabepreis Anteil B + 4 Euro Dividenden + 6 Euro realisierte Zinsen + 10 Euro Veräußerungsgewinn aus X-Aktie ./. 5 Euro Veräußerungsverlust aus Y-Aktie = 2.024 Euro Fondsvermögen für 2 Anteile). Am Anfang des Jahres 02 beschließt S, pro Anteil 11 Euro (insges. 22 Euro) auszuschütten. Die Ausschüttung setzt sich aufsichtsrechtlich wie folgt zusammen: – 9 Euro Zinsen (6 Euro realisierte Zinsen + 3 Euro Ertragsausgleich) – 8 Euro Dividenden (4 Euro vereinnahmte Dividenden + 4 Euro Ertragsausgleich) und – 5 Euro Aktienveräußerungsgewinne. Die aufsichtsrechtliche Zusammensetzung der Ausschüttung hat für die steuerliche Beurteilung keine Auswirkung (vgl. BMF-Anwendungsschreiben [konsolidierte Fassung], Rz. 35.7). Nach § 35 InvStG sind dem Anleger A für 02 folgende Erträge und Beträge zuzurechnen: – 4 Euro Zurechnungsbeträge (Dividenden), – 4,50 Euro Zinsen (angewachsene Zinsen aus dem Zeitraum vom 1.1.01 bis 30.6.01: 3 Euro; angewachsene Zinsen aus dem Zeitraum 1.7.01 bis 31.12.01: 3 Euro, die aber auf 2 Anteile aufgeteilt werden müssen, sodass für diesen Zeitraum 1,50 Euro pro Anteil anzusetzen sind) und – 2,50 Euro Aktienveräußerungsgewinne (10 Euro realisierte Gewinne aus der X-Aktie und 5 Euro realisierter Verlust aus der Y-Aktie werden dem A zu 50 % zugerechnet, weil A bei der Realisation des Gewinns und des Verlustes beteiligt war). Dem Anleger B sind nach § 35 InvStG folgende Erträge und Beträge zuzurechnen: – 0 Euro Zurechnungsbeträge (Dividenden), – 1,50 Euro Zinsen (angewachsene Zinsen in der Zeit vom 1.7.01 bis 31.12.01: 3 Euro auf Fondsebene insgesamt; bei 2 Anteilen sind das 1,50 Euro pro Anteil), – 2,50 Euro Aktienveräußerungsgewinne (10 Euro realisierte Gewinne aus der X-Aktie und 5 Euro realisierte Verluste aus der Y-Aktie werden dem B zu 50 % zugerechnet, weil B bei der Realisation des Gewinns und des Verlustes beteiligt war) und – 7 Euro Substanzbeträge.

Gottschling | 669

§ 35 Rz. 39 | Ausgeschüttete Erträge und Ausschüttungsreihenfolge

II. Rechtsfolge 39 § 35 Abs. 6 InvStG fingiert speziell für diese Erträge („insoweit“) eine Substanzausschüt-

tung.1 Er durchbricht damit die eigentliche Ausschüttungsreihenfolge des Abs. 2. In der Folge dürfte das jeweilige Reporting des Fonds vor erheblichen Herausforderungen stehen.2

40 Da es sich auf Anlegerebene um eine Substanzausschüttung handelt, ist § 35 Abs. 5 InvStG

anwendbar und die AK des Anlegers mindern sich.3 Hintergrund dessen ist, dass mit dem Kaufpreis im Erwerbszeitpunkt noch nicht ausgeschüttete Erträge mit abgegolten werden. Daher werden bei deren Ausschüttung letztlich nur die AK zurückgewährt. Bilanzierende Anleger müssten ansonsten eine ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibung vornehmen. Mit § 35 Abs. 6 InvStG lebt die bisherige Behandlung von beim Erwerb gezahlten Zwischengewinnen bei der – ansonsten abgeschafften – Zwischengewinnbesteuerung des § 1 Abs. 4 InvStG a.F.4 fort.5

41 Hintergrund für die Einführung des § 35 Abs. 6 InvStG war jedoch auch die Verhinderung

von Missbräuchen. Hierdurch sollen Gestaltungen unterbunden werden, in denen der voll stpfl. Anleger seine Anteile an dem Spezial-Investmentfonds vor der Ausschüttung von Erträgen oder vor dem Entstehen von ausschüttungsgleichen Erträgen auf einen steuerbegünstigten Anleger überträgt.6

III. Billigkeitsregelung 42 Wie bereits im Entwurf des BMF-Schreibens angedacht, beanstandet es die FinVerw. nicht,

wenn bei Spezial-Investmentfonds mit nur einem Anleger keine besitzzeitanteilige Zurechnung erfolgt, soweit und solange dies nicht vonseiten des Anlegers im Rahmen eines Steuersparmodells ausgenutzt wird.7 Gleiches gilt im Fall von Spezial-Investmentfonds mit ausschließlich vollumfänglich steuerbefreiten Anlegern i.S.d. § 44a Abs. 7 Satz 1 EStG bzw. § 44 Abs. 4 Satz 1 EStG. Die FinVerw. behält sich hierbei das Recht vor, eine nachträgliche rückwirkende Ermittlung der erforderlichen Werte zu verlangen, sobald nicht mehr nur steuerbefreite Anleger an dem Spezial-Investmentfonds beteiligt sind (etwa durch Beitritt eines stpfl. Anlegers oder Verlust des Status eines bestehenden Anlegers).8

I. Entsprechende Anwendung des § 36 Abs. 4 Satz 1 InvStG (Abs. 7) 43 Der durch das „JStG 2019“9 nachträglich eingeführte § 35 Abs. 7 InvStG schreibt vor, dass

§ 36 Abs. 4 Satz 1 InvStG entsprechend anzuwenden ist. Nach Auffassung der FinVerw. soll damit analog zu § 35 Abs. 6 InvStG sichergestellt werden, dass nur solche Erträge als aus-

1 Krit. Jetter/Willner in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 35 InvStG Rz. 17. 2 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 35 InvStG Anm. 30; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 34 InvStG Rz. 27 f.; Höring in BeckOK, § 34 InvStG Rz. 68; Patzner/Kempf in Patzner/Döser/Kempf, § 34 InvStG Rz. 8. 3 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 35 InvStG Anm. 30. 4 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 - 1/08/10019 – DOK 2009/0539738, BStBl. I 2009, 931 Rz. 21a. 5 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 35 InvStG Anm. 30. 6 BT-Drucks. 18/8045, 104; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 35 InvStG Anm. 30; Jetter/Willner in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 35 InvStG Rz. 17. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.54. 8 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.56. 9 G v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451.

670 | Gottschling

Ausschüttungsgleiche Erträge | § 36

geschüttete Erträge vom Anleger eines Spezial-Investmentfonds vereinnahmt werden, die ihm auch während der tatsächlichen Besitzzeit zugeflossen sind.1 Dies soll sich bereits aus dem Umkehrschluss aus § 35 Abs. 6 InvStG ergeben, sodass § 35 Abs. 7 InvStG rein deklaratorischer Natur ist.2

§ 36 Ausschüttungsgleiche Erträge (1) 1Ausschüttungsgleiche Erträge sind die folgenden nach den §§ 37 bis 41 ermittelten positiven Einkünfte, die von einem Spezial-Investmentfonds nicht zur Ausschüttung verwendet werden: 1. Kapitalerträge nach § 20 des Einkommensteuergesetzes mit Ausnahme der steuerfrei thesaurierbaren Kapitalerträge, 2. Erträge aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten sowie Gewinne aus der Veräußerung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten und 3. sonstige Erträge. 2 Keine ausschüttungsgleichen Erträge sind die inländischen Beteiligungseinnahmen und die sonstigen inländischen Einkünfte mit Steuerabzug, wenn die Transparenzoption nach § 30 wahrgenommen wurde. (2) Steuerfrei thesaurierbare Kapitalerträge sind 1. Erträge aus Stillhalterprämien nach § 20 Absatz 1 Nummer 11 des Einkommensteuergesetzes, 2. Gewinne nach § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 3 und 7 des Einkommensteuergesetzes; ausgenommen sind Erträge aus Swap-Verträgen, soweit sich die Höhe der getauschten Zahlungsströme nach Kapitalerträgen nach § 20 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 7 des Einkommensteuergesetzes bestimmt, und 3. Gewinne aus der Veräußerung von Investmentanteilen und Spezial-Investmentanteilen. (3) Sonstige Erträge sind Einkünfte, die nicht unter die §§ 20, 21 und 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes fallen. (4) 1Die ausschüttungsgleichen Erträge sind nach § 37 mit der Maßgabe zu ermitteln, dass Einnahmen und Werbungskosten insoweit den Anlegern zugerechnet werden, wie diese zum Zeitpunkt des Zuflusses der Einnahmen oder des Abflusses der Werbungskosten Spezial-Investmentanteile an dem Spezial-Investmentfonds halten. 2Die ausschüttungsgleichen Erträge gelten mit Ablauf des Geschäftsjahres als zugeflossen, in dem sie vereinnahmt worden sind. 3Bei einer Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen vor Ablauf des Geschäftsjahres gelten die ausschüttungsgleichen Erträge im Zeitpunkt der Veräußerung als zugeflossen. 4Bei Teilausschüttung der in den Absätzen 1 und 5 genannten Erträge innerhalb von vier Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres sind die ausschüttungsgleichen Erträge dem Anleger abweichend von Satz 2 im Zeitpunkt der Teilausschüttung zuzurechnen. 5Reicht die Ausschüttung nicht aus, um die Kapitalertragsteuer gemäß § 50 1 S. Jetter/Willner in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 35 InvStG Rz. 18; Kloster in Moritz/Jesch/Mann2, § 35 InvStG Rz. 65. 2 BT-Drucks. 19/13436, 179. Gottschling und Brandl | 671

§ 36 | Ausschüttungsgleiche Erträge einschließlich der bundes- oder landesgesetzlich geregelten Zuschlagsteuern zur Kapitalertragsteuer gegenüber sämtlichen, am Ende des Geschäftsjahres beteiligten Anlegern einzubehalten, gilt auch die Teilausschüttung den Anlegern mit dem Ablauf des Geschäftsjahres, in dem die Erträge vom Spezial-Investmentfonds erzielt worden sind, als zugeflossen und für den Steuerabzug als ausschüttungsgleicher Ertrag. (5) 1Die steuerfrei thesaurierbaren Kapitalerträge gelten mit Ablauf des 15. Geschäftsjahres nach dem Geschäftsjahr der Vereinnahmung als ausschüttungsgleiche Erträge und zu diesem Zeitpunkt als zugeflossen, soweit sie die Verluste der Vorjahre übersteigen und nicht bis zum Ende des 15. Geschäftsjahres oder in den vorherigen Geschäftsjahren ausgeschüttet wurden. 2Absatz 4 ist auf die steuerfrei thesaurierbaren Kapitalerträge nicht anzuwenden. (6) Wird nicht spätestens vier Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres des Spezial-Investmentfonds eine Ausschüttung der Erträge des abgelaufenen Geschäftsjahres vorgenommen, so gelten diese Erträge als nicht zur Ausschüttung verwendet. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . II. Anwendungsbereich 1. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . 2. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . 3. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG 1. Verhältnis zu § 30 InvStG . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zu § 33 InvStG . . . . . . . . . . 3. Verhältnis zu § 34 InvStG . . . . . . . . . . 4. Verhältnis zu § 35 InvStG . . . . . . . . . . 5. Verhältnis zu §§ 37 ff. InvStG . . . . . . . 6. Verhältnis zu § 42, § 43 und § 48 InvStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Verhältnis zu § 49 InvStG . . . . . . . . . . 8. Verhältnis zu § 50 InvStG . . . . . . . . . . 9. Verhältnis zu § 51 InvStG . . . . . . . . . . B. Ausschüttungsgleiche Erträge (Abs. 1) I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Umfang der ausschüttungsgleichen Erträge (Abs. 1 Satz 1) 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nach §§ 37–41 InvStG ermittelte positive Einkünfte eines Spezial-Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nicht zur Ausschüttung verwendet . . . 4. Kapitalerträge nach § 20 EStG, die keine steuerfrei thesaurierbaren Kapitalerträge nach Abs. 2 sind (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Immobilienerträge (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erträge aus Vermietung und Verpachtung (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

672 | Brandl

1 3 4 5 6

III. C.

8 9 10 11 12

I. II. III.

13 17 18 19 20 23 24 27

28 34

IV. D. E. I. II.

35

c) Erträge aus der Veräußerung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Sonstige Erträge (Abs. 1 Satz 1 Nr. 3) . Ausnahme: keine ausschüttungsgleichen Erträge bei Ausübung der Transparenzoption nach § 30 InvStG (Abs. 1 Satz 2) Steuerfrei thesaurierbare Kapitalerträge (Abs. 2) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erträge aus Stillhalterprämien nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG (Abs. 2 Nr. 1) . . . . . Bestimmte Gewinne nach § 20 Abs. 2 Satz 1 EStG (Abs. 2 Nr. 2) 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Körperschaften (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gewinne aus der Veräußerung von anderen Wertpapieren (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gewinne aus Termingeschäften (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG) . . . . . . . . . . . 5. Ausnahme: Bestimmte Erträge aus Swap-Verträgen nicht steuerfrei thesaurierbar (Abs. 2 Nr. 2 Halbs. 2) . . . . . . . Erträge aus der Veräußerung von Investmentanteilen und Spezial-Investmentanteilen (Abs. 2 Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Erträge (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . Zurechnung und Zufluss beim Anleger (Abs. 4) Besitzzeitanteilige Zurechnung (Abs. 4 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitliche Zurechnung (Abs. 4 Sätze 2 bis 5) 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36 39 40

41 42 43 44 45 46 48 52 53

55 59

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 2 § 36 2. Zuflussfiktion bei Vereinnahmung und Anteilsveräußerung (Abs. 4 Sätze 2 und 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zeitliche Zurechnung bei Teilausschüttungen (Abs. 4 Sätze 4 und 5) . . . . . . . F. Temporäre Begrenzung des Thesaurierungsprivilegs (Abs. 5) I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zuflussfiktion mit Ablauf des 15. Geschäftsjahrs (Abs. 5 Satz 1) 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerfrei thesaurierbare Kapitalerträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ablauf von 15 Geschäftsjahren nach Vereinnahmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61 64

67 68 69

III. G. I. II. III. IV.

4. Keine Ausschüttung . . . . . . . . . . . . . . . 5. Keine übersteigenden Verluste aus Vorjahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keine besitzzeitanteilige Zurechnung (Abs. 5 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thesaurierungsfiktion (Abs. 6) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keine Ausschüttung der Erträge des abgelaufenen Geschäftsjahrs . . . . . . . . . . . . Ablauf von vier Monaten nach Ende des Geschäftsjahrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolge: Ausschüttungsgleiche Erträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72 73 74 77 79 80 81

70

Literatur: Hasbach, Die Verschmelzung von (Spezial-)Investmentfonds, FR 2018, 1117; Ebner, Änderungen des Investmentsteuergesetzes durch das sog. JStG 2019, NWB 2019, 619; Höring, Aktuelle Entwicklungen zum Investmentsteuergesetz 2018 (InvStG 2018), DStZ 2019, 906; Haug, Konsequenzen für die Investmentbesteuerung aufgrund „ATAD-UmsG“ und „JStG 2019“, Ubg 2020, 84; Stadler/Sotta, Das Entwurf-Schreiben des BMF zu Spezial-Investmentfonds vom 16.12.2019 – erste Anmerkungen, BB 2020, 279; Bindl/Schober, Investmentsteuererlass-Entwurf zu Spezial-Investmentfonds – Darstellung und kritische Würdigung ausgewählter Aspekte, BB 2020, 599; Bödecker, Anwendungsschreiben zum Investmentsteuergesetz für Spezial-Investmentfonds, Ubg 2021, 121; Dorn/Horstkötter, „JStG 2020“ kurz vor Jahresende verabschiedet – Ein Überblick zu den wesentlichen Änderungen, DB 2021, 134; Hahne, BMF: Weitere Anwendungsschreiben zur Investmentbesteuerung im April und Juni 2021, RdF 2021, 236; Stadler/ Mayer/Ludwig, Das BMF-Schreiben zu Spezial-Investmentfonds v. 20.1.2021 – eine kritische Analyse, BB 2021, 1559.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck § 36 InvStG betrifft insbesondere die Ermittlung und Abgrenzung der „ausschüttungsglei- 1 chen Erträge“. Die ausschüttungsgleichen Erträge nach § 36 Abs. 1 InvStG gehören gem. § 34 Abs. 1 Nr. 2 InvStG zu den Spezial-Investmenterträgen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG, zu denen auch die ausgeschütteten Erträge gem. §§ 34 Nr. 1, 35 InvStG und die Gewinne aus der Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen gem. §§ 34 Nr. 3, 49 InvStG zählen. Die ausschüttungsgleichen Erträge sind ein wesentliches Strukturelement des Transparenzprinzips, da § 36 InvStG – anders als beim Trennungsprinzip – den Anlegern eines Spezial-Investmentfonds Erträge auch ohne Ausschüttung zurechnet.1 § 36 Abs. 1 InvStG definiert die ausschüttungsgleichen Erträge. Abs. 2 bestimmt den Begriff 2 der „steuerfrei thesaurierbaren Kapitalerträge“, die nicht zu den ausschüttungsgleichen Erträgen gehören. Abs. 3 definiert die „sonstigen Erträge“, die gem. Abs. 1 Nr. 3 zu den ausschüttungsgleichen Erträgen zählen. Durch Abs. 4 wird eine grds. besitzzeitanteilige Zurechnung der ausschüttungsgleichen Erträge beim Anleger geregelt. Eine zeitliche Begrenzung für die stfrei thesaurierbaren Kapitalerträge ergibt sich aus Abs. 5, der eine Zuflussfiktion regelt. Abs. 6 enthält eine Thesaurierungsfiktion für den Fall, dass der Spezial-Investmentfonds nicht

1 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 36 InvStG Anm. 1 (Stand: August 2021). Brandl | 673

§ 36 Rz. 2 | Ausschüttungsgleiche Erträge rechtzeitig innerhalb der ersten vier Monate nach Ende eines Geschäftsjahres eine Ausschüttung vornimmt.1

II. Anwendungsbereich 1. Persönlicher Anwendungsbereich 3 Die Bestimmungen des § 36 InvStG gelten für alle inländischen und ausländischen Spezial-

Investmentfonds.

2. Sachlicher Anwendungsbereich 4 § 36 InvStG grenzt für die Anlegerebene ab, welche Erträge des Spezial-Investmentfonds zu

den ausschüttungsgleichen Erträgen gehören, die nach § 34 Abs. 1 Nr. 2 InvStG zu den Spezial-Investmenterträgen zählen, welche wiederum nach § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG Einkünfte aus Kapitalvermögen sind bzw. bei betrieblichen Anlegern nach § 20 Abs. 8 EStG in gewerbliche Einkünfte umqualifiziert werden. Die durch § 36 InvStG geregelten ausschüttungsgleichen Erträge stellen nur einen Teil der von dem Spezial-Investmentfonds während des Geschäftsjahres erwirtschafteten Erträge dar. Die vom Begriff der ausschüttungsgleichen Erträge nicht umfassten thesaurierten Erträge sind somit bei Thesaurierung nicht steuerbar und werden beim Anleger erst bei Ausschüttung oder bei Veräußerung der Spezial-Investmentanteile der Besteuerung unterworfen.2 3. Zeitlicher Anwendungsbereich

5 Der durch das InvStRefG v. 19.7.20163 in das InvStG eingefügte § 36 InvStG ist ab dem

1.1.20184 anzuwenden. Ab dem 1.1.2020 sind die neu in § 36 Abs. 4 InvStG eingefügten Sätze 2 bis 5 in Kraft getreten,5 die den bisherigen Satz 2 ersetzt haben.

III. Rechtsentwicklung 6 Der Begriff der ausschüttungsgleichen Erträge fand sich bereits in § 1 Abs. 3 Satz 3 InvStG

2004. Gemäß der Aufzählung in § 1 Abs. 3 Satz 3 InvStG 2004 zählten bis zum VZ 2017 zu den ausschüttungsgleichen Erträgen sämtliche Kapitalerträge i.S.v. § 20 Abs. 1 und Abs. 2 EStG, sofern sie nicht thesaurierungsprivilegiert waren, Erträge aus Vermietung und Verpachtung, innerhalb der zehnjährigen Haltefrist realisierte Immobilien-Veräußerungsgewinne sowie sonstige Erträge.6 Die stfrei thesaurierbaren Kapitalerträge in § 36 Abs. 2 InvStG 2018 greifen die in § 1 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 InvStG 2004 geregelten Fälle auf, in denen nach altem Recht keine ausschüttungsgleichen Erträge vorlagen. Dabei wird jedoch die Unterscheidung zwischen finanzinnovativen Gestaltungen und „echten“ Veräußerungsgewinnen des § 1 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 Bucht. a bis f InvStG 2004 aufgegeben und durch die neu eingeführte Ausschüttungsfiktion in § 36 Abs. 5 InvStG 2018 abgelöst. Ohne Vorbild im bisherigen Recht ist § 36 1 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 36 InvStG Anm. 1 (Stand: August 2021); Wenzel in Brandis/ Heuermann, § 36 InvStG 2018 Rz. 1 (Stand: März 2020). 2 Wenzel in Brandis/Heuermann, § 36 InvStG 2018 Rz. 2 (Stand: März 2020). 3 BGBl. I 2016, 1730. 4 Gem. Art. 11 Abs. 3 Satz 1 InvStRefG. 5 Vgl. § 57 Nr. 11 InvStG i.d.F. des Art. 17 des „JStG 2019“ v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451; s. dazu BT-Drucks. 19/13436 v. 23.9.2019, 42 f. 6 Hartmann in Bödecker/Ernst/Hartmann, InvStG, 2016, § 1 Rz. 244.

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A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 9 § 36

Abs. 4 InvStG 2018, der den gestaltungsanfälligen Ertragsausgleich nach § 9 InvStG 2004 ersetzt.1 Durch Art. 17 des „JStG 2019“ v. 12.12.20192 wurden in § 36 Abs. 4 InvStG die Sätze 2 bis 7 5 neu geregelt. Diese Änderungen in § 36 Abs. 4 InvStG sind nach § 57 Nr. 11 InvStG i.d.F. des Art. 17 des „JStG 2019“ ab dem 1.1.2020 anzuwenden. Nach der bisherigen Regelung des § 36 Abs. 4 Satz 2 InvStG a.F. galten bisher die ausschüttungsgleichen Erträge ungeachtet einer vorherigen Anteilsveräußerung stets erst mit Ablauf des Geschäftsjahres als zugeflossen. Mit der Neuregelung in § 36 Abs. 4 Satz 3 InvStG i.d.F. des „JStG 2019“ wird nun für den Fall der Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen vor dem Geschäftsjahresende der Zeitpunkt der Zuflussfiktion für die ausschüttungsgleichen Erträge auf den Veräußerungszeitpunkt vorverlegt. Mit der Neuregelung in § 36 Abs. 4 Satz 4 und Satz 5 InvStG i.d.F. des „JStG 2019“ soll zudem der Zuflusszeitpunkt von ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen bei Voll- und Teilausschüttungen vereinheitlicht werden. Nach den neuen Sätzen 4 und 5 wird ab dem VZ 2020 bei Teilausschüttungen einheitlich entweder auf das Geschäftsjahresende oder auf den Ausschüttungszeitpunkt abgestellt. Welcher Zeitpunkt maßgeblich ist, hängt davon ab, ob die Ausschüttung für den Einbehalt der Kapitalertragsteuer, die auf alle Erträge des abgelaufenen Geschäftsjahres zu entrichten ist, ausreicht oder nicht. Damit führt das JStG 2019 die bis zum 31.12.2017 in § 2 Abs. 1 Sätze 3 f. InvStG 2004 enthaltene Regelung zur Teilausschüttung wieder ein.3

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG 1. Verhältnis zu § 30 InvStG Wenn durch den Spezial-Investmentfonds die Transparenzoption nach § 30 InvStG ausgeübt 8 wurde, werden die inländischen Beteiligungseinnahmen und die sonstigen inländischen Einkünfte mit Steuerabzug dem Anleger bereits unmittelbar zugerechnet und sind somit gem. § 36 Abs. 1 Satz 2 InvStG keine ausschüttungsgleichen Erträge.4 2. Verhältnis zu § 33 InvStG Auch für inländische Immobilienerträge kann ein inländischer oder ausländischer Spezial- 9 Investmentfonds die KSt-Pflicht gem. § 33 Abs. 1 InvStG vollständig vermeiden, wenn er kumulativ auf ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche Immobilienerträge KapErtrSt nach § 50 InvStG auf der Fondsausgangsseite erhebt und abführt und den Anlegern Steuerbescheinigungen nach § 45a EStG ausstellt.5 Dagegen bleiben inländische Immobilienerträge eines Ziel-Spezial-Investmentfonds auch bei ausgeübter Immobilien-Transparenzoption nach § 33 Abs. 2 Satz 3 InvStG beim Anleger des Dach-Spezial-Investmentfonds ausschüttungsgleiche Erträge. Durch die ausgeübte Immobilien-Transparenzoption ändert sich nur die Person, der diese ausschüttungsgleichen Erträge zugerechnet werden. An die Stelle des Dach-Spezial-Investmentfonds treten nach § 33 Abs. 2 Satz 4 InvStG dessen Anleger.6

1 2 3 4 5 6

Buge in H/H/R, Anh. zu § 20, § 36 InvStG Anm. 1 (Stand: August 2021). BGBl. I 2019, 2451. Haug, Ubg 2020, 84 (94). BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.16. Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG 2018 Rz. 10 (Stand: November 2019). BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.17. Brandl | 675

§ 36 Rz. 10 | Ausschüttungsgleiche Erträge 3. Verhältnis zu § 34 InvStG 10 Die §§ 34 bis 36 InvStG definieren die für die Anlegerbesteuerung grundlegenden Begriffe der

„ausgeschütteten Erträge“ bzw. der „ausschüttungsgleichen Erträge“. Sie regeln die Besteuerung der Anleger dem Grunde nach. Dabei konkretisiert § 36 Abs. 1 InvStG den § 34 Abs. 1 Nr. 2 InvStG.1

4. Verhältnis zu § 35 InvStG 11 Den ausgeschütteten Erträgen gem. § 35 InvStG liegen ebenso wie den ausschüttungsgleichen

Erträgen des § 36 InvStG zunächst die gem. §§ 37–41 InvStG ermittelten Einkünfte zugrunde.2 Die für ausschüttungsgleiche Erträge geltende Regelung des § 36 Abs. 4 Satz 1 InvStG der besitzzeitanteiligen Zurechnung beim Anleger ist nach § 35 Abs. 7 InvStG für ausgeschüttete Erträge entsprechend anzuwenden. 5. Verhältnis zu §§ 37 ff. InvStG

12 Nach dem Wortlaut des § 36 Abs. 1 Satz 1 InvStG bestimmt sich die Ermittlung der ausschüt-

tungsgleichen Erträge – ebenso wie die Ermittlung der ausgeschütteten Erträge – nach den §§ 37 bis 41 InvStG. Die Einkünfteermittlung nach § 37 InvStG wird dabei durch die Regelung in § 36 Abs. 4 InvStG modifiziert. Eine Verrechnung von positiven und negativen Erträgen des Spezial-Investmentfonds ist nach § 41 Abs. 1 InvStG nur bei gleichartigen Ertragsarten zulässig.3 § 37 Abs. 2 Satz 2 InvStG stellt klar, dass nur die von unmittelbar gehaltenen Spezial-Investmentanteilen erzielten Gewinne stfrei thesauriert werden können und nicht die von einem Ziel-Spezial-Investmentfonds ausgeschütteten Erträge nach § 35 InvStG und ebenfalls nicht dessen ausschüttungsgleiche Erträge nach § 36 Abs. 1 InvStG.4 6. Verhältnis zu § 42, § 43 und § 48 InvStG

13 Steuerbefreiungen für ausschüttungsgleiche Erträge auf Anlegerebene ergeben sich in Ab-

hängigkeit von der Zusammensetzung der enthaltenen Ertragsarten sowie der Ausübung der Transparenzoption aus den §§ 30, 42 und 43 InvStG.5

14 § 42 InvStG stellt auf Anlegerebene ausschüttungsgleiche (und ausgeschüttete) Erträge des

Spezial-Investmentfonds, soweit sie bestimmte Beteiligungseinkünfte bzw. inländische Immobilienerträge enthalten, ganz oder teilweise stfrei. Dabei ergeben sich nach § 42 Abs. 4 und 5 InvStG folgende (Teil-)Freistellungen:6 – 60 % der inländischen Beteiligungseinnahmen und 20 % aller übrigen Einkünfte sind stfrei, soweit diese Einnahmen bereits auf der Ebene des Spezial-Investmentfonds besteuert wurden. – 100 % der inländischen Beteiligungseinnahmen sind stfrei, wenn der Anleger dem KStG unterliegt und dem Spezial-Investmentfonds kein Ermäßigungsanspruch aus einem DBA zusteht.

1 2 3 4 5

Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 34 InvStG Anm. 1 (Stand: August 2021). Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 34 InvStG Anm. 1 (Stand: August 2021). Höring in BeckOK InvStG, § 36 Rz. 21 (Stand: Januar 2022). Dorn/Horstkötter, DB 2021, 134 (141). Dorn, Investmentsteuerrecht, 4. Aufl. 2021, 202; Höring in BeckOK InvStG, § 36 Rz. 3 (Stand: Januar 2022). 6 Höring in BeckOK InvStG, § 36 Rz. 4 (Stand: Januar 2022).

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A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 18 § 36

§ 43 InvStG nimmt die ausschüttungsgleichen (und ausgeschütteten) Erträge bei der Veranla- 15 gung des Anlegers ganz oder teilweise von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer aus, soweit Deutschland im Rahmen eines DBA auf sein Besteuerungsrecht verzichtet hat (§ 43 Abs. 1 InvStG) oder soweit Hinzurechnungsbeträge i.S.v. § 10 Abs. 2 AStG der ESt unterlegen haben (§ 43 Abs. 2 InvStG i.V.m. § 3 Nr. 41 EStG) oder soweit die Teilfreistellung nach § 20 InvStG entsprechend auf ausschüttungsgleiche Erträge des Spezial-Investmentfonds anzuwenden ist, die aus Ausschüttungen von Investmentfonds, Vorabpauschalen oder Veräußerungsgewinnen von Investmentanteilen stammen (§ 43 Abs. 3 InvStG). Mit der Einführung der Begriffe des Fonds-Aktiengewinns, des Fonds-Abkommensgewinns 16 sowie des Fonds-Teilfreistellungsgewinns legt § 48 InvStG die Grundlagen zum einen für die Steuerfolgen der Veräußerung bzw. die Bewertung eines Spezial-Investmentanteils im Rahmen eines Betriebsvermögensvergleichs beim Anleger i.R.d. § 49 InvStG, zum anderen aber auch für die Ermittlung der Höhe der ausgeschütteten bzw. ausschüttungsgleichen Erträge des Anlegers im Rahmen von §§ 42 und 43 InvStG. Dazu werden in § 48 InvStG Teile des Werts eines Spezial-Investmentanteils definiert, die beim Anleger von der Besteuerung freizustellen sind.1 Um die steuerfreien Teile zu ermitteln, hat der Spezial-Investmentfonds Gewinne aus der Veräußerung von Aktien und Wertsteigerungen von Aktien (Aktiengewinne), Erträge, die aufgrund eines DBA steuerfrei zu stellen sind (Abkommensgewinne), und Erträge aus Investmentfonds, auf die das Teilfreistellungsverfahren nach § 20 InvStG anzuwenden ist (Teilfreistellungsgewinne), gesondert zu ermitteln und dem Anleger bekannt zu machen.2 7. Verhältnis zu § 49 InvStG

Bei der Veräußerung des Spezial-Investmentanteils mindern die während der Besitzzeit bereits 17 besteuerten ausschüttungsgleichen Erträge den Veräußerungsgewinn gem. § 49 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 InvStG, sofern diese nicht in späteren VZ ausgeschüttet wurden (§ 49 Abs. 3 Satz 3 InvStG).3 8. Verhältnis zu § 50 InvStG § 50 Abs. 1 Satz 1 InvStG verpflichtet inländische Spezial-Investmentfonds dazu, als Entrich- 18 tungspflichtiger 15 % Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen. Nach § 50 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InvStG unterliegen neben den ausgeschütteten auch die ausschüttungsgleichen Erträge dem Steuerabzug, mit Ausnahme der nach § 43 Abs. 1 und 2 InvStG steuerfreien Erträge. Dabei ist insbes. zwischen folgenden Fallkonstellationen zu differenzieren: – Anmeldung und Abführung der KapErtrSt auf ausschüttungsgleiche Erträge im Fall der Thesaurierung4 – Anmeldung und Abführung der KapErtrSt auf ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträge bei Vornahme einer Teilausschüttung (§ 36 Abs. 4 Sätze 4 und 5 InvStG) innerhalb von vier Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahrs hinsichtlich eines Teils der ansonsten als ausschüttungsgleich geltenden Erträge5 – Anmeldung und Abführung der KapErtrSt auf ausgeschüttete Erträge im Fall der Schlussausschüttung (§ 35 Abs. 1 i.V.m. § 36 Abs. 6 InvStG) innerhalb von vier Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahrs6 1 Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 48 InvStG Anm. 1 (Stand: August 2021). 2 BT-Drucks. 18/8045, 117. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.4; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 36 InvStG Anm. 5 (Stand: August 2021); Höring in BeckOK InvStG, § 36 Rz. 22 (Stand: Januar 2022). 4 Zu Details s. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 50.3. 5 Zu Details s. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 50.4. und 50.4a. 6 Zu Details s. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 50.4b. Brandl | 677

§ 36 Rz. 18 | Ausschüttungsgleiche Erträge – Anmeldung und Abführung der KapErtrSt auf ausgeschüttete Erträge im Fall der Zwischenausschüttung (§ 35 Abs. 1 i.V.m. § 36 Abs. 6 InvStG) innerhalb des laufenden Geschäftsjahrs der Vereinnahmung1 – Anmeldung und Abführung der KapErtrSt auf ausschüttungsgleiche Erträge im Fall der Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen vor Ablauf des Geschäftsjahrs (§ 36 Abs. 4 Satz 3 InvStG)2 – Besonderheit bei Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen innerhalb von vier Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahrs3 Sofern auf den Gewinn aus der Veräußerung eines Spezial-Investmentanteils ein Steuerabzug vorzunehmen ist, ist die auf den Veräußerungsgewinn einbehaltene KapErtrSt zusammen mit der auf die nach § 36 Abs. 4 Satz 3 InvStG als zugeflossen geltenden ausschüttungsgleichen Erträge einbehaltenen KapErtrSt in einer Kapitalertragsteueranmeldung anzumelden und abzuführen. Hierbei bestimmt sich die Frist für die Anmeldung und Abführung der KapErtrSt sowie der anzugebende Anmeldezeitraum nach den Regelungen für die nach § 36 Abs. 4 Satz 3 InvStG als zugeflossen geltenden ausschüttungsgleichen Erträge. Die KapErtrSt einschließlich der bundes- oder landesgesetzlich geregelten Zuschlagsteuern zur KapErtrSt ist dabei grds. aus dem Veräußerungserlös zu entrichten.4 9. Verhältnis zu § 51 InvStG 19 Nach § 51 Abs. 1 InvStG sind u.a. die Besteuerungsgrundlagen nach den §§ 29 bis 49 InvStG

und die positiven Erträge, die nicht zu einer Ausschüttung verwendet worden sind, gegenüber dem Spezial-Investmentfonds und dem Anleger gesondert und einheitlich festzustellen. Dazu gehören auch die ausschüttungsgleichen Erträge gem. § 36 Abs. 1 InvStG. Durch eine unterjährige Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen (vgl. § 36 Abs. 4 Satz 3 InvStG) kommt es dabei nicht zu einem fiktiven Geschäftsjahresende und somit nicht zur Abgabeverpflichtung einer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 51 InvStG.

B. Ausschüttungsgleiche Erträge (Abs. 1) I. Vorbemerkung 20 Ausschüttungsgleiche Erträge unterliegen als Spezial-Investmenterträge nach § 34 Abs. 1 Nr. 2

InvStG beim Anleger des Spezial-Investmentfonds der Besteuerung als Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG. Für betriebliche Anleger werden ausschüttungsgleiche Erträge gem. § 20 Abs. 8 EStG in Betriebseinnahmen umqualifiziert.5

21 § 36 Abs. 1 InvStG definiert die ausschüttungsgleichen Erträge aus Spezial-Investmentfonds.

Ausschüttungsgleiche Erträge sind die nach den §§ 37 bis 41 InvStG ermittelten positiven Einkünfte des Spezial-Investmentfonds aus bestimmten in Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 aufgezählten Ertragsarten, die von einem Spezial-Investmentfonds nicht zur Ausschüttung verwendet werden. Darüber hinaus können ausschüttungsgleiche Erträge auch bei zunächst stfrei thesaurierbaren Kapitalerträgen mit Ablauf des 15. Geschäftsjahres nach dem Geschäftsjahr

1 2 3 4 5

Zu Details s. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 50.4c. Zu Details s. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 50.4d bis Rz. 50.4f. Zu Details s. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 50.4g. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 50.8a. Höring in BeckOK InvStG, § 36 Rz. 22 (Stand: Januar 2022).

678 | Brandl

B. Ausschüttungsgleiche Erträge (Abs. 1) | Rz. 25 § 36

der Vereinnahmung gem. § 36 Abs. 5 InvStG anfallen.1 Durch § 36 erfolgt eine virtuelle Einkünfteermittlung, die lediglich dem Zweck dient, die ausschüttungsgleichen Einkünfte zu ermitteln.2 Strukturell sind ausschüttungsgleiche Erträge die Erträge eines inländischen oder auslän- 22 dischen Spezial-Investmentfonds, die der Anleger jährlich versteuern muss, obwohl sie ihm nicht tatsächlich zufließen, sondern im Spezial-Investmentfonds verbleiben und wiederangelegt (= thesauriert) werden.3 Nur für steuerrechtliche Zwecke kommt es zu einer Zuflussfiktion.4

II. Umfang der ausschüttungsgleichen Erträge (Abs. 1 Satz 1) 1. Vorbemerkung Der Spezial-Investmentfonds kann sich bei der Qualifikation der Anlagegegenstände grds. 23 auf die Daten verlassen, die von anerkannten Finanzinformationsdienstleistern (wie z.B. dem WM-Datenservice) bereitgestellt werden, soweit keine Anzeichen für eine falsche Einordnung bestehen.5 Die FinVerw. kann diese Einstufung jedoch überprüfen und eine andere Qualifizierung vornehmen.6 2. Nach §§ 37–41 InvStG ermittelte positive Einkünfte eines Spezial-Investmentfonds § 36 Abs. 1 Satz 1 InvStG stellt zutreffend auf den Begriff „Einkünfte“ ab, weil es sich bei den 24 nach §§ 37 bis 41 InvStG zu ermittelnden ausschüttungsgleichen Erträgen stets um eine Nettogröße handelt.7 Die Begriffe Erträge und Gewinne umfassen auch negative Erträge bzw. Verluste, sodass die Summe der in Abs. 1 Satz 1 genannten Erträge und Gewinne auch negativ sein kann.8 Durch die Formulierung „positive Einkünfte“ wird aber klargestellt, dass ein negativer Betrag nicht als ausschüttungsgleicher Ertrag gelten kann. Eine Zurechnung von Verlusten des Spezial-Investmentfonds gegenüber dem Anleger erfolgt daher nicht. Der Einschluss derartiger Verluste ist Folge des semi-transparenten Besteuerungssystems und stellt die Kehrseite des Thesaurierungsprivilegs dar. Eine Berücksichtigung von Verlusten des Spezial-Investmentfonds auf der Anlegerebene ist damit nur bei Veräußerung des Spezial-Investmentanteils oder im Rahmen einer Teilwertabschreibung aufgrund einer dauernden Wertminderung des Spezial-Investmentanteils möglich.9 Die Ermittlung der ausschüttungsgleichen Erträge bestimmt sich – ebenso wie bei den aus- 25 geschütteten Erträgen – nach den §§ 37 bis 41 InvStG. Bestandteil der ausschüttungsgleichen Erträge sind auch die nach § 38 InvStG periodengerecht abgegrenzten Erträge, sofern sie nicht zur Ausschüttung verwendet werden. Eine Verrechnung von positiven und negativen Erträgen

1 2 3 4 5 6 7 8 9

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.1 sowie Rz. 36.57. Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 36 InvStG Anm. 5 (Stand: August 2021). Gesetzentwurf der BReg. v. 11.3.2016, BR-Drucks. 119/16, 118. Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 36 InvStG Anm. 5 (Stand: August 2021); Höring in BeckOK InvStG, § 36 Rz. 20 (Stand: Januar 2022); Wenzel in Brandis/Heuermann, § 36 InvStG Rz. 11 (Stand: März 2020). So bereits BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 - 1/08/10019 – DOK 2009/0539738, BStBl. I 2009, 931 Rz. 18d zum InvStG 2004; ebenso Höring in BeckOK InvStG, § 36 Rz. 23 (Stand: Januar 2022). Wenzel in Brandis/Heuermann, § 36 InvStG Rz. 13 (Stand: März 2020). Wenzel in Brandis/Heuermann, § 36 InvStG Rz. 12 (Stand: März 2020). Gesetzentwurf der BReg. v. 11.3.2016, BR-Drucks. 119/16, 118. Gesetzentwurf der BReg. v. 11.3.2016, BR-Drucks. 119/16, 118; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.2. Brandl | 679

§ 36 Rz. 25 | Ausschüttungsgleiche Erträge des Spezial-Investmentfonds ist nur bei gleichartigen Ertragsarten gem. § 41 InvStG zulässig.1 26 Beispielhaft kann folgendes vereinfachtes Schema2 zur Ermittlung der ausschüttungsglei-

chen Erträge3 eines Geschäftsjahres herangezogen werden:

Kapitalerträge i.S.d. § 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvStG i.V.m. § 20 EStG (insbes. laufende Erträge, wie z.B. Dividenden oder Zinsen, aber auch Veräußerungsgewinne aus Anteilen an KapGes.) ./.

stfrei thesaurierbare Kapitalerträge i.S.d. § 36 Abs. 2 InvStG (insbes. Stillhalterprämien, Veräußerungsgewinne aus Aktien und anderen Wertpapieren sowie aus Investmentfondsanteilen, Gewinne aus Termingeschäften mit Ausnahme der Erträge aus bestimmten Swap-Geschäften)

+

als zugeflossen geltende stfrei thesaurierbare Kapitalerträge i.S.d. § 36 Abs. 2 InvStG, die nicht bis Ende des 15. Geschäftsjahres nach dem Geschäftsjahr der Vereinnahmung ausgeschüttet wurden (§ 36 Abs. 5 InvStG)

+

Erträge aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten

+

Gewinne aus der Veräußerung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten ungeachtet der Haltedauer

+

sonstige Erträge i.S.d. § 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 3 InvStG (z.B. Kompensationszahlungen aus Wertpapier-Darlehensgeschäften, Gewinnanteile aus gewerblichen Personengesellschaften, Gewinne i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG4)

./.

inländische Beteiligungseinnahmen und sonstige inländische Einkünfte mit Steuerabzug, wenn die Transparenzoption nach § 30 InvStG ausgeübt wurde (§ 36 Abs. 1 Satz 2 InvStG), die den Anlegern aufgrund der Transparenz des Fonds bereits unmittelbar zugerechnet werden

./.

ausgeschüttete Erträge i.S.d. § 35 InvStG, die spätestens innerhalb von vier Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres ausgeschüttet werden (vgl. § 36 Abs. 6 InvStG)

./.

abzugsfähige WK nach § 39 InvStG

=

ausschüttungsgleiche Erträge i.S.d. § 36 InvStG

3. Nicht zur Ausschüttung verwendet 27 Konstitutiv für den Begriff der ausschüttungsgleichen Erträge ist die Tatbestandsvorausset-

zung, dass die Erträge „nicht zur Ausschüttung verwendet“ – also im Spezial-Investmentfonds thesauriert – wurden. Durch § 36 Abs. 5 InvStG wird fingiert, dass Erträge des SpezialInvestmentfonds als nicht zur Ausschüttung verwendet gelten, wenn nicht spätestens vier Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres eine Ausschüttung der Erträge des abgelaufenen Geschäftsjahres vorgenommen wird.

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.3; Höring in BeckOK InvStG, § 36 Rz. 21 (Stand: Januar 2022). 2 Vgl. Dorn, Investmentsteuerrecht, 4. Aufl. 2021, 206; Höring in BeckOK InvStG, § 36 Rz. 62 (Stand: Januar 2022); Wenzel in Brandis/Heuermann, § 36 InvStG Rz. 25 (Stand: März 2020). 3 Die in dem Schema genannten „Erträge“ oder „Gewinne“ bezeichnen nicht die jeweiligen gesamten Einnahmen des Spezial-Investmentfonds, sondern die nach Abzug der Direktkosten und der anteiligen Allgemeinkosten verbleibenden Einkünfte. 4 Wenzel in Brandis/Heuermann, § 36 InvStG Rz. 28 (Stand: März 2020).

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B. Ausschüttungsgleiche Erträge (Abs. 1) | Rz. 32 § 36

4. Kapitalerträge nach § 20 EStG, die keine steuerfrei thesaurierbaren Kapitalerträge nach Abs. 2 sind (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) In Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 werden die laufenden Kapitalerträge nach § 20 Abs. 1 EStG (z.B. Zinsen, 28 Dividenden), eher selten vorkommende Ertragsarten des § 20 Abs. 2 EStG (z.B. Veräußerungsgewinne aus stillen Beteiligungen, partiarischen Darlehen und kapitalbildenden Versicherungsverträgen) und die besonderen Entgelte und Vorteile nach § 20 Abs. 3 EStG als ausschüttungsgleiche Erträge erfasst. Dagegen bleiben – ähnlich wie bisher bei § 1 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 InvStG 2004 – bestimmte Kapitalerträge grds. stfrei, solange sie nicht an die Anleger ausgeschüttet werden1 oder sie nicht gem. Abs. 5 Satz 1 mit Ablauf des 15. Geschäftsjahrs nach dem Geschäftsjahr der Vereinnahmung als ausschüttungsgleicher Ertrag gelten. Die Definition der stfrei thesaurierbaren Kapitalerträge findet sich in Abs. 2.2 Zu den laufenden Kapitalerträgen gehören grds. auch die Erträge aus Investmentfonds nach 29 § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG i.V.m. § 16 InvStG. Dies sind die Ausschüttungen aus Investmentfonds und auch die Vorabpauschale. Lediglich die Gewinne aus der Veräußerung von Investmentanteilen nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG i.V.m. § 16 Abs. 1 Nr. 3 InvStG können aufgrund der Sonderregelung in § 36 Abs. 2 Nr. 3 InvStG stfrei thesauriert werden. Diese Sonderregelung führt den steuerlichen Status quo fort.3 Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvStG zählen zu den ausschüttungsgleichen Erträgen insbeson- 30 dere die folgenden Kapitalerträge:4 – Dividenden (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG), – Investmenterträge (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG i.V.m. § 16 InvStG), mit Ausnahme der Gewinne aus der Veräußerung von Investmentanteilen (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 InvStG), – Spezial-Investmenterträge (§ 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG i.V.m. § 34 InvStG), mit Ausnahme von Gewinnen aus der Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 InvStG), – Zinsen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG), – laufende Erträge sowie Veräußerungsgewinne aus stillen Beteiligungen und aus partiarischen Darlehen (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG) und – Hinzurechnungsbeträge nach § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge, die ein Dach-Spezial-Investment- 31 fonds aus der Anlage in einen Ziel-Spezial-Investmentfonds erzielt, besitzen eine Doppelnatur: Zum einen sind sie Spezial-Investmenterträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG i.V.m. § 34 InvStG. Zum anderen behalten sie für die Zwecke der Anlegerbesteuerung des Dach-SpezialInvestmentfonds ihren durch die originäre Einkunftsquelle des Ziel-Spezial-Investmentfonds bestimmten Ertragscharakter bei (doppelte Semi-Transparenz bzw. mehrfache Semi-Transparenz bei mehr als zweistufigen Dach-Ziel-Spezial-Investmentfonds-Konstruktionen), soweit im InvStG keine anderslautenden Regelungen getroffen sind (z.B. in § 30 Abs. 4 Satz 2 InvStG).5 Zu den ausschüttungsgleichen Erträgen eines Dach-Spezial-Investmentfonds zählen auch 32 die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG i.V.m. §§ 35 und 36 InvStG, die ein Dach-Spezial-Investmentfonds aus der Anlage in einen Ziel-Spezial-Investmentfonds erzielt. Steuerfrei thesaurierbare Kapitalerträge, die ein Ziel-Spezial1 2 3 4 5

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.5. Gesetzentwurf der BReg. v. 11.3.2016, BR-Drucks. 119/16, 118. Gesetzentwurf der BReg. v. 11.3.2016, BR-Drucks. 119/16, 118. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.6. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.7. Brandl | 681

§ 36 Rz. 32 | Ausschüttungsgleiche Erträge Investmentfonds an einen Dach-Spezial-Investmentfonds ausschüttet oder die einem DachSpezial-Investmentfonds nach § 36 Abs. 5 Satz 1 InvStG als zugeflossen gelten, können somit auf der Ebene des Dach-Spezial-Investmentfonds grds. nicht nochmals stfrei thesauriert werden, da die laufenden Spezial-Investmenterträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG i.V.m § 34 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InvStG nicht zu den nach § 36 Abs. 2 InvStG stfrei thesaurierbaren Ertragsarten zählen.1 Eine zeitlich befristete Ausnahme besteht aufgrund einer Nichtbeanstandungsregelung der FinVerw. In den Geschäftsjahren des Dach-Spezial-Investmentfonds, die vor dem 1.1.2022 enden. In diesen Geschäftsjahren vor dem 1.1.2022 wird es von der FinVerw. nicht beanstandet, wenn stfrei thesaurierbare Kapitalerträge i.S.d. § 36 Abs. 2 InvStG, die von einem Ziel-Spezial-Investmentfonds an einen Dach-Spezial-Investmentfonds ausgeschüttet werden, ausnahmsweise auf Ebene des Dach-Spezial-Investmentfonds den stfrei thesaurierbaren Kapitalerträgen i.S.d. § 36 Abs. 2 InvStG und nicht den ausschüttungsgleichen Erträgen i.S.d. § 36 Abs. 1 InvStG zugeordnet werden.2 Abgesehen von dieser befristeten Nichtbeanstandungsregelung können nur die Gewinne, die ein Dach-Spezial-Investmentfonds aus der Veräußerung eines Anteils an einem Ziel-Spezial-Investmentfonds erzielt, nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 InvStG stfrei thesauriert werden.3 33 Unabhängig von der Einordnung als ausschüttungsgleiche Erträge des Dach-Spezial-Invest-

mentfonds behalten dessen Erträge aus einem Ziel-Spezial-Investmentfonds für Zwecke der Anlegerbesteuerung des Dach-Spezial-Investmentfonds ihren originären Ertragscharakter. Damit sind auf die in den ausschüttungsgleichen Erträgen des Dach-Spezial-Investmentfonds enthaltenen Kapitalerträge aus dem Ziel-Spezial-Investmentfonds für Zwecke der Anlegerbesteuerung des Dach-Spezial-Investmentfonds die Freistellungen nach §§ 42 und 43 InvStG sowie für Zwecke der Abstandnahme vom Steuerabzug § 50 Abs. 3 InvStG anwendbar.4 5. Immobilienerträge (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) a) Vorbemerkung

34 In § 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvStG, der der Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 InvStG 2004

nachgebildet ist,5 sind Mieten und Pachten aus Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten erfasst. Darüber hinaus werden die Veräußerungsgewinne aus Immobilien unabhängig davon der Besteuerung beim Anleger unterworfen, wie lange der Spezial-Investmentfonds die Immobilie gehalten hat.6 Für Zwecke der Ermittlung der ausschüttungsgleichen Erträge ist es unbedeutend, wo die Immobilie belegen ist. Es sind sowohl inländische als auch ausländische Immobilienerträge zu berücksichtigen.7 Soweit ein DBA das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland einschränkt, werden ausländische Immobilienerträge aber nach § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 InvStG im Ergebnis nicht besteuert.

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.8; BT-Drucks. 18/8045, 105; vgl. auch Hahne, RdF 2021, 236, (237), der darauf hinweist, dass deshalb bei der Ausschüttungsplanung ggf. die Auskehrung von Liquidität mittels Anteilsrücknahme vorzugswürdig sein könnte. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.10, mit einem nachfolgenden Beispiel in Rz. 36.11. 3 Gesetzentwurf der BReg. v. 11.3.2016, BR-Drucks. 119/16, 119; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 36 InvStG Rz. 15 (Stand: März 2020). 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.9. 5 Höring in BeckOK InvStG, § 36 Rz. 41 (Stand: Januar 2022). 6 Wenzel in Brandis/Heuermann, § 36 InvStG Rz. 17 (Stand: März 2020). 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.14.

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B. Ausschüttungsgleiche Erträge (Abs. 1) | Rz. 39 § 36

b) Erträge aus Vermietung und Verpachtung (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1) Die Erträge aus Vermietung und Verpachtung ergeben sich strukturell aus dem Besteuerungs- 35 tatbestand des § 21 EStG. c) Erträge aus der Veräußerung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2) Bei der Ermittlung der Immobilienveräußerungsgewinne bleiben die bis zum 31.12.2017 ein- 36 getretenen Wertveränderungen grds. unberücksichtigt. Als Ausnahme von diesem Grundsatz sind bei Immobilien, die vor dem 1.1.2018 angeschafft wurden und bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung weniger als zehn Jahre beträgt, jedoch auch die vor dem 1.1.2018 eingetretenen Wertveränderungen in die Ermittlung des Veräußerungsgewinns einzubeziehen.1 Im Unterschied zu der bis Ende 2017 geltenden Rechtslage werden ab dem VZ 2018 die Im- 37 mobilienveräußerungsgewinne unabhängig von der Haltedauer für private Veräußerungsgeschäfte nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG generell der StPfl. unterworfen.2 Das gilt auch für Wertveränderungen, die bis zum 1.1.2018 eingetreten sind und bei denen der Zeitraum zwischen der Anschaffung und der Veräußerung mehr als zehn Jahre beträgt.3 Dies ist gerechtfertigt, da ein Großteil der Anleger von Spezial-Investmentfonds unternehmerisch tätige Körperschaften sind, bei denen die Immobilienveräußerungsgewinne generell stpfl. sind.4 Zudem waren bloße Wertveränderungen aus länger als zehn Jahre gehaltenen inländischen Immobilien und nicht ausgeschüttete Veräußerungsgewinne aus solchen Immobilien bereits vor 2018 grds. steuerverhaftet. Denn bei einer Veräußerung des Investmentanteils waren die darin enthaltenen Wertveränderungen sowie Veräußerungsgewinne aus inländischen Immobilien in vollem Umfang zu versteuern. Der Anleger hatte auch keine Entscheidungsbefugnis darüber, ob der Investmentfonds die vorhandenen Immobilienveräußerungsgewinne ausschüttet, sodass er hinsichtlich der Steuerfreiheit der inländischen Immobilienveräußerungsgewinne keine geschützte Rechtsposition erlangen konnte.

Voll steuerbefreite Anleger (z.B. Kirchen, gemeinnützige Stiftungen) sind von der Abschaffung 38 der Steuerfreiheit von privaten Veräußerungsgeschäften nicht betroffen, da bei ihnen alle ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge stfrei sind. Es bleibt daher nur eine relativ kleine Gruppe von Anlegern, für die die Rechtsänderung ab dem VZ 2018 eine Mehrbelastung darstellt. Dies sind die natürlichen Personen, die ihren Investmentanteil im Privatvermögen halten und nur in Ausnahmefällen an einem Spezial-Investmentfonds beteiligt sein dürfen. Wenn man wegen dieser relativ kleinen Anlegergruppe die Steuerfreiheit von Immobilienveräußerungen außerhalb der Haltefrist fortführen würde, müsste die Steuerfreiheit auch generell im Ausland ansässigen Anlegern gewährt werden. Zur Sicherung des inländischen Besteuerungssubstrats wurde daher stattdessen eine generelle StPfl. für Immobilienveräußerungsgewinne geschaffen.5 6. Sonstige Erträge (Abs. 1 Satz 1 Nr. 3) Die sonstigen Erträge, die unter den Auffangtatbestand6 des Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 fallen, waren 39 bereits nach dem bis VZ 2017 geltenden Recht gem. § 1 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 InvStG 2004 als 1 2 3 4 5 6

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.13 und 56.37. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.12. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.12 f. Gesetzentwurf der BReg. v. 11.3.2016, BR-Drucks. 119/16, 119. Gesetzentwurf der BReg. v. 11.3.2016, BR-Drucks. 119/16, 119. Höring in BeckOK InvStG, § 36 Rz. 47 (Stand: Januar 2022); Wenzel in Brandis/Heuermann, § 36 InvStG Rz. 18 (Stand: März 2020). Brandl | 683

§ 36 Rz. 39 | Ausschüttungsgleiche Erträge ausschüttungsgleiche Erträge stpfl. Sonstige Erträge sind in § 36 Abs. 3 InvStG legaldefiniert als Einkünfte, die nicht unter die §§ 20, 21 und 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG fallen.

III. Ausnahme: keine ausschüttungsgleichen Erträge bei Ausübung der Transparenzoption nach § 30 InvStG (Abs. 1 Satz 2) 40 Nach Abs. 1 Satz 2, der eine Doppelbesteuerung vermeiden soll,1 sind inländische Dividen-

den und andere inländische Beteiligungseinnahmen dann keine ausschüttungsgleichen Erträge, wenn diese aufgrund einer wirksam ausgeübten Transparenzoption des Spezial-Investmentfonds gem. § 30 Abs. 1 InvStG bereits unmittelbar dem Anleger zugerechnet wurden.2 Hingegen bleiben inländische Immobilienerträge eines Ziel-Spezial-Investmentfonds auch bei ausgeübter Immobilien-Transparenzoption nach § 33 Abs. 2 Satz 3 InvStG ausschüttungsgleiche Erträge des Anlegers des Dach-Spezial-Investmentfonds. Durch die ImmobilienTransparenzoption ändert sich nur die Person, der diese ausschüttungsgleichen Erträge zugerechnet werden. An die Stelle des Dach-Spezial-Investmentfonds treten dessen Anleger (§ 33 Abs. 2 Satz 4 InvStG).3

C. Steuerfrei thesaurierbare Kapitalerträge (Abs. 2) I. Vorbemerkung 41 Absatz 2 bestimmt, welche Kapitalerträge zunächst stfrei auf Fondsebene thesauriert werden

können und somit (zunächst)4 nicht zu den ausschüttungsgleichen Kapitalerträgen gehören. Dies sind:5 – Erträge aus Stillhalterprämien nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG, die für die Einräumung von Optionen vereinnahmt werden (§ 36 Abs. 2 Nr. 1), – Gewinne aus der Veräußerung von Aktien und anderen Anteilen an Körperschaften nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG, bestimmte Gewinne aus Termingeschäften nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG und Gewinne aus der Veräußerung anderer Wertpapiere nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG (§ 36 Abs. 2 Nr. 2) sowie – Gewinne aus der Veräußerung von Investmentanteilen und Spezial-Investmentanteilen (§ 36 Abs. 2 Nr. 3). Steuerfrei thesaurierbare Kapitalerträge werden – ebenso wie die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge – nach §§ 37–41 InvStG ermittelt.6 Die Thesaurierungsmöglichkeit ist nach § 36 Abs. 5 InvStG auf maximal 15 Geschäftsjahre nach dem Geschäftsjahr der Vereinnahmung begrenzt.7 Werden in Vorjahren stfrei thesaurierte Kapitalerträge ausgeschüttet, handelt es sich allerdings ab der Ausschüttung um ausgeschüttete Erträge nach § 35 Abs. 1 InvStG.8

1 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 36 InvStG Anm. 5 (Stand: August 2021); Höring in BeckOK InvStG, § 36 Rz. 53 (Stand: Januar 2022). 2 Gesetzentwurf der BReg. v. 11.3.2016, BR-Drucks. 119/16, 120; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.16. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.17. 4 Vorbehaltlich einer späteren Umqualifizierung nach § 36 Abs. 5 InvStG. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.18. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.19. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.20. 8 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.21 sowie 35.3.

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C. Steuerfrei thesaurierbare Kapitalerträge (Abs. 2) | Rz. 46 § 36

II. Erträge aus Stillhalterprämien nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG (Abs. 2 Nr. 1) Stillhalterprämien i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG, die für die Einräumung von Optionen ver- 42 einnahmt werden, zählten schon nach bisherigem Recht gem. § 1 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 InvStG 2004 nicht zu den ausschüttungsgleichen Erträgen.

III. Bestimmte Gewinne nach § 20 Abs. 2 Satz 1 EStG (Abs. 2 Nr. 2) 1. Vorbemerkung Zu den nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 InvStG stfrei thesaurierbaren Kapitalerträgen gehören Gewinne 43 nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG aus der Veräußerung von Anteilen an Körperschaften (Rz. 45), Gewinne nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG aus der Veräußerung von anderen Wertpapieren (Rz. 46) und Gewinne nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG aus Termingeschäften (Rz. 47), mit Ausnahme bestimmter Erträge aus Swap-Verträgen, die Zins- bzw. Dividendensurrogate darstellen (Rz. 49 ff.). 2. Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Körperschaften (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG) Steuerfrei thesaurierbar sind auch Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Körper- 44 schaften gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG. Nach § 2 Abs. 14 InvStG können Gewinne in diesem Sinne auch Verluste sein. Allerdings ist insoweit zu beachten, dass Veräußerungsverluste i.S.d. § 36 Abs. 2 Nr. 2 InvStG einen eigenen Verlustverrechnungskreis gem. § 41 Abs. 1 InvStG bilden.1 3. Gewinne aus der Veräußerung von anderen Wertpapieren (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG) Die steuerfreie Thesaurierungsmöglichkeit bei sonstigen Kapitalforderungen i.S.d. § 20 45 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG wurde aus Vereinfachungsgründen im Vergleich zum bisherigen Recht ausgeweitet. Das vor 2018 geltende Recht differenzierte noch zwischen stpfl. Veräußerungsgewinnen i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 3 Buchst. a bis f InvStG 20042 und stfreien Veräußerungsgewinnen aus nicht genannten sonstigen Kapitalforderungen. In § 36 Abs. 2 Nr. 2 InvStG wird hingegen auf diese komplexe Unterscheidung zwischen stpfl. Produkten (im Wesentlichen sog. Finanzinnovationen, wie z.B. Step-up-Anleihen, Floors, Collared Bonds, Garantiezertifikate etc.) und stfreien „normalen“ Schuldverschreibungen verzichtet.3 4. Gewinne aus Termingeschäften (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG) Grundsätzlich stfrei thesaurierbar sind nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 Halbs. 1 InvStG auf Anleger- 46 ebene auch Gewinne aus Termingeschäften i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG, durch die der Anleger einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt, bzw. Gewinne aus der Veräußerung eines als Termingeschäft ausgestalteten Finanzinstruments. Jedoch ist hier die Ausnahmeregelung in § 36 Abs. 2 Nr. 2 Halbs. 2 InvStG zu beachten (s. Rz. 49).

1 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 36 InvStG Anm. 10 (Stand: August 2021). 2 Aufgehoben mit Ablauf des 31.12.2017 durch Art. 11 Abs. 3 Satz 2 InvStRefG v. 19.7.2016, BGBl. I 2016, 1730. 3 Gesetzentwurf der BReg. v. 11.3.2016, BR-Drucks. 119/16, 120. Brandl | 685

§ 36 Rz. 47 | Ausschüttungsgleiche Erträge 47 Devisentermingeschäfte fallen unter den Begriff der Termingeschäfte i. S. d. § 20 Abs. 2

Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG, wenn der StPfl. einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt. Dagegen unterliegen die Devisentermingeschäfte, die auf die physische Lieferung der Fremdwährung gerichtet sind, grds. der Besteuerung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder 3 EStG und stellen infolgedessen einen sonstigen Ertrag i.S.d. § 36 Abs. 3 InvStG dar. Abweichend davon sind derartige Devisentermingeschäfte nach der Auffassung der FinVerw. unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise jedoch grds. wie Termingeschäfte i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG zu behandeln, wenn der Spezial-Investmentfonds glaubhaft machen kann, dass die Geschäfte der Absicherung von Vermögensgegenständen dienen und hierfür faktisch ein Differenzausgleich angestrebt wird.1 5. Ausnahme: Bestimmte Erträge aus Swap-Verträgen nicht steuerfrei thesaurierbar (Abs. 2 Nr. 2 Halbs. 2)

48 Die Erträge aus Swap-Verträgen gehören grundsätzlich auch zu den steuerfrei thesaurier-

baren Kapitalerträgen. Sie unterliegen daher im Grundsatz erst bei Ausschüttung durch den Spezial-Investmentfonds bzw. i.R.d. Zuflussfiktion des § 36 Abs. 5 InvStG auf Ebene des Anlegers der Besteuerung.2 Soweit die Erträge aus Swap-Verträgen jedoch bei wirtschaftlicher Betrachtung ein Surrogat für Zinsen oder Dividenden darstellen, können sie nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 InvStG ausnahmsweise nicht stfrei thesauriert werden. Vielmehr sind diese Zinsund Dividendensurrogate bei Thesaurierung als ausschüttungsgleiche Erträge zu versteuern.3 Die Versteuerung als ausschüttungsgleiche Erträge ändert aber die Einordnung der Zinsund Dividendensurrogate für Zwecke der Verlustverrechnung nicht. Sie werden insbesondere nicht wie Zinsen oder Dividenden behandelt, sondern bleiben sonstige Erträge aus Swap-Verträgen. Ergeben sich aus Swap-Verträgen negative Erträge des Spezial-Investmentfonds, sind diese nur mit positiven Erträgen gleicher Art bis zu deren Höhe auszugleichen.4 Die Gleichartigkeit ist gegeben, wenn die gleichen steuerlichen Wirkungen beim Anleger eintreten (§ 41 Abs. 1 InvStG). Zinssurrogate aus Swap-Verträgen stammen nicht aus Zinserträgen nach § 4h Abs. 3 Satz 3 EStG und sind daher nicht i.R.d. Zinsschranke nach § 46 Abs. 1 Satz 1 InvStG zu berücksichtigen.5 Dividendensurrogate aus Swap-Verträgen sind keine Kapitalerträge nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 9 sowie Satz 2 EStG und auch keine inländischen Beteiligungseinnahmen, die vom Spezial-Investmentfonds versteuert wurden. Daher scheidet eine Steuerbefreiung der Dividendensurrogate nach § 42 InvStG aus.6

49 Die Ausnahmeregelung in § 36 Abs. 2 Nr. 2 Halbs. 2 InvStG dient der Verhinderung von Steu-

ergestaltungen, bei denen die Spezial-Investmentfonds die Besteuerung von Zinsen und Dividenden mithilfe von Swap7-Verträgen umgehen.8 „Steueroptimierte“ Fonds investieren

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.38a; zur Abgrenzung zwischen Termingeschäften i.S.v. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG und privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder 3 EStG s. auch Rz. 38 des BMF v. 19.5.2022 – IV C 1 - S 2252/19/ 10003 :009 – DOK 2022/0457871, BStBl. I 2022, 742. 2 Bindl/Schober, BB 2020, 599 (606). 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.22. 4 Vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.26 zur Verrechnung von positiven und negativen Zahlungsströmen aus einem Swap-Vertrag. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.24. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.25. 7 Ein Swap-Vertrag ist eine Vereinbarung, bei der zwei Kontrahenten vereinbaren, während eines bestimmten Zeitraums zu bestimmten Zeitpunkten künftige, aber im Vorhinein definierte Zahlungsströme zu tauschen. 8 Gesetzentwurf der BReg. v. 11.3.2016, BR-Drucks. 119/16, 120.

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C. Steuerfrei thesaurierbare Kapitalerträge (Abs. 2) | Rz. 51 § 36

nicht direkt in verzinsliche Anleihen oder Aktien, sondern nur mittelbar über einen SwapVertrag zwischen dem Investmentfonds und meist einem Kreditinstitut. Dem Fonds fließen dann keine Zinsen oder Dividenden, sondern Gewinne aus einem Termingeschäft zu. Diese konnten nach dem InvStG 2004 stfrei thesauriert werden. § 36 Abs. 2 Nr. 2 Halbs. 2 InvStG 2018 unterwirft die Erträge aus Swap-Verträgen jedoch der jährlichen StPfl., soweit sie bei wirtschaftlicher Betrachtung ein Surrogat für Zinsen oder Dividenden darstellen. Hängen die Leistungen aus dem Swap-Vertrag sowohl von Zinsen oder Dividenden als auch von der Wertentwicklung eines Basiswerts (Underlying) oder von Veräußerungsgewinnen ab, ist eine Aufteilung vorzunehmen.1 Bestimmt sich die Höhe der getauschten Zahlungsströme bei einem Swap-Vertrag ausschließ- 50 lich nach der Höhe der Zinsen oder Dividenden, können positive und negative Zahlungsströme miteinander verrechnet werden. Der sich hieraus ergebende Saldo stellt den in einer der Ertragskategorien2 der Anlage 1 zu erfassenden Ertrag dar. Ist der Saldo negativ, kommt es zu einer Minderung der Erträge in einer der Ertragskategorien3 der Anlage 1. Von Zins- oder Dividendensurrogaten ist bei Swaps (Zins-Swaps, Währungs-Swaps, Index- 51 Swaps, Wertpapier- und Wertpapierkorb-Swaps) insbes. in den folgenden Fällen auszugehen:4 – Zins-Swaps. Bei einem Zins-Swap werden üblicherweise Zinszahlungen auf festgelegte Nennbeträge ausgetauscht. Der Tausch der Zinszahlungen vollzieht sich aufgrund eines bei Vertragsabschluss bestimmten Festzinssatzes, den eine Vertragspartei zu zahlen hat, gegen den bei Vertragsabschluss bestimmten variablen Zinssatz der anderen Vertragspartei. Als Zinssurrogat sind die gezahlten oder erhaltenen Differenzbeträge zu betrachten.5 – Zins- und Währungs-Swaps. Bei einem Zins- und Währungs-Swap werden üblicherweise Zinszahlungen auf festgelegte Nennbeträge in unterschiedlichen Währungen getauscht. Dabei können feste Zinssätze gegeneinander, feste gegen variable Zinssätze oder variable Zinssätze gegeneinander getauscht werden. Als Zinssurrogat sind die gezahlten oder erhaltenen Differenzbeträge zu betrachten. Das heißt, die Währungsgewinne oder -verluste sind grds. als Zinssurrogat mit zu berücksichtigen. Sofern bei dem Zins- und Währungsswap auch die Nennbeträge getauscht werden, sind die daraus resultierenden Währungsgewinne oder -verluste jedoch nicht mit zu berücksichtigen.6 – Index-Swaps. Bei einem Index-Swap erfolgt ein Austausch von zwei variablen Zahlungsströmen, bei dem die Höhe eines Zahlungsstroms von der Entwicklung eines Index (insbes. Aktien- oder Rentenindex) abhängt. Sofern es sich bei einem der beiden Zahlungsströme um eine feste oder variable Zinszahlung handelt, ist diese als Zinssurrogat zu betrachten und daher nicht stfrei thesaurierbar (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 Halbs. 2 InvStG). Der auf die Wertentwicklung des Index entfallende Zahlungsstrom fällt nicht unter § 36 Abs. 2 Nr. 2 Halbs. 2 InvStG und ist daher ein stfrei thesaurierbarer Kapitalertrag nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 Halbs. 1 InvStG.7 Sofern der getauschte Zahlungsstrom keine feste oder variable Zinszahlung ist, es sich aber um einen Rentenindex handelt, in den auch Zinszahlungen einfließen (sog. Performance-Rentenindex), sind die gezahlten oder erhaltenen Differenzbeträge in einen Zins- und einen Wertentwicklungsanteil aufzuteilen. Aufteilungsmaßstab ist der Umfang der während der Laufzeit des Swap-Vertrags in den Performance-Rentenindex eingeflossenen Zinszahlungen im Verhältnis zur Wertentwicklung der dem Rentenindex zu1 Gesetzentwurf der BReg. v. 11.3.2016, BR-Drucks. 119/16, 120; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.27 unter Hinweis auf die Beispiele in den Rz. 36.33 und 36.36. 2 Im Regelfall der Kategorie 1. 3 Im Regelfall der Kategorie 1. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.28 ff. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.29. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.30. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.32. Brandl | 687

§ 36 Rz. 51 | Ausschüttungsgleiche Erträge grunde liegenden Renten. Der auf die Zinszahlungen entfallende Anteil ist als Zinssurrogat zu berücksichtigen und somit nicht stfrei thesaurierbar.1 Sofern der getauschte Zahlungsstrom keine feste oder variable Zinszahlung ist, es sich aber um einen Aktienindex handelt, in den auch Dividendenzahlungen einfließen (sog. Performance-Aktienindex), sind die gezahlten oder erhaltenen Differenzbeträge in einen Dividenden- und einen Wertentwicklungsanteil aufzuteilen. Aufteilungsmaßstab ist der Umfang der während der Laufzeit des Swap-Vertrags in den Performance-Aktienindex eingeflossenen Dividendenzahlungen im Verhältnis zur Wertentwicklung der dem Aktienindex zugrunde liegenden Aktien. Der auf die Dividendenzahlungen entfallende Anteil ist als Dividendensurrogat zu berücksichtigen und nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 Halbs. 2 InvStG nicht stfrei thesaurierbar.2 – Wertpapier- und Wertpapierkorb-Swaps. Bei einem Wertpapier-Swap wird ein Zahlungsstrom gegen die Wertentwicklung eines einzelnen Wertpapieres getauscht. Bei Wertpapierkorb-Swaps werden Zahlungsströme gegen die Wertentwicklung einer Mehrzahl von Wertpapieren getauscht. Die oben dargestellten Regelungen zu Index-Swaps sind entsprechend anzuwenden.3

IV. Erträge aus der Veräußerung von Investmentanteilen und SpezialInvestmentanteilen (Abs. 2 Nr. 3) 52 Ebenfalls zu den stfrei thesaurierbaren Kapitalerträgen zählen nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 InvStG

die Erträge aus der Veräußerung von Investmentanteilen (s. dazu §§ 16 Abs. 1 Nr. 3, 19 InvStG) und Spezial-Investmentanteilen (s. dazu §§ 34 Abs. 1 Nr. 3, 49 InvStG).

D. Sonstige Erträge (Abs. 3) 53 Die Norm enthält eine Legaldefinition des Begriffs der sonstigen Erträge. Sonstige Erträge

sind nach der gesetzlichen Negativabgrenzung Einkünfte, die nicht unter die §§ 20, 21 und 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG fallen. Dies können insbes. folgende Einkünfte sein:4 – Gewinnanteile einschließlich der Veräußerungsgewinne aus gewerblichen Personengesellschaften (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, ggf. i.V.m. §§ 15 Abs. 3, 16 EStG), – Erträge aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 EStG. Es kommen aber auch Kompensationszahlungen aus Wertpapier-Darlehensgeschäften als subsidiäre sonstige Erträge in Betracht.5

54 Entgegen der ursprünglichen Auffassung im Erlassentwurf der FinVerw.6, die zu Recht nicht

in das Anwendungsschreiben übernommen wurde, sind Veräußerungsgewinne i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG hingegen keine subsidiären sonstigen Erträge i.S.d. § 36 Abs. 3 InvStG. Sie sind vielmehr steuerfrei thesaurierbare Kapitalerträge, da sie strukturell unter das Thesaurierungsprivileg für Veräußerungsgewinne von Kapitalgesellschaftsanteilen gem. § 36 Abs. 1 Nr. 1 InvStG fallen. Denn durch das InvStG 2018 sollte keine Einschränkung des Thesaurierungsprivilegs in Bezug auf Veräußerungsgewinne bei Kapitalgesellschaftsanteilen vorgenom-

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BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.34. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.35 sowie Beispiel in Rz. 36.36. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.37 f. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.39. Höring in BeckOK InvStG, § 36 Rz. 71 (Stand: Januar 2022). Entwurf des BMF v. 16.12.2019, Rz. 36.35.

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E. Zurechnung und Zufluss beim Anleger (Abs. 4) | Rz. 58 § 36

men werden.1 In der Gesetzesbegründung2 des InvStG 2018 wurde ausdrücklich ausgeführt, dass Veräußerungsgewinne aus Aktien unter das Thesaurierungsprivileg fallen sollen.3

E. Zurechnung und Zufluss beim Anleger (Abs. 4) I. Besitzzeitanteilige Zurechnung (Abs. 4 Satz 1) Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 InvStG bestimmt sich die Ermittlung der ausschüttungsgleichen Er- 55 träge nach §§ 37 bis 41 InvStG mit der Maßgabe, dass die Einnahmen und Ausgaben eines Spezial-Investmentfonds den Anlegern insoweit zugerechnet werden, wie diese zum Zeitpunkt des Zuflusses der Einnahme oder Abflusses der Werbungskosten an dem Spezial-Investmentfonds beteiligt waren.4 Das heißt, die Einnahmen und Ausgaben des Spezial-Investmentfonds werden den Anlegern nur noch besitzzeitanteilig und somit individuell zugerechnet. Vergleichbar der Veräußerung einer Personengesellschaftsbeteiligung durch einen Gesellschafter werden Erträge und WK bis zum Veräußerungszeitpunkt dem ausscheidenden Anteilsinhaber zugerechnet.5 Dies stellt eine erweiterte Transparenz ähnlich wie bei einer Personengesellschaft dar.6 Besitzzeitanteilige Ertragsermittlung bedeutet, dass einem Anleger z.B. auch dann Erträge und Werbungskosten zugerechnet werden, wenn er am Geschäftsjahresende des Spezial-Investmentfonds nicht mehr investiert ist – nämlich solche Erträge und Werbungskosten, die während seiner Besitzzeit der Spezial-Investmentfondsanteile angefallen sind. Umgekehrt werden einem Anleger keine Erträge bzw. Kosten zugerechnet, wenn während der Zeit, in der er investiert war, keine Erträge bzw. Kosten angefallen sind.7 Die besitzzeitanteilige Zurechnung soll das Gestaltungspotenzial ausschließen, das sich nach 56 dem bisherigen Recht aus dem bisherigen Ertragsausgleich gem. § 9 InvStG 2004 ergab.8 Insbesondere wurden Gestaltungsspielräume bei der Umgehung der Zinsschranke i.S.d. § 4h EStG eingeschränkt.9 Außerdem ist die besitzzeitanteilige Zurechnung von Einnahmen und Ausgaben geboten, da- 57 mit sich die unmittelbare Zurechnung von inländischen Beteiligungseinnahmen bei Ausübung der Transparenzoption nach § 30 Abs. 1 InvStG in das Besteuerungssystem einfügen kann.10 Die Regelung in § 36 Abs. 4 Satz 1 InvStG bedingt ein intensives investmentsteuerliches An- 58 legerreporting. Der Spezial-Investmentfonds muss ermitteln, welcher Anleger in welchen Zeiträumen und in welchem Umfang Spezial-Investmentanteile gehalten hat und welche Erträge und Werbungskosten insoweit entstanden sind.11 Sämtliche Erträge sind hierzu grds. bewertungstäglich zu ermitteln. Das gilt nicht nur für angewachsene Zinsen und Mieterträge sowie für die Werbungskosten. Bei der Veräußerung von Vermögensgegenständen entfallen Veräußerungsgewinne insoweit auf einen neuen Spezial-Investmentanteil, wie seit seiner Ausgabe Wertveränderungen eingetreten sind.12 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Stadler/Sotta, BB 2020, 279 (282). Gesetzentwurf der BReg. v. 11.3.2016, BT-Drucks. 18/8045, 105. So auch Stadler/Sotta, BB 2020, 279 (282). BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.41. Bödecker, Ubg 2021, 121 (122). Gesetzentwurf der BReg. v. 11.3.2016, BR-Drucks. 119/16, 120. Höring in BeckOK InvStG, § 36 Rz. 78 f. (Stand: Januar 2022). Gesetzentwurf der BReg. v. 11.3.2016, BR-Drucks. 119/16, 53 f. Gesetzentwurf der BReg. v. 11.3.2016, BR-Drucks. 119/16, 53 f. Gesetzentwurf der BReg. v. 11.3.2016, BR-Drucks. 119/16, 120. Wenzel in Brandis/Heuermann, § 36 InvStG Rz. 32 (Stand: März 2020); Höring in BeckOK InvStG, § 36 Rz. 87 (Stand: Januar 2022). 12 Wenzel in Brandis/Heuermann, § 36 InvStG Rz. 33 (Stand: März 2020). Brandl | 689

§ 36 Rz. 59 | Ausschüttungsgleiche Erträge

II. Zeitliche Zurechnung (Abs. 4 Sätze 2 bis 5) 1. Vorbemerkung 59 Nach Abs. 4 Satz 2 in der bis VZ 2019 geltenden Fassung galten die ausschüttungsgleichen

Erträge stets am Geschäftsjahresende als zugeflossen, und zwar ungeachtet einer vorherigen Anteilsveräußerung. Dies entsprach der vorherigen Rechtslage gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2004. Außerdem sah Abs. 4 Satz 2 i.d.F. bis VZ 2019 vor, dass die ausschüttungsgleichen Erträge auch dann dem Anleger zugerechnet wurden, wenn dieser vor dem fiktiven Zuflusszeitpunkt die Anteile an dem Spezial-Investmentfonds bereits veräußert hatte. Dadurch sollten Steuerumgehungen durch Anteilsveräußerungen vor dem steuerlichen Stichtag verhindert werden.1

60 2. Zuflussfiktion bei Vereinnahmung und Anteilsveräußerung (Abs. 4 Sätze 2 und 3) 61 Nach Abs. 4 Satz 2 gelten die ausschüttungsgleichen Erträge grds. dem Anleger mit Ablauf

des Geschäftsjahres als zugeflossen, in dem sie vom Spezial-Investmentfonds vereinnahmt worden sind. Die im Fall der Thesaurierung auf ausschüttungsgleiche Erträge einbehaltene Kapitalertragsteuer ist nach § 44 Abs. 1 Satz 5 EStG grds. bis zum Zehnten des Monats anzumelden und abzuführen, der dem Monat folgt, in dem das Geschäftsjahr des Spezial-Investmentfonds endet. Als Anmeldezeitraum ist grds. der Monat anzugeben, in dem das Geschäftsjahr des Spezial-Investmentfonds endet. Abweichend gibt es allerdings eine Nichtbeanstandungsregelung der FinVerw, die erstmals für Geschäftsjahre eines Spezial-Investmentfonds anwendbar ist, die nach dem 30.9.2022 enden.2

62 Die in den VZ 2018 und 2019 allein geltende Regelung des Abs. 4 Satz 2 a.F. hatte den Nach-

teil, dass in den Fällen, in denen ein Anleger während des Geschäftsjahres sämtliche SpezialInvestmentanteile veräußert, dem Spezial-Investmentfonds am Geschäftsjahresende keine Geldmittel zur Verfügung stehen, um die KapErtrSt gegenüber dem betreffenden Anleger zu erheben. Der Spezial-Investmentfonds müsste die erforderlichen Geldbeträge nachträglich anfordern und bei deren Ausbleiben eine Mitteilung gegenüber der FinVerw. machen. Sofern es sich um ausländische Anleger handelt, könnte die Durchsetzung der Steueransprüche schwierig sein.3 Um diese Schwierigkeiten zu vermeiden und einen administrativ einfachen Steuereinbehalt zu gewährleisten, wird nach dem ab VZ 2020 geltenden neuen Abs. 4 Satz 3 der Zeitpunkt der Zuflussfiktion für die ausschüttungsgleichen Erträge auf den Veräußerungszeitpunkt vorverlegt. Im Veräußerungszeitpunkt steht dem Spezial-Investmentfonds der Veräußerungserlös und somit die erforderliche Liquidität für die Zwecke des Steuerabzugs zur Verfügung.4

Beispiel:5 An dem Spezial-Investmentfonds S ist nur der Anleger A beteiligt. Bis zum 30.6. erzielt S 1.000 Euro Mieteinnahmen. Außerdem fließen Werbungskosten i.H.v. 300 Euro ab. Zeitanteilig sind 100 Euro AfA angefallen. Am 1.7. erwirbt Anleger B sämtliche Anteile von dem Anleger A. Am 15.7. werden an B 700 Euro ausgeschüttet. Das Geschäftsjahresende des Spezial-Investmentfonds ist am 31.7.

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Gesetzentwurf der BReg. v. 11.3.2016, BR-Drucks. 119/16, 121. Zu Details s. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 50.3. Gesetzentwurf der BReg. v. 23.9.2019, BT-Drucks. 19/13436, 180. Gesetzentwurf der BReg. v. 23.9.2019, BT-Drucks. 19/13436, 180; Haug, Ubg 2020, 84 (94). Beispiel übernommen aus BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.45; s. auch BRDrucks. 119/16, 121, in der allerdings nach Abs. 4 S. 2 a.F. noch auf das Geschäftsjahresende als Zurechnungszeitpunkt für A abgestellt wird.

690 | Brandl

E. Zurechnung und Zufluss beim Anleger (Abs. 4) | Rz. 66 § 36 Lösung: Dem Anleger B sind keine Einnahmen und Werbungskosten zuzurechnen, weil diese nicht in seiner Besitzzeit angefallen sind. Die Ausschüttung gilt in voller Höhe von 700 Euro als Substanzbetrag gem. § 35 Abs. 5 InvStG. Dem Anleger A sind die Mieterträge i.H.v. 600 Euro als ausschüttungsgleiche Erträge gem. § 36 Abs. 4 Satz 3 InvStG im Zeitpunkt der Veräußerung, d.h. am 1.7., zuzurechnen. Dabei ist die auf die Besitzzeit des A entfallende AfA i.H.v. 100 Euro berücksichtigt.

Aus Anlegersicht muss eine Doppelbesteuerung der Erträge – einmal im Rahmen der Schluss- 63 besteuerung und erneut im Rahmen der laufenden Besteuerung – vermieden werden.1 Zur Vermeidung einer doppelten Erfassung der ausschüttungsgleichen Erträge am Geschäftsjahresende des Spezial-Investmentfonds und bei Veräußerung der Spezial-Investmentanteile müssen bilanzierende Anleger einen aktiven Ausgleichsposten in ihrer Steuerbilanz bilden. Nichtbilanzierende betriebliche Anleger, die eine Einnahmenüberschussrechnung vornehmen, vermeiden eine Doppelbesteuerung durch Aufzeichnung eines Merkpostens.2 3. Zeitliche Zurechnung bei Teilausschüttungen (Abs. 4 Sätze 4 und 5) Teilausschüttungen liegen vor, wenn ein Spezial-Investmentfonds nur einen Teil der Erträge 64 des abgelaufenen Geschäftsjahres, die nicht stfrei thesaurierbare Kapitalerträge sind (insbes. Zinsen, Dividenden und Mieterträge), ausschüttet. Das Gleiche gilt für Kapitalerträge, die nach Ablauf einer 15-Jahresfrist nach Abs. 5 als zugeflossen gelten (insbes. Veräußerungsgewinne aus Aktien und anderen Wertpapieren, sowie Erträge aus Termingeschäften).3 Nach der ebenfalls ab VZ 2020 geltenden Neuregelung in Abs. 4 Sätze 4 und 5 wird bei Teil- 65 ausschüttungen einheitlich entweder auf das Geschäftsjahresende oder auf den Ausschüttungszeitpunkt abgestellt.4 Welcher Zeitpunkt maßgeblich ist, hängt davon ab, ob die Ausschüttung für den Einbehalt der Kapitalertragsteuer einschließlich der bundes- oder landesgesetzlich geregelten Zuschlagsteuern zur Kapitalertragsteuer, die auf alle Erträge des abgelaufenen Geschäftsjahres zu entrichten ist, ausreicht oder nicht. Dabei ist jeder Anleger unter Berücksichtigung seiner individuellen Verhältnisse (z.B. Beteiligung an dem Spezial-Investmentfonds nur für einen Teil des Geschäftsjahres) getrennt zu betrachten. Das bedeutet, die Teilausschüttung, die anteilig auf den jeweiligen Anleger entfällt, muss die KapErtrSt abdecken, die für diesen Anleger einzubehalten ist. Ist diese Voraussetzung für einen oder mehrere Anleger nicht erfüllt, sind alle Anleger so zu behandeln, als seien die Erträge des Spezial-Investmentfonds vollständig thesauriert worden mit der Folge, dass auch die Teilausschüttung bereits als mit Ablauf des Geschäftsjahres zugeflossen gilt. Der tatsächlich ausgeschüttete Ertrag wird für diesen Zweck in einen ausschüttungsgleichen Ertrag umqualifiziert. Mit der Einfügung der Sätze 4 und 5 in Abs. 4 sollte der Zuflusszeitpunkt von ausgeschütte- 66 ten und ausschüttungsgleichen Erträgen bei Voll- und Teilausschüttungen vereinheitlicht werden.5 Ausgeschüttete Erträge fließen im Zeitpunkt der Ausschüttung zu. Ausschüttungsgleiche Erträge, also bestimmte Ertragsarten wie Zinsen, Dividenden und Immobilienerträge, die nicht zur Ausschüttung verwendet werden, gelten hingegen grds. mit Ablauf des Geschäftsjahres, in dem sie vereinnahmt worden sind, als zugeflossen. Der Spezial-Investmentfonds kann bis spätestens vier Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres eine Ausschüttung der

1 Höring, DStZ 2019, 906 (915). 2 Dorn, Investmentsteuerrecht, 4. Aufl. 2021, 201 f.; Höring in BeckOK InvStG, § 36 Rz. 98 (Stand: Januar 2022); Wenzel in Brandis/Heuermann, § 36 InvStG Rz. 38 (Stand: März 2020). 3 Gesetzentwurf der BReg. v. 23.9.2019, BT-Drucks. 19/13436, 180; Ebner, NWB 2019, 619 (626). 4 Vgl. jetzt und im Folgenden Gesetzentwurf der BReg. v. 23.9.2019, BT-Drucks. 19/13436, 180; s. auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.50 sowie vereinfachtes Beispiel in Rz. 36.51. 5 Vgl. zur Gesetzesbegründung jetzt und im Folgenden: Gesetzentwurf der BReg. v. 23.9.2019, BTDrucks. 19/13436, 180. Brandl | 691

§ 36 Rz. 66 | Ausschüttungsgleiche Erträge Erträge des abgelaufenen Geschäftsjahres vornehmen. Beabsichtigt ein Spezial-Investmentfonds nicht von vornherein, sämtliche Erträge des Geschäftsjahres auszuschütten, muss er für Zwecke der KapErtrSt zunächst von einer Vollthesaurierung ausgehen. In diesem Fall muss er innerhalb von zehn Tagen nach Ablauf des Geschäftsjahres eine KapErtrSt-Anmeldung abgeben und die auf die ausschüttungsgleichen Erträge entfallende KapErtrSt an das FA abführen (§ 50 InvStG, § 44 Abs. 1 Satz 5 EStG). Nimmt er nachträglich eine Teilausschüttung der thesaurierten Erträge vor, ist die bereits abgegebene KapErtrSt-Anmeldung zu korrigieren. Nähere Details zur Anmeldung und Abführung der Kapitalertragsteuer auf ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträge bei Vornahme einer Teilausschüttung (§ 36 Abs. 4 Sätze 4 und 5 InvStG) ergeben sich aus dem BMF-Anwendungsschreiben.1

F. Temporäre Begrenzung des Thesaurierungsprivilegs (Abs. 5) I. Vorbemerkung 67 Die Regelung des § 36 Abs. 5 InvStG betrifft nur steuerfrei thesaurierbare Kapitalerträge

i.S.v. Abs. 2, die ab dem 1.1.2018 vereinnahmt wurden. Auf bis zum 31.12.2017 vereinnahmte stfrei thesaurierbare Kapitalerträge ist die Zuflussfiktion nach Abs. 5 hingegen sachlich nicht anwendbar. Außerordentliche Alterträge i.S.d. § 56 Abs. 8 Satz 2 InvStG bleiben von der Zuflussfiktion des Abs. 5 unberührt.2 Soweit dies dem Willen des Gesetzgebers (umfassender Systemwechsel ohne „Altlasten“) widerspricht, hat dieser Wille im Gesetzeswortlaut keinen hinreichenden Ausdruck gefunden.3

II. Zuflussfiktion mit Ablauf des 15. Geschäftsjahrs (Abs. 5 Satz 1) 1. Vorbemerkung 68 Nach § 36 Abs. 5 Satz 1 InvStG wird die steuerfreie Thesaurierungsmöglichkeit für die Er-

träge i.S.d. § 36 Abs. 2 InvStG temporär begrenzt. Spätestens nach Ablauf von 15 Geschäftsjahren nach dem Geschäftsjahr des Zuflusses der betreffenden Einnahmen gelten die stfrei thesaurierbaren Ertragsarten als ausschüttungsgleiche Erträge, sofern sie nicht zwischenzeitlich ausgeschüttet wurden. Sofern auch Verluste aus den stfrei thesaurierbaren Ertragsarten angefallen sind, sind diese zu verrechnen, sodass nur der Überschuss als ausschüttungsgleicher Ertrag mit Ablauf von 15 Geschäftsjahren nach dem Geschäftsjahr der Vereinnahmung anzusetzen ist.4 Die Norm stellt erhebliche Anforderungen an das investmentsteuerliche Anlegerreporting,5 wie das nachfolgende Beispiel zeigt.

Beispiel:6 Ein Spezial-Investmentfonds mit einem Geschäftsjahr, das dem Kalenderjahr entspricht, erzielt nur stfrei thesaurierbare Veräußerungsgewinne oder -verluste nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 und 7 EStG. Der Spezial-Investmentfonds thesauriert alle Gewinne bzw. nimmt keine Ausschüttungen vor. Ab dem Jahr 7 erzielt der Spezial-Investmentfonds keine Veräußerungsgewinne oder -verluste.

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 50.4 und 50.4a. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.58 sowie 56.123 ff.; Höring in BeckOK InvStG, § 36 Rz. 128 (Stand: Januar 2022). 3 Mann in W/B/A3, § 36 InvStG Rz. 12. 4 Gesetzentwurf der BReg. v. 11.3.2016, BR-Drucks. 119/16, 121; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.57. 5 Höring in BeckOK InvStG, § 36 Rz. 130 (Stand: Januar 2022); Wenzel in Brandis/Heuermann, § 36 InvStG Rz. 44 (Stand: März 2020). 6 Beispiel übernommen aus dem Gesetzentwurf der BReg. v. 11.3.2016, BR-Drucks. 119/16, 121 ff.

692 | Brandl

F. Temporäre Begrenzung des Thesaurierungsprivilegs (Abs. 5) | Rz. 68 § 36 Lösung: Jahr

Veräußerungsgewinn/-verlust

Verlustvortrag zum Geschäftsjahresanfang

als zugeflossen geltende Erträge vor Verlustverrechnung

Verbleibender Verlustvortrag am Geschäftsjahresende

stpfl. ausschüttungsgleiche Erträge

Anmerkung

1

–50

0

0

–50

0 keine Zuflussfiktion bei Verlusten

2

100

–50

0

–50

0 Zuflussfiktion nach Ablauf des Jahres 17

3

120

–50

0

–50

0 Zuflussfiktion nach Ablauf des Jahres 18

4

–250

–50

0

–300

0 keine Zuflussfiktion bei Verlusten

5

180

–300

0

–300

0 Zuflussfiktion nach Ablauf des Jahres 20

6

40

–300

0

–300

0 Zuflussfiktion nach Ablauf des Jahres 21

7

0

–300

0

–300

0

8

0

–300

0

–300

0

9

0

–300

0

–300

0

10

0

–300

0

–300

0

11

0

–300

0

–300

0

12

0

–300

0

–300

0

13

0

–300

0

–300

0

14

0

–300

0

–300

0

15

0

–300

0

–300

0

16

0

–300

0

–300

0 keine Zuflussfiktion bei Verlusten

17

0

–300

100

–200

0 100 € gelten als zugeflossen, werden aber durch den Verlustvortrag neutralisiert

Brandl | 693

§ 36 Rz. 68 | Ausschüttungsgleiche Erträge Jahr

Veräußerungsgewinn/-verlust

Verlustvortrag zum Geschäftsjahresanfang

als zugeflossen geltende Erträge vor Verlustverrechnung

Verbleibender Verlustvortrag am Geschäftsjahresende

stpfl. ausschüttungsgleiche Erträge

Anmerkung

18

0

–200

120

–80

0 120 € gelten als zugeflossen, werden aber durch den Verlustvortrag neutralisiert

19

0

–80

0

–80

0 keine Zuflussfiktion bei Verlusten

20

0

–80

180

0

100 am Geschäftsjahresende 20 gelten 100 € ausschüttungsgleiche Erträge als zugeflossen

21

0

0

40

0

40 am Geschäftsjahresende 21 gelten 40 € ausschüttungsgleiche Erträge als zugeflossen

Summe

140

140 volle Besteuerung über Totalperiode

2. Steuerfrei thesaurierbare Kapitalerträge 69 Der Begriff der stfrei thesaurierbaren Kapitalerträge ergibt sich aus der Legaldefinition in § 36

Abs. 2 InvStG. Im Fall einer Verschmelzung von Spezial-Investmentfonds gehen die noch nicht ausgeschütteten oder aufgrund von Anteilsrückgaben gekürzten stfrei thesaurierbaren Kapitalerträge des untergehenden auf den übernehmenden Spezialfonds über. 3. Ablauf von 15 Geschäftsjahren nach Vereinnahmung

70 Die 15-jährige Thesaurierungsfrist des § 36 Abs. 5 Satz 1 InvStG ist unabhängig von einem

Anlegerwechsel anzuwenden. Insbesondere führt das Ausscheiden eines Anlegers und der Eintritt eines neuen Anlegers nicht zu einem Neubeginn der Frist.1 Veräußert ein Anleger vor Ablauf der 15-jährigen Thesaurierungsfrist Anteile an einem Spezial-Investmentfonds, verringert sich das Volumen der stfrei thesaurierbaren Kapitalerträge anteilig.2

71 Im Fall einer Verschmelzung von Spezial-Investmentfonds gehen die noch nicht ausgeschüt-

teten oder aufgrund von Veräußerung gekürzten, stfrei thesaurierbaren Kapitalerträge nach § 36 Abs. 2 InvStG des untergehenden Spezial-Investmentfonds anlegerbezogen auf den über-

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.62. 2 Vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 59.

694 | Brandl

F. Temporäre Begrenzung des Thesaurierungsprivilegs (Abs. 5) | Rz. 75 § 36

nehmenden Spezial-Investmentfonds über. Eine Verschmelzung führt nicht zu einem Neubeginn der 15-jährigen Thesaurierungsfrist.1 4. Keine Ausschüttung Die stfrei thesaurierbaren Kapitalerträge müssen zum Ablauf der 15-Jahresfrist noch the- 72 sauriert sein. Wenn sie vorher ausgeschüttet wurden, dann werden sie mit der Ausschüttung zu ausgeschütteten Erträgen. Der Spezial-Investmentfonds hat dabei ein Wahlrecht, ob und ggf. wann er die stfrei thesaurierbaren Kapitalerträge ausschüttet.2 5. Keine übersteigenden Verluste aus Vorjahren Eine Umqualifikation stfrei thesaurierbarer Kapitalerträge und eine Zuflussfiktion nach Ab- 73 lauf von 15 Jahren erfolgen zudem nur insoweit, als keine übersteigenden Verluste aus Vorjahren vorhanden sind. Gewinne und Verluste sind dabei getrennt zu erfassen. Übersteigen die Verluste die umqualifizierten stfrei thesaurierbaren Kapitalerträge, mindert sich lediglich der verbleibende Verlustvortrag3 und es erfolgt (noch) kein Zufluss fingierter ausschüttungsgleicher Erträge.4

III. Keine besitzzeitanteilige Zurechnung (Abs. 5 Satz 2) Nach § 36 Abs. 5 Satz 2 InvStG ist eine besitzzeitanteilige Zurechnung – anders als bei den aus- 74 schüttungsgleichen Erträgen nach § 36 Abs. 4 InvStG – bei den stfrei thesaurierbaren Kapitalertragsarten nicht vorzunehmen.5 Bei einer Zurechnung nach fünfzehn Jahren wäre das nicht praktikabel.6 § 36 Abs. 5 Satz 2 kommt aber nur dann zur Anwendung, wenn keine tatsächliche Ausschüttung der stfrei thesaurierten Kapitalerträge der Vorjahre stattfindet, sondern die Erträge nach Abs. 5 Satz 1 mit Ablauf des 15. Geschäftsjahres nach dem Geschäftsjahr der Vereinnahmung der Kapitalerträge als ausschüttungsgleiche Erträge gelten. Für diese ausschüttungsgleichen Erträge erfolgt eine Zurechnung nach den Beteiligungsverhältnissen zum Ende des Geschäftsjahres, in dem die 15-jährige Thesaurierungsfrist abläuft. Da die Norm erhebliche Anforderungen an das investmentsteuerliche Anlegerreporting stellt und zudem zu Verzerrungen bei der Zurechnung der Erträge gegenüber den Anlegern führt,7 beabsichtigt die FinVerw., dem Gesetzgeber ggf. eine Abschaffung des § 36 Abs. 5 Satz 2 InvStG vorzuschlagen.8 Die 15-jährige Thesaurierungsfrist des § 36 Abs. 5 Satz 1 InvStG ist unabhängig von einem 75 Anlegerwechsel anzuwenden. Insbesondere führen das Ausscheiden eines Anlegers und der Eintritt eines neuen Anlegers nicht zu einem Neubeginn der Frist. Die Verringerung des Bestands der stfrei thesaurierbaren Kapitalerträge im Fall der Veräußerung ist jedoch zu beachten.9 War ein zum Zeitpunkt des Zuflusses nach Abs. 5 Satz 1 als ausschüttungsgleicher Ertrag

1 Vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.64 ff. zu den Auswirkungen einer Verschmelzung auf die Zuflussfiktion nach Ablauf von 15 Geschäftsjahren sowie das Beispiel in Rz. 36.68. 2 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 36 InvStG Anm. 25 (Stand: August 2021). 3 Vgl. das Beispiel im Gesetzentwurf der BReg. v. 11.3.2016, BT-Drucks. 18/8045, 107 f. 4 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 36 InvStG Anm. 25 (Stand: August 2021). 5 Dorn, Investmentsteuerrecht, 4. Aufl. 2021, 208; Höring in BeckOK InvStG, § 36 Rz. 126 (Stand: Januar 2022). 6 Gesetzentwurf der BReg. v. 11.3.2016, BR-Drucks. 119/16, 123. 7 Wenzel in Brandis/Heuermann, § 36 InvStG Rz. 44 (Stand: März 2020). 8 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.61. 9 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.62. Brandl | 695

§ 36 Rz. 75 | Ausschüttungsgleiche Erträge beteiligter Anleger zum Zeitpunkt der Vereinnahmung der zugrunde liegenden stfrei thesaurierbaren Kapitalerträge noch nicht am Spezial-Investmentfonds beteiligt, kommt es für ihn aufgrund von Abs. 5 Satz 2 entgegen Abs. 4 Satz 1 zu einer Besteuerung als ausschüttungsgleicher Ertrag gem. § 36 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 InvStG und nicht zum Zufluss von Substanzbeträgen. Erst bei einer späteren Veräußerung findet eine Berücksichtigung durch Minderung des Veräußerungsgewinns um die bereits besteuerten ausschüttungsgleichen Erträge nach § 49 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 InvStG statt. 76 Bisher stfrei thesaurierbare Kapitalerträge nach § 36 Abs. 2 InvStG sind im Falle ihrer Aus-

schüttung vor Ablauf der 15-jährigen Thesaurierungsfrist als ausgeschüttete Erträge i.S.d. § 35 Abs. 1 InvStG zu versteuern. Es gelten dann die Regeln des § 35 InvStG für ausgeschüttete Erträge, insbes. sind die Erträge dann gem. § 35 Abs. 6 InvStG besitzzeitanteilig zuzurechnen.1

G. Thesaurierungsfiktion (Abs. 6) I. Vorbemerkung 77 Nach Auffassung der FinVerw.2 gilt für die steuerliche Behandlung von Ausschüttungen eines

Spezial-Investmentfonds folgende Ausschüttungsreihenfolge: 1. Zurechnungsbeträge (§ 35 Abs. 3 InvStG) und Immobilien-Zurechnungsbeträge (§ 35 Abs. 3a InvStG) sowie Absetzungsbeträge (§ 35 Abs. 4 InvStG) 2. nach Wahl des Investmentfonds: a) ausschüttungsgleiche Erträge (§ 36 Abs. 1 InvStG) des laufenden oder des gerade abgelaufenen Geschäftsjahres b) bereits besteuerte ausschüttungsgleiche Erträge der Vorjahre, die in den Folgejahren steuerneutral ausgeschüttet werden können c) stfrei thesaurierbare bzw. thesaurierte Erträge (§ 36 Abs. 2 InvStG) des laufenden Geschäftsjahres oder früherer Geschäftsjahre 3. Substanzbeträge (§ 35 Abs. 5 InvStG) Innerhalb der 2. Gruppe besteht keine verbindliche Ausschüttungsreihenfolge, sodass der Spezial-Investmentfonds ein Wahlrecht bezüglich der Ausschüttungsreihenfolge der in der 2. Gruppe aufgeführten Positionen hat. Somit ist nach Ausschüttung aller Beträge der 1. Gruppe eine steuerneutrale Ausschüttung der bereits besteuerten ausschüttungsgleichen Erträge der Vorjahre möglich, ohne dass zuvor eine stpfl. Ausschüttung aller Erträge des laufenden oder gerade abgelaufenen Geschäftsjahrs und der grds. stfrei thesaurierbaren Kapitalerträge i.S.d. § 36 Abs. 2 InvStG erfolgt sein muss.3

78 Durch die Nichtausschüttungsfiktion des § 36 Abs. 6 InvStG soll nach dem Willen des Ge-

setzgebers ein weiteres Hinauszögern der Besteuerung der ausschüttungsgleichen Erträge vermieden werden.4 Die Regelung zur Fiktion („gilt“) des Zuflusses ausschüttungsgleicher Erträge führt im Wesentlichen die mit dem JStG 2009 geschaffene Thesaurierungsfiktion des bisherigen § 1 Abs. 3 Satz 5 InvStG 2004 fort.5 Die Anforderungen zur Vermeidung der Fiktion des Zuflusses zum Ende des abgelaufenen Geschäftsjahres wurden jedoch insoweit ergänzt, als die 1 2 3 4

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.60. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.5. Stadler/Mayer/Ludwig, BB 2021, 1559 (1564). Gesetzentwurf der BReg. v. 11.3.2016, BT-Drucks. 18/8045, 49 bzw. BR-Drucks. 119/16, 123; Höring in BeckOK InvStG, § 36 Rz. 141 f. (Stand: Januar 2022). 5 Höring in BeckOK InvStG, § 36 Rz. 141 (Stand: Januar 2022).

696 | Brandl

G. Thesaurierungsfiktion (Abs. 6) | Rz. 81 § 36

binnen vier Monaten nach Geschäftsjahresende beschlossene Schlussausschüttung nunmehr auch innerhalb dieses Zeitraums tatsächlich vorgenommen werden muss.1

II. Keine Ausschüttung der Erträge des abgelaufenen Geschäftsjahrs Zur Vermeidung der Thesaurierungsfiktion ist ein tatsächlicher Zufluss der Erträge beim 79 Anleger erforderlich. Ein Ausschüttungsbeschluss innerhalb der Viermonatsfrist hindert somit nicht mehr die Thesaurierungsfiktion, sondern die Ausschüttung dieser Erträge an die Anleger muss auch innerhalb dieses Zeitraums tatsächlich vorgenommen werden.2 Im Fall der Verschmelzung von Spezial-Investmentfonds ist die tatsächliche Vornahme einer Ausschüttung der Erträge auch durch den übernehmenden Spezial-Investmentfonds möglich, der dann die Ausschüttung als Gesamtrechtsnachfolger des übertragenden Spezial-Investmentfonds vornimmt. Bei einer Ausschüttung binnen vier Monaten nach Wirksamkeit der Verschmelzung des übertragenden Spezial-Investmentfonds (auch) an dessen Anleger kann diese Ausschüttung somit als Ausschüttung für das abgelaufene Geschäftsjahr des übertragenden Investmentfonds qualifiziert werden, sodass insoweit ausgeschüttete Erträge i.S.d. § 35 InvStG vorliegen.3

III. Ablauf von vier Monaten nach Ende des Geschäftsjahrs Ausschüttungsgleiche Erträge liegen vor, wenn die Erträge nicht vor Ablauf von vier Monaten 80 nach Ende des Geschäftsjahres der Vereinnahmung ausgeschüttet werden. Eine Ausschüttung außerhalb der viermonatigen Frist ist steuerrechtlich bereits eine Zwischenausschüttung des neuen Geschäftsjahrs.4 Nähere Details zur Anmeldung und Abführung der Kapitalertragsteuer auf ausgeschüttete Erträge bei Vornahme einer Zwischenausschüttung (§ 35 Abs. 1 i.V.m. § 36 Abs. 6 InvStG) ergeben sich aus dem BMF-Anwendungsschreiben.5

IV. Rechtsfolge: Ausschüttungsgleiche Erträge Erfolgt eine Ausschüttung innerhalb von vier Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres der 81 Vereinnahmung, liegen ausgeschüttete Erträge des abgelaufenen Geschäftsjahrs nach § 35 Abs. 1 InvStG vor.6 Wird dagegen innerhalb von vier Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahrs keine Ausschüttung vorgenommen, liegen ausschüttungsgleiche Erträge nach § 36 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 InvStG vor. Wird anschließend eine Ausschüttung dieser Beträge vorgenommen, werden sie als bereits besteuerte ausschüttungsgleiche Erträge des Vorjahres behandelt.7

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.69. 2 Dorn, Investmentsteuerrecht, 4. Aufl. 2021, 209; Mann in W/B/A3, § 36 InvStG Rz. 14; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 36 InvStG Rz. 47 (Stand: März 2020); BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.69. 3 Hasbach, FR 2018, 1117 (1122). 4 Höring in BeckOK InvStG, § 36 Rz. 144 (Stand: Januar 2022); Wenzel in Brandis/Heuermann, § 36 InvStG Rz. 47 (Stand: März 2020). 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 50.4c. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.70; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 36 InvStG Anm. 30 (Stand: August 2021). 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.71. Brandl | 697

§ 37 | Ausschüttungsgleiche Erträge

§ 37 Ermittlung der Einkünfte (1) 1Der Spezial-Investmentfonds ermittelt die Einkünfte des Spezial-Investmentfonds entsprechend § 2 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und § 23 Absatz 3 des Einkommensteuergesetzes und gliedert sie nach den steuerlichen Wirkungen beim Anleger. 2Dabei sind insbesondere die Einkünfte gesondert auszuweisen, bei denen beim Anleger die Regelungen nach den §§ 42 bis 47 zur Anwendung kommen. (2) 1Spezial-Investmenterträge, die einem Dach-Spezial-Investmentfonds zufließen oder die als zugeflossen gelten, sind nach der Art der Einkünfte des Ziel-Spezial-Investmentfonds und nach den steuerlichen Wirkungen bei den Anlegern des Dach-Spezial-Investmentfonds zu gliedern, sofern in Kapitel 3 keine abweichenden Bestimmungen getroffen werden. 2Bei der Gliederung nach Satz 1 sind die Spezial-Investmenterträge nach § 34 Absatz 1 Nummer 1 und 2 nicht als steuerfrei thesaurierbare Kapitalerträge im Sinne des § 36 Absatz 2 anzusetzen. (3) 1Absetzungsbeträge, die einem Dach-Spezial-Investmentfonds zufließen, können von diesem unter den Voraussetzungen des § 35 Absatz 4 Satz 2 als Absetzungsbeträge ausgeschüttet werden. 2Zurechnungsbeträge und Immobilien-Zurechnungsbeträge, die einem Dach-Spezial-Investmentfonds zufließen, stehen diesem nicht als solche Beträge zur Ausschüttung zur Verfügung. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . 1 II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . 3 2. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . 4 3. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . 5 III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . 8 B. Einkünfteermittlung und Gliederung (Abs. 1) I. Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . 10 II. Gliederung der Einkünfte (Abs. 1 Satz 2) 15

C. Semitransparenz bei mehrstufigen Spezial-Investmentfonds-Strukturen (Abs. 2) I. Getrennter Ausweis von Spezial-Investmenterträgen (Abs. 2 Satz 1) . . . . . . . . . . II. Veräußerung von Ziel-Spezial-Investmentanteilen (Abs. 2 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . D. Absetzungs-, Zurechnungs- und Immobilien-Zurechnungsbeträge (Abs. 3) I. Absetzungsbeträge (Abs. 3 Satz 1) . . . . . . II. Zurechnungsbeträge und Immobilien-Zurechnungsbeträge (Abs. 3 Satz 2) . . . . . . .

18 21

23 24

Literatur: Schulz/Petersen/Keller, Offene Fragen bei der Besteuerung von Immobiliensondervermögen und deren Anlegern, DStR 2004, 1853; Kayser/Bujotzek, Die steuerliche Behandlung offener Immobilienfonds und ihrer Anleger, FR 2006, 49; Bujotzek, Offene Immobilienfonds im Investmentsteuerrecht, Diss., Münster 2007; Rockel/Patzner, Behandlung von Erträgen aus Investmentfonds in der Steuerbilanz betrieblicher Anleger am Beispiel des investmentsteuerlichen Werbungskostenabzugsverbots, DStR 2007, 1546; Bindl/Leidel, Die Steuerbefreiungen nach § 42 Abs. 4 und 5 InvStG 2018 bei mehrstufigen Fondsstrukturen, BB 2018, 151; Hahne/Neumann, Entwurf eines JStG 2020: Vorgeschlagene Änderungen bei der Abgeltungsteuer und der Investmentbesteuerung, RdF 2020, 284; Stadler/Sotta, Das Entwurf-Schreiben des BMF zu Spezial-Investmentfonds vom 16.12.2019, BB 2020, 279.

698 | Böcker

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 6 § 37

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck Die ausgeschütteten Erträge u. die ausschüttungsgleichen Erträge stellen beim Anleger eines 1 Spezial-Investmentfonds Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG dar. § 37 Abs. 1 InvStG legt die Methode fest, nach der diese Einkünfte zu ermitteln sind. Das Besteuerungssystem für Spezial-Investmentfonds soll nach dem Willen des Gesetzgebers 2 zu einer Besteuerungswirkung führen, die der Direktanlage möglichst ähnelt (sog. Semitransparenz).1 Da Spezial-Investmentfonds eigenständige Körperschaftsteuersubjekte sind, kommt es nur insoweit zu einer semitransparenten Besteuerung, wie sie der Gesetzgeber für die Einzelkonstellationen angeordnet hat.2 Ob dies bei mehrstufigen Spezial-InvestmentfondsStrukturen der Fall war, ist umstritten (vgl. Rz. 19). Durch die Einführung des Abs. 2 hat der Gesetzgeber insoweit Klarheit geschaffen u. die semitransparente Besteuerung über mehrere Ebenen festgeschrieben. In Abs. 3 wird die steuerliche Behandlung von Zurechnungsbeträgen, Immobilien-Zurechnungsbeträgen u. Absetzungsbeträgen in mehrstufigen Spezial-Investmentfonds-Strukturen geregelt. Einer Regelung für Substanzausschüttungen bedurfte es nicht.

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich § 37 InvStG enthält eine Regelung zur Ermittlung der Einkünfte des Anlegers. Auf die Ermitt- 3 lung der stpfl. Einkünfte des Spezial-Investmentfonds selbst ist die Vorschrift dagegen nicht anwendbar. Die Einkünfteermittlung für den Fonds ist in § 6 Abs. 7 InvStG (i.V.m. § 29 Abs. 1 InvStG) geregelt.3 2. Persönlicher Anwendungsbereich § 37 InvStG gilt sowohl für die Einkünfteermittlung auf der Ebene von inländischen als auch 4 von ausländischen Spezial-Investmentfonds. Die Abs. 2 u. 3 betreffen doppel- oder mehrstöckige Strukturen, bei denen sowohl die Dachfonds als auch die Zielfonds Spezial-Investmentfonds sind. 3. Zeitlicher Anwendungsbereich Die Regelung des Abs. 1 ist seit dem 1.1.2018 in Kraft. Die Abs. 2 u. 3 sind ab 1.1.2021 anzu- 5 wenden (§ 57 Abs. 2 Nr. 4).

III. Rechtsentwicklung § 37 Abs. 1 InvStG wurde als § 37 Sätze 1 u. 2 InvStG durch das InvStRefG4 eingeführt u. 6 durch das JStG 20205 in einen gesonderten Abs. 1 überführt. Abs. 1 entspricht weitgehend

1 BT-Drucks. 19/22850, 109. 2 Bujotzek, Offene Immobilienfonds im Investmentsteuerrecht, 2010, 70; Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 37 InvStG Anm. 10. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 37.4. 4 G v. 19.7.2016, BGBl. I 2016, 1730. 5 G v. 21.12.2020, BGBl. I 2020, 3096. Böcker | 699

§ 37 Rz. 6 | Ermittlung der Einkünfte der Vorgängernorm des § 3 Abs. 1 InvStG 2004. Ergänzt wurde der ausdrückliche Verweis auf § 23 Abs. 3 EStG sowie das Erfordernis, die Einkünfte gesondert auszuweisen. Statt einer Ermittlung von „Erträgen“ spricht Abs. 1 nun von „Einkünften“. Hierdurch wollte der Gesetzgeber klarer zum Ausdruck bringen, dass auf der Fondsebene zunächst alle Einkünfte zu ermitteln sind u. damit auch von den Einnahmen des Spezial-Investmentfonds dessen WK abgezogen werden.1 7 Die Abs. 2 u. 3 wurden durch das JStG 20202 neu in das InvStG aufgenommen. Im InvStG

2004 gab es keine entsprechenden Vorgängernormen.

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 8 Abs. 1 verweist auf die Regelungen zur Ermittlung des Überschusses der Einnahmen über die

WK im EStG. Die §§ 38 bis 41 InvStG modifizieren u. ergänzen die einkommensteuerlichen Grundsätze.3

9 Die §§ 42, 43, 45 InvStG stellen für die Anlegerbesteuerung darauf ab, ob die ausgeschütteten u.

ausschüttungsgleichen Erträge aus gewissen Einkunftsquellen „stammen“ bzw. ob sie bestimmte Erträge „enthalten“. Abs. 1 Satz 2 gibt diesbezüglich vor, dass die originäre Einkunftsquelle bei mehrstufigen Spezial-Investmentfondsstrukturen durch eine Durchschau zu bestimmen ist.

B. Einkünfteermittlung und Gliederung (Abs. 1) I. Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (Abs. 1 Satz 1) 10 Die ausgeschütteten u. ausschüttungsgleichen Erträge des Anlegers werden auf der Ebene des

Spezial-Investmentfonds ermittelt. Abs. 1 Satz 1 legt fest, nach welcher Methode die Einkünfte zu ermitteln sind. Aus der Bezugnahme auf § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG folgt, dass die im EStG enthaltenen Regelungen für die Ermittlung des Überschusses der Einnahmen über die WK (§§ 8 bis 12 EStG) anzuwenden sind. Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass die Gewinnermittlungsgrundsätze für betriebliche Einkünfte keine Anwendung finden.4 Gewinnermittlungsvorschriften gelten nur insoweit, wie dies gesetzlich vorgeschrieben ist (vgl. § 9 Abs. 5 EStG). Die Zinsschrankenregelung nach § 4h EStG (vgl. aber § 46 InvStG) findet daher ebenso wenig Anwendung wie Vorschriften zur Teilwertabschreibung oder zur Bildung von Rückstellungen.5

11 Die Einkünfte auf der Fondsebene sind auch dann als Überschuss der Einnahmen über die

WK zu ermitteln, wenn der betriebliche Anleger seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt.6 Die durchgängige Anwendung der Überschussrechnung stellt insoweit eine Einschränkung der Semitransparenz dar.7

1 BT-Drucks. 18/8045, 108; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 37.2. 2 G v. 21.12.2020, BGBl. I 2020, 3096. 3 Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 37 InvStG Anm. 1; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 37 InvStG Rz. 7. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 37.1; Ernst in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 37 InvStG Rz. 22. 5 Ernst in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 37 InvStG Rz. 21. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 37.1; Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 37 InvStG Anm. 5. 7 Schulz/Petersen/Keller, DStR 2004, 1853 (1855 f.); Kayser/Bujotzek, FR 2006, 49 (59); Köhler in Berger/ Steck/Lübbehüsen, § 3 InvStG Rz. 16.

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B. Einkünfteermittlung und Gliederung (Abs. 1) | Rz. 17 § 37

Für die Einkünfteermittlung gilt daher das Zu- u. Abflussprinzip (§ 11 EStG). Es ist der Ein- 12 nahmenbegriff des § 8 EStG u. der Werbungskostenbegriff des § 9 EStG zugrunde zu legen. § 37 InvStG betrifft ausschließlich die Ermittlung der Erträge auf der Fondsebene, sodass auf dieser Stufe nur die WK des Spezial-Investmentfonds zu berücksichtigen sind.1 Die ermittelten Nettoeinkünfte auf der Fondsebene fließen dann als Bruttogröße in Form von Spezial-Investmenterträgen (§ 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG) dem Anleger zu u. er kann von diesen seine WK/ BA abziehen.2 Die allgemeinen einkommensteuerlichen Regelungen werden durch die spezielleren §§ 38–41 InvStG modifiziert u. ergänzt. Für die Ermittlung des Gewinns bei Veräußerungsvorgängen wird auf § 23 Abs. 3 EStG ver- 13 wiesen. Wenn ein Wertpapier zu mehreren Zeitpunkten zu unterschiedlichen Preisen erworben wird, sieht § 20 Abs. 4 Satz 7 EStG für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns die FiFoMethode vor. Die FinVerw. lässt es aber zu, dass Gewinne u. Verluste aus der Veräußerung von Wertpapieren davon abweichend nach der Durchschnittsmethode ermittelt werden.3 Die steuerliche Ermittlung kann somit im Einklang mit der aufsichtsrechtlichen Rechnungslegung erfolgen (vgl. § 11 Abs. 5 Satz 1 KARBV).4 Die ermittelten Einkünfte sind nach ihrer steuerlichen Wirkung bei den Anlegern zu glie- 14 dern (s. Rz. 15 ff.). Die Einkünfteermittlung erfolgt zwar auf der Fondsebene einheitlich für alle Anleger. Die einzelnen Ertragsarten müssen jedoch getrennt ausgewiesen werden, da sich bei den einzelnen Anlegertypen unterschiedliche steuerliche Auswirkungen ergeben.5

II. Gliederung der Einkünfte (Abs. 1 Satz 2) Abs. 1 Satz 2 weist klarstellend darauf hin, dass insbes. die Einkünfte gesondert auszuweisen 15 sind, bei denen auf der Anlegerebene die §§ 42–47 InvStG zur Anwendung kommen. Die Verwendung des Worts „insbesondere“ macht deutlich, dass über die §§ 42–47 InvStG hinaus alle Normen zu berücksichtigen sind, aus denen sich unterschiedliche steuerliche Wirkungen bei den Anlegern ergeben können.6 Die unterschiedlichen steuerlichen Folgen können z.B. die StPfl., die Anwendbarkeit von Steuerbefreiungsvorschriften, der Kapitalertragsteuerabzug oder die Anrechenbarkeit ausländischer Steuern betreffen.7 Die FinVerw. sieht eine Gliederung in 19 Ertragskategorien vor.8 Einzelne Kategorien kön- 16 nen zusammengefasst werden, wenn sich hinsichtlich der enthaltenen Erträge bei allen Anlegern des Fonds dieselben steuerlichen Auswirkungen ergeben. Im Rahmen der Feststellungserklärung ist dann gesondert zu erläutern, welche Kategorien zusammengefasst wurden.9 Dabei ist zu beachten, dass die FinVerw. keine Zusammenfassung von Erträgen mit unterschiedlicher Quellensteuerbelastung (s. Rz. 17) zulässt.10 Um den Anrechnungshöchstbetrag korrekt ermitteln zu können, fordert die FinVerw. einen 17 getrennten Ausweis von Erträgen mit unterschiedlicher Quellensteuerbelastung. Dazu sind die Ertragskategorien, die ausländische Erträge enthalten können, in Unterkategorien 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 37.3. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 37.3; Rockel/Patzner, DStR 2007, 1546. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 37.1. Aigner in Moritz/Jesch/Mann2, § 37 InvStG Rz. 26. BT-Drucks. 18/8045, 109; Aigner in Moritz/Jesch/Mann2, § 37 InvStG Rz. 27. Aigner in Moritz/Jesch/Mann2, § 37 InvStG Rz. 28; Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 37 InvStG Anm. 5. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 37.6. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Anlage 1. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Anlage 1. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 37.7. Böcker | 701

§ 37 Rz. 17 | Ermittlung der Einkünfte („nicht quellensteuerbelastete Erträge“, „mit anrechenbarer tatsächlicher Quellensteuer belastete Erträge“ u. „fiktiv quellensteuerbelastete Erträge“) zu unterteilen. Auf die Unterkategorie „fiktiv quellensteuerbelastete Erträge“ kann verzichtet werden, wenn für alle Ertragsarten einer Ertragskategorie eine fiktive Quellensteuerbelastung ausgeschlossen ist.1 Für Geschäftsjahre des Spezial-Investmentfonds, die vor dem 1. Oktober enden, wird jedoch unter bestimmten Voraussetzungen eine abweichende Zusammenfassung der unterschiedlich quellensteuerbelasteten Erträge nicht beanstandet.2

C. Semitransparenz bei mehrstufigen Spezial-Investmentfonds-Strukturen (Abs. 2) I. Getrennter Ausweis von Spezial-Investmenterträgen (Abs. 2 Satz 1) 18 Die in Abs. 1 enthaltene Vorgabe, die Einkünfte nach ihrer steuerlichen Wirkung beim Anle-

ger zu gliedern, wird in Abs. 2 konkretisiert: Zu den Einkünften des Spezial-Investmentfonds können auch Spezial-Investmenterträge gehören, wenn er seinerseits an einem (Ziel-)SpezialInvestmentfonds beteiligt ist. Nach Abs. 2 sind diese Spezial-Investmenterträge beim DachSpezial-Investmentfonds zu untergliedern. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber implizit klargestellt, dass auch bei mehrstufigen Spezial-Investmentfonds-Strukturen eine sog. semitransparente Besteuerung erfolgen soll (doppelte bzw. mehrfache Semitransparenz). An den Stellen, an denen das InvStG für die Besteuerung der Anleger darauf abstellt, aus welchen Einkünften sich die Spezial-Investmenterträge speisen, ist demnach durch die Spezial-Investmentfonds hindurch auf die originäre Einkunftsquelle zu schauen. Dies bedeutet bspw.: Wenn ein Ziel-Spezial-Investmentfonds Aktienveräußerungsgewinne an einen Dach-Spezial-Investmentfonds ausschüttet u. dieser die Erträge wiederum an seinen Anleger ausschüttet, sind die Aktienveräußerungsgewinne in den ausgeschütteten Erträgen des Dach-Spezial-Investmentfonds i.S.d. § 42 Abs. 2 Satz 2 „enthalten“, sodass die Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 2 KStG zur Anwendung kommt. Wäre die Semitransparenz dagegen auf eine Ebene beschränkt, würden die ausgeschütteten Gewinne beim Anleger ausschließlich Spezial-Investmenterträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG darstellen, die nicht nach § 8b Abs. 2 KStG begünstigt sind.3

19 Nach der Gesetzesbegründung soll Abs. 2 Satz 1 klarstellen, dass ausgeschüttete u. ausschüt-

tungsgleiche Erträge eine Doppelnatur besitzen. Zum einen seien sie Spezial-Investmenterträge u. zum anderen behielten sie für Zwecke der Anlegerbesteuerung ihren durch die originäre Einkunftsquelle bestimmten Ertragscharakter.4 Die Erläuterung ist jedoch missverständlich. Abs. 2 Satz 1 trifft keine Aussage zur Natur der ausgeschütteten u. ausschüttungsgleichen Erträge. Diese sind ausschließlich Spezial-Investmenterträge (§ 34 Abs. 1 InvStG, § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG) u. nicht gleichzeitig auch noch z.B. Aktienveräußerungsgewinne. Es stellen lediglich einige Vorschriften des InvStG für die Anlegerbesteuerung der Spezial-Investmenterträge darauf ab, aus welcher originären Einkunftsquelle die Spezial-Investmenterträge „stammen“ (§ 46 Abs. 1 S. 1 InvStG, bzw. „enthalten“: §§ 42, 45 InvStG). Bei mehrstufigen Spezial-Investmentfonds-Strukturen stellt sich die Frage, ob auf die originäre Einkunftsquelle des Dach-Spezial-Investmentfonds oder des Ziel-Spezial-Investmentfonds abzustellen ist.5 Abs. 2 Satz 1 bestimmt, dass die Einkunftsquelle des Ziel-Spezial-Investmentfonds maßgeblich ist. 1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Anlage 1. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 37.10 u. 37.11; Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 37 InvStG Anm. 5. 3 BT-Drucks. 19/22850, 110. 4 BT-Drucks. 19/22850, 110; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 37 InvStG Rz. 16. 5 Vor Einführung des Abs. 2 war dies strittig. Für eine weite Auslegung der Begriffe „stammen“ sowie „enthalten“ u. damit für eine Semitransparenz: Bindl/Leidel, BB 2018, 151 (153); Stadler/Sotta, BB

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D. Absetzungs-, Zurechnungs- und Immobilien-Zurechnungsbeträge (Abs. 3) | Rz. 25 § 37

Soweit das 3. Kapitel des InvStG speziellere Regelungen enthält, sind diese vorrangig. Dies ist 20 bei § 30 Abs. 4 Satz 2 InvStG u. § 33 Abs. 2 Satz 4 InvStG der Fall.1

II. Veräußerung von Ziel-Spezial-Investmentanteilen (Abs. 2 Satz 2) Nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 InvStG können Gewinne aus der Veräußerung von Ziel-Spezial-In- 21 vestmentfonds steuerfrei thesauriert werden. § 37 Abs. 2 Satz 2 InvStG enthält eine diesbezügliche Klarstellung für drei- oder mehrstufige Strukturen: Veräußert ein Ziel-Spezial-Investmentfonds Spezial-Investmentanteile u. schüttet den Veräußerungsgewinn aus, so kann diese empfangene Ausschüttung vom Dach-Spezial-Investmentfonds nicht steuerfrei thesauriert werden. Satz 2 ist rein deklaratorisch, da ausgeschüttete Veräußerungsgewinne beim Dachfonds Spezi- 22 al-Investmenterträge (§ 34 Abs. 1 Nr. 3 InvStG) darstellen u. für diese in § 36 Abs. 2 InvStG keine Thesaurierungsbegünstigung vorgesehen ist. Die gesetzgeberische Klarstellung kann aber Missverständnisse vermeiden, die der Hinweis auf die Doppelnatur von Spezial-Investmenterträgen hervorrufen könnte (s. Rz. 19).

D. Absetzungs-, Zurechnungs- und Immobilien-Zurechnungsbeträge (Abs. 3) I. Absetzungsbeträge (Abs. 3 Satz 1) Satz 1 konstituiert die Semitransparenz für Absetzungsbeträge (§ 35 Abs. 4 Satz 1 InvStG) 23 in mehrstufigen Spezial-Investmentfondsstrukturen. Absetzungsbeträge, die einem DachSpezial-Investmentfonds zufließen, können von diesem wiederum als Absetzungsbeträge an die Anleger ausgeschüttet werden. Vorausgesetzt der Dach-Spezial-Investmentfonds nimmt die Ausschüttung zusammen mit den dazugehörigen zugeflossenen Immobilieneinnahmen innerhalb von vier Monaten nach Ablauf seines Geschäftsjahres vor (Satz 1 i.V.m. § 35 Abs. 4 Satz 2 InvStG).

II. Zurechnungsbeträge und Immobilien-Zurechnungsbeträge (Abs. 3 Satz 2) Erhält ein Dach-Spezial-Investmentfonds Zurechnungsbeträge oder Immobilien-Zurech- 24 nungsbeträge, schließt das Gesetz deren semitransparente Behandlung aus. Sie können von Dach-Spezial-Investmentfonds nicht erneut als Zurechnungsbeträge bzw. als Immobilien-Zurechnungsbeträge an die Anleger ausgeschüttet werden.2 Die Zurechnungsbeträge gehen in der Substanz des Dachfonds auf u. können durch eine Substanzausschüttung (§ 35 Abs. 2 Satz 2 InvStG) an die Anleger weitergeleitet werden.3 Wenn ein Ziel-Spezial-Investmentfonds, der von einem Dach-Spezial-Investmentfonds (D1) 25 gehalten wird, die Transparenzoption (§ 30 Abs. 1 Satz 1 InvStG) ausübt, werden inländische Beteiligungserträge ohne Liquiditätszufluss steuerlich direkt D1 zugerechnet. Mit der steuerli2020, 279 (281); a.A. Korff in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 45 InvStG Rz. 37; Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 37 InvStG Anm. 10. 1 BT-Drucks. 19/22850, 110. 2 Wenzel in Brandis/Heuermann, § 37 InvStG Rz. 22. 3 Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 37 InvStG Anm. 15. Böcker | 703

§ 37 Rz. 25 | Ermittlung der Einkünfte chen Zurechnung kann D1 einen entsprechenden Betrag an seinen Anleger als ausgeschüttete Erträge ausschütten. Alternativ kann D1 den Betrag thesaurieren u. zu einem späteren Zeitpunkt als ausgeschüttete ausschüttungsgleiche Erträge an den Anleger weiterreichen. Ist der Anleger von D1 wiederum ein Dach-Spezial-Investmentfonds (D2), wird beim Anleger des D2 nach Abs. 2 Satz 1 berücksichtigt, dass die Erträge originär aus Beteiligungseinnahmen stammen. Anders ist dies bei den Zurechnungsbeträgen: Wenn der Ziel-Spezial-Investmentfonds die Beteiligungserträge ausschüttet, werden diese bei D1 als Zurechnungsbeträge erfasst. Abs. 3 Satz 2 sieht nun vor, dass die Zurechnungsbeträge bei D1 in der Substanz aufgehen.1 Sie können nur im Wege einer Substanzausschüttung, aber nicht wiederum als Zurechnungsbeträge ausgeschüttet werden. Hahne/Neumann kritisieren den Ausschluss der semitransparenten Durchleitung, da er zu einer Doppelbesteuerung auf Ebene der Anleger des Dach-Spezial-Investmentfonds D1 führe.2 Nach hier vertretener Auffassung ist der Ausschluss der Semitransparenz systematisch folgerichtig. Die Zurechnungsbeträge sollen eine Doppelbesteuerung verhindern, wenn aufgrund der Transparenzoption die steuerliche Zurechnung und der Liquiditätszufluss auseinanderfallen.3 Bei den Anlegern des D1 kommt es allerdings nicht zu einer solchen Doppelbesteuerung. Die semitransparente Weiterleitung von Zurechnungsbeträgen würde deshalb zusätzliche Ausschüttungsbeträge ungerechtfertigt privilegieren: D1 kann die erhaltenen Beteiligungserträge sofort ausschütten. Diese stellen dann bei D2 ausgeschüttete Erträge dar. Eine Doppelbesteuerung droht nicht, da die steuerliche Zurechnung und der Liquiditätszufluss zusammenfallen. Im Falle einer Thesaurierung der Beteiligungserträge durch D1 werden D2 ausschüttungsgleiche Erträge zugerechnet. Die Liquidität fließt D2 als ausgeschüttete ausschüttungsgleiche Erträge zu.4 Eine erneute Besteuerung wird hierdurch vermieden. Übt D1 dagegen auch seinerseits die Transparenzoption aus, kann er die Liquidität ebenfalls in Form von Zurechnungsbeträgen ausschütten.5 Es werden nicht die Zurechnungsbeträge, die an D1 fließen, weitergereicht, sodass kein Verstoß gegen Abs. 3 Satz 2 vorliegt. Vielmehr entstehen in diesem Fall aufgrund der Ausübung der Transparenzoption auf einer weiteren Ebene neue Zurechnungsbeträge (§§ 30 Abs. 4 Satz 1, 35 Abs. 2 InvStG), die an D2 ausgeschüttet werden können. 26 Auch für Immobilien-Zurechnungsbeträge ist eine Berücksichtigung über mehrere Ebenen

ausgeschlossen, um einen ungerechtfertigten Vorteil für den Anleger zu vermeiden. Übt der Dach-Spezial-Investmentfonds (D1) die Immobilien-Transparenzoption aus, kann er Immobilien-Zurechnungsbeträge an seinen Anleger (Dach-Spezial-Investmentfonds D2) ausschütten. Bei diesem gehen sie in der Substanz auf.6 Anders als bei der Transparenzoption kann es bei der Immobilien-Transparenzoption bei einer mehrstufigen Struktur nicht zu erneuten Zurechnungsbeträgen kommen, da keine weitere Immobilien-Transparenzoption ausgeübt werden kann (§ 33 Abs. 2 Satz 6 InvStG).

27 Auf eine Regelung zur Behandlung von Substanzbeträgen in mehrstufigen Spezial-Invest-

mentfonds-Strukturen hat der Gesetzgeber verzichtet. Die steuerliche Behandlung auf Ebene des Anlegers hängt nicht davon ab, aus welcher Quelle die Substanzerträge stammen.7 Eine Betrachtung über mehrere Ebenen ist daher nicht nötig.

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BT-Drucks. 22/22850, 111. Hahne/Neumann, RdF 2020, 284 (288). Höring in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 35 InvStG Rz. 41. BT-Drucks. 19/22850, 111. BT-Drucks. 22/22850, 111. BT-Drucks. 22/22850, 112. BT-Drucks. 22/22850, 113.

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Vereinnahmung und Verausgabung | § 38

§ 38 Vereinnahmung und Verausgabung (1) § 11 des Einkommensteuergesetzes ist nach Maßgabe der folgenden Absätze anzuwenden. (2) Dividenden gelten bereits am Tag des Dividendenabschlags als zugeflossen. (3) 1Periodengerecht abzugrenzen sind 1. Zinsen und angewachsene Ansprüche einer sonstigen Kapitalforderung nach § 20 Absatz 1 Nummer 7 des Einkommensteuergesetzes, wenn die Kapitalforderung eine Emissionsrendite hat oder bei ihr das Stammrecht und der Zinsschein getrennt wurden, 2. angewachsene Ansprüche aus einem Emissions-Agio oder -Disagio und 3. Mieten. 2Die angewachsenen Ansprüche sind mit der Emissionsrendite anzusetzen, sofern diese leicht und eindeutig ermittelbar ist. 3Anderenfalls ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Marktwert zum Ende des Geschäftsjahres und dem Marktwert zu Beginn des Geschäftsjahres oder im Falle des Erwerbs innerhalb des Geschäftsjahres der Unterschiedsbetrag zwischen dem Marktwert zum Ende des Geschäftsjahres und den Anschaffungskosten als Zins (Marktrendite) anzusetzen. 4Die abgegrenzten Zinsen, angewachsenen Ansprüche und Mieten gelten als zugeflossen. (4) Periodengerecht abgegrenzte Werbungskosten gelten als abgeflossen, soweit der tatsächliche Abfluss im folgenden Geschäftsjahr erfolgt. (5) Gewinnanteile des Spezial-Investmentfonds an einer Personengesellschaft gehören zu den Erträgen des Geschäftsjahres, in dem das Wirtschaftsjahr der Personengesellschaft endet. (6) 1Wird ein Zinsschein oder eine Zinsforderung vom Stammrecht abgetrennt, gilt dies als Veräußerung der Schuldverschreibung und als Anschaffung der durch die Trennung entstandenen Wirtschaftsgüter. 2Die Trennung gilt als vollzogen, wenn dem Inhaber der Schuldverschreibung die Wertpapierkennnummern für die durch die Trennung entstandenen Wirtschaftsgüter zugehen. 3Als Veräußerungserlös der Schuldverschreibung gilt deren gemeiner Wert zum Zeitpunkt der Trennung. 4Für die Ermittlung der Anschaffungskosten der neuen Wirtschaftsgüter ist der Wert nach Satz 3 entsprechend dem gemeinen Wert der neuen Wirtschaftsgüter aufzuteilen. 5Die Erträge des Stammrechts sind in sinngemäßer Anwendung des Absatzes 3 periodengerecht abzugrenzen. (7) 1Wird eine sonstige Kapitalforderung im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 7 des Einkommensteuergesetzes gegen Anteile an einer Körperschaft, Vermögensmasse oder Personenvereinigung getauscht, bemessen sich die Anschaffungskosten der Anteile nach dem gemeinen Wert der sonstigen Kapitalforderung. 2§ 20 Absatz 4a des Einkommensteuergesetzes findet keine Anwendung. (8) Die abgegrenzten Zinsen, angewachsenen Ansprüche und Mieten sowie die Erträge nach Absatz 6 Satz 5 gehören zu den ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . 1 II. Anwendungsbereich 1. Persönlicher Anwendungsbereich . . . 6 2. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . 8 3. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . 10 III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zu Vorschriften des EStG . B. Anwendung des § 11 EStG unter Berücksichtigung von Modifikationen (Abs. 1) I. Allgemeiner Regelungsinhalt . . . . . . . .

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Korff | 705

§ 38 | Vereinnahmung und Verausgabung II. Zufluss- und Abflussprinzip gem. § 11 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anwendung in Dach-/Ziel-Fonds-Konstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gesonderte Zuflussfiktion für Dividenden (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Periodengerechte Abgrenzung von Zinsen, bestimmten angewachsenen Ansprüchen und Mieten (Abs. 3) I. Allgemeiner Regelungsinhalt . . . . . . . . II. Periodengerechte Abgrenzung von Zinsen und bestimmten angewachsenen Ansprüchen sonstiger Kapitalforderungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG (Abs. 3 Satz 1 Nr. 1) 1. Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Angewachsene Ansprüche sonstiger Kapitalforderungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, wenn die Kapitalforderung eine Emissionsrendite hat oder bei ihr das Stammrecht und der Zinsschein getrennt wurden a) Angewachsene Ansprüche sonstiger Kapitalforderungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG mit Emissionsrendite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kapitalforderungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, bei denen das Stammrecht und der Zinsschein getrennt wurden . . . . . . . . . . . . . . III. Periodengerechte Abgrenzung von angewachsenen Ansprüchen aus einem Emissions-Agio oder -Disagio (Abs. 3 Satz 1 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Periodengerechte Abgrenzung von Mieten (Abs. 3 Satz 1 Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . V. Ansatz der leicht und eindeutig ermittelbaren Emissionsrendite (Abs. 3 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Ansatz der Marktrendite (Abs. 3 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Fiktiver Zufluss abgegrenzter Zinsen, angewachsener Ansprüche und Mieten (Abs. 3 Satz 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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40 42 44 45 47

E. Periodengerecht abgegrenzte Werbungskosten (Abs. 4) I. Wahlrecht zur periodengerechten Abgrenzung von Werbungskosten . . . . . . II. Fingierter vorzeitiger Abfluss bei tatsächlichem Abfluss im Folgejahr . . . . . III. Korrektur bei ausbleibendem Abfluss im Folgejahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Umsatzsteuer als Werbungskosten . . . . F. Zeitliche Zurechnung von Gewinnanteilen aus Personengesellschaftsbeteiligungen (Abs. 5) I. Allgemeiner Regelungsinhalt . . . . . . . . II. Anwendung bei Beteiligung an gewerblichen und vermögensverwaltenden Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anwendung im Hinblick auf anteilige Gewinne und Verluste, Sondervergütungen und Veräußerungsgewinne . G. Vermeidung von Bond-Stripping-Gestaltungen (Abs. 6) I. Allgemeiner Regelungsinhalt . . . . . . . . II. Veräußerungs- und Anschaffungsfiktion (Abs. 6 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Trennungsfiktion (Abs. 6 Satz 2) . . . . . IV. Veräußerungserlös der Schuldverschreibung (Abs. 6 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . V. Anschaffungskosten der neuen Wirtschaftsgüter (Abs. 6 Satz 4) . . . . . . . . . . VI. Periodengerechte Abgrenzung der Erträge aus dem Stammrecht (Abs. 6 Satz 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H. Tausch von Kapitalforderungen gegen Anteile (Abs. 7) I. Allgemeiner Regelungsinhalt . . . . . . . . II. Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile (Abs. 7 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Keine Anwendung von § 20 Abs. 4a EStG (Abs. 7 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zuordnung abgegrenzter Erträge zu den ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen (Abs. 8) . . . . . .

48 52 53 54

55 56 57

59 60 61 62 63 65

66 67 69 70

Literatur: Offerhaus, Die Rechtsprechung des BFH zum Zuflussprinzip, StuW 2006, 317; Ebner, Änderungen für Investmentfonds – JStG 2009 beseitigt Lücken bei der Abgeltungsteuer und im Fondsbereich, NWB 2009, 203; Kretzschmann, JStG 2009 – Änderungen der Besteuerung der Investmentanlagen, FR 2009, 416; Korff, Widersprüchliche FG-Entscheidungen zur Bedeutung der Fälligkeit für regelmäßig wiederkehrende Einnahmen und Ausgaben, DStZ 2016, 978; Strothenke, Abschaffung des „Bond-Stripping“ im Privatvermögen – Änderung im Investmentsteuerreformgesetz verhindert künftige Steuergestaltungen, DStR 2016, 2893; Kußmaul/Kloster, Bondstripping-Gestaltungen im Einkommen- und Investmentsteuerrecht, StB 2017, 22; Schmidt, BMF: Gesetzliche Neuregelung der Besteuerung des Bondstripping im Privatvermögen, RdF 2017, 90; Matuszewski/Kleinert, Die steuerliche Behandlung von Ausschüttungen aus couponstrippenden lux. SICAVs, FR 2019, 461.

706 | Korff

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 4 § 38

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck Während Investmentfonds i.S.v. § 1 Abs. 2 InvStG und deren Anleger dem im Rahmen des 1 InvStRefG1 neu geschaffenen intransparenten Besteuerungsregime unterliegen, wird bei Spezial-Investmentfonds i.S.v. § 26 InvStG das sog. semi-transparente Besteuerungssystem weiterhin angewendet. Hiernach sollen Anleger grds. wie im Falle einer Direktanlage besteuert werden. Dementsprechend sind bei ihnen neben ausgeschütteten Erträgen auch bestimmte auf Fondsebene thesaurierte Erträge als ausschüttungsgleiche Erträge zu versteuern. Für Zwecke der Anlegerbesteuerung bedarf es daher der Einkünfteermittlung2 auf der Fondseingangsseite. Wie auch nach § 3 Abs. 1 InvStG i.d.F. des AIFM-StAnpG3 (nachfolgend InvStG a.F.) sind die Einkünfte eines Spezial-Investmentfonds gem. § 37 InvStG entsprechend § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG zu ermitteln, d.h. durch Gegenüberstellung der Einnahmen und Werbungskosten (sog. Einnahmenüberschussrechnung). Unmittelbare Folge der entsprechenden Anwendung der Einnahmenüberschussrechnung ist, dass sich die zeitliche Zuordnung der Einnahmen und Werbungskosten nach dem ertragsteuerlichen Zufluss- und Abflussprinzip des § 11 EStG richtet. Der Verweis auf § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG (und der damit verbundene implizite Verweis auf § 11 EStG) ist im Ergebnis konsequent, da es sich bei der Anlageaktivität eines Spezial-Investmentfonds nicht um eine gewerbliche, sondern um eine vermögensverwaltende Tätigkeit handelt. Die Regelungen zur Einkünfteermittlung auf Ebene eines Spezial-Investmentfonds sind nun- 2 mehr auf verschiedene Normen aufgeteilt. Neben § 37 InvStG, der die entsprechende Anwendung der Einnahmenüberschussrechnung vorsieht, und § 38 InvStG als zeitliche Zuordnungsregel enthalten die §§ 39 bis 41 InvStG weitere Vorschriften zur Aufteilung und Zuordnung von Werbungskosten sowie zur Verlustverrechnung. Im Gegensatz dazu handelte es sich bei § 3 InvStG a.F. noch um ein „in sich abgeschlossenes System“ der Ertragsermittlung, in dem die genannten Regelungen vereinigt waren. § 38 Abs. 1 InvStG stellt für die investmentsteuerliche Einkünfteermittlung zunächst klar, was 3 ohnehin aus der Verweisung auf § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG folgt, nämlich die grundsätzliche Anwendung des Zufluss- und Abflussprinzips gem. § 11 EStG. Allerdings ist das Zufluss- und Abflussprinzip nicht uneingeschränkt, sondern lediglich in modifizierter Form anzuwenden. § 38 Abs. 2 bis 4 InvStG sehen einige Ausnahmen vor, indem sie für bestimmte Einnahmen (Dividenden, Zinsen, Mieten) eine periodengerechte Abgrenzung vorschreiben. Eine weitere Durchbrechung des Zufluss- und Abflussprinzips enthält § 38 Abs. 5 InvStG für Gewinnanteile eines Spezial-Investmentfonds aus der Beteiligung an einer Personengesellschaft. Neben dem Komplex der zeitlichen Abgrenzung von Einnahmen und Werbungskosten stellt 4 die Verhinderung von sog. Bond-Stripping-Gestaltungen einen weiteren Regelungsgegenstand von § 38 InvStG dar. Ziel dieser Gestaltungsmodelle ist das zeitliche Vorziehen von Erträgen zum Zwecke der Verlustnutzung auf der Anlegerebene, was grds. dadurch erreicht wer-

1 G v. 19.7.2016, BGBl. I 2016, 1730. 2 Rein begrifflich ist darauf hinzuweisen, dass auf Ebene eines Spezial-Investmentfonds gem. § 37 InvStG Einkünfte ermittelt werden, während § 3 InvStG a.F. noch eine Ertragsermittlung vorsah. Nach der Regierungsbegründung soll hierdurch klarer zum Ausdruck gebracht werden, dass auf Ebene des Spezial-Investmentfonds zunächst stets alle Einkünfte zu ermitteln sind (BT-Drucks. 18/8045, 108). Dieser begrifflichen Differenzierung zwischen Einkünfte- und Ertragsermittlung wird im Weiteren gefolgt. 3 Gesetz zur Anpassung des Investmentsteuergesetzes und anderer Gesetze an das AIFM-Umsetzungsgesetz (AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz – AIFM-StAnpG) v. 18.12.2013, BGBl. I 2013, 4318. Korff | 707

§ 38 Rz. 4 | Vereinnahmung und Verausgabung den kann, dass der Zinsschein bzw. die Zinsforderung vom Mantel einer erworbenen Anleihe abgetrennt und vorzeitig veräußert wird. § 38 Abs. 6 InvStG tritt dem durch eine Veräußerungs- und Anschaffungsfiktion sowie durch eine Vorgabe für die Bestimmung der Anschaffungskosten der im Wege der Abtrennung entstandenen Wirtschaftsgüter (Stammrecht und Zinsschein) entgegen. 5 § 38 Abs. 7 und 8 InvStG enthalten ergänzende Bestimmungen, die zum einen auf die Redu-

zierung der Gestaltungsanfälligkeit des Investmentsteuerrechts (§ 38 Abs. 7 InvStG) und zum anderen auf die Sicherstellung der zeitnahen Besteuerung der nach den vorherigen Bestimmungen des § 38 InvStG periodengerecht abzugrenzenden Einnahmen (§ 38 Abs. 8 InvStG) abzielen.

II. Anwendungsbereich 1. Persönlicher Anwendungsbereich 6 § 38 InvStG bezieht sich allein auf Spezial-Investmentfonds, also auf Investmentfonds i.S.d.

§ 1 InvStG, die die Voraussetzungen für eine Gewerbesteuerbefreiung nach § 15 Abs. 2 und 3 InvStG erfüllen und in der Anlagepraxis nicht wesentlich gegen die Anlagebestimmungen gem. § 26 InvStG verstoßen. Spezial-Investmentfonds zeichnen sich im Vergleich zu Investmentfonds i.S.v. § 1 InvStG (= Publikumsfonds) u.a. dadurch aus, dass sich an ihnen unmittelbar oder mittelbar über Personengesellschaften insgesamt nicht mehr als 100 Anleger beteiligen dürfen und dass die Beteiligung natürlicher Personen nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist (§ 26 Nr. 8 InvStG). Im Übrigen ist der steuerliche Begriff des Spezial-Investmentfonds in § 26 InvStG eigenständig und abschließend definiert und losgelöst von der aufsichtsrechtlichen Definition des § 1 Abs. 6 KAGB zu sehen.

7 § 38 InvStG ist gleichermaßen für inländische Spezial-Investmentfonds, welche gem. § 27

InvStG in Form von Sondervermögen oder Investmentaktiengesellschaften mit veränderlichem Kapital gebildet werden können, wie für ausländische Spezial-Investmentfonds zu berücksichtigen. Dies entspricht dem Umstand, dass inländische wie ausländische Spezial-Investmentfonds gem. § 29 InvStG mit ihren inländischen Einkünften i.S.d. § 6 Abs. 2 InvStG der (beschränkten) StPfl. unterliegen, soweit nicht eine unmittelbare Einkünftezurechnung zum Anleger nach Maßgabe der Transparenzoptionen gem. §§ 30 und 33 InvStG erfolgt. 2. Sachlicher Anwendungsbereich

8 Gegenstand der zeitlichen Einnahmen- und Werbungskostenzuordnung gem. § 38 InvStG

sind jegliche Einnahmen und Werbungskosten eines Spezial-Investmentfonds. Mit anderen Worten wird im Rahmen der Einkünfteermittlung auf Ebene des Spezial-Investmentfonds grds. nicht danach unterschieden, ob die entsprechenden Einnahmen und Werbungskosten auf der Anlegerebene ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche Erträge darstellen oder zunächst den stfrei thesaurierbaren Kapitalerträgen i.S.d. § 36 Abs. 2 InvStG zuzuordnen sind.1 Dies zeigt sich auch daran, dass die auf der Anlegerebene zu berücksichtigenden Ertragskategorien definitionsgemäß aus den nach §§ 37 bis 41 InvStG ermittelten Einkünften gebildet werden (§§ 35 Abs. 1, 36 Abs. 1 InvStG). Vor diesem Hintergrund lässt sich nachvollziehen, dass § 38 InvStG dem zweiten Abschnitt des Kapitels 3 des InvStG angehört, der mit „Besteuerung des Anlegers eines Spezial-Investmentfonds“ überschrieben ist. Schließlich stellt die Einkünftezuordnung zu einem bestimmten Geschäftsjahr eines Spezial-Investmentfonds die Grundlage für die zeitliche Erfassung auf der Anlegerebene dar. Dies zeigt sich z.B. an der

1 S. hierzu auch BT-Drucks. 18/8045, 108.

708 | Korff

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 13 § 38

Zuflussfiktion für ausschüttungsgleiche Erträge gem. § 36 Abs. 4 Satz 2 InvStG, die grds. auf den Ablauf des Geschäftsjahres des Spezial-Investmentfonds abstellt, in dem die Erträge vereinnahmt wurden. Für die Anwendung des § 38 InvStG ist es ferner unerheblich, ob der Spezial-Investmentfonds 9 selbst der Besteuerung mit KSt unterliegt oder ob dieser aufgrund der Ausübung der Transparenzoption gem. § 30 Abs. 1 Satz 1 InvStG und des Einbehalts von Kapitalertragsteuer auf der Fondsausgangsseite gem. § 33 Abs. 1 i.V.m. § 50 Abs. 1 InvStG vollständig steuerbefreit ist. 3. Zeitlicher Anwendungsbereich § 38 InvStG ist gem. § 56 Abs. 1 Satz 1 InvStG ab dem 1.1.2018 anzuwenden.

10

III. Rechtsentwicklung Durch das InvStRefG wurde das InvStG neu gefasst. § 38 InvStG baut im Wesentlichen auf 11 der Vorgängervorschrift des § 3 InvStG a.F. auf, die im Zuge der Einführung des InvStG durch das Investmentmodernisierungsgesetz (InvModG) v. 15.12.20031 normiert wurde. Regelmäßige Änderungen des § 3 InvStG a.F. wurden seither vor allem an den Regelungen zur Werbungskostenzuordnung und zum Werbungskostenabzug gem. § 3 Abs. 3 InvStG a.F. sowie an den Vorschriften zur Verrechnung negativer Erträge gem. § 3 Abs. 4 InvStG a.F. vorgenommen. Diese Regelungen finden sich nunmehr in angepasster Form in den §§ 39 bis 41 InvStG wieder. § 38 Abs. 1 bis 4 InvStG entsprechen weitgehend § 3 Abs. 2 InvStG i.d.F. des unmittelbar vo- 12 rangegangenen AIFM-StAnpG v. 18.12.20132. Im Zuge des InvStRefG wurden allerdings kleinere Anpassungen vorgenommen. Hierbei handelt es sich insbes. um die Pflicht zur periodengerechten Abgrenzung von Zinsen aus Schuldverschreibungen, bei denen das Stammrecht und der Zinsschein getrennt wurden. Ferner wurde die bis dato in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 letzter Halbsatz InvStG a.F. und nunmehr in § 38 Abs. 3 Satz 4 InvStG enthaltene Zuflussfiktion für abgegrenzte Zinsen und Mieten auf die ebenfalls periodengerecht abzugrenzenden angewachsenen Ansprüche ausgedehnt. Darüber hinaus wurde die in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 erster Halbsatz InvStG a.F. enthaltene Ausnahmeregelung, wonach von der periodengerechten Abgrenzung von Ansprüchen aus einem Emissions-Agio oder -Disagio insoweit abzusehen war, als ein Feinabstimmungsabschlag vorlag, nunmehr gestrichen. § 38 Abs. 5 InvStG ist inhaltsgleich mit § 3 Abs. 5 InvStG i.d.F. des InvModG und wurde ledig- 13 lich redaktionell dahingehend angepasst, dass sich die Regelung nunmehr an Spezial-Investmentfonds richtet. Bei § 38 Abs. 6 InvStG handelt es sich um eine wortgleiche Übernahme des § 3 Abs. 1a InvStG a.F., der erst im Rahmen des AIFM-StAnpG normiert wurde. § 38 Abs. 7 und 8 InvStG waren im Gesetzgebungsverfahren zunächst nicht vorgesehen und wurden erst im weiteren Verfahrensverlauf auf Initiative des Finanzausschusses des Bundestags aufgenommen.3 Die Regelung gem. § 38 Abs. 8 InvStG entspricht im Wesentlichen § 1 Abs. 3 Satz 4 InvStG a.F.

1 BGBl. I 2003, 2676. 2 BGBl. I 2013, 4318. 3 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses des Bundestags v. 8.6.2016, BT-Drucks. 18/ 8739. Korff | 709

§ 38 Rz. 14 | Vereinnahmung und Verausgabung

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG 14 § 38 InvStG knüpft an die Regelung des § 37 InvStG an, die für Zwecke der Ermittlung der

Einkünfte eines Spezial-Investmentfonds vorgibt, dass diese als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten entsprechend § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG bzw. als Veräußerungsergebnis entsprechend § 23 Abs. 3 EStG zu ermitteln sind. 2. Verhältnis zu Vorschriften des EStG

15 § 38 InvStG normiert für die Einkünfteermittlung zunächst die entsprechende Anwendung

des Zu- und Abflussprinzips gem. § 11 EStG, ehe dies durch die weiteren Absätze der Norm modifiziert wird. Soweit hiernach Modifikationen vorgesehen sind, gehen diese den Grundsätzen des § 11 EStG vor.

B. Anwendung des § 11 EStG unter Berücksichtigung von Modifikationen (Abs. 1) I. Allgemeiner Regelungsinhalt 16 § 38 Abs. 1 InvStG bestimmt, nach welcher Maßgabe die Einnahmen und Werbungskosten

eines Spezial-Investmentfonds zeitlich zu erfassen bzw. einem bestimmten Geschäftsjahr eines Spezial-Investmentfonds zuzuordnen sind. Grundsätzlich richtet sich dies nach dem Zuflussund Abflussprinzip des § 11 EStG, dessen Anwendung § 38 Abs. 1 InvStG explizit vorschreibt.

17 § 11 EStG ist nach § 38 Abs. 1 InvStG allerdings nicht uneingeschränkt anzuwenden, sondern

nur nach Maßgabe der nachfolgenden Absätze des § 38 InvStG. Hiermit verweist § 38 Abs. 1 InvStG auf Abs. 2 bis 5 des § 38 InvStG, in denen einige Modifizierungen bzw. Durchbrechungen des Zufluss- und Abflussprinzips enthalten sind. Grundaussage des § 38 Abs. 1 InvStG ist somit, dass Einnahmen und Werbungskosten nach Maßgabe ihres Zufluss- bzw. Abflusszeitpunktes einem bestimmten Geschäftsjahr eines Spezial-Investmentfonds zuzuordnen sind, sofern sich nicht aus § 38 Abs. 2 bis 5 InvStG eine abweichende Zuordnung ergibt. Vor diesem Hintergrund wird das gem. § 38 Abs. 1 InvStG anzuwendende Prinzip als modifiziertes Zufluss- und Abflussprinzip bezeichnet.

II. Zufluss- und Abflussprinzip gem. § 11 EStG 18 § 11 EStG regelt die Zuordnung von Einnahmen und Ausgaben zu einem bestimmten Kalen-

derjahr. Grund für die Ausrichtung am Kalenderjahr ist, dass es sich bei der ESt um eine Jahressteuer handelt, deren Festsetzungsgrundlagen für das Kalenderjahr (VZ) zu ermitteln sind (§ 2 Abs. 7 EStG) und die nach dem stpfl. Einkommen eines Kalenderjahres veranlagt wird (§ 25 Abs. 1 EStG). Bei Spezial-Investmentfonds ist der relevante Besteuerungsabschnitt hingegen das Geschäftsjahr, welches kalendergleich sein kann, aber auch vom Kalenderjahr abweichen kann. Dementsprechend stellt das Geschäftsjahr den Bezugszeitraum im Rahmen der gem. § 38 Abs. 1 InvStG angeordneten Anwendung des § 11 EStG dar.

19 Unter Berücksichtigung des Zuflussprinzips des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Einnahmen

nach § 38 Abs. 1 InvStG dem Geschäftsjahr zuzuordnen, in dem die Einnahmen dem Spezial-

710 | Korff

B. Anwendung des § 11 EStG (Abs. 1) | Rz. 23 § 38

Investmentfonds zugeflossen bzw. durch den Spezial-Investmentfonds bezogen werden.1 Nach der st. Rspr. des BFH sind Einnahmen zugeflossen, sobald der StPfl. wirtschaftlich über sie verfügen kann, es also zu einem Übergang der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über ein Wirtschaftsgut gekommen ist.2 Unbeachtlich ist dabei, zu welchem Zeitpunkt der Gläubiger einen Leistungsanspruch innehat. Wirksame verbindliche Zusagen oder Versprechen, künftig bestimmte Leistungen zu erbringen, begründen beim Empfänger noch keinen Zufluss. Das Zuflussprinzip stellt im Ergebnis allein auf tatsächliche Vorgänge ab, durch die der Leistungserfolg eintritt. Mithin ist auch die Fälligkeit einer Leistung grds. nicht zuflussbegründend.3 § 11 Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG enthalten Ausnahmen vom Zuflussprinzip. Nach § 11 Abs. 1 20 Satz 2 EStG sind bestimmte Einnahmen innerhalb des Geschäftsjahres zu erfassen, dem sie wirtschaftlich zugehören. Konkret muss es sich um regelmäßig wiederkehrende Einnahmen handeln, die kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des wirtschaftlich relevanten Geschäftsjahres zufließen. Die kurze Zeit vor Beginn und nach Beendigung des Kalenderjahres umfasst nach h.M. jeweils einen Zeitraum von zehn Tagen, d.h. den Zeitraum vom 22.12. bis zum 10.1. In diesem Zeitraum muss nicht nur der Zufluss, sondern auch die Fälligkeit der Leistung liegen.4 Beispiele für regelmäßig wiederkehrende Einnahmen können grds. Mieten, Pachten, Zinsen und Renten sein. Allerdings sind in diesem Zusammenhang die ggf. weitergehenden Regelungen zur periodengerechten Abgrenzung von Zinsen und Mieten gem. § 38 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 3 InvStG zu beachten (s. Rz. 32 ff.). Als eine weitere Ausnahme von der Erfassung nach dem Zufluss können gem. § 11 Abs. 1 21 Satz 3 EStG im Voraus bezogene Einnahmen aus Nutzungsüberlassungen von mehr als fünf Jahren gleichmäßig auf den Vorauszahlungszeitraum verteilt werden. Anders als bei § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG handelt es sich bei dieser Regelung nicht um eine verpflichtende Zuordnung zum Geschäftsjahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit, sondern um ein Wahlrecht. Im Ergebnis kann zwischen der Sofortversteuerung der vollen Einnahme im Zuflussjahr oder der über den Vorauszahlungszeitraum gestreckten Versteuerung gleichmäßiger Teilbeträge gewählt werden. Analog zum Zuflussprinzip werden Ausgaben dem Geschäftsjahr zugeordnet, in dem sie ab- 22 fließen.5 Ein Abfluss liegt grds. dann vor, wenn der Spezial-Investmentfonds die wirtschaftliche Verfügungsmacht über den Gegenstand der geschuldeten Erfüllungsleistung verloren hat. Der Verlust der rechtlichen Verfügungsmacht ist indes unbeachtlich. Für die Bestimmung des genauen Abflusszeitpunktes kommt es darauf an, wann die Leistungshandlung abgeschlossen ist. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn alles Erforderliche getan worden ist, um den Leistungserfolg herbeizuführen.6 Wie auch im Rahmen von § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG spielt die Fälligkeit einer Verpflichtung für den Abflusszeitpunkt grds. keine Rolle. Stattdessen kommt es allein auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Vorgangs (Leistungshandlung) an.7 Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG gilt die Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG (Rz. 20) für regel- 23 mäßig wiederkehrende Ausgaben entsprechend. Mithin sind Ausgaben, die dem Spezial-In1 S. zum Zuflussprinzip auch näher Korff in Kanzler/Kraft/Bäuml/Marx/Hechtner/Geserich7, § 11 EStG Rz. 51 ff. 2 Instruktiv zur BFH-Rspr. Offerhaus, StuW 2006, 317. 3 Vgl. BFH v. 20.10.2015 – VIII R 40/13, BStBl. II 2016, 342. 4 S. hierzu ausführlich Korff, DStZ 2016, 978; s. auch jüngst BFH v. 16.2.2022 – X R 2/21, BFH/NV 2022, 764. 5 S. zum Abflussprinzip auch näher Korff in Kanzler/Kraft/Bäuml/Marx/Hechtner/Geserich7, § 11 EStG Rz. 181 ff. 6 BFH v. 8.10.1985 – VIII R 284/83, BStBl. II 1986, 481; v. 22.5.1987 – III R 47/82, BStBl. II 1987, 673; v. 6.3.1997 – IV R 47/95, BStBl. II 1997, 509. 7 BFH v. 11.8.1987 – IX R 163/83, BStBl. II 1989, 702. Korff | 711

§ 38 Rz. 23 | Vereinnahmung und Verausgabung vestmentfonds kurze Zeit vor Beginn oder nach Beendigung des Geschäftsjahres der wirtschaftlichen Zugehörigkeit abgeflossen sind, nicht dem Geschäftsjahr des Abflusses, sondern dem der wirtschaftlichen Zugehörigkeit zuzuordnen. Beispiele für regelmäßig wiederkehrende Ausgaben können etwa Zinsen, Mieten oder Versicherungsbeiträge sein. Umsatzsteuervorauszahlungen stellen ebenfalls wiederkehrende Ausgaben dar. Insoweit können auf Basis der Verwaltungsauffassung allerdings Betriebsvermögensvergleichsgrundsätze angewendet werden (Rz. 54). 24 Vorauszahlungen für Nutzungsüberlassungen sind unter den Voraussetzungen des § 11

Abs. 2 Satz 3 EStG gleichmäßig auf den Vorauszahlungszeitraum zu verteilen. Anders als bei Einnahmen sieht § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG allerdings kein Wahlrecht vor, sodass entsprechende Ausgaben zwingend zu verteilen sind. Ein Damnum/Disagio ist von der gleichmäßigen Verteilung gem. § 11 Abs. 2 Satz 4 EStG indes ausgenommen, soweit der geleistete Betrag marktüblich ist. Aufgrund der Soweit-Regelung ist ein Damnum/Disagio für Zwecke der zeitlichen Zuordnung ggf. aufzuspalten. Während der marktübliche Teil im Zeitpunkt des Abflusses zu berücksichtigen ist, unterliegt ein etwaiger übersteigender Betrag der gestreckten Erfassung gem. § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG.

III. Anwendung in Dach-/Ziel-Fonds-Konstellationen 25 Die Zuflussgrundsätze gelten auch für die Erfassung von ausgeschütteten und ausschüttungs-

gleichen Erträgen auf Ebene eines Dach-Spezial-Investmentfonds aus der Beteiligung an einem Ziel-Spezial-Investmentfonds. Sofern zum Zuflusszeitpunkt noch keine Informationen zur steuerlichen Zusammensetzung der zu erfassenden Erträge vorliegen, was vor allem bei (nahezu) übereinstimmenden Geschäftsjahresenden der Fall sein kann, ist zunächst eine schätzweise Aufteilung vorzunehmen, eher die angesetzten Schätzwerte bei Vorliegen der Daten zu korrigieren sind.1 Als Schätzwerte eignen sich etwa die Vorjahreswerte.2

C. Gesonderte Zuflussfiktion für Dividenden (Abs. 2) 26 § 38 Abs. 2 InvStG durchbricht das Zuflussprinzip im Hinblick auf Dividenden. Deren zeitli-

che Erfassung richtet sich nicht nach dem Zeitpunkt des Zuflusses bzw. der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht (was z.B. bei einer Banküberweisung mit der Gutschrift auf dem Konto des Überweisungsempfängers erfolgt), sondern nach dem Tag des Dividendenabschlags, der durch § 38 Abs. 2 InvStG als Zuflusszeitpunkt fingiert wird.

27 Dividenden werden durch (offene) Gewinnausschüttungen oder Vorabausschüttungen er-

zielt, die durch eine in § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG aufgeführte Körperschaft geleistet werden. Bei den entsprechenden Körperschaften handelt es sich vor allem um die Rechtsformen der AG, der KGaA (wobei lediglich die Kommanditaktionäre Dividenden erzielen) und der GmbH sowie vergleichbare ausländische Rechtsformen.

28 Der Tag des Dividendenabschlags ist der erste Tag, an dem die Aktien eines Unternehmens

an der Börse nicht mehr cum Dividende, sondern ex Dividende gehandelt werden. Dies ist grds. der erste Handelstag, der dem Tag des Gewinnverwendungsbeschlusses folgt. Ab diesem Tag wird der Kurs des Gesellschaftsanteils „Aktie“ unter Berücksichtigung des nunmehr abgetrennten Dividendenanspruchs berechnet. Dementsprechend ist auch im Rahmen der Bewertung des Spezial-Investmentfonds ab diesem Tag der Dividendenanspruch separat zu berück-

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 38.2. 2 Wenzel in Brandis/Heuermann, § 38 InvStG Rz. 11.

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C. Gesonderte Zuflussfiktion für Dividenden (Abs. 2) | Rz. 31 § 38

sichtigen. Mit anderen Worten ist für die Bewertung eines Spezial-Investmentfonds der Bewertungstag maßgebend, für den die Aktie ex Dividende und der Dividendenanspruch zu bewerten sind, und nicht der Tag, an dem die Fondsbewertung durchgeführt wird.1 Ziel des § 38 Abs. 2 InvStG ist es somit, die aus der Abtrennung des Dividendenanspruchs resultierende Wertminderung der vom Spezial-Investmentfonds gehaltenen Kapitalgesellschaftsanteile durch die Erfassung des Dividendenanspruchs als Einnahme des Spezial-Investmentfonds zu kompensieren. Auf diese Weise bleibt der Wert des Spezial-Investmentfonds insoweit konstant. Infolge der Dividendenerfassung am Tag des Dividendenabschlags kann es bei unterschiedli- 29 chen Währungen auf Ebene des Spezial-Investmentfonds und der zugrunde liegenden Aktie zu einem positiven oder negativen Währungseffekt kommen. Für steuerliche Zwecke ist der Währungseffekt nicht zu separieren, sondern als positiver oder negativer Dividendenbestandteil zu berücksichtigen.2 Sofern der Tag des Dividendenabschlags und der Zahltag in unterschiedliche Geschäftsjahre des Spezial-Investmentfonds fallen, ist fraglich, in welcher Periode der positive oder negative Dividendenbestandteil zu berücksichtigen ist. Dem Vorschlag einer Aufteilung des Währungseffekts3 wird zutreffend widersprochen.4 Mangels spezifischer Zuflussfiktion oder Abgrenzungsregelung kann die ertragswirksame Erfassung dieses Einkünftebestandteils nur in dem Geschäftsjahr erfolgen, in das der Zahltag fällt. Aus der Bezugnahme auf den Tag des Dividendenabschlags wird deutlich, dass die Regelung 30 des § 38 Abs. 2 InvStG lediglich solche Anteile an Aktiengesellschaften oder Kommanditgesellschaften auf Aktien betrifft, die börsennotiert sind. Schließlich wird nur bei börsengehandelten Anteilen im Anschluss an die Beschlussfassung über eine Dividendenausschüttung ein entsprechender Abschlag bei den zugrunde liegenden Anteilen vorgenommen. § 38 Abs. 2 InvStG ist im Hinblick auf nicht börsengehandelte Kapitalgesellschaftsanteile 31 nicht anzuwenden. Fraglich ist daher, wann Dividenden aus derartigen Anteilen zufließen. Mangels Sonderregelung – weder in § 38 Abs. 2 InvStG noch anderswo – kann sich der Zuflusszeitpunkt nur nach der Grundregel des § 38 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG bestimmen, sodass Dividenden aus nicht börsennotierten Gesellschaftsanteilen dem Geschäftsjahr zuzuordnen sind, in dem sie durch den Spezial-Investmentfonds bezogen werden bzw. dieser über die Dividenden wirtschaftlich verfügen kann.5 Nach a.A. soll sich der Zuflusszeitpunkt nach der Fiktion des § 44 Abs. 2 Sätze 1 und 2 EStG richten, wonach Dividenden entweder an dem Tag zufließen, der im Ausschüttungsbeschluss als Tag der Auszahlung bestimmt ist, oder, sofern der Tag der Auszahlung im Ausschüttungsbeschluss nicht festgelegt wurde, am Tag nach der Beschlussfassung.6 Dies vermag im Ergebnis nicht zu überzeugen, da die Zuflussfiktionen des § 44 Abs. 2 EStG lediglich kapitalertragsteuerlichen Zwecken dienen und den Zeitpunkt der Entstehung und des Abzugs von Kapitalertragsteuer bestimmen. Der Zeitpunkt, in dem die ausschüttende Gesellschaft zum Kapitalertragsteuerabzug verpflichtet ist, hat auf den Vorgang der Ausschüttung und Vereinnahmung der Dividende auf der Gesellschafterebene grds. keinen Einfluss. Gerade im Fall des § 44 Abs. 2 Satz 2 EStG fallen der Zeitpunkt der Kapitalertragsteuerentstehung und der tatsächliche Zufluss der Dividende beim Anteilseigner nicht notwendigerweise zusammen. Zudem gibt der Verweis des § 38 Abs. 1 InvStG auf § 11 EStG eine Anwendbarkeit von § 44 Abs. 2 EStG nicht her.

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S. hierzu auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 38.3. Wenzel in Brandis/Heuermann, § 38 InvStG Rz. 13 f. Wenzel in Brandis/Heuermann, § 38 InvStG Rz. 15. Aigner in Moritz/Jesch/Mann2, § 38 InvStG Rz. 15. So auch Ernst in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 38 Rz. 35. Vgl. Aigner in Moritz/Jesch/Mann2, § 38 InvStG Rz. 16; Elser/Stiegler in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 38 InvStG Rz. 11; Steinmüller in Haase2, § 3 InvStG Rz. 114. Korff | 713

§ 38 Rz. 32 | Vereinnahmung und Verausgabung

D. Periodengerechte Abgrenzung von Zinsen, bestimmten angewachsenen Ansprüchen und Mieten (Abs. 3) I. Allgemeiner Regelungsinhalt 32 § 38 Abs. 3 InvStG enthält weitere Durchbrechungen des Zuflussprinzips. So sind bestimmte

Einnahmen eines Spezial-Investmentfonds in zeitlicher Hinsicht nach dem handelsrechtlichen Prinzip der periodengerechten Zuordnung von Erträgen zu erfassen. Bei dieser Regelung handelt es sich anders als bei der entsprechenden Regelung für Ausgaben gem. § 38 Abs. 4 InvStG (s. Rz. 48 ff.) nicht um ein Wahlrecht, sondern ein Gebot.1 Konkret sind folgende Einnahmen periodengerecht abzugrenzen: – Zinsen (§ 38 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvStG), – angewachsene Ansprüche einer sonstigen Kapitalforderung nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, wenn die Kapitalforderung eine Emissionsrendite hat oder bei ihr das Stammrecht und der Zinsschein getrennt wurden (§ 38 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvStG), – angewachsene Ansprüche aus einem Emissions-Agio oder -Disagio (§ 38 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG) und – Mieten (§ 38 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 InvStG).

33 Das handelsrechtliche Prinzip der periodengerechten Ertragszuordnung (und Aufwands-

zuordnung) ist in § 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB normiert. Auf Basis dieser Regelung sind die von § 38 Abs. 3 Satz 1 InvStG angesprochenen Einnahmen unabhängig von ihrem Zahlungszeitpunkt zu berücksichtigen. Vielmehr sind diese einer bestimmten Periode auf Grundlage des handelsrechtlichen Realisationsgrundsatzes zuzuordnen.2 Unter den Voraussetzungen des Realisationsprinzips sind Erträge bereits ergebniswirksam als Forderung zu erfassen, auch wenn ihnen noch keine Einnahmen gegenüberstehen. Andersherum werden bestimmte Einnahmen – wie z.B. erhaltene Anzahlungen – zunächst ergebnisneutral durch Bildung eines Passivpostens erfasst, der in der Folgezeit periodengerecht erfolgswirksam aufgelöst wird. Für Zwecke der periodengerechten Abgrenzung der von § 38 Abs. 3 Satz 1 InvStG angesprochenen Einnahmen ist – wie auch bei Anwendung des § 11 EStG (Rz. 18) – auf das Geschäftsjahr eines Spezial-Investmentfonds abzustellen.

II. Periodengerechte Abgrenzung von Zinsen und bestimmten angewachsenen Ansprüchen sonstiger Kapitalforderungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG (Abs. 3 Satz 1 Nr. 1) 1. Zinsen 34 Der in § 38 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvStG verwendete Zinsbegriff ist nach h.M. zivilrechtlich zu

verstehen.3 Hiernach handelt es sich bei einem Zins um die feste oder veränderliche Vergütung für die Nutzungsüberlassung von Kapital, die laufzeitabhängig sowie gewinn- und umsatzunabhängig bemessen wird.4 Teilweise wird auch vertreten, dass sich der Zins nach einem im Voraus bestimmten Bruchteil des überlassenen Kapitals bemisst.5 Diese Auffassung entspricht allerdings nicht der h.M. im zivilrechtlichen Schrifttum, die überzeugend darauf 1 S. auch Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 38 InvStG Anm. 15. 2 Tiedchen in Graf/Bisle, Münchener Kommentar zum Bilanzrecht, 2013, § 252 HGB Rz. 83. 3 Elser/Stiegler in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 38 InvStG Rz. 12; Aigner in Moritz/Jesch/Mann2, § 3 InvStG Rz. 19; a.A. Ernst in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 38 InvStG Rz. 47. 4 BGH v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, BB 2014, 1866 (1871). 5 Aigner in Moritz/Jesch/Mann2, § 3 InvStG Rz. 19; Steinmüller in Haase2, § 3 InvStG Rz. 134.

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D. Abgrenzung v. Zinsen/angewachsenen Ansprüchen/Mieten (Abs. 3) | Rz. 37 § 38

abstellt, dass dem Zins lediglich eine Vergütungsfunktion für die Kapitalüberlassung zukommt und daher neben der Laufzeitabhängigkeit sowie der Gewinn- und Umsatzunabhängigkeit keine weitergehenden Anforderungen an die Ausgestaltung der Vergütung bestehen.1 Dieser Sichtweise hat sich auch die h.M. im investmentsteuerlichen Schrifttum angeschlossen.2 Aufgrund der Verpflichtung zur periodengerechten Abgrenzung von Zinsen läuft die Ausnah- 35 meregelung des § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG zur Erfassung regelmäßig wiederkehrender Einnahmen insoweit leer. Schließlich gilt der Verweis des § 38 Abs. 1 InvStG auf § 11 EStG nur nach Maßgabe der übrigen Vorschriften des § 38 InvStG, sodass die einkommensteuerlichen Sonderregelungen für regelmäßig wiederkehrende Einnahmen von § 38 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvStG verdrängt werden. Im Ergebnis kann es für Zinsen damit grds. zu einer weitergehenden Durchbrechung des Zuflussprinzips kommen, während § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG nur Einnahmen betrifft, die zehn Tage vor Beginn oder nach Ende des Kalenderjahres der wirtschaftlichen Zugehörigkeit zufließen und deren zugrunde liegende Zahlung innerhalb dieser kurzen Zeit fällig ist. 2. Angewachsene Ansprüche sonstiger Kapitalforderungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, wenn die Kapitalforderung eine Emissionsrendite hat oder bei ihr das Stammrecht und der Zinsschein getrennt wurden a) Angewachsene Ansprüche sonstiger Kapitalforderungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG mit Emissionsrendite Kapitalforderungen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG sind sonstige Kapitalforderungen jeder Art, 36 wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist, auch wenn die Höhe der Rückzahlung oder des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Die Einordnung als Kapitalforderung i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG erfolgt gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 EStG unabhängig von der Bezeichnung und zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage. Nach der Rspr. des BFH handelt es sich bei derartigen Kapitalforderungen um auf Geldleistung gerichtete Forderungen, deren Steuerbarkeit sich nicht bereits aus einem anderen Tatbestand i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 oder 8 bis 10 EStG ergibt, und zwar ohne Rücksicht auf die Dauer der Kapitalüberlassung oder den Rechtsgrund des Anspruchs.3 Aufgrund des Abstellens auf eine Geldleistung werden Sachdarlehen nicht von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG erfasst. Ferner ist § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG auch nicht auf Kapitalforderungen anzuwenden, die von § 21 EStG (z.B. Mietforderungen) oder § 22 EStG (z.B. Ertragsanteil von Renten) erfasst werden. Die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses ist für das Vorliegen einer Forderung i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG unbeachtlich.4 Im Einzelnen erfasst § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG Kapitalforderungen unter den Voraussetzungen, 37 dass (1) die Kapitalrückzahlung zugesagt ist oder (2) ein Entgelt für die Kapitalüberlassung zugesagt ist oder gewährt wird. Ist eine dieser Voraussetzungen erfüllt, ist es unbeachtlich, ob im Falle (1) die Zahlung eines Vergütungsentgelts dem Grunde und der Höhe nach ungewiss ist, oder ob im Falle (2) die Kapitalrückzahlung nicht zugesagt ist und die Höhe des Vergütungsentgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt.5 Beispiele für solche Kapitalforderungen sind etwa Indexanleihen oder Schuldverschreibungen. Nach Auffassung der FinVerw. sollen auch solche Kapitalforderungen unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG fallen, bei denen 1 Berger in Berger, MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2019, § 488 BGB Rz. 155 m.w.N. 2 Elser/Stiegler in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 38 InvStG Rz. 12; Lübbehüsen in Berger/Steck/Lübbehüsen, § 3 InvStG Rz. 45; wohl auch Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 38 InvStG Anm. 15. 3 BFH v. 12.5.2015 – VIII R 35/14, BStBl. II 2015, 834 m.w.N. 4 BFH v. 26.6.1996 – VIII R 67/95, BFH/NV 1997, 175 (176). 5 S. auch BFH v. 27.10.2015 – VIII R 70/13, BFH/NV 2016, 736. Korff | 715

§ 38 Rz. 37 | Vereinnahmung und Verausgabung sowohl die Höhe des Vergütungsentgelts als auch die Höhe der Rückzahlung von einem ungewissen Ereignis abhängen, sowie solche Kapitalforderungen, deren volle oder teilweise Rückzahlung weder faktisch noch rechtlich garantiert wird.1 38 Der periodengerechten Abgrenzung unterliegen gem. § 38 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvStG aller-

dings nur angewachsene Ansprüche aus Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, die eine Emissionsrendite haben. Kapitalforderungen ohne Emissionsrendite sind dagegen gem. § 38 Abs. 1 InvStG i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG nach Maßgabe des Zuflusses zu erfassen. Nach st. Rspr. des BFH ist als Emissionsrendite die vom Emittenten bei der Begebung der Anlage von vornherein zugesagte, eindeutig abgrenz- und bezifferbare Rendite zu verstehen, die bis zur Einlösung des Papiers bzw. Endfälligkeit der Kapitalforderung mit Sicherheit erzielt werden kann.2 Für die Frage der Abgrenzungsverpflichtung ist es unbeachtlich, ob die Emissionsrendite nachweisbar bzw. leicht und eindeutig ermittelbar ist.3 Beispiele für Kapitalforderungen mit Emissionsrendite sind etwa festverzinsliche Wertpapiere oder Zerobonds.4 b) Kapitalforderungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, bei denen das Stammrecht und der Zinsschein getrennt wurden

39 Im Rahmen des InvStRefG wurde eine weitere Kategorie an Finanzinstrumenten in die Pflicht

zur periodengerechten Abgrenzung einbezogen. Hierbei handelt es sich um Schuldverschreibungen, bei denen das Stammrecht und der Zinsschein getrennt wurden. Nach Auffassung des Gesetzgebers sollen mit dieser gesetzlichen Ergänzung originäre und auch nachträglich „hergestellte“ Nullkuponanleihen periodengerecht abgegrenzt und damit Umgehungen der Abgrenzungspflicht verhindert werden.5

III. Periodengerechte Abgrenzung von angewachsenen Ansprüchen aus einem Emissions-Agio oder -Disagio (Abs. 3 Satz 1 Nr. 2) 40 Periodengerecht abzugrenzen sind gem. § 38 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG auch angewachsene

Ansprüche aus einem Emissions-Agio oder einem Emissions-Disagio. Bei einem EmissionsAgio handelt es sich um einen bei der Emission eines Wertpapiers bestimmten Aufschlag auf den Nennwert, d.h., der Anleger muss im Erwerbszeitpunkt den Nennwert zzgl. eines Aufgelds entrichten (sog. Überpari-Emission). Ein Emissions-Agio fällt regelmäßig beim Erwerb hochverzinslicher Anleihen an. Beim Erwerb unverzinslicher oder niedrig verzinster Anleihen kann dagegen ein Abschlag vom Nennwert gewährt werden, d.h., der Anleger entrichtet im Erwerbszeitpunkt einen geringeren Betrag als den Nennwert (sog. Unterpari-Emission).6

41 § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 InvStG a.F. sah im Gegensatz § 38 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG

noch vor, dass der Feinabstimmungsabschlag i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 InvStG a.F. von der periodengerechten Abgrenzung auszunehmen war. Im Gesetzgebungsverfahren zum InvStRefG war diese Ausnahme zunächst ebenfalls vorgesehen, wurde dann jedoch auf Initiative des Bundesrates letztlich nicht in § 38 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG berücksichtigt. Hintergrund ist die Disagio-Staffel der FinVerw., die zur Bestimmung des Feinabstim-

1 2 3 4

BMF v. 19.5.2022 – IV C 1 - S 2252/19/10003:009 – DOK 2022/0457871, BStBl. I 2022, 742 Rz. 48. S. auch BFH v. 27.10.2015 – VIII R 70/13, BFH/NV 2016, 736 m.w.N. Aigner in Moritz/Jesch/Mann2, § 38 InvStG Rz. 20 m.w.N. Für eine Übersicht s. Steinmüller in Haase2, § 3 InvStG Rz. 137; zu Zerobonds s. auch exemplarisch Aigner in Moritz/Jesch/Mann2, § 38 InvStG Rz. 29. 5 BT-Drucks. 18/8045, 109. 6 Zum Begriff des Emissions-Disagio s. auch BMF v. 24.11.1986 – IV B 4 - S 2252 - 180/86, BStBl. I 1986, 539.

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D. Abgrenzung v. Zinsen/angewachsenen Ansprüchen/Mieten (Abs. 3) | Rz. 44 § 38

mungsabschlags heranzuziehen ist und nach der laufzeitabhängig bestimmte Vomhundertsätze des Nennwerts nicht als Emissionsdisagio gelten.1 Angesichts der seinerzeitigen Niedrigzinsphase äußerte der Bundesrat dahingehend Bedenken, dass bei Anwendung der DisagioStaffel wesentliche Teile der gesamten Zinsen von der periodengerechten Abgrenzung ausgenommen wären und insofern beachtliche Steuervorteile erzielt werden könnten.2 Dem schloss sich der Finanzausschuss des Bundestages an.3

IV. Periodengerechte Abgrenzung von Mieten (Abs. 3 Satz 1 Nr. 3) Bei Mieten handelt es sich um Gegenleistungen für die Überlassung von Vermögen oder Ge- 42 genständen zur Nutzung. Mangels einer gesonderten investmentsteuerlichen Definition ist der Mietbegriff gem. § 38 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 InvStG nach Maßgabe einkommensteuerlicher Grundsätze zu verstehen. Dementsprechend sollten als Mieten grds. die in § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 aufgeführten Einnahmen aus dem Bereich der Vermietung und Verpachtung sowie die gem. § 22 Nr. 3 EStG erfassten Einnahmen aus der Vermietung beweglicher Gegenstände in Betracht kommen. Allerdings wird der Mietbegriff des § 38 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 InvStG in rein praktischer Hinsicht in erster Linie wohl nur Einnahmen aus der Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen i.S.d. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG umfassen, da ein Spezial-Investmentfonds nach den Anlagebestimmungen gem. § 26 InvStG vorrangig auf die Investition in Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und vergleichbare Rechte nach dem Recht anderer Staaten ausgerichtet sein muss.4 Wie auch für Zinsen gilt im Hinblick auf Mieten, dass § 11 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht anzuwen- 43 den ist, sondern von der spezielleren Regelung gem. § 38 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 InvStG verdrängt wird. Dies führt im Ergebnis zu einer ggf. weitergehenden Durchbrechung des Zuflussprinzips (Rz. 35).

V. Ansatz der leicht und eindeutig ermittelbaren Emissionsrendite (Abs. 3 Satz 2) Wie auch schon nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 InvStG a.F. vorgesehen, sind angewachsene 44 Ansprüche aus Kapitalforderungen (s. Rz. 36 ff.) mit der Emissionsrendite anzusetzen, wenn diese leicht und eindeutig ermittelbar ist. Eindeutig ermittelbar ist die Emissionsrendite, wenn sie aus der dem Investor zugänglichen Emissionsdokumentation (Prospekt des Emittenten, Zeichnungsunterlagen etc.) entnommen oder aus dieser abgeleitet werden kann oder auf Grundlage von Informationen von Finanzinformationsdienstleistern (z.B. WM-Datenservice) verfügbar ist.5 Ob die Emissionsrendite auch leicht im Sinne von einfach und problemlos ermittelt werden kann, ist unter Berücksichtigung der subjektiven Sichtweise desjenigen zu entscheiden, der die Ermittlung vornimmt. Die FinVerw. beanstandet es nicht, wenn im Falle einer erst späteren Verfügbarkeit der notwendigen Informationen die bis zu diesem Zeitpunkt erfolgte Abgrenzung nach Marktrenditegrundsätzen bis zur Endfälligkeit beibehalten wird, sofern die KVG dauerhaft so verfährt.6 Bei Neu-Emissionen gesteht die FinVerw. im Falle feh1 2 3 4

BMF v. 24.11.1986 – IV B 4 - S 2252 - 180/86, BStBl. I 1986, 539. BR-Drucks. 119/1/16, 18. BT-Drucks. 18/8739, 101. Siehe hierzu auch Ernst in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 38 Rz. 61; hingegen nicht in rein praktischer, sondern rechtlicher Hinsicht auf Miet- und Pachterträge aus Immobilien einengend Aigner in Moritz/Jesch/Mann2, § 38 InvStG Rz. 24. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 38.6. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 38.6. Korff | 717

§ 38 Rz. 44 | Vereinnahmung und Verausgabung lender Daten für die Emissionsrenditeberechnung den Ansatz der Marktrendite, die Beibehaltung dieses Ansatzes bis zum Zeitpunkt der Datenbereitstellung und den Wechsel zur Abgrenzung nach der Emissionsrendite ab dem Zeitpunkt vorliegender Daten zu, sofern die Datenbereitstellung innerhalb von drei Monaten nach der Emission erfolgt.1 Zudem wird es seitens der FinVerw. nicht beanstandet, wenn eine Emissionsrendite durch die KVG anhand plausibler und nachvollziehbarer Parameter sowie sachgerechter Methoden selbst ermittelt wird.2 In Streitfällen ist das Vorliegen der Emissionsrendite durch die FinVerw. nachzuweisen, schließlich stellt die periodengerechte Abgrenzung der Emissionsrendite einen steuerbegründenden Vorgang dar.3

VI. Ansatz der Marktrendite (Abs. 3 Satz 3) 45 Ist die Emissionsrendite nicht leicht und eindeutig ermittelbar, sind die angewachsenen An-

sprüche gem. § 38 Abs. 3 Satz 3 InvStG in Form der abgegrenzten Marktrendite zu erfassen. Bei dieser subsidiären Anordnung der Abgrenzung mit der Marktrendite handelt es sich nicht um ein Wahlrecht des Spezial-Investmentfonds.4 Im Ergebnis betrifft diese Regelung sonstige Kapitalforderungen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, die eine Emissionsrendite haben, es jedoch an der leichten und eindeutigen Ermittelbarkeit der Emissionsrendite mangelt. Der Begriff der Marktrendite ist durch § 38 Abs. 3 Satz 3 InvStG als Unterschiedsbetrag zwischen dem Marktwert zum Ende des Geschäftsjahres und dem Marktwert zu Beginn des Geschäftsjahres oder im Falle des Erwerbs innerhalb des Geschäftsjahres als Unterschiedsbetrag zwischen dem Marktwert zum Ende des Geschäftsjahres und den AK definiert.

46 Trotz Kritik an diesem Marktrendite-Konzept, die zu der gleichlautenden Vorgängerregelung

des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 InvStG a.F. geäußert wurde, findet sich die ersatzweise Berücksichtigung der Marktrendite in § 38 InvStG wieder. Problematisch ist, dass die Erfassung der Marktrendite aus Sicht des Anlegers eines Spezial-Investmentfonds nicht nur eine (hinnehmbare) Durchbrechung des Zuflussprinzips darstellt, sondern zudem die Gefahr der vorgezogenen Besteuerung unrealisierter Erträge darstellt, was sich in der Totalperiode ggf. auch als finale Besteuerung tatsächlich nie vereinnahmter Erträge darstellen kann. Schließlich setzt die spätere tatsächliche Realisierung einer bereits versteuerten Marktrendite die Erzielung des entsprechenden Betrags als Gewinn aus der Veräußerung der Kapitalforderung voraus. Dies kann jedoch misslingen, wenn die Veräußerung zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem aufgrund von Kurs- oder Wechselkursschwankungen die bereits abgegrenzte Marktrendite nicht mehr erzielt wird.5

VII. Fiktiver Zufluss abgegrenzter Zinsen, angewachsener Ansprüche und Mieten (Abs. 3 Satz 4) 47 Nach § 38 Abs. 3 Satz 4 InvStG gelten die nach § 38 Abs. 3 Satz 1 InvStG periodengerecht

abgegrenzten Einnahmen in Form von Zinsen, angewachsenen Ansprüchen und Mieten dem Spezial-Investmentfonds auf der Fondseingangsseite als zugeflossen. Aus dem Zusammenspiel mit § 38 Abs. 8 InvStG (Rz. 70) wird im Ergebnis sichergestellt, dass periodengerecht abgegrenzte Zinsen, angewachsene Ansprüche und Mieten einer zuflussunabhängigen Besteuerung beim Anleger unterliegen (sog. doppelte Zuflussfiktion). 1 2 3 4 5

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 38.7. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 38.8. S. hierzu auch Ebner, NWB 2009, 203 (204); Kretzschmann, FR 2009, 416 (419). Wenzel in Brandis/Heuermann, § 38 InvStG Rz. 19. Kretzschmann, FR 2009, 416 (418).

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E. Periodengerecht abgegrenzte Werbungskosten (Abs. 4) | Rz. 50 § 38

E. Periodengerecht abgegrenzte Werbungskosten (Abs. 4) I. Wahlrecht zur periodengerechten Abgrenzung von Werbungskosten Das Prinzip der periodengerechten Abgrenzung findet nicht nur auf der Einnahmenseite eines 48 Spezial-Investmentfonds Anwendung (Rz. 32 ff.), sondern grds. auch im Hinblick auf die Ausgaben bzw. Werbungskosten eines Spezial-Investmentfonds. Nach Maßgabe von § 38 Abs. 4 InvStG sind diese nicht in der Periode ihrer Zahlungswirksamkeit zu erfassen. Stattdessen erfolgt die Periodenzuordnung nach dem handelsrechtlichen Imparitätsgrundsatz. Hiernach kommt es unter bestimmten Voraussetzungen zu einer aufwandswirksamen Erfassung von Geschäftsvorfällen, ohne dass zu diesem Zeitpunkt bereits eine tatsächliche Auszahlung stattgefunden hat.1 Für Zwecke der periodengerechten Werbungskostenabgrenzung ist wiederum auf das Geschäftsjahr des Spezial-Investmentfonds abzustellen. Periodengerecht abgegrenzte Werbungskosten gelten gem. § 38 Abs. 4 InvStG als abgeflossen, 49 soweit der tatsächliche Abfluss im Folgenden Geschäftsjahr erfolgt. Im Unterschied zu § 38 Abs. 3 Satz 1 InvStG ist die periodengerechte Abgrenzung hier nicht die Rechtsfolge, sondern eine Tatbestandsvoraussetzung für die Anwendung der Abflussfiktion des § 38 Abs. 4 InvStG. Hiernach folgt erst aus dem Zusammenspiel der periodengerechten Abgrenzung von Werbungskosten und dem tatsächlichen Abfluss dieser Kosten im Folgejahr eine Durchbrechung des Abflussprinzips dergestalt, dass die Erfassung der entsprechenden Kosten um ein Jahr vorgezogen wird. Die Regelung des § 38 Abs. 4 InvStG stellt insofern ein Wahlrecht zur periodengerechten Abgrenzung dar: Ob Werbungskosten eines Spezial-Investmentfonds – abweichend von der Erfassung nach dem Abflussprinzip gem. § 38 Abs. 1 InvStG – periodengerecht abgegrenzt werden, kann im Rahmen der Einkünfteermittlung frei entschieden werden. Sofern von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, hängt es von dem tatsächlichen Abfluss der entsprechenden Kosten im Folgegeschäftsjahr ab, ob die Abflussfiktion greift. Vor diesem Hintergrund ordneten sowohl die FinVerw.2 als auch die h.M. in der Literatur3 die Vorgängerregelung des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InvStG a.F. als Wahlrecht ein. Gleicher Auffassung sind die FinVerw.4 und das Schrifttum5 im Hinblick auf die wortgleiche Regelung des § 38 Abs. 4 InvStG. Die etwaige Anwendung des Wahlrechts zur vorgezogenen Werbungskostenerfassung soll in- 50 des keinen Einfluss auf die materielle Behandlung haben. Die FinVerw. erläutert dies exemplarisch an Währungseffekten. Kommt es zwischen dem Zeitpunkt der Erfassung von Fremdwährungs-Werbungskosten und dem tatsächlichen Abfluss zu einer Abwertung der Fremdwährung, ist dies durch eine entsprechende Werbungskostenkorrektur nachzuvollziehen. Werden also USD 100 (= 100 €) im Jahr 01 zutreffend als Werbungskosten erfasst, da der tatsächliche Abfluss im Jahr 02 erfolgt, im Abflusszeitpunkt jedoch ein Währungsverhältnis von USD 100 = 80 € besteht, ist im Jahr 02 auf Ebene des Spezial-Investmentfonds eine Werbungskostenkürzung von 20 vorzunehmen.6

1 Tiedchen in Graf/Bisle, Münchener Kommentar zum Bilanzrecht, 2013, § 252 HGB Rz. 83. 2 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 – 1/08/10019 – DOK 2009/0539738, BStBl. I 2009, 931 Rz. 52. 3 Elser in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 3 InvStG Rz. 27; Ernst in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 3 InvStG Rz. 68; Feierabend in Moritz/Jesch, § 3 InvStG Rz. 97; Lübbehüsen in Berger/Steck/Lübbehüsen, § 3 InvStG Rz. 66; Steinmüller in Haase2, § 3 InvStG Rz. 173. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 38.13. 5 Aigner in Moritz/Jesch/Mann2, § 38 InvStG Rz. 30; Elser/Stiegler in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 38 InvStG Rz. 17; Ernst in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 38 Rz. 67; Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 38 InvStG Anm. 20; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 38 InvStG Rz. 23. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 38.15 f. Korff | 719

§ 38 Rz. 51 | Vereinnahmung und Verausgabung 51 Angesichts des Wortlauts von § 38 Abs. 4 InvStG, der allein auf den tatsächlichen Abfluss im

Folgejahr der periodengerechten Erfassung abstellt, wird deutlich, dass die Regelung den zeitlich umgekehrten Fall nicht betrifft. Für Auszahlungen – wie z.B. Werbungskostenvorauszahlungen für nachfolgende Zeiträume – können danach keine Abgrenzungsposten gebildet werden, über deren aufwandswirksame Auflösung eine periodengerechte Aufwandszuordnung zu späteren Geschäftsjahren erreicht wird. In diesen Fällen gilt vielmehr das Abflussprinzip.1 Eine (abgeschwächte Form der) Periodisierung kann in diesen Fällen lediglich unter den Voraussetzungen gem. § 38 Abs. 1 InvStG i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG erreicht werden.

II. Fingierter vorzeitiger Abfluss bei tatsächlichem Abfluss im Folgejahr 52 Periodengerecht abgegrenzte Ausgaben sind nach der Abflussfiktion des § 38 Abs. 4 InvStG

nur insoweit im Jahr ihrer periodengerechten Erfassung als Werbungskosten zu berücksichtigen, als sie im Folgenden Geschäftsjahr tatsächlich abfließen. Im Ergebnis wird durch § 38 Abs. 4 InvStG verhindert, dass die Einkünfte eines Spezial-Investmentfonds durch nur wahrscheinliche Werbungskosten verringert werden. Im Hinblick auf den tatsächlichen Abfluss gelten die Erläuterungen zum Abflussprinzip entsprechend (Rz. 22).

III. Korrektur bei ausbleibendem Abfluss im Folgejahr 53 Da bei Abgabe der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteue-

rungsgrundlagen, was gem. § 51 Abs. 2 Satz 1 InvStG grds. innerhalb von vier Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres eines Spezial-Investmentfonds zu erfolgen hat (s. hierzu näher § 51 InvStG Rz. 19), regelmäßig nicht feststehen dürfte, ob die Voraussetzung des tatsächlichen Abflusses im Folgejahr erfüllt ist, wird für periodengerecht abgegrenzte Werbungskosten zunächst ein Abfluss fingiert. Bei ausbleibendem tatsächlichem Abfluss im Folgejahr bedarf es insoweit der Korrektur der Feststellung für das Geschäftsjahr, in dem der fingierte Werbungskostenabfluss enthalten ist. Da die für das Geschäftsjahr abgegebene Feststellungserklärung gem. § 51 Abs. 5 InvStG einer gesonderten und einheitlichen Feststellung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, bestehen für die Korrektur zwei Möglichkeiten. Entweder stellt die KVG bzw. ein gem. § 51 Abs. 3 InvStG Erklärungspflichtiger einen Änderungsantrag nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO oder reicht eine korrigierte Feststellungserklärung gem. § 153 Abs. 1 Satz 1 AO ein.

IV. Umsatzsteuer als Werbungskosten 54 Aus Vereinfachungsgründen wird seitens der FinVerw. nicht beanstandet, wenn die USt (so-

wohl für die Ermittlung der Einnahmen als auch der Werbungskosten) nach den Regeln des Betriebsvermögensvergleichs behandelt wird.2 Hierdurch wird vermieden, dass in unterschiedlichen Geschäftsjahren stattfindende Vorsteuerzahlungen und -erstattungen zu Gewinnverschiebungen führen.

1 S. auch Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 38 InvStG Anm. 20. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 38.12.

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F. Zeitliche Zurechnung v. Gewinnanteilen aus PersGes. (Abs. 5) | Rz. 57 § 38

F. Zeitliche Zurechnung von Gewinnanteilen aus Personengesellschaftsbeteiligungen (Abs. 5) I. Allgemeiner Regelungsinhalt Sind einem Spezial-Investmentfonds Gewinnanteile aus der Beteiligung an einer Personenge- 55 sellschaft zuzurechnen, gehören diese gem. § 38 Abs. 5 InvStG zu den Erträgen des Geschäftsjahres, in dem das Wirtschaftsjahr der Personengesellschaft endet. Die Regelung entspricht der Vorgängervorschrift des § 3 Abs. 5 InvStG a.F. und stellt eine weitere Durchbrechung des gem. § 38 Abs. 1 InvStG grds. geltenden Zuflussprinzips dar. Der Zeitpunkt der tatsächlichen Ausschüttung durch die Personengesellschaft ist für die zeitliche Erfassung der Einkünfte beim Spezial-Investmentfonds mithin unbeachtlich. Der Regelungsgehalt des § 38 Abs. 5 InvStG ist auf die zeitliche Erfassung des Gewinnanteils begrenzt, d.h., die Einkünfteermittlung auf Ebene der Beteiligungspersonengesellschaft (gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen) und die Stellung des Spezial-Investmentfonds als Feststellungsbeteiligter richten sich nach den allgemeinen Regelungen (§§ 179 ff. AO).

II. Anwendung bei Beteiligung an gewerblichen und vermögensverwaltenden Personengesellschaften Dem Wortlaut nach ist die Anwendung von § 38 Abs. 5 InvStG auf die Beteiligung von Spezi- 56 al-Investmentfonds an gewerblichen Personengesellschaften begrenzt (gewerblich tätige, infizierte oder geprägte Personengesellschaft). Schließlich werden aus der Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft steuerlich keine Gewinnanteile erzielt. Wenngleich dies für die Regelung des § 3 Abs. 5 InvStG a.F. gleichermaßen zutraf, war § 3 Abs. 5 InvStG a.F. nach Auffassung der FinVerw. auch für Überschüsse aus der Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft anzuwenden.1 Hieran hält die FinVerw. auch im Hinblick auf § 38 Abs. 5 InvStG fest.2 Hintergrund ist, dass auf diese Weise eine wesentlich praktikablere zeitliche Erfassung entsprechender Überschüsse erreicht wird. Andernfalls, d.h. bei Anwendung der Regelungen zur periodengerechten Abgrenzung, wären die Bestandteile des nach dem Zu- und Abflussprinzip ermittelten anteiligen Überschusses des Spezial-Investmentfonds nach den Regelungen gem. § 38 Abs. 3 und 4 InvStG einzeln abzugrenzen.

III. Anwendung im Hinblick auf anteilige Gewinne und Verluste, Sondervergütungen und Veräußerungsgewinne Der Gewinnanteil aus einer Personengesellschaftsbeteiligung kann auch ein negativer sein. 57 Wie schon bislang im Hinblick auf § 3 Abs. 5 InvStG a.F.3 vertritt die FinVerw., dass anteilige Verluste eines Spezial-Investmentfonds aus der Beteiligung an einer (gewerblichen oder vermögensverwaltenden) Personengesellschaft entsprechend § 38 Abs. 5 InvStG in dem Geschäftsjahr anzusetzen sind, in dem das Wirtschaftsjahr der Personengesellschaft endet.4 Allerdings hält die FinVerw. an ihrer Sichtweise fest, dass eine Verlustberücksichtigung nicht in Betracht kommt, soweit dies in direkter oder entsprechender Anwendung ertragsteuerlicher

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BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 – 1/08/10019 – DOK 2009/0539738, BStBl. I 2009, 931 Rz. 73. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 38.17. BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 – 1/08/10019 – DOK 2009/0539738, BStBl. I 2009, 931 Rz. 73. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 38.17; s. hierzu auch Wenzel in Brandis/ Heuermann, § 38 InvStG Rz. 26. Korff | 721

§ 38 Rz. 57 | Vereinnahmung und Verausgabung Verlustverrechnungsnormen (z.B. §§ 2a und 15a EStG) ausgeschlossen ist.1 Dieser Sichtweise ist im Hinblick auf die Beteiligung eines Spezial-Investmentfonds an einer Personengesellschaft nicht zuzustimmen.2 § 38 Abs. 5 InvStG regelt allein die zeitliche Erfassung des (positiven oder negativen) Gewinnanteils aus einer Personengesellschaftsbeteiligung, während § 41 InvStG Regelungen zur Verlustverrechnung enthält. Da das InvStG lex specialis zu den einkommensteuerlichen Vorschriften ist und § 41 InvStG keinen Verweis auf § 15a EStG enthält, ist die Verlustverrechnungsbeschränkung des § 15a EStG auf Ebene des Spezial-Investmentfonds nicht zu berücksichtigen.3 58 Der Begriff des Gewinnanteils umfasst nicht etwaige Sondervergütungen, die ein Spezial-In-

vestmentfonds im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an einer Personengesellschaft erzielt. Diese sind vielmehr nach § 38 Abs. 3 InvStG zu erfassen. Grund hierfür ist, dass § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG explizit zwischen Gewinnanteilen und Sondervergütungen differenziert. Mithin ist nicht ersichtlich, dass der investmentsteuerliche Gewinnanteilsbegriff i.S.d. § 38 Abs. 5 InvStG davon abweichend auch Sondervergütungen umfassen soll.4 Die FinVerw. sieht dies hingegen anders und verweist für Zwecke des § 38 Abs. 5 InvStG hinsichtlich des Umfangs des Gewinns aus Personengesellschaftsbeteiligungen auf § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG.5 Ferner betrifft § 38 Abs. 5 InvStG auch nicht die zeitliche Erfassung von Gewinnen aus der Veräußerung eines Personengesellschaftsanteils.6

G. Vermeidung von Bond-Stripping-Gestaltungen (Abs. 6) I. Allgemeiner Regelungsinhalt 59 § 38 Abs. 6 InvStG zielt auf die Vermeidung sog. Bond-Stripping-Gestaltungen in Spezial-In-

vestmentfonds. Die Funktionsweise des Bond-Strippings besteht darin, dass zinstragende Wertpapiere – wie etwa Bundesanleihen oder Schuldverschreibungen – in das Stammrecht (den Anleihemantel) und den Zinsschein aufgespalten werden und die AK des ursprünglichen Wirtschaftsguts nicht den beiden im Rahmen der Aufspaltung entstandenen Wirtschaftsgütern, sondern allein dem Stammrecht zugeordnet werden. Unmittelbar danach kann der Zinsschein durch den Spezial-Investmentfonds (mangels zugeordneter AK) gewinnbringend veräußert werden. Sofern der resultierende Ertrag nicht an den Anleger ausgeschüttet wird, qualifiziert dieser als ausschüttungsgleicher Ertrag und gilt dem Anleger mit Ablauf des Geschäftsjahres als zugeflossen. Die ertragswirksame Erfassung erfolgt auf der Anlegerebene durch Bildung eines aktiven Ausgleichspostens, der im Falle der späteren Anteilsveräußerung/-rückgabe zwecks Vermeidung einer Doppelbesteuerung aufwandswirksam aufzulösen ist. Vor diesem Hintergrund konnten mit Bond-Stripping-Gestaltungen insbes. auf zwei Arten steuerliche Vorteile erzielt werden. Zum einen konnten die ausschüttungsgleichen Erträge auf Ebene körperschaftsteuerpflichtiger Anleger zur Verrechnung mit vorhandenen Verlusten verwendet werden, die andernfalls im Zuge eines schädlichen Anteilseignerwechsels untergegangen wären. Da der Anteilseignerwechsel keinerlei Auswirkungen auf den Ausgleichsposten

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 38.17. 2 So auch noch Ernst in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 3 InvStG Rz. 127; nunmehr aber Ernst in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 38 Rz. 75. 3 A.A. Wenzel in Brandis/Heuermann, § 38 InvStG Rz. 26. 4 Siehe hierzu auch Ernst in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 3 InvStG Rz. 124; Lübbehüsen in Berger/ Steck/Lübbehüsen, § 3 InvStG Rz. 167; a.A. s. nachfolgende Fn. 5. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 38.18; gl.A. Aigner in Moritz/Jesch/Mann2, § 38 InvStG Rz. 36; Ernst in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 38 Rz. 35; Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 38 InvStG Anm. 25. 6 Siehe hierzu auch Lübbehüsen in Berger/Steck/Lübbehüsen, § 3 InvStG Rz. 167.

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G. Vermeidung von Bond-Stripping-Gestaltungen (Abs. 6) | Rz. 63 § 38

hatte, konnte der (im Ausgleichsposten gespeicherte) Verlust im Ergebnis ungeachtet eines schädlichen Anteilseignerwechsels auch später noch genutzt werden.1 Eine andere Gestaltungsvariante bestand im Zusammenhang mit ausschüttenden Fonds. Im Ergebnis ließ sich hier ein Definitiveffekt erzielen, sofern einerseits die Ausschüttung des Gewinns aus der Veräußerung der Zinsscheine nach einem DBA stfrei vereinnahmt werden konnte und andererseits der ausschüttungsbedingte Wertverlust des Fonds durch eine steuerwirksame Teilwertabschreibung oder verlustrealisierende Anteilsveräußerung genutzt werden konnte.2 Zur Vermeidung derartiger Gestaltungsmodelle normierte der Gesetzgeber im Rahmen des AIFMStAnpG die Regelung des § 3 Abs. 1a InvStG a.F., die sich nunmehr in § 38 Abs. 6 InvStG wiederfindet.

II. Veräußerungs- und Anschaffungsfiktion (Abs. 6 Satz 1) § 38 Abs. 6 Satz 1 InvStG fingiert für den Fall der Trennung eines Zinsscheins oder einer Zins- 60 forderung vom Stammrecht eine Veräußerung des Wirtschaftsguts „Schuldverschreibung“ und eine Anschaffung der durch die Trennung entstandenen Wirtschaftsgüter „Stammrecht“ und „Zinsschein“. Bei der Trennung handelt es sich ungeachtet der Anschaffungs- und Veräußerungsfiktion um einen erfolgsneutralen Vorgang.

III. Trennungsfiktion (Abs. 6 Satz 2) Die Trennung des Zinsscheins oder der Zinsforderung vom Stammrecht gilt als vollzogen, 61 wenn dem Inhaber der Schuldverschreibung die Wertpapierkennnummern für die durch die Trennung entstandenen Wirtschaftsgüter zugehen.

IV. Veräußerungserlös der Schuldverschreibung (Abs. 6 Satz 3) § 38 Abs. 6 Satz 3 InvStG enthält eine weitere Fiktion, wonach der gemeine Wert der Schuld- 62 verschreibung zum Zeitpunkt der Trennung als Veräußerungserlös der Schuldverschreibung gilt. Bei börsennotierten Schuldverschreibungen ist als gemeiner Wert grds. der niedrigste im regulierten Markt notierte Kurs am Tag der Trennung anzusetzen.3 Durch das Abstellen auf den gemeinen Wert stellt die nach § 38 Abs. 6 Satz 1 InvStG als Veräußerung fingierte Trennung einen Realisationsvorgang dar, aus dem je nach Wertentwicklung der Schuldverschreibung ein Veräußerungsgewinn oder -verlust resultiert.

V. Anschaffungskosten der neuen Wirtschaftsgüter (Abs. 6 Satz 4) Die AK der beiden aus dem Trennungsvorgang hervorgehenden Wirtschaftsgüter bestimmen 63 sich nach Maßgabe von § 38 Abs. 6 Satz 4 InvStG. Nach dieser Regelung ist der zum Trennungszeitpunkt bestehende gemeine Wert der Schuldverschreibung nach dem Verhältnis der gemeinen Werte der beiden neuen Wirtschaftsgüter aufzuteilen. Für Zwecke der Ermittlung der gemeinen Werte der beiden neuen Wirtschaftsgüter ist aus Sicht des Gesetzgebers typischerweise eine Barwertermittlung auf Basis finanzmathematischer Methoden unter Berück-

1 S. hierzu näher Kußmaul/Kloster, StB 2017, 22 (24 ff.). 2 S. hierzu näher Matuszewski/Kleinert, FR 2019, 461 (462). 3 BT-Drucks. 740/13, 71. Korff | 723

§ 38 Rz. 63 | Vereinnahmung und Verausgabung sichtigung des aktuellen Marktzinses vorzunehmen, da zum Trennungszeitpunkt noch keine Börsenkurse existieren.1 Nach Auffassung des Gesetzgebers dürfte die Summe der Barwerte grds. dem gemeinen Wert der Schuldverschreibung entsprechen. Im Ergebnis schwebt dem Gesetzgeber eine Wertverknüpfung dergestalt vor, dass der gemeine Wert der Schuldverschreibung auf die beiden neuen Wirtschaftsgüter aufgeteilt wird. Im Falle einer Abweichung der Barwertsumme vom gemeinen Wert der Schuldverschreibung ist eine Verhältnisrechnung vorzunehmen; eine exemplarische Verhältnisrechnung ist der Gesetzesbegründung zu § 3 Abs. 1a InvStG a.F.2 zu entnehmen. 64 Im Rahmen des InvStRefG wurden mit § 20 Abs. 2 Sätze 4 und 5 und Abs. 4 Sätze 8 und 9

EStG auch für den Bereich des steuerlichen Privatvermögens Regelungen zur Vermeidung von Bond-Stripping-Gestaltungen normiert. In dem hierzu ergangenen BMF-Schreiben3 geht die FinVerw. im Hinblick auf die Ermittlung der gemeinen Werte der beiden aus der Trennung hervorgehenden Wirtschaftsgüter ebenfalls davon aus, dass für die entsprechenden Wirtschaftsgüter zum Trennungszeitpunkt noch keine Börsenkurse vorliegen und dementsprechend Barwerte zu ermitteln sind. Für den Anleihemantel soll dies aufgrund dessen Unverzinslichkeit nach Maßgabe von § 12 Abs. 3 BewG durch Abzinsung mit einem Zinssatz von 5,5 % und unter Berücksichtigung der Laufzeit erfolgen. Der Barwert des Zinsscheins ist nach der Verwaltungsauffassung unter Berücksichtigung des Zinssatzes der ursprünglichen Anleihe und der Laufzeit des Zinsscheins zu ermitteln. Vor dem Hintergrund, dass die einkommensteuerlichen Regelungen mit den Vorschriften gem. § 38 Abs. 6 Sätze 1 bis 4 InvStG quasi deckungsgleich sind, stellt sich die Frage, ob die Vorgaben der FinVerw. auch im Rahmen der Einkünfteermittlung eines Spezial-Investmentfonds zu beachten sind. Angesichts der im Schrifttum vorgetragenen Kritik an dem BMF-Schreiben, wonach (1) das vom BMF vermutete Fehlen von Marktpreisen zum Trennungszeitpunkt zurückgewiesen, (2) der 5,5-prozentige Abzinsungssatz für den Anleihemantel als realitätsfremd eingestuft und (3) die Verwendung des Zinssatzes der ursprünglichen Anleihe für Zwecke der Barwertermittlung des Zinsscheins deutlich hinterfragt wird,4 sollte zur Vermeidung unzutreffender Anschaffungskostenallokationen auf die allgemeinen Bewertungsregeln gem. R B 12.3 ErbStR zurückgegriffen werden, solange die Grundsätze des BMF-Schreibens v. 11.11.2016 nicht explizit auch bei der Einkünfteermittlung von Spezial-Investmentfonds anzuwenden sein sollen.

VI. Periodengerechte Abgrenzung der Erträge aus dem Stammrecht (Abs. 6 Satz 5) 65 Die Erträge des Stammrechts sind nach § 38 Abs. 6 Satz 5 InvStG in sinngemäßer Anwendung

von § 38 Abs. 3 InvStG periodengerecht abzugrenzen. Durch diese Regelung werden originäre und auch nachträglich „hergestellte“ Nullkuponanleihen im Ergebnis gleichbehandelt.

H. Tausch von Kapitalforderungen gegen Anteile (Abs. 7) I. Allgemeiner Regelungsinhalt 66 Nach § 38 Abs. 7 InvStG stellt der Tausch einer sonstigen Kapitalforderung i.S.v. § 20 Abs. 1

Nr. 7 EStG gegen Anteile an einer Körperschaft, Vermögensmasse oder Personenvereinigung einen Realisationsvorgang dar. Eine erfolgsneutrale Fortführung der AK der Kapitalforderung 1 2 3 4

BT-Drucks. 740/13, 71. BT-Drucks. 740/13, 71 f. BMF v. 11.11.2016 – IV C 1 - S 2283 – c/11/10001:015, BStBl. I 2016, 1245. Vgl. nur Schmidt, RdF 2017, 90; Strothenke, DStR 2016, 2893 (2894 f.).

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H. Tausch von Kapitalforderungen gegen Anteile (Abs. 7) | Rz. 69 § 38

im Hinblick auf die im Tauschwege erhaltenen Anteile scheidet folglich aus. Der Gesetzgeber zielt mit dieser Regelung auf die Vermeidung von Steuergestaltungen, im Rahmen derer stpfl. Erträge oder Wertzuwächse in nach § 8b KStG stfreie Veräußerungsgewinne umgewandelt werden.1 Ohne die Regelung gem. § 38 Abs. 7 InvStG ließe sich eine entsprechende Gestaltung ohne weiteres auch über einen Spezial-Investmentfonds strukturieren, da Einnahmen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG auf der Fonds- und der Anlegerebene der vollen Besteuerung unterliegen, während § 8b KStG im Hinblick auf Anteilsveräußerungsgewinne unter den Voraussetzungen gem. § 42 InvStG grds. auch für Anleger von Spezial-Investmentfonds anzuwenden ist.

II. Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile (Abs. 7 Satz 1) Nach der Regelung gem. § 38 Abs. 7 Satz 1 InvStG bemessen sich die AK der im Tauschwege 67 erhaltenen Anteile nach dem gemeinen Wert der hingegebenen sonstigen Kapitalforderung. Mit anderen Worten findet der ertragsteuerliche Tauschgrundsatz i.S.d. § 6 Abs. 6 EStG Anwendung.2 Der Ansatz des gemeinen Werts des hingegebenen Wirtschaftsguts als AK des angeschafften Wirtschaftsguts folgt dem Gedanken, dass der gemeine Wert des hingegebenen Wirtschaftsguts aufgewendet wird, um ein anderes Wirtschaftsgut anzuschaffen. Dementsprechend zieht § 38 Abs. 7 Satz 1 InvStG eine stpfl. Gewinnrealisierung i.H.d. Differenz zwischen dem gemeinen Wert und dem Buchwert des hingegebenen Wirtschaftsguts nach sich. Der gemeine Wert der Kapitalforderung bestimmt sich nach den allgemeinen Bewertungsregeln gem. § 9 Abs. 2 BewG. Im Hinblick auf die von der Regelung erfassten Tauschvorgänge spricht die Gesetzesbegrün- 68 dung exemplarisch von Wandel- und Umtauschanleihen, die dem Inhaber das Recht gewähren, bei Fälligkeit anstelle der Zahlung eines Geldbetrags vom Emittenten die Lieferung von Wertpapieren zu verlangen, oder die dem Emittenten das Recht gewähren, bei Fälligkeit dem Inhaber anstelle der Zahlung eines Geldbetrags Wertpapiere anzudienen.3 Die FinVerw. nennt als weiteres Beispiel Aktienanleihen.4 Der Regelungswortlaut ist indes offen und spricht nur allgemein vom Tausch einer sonstigen Kapitalforderung in Anteile an einer Körperschaft, Vermögensmasse oder Personenvereinigung, sodass grds. auch andere Vorgänge, in denen etwa eine entsprechende Tauschmöglichkeit in der Vertragsdokumentation nicht von vornherein angelegt ist, in den Anwendungsbereich des § 38 Abs. 7 InvStG fallen. Es ist lediglich vorausgesetzt, dass es sich bei dem hingegebenen Wirtschaftsgut um eine Kapitalforderung i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, also eine sonstige Kapitalforderung jeder Art (Rz. 36), und bei den erhaltenen Anteilen um Anteile an einer Körperschaft, Vermögensmasse oder Personenvereinigung handelt. Insoweit stellt die Regelung auf die Körperschaftsteuersubjekte gem. § 1 Abs. 1 KStG ab, wobei deren steuerliche Ansässigkeit unbeachtlich ist.

III. Keine Anwendung von § 20 Abs. 4a EStG (Abs. 7 Satz 2) Wenngleich sich der Ausschluss der Fortführung der AK bereits aus der Regelung gem. § 38 69 Abs. 7 Satz 1 InvStG ergibt, wird dies durch § 38 Abs. 7 Satz 2 InvStG nochmals abgesichert, indem die Anwendung von § 20 Abs. 4a EStG ausgeschlossen wird. Diese Regelung zielt insbes. auf den Ausschluss von § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG, wonach im steuerlichen Privatver-

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BT-Drucks. 18/8739, 101. Siehe auch BT-Drucks. 18/8739, 101. BT-Drucks. 18/8739, 101. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 38.20. Korff | 725

§ 38 Rz. 69 | Vereinnahmung und Verausgabung mögen erfolgende Tauschvorgänge bei Hingabe einer Kapitalforderung i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG ertragsteuerneutral erfolgen können. Allerdings ist zu beachten, dass sich der Ausschluss von § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG nur auf die von § 38 Abs. 7 Satz 1 InvStG erfassten Tauschvorgänge bezieht und damit etwa gerade nicht den Tausch einer Kapitalforderung in eine andere Kapitalforderung erfasst, welcher auf Ebene eines Spezial-Investmentfonds aufgrund des in § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG verwendeten Wertpapierbegriffs ggf. ohne Gewinnrealisation vollführt werden kann.1

I. Zuordnung abgegrenzter Erträge zu den ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen (Abs. 8) 70 Nach § 38 Abs. 8 InvStG gehören die nach § 38 Abs. 3 InvStG periodengerecht abzugrenzen-

den Zinsen, angewachsenen Ansprüche und Mieten sowie die Stammrechtserträge nach § 38 Abs. 6 Satz 5 InvStG zu den ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens war die Befürchtung aufgekommen, dass die periodengerechte Abgrenzung der genannten Erträge lediglich zur Folge haben könnte, dass diese als dem Spezial-Investmentfonds zugeflossen gelten, jedoch nicht beim Anleger der entsprechend periodisierten Besteuerung unterliegen.2 Durch die gesetzliche Zuordnung insbes. zu den ausschüttungsgleichen Erträgen wird dieser Besteuerungsaufschub vermieden.

§ 39 Werbungskosten, Abzug der Direktkosten (1) 1Werbungskosten des Spezial-Investmentfonds, die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit Einnahmen stehen, sind Direktkosten. 2Zu den Direktkosten gehören auch Absetzungen für Abnutzung oder Substanzverringerung bis zur Höhe der nach § 7 des Einkommensteuergesetzes zulässigen Beträge. 3Die übrigen Werbungskosten des Spezial-Investmentfonds sind Allgemeinkosten. (2) 1Direktkosten, die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit Einnahmen nach § 20 Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes stehen, sind ausschließlich den Einnahmen nach § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes zuzuordnen. 2Liegen keine Einnahmen nach § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes vor oder sind die Einnahmen niedriger als die Werbungskosten, so hat der Spezial-Investmentfonds Verlustvorträge zu bilden. (3) Verluste aus Finanzderivaten sind als Direktkosten bei den Einnahmen nach § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes abzuziehen, wenn der Spezial-Investmentfonds im Rahmen einer konzeptionellen Gestaltung Verluste aus Finanzderivaten und in gleicher oder ähnlicher Höhe Einnahmen nach § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes herbeigeführt hat. (4) Die nach der Zuordnung nach den Absätzen 2 und 3 verbleibenden Direktkosten sind von den jeweiligen Einnahmen abzuziehen.

1 Elser/Stiegler in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 38 InvStG Rz. 31. 2 BT-Drucks. 18/8739, 101 f.

726 | Korff und Gottschling

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 2 § 39

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . 1 II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . 5 III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2. Verhältnis zu Vorschriften des EStG . . 8 3. Verhältnis zu DBA . . . . . . . . . . . . . . . . 9 B. Direktkosten (Abs. 1) I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 II. Unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 III. Nettoertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

IV. Behandlung von AfA, AfS als Werbungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Allgemeinkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Einnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG (Abs. 2) I. Einnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG . . . . . . . . . . II. Verlustvorträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Kopplungsgeschäfte (Abs. 3) I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kopplungsgeschäfte – Gestaltungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Konzeptionelle Gestaltung . . . . . . . . . . . . IV. Gleiche oder ähnliche Höhe . . . . . . . . . . . V. Verlustabzug bei Kopplungsgeschäften . . E. Abzug übriger Direktkosten (Abs. 4) . .

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Literatur: Helios/Mann, Das Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung – Darstellung, Meinung und Handlungsempfehlung, DB Sonderausgabe I/2016, 1; Klein/Hörner/Adam, Ausgewählte internationale Aspekte des InvStG 2018, ISR 2018, 216; Hoch/Preller, Die zivilrechtsdogmatischen Beziehungen innerhalb des Investmentvielecks, BKR 2019, 22; Schäfer, Neue Haftungsrisiken für Steuerberater bei Anlagen in Investmentfonds im Zuge der Investmentsteuerreform 2018, BB 2019, 1879; Stiegler, Transparente Besteuerung vermögensverwaltender, ausländischer Kapitalgesellschaften – Besteuerungskonzepte, Anwendungsvoraussetzungen und Rechtsfolgen, IStR 2020, 1.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck Die Besteuerung der sog. Spezial-Investmentfonds ist nach dem neu gefassten Investmentsteu- 1 ergesetz1 in dessen Kapitel 3 geregelt. Nach der Neukonzeption des Investmentsteuerrechts werden Spezial-Investmentfonds nunmehr grds. ebenso wie Publikums-Investmentfonds intransparent behandelt, d.h., Spezial-Investmentfonds unterliegen nur mit bestimmten, nummerisch aufgezählten inländischen Einkünften im Inland der KSt (§ 29 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 und 2 InvStG). Während in Kapitel 3 Abschn. 1 die §§ 25 bis 33 InvStG die Voraussetzungen für die Qualifikation als Spezial-Investmentfonds und die Besteuerung auf der Fondsebene selbst regeln, betreffen die in Abschn. 2 geregelten §§ 34 ff. InvStG die Besteuerung der Anleger eines Spezial-Investmentfonds mit ihren Spezial-Investmenterträgen. Diese qualifizieren bei Privatanlegern grds. als Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG, können aber bei Zugehörigkeit zu anderen Einkunftsarten auch diesen zuzurechnen sein (s. § 20 Abs. 8 EStG), also bei gewerblichen Anlegern als gewerbliche Einkünfte zu qualifizieren sein. 2 § 39 InvStG enthält hierbei die Regelungen zu den WK bzw. dem Abzug von Direktkosten. – Abs. 1 enthält dabei zunächst die Definition der Direktkosten. Werbungskosten, die keine Direktkosten sind, sind demgegenüber Allgemeinkosten.

1 Zum neuen InvStG s. ausführlich Helios/Mann, DB Sonderausgabe I/2016, 1. Gottschling | 727

§ 39 Rz. 2 | Werbungskosten, Abzug der Direktkosten – Abs. 2 behandelt Direktkosten in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit Einnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG, – Abs. 3 beinhaltet Sonderregelungen zur Behandlung von Finanzderivaten und Kopplungsgeschäften. – Abs. 4 enthält letztlich die subsidiäre Regelung zur Behandlung der verbleibenden Direktkosten.

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich 3 In persönlicher Hinsicht regelt § 39 InvStG den Werbungskostenabzug bei der Besteuerung der

Anleger eines Spezial-Investmentfonds. Dies ergibt sich neben dem Wortlaut auch aus der systematischen Stellung in Kapitel 3 des InvStG. Er gilt grds. sowohl für inländische als auch für ausländische Anleger, die in in- oder ausländische Spezial-Investmentfonds investieren.1 Tauglicher Anleger ist nach der Definitionsnorm des § 2 Abs. 10 InvStG grds. derjenige, dem ein SpezialInvestmentanteil nach § 39 AO zuzurechnen ist. Auch wenn § 39 Abs. 1 AO zunächst auf den zivilrechtlichen Eigentümer des Spezial-Investmentanteils abstellt, ist nach § 39 Abs. 1 Nr. 2 AO letztlich das wirtschaftliche Eigentum entscheidend, also die Ausübung der tatsächlichen Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Gleiches gilt auch für ausländische Spezial-Investmentfonds, wobei hier für die Bestimmung des zivilrechtlichen Eigentums das Internationale Privatrecht zu beachten ist.2 Erfasst sind von § 39 InvStG dabei grds. sowohl betriebliche Anleger als auch natürliche Personen.

4 § 39 InvStG betrifft in sachlicher Hinsicht WK und insbes. Direktkosten bei der Ermittlung

der Erträge aus Spezial-Investmentfonds.

2. Zeitlicher Anwendungsbereich 5 Nach Art. 11 Abs. 3 InvStRefG3/§ 56 Abs. 1 Satz 1 InvStG gilt § 39 InvStG wie das insgesamt

neu gefasste InvStG seit dem 1.1.2018. Übergangsregelungen sind grds. nicht vorgesehen.

III. Rechtsentwicklung 6 § 39 InvStG wurde im Rahmen des InvStRefG v. 19.7.20164 eingeführt. Bereits im alten Invest-

mentsteuergesetz gab es mit § 3 Abs. 3 Sätze 1 und 2 InvStG a.F. eine Vorgängerregelung, die einen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang bei der Behandlung von WK vorsah. Diese führt § 39 InvStG mit gewissen Einschränkungen fort. Die Vorschrift wurde redaktionell überarbeitet und formal auf mehrere Absätze aufgeteilt.5 § 39 Abs. 2 bis 4 InvStG sind neu hinzugetreten. Im Zusammenspiel mit § 40 InvStG bestimmt § 39 InvStG, welcher Ertragskategorie i.S.d. § 37 InvStG die auf Ebene des Spezial-Investmentfonds angefallenen WK zugeordnet werden.6 1 Soweit sie im Inland der Besteuerung unterliegen; allgemein hierzu § 34 InvStG Rz. 7; s. auch § 34 InvStG Rz. 2; Klein/Hörner/Adam, ISR 2018, 216 (217); Stiegler, IStR 2020, 1. 2 S. auch Hoch/Preller, BKR 2019, 22; Schäfer, BB 2019, 1879. 3 BGBl. I 2016, 1730. 4 BGBl. I 2016, 1730. 5 Vgl. BT-Drucks. 18/8045, 110. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 39.1.

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B. Direktkosten (Abs. 1) | Rz. 12 § 39

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG § 39 InvStG ist im Zusammenhang mit den §§ 37 bis 41 InvStG zu sehen und enthält die 7 wesentlichen Vorschriften zur Ermittlung der Einkünfte eines Spezial-Investmentfonds. Diese werden dem Anleger als ausgeschüttete bzw. ausschüttungsgleiche Erträge i.S.d. § 35 bzw. § 36 InvStG zugewiesen. 2. Verhältnis zu Vorschriften des EStG § 39 Abs. 2 bis 4 InvStG enthalten Abzugsbeschränkungen für WK i.R.d. § 20 EStG. Darüber 8 hinaus sind die allgemeinen ertragsteuerlichen Vorschriften anzuwenden, etwa bei der Ermittlung der AfA oder AfS nach § 7 EStG.1 3. Verhältnis zu DBA Im Einklang mit den einschlägigen DBA soll durch die Regelung des § 39 Abs. 2 InvStG zu- 9 dem die Besteuerung bei Dividenden im Quellenstaat auf einen am Bruttobetrag bemessenen Steuersatz begrenzt werden.2

B. Direktkosten (Abs. 1) I. Vorbemerkung § 39 Abs. 1 InvStG definiert Direktkosten als diejenigen WK eines Spezial-Investmentfonds, 10 die in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammengang mit den Einnahmen stehen. Werbungskosten sind nach den allgemeinen ertragsteuerlichen Regelungen3 Aufwendungen zur Erzielung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen.4 Im Gegensatz zu anderen Vorschriften, wie z.B. § 21 Satz 1 InvStG, ist bei § 39 Abs. 1 InvStG ein unmittelbarer Zusammenhang erforderlich. Demnach ist entscheidend, dass die WK nach dem Veranlassungsprinzip kausal durch die entsprechenden Einnahmen verursacht wurden.5 Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 39 Abs. 1 Satz 2 InvStG gehören hierzu auch Abset- 11 zungen für Abnutzung (AfA) oder Substanzverringerung (AfS) bis zur Höhe der nach § 7 EStG zulässigen Beträge. Ein Verweis auf §§ 7a ff. EStG fehlt hingegen, sodass erhöhte Absetzungen bzw. Sonderabschreibungen wohl nicht erfasst sind. Nimmt der Spezial-Investmentfonds daher keinen Abzug vor, kann dieser auch nicht auf Ebene des Anlegers nachgeholt werden.6 Im Ausschlussverfahren werden die übrigen Kosten als sog. Allgemeinkosten definiert. Ihre Abziehbarkeit richtet sich nach den Regelungen des § 40 InvStG.

II. Unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang Für die direkte Zuordnung zu den jeweiligen Einnahmen ist ein unmittelbarer wirtschaftlicher 12 Zusammenhang erforderlich. Dieser ist i.R.d. § 39 Abs. 1 Satz 1 InvStG nach BMF zu bejahen, wenn die WK ausschließlich durch bestimmte Einnahmen veranlasst sind (Veranlassungs1 2 3 4 5 6

S. auch Wenzel in Brandis/Heuermann, § 39 InvStG Rz. 11. BT-Drucks. 18/8045, 109 f. Ebenso Ernst in BeckOK, § 39 InvStG Rz. 22. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Vgl. Mann in W/B/A3, § 39 InvStG Rz. 2. Ebenso Mann in W/B/A3, § 39 InvStG Rz. 2. Gottschling | 729

§ 39 Rz. 12 | Werbungskosten, Abzug der Direktkosten prinzip).1 Klein hält eine schlichte Kausalität hingegen nicht für ausreichend,2 wobei er zu Recht darauf hinweist, dass das Kriterium eines „unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs“ abstrakt kaum zu fassen ist. Maßgeblich sei nach BMF mit Verweis auf die Rspr. hierfür das „auslösende Moment“ für die Entstehung der Aufwendungen und ihre größere Nähe zur Veräußerung oder zum laufenden Gewinn.3 Ein ausreichender Veranlassungszusammenhang ist dann gegeben, wenn die Aufwendungen nach ihrer Entstehung und Zweckbestimmung so eng mit der betreffenden Einnahme verbunden sind, dass die Aufwendungen ursächlich und unmittelbar auf dieses die Einnahme betreffende Ereignis zurückzuführen sind.4 Hierfür ist erforderlich, dass Einnahme und Aufwendung im Sinne eines unlösbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs klar abgegrenzt verknüpft sind.5 13 Für die Behandlung sog. performance fees, also Vergütungen bzw. Verwaltungsgebühren, die

abhängig vom erzielten Erfolg von der KVG gegenüber dem Spezial-Investmentfonds berechnet werden, ist nach Auffassung des BMF6 im Einzelfall zu unterscheiden. Knüpft z.B. die performance fee an die Gesamtentwicklung des verwalteten Vermögens an, liegen grds. Allgemeinkosten i.S.d. § 40 InvStG vor.7

14 Bislang bestand unter dem alten Investmentsteuerrecht ein Wahlrecht nach § 4 Abs. 4 InvStG

a.F., die nach § 4 Abs. 2 InvStG a.F. beim Anleger anrechenbaren oder abziehbaren ausländischen Steuern bei der Ermittlung der Erträge als WK abzuziehen. Das InvStRefG v. 19.7.20168 enthält dieses Wahlrecht nicht mehr. Ein Abzug ausländischer Steuer scheidet auf Ebene des Spezial-Investmentfonds bereits nach den allgemeinen Grundsätzen des § 10 Nr. 2 KStG aus. Auf Ebene des Anlegers ist die ausländische Steuer nach § 47 Abs. 1 InvStG anzurechnen oder bei der Ermittlung der Einkünfte des Anlegers nach § 47 Abs. 4 InvStG i.V.m. § 34c EStG abzuziehen.9

III. Nettoertrag 15 Nach § 39 Abs. 1 InvStG ermittelt der Spezial-Investmentfonds den Netto-Ertrag durch Abzug

der direkten WK von den jeweiligen Einnahmen, zu denen ein Veranlassungszusammenhang besteht.10 Dies gilt auch für WK, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen. Nach § 37 Satz 1 InvStG ermittelt der Spezial-Investmentfonds seine Einkünfte entsprechend § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG. Dies schließt die Anwendung von § 3c Abs. 1 EStG mit ein.11

Beispiel:12 Aufgewendete Zinsen für die Finanzierung der Anschaffung einer ausländischen Immobilie mindern gem. § 39 Abs. 1 Satz 1 InvStG als Direktkosten die mit ihnen im unmittelbaren Zusammenhang stehenden Mieterträge aus der ausländischen Immobilie, die aufgrund von DBA im Inland von der Besteuerung freizustellen sind. 1 Greger/Jansen in Moritz/Jesch/Mann2, § 39 InvStG Rz. 8; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 39.3. 2 Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 39 InvStG Anm. 5. 3 BFH v. 9.4.2014 – I R 52/12, BStBl. II 2014, 861. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 39.3, mit Verweis auf BFH v. 20.10.2004 – I R 11/03, BStBl. II 2005, 581. 5 BFH v. 9.11.1976 – VI R 139/74, BStBl. II 1977, 207; ausführlich hierzu Greger/Jansen in Moritz/ Jesch/Mann2, § 39 InvStG Rz. 8. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 39.4. 7 So BFH v. 30.1.2018 – VIII R 20/14, BStBl. II 2018, 487. 8 BGBl. I 2016, 1730. 9 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 39.5. 10 Ernst in BeckOK, § 39 InvStG Rz. 22. 11 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 39.6. 12 Nach BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 39.7.

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C. Einnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG (Abs. 2) | Rz. 20 § 39

IV. Behandlung von AfA, AfS als Werbungskosten Zu den Direktkosten des Spezial-Investmentfonds gehören nach § 39 Abs. 1 Satz 2 InvStG 16 ausdrücklich auch die AfA oder AfS. Allerdings sind höchstens die Absetzungen zulässig, die § 7 EStG für nicht zu einem Betriebsvermögen gehörende Wirtschaftsgüter zulässt.1 Ein Verweis auf §§ 7a ff. EStG fehlt hingegen, sodass erhöhte Absetzungen bzw. Sonderabschreibungen wohl nicht erfasst sind. Eine Ausnahme sollten Abschreibungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung sein, da diese von § 7 Abs. 1 Satz 7 EStG erfasst sind.2 Hierdurch soll vermieden werden, dass bei einem Wechsel bei den Anlegern ungerechtfertigte Verschiebungen stattfinden.3 AfA oder AfS können nur bei der Ermittlung der Einkünfte auf der Ebene des Spezial-Invest- 17 mentfonds berücksichtigt werden, sodass eine nachträgliche Geltendmachung auf Anlegerebene ausscheidet.4 Wird auf Ebene des Spezial-Investmentfonds die aus der AfA oder AfS resultierende Liqui- 18 dität während der Besitzzeit der Spezial-Investmentanteile als Absetzungsbeträge i.S.d. § 35 Abs. 4 InvStG ausgeschüttet, ist nach § 49 Abs. 3 Satz 4 InvStG im Gegenzug der Gewinn zum Zeitpunkt der Veräußerung um die während der Besitzzeit zugeflossenen Absetzungsbeträge zu erhöhen.5 Bilanzierende Anleger haben hierfür bereits während der Haltedauer der Spezial-Investmentanteile entsprechende passive Ausgleichsposten in der Bilanz zu bilden.6 Andernfalls würde dies zu einer „doppelten“ Aufwandswirksamkeit führen.7

V. Allgemeinkosten Soweit Werbungkosten nicht unter die vorgenannte Definition der Direktkosten des Spezial- 19 Investmentfonds nach § 39 Abs. 1 Sätze 1 und 2 InvStG gehören, gelten sie nach Satz 3 nach dem Ausschlussprinzip als Allgemeinkosten. Die Behandlung und Abzugsfähigkeit der Allgemeinkosten richtet sich ausschließlich nach § 40 InvStG. Zu den Allgemeinkosten gehören vor allem nicht aufteilbare Kosten, wie z.B. Verwaltungskosten wie etwa Gebühren und Vergütungen an die Verwahrstelle oder die KVG, Depotbankgebühren, Kosten für Abschlussprüfung und Offenlegung.8

C. Einnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG (Abs. 2) I. Einnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG § 39 Abs. 2 Satz 1 InvStG begrenzt den Abzug von Direktkosten, die in einem unmittelbaren 20 wirtschaftlichen Zusammenhang mit Einnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 bzw. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG stehen, nur auf die letztgenannten Einnahmen. Durch diese Zuordnung und den Ausschluss des Werbungskostenabzugs bei Dividenden soll eine Gleichbehandlung inlän1 2 3 4 5 6 7 8

Wenzel in Brandis/Heuermann, § 39 InvStG Rz. 12. Ernst in BeckOK, § 39 InvStG Rz. 39. Wenzel in Brandis/Heuermann, § 39 InvStG Rz. 12. So BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 39.8; ebenso Mann in W/B/A3, § 39 InvStG Rz. 2; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 39 InvStG Rz. 12. Wenzel in Brandis/Heuermann, § 39 InvStG Rz. 12; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 39.9. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.22 ff. und 49.43. S. Greger/Jansen in Moritz/Jesch/Mann2, 39 InvStG Rz. 11. Greger/Jansen in Moritz/Jesch/Mann2, § 39 InvStG Rz. 8; Ernst in BeckOK, § 39 InvStG Rz. 24. Gottschling | 731

§ 39 Rz. 20 | Werbungskosten, Abzug der Direktkosten discher und ausländischer Anleger mit der Direktanlage erreicht werden.1 Dies beruht darauf, dass Veräußerungsgewinne grds. i.R.d. Einnahmenüberschussrechnung zu berücksichtigen sind, während Dividenden nach § 29 Abs. 1 i.V.m. § 7 Abs. 2 InvStG dem abgeltenden Steuerabzug unterliegen.2 Ausnahmen können sich i.R.d. § 30 InvStG ergeben. Zudem wird nach den DBA regelmäßig die Besteuerung der Dividenden und ihnen gleichgestellten Einnahmen im Quellenstaat auf einen am Bruttobetrag bemessenen Steuersatz begrenzt.3 21 Zu den Einnahmen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören insbes. Gewinnanteile (Dividenden)

und sonstige Bezüge aus Aktien, während § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG hauptsächlich Gewinne aus der Veräußerung von Aktien betrifft.

22 Auch bei ausgeübter Transparenzoption nach § 30 InvStG erfolgt die Zuordnung der Direkt-

kosten beim Spezial-Investmentfonds ebenfalls nach § 39 InvStG. Denn der Spezial-Investmentfonds erzielt auch bei ausgeübter Transparenzoption bei einer ggf. erst in der Zukunft stattfindenden Veräußerung der betreffenden Aktien oder sonstigen Kapitalbeteiligungen eigene Einnahmen.4

II. Verlustvorträge 23 Für den Fall, dass keine Einnahmen i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG vorliegen oder diese

niedriger als die WK sind, hat der Spezial-Investmentfonds nach § 39 Abs. 2 Satz 2 InvStG entsprechende Verlustvorträge zu bilden. Hierdurch wird eine Berücksichtigung dieser WK bei anderen Einkünften des Spezial-Investmentfonds verhindert.5 Verlustvorträge sind gem. § 41 Abs. 2 InvStG in den folgenden Geschäftsjahren bei den positiven Erträgen i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG abzuziehen. Ein Verlustrücktrag kommt hingegen nicht in Betracht.6

D. Kopplungsgeschäfte (Abs. 3) I. Vorbemerkung 24 Nach § 39 Abs. 3 InvStG sind Verluste aus Finanzderivaten als Direktkosten bei den Einnah-

men nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG abzuziehen, wenn der Spezial-Investmentfonds im Rahmen einer konzeptionellen Gestaltung Verluste aus Finanzderivaten und in gleicher oder ähnlicher Höhe Einnahmen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG herbeigeführt hat. § 39 Abs. 3 InvStG regelt den Abzug von WK bei Vorliegen von Kopplungsgeschäften.

II. Kopplungsgeschäfte – Gestaltungsmodelle 25 Dies dient nach dem Willen des Gesetzgebers der Unterbindung von Gestaltungsmodellen im

Rahmen sog. Kopplungsgeschäfte.7 Dabei werden von den Investmentfonds gegenläufige De1 2 3 4 5 6

BT-Drucks. 18/8045, 9 f. Ernst in BeckOK, § 39 InvStG Rz. 52; Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 39 InvStG Anm. 10. Kritisch Greger/Jansen in Moritz/Jesch/Mann2, § 39 InvStG Rz. 16. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 39.12. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 39 InvStG Anm. 10. Ebenso Wenzel in Brandis/Heuermann, § 39 InvStG Rz. 17; Mann in W/B/A3, § 39 InvStG Rz. 2; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 39.13. 7 Auch Kombinationsgeschäfte genannt; detailliert hierzu Greger/Jansen in Moritz/Jesch/Mann2, § 39 InvStG Rz. 20 ff. m.w.N.; Völker, DStR 2016, 265; Altvater/Buchholz, RdF 2015, 132; Ebel, FR 2014, 410; Hahne, RdF 2014, 316; Rau, DStR 2014, 2201; Riedel, FR 2014, 356.

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D. Kopplungsgeschäfte (Abs. 3) | Rz. 28 § 39

rivategeschäfte (Aktien- und/oder Finanzderivate) dergestalt abgeschlossen, dass losgelöst von der Entwicklung des Marktpreises garantiert Veräußerungsgewinne aus Aktien und in gleicher oder ähnlicher Höhe Verluste aus Termingeschäften entstehen,1 sog. Basis- und Sicherungsgeschäft.2 Eine gesetzliche Definition des Finanzderivates existiert nicht. Grundsätzlich versteht man hierunter Instrumente, die sich überwiegend von anderen Finanzprodukten, Devisen, Waren oder finanzmarktrelevanten Entwicklungen als Basiswerten (underlyings) unmittelbar oder mittelbar ableiten.3 Kapitalgesellschaften sollen als Anleger des Investmentfonds die Aktienveräußerungsgewinne 26 steuerfrei vereinnahmen und gleichzeitig steuerwirksame Verluste aus Termingeschäften geltend machen können. Damit sollen stpfl. Unternehmensgewinne gesenkt werden, indem künstliches Verlustverrechnungspotenzial geschaffen wird, um anderweitige stpfl. Gewinne einer KapGes. der Besteuerung zu entziehen.4 Aus rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten erscheinen diese gegenläufigen Geschäfte ansonsten wenig sinnvoll, da i.d.R. nur eine geringe Geldmarktrendite erzielt werden kann, die kaum die Gebühren für die Transaktionen übersteigt.5

III. Konzeptionelle Gestaltung Im Rahmen der Kopplungsgeschäfte nach § 39 Abs. 3 InvStG kommt es lediglich auf die kon- 27 zeptionelle Gestaltung als solche an. Der Gesetzgeber definiert nicht, wann eine solche konzeptionelle Gestaltung anzunehmen ist. Jedoch sei irrelevant, ob der Vertragsgegenstand des Kopplungsgeschäfts sich auf die gleiche oder unterschiedliche Aktiengattung bezieht oder gar eine oder mehrere Gesamtheiten von Aktiengattungen (sog. Aktienkörbe) erfasst.6 Abzustellen sei insoweit auf den subjektiven Willen, also die Absicht, künstliche Verluste zu erzeugen. Auf diese Zweckbestimmung kann aus den Umständen des Einzelfalls geschlossen werden (objektiver Wille).7 Nicht zu den Kopplungsgeschäften gehören hingegen Absicherungsgeschäfte, die lediglich 28 Marktpreisrisiken temporär wirtschaftlich beseitigen und effektiver sind als ein regelmäßiger Ab- und Wiederaufbau von Portfoliopositionen.8 Eine entsprechende Klarstellung fehlt jedoch im BMF-Schreiben, wobei eine entsprechende Dokumentation des Absicherungscharakters ausreichen sollte.9 Darüber hinaus sind jedoch nach BMF isoliert vereinbarte Aktien- und Termingeschäfte nicht erfasst, da hier nach der jeweiligen individuellen Gestaltung ein spekulatives Element, d.h. die Risikotragung einer zukünftigen Wertentwicklung der Aktie, in den Vordergrund tritt.10

1 BT-Drucks. 18/8045, 50, 110; vertiefend auch Mann in W/B/A3, § 39 InvStG Rz. 3. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 39.15. 3 Detailliert Greger/Jansen in Moritz/Jesch/Mann2, § 39 InvStG Rz. 39 ff.; Mann in W/B/A3, § 39 InvStG Rz. 3. 4 BT-Drucks. 18/8045, 50, 110. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 39.15. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 39.18. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 39.18. 8 Wenzel in Brandis/Heuermann, § 39 InvStG Rz. 25. 9 S. hierzu auch Ernst in BeckOK, § 39 InvStG Rz. 61, mit Verweis auf die Forderungen der inländischen Fondsindustrie. 10 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 39.20. Gottschling | 733

§ 39 Rz. 29 | Werbungskosten, Abzug der Direktkosten

IV. Gleiche oder ähnliche Höhe 29 § 39 Abs. 3 InvStG verlangt für das Vorliegen eines Kopplungsgeschäfts letztlich, dass die Ver-

luste aus Finanzderivaten und Aktienveräußerungsgewinnen zumindest ähnlich hoch sind. Eine genaue Abgrenzung, wann Verluste und Gewinne ähnlich hoch sind, findet jedoch nicht statt.1 Geht man vom Regelungszweck des § 39 Abs. 3 InvStG aus, könnte bereits eine wirtschaftliche Ausgeglichenheit ausreichen. Danach wäre ein Verlust schon dann ausreichend hoch, wenn er ca. 87 % des Gewinns beträgt.2

V. Verlustabzug bei Kopplungsgeschäften 30 Liegt ein Kopplungsgeschäft im Rahmen einer konzeptionellen Gestaltung vor, ist ein Verlust

aus dem Finanzderivat als Direktkosten bei dem damit in Zusammenhang stehenden Aktienveräußerungsgewinn abzuziehen. Die Verluste aus Finanzderivaten verlieren somit den Charakter als eigenständig zu betrachtende Ertragsart. Sie sind vielmehr als Werbungskosten der Ertragsart „Aktienveräußerungsgewinne“ zuzuordnen.3 In der Konsequenz wird auch nur der Netto-Veräußerungsgewinn aus Aktien nach Abzug der Verluste aus Kopplungsgeschäften in die Aktiengewinnermittlung einbezogen,4 sodass regelmäßig keine steuerfreien Veräußerungsgewinne aus Aktien verbleiben.5 Übersteigt der Verlust aus einem Finanzderivat den Gewinn aus einer Aktienveräußerung, so hat der Spezial-Investmentfonds diesen mit anderen Gewinnen aus Aktienveräußerungen auszugleichen oder, sofern dies nicht möglich ist, einen Verlustvortrag zu bilden. Der vorgetragene Verlust kann mit Gewinnen aus Aktienveräußerungen der Folgejahre verrechnet werden. Dagegen dürfen die Verluste aus Finanzderivaten, die im Zusammenhang mit Aktienveräußerungsgewinnen stehen, nicht mit positiven Erträgen aus anderen Finanzderivaten verrechnet werden.6 Verluste aus Finanzderivaten erfordern als Direktkosten einen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang. Dieser Veranlassungszusammenhang ergibt sich i.d.R. aus einer risikominimierten Rendite aus dem Aktientransaktionsgeschäft.7 Beispiel:8 Der Spezial-Investmentfonds verkauft im Rahmen eines Termingeschäfts (sog. Forward) am 15.5. die AAktie zu einem Preis von 100 Euro an die B-Bank. Die Verpflichtungen aus dem Forward sind zum 30.6. zu erfüllen. Dem Spezial-Investmentfonds wird das Recht eingeräumt, anstatt der tatsächlichen Lieferung der A-Aktie (physisches Settlement) einen Geldbetrag i.H.d. Differenz zwischen dem vereinbarten Preis von 100 Euro (sog. Basispreis) und dem tatsächlichen Börsenpreis am 30.6. zu zahlen (sog. Differenzoder Barausgleich = Cash-Settlement). Gleichzeitig erwirbt der Spezial-Investmentfonds am 15.5. von der C-Bank eine Option, die das Recht beinhaltet, am 30.6. entweder die A-Aktie oder eine Zahlung i.H.d. Wertes der A-Aktie zu erhalten (sog. Zero-Strike-Call-Option mit einem Basispreis von 0,01 Euro). Für die Zero-Strike-Call-Option zahlt der Spezial-Investmentfonds 100 Euro an die C-Bank. Abwandlung 1: Am 30.6. beträgt der Kurs der A-Aktie 120 Euro. Der Spezial-Investmentfonds übt sein Wahlrecht aus der Zero-Strike-Call-Option dergestalt aus, dass er sich die A-Aktie von der C-Bank liefern lässt. Anschließend verkauft der Spezial-Investmentfonds die A-Aktie an der Börse zum aktuellen Kurs von 120 Euro und erzielt dabei einen Aktienveräußerungsgewinn von 20 Euro. Seine Verpflichtungen aus

1 2 3 4 5 6 7 8

Ausführlich Greger/Jansen in Moritz/Jesch/Mann2, § 39 InvStG Rz. 53 ff. So Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 39 InvStG Anm. 15. BT-Drucks. 18/8045, 109; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 39.19. Ernst in BeckOK, § 39 InvStG Rz. 67. Wenzel in Brandis/Heuermann, § 39 InvStG Rz. 23. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 39.19. S. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 39.16, 39.3 und 39.15. Nach BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 39.17.

734 | Gottschling

Abzug der Allgemeinkosten | § 40 dem Forward erfüllt der Spezial-Investmentfonds dadurch, dass er einen Differenzausgleich i.H.v. 20 Euro an die B-Bank zahlt, mithin erzielt der Spezial-Investmentfonds einen Verlust aus einem Termingeschäft i.H.v. 20 Euro. Abwandlung 2: Am 30.6. beträgt der Kurs der A-Aktie 80 Euro. Der Spezial-Investmentfonds übt seine Zero-Strike-CallOption dergestalt aus, dass er sich den aktuellen Wert der A-Aktie i.H.v. 80 Euro von der C-Bank auszahlen lässt. Gegenüber den AK von 100 Euro erzielt er dadurch einen Verlust aus der Zero-Strike-CallOption i.H.v. 20 Euro. Anschließend erwirbt der Spezial-Investmentfonds an der Börse eine A-Aktie zum Preis von 80 Euro und liefert diese i.R.d. Forwards zu einem Preis von 100 Euro an die B-Bank. Dadurch erzielt der Spezial-Investmentfonds einen Aktienveräußerungsgewinn von 20 Euro. Lösung: Aus den Beispielen ergibt sich, dass der Spezial-Investmentfonds einen Aktienveräußerungsgewinn und in gleicher Höhe einen Verlust aus einem Termingeschäft erzielt, unabhängig von der Marktpreisentwicklung.1

E. Abzug übriger Direktkosten (Abs. 4) Letztlich regelt § 39 Abs. 4 InvStG den Abzug der nach der Zuordnung nach § 39 Abs. 2 und 31 3 InvStG verbleibenden Direktkosten. Diese sind von den jeweiligen mit diesen in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Einnahmen abzuziehen.2 § 39 Abs. 4 InvStG ist subsidiär gegenüber den vorstehenden Absätzen.3 In der Konsequenz bedeutet dies, dass diejenigen Direktkosten, die weder den Einnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG bzw. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG zuzuordnen sind noch Verluste aus Finanzderivaten darstellen, von den jeweiligen übrigen Einnahmen abzuziehen sind.

§ 40 Abzug der Allgemeinkosten (1) 1Die Allgemeinkosten sind zwischen den nach § 43 Absatz 1 steuerbefreiten Einkünften und allen übrigen Einkünften des Spezial-Investmentfonds aufzuteilen. 2Der Anteil, der auf die nach § 43 Absatz 1 steuerbefreiten Einkünfte entfällt, bestimmt sich nach dem Verhältnis des durchschnittlichen Vermögens des vorangegangenen Geschäftsjahres, das Quelle dieser Einkünfte ist, zu dem durchschnittlichen Gesamtvermögen des vorangegangenen Geschäftsjahres. 3Zur Berechnung des durchschnittlichen Vermögens sind die monatlichen Endwerte des vorangegangenen Geschäftsjahres zugrunde zu legen. (2) 1Die Allgemeinkosten sind innerhalb der nach § 43 Absatz 1 steuerbefreiten Einkünfte und innerhalb aller übrigen Einkünfte zwischen den laufenden Einnahmen und den sonstigen Gewinnen aufzuteilen. 2Laufende Einnahmen sind die Einnahmen aus den in § 36 Absatz 1 Satz 1 genannten Ertragsarten mit Ausnahme der steuerfrei thesaurierbaren Kapitalertragsarten. 3Sonstige Gewinne sind die Einnahmen und Gewinne aus den steuerfrei thesaurierbaren Kapitalertragsarten. (3) 1Die Aufteilung nach Absatz 2 erfolgt nach dem Verhältnis der positiven Salden der laufenden Einnahmen des vorangegangenen Geschäftsjahres einerseits und der positiven Salden der sonstigen Gewinne des vorangegangenen Geschäftsjahres. 2Bei der Aufteilung

1 BT-Drucks. 18/8045, 110. 2 S. Wenzel in Brandis/Heuermann, § 39 InvStG Rz. 27; Ernst in BeckOK, § 39 InvStG Rz. 73. 3 Vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 39.21. Gottschling und Adam | 735

§ 40 | Abzug der Allgemeinkosten bleiben Gewinn- und Verlustvorträge unberücksichtigt. 3Sind die Salden der laufenden Einnahmen oder der sonstigen Gewinne negativ, so erfolgt die Zuordnung der Allgemeinkosten jeweils hälftig zu den laufenden Einnahmen sowie zu den sonstigen Gewinnen. (4) 1Nach der Aufteilung der Allgemeinkosten nach Absatz 3 werden die Allgemeinkosten den entsprechend § 37 gegliederten Einnahmen und Gewinnen zugeordnet. 2Die Zuordnung erfolgt nach dem Verhältnis der entsprechenden positiven Einnahmen und Gewinne des vorangegangenen Geschäftsjahres. 3Wenn entsprechende Einnahmen oder Gewinne im vorangegangenen Geschäftsjahr nicht positiv waren, wird diesen Einnahmen oder Gewinnen vor der Zuordnung nach den Sätzen 1 und 2 jeweils der Anteil der Allgemeinkosten zugeordnet, der bei einer Aufteilung zu gleichen Teilen rechnerisch entsteht. (5) 1Allgemeinkosten, die in einem mittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit Einnahmen nach § 20 Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes stehen, sind ausschließlich den Einnahmen nach § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes zuzuordnen. 2Liegen keine Einnahmen nach § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes vor oder sind die Einnahmen niedriger als die Werbungskosten, so hat der Spezial-Investmentfonds Verlustvorträge zu bilden. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . 2. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . 3. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . B. Aufteilung der Allgemeinkosten (Abs. 1) I. Aufteilung der Allgemeinkosten zwischen nach § 43 Abs. 1 InvStG steuerbefreiten Einkünften und allen übrigen Einkünften (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bestimmung des auf nach § 43 Abs. 1 InvStG steuerbefreite Einkünfte entfallenden Anteils (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . . III. Berechnung des durchschnittlichen Vermögens (Abs. 1 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . C. Aufteilung der Allgemeinkosten innerhalb der Einkünftekategorie (Abs. 2) I. Aufteilung zwischen laufenden Einnahmen und sonstigen Gewinnen (Abs. 2 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Legaldefinition der laufenden Einnahmen (Abs. 2 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Legaldefinition der sonstigen Gewinne (Abs. 2 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 4 5 6 7 8

11 16 20

22 25 26

D. Aufteilung der Allgemeinkosten nach positiven Salden von Einnahmen und Gewinnen (Abs. 3) I. Aufteilungsmaßstab für Aufteilung nach Abs. 2 (Abs. 3 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . II. Keine Berücksichtigung von Gewinn- und Verlustvorträgen (Abs. 3 Satz 2) . . . . . . . . III. Zuordnung im Fall negativer Salden der laufenden Einnahmen oder sonstigen Gewinne (Abs. 3 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . E. Zuordnung der Allgemeinkosten zu den entsprechend § 37 InvStG gegliederten Einnahmen und Gewinnen (Abs. 4) I. Zuordnung zu den Einnahmen und Gewinnen (Abs. 4 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . II. Verhältnis der Zuordnung zu Einnahmen und Gewinnen (Abs. 4 Satz 2) . . . . . . . . . III. Zuordnung im Fall nicht positiver Einnahmen oder Gewinne (Abs. 4 Satz 3) . . . . . F. Allgemeinkosten im Zusammenhang mit Einnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG (Abs. 5) I. Ausschließliche Zuordnung zu den Einnahmen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG (Abs. 5 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bildung von Verlustvorträgen bei Nichtvorliegen von Einnahmen aus Aktienveräußerung (Abs. 5 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . .

27 28 29

31 33 34

36 40

Literatur: Haug, Spezial-Investmentfonds – BFH entscheidet über performance fee und Feststellung der Besteuerungsgrundlagen bei „Ein-Anleger-Fonds“, FR 2018, 589; Klein/Hörner/Adam, Ausgewählte internationale Aspekte des InvStG 2018, ISR 2018, 216; Stiegler, Transparente Besteuerung vermögensverwaltender, ausländischer Kapitalgesellschaften – Besteuerungskonzepte, Anwendungsvoraussetzungen und Rechtsfolgen, IStR 2020, 1.

736 | Adam

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 3 § 40

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck § 40 InvStG betrifft die Einkünfteermittlung auf der Ebene des Spezial-Investmentfonds für 1 die Zwecke der Besteuerung der Anleger eines Spezial-Investmentfonds mit ihren Spezial-Investmenterträgen. Damit enthält § 40 InvStG Regelungen zur Besteuerung des Anlegers (i.S.d. § 2 Abs. 10 InvStG) des Spezial-Investmentfonds und gerade nicht zur Besteuerung des Spezial-Investmentfonds selbst. § 40 InvStG regelt – anschließend an § 39 InvStG (WK, Abzug der Direktkosten) – die Aufteilung der Allgemeinkosten eines Spezial-Investmentfonds auf die einzelnen Einkünfte des Fonds durch ein pauschales Berechnungssystem. Für die Aufteilung der Allgemeinkosten wird im Gegensatz zu der Zuordnung von Direktkosten (nach § 39 InvStG) nicht auf den unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit bestimmten Einnahmen abgestellt. Im Hinblick auf die Aufteilung und Zuordnung der Allgemeinkosten gibt § 40 InvStG ein 2 schrittweises Vorgehen vor (die FinVerw. führt zur Vorgehensweise im Hinblick auf Abzug und Aufteilung von Allgemeinkosten ein ausführliches Beispiel auf)1: – 1. Ebene: Aufteilung zwischen den nach § 43 Abs. 1 InvStG aufgrund eines DBA steuerbefreiten Einkünften und allen übrigen Einkünften (Abs. 1), – 2. Ebene: Aufteilung innerhalb der beiden vorgenannten Kategorien auf laufende Einnahmen und sonstige Gewinne (Abs. 2). Dabei erfolgt die Aufteilung nach dem Verhältnis der positiven Salden der laufenden Einnahmen und sonstigen Gewinne des vorangegangenen Geschäftsjahres (Abs. 3), – 3. Ebene: Zuordnung innerhalb der laufenden Einnahmen und sonstigen Gewinne auf die entsprechend den steuerlichen Wirkungen beim Anleger gegliederten Einnahmen und Gewinne (Abs. 4). Zudem sind nach Abs. 5 Allgemeinkosten, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit Dividenden oder Veräußerungsgewinnen aus Aktien stehen, ausschließlich der Ertragsart „Aktienveräußerungsgewinn“ zuzuordnen. Der Begriff der Allgemeinkosten wird in § 40 InvStG nicht definiert. Die Definition der All- 3 gemeinkosten erfolgt vielmehr in negativer Abgrenzung zu den Direktkosten (§ 39 Abs. 1 Satz 1 und 2 InvStG). Danach handelt es sich bei den Allgemeinkosten um WK, die nicht in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit Einnahmen stehen (§ 39 Abs. 1 Satz 3 InvStG, s. § 39 InvStG Rz. 12). Beispiele für Allgemeinkosten sind Verwaltungs- und Depotbankvergütungen, etwaige Performance Fees2 oder auch Kompensationszahlungen aus Wertpapierleihgeschäften3 sowie Kosten für die Erstellung und Prüfung des Jahresabschlusses.4 Sieht der Investmentvertrag vor, dass der Anleger die Kosten selbst trägt, sind diese nicht beim Spezial-Investmentfonds, sondern nach den allgemeinen Vorschriften ggf. direkt beim Anleger abzusetzen.5

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 40.54. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 39.4 sowie BFH v. 30.1.2018 – VIII R 20/14, BStBl. II 2018, 487; s. dazu auch Haug, FR 2018, 589 und Rämer in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 40 InvStG Rz. 6 f. 3 Ernst in BeckOK/InvStG, § 40 Rz. 36; Mann in W/B/A3, § 40 InvStG Rz. 2. 4 Greger/Jansen in Moritz/Jesch/Mann2, § 40 InvStG Rz. 1. 5 Wenzel in Brandis/Heuermann, § 40 InvStG Rz. 1. Adam | 737

§ 40 Rz. 4 | Abzug der Allgemeinkosten

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich 4 § 40 InvStG gilt für die Einkünfteermittlung bei Spezial-Investmentfonds.

2. Persönlicher Anwendungsbereich 5 § 40 InvStG gilt für inländische und ausländische Spezial-Investmentfonds und wirkt sich

auf ihre Anleger aus, soweit sie im Inland mit ihren Spezial-Investmenterträgen der Steuer unterliegen (s. § 34 InvStG Anm. 7)1. Aufgrund der Stellung im InvStG (Kapitel 3, §§ 25–52 InvStG) findet die Vorschrift keine Anwendung auf Investmentfonds i.S.d. Kapitels 2 des InvStG und deren Anleger. 3. Zeitlicher Anwendungsbereich

6 § 40 InvStG gilt gem. § 56 Abs. 1 InvStG ab dem 1.1.2018.

III. Rechtsentwicklung 7 § 40 InvStG wurde durch das InvStRefG v. 19.7.20162 in das InvStG eingefügt. Die Vorschrift

führt in sprachlich leicht geänderter (und im Hinblick auf Abs. 5 auch inhaltlich veränderter) Form das in § 3 Abs. 3 Sätze 3–9 InvStG 2004 vorgesehene dreistufige Verteilungsverfahren fort.3

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 8 Verhältnis der §§ 37 bis 41 InvStG zueinander. § 40 InvStG zählt zu den maßgeblichen Vor-

schriften zur Einkünfteermittlung des Spezial-Investmentfonds. In diesem Zusammenhang verweist § 37 Satz 1 Halbs. 1 InvStG auf die grundsätzliche Einkünfteermittlung auf Fondsebene als Überschuss der Einnahmen über die WK nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG und die Ermittlung von Gewinnen oder Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 3 EStG. § 40 InvStG nimmt dabei die in § 39 InvStG vorgesehene Differenzierung von WK in Direkt- und Allgemeinkosten auf und regelt den Abzug der Allgemeinkosten.

9 Verhältnis der Aufteilung von Allgemeinkosten nach § 40 InvStG zu den §§ 30, 33 InvStG

(Entfall der Steuerpflicht des Spezial-Investmentfonds bei Ausübung der Transparenzoption). Unabhängig von der StPfl. inländischer Beteiligungseinnahmen nach §§ 6, 7 InvStG oder einem dem Wegfall der Körperschaftsteuerpflicht aufgrund der Ausübung der Transparenzoption nach § 30 Abs. 1 Satz 1 InvStG erfolgt die Zuordnung der Allgemeinkosten nach den Grundsätzen des § 40 InvStG.4 Bei Ausübung der Transparenzoption gelten die dem Anleger unmittelbar zugerechneten inländischen Beteiligungseinnahmen für Zwecke der Zuordnung der Allgemeinkosten nach § 40 InvStG nicht als inländische Beteiligungseinnahmen des Spezial-Investmentfonds. Auch bei Entfallen der StPfl. für die inländischen Immobilienerträge ei-

1 S. auch Klein/Hörner/Adam, ISR 2018, 216 (217); Stiegler, IStR 2020, 1. 2 BGBl. I 2016, 1730. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 40.1; Gesetzesbegründung zum InvStRefG, BT-Drucks. 18/8045, 111. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 40.44; s. auch Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 40 InvStG Anm. 1 sowie Ernst in BeckOK/InvStG, § 40 Rz. 123 f.

738 | Adam

B. Aufteilung der Allgemeinkosten (Abs. 1) | Rz. 13 § 40

nes Spezial-Investmentfonds nach § 33 Abs. 1 InvStG erfolgt die Zuordnung der Allgemeinkosten nach den Grundsätzen des § 40 InvStG.1 Wenn ein Dach-Spezial-Investmentfonds die Immobilien-Transparenzoption nach § 33 Abs. 2 Satz 3 InvStG ausübt, sind die den Anlegern des Dach-Spezial-Investmentfonds unmittelbar zugerechneten inländischen Immobilienerträge für die Zwecke des § 40 InvStG nicht als inländische Beteiligungseinnahmen des Dach-Spezial-Investmentfonds anzusetzen. Entsprechendes gilt auch beim Entfallen der StPfl. für sonstige inländische Einkünfte eines Spezial-Investmentfonds nach § 30 Abs. 5 InvStG bzw. § 33 Abs. 4 InvStG.2 Bei der Anwendung von § 40 InvStG sind darüber hinaus die allgemeinen Vorschriften he- 10 ranzuziehen, z.B. § 9 EStG für die Bestimmung, ob überhaupt berücksichtigungsfähige WK vorliegen.3

B. Aufteilung der Allgemeinkosten (Abs. 1) I. Aufteilung der Allgemeinkosten zwischen nach § 43 Abs. 1 InvStG steuerbefreiten Einkünften und allen übrigen Einkünften (Abs. 1 Satz 1) Nach Abs. 1 Satz 1 sind die Allgemeinkosten des Spezial-Investmentfonds zunächst zwischen 11 den nach § 43 Abs. 1 InvStG steuerbefreiten Einkünften und allen übrigen Einkünften aufzuteilen. Dabei hat die Aufteilung der Allgemeinkosten für alle Anteilsklassen eines SpezialInvestmentfonds nach einem einheitlichen Maßstab zu erfolgen, sodass der Aufteilungsmaßstab auf Ebene des Spezial-Investmentfonds zu berechnen und dieser Aufteilungsmaßstab auf sämtliche Anteilsklassen anzuwenden ist.4 Der Begriff der Allgemeinkosten wird nicht positiv definiert, im Wege einer Negativabgren- 12 zung als die WK eines Spezial-Investmentfonds bestimmt, die nicht Direktkosten sind (§ 39 Abs. 1 Satz 3 InvStG, s. § 39 InvStG Rz. 19). Nach § 43 Abs. 1 InvStG steuerbefreite Einkünfte sind grds. nach einem DBA in Deutschland 13 steuerbefreite Einkünfte (s. § 43 InvStG Rz. 12). Denkbar wären hier Mieteinnahmen des Spezial-Investmentfonds aus einer im Ausland belegenen und vermieteten Immobilie, die in einer Jurisdiktion liegt, der nach dem DBA mit Deutschland unter Freistellung der Einkünfte von Steuer in Deutschland das (alleinige) Besteuerungsrecht zugewiesen wird.5 Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 InvStG sind ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträge bei der Veranlagung des Anlegers insoweit von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen, als sie aus einem ausländischen Staat stammende Einkünfte enthalten, für die Deutschland aufgrund eines DBA auf die Ausübung des Besteuerungsrechts verzichtet hat.6 Dabei ist zu beachten, dass die Steuerbefreiung nach § 43 Abs. 1 Satz 1 InvStG gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 InvStG abgesehen von den Fällen des § 43 Abs. 1 Satz 3 InvStG nicht auf Erträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 (Dividenden) und Nr. 3 (Investmenterträge) EStG anzuwenden ist (s. § 43 InvStG Rz. 22). § 43 Abs. 1 Satz 3 InvStG enthält hierzu eine Rückausnahme für Dividenden und andere Gewinnausschüttungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, die von einer Gesellschaft i.S.d. § 26 Nr. 6 Satz 2 InvStG ausgeschüttet werden (wie ausländische Immobilien-Gesellschaften, ausländische ÖPP-Projektgesellschaften und ausländische Gesellschaften, deren 1 2 3 4 5

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 40.45. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 40.46. Wenzel in Brandis/Heuermann, § 40 InvStG Rz. 8. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 40.47. Beispiel bei Ernst in BeckOK/InvStG, § 40 Rz. 52 sowie bei Greger/Jansen in Moritz/Jesch/Mann2, § 40 InvStG Rz. 9. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 40.6. Adam | 739

§ 40 Rz. 13 | Abzug der Allgemeinkosten Unternehmensgegenstand auf die Erzeugung erneuerbarer Energien gerichtet ist), soweit der Anleger auch die persönlichen Voraussetzungen für eine Freistellung nach dem DBA erfüllt und die auf die Spezial-Investmentanteile des Anlegers rechnerisch entfallende Beteiligung am Kapital der Gesellschaft die Voraussetzungen für eine Freistellung nach dem DBA erfüllt.1 14 Die den nach § 43 Abs. 1 InvStG steuerbefreiten Einkünften nicht zugeordneten Allgemein-

kosten entfallen auf alle übrigen Einkünfte des Spezial-Investmentfonds.2 Den Aufteilungsmaßstab regelt Abs. 1 Satz 2.

15 Aus der Verwendung des Begriffs „Einkünfte“ geht hervor, dass bei beiden Ertragstypen je-

weils die Nettogröße gemeint ist und neben den laufenden Erträgen auch die von dem Spezial-Investmentfonds erzielten Gewinne erfasst werden.3

II. Bestimmung des auf nach § 43 Abs. 1 InvStG steuerbefreite Einkünfte entfallenden Anteils (Abs. 1 Satz 2) 16 Der auf die nach § 43 Abs. 1 InvStG steuerbefreiten Einkünfte entfallende Anteil bestimmt

sich nach dem Verhältnis des durchschnittlichen Vermögens des vorangegangenen Geschäftsjahres, das Quelle dieser Einkünfte ist, zu dem durchschnittlichen Gesamtvermögen des vorangegangenen Geschäftsjahres. Es wird also der Anteil des Vermögens, das Quelle der nach DBA steuerbefreiten Einkünfte ist, ins Verhältnis zum Gesamtvermögen des Spezial-Investmentfonds gesetzt.

17 Das Quell- und das Gesamtvermögen ist jeweils das Nettovermögen, wenn die Vertragsbedin-

gungen vorsehen, dass die Verwaltungsvergütung nach dem Nettovermögen berechnet wird. Andernfalls ist es das Bruttovermögen. Bei Spezial-Investmentfonds, die nicht in Immobilien investieren, kann aus Vereinfachungsgründen stets das Quell- und Gesamtvermögen als Nettovermögen angesehen werden.4 Von dem Quell- und Gesamtvermögen sind jeweils die damit im Zusammenhang stehenden Schulden abzuziehen.5

18 Maßgebend für die Aufteilung der Allgemeinkosten nach § 40 Abs. 1 InvStG ist das durch-

schnittliche Quellvermögen des vorangegangenen Geschäftsjahres. Dabei ist zur Aufteilung der Allgemeinkosten kein Zusammenhang mit Einnahmen erforderlich, sondern es genügt bereits, dass aus dem Quellvermögen im vorangegangenen Geschäftsjahr steuerbefreite Einkünfte i.S.d. § 43 Abs. 1 InvStG hätten erzielt werden können.6

19 Aufgrund bestehender DBA können bei Immobilien die laufenden Einnahmen steuerbefreit

sein, während die Gewinne aus der Veräußerung der gleichen Immobilie nicht steuerbefreit sind. In diesem Fall hätte wäre eine Zuordnung sowohl zu steuerbefreiten als auch stpfl. Einnahmen denkbar. Aus diesem Grund beanstandet es die FinVerw. nicht, wenn Vermögen, welches sowohl Quelle von DBA-steuerbefreiten Einkünften als auch Quelle von nicht DBA-steuerbefreiten Einkünften ist/sein kann, zur Aufteilung der Allgemeinkosten dem übrigen (d.h. nicht steuerbefreiten) Quellvermögen zugerechnet wird.7

1 2 3 4 5 6 7

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 40.8. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 40.16. Wenzel in Brandis/Heuermann, § 40 InvStG Rz. 11. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 40.10. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 40.11. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 40.14. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 40.12.

740 | Adam

C. Aufteilung der Allgemeinkosten innerhalb der Einkünftekategorie (Abs. 2) | Rz. 23 § 40

III. Berechnung des durchschnittlichen Vermögens (Abs. 1 Satz 3) Zur Berechnung des durchschnittlichen Vermögens sind die monatlichen Endwerte des vo- 20 rangegangenen Geschäftsjahres zugrunde zu legen. Dies dient der Vereinfachung und erscheint im Interesse der Handhabbarkeit gerechtfertigt, da nach Ablauf des Geschäftsjahres die monatlichen Endwerte der Vermögen feststehen und die durchschnittlichen Vermögen zeitnah ermittelt werden können. Allerdings können die durchschnittlichen Vermögen des vorangegangenen Geschäftsjahres von denen des laufenden Geschäftsjahres abweichen, sodass aufgrund der zeitlichen Verschiebung ggf. den nach § 43 Abs. 1 InvStG steuerbefreiten Einkünften ein höherer oder niedrigerer Anteil an den Allgemeinkosten zugewiesen wird als das bei einer jahrgleichen Zuordnung der Fall wäre.1 Bei neu aufgelegten Spezial-Investmentfonds lässt es die FinVerw. aus Vereinfachungsgrün- 21 den zu, dass für die Aufteilung der Allgemeinkosten nach dem Quellvermögen gem. § 40 Abs. 1 InvStG auf die Vermögensstruktur des aktuellen Geschäftsjahres abgestellt wird.2 Solange seit Fondsauflage noch kein voller Monat vergangen ist, können Tagesdurchschnittswerte oder Schätzwerte für die Vermögensstruktur zugrunde gelegt werden.

C. Aufteilung der Allgemeinkosten innerhalb der Einkünftekategorie (Abs. 2) I. Aufteilung zwischen laufenden Einnahmen und sonstigen Gewinnen (Abs. 2 Satz 1) Nach der Aufteilung auf die nach § 43 Abs. 1 InvStG steuerbefreiten Einkünfte und die übrigen 22 Einkünfte erfolgt eine weitere Aufteilung der Allgemeinkosten (jeweils) zwischen den laufenden Einnahmen (legaldefiniert in Abs. 2 Satz 2, s. Rz. 25) und den sonstigen Gewinnen (legaldefiniert in Abs. 2 Satz 3, s. Rz. 26). Die Unterscheidung in laufende Einnahmen und sonstige Gewinne ist erforderlich, um eine sachgerechte anteilige Berücksichtigung der Allgemeinkosten bei den Erträgen, die für eine ausschüttungsgleiche Zurechnung nach § 36 Abs. 1 Satz 1 InvStG beim Anleger infrage kommen, zu erreichen. Ob diese Erträge tatsächlich ausgeschüttet werden, ist unerheblich. Denn in beiden Fällen ist eine zeitnahe Berücksichtigung der entsprechenden Einnahmen – und eben auch der WK – gewährleistet.3 Aus sprachlichen Vereinfachungsgründen wird anstelle des Terminus „Gewinne und Verluste“ nur noch ausschließlich das Wort „Gewinne“ verwendet, welches auch Verluste umfasst (§ 2 Abs. 14 InvStG).4 Laufende Einnahmen und sonstige Gewinne sind grds. Bruttogrößen. Das heißt, für die Sal- 23 denbestimmung ist i.d.R. der tatsächlich zugeflossene Betrag maßgebend, wogegen WK bei der Ermittlung der Höhe der laufenden Einnahmen und sonstigen Gewinne für die Verhältnisrechnung grds. unberücksichtigt bleiben.5 Ausnahmen hierzu können sich jedoch durch die Anwendung des § 20 Abs. 4 EStG sowie des § 23 Abs. 3 EStG bei der Einkünfteermittlung des Spezial-Investmentfonds ergeben. Danach sind insbes. bei der Ermittlung von Veräußerungsgewinnen die AK und die Transaktionskosten abzuziehen. Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns aus Immobilien sind die um die steuerliche AfA reduzierten AK anzusetzen.6 Für Geschäftsjahre eines Investmentfonds, die vor dem 1.10.2022 enden, wird es die Fin1 2 3 4 5 6

Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 40 InvStG Anm. 5. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 40.51. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 40.20. S. auch Gesetzesbegründung zum InvStRefG, BT-Drucks. 18/8045, 111. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 40.21. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 40.22. Adam | 741

§ 40 Rz. 23 | Abzug der Allgemeinkosten Verw. nicht beanstanden, wenn bei Fondsbuchhaltungssystemen über die o.g. Fälle hinaus die Direktkosten sofort bei den jeweiligen Einnahmen abgezogen werden.1 24 Für die Zwecke des Aufteilungsmaßstabs ist nach Auffassung der FinVerw. grds. eine über die

Ertragskategorien nach § 37 InvStG hinausgehende detailliertere Betrachtung der laufenden Einnahmen und sonstigen Gewinne vorzunehmen, sodass unterschiedliche Arten von laufenden Einnahmen und von sonstigen Gewinnen grds. nicht zusammenzufassen sind.2 Als Ausnahme hiervon ist es zulässig, wenn die laufenden Einnahmen und die sonstigen Gewinne jeweils nach den Ertragskategorien nach § 37 InvStG zusammengefasst werden (s. § 37 InvStG Rz. 16). Bei einer Zusammenfassung nach Ertragskategorien nach § 37 InvStG bleiben bei der Verhältnisrechnung negative Ertragskategorien außer Ansatz.3 Für Geschäftsjahre von Spezial-Investmentfonds, die vor dem 1.10.2022 enden, beanstandet es die FinVerw. nicht, wenn sämtliche Ertragsarten der laufenden Einnahmen und sämtliche Ertragsarten der sonstigen Gewinne zu jeweils einem Gesamtsaldo aufaddiert und dabei negative Ertragsarten mindernd berücksichtigt werden.4

II. Legaldefinition der laufenden Einnahmen (Abs. 2 Satz 2) 25 Abs. 2 Satz 2 definiert die laufenden Einnahmen als die Einnahmen aus den in § 36 Abs. 1

Satz 1 InvStG genannten Ertragsarten mit Ausnahme der steuerfrei thesaurierbaren Kapitalertragsarten (§ 36 Abs. 2 InvStG). § 36 Abs. 1 Satz 1 InvStG listet die folgenden Einnahmen auf: – Kapitalerträge nach § 20 EStG, mit Ausnahme der steuerfrei thesaurierbaren Kapitalerträge, – Erträge aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten sowie Gewinne aus der Veräußerung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten und – sonstige Erträge. Im Ergebnis handelt es sich um die Erträge, die im Fall der Thesaurierung zu den ausschüttungsgleichen Erträgen zählen (s. § 36 InvStG Rz. 22 ff.). Erträge aus Ziel-Investmentfonds sowie aus Ziel-Spezial-Investmentfonds sind grds. als laufende Einnahmen zu berücksichtigen.5

III. Legaldefinition der sonstigen Gewinne (Abs. 2 Satz 3) 26 Abs. 2 Satz 3 definiert die sonstigen Gewinne als die Einnahmen und Gewinne aus den steuer-

frei thesaurierbaren Kapitalertragsarten. Diese sind gem. § 36 Abs. 2 InvStG (s. § 36 InvStG Rz. 41): – Erträge aus Stillhalterprämien nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG, – Gewinne nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 3 und 7 EStG (ausgenommen Erträge aus SwapVerträgen, soweit sich die Höhe der getauschten Zahlungsströme nach Kapitalerträgen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 7 EStG bestimmt), und – Gewinne aus der Veräußerung von Investmentanteilen und Spezial-Investmentanteilen. 1 2 3 4 5

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 40.23. Beispiel bei BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 40.29 f. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 40.27. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 40.28. Wenzel in Brandis/Heuermann, § 40 InvStG Rz. 19.

742 | Adam

E. Zuordnung der Allgemeinkosten (Abs. 4) | Rz. 31 § 40

D. Aufteilung der Allgemeinkosten nach positiven Salden von Einnahmen und Gewinnen (Abs. 3) I. Aufteilungsmaßstab für Aufteilung nach Abs. 2 (Abs. 3 Satz 1) Die Aufteilung nach Abs. 2 erfolgt gem. Abs. 3 Satz 1 nach dem Verhältnis der positiven Sal- 27 den der laufenden Einnahmen des vorangegangenen Geschäftsjahres einerseits und der positiven Salden der sonstigen Gewinne des vorangegangenen Geschäftsjahres. Dabei werden nur positive Salden berücksichtigt. Negative Salden von einzelnen laufenden Einnahmen oder von einzelnen sonstigen Gewinnen bleiben bei der Verhältnisrechnung außer Ansatz, da Abs. 3 Satz 1 nur auf die positiven Salden abstellt.1

II. Keine Berücksichtigung von Gewinn- und Verlustvorträgen (Abs. 3 Satz 2) Bei der Aufteilung nach Abs. 2 bleiben Gewinn- und Verlustvorträge unberücksichtigt. Zur 28 Behandlung und Feststellung von Gewinn- und Verlustvorträgen des Spezial-Investmentfonds aus den Vorjahren s. § 41 InvStG Rz. 20 ff. sowie § 51 InvStG Rz. 16).

III. Zuordnung im Fall negativer Salden der laufenden Einnahmen oder sonstigen Gewinne (Abs. 3 Satz 3) Sind die Salden der laufenden Einnahmen oder der sonstigen Gewinne negativ, so erfolgt die 29 Zuordnung der Allgemeinkosten jeweils hälftig zu den laufenden Einnahmen sowie zu den sonstigen Gewinnen. Nicht eindeutig scheint, ob die hälftige Zuordnung der Allgemeinkosten bereits dann gilt, 30 wenn nur einer der Salden (der laufenden Einnahmen oder der sonstigen Gewinne) negativ ist. Dafür spricht der Wortlaut in Form der Verknüpfung mit „oder“.2 Die FinVerw. scheint jedoch im Einklang mit der Gesetzesbegründung („enthält die bisherige Regelung“)3 davon auszugehen, die Allgemeinkosten (nur) dann hälftig zu teilen, wenn beide Salden negativ sind.4 Insofern wird in der Literatur eine Klarstellung des Gesetzeswortlauts gefordert.5

E. Zuordnung der Allgemeinkosten zu den entsprechend § 37 InvStG gegliederten Einnahmen und Gewinnen (Abs. 4) I. Zuordnung zu den Einnahmen und Gewinnen (Abs. 4 Satz 1) Nach der Aufteilung der Allgemeinkosten nach Abs. 3 werden die Allgemeinkosten den ent- 31 sprechend § 37 InvStG gegliederten Einnahmen und Gewinnen zugeordnet, d.h., die Einnahmen und Gewinne sind entsprechend § 37 InvStG nach den steuerlichen Wirkungen beim Anleger zu gliedern.6 § 37 Abs. 1 Satz 2 InvStG sieht dabei insbes. einen gesonderten Ausweis 1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 40.26. 2 So auch Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 40 InvStG Anm. 15. 3 BT-Drucks. 18/8045, 111. Die bisherige Regelung des § 3 Abs. 3 Satz 9 InvStG a.F. sah vor, die Allgemeinkosten dann hälftig zu teilen, wenn beide Salden negativ sind. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 40.34; so auch Greger/Jansen in Moritz/ Jesch/Mann2, § 40 InvStG Rz. 23 sowie Ernst in BeckOK/InvStG, § 40 Rz. 82. 5 Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 40 InvStG Anm. 15. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 40.37. Adam | 743

§ 40 Rz. 31 | Abzug der Allgemeinkosten für Einkünfte vor, bei denen beim Anleger §§ 42 bis 47 InvStG zur Anwendung kommen (s. § 37 InvStG Rz. 15). 32 Sofern Unterkategorien zu bilden sind, sind diese ebenfalls für die Zwecke der Aufteilung der

Allgemeinkosten als gesonderte Ertragskategorien zu berücksichtigen. Eine Verrechnung zwischen den einzelnen Unterkategorien darf nicht vorgenommen werden. Es wird nicht beanstandet, wenn Unterkategorien unabhängig von den Besteuerungsmerkmalen der Anleger generell gebildet werden.1

II. Verhältnis der Zuordnung zu Einnahmen und Gewinnen (Abs. 4 Satz 2) 33 Die Zuordnung erfolgt nach dem Verhältnis der entsprechenden positiven Einnahmen und

Gewinne des vorangegangenen Geschäftsjahres. Negative Einnahmen und Gewinne werden bei dieser Verhältnisrechnung nicht berücksichtigt.2

III. Zuordnung im Fall nicht positiver Einnahmen oder Gewinne (Abs. 4 Satz 3) 34 Wenn entsprechende Einnahmen oder Gewinne im vorangegangenen Geschäftsjahr nicht po-

sitiv waren, wird diesen Einnahmen oder Gewinnen vor der Zuordnung nach Abs. 4 Satz 1 und 2 jeweils der Anteil der Allgemeinkosten zugeordnet, der bei einer Aufteilung zu gleichen Teilen rechnerisch entsteht.3

35 Wenn die Einnahmen oder Gewinne einer Ertragskategorie i.S.d. § 37 InvStG im vorangegan-

gen Geschäftsjahr nicht positiv waren, wird diesen Einnahmen oder Gewinnen vor der Zuordnung nach § 40 Abs. 4 Satz 1 und 2 InvStG jeweils der Anteil der Allgemeinkosten zugeordnet, der bei einer Aufteilung zu gleichen Teilen auf alle vorhandenen Ertragskategorien rechnerisch auf die einzelne negative Ertragskategorie entfällt. Ist ein Saldo null, dann ist er als positiver Saldo anzusehen.4 Dieser pauschale Aufteilungsmaßstab im Fall von negativen Einnahmen bzw. Verlusten weicht von den früheren Vorschriften in § 3 Abs. 3 Sätze 6–9 InvStG 2004 a.F. ab und soll die praktische Umsetzung der Werbungskostenaufteilung erleichtern.5 Die danach verbleibenden Allgemeinkosten sind dann nach der o.g. Verhältnisrechnung den restlichen Ertragskategorien mit jeweils einem positiven Saldo im vorangegangenen Geschäftsjahr zuzuordnen.6

F. Allgemeinkosten im Zusammenhang mit Einnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG (Abs. 5) I. Ausschließliche Zuordnung zu den Einnahmen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG (Abs. 5 Satz 1) 36 Allgemeinkosten, die einen mittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit Einnahmen

nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 (Dividenden) oder Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG (Aktienveräußerungs1 2 3 4 5 6

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 40.38. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 40.36. S. für ein ausführliches Rechenbeispiel BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 40.40. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 40.39. Gesetzesbegründung zum InvStRefG, BT-Drucks. 18/8045, 111. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 40.39.

744 | Adam

F. Allgemeinkosten im Zusammenhang mit Einnahmen (Abs. 5) | Rz. 39 § 40

gewinne) stehen, sind ausschließlich den Einnahmen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG und damit der Ertragsart „Aktienveräußerungsgewinne“ zuzuordnen.1 Einnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG umfassen primär Dividenden und gleichgestellte 37 Bezüge.2 Einnahmen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG umfassen Gewinne aus Anteilsveräußerungen.3 Insbesondere sind für folgende laufende Einnahmen nach § 37 InvStG die nach der Verhältnisrechnung berechneten Allgemeinkosten gem. § 40 Abs. 5 InvStG ausschließlich den jeweiligen Einnahmen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG zuzuordnen:4 – ausländische Dividendenerträge, die § 42 Abs. 2 Satz 1 InvStG nicht erfüllen (ausländische Dividenden ohne Steuerbefreiung nach § 8b KStG), – ausländische Dividendenerträge, die § 42 Abs. 2 Satz 1 InvStG erfüllen (ausländische Dividenden aus Schachtelbeteiligungen an bestimmten Gesellschaften mit Steuerbefreiung nach § 8b KStG), – ausländische Dividendenerträge, die § 42 Abs. 3 Satz 1 InvStG erfüllen (ausländische Dividenden aus steuerlich nicht vorbelasteten Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen), – inländische Dividendenerträge, wenn die Transparenzoption (§ 30 Abs. 1 Satz 1 InvStG) nicht ausgeübt wurde. Der zwischen den Kosten und den entsprechenden Einnahmen bestehende Zusammenhang muss nicht unmittelbar sein, es reicht ein mittelbarerer Zusammenhang aus, sofern die Kosten in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Einnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG stehen. § 39 Abs. 2 InvStG enthält eine korrespondierende Vorschrift für die Direktkosten (s. § 39 38 InvStG Rz. 20). Inhaltlich verknüpft sind die Regelungen dadurch, dass nach den jeweiligen Sätzen 2 ein Verlustvortrag zu bilden ist, soweit die Veräußerungsgewinne (Einnahmen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG) die ihnen und den Einnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG (insbes. Dividenden) zuzuordnenden Direkt- und Allgemeinkosten unterschreiten.5 Rechtsfolge ist die ausschließliche Zuordnung der mit den o.g. Einnahmen im mittelbaren 39 wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Allgemeinkosten zu den Einnahmen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG. Hintergrund für die Zuordnung nur zu den Veräußerungsgewinnen ist, dass nur diese als Überschuss der Einnahmen über die WK ermittelt werden, während Dividenden grds. (Ausnahme: § 30 InvStG, s. § 30 InvStG Rz. 24 ff.) dem abgeltenden Steuerabzug unterliegen.6 Zudem wird damit eine Gleichbehandlung inländischer und ausländischer Anleger mit der Direktanlage erreicht. Im Übrigen entspricht das den Regelungen in DBA, die die Besteuerung im Quellenstaat bei Dividenden und ihnen gleichgestellten Einnahmen auf einen am Bruttobetrag bemessenen Steuersatz begrenzen.7 Aus Vereinfachungsgründen beanstandet es die FinVerw. nicht, wenn diese Allgemeinkosten insgesamt der Unterkategorie der nicht quellensteuerbelasteten Einnahmen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG zugeordnet werden.8

1 2 3 4 5 6 7 8

Gesetzesbegründung zum InvStRefG, BT-Drucks. 18/8045, 111. S. ausführlich Bleschick in Kirchhof/Seer21, § 20 EStG Rz. 48a ff. S. ausführlich Bleschick in Kirchhof/Seer21, § 20 EStG Rz. 48a ff. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 40.42. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 40 InvStG Anm. 25. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 40 InvStG Anm. 25. Gesetzesbegründung zum InvStRefG, BT-Drucks. 18/8045, 110. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 40.41. Adam | 745

§ 40 Rz. 40 | Abzug der Allgemeinkosten

II. Bildung von Verlustvorträgen bei Nichtvorliegen von Einnahmen aus Aktienveräußerung (Abs. 5 Satz 2) 40 Liegen keine Einnahmen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG vor oder sind die Einnahmen

niedriger als die WK, so hat der Spezial-Investmentfonds Verlustvorträge zu bilden. Dadurch wird gewährleistet, dass die WK nicht andere Einkünfte des Spezial-Investmentfonds mindern.1 Die Verlustverrechnung in Folgejahren unterliegt dann der Regelung des § 41 InvStG (s. § 41 InvStG Rz. 20).

§ 41 Verlustverrechnung (1) 1Negative Erträge des Spezial-Investmentfonds sind mit positiven Erträgen gleicher Art bis zu deren Höhe auszugleichen. 2Die Gleichartigkeit ist gegeben, wenn die gleichen steuerlichen Wirkungen beim Anleger eintreten. (2) 1Nicht ausgeglichene negative Erträge sind in den folgenden Geschäftsjahren abzuziehen. 2§ 10d Absatz 4 des Einkommensteuergesetzes gilt entsprechend. 3Nicht ausgeglichene negative Erträge sind nicht abziehbar, soweit ein Anleger seine Spezial-Investmentanteile veräußert. [Die Verfasserin dankt Tim Richter für die qualitativ hochwertige Mithilfe bei der Erstellung dieser Kommentierung.] A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . Systematische Einordnung . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . 2. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . 3. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . B. Verlustverrechnung von Erträgen (Abs. 1) I. Ausgleich von Erträgen gleicher Art (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 2 4 5 6 7

II. Maßgeblichkeit der Anlegerebene (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 C. Behandlung von Verlustvorträgen (Abs. 2) I. Vortrag in Folgejahre (Abs. 2 Satz 1) . . . . 20 II. Entsprechende Anwendbarkeit des § 10d EStG (Abs. 2 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 III. Verlustverrechnung bei Anteilsveräußerung (Abs. 2 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

9

Literatur: Haug, Besteuerung von Spezial-Investmentfonds nach dem InvStG 2018 – Aktuelle Einzelfragen und erste Lösungsansätze, Ubg 2017, 303.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck 1 Die Norm regelt die Verlustverrechnung von negativen Erträgen mit positiven Erträgen glei-

cher Art.2 Gleichartigkeit liegt gem. Abs. 1 Satz 2 vor, wenn die gleichen steuerlichen Wirkungen beim Anleger eintreten. Außerdem bestimmt Abs. 2 Satz 1, dass nicht ausgeglichene nega1 Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 40 InvStG Anm. 25. 2 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 – 1/08/10019, BStBl. I 2009, 931 Rz. 69; Aigner in Moritz/Jesch/ Mann2, § 41 InvStG Rz. 1; Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 41 InvStG Anm. 1.

746 | Adam und Meynköhn

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 6 § 41

tive Erträge in den folgenden Geschäftsjahren abzuziehen sind (Bildung von Verlustvorträgen). Hierbei ist § 10d Abs. 4 EStG zu beachten. Sofern ein Anleger seine Anteile veräußert, regelt Abs. 2 Satz 3 einen (anteiligen) Untergang der nicht ausgeglichenen negativen Erträge in Höhe seiner Veräußerung („soweit“).1 Insgesamt werden die bisherigen Regelungen von § 3 Abs. 4 InvStG und § 15 Abs. 1 Sätze 5 und 6 InvStG a.F. in der Norm zusammengefasst.2

II. Systematische Einordnung Systematisch ist die Norm in die Einkünfteermittlung eines Spezial-Investmentfonds nach 2 §§ 37 InvStG ff. einzuordnen. § 41 InvStG ist nicht bei der Einkünfteermittlung eines Investmentfonds aufgrund seines intransparenten Besteuerungsregimes (vgl. § 6 Abs. 8 InvStG) anzuwenden. Die Verlustverrechnung und die Bildung von Verlustvorträgen finden auf Basis der gleichen steuerlichen Wirkung beim Anleger statt. Die Verlustverrechnung erfolgt auf Fondsebene. Basierend auf dem sog. semi-transparenten 3 Besteuerungssystem werden steuerlich dem Anleger keine Verluste, sondern nur Gewinne zugewiesen.3 Sofern Verluste im laufenden Jahr auf Fondsebene weder horizontal noch vertikal verrechnet werden können, verbleiben diese in Form von Verlustvorträgen auf Fondsebene. Sie können nur mit Gewinnen gleicher Art in den folgenden Geschäftsjahren auf Fondsebene verrechnet werden. Dementsprechend entfalten steuerliche Verluste keine unmittelbare Wirkung auf Anlegerebene. Die Berücksichtigung von Verlusten auf Anlegerebene erfolgt für steuerliche Zwecke somit nur im Rahmen einer Teilwertabschreibung oder bei Veräußerung des Spezial-Investmentanteils – allerdings nur mittelbar über die Abbildung der Vermögensveränderung des Fondsvermögens im Anteilspreis, aber ohne die unmittelbare Berücksichtigung des steuerlichen Verlusttopfes „des Anlegers“ auf Fondsebene.

III. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich Abs. 1 bezieht sich auf die Verlustverrechnung als Teil der Einkünfteermittlung für das laufen- 4 de Geschäftsjahr. Abs. 2 schreibt die Bildung von Verlustvorträgen für die Folgejahre und den Untergang von (anteiligen) Verlustvorträgen bei Anteilsscheinrückgaben vor. 2. Persönlicher Anwendungsbereich

Die Norm gilt für inländische und ausländische Spezial-Investmentfonds sowie deren Anleger.

5

3. Zeitlicher Anwendungsbereich § 41 ist aufgrund des InvStRefG v. 19.7.2016 seit dem 1.1.2018 anzuwenden (vgl. Art. 11 Abs. 3 6 Satz 1 InvStRefG).4 Verlustvorträge, die bis zum 31.12.2017 existierten, sind gem. § 56 Abs. 8 1 Als Veräußerung gelten ergänzend die in § 2 Abs. 13 InvStG genannten Vorgänge: Rückgabe, Abtretung, Entnahme oder verdeckte Einlage in eine KapGes.; vgl. auch Aigner in Moritz/Jesch/Mann2, § 41 InvStG Rz. 2; Ernst in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 3 InvStG Rz. 1 ff. 2 BT-Drucks. 18/8045, 111; Lübbehüsen in Berger/Steck/Lübbehüsen, § 3 InvStG Rz. 144 ff.; Ernst in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 3 InvStG Rz. 1 ff. 3 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 – 1/08/10019, BStBl. I 2009, 931 Rz. 70a; Aigner in Moritz/Jesch/ Mann2, § 41 InvStG Rz. 1; Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 41 InvStG Anm. 1; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 41 InvStG Rz. 1; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 41.1. 4 Aigner in Moritz/Jesch/Mann2, § 41 InvStG Rz. 3; Patzner/Kempf in Patzner/Kempf/Nagler, § 41 InvStG Rz. 1; Ernst in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 41 InvStG Rz. 1.20. Meynköhn | 747

§ 41 Rz. 6 | Verlustverrechnung Satz 1 InvStG in voller Höhe untergegangen. Mit dem Untergang soll die Trennung zwischen neuem und altem InvStG trotz grundsätzlicher Beibehaltung der Verlustverrechnung erreicht werden, da die negativen Erträge i.S.v. § 3 Abs. 4 Satz 2 InvStG a.F. nicht sachgerecht in das neue Besteuerungsregime überführt werden können und ggf. auch mangels positiver korrespondierender Erträge nicht verrechnet werden konnten.1

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 7 Die Verlustverrechnung des § 41 InvStG ist gegenüber ertragsteuerlichen Regelungen als lex

specialis anzusehen.2 Eine Bezugnahme auf das EStG erfolgt für den Verlustvortrag über Abs. 2 Satz 2, der § 10d Abs. 4 EStG für entsprechend anwendbar erklärt. Somit sind nicht ausgeglichene negative Einkünfte als Verlustvortrag gesondert festzustellen und entsprechend unbeschränkt vortragbar.

8 § 37 Satz 1 InvStG stellt allgemein und deklaratorisch klar, dass die Einkünfte des Spezial-

Investmentfonds nach den steuerlichen Wirkungen der Anleger zu gliedern sind. § 41 InvStG konkretisiert dies speziell für die Verlustverrechnung im laufenden Geschäftsjahr und für die Bildung von Verlustvorträgen in den Folgejahren. Damit ergibt sich ein Zusammenwirken von § 37 und § 41 InvStG.

B. Verlustverrechnung von Erträgen (Abs. 1) I. Ausgleich von Erträgen gleicher Art (Abs. 1 Satz 1) 9 Abs. 1 Satz 1 regelt, dass negative Erträge eines Spezial-Investmentfonds mit positiven Erträ-

gen gleicher Art bis zu deren Höhe auszugleichen sind. Die Erträge sind daher grds. ihrer Art nach bereits auf Fondsebene zu kategorisieren (s. hierzu Rz. 13). Negative Erträge sind im Gesetz nicht legal definiert. Bei negativen Erträgen handelt es sich um den Überschuss der Aufwendungen über die Einnahmen eines Spezial-Investmentfonds.3 Dabei handelt es sich u.E. sowohl um Verluste im Bereich des ordentlichen Ergebnisses als auch um Veräußerungsverluste im außerordentlichen Ergebnis.4 Eine Weitergabe der negativen Erträge auf Anlegerebene ist nicht möglich; vielmehr handelt es sich um eine auf Fondsebene vorzunehmende Verrechnung und Vortragsbildung, die pro Anleger erfolgt, jedoch nicht mit steuerlicher Wirkung für eine Verrechnung mit Erträgen auf seiner Anlegerebene übertragen werden kann.5

10 Die negativen Erträge sind nur bis zur Höhe der positiven Erträge des Spezial-Investment-

fonds ausgleichsfähig. Sofern nicht sämtliche Verluste im laufenden Jahr verrechnet wurden, sind sie gem. Abs. 2 als Verlustvorträge mit positiven Gewinnen in folgenden Geschäftsjahren zu verrechnen. Eine unmittelbare Verlustverrechnung mit anderweitigen Einkünften des Anlegers ist darüber hinaus nicht möglich.6

11 Bei der Regelung handelt es sich um eine Verpflichtung zur Verlustverrechnung und nicht

um ein Wahlrecht.7 Die steuerliche Verlustverrechnung beeinflusst somit die steuerliche Zu1 Haug, Ubg 2017, 308. 2 Dies gilt insbes. im Verhältnis zu den ertragsteuerlichen Vorschriften der §§ 10d Abs. 2, 15 Abs. 4, 22 Nr. 3 und 15a EStG; Aigner in Moritz/Jesch/Mann2, § 41 InvStG Rz. 4; entsprechend zum InvStG a.F.: BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 – 1/08/10019, BStBl. I 2009, 931 Rz. 44. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 41.2. 4 Ausführlicher Aigner in Moritz/Jesch/Mann2, § 41 InvStG Rz. 5. 5 Aigner in Moritz/Jesch/Mann2, § 41 InvStG Rz. 8; mit Ausführungen zu Dachfonds als Anleger. 6 Gl.A. Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 41 InvStG Anm. 5 (Stand: September 2020). 7 Aigner in Moritz/Jesch/Mann2, § 41 InvStG Rz. 7 f.

748 | Meynköhn

B. Verlustverrechnung von Erträgen (Abs. 1) | Rz. 13 § 41

sammensetzung der Ausschüttung bzw. der steuerlich dem Anleger zuzurechnenden Beträge und stellt eine weitere Abweichung zur investmentrechtlichen Abbildung dar.1

II. Maßgeblichkeit der Anlegerebene (Abs. 1 Satz 2) Abs. 1 Satz 2 definiert den Begriff der Gleichartigkeit. Diese liegt vor, wenn die gleichen steu- 12 erlichen Wirkungen beim Anleger eintreten. Da es sich bei § 41 InvStG systematisch um eine Norm i.R.d. Einkünfteermittlung handelt, ist das Zusammenspiel mit § 37 InvStG zu beachten, wonach die Einkünfte auf Ebene des Spezial-Investmentfonds nach den steuerlichen Wirkungen beim Anleger zu gliedern sind. Unterschiedliche steuerliche Wirkungen bestehen auf Anlegerebene hinsichtlich der Steuerbarkeit, Umfang der Steuerpflicht, Anwendbarkeit einer Steuerbefreiungsvorschrift und bei den Regelungen zum Steuerabzug.2 Systematisch ist damit diese Gliederung nach der steuerlichen Wirkung auf Anlegerebene auch für Zwecke der Verlustverrechnung und folglich bei der Bildung von Verlustvorträgen maßgeblich. Gemäß der Vorgängerregelung des § 3 Abs. 4 InvStG a.F. wurden Verlustverrechnungskatego- 13 rien gebildet, die die steuerliche Wirkung beim Anleger berücksichtigen.3 Dabei wurden zehn Kategorien für Publikums-Investmentvermögen und zwölf Kategorien für Spezial-Investmentvermögen vorgegeben. Diese Kategorien können nicht mehr unmittelbar als Grundlage für die Verlustverrechnung im InvStG 2018 herangezogen werden, da sich die grundsätzliche Besteuerungssystematik geändert hat (gleichwohl existieren noch Überschneidungen). Da die Einkünfteermittlung auf Basis der gleichen steuerlichen Wirkung in Abhängigkeit von der Art des Anlegers zu erfolgen hat, existieren gem. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung)4 insgesamt 20 Ertragskategorien, die ausgehend von der steuerlichen Wirkung beim Anleger gegliedert sein sollen. Die 20 Ertragskategorien sind insbes. nach ihrer StPfl. bzw. (teilweisen) Steuerbefreiung geordnet und lassen sich in folgende Bereiche zusammenfassen: – Kategorie 1: voll stpfl. Einkünfte – Kategorie 2–4: ausländische Dividenden zur möglichen Berücksichtigung von § 8b KStG und § 3 Nr. 40 EStG – Kategorie 5–6: durch den Spezial-Investmentfonds bereits besteuerte inländische Erträge (inländische Beteiligungseinnahmen, inländische Immobilienerträge, sonstige inländische Einkünfte) – Kategorie 7: nur für Anleger in Form von (Spezial-)Investmentfonds sowie beschränkt StPfl., soweit die Einkünfte aus inländischen Immobilienerträgen und sonstigen inländischen Einkünften bestehen – Kategorie 8–14: Einkünfte, die dem Thesaurierungsprivileg unterliegen (§ 36 Abs. 2 InvStG); insbes. Veräußerungsgewinne – Kategorie 15: Einkünfte, die aufgrund eines DBA in Deutschland von der Besteuerung freigestellt sind – Kategorie 16–19: ordentliche Erträge aus Ziel-Investmentfonds mit Berücksichtigung einer etwaigen Teilfreistellung

1 Investmentrechtlich erfolgt keine Verrechnung, sondern ein gesonderter Ausweis von realisierten Gewinnen und Verlusten; dazu auch Aigner in Moritz/Jesch/Mann2, § 41 InvStG Rz. 7. 2 BT-Drucks. 18/8045, 111; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 37.5 und 41.3; Aigner in Moritz/Jesch/Mann2, § 41 InvStG Rz. 6; Wenzel in Brandis/Heuermann, § 41 InvStG Rz. 3; Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 41 InvStG Anm. 5; Dorn, Investmentsteuerrecht, 3. Aufl. 2018, 208. 3 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 – 1/08/10019, BStBl. I 2009, 931 Rz. 70 i.V.m. Anh. 3. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Anlage 1. Meynköhn | 749

§ 41 Rz. 13 | Verlustverrechnung – Kategorie 20: Gewinnausschüttungen aus Gesellschaften, die bereits der Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG unterlegen haben Kategorie

Bezeichnung

Beispiele

1

Bei Thesaurierung und Ausschüttung stpfl. inländische und ausländische Erträge und Veräußerungsgewinne (ohne Erträge und Veräußerungsgewinne der Kategorien 2 bis 20).

– Zinserträge – Ausschüttungen und Vorabpauschalen aus Investmentfonds, bei denen keine Teilfreistellung anzuwenden ist – inländische Immobilienerträge, die nicht von dem Spezial-Investmentfonds versteuert wurden – ausländische Immobilienerträge ohne Steuerbefreiung nach § 43 Abs. 1 InvStG i.V.m. einem DBA

2

Ausländische Kapitalerträge i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und Satz 2 EStG, die die Voraussetzungen nach § 42 Abs. 2 Satz 1 InvStG nicht erfüllen.

– ausländische Dividenden ohne § 8b KStG (z.B. Streubesitzbeteiligungen)

3

Ausländische Kapitalerträge i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und Satz 2 EStG, die die Voraussetzungen nach § 42 Abs. 2 Satz 1 InvStG erfüllen.

– ausländische Dividenden mit § 8b KStG (z.B. Beteiligungen an KapGes. i.S.v. § 26 Nr. 6 Satz 2 InvStG, soweit Anleger mit mind. 10 % beteiligt ist

4

Ausländische Kapitalerträge i.S.d. § 43 – ausländische Dividenden aus steuerlich Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und Satz 2 EStG aus nicht vorbelasteten REIT-Gesellschaften i.S.v. § 42 Abs. 3 InvStG steuerlich nicht vorbelasteten Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen.

5

Inländische Beteiligungseinnahmen i.S.d. § 6 Abs. 3 i.V.m. § 42 Abs. 4 InvStG.

– inländische Dividenden, sofern der Spezial-Investmentfonds die Transparenzoption für Dividenden nicht ausgeübt hat

6

Inländische Immobilienerträge i.S.d. § 6 Abs. 4 i.V.m. § 42 Abs. 5 InvStG und sonstige inländische Einkünfte i.S.d. § 6 Abs. 5 i.V.m. § 42 Abs. 5 InvStG.

– inländische Immobilienerträge, sofern Spezial-Investmentfonds veranlagt wird

7

Erträge i.S.d. § 33 Abs. 2 bis 4 InvStG.

– inländische Immobilienerträge, sofern (Ziel)Spezial-Investmentfonds diese Erträge nicht selbst besteuert hat (Ausübung der Immobilien-Transparenzoption) und es sich bei seinen Anlegern um folgende Anlegertypen handelt: 1. beschränkt stpfl. Anleger oder 2. Investmentfonds oder 3. Dach-Spezial-Investmentfonds mit ausgeübter Immobilien-Transparenzoption Sofern der Dach-Spezial-Investmentfonds die Immobilien-Transparenzoption nicht ausübt, liegen insoweit Erträge nach Kategorie 6 vor.

750 | Meynköhn

B. Verlustverrechnung von Erträgen (Abs. 1) | Rz. 13 § 41 Kategorie

Bezeichnung

Beispiele

8

Stillhalterprämien i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG und Veräußerungsgewinne, die nicht dem Teileinkünfteverfahren/§ 8b KStG unterliegen. Gewinne aus der Veräußerung von Investmentanteilen an (sonstigen) Investmentfonds ohne Teilfreistellung. Gewinne aus der Veräußerung von ZielSpezial-Investmentanteilen, soweit diese nicht den Kategorien 9 bis 14 zuzuordnen sind.

Siehe § 36 Abs. 2 InvStG

9

Anleger-Teilfreistellungsgewinne und Anleger-Abkommensgewinne eines DachSpezial-Investmentfonds aus der Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen.

Siehe § 36 Abs. 2 InvStG

10

Veräußerungsgewinne, die dem Teileinkünfteverfahren/§ 8b KStG unterliegen. Anleger-Aktiengewinne eines Dach-Spezial-Investmentfonds aus der Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen.

Siehe § 36 Abs. 2 InvStG

11

Gewinne aus der Veräußerung von Investmentanteilen an Aktienfonds i.S.d. § 2 Abs. 6 InvStG.

Siehe § 36 Abs. 2 InvStG

12

Gewinne aus der Veräußerung von Investmentanteilen an Mischfonds i.S.d. § 2 Abs. 7 InvStG.

Siehe § 36 Abs. 2 InvStG

13

Gewinne aus der Veräußerung von Invest- Siehe § 36 Abs. 2 InvStG mentanteilen an Immobilienfonds i.S.d. § 2 Abs. 9 InvStG (ohne Veräußerungsgewinne der Kategorie 14).

14

Gewinne aus der Veräußerung von Invest- Siehe § 36 Abs. 2 InvStG mentanteilen an Immobilienfonds i.S.d. § 2 Abs. 9 InvStG, die die Voraussetzungen des § 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG erfüllen

15

Nach § 43 Abs. 1 InvStG i.V.m. einem DBA steuerfreie Einkünfte.

– DBA-steuerfreie Dividenden

16

Investmenterträge i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InvStG aus Aktienfonds i.S.d. § 2 Abs. 6 InvStG.

– Ausschüttungen und Vorabpauschalen aus Aktienfonds vor Anwendung der Teilfreistellung

17

Investmenterträge i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InvStG aus Mischfonds i.S.d. § 2 Abs. 7 InvStG.

– Ausschüttungen und Vorabpauschalen aus Mischfonds vor Anwendung der Teilfreistellung

18

Investmenterträge i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InvStG aus Immobilienfonds i.S.d. § 2 Abs. 9 InvStG (ohne Erträge der Kategorie 19).

– Ausschüttungen und Vorabpauschalen aus Immobilienfonds (Schwerpunkt Inland) vor Anwendung der Teilfreistellung

Meynköhn | 751

§ 41 Rz. 13 | Verlustverrechnung Kategorie

Bezeichnung

Beispiele

19

Investmenterträge i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InvStG aus Immobilienfonds i.S.d. § 2 Abs. 9 InvStG, die die Voraussetzungen des § 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG erfüllen.

– Ausschüttungen und Vorabpauschalen aus Immobilienfonds (Schwerpunkt Ausland) vor Anwendung der Teilfreistellung

20

Erträge i.S.d. § 43 Abs. 2 InvStG i.V.m. § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG.

– Hinzurechnungsbeträge nach AStG werden in Kategorie 1 erfasst. – In Kategorie 20 sind die nach § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG steuerfreien Ausschüttungen aus der Zwischengesellschaft zu erfassen.

Gemäß Erläuterung in der Anlage 1 des BMF-Anwendungsschreibens (konsolidierte Fassung) handelt es sich neben der Kategorisierung der Einkünfteermittlung auch um die Verlustverrechnungskategorien sowie um die maßgeblichen Verlustvortragstöpfe. 14 Ausländische Ertragskategorien sind in die Unterkategorien „nicht quellensteuerbelastete

Erträge“, „mit anrechenbarer tatsächlicher Quellensteuer belastete Erträge“ und „fiktiv quellensteuerbelastete Erträge“ zu unterteilen. Eine Verlustverrechnung zwischen diesen Unterkategorien scheidet jedoch aus.1

15 Infolge der durch die FinVerw. vorgegebenen Kategorien zu § 37 InvStG ist daher eine Verlust-

verrechnung nur innerhalb der oben genannten Kategorien möglich (horizontale Verlustverrechnung). Eine vertikale Verrechnung zwischen den Kategorien scheidet nach Auffassung der FinVerw. mangels Gleichartigkeit der steuerlichen Wirkung beim Anleger aus. Die Wirkungsweise der Verlustverrechnung ist damit eine weitere Konsequenz der anlegerspezifischen besitzzeitanteiligen Einkünfteermittlung auf Fondsebene.2

16 Die durch die FinVerw. vorgegebene Kategorisierung der Einkünfte ist in vielen Fällen unzu-

reichend. Eine Vereinfachungsregelung bzw. Anerkennung einer horizontalen Verlustverrechnung zwischen den Kategorien bei bestimmten Anlegertypen wäre u.E. im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften, insbes., da seit dem 1.1.2018 gem. § 35 Abs. 7 InvStG3 und § 36 Abs. 4 Satz 1 InvStG bereits auf Fondsebene eine anlegerspezifische und besitzzeitanteilige Einkünfteermittlung durchzuführen ist. Dies unterscheidet sich systematisch grundlegend von der Ermittlungsmethodik des InvStG a.F. Bis zum 31.12.2017 war es über die Systematik des Ertragsausgleichs nur möglich, eine einheitliche Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen sowie Verlustverrechnung auf Fondsebene für alle Anleger durchzuführen. Die anlegerspezifische und besitzzeitanteilige Ermittlungsmethodik sowie die Bildung von anlegerspezifischen Verlust- und Gewinnvorträgen auf Fondsebene seit 1.1.2018 ermöglicht eine weitreichendere anlegerspezifische Verlustverrechnung. Dieser Umstand wird allerdings durch die in der Anlage 1 des BMF-Anwendungsschreibens (konsolidierte Fassung)4 aufgeführte Kategorisierung nicht ausreichend berücksichtigt.

17 Aus diesem Grund hat die FinVerw. einen Hinweis zur Anlage 1 aufgenommen, wonach es

nicht beanstandet wird, wenn einzelne Kategorien vertikal miteinander verrechnet werden, soweit die Erträge beim Anleger denselben Rechtsfolgen unterliegen und sich hinsichtlich dieser zusammengefassten Erträge dieselben steuerlichen Auswirkungen bei dem jeweiligen An1 2 3 4

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Anlage 1. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 37.5. § 35 Abs. 7 InvStG angefügt durch „JStG 2019“ v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Anlage 1.

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C. Behandlung von Verlustvorträgen (Abs. 2) | Rz. 22 § 41

leger des Spezial-Investmentfonds ergeben. Sollte hiervon Gebrauch gemacht werden, ist im Rahmen der Feststellungserklärung gesondert zu erläutern, welche Kategorien zusammengefasst wurden.1 Die Kategorisierung passt z.B. nicht umfassend für steuerbefreite Anlegergruppen. Hierzu 18 gehören bspw. berufsständische Versorgungseinrichtungen (§ 5 Abs. 1 Nr. 8 KStG, § 3 Nr. 11 GewStG). Aufgrund der ohnehin vorliegenden Steuerbefreiung dieser Anleger sollte u.E. die Möglichkeit einer Verlustverrechnung zwischen den einzelnen Verlustverrechnungskategorien nicht beschränkt werden, da auf Anlegerebene – unabhängig von der Kategorie – keine unterschiedlichen steuerlichen Auswirkungen zu erwarten sind. Eine Besonderheit bei der Verlustverrechnung ergibt sich für Spezial-Investmentfonds, die die 19 Erhebungsoption gem. § 33 Abs. 1 InvStG nicht ausüben. Sofern der Spezial-Investmentfonds inländische Immobilienerträge erzielt und selbst besteuert, sind diese Erträge in Kategorie 6 zu erfassen. Dies ist notwendig, da aufgrund der Besteuerung auf Fondsebene eine Steuerfreistellung nach § 42 Abs. 5 InvStG erforderlich ist.2 Im Ergebnis führt dies jedoch dazu, dass keine Verlustverrechnung mit anderen Erträgen möglich ist (z.B. mit inländischen Zinserträgen). Diese Verlustverrechnung steht somit dem Spezial-Investmentfonds zu, der die Erhebungsoption nach § 33 Abs. 1 InvStG ausübt, da seine Einkünfte in Kategorie 1 zu erfassen sind.

C. Behandlung von Verlustvorträgen (Abs. 2) I. Vortrag in Folgejahre (Abs. 2 Satz 1) Sollten negative Erträge im laufenden Geschäftsjahr nicht mit positiven Erträgen der gleichen 20 Art verrechnet werden können, sind diese auf Ebene des Spezial-Investmentfonds im Folgenden Geschäftsjahr nach Abs. 1 abzuziehen bzw. mangels Verrechnungsmöglichkeit vorzutragen.3 Hierzu sind entsprechende Verlustvorträge pro Kategorie und Anleger zu bilden. Eine zeitliche Beschränkung hat der Gesetzgeber für den Verlustvortrag nicht vorgesehen. Satz 1 führt § 3 Abs. 4 Satz 2 InvStG a.F. fort.4 Im Vergleich zum voll transparenten Besteuerungsregime bei Personengesellschaften grenzt 21 sich die semi-transparente Besteuerungssystematik des Spezial-Investmentfonds insbes. durch die fehlende Möglichkeit zur Weiterleitung von Verlusten auf Anlegerebene ab.5 Die Verluste verbleiben anlegerspezifisch auf Ebene des Spezial-Investmentfonds.6 Vergleichbar ist diese Verlustbeschränkung mit den Regelungsinhalten des § 15a und § 15b EStG.

II. Entsprechende Anwendbarkeit des § 10d EStG (Abs. 2 Satz 2) Abs. 2 Satz 2 sieht eine entsprechende Anwendbarkeit von § 10d Abs. 4 EStG für die nicht 22 ausgeglichenen negativen Erträge vor (Verlustvorträge). Damit schreibt der Gesetzgeber eine

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Anlage 1. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Anlage 1. 3 Aigner in Moritz/Jesch/Mann2, § 41 InvStG Rz. 9; Häuselmann, Kap. 8 Rz. 53; Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 41 InvStG Anm. 6; Patzner/Kempf in Patzner/Kempf/Nagler, § 41 InvStG Rz. 3; Ernst in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 41 InvStG Rz. 28; Dorn, Investmentsteuerrecht, 2018, 208. 4 BT-Drucks. 18/8045, 112. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.2; Aigner in Moritz/Jesch/Mann2, § 41 InvStG Rz. 8, mit Ausführungen zu Dachfonds als Anleger. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 41.3. Meynköhn | 753

§ 41 Rz. 22 | Verlustverrechnung gesonderte Feststellung der Entwicklung der Verlustvorträge vor. Gegenüber dem SpezialInvestmentfonds – und nicht gegenüber den einzelnen Anlegern – erfolgt die Feststellung grds. gem. § 51 InvStG in der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen (Feststellungserklärung). 23 Die Feststellung der Verlustvorträge erfolgt jeweils zum Geschäftsjahresende und gegenüber

dem Spezial-Investmentfonds. Das InvStG a.F. sah den Verweis auf § 10d Abs. 4 EStG und eine gesonderte Feststellung noch nicht vor. Die dadurch im bisherigen Recht nicht erfolgte Erfassung in den Feststellungserklärungen führte insbes. im Zusammenhang mit Betriebsprüfungen zu einer Regelungslücke. Eine Feststellung nur gegenüber dem Spezial-Investmentfonds entspricht zwar dem Hintergrund der Regelung, dass eine Zurechnung und unmittelbare Nutzung auf Anlegerebene nicht erfolgt, ist aber im Zusammenhang mit der anlegerspezifischen Ermittlung unzureichend. Die anlegerspezifische und besitzzeitanteilige Ermittlung muss ohnehin erfolgen, um die korrekte steuerliche Zurechnung und Fortführung beim Anleger sicherzustellen.1

III. Verlustverrechnung bei Anteilsveräußerung (Abs. 2 Satz 3) 24 Sofern ein Anleger seine Spezial-Investmentanteile (anteilig) veräußert, gehen die nicht aus-

geglichenen negativen Erträge (anteilig) unter. Zum Begriff der Veräußerung vgl. § 2 Abs. 13 InvStG, der den hier wohl häufigsten Fall der Rückgabe von Anteilscheinen beinhaltet.2 Der anteilige Untergang gilt auch für nicht ausgeglichene negative Kapitalerträge in Form von steuerfrei thesaurierbaren Kapitalerträgen.3 Eine Änderung von Vortragswerten erfolgt nicht, wenn der Anleger neue Anteile zeichnet. Zudem partizipieren neue Anleger aufgrund der anlegerspezifischen Feststellung von Verlustvorträgen nicht an vorhandenen Verlusten.4 Außerdem wird nur die unmittelbare Veräußerung von Anteilen und nicht eine mittelbare Veräußerung von der Norm umfasst (z.B. hat die Veräußerung von Anteilen an Dachfonds keine Auswirkung auf den dem Dachfonds zugerechneten Verlustvortrag auf Zielfondsebene).5

25 Abs. 2 Satz 3 ist analog auf den anteiligen Untergang der Gewinnvorträge (ausschüttungs-

gleiche Erträge) bei Veräußerung des Spezial-Investmentanteils des Anlegers anzuwenden.6 Dies ergibt sich aus der Systematik der Anlegerbilanzierung. Bei Zufluss von ausschüttungsgleichen Erträgen bucht sich der Anleger, vorbehaltlich anderer Einflüsse, in gleicher Höhe einen aktiven Ausgleichsposten ein. Dieser aktive Ausgleichsposten ist bei (anteiliger) Veräußerung der Spezial-Investmentanteile entsprechend (anteilig) aufzulösen.7 Um einen Gleichlauf mit den ausschüttungsfähigen ausschüttungsgleichen Erträgen der Vorjahre auf Fondsebene herzustellen, ist eine Kürzung der Vorträge auf Fondsebene vorzunehmen. Insoweit entspricht der auf Anlegerebene gebildete aktive Ausgleichsposten dem auf Fondsebene gebildeten Vortrag der ausschüttungsfähigen ausschüttungsgleichen Erträge. Insoweit haften die Gewinnvorträge steuerlich an den zugrunde liegenden Anteilen.

1 Gl.A. Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 41 InvStG Anm. 6 (Stand: September 2020); a.A. Aigner in Moritz/Jesch/Mann2, § 41 InvStG Rz. 10 Fn. 28. 2 Aigner in Moritz/Jesch/Mann2, § 41 InvStG Rz. 14; Ernst in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 41 InvStG Rz. 34; Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 41 InvStG Anm. 6. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.58. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 41.7. 5 Mit Vergleich zu § 8c KStG s. Aigner in Moritz/Jesch/Mann2, § 41 InvStG Rz. 17. 6 A.A. Wenzel in Brandis/Heuermann, § 41 InvStG Rz. 18. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.11 und 35.19.

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C. Behandlung von Verlustvorträgen (Abs. 2) | Rz. 28 § 41

Für die Ermittlung des anteiligen Untergangs aufgrund des Ausscheidens von Anlegern zeigen 26 sich in der Praxis gegenwärtig noch folgende Herausforderungen: – Es ist zu prüfen, in welchem Umfang die Kürzung der nicht ausgeglichenen negativen Erträge erfolgt. Fraglich ist z.B., ob sowohl gesondert und einheitlich festgestellte Verlustvorträge aus Vorjahren als auch Verluste des laufenden Geschäftsjahres und somit des Jahres, in dem der Anleger Anteile zurückgibt, in die Kürzung einzubeziehen sind.1 – Ungeklärt ist gegenwärtig außerdem, zu welchem Zeitpunkt die Kürzung der Verluste vorzunehmen ist (z.B. nach Verrechnung von Verlusten mit positiven Erträgen gleicher Art auf Fondsebene oder vor Verlustverrechnung mit positiven Erträgen gleicher Art). Die Fragestellung betrifft sowohl die gesondert und einheitlich festgestellten Verlustvorträge aus Vorjahren als auch die laufenden Verluste. – Sofern innerhalb eines Geschäftsjahres mehrere quotale Anteilsscheinrückgaben sowie Zwischenausschüttungen stattfanden (z.B. im Rahmen von Liquidationen von Fonds), führt dies zu einer immer komplexer werdenden steuerlichen Ermittlung. Insbesondere vor dem Hintergrund der ebenfalls für die Anleger zu ermittelnden ausschüttungsgleichen Erträge gem. § 36 Abs. 4 Satz 3 InvStG kommt der Frage zum Umfang und zum Zeitpunkt der Kürzung eine enorme Bedeutung zu. In der Literatur wird u.a. vertreten, dass der quotale Untergang von Verlusten nur auf die einheitlich und gesondert festgestellten Verlustvorträge der Vorjahre zu erfolgen hat.2 Damit wird allerdings nicht berücksichtigt, dass auch im laufenden Geschäftsjahr Verluste auf Fondsebene entstehen können. Eine Kürzung von Verlustvorträgen auf der einen Seite und eine Nichtkürzung von laufenden Verlusten ist daher zu hinterfragen. Eine Klarstellung im Rahmen eines BMF-Schreibens wäre diesbezüglich zu begrüßen.3 Die anlegerspezifische und besitzzeitanteilige Ermittlung sollte sicherstellen, dass die auf 27 den jeweiligen Anleger entfallenden Verlustvorträge separat sichtbar sind und entsprechend der quotalen Veräußerung von Anteilen für diesen Anleger gekürzt werden können. Dies gilt entsprechend für Gewinnvorträge; hier führt die anlegerspezifische und besitzzeitanteilige Ermittlung dazu, dass die während der Besitzzeit des Anlegers die für diesen Zeitraum entstandenen positiven Vortragswerte nur entsprechend den Anteilen, die der Anleger während dieses Zeitraums gehalten hat, zugeordnet werden. Unabhängig von einer gesonderten Feststellung der Vortragswerte gegenüber dem Anleger besteht somit ohnehin die Notwendigkeit einer besitzzeitanteiligen und anlegerspezifischen Fortentwicklung, um eine systematisch korrekte Erfassung pro Anleger sicherzustellen. Bei steuerneutralen Verschmelzungen von Spezial-Investmentfonds i.S.v. § 54 InvStG gehen 28 die festgestellten Verlustvorträge auf den übernehmenden Spezial-Investmentfonds über, da Verschmelzungen i.S.d. § 54 InvStG keine Veräußerungen i.S.v. Abs. 2 Satz 3 darstellen.4 Eine

1 Nach hier vertretener Ansicht nicht ausreichend im BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung) klargestellt: Rz. 41.4 i.V.m. Rz. 41.6 spricht von einem quotalen Untergang „nicht ausgeglichener negativer Erträge“; dies können nach Rz. 41.4 aber nur solche Erträge sein, die nach einem Verlustausgleich bestehen bleiben (also letztlich der Verlustvortrag) und i.S.v. § 10d Abs. 4 EStG (s. Rz. 41.5) zum Ende des Jahres festgestellt werden. Fraglich ist, ob daher „nur“ eine Kürzung der Verlustvorträge zum Geschäftsjahresende gemeint ist oder auch eine Kürzung etwaiger laufender, dem Anleger zuzurechnender Verluste bis zum Stichtag der Rückgabe erfolgen muss. 2 Aigner in Moritz/Jesch/Mann2, § 41 InvStG Rz. 12. 3 Insbesondere spricht das BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung) nur von nicht ausgeglichenen negativen Erträgen, aber nicht davon, ob auch unterjährig entstandene Verluste zu kürzen sind (vgl. BMF-Anwendungsschreiben [konsolidierte Fassung], Rz. 41.6). 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.15 und 54.5 f.; gl.A. Mann in Brandis/ Heuermann, § 54 InvStG Rz. 11a. Meynköhn | 755

§ 41 Rz. 28 | Verlustverrechnung ausdrückliche Regelung ist im Vergleich zu dem vor 2018 geltenden InvStG nicht mehr enthalten und aufgrund der anlegerspezifischen Ermittlung auch nicht erforderlich.1 29 Bei Verschmelzungen, auf die § 54 InvStG keine Anwendung findet (z.B. Verschmelzung ei-

nes Investmentfonds mit einem Spezial-Investmentfonds), liegt ein Veräußerungsvorgang vor, sodass die Verlustvorträge in voller Höhe untergehen.2

§ 42 Steuerbefreiung von Beteiligungseinkünften und inländischen Immobilienerträgen (1) 1Soweit die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge Kapitalerträge nach § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 und 9 sowie Satz 2 des Einkommensteuergesetzes enthalten, ist § 3 Nummer 40 des Einkommensteuergesetzes anzuwenden. 2Satz 1 gilt nicht für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Investmentfonds im Sinne des § 16 Absatz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 2 Absatz 13 und in den Fällen des § 30 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2 sowie Satz 2. (2) 1Soweit die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge Kapitalerträge nach § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 sowie Satz 2 des Einkommensteuergesetzes enthalten, ist § 8b des Körperschaftsteuergesetzes unter den Voraussetzungen des § 30 Absatz 2 anwendbar. 2Soweit die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge Kapitalerträge nach § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 9 sowie Satz 2 des Einkommensteuergesetzes enthalten, ist § 8b des Körperschaftsteuergesetzes anwendbar. 3Satz 2 gilt nicht für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Investmentfonds im Sinne des § 16 Absatz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 2 Absatz 13 und in den Fällen des § 30 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2 sowie Satz 2. (3) 1Die Absätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden, wenn es sich um Kapitalerträge nach § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 und 9 sowie Satz 2 des Einkommensteuergesetzes aus einer steuerlich nicht vorbelasteten Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse handelt. 2Als steuerlich nicht vorbelastet gelten Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen, die keiner Ertragsbesteuerung unterliegen, von der Ertragsbesteuerung persönlich befreit sind oder sachlich insoweit von der Ertragsbesteuerung befreit sind, wie sie Ausschüttungen vornehmen. 3Satz 1 ist nicht auf vorbelastete REIT-Dividenden nach § 19a des REIT-Gesetzes anzuwenden. (4) 1Sind in den ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträgen inländische Beteiligungseinnahmen enthalten, die von dem Spezial-Investmentfonds versteuert wurden, so sind 60 Prozent dieser ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträge steuerfrei. 2Abweichend von Satz 1 sind die in ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträgen enthaltenen inländischen Beteiligungseinnahmen vollständig steuerbefreit, wenn 1. der Anleger dem Körperschaftsteuergesetz unterliegt und 2. dem Spezial-Investmentfonds kein Ermäßigungsanspruch aus einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung aufgrund eines Quellensteuerhöchstsatzes von unter 15 Prozent zusteht. 1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 41.8; ausführlich hierzu Aigner in Moritz/ Jesch/Mann2, § 41 InvStG Rz. 18. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 41.9.

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A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 1 § 42

(5) 1Sind in den ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträgen inländische Immobilienerträge oder sonstige inländische Einkünfte enthalten, die von dem Spezial-Investmentfonds versteuert wurden, so sind 20 Prozent dieser ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträge steuerfrei. 2Absatz 4 Satz 2 ist entsprechend anzuwenden. [Die Verfasserin dankt Matthias Schmidtheisler für die qualitativ hochwertige Mithilfe bei der Erstellung dieser Kommentierung.] A. I. II. III.

IV. B. I. II. C. I. II. III. D.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . Systematische Einordnung . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . 2. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . 3. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . Anwendbarkeit des § 3 Nr. 40 EStG (Abs. 1) Maßgebliche Kapitalerträge für Steuerbefreiung (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . Ausschluss der Steuerbefreiung (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendbarkeit des § 8b KStG (Abs. 2) Steuerbefreiung für ausländische Kapitalerträge (Abs. 2 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerbefreiung für Veräußerungsgewinne (Abs. 2 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausschluss der Steuerbefreiung (Abs. 2 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erfordernis der steuerlichen Vorbelastung für Beteiligungseinkünfte (Abs. 3)

1 3 5 9 10 11

18 19

21 27 30

I. Ausschluss der Steuerbefreiung (Abs. 3 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begriff der steuerlichen Vorbelastung (Abs. 3 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sonderfall REIT (Abs. 3 Satz 3) . . . . . . . . E. Umfang der Steuerbefreiung für inländische Beteiligungseinnahmen (Abs. 4) I. Teilweise Steuerbefreiung von Kapitalerträgen (Abs. 4 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . II. Vollständige Steuerbefreiung von Kapitalerträgen (Abs. 4 Satz 2) 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erfordernis der Anwendbarkeit des KStG (Abs. 4 Satz 2 Nr. 1) . . . . . . . . . . 3. Ausschluss der DBA-Anwendbarkeit (Abs. 4 Satz 2 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . F. Steuerbefreiung für inländische Immobilienerträge (Abs. 5) I. Teilweise Steuerbefreiung (Abs. 5 Satz 1) II. Vollständige Steuerbefreiung (Abs. 5 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32 34 35

36 41 45 46

50 55

Literatur: Haug, Investmentfonds und Außensteuerrecht – Abgrenzungsfragen nach dem InvStRefG, IStR 2016, 597; Bindl/Leidel, Die Steuerbefreiungen nach § 42 Abs. 4 und 5 InvStG 2018 bei mehrstufigen Fondsstrukturen, BB 2018, 151; Bindl/Leidel, Immobilieninvestments über Spezial-Investmentfonds nach dem InvStG 2018, DB 2018, 722; Korff, Gewerbesteuer bei Beteiligungserträgen über Spezial-Investmentfonds nach dem InvStG 2018, DStR 2018, 943; Bindl/Schober, Investmentsteuererlass-Entwurf zu SpezialInvestmentfonds – Darstellung und kritische Würdigung, BB 2020, 599; Stadler/Sotta, Das EntwurfSchreiben des BMF zu Spezial-Investmentfonds v. 16.12.2019 – erste Anmerkungen, BB 2020, 279.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck Die Vorschrift regelt in Abhängigkeit von der Ertragsart und bereits erfolgten Besteuerungen 1 Steuerbefreiungen für Anleger von Spezial-Investmentfonds.1 Die maßgeblichen steuerlichen Folgen haben ihren Ursprung im EStG und KStG bzw. ergeben sich aufgrund der StPfl. des

1 Jesch in Moritz/Jesch/Mann2, § 42 InvStG Rz. 1 ff.; Lampert in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 42 InvStG Rz. 1 ff.; Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 42 InvStG Anm. 1 ff. (Stand: August 2021). Meynköhn | 757

§ 42 Rz. 1 | Steuerbefreiung v. Beteiligungseinkünften/Immobilienerträgen Spezial-Investmentfonds für inländische Erträge. § 42 beinhaltet daher diverse sachliche Steuerbefreiungen auf Ebene der Anleger von Spezial-Investmentfonds. Diese Steuerbefreiungen sind auf Anlegerebene zu berücksichtigen, soweit die beim Anleger grds. stpfl. Erträge aus Spezial-Investmentfonds in Form von ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen nach § 34 Abs. 1 InvStG Bestandteile enthalten, für die eine der Steuerbefreiungen des § 42 InvStG greift. Der Zweck der Regelung besteht darin – analog zu § 43 InvStG – Steuerprivilegien, die es bei einer Direktanlage für den Anleger geben würde, auch für die mittelbare Beteiligung über einen Spezial-Investmentfonds sicherzustellen. 2 Die Norm lässt sich daher grob in zwei Teilbereiche unterteilen:

– Sie führt u.a. die in § 2 Abs. 2 InvStG 2004 enthaltenen Steuerbefreiungen für Beteiligungserträge aus Beteiligungen an Körperschaften fort (Abs. 1–3). – Zusätzlich berücksichtigt die Regelung die seit 2018 mögliche Vorabbesteuerung bestimmter inländischer Einkünfte auf Ebene des Spezial-Investmentfonds und eine damit einhergehende Freistellung auf Anlegerebene (Abs. 4–5). Aufgrund der Besteuerung von inländischen Dividenden durch den Spezial-Investmentfonds und der Veranlagung des SpezialInvestmentfonds für inländische Immobilienerträge und sonstige Erträge sind als Ausgleich für diese bereits erfolgten Besteuerungen vollständige oder teilweise Steuerbefreiungen auf Anlegerebene vorgesehen.

II. Systematische Einordnung 3 Die Vorschrift des § 42 InvStG ist für die Ermittlung der Erträge aus Spezial-Investmentfonds

auf Anlegerebene im Rahmen seiner Veranlagung maßgebend und stellt die transparente Berücksichtigung der in den ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträgen enthaltenen steuerfreien Erträge als solche sicher. Die Vorgängerregelung des § 2 Abs. 2 InvStG a.F. sah entsprechend für ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche Erträge eine Anwendung von § 3 Nr. 40 EStG, § 8b KStG und § 19 REITG vor.

4 § 42 InvStG ist im zweiten Abschnitt des Kapitels 3 des InvStG verortet. Die Vorschrift ist

nach den Regelungen zur wahlweisen Steuerbefreiung bestimmter Ertragsarten auf Ebene des Spezial-Investmentfonds (§§ 30–33 InvStG), der Definition verschiedener Bestandteile der Erträge aus einem Spezial-Investmentfonds (§§ 34–36 InvStG) sowie der Einkünfteermittlungsmethodik (§§ 37–41 InvStG) platziert. Die Norm regelt zusammen mit § 43 InvStG diverse sachliche Steuerbefreiungen auf Anlegerebene.

III. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich 5 Die Regelung betrifft die Berücksichtigung von bestimmten Erträgen auf Ebene der Anleger

aus deren Investment an Spezial-Investmentfonds. Es werden entsprechend teilweise oder vollständige Steuerbefreiungen für ausländische Dividenden und Gewinne aus Veräußerungen von Aktien oder Beteiligungen an KapGes. erfasst, für die das Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 EStG) oder das Beteiligungsprivileg (§ 8b KStG) anwendbar sind. Von dem Anwendungsbereich sind daneben REIT-Dividenden nach § 19a des REITG erfasst, wenn diese einer Vorbelastung unterlegen haben. Steuerbefreiungsregelungen sind außerdem für die für den Spezial-Investmentfonds stpfl. inländischen Beteiligungserträge, inländischen Immobilienerträge oder sonstigen inländischen Erträge vorgesehen.

758 | Meynköhn

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 9 § 42

Die Norm ist in fünf Absätze untergliedert: 6 – Abs. 1 regelt, inwiefern das Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 EStG für natürliche Personen als mittelbar über Personengesellschaften beteiligte Anleger bzw. als unmittelbare Anleger eines Spezial-Investmentfonds anzuwenden ist. – Abs. 2 berücksichtigt die Anwendung des Beteiligungsprivilegs von Beteiligungseinkünften einer Körperschaft aus einer anderen Körperschaft i.S.d. § 8b KStG. – Abs. 3 enthält eine Ausnahme für die Abs. 1 und 2, sofern die Kapitalerträge aus einer steuerlich nicht vorbelasteten Körperschaft stammen. – Abs. 4 regelt die Steuerfreistellung auf Anlegerebene für vom Spezial-Investmentfonds bereits besteuerte inländische Beteiligungseinnahmen. – Abs. 5 sieht analog zu Abs. 4 eine Steuerfreistellung für bereits besteuerte inländische Immobilienerträge sowie sonstige inländische Einkünfte vor. Voraussetzung für die Anwendung der Steuerfreistellungen nach § 42 InvStG ist, dass entsprechende Fonds-Aktiengewinne gem. § 48 Abs. 3 InvStG ermittelt und veröffentlicht werden, § 48 Abs. 2 Satz 1 InvStG.

Die Abs. 1 und 2 beziehen sich auf in den ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträgen 7 des Spezial-Investmentfonds enthaltene ausländische Gewinnausschüttungen und Veräußerungsgewinne von Anteilen an in- und ausländischen Körperschaften. Gewinnausschüttungen aus im Inland ansässigen Körperschaften werden gesondert im Rahmen des Abs. 4 berücksichtigt. Das Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 EStG sowie das Beteiligungsprivileg nach § 8b 8 KStG finden auf inländische Dividenden somit abweichend zum bisherigen Regelungsinhalt des § 2 Abs. 2 InvStG 2004 keine Anwendung. Eine eigenständige Regelung für die Anwendung der Freistellungen nach § 3 Nr. 40 EStG bzw. § 8b KStG ist für inländische Dividenden nicht erforderlich, da die Erträge entweder aufgrund einer StPfl. des Spezial-Investmentfonds über Abs. 4 freigestellt werden oder aufgrund der Ausübung der Transparenzoption gem. § 30 InvStG als Zurechnungsbetrag qualifizieren. Hintergrund dieser sachlichen Eingrenzung ist die ab 2018 geltende neue Besteuerungssystematik für inländische Beteiligungseinnahmen. Die Gewinnausschüttung aus einer im Inland ansässigen Körperschaft unterliegt entweder gem. § 29 i.V.m. §§ 6 und 7 InvStG der StPfl. auf Fondsebene und der damit verbundenen Freistellung auf Anlegerebene nach Abs. 4. Alternativ kann bei Ausübung der Transparenzoption nach § 30 Abs. 1 Satz 1 InvStG eine unmittelbare, steuerlich volltransparente Zurechnung auf Anlegerebene hergestellt werden.1 Die steuerlich zugerechnete Gewinnausschüttung ist dann außerhalb des InvStG auf Anlegerebene nach den allgemeinen ertragsteuerlichen Regelungen des § 3 Nr. 40 EStG oder § 8b KStG zu behandeln (§ 30 Abs. 2 und 3 InvStG).2 Bei einer direkten Zurechnung der inländischen Beteiligungseinnahmen auf Anlegerebene qualifizieren diese Einnahmen als sog. Zurechnungsbeträge nach § 35 Abs. 3 InvStG3 und sind daher auch nicht in den ausschüttungsgleichen Erträgen (§ 36 Abs. 1 Satz 2 InvStG) enthalten.4 2. Persönlicher Anwendungsbereich Die Regelungen des § 42 InvStG gelten für inländische Anleger, die an inländischen oder aus- 9 ländischen Spezial-Investmentfonds beteiligt sind.5 Ausländischen Anlegern fehlt es, ohne in1 BT-Drucks. 18/8045, 112. 2 BT-Drucks. 18/8045, 98. 3 Zurechnungsbeträge sind dem Fonds netto zufließende inländische Beteiligungseinnahmen oder sonstige Erträge. Da der Entrichtungspflichtige bereits den KapErtrSt-Abzug durchgeführt hat, stehen dem Fonds nur diese Beträge zur Ausschüttung zur Verfügung. 4 Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 42 Anm. 5 (Stand: August 2021). 5 Brandl in Brandis/Heuermann, § 42 InvStG Rz. 2. Meynköhn | 759

§ 42 Rz. 9 | Steuerbefreiung v. Beteiligungseinkünften/Immobilienerträgen ländische Betriebsstätte, an einer generellen StPfl. für ebendiese Ertragsbestandteile (§ 49 Abs. 1 Nr. 2a EStG).1 Ausländische Anleger können daher nur bei Vorliegen einer beschränkten StPfl. von der Anwendung betroffen sein. Dies wäre der Fall, wenn ihre Beteiligung an dem Spezial-Investmentfonds einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist. Eine Anwendung für Anleger eines Investmentfonds nach Kapitel 2 des InvStG ist aufgrund der getrennten Besteuerungsregime ausgeschlossen. 3. Zeitlicher Anwendungsbereich 10 Die Regelung findet gem. § 56 Abs. 1 Satz 1 InvStG erstmalig Anwendung auf die Besteuerung

von Anlegern ab dem 1.1.2018 und folglich ab dem VZ 2018. Inhaltlich führen § 42 Abs. 1, 2 und 3 die Vorgängerregelungen des § 2 Abs. 2 InvStG 2004 zum Teil fort. Hinsichtlich der Anwendung der Regelungen des § 3 Nr. 40 EStG und des § 8b KStG wird allerdings die Voraussetzung einer steuerlichen Vorbelastung der KapGes. eingeführt.2 § 42 Abs. 4 und 5 InvStG finden dagegen inhaltlich erstmalig ab dem 1.1.2018 Anwendung. Dies beruht jedoch auf dem Umstand, dass das InvStG 2004 (Anwendung bis 31.12.2017), im Gegensatz zum InvStG ab 2018, keine Körperschaftsteuerpflicht auf Fondsebene vorsah (§ 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2004). Demzufolge war ein Ausgleich für eine auf Fondsebene erfolgte Vorabbesteuerung nicht notwendig. Eine erste Ergänzung der Regelung in § 42 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 3 InvStG erfolgte durch das sog. „JStG 2019“ (gem. § 57 InvStG mit Anwendungszeitraum ab 1.1.2020) hinsichtlich des Ausschlusses der Freistellungsregelungen bei Veräußerung von Investmentanteilen.3 Nach der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zum Entwurf des JStG 20224 sollen in § 42 Abs. 5 Satz 1 InvStG die Wörter „enthalten, die von dem Spezial-Investmentfonds versteuert wurden,“ durch die Wörter „enthalten, die auf Ebene des Spezial-Investmentfonds der Körperschaftsteuer unterlegen haben,“ ersetzt werden. Durch diese Änderung soll nach der Gesetzesbegründung sichergestellt werden, dass für die Prüfung der Freistellung wie bisher darauf abzustellen ist, ob die Erträge vom Spezial-Investmentfonds i.R.d. KSt versteuert wurden. Ob eine Besteuerung mit GewSt erfolgte, soll für die Prüfung des § 42 Abs. 5 InvStG unerheblich sein.5

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 11 Die Regelungen des § 42 Abs. 1 und 2 InvStG sehen eine Anwendung des Teileinkünfteverfah-

rens (§ 3 Nr. 40 EStG) bzw. des Beteiligungsprivilegs (§ 8b KStG) für die genannten Beteiligungserträge auf Ebene des Anlegers vor. Aufgrund des Korrespondenzprinzips steht die Anwendung der Steuerbefreiungsregelungen aber unter dem Vorbehalt einer entsprechenden steuerlichen Vorbelastung im Ausland (§ 3 Nr. 40 Buchst. d Satz 2 EStG und § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG). Nach § 42 Abs. 3 InvStG ist eine Freistellung nur für entsprechend vorbelastete § 19a REITG-Dividenden vorgesehen.

12 Sofern der Spezial-Investmentfonds von der Option zur transparenten Besteuerung und

steuerlichen Zurechnung der Erträge auf Anlegerebene für inländische Beteiligungseinnahmen nach § 30 Abs. 1 InvStG oder für inländische Immobilienerträge und sonstige inländische Einkünfte nach § 33 Abs. 1 InvStG Gebrauch macht, entfällt eine Freistellung nach § 42 Abs. 4 oder 5 InvStG mangels Vorabbesteuerung auf Fondsebene.

1 Brandl in Brandis/Heuermann, § 42 InvStG Rz. 2. 2 Jesch in Moritz/Jesch/Mann2, § 42 InvStG Rz. 15. 3 Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451. 4 BT-Drucks. 20/4729 v. 30.11.2022. 5 Vgl. BT-Drucks. 20/4729, 166.

760 | Meynköhn

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 16 § 42

Ein Zusammenhang der Regelung zur Steuerbefreiung ergibt sich mit weiteren Vorschriften 13 des InvStG: – Nach § 34 Abs. 2 Satz 2 InvStG wird grds. für Spezial-Investmenterträge die Anwendung des § 3 Nr. 40 EStG und des § 8b KStG vorbehaltlich des § 42 ausgeschlossen. – Ein gesonderter Ausweis der Einkünfte, auf die § 42 InvStG Anwendung findet, wird in § 37 Abs. 1 Satz 2 InvStG für die Ermittlung der Einkünfte des Spezial-Investmentfonds entsprechend vorgesehen, um eine Anwendung auf Anlegerebene sicherzustellen. – Sofern es auf Anlegerebene zu einer (teilweisen) Steuerfreistellung kommt, ist die korrespondierende eingeschränkte Abzugsfähigkeit des § 44 i.V.m. § 21 InvStG (als lex specialis zu § 3c Abs. 2 EStG) von BA, die im Zusammenhang mit den steuerfreien Einkünften stehen, zu beachten.1 – Nach § 45 Abs. 1 InvStG wird für bestimmte Erträge, die nach § 42 Abs. 4 InvStG, § 3 Nr. 40 EStG oder § 8b KStG (teilweise) steuerfrei sind, eine Hinzurechnung für Zwecke der GewSt vorgesehen, wenn diese z.B. nicht aus Immobilien-Gesellschaften stammen, der Anleger nicht zum privilegierten Kreis für Steuerbefreiungen gehört und die rechnerisch auf den Anleger entfallende Beteiligungshöhe von 15 % nicht erreicht wird. – Gemäß § 48 Abs. 2 Satz 1 InvStG ist sowohl das Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 EStG als auch das Beteiligungsprivileg des § 8b KStG nur dann zu gewähren, wenn der Spezial-Investmentfonds den Fonds-Aktiengewinn nach § 48 Abs. 3 InvStG ermittelt und bekannt macht bzw. der Anleger diesen nachweist. Im Gegensatz zu den nach § 43 Abs. 1 und 2 InvStG steuerfrei gestellten Ertragsbestandteilen 14 der ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge sieht § 50 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InvStG keine unmittelbare gesetzliche Abstandnahme vom KapErtrSt-Einbehalt auf die nach § 42 InvStG freigestellten Einkünfte vor. Der Einbehalt von KapErtrSt richtet sich gem. § 50 Abs. 2 Satz 2 InvStG grds. nach den Vorschriften zum KapErtrSt-Abzug gem. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 und Satz 2 EStG. Allerdings ist gem. § 50 Abs. 3 InvStG die besondere Abstandnahme des § 43 Abs. 2 Sätze 3 bis 8 EStG für Kapitalerträge i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 8 bis 12 EStG zu berücksichtigen. Demnach sind insbes. für ausländische Dividenden sowie Veräußerungsgewinne aus Beteiligungen an in- und ausländischen KapGes. Abstandnahmen von der KapErtrSt für den überwiegenden Teil von Anlegern (bestimmte unbeschränkt stpfl. Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen sowie betriebliche Anleger) möglich. Für die nach § 42 InvStG auf Anlegerebene freigestellten, bereits besteuerten inländischen Be- 15 teiligungseinnahmen (Abs. 4) sowie die inländischen Immobilienerträge und sonstige inländische Einkünfte (Abs. 5) sieht das BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung) in Rz. 50.6 eine Nichtbeanstandungsregelung vor. Sind im Falle einer nicht ausgeübten Transparenzoption in den ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen nach § 42 Abs. 4 bzw. Abs. 5 InvStG freizustellende Erträge enthalten, wird es nicht beanstandet, wenn für diese steuerfreien Bestandteile der Einbehalt von KapErtrSt unterbleibt. Dies ist insbes. eine für die Praxis nicht unerhebliche Vereinfachung. Beispielsweise würde die Beteiligung von nach § 6 InvStG partiell stpfl. Dachfonds ohne eine Abstandnahmemöglichkeit vom KapErtrSt-Einbehalt zu einem zwangsweisen Einbehalt mit sich anschließendem Erstattungsverfahren führen. Dies würde sowohl auf Seite des StPfl. als auch für die FinVerw. einen erheblichen Mehraufwand ohne korrespondierenden Mehrwert bedeuten. Es erfolgt gem. § 51 Abs. 1 InvStG eine gesonderte Feststellung der nach § 42 InvStG frei- 16 zustellenden Einkünfte.

1 Bindl/Schober, BB 2020, 609. Meynköhn | 761

§ 42 Rz. 17 | Steuerbefreiung v. Beteiligungseinkünften/Immobilienerträgen 17 In § 15 Satz 1 Nr. 2a KStG wird für die Ermittlung des Einkommens bei Vorliegen einer Or-

ganschaft für die Ebene des Organträgers eine entsprechende Anwendung des § 42 InvStG vorgesehen.

B. Anwendbarkeit des § 3 Nr. 40 EStG (Abs. 1) I. Maßgebliche Kapitalerträge für Steuerbefreiung (Abs. 1 Satz 1) 18 Die Norm erweitert die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens auf Ebene der Anleger

eines in- oder ausländischen Spezial-Investmentfonds, soweit in den ausgeschütteten- und ausschüttungsgleichen Erträgen (§§ 35 und 36 InvStG) bestimmte Ertragsbestandteile enthalten sind. Bei den für die Anwendung des § 3 Nr. 40 EStG maßgeblichen Anlegern handelt es sich um natürliche Personen, die mittelbar über Personengesellschaften oder unmittelbar an einem Spezial-Investmentfonds beteiligt sind.1 Zur Anwendung kommt das Teileinkünfteverfahren sofern in den ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträgen des Spezial-Investmentfonds die folgenden Bestandteile enthalten sind: – Ausländische Kapitalerträge nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 EStG, – Gewinne nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EStG aus der Veräußerung von Anteilen an in- oder ausländischen Körperschaften, die Einkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG vermitteln, – Kapitalerträge nach § 43 Abs. 1 Satz 2 EStG. Bei den ausländischen Kapitalerträgen handelt es sich insbes. um Gewinnausschüttungen (Dividenden) von im Ausland ansässigen KapGes. Hierzu zählen neben den Dividenden auch Gewinnanteile aus Genussrechten. Dies ergibt sich über die Normenkette des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 1a sowie § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Zu den Gewinnen nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EStG zählen insbesondere Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG. Dies sind Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an im In- und Ausland ansässigen KapGes. Bei Kapitalerträgen nach § 43 Abs. 1 Satz 2 EStG handelt es sich um Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 3 EStG, die anstelle der vorab bezeichneten Kapitalerträge gewährt werden.

II. Ausschluss der Steuerbefreiung (Abs. 1 Satz 2) 19 Aufgrund des Verweises auf § 3 Nr. 40 EStG sind nur die nach dem Teileinkünfteverfahren

freigestellten Erträge auf Ebene des Anlegers freizustellen.2 Hierunter fallen insbes. auch die Veräußerungsgewinne von Anteilen an im In- und Ausland ansässigen KapGes. (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 Alt. 1 EStG). Da § 42 Abs. 1 Satz 1 InvStG auf den § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EStG verweist, wären auch Veräußerungen von Anteilen an Investmentfonds von der Steuerbefreiung erfasst (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 Alt. 2 EStG). Der Gesetzgeber hat daher durch eine Erweiterung des § 42 Abs. 1 Satz 2 InvStG i.d.F. ab 1.1.2020 ausdrücklich geregelt, dass § 3 Nr. 40 EStG nicht auf die Veräußerungsgewinne von Anteilen an Investmentfonds i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 2 Abs. 13 InvStG anzuwenden ist.3

20 Daneben ist gem. § 42 Abs. 1 Satz 2 InvStG in den Fällen des § 30 Abs. 3 Nr. 1 und 2 InvStG

eine Anwendung des Teileinkünfteverfahrens ausgeschlossen.4 Eine Anwendung des Teilein1 2 3 4

Jesch in Moritz/Jesch/Mann2, § 42 InvStG Rz. 24. Brandl in Brandis/Heuermann, § 42 InvStG Rz. 12. BT-Drucks. 19/813436 v. 23.9.2019, 181. Jesch in Moritz/Jesch/Mann2, § 42 InvStG Rz. 32–34; ebenso keine Anwendung auf Unterstützungskassen, Pensionsfonds und unter bestimmten Umständen auf Finanzunternehmen i.S.d. § 1 Abs. 3 KWG.

762 | Meynköhn

C. Anwendbarkeit des § 8b KStG (Abs. 2) | Rz. 24 § 42

künfteverfahrens ist somit analog zu der Regelung in § 3 Nr. 40 Satz 2 EStG nicht möglich, sofern der Anleger entweder eine Lebens- oder Krankenversicherung ist und der Spezial-Investmentanteil der Kapitalanlage zuzurechnen ist. Entsprechend ist gem. § 30 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG das Teileinkünfteverfahren auch dann ausgeschlossen, wenn der Anleger ein Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut ist und der Spezial-Investmentfonds im wesentlichen Umfang Anteile an Gesellschaften hält, die bei einem unmittelbaren Erwerb dieser Anteile durch das o.g. Institut dem Handelsbestand i.S.d. § 340e Abs. 3 HGB oder dem Umlaufvermögen zuzuordnen wären.

C. Anwendbarkeit des § 8b KStG (Abs. 2) I. Steuerbefreiung für ausländische Kapitalerträge (Abs. 2 Satz 1) § 42 Abs. 2 Satz 1 InvStG gewährt den Anlegern die Anwendung des Beteiligungsprivilegs nach 21 § 8b Abs. 1, 4 und 5 KStG für Gewinnausschüttungen von im Ausland ansässigen KapGes. i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 EStG, soweit diese in den ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen enthalten sind. Darüber hinaus ist das Beteiligungsprivileg auch für Kapitalerträge anzuwenden, die anstelle der Gewinnausschüttung gewährt werden (§ 43 Abs. 1 Satz 2 EStG). Zur Anwendung des Beteiligungsprivilegs kommt es allerdings nur, soweit die Voraussetzun- 22 gen des § 30 Abs. 2 InvStG erfüllt sind. § 30 Abs. 2 InvStG verweist zur Anwendung des Beteiligungsprivilegs auf die Anforderungen des § 30 Abs. 3 InvStG. Anwendbar ist die Steuerbefreiung daher nur für Anleger, die Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen i.S.d. § 1 KStG sind. Von der Anwendung ausgeschlossen sind – entsprechend der Regelung in § 8b Abs. 7 und 8 KStG – Lebens- und Krankenversicherungen sowie Kreditund Finanzdienstleistungsinstitute und Finanzunternehmen i.S.d. KWG. Des Weiteren muss es sich gem. § 30 Abs. 2 Nr. 1 InvStG bei der ausschüttenden Gesellschaft um eine Gesellschaft i.S.d. § 26 Nr. 6 Satz 2 InvStG handeln. Diese sind abschließend aufgezählt: – Immobilien-Gesellschaften, – ÖPP-Projektgesellschaften und – sog. Erneuerbare-Energien-Gesellschaften. An diesen Gesellschaften ist gem. § 26 Nr. 6 Satz 2 InvStG eine Beteiligung von über 10 % möglich, was wiederum Voraussetzung für eine Anwendung von § 8b KStG ist. Der auf den Anleger durchgerechnete Anteil muss mindestens 10 % betragen (§ 8b Abs. 4 KStG). Praxisrelevant sind insbesondere Immobilien-Kapitalgesellschaften.1 An einer Begriffsdefi- 23 nition der Immobilien-Gesellschaft mangelt es im InvStG. Hierfür muss auf die aufsichtsrechtliche Definition des KAGB zurückgegriffen werden. Ein Verweis auf das KAGB im Zusammenhang mit Immobilien-Gesellschaften findet sich allerdings nur in § 15 Abs. 2 Satz 2 InvStG. Dort wird auf Immobilien-Gesellschaften i.S.d. § 1 Abs. 19 Nr. 22 KAGB verwiesen. Ebenso greift das BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung) zur Begriffsdefinition auf die Regelungen des KAGB zurück (Rz. 2.35). Demnach sind Immobilien-Gesellschaften Gesellschaften, die nach ihrer Satzung bzw. nach Gesellschaftsvertrag nur direkte Immobilieninvestitionen sowie die zur Bewirtschaftung erforderlichen Gegenstände erwerben dürfen (§ 1 Abs. 19 Nr. 22 KAGB) sowie Beteiligungen an anderen Immobilien-Gesellschaften (mittelbare Immobilieninvestition) halten dürfen (§ 238 KAGB). Zusätzlich muss der Anleger für eine Anwendung des Beteiligungsprivilegs gem. § 30 Abs. 2 24 Nr. 2 InvStG durchgerechnet die in § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG vorgesehene Mindestbeteiligung

1 Bindl/Leidel, DB 2018, 722 (727). Meynköhn | 763

§ 42 Rz. 24 | Steuerbefreiung v. Beteiligungseinkünften/Immobilienerträgen von 10 % am Kapital der Gesellschaft halten. Die Berechnung der Höhe der Beteiligung erfolgt dabei mittelbar über die vom Spezial-Investmentfonds gehaltene Beteiligung. 25 Dass die Anwendbarkeit des Beteiligungsprivilegs an die Voraussetzungen des Vorliegens ei-

ner der in Rz. 22 genannten Gesellschaftstypen anknüpft, ist u.E. nur deklaratorischer Natur. Da bereits aus den Anforderungskriterien des Spezial-Investmentfonds des § 26 Nr. 6 InvStG hervorgeht, dass die Beteiligung am Kapital einer KapGes. unter 10 % liegen muss, es sei denn, es handelt sich um eine der in Rz. 22 genannten Gesellschaftsarten. Das Schachtelprivileg des § 8b Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 KStG sieht für eine Anwendung des Beteiligungsprivilegs bei Gewinnausschüttungen eine Mindestbeteiligung von 10 % am Kapital der KapGes. vor. § 8b Abs. 1 und 5 KStG können demnach ohnehin nur bei Immobilien-Gesellschaften, ÖPP-Projektgesellschaften und Erneuerbare-Energien-Gesellschaften zur Anwendung kommen, da ansonsten die Voraussetzungen zur Qualifikation als Spezial-Investmentfonds nicht erfüllt sind bzw. bei einem Neuerwerb der Beteiligung an der Gesellschaft verloren gehen würden.

26 Nach h.M. ist für Zwecke der durchgerechneten Beteiligungshöhe des Anlegers an der aus-

schüttenden Gesellschaft nur auf den Zeitpunkt der Gewinnausschüttung abzustellen und nicht darauf, dass diese Beteiligung bereits zum Beginn des Kalenderjahres bestanden hat.1 Die FinVerw. sieht im Verweis auf § 8b KStG jedoch einen Rechtsgrundverweis vor, woraus sich schließen lässt, dass sämtliche Voraussetzungen des Schachtelprivilegs des § 8b Abs. 4 KStG von den Anlegern zu erfüllen sind.2 Dies bedeutet, dass nach Auffassung der FinVerw. ein Anleger bereits zu Beginn des Geschäftsjahres bzw. bei unterjährigem Zukauf von Anteilen am Spezial-Investmentfonds mittelbar zu mindestens 10 % am Kapital der Gesellschaft beteiligt ist bzw. in einem Vorgang durchgerechnet 10 % der Beteiligung erwirbt. Diese systematische Einordnung der FinVerw. ist insbes. unter dem Aspekt der steuermissbräuchlichen Gestaltung im Zusammenhang mit Gewinnausschüttungen und des Zeitpunkts der Zurechnung nachvollziehbar.3 Jedoch ist diese in der Praxis schwer umzusetzende Anforderung insbes. für Immobilien-Spezial-Investmentfonds eine enorme Herausforderung, da es sich bei den für die Anwendung von § 8b KStG relevanten Immobilien-KapGes. regelmäßig um nicht börsengehandelte Anteile handelt. Demnach ist bei mehreren Anteilscheingeschäften im Kalenderjahr der verwaltungstechnische Aufwand zur Nachhaltung und Prüfung dieser Voraussetzungen erheblich, ohne dass hier ein nennenswertes Risiko aufseiten der FinVerw. besteht. Die Literatur sieht daher zumindest für den unterjährigen Erwerb einer Beteiligung von mindestens 10 % eine Anwendung der Rückwirkungsfiktion des § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG vor.4

II. Steuerbefreiung für Veräußerungsgewinne (Abs. 2 Satz 2) 27 Sofern in den ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen Kapitalerträge nach § 43

Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 und Satz 2 EStG enthalten sind, ist für diese auf Anlegerebene das Beteiligungsprivileg nach § 8b Abs. 2 und 3 KStG anzuwenden.

1 § 38 Abs. 2 InvStG definiert den steuerlichen Zuflusszeitpunkt der Gewinnausschüttung auf Fondsebene am Tag des Dividendenabschlags. Gemäß Rz. 38.12 definiert die FinVerw. den Tag des Dividendenabschlags als der Tag, nach dem die Aktie ohne Dividendenanspruch (Ex-Tag) gehandelt wird. Dies ist bei börsengehandelten Aktien problemlos ermittelbar. Jedoch ist insb. bei Immobilien-KapGes. i.S.d. § 26 Nr. 6 InvStG ein solcher Tag nur selten ermittelbar, da es sich hier regelmäßig um nicht börsengehandelte Anteile an KapGes. handelt. Unseres Erachtens ist daher analog zu § 44 Abs. 2 Satz 2 EStG auf den im Ausschüttungsbeschluss gefassten Tag der Ausschüttung als Zufluss abzustellen. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 42.10. 3 Hier insb. Gestaltungen im Zusammenhang mit Cum-/Cum- und Cum-/Ex-Transaktionen. 4 Stadler/Sotta, BB 2020, 279 (281); Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 30 InvStG Anm. 10 (Stand: August 2021).

764 | Meynköhn

D. Erfordernis der steuerlichen Vorbelastung für Beteiligungseinkünfte (Abs. 3) | Rz. 32 § 42

Davon umfasst sind Veräußerungsgewinne von Anteilen an im In- und Ausland ansässigen 28 KapGes., die Einkünfte i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG vermitteln. Weiterhin sind auch die Kapitalerträge nach § 43 Abs. 1 Satz 2 und § 20 Abs. 3 EStG umfasst, die statt der Kapitalerträge nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EStG gezahlt werden.1 Sofern es auf Anlegerebene zulässigerweise zur Anwendung des Beteiligungsprivilegs kommt, sind 100 % der Veräußerungsgewinne steuerfrei zu stellen, wovon 5 % jedoch als nicht abziehbare BA gelten, §§ 8b Abs. 2 und 3 KStG. Demnach unterliegen effektiv 95 % der Veräußerungsgewinne keiner Besteuerung auf Anlegerebene. Zu betonen ist an dieser Stelle noch, dass durch das Thesaurierungsprivileg des § 36 Abs. 2 29 InvStG sowohl die Anwendung des § 3 Nr. 40 EStG als auch § 8b KStG mangels vorigen steuerlichen Zuflusses auf Anlegerebene teilweise erst in späteren VZ zur Anwendung kommt.

III. Ausschluss der Steuerbefreiung (Abs. 2 Satz 3) Analog zur Regelung zur Anwendung des Teileinkünfteverfahrens nach § 42 Abs. 1 Satz 1 30 InvStG sind ausschließlich Veräußerungsgewinne aus Anteilen an KapGes. i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbefreit. Die Anwendung des § 8b KStG entfällt für Veräußerungsgewinne aus Anteilen an Investmentfonds nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 2 Abs. 13 InvStG, die grds. ebenfalls von § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EStG umfasst sind. Dies hat der Gesetzgeber, wie in § 42 Abs. 1 Satz 2 InvStG, mit dem „JStG 2019“2 nachträglich nur zur Klarstellung eingefügt.3 Des Weiteren ist über den Verweis auf § 30 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 sowie Satz 2 InvStG die 31 Anwendung des Beteiligungsprivilegs ausgeschlossen, sofern der Anleger eine Lebens- oder Krankenversicherung ist und der Spezial-Investmentanteil der Kapitalanlage zuzurechnen ist (entsprechend der Regelung in § 8b Abs. 8 KStG). Alternativ ist die Anwendung des Beteiligungsprivilegs auch dann ausgeschlossen, wenn der Anleger ein Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut ist und der Spezial-Investmentfonds im wesentlichen Umfang Anteile an Gesellschaften hält, die bei einem unmittelbaren Erwerb dieser Anteile durch das o.g. Institut dem Handelsbestand i.S.d. § 340e Abs. 3 HGB oder dem Umlaufvermögen zuzuordnen wären (analog zur Regelung in § 8b Abs. 7 KStG).

D. Erfordernis der steuerlichen Vorbelastung für Beteiligungseinkünfte (Abs. 3) I. Ausschluss der Steuerbefreiung (Abs. 3 Satz 1) § 42 Abs. 3 InvStG regelt besondere Ausnahmefälle, bei denen die Anwendung der Abs. 1 und 32 2 zu einem unsachgemäßen Ergebnis führen würden. Die Steuerbefreiungen des Teileinkünfteverfahrens und des Beteiligungsprivilegs sollen in ihrer Wirkung eine Doppelbesteuerung des gleichen steuerlichen Ertrags vermeiden. Bei fehlender steuerlicher Vorabbelastung auf Ebene der ausschüttenden Gesellschaft entfällt der Grund für eine derartige Befreiungsregelung.

1 Siehe für weitere Erläuterungen Haug in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 43 InvStG Anm. 54 (Stand: August 2021). 2 G v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451. 3 BT-Drucks. 19/813436 v. 23.9.2019, 181. Meynköhn | 765

§ 42 Rz. 33 | Steuerbefreiung v. Beteiligungseinkünften/Immobilienerträgen 33 Gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 InvStG sind das Teileinkünfteverfahren sowie das Beteiligungsprivi-

leg der Abs. 1 und 2 nicht anzuwenden, wenn es sich zwar um die von § 42 Abs. 1 und 2 InvStG grds. umfassten Kapitalerträge (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 9 sowie Satz 2 EStG) handelt, diese aber aus einer steuerlich nicht vorbelasteten Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse stammen.

II. Begriff der steuerlichen Vorbelastung (Abs. 3 Satz 2) 34 Die Regelung des § 42 Abs. 3 Satz 2 InvStG lässt sich unterteilen in eine Nichtanwendung der

Steuerbefreiung für – Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen, die keiner Ertragsbesteuerung unterliegen. Nach der Gesetzesbegründung sind unter diese Gruppe Körperschaften zu fassen, die in ihrem Ansässigkeitsstaat keiner Ertragsbesteuerung unterliegen, weil z.B. in dem Staat keine Ertragsbesteuerung vorgenommen wird. Hierunter könnte z.B. die Luxemburgische SICAR oder die US Regulated Investment Company zu fassen sein.1 – Ausländische Gesellschaften, für die eine persönliche Steuerbefreiung abhängig vom Gesellschaftstyp in ihrem Sitzstaat vorgesehen ist. Diese Steuerbefreiung würde z.B. bei der Luxemburgischen SA SICAV-SIF vorliegen, sodass die Regelung des § 42 Abs. 1 und 2 InvStG auf die Beteiligungserträge aus dieser Gesellschaft nicht anwendbar ist.2 – Gesellschaften, die insoweit von der Ertragsbesteuerung steuerbefreit sind, wie Ausschüttungen vorgenommen werden. Hauptanwendungsfall dieser sachlichen Steuerbefreiung sollten neben Luxemburgischen Verbriefungsgesellschaften3 sog. US-REITs bzw. REIT-AG nach § 16 REITG sein.4 Diese sind bei entsprechender Ausschüttungsquote ihres Jahresüberschusses von der Ertragsbesteuerung befreit. Demnach sind insbes. sog. REIT-Dividenden und Veräußerungsgewinne von im In- und Ausland ansässigen REIT-Gesellschaften von § 42 Abs. 3 Sätze 1 und 2 InvStG umfasst. Auf diese Kapitalerträge darf mangels Vorabbesteuerung weder das Teileinkünfteverfahren noch das Beteiligungsprivileg angewandt werden.

III. Sonderfall REIT (Abs. 3 Satz 3) 35 § 42 Abs. 3 Satz 3 InvStG sieht wiederum eine Rückausnahme von der in Abs. 3 Satz 1 vor-

gesehenen Ausnahmeregelung vor. Demnach sind für REIT-Dividenden die Abs. 1 und 2 anzuwenden, soweit diese aus einer REIT-Gesellschaft stammen und die Dividende aus Teilen besteht, die steuerlich vorbelastet sind (§ 19a Abs. 1 Satz 1 REITG). Die REIT-Dividende stammt aus einem steuerlich vorbelasteten Teil, sofern dieser Teil im jeweiligen Veranlagungszeitraum mit mindestens 15 % inländischer KSt oder einer vergleichbaren ausländischen Steuer tatsächlich und effektiv belastet wurde (§ 19a Abs. 2 Satz 2 REITG). Eine derartige Vorbelastung ist meist dann gegeben, wenn der REIT über direkte und unmittelbar gehaltene ausländische Immobilienbestände bzw. ausländische Immobilien-Gesellschaften verfügt, die einer entsprechenden ausländischen Ertragsbesteuerung unterlegen haben.

1 2 3 4

BT-Drucks. 18/8045, 113; ausführlich hierzu Jesch in Moritz/Jesch/Mann2, § 42 InvStG Rz. 58 und 61. BT-Drucks. 18/8045, 113; ausführlich hierzu Jesch in Moritz/Jesch/Mann2, § 42 InvStG Rz. 56 und 59. Jesch in Moritz/Jesch/Mann2, § 42 InvStG Rz. 60. Brandl in Brandis/Heuermann, § 42 InvStG Rz. 25.

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E. Umfang der Steuerbefreiung für Beteiligungseinnahmen (Abs. 4) | Rz. 38 § 42

E. Umfang der Steuerbefreiung für inländische Beteiligungseinnahmen (Abs. 4) I. Teilweise Steuerbefreiung von Kapitalerträgen (Abs. 4 Satz 1) § 42 Abs. 4 Satz 1 InvStG sieht eine Teilfreistellung i.H.v. 60 % für die ausgeschütteten und 36 ausschüttungsgleichen Erträge vor, soweit diese inländische Beteiligungseinnahmen enthalten, die bereits – mangels Ausübung der Transparenzoption gem. § 30 InvStG – vom Spezial-Investmentfonds versteuert wurden.1 Der Anwendungsbereich der teilweisen Steuerbefreiung ist eher eingeschränkt, da in der Regel für die relevanten Anlegergruppen die Option ausgeübt wird bzw. sich diese als Gesellschaften, auf die das KStG anzuwenden ist, für die vollständige Steuerbefreiung qualifizieren. Diese Freistellung wird, ähnlich wie bei den Abs. 1 und 2, vom Grundgedanken der Vermeidung einer doppelten Besteuerung desselben steuerlichen Ertrags getragen. Aufgrund der klar abgrenzbaren Anwendungsfälle der Abs. 1 und 2 für ausländische Beteiligungseinnahmen und des Abs. 4 für inländische Beteiligungseinnahmen kommt es auch zu keinem Konkurrenzverhältnis zwischen den Abs. 1 und 2 einerseits sowie des Abs. 4 andererseits (vgl. zum Hintergrund Rz. 8). Damit es zur Anwendung der Freistellung kommt, müssen inländische Beteiligungseinnah- 37 men bereits vom Fonds besteuert worden sein. Dabei handelt es sich i.d.R. um Gewinnausschüttungen (Dividenden) aus im Inland ansässigen Körperschaften. Der Spezial-Investmentfonds darf zugleich keinen Gebrauch von der Option nach § 30 Abs. 1 InvStG gemacht haben. Der Spezial-Investmentfonds unterliegt daher im Rahmen eines abgeltenden KapErtrSt-Einbehalts i.H.v. 15 % inkl. SolZ der StPfl. (§ 6 Abs. 2 und 3, § 7 Abs. 1 und 2 InvStG). Demnach gilt der Fonds als Gläubiger der Kapitalerträge und Schuldner der KapErtrSt (Umkehrschluss aus § 30 Abs. 1 Satz 2 InvStG). Als Ausgleich für diese Vorabbesteuerung werden auf Anlegerebene 60 % der bereits besteuerten inländischen Beteiligungseinnahmen freigestellt. Dieser vergleichsweise hohe Freistellungssatz hat den Hintergrund, dass der Ertrag bereits auf zwei vorherigen Stufen besteuert wurde – erst auf Ebene der ausschüttenden Körperschaft und anschließend auf Ebene des Spezial-Investmentfonds (so auch der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung)2. Des Weiteren begründet der Gesetzgeber die Höhe des Freistellungssatzes damit, dass die Gesamtsteuerbelastung nicht weniger, aber auch nicht wesentlich höher als bei einem Direktanleger mit der höchsten Progression sei.3 Einer wortgenauen Auslegung nach ist die Freistellung immer dann zu gewähren, wenn der 38 Anleger an einem Spezial-Investmentfonds beteiligt ist, der die inländischen Beteiligungseinnahmen selbst versteuert hat. Dies ist bei einer einstufigen Struktur (Anleger an Spezial-Investmentfonds mit Beteiligung an inländischer KapGes.) zweifelsfrei gegeben. Anders als es eine wortgenaue Auslegung der Norm zur Folge hätte, darf es bei sach- und zweckgerechter Auslegung nicht zu dem Ergebnis kommen, dass bei mehrstufigen Fondsstrukturen (Anleger an Dach-Spezial-Investmentfonds mit Beteiligung an Ziel-Spezial-Investmentfonds, welcher eine Beteiligung an der ausschüttenden KapGes. hält) die inländischen Beteiligungseinnahmen auf Anlegerebene erneut der Ertragsbesteuerung unterliegen. Diese Problematik hat das BMF ebenfalls erkannt und aufgegriffen.4 Demzufolge ist die Norm über den Wortlaut hinaus zweckgerichtet auszulegen. Für die Anwendung der Freistellung reicht es daher aus, wenn eine der untergeordneten Spezial-Investmentfonds-Ebenen die inländischen Beteiligungsein-

1 Jesch in Moritz/Jesch/Mann2, § 42 InvStG Rz. 64 ff., und zur mittelbaren Erzielung von Beteiligungserträgen Rz. 75 f. 2 BT-Drucks. 18/8045, 113. 3 BT-Drucks. 18/8045, 113. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 42.18. Meynköhn | 767

§ 42 Rz. 38 | Steuerbefreiung v. Beteiligungseinkünften/Immobilienerträgen nahmen versteuert hat. Demnach reicht es für den Anleger aus, wenn einmal in der „Investmentkette“ eine Besteuerung der Beteiligungserträge erfolgt ist.1 39 Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 InvStG gilt die teilweise Steuerbefreiung von inländischen Betei-

ligungserträgen für Anleger, die ihren Anteil im Betriebsvermögen halten, grds. nicht für Zwecke der GewSt. Eine Ausnahme regelt unter bestimmten Voraussetzungen § 45 Abs. 1 Satz 2 InvStG, sodass z.B. für Dividenden aus Immobilien-Gesellschaften die Teilfreistellung – nach § 45 Abs. 2 InvStG hälftig, d.h. i.H.v. 30 % – auch für die Ermittlung der GewSt greifen kann.

40 Analog zu anderen Steuerbefreiungsregelungen ist das entsprechende Abzugsverbot gem.

§ 44 InvStG zu beachten.

II. Vollständige Steuerbefreiung von Kapitalerträgen (Abs. 4 Satz 2) 1. Vorbemerkung 41 Unter bestimmten Voraussetzungen sieht der Gesetzgeber für den Großteil der Anleger von

Spezial-Investmentfonds eine vollständige Freistellung für inländische Beteiligungseinnahmen i.H.v. 100 % vor, soweit diese in den ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen enthalten sind. Für die vollständige Steuerbefreiung muss der Anleger dem Körperschaftsteuergesetz unterliegen und der Spezial-Investmentfonds darf keinen Ermäßigungsanspruch aus einem DBA aufgrund eines darin festgelegten Quellensteuerhöchstsatzes von unter 15 % haben.

42 Die Vorteilhaftigkeit der Anwendung der Freistellung ist u.a. davon abhängig, ob eine Betei-

ligung des Spezial-Investmentfonds an der inländischen KapGes. von mehr oder weniger als 10 % vorliegt, welche steuerliche Qualifikation der Anleger hat und ob es maßgebliche BA oder Verlustverrechnungsmöglichkeiten auf Anlegerebene gibt:2 Ausübung der Transparenzoption grundsätzlich von Vorteil, wenn

Keine Ausübung der Transparenzoption grundsätzlich von Vorteil für/wenn

– auf Anlegerebene § 8b KStG zur Anwendung kommt (d.h., wenn Beteiligung mindestens 10 % und Vorliegen z.B. einer Immobilien-Gesellschaft).

– eine Beteiligung von weniger als 10 % vorliegt und somit eine Anwendung des § 8b KStG ausgeschlossen ist (zusätzlicher Vorteil i.H.d. SolZ, da bei Einbehalt gegenüber Fonds 15 % inkl. SolZ statt 15 % zzgl. SolZ [Einbehalt gegenüber Anleger bzw. bei Veranlagung des Anlegers] anfallen).

– auf Anlegerebene hohe Ausgaben im Zusam- – geringe Ausgaben im Zusammenhang mit menhang mit der Beteiligung am Investdem Investment in die Fondsanteile vorliegen mentfonds vorliegen, die bei Nicht-Ausübung und daher das mit der Freistellung zusamdem Abzugsverbot unterliegen würden. menhängende Abzugsverbot keine maßgebliche Wirkung entfaltet. – bei Versicherungen (Lebens-/Krankenversicherungen) die Möglichkeit zur Bildung einer Rückstellung für Beitragsrückerstattung auf Grundlage der zufließenden Brutto- statt der Nettodividende erfolgen kann.

– keine Möglichkeit zur Bildung einer Rückstellung für Beitragsrückerstattung besteht.

1 So auch Bindl/Leidel, BB 2018, 151 (153); Bindl/Schober, BB 2020, 599 (608). 2 Jesch in Moritz/Jesch/Mann2, § 42 InvStG Rz. 87 ff.; Bindl/Stadler in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 42 InvStG Rz. 53.

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E. Umfang der Steuerbefreiung für Beteiligungseinnahmen (Abs. 4) | Rz. 45 § 42 Ausübung der Transparenzoption grundsätzlich von Vorteil, wenn

Keine Ausübung der Transparenzoption grundsätzlich von Vorteil für/wenn

– es sich bei den Anlegern um steuerbefreite Investoren wie Kirchen oder Stiftungen handelt, die ansonsten bei Einbehalt gegenüber dem Spezial-Investmentfonds definitiv belastet werden würden.

– die Ausübung der Transparenzoption auf Anlegerebene zu einem Einbehalt von 15 % zzgl. SolZ führen würde, da gegenüber dem Spezial-Investmentfonds bei Nichtausübung der Transparenzoption 15 % inkl. SolZ mit Abgeltungswirkung einbehalten werden (z.B. vorteilhaft für Versorgungswerke).

Greift die gewerbesteuerliche Ausnahmeregelung des § 45 Abs. 1 Satz 2 InvStG, ist aufgrund der Weitergabe der Freistellung ebenfalls eine Ausübung der Transparenzoption vorteilhaft.

Ist die Ausnahmeregelung des § 45 Abs. 1 Satz 2 InvStG z.B. mangels des Investments über Immobilien-Gesellschaften nicht anwendbar, ist die Nichtausübung der Transparenzoption von Vorteil, da dann nur der Netto-Betrag der Dividende besteuert wird.

Aufgrund des Zuflusses der Dividende i.H.d. Brutto-Betrages ist bei bestehenden Verlusten auf Anlegerebene eine höhere Verlustverrechnung möglich.

Bei Nichtvorliegen oder geringen Verlusten auf Anlegerebene ist eine Nichtausübung der Transparenzoption weniger nachteilig.

Bei Immobilienfonds mit mehr als 10-prozentigen Investitionen über Immobilien-KapGes. wird die Freistellung nach § 42 Abs. 4 Satz 2 InvStG keine breite Anwendung finden, da in der Regel die Ausübung der Transparenzoption für die Anleger (mit Ausnahme von z.B. Versorgungswerken) von Vorteil ist. In Abgrenzung zu den Abs. 1 und 2 sowie im Zusammenspiel mit § 8b KStG sind nach § 42 43 Abs. 4 Satz 2 InvStG 100 % der inländischen Beteiligungseinnahmen steuerfrei. Eine ähnliche Regelung wie § 8b Abs. 3 und 5 KStG hinsichtlich der pauschal nicht abziehbaren BA i.H.v. 5 % der Gewinnausschüttung/des Veräußerungsgewinns sieht § 42 Abs. 4 Satz 2 InvStG nicht vor. Es kommt somit zu einer effektiven Freistellung von 100 %. Jedoch ist in diesem Zusammenhang die beschränkte Abzugsfähigkeit von BA und anderen Aufwendungen zu beachten (s. hierzu § 44 InvStG Rz. 12 ff.).1 Die Freistellung gilt sowohl für Zwecke der ESt und der KSt als auch unter den besonderen 44 Voraussetzungen des § 45 InvStG (s. hierzu § 45 InvStG Rz. 16 ff.) für die GewSt.2 Da bei Nichtausübung der Option keine Gewerbesteuerbelastung auf Fondsebene vorliegt, wird diese auf Anlegerebene nachgeholt.3 Eine Wirkung der Freistellung auch für Gewerbesteuerzwecke gilt z.B. für inländische Dividenden von Immobilien-Gesellschaften. 2. Erfordernis der Anwendbarkeit des KStG (Abs. 4 Satz 2 Nr. 1)

Der Anleger muss dem KStG unterliegen. Der Gesetzgeber betont in der Gesetzesbegründung,4 45 dass es unerheblich sei, ob der Anleger tatsächlich der KSt unterliegt oder ggf. persönlich hiervon befreit ist. Relevant ist insbes. eine prinzipiell vorliegende unbeschränkte (§ 1 KStG) oder beschränkte (§ 2 KStG) Körperschaftsteuerpflicht, sodass diese Freistellung für Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen i.S.d. § 2 KStG relevant ist. Unter den Anwendungsbereich dieser Freistellung fallen daher auch Investmentfonds oder Spezial-Invest1 Jesch in Moritz/Jesch/Mann2, § 42 InvStG Rz. 85; Bindl/Stadler in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 42 InvStG Rz. 51. 2 Korff, DStR 2018, 943 (945). 3 Jesch in Moritz/Jesch/Mann2, § 42 InvStG Rz. 86; Bindl/Stadler in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 42 InvStG Rz. 52. 4 BT-Drucks. 18/8045, 113. Meynköhn | 769

§ 42 Rz. 45 | Steuerbefreiung v. Beteiligungseinkünften/Immobilienerträgen mentfonds, die als inländische Zweckvermögen nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG gelten und unbeschränkt stpfl. sind (§ 6 Abs. 1 Satz 1, § 29 Abs. 1 InvStG). Ausländische Investmentfonds gelten als Vermögensmassen nach § 2 Nr. 1 KStG und sind beschränkt körperschaftsteuerpflichtig (§ 6 Abs. 1 Satz 2, § 29 Abs. 1 InvStG). Dies ist relevant für Dachfonds-Zielfonds-Strukturen und stellt eine Weitergabe der Freistellung an den Anleger über die Stufen sicher. 3. Ausschluss der DBA-Anwendbarkeit (Abs. 4 Satz 2 Nr. 2) 46 Die vollständige Steuerbefreiung auf Anlegerebene hängt des Weiteren davon ab, dass die in-

ländischen Beteiligungseinnahmen auf Ebene des Spezial-Investmentfonds einer Vorabbesteuerung i.H.v. 15 % unterlagen.1 Insbesondere ausländische Spezial-Investmentfonds können in ihrem Sitzstaat aufgrund eines DBA einem niedrigeren Quellensteuerhöchstsatz als 15 % unterliegen.2 Liegt dem Spezial-Investmentfonds demnach ein Erstattungsanspruch auf zu viel gezahlte Quellensteuer vor, entfällt die vollständige Befreiung nach § 42 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 InvStG. Da bereits das bloße Bestehen eines Erstattungsanspruchs zum Ausschluss der vollständigen Steuerbefreiung führt, ist dieser Regelungswortlaut u.E. nicht immer zutreffend und führt teilweise zu einem unsachgemäßen Ergebnis.3 Vielmehr sollte ein Nachweis über den tatsächlichen Quellensteuer-Einbehalt zu dem Ergebnis führen, ob eine vollständige Freistellung aufgrund entsprechender Vorabbelastung zu gewähren wäre. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber diese Formulierung jedoch bewusst so gewählt hat. Insbesondere führt aus Sicht der FinVerw. der organisationsbedingte Aufwand bei der Prüfung und Nachhaltung, dass vom Erstattungsanspruch, teilweise auch in späteren VZ, kein Gebrauch gemacht wurde, zu einem schwer administrierbaren und fehleranfälligen System.

47 Abschließend gilt zu betonen, dass vor dem Hintergrund der Systematik des § 42 Abs. 4 Sätze 1

und 2 InvStG grds. immer und für jeden Anleger eine Freistellung von mindestens 60 % zu gewähren ist – insbesondere auch dann, wenn der Anleger zwar dem KStG unterliegt, aber aufgrund § 42 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 InvStG keine vollständige Steuerbefreiung geltend machen kann.

48 Zusammenfassend werden die steuerlichen Wirkungen bei Ausübung der Transparenzoption

bzw. bei Nichtausübung der Transparenzoption gegenübergestellt (vereinfachte Darstellung): Ausübung der Transparenzoption für inländische Beteiligungserträge

Keine Ausübung der Transparenzoption für inländische Beteiligungserträge

– Die Dividende gilt dem Anleger als unmittelbar zugeflossen. – Seitens ausschüttender inländischer KapGes. erfolgt Abstandnahme von der KapErtrSt in Abhängigkeit von Qualifikation des Anlegers bzw. aufgrund des Vorliegens einer entsprechenden NV-Bescheinigung.

– Der Einbehalt von KapErtrSt erfolgt gegenüber dem Spezial-Investmentfonds auf Grundlage seiner Statusbescheinigung i.H.v. 15 % inkl. SolZ. – Dem Anleger steht als Ausgleich für diese Vorbelastung die Freistellung i.H.v. 60 % bzw. 100 % zu.

1 Jesch in Moritz/Jesch/Mann2, § 42 InvStG Rz. 84. 2 BT-Drucks. 18/8045, 113. 3 Siehe hierzu auch Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 42 InvStG Anm. 5 (Stand: August 2021).

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E. Umfang der Steuerbefreiung für Beteiligungseinnahmen (Abs. 4) | Rz. 49 § 42 – Der Anleger versteuert die Dividende im Rah- – Beschränkung des Abzugs von Ausgaben auf men seiner Veranlagung, ggf. unter AnwenAnlegerebene korrespondierend zur Freistellung. dung von § 8b KStG. – Liegt keine Abstandnahmemöglichkeit vor, – Unter bestimmten Umständen wirkt die Freierfolgt ein KapErtrSt-Einbehalt von 25 % zzgl. stellung hälftig für die GewSt. SolZ. Diese kann der Anleger im Rahmen seiner Veranlagung als anrechenbare Steuern geltend machen oder sich erstatten lassen. – Die GewSt wird auf Anlegerebene unter Anwendung der gewerbesteuerlichen Vorschriften für inländische Dividenden ermittelt.

Entsprechend werden die steuerlichen Wirkungen für die verschiedenen Fälle bei Vorliegen 49 von Dach-Zielfonds-Strukturen bei Ausübung der Transparenzoption bzw. bei Nicht-Ausübung der Transparenzoption dargestellt (vereinfachte Darstellung):1 Ausübung der Transparenzoption für inländische Beteiligungserträge

Keine Ausübung der Transparenzoption für inländische Beteiligungserträge

– Dem Anleger des Dachfonds gilt die Dividende als unmittelbar zugeflossen. – Der Einbehalt der KapErtrSt erfolgt durch die inländische KapGes. in Abhängigkeit von Abstandsmöglichkeiten, wie Vorliegen einer NVBescheinigung des Anlegers. – Im Rahmen der Veranlagung des Anlegers erfolgt die Besteuerung der inländischen Dividende – ggf. unter Anwendung des § 8b KStG. – Liegt keine Abstandnahmemöglichkeit vor erfolgt, ein KapErtrSt-Einbehalt von 25 % zzgl. SolZ. Diese kann der Anleger im Rahmen seiner Veranlagung als anrechenbare Steuern geltend machen oder sich erstatten lassen. – Die GewSt wird auf Anlegerebene unter Anwendung der gewerbesteuerlichen Vorschriften für inländische Dividenden ermittelt.

– Durchreichung der Freistellung auf Anlegerebene des Dachfonds, da Besteuerung der Dividende durch Einbehalt der KapGes. gegenüber dem Fonds i.H.v. 15 % inkl. SolZ erfolgt ist. – Dachfonds gilt als Körperschaftsteuersubjekt und qualifiziert somit für die 100-prozentige Freistellung. – Dem Anleger steht als Ausgleich für die Vorbelastung auf Zielfonds-Ebene die Freistellung i.H.v. 60 % bzw. 100 % zu. – Beschränkung des Abzugs von Ausgaben auf Anlegerebene korrespondierend zur Freistellung. – Unter bestimmten Umständen wirkt die Freistellung hälftig für die GewSt.

1 Jesch in Moritz/Jesch/Mann2, § 42 InvStG Rz. 92 ff. Meynköhn | 771

§ 42 Rz. 49 | Steuerbefreiung v. Beteiligungseinkünften/Immobilienerträgen Keine Ausübung der Transparenzoption für inländische Beteiligungserträge durch Dachfonds

– Seitens ausschüttender inländischer KapGes. erfolgt Abstandnahme von der KapErtrSt nicht gegenüber Ziel-Spezial-Investmentfonds, sondern gegenüber Dach-Spezial-Investmentfonds auf Grundlage der Statusbescheinigung i.H.v. 15 % inkl. SolZ. – Dachfonds behält KapErtrSt gegenüber dem Anleger ein. – Dem Anleger fließen Erträge aus einem Spezial-Investmentfonds i.S.d. § 34 InvStG zu. – Aufgrund der Besteuerung für den Dachfonds steht dem Anleger die Freistellung nach § 42 InvStG zu. – Beschränkung des Abzugs von Ausgaben auf Anlegerebene korrespondierend zur Freistellung. – Unter bestimmten Umständen wirkt die Freistellung hälftig für die GewSt.

F. Steuerbefreiung für inländische Immobilienerträge (Abs. 5) I. Teilweise Steuerbefreiung (Abs. 5 Satz 1) 50 Analog zum Regelungsinhalt des Abs. 4 gewährt der Gesetzgeber eine Teilfreistellung i.H.v.

20 % für die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge, soweit diese bereits besteuerte inländische Immobilienerträge oder sonstige inländische Einkünfte beinhalten. Im Vergleich zu den Abs. 1 bis 4 befasst sich Abs. 5 damit explizit nicht mit Beteiligungseinkünften und steht nicht in Konkurrenz zu den vorgenannten Absätzen. Der niedrigere Teilfreistellungssatz ergibt sich laut Gesetzesbegründung aus dem Umstand, dass diese Erträge – im Vergleich zu den inländischen Beteiligungseinnahmen – nur auf Ebene des Spezial-Investmentfonds einer einmaligen Vorabbesteuerung unterlagen und nicht bereits auf Ebene einer Immobilien-Gesellschaft besteuert wurden.1 Unter inländischen Immobilienerträgen lassen sich gem. § 6 Abs. 4 Satz 1 InvStG Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie Gewinne

1 BT-Drucks. 18/8045, 113.

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F. Steuerbefreiung für inländische Immobilienerträge (Abs. 5) | Rz. 52 § 42

aus der Veräußerung von im Inland belegenen Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten verstehen. Sonstige inländische Einkünfte sind gem. § 6 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 InvStG Einkünfte nach § 49 Abs. 1 EStG, mit Ausnahme der Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG,1 sofern sie nicht bereits als inländische Immobilienerträge oder inländische Beteiligungseinnahmen qualifizieren. In der Praxis dürfte es sich bei sonstigen inländischen Einkünften einerseits um mit inländischen Grundpfandrechten besicherte Zinserträge i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa EStG sowie insbes. um Einkünfte aus gewerblichen Immobilien-Personengesellschaften i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG handeln. Eine Anwendung dieser Freistellungsregelung ist u.E. auch für Anleger inländischer Spezial- 51 Investmentfonds – und nicht nur mangels KapErtrSt-Einbehalt für ausländische Spezialinvestmentfonds – anwendbar. Hierbei handelt es sich nicht nur um eine „Auffangregelung“, falls der KapErtrSt-Einbehalt nicht erfolgt ist, sondern faktisch um ein Wahlrecht, entweder über die Veranlagung des Spezial-Investmentfonds eine Besteuerung auf Fondsebene vorzunehmen oder – wie bei einem transparenten Besteuerungssystem – die Besteuerung durch einen KapErtrSt-Einbehalt gegenüber den Anlegern sicherzustellen.2 Dafür spricht auch, dass bei „Wahl“ der Veranlagung Steuerzahlungen des Fonds (für laufende und latente Steuern für den Fall der Veräußerung inländischer Immobilien) auf Fondsebene abgebildet werden müssen und somit über das Fondsvermögen den Anteilspreis beeinflussen. Analog zur Formulierung des § 42 Abs. 4 Satz 1 InvStG muss nicht nur der Spezial-Invest- 52 mentfonds die Erträge bereits besteuert haben. Vielmehr ist auch hier eine sinn- und zweckgerechte Auslegung anzuwenden. Demnach reicht es für die Gewährung der Freistellung aus, dass diese Erträge bereits auf einer vorangestellten Ebene eines Spezial-Investmentfonds besteuert wurden. Dies wird durch die Aussagen des BMF bestätigt.3 Die Teilfreistellung kann daher bei Dach-Zielfonds-Strukturen (ausschließliches Vorliegen von Spezial-Investmentfonds) über die Stufen an den Anleger „weitergegeben“ werden.4 Ergänzend wird der Fall betrachtet, in dem ein Investmentfonds als Zielfonds von einem Spezial-Investmentfonds gehalten wird: – Auf Zielfonds-Ebene werden die inländischen Mieterträge mit 15 % KSt zzgl. Soli versteuert. – Unserer Ansicht nach wird bei Ausschüttung von einem Ziel-Investmentfonds an einen Dach-Spezial-Investmentfonds keine KapErtrSt einbehalten, da dieser „die Teilfreistellung an seine Anleger weiterleitet“ (§ 43 Abs. 3 InvStG). Konkludent lässt sich daraus schließen, dass damit auch der KapErtrSt-Einbehalt bei Ausschüttung von Investmentfonds an Spezial-Investmentfonds entfällt und ebenfalls die Ausschüttung von Spezial-Investmentfonds auf Anlegerebene weitergeleitet wird. – Dies bedeutet zusammengefasst, dass auf Zielfonds-Ebene KSt zzgl. SolZ anfällt sowie ein einmaliger KapErtrSt-Einbehalt bei Ausschüttung von Dach-Spezial-Investmentfonds an dessen Anleger – unter Berücksichtigung der Teilfreistellung – erfolgt. Die Gesetzesformulierung ist an dieser Stelle sehr ungenau. Daher vermuten wir, dass in einem weiteren BMF-Schr. zu Spezial-Investmentfonds dieser Sachverhalt detailliert erläutert und klargestellt wird.

1 Insbes. Veräußerungsgewinne von Anteilen an KapGes. i.S.d. § 17 EStG. 2 Bestätigend BMF v. 8.11.2017 – IV C 1 - S 1980 – 1/16/10010:010, DStZ 2018, 59 Rz. 10; krit. Jesch in Moritz/Jesch/Mann2, § 42 InvStG Rz. 104. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 42.23. 4 Dafür spricht auch die Fortgeltung des sog. doppelten Transparenzprinzips gem. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.7; vgl. auch Bindl/Schober, BB 2020, 599 (608); Bindl/Stadler in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 42 InvStG Rz. 10; Bindl/Leidel, BB 2018, 153. Meynköhn | 773

§ 42 Rz. 53 | Steuerbefreiung v. Beteiligungseinkünften/Immobilienerträgen 53 Die Anwendung der Teilfreistellung i.H.v. 20 % ist u.E. in jedem Fall jedem Anleger des Spe-

zial-Investmentfonds zu gewähren.

54 Da die Steuerbefreiung – im Gegensatz zu § 42 Abs. 4 InvStG – explizit von der Sonderrege-

lung des § 45 InvStG ausgenommen ist, wirkt sie sowohl für die ESt und die KSt als auch für die GewSt (s. hierzu § 45 InvStG Rz. 10 ff.).1 Dies ist durchaus nachvollziehbar, da bei Investments in Immobilien über Gesellschaften die Regelung der erweiterten Grundstückskürzung gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zur Anwendung kommen kann.2

II. Vollständige Steuerbefreiung (Abs. 5 Satz 2) 55 § 42 Abs. 5 Satz 2 InvStG sieht eine analoge Anwendung des § 42 Abs. 4 Satz 2 InvStG vor.

Demnach sind die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge zu 100 % steuerbefreit, soweit sie inländische Immobilienerträge oder sonstige inländische Einkünfte enthalten, der Anleger dem KStG unterliegt und der ausländische Spezial-Investmentfonds aufgrund eines DBA keinen Ermäßigungsanspruch aufgrund eines unterhalb von 15 % liegenden Quellensteuerhöchstsatzes hat (s. hierzu insbes. Rz. 45 ff.). Infrage kämen hier u.E. insbes. Zinsen aus typisch stillen Beteiligungen sowie partiarischen Darlehen, bei denen der ausländische Spezial-Investmentfonds einen Anspruch auf Reduzierung des DBA-Quellensteuersatzes auf unter 15 % hat.

56 Sofern die Beteiligung an einem inländischen Spezial-Investmentfonds besteht und dieser

inländische Immobilienerträge erzielt, kann mangels Auslandsbezugs auch kein DBA zur Anwendung kommen. Daher kommt es für Anleger eines inländischen Spezial-Investmentfonds, die dem KStG unterliegen, in jedem Fall zu einer Freistellung i.H.v. 100 %.

§ 43 Steuerbefreiung aufgrund von Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, der Hinzurechnungsbesteuerung und der Teilfreistellung (1) 1Die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge sind bei der Veranlagung des Anlegers insoweit von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen, als sie aus einem ausländischen Staat stammende Einkünfte enthalten, für die die Bundesrepublik Deutschland aufgrund eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf die Ausübung des Besteuerungsrechts verzichtet hat. 2Satz 1 ist nicht auf Erträge nach § 20 Absatz 1 Nummer 1 und 3 des Einkommensteuergesetzes anzuwenden. 3Satz 2 ist nicht auf Erträge nach § 20 Absatz 1 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes aus einer Gesellschaft im Sinne des § 26 Nummer 6 Satz 2 anzuwenden, soweit 1. der Anleger die persönlichen Voraussetzungen für eine Freistellung nach dem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung erfüllt und

1 Korff, DStR 2018, 943 (945). 2 So auch BMF v. 8.11.2017 – IV C 1 - S 1980 – 1/16/10010:010, DStZ 2018, 59 Rz. 10: Die Steuerfreistellung nach § 42 Abs. 5 InvStG 2018 mindert nach dem geltenden Gesetzeswortlaut die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage. § 45 InvStG ist nicht anwendbar. Krit. Jesch in Moritz/Jesch/Mann2, § 42 InvStG Rz. 109.

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A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 1 § 43

2. die auf die Spezial-Investmentanteile des Anlegers rechnerisch entfallende Beteiligung am Kapital der Gesellschaft die Voraussetzungen für eine Freistellung nach dem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung erfüllt. (2) (weggefallen) (3) Auf ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche Erträge, die aus Ausschüttungen von Investmentfonds, Vorabpauschalen oder Gewinnen aus der Veräußerung von Investmentanteilen stammen, ist die Teilfreistellung nach § 20 entsprechend anzuwenden. [Die Verfasserin dankt Matthias Schmidtheisler für die qualitativ hochwertige Mithilfe bei der Erstellung dieser Kommentierung.] A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . 1 Systematische Einordnung . . . . . . . . . . . . 2 Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . 4 2. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . 5 3. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . 6 IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . 8 B. Steuerbefreiung im Falle einer DBAFreistellung (Abs. 1) I. Anwendbarkeit einer DBA-Freistellung (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

II. Ausschluss der Anwendbarkeit (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Voraussetzungen für Anwendbarkeit der DBA-Freistellung (Abs. 1 Satz 3) 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erfüllung der persönlichen Voraussetzungen (Abs. 1 Satz 3 Nr. 1) . . . . . . . . 3. Maßgebliche Beteiligungshöhe (Abs. 1 Satz 3 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Steuerbefreiung aufgrund Teilfreistellung (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23 26 29 30 32

Literatur: Haase, § 4 Abs. 1 InvStG und ausländische Einkünfte, IStR 2010, 170; Bindl/Mager, Das neue InvStG – Überblick und Korrekturbedarf BB 2016, 2711; Faller/Wolf/Brielmaier, Der Regierungsentwurf zur Reform der Investmentbesteuerung v. 24.2.2016, DB 2016, 488; Haug, Investmentfonds und Außensteuerrecht: Abgrenzungsfragen nach dem InvStRefG, IStR 2016, 597; Helios/Mann, Das Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung, DB-Sonderausgabe 2016, 1; Bindl/Leidel, Immobilieninvestments über Spezial-Investmentfonds nach dem InvStG 2018, DB 2018, 722; Bindl/Leidel, Änderungen im Investmentsteuerrecht durch das „Jahressteuergesetz 2018“, DStR 2019, 241; Staats, Körperschaftsteuererklärungsvordrucke 2018, Stbg 2019, 350; Herr/Link, Verhältnis zwischen InvStG und AStG – Ende der Sperrwirkung aufgrund der ATAD I-Richtlinie?, RdF 2020, 20. Verwaltungsanweisungen: BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 – 1/08/10019, BStBl. I 2009, 931; BMF v. 21.5.2019 – IV C 1 - S 1980 – 1/16/10010, BStBl. I 2019, 527.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck Die Norm regelt diverse sachliche Steuerbefreiungen bestimmter Einkunftsarten. Hierzu zäh- 1 len neben der Freistellung aufgrund eines DBA in Abs. 1 die Freistellung von Gewinnausschüttungen aus Zwischengesellschaften i.S.d. §§ 7 ff. AStG, welche einer Vorabbesteuerung durch die sog. Hinzurechnungsbesteuerung unterlagen, in Abs. 2, sowie die Teilfreistellung nach § 20 InvStG in Abs. 3. Diese Erträge sind auf Anlegerebene (teilweise) freizustellen, soweit sie in den ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen enthalten sind. In § 43 InvStG werden – entsprechend den Regelungen in § 42 InvStG – für bestimmte Einkünfte Steuerfreistellungen vorgesehen, um eine erfolgte steuerliche Vorbelastung auszugleichen und eine Gleichstellung des Anlegers eines Spezial-Investmentfonds mit dem Direktanleger herzustellen. Meynköhn | 775

§ 43 Rz. 2 | Steuerbefreiung aufgrund v. DBA/Hinzurechnungsbesteuerung/Teilfreistellung

II. Systematische Einordnung 2 Die Vorschrift des § 43 InvStG regelt die Steuerfreistellung bestimmter Erträge für die Veranla-

gung des Anlegers eines Spezial-Investmentfonds und stellt somit die Berücksichtigung von in den ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträgen enthaltenen steuerfreien Bestandteilen i.S.d. transparenten Besteuerungssystematik sicher. Die entsprechende Vorgängerregelung zu § 43 Abs. 1 Satz 1 InvStG ist § 4 InvStG a.F.; diese hatte aufgrund des Anwendungsbereichs auch für natürliche Personen als potentielle Anleger einen ausführlicheren Inhalt.

3 § 43 InvStG ist im zweiten Abschnitt des Kapitel 3 des InvStG verortet. Die Vorschrift ist nach

den Vorschriften zur wahlweisen Steuerbefreiung bestimmter Ertragsarten auf Ebene des Spezial-Investmentfonds (§§ 30–33 InvStG), der Definition verschiedener Bestandteile der Erträge aus einem Spezial-Investmentfonds (§§ 34–36 InvStG) sowie der Einkünfteermittlungsmethodik (§§ 37–41 InvStG) platziert. Die Norm führt nach § 42 InvStG weitere Steuerbefreiungen auf Anlegerebene für deren Besteuerung auf.

III. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich 4 § 43 InvStG ermöglicht dem Anleger die Erfassung von in den ausgeschütteten bzw. ausschüt-

tungsgleichen Erträgen des Spezial-Investmentfonds enthaltenen steuerfreien Bestandteilen (§ 35 Abs. 1 InvStG und § 34 Abs. 1 Nr. 3 InvStG). Die steuerfreien Bestandteile auf Vermögensebene, d.h. die Steuerbefreiung für die Rückgabe/Veräußerung von Investmentanteilen ist in den §§ 48 f. InvStG geregelt (§ 34 Abs. 1 Nr. 3 InvStG). Voraussetzung für die Anwendung der Steuerfreistellung nach § 43 Abs. 1 und 3 InvStG auf Ertragsebene ist daher, dass entsprechende Fonds-Abkommens- und -Teilfreistellungsgewinne ermittelt und veröffentlicht werden (§ 48 Abs. 2 Sätze 2 und 3 InvStG). Bei den ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträgen handelt es sich um folgende sachliche Steuerbefreiungen: – Abs. 1 regelt die Freistellung bestimmter Einkunftsarten aus dem Ausland, für die die Bundesrepublik Deutschland ein DBA abgeschlossen hat und für die die Bundesrepublik Deutschland die Freistellung als Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vorgesehen hat. – Abs. 2 berücksichtigt die Steuerfreistellung gem. § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG bei der Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG. – Abs. 3 gewährt die Teilfreistellung auf Anlegerebene bei einer mittelbaren Beteiligung an einem Investmentfonds über einen Spezial-Investmentfonds für Erträge aus dem Ziel-Investmentfonds. 2. Persönlicher Anwendungsbereich

5 § 43 InvStG ist für inländische unbeschränkt stpfl. Anleger eines in- oder ausländischen

Spezial-Investmentfonds anzuwenden. Für Ausschüttungen aus ausländischen Spezial-Investmentfonds sind nach § 34 Abs. 3 Satz 2 InvStG für eine Freistellung die Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 InvStG (u.a. steuerliche Vorbelastung der Erträge) zu beachten. Eine Anwendung der Regelung des § 43 InvStG auf ausländische Anleger ist ausgeschlossen, da der Anleger mit seinen Erträgen aus dem Spezial-Investmentfonds nur beschränkt stpfl. und somit nur im Anwendungskreis dieser Regelung wäre, wenn eine inländische Betriebsstätte vorläge. Allerdings wäre in diesem Fall eine Berufung auf ein zwischen Deutschland und dem Quellenstaat vereinbartes DBA nicht möglich.1 1 Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 43 InvStG Rz. 13 und 17, Bindl/Leidel in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 43 InvStG Rz. 4; Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 43 InvStG Anm. 5.

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A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 8 § 43

3. Zeitlicher Anwendungsbereich Die Norm findet gem. § 56 Abs. 1 Satz 1 InvStG erstmalig Anwendung auf die Besteuerung 6 von Anlegern ab dem 1.1.2018 und folglich ab dem VZ 2018. Inhaltlich führen § 43 Abs. 1 und Abs. 2 InvStG die Vorgängerregelungen des § 4 Abs. 1 und § 2 Abs. 4 InvStG 2004 fort. § 43 Abs. 3 InvStG findet dagegen inhaltlich erstmalig ab dem 1.1.2018 Anwendung. Dies beruht jedoch auf dem Umstand, dass das InvStG 2004 (Anwendung bis 31.12.2017) eine pauschale Besteuerung mit pauschaler Freistellung auf Anlegerebene nicht vorsah. § 43 Abs. 2 InvStG a.F. ist jedoch letztmalig im Veranlagungszeitraum 2021 anzuwenden. 7 Die Norm regelte durch einen Verweis auf – den inzwischen ebenfalls aufgehobenen – § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG, dass es nicht zu einer doppelten Berücksichtigung von nach § 10 AStG hinzugerechneten Beträgen kommt. Da nun das Außensteuergesetz selbst in § 10 Abs. 6 und § 11 eine Vermeidung der durch die gleichzeitige Anwendung der Vorschriften des InvStG und des AStG resultierenden Doppelbesteuerung vorsieht, ist § 43 Abs. 2 InvStG nicht mehr erforderlich.1

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften Einen Zusammenhang der Regelung zur Steuerbefreiung ergibt sich zu weiteren Vorschriften 8 des Investmentsteuergesetzes: – § 34 Abs. 3 Satz 1 InvStG verweist für die Freistellung von ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen aufgrund eines DBA auf § 43 Abs. 1 InvStG. Einschränkend wird in § 34 Abs. 3 Satz 2 InvStG für Ausschüttungen aus ausländischen Spezial-Investmentfonds eine Freistellung allerdings nur gewährt, wenn die Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 InvStG erfüllt sind. Dies bedeutet, dass der ausländische Fonds in seinem Abkommensstaat einer Ertragsbesteuerung i.H.v. mind. 10 % unterliegt und hierfür keine Steuerbefreiung des Fonds vorliegt. Zusätzlich muss die Ausschüttung zu mehr als 50 % auf nicht steuerbefreiten Einkünften des Investmentfonds beruhen. – Ein gesonderter Ausweis der Einkünfte, auf die § 43 InvStG Anwendung findet, wird in § 37 Abs. 1 Satz 2 InvStG für die Ermittlung der Einkünfte des Spezial-Investmentfonds vorgesehen, um eine Anwendung auf Anlegerebene sicherzustellen. – Das Vorjahres-Quellvermögen der nach § 43 Abs. 1 InvStG steuerbefreiten Einkünfte und die Höhe derselben hat entsprechende Auswirkungen auf die Ermittlung der abzugsfähigen Allgemeinkosten nach § 40 InvStG. Diese Regelung soll eine sachgerechte Verteilung mittelbarer Kosten auf steuerfreie und stpfl. Bestandteile der Einkünfte sicherstellen. – Sofern es auf Anlegerebene zu einer Steuerfreistellung nach § 43 InvStG kommt, ist die korrespondierende eingeschränkte Abzugsfähigkeit des § 44 i.V.m. § 21 InvStG von BA, die im Zusammenhang mit den steuerfreien Einkünften stehen, zu beachten.2 – § 45 Abs. 2 InvStG sieht für die Anwendung der Teilfreistellung nach § 43 Abs. 3 InvStG für Gewerbesteuerzwecke eine nur hälftige Berücksichtigung der jeweiligen Freistellung vor. Dies entspricht der gewerbesteuerlichen Behandlung bei Teilfreistellung für Erträge aus Investmentfonds gem. § 20 Abs. 5 InvStG. – § 47 Abs. 5 InvStG schließt die Anrechnung und den Abzug von ausländischen Steuern aus, die auf ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträge entfallen, die nach § 43 Abs. 1 steuerfrei sind.

1 BT-Drucks. 19/28652, 46. 2 Bindl/Schober, BB 2020, 609. Meynköhn | 777

§ 43 Rz. 8 | Steuerbefreiung aufgrund v. DBA/Hinzurechnungsbesteuerung/Teilfreistellung – Gemäß § 48 Abs. 2 Satz 2 InvStG ist die DBA-Freistellung nach § 43 Abs. 1 InvStG nur dann zu gewähren, wenn der Spezial-Investmentfonds den Fonds-Abkommensgewinn nach § 48 Abs. 5 InvStG ermittelt und bekannt macht. Alternativ kann auch der Anleger den Fonds-Abkommensgewinn nachweisen. Soweit dies nicht erfüllt ist, dürfen die Erträge nicht als DBA-freigestellte Erträge behandelt werden. Eine etwaige Abstandnahme vom Einbehalt der KapErtrSt und SolZ bei ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 InvStG ist nicht möglich. Die Erträge sind auch i.R.d. Veranlagung des Anlegers als stpfl. zu deklarieren. Dies gilt gem. § 48 Abs. 2 Satz 3 InvStG entsprechend für die Anwendung der Teilfreistellung nach § 43 Abs. 3 InvStG im Hinblick auf die Ermittlung des Fonds-Teilfreistellungsgewinns. 9 Auf die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge hat der Spezial-Investmentfonds

als Entrichtungspflichtiger grds. 15 % KapErtrSt zzgl. 5,5 % SolZ für die Anleger einzubehalten und abzuführen (§ 50 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Nr. 1 InvStG). Enthalten die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge jedoch Bestandteile, die der DBA-Freistellung nach § 43 Abs. 1 InvStG oder der Freistellung nach § 43 Abs. 2 InvStG i.V.m. § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG unterliegen, liegt eine gesetzliche Vorgabe vor, die den Einbehalt von KapErtrSt und SolZ explizit ausschließt. Dies ist eine Besonderheit, da bei anderen steuerbefreiten Bestandteilen der ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge die gesetzliche Abstandnahme nicht explizit vorgesehen ist. Dies gilt sowohl für die freigestellten Erträge nach § 42 InvStG (vgl. § 42 InvStG Rz. 1) als auch für die freizustellenden Erträge aufgrund der weitergeleiteten Teilfreistellung nach § 43 Abs. 3 InvStG. Der Anleger hat diese Steuerbefreiung im Rahmen seiner Veranlagung zu deklarieren. Jedoch sieht das BMF für die nach § 43 Abs. 3 InvStG freigestellten Bestandteile der ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge eine Nichtbeanstandungsregelung für die Abstandnahme vom Einbehalt vor.1

10 Es erfolgt gem. § 51 Abs. 1 InvStG eine gesonderte Feststellung der nach § 43 InvStG frei-

zustellenden Einkünfte. Im Rahmen der Veranlagung auf Anlegerebene werden diese Bestandteile der steuerlichen Einkünfte außerhalb der Steuerbilanz gekürzt. Eine Anwendung von § 50d Abs. 9 EStG ist bisher nicht vorgesehen.2 Das Vorliegen sog. „weißer“ Einkünfte wird allerdings durch die einschränkende Regelung in § 34 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 16 Abs. 4 InvStG und somit der Voraussetzung einer steuerlichen Vorbelastung im Ausland vermieden (s. § 34 InvStG Rz. 38 ff., § 16 InvStG Rz. 75 ff.).

11 In § 15 KStG wird für die Ermittlung des Einkommens bei Vorliegen einer Organschaft für

die Ebene des Organträgers eine entsprechende Anwendung des § 43 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 InvStG vorgesehen, da dieser fiktiv als Anleger des Spezial-Investmentfonds für die Anwendung der Teilfreistellung nach § 20 InvStG anzusehen ist. Dies gilt allerdings unter bestimmten Voraussetzungen nicht für die Fälle, in denen eine Lebens- bzw. Krankenversicherung oder ein Kredit- oder Finanzdienstleister als Organgesellschaft Anleger des Spezial-Investmentfonds ist, um die Anwendung höherer Teilfreistellungssätze im Fall von Aktienfonds auszuschließen.3

12 Das AStG und InvStG stehen in Konkurrenz zueinander. Wie in der bisherigen Fassung des

AStG (§ 7 Abs. 7 AStG a.F.) gibt es in der Fassung ab 1.7.2021 einen Vorrang des InvStG vor dem AStG, sofern die ausländische Gesellschaft als Zwischengesellschaft qualifiziert und auf diese ausländische Gesellschaft das InvStG (d.h. bei Vorliegen eines ausländischen Spezial-In1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 50.6. 2 Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 43 InvStG Anm. 5 (Stand: September 2020): kein entsprechender Verweis in § 43 Abs. 1 InvStG; s. auch Rz. 20. 3 Gloßner in Brandis/Heuermann, § 43 InvStG Rz. 60 (Stand: Juni 2020), mit Beispiel für Lebensversicherung (Organgesellschaft) als Anleger eines Aktienfonds und einer KapGes. als Organträger; Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 43 InvStG Rz. 40, 49 und 58.

778 | Meynköhn

B. Steuerbefreiung im Falle einer DBA-Freistellung (Abs. 1) | Rz. 15 § 43

vestmentfonds) anzuwenden ist (§ 7 Abs. 5 Satz 1 AStG n.F.).1 Dieser Vorrang wird aber zumindest teilweise durchbrochen. Gemäß § 7 Abs. 5 Satz 2 AStG n.F. ist eine Rückausnahme von diesem grundsätzlichen Vorrang vorgesehen, sofern die den Einkünften zugrunde liegenden Geschäfte zu mehr als einem Drittel mit dem StPfl. oder ihm nahestehenden Personen betrieben werden. Dies trifft insbes. für Strukturen von Immobilien-Spezial-Investmentfonds zu und wird daher voraussichtlich zu einer vermehrten Anwendung des AStG führen.2

B. Steuerbefreiung im Falle einer DBA-Freistellung (Abs. 1) I. Anwendbarkeit einer DBA-Freistellung (Abs. 1 Satz 1) Ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträge sind nach § 43 Abs. 1 Satz 1 InvStG i.R.d. 13 Veranlagung von Anlegern nicht zu berücksichtigen, soweit sie Einkünfte enthalten, die aus einem ausländischen Staat stammen und die Bundesrepublik Deutschland mit diesem Staat ein DBA abgeschlossen hat, welches vorsieht, dass diese Einkünfte in Deutschland von der Besteuerung freizustellen sind. Die Einkünfte müssen aus einem ausländischen Staat stammen. Eine Definition, was unter 14 „ausländischem Staat“ zu verstehen ist, fehlt im InvStG. Daher ist eine Definition i.S.d. DBA vorzunehmen. Die Quelle der Einkünfte darf nicht im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland liegen. Die Einkünfte müssen grds. bereits auf der Fondseingangsseite aus einem ausländischen Staat stammen.3 Zusätzlich muss die Bundesrepublik Deutschland mit dem Quellenstaat ein DBA abgeschlos- 15 sen haben. Dieses muss im Methodenartikel (Art. 23 OECD) die Freistellungsmethode vorsehen. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob sich aus weiteren Regelungen des jeweiligen DBA Einschränkungen für die Anwendung der Freistellung ergeben können. Dies würde z.B. bedeuten, dass eine Besteuerung der Einkünfte im Inland auf Grundlage z.B. von Subject-totax Klauseln erfolgen kann.4 Eine Anwendung der Freistellungsregelung kann sich insbesondere in folgenden Fällen ergeben: – Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen. Aufgrund der in den DBA verbreiteten Besteuerung nach dem Belegenheitsprinzip erfolgt eine Steuerbelastung von Immobilienerträgen und – bei Anwendung der sog. Immobilienklausel5 – von Anteilsveräußerungen an Immobiliengesellschaften im Ausland. Im Umkehrschluss erfolgt aus inländischer Sicht eine Freistellung der aufgeführten Erträge.6 – Dividendenerträge. Eine Vielzahl von DBA der Bundesrepublik Deutschland sieht als Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei Dividenden grds. die Anrechnungsmethode vor. Hiervon ausgenommen und unter die Freistellungsmethode fallend sind Dividendenzahlungen aus Beteiligungen von im Inland ansässigen Gesellschaftern, soweit die 1 § 7 AStG in der am 1.7.2021 geltenden Fassung, geändert durch Art. 5 ATADUmsG. 2 Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 43 InvStG Rz. 11. 3 Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 43 InvStG Rz. 19, mit Ausführungen zur Nichtanwendung des § 34d EStG für die Auslegung des Begriffs „ausländische Einkünfte“; Gloßner in Brandis/Heuermann, § 43 InvStG Rz. 20 (Stand: Juni 2020); zum InvStG 2004: Kreft/Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 4 InvStG Rz. 20; Haase, § 4 InvStG Rz. 38–43; Haase, IStR 2010, 170 (171); Berger/Steck/Lübbehüsen, § 4 InvStG Rz. 17. 4 Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 43 InvStG Rz. 29, mit Verweis auf Bindl/Leidel in Beckmann/Scholtz/ Vollmer, § 42 InvStG Rz. 25, die eine Einschränkung der Freistellung mangels entsprechendem Gesetzeswortlaut – kein Vorsehen eines treaty overrides – nicht sehen. 5 Klausel in DBA zur Besteuerung von Gesellschaften im Belegenheitsstaat der Immobilie, wenn diese vornehmlich Immobilien halten. 6 Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 43 InvStG Rz. 24. Meynköhn | 779

§ 43 Rz. 15 | Steuerbefreiung aufgrund v. DBA/Hinzurechnungsbesteuerung/Teilfreistellung Gesellschafter mindestens zu 10 % an der KapGes. beteiligt sind (sog. Dividenden aus Schachtelbeteiligungen).1 Hierunter zählen grds. auch Dividenden aus steuerlich nicht vorbelasteten Körperschaften. Dies sind insbes. auch sog. REIT-Gesellschaften. Dividendenzahlungen aus REIT-Gesellschaften würden demzufolge zu DBA-steuerbefreiten Einkünften i.S.d. § 43 Abs. 1 InvStG führen. Jedoch mangelt es bei REIT-Gesellschaften regelmäßig an einer tatsächlichen ertragsteuerlichen Vorbelastung (§ 16 Abs. 1 InvStG). Allerdings sieht § 19 Abs. 6 REITG vor, dass unbeschränkt stpfl. Gesellschaften, die Dividenden aus einer REIT-Gesellschaft beziehen, ungeachtet eines DBA nicht die Freistellungsmethode, sondern die Anrechnungsmethode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung anzuwenden haben. In diesem Anwendungsfall unterliegen REIT-Dividenden nicht der Steuerfreistellung nach § 43 Abs. 1 InvStG. Dies erscheint folgerichtig und konsistent, da die Freistellung der Dividenden als Ausgleich einer vorigen Ertragsbesteuerung gewährt werden soll. Mangelt es jedoch an ebendieser, entfällt auch der Grund für eine Steuerbefreiung. – Unternehmensgewinne. Unternehmensbeteiligungen dürfen von Spezial-Investmentfonds – mit Ausnahme der Übergangsregelung bei Erwerb von gewerblichen bzw. gewerblich geprägten Personengesellschaften vor dem 28.11.2013 – nach § 26 Nr. 5 InvStG nicht gehalten werden.2 Eine Anwendung der DBA-Regelungen zu Unternehmensgewinnen ist somit eine Ausnahme. Allerdings sind für Immobilienfonds Beteiligungen an Immobiliengesellschaften erlaubt, die auch als gewerblich geprägte Gesellschaften ausgestaltet sein können. Auch im Hinblick auf die aktive unternehmerische Bewirtschaftung sieht § 15 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 InvStG eine Ausnahmeregelung im Falle von Immobiliengesellschaften vor. Unterhält der Spezial-Investmentfonds eine ausländische Betriebsstätte, ist eine Anwendung der Freistellungsregelung des § 43 Abs. 1 InvStG ebenfalls möglich.3 16 Anzuwenden ist die DBA-Freistellung auf Anlegerebene und nicht auf Fondsebene. Dies geht

insbes. aus § 43 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 InvStG hervor. Demnach muss der Anleger die persönlichen Voraussetzungen für eine Freistellung erfüllen und entsprechend abkommensberechtigt sein.4

17 Nicht abschließend geklärt ist die Frage, auf welcher Ebene die Abkommensberechtigung zu

prüfen ist, d.h., ob sich die Regelung auf das Verhältnis zwischen dem ausländischen Quellenstaat und dem inländischen Spezial-Investmentfonds oder dem ausländischen Quellenstaat und dem Anleger des Spezial-Investmentfonds bezieht. Folgt man der systematischen Einordnung, dass die Regelung für Anleger von Spezial-Investmentfonds greifen soll, bleibt u.E. nur die Anwendung der zweiten Alternative – insbes. unter dem Aspekt, dass die semi-transparente Besteuerung von Anlegern eines Spezial-Investmentfonds mit der Besteuerung von Direktanlegern möglichst vergleichbar zu erfolgen hat. Ob das DBA zur Anwendung kommt, hängt folglich davon ab, ob der Anleger i.S.d. DBA unbeschränkt stpfl. und abkommensberechtigt ist.5 1 Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 43 InvStG Rz. 25 f. 2 Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 43 InvStG Rz. 27 f., der auch darauf eingeht, dass ein Spezial-Investmentfonds durch das Halten von Unternehmensbeteiligungen nicht aktiv unternehmerisch tätig sein darf. Die Ausnahmeregelung des § 15 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 InvStG gilt nur bei Vorliegen von Immobiliengesellschaften. 3 Ausführlicher Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 43 InvStG Rz. 28. 4 Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 43 InvStG Rz. 28. 5 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 1/08/10019, BStBl. I 2009, 931 Rz. 75; ebenso Kreft in Moritz/ Jesch/Mann2, § 43 InvStG Rz. 20 ff.

780 | Meynköhn

B. Steuerbefreiung im Falle einer DBA-Freistellung (Abs. 1) | Rz. 21 § 43

Für den Fall, dass der Quellenstaat der Einkünfte und der Sitzstaat des Spezial-Investment- 18 fonds identisch ist, sah die FinVerw. bereits im BMF-Schr. v. 18.8.2009 in Rz. 75 vor, dass für eine Steuerbefreiung auf Anlegerebene der Spezial-Investmentfonds im ausländischen Staat eine Mindestbesteuerung i.H.d. Steuersatzes nach § 23 Abs. 1 KStG vorausgesetzt wird.1 Dies erscheint systematisch korrekt, soll doch die Freistellung dieser Einkünfte ein Ausgleich für eine im Ausland vorab erfolgte Besteuerung darstellen und somit eine doppelte Besteuerung derselben Einkünfte vermeiden. Fehlt es an dieser Vorabbesteuerung im Ausland, mangelt es auch am entscheidenden Grund, diese Einkünfte im Inland von der Besteuerung freizustellen.2 Allerdings entbehrte diese Auffassung der FinVerw. nach altem Recht mit Anwendung des § 4 InvStG a.F. bisher einer gesetzlichen Grundlage. Diese liegt mit § 34 Abs. 3 InvStG und dem Verweis auf § 16 Abs. 4 InvStG nunmehr zumindest für den Fall der Ausschüttungen vor.3 Eine Vielzahl von Anwendungsfällen ist im Immobilienfonds-Bereich vorzufinden. Spezial- 19 Investmentfonds, die im Ausland Direktinvestments oder über Personengesellschaften Immobilieninvestments tätigen, erzielen hieraus ausländische Immobilienerträge.4 Diese sind gegenwärtig in den meisten von der BRD geschlossenen DBA von der Besteuerung im Inland freizustellen. Ausnahmen im europäischen Bereich sind hier aktuell insbes. Spanien und die Schweiz. Ein weiterer häufiger Anwendungsbereich betrifft ausländische Dividenden, für die eine DBA-Freistellung besteht (s. ausführlicher zu Anwendungsfällen Rz. 15). Eine Beschränkung der Berücksichtigung als DBA-steuerbefreite Erträge sollte es aufgrund 20 des doppelten Transparenzprinzips auch über mehrstufige Fondsstrukturen nicht geben.5 Allerdings kann aufgrund von Vorschriften zur Missbrauchsvermeidung eine Nichtanwendung der Steuerbefreiung nach § 43 Abs. 1 InvStG möglich sein.6 Voraussetzung für die Anwendung der DBA-Freistellung ist außerdem, dass ein Fonds-Abkommensgewinn ermittelt und veröffentlicht wird bzw. der Anleger diesen nachweist (§ 48 Abs. 2 Satz 2 InvStG). Daneben sind die Regelungen zur steuerlichen Vorbelastung gem. § 34 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 16 Abs. 4 InvStG zu beachten (s. ausführlicher zur Beschränkung nach § 34 InvStG Rz. 8 und 18). Die Vorgängerregelung § 4 Abs. 1 Satz 1 InvStG i.d.F. bis zum 31.12.2017 enthielt analog zum 21 Regelungsinhalt des § 32b Abs. 1 Satz 1 EStG ein eigenständiges Ermittlungsschema für den Progressionsvorbehalt. Einen expliziten Verweis auf § 32b Abs. 1 Satz 1 EStG enthielt die Vorgängerregelung nicht. Nur auf die in § 32b Abs. 1 Satz 3 EStG enthaltene Rückausnahme vom Progressionsvorbehalt – insbes. für nach einem DBA freigestellte Einkünfte, die aus keinem Drittstaat stammen – wurde ausdrücklich verwiesen. Der Gesetzgeber sah keine Notwendigkeit mehr für eine derartige Regelung, so dass in § 43 InvStG kein Verweis auf § 32b EStG aufgenommen wurde. Die Anwendung eines Progressionsvorbehalts sollte somit ausgeschlossen sein, da die Steuerbefreiung selbst aus der Regelung des § 43 InvStG begründet wird und 1 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 1/08/10019, BStBl. I 2009, 931 Rz. 75a. 2 Bindl/Leidel, 2018, DB 2018, 724. 3 Ausführlich dazu Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 43 InvStG Rz. 22, mit Thematisierung der Ablehnung einer Steuerfreistellung für ausländische Investmentfonds mangels Vorbelastung auf dieser Ebene und Nichtvornahme einer Durchschau auf die Investments des ausländischen Fonds durch die FinVerw. (BMF-Anwendungsschreiben [konsolidierte Fassung], Rz. 16.20). 4 Betroffen sind somit insbes. folgende DBA-Artikel: Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen (Art. 6 OECD-MA), Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen (Art. 13 OECD-MA), Schachteldividenden (Art. 10 OECD-MA), Unternehmensgewinne (Art. 7, 5 OECD-MA) und ggf. Gewinne aus der Veräußerung von Vermögen (Art. 13 OECD-MA). 5 Dafür spricht auch die Fortgeltung des sog. doppelten Transparenzprinzips gem. des BMF-Anwendungsschreibens (konsolidierte Fassung), Rz. 36.7; vgl. auch Bindl/Schober, BB 2020, 599 (608); Bindl/ Stadler in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 42 InvStG Rz. 10; Bindl/Leidel, BB 2018, 153. 6 Eine Anwendung der Beschränkungen (z.B. Rückfall-/Subject-to-tax-Klauseln, Switch-over-Klauseln oder das treaty override des § 50d Abs. 9 EStG) wird mangels entsprechender gesetzlicher Grundlage gegenwärtig verneint, s. auch Rz. 9; vgl. dazu u.a. Gloßner in Brandis/Heuermann, § 43 InvStG Rz. 23. Meynköhn | 781

§ 43 Rz. 21 | Steuerbefreiung aufgrund v. DBA/Hinzurechnungsbesteuerung/Teilfreistellung nicht direkt aus einer DBA-Freistellungsregelung abzuleiten ist.1 Grund für eine Nichtanwendung des Progressionsvorbehalts ist auch, dass der Anlegerkreis deutlich eingeschränkter ist. Gemäß § 26 Nr. 8 Satz 2 Buchst. a bis c InvStG dürfen sich natürliche Personen nur noch an einem Spezial-Investmentfonds beteiligen, wenn sie die Beteiligung im Betriebsvermögen halten, die Beteiligung natürlicher Personen aufsichtsrechtlich notwendig ist oder die mittelbare Beteiligung von natürlichen Personen vor dem 9.6.2016 erfolgte. Daraus ergibt sich, dass die Beteiligung natürlicher Personen tendenziell zum Ausnahmefall wird. 22 Jedoch ist die Beteiligung natürlicher Personen nicht gänzlich ausgeschlossen. Ungeklärt ist

die Frage, ob der Progressionsvorbehalt für Anleger, die ihre Beteiligung im Betriebsvermögen halten, aufgrund der allgemeinen Regelung des § 32b EStG Anwendung findet. Dies ist u.E. zu verneinen.2 In § 4 Abs. 1 Satz 1 InvStG i.d.F. bis zum 31.12.2017 hat der Gesetzgeber ein eigenständiges Ermittlungsschema für den besonderen Steuertarif im InvStG selbst vorgesehen und nicht nur auf die bestehende Regelung im EStG verwiesen. Hätte er dies auch für das InvStG in der aktuellen Fassung vorgesehen, hätte er die Regelung inhaltsgleich übernehmen können. Des Weiteren sieht die FinVerw. in den Vordrucken der Feststellungserklärungen nebst Anlagen keine mögliche Unterscheidung zwischen DBA-freigestellten Einkünften, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, und denen, die aufgrund von § 32b Abs. 1 Satz 3 EStG hiervon ausgenommen sind. Der Anleger ist folglich nicht in der Lage, eine zutreffende Beurteilung in seiner Veranlagung zu treffen. Dies spricht u.E. auch dafür, dass es zu keiner Anwendung des Progressionsvorbehalts für Anleger mit Anteilen im Betriebsvermögen kommt.

II. Ausschluss der Anwendbarkeit (Abs. 1 Satz 2) 23 Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 InvStG ist die Freistellung des § 43 Abs. 1 Satz 1 InvStG u.a. nicht

auf folgende Einkünfte anzuwenden. Eine Freistellung soll somit u.a. – auf Gewinnausschüttungen (Dividenden) aus Anteilen an KapGes. (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) sowie – Investmenterträge nach § 16 (Nr. 3) InvStG, die ein Spezial-Investmentfonds aus einem Ziel-Investmentfonds erzielt, nicht möglich sein. Hintergrund dieser Regelung ist laut Gesetzesbegründung die Vermeidung von Steuergestaltungen zur Erzeugung von unversteuerten Einkünften.3

24 Für Dividenden und andere Gewinnausschüttungen ergibt sich aber ohnehin ein einge-

schränkter Anwendungsbereich der DBA- Steuerbefreiung nach § 43 InvStG. Gemäß § 26 Nr. 6 Satz 1 InvStG müssen Beteiligungen eines Spezial-Investmentfonds am Kapital einer KapGes. unter 10 % betragen. Andernfalls liegt ein Verstoß gegen die Voraussetzungen zur Qualifikation als Spezial-Investmentfonds vor. Dies hätte den Verlust des Spezial-Investmentfondsstatus und den Wechsel in das Besteuerungsregime der Investmentfonds (Kapitel 2 des InvStG) zur Folge. Die DBA-Freistellung für Dividenden setzt in den meisten DBA jedoch eine mindestens 10-prozentige Beteiligungsquote voraus. Demnach entfallen etliche Anwendungsfälle bereits auf Basis des Zusammenspiels der DBA-Regelungen sowie der Anforderungskriterien an Spezial-Investmentfonds nach § 26 Nr. 6 Satz 1 InvStG. Die DBA-Freistellung von Investments über bzw. in einen ausländischen Investmentfonds kann entsprechend auch nicht über den inländischen Spezial-Investmentfonds an dessen Anleger weiterge1 BT-Drucks. 18/8045, 113; Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 43 InvStG Rz. 32. 2 So auch Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 43 Anm. 5 (Stand: September 2020). 3 BT-Drucks. 18/8045, 114.

782 | Meynköhn

B. Steuerbefreiung im Falle einer DBA-Freistellung (Abs. 1) | Rz. 28 § 43

geben werden. Dies entspricht dem Regelungszweck des § 16 Abs. 4 InvStG und soll Steuergestaltungen über ausländische Investmentfonds entgegenwirken.1 Für Investmenterträge, d.h. für Erträge des Spezial-Investmentfonds aus einem Ziel-Invest- 25 mentfonds, besteht weiterhin die Anwendung der Teilfreistellung nach § 20 InvStG, die bei Vorliegen von Immobilienfonds zumindest pauschaliert in Abhängigkeit von dem Investitionsschwerpunkt zu einer Freistellung von 60 % (Inlands-Immobilienfonds) oder 80 % (Auslandsimmobilienfonds) führt.

III. Voraussetzungen für Anwendbarkeit der DBA-Freistellung (Abs. 1 Satz 3) 1. Vorbemerkung Eine Rückausnahme von der Ausschlussregelung des § 43 Abs. 1 Satz 2 InvStG ist in Satz 3 26 vorgesehen. Bereits § 26 Nr. 6 Satz 2 InvStG sieht für bestimmte KapGes. eine Ausnahme von der Maximalbeteiligungsquote des § 26 Nr. 6 Satz 1 InvStG vor. Eine höhere Beteiligung als 10 % ist möglich für – Immobilien-Gesellschaften, – ÖPP-Projektgesellschaften und – sog. Erneuerbare-Energien-Gesellschaften. Diesem Gedanken wird auch hinsichtlich der DBA-Freistellung i.S.d. § 43 InvStG durch diese Rückausnahme Rechnung getragen. Praxisrelevant sind insbes. Gewinnausschüttungen aus Immobilien-Kapitalgesellschaften. 27 An einer Begriffsdefinition der Immobilien-Gesellschaft mangelt es im InvStG. Hierfür muss auf die aufsichtsrechtliche Definition des KAGB zurückgegriffen werden. Ein Verweis auf das KAGB im Zusammenhang mit Immobilien-Gesellschaften findet sich allerdings nur in § 15 Abs. 2 Satz 2 InvStG. Dort wird auf Immobilien-Gesellschaften i.S.d. § 1 Abs. 19 Nr. 22 KAGB verwiesen. Ebenso greift das BMF in seinem Anwendungsschreiben v. 21.5.20192 in Rz. 2.35 zur Begriffsdefinition auf die Regelungen des KAGB zurück. Demnach sind Immobilien-Gesellschaften solche Gesellschaften, die nach ihrer Satzung bzw. ihrem Gesellschaftsvertrag nur direkte Immobilieninvestitionen sowie die zur Bewirtschaftung erforderlichen Gegenstände erwerben dürfen (§ 1 Abs. 19 Nr. 22 KAGB), sowie Beteiligungen an anderen Immobilien-Gesellschaften (mittelbare Immobilieninvestition) halten dürfen (§ 238 KAGB). Zur Anwendung der Rückausnahme und damit der Freistellung von Einkünften gem. eines 28 DBA sind folgende Voraussetzungen zu erfüllen: – es muss sich um Einkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG (Gewinnausschüttungen von KapGes.) handeln; – die KapGes. muss eine Gesellschaft i.S.d. § 26 Nr. 6 Satz 2 Buchst. a bis c InvStG sein; – der Anleger muss die persönlichen Voraussetzungen zur Anwendung der Freistellung nach dem DBA erfüllen und – die auf die Anteile des Anlegers durchgerechnete Beteiligungsquote des Anlegers an der ausschüttenden Gesellschaft muss durchgerechnet mindestens die im DBA geforderte Beteiligungsquote erfüllen.

1 So auch Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 43 InvStG Rz. 33 und 39. 2 BMF v. 21.5.2019 – IV C 1 - S 1980 – 1/16/10010, BStBl. I 2019, 527. Meynköhn | 783

§ 43 Rz. 29 | Steuerbefreiung aufgrund v. DBA/Hinzurechnungsbesteuerung/Teilfreistellung 2. Erfüllung der persönlichen Voraussetzungen (Abs. 1 Satz 3 Nr. 1) 29 Der Anleger muss selbst die im DBA vorgegebenen persönlichen Voraussetzungen erfüllen.

Damit gemeint sind sämtliche in der Person des Anlegers zu erfüllenden Voraussetzungen. Hierzu zählt z.B. die Qualifikation als KapGes. Unschädlich sollte auch die in diversen DBA vorhandene Formulierung einer „unmittelbaren Beteiligung“ sein. Dies sollte bei einer mittelbaren Beteiligung eines Anlegers über einen Spezial-Investmentfonds an der ausschüttenden Gesellschaft nicht zu beanstanden sein, da die Norm des § 43 InvStG im Gesamtkonstrukt der semi-transparenten Besteuerung den Anleger einem Direktanleger gleichstellen soll. Maßgeblich ist in Abhängigkeit vom jeweiligen DBA, dass der Spezial-Investmentfonds direkt an der Gesellschaft und nicht über eine Personengesellschaft beteiligt ist.1 3. Maßgebliche Beteiligungshöhe (Abs. 1 Satz 3 Nr. 2)

30 Der Anleger muss durchgerechnet die im DBA vorgesehene Mindestbeteiligungsquote an

der ausschüttenden KapGes. halten. In vielen DBA ist eine Mindestbeteiligungsquote von 10 % vorgesehen. Eine Zusammenrechnung mit direkten Beteiligungen des Anlegers oder über Anteile an weiteren Spezial-Investmentfonds ist für diese Zwecke nicht zulässig.2

31 Des Weiteren ist maßgebend, zu welchem Zeitpunkt die Beteiligungshöhe zu ermitteln ist. In

Frage kämen einerseits der Zeitpunkt der Ausschüttung der KapGes. und zum anderen der Zeitpunkt des Zuflusses der Erträge beim Anleger. Der steuerliche Zufluss beim Anleger erfolgt im Zeitpunkt der Ausschüttung oder bei einer Thesaurierung zum Geschäftsjahresende (§ 36 Abs. 4 Satz 2 und 4 InvStG). Unseres Erachtens ist für die Prüfung der Beteiligungshöhe daher entsprechend auf den steuerlichen Zufluss beim Anleger abzustellen.3

C. Steuerbefreiung aufgrund Teilfreistellung (Abs. 3) 32 Die Besteuerung von Anlegern eines Investmentfonds als Aktien-, Misch- oder Immobilien-

fonds nach Kapitel 2 des InvStG bestimmt sich nach den §§ 16 ff. InvStG. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1–3 InvStG gelten Ausschüttungen, Vorabpauschalen und die Gewinne aus der Veräußerung von Investmentanteilen als Erträge aus Investmentfonds. Die Erträge aus Investmentanteilen werden auf Anlegerebene zu stpfl. Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG umqualifiziert. Dabei unterbleibt eine transparente Besteuerung der einzelnen Bestandteile (s. hierzu umfassend Kommentierung zu §§ 16 ff. InvStG). Als Ausgleich zur Besteuerung auf Fondsebene sowie der pauschalen Besteuerung auf Anlegerebene wird gem. § 20 InvStG – je nach Qualifikation des Investmentfonds – auf Anlegerebene ein prozentualer Teil der Investmenterträge steuerfrei gestellt (s. § 20 InvStG Rz. 1). Diese Freistellung wird als Teilfreistellung bezeichnet. Voraussetzung für diese Teilfreistellung ist, dass ein Fonds-Teilfreistellungsgewinn ermittelt und veröffentlicht wird bzw. der Anleger diesen nachweist (§ 48 Abs. 2 Satz 3 InvStG).4

33 Sofern ein Dach-Spezial-Investmentfonds Anteile an einem Ziel-Investmentfonds hält, er-

folgt auf Ebene des Dach-Spezial-Investmentfonds keine Besteuerung. Die allgemeine StPfl.

1 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 1/08/10019, BStBl. I 2009, 931 Rz. 75a; Faller/Wolf/Brielmaier, DB 2016, 494. 2 So auch Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 43 InvStG Rz. 36 f.; Gloßner in Brandis/Heuermann, § 43 InvStG Rz. 46 (Stand: Juni 2020). 3 So auch Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 43 InvStG Rz. 38; Gloßner in Brandis/Heuermann, § 43 InvStG Rz. 46 (Stand: Juni 2020); Bindl/Leidel, DB 2018, 727. 4 Vgl. mit weiteren Beispielen Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 43 InvStG Rz. 41 ff.; Gloßner in Brandis/ Heuermann, § 43 InvStG Rz. 46 (Stand: Juni 2020).

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A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 1 § 44

nach § 6 InvStG sieht für (Spezial-)Investmentfonds keine StPfl. für Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG vor. Demzufolge werden auch die Teilfreistellungssätze des § 20 InvStG nicht auf Ebene des Dach-Spezial-Investmentfonds berücksichtigt. Aufgrund des semi-transparenten Besteuerungssystems für Spezial-Investmentfonds werden diese Erträge transparent auf Ebene des Anlegers des Dach-Spezial-Investmentfonds weitergeleitet. Sofern die ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträge Investmenterträge aus Investmentfonds beinhalten, ermöglicht § 43 Abs. 3 InvStG die Anwendung der Teilfreistellungssätze auf Ebene des Anlegers bei einer mittelbaren Beteiligung über einen Spezial-Investmentfonds an einem Investmentfonds.1 Dadurch wird eine Angleichung der Anlage über einen Spezial-Investmentfonds mit der Direktanlage gewährleistet.2 Die Freistellung nach § 43 Abs. 3 InvStG ist auch über mehrere Spezial-Investmentfonds-Stufen möglich. Erheblich für die Freistellung ist, dass innerhalb der Investmentkette die unterste Beteiligung an einem Investmentfonds besteht.3 Die Vorschrift ist sowohl auf ausländische als auch auf inländische Investmentfonds als Zielfonds von in- oder ausländischen Spezial-Investmentfonds als Dachfonds anzuwenden.4

§ 44 Anteilige Abzüge aufgrund einer Steuerbefreiung § 21 ist entsprechend auf Betriebsvermögensminderungen, Betriebsausgaben, Veräußerungskosten oder Werbungskosten anzuwenden, die mit Erträgen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die ganz oder teilweise von der Besteuerung freizustellen sind. A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . Systematische Einordnung . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . 2. Persönlicher Anwendungsbereich . . . .

1 2 4 5

3. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . 6 IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . 7 B. Auswirkung der Steuerbefreiung auf Abzugsbeträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

Literatur: Helios/Mann, Das Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung, DB-Sonderausgabe 1/2016, 1.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck Die Vorschrift regelt für Anleger von Spezial-Investmentfonds, dass bei Vorliegen von stfreien 1 Einnahmen ein entsprechendes Abzugsverbot greift. Nach dem Korrespondenzprinzip wird im Fall einer gewährten Steuerbefreiung im Umkehrschluss eine entsprechende Nicht-Geltendmachung von Vermögensminderungen oder Ausgaben vorgesehen, um neben der Steuer-

1 Staats, Stbg 2019, 354. 2 Vgl. mit weiteren Beispielen Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 43 InvStG Rz. 52; Gloßner in Brandis/ Heuermann, § 43 InvStG Rz. 46 (Stand: Juni 2020). 3 Gloßner in Brandis/Heuermann, § 43 InvStG Rz. 58 (Stand: Juni 2020). 4 Vgl. Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 43 InvStG Rz. 54. Meynköhn | 785

§ 44 Rz. 1 | Anteilige Abzüge aufgrund einer Steuerbefreiung befreiung nicht noch zusätzlich einen Steuervorteil durch den Abzug wirtschaftlich zusammenhängender Ausgaben bzw. anderer Abzüge zu gewähren.1 Dieses Abzugsverbot entspricht dem Rechtsgedanken des Ertragsteuerrechts und ist somit im Zusammenhang mit der Regelung des § 3c Abs. 2 EStG zu sehen.2

II. Systematische Einordnung 2 Die Regelung betrifft die Besteuerung auf Ebene eines Anlegers, der Anteile an einem Spezi-

al-Investmentfonds hält. Anleger können maßgebliche steuerbefreite Erträge auf Grundlage verschiedener Steuerbefreiungsregelungen des InvStG generieren. § 44 InvStG steht daher in Verbindung zu den Steuerbefreiungsvorschriften für Beteiligungseinkünfte und inländische Immobilienerträge (§ 42 InvStG) und zu Erträgen, die aufgrund von DBA der Hinzurechnungsbesteuerung oder der Anwendung einer Teilfreistellung (§ 43 InvStG) teilweise oder vollständig steuerbefreit sind.

3 Entsprechend der Vorschrift des § 21 InvStG für die Regelung des anteiligen Abzugs bei An-

wendung von Teilfreistellungssätzen im Besteuerungssystem der Investmentfonds sieht die Regelung des § 44 InvStG dies für die Steuerbefreiungsregelungen im Fall des Spezial-Investmentfonds vor. Es ist eine entsprechende Anwendung der Regelung des § 21 InvStG auf Betriebsvermögensminderungen, BA, Veräußerungskosten oder WK vorgesehen. Für diese Fälle muss ein anteiliger Abzug erfolgen, wenn diese mit Erträgen im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, die ganz oder teilweise von der Besteuerung freizustellen sind.

III. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich 4 Die Anwendung betrifft auf Anlegerebene im Zusammenhang mit seinem Investment in den

Spezial-Investmentfonds auftretende Betriebsvermögensminderungen, BA, Veräußerungskosten oder WK, die mit ganz oder teilweise stfreien Erträgen im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Eine entsprechende Anwendung des § 21 InvStG wird vorgesehen. Der häufigste Anwendungsfall besteht für Finanzierungsaufwendungen, die durch die Finanzierung der Anschaffung von Investmentanteilen veranlasst sind.

2. Persönlicher Anwendungsbereich 5 Die Regelung betrifft die steuerlichen Folgen auf Ebene der Anleger von Spezial-Investment-

fonds. § 44 InvStG ist somit i.R.d. Veranlagung des Anlegers zu berücksichtigen. Dabei handelt es sich um inländische Anleger, die Anteile an in- oder ausländischen Spezial-Investmentfonds halten. Bei betrieblichen Anlegern mit stl. Gewinnermittlungsmethodik nach § 4 Abs. 1 bzw. § 5 EStG sind neben den steuerbefreiten Erträgen die entsprechenden Abzüge als außer-

1 Vgl. Gloßner in Brandis/Heuermann, § 44 InvStG Rz. 1; Helios/Mann, DB Sonderausgabe 1/2016, 1 (17); Patzner/Döser/Kempf, § 44 InvStG Rz. 1. 2 So auch BR-Drucks. 119/16, 130; krit. gesehen von Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 44 InvStG Rz. 2, da es sich bei § 21 InvStG um eine pauschale Freistellung und nicht um eine Freistellung für Einzelsachverhalte handelt, die unter § 3c EStG fallen würden; Verweis auf Kommentare zu § 3c EStG, wie z.B. Levedag in Schmidt41, § 3c EStG Rz. 1.

786 | Meynköhn

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 11 § 44

bilanzielle Korrektur zu berücksichtigen. Dies gilt entsprechend für natürliche Personen, die ihre Anteile in einem Betriebsvermögen halten.1 3. Zeitlicher Anwendungsbereich Die Anwendung der Regelung des § 44 InvStG geht mit dem Systemwechsel am 31.12.2017 6 einher und gilt daher erstmals für den VZ 2018 (§ 56 Abs. 1 InvStG).

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften § 44 InvStG gilt als lex specialis gegenüber den Regelungen im EStG oder KStG. Auf Anle- 7 gerebene ist daher i.R.d. Veranlagung dem Abzugsverbot im Zusammenhang mit stfreien Einnahmen aus der Beteiligung an Spezial-Investmentfonds Vorrang vor z.B. § 3c EStG einzuräumen.2 Dieses Abzugsverbot ist in § 21 InvStG entsprechend für Anleger von Investmentfonds bei Anwendung der Teilfreistellung geregelt. Für Anleger von Spezial-Investmentfonds ist § 44 InvStG maßgebend und nimmt für eine sinngemäße Anwendung Bezug auf § 21 InvStG.3 Für die Ermittlung der Einkünfte auf Ebene des Spezial-Investmentfonds sieht § 37 InvStG 8 vor, dass ein gesonderter Ausweis der Einkünfte zu erfolgen hat, für die auf Anlegerebene die §§ 42 bis 47 InvStG zur Anwendung kommen. Diese sind nach § 51 InvStG als Besteuerungsgrundlagen gesondert festzustellen. Somit besteht für den Anleger für die Erfassung in seiner Veranlagung die Möglichkeit der Aufteilung in stpfl., stfreie und nicht steuerbare Bestandteile seiner Erträge aus dem Spezial-Investmentfonds. Ergänzend betrifft die Regelung des § 49 InvStG die Besteuerung auf Anlegerebene bei Ver- 9 äußerung der Anteile am Spezial-Investmentfonds. Diese Vorschrift regelt die Berücksichtigung der stfreien Bestandteile des Fondsvermögens (Abbildung über den Aktien-, Abkommens- und Teilfreistellungsgewinn) und somit des Veräußerungsgewinns auf Anlegerebene. Da es sich um Steuerfreistellungen handelt, verweist § 49 InvStG auf § 44 InvStG, sodass für im Zusammenhang mit der Veräußerung anfallende Ausgaben, d.h. für Veräußerungskosten und nicht für die AK, ein entsprechendes Abzugsverbot gilt.4 Erfolgt auf Anlegerebene eine Teilwertzuschreibung (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG) des steu- 10 erbilanziellen Ansatzes der Anteile an dem Spezial-Investmentfonds, sind die Steuerfreistellungen und das damit einhergehende Abzugsverbot entsprechend anzuwenden. In § 15 KStG wird für die Ermittlung des Einkommens bei Vorliegen einer Organschaft für 11 die Ebene des Organträgers eine entsprechende Anwendung des Abzugsverbots (§ 21 bzw. § 44 InvStG) für Betriebsvermögensminderungen, BA oder Veräußerungskosten vorgesehen, wenn diese im Zusammenhang mit Erträgen i.S.d. § 16 oder § 34 InvStG stehen.5 1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 44.2 und 44.3: uneingeschränkte Anwendung der Ausgabekürzung für alle Fälle einer Steuerbefreiung bei natürlichen Personen; allerdings bei Körperschaften mangels einer dem § 3c EStG entsprechenden Regelungen nur eingeschränkte Anwendbarkeit (s. auch Rz. 18). 2 Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 44 InvStG Rz. 5, mit der Anmerkung, dass der BFH in seiner st. Rspr. § 3c Abs. 2 EStG für verfassungsgemäß hält und auch keine Bedenken hinsichtlich Europarechtswidrigkeit bestehen. 3 Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 44 InvStG Rz. 12, bemängelt einen unzureichenden Verweis auf § 21 InvStG vor dem Hintergrund, dass diese Regelung das Abzugsverbot für eine alle Erträge aus dem Investmentfonds betreffende pauschale Teilfreistellung regelt und § 44 InvStG differenzierter in Abhängigkeit von der Art der Erträge des Spezial-Investmentfonds anzuwenden ist und somit eine Unterscheidung in voll, teilweise oder nicht stpfl. Bestandteile erforderlich ist. 4 Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 44 InvStG Rz. 18. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 44.6. Meynköhn | 787

§ 44 Rz. 12 | Anteilige Abzüge aufgrund einer Steuerbefreiung

B. Auswirkung der Steuerbefreiung auf Abzugsbeträge 12 Anleger eines Spezial-Investmentfonds können bei Einhaltung bestimmter Voraussetzungen

nachfolgende – vollständig oder teilweise – steuerbefreite Einnahmen generieren, auf die ggf. (s. nach Anlegerart Rz. 18) das Abzugsverbot anzuwenden ist: – Ausländische Dividenden, Veräußerungsgewinne aus Aktien oder anderen Kapitalgesellschafts-Beteiligungen bei Anwendung des § 3 Nr. 40 EStG (§ 42 Abs. 1 InvStG) – Ausländische Dividenden, Veräußerungsgewinne aus Aktien oder anderen KapGes.-Beteiligungen bei Anwendung des § 8b KStG (§ 42 Abs. 2 InvStG) – REIT-Dividenden (§ 19a REITG), wenn eine stl. Vorbelastung gegeben ist (§ 42 Abs. 3 InvStG) – Inländische Beteiligungseinnahmen (§ 42 Abs. 4 InvStG) – Inländische Immobilienerträge (§ 42 Abs. 5 InvStG) – Sonstige inländische Einkünfte (§ 42 Abs. 5 InvStG) – DBA-stfreie Erträge (§ 43 Abs. 1 InvStG) – Erträge aus Ziel-Investmentfonds (Ausschüttungen, Vorabpauschalen, Veräußerungsgewinne von Investmentanteilen) mit Anwendung der Teilfreistellung nach § 20 InvStG (§ 43 Abs. 3 InvStG) – Zurechnungsbeträge aus Ziel-Spezial-Investmentfonds (§§ 30, 31 InvStG) – Steuerfreie Veräußerungsgewinnbestandteile wegen Anwendung des Aktien-, Abkommensoder Teilfreistellungsgewinns (§ 49 InvStG) – Steuerfreie Bestandteile einer Teilwertzuschreibung (§ 49 Abs. 1 S. 2 InvStG)

13 § 44 InvStG sieht ein sehr weit auszulegendes Abzugsverbot für verschiedene Arten von Aus-

gaben und Abzügen vor: – Betriebsvermögensminderungen sind Geschäftsvorfälle, die bei Anwendung des Betriebsvermögensvergleichs nach § 4 Abs. 1 EStG das Eigenkapital vermindern und somit als Aufwand Auswirkungen auf den Gewinn haben. – Betriebsausgaben sind Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind (vgl. § 4 Abs. 4 EStG) – Veräußerungskosten (vgl. §§ 16 Abs. 2 Satz 1 und § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG) – Werbungskosten (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) – Teilwertabschreibungen auf Spezial-Investmentanteile – Teilwertabschreibungen auf Ziel-Investmentfonds bei Anwendung der Teilfreistellung.1

14 Für die Anwendung des Abzugsverbots dem Grunde nach ist in Anlehnung an den Rechts-

gedanken des § 3c EStG maßgebend, dass die Ausgaben in einem wirtschaftlichem Zusammenhang mit den stfreien Einnahmen stehen.2 Es lässt sich nicht direkt aus dem Wortlaut des § 44 InvStG oder § 3c EStG ableiten, ob ein mittelbarer oder unmittelbarer Zusammenhang erforderlich ist, da die Regelungen nur den Begriff des wirtschaftlichen Zusammenhangs und nicht eine genaue Bezeichnung als mittelbar oder unmittelbar beinhalten.3

1 Vgl. Gloßner in Brandis/Heuermann, § 44 InvStG Rz. 17 und 19; Lampert in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 43 InvStG Rz. 19; Bindl/Leidl in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 44 InvStG Rz. 15; Helios/ Mann, DB Sonderausgabe 1/2016, 1 (17). 2 Vgl. Gesetzesbegründung zu §§ 21, 44 InvStG: Norm entspricht in ihren Voraussetzungen und Rechtsfolgen dem § 3c Abs. 2 EStG. 3 Levedag in Schmidt41, § 3c EStG Rz. 6.

788 | Meynköhn

B. Auswirkung der Steuerbefreiung auf Abzugsbeträge | Rz. 18 § 44

Für die Fassung von Ausgaben unter das Abzugsverbot ist nach überwiegender Auffassung das 15 sog. Veranlassungsprinzip maßgebend, d.h. die Gründe des StPfl. für Tätigung der Ausgaben. Nach § 21 InvStG und somit § 44 InvStG ist für die Anwendung des Abzugsverbots daher die Absicht ausreichend, durch die Beteiligung an dem Investmentfonds Betriebsvermögensmehrungen oder Erträge zu erzielen. Es ist somit von einem mittelbaren und nicht unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang für die Anwendung des Abzugsverbots auszugehen.1 Die zeitliche Anwendung des Abzugsverbots auf Anlegerebene greift unabhängig davon, in 16 welchen VZ die – ganz oder teilweise – steuerbefreiten Erträge fallen (Verweis auf § 21 Satz 1 InvStG und Anlehnung an § 3c EStG).2

Anlegern aus Spezial-Investmentfonds können stpfl. und stfreie Erträge über die gesonderte 17 Feststellung gem. § 51 InvStG zugewiesen werden. Daneben können auf Vermögensebene bei steuerbilanzieller Abbildung oder im Fall der Realisation von Veräußerungsgewinnen aus Investmentanteilen ebenfalls verschiedene stfreie Bestandteile zu berücksichtigen sein, sodass eine Aufteilung der Erträge, Zuschreibungen und Gewinne für einen entsprechenden anteiligen Abzug bzw. für die Anwendung des Abzugsverbots erforderlich ist. In Anlehnung an § 21 Sätze 1 und 2 InvStG ist eine prozentuale Aufteilung der Ausgaben in abziehbar und nicht abziehbar nach Maßgabe der stl. Qualifikation der Einkünfte in stpfl. und stfreie Bestandteile vorzunehmen. Da es im Zusammenhang mit der Anwendung des Abzugsverbots nur auf die Absicht ankommen soll, aus dem Fonds-Investment Erträge oder Betriebsvermögensmehrungen zu generieren, ist ein alleiniges Abstellen auf die Zusammensetzung der ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge nicht ausreichend, da das Fondsvermögen auch stfreie Bestandteile enthalten kann, die im jeweiligen VZ nicht tatsächlich zufließen, sondern eine Vermögensmehrung des Fonds abbilden.3 Entsprechend hat eine anteilige Kürzung auch dann zu erfolgen, wenn keine entsprechenden Erträge erzielt werden.4 Der Entwurf des BMF-Schreibens v. 18.1.2021 sieht zwar eine anteilige Zuordnung der Aufwendungen zu den jeweiligen Erträgen vor. Maßgebend für diese Verteilung soll aber der Anteil des jeweiligen Quellvermögens der (teilweise) steuerbefreiten Einkünfte am gesamten Fondsvermögen sein. Auf welchen Zeitraum für das heranzuziehende Quellvermögen abzustellen ist, wird im Schreiben nicht erläutert.5 Aus Vereinfachungsgründen kann laut BMF alternativ auf den jeweiligen Anteil der (teilweise) steuerbefreiten Erträge an den gesamten ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen eines VZ abgestellt werden. Diese Vereinfachungsregelung ist allerdings nur bei kontinuierlicher Anwendung möglich.6 Eine unzureichende Aufteilungsregelung wird in der Literatur bemängelt. Voll steuerpflichtige Körperschaften. Für voll mit KSt und GewSt stpfl. Anleger ergibt sich 18 bei Vorliegen inländischer Immobilienerträge eine volle Steuerbefreiung nach § 42 Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 InvStG für Zwecke der KSt, wenn die Erhebungsoption bzw. Immobilien-Trans1 Gloßner in Brandis/Heuermann, § 44 InvStG Rz. 18; Lampert in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 43 InvStG Rz. 31; Bindl/Leidl in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 44 InvStG Rz. 2; Bindl/Schober, BB 2020, 599 (609); ergänzend BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 21.8. 2 Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 44 InvStG Rz. 9. 3 Bindl/Schober, BB 2020, 599 (609), mit der Empfehlung, den Anlegern eines Spezial-Investmentfonds Vermögensaufstellungen darüber zur Verfügung zu stellen, zu welchem Anteil der Spezial-Investmentfonds Vermögensgegenstände hält, aus denen stfreie Erträge i.S.d. §§ 42 und 43 InvStG zu erwarten sind; Link in H/H/R, § 44 InvStG Anm. 5 (Stand: August 2021); Lampert in BeckOK, § 44 InvStG Rz. 37 (Stand: Oktober 2019). 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 21.8. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 44.7; Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 44 InvStG Rz. 10, der eine Aufteilung nach dem Anteil des jeweiligen Quellvermögens am gesamten Fondsvermögen nach der Vorgehensweise des § 40 InvStG und somit ein Abstellen auf die Monatsendwerte des Vorjahres vorschlägt. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 44.8; vgl. auch Bindl/Schober, BB 2020, 599 (609). Meynköhn | 789

§ 44 Rz. 18 | Anteilige Abzüge aufgrund einer Steuerbefreiung parenzoption nach § 33 InvStG nicht ausgeübt wird. Eine Gewerbesteuerbefreiung in voller Höhe ergibt sich mittelbar aus § 45 InvStG.1 Bei der Entscheidungsfindung für oder gegen eine Ausübung der Optionsmöglichkeiten nach § 33 InvStG sollte das Abzugsverbot von z.B. Finanzierungsaufwendungen entsprechend berücksichtigt werden.2 Entsprechendes gilt z.B. auch bei Veräußerung/Rückgabe der Anteile aufgrund der Berücksichtigung der stl. Kennzahlen (Aktien-, Abkommens- und Teilfreistellungsgewinn). Das BMF sieht in seinem Schreiben v. 20.1.2021 aufgrund der Besteuerungssystematik des KStG allerdings eine einschränkende Auslegung des § 44 InvStG für Körperschaften vor.3 Eine (anteilige) Kürzung von Aufwendungen nach § 44 InvStG soll danach nicht vorzunehmen sein, soweit die folgenden Steuerbefreiungen Anwendung finden: – § 42 Abs. 2 Satz 1 und § 30 Abs. 2 InvStG i.V.m. § 8b KStG für Dividenden aus Schachtelbeteiligungen, – § 42 Abs. 2 Satz 2 InvStG i.V.m. § 8b KStG für ausgeschüttete Veräußerungsgewinne aus in- oder ausländischen Aktien, – § 42 Abs. 4 Satz 2 InvStG für bereits auf Ebene des Spezial-Investmentfonds versteuerte inländische Beteiligungseinnahmen, – § 42 Abs. 5 Satz 2 InvStG für bereits auf Ebene des Spezial-Investmentfonds versteuerte inländische Immobilienerträge, – § 43 Abs. 2 InvStG für Erträge, auf die § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG entsprechend anzuwenden ist, – § 49 Abs. 1 InvStG i.V.m. § 8b KStG für Anleger-Aktiengewinne, die bei einer Veräußerung des Spezial-Investmentanteils realisiert werden. Dagegen soll laut BMF die Ausgabenkürzung nach § 44 InvStG auf folgende Erträge i.S.d. – § 43 Abs. 1 InvStG, die aufgrund eines DBA von der Besteuerung freizustellen sind, – § 43 Abs. 3 InvStG, die aus teilfreigestellten Investmenterträgen stammen, Anwendung finden.4 Die Regelungen zur Kürzung von BA nach § 8b Abs. 3 oder 5 KStG sollen nach Auffassung des BMF unberührt bleiben bzw. auch in den Fällen anwendbar sein, in denen keine Kürzung nach § 44 InvStG vorzunehmen ist.5 19 Lebens- und Krankenversicherungen. Die besondere stl. Regelung der Rückstellung für Bei-

tragsrückerstattung (§ 21 KStG, sog. RfB) führt für Lebens- und Krankenversicherungen vereinfacht formuliert i.d.R. zu einer Steuerbefreiung von 80 bis 90 % der Einkünfte. Unseres Erachtens sollte das Abzugsverbot in diesem Zusammenhang nicht greifen, da zwischen der Steuerbefreiungswirkung der RfB und den Erträgen aus Spezial-Investmentfonds kein wirtschaftlicher Zusammenhang besteht.6

20 Kreditinstitute. Bei Kreditinstituten ist nach dem BMF-Schreiben v. 15.5.2018 von einem

wirtschaftlichen Zusammenhang i.S.d. § 21 InvStG zwischen teilfreigestellten Investmenterträgen und den Zinsausgaben für Kundeneinlagen, für Interbankeinlagen, für Schuldverschreibungen und für vergleichbare allgemeine Zinsaufwendungen (sog. Poolrefinanzierungskosten) auszugehen.7

1 2 3 4 5 6 7

BMF v. 8.11.2017 – IV C 5 - S 2353/08/10006:008, BStBl. I 2017, 1457. Bindl/Leidl, DB 2018, 723 (724 f.). BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 44.3. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 44.4. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 44.5. Ebenso Bindl/Leidl, DB 2018, 723 (724). Vgl. BMF v. 15.5.2018 – IV C 1 - S 1980 – 1/16/10010:013 – DOK 2018/0369481, StEd 2018, 346.

790 | Meynköhn

Gewerbesteuer bei Spezial-Investmenterträgen | § 45

Natürliche Personen als Anleger. Das BMF geht ausdrücklich davon aus, dass bei einkom- 21 mensteuerpflichtigen Anlegern § 44 InvStG uneingeschränkt auf alle Steuerbefreiungen anzuwenden ist.1 Für den Ausnahmefall, dass sich natürliche Personen an einem Spezial-Investmentfonds beteiligen bzw. aufgrund des Bestandsschutzes (§ 26 Nr. 8 Satz 3 InvStG) beteiligt sind, kann eine Ausübung der Erhebungsoption für inländische Immobilienerträge nach § 33 Abs. 1 EStG daher günstiger sein als die 20-prozentige Freistellung nach § 42 Abs. 5 InvStG, da dann die Ausgaben im Zusammenhang mit dem Investment voll abzugsfähig bleiben.2

§ 45 Gewerbesteuer bei Spezial-Investmenterträgen (1) 1Bei der Ermittlung des Gewerbeertrags nach § 7 des Gewerbesteuergesetzes sind § 42 Absatz 4 sowie § 3 Nummer 40 des Einkommensteuergesetzes und § 8b des Körperschaftsteuergesetzes nicht anzuwenden auf Kapitalerträge nach § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 1a und 6 sowie Satz 2 des Einkommensteuergesetzes, die in den ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträgen enthalten sind, und auf inländische Beteiligungseinnahmen, die dem Anleger nach § 30 Absatz 1 Satz 2 zugerechnet werden. 2Dies gilt nicht, wenn 1. der Schuldner der Kapitalerträge eine Gesellschaft nach § 26 Nummer 6 Satz 2 ist, 2. der Anleger dem Körperschaftsteuergesetz unterliegt und kein Institut oder Unternehmen nach § 3 Nummer 40 Satz 3 oder 4 des Einkommensteuergesetzes oder § 8b Absatz 7 oder 8 des Körperschaftsteuergesetzes ist und 3. die auf die Spezial-Investmentanteile des Anlegers rechnerisch entfallende Beteiligung am Kapital der Gesellschaft die Voraussetzungen für eine Kürzung nach § 9 Nummer 2a und 7 des Gewerbesteuergesetzes erfüllt. (2) Die nach § 43 Absatz 3 zu gewährenden Teilfreistellungen sind bei der Ermittlung des Gewerbeertrags nach § 7 des Gewerbesteuergesetzes nur zur Hälfte zu berücksichtigen. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . 2. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . 3. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . B. Gewerbesteuerpflicht von Kapitalerträgen (Abs. 1)

1 4 5 6 7 8

I. Hinzurechnung (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . II. Rückausnahme (Abs. 1 Satz 2) 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausschüttende Gesellschaft (Abs. 1 Satz 2 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anleger (Abs. 1 Satz 2 Nr. 2) . . . . . . . . 4. Gewerbesteuerliches Schachtelprivileg (Abs. 1 Satz 2 Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . . C. Teilfreistellungen (Abs. 2) . . . . . . . . . . . .

10 16 17 18 22 26

Literatur: Hahne, Zur Besteuerung inländischer Beteiligungseinnahmen von Investmentfonds nach der Investmentsteuerreform 2018, DStR 2017, 2310; Bindl/Leidel, Immobilieninvestments über Spezial-Investmentfonds nach dem InvStG 2018, DB 2018, 722; Korff, Gewerbesteuer bei Beteiligungserträgen über Spezial-Investmentfonds nach dem InvStG 2018, DStR 2018, 943; Hahne, Die Transparenzoption nach § 30 InvStG bei Spezial-Investmentfonds, FR 2021, 415; Stadler/Mayer/Ludwig, Das BMF-Schreiben zu Spezial-Investmentfonds v. 20.1.2021 – eine kritische Analyse, BB 2021, 1559. 1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 44.2. 2 S. mit Vergleichsrechnung Bindl/Leidel, DB 2018, 723 (725). Meynköhn und Böcker | 791

§ 45 Rz. 1 | Gewerbesteuer bei Spezial-Investmenterträgen

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck 1 § 45 InvStG regelt als Vorschrift in Abschn. 2 des Kap. 3 des InvStG die gewerbesteuerliche

Behandlung gewisser Erträge eines Spezial-Investmentfonds bei dessen Anlegern, also nicht bei dem Spezial-Investmentfonds, der stets von der GewSt befreit ist (§ 29 Abs. 4 InvStG). Bei den Anlegern ist der Gewerbeertrag der nach den Vorschriften des EStG bzw. KStG ermittelte Gewinn aus dem Gewerbebetrieb,1 und dazu gehören bei Zugehörigkeit der Spezial-Investmentanteile zum Betriebsvermögen eines Gewerbebetriebs des Anlegers auch die ausgeschütteten u. ausschüttungsgleichen Erträge des Spezial-Investmentfonds.2 § 45 Abs. 1 InvStG enthält insoweit eine Hinzurechnung zum Gewerbeertrag, die § 8 Nr. 5 GewStG nachgebildet ist,3 und regelt, dass die sonst zu berücksichtigenden § 3 Nr. 40 EStG und § 8b KStG grds. nicht anzuwenden sind (Ausnahme: § 45 Abs. 1 Satz 2 InvStG).

2 Dasselbe gilt nach § 45 Abs. 1 InvStG auch für § 42 Abs. 4 InvStG. Während Spezial-Invest-

mentfonds stets von der GewSt befreit (§ 29 Abs. 4 InvStG) sind, kann im Unterschied dazu KSt auch auf der Fondsebene anfallen. Zur Kompensation einer solchen Vorbelastung sieht § 42 Abs. 4 InvStG eine Steuerbefreiung auf Anlegerebene vor. Da es an einer gewerbesteuerlichen Vorbelastung fehlt, wäre eine Berücksichtigung dieser Steuerbefreiung bei der Ermittlung des Gewerbeertrags nicht sachgerecht. § 45 Abs. 1 InvStG korrigiert daher auch insoweit die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage.

3 § 45 Abs. 2 InvStG legt für Anleger von Spezial-Investmentfonds die Höhe der gewerbesteu-

erlichen Teilfreistellung fest. Die für Zwecke der ESt bzw. KSt gewährten Teilfreistellungssätze werden bei der Ermittlung des Gewerbeertrags nur hälftig berücksichtigt. Die gesetzgeberische Intention ist dieselbe wie bei § 20 Abs. 5 InvStG:4 Die Teilfreistellungssätze dienen auch dazu, die Vorbelastung mit KSt auf der Fondsebene zu kompensieren. An einer Vorbelastung mit GewSt fehlt es jedoch, was eine Reduzierung der gewerbesteuerlichen Teilfreistellungssätze rechtfertigt. Die verbleibende hälftige Teilfreistellung gleicht pauschaliert die Steuerbefreiungen von Veräußerungsgewinnen (§ 3 Nr. 40 EStG, § 8b Abs. 2 KStG) im Falle der Direktanlage aus.5

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich 4 § 45 InvStG betrifft die gewerbesteuerliche Ermittlung des Gewerbeertrags (§ 7 GewStG)

auf Anlegerebene. Der Gewerbeertrag ist die Bemessungsgrundlage für die GewSt (§ 6 GewStG) des Anlegers. 2. Persönlicher Anwendungsbereich

5 Die Anwendbarkeit des § 45 InvStG setzt die GewStPfl. des Anlegers voraus. Demnach müs-

sen die Spezial-Investmentanteile einem inländischen Gewerbebetrieb zugeordnet sein. Einen Gewerbebetrieb unterhalten gewerblich tätige Einzelunternehmer, gewerblich tätige oder gewerblich geprägte Personengesellschaften, KapGes. qua Rechtsform sowie sonstige juristi1 2 3 4 5

Hey in Tipke/Lang24, Kap. 12 Rz. 33. Korff, DStR 2018, 943. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 45 InvStG Anm. 1. BT-Drucks. 18/8054, 92. BT-Drucks. 18/8054, 115.

792 | Böcker

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 8 § 45

sche Personen des öffentlichen u. des privaten Rechts.1 Die GewStPfl. entfällt, wenn eine Befreiung nach § 3 GewStG vorliegt. Der GewSt unterliegen nur inländische Gewerbebetriebe. Bei ausländischen Anlegern ist ein hinreichender Inlandsbezug nur dann gegeben, wenn die Spezial-Investmentanteile einer inländischen Betriebsstätte zugerechnet werden.2 3. Zeitlicher Anwendungsbereich § 45 Abs. 1 u. 2 InvStG ist ab 1.1.2018 anwendbar (§ 56 Abs. 1 Satz 1 InvStG).

6

III. Rechtsentwicklung Das InvStG 2004 enthielt keine entsprechende Vorschrift, sodass sich die gewerbesteuerliche 7 Behandlung der Investmenterträge nach den allgemeinen steuerlichen Regelungen gerichtet hat.3 Nach der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zum Entwurf des JStG 20224 soll in § 45 InvStG ein neuer Absatz 3 mit dem folgenden Wortlaut eingefügt werden: „Die tarifliche Einkommensteuer des Anlegers ermäßigt sich nicht um die vom Spezial-Investmentfonds gezahlte Gewerbesteuer nach § 29 Absatz 1 in Verbindung mit § 15. Die vom Spezial-Investmentfonds gezahlte Gewerbesteuer ist beim Anleger nicht als Betriebsausgabe oder Werbungskosten abziehbar.“ Damit soll nach der Gesetzesbegründung eine Minderung der Ertragsteuern des Anlegers aufgrund der von einem Spezial-Investmentfonds gezahlten GewSt ausgeschlossen werden. In der Gesetzesbegründung wird zudem darauf hingewiesen, dass, weil die gezahlten GewSt das Vermögen des Spezial-Investmentfonds und damit den Wert des Spezial-Investmentanteils mindern, eine Berücksichtigung dieser Kosten auf Anlegerebene bei Veräußerung des Spezial-Investmentanteils erfolgt, oder wenn es sich um einen betrieblichen Anleger handelt, ggf. zuvor im Rahmen einer Teilwertabschreibung.5

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften Durch § 45 Abs. 1 InvStG wird der Regelungsgehalt der gewerbesteuerrechtlichen Hinzurech- 8 nung nach § 8 Nr. 5 GewStG in das InvStG übertragen.6 § 45 Abs. 1 InvStG regelt die gewerbesteuerliche Berücksichtigung von § 3 Nr. 40 EStG, § 8b KStG u. § 42 Abs. 4 InvStG abschließend u. ist insoweit lex specialis zu § 8 Nr. 5 GewStG.7 Die h.M. geht weitergehend davon aus, dass § 45 Abs. 1 InvStG die Anwendung sämtlicher gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen u. Kürzungen nach §§ 8 u. 9 GewStG sperrt.8 Gegen eine generelle Sperrwirkung des § 45 Abs. 1 InvStG spricht jedoch, dass der Vorrang der spezielleren Norm auf ihren Regelungsinhalt beschränkt ist.

1 Hey in Tipke/Lang24, Kap. 12 Rz. 11 ff. 2 Stadler/Jetter in Moritz/Jesch/Mann2, § 45 InvStG Rz. 5. 3 S. dazu Korff in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 45 InvStG Rz. 1; Stadler/Jetter in Moritz/Jesch/Mann2, § 45 InvStG Rz. 10 ff. 4 BT-Drucks. 20/4729 v. 30.11.2022. 5 BT-Drucks. 20/4729, 166. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 45.1. 7 Korff, DStR 2018, 943 (945). 8 Korff, DStR 2018, 943 (945); a.A. wohl Häuselmann, Investmentanteile, 2019, Kap. 8 Rz. 84, der die Versagung der Kürzung nach § 9 Nr. 2a GewStG nicht mit der Systematik, sondern mit der fehlenden Tatbestandsmäßigkeit aufgrund der gewerbesteuerlichen Qualifikation des Spezial-Investmentfonds als sonstige juristische Person des privaten Rechts (§ 15 Abs. 1 InvStG i.V.m. § 2 Abs. 3 GewStG) begründet. Böcker | 793

§ 45 Rz. 9 | Gewerbesteuer bei Spezial-Investmenterträgen 9 Die Anwendung des § 45 Abs. 2 InvStG setzt die Gewährung einer Teilfreistellung nach § 43

Abs. 3 InvStG voraus. Für den Fall der Direktanlage in einem Investmentfonds sieht § 20 Abs. 5 InvStG eine entsprechende Reduzierung der Teilfreistellungssätze vor.

B. Gewerbesteuerpflicht von Kapitalerträgen (Abs. 1) I. Hinzurechnung (Abs. 1 Satz 1) 10 § 45 Abs. 1 Satz 1 InvStG enthält eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung, die auf bestimmte

Kapitalerträge beschränkt ist. Die Kapitalerträge unterteilen sich in solche, für die die Transparenzoption ausgeübt werden kann (s. Rz. 11), und solche, für die die Ausübung nicht möglich ist (s. Rz. 12).

11 Von den Kapitalerträgen, die von § 45 Abs. 1 Satz 1 InvStG erfasst sind, kann nur für die

Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 u. 2 EStG die Transparenzoption ausgeübt werden (§§ 30 Abs. 1 Satz 1, 6 Abs. 3 Nr. 1 InvStG i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 u. 1a).1 Dies sind u.a. inländische Dividenden, eigenkapitalähnliche Genussrechte u. verdeckte Gewinnausschüttungen.2 Wird die Transparenzoption ausgeübt, werden die vom Spezial-Investmentfonds erzielten Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 u. 2 EStG direkt dem Anleger zugerechnet. Für Zwecke der einkommen- und körperschaftsteuerlichen Gewinnermittlung finden § 3 Nr. 40 EStG und § 8b KStG nach Maßgabe von § 30 Abs. 2 u. 3 InvStG Anwendung. Diese Steuerbefreiungen werden aber nach § 45 Abs. 1 Satz 1 InvStG bei der Ermittlung des Gewerbeertrags nicht berücksichtigt.3 Sollte der Spezial-Investmentfonds die Transparenzoption nicht ausüben, unterliegen die Kapitalerträge auf Ebene des Spezial-Investmentfonds der KSt. Auf Ebene der Anleger sind die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge dann ganz oder teilweise steuerbefreit, soweit Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 u. 2 EStG enthalten sind (§ 42 Abs. 4 InvStG). Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 InvStG wird die Steuerbefreiung nach § 42 Abs. 4 InvStG aber für gewerbesteuerliche Zwecke suspendiert.

12 In Bezug auf die Kapitalerträge nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 u. Satz 2 EStG kann die Trans-

parenzoption nicht ausgeübt werden. Zu diesen Kapitalerträgen gehören die ausländischen Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 u. 2 EStG (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 EStG, s. Rz. 17, z.B. ausländische Dividenden) u. Kapitalerträge, die neben den Kapitalerträgen nach § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 u. 1a, Nr. 6 EStG oder an deren Stelle gewährt werden (§ 43 Abs. 1 Satz 2 EStG). Auf andere Kapitalerträge kann sich der Verweis in § 45 Abs. 1 Satz 1 InvStG auf § 43 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht beziehen.4 Wenn der Spezial-Investmentfonds diese Erträge erzielt, fließen sie dem Anleger als ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche Erträge zu. Die enthaltenen Kapitalerträge i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 u. Satz 2 EStG können nach § 3 Nr. 40 EStG oder § 8b KStG steuerbefreit sein (§ 42 Abs. 1 bis 3 InvStG). § 45 Abs. 1 Satz 1 InvStG suspendiert dann die Befreiungen für Zwecke der GewSt.

13 Zu keiner Hinzurechnung kommt es hingegen bei den Entgelten, Einnahmen und Bezügen

aus Wertpapierleih- bzw. Wertpapierpensionsgeschäften (§ 2 Nr. 2 Buchst. a bis c KStG). Diese sind zwar, wenn die Transparenzoption ausgeübt wird („... die dem Anleger nach § 30 Abs. 1 Satz 2 zugerechnet werden, ...“), vom Wortlaut des § 45 Abs. 1 Satz 1 InvStG erfasst, da der Begriff „Beteiligungseinnahmen“ in § 6 Abs. 4 InvStG legaldefiniert ist u. diese Definition die Entgelte usw. i.S.d. § 2 Nr. 2 Buchst. a bis c KStG einschließt.5 Allerdings ergeben sich 1 2 3 4 5

Korff in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 45 InvStG Rz. 9. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 45.2; Hahne, DStR 2017, 2310 (2312). Stadler/Jetter in Moritz/Jesch/Mann2, § 45 InvStG Rz. 47. Mann in Brandis/Heuermann, § 45 InvStG Rz. 6a. Vgl. im Einzelnen zu diesen Entgelten, Einnahmen u. Bezügen Hahne, DStR 2017, 2310 (2312).

794 | Böcker

B. Gewerbesteuerpflicht von Kapitalerträgen (Abs. 1) | Rz. 16 § 45

hieraus keine gewerbesteuerlichen Konsequenzen. Im Fall der Ausübung der Transparenzoption kommt als Rechtsfolge nur die Nichtberücksichtigung von § 3 Nr. 40 EStG u. § 8b KStG in Betracht. § 3 Nr. 40 EStG u. § 8b KStG sind aber auf die Entgelte usw. i.S.d. § 2 Nr. 2 Buchst. a bis c KStG ohnehin nicht anwendbar.1 Der Gesetzeswortlaut wäre somit präziser, wenn er anstelle des Begriffs „Beteiligungseinnahmen“ nur auf § 6 Abs. 3 Nr. 1 InvStG verwiese. Im Falle der Nichtausübung der Transparenzoption sind die Entgelte usw. i.S.d. § 2 Nr. 2 Buchst. a bis c KStG nicht vom Wortlaut des § 45 Abs. 1 Satz 1 InvStG erfasst, da nur auf § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 1a u. 6 sowie Satz 2 EStG verwiesen wird. Im Ergebnis kommt es damit in Abhängigkeit von der Ausübung der Transparenzoption zu einer unterschiedlichen gewerbesteuerlichen Behandlung: Wird die Transparenzoption ausgeübt, fließen die Entgelte usw. direkt dem Anleger zu u. werden vollumfänglich bei der Ermittlung des Gewerbeertrags berücksichtigt, da § 3 Nr. 40 EStG u. § 8b KStG nicht zur Anwendung kommen.2 Bei Nichtausübung gilt für die Entgelte usw. die Steuerbefreiung nach § 42 Abs. 4 InvStG. Es kommt zu keiner Hinzurechnung nach § 45 Abs. 1 Satz 1 InvStG, sodass die Steuerbefreiung sich auch gewerbesteuerlich auswirkt.3 Insoweit fließt lediglich die einkommen- bzw. körperschaftsteuerliche Einkünfteermittlung in den Gewerbeertrag ein.4 Auf inländische Immobilienerträge oder sonstige inländische Einkünfte, die bei Nichtaus- 14 übung der Immobilien-Transparenzoption in den ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträgen enthalten sind, ist § 45 Abs. 1 Satz 1 InvStG nicht anwendbar. Eine Steuerbefreiung nach § 42 Abs. 5 InvStG wirkt sich daher auch auf die GewSt aus.5 Wird die ImmobilienTransparenzoption dagegen ausgeübt, werden dem Anleger Spezial-Investmentfondserträge zugerechnet, die grds. der GewSt unterliegen (s. Rz. 1). Die Kapitalerträge, die dem Anleger nicht zugerechnet werden, weil die Transparenzoption 15 nicht ausgeübt wird oder für die konkreten Erträge nicht ausgeübt werden kann, müssen in den ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträgen „enthalten“ sein. Es wird also durch den Spezial-Investmentfonds hindurch auf die Einkunftsquelle des Spezial-Investmentfonds geschaut. Für doppel- oder mehrstufige Spezial-Investmentfondsstrukturen ergibt sich aus § 37 Abs. 2 Satz 1 InvStG, dass sich diese Semitransparenz auch über mehrere Ebenen von Spezial-Investmentfonds erstreckt u. durch diese auf die originäre Einkunftsquelle durchzuschauen ist (s. näher § 37 InvStG Rz. 18 f.).

II. Rückausnahme (Abs. 1 Satz 2) 1. Vorbemerkung § 45 Abs. 1 Satz 2 InvStG enthält eine Rückausnahme zu Satz 1. Die Rückausnahme ist an 16 drei Voraussetzungen geknüpft, die kumulativ vorliegen müssen. Sie betreffen die ausschüttende Gesellschaft (Rz. 17), den Anleger (Rz. 18 ff.) sowie die mittelbare Beteiligung (Rz. 22 ff.). Liegen die Voraussetzungen vor, entfällt die in § 45 Abs. 1 Satz 1 InvStG vorgesehene Suspendierung des § 8b KStG bzw. § 42 Abs. 4 InvStG. Das bedeutet, die Steuerbefreiungen kommen bei der Ermittlung des Gewerbeertrags zur Anwendung, sofern deren tatbestandliche Voraus-

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 45.3; Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 45 InvStG Rz. 5. 2 Korff in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 45 InvStG Rz. 20; Stadler/Jetter in Moritz/Jesch/Mann2, § 45 InvStG Rz. 33. 3 Korff in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 45 InvStG Rz. 20; Stadler/Jetter in Moritz/Jesch/Mann2, § 45 InvStG Rz. 32. 4 Stadler/Jetter in Moritz/Jesch/Mann2, § 45 InvStG Rz. 32. 5 Korff, DStR 2018, 943 (945). Böcker | 795

§ 45 Rz. 16 | Gewerbesteuer bei Spezial-Investmenterträgen setzungen erfüllt sind.1 Es wird insoweit also der Gleichlauf der gewerbesteuerlichen Gewinnermittlung mit der körperschaftsteuerlichen Gewinnermittlung wiederhergestellt. Die Suspendierung des § 3 Nr. 40 EStG bei Anlegern, die nicht der KSt unterliegen, wird indes entgegen dem insoweit zu weiten Wortlaut von § 45 Abs. 1 Satz 2 InvStG („Dies gilt nicht ...“) nicht aufgehoben (vgl. dazu Rz. 18). 2. Ausschüttende Gesellschaft (Abs. 1 Satz 2 Nr. 1) 17 Der Schuldner der Kapitalerträge muss eine Gesellschaft i.S.d. § 26 Nr. 6 Satz 2 InvStG sein.

Die Ausschüttungen, die der Spezial-Investmentfonds erhält, müssen also von einer Immobilien-Gesellschaft, ÖPP-Gesellschaft oder einer Gesellschaft, deren Unternehmensgegenstand auf die Erzeugung erneuerbarer Energie gerichtet ist, stammen. In Bezug auf die Berücksichtigung von § 3 Nr. 40 EStG u. § 8b KStG hat diese Anforderung nur klarstellende Bedeutung, da die erforderliche Mindestbeteiligungsquote nur bei diesen Gesellschaften erreicht werden darf (§ 26 Nr. 6 InvStG) bzw. berücksichtigt wird (29 Abs. 3 Satz 1 InvStG).2 S. auch § 26 InvStG Rz. 108 ff. 3. Anleger (Abs. 1 Satz 2 Nr. 2)

18 Der Anleger des Spezial-Investmentfonds muss ein Körperschaftssubjekt sein und darf kein

Institut oder Unternehmen nach § 3 Nr. 40 Satz 3 oder 4 EStG bzw. § 8b Abs. 7 oder 8 KStG sein. Die Beschränkung auf Anleger, die dem KStG unterliegen, ist widersprüchlich, da sachliche Gründe fehlen u. der Verweis auf § 3 Nr. 40 Sätze 3 u. 4 EStG eine mögliche Anwendbarkeit des EStG nahelegt.3 Stadler/Jetter sprechen sich deshalb für eine teleologische Auslegung aus, die auch die betrieblichen Anleger einschließt, die dem EStG unterliegen.4 Die teleologische Interpretation muss sich jedoch innerhalb der Grenzen des Wortlauts bewegen,5 der in diesem Zusammenhang eindeutig ist.

19 Vom Ausschluss erfasst sind Kredit-, Finanzdienstleistungs- u. Wertpapierinstitute (§ 8b

Abs. 7 Satz 1 KStG, § 3 Nr. 40 Satz 3 EStG). Dies gilt auch für Finanzunternehmen i.S.d. § 1 Abs. 3 KWG, an denen die genannten Institute unmittelbar oder mittelbar zu mehr als 50 % beteiligt sind (§ 8b Abs. 7 Satz 2 KStG, § 3 Nr. 40 Satz 3 KStG). Ausgeschlossen sind auch Lebens- u. Krankenversicherungsunternehmen (§ 8b Abs. 8 KStG).

20 § 8b Abs. 7 u. 8 KStG sowie § 3 Nr. 40 Satz 3 EStG machen die Versagung der Steuerbefreiung

davon abhängig, ob die Anteile bei den betreffenden Instituten bzw. Unternehmen dem Handelsbestand, dem Umlaufvermögen bzw. den Kapitalanlagen zuzuordnen sind. Diese Zuordnungsentscheidung spielt i.R.d. § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InvStG keine Rolle. Es wird dort nach dem eindeutigen Wortlaut ausschließlich auf die Person des Anlegers abgestellt.6 Überzeugende Gründe gibt es dafür nicht: Gesetzgeberisches Ziel ist eigentlich, bei SpezialInvestmentfonds zu einer Steuerbelastung zu kommen, die mit der Direktanlage vergleichbar ist. Direktanlagen in Immobilien-, ÖPP- u. EEG-Gesellschaften sind im Allgemeinen langfristig angelegt. Eine Zuordnung zum Handelsbestand oder Umlaufvermögen ist daher unty-

1 2 3 4 5

Mann in Brandis/Heuermann, § 45 InvStG Rz. 11. Stadler/Jetter in Moritz/Jesch/Mann2, § 45 InvStG Rz. 54f. Bindl/Leidel, DB 2018, 722 (726); Korff in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 45 InvStG Rz. 27. Stadler/Jetter in Moritz/Jesch/Mann2, § 45 InvStG Rz. 69. Über den Wortlaut hinaus ist Rechtsfortbildung nur im Fall einer planwidrigen Regelungslücke möglich, vgl. Englisch in Tipke/Lang24, Kap. 5 Rz. 58 u. 74. 6 Mann in Brandis/Heuermann, § 45 InvStG Rz. 9a; a.A. Bindl/Leidl, DB 2018, 722 (726) Fn. 26: Nach Sinn u. Zweck erweiternd auszulegen. Nach hier vertretener Ansicht ist aber auch hier eine teleologische Auslegung, die die Grenzen des Wortlauts überschreitet, nicht möglich.

796 | Böcker

B. Gewerbesteuerpflicht von Kapitalerträgen (Abs. 1) | Rz. 25 § 45

pisch.1 Gerade Anlagen i.R.d. betrieblichen Altersversorgung über Spezial-Investmentfonds werden daher bei den betroffenen Instituten u. Unternehmen gegenüber der Direktanlage gewerbesteuerlich benachteiligt.2 In § 8b Abs. 8 Satz 5 KStG werden auch Pensionsfonds aufgeführt. Diese sind aber keine In- 21 stitute oder Unternehmen und somit keine schädlichen Anleger i.S.d. § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InvStG.3 Der Verweis auf § 3 Nr. 40 Satz 4 EStG geht nach der aktuellen Gesetzeslage ins Leere. Durch ihn werden nur Unterstützungskassen in Bezug genommen, die aber ebenfalls weder Institute noch Unternehmen sind.4 4. Gewerbesteuerliches Schachtelprivileg (Abs. 1 Satz 2 Nr. 3) Voraussetzung ist weiterhin, dass die rechnerische Beteiligung des Anlegers an der ausschüt- 22 tenden Gesellschaft die Schwelle des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs nach § 9 Nr. 2a u. 7 GewStG erreicht. Der Anleger selbst ist unmittelbar nur an dem Spezial-Investmentfonds beteiligt. Das Gesetz stellt daher auf den Umfang der mittelbaren Beteiligung des Anlegers an der Gesellschaft i.S.d. § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InvStG ab. Da das Gesetz ohne weitere Einschränkung auf die rechnerische Beteiligung abstellt, muss nach dem Wortlaut der Spezial-Investmentfonds die Beteiligung nicht unmittelbar halten, sodass auch mittelbare Beteiligungen des Fonds über Personengesellschaften zu berücksichtigen sind.5 Die rechnerische Beteiligung muss die in § 9 Nr. 2a u. 7 GewStG enthaltene Mindestschwelle 23 von 15 % erreichen. Inwieweit der Verweis auf die gewerbesteuerrechtlichen Vorschriften abgesehen davon reicht, ist streitig. Teilweise wird der Verweis auf § 9 Nr. 2a u. 7 GewStG als Rechtsgrundverweisung angesehen.6 Nach a.A. soll der Wortlaut des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 InvStG dagegen eindeutig nur auf die dort festgelegte Beteiligungsschwelle verweisen.7 Nach hier vertretener Ansicht handelt es sich um eine Rechtsgrundverweisung. Die rechnerische Beteiligung muss nach dem Wortlaut „die Voraussetzungen für eine Kürzung nach § 9 Nr. 2a u. 7 des Gewerbesteuergesetzes“ erfüllen. Der Wortlaut verweist demnach ohne Einschränkung auf sämtliche Voraussetzungen von § 9 Nr. 2a u. 7 GewStG. Zu diesen Voraussetzungen gehört, dass die Beteiligungsquote zu Beginn des EZ erfüllt sein muss.8 § 9 Nr. 2a u. 7 GewStG sehen in ihrer aktuellen Fassung jeweils eine Mindestbeteiligungsquote 24 von 15 % vor. Vor der Änderung durch das „JStG 2019“ sah § 9 Nr. 7 Satz 1 Halbs. 2 GewStG für EU-Gesellschaften jedoch nur eine Quote von 10 % vor. Fraglich war daher, wie der Verweis auf die beiden unterschiedlichen Quoten („... § 9 Nr. 2a und 7...“) zu verstehen ist. Da es sich um eine Rechtsgrundverweisung handelt, betrug die Quote abhängig von der Zielgesellschaft entweder 10 % oder 15 %.9 Der Wortlaut des § 45 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 InvStG schließt eine Zusammenrechnung der über 25 einen Spezial-Investmentfonds gehaltenen Beteiligung mit unmittelbar gehaltenen Beteiligungen aus.10 Nach Ansicht der FinVerw. soll darüber hinaus auch eine Zusammenrechnung von 1 2 3 4 5 6 7

Hahne, FR 2021, 415 (422). Bindl/Leidl, DB 2018, 722 (726); Stadler/Jetter in Moritz/Jesch/Mann2, § 45 InvStG Rz. 64. Korff, DStR 2018, 943 (947). Mann in Brandis/Heuermann, § 45 InvStG Rz. 9; Korff, DStR 2018, 943 (946). Stadler/Jetter in Moritz/Jesch/Mann2, § 45 InvStG Rz. 82. Mann in Brandis/Heuermann, § 45 InvStG Rz. 10. Bindl/Leidel, DB 2018, 722 (727); Korff, DStR 2018, 943 (948); Stadler/Jetter in Moritz/Jesch/Mann2, § 45 InvStG Rz. 83. 8 Mann in Brandis/Heuermann, § 45 InvStG Rz. 10. 9 Im Ergebnis Korff, DStR 2018, 943 (947); Stadler/Jetter in Moritz/Jesch/Mann2, § 45 InvStG Rz. 80. 10 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 45.6; Mann in Brandis/Heuermann, § 45 InvStG Rz. 10. Böcker | 797

§ 45 Rz. 25 | Gewerbesteuer bei Spezial-Investmenterträgen Beteiligungen, die über verschiedene Spezial-Investmentfonds gehalten werden, nicht in Betracht kommen.1 Diese Einschränkung lässt sich dem Wortlaut jedoch nicht entnehmen.2

C. Teilfreistellungen (Abs. 2) 26 Die Teilfreistellungen für Anleger von Spezial-Investmentfonds nach § 43 Abs. 3 InvStG

schlagen grds. auch auf den Gewerbeertrag durch. Sie erstrecken sich auf ausgeschüttete u. ausschüttungsgleiche Erträge, soweit diese Ausschüttungen von Investmentfonds Vorabpauschalen und Gewinne aus der Veräußerung von Investmentanteilen enthalten.3 Erfasst sind auch durch Veräußerung von Ziel-Spezial-Investmentfondsanteilen realisierte Anleger-Teilfreistellungsgewinne.4 Dagegen fallen Anleger-Teilfreistellungsgewinne, die im Bewertungsfall, bei Veräußerung des Spezial-Investmentfondsanteils oder bei sonstiger Realisation anzusetzen sind, nicht unter § 45 Abs. 2 InvStG.5

27 § 45 Abs. 2 InvStG korrigiert die Teilfreistellungssätze für Zwecke der Gewerbesteuer auf

die Hälfte. Die Inanspruchnahme von Teilfreistellungen kommt nur in Betracht, wenn der Spezial-Investmentfonds an einem Misch-, Aktien- oder Immobilienfonds beteiligt ist. Die von § 37 Abs. 2 Satz 1 InvStG vorgegebene Semitransparenz (s. § 37 InvStG Rz. 18 f.) ist bei der Auslegung des § 43 Abs. 3 InvStG zu berücksichtigen, an die § 45 Abs. 2 InvStG anknüpft.6

28 Über den Gesetzeswortlaut hinaus lässt die FinVerw. es zu, dass die aufgrund der Teilfreistel-

lung i.R.d. ESt und KSt nicht abziehbaren Ausgaben (§ 44 i.V.m. 21 InvStG) für Zwecke der GewSt angepasst werden. Die Hälfte dieser Ausgaben kann bei der Ermittlung des Gewerbeertrags abgezogen werden.7 Eine Anpassung der gesetzlichen Regelung wäre insoweit wünschenswert. Eine vergleichbare Problematik besteht i.R.d. Abzugsbeschränkung für Krankenu. Lebensversicherer nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG. Die FinVerw. legt hier auch für die GewSt die höheren Teilfreistellungen nach § 43 Abs. 3 InvStG zugrunde.8

§ 46 Zinsschranke (1) 1Beim Anleger sind für Zwecke des § 4h Absatz 1 des Einkommensteuergesetzes ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche Erträge, die aus Zinserträgen nach § 4h Absatz 3 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes stammen, als Zinserträge zu berücksichtigen. 2Dies gilt nicht für ausgeschüttete Erträge, die nach § 35 Absatz 6 als Substanzbeträge gelten. (2) Der anzusetzende Zinsertrag mindert sich um die folgenden Abzugsbeträge: 1. Direktkosten, 2. die nach § 40 den Zinserträgen zuzurechnenden Allgemeinkosten, 1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 45.6. 2 Bindl/Leidel, DB 2018, 722 (726) Fn. 27; Mann in Brandis/Heuermann, § 45 InvStG Rz. 10; Korff, DStR 2018, 943 (947). 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 45.8; Stadler/Mayer/Ludwig, BB 2021, 1559 (1565). 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 45.8. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 45.8. 6 So wohl auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 45.8 Satz 2. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 45.9. 8 BMF v. 12.12.2019 – IV C 2 - S 2775/19/10001:002, BStBl. I 2019, 1376 Rz. 3.5; dazu näher Stadler/ Mayer/Ludwig, BB 2021, 1559 (1565).

798 | Böcker und Joch

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 2 § 46

3. Zinsaufwendungen und 4. negative Kapitalerträge nach § 20 Absatz 1 Nummer 7 oder Absatz 2 Satz 1 Nummer 7 des Einkommensteuergesetzes. (3) Übersteigen die Abzugsbeträge den Zinsertrag, so ist die Differenz auf die folgenden Geschäftsjahre des Spezial-Investmentfonds zu übertragen; dies mindert den Zinsertrag der folgenden Geschäftsjahre. A. I. II. III. IV. B. I.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . Anwendbarkeit und Definition (Abs. 1) Anwendbarkeit der Zinsschranke und Bestimmung der Zinserträge (Abs. 1 Satz 1) II. Substanzerträge (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . .

1 2 3 5

6 8

C. Minderung der Zinserträge (Abs. 2) I. Abzugsbeträge 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Direktkosten (Abs. 2 Nr. 1) . . . . . . . . . 3. Allgemeinkosten (Abs. 2 Nr. 2) . . . . . . 4. Zinsaufwendungen (Abs. 2 Nr. 3) . . . . 5. Negative Kapitalerträge (Abs. 2 Nr. 4) D. Vortrag von Abzugsbeträgen (Abs. 3) . .

9 10 11 12 13 14

Literatur: Patzner/Joch, Die negativen Zinsen als neue Herausforderung bei der Ertragsbesteuerung, BB 2015, 221; Patzner/Joch, Negativzinsen – neue Gestaltungsoption oder steuerliche Herausforderung für die GmbH?, GmbHR 2015, 747; Anzinger, Dauerniedrigzins bei Bilanzierung, Unternehmensbewertung und Besteuerung (Teil I), DStR 2016, 1766.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck Die Vorschrift regelt die Berücksichtigung in ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Er- 1 trägen enthaltener Zinserträge i.R.d. Zinsschranke i.S.d. § 4h EStG1 auf Ebene des Anlegers. Der Ausweis der Zinserträge bezweckt eine möglichst weitgehende Gleichbehandlung von erzielten Zinserträgen aus der Investmentanlage mit Zinserträgen aus der Direktanlage.2 Die Regelung ist damit Teil der (semi-)transparenten Investmentbesteuerung, die in Kapitel 3 auf Erträge von Spezial-Investmentfonds angewendet wird.3 § 46 InvStG ist sowohl auf inländische als auch auf ausländische Spezial-Investmentfonds anwendbar.

II. Anwendungsbereich Die Vorschrift gilt nicht für Zinserträge, die von (Kapitel 2) Investmentfonds erzielt werden, 2 da bei diesen das intransparente Besteuerungsregime nach §§ 6 ff. InvStG Anwendung findet. Anwendbar ist die Vorschrift lediglich auf (Kapitel 3) Spezial-Investmentfonds (bei entsprechender Ausübung der Transparenzoption, § 30 Abs. 1 Satz 1 InvStG) und dies seit dem 1.1.2018.

1 BT-Drucks. 18/8045, 115 f. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 46.1. 3 BT-Drucks. 18/8045, 94. Joch | 799

§ 46 Rz. 3 | Zinsschranke

III. Rechtsentwicklung 3 Erstmals wurde die Vorgängerregelung (§ 2 Abs. 2a InvStG 2004) mit dem JStG 2008 v.

20.12.20071 in das Investmentsteuergesetz 2004 eingefügt – dies vor dem Hintergrund der damals kurz zuvor im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht eingeführten Zinsschranke in § 4h EStG und § 8a KStG durch das UntStRefG 20082. Durch das AIFM-StAnpG v. 18.12.20133 wurde die Vorschrift lediglich redaktionell angepasst.

4 Durch das InvStRefG v. 19.7.20164 wurde der neue § 46 in das InvStG eingefügt. Diese Norm

stellt nun eine wesentliche Erweiterung des ursprünglichen § 2 Abs. 2a InvStG 2004 dar. Der jetzige Satz 1 entspricht dem bisherigen Wortlaut des § 2 Abs. 2a InvStG 2004 i.d.F. des AIFM-StAnpG. Dagegen wurden Satz 2 sowie die Absätze 2 und 3 neu eingefügt.

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 5 Für Zwecke der Zinsschranke sollen uneingeschränkt die in den ausgeschütteten oder aus-

schüttungsgleichen Erträgen enthaltenen (Netto-)Zinserträge beim Anleger berücksichtigt werden.5 Für die in Abs. 2 genannten Abzugsbeträge (Nr. 1 bis Nr. 4) sind jeweils die Bestimmungen der §§ 39, 40 InvStG sowie § 20 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG zu berücksichtigen.

B. Anwendbarkeit und Definition (Abs. 1) I. Anwendbarkeit der Zinsschranke und Bestimmung der Zinserträge (Abs. 1 Satz 1) 6 Die Regelungen zur Zinsschranke (§ 4h EStG, § 8a KStG) sind ausweislich des Gesetzeswort-

lauts („beim Anleger“) nicht bei der Ermittlung der ausgeschütteten (§ 35 InvStG) bzw. ausschüttungsgleichen (§ 36 InvStG) Erträge auf Ebene des Spezial-Investmentfonds zu berücksichtigen, sondern erst auf Ebene des Anlegers anwendbar.6 Schließlich werden gem. § 37 Satz 1 InvStG in sinngemäßer Anwendung des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG die Einkünfte auf der Ebene des Spezial-Investmentfonds als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten ermittelt. Damit kann der Anleger die in den Besteuerungsgrundlagen des Spezial-Investmentfonds ausgewiesenen Zinserträge in seiner Steuererklärung und der „Anlage Zinsschranke“ mitberücksichtigen. Dies kann daher zu einer Erhöhung des Volumens für den Abzug von Zinsaufwendungen führen.7

7 Gemäß der in § 4h Abs. 3 Satz 3 EStG niedergelegten Legaldefinition sind Zinserträge Erträge

aus Kapitalforderungen jeder Art, die den maßgeblichen Gewinn erhöht haben. Zu den Erträgen i.S.d. § 4h Abs. 3 Satz 3 EStG gehören nur Erträge aus der vorübergehenden Überlassung von Geldkapital, welche typischerweise bei der Gewährung von Darlehen erzielt werden. Hierunter fällt jedoch nicht der Bezug von Dividenden.8 Dennoch können auch entsprechend als 1 2 3 4 5 6 7 8

BGBl. I 2007, 3150 = BStBl. I 2008, 218. G v. 14.8.2007, BGBl. I 2007, 1912. BGBl. I 2013, 4318. BGBl. I 2016, 1730. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 46.2. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 46.4. Loschelder in Schmidt41, § 4h EStG Rz. 25. So die Gesetzesbegründung zur Zinsschranke, vgl. BT-Drucks. 16/4841, 49; ebenso Hick in H/H/R, § 4h EStG Anm. 80.

800 | Joch

C. Minderung der Zinserträge (Abs. 2) | Rz. 10 § 46

Fremdkapital ausgestaltete Gewinnbeteiligungen zu den Zinserträgen gehören, wie bspw. Vergütungen für partiarische Darlehen sowie Genussrechte.1 Keine Zinserträge i.S.d. § 4h Abs. 3 Satz 3 EStG sind negative Zinsen, da es sich nach dem Wortlaut der Definition um Erträge aus Kapitalforderungen handeln muss. Schließlich handelt es sich bei diesen nicht um einen Ertrag aus einer Kapitalforderung, sondern um einen Ertrag aus einer Kapitalschuld.2 Ebenso sind Auf- und Abzinsungen der Kapitalforderungen keine Zinserträge i.S.d. Vorschrift (§ 4h Abs. 3 Satz 4 EStG).

II. Substanzerträge (Abs. 1 Satz 2) Die Norm verbietet eine Berücksichtigung von Zinserträgen bei der Zinsschranke, welche 8 nach § 35 Abs. 6 InvStG (s. dazu § 35 InvStG Rz. 35) als Substanzerträge qualifizieren. Mit dem gegenüber der Regelung im InvStG 2004 neuen Satz 2 wollte der Gesetzgeber verhindern, dass der Anleger sich durch den Erwerb von Fondsanteilen kurz vor Geschäftsjahresende alle während des Geschäftsjahres auf Fondsebene angefallenen Zinserträge im Rahmen der Zinsschranke zunutze macht.3

C. Minderung der Zinserträge (Abs. 2) I. Abzugsbeträge 1. Vorbemerkung Die auf Ebene des Spezial-Investmentfonds erzielten Zinseinnahmen werden durch bestimmte 9 Abzugsbeträge gemindert. Damit stellt der nach § 46 Abs. 1 InvStG ausgewiesene Zinsertrag eine Netto-Größe dar (Netto-Zinsertrag). Der Ansatz der Brutto-Zinseinnahmen (BruttoZinsertrag) ist und war bereits nach der früheren Rechtslage unzulässig.4 Der Netto-Zinsertrag wird nach § 51 Abs. 1 InvStG auf Ebene des Spezial-Investmentfonds festgestellt. 2. Direktkosten (Abs. 2 Nr. 1) Bei den Direktkosten handelt es sich um Werbungskosten, die in einem unmittelbaren Zu- 10 sammenhang mit den Zinseinnahmen stehen (§ 39 InvStG, s. dazu § 39 InvStG Rz. 10, 12). Die Minderung des für die Zinsschranke maßgeblichen Zinsertrags durch unmittelbare Werbungskosten war bereits unter der früheren Rechtslage die einhellige Auffassung von FinVerw. und Literatur.5

1 Loewens in Brandis/Heuermann, § 4h EStG Rz. 36. 2 Loewens in Brandis/Heuermann, § 4h EStG Rz. 36; Patzner/Joch, GmbHR 2015, 747; Loschelder in Schmidt41, § 4h EStG Rz. 23; Hick in H/H/R, § 4h EStG Anm. 80. 3 BT-Drucks. 18/8045, 116; so auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 46.6, 46.7. 4 BT-Drucks. 18/8045, 115; vgl. zur früheren Rechtslage BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 - 1/08/ 10019 – DOK 2009/0539738, BStBl. I 2009, 931 Rz. 36b; zugleich Lübbehüsen in Berger/Steck/Lübbehüsen, § 2 InvStG Rz. 193. 5 Vgl. BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 - 1/08/10019 – DOK 2009/0539738, BStBl. I 2009, 931 Rz. 36b; Patzner/Kempf in Patzner/Döser/Kempf, § 2 InvStG Rz. 15; Lübbehüsen in Berger/Steck/Lübbehüsen, § 2 InvStG Rz. 193. Joch | 801

§ 46 Rz. 11 | Zinsschranke 3. Allgemeinkosten (Abs. 2 Nr. 2) 11 Die nach § 40 InvStG zuzuordnenen Werbungskosten (s. dazu § 40 InvStG Rz. 11 ff.) wer-

den ebenfalls bei den Zinseinnahmen in Abzug gebracht. Wie im Fall der Direktkosten handelt es sich auch hier um eine Kodifizierung der bisherigen Verwaltungsauffassung, die auch weiterhin von der FinVerw. so vertreten wird.1 4. Zinsaufwendungen (Abs. 2 Nr. 3)

12 Nach früher geltendem Recht wurde der auf Fondsebene in Abzug gebrachte Zinsaufwand

nicht mit den Zinseinnahmen verrechnet und stellte daher für den (betrieblichen) Anleger einen Vorteil gegenüber der Direktanlage dar.2 Dieser Vorteil ist durch die Regelung in Nr. 3 weggefallen. Demnach erscheint durch den Abzug der Zinsaufwendungen auf Fondsebene eine Gleichstellung mit der Direktanlage und damit eine Annäherung an die Regelungen der Zinsschranke gewollt zu sein.3 Auswirkungen dieser Neuregelung sollten sich insbes. bei Immobilien-Spezial-Investmentfonds zeigen.4 Schließlich werden die von den Fonds direkt erworbenen Immobilien regelmäßig von diesen fremdfinanziert, um die Eigenkapitalrenditen der Immobilien-Investitionen zu steigern. Im Gegensatz zur früheren Rechtslage mindert der daraus resultierende Zinsaufwand den (Netto-)Zinsertrag. Dies führt dazu, dass Anleger, die noch unter der früheren Rechtslage mit der Zuweisung der nicht um den Zinsaufwand gekürzten Zinserträge das Zinsabzugspotenzial für Zwecke der Zinsschranke (§§ 4h EStG, 8a KStG) erhöhen wollten, wegen der Regelung in Nr. 3 hiermit nicht mehr rechnen können. 5. Negative Kapitalerträge (Abs. 2 Nr. 4)

13 Dem Wortlaut nach handelt es sich bei den negativen Kapitalerträgen um solche nach § 20

Abs. 1 Nr. 7 oder Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG. Zu den negativen Kapitalerträgen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG gehören bspw. die gezahlten Stückzinsen beim Kauf einer verzinslichen Forderung oder die Verluste aus der Veräußerung einer risikobehafteten Hochzinsanleihe.5 Unter den Begriff der negativen Kapitalerträge fallen jedoch nicht negative Einlagen- oder Darlehenszinsen.6

D. Vortrag von Abzugsbeträgen (Abs. 3) 14 Der Absatz 3 regelt einen Vortrag eines etwaigen Überhangs der in Abs. 2 genannten Ab-

zugsbeträge über die Zinserträge. Ein solcher Überhang ist auf die folgenden Geschäftsjahre des Spezial-Investmentfonds zu übertragen. Der Systematik eines Verlustvortrags folgend werden in den Folgejahren die berücksichtigungsfähigen Zinseinnahmen für Zwecke der Zinsschranke gemindert.7 Die FinVerw. wendet die Regelung des § 41 Abs. 2 Satz 3 InvStG auch auf den Abs. 3 an. Hiernach gehen bei der Veräußerung eines Spezial-Investmentanteils der entsprechende vorgetragene negative Zinsertrag i.S.d. § 46 Abs. 3 InvStG und der negative Zinsertrag des laufenden Geschäftsjahres bis zum jeweiligen Veräußerungszeitpunkt unter.8 1 2 3 4 5 6

BT-Drucks. 18/8045, 115; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 46.9. Vgl. Bödecker in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 2 InvStG a.F. Rz. 112. BT-Drucks. 18/8045, 116. Vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 46.10. BT-Drucks. 18/8045, 116; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 46.10. So die h.M: BMF v. 18.1.2016 – IV C 1 - S 2252/08/10004 :017 – DOK 2015/0468306, BStBl. I 2016, 85 Rz. 129a.; Ratschow in Brandis/Heuermann, § 20 EStG Rz. 309; Patzner/Joch, BB 2015, 221; Levedag in Schmidt41, § 20 EStG Rz. 265; a.A. Anzinger, DStR 2016, 1766. 7 BT-Drucks. 18/8045, 116; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 46.12. 8 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 46.13, 46.14.

802 | Joch

Anrechnung und Abzug von ausländischer Steuer | § 47

§ 47 Anrechnung und Abzug von ausländischer Steuer (1) 1Enthalten die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge Einkünfte aus einem ausländischen Staat, die in diesem Staat zu einer Steuer herangezogen wurden, die anrechenbar ist 1. nach § 34c Absatz 1 des Einkommensteuergesetzes, 2. nach § 26 Absatz 1 des Körperschaftsteuergesetzes oder 3. nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer, so ist bei unbeschränkt steuerpflichtigen Anlegern die festgesetzte und gezahlte und um einen entstandenen Ermäßigungsanspruch gekürzte ausländische Steuer auf den Teil der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer anzurechnen, der auf diese ausländischen, um die anteilige ausländische Steuer erhöhten Einkünfte entfällt. 2Wird von auf ausländische Spezial-Investmentanteile ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträgen in dem Staat, in dem der ausländische Spezial-Investmentfonds ansässig ist, eine Abzugsteuer erhoben, so gilt für deren Anrechnung Satz 1 entsprechend. (2) Zur Ermittlung des Teils der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer, der auf die ausländischen, um die anteilige ausländische Steuer erhöhten Einkünfte nach Absatz 1 entfällt, ist 1. bei einkommensteuerpflichtigen Anlegern der durchschnittliche Steuersatz, der sich bei der Veranlagung des zu versteuernden Einkommens, einschließlich der ausländischen Einkünfte, nach den §§ 32a, 32b, 34, 34a und 34b des Einkommensteuergesetzes ergibt, auf die ausländischen Einkünfte anzuwenden, 2. bei körperschaftsteuerpflichtigen Anlegern die deutsche Körperschaftsteuer, die sich bei der Veranlagung des zu versteuernden Einkommens, einschließlich der ausländischen Einkünfte, ohne Anwendung der §§ 37 und 38 des Körperschaftsteuergesetzes ergibt, aufzuteilen; die Aufteilung erfolgt nach dem Verhältnis der ausländischen Einkünfte zur Summe der Einkünfte. (3) Der Höchstbetrag der anrechenbaren ausländischen Steuern aus verschiedenen Staaten ist für die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge aus jedem einzelnen Spezial-Investmentfonds zusammengefasst zu berechnen. (4) 1§ 34c Absatz 1 Satz 3 und 4 sowie Absatz 2, 3 und 6 des Einkommensteuergesetzes ist entsprechend anzuwenden. 2Der Anrechnung der ausländischen Steuer nach § 34c Absatz 1 des Einkommensteuergesetzes steht bei ausländischen Spezial-Investmentanteilen § 34c Absatz 6 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes nicht entgegen. (5) Ausländische Steuern, die auf ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträge entfallen, die nach § 43 Absatz 1 steuerfrei sind, sind bei der Anrechnung oder dem Abzug nach Absatz 1 nicht zu berücksichtigen. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . 2. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . 3. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . .

1 4 5 6 7 8

B. Anrechnung von ausländischer Steuer (Abs. 1) I. Anrechnung von ausländischer Steuer (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anrechnung von ausländischen Abzugsteuern (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . C. Ermittlung des auf die ausländischen Einkünfte entfallenden Teils der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9 18

20

Adam | 803

§ 47 Rz. 1 | Anrechnung und Abzug von ausländischer Steuer D. Höchstbetrag der anrechenbaren ausländischen Steuern (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . 23 E. Entsprechende Anwendung von § 34c EStG (Abs. 4) I. Entsprechende Anwendung von § 34c Abs. 1 Sätze 3 und 4 sowie Abs. 2, 3 und 6 EStG (Abs. 4 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

II. Nichtanwendung von § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG (Abs. 4 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Nichtberücksichtigung ausländischer Steuern, die auf steuerfreie Erträge entfallen (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26 27

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck 1 § 47 InvStG regelt Fälle, in denen unbeschränkt stpfl. Anleger über Spezial-Investment-

fonds ausländische Einkünfte erzielen, die sowohl im Quellenstaat auf der Ebene des Spezial-Investmentfonds als auch im Inland gegenüber den unbeschränkt stpfl. Anlegern besteuert werden.1 Für diese Fälle sieht § 47 InvStG die Anrechnung ausländischer, auf in ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträgen enthaltene Einkünfte des Spezial-Investmentfonds erhobener Steuern auf die von einem Anleger des Spezial-Investmentfonds geschuldete ESt oder KSt vor. Über den Verweis in § 47 Abs. 4 Satz 1 InvStG auf § 34c Abs. 2 und Abs. 3 EStG kann die ausländische Steuer auf Antrag auch von den ausländischen Einkünften abgezogen werden. Des Weiteren ermöglicht § 47 InvStG die Anrechnung ausländischer Abzugsteuern, die von dem ausländischen Ansässigkeitsstaat eines ausländischen Spezial-Investmentfonds auf ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche Erträge erhoben werden, auf die inländische Steuer des unbeschränkt stpfl. Anlegers.

2 Bei einer steuerlichen Vorbelastung von Einkünften eines Spezial-Investmentfonds im Aus-

land, z.B. aufgrund von Quellensteuern, droht eine steuerliche Mehrfachbelastung. Sinn und Zweck des § 47 InvStG ist, eine solche steuerliche Mehrfachbelastung zu vermeiden bzw. zu vermindern und auch im Hinblick auf ausländische Steuern die steuerliche Transparenz der Fondsanlage im Vergleich zur Direktanlage sicherzustellen.2 Hierzu ermöglicht § 47 InvStG unbeschränkt stpfl. Anlegern eines Spezial-Investmentfonds die Steueranrechnung oder den Steuerabzug im Inland bei Sachverhalten, in welchen die zurechenbaren Einkünfte sowohl im Inland als auch im Quellenstaat der Besteuerung unterliegen.3 § 47 InvStG trägt damit dem Transparenzprinzip Rechnung, welches bei der Besteuerung eines Anlegers, der in einen Spezial-Investmentfonds investiert, umzusetzen ist. Ähnlich wie bei der Direktanlage wird zur Vermeidung bzw. Verminderung der Doppelbesteuerung entweder die Freistellungsmethode oder die Anrechnungsmethode angewendet.4

3 § 47 InvStG im Überblick:

– Abs. 1 beinhaltet die Voraussetzungen dem Grunde nach für die Anrechnung ausländischer Steuern, die auf der Eingangsseite des Spezial-Investmentfonds auf Einkünfte erhoben werden. Dabei sieht Abs. 1 Satz 2 vor, dass die Anrechnung ausländischer Quellensteuern, die vom Ansässigkeitsstaat eines ausländischen Spezial-Investmentfonds auf der Fondsausgangsseite erhoben werden, ebenfalls nach Abs. 1 Satz 1 durchgeführt wird. – Abs. 2 normiert, dass der Teil der inländischen ESt oder KSt, der auf die ausländischen Steuern entfällt, im Wege einer Verhältnisrechnung zu ermitteln ist, und gibt die Berechnungsmethoden vor. 1 Vgl. Schlund in BeckOK/InvStG, § 47 Rz. 15. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 47.1; vgl. auch Nagler in Beckmann/Scholtz/ Vollmer, § 47 InvStG Rz. 1. 3 Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 47 InvStG Rz. 2. 4 Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 47 InvStG Rz. 5.

804 | Adam

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 8 § 47

– Nach Abs. 3 ist der Höchstbetrag der anrechenbaren Steuern aus verschiedenen Staaten für die Erträge aus jedem einzelnen Spezial-Investmentfonds zusammengefasst zu berechnen. – Abs. 4 Satz 1 erklärt verschiedene Regelungen des § 34c EStG zur Ermittlung des zu versteuernden Einkommens sowie der Einkünfte für entsprechend anwendbar. Abs. 4 Satz 2 sieht die Aufhebung des Vorbehalts des § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG vor, wonach die uneingeschränkte Anwendung des § 34c EStG davon abhängig ist, dass kein DBA besteht. – Abs. 5 stellt klar, dass ausländische Steuern, die auf nach § 43 Abs. 1 InvStG von der Besteuerung freigestellte Erträge entfallen, bei der Steueranrechnung oder dem Steuerabzug nach Abs. 1 nicht berücksichtigt werden dürfen.

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich § 47 InvStG gilt für die Anrechnung von auf Einkünfte eines Spezial-Investmentfonds erhobe- 4 ner ausländischer Steuer auf die deutsche ESt oder KSt eines einkommensteuerpflichtigen oder körperschaftsteuerpflichtigen Anlegers des Spezial-Investmentfonds und findet sowohl auf die laufende Besteuerung als auch auf die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen Anwendung. 2. Persönlicher Anwendungsbereich § 47 InvStG gilt nur für die Anrechnung ausländischer Steuern für in Deutschland unbe- 5 schränkt einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtige Anleger von Spezial-Investmentfonds. Auf beschränkt stpfl. Anleger findet § 47 InvStG keine Anwendung, ebenso nicht auf Investmentfonds i.S.d. Kapitels 2 des InvStG. Der Spezial-Investmentfonds, dessen Erträge oder ausschüttungsgleiche Erträge zur Anrechnung ausländischer Steuern führen kann, kann in den Fällen des Abs. 1 Satz 1 ein in- oder ausländischer Fonds sein, in den Fällen des Abs. 1 Satz 2 muss es ein ausländischer Fonds sein. 3. Zeitlicher Anwendungsbereich § 47 InvStG gilt gem. § 56 Abs. 1 InvStG ab dem 1.1.2018.

6

III. Rechtsentwicklung § 47 InvStG wurde durch das InvStRefG (im Rahmen der Reform des InvStG) v. 19.7.20161 in 7 das InvStG eingefügt. Die Regelung entspricht im Wesentlichen den bisherigen Regelungen des § 4 Abs. 2 und 3 InvStG a.F.2

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften Verhältnis zu §§ 37, 51 InvStG. § 37 InvStG sieht vor, dass die Einkünfte auf Ebene des Spe- 8 zial-Investmentfonds nach den steuerrechtlichen Wirkungen auf Anlegerebene zu gliedern und gesondert auszuweisen sind (s. § 37 InvStG Rz. 15). Zudem sind die für den Anleger rele1 BGBl. I 2016, 1730. 2 Vgl. BT-Drucks. 18/8045, 116. Adam | 805

§ 47 Rz. 8 | Anrechnung und Abzug von ausländischer Steuer vanten Werte – und damit auch relevante Werte nach § 47 InvStG – gem. § 51 InvStG gesondert und einheitlich festzustellen (s. Rz. 15 sowie § 51 InvStG Rz. 15). Verhältnis zu § 50 InvStG. Bei der Ermittlung der KapErtrSt auf der Fondsausgangsseite sind die (anrechenbaren) ausländischen Steuern i.S.d. § 47 InvStG zu berücksichtigen (§ 50 Abs. 2 Satz 1 InvStG, s. auch Rz. 15). Verhältnis zu § 34c EStG, § 26 KStG und DBA-Regelungen zur Anrechnung ausländischer Steuern (Art. 23a Abs. 2, 23b Abs. 1 OECD-MA). § 47 InvStG erweitert die Anrechnung ausländischer Steuern und ergänzt insofern die allgemeinen Vorschriften zur Anrechnung ausländischer Steuern. Denn nach § 47 InvStG können auf die ESt oder KSt des Anlegers eines Spezial-Investmentfonds ausländische Steuern angerechnet werden, die auf Einkünfte des Spezial-Investmentfonds – also nicht des Anlegers selbst – erhoben wurden. Wird für die ausländische Quellensteuer aufgrund eines DBA eine Ermäßigung gewährt, so ist diese vorrangig und eine Anrechnung bzw. Abzug nach § 47 InvStG scheidet damit in Höhe dieser möglichen Ermäßigung aus. Sofern jedoch der ausländische Staat den Ermäßigungsanspruch zu Unrecht ablehnt, bspw. weil er den Spezial-Investmentfonds für nicht abkommensberechtigt hält, geht die Literatur z.T. davon aus, dass die Anrechnung in Deutschland durchzuführen ist.1

B. Anrechnung von ausländischer Steuer (Abs. 1) I. Anrechnung von ausländischer Steuer (Abs. 1 Satz 1) 9 Abs. 1 Satz 1 regelt dem Grunde nach die Anrechnung ausländischer Quellensteuer, die auf

der Eingangsseite des inländischen oder ausländischen Spezial-Investmentfonds auf Einkünfte erhoben wird.2 Dabei führt Abs. 1 die bisherigen Sätze 1 und 5 des § 4 Abs. 2 InvStG a.F. zusammen, da das Berechnungsschema und die Rechtsfolgen identisch sind.3

10 Einkünfte aus einem ausländischen Staat. Abs. 1 Satz 1 spricht von „Einkünften aus einem

ausländischen Staat“, in Abgrenzung zum in § 34d EStG definierten und in § 34c EStG erwähnten Begriff der „ausländischen Einkünfte“.4 Dies spricht dafür, wie auch schon zuvor bei § 4 InvStG a.F., auf das Begriffsverständnis im Rahmen von DBA abzustellen,5 wonach als „Einkünfte aus einem ausländischen Staat“ solche Einkünfte anzusehen wären, für die nach dem DBA der andere Staat neben Deutschland ein Besteuerungsrecht hat.6 Die Einkünfte sind auf Grundlage des deutschen Steuerrechts zu ermitteln, die ausländische Steuer ist bei der Ermittlung entsprechend dem Rechtsgedanken des § 12 Nr. 3 EStG nicht abzuziehen.7

11 Es muss sich zudem um Einkünfte eines Spezial-Investmentfonds handeln: Die Einkünfte

aus einem ausländischen Staat müssen von einem inländischen oder ausländischen SpezialInvestmentfonds erzielt werden.

12 Enthalten in ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen. Die Einkünfte aus ei-

nem ausländischen Staat müssen in ausgeschütteten (s. § 35 InvStG Rz. 9) oder ausschüttungsgleichen (s. § 36 InvStG Rz. 19) Erträgen enthalten sein. Hierbei dürfte die Verknüpfung

1 Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 47 InvStG Rz. 24. Der Wortlaut fordert dagegen – wie auch § 34c Abs. 1 Satz 1 EStG – nur einen „entstandenen“ Ermäßigungsanspruch. 2 Vgl. BT-Drucks. 18/8045, 116. 3 Vgl. BT-Drucks. 18/8045, 116. 4 Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 47 InvStG Anm. 5; auch Gloßner in Brandis/Heuermann, § 47 InvStG Rz. 19, hält eine Heranziehung des § 34d EStG mangels Verweises für nicht sachgerecht. 5 Vgl. BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 – 1/08/10019 – DOK 2009/0539738, BStBl. I 2009, 931 Rz. 75, zu § 4 Abs. 1 InvStG a.F. 6 So auch Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 47 InvStG Anm. 5. 7 Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 47 InvStG Rz. 20.

806 | Adam

B. Anrechnung von ausländischer Steuer (Abs. 1) | Rz. 15 § 47

mit „und“ als Redaktionsversehen anzusehen sein und daher als „oder“ verstanden werden, da bestimmte Einkünfte nur entweder ausgeschütteter Ertrag oder ausschüttungsgleicher Ertrag sein können.1 Anrechenbare ausländische Steuer. Die Einkünfte aus einem ausländischen Staat müssen in 13 diesem (ausländischen) Staat zu einer Steuer herangezogen worden sein, die nach einem der nachfolgenden Vorschriften (im Fall der Direktanlage) anrechenbar sein muss: – Anrechenbarkeit nach § 34c Abs. 1 EStG: Nach § 34c Abs. 1 EStG sind ausländische Steuern anrechenbar, wenn sie (1) in dem Staat erhoben werden, aus dem die ausländischen Einkünfte stammen, (2) der deutschen ESt entsprechen, (3) auf die im VZ bezogenen Einkünfte entfallen und (4) tatsächlich festgesetzt und gezahlt worden sind.2 – Anrechenbarkeit nach § 26 Abs. 1 KStG: Nach § 26 Abs. 1 KStG i.V.m. § 34c Abs. 1 EStG sind ausländische Steuern anrechenbar, wenn die Körperschaft zu einer ausländischen Steuer herangezogen wird, die (1) von dem Staat erhoben wird, aus dem die ausländischen Einkünfte stammen, (2) der deutschen KSt entspricht und die (3) tatsächlich festgesetzt und gezahlt worden ist.3 – Anrechenbarkeit nach DBA auf ESt oder KSt: Besteht mit dem ausländischen Staat, der die Quellensteuer erhoben hat, ein DBA, müssen dessen Vorschriften bei der Anrechnung der ausländischen Steuer beachtet werden. Ob das Investmentvermögen selbst abkommensberechtigt ist, ist in diesem Zusammenhang irrelevant.4 – Die Bestimmung, ob die ausländische Steuer der deutschen Einkommen- oder Körperschaftsteuer entspricht, erfolgt in DBA-Fällen regelmäßig durch den sachlichen Geltungsbereich des entsprechenden DBA.5 Für Nicht-DBA-Fälle verweist das BMF auf Anhang 12 II des amtlichen Einkommensteuerhandbuchs, für andere als die sich daraus ergebenden Steuern wird die Entsprechung erforderlichenfalls durch das BMF festgestellt.6 Die von einem ausländischen Spezial-Investmentfonds gezahlte deutsche Steuer (insbes. die KapErtrSt) ist keine nach § 47 InvStG anrechenbare Steuer.7 Festgesetzt und gezahlt und um einen entstandenen Ermäßigungsanspruch gekürzt. Die 14 ausländische Steuer ist nur anrechenbar, wenn und soweit sie festgesetzt und gezahlt und um einen entstandenen Ermäßigungsanspruch gekürzt wurde. Eine zwar festgesetzte, aber noch nicht gezahlte Quellensteuer ist dementsprechend weder anrechenbar noch abzugsfähig, da es an der Zahlung fehlt. Etwaige Steuerermäßigungsansprüche können sich bspw. aufgrund des nationalen Rechts des ausländischen Staates oder aus DBA oder auch aufgrund der Rspr. des EuGH oder des EFTA-Gerichtshofs ergeben.8 Es genügt, dass der Ermäßigungsanspruch rechtlich entstanden ist, auf die tatsächliche Ermäßigung soll es nicht ankommen.9 Rechtsfolge nach Abs. 1 Satz 1 ist die Anrechnung auf ESt oder KSt des unbeschränkt steu- 15 erpflichtigen Anlegers. Der Wortlaut beschränkt die Berechtigung zur Anrechnung bzw. zum 1 Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 47 InvStG Anm. 5; sowie Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 47 InvStG Rz. 19. 2 S. dazu im Detail Gosch in Kirchhof/Seer21, § 34c EStG Rz. 17 ff.; sowie Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Anm. 62 ff. 3 S. dazu im Detail Lieber in H/H/R, § 26 KStG Anm. 29 ff.; sowie Staats in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2015, § 26 Rz. 61 ff. 4 Kreft in Moritz/Jesch/Mann,2 § 47 InvStG Rz. 22. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 47.4. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 47.4. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 47.2. 8 S. dazu Nagler in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 47 InvStG Rz. 8; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 47.5. 9 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 47.5. Adam | 807

§ 47 Rz. 15 | Anrechnung und Abzug von ausländischer Steuer Abzug ausdrücklich auf unbeschränkt stpfl. (gemeint sind einkommensteuerpflichtige und körperschaftsteuerpflichtige) Anleger i.S.d. § 1 Abs. 1 bis 3 EStG bzw. § 1 KStG. Beschränkt stpfl. Anleger sind von der Anrechnung ausgeschlossen (s. Rz. 17). Die in dem ausländischen Staat festgesetzte, gezahlte und um einen entstandenen Ermäßigungsanspruch gekürzte Steuer ist auf den Teil der Einkommen- oder Körperschaftsteuerschuld eines unbeschränkt StPfl. anzurechnen, der auf diese ausländischen, um die anteilige ausländische Steuer erhöhten Einkünfte entfällt. Die Ermittlung dieses Teils erfolgt nach Maßgabe des Abs. 2 (s. Rz. 20). Bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen sind die (anrechenbaren) Einkünfte i.S.d. § 47 InvStG i.R.d. Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gesondert auszuweisen (§ 51 Abs. 1 InvStG).1 Dabei ist die anzurechnende oder abzuziehende Quellensteuer auf Grundlage des von der Europäischen Zentralbank täglich veröffentlichten Euro-Referenzkurses umzurechnen.2 Bei der Ermittlung der vom Spezial-Investmentfonds auf der Fonds-Ausgangsseite einbehaltenen und abgeführten KapErtrSt sind die anrechenbaren ausländischen Steuern gem. § 50 Abs. 2 Satz 1 InvStG nach Maßgabe des § 47 InvStG zu berücksichtigen (s. § 50 InvStG Rz. 26).3 Zu beachten ist, dass eine Anrechnung ausländischer Quellensteuer nur möglich ist, wenn beim Anleger überhaupt deutsche Steuer anfällt, und nur insoweit, als die deutsche ESt oder KSt auf die mit ausländischer Quellensteuer belasteten ausländischen Einkünfte entfällt. Ein Anspruch auf Erstattung ausländischer Quellensteuer durch den deutschen Fiskus wird nicht gewährt.4 16 Höhe der anrechenbaren ausländischen Quellensteuer in DBA-Fällen.5 Zur Bestimmung

der Höhe der anrechenbaren ausländischen Quellensteuer beim unbeschränkt stpfl. Anleger ist in DBA-Fällen grds. auf das DBA zwischen dem Quellenstaat der ausländischen Einkünfte und der Bundesrepublik Deutschland abzustellen. Sofern der Quellensteuerhöchstsatz im DBA zwischen dem Quellenstaat der ausländischen Einkünfte und dem Ansässigkeitsstaat des ausländischen Spezial-Investmentfonds niedriger ist als in dem DBA zwischen dem Quellenstaat der ausländischen Einkünfte und der Bundesrepublik Deutschland, ist grds. auf diesen niedrigeren Quellensteuerhöchstsatz abzustellen. Kann allerdings der ausländische Spezial-Investmentfonds nach dem DBA zwischen dem Ansässigkeitsstaat des ausländischen Spezial-Investmentfonds und dem Quellenstaat der ausländischen Einkünfte keine niedrigere Belastung der ausländischen Einkünfte im Quellenstaat herbeiführen, so ist allein auf das DBA zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Quellenstaat der ausländischen Einkünfte abzustellen.

17 In der Literatur wird der Ausschluss beschränkt StPfl., die in der EU ansässig sind, von der

Anrechnung bzw. vom Abzug vielfach für unionsrechtswidrig erachtet.6 Dem ist u.E. zuzustimmen. Durch die Beschränkung auf unbeschränkt stpfl. Anleger kann es bei nur beschränkt stpfl. Anlegern mangels Anrechnungs- bzw. Abzugsmöglichkeit zu einer definitiven Doppelbesteuerung kommen. Da dementsprechend durch den Ausschluss beschränkt StPfl. inländische StPfl. günstiger behandelt werden als Steuerausländer, dürfte – jedenfalls im Hinblick auf beschränkt StPfl., die in der EU ansässig sind – eine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit gem. Art. 63 AEUV sowie der Niederlassungsfreiheit gem. Art. 49 AEUV vorliegen.7

1 Nagler in Beckmann/Scholz/Vollmer, § 47 InvStG Rz. 13. 2 Zur Vereinfachung ist eine Umrechnung der Währungen auch zu den Umsatzsteuer-Umrechnungskursen möglich, die monatlich im BStBl. I veröffentlicht werden, vgl. R 34c Abs. 1 Satz 2 EStR 2012. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 47.3; Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 47 InvStG Rz. 29. 4 Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 47 InvStG Rz. 27. 5 S. dazu insgesamt BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 47.6. 6 Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 47 InvStG Anm. 5; s. auch Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 47 InvStG Rz. 8 f., 18. 7 So auch bereits zur Vorgängervorschrift des § 4 InvStG a.F. Stock/Oberhofer in Berger/Steck/Lübbehüsen, § 4 InvStG Rz. 46, mit Hinweisen auf die EuGH-Rspr.

808 | Adam

C. Ermittlung der auf die ausländ. Einkünfte entfallenden ESt/KSt (Abs. 2) | Rz. 22 § 47

II. Anrechnung von ausländischen Abzugsteuern (Abs. 1 Satz 2) Abs. 1 Satz 2 bestimmt, dass ausländische Quellensteuern, die vom Ansässigkeitsstaat eines 18 ausländischen Spezial-Investmentfonds auf ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche Erträge erhoben werden, nach dem Verfahren des Satzes 1 angerechnet werden.1 Während Abs. 1 Satz 1 sich auf die Fondseingangsseite der inländischen und ausländischen Spezial-Investmentfonds bezieht, betrifft Abs. 1 Satz 2 die Fondsausgangsseite ausländischer Spezial-Investmentfonds.2 Nach Satz 2 werden also ausländische Abzugsteuern, die von dem Ansässigkeitsstaat eines ausländischen Spezial-Investmentfonds auf ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche Erträge erhoben werden, nach dem Verfahren des Satzes 1 auf die inländische Steuer des Anlegers angerechnet. Zur Berechnung der Höhe der anrechenbaren ausländischen Steuern in DBA-Fällen kommt es hier auf das DBA zwischen dem Ansässigkeitsstaat des ausländischen Spezial-Investmentfonds und der Bundesrepublik Deutschland an.3 Diese Regelung entspricht § 4 Abs. 2 Sätze 5 und 6 InvStG a.F., wobei durch die Nennung der 19 ausschüttungsgleichen Erträge klargestellt wird, dass die Regelung des Abs. 1 Satz 2 auch für die Anrechnung ausländischer Quellensteuern auf ausschüttungsgleiche Erträge eines ausländischen Spezial-Investmentfonds gilt.4 Abs. 1 Satz 2 findet auch bei Einkünften aus Dach-Investmentfonds mit ausländischen Spezial-Investmentfonds Anwendung.5

C. Ermittlung des auf die ausländischen Einkünfte entfallenden Teils der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer (Abs. 2) Abs. 2 regelt die Ermittlung des anrechnungsrelevanten Teils der ESt bzw. KSt, und differen- 20 ziert hierfür zwischen einkommensteuerpflichtigen und körperschaftsteuerpflichtigen Anlegern. Nr. 1 schreibt für einkommensteuerpflichtige Anleger, Nr. 2 für körperschaftsteuerpflichtige Anleger vor, wie der Teil der ESt bzw. KSt zu ermitteln ist, auf den die nach Abs. 1 anzurechnende ausländische Steuer anzurechnen ist. Hierbei wurde der bisherige § 4 Abs. 2 Satz 2 InvStG a.F. übernommen, aber an die gesetzlichen Änderungen des § 34c Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG und des § 26 Abs. 2 Satz 1 KStG angepasst. Steuerfreie Einkünfte sind bei der Ermittlung nicht zu berücksichtigen.6 Bei einkommensteuerpflichtigen Anlegern ist der durchschnittliche Steuersatz, der sich bei 21 der Veranlagung des zu versteuernden Einkommens einschließlich der ausländischen Einkünfte nach §§ 32a, 32b, 34, 34a und 34b EStG ergibt, auf die ausländischen Einkünfte anzuwenden. Daraus ergibt sich der Teil der ESt, auf den die ausländische Steuer angerechnet wird.7 Ist die ausländische Steuer höher als der anrechenbare Höchstbetrag, bleibt der nicht anrechenbare Teil unberücksichtigt, es wird weder ein Anrechnungsvortrag noch ein Anrechnungsrücktrag gewährt.8 Bei körperschaftsteuerpflichtigen Anlegern ist die deutsche KSt, die sich bei der Veranla- 22 gung des zu versteuernden Einkommens, einschließlich der ausländischen Einkünfte, ohne Anwendung der §§ 37 und 38 KStG ergibt, aufzuteilen; die Aufteilung erfolgt nach dem Ver1 2 3 4 5 6 7 8

Vgl. BT-Drucks. 18/8045, 116. Gloßner in Brandis/Heuermann, § 47 InvStG Rz. 17. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 47.7. S. BT-Drucks. 18/8045, 116, mit Verweis auf BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 – 1/08/10019 – DOK 2009/0539738, BStBl. I 2009, 931 Rz. 77c. Gloßner in Brandis/Heuermann, § 47 InvStG Rz. 30. Gloßner in Brandis/Heuermann, § 47 InvStG Rz. 38. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 47 InvStG Anm. 10. Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 47 InvStG Rz. 32. Adam | 809

§ 47 Rz. 22 | Anrechnung und Abzug von ausländischer Steuer hältnis der ausländischen Einkünfte zur Summe der Einkünfte. Ist die ausländische Steuer höher als der anrechenbare Höchstbetrag, bleibt der nicht anrechenbare Teil unberücksichtigt, es wird weder ein Anrechnungsvortrag noch ein Anrechnungsrücktrag gewährt.

D. Höchstbetrag der anrechenbaren ausländischen Steuern (Abs. 3) 23 Abs. 3 bestimmt, wie der Höchstbetrag der anrechenbaren ausländischen Steuern aus ver-

schiedenen Staaten für die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge aus jedem einzelnen Spezial-Investmentfonds zu berechnen ist. Hierzu sieht Abs. 3 vor, dass der Höchstbetrag der anrechenbaren ausländischen Steuern aus verschiedenen Staaten zusammengefasst zu berechnen ist. Es gilt also keine per country limitation (wie in § 34c EStG)1, sondern (nur) eine sog. „all country limitation“ oder „overall limitation“2 oder „per fund limitation“3, da sich für jeden Spezial-Investmentfonds einzeln ein Höchstbetrag der anrechenbaren ausländischen Steuer über alle ausländischen Einkünfte verschiedener Staaten hinweg zusammengefasst ergibt.4 Dies entspricht der früheren Regelung in § 4 Abs. 2 Satz 3 InvStG a.F.5

24 Damit können ausländische Steuern aus verschiedenen ausländischen Staaten zusammen bis

zum Höchstbetrag der deutschen Steuer auf die Einkünfte aus dem maßgeblichen Spezial-Investmentfonds angerechnet werden. Dies erweist sich als vorteilhaft gegenüber der Direktanlage, bei der die „per country limitation“ bzw. die „per item limitation“ Anwendung findet, da die Höchstbeträge der anrechenbaren ausländischen Steuer nach § 34c Abs. 1 EStG i.V.m. § 68a Satz 2 EStDV für jeden ausländischen Staat gesondert zu berechnen sind.6 Auch wenn der Wortlaut eine darüber hinausgehende fondsübergreifende Anrechnung wohl eindeutig nicht zulässt („... aus jedem einzelnen Spezial-Investmentfonds“), wäre jedenfalls aus praktischer Sicht für den Anleger eine gesetzliche Regelung im Hinblick auf Anrechnungsüberhänge aus anderen Spezial-Investmentfonds wünschenswert. Der auf den jeweiligen Spezial-Investmentfonds abstellende Höchstbetrag führt dazu, dass Anrechnungsüberhänge aus einem Spezial-Investmentfonds nicht bei der Anrechnung ausländischer Steuer auf ausländische Einkünfte aus einem anderen Spezial-Investmentfonds oder aus der Direktanlage berücksichtigt werden können, selbst wenn die ausländischen Einkünfte aus demselben ausländischen Staat stammen.7

E. Entsprechende Anwendung von § 34c EStG (Abs. 4) I. Entsprechende Anwendung von § 34c Abs. 1 Sätze 3 und 4 sowie Abs. 2, 3 und 6 EStG (Abs. 4 Satz 1) 25 Abs. 4 Satz 1 verweist für die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens sowie der Ein-

künfte auf verschiedene Regelungen des § 34c EStG und sieht wie zuvor § 4 Abs. 2 Sätze 5 und 7 InvStG a.F. deren entsprechende Anwendung vor. § 34c EStG regelt – allgemein gespro-

S. Gosch in Kirchhof/Seer21, § 34c EStG Rz. 25. Vgl. BT-Drucks. 18/8045, 116. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 47.13. Gloßner in Brandis/Heuermann, § 47 InvStG Rz. 43. Vgl. BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 – 1/08/10019 – DOK 2009/0539738, BStBl. I 2009, 931 Rz. 80. 6 Vgl. Boxberger in W/B/A3, § 47 InvStG Rz. 6; s. zur per country limitation des § 34c EStG Gosch in Kirchhof/Seer21, § 34c InvStG Rz. 25. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 47.13. 1 2 3 4 5

810 | Adam

E. Entsprechende Anwendung von § 34c EStG (Abs. 4) | Rz. 25 § 47

chen – die Technik der Anrechnung ausländischer Steuern auf die deutsche ESt.1 Im Einzelnen verweist Abs. 4 Satz 1 auf (und erklärt für entsprechend anwendbar): – § 34c Abs. 1 Satz 3 EStG: Danach sind Einkünfte aus Kapitalvermögen, auf welche die Abgeltungsteuer nach § 32d Abs. 1 und 3 bis 6 EStG anzuwenden ist, bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens und der ausländischen Einkünfte nicht zu berücksichtigen. Zudem sind bei der Ermittlung der ausländischen Einkünfte solche ausländischen Einkünfte nicht zu berücksichtigen, die in dem Staat, aus dem sie stammen, nach dessen Recht nicht besteuert werden.2 – § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG: Gehören die ausländischen Einkünfte zum Gewinn einer inländischen Betriebsstätte nach § 34d Nr. 3, 4, 6, 7 und 8 Buchst. c EStG, sieht § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG vor, dass bei der Ermittlung der Einkünfte Betriebsausgaben und Betriebsvermögensminderungen abzuziehen sind, die mit den diesen Einkünften zugrunde liegenden Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.3 – § 34c Abs. 2 EStG: Danach ist die ausländische Steuer auf Antrag bei der Ermittlung der Einkünfte wie WK oder BA abzuziehen (statt der Anrechnung), soweit sie auf ausländische Einkünfte entfällt, die nicht steuerfrei sind.4 Da § 20 Abs. 9 EStG gem. § 34 Abs. 2 Satz 1 InvStG keine Anwendung findet, kommt der Abzug der ausländischen Steuer nach § 47 Abs. 4 Satz 1 InvStG i.V.m. § 34c Abs. 2 EStG auch für natürliche Personen, die ihre Spezial-Investmentfondsanteile im Privatvermögen halten, in Betracht.5 – § 34c Abs. 3 EStG: Bei ausländischen Steuern, die der deutschen ESt oder KSt nicht entsprechen oder nicht in dem Quellenstaat erhoben werden oder nicht auf ausländische Einkünfte anfallen, ist ein Abzug nur möglich, soweit die ausländischen Steuern festgesetzt und gezahlt und um einen entstandenen Ermäßigungsanspruch gekürzt worden sind und diese auf Einkünfte entfallen, die der deutschen ESt oder KSt unterliegen.6 – § 34c Abs. 6 EStG: regelt die Besonderheiten bei Bestehen eines DBA mit dem ausländischen Staat. Die Regelungen über die Anrechenbarkeit sind zudem auch auf fiktive, nicht gezahlte Quellensteuern nach DBA anwendbar (§ 34c Abs. 6 Satz 2 EStG).7 Zu bemerken ist, dass Abs. 4 Satz 1 im Gegensatz zur Vorgängerregelung des § 4 Abs. 2 Satz 5 InvStG a.F. nicht auf § 34c Abs. 7 EStG verweist und damit keine entsprechende Anwendung von § 34c Abs. 7 EStG vorsieht. § 34c Abs. 7 EStG ermächtigt zum Erlass von Rechtsverordnungen in Bezug auf die Anrechnung ausländischer Steuern bei Einkünften aus mehreren ausländischen Staaten, den Nachweis der Höhe der ausländischen Steuern sowie der nachträglich erhobenen oder zurückgezahlten ausländischen Steuern (wie bspw. §§ 68a, 68b EStDV).8 Der Grund hierfür dürfte sein, dass der Gesetzgeber dies aufgrund der (jedenfalls teilweisen) gesetzlichen Regelung in Abs. 3 für entbehrlich gehalten hat.

1 Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Anm. 1. 2 S. im Einzelnen Gosch in Kirchhof/Seer21, § 34c EStG Rz. 25 ff. 3 S. ausführlich BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 47.11, sowie im Einzelnen Gosch in Kirchhof/Seer21, § 34c EStG Rz. 15 ff. 4 S. im Einzelnen Gosch in Kirchhof/Seer21, § 34c EStG Rz. 29 ff. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 47.15. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 47.16; s. im Einzelnen Gosch in Kirchhof/ Seer21, § 34c EStG Rz. 32 ff. 7 Gloßner in Brandis/Heuermann, § 47 InvStG Rz. 53; s. im Einzelnen BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 47.17 ff., sowie Gosch in Kirchhof/Seer21, § 34c EStG Rz. 7 ff. 8 Gloßner in Brandis/Heuermann, § 47 InvStG Rz. 52. Adam | 811

§ 47 Rz. 26 | Anrechnung und Abzug von ausländischer Steuer

II. Nichtanwendung von § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG (Abs. 4 Satz 2) 26 Nach Abs. 4 Satz 2 steht der Anrechnung der ausländischen Steuer nach § 34c Abs. 1 EStG bei

ausländischen Spezial-Investmentanteilen § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG nicht entgegen.1 Abs. 4 Satz 2 bildet somit eine systematische Ausnahme zu Abs. 4 Satz 1 (wonach § 34c Abs. 6 EStG entsprechende Anwendung findet)2 und entspricht dem bisherigen § 4 Abs. 2 Satz 7 InvStG a.F.3 § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG macht die uneingeschränkte Anwendung des § 34c EStG vom Nichtbestehen eines DBA abhängig. Abs. 4 Satz 2 hebt diesen Vorbehalt auf, stattdessen ist – auch bei Bestehen eines DBA – die Steueranrechnung ungeachtet dieses DBA nach den Regelungen des § 34c EStG vorzunehmen.4

F. Nichtberücksichtigung ausländischer Steuern, die auf steuerfreie Erträge entfallen (Abs. 5) 27 Nach Abs. 5 sind ausländische Steuern, die auf ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträge

entfallen, die nach § 43 Abs. 1 InvStG steuerfrei sind, bei der Anrechnung oder dem Abzug nach Abs. 1 nicht zu berücksichtigen. Der allgemeine Grundsatz, wonach ausländische Steuern, die mit steuerfreien Erträgen in Zusammenhang stehen, nicht auf eine inländische Steuer angerechnet oder von dieser abgezogen werden können, gilt auch im InvStG. Die bisher in § 4 Abs. 3 InvStG a.F. enthaltene Regelung wird in Abs. 5 übernommen.5 Abs. 5 bildet somit eine Ausnahme zu Abs. 1 und umfasst alle Erträge, die aufgrund der abkommensrechtlichen Freistellungsmethode von der Besteuerung auszunehmen sind.6 Zu den nach § 43 Abs. 1 InvStG steuerfreien Erträgen s. § 43 InvStG Rz. 12. Andere steuerliche Erträge sind vom Wortlaut nicht erfasst. Der Ausschluss von Anrechnung oder Abzug gilt damit insbes. nicht für die Erträge, für die die Steuerfreistellung nach § 43 Abs. 2 InvStG a.F. oder Teilfreistellung nach § 43 Abs. 3 i.V.m. § 20 InvStG (§ 43 InvStG Rz. 31) gewährt werden.7 Die Ausnahmeregelung des Abs. 5 gilt umfassend bei der Besteuerung des Anlegers eines Spezial-Investmentfonds. Ausländische Steuern auf Erträge, die nach § 43 Abs. 1 InvStG von der Besteuerung freigestellt sind, dürfen auch nicht bei der Ermittlung der KapErtrSt gem. § 50 Abs. 2 Satz 1 InvStG berücksichtigt werden.8

§ 48 Fonds-Aktiengewinn, Fonds-Abkommensgewinn, FondsTeilfreistellungsgewinn (1) 1Der Spezial-Investmentfonds hat bei jeder Bewertung seines Vermögens pro SpezialInvestmentanteil den Fonds-Aktiengewinn, den Fonds-Abkommensgewinn und den Fonds-Teilfreistellungsgewinn als absolute Werte in Euro zu ermitteln und dem Anleger diese Werte bekannt zu machen. 2Der Fonds-Aktiengewinn, der Fonds-Abkommensgewinn und der Fonds-Teilfreistellungsgewinn ändern sich nicht durch die Ausgabe und Rücknahme von Spezial-Investmentanteilen. 1 2 3 4 5 6 7 8

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 47.22. Nagler in Beckmann/Scholz/Vollmer, § 47 InvStG Rz. 22. Gloßner in Brandis/Heuermann, § 47 InvStG Rz. 54. Vgl. BT-Drucks. 18/8045, 117. Vgl. BT-Drucks. 18/8045, 117. Vgl. Boxberger in W/B/A3, § 47 InvStG Rz. 9. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 47 InvStG Anm. 20. Kreft in Moritz/Jesch/Mann2, § 47 InvStG Rz. 46.

812 | Adam und Schmidtheisler

Fonds-Aktiengewinn, -Abkommensgewinn und -Teilfreistellungsgewinn | § 48

(2) 1Die Steuerbefreiung nach § 42 Absatz 1 bis 3 ist nur anzuwenden, wenn der SpezialInvestmentfonds den Fonds-Aktiengewinn ermittelt und bekannt macht oder wenn der Anleger den Fonds-Aktiengewinn nachweist. 2Die Steuerbefreiung nach § 43 Absatz 1 ist nur anzuwenden, wenn der Spezial-Investmentfonds den Fonds-Abkommensgewinn ermittelt und bekannt macht oder wenn der Anleger den Fonds-Abkommensgewinn nachweist. 3Die Teilfreistellung nach § 43 Absatz 3 ist nur anzuwenden, wenn der Spezial-Investmentfonds die Fonds-Teilfreistellungsgewinne ermittelt und bekannt macht oder wenn der Anleger die Fonds-Teilfreistellungsgewinne nachweist. (3) 1Der Fonds-Aktiengewinn ist der Teil des Wertes eines Spezial-Investmentanteils, der auf folgende Erträge, die nicht ausgeschüttet wurden und nicht als ausgeschüttet gelten, sowie auf folgende Wertveränderungen entfällt: 1. Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, deren Leistungen beim Empfänger zu den Einnahmen nach § 20 Absatz 1 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes gehören, 2. Wertveränderungen von Anteilen an Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, deren Leistungen beim Empfänger zu den Einnahmen im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes gehören, 3. Anleger-Aktiengewinne eines Dach-Spezial-Investmentfonds aus der Veräußerung eines Spezial-Investmentanteils an einem Ziel-Spezial-Investmentfonds und 4. Anleger-Aktiengewinne eines Dach-Spezial-Investmentfonds aus dem Besitz eines Spezial-Investmentanteils an einem Ziel-Spezial-Investmentfonds, die bei der Bewertung des Dach-Spezial-Investmentfonds ermittelt werden. 2Satz 1 gilt nur für Bestandteile, die nicht bereits von Absatz 5 erfasst werden. (4) 1Gewinne aus der Veräußerung sowie Wertveränderungen von Anteilen an Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen sind nicht in den Fonds-Aktiengewinn einzubeziehen, wenn die Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse 1. keiner Ertragsbesteuerung unterliegt, 2. von der Ertragsbesteuerung persönlich befreit ist oder 3. sachlich insoweit von der Ertragsbesteuerung befreit ist, wie sie eine Ausschüttung vornimmt. 2 Verluste aus Finanzderivaten mindern den Fonds-Aktiengewinn, wenn der Spezial-Investmentfonds im Rahmen einer konzeptionellen Gestaltung Verluste aus Finanzderivaten und in gleicher oder ähnlicher Höhe Wertveränderungen nach Absatz 3 Nummer 2 herbeigeführt hat. (5) Der Fonds-Abkommensgewinn ist der Teil des Wertes eines Spezial-Investmentanteils, der auf folgende Erträge, die nicht ausgeschüttet wurden und nicht als ausgeschüttet gelten, sowie auf folgende Wertveränderungen entfällt: 1. Erträge, die aufgrund eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nach § 43 Absatz 1 von der Besteuerung freizustellen sind, 2. Wertveränderungen von Vermögensgegenständen, auf die bei einer Veräußerung § 43 Absatz 1 anwendbar wäre, 3. Anleger-Abkommensgewinne eines Dach-Spezial-Investmentfonds aus der Veräußerung eines Spezial-Investmentanteils an einem Ziel-Spezial-Investmentfonds und 4. Anleger-Abkommensgewinne eines Dach-Spezial-Investmentfonds aus dem Besitz eines Spezial-Investmentanteils an einem Ziel-Spezial-Investmentfonds, die bei der Bewertung des Dach-Spezial-Investmentfonds ermittelt werden.

Schmidtheisler | 813

§ 48 | Fonds-Aktiengewinn, -Abkommensgewinn und -Teilfreistellungsgewinn (6) 1Der Fonds-Teilfreistellungsgewinn ist jeweils getrennt für die in § 20 Absatz 1 genannten Arten von Anlegern zu ermitteln. 2Der Fonds-Teilfreistellungsgewinn ist der Teil des Wertes eines Spezial-Investmentanteils, der auf folgende Erträge, die nicht ausgeschüttet wurden und nicht als ausgeschüttet gelten, sowie auf folgende Wertveränderungen entfällt: 1. Erträge aus einem Investmentanteil, soweit diese nach § 20 von der Besteuerung freizustellen sind, 2. Wertveränderungen von Investmentanteilen, soweit auf diese bei einer Veräußerung § 20 anwendbar wäre, 3. Anleger-Teilfreistellungsgewinne eines Dach-Spezial-Investmentfonds aus der Veräußerung eines Spezial-Investmentanteils an einem Ziel-Spezial-Investmentfonds und 4. Anleger-Teilfreistellungsgewinne eines Dach-Spezial-Investmentfonds aus dem Besitz eines Spezial-Investmentanteils an einem Ziel-Spezial-Investmentfonds, die bei der Bewertung des Dach-Spezial-Investmentfonds ermittelt werden. A. I. II. III.

IV. B. I.

II. C. I. II. III. D. I.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . Systematische Einordnung . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . 2. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . 3. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . Ermittlungsgrundsätze der Fonds-Gewinne (Abs. 1) Berechnungssystematik und Bekanntgabe (Abs. 1 Satz 1) 1. Bewertungstägliche Ermittlung . . . . . . 2. Bekanntgabe als absolute Werte in Euro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundsätzliche Berechnungssystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Berücksichtigung der Realisierung von Erträgen auf Fonds- und Anlegerebene Berücksichtigung von Neuausgabe und Rücknahme von Anteilen (Abs. 1 Satz 2) Grundlage für Steuerbefreiungen des § 42 Abs. 1–3 und § 43 InvStG (Abs. 2) Berücksichtigung der einzelnen Steuerbefreiungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konsequenzen der fehlenden Ermittlung und Bekanntmachung . . . . . . . . . . . . . . . . Anlegernachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fonds-Aktiengewinn (Abs. 3) Bestandteile des Fonds-Aktiengewinns (Abs. 3 Satz 1)

814 | Schmidtheisler

1 9 14 15 16 18

II. E.

20 24 30 39

I. II. F. I. II. II.

47 G. I. 51 53 57

II.

1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unmittelbare Bestandteile des FondsAktiengewinns (Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mittelbare Bestandteile des Fonds-Teilfreistellungsgewinns aus Ziel-SpezialInvestmentfonds (Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konkurrenzverhältnis zum Fonds-Abkommensgewinn (Abs. 3 Satz 2) . . . . . . . Ausnahmen vom Fonds-Aktiengewinn (Abs. 4) Steuerlich unvorbelastete Körperschaften (Abs. 4 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Finanzderivate (Abs. 4 Satz 2) . . . . . . . . . Fonds-Abkommensgewinn (Abs. 5) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unmittelbare Bestandteile des Fonds-Abkommensgewinns (Abs. 5 Nr. 1 und 2) . . Mittelbare Bestandteile des Fonds-Abkommensgewinns aus Ziel-Spezial-Investmentfonds (Abs. 5 Nr. 3 und 4) . . . . . . . . Fonds-Teilfreistellungsgewinn (Abs. 6) Ermittlung nach Anlegergruppen (Abs. 6 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestandteile des Fonds-Teilfreistellungsgewinns aus Ziel-Spezial-Investmentfonds (Abs. 6 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58 61

64 67

69 72 73 75 77

80 81

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 4 § 48

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck Das für Spezial-Investmentfonds vorgesehene semi-transparente Besteuerungsregime sieht 1 eine möglichst hohe Gleichstellung der Besteuerung zwischen der Direktanlage und der mittelbaren Anlage über einen Spezial-Investmentfonds vor.1 Dies hat u.a. zur Folge, dass realisierte Erträge im Rahmen einer Ausschüttung oder spätestens zum Ende des Geschäftsjahres auch bei thesaurierenden Spezial-Investmentfonds (mit Ausnahme der dem sog. Thesaurierungsprivileg unterliegenden Bestandteile des § 36 Abs. 2 InvStG) den Anlegern zufließen. Bei den hierbei zu ermittelnden steuerlichen Erträgen werden solche Beträge gesondert ausgewiesen, die auf Ebene des Anlegers zumindest einer teilweisen Steuerbefreiung unterliegen. Dazu zählen insbes. die Steuerbefreiungen der § 42 Abs. 1–3 InvStG und § 43 InvStG.2 Diese 2 umfassen Erträge, die den Steuerbefreiungen des § 3 Nr. 40 EStG oder des § 8b KStG bzw. solchen Steuerbefreiungen unterliegen, die sich aufgrund eines DBA ergeben. Außerdem zählt dazu auch die Weiterreichung der Teilfreistellungsquoten, sofern der Spezial-Investmentfonds an einem Investmentfonds i.S.d. Kapitels 2 des InvStG beteiligt ist und aus diesem Erträge zugerechnet bekommt. Die dort genannten Steuerbefreiungen betreffen jedoch lediglich die bereits realisierten laufenden Erträge sowie die realisierten Wertsteigerungen. Beispiel 1: Der Anleger A hält den einzigen Anteil am Spezial-Investmentfonds S. Die AK des Anteils an S betragen 100 GE. Der Spezial-Investmentfonds S hat die von A bereitgestellte Liquidität von 100 GE vollständig in Anteile an der KapGes. K investiert. Der Wert der Anteile an K erhöht sich auf 110 GE. Der Wert von S steigt folglich ebenfalls auf 110 GE. Dann verkauft S die Anteile an K und realisiert einen Veräußerungsgewinn von 10 GE. Den erzielten Gewinn schüttet S an A aus. Anschließend verkauft A den Anteil an S an den neuen Anleger B zu einem Preis von 100 GE. Der daraus resultierende Veräußerungsgewinn beträgt 0 GE (Veräußerungserlös 100 GE abzgl. aK 100 GE). Lösung: Der Veräußerungsgewinn von 10 GE unterliegt auf Ebene des A nicht der vollen StPfl., da A hierauf gem. § 42 Abs. 1–3 InvStG entweder § 3 Nr. 40 EStG oder § 8b KStG anwenden kann.

Veräußert der Anleger eines Spezial-Investmentfonds seine Anteile an diesem, entspricht der 3 Veräußerungserlös regelmäßig dem durch die KVG festgesetzten Rücknahmepreis. Dieser setzt sich aus den anteilig auf den einzelnen Anteil entfallenden Verkehrswerten sämtlicher Vermögenspositionen und Schulden zusammen. Darin enthalten sind konsequenterweise auch sämtliche unrealisierten Wertveränderungen. Diese unrealisierten Wertveränderungen haben daher auch maßgeblichen Einfluss auf den sich aus dem Verkauf der Spezial-Investmentanteile ergebenden steuerlichen Veräußerungsgewinn. Der Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf von Spezial-Investmentfondsanteilen unterliegt beim Anleger grds. der vollen StPfl. Bei den unrealisierten Wertveränderungen kann es sich auch um solche Positionen handeln, 4 die bei einer Veräußerung der Spezial-Investmentanteile durch den Anleger den vorgenannten Steuerbefreiungen der §§ 42 und 43 InvStG unterliegen würden. Jedoch sind die §§ 42 und 43 InvStG auf den aus der Veräußerung des Spezial-Investmentfondsanteils entfallenden Veräußerungsgewinn nicht anwendbar. Beispiel 2: Der Anleger A hält den einzigen Anteil am Spezial-Investmentfonds S. Die AK des Anteils an S betragen 100 GE. Der Spezial-Investmentfonds S hat die von A bereitgestellte Liquidität von 100 GE vollständig in Anteile an der KapGes. K investiert. Der Wert der Anteile an K erhöht sich auf 110 GE. Der Wert von S

1 BT-Drucks. 18/8045 v. 7.4.2016 (RegE InvStRefG), 54. 2 Siehe hierzu die Kommentierung zu § 42 und § 43 InvStG. Schmidtheisler | 815

§ 48 Rz. 4 | Fonds-Aktiengewinn, -Abkommensgewinn und -Teilfreistellungsgewinn steigt folglich ebenfalls auf 110 GE. Dann verkauft A seinen Anteil an S an den neuen Anleger B zu einem Preis von 110 GE. Der daraus resultierende voll stpfl. Veräußerungsgewinn beträgt 10 GE (Veräußerungserlös 110 GE abzgl. AK 100 GE). Lösung: Das Beispiel legt das Problem offen. Der Veräußerungsgewinn von 10 GE bei A ist voll stpfl. Hätte der S jedoch zuerst die Anteile an K verkauft und dann an A ausgeschüttet, bevor A den Anteil an B verkauft hat (s. Beispiel 1), hätte i.R.d. Ermittlung der ausgeschütteten Erträge gegenüber A die Steuerbefreiung des § 42 Abs. 1–3 InvStG gegriffen. Eine entsprechende Anwendung von § 3 Nr. 40 EStG bzw. § 8b KStG wäre möglich. Es käme dadurch zu einer erheblich geringeren Steuerbelastung auf Ebene des Anlegers.

5 Bei der Direktanlage hätte A die Anteile an K direkt gehalten. Bei einem Verkauf der K-An-

teile an B wäre eine Realisierung bei A eingetreten und eine Anwendung von § 3 Nr. 40 EStG oder § 8b KStG wäre grds. möglich. Daher ergäbe sich ohne eine Regelung für den in Beispiel 2 skizzierten Sachverhalt ein erheblicher Nachteil für ein mittelbares Investment über den Spezial-Investmentfonds.

6 Für diesen systematischen Nachteil hat der Gesetzgeber auch nach der Investmentsteuerre-

form zum 1.1.2018 die Regelung des § 48 InvStG vorgesehen. Die dort geregelten Fonds-Gewinne greifen diese Problematik auf und sollen gewährleisten, dass die Anlage über einen Spezial-Investmentfonds zu einer mit der Direktanlage vergleichbareren steuerlichen Behandlung führt.

7 Die Fonds-Gewinne sind daher als Korrektiv zum Anteilspreis zu verstehen, welche die steu-

erfreien Bestandteile im Anteilspreis abbilden und dadurch für eine sachgerechte Besteuerung herangezogen werden müssen.

8 Der Gesetzgeber definiert in § 48 InvStG drei verschiedene Fonds-Gewinne:

– Fonds-Aktiengewinn, – Fonds-Abkommensgewinn, – Fonds-Teilfreistellungsgewinn. Diese drei auf Fondsebene zu ermittelnden Fonds-Gewinne spiegeln die in den § 42 Abs. 1–3 und § 43 InvStG enthaltenen Steuerbefreiungen im Zuge der laufenden Besteuerung wider. Die einzelnen Bestandteile werden in den nachfolgenden Abschnitten detailliert erläutert.

II. Systematische Einordnung 9 Durch die Ermittlung und Anwendung der Fonds-Gewinne sowie im Zusammenspiel mit den

in § 49 InvStG definierten Anleger-Gewinnen wird ein größtmöglicher und systemgerechter Gleichlauf zwischen laufender Besteuerung und Schlussbesteuerung bei Veräußerung der Anteile erzielt.1

10 Folgende Anleger-Gewinne sieht § 49 Abs. 1 InvStG vor:

– Anleger-Aktiengewinn, – Anleger-Abkommensgewinn, – Anleger-Teilfreistellungsgewinn. Bei den Anleger-Gewinnen handelt es sich um die anlegerspezifischen, während seiner Besitzzeit erzielten Fonds-Gewinne.2 Gemäß § 49 Abs. 2 Satz 1 InvStG ergibt sich der Anleger-Gewinn aus dem Differenzbetrag zwischen dem Fonds-Gewinn bei Anschaffung des Spezial-In1 Hartmann in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 8 InvStG Rz. 10. 2 Boxberger in W/B/A3, § 48 InvStG Rz. 2.

816 | Schmidtheisler

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 17 § 48

vestmentfondsanteils einerseits und dem Fonds-Gewinn bei Veräußerung bzw. Folgebewertung des Spezial-Investmentfondsanteils andererseits. In der steuerlichen Gewinnermittlung werden die steuerfreien Bestandteile als außerbilanziel- 11 le Korrektur berücksichtigt. Sowohl die Fonds- als auch die Anleger-Gewinne können sich positiv oder negativ entwickeln. Nach § 49 Abs. 1 Satz 1 InvStG ist auf alle Anleger-Gewinne § 44 InvStG anzuwenden. Das bedeutet, dass im Falle eines negativen Anleger-Gewinns eine außerbilanzielle Hinzurechnung i.H.d. steuerfreien Bestandteils zu erfolgen hat. Bei dem Anleger-Abkommensgewinn und bei dem Anleger-Teilfreistellungsgewinn ent- 12 spricht die außerbilanzielle Korrektur bei einem positiven und negativen Anleger-Gewinn gleichermaßen dem steuerfreien Bestandteil. Im Falle von DBA-steuerfreien Bestandteilen ist in der Regel von einer vollständigen außerbilanziellen Hinzurechnung oder Kürzung auszugehen. Beim Anleger-Teilfreistellungsgewinn entspricht die außerbilanzielle Korrektur dem anzuwendenden Teilfreistellungssatz gem. § 20 InvStG. Beim Anleger-Aktiengewinn erfolgt für Anleger, die ihre Anteile im Betriebsvermögen halten 13 und nicht dem KStG unterliegen, die außerbilanzielle Korrektur sowohl bei einem positiven wie negativen Anleger-Abkommensgewinn i.H.v. 40 %. Bei einem dem KStG unterliegenden Anleger ist zwischen einem negativen und positiven Anleger-Aktiengewinn zu unterscheiden. Bei einem negativen Anleger-Aktiengewinn erfolgt eine vollständige Hinzurechnung des negativen Anleger-Aktiengewinns. Bei einem positiven Anleger-Aktiengewinn ist auf die nicht abziehbaren BA i.H.v. 5 % zu achten.1

III. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich Die Fonds-Gewinne sind nur für solche Einkünfte zu ermitteln, die sich explizit aus den jewei- 14 ligen Absätzen des § 48 InvStG zu den einzelnen Fonds-Gewinnen ergeben (s. hierzu detailliert Rz. 58 ff.). 2. Persönlicher Anwendungsbereich Die Regelung des § 48 InvStG ist ausschließlich auf die in Kapitel 3 des InvStG geregelten 15 Spezial-Investmentfonds (§ 26 InvStG, s. dazu im Detail § 26 InvStG Rz. 2) und deren Anleger anzuwenden. 3. Zeitlicher Anwendungsbereich Die Regelungen des § 48 InvStG sind mit Wirkung und Inkrafttreten des reformierten InvStG 16 zum 1.1.2018 für Spezial-Investmentfonds und deren Anleger anzuwenden. Auch wenn die Beteiligung am Spezial-Investmentfonds bereits vor dem 1.1.2018 bestand, 17 starten die Fonds-Gewinne am 1.1.2018 bei null. Dies ergibt sich aus der Systematik der Übergangsregelungen des § 56 InvStG und im Speziellen aus § 56 Abs. 8 Satz 3 InvStG (s. dazu im Detail § 56 InvStG Rz. 119). Demnach sind die vor dem 1.1.2018 eingetretenen Wertveränderungen nicht zu berücksichtigen.2

1 BT-Drucks. 18/8045 v. 7.4.2016 (RegE InvStRefG), 119. 2 BT-Drucks. 18/12127 v. 26.4.2017, 70. Schmidtheisler | 817

§ 48 Rz. 18 | Fonds-Aktiengewinn, -Abkommensgewinn und -Teilfreistellungsgewinn

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 18 Verhältnis zu § 42 Abs. 1–3 und § 43 InvStG. Damit die Steuerbefreiungen aus § 42 Abs. 1–

3 und § 43 InvStG auf Ebene des Anlegers zur Anwendung kommen können, setzt § 48 Abs. 2 InvStG voraus, dass entweder der Spezial-Investmentfonds die entsprechende(n) Fonds-Gewinn(e) ermittelt und bekannt macht oder der Anleger die Fonds-Gewinn(e) selbst nachweist. Die gesetzgeberische Intention dieser Verknüpfung von laufender Freistellung und Freistellung von Bestandteilen des Anteilspreises ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zur Vorgängerregelung des § 5 Abs. 2 Satz 4 InvStG a.F. Ohne eine entsprechende Bedingung ergäbe sich die Möglichkeit, laufende Erträge in Form von Ausschüttungen auf Ebene des Anlegers steuerfrei zu stellen und anschließend eine steuerlich wirksame Teilwertabschreibung auf den dann konsequenterweise geminderten Anteilspreis geltend zu machen. Diese Verknüpfung soll den steuerlichen Gestaltungsspielraum minimieren.1

19 Verhältnis zu § 49 InvStG. § 48 InvStG ist eng verknüpft mit § 49 InvStG, indem § 48 InvStG

regelt, wie der Fonds-Aktiengewinn, der Fonds-Abkommensgewinn und der Fonds-Teilfreistellungsgewinn zu ermitteln sind, und § 49 regelt, wie daraus der Anleger-Aktiengewinn, der Anleger-Abkommensgewinn und der Anleger-Teilfreistellungsgewinn ermittelt wird und wie diese Beträge beim Anleger steuerlich behandelt werden. Die Regelungen des § 49 Abs. 1 und 2 InvStG sehen nämlich vor, dass die sich aus den Fonds-Gewinnen ergebenden sog. AnlegerGewinne im Falle einer (Teil-)Veräußerung der Spezial-Investmentfondsanteile, einer Teilwertminderung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG oder einer Teilwertzuschreibung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG zu außerbilanziellen Ergebniskorrekturen führen. Wird in § 48 InvStG definiert, welche Fonds-Gewinne auf welche Weise zu ermitteln sind, ergibt sich aus § 49 InvStG die unmittelbare Auswirkung auf Anlegerebene (s. hierzu Rz. 51 ff.).

B. Ermittlungsgrundsätze der Fonds-Gewinne (Abs. 1) I. Berechnungssystematik und Bekanntgabe (Abs. 1 Satz 1) 1. Bewertungstägliche Ermittlung 20 Die Fonds-Gewinne sind gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 InvStG bei jeder Bewertung zu ermitteln

und gegenüber dem Anleger bekannt zu machen.

21 Die Fristen bzw. Intervalle zur Bewertung der Spezial-Investmentanteile ergeben sich origi-

när aus den Regelungen der §§ 278 ff. KAGB. § 278 Abs. 1 KAGB sieht vor, dass eine Bewertung der Vermögensgegenstände mindestens jährlich zu erfolgen hat. Jedoch hat der Rhythmus der Bewertung den zu bewertenden Vermögensgegenständen angemessen zu sein. So kann – z.B. bei börsengehandelten Wertpapieren – auch eine tägliche Bewertung der Vermögensgegenstände angemessen sein.2 Etwaige Besonderheiten für Immobilien-Sondervermögen ergeben sich aus § 248 KAGB.3 Regelmäßig hat die Bewertung von Immobilienvermögen nach aufsichtsrechtlichen Kriterien jedoch mindestens einmal jährlich zu erfolgen.4

22 Neben den aufsichtsrechtlichen Anforderungen zur Bewertung der Spezial-Investmentfonds-

anteile ergibt sich auch aus investmentsteuerlicher Sicht eine originäre Bewertungspflicht, da

1 BT-Drucks. 17/2249 v. 21.6.2010 (RegE JStG 2010), 82. 2 S. für weitergehende Erläuterungen Paetzmann/Hoffmann in Assmann/Wallach/Zetzsche, KAGB, 2019, § 279 Rz. 1 ff. 3 S. für weitergehende Erläuterungen Kloyer/Seidenschwann in Assmann/Wallach/Zetzsche, KAGB, 2019, § 248 Rz. 1 ff. 4 Völker in Moritz/Jesch/Mann2, § 48 InvStG Rz. 56.

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B. Ermittlungsgrundsätze der Fonds-Gewinne (Abs. 1) | Rz. 28 § 48

die Fonds-Gewinne gem. § 51 Abs. 1 InvStG (s. dazu § 51 InvStG Rz. 10) Teil der gesondert und einheitlich festzustellenden Besteuerungsgrundlagen sind.1 Aus investmentsteuerlicher Sicht ist die Ermittlung der Fonds-Gewinne daher für jeden Zeitpunkt durchzuführen, der für die Besteuerung des Anlegers relevant ist. Dies ergibt sich aus der systematischen Überlegung der Anlegerbesteuerung. Da die Fonds-Gewinne unmittelbaren Einfluss auf die Ermittlung des Veräußerungsgewinns im Falle von Veräußerungen2 der Spezial-Investmentfondsanteile bzw. bei der Bewertung der Spezial-Investmentfondsanteile i.R.d. steuerbilanziellen Ansatzes haben (s. § 49 InvStG Rz. 3), ergibt sich aus diesen Überlegungen die Notwendigkeit zur Bewertung. Die Bewertung hat aus investmentsteuerlicher Sicht in jedem Fall zu den Bilanzstichtagen 23 der Anleger sowie im Zeitpunkt von Anteilscheinrückgaben zu erfolgen. Zu diesen Zeitpunkten sind die Fonds-Gewinne Teil der gesonderten und einheitlichen Feststellung gem. § 51 Abs. 1 InvStG und für die Besteuerung der Anleger relevant.3 2. Bekanntgabe als absolute Werte in Euro Die zur Bewertung des Vermögens des Spezial-Investmentfonds ermittelten Fonds-Gewinne 24 sind den Anlegern als absolute Werte in Euro bekannt zu machen. Eine Angabe als Prozentsatz, wie sie in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung des § 5 Abs. 2 Satz 1 InvStG 2004 möglich war, ist nicht mehr vorgesehen. Für in Fremdwährung aufgelegte Spezial-Investmentfonds sind die Bestandteile der Fonds- 25 Gewinne in Euro bekannt zu geben. Dies bedeutet, dass die steuerfreien Bestandteile des Anteilspreises sowie die übrigen Bestandteile zum gleichen Zeitpunkt in Euro umzurechnen sind. Etwaige Kursveränderungen wirken sich dadurch gleichermaßen auf alle Bestandteile des Anteilspreises aus.4 Einen gesetzlich vorgegebenen Währungskurs sieht § 48 InvStG nicht vor. Es bietet sich hierbei jedoch der EZB-Referenzkurs zum jeweiligen Stichtag an. Davon geht auch das BMF aus.5 An die Bekanntgabe durch die KVG sieht der Gesetzgeber keine formellen Anforderungen 26 vor. Denkbar sind daher verschiedene, in der Praxis bewährte Methoden. Wichtig ist, dass der Anleger Zugriff auf die Informationen für seinen individuell zu ermittelnden Fonds-Gewinn zum Zeitpunkt der Bewertung hat. Dies kann z.B. durch schriftliche oder digitale Bekanntgabe in Form einer Mitteilung sein. Auch denkbar sind etwaige elektronische, passwortgeschützte Plattformen, auf denen die KVG die Fonds-Gewinne anlegerindividuell zur Verfügung stellt.6 Das BMF erachtet es für die mittelbare Beteiligung über Personengesellschaften als ausrei- 27 chend an, wenn für Zwecke der Ermittlung und Bekanntgabe der Fonds-Gewinne die Personengesellschaft selbst als unmittelbarer Anleger herangezogen wird und keine Durchschau auf die dahinterstehenden Gesellschafter erfolgt.7 Die ordnungsgemäß bekannt gegebenen Fonds-Gewinne entfalten nicht unmittelbar ihre Bin- 28 dungswirkung. Die Bindungswirkung auf Anlegerebene wird gem. § 182 Abs. 1 Satz 1 AO erst durch die Berücksichtigung i.R.d. gesonderten und einheitlichen Feststellung entfaltet. Die FinVerw. beanstandet es nicht, wenn die Fonds-Gewinne erst im Zeitpunkt der Abgabe 1 2 3 4

Hartmann in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK InvStG, § 48 Rz. 32. S. zur Definition von Veräußerungen § 2 Abs. 13 InvStG. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.3. S. zur Problematik in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung des InvStG Völker in Moritz/Jesch/ Mann2, § 48 InvStG Rz. 60 f. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.14. 6 Hartmann in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK InvStG, § 48 Rz. 29. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.10. Schmidtheisler | 819

§ 48 Rz. 28 | Fonds-Aktiengewinn, -Abkommensgewinn und -Teilfreistellungsgewinn der gesonderten und einheitlichen Feststellungserklärung bekannt gegeben werden.1 Die Nichtbeanstandungsregelung ist aus Praktikabilitätsgründen sinnvoll, da die für die (unterjährige) Ermittlung der Fonds-Gewinne notwendigen Informationen für das Wirtschaftsjahr u.U. (noch) nicht vorliegen. 29 Fehlt es insgesamt an Gewinnen bzw. Wertveränderungen, die bei den Fonds-Gewinnen zu

berücksichtigen wären (weil etwaige Investments nicht vorliegen), sind für die Fonds-Gewinne 0 Euro bekannt zu geben.2 3. Grundsätzliche Berechnungssystematik

30 Der Spezial-Investmentfonds hat gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 InvStG die Fonds-Gewinne bei jeder

Bewertung seines Vermögens pro Spezial-Investmentfondsanteil in Euro als absoluten Wert zu ermitteln. Die Ausgabe oder Rücknahme von Spezial-Investmentanteilen verändert die Fonds-Gewinne gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 nicht (s. hierzu Rz. 50).

31 § 48 Abs. 1 InvStG definiert neben den vorstehenden Ermittlungsgrundsätzen keine detail-

lierteren Anforderungen an die systematische Berechnung der Fonds-Gewinne. Jedoch lässt sich unter Berücksichtigung der seit dem 1.1.2018 geltenden Systematik zur anlegerindividuellen Einkünfteermittlung eine solche Systematik auch für die Fonds-Gewinne ableiten.3 Die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge sind gem. § 35 Abs. 6 und 7 InvStG4 sowie § 36 Abs. 4 InvStG unter der Maßgabe zu ermitteln, dass den Anlegern nur diese Einnahmen und WK zuzurechnen sind, wie sie im Zeitpunkt des Zu- bzw. Abflusses quotal am Vermögen des Spezial-Investmentfonds beteiligt waren. Um einen Gleichlauf zwischen laufender Besteuerung und der Besteuerung i.R.d. Fonds-Gewinne zu gewährleisten, ergibt sich diese Systematik auch für die Ermittlung der Fonds-Gewinne i.S.d. § 48 Abs. 1 InvStG.5 Dies bedeutet, dass nur solche Komponenten (s. zu den einzelnen Bestandteilen der Fonds-Gewinne Rz. 58 ff.) in die anlegerspezifischen Fonds-Gewinne einzubeziehen sind, die dem Anleger im Zeitpunkt seiner Beteiligung quotal zuzurechnen sind. Die hier vertretene Auffassung deckt sich mit der durch das BMF veröffentlichten Auffassung sowie der entsprechenden hM in der Literatur.6

32 Das BMF unterscheidet hinsichtlich des Zeitpunkts des Zuflusses u.E. zutreffend zwischen

zwei verschiedenen Arten von Erträgen,7 solchen Erträgen, die sich über einen Zeitraum (ratierlich) aufbauen und daher taggenau abgrenzen lassen (Zurechnung anhand des Entstehungszeitraumes), und solchen Erträgen, deren Höhe erst im Zeitpunkt der Realisierung rechtssicher feststeht (Zurechnung anhand des Entstehungszeitpunkts). Beispiele für Erträge, die sich taggenau abgrenzen lassen, sind z.B. Zinsen und Mieterträge. Bei der zeitpunktbezogenen Zurechnung kann es sich z.B. um Veräußerungsgewinne handeln.

33 Abweichend von den vorstehenden Grundsätzen zur Abgrenzung von Erträgen sieht der Ge-

setzgeber in den einzelnen Bestandteilen der jeweiligen Fonds-Gewinne regelmäßig auch die

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.12. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.4. 3 S. hinsichtlich der Ermittlungs- und Berechnungssystematik ergänzend zu den gesetzlichen Regelungen BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.1 ff. 4 § 35 Abs. 7 InvStG verweist auf § 36 Abs. 4 InvStG und die darin explizit definierte sog. besitzzeitanteilige Ermittlung. Dieser Verweis wurde mit dem „JStG 2019“ v. 12.12.2019 (BGBl. I 2019, 2451) mit Wirkung zum 1.1.2020 eingefügt. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.15. 6 BMF v. 28.8.2018 – IV C 1 - S 1980 - 1/16/10010 :011 – DOK 2018/0675608, S. 9 ff.; Köhler, Praxisleitfaden Investmentsteuerrecht, 2019, 162; Völker in Moritz/Jesch/Mann2, § 48 InvStG Rz. 64 ff.; Häuselmann, Investmentanteile, 2019, Kap. 8 Rz. 128. 7 BMF v. 28.8.2018 – IV C 1 - S 1980 - 1/16/10010 :011 – DOK 2018/0675608, S. 4 f.

820 | Schmidtheisler

B. Ermittlungsgrundsätze der Fonds-Gewinne (Abs. 1) | Rz. 38 § 48

Berücksichtigung von unrealisierten Wertveränderungen vor, soweit die Wertveränderungen während der Haltephase des jeweiligen Anlegers entstanden sind. Dies ist systematisch richtig. Andernfalls würde das Konzept der Fonds-Gewinne ins Leere laufen, da ohne Berücksichtigung der unrealisierten Wertveränderungen nur solche Anleger von der Steuerfreiheit dieser Erträge begünstigt wären, die im Zeitpunkt der Realisierung auf Fondsebene und anschließenden steuerlichen Zurechnung auf Anlegerebene auch am Spezial-Investmentfonds beteiligt sind. Vorher ausgetretene Anleger würden die Wertsteigerungen ohne deren Berücksichtigung in den Fonds-Gewinnen i.R.d. Veräußerungsgewinnermittlung in voller Höhe versteuern (s. hierzu Rz. 1 ff.). Bei der Ermittlung der Fonds-Gewinne ist weiterhin die Anwendung der Durchschnitts- 34 methode möglich, da z.B. bei einer Rückgabe von Anteilen nicht identifiziert werden kann, welcher (genaue) Anteil zurückgegeben wurde.1 Das heißt, dass für Zwecke der Ermittlung von Fonds-Gewinnen auf die durchschnittlichen Pro-Anteil-Werte, z.B. die durchschnittlichen AK, des jeweiligen Anlegers abgestellt werden kann. Die Vorgängerregelung des § 5 Abs. 2 InvStG 2004 in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fas- 35 sung definierte die in den sog. steuerlichen Kennzahlen zu berücksichtigenden Bestandteile als „Einnahmen“ und „Gewinne“. Daraus ergab sich hinsichtlich der anzuwendenden Berechnungsmethode ein großer Interpretationsspielraum. Fraglich war, ob bei den steuerlichen Kennzahlen nur die Einnahmen ohne WK oder die Einnahmen inkl. WK zu ermitteln waren.2 Demgegenüber verweisen die Regelungen der einzelnen Fonds-Gewinne in den Abs. 3, 5 und 36 6 des § 48 InvStG auf die zu berücksichtigenden Erträge. Durch diese klare Definition wird ein Rückgriff auf die Spezial-Investmenterträge nach §§ 34 ff. InvStG genommen. Daraus folgend ergibt sich die zwingende Berücksichtigung von WK, soweit es sich um Ertragsbestandteile der Fonds-Gewinne handelt. Werbungskosten sind daher bereits bei der Ermittlung der Fonds-Gewinne zu berücksichtigen.3 Weniger klar geregelt ist die Berücksichtigung von WK bei unrealisierten Wertveränderun- 37 gen. Die Begründung des RegE zum InvStRefG ist insoweit sehr ungenau, da sie zwar davon spricht, dass auch bei den unrealisierten Wertveränderungen WK abzuziehen sind, jedoch nicht weiter erläutert, welche WK den nicht realisierten Wertveränderungen zugeordnet werden können. Lässt sich der Abzug von WK, wie in Rz. 36 beschrieben, über den Rückgriff auf den Terminus Erträge unmittelbar herleiten, fehlt es an einer solchen Verbindung bei den unrealisierten Wertveränderungen. Der Gesetzestext zu den jeweiligen Fonds-Gewinnen in den Abs. 3, 5 und 6 des § 48 InvStG spricht von Erträgen, die nicht ausgeschüttet wurden und nicht als ausgeschüttet gelten, sowie folgenden Wertveränderungen. Systematisch kann es sich bei den unrealisierten Wertveränderungen daher keinesfalls um Erträge i.S.d. §§ 34 ff. InvStG handeln, da es sich insoweit eben noch nicht um realisierte Gewinne handelt. Als Wertveränderung wird der Unterschiedsbetrag zwischen den (historischen; nicht fort- 38 geführten) AK und dem Verkehrswert bezeichnet.4 Davon in Abzug zu bringen sind ausschließlich die unmittelbaren WK, die mit einem beabsichtigten Verkauf (und damit mit der Realisierung) in Verbindung stehen. Dies sind sämtliche Aufwendungen, die im Vorfeld einer ernstlich geplanten Veräußerung entstehen können. Das könnten z.B. Rechts- und Beratungskosten sein, die im Vorfeld eingeholt werden müssen. Daher sind ausschließlich die direkten WK i.S.d. § 39 InvStG bei den Fonds-Gewinnen zu berücksichtigen. Indirekte Kosten bleiben daher außer Acht. Dieser Auffassung hat sich inzwischen auch die FinVerw. angeschlossen.5 1 2 3 4 5

BMF v. 28.8.2018 – IV C 1 - S 1980 - 1/16/10010 :011 – DOK 2018/0675608, S. 13. Diskussion zur Vorgängerregelung bei Völker in Moritz/Jesch/Mann2, § 48 InvStG Rz. 124 ff. BT-Drucks. 18/8045 v. 7.4.2016 (RegE InvStRefG), 118. Völker in Moritz/Jesch/Mann2, § 48 InvStG Rz. 126. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.53. Schmidtheisler | 821

§ 48 Rz. 39 | Fonds-Aktiengewinn, -Abkommensgewinn und -Teilfreistellungsgewinn 4. Berücksichtigung der Realisierung von Erträgen auf Fonds- und Anlegerebene 39 Die Fonds-Gewinne sollen sämtliche, i.R.d. laufenden Besteuerung auf Anlegerebene noch

nicht berücksichtigte, steuerfreie Bestandteile enthalten. Kommt es zur Realisierung von in den Fonds-Gewinnen enthaltenen Bestandteilen auf Fonds- oder Anlegerebene, ergibt sich unmittelbarer Handlungsbedarf für die Fonds-Gewinne. Andernfalls käme es zu einer doppelten Berücksichtigung dieser Bestandteile. Nachfolgend werden sowohl (i) die Realisierung von Wertveränderungen auf Fondsebene als auch (ii) die Realisierung dieser Gewinne auf Anlegerebene behandelt. Im darauffolgenden Abschnitt (s. Rz. 50 ff.) wird gesondert auf die Auswirkungen der (anteiligen) Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen und die daraus folgenden Berücksichtigung für die Fonds-Gewinne eingegangen.1

40 Realisierung auf Fondsebene. Kommt es zur Realisierung auf Ebene des Spezial-Investment-

fonds (z.B. durch Verkauf eines Wirtschaftsguts), sind die für dieses Wirtschaftsgut bislang unrealisierten Wertveränderungen der Fonds-Gewinne in die realisierten Wertveränderungen innerhalb des jeweiligen Fonds-Gewinns umzuqualifizieren. Die betragsmäßig unveränderten Wertveränderungen des veräußerten Wirtschaftsguts sind sodann bei den realisierten (und steuerlich noch nicht auf Anlegerebene zugeflossenen, s. Rz. 42) Wertveränderungen auszuweisen. Dadurch hat die Realisierung auf Ebene des Spezial-Investmentfonds im ersten Schritt keine materielle Auswirkung auf die Fonds-Gewinne, soweit es zwischen den als unrealisierte Wertveränderung berücksichtigten Bestandteilen und den nunmehr realisierten Gewinnen keine Differenz gibt.2 Abweichungen zwischen unrealisierten und realisierten Beträgen können sich ergeben, wenn zwischen der letzten Bewertung für die Fonds-Gewinne und der Realisierung weitere Wertveränderungen eingetreten sind. Es ist auch denkbar, dass im Zuge der Veräußerung auf Ebene des Spezial-Investmentfonds Kosten entstanden sind, die sich mindernd auf den realisierten Betrag auswirken und dadurch eine Abweichung zu den als unrealisierte Wertveränderungen berücksichtigten Beträgen bedingen.3

41 Die realisierten Wertveränderungen sind nur insoweit ein Bestandteil der Fonds-Gewinne,

wie sie an den Anleger noch nicht ausgeschüttet wurden bzw. als ausgeschüttet gelten (§ 48 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 und Abs. 6 Satz 1). Auf Anlegerebene kommt es zum steuerlichen Zufluss im Rahmen einer Thesaurierung oder einer (Teil-)Ausschüttung. Die (teilweise) Steuerfreiheit des § 42 Abs. 1–3 InvStG und des § 43 InvStG regelt im Zuge der laufenden Besteuerung die entsprechend korrekte steuerfreie Berücksichtigung auf Anlegerebene.

42 Realisierung auf Anlegerebene durch den steuerlichen Zufluss. Kommt es zu einer steuerli-

chen Zurechnung der realisierten Erträge auf Anlegerebene, sind i.H.d. steuerlich zugerechneten Erträge die Fonds-Gewinne zu kürzen. Andernfalls käme es ebenfalls zu einer doppelten Berücksichtigung dieser steuerfreien Bestandteile auf Anlegerebene (einmal i.R.d. Schlussbesteuerung und Berücksichtigung der Fonds-Gewinne und einmal i.R.d. laufenden Besteuerung).4

43 Sind die realisierten Gewinne ausgeschüttet, so mindert sich auch in dieser Höhe der Wert

der Spezial-Investmentfondsanteile. Der Preis für die Spezial-Investmentfondsanteile enthält somit auch nicht mehr die steuerfreien und realisierten Bestandteile. Bei einem nach der Ausschüttung erfolgten Verkauf der nun im Wert gefallenen Spezial-Investmentfondsanteile, kann nur ein niedrigerer Veräußerungserlös erzielt werden. Bliebe der Fonds-Gewinn nach der Ausschüttung weiterhin unverändert, käme es aufgrund der Regelung des § 49 Abs. 1 und 2

1 S. zur Berechnungssystematik auch das umfassende Beispiel in BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.15 ff. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.25. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.26. 4 Völker in Moritz/Jesch/Mann2, § 48 InvStG Rz. 84.

822 | Schmidtheisler

B. Ermittlungsgrundsätze der Fonds-Gewinne (Abs. 1) | Rz. 47 § 48

InvStG zu einer unzutreffenden, doppelten Berücksichtigung i.R.d. Veräußerungsgewinnermittlung. Dies wird durch die vorgenannte Kürzung der Fonds-Gewinne verhindert. Gelten die realisierten Gewinne den Anlegern nur als ausgeschüttet (sog. ausschüttungsglei- 44 che Erträge), erfolgt ebenfalls ein steuerlicher Zufluss auf Anlegerebene. Der Anleger des Spezial-Investmentfonds versteuert diese Erträge in dem VZ, indem ihm die Erträge zugerechnet wurden. Da es jedoch zu keinem korrespondierenden handelsrechtlichen Ertrag kommt, bildet der Anleger in seiner Steuerbilanz für diese Erträge einen steuerlichen Ausgleichsposten. Die Regelungen des § 42 Abs. 1–3 InvStG und des § 43 InvStG gelten weiterhin. Es kommt folglich durch die laufende Besteuerung zu einer korrekten, steuerfreien Berücksichtigung dieser Erträge. Veräußert der Anleger anschließend seine im Wert nicht gefallenen1 Spezial-Investmentfondsanteile, kommt es gem. § 49 Abs. 3 InvStG zu einer gewinnmindernden Auflösung des vorgenannten Ausgleichspostens. Bliebe der Fonds-Gewinn nach der Zurechnung der realisierten Gewinne als ausschüttungsgleicher Ertrag unverändert, käme es auch hier zur doppelten Berücksichtigung dieser Bestandteile durch die Fonds-Gewinne. Der Zeitpunkt, zu dem die Kürzung der Fonds-Gewinne zu erfolgen hat, hängt i.d.R. vom 45 steuerlichen Zuflusszeitpunkt auf Anlegerebene ab. Daher ist zwischen einer Thesaurierung (der Spezial-Investmentfonds schüttet keinerlei Einnahmen an die Anleger aus), einer VollAusschüttung (der Spezial-Investmentfonds schüttet gem. der Ausschüttungsreihenfolge des § 35 InvStG sämtliche Erträge aus) und einer Teil-Ausschüttung (der Spezial-Investmentfonds schüttet, zumindest aus steuerlicher Sicht, nicht alle Erträge des Geschäftsjahres an seine Anleger aus) zu unterscheiden. Der Kürzungszeitpunkt hängt daher systematisch an den in §§ 34 bis 36 InvStG definierten Zuflusszeitpunkten2 bzw. am Zeitpunkt der Minderung des Fondsvermögens.3 Bei Ausschüttungen könnten der Zeitpunkt zwischen steuerlichem Zufluss einerseits und 46 Minderung des Fondsvermögens andererseits eine Differenz aufweisen. Die Minderung des Fondsvermögens hat grds. im Zeitpunkt des Ausschüttungsbeschlusses zu erfolgen. Bei bilanzierenden Anlegern bildet der Ausschüttungsbeschluss i.d.R. auch den steuerlichen Zurechnungszeitpunkt, da der Rechtsanspruch auf die Ausschüttung ab diesem Zeitpunkt besteht. Bei Anlegern, deren Einkünfte nach dem Zuflussprinzip (§ 11 EStG) zu ermitteln sind, ist der Ausschüttungsbeschluss i.d.R. nicht maßgeblich, da der Zufluss erst mit der Ausschüttung selbst erfolgt. Liegen diese beiden Zeitpunkte auseinander, fallen auch der steuerliche Zuflusszeitpunkt und die Kürzung der Fonds-Gewinne auseinander. In der Praxis sollten diese Anwendungsfälle jedoch sehr begrenzt sein.

II. Berücksichtigung von Neuausgabe und Rücknahme von Anteilen (Abs. 1 Satz 2) Die Neuausgabe bzw. Rücknahme von Anteilen haben gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 InvStG keinen 47 Einfluss auf die absoluten Fonds-Gewinne. Dadurch sollen etwaige Besteuerungsfolgen auf Anlegerebene durch Veränderungen bei den Anteilscheinen vermieden werden.4 Wie dieses Ziel genau zu erreichen ist, definiert der Gesetzgeber jedoch nicht. Es kommt im Ergebnis auf die technische Ermittlungsmethodik an.5 In diesem Kontext haben sich sowohl in der Litera1 Die Anteile des Spezial-Investmentfonds sind im Wert nicht gefallen, da es nur steuerlich zu einer Zurechnung von Erträgen kam. Da keine Ausschüttung stattgefunden hat, kann es auch zu keiner Minderung des Anteilspreises kommen. 2 S. hierzu die Kommentierung zu den genannten Paragrafen. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.55. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.16. 5 Völker in Moritz/Jesch/Mann2, § 48 InvStG Rz. 71. Schmidtheisler | 823

§ 48 Rz. 47 | Fonds-Aktiengewinn, -Abkommensgewinn und -Teilfreistellungsgewinn tur1 als auch durch das BMF2 zwei verschiedene Methoden zur Ermittlung der Fonds-Gewinne herauskristallisiert. Einerseits besteht die Möglichkeit, die Fonds-Gewinne für den einzelnen Anteilsschein zu ermitteln (sog. anteilsbezogene Ermittlung)3, und andererseits die Ermittlung für alle Spezial-Investmentfondsanteile eines Anlegers (sog. anlegerbezogene Ermittlung)4. Beide Methoden sollten gleichermaßen zum gleichen Ergebnis führen.5 Die anteilsbezogene Ermittlung orientiert sich insbes. an der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung des InvStG und der darin vorgesehenen Ermittlung der steuerlichen Kennzahlen gem. § 5 Abs. 2 Satz 2 InvStG.6 48 Die u.E. zutreffende und von der FinVerw. präferierte anlegerbezogene Ermittlung steht im

Einklang mit der anlegerindividuellen Ertragsermittlung des InvStG in der ab 1.1.2018 geltenden Fassung.7 Die FinVerw. akzeptierte die anteilsbezogene Ermittlung (nur) für einen Übergangszeitraum bis zum 31.12.2019.8 Für Zeiträume danach wird die anteilsbezogene Ermittlung durch das FA nicht mehr akzeptiert. Zur Vermeidung etwaiger Diskussionen mit der FinVerw. und damit auch aus Gründen der Rechtssicherheit sind die inländischen Spezial-Investmentfonds dazu veranlasst, die anlegerbezogene Ermittlung durchzuführen. Aus diesem Grund wird im Folgenden ausschließlich die anlegerbezogene Ermittlung analysiert und dargestellt.9

49 Kommt es zur Neuausgabe von Anteilen, verteilen sich die bereits berücksichtigten Fonds-

Gewinne linear auf alle Anteile.10 Dadurch verändert sich lediglich der Pro-Anteil-Wert der Fonds-Gewinne, jedoch nicht die absoluten Beträge. Als Folge der anlegerbezogenen Ermittlung ergibt sich, dass die Fonds-Gewinne sowohl im Zeitpunkt des ersten Erwerbs von Spezial-Investmentanteilen am Spezial-Investmentfonds als auch alle weiteren zusätzlichen Erwerbe von Anteilen am gleichen Spezial-Investmentfonds stets bei null liegen.11 Dies gilt auch für die vor dem 1.1.2018 erworbenen Spezial-Investmentanteile. Diese starten auf Grundlage der Übergangsregelung des § 56 Abs. 8 Satz 3 InvStG ebenfalls bei null. Daher entsprechen die Anleger-Gewinne, mit Ausnahme der Korrekturen nach § 49 Abs. 2 Sätze 3 ff., regelmäßig auch den anlegerspezifisch ermittelten Fonds-Gewinnen.

50 Die Rückgabe bzw. die Veräußerung12 eines Teils oder aller Spezial-Investmentfondsantei-

le soll gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 InvStG ebenfalls keine Auswirkung auf die Fonds-Gewinne haben. Soweit es zur (teilweisen) Veräußerung der Spezial-Investmentfondsanteile kommt, entfaltet der darauf entfallende Teil der Fonds-Gewinne entsprechend den Regelungen des § 49 Abs. 1 und 2 InvStG seine Wirkung in den Anleger-Gewinnen. Die Anleger-Gewinne beeinflussen das steuerliche Ergebnis aus der Veräußerung der Spezial-Investmentfondsanteile

1 Völker in Moritz/Jesch/Mann2, § 48 InvStG Rz. 71 ff.; Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 48 InvStG Anm. 8 (Stand: August 2021); Hartmann in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK InvStG, § 48 Rz. 38. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.18. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.30 ff. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.18 ff. 5 Völker in Moritz/Jesch/Mann2, § 48 InvStG Rz. 73. 6 Köhler, Praxisleitfaden Investmentsteuerrecht, 2019, 162. 7 S. hierzu auch Köhler, Praxisleitfaden Investmentsteuerrecht, 2019, 162. 8 BMF v. 28.8.2018 – IV C 1 - S 1980 - 1/16/10010 :011 – DOK 2018/0675608, S. 12; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.30. 9 Für eine detaillierte Beschreibung und Berechnung der anteilsbezogenen Ermittlungsmethodik s. BMF v. 28.8.2018 – IV C 1 - S 1980 - 1/16/10010 :011 – DOK 2018/0675608, S. 12 ff.; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.2 ff. 10 Völker in Moritz/Jesch/Mann2, § 48 InvStG Rz. 75; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.19. 11 Völker in Moritz/Jesch/Mann2, § 48 InvStG Rz. 75; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.18. 12 S. hierzu § 2 Abs. 13 InvStG.

824 | Schmidtheisler

C. Grundlage für Steuerbefreiungen des § 42 Abs. 1–3 und § 43 InvStG (Abs. 2) | Rz. 52 § 48

unmittelbar und sind i.R.d. gesonderten und einheitlichen Feststellung gem. § 51 Abs. 1 InvStG zu berücksichtigen. Aus diesem Grund ist der insoweit berücksichtigte Teil der FondsGewinne aus dem verbleibenden Bestand1 der Fonds-Gewinne herauszurechnen. Die FinVerw. bezeichnet diese systematisch notwendige Kürzung als „Korrekturposten AusstiegsFonds-Aktiengewinn“.2 Der Kürzungsbetrag (und damit auch der bei der Veräußerung anzusetzende Fonds-Gewinn im Zeitpunkt der Veräußerung)3 entspricht bei einer anteiligen Veräußerung der Spezial-Investmentfondsanteile der Quote, die sich ergibt, wenn man die veräußerten Spezial-Investmentanteile in Verhältnis zu den vor der Veräußerung insgesamt gehaltenen Spezial-Investmentfondsanteilen setzt.4 Beispiel 3:5 Der Anleger A hält zehn Anteile am Spezial-Investmentfonds S. Der Einstiegs-Fonds-Aktiengewinn beträgt 0 Euro. Während der Haltezeit sind realisierte Gewinne i.H.v. 5 Euro und unrealisierte Gewinne i.H.v. 12 Euro entstanden. Der Fonds-Aktiengewinn beträgt nunmehr in Summe 17 Euro. Der Anleger A gibt alle Anteile (Variante 1) bzw. die Hälfte seiner Anteile (Variante 2) an die KVG zurück. Lösung (Variante 1): Der Korrekturposten Ausstiegs-Fonds-Aktiengewinn beträgt 17 Euro. Dadurch wird berücksichtigt, dass sämtliche Anteile veräußert wurden und der ganze Fonds-Aktiengewinn korrigiert werden muss. Lösung (Variante 2): Der Korrekturposten Ausstiegs-Fonds-Aktiengewinn beträgt 8,50 Euro. Dadurch wird berücksichtigt, dass nur die Hälfte der Anteile veräußert wurden und dementsprechend der Fonds-Aktiengewinn quotal korrigiert werden muss.

C. Grundlage für Steuerbefreiungen des § 42 Abs. 1–3 und § 43 InvStG (Abs. 2) I. Berücksichtigung der einzelnen Steuerbefreiungen Um von den Steuerbefreiungen der § 42 Abs. 1–3 sowie § 43 InvStG Gebrauch machen zu 51 dürfen, muss gem. § 48 Abs. 2 InvStG entweder der Spezial-Investmentfonds die Fonds-Gewinne ermitteln und bekannt machen oder der Anleger selbst weist die Fonds-Gewinne nach. Dabei ist zu beachten, dass nicht alle Fonds-Gewinne ermittelt werden müssen, um einzelne Steuerbefreiungen der § 42 Abs. 1–3 sowie § 43 InvStG i.R.d. laufenden Besteuerung anwenden zu dürfen. Dies wird bereits durch die in einzelne Sätze getrennte Formulierung des Abs. 2 zum Ausdruck gebracht. Die einzelnen Steuerbefreiungen dürfen auf ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträ- 52 ge nur wie folgt angewandt werden: – § 42 Abs. 1–3 InvStG (Anwendung von § 3 Nr. 40 EStG bzw. § 8b KStG) ist nur anzuwenden, wenn der Spezial-Investmentfonds den Fonds-Aktiengewinn ermittelt und bekannt macht (§ 48 Abs. 2 Satz 1 InvStG); – § 43 Abs. 1 InvStG (Anwendung der Freistellungsmethode des jeweiligen DBA) ist nur anzuwenden, wenn der Spezial-Investmentfonds den Fonds-Abkommensgewinn ermittelt und bekannt macht (§ 48 Abs. 2 Satz 2 InvStG);

1 Soweit es nur zu einer teilweisen Veräußerung der Spezial-Investmentfondsanteile gekommen ist. 2 BMF v. 28.8.2018 – IV C 1 - S 1980 - 1/16/10010 :011 – DOK 2018/0675608, S. 12; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.17. 3 S. hierzu § 49 Abs. 2 Sätze 1 ff. InvStG. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.17. 5 Beispiel nach BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.22. Schmidtheisler | 825

§ 48 Rz. 52 | Fonds-Aktiengewinn, -Abkommensgewinn und -Teilfreistellungsgewinn – § 43 Abs. 3 InvStG (Anwendung der Teilfreistellungsquote für eine Beteiligung an einem Investmentfonds) ist nur anzuwenden, wenn der Spezial-Investmentfonds den Fonds-Abkommensgewinn ermittelt und bekannt macht (§ 48 Abs. 2 Satz 3 InvStG). Alternativ kann der Anleger selbst die Fonds-Gewinne nachweisen (s. hierzu Rz. 57).

II. Konsequenzen der fehlenden Ermittlung und Bekanntmachung 53 Eine Verpflichtung zur Ermittlung der Fonds-Gewinne ergibt sich lediglich aus dem Umstand,

dass der Anleger eines Spezial-Investmentfonds nur dann in den Genuss der Steuerbefreiungen gem. § 42 Abs. 1–3 bzw. § 43 InvStG kommt, wenn die entsprechende(n) Fonds-Gewinn(e) ermittelt werden.1 Anderweitige Konsequenzen sieht der Gesetzgeber für den Fall, dass weder der Spezial-Investmentfonds noch der Anleger die Fonds-Gewinn(e) ermittelt und bekannt macht bzw. nachweist, nicht vor. Demzufolge hängt die faktische Verpflichtung davon ab, welche Einkünfte der Spezial-Investmentfonds erzielt (z.B. auf Basis seiner Anlagebedingungen) und/oder welche Anlegertypen an ihm beteiligt sind.

54 Sind an dem Spezial-Investmentfonds unbeschränkt und beschränkt stpfl. Anleger beteiligt, er-

gibt sich die Verpflichtung zur Ermittlung der Fonds-Gewinn(e) sowohl für in- und ausländische Spezial-Investmentfonds, da stpfl. Anleger i.d.R. von den vorgenannten Steuerbefreiungen profitieren möchten.2 Bei ausländischen Anlegern, die ihre Spezial-Investmentfondsanteile einer inländischen Betriebsstätte zuordnen, ist zu beachten, dass sich eine StPfl. zwar nicht aus § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG, aber aus § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a oder Nr. 3 EStG ergeben kann.3

55 Sind an dem Spezial-Investmentfonds jedoch bspw. lediglich vollständig steuerbefreite Anle-

ger beteiligt, verliert die Verpflichtung gem. § 48 Abs. 2 InvStG ihre Wirkung. Bei steuerbefreiten Anlegern handelt es sich insbes. um solche i.S.d. § 44a Abs. 4 Satz 1, Abs. 7 Satz 1 und Abs. 8 Satz 1 EStG. Für diese Anlegertypen liegt ohnehin eine allgemeine Befreiung von der KSt nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG vor. Daher wird die Nutzung der spezifischen (teilweisen) Steuerbefreiung in diesen Fällen obsolet. Eine faktische Verpflichtung zur Ermittlung der Fonds-Gewinne entfällt daher. Entsprechend hat sich die FinVerw. geäußert.4

56 Werden die Fonds-Gewinne nicht ermittelt und bekannt gegeben, treffen die steuerlichen

Rechtsfolgen nur den Anleger. Gegenüber dem Spezial-Investmentfonds sieht das InvStG dagegen keinerlei Sanktionsmöglichkeiten vor.5 Der Spezial-Investmentfonds hat bei fehlender Ermittlung und Bekanntmachung der (einzelnen) Fonds-Gewinne i.R.d. gesonderten und einheitlichen Feststellungserklärung gem. § 51 Abs. 1 bei den Werten für die gem. § 42 Abs. 1–3 und § 43 InvStG steuerfreien Bestandteile jeweils einen Ausweis von 0 Euro zu zeigen.6

III. Anlegernachweis 57 Der Anleger des Spezial-Investmentfonds hat als einspruchsbefugter Feststellungsbeteiligter7

auch die Möglichkeit, die Fonds-Gewinne selbst nachzuweisen. Dies sollte regelmäßig nur für 1 2 3 4 5 6 7

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.5. Wenzel in Brandis/Heuermann, § 48 InvStG Rz. 11 (Stand: August 2022). BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.5. BMF v. 28.8.2018 – IV C 1 - S 1980 - 1/16/10010 :011 – DOK 2018/0675608, S. 28. Völker in Moritz/Jesch/Mann2, § 48 InvStG Rz. 41. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.51. Der Anleger ist nach zutreffender Auffassung der FinVerw. einspruchsbefugt, weil Fonds-Gewinne i.R.d. gesonderten und einheitlichen Feststellungserklärung nur für ihn individuell Wirkung entfalten; so auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.51.

826 | Schmidtheisler

D. Fonds-Aktiengewinn (Abs. 3) | Rz. 59 § 48

ausländische Spezial-Investmentfonds relevant werden, da jede inländische KVG über ein entsprechendes System zur Ermittlung verfügen sollte. Um den Nachweis zu erbringen, hat der Anleger gegenüber dem gem. § 4 InvStG zuständigen FA die Fonds-Gewinne zu den relevanten Stichtagen (Bilanzstichtag des Anlegers sowie im Zeitpunkt einer Veräußerung von Spezial-Investmentfondsanteilen) den Netto-Inventarwert der Spezial-Investmentanteile sowie die einzubeziehenden Komponenten (begünstigte Erträge, unrealisierte und realisierte Wertveränderungen) nachzuweisen.1 Üblicherweise sind diese Informationen durch den Anleger bei der KVG einzuholen. In der Regel handelt es sich bei der Ermittlung des Netto-Inventarwerts der Spezial-Investmentanteile sowie der einzubeziehenden Komponenten um solche Informationen, die der KVG ohnehin vorliegen sollten. Eine entsprechende Weiterleitung dieser Informationen an den Anleger sollte keinen relevanten Aufwand aufseiten der KVG darstellen. Anlegern ausländischer Spezial-Investmentfonds empfiehlt es sich jedoch, derartige Informations- und Auskunftsrechte i.R.d. Erwerbs der Spezial-Investmentanteile vertraglich zusichern zu lassen.

D. Fonds-Aktiengewinn (Abs. 3) I. Bestandteile des Fonds-Aktiengewinns (Abs. 3 Satz 1) 1. Vorbemerkung Im Fonds-Aktiengewinn sind solche Bestandteile enthalten, die beim Anleger des Spezial-In- 58 vestmentfonds zu den Steuerbegünstigungen des § 3 Nr. 40 EStG und § 8b KStG führen. Der Fonds-Aktiengewinn differenziert, wie auch der Fonds-Abkommensgewinn und Fonds-Teilfreistellungsgewinn, in unmittelbar und mittelbar bezogene Bestandteile. Als unmittelbar bezogene Bestandteile sind solche zu verstehen, die der Spezial-Investmentfonds aus der Direktanlage bezieht (Nr. 1 und 2). Mittelbare Bestandteile sind solche, die der Spezial-Investmentfonds als Dachfonds aus dem Investment in einen Ziel-Spezial-Investmentfonds bezieht (Nr. 3 und 4). Explizit ausgenommen vom Anwendungsbereich des Fonds-Aktiengewinns sind sämtliche 59 Gewinnausschüttungen (Dividenden) aus KapGes. Dies hat der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen, um die Komplexität bei der Ermittlung der Fonds-Gewinne deutlich zu reduzieren.2 Hierfür sind zwei Beschränkungen in den Anlagebedingungen maßgeblich. – Nach den Anlagebestimmungen des § 26 Nr. 6 InvStG dürfen sich Spezial-Investmentfonds nicht mit mindestens 10 % am Kapital von KapGes. beteiligen. Spezial-Investmentfondsanleger, die dem KStG unterliegen, können aufgrund ihrer Schachtelbeteiligung von stets unter 10 % nicht von der Steuerbegünstigung des § 8b Abs. 1 KStG Gebrauch machen. – Die Beschränkung auf eine Beteiligungshöhe von unter 10 % findet jedoch gem. § 26 Nr. 6 Buchst. a–c InvStG auf folgende KapGes. keine Anwendung: – Immobilien-Gesellschaften; – ÖPP-Projektgesellschaften; – Gesellschaften, die Erneuerbare Energien erzeugen. – Gewinnausschüttungen aus diesen Gesellschaften sind daher nicht generell von der Anwendung des § 8b Abs. 1 KStG ausgeschlossen. Eine Berücksichtigung im Fonds-Aktiengewinn kommt jedoch nicht in Betracht.3

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.50. 2 BT-Drucks. 18/8045 v. 7.4.2016 (RegE InvStRefG), 118. 3 Boxberger in W/B/A3, § 48 InvStG Rz. 11. Schmidtheisler | 827

§ 48 Rz. 59 | Fonds-Aktiengewinn, -Abkommensgewinn und -Teilfreistellungsgewinn – Ungeachtet der Beteiligungshöhe können auch betriebliche Anleger, die nicht dem KStG unterliegen, Gewinnausschüttungen nicht im Fonds-Aktiengewinn berücksichtigen, obwohl diese bei ihnen nach § 3 Nr. 40 EStG dem Teileinkünfteverfahren unterliegen. Der Gesetzgeber sieht diesen Anlegertypen aufgrund der Beschränkungen für die Beteiligung von natürlichen Personen gem. § 26 Nr. 8 InvStG als Ausnahmefall an.1 60 Nach der hier vertretenen Auffassung sind die Folgen für die vorgenannten Ausnahmefälle,

wie vom Gesetzgeber interpretiert, sehr überschaubar. Die Gewinnausschüttungen fließen den Anlegern spätestens mit Ablauf des Geschäftsjahres, in dem die Gewinnausschüttung vereinnahmt wurde, als ausgeschütteter oder ausschüttungsgleicher Ertrag zu. Auch bei einer unterjährigen Veräußerung der Spezial-Investmentfondsanteile fließen dem Anleger diese Dividenden gem. § 36 Abs. 4 Satz 3 InvStG im Zeitpunkt der Veräußerung zu. Dadurch ist eine korrekte steuerliche Behandlung durch die laufende Besteuerung und die Anwendung der Regelungen des § 42 Abs. 1–3 InvStG gewährleistet. Liegt der Bilanzstichtag des Anlegers jedoch zwischen Zufluss der Dividende auf Ebene des Spezial-Investmentfonds und dem Zufluss auf Anlegerebene, können sich marginale Auswirkungen gem. § 49 Abs. 2 Satz 3 InvStG i.R.d. Folgebewertung der Spezial-Investmentfondsanteile auf Anlegerebene ergeben. 2. Unmittelbare Bestandteile des Fonds-Aktiengewinns (Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2)

61 Gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 InvStG zählen zu den Bestandteilen des Fonds-Aktien-

gewinns folgende nicht ausgeschüttete oder als ausgeschüttet geltende Bestanteile: – Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, deren Leistungen beim Empfänger zu den Einnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören (realisierte Wertveränderungen); – Wertveränderungen von Anteilen an Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, deren Leistungen beim Empfänger zu den Einnahmen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 des EStG gehören (unrealisierte Wertveränderungen).

62 Realisierte Wertveränderungen i.S.d. Fonds-Aktiengewinns sind solche, die aus der Betei-

ligung an Körperschaften o.Ä., deren Leistungen beim Empfänger zu Dividenden i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG führen. Unter Gewinnen i.S.d. § 48 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvStG sind gem. § 2 Abs. 14 InvStG auch Verluste zu verstehen.

63 Bei den unrealisierten Wertveränderungen handelt es sich ebenfalls um Beteiligungen an Ge-

sellschaften, deren Leistungen beim Empfänger zu Dividenden i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG führen. Die Wertveränderungen hieraus sind auf Ebene des Spezial-Investmentfonds jedoch noch nicht realisiert. 3. Mittelbare Bestandteile des Fonds-Teilfreistellungsgewinns aus Ziel-Spezial-Investmentfonds (Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und 4)

64 Die mittelbar zu berücksichtigenden Bestandteile des Fonds-Aktiengewinns ergeben sich aus

der Beteiligung des Spezial-Investmentfonds an einem weiteren sog. Ziel-Spezial-Investmentfonds.

65 Veräußert der Spezial-Investmentfonds seine Anteile an einem Ziel-Spezial-Investment-

fonds, entstehen bei dem Dach-Spezial-Investmentfonds Einkünfte gem. § 20 Abs. 3a EStG. Eine Anwendung von § 3 Nr. 40 EStG und § 8b KStG auf diese Gewinne ist ausgeschlossen, da diese Kapitaleinkünfte nicht vom jeweiligen Anwendungsbereich der Norm erfasst sind. Kommt es aber zur Realisierung der Wertveränderung der gehaltenen Ziel-Spezial-Invest1 BT-Drucks. 18/8045 v. 7.4.2016 (RegE InvStRefG), 118.

828 | Schmidtheisler

E. Ausnahmen vom Fonds-Aktiengewinn (Abs. 4) | Rz. 69 § 48

mentfondsanteile auf Ebene des Dach-Spezial-Investmentfonds, sind auch die im Anteilspreis des Ziel-Spezial-Investmentfonds enthaltenen Bestandteile des Fonds-Aktiengewinns realisiert. Diese realisierten Gewinne sind daher für eine sachgerechte Erfassung des Fonds-Aktiengewinns bei mehrstufigen Spezial-Investmentfonds-Konstruktionen zwingend auf Ebene des Dach-Spezial-Investmentfonds zu erfassen (§ 48 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 InvStG). Auch bei der Bewertung des Vermögens des Spezial-Investmentfonds spiegeln sich sowohl die 66 Bewertung als auch die darin enthaltenen Bestandteile des Fonds-Aktiengewinns des ZielSpezial-Investmentfonds im Anteilspreis des Dach-Spezial-Investmentfonds wider. Der durch den Ziel-Spezial-Investmentfonds ermittelte Fonds-Aktiengewinn ist daher im Fonds-Aktiengewinn des Dach-Spezial-Investmentfonds zu berücksichtigen (§ 48 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 InvStG).

II. Konkurrenzverhältnis zum Fonds-Abkommensgewinn (Abs. 3 Satz 2) War in der Vorgängerregelung des § 5 Abs. 2 InvStG 2004 in der bis zum 31.12.2017 gültigen 67 Fassung eine klare Abgrenzung zwischen den Aktien und dem Immobiliengewinn1 nicht vorhanden,2 sieht der Gesetzgeber seit dem 1.1.2018 eine klare Rangfolge vor. Kommen Einkünfte sowohl für die Begünstigungen des § 3 Nr. 40 EStG bzw. § 8b KStG als auch für die Freistellung nach einem DBA in Betracht, sind diese Einkünfte gem. § 48 Abs. 3 Satz 2 InvStG nunmehr vorrangig dem Fonds-Abkommensgewinn zuzuordnen, sodass es zu keiner doppelten Berücksichtigung im Fonds-Aktiengewinn und Fonds-Abkommensgewinn kommt. Zur Anwendung kommt diese Regelung immer dann, wenn das einschlägige DBA statt der 68 Anrechnungsmethode die Freistellungsmethode vorsieht. Hintergrund dieser Regelung ist die in inzwischen vielen DBA getroffene Regelung für Körperschaften, die abkommensrechtlich in Deutschland ansässig sind, deren Vermögen jedoch zu mehr als 50 % aus im Ausland belegenen unbeweglichem Vermögen besteht.3 Wendet Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung hierauf die Freistellungsmethode an, sind die Gewinne sowie Wertveränderungen im Fonds-Abkommensgewinn und nicht im Fonds-Aktiengewinn zu berücksichtigen.

E. Ausnahmen vom Fonds-Aktiengewinn (Abs. 4) I. Steuerlich unvorbelastete Körperschaften (Abs. 4 Satz 1) Nicht in den Fonds-Aktiengewinn sind solche Gewinne aus der Veräußerung bzw. Wertver- 69 änderung von Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen einzubeziehen, die aus Körperschaften stammen, welche – keiner Ertragsbesteuerung unterliegen, – persönlich von der Ertragsbesteuerung ausgenommen sind, – sachlich insoweit von der Ertragsbesteuerung befreit sind, wie sie Ausschüttungen vornehmen.

1 Der Immobiliengewinn ist im InvStG 2004, soweit es sich um Erträge mit Bezug zu einer Immobilie handelte, als Vorgängerregelung zum Abkommensgewinn des InvStG in der aktuellen Fassung zu verstehen. 2 Völker in Moritz/Jesch/Mann2, § 48 InvStG Rz. 146. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.66. Schmidtheisler | 829

§ 48 Rz. 70 | Fonds-Aktiengewinn, -Abkommensgewinn und -Teilfreistellungsgewinn 70 Keine Ertragsbesteuerung liegt vor, wenn die Gesellschaft grds. von der KSt oder einer im

Ausland vergleichbaren Steuerart ausgenommen ist. Die persönliche Befreiung von Gesellschaften zielt auf spezielle Gesellschaftsformen (im Ausland) ab, die aufgrund ihrer persönlichen, eigenen Art persönlich von der KSt oder einer im Ausland vergleichbaren Steuerart befreit sind. Der Gesetzgeber hat hierbei vornehmlich die Veräußerung von Anteilen an REITGesellschaften i.S.d. § 16 REITG im Sinn gehabt.1 Sachliche, auf einzelne Einkunftsarten beschränkte Steuerbefreiungen sollten hiervon nicht betroffen sein.2 Bei der letzten Gruppe hat der Gesetzgeber insbes. auf ausländische REIT-Gesellschaften abgezielt, die zwar grds. stpfl. sind, aber durch ihr Ausschüttungsverhalten von dieser StPfl. befreit werden können.3

71 Hintergrund dieser Ausnahmeregelung ist, dass es zu keiner Begünstigung kommen soll,

wenn es zugleich an einer vorherigen Steuerbelastung mangelt.4 Ziel der § 3 Nr. 40 EStG und § 8b KStG ist es, eine steuerliche Mehrfachbelastung zu vermeiden. Eine Mehrfachbelastung liege insoweit nicht vor.5 In der Regel handelt es sich hierbei um Gewinne aus der Beteiligung an REIT-Gesellschaften. Daher ist diese Regelung mit der Direktanlage in REIT-Gesellschaften vergleichbar. Denn auch dann kommen gem. § 19 Abs. 3 und § 19a Abs. 1 Satz 1 REITG bei fehlender steuerlicher Vorbelastung auf Ebene der REIT-Gesellschaft die § 3 Nr. 40 EStG und § 8b KStG nicht zur Anwendung.

II. Finanzderivate (Abs. 4 Satz 2) 72 § 48 Abs. 4 Satz 2 InvStG sieht vor, dass Verluste aus Finanz-Derivaten den Fonds-Aktien-

gewinn mindern, wenn der Spezial-Investmentfonds im Rahmen einer konzeptionellen Gestaltung Verluste aus Finanzderivaten und in gleicher oder ähnlicher Höhe Wertveränderungen nach Abs. 3 Nr. 2 erzielt. Ziel dieser Regelung ist es, solche Kopplungsgeschäfte aus steuerlicher Sicht unattraktiv zu machen.6 Die Regelung entspricht inhaltlich der Regelung zum Abzug von Verlusten als direkte WK bei den Veräußerungsgewinnen gem. § 39 Abs. 3 InvStG (s. hierzu § 39 InvStG Rz. 25 ff.).

F. Fonds-Abkommensgewinn (Abs. 5) I. Vorbemerkung 73 Der Fonds-Abkommensgewinn umfasst sämtliche Einkünfte, die aufgrund eines DBA von der

Besteuerung im Inland freizustellen sind (realisierte Erträge) bzw. es wären (unrealisierte Wertveränderungen) und für die der Anleger des Spezial-Investmentfonds von der Steuerbefreiung nach § 43 Abs. 1 InvStG Gebrauch machen kann.

74 Der Fonds-Abkommensgewinn differenziert, wie auch der Fonds-Aktiengewinn und Fonds-

Teilfreistellungsgewinn, in unmittelbar und mittelbar bezogene Bestandteile. Als unmittelbar bezogene Bestandteile sind solche zu verstehen, die der Spezial-Investmentfonds aus der Direktanlage bezieht (Nr. 1 und 2). Mittelbare Bestandteile sind solche, die der Spezial-Investmentfonds als Dachfonds aus dem Investment in einen Ziel-Spezial-Investmentfonds bezieht (Nr. 3 und 4).

1 2 3 4 5 6

BT-Drucks. 18/8045 v. 7.4.2016 (RegE InvStRefG), 119. Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 48 InvStG Rz. 20 (Stand: August 2021). BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.65. BT-Drucks. 18/8045 v. 7.4.2016 (RegE InvStRefG), 119. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.60. BT-Drucks. 18/8045 v. 7.4.2016 (RegE InvStRefG), 119.

830 | Schmidtheisler

G. Fonds-Teilfreistellungsgewinn (Abs. 6) | Rz. 80 § 48

II. Unmittelbare Bestandteile des Fonds-Abkommensgewinns (Abs. 5 Nr. 1 und 2) Typische Anwendungsfälle für Bestandteile des Fonds-Abkommensgewinn sind Mieterträge 75 sowie die Gewinne aus der Veräußerung von im Ausland belegenem unbeweglichem Vermögen. Darüber hinaus sind davon auch Gewinne und Wertveränderungen von abkommensrechtlich im Inland ansässigen KapGes. erfasst, deren Vermögen zu mehr als 50 % aus im Ausland belegenem unbeweglichem Vermögen besteht (s. hierzu Rz. 68). Denkbar sind auch Gewinnausschüttungen von im Ausland ansässigen KapGes., soweit der 76 Anleger des Spezial-Investmentfonds mittelbar die Voraussetzungen für das DBA-Schachtelprivileg erfüllt.1 Insoweit kann es zu einem anlegerindividuellen Fonds-Abkommensgewinn kommen, wenn nicht alle Anleger des Spezial-Investmentfonds die Gewinnausschüttung aus jenen Gesellschaften im Fonds-Abkommensgewinn berücksichtigen dürfen.

II. Mittelbare Bestandteile des Fonds-Abkommensgewinns aus ZielSpezial-Investmentfonds (Abs. 5 Nr. 3 und 4) Wie beim Fonds-Aktiengewinn ergibt sich für einen Dach-Spezial-Investmentfonds aus der 77 Beteiligung an einem weiteren sog. Ziel-Spezial-Investmentfonds die Notwendigkeit zur Berücksichtigung des durch den Ziel-Spezial-Investmentfonds für den Dach-Spezial-Investmentfonds ermittelten Fonds-Abkommensgewinns. Veräußert der Spezial-Investmentfonds seine Anteile an einem Ziel-Spezial-Investment- 78 fonds, entstehen bei dem Dach-Spezial-Investmentfonds Einkünfte gem. § 20 Abs. 3a EStG. Eine Freistellung dieser Einkünfte ist i.d.R. vom einschlägigen DBA nicht vorgesehen. Kommt es aber zur Realisierung der Wertveränderung der gehaltenen Ziel-Spezial-Investmentfondsanteile auf Ebene des Dach-Spezial-Investmentfonds, sind auch die im Anteilspreis des ZielSpezial-Investmentfonds enthaltenen Bestandteile des Fonds-Abkommensgewinns realisiert. Diese realisierten Gewinne sind daher für eine sachgerechte Erfassung des Fonds-Abkommensgewinns bei mehrstufigen Spezial-Investmentfonds-Konstruktionen zwingend auf Ebene des Dach-Spezial-Investmentfonds zu erfassen (§ 48 Abs. 5 Nr. 3 InvStG). Auch bei der Bewertung des Vermögens des Spezial-Investmentfonds spiegeln sich sowohl 79 die Bewertung als auch die darin enthaltenen Bestandteile des Fonds-Abkommensgewinns des Ziel-Spezial-Investmentfonds im Anteilspreis des Dach-Spezial-Investmentfonds wider. Der durch den Ziel-Spezial-Investmentfonds ermittelte Fonds-Abkommensgewinn ist daher im Fonds-Abkommensgewinn des Dach-Spezial-Investmentfonds zu berücksichtigen (§ 48 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 InvStG).

G. Fonds-Teilfreistellungsgewinn (Abs. 6) I. Ermittlung nach Anlegergruppen (Abs. 6 Satz 1) Der Fonds-Teilfreistellungsgewinn ist gem. § 48 Abs. 6 Satz 1 InvStG nach den in § 20 Abs. 1 80 InvStG genannten Anlegergruppen getrennt zu ermitteln. Hintergrund dieser Regelung ist, dass für Anleger von Investmentfonds, die als Aktienfonds (§ 2 Abs. 6 InvStG) oder als Mischfonds (§ 2 Abs. 7 InvStG) qualifizieren, je nach Anlegertyp unterschiedliche Teilfreistellungssätze anzuwenden sind. Unterschieden wird nach Anlegern, die dem KStG unterliegen, 1 Völker in Moritz/Jesch/Mann2, § 48 InvStG Rz. 177. Schmidtheisler | 831

§ 48 Rz. 80 | Fonds-Aktiengewinn, -Abkommensgewinn und -Teilfreistellungsgewinn Anlegern, die ihre Anteile im Betriebsvermögen halten und dem EStG unterliegen sowie Anlegern, die ihre Anteile im Privatvermögen halten.

II. Bestandteile des Fonds-Teilfreistellungsgewinns aus Ziel-SpezialInvestmentfonds (Abs. 6 Satz 2) 81 Einzubeziehen sind wie beim Fonds-Aktiengewinn und Fonds-Abkommensgewinn sowohl

die laufenden Erträge (Nr. 1) als auch die Wertveränderungen (Nr. 2), die beim Anleger des Investmentfonds den Teilfreistellungen unterliegen bzw. unterliegen würden.1 Dazu zählen neben den Aktien-, Misch- auch die Immobilienfonds (§ 2 Abs. 9 InvStG). Bei Immobilienfonds wird hinsichtlich der Teilfreistellung nicht zwischen verschiedenen Anlegertypen unterschieden. Demgegenüber wird jedoch dahingehend unterschieden, ob der Immobilienfonds mehr als 50 % seines Vermögens in im Inland belegene (inländische Immobilienfonds) oder im Ausland belegene Immobilien oder Immobilien-Gesellschaften investiert.

82 Wie beim Fonds-Aktiengewinn und beim Fonds-Abkommensgewinn sieht der Gesetzgeber

auch für den Fonds-Teilfreistellungsgewinn vor, sowohl die unmittelbar (Nr. 1 und 2) als auch über einen Ziel-Spezial-Investmentfonds mittelbar (Nr. 3 und 4) realisierten Erträge und Wertveränderungen in den Fonds-Teilfreistellungsgewinn einzubeziehen. Insofern kann hier auf die Ausführungen zum Fonds-Aktiengewinn und Fonds-Abkommensgewinn verwiesen werden.

§ 49 Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen, Teilwertansatz (1) 1Wird der Spezial-Investmentanteil veräußert oder wird ein Gewinn aus dem SpezialInvestmentanteil in sonstiger Weise realisiert, so sind 1. auf den Anleger-Aktiengewinn § 3 Nummer 40 des Einkommensteuergesetzes, § 8b des Körperschaftsteuergesetzes und § 44 anzuwenden, 2. der Anleger-Abkommensgewinn von der Besteuerung freizustellen und § 44 anzuwenden und 3. der Anleger-Teilfreistellungsgewinn von der Besteuerung freizustellen und § 44 anzuwenden. 2 Satz 1 ist bei bilanziellem Ansatz der Spezial-Investmentanteile mit einem niedrigeren Teilwert nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes und bei einer Teilwertzuschreibung nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes auf die Anschaffungskosten der Spezial-Investmentanteile entsprechend anzuwenden. 3 Für die Anwendung des § 3 Nummer 40 des Einkommensteuergesetzes und des § 8b des Körperschaftsteuergesetzes gilt § 30 Absatz 3 entsprechend. (2) 1Der Anleger-Aktiengewinn pro Spezial-Investmentanteil ist, vorbehaltlich einer Berichtigung nach Satz 4 oder 5, der Unterschiedsbetrag zwischen dem Fonds-Aktiengewinn zu dem Zeitpunkt, zu dem der Spezial-Investmentanteil veräußert wird oder zu dem ein Gewinn aus dem Spezial-Investmentanteil in sonstiger Weise realisiert wird oder zu dem 1 BT-Drucks. 18/8045 v. 7.4.2016 (RegE InvStRefG), 119.

832 | Schmidtheisler und Link

Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen, Teilwertansatz | § 49

er zu bewerten ist, und dem Fonds-Aktiengewinn bei der Anschaffung des Spezial-Investmentanteils. 2Satz 1 gilt entsprechend für die Ermittlung des Anleger-Abkommensgewinns und des Anleger-Teilfreistellungsgewinns. 3Bei bilanziellem Ansatz der SpezialInvestmentanteile mit einem niedrigeren Teilwert nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes sind die nach Satz 1 oder 2 ermittelten Unterschiedsbeträge, vorbehaltlich einer Berichtigung nach Satz 4 oder 5, auf die Auswirkung auf den Bilanzansatz begrenzt. 4Die nach den Sätzen 1 bis 3 ermittelten Unterschiedsbeträge sind jeweils um den zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres angesetzten Anleger-Aktiengewinn, Anleger-Abkommensgewinn oder Anleger-Teilfreistellungsgewinn zu berichtigen. 5 Die Berichtigungen nach Satz 4 sind bei einer bilanziellen Teilwertzuschreibung nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes auf die Anschaffungskosten der Spezial-Investmentanteile entsprechend anzuwenden. 6Der nach den Sätzen 1 bis 5 ermittelte Anleger-Aktiengewinn, Anleger-Abkommensgewinn oder Anleger-Teilfreistellungsgewinn kann positiv oder negativ sein. (3) 1Für die Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen, die nicht zu einem Betriebsvermögen gehören, gilt § 20 Absatz 4 des Einkommensteuergesetzes entsprechend. 2Der Gewinn aus der Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen ist 1. um die während der Besitzzeit bereits besteuerten ausschüttungsgleichen Erträge zu mindern sowie 2. um die auf diese Erträge gezahlten inländischen und ausländischen Steuern, vermindert um die erstattete inländische und ausländische Steuer des Geschäftsjahres oder früherer Geschäftsjahre, zu erhöhen. 3 Ausschüttungsgleiche Erträge, die in einem späteren Geschäftsjahr innerhalb der Besitzzeit ausgeschüttet wurden, sind dem Veräußerungserlös hinzuzurechnen. 4Des Weiteren ist der Gewinn aus der Veräußerung um die während der Besitzzeit des Anlegers zugeflossenen Substanzbeträge und Absetzungsbeträge zu erhöhen. 5Zurechnungsbeträge und Immobilien-Zurechnungsbeträge, die nicht an den Anleger ausgeschüttet wurden, mindern den Gewinn aus der Veräußerung. (4) § 15b des Einkommensteuergesetzes ist auf Verluste aus der Veräußerung von SpezialInvestmentanteilen sowie auf Verluste durch Ansatz des niedrigeren Teilwertes bei Spezial-Investmentanteilen entsprechend anzuwenden. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 3. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . 3 II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 B. Steuerliche Folgen bei Veräußerung und Bewertung eines Spezial-Investmentanteils (Abs. 1) I. Steuerliche Folgen bei Veräußerung/sonstiger Realisierung des Spezial-Investmentanteils (Abs. 1 Satz 1) 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2. Veräußerung oder sonstige Gewinnrealisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 3. Allgemeines zur Gewinnermittlung . . 12

II. III. C. I. II. III.

4. Auswirkungen des Anleger-Aktiengewinns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Auswirkungen des Anleger-Abkommensgewinns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Auswirkungen des Anleger-Teilfreistellungsgewinns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten bei der Bewertung eines Spezial-Investmentanteils (Abs. 1 Satz 2) Ausnahme bei Anlegern, die unter § 30 Abs. 3 InvStG fallen (Abs. 1 Satz 3) . . . . . Ermittlung der Anleger-Gewinne (Abs. 2) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition des Anleger-Aktiengewinns (Abs. 2 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition des Anleger-Abkommensgewinns (Abs. 2 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . .

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Link | 833

§ 49 Rz. 1 | Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen, Teilwertansatz IV. Definition des Anleger-Teilfreistellungsgewinns (Abs. 2 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . V. Gemeinsame Merkmale aller Anleger-Gewinne 1. Fonds-Gewinne als Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besitzanteilige Zuordnung . . . . . . . . . . 3. Relevante Zeitpunkte: Anschaffung/ Veräußerung und Bewertung . . . . . . . . VI. Besonderheiten bei niedrigem Teilwertansatz (Abs. 2 Sätze 3 ff.) . . . . . . . . . . . . . D. Ermittlung des Veräußerungsgewinns (Abs. 3) I. Allgemeines Gewinnermittlungsschema .

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II. Zu den einzelnen Posten (Abs. 3 Sätze 2 bis 5) 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Korrektur um ausschüttungsgleiche Erträge (Abs. 3 Sätze 2 und 3) . . . . . . . . . 3. Korrektur um Substanzbeträge, Absetzungsbeträge, Zurechnungsbeträge und Immobilien-Zurechnungsbeträge (Abs. 3 Sätze 4 und 5) . . . . . . . . . . . . . E. Beschränkung der Verlustverrechnung (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literatur: Hasbach, „Tatsächliche Veräußerung“ i.S.d. InvStG – keine Besteuerung von Gewinnen aus fiktiven Veräußerungen bei Umwandlungen und Einbringungen, RdF 2021, 292.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck 1. Überblick 1 § 49 InvStG regelt die steuerlichen Folgen, wenn ein Anleger seinen Spezial-Investment-

anteil veräußert (oder einen Gewinn aus dem Spezial-Investmentanteil in sonstiger Weise realisiert) bzw. ein betrieblicher Anleger seinen Anteil im Betriebsvermögen bewertet. Vereinfacht gesprochen sind dabei jeweils bestimmte Einkommensbestandteile steuerfrei gestellt, d.h., auf einen enthaltenen Anleger-Aktiengewinn sind das Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 EStG) oder die 95-prozentige Steuerbefreiung nach § 8b KStG anzuwenden sowie der Anleger-Abkommensgewinn und der Anleger-Teilfreistellungsgewinn von der Besteuerung freizustellen. Die korrespondierenden Begriffe des Fonds-Aktiengewinns, des Fonds-Abkommensgewinns und des Fonds-Freistellungsgewinns sind in § 48 InvStG definiert (s. § 48 InvStG Rz. 58 ff., 73 ff. und 80 ff.) und müssen von einem Spezial-Investmentfonds bewertungstäglich ermittelt und bekannt gemacht werden. Da die einzelnen Anleger aber dem Fonds zu unterschiedlichen Zeiten beitreten, müssen die jeweiligen Fondsgewinne besitzzeitanteilig auf die einzelnen Anleger heruntergebrochen werden, um so zu den jeweiligen (für § 49 InvStG relevanten) besitzzeitanteiligen Anleger-Aktiengewinnen, Anleger-Abkommensgewinnen und Anleger-Teilfreistellungsgewinnen zu gelangen. Dazu enthält die Norm einen detaillierten (und sehr technischen) Mechanismus. 2. Regelungszweck

2 Die Norm ist Folge der steuerlichen (Semi-)Transparenz eines Spezial-Investmentfonds:

Veräußert oder bewertet ein Anleger seinen Spezial-Investmentanteil, soll er (zumindest pauschal und vereinfacht) so gestellt werden, als habe er die vom Spezial-Investmentfonds gehaltenen Wirtschaftsgüter selbst veräußert bzw. bewertet. Die Norm ähnelt § 8 InvStG a.F. Sie wurde allerdings sprachlich anders gefasst und um Regelungen ergänzt, die die neuen pauschalen Steuerbefreiungen bei Aktien-, Misch- und Immobilienfonds abbilden.1

1 BT-Drucks. 18/8045, 117.

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A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 6 § 49

3. Regelungsgegenstand Durch die Norm werden Teile des Werts eines Spezial-Investmentanteils definiert, die bei Ver- 3 äußerung eines Spezial-Investmentanteils oder dessen Bewertung im Rahmen eines Betriebsvermögensvergleichs beim Anleger von einer Besteuerung freizustellen sind. Dazu hat der Spezial-Investmentfonds bereits nach § 48 InvStG Gewinne aus der Veräußerung von Aktien und Wertsteigerungen von Aktien (Aktiengewinn, s. dazu § 48 InvStG Rz. 58 ff.), Erträge, die aufgrund eines DBA steuerfrei zu stellen sind (Abkommensgewinne, s. dazu § 48 InvStG Rz. 73 ff.), und Erträge aus Investmentfonds, auf die das Teilfreistellungsverfahren nach § 20 InvStG anzuwenden ist (Teilfreistellungsgewinne, s. dazu § 48 InvStG Rz. 80 ff.), gesondert zu ermitteln und dem Anleger bekannt zu machen. Die auf der Fondsebene ermittelten Werte werden als Fonds-Aktiengewinn, Fonds-Abkommensgewinn und Fonds-Teilfreistellungsgewinn bezeichnet. Da die Anleger zu unterschiedlichen Zeitpunkten Anteile an einem Spezial-Investmentfonds erwerben, sind für eine Steuerbefreiung auf Ebene des Anlegers nicht die Gewinne des Fonds, sondern die während der Besitzzeit des einzelnen Anlegers angefallenen Gewinne maßgebend. Diese besitzzeitabhängigen Gewinne des Anlegers (Anleger-Gewinne) werden durch § 49 InvStG als Differenz zwischen den Fonds-Gewinnen bei Veräußerung oder Bewertung des Spezial-Investmentanteils und den Fonds-Gewinnen bei Anschaffung des Spezial-Investmentanteils ermittelt. Diese besitzzeitanteiligen Gewinne des Anlegers werden als Anleger-Aktiengewinn, Anleger-Abkommensgewinn und Anleger-Teilfreistellungsgewinn bezeichnet.1 Die Anleger-Gewinne können positiv, aber auch negativ sein. Positive Anleger-Gewinne ent- 4 stehen, wenn positive Erträge aus steuerfrei zu stellenden Ertragsarten angefallen sind. Die positiven Anleger-Gewinne mindern (außerbilanziell) den stpfl. Gewinn aus der Veräußerung. Umgekehrt können auch negative Anleger-Gewinne entstehen, die bei einer Veräußerung des Spezial-Investmentanteils außerbilanziell hinzuzurechnen sind und damit die Steuerlast des Anlegers erhöhen.2 Im Einzelnen gilt: Abs. 1 regelt die steuerlichen Folgen, wenn ein Anleger seinen Spezial-In- 5 vestmentanteil veräußert oder i.R.d. Erstellung eines Betriebsvermögensvergleichs den Spezial-Investmentanteil bewertet. Abs. 2 regelt (technisch und sehr detailliert), wie die AnlegerAktiengewinne, die Anleger-Abkommensgewinne und die Anleger-Freistellungsgewinne zu ermitteln sind. Vereinfacht gesprochen ist der Anleger-Gewinn dabei die positive oder negative Differenz zwischen dem Fonds-Gewinn bei Veräußerung oder Bewertung des Spezial-Investmentanteils und dem Fonds-Gewinn bei Anschaffung des Spezial-Investmentanteils. Abs. 3 enthält (ähnlich wie § 8 Abs. 5 InvStG a.F.) ein Schema zur Berechnung des Gewinns aus der Rückgabe, Veräußerung, Entnahme oder verdeckten Einlage von Investmentanteilen. Abs. 4 entspricht § 8 Abs. 7 InvStG a.F. und besagt, dass bei Steuerstundungsmodellen die Verlustverrechnungsbeschränkung des § 15b EStG auf Verluste aus der Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen sowie auf Verluste durch Ansatz des niedrigeren Teilwerts entsprechend anzuwenden ist.3

II. Anwendungsbereich § 49 InvStG gilt für in- und ausländische Spezial-Investmentfonds und deren Anleger. Be- 6 troffen sind – aufgrund der Anlegerbeschränkung in § 26 InvStG – in erster Linie inländische betriebliche Anleger. Für den Ausnahmefall der inländischen Privatanleger ordnet Abs. 3 die entsprechende Anwendung des § 20 Abs. 4 EStG an. Ausländische Anleger sind von der 1 BT-Drucks. 18/8045, 117. 2 BT-Drucks. 18/8045, 117; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 49.8. 3 Vgl. BT-Drucks. 18/8045, 120 f. Link | 835

§ 49 Rz. 6 | Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen, Teilwertansatz Norm i.d.R. nicht betroffen, da § 49 EStG eine beschränkte StPfl. für solche Anleger in Spezial-Investmentanteile grds. nicht vorsieht (eine Ausnahme gilt für ausländische Anleger, die ihre Spezial-Investmentfondsanteile einer inländischen Betriebsstätte zuordnen).1

III. Rechtsentwicklung 7 § 49 InvStG wurde durch das InvStRefG v. 19.7.20162 in das InvStG eingefügt und gilt ab

dem 1.1.2018 (Art. 11 Abs. 3 Satz 1 InvStRefG). Inhaltlich orientiert sich die Norm an der Vorgängervorschrift des § 8 InvStG a.F., berücksichtigt jedoch die neuen pauschalen Teilfreistellungen für Aktien-, Misch- und Immobilienfonds.

8 Durch das „JStG 2019“ v. 12.12.20193 wurde Abs. 3 Satz 5 als Folge der Einführung des Im-

mobilien-Zurechnungsbetrags in § 35 Abs. 3a InvStG angepasst: Zukünftig ist der Gewinn aus der Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen nicht mehr nur um thesaurierte Zurechnungsbeträge, sondern auch um noch nicht steuerneutral an die Anleger ausgeschüttete Immobilien-Zurechnungsbeträge zu mindern (Geltung: wohl ab 1.1.2020)4.

9 Durch das JStG 2020 v. 21.12.20205 wurde Abs. 1 Satz 3 angefügt, wonach § 30 Abs. 3 InvStG

für Zwecke des § 3 Nr. 40 EStG und des § 8b KStG entsprechend gilt. Damit soll erreicht werden, dass diese Begünstigungsvorschriften nur bei den Anlegern Anwendung finden, die nicht in § 30 Abs. 3 InvStG als „nicht begünstige“ Anleger genannt sind (Geltung: ab dem 29.12.2020).6

B. Steuerliche Folgen bei Veräußerung und Bewertung eines SpezialInvestmentanteils (Abs. 1) I. Steuerliche Folgen bei Veräußerung/sonstiger Realisierung des SpezialInvestmentanteils (Abs. 1 Satz 1) 1. Vorbemerkung 10 Wird ein Spezial-Investmentanteil veräußert oder wird ein Gewinn aus dem Spezial-Invest-

mentanteil in sonstiger Weise realisiert, so sind (i) auf den Anleger-Aktiengewinn § 3 Nr. 40 EStG, § 8b KStG und § 44 InvStG anzuwenden, (ii) der Anleger-Abkommensgewinn von der Besteuerung freizustellen und § 44 InvStG anzuwenden und (iii) der Anleger-Teilfreistellungsgewinn von der Besteuerung freizustellen und § 44 anzuwenden. 2. Veräußerung oder sonstige Gewinnrealisierung

11 Es ist § 2 Abs. 13 InvStG zu beachten, wonach als Veräußerung von Spezial-Investmentantei-

len auch deren Rückgabe, Abtretung, Entnahme oder verdeckte Einlage in eine KapGes. sowie eine beendete Abwicklung oder Liquidation des Spezial-Investmentfonds gilt. Nach Auffas1 Die beschränkte StPfl. ergibt sich dann zwar nicht aus § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG, aber aus § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, s. auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.5 sowie § 48 InvStG Rz. 54. 2 BGBl. I 2016, 1730. 3 BGBl. I 2019, 2451. 4 So Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 49 InvStG Rz. 1 (Stand: August 2021); a.A. Wenzel in Brandis/Heuermann, § 49 InvStG Rz. 4 (Stand: März 2021): ab dem 19.12.2019. 5 BGBl. I 2020, 3096. 6 Wenzel in Brandis/Heuermann, § 49 InvStG Rz. 4 (Stand: März 2021).

836 | Link

B. Folgen bei Veräußerung/Bewertung (Abs. 1) | Rz. 18 § 49

sung der FinVerw. fallen auch Vorgänge, die dem Umwandlungssteuergesetz unterliegen (z.B. Verschmelzung von InvAG mit veränderlichem Kapital nach § 108 KAGB) als Gewinnrealisation in sonstiger Weise unter den Anwendungsbereich des § 49 InvStG, soweit ein Ansatz über dem Buchwert erfolgt.1 3. Allgemeines zur Gewinnermittlung Die Norm ordnet (vereinfacht) pro Anleger eine Ermittlung der besitzzeitanteiligen Anleger- 12 Aktiengewinne, Anleger-Abkommensgewinne und Anleger-Teilfreistellungsgewinne an, die dann ggf. (teilweise) steuerlich freigestellt werden. Entsprechendes gilt für die Ermittlung etwaiger Verluste (§ 2 Abs. 14 InvStG), die dann ggf. nicht bzw. nur anteilig berücksichtigt werden können. 4. Auswirkungen des Anleger-Aktiengewinns Auf einen positiven Anleger-Aktiengewinn (zum Begriff s. Rz. 25) ist – bei Vorliegen der ent- 13 sprechenden Voraussetzungen – das Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 EStG) bzw. das Beteiligungsprivileg des § 8b Abs. 2 KStG anzuwenden. Im Ergebnis kommt es damit zu einer 40bzw. 95-prozentigen Steuerfreistellung. Zu einer Ausnahme s. Rz. 21 f. Spiegelbildlich darf ein negativer Anleger-Aktiengewinn die steuerliche Bemessungsgrundlage 14 nicht (bei Anwendung des § 8b KStG) bzw. nur anteilig (bei Anwendung des § 3 Nr. 40 EStG) mindern. Dies meint der Verweis auf § 44 InvStG.2 5. Auswirkungen des Anleger-Abkommensgewinns Ein positiver Anleger-Abkommensgewinn (zum Begriff s. Rz. 26) ist i.R.d. Einkünfteermitt- 15 lung abzuziehen, ein negativer Anleger-Abkommensgewinn ist hinzuzurechnen.3 6. Auswirkungen des Anleger-Teilfreistellungsgewinns Ein positiver Anleger-Teilfreistellungsgewinn (zum Begriff s. Rz. 27) ist i.R.d. Einkünfteermitt- 16 lung abzuziehen, ein negativer Anleger-Abkommensgewinn ist hinzuzurechnen.4

II. Besonderheiten bei der Bewertung eines Spezial-Investmentanteils (Abs. 1 Satz 2) Nach § 49 Abs. 1 Satz 2 InvStG sind die Steuerfreistellungen der Anleger-Gewinne nach Abs. 1 17 Satz 1 InvStG auch bei einem bilanziellen Ansatz der Spezial-Investmentanteile mit einem niedrigeren Teilwert nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG und bei einer Teilwertzuschreibung auf die AK nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG zu berücksichtigen. Die Norm gilt nur für bilanzierende Anleger. Gemeint ist, dass bei einem bilanziellen Ansatz 18 mit einem niedrigeren Teilwert5 die negativen Anleger-Gewinne (ggf. teilweise) außerbilanziell

1 2 3 4 5

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 49.4; vgl. auch Hasbach, RdF 2021, 292 ff. Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 49 InvStG Anm. 1 (Stand: August 2021). BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 49.8. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 49.8. Nach Auffassung der FinVerw. nicht zwingend bei einer Teilwertabschreibung, s. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 49.29 f. (mit einem Rechenbeispiel). Link | 837

§ 49 Rz. 18 | Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen, Teilwertansatz wieder hinzuzurechnen und bei einer Zuschreibung die positiven Anleger-Gewinne (ggf. teilweise) außerbilanziell wieder abzuziehen sind.1 19 Ein niedriger Teilwertansatz nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG setzt eine voraussichtlich

dauernde Wertminderung des Spezial-Investmentanteils voraus. Eine außerbilanzielle Korrektur hat dabei nur insoweit zu erfolgen, als sich der in Rede stehende Anleger-Gewinn tatsächlich auf den Steuerbilanzansatz des Spezial-Investmentanteils ausgewirkt hat (s. Rz. 31).

20 Eine Teilwertzuschreibung setzt nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG eine Wertaufholung voraus.

Nach hier vertretener Ansicht sind die Voraussetzungen für die außerbilanzielle Korrektur um die (ggf. anteiligen) Steuerfreistellungen nur (insoweit) gegeben, als die Teilwertminderung infolge des sie verursachenden negativen Anleger-Gewinns nicht länger vorhanden ist.2

III. Ausnahme bei Anlegern, die unter § 30 Abs. 3 InvStG fallen (Abs. 1 Satz 3) 21 Abs. 1 Satz 3 wurde durch das JStG 20203 eingefügt und regelt, dass für die Anwendung des

§ 3 Nr. 40 EStG und des § 8b KStG die Vorschrift des § 30 Abs. 3 InvStG entsprechend gilt. Die Regelung betrifft u.E. nur die (teilweise) Steuerfreistellung des Anleger-Aktiengewinns nach Satz 1 Nr. 1.

22 § 30 Abs. 3 InvStG besagt (vereinfacht), dass sowohl das Teileinkünfteverfahren als auch das

Beteiligungsprivileg des § 8b KStG unter bestimmten Voraussetzungen auf Beteiligungseinnahmen bestimmter Anlegergruppen (wie Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen, Pensionsfonds, Unternehmen des Finanzsektors) nicht anwendbar sind (s. ausführlich § 30 InvStG Rz. 36 ff.). Durch Abs. 1 Satz 3 soll nach der Gesetzesbegründung „klarstellend ergänzt“4 werden, dass die betreffenden Anlegergruppen von der (teilweisen) Steuerfreistellung des Anleger-Aktiengewinns ebenfalls nicht profitieren dürfen. Nach hier vertretener Auffassung ist diese Regelung jedoch konstitutiv und daher (insoweit vom Gesetzgeber zutreffend geregelt) auch erst ab dem 29.12.2020 anwendbar (s. Rz. 9).

C. Ermittlung der Anleger-Gewinne (Abs. 2) I. Vorbemerkung 23 § 49 Abs. 2 InvStG enthält eine (recht technische) Regelung zur Ermittlung der für § 49 Abs. 1

InvStG relevanten Anlegergewinne. Vereinfacht gesprochen erfolgt diese durch Gegenüberstellung der betreffenden Fonds-Gewinne zum Zeitpunkt der Veräußerung der Spezial-Investmentanteile, der sonstigen Gewinnrealisation oder der Bewertung einerseits und zum Zeitpunkt der Anschaffung der Spezial-Investmentanteile andererseits. Von dem Fonds-Gewinn zum Zeitpunkt der Veräußerung, der sonstigen Gewinnrealisation oder der Bewertung ist der Fonds-Gewinn zum Zeitpunkt der Anschaffung abzuziehen.5 1 Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 49 InvStG Anm. 1 (Stand: August 2021). 2 A.A. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 49.30: „Soweit sich eine Teilwertabschreibung nach § 49 Abs. 1 Satz 2 InvStG steuerlich nicht oder nur zum Teil ausgewirkt hat, bleibt eine spätere Wertaufholung in demselben Umfang steuerfrei. Das gilt unabhängig davon, auf welche Umstände die Zuschreibung zurückzuführen ist.“ 3 BGBl. I 2020, 3096. 4 BT-Drucks. 19/22850, 113. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 49.13.

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C. Ermittlung der Anleger-Gewinne (Abs. 2) | Rz. 28 § 49

Der nach den Sätzen 1 bis 5 ermittelte Anleger-Aktiengewinn, Anleger-Abkommensgewinn 24 oder Anleger-Teilfreistellungsgewinn kann jeweils positiv oder negativ sein (§ 49 Abs. 2 Satz 6 InvStG). Eine Saldierung von Anleger-Aktiengewinnen, Anleger-Abkommensgewinnen und Anleger-Teilfreistellungsgewinnen ist nicht zulässig.1

II. Definition des Anleger-Aktiengewinns (Abs. 2 Satz 1) Der Anleger-Aktiengewinn pro Spezial-Investmentanteil ist, vorbehaltlich einer Berichtigung 25 nach Satz 4 oder 5, der Unterschiedsbetrag zwischen dem Fonds-Aktiengewinn zu dem Zeitpunkt, zu dem der Spezial-Investmentanteil veräußert wird oder zu dem ein Gewinn aus dem Spezial-Investmentanteil in sonstiger Weise realisiert wird oder zu dem er zu bewerten ist, und dem Fonds-Aktiengewinn bei der Anschaffung des Spezial-Investmentanteils.

III. Definition des Anleger-Abkommensgewinns (Abs. 2 Satz 2) Der Anleger-Abkommensgewinn pro Spezial-Investmentanteil ist, vorbehaltlich einer Berich- 26 tigung nach Satz 4 oder 5, der Unterschiedsbetrag zwischen dem Fonds-Abkommensgewinn zu dem Zeitpunkt, zu dem der Spezial-Investmentanteil veräußert wird oder zu dem ein Gewinn aus dem Spezial-Investmentanteil in sonstiger Weise realisiert wird oder zu dem er zu bewerten ist, und dem Fonds-Abkommensgewinn bei der Anschaffung des Spezial-Investmentanteils.

IV. Definition des Anleger-Teilfreistellungsgewinns (Abs. 2 Satz 2) Der Anleger-Teilfreistellungsgewinn pro Spezial-Investmentanteil ist, vorbehaltlich einer Be- 27 richtigung nach Satz 4 oder 5, der Unterschiedsbetrag zwischen dem Fonds-Teilfreistellungsgewinn zu dem Zeitpunkt, zu dem der Spezial-Investmentanteil veräußert wird oder zu dem ein Gewinn aus dem Spezial-Investmentanteil in sonstiger Weise realisiert wird oder zu dem er zu bewerten ist, und dem Fonds-Teilfreistellungsgewinn bei der Anschaffung des SpezialInvestmentanteils.

V. Gemeinsame Merkmale aller Anleger-Gewinne 1. Fonds-Gewinne als Anknüpfungspunkt Ausgangspunkt sind die Fonds-Aktiengewinne, die Fonds-Abkommensgewinne und die 28 Fonds-Teilfreistellungsgewinne, die der Spezial-Investmentfonds nach § 48 InvStG zu ermitteln und dem Anleger bekannt zu machen hat. Seit dem 1.1.2020 erfolgt die Ermittlung und Bekanntgabe der Fonds-Gewinne durch den Spezial-Investmentfonds ausschließlich nach unveränderbaren absoluten Fonds-Gewinnen.2 Damit betragen die „erworbenen“ Fonds-Gewinne für jeden neu erworbenen Spezial-Investmentanteil des Anlegers immer 0 Euro.3

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 49.13. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.30; s. dazu auch § 48 InvStG Rz. 24. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 49.17. Link | 839

§ 49 Rz. 29 | Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen, Teilwertansatz 2. Besitzanteilige Zuordnung 29 Der Fonds-Gewinn bei Erwerb (seit dem 1.1.2020: 0 Euro) ist mit dem betreffenden Fonds-

Gewinn bei Veräußerung des Spezial-Investmentanteils zu vergleichen. Im Ergebnis entspricht somit die Höhe des Anleger-Gewinns zum Zeitpunkt der Veräußerung, sonstigen Realisation oder Bewertung stets der Höhe des Fonds-Gewinns.1 3. Relevante Zeitpunkte: Anschaffung/Veräußerung und Bewertung

30 Für Anschaffung, Veräußerung und sonstige Realisation des Spezial-Investmentanteils ist u.E.

jeweils auf den Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums abzustellen (§ 39 AO), für die Bewertung auf das Ende des betreffenden Wirtschaftsjahres.

VI. Besonderheiten bei niedrigem Teilwertansatz (Abs. 2 Sätze 3 ff.) 31 Gemäß § 49 Abs. 2 Satz 3 InvStG sind bei bilanziellem Ansatz der Spezial-Investmentanteile

mit einem niedrigeren Teilwert nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG die nach Satz 1 oder 2 ermittelten Unterschiedsbeträge auf die Auswirkung auf den Bilanzansatz begrenzt. Damit ist zunächst gemeint, dass nur im Rahmen einer Bewertung, nicht aber bei einer Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen (bzw. einer sonstigen Gewinnrealisation), in einem zusätzlichen (eingeschobenen) Rechenschritt zu ermitteln ist, ob und in welcher Höhe sich ein Anleger-Gewinn zu dem entsprechenden Bilanzstichtag auf den Steuerbilanzansatz ausgewirkt hat.2 Dies ist u.E. nur im Fall eines am Bewertungsstichtag vorhandenen negativen AnlegerGewinns möglich. Eine Auswirkung auf den Steuerbilanzansatz ist nach Auffassung der FinVerw. dabei aber nur insoweit gegeben, als der betreffende Steuerbilanzansatz nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG unter den AK für die Spezial-Investmentanteile liegt.3

32 § 49 Abs. 2 Satz 4 InvStG enthält eine Regelung zur Berichtigung bei Teilwertabschreibungen

in vorangegangenen Wirtschaftsjahren. Danach sind die nach den Sätzen 1 bis 3 ermittelten Unterschiedsbeträge jeweils um den zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres angesetzten Anleger-Aktiengewinn, Anleger-Abkommensgewinn oder Anleger-Teilfreistellungsgewinn zu berichtigen. Nach Auffassung der FinVerw. bezieht sich diese Regelung – u.E. zwar über den Gesetzeswortlaut („… zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres …“) hinaus, allerdings sachgerecht, da es bei mehreren Bewertungen sonst zu Verwerfungen kommen könnte – auf sämtliche im gesamten Besitzzeitraum zum Schluss der Wirtschaftsjahre angesetzten Anleger-Gewinne. Dies soll bedeuten: Die zum Schluss sämtlicher vorangegangenen Wirtschaftsjahre angesetzten Anleger-Gewinne sind abzuziehen. Positive angesetzte Anleger-Gewinne aus vorangegangenen Wirtschaftsjahren reduzieren den im aktuellen Wirtschaftsjahr anzusetzenden Anleger-Gewinn. Negative angesetzte Anleger-Gewinne aus vorangegangenen Wirtschaftsjahren erhöhen den im aktuellen Wirtschaftsjahr anzusetzenden Anleger-Gewinn (Abzug eines negativen Werts führt zu einer Hinzurechnung).4

33 Nach § 49 Abs. 2 Satz 5 InvStG sind auch bei einer bilanziellen Teilwertzuschreibung der Spe-

zial-Investmentanteile auf die AK nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG bei der Berechnung der Anleger-Gewinne die zum Schluss der vorangegangenen Wirtschaftsjahre infolge eines Bilanzansatzes unter den AK angesetzten Anleger-Gewinne zu berichtigen.5

1 2 3 4 5

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 49.18. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 49.24. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 49.24 ff. (mit einem Rechenbeispiel). BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 49.32 (mit einem Rechenbeispiel). BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 49.33 ff. (mit Rechenbeispielen).

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D. Ermittlung des Veräußerungsgewinns (Abs. 3) | Rz. 37 § 49

D. Ermittlung des Veräußerungsgewinns (Abs. 3) I. Allgemeines Gewinnermittlungsschema § 49 Abs. 3 Satz 1 InvStG besagt (lediglich), dass für die Ermittlung des Gewinns aus der Ver- 34 äußerung von Spezial-Investmentanteilen, die nicht zu einem Betriebsvermögen gehören, § 20 Abs. 4 EStG entsprechend gilt. Dem Wortlaut nach gilt die Norm damit nur für den Sonderfall (vgl. § 26 Nr. 8 InvStG), dass ein Anleger seinen Spezial-Investmentanteil im Privatvermögen hält. Die Praxis versteht die Norm im Zusammenspiel mit den Sätzen 2 bis 5 jedoch (auch) als allgemeines Gewinnermittlungsschema, das für sämtliche Anleger herangezogen werden kann.1 Der Gewinn aus der Veräußerung eines Spezial-Investmentanteils ist danach wie folgt zu ermitteln:2 + ./. ./. = ./. + ./.

Veräußerungserlös während der Besitzzeit ausgeschüttete ausschüttungsgleiche Erträge der Vorjahre Anschaffungskosten Nebenkosten der Veräußerung und Anschaffung

+ + ./.

vorläufiger Veräußerungsgewinn während der Besitzzeit besteuerte ausschüttungsgleiche Erträge der Vorjahre auf diese ausschüttungsgleichen Erträge gezahlte inländ. und ausländ. Steuern erstattete inländische und ausländische Steuern des laufenden Geschäftsjahres oder früherer Geschäftsjahre während der Besitzzeit zugeflossene Substanzbeträge während der Besitzzeit zugeflossene Absetzungsbeträge thesaurierte Zurechnungsbeträge und Immobilien-Zurechnungsbeträge

=

maßgeblicher Veräußerungsgewinn

II. Zu den einzelnen Posten (Abs. 3 Sätze 2 bis 5) 1. Vorbemerkung Diese Regelungen haben den Zweck, bereits steuerwirksam gewordene Ereignisse während 35 der Besitzzeit des Anlegers zu berücksichtigen sowie Doppelbegünstigungen und -belastungen zu verhindern.3 2. Korrektur um ausschüttungsgleiche Erträge (Abs. 3 Sätze 2 und 3) Gemäß § 49 Abs. 3 Sätze 2 und 3 InvStG ist der Gewinn aus der Veräußerung von Spezial- 36 Investmentanteilen (i) um die während der Besitzzeit bereits besteuerten ausschüttungsgleichen Erträge zu mindern sowie (ii) um die auf diese Erträge gezahlten inländischen und ausländischen Steuern, vermindert um die erstattete inländische und ausländische Steuer des Geschäftsjahres oder früherer Geschäftsjahre, zu erhöhen. Ferner sind ausschüttungsgleiche Erträge, die in einem späteren Geschäftsjahr innerhalb der Besitzzeit ausgeschüttet wurden, dem Veräußerungserlös hinzuzurechnen. Bilanzierende Anleger haben die ausschüttungsgleichen Erträge sowie die ausgeschütteten Ab- 37 setzungsbeträge i.d.R. über aktive oder passive Ausgleichsposten in der Steuerbilanz abgebil1 Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 49 InvStG Anm. 15 (Stand: August 2021). 2 Schema nach Wenzel in Brandis/Heuermann, § 49 InvStG Rz. 23 (Stand: März 2021); vgl. auch BMFAnwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 49.44 f. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 49.42. Link | 841

§ 49 Rz. 37 | Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen, Teilwertansatz det. Die gezahlten inländischen und ausländischen Steuern bzw. Steuererstattungen haben den aktiven Ausgleichsposten in der Steuerbilanz gemindert bzw. wurden außerbilanziell korrigiert. Durch die Sätze 2 und 3 sollen diese Effekte bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns gleichsam „zurückgedreht“ werden.1 3. Korrektur um Substanzbeträge, Absetzungsbeträge, Zurechnungsbeträge und Immobilien-Zurechnungsbeträge (Abs. 3 Sätze 4 und 5) 38 Gemäß § 49 Abs. 3 Sätze 4 und 5 InvStG ist der Veräußerungsgewinn des Weiteren um die

während der Besitzzeit des Anlegers zugeflossenen Substanzbeträge und Absetzungsbeträge zu erhöhen und um Zurechnungsbeträge und Immobilien-Zurechnungsbeträge, die nicht an den Anleger ausgeschüttet wurden, zu mindern.

39 Zugeflossene Substanzbeträge mindern i.d.R. den steuerlichen Bilanzansatz der Spezial-Invest-

mentanteile (oder werden durch Ausgleichsposten berücksichtigt). Die ausgeschütteten Absetzungsbeträge werden i.d.R. über aktive oder passive Ausgleichsposten in der Steuerbilanz abgebildet. Durch Satz 4 werden diese bereits eingetretenen Effekte bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns berücksichtigt.2

40 Satz 5 wurde durch das JStG 2019 geringfügig angepasst (s. Rz. 8). Erfasst sind nunmehr Zu-

rechnungsbeträge (einschließlich Immobilien-Zurechnungsbeträge), für die die Transparenzoption nach § 30 Abs. 1 bzw. § 33 Abs. 2 Sätze 3 ff. InvStG ausgeübt wurde und die den Anlegern bereits steuerlich zugerechnet worden sind. Mangels Ausschüttung sind diese Beträge noch im Anteilswert enthalten und würden – ohne entsprechende Korrektur durch Satz 5 – den Veräußerungsgewinn erhöhen und den Anleger somit „doppelt“ belasten.3

E. Beschränkung der Verlustverrechnung (Abs. 4) 41 Nach § 49 Abs. 4 InvStG ist § 15b EStG auf Verluste aus der Veräußerung von Spezial-Invest-

mentanteilen sowie auf Verluste durch Ansatz des niedrigeren Teilwerts bei Spezial-Investmentanteilen entsprechend anzuwenden. Nach hier vertretener Ansicht handelt es sich dabei um eine Rechtsgrundverweisung.

42 § 15b EStG besagt im Wesentlichen, dass Verluste im Zusammenhang mit einem Steuerstun-

dungsmodell (definiert in § 15 Abs. 2 EStG) weder mit Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden; sie dürfen auch nicht nach § 10d abgezogen werden. Die Verluste mindern jedoch die Einkünfte, die der StPfl. in den folgenden Wirtschaftsjahren aus derselben Einkunftsquelle erzielt.4

43 Die Bedeutung dieser Regelung, die schon in § 8 Abs. 7 InvStG 2004 enthalten war, ist unklar.5

Das BMF-Anwendungsschreiben ist wenig erhellend, denn es besagt lediglich, dass die steuerliche Behandlung der Verluste im Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen i.S.d. § 15b EStG bei der Berechnung der Anleger-Gewinne des § 49 InvStG ausschließlich auf Ebene des Anlegers durchzuführen sei, ohne einen konkreten Anwendungsfall zu benennen.6 1 2 3 4 5

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 49.43. Vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 49.43 f. Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 49 InvStG Anm. 15 (Stand: August 2021). Ausführlich dazu Hallerbach in H/H/R, § 15b EStG Anm. 21 ff. (Stand: April 2021). Wenzel in Brandis/Heuermann, § 49 InvStG Rz. 28 (Stand: März 2021); Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 49 InvStG Anm. 15 (Stand: August 2021), m.w.N. In der Begründung zur Vorgängerfassung hieß es schlicht: „Mittlerweile sind auch Investmentvermögen am Markt vertreten, deren Anlagepolitik darauf ausgerichtet ist, dem Anleger steuerwirksame Verluste zu vermitteln“ (BT-Drucks. 17/3549, 30). 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 49.46.

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Kapitalertragsteuer | § 50

§ 50 Kapitalertragsteuer (1) 1Ein inländischer Spezial-Investmentfonds hat als Entrichtungspflichtiger 15 Prozent Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen. 2Dem Steuerabzug unterliegen 1. die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge, mit Ausnahme der nach § 43 Absatz 1 und 2 steuerfreien Erträge, und 2. der Gewinn aus der Veräußerung eines Spezial-Investmentanteils. (2) 1Der Entrichtungspflichtige hat ausländische Steuern nach Maßgabe des § 47 zu berücksichtigen. 2Die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes, die für den Steuerabzug von Kapitalerträgen nach § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 7 und Satz 2 des Einkommensteuergesetzes gelten, sind entsprechend anzuwenden. (3) Soweit die ausgeschütteten Erträge Kapitalerträge nach § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 und 8 bis 12 des Einkommensteuergesetzes enthalten, gilt § 43 Absatz 2 Satz 3 bis 8 des Einkommensteuergesetzes entsprechend. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . 1 II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . 3 2. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . 4 3. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . 5 III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . 7 B. Entrichtungspflicht (Abs. 1) I. Pflicht zum Einbehalt und Abführung von Kapitalertragsteuer (Abs. 1 Satz 1) 12 II. Dem Steuerabzug unterliegende Erträge und Gewinne (Abs. 1 Satz 2) 1. Ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträge; Ausnahmen (Abs. 1 Satz 2 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2. Veräußerungsgewinne (Abs. 1 Satz 2 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 C. Ausländische Quellensteuer, Verweis auf das EStG (Abs. 2)

I. Ausländische Quellensteuer (Abs. 2 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entsprechende Anwendung einkommensteuerlicher Normen (Abs. 2 Satz 2) 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entsprechend anwendbare Regelungen zum Absehen vom Steuerabzug . . . . . 3. Entsprechend anwendbare Verfahrensregeln a) Einbehalt und Abführung aa) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . bb) Ausgeschüttete Erträge und Veräußerungsgewinne . . . . . . . cc) Ausschüttungsgleiche Erträge b) Anmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bescheinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Abstandnahme vom Steuerabzug (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25 27 28

30 32 33 34 35 36

Literatur: Dahm/Hamacher, Export der Abgeltungsteuer, 2012; Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, 2012; Bindl/Mager, Ausgewählte Zweifelsfragen und Lösungsvorschläge zum InvStG n.F., BB 2016, 2711; Hoffmann, Kein Anspruch auf Schadensersatz gegen Kreditinstitute bei verpflichtender Umsetzung des Kapitalertragsteuerabzugs – Replik zu Fölsing (DStR 2015, 2363), DStR 2016, 1848; Neumann, Investmentsteuerreformgesetz: Ausgewählte Problemfelder, DB 2016, 1779; Stadler/Bindl, Das neue InvStG – Überblick und Korrekturbedarf, DStR 2016, 1953; Bindl/Stadler, Die Immobilientransparenz gem. § 33 Abs. 2 InvStG 2018 bei Dach- und Masterfonds-Strukturen, BB 2017, 1943; Bindl/Leidel, Die Steuerbefreiungen nach § 42 Abs. 4 und 5 InvStG 2018 bei mehrstufigen Fondsstrukturen, BB 2018, 151; Patzner/Harm, Steuerliche Behandlung von Spezial-Investmentfonds nach dem Investmentsteuerreformgesetz ab 2018, BB 2018, 2711; Tappe, Privatisierung der Steuerverwaltung – am Beispiel des neuen § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG, in Schön/Sternberg (Hrsg.), Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts III, 2018, 78; Ebner, Investmentsteuererlass v. 21.5.2019 und JStG 2019 unter besonderer Berücksichtigung von Spezial-Investmentfonds, RdF 2019, 314; Hahne/Michaelis, Entwufs eines „JStG 2019“: Vorgeschlagene Änderungen bei der Abgeltungsteuer und der Investmentbesteuerung, RdF 2019, Böcker | 843

§ 50 Rz. 1 | Kapitalertragsteuer 196; Jachmann-Michel, BB-Rechtsprechungsreport zur Besteuerung der Kapitaleinkünfte 2018/2019, BB 2019, 2779; Seiler, Indienstnahme Privater im Besteuerungsverfahren, in Drüen/Hey/Mellinghoff (Hrsg.), 100 Jahre Steuerrechtsprechung in Deutschland 1918–2018, FS für den Bundesfinanzhof, 2019, 1761; Lange/Schönbach, Steuerrückstellungen und Kapitalertragsteuer bei Investmentfonds und Spezial-Investmentfonds, RdF 2020, 35.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck 1 § 50 InvStG regelt den Kapitalertragsteuerabzug gegenüber Anlegern von Spezial-Investment-

fonds (Fondsausgangsseite). Die KapErtrSt wird auf ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträge sowie Veräußerungsgewinne erhoben. Die anlegerindividuelle besitzanteilige Zurechnung der Erträge führt zu einer anlegerindividuellen Bemessung der KapErtrSt. Der Steuerabzug erfolgt – anders als bei Investmentfonds – nach dem Schuldnerprinzip durch den Spezial-Investmentfonds.1

2 Für die Durchführung des Steuerabzugs haben die zu § 50 InvStG ergangenen Billigkeits-

regelungen der FinVerw. eine erhebliche praktische Bedeutung, indem sie angesichts der Schwächen der gesetzlichen Regelungen zu einer praxisgerechteren Ausgestaltung des Verfahrens beitragen. Die Abhilfe durch die FinVerw. hat jedoch insgesamt den Charakter einer Gesetzeskorrektur, die der Legislative vorbehalten ist.

II. Anwendungsbereich 1. Sachlicher Anwendungsbereich 3 Gegenstand des Kapitalertragsteuerabzugs sind die Erträge, die dem Anleger (§ 2 Abs. 10

InvStG) eines Spezial-Investmentfonds (§ 26 Satz 1 InvStG) zugerechnet werden. Zu diesen Spezial-Investmenterträgen (§ 34 Abs. 1 InvStG) gehören die ausgeschütteten Erträge, die ausschüttungsgleichen Erträge sowie die Gewinne aus der Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen. Auf Erträge aus Investmentfonds (§ 16 Abs. 1 InvStG) ist § 50 InvStG nicht anwendbar (s. auch Rz. 7). 2. Persönlicher Anwendungsbereich

4 Die Pflicht zum Steuerabzug gilt nach § 50 Abs. 1 Satz 1 InvStG nur für inländische Spezial-

Investmentfonds (§§ 26 Satz 1, 2 Abs. 2 InvStG). Ausländische Spezial-Investmentfonds können aufgrund des völkerrechtlichen Territorialitätsprinzips nicht zum Steuerabzug verpflichtet werden.2 Die FinVerw. gestattet allerdings ausländischen Spezial-Investmentfonds eine freiwillige Abführung der KapErtrSt.3 Zuständig dürfte das FA sein, in dessen Bezirk sich das Vermögen oder der wertvollste Teil des Vermögens befindet (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 1 InvStG).4 Der freiwillige Steuerabzug ermöglicht die Ausübung der Erhebungsoption nach § 33 Abs. 1 InvStG. Auf diese Weise soll eine Benachteiligung ausländischer Spezial-Investmentfonds vermieden werden. Die steuerliche Gleichstellung von ausländischen Fonds ist zwar ein berech-

1 Häuselmann, Investmentanteile, 2019, Kap. 8 Rz. 25. 2 Niedrig in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 50 InvStG Rz. 2. 3 BMF v. 23.5.2022 – IV C 1 - S 2401/19/10001 - 006 – DOK 2022/0538617, BStBl. I 2022, 860 Rz. 53; s. auch BT-Drucks. 18/8045, 97. 4 Stadler/Bindl, DStR 2016, 1953 (1962).

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A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 9 § 50

tigtes Anliegen. Der gesetzlich nicht vorgesehene freiwillige Steuerabzug ist unter dem Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Besteuerung jedoch problematisch.1 Da die Ausübung der Hoheitsrechte völkerrechtlich auf das eigene Staatsgebiet beschränkt ist, kann die FinVerw. die korrekte Durchführung des Steuerabzugs nicht in gleichem Maße wie bei inländischen Entrichtungspflichtigen kontrollieren.2 Angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts ist der ausländische Spezial-Investmentfonds nicht an die in § 50 InvStG enthaltenen Einzelregelungen gebunden.3 Das betrifft auch den Verweis nach § 50 Abs. 2 Satz 2 InvStG auf die Regelungen des EStG, sodass der ausländische Spezial-Investmentfonds mangels gesetzlicher Verpflichtung für einen fehlerhaften Steuerabzug nicht nach § 44 Abs. 5 EStG haftet. 3. Zeitlicher Anwendungsbereich § 50 InvStG ist auf Spezial-Investmenterträge anwendbar, die dem Anleger nach der seit dem 5 1.1.2018 gültigen Fassung des InvStG zugerechnet werden (§ 56 Abs. 1 Satz 1 InvStG). Auf Erträge, die nach den bis zum 31.7.2017 geltenden Regelungen zugerechnet werden, findet die Vorschrift dagegen keine Anwendung.4

III. Rechtsentwicklung InvStRefG v. 19.7.2016.5 § 50 InvStG wurde durch das Investmentsteuerreformgesetz als Teil 6 des neuen InvStG neu eingeführt. Zuvor war der Kapitalertragsteuerabzug bei Spezial-Investmentfonds in § 7 und § 15 InvStG 2004 geregelt. § 50 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 InvStG entsprechen § 7 Abs. 1 Satz 3 bzw. Abs. 1 Satz 4 InvStG 2004 i.d.F. des AIFM-StAnpG.

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften Während sich für Erträge aus Investmentfonds (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG i.V.m. § 16 InvStG) 7 der Steuerabzug nach den §§ 43 ff. EStG richtet, d.h. der Einbehalt auf die Vorabpauschale und auf Ausschüttungen nach § 43 Abs. 1 Nr. 5 EStG und auf Gewinne aus der Veräußerung auf Investmentanteile nach § 43 Abs. 1 Nr. 9 EStG von der auszahlenden Stelle vorzunehmen ist, ist für Erträge aus Spezial-Investmentfonds, die Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG sind, in den allgemeinen KapErtrSt-Tatbeständen des § 43 Abs. 1 EStG kein Steuereinbehalt vorgesehen. Der Kapitalertragsteuerabzug auf Spezial-Investmenterträge wird daher durch § 50 InvStG gesondert und abschließend geregelt. Die §§ 43 ff. EStG kommen nur insoweit zur Anwendung, wie § 50 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 InvStG ausdrücklich auf sie verweisen.6 Verhältnis zu § 7 InvStG. Durch § 7 Abs. 1 Sätze 1 und 4 InvStG wird teilweise der Steuer- 8 abzug gegenüber Dach-(Spezial-)Investmentfonds begrenzt (s. Rz. 15). Verhältnis zu § 30 InvStG. Wenn der Spezial-Investmentfonds die Transparenzoption nach 9 § 30 Abs. 1 InvStG ausübt, unterliegen die den Anlegern direkt zugerechneten inländischen Beteiligungseinnahmen nicht dem Steuerabzug nach § 50 InvStG (s. Rz. 18).

1 2 3 4 5 6

Ablehnend Neumann, DB 2016, 1779 (1781); Häuselmann, Investmentanteile, 2019, Kap. 8 Rz. 25. Dahm/Hamacher, Export der Abgeltungsteuer, 2012, 67. Häuselmann, Investmentanteile, 2019, Kap. 8 Rz. 25. Ronig in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 50 InvStG Rz. 74. BGBl. I 2016, 1730. Laatsch in Moritz/Jesch/Mann2, § 50 InvStG Rz. 7. Böcker | 845

§ 50 Rz. 10 | Kapitalertragsteuer 10 Verhältnis zu §§ 33, 34 InvStG. Die §§ 34 ff. InvStG regeln, welche Erträge ein Anleger als

Spezial-Investmenterträge zu versteuern hat. Nur für diese Erträge erfolgt die Steuererhebung durch den Kapitalertragsteuerabzug. Die Erhebung und Abführung der KapErtrSt nach § 50 InvStG ist Voraussetzung für die Steuerfreiheit von inländischen Immobilienerträgen (§ 33 Abs. 1 InvStG) und sonstigen inländischen Erträgen ohne Steuerabzug (§ 34 Abs. 4 Satz 1 InvStG) auf Ebene des Spezial-Investmentfonds (s. Rz. 19).

11 Verhältnis zu § 56 InvStG. § 56 Abs. 9 Satz 2 InvStG schließt als lex specialis den Kapital-

ertragsteuerabzug auf Substanzerträge aus, die nach § 56 Abs. 9 Satz 1 InvStG zu ausgeschütteten Erträgen umqualifiziert wurden (s. Rz. 16).

B. Entrichtungspflicht (Abs. 1) I. Pflicht zum Einbehalt und Abführung von Kapitalertragsteuer (Abs. 1 Satz 1) 12 Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 InvStG hat der inländische Spezial-Investmentfonds KapErtrSt ein-

zubehalten und abzuführen, ohne dass die Vorschrift regelt, wovon die Steuer einzubehalten und abzuführen ist. Letzteres regelt § 50 Abs. 1 Satz 2 InvStG und danach sind es grds. die Spezial-Investmenterträge. Als Entrichtungspflichtiger i.S.d. § 43 Satz 2 AO führt der SpezialInvestmentfonds die Steuer für Rechnung des Anlegers ab. Die Wahrnehmung der Pflichten des Fonds obliegt nach § 3 Abs. 1 InvStG der KVG als gesetzlichem Vertreter.1 Steuerschuldner der KapErtrSt ist der Anleger und nicht der Spezial-Investmentfonds.2 Der Steuersatz beträgt nach § 50 Abs. 1 Satz 1 InvStG einheitlich für alle Anleger 15 %. Er ist damit geringer als der allgemeine Kapitalertragsteuersatz von 25 % (§ 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG) und entspricht dem Körperschaftsteuersatz. Im Hinblick auf den typischen Anlegerkreis und die Befreiungen für bestimmte Anleger nach Abs. 3 ist dies sachgerecht.3 Zusätzlich wird der Solidaritätszuschlag i.H.v. 5,5 % der KapErtrSt einbehalten (§§ 3 Abs. 1 Nr. 6, 4 SolZG).

13 Der Steueranspruch ist mit dem Kapitalertragsteuerabzug nur dann abgegolten, wenn dies

ausdrücklich gesetzlich angeordnet wird. Ansonsten kann die KapErtrSt nur im Veranlagungsverfahren angerechnet werden. Ausdrücklich vorgesehen ist die abgeltende Wirkung für anlegende Investmentfonds und Spezial-Investmentfonds. Bei ihnen wirkt der Steuerabzug abgeltend, soweit er sich auf enthaltene inländische Immobilienerträge oder sonstige inländische Einkünfte ohne Steuerabzug erstreckt (§§ 7 Abs. 2, 29 Abs. 1 InvStG).4 Dagegen schließt § 34 Abs. 2 InvStG die Anwendung von § 43 Abs. 5 EStG und damit die Abgeltungswirkung für Privatanleger ausdrücklich aus, sofern diese ausnahmsweise beteiligt sind.5 Bei beschränkt stpfl. Anlegern hat der Steuerabzug auf die in den ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträgen enthaltenen inländischen Immobilienerträge und sonstigen Erträge ohne Steuerabzug entgegen § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG6 keine abgeltende Wirkung (§ 33 Abs. 3 Satz 3, 33 Abs. 4 InvStG; s. Rz. 20).

14 Gegenüber beschränkt stpfl. Anlegern des Spezial-Investmentfonds ist grds. kein Kapital-

ertragsteuerabzug vorzunehmen.7 Die KapErtrSt ist eine besondere Erhebungsform der ESt 1 2 3 4

Häuselmann, Investmentanteile, 2019, Kap. 8 Rz. 25; Laatsch in Moritz/Jesch/Mann2, § 50 InvStG Rz. 27. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 50 InvStG Anm. 5. Ronig in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 50 InvStG Rz. 20. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.14; BT-Drucks. 18/12127, 64; Bindl/Leidel, BB 2018, 151 (155). 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 34.3. 6 S. dazu Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 50 EStG Anm. 170 ff. 7 BT-Drucks. 18/8045, 121.

846 | Böcker

B. Entrichtungspflicht (Abs. 1) | Rz. 15 § 50

und der KSt. Sie setzt daher die materielle StPfl. der Erträge voraus.1 Sofern die zugrunde liegenden Einkünfte keine beschränkt stpfl. Einkünfte i.S.d. § 49 Abs. 1 EStG sind, entfällt dementsprechend für ausländische Anleger der Steuerabzug. Spezial-Investmenterträge (§ 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG) zählen nicht zu den beschränkt stpfl. Einkünften i.S.d. § 49 Abs. 1 EStG.2 Abweichend hiervon wird teilweise davon ausgegangen, dass sich die Befreiung aus dem Verweis in § 50 Abs. 2 Satz 2 InvStG ergebe, da die Kapitalerträge i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG keine beschränkt stpfl. Einkünfte seien.3 Dagegen spricht jedoch, dass es sich bei § 50 Abs. 2 Satz 2 InvStG nur um eine Rechtsfolgenverweisung auf bestimmte einkommensteuerliche Regelungen zum Steuerabzug handelt. Sie führt zu keiner materiell-steuerrechtlichen Umqualifizierung der Erträge und wirkt sich somit auch nicht auf die beschränkte StPfl. aus, die die Kapitalertragsteuerpflicht als bloße Erhebungsform der ESt voraussetzt. Soweit in den ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen inländische Immobilienerträge oder sonstige Einkünfte ohne Steuerabzug enthalten sind, gelten diese als beschränkt stpfl. Einkünfte (§ 33 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 InvStG) und unterliegen dementsprechend dem Steuerabzug. Werden dem Anleger eines Dach-Spezial-Investmentfonds die Erträge durch die Ausübung der Immobilien-Transparenzoption zugerechnet, handelt es sich ebenfalls um beschränkt stpfl. Einkünfte (§ 33 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 4 InvStG). Ist der Anleger ein Investmentfonds oder Spezial-Investmentfonds, wird der Kapitalertrag- 15 steuerabzug durch §§ 7 Abs. 1 Sätze 1 und 4, 29 Abs. 1 InvStG beschränkt.4 Da die SpezialInvestmenterträge (§ 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG) keine Einkünfte i.S.d. § 6 Abs. 2 InvStG sind, ist keine KapErtrSt zu erheben.5 Die Befreiung greift nicht, wenn die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge inländische Immobilienerträge oder sonstige inländische Erträge ohne Steuerabzug enthalten (s. Rz. 20). Bei unbeschränkt stpfl. Fonds gelten die Erträge insoweit als Einkünfte i.S.d. § 6 Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 InvStG (§ 33 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 InvStG; bei Ausübung der Immobilien-Transparenzoption § 33 Abs. 2 Satz 4 InvStG), sodass die in § 7 Abs. 1 Satz 4 InvStG geregelte Beschränkung des Steuerabzugs nicht eingreift. Bei beschränkt stpfl. Fonds werden Einkünfte i.S.d. § 49 Abs. 1 EStG und damit Einkünfte i.S.d. § 6 Abs. 2 InvStG fingiert (s. Rz. 20). Sofern der anlegende Investmentfonds nach § 10 Abs. 1 oder Abs. 2 InvStG steuerbefreit ist, sind die zugerechneten inländischen Immobilienerträge vom Steuerabzug ausgenommen.6 Die FinVerw. beanstandet die Abstandnahme vom Steuerabzug auch dann nicht, wenn ausschließlich steuerbegünstigte Anleger i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 InvStG beteiligt sind.7 Dies muss für die sonstigen inländischen Einkünfte ohne Steuerabzug ebenfalls gelten, da der Kapitalertragsteuereinbehalt die materielle StPfl. voraussetzt (s. Rz. 14). Die sonstigen Einkünfte sind i.R.d. § 10 Abs. 1 InvStG von der gesetzlichen Steuerbefreiung umfasst. Bei Fonds, die unter die Steuerbefreiung des § 10 Abs. 2 InvStG fallen, geht die FinVerw. über den Gesetzeswortlaut hinaus von der Steuerfreiheit der sonstigen Erträge aus.8

1 BFH v. 19.10.2005 – I R 121/04, BFH/NV 2006, 926; Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 50 InvStG Anm. 10. 2 Häuselmann, Investmentanteile, 2019, Kap. 8 Rz. 24; Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 50 InvStG Anm. 10; Laatsch in Moritz/Jesch/Mann2, § 50 InvStG Rz. 76. 3 Gloßner in Brandis/Heuermann, § 50 InvStG Rz. 44; Häuselmann, Investmentanteile, 2019, Kap. 8 Rz. 26. 4 Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2712); Häuselmann, Investmentanteile, 2019, Kap. 8 Rz. 26. 5 Häuselmann, Investmentanteile, 2019, Kap. 8 Rz. 26; wohl auch Bindl/Stadler, BB 2017, 1943; a.A. Ebner, RdF 2019, 314 (317). 6 BMF v. 21.12.2017 – IV C 1 - S 1980 - 1/16/10010 :016 – DOK 2017/1058518, DStR 2018, 194 Frage 9. 7 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.28. 8 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 10.17. Böcker | 847

§ 50 Rz. 16 | Kapitalertragsteuer

II. Dem Steuerabzug unterliegende Erträge und Gewinne (Abs. 1 Satz 2) 1. Ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträge; Ausnahmen (Abs. 1 Satz 2 Nr. 1) 16 Der KapErtrSt unterliegen ausgeschüttete Erträge i.S.d. § 35 Abs. 1 InvStG und ausschüttungs-

gleichen Erträge i.S.d. § 36 InvStG. Dagegen sind Ausschüttungen von bereits versteuerten ausschüttungsgleichen Erträgen, Absetzungsbeträge, Substanzausschüttungen, Zurechnungsbeträge, Immobilien-Zurechnungsbeträge sowie steuerfrei thesaurierte Kapitalerträge nicht vom Steuerabzug umfasst.1 Bei Anlegern, die ihre Spezial-Investmentanteile vor dem 1.1.2018 erworben haben, werden Substanzerträge in ausgeschüttete Erträge i.S.d. § 34 Abs. 1 Nr. 1 InvStG umqualifiziert, soweit ein Gewinn aus der fiktiven Veräußerung zum 31.12.2017 vorhanden ist (§ 56 Abs. 9 Satz 1 InvStG). Die umqualifizierten Substanzerträge sind vom Steuerabzug ausgenommen und werden im Wege der Veranlagung des Anlegers besteuert (§ 56 Abs. 9 Satz 2 InvStG).2

17 Bestimmte Bestandteile der ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge fließen nicht

mit in die Bemessungsgrundlage der KapErtrSt ein. Es handelt sich um Ertragsbestandteile, die auf Ebene des Anlegers keiner Besteuerung unterliegen. Durch die Befreiung vom Steuerabzug sollen folgerichtig unnötige Liquiditätsnachteile für die Anleger vermieden werden.3 Die gesetzliche Ausnahme umfasst Erträge, die durch ein DBA von der Besteuerung freigestellt sind (§ 43 Abs. 1 InvStG), sowie ausgeschüttete AStG-Hinzurechnungsbeträge (§ 43 Abs. 2 i.V.m. § 3 Nr. 41a EStG). Über den Gesetzeswortlaut hinaus gestattet die FinVerw. die Abstandnahme vom Steuerabzug bei weiteren Ertragsbestandteilen, die von den Anlegern ebenfalls ganz oder teilweise steuerfrei vereinnahmt werden können.4 Das betrifft die in den ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen enthaltenen inländischen Beteiligungseinnahmen, soweit diese bei nicht ausgeübter Transparenzoption nach § 42 Abs. 4 InvStG steuerfrei sind.5 Entsprechendes gilt für inländische Immobilienerträge sowie sonstige inländische Einkünfte, die nach § 42 Abs. 5 InvStG von der Besteuerung ausgenommen sind. Außerdem kann die Teilfreistellung nach § 43 Abs. 3 InvStG beim Kapitalertragsteuerabzug berücksichtigt werden. Die FinVerw. beanstandet es nicht, wenn einheitlich der für Privatanleger geltende Teilfreistellungssatz zugrunde gelegt wird.6 Auf diese Weise lassen sich ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen in den Fällen vermeiden, in denen Anleger mit unterschiedlich hohen Teilfreistellungssätzen an dem Spezial-Investmentfonds beteiligt sind (s. Rz. 33).7

18 Übt der Spezial-Investmentfonds die Transparenzoption nach § 30 Abs. 1 InvStG aus, werden

die inländischen Beteiligungseinnahmen und die sonstigen inländischen Einkünfte mit Steuerabzug, die auf der Fondsebene erzielt werden, direkt den Anlegern zugerechnet. Der Steuerabzug richtet sich daher nach den allgemeinen Vorschriften des EStG.8 Nach der gesetzlichen Definition in § 35 Abs. 3 InvStG sind die Ausschüttungen dieser Erträge an den Anleger als Zurechnungsbeträge anzusehen, wodurch klargestellt wird, dass diese weder zu den ausgeschütteten noch zu den ausschüttungsgleichen Erträgen gehören. Sie unterliegen daher kei-

1 Niedrig in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 50 InvStG Rz. 6 f.; Laatsch in Moritz/Jesch/Mann2, § 50 InvStG Rz. 37. 2 Vgl. auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.133. 3 Ronig in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 50 InvStG Rz. 35; Laatsch in Moritz/Jesch/Mann2, § 50 InvStG Rz. 37. 4 Patzner/Harm, BB 2018, 2711 (2713). 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 50.6; Niedrig in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 50 InvStG Rz. 13; Ebner, RdF 2019, 314 (317). 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 50.6. 7 Laatsch in Moritz/Jesch/Mann2, § 50 InvStG Rz. 45 und 69. 8 Bujotzek/Blischke in Pöllath/Rodin/Wewel, Private Equity und Venture Capital Fonds, 2018, § 25 Rz. 203.

848 | Böcker

B. Entrichtungspflicht (Abs. 1) | Rz. 20 § 50

nem weiteren Steuerabzug nach § 50 InvStG durch den Spezial-Investmentfonds.1 Wird dagegen die Transparenzoption nicht ausgeübt, sind die inländischen Beteiligungseinnahmen sowie die sonstigen inländischen Einkünfte mit Steuerabzug Bestandteil der ausgeschütteten bzw. der ausschüttungsgleichen Erträge und erhöhen damit grds. die Bemessungsgrundlage der KapErtrSt.2 Allerdings gestattet die FinVerw. die Berücksichtigung der Freistellung nach § 42 Abs. 4 InvStG (s. Rz. 17). Die Verpflichtung zum Kapitalertragsteuerabzug nach § 50 Abs. 1 Satz 1 InvStG umfasst auch 19 die in den ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen enthaltenen inländischen Immobilienerträge sowie die sonstigen inländischen Erträge ohne Steuerabzug.3 Die grundsätzliche Verpflichtung zum Steuereinbehalt wird durch die Ausübung bzw. Nichtausübung der von der FinVerw. nach § 33 Abs. 1 InvStG eingeräumten Erhebungsoption nicht berührt. Abhängig von der Ausübung oder Nichtausübung der Option soll es jedoch zu einer jeweils unterschiedlichen materiell-rechtlichen Besteuerung kommen, die sich auf die Höhe des Kapitalertragsteuerabzugs auswirkt. Versteuert der Spezial-Investmentfonds unter Verzicht auf die Ausübung der Erhebungsoption die inländischen Immobilienerträge auf der Fondsebene, unterliegen die in den ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträgen enthalten inländischen Immobilienerträge dem Grunde nach dem Kapitalertragsteuerabzug. Die Erträge auf der Fondsausgangsseite sind jedoch nach § 42 Abs. 5 Satz 1 InvStG zu 20 % steuerfrei oder – sofern die Voraussetzungen vorliegen – nach § 42 Abs. 5 Satz 2 InvStG vollständig steuerfrei. Entsprechend der Höhe der Steuerbefreiung mindert sich die Bemessungsgrundlage der KapErtrSt. Soweit die Erträge nach § 42 Abs. 5 Satz 2 InvStG vollständig steuerfrei sind, reduziert sich die Bemessungsgrundlage auf null.4 Übt der Spezial-Investmentfonds dagegen die Erhebungsoption aus, fließen die inländischen Immobilienerträge in die Bemessungsgrundlage ein, ohne dass es zu einer Reduzierung nach § 42 Abs. 5 InvStG kommt. Diese Besteuerungsfolge träte auch ein, wenn man mit der in der Literatur vertretenen Ansicht davon ausgeht, dass sich entgegen der FinVerw. für inländische Spezial-Investmentfonds aufgrund des zwingenden Kapitalertragsteuerabzugs keine Option zur Besteuerung auf der Fondsebene ergibt (§ 33 InvStG Rz. 19). Handelt es sich bei dem Anleger um einen Dach-(Spezial-)Investmentfonds, gelten die aus- 20 geschütteten und ausschüttungsgleichen inländischen Immobilienerträge und sonstigen Erträge ohne Steuerabzug als Einkünfte i.S.d. § 6 Abs. 4 InvStG (§ 33 Abs. 2 Satz 1 InvStG).5 Bei beschränkt stpfl. Anlegern handelt es sich um Einkünfte i.S.d. § 49 Abs. 1 EStG (§ 33 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 InvStG). Diese materiell-steuerrechtliche Qualifikation wirkt sich auch auf den Kapitalertragsteuereinbehalt aus. Ohne diese gesetzliche Fiktion wäre von dem Steuerabzug abzusehen, da die Spezial-Investmenterträge bei den beiden Anlegergruppen keine stpfl. Einkünfte darstellen würden (Rz. 14). Die Fiktion führt jedoch zur StPfl. der Erträge, sodass der Steuerabzug nicht aufgrund einer Steuerfreiheit auf Anlegerebene entfällt. Die Erträge bleiben – ungeachtet der Einordnung als Einkünfte i.S.d. § 6 Abs. 4 InvStG – ausgeschüttete bzw. ausschüttungsgleiche Erträge und unterliegen als solche nach § 50 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InvStG dem Steuerabzug.6 Der Hinweis in § 33 Abs. 2 Satz 2 InvStG, dass die Erträge einem 1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 50.7. 2 Bindl/Leidl, BB 2018, 151 (153). 3 Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 33 InvStG Rz. 25; a.A. wohl die FinVerw., die § 33 Abs. 1 InvStG als lex specialis zu § 50 InvStG ansieht (BMF-Anwendungsschreiben [konsolidierte Fassung], Rz. 33.1). § 33 Abs. 1 InvStG regelt nach dem insofern eindeutigen Wortlaut jedoch nur die Rechtsfolgen eines ggf. nach § 50 InvStG vorgenommenen Steuerabzugs. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.11; BMF v. 8.11.2017 – IV C 1 - S 1980 1/16/10010 :010 – DOK 2017/0934849, DStR 2017, 2736 Frage 10; Häuselmann, Investmentanteile, 2019, Kap. 8 Rz. 90; Bindl/Leidel, BB 2018, 151 (155): Billigkeitsregelung der FinVerw. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.12. 6 Bindl/Stadler, BB 2017, 1943 (1944); Laatsch in Moritz/Jesch/Mann2, § 50 InvStG Rz. 39. Böcker | 849

§ 50 Rz. 20 | Kapitalertragsteuer Steuerabzug unterliegen, hat daher nur klarstellende Bedeutung.1 Der Steueranspruch ist bei Dach-(Spezial-)-Investmentfonds durch den Steuerabzug abgegolten (§ 7 Abs. 2 InvStG, Rz. 13).2 Bei beschränkt stpfl. Anlegern hat der Steuerabzug keine abgeltende Wirkung, da § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht anwendbar ist (§ 33 Abs. 3 Satz 3 InvStG, Rz. 13). 21 Teilweise wird davon ausgegangen, dass die Höhe des Kapitalertragsteuersatzes auf die inlän-

dischen Immobilienerträge gegenüber Dachfonds gesetzlich nicht geregelt sei und daher § 50 Abs. 1 Satz 1 InvStG analog herangezogen werden müsse.3 Unseres Erachtens besteht keine Notwendigkeit für eine analoge Anwendung. Der Kapitalertragsteuerabzug auf die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen inländischen Immobilienerträge erfolgt nach § 50 InvStG (Rz. 19). Damit findet auch die in § 50 Abs. 1 Satz 1 InvStG enthaltene Regelung zur Höhe des Steuersatzes Anwendung. Soweit § 7 Abs. 1 Satz 1 InvStG eine Beschränkung des Steuersatzes vorsieht, ist diese zwar vorrangig anwendbar, läuft aber inhaltlich ins Leere. Die in § 7 Abs. 1 Satz 3 InvStG vorgesehene Minderung des Steuersatzes um den Solidaritätszuschlag ist ausdrücklich ausgeschlossen (§ 33 Abs. 2 Satz 2 InvStG).

22 Sofern der Anleger des (Ziel-)Spezial-Investmentfonds ebenfalls ein (Dach-)Spezial-Invest-

mentfonds ist, kann er die Immobilien-Transparenzoption (§ 33 Abs. 2 Satz 3 InvStG) ausüben. Die inländischen Immobilienerträge stellen trotz der Ausübung weiterhin ausgeschüttete bzw. ausschüttungsgleiche Erträge dar und unterliegen somit dem Steuerabzug nach § 50 InvStG. Es ändert sich lediglich die Person des Steuerschuldners. Der Steuerabzug erfolgt nicht mehr gegenüber dem Dach-Spezial-Investmentfonds, sondern gegenüber dessen Anlegern.4 Ihnen ist dementsprechend die Steuerbescheinigung auszustellen (§ 33 Abs. 2 Satz 3 InvStG). Maßgeblich für die persönliche Befreiung von der KapErtrSt ist der Steuerstatus des jeweiligen Anlegers (§ 33 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 31 Abs. 1 InvStG). Ob der Anleger persönlich befreit ist, ergibt sich ausschließlich aus dem Rechtsfolgenverweis in Abs. 2 Satz 2.5 Der Regelungsinhalt des etwas unklaren Verweises auf § 31 Abs. 1 Satz 1 InvStG erschöpft sich in der Anordnung, dass der Steuerstatus des Anlegers zu berücksichtigen ist. Er führt zu keiner ergänzenden oder alternativen Steuerbefreiung der Anleger, da die §§ 43 ff. EStG für die Erträge keinen Einbehalt und damit auch keine Befreiung von der KapErtrSt vorsehen.6 Bei Anlegern des Dachfonds, die beschränkt stpfl. oder selbst (Spezial-)Investmentfonds sind, werden – wie im Falle einer direkten Beteiligung am Zielfonds (Rz. 20) – materiell stpfl. Einkünfte fingiert und dadurch der Kapitalertragsteuerabzug aufrechterhalten (§ 33 Abs. 2 Nr. 1 und 2, Abs. 4 InvStG). Die Haftungsregelung des § 32 InvStG findet entsprechend Anwendung (§ 33 Abs. 2 Satz 5 InvStG), wodurch die Haftung nach § 50 Abs. 2 Satz 2 InvStG i.V.m. 44 Abs. 5 EStG um Anspruchsgrundlagen gegen den entrichtungspflichtigen Ziel-Spezial-Investmentfonds, den Dach-Spezial-Investmentfonds sowie den Anleger ergänzt wird.

1 A.A. Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 10, unter Verweis auf Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2720 f.), die allerdings die Rechtslage vor der Neufassung von § 33 Abs. 2 InvStG durch das StUmgBG darstellen. Nach der alten Rechtslage wäre bei Dach-(Spezial-)Investmentfonds als Anleger mangels materieller StPfl. vom Steuerabzug abzusehen gewesen. 2 Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 33 InvStG Rz. 67. 3 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Anm. 10; Mann in Brandis/Heuermann, § 33 InvStG Rz. 22. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.15. 5 Bindl/Stadler, BB 2017, 1943 (1945); Bujotzek/Bleschke in Pöllath/Rodin/Wewel, Private Equity und Venture Capital Fonds, 2018, § 25 Rz. 207; a.A. wohl Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 33 InvStG Rz. 96. 6 Wolny in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 33 InvStG Rz. 179.

850 | Böcker

C. Ausländische Quellensteuer, Verweis auf das EStG (Abs. 2) | Rz. 26 § 50

2. Veräußerungsgewinne (Abs. 1 Satz 2 Nr. 2) Der KapErtrSt unterliegen auch Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Spezial-In- 23 vestmentfonds. Als Veräußerung der Anteile gilt auch die Rückgabe, Abtretung, Entnahme oder verdeckte Einlage in eine KapGes. sowie eine beendete Abwicklung oder Liquidation des Spezial-Investmentfonds (§ 2 Abs. 13 InvStG). Diese Veräußerungsvorgänge sind nicht zwangsläufig mit einem Zahlungsfluss verbunden, auf den der Entrichtungspflichtige zugreifen kann (Rz. 32 f.). Die Ermittlung des Veräußerungsgewinns regelt § 49 Abs. 3 InvStG. Der Anleger-Aktien- 24 gewinn, der Anleger-Abkommensgewinn und der Anleger-Teilfreistellungsgewinn werden zwar bei der Besteuerung des Anlegers berücksichtigt. Sie wirken sich aber nicht auf die Bemessungsgrundlage der KapErtrSt aus, da in § 49 Abs. 1 und 2 InvStG nicht die Ermittlung des Veräußerungsgewinns geregelt wird.1 Für die Berechnung des Veräußerungsgewinns sind Steuerinformationen aus der Sphäre des Anlegers erforderlich (z.B. Teilwertabschreibungen und -zuschreibungen). Dies führt bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage durch die KVG zu praktischen Schwierigkeiten.2 Die FinVerw. beanstandet es daher nicht, wenn in entsprechender Anwendung des § 43 Abs. 2 Satz 3 EStG ein Steuerabzug unterbleibt. Voraussetzung ist, dass der Anleger eine unbeschränkt stpfl. Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse i.S.d. § 43 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 EStG ist oder er die Anteile im BV hält und die Anforderungen des § 43 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 EStG erfüllt werden (s. auch Rz. 37).3 Auf die Abgabe einer KapErtrSt-Anmeldung kann in diesen Fällen verzichtet werden.4 Eine Anmeldung hinsichtlich der Veräußerungsgewinne ist auch dann nicht erforderlich, wenn aufgrund eines Freistellungsauftrags oder einer NV-Bescheinigung vom Steuerabzug abgesehen wird.5

C. Ausländische Quellensteuer, Verweis auf das EStG (Abs. 2) I. Ausländische Quellensteuer (Abs. 2 Satz 1) Nach § 50 Abs. 2 Satz 1 InvStG hat der Entrichtungspflichtige ausländische Steuern nach § 47 25 InvStG zu berücksichtigen. Das heißt, dass sich grds. die KapErtrSt um die nach § 47 InvStG anrechenbaren ausländischen Steuern mindern kann. Allerdings können ausländische Steuern nur berücksichtigt werden, wenn sie auf Ertragsbestandteile entfallen, die dem Kapitalertragsteuerabzug unterliegen. Eine Berücksichtigung ist daher insoweit ausgeschlossen, wie nach § 50 Abs. 3 InvStG vom Steuereinbehalt abzusehen ist.6 Dies betrifft bspw. in den Spezial-Investmenterträgen enthaltene ausländische Dividenden bei betrieblichen Anlegern (Rz. 36). Die Anrechnungsmöglichkeit dürfte daher im Wesentlichen bei ausländischen Zinsen bestehen, die in den ausgeschütteten Erträgen enthalten sind.7 Die Berechnung der anrechenbaren ausländischen Steuer ist für den Entrichtungspflichtigen 26 kaum praktikabel, weil bspw. i.R.d. Höchstbetragsberechnung auch Betriebsausgaben auf An-

1 Niedrig in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 50 InvStG Rz. 16; krit. mit Hinweis auf Liquiditätsnachteile für den Anleger Laatsch in Moritz/Jesch/Mann2, § 50 InvStG Rz. 52. 2 Gloßner in Brandis/Heuermann, § 50 InvStG Rz. 26; Häuselmann, Investmentanteile, 2019, Kap. 8 Rz. 147. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 50.8. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 50.8. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 50.8. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 50.9. 7 Niedrig in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 50 InvStG Rz. 21 f.; Häuselmann, Investmentanteile, 2019, Kap. 8 Rz. 86. Böcker | 851

§ 50 Rz. 26 | Kapitalertragsteuer legerebene zu berücksichtigen sind.1 Gleichzeitig hat der Steuerabzug für betriebliche Anleger und für ausnahmsweise beteiligte Privatanleger keine abgeltende Wirkung (Rz. 13), sodass über die Anrechnung der ausländischen Steuer ohnehin im Veranlagungsverfahren des Anlegers entschieden wird.2 Die FinVerw. lässt es sachgerechter Weise gegen den Wortlaut des Gesetzes („hat zu berücksichtigen“) zu, wenn die ausländischen Steuern bei der Ermittlung der KapErtrSt nicht berücksichtigt werden. Die ausländischen Steuern sind dann in der auszustellenden Steuerbescheinigung gesondert in der Zeile „Summe der anrechenbaren noch nicht angerechneten ausländischen Steuer“ auszuweisen.3 Das ist systematisch richtig,4 sollte aber in Anbetracht der Rspr. des BFH zur Beachtung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung5 dringend auch gesetzlich geregelt werden.

II. Entsprechende Anwendung einkommensteuerlicher Normen (Abs. 2 Satz 2) 1. Vorbemerkung 27 Nach § 50 Abs. 2 Satz 2 InvStG sind die im EStG enthaltenen Vorschriften, die für den Kapi-

talertragsteuerabzug von Kapitalerträgen nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 und Satz 2 EStG gelten, entsprechend anzuwenden.6 Es handelt sich um eine Rechtsfolgenverweisung auf die Normen, die für den Kapitalertragsteuerabzug bei Zinsen gelten. Durch den Verweis wird § 50 InvStG um Regelungen zum Steuerabzugsverfahren und um persönliche Steuerbefreiungen ergänzt. Die Verfahrensvorschriften sowie die Steuerbefreiungen gelten für alle laufenden Erträge und Veräußerungsgewinne i.S.d. Abs. 1.7

2. Entsprechend anwendbare Regelungen zum Absehen vom Steuerabzug 28 Aufgrund der entsprechenden Anwendung des § 43 Abs. 2 Satz 2 EStG ist vom Einbehalt der

KapErtrSt abzusehen, wenn der Anleger ein inländisches Kreditinstitut i.S.d. § 1 Abs. 1 KWG, Finanzdienstleistungsinstitut i.S.d. § 1 Abs. 1a KWG oder eine KVG i.S.d. § 17 KAGB ist. Als inländische Institute gelten auch die inländischen Zweigstellen (§ 53 KWG) und Zweigniederlassungen (§ 53b KWG) von ausländischen Instituten (§ 43 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b Satz 2 EStG). Der RegE des JStG 2022 sieht eine Ergänzung des § 43 Abs. 2 Satz 2 EStG um Wertpapierinstitute vor.8 Keine KapErtrSt wäre auch in dem nicht praxisrelevanten Fall zu erheben, in dem ein Spezial-Investmentfonds an sich selbst beteiligt ist (§ 43 Abs. 2 Satz 1 EStG).9

29 Der Rechtsfolgenverweis führt weiterhin zur Abstandnahme vom Steuerabzug bei bestimmten

Anlegern, bei denen sich die Erträge steuerlich nicht auswirken.10 Dies betrifft stpfl. Anleger, die einen Freistellungsauftrag (§ 44a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG) oder eine NV-Bescheinigung (§ 44a Abs. 2 Satz Nr. 2 EStG) vorlegen. Entsprechend anwendbar sind außerdem die Befrei1 2 3 4 5 6 7

8 9 10

Niedrig in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 50 InvStG Rz. 22. Ronig in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 50 InvStG Rz. 58 f. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 50.10. S. auch Schneider-Deters in Moritz/Jesch/Mann2, § 8 InvStG Rz. 16. BFH v. 28.11.2016 – GrS 1/15, BStBl. II 2017, 393; v. 23.8.2017 – I R 52/14, BStBl. II 2018, 232; v. 23.8.2017 – X R 38/15, BStBl. II 2018, 236. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 50.11. Niedrig in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 50 InvStG Rz. 28; Laatsch in Moritz/Jesch/Mann2, § 50 InvStG Rz. 58. BR-Drucks. 457/22, 87. Niedrig in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 50 InvStG Rz. 25. Laatsch in Moritz/Jesch/Mann2, § 50 InvStG Rz. 72.

852 | Böcker

C. Ausländische Quellensteuer, Verweis auf das EStG (Abs. 2) | Rz. 31 § 50

ungen für inländische steuerbefreite Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, sofern die Anteile nicht einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zugeordnet sind (§ 44a Abs. 4 Nr. 1 EStG), sowie für inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts, die die Anteile nicht in einem Betrieb gewerblicher Art halten (§ 44a Abs. 2 Nr. 2). Ausgenommen sind auch Dauerüberzahler (z.B. Kranken- und Lebensversicherer, § 44a Abs. 5 EStG). Die Befreiungen sind abhängig von der Vorlage der entsprechenden Bescheinigung. 3. Entsprechend anwendbare Verfahrensregeln a) Einbehalt und Abführung aa) Vorbemerkung Verfahrensrechtlich sind insbes. die Vorschriften zum Einbehalt und zur Abführung der Ka- 30 pErtrSt sowie die Pflicht zur Anmeldung entsprechend anzuwenden. Die KapErtrSt entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Erträge dem Anleger zufließen (§ 44 Abs. 1 Satz 2 EStG). Der Zeitpunkt des Zuflusses ist für ausgeschüttete Erträge und Veräußerungsgewinne (Rz. 32) einerseits sowie für ausschüttungsgleiche Erträge (Rz. 33) andererseits unterschiedlich geregelt. Die in einem Monat entstandene KapErtrSt ist jeweils bis zum 10. des Folgemonats abzuführen (§ 44 Abs. 1 Satz 5 Halbs. 1 EStG) und anzumelden (§ 45a Abs. 1 EStG, Rz. 34).1 Abweichend von der eindeutigen gesetzlichen Regelung lässt die FinVerw. in Bezug auf ausschüttungsgleiche Erträge eine spätere Anmeldung und Abführung zu (Rz. 33). Die Regelungen zur Haftung für den Einbehalt und die Abführung der Steuer (44 Abs. 5 EStG) sind ebenfalls entsprechend anwendbar. Der Rechtsfolgenverweis dürfte sich auch auf die in § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG vorgesehene Ver- 31 pflichtung erstrecken, den Steuerabzug unter Beachtung der im BStBl. veröffentlichten Auslegungsvorschriften vorzunehmen. Grundsätzlich erzeugen Verwaltungsvorschriften gegenüber dem Entrichtungspflichtigen keine Bindungswirkung. Dieser erfüllt mit dem Steuerabzug eine staatliche Pflicht. Obwohl er vom Gesetzgeber2 und der FinVerw.3 als „Organ der Steuererhebung“ bezeichnet wird, ist der Entrichtungspflichtige weder materiell noch funktionell in den staatlichen Funktionsbereich eingebunden und daher nicht zur Beachtung von Verwaltungsvorschriften verpflichtet.4 Allerdings ergibt sich aus dem Vorliegen einer Verwaltungsvorschrift die Berechtigung des Entrichtungspflichtigen zum Steuerabzug, da hierfür ausreichend ist, dass die Rechtslage zweifelhaft ist. Die Berechtigung zum Steuerabzug kann jedoch dann nicht aus einer Verwaltungsvorschrift hergeleitet werden, wenn diese eindeutig rechtswidrig ist.5 Fraglich ist, inwieweit die ausdrückliche gesetzliche Anordnung der Bindungswirkung in § 43 Abs. 1 Satz 3 EStG im Ergebnis an diesen Grundsätzen etwas geändert hat.6 § 43 Abs. 1 Satz 3 EStG führt jedenfalls prinzipiell zu keiner Erweiterung der Haftung des Entrichtungspflichtigen, da diese an die materielle Steuerschuld des Anlegers geknüpft

1 Für Hinweise zur Anmeldung vgl. BMF v. 15.10.2019 – IV C 1 - S 1980 - 1/19/10070 :001 – DOK 2019/0878980, DStZ 2019, 898 Satz 4. 2 BT-Drucks. 18/4902, 44. 3 BMF v. 18.1.2016 – IV C 1 - S 2252/08/10004 :017 – DOK 2015/0468306, BStBl. I 2016, 85 Rz. 151a. 4 Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, 2012, 331 ff. und 353; Seiler in FS BFH, 2018, 1761 (1771 f.); a.A. Hoffmann, DStR 2016, 1848 (1849); Geurts in Frotscher/Geurts, § 44 EStG Rz. 17a ff. 5 BFH v. 12.12.2012 – I R 27/12, BStBl. II 2013, 682 Rz. 10; FG Köln v. 5.8.2015 – 3 K 1040/15, EFG 2016, 93 (rkr.); Hamacher/Dahm in Korn, § 45a EStG Rz. 3.6; Jachmann-Michel, BB 2019, 2779 (2788). 6 Grasshoff, Grundzüge des Steuerrechts, 15. Aufl. 2021, Kap. 1 Rz. 16: Verstoß gegen Gewaltenteilungsgrundsatz; Tappe, Privatisierung der Steuerverwaltung, in Schön/Sternberg, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts III, 2018, 78 (95 f.): verfassungskonforme Auslegung möglich. Böcker | 853

§ 50 Rz. 31 | Kapitalertragsteuer ist.1 Eine Verwaltungsvorschrift, die die Grenzen der Gesetzesauslegung überschreitet, stellt keine Auslegungsvorschrift i.S.d. § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG dar. Die gesetzliche Anordnung der Bindungswirkung tritt daher nicht ein. Es kommt folglich auch nicht zu einer Erweiterung der Berechtigung zum Steuerabzug. Der Anleger hat daher im Falle einer eindeutig rechtswidrigen Verwaltungsvorschrift weiterhin die Möglichkeit der Drittanfechtung.2 bb) Ausgeschüttete Erträge und Veräußerungsgewinne 32 Bei ausgeschütteten Erträgen und Veräußerungsgewinnen ist der tatsächliche Zufluss maß-

gebend. Veräußert ein Anleger seine Anteile vor Ablauf des Geschäftsjahres, wird der Zuflusszeitpunkt auf den Zeitpunkt der Veräußerung vorverlegt (§ 36 Abs. 4 Satz 3 InvStG, Rz. 33). Um den Kapitalertragsteuerabzug zu vereinfachen, werden die Zuflusszeitpunkte von ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen für den Fall, dass eine Teilausschüttung der ausschüttungsgleichen Erträge innerhalb von vier Monaten nach dem Ablauf des Geschäftsjahres erfolgt, vereinheitlicht: Die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge fließen dem Anleger in diesem Fall im Zeitpunkt der Ausschüttung zu (§ 36 Abs. 4 Satz 4 InvStG). Reicht die Ausschüttung bei einem der Anleger nicht aus, um die KapErtrSt vollständig einzubehalten, wird die Teilausschüttung allen Anlegern bereits mit Ablauf des Geschäftsjahres zugerechnet und die tatsächlich ausgeschütteten Erträge gelten für Zwecke des Steuerabzugs als ausschüttungsgleicher Ertrag (§ 36 Abs. 4 Satz 5 InvStG).3 Ist zum Geschäftsjahresende unklar, ob eine Teilausschüttung in ausreichender Höhe oder eine vollständige Ausschüttung erfolgen wird, muss der Fonds vorsorglich von einem Zufluss zum Ende des Geschäftsjahres ausgehen. Wird danach eine ausreichend hohe Teilausschüttung oder eine Vollausschüttung vorgenommen, erfordert dies die Korrektur der ursprünglichen Anmeldung und die Abgabe einer neuen Anmeldung im Zusammenhang mit der Ausschüttung.4 Alternativ kann von der Nichtbeanstandungsregelung Gebrauch gemacht werden, nach der die Anmeldung und Abführung der KapErtrSt nach Ablauf des Viermonatszeitraums erfolgen kann (s. Rz. 33). Wird ein Veräußerungsgewinn ohne Liquiditätszufluss realisiert (vgl. Rz. 23), kann – sofern die Voraussetzungen vorliegen (s. Rz. 24) – vom Kapitalertragsteuerabzug abgesehen werden. Wenn der Steuerabzug nicht unterbleiben kann, muss der notwendige Betrag vom Anleger angefordert werden und ggf. eine Anzeige an die FinVerw. erfolgen (s. dazu Rz. 33). cc) Ausschüttungsgleiche Erträge

33 Die ausschüttungsgleichen Erträge fließen dem Anleger mit Ablauf des Geschäftsjahres zu, in

dem sie von dem Spezial-Investmentfonds vereinnahmt wurden (§ 36 Abs. 4 Satz 2 InvStG).5 Werden die ausschüttungsgleichen Erträge innerhalb von vier Monaten teilweise ausgeschüttet, erfolgt der Zufluss ggf. im Zeitpunkt der Ausschüttung (Rz. 32). Erfolgt innerhalb des Viermonatszeitraums eine vollständige Ausschüttung, liegen begrifflich keine ausschüttungsgleichen Erträge mehr vor (§ 36 Abs. 1 Satz 1 InvStG. Um Korrekturen aufgrund von nachfolgenden Ausschüttungen (vgl. Rz. 32) zu vermeiden, beanstandet es die FinVerw. nicht, wenn die KapErtrSt auf die ausschüttungsgleichen Erträge erst bis zum 10. des fünften Mo1 Tappe, Privatisierung der Steuerverwaltung, in Schön/Sternberg, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts III, 2018, 78 (85 f.). 2 Jachmann-Michel, BB 2019, 2779 (2788); Laatsch in Moritz/Jesch/Mann2, § 50 InvStG Rz. 74; offengelassen: BFH v. 20.11.2018 – VIII R 45/15, BStBl. II 2019, 306 Rz. 11; FG Münster v. 27.11.2019 – 13 K 2902/19, EFG 2020, 284 Rz. 39 (rkr.). 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.50; Ebner, RdF 2019, 314 (319). 4 Vgl. entsprechend BT-Drucks. 19/13436, 180; Niedrig in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 50 InvStG Rz. 38; zur Vereinfachungsregelung der FinVerw. vor der gesetzlichen Neuregelung s. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 50.4. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 50.3.

854 | Böcker

C. Ausländische Quellensteuer, Verweis auf das EStG (Abs. 2) | Rz. 33 § 50

nats nach Geschäftsjahresende angemeldet und abgeführt wird. Die Nichtbeanstandungsregelung kann für alle Geschäftsjahre angewendet werden, die nach dem 30.9.2022 enden.1 Die Zurechnung der ausschüttungsgleichen Erträge ist mit keiner Zahlung verbunden. Damit ausreichend Geldmittel für den Steuerabzug zur Verfügung stehen, wird durch § 36 Abs. 4 Satz 3 InvStG der Zufluss der ausschüttungsgleichen Erträge auf den Veräußerungszeitpunkt vorverlegt. Die KapErtrSt soll grds. vom Veräußerungserlös einbehalten werden.2 Der Einbehalt vom Veräußerungserlös ist allerdings dann nicht möglich, wenn die Veräußerung nicht durch eine Anteilsrückgabe oder Liquidation erfolgt, sondern im Wege einer Anteilsübertragung auf einen neuen Anleger.3 An einem Zufluss fehlt es auch im Fall der fiktiven Veräußerung nach § 52 Abs. 2 InvStG.4 Besteht kein Zugriff auf ausreichende Geldmittel des Anlegers, ergibt sich aus dem Rechtsfolgenverweis des § 50 Abs. 2 Satz 2 InvStG die entsprechende Anwendung von § 44 Abs. 1 Sätze 7 bis 11 EStG.5 Der Spezial-Investmentfonds muss den fehlenden Geldbetrag beim Anleger anfordern. Stellt dieser den Betrag nicht zur Verfügung, entfällt die Entrichtungspflicht des Spezial-Investmentfonds. An ihre Stelle tritt die Anzeigepflicht gegenüber der FinVerw. (§ 44 Abs. 1 Satz 10 EStG).6 Die Durchsetzung des Steueranspruchs obliegt dann dem Fiskus (§ 44 Abs. 1 Satz 11 EStG).7 Während der Haltedauer kann die KapErtrSt grds. von den Ausschüttungen einbehalten werden (vgl. dazu Rz. 32). Die Möglichkeit besteht jedoch nicht, wenn die Erträge vollständig thesauriert werden, oder nur für einen Teil des Steuerbetrags, wenn die Ausschüttungen zu gering sind. Der Spezial-Investmentfonds ist nicht verpflichtet, Ausschüttungen vorzunehmen, um den Steuerabzug zu ermöglichen. Überwiegend wird wohl davon ausgegangen, dass in diesem Fall die KapErtrSt aus dem Fondsvermögen zu entnehmen ist.8 Als Entrichtungspflichtiger ist der Spezial-Investmentfonds aber nur verpflichtet, die Steuer für Rechnung des Anlegers einzubehalten und abzuführen. Die Entrichtungspflicht ist auf die Weiterleitung einbehaltenen Vermögens des Steuerschuldners (hier: des einzelnen Anlegers) gerichtet.9 Dem Entrichtungspflichtigen wird keine Zahlung aus dem eigenem Vermögen abverlangt.10 Fraglich ist daher, ob es für den Zugriff auf das Fondsvermögen eine gesetzliche Grundlage gibt oder ob nicht eher von einem Fehlschlag des Steuereinbehalts auszugehen ist, der zur entsprechenden Anwendung von § 44 Abs. 1 Sätze 7 bis 11 EStG führt.11 Wenn der Steuerbetrag dennoch aus dem Fondsvermögen entnommen wird, werden hierdurch alle Anleger wirtschaftlich gleichmäßig belastet, während sich die Höhe des Kapitalertragsteuerabzugs aufgrund von Befreiungen und besitzanteiliger Zurechnung der Erträge von Anleger zu Anleger individuell unterscheiden kann (s. auch Rz. 17 zu unterschiedlichen Teilfreistellungsätzen).12 Der Einbehalt der Steuer muss daher so ausgestal1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 50.3. 2 BT-Drucks. 19/13436, 180. 3 Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 50 InvStG Anm. 5; Häuselmann, Investmentanteile, 2019, Kap. 8 Rz. 147; Hahne/Michaelis, RdF 2019, 196 (202); Lange/Schönbach, RdF 2020, 35 (41). 4 Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 52 InvStG Rz. 46. 5 Lange/Schönbach, RdF 2020, 35 (41), gehen ebenfalls davon aus, dass § 50 Abs. 2 Satz 2 InvStG auch auf § 44 Abs. 1 Sätze 7 bis 9 EStG verweist; iErg. auch Hammer in Brandis/Heuermann, § 52 InvStG Rz. 110; Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 52 InvStG Rz. 46; a.A. wohl Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 50 InvStG Anm. 5. 6 Tappe, Privatisierung der Steuerverwaltung, in Schön/Sternberg, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts III, 2018, 78 (89); Laatsch in Moritz/Jesch/Mann2, § 50 InvStG Rz. 48 und 70. Laatsch gibt zu bedenken, dass der Wortlaut eigentlich nur Kapitalerträge in Form von Sachleistungen erfasse. 7 BT-Drucks. 19/13436, 209; Laatsch in Moritz/Jesch/Mann2, § 50 InvStG Rz. 48. 8 Lange/Schönbach, RdF 2020, 35 (38); Laatsch in Moritz/Jesch/Mann2, § 50 InvStG Rz. 69. 9 BFH v. 24.3.1998 – I R 120/97, NJW 199, 382 (383); Laatsch in Moritz/Jesch/Mann2, § 50 InvStG Rz. 2. 10 Seer in Tipke/Lang24, § 6 Rz. 7. 11 Lange/Schönbach (RdF 2020, 35 [39]) weisen zu Recht darauf hin, dass der Spezial-Investmentfonds nur Entrichtungspflichtiger ist, sehen aber wohl trotzdem eine Zahlung aus dem Fondsvermögen als geboten an. 12 Lange/Schönbach, RdF 2020, 35 (38), mit Beispiel. Böcker | 855

§ 50 Rz. 33 | Kapitalertragsteuer tet werden, dass ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen zwischen den Anlegern vermieden werden. In der Praxis wird deshalb häufig bei Entstehung der Erträge die KapErtrSt als Verbindlichkeit oder passiver Ausgleichsposten i.R.d. Ertragsverwendung gebucht.1 Anleger, für die kein oder ein geringerer Steuerabzug vorgenommen wird, erhalten den Betrag als Steuerausgleich ausgezahlt. Dieses Vorgehen hat den Nachteil, dass es zu einem erhöhten Liquiditätsabfluss aus dem Fonds führt. Die investment- und steuerrechtliche Behandlung der Ausgleichsbeträge dürfte außerdem bislang weitgehend ungeklärt sein.2 Lange/Schönbach bevorzugen aus diesen Gründen ein alternatives Vorgehen. Der aus dem Fondsvermögen entrichtete Steuerbetrag soll durch die Bilanzierung eines Ausgleichsanspruchs neutralisiert werden. Dieser bestehe gegenüber dem Anleger, für den die Steuer abgeführt wurde.3 Zu Problemen könnte dieser Ansatz insbes. dann führen, wenn der Anleger die abgeführte Steuer nicht erstattet. Da der Spezial-Investmentfonds in Vorleistung tritt, ist er auf einen durchsetzbaren Erstattungsanspruch gegenüber dem Anleger angewiesen. Die von Lange/Schönbach angeführte Regelung in § 44 Abs. 1 Satz 7 EStG scheidet jedenfalls als Anspruchsgrundlage aus. § 44 Abs. 1 Satz 7 EStG begründet nur eine Pflicht des Steuerschuldners, Geldmittel zur Verfügung zu stellen. Die Vorschrift räumt dem Entrichtungspflichtigen aber keinen durchsetzbaren Anspruch auf Zahlung ein.4 Die in § 44 Abs. 1 Satz 11 EStG vorgesehene Nachforderung durch die FinVerw. betrifft nur den eigenen Steueranspruch des Fiskus, aber keine Erstattungen an den Entrichtungspflichtigen. Möglicherweise besteht jedoch ein zivilrechtlicher Erstattungsanspruch.5 Unabhängig von dem gewählten Ansatz zur Vermeidung von Vermögensverschiebungen dürfte es empfehlenswert sein, das Vorgehen durch eine vertragliche Abrede mit den Anlegern abzusichern.6 b) Anmeldung 34 Bis zum 10. des Monats ist die im Vormonat entstandene KapErtrSt (Rz. 30) anzumelden (§ 44

Abs. 1 Satz 5 Halbs. 1 EStG i.V.m. § 45a Abs. 1 EStG). Die FinVerw. gestattet allerdings, dass die KapErtrSt auf ausschüttungsgleiche Erträge bis zum 10. des fünften Monats angemeldet wird (s. Rz. 33). Die Anmeldung steht einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 Satz 1 AO).7 Die Regelungen zur Korrektur der KapErtrSt-Anmeldung (§ 44b Abs. 5 EStG) sind ebenfalls entsprechend anwendbar. Bei mehreren Geschäftsvorfällen innerhalb eines Anmeldezeitraums ist nur eine konsolidierte Anmeldung einzureichen.8 Eine Anmeldung muss auch abgegeben werden, wenn bei dem Anleger der Steuerabzug nicht (z.B. Bemessungsgrundlage beträgt null, Abstandnahme nach § 44a EStG) oder nicht in voller Höhe vorzunehmen ist (§ 45a Abs. 1 Satz 2 EStG).9 Wenn ein Steuerabzug in Bezug auf Gewinne aus der Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen unterbleibt, kann nach Auffassung der FinVerw. allerdings in bestimmten Fällen auf eine Anmeldung verzichtet werden (s. Rz. 24).

1 Vgl. ausführlich mit Beispielen zum passiven Ausgleichsposten Lange/Schönbach, RdF 2020, 35 (39 f.). 2 Lange/Schönbach, RdF 2020, 35 (40 f.). 3 Lange/Schönbach, RdF 2020, 35 (41). 4 Hamacher/Dahm in Korn, § 44 EStG Rz. 18. 5 Z.B. § 812 BGB, vgl. Laatsch in Moritz/Jesch/Mann2, § 50 InvStG Rz. 48. 6 S. auch Laatsch in Moritz/Jesch/Mann2, § 50 InvStG Rz. 69. 7 Bleschick in Kirchhof/Seer21, § 45a EStG Rz. 2. 8 BMF v. 15.10.2019 – IV C 1 - S 1980 - 1/19/10070 :001 – DOK 2019/0878980, DStZ 2019, 898 Satz 4. 9 Bleschick in Kirchhof/Seer21, § 45a EStG Rz. 2.

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D. Abstandnahme vom Steuerabzug (Abs. 3) | Rz. 37 § 50

c) Bescheinigung Der Spezial-Investmentfonds ist auf Verlangen des Anlegers zur Ausstellung einer Steuer- 35 bescheinigung verpflichtet (§ 45a Abs. 2 ff. EStG). Ausländische Spezial-Investmentfonds, die freiwillig KapErtrSt abführen, sind zur Ausstellung einer Steuerbescheinigung berechtigt.1 In der Steuerbescheinigung sollen die steuerabzugspflichtigen Erträge als „Kapitalerträge aus inländischen Spezial-Investmentfonds i.S.d. § 50 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder 2 InvStG 2018“ ausgewiesen werden.2 Wird auf Veräußerungsgewinne nach § 50 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InvStG KapErtrSt einbehalten, müssen in der Steuerbescheinigung die Anzahl der veräußerten Anteile und der Handelstag angegeben werden. Wird eine zusammengefasste Meldung für einen Zeitraum erteilt, in dem mehrere Tranchen veräußert wurden, haben diese Angaben separat für die einzelnen Veräußerungen zu erfolgen.3 Da bei beschränkt stpfl. Anlegern nur die inländischen Immobilienerträge nach § 33 Abs. 3 InvStG und die sonstigen inländischen Einkünfte nach § 33 Abs. 4 InvStG der StPfl. unterliegen, darf ihnen eine Steuerbescheinigung nur in Bezug auf diese Erträge ausgestellt werden.4

D. Abstandnahme vom Steuerabzug (Abs. 3) § 50 Abs. 3 InvStG sieht für bestimmte Erträge (s. dazu unten Rz. 37) eine Abstandnahme 36 vom Steuerabzug vor. Ziel ist eine Gleichstellung mit den entsprechenden Ausnahmen vom Kapitalertragsteuereinbehalt im Fall der Direktanlage.5 Für eine Befreiung müssen sowohl die sachlichen als auch die persönlichen Voraussetzungen vorliegen. Die Befreiung umfasst Erträge i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 8 bis 12 EStG. Hierzu gehören insbes. ausländische Dividenden, Gewinne aus der Veräußerung von Aktien und Anteilen an Investmentfonds, Termingeschäfte sowie Stillhalterprämien. Die Abstandnahme vom Steuerabzug gilt für unbeschränkt stpfl. Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen (§ 43 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 EStG). Keine Anwendung findet die Steuerbefreiung auf Kreditinstitute u.Ä. sowie steuerbefreite Körperschaften (§ 43 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 Halbs. 2 EStG). Diese Anleger sind bereits nach § 50 Abs. 2 Satz 2 InvStG vom Steuerabzug befreit (Rz. 29). Da sich die persönliche Steuerbefreiung nach § 50 Abs. 2 Satz 2 InvStG nicht auf bestimmte Erträge beschränkt, ist sie auch für Dauerüberzahler vorrangig.6 Die Befreiung vom Steuerabzug nach § 50 Abs. 3 InvStG gilt weiterhin für Anleger, die nach amtlich vorgeschriebenem Muster erklären, dass die Erträge Betriebseinnahmen eines inländischen Betriebs sind (§ 43 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 EStG). Dem Wortlaut nach regelt § 50 Abs. 3 InvStG die Abstandnahme vom Steuerabzug nur für 37 ausgeschüttete Erträge. Der Sinn und Zweck der Regelung erfordert eine Anwendung auch auf ausschüttungsgleiche Erträge sowie auf Gewinne des Anlegers aus Anteilsveräußerungen (s. auch Rz. 24).7 Die FinVerw. beanstandet es daher nicht, wenn die Regelung zur Abstandnahme vom Steuerabzug auf diese Erträge analog angewendet wird.8 Sie gestattet die Abstandnahme vom Steuerabzug auch, wenn in einer doppelstöckigen Struktur die Ausschüttungen, ausschüttungsgleichen Erträge oder Veräußerungsgewinne von Dach-Spezial-Investmentfonds vereinnahmt werden, für den anschließenden Zufluss dieser Erträge an die entsprechen1 2 3 4 5 6 7 8

BMF v. 23.5.2022 – IV C 1 - S 2401/19/10001 - 006 – DOK 2022/0538617, BStBl. I 2022, 860 Rz. 53. BMF v. 23.5.2022 – IV C 1 - S 2401/19/10001 - 006 – DOK 2022/0538617, BStBl. I 2022, 860 Rz. 53. BMF v. 23.5.2022 – IV C 1 - S 2401/19/10001 - 006 – DOK 2022/0538617, BStBl. I 2022, 860 Rz. 53. BMF v. 23.5.2022 – IV C 1 - S 2401/19/10001 - 006 – DOK 2022/0538617, BStBl. I 2022, 860 Rz. 53. Ronig in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 50 InvStG Rz. 93. Niedrig in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 50 InvStG Rz. 32. Bindl/Mager, BB 2016, 2711 (2720). BMF v. 15.12.2017 – IV C 1 - S 2401/08/10001 - 018 – DOK 2017/1044120, BStBl. I 2018, 13 Rz. 53; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 50.8 u. 50.12. Böcker | 857

§ 50 Rz. 37 | Kapitalertragsteuer den Anleger.1 Das ist systematisch richtig,2 die gesetzliche Regelung sollte aber in Anbetracht der Rspr. des BFH zur Beachtung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung3 dringend angepasst werden.4 38 Die nach § 50 Abs. 3 InvStG vom Steuerabzug ausgenommenen Erträge sind in der Steuer-

bescheinigung gesondert auszuweisen. Auf Verlangen des StPfl. ist auch dann eine Steuerbescheinigung mit gesondertem Ausweis der freigestellten Erträge zu erstellen, wenn insgesamt keine KapErtrSt einbehalten wurde.5 Für Gewinne aus der Veräußerung von SpezialInvestmentanteilen gewährt die FinVerw. Erleichterungen (s. Rz. 24).

§ 51 Feststellung der Besteuerungsgrundlagen (1) Die Besteuerungsgrundlagen nach den §§ 29 bis 49, die nicht ausgeglichenen negativen Erträge nach § 41 und die positiven Erträge, die nicht zu einer Ausschüttung verwendet wurden, sind gegenüber dem Spezial-Investmentfonds und dem Anleger gesondert und einheitlich festzustellen. (2) 1Eine Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen ist der zuständigen Finanzbehörde innerhalb von vier Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres eines Spezial-Investmentfonds nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben. 2Wird innerhalb von vier Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres ein Beschluss über eine Ausschüttung gefasst, so ist die Erklärung innerhalb von vier Monaten nach dem Tag des Beschlusses abzugeben. (3) Die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung hat abzugeben: 1. bei einem inländischen Spezial-Investmentfonds die Kapitalverwaltungsgesellschaft, die inländische Betriebsstätte oder Zweigniederlassung der ausländischen Verwaltungsgesellschaft oder die inländische Verwahrstelle oder 2. bei einem ausländischen Spezial-Investmentfonds die inländische oder ausländische Verwaltungsgesellschaft oder der inländische Anleger. (4) Der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung sind folgende Unterlagen beizufügen: 1. der Jahresbericht oder der Jahresabschluss und der Lagebericht jeweils für das abgelaufene Geschäftsjahr, 2. im Falle einer Ausschüttung ein verbindlicher Beschluss der Verwaltungsgesellschaft über die Verwendung der Erträge, 3. der Verkaufsprospekt, sofern ein Verkaufsprospekt erstellt wurde, 4. das Anteilsregister,

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 50.12. 2 S. auch Schneider-Deters in Moritz/Jesch/Mann2, § 8 InvStG Rz. 16. 3 BFH v. 28.11.2016 – GrS 1/15, BStBl. II 2017, 393; v. 23.8.2017 – I R 52/14, BStBl. II 2018, 232; v. 23.8.2017 – X R 38/15, BStBl. II 2018, 236. 4 Ronig in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 50 InvStG Rz. 99; Laatsch in Moritz/Jesch/Mann2, § 50 InvStG Rz. 83 und 85. 5 BMF v. 23.5.2022 – IV C 1 - S 2401/19/10001 - 006 – DOK 2022/0538617, BStBl. I 2022, 860 Rz. 53.

858 | Böcker und Korff

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 2 § 51

5. die Überleitungsrechnung, aus der hervorgeht, wie die Besteuerungsgrundlagen aus der handels- oder investmentrechtlichen Rechnungslegung ermittelt wurden, 6. die Summen- und Saldenlisten, aus denen sich die Zusammensetzung der Einnahmen und Werbungskosten des Spezial-Investmentfonds ergibt, und 7. die Unterlagen zur Aufteilung der Einkünfte auf die einzelnen Anleger. (5) 1Die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung steht einer gesonderten und einheitlichen Feststellung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 der Abgabenordnung gleich. 2Eine berichtigte Feststellungserklärung gilt als Antrag auf Änderung. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . 1 II. Anwendungsbereich 1. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . 3 2. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . 5 3. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . 6 III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2. Verhältnis zu Vorschriften der AO . . . 9 B. Gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Abs. 1) I. Art der Feststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 II. Umfang der Feststellung . . . . . . . . . . . . . . 14 C. Abgabe der Feststellungserklärung – Wo, wann und wie? (Abs. 2) I. Abgabe der Feststellungserklärung beim zuständigen Finanzamt (Abs. 2 Satz 1) . . 17

II. ... innerhalb von vier Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres eines Spezial-Investmentfonds (Abs. 2 Satz 1) . . . . . . . . . III. ... nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck (Abs. 2 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Alternativer Abgabezeitpunkt bei Ausschüttungsbeschluss innerhalb von vier Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres (Abs. 2 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Abgabe der Feststellungserklärung – Wer? (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Beizufügende Unterlagen (Abs. 4) . . . . . F. Wirkung der Feststellungserklärung (Abs. 5) I. Verfahrensrechtliche Wirkung der Feststellungserklärung (Abs. 5 Satz 1) . . . . . . II. Verfahrensrechtliche Wirkung einer berichtigten Feststellungserklärung (Abs. 5 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19 21

23 24 26

29 32

Literatur: Behrens, Transparenz- und Immobilien-Transparenzoption nach dem InvStG 2018, RdF 2017, 297; Haug, Spezial-Investmentfonds – BFH entscheidet über performance fee und Feststellung der Besteuerungsgrundlagen bei „Ein-Anleger-Fonds“, Anm. zu BFH v. 30.1.2018 – VIII R 20/14, FR 2018, 589; Zantopp, Neues zum gesonderten und einheitlichen Feststellungsverfahren in Fondsstrukturen, FR 2019, 1085.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck § 51 InvStG betrifft die verfahrensrechtliche Komponente der Besteuerung von Spezial-In- 1 vestmentfonds i.S.v. § 26 InvStG und deren Anleger. Ziel ist, jene Besteuerungsgrundlagen gesondert und einheitlich festzustellen, die für die laufende Ertragsbesteuerung von Bedeutung sind. Daneben sind auch diejenigen Besteuerungsgrundlagen festzustellen, die für die Besteuerung von Realisationsvorgängen (Rückgabe, Veräußerung, Entnahme oder verdeckte Einlage von Spezial-Investmentfondsanteilen) relevant sind. Während § 51 Abs. 1 InvStG die Feststellungsgegenstände bestimmt, regelt § 51 Abs. 2 2 InvStG insbes. die Frist für die Abgabe der Feststellungserklärung. § 51 Abs. 3 und 4 InvStG enthalten mit der näheren Bestimmung des Erklärungspflichtigen sowie einer Auflistung beKorff | 859

§ 51 Rz. 2 | Feststellung der Besteuerungsgrundlagen stimmter Unterlagen, die der Feststellungserklärung beizufügen sind, weitere Verfahrensregelungen für die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen. Abschließend bestimmt § 51 Abs. 5 InvStG die verfahrensrechtliche Wirkung der Feststellungserklärung.

II. Anwendungsbereich 1. Persönlicher Anwendungsbereich 3 § 51 InvStG gilt für Spezial-Investmentfonds i.S.v. § 26 InvStG. Es wird nicht danach differen-

ziert, welchem Recht ein Spezial-Investmentfonds unterliegt. Folglich sind die Besteuerungsgrundlagen sowohl bei inländischen als auch grds. ausländischen Spezial-Investmentfonds festzustellen. Auch kommt es nicht darauf an, wie viele Anleger der Spezial-Investmentfonds hat. Darüber hinaus findet § 51 InvStG auf Altersvorsorgevermögenfonds i.S.v. § 53 InvStG Anwendung (§ 53 Abs. 3 Satz 1 InvStG).1 Auf Investmentfonds i.S.v. § 1 Abs. 2 InvStG ist § 51 InvStG hingegen nicht anzuwenden. Ein Investmentfonds ist allenfalls dann von § 51 InvStG betroffen, sofern er Anleger eines Spezial-Investmentfonds ist.2

4 Bei ausländischen Spezial-Investmentfonds setzt das Erfordernis zur Feststellung der Be-

steuerungsgrundlagen voraus, dass die Feststellung für Zwecke der inländischen Besteuerung relevant ist. Eine entsprechende Relevanz liegt entweder im Falle der Beteiligung inländischer Anleger i.S.v. § 2 Abs. 10 InvStG oder, sofern keine inländischen Anleger beteiligt sind, bei Erzielung inländischer Einkünfte i.S.v. § 6 Abs. 2 InvStG, d.h. inländischer Beteiligungseinnahmen, inländischer Immobilienerträge oder sonstiger inländischer Einkünfte vor (s. näher Rz. 11).3 2. Sachlicher Anwendungsbereich

5 Gesondert und einheitlich festzustellen sind nach § 51 Abs. 1 InvStG die Besteuerungsgrund-

lagen nach den §§ 29 bis 49 InvStG, die nicht ausgeglichenen negativen Erträge nach § 41 InvStG und die positiven Erträge, die nicht zur Ausschüttung verwendet wurden. Der Umfang der Feststellung ist insoweit durch § 51 Abs. 1 InvStG abgegrenzt. Zielsetzung ist im Ergebnis, (in erster Linie)4 die für die laufende Anlegerbesteuerung erforderlichen Werte festzustellen (s. näher Rz. 12).5 3. Zeitlicher Anwendungsbereich

6 § 51 InvStG ist gem. § 56 Abs. 1 Satz 1 InvStG ab dem 1.1.2018 anzuwenden. Die im Nach-

gang zum InvStRefG6 im Rahmen des „JStG 2018“7 eingefügte Regelung des § 51 Abs. 5 Satz 2 InvStG ist nach § 56 Abs. 1 Satz 5 InvStG ab dem 11.8.2018 zu berücksichtigen.

1 2 3 4 5 6 7

S. hierzu auch Korff in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 53 InvStG Rz. 31 ff. Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 51 InvStG Rz. 10. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 51.3. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 51.7. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 51.1. Investmentsteuerreformgesetz v. 19.7.2016, BGBl. I 2016, 1730. Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 11.12.2018, BGBl. I 2018, 2338.

860 | Korff

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 9 § 51

III. Rechtsentwicklung § 51 InvStG wurde im Zuge der Neufassung des Investmentsteuerrechts durch das InvStRefG 7 eingeführt. Vorläuferregelungen des InvStG i.d.F. des AIFM-StAnpG v. 18.12.20131 (nachfolgend InvStG a.F.) waren die §§ 13 und 15 Abs. 1 InvStG a.F. Im Rahmen des „JStG 2018“ v. 11.12.20182 wurde § 51 InvStG einer erstmaligen Anpassung unterzogen, indem § 51 Abs. 5 InvStG ein neuer Satz 2 angefügt wurde (s. näher Rz. 32). Zum Entwurf des JStG 20223 hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme v. 2.11.20224 vorgeschlagen, § 51 Abs. 5 InvStG um einen neuen Satz 3 zu ergänzen, wonach die schriftliche Zustimmung der FinBeh. zu einer nach Satz 2 als Antrag auf Änderung geltenden berichtigten Feststellungserklärung dem Erlass eines Änderungsbescheids unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Dadurch solle bei berichtigten Feststellungserklärungen der Erlass von Änderungsbescheiden künftig entfallen, wenn die FinBeh. dem Änderungsantrag vollständig entspricht, und die schriftliche Zustimmung der FinBeh. zum Änderungsantrag – in Anlehnung an die Regelung des § 168 Satz 2 und 3 AO – ausreichen. Die Bundesregierung hat diesen Vorschlag abgelehnt, weil er zahlreiche verfahrensrechtliche Fragen aufwerfe, will ihn aber mit den obersten FinBeh. der Länder auf Fachebene erörtern.5

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG § 51 InvStG nimmt unmittelbar auf die Regelungen zur Besteuerung von Spezial-Investment- 8 fonds und deren Anlegern gem. §§ 29 bis 49 InvStG Bezug. Soweit die Anwendung dieser Regelungen für Besteuerungszwecke erforderliche Besteuerungsgrundlagen hervorbringt, sind diese zur Absicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung gem. § 51 InvStG gesondert und einheitlich festzustellen. Eine Bezugnahme auf die Vorschrift zur KapErtrSt (§ 50 InvStG) enthält § 51 InvStG indes nicht, da diese auf der Anlegerebene nur gegen Vorlage einer Steuerbescheinigung angerechnet werden kann und die Feststellung insoweit unbeachtlich ist (s. Rz. 14). Über den Verweis des § 53 Abs. 3 Satz 1 InvStG ist § 51 InvStG auch im Hinblick auf Altersvorsorgevermögenfonds i.S.v. § 53 InvStG anzuwenden (s. Rz. 3). 2. Verhältnis zu Vorschriften der AO Die Verfahrensregelungen für die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen sind in § 51 9 InvStG grds. abschließend geregelt und enthalten keine Verweise auf die allgemeinen Vorschriften für die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. §§ 179 ff. AO. Bei § 51 InvStG handelt es sich mithin um eine gesetzliche Bestimmung i.S.d. § 179 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 AO.6 Die allgemeinen Regelungen gem. §§ 179 ff. AO können ergänzend Anwendung finden, soweit diesen Vorschriften nicht eine in § 51 InvStG enthaltene Regelung oder der Sinn und Zweck des Feststellungsverfahrens nach § 51 InvStG entgegenstehen.7

1 2 3 4 5 6 7

BGBl. I 2013, 4318. BGBl. I 2018, 2338. BT-Drucks. 20/3879. BT-Drucks. 20/4229, 38. Vgl. BT-Drucks. 20/4229, 59. Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 51 InvStG Anm. 1 (Stand: August 2021). Ähnlich auch Schmidt in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 51 Rz. 20. Korff | 861

§ 51 Rz. 10 | Feststellung der Besteuerungsgrundlagen

B. Gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Abs. 1) I. Art der Feststellung 10 Bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung gem. § 51 InvStG handelt es sich um ein

gesetzlich angeordnetes Feststellungsverfahren i.S.v. § 179 Abs. 2 Satz 2 AO.1 Selbst bei Beteiligung nur eines inländischen Anlegers hat die gesonderte Feststellung einheitlich zu erfolgen, da die Besteuerungsgrundlagen nach dem Wortlaut von § 51 Abs. 1 InvStG gegenüber dem Spezial-Investmentfonds und dem Anleger und damit jedenfalls gegenüber zwei Beteiligten festzustellen sind. Dies wird in den Gesetzesmaterialien sowie im BMF-Anwendungsschreiben entsprechend bestätigt.2 Gesetzgeber und FinVerw. folgen damit der Rspr. des BFH zu § 15 Abs. 1 InvStG a.F., wonach die gesonderte Feststellung auch bei Beteiligung nur eines Anlegers wie eine einheitliche Feststellung gegenüber dem Anleger und dem Spezial-Investmentfonds wirkt.3 Bei Dachfonds-Zielfonds-Konstellationen sind dementsprechend sowohl auf Ebene des Ziel- als auch des Dach-Spezial-Investmentfonds jeweils gesonderte und einheitliche Feststellungsverfahren durchzuführen, da sowohl der Zielfonds (mit dem Zielfonds selbst sowie dem Dachfonds als Anleger) als auch der Dachfonds (mit dem Dachfonds selbst sowie dessen Anleger) jeweils über mindestens zwei Feststellungsbeteiligte verfügen. Bei ausländischen Spezial-Investmentfonds setzt die gesonderte und einheitliche Feststellung eine steuerliche Relevanz voraus (s. Rz. 4). Im Ergebnis ist insoweit abschließend geregelt, in welchen Fällen die gesonderte und einheitliche Feststellung durchzuführen ist; eine sinngemäße Anwendung der Ausnahmetatbestände gem. § 180 Abs. 3 AO kommt nicht in Betracht.

11 Die erforderliche steuerliche Relevanz liegt bei ausländischen Spezial-Investmentfonds mit

ausschließlich ausländischen Anlegern nach Auffassung der FinVerw. vor, wenn der SpezialInvestmentfonds inländische Einkünfte i.S.v. § 6 Abs. 2 InvStG erzielt.4 Nach einer früheren Entwurfsfassung des BMF-Anwendungsschreibens sollte eine Feststellung hingegen nur bei Erzielung inländischer Immobilienerträge oder inländischer Einkünfte, die bei Vereinnahmung keinem Steuerabzug unterliegen, erforderlich sein.5 Hintergrund dieses Ansatzes war, dass inländische Immobilienerträge sowie sonstige inländische Einkünfte, die bei Vereinnahmung keinem Steuerabzug unterliegen, nach den Regelungen gem. § 33 Abs. 3 und 4 InvStG als vom ausländischen Anteilseigner unmittelbar bezogen gelten. Dementsprechend sind solche Einkünfte allein schon für Zwecke der Abgrenzung des beschränkt stpfl. Personenkreises gegenüber den entsprechenden Anlegern gesondert und einheitlich festzustellen (neben der Feststellung von Art und Höhe der Einkünfte). Ob dabei im Hinblick auf diese Einkünfte die Transparenzoption gem. § 33 Abs. 1 oder 4 InvStG ausgeübt wird, ist richtigerweise unbeachtlich, da der Kapitalertragsteuerabzug gem. § 33 Abs. 3 und 4 InvStG keine abgeltende Wirkung hat und daher eine Veranlagung durchzuführen ist. Bei Erzielung von inländischen Beteiligungseinnahmen oder bei Vereinnahmung einem Steuerabzug unterliegender sonstiger inländischer Einkünfte sollte kein Feststellungserfordernis bestehen. Dies hatte offenkundig den Hintergrund, dass bei Ausübung der Transparenzoption gem. § 30 Abs. 1 oder 5 InvStG die Anleger des Spezial-Investmentfonds als Gläubiger dieser Einkünfte und als Schuldner der i.d.R. abgeltend wirkenden KapErtrSt gelten, während bei Nichtausübung der Transparenzoption der ausländische Spezial-Investmentfonds beschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist

1 S. hierzu auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 51.4; BT-Drucks. 18/8045, 122. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 51.5; BT-Drucks. 18/8045, 122. 3 BFH v. 30.1.2018 – VIII R 20/14, BStBl. II 2018, 487; s. hierzu auch Haug, FR 2018, 589. 4 S. hierzu auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 51.3. 5 Entwurf des BMF v. 15.6.2018 – IV C 1 - S 1980 – 1/16/10010:001, Rz. 51.3.

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B. Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Abs. 1) | Rz. 13 § 51

und die Steuer wiederum grds. im Wege des Abzugs mit abgeltender Wirkung erhoben wird.1 So gesehen konnte mit Blick auf diese beiden Einkünftekategorien durchaus von einem fehlenden Feststellungserfordernis ausgegangen werden, da auch keine inländische Steuererklärungspflicht der ausländischen Anleger besteht. Mit dem von der FinVerw. bei Vorliegen inländischer Einkünfte i.S.v. § 6 Abs. 2 InvStG nunmehr vertretenen undifferenzierten Feststellungserfordernis wird auf die Feststellung der Einkünftezurechnung abgezielt, also die Frage, ob die inländischen Einkünfte dem Fonds oder den Anlegern zuzurechnen sind. Dies entspricht der Intention des Gesetzgebers.2 Auch wenn die Feststellung gem. § 51 Abs. 1 InvStG gegenüber dem Spezial-Investmentfonds 12 und dem/den Anleger(n) einheitlich erfolgt, darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Feststellung für den Spezial-Investmentfonds allenfalls eine nur eingeschränkte Bedeutung3 hat. Sofern ein Spezial-Investmentfonds von sämtlichen Optionsmöglichkeiten gem. §§ 30 und 33 InvStG Gebrauch macht und demzufolge selbst keiner Besteuerung mit KSt unterliegt, stellt sich schon gar nicht die Frage nach einer Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, die für die Besteuerung auf Fondsebene maßgeblich sein könnten. Wird von den Optionsmöglichkeiten gem. §§ 30 und 33 InvStG hingegen kein Gebrauch gemacht, ist der Spezial-Investmentfonds selbst originär körperschaftsteuerpflichtig. In diesem Fall richtet sich die Ermittlung der vom Spezial-Investmentfonds zu versteuernden Einkünfte nach § 29 InvStG i.V.m. § 6 Abs. 7 InvStG, während für Zwecke der Anlegerbesteuerung eine zusätzliche Einkünfteermittlung nach den §§ 37 ff. InvStG zu erfolgen hat.4 Aus der verwaltungsseitigen Umsetzung des § 51 InvStG in Form von Vordrucken für die Feststellungserklärung (s. Rz. 21 f.) wird deutlich, dass im Wesentlichen nur auf die Feststellung der für die Anlegerbesteuerung maßgeblichen Werte abgezielt wird. Insbesondere sind die für eine etwaige Besteuerung eines Spezial-Investmentfonds mit KSt relevanten Werte sowie deren Ermittlung nach Maßgabe von § 29 InvStG i.V.m. § 6 Abs. 7 InvStG nicht Teil der Feststellung. Dies entspricht der Verortung des Feststellungsverfahrens gem. § 51 InvStG in dem für die Anlegerbesteuerung geltenden Abschnitt des InvStG (§§ 34 bis 51 InvStG). Für einen Spezial-Investmentfonds ist lediglich anzugeben, ob etwa die Optionen gem. §§ 30 und 33 InvStG ausgeübt wurden und eine Körperschaftsteuererklärung für den Spezial-Investmentfonds abzugeben ist. Dies wiederum entspricht dem Ziel der Feststellung der persönlichen Einkünftezurechnung. Dass § 51 Abs. 1 InvStG hinsichtlich des Feststellungsgegenstands u.a. auf die Besteuerungsgrundlagen nach den §§ 29 bis 49 InvStG abstellt und damit auch Regelungen des für die Fondsbesteuerung geltenden Abschnitts des InvStG einschließt, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn dadurch wird für den Fall der Nichtausübung der Optionen gem. §§ 30 und 33 InvStG lediglich sichergestellt, dass jene für die Anlegerbesteuerung maßgeblichen Besteuerungsgrundlagen, die aus einer persönlichen StPfl. eines Spezial-Investmentfonds resultieren (etwa die Anwendung von § 42 Abs. 4 und 5 InvStG), ebenfalls festgestellt werden.5 Angesichts der Einordnung der Feststellung gem. § 51 InvStG als Verfahren i.S.v. § 179 Abs. 2 13 Satz 2 AO und unter Berücksichtigung der entsprechenden Geltung der (nicht entgegenstehenden) allgemeinen Verfahrensgrundsätze (Rz. 9) stellt der Bescheid über die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gem. § 51 Abs. 1 InvStG einen Grundlagenbescheid i.S.v. § 182 i.V.m. § 171 Abs. 10 AO dar. Der Feststellungsbescheid entfaltet daher gem. § 182 Abs. 1 Satz 1 AO insoweit Bindungswirkung, als die im Feststellungsbescheid getroffenen Feststellungen für den Erlass von Folgebescheiden von Bedeutung sind. Dies betrifft insbes. die Folge- bzw. Steuerbescheide, die gegenüber dem oder den Anleger(n) zu erlassen sind, während die Be1 2 3 4 5

S. hierzu näher Behrens, RdF 2017, 297 (299). BT-Drucks. 18/8045, 121; s. hierzu auch Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 51 InvStG Rz. 9. Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 51 InvStG Rz. 12 und 17. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 29.2 sowie 37.4. Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 51 InvStG Rz. 17. Korff | 863

§ 51 Rz. 13 | Feststellung der Besteuerungsgrundlagen deutung der Feststellung gem. § 51 InvStG für einen Steuerbescheid gegenüber einem SpezialInvestmentfonds vor dem Hintergrund der Zielsetzung des § 51 InvStG (s. Rz. 12) nur sehr gering ist. Auch wenn die FinVerw. – anders als noch in einer früheren Entwurfsfassung des Investmentsteuererlasses1 – nur noch von einer Bindungswirkung für den oder die Anleger spricht,2 besteht gem. § 182 Abs. 1 Satz 1 AO ungeachtet der inhaltlich sehr eingeschränkten Bedeutung grds. auch für die Folgebescheide gegenüber einem Spezial-Investmentfonds Bindungswirkung. Entsprechend zur erforderlichen Durchführung eines zweistufigen Feststellungsverfahrens in Dachfonds-Zielfonds-Sachverhalten wirkt der für den Zielfonds ergangene Feststellungsbescheid als Grundlagenbescheid für die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen des Dachfonds. Der auf dieser Ebene ergehende Folgebescheid stellt dann den Grundlagenbescheid für Zwecke der Anlegerbesteuerung dar.3

II. Umfang der Feststellung 14 Die gesondert und einheitlich festzustellenden Besteuerungsgrundlagen werden in § 51 Abs. 1

InvStG aufgezählt. Hierbei handelt es sich um: – die Besteuerungsgrundlagen nach den §§ 29 bis 49 InvStG, – die nicht ausgeglichenen negativen Erträge nach § 41 InvStG und – die positiven Erträge, die nicht zur Ausschüttung verwendet wurden. Der in § 51 Abs. 1 InvStG enthaltene Generalverweis auf die für die Besteuerung eines Spezial-Investmentfonds (§§ 29 bis 33 InvStG) sowie für die Anlegerbesteuerung (§§ 34 bis 49 InvStG) geltenden Vorschriften umfasst nicht die Regelung zur KapErtrSt gem. § 50 InvStG. Die Höhe der nach dieser Vorschrift einbehaltenen KapErtrSt ist nicht gesondert und einheitlich festzustellen, da es für deren Anrechnung auf der Anlegerebene stets einer Steuerbescheinigung bedarf.4

15 Die FinVerw. präzisiert den Feststellungsgegenstand dahingehend, dass in erster Linie die Be-

steuerungsgrundlagen festzustellen sind, die für die laufende Ertragsbesteuerung der Anleger eines Spezial-Investmentfonds erforderlich sind.5 Dies dürften insbes. die folgenden Besteuerungsgrundlagen sein: – die inländischen Beteiligungseinnahmen und sonstigen inländischen Einkünfte i.S.d. § 30 InvStG, die bei Vereinnahmung einem Steuerabzug unterliegen und bezüglich derer die Transparenzoption ausgeübt wurde, – die Zurechnungsbeträge i.S.d. § 35 Abs. 3 InvStG, – die Absetzungsbeträge i.S.d. § 35 Abs. 4 InvStG, – die Substanzbeträge i.S.d. § 35 Abs. 5 InvStG, – die ausgeschütteten Erträge i.S.d. § 35 Abs. 1 InvStG, – die ausschüttungsgleichen Erträge i.S.d. § 36 Abs. 1 InvStG, – die in den ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen enthaltenen inländischen Immobilienerträge und sonstigen inländischen Einkünfte i.S.d. § 33 InvStG, die bei Vereinnahmung keinem Steuerabzug unterliegen,

1 Entwurf des BMF v. 15.6.2018 – IV C 1 - S 1980 – 1/16/10010:001, Rz. 51.5; s. auch BT-Drucks. 18/ 8045, 122. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 51.5. 3 S. auch Schmidt in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 51 Rz. 23. 4 S. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 51.10. 5 S. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 51.7.

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C. Abgabe der Feststellungserklärung – Wo, wann und wie? (Abs. 2) | Rz. 18 § 51

– die Bestandteile der ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge, auf die die Regelungen zur Steuerbefreiung nach den §§ 42 und 43 InvStG anzuwenden sind, – die in den ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen enthaltenen Zinserträge i.S.d. § 46 Abs. 2 und 3 InvStG und – die Bestandteile der ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge und die Steuerbeträge, auf die die Regelungen zur Anrechnung und zum Abzug von ausländischer Steuer nach § 47 InvStG anzuwenden sind. Die Besteuerungsgrundlagen, die bei der Rückgabe, Veräußerung, Entnahme oder verdeckten Einlage von Spezial-Investmentanteilen in eine KapGes. sowie einer beendeten Abwicklung oder Liquidation eines Spezial-Investmentfonds und der Bewertung von Spezial-Investmentfondsanteilen erforderlich sind, sollen bei Bedarf und – nach der im Vergleich zu einer früheren Entwurfsfassung des Investmentsteuererlasses1 nunmehr geänderten Verwaltungsauffassung – zum jeweiligen Bilanzstichtag der Anleger ermittelt und festgestellt werden.2 Dies sind: – der Fonds-Aktiengewinn i.S.d. § 48 Abs. 3 und 4 InvStG, – der Fonds-Abkommensgewinn i.S.d. § 48 Abs. 5 InvStG und – der Fonds-Teilfreistellungsgewinn i.S.d. § 48 Abs. 6 InvStG. Die in § 51 Abs. 1 InvStG explizit genannten nicht ausgeglichenen negativen Erträge nach 16 § 41 InvStG sowie die positiven Erträge, die nicht zur Ausschüttung verwendet wurden (thesaurierte Kapitalerträge i.S.d. § 36 Abs. 2 InvStG), sind zum Ende des jeweiligen Geschäftsjahres festzustellen.3 Dabei sind diese Werte für Zwecke einer späteren Verlustverrechnung bzw. Verwendung in Vortragstöpfen zusammenzufassen, wobei in einem bestimmten Vortragstopf nur Erträge gleicher Art zusammengefasst werden dürfen. Nach § 41 Abs. 1 Satz 2 InvStG bestimmt sich die Gleichartigkeit nach der steuerlichen Wirkung beim Anleger. Die diesbezügliche verwaltungsseitige Umsetzung der gesonderten und einheitlichen Feststellung in Form von Erklärungsvordrucken (Anlage FI-EK) sieht für diese Zwecke insgesamt 20 unterschiedliche Ertragskategorien vor (s. auch Rz. 21).

C. Abgabe der Feststellungserklärung – Wo, wann und wie? (Abs. 2) I. Abgabe der Feststellungserklärung beim zuständigen Finanzamt (Abs. 2 Satz 1) § 51 Abs. 2 Satz 1 InvStG sieht vor, dass die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Fest- 17 stellung der Besteuerungsgrundlagen bei der zuständigen FinBeh. abzugeben ist. Näheres zur örtlichen Zuständigkeit enthält § 51 InvStG nicht, was angesichts der Regelung des § 4 InvStG auch nicht erforderlich ist. Denn § 4 InvStG regelt die örtliche Zuständigkeit der FinBeh. für die Besteuerung von Investmentfonds und betrifft somit auch Spezial-Investmentfonds (s. § 4 InvStG Rz. 2). Bei inländischen Spezial-Investmentfonds bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit gem. § 4 18 Abs. 1 InvStG nach dem Ort der Geschäftsleitung des gesetzlichen Vertreters nach § 3 InvStG, also unter Berücksichtigung von § 3 Abs. 2 InvStG nach dem Ort der Geschäftsleitung (1) der KVG oder (2) der inländischen Betriebsstätte oder Zweigniederlassung einer ausländischen Verwaltungsgesellschaft oder (3), sofern die ausländische Verwaltungsgesellschaft nicht über eine inländische Betriebsstätte oder Zweigniederlassung verfügt, der inländischen Verwahr1 Entwurf des BMF v. 15.6.2018 – IV C 1 - S 1980 – 1/16/10010:001, Rz. 51.8. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 51.8. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 51.9. Korff | 865

§ 51 Rz. 18 | Feststellung der Besteuerungsgrundlagen stelle. Bei ausländischen Spezial-Investmentfonds ist nach § 4 Abs. 2 InvStG wie folgt zu differenzieren: Erzielt der Spezial-Investmentfonds stpfl. Einkünfte i.S.v. § 6 Abs. 2 InvStG, die keinem Steuerabzug unterliegen, richtet sich die örtliche FA-Zuständigkeit nach der Belegenheit des Inlandsvermögens (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 InvStG). Erstreckt sich das inländische Vermögen über mehrere Finanzamtsbezirke, ist das FA örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich der wertvollste Teil des Vermögens befindet (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 InvStG). Sofern der Spezial-Investmentfonds nicht über inländisches Vermögen verfügt, liegt die Zuständigkeit beim BZSt (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 InvStG).

II. ... innerhalb von vier Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres eines Spezial-Investmentfonds (Abs. 2 Satz 1) 19 Die Feststellungserklärung ist grds. (d.h. vorbehaltlich § 51 Abs. 2 Satz 2 InvStG, s. Rz. 23)

innerhalb von vier Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres des Spezial-Investmentfonds abzugeben. Zusammen mit der Feststellungserklärung sind auch die nach § 51 Abs. 4 InvStG beizufügenden Unterlagen innerhalb dieses Zeitraums abzugeben. Die Pflicht zur Abgabe von Feststellungserklärungen gilt nach Maßgabe der Verwaltungsauffassung gleichermaßen im Hinblick auf endende Rumpfgeschäftsjahre.1 Zudem besteht die Pflicht zur Erklärungsabgabe auch während der Abwicklung bzw. Liquidation eines Spezial-Investmentfonds fort. Sofern die Abwicklung oder Liquidation nicht zum Geschäftsjahresende abgeschlossen wird, entsteht ein Rumpfgeschäftsjahr, für das ebenfalls eine (letztmalige) Feststellungserklärung abzugeben ist.2

20 Die Fristberechnung erfolgt nach § 108 Abs. 1 AO i.V.m. § 187 Abs. 1 und § 188 Abs. 2 Alt. 1

BGB.3 Im Grundfall der viermonatigen Frist nach Geschäftsjahresende ist der Ablauf des Geschäftsjahres des Spezial-Investmentfonds das für die Fristberechnung auslösende Ereignis. Unter den Voraussetzungen gem. § 109 Abs. 1 AO kann die Frist allerdings auch verlängert werden.4 Bei nicht fristgerechter oder unterbliebener Abgabe der Feststellungserklärung kann die zuständige FinBeh. nach § 152 AO einen Verspätungszuschlag gegen denjenigen festsetzen, der zur Abgabe der Erklärung verpflichtet ist (s. Rz. 24 f.).5 Bei ausbleibender Abgabe der Feststellungserklärung oder ausbleibender Abgabe der nach § 51 Abs. 4 InvStG beizufügenden Unterlagen können die FinBeh. Zwangsmittel i.S.v. §§ 328 ff. AO anwenden.6

III. ... nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck (Abs. 2 Satz 1) 21 Die für die Feststellungserklärung amtlich vorgeschriebenen Vordrucke sind online z.B. im

Formular-Management-System (FMS) der Bundesfinanzverwaltung verfügbar.7 Insgesamt sind dies elf Formulare mit Stand Oktober 2018. Neben dem Mantelbogen (Bezeichnung „InvSt 1“) und der Anlage zwecks Erfassung der feststellungsbeteiligten Anleger (Bezeichnung „Anlage FB-InvSt“) sind dies je eine fonds- und eine anlegerbezogene Anlage zur Feststellung von Ausschüttungen (Bezeichnung „Anlage FI-Ausschüttung“ und „Anlage FB-InvSt-Ausschüttung“), von Thesaurierungen (Bezeichnung „Anlage FI-Thesaurierung“ und „Anlage 1 2 3 4 5 6 7

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 51.12. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 51.13. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 51.17. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 51.18. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 51.22. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 51.23. Abrufbar unter www.formulare-bfinv.de => Formularcenter => Unternehmen => Investmentsteuer => ab 2018 – Feststellung § 51 InvStG.

866 | Korff

C. Abgabe der Feststellungserklärung – Wo, wann und wie? (Abs. 2) | Rz. 23 § 51

FB-InvSt-Thesaurierung“) und der Gliederung und Aufteilung der Einkünfte nach den §§ 37 bis 41 InvStG und der nicht ausgeglichenen negativen Erträge (Bezeichnung „Anlage FI-EK“ und „Anlage FB-InvSt-EK“). Fondsbezogene Formulare sind dabei durch das Kürzel „FI“ gekennzeichnet; die anlegerbezogenen Formulare tragen das Kürzel „FB-InvSt“. Dazu kommen noch eine fonds- und anlegerbezogene Anlage zur Feststellung der stfrei thesaurierbaren Kapitalerträge (Bezeichnung „FI-STK/FB-InvSt-STK“), eine fonds- und anlegerbezogene Anlage zur Feststellung sonstiger Besteuerungsgrundlagen, wie z.B. Zinserträge i.S.d. § 46 InvStG oder Zurechnungsbeträge i.S.d. § 35 Abs. 3 InvStG (Bezeichnung „FI SoBest/FB-InvSt-SoBest“), sowie eine Anlage zur Feststellung von auf der Anlegerebene erzielten Gewinnen aus der Veräußerung von Spezial-Investmentfondsanteilen (Bezeichnung „FB-InvSt VG“). Da es sich bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung nach § 51 InvStG nicht um eine 22 Feststellung nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO handelt, kommt die Übermittlung der Erklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung nach der Regelung des § 181 Abs. 2a AO nicht in Betracht.1 Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass die FinVerw. eine grundlegende Überarbeitung der Vordrucke mit Stand Oktober 2018 (s. Rz. 21) angestoßen hat, damit die Feststellungserklärungen künftig elektronisch abgegeben und verarbeitet werden können.2 Diese Initiative mündete in der Veröffentlichung neuer Vordrucke mit Stand März 2022.3 Nach der ursprünglichen Planung soll voraussichtlich ab Ende des Jahres 2022 die Möglichkeit einer elektronischen Abgabe der Feststellungserklärung eröffnet sein, wobei zugleich auch eine Übergangsfrist geschaffen werden soll, im Rahmen derer die Vordrucke mit Stand Oktober 2018 weiterhin in Papierform akzeptiert werden.4 Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der neuen Vordrucke wurde hingegen keine konkrete zeitliche Vorstellung präsentiert, sondern darauf verwiesen, dass der Anwendungszeitpunkt der Vordrucke mit Stand März 2022 in einem gesonderten BMF-Schreiben festgelegt wird.5 Bei den Vordrucken mit Stand März 2022 handelt es sich im Einzelnen um einen Mantelbogen (InvSt 1) sowie die Anlagen zu den Feststellungsbeteiligten (Anlage FB), zur Ausschüttung, Thesaurierung und Veräußerung (Anlage ATV) und zu den nach der Wirkung beim Anleger gegliederten Einkünften (Anlage WAGE). Eine „Formelsammlung zur Feststellungserklärung § 51 InvStG“ mit Formeln, die zum Ausfüllen der Anlagen ATV und WAGE benötigt werden, sowie eine zehnseitige Anleitung ergänzen die Vordrucke mit Stand März 2022.

IV. Alternativer Abgabezeitpunkt bei Ausschüttungsbeschluss innerhalb von vier Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres (Abs. 2 Satz 2) Wird innerhalb von vier Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres des Spezial-Investment- 23 fonds ein Beschluss über eine Ausschüttung gefasst, ist die gesonderte und einheitliche Feststellungserklärung gem. § 51 Abs. 2 Satz 2 InvStG abweichend von der Grundregel des § 51 Abs. 2 Satz 1 InvStG innerhalb von vier Monaten nach dem Tag des Beschlusses abzugeben. Für die Fristberechnung und -verletzung gelten die allgemeinen Grundsätze (s. Rz. 20) entsprechend. Hinsichtlich der Fristberechnung gilt in diesem Fall, dass der Beschluss über die Ausschüttung das auslösende Ereignis ist.6 Unter Berücksichtigung der regulären viermonatigen Frist gem. § 51 Abs. 2 Satz 1 InvStG kann die Frist für die Abgabe der Feststellungserklärung damit auf bis zu acht Monate ausgeweitet werden. Wird davon Gebrauch gemacht, ist es 1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 51.14. 2 S. hierzu BMF v. 15.12.2021 – IV C 1 - S 1980 – 1/19/10071:008 – DOK 2021/1289903, sowie BMF v. 16.2.2022 – IV C 1 - S 1980 – 1/19/10071:009 – DOK 2022/0138995. 3 BMF v. 4.4.2022 – IV C 1 - S 1980 – 1/19/10071:009 – DOK 2022/0348743. 4 BMF v. 16.2.2022 – IV C 1 - S 1980 – 1/19/10071:009 – DOK 2022/0138995. 5 BMF v. 4.4.2022 – IV C 1 - S 1980 – 1/19/10071:009 – DOK 2022/0348743. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 51.17. Korff | 867

§ 51 Rz. 23 | Feststellung der Besteuerungsgrundlagen entscheidend, dass die Ausschüttung auch tatsächlich erfolgt. Andernfalls greift die Regelung des § 36 Abs. 6 InvStG, wonach die Erträge des abgelaufenen Geschäftsjahres bei ausbleibender Ausschüttung innerhalb von vier Monaten nach Geschäftsjahresende als thesauriert gelten mit der Folge, dass die dann ggf. nicht mehr einzuhaltende reguläre Viermonatsfrist gem. § 51 Abs. 2 Satz 1 InvStG maßgeblich ist.1

D. Abgabe der Feststellungserklärung – Wer? (Abs. 3) 24 Bei inländischen Spezial-Investmentfonds ist nach § 51 Abs. 3 Nr. 1 InvStG der gesetzliche

Vertreter zur Abgabe der Feststellungserklärung verpflichtet. § 51 Abs. 3 Nr. 1 InvStG wiederholt insoweit den Wortlaut des § 3 Abs. 2 InvStG und benennt als Erklärungspflichtige die KVG, die inländische Betriebsstätte oder Zweigniederlassung der ausländischen Verwaltungsgesellschaft oder die inländische Verwahrstelle. Bei ausländischen Spezial-Investmentfonds verpflichtet § 51 Abs. 3 Nr. 2 InvStG die inländische oder ausländische Verwaltungsgesellschaft oder den inländischen Anleger zur Feststellungserklärungsabgabe. Aus Sicht der FinVerw. ist in erster Linie die ausländische Verwaltungsgesellschaft zur Erklärungsabgabe verpflichtet, wobei die Erfüllung der Erklärungspflicht durch die ausländische Verwaltungsgesellschaft in Anlehnung an § 181 Abs. 2 Satz 3 AO befreiende Wirkung im Hinblick auf die Erklärungspflicht eines inländischen Anlegers entfaltet.2 Die befreiende Wirkung gem. § 181 Abs. 2 Satz 3 AO sollte für die übrigen Erklärungspflichtigen im Rahmen von § 51 Abs. 3 Nr. 2 InvStG bei Abgabe der Feststellungserklärung durch einen Anleger grds. ebenso gelten wie im Falle der Erklärungsabgabe durch einen nach § 51 Abs. 3 Nr. 1 InvStG Erklärungspflichtigen. Trotz befreiender Wirkung der Erklärungsabgabe lassen sich im Falle der Steuererklärung durch einen einzelnen Anleger im Rahmen von § 51 Abs. 3 Nr. 2 InvStG Mehrfachabgaben ggf. aber nicht vermeiden, wenn etwa die Beteiligung weiterer inländischer Anleger nicht bekannt ist. Zudem dürfte eine Erklärungsabgabe ggf. nicht befreiend wirken, wenn dem inländischen Anleger nur die ihn betreffenden Besteuerungsgrundlagen bekannt sind und die abgegebene Feststellungserklärung im Hinblick auf alle Feststellungsbeteiligten folglich nicht vollständig ist.

25 Dass aus Sicht der FinVerw. in den Fällen des § 51 Abs. 3 Nr. 2 InvStG „in erster Linie“ die

ausländische Verwaltungsgesellschaft erklärungspflichtig sein soll, ist dem Gesetzeswortlaut jedenfalls nicht klar zu entnehmen. Die FinVerw. dürfte sich insofern an der Rspr. zur Feststellungserklärungspflicht im Zusammenhang mit Personengesellschaftsbeteiligungen orientieren, wo nach § 181 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 4 AO die (unbeschränkt oder beschränkt) stpfl. Gesellschafter sowie der Geschäftsführer bzw. gesetzliche Vertreter als Feststellungsbeteiligte erklärungspflichtig sind. Denn nach der hierzu ergangenen Rspr. übt die FinVerw. ihr Ermessen, an welche Person sie sich bei mehreren potentiellen Erklärungspflichtigen wendet, fehlerfrei aus, wenn sie den gesetzlichen Vertreter der Personengesellschaft zur Abgabe der Feststellungserklärung auffordert.3 Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass einem Kommanditisten gesellschaftsrechtlich weder ein umfassendes Informationsrecht noch eine Einsichtnahme in die Bücher der Gesellschaft zustehen und dieser daher typischerweise nicht imstande ist, eine Feststellungserklärung anzufertigen. Weil sich ein inländischer Anleger eines ausländischen Spezial-Investmentfonds grds. in einer vergleichbaren Situation befindet, ist es folglich nachvollziehbar, dass die ausländische Verwaltungsgesellschaft „in erster Linie“ erklärungspflichtig sein soll. Mit diesem Ansatz bleiben Gesetzgeber und FinVerw. allerdings hinter Forderungen nach einer eindeutigen Erklärungsverpflichtung allein des gesetzlichen Vertreters des Spezial-

1 S. hierzu auch Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 51 InvStG Rz. 30 ff. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 51.21. 3 BFH v. 23.8.1994 – VII R 143/92, BStBl. II 1995, 194; v. 6.11.2012 – VIII R 19/09, BFH/NV 2013, 502.

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E. Beizufügende Unterlagen (Abs. 4) | Rz. 26 § 51

Investmentfonds1 zurück. Hier mag man allerdings zugestehen, dass in rein ausländischen Konstellationen (ausländischer Spezial-Investmentfonds mit ausländischer Verwaltungsgesellschaft) rechtliche Argumente gegen eine alleinige Erklärungspflicht des gesetzlichen Vertreters bestehen, die im Ergebnis auch die Durchsetzbarkeit der Erklärungspflicht beeinträchtigen können.2 Dementsprechend mag es zwar Beweggründe für die Einbeziehung der Anleger in die Erklärungspflicht gem. § 51 Abs. 3 Nr. 2 InvStG geben. Anders als die hier zu Vergleichszwecken betrachtete ausländische Personengesellschaft kann ein ausländischer SpezialInvestmentfonds allerdings der inländischen beschränkten StPfl. unterliegen. Auch wenn die gesonderte und einheitliche Feststellung gem. § 51 InvStG für den Spezial-Investmentfonds nur eingeschränkte Bedeutung hat, zielt sie jedenfalls auf die Feststellung der Einkünftezurechnung ab (Rz. 11 f.), was unter Abwägung der mangels vorliegender Informationen ggf. bestehenden Unmöglichkeit des inländischen Anlegers, eine Feststellungserklärung anzufertigen, für eine alleinige Erklärungspflicht des gesetzlichen Vertreters eines ausländischen Spezial-Investmentfonds sprechen kann. In der Anwendungspraxis wird es angesichts der bestehenden Gesetzesreglung indes erforderlich sein, dass sich deutsche Anleger im Zusammenhang mit dem Erwerb ausländischer Spezial-Investmentfondsanteile durch entsprechende side letter-Vereinbarungen – ähnlich wie im Zusammenhang mit Beteiligungen an ausländischen PersGes. – dahingehend absichern, dass entweder die ausländische Verwaltungsgesellschaft ihrer Erklärungspflicht gem. § 51 InvStG fristgerecht und vollumfänglich nachkommt (ggf. mit der Unterstützung inländischer Rechtsberatung) oder der Spezial-Investmentfonds dazu verpflichtet wird, dem inländischen Anleger jegliche zur fristgerechten und vollumfänglichen Erfüllung der (persönlichen) Erklärungspflicht benötigten Informationen und Unterlagen (Rz. 26 f.) zur Verfügung zu stellen.3 Die erforderliche (klare) Abstimmung mit dem ausländischen Spezial-Investmentfonds ist auch vor dem Hintergrund ratsam, dass sich die FinVerw. vorbehält, ggf. gegen alle inländischen Anleger Verspätungszuschläge (Rz. 20) festzusetzen.4

E. Beizufügende Unterlagen (Abs. 4) § 51 Abs. 4 InvStG führt abschließend die der Feststellungserklärung zwingend beizufügenden 26 Unterlagen auf. Im Einzelnen sind dies: – der Jahresbericht oder der Jahresabschluss und der Lagebericht jeweils für das abgelaufene Geschäftsjahr, – im Falle einer Ausschüttung ein verbindlicher Beschluss der Verwaltungsgesellschaft über die Verwendung der Erträge, – der Verkaufsprospekt, sofern ein Verkaufsprospekt erstellt wurde, – das Anteilsregister, – die Überleitungsrechnung, aus der hervorgeht, wie die Besteuerungsgrundlagen aus der handels- oder investmentrechtlichen Rechnungslegung ermittelt wurden, – die Summen- und Saldenlisten, aus denen sich die Zusammensetzung der Einnahmen und Werbungskosten des Spezial-Investmentfonds ergibt, und – die Unterlagen zur Aufteilung der Einkünfte auf die einzelnen Anleger.

1 Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 51 InvStG Anm. 15 (Stand: August 2021). 2 S. zur ähnlichen Konstellation bei Beteiligungen an ausländischen PersGes. Zantopp, FR 2019, 1085 (1094). 3 So auch Schmidt in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 51 Rz. 51. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 51.22. Korff | 869

§ 51 Rz. 26 | Feststellung der Besteuerungsgrundlagen Darüber hinaus ist es ratsam, zusätzlich zu den vorgenannten Unterlagen eine detaillierte Aufstellung der Allgemeinkosten nach § 40 InvStG sowie ggf. die investmentsteuerrechtliche Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen mit einzureichen.1 27 Dem Investmentsteuererlass sind vereinzelte Konkretisierungen zu entnehmen. So ist der Fest-

stellungserklärung anstelle eines Jahresberichts ein Abwicklungs-, Liquidations- oder Auflösungsbericht beizufügen, sofern ein solcher im Fall der Abwicklung, Liquidation oder Auflösung eines Spezial-Investmentfonds erstellt wird.2 Wird anstatt eines Verkaufsprospekts ein Informations-Dokument nach § 307 Abs. 1 Satz 2 KAGB oder ein entsprechendes Dokument erstellt, ist dieses bei Aufforderung des FA mit beizufügen.3 Im Hinblick auf das beizufügende Anteilsregister präzisiert die FinVerw., dass aus diesem sowohl die unmittelbar als auch die über eine Personengesellschaft mittelbar beteiligten Anleger sowie auch deren Besitzzeit und die Entwicklung der jeweils gehaltenen Anteile hervorgehen müssen.4 Sachgerecht wird zudem darauf hingewiesen, dass eine Überleitungsrechnung entbehrlich ist, wenn die Besteuerungsgrundlagen nicht aus der handels- oder investmentrechtlichen Rechnungslegung ermittelt wurden. Stattdessen ist dann eine anlegerindividuelle investmentsteuerrechtliche Berechnung der Besteuerungsgrundlagen abzugeben.5 Der nach § 51 Abs. 4 InvStG mit einzureichende Beschluss der Verwaltungsgesellschaft über die Verwendung der Erträge ist sowohl im Falle von Zwischen- als auch Schlussausschüttungen beizufügen.6 Während eine frühere Entwurfsfassung des Investmentsteuererlasses noch vorsah, dass der Beschluss Angaben zur Zusammensetzung der Ausschüttung sowie zu den noch nicht ausgeschütteten Erträgen enthalten solle,7 weist die FinVerw. hierauf nicht mehr explizit hin.

28 Wie bereits dargestellt (Rz. 20), behalten sich die FinBeh. vor, bei ausbleibender Abgabe der

nach § 51 Abs. 4 InvStG beizufügenden Unterlagen Zwangsmittel i.S.v. § 328 ff. AO anzuwenden. Auch wenn die mögliche Festsetzung von Verspätungszuschlägen ausweislich der Ausführungen im Investmentsteuererlass nicht anlässlich einer nicht fristgerechten Abgabe der Unterlagen gem. § 51 Abs. 4 InvStG, sondern nur bei nicht fristgerechter oder unterbliebener Abgabe der Feststellungserklärung erfolgen kann, ist in der Praxis selbstredend auch auf eine fristgerechte Abgabe sämtlicher nach § 51 Abs. 4 InvStG beizufügender Unterlagen zu achten.

F. Wirkung der Feststellungserklärung (Abs. 5) I. Verfahrensrechtliche Wirkung der Feststellungserklärung (Abs. 5 Satz 1) 29 Nach § 51 Abs. 5 Satz 1 InvStG steht die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung

der Besteuerungsgrundlagen einer gesonderten und einheitlichen Feststellung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 AO gleich. Dementsprechend sind die Besteuerungsgrundlagen mit Eingang der Feststellungserklärung beim zuständigen FA gesondert und einheitlich festgestellt. § 51 Abs. 5 Satz 1 InvStG entspricht in seiner Wirkungsweise damit § 168 Satz 1 AO. Anders formuliert wird das Modell der Steueranmeldung auf das Feststellungsverfahren gem. § 51 InvStG übertragen.8 Die Erklärungspflichtigen haben dabei die in der Feststellungserklärung enthaltenen Besteuerungsgrundlagen gem. § 150 Abs. 1 Satz 3 AO selbst zu berechnen.9 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Haug in Moritz/Jesch/Mann2, § 51 InvStG Rz. 44. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 51.25. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 51.26. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 51.26. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 51.26. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 51.27. BMF v. 15.6.2018 – IV C 1 - S 1980 – 1/16/10010:001, Rz. 51.28. Schmidt in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 51 Rz. 65. Kröger in Brandis/Heuermann, § 51 InvStG Rz. 51.

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F. Wirkung der Feststellungserklärung (Abs. 5) | Rz. 32 § 51

Folge dieser Regelung ist, dass die Besteuerungsgrundlagen grds. nicht erst durch den Steuer- 30 bescheid der FinVerw. festgestellt werden. Dies ist lediglich dann erforderlich, wenn die Feststellung nach Auffassung der FinVerw. abweichend von der Erklärung zu erfolgen hat oder keine Feststellungserklärung abgeben wurde. Bei ausgebliebener Abgabe der Feststellungserklärung sind die Besteuerungsgrundlagen durch die FinBeh. ggf. nach § 162 AO zu schätzen.1 Die gesonderte und einheitliche Feststellung kann so lange aufgehoben oder geändert werden, 31 wie der Vorbehalt der Nachprüfung wirksam ist. Insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze, d.h., der Vorbehalt der Nachprüfung ist gem. § 164 Abs. 4 Satz 1 AO bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist gem. § 169 AO wirksam.

II. Verfahrensrechtliche Wirkung einer berichtigten Feststellungserklärung (Abs. 5 Satz 2) Eine unter den Voraussetzungen gem. § 153 AO berichtigte Feststellungserklärung gilt gem. 32 § 51 Abs. 5 Satz 2 InvStG als Antrag auf Änderung. Die Regelung wurde im Rahmen des „JStG 2018“ ergänzt, da aus Sicht des Gesetzgebers die Gefahr bestand, dass auf alleiniger Grundlage von § 51 Abs. 5 Satz 1 InvStG die Auffassung vertreten werden könnte, dass auch eine berichtigte Feststellungserklärung ohne Prüfung durch das FA einer einheitlichen und gesonderten Feststellung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehe.2 Ziel war es mithin, durch § 51 Abs. 5 Satz 2 InvStG klarzustellen, dass eine berichtigte Feststellungserklärung einer gesonderten Feststellung nicht gleichsteht, sondern als Antrag auf Änderung gilt, über den das FA gesondert zu entscheiden hat.

1 Schmidt in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 51 Rz. 65. 2 BT-Drucks. 19/5595, 82. Korff | 871

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Abschnitt 3 Wegfall der Voraussetzungen eines Spezial-Investmentfonds (§ 52)

§ 52 Wegfall der Voraussetzungen eines SpezialInvestmentfonds (1) 1Ein Spezial-Investmentfonds gilt als aufgelöst, wenn der Spezial-Investmentfonds seine Anlagebedingungen in der Weise ändert, dass die Voraussetzungen des § 26 nicht mehr erfüllt sind oder ein wesentlicher Verstoß gegen die Anlagebestimmungen des § 26 vorliegt. 2Liegen zugleich die Voraussetzungen eines Investmentfonds weiterhin vor, so gilt mit der Auflösung ein Investmentfonds als neu aufgelegt. 3Entfallen die Voraussetzungen des § 26 zu einem anderen Zeitpunkt als zum Ende des Geschäftsjahres, so gilt für steuerliche Zwecke ein Rumpfgeschäftsjahr als beendet. (2) 1Die Anteile an dem Spezial-Investmentfonds gelten zu dem Zeitpunkt als veräußert, zu dem die Voraussetzungen nach § 26 entfallen. 2Als Veräußerungserlös ist der Rücknahmepreis am Ende des Geschäftsjahres oder Rumpfgeschäftsjahres anzusetzen. 3Wird kein Rücknahmepreis festgesetzt, so tritt der Börsen- oder Marktpreis an die Stelle des Rücknahmepreises. (3) 1Zu dem Zeitpunkt, zu dem die Voraussetzungen des § 26 entfallen, gelten unter den Voraussetzungen des Abs. 1 zugleich die Investmentanteile an dem Investmentfonds als angeschafft. 2Als Anschaffungskosten der Investmentanteile ist der nach Abs. 2 Satz 2 oder 3 anwendbare Wert anzusetzen. A. I. II. III. B.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . Fiktive Auflösung und Neuauflegung (Abs. 1) I. Wegfall der Voraussetzungen des § 26 InvStG 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Änderung der Anlagebedingungen a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begriff der Anlagebedingungen . . . c) Anlagebedingungen entsprechen ursprünglich § 26 InvStG . . . . . . . . d) Voraussetzungen durch Änderung nicht mehr erfüllt . . . . . . . . . . . . . . 3. Wesentlicher Verstoß gegen die Anlagebestimmungen a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

b) c) d) e)

1 3 5 II. III. 9 10 11 14 15

C. I. II. III.

D.

Anlagebestimmungen . . . . . . . . . . Verstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wesentlichkeit des Verstoßes . . . . Heilung eines wesentlichen Verstoßes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolge auf Fondsebene . . . . . . . . . . Entsprechende Anwendung bei Entfallen der Gewerbesteuerfreiheit . . . . . . . . . . . . Veräußerungsfiktion (Abs. 2) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wegfall der Voraussetzungen des § 26 InvStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolge 1. Veräußerungsfiktion . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stundung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fiktion einer Anschaffung (Abs. 3) . . . .

17 18 19 23 24 32 33 34 35 38 45

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§ 52 Rz. 1 | Wegfall der Voraussetzungen eines Spezial-Investmentfonds Literatur: Stadler/Bindl, Das neue InvStG – Überblick und Korrekturbedarf, DStR 2016, 1953; Bindl/ Schober, Investmentsteuererlass-Entwurf zu Spezial-Investmentfonds – Darstellung und kritische Würdigung ausgewählter Aspekte, BB 2020, 599.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck 1 § 52 InvStG befasst sich mit der Frage, was geschieht, wenn die Voraussetzungen für einen

Spezial-Investmentfonds nach § 26 InvStG wegfallen. § 52 Abs. 1 InvStG regelt, welche investmentsteuerrechtlichen Folgen auf der Ebene des Fonds eintreten, wenn die Anlagebedingungen derart geändert werden, dass die Vorgaben des § 26 InvStG nicht mehr erfüllt sind, oder ein wesentlicher Verstoß gegen die Anlagebedingungen vorliegt. Liegt einer dieser Fälle vor, gilt (erste Fiktion) der Spezial-Investmentfonds als aufgelöst (§ 52 Abs. 1 Satz 1 InvStG). Gegebenenfalls führt diese Fiktion zur Bildung eines Rumpfwirtschaftsjahres (§ 52 Abs. 1 Satz 3 InvStG). Liegen allerdings die Voraussetzungen für einen Investmentfonds weiter vor, gilt (zweite Fiktion) dieser mit diesem Zeitpunkt als neu aufgelegt (§ 52 Abs. 1 Satz 2 InvStG). § 52 Abs. 2 und 3 InvStG befassen sich mit den steuerrechtlichen Folgen auf der Ebene des Anteilseigners in den in § 52 Abs. 1 Satz 1 InvStG genannten Fällen. Auch hier arbeitet der Gesetzgeber mit dem Mittel der Fiktion: Die Anteile gelten (dritte Fiktion) als veräußert, sobald die Voraussetzungen des § 26 InvStG entfallen. Veräußerungserlös ist hier – wie bei § 22 Abs. 2 InvStG – primär der Rücknahmepreis, hilfsweise der Börsen- oder Marktpreis. Da die Anteile nicht tatsächlich aus dem Vermögen des Anteilseigners ausscheiden und der Gesetzgeber auch auf Veräußerungsgewinne nach diesem Zeitpunkt zugreifen will, fingiert er schließlich im unmittelbaren zeitlichen Anschluss an die Veräußerung eine Anschaffung (§ 52 Abs. 3 InvStG).

2 Die steuerlichen Folgen beruhen auf der Notwendigkeit, dass ein Spezial-Investmentfonds

steuerlich anders als andere Fonds behandelt wird. Liegt ein Spezial-Investmentfonds vor, besteht die Möglichkeit zu einer Besteuerung nach dem eingeschränkten Transparenzprinzip (§§ 30 bis 33 InvStG). Nur wenn diese Möglichkeit nicht gewählt wird, erfolgt eine Besteuerung nach dem Trennungsprinzip. Um den Gleichlauf der steuerlichen Folgen auf Fonds- und Anteilseignerebene zu gewährleisten, hat der Gesetzgeber durch § 52 InvStG eine Zäsur eingezogen. Vor ihr erfolgt auf Fonds- und Anteilseignerebene eine Besteuerung nach den Regeln des Spezial-Investmentfonds; nach der Zäsur erfolgt eine Besteuerung nach den Regeln des dann ggf. vorliegenden Investmentfonds. Im Zeitpunkt der Zäsur wird ein Veräußerungsgewinn bezogen auf die Anteile an dem Spezial-Investmentfonds besteuert.

II. Anwendungsbereich 3 § 52 InvStG differenziert nach seinem persönlichen Anwendungsbereich nicht danach, ob es

sich um einen aus- oder inländischen Spezial-Investmentfonds handelt. In beiden Fällen ist die Vorschrift anwendbar.1 Sachlich erfasst die Vorschrift sowohl die Besteuerung auf Fondsals auch auf Anteilseignerebene für den Fall des Wegfalls der Voraussetzungen des § 26 InvStG.

4 Wie auch das neue Investmentsteuerrecht im Übrigen ist § 52 InvStG grds. auf Sachverhalte

ab dem 1.1.2018 zeitlich anwendbar (§ 56 Abs. 1 Satz 1 InvStG). Allerdings hat der Gesetz-

1 Kröger in Brandis/Heuermann, § 52 InvStG Rz. 17; Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 52 InvStG Rz. 12.

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A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 8 § 52

geber durch das „JStG 2019“ v. 12.12.20191 mit Wirkung ab dem 1.1.2020 (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 InvStG) die bislang in § 52 Abs. 2 Satz 4 InvStG enthaltene Stundungsregelung gestrichen (dazu Rz. 38 ff.). Bis einschließlich 31.12.2019 gewährte Stundungen bleiben hiervon jedoch unberührt (§ 57 Abs. 1 Satz 2 InvStG). Das erfasst nur die Steuern, die bis zum 31.12.2019 festgesetzt worden sind (vgl. § 52 Abs. 2 Satz 4 InvStG a.F. i.V.m. § 57 Abs. 1 Satz 2 InvStG).2 Aus Gründen des Vertrauensschutzes lässt das BMF gleichwohl eine Stundung zu, wenn die Veräußerungsfiktion vor dem 1.1.2020 eingetreten ist.3 Das mag zugunsten der StPfl. sein, stellt andererseits aber eine strukturelle Gesetzeskorrektur dar, die seitens der FinVerw. nicht – auch nicht aus Billigkeitsgründen4 – gewährt werden darf.5

III. Verhältnis zu anderen Vorschriften § 52 InvStG steht in engem sachlichem Zusammenhang zu § 26 InvStG. Die Vorschrift knüpft 5 ihre Rechtsfolgen an das Entfallen der Voraussetzungen des § 26 InvStG. Solange ein Investmentfonds die Voraussetzungen für eine Gewerbesteuerbefreiung nach § 15 Abs. 2 und 3 InvStG erfüllt und in seiner Praxis nicht wesentlich gegen die Voraussetzungen nach § 26 Nr. 1 bis 10 InvStG verstößt, werden die Rechtsfolgen nach § 52 InvStG nicht ausgelöst. Verwiesen wird auf § 52 InvStG in § 53 Abs. 3 Satz 2 InvStG für den Fall, dass die Voraus- 6 setzungen für einen Altersvorsorgevermögensfonds (§ 53 Abs. 1 InvStG) entfallen. § 52 InvStG knüpft allein an das Entfallen der Voraussetzungen des § 26 InvStG an; Verstöße 7 gegen sonstige Pflichten eines Spezial-Investmentfonds oder seines gesetzlichen Vertreters (bspw. §§ 31 Abs. 2, 48 Abs. 1 Satz 1, 50, 51 InvStG) fallen nicht unter § 52 InvStG und führen nicht zur Auflösung des Spezial-Investmentfonds.6 Ob die Voraussetzungen des § 26 InvStG und damit die Voraussetzungen für einen Spezial- 8 Investmentfonds entfallen sind, wird nicht gesondert und einheitlich festgestellt, obwohl es sich um einen Umstand handelt, der sowohl auf der Ebene des Fonds als auch der Anleger (und hier häufig für eine Vielzahl von Anlegern) von Bedeutung ist. Es erscheint daher wenig zweckmäßig, dass die Beurteilung auf beiden Ebenen auseinanderfallen kann. Praktisch mag insbes. dann ein Problem entstehen, wenn ein Verstoß gegen § 26 InvStG aufgedeckt wird, nachdem die Steuerbescheide einzelner Anleger bereits bestandskräftig geworden sind.7 Eine Änderung wird man dann jedoch auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO stützen können, da es sich bei den eine Änderung der Anlagebedingungen bzw. einen wesentlichen Verstoß gegen die Anlagebestimmungen darstellenden Umständen um eine nachträglich bekannt gewordene Tatsache handeln dürfte. Aus Praktikabilitätsgesichtspunkten erschiene es de lege ferenda gleich-

1 BGBl. I 2019, 2451. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 52.16; a.A. Bindl/Schober, BB 2020, 599 (610); Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 52 InvStG Anm. 10; Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/ Mann2, § 52 InvStG Rz. 50; Kröger in Brandis/Heuermann, § 52 InvStG Rz. 87: Zeitpunkt des Statuswechsels. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 52.16. 4 BFH v. 28.11.2016 – GrS 1/15, BStBl. II 2017, 393; v. 23.8.2017 – I R 52/14, BStBl. II 2018, 232. 5 A.A. Hensel in § 57 InvStG Rz. 7, wonach es vom Sinn und Zweck der Vertrauensschutzregelung in § 52 Abs. 2 Satz 4 InvStG a.F. folgerichtig war, auf den Zeitpunkt des tatsächlichen wirtschaftlichen Vorgangs abzustellen, sodass die Stundungsregelung in § 52 Abs. 2 Satz 4 InvStG a.F. für alle bis einschließlich Ende 2019 erfolgten Umwandlungen eines Spezial-Investmentfonds in einen Investmentfonds anzuwenden ist. 6 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 52 InvStG Anm. 1; Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 52 InvStG Rz. 10. 7 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 52 InvStG Anm. 1. Oellerich | 875

§ 52 Rz. 8 | Wegfall der Voraussetzungen eines Spezial-Investmentfonds wohl begrüßenswert, eine gesonderte Feststellung zum Vorliegen des § 52 InvStG zu etablieren.1

B. Fiktive Auflösung und Neuauflegung (Abs. 1) I. Wegfall der Voraussetzungen des § 26 InvStG 1. Allgemeines 9 § 52 Abs. 1 Satz 1 InvStG knüpft daran an, dass die Voraussetzungen für einen Spezial-Invest-

mentfonds entfallen, und benennt dafür zwei Alternativen: (1) die Änderung der Anlagebestimmungen und (2) einen wesentlichen Verstoß gegen die (unveränderten) Anlagebestimmungen. Während bei der ersten Alternative jede Änderung für ein Entfallen der Voraussetzungen des Spezial-Investmentfonds ausreicht, muss bei der zweiten Alternative ein wesentlicher Verstoß vorliegen (s. dazu auch Rz. 16 ff.).2 Unerheblich ist in beiden Fällen, ob es durch die Änderung oder den tatsächlichen wesentlichen Verstoß dazu kommt, dass nur noch die Voraussetzungen für einen Investmentfonds vorliegen oder gar die Regelungen des InvStG gar nicht mehr einschlägig sind.3 Mit diesen Tatbestandsvoraussetzungen knüpft der Gesetzgeber an § 1 Abs. 1d und § 15 Abs. 3 Satz 1 InvStG 2004 an. 2. Änderung der Anlagebedingungen a) Allgemeines

10 Der Begriff der Änderung der Anlagebedingungen ist nicht neu. Ihn kannten bereits §§ 1

Abs. 1d Satz 1, 15 Abs. 3 Satz 1 InvStG 2004. Das inhaltliche Verständnis ist unverändert geblieben.4 Auf die Auslegungsgrundsätze zum alten Investmentsteuerrecht kann daher zurückgegriffen werden.

b) Begriff der Anlagebedingungen 11 Was Anlagebedingungen sind, wird in § 52 Abs. 1 Satz 1 InvStG und auch sonst im G nicht

legaldefiniert. In § 2 Abs. 12 InvStG findet sich allein eine (im Wege der Fiktion erfolgende) Erstreckung. Hiernach gelten als Anlagebedingungen auch die Satzung, der Gesellschaftsvertrag oder vergleichbare konstituierende Rechtsakte eines Investmentfonds. Diese Erweiterung gilt auch für Zwecke des § 52 Abs. 1 Satz 1 InvStG. Ungeklärt ist damit aber weiter der allgemeine Inhalt des Begriffs der Anlagebedingungen.

12 Was grundsätzlich unter den Begriff der Anlagebedingungen fällt, ergibt sich für Spezialfonds

aus § 273 KAGB, dessen Definition über § 2 Abs. 1 InvStG auch hier gilt.5 Die Anlagebedingungen, nach denen sich (1) das vertragliche Rechtsverhältnis einer AIF-KVA oder einer EUAIF-Verwaltungsgesellschaft zu den Anlegern eines Spezialsondervermögens bestimmt oder (2) in Verbindung mit der Satzung einer Spezialinvestmentaktiengesellschaft das Rechtsverhältnis dieser Investmentaktiengesellschaft zu ihren Anlegern bestimmt oder (3) in Verbindung mit dem Gesellschaftsvertrag einer Spezialinvestmentkommanditgesellschaft das Rechtsverhältnis dieser Investmentkommanditgesellschaft zu ihren Anlegern bestimmt, sind vor 1 So auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 52 InvStG Anm. 1; Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/ Mann2, § 52 InvStG Rz. 10. 2 Ernst in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 52 Rz. 21. 3 Ernst in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 52 Rz. 7. 4 Kröger in Brandis/Heuermann, § 52 InvStG Rz. 22. 5 Ernst in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 52 Rz. 21.

876 | Oellerich

B. Fiktive Auflösung und Neuauflegung (Abs. 1) | Rz. 16 § 52

Ausgabe der Anteile oder Aktien in Textform festzuhalten. Hieraus ergibt sich, was auch Auffassung des BMF ist: Sowohl die allgemeinen als auch die besonderen Anlagebedingungen werden von dem Begriff der Anlagebedingungen erfasst. Es muss sich stets um schriftliche Vereinbarungen zur Regelung des Rechtsverhältnisses des Anlegers in Bezug auf den konkreten Investmentfonds handeln.1 Auch vertragliche Nebenabreden – bspw. in Form von side letters – sollen nach Ansicht der FinVerw. darunterfallen.2 Angaben in den Verkaufsprospekten, Jahresberichten oder ähnlichen Dokumenten stellen 13 hingegen keine Anlagebedingungen dar, weil in ihnen das Rechtsverhältnis zwischen dem Anleger und dem Investmentfonds nicht geregelt wird. Etwas anderes kann gelten, wenn die Anlagebedingungen im Übrigen oder das ausländische Recht es zulassen, dass die Anlagepolitik eines Investmentfonds im Verkaufsprospekt festgelegt wird.3 Darüber hinaus geht die FinVerw. davon aus, dass Angaben in einem Verkaufsprospekt auch dann zu Anlagebedingungen werden, wenn Abweichungen hierzu zu einem Anspruch des Anlegers aus Prospekthaftung führen, oder soweit die Abweichung hiervon der Genehmigung einer Aufsichtsbehörde bedarf.4 c) Anlagebedingungen entsprechen ursprünglich § 26 InvStG Die Anlagebedingungen müssen den Maßgaben des § 26 InvStG entsprechen. Das G frönt 14 hierbei nicht einem form over substance. Es ist daher nicht notwendig, dass die Maßgaben des § 26 InvStG wörtlich den Anlagebedingungen entnommen werden können. Dass die Anlagebedingungen sinngemäß den Vorgaben entsprechen, ist ausreichend.5 Es genügt hingegen nicht, dass rein tatsächlich die Maßgaben des § 26 InvStG erfüllt werden.6 Schon aus dem Wortlaut ergibt sich, dass die Anlagebedingungen dem entsprechen. d) Voraussetzungen durch Änderung nicht mehr erfüllt § 52 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 InvStG verlangt allein die Änderung der Anlagebedingungen, ohne 15 eine gewisse Qualität der Änderung vorzugeben. Damit wird vom Wortlaut her jede Abweichung von den Maßgaben des § 26 InvStG erfasst. Im Hinblick auf § 52 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 InvStG mag dies auf den allerersten Blick überraschen, setzt dieser doch einen wesentlichen Verstoß gegen die Anlagebestimmungen voraus und enthält damit ein quantitatives Merkmal. Gleichwohl ist dies auch nicht unter rechtspolitischen Gesichtspunkten, etwa im Hinblick auf ausländische Spezialfonds, bedenklich.7 Dass die Voraussetzungen des § 26 InvStG nicht mehr vorliegen, ist im Ergebnis ein besonders gewichtiger Verstoß gegen die Maßgaben des § 26 InvStG, der stets zur fiktiven Auflösung führen soll. 3. Wesentlicher Verstoß gegen die Anlagebestimmungen a) Allgemeines Der Begriff des wesentlichen Verstoßes erscheint bereits in § 26 InvStG. Das Verständnis die- 16 ses Tatbestandsmerkmals ist in beiden Normen identisch. Mit anderen Worten soll nicht jed-

1 2 3 4 5

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.48. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.48. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.49. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.49. BT-Drucks. 18/8045, 96; Kröger in Brandis/Heuermann, § 52 InvStG Rz. 23; Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 52 InvStG Rz. 19. 6 Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 52 InvStG Rz. 19. 7 Kröger in Brandis/Heuermann, § 52 InvStG Rz. 25. Oellerich | 877

§ 52 Rz. 16 | Wegfall der Voraussetzungen eines Spezial-Investmentfonds weder Verstoß gegen die Anlagebestimmungen schädlich sein. Die Aberkennung des Status soll nach dem Willen des Gesetzgebers nur ultima ratio bei besonders schwerwiegenden Verstößen sein.1 Dass nur wesentliche Verstöße zu einem Entfallen des Charakters als Spezial-Investmentfonds führen, entsprach bereits der vorherigen Rechtslage nach § 15 Abs. 3 InvStG i.d.F des AIFM-StAnpG. b) Anlagebestimmungen 17 Der Begriff der Anlagebestimmungen ist nicht identisch mit dem der Anlagebedingungen.

Sein Inhalt ergibt sich aus § 26 InvStG. Danach ist unter dem Begriff der Anlagebestimmungen das Einhalten der in den § 26 Nr. 1 bis 9 InvStG genannten Maßgaben in der Praxis zu verstehen. Darüber hinaus soll Voraussetzung sein, dass der Fonds die Voraussetzungen für eine Gewerbesteuerbefreiung erfüllt, m.a.W. die Maßgaben des § 15 Abs. 2 und 3 InvStG einhält.2 § 26 InvStG erhebt die Gewerbesteuerbefreiung ausdrücklich zur Voraussetzung für einen Spezial-Investmentfonds. c) Verstoß

18 Unter dem Begriff des Verstoßes soll jedes schuldhafte Abweichen von den Anlagebestim-

mungen des § 26 InvStG zu verstehen sein. Zu verlangen sein soll jedenfalls ein grob fahrlässiges Verhalten.3 Das vermag nicht zu überzeugen. Nicht bestritten wird, dass die Frage des Verschuldensgrades für die Wesentlichkeit von Bedeutung sein wird. So ist jeder bewusste und zweckgerichtete Verstoß zum Zwecke missbräuchlicher Gestaltungen wesentlich.4 Für den Begriff des Verstoßes ist indes – wie in der ersten Alternative – allein die objektive Abweichung – hier von den Anlagebestimmungen – ausreichend.5 Dies galt nach den Gesetzesmaterialien bereits für § 1 Abs. 1d InvStG 2004.6 d) Wesentlichkeit des Verstoßes

19 Das Kriterium des wesentlichen Verstoßes trägt dem Umstand Rechnung, dass nicht jede Ab-

weichung von den Anlagebestimmungen zu einem Eingreifen der Veräußerungsfiktion führen soll. Diese soll nur als ultima ratio in Ausnahmefällen eingreifen (s. auch Rz. 16).7 Ob ein Verstoß gegen die Anlagebestimmungen „wesentlich“ ist, hängt von den Gesamtumständen des Einzelfalls ab. In die Beurteilung können sowohl objektive als auch subjektive Komponenten eingehen, die zusammen eine Wesentlichkeit des Verstoßes begründen.8 Bei wertender Betrachtung muss der Verstoß einem völligen Ignorieren der Anlagebestimmungen gleichkommen.9 Bei der Beurteilung sollen nach den Gesetzesmaterialien zu § 1 Abs. 1d InvStG 2004 insbes. folgende Kriterien – die auch bei der Anwendung des § 52 InvStG für bedeutsam erachtet werden10 – berücksichtigt werden: 1 2 3 4 5 6 7

8 9 10

BT-Drucks. 18/8045, 94. Kröger in Brandis/Heuermann, § 52 InvStG Rz. 33. Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 52 InvStG Anm. 5. Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 52 InvStG Rz. 27; Kröger in Brandis/Heuermann, § 52 InvStG Rz. 34. So auch Ernst in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 52 Rz. 28. BR-Drucks. 740/13, 42; a.A. Ernst in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 52 Rz. 28. Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 52 InvStG Rz. 27; Kröger in Brandis/Heuermann, § 52 InvStG Rz. 34. Ernst in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 52 Rz. 29. Ernst in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 52 Rz. 30. BR-Drucks. 740/13, 42; so auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 52 InvStG Anm. 5; Enders/ Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 52 InvStG Rz. 28.

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B. Fiktive Auflösung und Neuauflegung (Abs. 1) | Rz. 23 § 52

– der Grad des Verschuldens des Verwalters bei der Entstehung des Verstoßes, – die Zeitdauer des Verstoßes, – der wertmäßige Umfang des Verstoßes im Verhältnis zum Gesamtwert des Vermögens des OGAW oder des AIF und – der Umfang der Bemühungen des Verwalters, die auf eine Beseitigung des Verstoßes gerichtet sind. Die vorgenannten Kriterien sind keineswegs abschließend. Vielmehr bleibt Raum für die Be- 20 rücksichtigung unbenannter Kriterien und damit eben für eine vollständige Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls.1 Ausreichend sein können namentlich aktive Verstöße gegen die Anlagebestimmungen. Ein 21 aktiver Verstoß kann in jeder den Anlagebestimmungen widersprechenden aktiven Transaktion in Gestalt eines Geschäftsabschlusses liegen, der die Zusammensetzung des Investmentfonds in unzulässiger Weise verändert,2 weil die Anlagegrenzen durch den Hinzuerwerb überschritten oder unzulässige Gegenstände erworben werden.3 Handelt es sich lediglich um einzelne – also nicht um massive – aktive Verstöße und werden diese kurzfristig zurückgeführt, soll dies gegen die Wesentlichkeit sprechen.4 Wann eine Rückführung noch kurzfristig ist, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls und hängt insbes. von den betroffenen Vermögensgegenständen und deren Handelbarkeit ab.5 Gegebenenfalls sind bereits die Bemühungen des Verwalters, die auf eine Beseitigung des Verstoßes gerichtet sind (und die ggf. bislang nicht gelungen ist), zu berücksichtigen (s. bereits Rz. 19). Bei passiven Verstößen stellen die Gesetzesmaterialien heraus, dass es für einen wesentlichen 22 Verstoß insbes. nicht ausreichend ist, wenn eine Überschreitung der Anlagegrenzen nicht durch einen Geschäftsabschluss verursacht wird. Überschreitungen der Anlagegrenzen, die auf bloßen Wertveränderungen der Vermögensgegenstände basieren, führen hiernach grds. nicht zum Verlust des Rechtsstatus als Investmentfonds.6 Allerdings kann auch dies wohl nur als Faustregel dienen, da es auch auf die Zeitdauer des Verstoßes und des Umfangs der Bemühungen des Verwalters ankommt, die auf eine Beseitigung des Verstoßes gerichtet sind.7 Denn ab Erkennen des Verstoßes besteht eine Verpflichtung, diesen zu beseitigen.8 Insoweit mag auch ein Unterlassen (als ein passives Tun) theoretisch schädlich sein können, wenn der Verwalter anhaltend kein Verhalten erkennen lässt, trotz fehlenden Geschäftsabschlusses den objektiv schwerwiegenden Verstoß abzustellen. Andererseits mag ein Verstoß unwesentlich sein, auch wenn er langfristig (insbes. schuldlos) nicht erkannt wird.9 e) Heilung eines wesentlichen Verstoßes Fraglich ist, ob ggf. ein Verstoß geheilt werden kann. Damit ist der Fall gemeint, dass nicht 23 nur ein Verstoß, sondern ein wesentlicher Verstoß gegen die Anlagebestimmungen vorliegt; allein etwa ein Verstoß in Unkenntnis ist von der Frage der Heilung nicht berührt. Da ohnehin ein breiter Argumentationsspielraum für das Vorliegen eines wesentlichen Verstoßes besteht und dieser ferner nur ultima ratio – also Ausnahme – sein soll, stellt sich die Frage, wa1 2 3 4 5 6 7 8 9

Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 52 InvStG Rz. 29. BT-Drucks. 18/8045, 95; Kröger in Brandis/Heuermann, § 52 InvStG Rz. 34. Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 52 InvStG Anm. 5. In diesem Sinne BT-Drucks. 18/8045, 95; Kröger in Brandis/Heuermann, § 52 InvStG Rz. 34. Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 52 InvStG Rz. 28. BT-Drucks. 18/8045, 95; so auch Ernst in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 52 Rz. 30. BR-Drucks. 740/13, 42. Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 52 InvStG Rz. 27. Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 52 InvStG Rz. 27. Oellerich | 879

§ 52 Rz. 23 | Wegfall der Voraussetzungen eines Spezial-Investmentfonds rum es des Weiteren einer Heilungsmöglichkeit bedürfen soll, die im G nicht angelegt zu sein scheint. Gleichwohl wird gerade im Hinblick auf den Ausnahmecharakter des § 52 Abs. 1 Satz 1 InvStG einer rückwirkenden Heilungsmöglichkeit das Wort geredet.1 Begründet wird dies mit den Gesetzesmaterialien zu § 1 Abs. 1d InvStG 2004 (s. Rz. 19), nach denen auch die Versuche des Verwalters von Bedeutung sein sollen, den Verstoß abzustellen. Mit anderen Worten könne es – um angelehnt an strafrechtliche Kategorien zu sprechen – einen Rücktritt vom vollendeten Verstoß geben.2 In der Sache bedarf es dieser Diskussion bei einer verständigen Diskussion des Begriffs der Wesentlichkeit allerdings nicht. Wird diese in der gebotenen Weise restriktiv (s. Rz. 19) ausgelegt, wird dies in der Praxis zu gleichen Ergebnissen führen, als wenn eine Heilungsmöglichkeit anerkannt würde.

II. Rechtsfolge auf Fondsebene 24 Ist eine der beiden Alternativen erfüllt, so gilt (Fiktion!) der Spezial-Investmentfonds in die-

sem Zeitpunkt als aufgelöst (§ 52 Abs. 1 Satz 1 InvStG). Die rechtliche Existenz des Fonds, zumal bei in Gesellschaftsform betriebenen Fonds, wird durch diese Fiktion nicht berührt.3 Soweit das einschlägige ausländische Recht ebenfalls die Unterscheidung zwischen Auflösung und Abwicklung kennt, gilt Entsprechendes.4

25 Fraglich ist, wie weitreichend die hier angeordnete Fiktion reicht, ob es durch die fiktive Auf-

lösung zu einer fiktiven Aufdeckung der in den Vermögensgegenständen des bisherigen Spezial-Investmentfonds ruhenden stillen Reserven kommt.5 Bei isolierter Betrachtung des § 52 Abs. 1 InvStG erschiene dies durchaus konsequent. In der Literatur wird hiergegen eingewandt, dass § 52 Abs. 2 Satz 1 InvStG im Zeitpunkt der Auflösungsfiktion eine Veräußerung der Investmentanteile durch die Anteilseigner zum Rücknahmepreis fingiere und diese Regelung abschließend sei. Es könne nicht zugleich Auszahlung der Vermögensgegenstände durch den Spezial-Investmentfonds an die Anleger (im Anschluss an einen Ansatz der Vermögensgegenstände mit dem gemeinen Wert auf Ebene des Spezial-Investmentfonds) fingiert werden. Zur Begründung verweisen die Vertreter dieser Auffassung auch auf die Gesetzesmaterialien6 zu § 26 InvStG, in denen ausschließlich auf die Veräußerungsfiktion nach § 52 Abs. 2 Satz 1 InvStG Bezug genommen worden sei.7 Dogmatisch mögen diese Einwendungen bedenkenswert sein. Diese Auffassung lässt im Ergebnis aber offen, wie übergegangene stille Reserven besteuert werden sollen bzw. eine Doppelbesteuerung vermieden werden soll.8

26 Liegen trotz des Wegfalls der Voraussetzungen für einen Spezial-Investmentfonds die Voraus-

setzungen für einen (normalen) Investmentfonds zugleich und weiterhin vor, besteht der ehemalige Spezial-Investmentfonds nicht als Investmentfonds fort. Vielmehr gilt (abermals Fiktion!) dieser als im Zeitpunkt der Auflösung als Investmentfonds neu aufgelegt (§ 52 Abs. 1 Satz 2 InvStG). Ob die Voraussetzungen eines Investmentfonds weiterhin erfüllt werden, bemisst sich nach § 1 InvStG. 1 Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 52 InvStG Rz. 32. 2 Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 52 InvStG Rz. 32; Ernst in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 52 Rz. 30; ebenso Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 5 InvStG Anm. 5. 3 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 52 InvStG Anm. 5. 4 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 52 InvStG Anm. 5. 5 In diesem Sinne BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 52.2; Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 52 InvStG Rz. 38. 6 BT-Drucks. 18/8045, 94. 7 In diesem Sinne Kröger in Brandis/Heuermann, § 52 InvStG Rz. 43; im Ergebnis auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 52 InvStG Anm. 5; Ernst in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 52 Rz. 39; wohl auch Stadler/Bindl, DStR 2016, 1953 (1955). 8 Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 52 InvStG Rz. 38.

880 | Oellerich

B. Fiktive Auflösung und Neuauflegung (Abs. 1) | Rz. 31 § 52

Der gesetzliche Vertreter des Investmentfonds muss den Umstand, dass die Voraussetzungen 27 des § 26 InvStG entfallen sind und ein Investmentfonds als neu aufgelegt gilt, der zuständigen FinBeh. durch Abgabe des „Fragebogens zur steuerlichen Erfassung eines Investmentfonds“ (InvSt 8) anzeigen. Auf diesem Vordruck kann der gesetzliche Vertreter ggf. auch eine Statusbescheinigung gem. § 7 Abs. 3 InvStG beantragen.1 Dem als neu aufgelegt geltenden Investmentfonds ist der Weg zurück zum Besteuerungs- 28 regime eines Spezial-Investmentfonds versperrt.2 § 24 InvStG ordnet ausdrücklich an, dass ein Wechsel zur Besteuerung nach Kapitel 3 (Spezial-Investmentfonds) nicht möglich ist, wenn die Fonds den Regelungen des Kapitels 2 unterlegen haben. § 52 Abs. 1 InvStG beschäftigt sich nicht mit der Frage, mit welchem Wert die Vermögens- 29 gegenstände des ehemaligen Spezial-Investmentfonds bei dem als neu aufgelegt geltenden Investmentfonds anzusetzen sind. Die FinVerw. vertritt hierzu die Auffassung, dass die im fiktiv neu aufgelegten Investmentfonds vorhandenen Vermögensgegenstände mit Neuauflage zu den Werten als angeschafft gelten, mit denen sie zuletzt auf Ebene des aufgelösten Spezial-Investmentfonds für Zwecke der Veräußerung im Rücknahmepreis berücksichtigt worden sind (s. auch bereits Rz. 25).3 Unter teleologischen Gesichtspunkten müssen zur Sicherstellung der korrekten Besteuerung zukünftiger Erträge und zur korrekten Ermittlung des Veräußerungsergebnisses bei tatsächlicher Veräußerung die Vermögensgegenstände mit ihrem Anteil am fiktiven Veräußerungserlös in dem als fiktiv neu aufgelegten Investmentfonds angesetzt werden.4 § 52 Abs. 1 Satz 2 InvStG deutet bereits auf den Fall hin, dass nach dem Wegfall der Voraus- 30 setzungen des § 26 InvStG auch die Voraussetzungen für einen Investmentfonds nicht mehr erfüllt sind. In einem solchen Fall ist die Körperschaftsteuerpflicht der in- oder ausländischen Körperschaft zu prüfen.5 Auch hier besteht die Notwendigkeit, die von dem SpezialInvestmentfonds übergegangenen Vermögensgegenstände als neu angeschafft zu behandeln und mit den in den Veräußerungspreis für die Anteile an dem Spezial-Investmentfonds eingegangenen Werten anzusetzen.6 Im Gesetz kommt dies bislang freilich nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck; de lege ferenda erscheint eine entsprechende Nachbesserung geboten. Nicht stets werden die Voraussetzungen für einen Spezial-Investmentfonds just zum Ende ei- 31 nes Geschäftsjahres entfallen. Entfallen die Voraussetzungen innerhalb eines Geschäftsjahres, so kommt diesem Umstand keine Rückwirkung zu.7 Vielmehr ist gem. § 52 Abs. 1 Satz 3 InvStG ein Rumpfgeschäftsjahr zu bilden. Bereits zu dessen Ende sind dem Anleger die ausschüttungsgleichen Erträge gem. § 36 Abs. 1 InvStG zuzurechnen.8

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 52.8. 2 Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 52 InvStG Rz. 42; Kröger in Brandis/Heuermann, § 52 InvStG Rz. 63. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 52.7. 4 Ernst in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 52 Rz. 39. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 52.9. 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 52.7; Ernst in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 52 Rz. 41. 7 Ernst in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 52 Rz. 38; Kröger in Brandis/Heuermann, § 52 InvStG Rz. 44. 8 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 52.11; Ernst in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 52 Rz. 38. Oellerich | 881

§ 52 Rz. 32 | Wegfall der Voraussetzungen eines Spezial-Investmentfonds

III. Entsprechende Anwendung bei Entfallen der Gewerbesteuerfreiheit 32 § 52 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 InvStG (dazu Rz. 16 ff.) erfasst lediglich den wesentlichen Verstoß

gegen die Anlagebestimmungen. Die Voraussetzungen für die Gewerbesteuerfreiheit nach § 15 Abs. 2 und 3 InvStG gehören indes nicht zu den Anlagebestimmungen (s. § 26 InvStG), sodass insoweit nicht nach der Wesentlichkeit differenziert werden kann, vielmehr gar kein Spezial-Investmentfonds mehr vorliegen kann, wenn diese Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Aufgrund dessen wird in der Literatur diskutiert, ob § 52 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 InvStG in einem solchen Fall entsprechend anwendbar ist. Konkret wird vertreten, aufgrund des Charakters des § 52 Abs. 1 Satz 1 InvStG sollte eine entsprechende Anwendung in Erwägung gezogen werden, wenn der Verstoß (kurzfristig) rückgängig gemacht wird.1 Offen bleibt, wie die planwidrige Regelungslücke trotz der klaren gesetzgeberischen Trennung zwischen Anlagebestimmungen und den Voraussetzungen nach § 15 Abs. 2 und 3 InvStG begründet werden kann. Der Befund, die Aberkennung der Eigenschaft als Spezial-Investmentfonds solle stets nur ultima ratio sein (s. bereits Rz. 16, 19), scheint jedenfalls eher ein Aspekt zu sein, der im Rahmen der Vergleichbarkeit der Interessenlage Bedeutung erlangt. Dabei erscheint u.E. keinesfalls klar, dass beide Fälle tatsächlich wesentlich miteinander vergleichbar sind, zumal namentlich § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InvStG und auch § 15 Abs. 3 InvStG Wesentlichkeits- bzw. Unschädlichkeitsgrenzen kennen, die insoweit ausreichend sind.2

C. Veräußerungsfiktion (Abs. 2) I. Allgemeines 33 Auf der Ebene des Anteilseigners kommt es durch den Wegfall der Voraussetzungen des § 26

InvStG zu einer Gewinnrealisation. Die Anteile an dem Spezial-Investmentfonds gelten (Fiktion) zu dem Zeitpunkt als veräußert, zu dem die Voraussetzungen nach § 26 InvStG entfallen (§ 52 Abs. 2 Satz 1 InvStG). Dies führt auf der Ebene der Anteilseigner zu einem Veräußerungsgewinn. Allerdings hat der Gesetzgeber erkannt, dass eine Besteuerung zu diesem Zeitpunkt mit dem Gebot einer Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nur schwer zu vereinbaren wäre, weil es nicht zu einer Steigerung der Ist-Leistungsfähigkeit gekommen ist.3 Aus diesem Grund wollte der Gesetzgeber die auf den Veräußerungsgewinn anfallende Steuer ursprünglich auch nicht sofort erhoben wissen, sondern stundete sie zinslos bis zur tatsächlichen Veräußerung (§ 52 Abs. 2 Satz 4 InvStG a.F.), also bis zu dem Realisationsakt, aufgrund dessen sich die Ist-Leistungsfähigkeit tatsächlich erhöht. Diese Regelung hat der Gesetzgeber allerdings mit Wirkung ab dem 1.1.2020 gestrichen (s. Rz. 4).

II. Wegfall der Voraussetzungen des § 26 InvStG 34 Die Veräußerungsfiktion des § 52 Abs. 2 InvStG knüpft an den Wegfall der Voraussetzungen

des § 26 InvStG an (§ 52 Abs. 2 Satz 1 InvStG). Insoweit kann auf die Kommentierung zu § 52 Abs. 1 InvStG verwiesen werden (Rz. 9 ff.). Es ergeben sich hier keine Abweichungen. 1 Ernst in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 52 Rz. 31; Kröger in Brandis/Heuermann, § 52 InvStG Rz. 34. 2 A.A. Kretschmann/Albrecht in § 26 InvStG Rz. 16 f., die unter Hinweis auf Rz. 26.2 letzter Satz des BMF-Anwendungsschreibens, wonach ein nur geringfügiges Überschreiten der Bagatellgrenze nach Verwaltungsansicht unschädlich ist, darauf abstellen, ob im Einzelfall der Spezial-Investmentfonds aktiv versucht, die Bagatellgrenze (wieder) einzuhalten. 3 Vgl. BFH v. 10.4.2013 – I R 80/12, BStBl. II 2013, 1004; Bindl/Schober, BB 2020, 599 (610); Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 1983, 167.

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C. Veräußerungsfiktion (Abs. 2) | Rz. 39 § 52

III. Rechtsfolge 1. Veräußerungsfiktion Liegt die o.g. Voraussetzung (Rz. 33) vor, gelten die Anteile an dem Spezial-Investmentfonds 35 mit diesem Zeitpunkt als veräußert (§ 52 Abs. 2 Satz 1 InvStG). Die Vorschrift fingiert mithin einen Realisationstatbestand. Als Veräußerungserlös ist der Rücknahmepreis am Ende des Geschäftsjahres oder Rumpfgeschäftsjahres anzusetzen (§ 52 Abs. 2 Satz 2 InvStG). Wird kein Rücknahmepreis festgesetzt, so tritt der Börsen- oder Marktpreis an die Stelle des Rücknahmepreises (§ 52 Abs. 2 Satz 3 InvStG). Das Gesetz enthält darüber hinaus zu der Besteuerung des Veräußerungsgewinns – abgesehen 36 von der bis einschließlich 31.12.2019 kraft Gesetzes eingetretenen Stundung (dazu Rz. 38 ff.) – keine weiteren Bestimmungen. Anzuwenden sind die allgemeinen Maßgaben, sodass der Veräußerungsgewinn zu einem Spezial-Investmentertrag nach § 34 Abs. 1 Nr. 3 InvStG führt.1 Der Veräußerungsgewinn selbst ermittelt sich nach § 49 InvStG.2 Hierbei sind die jeweiligen Maßgaben für die Ermittlung des Anleger-Aktiengewinns, des Anleger-Abkommensgewinns und des Anleger-Teilfreistellungsgewinns zu beachten (vgl. § 49 Abs. 1 InvStG). Zu berücksichtigen ist insbes., dass die ausschüttungsgleichen Erträge den Veräußerungsgewinn mindern (§ 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvStG). Dies dient dem Zweck, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden.3 Ergibt sich demgegenüber ein Veräußerungsverlust, so enthält auch in diesem Fall § 49 37 InvStG, konkret dessen Abs. 4, nähere Maßgaben. § 49 Abs. 4 InvStG verweist zur Bemessung eines Veräußerungsverlusts auf § 15b EStG.4 2. Stundung Ergibt sich aufgrund der Veräußerungsfiktion ein Veräußerungsgewinn, galt dieser von Geset- 38 zes wegen – ohne Antrag – bis zum 31.12.2019 (Rz. 4, 33) zinslos als gestundet.5 Besondere formelle oder materielle Voraussetzungen stellte das Gesetz nicht auf. § 52 Abs. 2 Satz 4 InvStG a.F. war auch nicht etwa als Rechtsgrundverweis auf § 222 AO zu verstehen, sodass dessen Voraussetzungen, namentlich das Vorliegen einer erheblichen Härte für den Schuldner, zu prüfen gewesen wäre.6 Die Stundung konnte allerdings erst infolge einer Steuerfestsetzung („festgesetzte Steuer“) 39 i.R.d. Veranlagungsverfahrens bei dem Anteilseigner erfolgen. § 52 Abs. 2 Satz 4 InvStG a.F. benannte nicht, welche Steuern gestundet wurden. Das Gesetz sprach allein von der festgesetzten Steuer. Dieser differenzierungslose Wortlaut spricht dafür, dass nicht nur Einkommenoder Körperschaftsteuer, sondern auch die ggf. festgesetzte Gewerbesteuer kraft Gesetzes gestundet wurde.7 Die FinVerw. erstreckt die Stundung zu Recht auch auf den Solidaritätszuschlag.8

1 Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 52 InvStG Rz. 46; Kröger in Brandis/Heuermann, § 52 InvStG Rz. 75. 2 Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 52 InvStG Anm. 10. 3 Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 52 InvStG Rz. 46. 4 Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 52 InvStG Rz. 46. 5 Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 52 InvStG Rz. 51. 6 Vgl. Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/Mann2, § 52 InvStG Rz. 51. 7 So auch Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 52 InvStG Anm. 10; Enders/Lebioda in Moritz/Jesch/ Mann2, § 52 InvStG Rz. 51. 8 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 52. Oellerich | 883

§ 52 Rz. 40 | Wegfall der Voraussetzungen eines Spezial-Investmentfonds 40 Erfasst wurde durch die Stundung nicht die gesamte festgesetzte Steuer eines bestimmten

StPfl. für einen VZ oder EZ. Nach Sinn und Zweck gemeint war allein die anteilige Steuer, die auf die fiktive Veräußerung der Investmentanteile entfiel.1

41 In der Literatur vertreten wird, dass der Sinn und Zweck des § 52 Abs. 2 Satz 4 InvStG a.F.

teleologische Reduktionen weiterer Vorschriften des Investmentsteuerrechts gebot. So sollte entgegen § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvStG keine 15-prozentige Kapitalertragsteuer einbehalten werden müssen, weil anderenfalls Sinn und Zweck des § 52 Abs. 2 Satz 4 InvStG konterkariert würde.2

42 § 52 Abs. 2 Satz 4 InvStG a.F. bestimmte auch, wann die Stundung automatisch endete. Auch

insoweit bedurfte es keiner Entscheidung der FinVerw. Unmittelbar mit der dort genannten Veräußerung der Investmentanteile war eine Stundung von Gesetzes wegen unmittelbar beendet. Erfasst wurde durch den Begriff der Veräußerung jede entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts,3 hier der Investmentanteile. Nicht nur ein Verkauf führte daher zu einer Veräußerung. Gleiches galt auch für den Tausch oder ggf. für gesellschaftsrechtliche Vorgänge.4 Gleichwohl schien § 52 Abs. 2 Satz 4 InvStG auf den ersten Blick etwas zu kurz zu greifen, denn ein Realisationsakt muss nicht zwingend in einer Veräußerung bestehen. Das hat der Gesetzgeber selbst auch gesehen. So erschöpfte sich der Inhalt des Begriffs der Veräußerung nicht in dem üblichen ertragsteuerlichen Verständnis, sondern ging darüber hinaus. Als Veräußerung von Investmentanteilen und Spezial-Investmentanteilen galt gem. § 2 Abs. 13 InvStG auch deren Rückgabe, Abtretung, Entnahme oder verdeckte Einlage in eine KapGes.5 Durch die (dogmatisch ungenaue) Zusammenfassung unter den Begriff der Veräußerung sollte nach den Gesetzesmaterialien die gleichmäßige Behandlung der Realisationstatbestände gewährleistet werden.6

43 Die Stundung musste bezogen auf die Anteile eines Anteilseigners keinesfalls vollständig ent-

fallen. Vorstellbar war, dass lediglich im Hinblick auf einzelne Anteile eine Veräußerung gegeben war. Insoweit wurde dann auch nur bezogen auf diese Anteile die Stundung beendet.

44 Abzulehnen ist, dass die FinVerw. formelle Voraussetzungen für das Aufrechterhalten der

Stundung in § 52 Abs. 2 Satz 4 InvStG hineinlesen will. Das Verbleiben der Anteile im Depot sei mit jeder Steuer- oder Feststellungserklärung durch den StPfl. nachzuweisen. Andernfalls sei von einer Veräußerung auszugehen und die bislang gestundete Steuer fällig zu stellen.7 Eine solch automatische Beweislastumkehr gibt das Gesetz nicht her. Richtig ist jedoch, dass der StPfl. sich insoweit nicht zurücklehnen kann. Denn das Gesetz kennt nicht nur die Amtsermittlung seitens der FinVerw., sondern auch die Mitwirkungspflichten des StPfl. und erlaubt es, an deren Verletzung nachteilige Folgen zu Lasten des StPfl. zu knüpfen. Wenn diese auch nicht zu einer vollständigen Beweislastumkehr führen, so rechtfertigen sie ggf. doch eine Beweismaßreduzierung zugunsten der FinVerw., sodass diese ggf. auch dann von einer Veräußerung ausgehen darf, obwohl die vollständige Überzeugung vom Vorliegen eines Realisationstatbestands aufgrund der Feststellungen nicht gewonnen werden kann.

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Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 52 InvStG Anm. 10. Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 52 InvStG Anm. 10. Ratschow in Brandis/Heuermann, § 23 EStG Rz. 121. Ratschow in Brandis/Heuermann, § 23 EStG Rz. 121. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 52.18. BT-Drucks. 18/8045, 70. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 52.17.

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D. Fiktion einer Anschaffung (Abs. 3) | Rz. 48 § 52

D. Fiktion einer Anschaffung (Abs. 3) Das Gesetz beschränkt sich nicht auf eine Veräußerungsfiktion in § 52 Abs. 2 InvStG. Steuer- 45 lich erfasst werden sollen auch die stillen Reserven, die seit dem Zeitpunkt der Veräußerungsfiktion und dem tatsächlichen Realisationsakt gebildet worden sind. Zu diesem Zweck fingiert das Gesetz in § 52 Abs. 3 InvStG AK des Anteilseigners in dem Zeitpunkt der Veräußerungsfiktion. Die Fiktion des Anschaffungsvorgangs knüpft allein an das Entfallen der Voraussetzungen 46 des § 26 InvStG an. Insoweit kann auf die Kommentierung des § 52 Abs. 1 und 2 InvStG verwiesen werden (Rz. 9 ff., 33 ff.). Diese Deckungsgleichheit des Bedeutungsinhalts ist angesichts des o.g. Sinns und Zwecks folgerichtig, die Erfassung der stillen Reserven vollständig sicherzustellen. Liegt diese Voraussetzung vor, was stets der Fall ist, wenn zugleich der Spezial-Investment- 47 fonds als aufgelöst gilt, gelten die Investmentanteile zugleich als angeschafft (Fiktion, § 52 Abs. 3 Satz 1 InvStG). Unmittelbare steuerliche Konsequenzen hat dies nicht. Von Bedeutung ist diese Fiktion nur im Hinblick auf einen späteren Realisationsakt und die Bestimmung der AK für diesen Zweck. Als Anschaffungskosten der Investmentanteile ist der nach § 52 Abs. 2 Satz 2 oder 3 InvStG 48 anwendbare Wert anzusetzen (§ 52 Abs. 3 Satz 2 InvStG). Anzusetzen ist folglich auch hier entweder der Rücknahmepreis oder (bei dessen Fehlen) der Börsen- oder Marktpreis. Diese Wertbestimmung findet Anwendung unabhängig davon, ob aufgrund des Wegfalls ein Investmentfonds fortbesteht oder dessen Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.1 Das Gesetz lässt insoweit keine Differenzierung erkennen und auch der Sinn und Zweck des § 52 Abs. 3 InvStG gebietet in beiden Fällen die Bestimmung von AK.

1 So auch Ernst in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 52 Rz. 64; Hammer in Brandis/Heuermann, § 52 InvStG Rz. 98. Oellerich | 885

886 | Oellerich

Kapitel 4 Altersvorsorgevermögenfonds (§ 53)

§ 53 Altersvorsorgevermögenfonds (1) Ein Altersvorsorgevermögenfonds ist eine offene Investmentkommanditgesellschaft, 1. deren Gesellschaftszweck unmittelbar und ausschließlich auf die Abdeckung von betrieblichen Altersvorsorgeverpflichtungen ihrer Anleger gerichtet ist und 2. die die Voraussetzungen eines Spezial-Investmentfonds erfüllt. (2) 1Die Anleger haben der offenen Investmentkommanditgesellschaft schriftlich nach amtlichem Muster zu bestätigen, dass sie ihren Anteil unmittelbar und ausschließlich zur Abdeckung betrieblicher Altersvorsorgeverpflichtungen halten. 2Liegt diese Bestätigung bei im Ausland ansässigen Anlegern vor, so gilt die Voraussetzung des Absatzes 1 Nummer 1 als erfüllt. 3Im Übrigen gilt diese Voraussetzung als nicht erfüllt, wenn der Wert der Anteile, die ein Anleger erwirbt, den Wert seiner betrieblichen Altersvorsorgeverpflichtung übersteigt. (3) 1Die Vorschriften für Spezial-Investmentfonds und deren Anleger sind entsprechend auf Altersvorsorgevermögenfonds und deren Anleger anzuwenden. 2Bei einem Wegfall der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist § 52 sinngemäß anzuwenden. 3Für die Bewertung eines Anteils an einem Altersvorsorgevermögenfonds gilt § 6 Absatz 1 Nummer 2 des Einkommensteuergesetzes entsprechend. (4) 1Die Beteiligung an einem Altersvorsorgevermögenfonds führt nicht zur Begründung oder anteiligen Zurechnung einer Betriebsstätte des Anteilseigners. 2Die Einkünfte des Altersvorsorgevermögenfonds gelten als nicht gewerblich. 3§ 9 Nummer 2 des Gewerbesteuergesetzes ist auf Anteile am Gewinn eines Altersvorsorgevermögenfonds nicht anzuwenden. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . 4. Erreichung des Regelungszwecks? a) DBA-Transparenz . . . . . . . . . . . . . . b) Schaffung eines wettbewerbsfähigen deutschen Pension-Asset-PoolingVehikels? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Definition des Altersvorsorgevermögenfonds (Abs. 1) I. Rechtsformbegrenzung: offene Investmentkommanditgesellschaft . . . . . . . . . . II. Erfassung ausländischer Altersvorsorgevermögenfonds? . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Beschränkung des Gesellschaftszwecks (Abs. 1 Nr. 1) 1. Abdeckung von betrieblichen Altersvorsorgeverpflichtungen ihrer Anleger 2. Unmittelbarkeits- und Ausschließlichkeitserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Erfüllung der Voraussetzungen eines Spezial-Investmentfonds (Abs. 1 Nr. 2) C. Nachweispflicht durch Anleger (Abs. 2) I. Vorlage einer Bestätigung (Abs. 2 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unwiderlegliche Vermutung bei im Ausland ansässigen Anlegern (Abs. 2 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Wert der Altersvorsorgeverpflichtungen als Obergrenze (Abs. 2 Satz 3) . . . . . . . . D. Anwendbare steuerliche Vorschriften (Abs. 3)

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§ 53 Rz. 1 | Altersvorsorgevermögenfonds I. Entsprechende Anwendung der Regeln für Spezial-Investmentfonds und deren Anleger (Abs. 3 Satz 1) 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besteuerung auf Ebene des Altersvorsorgevermögenfonds . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besteuerung auf Ebene der Anleger . . II. Wegfall der Voraussetzungen des Abs. 1 (Abs. 3 Satz 2) 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wegfall des Geschäftszwecks (Alt. 1) . 3. Entfallen der Voraussetzungen eines Spezial-Investmentfonds (Alt. 2) . . . . .

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4. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bewertung der Anteile am Altersvorsorgevermögenfonds (Abs. 3 Satz 3) . . . . . . E. Steuerliche Fiktionen (Abs. 4) I. Keine Betriebsstätte (Abs. 4 Satz 1) . . . . II. Keine gewerblichen Einkünfte (Abs. 4 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Keine gewerbesteuerliche Kürzung beim Anleger (Abs. 4 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . .

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Literatur: Klein/Lorenz/Reichel, Pension Pooling – mit dem OGAW IV-Umsetzungsgesetz eine Chance vertan?, BB 2012, 331; Kußmaul/Kloster, Aufsichts- und steuerrechtliche Wegbereitung für die Entwicklung des Pension-Asset-Pooling in Deutschland, StuW 2014, 313; Schmidt-Narischkin/Drtil/Wolff, Neue Möglichkeiten für das Pension Asset Pooling, ZfgK 2014, 81; Wallach, Die Regulierung von Personengesellschaften im Kapitalanlagegesetzbuch, ZGR 2014, 289; Jansen/Greger, Investmentsteuerreformgesetz – Folgen für betriebliche Anleger und die betriebliche Altersversorgung, RdF 2017, 138.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck 1. Überblick 1 Das einzig aus dem § 53 InvStG bestehende Kapitel 4 des Gesetzes regelt unter der Überschrift

„Altersvorsorgevermögenfonds“ die Voraussetzungen und steuerlichen Folgen dieser besonderen Spielart eines Investmentfonds i.S.v. § 1 Abs. 2 InvStG sowohl für das Vehikel selbst als auch für dessen Anleger. Die Norm ist aus sich heraus schwer verständlich, da sie nur punktuelle Hinweise auf das mit ihrer Einführung bezweckte steuerliche Ziel enthält. Inhaltlich entspricht die Norm weitgehend § 15a InvStG a.F.: Dort hieß der Altersvorsorgevermögenfonds jedoch noch schlicht (unter Übernahme der aufsichtsrechtlichen Terminologie) „offene Investmentkommanditgesellschaft“. 2. Regelungszweck

2 Der Regelungszweck erschließt sich (mittelbar) dadurch, dass es sich bei dem Altersvorsor-

gevermögenfonds nach der gesetzlichen Definition in Abs. 1 um eine offene Investmentkommanditgesellschaft nach §§ 124 ff. KAGB handelt, deren Gesellschaftszweck unmittelbar und ausschließlich auf die Abdeckung von betrieblichen Altersvorsorgeverpflichtungen ihrer Anleger gerichtet ist (sog. Pension Asset Pooling) und die die Voraussetzungen eines SpezialInvestmentfonds erfüllt. Der Altersvorsorgevermögenfonds ist damit das steuerliche Pendant zur offenen Investmentkommanditgesellschaft. Die offene Investmentkommanditgesellschaft war durch das AIFM-UmsG v. 4.7.20131 ins KAGB mit dem Ziel eingeführt worden, ein für den Finanzstandort Deutschland attraktives Pension-Asset-Pooling-Vehikel einzuführen, das insbes. die Voraussetzungen an eine DBA-Transparenz erfüllen sollte, es also ermöglichen sollte, dass für die Zwecke der Anwendung eines DBA auf den Anleger und nicht auf das Vehikel abgestellt wird (zu Details s. Rz. 3 f.). Flankiert und komplettiert wurde die Einführung 1 BGBl. I 2013, 1981.

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A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 5 § 53

der offenen Investmentkommanditgesellschaft durch den durch das AIFM-StAnpG v. 18.12.20131 eingeführten § 15a InvStG a.F., der (in wesentlichen Punkten inhaltsgleich) durch § 53 InvStG fortgeführt wird. Vorausgegangen war eine Forderung der deutschen Investmentbranche, in Deutschland ein 3 steuerlich effizientes Pension-Asset-Pooling-taugliches Fondsvehikel zu schaffen, da andernfalls ein Abfluss von Pensionsvermögenswerten ins benachbarte Ausland zu befürchten gewesen sei. Diese Befürchtung hatte folgenden Hintergrund: Die meisten international tätigen Unternehmen ließen die Vermögenswerte, die zur Absicherung der Pensionsansprüche ihrer Arbeitnehmer dienten (sog. pension assets), in verschiedenen Pensionssystemen im In- und Ausland verwalten. Dies war wenig effizient. Zahlreiche Unternehmen hatten daher geplant, die Verwaltung ihrer Pension Assets in einem zentralen Investmentvehikel zu poolen. In Deutschland wurden die Pension Assets in aller Regel in Spezialfonds verwaltet. Die Altersversorgungseinrichtungen (Pensionsfonds, Pensionskassen, Unterstützungskassen, Treuhänder bei sog. contractual trust arrangements) beteiligten sich an dem Spezialfonds als Anleger.2 Ein Spezialfonds (also ein von einer KVG verwaltetes Sondervermögen) war jedoch (wie eine 4 Investmentaktiengesellschaft) kein geeignetes zentrales Poolingvehikel, weil Sondervermögen und Investmentaktiengesellschaften (entweder unmittelbar oder kraft der Fiktion in § 11 Abs. 1 InvStG a.F.) Körperschaftsteuersubjekte waren und daher von anderen DBA-Vertragsstaaten i.d.R. als DBA-berechtigt und damit nicht als steuerlich transparent angesehen wurden.3 Dies hatte insbes. nachteilige Auswirkungen in sog. Dreiecksfällen, in denen Anleger und Pension Assets in verschiedenen Staaten ansässig bzw. belegen sind:

Da der deutsche Spezialfonds abkommensberechtigt ist,4 werden die Dividenden aus dem Quellenstaat Q dem Spezialfonds zugerechnet, mit der Folge, dass nach dem zwischen Deutschland und Q geltenden DBA Quellensteuer (von i.d.R. 15 %) einbehalten wird. Würde dagegen der im Anlegerstaat A ansässige Pensionsfonds über ein Investmentvehikel anlegen, das auch für DBA-Zwecke steuerlich transparent ist, käme unmittelbar das zwischen A und Q geltende DBA zur Anwendung, mit der Folge, dass, je nach DBA, im Ergebnis evtl. gar keine oder zumindest eine geringere Quellensteuer einbehalten, jedenfalls aber der Anleger grds. so wie bei einer Direktanlage gestellt wird.5 Wichtige Voraussetzung für ein geeignetes Poolingvehikel für Pension Assets ist deshalb, dass 5 es im Inland als steuerlich transparent angesehen wird (wie es insbes. bei Personengesellschaften der Fall ist) und diese steuerliche Transparenz auch von den wichtigsten Quellenstaaten für Abkommenszwecke anerkannt wird. Idealerweise sollen gleichzeitig die Steuervorteile erhalten bleiben, die einer Altersvorsorgeeinrichtung als unmittelbarer Anleger aufgrund von DBA zustehen, d.h., das zentrale Anlagevehikel sollte nicht selbst Besteuerungssubjekt i.S.d. DBA sein, sondern es sollte für Zwecke der DBA weiterhin auf die Anleger des zentralen Anlagevehikels abgestellt werden (sog. DBA-Transparenz).

1 2 3 4 5

BGBl. I 2013, 4318. Kußmaul/Kloster, StuW 2014, 313 (319); Klein/Lorenz/Reichel, BB 2012, 331 (333). BT-Drucks. 18/68, 61; Boxberger in Moritz/Jesch/Mann2, § 53 InvStG Rz. 1 ff. Vgl. Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 53 InvStG Anm. 1 (Stand: August 2021). Ausführlich dazu Kußmaul/Kloster, StuW 2014, 313 (316 ff.). Link | 889

§ 53 Rz. 6 | Altersvorsorgevermögenfonds 6 Andere Länder hatten genau solche Vehikel geschaffen, wie z.B. Luxemburg mit dem Fonds

Commun de Placement (FCP) und insbes. der Société en Commandite Simple (SCS) und die Niederlande mit der Vrijgestelde Beleggingsinstelling (VBI) sowie dem Fonds vor Gemene Rekening (VGR), die (zumindest teilweise) im Abkommenskontext von anderen Staaten als transparent erachtet wurden.1

7 Ziel der Einführung der offenen Investmentkommanditgesellschaft in §§ 124 ff. KAGB

(und damit auch des Altersvorsorgevermögenfonds in § 53 InvStG) war es, ein für DBA-Zwecke transparentes deutsches Anlagevehikel zu schaffen, um auf diese Weise den Anspruch auf (teilweise) Rückerstattung von im Ausland insbes. auf Dividenden einbehaltener Quellensteuer des Anlegers (den dieser bei einer Direktanlage hätte) sicherzustellen. Damit sollte letztlich (auch) der Investmentstandort Deutschland gestärkt werden.2 3. Regelungsgegenstand

8 § 53 definiert den Altersvorsorgevermögenfonds und beschreibt seine Voraussetzungen sowie

seine Steuerfolgen und die Steuerfolgen seiner Anleger. Ein (inländischer) Altersvorsorgevermögenfonds ist definiert als eine Investmentkommanditgesellschaft nach §§ 124 ff. KAGB, deren Gesellschaftszweck unmittelbar und ausschließlich auf die Abdeckung von betrieblichen Altersvorsorgeverpflichtungen ihrer Anleger gerichtet ist (sog. Pension Asset Pooling) und die die Voraussetzungen eines Spezial-Investmentfonds erfüllt (Abs. 1, Rz. 19 ff.). Die in- und ausländischen Anleger müssen auf amtlichem Muster bestätigen bzw. erklären, dass sie ihren Anteil unmittelbar und ausschließlich zur Abdeckung betrieblicher Altersvorsorgeverpflichtungen halten (Abs. 2 Sätze 1 und 2, Rz. 24 f.). Damit soll der (ausschließliche) Einsatz des Vehikels für Zwecke des Pension Asset Pooling sichergestellt werden. Erschwerend kommt hinzu, dass diese Voraussetzung als nicht erfüllt gilt, wenn der Wert der Anteile, die ein Anleger erwirbt, den Wert seiner betrieblichen Altersvorsorgeverpflichtung übersteigt (Abs. 2 Satz 3, Rz. 26).

9 Auf Altersvorsorgevermögenfonds und deren Anleger sind die Vorschriften für Spezial-In-

vestmentfonds und deren Anleger entsprechend anzuwenden (Abs. 3 Satz 1 und 2, Rz. 27 ff.). Bei einem Wegfall der Voraussetzungen für einen Altersvorsorgevermögenfonds (Verlust der Eigenschaft als Spezial-Investmentfonds; Verstoß gegen den Geschäftszweck nach Abs. 1) gilt der Altersvorsorgevermögenfonds nach sinngemäßer Anwendung von § 52 InvStG als aufgelöst (Abs. 3 Satz 2, Rz. 30 ff.).

10 Die Norm enthält darüber hinaus steuerliche Sonderregelungen und Fiktionen, durch die

der Spagat zwischen der steuerlichen Behandlung als „klassischer“ Spezial-Investmentfonds einerseits und Personengesellschaft andererseits hergestellt werden soll. Zum einen soll für die steuerliche Bewertung des Anteils am Altersvorsorgevermögenfonds die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG entsprechend gelten (Abs. 3 Satz 3, Rz. 34). Zum anderen fingiert Abs. 4, dass (1) die Beteiligung an einem Altersvorsorgevermögenfonds nicht zur Begründung oder anteiligen Zurechnung einer Betriebsstätte des Anteilseigners führt, (2) die Einkünfte des Altersvorsorgevermögenfonds nicht als gewerblich gelten und (3) § 9 Nr. 2 GewStG auf Anteile am Gewinn eines Altersvorsorgevermögenfonds nicht anzuwenden ist (Rz. 35 ff.).

1 Ausführlich Boxberger in Moritz/Jesch/Mann2, § 53 InvStG Rz. 1 ff. 2 Grundlegend zur offenen Investmentkommanditgesellschaft Wallach, ZGR 2014, 289.

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A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 14 § 53

4. Erreichung des Regelungszwecks? a) DBA-Transparenz Der Gesetzgeber geht u.E. zutreffend davon aus, dass der Altersvorsorgevermögenfonds die 11 angestrebte DBA-Transparenz grds. erreichen kann,1 verkennt dabei aber nicht das Problem, dass es (auch und gerade) auf die Einordnung des Vehikels im ausländischen Staat ankommt. Er räumt daher zu Recht ein, dass eine inländische Personengesellschaft nicht in allen DBA-Vertragsstaaten als transparentes Vehikel behandelt wird und empfiehlt (ebenfalls zu Recht) eine ausdrückliche Regelung im Rahmen einer Revision von DBA oder im Rahmen von Verständigungsverfahren.2 Für diese Zwecke wäre es u.E. hilfreich gewesen, wenn bereits der Wortlaut der Norm einen Hinweis auf die intendierte DBA-Transparenz enthalten hätte. Dies hätte die Diskussion mit ausländischen FinVerw. erleichtern können. Ebenfalls hilfreich wäre es, wenn die deutsche Verhandlungsgrundlage für DBA im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen oder neu abzuschließende DBA einen Hinweis auf den Altersvorsorgevermögenfonds enthalten würden. Bislang ist dies leider nicht der Fall. Ob die offene Investmentkommanditgesellschaft (die Vorgängerin des Altersvorsorgever- 12 mögenfonds) die angestrebte DBA-Transparenz (zumindest aus deutscher Sicht) erreicht hat, ist umstritten, wurde von der überwiegenden Literaturmeinung jedoch u.E. zutreffend bejaht,3 insbes. mit dem Argument, dass eine Personengesellschaft weder einkommen- noch körperschaftsteuerpflichtig (und damit keine ansässige Person i.S.v. Art. 4 Abs. 1 OECD-MA) ist und darüber hinaus die offene Investmentkommanditgesellschaft nach § 11 Abs. 1 Satz 3 InvStG a.F. von der GewSt befreit war. Beim Altersvorsorgevermögenfonds nach dem neu gefassten § 53 InvStG führt die Fortfüh- 13 rung des Verweises auf die Anwendung der Steuerfolgen bei Spezial-Investmentfonds u.E. zu dem möglicherweise nicht näher im Gesetzgebungsverfahren bedachten Problem, dass inländische Spezial-Investmentfonds zukünftig – anders als nach bisherigem Recht – stets (und zwar unabhängig von ihrer Rechtsform) mit ihren Einkünften nach § 6 InvStG unbeschränkt (körperschaft-)steuerpflichtig sind (§ 29 Abs. 1 InvStG i.V.m. § 6 Abs. 1 InvStG, s. dazu § 6 InvStG Rz. 15 f.). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Spezial-Investmentfonds die Transparenzoptionen nach § 30 Abs. 1 InvStG ausübt und KapErtrSt nach § 33 InvStG ausübt. Diese grds. unbeschränkte StPfl. des Altersvorsorgevermögenfonds hat die Argumentationshürde zugunsten einer DBA-Transparenz unnötig erhöht. Gegebenenfalls sollte in § 53 InvStG aufgenommen werden, dass § 29 InvStG für Altersvorsorgevermögenfonds nicht gilt bzw. diese verpflichtet sind, die Transparenzoptionen nach § 30 Abs. 1 InvStG auszuüben und KapErtrSt nach § 33 InvStG zu erheben. b) Schaffung eines wettbewerbsfähigen deutschen Pension-Asset-Pooling-Vehikels? Die praktische Akzeptanz des Altersvorsorgevermögenfonds wird auch davon abhängen, ob 14 es möglich sein wird, die bislang insbes. von Spezialfonds gehaltenen Pension Assets steuerneutral (d.h. ohne Realisierung der insbes. in den gehaltenen Aktienbeständen zu erwartenden stillen Reserven) auf den Altersvorsorgevermögenfonds zu übertragen.4 Zwar ist die 1 BT-Drucks. 18/68, 61. Diese Aussage bezog sich zwar auf die „offene Investmentkommanditgesellschaft“ in § 15a InvStG a.F.; durch § 53 InvStG sollten deren Regeln schlicht fortgeführt werden, vgl. BT-Drucks. 18/8045, 123. 2 BT-Drucks. 18/68, 61. 3 Boxberger in Moritz/Jesch/Mann2, § 53 InvStG Rz. 1 ff.; Kußmaul/Kloster, StuW 2014, 313 (320); Heinsius/Schäfer/Schinzl in Baur/Tappen, Investmentgesetze, 3. Aufl. 2015, § 15a InvStG Rz. 24; krit. Bödecker in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 15a InvStG Rz. 2 ff.; grundlegend Mingels in Bödecker/ Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 53 Rz. 142 ff. (Stand: Januar 2022). 4 Kußmaul/Kloster, StuW 2014, 313 (325); Schmidt-Narischkin/Drtil/Wolff, ZfgK 2014, 81 (83). Link | 891

§ 53 Rz. 14 | Altersvorsorgevermögenfonds Verschmelzung eines inländischen Spezialfonds auf die offene Investmentkommanditgesellschaft mittlerweile aufsichtsrechtlich zulässig (§ 281 Abs. 3 KAGB), eine entsprechende steuerrechtliche Regelung fehlt jedoch noch. Seit dem InvStRefG können gem. § 54 Abs. 2 InvStG in- und ausländische Altersvorsorgevermögenfonds jeweils untereinander steuerneutral verschmolzen werden. Dies gilt aber nur insoweit, als sie dem gleichen Recht unterliegen, d.h. nicht grenzüberschreitend. Demgegenüber würde die Möglichkeit, Pension Assets steuerneutral grenzüberschreitend – z.B. von einem luxemburgischen oder niederländischen PensionAsset-Pooling-Vehikel – auf einen Altersvorsorgevermögenfonds zu übertragen, seine Attraktivität erhöhen.

II. Anwendungsbereich 15 § 53 InvStG regelt dem Wortlaut nach nur Voraussetzungen und Steuerfolgen eines inländi-

schen Altersvorsorgevermögenfonds und seiner Anleger. Dies ergibt sich aus der Bezugnahme auf die aufsichtsrechtlichen Vorschriften im KAGB in Abs. 1 („ist eine offene Investmentkommanditgesellschaft“). Das Gesetz geht in § 54 Abs. 4 InvStG allerdings offensichtlich auch vom Vorhandensein von „ausländischen Altersvorsorgevermögenfonds“ aus (die untereinander steuerneutral verschmolzen werden können), ohne diese näher zu definieren. Diese Regelung macht u.E. nur Sinn, wenn man § 53 Abs. 1 Satz 1 InvStG so liest, dass ein Altersvorsorgevermögenfonds entweder eine offene Investmentkommanditgesellschaft „oder ein vergleichbares ausländisches Vehikel“ ist, das i.Ü. die weiteren Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllt.1 Eine entsprechende gesetzliche Klarstellung erscheint geboten.

III. Rechtsentwicklung 16 Die Vorgängernorm des § 15a InvStG a.F. war durch das AIFM-StAnpG v. 18.12.20132 ins

Gesetz eingeführt worden. Dort hieß der Altersvorsorgevermögenfonds jedoch noch (unter Übernahme der aufsichtsrechtlichen Terminologie) „offene Investmentkommanditgesellschaft“. Die steuerliche Behandlung dieses Pension-Asset-Pooling-Vehikels war bereits (weitgehend wortlautidentisch) in § 15a InvStG a.F. sowie zum Teil in § 1 Abs. 1f Nr. 3 InvStG a.F. enthalten. § 53 InvStG wurde durch das InvStRefG v. 19.7.20163 neu gefasst. Ziel war es, die bisher geltenden Regelungen zusammenzufassen und weitgehend inhaltsgleich fortzuführen.4

17 Auch wenn der Wortlaut in großen Teilen übernommen wurde, ergeben sich materielle Än-

derungen. Grund ist zum einen, dass sich das steuerliche Regime für Spezial-Investmentfonds und seine Anleger (auf die das alte und neue Recht fast wortlautidentisch verweisen) deutlich geändert hat. Anders als bisher sind Spezial-Investmentfonds zukünftig grds. mit ihren Einkünften nach § 6 InvStG unbeschränkt stpfl. (§ 29 Abs. 1 InvStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 1 InvStG), es sei denn, der Spezial-Investmentfonds übt die Transparenzoption nach § 30 Abs. 1 InvStG aus und erhebt KapErtrSt nach § 33 InvStG (Rz. 13). Daneben wurde eine bewusste Nachweiserleichterung für ausländische Anleger aufgenommen (Abs. 2 Satz 2, Rz. 25).

18 § 15a Abs. 4 InvStG a.F. enthielt eine bisher nur für die offene Investmentkommanditgesell-

schaft geltende Regelung, wonach bei Übertragung von Wirtschaftsgütern aus dem Betriebsvermögen eines Anlegers auf die offene Investmentkommanditgesellschaft stille Re-

1 Evtl. abweichend Mann in Brandis/Heuermann, § 53 InvStG 2018 Rz. 8 (Stand: Mai 2020), wonach der Wortlaut von Abs. 1 ausländische Altersvorsorgevermögenfonds „faktisch ausschließe“. 2 BGBl. I 2013, 4318. 3 BGBl. I 2016, 1730 = BStBl. I 2016, 731. 4 BT-Drucks. 18/8045, 123.

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B. Definition des Altersvorsorgevermögenfonds (Abs. 1) | Rz. 21 § 53

serven stpfl. zu realisieren sind. Diese Regelung wurde inhaltlich beibehalten, jedoch nach § 5a InvStG verschoben, sodass sie nunmehr für alle Fälle von Übertragungen auf Investmentfonds (einerseits aus dem Privat- oder Betriebsvermögen, andererseits auf alle Arten von Investmentfonds, einschließlich Altersvorsorgevermögenfonds) gilt.

B. Definition des Altersvorsorgevermögenfonds (Abs. 1) I. Rechtsformbegrenzung: offene Investmentkommanditgesellschaft Beim Altersvorsorgevermögenfonds muss es sich zunächst um eine offene Investmentkom- 19 manditgesellschaft handeln (Abs. 1). Inhalt und Voraussetzungen einer offenen Investmentkommanditgesellschaft sind näher in §§ 124 ff. KAGB geregelt.1 Aufgrund des ausdrücklichen Gesetzeswortlauts fallen andere für Zwecke der bAV genutzte Vehikel (wie eine geschlossene Investmentkommanditgesellschaft i.S.v. §§ 149 ff. KAGB, ein Sondervermögen oder eine Investmentaktiengesellschaft) nicht unter den Begriff des Altersvorsorgevermögenfonds i.S.v. § 53 InvStG.

II. Erfassung ausländischer Altersvorsorgevermögenfonds? § 53 Abs. 1 InvStG erwähnt nur die inländische offene Investmentkommanditgesellschaft. Da- 20 raus wird z.T. gefolgert, dass das Gesetz ausländische Altersvorsorgevermögenfonds faktisch ausschlösse.2 Unseres Erachtens folgt jedoch aus § 54 Abs. 4 InvStG (der ausdrücklich die Verschmelzung von ausländischen Altersvorsorgevermögenfonds anspricht), dass das Gesetz (auch) von der möglichen Existenz ausländischer Altersvorsorgevermögenfonds ausgeht. Mangels entgegenstehender gesetzlicher Regelung müssten diese dann ebenfalls von § 53 InvStG erfasst sein und – in analoger Anwendung dieser Vorschrift – definiert sein als ausländische Gebilde, die einer offenen Investmentkommanditgesellschaft vergleichbar sind und i.Ü. die weiteren Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllen.

III. Beschränkung des Gesellschaftszwecks (Abs. 1 Nr. 1) 1. Abdeckung von betrieblichen Altersvorsorgeverpflichtungen ihrer Anleger Nach Abs. 1 Nr. 1 muss der Gesellschaftszweck der Investmentkommanditgesellschaft „unmit- 21 telbar und ausschließlich“ auf die Abdeckung von betrieblichen Altersvorsorgeverpflichtungen ihrer Anleger gerichtet sein. Durch diese bewusste steuerliche Einschränkung des Gesellschaftszwecks in Bezug auf den sich beteiligenden Anlegerkreis (aufsichtsrechtlich wären auch weitere Gesellschaftszwecke einer offenen Investmentkommanditgesellschaft zulässig) soll sichergestellt werden, dass sich sämtliche betriebliche Altersvorsorgeeinrichtungen (aber auch nur diese) am Altersvorsorgevermögenfonds beteiligen können (d.h. Pensionsfonds, Pensionskassen, Unterstützungskassen, Zusatzversorgungskassen, CTA-Treuhänder und vergleichbare in- oder ausländische Einrichtungen).3

1 Boxberger in Moritz/Jesch/Mann2, § 53 InvStG Rz. 21 ff. 2 So Mann in Brandis/Heuermann, § 53 InvStG Rz. 8 (Stand: Mai 2020). 3 BT-Drucks. 18/68, 44; Boxberger in Moritz/Jesch/Mann2, § 53 InvStG Rz. 27; Mann in Brandis/Heuermann, § 53 InvStG Rz. 9 (Stand: Mai 2020). Link | 893

§ 53 Rz. 22 | Altersvorsorgevermögenfonds 2. Unmittelbarkeits- und Ausschließlichkeitserfordernis 22 Der Gesellschaftszweck muss unmittelbar und ausschließlich auf die Abdeckung von betrieb-

lichen Altersvorsorgeverpflichtungen der Anleger gerichtet sein. Da ein „unmittelbares Gerichtetsein“ eines Gesellschaftszwecks schwer vorstellbar ist (der Gesellschaftszweck ist entweder entsprechend formuliert oder eben nicht), muss dieses Merkmal nach u.E. zutreffender Auffassung der Literatur so verstanden werden, dass sich der Anleger unmittelbar am Altersvorsorgevermögenfonds (d.h. ohne Zwischenschaltung anderer nicht begünstigter Vehikel) beteiligen muss.1 Unseres Erachtens ist eine mittelbare Beteiligung über einen CTA-Treuhänder jedoch unschädlich.2 Das Erfordernis der Ausschließlichkeit birgt die Gefahr in sich, dass die FinVerw. jeden anderen noch so geringen gesellschaftlichen (Neben-)Zweck als schädlich erachten könnte. Bei der Formulierung der Satzung ist daher zu empfehlen, sich strikt an den Gesetzeswortlaut zu halten.

IV. Erfüllung der Voraussetzungen eines Spezial-Investmentfonds (Abs. 1 Nr. 2) 23 Nach Abs. 1 Nr. 2 muss die offene Investmentkommanditgesellschaft darüber hinaus die Vo-

raussetzungen eines Spezial-Investmentfonds erfüllen. Bei einer sachgerechten Auslegung der Norm kann damit u.E. nur gemeint sein, dass die Investmentkommanditgesellschaft die Voraussetzungen für eine Gewerbesteuerbefreiung nach § 15 Abs. 2 und 3 InvStG erfüllt und in der Anlagepraxis nicht wesentlich gegen die Anlagebestimmungen des § 26 InvStG verstößt.3 Nicht anwendbar sein kann demgegenüber die Rechtsformbeschränkung in § 27 InvStG auf Sondervermögen und Investmentaktiengesellschaften, denn sonst könnte eine Investmentkommanditgesellschaft nie zugleich die Voraussetzungen eines Spezial-Investmentfonds erfüllen.4 In der Literatur wird zutreffend darauf hingewiesen, dass zukünftig (anders als noch bei § 15a InvStG a.F.) eine (unmittelbare) Beteiligung natürlicher Personen am Altersvorsorgevermögenfonds (zumindest theoretisch) möglich sein sollte (vgl. § 26 Abs. 1 Nr. 8 InvStG).5

C. Nachweispflicht durch Anleger (Abs. 2) I. Vorlage einer Bestätigung (Abs. 2 Satz 1) 24 Nach § 53 Abs. 2 Satz 1 InvStG muss jeder in- und ausländische Anleger gegenüber der offe-

nen Investmentkommanditgesellschaft schriftlich bestätigen, dass er seine Anteile unmittelbar und ausschließlich zur Abdeckung betrieblicher Altersvorsorgeverpflichtungen hält. Die Bestätigung muss nach amtlichem Muster erfolgen. Nach Auffassung der FinVerw. müssen die Anleger darin (und über den Gesetzeswortlaut hinaus) die Art der betrieblichen Altersvorsorgeeinrichtung nennen sowie Angaben darüber machen, bei welchen FinBeh. und unter welcher Steuernummer sie geführt werden.6 Dieses Muster liegt allerdings noch nicht vor; so lange muss u.E. ein entsprechender formloser Nachweis ausreichen.

1 Boxberger in Moritz/Jesch/Mann2, § 53 InvStG Rz. 27; wohl auch Mann in Brandis/Heuermann, § 53 InvStG Rz. 9 (Stand: Mai 2020); BT-Drucks. 18/68, 44. 2 A.A. jedoch, gestützt auf den Gesetzeswortlaut, Mann in Brandis/Heuermann, § 53 InvStG Rz. 9 (Stand: Mai 2020). 3 So auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 53.2. 4 So zutreffend Mann in Brandis/Heuermann, § 53 InvStG Rz. 10 (Stand: Mai 2020); (wohl) auch BMFAnwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 53.2. 5 Mingels in BeckOK/InvStG, § 53 Rz. 49 (Stand: Januar 2022). 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 53.3.

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D. Anwendbare steuerliche Vorschriften (Abs. 3) | Rz. 27 § 53

II. Unwiderlegliche Vermutung bei im Ausland ansässigen Anlegern (Abs. 2 Satz 2) Für ausländische Anleger haben sich durch § 53 InvStG (im Vergleich zu § 15a InvStG a.F.) 25 die Nachweispflichten erleichtert. Zukünftig reicht nach dem Gesetzeswortlaut die Vorlage der Bestätigung nach Abs. 2 Satz 1 aus, d.h., durch die bloße Vorlage der Bestätigung gelten die Voraussetzung des Abs. 1 Nr. 1 im Sinne einer unwiderleglichen Vermutung1 als erfüllt. Die FinVerw. will sogar noch einen Schritt weitergehen und bei ausländischen Anlegern eine Erklärung genügen lassen, dass diese ihre Anteile unmittelbar und ausschließlich zum Zwecke der Abdeckung von betrieblichen Altersvorsorgeverpflichtungen halten. Die Vorlage einer Bestätigung nach amtlichem Muster sei nicht erforderlich.2 Im Umkehrschluss kann man daraus folgern, dass die FinVerw. die Richtigkeit der Angaben in der Bestätigung bei inländischen Anlegern – wenn es das amtliche Muster denn endlich gibt – tatsächlich und nachhaltig prüfen will. In der Zwischenzeit ist die Unterscheidung u.E. rein theoretischer Natur.

III. Wert der Altersvorsorgeverpflichtungen als Obergrenze (Abs. 2 Satz 3) Nach Abs. 2 Satz 3 gelten „im Übrigen“ die Voraussetzungen des Abs. 1 Nr. 1 als nicht erfüllt, 26 wenn der Wert der Anteile, die ein Anleger erwirbt, den Wert seiner betrieblichen Altersvorsorgeverpflichtung übersteigt. Durch die Formulierung „im Übrigen“ dürfte sich dieses Erfordernis u.E. nur auf die im Inland ansässigen Anleger beziehen, d.h., bei ausländischen Anlegern sollte sich die unwiderlegliche Vermutung nach dem Gesetzeswortlaut u.E. auch auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 2 Satz 3 beziehen. Die FinVerw. sieht dies jedoch offensichtlich anders und erstreckt dieses Erfordernis ausdrücklich auch auf ausländische Anleger.3 In der Sache geht es darum, die steuerlichen Vergünstigungen des § 53 InvStG für Altersvorsorgevermögenfonds auch der Höhe nach auf die tatsächlich eingegangenen Altersvorsorgeverpflichtungen zu beschränken (es hätte daher im Gesetz u.E. nicht „wenn“, sondern „soweit“ heißen müssen).4 Nach u.E. zutreffender Auffassung der FinVerw. ist dabei der Wert der Anteile sowohl im Zeitpunkt der erstmaligen Anschaffung einer Kommanditbeteiligung als auch bei späteren Erhöhungen der Beteiligungen maßgebend. Ändert sich der Wert der Beteiligung, weil der Wert der von der Investmentkommanditgesellschaft gehaltenen Vermögensgegenstände sinkt oder sich erhöht, ist dies ohne Bedeutung.5

D. Anwendbare steuerliche Vorschriften (Abs. 3) I. Entsprechende Anwendung der Regeln für Spezial-Investmentfonds und deren Anleger (Abs. 3 Satz 1) 1. Vorbemerkung Nach § 53 Abs. 3 Satz 1 InvStG sind die Vorschriften für Spezial-Investmentfonds und deren 27 Anleger (§§ 25 bis 52 InvStG) auf Altersvorsorgevermögen und deren Anleger entsprechend anzuwenden. Weder die Gesetzesbegründung noch das BMF-Schreiben v. 29.10.20206 gehen 1 2 3 4 5

So auch Mann in Brandis/Heuermann, § 53 InvStG 2018 Rz. 9a (Stand: Mai 2020). BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 53.4. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 53.5. So im Ergebnis (wohl) auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 53.5. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 53.5 f., mit einem Rechenbeispiel; zur möglichen Bestimmung des Werts vgl. Mingels in BeckOK/InvStG, § 53 Rz. 75 (Stand: Januar 2022). 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 53.7. Link | 895

§ 53 Rz. 27 | Altersvorsorgevermögenfonds auf den Inhalt dieser Vorschrift näher ein. Diese in Teilen wortlautidentische Übernahme der entsprechenden Regelung des § 15a Abs. 2 Satz 1 InvStG a.F. ist u.E. missglückt (und muss als Redaktionsversehen bewertet werden), da sie zu einer wohl nicht beabsichtigten, aber dennoch wesentlichen Änderung der Steuerfolgen auf Ebene der offenen Investmentkommanditgesellschaft führt. Denn zukünftig wird es – wie gleich in Rz. 28 dargestellt – ohne Ausübung der Transparenzoption nach § 30 Abs. 1 InvStG deutlich schwieriger sein, die DBA-Transparenz eines Altersvorsorgevermögenfonds zu begründen. 2. Besteuerung auf Ebene des Altersvorsorgevermögenfonds 28 Da die Regeln über Spezial-Investmentfonds gelten, ist der (in- oder ausländische) Altersvor-

sorgevermögenfonds grds. Körperschaftsteuersubjekt und mit seinen Einkünften nach § 6 InvStG (unbeschränkt) steuerpflichtig (§ 29 Abs. 1 InvStG), es sei denn, er übt die Transparenzoption nach § 30 Abs. 1 InvStG aus und erhebt KapErtrSt nach § 33 InvStG. Damit weicht die Neuregelung wesentlich vom alten Regime ab, denn dort war die offene Investmentkommanditgesellschaft nach § 15a InvStG a.F. gerade kein Körperschaftsteuersubjekt – und sollte es wegen der beabsichtigten DBA-Transparenz auch nicht sein. Die erstmalige Einführung einer Körperschaftsteuerpflicht auf Ebene des Altersvorsorgevermögenfonds führt u.E. zwangsläufig zum Aufleben der bereits zum früheren Recht geführten Diskussion, ob es dem Gesetzgeber tatsächlich gelungen sei, mit der offenen Investmentkommanditgesellschaft ein für das Pension-Asset-Pooling taugliches DBA-transparentes Vehikel zu schaffen (s. Rz. 11 ff.), und verschärft diese unnötig. Um die beabsichtigte DBA-Transparenz eines bestimmten Altersvorsorgevermögenfonds sicherzustellen, ist jedem Fondsmanager geraten, die Transparenzoption nach § 30 Abs. 1 InvStG auszuüben und KapErtrSt nach § 33 InvStG zu erheben, um auf diese Weise eine Befreiung von der Körperschaftsteuerpflicht zu erreichen. Um dieses Problem zu entschärfen, hätte der Gesetzgeber die Ausübung der Transparenzoption zum Tatbestandsmerkmal eines Altersvorsorgevermögensfonds machen können. Da er dies nicht getan hat, darf es u.E. daran aber in der Praxis zukünftig auch nicht scheitern. 3. Besteuerung auf Ebene der Anleger

29 Da auch auf Anlegerebene die Regeln für Spezial-Investmentfonds gelten, sind die Anleger

eines Altersvorsorgevermögenfonds mit Ausschüttungen, ausschüttungsgleichen Erträgen und Gewinnen aus der Veräußerung und Rückgabe ihrer Anteile stpfl. (§ 34 Abs. 1 InvStG). Dies entspricht (zumindest im Grundsatz) dem bisherigen Recht. Die Bildung von Sonder- und Ergänzungsbilanzen sollte weiterhin nicht notwendig sein.1

II. Wegfall der Voraussetzungen des Abs. 1 (Abs. 3 Satz 2) 1. Vorbemerkung 30 Nach Abs. 3 Satz 2 ist bei einem Wegfall der Voraussetzungen des Abs. 1 die Vorschrift des

§ 52 InvStG sinngemäß anzuwenden. Die FinVerw. konkretisiert dies dahingehend, dass die offene Investmentkommanditgesellschaft nicht nur bei einem Entfallen der Voraussetzungen als Spezial-Investmentfonds (Abs. 1 Nr. 2), sondern bereits bei einem Entfallen des Geschäftszwecks nach Abs. 1 Nr. 1 ihren Status als Altersvorsorgevermögenfonds i.S.v. § 53 InvStG verliert.2

1 Zum alten Recht Mann in Blümich, § 15a InvStG Rz. 26 (Stand: Mai 2016). 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 53.8.

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D. Anwendbare steuerliche Vorschriften (Abs. 3) | Rz. 34 § 53

2. Wegfall des Geschäftszwecks (Alt. 1) Nach dem Wortlaut von Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 muss „wegfallen“, dass der Gesellschafts- 31 zweck unmittelbar und ausschließlich auf die Abdeckung von betrieblichen Altersvorsorgeverpflichtungen ihrer Anleger gerichtet ist. Das verblüfft, da der Gesellschaftszweck nur durch eine Satzungsänderung entfallen kann. Jedenfalls sind bloße Verstöße gegen den fortbestehenden (nicht wegfallenden) Gesellschaftszweck aufgrund des insoweit eindeutigen Gesetzeswortlauts u.E. nicht sanktioniert. Nicht von Abs. 3 Satz 2 erfasst ist u.E. ferner die Nichterfüllung der Nachweispflichten durch die Anleger. Auch das BMF-Schreiben enthält dazu keine Aussagen. Rein vorsorglich sollte die Beachtung der Nachweispflichten in der Praxis gleichwohl beachtet werden und ggf. durch entsprechende Regelungen im Gesellschaftsvertrag abgesichert sein. 3. Entfallen der Voraussetzungen eines Spezial-Investmentfonds (Alt. 2) Die Regelung in § 53 Abs. 3 Satz 2 InvStG ist entbehrlich, da bei Entfallen der Voraussetzun- 32 gen eines Spezial-Investmentfonds die Rechtsfolge des § 52 InvStG sowieso (und zwar unmittelbar) anwendbar wäre. Dass ein Altersvorsorgevermögenfonds nicht (mehr) die Voraussetzungen als Spezial-Investmentfonds erfüllt, erscheint insbes. in Fällen denkbar, in denen der Altersvorsorgevermögenfonds seine Anlagebedingungen in der Weise ändert, dass die Voraussetzungen des § 26 InvStG nicht mehr erfüllt sind oder ein wesentlicher Verstoß gegen die Anlagebestimmungen des § 26 InvStG vorliegt. 4. Rechtsfolge § 53 Abs. 3 InvStG erklärt als Rechtsfolge die Vorschrift des § 52 Abs. 1 InvStG für sinngemäß 33 anwendbar. Dies hat zur Folge, dass der Altersvorsorgevermögenfonds für steuerliche Zwecke als aufgelöst gilt. Liegen zugleich die Voraussetzungen eines Investmentfonds weiterhin vor, gilt mit der Auflösung ein Investmentfonds als neu aufgelegt (§ 52 Abs. 1 Satz 2 InvStG).1 Dieser Fall ist jedoch nur schwer vorstellbar, da eine offene Investmentkommanditgesellschaft als Personengesellschaft außerhalb des § 53 InvStG grds. nicht als Investmentfonds gilt (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 InvStG, s. dazu § 1 InvStG Rz. 85 ff.). Im Regelfall führt § 52 Abs. 1 InvStG vielmehr zur Geltung der (normalen) Personengesellschaftsregeln ab dem (fiktiven) Auflösungszeitpunkt. Gemäß § 52 Abs. 2 InvStG gelten die Anteile am Altersvorsorgevermögen als zum Rücknahme- bzw. Marktpreis veräußert; zugleich gelten Anteile an einer (normalen) Personengesellschaft als angeschafft. Treten diese Folgen zu einem anderen Zeitpunkt als zum Ende des Geschäftsjahres ein, so gilt für steuerliche Zwecke ein Rumpfgeschäftsjahr als beendet (§ 52 Abs. 1 Satz 3 InvStG). Die auf den fiktiven Veräußerungsvorgang festgesetzte Steuer gilt bis zur tatsächlichen Veräußerung des Anteils als zinslos gestundet (§ 52 Abs. 2 Satz 4).

III. Bewertung der Anteile am Altersvorsorgevermögenfonds (Abs. 3 Satz 3) Abs. 3 Satz 3 normiert, dass für die Bewertung eines Anteils an einem Altersvorsorgever- 34 mögenfonds § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG2 entsprechend gilt. Danach ist der Anteil als selbstständiges Wirtschaftsgut nach dem Anschaffungskostenprinzip zu bilanzieren.3 Diese Anordnung ist konstitutiv, denn andernfalls würde – wie bei anderen Personengesellschaften auch – die

1 So ausdrücklich BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 53.8. 2 S. dazu Richter in H/H/R, § 6 EStG Anm. 500 ff. (Stand: September 2020). 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 53.9. Link | 897

§ 53 Rz. 34 | Altersvorsorgevermögenfonds sog. „Spiegelbildmethode“ gelten, wonach sich (vereinfacht gesprochen) die Bewertung der Beteiligung eines Gesellschafters nach seinem Kapitalkonto bei der Personengesellschaft richtet, weil die Beteiligung an einer Personengesellschaft nicht als eigenständiges Bilanzierungsoder Bewertungsobjekt gilt.1 Diese gesetzliche Anordnung ist zu begrüßen, da sie zu einem Gleichklang mit der Behandlung von Anteilen an anderen (Spezial-)Investmentfonds führt, die steuerlich ebenfalls als eigenständige Wirtschaftsgüter nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG grds. mit den AK zu bewerten sind. Unseres Erachtens sollten aufgrund des Verweises auf die gesamte Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG auch steuerlich anzuerkennende Teilwertabschreibungen bei voraussichtlich dauernder Wertminderung möglich sein.2 Eine entsprechende Klarstellung seitens der FinVerw. im BMF-Schreiben wäre hilfreich gewesen.

E. Steuerliche Fiktionen (Abs. 4) I. Keine Betriebsstätte (Abs. 4 Satz 1) 35 Nach Abs. 4 Satz 1 führt die Beteiligung an einem Altersvorsorgevermögenfonds nicht zur

Begründung oder anteiligen Zurechnung einer Betriebsstätte des Anteilseigners. Die FinVerw. konkretisiert diese Regelung dahingehend, dass nicht „allein“ die Beteiligung an einem Altersvorsorgevermögenfonds zu einer Betriebsstätte führt.3 Grund für die Aufnahme dieser Fiktion war die Sorge, dass andernfalls eine Investmentkommanditgesellschaft eine Betriebsstätte in Deutschland i.S.v. § 12 AO unterhalten und folglich ihren Anlegern anteilig eine solche vermitteln und das infolgedessen der Bundesrepublik Deutschland nach den meisten DBA zugewiesene Besteuerungsrecht (Art. 5 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 OECD-MA) der angestrebten DBA-Transparenz entgegenstehen könnte.4 In der Sache ist diese Fiktion zu begrüßen. Allerdings erscheint das Entstehen einer inländischen Betriebsstätte eines Altersvorsorgevermögenfonds nur schwer vorstellbar, da eine solche u.E. gewerbliche Einkünfte voraussetzen würde, die ein Altersvorsorgevermögenfonds allerdings nach § 53 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 26 InvStG nicht (bzw. nur im Umfang des § 15 Abs. 2 und 3 InvStG) erzielen darf.

II. Keine gewerblichen Einkünfte (Abs. 4 Satz 2) 36 Nach Abs. 4 Satz 2 gelten die Einkünfte eines Altersvorsorgevermögenfonds als nicht gewerb-

lich. Durch diese Regelung soll insbes. für steuerbefreite Anleger sichergestellt werden, dass durch die Beteiligung an einem Altersvorsorgevermögenfonds keine gewerblichen Einkünfte vermittelt werden.5 Auch diese Fiktion ist zu begrüßen. Da ein Altersvorsorgevermögenfonds allerdings allenfalls gewerbliche Einkünfte im Umfang des § 15 Abs. 2 und 3 InvStG erzielen darf (§ 53 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 26 InvStG), dürfte diese Fiktion u.E. insbes. den Fall erfassen, dass der Altersvorsorgevermögenfonds aufgrund seiner Gesellschafterstruktur als gewerblich geprägt i.S.v. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gilt.

1 2 3 4 5

Ausführlich zur vergleichbaren Frage im alten Recht Boxberger in Moritz/Jesch, § 15a InvStG Rz. 43. So im Ergebnis auch Mann in Brandis/Heuermann, § 53 InvStG 2018 Rz. 18 (Stand: Mai 2020). BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 53.10. BT-Drucks. 18/68, 62; Mann in Brandis/Heuermann, § 53 InvStG 2018 Rz. 20 (Stand: Mai 2020). BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 53.11; vgl. auch Mann in Brandis/Heuermann, § 53 InvStG 2018 Rz. 21 (Stand: Mai 2020), und Boxberger in Moritz/Jesch/Mann2, § 53 InvStG Rz. 40 ff.

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E. Steuerliche Fiktionen (Abs. 4) | Rz. 37 § 53

III. Keine gewerbesteuerliche Kürzung beim Anleger (Abs. 4 Satz 3) Nach § 53 Abs. 4 Satz 3 InvStG ist § 9 Nr. 2 GewStG auf die Anteile am Gewinn eines Alters- 37 vorsorgevermögenfonds nicht anzuwenden. Hintergrund dieser Regelung ist die Befreiung des Altersvorsorgevermögenfonds von der GewSt (§ 29 Abs. 4 InvStG). Ohne diese Fiktion könnte sich ein inländischer Anleger, der seine Beteiligung im Betriebsvermögen hält, auf die gewerbesteuerliche Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 2 GewStG berufen, sodass die Erträge aus dem Altersvorsorgevermögenfonds auch bei ihm nicht der GewSt unterliegen würden.1

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 53.12; vgl. auch Mann in Brandis/Heuermann, § 53 InvStG 2018 Rz. 22 (Stand: April 2017); Boxberger in Moritz/Jesch/Mann2, § 53 InvStG Rz. 43 f. Link | 899

900 | Link

Kapitel 5 Verschmelzung von Spezial-Investmentfonds und von Altersvorsorgevermögenfonds (§ 54)

§ 54 Verschmelzung von Spezial-Investmentfonds und Altersvorsorgevermögenfonds (1) 1Bei einer Verschmelzung von inländischen Spezial-Investmentfonds miteinander gilt § 23 Absatz 1 bis 3 entsprechend. 2Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn ein Sondervermögen nach § 1 Absatz 10 des Kapitalanlagegesetzbuchs oder ein Teilinvestmentvermögen eines solchen Sondervermögens mit einer Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital nach § 108 des Kapitalanlagegesetzbuchs oder einem Teilgesellschaftsvermögen einer solchen Investmentaktiengesellschaft verschmolzen wird. (2) 1Bei einer Verschmelzung von ausländischen Spezial-Investmentfonds miteinander gilt § 23 Absatz 4 entsprechend. 2Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn ein ausländischer SpezialInvestmentfonds in einer Rechtsform, die mit einem Sondervermögen oder einem Teilinvestmentvermögen vergleichbar ist, mit einem ausländischen Spezial-Investmentfonds in einer Rechtsform, die mit einer Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital oder einem Teilgesellschaftsvermögen vergleichbar ist, verschmolzen wird. (3) Bei einer Verschmelzung von inländischen Altersvorsorgevermögenfonds miteinander gilt § 23 Absatz 1 bis 3 entsprechend. (4) Bei einer Verschmelzung von ausländischen Altersvorsorgevermögenfonds miteinander gilt § 23 Absatz 4 entsprechend. A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG a) Verhältnis zu § 5a InvStG . . . . . . . b) Verhältnis zu § 23 InvStG . . . . . . . 2. Verhältnis zu Vorschriften außerhalb des InvStG a) Verhältnis zu § 20 Abs. 4a EStG . . b) Verhältnis zu Regelungen des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Verschmelzung von inländischen Spezial-Investmentfonds (Abs. 1) I. Anwendungsbereich (Abs. 1 i.V.m. § 23 Abs. 1) 1. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . 2. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . .

1 4

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16 20

II. Steuerliche Folgen der Verschmelzung (Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 1 bis 3 InvStG) 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerliche Folgen auf Ebene der beteiligten Spezial-Investmentfonds (Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 1 und 2 InvStG) a) Ansatz und Bewertung der übertragenen Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten (Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 1 InvStG) aa) Bewertung auf Ebene des übertragenden Spezial-Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ansatz und Bewertung auf Ebene des übernehmenden SpezialInvestmentfonds . . . . . . . . . . . b) Steuerliche Rechtsnachfolge (Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 2 InvStG) aa) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . bb) Fortführung der Bemessungsgrundlage und Methode für Zwecke der Abschreibungen . .

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28 31 33 34

Hasbach | 901

§ 54 | Verschmelzung v. Spezial-Investment- u. Altersvorsorgevermögenfonds cc) Nicht ausgeglichene negative Erträge i.S.d. § 41 InvStG (Verlustvorträge) . . . . . . . . . . . . . . . dd) Nicht ausgeglichene Abzugsbeträge i.S.d. § 46 Abs. 3 InvStG (Zinsschranke) . . . . . . . . . . . . . ee) Zurechnung von Fristen und Zeiträumen . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Transparenzoption (§ 30 InvStG) und Wahlrecht nach § 33 InvStG . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Steuerliche Folgen auf Ebene der Anleger (Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 3 InvStG) a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine Tauschgewinnbesteuerung . c) Steuerliche Rechtsnachfolge aa) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . bb) Ansatz und Bewertung der neu erhaltenen Spezial-Investmentanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Hinzurechnungs- und Abzugsbeträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Steuerliche Ausgleichs- und Merkposten bei betrieblichen Anlegern . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zurechnung von Fristen und Zeiträumen . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Ausschüttungsgleiche Erträge und steuerfrei thesaurierbare Kapitalerträge (§ 36 InvStG) . .

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C. I.

41 II. 44 45

D.

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I. II.

51 III. 52

gg) Fonds-Aktiengewinn, FondsAbkommensgewinn und Fonds-Teilfreistellungsgewinn (§ 48 InvStG) . . . . . . . . . . . . . . d) Barzahlungen i.S.d. § 190 KAGB . Verschmelzung von ausländischen Spezial-Investmentfonds (Abs. 2) Anwendungsbereich (Abs. 2 i.V.m. § 23 Abs. 4 InvStG) 1. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . 2. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . Steuerliche Folgen auf Ebene der beteiligten Spezial-Investmentfonds und deren Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verschmelzung von inländischen und ausländischen Altersvorsorgevermögenfonds (Abs. 3 und 4) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich (Abs. 3 und 4 i.V.m. § 23 Abs. 1 und 4 InvStG) 1. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . 2. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . Steuerliche Folgen auf Ebene der beteiligten Altersvorsorgevermögenfonds und deren Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literatur: Rechtslage vor der InvStR 2018: Nägele/Schaber/Staber, Die steuerliche Behandlung stiller Reserven bei der „Umwandlung“ von Spezialfonds, DB 1996, 1949; Zinkeisen, Die erfolgsneutrale „Fusion“ von Spezialfonds, DB 1996, 497; Ebner, Einzelfragen zur Besteuerung von Investmenterträgen – Veräußerungs- und Verschmelzungstatbestände bei betrieblichen Anlegern, NWB 2005, 2699; Schmittmann/Schöffel/Keller, Steuerliche Konsequenzen einer Fondszusammenlegung am Beispiel von Immobilien-Sondervermögen, DStR 2005, 1593; Ebner, Verschmelzung von Sondervermögen nach dem InvStG, DStZ 2007, 68; Brinkmann/Kempf, Die Neuregelung der Verschmelzung von Auslandsfonds, BB 2009, 2067; Löschinger/Helios, Steuer- und aufsichtsrechtliche Praxisfragen bei der Restrukturierung und Auflösung von Investmentfonds und Investmentaktiengesellschaften, DB 2009, 1724; Obermann/Brill/Heeren, Konsolidierungen in der Fondsindustrie – Eine Untersuchung der aufsichtsrechtlichen und steuerrechtlichen Behandlung der Verschmelzung von inländischen Sondervermögen und Investmentaktiengesellschaften, DStZ 2009, 152; Patzner/Bruns, Fondsverschmelzungen und weitere Kapitalmaßnahmen im internationalen Umfeld, IStR 2009, 668; Tappen, Steuerrechtsänderungen durch das geplante OGAWIV-Umsetzungsgesetz, DStR 2011, 246. Rechtslage seit der InvStR 2018: Bünning, Auswirkungen des neuen InvStG auf die Umwandlung von Immobilienfonds, BB 2017, 1066; Hasbach, Die Verschmelzung von (Spezial-)Investmentfonds – Ein Überblick über die steuerlichen Folgen und ausgewählte Fragen, FR 2018, 1117.

902 | Hasbach

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 3 § 54

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck Regelungsgegenstand des § 54 sind die steuerlichen Folgen einer Verschmelzung von inländi- 1 schen und ausländischen Spezial-Investmentfonds i.S.d. § 26 InvStG sowie von inländischen und ausländischen Altersvorsorgevermögenfonds i.S.d. § 53 InvStG. Ziel der Vorschrift ist es, eine steuerneutrale Verschmelzung von Spezial-Investmentfonds und Altersvorsorgevermögenfonds zu ermöglichen. Hierzu statuiert § 54 InvStG (i.V.m. § 23 InvStG) verschiedene Voraussetzungen, unter denen die Verschmelzung weder auf Ebene der übertragenden Spezial-Investmentfonds bzw. Altersvorsorgevermögenfonds noch auf Ebene der Anleger zu einer Aufdeckung stiller Reserven führt. Zugleich wird die Besteuerung der stillen Reserven bei dem übernehmenden Spezial-Investmentfonds bzw. Altersvorsorgevermögenfonds sowie bei den Anlegern sichergestellt. Vergleichbare Regelungen enthielt das InvStG bereits vor der Investmentsteuerreform 2018 für (Spezial-)Investmentfonds (vgl. § 14, § 17a InvStG a.F.), nicht jedoch für Altersvorsorgevermögenfonds. In den Anwendungsbereich des § 54 InvStG fällt ausschließlich die Verschmelzung von Spezi- 2 al-Investmentfonds (§ 26 InvStG) sowie von Altersvorsorgevermögenfonds (§ 53 InvStG). Die Verschmelzung von Investmentfonds ist in § 23 InvStG geregelt. Der Regelungsgegenstand von § 54 InvStG beschränkt sich auf die Normierung der Voraussetzungen, unter denen die Verschmelzung steuerneutral möglich ist. Im Übrigen verweist § 54 InvStG auf § 23 InvStG. Eine Anwendung von § 54 InvStG ohne § 23 InvStG ist nicht möglich. Im Einzelnen unterscheidet § 54 InvStG zwischen der Verschmelzung von – inländischen Spezial-Investmentfonds (vgl. § 54 Abs. 1 InvStG), – ausländischen Spezial-Investmentfonds (vgl. § 54 Abs. 2 InvStG), – inländischen Altersvorsorgevermögenfonds (vgl. § 54 Abs. 3 InvStG) und – ausländischen Altersvorsorgevermögenfonds (vgl. § 54 Abs. 4 InvStG). § 54 i.V.m. § 23 InvStG regeln lediglich die Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer steuer- 3 neutralen Verschmelzung von Spezial-Investmentfonds und Altersvorsorgevermögenfonds. Nicht geregelt sind die steuerlichen Folgen, wenn die in § 54 i.V.m. § 23 InvStG genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind. § 54 i.V.m. § 23 Abs. 3 Satz 1 InvStG liegt die Annahme zugrunde, die Verschmelzung von Spezial-Investmentfonds (bzw. Altersvorsorgevermögenfonds) führe auf Ebene der Anleger des übertragenden Fonds zu einem Tausch Alt-Anteile gegen Neu-Anteile (s. hierzu § 23 InvStG Rz. 2).1 Erfüllt die Verschmelzung nicht die Voraus1 Ob diese Annahme in der Sache zutrifft, ist allerdings zweifelhaft. Nach § 190 Abs. 1 Nr. 3 KAGB erlischt der übertragende Spezial-Investmentfonds mit Wirksamkeit der Verschmelzung und damit auch die Anteile an dem Spezial-Investmentfonds. Ein Übergang der Anteile auf einen Dritten, wie er im Fall eines Tausches oder eines tauschähnlichen Vorgangs grds. erfolgt, findet gerade nicht statt. Insoweit steht die Regelung in einem gewissen Widerspruch zu § 13 Abs. 1 UmwStG, der für den im Ausgangspunkt insoweit vergleichbaren Fall einer Verschmelzung von Körperschaften eine Veräußerung der Anteile an der übertragenden Körperschaft und die Anschaffung der Anteile an der übernehmenden Körperschaft fingiert („gelten“). Auch im aufsichtsrechtlichen Schrifttum wird mit Verweis auf § 190 Abs. 3 KAGB die Auffassung vertreten, eine Verschmelzung führe nicht zum Tausch der untergehenden Anteile gegen die neu ausgegebenen Anteile (vgl. z.B. Kunschke/Herring in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 190 KAGB Rz. 9 [Stand: Juni 2016]). Allerdings steht diese Annahme im Einklang mit der Rspr. des BFH, wonach die Verschmelzung von Körperschaften auf Ebene der Gesellschafter einen tauschähnlichen Vorgang darstelle, bei dem die Gesellschafter der übertragenden Körperschaft ihre Anteile an dieser Gesellschaft gegen Anteile an der übernehmenden Körperschaft „tauschen“, ohne dass es zu einem Rechtsträgerwechsel komme (BFH v. 11.7.2012 – I R 47/11, BFH/ NV 2013, 18; v. 24.1.2018 – I R 48/15, BStBl. II 2019, 45 = FR 2018, 75 m. Anm. Glahe). Hasbach | 903

§ 54 Rz. 3 | Verschmelzung v. Spezial-Investment- u. Altersvorsorgevermögenfonds setzungen des § 54 i.V.m. § 23 InvStG, stellt die Verschmelzung daher beim Anleger eine Veräußerung der Alt-Anteile dar, die nach den allgemeinen ertragsteuerlichen und investmentsteuerlichen Grundsätzen der Besteuerung unterliegt.1 Gleichzeitig führt die Verschmelzung zu einer Anschaffung der neu ausgegebenen Anteile an dem übernehmenden Spezial-Investmentfonds (bzw. Altersvorsorgevermögenfonds). Als Veräußerungspreis der Alt-Anteile und AK der neu ausgegebenen Anteile ist der gemeine Wert der Anteile an dem übertragenden Spezial-Investmentfonds (bzw. Altersvorsorgevermögenfonds) zum Zeitpunkt des Übertragungsstichtags anzusetzen.2 Auf Ebene der beteiligten Spezial-Investmentfonds (bzw. Altersvorsorgevermögenfonds) stellt die Verschmelzung eine Veräußerung bzw. Anschaffung der übergehenden Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten dar, die beim übertragenden Spezial-Investmentfonds (bzw. Altersvorsorgevermögenfonds) ebenfalls zu einer Aufdeckung von stillen Reserven führt.

II. Rechtsentwicklung 4 Mit dem Investmentmodernisierungsgesetz vom 15.12.20033 kodifizierte der Gesetzgeber

erstmalig einen Rahmen, unter dem die Übertragung sämtlicher Vermögensgegenstände eines Investmentvermögens auf ein anderes Investmentvermögen aufsichtsrechtlich zulässig war (vgl. § 40 InvG a.F.).4 Damit verbunden war die Schaffung einer Regelung, durch die die Steuerneutralität einer solchen Übertragung gewährleistet werden sollte (vgl. § 14 InvStG a.F.).5 Die Regelung galt einheitlich für Sondervermögen wie auch für Spezial-Sondervermögen.

5 Nur kurze Zeit später wurde § 14 InvStG a.F. mit dem Richtlinien-Umsetzungsgesetz vom

9.12.20046 neu gefasst. Dabei wurde u.a. klargestellt, dass nur die Verschmelzung von Sondervermögen i.S.d. § 40 InvG a.F., nicht aber von Investmentaktiengesellschaften steuerneutral möglich ist.7 Des Weiteren wurde mit § 17a InvStG a.F. erstmals eine Regelung zur steuerlichen Behandlung von Verschmelzungen ausländischer Investmentvermögen geschaffen. Zusätzlich wurde § 15 InvStG a.F. um eine Regelung ergänzt, wonach Verlustvorträge bei Verschmelzungen unter Beteiligung von Spezial-Sondervermögen nur anteilig auf das übernehmende Spezial-Sondervermögen übergingen.8

6 Weitere kleinere – zum Teil nur redaktionelle – Änderungen der §§ 14, 17a InvStG a.F. erfolg-

ten mit dem Gesetz zur Neuorganisation der Bundesfinanzverwaltung und zur Schaffung eines Refinanzierungsregisters vom 22.9.20059, dem UntStRefG 2008 vom 14.8.200710 und dem JStG 2009 vom 19.12.200811.

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.5 f. (zu § 23 InvStG); Mann in Brandis/ Heuermann, § 54 InvStG Rz. 6 (Stand: Mai 2020) („Anteilstausch“). 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.6 (zu § 23 InvStG). 3 BGBl. I 2003, 2676. 4 Zur Rechtsentwicklung s. auch den Überblick bei § 23 InvStG Rz. 3 ff. 5 BT-Drucks. 15/1553, 129 f. 6 BGBl. I 2004, 3310. 7 Die Begünstigung der Verschmelzung von Investmentaktiengesellschaften sollte einem späteren Gesetzgebungsverfahren vorbehalten bleiben (BT-Drucks. 15/3677, 49). 8 Die Regelung – wie auch die Regelung, wonach nicht ausgeglichene negative Erträge entfallen, soweit ein Anleger seine Investmentanteile veräußert oder zurückgibt (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 5 InvStG a.F.) – dienten nach Ansicht des Gesetzgebers der Vorbeugung gegen missbräuchliche Gestaltungen (BTDrucks. 15/3677, 50). 9 BGBl. I 2005, 2809. 10 BGBl. I 2007, 1912. 11 BGBl. I 2008, 2794.

904 | Hasbach

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 9 § 54

Mit dem Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung vom 16.7.20091 wurde der An- 7 wendungsbereich des § 14 InvStG a.F. auf Investmentaktiengesellschaften erweitert. Von dieser Erweiterung wurden allerdings Spezial-Sondervermögen (einschließlich deren Teilfonds) sowie Spezial-Investmentaktiengesellschaften (einschließlich deren Teilgesellschaftsvermögen) ausdrücklich ausgenommen. Danach war die Verschmelzung eines Spezial-Investmentvermögens sowohl der Vertrags- als auch der Gesellschaftsform mit einer Investmentaktiengesellschaft oder eines Teilgesellschaftsvermögens einer Investmentaktiengesellschaft nicht steuerneutral möglich (vgl. § 14 Abs. 7 Satz 3 InvStG a.F.). Nach Auffassung des Gesetzgebers war eine solche Beschränkung erforderlich, da sich andernfalls nicht übersehbare steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten hätten ergeben können.2 Der Anwendungsbereich des § 17a InvStG a.F. wurde entsprechend auf Investmentvermögen der Gesellschaftsform einschließlich deren Teilgesellschaftsvermögen – allerdings nur für Publikumsinvestmentvermögen3 – erweitert. Nach kleineren Änderungen durch das JStG 2010 vom 8.12.20104 wurde § 14 InvStG a.F. mit 8 dem OGAW-IV-UmsG vom 22.6.20115 umfangreicher geändert und an die einschneidenden Änderungen des InvG angepasst. Mit dem AIFM-StAnpG vom 23.12.20136 erfolgten zuletzt die erforderlichen redaktionellen Anpassungen der Verweise an die Terminologie des KAGB, das zum 22.7.2013 das InvG ablöste.7 Im Zuge der Investmentsteuerreform 20188 wurden mit § 23 InvStG und § 54 InvStG jeweils 9 zwei Vorschriften für die bis dahin einheitlich in §§ 14, 17a InvStG a.F. geregelte Verschmelzung von Investmentfonds einerseits und Spezial-Investmentfonds andererseits in das InvStG aufgenommen. Grund für die Unterscheidung sind die seit der Investmentsteuerreform 2018 unterschiedlichen Besteuerungsregime für Investmentfonds und Spezial-Investmentfonds. Allerdings wird in § 54 InvStG weitestgehend auf § 23 InvStG verwiesen, sodass Voraussetzungen und Rechtsfolgen miteinander vergleichbar sind. Im Unterschied zu §§ 14, 17a InvStG a.F. (Rz. 7) ermöglicht § 54 InvStG eine steuerneutrale Verschmelzung von Spezial-Investmentfonds in Gesellschaftsform, sofern an der Verschmelzung ausschließlich Spezial-Investmentfonds in Gesellschaftsform beteiligt sind. Eine „rechtsformübergreifende“ Verschmelzung von Spezial-Investmentvermögen bleibt weiterhin ausgeschlossen (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 InvStG). Zudem wurden erstmalig die Voraussetzungen für eine steuerneutrale Verschmelzung von Altersvorsorgevermögenfonds geschaffen. § 54 InvStG ist erstmalig auf Verschmelzungen anwendbar, die nach dem 31.12.2017 wirksam werden (§ 56 Abs. 1 Satz 1 InvStG). Dies gilt auch für Verschmelzungen von Spezial-Investmentfonds und Altersvorsorgevermögenfonds mit einem vom Kalenderjahr abweichenden Geschäftsjahr, da für diese für steuerliche Zwecke ein Rumpfgeschäftsjahr zum 31.12.2017 als beendet gilt (§ 56 Abs. 1 Satz 3 InvStG).

1 2 3 4 5 6 7 8

BGBl. I 2009, 1959. BT-Drucks. 16/13429, 53. BT-Drucks. 16/13429, 53. BGBl. I 2010, 1768. BGBl. I 2011, 1126. BGBl. I 2013, 4318. Vgl. Art. 1 und 2a AIFM-UmsG v. 4.7.2013, BGBl. I 2013, 1981. InvStRefG v. 19.7.2016, BGBl. I 2016, 1730. Hasbach | 905

§ 54 Rz. 10 | Verschmelzung v. Spezial-Investment- u. Altersvorsorgevermögenfonds

III. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG a) Verhältnis zu § 5a InvStG 10 § 5a InvStG regelt die steuerlichen Folgen einer Übertragung von Wirtschaftsgütern in das

Vermögen eines Investmentfonds durch den Anleger. Die Regelung gilt auch, wenn Wirtschaftsgüter durch den Anleger in das Vermögen eines Spezial-Investmentfonds oder Altersvorsorgevermögenfonds übertragen werden (§ 5a InvStG Rz. 4, 13). Danach ist das Wirtschaftsgut i.R.d. Übertragung mit dem Teilwert (Übertragung aus dem Betriebsvermögen, § 5a Satz 1 InvStG) oder mit dem gemeinen Wert (Übertragung aus Privatvermögen, § 5a Satz 2 InvStG) anzusetzen. Unerheblich ist, ob bei der Übertragung der Wirtschaftsgüter neue Investmentanteile ausgegeben werden (§ 5a Satz 3 InvStG).

11 § 5a InvStG setzt voraus, dass die Wirtschaftsgüter durch den Anleger in das Vermögen des Spezi-

al-Investmentfonds (bzw. Altersvorsorgevermögenfonds) übertragen werden. Mit Ausnahme von „downstream-Verschmelzungen“ stammen die im Rahmen einer Verschmelzung übergehenden Wirtschaftsgüter nicht aus dem Vermögen des Anlegers, sodass § 5a InvStG bei der Verschmelzung von Spezial-Investmentfonds und Altersvorsorgevermögenfonds tatbestandlich nicht anwendbar ist.1 Wird ein Dach-Spezial-Investmentfonds auf einen Ziel-Spezial-Investmentfonds verschmolzen („downstream-Verschmelzung“), ist die mit der Verschmelzung einhergehende Übertragung der Wirtschaftsgüter nach dem Wortlaut grds. von § 5a InvStG erfasst. Im Anwendungsbereich des § 54 InvStG geht diese spezielle Regelung § 5a InvStG allerdings vor (lex specialis).

b) Verhältnis zu § 23 InvStG 12 Im Unterschied zu § 54 InvStG (Verschmelzung von Spezial-Investmentfonds und Altersvor-

sorgevermögenfonds) regelt § 23 InvStG die Voraussetzungen und Rechtsfolgen, unter denen eine Verschmelzung von Investmentfonds (Kapitel 2) steuerneutral möglich ist. Die Anwendungsbereiche beider Vorschriften sind daher streng voneinander zu unterscheiden. Allerdings ist § 23 InvStG aufgrund der in § 54 InvStG enthaltenen Verweise Komplementärnorm zu § 54 InvStG und vervollständigt die dort enthaltenen Regelungen. 2. Verhältnis zu Vorschriften außerhalb des InvStG a) Verhältnis zu § 20 Abs. 4a EStG

13 § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG ermöglicht einen aufgrund von gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen

vollzogenen, steuerneutralen Tausch von Anteilen an einer Körperschaft, Vermögensmasse oder Personenvereinigung gegen Anteile an einer anderen Körperschaft, Vermögensmasse oder Personenvereinigung. Vor der Investmentsteuerreform 2018 war umstritten, ob die nicht von § 14, § 17a InvStG a.F. erfassten Verschmelzungen in den Anwendungsbereich von § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG fielen.2 Die FinVerw. lehnte dies ab.3 Für das Besteuerungsregime von 1 Etwas anderes würde allerdings gelten, sofern man die Verschmelzung als einen liquidationsähnlichen Vorgang qualifizieren würde, bei dem das Vermögen des übertragenden Spezial-Investmentfonds bzw. Altersvorsorgevermögenfonds steuerlich zunächst als an die Anleger ausgeschüttet und sodann als von den Anlegern – unter Berücksichtigung von § 5a InvStG – in den übernehmenden Spezial-Investmentfonds bzw. Altersvorsorgevermögenfonds eingelegt gilt (s. hierzu Rz. 3). 2 Eine Anwendung bejahend Ebner/Helios, BB 2010, 1631 (1641); Helios/Bickert in Moritz/Jesch, InvStG, 1. Aufl. 2015, § 14 InvStG 2004 Rz. 11; Patzner/Bruns, IStR 2009, 668 (674 f.); Brinkmann in Haase2, § 17a InvStG 2004 Rz. 86 ff.; a.A. Riegel/Königer in Baur/Tappen, Investmentgesetze, 3. Aufl. 2015, § 17a InvStG 2004 Rz. 4. 3 BMF v. 18.1.2016 – IV C 1 - S 2252/08/10004:017 – DOK 2015/0468306, BStBl. I 2016, 85 Rz. 100.

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A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 15 § 54

Investmentfonds hat der Gesetzgeber die Anwendung von § 20 Abs. 4a EStG nun ausdrücklich ausgeschlossen (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 2 InvStG, s. hierzu § 19 InvStG Rz. 24, § 23 InvStG Rz. 13). Eine entsprechende Regelung fehlt für das Besteuerungsregime von Spezial-Investmentfonds. Im Unterschied zu § 19 Abs. 1 Satz 2 InvStG wird die Anwendung von § 20 Abs. 4a EStG in § 49 Abs. 3 InvStG nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Auch ist § 19 Abs. 1 Satz 2 InvStG nicht ohne weiteres entsprechend anwendbar (vgl. § 25 InvStG). Ob es sich hierbei um eine planwidrige Regelungslücke handelt, ist offen.1 b) Verhältnis zu Regelungen des UmwStG Nach der überwiegenden Auffassung zur Rechtslage vor der Investmentsteuerreform 2018 14 sollten die Regelungen des UmwStG nicht auf die Verschmelzung von Spezial-Investmentfonds anwendbar sein,2 da Spezial-Investmentfonds in der Vertragsform keine verschmelzungsfähigen Unternehmensformen i.S.d. § 3 Abs. 1 und 2 UmwG seien3 und eine Anwendung der §§ 11 ff. UmwStG i.Ü. daran scheitere, dass Spezial-Investmentfonds nach § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG a.F. von der KSt befreit seien, § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG jedoch voraussetze, dass das übergehende Vermögen der Besteuerung mit KSt unterliege.4 Nach hier vertretener Auffassung (s. auch § 23 InvStG Rz. 14 ff.) erfüllt die Verschmelzung von SpezialInvestmentfonds hingegen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwStG i.V.m. § 1 Abs. 2 UmwG, da es sich hierbei um eine mit einer Verschmelzung i.S.d. § 1 Abs. 1 UmwG vergleichbare Umwandlung aufgrund bundesgesetzlicher Regelung handelt. Auch sind Spezial-Investmentfonds seit der Investmentsteuerreform 2018 im Grundsatz (partiell) körperschaftsteuerpflichtig (vgl. § 6 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 29 Abs. 1 InvStG). Allerdings könnte die Anwendung der §§ 11 ff. UmwStG auf die Verschmelzung von Spezial- 15 Investmentfonds durch die speziellere Regelung des § 54 InvStG gesperrt sein.5 Für eine parallele Anwendung von § 54 InvStG und §§ 11 ff. UmwStG spricht, dass sich die Regelungsbereiche, Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen von § 54 InvStG i.V.m. § 23 InvStG einerseits und von §§ 11 ff. UmwStG andererseits deutlich voneinander unterscheiden. Jedenfalls bei der Verschmelzung von Spezial-Investmentfonds, die nicht unter § 54 InvStG fällt (z.B. grenzüberschreitende Verschmelzungen, Verschmelzungen zwischen Investmentfonds und Spezial-Investmentfonds, Verschmelzung eines Investmentfonds mit einem nicht in den Anwendungsbereich des InvStG fallenden Rechtsträger), sollte eine Anwendung der umwandlungsteuerrechtlichen Vorschriften nicht durch § 54 InvStG gesperrt sein.6 1 Eine Anwendung von § 20 Abs. 4a EStG ablehnend Mann in Brandis/Heuermann, § 54 InvStG Rz. 6a (Stand: Mai 2020). 2 Dörschmidt in Haase2, § 14 InvStG 2004 Rz. 10 ff.; Helios/Bickert in Moritz/Jesch, InvStG, 1. Aufl. 2015, § 14 InvStG 2004 Rz. 27; Kuhn in BeckOK, § 14 InvStG 2004 Rz. 26.1 (Stand: November 2021); Obermann/Brill/Heeren, DStZ 2009, 152 (156). 3 Dörschmidt in Haase2, § 14 InvStG 2004 Rz. 10; Helios/Bickert in Moritz/Jesch, InvStG, 1. Aufl. 2015, § 14 InvStG 2004 Rz. 27; Kuhn in BeckOK, § 14 InvStG 2004 Rz. 26.1 (Stand: November 2021); Obermann/Brill/Heeren, DStZ 2009, 152 (156); so auch zur Rechtslage nach der Investmentsteuerreform 2018 Helios/Lindau in Moritz/Jesch/Mann2, § 23 InvStG Rz. 23, § 54 InvStG Rz. 5; Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 23 InvStG Anm. 1 (Stand: August 2021); Mann in Brandis/Heuermann, § 54 InvStG Rz. 7 (Stand: Mai 2020). 4 Helios/Bickert in Moritz/Jesch, InvStG, 1. Aufl. 2015, § 14 InvStG 2004 Rz. 28. 5 In diesem Sinne BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.10; anders aber u.U. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 49.4. 6 Kuhn in BeckOK, § 23 InvStG Rz. 44.1 (Stand: Mai 2022) (zu § 23 InvStG); weitergehend Link (in H/ H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 54 InvStG Anm. 1 [Stand: August 2021]), nach dem die umwandlungssteuerrechtlichen Vorschriften – auch im Anwendungsbereich von § 23 InvStG – parallel anwendbar seien; a.A. Helios/Lindau in Moritz/Jesch/Mann2, § 23 InvStG Rz. 1, 23, § 54 InvStG Rz. 7; Mann in W/B/A3, Anh. 1 § 23 InvStG Rz. 2; Mann in Brandis/Heuermann, § 54 InvStG Rz. 9 (Stand: Mai 2020). Hasbach | 907

§ 54 Rz. 16 | Verschmelzung v. Spezial-Investment- u. Altersvorsorgevermögenfonds

B. Verschmelzung von inländischen Spezial-Investmentfonds (Abs. 1) I. Anwendungsbereich (Abs. 1 i.V.m. § 23 Abs. 1) 1. Persönlicher Anwendungsbereich 16 § 54 Abs. 1 InvStG regelt die Verschmelzung von inländischen Spezial-Investmentfonds i.S.d.

§ 26 InvStG. Erfasst werden sowohl Spezial-Investmentfonds der Vertragsform als auch Spezial-Investmentfonds der Gesellschaftsform. Sowohl der übertragende als auch der übernehmende Spezial-Investmentfonds müssen die Voraussetzungen des § 26 InvStG erfüllen. Eine steuerneutrale Verschmelzung von Spezial-Investmentfonds auf einen Investmentfonds und umgekehrt ist nicht möglich („gekreuzte“ Verschmelzung).1 Gleiches gilt für die Verschmelzung von Spezial-Investmentfonds mit Altersvorsorgevermögenfonds i.S.d. § 53 InvStG.

17 Unter § 54 Abs. 1 InvStG fällt die Verschmelzung inländischer Spezial-Investmentfonds. So-

wohl der übertragende als auch der übernehmende Spezial-Investmentfonds müssen daher dem inländischen Recht unterliegen (§ 2 Abs. 2 InvStG).2 Eine grenzüberschreitende Verschmelzung (cross-border merger) unter Beteiligung eines oder mehrerer inländischer Spezial-Investmentfonds fällt nicht in den Anwendungsbereich von § 54 InvStG (zur Verschmelzung ausländischer Spezial-Investmentfonds miteinander s. Rz. 60 ff.).3

18 Nach § 54 Abs. 1 Satz 2 InvStG ist die Verschmelzung von Sondervermögen i.S.d. § 1 Abs. 10

KAGB oder eines Teilinvestmentvermögens eines solchen Sondervermögens mit einer Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital i.S.d. § 108 KAGB oder einem Teilgesellschaftsvermögen einer solchen Investmentaktiengesellschaft ausdrücklich vom Anwendungsbereich des § 54 Abs. 1 Satz 1 InvStG ausgenommen. Eine ähnliche Regelung enthielt bereits § 14 Abs. 7 Satz 2 InvStG a.F., wonach eine steuerneutrale Verschmelzung von Spezial-Investmentfonds nicht möglich war, wenn die Verschmelzung unter Beteiligung einer Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital oder ein Teilgesellschaftsvermögen einer Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital als übertragender oder übernehmender Spezial-Investmentfonds erfolgte. Nach Ansicht des Gesetzgebers zu § 14 Abs. 7 Satz 2 InvStG a.F. sei der Ausschluss solcher Verschmelzungen erforderlich gewesen, da sich andernfalls nicht übersehbare steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten hätten ergeben können.4 Im Unterschied zu § 14 Abs. 7 Satz 2 InvStG a.F., wonach die Steuerneutralität bei jedweder Beteiligung einer Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital oder eines ihrer Teilgesellschaftsvermögen an der Verschmelzung ausgeschlossen war,5 schließt § 54 Abs. 1 Satz 2 InvStG nur die rechtsformübergreifende Verschmelzung aus. Ausgeschlossen ist die Verschmelzung eines Spezial-Investmentfonds in Vertragsform mit einem Spezial-Investmentfonds in Gesellschaftsform. Die Verschmelzung eines Spezial-Investmentfonds in Gesellschaftsform mit einem anderen Spezial-Investmentfonds in Gesellschaftsform ist – im Unterschied zur Rechtslage vor der Investmentsteuerreform 2018 – steuerneutral möglich. Die gleichen Grundsätze gelten bei Verschmelzungen unter Beteiligung von Teilgesellschaftsvermögen einer Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital.

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 54.1; zum aufsichtsrechtlichen Verbot einer Verschmelzung von Spezialinvestmentvermögen auf Publikumsinvestmentvermögen s. § 181 Abs. 1 Satz 1, § 281 Abs. 1 Satz 1 KAGB. 2 Maßgeblich ist das Recht desjenigen Staates, unter dem der Spezial-Investmentfonds aufgelegt wurde und nach dessen Bestimmungen sich die Ausgestaltung und die Anlagebedingungen des Spezial-Investmentfonds richten (BMF-Anwendungsschreiben [konsolidierte Fassung], Rz. 2.2). 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 54.1. 4 BT-Drucks. 16/13429, 53 (zu § 14 Abs. 7 Satz 2 InvStG 2004); zur Kritik s. Jesch/Siemko in Baur/Tappen, Investmentgesetze, 3. Aufl. 2015, § 14 InvStG 2004 Rz. 19; Wenzel in Brandis/Heuermann (vormals Blümich), § 14 InvStG 2004 Rz. 40 (Stand: April 2017). 5 Kuhn in BeckOK, § 14 InvStG 2004 Rz. 94 (Stand: November 2021).

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B. Verschmelzung von inländischen Spezial-Investmentfonds (Abs. 1) | Rz. 20 § 54

Von § 54 Abs. 1 InvStG werden daher folgende Verschmelzungen erfasst: auf

19

Sondervermögen

InvAG*

TGV InvAG**

x





InvAG



x

x

TGV InvAG



x

x1

von Sondervermögen

* Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital i.S.d. § 108 KAGB ** Teilgesellschaftsvermögen einer Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital i.S.d. § 117 KAGB

2. Sachlicher Anwendungsbereich § 54 Abs. 1 Satz 1 InvStG knüpft an die Verschmelzung von inländischen Spezial-Investment- 20 fonds an. Die Verschmelzung muss auf Grundlage der §§ 181 bis 191 KAGB (i.V.m. § 281 KAGB) erfolgen (Rechtsgrundverweis auf § 23 Abs. 1 Satz 1 InvStG). Da das InvStG selbst keine Definition für den Begriff der Verschmelzung enthält, ist auf die investmentrechtliche Begriffsbestimmung abzustellen (§ 2 Abs. 1 InvStG). Nach § 1 Abs. 19 Nr. 37 KAGB ist unter Verschmelzung – die Auflösung ohne Abwicklung eines Sondervermögens, einer Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital oder einer offenen Investmentkommanditgesellschaft – durch Übertragung sämtlicher Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten – eines (bzw. zweier) oder mehrerer offener Investmentvermögen – auf ein anderes bestehendes (bzw. neues, dadurch gegründetes) übernehmendes Sondervermögen, auf einen anderen bestehenden (bzw. neuen, dadurch gegründeten) übernehmenden EU-OGAW, auf eine andere bestehende (bzw. neue, dadurch gegründete) übernehmende Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital oder auf eine andere bestehende (bzw. neue, dadurch gegründete) übernehmende offene Investmentkommanditgesellschaft – gegen Gewährung von Anteilen bzw. Aktien des übernehmenden Investmentvermögens an die Anleger bzw. Aktionäre des übertragenden Investmentvermögens sowie – ggf. einer Barzahlung i.H.v. nicht mehr als 10 % des Werts eines Anteils oder einer Aktie am übertragenden Investmentvermögen zu verstehen. Die weitere in § 181 Abs. 2 KAGB angesprochene Verschmelzung i.S.d. Art. 2 Abs. 1 Buchst. p Ziff. iii der RL 2009/65/EG („Scheme of Arrangement“/„Scheme of Amalgamation“)2 hat i.R.d. § 54 InvStG keine Bedeutung, da diese Verschmelzungsvariante nicht für rein inländische, sondern lediglich für grenzüberschreitende Verschmelzungen vorgesehen ist3 und grenzüberschreitende Verschmelzungen von der Anwendung des § 54 InvStG ausgeschlossen sind (Rz. 17). Entsprechendes gilt für Verschmelzungen nach § 191 Abs. 2 KAGB (Verschmelzung eines EU-OGAW auf eine OGAW-Investmentaktiengesellschaft oder auf ein Teilgesellschaftsvermögen einer OGAW-Investmentaktiengesellschaft).

1 Sowohl auf ein anderes TGV derselben InvAG als auch auf ein TGV einer anderen InvAG. 2 Bei der Verschmelzung nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. p Ziff. iii der RL 2009/65/EG wird lediglich das Nettovermögen unter Zurückbehaltung der Verbindlichkeiten auf einen bestehenden oder neu gegründeten OGAW übertragen, sodass der übertragende OGAW bestehen bleibt, bis die Verbindlichkeiten getilgt sind. 3 Kunschke/Herring in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 181 KAGB Rz. 19 (Stand: Juni 2016); Sittmann/ Springer in W/B/A3, § 181 KAGB Rz. 7. Hasbach | 909

§ 54 Rz. 21 | Verschmelzung v. Spezial-Investment- u. Altersvorsorgevermögenfonds 21 § 54 Abs. 1 Satz 1 InvStG erfasst sowohl die Verschmelzung zur Aufnahme als auch zur Neu-

gründung. Des Weiteren fallen sowohl die Verschmelzung unter Beteiligung eines übertragenden Spezial-Investmentfonds als auch die Verschmelzung unter Beteiligung mehrerer übertragender Spezial-Investmentfonds in den Anwendungsbereich (vgl. § 1 Abs. 19 Nr. 37 KAGB: „Übertragung sämtlicher Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten eines oder mehrerer offener Investmentvermögen“).1

22 Die Zusammenlegung von Anteilklassen ist kein von § 54 Abs. 1 Satz 1 InvStG erfasster Vor-

gang.2 Nach § 96 Abs. 1 KAGB können Anteile an einem Sondervermögen nach verschiedenen Ausstattungsmerkmalen unterteilt werden (Anteilklassen). Dabei ist bspw. die Unterteilung nach Ertragsverwendung (Ausschüttung, Thesaurierung), Ausgabeaufschlag oder Rückgabeabschlag zulässig. Soweit ein Sondervermögen nach solchen Anteilklassen unterteilt wird, handelt es sich investmentrechtlich um ein einheitliches Sondervermögen. Auch steuerlich stellen Anteilklassen keine eigenständigen Körperschaftsteuersubjekte dar.3 Die Zusammenlegung solcher Anteilklassen ist daher ein steuerliches Nullum und fällt nicht in den Anwendungsbereich des § 54 InvStG. Der Spezial-Investmentfonds hat die fortgeführten AK weiter fortzuführen, sodass die Zusammenlegung steuerneutral ohne Realisierung von stillen Reserven oder stillen Lasten erfolgt.4 Im Übrigen handelt es sich bei einer solchen Zusammenlegung von Anteilklassen nicht um eine Verschmelzung i.S.d. § 1 Abs. 19 Nr. 37 KAGB, da die Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten nicht auf einen anderen Rechtsträger übertragen werden, sodass auch aus diesem Grund eine Anwendung von § 54 InvStG ausscheidet.5

23 Ferner stellt auch die (bloße) Übertragung der Verwaltungsbefugnis eines Spezial-Invest-

mentfonds von einer Verwaltungsgesellschaft auf eine andere Verwaltungsgesellschaft keine Verschmelzung i.S.d. § 54 Abs. 1 Satz 1 InvStG dar. Gleichwohl führt eine solche Übertragung nicht zur Aufdeckung der in dem Fondsvermögen enthaltenen stillen Reserven, da sich die steuerliche Zurechnung der Vermögensgegenstände des Spezial-Investmentfonds sowie der den Anlegern zuzurechnenden Spezial-Investmentanteile nicht ändert.

24 Nach § 189 Abs. 1 KAGB wird eine Verschmelzung grds. mit Ablauf des Geschäftsjahres des

übertragenden Sondervermögens wirksam, sofern – die Verschmelzung im laufenden Geschäftsjahr durch die BaFin genehmigt worden ist, – soweit erforderlich, die Hauptversammlungen der beteiligten Investmentvermögen zugestimmt haben, – die Werte des übernehmenden und des übertragenden Investmentvermögens zum Ende des Geschäftsjahres des übertragenden Investmentvermögens berechnet worden sind, – das Umtauschverhältnis der Anteile sowie ggf. die Barzahlung i.H.v. nicht mehr als 10 % des Nettoinventarwerts dieser Anteile zum Übertragungsstichtag festgelegt worden sind.

1 In § 14 Abs. 8 InvStG a.F. wurde ausdrücklich die Verschmelzung von mehreren übertragenden (Spezial-)Investmentfonds geregelt. Die Regelung war jedoch nur klarstellend (vgl. BT-Drucks. 17/2249, 84). 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 54.3; Boxberger in W/B/A3, § 54 InvStG Rz. 4; Mann in Brandis/Heuermann, § 54 InvStG Rz. 5 (Stand: Mai 2020); Stadler/Mayer in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 54 InvStG Rz. 7 (Stand: November 2018). 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 6.2; anders noch die Rechtslage vor der Investmentsteuerreform 2018, vgl. BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 – 1/08/10019 – DOK 2009/ 0539738, BStBl. I 2009, 931 Rz. 4. 4 Stadler/Mayer in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 54 InvStG Rz. 7 (Stand: November 2018). 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.2 (zu § 23 InvStG); Mann in Brandis/ Heuermann, § 54 InvStG Rz. 5 (Stand: Mai 2020); Stadler/Mayer in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 54 InvStG Rz. 7 (Stand: November 2018).

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B. Verschmelzung von inländischen Spezial-Investmentfonds (Abs. 1) | Rz. 28 § 54

Bei Verschmelzungen von Spezial-AIF i.S.d. § 1 Abs. 6 Satz 1 KAGB ist § 189 KAGB nach Maßgabe der in § 281 Abs. 1 Sätze 2 und 3 KAGB genannten Bestimmungen entsprechend anzuwenden. Nach § 281 Abs. 1 Satz 3 KAGB ist in diesen Fällen eine Genehmigung durch die BaFin nicht erforderlich. An deren Stelle tritt die Zustimmung der Anleger zu der Verschmelzung. Nach § 189 Abs. 1 Halbs. 1 KAGB (i.V.m. § 281 Abs. 1 Satz 2 KAGB) erfolgt die Verschmel- 25 zung grds. zum Ablauf des Geschäftsjahres des übertragenden Investmentvermögens (Übertragungsstichtag). Allerdings kann nach Maßgabe des § 189 Abs. 2 KAGB (i.V.m. § 281 Abs. 1 Satz 2 KAGB) auch ein anderer Stichtag bestimmt werden, mit dessen Ablauf die Verschmelzung wirksam werden soll. Sofern für die Verschmelzung die Zustimmung der Hauptversammlung der beteiligten Investmentvermögen erforderlich ist, muss dieser Stichtag der Zustimmung allerdings zeitlich nachgehen. In diesem Fall sind die Werte des übertragenden und übernehmenden Investmentvermögens i.S.d. § 189 Abs. 1 Nr. 3 KAGB sowie das Umtauschverhältnis i.S.d. § 189 Abs. 1 Nr. 4 KAGB zu diesem Stichtag zu berechnen bzw. festzulegen (§ 189 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 281 Abs. 1 Satz 2 KAGB). Eine Verschmelzung, die einmal wirksam geworden ist, kann nach § 189 Abs. 5 KAGB (i.V.m. § 281 Abs. 1 Satz 2 KAGB) nicht mehr für nichtig erklärt werden. Die Verschmelzung hat nach § 190 KAGB (i.V.m. § 281 Abs. 1 Satz 2 KAGB) zur Folge, dass 26 – alle Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten des übertragenden Sondervermögens auf das übernehmende Sondervermögen übergehen, – die Anleger des übertragenden Sondervermögens Anleger des übernehmenden bzw. neu gegründeten Sondervermögens werden; dabei gelten die neuen Anteile an dem übernehmenden bzw. neu gegründeten Sondervermögen mit Beginn des Tages, der dem Übertragungsstichtag i.S.d. § 189 Abs. 1 und 2 Satz 1 KAGB folgt, als ausgegeben (vgl. § 190 Abs. 3 KAGB), – die Anleger des übertragenden Sondervermögens grds. Anspruch auf die Barzahlung haben, sofern dies im Verschmelzungsplan vorgesehen ist, – die übertragenden Sondervermögen erlöschen.

II. Steuerliche Folgen der Verschmelzung (Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 1 bis 3 InvStG) 1. Vorbemerkung Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 InvStG sind auf die Verschmelzung von inländischen Spezial-Invest- 27 mentfonds die Regelungen des § 23 Abs. 1 bis 3 InvStG entsprechend anzuwenden. § 23 Abs. 1 bis 3 InvStG enthält für die Verschmelzung von inländischen Investmentfonds verschiedene Regelungen, die die steuerlichen Folgen sowohl auf Ebene der beteiligten Investmentfonds (§ 23 Abs. 1 und 2 InvStG) als auch auf Ebene der an den Investmentfonds beteiligten Anleger (§ 23 Abs. 3 InvStG) betreffen. 2. Steuerliche Folgen auf Ebene der beteiligten Spezial-Investmentfonds (Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 1 und 2 InvStG) a) Ansatz und Bewertung der übertragenen Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten (Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 1 InvStG) aa) Bewertung auf Ebene des übertragenden Spezial-Investmentfonds Die Verschmelzung führt aufseiten des übertragenden Spezial-Investmentfonds zu einer Ver- 28 äußerung der übertragenen Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten, die nach allgemeiHasbach | 911

§ 54 Rz. 28 | Verschmelzung v. Spezial-Investment- u. Altersvorsorgevermögenfonds nen ertragsteuerlichen und investmentsteuerlichen Grundsätzen prinzipiell mit einer Zwangsrealisierung stiller Reserven verbunden wäre (Rz. 3). Davon abweichend hat der übertragende Spezial-Investmentfonds nach § 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvStG die übertragenen Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten mit den AK abzgl. Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung (fortgeführte Anschaffungskosten) anzusetzen, womit eine Aufdeckung stiller Reserven unterbleibt. Die Vorschrift ist zwingend. Die Bewertung der übertragenen Vermögensgegenstände mit dem gemeinen Wert oder mit einem Zwischenwert ist unzulässig.1 Ein Wahlrecht (vergleichbar z.B. mit denen des UmwStG) besteht nicht.2 Sollte der übertragende Spezial-Investmentfonds die übertragenen Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten entgegen § 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 InvStG nicht mit den fortgeführten AK ansetzen, hat dies nicht die Zwangsrealisation stiller Reserven zur Folge. Stattdessen erfolgt eine Korrektur der Wertansätze und Einkünfte nach den allgemeinen abgabenrechtlichen Änderungsvorschriften. 29 Durch die zwingende Bewertung der übertragenen Vermögensgegenstände und Verbindlich-

keiten mit den fortgeführten AK können durch die Verschmelzung beim übertragenden Spezial-Investmentfonds keine Übertragungsgewinne oder -verluste entstehen. Der zwingende Buchwertansatz hat allerdings auch zur Folge, dass negative Erträge des laufenden Geschäftsjahres sowie nicht ausgeglichene negative Erträge der vorangegangenen Geschäftsjahre i.S.d. § 41 InvStG nicht durch den Ansatz eines über dem Buchwert liegenden Werts genutzt werden können (zum Übergang der nicht ausgeglichenen negativen Erträge auf den übernehmenden Spezial-Investmentfonds s. Rz. 35 ff.).

30 Steuerlich erfolgt die Verschmelzung – in Einklang mit dem investmentrechtlichen Übertra-

gungsstichtag (vgl. § 189 Abs. 1 KAGB) – grds. zum Geschäftsjahresende des übertragenden Spezial-Investmentfonds (steuerlicher Übertragungsstichtag, z.B. 31.12., 24 Uhr). Sofern die beteiligten Spezial-Investmentfonds jedoch nach § 189 Abs. 2 Satz 1 KAGB einen vom Geschäftsjahresende abweichenden Stichtag bestimmen, zu dem die Verschmelzung wirksam werden soll, gilt dieser steuerlich als Geschäftsjahresende (§ 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 2 InvStG) und damit als steuerlicher Übertragungsstichtag. Für den übertragenden Spezial-Investmentfonds ist ein Rumpfgeschäftsjahr zu bilden.3 bb) Ansatz und Bewertung auf Ebene des übernehmenden Spezial-Investmentfonds

31 Der übernehmende Spezial-Investmentfonds hat die im Rahmen der Verschmelzung auf ihn

übergehenden Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten ebenfalls mit den fortgeführten AK anzusetzen (Buchwertverknüpfung, § 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvStG). Durch die Verschmelzung kann daher kein steuerlicher Übernahmegewinn oder -verlust entstehen. Soweit in den übergehenden Vermögensgegenständen und Verbindlichkeiten stille Reserven bzw. stille Lasten enthalten sind, gehen diese auf den übernehmenden Spezial-Investmentfonds über.

32 Die erstmalige Erfassung der übergehenden Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten er-

folgt beim übernehmenden Spezial-Investmentfonds zu Beginn des dem Übertragungsstichtag folgenden Tages (z.B. 1.1., 0 Uhr, bei einer Verschmelzung zum 31.12.). Hierdurch wird eine doppelte Erfassung der übergehenden Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten so1 Helios/Lindau in Moritz/Jesch/Mann2, § 54 InvStG Rz. 14; Mann in Brandis/Heuermann, § 54 InvStG Rz. 11 (Stand: Mai 2020); Stadler/Mayer in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 54 InvStG Rz. 9 (Stand: November 2018). 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 54.4; Boxberger in W/B/A3, § 54 InvStG Rz. 6; Kuhn in BeckOK, § 54 InvStG Rz. 25.1 (Stand: Mai 2022); Stadler/Mayer in Beckmann/Scholtz/ Vollmer, § 54 InvStG Rz. 9 (Stand: November 2018). 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.14 (zu § 23 InvStG).

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B. Verschmelzung von inländischen Spezial-Investmentfonds (Abs. 1) | Rz. 35 § 54

wohl beim übertragenden als auch beim übernehmenden Spezial-Investmentfonds ausgeschlossen. Die Übernahme erfolgt in laufender Rechnung des übernehmenden Spezial-Investmentfonds und kann auch während eines Geschäftsjahres erfolgen. b) Steuerliche Rechtsnachfolge (Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 2 InvStG) aa) Vorbemerkung

Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 2 InvStG tritt der übernehmende Spezial-Investment- 33 fonds in die steuerliche Rechtsstellung des übertragenden Spezial-Investmentfonds ein (steuerliche Rechtsnachfolge, „Fußstapfentheorie“). Eine entsprechende Regelung enthielt bereits § 14 Abs. 3 Satz 2 InvStG a.F.1 Der Eintritt erfolgt zu Beginn des dem Übertragungsstichtag folgenden Tages. Infolge der steuerlichen Rechtsnachfolge kann sich der übernehmende SpezialInvestmentfonds grds. auf alle steuerlich relevanten Umstände berufen, auf die sich auch der übertragende Spezial-Investmentfonds hätte berufen können. Gleichermaßen ist der übernehmende Spezial-Investmentfonds aber auch an alle durch den übertragenden Spezial-Investmentfonds begründeten, steuerlich relevanten Umstände gebunden. Die steuerliche Rechtsnachfolge bezieht sich allerdings nur auf Merkmale und Positionen, die auch der übernehmende SpezialInvestmentfonds erfüllen bzw. innehaben kann, womit bestimmte, individuelle Merkmale und Positionen des übertragenden Spezial-Investmentfonds von der steuerlichen Rechtsnachfolge nicht umfasst werden (z.B. Steuerbefreiung nach §§ 30, 33 InvStG; s. hierzu Rz. 41 ff.). bb) Fortführung der Bemessungsgrundlage und Methode für Zwecke der Abschreibungen Beim übernehmenden Spezial-Investmentfonds erfolgt die Ermittlung der Abschreibungen 34 auf die übergehenden Vermögensgegenstände nach denselben Grundsätzen wie beim übertragenden Spezial-Investmentfonds. Dies gilt insbes. im Hinblick auf die Bemessungsgrundlage und die Abschreibungsmethode.2 Sofern dem übertragenden Spezial-Investmentfonds Wahlrechte zustanden und er diese bereits ausgeübt hat, ist der übernehmende Spezial-Investmentfonds hieran gebunden; dies gilt nicht, sofern nach den steuerlichen Vorschriften ein einmal ausgeübtes Wahlrecht im Zeitablauf auch anders ausgeübt werden darf. cc) Nicht ausgeglichene negative Erträge i.S.d. § 41 InvStG (Verlustvorträge) Nicht ausgeglichene negative Erträge i.S.d. § 41 InvStG des übertragenden Spezial-Invest- 35 mentfonds gehen mit der Verschmelzung auf den übernehmenden Spezial-Investmentfonds über3 und mindern nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 InvStG dessen positive Erträge in späteren Geschäftsjahren. Der Übergang der nicht ausgeglichenen negativen Erträge ist Folge der steuerlichen Rechtsnachfolge. Das InvStG enthält weder in § 23 Abs. 2 InvStG (i.V.m. § 54 Abs. 1 Satz 1 InvStG) noch an anderer Stelle eine Regelung, die die Rechtsnachfolge insoweit einschränken würde.4 1 BT-Drucks. 18/8045, 93. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 54.6; Helios/Lindau in Moritz/Jesch/Mann2, § 54 InvStG Rz. 16; Stadler/Mayer in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 54 InvStG Rz. 10 (Stand: November 2018). 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 54.6; Boxberger in W/B/A3, § 54 InvStG Rz. 7; Helios/Lindau in Moritz/Jesch/Mann2, § 54 InvStG Rz. 17, 24; Kuhn in BeckOK, § 54 InvStG Rz. 25.1 (Stand: Mai 2022); Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 54 InvStG Anm. 5 (Stand: August 2021); Mann in Brandis/Heuermann, § 54 InvStG Rz. 11a (Stand: Mai 2020); Stadler/Mayer in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 54 InvStG Rz. 10 (Stand: November 2018). 4 So aber z.B. in § 4 Abs. 2 Satz 1 UmwStG. Hasbach | 913

§ 54 Rz. 36 | Verschmelzung v. Spezial-Investment- u. Altersvorsorgevermögenfonds 36 Die nicht ausgeglichenen negativen Erträge gehen in voller Höhe auf den übernehmenden

Spezial-Investmentfonds über. Eine anteilige Kürzung erfolgt nicht.1 Eine mit § 15 Abs. 1 Sätze 5 und 6 InvStG a.F.2 vergleichbare Regelung enthalten weder § 54 noch § 41 InvStG. Zwar mag es sich dabei um ein Versehen des Gesetzgebers handeln, da nach den Gesetzesmaterialien die Regelungen in § 3 Abs. 4 InvStG a.F. sowie in § 15 Abs. 1 Sätze 5 und 6 InvStG a.F. in § 41 InvStG zusammengefasst werden sollten.3 Ohne eine entsprechende gesetzliche Regelung bleibt es jedoch bei der umfassenden steuerlichen Rechtsnachfolge, die grds. nur dort durchbrochen wird, wo das Gesetz etwas anderes anordnet. Auch aus § 41 Abs. 2 Satz 3 InvStG, wonach nicht ausgeglichene negative Erträge nicht abziehbar sind, soweit ein Anleger seine Spezial-Investmentanteile veräußert, folgt nichts Gegenteiliges. Die Verschmelzung von Spezial-Investmentfonds stellt auf Ebene der Anleger nach § 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 3 Satz 1 InvStG keinen Tausch der Anteile und damit auch keine Veräußerung i.S.d. § 41 Abs. 2 Satz 3 InvStG dar.4

37 Umgekehrt entfallen die bei dem übernehmenden Spezial-Investmentfonds vorhandenen

nicht ausgeglichenen negativen Erträge nach der Verschmelzung auch auf die bei der Verschmelzung neu ausgegebenen Anteile. Die Verschmelzung stellt bei dem übernehmenden Spezial-Investmentfonds lediglich eine Ausgabe neuer Anteile dar. Eine solche Ausgabe neuer Anteile führt nicht zum (anteiligen) Wegfall der nicht ausgeglichenen negativen Erträge nach § 41 Abs. 2 Satz 3 InvStG.

38 Der Übergang der nicht ausgeglichenen negativen Erträge des übertragenden Spezial-Invest-

mentfonds auf den übernehmenden Spezial-Investmentfonds erfolgt mit Beginn des dem Übertragungsstichtag folgenden Tages. Zu diesem Zeitpunkt tritt die steuerliche Rechtsnachfolge im investmentsteuerrechtlichen Sinne ein (Rz. 33). Erfolgt die Verschmelzung zu einem Zeitpunkt, der dem Geschäftsjahresende des übernehmenden Spezial-Investmentfonds entspricht, mindern die übergehenden, nicht ausgeglichenen negativen Erträge die positiven Erträge des übernehmenden Spezial-Investmentfonds erst im Folgenden Geschäftsjahr. Sollen sich die nicht ausgeglichenen negativen Erträge des übertragenden Spezial-Investmentfonds noch im laufenden Geschäftsjahr des übernehmenden Spezial-Investmentfonds auswirken, muss die Verschmelzung daher spätestens einen Tag vor Ende des Geschäftsjahres erfolgen. dd) Nicht ausgeglichene Abzugsbeträge i.S.d. § 46 Abs. 3 InvStG (Zinsschranke)

39 Nach § 46 Abs. 1 InvStG sind ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträge, die aus Zins-

erträgen i.S.d. § 4h Abs. 3 Satz 3 EStG stammen, beim Anleger im Rahmen der Zinsschranke (§ 4h EStG) grds. miteinzubeziehen. Bei der Ermittlung des anzusetzenden Betrags sind von dem Zinsertrag die in § 46 Abs. 2 InvStG genannten Beträge abzuziehen (Abzugsbeträge). Sollten die Abzugsbeträge den Zinsertrag übersteigen, mindern diese i.H.d. Differenz den Zinsertrag in den folgenden Geschäftsjahren des Spezial-Investmentfonds (§ 46 Abs. 3 InvStG). Werden Spezial-Investmentfonds miteinander verschmolzen, gehen die nicht abgezogenen Beträge auf den übernehmenden Spezial-Investmentfonds über. Zum Zeitpunkt der 1 Boxberger in W/B/A3, § 54 InvStG Rz. 7; Helios/Lindau in Moritz/Jesch/Mann2, § 54 InvStG Rz. 18; Mann in Brandis/Heuermann, § 54 InvStG Rz. 11a (Stand: Mai 2020). 2 Nach § 15 Abs. 1 Satz 5 InvStG a.F. entfielen nicht ausgeglichene negative Erträge, soweit ein Anleger seine Investmentanteile veräußerte oder zurückgab. Im Fall einer Verschmelzung galt dies auch, soweit sich jeweils die Beteiligungsquote des Anlegers an den beteiligten Sondervermögen reduzierte (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 6 InvStG a.F.). 3 BT-Drucks. 18/8045, 111 („In der Vorschrift [sc.: § 41 InvStG] werden die bisherigen Regelungen in § 3 Abs. 4 und § 15 Abs. 1 Satz 5 und 6 InvStG in der Fassung des AIFM-Steuer-Anpassungsgesetzes zusammengefasst.“). 4 Helios/Lindau in Moritz/Jesch/Mann2, § 54 InvStG Rz. 18, 25; Mann in Brandis/Heuermann, § 54 InvStG Rz. 11a (Stand: Mai 2020).

914 | Hasbach

B. Verschmelzung von inländischen Spezial-Investmentfonds (Abs. 1) | Rz. 42 § 54

erstmaligen Berücksichtigung der übergehenden, nicht abgezogenen Beträge beim übernehmenden Spezial-Investmentfonds gelten die Ausführungen zum Übergang von Verlustvorträgen (Rz. 38) entsprechend. ee) Zurechnung von Fristen und Zeiträumen Die steuerliche Rechtsnachfolge bezieht sich auch auf die Zurechnung von materiellen Fristen 40 und Zeiträumen. Knüpfen die steuerlichen Tatbestände an Fristen oder Zeiträume an und hat der übertragende Spezial-Investmentfonds diese bereits (anteilig) erfüllt, werden diese dem übernehmenden Spezial-Investmentfonds entsprechend zugerechnet. Für die Besteuerung sind daher die Zeiträume, in denen die beteiligten Spezial-Investmentfonds die jeweiligen Voraussetzungen erfüllen, zusammenzurechnen. Hierzu zählen u.a. die bei Grundstücksveräußerungen zu beachtende Zehnjahresfrist des § 29 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 4 Satz 3 InvStG für Wertsteigerungen vor dem 1.1.20181, die Frist von 15 Geschäftsjahren bei steuerfrei thesaurierbaren Kapitalerträgen i.S.d. § 36 Abs. 5 Satz 1 InvStG2 und die für die Steueranrechnung nach § 31 Abs. 3 Satz 1 InvStG i.V.m. § 36a EStG zu erfüllenden Haltensfristen. ff) Transparenzoption (§ 30 InvStG) und Wahlrecht nach § 33 InvStG Nach § 30 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 InvStG entfällt die Körperschaftsteuerpflicht eines Spezial- 41 Investmentfonds für inländische Beteiligungseinnahmen und sonstige inländische Einkünfte, die bei Vereinnahmung durch den Spezial-Investmentfonds dem Steuerabzug unterliegen, wenn der Spezial-Investmentfonds gegenüber der zum Kapitalertragsteuerabzug verpflichteten Person („Entrichtungspflichtiger“, § 4 Abs. 3 Satz 1 InvStG, § 44 EStG) unwiderruflich erklärt, dass den Anlegern des Spezial-Investmentfonds Steuerbescheinigungen i.S.d. § 45a Abs. 2 EStG ausgestellt werden sollen (sog. Transparenzoption). In diesem Fall gelten die Anleger als Gläubiger der inländischen Beteiligungseinnahmen und als Schuldner der Kapitalertragsteuer (§ 30 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 InvStG; zu Einzelheiten s. § 30 InvStG Rz. 24 ff.). Des Weiteren entfällt die StPfl. eines Spezial-Investmentfonds für inländische Immobilienerträge sowie für sonstige inländische Einkünfte, die bei Vereinnahmung durch den Spezial-Investmentfonds keinem Steuerabzug unterliegen, wenn der Spezial-Investmentfonds auf ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche inländische Immobilienerträge und sonstige inländische Einkünfte Kapitalertragsteuer nach § 50 InvStG erhebt, an die zuständige FinBeh. abführt und den Anlegern Steuerbescheinigungen i.S.d. § 45a Abs. 2 EStG ausstellt (§ 33 Abs. 1, 4 InvStG; zu Einzelheiten s. § 33 InvStG Rz. 18 ff.). Hat lediglich einer der an der Verschmelzung beteiligten Spezial-Investmentfonds die Trans- 42 parenzoption i.S.d. § 30 Abs. 1 Satz 1 InvStG ausgeübt bzw. erhebt lediglich einer der an der Verschmelzung beteiligten Spezial-Investmentfonds Kapitalertragsteuer auf ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche inländische Immobilienerträge und sonstige inländische Einkünfte ohne Steuerabzug, sind ab dem auf den steuerlichen Übertragungsstichtag folgenden Tag (§ 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvStG) die Verhältnisse des übernehmenden Spezial-Investmentfonds maßgeblich.3 Hat der übernehmende Spezial-Investmentfonds die Transparenzoption bis zu dem auf den steuerlichen Übertragungsstichtag folgenden Tag ausgeübt, erfolgt die Besteuerung der auf die i.R.d. Verschmelzung übergegangenen Vermögensgegenstände entfallenden inländischen Beteiligungseinnahmen und sonstigen inländischen Einkünfte mit Steuerabzug daher auch dann nach Maßgabe von § 30 InvStG, wenn der über1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 54.6; Boxberger in W/B/A3, § 54 InvStG Rz. 7. 2 Helios/Lindau in Moritz/Jesch/Mann2, § 54 InvStG Rz. 16; Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 54 InvStG Anm. 5 (Stand: August 2021). 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.10, 33.6. Hasbach | 915

§ 54 Rz. 42 | Verschmelzung v. Spezial-Investment- u. Altersvorsorgevermögenfonds tragende Spezial-Investmentfonds die Transparenzoption vorher nicht ausgeübt haben sollte.1 Eine gesonderte Behandlung der vom übertragenden Spezial-Investmentfonds stammenden inländischen Beteiligungseinnahmen und sonstigen inländischen Einkünfte mit Steuerabzug erfolgt nicht.2 Entsprechendes gilt für die auf die i.R.d. Verschmelzung übergegangenen Vermögensgegenstände entfallenden inländischen Immobilienerträge und sonstigen inländischen Einkünfte ohne Steuerabzug, wenn beim übernehmenden Spezial-Investmentfonds diesbezüglich keine Körperschaftsteuerpflicht nach § 33 Abs. 1 InvStG besteht.3 Für die bis zum steuerlichen Übertragungsstichtag durch den übertragenden Spezial-Investmentfonds erzielten inländischen Immobilienerträge und sonstigen inländischen Einkünfte ohne Steuerabzug hat der übernehmende Spezial-Investmentfonds eine Körperschaftsteuererklärung abzugeben, sofern der übertragende Spezial-Investmentfonds nicht nach § 33 Abs. 1 InvStG von der KSt befreit war.4 43 In dem umgekehrten Fall, in dem der übertragende Spezial-Investmentfonds, nicht aber der

übernehmende Spezial-Investmentfonds die Transparenzoption i.S.d. § 30 Abs. 1, 5 InvStG ausgeübt hat, unterliegen sämtliche inländischen Beteiligungseinnahmen und sonstigen inländischen Einkünfte mit Steuerabzug beim übernehmenden Spezial-Investmentfonds der KSt.5 Die Ausübung der Transparenzoption und die damit einhergehende Steuerbefreiung beim übertragenden Spezial-Investmentfonds wirken beim übernehmenden Spezial-Investmentfonds nicht fort.6 Dass der übernehmende Spezial-Investmentfonds in die steuerliche Rechtsstellung des übertragenden Spezial-Investmentfonds eintritt (§ 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 2 InvStG), steht dem nicht entgegen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn man den Wegfall der KSt-Pflicht auf Ebene des Spezial-Investmentfonds nach § 30 Abs. 1, 5 InvStG als persönliche Steuerbefreiung und damit als persönliches, individuelles, nicht rechtsnachfolgefähiges Merkmal des übertragenden Spezial-Investmentfonds qualifiziert.7 Die teilweise im Schrifttum geäußerten Bedenken, ein Nicht-Fortwirken der durch den übertragenden Spezial-Investmentfonds ausgeübten Transparenzoption beim übernehmenden Spezial-Investmentfonds führe zu einer faktischen, von Gesetzes wegen aber prinzipiell ausgeschlossenen Möglichkeit zum Widerruf der Transparenzoption,8 sind in der Sache zwar zutreffend. Allerdings lässt sich hieraus nicht ableiten, die durch den übertragenden Spezial-Investmentfonds ausgeübte Transparenzoption wirke beim übernehmenden Spezial-Investmentfonds fort, da ein solches rechtsträgerübergreifendes Fortwirken nur aufgrund einer gesetzlichen Regelung erfolgen kann und der Eintritt in die steuerliche Rechtsnachfolge nach § 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 2 InvStG – mangels Rechtsnachfolgefähigkeit der Steuerbefreiung nach § 30 Abs. 1, 5 InvStG – hierfür keine ausreichende Grundlage bietet. Dem übernehmenden Spezial-Investmentfonds bleibt allerdings unbenommen, die Transparenzoption nach § 30 Abs. 1, 5 InvStG

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BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.10. A.A. Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 30 InvStG Rz. 5 (Stand: August 2021). BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.6. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.6. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.11. Kuhn in BeckOK, § 54 InvStG Rz. 26 ff. (Stand: Mai 2022); Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 54 InvStG Anm. 5 (Stand: August 2021); a.A. Boxberger in W/B/A3, § 54 InvStG Rz. 8; Helios/Lindau in Moritz/Jesch/Mann2, § 54 InvStG Rz. 18; Mann in Brandis/Heuermann, § 30 InvStG Rz. 13, § 54 InvStG Rz. 11a (Stand: Mai 2020). 7 Zur Qualifikation von § 30 Abs. 1 Satz 1 InvStG als sachliche Steuerbefreiung des Spezial-Investmentfonds s. Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 30 InvStG Rz. 5 (Stand: August 2021); Mann in Brandis/Heuermann, § 30 InvStG Rz. 19 (Stand: Mai 2020). Nichts anderes würde gelten, sofern man § 30 Abs. 1 InvStG nicht als sachliche Steuerbefreiung, sondern als Zurechnungsnorm qualifizieren möchte (s. hierzu § 30 InvStG Rz. 28). 8 Helios/Lindau in Moritz/Jesch/Mann2, § 54 InvStG Rz. 18; Mann in Brandis/Heuermann, § 30 InvStG Rz. 13, § 54 InvStG Rz. 11a (Stand: Mai 2020).

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B. Verschmelzung von inländischen Spezial-Investmentfonds (Abs. 1) | Rz. 46 § 54

selbst auszuüben.1 Die vorstehenden Grundsätze gelten entsprechend, soweit der übertragende, nicht aber der übernehmende Spezial-Investmentfonds von dem Wahlrecht zur Steuerbefreiung von inländischen Immobilienerträgen und sonstigen inländischen Einkünften ohne Steuerabzug nach § 33 Abs. 1, 4 InvStG Gebrauch gemacht hat. Die nach der Verschmelzung durch den übernehmenden Spezial-Investmentfonds erzielten inländischen Immobilienerträge und sonstigen inländischen Einkünfte ohne Steuerabzug unterliegen daher bei dem übernehmenden Spezial-Investmentfonds insgesamt der KSt.2 Auch hier bleibt es dem übernehmenden Spezial-Investmentfonds allerdings unbenommen, das Wahlrecht nach § 33 Abs. 1, 4 InvStG zu einem späteren Zeitpunkt auszuüben.3 3. Steuerliche Folgen auf Ebene der Anleger (Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 3 InvStG) a) Vorbemerkung Die steuerlichen Folgen aus der Verschmelzung für die an dem übertragenden Spezial-Invest- 44 mentfonds beteiligten Anleger und deren Spezial-Investmentanteile ergeben sich aus § 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 3 InvStG. Infolge der Verschmelzung verlieren die Anleger ihre Anteile und erhalten neue Anteile an dem übernehmenden Spezial-Investmentfonds. Ziel der Regelung ist die Vermeidung einer Besteuerung beim Anleger bei unveränderter Verstrickung bereits gebildeter stiller Reserven (Rz. 1). § 23 Abs. 3 InvStG entspricht im Wesentlichen § 14 Abs. 4 InvStG a.F.4 b) Keine Tauschgewinnbesteuerung Mit der Verschmelzung erhalten die Anleger des übertragenden Spezial-Investmentfonds als 45 Ersatz für ihre Anteile neue Anteile an dem übernehmenden Spezial-Investmentfonds. Wendet man hierauf die allgemeinen Tauschgrundsätze an, wären die in den untergehenden Anteilen bis zur Verschmelzung gebildeten stillen Reserven aufzudecken (Rz. 3). Davon abweichend gilt nach § 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 3 Satz 1 InvStG die Ausgabe von neuen Anteilen am übernehmenden Spezial-Investmentfonds an die Anleger des übertragenden Spezial-Investmentfonds nicht als Tausch.5 Eine (Tausch)Gewinnbesteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG i.V.m. § 34 Abs. 1 Nr. 3, § 49 InvStG findet somit nicht statt.6 Die Fiktion des § 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 3 Satz 1 InvStG ist auch außerhalb der 46 Veräußerungsgewinnbesteuerung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG i.V.m. § 34 Abs. 1 Nr. 3, § 49 InvStG zu beachten. Soweit steuerliche Regelungen als Tatbestandsmerkmal die Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen oder allgemein die Veräußerung von Wirtschaftsgütern enthalten, stellt die Ausgabe von Anteilen anlässlich einer Verschmelzung grds. keine Veräußerung in diesem Sinne dar.

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.11. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.7; Wolny in BeckOK, § 33 InvStG Rz. 38 (Stand: Mai 2022). 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.7; Buge in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 33 InvStG Rz. 5 (Stand: August 2021). 4 BT-Drucks. 18/8045, 93. 5 Mit § 40 Sätze 5 und 6 InvG i.d.F. des Investmentänderungsgesetzes (G v. 21.12.2007, BGBl. I 2007, 3089) enthielt das Aufsichtsrecht zeitweise eine mit § 14 Abs. 4 Satz 1 InvStG a.F. bzw. § 23 Abs. 3 Satz 1 InvStG vergleichbare Regelung. Hierdurch sollte eine Gleichbehandlung der Verschmelzung in der Handels- und Steuerbilanz des Anlegers gewährleistet werden (BT-Drucks. 16/5576, 68). 6 BT-Drucks. 18/8045, 93. Hasbach | 917

§ 54 Rz. 47 | Verschmelzung v. Spezial-Investment- u. Altersvorsorgevermögenfonds c) Steuerliche Rechtsnachfolge aa) Vorbemerkung 47 Im Zeitpunkt der Verschmelzung treten die neu ausgegebenen Anteile an dem übernehmen-

den Spezial-Investmentfonds an die Stelle der untergehenden Alt-Anteile der Anleger. § 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 3 Satz 2 InvStG ordnet hierfür eine steuerliche Rechtsnachfolge an („Fußstapfentheorie“). Die steuerliche Rechtsnachfolge ist die Konsequenz aus der Nichtaufdeckung von stillen Reserven nach § 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 3 Satz 1 InvStG. Sie bezieht sich auf sämtliche, den Anteilen an dem übertragenden Spezial-Investmentfonds anhaftenden steuerlichen Merkmale. Hierzu zählen u.a: bb) Ansatz und Bewertung der neu erhaltenen Spezial-Investmentanteile

48 Der Anleger hat die neu erhaltenen Anteile an dem übernehmenden Spezial-Investmentver-

mögen mit den Anschaffungskosten bzw. Buchwerten der untergehenden Alt-Anteile anzusetzen und so die Wertansätze fortzuführen. Ein Wahlrecht zum Ansatz des Teilwerts oder gemeinen Werts besteht – wie bei § 23 InvStG (s. hierzu § 23 InvStG Rz. 43) – nicht. Enthalten die Wertansätze der Alt-Anteile stille Reserven, gehen diese mit der Verschmelzung auf die neu ausgegebenen Anteile über und unterliegen (erst) bei Veräußerung der neuen Anteile der Besteuerung.

49 Entspricht das Umtauschverhältnis Alt-Anteile gegen Neu-Anteile nicht 1:1 und erhält der

Anleger des übertragenden Spezial-Investmentfonds nominal mehr oder weniger Anteile, sind die AK bzw. Buchwerte der untergehenden Anteile neu zu allokieren und auf die neu erhaltenen Anteile gleichmäßig zu verteilen (s. hierzu § 23 InvStG Rz. 44 mit Beispiel). Sofern die Anleger zusätzlich zu den neu ausgegebenen Anteilen eine Barzahlung i.S.d. § 190 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 KAGB erhalten, gilt diese nach § 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 3 Satz 3 InvStG als ausgeschütteter Ertrag i.S.d. § 34 Abs. 1 Nr. 1 InvStG und unterliegt entsprechend der Besteuerung (s. hierzu Rz. 59). Auswirkungen auf die AK bzw. Buchwerte hat die Barzahlung nicht.

50 Der Anleger hat auch dann die Buchwerte der untergehenden Alt-Anteile fortzuführen, wenn

er die Anteile einem Betriebsvermögen zugeordnet und hierauf vor der Verschmelzung eine nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG steuerlich zulässige Teilwertabschreibung vorgenommen hat.1 Erfolgt der Umtausch der Alt-Anteile gegen Neu-Anteile nicht im Verhältnis 1:1, sind die geminderten Buchwerte entsprechend aufzuteilen. Entfällt der Grund für die Teilwertabschreibung zu einem der Verschmelzung nachgehenden Bilanzstichtag, hat der Anleger eine Wertzuschreibung bis maximal zur Höhe der historischen AK der Alt-Anteile vorzunehmen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 i.V.m. Nr. 1 Satz 4 EStG).2 Ist der Anleger im Zeitpunkt der Verschmelzung sowohl an dem übertragenden Spezial-Investmentfonds als auch an dem übernehmenden Spezial-Investmentfonds beteiligt und werden die anlässlich der Verschmelzung neu ausgegebenen Anteile nicht getrennt von den Alt-Anteilen an dem übernehmenden Spezial-Investmentfonds verwahrt, kann eine Wertzuschreibung vorzunehmen sein, obwohl sich der Gesamtwert der Anteile des Anlegers durch die Verschmelzung nicht ändert (s. hierzu auch § 23 InvStG Rz. 45 mit Beispiel).

1 Zu den Voraussetzungen einer Teilwertabschreibung auf Anteile an Investmentfonds BMF v. 2.9.2016 – IV C 6 - S 2171 – b/09/10002:002, BStBl. I 2016, 995. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 54.7; Boxberger in W/B/A3, § 54 InvStG Rz. 9; Kuhn in BeckOK, § 54 InvStG Rz. 25.1 (Stand: Mai 2022).

918 | Hasbach

B. Verschmelzung von inländischen Spezial-Investmentfonds (Abs. 1) | Rz. 55 § 54

cc) Hinzurechnungs- und Abzugsbeträge Die steuerliche Rechtsnachfolge umfasst auch die während der Beteiligung an dem übertra- 51 genden Spezial-Investmentfonds entstandenen, auf die untergehenden Anteile entfallenden Hinzurechnungs- und Abzugsbeträge. Bei Veräußerung der neu erhaltenen Anteile sind daher im Rahmen der Veräußerungsgewinnbesteuerung auch solche Hinzurechnungs- und Abzugsbeträge i.S.d. § 49 Abs. 3 InvStG zu berücksichtigen, die auf den Zeitraum der Beteiligung an dem übertragenden Spezial-Investmentfonds entfallen. dd) Steuerliche Ausgleichs- und Merkposten bei betrieblichen Anlegern Soweit betriebliche Anleger im Zusammenhang mit ihrer Beteiligung an dem übertragenden 52 Spezial-Investmentfonds in Zeiträumen vor der Verschmelzung Ausgleichs- oder Merkposten zu bilden hatten (z.B. für zugerechnete inländische Beteiligungseinnahmen und Immobilienerträge1, für ausschüttungsgleiche Erträge2, für ausgeschüttete Substanz- und Absetzungsbeträge3), sind diese nach der Verschmelzung unverändert fortzuführen.4 Werden die Alt-Anteile nicht im Verhältnis 1:1 gegen neue Anteile an dem übernehmenden Spezial-Investmentfonds eingetauscht, sind die Ausgleichs- oder Merkposten auf die neuen Anteile quotal aufzuteilen. ee) Zurechnung von Fristen und Zeiträumen Ebenso wie auf Ebene des Spezial-Investmentfonds (Rz. 40) bezieht sich die steuerliche 53 Rechtsnachfolge auch auf Ebene des Anlegers auf die Zurechnung von materiellen Fristen und Zeiträumen. Fallen die an dem übertragenden Spezial-Investmentfonds bestehenden Anteile unter den Bestandsschutz i.S.d. § 56 Abs. 6 InvStG, setzt sich der Bestandsschutz an den im Rahmen der Verschmelzung neu ausgegebenen Anteilen an dem übernehmenden Spezial-Investmentfonds fort.5 ff) Ausschüttungsgleiche Erträge und steuerfrei thesaurierbare Kapitalerträge (§ 36 InvStG) Nach § 36 Abs. 4 Satz 2 InvStG gelten ausschüttungsgleiche Erträge i.S.d. § 36 Abs. 1 InvStG 54 grds. mit Ablauf des Geschäftsjahrs des Spezial-Investmentfonds als zugeflossen, in dem sie vereinnahmt worden sind. Da bei Verschmelzung von Spezial-Investmentfonds mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags ein (Rumpf-)Geschäftsjahr des übertragenden SpezialInvestmentfonds endet, gelten die im (Rumpf-)Geschäftsjahr des übertragenden Spezial-Investmentfonds vereinnahmten ausschüttungsgleichen Erträge den Anlegern des übertragenden Spezial-Investmentfonds in diesem Zeitpunkt als zugeflossen. Die steuerfrei thesaurierbaren Kapitalerträge des übertragenden Spezial-Investmentfonds 55 i.S.d. § 36 Abs. 2 InvStG gehen auf den übernehmenden Spezial-Investmentfonds über und sind von diesem fortzuführen. Die Fortführung der steuerfrei thesaurierbaren Kapitalerträge erfolgt anlegerindividuell, sodass diese steuerfrei thesaurierbaren Kapitalerträge nach der Verschmelzung ausschließlich den im Zuge der Verschmelzung neu an dem übernehmenden Spe-

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BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.11, 35.19; § 36 InvStG Rz. 60. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.53, 49.43; § 49 InvStG Rz. 37. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 39.9; § 39 InvStG Rz. 18. Stadler/Mayer in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 54 InvStG Rz. 12 (Stand: November 2018). BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 54.7; Kuhn in BeckOK, § 54 InvStG Rz. 25.1 (Stand: Mai 2022); Mann in Brandis/Heuermann, § 54 InvStG Rz. 11b (Stand: Mai 2020). Hasbach | 919

§ 54 Rz. 55 | Verschmelzung v. Spezial-Investment- u. Altersvorsorgevermögenfonds zial-Investmentfonds beteiligten Anlegern zuzurechnen sind. Die Verschmelzung führt nicht zu einem Neubeginn der 15-jährigen Thesaurierungsfrist i.S.d. § 36 Abs. 5 Satz 1 InvStG.1 gg) Fonds-Aktiengewinn, Fonds-Abkommensgewinn und Fonds-Teilfreistellungsgewinn (§ 48 InvStG) 56 Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 InvStG hat der Spezial-Investmentfonds bei jeder Bewertung seines

Vermögens pro Spezial-Investmentanteil den Fonds-Aktiengewinn, den Fonds-Abkommensgewinn und den Fonds-Teilfreistellungsgewinn („Fonds-Gewinne“) als absolute Werte in Euro zu ermitteln und dem Anleger diese Werte bekannt zu machen. Die Fonds-Gewinne sind für jeden Anleger individuell zu ermitteln.2 § 14 Abs. 6 InvStG a.F. sah vor, dass sich der Aktiengewinn je Investmentanteil durch die Verschmelzung nicht verändern durfte. § 54 InvStG fehlt hingegen eine vergleichbare Regelung. Gleichwohl kommt es durch eine Verschmelzung von Spezial-Investmentfonds im Ergebnis nicht zu einer Verschiebung der anlegerindividuell ermittelten Fonds-Gewinne.3

57 Werden Spezial-Investmentfonds miteinander verschmolzen, hat die Ausgabe der im Zuge der

Verschmelzung an die Anleger des übertragenden Spezial-Investmentfonds gewährten neuen Spezial-Investmentfondsanteile keine Auswirkung auf die zum Zeitpunkt der Verschmelzung beim übernehmenden Spezial-Investmentfonds vorhandenen Fonds-Gewinne (§ 48 Abs. 1 Satz 2 InvStG). Diese sind nach der Verschmelzung ausschließlich den bereits vor der Verschmelzung an dem übernehmenden Spezial-Investmentfonds beteiligten Anlegern zuzurechnen.4

58 Die beim übertragenden Spezial-Investmentfonds im Zeitpunkt der Verschmelzung bestehen-

den Fonds-Gewinne nehmen an der steuerlichen Rechtsnachfolge i.S.d. § 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 3 Satz 2 InvStG teil und sind daher beim übernehmenden Spezial-Investmentfonds fortzuführen. Die Fortführung der Fonds-Gewinne erfolgt anlegerindividuell, sodass diese Fonds-Gewinne nach der Verschmelzung ausschließlich den im Zuge der Verschmelzung neu an dem übernehmenden Spezial-Investmentfonds beteiligten Anlegern zuzurechnen sind.5 Korrekturposten für die Ausgabe der neuen Anteile am übernehmenden Spezial-Investmentfonds sowie für die fortgeführten Fonds-Gewinne beim übertragenden Spezial-Investmentfonds sind nicht zu bilden.6 d) Barzahlungen i.S.d. § 190 KAGB

59 Nach § 1 Abs. 19 Nr. 37, § 189 Abs. 1 Nr. 4 KAGB ist es zulässig, den Anlegern des übertra-

genden Spezial-Investmentfonds eine Barzahlung bis maximal 10 % des Werts der Anteile am übertragenden Spezial-Investmentfonds zu zahlen. Ist eine solche Barzahlung vorgesehen, entsteht der Anspruch auf die Barzahlung mit Wirksamkeit der Verschmelzung (vgl. § 190 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 KAGB). Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 3 Satz 3 InvStG würden die Barzahlungen beim Anleger grds. als Ausschüttungen i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 InvStG gel1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 36.64 ff. (mit Beispiel). 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.3; Hartmann in BeckOK, § 48 InvStG Rz. 37 ff. (Stand: Mai 2022); Wenzel in Brandis/Heuermann, § 48 InvStG Rz. 13 (Stand: Juli 2020); s. auch § 48 InvStG Rz. 26. 3 Eine mit § 14 Abs. 6 InvStG a.F. vergleichbare Regelung fordernd Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 54 InvStG Anm. 5 (Stand: August 2021); Helios/Lindau in Moritz/Jesch/Mann2, § 54 InvStG Rz. 21; s. auch Stadler/Mayer in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 54 InvStG Rz. 10 (Stand: November 2018). 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.83 (mit Beispiel). 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.81, 48.83 (mit Beispiel); Hartmann in BeckOK, § 48 InvStG Rz. 146 (Stand: Mai 2022). 6 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 48.82.

920 | Hasbach

C. Verschmelzung von ausländischen Spezial-Investmentfonds (Abs. 2) | Rz. 62 § 54

ten. Hierbei handelt es sich jedoch um ein redaktionelles Versehen. Anleger eines Spezial-Investmentfonds erzielen keine Ausschüttungen i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 InvStG, sondern ausgeschüttete Erträge i.S.d. § 34 Abs. 1 Nr. 1 InvStG. Folglich ist der Verweis in § 54 Abs. 1 Satz 1 InvStG auf § 23 Abs. 3 Satz 3 InvStG teleologisch dahingehend auszulegen, dass Barzahlungen beim Anleger als ausgeschüttete Erträge i.S.d. § 34 Abs. 1 Nr. 1 InvStG gelten. Sie führen weder zu einer anteiligen Veräußerungsgewinnbesteuerung, noch mindern sie die AK der Anteile. Die Zuordnung der Erträge zu den Einkünften aus Kapitalvermögen oder einer anderen Einkunftsart (insbes. Gewerbebetrieb) richtet sich danach, in welcher Vermögenssphäre (Privat- oder Betriebsvermögen) die Spezial-Investmentanteile gehalten werden. Sie unterliegen in voller Höhe der Besteuerung; insbes. sind die Freistellungen der §§ 42, 43 InvStG hierauf nicht anwendbar. Auf die Barzahlungen hat der übernehmende Spezial-Investmentfonds Kapitalertragsteuer einzubehalten (§ 50 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Nr. 1 InvStG).

C. Verschmelzung von ausländischen Spezial-Investmentfonds (Abs. 2) I. Anwendungsbereich (Abs. 2 i.V.m. § 23 Abs. 4 InvStG) 1. Persönlicher Anwendungsbereich Die Verschmelzung von ausländischen Spezial-Investmentfonds ist unter den in § 54 Abs. 2 60 InvStG genannten Voraussetzungen möglich. Ausländische Spezial-Investmentfonds sind solche Spezial-Investmentfonds i.S.d. § 26 InvStG, die ausländischem Recht unterliegen (§ 2 Abs. 3 InvStG), d.h. Spezial-Investmentfonds, die nach ausländischem Recht aufgelegt und deren Anlagebedingungen nach demselben Recht ausgestaltet wurden.1 Für die Anwendung des § 54 Abs. 2 Satz 1 InvStG ist es grds. unerheblich, ob der Spezial- 61 Investmentfonds in Vertragsform oder in Gesellschaftsform aufgelegt wurde. Ebenfalls werden die haftungs- und vermögensrechtlich getrennten Teile eines Spezial-Investmentfonds erfasst, die für Zwecke des InvStG als eigenständige Spezial-Investmentfonds behandelt werden (§ 1 Abs. 4 InvStG). Für rechtsformübergreifende Verschmelzungen ist jedoch § 54 Abs. 2 Satz 2 InvStG zu beachten. Danach ist eine steuerneutrale Verschmelzung nicht möglich, wenn ein ausländischer Spezial-Investmentfonds in einer Rechtsform, die mit einem Sondervermögen oder einem Teilinvestmentvermögen vergleichbar ist, mit einem ausländischen Spezial-Investmentfonds in einer Rechtsform, die mit einer Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital oder einem Teilgesellschaftsvermögen vergleichbar ist, verschmolzen wird.2 Im Unterschied zu § 17a Satz 6 i.V.m. § 14 Abs. 7 Satz 2 InvStG a.F. ist damit lediglich die Verschmelzung unter gleichzeitiger Beteiligung von Spezial-Investmentfonds in Vertragsform und in Gesellschaftsform ausgeschlossen; die Verschmelzung unter alleiniger Beteiligung von Spezial-Investmentfonds in Gesellschaftsform ist hingegen steuerneutral möglich. Dieselben Grundsätze gelten, wenn an der Verschmelzung ein Spezial-Investmentfonds in einer Rechtsform beteiligt ist, die einem Teilgesellschaftsvermögen einer Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital entspricht (s. hierzu auch Rz. 18). § 54 Abs. 2 Satz 1 InvStG selbst enthält als einzige Voraussetzung die „Verschmelzung auslän- 62 discher Spezial-Investmentfonds miteinander“ und verweist auf eine entsprechende Anwendung von § 23 Abs. 4 InvStG. Versteht man § 54 Abs. 2 Satz 1 InvStG als Rechtsfolgenverweis, wäre dies die einzige Voraussetzung. Nach hier vertretener Auffassung handelt es sich hingegen um einen Rechtsgrundverweis.3 Den Verweisen in § 54 InvStG auf § 23 InvStG liegt

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 2.2. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 54.10. 3 Mann in Brandis/Heuermann, § 54 InvStG Rz. 12 (Stand: Mai 2020). Hasbach | 921

§ 54 Rz. 62 | Verschmelzung v. Spezial-Investment- u. Altersvorsorgevermögenfonds der Wille des Gesetzgebers zugrunde, die Verschmelzung von Investmentfonds einerseits sowie Spezial-Investmentfonds und Altersvorsorgevermögenfonds andererseits steuerlich einheitlich regeln zu wollen. Damit wäre es nicht vereinbar, auf die qualifizierten Voraussetzungen des § 23 Abs. 4 InvStG bei der Verschmelzung von ausländischen Spezial-Investmentfonds zu verzichten und so den Anwendungsbereich bei der Verschmelzung von ausländischen Spezial-Investmentfonds gegenüber der Verschmelzung von ausländischen Investmentfonds deutlich breiter auszugestalten. Im Übrigen wäre der Verweis auf § 23 Abs. 4 InvStG überflüssig, da dieser hinsichtlich der Rechtsfolgen wiederum auf § 23 Abs. 1 bis 3 InvStG (weiter)verweist. Wären die qualifizierten Voraussetzungen des § 23 Abs. 4 InvStG bei der Verschmelzung von ausländischen Spezial-Investmentvermögen irrelevant, hätte es ausgereicht, in § 54 Abs. 2 Satz 1 InvStG direkt auf § 23 Abs. 1 bis 3 InvStG zu verweisen. Eine steuerneutrale Verschmelzung von ausländischen Spezial-Investmentfonds ist daher nach § 54 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 23 Abs. 4 InvStG nur möglich, wenn die Spezial-Investmentfonds demselben Recht eines Amts- und Beitreibungshilfe leistenden ausländischen Staates unterliegen.1 Die grenzüberschreitende Verschmelzung (cross-border merger) von Spezial-Investmentfonds aus unterschiedlichen ausländischen Staaten ist daher – wie die grenzüberschreitende Verschmelzung ausländischer Investmentfonds (s. hierzu § 23 InvStG Rz. 56) – nicht möglich.2 2. Sachlicher Anwendungsbereich 63 Wie bereits § 54 Abs. 1 Satz 1 InvStG setzt auch § 54 Abs. 2 Satz 1 InvStG die „Verschmel-

zung“ von Spezial-Investmentfonds voraus. Die auf Grundlage des ausländischen Rechts vorgenommene Vermögensübertragung muss daher die wesentlichen Merkmale einer Verschmelzung i.S.d. § 1 Abs. 19 Nr. 37 KAGB aufweisen. Das Tatbestandsmerkmal ist erfüllt, wenn die Vermögensübertragung die nach dem anwendbaren ausländischen Recht für eine Verschmelzung vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt. Unerheblich ist, ob die der Verschmelzung zugrunde liegenden Vorschriften des ausländischen Rechts mit denen der §§ 181 bis 191, § 281 KAGB vergleichbar sind (s. hierzu auch § 23 InvStG Rz. 58).3

64 Ebenso wie bei der Verschmelzung ausländischer Investmentfonds (s. hierzu § 23 InvStG

Rz. 60) stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob und inwieweit die FinBeh. die Einhaltung der ausländischen Vorschriften überprüfen dürfen. Nach hier vertretener Auffassung beschränkt sich die Prüfungskompetenz auf die Frage, ob die Verschmelzung nach ausländischem Recht wirksam geworden ist. Dabei kann die Wirksamkeit durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Aufsichtsbehörde nachgewiesen werden. Vorausgesetzt, die Verschmelzung wurde wirksam, steht es der Anwendung von § 54 Abs. 2 Satz 1 InvStG damit insbes. nicht entgegen, wenn die Verschmelzung unter Nichtbeachtung einzelner Vorschriften durchgeführt wurde.

65 Die Zusammenlegung von Anteilklassen bzw. ein damit vergleichbarer Vorgang nach auslän-

dischem Recht ist kein von § 54 Abs. 2 Satz 1 InvStG erfasster Sachverhalt. Ungeachtet dessen ist die Zusammenlegung – wie im Inlandsfall (Rz. 22) – steuerneutral möglich.

1 Mann in Brandis/Heuermann, § 54 InvStG Rz. 12 (Stand: Mai 2020); Stadler/Mayer in Beckmann/ Scholtz/Vollmer, § 54 InvStG Rz. 16 (Stand: November 2018). 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 54.9; Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 54 InvStG Anm. 10 (Stand: August 2021); Stadler/Mayer in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 54 InvStG Rz. 16 (Stand: November 2018). 3 A.A. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.25 (zu § 23 InvStG); Stadler/Mayer in Beckmann/Scholtz/Vollmer, § 54 InvStG Rz. 15 (Stand: November 2018).

922 | Hasbach

D. Verschmelzung von Altersvorsorgevermögenfonds (Abs. 3 und 4) | Rz. 69 § 54

II. Steuerliche Folgen auf Ebene der beteiligten Spezial-Investmentfonds und deren Anleger § 54 Abs. 2 Satz 1 InvStG verweist auf § 23 Abs. 4 InvStG, der wiederum § 23 Abs. 1 bis 3 66 InvStG für entsprechend anwendbar erklärt. Die steuerlichen Folgen aus der Verschmelzung von ausländischen Spezial-Investmentfonds auf Ebene der beteiligten Fonds und auf Ebene der Anleger ergeben sich daher schlussendlich aus § 23 Abs. 1 bis 3 InvStG. § 54 Abs. 2 InvStG setzt nicht voraus, dass (zumindest) einer der beteiligten Spezial-Investmentfonds im Inland i.S.d. § 29 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 InvStG beschränkt stpfl. ist, sodass § 54 Abs. 2 InvStG beim Anleger auch dann anwendbar ist, wenn weder der übertragende Spezial-Investmentfonds noch der übernehmende Spezial-Investmentfonds inländische Einkünfte i.S.d. § 29 Abs. 1, § 6 Abs. 2 InvStG erzielt. Zu Einzelheiten s. Rz. 28 ff. (steuerliche Folgen auf Ebene der beteiligten Spezial-Investmentfonds) sowie Rz. 44 ff. (steuerliche Folgen auf Ebene der Anleger).

D. Verschmelzung von inländischen und ausländischen Altersvorsorgevermögenfonds (Abs. 3 und 4) I. Vorbemerkung Mit § 54 Abs. 3 und 4 InvStG hat der Gesetzgeber im Zuge der Investmentsteuerreform 2018 67 eine Regelung geschaffen, nach der Altersvorsorgevermögenfonds steuerneutral miteinander verschmolzen werden können. Ob dies unter dem alten Regime vor der Investmentsteuerreform 2018 zulässig war, war umstritten.1 Durch § 54 Abs. 3 und 4 InvStG wird sichergestellt, dass die seit Inkrafttreten des OGAW-V-Umsetzungsgesetzes v. 3.3.20162 aufsichtsrechtlich zulässige Verschmelzung von offenen Investmentkommanditgesellschaften, soweit sie als Altersvorsorgevermögenfonds qualifizieren, steuerneutral durchgeführt werden kann.

II. Anwendungsbereich (Abs. 3 und 4 i.V.m. § 23 Abs. 1 und 4 InvStG) 1. Persönlicher Anwendungsbereich § 54 Abs. 3 und 4 InvStG erfassen die Verschmelzung von Altersvorsorgevermögenfonds 68 i.S.d. § 53 Abs. 1 InvStG. Altersvorsorgevermögenfonds in diesem Sinne sind offene Investmentkommanditgesellschaften i.S.d. §§ 124 bis 138 KAGB, deren Gesellschaftszweck unmittelbar und ausschließlich auf die Abdeckung von betrieblichen Altersvorsorgeverpflichtungen ihrer Anleger gerichtet ist und die die Voraussetzungen eines Spezial-Investmentfonds i.S.d. § 26 InvStG erfüllen. § 54 Abs. 3 und 4 InvStG setzen voraus, dass Altersvorsorgevermögenfonds „miteinander“ 69 verschmolzen werden. In den Anwendungsbereich fallen daher ausschließlich Verschmelzungen unter alleiniger Beteiligung von Altersvorsorgevermögenfonds (d.h. von offenen Investmentkommanditgesellschaften nach § 281 Abs. 3 KAGB). Die mit dem OGAW-V-Umsetzungsgesetz geschaffene Möglichkeit, offene Investmentkommanditgesellschaften mit offenen Spezial-AIF in Form eines Spezialsondervermögens oder einer Spezialaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital (einschließlich deren Teilgesellschaftsvermögen) zu verschmelzen (vgl. § 281 Abs. 2 und 3 KAGB), wird nicht erfasst. 1 Verneinend z.B. Mann in Brandis/Heuermann (vormals Blümich), § 15a InvStG 2004 Rz. 23 (Stand: April 2017) m.w.N. 2 BGBl. I 2016, 348. Hasbach | 923

§ 54 Rz. 70 | Verschmelzung v. Spezial-Investment- u. Altersvorsorgevermögenfonds 70 § 54 Abs. 3 und 4 InvStG differenzieren zwischen der Verschmelzung inländischer (Abs. 3) und

ausländischer (Abs. 4) Altersvorsorgevermögenfonds. Inländische Altersvorsorgevermögenfonds sind solche, die dem inländischen Recht unterliegen; ausländische Altersvorsorgevermögenfonds sind solche, die dem ausländischen Recht unterliegen (§ 2 Abs. 2 und 3 InvStG).1 Grenzüberschreitende Verschmelzungen (cross-border merger) werden weder von § 54 Abs. 3 InvStG noch von § 54 Abs. 4 InvStG erfasst. Für die Verschmelzung von inländischen Altersvorsorgevermögenfonds ergibt sich dies aus dem Tatbestandsmerkmal „miteinander“.2 Für die Verschmelzung von ausländischen Altersvorsorgevermögenfonds folgt dies aus dem Verweis auf § 23 Abs. 4 InvStG. Hierbei handelt es sich – wie auch in § 54 Abs. 2 Satz 1 InvStG (Rz. 62) – um einen Rechtsgrundverweis, sodass die Verschmelzung von ausländischen Altersvorsorgevermögenfonds nur unter den qualifizierten Voraussetzungen des § 23 Abs. 4 InvStG steuerneutral möglich ist; d.h., die Altersvorsorgevermögenfonds müssen demselben Recht eines Amts- und Beitreibungshilfe leistenden ausländischen Staates i.S.d. § 2 Abs. 15 InvStG unterliegen.

2. Sachlicher Anwendungsbereich 71 § 54 Abs. 3 und 4 InvStG setzt die „Verschmelzung“ von Altersvorsorgevermögenfonds vo-

raus. Maßgeblich ist der Begriff der Verschmelzung i.S.d. § 1 Abs. 19 Nr. 37 KAGB. Erfasst wird danach die Auflösung ohne Abwicklung von Altersvorsorgevermögenfonds durch Übertragung sämtlicher Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten auf einen bestehenden oder neu gegründeten Altersvorsorgevermögenfonds gegen Gewährung von Anteilen des übernehmenden Altersvorsorgevermögenfonds an die Anleger des übertragenden Altersvorsorgevermögenfonds sowie ggf. einer Barzahlung i.H.v. nicht mehr als 10 % des Werts eines Anteils.

72 Vermögensübertragungen auf Grundlage ausländischen Rechts müssen die wesentlichen

Merkmale des § 1 Abs. 19 Nr. 37 KAGB aufweisen, um als „Verschmelzung“ i.S.d. § 54 Abs. 4 InvStG behandelt werden zu können. Ebenso wie bei § 54 Abs. 2 InvStG und § 23 Abs. 4 InvStG ist das Tatbestandsmerkmal erfüllt, wenn die Vermögensübertragung die nach dem anwendbaren ausländischen Recht für eine Verschmelzung vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt. Dabei bleibt außer Betracht, ob die der Verschmelzung zugrunde liegenden Regelungen des ausländischen Rechts mit denen der §§ 181 bis 191, § 281 KAGB vergleichbar sind (s. hierzu auch Rz. 63 sowie § 23 InvStG Rz. 58).3

III. Steuerliche Folgen auf Ebene der beteiligten Altersvorsorgevermögenfonds und deren Anleger 73 Die Besteuerung von Altersvorsorgevermögenfonds und ihrer Anleger richtet sich nach den

Vorschriften über die Besteuerung von Spezial-Investmentfonds und deren Anleger (vgl. § 53 Abs. 3 Satz 1 InvStG). Auf Altersvorsorgevermögenfonds sind daher die Vorschriften des Kapitels 3 des InvStG (§§ 25 bis 51) entsprechend anzuwenden. Die zur Besteuerung von Personengesellschaften und ihrer Gesellschafter entwickelten Grundsätze gelten nicht. Die Beteiligung an dem Altersvorsorgevermögenfonds stellt ein eigenständig bewertbares Wirtschaftsgut dar (§ 53 Abs. 3 Satz 3 InvStG). Bei Verschmelzung von Altersvorsorgevermögenfonds ergeben sich daher dieselben Folgen wie bei einer Verschmelzung von inländischen und ausländischen Spezial-Investmentfonds (s. hierzu Rz. 27 ff. und Rz. 66). 1 Es ist allerdings umstritten, ob ausländische Altersvorsorgevermögenfonds i.S.d. § 53 InvStG überhaupt denkbar sind (s. hierzu § 53 InvStG Rz. 16, 22). Verneint man dies, hat § 54 Abs. 4 InvStG faktisch keinen Anwendungsbereich (so z.B. Helios/Lindau in Moritz/Jesch/Mann2, § 54 InvStG Rz. 36; Mann in Brandis/Heuermann, § 54 InvStG Rz. 14 [Stand: Mai 2020]). 2 Mann in Brandis/Heuermann, § 54 InvStG Rz. 6a (Stand: Mai 2020). 3 A.A. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 23.25 (zu § 23 InvStG).

924 | Hasbach

Kapitel 6 Bußgeldvorschriften, Anwendungs- und Übergangsvorschriften (§§ 55 bis 57)

§ 55 Bußgeldvorschriften (1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig 1. entgegen § 7 Absatz 4 Satz 5, auch in Verbindung mit § 29 Absatz 1, eine Statusbescheinigung nicht oder nicht rechtzeitig zurückgibt, 2. entgegen § 28 Absatz 1 Satz 1 eine Mitteilung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig macht, 3. entgegen § 28 Absatz 1 Satz 2 eine Anzeige nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erstattet, 4. entgegen § 28 Absatz 2 einen Anleger nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig einträgt oder 5. entgegen § 28 Absatz 3 eine dort genannte Maßnahme nicht oder nicht rechtzeitig ergreift. (2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu zehntausend Euro geahndet werden. (3) Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Absatz 1 Nummer 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist die in § 4 genannte Finanzbehörde. A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . II. Rechtsentwicklung und Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verhältnis zu anderen Vorschriften . . . . . B. Tatbestand der Ordnungswidrigkeit (Abs. 1) I. Überblick über die Mitwirkungspflichten II. Objektiver Tatbestand 1. Unterbliebene Rückgabe einer Statusbescheinigung (Abs. 1 Nr. 1) . . . . . . . . 2. Unterbliebene Anzeige der personenbezogenen Daten der Anleger (Abs. 1 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 3 4

7 8

III. C. D. I. II.

3. Unterbliebene Anzeige der Änderung der Zusammensetzung (Abs. 1 Nr. 3) . 4. Unterbliebene Erfassung sämtlicher Anleger (Abs. 1 Nr. 4) . . . . . . . . . . . . . 5. Unterbliebene Ausübung des Sonderkündigungsrechts (Nr. 5) . . . . . . . . . . . Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolge (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuständige Verfolgungsbehörde (Abs. 3) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Verfahrensfragen . . . . . . . . . . . . .

10 11 12 13 14 18 20

9

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck Gemäß § 55 InvStG handelt derjenige ordnungswidrig, der seinen in den §§ 7 und 28 InvStG 1 enthaltenen Mitwirkungspflichten im Rahmen des Besteuerungsverfahrens nicht nachkommt. Hierbei sichert § 55 Abs. 1 Nr. 1 InvStG die Rückgabe einer dem Investmentfonds ausgestellJehke | 925

§ 55 Rz. 1 | Bußgeldvorschriften ten Statusbescheinigung (vgl. § 7 Abs. 4 Satz 2 InvStG) sowie § 55 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 InvStG die Einhaltung der Mitwirkungspflichten des Spezial-Investmentfonds bzw. der beteiligten Personengesellschaft ab. Abs. 2 legt sodann den Sanktionsrahmen fest und Abs. 3 bestimmt die zuständige Verfolgungsbehörde. 2 Nach dem Investmentsteuerreformgesetz unterliegen Spezial-Investmentfonds über die all-

gemeinen Anlagebedingungen hinaus weiteren in § 26 InvStG normierten Anforderungen. Danach ist einerseits die Anlegerzahl an einem Spezial-Investmentfonds gem. § 26 Nr. 8 InvStG auf höchstens 100 Anleger begrenzt und natürliche Personen sind mit eng begrenzten Ausnahmen in § 26 Nr. 8 Satz 2 InvStG anders als bisher als Anleger ausgeschlossen. Der Ausschluss natürlicher Personen aus Spezial-Investmentfonds soll eine einheitliche Besteuerung aller natürlichen Personen nach den Besteuerungsregelungen des Kapitels 2 des Gesetzes sicherstellen. Um die zulässige Anlegerzahl und den Ausschluss der natürlichen Personen sicherstellen zu können, sieht § 28 InvStG verschiedene Mitwirkungspflichten bei der Beteiligung einer PersGes. an einem Spezial-Investmentfonds vor, bei deren Nichtbeachtung eine Geldbuße nach § 55 InvStG droht.

II. Rechtsentwicklung und Anwendungsbereich 3 Die Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung (InvStRefG) v.

19.7.20161 eingefügt. Die Neuregelungen gelten ab dem 1.1.2018. Damit werden erstmals Bußgeldvorschriften in das InvStG aufgenommen. Entgegen dem Grundsatz aus § 10 OWiG werden gem. § 55 Abs. 1 InvStG sowohl vorsätzliches als auch leichtfertiges Handeln sanktioniert. Zugleich enthält § 55 Abs. 2 InvStG eine Sonderregelung im Verhältnis zu § 17 Abs. 1 OWiG, indem die Geldbuße bis zu 10.000 € betragen kann. In sachlicher Hinsicht erstreckt sich § 55 InvStG auf die in Abs. 1 Nr. 1 bis 5 abschließend normierten Ordnungswidrigkeiten. In persönlicher Hinsicht gilt die Norm entweder für alle in- und ausländischen Investmentfonds bzw. Spezial-Investmentfonds (Nr. 1, 4 und 5) oder für die am Spezial-Investmentfonds beteiligten in- und ausländischen PersGes. bzw. deren gesetzliche Vertreter (Nr. 2 und 3).2

III. Verhältnis zu anderen Vorschriften 4 § 55 InvStG ist lex specialis zu den Vorschriften des OWiG. Entsprechend § 377 AO finden

die allgemeinen Normen des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (§§ 1 bis 34 OWiG) auch im Steuerstrafrecht Anwendung, soweit die Bußgeldvorschriften der Steuergesetze nichts anderes bestimmen, wie z.B. hinsichtlich der angedrohten Geldbuße des OWiG (max. 10.000 € in § 55 Abs. 2 InvStG vs. max. 1.000 € in § 17 OWiG) und hinsichtlich der Schuldform (Leichtfertigkeit in § 55 Abs. 1 InvStG vs. Fahrlässigkeit in § 10 OWiG).

5 Soweit die Handlung des StPfl. gleichzeitig eine Steuerstraftat und eine Ordnungswidrig-

keit darstellt, wird gem. § 21 OWiG ausschließlich das Steuerstrafrecht angewendet (Subsidiaritätsprinzip). Als Ordnungswidrigkeit kann grds. nur vorsätzliches Handeln geahndet werden, außer das Gesetz bedroht fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit einer Geldbuße (§ 10 OWiG), wie es in § 55 Abs. 1 InvStG der Fall ist (lex specialis). Der Versuch einer Ordnungswidrigkeit kann nur geahndet werden, soweit das Gesetz dies vorsieht (§ 13 Abs. 2 OWiG). Das InvStG sieht eine entsprechende Regelung nicht vor, sodass Versuchstaten im Anwendungsbereich dieses Gesetzes nicht ahndungsfähig sind.

1 BGBl. I 2016, 1730. 2 Gloßner in Brandis/Heuermann, § 55 InvStG Rz. 20 ff.

926 | Jehke

B. Tatbestand der Ordnungswidrigkeit (Abs. 1) | Rz. 7 § 55

Gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 AO hat die mit der Steuerfahndung betraute Dienst- 6 stelle der Landesfinanzbehörde den Sachverhalt hinsichtlich der Steuerordnungswidrigkeiten zu erforschen und die zugrunde liegenden Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln. Gegen den Bußgeldbescheid ist das Rechtsmittel des Einspruchs gegeben. Daneben haben die Behörden auch die Verwaltungsanweisungen, insbes. den 4. Teil der regelmäßig aktualisierten „Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren“ (Steuer) (AStBV), zu beachten.

B. Tatbestand der Ordnungswidrigkeit (Abs. 1) I. Überblick über die Mitwirkungspflichten § 55 Abs. 1 InvStG enthält verschiedene Bußgeldtatbestände, soweit ein Investmentfonds, Spe- 7 zial-Investmentfonds oder die an einem Spezial-Investmentfonds beteiligten Personengesellschaften ihren Pflichten im Besteuerungsverfahren aus den §§ 7, 28 InvStG nicht nachkommen. § 55 Abs. 1

Rechtsquelle der Verpflichtung

Verantwortlicher/Täter*

Verpflichtung

Nr. 1

§ 7 Abs. 4 Satz 5, Investment§ 7 Abs. 4 Satz 5 fonds; Speziali.V.m. 29 Abs. 1 Investmentfonds

Rückgabe der Statusbescheinigung an die FinBeh.

Nr. 2

§ 28 Abs. 1 Satz 1

Nr. 3

Frist

Tatbestandsmerkmal

unverzüglich

nicht, nicht rechtzeitig macht

Personengesell- Mitteilung der schaft Anlegerzusammensetzung

innerhalb von 3 Monaten nach Erwerb

nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erstattet

§ 28 Abs. 1 Satz 2

Personengesell- Änderungsmitschaft teilung zur Anlegerzusammensetzung

innerhalb von 3 Monaten nach Erwerb

nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erstattet

Nr. 4

§ 28 Abs. 2

Spezial-Investmentfonds

Anlegeroffenlegung im Anteilsregister

innerhalb von 6 Monaten nach Erwerb

nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig einträgt

Nr. 5

§ 28 Abs. 3

Spezial-Investmentfonds

Maßnahme bzgl. Anlegerzahl oder Anlegerzusammensetzung

unverzüglich

nicht oder nicht rechtzeitig ergreift

*bzw. gesetzlicher Vertreter (für [Spezial-]Investmentfonds; § 3)1

1 Übersichtsdarstellung s. Gloßner in Brandis/Heuermann, § 55 InvStG Rz. 30. Jehke | 927

§ 55 Rz. 8 | Bußgeldvorschriften

II. Objektiver Tatbestand 1. Unterbliebene Rückgabe einer Statusbescheinigung (Abs. 1 Nr. 1) 8 Tathandlung ist die unterbliebene oder nicht rechtzeitige Rückgabe einer Statusbescheinigung

nach § 7 Abs. 4 InvStG, soweit diese aufgrund zeitlicher Befristung oder vorzeitig von der zuständigen FinBeh. zurückgefordert wurde. Die Statusbescheinigung wird dem Investmentfonds von dem für die Besteuerung nach § 4 InvStG zuständigen FA auf Antrag mit einer Gültigkeit von maximal drei Jahren ausgestellt (s. § 7 InvStG Rz. 57). Die Statusbescheinigung ist der FinBeh. durch den gesetzlichen Vertreter (s. § 7 InvStG Rz. 60) unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB), nach Aufforderung bzw. nach Kenntnis des Wegfalls der Voraussetzungen für die Erteilung zurückzugeben (§ 7 Abs. 4 Satz 5 InvStG). Entgegen dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 7 Abs. 4 Satz 5 InvStG wird mitunter vertreten, dass eine Rückgabepflicht auch dann bestehen soll, wenn die Voraussetzungen zur Erteilung der Statusbescheinigung von vornherein zu keinem Zeitpunkt bestanden haben.1 2. Unterbliebene Anzeige der personenbezogenen Daten der Anleger (Abs. 1 Nr. 2)

9 Tathandlung ist die unterbliebene, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig getä-

tigte Anzeige der PersGes., die unmittelbar oder mittelbar über eine andere PersGes. an dem Spezial-Investmentfonds beteiligt ist, über die Namen oder die Firma und die Anschrift ihrer Beteiligten. Dadurch verletzt die PersGes. ihre Mitteilungspflicht aus § 28 Abs. 1 Satz 1 InvStG.2 Hiernach hat die PersGes. dem Spezial-Investmentfonds innerhalb von drei Monaten nach Erwerb des Spezial-Investmentanteils den Namen und die Anschrift ihrer Gesellschafter mitzuteilen.3 3. Unterbliebene Anzeige der Änderung der Zusammensetzung (Abs. 1 Nr. 3)

10 Tathandlung ist die unterbliebene, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig getä-

tigte Anzeige der PersGes. an den Spezial-Investmentfonds über die Änderung der Gesellschafterzusammensetzung, aufgrund derer sie ihrer Anzeigepflicht aus § 28 Abs. 1 Satz 2 InvStG nicht nachkommt. Solche Änderungen sind innerhalb von drei Monaten anzuzeigen.4 4. Unterbliebene Erfassung sämtlicher Anleger (Abs. 1 Nr. 4)

11 Tathandlung ist die durch den gesetzlichen Vertreter (§ 3) des Spezial-Investmentfonds nicht,

nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig getätigte Erfassung sämtlicher Anleger einschließlich der über PersGes. mittelbar Beteiligten in einem Anteilsregister, wodurch der gesetzliche Vertreter seine Pflicht zur Erfassung aus § 28 Abs. 2 InvStG verletzt.5 Spätestens sechs Monate nach dem Erwerb des Spezial-Investmentanteils hat der Vertreter die Eintragung vorzunehmen. Die Androhung des Bußgeldes dient der FinVerw. zur erleichterten Überprüfung der zulässigen Anlegerzahl und Anlegerzusammensetzung am Spezial-Investmentfonds (vgl. § 26 Nr. 8 InvStG).

1 2 3 4 5

Hartmann in Bödecker/Ernst/Hartmann, BeckOK/InvStG, § 55 Rz. 25 (Stand: Januar 2022). Vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 28.2 ff. Vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 28.4. Vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 28.4. Vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 28.5.

928 | Jehke

C. Rechtsfolge (Abs. 2) | Rz. 15 § 55

5. Unterbliebene Ausübung des Sonderkündigungsrechts (Nr. 5) Tathandlung ist die unterbliebene oder nicht rechtzeitige Ausübung des in § 26 Nr. 9 InvStG 12 enthaltenen Sonderkündigungsrechts bei schuldhafter Überschreitung der Anlegerzahl von 100 Anlegern (vgl. die Pflicht aus § 28 Abs. 3 InvStG)1. Gleiches gilt bei der Kenntnis des Spezial-Investmentfonds von der Tatsache, dass natürliche Personen über eine PersGes. mittelbar beteiligt sind, obwohl sie nicht der Ausnahmeregelung des § 26 Nr. 8 Satz 2 InvStG unterliegen. Das Sonderkündigungsrecht ist unverzüglich nach Kenntniserlangung der Nichteinhaltung der Voraussetzungen des § 26 Nr. 8 InvStG auszuüben.

III. Subjektiver Tatbestand In subjektiver Hinsicht fordert § 55 Abs. 1 InvStG Vorsatz oder Leichtfertigkeit des Täters. 13 Vorsatz liegt vor, wenn der Täter mit dem Willen zur Verwirklichung des Straftatbestands in Kenntnis des objektiven Tatbestands handelt.2 Gebräuchlich ist auch die Kurzformel, nach der Vorsatz als Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung beschrieben wird.3 Der Täter muss in erster Linie die tatsächlichen Umstände kennen, die zur Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands führen, und deren Herbeiführung auch wollen. Gleichfalls ist hiervon auch bedingt vorsätzliches (dolus eventualis) Handeln erfasst. Das setzt wiederum voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein.4 Leichtfertigkeit liegt bei demjenigen vor, der die gebotene Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen eigenen persönlichen Fähigkeiten in der Lage ist, in besonders hohem Maße verletzt.5 Der Täter muss dabei entweder die tatbestandliche Verwirklichung nicht erkennen oder darauf vertrauen, dass sie nicht eintreten werde. Die Leichtfertigkeit entspricht objektiv der groben Fahrlässigkeit des bürgerlichen Rechts.6

C. Rechtsfolge (Abs. 2) Für das Ordnungswidrigkeitsverfahren gelten die allgemeinen Vorschriften des OWiG. Die 14 Entscheidung zur Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit liegt gem. § 410 AO i.V.m. § 47 OWiG im Ermessen der Behörde (Opportunitätsprinzip). Hält die Bußgeld- und Strafsachenstelle des zuständigen FA die Ordnungswidrigkeit nach Abschluss der Ermittlungen für erwiesen und die Ahndung mit einer Geldbuße für geboten, erlässt sie einen Bußgeldbescheid (§§ 65, 66 OWiG). Anderenfalls stellt sie das Verfahren gem. § 410 AO i.V.m. § 47 OWiG ein. Ist das BZSt – das über eine eigene Straf- und Bußgeldsachenstelle verfügt – zuständig, übernimmt es gleichfalls die Befugnis, das Ordnungswidrigkeitenverfahren zu führen. Das folgt unmittelbar aus § 55 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 Nr. 2 InvStG. Nach § 55 Abs. 2 kann eine Geldbuße von bis zu 10.000 € verhängt werden. Dabei ist jedoch 15 zu beachten, dass eine Geldbuße i.H.v. 10.000 € nur durch vorsätzliches Handeln verhängt werden darf, denn § 17 Abs. 2 OWiG schreibt vor, dass fahrlässiges Handeln nur mit der

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Vgl. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 28.7 ff. BGH v. 5.5.1964 – 1 StR 26/64, NJW 1964, 1330 (1331). BGH v. 9.8.1988 – 1 StR 231/88, NJW 1989, 781 (784). BGH v. 25.9.2019 – 4 StR 448/19, NStZ-RR 2020, 19 (19) m.w.N. BFH v. 24.7.2014 – VR 44/13, BFHE 246, 207; v. 21.4.2016 – II B 4/16, DStR 2016, 1210. BGH v. 13.4.1960 – 2 StR 593/59, BGHSt 14, 240 (255); v. 9.11.1984 – 2 StR 257/84, BGHSt 33, 66; v. 13.12.1988 – VI ZR 235/87, BGHZ 106, 204. Jehke | 929

§ 55 Rz. 15 | Bußgeldvorschriften Hälfte des angedrohten Höchstbetrags der Geldbuße geahndet werden darf, soweit das Gesetz hinsichtlich der Geldbuße nicht zwischen vorsätzlichem und fahrlässigem Handeln unterscheidet. Dies muss auch bei leichtfertigem Handeln gelten,1 da dieses eine gesteigerte Form der Fahrlässigkeit darstellt. Eine leichtfertige Tat kann also mit einer Geldbuße von maximal 5.000 € geahndet werden. 16 Auch bei der Bemessung der Höhe des Bußgeldes hat die Behörde Ermessen. Dessen Aus-

übung kann z.B. beeinflusst werden durch die Dauer und das Ausmaß des Rechtsverstoßes, Anzahl der Verstöße und Wiederholungen. Das Vorhandensein eines effektiven und „gelebten“ Tax-Compliance-Management-Systems kann für den Täter begünstigend wirken.2 Dem hat sich mittlerweile auch der BGH angeschlossen.3

17 Sinn und Zweck der Geldbuße ist gem. § 410 AO i.V.m. § 17 Abs. 4 OWiG, den wirtschaftli-

chen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, zu übersteigen. Dahinter steht der Gedanke, dass sich die Begehung von Ordnungswidrigkeiten in keiner Weise lohnen soll. Zumeist kann das durch den zur Verfügung stehenden Bußgeldrahmen nicht erreicht werden, weswegen – soweit ein möglicher Steuerschaden nicht bereits anderweitig ausgeglichen ist – neben den ahndenden Teil ein abschöpfender Teil der Geldbuße tritt, dessen Höhe sich nach dem vom Täter gezogenen wirtschaftlichen Vorteil richtet.4 Für die Zumessung der Geldbuße sind sowohl die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit als auch der Tatvorwurf, der den Täter trifft, von Bedeutung. Dabei kommt gem. § 410 AO i.V.m. § 17 Abs. 3 OWiG auch die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters in Betracht. Allerdings dürfen sie nicht entscheidungsleitend, sondern allenfalls als ein zusätzliches Kriterium herangezogen werden.5 Die Grenzen der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse finden sich in § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 OWiG, wonach sie regelmäßig nicht heranzuziehen sind, wenn es sich um eine geringfügige Ordnungswidrigkeit handelt. In Anlehnung an die Verwarnungsgeldgrenze des § 56 Abs. 1 Satz 1 OWiG liegt die Grenze für die Geringfügigkeit bei einem Geldbetrag von bis zu 35 €.6 Der ahndende Teil der Geldbuße kann weder als Betriebsausgabe (§ 4 Abs. 5 Nr. 8 EStG) noch als Werbungskosten (§ 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Nr. 8 EStG) steuerlich geltend gemacht werden. Demgegenüber folgt unmittelbar aus § 4 Abs. 5 Nr. 8 Satz 4 EStG, dass das steuerliche Abzugsverbot nicht für den abschöpfenden Teil der Geldbuße gilt.

D. Zuständige Verfolgungsbehörde (Abs. 3) I. Zuständigkeit 18 Hinsichtlich der Zuständigkeit verweist § 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG i.V.m. § 55 Abs. 3 InvStG auf

die in § 4 InvStG genannte FinBeh. Dies gilt, da § 4 InvStG eine Vorschrift des allgemeinen Teils ist, sowohl für Investmentfonds als auch für Spezial-Investmentfonds. Die Zuständigkeit richtet sich gem. § 4 Abs. 1 InvStG grds. nach dem Ort der Geschäftsleitung des gesetzlichen Vertreters (vgl. § 3 InvStG). Soweit sich die Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs 1 Jäger in Klein15, § 377 AO Rz. 13; Heuel in Kohlmann, § 377 AO Rz. 86. 2 Gloßner in Brandis/Heuermann, § 55 InvStG Rz. 42; AEAO zu § 153, eingefügt durch BMF v. 23.5.2016 – IV A 3 - S 0324/15/10001, BStBl. I 2016, 490. 3 BGH v. 9.5.2017 – 1 StR 265/16, WuW 2017, 456; vgl. zum Tax CMS auch Jehke in BeckOK, § 378 AO Rz. 57 f. m.w.N. 4 Engelhart/Rübenstahl in Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, 2017, § 17 OWiG Rz. 31. 5 Mitsch in Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl. 2018, § 17 OWiG Rz. 84. 6 Engelhart/Rübenstahl in Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, 2017, § 17 OWiG Rz. 23.

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Anwendungs- und Übergangsvorschriften | § 56

des Gesetzes befindet, regelt § 4 Abs. 2 InvStG eine abgestufte Zuständigkeit. In diesen Fällen richtet sich die Zuständigkeit nach der Lage des Vermögens des Investmentfonds. Ist das inländische Vermögen in mehreren Bezirken belegen, weswegen grds. die Zuständigkeit mehrerer FinBeh. in Betracht kommt, richtet sich die Zuständigkeit nach dem wertvollsten Teil des Vermögens gem. § 6 Abs. 1 InvStG. In Fällen, die hiervon nicht erfasst sind, ist das BZSt zuständig (s. § 4 InvStG Rz. 13 ff.). Das BMF ist gem. § 4 Abs. 3 InvStG ermächtigt, durch Rechtsverordnung ein oder mehrere 19 FÄ für sachlich zuständig zu erklären. Hierbei ist zu beachten, dass die Übertragung an ein anderes FA der ursprünglich zuständigen FinBeh. nicht das Recht des ersten Zugriffs aus § 399 Abs. 2 AO nimmt.

II. Weitere Verfahrensfragen Für die Rechtsmittel gelten die allgemeinen Vorschriften (§§ 67 ff. OWiG).1 Ein Einspruch ist 20 somit innerhalb von zwei Wochen schriftlich oder zur Niederschrift einzulegen und es gilt das gerichtliche Verfahren gem. §§ 71 ff. OWiG. § 31 OWiG regelt die Verfolgungsverjährung. Die Bußgeldentscheidungen sind vollstreckbar, wenn sie rechtskräftig geworden sind (§ 89 OWiG).

§ 56 Anwendungs- und Übergangsvorschriften zum Investmentsteuerreformgesetz (1) 1Die Vorschriften dieses Gesetzes in der am 1. Januar 2018 geltenden Fassung sind ab dem 1. Januar 2018 anzuwenden. 2Für die Zeit vor dem 1. Januar 2018 und für Unterschiedsbeträge nach § 5 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 und § 13 Absatz 4 des Investmentsteuergesetzes in der am 31. Dezember 2017 geltenden Fassung, die für vor dem 1. Januar 2018 endende Geschäftsjahre veröffentlicht werden, ist weiterhin das Investmentsteuergesetz in der am 31. Dezember 2017 geltenden Fassung anzuwenden. 3Bei Investmentfonds und Kapital-Investitionsgesellschaften nach dem Investmentsteuergesetz in der am 31. Dezember 2017 geltenden Fassung mit einem vom Kalenderjahr abweichenden Geschäftsjahr gilt für steuerliche Zwecke ein Rumpfgeschäftsjahr zum 31. Dezember 2017 als beendet. 4Für Rumpfgeschäftsjahre nach Satz 3 verlängert sich die Frist für die Veröffentlichung der Besteuerungsgrundlagen nach § 5 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 Satz 1 des Investmentsteuergesetzes in der am 31. Dezember 2017 geltenden Fassung bis zum 31. Dezember 2018. 5Abweichend von Satz 1 sind die Vorschriften dieses Gesetzes in der durch Artikel 15 des Gesetzes vom 11. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2338) geänderten Fassung anzuwenden auf Investmenterträge, die nach dem 10. August 2018 zufließen oder als zugeflossen gelten sowie auf Bewertungen nach § 6 des Einkommensteuergesetzes, die nach diesem Zeitpunkt vorzunehmen sind. (1a) 1Für Investmentfonds, die vor dem 1. Januar 2019 aufgelegt wurden, gelten Anlagebedingungen, die die Voraussetzungen des § 2 Absatz 6 in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes vom 19. Juli 2016 (BGBl. I 1730) erfüllen, als Anlagebedingungen, die die Voraussetzungen des § 2 Absatz 6 in der Fassung des Artikels 15 des Gesetzes vom 11. Dezember 2018 (BGBl. I 2338) erfüllen. 2Satz 1 ist entsprechend anzuwenden auf Invest-

1 Gloßner in Brandis/Heuermann, § 55 InvStG Rz. 25 f. Jehke und Hensel/Kretzschmann | 931

§ 56 | Anwendungs- und Übergangsvorschriften mentfonds, die vor dem 1. Januar 2019 aufgelegt wurden und die Voraussetzungen des § 2 Absatz 7 oder 9 erfüllen. (2) 1Anteile an Investmentfonds, an Kapital-Investitionsgesellschaften nach dem Investmentsteuergesetz in der am 31. Dezember 2017 geltenden Fassung oder an Organismen, die zum 1. Januar 2018 erstmals in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallen (AltAnteile), gelten mit Ablauf des 31. Dezember 2017 als veräußert und mit Beginn des 1. Januar 2018 als angeschafft. 2Als Veräußerungserlös und Anschaffungskosten ist der letzte im Kalenderjahr 2017 festgesetzte Rücknahmepreis anzusetzen. 3Wird kein Rücknahmepreis festgesetzt, tritt der Börsen- oder Marktpreis an die Stelle des Rücknahmepreises. 4 Der nach den Sätzen 2 und 3 ermittelte Wert der Alt-Anteile gilt als Anschaffungskosten im Sinne von § 6 Absatz 1 Nummer 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes. 5Soweit der nach den Sätzen 2 und 3 ermittelte Wert der Alt-Anteile höher ist als der Buchwert der Alt-Anteile am 31. Dezember 2017, sind Wertminderungen im Sinne von § 6 Absatz 1 Nummer 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes erst zum Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung der Alt-Anteile zu berücksichtigen. 6Wertaufholungen im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 2 Satz 3 in Verbindung mit Nummer 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes sind erst zum Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung der Alt-Anteile zu berücksichtigen, soweit auf die vorherigen Wertminderungen Satz 5 angewendet wurde und soweit der Buchwert der Alt-Anteile zum 31. Dezember 2017 überschritten wird. 7Der Buchwert der Alt-Anteile zum 31. Dezember 2017 ist ohne Berücksichtigung der fiktiven Veräußerung nach Satz 1 zu ermitteln. (3) 1Der nach den am 31. Dezember 2017 geltenden Vorschriften ermittelte Gewinn aus der fiktiven Veräußerung nach Absatz 2 Satz 1 einschließlich außerbilanzieller Hinzurechnungen und Abrechnungen ist zu dem Zeitpunkt zu berücksichtigen, zu dem der Alt-Anteil tatsächlich veräußert wird. 2Bei der tatsächlichen Veräußerung von Alt-Anteilen gelten die zuerst angeschafften Anteile als zuerst veräußert. 3Der Gewinn aus der fiktiven Veräußerung nach Absatz 2 Satz 1 unterliegt zum Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung des Alt-Anteils dem Steuerabzug nach § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 9 des Einkommensteuergesetzes. 4Kann der Gewinn aus der fiktiven Veräußerung nicht ermittelt werden, so sind 30 Prozent des Rücknahmepreises oder, wenn kein Rücknahmepreis festgesetzt ist, des Börsen- oder Marktpreises als Bemessungsgrundlage für den Steuerabzug anzusetzen (Ersatzbemessungsgrundlage). 5Bei Ansatz der Ersatzbemessungsgrundlage ist die Abgeltungswirkung nach § 43 Absatz 5 Satz 1 erster Halbsatz des Einkommensteuergesetzes ausgeschlossen und der Entrichtungspflichtige ist verpflichtet, eine Steuerbescheinigung nach § 45a Absatz 2 des Einkommensteuergesetzes auszustellen, in der er den Ansatz der Ersatzbemessungsgrundlage kenntlich zu machen hat. 6Die als zugeflossen geltenden, aber noch nicht dem Steuerabzug unterworfenen Erträge nach § 7 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung und der Zwischengewinn nach § 7 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung unterliegen zum Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung des Alt-Anteils dem Steuerabzug nach § 43 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 des Einkommensteuergesetzes. 7Die vorstehenden Sätze sind nicht auf den Gewinn aus der fiktiven Veräußerung nach Absatz 2 Satz 1 anzuwenden, wenn der Gewinn einem Investmentfonds oder einem Spezial-Investmentfonds zuzurechnen ist. (3a) Für die Zwecke der Absätze 2 und 3 steht eine fiktive Veräußerung nach § 19 Absatz 2 oder § 52 Absatz 2 einer tatsächlichen Veräußerung gleich. (4) 1Die inländische Stelle, die die Alt-Anteile verwahrt oder verwaltet, hat bis zum 31. Dezember 2020 Folgendes zu ermitteln und bis zur tatsächlichen Veräußerung vorzuhalten: 1. den Gewinn aus der fiktiven Veräußerung nach Absatz 2 Satz 1 und 2. die Erträge nach § 7 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 des Investmentsteuergesetzes in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung. 932 | Hensel/Kretzschmann

Anwendungs- und Übergangsvorschriften | § 56 2Die

inländische Stelle hat dem Steuerpflichtigen auf Antrag die Angaben nach Satz 1 Nummer 1 mitzuteilen. 3Überträgt der Anleger die Alt-Anteile auf ein anderes Depot, so hat die abgebende inländische Stelle der übernehmenden inländischen Stelle die Angaben nach Satz 1 mitzuteilen. (5) 1Der Gewinn nach Absatz 3 Satz 1 ist gesondert festzustellen, wenn die Alt-Anteile zum Betriebsvermögen des Anlegers gehören. 2Für die Zwecke des Satzes 1 gilt eine Mitunternehmerschaft als Anleger. 3Bei einer Gesamthand, die keine Mitunternehmerschaft ist, gelten für die Zwecke des Satzes 1 deren Beteiligte als Anleger. 4Der Anleger hat eine Erklärung zur gesonderten Feststellung des Gewinns nach Absatz 3 Satz 1 frühestens nach dem 31. Dezember 2019 und spätestens bis zum 31. Dezember 2022 nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln. 5Der Anleger hat in der Feststellungserklärung den Gewinn nach Absatz 3 Satz 1 selbst zu ermitteln. 6Die Feststellungserklärung steht einer gesonderten Feststellung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich; eine berichtigte Feststellungserklärung gilt als Antrag auf Änderung. 7Die für Steueranmeldungen geltenden Vorschriften der Abgabenordnung gelten entsprechend. 8Auf Antrag kann die Finanzbehörde zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten; in diesem Fall ist die Erklärung zur gesonderten Feststellung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben und vom Anleger eigenhändig zu unterschreiben. 9Zuständig für die gesonderte Feststellung des Gewinns nach Absatz 3 Satz 1 ist das Finanzamt, das für die Besteuerung des Anlegers nach dem Einkommen zuständig ist. 10In den Fällen des § 180 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 der Abgabenordnung ist für die gesonderte Feststellung des Gewinns nach Absatz 3 Satz 1 das Finanzamt zuständig, das für die gesonderte Feststellung nach § 18 der Abgabenordnung zuständig ist. 11Für Alt-Anteile, die vor dem 1. Januar 2023 und vor der Abgabe der Feststellungserklärung veräußert wurden, ist keine Erklärung abzugeben und keine Feststellung vorzunehmen. § 180 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 sowie Satz 2 und 3 der Abgabenordnung ist entsprechend anzuwenden. (6) 1Bei Alt-Anteilen, die vor dem 1. Januar 2009 erworben wurden und seit der Anschaffung nicht im Betriebsvermögen gehalten wurden (bestandsgeschützte Alt-Anteile), sind 1. Wertveränderungen, die zwischen dem Anschaffungszeitpunkt und dem 31. Dezember 2017 eingetreten sind, steuerfrei und 2. Wertveränderungen, die ab dem 1. Januar 2018 eingetreten sind, steuerpflichtig, soweit der Gewinn aus der Veräußerung von bestandsgeschützten Alt-Anteilen 100 000 Euro übersteigt. 2Der am Schluss des Veranlagungszeitraums verbleibende Freibetrag nach Satz 1 Nummer 2 ist bis zu seinem vollständigen Verbrauch jährlich gesondert festzustellen. 3Verbleibender Freibetrag ist im Jahr der erstmaligen Inanspruchnahme der Betrag von 100 000 Euro vermindert um den bei der Ermittlung der Einkünfte berücksichtigten Freibetrag nach Satz 1 Nummer 2; verbleibender Freibetrag ist in den Folgejahren der zum Schluss des vorangegangenen Veranlagungszeitraums festgestellte verbleibende Freibetrag vermindert um den bei der Ermittlung der Einkünfte berücksichtigten Freibetrag nach Satz 1 Nummer 2. 4Zuständig für die gesonderte Feststellung des verbleibenden Freibetrags ist das Finanzamt, das für die Besteuerung des Anlegers nach dem Einkommen zuständig ist. § 10d Absatz 4 Satz 4 bis 6 des Einkommensteuergesetzes ist entsprechend anzuwenden. 5Anteile im Sinne des § 21 Absatz 2a und 2b des Investmentsteuergesetzes in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung sind keine bestandsgeschützten Alt-Anteile im Sinne der Sätze 1 bis 5. (7) 1Ordentliche Alterträge gelten mit Ablauf des Geschäftsjahres, in dem sie vereinnahmt wurden, als den Anlegern zugeflossene ausschüttungsgleiche Erträge, wenn sie nicht ausgeschüttet werden und den Anlegern vor dem 1. Januar 2018 zufließen. 2Soweit ein Anleger einen Anteil an einem Spezial-Investmentfonds von dem Tag, an dem das Geschäftsjahr des Spezial-Investmentfonds nach dem 30. Juni 2017 geendet hat, bis zum 2. Januar 2018 ununterbrochen hält, gelten die darauf entfallenden ausschüttungsgleichen Erträge nach Satz 1, Hensel/Kretzschmann | 933

§ 56 | Anwendungs- und Übergangsvorschriften die in einem nach dem 30. Juni 2017 endenden Geschäftsjahr vereinnahmt wurden, als am 1. Januar 2018 zugeflossen. 3Die ausschüttungsgleichen Erträge nach den Sätzen 1 und 2 unterliegen der Besteuerung nach dem Investmentsteuergesetz in der am 31. Dezember 2017 geltenden Fassung und nach dem Einkommensteuergesetz in der am 26. Juli 2016 geltenden Fassung. 4Die ausschüttungsgleichen Erträge nach Satz 2 können als ausschüttungsgleiche Erträge der Vorjahre im Sinne des § 35 Absatz 5 ausgeschüttet werden. 5Ordentliche Alterträge sind Erträge der in § 1 Absatz 3 Satz 3 Nummer 1 und 2 sowie Satz 4 des Investmentsteuergesetzes in der am 31. Dezember 2017 geltenden Fassung bezeichneten Art, die der Investmentfonds oder der Spezial-Investmentfonds vor dem 1. Januar 2018 vereinnahmt. (8) 1Außerordentliche Alterträge, ausschüttungsgleiche Erträge, die vor dem 1. Januar 2018 als zugeflossen gelten, Absetzungsbeträge, die auf Zeiträume vor dem 1. Januar 2018 entfallen, nicht ausgeglichene negative Erträge nach § 3 Absatz 4 Satz 2 des Investmentsteuergesetzes in der am 31. Dezember 2017 geltenden Fassung und sonstige für die Zeiträume vor dem 1. Januar 2018 ermittelte Werte sind für die Anwendung dieses Gesetzes in der am 1. Januar 2018 geltenden Fassung nicht zu berücksichtigen. 2Außerordentliche Alterträge sind Erträge, deren Art nicht unter § 1 Absatz 3 Satz 3 Nummer 1 und 2 sowie Satz 4 des Investmentsteuergesetzes in der am 31. Dezember 2017 geltenden Fassung fällt und von dem Investmentfonds oder dem Spezial-Investmentfonds vor dem 1. Januar 2018 vereinnahmt wurden. 3Bei der Ermittlung des Fonds-Aktiengewinns, des Fonds-Abkommensgewinns und des Fonds-Teilfreistellungsgewinns sind die vor dem 1. Januar 2018 vereinnahmten Gewinne, eingetretenen Wertveränderungen und die vereinnahmten Erträge nicht zu berücksichtigen. (9) 1Substanzbeträge gelten als Spezial-Investmenterträge nach § 34 Absatz 1 Nummer 1, soweit bei dem Anleger ein positiver Gewinn nach Absatz 3 Satz 1 vorhanden ist. 2Sie unterliegen nicht dem Steuerabzug nach § 50. A. I. II. III. IV.

B. I. II.

III. IV. C. I.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zu Vorschriften des EStG und KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Anwendungsregelung (Abs. 1) Anwendung der Neuregelungen (Abs. 1 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendung des InvStG 2004 (Abs. 1 Satz 2) 1. Grundsätzliche Anwendung des InvStG 2004 nur bis 31.12.2017 . . . . 2. Anwendung des InvStG 2004; Fortgeltung für Unterschiedsbeträge . . . . Rumpfgeschäftsjahr (Abs. 1 Satz 3) . . . . Veröffentlichungspflichten bei Rumpfgeschäftsjahren (Abs. 1 Satz 4) . . . . . . . Anwendungsregelungen des JStG 2018 (Abs. 1a) Weitergeltung der bisherigen Regelungen zu den Anlagebedingungen für Aktienfonds (Abs. 1a Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . .

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14 15 19 24

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II. Weitergeltung der bisherigen Regelungen zu den Anlagebedingungen für Immobilien- und Mischfonds (Abs. 1a Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Veräußerungsfiktion der Alt-Anteile (Abs. 2) I. Grundsatz (Abs. 2 Satz 1) . . . . . . . . . . . II. Ansatz von Veräußerungserlös und Anschaffungskosten (Abs. 2 Sätze 2 und 3) III. Wert der Alt-Anteile als Anschaffungskosten i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG (Abs. 2 Satz 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Wertminderungen und -aufholungen (Abs. 2 Sätze 5 und 6) . . . . . . . . . . . . . . V. Unbeachtlichkeit der fiktiven Veräußerung (Abs. 2 Satz 7) . . . . . . . . . . . . . . . . E. Gewinn aus der fiktiven Veräußerung (Abs. 3) I. Zufluss und Ermittlung (Abs. 3 Satz 1) II. FiFo-Methode (Abs. 3 Satz 2) . . . . . . . . III. Zufluss im Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung (Abs. 3 Satz 3) . . . . . . . . . IV. Ersatzbemessungsgrundlage (Abs. 3 Satz 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Keine Abgeltungswirkung bei Ersatzbemessungsgrundlage (Abs. 3 Satz 5) . .

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30 39 40 41 44

45 53 56 58 60

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 1 § 56 VI. Steuerabzug bei akkumulierten ausschüttungsgleichen Erträgen (Abs. 3 Satz 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Abweichender Zufluss bei Dachfonds (Abs. 3 Satz 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Veräußerungsersatztatbestände (Abs. 3a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Pflichten der inländischen Stelle, die Alt-Anteile verwahrt oder verwaltet (Abs. 4) I. Ermittlung, Aufzeichnung und Mitteilung des fiktiven Gewinns (Abs. 4 Sätze 1 und 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Depotübertrag (Abs. 4 Satz 3) . . . . . . . . H. Feststellung des Gewinns aus der fiktiven Veräußerung (Abs. 5) I. Feststellung bei Anteilen im Betriebsvermögen (Abs. 5 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . II. Behandlung der Mitunternehmerschaft als Anleger (Abs. 5 Satz 2) . . . . . . . . . . . III. Andere Gesamthand (Abs. 5 Satz 3) . . . IV. Erklärungsfristen (Abs. 5 Satz 4) . . . . . . V. Verfahren (Abs. 5 Sätze 5 bis 7) . . . . . . . VI. Verzicht auf elektronische Übermittlung (Abs. 5 Satz 8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Zuständigkeit (Abs. 5 Sätze 9 und 10) . VIII. Vereinfachungsregelungen (Abs. 5 Sätze 11 und 12) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bestandsgeschützte Altanteile (Abs. 6) I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Änderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61 66 67

68 72

74 77 78 79 80 82 83 86 89 90

III. Steuerfreiheit von bestandsgeschützten Alt-Anteilen (Abs. 6 Satz 1) . . . . . . . . . . 94 IV. Feststellung des verbleibenden Freibetrags (Abs. 6 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . 102 V. Berechnung des verbleibenden Freibetrags (Abs. 6 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . 103 VI. Zuständigkeit (Abs. 6 Satz 4) . . . . . . . . . 104 VII. Bindungswirkung der Steuerfestsetzung (Abs. 6 Satz 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 VIII. Kein Bestandsschutz für „Millionärsfonds“ (Abs. 6 Satz 6) . . . . . . . . . . . . . . . 106 J. Zuflussfiktion für ordentliche Alterträge (Abs. 7) I. Zuflussfiktion zum 31.12.2017 (Abs. 7 Sätze 1, 4 und 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 II. Abweichende Zuflussfiktion bei SpezialInvestmentfonds (Abs. 7 Satz 2) . . . . . . 112 III. Besteuerung ordentlicher Alterträge (Abs. 7 Satz 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 K. Anlegerbezogene Besteuerungsgrundlagen ab dem 1.1.2018 (Abs. 8) I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 II. Unbeachtlichkeit von nach altem Recht ermittelten Besteuerungsgrundlagen (Abs. 8 Sätze 1 und 2) . . . . . . . . . . . . . . 117 III. Neubeginn des Fonds-Aktiengewinns, Fonds-Abkommensgewinns und FondsTeilfreistellungsgewinns (Abs. 8 Satz 3) 119 L. Substanzbeträge (Abs. 9) I. Behandlung von Substanzbeträgen (Abs. 9 Satz 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 II. Kein Steuerabzug (Abs. 9 Satz 2) . . . . . 123

Literatur: Stadler/Bindl, Übergangsvorschriften zum neuen InvStG, Überblick und Handlungsempfehlungen, DStR 2017, 1409; Jansen/Greger, InvStG 2018: Übergang zum neuen Recht, erste Praxis- und Anwendungsfragen, BB 2018, 407.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck § 56 InvStG ist – entsprechend seiner Überschrift – als Anwendungs- und Übergangsvor- 1 schrift konzipiert. Während der Anwendungscharakter der Norm als schlicht bezeichnet werden kann – das Gesetz findet ab dem 1.1.2018 Anwendung –, ist der maßgebende Zweck der Vorschrift die Regelung eines eindeutigen Übergangs zwischen dem alten und dem neuen Investmentsteuerrecht. Der Gesetzgeber hatte beim Übergang vor allem zu beachten, dass im Bereich der Publikuminvestmentfonds nunmehr ein vollständiger Paradigmenwechsel vom Transparenzprinzip zum Trennungsprinzip erfolgte. Hier hätten – theoretisch – mehrere alternative Lösungswege beschritten werden können.

Hensel/Kretzschmann | 935

§ 56 Rz. 2 | Anwendungs- und Übergangsvorschriften 2 Eine Alternative wäre gewesen, auf den Zeitpunkt der Fondsgründung abzustellen; alle Fonds,

die vor dem 1.1.2018 aufgelegt wurden, unterfielen danach noch dem alten Investmentsteuerrecht. Fonds, die nach diesem Stichtag gegründet werden, unterlägen folglich dem neuen Recht. Diese – in der Praxis recht einfach umsetzbare – Übergangsmöglichkeit wurde jedoch i.R.d. des Gesetzgebungsverfahrens verworfen, da sie auf Jahre hinaus das alte Recht zementiert hätte und seine Schwächen, die gerade Anstoß für die Reform waren, hätte fortwirken lassen.

3 Eine andere Möglichkeit wäre gewesen, jeweils auf den Zeitpunkt der Anschaffung der Fonds-

anteile durch den jeweiligen Anteilseigner abzustellen. Fondsanteile, die vor dem 1.1.2018 erworben wurden, unterfielen dem alten Recht. Lediglich für eine zukünftige Anschaffung hätte das neue Investmentsteuerrecht gegolten. Nachteilig wäre bei diesem System die Tatsache gewesen, dass für jeden Fonds verschiedene Rechtssysteme Anwendung hätten finden müssen: zum einen das alte Regime u.a. mit seinen umfassenden Berichtspflichten nach § 5 InvStG 2004 sowie den komplexen Erhebungsregelungen des § 7 InvStG 2004, zum anderen das neue Recht mit seinen gänzlich neu konzipierten Bestimmungen, mit denen zwischen der Besteuerung auf Fonds- sowie auf Anlegerebene differenziert wird. Das mit einer Vereinfachung verbundene Ziel der Reform wäre somit gänzlich verfehlt worden.

4 Der Gesetzgeber sah sich somit gezwungen, einen „vollständigen und harten Cut“ durch-

zuführen. Sämtliche Geschäftsvorfälle, die ab dem 1.1.2018 anfallen, unterliegen dem neuen Recht. Damit verbunden ist aber die Tatsache, dass nicht nur Erträge, die aus einer Fondsbeteiligung zufließen, dem neuen Recht zu unterliegen haben, sondern auch Veräußerungsvorgänge hinsichtlich des Fondsanteils entsprechend der reformierten Investmentsteuer zu berücksichtigen sind. Nur so können Verwerfungen, die sich bei Anwendung des § 8 InvStG a.F. ergeben würden, vermieden werden. Eine derartige randscharfe Trennung ist aber – bezogen auf die Veräußerungsvorgänge – nur möglich, wenn – wie durch § 56 Abs. 2 InvStG angeordnet – mit Ende des Jahre 2017 eine nach dem alten Recht durchgeführte Veräußerung fingiert wird und das Veräußerungsergebnis als die maßgeblichen AK für die Zukunft anzusetzen ist. Damit wird auch erreicht, dass die verfassungsrechtlich gebotene Steuerbefreiung des bis Ende 2017 erfolgten Wertzuwachses gegeben ist.

II. Anwendungsbereich 5 § 56 InvStG findet sowohl auf alle Investmentfonds im Sinne dieses neu gefassten Gesetzes als

auch auf sämtliche Vehikel, die dem alten Recht unterlagen (OGAWs und AIFs), Anwendung. Allerdings differenziert die Vorschrift bezüglich der Rechtsfolgen zwischen den einzelnen Vehikeln. Da die Besteuerung von Personen-Investitionsgesellschaften gem. § 18 InvStG a.F. bereits nach dem alten Recht unter die allgemeine Ertragsbesteuerung fiel und diese Vehikel nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 InvStG nicht als Investmentfonds definiert sind, bedurfte es insoweit keiner gesonderten Übergangsregel. Denn für diese Vehikel bleibt es dabei, dass das allgemeine Ertragsteuerrecht Anwendung findet.

III. Rechtsentwicklung 6 Bereits die Übergangsregelung des Diskussionsentwurfs des BMF vom Juli 2015 entsprach im

Wesentlichen der Gesetzesfassung. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens ergaben sich lediglich redaktionelle Änderungen. Die einzige materiell-rechtliche Ergänzung war die Anfügung von § 56 Abs. 6 Satz 6 InvStG, mit der klargestellt wurde, dass sog. „Millionärfonds“ und „steueroptimierte Geldmarktfonds“ keine bestandgeschützten Alt-Anteile i.S.d. § 56 Abs. 6 InvStG darstellen. 936 | Hensel/Kretzschmann

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 11 § 56

Mit dem Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz v. 23.6.20171 erfolgte die erstmalige Ergänzung 7 des neuen InvStG. So wurde Abs. 1 Satz 4 neu gefasst. Abs. 3 Satz 1 wurde ergänzt und die Abs. 7 bis 9 angefügt. Maßgebliches Ziel der Ergänzung war es insbes., den grundlegenden Wechsel in das neue Regime mit einer schärferen Abgrenzung zwischen beiden Systemen zu erleichtern.2 Durch das „JStG 2018“ v. 11.12.20183 erfolgten weitere Änderungen der Vorschrift. Abs. 1a 8 beinhaltet eine Vertrauensschutzregelung für Investmentfonds hinsichtlich der Vorschriften zur Bestimmung der Eigenschaft als Aktien-, Misch- oder Immobilienfonds. Abs. 2 beinhaltet in den Sätzen 4 bis 7 diverse Änderungen zur Bewertung der Anteile am Übergangsstichtag. Der neu gefasste Abs. 5 schränkt die Feststellung des fiktiven Veräußerungsgewinns nur auf betriebliche Anleger ein. Zudem wurden die Vorschriften zum Wiederaufleben des Freibetrags in Abs. 6 Sätze 4 und 5 gestrichen, da sich gezeigt hat, dass es einer derartigen Regelung nicht bedarf.4 Durch das „JStG 2019“ v. 12.12.20195 wurden erneut Änderungen vorgenommen. Mit der 9 Einfügung einer neuen Anwendungsvorschrift in § 57 InvStG musste die Überschrift angepasst werden. Der neu eingefügte Abs. 3a stellt nunmehr klar, dass auch in den Fällen der fiktiven Veräußerung nach § 19 Abs. 2 Satz 1 oder § 52 Abs. 2 Satz 1 InvStG der fiktive Veräußerungsgewinn nach § 56 Abs. 3 Satz 1 InvStG einer sofortigen Besteuerung unterworfen ist. Die fiktive Veräußerung wird einer tatsächlichen Veräußerung gleichgestellt.

Mit dem JStG 2020 v. 21.12.20206 wurden die Regelungen zum Freibetrag für bestands- 10 geschützte Alt-Anteile in Abs. 6 ergänzt. Der „verbleibende Freibetrag“ wird legaldefiniert und seine Fortschreibung kodifiziert. Zudem wurde eine verfahrensrechtliche Ergänzung vorgenommen. Danach ist die Feststellung des verbleibenden Freibetrags zunächst Grundlagenbescheid für die nachfolgenden Einkommen- oder Körperschaftsteuerbescheide sowie für die nachfolgenden Feststellungen des verbleibenden Freibetrags. Zum anderen wird der Mechanismus des § 10d Abs. 4 Sätze 4 bis 6 EStG auf die Feststellung des verbleibenden Freibetrags übertragen. Danach ist eine Änderung des Feststellungsbescheids über den verbleibenden Freibetrag auch bei einer Änderung des Einkommen- oder Körperschaftsteuerbescheids möglich, wenn der Feststellungsbescheid selbst nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht.7

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG § 56 InvStG beinhaltet Übergangsregelungen. Folglich beinhaltet diese Norm jeweils Sonder- 11 vorschriften, sofern der Übergang des alten zum neuen Recht betroffen ist. Folgende Sondervorschriften sind jeweils zu beachten: – § 56 Abs. 1 Satz 4 InvStG: Fristsetzung zur Veröffentlichung der Besteuerungsgrundlagen nach § 5 InvStG 2004 – § 56 Abs. 2 InvStG: Fiktion der Veräußerung von Fondsanteilen am 31.12.2017

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BGBl. I 2017, 1682. BT-Drucks. 18/12127, 67. BGBl. I 2018, 2338. BT-Drucks. 19/5595, 90. BGBl. I 2019, 2451. BGBl. I 2020, 3096. BT-Drucks. 19/22850, 114. Hensel/Kretzschmann | 937

§ 56 Rz. 11 | Anwendungs- und Übergangsvorschriften – § 56 Abs. 6 InvStG: Bestimmung eines Freibetrags bei der Veräußerung von Investmentfonds-Anteilen – § 56 Abs. 7 InvStG: Zufluss von thesaurierten Erträgen bei ordentlichen Alterträgen mit Ablauf des Geschäftsjahres in 2017 – § 56 Abs. 9 InvStG: Sonderregelung zur Besteuerung von Substanzerträgen – § 57 InvStG für alle Übergangsregelungen, die Änderungen des InvStG mit Wirksamkeit nach dem 1.1.2020 regeln 2. Verhältnis zu Vorschriften des EStG und KStG 12 Aufgrund der Eigenschaft als ein besonderes Recht zur Ertragsbesteuerung finden andere

Übergangsregelungen keine Anwendung.

B. Allgemeine Anwendungsregelung (Abs. 1) I. Anwendung der Neuregelungen (Abs. 1 Satz 1) 13 § 56 Abs. 1 Satz 1 InvStG beinhaltet die klassische Anwendungsregelung und besagt, dass die-

se Fassung des Gesetzes ab dem 1.1.2018 anzuwenden ist.1 Angesichts der Komplexität der Reform bestand damit zwischen der Verkündung des Gesetzes am 26.7.2016 und seiner Anwendung ein äußerst kurzer Zeitrahmen zur Umsetzung des Rechts in der Praxis. Der Gesetzgeber sah sich aber wegen der bestehenden unionsrechtlichen Risiken2 gezwungen, das Gesetz so schnell wie möglich anzuwenden.

II. Anwendung des InvStG 2004 (Abs. 1 Satz 2) 1. Grundsätzliche Anwendung des InvStG 2004 nur bis 31.12.2017 14 § 56 Abs. 1 Satz 2 InvStG regelt im Gegenschluss zu Satz 1, wann das alte InvStG letztmalig

noch Anwendung findet. Zum einen gelten die steuerlichen Rechte und Pflichten nach dem alten Gesetz grds. für die Zeit vor dem 1.1.2018. Hinsichtlich des alten Rechts finden weiterhin die alten Verwaltungsanweisungen Anwendung.3 Ausschüttungen, die ein Investmentfonds nach dem 31.12.2017 vornimmt, unterliegen dem neuen Recht, da die Übergangsvorschriften insoweit keine Regelung treffen. 2. Anwendung des InvStG 2004; Fortgeltung für Unterschiedsbeträge

15 Abweichend hiervon ist das InvStG 2004 nach dem 31.12.2017 auch auf sog. Unterschieds-

beträge anzuwenden, die vor 2018 endende Geschäftsjahre eines Fonds betreffen, sofern diese ab 2018 veröffentlicht werden. Es geht hier um Korrekturen von fehlerhaften Besteuerungsgrundlagen des bisherigen Rechts nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InvStG 2004 und § 13 Abs. 4 InvStG 2004. Diese Korrekturbeträge gelten in dem VZ als zugeflossen, in welchem sie im Bundesanzeiger veröffentlicht werden.

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.1. 2 BT-Drucks. 18/8045, 49. 3 Stadler/Bindl, DStR 2017, 1409; Mayer in Moritz/Jesch/Mann2, § 56 InvStG Rz. 3; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung) nimmt in Rz. 56.2 Bezug auf den VZ 2017, was vor dem Hintergrund des Satzes 3 ebenfalls zutreffend ist.

938 | Hensel/Kretzschmann

B. Allgemeine Anwendungsregelung (Abs. 1) | Rz. 19 § 56

Die Unterschiedsbeträge unterliegen nicht dem Kapitalertragsteuerabzug.1 Allerdings hat der 16 Anleger die Erträge i.R.d. Veranlagungsverfahrens zu erklären, wenn die zu Lasten des Anlegers anzusetzenden Unterschiedsbeträge mindestens 500 € betragen (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Satz 10, § 13 Abs. 4b Satz 3 InvStG 2004). Für die Berechnung der Freigrenze ist in jedem VZ auf den Saldo der einkunftserhöhenden und der einkunftsmindernden Unterschiedsbeträge abzustellen.2 Unterschiedsbeträge, die sich nicht auf die Bemessungsgrundlage beziehen (z.B. anrechenbare ausländische Quellensteuern), sollten hierbei auch mit dem Nominalbetrag angesetzt werden. Die Verzerrung aufgrund der unterschiedlichen Steuerwirkungen (Erhöhung der Bemessungsgrundlage einerseits und Anrechnung andererseits) ist dabei hinzunehmen. Die anzusetzenden Unterschiedsbeträge können sich auf die Berechnung des nach § 56 Abs. 3 17 Satz 1 InvStG zu ermittelnden Gewinns aus der fiktiven Veräußerung zum 31.12.2017 auswirken, wenn die Unterschiedsbeträge die Berechnungsgrundlagen des fiktiven Veräußerungsgewinns nach § 56 Abs. 3 Satz 1 InvStG i.V.m. § 8 Abs. 5 S. 3 InvStG 2004 berühren. So können insbes. ausschüttungsgleiche Erträge aus Geschäftsjahren, die vor dem 1.1.2018 endeten, in positiven Unterschiedsbeträgen resultieren, die bei der Ermittlung des fiktiven Veräußerungsgewinns mindernd zu berücksichtigen sind.3 Die FinVerw. geht, wohl in Übereinstimmung mit der h.M., davon aus, dass Unterschiedsbeträge die Berechnung des fiktiven Veräußerungsgewinns beeinflussen müssen, wenn sie sich (potentiell) bei der Veranlagung des StPfl. ausgewirkt haben.4 Materiell ist dies nach der hier vertretenen Ansicht zutreffend, da die Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 8 InvStG 2004 an die materiell-richtigen Berechnungsgrundlagen und nicht an die veröffentlichten oder in eine Veranlagung eingeflossenen Beträge ansetzt. Hierbei ist zu beachten, dass die Freigrenze von 500 € dazu führt, dass Unterschiedsbeträge unterhalb der Freigrenze erst zu berücksichtigen sind, wenn der StPfl. auf die Anwendung der Freigrenze durch Angabe in der Steuererklärung verzichtet hat.5 Die verfahrensrechtliche Grundlage für eine Korrektur der Feststellung nach § 56 Abs. 5 18 InvStG oder für die Korrektur der Steuerfestsetzung im Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung6 wird hierbei regelmäßig nicht benannt. Nach der hier vertretenen Auffassung handelt es sich bei der Bekanntmachung der Unterschiedsbeträge um ein rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. In der Sonderkonstellation, dass die Beträge trotz Eingreifen der Freigrenze von 500 € angesetzt werden, ist erst die Festsetzung unter Einbeziehung der Unterschiedsbeträge das rückwirkende Ereignis. Folglich können durch die rückwirkende Korrektur in keinem Fall zusätzliche Zinsen ausgelöst werden (§ 233a Abs. 2a AO).

III. Rumpfgeschäftsjahr (Abs. 1 Satz 3) § 56 Abs. 1 Satz 3 InvStG bestimmt, dass für Investmentfonds und Kapital-Investitionsgesell- 19 schaften i.S.d. alten InvStG im Falle eines vom Kalenderjahr abweichenden Geschäftsjahres ein Rumpfgeschäftsjahr zu bilden ist, welches am 31.12.2017 endet. Durch diese Fiktion soll für Investmentvermögen entsprechend dem Sinn und Zweck dieser Norm ein einheitlicher zeitlicher Übergang zum neuen Recht gewährleistet werden. Da Personen-Investitionsgesell-

1 2 3 4

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.3. Mayer in Moritz/Jesch/Mann2, § 56 InvStG Rz. 4, mit Verweis auf BT-Drucks. 18/8045, 128. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.3a. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.3e; Mayer in Moritz/Jesch/Mann2, § 56 InvStG Rz. 4. 5 Denkbar ist dies z.B. dann, wenn die Unterschiedsbeträge aufgrund des Sparerfreibetrags oder aufgrund anderer Verluste zu keiner tatsächlichen steuerlichen Belastung führen. 6 Siehe näher zu dieser Konstellation und zur Vereinfachungsregelung der FinVerw. Rz. 86 ff. Hensel/Kretzschmann | 939

§ 56 Rz. 19 | Anwendungs- und Übergangsvorschriften schaften der allgemeinen Ertragsbesteuerung unterliegen, findet diese Regelung für sie keine Anwendung.1 Bis dahin angefallene Kapitalerträge i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 3 InvStG 2004 gelten nach Abs. 7 Satz 1 InvStG 2004 zu diesem Zeitpunkt als zugeflossen. 20 Sofern Kapital-Investitionsgesellschaften anstelle eines Geschäftsjahres ein Wirtschaftsjahr ha-

ben, gelten die Regelungen entsprechend. Diese Fiktion gilt auch für Zwecke des § 10 AStG. Infolge dieser Anordnung des Gesetzes haben Investmentfonds sowie „alte“ Kapital-Investitionsgesellschaften zu überlegen, ob sie weiterhin an den vom Kalenderjahr abweichenden Regelungen festhalten. Erfolgt keine Anpassung an das Kalenderjahr, haben derartige Vehikel ein weiteres Rumpfgeschäftsjahr zu bilden.

21 Die Bildung eines Rumpfwirtschaftsjahres führte dazu, dass die Investmentfonds ausschüt-

tungsgleiche Erträge, die sowohl bei thesaurierenden als auch bei ausschüttenden Investmentfonds anfallen und zu denen auch die ordentlichen Alterträge i.S.d. § 56 Abs. 7 Satz 1 und 5 InvStG 2018 gehören, rasch der Besteuerung zuführen mussten. Angesichts der Tatsache, dass in der Übergangszeit für sämtliche Fonds, bei denen die Geschäftsjahre vom Kalenderjahr abweichen, Rumpfgeschäftsjahre zu bilden waren, waren die Investmentfonds ohne Übergangsregelung schlichtweg überfordert, zeitnah die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln. Daher wird aufgrund einer Vereinfachungsregel des BMF2 nicht beanstandet, wenn ein Investmentfonds, für den nach § 56 Abs. 1 Satz 3 InvStG 2018 ein Rumpfgeschäftsjahr zu bilden ist, zur Ermittlung der zum 31.12.2017 zuzurechnenden ausschüttungsgleichen Erträge sowie der anderen steuerlichen Werte nach § 5 Abs. 1 InvStG 2004 auf den Durchschnitt seiner Werte nach § 5 Abs. 1 InvStG 2004 der letzten zwei Geschäftsjahre abstellt (vereinfachtes Verfahren). Das vereinfachte Verfahren kann nur von solchen Fonds in Anspruch genommen werden, die nach Satz 3 ein Rumpfgeschäftsjahr zu bilden haben.3 Dabei ist grds. die Summe der ausschüttungsgleichen Erträge zzgl. der ausgeschütteten Erträge, die im Falle einer Thesaurierung ausschüttungsgleiche Erträge darstellen würden, der letzten zwei Geschäftsjahre maßgebend.4 Sofern nur die Daten für ein vorheriges Geschäftsjahr des Investmentfonds verfügbar sind, ist auf dieses Geschäftsjahr abzustellen. Fehlen Daten auch zu dem vorherigen Geschäftsjahr, so wird es nicht beanstandet, wenn der Investmentfonds die Höhe der ausschüttungsgleichen Erträge schätzt.

22 Wenn die im vereinfachten Verfahren ermittelten Werte von den tatsächlichen Werten abwei-

chen, hat der Investmentfonds grds. ein Korrekturverfahren nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Sätze 5 ff. InvStG 2004 oder § 13 Abs. 4a und 4b InvStG 2004 durchzuführen. Hierzu hat der Investmentfonds entsprechende Unterschiedsbeträge bis zum 31.12.2018 zu veröffentlichen. Die FinVerw. wird es allerdings nicht beanstanden, dass ein Korrekturverfahren unterbleibt, wenn die „grundsätzlichen“ Besteuerungsgrundlagen nicht um mehr als 30 % von den im vereinfachten Verfahren ermittelten Werten abweichen.5

23 Mit der Bildung des Rumpfgeschäftsjahres und dem Übergang in das neue Recht kann es zu

einer Doppelbesteuerung kommen, wenn die Erträge dem Anleger unter Geltung des InvStG in der alten Fassung als ausschüttungsgleiche Erträge zugeflossen sind und als solche bereits versteuert wurden und diese unter Geltung des neuen Regimes tatsächlich ausgeschüttet werden.

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Stadler/Bindl, DStR 2017, 1409. BMF v. 8.11.2017 – IV C 1 - S 1980-1/16/10010:010 – DOK 2017/0934849, Rz. 13. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.16. BMF v. 8.11.2017 – IV C 1 - S 1980-1/16/10010:010 – DOK 2017/0934849, Rz. 13. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.15.

940 | Hensel/Kretzschmann

B. Allgemeine Anwendungsregelung (Abs. 1) | Rz. 25 § 56 Beispiel: Fondsgeschäftsjahr 1.10.2017 – 30.9.2018 Bis zum 31.12.2017 vom Fonds realisierte Erträge

90

Bis zum 30.9.2018 zusätzlich realisierte Erträge

90

Ausschüttungsbeschluss im Oktober 2018 (für die Periode 1.10.2017 – 30.9.2018) Besteuerung als ausschüttungsgleiche Erträge zum Rumpfgeschäftsjahresende (§ 56 Abs. 1 Satz 3 InvStG)

180 90

Besteuerung als Ausschüttung (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 InvStG)

180

Insgesamt zu versteuern: 90 + 180

270

Zu beachten ist jedoch, dass die spätestens mit dem VZ 2017 versteuerten ausschüttungsgleichen Erträge grds. steuermindernd bei der nach § 56 Abs. 3 InvStG erfolgten Ermittlung des Gewinns aus der fiktiven Veräußerung zum 31.12.2017 berücksichtigt werden.1 Im Ergebnis entsteht dem Anleger somit über den Zeitraum seiner Beteiligung lediglich ein Liquiditätsnachteil. Dieser ist aber von der Systematik des § 56 InvStG her nicht vermeidbar. Zu beachten ist zudem, dass auch im Fall einer Veräußerung bei ausländischen thesaurierenden Investmentfonds der Kapitalertragsteuerabzug für die ausschüttungsgleichen Erträge der Vorjahre durchzuführen ist. Da dem Entrichtungspflichtigen i.d.R. für das Rumpfgeschäftsjahr die Besteuerungsgrundlagen nicht vorliegen, bedarf es auch hier des Hilfsmittels der Schätzung. Das BMF-Schr. v. 8.11.20172 verweist insoweit auf Rz. 139 des BMF-Schr. v. 18.8.20093. Die Schätzwerte i.H.v. 6 % des Rücknahmepreises führen oftmals zu Verärgerungen bei den Anlegern, sodass die Entrichtungspflichtigen i.d.R. nach Bekanntwerden der Besteuerungsgrundlagen die Erstattung der zu viel erhobenen Kapitalertragsteuer beantragen werden.

IV. Veröffentlichungspflichten bei Rumpfgeschäftsjahren (Abs. 1 Satz 4) § 56 Abs. 1 Satz 4 InvStG bestimmt, dass sich im Falle der Bildung eines Rumpfgeschäftsjahres 24 die Frist für die Veröffentlichung der Besteuerungsgrundlagen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 InvStG 2004 bis zum 31.12.2018 verlängert (zur Vereinfachungsregel s. Rz. 20). Der Gesetzgeber berücksichtigt damit mögliche Folgen in der Praxis, da sich im ersten Quartal des Jahres 2018 der erforderliche Aufwand bei allen Publikumfonds für die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen sowie für deren Überprüfung und Testierung zusammenballen kann und verlängert – um auch die Arbeit der Berufsträger zu entlasten – dementsprechend die Frist. Damit dürften Sanktionen (§ 6 InvStG 2004), die allein auf der Gesetzesänderung fußen, vermieden werden. Über den Wortlaut hinaus gilt diese Regelung auch für Investmentsteuerfonds mit kalender- 25 jahrgleichem Geschäftsjahr.4 Denn auch diese werden von dem Zusammenballungseffekt im Frühjahr 2018 betroffen sein. Die Fristverlängerung im Sinne dieser Vorschrift gilt nicht für inländische Spezial-Investmentfonds, da § 5 InvStG 2004 bei ihnen nicht anwendbar ist. Dies ist wegen der fehlenden Ballungswirkung auch gerechtfertigt. Fraglich ist jedoch die Anwendung auf ausländische Spezial-Investmentfonds. Zwar bedarf es wegen § 16 Satz 2 InvStG 2004 keiner Bekanntmachung im Bundesanzeiger. Allerdings benötigen auch diese die Vorlage einer Berufsträgerbescheinigung nach § 16 Sätze 6 und 7 InvStG 2004. Insofern scheint es gerechtfertigt, diese Frist wegen des Ballungseffekts bis Ende 2018 zu verlängern.

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BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.11. BMF v. 8.11.2017 – IV C 1 - S 1980-1/16/10010:010 – DOK 2017/0934849, Rz. 13. BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980-1/08/10019 – DOK 2009/0539738, BStBl. I 2009, 931. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.8. Hensel/Kretzschmann | 941

§ 56 Rz. 26 | Anwendungs- und Übergangsvorschriften 26 Werden die Besteuerungsgrundlagen erst Ende 2018 veröffentlicht, folgt hieraus – abweichend

von der Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 InvStG 2004 – eine zeitlich unterschiedliche Veröffentlichung von Besteuerungsgrundlagen und Jahresbericht. Da aufsichtsrechtlich für Rumpfgeschäftsjahre kein Jahresbericht vorgesehen ist, obliegt die Frage, ob eine entsprechende Verpflichtung besteht, allein dem Steuerrecht. Dementsprechend hat die FinVerw. bestimmt, dass bei Rumpfgeschäftsjahren kein (zweiter) Jahresbericht veröffentlicht wird oder – bei einer Fristverlängerung nach § 56 Abs. 1 Satz 4 InvStG – dieser vor den Besteuerungsgrundlagen veröffentlicht wird.1

27 Ursprünglich sah Satz 4 vor, dass die Frist zur Bekanntmachung von Besteuerungsgrundlagen

auch dann verlängert werden konnte, wenn ein Ausschüttungsbeschluss nach § 1 Abs. 3 Satz 5 InvStG 2004 und § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 InvStG 2004 gefasst wurde. Da solche Erträge unabhängig von einem Ausschüttungsbeschluss nach Abs. 7 in der Fassung nach dem Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz v. 23.6.20172 als Alterträge bereits mit Ablauf des Jahres 2017 als zugeflossen gelten, wurde die Fristverlängerungsmöglichkeit in Satz 4 gestrichen, um Wertungswidersprüche zu vermeiden.3

C. Anwendungsregelungen des JStG 2018 (Abs. 1a) I. Weitergeltung der bisherigen Regelungen zu den Anlagebedingungen für Aktienfonds (Abs. 1a Satz 1) 28 § 56 Abs. 1a Satz 1 InvStG bestimmt, dass „für Investmentfonds, die vor dem 1. Januar 2019

aufgelegt wurden, Anlagebedingungen, die die Voraussetzungen des § 2 Absatz 6 in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes vom 19. Juli 2016 (BGBl. I S. 1730) erfüllen, als Anlagebedingungen, die die Voraussetzungen des § 2 Absatz 6 in der Fassung des Artikels 15 des Gesetzes vom 11. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2338) erfüllen, [gelten]“. Die Vorschrift stellt damit klar, dass Investmentfonds, die ihre Anlagebedingungen an die Vorgaben des § 2 Abs. 6 InvStG 2018 angepasst haben, weiterhin in den Genuss der Teilfreistellung für Aktienfonds kommen (wenn sie die Voraussetzungen nicht bereits erfüllt hatten), selbst wenn sie die strengeren Vorgaben für die Bildung der Kapitalbeteiligungsquote, die durch das „JStG 2018“ v. 11.12.20184 geschaffen wurden (vgl. die Ausführungen zu § 2 Abs. 6 ff. in § 2 InvStG Rz. 34 ff.), nicht erfüllen. Damit beinhaltet diese Vorschrift insoweit eine Vertrauensschutzregelung und zwingt die Investmentfonds nicht dazu, ihre Anlagebedingungen (erneut) anzupassen.

II. Weitergeltung der bisherigen Regelungen zu den Anlagebedingungen für Immobilien- und Mischfonds (Abs. 1a Satz 2) 29 § 56 Abs. 1a Satz 2 InvStG bestimmt, dass „Satz 1 entsprechend anzuwenden ist auf Invest-

mentfonds, die vor dem 1. Januar 2019 aufgelegt wurden und die Voraussetzungen des § 2 Absatz 7 oder 9 erfüllen.“ Während Satz 1 anordnet, dass die bisherigen Anlagebedingungen der Aktienfonds für die Teilfreistellung weiterhin ausreichen, bestimmt Satz 2 dies für Immobilien- sowie Mischfonds.5

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BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.9. BGBl. I 2017, 1682. BT-Drucks. 18/12127, 66. BGBl. I 2018, 2338. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.26a.

942 | Hensel/Kretzschmann

D. Veräußerungsfiktion der Alt-Anteile (Abs. 2) | Rz. 33 § 56

D. Veräußerungsfiktion der Alt-Anteile (Abs. 2) I. Grundsatz (Abs. 2 Satz 1) § 56 Abs. 2 Satz 1 InvStG beinhaltet eine der zentralen Rechtsaussagen des § 56 InvStG. Er 30 bestimmt, dass Anteile an Investmentfonds, an Kapital-Investitionsgesellschaften nach dem InvStG 2004 sowie auch Organismen, die zum 1.1.2018 erstmals in den Anwendungsbereich des InvStG fallen, mit Ablauf des 31.12.2017 als veräußert und mit Beginn des 1.1.2018 als angeschafft gelten. Das Gesetz definiert derartige Anteile als sog. Alt-Anteile. Mit dieser Regelung wird gewährleistet, dass ein einheitlicher Übergang auf das neue Recht erfolgt. Unter diese Regelung fallen neben Investmentfonds und Kapital-Investitionsgesellschaften, die 31 bereits bisher vom InvStG erfasst werden, als „neue“ Vehikel insbes. Organismen für gemeinsame Anlagen, bei denen die Zahl der möglichen Anleger auf einen Anleger begrenzt ist (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 InvStG), und steuerbefreite vermögensverwaltend tätige KapGes. (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 InvStG). Weiterhin sind von dieser Bestimmung Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren nach § 1 Abs. 2 KAGB betroffen, die nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1b Satz 2 InvStG 2004 erfüllt und den Besteuerungsregelungen für Personen-Investitionsgesellschaften nach § 18 InvStG 2004 unterlegen haben.1 Überwiegend sind dies ausländische PersGes., die die Voraussetzungen eines OGAW erfüllen. Denn diese unterliegen nunmehr nach dem § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 InvStG 2018 dem Investmentsteuerrecht, sodass sie von der Veräußerungsfiktion des Abs. 2 Satz 1 erfasst werden. Weiterhin werden von Abs. 2 ausländische Vehikel in der Rechtsform eines Sondervermögens erfasst, da diese Kapital-Investitionsgesellschaften i.S.d. § 19 InvStG 2004 darstellen. Auf der Anlegerebene ist nunmehr zu beachten:2 Verluste aus der fiktiven Veräußerung von 32 Alt-Anteilen von Kapital-Investitionsgesellschaften fallen – sofern es sich bei den Anteilen um Aktien handelt – unter die Verrechnungsbeschränkung nach § 20 Abs. 6 Satz 4 EStG. Werden die Anteile ab dem Jahr 2018 veräußert, handelt es sich bei dem Veräußerungsergebnis um Erträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 3, 3a EStG. Folglich können die ab dem Jahr 2018 „entstandenen“ Veräußerungsverluste uneingeschränkt mit anderen Kapitaleinkünften verrechnet werden. Dies gilt jedoch nicht für die oben angeführten Verluste aus der fiktiven Veräußerung, der Verlustbetrag ist daher entsprechend aufzuteilen. Nach hier vertretener Ansicht ist dies bereits beim Kapitalertragsteuerabzug durch die auszahlenden Stellen zu berücksichtigen. Mit der fiktiven Veräußerung werden die bis Ende 2017 gebildeten stillen Reserven gehoben, 33 ohne dass es tatsächlich zu einer Besteuerung kommt. Dabei ist in einem ersten Schritt der Buchwert der Alt-Anteile zum 31.12.2017 nach den bis 2017 geltenden Regelungen zu ermitteln.3 Sodann ist als letzter Geschäftsvorfall des 31.12.2017 die fiktive Veräußerung nach § 56 Abs. 2 Satz 1 InvStG zu erfassen und in der Steuerbilanz zum 31.12.2017 abzubilden.4 Dabei sind auch aktive und passive steuerliche Ausgleichsposten nach dem InvStG 2004 aufzulösen.5 Fraglich ist, ob über § 6 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG die stfreie Einlage von vor dem Jahr 2009 angeschafften Anteilen bei den sog. Millionärfonds und Geldmarktfonds i.S.d. § 21 Abs. 2a und Abs. 2b InvStG 2004 möglich ist. Dem steht u.E. der Wortlaut des § 56 Abs. 3 Satz 1 InvStG entgegen. Zwar mag der fiktive Gewinn im Falle der Einlage zum Zeitpunkt der Veräußerung ggf. nach § 16 EStG bzw. durch die KapGes. wegen des Teilwertansatzes keine Auswirkung auf das Ergebnis des Betriebsvermögens bzw. der KapGes. haben. Allerdings ist nach dem Wortlaut des § 56 Abs. 3 Satz 1 InvStG der nach den Ende 2017 geltenden Vorschriften 1 2 3 4 5

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.28; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.30 ff. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.48a. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.48a. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.48a. Hensel/Kretzschmann | 943

§ 56 Rz. 33 | Anwendungs- und Übergangsvorschriften ermittelte Gewinn zum Zeitpunkt der Veräußerung der Anteile zu berücksichtigen. Das heißt, auch im Falle einer Einlage in das Betriebsvermögen hat eine Besteuerung zum Zeitpunkt der Veräußerung für den Anteilseigner, dem die Anteile Ende 2017 zuzurechnen waren, zu erfolgen. 34 Rechtsfolge des vom Gesetzgeber intendierten „harten Cuts“ ist die Tatsache, dass sämtliche

anlegerbezogenen „Steuertöpfe“ nunmehr auf Null gestellt werden. Dies betrifft somit auch die sog. Verlusttöpfe. Eine Verrechnung gem. § 3 Abs. 4 Satz 2 InvStG 2004 ist nach Abs. 8 Satz 1 nicht mehr möglich. Angesichts der Tatsache, dass sich die vor dem 1.1.2018 entstandenen Verluste naturgemäß auch auf den Rücknahmepreis ausgewirkt haben, bedeutet die Streichung des Verlustvortrags lediglich einen Liquiditätsnachteil. Denn bei der Berücksichtigung des fiktiven Veräußerungsgewinns haben sich diese – entstandenen – Verluste bereits ausgewirkt und entfalten zum Zeitpunkt der Veräußerung der Anteile ihre steuerliche Wirkung.

35 Bestandteil des fiktiven Veräußerungsgewinns ist ferner der Anleger-Aktiengewinn i.S.d. § 8

InvStG 2004. Die für die Zwecke der Anlegerbesteuerung auf Fondsebene vorgenommene Berechnung des Fonds-Aktiengewinns endet zum 31.12.2017. Ab dem 1.1.2018 ist der nach § 48 InvStG zu ermittelnde neue Fonds-Aktiengewinn maßgebend, der allerdings bei Null beginnt.1 Dies hat zur Folge, dass bei einer Veräußerung eines Alt-Anteils zwei gesondert ermittelte Anleger-Aktiengewinne zu berücksichtigen sind. Der nach § 8 InvStG 2004 ermittelte Anleger-Aktiengewinn ist maßgebend für die fiktive Veräußerung, während der neue FondsAktiengewinn für die tatsächliche Veräußerung – beginnend mit der Berechnung am 1.1.2018 – zu berücksichtigen ist.

36 Ein Ende findet auch der streitanfällige Steuerabzug bei Kapitalerträgen i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1

Nr. 3 InvStG 2004. Es handelt sich hierbei regelmäßig um ausschüttungsgleiche Erträge von ausländischen thesaurierenden Investmentfonds, die zum Zeitpunkt der Rückgabe oder Veräußerung dem Kapitalertragsteuerabzug unterliegen. Diese Erträge sind nunmehr letztmalig zum 31.12.2017 zu ermitteln und zum Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung zu versteuern.

37 Eine Verpflichtung zur Bildung einer Anfangsbilanz nach § 13 Abs. 2 KStG besteht nicht, da

Investment- und Spezialinvestmentfonds keinen Betriebsvermögensvergleich anwenden.2

38 Verbunden mit der Veräußerungsfiktion ist auch die Buchwertaufstockung der Vermögens-

gegenstände des Fonds. Sofern diese nicht möglich ist, können auch Übergangskorrekturposten gebildet werden.3 Die Buchwertaufstockung führt allerdings nicht zu einer Gewinnrealisierung und hat auch keine Auswirkung auf eine mögliche AfA. Die Buchwertaufstockung dient lediglich dem Zweck, (nur) ab dem 1.1.2018 eintretende Wertsteigerungen der Besteuerung nach dem InvStG 2018 zu unterwerfen. Diese Wertsteigerungen werden bei Veräußerung der Vermögensgegenstände realisiert und nach § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 InvStG bzw. nach § 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvStG besteuert. Die bis zum 31.12.2017 entstandenen, unrealisierten Wertsteigerungen erhöhen dagegen den Rücknahmepreis und werden damit vom fiktiven Veräußerungsgewinn nach Abs. 3 erfasst. Werden diese Wertsteigerungen nach dem Systemwechsel durch Veräußerung der Vermögensgegenstände realisiert und die Erträge an die Anleger ausgeschüttet, handelt es sich unter den Voraussetzungen des Abs. 9 um stpfl. Substanzbeträge, sodass ihre Besteuerung gewährleistet ist. Über die Totalperiode werden mithin sämtliche Wertsteigerungen steuerlich erfasst, es kann sich jedoch ein Steuerstundungseffekt ergeben, da der fiktive Veräußerungsgewinn nach Abs. 3 erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung realisiert wird.4 1 2 3 4

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.32. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.44. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.40 ff. Mayer in Moritz/Jesch/Mann2, § 56 InvStG Rz. 62; vgl. auch Jansen/Greger, BB 2018, 407 (408).

944 | Hensel/Kretzschmann

D. Veräußerungsfiktion der Alt-Anteile (Abs. 2) | Rz. 40 § 56

II. Ansatz von Veräußerungserlös und Anschaffungskosten (Abs. 2 Sätze 2 und 3) Nach § 56 Abs. 2 Satz 2 InvStG ist für die fiktive Veräußerung als Veräußerungserlös und für 39 die fiktive Anschaffung als AK – folgerichtig – der letzte im Kalenderjahr 2017 festgesetzte Rücknahmepreis anzusetzen. Falls kein Rücknahmepreis festgesetzt wird, tritt der Börsenund Marktpreis an dessen Stelle. Praktische Fallanwendungen dürften für Letzteres selten sein. Fraglich ist, ob als letzter Rücknahmepreis allein die Werte zugelassen werden, die zeitnah zum Jahresende 2017 festgesetzt wurden. Aus dem Wortlaut des Gesetzes lässt sich Entsprechendes nicht herleiten, sodass die Festsetzung eines Wertes im Jahr 2017 ausreicht. Maßgebend dürften jedoch die Umstände des Einzelfalles sein. Sofern eine Festsetzung nicht „freiwillig“ erfolgt, dürfte dies missbräuchlich sein. Lässt sich weder ein Rücknahmepreis noch ein Börsenpreis oder Marktpreis ermitteln, kann zur Wertermittlung des Alt-Anteils auf den Nettoinventarwert abgestellt werden.1 Für inländische Fonds dürfte die Ersatzbemessungsgrundlage regelmäßig nicht zur Anwendung kommen, da Rücknahmepreise durchgängig täglich zu ermitteln sind.

III. Wert der Alt-Anteile als Anschaffungskosten i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG (Abs. 2 Satz 4) § 56 Abs. 3 Satz 4 InvStG wurde erst durch das „JStG 2018“2 in das InvStG eingefügt. Er sagt 40 aus, dass „der nach den Sätzen 2 und 3 ermittelte Wert der Alt-Anteile als AK im Sinne von § 6 Absatz 1 Nummer 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes gilt“. Nach dieser Vorschrift treten somit bei Investmentanteilen im Betriebsvermögen die für den 1.1.2018 ermittelten fiktiven AK an die Stelle der fortgeführten ursprünglichen AK von Alt-Anteilen. Daher sind die Alt-Anteile mit diesem Wert in der Steuerbilanz zu bewerten; dieser Wert bildet die „neue“ Bewertungsobergrenze. Die Regelung ist erforderlich, um steuerliche Verzerrungen – sowohl zugunsten wie auch zu Ungunsten der StPfl. – zu vermeiden.3 Beispiel:4 Die A-GmbH erwirbt am 15.6.2016 einen Spezial-Investmentanteil zu einem Preis von 1.000 € (FondsAktiengewinn bei Erwerb 0 €). Der Wert des Spezial-Investmentanteils sinkt bis zum 31.12.2016 aufgrund von Wertverlusten von Aktien auf 700 € (Fonds-Aktiengewinn zum Stichtag: 300 €). Der letzte im Jahr 2017 festgestellte Rücknahmepreis beträgt weiterhin 700 €. Bis Ende 2018 steigt der Rücknahmepreis auf 800 € und damit auch der Fonds-Aktiengewinn um 100 €. Die Wertsteigerung beruht ausschließlich auf Wertsteigerungen von Aktien. Abwandlung 1:5 Die A-GmbH setzt in der Bilanz zum 31.12.2016 den niedrigeren Teilwert an. Lösung: Bilanziell ergibt sich durch den Teilwertansatz ein Verlust i.H.v. 300 €. Außerbilanziell ist nach § 8 Abs. 3 Satz 2 InvStG 2004 dieser Verlust um einen negativen Anleger-Aktiengewinn i.H.v. 300 € zu korrigieren. Der Anleger-Aktiengewinn ist die Differenz zwischen dem Fonds-Aktiengewinn bei Veräußerung oder bei Bewertung des Spezial-Investmentanteils und dem Fonds-Aktiengewinn bei Erwerb des Spezial-Investmentanteils. Die Teilwertabschreibung i.H.v. – 300 € und die Hinzurechnung des negativen Aktiengewinns i.H.v. – 300 € führen insgesamt zu einer Gewinnauswirkung von 0 € (- 300 € Teilwertabschreibung ./. [- 300] Euro negativer Anleger-Aktiengewinn = 0 €). 1 2 3 4

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.47. G v. 11.12.2018, BGBl. I 2018, 2338. BT-Drucks. 19/4455, 69. BT-Drucks. 19/4455, 69 f.; vereinfacht ohne Berücksichtigung der nicht abziehbaren BA nach § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG. 5 BT-Drucks. 19/4455, 70. Hensel/Kretzschmann | 945

§ 56 Rz. 40 | Anwendungs- und Übergangsvorschriften Durch die gesetzlich angeordnete fiktive Veräußerung zum 31.12.2017 ergibt sich ein Veräußerungsgewinn von 0 € (letzter in 2017 festgesetzter Rücknahmepreis i.H.v. 700 € ./. Buchwert zum 31.12.2017 i.H.v. 700 € = 0 €). Der Fonds-Aktiengewinn nach § 56 Abs. 8 Satz 3 InvStG beträgt am 1.1.2018 0 €. Bis Ende des Jahres 2018 erhöht sich der Fonds-Aktiengewinn um 100 €. Ohne die Neuregelung des § 56 Abs. 2 Satz 4 InvStG müsste die A-GmbH eine Teilwertzuschreibung um 100 € auf 800 € nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG vornehmen. Bei einem Bewertungsfall bleiben jedoch nach Auffassung der FinVerw.1 positive Anleger-Aktiengewinne stets außer Ansatz, sodass die Teilwertzuschreibung in voller Höhe gewinnwirksam wäre. Bei einer Fortführung des alten Investmentsteuerrechts wäre dagegen nach § 8 Abs. 3 Satz 4 InvStG 2004 die Teilwertzuschreibung i.H.v. 100 € außerbilanziell um eine Berichtigung des Anleger-Aktiengewinns i.H.v. 100 € zu korrigieren (Ansatz des Anleger-Aktiengewinns zum 31.12.2018 i.H.v. – 200 € ./. [300 €] = 100 €). Es ergäbe sich daher nach altem Recht keine Gewinnauswirkung aus der Teilwertzuschreibung. Vielmehr hätten die Regelungen des alten Rechts dafür gesorgt, dass sowohl die Teilwertabschreibung des Jahres 2016 als auch die Teilwertzuschreibung im Jahr 2018 steuerneutral behandelt würden. Die Übergangsregelungen des § 56 InvStG durchbrechen jedoch diesen Regelungsmechanismus des alten Rechts. Der Gesetzgeber sah daher die Notwendigkeit für Übergangsregelungen, die dazu führen, dass über die zum 1.1.18 ermittelten „neuen“ AK hinaus keine Teilwertzuschreibung vorzunehmen ist. Nach der Regelung des neuen § 56 Abs. 2 Satz 4 InvStG ist für Zwecke der Bewertung davon auszugehen, dass die „neuen“ AK des Spezial-Investmentanteils 700 € betragen. Diese bilden die Bewertungsobergrenze, sodass keine Teilwertzuschreibung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG vorzunehmen ist. Abwandlung 2:2 Die A-GmbH setzt in der Bilanz zum 31.12.2016 und zum 31.12.2017 nicht den Teilwert an, sondern führt die ursprünglichen AK fort. Erst bei der Bilanzierung für das Jahr 2018 möchte die A-GmbH von ihrem Wahlrecht zum Ansatz eines niedrigeren Teilwerts nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG Gebrauch machen und eine Teilwertabschreibung vornehmen. Lösung: Durch die Fortführung der ursprünglichen AK ergeben sich im Jahr 2016 keine Gewinnauswirkungen. Durch die gesetzlich angeordnete fiktive Veräußerung zum 31.12.2017 ergibt sich zunächst ein Veräußerungsverlust i.H.v. 300 € (letzter in 2017 festgesetzter Rücknahmepreis i.H.v. 700 € ./. Buchwert zum 31.12.2017 i.H.v. 1.000 € = – 300 €). Der Veräußerungsverlust ist jedoch um den negativen Anleger-Aktiengewinn i.H.v. – 300 € zu korrigieren, sodass der Veräußerungsgewinn einschließlich außerbilanzieller Hinzu- und Abrechnungen 0 € beträgt (- 300 € Teilwertabschreibung ./. [- 300] Euro negativer AnlegerAktiengewinn = 0 €). Der Fonds-Aktiengewinn beginnt nach § 56 Abs. 8 Satz 3 InvStG am 1.1.2018 mit 0 €. Bis Ende des Jahres 2018 erhöht sich der Fonds-Aktiengewinn auf 100 €. Ohne die Neuregelung des § 56 Abs. 2 Satz 4 InvStG, also bei Fortführung der ursprünglichen AK, könnte die A-GmbH im Jahr 2018 eine Teilwertabschreibung i.H.v. 200 € (Rücknahmepreis zum 31.12.2018 i.H.v. 800 € ./. fortgeführte ursprüngliche AK i.H.v. 1.000 € = – 200 €) geltend machen. Diese Teilwertabschreibung wäre voll gewinnwirksam, da nach neuem Recht (§ 56 Abs. 8 Satz 3 InvStG) nur ein positiver und kein negativer Anleger-Aktiengewinn vorliegen würde. Bei einer Fortführung des alten Investmentsteuerrechts wäre dagegen nach § 8 Abs. 3 Satz 2 InvStG 2004 die Teilwertabschreibung i.H.v. – 200 € außerbilanziell um einen negativen Anleger-Aktiengewinn i.H.v. – 200 € zu korrigieren (Fonds-Aktiengewinn bei Bewertung zum 31.12.2018 i.H.v. – 200 € ./. 0 € FondsAktiengewinn bei Anschaffung des Spezial-Investmentanteils = – 200 € Anleger-Aktiengewinn). Dadurch würde sich die Teilwertabschreibung (- 200 € Teilwertabschreibung ./. [- 200] Euro Anleger-Aktiengewinn = 0 €) nicht auf den Gewinn auswirken. Nach den Bestimmungen des alten Rechts wären die Vorgänge des Jahres 2018 steuerneutral behandelt worden. Die Übergangsregelungen des § 56 InvStG – insbes. die Bestimmung, dass der Aktiengewinn nunmehr auf null gestellt wird – durchbrechen jedoch diesen Regelungsmechanismus des alten Rechts.

1 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980-1/08/10019, BStBl. I 2009, 931 Rz. 171. 2 BT-Drucks. 19/4455, 70 f.

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D. Veräußerungsfiktion der Alt-Anteile (Abs. 2) | Rz. 41 § 56 Es bedarf daher einer Ergänzung der Übergangsregelungen, die dazu führt, dass i.H.d. Differenz zwischen dem Buchwert zum 31.12.2017 und den fiktiven AK zum 1.1.2018 keine Teilwertabschreibung vorgenommen werden kann und darf, weil die Differenz bereits rechnerisch im fiktiven Veräußerungsverlust (vor Berücksichtigung des Anleger-Aktiengewinns) abgebildet ist.

IV. Wertminderungen und -aufholungen (Abs. 2 Sätze 5 und 6) § 56 Abs. 3 Sätze 5 und 6 InvStG sind im Kontext zu sehen. Nach dieser Vorschrift sind i.R.d. 41 Bewertung nach dem 1.1.2018 eingetretene Wertminderungen i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG und im Rahmen dieser Wertminderungen liegende Werterhöhungen i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG erst zu dem Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung des Alt-Anteils zu berücksichtigen, sofern die fiktiven AK zum 1.1.2018 höher sind als der Buchwert am 31.12.2017. Hintergrund für diese Regelung ist folgender Sachverhalt: Nach § 56 Abs. 2 Satz 1 InvStG gelten die Alt-Anteile mit Ablauf des 31.12.2017 als veräußert und mit Beginn des 1.1.2018 als angeschafft. Diese Veräußerungs- und Anschaffungsfiktion dient nur als technisches Hilfsmittel, um die nach altem Recht entstandenen Erträge von den Erträgen des neuen Rechts abzugrenzen, da die Alt-Anteile durchgehend von den Anlegern gehalten und bei bilanzierenden Anlegern auch durchgehend in der Bilanz zu erfassen und zu bewerten sind. Sie soll aber nicht zur Folge haben, dass zusätzliches Abschreibungspotential geschaffen wird. Denn tatsächlich werden durch die fiktive Veräußerung und den „Neuansatz“ der AK bis zur Veräußerung keine Wertzuwächse realisiert – fiktive Teilwertabschreibungen sollten folgerichtig gleichfalls keine Konsequenz haben.1 Beispiel:2 Die A-GmbH erwirbt am 15.6.2016 einen Spezial-Investmentanteil zu einem Preis von 1.000 €. Seitdem ist der Wert nicht unter die AK gesunken. Der letzte in 2017 festgestellte Rücknahmepreis beträgt 1.500 €. Abwandlung 1: Am Ende des Jahres 2018 ist der Rücknahmepreis auf 1.200 € gesunken. Die Voraussetzungen für eine Teilwertabschreibung liegen vor. Lösung: Zum 31.12.2017 ergibt sich somit ein fiktiver Veräußerungsgewinn i.H.v. 500 €, der erst bei tatsächlicher Veräußerung steuerwirksam wird. Nach § 56 Abs. 2 Satz 4 InvStG betragen daher die neuen AK i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG am 1.1.2018 1.500 €. § 56 Abs. 2 Satz 5 InvStG bewirkt nunmehr, dass sich eine Teilwertabschreibung bis zur Höhe von 500 € erst bei tatsächlicher Veräußerung auswirkt, weil in dieser Höhe die aufgedeckten stillen Reserven wegen § 56 Abs. 3 Satz 1 InvStG noch nicht steuerwirksam wurden. Weiterführung zur Abwandlung 1: Am Ende des Jahres 2019 ist der Rücknahmepreis auf 1.300 € gestiegen. Lösung: Zum 31.12.2018 steht der Investmentanteil mit 1.200 € in der Bilanz. Ebenso sind ein fiktiver Veräußerungsgewinn i.H.v. 500 € und eine Teilwertminderung i.H.v. 300 € bilanziert, aber noch nicht gewinnwirksam geworden. Die Wertaufholung beim Investmentanteil muss zwingend zum 31.12.2019 vorgenommen werden. Die daraus resultierende Gewinnerhöhung um 100 € (Buchwert des Investmentanteils am 31.12.2019 i.H.v. 1.300 € ./. Buchwert des Investmentanteils am 31.12.2018 i.H.v. 1.200 € = 100 €) ist mit der noch nicht gewinnwirksamen Teilwertminderung zu verrechnen. Damit erscheint am 31.12.2019 der Investmentanteil mit 1.300 €, der fiktive, noch nicht steuerwirksame Veräußerungsgewinn mit 500 € und die noch nicht steuerwirksame Teilwertminderung mit 200 € in der Steuerbilanz.

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.54. 2 BT-Drucks. 19/4455, 71 f.; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.69a. Hensel/Kretzschmann | 947

§ 56 Rz. 41 | Anwendungs- und Übergangsvorschriften Weiterführung zur Abwandlung 1: Im Jahr 2020 wird der Anteil für 1.300 € verkauft. Lösung: Der Investmentanteil i.H.v. 1.300 € muss ausgebucht werden. Außerdem sind die Korrekturposten1 für den fiktiven Veräußerungsgewinn i.H.v. 500 € und für die Teilwertminderung i.H.v. 200 € aufzulösen. Die Veräußerung ist mit 300 € gewinnwirksam (Ertrag aus dem fiktiven Veräußerungsgewinn i.H.v. 500 € ./. 200 € nachgeholte Teilwertabschreibung = 300 €). Abwandlung 2: Am Ende des Jahres 2018 ist der Rücknahmepreis auf 800 € gesunken. Die Voraussetzungen für eine Teilwertabschreibung liegen vor. Lösung: Wie bei Abwandlung 1 beträgt der noch nicht steuerwirksame fiktive Veräußerungsgewinn 500 €. Bis zur Höhe von 500 € wirkt sich eine Teilwertabschreibung erst bei tatsächlicher Veräußerung aus; also dann, wenn auch der fiktive Veräußerungsgewinn steuerwirksam wird. Über diesen Betrag hinaus lässt § 56 Abs. 2 Satz 5 InvStG weiterhin eine Teilwertabschreibung zu, hier i.H.v. 200 € (1.500 € „neue“ AK ./. 800 € Teilwert = 700 € Teilwertabschreibung gesamt ./. 500 € Teilwertabschreibung, die erst bei tatsächlicher Veräußerung wirksam werden darf = 200 € Teilwertabschreibung, die am 31.12.2018 gewinnwirksam berücksichtigt werden darf). Weiterführung zur Abwandlung 2: Am Ende des Jahres 2019 ist der Rücknahmepreis auf 1.100 € gestiegen. Lösung: Zum 31.12.2018 steht der Investmentanteil mit 800 € in der Bilanz. Ebenso sind ein fiktiver Veräußerungsgewinn i.H.v. 500 € und eine Teilwertminderung i.H.v. 500 € verbucht, aber noch nicht gewinnwirksam geworden. Die Teilwertminderung i.H.v. 200 € ist gewinnwirksam verbucht. Die Wertaufholung beim Investmentanteil muss zwingend zum 31.12.2019 vorgenommen werden. Die daraus resultierende Gewinnerhöhung um 300 € (Buchwert des Investmentanteils am 31.12.2019 i.H.v. 1.100 € ./. Buchwert des Investmentanteils am 31.12.2018 i.H.v. 800 € = 300 €) ist i.H.v. 200 € gewinnwirksam und i.H.v. 100 € mit der noch nicht gewinnwirksamen Teilwertminderung zu verrechnen. Damit erscheint am 31.12.2019 der Investmentanteil mit 1.100 €, der fiktive noch nicht steuerwirksame Veräußerungsgewinn mit 500 € und die noch nicht steuerwirksame Teilwertminderung mit 400 € in der Steuerbilanz.

42 Die Regelung in § 56 Abs. 2 Satz 6 InvStG stellt somit sicher, dass zuerst eine steuerwirksame

Wertaufholung bis zu der Höhe des Buchwerts zum 31.12.2017 vor der fiktiven Veräußerung vorzunehmen ist und erst dann der darüber hinausgehende Teil der Wertaufholung – bis zur tatsächlichen Veräußerung – steuerneutral zu behandeln ist.2 Bei der Ermittlung der fortgeführten AK bzw. des Buchwerts zum 31.12.2017 für die Zwecke des § 56 Abs. 2 Sätze 5 und 6 InvStG ist der passive steuerliche Ausgleichsposten für Substanzausschüttungen mindernd zu berücksichtigen.3 Dies gilt nicht für steuerliche Ausgleichsposten für Liquiditätsüberhänge aus AfA und AfS. Diese mindern die fortgeführten AK bzw. den Buchwert nicht.4

43 Um einerseits Gestaltungen, aber andererseits auch ungerechtfertigte Belastungen zu vermei-

den, finden die Sätze 5 und 6 auch nach Übertragung der Anteile in ein anderes BV desselben Anlegers in den Fällen des § 6 Abs. 5 EStG sowie für den Rechtsnachfolger nach Übertragung der Anteile in den Fällen des § 6 Abs. 3 und 5 EStG und §§ 20 und 24 UmwStG Anwendung. In den Fällen des § 6 Abs. 3 und 5 EStG tritt als Rechtsfolge Buchwertfortführung ein. In den Fällen des §§ 20, 24 UmwStG gilt dies nur, wenn gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 oder § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG die Voraussetzungen für eine Buchwertfortführung gegeben sind und diese auch beantragt wurde. Unter diesen Voraussetzungen tritt die übernehmende Gesellschaft in

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BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.48. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.69. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.69a. BFH v. 21.4.2021 – XI R 42/20, BStBl. II 2022, 20; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.69a.

948 | Hensel/Kretzschmann

E. Gewinn aus der fiktiven Veräußerung (Abs. 3) | Rz. 47 § 56

die Rechtsstellung der Übertragenden ein (§ 23 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 3 UmwStG oder § 24 Abs. 4 i.V.m. § 23 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 3 UmwStG).

V. Unbeachtlichkeit der fiktiven Veräußerung (Abs. 2 Satz 7) Satz 7 stellt klar, dass der für die Regelungen in Abs. 2 Sätze 5 und 6 relevante Buchwert der 44 Alt-Anteile zum 31.12.2017 den bisherigen fortgeführten AK entspricht und die in Abs. 2 Satz 1 geregelte fiktive Veräußerung keinen Einfluss auf diesen Buchwert hat.1

E. Gewinn aus der fiktiven Veräußerung (Abs. 3) I. Zufluss und Ermittlung (Abs. 3 Satz 1) § 56 Abs. 3 Satz 1 InvStG bestimmt, dass der nach den am 31.12.2017 geltenden Vorschriften 45 ermittelte Gewinn aus der fiktiven Veräußerung erst zu dem Zeitpunkt zu berücksichtigen ist, zu dem der Anteil tatsächlich veräußert wird. Die Veräußerungsfiktion gilt nach dem Gesetzeswortlaut ausschließlich auf der Anlegerebene. Mangels ausdrücklicher Regelung führt der Regimewechsel auf der Fondsebene grds. zu keinen steuerlichen Folgen.2 Angesichts des eindeutigen Wortlautes ist die Bemessungsgrundlage des Veräußerungsgewinns somit nach den am 31.12.2017 geltenden Regelungen zu bestimmen. Das bedeutet, dass auch die Steuerbefreiungen nach § 3 Nr. 40 EStG sowie § 8b KStG in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung zu berücksichtigen sind.3 Damit finden auf den zu diesem Stichtag zu ermittelnden Aktiengewinn auch noch die Regelungen des § 8 InvStG 2004 Anwendung. Zudem sind die Zwischengewinne i.S.d. § 1 Abs. 4 InvStG 2004 zu diesem Zeitpunkt bei der Ermittlung des fiktiven Veräußerungsgewinns einzubeziehen.4 Die Bezugnahme auf den 31.12.2017 macht deutlich, dass sich die Gewinnermittlung maß- 46 geblich aus § 8 Abs. 5 InvStG 2004 sowie dem darin enthaltenden Verweis auf die entsprechenden Bestimmungen des allgemeinen Ertragsteuerrechts (KStG, EStG, GewStG) ergibt.5 Somit finden zunächst die Bestimmungen des § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG bzw. über § 20 Abs. 8 EStG die Regelungen der gewerblichen Einkünfte Anwendung. Handelt es sich um Anteile an Kapital-Investitionsgesellschaften, sind die Rechtsfolgen von § 19 Abs. 3 InvStG 2004 zu beachten. Insbesondere finden die Steuerbefreiungen nach § 8b KStG und § 3 Nr. 40 EStG nur unter den einschränkenden Bedingungen des § 19 Abs. 2 Satz 2 InvStG 2004 Anwendung (§ 19 Abs. 3 Satz 3 InvStG 2004). Handelt es sich bei dem Investmentfonds um ein Vehikel, welches ab dem 1.1.2018 erstmalig in den Anwendungsbereich des InvStG fällt, so findet die Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach den allgemeinen ertragsteuerlichen Regelungen Anwendung. Dies gilt z.B. für OGAW in der Rechtsform einer Personengesellschaft, bei denen bisher nach § 18 InvStG 2004 das allgemeine Ertragsteuerrecht anwendbar war. Steuerbilanziell ist zu beachten, dass bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage die in der 47 Vergangenheit gebildeten aktiven und passiven Ausgleichsposten (u.a. die bei der Thesaurierung von ausschüttungsgleichen Erträgen gebildeten aktiven Ausgleichsposten)6 gewinnmin-

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BT-Drucks. 19/4455, 73. Ebenso Stadler/Bindl, DStR 2017, 1409; zu den notwendigen Buchwertanpassungen s. jedoch Rz. 38. Ebenso Stadler/Bindl, DStR 2017, 1409. Mayer in Moritz/Jesch/Mann2, § 56 InvStG Rz. 101. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.64. BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980-1/08/10019, BStBl. I 2009, 931 Rz. 29. Hensel/Kretzschmann | 949

§ 56 Rz. 47 | Anwendungs- und Übergangsvorschriften dernd bzw. -erhöhend zu berücksichtigen sind.1 Dies wird spätestens durch die Ergänzung des Satzes 1 durch das Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz v. 23.6.20172 eindeutig. Diese Ergänzung stellt klar, dass für die Ermittlung des Gewinns aus der fiktiven Veräußerung zum 31.12.2017 nicht nur auf den steuerbilanziellen Gewinn abzustellen ist, sondern dass auch außerbilanzielle Korrekturen vorzunehmen sind, die sich aus steuerrechtlichen Regelungen ergeben. Zudem ist aufgrund dieser Ergänzung der steuerbilanzielle Gewinn um den positiven oder negativen Aktiengewinn (einschließlich des Immobiliengewinns) nach § 8 InvStG 2004 zu bereinigen. Beispiel:3 Die B-GmbH erwirbt am 10.1.2017 einen Anteil an dem Investmentfonds I zu einem Preis von 100 €. Der I besitzt Aktien, deren Wert seit dem 10.1.2017 um 7 € gestiegen ist, und erzielt 3 € Gewinn aus der Veräußerung von verzinslichen Wertpapieren, sodass der Wert des Investmentanteils am 31.12.2017 110 € beträgt. Der steuerbilanzielle Gewinn von 10 € (110 € fiktiver Veräußerungserlös ./. 100 € AK = 10 €) ist um den positiven Aktiengewinn nach § 8 Abs. 1 Satz 1 InvStG 2004 i.V.m. § 8b Abs. 2 KStG i.H.v. 7 € zu mindern, sodass ein Gewinn aus der fiktiven Veräußerung i.H.v. 3 € verbleibt. Dieser Betrag von 3 € ist nach § 56 Abs. 5 Satz 1 InvStG 2018 gesondert festzustellen und fließt dem Anleger bei tatsächlicher Veräußerung (§ 56 Abs. 3 Satz 3 InvStG 2018) zu. Bei Anlegern eines Spezial-Investmentfonds kann es auch zu einem Zufluss von 3 € nach § 56 Abs. 9 Satz 1 InvStG 2018 durch die Umqualifizierung von Substanzausschüttungen kommen.

48 Bis zur tatsächlichen Veräußerung ist der Gewinn oder Verlust aus der fiktiven Veräußerung

nicht in der Steuerbilanz abzubilden, da der Tatbestand noch nicht verwirklicht ist. Dafür werden in der Steuerbilanz bei fiktiven Veräußerungsgewinnen stfreie Rücklagen und bei fiktiven Veräußerungsverlusten ein aktiver Ausgleichsposten i.H.d. fiktiven Veräußerungsverlusts gebildet.4 Auf diese Weise wird die bilanzielle Veränderung, die sich dadurch ergibt, dass die Investmentanteile nach Abs. 2 Satz 4 mit neuen AK zu bilanzieren sind, neutralisiert. Da es insoweit nicht zu einer Abweichung zwischen Handels- und Steuerbilanz kommt, kommt ein Ansatz von latenten Steuern i.S.d. § 274 HGB nicht in Betracht.5

49 Weitere Kernaussage von Abs. 3 Satz 1 ist, dass der Gewinn erst zu dem Zeitpunkt zu berück-

sichtigen ist, in dem der Anteil tatsächlich veräußert wird. Zur Ermittlung des tatsächlichen Zeitpunkts der Veräußerung kann auf deren Verpflichtungsgeschäft abgestellt werden.

50 Es gilt der allgemeine Veräußerungsbegriff. Dies bedeutet, dass z.B. Depotübertragungen ins

Ausland ohne Gläubigerwechsel keine Veräußerung darstellen.

51 Zwar erfolgt die Ermittlung der Bemessungsgrundlage nach den Rechtsbedingungen zum

31.12.2017; für die übrigen Besteuerungsmerkmale ist allerdings die Rechtslage zum Zeitpunkt der Veräußerung maßgebend. Dies betrifft z.B. die Höhe des Steuersatzes und auch das Verfahren der Steuerfestsetzung. Denn der Besteuerungstatbestand ist erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung verwirklicht.6 Weiterhin sind auch die Besteuerungsmerkmale des Anlegers zum Zeitpunkt der Veräußerung entscheidend. Ist der StPfl. zum Zeitpunkt der Veräußerung nicht mehr unbeschränkt stpfl., gelten die Regelungen des § 49 EStG. Befinden sich die Anteile nunmehr im BV, sind die entsprechenden Regelungen (§ 15 EStG, GewStG) heranzuziehen.

1 Mayer in Moritz/Jesch/Mann2, § 56 InvStG Rz. 105. 2 BGBl. I 2017, 1682. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.65; ohne Berücksichtigung von § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.50. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.50. 6 BR-Drucks. 18/8045, 124.

950 | Hensel/Kretzschmann

E. Gewinn aus der fiktiven Veräußerung (Abs. 3) | Rz. 56 § 56

Für den Begriff der Veräußerung gelten die allgemeinen Bestimmungen des § 2 Abs. 13 52 InvStG. Dies heißt, dass auch die Rückgabe, Abtretung, Entnahme oder verdeckte Einlage als Veräußerung gilt. Zu einer Besteuerung des Gewinns kommt es daher auch, wenn der Anteil den Inhaber gewechselt hat. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist es nicht maßgeblich, dass der Anteil zum Zeitpunkt der Veräußerung sowie zum Zeitpunkt der Ermittlung des fiktiven Veräußerungsgewinns den gleichen Inhaber hatte. Wurden die Anteile im Wege der Einlage – z.B. in eine KapGes. – übertragen, handelt es sich bei diesem Vorgang nicht um eine Veräußerung. Maßgebend für die Besteuerung des Gewinns ist dann die Veräußerung des Anteils durch die KapGes.

II. FiFo-Methode (Abs. 3 Satz 2) § 56 Abs. 3 Satz 2 InvStG findet Anwendung, sofern der StPfl. mehrere Fondsanteile zu ver- 53 schiedenen Zeitpunkten erworben hat. Er bestimmt, dass bei der tatsächlichen Veräußerung von Alt-Anteilen die zuerst angeschafften Anteile somit auch als erste veräußert gelten. Das Gesetz macht sich somit die Fifo-Methode (first-in-first-out) zu eigen. Die gesetzliche Regelung entspricht der Bestimmung bei der Direktanlage für Privatanleger in § 20 Abs. 4 Satz 7 EStG. Da bei bilanzierenden Anlegern bei der Direktanlage die Durchschnittsmethode maßgeblich ist, können diese auch die Durchschnittsmethode wählen. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut der Norm; allerdings dient die Fifo-Methode maßgeblich der Vereinfachung, sodass die Durchschnittsmethode nicht beanstandet wird.1 Privatanleger können demgegenüber nicht aus Vereinfachungsgründen auf die Durchschnitts- 54 methode zurückgreifen. Andernfalls würde die Vorschrift des Satzes 2 leerlaufen. Zudem gebietet auch die Gleichstellung mit der Direktanlage nicht die Anwendung der Durchschnittsmethode. Insofern lässt sich anders als bei betrieblichen Anlegern die Anwendung der Durchschnittsmethode auch nicht ausnahmsweise rechtfertigen. Dieser Ansicht hat sich auch die FinVerw. angeschlossen, die in einem Entwurf für ein Anwendungsschreiben zum InvStG zunächst die Anwendung der Durchschnittsmethode bei Privatanlegern nicht beanstanden wollte,2 diese Auffassung aber im geltenden Anwendungsschreiben nicht aufrechterhalten hat. Denn nach dem Anwendungsschreiben wird allein betrieblichen Anlegern ein Wahlrecht zur Durchschnittsmethode eingeräumt.3 Mangels einer gesonderten Bestimmung ist die Fifo-Methode für das jeweilige Depot maßgeb- 55 lich.4 Verschiebungen zwischen den verschiedenen Depots sind daher möglich und stellen keine steuerliche Gestaltung dar, auch wenn hiermit die Verwendungsreihenfolge – möglicherweise zu einer besseren steuerlichen Nutzung – verändert wird.

III. Zufluss im Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung (Abs. 3 Satz 3) Nach § 56 Abs. 3 Satz 3 InvStG unterliegt der Gewinn aus der fiktiven Veräußerung zum Zeit- 56 punkt der tatsächlichen Veräußerung des Anteils dem Steuerabzug nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EStG. Letztere Vorschrift beinhaltet den Steuerabzug in den Fällen der Veräußerung von Aktien (Erträge i.S.d. § 20 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 EStG) sowie ab 1.1.2018 den Steuerabzug für die Veräußerung von Investmentfondsanteilen nach § 16 InvStG. Somit unterfallen grds. sämtliche fiktiven Veräußerungsgeschäfte von Investmentfondsanteilen wie auch Spezialinvestment-

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BT-Drucks. 18/8045, 124. Vgl. Entwurf für ein BMF-Schreiben zum InvStG v. 29.3.2017, der den Verfassern vorliegt. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.69. BMF v. 18.1.2016 – IV C 1 - S 2252/08/10004:017, BStBl. I 2016, 85 Rz. 97. Hensel/Kretzschmann | 951

§ 56 Rz. 56 | Anwendungs- und Übergangsvorschriften fondsanteilen der nachträglichen Kapitalertragsteuerpflicht.1 Der Steuersatz beträgt 25 % zzgl. Solidaritätszuschlag. 57 Der Rechtsgrundverweis auf die Bestimmungen des Kapitalertragsteuerabzugs macht deutlich,

dass die Grundvoraussetzungen, wie z.B. Depotfähigkeit (§ 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa Halbs. 2 EStG) und auszahlende Stelle im Inland, erfüllt sein müssen. Weiterhin sind die für diese Vorschrift geltenden Abstandsnahmeregelungen anzuwenden.2 Für Körperschaften erfolgt daher z.B. kein Steuerabzug (§ 43 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 EStG). Entsprechendes gilt auch für natürliche Personen mit Privateinkünften, wenn sie einen Freistellungsauftrag erteilt haben oder bei natürlichen Personen mit betrieblichen Einkünften bei Abgabe einer entsprechenden Freistellungserklärung nach § 43 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 EStG. Zu einer Aufteilung des Steuerabzugs zwischen dem tatsächlichen und fiktiven Veräußerungsgewinn kommt es allerdings nicht. Dies gilt auch bei Spezialinvestmentfonds, da § 50 Abs. 3 InvStG für den Fall der Veräußerung von Fondsanteilen auf die Abstandsnahmeregelungen des § 43 Abs. 2 Satz 3 EStG verweist. Bei Steuerausländern tritt mangels Steuertatbestands gem. § 49 EStG keine Kapitalertragsteuerpflicht ein.

IV. Ersatzbemessungsgrundlage (Abs. 3 Satz 4) 58 Kann der Gewinn aus der fiktiven Veräußerung nicht ermittelt werden, sind nach Abs. 3 Satz 4

30 % des Rücknahmepreises oder, wenn kein Rücknahmepreis festgesetzt ist, des Börsen- oder Marktpreises als Bemessungsgrundlage anzusetzen. Das G definiert diesen Begriff als Ersatzbemessungsgrundlage. Bei der Direktanlage findet sich demgegenüber in § 43a Abs. 2 Sätze 6 und 7 EStG keine vergleichbare Definition.

59 Hintergrund für den Ansatz einer Ersatzbemessungsgrundlage ist die Tatsache, dass auch in

den Fällen, in den die Anschaffungsdaten nicht vorliegen, zunächst einmal vorläufig ein Steuerabzug erfolgen soll. Der StPfl. ist demzufolge auch verpflichtet, die tatsächlichen Anschaffungsdaten im Rahmen seiner Steuererklärung anzugeben. Die Erklärungspflicht besteht allerdings dann nicht, wenn die Ersatzbemessungsgrundlage höher als der Gewinn aus der fiktiven Veräußerung ist. Aus Vereinfachungsgründen kann zudem von einer Erklärung abgesehen werden, wenn die Differenz zwischen der Ersatzbemessungsgrundlage und dem tatsächlichen Gewinn der fiktiven Veräußerung je VZ nicht mehr als 500 € beträgt und keine weiteren Gründe für eine Veranlagung nach § 32d Abs. 3 EStG vorliegen.3

V. Keine Abgeltungswirkung bei Ersatzbemessungsgrundlage (Abs. 3 Satz 5) 60 Nach § 56 Abs. 3 Satz 5 InvStG hat der Abzug der Kapitalertragsteuer bei Anwendung der

Ersatzbemessungsgrundlage keine abgeltende Wirkung i.S.d. § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG. Betroffen sind davon lediglich Privatanleger, da allein bei ihnen die abgeltende Wirkung des Steuerabzugs in diesem Fall eintreten könnte. Nach Satz 5 ist darüber hinaus für alle StPfl. verpflichtend eine Steuerbescheinigung auszustellen. In dieser ist die Anwendung der Ersatzbemessungsgrundlage anzugeben.4 Die Vorschrift weicht damit von der allgemeinen Bestimmung zu Steuerbescheinigungen bei Anwendung einer Ersatzbemessungsgrundlage nach § 45a Abs. 2 1 Zum Ausweis vgl. BMF v. 23.5.2022 – IV C 1 - S 2401/19/10001:006 – DOK 2022/0538617, BStBl. I 2022, 860 Rz. 29, auch zur Anwendung auf Personen-Investmentvermögen. 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.71. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.75. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.76.

952 | Hensel/Kretzschmann

E. Gewinn aus der fiktiven Veräußerung (Abs. 3) | Rz. 66 § 56

EStG ab,1 wonach nur auf Verlangen des Gläubigers der Kapitalerträge eine Steuerbescheinigung auszustellen ist.

VI. Steuerabzug bei akkumulierten ausschüttungsgleichen Erträgen (Abs. 3 Satz 6) Abs. 3 Satz 6 regelt den Steuerabzug bei Kapitalerträgen i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 InvStG 61 2004 – sog. „ADDI“ –, die aufgrund der Veräußerungsfiktion in § 56 Abs. 2 Satz 1 InvStG zum 31.12.2017 zu ermitteln und im Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung zu versteuern sind. Diese Erträge beinhalten hauptsächlich die besitzzeitanteiligen oder nach dem 31.12.1993 als zugeflossen geltenden ausschüttungsgleichen Erträge von ausländischen thesaurierenden Fonds sowie die Mehr- oder Mindestbeträge i.S.d. § 6 Abs. 1 InvStG 2004. Mit dieser Regelung wird gewährleistet, dass für alle thesaurierenden ausländischen Invest- 62 mentfonds die Besteuerung der ausschüttungsgleichen Erträge in den Jahren von 1993 bis 2017 vollzogen werden kann, indem diese Erträge im Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung des Investmentanteils dem Kapitalertragsteuerabzug unterworfen werden. Praktisch dürfte es allerdings bei einer Veräußerung, z.B. im Jahr 2030, für den StPfl. schwer nachzuweisen sein, dass er in sämtlichen Jahren, in denen er die Fondsanteile hielt, die ausschüttungsgleichen Erträge in der Steuerveranlagung angegeben hat, wenn die Anschaffung weit in der Vergangenheit liegt. Der Steuerabzug ist auch in den Fällen vorzunehmen, in denen der Anteil vorher nicht von 63 der auszahlenden Stelle verwahrt wurde.2 Dies ist z.B. bei einem Depotübertrag der Fall, wenn im Anschluss hieran die Veräußerung erfolgt. Wie unter dem InvStG 2004 bleibt es dabei,3 dass eine Anrechnung der abgeführten Kapital- 64 ertragsteuer nur erfolgen kann, wenn die entsprechenden Kapitalerträge beim Anleger oder seinem Rechtsvorgänger i.R.d. Veranlagung als Einnahmen erfasst wurden.4 Um eine Überbesteuerung zu verhindern, ist es nach Auffassung der FinVerw. nicht zu bean- 65 standen, wenn in den Fällen, in denen sowohl ein Steuerabzug für die Ersatzbemessungsgrundlage wie auch auf den ADDI dem Gesetz nach möglich ist, lediglich der Steuerabzug auf die höheren der beiden Bemessungsgrundlagen vorgenommen wird.5

VII. Abweichender Zufluss bei Dachfonds (Abs. 3 Satz 7) § 56 Abs. 3 Satz 7 InvStG beinhaltet eine Sondervorschrift für Dachfonds, wonach bei Dach- 66 Investmentfonds und Dach-Spezialinvestmentfonds (zur Definition vgl. § 2 Abs. 4 und 5 InvStG) die vorstehenden Sätze keine Anwendung finden. Dies bedeutet, dass der Gewinn aus der fiktiven Veräußerung von Zielfonds nicht erst bei der tatsächlichen Veräußerung zuzurechnen ist, sondern bereits zum 31.12.2017 als zugeflossen gilt. Der Gesetzgeber berücksichtigt damit die Tatsache, dass eine Anwendung der Bestimmungen zur fiktiven Veräußerung zu diversen Problemen bei der Fondsbuchhaltung geführt hätte. Die Regelung dient somit der administrativen Vereinfachung.6 An der Besteuerung der Anleger des Dachfonds ändert sich

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Kritisch dazu Watzlaw/Kral in Moritz/Jesch/Mann2, § 56 InvStG Rz. 176. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.78. Vgl. dazu BMF v. 17.12.2012 – IV C 1 - S 1980-1/11/10004, BStBl. I 2013, 54 Rz. 1. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.78. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.78. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.79. Hensel/Kretzschmann | 953

§ 56 Rz. 66 | Anwendungs- und Übergangsvorschriften allerdings nichts. Denn die Gewinne aus der Veräußerung der Zielfondsanteile stellen auf der Ebene des Dachfonds Kapitalerträge dar, die wegen des fiktiven Zuflusses zum 31.12.2017 dem InvStG 2004 unterliegen und damit auf Ebene des Dachfonds nicht stpfl. sind. Es handelt sich bei den (fiktiven) Veräußerungsgewinnen aus Investmentanteilen auch nicht um ausschüttungsgleiche Erträge nach § 1 Abs. 3 Satz 3 InvStG, sodass auch auf Anlegerebene keine Besteuerung erfolgt. Erst im Falle der Ausschüttung an die Anleger kommt es zu einer Besteuerung.1

F. Veräußerungsersatztatbestände (Abs. 3a) 67 Vor dem Hintergrund, dass § 56 Abs. 3 Satz 1 InvStG eine tatsächliche Veräußerung voraus-

setzt, setzt der mit dem „JStG 2019“ v. 12.12.20192 neu eingefügte Abs. 3a eine fiktive Veräußerung nach § 19 Abs. 2 Satz 1 InvStG und nach § 52 Abs. 2 Satz 1 InvStG einer tatsächlichen Veräußerung gleich. Damit wird klargestellt, dass es auch dann zu einer sofortigen Versteuerung des fiktiven Veräußerungsgewinns kommt, wenn ein Investmentfonds aus dem Anwendungsbereich des InvStG herausfällt (§ 19 Abs. 2 InvStG) oder ein Spezial-Investmentfonds unter den Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 InvStG als aufgelöst gilt (§ 52 Abs. 2 Satz 1 InvStG). Die Neuregelung dient der Vermeidung eines Auseinanderfallens von Gewinnkomponenten nach neuem und nach altem Recht.3 Sie ermöglicht, dass der nach neuem Recht entstandene fiktive Veräußerungsgewinn nach § 19 Abs. 2 bzw. § 52 Abs. 2 InvStG besteuert werden kann, während der nach altem Recht entstandene fiktive Veräußerungsgewinn nach § 56 Abs. 3 InvStG der Besteuerung unterliegt. Die Neuregelung findet nach § 57 Satz 1 Nr. 14 InvStG ab dem 1.1.2020 Anwendung (s. § 57 InvStG Rz. 6).

G. Pflichten der inländischen Stelle, die Alt-Anteile verwahrt oder verwaltet (Abs. 4) I. Ermittlung, Aufzeichnung und Mitteilung des fiktiven Gewinns (Abs. 4 Sätze 1 und 2) 68 § 56 Abs. 4 InvStG beinhaltet die Pflichten der inländischen Stelle, die die Alt-Anteile ver-

wahrt oder verwaltet. Satz 1 regelt zwei Pflichten der depotführenden Stellen. So haben diese nach Nr. 1 zum einen den fiktiven Veräußerungsgewinn bis spätestens 31.12.2020 zu ermitteln; zum anderem haben sie diesen Gewinn bis zur tatsächlichen Veräußerung vorzuhalten. Damit meint der Gesetzgeber, dass die Daten über den Gewinn bis zur tatsächlichen Veräußerung gespeichert werden müssen.

69 Das Gesetz differenziert nicht danach, ob es tatsächlich zu einer Besteuerung bzw. zu einem

Kapitalertragsteuerabzug kommt. Daher besteht die Verpflichtung auch dann, wenn für den StPfl. eine Nichtveranlagungsbescheinigung vorliegt oder es sich um einen betrieblichen Anleger handelt, bei dem nach § 43 Abs. 2 EStG auf dessen Antrag hin kein Steuerabzug zu erfolgen hat. Allerdings beanstandet die FinVerw. es nicht, wenn bei betrieblichen Anlegern und bei Anlegern mit einer Nichtveranlagungsbescheinigung die depotführenden Stellen nur nach Aufforderung des Anlegers oder des zuständigen FA den fiktiven Veräußerungsgewinn ermitteln und speichern.4 Diese Nichtbeanstandungsregelung dient der Vermeidung von nicht not-

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BT-Drucks. 18/12127, 66 f. BGBl. I 2019, 2451. BT-Drucks. 19/13436, 182. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.80.

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G. Pflichten der inländ. Stelle, die Alt-Anteile verwahrt/verwaltet (Abs. 4) | Rz. 73 § 56

wendiger Bürokratie. Der Veräußerungsgewinn muss allerdings nicht gespeichert werden, wenn es vor dem 31.12.2020 zu einer Veräußerung der Anteile kommt. In diesem Fall wird der fiktive Veräußerungsgewinn nach § 56 Abs. 3 InvStG bereits der Besteuerung unterworfen, sodass es keiner zusätzlichen Speicherung mehr bedarf. Nach Nr. 2 sind weiterhin die akkumulierten ausschüttungsgleichen Erträge („ADDI“) sowie der Zwischengewinn (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 InvStG 2004) zu ermitteln. Der „originäre“ Zwischengewinn (§ 1 Abs. 4 Nr. 1 InvStG 2004) bleibt hierbei außer Ansatz, da er sich im Zeitpunkt der Veräußerungsfiktion in einen ausschüttungsgleichen Ertrag umwandelt und im Veranlagungszeitraum 2017 zu versteuern ist. Fraglich ist, ob die depotführenden Stellen sanktioniert werden können, wenn sie die obigen 70 Pflichten nicht erfüllen. Eine Haftungsnorm beinhaltet § 56 InvStG insoweit nicht. Auch die allgemeinen Haftungsnormen der Abgabenordnung – insbes. § 71 AO – kommt auf den ersten Blick nicht infrage. Eine derartige Regelung erscheint auch angesichts der Tatsache, dass der Gewinn entweder nach § 56 Abs. 5 InvStG gesondert festgestellt werden muss oder – zumindest für Privatanleger – nach § 56 Abs. 3 InvStG ein Steuereinbehalt zu erfolgen hat, auch nicht zwingend notwendig. Festzuhalten ist jedoch, dass dem Anleger nach Abs. 4 Satz 2 InvStG zumindest ein zivilrechtlichen Auskunftsanspruch gegenüber der depotführenden Stelle zusteht. Nach Satz 2 hat die inländische auszahlende Stelle dem StPfl. auf dessen Antrag hin die Anga- 71 ben über den fiktiven Veräußerungsgewinn mitzuteilen. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, insbes. betrieblichen Anlegern die Erklärung zur gesonderten Feststellung zu erleichtern. Stellt das Institut fest, dass die Höhe des mitgeteilten Veräußerungsgewinns fehlerhaft war, hat es eine korrigierte Meldung vorzunehmen.1 Die Korrekturverpflichtung ergibt sich unmittelbar aus dem Auskunftsanspruch des Anlegers. Schon der Zweck des Auskunftsanspruchs gebietet es, der inländischen auszahlenden Stelle eine Korrekturpflicht aufzuerlegen, damit der Anleger, insbes. ein betrieblicher Anleger im Feststellungsverfahren, seinen steuerlichen Mitwirkungspflichten nachkommen kann.

II. Depotübertrag (Abs. 4 Satz 3) Nach § 56 Abs. 4 Satz 3 InvStG hat die abgebende inländische Stelle der übernehmenden in- 72 ländischen Stelle die Daten zur fiktiven Veräußerung sowie die sog. ADDI-Erträge nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 InvStG 2004 mitzuteilen, wenn der Anleger die Alt-Anteile auf ein neues Depot überträgt. Das Gesetz möchte insoweit den Steuerabzug ermöglichen und auch vereinfachen. Denn Sinn und Zweck der Norm ist es, dass die übernehmende Stelle den Kapitalertragsteuerabzug nach Abs. 3 Satz 3 im Falle der tatsächlichen Veräußerung auch ohne Ansatz einer Ersatzbemessungsgrundlage durchführen kann.2 Die Bestimmung ist der Regelung für die Direktanlage in § 43a Abs. 2 Satz 3 EStG nachgebildet. Vor der Abgabe hat die abgebende Stelle den fiktiven Veräußerungsgewinn zu ermitteln. Bei einer Übermittlung aus dem Ausland ist die Übersendung der Daten nicht vorgesehen. 73 Hier bleibt es beim Ansatz der Ersatzbemessungsgrundlage. Die FinVerw. lässt es allerdings zu, dass von einem Ansatz der Ersatzbemessungsgrundlage abgesehen werden kann, wenn das abgebende ausländische Institut die Anschaffungsdaten (einschließlich der AK) mitteilt.3 Dies dürfte zumindest in den Fällen analog § 43a Abs. 2 Satz 5 EStG zulässig sein, in denen das Kreditinstitut seinen Sitz in einem Mitgliedstaat der EU oder in einem anderen Staat des 1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.83; a.A. Watzlaw/Kral in Moritz/Jesch/ Mann2, § 56 InvStG Rz. 326. 2 Watzlaw/Kral in Moritz/Jesch/Mann2, § 56 InvStG Rz. 330. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.84. Hensel/Kretzschmann | 955

§ 56 Rz. 73 | Anwendungs- und Übergangsvorschriften EWR-Abkommens (z.B. Norwegen) hat. In diesen Fällen hat das inländische Kreditinstitut mithin ein Wahlrecht.

H. Feststellung des Gewinns aus der fiktiven Veräußerung (Abs. 5) I. Feststellung bei Anteilen im Betriebsvermögen (Abs. 5 Satz 1) 74 § 56 Abs. 5 Satz 1 InvStG bestimmt nach dem „JStG 2018“ v. 11.12.20181 nunmehr, dass der

Gewinn nur noch dann festzustellen ist, wenn die Alt-Anteile zum Betriebsvermögen des Anlegers gehören. Damit bedarf es für Anleger, deren Anteile sich im Privatvermögen befinden, keiner Feststellung. Satz 1 hatte in seiner ursprünglichen Fassung angeordnet, dass der fiktive Veräußerungsgewinn gesondert festzustellen ist, wenn er der Besteuerung nach dem Einkommen unterliegt. Die nunmehr erfolgte Einschränkung der Feststellungspflicht ist folgerichtig, da bei Anteilen im Privatvermögen die Feststellung unterbleiben kann, weil die auszahlenden Stellen die Werte für den Kapitalertragsteuerabzug zum Zeitpunkt der Veräußerung ohnehin vorhalten müssen. Mangels eigenständiger Regelung finden grds. – vgl. aber die Sätze 9 und 10 – die allgemeinen Bestimmungen des § 179 AO Anwendung (vgl. dazu Rz. 83 ff.).

75 Eine gesonderte Feststellung erfolgt allerdings nur dann, wenn der fiktive Gewinn als Besteue-

rungsgrundlage der Einkommensbesteuerung unterliegt. Zwar ergibt sich dies nach dem „JStG 2018“ nicht mehr ausdrücklich aus dem Wortlaut der Vorschrift. Dies ergibt sich jedoch aus dem mit der Änderung intendierten Vereinfachungseffekt.2 Danach wird nur in den Fällen eine Feststellung vorgenommen, in denen es auch zu einem Veranlagungsverfahren kommt. Dadurch soll nach der Gesetzesbegründung zusätzlicher Aufwand aufseiten der StPfl. wie auch der FinVerw. begrenzt werden.3 Dies ist auch vom Sinn und Zweck der Vorschrift her folgerichtig. Die gesonderte Feststellung ermöglicht es den Beteiligten, bei einer Veräußerung in ferner Zukunft den korrekten fiktiven Veräußerungsgewinn zu berücksichtigen, ohne dass es aufwendiger Ermittlungen des Sachverhalts aus der Vergangenheit bedarf.

76 Der Gewinn braucht dementsprechend nicht festgestellt werden, wenn zum Zeitpunkt der fik-

tiven Veräußerung eine Nichtveranlagungsbescheinigung vorlag. Der Zeitpunkt der Veräußerung ist dafür nicht entscheidend. Daher kommt es auch zu einer Besteuerung, wenn zwar zum Zeitpunkt der Veräußerung, nicht aber zum Zeitpunkt der fiktiven Veräußerung eine Nichtveranlagungsbescheinigung vorliegt. Bei steuerbefreiten Anlegern ist ebenso keine Feststellung vorzunehmen.4

II. Behandlung der Mitunternehmerschaft als Anleger (Abs. 5 Satz 2) 77 § 56 Abs. 5 Satz 2 InvStG regelt, dass „für die Zwecke des Satzes 1 eine Mitunternehmerschaft

als Anleger gilt“. Dieser Satz ist im Zusammenhang mit der Bestimmung in Satz 4 zu sehen, der bestimmt, dass (nur) Anleger eine gesonderte Feststellung zu übermitteln haben. Die Vorschrift hat nicht den Zweck, neben § 2 Abs. 10 InvStG eine neue Anlegerfiktion zu bestimmen, die Personengesellschaft wird für die Zwecke des InvStG nicht Steuersubjekt. Dies wird mit dem Hinweis, dass die Mitunternehmerschaft „nur für Zwecke des Satzes 1“ als Anleger gilt, deutlich. Sie hat ausschließlich das Ziel, klar zu machen, dass im Falle einer Mitunternehmerschaft, in der sämtliche Gesellschafter einer Personengesellschaft betriebliche Einkünfte erzie-

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BGBl. I 2018, 2338. BT-Drucks. 19/4455, 73 f.; so auch Watzlaw/Kral in Moritz/Jesch/Mann2, § 56 InvStG Rz. 350. BT-Drucks. 18/8045, 125. Watzlaw/Kral in Moritz/Jesch/Mann2, § 56 InvStG Rz. 350.

956 | Hensel/Kretzschmann

H. Feststellung des Gewinns aus der fiktiven Veräußerung (Abs. 5) | Rz. 80 § 56

len, diese eine Feststellungserklärung einzureichen hat. Auch der Gesetzgeber macht dies deutlich, indem er darauf hinweist, dass nur noch bei Mitunternehmerschaften eine Feststellung auf Ebene der Gesamthand zu erfolgen hat.1 Bei einer Mitunternehmerschaft stellt die gesonderte Feststellung des Gewinns aus der fiktiven Veräußerung einen Grundlagenbescheid für die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen der Mitunternehmerschaft dar.2

III. Andere Gesamthand (Abs. 5 Satz 3) § 56 Abs. 5 Satz 3 InvStG bestimmt im Anschluss an Satz 2, dass bei einer Gesamthand, die 78 keine Mitunternehmerschaft ist, für Zwecke des Satzes 1 deren Beteiligte als Anleger gelten. Damit wird erreicht, dass bei vermögensverwaltenden PersGes. mit betrieblichen Beteiligten keine Feststellung auf Ebene der Gesamthand durchgeführt wird. Nur soweit an einer vermögensverwaltenden PersGes. Personen beteiligt sind, die ihre Beteiligung im Betriebsvermögen halten, sind diese betrieblich Beteiligten nach § 56 Abs. 5 Satz 3 InvStG selbst zur Abgabe eine Feststellungserklärung hinsichtlich der mittelbar über die PersGes. gehaltenen AltAnteile verpflichtet. Bedeutung erlangt die Vorschrift mithin bei sog. Zebragesellschaften.

IV. Erklärungsfristen (Abs. 5 Satz 4) Nach § 56 Abs. 5 Satz 4 InvStG hat der Anleger eine Erklärung zur gesonderten Feststellung 79 des Gewinns nach Abs. 3 Satz 1 frühestens nach dem 31.12.2019 und spätestens bis zum 31.12.2022 nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln. Die Verpflichtung zur Abgabe der Feststellungserklärung war im InvStG i.d.F. des InvStRefG noch in Satz 3 geregelt und beinhaltete die Bestimmung, dass der Anleger die Feststellungserklärung bis 31.12.2021 einzureichen hatte. Nunmehr legt das Gesetz fest, dass die Feststellungserklärung erst nach dem 31.12.2019 einzureichen ist und zudem die Abgabefrist um ein Jahr verlängert wurde. Hintergrund für die Verschiebung der Fristen ist die Tatsache, dass der Gesetzgeber mit dem „JStG 2018“3 von der Abgabe einer Feststellung in Papierform Abstand genommen hat und die Anleger zu einer Abgabe der Erklärung in elektronischen Form verpflichtete. Da die IT-Umsetzung eine gewisse Vorlaufzeit bedarf, war eine Verschiebung notwendig.4 Gleichzeitig stellt die Vorschrift sicher, dass die Feststellungserklärung zeitnah übermittelt wird, damit der administrative Aufwand aus dem Vorhalten des fiktiven Veräußerungsgewinns nach Abs. 3 reduziert werden kann.5

V. Verfahren (Abs. 5 Sätze 5 bis 7) § 56 Abs. 5 Satz 5 InvStG bestimmt, dass der Anleger den Gewinn nach Abs. 3 selbst zu er- 80 mitteln hat. Nach Satz 6 steht die Feststellungserklärung einer gesonderten Feststellung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich, wobei eine berichtigte Feststellungserklärung als Antrag auf Änderung nach § 164 Abs. 2 AO gilt. Satz 7 führt an, dass die für Steueranmeldungen geltenden Vorschriften der AO entsprechend gelten. Die Sätze 5 bis 7 wurden im Jahr 2018

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BT-Drucks. 19/5595, 82 f. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.90. G v. 11.12.2018, BGBl. I 2018, 2338. BT-Drucks. 19/4455, 74. BT-Drucks. 18/8045, 125 f. Hensel/Kretzschmann | 957

§ 56 Rz. 80 | Anwendungs- und Übergangsvorschriften durch das „JStG 2018“1 aufgenommen. Sinn und Zweck der Vorschriften ist es, das Verwaltungsverfahren zur Feststellung des fiktiven Veräußerungsgewinns mit dem geringstmöglichen Verwaltungsaufwand durchzuführen. Allerdings zeigen sich die Einsparungen des Bürokratieaufwands primär aufseiten der Verwaltung. Denn die Anleger haben weiterhin – wie nach dem bisherigen Recht – eine Feststellungserklärung zu fertigen. Der maßgebende Unterscheid zum bisherigen Recht fußt auf der Tatsache, dass der Gesetzgeber nunmehr ein Anmeldeverfahren eingerichtet hat, sodass die Feststellungserklärung sogleich bindend ist, ohne dass eine zusätzliche Prüfung durch die FinVerw. nebst anschließendem, ausdrücklich erlassenem Verwaltungsakt erfolgt. Gleichwohl kann das FA auch einen Feststellungsbescheid erlassen, z.B., wenn es Fehler in der Feststellungserklärung erkennt.2 81 Solange der Vorbehalt der Nachprüfung besteht, kann die FinVerw. nach § 164 Abs. 2 AO den

Feststellungsbescheid ändern oder aufheben. Ein Nachprüfungsvorbehalt wird entweder durch Aufhebung (§ 164 Abs. 3 Satz 1 AO) oder durch Ablauf der regulären Festsetzungsfrist (§ 164 Abs. 4 AO) unwirksam. Wenn der StPfl. einen Fehler in seiner Feststellungserklärung erkennt und eine berichtigte Feststellungserklärung abgibt, gilt diese nach Satz 7 als Antrag auf Änderung i.S.d. § 164 Abs. 2 Satz 2 AO. Eine vergleichbare Regelung war bereits in § 15 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 InvStG 2004 enthalten. Erst wenn das FA dem Änderungsantrag nachkommt und einen Feststellungsbescheid erlässt, ersetzt dieser die als Festsetzung wirkende ursprüngliche Feststellungserklärung. Dahinter steht die Erwägung, dass im Falle einer Berichtigung ein gesteigertes Interesse an einer Überprüfung des Sachverhalts durch die FinVerw. besteht.3

VI. Verzicht auf elektronische Übermittlung (Abs. 5 Satz 8) 82 § 56 Abs. 5 Satz 8 InvStG bestimmt, dass die FinBeh. zur Vermeidung unbilliger Härten auf

eine elektronische Übermittlung verzichten kann. In diesem Fall ist die Erklärung zur gesonderten Feststellung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben und vom Anleger eigenhändig zu unterschreiben. Die Voraussetzungen für einen entsprechenden Härtefall werden durch § 150 Abs. 8 AO konkretisiert. Da es sich bei Anlegern im Sinne dieser Vorschrift um betriebliche Anleger handelt, dürften die Anwendungsfälle dieser Vorschrift überschaubar sein. Denn es ist nicht zu erkennen, dass es diesen Anlegern finanziell nicht zugemutet werden kann, entsprechende Möglichkeiten für eine Datenfernübertragung des amtlich vorgeschriebenen Datensatzes zu nutzen. Derartige Übertragungen sind bereits bei den Veranlagungsverfahren des allgemeinen Ertragsteuerverfahrens Standard und Pflicht.

VII. Zuständigkeit (Abs. 5 Sätze 9 und 10) 83 Zuständig für die gesonderte Feststellung des fiktiven Veräußerungsgewinns ist nach § 56

Abs. 5 Satz 9 InvStG das FA, das für die Besteuerung des Anlegers nach dem Einkommen zuständig ist. Dies ist maßgebend dann der Fall, wenn es sich um ein Einzelunternehmen handelt und Wohnsitz und Betrieb in einem Finanzamtsbezirk liegen.

84 In den Anwendungsbereich dieser Norm dürften auch die Fälle des Satzes 3 fallen, d.h., befin-

den sich die vermögensverwaltende Personengesellschaft und deren betrieblicher Anleger in einem Finanzamtsbezirk, ist gleichfalls das FA zuständig, das für die Besteuerung des Anlegers zuständig ist. 1 G v. 11.12.2018, BGBl. I 2018, 2338. 2 BT-Drucks. 19/4455, 75. 3 BT-Drucks. 19/4455, 75.

958 | Hensel/Kretzschmann

I. Bestandsgeschützte Altanteile (Abs. 6) | Rz. 90 § 56

Bedarf es einer gesonderten Feststellung, weil ein Fall des § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vorliegt, 85 ist für die Feststellung des Gewinns das FA zuständig, das für die gesonderte Feststellung nach § 18 AO zuständig ist. Diese Fälle treten generell bei Mitunternehmerschaften sowie in den Fällen auf, in denen der Betrieb des Anlegers in einem anderen Finanzamtsbezirk als der Wohnsitz liegt.

VIII. Vereinfachungsregelungen (Abs. 5 Sätze 11 und 12) § 56 Abs. 5 Satz 11 InvStG bestimmt, dass für Alt-Anteile, die vor dem 1.1.2023 und vor der 86 Abgabe der Feststellungserklärung veräußert wurden, keine Erklärung abzugeben und keine Feststellung vorzunehmen ist. Die Feststellung dient nur der Beweiserleichterung in den Fällen, in denen lange Zeiträume zwischen der Veräußerungsfiktion zum 31.12.2017 und der tatsächlichen Veräußerung liegen. Bei zeitnaher tatsächlicher Veräußerung ist es verfahrensökonomischer, den fiktiven Veräußerungsgewinn im Veranlagungsverfahren zu ermitteln und ohne vorherige Feststellung der Besteuerung zu unterwerfen. § 56 Abs. 5 Satz 12 InvStG regelt, dass § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 sowie Sätze 2 und 3 AO 87 entsprechend anzuwenden sind. Bei Fällen mit geringer Bedeutung kann das FA nach dieser Vorschrift durch einen entsprechenden Bescheid feststellen, dass eine gesonderte Feststellung nicht durchzuführen ist (§ 180 Abs. 3 Satz 2 AO). Dieser Bescheid gilt entsprechend § 180 Abs. 3 Satz 3 AO als Steuerbescheid. Durch das „JStG 2018“1 wurde der bisherige Satz 4 aufgehoben. Dieser regelte, dass die Fest- 88 stellung des fiktiven Veräußerungsgewinns mit der Einkommensteuer- bzw. Körperschaftsteuerfestsetzung verbunden werden kann. Daran hält der Gesetzgeber nicht mehr fest. Es hatte sich gezeigt, dass diese Bestimmung nicht praktikabel umsetzbar war.

I. Bestandsgeschützte Altanteile (Abs. 6) I. Vorbemerkung § 56 Abs. 6 InvStG beinhaltet besondere Verfahrens- und Steuerbefreiungsregelungen für na- 89 türliche Personen, die ihre Fondsanteile im Privatvermögen halten und diese bereits vor dem Jahr 2009 – dem Jahr der Einführung der Abgeltungsteuer – erworben haben. Nach dem Regierungsentwurf sind diese gesonderten Bestimmungen notwendig, da mit Einführung der Abgeltungsteuer denjenigen Anteilseignern, deren Fondsanteile bereits steuerentstrickt waren, ein Bestandsschutz eingeräumt wurde.2 Allerdings war dem Gesetz bei der Einführung der Abgeltungsteuer nicht zu entnehmen, dass mit dem Bestandsschutz eine Ewigkeitsgarantie verbunden war. Demzufolge regelte der Gesetzgeber nunmehr, dass Wertzuwächse – mit Ausnahme eines Freibetrages von 100.000 € je Steuerpflichtigem – ab dem 1.1.2018 im Falle einer Veräußerung der Besteuerung unterliegen.

II. Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Änderung Die Regelung ist verfassungsgemäß (s. auch eingehend Einl. Europa- und Verfassungsrecht 90 Rz. 33 ff.).3 Bei der Kappung des Bestandsschutzes für Alt-Anteile an Investmentfonds nach

1 G v. 11.12.2018, BGBl. I 2018, 2338. 2 BT-Drucks. 18/8045, 126. 3 BT-Drucks. 18/8045, 126; so auch Klein in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 56 InvStG Rz. 30; offengelassen von Watzlaw/Kral in Moritz/Jesch/Mann2, § 56 InvStG Rz. 383; kritisch dazu Boxberger in W/B/ A3, § 56 InvStG Rz. 68. Hensel/Kretzschmann | 959

§ 56 Rz. 90 | Anwendungs- und Übergangsvorschriften Abs. 6 handelt es sich im Lichte der Rspr. des BVerfG um eine sog. unechte Rückwirkung. Eine solche liegt vor, wenn ein Gesetz Rechtsfolgen mit belastender Wirkung erst für die Zukunft trifft, indem es an einen noch nicht abgeschlossenen, mehraktigen Tatbestand anknüpft, der aber bereits teilweise verwirklicht wurde. Nach Abs. 6 werden Wertsteigerungen von Investmentfondsanteilen erst nach Gesetzesverkündung, nämlich ab dem 1.1.2018 stpfl. Eine solche unechte Rückwirkung ist nach ständiger Rspr. des BVerfG zulässig, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt.1 91 Geeignetheit. Die Regelung soll dazu führen, dass alle Wertsteigerungen von Fonds ab dem

1.1.2018 bei einer späteren Veräußerung der Anteile grds. stpfl. sind. Sie dient damit auch der Verbesserung der Steuergerechtigkeit durch bessere Erfassung der Leistungsfähigkeit. Die Norm ist zum Erreichen des Ziels auch geeignet.

92 Erforderlichkeit. Ein milderes Mittel zur Erfassung dieses Ziels, nämlich der Steuerverstri-

ckung von Wertsteigerungen von Fondsanteilen ab 2018 beim Verkauf, kommt nicht in Betracht.

93 Angemessenheit. Die Vorschrift ist auch angemessen. Denn nach einer Gesamtabwägung

zwischen dem Vertrauensschutz des Anlegers und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe wird auch die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt. Zum einen ist die Eingriffsintensität der Vorschrift begrenzt, da der Freibetrag dazu führt, dass eine überwiegende Mehrzahl der (Klein-)Anleger faktisch weiterhin Bestandsschutz genießen wird.2 Zum anderen begründet die bloße Möglichkeit, Gewinne später stfrei vereinnahmen zu können, nach st. Rspr. des BVerfG keine verfassungsrechtlich geschützte Position. Mit Wertsteigerungen kann im Zeitpunkt des Erwerbs nicht sicher gerechnet werden, sodass auch die Enttäuschung der Hoffnung auf künftige stfreie Vermögenszuwächse nicht als Beeinträchtigung greifbarer Vermögenswerte zu werten ist.3 Die Schaffung der Übergangsregelung des § 18 Abs. 2 Satz 2 InvStG 2004 bei Einführung der Abgeltungsteuer führt auch nicht deshalb zu einem verstärkten Vertrauensschutz der Inhaber dieser Alt-Anteile, weil der Gesetzgeber künftige Wertsteigerungen bestandsgeschützter Alt-Anteile an Investmentfonds zunächst stfrei belassen hatte. Aus der Übergangsregelung kann kein Wille des Gesetzgebers abgeleitet werden, weitere Wertsteigerungen entsprechender Anteile für unbegrenzte Zeit stfrei zu belassen. Ein solcher Wille lässt sich der Gesetzesbegründung nicht entnehmen. Zudem spricht schon das Demokratieprinzip gegen ein solches Verständnis. Nach diesem verbietet sich eine dauerhafte Bindung des Gesetzgebers an Rechtssetzungsakte früherer Gesetzgeber.4 Im Umkehrschluss ergibt sich daraus vielmehr, dass der Gesetzgeber gar nicht in der Lage ist, den künftigen Gesetzgeber späterer Legislaturperioden dauerhaft zu binden.

III. Steuerfreiheit von bestandsgeschützten Alt-Anteilen (Abs. 6 Satz 1) 94 § 56 Abs. 6 Satz 1 InvStG beinhaltet drei Regelungsbereiche: Erstens definiert er die sog. be-

standsgeschützten Alt-Anteile, zweitens trifft er eine Aussage über die steuerliche Behandlung der Wertveränderungen dieser Alt-Anteile bis Ende 2017 und drittens über die steuerliche Behandlung von Wertveränderungen ab diesem Zeitpunkt. Bestandsgestützte Alt-Anteile sind grds. (vgl. Satz 4) alle Fondsanteile, die vor dem 1.1.2009 erworben wurden und seit der An1 2 3 4

BVerfG v. 7.7.2010 – 2 BvL 14/02, BVerfGE 127, 1. BT-Drucks. 18/8045, 126. BVerfG v. 7.7.2010 – 2 BvL 14/02, BVerfGE 127, 1. BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1.

960 | Hensel/Kretzschmann

I. Bestandsgeschützte Altanteile (Abs. 6) | Rz. 100 § 56

schaffung nicht im Betriebsvermögen gehalten wurden. Maßgeblich relevant wird die Regelung daher für natürliche Personen. § 56 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 InvStG führt an, dass Wertveränderungen, die zwischen dem Anschaf- 95 fungszeitpunkt und dem 31.12.2017 eingetreten sind, stfrei sind. Diese Aussage des Gesetzgebers ist deklaratorisch. Denn die fehlende Steuerbarkeit ergibt sich bei Anteilen, die vor dem 1.1.2009 erworben wurden, bereits aus der Ermittlung des fiktiven Veräußerungsgewinns nach Abs. 2.1 Die Regelung dient daher lediglich dem Klarstellungszweck. Zu beachten ist, dass im Falle der Erbschaft oder Schenkung der Status der Investmentanteile 96 als bestandsgeschützte Alt-Anteile übergeht.2 Denn die Vorgänge der Gesamt- und Einzelrechtsnachfolge stellen keinen eigenen Anschaffungstatbestand dar. Der Zeitpunkt der Erbschaft oder Schenkung ist damit unbeachtlich.3 § 56 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 InvStG bestimmt dem hingegen, dass Wertveränderungen, die ab dem 97 1.1.2018 eingetreten sind, stpfl. sind, soweit der Gewinn aus der Veräußerung von bestandsgeschützten Alt-Anteilen 100.000 € übersteigt. Der Gesetzgeber hat hiermit zum einen entschieden, dass zukünftige Wertveränderungen, die bei der Veräußerung entstehen, stpfl. sind. Zum anderen hat er aber einen neuen Freibetrag kreiert, um insbes. bei Kleinanlegern die Wertveränderung auch zukünftig nicht einer Besteuerung zu unterwerfen.4 Der Freibetrag gilt für alle Alt-Anteile eines Anlegers. Zusammen veranlagte Eheleute haben jeweils einen Freibetrag für ihre Anteile. Da der Freibetrag anlegerbezogen ist, können die entsprechenden Ermittlungen naturgemäß 98 nur in der Veranlagung des StPfl. erfolgen. Dementsprechend hat die auszahlende Stelle im Falle einer Veräußerung von Anteilen zunächst gem. § 43 Abs. 1 Nr. 9, § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG, § 16 Abs. 1 InvStG einen Steuerabzug vorzunehmen. Im Rahmen des Steuerabzugs ist allerdings zu beachten, dass die Gewinne aus der Veräußerung von Fondsanteilen – wie der Veräußerungsgewinn aus anderen Kapitalanlagen gem. § 20 Abs. 6 EStG – mit Verlusten – mit Ausnahme von Aktienverlusten – verrechnet werden können. Daher kann der Entrichtungspflichtige die Gewinne aus der Veräußerung von bestandsgeschützten Alt-Anteilen mit negativen anderen Kapitaleinkünften verrechnen. Umgekehrt können folglich auch Verluste aus der Veräußerung mit anderen Kapitaleinkünften verrechnet werden. Um jedoch i.R.d. Veranlagung den Freibetrag ermitteln zu können, ist in der Steuerbescheinigung jeweils die Summe der Gewinne aus bestandsgestützten Alt-Anteilen und die Summe der Verluste aus bestandsgestützten Alt-Anteilen zu bilden.5 Diese Beträge sind nunmehr im nachrichtlichen Teil einer Steuerbescheinigung jeweils geson- 99 dert auszuweisen. Sie sind sodann für die Veranlagung folgendermaßen von Bedeutung: Soweit der im nachrichtlichen Teil ausgewiesene Gewinn aus bestandsgeschützten Alt-Anteilen die bescheinigte Höhe der Kapitalerträge übersteigt, kann durch die Anwendung des Freibetrags ein Verlust entstehen. Auf den in einer Verlustbescheinigung im nachrichtlichen Teil ausgewiesenen Gewinn aus bestandsgeschützten Alt-Anteilen ist ebenfalls der Freibetrag anzuwenden. Dies erhöht die Verluste aus Kapitalvermögen, die nach § 20 Abs. 6 Satz 2 EStG auf Folgezeiträume übertragen werden und nach § 20 Abs. 6 Satz 3 i.V.m. § 10d Abs. 4 EStG festzustellen sind. Der Freibetrag ist stets in voller Höhe des Gewinns aus bestandsgeschützten Alt-Anteilen an- 100 zuwenden. Eine nur teilweise Geltendmachung des Freibetrags (z.B., wenn der StPfl. den Frei1 2 3 4 5

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.94. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.98. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.98. BT-Drucks. 18/8045, 126. BMF v. 15.12.2017 – IV C 1 - S 2401/08/10001:018, BStBl. I 2018, 13 Rz. 30. Hensel/Kretzschmann | 961

§ 56 Rz. 100 | Anwendungs- und Übergangsvorschriften betrag nur insoweit anwenden möchte, wie der Sparer-Pauschbetrag überschritten wird) ist unzulässig. 101 Wie auch beim Steuerabzug sind auch in der Veranlagung die Verluste aus der Veräußerung

von bestandsgeschützten Alt-Anteilen mit positiven anderen Kapitaleinkünften zu verrechnen. Bei einem Verlustüberhang erhöhen die Verluste aus bestandsgeschützten Alt-Anteilen die Verluste aus Kapitalvermögen, die nach § 20 Abs. 6 Satz 2 EStG auf Folgezeiträume übertragen werden und nach § 20 Abs. 6 Satz 3 i.V.m. § 10d Abs. 4 EStG festzustellen sind.1

Beispiel (vereinfacht ohne Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer):2 Gewinn aus bestandsgeschützten Alt-Anteilen

+ 11.000 €

(realisierter Wertzuwachs ab 2018) Verlust aus bestandsgeschützten Alt-Anteilen

./. 9.000 €

(realisierter Wertverlust ab 2018) Sonstige Kapitalerträge

+ 6.000 €

Summe der Kapitalerträge

+ 8.000 €

Kapitalertragsteuer

2.000 €

Lösung: In der Steuerbescheinigung ist im nachrichtlichen Teil ein Gewinn aus der Veräußerung bestandsgeschützter Alt-Anteile i.H.v. 11.000 € und ein Verlust aus der Veräußerung bestandsgeschützter Alt-Anteile i.H.v. 9.000 € auszuweisen. Im Veranlagungsverfahren ist auf den Gewinn aus bestandsgeschützten Alt-Anteilen i.H.v. 11.000 € der Freibetrag nach § 56 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 InvStG anzuwenden. Der verbleibende Freibetrag i.H.v. 89.000 € ist nach § 56 Abs. 6 Satz 2 InvStG gesondert festzustellen. Aufgrund der Steuerfreistellung reduzieren sich die Kapitaleinkünfte auf -3.000 € (8.000 € ./. 11.000 € = -3.000 €). Der Verlust i.H.v. 3.000 € ist nach § 20 Abs. 6 Satz 2 EStG auf Folgezeiträume zu übertragen und nach § 20 Abs. 6 Satz 3 i.V.m. § 10d Abs. 4 EStG festzustellen. Die einbehaltene Kapitalertragsteuer ist in vollem Umfang zu erstatten.

IV. Feststellung des verbleibenden Freibetrags (Abs. 6 Satz 2) 102 § 56 Abs. 6 Satz 2 InvStG bestimmt, dass der am Schluss des VZ verbleibende Freibetrag bis

zu seinem vollständigen Verbrauch jährlich gesondert festzustellen ist. Es handelt sich somit um einen eigenständigen Verwaltungsakt, der auch eigenständig anfechtbar ist (näher Rz. 107).

V. Berechnung des verbleibenden Freibetrags (Abs. 6 Satz 3) 103 § 56 Abs. 6 Satz 3 InvStG wurde durch das JStG 20203 eingefügt und ist nach § 57 Abs. 2 Nr. 7

InvStG erstmals ab dem 1.1.2021 anwendbar. Die Vorschrift enthält eine Legaldefinition des verbleibenden Freibetrags und dient damit der Klarstellung.4 Nach der Legaldefinition beträgt der verbleibende Freibetrag bei erstmaliger Inanspruchnahme 100.000 €, vermindert um den bei der Ermittlung der Einkünfte berücksichtigten Freibetrag. In den darauffolgenden Jahren wird der verbleibende Freibetrag ausgehend von dem zum Schluss des vorangegangenen VZ festgestellten verbleibenden Freibetrag ermittelt, der wiederum um den bei der Ermittlung der 1 2 3 4

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.103. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.104. G v. 21.12.2020, BGBl. I 2020, 3096. BT-Drucks. 19/22850, 113.

962 | Hensel/Kretzschmann

I. Bestandsgeschützte Altanteile (Abs. 6) | Rz. 106 § 56

Einkünfte berücksichtigten Freibetrag vermindert wird. Die Feststellung des verbleibenden Freibetrags nach Satz 2 ist jeweils Grundlagenbescheid für die Feststellung in folgenden VZ.

VI. Zuständigkeit (Abs. 6 Satz 4) Nach § 56 Abs. 6 Satz 4 InvStG ist für die gesonderte Feststellung das FA zuständig, das für 104 die Besteuerung des Anlegers nach dem Einkommen zuständig ist. Diese Regelung ist wegen des Zusammenspiels der Verlustverrechnung der Kapitalerträge und der Ermittlung des Freibetrags folgerichtig.

VII. Bindungswirkung der Steuerfestsetzung (Abs. 6 Satz 5) § 56 Abs. 6 Satz 5 InvStG wurde durch das JStG 20201 eingefügt und ist nach § 57 Abs. 2 Nr. 7 105 InvStG erstmals ab dem 1.1.2021 anwendbar. Nach der Vorschrift sind die Verfahrensregelungen für die Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrags nach § 10d Abs. 4 Sätze 4 bis 6 EStG bei der Feststellung des verbleibenden Freibetrags entsprechend anzuwenden. Die Vorschrift soll eine nachträgliche Korrektur des Feststellungsbescheids über den verbleibenden Freibetrag ermöglichen, wenn der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerbescheid des entsprechenden VZ nachträglich geändert wurde und der Feststellungsbescheid nicht selbst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht. Die Vorschrift soll damit sicherstellen, dass eine Änderung möglich ist, sodass die Feststellung des verbleibenden Freibetrags jeweils dem materiellen Steuerrecht entspricht.2 Ohne die entsprechende Anwendung des § 10d Abs. 4 Satz 4 bis 6 EStG ist eine nachträgliche Änderung des Feststellungsbescheids nach einer Änderung des entsprechenden Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerbescheids sonst nicht möglich, da der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerbescheid kein Grundlagenbescheid i.S.d. § 171 Abs. 10 AO für den Feststellungsbescheid nach Abs. 6 Satz 2 ist. Es fehlte daher an einer Änderungsvorschrift für den Feststellungsbescheid. Diese Lücke soll die Vorschrift des Satz 5 schließen.3 Verfahrensrechtliche Folge des neuen Verweises auf § 10d Abs. 4 Satz 4 Halbs. 2 EStG ist zudem, dass der Anleger einen etwaigen Widerspruch bzw. eine Anfechtungsklage wegen des Verweises auf § 351 Abs. 2 AO und § 42 FGO gegen den Feststellungsbescheid richten muss, wenn er eine Änderung der Feststellung des verbleibenden Freibetrags begehrt.

VIII. Kein Bestandsschutz für „Millionärsfonds“ (Abs. 6 Satz 6) § 56 Abs. 6 Satz 6 InvStG regelt, dass Anteile i.S.d. § 21 Abs. 2a und 2b InvStG 2004 keine 106 bestandsgeschützten Alt-Anteile i.S.d. Sätze 1 bis 5 darstellen. Der Gesetzgeber nimmt damit bestimmte sog. „Uralt-Anteile“4 aus dem Bestandsschutz heraus. Folgende Anteile werden davon erfasst: – § 21 Abs. 2a InvStG 2004 umfasst im Privatvermögen gehaltene Anteile an in- und ausländischen Spezial-Investmentvermögen und anderen Investmentvermögen, bei denen durch Gesetz, Satzung Gesellschaftsvertrag oder Anlagebedingungen die Beteiligung natürlicher Person von der „Sachkunde“ des Anlegers abhängig gemacht wird oder für die Beteiligung eine Mindestanlagesumme von 100.000 € vorgesehen ist. Solche sog. „Millionärfonds“ wur-

1 2 3 4

G v. 21.12.2020, BGBl. I 2020, 3096. BT-Drucks. 19/22850, 114 f. BT-Drucks. 19/22850, 114 f. Stadler/Bindl, DStR 2017, 1409. Hensel/Kretzschmann | 963

§ 56 Rz. 106 | Anwendungs- und Übergangsvorschriften den in den Jahren 2007 und 2008 zur Umgehung der Abgeltungsteuer aufgelegt.1 Der Gesetzgeber normierte daraufhin in § 21 Abs. 2a InvStG 2004, dass abweichend von den allgemeinen Regelungen zur Anwendung der Abgeltungsteuer der Gewinn bei der Veräußerung oder Rückgabe dieser Anteile stpfl. ist, auch wenn die Anteile vor dem 1.1.2009 und frühestens ab dem 10.11.2007 erworben wurden. – § 21 Abs. 2b InvStG 2004 enthält gleichfalls eine abweichende Regelung für sog. „steueroptimierte Geldmarktfonds“. Hierbei handelt es sich um Vehikel, bei denen steuerbare Zinserträge in nicht steuerbare Termingeschäfts- und Wertpapierveräußerungsgewinne umgewandelt wurden.2 Beiden Vehikeln ist gemein, dass sie bereits nach dem InvStG 2004 – abhängig von der Anschaffung der jeweiligen Anteile – der Abgeltungsteuer unterlagen. Daher ist es auch folgerichtig, wenn bei ihnen kein Bestandsschutz und somit auch kein Freibetrag Anwendung findet.

J. Zuflussfiktion für ordentliche Alterträge (Abs. 7) I. Zuflussfiktion zum 31.12.2017 (Abs. 7 Sätze 1, 4 und 5) 107 § 56 Abs. 7 InvStG beinhaltet Sonderbestimmungen für die Besteuerung sog. ordentlicher Alt-

erträge (zur Begriffsbestimmung vgl. Satz 5), die im Jahr 2017 thesauriert wurden. Satz 1 bestimmt, dass ordentliche Alterträge mit Ablauf des Geschäftsjahres, in dem sie vereinnahmt wurden, als den Anlegern zugeflossene ausschüttungsgleiche Erträge gelten, wenn sie nicht ausgeschüttet werden und dem Anleger vor dem 1.1.2018 zufließen. Ordentliche Alterträge sind in Satz 5 legaldefiniert. Es handelt sich im Wesentlichen um Dividenden, Zinsen und laufende inländische Immobilienerträge. Hintergrund der Zuflussfiktion ist maßgeblich das Schließen von Besteuerungslücken im Bereich des Übergangs vom alten zum neuen Investmentsteuerrecht.

108 Denn in bestimmten Konstellationen in dieser Übergangszeit kommt es ohne diese Bestim-

mung zu einer Besteuerungslücke. Dies betrifft die entsprechenden Erträge, die in einem im Kalenderjahr 2017 endenden Geschäftsjahr entstanden sind, aber erst im Kalenderjahr 2018 ausgeschüttet werden. Die Lücke ergibt sich aus Folgendem: Bis Ende 2017 ist noch das InvStG 2004 und ab dem 1.1.2018 das neue InvStG anzuwenden (§ 56 Abs. 1 Sätze 1 und 2 InvStG 2018). Die ab 2018 geltende Neuregelung sieht bei Investmentfonds vor, dass alle ab 2018 vorgenommenen Ausschüttungen – unabhängig davon, wann die der Ausschüttung zugrunde liegenden Erträge entstanden sind – grds. in voller Höhe vom Anleger zu versteuern sind. Dies gilt allerdings nur für Anleger, die unbeschränkt stpfl. sind (= Steuerinländer). Bei beschränkt StPfl. (= Steuerausländer) sind die Ausschüttungen nach dem neuen Recht stfrei, weil das Gesetz davon ausgeht, dass das inländische Besteuerungsrecht für inländische Dividenden und inländische Immobilienerträge bereits durch die Besteuerung des Investmentfonds ausgeschöpft wurde. Letzteres findet jedoch bei inländischen Dividenden und inländischen Immobilienerträgen, die ein Investmentfonds im Jahr 2017 vereinnahmt, aber erst im Jahr 2018 an einen Steuerausländer ausschüttet, nicht statt. In diesem Fall hat weder der Investmentfonds die Erträge bereits versteuert, noch erfolgt eine Besteuerung bei der Ausschüttung an den Steuerausländer.

109 Dem tritt Satz 1 entgegen, wonach die ordentlichen Alterträge bei den Anlegern auch dann

als im Jahr 2017 zugeflossen gelten, wenn der Fonds „die Erträge nicht vor 2018 ausschüttet

1 BT-Drucks. 18/8739, 110. 2 BT-Drucks. 18/8739, 110.

964 | Hensel/Kretzschmann

J. Zuflussfiktion für ordentliche Alterträge (Abs. 7) | Rz. 112 § 56

und diese Erträge nicht vor dem 1. Januar 2018 zufließen“.1 Nur mit dieser Verständnisweise des zweiten Halbsatzes von Satz 1 – die Angabe „nicht“ bezieht sich auch auf den Zufluss – ergibt der Satz auch einen Sinn. Damit löst sich für thesaurierte Erträge das Gesetz von der Systematik des § 1 Abs. 3 InvStG 2004 und ordnet eine generelle StPfl. für 2017 an – unabhängig davon, ob es im Jahr 2018 zu einer Ausschüttung kommt. Die Zuflussfiktion ist auch dann anwendbar, wenn der Fonds im Jahr 2017 einen Ausschüt- 110 tungsbeschluss fasst, aber die tatsächliche Ausschüttung im Jahr 2018 zufließt. Auch das Rumpfgeschäftsjahr nach § 56 Abs. 1 Satz 3 InvStG ist ein Geschäftsjahr im Sinne dieser Vorschrift, sodass alle dem Fonds zugeflossenen Erträge auch als dem Anleger zugeflossene ausschüttungsgleiche Erträge gelten.2 Folge dieser Regelung ist es, dass inländische Anleger ordentliche Alterträge, die einem Fonds im Jahr 2017 zufließen und im Jahr 2018 an die Anleger ausgeschüttet werden, sowohl im Jahr 2017 nach dieser Bestimmung als auch im Jahr 2018 in Form der Ausschüttung nach § 16 InvStG zu besteuern hat. Beispiel:3 Anleger A erwirbt am 2.1.2017 einen Anteil an dem Investmentfonds I zu einem Preis von 100 €. I erzielt 3 € Zinsen, die er nicht ausschüttet. Am 31.12.2017 hat A 3 € ausschüttungsgleiche Erträge zu versteuern. Bei der Ermittlung des Gewinns aus der fiktiven Veräußerung zum 31.12.2017 sind die bereits versteuerten 3 € ausschüttungsgleiche Erträge nach § 8 Abs. 5 Satz 3 InvStG 2004 mindernd zu berücksichtigen. Der Gewinn aus der fiktiven Veräußerung beträgt 0 € (103 € fiktiver Veräußerungserlös ./. 3 € bereits versteuerte ausschüttungsgleiche Erträge ./. 100 € AK = 0 €). Schüttet I am 10.3.2018 3 € aus, dann ist dieser Betrag von dem Anleger als Investmentertrag i.S.d. § 16 InvStG 2018 zu versteuern. Der Wert des Investmentanteils sinkt durch die Ausschüttung auf 100 €. Veräußert der Anleger seinen Investmentanteil am 15.10.2018, entsteht ein Veräußerungsverlust i.H.v. 3 € (100 € Veräußerungserlös ./. 103 € fiktive AK zum 1.1.2018 = -3 €). Die stpfl. Ausschüttung und der gleich hohe Veräußerungsverlust werden miteinander verrechnet, sodass im VZ 2018 keine Steuerbelastung entsteht.

Das Beispiel zeigt, dass mit der Besteuerung der thesaurierten Erträge jeweils die Minderung 111 des Gewinns aus der fiktiven Veräußerung nach § 56 Abs. 3 Satz 1 InvStG sowie eine Wertminderung gegenüber den zum 1.1.2018 angesetzten fiktiven AK eintritt. Bezogen auf die Gesamtlaufzeit, in der der Anteilsinhaber die Fondsanteile hält, bleibt es somit bei einer Einmalbesteuerung. Allerdings ist nicht zu verkennen, dass der StPfl. einen Liquiditätsnachteil erleidet, sofern er die Anteile nach dem VZ 2018 veräußert. Stehen den Veräußerungsverlusten im VZ der Veräußerung keine positiven Einnahmen aus Kapitalvermögen gegenüber, so kann sich wegen der Verlustverrechnungsbeschränkung in § 20 Abs. 6 EStG auch eine endgültige steuerliche Doppelbelastung ergeben.4

II. Abweichende Zuflussfiktion bei Spezial-Investmentfonds (Abs. 7 Satz 2) § 56 Abs. 7 Satz 2 InvStG bestimmt, dass – abweichend von Satz 1 – ordentliche Alterträge bei 112 Anlegern von Spezial-Investmentfonds am 1.1.2018 als zugeflossen gelten, sofern das Geschäftsjahr des Fonds nach dem 30.6.2017 geendet hat und die Erträge nach diesem Zeitpunkt vereinnahmt wurden. Weitere Voraussetzung ist, dass der Anleger die Anteile ununterbrochen bis zum 2.1.2018 hält. Mit dieser Regelung i.V.m. der Bestimmung in Satz 4 vermeidet der Gesetzgeber die sich sonst aus dem Satz 1 ergebenden Liquiditätsnachteile für Anleger von Spezial-Investmentfonds. Denn die ausschüttungsgleichen Erträge nach Satz 2 unterliegen erst im Jahr 2018 der Besteuerung. Gleichzeitig können diese ausschüttungsgleichen Erträge später stfrei ausgeschüttet werden. Denn Satz 4 bestimmt, dass die ausschüttungsgleichen Er1 2 3 4

BT-Drucks. 18/12127, 67. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.110. BT-Drucks. 18/12127, 68 f. Mayer in Moritz/Jesch/Mann2, § 56 InvStG Rz. 459. Hensel/Kretzschmann | 965

§ 56 Rz. 112 | Anwendungs- und Übergangsvorschriften träge nach Satz 2 als ausschüttungsgleiche Erträge der Vorjahre i.S.d. § 35 Abs. 5 InvStG ausgeschüttet werden können. Fließen ordentliche Alterträge dem Fonds nach dem 30.6.2017 zu und werden die Erträge in den Folgejahren ausgeschüttet, bleibt es damit bei der Einmalbesteuerung der thesaurierten Erträge wegen der Sonderregelung in Satz 4. Nach der Gesetzesbegründung ist diese Abweichung gegenüber den Regelungen in Satz 1 die Folgerung aus der Tatsache, dass bei Spezial-Investments die Grundzüge des bisherigen Besteuerungssystems fortgeführt werden, die Anleger bekannt und die Anlegeranzahl überschaubar ist, sodass das alte und das neue Recht miteinander verbunden werden können.1 113 Die Regelung ist begrenzt auf ordentliche Alterträge, die aus einem Geschäftsjahr stammen,

welches im zweiten Halbjahr des Jahres 2017 endet. Hintergrund für diese Regelung ist der Ausnahmecharakter dieser Vorschrift. Nur in den Fällen, in denen die Sonderregelung tatsächlich zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung notwendig ist, soll der Anwendungsbereich eingeschränkt werden. Bei Geschäftsjahren, die vor dem 1.7.2017 enden, haben es die Fonds in der Hand, durch eine entsprechende Ausschüttung eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Im zweiten Halbjahr des Jahres 2017 können mehrere Geschäftsjahre enden: sowohl ein ordentliches Geschäftsjahr wie auch das Rumpfgeschäftsjahr nach § 56 Abs. 1 Satz 3 InvStG. Hier können – je nach Fallgestaltung – auch die Erträge beider Geschäftsjahre am 1.1.2018 zufließen.

114 Weitere Voraussetzung für die gesonderte Zuflussfiktion ist, dass der Anleger die Alt-Anteile

nicht vor dem 2.1.2018 veräußert. Damit wird bezweckt, dass sich der Anleger nicht durch eine Veräußerung der Zuflussfiktion zum 1.1.2018 entzieht.2

III. Besteuerung ordentlicher Alterträge (Abs. 7 Satz 3) 115 § 56 Abs. 7 Satz 3 InvStG regelt, dass die ausschüttungsgleichen Erträge nach den Sätzen 1

und 2 der Besteuerung nach dem InvStG 2004 sowie dem EStG in der am 26.7.2016 geltenden Fassung unterliegen. Die Regelung dient allein der Klarstellung.

K. Anlegerbezogene Besteuerungsgrundlagen ab dem 1.1.2018 (Abs. 8) I. Vorbemerkung 116 Mit der Einführung von Abs. 7 bis 9 durch das StUmgBG soll sichergestellt werden, dass es

kein Nebeneinander des vor 2018 geltenden und des InvStG 2018 gibt, da eine solche Überlappung nicht administrierbar gewesen wäre.3 Entsprechend bestimmt Abs. 8, dass diverse, nach dem InvStG 2004 ermittelten Besteuerungsgrundlagen im neuen Recht keine Rechtsfolgen nach sich ziehen.

II. Unbeachtlichkeit von nach altem Recht ermittelten Besteuerungsgrundlagen (Abs. 8 Sätze 1 und 2) 117 § 56 Abs. 8 Satz 1 InvStG führt nunmehr die einzelnen Erträge an, die für das InvStG n.F.

keine Anwendung mehr findet. Es handelt sich zum einen um die sog. außerordentlichen Alterträge, welche in Satz 2 legal definiert werden. Außerordentliche Erträge sind hiernach Erträ1 BT-Drucks. 18/12127, 69. 2 BT-Drucks. 18/12127, 69. 3 BT-Drucks. 18/12127, 70.

966 | Hensel/Kretzschmann

L. Substanzbeträge (Abs. 9) | Rz. 121 § 56

ge, deren Art nicht unter § 1 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 und 2 sowie Satz 4 InvStG 2004 fallen. Das heißt, es sind diejenigen Erträge, die auf der Ebene des Investmentfonds nach altem Recht steuerneutral thesauriert werden konnten. Damit fallen unter diese Kategorie Erträge aus Termingeschäften sowie Veräußerungsgewinne aus Kapitalanlagen.1 Da das Ertragsergebnis bei diesen Kapitaleinkünften im neuen Steuerregime keine Bedeutung mehr besitzt, müssen auch etwaige Vortragstöpfe, die für diese Werte nach dem alten Recht gebildet wurden, nicht mehr fortgeführt werden.2 Die Fonds-Aktiengewinne, die Fonds-Abkommensgewinne und die Fonds-Teilfreistellungsgewinne beginnen am 1.1.2018 mit einem Startwert von 0 €.3 Weiterhin haben ausschüttungsgleiche Erträge, sofern sie vor dem 1.1.2018 als zugeflossen 118 gelten, Absetzungsbeträge, die auf Zeiträume vor dem 1.1.2018 entfallen, und die nicht ausgeglichenen negativen Erträge für die zukünftigen Ertragsermittlungen keine Bedeutung mehr. Dies ist auch folgerichtig, da die jeweiligen Werte in die Ermittlung des fiktiven Veräußerungsgewinns eingeflossen sind. Einzige Ausnahme sind die ausschüttungsgleichen Erträge i.S.d. Abs. 7 Satz 2 bei den Spezial-Investmentfonds.

III. Neubeginn des Fonds-Aktiengewinns, Fonds-Abkommensgewinns und Fonds-Teilfreistellungsgewinns (Abs. 8 Satz 3) § 56 Abs. 8 Satz 3 InvStG bestimmt, dass bei der Ermittlung des Fonds-Aktiengewinns, des 119 Fonds-Abkommengewinns und des Fonds-Teilfreistellungsgewinns jegliche vor dem 1.1.2018 vereinnahmten Gewinne, eingetretenen Wertveränderungen und die vereinnahmten Erträge nicht zu berücksichtigen sind. Dies bedeutet, dass die realisierten Gewinne und unrealisierten Wertveränderungen, die auf Zeiträume vor 2018 entfallen, für die Ermittlung der Gewinne i.S.d. § 48 InvStG unbeachtlich sind. Der Fonds-Aktiengewinn, der Fonds-Abkommensgewinn sowie der Fonds-Teilfreistellungsgewinn starten somit bei 0 €.

L. Substanzbeträge (Abs. 9) I. Behandlung von Substanzbeträgen (Abs. 9 Satz 1) § 56 Abs. 9 InvStG beinhaltet eine Sonderregelung für die steuerliche Behandlung von aus- 120 geschütteten – ansonsten nicht steuerbaren – Substanzerträgen, soweit ein fiktiver Veräußerungsgewinn nach § 56 Abs. 3 InvStG vorhanden ist. Der Sinn der Vorschrift ergibt sich daraus, dass außerordentliche Alterträge zwar für die Besteuerung von ausgeschütteten Erträgen nach Abs. 8 keine Bedeutung mehr haben, es aber – wie nach dem alten Recht – dabei bleiben soll, dass im Falle einer Ausschüttung derartige Beträge bei Steuerinländern sofort einer Besteuerung zugeführt werden sollen. In derartigen Konstellationen soll nach dem Willen des Gesetzgebers nicht bis zu einer Besteuerung zum Zeitpunkt der Veräußerung des Fonds zugewartet werden. Zudem ist es der Wille des Gesetzgebers, dass es im Falle einer Ausschüttung auch beim Steuerausländer weiterhin zu einer Besteuerung kommt (denn im Falle einer Veräußerung liegt das Besteuerungsrecht nicht bei Deutschland). Zu diesem Zweck ordnet Abs. 9 eine Umqualifizierung der steuerneutralen Substanzbeträge in stpfl. Spezial-Investmenterträge an. Die Differenzierung zwischen steuerneutralen Substanzbeträgen und stpfl. Spezial-Invest- 121 menterträgen hat seinen Ursprung in § 35 InvStG. Nach dieser Vorschrift wird für den Fall 1 BT-Drucks. 18/12127, 70. 2 Kritisch zu der gesetzlichen Regelung Stadler/Bindl, DStR 2017, 1409. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 56.126. Hensel/Kretzschmann | 967

§ 56 Rz. 121 | Anwendungs- und Übergangsvorschriften der Ausschüttung eine Ausschüttungsreihenfolge fingiert. Hiernach gelten im Falle einer Ausschüttung zunächst die stpfl. Erträge des laufenden und aller vorherigen Geschäftsjahre und erst zuletzt die steuerneutralen Substanzerträge als ausgeschüttet. Kommt es in den Jahren ab 2018 zu Ausschüttungen, besteht die Möglichkeit, dass lediglich ein vergleichsweise geringer Betrag an Erträgen im Geltungszeitraum des InvStG 2018 erwirtschaftet wurde, sodass ein größerer Teil der Ausschüttung auf Erträge (insbes. auch außerordentliche Alterträge) entfällt, die der Spezial-Investmentfonds in den Jahren vor 2018 erzielte. Außerordentliche Erträge werden im neuen Recht allerdings nicht mehr gesondert ausgewiesen und unterfallen den Substanzerträgen. Damit diese Erträge – im Falle einer Ausschüttung – nunmehr besteuert werden, bedient sich der Gesetzgeber „eines Tricks“. Angesichts der Tatsache, dass der fiktive Veräußerungsgewinn maßgeblich auf Wertzuwächsen beruht, die aus außerordentlichen Alterträgen bestehen, wandelt er nunmehr insoweit Ausschüttungen von Substanzerträgen in stpfl. Spezial-Investmentfondserträge nach § 34 InvStG um, als noch ein Gewinnbetrag beim fiktiven Veräußerungsgewinn besteht. Da die Ausschüttung den Anteilswert entsprechend mindert, kommt es bei einer nachfolgenden Veräußerung nicht zu einer Doppelbesteuerung. Der Regelungsmechanismus legt lediglich den Besteuerungszeitpunkt vom Veräußerungs- auf den Ausschüttungszeitpunkt vor.1 Damit wird nach der Gesetzesbegründung eine administrativ aufwendige Ermittlung und Fortschreibung der außerordentlichen Alterträge vermieden und eine entsprechende Kontrolle durch die FinVerw. entbehrlich.2 122 Die jeweilige Umqualifizierung ist auf die Höhe des vorhandenen Gewinns aus der fiktiven

Veräußerung nach Abs. 2 beschränkt. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut von Satz 1, nachdem eine Umqualifizierung nur erfolgt, soweit ein Gewinn vorhanden ist. Aus dem Wortlaut der Norm ergibt sich zudem nicht, dass mit der Umqualifizierung das Abschmelzen des „eigentlichen“ fiktiven Veräußerungsgewinns verbunden ist. Dies ist auch folgerichtig, da es ansonsten zu Besteuerungslücken kommt.

Beispiel:3 Anleger A erwirbt am 2.1.2017 einen Anteil an dem Spezial-Investmentfonds S zu einem Preis von 100 €. S erzielt 20 € Gewinn aus der Veräußerung von Bundesanleihen, die er nicht ausschüttet. Dadurch steigt der Wert des Spezial-Investmentanteils auf 120 €. Der Gewinn aus der fiktiven Veräußerung zum 31.12.2017 beträgt 20 € (120 € fiktiver Veräußerungserlös ./. 100 € AK = 20 €). Am 1.3.2018 schüttet S 5 € Substanzbeträge aus. Nach Abs. 9 Satz 1 gelten diese 5 € als Spezial-Investmenterträge. Für eine zukünftige Umqualifizierung würden als rechnerische Größe nur noch 15 € Restgewinn verbleiben. Lösung: Durch die Ausschüttung sinkt der Anteilswert auf 115 €. Am 1.6.2018 veräußert A den Anteil zu diesem Preis. Durch die Veräußerung entsteht ein Veräußerungsverlust i.H.v. 5 € (115 € Veräußerungserlös ./. 120 € fiktive AK zum 1.1.2018 = -5 €). Gleichzeitig sind dem A nach § 56 Abs. 3 Satz 3 InvStG 2018 20 € Gewinn aus der fiktiven Veräußerung zum 31.12.2017 zuzurechnen. Insgesamt ergibt sich damit ein Veräußerungsgewinn i.H.v. 15 €. Zuzüglich der 5 € Spezial-Investmenterträge ergibt sich ein Gesamtertrag von 20 €.

II. Kein Steuerabzug (Abs. 9 Satz 2) 123 § 56 Abs. 9 Satz 2 InvStG bestimmt, dass für diese Erträge kein Steuerabzug nach § 50 InvStG

vorzunehmen ist. Hintergrund hierfür ist die Tatsache, dass die Spezial-Investmentfonds, die den Kapitalertragsteuerabzug durchzuführen haben, nicht über die notwendigen Informationen bzgl. des fiktiven Veräußerungsgewinns verfügen und daher nicht berechnen können, ob dieser tatsächlich insoweit vorliegt, um eine Umqualifizierung in stpfl. Erträge zu veranlassen. 1 Mayer in Moritz/Jesch/Mann2, § 56 InvStG Rz. 482. 2 BT-Drucks. 18/12127, 71. 3 BT-Drucks. 18/12127, 71.

968 | Hensel/Kretzschmann

Anwendungsvorschriften | § 57

Diese Erträge sind somit in der Veranlagung zu erklären. Die Alternative, dass für den Steuerabzug grds. alle Erträge als stpfl. zu behandeln sind und der Nachweis der stfreien Substanzausschüttung in der Veranlagung erfolgt, erschien dem Gesetzgeber mit einem unverhältnismäßigen Aufwand aufseiten der StPfl. verbunden.

§ 57 Anwendungsvorschriften (1) 1Ab dem 1. Januar 2020 anzuwenden sind: 1. § 2 Absatz 8 Satz 5, Absatz 9 und 13, 2. § 6 Absatz 1, 2, 4 Satz 1, Absatz 5 Satz 2, Absatz 6a und 7 Satz 4, 3. § 8 Absatz 4, 4. § 11 Absatz 1, 5. § 15 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4, 6. § 17 Absatz 1 Satz 1 bis 3, 7. § 20 Absatz 1, 3, 3a und 4, 8. § 30 Absatz 3, 9. § 31 Absatz 1 und 3, 10. § 35, 11. § 36 Absatz 4, 12. § 42 Absatz 1 und 2, 13. § 52 Absatz 2, 14. § 56 Absatz 3a und 6 Satz 4 in der Fassung des Artikels 17 des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2451). 2 Bis einschließlich 31. Dezember 2019 gewährte Stundungen nach § 52 Absatz 2 Satz 4 in der am 17. Dezember 2019 geltenden Fassung bleiben unberührt. (2) Ab dem 1. Januar 2021 anzuwenden sind: 1. § 1 Absatz 2 Satz 2, 2. § 10 Absatz 5, 3. § 22 Absatz 2 Satz 3 bis 6 und Absatz 3, 4. § 37 Absatz 2 und 3, 5. § 42 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 3, 6. § 49 Absatz 1 Satz 3, 7. § 56 Absatz 6 Satz 3 bis 6 in der Fassung des Artikels 10 des Gesetzes vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3096). (3) 1§ 7 Absatz 4 Satz 3 und Absatz 5 Satz 1 sowie § 11 Absatz 1 Satz 3 und 4 in der Fassung des Artikels 3 des Gesetzes vom 2. Juni 2021 (BGBl. I S. 1259) sind ab dem 1. Juli 2021 anzuwenden. 2Bei Vorlage einer Statusbescheinigung, die nicht die Angaben nach § 7 Absatz 4 Satz 3 in der Fassung des Artikels 3 des Gesetzes vom 2. Juni 2021 (BGBl. I S. 1259) enthält, ist ab dem 1. Juli 2021 eine Erstattung nach § 7 Absatz 5 ausgeschlossen.

Hensel/Kretzschmann und Hensel | 969

§ 57 Rz. 1 | Anwendungsvorschriften (4) § 26 Nummer 4 Buchstabe j, Nummer 5 Satz 2 und Nummer 7 Satz 2 in der Fassung des Artikels 5 des Gesetzes vom 3. Juni 2021 (BGBl. I S. 1498) ist ab dem 2. August 2021 anzuwenden. (5) § 43 Absatz 2 in der am 30. Juni 2021 geltenden Fassung ist letztmals für den Veranlagungszeitraum 2021 anzuwenden. (6) Ab dem 1. Januar 2022 anzuwenden sind: 1. § 1 Absatz 3 Satz 2, 2. § 2 Absatz 16, 3. § 20 Absatz 3a Satz 2 in der Fassung des Artikels 4 des Gesetzes vom 25. Juni 2021 (BGBl. I S. 2050). A. I. II. III.

Grundaussagen der Vorschrift Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . . Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zu Vorschriften außerhalb des InvStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Jahressteuergesetz 2019 (Abs. 1 Satz 1) . C. Übergangsregelung für Stundungen (Abs. 1 Satz 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 2 3 4 5

D. Jahressteuergesetz 2020 (Abs. 2) . . . . . . E. Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Fondsstandortgesetz (Abs. 4) . . . . . . . . . G. ATAD-Umsetzungsgesetz (Abs. 5) . . . . . H. KöMoG (Abs. 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Jahressteuergesetz 2022 (Abs. 7 i.d.F. des JStG 2022-E) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8 9 11 12 13 14

7

Literatur: Bindl/Schober, Investmentsteuererlass-Entwurf zu Spezial-Investmentfonds, BB 2020, 559; Stadler/Sotta, Das Entwurf-Schreiben des BMF zu Spezial-Investmentfonds v. 16.12.2019 – erste Anmerkungen, BB 2020, 279.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck 1 § 57 InvStG beinhaltet vergleichbar zu § 52 EStG die Regelungen zur zeitlichen Anwendung

der Bestimmungen, mit denen das InvStG geändert wurde. Abs. 1 Satz 1 regelt den zeitlichen Anwendungsbereich für die durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften („JStG 2019“) v. 12.12.20191 eingefügten Änderungen im InvStG. Abs. 1 Satz 2 stellt klar, dass die gesetzlich angeordneten Stundungen der Steuerfestsetzungen für die Gewinne aus der fiktiven Veräußerung von Spezial-Investmentfondsanteilen unberührt bleiben, wenn die entsprechenden Fonds nicht mehr die Voraussetzungen für eine Einstufung als Spezial-Investmentfonds (§ 26) erfüllen, sofern sie bis zum 31.12.2019 erteilt wurden. Abs. 2 enthält die Anwendungsregelung für die Änderungen im InvStG aufgrund des JStG 20202. Abs. 3 beinhaltet die Anwendungsregelungen für die Änderungen durch das Gesetz zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung der Kapitalertragsteuer (Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz) v. 2.6.20213. Abs. 4 enthält die Anwendungsregelungen, die sich für die Änderungen aufgrund

1 BGBl. I 2019, 2451. 2 BGBl. I 2020, 3069. 3 BGBl. I 2021, 1259.

970 | Hensel

B. Jahressteuergesetz 2019 (Abs. 1 Satz 1) | Rz. 5 § 57

des Fondsstandortgesetzes v. 3.6.20211 ergeben. Abs. 5 regelt die letztmalige Anwendung des durch das Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD-Umsetzungsgesetz) v. 25.6.20212 aufgehobenen § 43 Abs. 2 InvStG. Abs. 6 bestimmt die Anwendungsregelungen für die Änderungen im InvStG durch das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts v. 25.6.20213.

II. Rechtsentwicklung Die Vorschrift wurde erst durch das „JStG 2019“ v. 12.12.20194 nachträglich eingefügt.

2

III. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu anderen Vorschriften des InvStG Ziel des § 57 InvStG ist es, die zeitlichen Anwendungsbestimmungen für die Änderungen im 3 InvStG 2018 zu regeln. Die Anwendungsbestimmungen für den Übergang vom InvStG 2004 zum InvStG 2018 finden sich hingegen in § 56 InvStG. 2. Verhältnis zu Vorschriften außerhalb des InvStG Zu den Anwendungsvorschriften im EStG oder KStG besteht kein Bezug.

4

B. Jahressteuergesetz 2019 (Abs. 1 Satz 1) Satz 1 bestimmt, dass alle Gesetzesänderungen, die durch das „JStG 2019“5 eingefügt wurden, 5 ab dem 1.1.2020 anwendbar sind. Die Bezeichnung „anwendbar“ ist in diesem Fall unbestimmt. Diese Unbestimmtheit fußt jedoch auf der Tatsache, dass die in Satz 1 angeführten Vorschriften grundverschiedene Sachverhalte regeln. Der Gesetzgeber sah von einer weiteren Konkretisierung (z.B. für die Änderung bei § 31 Abs. 3 InvStG eine Anwendung auf Kapitalerträge, die ab dem 1.1.2020 zufließen) ab. Folgende Sachverhalte sind anwendbar: – Erhöhte Voraussetzungen für das Vorliegen von Kapitalbeteiligungen (§ 2 Abs. 8 Satz 5 InvStG n.F.). Die Neuregelung regelt Fälle, in denen Anteile an KapGes. nicht als Kapitalbeteiligungen gelten sollen, was für die Qualifikation als Aktien- oder Mischfonds von Bedeutung ist. – Neufassung der Definition von Immobilienfonds und Auslands-Immobilienfonds (§ 2 Abs. 9 InvStG n.F.). Es werden u.a. die bisher getrennten Definitionen der Begriffe in § 2 Abs. 9 InvStG und § 20 Abs. 3 Satz 1 InvStG zusammengefasst und vereinheitlicht. – Klarstellung der unbeschränkten Steuerpflicht und der Abkommensberechtigung inländischer Investmentfonds (§ 6 Abs. 1 und 2 InvStG n.F.). In § 6 Abs. 1 Satz 1 InvStG n.F. wird angeordnet, dass inländische Investmentfonds unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig sind. – Vorliegen von gewerblichen Einkünften i.S.v. § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG nur bei aktiver unternehmerischer Bewirtschaftung der Vermögensgegenstände (§ 6 Abs. 5 InvStG n.F.). 1 2 3 4 5

BGBl. I 2021, 1498. BGBl. I 2021, 2035. BGBl. I 2021, 2050. BGBl. I 2019, 2451. G v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451. Hensel | 971

§ 57 Rz. 5 | Anwendungsvorschriften – Änderung der steuerfreien Kapitalrückzahlung während der Abwicklungsphase eines Investmentfonds (§ 17 Abs. 1 InvStG n.F.). Steuerfreie Kapitalrückzahlungen sind nach Maßgabe des § 17 InvStG nur während der Liquidationsphase eines Investmentfonds möglich. Zur Vermeidung von Gestaltungen, bei denen z.B. negative Anschaffungskosten entstehen könnten, sollen steuerfreie Ausschüttungen von eingelegtem Kapital erst nach der Versteuerung aller vom Anleger erzielten Wertsteigerungen möglich sein. – Neufassung der §§ 20 Abs. 1, 30 Abs. 3 InvStG für nicht begünstigte Anleger. – Anwendung der Teilfreistellungen auch bei mittelbar über eine Personengesellschaft gehaltenen Investmentanteilen (§ 20 Abs. 3a InvStG). Durch die Neuregelung wird gesetzlich klargestellt, dass die Teilfreistellungen auch dann gelten, wenn Investmentanteile mittelbar über eine PersGes. gehalten werden. Die Höhe der Teilfreistellung ist vom Status des Mitunternehmers abhängig. – Erweiterung der Voraussetzungen zur KapErtrSt-Anrechnung bei ausgeübter Transparenzoption (§ 31 Abs. 3 InvStG n.F.). § 31 Abs. 3 InvStG n.F. sieht erhöhte Anforderungen bei den Voraussetzungen für eine Anrechnung der KapErtrSt auf Anlegerebene vor, wenn der Spezial-Investmentfonds die Transparenzoption für inländische Beteiligungseinnahmen und sonstige inländische Einkünfte ausübt. Zielsetzung ist die Vermeidung etwaiger Cum/Cum-Geschäfte. – Diverse Klarstellungen in § 35 InvStG für ausgeschüttete Erträge und die Ausschüttungsreihenfolge. Als vorrangig ausgeschüttet gelten auch die Immobilien-Zurechnungserträge, sofern die Immobilien-Transparenzoption gem. § 33 Abs. 2 Satz 3 InvStG ausgeübt wurde. Abs. 3a definiert zudem die Immobilien-Transparenzoption. Weiterhin wird klargestellt, dass es sich bei den Zurechnungsbeträgen (bei ausgeübter Transparenzoption gem. § 30 Abs. 1 InvStG) nur um die Beteiligungseinnahmen nach Abzug der KapErtrSt (d.h. um die Nettobeträge) handelt. Ein Liquiditätsüberhang in Form von Absetzungsbeträgen (insbes. AfA auf Immobilien) darf vorrangig nur im Geschäftsjahr der Entstehung oder innerhalb von vier Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres ihrer Entstehung ausgeschüttet werden. Abschließend wurden in Abs. 5 die Voraussetzungen für eine steuerneutrale Ausschüttung von Substanzbeträgen erweitert, was jedoch lediglich deklaratorischen Charakter hat. – Abschaffung der Steuerstundung bei Wegfall der Voraussetzungen eines Spezial-Investmentfonds. § 52 Abs. 2 Satz 4 InvStG wurde aufgehoben, der die zinslose Stundung der festgesetzten Steuer aufgrund einer fiktiven Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen vorsah, wenn die Voraussetzungen des § 26 InvStG nicht mehr erfüllt sind. 6 Besteuerung des fiktiven Veräußerungsgewinns gem. § 56 Abs. 2 Satz 1 InvStG bei Umwand-

lung eines Spezial-Investmentfonds (§ 56 Abs. 3a InvStG n.F.). Nach der Gesetzesbegründung ist derzeit unklar, ob bei einer fiktiven Veräußerung von Anteilen an einem Investmentfonds gem. § 19 Abs. 2 Satz 1 InvStG (d.h. bei Wegfall des Anwendungsbereichs des InvStG) oder einer fiktiven Veräußerung von Anteilen an einem Spezial-Investmentfonds gem. § 52 Abs. 2 Satz 1 InvStG (d.h. bei Nichterfüllen der Voraussetzungen des § 26 InvStG) auch der zum 31.12.2017 festgestellte fiktive Veräußerungsgewinn gem. § 56 Abs. 3 Satz 1 InvStG sofort zu versteuern ist, da nach der letztgenannten Vorschrift hierfür eine tatsächliche Veräußerung vorliegen muss. Durch die Einfügung von § 56 Abs. 3a InvStG n.F. soll nunmehr klargestellt werden, dass es in den vorgenannten Fällen auch zu einer sofortigen Versteuerung des fiktiven Veräußerungsgewinns gem. § 56 Abs. 3 Satz 1 InvStG kommt. Für die Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung von Investmentanteilen, die nicht zu einem Betriebsvermögen gehören, ist § 20 Abs. 4 EStG anzuwenden.

972 | Hensel

E. Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz (Abs. 3) | Rz. 9 § 57

C. Übergangsregelung für Stundungen (Abs. 1 Satz 2) Abs. 1 Satz 2 bestimmt, dass „bis einschließlich 31. Dezember 2019 gewährte“ Stundungen 7 i.S.d. § 52 Abs. 2 Satz 4 InvStG a.F. „unberührt“ bleiben. Diese Neuregelung soll grds. erst ab dem 1.1.2020 gelten. Insofern sieht das „JStG 2019“1 derzeit vor, dass bis einschließlich 31.12.2019 „gewährte Stundungen“ nach § 52 Abs. 2 Satz 4 InvStG a.F. unberührt bleiben. Diese Formulierung ist jedoch nicht zweifelsfrei. Unseres Erachtens ist beabsichtigt zu regeln, dass im Jahr 2019 erfolgte Umwandlungen eines Spezial-Investmentfonds in einen Investmentfonds – und die daraus folgende fiktive Veräußerung – von der derzeit geltenden Stundungsregelung des § 52 Abs. 2 Satz 4 InvStG weiterhin profitieren sollen. Dass nach dem Wortlaut der Regelung auf die bis zum 31.12.2019 „gewährte“ Stundung abgestellt wird, mithin für Fälle, in denen die entsprechende Steuererklärung – und somit auch die Festsetzung – erst nach diesem Zeitpunkt erfolgt, nicht greift, ist nicht nachvollziehbar. Vom Sinn und Zweck dieser Vertrauensschutzregelung wäre es nur folgerichtig, wenn auf den Zeitpunkt des tatsächlichen wirtschaftlichen Vorgangs abgestellt würde. Dementsprechend ist die Stundungsregelung für alle bis einschließlich Ende 2019 erfolgten Umwandlungen eines SpezialInvestmentfonds in einen Investmentfonds anzuwenden.2

D. Jahressteuergesetz 2020 (Abs. 2) Wortgleich mit Abs. 1 Satz 2 bestimmt Abs. 2, dass die Änderungen aufgrund des JStG 20203 8 ab dem 1.1.2021 anzuwenden sind. Es handelt sich um die Änderungen in – § 1 Abs. 2 InvStG, wonach eine aufsichtsrechtliche Entscheidung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 KAGB keine Bindungswirkung für das InvStG entfaltet, – Klarstellungen bei der Steuerbefreiung in § 10 InvStG, – Klarstellungen bei der fiktiven Veräußerung im Falle der Änderung des Teilfreistellungsatzes nach § 22 InvStG, Klarstellung zur Anwendung der Semitransparenz auf mehrstufige Spezial-Investmentfonds-Strukturen, Anwendung der Folgeänderungen in § 42 InvStG, – Klarstellung in § 49, dass § 3 Nr. 40 EStG und § 8b KStG nur dann auf den Anleger-Aktiengewinn anzuwenden sind, wenn kein Fall des § 30 Abs. 3 InvStG (z.B. Krankenversicherungsunternehmen als Anleger) gegeben ist, – Konkretisierungen beim Feststellungsverfahren für den Freibetrag gem. § 56 Abs. 6 InvStG.

E. Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz (Abs. 3) Abs. 3 Satz 1 beinhaltet die Anwendungsregelungen für die Änderungen durch das Gesetz zur 9 Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung der Kapitalertragsteuer v. 2.6.20214. Danach sind die Änderungen ab dem 1.7.2021 anzuwenden. Es handelt sich um die Änderungen in §§ 7 und 11 InvStG zur Vermeidung einer Mehrfacherstattung von KapErtrSt bei beschränkt stpfl. Investmentfonds.

1 2 3 4

G v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451. Ebenso Bindl/Schober, BB 2020, 558; Stadler/Sotta, BB 2020, 279. G v. 21.12.2020, BGBl. I 2020, 3096. BGBl. I 2021, 1259. Hensel | 973

§ 57 Rz. 10 | Anwendungsvorschriften 10 Abs. 3 Satz 2 bestimmt, dass ein Entrichtungspflichtiger gegenüber einem Investmentfonds ab

dem 1.1.2021 keine Erstattung mehr vornehmen darf, wenn ihm nur eine vor diesem Tag erstellte Statusbescheinigung vorliegt. Hintergrund ist die Tatsache, dass der Entrichtungspflichtige bei diesen Bescheinigungen den Status des Fonds nicht ermitteln kann, sodass bei einer Erstattung weiterhin Mehrfacherstattungen möglich wären, wenn es sich tatsächlich um einen beschränkt stpfl. Investmentfonds handelt (vgl. § 7 InvStG Rz. 63).

F. Fondsstandortgesetz (Abs. 4) 11 Abs. 4 beinhaltet die Anwendungsregelungen, die sich für die Ergänzungen aufgrund des

Fondsstandortgesetzes v. 3.6.20211 ergeben. So wurde der Katalog der zuständigen Vermögensgegenstände in § 26 Nr. 4 InvStG um Beteiligungen an Infrastruktur-Projektgesellschaften und Kryptowerte ergänzt. Diese Änderungen finden parallel zu entsprechenden Erweiterungen im Aufsichtsrecht ab dem 2.8.2021 Anwendung.

G. ATAD-Umsetzungsgesetz (Abs. 5) 12 Abs. 5 regelt die letztmalige Anwendung des durch das Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steu-

ervermeidungsrichtlinie v. 25.6.20212 aufgehobenen § 43 Abs. 2 InvStG, der eine entsprechende Anwendung der Steuerbefreiung i.S.d. § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG fingierte. Diese findet letztmalig für den VZ 2021 Anwendung.

H. KöMoG (Abs. 6) 13 Abs. 6 beinhaltet die Anwendungsregelungen für die Änderungen im InvStG durch das Gesetz

zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts v. 25.6.20213. Die Folgeänderungen im InvStG fußen maßgeblich auf dem Gedanken, dass sich aus der Option zur Körperschaftsbesteuerung keine Änderungen in der materiell-rechtlichen Beurteilung nach dem Investmentsteuerrecht ergeben sollen. Sie finden ab dem 1.1.2022 Anwendung.

I. Jahressteuergesetz 2022 (Abs. 7 i.d.F. des JStG 2022-E) 14 Abs. 7 i.d.F. des JStG 2022-E beinhaltet die Anwendungsregelungen für die Änderungen des

InvStG durch das geplante JStG 20224. Sie sollen ab dem 1.1.2023 Anwendung finden und sollen es den Spezial-Investmentfonds ermöglichen, ohne Verlust des Status stärker in die Erzeugung erneuerbarer Energien bei ihren Grundstücken zu investieren (vgl. auch § 26 InvStG Rz. 9 a.E., § 29 InvStG Rz. 8 und 61 a.E., § 33 InvStG Rz. 9 a.E., § 42 InvStG Rz. 10 a.E. und § 45 InvStG Rz. 7).

1 2 3 4

BGBl. I 2021, 1498. BGBl. I 2021, 2035. BGBl. I 2021, 2050. BT-Drucks. 20/4729 v. 30.11.2022.

974 | Hensel

Anhänge Anhang 1 Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) Für die einkommensteuerliche Behandlung der Einkünfte aus Investmentfonds ist die folgende Vorschrift von Bedeutung: § 20 EStG (1) Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören ... 3. Investmenterträge nach § 16 des Investmentsteuergesetzes; 3a. Spezial-Investmenterträge nach § 34 des Investmentsteuergesetzes; … A. (Spezial-)Investmenterträge als Einkünfte aus Kapitalvermögen . . . . . . . . . . . . . . B. Einkünfte aus (Spezial-)Investmentfonds I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einkünfte aus Investmentfonds (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG) 1. Investmenterträge nach § 16 InvStG . . 2. Anwendung der Regelungen über die Abgeltungssteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 4

III. Einkünfte aus Spezial-Investmentfonds (§ 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG) 1. Spezial-Investmenterträge nach § 34 InvStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine Anwendung der Regelungen über die Abgeltungssteuer . . . . . . . . . .

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5 8

Literatur: Kral/Watzlaw, Die Vorabpauschale nach Einführung der Investmentsteuerreform, BB 2018, 2717; Anemüller, Die ertragsteuerliche Behandlung der Vorabpauschale i.S.d. § 18 InvStG beim Privatanleger (§ 18 InvStG), ErbStB 2019, 87; Morawitz, Die Änderungen der Anlagen KAP vor dem Hintergrund der Reform des InvStG, DStR 2019, 1853; Schäfer, InvStG 2018: Fragen zur Vorabpauschale i.S.d. § 18 InvStG –Privatanleger: Steuererklärungspflicht im Einzelfall – Betriebliche Anleger: Drohende Doppelbesteuerung, StB 2020, 123; Schäfer, Freibetrag nach § 56 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 InvStG: Geltendmachung i.R.d. Steuererklärung und Nutzung i.R.d. Nachfolgeplanung, StB 2021, 85; Käfer/Klein, Aktiendirektanlage versus Aktienfonds – Steuerplanerischer Vergleich, DStR 2022, 344.

A. (Spezial-)Investmenterträge als Einkünfte aus Kapitalvermögen Mit der Investmentsteuerreform 2018 wurde der Katalog des § 20 Abs. 1 EStG um zwei wei- 1 tere Tatbestände ergänzt. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG gehören seither zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Investmenterträge i.S.d. § 16 InvStG. Entsprechendes gilt nach § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG für Spezial-Investmenterträge i.S.d. § 34 InvStG.1 Die Vorschriften sind Komplementärnormen zu den Regelungen des InvStG und erfassen die Einkünfte des Anlegers. Bis zur Investmentsteuerreform 2018 galten die auf Investmentanteile ausgeschütteten und die ausschüttungsgleichen Erträge sowie der Zwischengewinn als Erträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, sofern sie nicht den Betriebseinnahmen des Anlegers, den Leistungen nach § 22 Nr. 1

1 Die Regelungen sind erstmalig anwendbar auf (Spezial-)Investmenterträge ab dem 1.1.2018 (§ 52 Abs. 28 Satz 22 EStG). Hasbach | 975

Rz. 1 | Anhang 1 Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG)

Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG oder den Leistungen i.S.d. § 22 Nr. 5 EStG zuzurechnen waren (§ 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG a.F.). 2 Die Zuordnung der (Spezial-)Investmenterträge zu den Einkünften aus Kapitalvermögen ist

systematisch zutreffend. Denn die in § 20 Abs. 1 EStG genannten Erträge werden entweder als Entgelt für die zeitlich begrenzte Überlassung von Kapital gezahlt oder stammen aus einer vermögensmäßigen Beteiligung.1 Bei der Anlage in einen (Spezial-)Investmentfonds leistet der Anleger eine Einlage und erhält im Gegenzug Anteile an dem (Spezial-)Investmentfonds, durch die er an der Wertentwicklung des (Spezial-)Investmentfonds sowie an den von diesem Fonds vorgenommenen Ausschüttungen partizipiert.

3 Wie bei allen in § 20 EStG genannten Erträgen erzielt der Anleger jedoch mit der Anlage in

einen (Spezial-)Investmentfonds nur dann Einkünfte aus Kapitalvermögen, wenn er sich als Privatanleger an dem (Spezial-)Investmentfonds beteiligt. Gehören die Erträge zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit oder Vermietung und Verpachtung, sind sie diesen Einkünften zuzurechnen (§ 20 Abs. 8 Satz 1 EStG).

B. Einkünfte aus (Spezial-)Investmentfonds I. Vorbemerkung 4 § 20 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 3a EStG differenzieren zwischen Investmenterträgen i.S.d. § 16

InvStG und Spezial-Investmenterträgen i.S.d. § 34 InvStG. Da in § 16, § 34 InvStG sowohl die laufenden (Spezial-)Investmenterträge als auch die Gewinne aus der Veräußerung von (Spezial-)Investmentanteilen genannt werden, fallen diese insgesamt unter § 20 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 3a EStG. Die in § 20 EStG vorgenommene systematische Trennung zwischen laufenden Erträgen (Abs. 1) und Veräußerungsgewinnen (Abs. 2) wird damit bei Einkünften aus (Spezial-)Investmentfonds durchbrochen.2

II. Einkünfte aus Investmentfonds (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG) 1. Investmenterträge nach § 16 InvStG 5 Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG Investment-

erträge nach § 16 InvStG. Hierbei handelt es sich um einen Rechtsgrundverweis.3 Erfasst werden Erträge aus Investmentfonds in Form von – Ausschüttungen einschließlich diesen gleichgestellten Erträgen (z.B. ein bei Verschmelzung von Investmentfonds an die Anleger gezahlter Barausgleich i.S.d. § 23 Abs. 3 Satz 3 InvStG), – Vorabpauschalen und – Gewinnen aus der Veräußerung von Investmentanteilen (einschließlich der Rückgabe, Abtretung, Entnahme oder verdeckten Einlage in eine KapGes. und einer beendeten Abwick-

1 Vgl. Bleschick in Kirchhof/Seer21, § 20 EStG Rz. 9; Buge in H/H/R, § 20 EStG Anm. 40 (Stand: Oktober 2019). 2 Schmidt in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, BeckOK, § 20 EStG Rz. 750 („dogmatisch unsystematisch“) (Stand: Juli 2022); anders noch § 8 Abs. 5 Satz 1 InvStG a.F., wonach Gewinne aus der Rückgabe oder Veräußerung von Investmentanteilen, die weder zu einem Betriebsvermögen noch zu den Einkünften nach § 22 Nr. 1 oder Nr. 5 EStG gehörten, den Einkünften i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG zuzurechnen waren. 3 Schmidt in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, BeckOK, § 20 EStG Rz. 742 (Stand: Juli 2022).

976 | Hasbach

B. Einkünfte aus (Spezial-)Investmentfonds | Rz. 7

lung oder Liquidation des Investmentfonds [§ 2 Abs. 13 InvStG] sowie einschließlich fiktiver Veräußerungsgewinne [z.B. bei der Änderung oder dem Wegfall des Teilfreistellungssatzes nach § 22 InvStG]). Einkünfte aus Kapitalvermögen sind demjenigen zuzurechnen, der sie „erzielt“ (§ 2 Abs. 1 6 Satz 1 EStG). Maßgeblich ist, wer den Besteuerungstatbestand erfüllt.1 Bis zur Investmentsteuerreform 2018 galt für Erträge aus im Privatvermögen gehaltenen Investmentanteilen § 20 Abs. 5 EStG.2 Die Zurechnung der Erträge erfolgte grds. zu demjenigen, dem die Anteile nach § 39 AO zuzurechnen waren. Vergleichbares gilt auch nach der Investmentsteuerreform 2018. Zwar fehlt eine ausdrückliche Regelung, wonach der Anleger die Einkünfte erzielt. Aus der amtlichen Überschrift vor § 16 InvStG lässt sich jedoch ableiten, dass dem „Anleger“ die Erträge aus Investmentfonds steuerlich zuzurechnen sind.3 Wer Anleger ist, ist in § 2 Abs. 10 InvStG definiert. Danach ist derjenige Anleger, dem der Investmentanteil nach § 39 AO zuzurechnen ist, d.h. grds. dem zivilrechtlichen Eigentümer, ggf. dem wirtschaftlichen Eigentümer. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem die Erträge zufließen bzw. als zugeflossen gelten.4 Fraglich ist jedoch, ob die Regelung abschließend ist oder ob die Erträge aus Investmentfonds auch dann dem Anteilsinhaber i.S.d. § 39 AO zuzurechnen sind, wenn nach den allgemeinen Grundsätzen ein anderer die Einkünfte „erzielt“ (z.B. beim Vorbehaltsnießbrauch)5. Nach hier vertretener Auffassung sperren die Regelungen des Investmentsteuergesetzes den Rückgriff auf die allgemeinen Zurechnungskriterien nicht, auch wenn eine dem § 20 Abs. 5 Satz 3 EStG vergleichbare Regelung fehlt. Erzielt daher ein Dritter die Investmenterträge, ohne dass ihm zugleich die Anteile nach § 39 AO zuzurechnen sind, sind ausnahmsweise die Einkünfte nicht dem Anleger, sondern dem Dritten steuerlich zuzurechnen. Ausschüttungen und Veräußerungsgewinne sind beim Anleger im Zeitpunkt des Zuflusses zu 7 erfassen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 EStG). Vorabpauschalen gelten am ersten Werktag des folgenden Kalenderjahres als zugeflossen (§ 18 Abs. 3 InvStG). Bei fiktiven Veräußerungsgewinnen sind die besonderen Vorschriften über den Zuflusszeitpunkt zu beachten (z.B. bei der Änderung oder dem Wegfall des Teilfreistellungssatzes: Zufluss erst bei tatsächlicher Veräußerung der Investmentanteile, vgl. § 22 Abs. 3 InvStG). Beteiligt sich der StPfl. an Aktienfonds (§ 2 Abs. 6 InvStG), Mischfonds (§ 2 Abs. 7 InvStG) oder Immobilienfonds (§ 2 Abs. 9 InvStG), sind die vorgenannten Erträge nach § 20 InvStG teilweise stfrei (Teilfreistellung).

1 BFH v. 29.11.1982 – GrS 1/81, BStBl. II 1983, 272; v. 14.12.1999 – VIII R 49/98, BStBl. II 2000, 341; v. 28.9.2011 – VIII R 10/08, BStBl. II 2012, 315; Bleschick in Kirchhof/Seer21, § 20 EStG Rz. 17; Buge in H/H/R, § 20 EStG Anm. 19 (Stand: Oktober 2019). 2 Vgl. zu § 2 InvStG a.F. T. Carlé in Korn, § 2 InvStG a.F. Rz. 10 (Stand: September 2014); Lübbehüsen in Berger/Steck/Lübbehüsen, § 2 InvStG Rz. 64. 3 Vgl. auch BT-Drucks. 119/16, 95 („Der Anleger versteuert ...“). 4 Soweit in der Vergangenheit u.a. auf den Zeitpunkt des Ausschüttungsbeschlusses abgestellt wurde (vgl. Lübbehüsen in Berger/Steck/Lübbehüsen, § 2 InvStG Rz. 64), kann daran für Investmenterträge nach dem 1.1.2018 nicht mehr festgehalten werden, da zum einen § 20 Abs. 5 Satz 1 EStG auf Erträge aus Investmentfonds nicht mehr anwendbar ist und zum anderen – im Gegensatz zur früheren Rechtslage (§ 12 InvStG a.F.) – ein Ausschüttungsbeschluss steuerlich nicht zwingend erforderlich ist. 5 Einkünfte im Zusammenhang mit Kapitalvermögen, an dem ein Vorbehaltsnießbrauch bestellt ist, können u.U. dem Nießbraucher zuzurechnen sein, auch wenn dieser weder zivilrechtlicher noch wirtschaftlicher Eigentümer des Kapitalvermögens ist, vgl. BMF v. 23.11.1983 – IV B 1 - S 2253 - 103/83, BStBl. I 1983, 508 Rz. 55 (nicht mehr in Positivliste enthalten); Buge in H/H/R, § 20 EStG Anm. 27 (Stand: Oktober 2019); vgl. zum Vorbehaltsnießbrauch bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung BFH v. 28.7.1981 – VIII R 35/79, BStBl. II 1982, 380. Hasbach | 977

Rz. 8 | Anhang 1 Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG)

2. Anwendung der Regelungen über die Abgeltungssteuer 8 Investmenterträge, die den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzurechnen sind, unterliegen

den allgemeinen Regelungen über die Abgeltungssteuer. Der Abzug von WK (§ 9 EStG) für die dem Anleger mit der Kapitalanlage entstandenen Aufwendungen bei der Ermittlung der Einkünfte ist daher ausgeschlossen (§ 20 Abs. 9 Satz 1 EStG). Verluste im Zusammenhang mit dem Halten von Investmentanteilen dürfen nicht mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden (§ 20 Abs. 6 Satz 1 EStG). Der Ausgleich mit positiven Kapitalerträgen ist hingegen möglich.

9 Auf Einkünfte aus Investmenterträgen ist – vorbehaltlich einer Anwendung von § 32d Abs. 6

EStG – der gesonderte Steuertarif nach § 32d Abs. 1 EStG anzuwenden. § 32d Abs. 2 EStG enthält für Investmenterträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG keine Rückausnahme. Soweit auf Investmenterträge KapErtrSt einbehalten wird (zum Kapitalertragsteuerabzug s. Anh. 2), ist die ESt mit dem Steuerabzug grds. abgegolten (§ 43 Abs. 5 Satz 1 EStG). Investmenterträge, die nicht dem Kapitalertragsteuerabzug unterliegen (z.B. Investmenterträge auf in einem ausländischen Depot verwahrte Investmentanteile), sind in die Veranlagung zur ESt einzubeziehen (§ 32d Abs. 3 EStG).

III. Einkünfte aus Spezial-Investmentfonds (§ 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG) 1. Spezial-Investmenterträge nach § 34 InvStG 10 Nach § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Spezial-

Investmenterträge i.S.d. § 34 InvStG. Aufgrund dieser Rechtsgrundverweisung fallen unter § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG: – ausgeschüttete Erträge i.S.d. § 35 InvStG, – ausschüttungsgleiche Erträge i.S.d. § 36 Abs. 1 InvStG sowie – Gewinne aus der Veräußerung von Spezial-Investmentanteilen i.S.d. § 49 InvStG.

11 Ausgeschüttete Erträge sind die nach §§ 37 bis 41 InvStG ermittelten Einkünfte eines Spezi-

al-Investmentfonds, soweit diese zur Ausschüttung verwendet werden (§ 35 Abs. 1 InvStG). Erfasst werden grds. sämtliche ausgeschütteten Erträge. Für die Frage, welche Erträge der Fonds zur Ausschüttung verwendet, ist die besondere Verwendungsreihenfolge des § 35 Abs. 2 bis 6 InvStG zu beachten.

12 Die ausschüttungsgleichen Erträge sind in § 36 InvStG definiert. Hierzu gehören grds.

– sämtliche Kapitalerträge i.S.d. § 20 EStG mit Ausnahme der nach § 36 Abs. 2 InvStG stfrei thesaurierbaren Erträge, – Erträge aus der Vermietung und Verpachtung sowie aus der Veräußerung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten und – sonstige Erträge (d.h. alle Einkünfte, die nicht zu den Einkünften i.S.d. §§ 20, 21, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören; vgl. § 36 Abs. 3). 13 Macht der Spezial-Investmentfonds hingegen von der Transparenzoption Gebrauch (§ 30

InvStG), gilt Vorstehendes mit der Maßgabe, dass inländische Beteiligungseinnahmen sowie sonstige Einkünfte mit Steuerabzug nicht als ausschüttungsgleiche Erträge gelten (§ 36 Abs. 1 Satz 2 InvStG). Diese hat der Anleger so zu versteuern, als hätte nicht der Spezial-Investmentfonds, sondern der Anleger die Erträge unmittelbar erzielt. Auf die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge sowie die Gewinne aus der Veräußerung eines Spezial-Investmentanteils hat der Spezial-Investmentfonds nach Maßgabe des § 50 InvStG Kapitalertragsteuer einzubehalten (vgl. im Einzelnen § 50 InvStG Rz. 13 ff.). 978 | Hasbach

B. Einkünfte aus (Spezial-)Investmentfonds | Rz. 15

Für die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Erträge zufließen, gilt grds. das nach § 38 InvStG 14 „modifizierte“ Zufluss-/Abflussprinzip des § 11 EStG (vgl. im Einzelnen § 38 InvStG Rz. 16 ff.). Die personelle Zurechnung der Einkünfte richtet sich nach § 2 Abs. 10 InvStG i.V.m. § 39 AO (s. hierzu Rz. 6). 2. Keine Anwendung der Regelungen über die Abgeltungssteuer Erzielen natürliche Personen Einkünfte aus Spezial-Investmentfonds, sind die Vorschriften im 15 Zusammenhang mit der Abgeltungssteuer (§ 2 Abs. 5b, § 20 Abs. 6, 9, § 32d, § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG) nicht anwendbar (§ 34 Abs. 2 Satz 1 InvStG; s. § 34 InvStG Rz. 27 ff.).1

1 Hierdurch soll eine unangemessene Privilegierung gegenüber Anlegern von Publikums-Investmentfonds vermieden werden, die durch die Möglichkeit zur steuerneutralen Thesaurierung von Veräußerungsgewinnen und Gewinnen aus Termingeschäften andernfalls entstehen könnte (BT-Drucks. 119/ 16, 115). Hasbach | 979

980 | Hasbach

Anhang 2 Kapitalertragsteuer auf Investmenterträge A. Überblick I. Steuersystematische Einordnung und Bedeutung des Kapitalertragsteuerabzugs II. Zu unterscheidende Regelungsbereiche 1. Unterscheidung zwischen Erträgen auf Fondseingangs- und Fondsausgangsseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unterscheidung zwischen Erträgen aus Investmentfonds, Erträgen aus Spezial-Investmentfonds und Erträgen aus Altersvorsorgevermögensfonds . . . . . III. Neuregelung des Kapitalertragsteuerabzugs für Erträge aus Investmentfonds mit dem Investmentsteuerreformgesetz 2018 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Kapitalertragsteuerpflichtige Kapitalerträge i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und 9 EStG (Investmenterträge) I. Laufende Investmenterträge i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG . . . . . . . . . . . . . II. Gewinne aus der Veräußerung von Investmentanteilen i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Inländische und ausländische Investmenterträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Investmenterträge als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus selbstständiger Arbeit und aus Vermietung und Verpachtung V. Kapitalertragsteuer gegenüber einem nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Entrichtung der Kapitalertragsteuer (§ 44 EStG) I. Unterscheidung zwischen Schuldner der Kapitalertragsteuer und Entrichtungspflichtigem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Pflichten des Entrichtungspflichtigen . III. „Die die Kapitalerträge auszahlende Stelle“ i.S.d. § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1, 4 und 5 EStG 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inländische und ausländische Investmenterträge – Verwahrung oder Verwaltung durch ein inländisches Institut oder Unternehmen a) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

3

4

IV. D.

5

E. I.

7 10 12

13

II. III.

IV. V.

14 VI. VII. 16 18

F. I.

20

21

II.

b) Investmenterträge mit Ausnahme von Erträgen aus Vorabpauschalen (§ 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG) . . . . . . . . c) Erträge aus Vorabpauschalen (§ 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 EStG) . . . . . . . 3. Inländische Investmenterträge – keine Verwahrung oder Verwaltung durch Institut oder Unternehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 5 EStG) . . . . . . . . . . . . . . Mittel zur Durchführung des Steuerabzugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bemessung der Kapitalertragsteuer (§ 43a EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abstandnahme vom Kapitalertragsteuerabzug Identität von Gläubiger und Schuldner bzw. auszahlender Stelle (§ 43 Abs. 2 Satz 1 EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interbankenprivileg (§ 43 Abs. 2 Satz 2 EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Befreiung bei unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften, Personenvereinigungen sowie bei inländischen Betrieben (§ 43 Abs. 2 Sätze 3 ff. EStG) Freistellungsauftrag, Nichtveranlagungs-Bescheinigung (§ 44a Abs. 1, 2 EStG, R 24 Abs. 2 KStR) . . . . . . . . . . . . Steuerbefreite inländische Körperschaften, Personenvereinigungen, Vermögensmassen und inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts (§ 44a Abs. 4 EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerabzug bei Dauerüberzahlern (§ 44a Abs. 5 EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerabzug bei Investmentfonds (§ 7 Abs. 1 InvStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erstattung von Kapitalertragsteuer (§ 44b EStG) Erstattung nach Ausschüttungen in der Liquidationsphase eines Investmentfonds (§ 44b Abs. 1 EStG) . . . . . . . . . . . Erstattung bei Steuerabzug ohne rechtlichen Grund oder bei nachträglicher Vorlage bestimmter Bescheinigungen (§ 44b Abs. 5 EStG) . . . . . . . . . . . . . . . .

22 24

25 27 35

42 43

44 47

50 52 53

54

62

Literatur: Kral/Watzlaw, Die geplante Reform der Investmentbesteuerung – Praxishinweise und Handlungsbedarf aus Sicht einer depotführenden Stelle, BB 2015, 2198; von Schweinitz/Thiems, Die Umsetzungspflichten für Depotbanken bei Publikumsfonds nach dem Regierungsentwurf des Gesetzes zur ReHasbach | 981

Rz. 1 | Anhang 2 Kapitalertragsteuer auf Investmenterträge form der Investmentbesteuerung, DStR 2016, 1198; Stadler/Bindl, Das neue InvStG – Überblick und Korrekturbedarf, DStR 2016, 1953; Jansen/Greger, InvStG 2018 – erste Praxis- und Anwendungsfragen – Teil II, BB 2018, 1243; Kral/Watzlaw, Die Vorabpauschale nach Einführung der Investmentsteuerreform, BB 2018, 2717; Hahne/Neumann, Entwurf eines JStG 2020: Vorgeschlagene Änderungen bei der Abgeltungsteuer und der Investmentbesteuerung, RdF 2020, 284; Schäfer, InvStG 2018: Fragen zur Vorabpauschale i.S.d. § 18 InvStG – Privatanleger: Steuererklärungspflicht im Einzelfall – Betriebliche Anleger: Drohende Doppelbesteuerung, StB 2020, 123; Link, AbzStEntModG-RegE zur Reform des § 50d Abs. 3 EStG – Konsequenzen für Private-Equity-Strukturen, RdF 2021, 122.

A. Überblick I. Steuersystematische Einordnung und Bedeutung des Kapitalertragsteuerabzugs 1 Die KapErtrSt zählt zu den Quellensteuern.1 Sie dient dem Zweck, den Steueranspruch des

Staates durch den Abzug an der Quelle der Kapitalerträge zu einem möglichst frühen Zeitpunkt sicherzustellen. Gleichzeitig dient sie der Gleichmäßigkeit der Besteuerung.2 Die KapErtrSt ist keine eigene, neben die Steuern vom Ertrag tretende Steuer, sondern lediglich eine besondere Erhebungsform der ESt bzw. KSt,3 bei der die zum Kapitalertragsteuerabzug verpflichteten Stellen (§ 44 EStG) als Organe der Steuererhebung handeln („Verwaltungshelfer“).4 Ihrem Wesen nach ist die KapErtrSt daher Bestandteil der Durchsetzung des Steueranspruchs.

2 Mit dem Steuerabzug auf Kapitalerträge ist die ESt grds. abgegolten (§ 43 Abs. 5 Satz 1 EStG).5

Eine Einbeziehung in die Veranlagung erfolgt nicht. Etwas anderes gilt, wenn die Erträge den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus selbstständiger Arbeit oder aus Vermietung und Verpachtung zuzurechnen sind, ein Fall des § 32d Abs. 2 EStG vorliegt (§ 43 Abs. 5 Satz 2 EStG) oder wenn der StPfl. die Einbeziehung der Erträge in die besondere Besteuerung von Kapitalerträgen nach § 32d EStG beantragt (§ 43 Abs. 5 Satz 3 EStG). Die Erträge sind dann bei der Steuerfestsetzung einzubeziehen; die einbehaltene KapErtrSt ist unter den Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG auf die festgesetzte ESt anzurechnen.6

II. Zu unterscheidende Regelungsbereiche 1. Unterscheidung zwischen Erträgen auf Fondseingangs- und Fondsausgangsseite 3 Der Investmentfonds einerseits (Zweckvermögen bzw. Vermögensmasse qua gesetzlicher Fik-

tion; vgl. § 6 Abs. 1, § 29 Abs. 1 InvStG) und der Anleger andererseits sind jeweils getrennte Steuersubjekte. Das Gesetz unterscheidet daher zwischen – Erträgen, die der Investmentfonds aus der Anlage in bestimmte Vermögensgegenstände erzielt (Fondseingangsseite; vgl. § 6, §§ 29 f. InvStG), und 1 Bleschick in Kirchhof/Seer21, § 43 EStG Rz. 1; Jachmann-Michel in Brandis/Heuermann, § 43 EStG Rz. 1 (Stand: August 2021). 2 Haug in H/H/R, § 43 EStG Anm. 3 (Stand: Dezember 2020). 3 Haug in H/H/R, § 43 EStG Anm. 3 (Stand: Dezember 2020); Jachmann-Michel in Brandis/Heuermann, § 43 EStG Rz. 1 (Stand: August 2021). 4 BFH v. 23.4.1996 – VIII R 30/93, BFHE 181, 7. 5 S. zur Funktion der KapErtrSt im System der Abgeltungsteuer Weber-Grellet, DStR 2013, 1357 und 1412. 6 Die erweiterten Anrechnungsvoraussetzungen i.S.d. § 36a EStG sind bei Investmenterträgen nicht zu beachten.

982 | Hasbach

A. Überblick | Rz. 6

– Erträgen, die der Anleger aus seiner Beteiligung an dem Investmentfonds erzielt (Fondsausgangsseite; vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 3, 3a EStG, §§ 16 ff., §§ 34 ff. InvStG). Diese Unterscheidung zwischen der Ebene des Investmentfonds und der Ebene des Anlegers setzt sich beim Kapitalertragsteuerabzug fort. Daher finden sich für beide Bereiche jeweils eigenständige Regelungen zum Kapitalertragsteuerabzug: – für Erträge des Investmentfonds in §§ 7 ff. InvStG (für Investmentfonds) sowie in §§ 29 ff. InvStG (für Spezial-Investmentfonds und Altersvorsorgevermögensfonds) und – für Erträge des Anlegers (§§ 43 ff. EStG, § 50 InvStG). 2. Unterscheidung zwischen Erträgen aus Investmentfonds, Erträgen aus Spezial-Investmentfonds und Erträgen aus Altersvorsorgevermögensfonds Seit der Investmentsteuerreform 2018 differenziert das Gesetz für Zwecke des Kapitalertrag- 4 steuerabzugs zwischen Erträgen aus Investmentfonds, Erträgen aus Spezial-Investmentfonds sowie Erträgen aus Altersvorsorgevermögensfonds. Während der Kapitalertragsteuerabzug auf Erträge aus Investmentfonds im EStG geregelt wurde, ist auf Erträge eines Anlegers aus Spezial-Investmentfonds und Altersvorsorgevermögensfonds § 50 InvStG anwendbar.1

III. Neuregelung des Kapitalertragsteuerabzugs für Erträge aus Investmentfonds mit dem Investmentsteuerreformgesetz 2018 Bis zur Investmentsteuerreform 2018 war die Verpflichtung zum Abzug von KapErtrSt auf 5 Erträge aus Investmentvermögen im InvStG selbst geregelt. In Abhängigkeit davon, ob es sich um ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche Erträge, Zwischengewinne oder andere Erträge handelte und wie sich die jeweiligen Erträge zusammensetzten (z.B. Dividenden, Zinsen, Veräußerungsgewinne etc.), enthielt § 7 InvStG a.F. zahlreiche unterschiedliche Regelungen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang KapErtrSt einzubehalten und abzuführen war. Zur konkreten Abwicklung des Abzugsverfahrens verwies § 7 InvStG a.F. wiederum auf die Vorschriften des EStG. Mit der Investmentsteuerreform 2018 wurde der Kapitalertragsteuerabzug auf Erträge aus 6 Investmentfonds vollständig neu geregelt. Der Steuerabzug wurde in das bestehende System der §§ 43 ff. EStG integriert. Leitbild war dabei der Steuerabzug durch die die Kapitalerträge auszahlende Stelle (Zahlstellenprinzip2). Zu diesem Zweck wurde § 43 Abs. 1 Satz 1 EStG um einen weiteren Abzugstatbestand erweitert (Nr. 5, laufende Investmenterträge) sowie ein bestehender Tatbestand ergänzt (Nr. 9, Veräußerungsgewinne). Außerdem wurden die weiteren kapitalertragsteuerrechtlichen Vorschriften (z.B. Abstandnahme vom Steuerabzug, Bemessungsgrundlage, Erstattung etc.) ergänzt. Die Neuregelungen sind erstmalig ab dem 1.1.2018 anzuwenden (§ 52 Abs. 42 Satz 4 EStG).

1 Zur Erhebung von KapErtrSt auf Erträge aus Spezial-Investmentfonds und Altersvorsorgevermögensfonds s. die Kommentierung zu § 50 InvStG. 2 Nach dem Zahlstellenprinzip hat die die Kapitalerträge auszahlende Stelle den Steuerabzug vorzunehmen. Den Gegensatz hierzu bildet das Schuldnerprinzip, bei dem der Steuerabzug durch den Schuldner der Kapitalerträge erfolgt. Hasbach | 983

Rz. 7 | Anhang 2 Kapitalertragsteuer auf Investmenterträge

B. Kapitalertragsteuerpflichtige Kapitalerträge i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und 9 EStG (Investmenterträge) I. Laufende Investmenterträge i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG 7 Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG unterliegen Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG

mit Ausnahme von Gewinnen aus der Veräußerung von Anteilen an Investmentfonds i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 2 Abs. 13 InvStG der KapErtrSt (laufende Investmenterträge) (zu Gewinnen aus der Veräußerung von Investmentanteilen s. Rz. 10 f.). In den Anwendungsbereich fallen daher: – Ausschüttungen aus Investmentfonds i.S.d. § 2 Abs. 11 InvStG einschließlich diesen gleichgestellter Kapitalerträge (z.B. ein im Rahmen von Verschmelzungen an die Anleger geleisteter Barausgleich i.S.d. § 190 KAGB nach § 23 Abs. 3 Satz 3 InvStG) (s. hierzu die § 16 InvStG Rz. 41 ff. und § 23 InvStG Rz. 55) und – Vorabpauschalen i.S.d. § 18 InvStG (s. hierzu § 16 InvStG Rz. 59 f. und § 18 InvStG). Zudem gehören zu den kapitalertragsteuerpflichtigen Kapitalerträgen andere Vorteile, die neben oder anstelle der vorgenannten Erträge gezahlt werden (§ 43 Abs. 1 Satz 2 EStG).1

8 Nicht zu den kapitalertragsteuerpflichtigen Kapitalerträgen i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG

zählen die in § 16 Abs. 2 InvStG genannten Erträge (Erträge aus Anteilen an Investmentfonds, die im Rahmen von zertifizierten Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen gehalten werden, sowie Vorabpauschalen bei Einrichtungen der betrieblichen und privaten Altersvorsorge), da § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 3a EStG umfassend auf § 16 InvStG und damit auch auf Abs. 2 verweist und insoweit bereits dem Grunde nach keine kapitalertragsteuerpflichtigen Erträge vorliegen. Problematisch ist allerdings, dass für die Zugehörigkeit zum begünstigten Personenkreis kein Nachweisverfahren vorgesehen ist. Soweit der Anleger ohnehin über eine NV-Bescheinigung verfügt, ist aufgrund dieser vom Steuerabzug Abstand zu nehmen. Besitzt der Anleger hingegen keine NV-Bescheinigung und ist auch nicht aufgrund anderer Rechtsvorschriften vom Kapitalertragsteuerabzug abzusehen, soll nach Auffassung der FinVerw. zunächst ein Kapitalertragsteuerabzug vorzunehmen und die Steuerbefreiung erst im Rahmen der Veranlagung zu berücksichtigen sein.2 Die einbehaltene KapErtrSt ist dann an den Anleger zu erstatten.3 Da nach dem Vorstehenden aber bereits dem Grunde

1 Hierunter können bspw. Schadensersatz- und Kulanzzahlungen, die Anleger als Ausgleich für Verluste erhalten, die aufgrund von Beratungsfehlern im Zusammenhang mit der Anlage in Investmentanteilen entstanden sind, sowie Bestandsprovisionen, die Kreditinstitute oder Finanzdienstleistungsinstitute gegenüber Anlegern erstatten, fallen (BMF-Anwendungsschreiben [konsolidierte Fassung], Rz. 16.2; BMF v. 19.5.2022 – IV C 1 - S 2252/19/10003 :009, BStBl. I 2022, 742 Rz. 83 f.). Nach Auffassung der FinVerw. ist die KapErtrSt in diesen Fällen unter Anwendung der im Zahlungszeitpunkt gültigen Teilfreistellungssätze einzubehalten (BMF v. 19.5.2022 – IV C 1 - S 2252/19/10003 :009, BStBl. I 2022, 742 Rz. 83 f.). 2 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.11. 3 Offen ist, nach welcher Rechtsgrundlage die Erstattung zu erfolgen hat. Eine Anrechnung der auf die Vorabpauschalen einbehaltenen KapErtrSt auf die festgesetzte KSt nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG ist zweifelhaft, da die Vorabpauschalen insoweit bei der Veranlagung weder „erfasst“ noch nach „§ 3 Nr. 40 EStG, § 8b Abs. 1, 2, 6 Satz 2 KStG bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz“ gelassen werden. Nach Auffassung des BFH soll allerdings eine Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen aus Gründen der materiellen Steuergerechtigkeit auch dann in Betracht kommen, wenn die dem Steuerabzug unterlegenen Einkünfte nicht steuerbar bzw. stpfl. sind und daher bei der Veranlagung bewusst außer Ansatz gelassen werden (BFH v. 23.5.2000 – VII R 3/00, BStBl. II 2000, 581; s. hierzu auch Gosch in Kirchhof/Seer21, § 36 EStG Rz. 8 f.; Lammers in H/H/R, § 36 EStG Anm. 40 [Stand: November 2021]). Ist eine Anrechnung nicht möglich, hat der Anleger jedenfalls einen Anspruch auf Erstattung der auf die Vorabpauschalen einbehaltenen KapErtrSt nach § 37 Abs. 2 AO.

984 | Hasbach

B. Kapitalertragsteuerpflichtige Investmenterträge | Rz. 11

nach keine kapitalertragsteuerpflichtigen Investmenterträge vorliegen, dürfte für dieses Vorgehen keine Rechtsgrundlage bestehen.1 Zudem scheint es einem begünstigten Anleger nur schwer vermittelbar, dass er bei Anlage in einen thesaurierenden Investmentfonds zunächst liquide Mittel zur Durchführung des auf Vorabpauschalen entfallenden Kapitalertragsteuerabzugs zur Verfügung zu stellen hat (§ 44 Abs. 1b i.V.m. Abs. 1 Sätze 7 ff. EStG), um diese später im Rahmen der Veranlagung vollständig zurückzuerhalten. Ebenfalls stellen Kapitalrückzahlungen während der Liquidationsphase eines Investment- 9 fonds prinzipiell keine Kapitalerträge i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG dar (§ 17 Abs. 1 Satz 1 InvStG). Da nach der Systematik des § 17 InvStG jedoch erst nach Ablauf eines Kalenderjahres festgestellt werden kann, ob und inwieweit Ausschüttungen als Kapitalrückzahlungen zu qualifizieren sind, unterliegen die Ausschüttungen zunächst dem Kapitalertragsteuerabzug. Stellt sich nach Ablauf des Kalenderjahres heraus, dass die Ausschüttungen die Voraussetzungen von Kapitalrückzahlungen i.S.d. § 17 InvStG erfüllen, ist dem Anleger die auf die Ausschüttungen einbehaltene KapErtrSt von der auszahlenden Stelle zu erstatten (§ 44b Abs. 1 EStG, s. hierzu Rz. 54 ff.).

II. Gewinne aus der Veräußerung von Investmentanteilen i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EStG Die in § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG ausgenommenen Gewinne aus der Veräußerung von 10 Anteilen an Investmentfonds i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 2 Abs. 13 InvStG sind in § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EStG gesondert aufgeführt und unterliegen ebenfalls der KapErtrSt (s. hierzu § 16 InvStG Rz. 61 und § 19 InvStG). Gewinne aus der Veräußerung von Investmentanteilen werden hierdurch für Zwecke des Kapitalertragsteuerabzugs wie Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer Körperschaft i.S.d. § 20 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 EStG behandelt. Die Definition der nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EStG kapitalertragsteuerpflichtigen Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Investmentfonds wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens durch Bezugnahme auf § 2 Abs. 13 InvStG präzisiert.2 Danach werden nicht nur die Veräußerung von Anteilen, sondern auch die einer Veräußerung gleichgestellten Vorgänge erfasst, d.h. die Rückgabe, Abtretung, Entnahme und verdeckte Einlage in eine KapGes. sowie die beendete Abwicklung oder Liquidation des Investmentfonds bzw. Spezial-Investmentfonds. § 43 Abs. 1 Satz 4 EStG, wonach für Zwecke des Kapitalertragsteuerabzugs die Übertragung 11 eines von einer auszahlenden Stelle verwahrten oder verwalteten Wirtschaftsguts i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG auf einen anderen Gläubiger als Veräußerung des Wirtschaftsguts gilt (Depotübertrag mit Gläubigerwechsel), ist auf die Übertragung von Anteilen an Investmentfonds nicht anwendbar, da die Einkünfte aus Erträgen aus Investmentfonds einschließlich der Veräußerung solcher Anteile in § 20 Abs. 1 EStG geregelt sind und Investmentanteile daher keine Wirtschaftsgüter i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG darstellen. Allerdings gehören zu den Einkünften aus Investmentfonds nicht nur Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen, sondern auch Gewinne aus der Abtretung von Anteilen an Investmentfonds (§ 2 Abs. 13 InvStG). Diese sind nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EStG kapitalertragsteuerpflichtig. Die rechtsgeschäftliche Übertragung von Anteilen an Investmentfonds auf einen anderen Gläubiger ist damit stets ein kapitalertragsteuerpflichtiger Vorgang, sodass auch der Depotübertrag von Anteilen an Investmentfonds auf einen anderen Gläubiger grds. der KapErtrSt unterliegt (zur Bemessung der KapErtrSt in diesen Fällen s. Rz. 40). Auf unentgeltliche Übertragungen von Anteilen ist § 43 Abs. 1 Sätze 5 und 6 EStG entsprechend anzuwenden, da kein Grund ersichtlich ist, die unent1 Jansen/Greger, BB 2018, 1243 (1245) (zu § 16 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InvStG). 2 BT-Drucks. 18/8739, 76 f., 115. Hasbach | 985

Rz. 11 | Anhang 2 Kapitalertragsteuer auf Investmenterträge

geltliche Übertragung von Anteilen an Investmentfonds gegenüber der unentgeltlichen Übertragung von Wirtschaftsgütern i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG schlechter zu stellen. D.h., unter den in § 43 Abs. 1 Sätze 5 und 6 EStG genannten Voraussetzungen gilt die unentgeltliche Übertragung von Anteilen an Investmentfonds für Zwecke des Kapitalertragsteuerabzugs nicht als steuerbarer Vorgang.1

III. Inländische und ausländische Investmenterträge 12 Kapitalertragsteuerpflichtig sind sowohl Erträge aus inländischen als auch aus ausländischen

Investmentfonds (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 EStG). Aufgrund der umfassenden Erfassung ist eine Definition von inländischen und ausländischen Erträgen vergleichbar der Regelung des § 43 Abs. 3 EStG nicht erforderlich.

IV. Investmenterträge als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus selbstständiger Arbeit und aus Vermietung und Verpachtung 13 Zu den prinzipiell dem Kapitalertragsteuerabzug unterliegenden Kapitalerträgen i.S.d. § 43

Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und 9 EStG gehören Investmenterträge auch dann, wenn sie beim Empfänger nicht den Einkünften aus Kapitalvermögen, sondern den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus selbstständiger Arbeit oder aus Vermietung und Verpachtung zuzurechnen sind (§ 43 Abs. 4 EStG). Zur Abstandnahme vom Kapitalertragsteuerabzug s. Rz. 44 ff.

V. Kapitalertragsteuer gegenüber einem nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Anleger 14 Das Gesetz differenziert nicht zwischen Erträgen aus Investmentfonds, die von natürlichen

Personen mit oder ohne Wohnsitz/gewöhnlichen Aufenthalt bzw. von Körperschaftsteuersubjekten mit oder ohne Geschäftsleitung/Sitz im Inland erzielt werden. Grundsätzlich unterliegen daher auch die Erträge aus einem inländischen Investmentfonds eines Gläubigers ohne Wohnsitz/gewöhnlichen Aufenthalt bzw. Geschäftsleitung/Sitz im Inland der KapErtrSt, sofern ein inländischer Entrichtungspflichtiger i.S.d. § 44 Abs. 1 EStG existiert (z.B. inländische Depotverwahrung) – dies, obwohl Investmenterträge, soweit sie Einkünfte aus Kapitalvermögen darstellen, nicht zu den inländischen Einkünften i.S.d. § 49 Abs. 1 EStG gehören und damit nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Nach dem Wortlaut ist selbst auf Erträge eines Steuerausländers aus einem ausländischen Investmentfonds KapErtrSt einzubehalten, soweit ein inländischer Entrichtungspflichtiger i.S.d. § 44 Abs. 1 EStG vorhanden ist (z.B. Steuerausländer lässt Anteile an einem ausländischen Investmentfonds in einem inländischen Depot verwahren). In beiden Fällen ist § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und 9 EStG jedoch teleologisch zu reduzieren und ein Kapitalertragsteuerabzug nicht vorzunehmen.2

15 Die Feststellung der Ausländereigenschaft erfolgt anhand der Merkmale, die vom Kredit-

institut im Zusammenhang mit der Legitimationsprüfung nach § 154 AO oder der Identifizierung nach §§ 3, 4 GwG bei der Begründung der Geschäftsbeziehung oder der Kontoeröffnung

1 Allgemein zum Depotübertrag mit Gläubigerwechsel s. BMF v. 19.5.2022 – IV C 1 - S 2252/19/ 10003 :009, BStBl. I 2022, 742 Rz. 162 ff. 2 BMF v. 19.5.2022 – IV C 1 - S 2252/19/10003 :009, BStBl. I 2022, 742 Rz. 313.

986 | Hasbach

C. Entrichtung der Kapitalertragsteuer (§ 44 EStG) | Rz. 19

erhoben werden. Bleibt unklar, ob der StPfl. Steuerausländer ist, kann das Kreditinstitut auf die von einer ausländischen FinBeh. ausgestellte Wohnsitzbescheinigung vertrauen und für den Kapitalertragsteuerabzug davon ausgehen, dass im Inland nur eine beschränkte StPfl. besteht.1 Das Kreditinstitut hat in einem zeitlich angemessenen Abstand zu prüfen, ob die Voraussetzungen, dass keine unbeschränkte StPfl. vorliegt, erfüllt sind.2

C. Entrichtung der Kapitalertragsteuer (§ 44 EStG) I. Unterscheidung zwischen Schuldner der Kapitalertragsteuer und Entrichtungspflichtigem Schuldner der Kapitalertragsteuer auf Erträge aus Investmentfonds i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 16 Nr. 5, 9, Satz 2 EStG ist der Gläubiger der Kapitalerträge (§ 44 Abs. 1 Satz 1 EStG). Nach h.M. ist das Tatbestandsmerkmal „Gläubiger der Kapitalerträge“ nicht zivilrechtlich, sondern steuerspezifisch auszulegen.3 „Gläubiger der Kapitalerträge“ ist daher nicht der zivilrechtlich Berechtigte, sondern derjenige, der die Erträge im steuerrechtlichen Sinne erzielt (§ 2 Abs. 1 EStG). Hierfür – und damit auch für die Bestimmung des Schuldners der KapErtrSt – ist auf die Regelungen des I. und II. Teils des EStG („Steuerpflicht“, „Einkommen“) abzustellen. Von dem Schuldner der KapErtrSt zu unterscheiden ist derjenige, der den Steuerabzug vor- 17 zunehmen hat (Entrichtungspflichtiger). Als potenzielle Entrichtungspflichtige kommen der Schuldner der Kapitalerträge, die für den Verkäufer der Wertpapiere den Verkaufsauftrag ausführende Stelle sowie die die Kapitalerträge auszahlende Stelle in Betracht (§ 44 Abs. 1 Satz 3 EStG). Bei Erträgen aus Investmentfonds trifft die Pflicht zum Steuerabzug „die die Kapitalerträge auszahlende Stelle“ i.S.d. § 44 Abs. 1 Satz 4 EStG.

II. Pflichten des Entrichtungspflichtigen Der zum Kapitalertragsteuerabzug Verpflichtete hat die KapErtrSt auf die Erträge aus Invest- 18 mentfonds auf Rechnung des Gläubigers der Erträge (= Schuldner der KapErtrSt) vorzunehmen. Dabei sind die im Bundessteuerblatt veröffentlichten Auslegungsvorschriften der FinVerw. zu beachten (§ 44 Abs. 1 Satz 3 EStG).4 Der Abzug erfolgt im Zeitpunkt des Zuflusses der Erträge (§ 44 Abs. 1 Satz 2 EStG); dabei gilt § 11 EStG, bei Vorabpauschalen die Fiktion des § 18 Abs. 3 InvStG (Zufluss am ersten Werktag des folgenden Kalenderjahres). Der Entrichtungspflichtige hat die KapErtrSt bis zum zehnten des auf den Einbehalt folgenden Monats anzumelden und an das für seine Besteuerung nach dem Einkommen zuständige FA abzuführen (§ 44 Abs. 1 Satz 5, § 45a Abs. 1 Satz 1 EStG). Er haftet nach Maßgabe des § 43 Abs. 5 EStG für die von ihm einzubehaltende und abzuführende KapErtrSt. Der Entrichtungspflichtige ist verpflichtet, auf Verlangen des Gläubigers der Kapitalerträge 19 diesem eine Steuerbescheinigung auszustellen (§ 45a Abs. 2 EStG). Bei Investmenterträgen 1 BMF v. 19.5.2022 – IV C 1 - S 2252/19/10003 :009, BStBl. I 2022, 742 Rz. 314. 2 BMF v. 19.5.2022 – IV C 1 - S 2252/19/10003 :009, BStBl. I 2022, 742 Rz. 314 (regelmäßige Überprüfung entsprechend den Grundsätzen zu § 10 Abs. 3 Nr. 4, § 11 Abs. 3 Geldwäschegesetz). 3 BFH v. 22.8.1990 – I R 69/89, BFHE 162, 263; v. 9.11.1994 – I R 5/94, BStBl. II 1995, 255; FG Sa.-Anh. v. 30.5.2013 – 6 K 1103/12, juris; FG Hbg. v. 19.10.2017 – 2 K 57/17, EFG 2018, 130; zweifelnd Hamacher/Dahm in Korn, § 44 EStG Rz. 3 f. (Stand: Juli 2021). 4 Bindungswirkung entfalten die im Teil I veröffentlichten Auslegungsvorschriften des BMF und der obersten FinBeh. der Länder. Aber auch die im Teil II veröffentlichten, allgemein anzuwendenden Entscheidungen des BFH sollen von den Entrichtungspflichtigen zu beachten sein (s. z.B. Mann in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, BeckOK, § 44 EStG Rz. 54 [Stand: Juli 2022]). Hasbach | 987

Rz. 19 | Anhang 2 Kapitalertragsteuer auf Investmenterträge

ergibt sich die Verpflichtung zur Ausstellung von Steuerbescheinigungen aus § 45a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG (= „die die Kapitalerträge auszahlende Stelle“)1 und § 45a Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EStG (= „Investmentfonds“)2. Die Steuerbescheinigung kann, sofern der Gläubiger der Kapitalerträge keine Steuerbescheinigung in Papier anfordert, elektronisch übermittelt werden (§ 45a Abs. 2 Satz 2 EStG) und braucht nicht unterschrieben zu werden, wenn sie in einem maschinellen Verfahren ausgedruckt worden ist und den Aussteller erkennen lässt (§ 45a Abs. 2 Satz 3 EStG).

III. „Die die Kapitalerträge auszahlende Stelle“ i.S.d. § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1, 4 und 5 EStG 1. Vorbemerkung 20 Welche Stellen als „die die Kapitalerträge auszahlenden Stellen“ und damit als zum Steuer-

abzug auf Investmenterträge Verpflichtete in Betracht kommen, definiert § 44 Abs. 1 Satz 4 EStG. Die Aufzählung ist abschließend. 2. Inländische und ausländische Investmenterträge – Verwahrung oder Verwaltung durch ein inländisches Institut oder Unternehmen a) Einleitung

21 Werden die Investmentanteile durch ein inländisches Kreditinstitut, ein inländisches Finanz-

dienstleistungsinstitut i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. b EStG, ein inländisches Wertpapierhandelsunternehmen oder eine inländische Wertpapierhandelsbank verwahrt oder verwaltet, gilt für inländische und ausländische Investmenterträge Folgendes: b) Investmenterträge mit Ausnahme von Erträgen aus Vorabpauschalen (§ 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG)

22 Auszahlende Stelle für Erträge aus Investmentfonds – mit Ausnahme von solchen aus dem

Ansatz von Vorabpauschalen – ist nach § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG das Kreditinstitut, das Finanzdienstleistungsinstitut i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. b EStG, das Wertpapierhandelsunternehmen oder die Wertpapierhandelsbank, das/ die die Anteile am Investmentfonds verwahrt oder verwaltet oder deren Veräußerung durchführt und die Kapitalerträge auszahlt oder gutschreibt.3 Voraussetzung ist, dass es sich um ein inländisches Institut oder Unternehmen handelt. Hierzu zählen auch inländische Zweigstellen oder Zweigniederlassungen eines ausländischen Unternehmens i.S.d. §§ 53, 53b KWG (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. b Satz 2 EStG).4 Verwahrt ein unbeschränkt StPfl. Anteile an einem 1 Nachdem i.R.d. Investmentsteuerreform 2018 die Anpassung von § 45a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG zunächst versehentlich unterblieben war, wurde dies mit dem „JStG 2019“ v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451, nachgeholt und der Verweis auf Kapitalerträge i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG ergänzt. 2 § 45a Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EStG wurde infolge der Erweiterung der Verpflichtung zum Kapitalertragsteuerabzug für Investmentfonds in § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 5 EStG mit dem „JStG 2020“ v. 21.12.2020, BGBl. I 2020, 3096, ergänzt. 3 Zur Definition des Kreditinstituts und des Finanzdienstleistungsinstituts s. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. b EStG, zur Definition des Wertpapierhandelsunternehmens s. § 1 Abs. 3d KWG. Soweit Kapitalverwaltungsgesellschaften Investmentanteile für andere verwahren und verwalten (Depotgeschäft), können auch sie als Kreditinstitute i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 KWG qualifizieren und zum Kapitalertragsteuerabzug verpflichtet sein (BMF-Anwendungsschreiben [konsolidierte Fassung], Rz. 16.6). 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.5.

988 | Hasbach

C. Entrichtung der Kapitalertragsteuer (§ 44 EStG) | Rz. 26

Investmentfonds in einem ausländischen Depot, unterliegen die darauf entfallenden Erträge zwar grds. dem Kapitalertragsteuerabzug (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, 9 EStG), mangels eines inländischen Abzugsverpflichteten wird allerdings im Ergebnis keine KapErtrSt auf die Erträge erhoben.1 Werden Anteile an Investmentfonds mehrstufig verwahrt, ist auszahlende Stelle die letzte 23 Stelle in der Verwahrkette, da sie allein die individuellen Verhältnisse des StPfl. berücksichtigen kann.2 Hat der „Letztverwahrer“ seinen Sitz im Ausland (z.B. bei einer Depotverwahrung im Ausland), haben weder er noch einer der „Unterverwahrer“ KapErtrSt einzubehalten. Eine mit § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 3 Buchst. a letzte Variante EStG („oder die Kapitalerträge an eine ausländische Stelle auszahlt“) vergleichbare Regelung existiert in § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG nicht. c) Erträge aus Vorabpauschalen (§ 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 EStG) Der Kapitalertragsteuerabzug auf Vorabpauschalen i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 2 InvStG ist in § 44 24 Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 EStG gesondert geregelt. Auszahlende Stelle und damit zum Steuerabzug auf Vorabpauschalen Verpflichteter ist das inländische Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchstabe b EStG, das inländische Wertpapierhandelsunternehmen oder die inländische Wertpapierhandelsbank, welches oder welche die Anteile an dem Investmentfonds verwahrt oder verwaltet. Die Regelung ist kongruent mit § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG. Allerdings kommt es nicht darauf an, dass die Stelle die Kapitalerträge auszahlt oder gutschreibt, da es sich bei der Vorabpauschale um einen fiktiven Ertrag handelt und eine Auszahlung bzw. Gutschrift nicht erfolgt. 3. Inländische Investmenterträge – keine Verwahrung oder Verwaltung durch Institut oder Unternehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 5 EStG) Werden die Investmentanteile weder von einem (inländischen oder ausländischen) Kredit- 25 oder Finanzdienstleistungsinstitut i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. b EStG, noch von einem (inländischen oder ausländischen) Wertpapierhandelsunternehmen oder einer (inländischen oder ausländischen) Wertpapierhandelsbank verwahrt oder verwaltet, ist der Investmentfonds zum Kapitalertragsteuerabzug verpflichtet (§ 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 5 EStG).3 Für den Investmentfonds besteht die Abzugsverpflichtung nur, sofern die Investmentanteile weder im Inland noch im Ausland durch eines der genannten Institute oder Unternehmen verwaltet oder verwahrt werden. Inländische Investmentfonds können nicht nur in den Rechtsformen eines Sondervermögens oder einer Investmentaktiengesellschaft, sondern auch in den Rechtsformen einer GmbH oder einer KGaA aufgelegt werden. In diesen Fällen kann es vorkommen, dass die Investmentanteile nicht durch ein Institut oder Unternehmen verwahrt oder verwaltet werden.4 § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 5 EStG soll sicherstellen, dass auch in diesen Fällen ein Kapitalertragsteuerabzug vorgenommen wird. Die Abzugsverpflichtung ist beschränkt auf Kapitalerträge aus Anteilen an inländischen In- 26 vestmentfonds, sodass nur inländische, nicht aber auch ausländische Investmentfonds zum Kapitalertragsteuerabzug verpflichtet sind. Des Weiteren besteht die Abzugsverpflichtung nur

1 Bei Verwahrung der Investmentanteile in einem ausländischen Depot ist auch nicht der Investmentfonds zum Kapitalertragsteuerabzug verpflichtet (s. Rz. 25 f.). 2 BMF v. 19.5.2022 – IV C 1 - S 2252/19/10003 :009, BStBl. I 2022, 742 Rz. 248. 3 § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 5 EStG wurde mit dem „JStG 2020“ v. 21.12.2020, BGBl. I 2020, 3096, ergänzt und ist erstmalig auf Kapitalerträge anwendbar, die nach dem 29.12.2020 zufließen (§ 52 Abs. 44 Satz 4 EStG). 4 S. hierzu auch BR-Drucks. 503/20, 89. Hasbach | 989

Rz. 26 | Anhang 2 Kapitalertragsteuer auf Investmenterträge

bei Kapitalerträgen i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG (Ausschüttungen und Vorabpauschalen) und damit nicht bei Gewinnen aus der Veräußerung von Anteilen an (inländischen) Investmentfonds i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EStG.

IV. Mittel zur Durchführung des Steuerabzugs 27 Soweit Erträge aus Investmentfonds tatsächlich ausgezahlt bzw. gutgeschrieben werden (z.B.

Ausschüttung des Investmentfonds; Rückgabe der Anteile), hat die auszahlende Stelle die KapErtrSt von den Erträgen einzubehalten und nur die „Netto-Erträge“ an den Gläubiger auszuzahlen oder diesem gutzuschreiben. Der auszahlenden Stelle steht für den Steuerabzug insoweit ausreichend Liquidität zur Verfügung.

28 Problematisch ist es hingegen, wenn der auszahlenden Stelle für den Steuerabzug ausreichend

liquide Mittel fehlen, um den Steuerabzug vorzunehmen. Bestehen Kapitalerträge nicht aus Geld (z.B. bei Sachausschüttungen), „fließen“ dem Gläubiger zwar Erträge zu. Ein Einbehalt von Steuern kann davon jedoch nicht vorgenommen werden. Bei Erträgen aus Investmentfonds fehlt es insbes. an einer solchen Liquidität für den Steuerabzug, soweit Erträge durch den Ansatz von Vorabpauschalen i.S.d. § 18 InvStG anfallen. Vorabpauschalen stellen fiktive Erträge dar, die nicht auf dem Zufluss von liquiden Mitteln beruhen. Ein vergleichbares Problem bestand bereits vor der Investmentsteuerreform 2018 bei ausschüttungsgleichen Erträgen i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 3 InvStG a.F. Auch dort fehlte es mangels Liquiditätsflusses an Mitteln, die zum Steuerabzug verwendet werden konnten.

29 Nach § 44 Abs. 1b EStG sind seit dem 1.1.2018 für Zwecke des Steuerabzugs auf Kapitalerträ-

ge aus dem Ansatz von Vorabpauschalen die Regelungen über den Steuerabzug bei Kapitalerträgen, die nicht oder nur teilweise in Geld bestehen (§ 44 Abs. 1 Sätze 7 ff. EStG), entsprechend anzuwenden.1 Bereits vor der Investmentsteuerreform 2018 verlangte das Gesetz bei geldwerten Kapitalerträgen vom Gläubiger, dass dieser dem Entrichtungspflichtigen den für den Steuerabzug erforderlichen Geldbetrag zur Verfügung stellt (§ 44 Abs. 1 Satz 7 EStG). Unterließ der Gläubiger dies, hatte der Entrichtungspflichtige dies dem für ihn zuständigen Betriebsstätten-FA anzuzeigen und das FA hatte die ausstehende KapErtrSt beim Gläubiger nachzufordern (§ 44 Abs. 1 Sätze 8 f. EStG a.F.). Diese Regelungen gelten nach der Investmentsteuerreform 2018 fort (heute § 44 Abs. 1 Sätze 7, 10 f. EStG). Zusätzlich wurde jedoch für den Steuerabzug ab dem 1.1.2018 (§ 52 Abs. 44 Satz 2 EStG) geregelt, dass der Entrichtungspflichtige den zum Steuerabzug erforderlichen Betrag von einem bei ihm unterhaltenen und auf den Namen des Gläubigers der Kapitalerträge lautenden Konto ohne Einwilligung des Gläubigers einziehen kann (§ 44 Abs. 1 Satz 8 EStG). Erfasst werden u.a. die auf den Gläubiger der Kapitalerträge geführten Giro-, Kontokorrent-, Verrechnungs- und Tagesgeldkonten.2 Sind depotführende Kreditinstitute, depotführende Stellen sowie Tochter- oder Schwestergesellschaften von Kapitalverwaltungsgesellschaften berechtigt, auf ein Referenzkonto des Gläubigers zuzugreifen, kann die KapErtrSt auch dort eingezogen werden.3 Darüber hinaus darf der Entrichtungspflichtige die Geldbeträge auch von einem auf den Namen des Gläubigers der Kapitalerträge lautenden Konto insoweit einziehen, wie ein mit dem Gläubiger vereinbarter Kontokorrentkredit für dieses Konto nicht in Anspruch genommen wurde (§ 44

1 Eine unmittelbare Anwendung des § 44 Abs. 1 Sätze 7 ff. EStG scheidet aus, da Vorabpauschalen fiktive Erträge darstellen, § 44 Abs. 1 Sätze 7 ff. EStG hingegen einen tatsächlichen Zufluss von Kapitalerträgen voraussetzen. 2 BMF v. 19.5.2022 – IV C 1 - S 2252/19/10003 :009, BStBl. I 2022, 742 Rz. 251a. 3 BMF v. 19.5.2022 – IV C 1 - S 2252/19/10003 :009, BStBl. I 2022, 742 Rz. 251c.

990 | Hasbach

C. Entrichtung der Kapitalertragsteuer (§ 44 EStG) | Rz. 32

Abs. 1 Satz 9 EStG).1 Zwar kann der Gläubiger der Kapitalerträge der Nutzung des Kontokorrentkredits widersprechen oder die Nutzung auf einen bestimmten Betrag beschränken. Dies ist jedoch nur beachtlich, soweit der Widerspruch bzw. die Beschränkung vor Zufluss der Kapitalerträge erfolgt. Ein einmal erklärter Widerspruch gilt so lange, bis er vom Gläubiger zurückgenommen wird.2 Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll als weitere Möglichkeit zur Finanzierung des Kapitalertragsteuerabzugs auf Vorabpauschalen in Betracht kommen, dass die depotführenden Stellen Investmentanteile veräußern und die KapErtrSt aus dem erzielten Veräußerungspreis tilgen. Derartige Befugnisse sähen die AGB der depotführenden Stellen bereits heute regelmäßig – z.B. zur Finanzierung von Depotgebühren – vor und könnten entsprechend erweitert werden.3 Werden die Investmentanteile mit Gewinn veräußert, entsteht hierdurch allerdings eine weitere KapErtrSt.4 Die Neuregelungen sind problematisch.5 Sie ermächtigen die auszahlenden Stellen, nach eige- 30 nem Ermessen zur Tilgung des Steueranspruchs auf Barvermögenswerte des StPfl. zuzugreifen und darüber hinaus den StPfl. ggf. auch zu verschulden. Die in den Gesetzesmaterialien genannte Begründung, in den Massenverfahren der Erhebung der KapErtrSt auf die Vorabpauschale sei eine Meldung an das Betriebsstätten-FA mit unverhältnismäßig hohem administrativem Aufwand aufseiten der depotführenden Stellen und der FinVerw. verbunden,6 mag zutreffen. Es bestehen aber Zweifel, ob dies einen solch schweren Eingriff in die Rechte des StPfl. zu rechtfertigen vermag (a.A. Schwenke/Verleger in Einl. Europa- und Verfassungsrecht Rz. 26). Offen ist, inwieweit die auszahlenden Stellen verpflichtet sind, von den Regelungen des § 44 31 Abs. 1 Sätze 8 und 9 EStG Gebrauch zu machen. Nach hier vertretener Auffassung besteht eine solche Verpflichtung nicht („kann“).7 Stellt der Gläubiger der Investmenterträge den für den Steuerabzug erforderlichen Geldbetrag nicht entsprechend § 44 Abs. 1 Satz 7 EStG zur Verfügung, kann die auszahlende Stelle daher den nicht erfolgten Kapitalertragsteuerabzug sofort bei dem für sie zuständigen Betriebsstätten-FA anzeigen, sodass das FA die zu wenig erhobene KapErtrSt nachzufordern hat (§ 44 Abs. 1 Sätze 10 und 11 EStG). Die auszahlende Stelle ist nicht verpflichtet, zuvor zu versuchen, den für den Steuerabzug erforderlichen Betrag beim Gläubiger der Erträge einzuziehen. Fraglich ist auch, zu wessen Lasten das Insolvenzrisiko des Gläubigers der Kapitalerträge 32 geht. Insbesondere in Fällen, in denen die auszahlende Stelle einen mit dem Gläubiger vereinbarten Kontokorrentkredit in Anspruch nimmt (§ 44 Abs. 1 Satz 9 EStG), läuft die auszahlende Stelle Gefahr, mit dieser Forderung gegenüber dem Steuergläubiger auszufallen. In diesen Fällen kann die auszahlende Stelle m.E. den Steuerabzug berichtigen und entsprechend § 44 Abs. 1 Satz 10 EStG den unterlassenen Steuerabzug bei dem für sie zuständigen Betriebsstätten-FA anzeigen. Problematisch an diesem Vorgehen ist, dass der Fiskus als Steuergläubiger regelmäßig erst verzögert von der Gefährdung des Steueranspruchs erfährt, sodass etwaige Si-

1 § 44 Abs. 1 Sätze 8 und 9 EStG wurden auf Vorschlag des Finanzausschusses in das Gesetz aufgenommen (vgl. Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 8.6.2016, BT-Drucks. 18/8739, 79 [116]). Vgl. hierzu auch das Schreiben des Bundesverbands deutscher Banken e.V. v. 4.5.2016 (abrufbar unter www.bundestag.de/blob/422044/8185e7f67bf3b64d36404eeb1b280faf/05-deutsche-kreditwirtschaftdata.pdf). 2 BMF v. 19.5.2022 – IV C 1 - S 2252/19/10003 :009, BStBl. I 2022, 742 Rz. 251a. 3 BT-Drucks. 18/8045, 137 f. 4 S. auch Mann in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, BeckOK, § 44 EStG Rz. 126 (Stand: Juli 2022). 5 Zur Besteuerung von Vorabpauschalen im Kontext von Europa- und Verfassungsrecht s. Einl. Europaund Verfassungsrecht Rz. 20 ff. 6 BT-Drucks. 18/8739, 116. 7 Ebenso Mann in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, BeckOK, § 44 EStG Rz. 102 (Stand: Juli 2022); nicht eindeutig die FinVerw. in BMF v. 19.5.2022 – IV C 1 - S 2252/19/10003 :009, BStBl. I 2022, 742 Rz. 251b. Hasbach | 991

Rz. 32 | Anhang 2 Kapitalertragsteuer auf Investmenterträge

cherungsmaßnahmen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich sind. Andererseits ist es nicht sachgerecht, die auszahlenden Stellen zusätzlich mit dem Insolvenzrisiko des Gläubigers der Kapitalerträge zu belasten, da die auszahlenden Stellen lediglich als Verwaltungshelfer in die Steuererhebung einbezogen sind.1 33 Ist der auszahlenden Stelle bekannt, dass die Investmenterträge nicht dem zivilrechtlichen

Inhaber der Investmentanteile, sondern einem Dritten steuerlich zuzurechnen sind (z.B. offene Treuhand), hat – sofern nicht besondere vertragliche Regelungen bestehen – grds. der Dritte und nicht der zivilrechtliche Inhaber der Anteile die für den Steuerabzug erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen bzw. es sind bei diesem die erforderlichen Mittel einzuziehen. § 44 Abs. 1 Sätze 7 ff. EStG verpflichten den „Gläubiger“ der Investmenterträge, die für den Steuerabzug erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen, bzw. berechtigen die auszahlende Stelle, bei diesem die erforderlichen Mittel einzuziehen. Der Begriff „Gläubiger der Kapitalerträge“ ist im Rahmen der §§ 43 ff. EStG steuerspezifisch und nicht zivilrechtlich auszulegen (vgl. Rz. 16).2 Dies gilt auch i.R.d. § 44 Abs. 1 Sätze 7 ff. EStG, sodass derjenige die zum Steuerabzug erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen hat, dem die Investmenterträge nach dem I. und II. Teil des EStG zuzurechnen sind. Die Belastung eines auf den zivilrechtlichen Inhaber der Anteile lautenden Kontos ist in diesen Fällen daher nur zulässig, sofern das Konto ebenfalls dem „Gläubiger der Kapitalerträge“ steuerlich zuzurechnen ist (ggf. das zum Depot hinterlegte Verrechnungskonto3).

34 Das InvStG und das EStG regeln neben dem Ansatz von Vorabpauschalen weitere Fälle, die zu

fiktiven Erträgen ohne Liquiditätsfluss führen (z.B. Verlust des Status als Investmentfonds [§ 19 Abs. 2 Satz 1 InvStG], Änderung oder Wegfall des anwendbaren Teilfreistellungssatzes [vgl. § 22 InvStG]4). Diese fallen grds. nicht in den Anwendungsbereich des § 44 Abs. 1 Sätze 7 ff. EStG, da es sich nicht um geldwerte Kapitalerträge i.S.d. § 8 Abs. 2 EStG handelt. Auch fehlt eine § 44 Abs. 1b EStG vergleichbare Regelung. Denkbar ist eine analoge Anwendung des § 44 Abs. 1 Sätze 7 ff. EStG. Allerdings ist zweifelhaft, ob eine planwidrige Regelungslücke besteht, da die Kodifizierung von § 44 Abs. 1b EStG zeigt, dass dem Gesetzgeber die Problematik des Kapitalertragsteuerabzugs bei fiktiven Erträgen bekannt war.

D. Bemessung der Kapitalertragsteuer (§ 43a EStG) 35 Die KapErtrSt beträgt 25 % der Investmenterträge (§ 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Die Ka-

pErtrSt bei Erträgen aus Investmentfonds i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG bemisst sich anhand der tatsächlichen Ausschüttungen bzw. der anzusetzenden Vorabpauschalen. Werden Investmentanteile unterjährig aus dem Ausland in ein inländisches Depot übertragen und werden der inländischen depotführenden Stelle keine Anschaffungsdaten mitgeteilt, sind im Rahmen des Steuerabzugsverfahrens Vorabpauschalen für das gesamte Kalenderjahr anzusetzen. Dem Anleger bleibt es jedoch unbenommen, im Veranlagungsverfahren einen unterjährigen Anschaffungszeitpunkt nachzuweisen, um eine Erstattung der zu viel erhobenen KapErtrSt zu erreichen.5

1 BFH v. 23.4.1996 – VIII R 30/93, BFHE 181, 7. 2 BFH v. 22.8.1990 – I R 69/89, BFHE 162, 263; v. 9.11.1994 – I R 5/94, BStBl. II 1995, 255; FG Sa.-Anh. v. 30.5.2013 – 6 K 1103/12, juris; FG Hbg. v. 19.10.2017 – 2 K 57/17, EFG 2018, 130. 3 BMF v. 3.5.2017 – IV C 1 - S 2252/08/10004 :020, BStBl. I 2017, 739 Rz. 251a. 4 Fiktive Veräußerungsgewinne aus einer Änderung oder einem Wegfall des anwendbaren Teilfreistellungssatzes gelten jedoch erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung der Investmentanteile als zugeflossen (§ 22 Abs. 3 InvStG). 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 18.9.

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D. Bemessung der Kapitalertragsteuer (§ 43a EStG) | Rz. 38

Grundsätzlich unterliegt der KapErtrSt der volle Kapitalertrag ohne Abzug. Für Erträge aus 36 Investmentfonds sind jedoch bereits bei der Bemessung der KapErtrSt die Teilfreistellungen des § 20 InvStG anzuwenden (§ 43a Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 EStG [Rechtsgrundverweis]). Hierdurch wird vermieden, dass Privatanleger erst im Wege der Veranlagung eine Teilfreistellung erreichen können. Andernfalls würde der mit der Abgeltungssteuer verfolgte Zweck, eine möglichst umfassende Besteuerung im Abzugswege zu erreichen, konterkariert. Bei Aktienfonds sind daher 30 % der Erträge (§ 20 Abs. 1 Satz 1 InvStG), bei Mischfonds 15 % der Erträge (§ 20 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 InvStG) und bei Immobilienfonds 60 % bzw. 80 % der Erträge (§ 20 Abs. 3 InvStG) freizustellen und nur der Differenzbetrag der KapErtrSt zu unterwerfen. Dies gilt auch bei Ansatz einer Ersatzbemessungsgrundlage (§ 43a Abs. 2 Sätze 7 und 13 EStG).1 Maßgeblich ist die Qualifikation des Investmentfonds im Zeitpunkt des Zuflusses der Investmenterträge.2 Eine darüber hinausgehende Freistellung nach § 20 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 InvStG für Investmenterträge, die einem Betriebsvermögen oder einem Anleger, der dem Körperschaftsteuergesetz unterliegt, zuzurechnen sind, ist beim Kapitalertragsteuerabzug nicht vorzunehmen (§ 43a Abs. 2 Satz 1 Halbs. 3 EStG). Hierfür besteht keine Veranlassung, da die Einkünfte ohnehin veranlagt werden und eine weitergehende Freistellung auch dort erreicht werden kann.3 Eine Berücksichtigung bereits beim Kapitalertragsteuerabzug würde für die auszahlenden Stellen einen zusätzlichen, letztlich unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand bedeuten. Dies gilt nicht nur für Aktienfonds, sondern – auch ohne ausdrücklichen Verweis in § 43a Abs. 2 Satz 1 Halbs. 3 EStG auf § 20 Abs. 2 InvStG – auch für eine weitergehende Freistellung bei Mischfonds.4 Sind Investmenterträge nach einem DBA von der inländischen Besteuerung ausgenommen, 37 wird die Freistellung nur unter den in § 16 Abs. 4 InvStG genannten Voraussetzungen gewährt. Diese Regelungen bleiben beim Kapitalertragsteuerabzug unberücksichtigt und sind nur im Veranlagungsverfahren anzuwenden.5 Bei Gewinnen aus der Veräußerung (einschließlich der Veräußerung gleichgestellter Tat- 38 bestände) von Anteilen an Investmentfonds i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EStG ist die KapErtrSt nach § 19 InvStG zu bemessen, sofern die Anteile von der die Kapitalerträge auszahlenden Stelle erworben oder veräußert und seitdem verwahrt oder verwaltet worden sind (§ 43a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG). Maßgeblich ist danach der nach § 19 InvStG ermittelte Ver1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 20.7. 2 Dies gilt auch bei Anwendung der Teilfreistellung auf Vorabpauschalen (§ 18 Abs. 3 InvStG), sodass sich die Höhe der Teilfreistellung auch bei einer etwaigen, auf der Änderung des anwendbaren Teilfreistellungssatzes bzw. auf einem Wegfall des anwendbaren Teilfreistellungssatzes beruhenden fiktiven Veräußerung/Anschaffung i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 1 InvStG nach dem im Zeitpunkt des Zuflusses anwendbaren Teilfreistellungssatz richtet (BMF-Anwendungsschreiben [konsolidierte Fassung], Rz. 20.4). 3 Offen ist, auf welcher Rechtsgrundlage die auf den stfreien Teil der Investmenterträge entfallenden KapErtrSt zu erstatten ist. Eine Anrechnung dieser KapErtrSt auf die festgesetzte ESt bzw. KSt nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG könnte zweifelhaft sein, da die Investmenterträge insoweit bei der Veranlagung weder „erfasst“, noch „nach § 3 Nr. 40 EStG, § 8b Abs. 1, 2, 6 Satz 2 KStG bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz“ gelassen werden. Nach Auffassung des BFH soll allerdings eine Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen aus Gründen der materiellen Steuergerechtigkeit auch dann in Betracht kommen, wenn die dem Steuerabzug unterliegenden Einkünfte nicht steuerbar bzw. stpfl. sind und daher bei der Veranlagung bewusst außer Ansatz gelassen werden (BFH v. 23.5.2000 – VII R 3/ 00, BStBl. II 2000, 581; s. hierzu auch Gosch in Kirchhof/Seer21, § 36 EStG Rz. 8 f.; Lammers in H/H/ R, § 36 EStG Anm. 40 [Stand: November 2021]). Ist eine Anrechnung nicht möglich, hat der Anleger jedenfalls einen Anspruch auf Erstattung der auf den stfreien Teil der Investmenterträge einbehaltenen KapErtrSt nach § 37 Abs. 2 AO. 4 Stadler/Bindl, DStR 2016, 1953 (1960); wohl auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 20.6 („generell die für Privatanleger geltenden Teilfreistellungssätze anzuwenden“). 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.17. Hasbach | 993

Rz. 38 | Anhang 2 Kapitalertragsteuer auf Investmenterträge

äußerungsgewinn (zur Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung von Investmentanteilen s. § 19 InvStG Rz. 18 ff.). Für Zwecke des Kapitalertragsteuerabzugs ist der Veräußerungsgewinn – auch für Investmentanteile im Betriebsvermögen des Anlegers – nach § 20 Abs. 4 EStG zu ermitteln,1 d.h. grds. durch Gegenüberstellung der Einnahmen aus der Veräußerung nach Abzug der Aufwendungen, die im unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft stehen, und den AK für die Investmentanteile. Können die AK nicht nachgewiesen werden (z.B. nach einer Depotübertragung ohne Gläubigerwechsel ohne Mitteilung von Anschaffungsdaten), bemisst sich der Steuerabzug nach 30 % der Einnahmen aus der Veräußerung oder Rückgabe der Investmentanteile (Ersatzbemessungsgrundlage, vgl. § 43a Abs. 2 Satz 7 EStG). Auf den nach § 19 InvStG ermittelten Veräußerungsgewinn sind die – für Privatanleger maßgeblichen (§ 43a Abs. 2 Satz 1 Halbs. 3 EStG; s. hierzu Rz. 36) – Teilfreistellungen anzuwenden, sodass der Kapitalertragsteuerabzug nur auf den danach verbleibenden Saldo vorzunehmen ist. 39 Nach § 19 Abs. 1 Satz 3 InvStG ist der Gewinn aus der Veräußerung von Investmentanteilen

um während der Besitzzeit angesetzte Vorabpauschalen zu vermindern. Ein Verlust aus der Veräußerung von Investmentanteilen erhöht sich entsprechend um die während der Besitzzeit angesetzten Vorabpauschalen. Beim Kapitalertragsteuerabzug sind hier Besonderheiten zu beachten. § 19 Abs. 1 Satz 3 InvStG setzt voraus, dass die Vorabpauschalen „angesetzt“ worden sind. Im Kapitalertragsteuerabzugsverfahren ist davon in folgenden Fällen auszugehen: – (tatsächliche) Erhebung von KapErtrSt auf die Vorabpauschalen, – Verrechnung der Vorabpauschalen mit Verlusten des laufenden Jahres oder früherer Jahre (§ 43a Abs. 3 Sätze 2 und 3 EStG) – Abstandnahme vom Kapitalertragsteuerabzug auf die Vorabpauschalen aufgrund eines Freistellungsauftrags (§ 44a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG) oder einer NVBescheinigung.2 Dagegen sind Vorabpauschalen bei Erhebung der KapErtrSt auf Veräußerungsgewinne für solche Zeiträume außer Ansatz zu lassen, in denen der Entrichtungspflichtige davon ausgegangen ist, der Anleger sei nicht unbeschränkt einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtig, sodass er in diesen Zeiträumen keine KapErtrSt auf die Vorabpauschalen erhoben hat.3 Ebenfalls sind Vorabpauschalen außer Ansatz zu lassen, wenn der StPfl. die für Zwecke des Kapitalertragsteuerabzugs erforderliche Liquidität nicht zur Verfügung gestellt hat (§ 44 Abs. 1b i.V.m. § 44 Abs. 1 Sätze 7 bis 11 EStG; s. hierzu Rz. 29 ff.) und daher keine KapErtrSt durch den Entrichtungspflichtigen erhoben wurde. Die Meldung des unterbliebenen Kapitalertragsteuerabzugs an das Betriebsstätten-FA nach § 44 Abs. 1 Satz 10 EStG reicht nach Auffassung der FinVerw. nicht aus.4 Bei einem Depotübertrag im Inland hat das übertragende Institut bzw. Unternehmen mitzuteilen, in welchem Umfang Vorabpauschalen angesetzt wurden.5 Im Übrigen soll nach Auffassung der FinVerw. ein Abzug von Vorabpauschalen i.R.d. Kapital-

1 2 3 4

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 19.13. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 19.5. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 19.5. Bei Veräußerungen vor dem 1.1.2021 beanstandet es die FinVerw. allerdings nicht, wenn der Entrichtungspflichtige Vorabpauschalen trotz unterbliebenen Kapitalertragsteuerabzugs bei der Ermittlung des kapitalertragsteuerpflichtigen Veräußerungsgewinns abgezogen hat, sofern die Mitteilung an das Betriebsstätten-FA nach § 44a Abs. 1 Satz 10 EStG erfolgt ist (BMF-Anwendungsschreiben [konsolidierte Fassung], Rz. 19.5). 5 Bei einem Depotübertrag im Inland vor dem 1.1.2020 darf der Entrichtungspflichtige von einem Ansatz von Vorabpauschalen auch ohne entsprechende Mitteilung des übertragenden Instituts oder Unternehmens ausgehen (BMF-Anwendungsschreiben [konsolidierte Fassung], Rz. 19.6).

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E. Abstandnahme vom Kapitalertragsteuerabzug | Rz. 42

ertragsteuerabzugs unzulässig sein, sofern die KapErtrSt auf Basis der Ersatzbemessungsgrundlage erhoben wird.1 Die Übertragung von Anteilen an Investmentfonds auf einen anderen Gläubiger (Depotüber- 40 trag mit Gläubigerwechsel) stellt einen kapitalertragsteuerpflichtigen Vorgang dar, sofern nicht nachgewiesen wird, dass die Übertragung unentgeltlich erfolgte. Dies ergibt sich jedoch nicht aus § 43 Abs. 1 Sätze 4 ff. EStG, da es sich bei Anteilen an Investmentfonds nicht – wie es § 43 Abs. 1 Satz 4 EStG voraussetzt – um Wirtschaftsgüter i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG handelt, sondern unmittelbar aus § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EStG (Rz. 11). Auf eine solche Übertragung sind die Regelungen des § 43a Abs. 1 Sätze 8 ff. EStG zwar nicht direkt anwendbar (da kein Fall des § 43 Abs. 1 Satz 4 EStG), sie gelten jedoch entsprechend.2 Als Veräußerungspreis sind daher bei einem Depotübertrag der aktuelle Rücknahmepreis bzw., sofern dieser nicht festgesetzt wird, der aktuelle Börsen- oder Marktpreis3 im Zeitpunkt der Übertragung und als Veräußerungskosten i.S.d. § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG die mit der Übertragung verbundenen Kosten anzusetzen (§ 43a Abs. 1 Satz 8 EStG). Wird kein Rücknahmepreis festgesetzt und lässt sich auch kein Börsen- oder Marktpreis ermitteln, gelten 30 % der Anschaffungskosten als Bemessungsgrundlage für die KapErtrSt (§ 43a Abs. 1 Satz 10 EStG). Für den Erwerber gilt der Rücknahme-, Börsen- oder Marktpreis als Anschaffungskosten, sofern der Wert tatsächlich angesetzt wurde (§ 43a Abs. 2 Satz 11 EStG).4 Soweit ausländische Steuern auf Erträge aus Investmentfonds anfallen, sind diese nach 41 Maßgabe des § 32d Abs. 5 EStG beim Kapitalertragsteuerabzug zu berücksichtigen (§ 43a Abs. 3 Satz 1 EStG).

E. Abstandnahme vom Kapitalertragsteuerabzug I. Identität von Gläubiger und Schuldner bzw. auszahlender Stelle (§ 43 Abs. 2 Satz 1 EStG) Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 EStG ist der Kapitalertragsteuerabzug auf Erträge aus Investment- 42 anteilen nicht vorzunehmen, wenn im Zeitpunkt des Zuflusses der Kapitalerträge (1) Gläubiger und Schuldner oder (2) Gläubiger und die die Kapitalerträge auszahlende Stelle dieselbe Person sind. Die Voraussetzungen sind erfüllt, wenn es sich beim Gläubiger und dem Schuld-

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 19.4. Systematisch scheint dies begründbar. Die grundsätzliche Einbeziehung von angesetzten Vorabpauschalen bei der Bemessung der KapErtrSt ergibt sich aus der Bezugnahme auf § 19 InvStG in § 43a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG. Kommt es hingegen zum Ansatz der Ersatzbemessungsgrundlage, weil die AK für die Investmentanteile nicht nachgewiesen wurden, ist Rechtsgrundlage für die Bemessung der KapErtrSt § 43a Abs. 2 Satz 7 EStG, der eine Bezugnahme auf § 19 InvStG nicht enthält. 2 Die für den Steuerabzug erforderliche Liquidität hat die die Kapitalerträge auszahlende Stelle in entsprechender Anwendung von § 44 Abs. 1 Sätze 7 ff. EStG beim Gläubiger einzufordern (BMF v. 19.5.2022 – IV C 1 - S 2252/19/10003 :009, BStBl. I 2022, 742 Rz. 164). Zur Frage, ob der StPfl. verpflichtet ist, die für den Steuerabzug erforderliche Liquidität zur Verfügung zu stellen, s. Hamacher/ Dahm in Korn, § 43a EStG Rz. 22 (Stand: September 2018). 3 Vgl. zur Rechtslage vor der Investmentsteuerreform 2018 BMF v. 18.1.2016 – IV C 1 - S 2252/08/ 10004 :017 – DOK 2015/0468306, BStBl. I 2016, 85 Rz. 185. 4 Können der Rücknahme-, Börsen- oder Marktpreis nicht als AK angesetzt werden, ist bei einer späteren Veräußerung oder Rückgabe der Investmentanteile die Ersatzbemessungsgrundlage als kapitalertragsteuerpflichtiger Gewinn anzusetzen (30 % der Einnahmen aus der Veräußerung oder Rückgabe; § 43a Abs. 2 Satz 13 EStG). Hasbach | 995

Rz. 42 | Anhang 2 Kapitalertragsteuer auf Investmenterträge

ner/der auszahlenden Stelle um dieselbe steuerliche Rechtspersönlichkeit handelt.1 Das Eigentum an den Anteilen am Investmentfonds und das Recht zum Empfang der Erträge müssen bei einer Person vereinigt sein.2 Eine rein wirtschaftliche Identität reicht nicht aus.3 Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in welchem dem Gläubiger die Kapitalerträge zufließen bzw. als zugeflossen gelten.4 Unter die Befreiung fallen bspw. Erträge aus dem Eigenbestand der in § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Nr. 4 EStG genannten Institute, wenn diese zugleich auch auszahlende Stelle sind.

II. Interbankenprivileg (§ 43 Abs. 2 Satz 2 EStG) 43 Ferner unterbleibt ein Kapitalertragsteuerabzug auf Investmenterträge, wenn Gläubiger der

Kapitalerträge ein inländisches Kreditinstitut oder inländisches Finanzdienstleistungsinstitut i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. b EStG5 oder eine inländische Kapitalverwaltungsgesellschaft ist (§ 43 Abs. 2 Satz 2 EStG).6 Die Befreiung dient der Vereinfachung, da die Investmenterträge ohnehin bei den genannten Gläubigern der KSt unterliegen und bei der Veranlagung zur KSt erfasst werden, sodass die Erhebung von KapErtrSt auf diese Erträge einen unangemessenen Verwaltungsaufwand verursachen würde.7 Unter § 43 Abs. 2 Satz 2 EStG fallen insbes. Erträge aus dem Eigenbestand der genannten Institute und Gesellschaften, wenn diese nicht zugleich auszahlende Stellen sind. Hierzu zählen auch Erträge aus Investmentfonds einer Kapitalverwaltungsgesellschaft, soweit die Anteile an dem Investmentfonds dem eigenen Vermögen zuzurechnen sind. Nicht erfasst werden hingegen Erträge aus Investmentfonds im Zusammenhang mit Anteilen, welche die Kapitalverwaltungsgesellschaft für ein Dach-Investmentvermögen verwaltet.8 In diesem Fall richtet sich die Befreiung nach § 7 InvStG. Die Befreiung ist u.a. auch dann anzuwenden, wenn Gläubiger der Kapitalerträge eine ausländische Zweigstelle eines inländischen Kreditinstituts oder eines inländischen Finanzdienstleistungsinstituts ist.9

III. Befreiung bei unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften, Personenvereinigungen sowie bei inländischen Betrieben (§ 43 Abs. 2 Sätze 3 ff. EStG) 44 § 43 Abs. 2 Sätze 3 ff. EStG sehen eine weitere Befreiung von der KapErtrSt vor, wenn

– Gläubigerin der Kapitalerträge eine unbeschränkt stpfl. Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse ist, die nicht unter § 43 Abs. 2 Satz 2 EStG oder § 44a Abs. 4 Satz 1 EStG fällt, oder

1 Haug in H/H/R, § 43 EStG Anm. 62 (Stand: Dezember 2020); Jachmann-Michel in Brandis/Heuermann, § 43 EStG Rz. 174 (Stand: August 2021). 2 RFH v. 5.12.1933 – I A 382/31, RFHE 34, 348. 3 Haug in H/H/R, § 43 EStG Anm. 62 (Stand: Dezember 2020). 4 Hamacher/Dahm in Korn, § 43 EStG Rz. 89 (Stand: März 2020); Jachmann-Michel in Brandis/Heuermann, § 43 EStG Rz. 174 (Stand: August 2021). 5 Hierzu gehören auch inländische Zweigstellen ausländischer Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. b Satz 2 EStG). 6 BMF v. 19.5.2022 – IV C 1 - S 2252/19/10003 :009, BStBl. I 2022, 742 Rz. 174. 7 Vgl. zur entsprechenden Vorgängerregelung des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. b Satz 3 Doppelbuchst. aa EStG i.d.F. des G zur Neuregelung der Zinsbesteuerung v. 9.11.1992 (BGBl. I 1992, 1853) BT-Drucks. 12/2501, 16. 8 Hoffmann in Frotscher/Geurts, § 43 EStG Rz. 171 (Stand: November 2016). 9 BMF v. 19.5.2022 – IV C 1 - S 2252/19/10003 :009, BStBl. I 2022, 742 Rz. 174.

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E. Abstandnahme vom Kapitalertragsteuerabzug | Rz. 46

– die Kapitalerträge Betriebseinnahmen eines inländischen Betriebs sind und der Gläubiger der Kapitalerträge dies gegenüber der auszahlenden Stelle nach amtlich vorgeschriebenem Muster erklärt.1 Im Hinblick auf Investmenterträge erfasst die Befreiung lediglich Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Investmentfonds und aus den einer Veräußerung gleichgestellten Realisationstatbeständen (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EStG). Nicht in den Anwendungsbereich fallen laufende Investmenterträge i.S.d. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG. Die Begünstigung (allein) von Veräußerungsgewinnen war laut den Gesetzesmaterialien Anlass, für Zwecke der KapErtrSt tatbestandlich in § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und 9 EStG zwischen laufenden Erträgen und Veräußerungsgewinnen zu differenzieren.2 Ist Gläubiger der Gewinne aus der Veräußerung der Anteile an einem Investmentfonds eine 45 unbeschränkt stpfl. Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 KStG, ergibt sich die Befreiung bereits aus ihrer Rechtsform. Handelt es sich um eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 oder 5 KStG, hat diese durch eine Bescheinigung des für sie zuständigen FA nachzuweisen, dass sie zu dem genannten Personenkreis gehört (§ 43 Abs. 2 Satz 4 EStG).3 In den Anwendungsbereich fallen auch unbeschränkt stpfl. Körperschaften, die nach ausländischem Recht gegründet wurden.4 Soweit die Gewinne aus der Veräußerung der Anteile an dem Investmentfonds den Gewinn- 46 einkünften eines unbeschränkt StPfl. i.S.d. EStG oder einer i.S.d. § 2 Nr. 1 KStG beschränkt stpfl. Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse zuzurechnen sind, hat der Gläubiger dies gegenüber der auszahlenden Stelle nach amtlich vorgeschriebenem Muster5 zu erklären (§ 43 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 EStG). Gleiches gilt, wenn die Erträge zu den Betriebseinnahmen einer Mitunternehmerschaft gehören.6 Die Befreiung setzt voraus, dass die Veräußerungsgewinne „Betriebseinnahmen eines inländischen Betriebs“ darstellen. Darunter fallen sämtliche Gewinneinkünfte i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 EStG. Macht der Gläubiger von der Befreiung Gebrauch, hat die auszahlende Stelle dies gesondert aufzuzeichnen und die Aufzeichnung sowie die Erklärung sechs Jahre aufzubewahren. Die Frist beginnt erst mit Ablauf des Jahres, in dem die Freistellung letztmalig berücksichtigt wurde (§ 43 Abs. 2 Satz 6 EStG). Außerdem hat die auszahlende Stelle dem für die Besteuerung des Gläubigers zustän1 Im Zuge der Einführung der Abgeltungsteuer mit dem UntStRefG wurden die Regelungen über den Abzug von KapErtrSt darauf ausgerichtet, die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen in möglichst großem Umfang abschließend im Steuerabzugsverfahren durchzuführen. In diesem Zusammenhang wurde der Katalog der Abzugstatbestände des § 43 Abs. 1 EStG erheblich erweitert. Soweit Kapitalerträge den Gewinneinkünften zuzurechnen sind, hat der Kapitalertragsteuerabzug jedoch keine abgeltende Wirkung (§ 43 Abs. 5 Satz 2 EStG). Ferner sind im Bereich der Gewinneinkünfte bestimmte Regelungen, die die Einkünfte aus Kapitalvermögen betreffen, nicht anwendbar bzw. es existieren Sonderregelungen (z.B. Anrechnung von ausländischen Steuern). Die Berücksichtigung solcher Besonderheiten aus der Zurechnung zu den Gewinneinkünften bereits im Steuerabzugsverfahren wäre jedoch nur – wenn überhaupt – mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand umsetzbar. Die umgekehrte Herangehensweise, bei der solche Besonderheiten im Steuerabzugsverfahren unberücksichtigt gelassen und der StPfl. zur Korrektur des Steuerabzugs auf das Veranlagungsverfahren verwiesen wird, würde regelmäßig zu unangemessenen Ergebnissen führen. 2 BT-Drucks. 119/16, 157. 3 Die Bescheinigung wird auf Antrag des StPfl. ausgestellt (amtlicher Vordruck „NV 2 A“). 4 BMF v. 19.5.2022 – IV C 1 - S 2252/19/10003 :009, BStBl. I 2022, 742 Rz. 175; erfasst werden insbes. die in Anlage 2 zum EStG (§ 43b EStG) genannten Gesellschaften. 5 Amtliches Muster „Erklärung zur Freistellung vom Kapitalertragsteuerabzug gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3 Nummer 2 EStG“, abgedruckt als Anlage 1 zu BMF v. 19.5.2022 – IV C 1 - S 2252/19/10003 :009, BStBl. I 2022, 742. 6 Hamacher/Dahm in Korn, § 43 EStG Rz. 101 (Stand: März 2020); Hoffmann in Frotscher/Geurts, § 43 EStG Rz. 178 (Stand: November 2016). Hasbach | 997

Rz. 46 | Anhang 2 Kapitalertragsteuer auf Investmenterträge

digen FA nach Maßgabe des § 93c AO neben den in § 93a Abs. 1 AO genannten Angaben auch die Konto- und Depotbezeichnung oder die sonstige Bezeichnung des Geschäftsvorgangs zu übermitteln (§ 43 Abs. 2 Sätze 7 f. EStG).

IV. Freistellungsauftrag, Nichtveranlagungs-Bescheinigung (§ 44a Abs. 1, 2 EStG, R 24 Abs. 2 KStR) 47 Nach § 44a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG ist auf Erträge aus Investmentfonds kein Kapitalertrag-

steuerabzug vorzunehmen, wenn sämtliche Kapitalerträge einschließlich der Investmenterträge, die dem StPfl. innerhalb eines VZ zufließen, zusammen mit den Kapitalerträgen, für die die KapErtrSt nach § 44b EStG zu erstatten oder nach § 44a Abs. 10 EStG kein Steuerabzug vorzunehmen ist, den Sparerpauschbetrag i.S.d. § 20 Abs. 9 EStG nicht übersteigen. Voraussetzung ist die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht des Anlegers. Abzustellen ist auf den Zeitpunkt, in dem die Investmenterträge dem StPfl. zufließen. Ob die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht kurz vor dem Zeitpunkt begründet wird oder kurz nach dem Zeitpunkt erlischt, ist unerheblich.1 Des Weiteren hat der StPfl. der die Kapitalerträge auszahlenden Stelle einen Freistellungsauftrag nach amtlich vorgeschriebenem Muster vorzulegen (§ 44a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG). Auch unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige und nicht von der KSt befreite Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen können einen Freistellungsauftrag i.H.v. 801 Euro erteilen, soweit sie Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielen.2

48 Ein Steuerabzug auf Erträge aus Investmentfonds unterbleibt bei unbeschränkt einkommen-

steuerpflichtigen Anlegern ebenfalls, wenn anzunehmen ist, dass auch für Fälle der Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG keine Steuer entsteht, d.h., wenn anzunehmen ist, dass der StPfl. im VZ keine Steuer zahlen wird. Der Gläubiger der Erträge aus Investmentfonds hat dies der auszahlenden Stelle durch Vorlage einer Nichtveranlagungs-Bescheinigung nachzuweisen (§ 44a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG).

49 Nach § 24 Satz 1 KStG ist bei der Veranlagung von stpfl. Körperschaften, Personenvereinigun-

gen und Vermögensmassen, deren Leistungen bei den Empfängern nicht zu den Einnahmen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG gehören, ein Betrag i.H.v. 5.000 Euro vom Einkommen abzuziehen (begrenzt auf die Höhe des Einkommens). Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, deren Einkommen den Freibetrag von 5.000 Euro nicht übersteigt, sind nicht zu veranlagen und besitzen einen Anspruch auf Erteilung einer NV-Bescheinigung. Bei Vorlage einer solchen NV-Bescheinigung ist von einem Kapitalertragsteuerabzug auf Investmenterträge Abstand zu nehmen.3

V. Steuerbefreite inländische Körperschaften, Personenvereinigungen, Vermögensmassen und inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts (§ 44a Abs. 4 EStG) 50 Fließen Erträge aus einem Investmentfonds

– einer von der KSt befreiten inländischen Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse oder – einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts zu,

1 Jachmann-Michel in Brandis/Heuermann, § 44a EStG Rz. 22 (Stand: August 2021). 2 BMF v. 19.5.2022 – IV C 1 - S 2252/19/10003 :009, BStBl. I 2022, 742 Rz. 280 ff. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.7.

998 | Hasbach

E. Abstandnahme vom Kapitalertragsteuerabzug | Rz. 51

ist auf diese Erträge grds. kein Kapitalertragsteuerabzug vorzunehmen (§ 44a Abs. 4 Satz 1 EStG). Grund für die Abstandnahme ist, dass die genannten Steuersubjekte mit diesen Einkünften nicht der KSt unterliegen. Die Erträge sind dort der stfreien Vermögensverwaltung zuzurechnen. Da insoweit auch keine Veranlagung erfolgt, scheidet auch eine Anrechnung der einbehaltenen KapErtrSt aus, sodass die Erträge – ohne Abstandnahme – im Wege des Steuerabzugs unzutreffend besteuert würden.1 Die Abstandnahme vom Steuerabzug nach § 44a Abs. 4 Satz 1 EStG ist „inländischen“ Kör- 51 perschaften, Personenvereinigungen, Vermögensmassen oder juristischen Personen des öffentlichen Rechts vorbehalten. Seine Zugehörigkeit zu dieser Gruppe hat der Gläubiger gegenüber der die Kapitalerträge auszahlenden Stelle durch eine Bescheinigung des für ihn zuständigen FA nachzuweisen (§ 44a Abs. 4 Satz 3 EStG).2 Das FA darf allerdings eine solche Bescheinigung nicht erteilen, wenn die Erträge aus einem Investmentfonds bei der von der KSt befreiten inländischen Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse in einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 AO) oder bei der inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem Betrieb gewerblicher Art (§ 4 KStG) anfallen (§ 44a Abs. 4 Satz 5 EStG). Wirtschaftliche Geschäftsbetriebe von grds. steuerbefreiten Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen werden von der Steuerbefreiung i.d.R. nicht mitumfasst, sodass Gewinne hieraus der KSt unterliegen (z.B. § 5 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 Buchst. a, Nr. 7 Satz 2, Nr. 9 Satz 2 KStG). Vergleichbares gilt bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die einen Betrieb gewerblicher Art unterhalten. Die juristische Person des öffentlichen Rechts stellt bzgl. ihres Betriebs gewerblicher Art ein eigenes Körperschaftsteuersubjekt dar (§ 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 KStG).3 Unterliegen danach Gewinne aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben bzw. aus Betrieben gewerblicher Art (einschließlich der diesen Betrieben zuzurechnenden Erträge aus Investmentfonds) der KSt, ist es folgerichtig, von solchen Erträgen KapErtrSt einzubehalten und diese aus dem Anwendungsbereich des § 44a Abs. 4 Satz 1 EStG auszunehmen. Die Körperschaften, Personenvereinigungen, Vermögensmassen und juristischen Personen des öffentlichen Rechts werden insoweit zur KSt veranlagt und die einbehaltene KapErtrSt wird auf die festgesetzte KSt angerechnet (§ 31 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG). Ist hingegen der Betrieb gewerblicher Art von der KSt befreit, ist auch diesem Betrieb für Zwecke des Steuerabzugs eine Bescheinigung auszustellen.4 Anstelle einer Bescheinigung des für den Gläubiger zuständigen FA kann der auszahlenden Stelle eine amtlich beglaubigte Kopie des zuletzt erteilten Freistellungsbescheids, der für einen nicht länger als fünf Jahre zurückliegenden VZ vor dem VZ des Zuflusses der Investmenterträge erteilt worden ist, oder eine amtlich beglaubigte Kopie des Feststellungsbescheids i.S.d. § 60a AO überlassen werden.5

1 Intemann in H/H/R, § 44a EStG Anm. 12 (Stand: August 2019); Bleschick in Kirchhof/Seer21, § 44a EStG Rz. 5. 2 Die Bescheinigung wird auf Antrag des StPfl. ausgestellt (amtlicher Vordruck „NV 2 A“). Der Nachweis kann auch durch eine NV-Bescheinigung i.S.d. § 44a Abs. 7 Satz 2 EStG sowie eine NV-Bescheinigung i.S.d. § 44a Abs. 8 Satz 2 EStG erfolgen (BMF-Anwendungsschreiben [konsolidierte Fassung], Rz. 16.7). 3 Nach st. Rspr. des BFH ist Steuersubjekt die juristische Person des öffentlichen Rechts und nicht der Betrieb gewerblicher Art (grundlegend BFH v. 13.3.1974 – I R 7/71, BStBl. II 1974, 391; seitdem z.B. BFH v. 8.11.1989 – I R 187/85, BStBl. II 1990, 242; v. 27.11.2012 – IV B 64/12, BFH/NV 2013, 514). 4 Hoffmann in Frotscher/Geurts, § 44a EStG Rz. 91 (Stand: August 2021). 5 BMF v. 19.5.2022 – IV C 1 - S 2252/19/10003 :009, BStBl. I 2022, 742 Rz. 295 und 297. Hasbach | 999

Rz. 52 | Anhang 2 Kapitalertragsteuer auf Investmenterträge

VI. Steuerabzug bei Dauerüberzahlern (§ 44a Abs. 5 EStG) 52 Des Weiteren ist nach § 44a Abs. 5 Satz 1 EStG auf Erträge aus Investmentfonds keine Ka-

pErtrSt einzubehalten, die einem unbeschränkt oder beschränkt stpfl. Gläubiger zufließen, soweit die Investmenterträge bei dem Gläubiger zu den Betriebseinnahmen zählen und die KapErtrSt bei dem Gläubiger aufgrund der Art seiner Geschäfte auf Dauer höher wäre als die gesamte festzusetzende ESt bzw. KSt (sog. Dauerüberzahler). Der Einbehalt von KapErtrSt muss „aufgrund der Art der Geschäfte“ des Gläubigers bei diesem zu einer Überbesteuerungssituation führen. Dies setzt voraus, dass die infolge des Steuerabzugs entstehende Überbesteuerungssituation der ausgeübten Geschäftstätigkeit derart wesensimmanent ist, dass ein wirtschaftlich besseres Ergebnis nicht erreicht werden kann.1 Maßgeblich ist die abstrakte Art der Geschäfte.2 Davon abzugrenzen sind Überbesteuerungssituationen, die aufgrund der Art und Weise, in der den Geschäften nachgegangen wird, aufgrund der Marktsituation sowie aufgrund individueller Besonderheiten (z.B. individuelle Geschäftsentwicklung, rechtliche Gestaltungen) eintreten. In diesen Fällen ist eine Abstandnahme vom Steuerabzug nicht statthaft.3 In den Anwendungsbereich des § 44a Abs. 5 Satz 1 EStG fallen damit bspw. Lebensversicherungsunternehmen und Verwertungsgesellschaften i.S.d. Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes, die die von ihnen erwirtschafteten Erträge größtenteils an ihre Kunden weitergeben, sodass den Kapitalerträgen in vergleichbarem Umfang Betriebsausgaben gegenüberstehen,4 ggf. fallen auch Energieunternehmen in den Anwendungsbereich, wenn diese bspw. die Erträge aus Investmentfonds durch Verrechnung mit dem Strompreis an ihre Kunden weitergeben.5 Eine Überbesteuerungssituation kann etwa auch dann eintreten, wenn eine KapGes. im Wesentlichen Investmenterträge aus Anteilen an Aktienfonds erzielt, die bei der KapGes. nach § 20 Abs. 1 Satz 3 InvStG lediglich zu 20 % stpfl. sind und mit 15 % KSt zzgl. SolZ belastet werden, der Kapitalertragsteuerabzug hingegen mit einem Steuersatz i.H.v. 25 % (zzgl. SolZ) auf 70 % der Investmenterträge vorgenommen wird.6 Die Voraussetzungen hat der Gläubiger durch eine Bescheinigung des für ihn zuständigen FA gegenüber der auszahlenden Stelle nachzuweisen (§ 44a Abs. 5 Satz 4 EStG).7 Werden Investmentanteile von einer Personengesellschaft gehalten, ist für Zwecke des § 44a Abs. 5 Satz 1 EStG nicht auf die Gesamthand, sondern auf die Gesellschafter abzustellen.8 Handelt es sich bei dem Gläubiger um ein Lebens- oder Krankenversicherungsunternehmen als Organgesellschaft i.S.d. § 14 KStG, kommt eine Abstandnahme vom Steuerabzug in Betracht, wenn bezogen auf den gesamten Organkreis die anzurechnenden Steuern höher sind als die für den Organkreis festzusetzende KSt (§ 44a Abs. 5 Satz 2 EStG).

1 BFH v. 27.8.1997 – I R 22/97, BStBl. II 1997, 817; v. 29.3.2000 – I R 32/99, BStBl. II 2000, 496; Intemann in H/H/R, § 44a EStG Anm. 16 (Stand: August 2019); Bleschick in Kirchhof/Seer21, § 44a EStG Rz. 6. 2 BFH v. 29.3.2000 – I R 32/99, BStBl. II 2000, 496. 3 OFD NRW v. 29.6.2021 – S 2404a, ESt-Kartei NW §§ 43–45e EStG Nr. 809, juris, Tz. 3.1. 4 BT-Drucks. 12/2501, 20; s. auch OFD NRW v. 29.6.2021 – S 2404a, ESt-Kartei NW §§ 43-45e EStG Nr. 809, juris. 5 Hoffmann in Frotscher/Geurts, § 44a EStG Rz. 92e (Stand: August 2021). 6 Häuselmann, Investmentanteile, 2019, Kap. 7 Rz. 25. 7 Die Bescheinigung wird auf Antrag des StPfl. ausgestellt (amtlicher Vordruck „NV 2 A“). 8 FG Hbg. v. 19.10.2017 – 2 K 57/17, EFG 2018, 130; FG Münster v. 27.11.2019 – 13 K 2902/19 Kap, EFG 2020, 284; s. auch FG Sa.-Anh. v. 3.5.2013 – 6 K 1103/12, juris (die NZB wurde durch den BFH mit Beschl. v. 26.2.2014 [I B 132/13] als unzulässig verworfen).

1000 | Hasbach

F. Erstattung von Kapitalertragsteuer (§ 44b EStG) | Rz. 55

VII. Steuerabzug bei Investmentfonds (§ 7 Abs. 1 InvStG) Soweit Investmentfonds Investmenterträge erzielen, ist nach § 7 Abs. 1 Satz 4 InvStG keine 53 KapErtrSt auf die Erträge zu erheben. Investmentfonds sind lediglich mit den in § 6 Abs. 2 InvStG genannten Einnahmen körperschaftsteuerpflichtig. Erträge aus Investmentfonds gehören nicht hierzu, sodass die Erhebung von KapErtrSt nicht erforderlich ist. Allerdings ist der die Kapitalerträge auszahlenden Stelle eine Bescheinigung des für die Besteuerung des Investmentfonds zuständigen FA vorzulegen, in der der Status als Investmentfonds bestätigt wird (§ 7 Abs. 3 Satz 1 InvStG). Legt der Investmentfonds die Bescheinigung erst nach Zufluss der Investmenterträge vor, hat die die Kapitalerträge auszahlende Stelle den Kapitalertragsteuerabzug zunächst vorzunehmen und später die einbehaltene KapErtrSt zu erstatten, sofern die Bescheinigung innerhalb von 18 Monaten nachgereicht wird (§ 7 Abs. 5 Satz 1 InvStG). Im Übrigen kommt eine Erstattung der auf Investmenterträge einbehaltenen KapErtrSt nach § 11 InvStG in Betracht. Zu Einzelheiten s. auch die Kommentierungen bei § 7 und § 11 InvStG).

F. Erstattung von Kapitalertragsteuer (§ 44b EStG) I. Erstattung nach Ausschüttungen in der Liquidationsphase eines Investmentfonds (§ 44b Abs. 1 EStG) Mit § 44b Abs. 1 EStG hat der Gesetzgeber im Zuge der Investmentsteuerreform 2018 eine 54 neue Regelung zur Erstattung von KapErtrSt geschaffen. Grundsätzlich führen auch Substanzausschüttungen eines Investmentfonds zu Erträgen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG, § 16 Abs. 1 Nr. 1 InvStG. Dies gilt jedoch nicht für Kapitalrückzahlungen in der Liquidationsphase eines Investmentfonds. In welchem Umfang Ausschüttungen als steuerfreie Kapitalrückzahlungen qualifizieren, bestimmt sich nach § 17 InvStG (Rechtsgrundverweis)1. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 InvStG gelten Ausschüttungen eines Kalenderjahres während der Abwicklung eines Investmentfonds als steuerfreie Kapitalrückzahlung, soweit der letzte in diesem Kalenderjahr festgesetzte Rücknahmepreis die fortgeführten AK unterschreitet. Dabei ist bei bestandsgeschützten Alt-Anteilen auf die fiktiven AK i.S.d. § 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 InvStG und im Übrigen auf die tatsächlichen AK abzustellen (§ 17 Abs. 1 Sätze 2 und 3 InvStG).2 Die Möglichkeit zur Vornahme steuerfreier Kapitalrückzahlungen während der Liquidation ist nach § 17 Abs. 1 Satz 4 InvStG auf fünf Kalenderjahre begrenzt (zum Beginn des Zeitraums s. § 17 Abs. 2 InvStG). Da die Regelung u.a. an den letzten im Kalenderjahr der Ausschüttung festgesetzten Rücknahmepreis anknüpft, kann erst nach Ablauf des Kalenderjahres ermittelt werden, inwieweit Ausschüttungen Kapitalrückzahlungen darstellen. Ausschüttungen während eines Kalenderjahres sind daher zunächst in vollem Umfang als kapitalertragsteuerpflichtiger Ertrag zu behandeln (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG). Nach Ablauf eines Kalenderjahres, d.h. jeweils nach Ablauf des 31.12. eines Jahres (nicht nach 55 Ablauf eines Kalenderjahres nach der Ausschüttung), ist dem Anleger die im vorangegange1 Mann in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, BeckOK, § 44b EStG Rz. 12 (Stand: Juli 2022). 2 § 17 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 InvStG wurden mit dem „JStG 2019“ v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451, zur Verhinderung von Steuergestaltungen (vgl. BT-Drucks. 19/13436, 175) mit Wirkung ab dem 1.1.2020 (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 InvStG) grundlegend neu gefasst. Nach § 17 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 InvStG in der bis zum 31.12.2019 anwendbaren Fassung galten Ausschüttungen während der Abwicklung eines Investmentfonds nur insoweit als Ertrag, wie in ihnen der Wertzuwachs eines Kalenderjahres enthalten war. Zur Ermittlung dieses Wertzuwachses war die Summe der Ausschüttungen für ein Kalenderjahr zu ermitteln und mit dem letzten in dem Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis zusammenzurechnen. Überstieg die sich daraus ergebende Summe den ersten im Kalenderjahr festgesetzten Rücknahmepreis, so war die Differenz der Wertzuwachs. Hasbach | 1001

Rz. 55 | Anhang 2 Kapitalertragsteuer auf Investmenterträge

nen Kalenderjahr abgeführte KapErtrSt auf Ausschüttungen eines Investmentfonds durch den zum Kapitalertragsteuerabzug Verpflichteten zu erstatten, soweit die Ausschüttungen auf Kapitalrückzahlungen i.S.d. § 17 InvStG beruhen (§ 44b Abs. 1 EStG). Der Entrichtungspflichtige erhält wiederum die erstattete KapErtrSt im Rahmen des Kapitalertragsteuer-AnmeldungVerfahrens von dem Betriebsstätten-FA erstattet.1 Der Umfang der Erstattung richtet sich nach § 17 InvStG. Ohne den Erstattungsanspruch könnte der Kapitalertragsteuerabzug grds. nur nach Maßgabe des § 43a Abs. 3 Satz 7 EStG korrigiert werden, d.h., der ursprüngliche Steuerabzug bliebe unberührt und die auszahlende Stelle hätte im Folgejahr i.H.d. Kapitalrückzahlung einen Verlust einzubuchen.2 56 Sofern für den Investmentfonds in dem Kalenderjahr der Ausschüttung keine Rücknahme-

preise ermittelt und veröffentlicht werden, ist die Anwendung von § 17 Abs. 1 InvStG und damit auch von § 44b Abs. 1 EStG ausgeschlossen.3 Des Weiteren ist die Erstattung nach § 44b Abs. 1 EStG ausgeschlossen, sofern dem Entrichtungspflichtigen keine Informationen zu den AK des Anlegers vorliegen (z.B. nach einem Depotübertrag ohne Übermittlung der Daten zu den AK).4 Dies gilt grds. auch bei Alt-Anteilen i.S.d. § 56 Abs. 2 Satz 1 InvStG, die nicht unter den Bestandsschutz des § 56 Abs. 6 Satz 1 InvStG fallen und für die dem Entrichtungspflichtigen keine AK (mehr) bekannt sind. Die FinVerw. beanstandet es allerdings nicht, bei Ausschüttungen auf nicht bestandsgeschützte Alt-Anteile an einem sich in Liquidation befindlichen Investmentfonds die fortgeführten Anschaffungskosten i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 InvStG auf Basis des folgenden Ersatzwerts zu ermitteln, sofern dem Entrichtungspflichtigen die tatsächlichen AK der Alt-Anteile nicht bekannt sind: Ersatzwert = Rücknahmepreis zum 31.12.2017 ./. fiktiver Veräußerungsgewinn i.S.d. § 56 Abs. 3 Satz 1 InvStG5 Ist eine Erstattung nach § 44b Abs. 1 EStG ausgeschlossen, verbleibt dem Anleger allerdings die Möglichkeit, die Anwendung von § 17 InvStG und die Erstattung der zu viel einbehaltenen KapErtrSt im Wege der Veranlagung geltend zu machen.

57 Für die die Kapitalerträge auszahlende Stelle besteht grds. eine Verpflichtung zur Durchfüh-

rung des Erstattungsverfahrens („hat“). Im Gegensatz zu § 44b Abs. 5 und 6 EStG enthält § 44b Abs. 1 EStG keine zeitliche Beschränkung. Damit könnten die FinBeh. den StPfl. stets und zeitlich unbeschränkt auf das Erstattungsverfahren nach § 44b Abs. 1 EStG verweisen. Dies ist jedoch in den Fällen problematisch, in denen die die Kapitalerträge auszahlende Stelle die Erstattung ablehnt (z.B., weil Unsicherheiten darüber bestehen, ob eine Ausschüttung die Voraussetzungen des § 17 InvStG erfüllt). Daher sollte die Verpflichtung zur Erstattung zeitlich begrenzt werden. Sachgerecht erscheint – analog zu § 44b Abs. 5 Satz 3 EStG –, auf den Zeitpunkt der Erteilung einer Steuerbescheinigung abzustellen. Danach kann das Erstattungsverfahren weiterhin freiwillig durchgeführt werden. Erfolgt keine Erstattung durch die die Kapitalerträge auszahlende Stelle, besitzt der Gläubiger einen Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO.

58 Die Höhe des Erstattungsanspruchs richtet sich nach dem Umfang der steuerfreien Kapital-

rückzahlungen des vorangegangenen Kalenderjahres. Diese sind wiederum nach § 17 InvStG zu ermitteln. Hat der Investmentfonds mehrere Ausschüttungen getätigt, sind die Kapitalrückzahlungen quotal aufzuteilen:6

1 BT-Drucks. 18/8045, 138. 2 Vgl. zu dem insoweit ähnlich gelagerten Problem der zu spät erkannten Kapitalrückzahlung bei einer KapGes. BMF v. 19.5.2022 – IV C 1 - S 2252/19/10003 :009, BStBl. I 2022, 742 Rz. 241, Beispiel 1. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 17.3. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 17.17. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 17.19 f. (mit Beispiel). 6 BMF v. 19.5.2022 – IV C 1 - S 2252/19/10003 :009, BStBl. I 2022, 742 Rz. 308a f.

1002 | Hasbach

F. Erstattung von Kapitalertragsteuer (§ 44b EStG) | Rz. 62 Beispiel: Die AK des Anlegers A für die Anteile an dem sich in Liquidation befindlichen Investmentfonds X betrugen 70 Euro. Die Investmentanteile werden in einem Depot bei der Bank B verwahrt. Der Investmentfonds X schüttet in 01 am 1.4. 3 Euro und am 1.10. 7 Euro aus. Der letzte in 01 festgesetzte Rücknahmepreis für Anteile an dem Investmentfonds X beträgt 62 Euro. Lösung: Auf die Ausschüttungen in 01 (10 Euro) hat die Bank B zunächst KapErtrSt einzubehalten. Allerdings enthalten die Ausschüttungen steuerfreie Kapitalrückzahlungen i.S.d. § 17 InvStG i.H.v. 8 Euro (= 70 Euro ./. 62 Euro]). Die steuerfreien Kapitalrückzahlungen sind quotal den einzelnen Ausschüttungen zuzuordnen, sodass auf die Ausschüttung am 1.4. eine steuerfreie Kapitalrückzahlung i.H.v. 2,4 Euro (= 3/10 x 8 Euro) und auf die Ausschüttung am 1.10. eine Kapitalrückzahlung i.H.v. 5,6 Euro (= 7/10 x 8 Euro) entfällt. Die Bank B hat dem A die hierauf einbehaltene KapErtrSt nach § 44b Abs. 1 EStG zu erstatten.

Ist auf die Ausschüttungen z.B. aufgrund einer Verlustverrechnung nach § 43a Abs. 3 Satz 2 EStG 59 der Kapitalertragsteuerabzug unterblieben und stellt sich nach Ablauf des Kalenderjahres heraus, dass in den Ausschüttungen steuerfreie Kapitalrückzahlungen enthalten waren, ist zu differenzieren. Hat der StPfl. weitere Kapitalerträge erzielt und ist hierauf KapErtrSt einbehalten worden, weil die bestehenden Verluste aufgrund der Verrechnung mit den Ausschüttungen aus Investmentfonds nicht zum Ausgleich zur Verfügung standen, kann i.H.d. steuerfreien Kapitalrückzahlungen die auf die weiteren Kapitalerträge einbehaltene KapErtrSt nach § 44b Abs. 1 EStG erstattet werden. Hat der StPfl. hingegen keine weiteren Kapitalerträge erzielt, erhöhen die steuerfreien Kapitalrückzahlungen die ausgleichsfähigen Verluste entsprechend § 43a Abs. 3 Satz 7 EStG. Sofern bei Erhebung der KapErtrSt auf die Ausschüttung ausländische Quellensteuern ange- 60 rechnet wurden (§ 43a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 32d Abs. 5 EStG), ist bei der Durchführung der Erstattung eine Korrektur der anrechenbaren ausländischen Quellensteuer vorzunehmen und die Quellensteuer quotal auf die steuerfreie Kapitalrückzahlung und den verbleibenden Kapitalertrag aufzuteilen.1 Eine vollständige Anrechnung der Quellensteuer auf den verbleibenden Kapitalertrag unterbleibt. Nach § 17 Abs. 3 InvStG sind die AK eines Investmentanteils um die steuerfreien Kapitalrück- 61 zahlungen i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 InvStG zu mindern. Dies ist auch bei der Erstattung nach § 44b Abs. 1 EStG zu beachten. Fortsetzung des Beispiels in Rz. 58: Im Jahr 02 tätigt der Investmentfonds X am 1.6. eine weitere Ausschüttung i.H.v. 10 Euro. Der letzte in 02 festgesetzte Rücknahmepreis für Anteile an dem Investmentfonds X beträgt 55 Euro. Lösung: Auf die Ausschüttung in 02 hat die Bank B zunächst wieder KapErtrSt einzubehalten. Bei der Ermittlung der steuerfreien Kapitalrückzahlung i.S.d. § 17 Abs. 1 InvStG ist der letzte in 02 festgesetzte Rücknahmepreis für Anteile an dem Investmentfonds X i.H.v. 55 Euro den AK i.H.v. 70 Euro abzgl. der steuerfreien Kapitalrückzahlung des Jahres 01 i.H.v. 8 Euro (§ 17 Abs. 3 InvStG) (= 62 Euro) gegenüberzustellen, sodass die Ausschüttung in 02 i.H.v. 10 Euro eine steuerfreie Kapitalrückzahlung i.H.v. 7 Euro (= 62 Euro ./. 55 Euro) umfasst und die hierauf einbehaltene KapErtrSt nach § 44b Abs. 1 EStG zu erstatten ist.

II. Erstattung bei Steuerabzug ohne rechtlichen Grund oder bei nachträglicher Vorlage bestimmter Bescheinigungen (§ 44b Abs. 5 EStG) Wird auf Erträge aus Investmentfonds KapErtrSt einbehalten, obwohl eine Verpflichtung hier- 62 zu nicht bestand (z.B. bei Nichtbeachtung der Teilfreistellung oder bei inländischer Depotverwahrung eines im Ausland ansässigen Gläubigers), oder legt der Gläubiger der die Kapitalerträge auszahlenden Stelle die Bescheinigung i.S.d. § 43 Abs. 2 Satz 4 EStG, den Freistellungs1 BMF v. 19.5.2022 – IV C 1 - S 2252/19/10003 :009, BStBl. I 2022, 742 Rz. 308a f. Hasbach | 1003

Rz. 62 | Anhang 2 Kapitalertragsteuer auf Investmenterträge

auftrag, die Nichtveranlagungs-Bescheinigung oder die Bescheinigung i.S.d. § 44a Abs. 4 oder 5 EStG erst zu einem Zeitpunkt vor, in dem der Steuerabzug bereits vorgenommen worden ist, oder gibt der Gläubiger erst nach dem Steuerabzug die Erklärung nach § 43 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 EStG gegenüber der die Kapitalerträge auszahlenden Stelle ab, ist der die Kapitalerträge auszahlenden Stelle die zu Unrecht einbehalte KapErtrSt durch das Betriebsstätten-FA auf Antrag zu erstatten.1 Alternativ kann die die Kapitalerträge auszahlende Stelle die abzuführende KapErtrSt bei ihrer nächsten Kapitalertragsteueranmeldung entsprechend kürzen (§ 44b Abs. 5 Satz 1 EStG). Die Erstattung erfolgt nicht gegenüber dem Gläubiger der Erträge, sondern gegenüber der die Kapitalerträge auszahlenden Stelle (§ 44b Abs. 5 Satz 2 EStG).2 Der Erstattungsanspruch basiert auf dem allgemeinen Rechtsgedanken, dass ein von vornherein oder nachträglich rechtsgrundloser Steuerabzug rückgängig zu machen ist. Der Anspruch nach § 44b Abs. 5 EStG ist lex specialis zu § 37 Abs. 2 AO und geht diesem vor.3 63 Wird der die Kapitalerträge auszahlenden Stelle aufgrund ihres Antrags KapErtrSt erstattet

bzw. muss sie aufgrund der Kürzung weniger KapErtrSt an das FA abführen, hat sie den Erstattungsbetrag bzw. den Differenzbetrag an den Gläubiger der Investmenterträge weiterzuleiten. Dieses Verfahren (Korrektur durch die die Kapitalerträge auszahlende Stelle mit Weiterleitung des Steuerbetrags an den Gläubiger) ist bis zur Ausstellung einer Steuerbescheinigung über den jeweiligen Steuerbetrag zwingend zu betreiben (§ 44b Abs. 5 Satz 3 EStG). Danach kann das Verfahren freiwillig durchgeführt werden.4 Soweit die die Kapitalerträge auszahlende Stelle das Verfahren nach § 44b Abs. 5 Satz 1 EStG nicht durchführt, hat der Gläubiger der Kapitalerträge einen Anspruch auf Erstattung der KapErtrSt nach § 37 Abs. 2 AO. Dieser ist nach Auffassung der FinVerw. gegenüber dem Betriebsstätten-FA der auszahlenden Stelle geltend zu machen.5 Dem ist zuzustimmen für Fälle, in denen über die StPfl. der Erträge aus Investmentfonds nicht im Rahmen einer Veranlagung entschieden wird (z.B. bei Investmenterträgen eines Steuerausländers). Ist die Entsch. über die StPfl. der Investmenterträge hingegen Gegenstand einer Veranlagung, ist das für die Veranlagung zuständige FA aufgrund des Vorrangs des Veranlagungsverfahrens6 und der damit einhergehenden Bindungswirkung für den Kapitalertragsteuerabzug7 auch für die Erstattung zu Unrecht einbehaltener KapErtrSt nach § 37 Abs. 2 AO zuständig (z.B. bei fehlerhafter Ermittlung der kapitalertragsteuerpflichtigen Bemessungsgrundlage).8

1 Nach Auffassung der FinVerw. setzt der Erstattungsanspruch die Identität von Gläubiger der Kapitalerträge und Depotinhaber voraus (BMF v. 19.5.2022 – IV C 1 - S 2252/19/10003 :009, BStBl. I 2022, 742 Rz. 309). Soweit der die Kapitalerträge auszahlenden Stelle bekannt ist, dass die Einkünfte nicht dem Depotinhaber zuzurechnen sind (z.B. Treuhand), besteht kein Anspruch auf Erstattung nach § 44b Abs. 5 Satz 1 EStG. Allerdings hat derjenige, dem die Erträge steuerlich zuzurechnen sind, einen Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO. 2 Vgl. zur Vorgängerregelung des § 44b Abs. 4 EStG a.F. BFH v. 14.7.2004 – I R 100/03, BStBl. II 2005, 31. 3 BMF v. 19.5.2022 – IV C 1 - S 2252/19/10003 :009, BStBl. I 2022, 742 Rz. 307. 4 BMF v. 19.5.2022 – IV C 1 - S 2252/19/10003 :009, BStBl. I 2022, 742 Rz. 307a. 5 BMF v. 19.5.2022 – IV C 1 - S 2252/19/10003 :009, BStBl. I 2022, 742 Rz. 307. 6 BFH v. 18.2.1970 – I R 97/66, BStBl. II 1970, 464; v. 19.10.2005 – I R 121/04, BFH/NV 2006, 926. 7 BFH v. 18.2.1970 – I R 97/66, BStBl. II 1970, 464; Dißars in Lademann, § 44b EStG Rz. 28 (Stand: März 2020); Gersch in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 44b EStG Rz. F3 (Stand: April 2015); Geurts in Bordewin/Brandt, § 44b EStG Rz. 13 (Stand: Dezember 2010). 8 In diesem Sinne wohl auch OFD Koblenz v. 27.6.2007 – S 0450 A - St 35 8, juris, Tz. 4.

1004 | Hasbach

Anhang 3 Investmentvermögen in der Handels- und Steuerbilanz A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Grundlagen der Bilanzierung von Investmentfondsanteilen I. Investmentfondsanteile als Vermögensgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Investmentfondsanteile als Wirtschaftsgut III. Zuordnung zum Anlage- oder Umlaufvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Konsolidierungspflichten . . . . . . . . . . . . . C. Zugangsbewertung I. Bewertung in der Handelsbilanz . . . . . . . II. Bewertung in der Steuerbilanz . . . . . . . . . D. Folgebewertung I. Wertveränderungen in der Handelsbilanz 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das gemilderte Niederstwertprinzip im Anlagevermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das strenge Niederstwertprinzip im Umlaufvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Folgebewertung in der Steuerbilanz . . . . . E. Bilanzielle Erfassung von laufenden Erträgen

1

5 6 7 10 11 15

16 19 22 23

I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausschüttung 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Spezial-Investmentfonds . . . . . . . . . . . III. Thesaurierung 1. Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Spezial-Investmentfonds . . . . . . . . . . . IV. Außerbilanzielle Korrekturen 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Spezial-Investmentfonds . . . . . . . . . . . F. Veräußerung von Investmentfondsanteilen I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Spezial-Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . G. Besonderheiten bei der Folgebewertung von Anteilen an Spezial-Investmentfonds in der Steuerbilanz . . . . . . . . . . . .

27 28 31 34 46 48 54 55 56

59 61 62 65

Literatur: Häuselmann, Zur Bilanzierung von Investmentanteilen, insbesondere von Anteilen an Spezialfonds, BB 1992, 312; Häuselmann, Bewertungsalternativen für Wertpapiere in Folge der Finanzmarktkrise?, BB 2008, 2617; Dietrich/Malsch, Bilanzierung von Investmentanteilen im IFRS-Konzernabschluss eines Investors, IRZ 2017, 25; Mock, Zur Bilanzierung von Beteiligungen an Personengesellschaften, DStZ 2022, 232.

A. Einführung Das mitunter komplex anmutende Regelungswerk des InvStG hat seine ganz besonderen Fa- 1 cetten in der praktischen Umsetzung. Dabei ist die Bilanzierung der Anteile an einem Investmentfonds i.S.d. § 1 InvStG (Investmentfondsanteile) keine Ausnahme. Der Rechtsanwender steht vielfach vor der Frage, wie die Besonderheiten, welche das InvStG ihm preisgibt, aus handelsbilanzieller- und steuerbilanzieller Sicht verarbeitet. Da es keine spezifischen Sonderrechtsnormen für die Bilanzierung von Investmentfondsanteilen gibt, sind die auftretenden Bilanzierungsfragen aus den allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen abzuleiten und werden durch die Literatur, Rspr. und sonstige Veröffentlichungen (z.B. der FinVerw.) fortentwickelt. Die nachfolgenden Abschnitte behandeln die regelmäßig auftretenden Fragen der Bilanzie- 2 rung von Investmentfondsanteilen im Handels- und Steuerrecht. Die Bilanzierung nach IFRS ist nicht Gegenstand der Ausführungen.1 Grundlegende Begriffe und systematische Zusammenhänge des InvStG werden an dieser Stelle als bekannt vorausgesetzt und nicht wiederholt. 1 Siehe hierzu etwa Häuselmann, Investmentanteile, 2019, Kap. 5. Kortendick | 1005

Rz. 2 | Anhang 3 Investmentvermögen in der Handels- und Steuerbilanz

Insoweit wird auf die Kommentierungen der einzelnen Vorschriften verwiesen. Gegenstand der Darstellung ist die Anlegerebene – nicht die Fondsebene – bei Investmentfonds nach Kapitel 2 sowie bei Spezial-Investmentfonds nach Kapitel 3 des InvStG. 3 Personengesellschaften sind lediglich in wenigen Ausnahmefällen als Investmentfonds i.S.d.

§ 1 InvStG zu qualifizieren (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 InvStG). Für diese gelten sowohl handelsbilanziell als auch steuerlich besondere Gesetzmäßigkeiten, die nachfolgend nicht dargestellt werden.1

4 Eine besondere Herausforderung ist die unterschiedliche Abbildung von Erträgen aus Invest-

mentfondsanteilen in der Handels- und Steuerbilanz für Versicherungsgesellschaften, die nach § 21 KStG Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen bilden. Diese Rückstellungen werden für die Rückzahlung von zu hoch erhobenen Beiträgen an die Versicherungsnehmer gebildet. Bemessungsgrundlage hierfür ist das handelsrechtliche Jahresergebnis und nicht der steuerliche Gewinn.2

B. Grundlagen der Bilanzierung von Investmentfondsanteilen I. Investmentfondsanteile als Vermögensgegenstand 5 Handelsbilanziell stellen die Investmentfondsanteile beim bilanzierenden Anleger eigenstän-

dige Vermögensgegenstände i.S.d. § 246 Abs. 1 Satz 1 HGB dar und sind als solche zu bilanzieren.3 Es sind die Anteile selbst und nicht die vom Investmentfonds gehaltenen Vermögensgegenstände zu erfassen.4 Bei dem bilanziellen Ansatz der Fondsanteile wird weder zwischen Investmentfonds nach Kapitel 2 noch Spezial-Investmentfonds nach Kapitel 3 des InvStG unterschieden. Dies gilt gleichermaßen für inländische und ausländische Investmentfonds.

II. Investmentfondsanteile als Wirtschaftsgut 6 In der Steuerbilanz sind Investmentfondsanteile ebenfalls als eigenständige Wirtschaftsgüter

zu erfassen. Wie in der Handelsbilanz findet auch in der Steuerbilanz keine Durchschau auf die einzelnen im Investmentfonds gehaltenen Wirtschaftsgüter statt.5 So wie das Handelsrecht unterscheidet auch das Steuerrecht bei der Bilanzierung der Investmentfondsanteile nicht nach Investmentfonds des Kapitels 2 bzw. Spezial-Investmentfonds des Kapitels 3 des InvStG oder nach Anteilen an inländischen bzw. ausländischen Investmentfonds.

III. Zuordnung zum Anlage- oder Umlaufvermögen 7 Investmentfondsanteile sind im Erwerbszeitpunkt beim wirtschaftlichen Eigentümer der An-

teile in der Handels- und Steuerbilanz zu aktivieren (§ 246 Abs. 1 Satz 2 HGB, § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG). Soweit Anteile an einem Investmentfonds im Anlagevermögen gehalten werden, sind

1 Siehe hierzu etwa Mock, DStZ 2022 (232). 2 Koblenzer/Klaas/Frank in H/H/R, § 21 KStG Anm. 3 ff. 3 Häuselmann, BB 1992, 312 (315); Helios/Gstädner in Haisch/Helios, Rechtshandbuch Finanzinstrumente, 2011, § 7 Rz. 138; Hoffmann/Lüdenbach in NWB Kommentar Bilanzierung, 13. Aufl. 2022, § 266 HGB Rz. 54 m.w.N.; Kozikowski/Gutike in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 266 HGB Rz. 80; Lübbehüsen in Brinkhaus/Scherer, KAGG AuslInvestmG, 2003, § 39 KAGG Rz. 59. 4 Helios/Gstädner in Haisch/Helios, Rechtshandbuch Finanzinstrumente, 2011, § 7 Rz. 138. 5 Lübbehüsen in Brinkhaus/Scherer, KAGG AuslInvestmG, 2003, § 39 KAGG Rz. 59.

1006 | Kortendick

B. Grundlagen der Bilanzierung von Investmentfondsanteilen | Rz. 10

diese als „Wertpapiere des Anlagevermögens“ unter A.III.5 auszuweisen (§ 266 Abs. 2 HGB).1 Bei der Zuordnung zum Umlaufvermögen sind die Investmentfondsanteile als „sonstige Wertpapiere“ unter Punkt B.III.2 zu erfassen (§ 266 Abs. 2 HGB).2 Im Zugangszeitpunkt hat der bilanzierende Anleger die Entscheidung darüber zu treffen, ob 8 die Wertpapiere dem Anlage- oder Umlaufvermögen zugeordnet werden.3 Maßgeblich ist hierbei die subjektive Einschätzung des Bilanzierenden zur Verwendungsabsicht und Haltedauer der Anteile. Objektiv kann auf das Kriterium der „Dauerhaftigkeit“ der Anlage abgestellt werden.4 Insoweit gelten handels- und steuerbilanziell dieselben Grundsätze.5 Investmentfondsanteile können entweder zur langfristigen Kapitalanlage (häufig z.B. Wertpapier-, Immobilien- oder Flugzeugfonds) oder zur kurzfristigen Anlage (häufig z.B. Geldmarktfonds) gehalten werden.6 Dienen die Investmentfondsanteile der langfristigen Kapitalanlage, sind sie dem Anlagevermögen zuzuordnen. Dienen sie der kurzfristigen Anlage, mithin eher als liquider Vermögenswert, sind sie dem Umlaufvermögen zuzuordnen.7 Ob ein Vermögengegenstand dem Anlage- oder Umlaufvermögen zugeordnet wird, ist vom 9 bilanzierenden Anleger zu jedem Bilanzstichtag neu festzustellen. Dabei sind auch die Umstände vor oder nach dem Bilanzstichtag zu berücksichtigen.8 Grundsätzlich schließt die Erstzuordnung zum Anlage- bzw. Umlaufvermögen demnach eine Umwidmung nicht aus. Die Umwidmung von Investmentfondsanteilen von Anlage- zu Umlaufvermögen und umgekehrt bewirkt keinen Zugang oder Abgang der Investmentfondsanteile in der Handels- bzw. Steuerbilanz, da die bloße Umwidmung keine Transaktion darstellt, sondern lediglich eine Modifikation des Ausweises innerhalb des Gliederungsrasters der Bilanz (§ 266 Abs. 2 HGB).9 Eine Umwidmung erfolgt stets zu den Buchwerten, sodass diese weder handels- noch steuerrechtlich erfolgswirksame Konsequenzen nach sich zieht.10

IV. Konsolidierungspflichten Fondsgesellschaften (in diesem Zusammenhang sog. „Zweckgesellschaften“) sind gem. § 290 10 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 HGB grds. von den handelsrechtlichen Konsolidierungspflichten umfasst. Jedoch unterliegen als Sondervermögen aufgelegte offene inländische Spezial-AIF mit festen Anlagebedingungen i.S.d. § 284 KAGB (und vergleichbare ausländische Vermögen) gem. 1 Schubert/Kreher in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 266 HGB Rz. 70; Drüen in Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen, Bilanzrecht, 2. Aufl. 2020, § 266 HGB Rz. 26; Ebert in Heidel/Schall, HGB, 3. Aufl. 2020, § 266 Rz. 21; Marx/Dallmann in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 266 HGB Rz. 66; Drewes in Kirsch, Bilanzrecht, eKommentar, § 266 HGB Rz. 30. 2 Drüen in Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen, Bilanzrecht, 2. Aufl. 2020, § 266 HGB Rz. 26, 40; Reiner in MüKo HGB, 4. Aufl. 2020, § 266 Rz. 50. 3 Drüen in Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen, Bilanzrecht, 2. Aufl. 2020, § 266 HGB Rz. 26. 4 Häuselmann, BB 2008, 2617; Drewes in Kirsch, Bilanzrecht, eKommentar, § 266 HGB Rz. 30; Drüen in Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen, Bilanzrecht, 2. Aufl. 2020, § 266 HGB Rz. 26; Reiner in MüKo HGB, 4. Aufl. 2020, § 266 Rz. 50. 5 Faaß/Kursatz in Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen, Bilanzrecht, 2. Aufl. 2020, § 247 HGB Rz. 53; Schubert/Kreher in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 247 HGB Rz. 253; Müller in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 247 HGB Rz. 281 ff. 6 Dietrich/Malsch, IRZ 2017, 25 (26). 7 Schubert/Kreher in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 247 HGB Rz. 257; Drüen in Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen, Bilanzrecht, 2. Aufl. 2020, § 266 HGB Rz. 26; Reiner in MüKo HGB, 4. Aufl. 2020, § 266 Rz. 50. 8 Faaß/Kursatz in Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen, Bilanzrecht, 2. Aufl. 2020, § 247 HGB Rz. 66; Schubert/Huber in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 247 HGB Rz. 260. 9 Häuselmann, BB 2008, 2617 (2619). 10 Eine Gewinnrealisierung scheidet aus. Kortendick | 1007

Rz. 10 | Anhang 3 Investmentvermögen in der Handels- und Steuerbilanz

§ 290 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 HGB explizit nicht der Konsolidierungspflicht. Durch diese Ausnahme ist der Großteil der unter das InvStG fallenden (Spezial-)Investmentfonds nicht von der Konsolidierungspflicht des HGB betroffen.1

C. Zugangsbewertung I. Bewertung in der Handelsbilanz 11 Bei dem Erwerb von Investmentfondsanteilen ist das Anschaffungskostenprinzip nach Maß-

gabe der § 253 Abs. 1 und § 255 Abs. 1 HGB zu beachten.2 Danach sind Anschaffungskosten die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Die Anschaffungskosten beim Investmentfondsanteil entsprechen regelmäßig dem Ausgabe- bzw. Kaufpreis zzgl. der Anschaffungsnebenkosten sowie etwaigen nachträglichen Anschaffungskosten.3

12 Bei erstmaligem Erwerb über eine Verwahrstelle vergütet der Erwerber mit dem Ausgabe-

bzw. Kaufpreis nicht nur den aktuellen Anteilswert (Nettoinventarwert), sondern auch den in den Vertragsbedingungen festgesetzten Ausgabeaufschlag.4 Dieser dient i.d.R. der Deckung der Kosten der KVG und variiert je nach Anbieter und Investmentfonds.5 Im bilanzrechtlichen Sinne stellt der Ausgabeaufschlag einen rechtlich unselbstständigen Bestandteil des Ausgabe- bzw. Kaufpreises dar. Dieser ist nicht als rechtlich selbstständiger Vermögensgegenstand zu erfassen und geht vielmehr in dem Ausweis der Investmentfondsanteile mit seinen Anschaffungskosten auf.6

13 Zu den Anschaffungskosten gehören auch Anschaffungsnebenkosten (§ 255 Abs. 1 Satz 2

HGB). In Bezug auf Investmentfondsanteile handelt es sich dabei um unselbstständige Teile des Ausgabe- bzw. Kaufpreises, die der Anschaffung dienen. Dazu zählen z.B. Spesen, Provisionen und Gebühren.7 Nach Maßgabe des § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB sind die anfallenden Anschaffungsnebenkosten als Teil der Anschaffungskosten der Investmentfondsanteile zu aktivieren und können folglich nicht unmittelbar aufwandswirksam berücksichtigt werden.

14 Anschaffungs- bzw. Anschaffungsnebenkosten können auch nachträglich entstehen und sind

gleichwohl als solche zu aktivieren. Sie sind in entsprechenden Konstellationen zwar dem Erwerbsvorgang wirtschaftlich zuzuordnen, fallen aber zeitlich erst nach dem Erwerbsvorgang an.8 Bezogen auf Investmentfondsanteile sind dies z.B. Beratungskosten im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Erwerb der Investmentfondsanteile, die allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt in Rechnung gestellt werden. Es ist nicht entscheidend, ob Aufwendungen, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Anschaffungsvorgang ste-

1 Für detaillierte Ausführungen zur Konsolidierungspflicht von Fonds- bzw. Zweckgesellschaften: Hachmeister in Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen, Bilanzrecht, 3. Aufl. 2022, § 290 HGB Rz. 142 ff. 2 Häuselmann, BB 1992, 316; Helios/Gstädner in Haisch/Helios, Rechtshandbuch Finanzinstrumente, 2011, § 7 Rz. 140. 3 Häuselmann, Investmentanteile, 2019, Kap. 4 Rz. 19. 4 Klusak in W/B/A3, § 71 KAGB Rz. 7 m.w.N. 5 Klusak in W/B/A3, § 71 KAGB Rz. 7; a.A. Köndgen in Berger/Steck/Lübbehüsen, § 23 InvG Rz. 11 m.w.N. 6 BFH v. 22.3.1972 – I R 199/69, BStBl. II 1972, 489 Rz. 10; so auch Klusak in W/B/A3, § 71 KAGB Rz. 7 m.w.N.; a.A. wohl Moritz/Strohm in Moritz/Jesch/Mann2, § 2 InvStG Rz. 55, die den Ausgabeaufschlag als Anschaffungsnebenkosten erfassen wollen. 7 Lübbehüsen in Brinkhaus/Scherer, KAGG AuslInvestmG, 2003, § 39 KAGG Rz. 59. 8 Schubert/F. Hutzler in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 255 HGB Rz. 60.

1008 | Kortendick

D. Folgebewertung | Rz. 17

hen, bereits im Zeitpunkt des Erwerbs oder erst im Anschluss hieran als Folgekosten des Erwerbsvorgangs entstehen.1

II. Bewertung in der Steuerbilanz In Ermangelung einer abweichenden spezialgesetzlichen Definition in den Steuergesetzen ist 15 der handelsrechtliche Anschaffungskostenbegriff auch für die steuerbilanzielle Beurteilung zugrunde zu legen.2 Die Investmentfondsanteile werden demnach auch in der Steuerbilanz nach den zu § 253 Abs. 1 und § 255 Abs. 1 HGB entwickelten Grundsätzen mit ihren Anschaffungskosten (einschließlich Anschaffungsnebenkosten und nachträglichen Anschaffungskosten) erfasst (§ 5 Abs. 1 Satz 1 und § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG)3. Die vorgenannten Ausführungen zur Handelsbilanz gelten insoweit für steuerbilanzielle Zwecke entsprechend.

D. Folgebewertung I. Wertveränderungen in der Handelsbilanz 1. Vorbemerkung Wertsteigerungen in den Investmentfondsanteilen sind während der Besitzzeit aufgrund des 16 Realisations- und Anschaffungskostenprinzips (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 und § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB) für den bilanzierenden Anleger unbeachtlich.4 Insoweit entstehende stille Reserven werden erst durch ihre Realisierung bilanziell erfasst. Nach diesem Prinzip sind Wertsteigerungen erst dann zu berücksichtigen, wenn sie durch Rückgabe, Veräußerung oder anderweitige Verwertung der Investmentfondsanteile realisiert werden.5

Wertminderungen können als Ausfluss des handelsrechtlich zu beachtenden Vorsichtsprinzips 17 (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB), bei Unterschreiten der Anschaffungskosten, bereits vor Veräußerung oder Rückgabe in der Bilanz des Anlegers zu ergebniswirksamen Abschreibungen führen (s. hierzu auch nachfolgend Rz. 19 ff.).6 Dies bedeutet jedoch nicht, dass jede Wertminderung des Fondsportfolios auch auf die Bewertung des Investmentfondsanteils durchschlägt bzw. dass dies zwangsläufig auch Auswirkungen auf die bilanzielle Bewertung des Investmentfondsanteils hat. Zwar strahlen Wertminderungen einzelner Positionen im Portfolio grds. auch auf den Inventarwert bzw. den Wert des Investmentfondsanteils aus, jedoch können Wertminderungen einzelner Vermögensgegenstände des Fonds durch Wertsteigerungen anderer Positionen ausgeglichen werden. Dadurch muss der Investmentfondsanteil nicht insgesamt im Wert gemindert sein (und nur darauf käme es für die vorgenannte Betrachtung an), obwohl einzelne Vermögensgegenstände im Portfolio Werte einbüßen. Ein Ansatz zum niedrigeren Wert kommt grds. nur dann in Betracht, wenn der Ausgabepreis des Investmentfondsanteils unter den Anschaffungspreis fällt.7 1 BFH v. 14.12.2011 – I R 108/10, BStBl. II 2012, 238 (242); Schubert/Gadek in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 255 HGB Rz. 75; a.A. Krumm in Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen, Bilanzrecht, 2. Aufl. 2020, § 255 HGB Rz. 47. 2 BFH v. 19.12.2000 – IX R 100/97, BStBl. II 2001, 345; v. 17.10.2001 – I R 32/00, BStBl. II 2002, 349; v. 26.4.2006 – I R 49/04, I R 50/04, BStBl. II 2006, 656. 3 Investmentfondsanteile werden regelmäßig nicht unter die abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG subsumiert, sondern als Umlaufvermögen oder nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG eingestuft. 4 Helios/Gstädner in Haisch/Helios, Rechtshandbuch Finanzinstrumente, 2011, § 7 Rz. 142. 5 Häuselmann, BB 1992, 312 (318). 6 Marx in Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen, Bilanzrecht, 2. Aufl. 2020, § 253 HGB Rz. 142. 7 Häuselmann, BB 1992, 312 (318). Kortendick | 1009

Rz. 18 | Anhang 3 Investmentvermögen in der Handels- und Steuerbilanz 18 Im Rahmen von Wertaufholungen hat der bilanzierende Anleger zuvor berücksichtigte Ab-

schreibungen (teilweise) wieder rückgängig zu machen. Gemäß § 253 Abs. 5 Satz 1 HGB gilt ein allgemeines und rechtsformunabhängiges Wertaufholungsgebot, wenn die Gründe für die Abschreibung nicht mehr bestehen und auch nicht durch neu hinzutretende wertmindernde Faktoren substituiert werden können. Auch bei Anteilen an Investmentfonds ist dieser Grundsatz zu beachten. Demnach ergibt sich der Wertansatz eines Investmentfondsanteils für jeden Bilanzstichtag aus dem Vergleich der um die zulässigen Abschreibungen geminderten Anschaffungskosten mit dem an deren Stelle tretenden (erhöhten) beizulegenden Wert. Die Obergrenze für die Wertaufholung stellen dabei stets die Anschaffungskosten dar.1 2. Das gemilderte Niederstwertprinzip im Anlagevermögen

19 Handelsbilanziell gilt für Vermögensgegenstände des Anlagevermögens das sog. gemilderte

Niederstwertprinzip (§ 253 Abs. 3 HGB). Mindert sich der Wert der Investmentfondsanteile während der Besitzzeit des bilanzierenden Anlegers, so kann dieser die zum Bilanzstichtag festgestellte Wertminderung nach § 253 Abs. 3 Satz 6 HGB im Rahmen einer außerplanmäßigen Abschreibung ergebniswirksam berücksichtigen, sofern es sich um eine vorübergehende Wertminderung handelt. Bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung der dem Anlagevermögen zugeordneten Investmentfondsanteile besteht für den bilanzierenden Anleger nach § 253 Abs. 3 Satz 5 HGB hingegen die Pflicht zur außerplanmäßigen Abschreibung.2

20 Der Wert der Anteile hängt vom Typus des jeweiligen Investmentfondsanteils ab. Handelt es

sich um börsengehandelte Anteile, so ist regelmäßig der Börsenpreis wertbestimmend. Bei offenen Investmentvermögen, deren Anteilsscheinrückgabe an die KVG regelmäßig möglich ist, ist der von der KVG veröffentlichte Rücknahmepreis inklusive eines etwaigen in den Anlagebedingungen festgelegten Rücknahmeabschlags oder alternative, am Markt erhältliche Daten maßgebend. Zur Feststellung einer voraussichtlich dauerhaften Wertminderung der Investmentfondsanteile ist die Bewertung der im Investmentfonds gehaltenen Vermögensgegenstände zu berücksichtigen.3 Der beizulegende Wert der Anteile auf Ebene des Anlegers bestimmt sich jedoch anhand des jeweiligen Werts des Investmentfondsanteils als eigenständiger Vermögensgegenstand selbst und nicht allein nach den anteiligen Werten der im Investmentfonds befindlichen Vermögenswerte.4 Dabei können z.B. das Risikoprofil, die jeweilige Branche oder auch die regionale Herkunft des Investmentfonds bei der Bewertung des Investmentfondsanteils, insbes. bei der Frage, ob die Wertminderung dauerhaft ist, herangezogen werden.

21 Wann eine voraussichtlich dauerhafte Wertminderung vorliegt, ist gesetzlich nicht spezifisch

geregelt. Als Indiz für eine voraussichtlich dauerhafte Wertminderung wurden vom IDW folgende Indikatoren identifiziert:5 – ein nachhaltiges Absinken des Anteilswerts unter den Buchwert. Je größer der Differenzbetrag, desto eher sollte eine voraussichtlich dauernde Wertminderung angenommen werden; – der beizulegende Wert des Wertpapiers in den sechs Monaten vor dem Bilanzstichtag liegt permanent um mehr als 20 % unter dem Buchwert oder der Durchschnittswert der täglichen Börsenkurse des Wertpapiers in den letzten zwölf Monaten liegt um mehr als 10 % unter dem Buchwert;

1 2 3 4 5

Siehe hierzu u.a. Thiele/Kahn/Moser/Wätjen in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 253 HGB Rz. 651 ff. Siehe hierzu u.a. Müller in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 247 HGB Rz. 135 ff. Gl.A. Häuselmann, BB 2008, 2617 (2619). Häuselmann, Investmentanteile, 2019, Kap. 4 Rz. 49. Stellungnahme IDW RS VFA 2.

1010 | Kortendick

D. Folgebewertung | Rz. 25

– ein von der allgemeinen Kursentwicklung stark abweichender Kursverlauf des Wertpapiers; – eine wesentliche Verschlechterung der Bonität des Emittenten bis hin zur wahrscheinlichen Insolvenz. 3. Das strenge Niederstwertprinzip im Umlaufvermögen Während für im Anlagevermögen gehaltene Investmentfondsanteile das gemilderte Nieder- 22 stwertprinzip gilt, ist im Umlaufvermögen das strenge Niederstwertprinzip anzuwenden (§ 253 Abs. 4 HGB). Demnach sind Anteile im Umlaufvermögen immer auf den niedrigeren Wert abzuschreiben und nicht nur dann, wenn die Wertminderung voraussichtlich von Dauer ist. Dieser niedrigere Wert orientiert sich dabei am Börsen- oder Marktpreis. Damit ist bei börsengehandelten Anteilen auf den Börsenpreis, bei anderen Investmentfondsanteilen auf den durch die KVG veröffentlichten Rücknahmepreis oder alternative am Markt erhältliche Daten abzustellen.1 Das Wertaufholungsgebot ist auch im Umlaufvermögen zu beachten (§ 253 Abs. 5 HGB).

II. Folgebewertung in der Steuerbilanz Im Ausgangspunkt ist die zuvor geschilderte handelsbilanzielle Behandlung aufgrund des 23 Maßgeblichkeitsgrundsatzes auch für die Steuerbilanz relevant (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG). Dieser Grundsatz wird allerdings punktuell durch steuerliche Sonderregelungen durchbrochen, wie sie insbes. § 6 EStG vorsieht (§ 5 Abs. 6 EStG). So schlägt etwa der handelsrechtliche Zwang zur Wertberichtigung bei voraussichtlich dauerhafter Wertminderung nicht in der Steuerbilanz durch. In dieser können Wertberichtigungen bei voraussichtlich dauernder Wertminderung vorgenommen werden, dies ist aber keine Pflicht. Insoweit besteht sowohl bei Investmentfondsanteilen im Anlagevermögen als auch solchen im Umlaufvermögen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG) ein echtes steuerliches Wahlrecht. Demzufolge kann es im Einzelfall zu einer handelsbilanziellen Abschreibung kommen, die steuerlich nicht nachvollzogen wird. Voraussetzung für die wirksame Ausübung dieses Wahlrechts ist die laufende Führung eines besonderen Verzeichnisses, in dem die Abweichungen zwischen Steuer- und Handelsbilanz aufgenommen werden (§ 5 Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG). Die steuerliche Bezugsgröße für die Abschreibung bzw. den geminderten Wertansatz ist der niedrigere Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 i.V.m. Nr. 1 Satz 3 EStG). Hinsichtlich der Prüfung, ob eine dauerhafte Wertminderung für steuerbilanzielle Zwecke 24 vorliegt, kann auf die Ausführungen zur handelsbilanziellen Beurteilung verwiesen werden; diese gelten für die Steuerbilanz entsprechend.2 Bei einem im Umlaufvermögen gehaltenen Investmentfondsanteil ist allerdings umstritten, ob das Tatbestandsmerkmal der voraussichtlich dauernden Wertminderung überhaupt einschlägig sein kann, weil die Anteile regelmäßig kurzfristig (i.d.R. zu Veräußerungszwecken) gehalten werden und infrage gestellt wird, ob sich dies mit der Anforderung der Dauerhaftigkeit der Wertminderung verträgt.3 Für Anteile an Aktienfonds, die im Anlagevermögen des bilanzierenden Anlegers gehalten 25 werden, sieht die FinVerw. zur Beurteilung einer dauerhaften Wertminderung eine Erleichterung vor. Aus Vereinfachungsgründen ist in diesen Fällen immer dann von einer dauerhaften Wertminderung auszugehen, wenn der beizulegende Wert des Investmentfondsanteils um mehr als 5 % (sog. Bagatellgrenze) unter den maßgeblichen Buchwert fällt. Dieser Grundsatz sei unabhängig davon anzuwenden, ob es sich um Publikums- oder Spezial-Investment1 BFH v. 13.2.2019 – XI R 41/17, BStBl. II 2021, 717 Rz. 18 ff. 2 BFH v. 21.9.2011 – I R 7/11, BStBl. II 2014, 616; v. 21.9.2011 – I R 89/10, BStBl. II 2014, 612. 3 BFH v. 29.3.2017 – I R 73/15, BStBl. II 2017, 1065 Rz. 12. Kortendick | 1011

Rz. 25 | Anhang 3 Investmentvermögen in der Handels- und Steuerbilanz

fonds, d.h. Investmentfonds nach Kapitel 2 oder Kapitel 3 des InvStG, handelt.1 Für andere Fondsarten, wie z.B. Misch- oder Immobilienfonds, existiert gegenwärtig keine spezifische Vereinfachungsregelung aufseiten der FinVerw., wobei eine entsprechende Anwendung auch bei diesen Gattungen naheliegend erscheint.2 26 Bei einer nur vorübergehenden Wertminderung ist für steuerbilanzielle Zwecke – in Abgren-

zung zu den oben erwähnten handelsbilanziellen Abschreibungsgrundsätzen – ein striktes Abschreibungsverbot zu beachten. Bei einer lediglich vorübergehenden Wertminderung darf eine Abschreibung in der Steuerbilanz nicht erfolgen.3 Das oben genannte steuerliche Abschreibungswahlrecht gilt ausschließlich bei einer voraussichtlich dauerhaften Wertminderung. Das Abschreibungsverbot ist unabhängig davon zu beachten, ob die Investmentfondsanteile im Anlage- oder Umlaufvermögen gehalten werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG).

E. Bilanzielle Erfassung von laufenden Erträgen I. Vorbemerkung 27 Ein Investmentfonds kann seine im Wirtschaftsjahr erwirtschafteten ordentlichen und außer-

ordentlichen Erträge grds. – in voller Höhe thesaurieren (Thesaurierung), – in voller Höhe ausschütten (Ausschüttung) oder – sie nur zum Teil ausschütten (Teil-Ausschüttung). Aus Sicht des bilanzierenden Anlegers entstehen aus den drei genannten Varianten diverse praktische Herausforderungen. Auf diese wird in den nachfolgenden Unterabschnitten jeweils sowohl für den Anleger eines Investmentfonds nach Kapitel 2 als auch für den Anleger eines Spezial-Investmentfonds nach Kapitel 3 des InvStG eingegangen. Unter bilanziellen Gesichtspunkten ist die Teil-Ausschüttung eine Kombination aus den Regelungen für die Thesaurierung und Ausschüttung und wird daher im Folgenden nicht für sich genommen gesondert dargestellt.

II. Ausschüttung 1. Vorbemerkung 28 Nach den allgemeinen bilanziellen Grundsätzen ist mit Entstehen des Rechtsanspruchs auf

eine Ausschüttung bei dem diese Ausschüttung empfangenden Anleger eine Forderung in der Handels- und Steuerbilanz zu erfassen.4 Die Einbuchung der Ausschüttung bzw. Forderung erfolgt i.d.R. erfolgswirksam, sofern es sich nicht ausnahmsweise um eine Rückführung von zuvor eingesetztem Kapital handelt (Substanzausschüttungen).5 Im Zeitpunkt des Geldzuflusses ist die Forderung gegen die erhaltene Zahlung wieder auszubuchen. 1 BMF v. 2.9.2016 – IV C 6 - S 2171 - b/09/10002 :002 – DOK 2016/0666535, BStBl. I 2016, 995 Rz. 24. 2 BMF v. 2.9.2016 – IV C 6 - S 2171 - b/09/10002 :002 – DOK 2016/0666535, BStBl. I 2016, 995 Rz. 25 könnte so verstanden werden, weil sie keine explizite Einschränkung auf Aktienfonds vornimmt und die in der vorherigen Rz. 24 bereits gegenständliche Bagatellgrenze noch einmal ausdrücklich erwähnt. 3 Schindler in Kirchhof/Seer21, § 6 EStG Rz. 102; zweifelnd Lübbehüsen in Berger/Steck/Lübbehüsen, § 2 InvStG Rz. 100; Bödecker in Bödecker/Ernst/Hartmann, § 2 InvStG Rz. 41.11. 4 Im Gegensatz dazu ist bei nicht bilanzierenden Anlegern der Tag der Ausschüttungen maßgeblich (sog. Zuflussprinzip). 5 Zur unterschiedlichen handels- und steuerbilanziellen Behandlung s. auch Rz. 33.

1012 | Kortendick

E. Bilanzielle Erfassung von laufenden Erträgen | Rz. 33

Maßgeblich für die Begründung des Rechtsanspruchs ist der Ausschüttungsbeschluss. Die 29 Tatsache, dass den Anlegern in den Vertragsbedingungen des Investmentfonds ein Anspruch auf die grundsätzliche Auszahlung von Erträgen in Aussicht gestellt wird, hat insoweit keine Bedeutung. Erst mit entsprechender, konkreter Beschlussfassung über die Ausschüttung kann eine bilanzielle Erfassung beim Anleger erfolgen.1 Fällt das Datum des Ausschüttungsbeschlusses mit dem Ausschüttungstag zusammen, so muss der Ausschüttungsanspruch nicht zunächst als Forderung aktiviert werden. Der Ertrag aus der Ausschüttung kann unmittelbar gegen den Zahlungseingang verbucht werden und wirkt sich demnach unmittelbar erfolgswirksam in der Gewinn- und Verlustrechnung aus. In den nachfolgenden Unterabschnitten wird aus Vereinfachungsgründen stets davon ausgegangen, dass die Beschlussfassung und Auszahlung von Erträgen zeitgleich stattfinden. Die Erfassung des Auszahlungsanspruches als Forderung entfällt daher. Ausschüttungen werden beim bilanzierenden Anleger in der Gewinn- und Verlustrechnung 30 bei Investmentfondsanteilen des Anlagevermögens als „Erträge aus anderen Wertpapieren und Ausleihungen des Finanzanlagevermögens“ ausgewiesen (§ 275 Abs. 2 Nr. 10 HGB).2 Bei Investmentfondsanteilen im Umlaufvermögen sind sie als „sonstige Zinsen und ähnliche Erträge“ zu erfassen (§ 275 Abs. 2 Nr. 11 HGB).3 2. Investmentfonds Handelsbilanziell ist jede Ausschüttung eines Investmentfonds nach Kapitel 2 des InvStG als 31 Ertrag auf Ebene des bilanzierenden Anlegers zu behandeln. Davon auszunehmen sind Substanzausschüttungen. Soweit entsprechende Substanz und keine ordentlichen oder außerordentlichen Erträge ausgeschüttet werden, erfolgt die Verbuchung der Ausschüttung nicht erfolgswirksam. Vielmehr wird in entsprechender Höhe der Buchwert der Investmentfondsanteile in der Handelsbilanz gemindert. Steuerlich führt eine Ausschüttung aus dem Investmentfonds beim Anleger grds. stets zu 32 stpfl. Einkünften (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 InvStG).4 Aufgrund des sog. Cash-Flow-Prinzips5 führt jede Ausschüttung von Liquidität aus dem Investmentfonds in der Steuerbilanz des Anlegers zu Ertrag. Dies gilt grds. auch, wenn für handelsbilanzielle Zwecke eine nicht ergebniswirksame Substanzausschüttung angenommen wird. Insoweit fallen die handelsbilanzielle und steuerbilanzielle Behandlung auseinander.6 Eine steuerneutrale Substanzausschüttung wird bei Anlegern eines Investmentfonds nur 33 ausnahmsweise anerkannt. Allenfalls wenn sich der Investmentfonds in der Abwicklungsphase befindet, ist eine steuerneutrale Kapitalrückzahlung unter Beachtung der Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Satz 1 InvStG möglich (s. hierzu im Detail § 16 InvStG Rz. 44 ff. und § 17 InvStG Rz. 10 ff.). Die handelsbilanzielle Einordnung ist für steuerliche Zwecke insofern unbedeutend. Eine handelsrechtlich neutral gegen den Buchwert der Investmentfondsanteile zu buchende Substanzausschüttung führt in der Steuerbilanz regelmäßig zu einem steuerlichen Ertrag. Kommt es neben der handelsrechtlichen Einordnung als Substanzausschüttung auch steuerrechtlich in der Abwicklungsphase des Investmentfonds ausnahmsweise zu einer nicht ergebniswirksamen Substanzausschüttung, sieht das InvStG explizit die Minderung des Buch1 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 - 1/08/100019, BStBl. I 2009, 931 Rz. 28. 2 Justenhoven/Kliem/Müller in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 275 HGB Rz. 187. 3 Justenhoven/Kliem/Müller in Beck'scher Bilanz-Kommentar, 13. Aufl. 2022, § 275 HGB Rz. 186 und 191. 4 Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 16 InvStG Anm. 6. 5 BT-Drucks. 18/8045 v. 7.4.2016 (RegE InvStRefG), 88 f. 6 Häuselmann, Investmentanteile, 2019, Kap. 7 Rz. 44; Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 16 InvStG Anm. 6. Kortendick | 1013

Rz. 33 | Anhang 3 Investmentvermögen in der Handels- und Steuerbilanz

werts der Investmentfondsanteile in der Steuerbilanz vor (§ 17 Abs. 3 InvStG). Ist während der Abwicklungsphase der Buchwert bereits vollständig durch steuerneutrale Substanzausschüttungen gemindert bzw. aufgezehrt worden, sind die diesen Betrag übersteigenden Ausschüttungen nach Auffassung des BMF als Investmenterträge gem. § 16 Abs. 1 Nr. 1 InvStG zu behandeln.1 Die Bildung eines Ausgleichspostens ist aus systematischen Gründen daher nicht angezeigt. 3. Spezial-Investmentfonds 34 Für Zwecke der Handelsbilanz gelten bei Anlegern eines Spezial-Investmentfonds nach Kapi-

tel 3 des InvStG die gleichen Grundsätze wie bei Investmentfonds nach Kapitel 2 des InvStG (vgl. Rz. 29). Demnach ist die Ausschüttung von Liquidität handelsbilanziell entsprechend erfolgswirksam zu berücksichtigen, soweit es sich nicht um Substanzausschüttungen handelt.

35 Die handelsrechtliche Qualifikation hat für die steuerliche Beurteilung der Ausschüttung aus

einem Spezial-Investmentfonds hingegen keine Relevanz. Vielmehr sind die Ausschüttungen aus Spezial-Investmentfonds regelmäßig ergebniswirksam zu erfassen, sofern es sich um ausgeschüttete Erträge nach Maßgabe des § 35 InvStG handelt (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 InvStG).2

36 Im Gegensatz zu Ausschüttungen aus Investmentfonds nach Kapitel 2 InvStG ist für Spezial-

Investmentfonds keine strenge Cash-Flow-Betrachtung vorgesehen. Vielmehr gibt es für Ausschüttungen aus Spezial-Investmentfonds eine in § 35 InvStG definierte Ausschüttungsreihenfolge (s. § 35 InvStG Rz. 13). Demnach können sich Ausschüttungen für Zwecke der Steuerbilanz (i) sowohl aus sog. ausgeschütteten (stpfl.) Erträgen (ii) sowie den folgenden Ausschüttungskomponenten zusammensetzen: – ausschüttungsgleiche Erträge der Vorjahre (§ 35 Abs. 2 InvStG), – Zurechnungsbeträge (§ 35 Abs. 3 InvStG), – Immobilien-Zurechnungsbeträge (§ 35 Abs. 3a InvStG), – Absetzungsbeträge (§ 35 Abs. 4 InvStG), – Substanzbeträge (§ 35 Abs. 5 InvStG).

37 Bei Zurechnungsbeträgen handelt es sich um inländische Beteiligungseinnahmen, für die der

Spezial-Investmentfonds von der sog. Transparenzoption gem. § 30 Abs. 1 InvStG Gebrauch gemacht hat. Durch die Transparenzoption werden den Anlegern des Spezial-Investmentfonds inländische Beteiligungseinnahmen (i.d.R. Dividenden von inländischen Kapitalgesellschaften) unmittelbar steuerlich zugerechnet und die Ebene des Spezial-Investmentfonds insoweit außer Acht gelassen. Der Zeitpunkt der steuerlichen Zurechnung orientiert sich an den allgemeinen Grundsätzen nach Maßgabe des § 44 Abs. 2 EStG. Aufgrund der insoweit angenommenen steuerlichen Transparenz des Spezial-Investmentfonds ist in der Steuerbilanz bereits eine Brutto-Dividende zu erfassen, auch wenn sie dem bilanzierenden Anleger noch nicht zugeflossen ist. Der Zahlungsfluss erfolgt zunächst lediglich an den Spezial-Investmentfonds.

38 Im Zeitpunkt der steuerlichen Berücksichtigung des Zurechnungsbetrags erfolgt demgegen-

über keine handelsrechtliche Erfassung von Erträgen. Daher ist in der Steuerbilanz ein aktiver Ausgleichsposten zu bilden, um die Ertragsbuchung in Abgrenzung zur Handelsbilanz abbilden zu können. Es ist insoweit auch keine Forderung gegenüber dem Spezial-Investmentfonds zu bilden, da der Anleger auf die Auszahlung der konkreten Dividende gegenüber dem Spezi-

1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 17.30. 2 Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 35 InvStG Anm. 1 ff.

1014 | Kortendick

E. Bilanzielle Erfassung von laufenden Erträgen | Rz. 41

al-Investmentfonds keinen unmittelbaren Anspruch hat.1 Die Höhe des Ausgleichspostens bestimmt sich danach, wie viel Liquidität (i.d.R. = „Cash“) durch die Ausschüttung der Dividende tatsächlich beim Spezial-Investmentfonds ankommt, nachdem für alle Anleger die (anrechenbare) Kapitalertragsteuer zzgl. SolZ (s. § 30 InvStG Rz. 25 und § 33 InvStG Rz. 18 ff. und 25 ff.) einbehalten und abgeführt wurde.2 Die Zurechnungsbeträge sollen nur eine Art durchlaufenden Posten für den Anleger beim Spezial-Investmentfonds darstellen, da bereits eine steuerliche Zurechnung beim Anleger erfolgte. Das heißt, im Zeitpunkt der Weiterleitung der Liquidität an die Anleger darf es keine Differenz zwischen handelsbilanziellem und steuerbilanziellem Ertrag mehr geben. Der Ausgleichsposten ist dann ebenfalls vollständig aufzulösen. Da der Spezial-Investmentfonds nur den Netto-Betrag (nach Einbehalt von Abzugsteuern) als Liquidität vereinnahmt und für eine Weiterleitung an die Anleger zur Verfügung steht, ist der steuerliche Ausgleichsposten regelmäßig i.H.d. Netto-Dividende zu bilden.3 Eine Ausnahme besteht in den Fällen, in denen an dem Spezial-Investmentfonds ausschließlich Anleger beteiligt sind, für die nach den allgemeinen Regelungen des EStG kein Steuerabzug vorzunehmen ist, oder es zu einem Erstattungsverfahren von bereits einbehaltener Kapitalertragsteuer (zzgl. SolZ) kommt und der Erstattungsbetrag ohne die Ausgabe von neuen Anteilen vollständig dem Vermögen des Spezial-Investmentfonds zugeführt wird.4 In diesen Fällen steht dem Spezial-Investmentfonds der Brutto-Betrag der Dividende zur Weiterleitung an den Anleger zur Verfügung.5 Kommt es zu einem späteren Zeitpunkt zur Auszahlung bzw. Weiterleitung der Dividende 39 durch den Spezial-Investmentfonds an den Anleger, handelt es sich insoweit um nicht steuerbare Zurechnungsbeträge, die sich nicht (nochmal) ergebniswirksam in der Steuerbilanz auswirken dürfen. Da diese Beträge bereits vorab dem Anleger steuerlich zugerechnet wurden und insoweit ein aktiver Ausgleichsposten zu bilden war, erfolgt die Verbuchung des Auszahlungsbetrags gegen den Ausgleichsposten, der insoweit erfolgsneutral ausgebucht wird. Ein bestehender Ausgleichsposten für Zurechnungsbeträge ist bei einer (Teil-)Veräußerung 40 der Anteile am Spezial-Investmentfonds durch den Anleger (anteilig) gewinnmindernd aufzulösen.6 Bei Immobilien-Zurechnungsbeträgen handelt es sich um inländische Immobilienerträge, 41 für welche die Immobilien-Transparenzoption nach § 33 Abs. 2 Satz 3 InvStG ausgeübt wurde. Die Immobilien-Transparenzoption ist konzeptionell nur durch einen Dach-Spezial-Investmentfonds auszuüben, der an einem Ziel-Spezial-Investmentfonds beteiligt ist und aus diesem Ziel-Spezial-Investmentfonds ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche Immobilienerträge zugewiesen bekommt. Übt der Dach-Spezial-Investmentfonds die Immobilien-Transparenzoption aus, kommt es im Grunde zu den gleichen steuerbilanziellen Folgen auf Ebene des Anlegers des Dach-Spezial-Investmentfonds wie bei den Zurechnungsbeträgen. Die zugerechneten Immobilienerträge sind als Brutto-Erträge zu erfassen. Des Weiteren ist – wie bei den Zurechnungsbeträgen – ein steuerlicher Ausgleichsposten i.H.d. Netto-Immobilienerträge (nach Abzug der einbehaltenen Kapitalertragsteuer [zzgl. SolZ]) zu bilden.

1 Stadler/Jetter in Moritz/Jesch/Mann2, § 30 InvStG Rz. 95. 2 Die Verbuchung von Steuerabzugsbeträgen erfolgt nach den allgemeinen bilanzrechtlichen Grundsätzen als nicht abziehbarer, aber anrechenbarer Steueraufwand. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.11. 4 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.13. 5 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 35.13; s. auch nachfolgende Rz. des BMFSchreibens mit Beispielen. 6 Schober in Moritz/Jesch/Mann2, § 49 InvStG Rz. 45. Kortendick | 1015

Rz. 42 | Anhang 3 Investmentvermögen in der Handels- und Steuerbilanz 42 Bei einer späteren Weiterleitung der Immobilien-Zurechnungsbeträge durch den Dach-Spe-

zial-Investmentfonds an seine Anleger handelt es sich um nicht steuerbare Beträge, die gegen den vorab gebildeten aktiven Ausgleichsposten zu buchen sind.

43 Ein bestehender Ausgleichsposten für Immobilien-Zurechnungsbeträge ist analog zu den Zu-

rechnungsbeträgen bei einer (Teil-)Veräußerung der Anteile an dem Spezial-Investmentfonds durch den Anleger (anteilig) gewinnmindernd aufzulösen.1

44 Bei den Absetzungsbeträgen handelt es sich um an den Anleger ausgeschüttete, nicht steuer-

bare Beträge, die durch einen Liquiditätsüberhang auf Ebene des Spezial-Investmentfonds entstehen. Dieser Liquiditätsüberhang ergibt sich z.B. bei Immobilien-Spezial-Investmentfonds durch die steuerliche Abschreibung von direkt durch den Spezial-Investmentfonds gehaltenen Immobilien, dem mehr erwirtschaftete Liquidität als steuerlicher Ertrag zur Ausschüttung durch den Spezial-Investmentfonds zur Verfügung steht. Die Absetzungsbeträge sind beim Anleger zwingend2 in einem passiven steuerlichen Ausgleichsposten zu berücksichtigen und nicht als Minderung des Buchwerts der Anteile am Spezial-Investmentfonds zu verbuchen.3 Die zutreffende Berücksichtigung der Absetzungsbeträge über die passiven steuerlichen Ausgleichsposten ist insbes. für die Folgebewertung in der Steuerbilanz von großer Bedeutung, weil der passive steuerliche Ausgleichsposten den steuerlichen Buchwert der Anteile am Spezial-Investmentfonds nicht berührt und somit keinen Einfluss auf eine etwaige Teilwertabschreibung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG hat.4

45 Sofern der Spezial-Investmentfonds entsprechend der Ausschüttungsreihenfolge des § 35

InvStG nur noch Substanzbeträge ausschütten kann, führt dies in der Steuerbilanz, wie bei Anlegern eines Investmentfonds nach Kapitel 2 des InvStG, entweder zu einer Minderung des Buchwerts oder wahlweise zur Bildung eines passiven steuerlichen Ausgleichspostens.5

III. Thesaurierung 1. Investmentfonds 46 Bei einer Thesaurierung verbleiben alle im Wirtschaftsjahr erzielten Erträge im Investment-

fonds und werden nicht an die Anleger ausgeschüttet. Die Thesaurierung von Erträgen auf Ebene des Investmentfonds nach Kapitel 2 des InvStG hat keine unmittelbaren bilanziellen Folgen in der Handelsbilanz des Anlegers. Die durch die Thesaurierung resultierende Wertsteigerung der Investmentfondsanteile wird bilanziell erst bei Veräußerung (oder vergleichbarer Verwertung) der Anteile realisiert und entsprechend bilanziell berücksichtigt.6 Lediglich mittelbar könnten Wertsteigerungen durch Thesaurierung für die Frage der Wertaufholung bei zuvor erfolgten Abschreibungen der Investmentfondsanteile zu berücksichtigen sein (vgl. Rz. 18 ff.).

47 Nach Maßgabe des zuvor bereits erwähnten Cash-Flow-Prinzips in der Anlegerbesteuerung

von Investmentfonds (vgl. Rz. 32 ff.) kommt es auch aus steuerbilanzieller Sicht grds. nur bei tatsächlichen Ausschüttungen an den Anleger zu einem stpfl. Ereignis bzw. einem bilanziel1 Kloster in Moritz/Jesch/Mann2, § 35 InvStG Rz. 52; so auch Entwurf des BMF v. 16.6.2020 – IV C 1 S 1980 - 1/16/10010 :001, Rz. 35.21. 2 A.A. Kloster in Moritz/Jesch/Mann2, § 35 InvStG Rz. 65. 3 BFH v. 1.7.2020 – XI R 10/18, BStBl. II 2021, 292 Rz. 23 ff. 4 BFH v. 21.4.2021 – XI R 42/20, BFH/NV 2021, 1263 Rz. 16 ff.; a.A. noch Entwurf des BMF v. 16.6.2020 – IV C 1 - S 1980 - 1/16/10010 :001, Rz. 35.29; dies dürfte mit dem vorstehenden BFH-Urt. überholt sein. 5 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980 - 1/08/10019, BStBl. I 2009, 931 Rz. 16a. 6 Häuselmann, Investmentanteile, 2019, Kap. 4 Rz. 42.

1016 | Kortendick

E. Bilanzielle Erfassung von laufenden Erträgen | Rz. 50

len Ertrag. Dies würde jedoch dazu führen, dass thesaurierende Investmentfonds bis zu einer eventuell mehrere Jahre später stattfindenden Ausschüttung keine Steuern auf Anlegerebene auslösen würden. Dies würde zu einer erheblichen Steuerstundung führen und war aus Sicht des Gesetzgebers nicht gewollt.1 Aus diesen Erwägungen heraus hat der Gesetzgeber mit der Vorabpauschale gem. § 18 InvStG eine Form der Mindestbesteuerung geschaffen, die gem. § 16 Abs. 1 Nr. 2 InvStG zu Investmenterträgen auf Anlegerebene und damit auch zu einem Ertrag auf Ebene des bilanzierenden Anlegers führt.2 Soweit nach Maßgabe des § 18 InvStG eine Vorabpauschale zu erfassen ist, wird diese in der Steuerbilanz des Anlegers erfolgswirksam berücksichtigt. Handelsbilanziell ergeben sich hieraus keine unmittelbaren Folgen. Daher ist in Abgrenzung zur Handelsbilanz in der Steuerbilanz i.H.d. Vorabpauschale ein aktiver Ausgleichsposten zu bilden, um die Ertragsbuchung in Ermangelung einer ansonsten einschlägigen Bilanzposition abbilden zu können (s. auch § 18 InvStG Rz. 15).3 Bei der Veräußerung von Investmentfondsanteilen ist der aktive Ausgleichsposten (ggf. teilweise bei Teilveräußerung) gewinnmindernd aufzulösen.4 2. Spezial-Investmentfonds Wie bei Investmentfonds nach Kapitel 2 des InvStG führt die Thesaurierung von Erträgen auf 48 Ebene eines Spezial-Investmentfonds nach Kapitel 3 des InvStG handelsrechtlich ebenfalls zu keinem bilanziell zu berücksichtigenden Ereignis. Die durch die Thesaurierung resultierende Wertsteigerung der Investmentfondsanteile wird gleichfalls erst bei deren Veräußerung (oder vergleichbaren Verwertung) realisiert bzw. handelsbilanziell erfasst.5 In der Steuerbilanz hingegen sind die auf Ebene des Spezial-Investmentfonds entstandenen 49 und den Anlegern trotz Thesaurierung steuerlich zuzurechnenden ausschüttungsgleichen Erträge gem. § 36 Abs. 1 InvStG erfolgswirksam zu berücksichtigen. Mangels handelsbilanzieller Berücksichtigung der thesaurierten (ausschüttungsgleichen) Erträge ist in der Steuerbilanz ein aktiver Ausgleichsposten zu bilden, gegen den die Ertragsbuchung abweichend zur Handelsbilanz erfolgen kann.6 In der Steuerbilanz des Anlegers ist aufgrund des semi-transparenten Besteuerungskonzepts sowohl der auf Fondseingangsseite entstandene Steueraufwand als auch die für den Anleger einbehaltene Kapitalertragsteuer (zzgl. SolZ) auf Fondsausgangsseite aufwandswirksam zu berücksichtigen. Bei dem auf Ebene des Spezial-Investmentfonds entstandenen Steueraufwand kann es sich einerseits um auf Fondseingangsseite einbehaltene ausländische Quellensteuer oder Kapitalertragsteuer auf inländische Beteiligungseinnahmen oder auch um die durch den Spezial-Investmentfonds abgeführte KSt für inländische Immobilienerträge sowie sonstige inländische Einkünfte handeln. Der auf Anlegerebene zu buchende Steueraufwand ist sodann i.R.d. steuerlichen Einkünfteermittlung außerbilanziell hinzuzurechnen (§ 12 Nr. 3 EStG, § 10 Nr. 2 KStG). Der zu bildende aktive Ausgleichsposten ergibt sich daher als Differenz aus den erfolgswirksam zu buchenden Brutto-Beträgen der ausschüttungsgleichen Erträge einerseits und dem zu buchenden Steueraufwand andererseits. Der aktive Ausgleichsposten ist daher stets i.H.d. Netto-Betrags zu aktivieren.7 Der aktive Ausgleichsposten soll gewährleisten, dass es zu späteren Zeitpunkten nicht zu einer 50 erneuten (doppelten) Besteuerung dieser bereits besteuerten Beträge kommt. Die Auflösung 1 2 3 4

BT-Drucks. 18/8045 (RegE InvStRefG), 88 f. Remmel in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 18 InvStG Anm. 20. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 18.5. BT-Drucks. 18/8045 v. 7.4.2016 (RegE InvStRefG), 90; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 19.10. 5 Kloster in Moritz/Jesch/Mann2, § 36 InvStG Rz. 5. 6 Häuselmann, Investmentanteile, 2019, Kap. 4 Rz. 44. 7 S. hierzu auch Köhler, Praxisleitfaden Investmentsteuerrecht, 2019, 141 ff.; so auch Entwurf des BMF v. 16.6.2020 – IV C 1 - S 1980 - 1/16/10010 :001, Rz. 35.13. Kortendick | 1017

Rz. 50 | Anhang 3 Investmentvermögen in der Handels- und Steuerbilanz

des aktiven Ausgleichspostens kann in den Folgejahren grds. auf zwei Wege erfolgen: Entweder werden die zuvor thesaurierten Erträge ausgeschüttet und sodann erstmals auch handelsbilanziell als Ertrag erfasst. Steuerbilanziell wird hierfür der Ausgleichsposten insoweit aufgelöst. Alternativ wird der Ertrag handelsbilanziell spätestens bei der Veräußerung der Investmentfondsanteile erfasst. Die bereits besteuerten, aber noch nicht ausgeschütteten Erträge erhöhen nämlich den Wert der Anteile am Spezial-Investmentfonds und somit auch das Veräußerungsergebnis. Steuerlich wird das Veräußerungsergebnis wiederum durch die gewinnmindernde Auflösung des steuerlichen Ausgleichspostens geschmälert und so der zuvor bereits erfolgten Besteuerung dieses Ertragsanteils Rechnung getragen. 51 Würde man demgegenüber die Brutto-Beträge im steuerlichen Ausgleichsposten erfassen,

wird dieser bei späterer Ausschüttung lediglich i.H.d. Netto-Beträge aufgelöst. Zusätzlich würde es an der korrespondierenden Aufwandsbuchung für die einbehaltenen Steuerabzugsbeträge fehlen. Diese ist i.d.R. jedoch notwendig, um i.R.d. steuerlichen Einkünfteermittlung den Steueraufwand außerbilanziell wieder hinzuzurechnen (§ 12 Nr. 3 EStG bzw. § 10 Nr. 2 KStG). In Höhe des im Wege des Abzugsverfahrens initial berücksichtigten Steueraufwands verbleibt der Ausgleichsposten. Erst bei der Veräußerung der Anteile an dem Spezial-Investmentfonds ist der Ausgleichsposten insoweit aufzulösen und mindert dementsprechend fälschlicherweise das Veräußerungsergebnis i.H.d. Steuerabzugsbeträge.1 Aus diesem Grund ist zwingend der Netto-Ertrag im Ausgleichsposten zu berücksichtigen.2

52 In der Praxis kommt es häufig dazu, dass die benötigte Steuerliquidität auf Fondsausgangs-

seite durch den Anleger selbst zur Verfügung gestellt wird bzw. werden muss. In diesem Fall ist der Ausgleichsposten i.H.d. Brutto-Ertrags zu bilden. Da der Spezial-Investmentfonds die zu zahlende Steuer nicht aus dem eigenen Vermögen zahlt, sondern vom Anleger zur Verfügung gestellt wird, kann in der Folge auch der Brutto-Betrag an den Anleger ausgeschüttet und der Ausgleichposten vollständig aufgelöst werden.

53 Werden die thesaurierten Erträge in den Folgejahren an die Anleger ausgeschüttet, kommt

es nicht erneut zu stpfl. ausgeschütteten Erträgen gem. § 35 InvStG. In der Steuerbilanz ist der zwischenzeitlich gebildete Ausgleichsposten aufzulösen. Demgegenüber erfolgt in der Handelsbilanz aufgrund der Realisation von Erträgen die ergebniswirksame Bilanzierung der Ausschüttung. Ein verbleibender steuerlicher Ausgleichsposten ist bei der Veräußerung der Anteile an dem Spezial-Investmentfonds gewinnmindernd aufzulösen.3

1 Köhler, Praxisleitfaden Investmentsteuerrecht, 2019, 146. 2 So auch Entwurf des BMF v. 16.6.2020 – IV C 1 - S 1980 - 1/16/10010 :001, Rz. 35.15. 3 BT-Drucks. 18/8045 (RegE InvStRefG), 121.

1018 | Kortendick

E. Bilanzielle Erfassung von laufenden Erträgen | Rz. 55

Zusammenfassende Darstellung der steuerbilanziellen Ausgleichsposten auf Anlegerebene

IV. Außerbilanzielle Korrekturen 1. Vorbemerkung Neben den vorab geschilderten Besonderheiten in der Steuerbilanz gibt es für Anleger diverse 54 Steuerbefreiungen, die i.R.d. steuerlichen Einkommensermittlung außerbilanziell zu berücksichtigen sind. Diese außerbilanziellen Korrekturen haben jedoch gerade keine unmittelbare Auswirkung auf die Steuerbilanz. Mittelbare Folgen können sich u.U. durch die Passivierung von Steuerrückstellungen ergeben, für welche auch die außerbilanziellen Besteuerungsmerkmale zu berücksichtigen sind. 2. Investmentfonds Die Besteuerung von Anlegern eines Investmentfonds nach Kapitel 2 des InvStG erfolgt 55 mit Rückgriff auf das Cash-Flow-Prinzip in pauschalierter Form und verfolgt damit einen Vereinfachungszweck.1 Die in der Praxis relevanten Steuerbefreiungen nach Maßgabe der § 3 Nr. 40 EStG oder § 8b KStG bzw. die zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zur Anwendung kommenden Anrechnungs- oder Freistellungsverfahren für im Ausland bereits besteuerte Einkünfte finden ebenfalls als Ausfluss des Vereinfachungszwecks und aufgrund des übergeordneten Besteuerungskonzepts (keine umfassende steuerliche Transparenz des Investmentfonds) keine Anwendung.2 Demgegenüber werden – ebenfalls in pauschalierter bzw. typisierter Form – bestimmte Steuerbefreiungen in Form von Teilfreistellungen nach Maßgabe des § 20 InvStG gewährt (s. im Detail § 20 InvStG Rz. 6). Je nach Anlegertyp und/oder Qualifikation des Investmentfonds ist ein bestimmter Teil der dem Anleger zurechenbaren Investmenterträge steuerfrei zu stellen. Auch dies erfolgt jedoch ausschließlich über außerbilanzielle Korrekturen bei der Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage und berührt die Steuerbilanz nicht unmittelbar.3 Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch das Abzugsverbot gem. § 21 1 BT-Drucks. 18/8045 (RegE InvStRefG), 88 f. 2 BT-Drucks. 18/8045 (RegE InvStRefG), 85 f. 3 Häuselmann, Investmentanteile, 2019, Kap. 7 Rz. 7. Kortendick | 1019

Rz. 55 | Anhang 3 Investmentvermögen in der Handels- und Steuerbilanz

InvStG. Dabei sind (vergleichbar mit der Regelung des § 3c EStG) Aufwendungen, die im Zusammenhang mit den nach § 20 InvStG teilweise steuerfrei zu stellenden Erträgen stehen, außerbilanziell in entsprechendem prozentualem Verhältnis wieder hinzuzurechnen (s. im Detail § 21 InvStG Rz. 1 ff.). 3. Spezial-Investmentfonds 56 Im Gegensatz zu dem für Investmentfonds nach Kapitel 2 des InvStG vorgesehenen intrans-

parenten Besteuerungskonzept sieht das InvStG für Spezial-Investmentfonds nach Kapitel 3 des InvStG die sog. semi-transparente Besteuerung für seine Anleger vor.1 Als Ausfluss dieses Besteuerungskonzepts gibt es für Erträge, die dem Anleger aus dem Spezial-Investmentfonds zuzurechnen sind, auch weiterhin die Möglichkeit, bestimmte Steuerbefreiungen geltend zu machen, wie wenn die über den Spezial-Investmentfonds erzielten Einkünfte unmittelbar durch den Anleger erzielt würden. Diese steuerlichen Wertungen werden regelmäßig außerbilanziell berücksichtigt und haben keinen unmittelbaren Einfluss auf die Steuerbilanz.

57 Bei der Veräußerung bzw. der Folgebewertung von Anteilen an Spezial-Investmentfonds

werden die steuerfrei zu stellenden Teile eines Veräußerungsgewinns (bzw. Gewinne oder Verluste bei Abschreibungen und Zuschreibungen i.R.d. Folgebewertung) über die sog. investmentsteuerlichen Kennzahlen gem. § 48 i.V.m. § 49 Abs. 1 InvStG berücksichtigt (s. hierzu im Detail § 48 InvStG Rz. 6 ff. und § 49 InvStG Rz. 10).

58 Im Rahmen der laufenden Besteuerung wird die Freistellung von bestimmten Einkünfte-

bestandteilen durch gezielte Sonderausweise in der Feststellungserklärung an die Anleger weitergereicht. Hierunter fallen die folgenden Regelungen (s. hierzu im Detail § 42 InvStG Rz. 6 und § 43 InvStG Rz. 4): – § 3 Nr. 40 EStG (§ 42 Abs. 1 InvStG), – § 8b KStG (§ 42 Abs. 2 InvStG), – Steuerfreistellung für auf Fondsebene vorab besteuerte inländische Beteiligungseinnahmen (§ 42 Abs. 4 InvStG), – Steuerfreistellung für auf Fondsebene vorab besteuerte inländische Immobilienerträge (§ 42 Abs. 5 InvStG), – Freistellung nach dem jeweiligen DBA für bestimmte ausländische Einkünfte (§ 43 Abs. 1 InvStG), – weitergeleitete Teilfreistellungen gem. § 20 InvStG aus der mittelbaren Beteiligung an Investmentfonds über den Spezial-Investmentfonds (§ 43 Abs. 3 InvStG).

F. Veräußerung von Investmentfondsanteilen I. Vorbemerkung 59 Sowohl in der Handelsbilanz als auch in der Steuerbilanz führt die Veräußerung von Invest-

mentfondsanteilen zu einem Gewinn bzw. Verlust i.H.d. Differenz zwischen dem Veräußerungserlös und dem Buchwert der bilanzierten Anteile.2 In der Steuerbilanz ist zusätzlich darauf zu achten, sämtliche während der Haltephase gebildeten Ausgleichsposten gewinnwirksam im Zeitpunkt der Veräußerung von Investmentfondsanteilen aufzulösen. Wird nur ein Teil der Investmentfondsanteile veräußert, so sind auch etwaige Ausgleichsposten anteilig auf-

1 BT-Drucks. 18/8045 (RegE InvStRefG), 102. 2 Häuselmann, Investmentanteile, 2019, Kap. 4 Rz. 44.

1020 | Kortendick

F. Veräußerung von Investmentfondsanteilen | Rz. 63

zulösen. Hinsichtlich der ermittelten Anschaffungskosten bei einer Teilveräußerung kann sowohl die FIFO-Methode als auch die Durchschnittsmethode angewendet werden.1 Zu den Veräußerungen zählen auch die fiktiven Veräußerungen von Investmentanteilen gem. 60 § 22 InvStG (Wechsel des anzuwendenden Teilfreistellungssatzes), gem. § 52 InvStG (Verlust des Status als Spezial-Investmentfonds) sowie die besonderen bilanziellen Regelungen im Zusammenhang mit den Übergangsvorschriften gem. § 56 InvStG (s. hierzu im Detail § 22 InvStG Rz. 1 ff., § 52 InvStG Rz. 1 ff. sowie § 56 InvStG Rz. 30 ff.).

II. Investmentfonds Der Gewinn bzw. Verlust aus dem Verkauf von Anteilen an einem Investmentfonds nach 61 Kapitel 2 des InvStG gilt als stpfl. Investmentertrag (§ 19 i.V.m. § 16 Abs. 1 Nr. 3 InvStG). Die während der Haltephase der Investmentfondsanteile steuerlich bereits berücksichtigten Vorabpauschalen sind gem. § 19 Abs. 3 InvStG gewinnmindernd zu berücksichtigen und entsprechend gebildete aktive Ausgleichsposten gleichermaßen aufzulösen. Dadurch wird eine doppelte Berücksichtigung der Vorabpauschale vermieden.2 Darüber hinaus hat der Anleger i.R.d. Einkünfteermittlung den für die veräußerten Investmentfondsanteile zu berücksichtigenden Teilfreistellungssatz nach § 20 InvStG (sofern einschlägig) außerbilanziell – nicht jedoch innerhalb der Steuerbilanz – zu berücksichtigen.

III. Spezial-Investmentfonds Die Veräußerung oder sonstige Verwertung (z.B. Abtretung, Einlage in eine andere Kap- 62 Ges.)3 von Anteilen an Spezial-Investmentfonds führt steuerlich zu einem Spezial-Investmentertrag gem. § 34 Abs. 1 Nr. 3 InvStG. Die Ermittlung des Veräußerungsgewinns bzw. Veräußerungsverlustes (im Folgenden ausschließlich „Gewinn“) erfolgt nach den Regelungen des § 49 InvStG in einem zweistufigen Verfahren. Auf der ersten Stufe wird zunächst der innerbilanzielle Gewinn ermittelt. In einem zweiten Schritt werden die außerbilanziellen Korrekturen berücksichtigt. Der Veräußerungsgewinn auf der ersten Stufe ergibt sich durch die Differenz zwischen dem Veräußerungserlös und dem steuerbilanziellen Buchwert. Darüber hinaus sind die während der Haltephase gebildeten aktiven und passiven steuerlichen Ausgleichsposten (bei Teilveräußerung anteilig) aufzulösen (s. Rz. 63). Auf der zweiten Stufe ist der Veräußerungsgewinn noch um die Anleger-Gewinne außerbilanziell zu korrigieren (s. Rz. 64). Veräußerungsgewinnermittlung auf erster Stufe. Die während der Haltephase steuerlich zu- 63 gerechneten ausschüttungsgleichen Erträge bzw. insoweit gebildete aktive Ausgleichsposten sind gewinnmindernd aufzulösen (§ 49 Abs. 3 Satz 2 InvStG). Kam es während der Haltephase bereits zur Ausschüttung der vorab als ausschüttungsgleiche Erträge besteuerten bzw. aktivierten Beträge, sind diese wiederum gewinnerhöhend hinzuzurechnen (§ 49 Abs. 3 Satz 3 InvStG), denn sie haben den initial gebildeten aktiven Ausgleichsposten bereits gemindert. Im Ergebnis sollte daher der aktive Ausgleichsposten für bereits durch den Anleger versteuerte und noch nicht ausgeschüttete ausschüttungsgleiche Erträge gewinnmindernd aufgelöst werden. Anschließend sind die während der Haltephase für die ausgeschütteten Absetzungs- und Substanzbeträge gebildeten passiven Ausgleichsposten gewinnerhöhend aufzulösen (§ 49 Abs. 3 Satz 4 InvStG). Sofern es während der Haltephase zu (Immobilien-)Zurechnungsbeträgen kam, für die der Anleger ebenfalls aktive Ausgleichsposten gebildet hat, und wurden diese 1 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 19.14 f. 2 BT-Drucks. 18/8045 (RegE InvStRefG), 90. 3 Schober in Moritz/Jesch/Mann2, § 49 InvStG Rz. 10. Kortendick | 1021

Rz. 63 | Anhang 3 Investmentvermögen in der Handels- und Steuerbilanz

bislang noch nicht vom Spezial-Investmentfonds an den Anleger ausgeschüttet, sind diese Ausgleichsposten ebenfalls gewinnmindernd aufzulösen (§ 49 Abs. 3 Satz 4 InvStG). 64 Veräußerungsgewinnermittlung auf zweiter Stufe. Der Veräußerungsgewinn der ersten Stu-

fe ist auf einer zweiten Stufe gem. § 49 Abs. 1 Satz 1 InvStG um den Anleger-Aktiengewinn (Nr. 1), den Anleger-Abkommensgewinn (Nr. 2) und den Anleger-Teilfreistellungsgewinn (Nr. 3) (Anleger-Gewinne) außerbilanziell zu korrigieren. Bei den Anleger-Gewinnen handelt es sich gem. § 49 Abs. 2 Satz 2 und 3 InvStG um den Unterschiedsbetrag zwischen dem Fonds-Gewinn1 im Zeitpunkt der Veräußerung (oder sonstigen Realisierung) und dem Fonds-Gewinn im Zeitpunkt des Erwerbs der Anteile am Spezial-Investmentfonds (s. hierzu § 49 InvStG Rz. 23). Auf den Anleger-Aktiengewinn ist § 3 Nr. 40 EStG bzw. § 8b KStG anzuwenden. Der Anleger-Abkommensgewinn ist von der Besteuerung freizustellen. Für den Anleger-Teilfreistellungsgewinn ist der entsprechende Teilfreistellungssatz anzusetzen und entsprechend steuerfrei zu stellen. Für negative Anleger-Gewinne ist § 44 InvStG entsprechend anzuwenden. Entsprechend der Steuerbefreiung bei positiven Anleger-Gewinnen ist bei negativen Anleger-Gewinnen der Verlust insoweit ebenfalls steuerfrei zu stellen bzw. außerbilanziell wieder hinzuzurechnen.2

Zusammenfassende Darstellung der steuerlichen Veräußerungsgewinnermittlung nach § 49 Abs. 3 InvStG auf Anlegerebene

1 Zusammenfassend für Fonds-Aktiengewinn, Fonds-Abkommensgewinn und Fonds-Teilfreistellungsgewinn gem. § 49 Abs. 3–5 InvStG. 2 Häuselmann, Investmentanteile, 2019, Kap. 8 Rz. 143.

1022 | Kortendick

G. Besonderheiten bei der Folgebewertung | Rz. 66

G. Besonderheiten bei der Folgebewertung von Anteilen an SpezialInvestmentfonds in der Steuerbilanz Anteile an Spezial-Investmentfonds können gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG auf den nied- 65 rigeren Teilwert abgeschrieben werden, sofern eine voraussichtlich dauerhafte Wertminderung angenommen werden kann. Den allgemeinen Grundsätzen entsprechend hat eine Teilwertzuschreibung zu erfolgen, wenn die dauerhafte Wertminderung nicht mehr angenommen werden kann (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG). Sofern es zu einer Teilwertabschreibung kommt, ist diese insoweit steuerlich nicht zu berücksichtigen, wie hierauf negative Anleger-Gewinne entfallen (§ 49 Abs. 1 Satz 2 InvStG). Dies entspricht den Regelungen des § 3c Abs. 2 EStG und § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG (für den Anleger-Aktiengewinn), dem § 3c Abs. 1 EStG für steuerfrei zu stellende Verluste nach einem DBA (Anleger-Abkommensgewinn) bzw. der Teilfreistellung (Anleger-Teilfreistellungsgewinn). Entsprechend der Teilwertabschreibung gelten diese Grundsätze auch für die Teilwertzuschreibung bei positiven Anleger-Gewinnen (§ 49 Abs. 1 Satz 2 InvStG). Des Weiteren sind die Anleger-Gewinne i.R.d. Folgebewertung nur insoweit anzusetzen, wie 66 sie sich auf den Bilanzansatz auswirken (§ 49 Abs. 2 Satz 3 InvStG).1 Im Falle einer Teilwertabschreibung ist ein negativer Anleger-Gewinn nur insoweit anzusetzen, wie der Teilwert des Spezial-Investmentfondsanteils unter die Anschaffungskosten gesunken ist und der AnlegerGewinn hierfür ursächlich ist. Liegt der Teilwert z.B. 10 GE unter den Anschaffungskosten und beträgt der Anleger-Gewinn insgesamt –20 GE, ist der Anleger-Gewinn nur i.H.d. Bilanzansatzes bzw. der Teilwertabschreibung von –10 GE anzusetzen. Bei einer späteren Teilwertzuschreibung (Wertaufholung) ist der in den Vorjahren i.R.d. Teilwertabschreibung bereits berücksichtigte negative Anleger-Gewinn mit umgekehrtem Vorzeichen zu erfassen (§ 49 Abs. 2 Satz 4 InvStG).2 Dies soll sicherstellen, dass es zu keiner doppelten Berücksichtigung eines negativen Anleger-Gewinns kommt.3 Bei einer Teilwertzuschreibung ist ein positiver AnlegerGewinn, korrespondierend zum negativen Anleger-Gewinn bei der Teilwertabschreibung, steuerfrei zu stellen.4 Auch hierbei ist die Begrenzung auf den Bilanzansatz zu berücksichtigen (§ 49 Abs. 2 Satz 3 InvStG). Im Rahmen der bilanziellen Folgebewertung ist folglich zu prüfen, dass (i) sich die Anleger-Gewinne nur insoweit auswirken dürfen, wie sie ursächlich für eine Teilwertabschreibung (negativer Anleger-Gewinn) oder eine Teilwertzuschreibung (positiver Anleger-Gewinn) sind und, (ii) eine doppelte Berücksichtigung der Anleger-Gewinne zwingend vermieden werden muss.5

1 2 3 4 5

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 49.24 ff. Schober in Moritz/Jesch/Mann2, § 49 InvStG Rz. 42. Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 49 InvStG Anm. 10. Häuselmann, Investmentanteile, 2019, Kap. 8 Rz. 130. Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 49 InvStG Anm. 10. Kortendick | 1023

1024 | Kortendick

Anhang 4 Besonderheiten bei Investmentvermögen in Personengesellschaftsform A. B. I. II. III. IV. V. VI. C. I. II. III. IV. V. VI. D. I.

II. III. E. I. II. III. IV.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anleger als Mitunternehmer Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mitunternehmerinitiative und -risiko Gewinnermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . Mitunternehmerschaft bei doppelstöckigen Personengesellschaften . . . . . . . Verfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arten von Mitunternehmerschaften . . Verluste bei beschränkter Haftung (§ 15a EStG) Grundaussagen des § 15a EStG . . . . . . Abzugsfähigkeit und Ausnahmeregelung (§ 15a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahrensrecht (§ 15a Abs. 4 EStG) . Erweiterte Außenhaftung (§ 15a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . Missbrauchsvermeidungsvorschriften 1. § 15a Abs. 3 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 15a Abs. 1a EStG . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich (§ 15a Abs. 1 und 5 EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verluste im Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen (§ 15b EStG) Zweck, Grundkonzept, Anwendungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zeitliche Anwendbarkeit . . . . . . . . . . 4. Verhältnis zu anderen Vorschriften . Steuerstundungsmodell (§ 15b Abs. 2 und 3 EStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundsätze des 5. Bauherrenerlasses für geschlossene Fonds Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualifikation der Aufwendungen des Fonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abgrenzung von Hersteller und Erwerber bei geschlossenen Fonds 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorgabe eines einheitlichen Vertragswerks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 3 5 8 10 11 13

14 16 19 20 23 24 25

26 27 28 29 31 36

37 38 41 42

3. Möglichkeit der Einflussnahme . . . . V. Rechtliche Einordnung der Kosten bei einem Fonds ohne wesentliche Einflussnahmemöglichkeit der Anleger („Erwerber“) 1. Anschaffungskosten . . . . . . . . . . . . . 2. Betriebsausgaben oder Werbungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einzelnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Rechtliche Einordnung der Kosten bei einem Fonds mit wesentlicher Einflussnahmemöglichkeit („Hersteller“) 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einzelnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Besonderheiten bei Private Equity-/ Venture Capital-Fonds . . . . . . . . . . . . . F. Grundlagen des gewerblichen Grundstückshandels I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Private Vermögensverwaltung . . . . . . . III. Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Drei-Objekt-Grenze und der FünfJahres-Zeitraum 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Veräußerungsabsicht . . . . . . . . . . . . . 3. Objekte im Sinne der Drei-ObjektGrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einzelnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Der Fünf-Jahres-Zeitraum . . . . . . . . V. Gewerblicher Grundstückshandel ohne Überschreiten der Drei-Objekt-Grenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Kein gewerblicher Grundstückshandel trotz Überschreiten der Drei-ObjektGrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Gewinnermittlung beim gewerblichen Grundstückshandel . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Gesellschaften als gewerbliche Grundstückshändler 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zwischenschaltung einer GmbH . . . 3. Einbringung eines Grundstücks in eine Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . 4. Einbringung eines Grundstücks in eine Personengesellschaft . . . . . . . . .

45

48 50 52

53 54 55

56 57 59 64 65 69 71 73 76 80 81 82 84 86 87

44 Mühling/Schnittker/Dickersbach | 1025

Rz. 1 | Anhang 4 Besonderheiten bei Investmentvermögen in Personengesellschaftsform IX. Beginn des gewerblichen Grundstückshandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 X. Beendigung des gewerblichen Grundstückshandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 G. Private Equity- und Venture CapitalFonds (insbes. Besteuerung des Carried Interest) I. Einleitung 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 2. Motive für die Strukturierung von PE-/VC-Fonds als Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 3. Akteure bei PE-/VC-Fonds . . . . . . . . 96 4. Gewinnverteilung auf Fondsebene a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . 99 b) Carried-Interest-Modelle . . . . . . 101 c) Auszahlungen nach dem sog. Wasserfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 5. Steuerliche Qualifikation des Carried Interest: Gewinnanteil oder Tätigkeitsvergütung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 II. Steuerlich vermögensverwaltende und gewerbliche Fonds 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Steuerliche Relevanz der Unterscheidung a) Aus Sicht der Investoren . . . . . . . 110 b) Aus Sicht der Initiatoren . . . . . . . 113 3. Abgrenzungskriterien a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . 114 b) Verwaltungspraxis . . . . . . . . . . . . 115 c) Finanzrechtsprechung . . . . . . . . . 116 d) Ausgewählte Zweifelsfragen . . . . 119 III. Vermögensverwaltender Fonds 1. Spezialregime für Carried Interest – § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG . . . . . . . . . . . . 120 2. Tatbestandsvoraussetzungen a) Persönlicher Anwendungsbereich („Beteiligter“) . . . . . . . . . . . . . . . . 121 b) Vermögensverwaltende Gesellschaft oder Gemeinschaft . . . . . . 124 c) Vergütungen für Leistungen zur Förderung des Gesellschaftszwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

d) Vollständige Kapitalrückzahlung an die Gesellschafter aa) Anspruch unter Voraussetzung der Kapitalrückzahlung eingeräumt . . . . . . . . . . . . . . 128 bb) Vorauszahlungen und Vereinbarung einer Rückzahlungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 3. Rechtsfolgen a) Tatbestandsvoraussetzungen von § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG erfüllt . . . 130 b) Tatbestandsvoraussetzungen von § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG nicht erfüllt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 4. Grenzüberschreitende Konstellationen a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . 134 b) Inbound-Fall: Inländischer Fonds, ausländischer Initiator aa) Beschränkte Steuerpflicht des Initiators im Inland . . . . . . . 135 bb) Anwendbare DBA-Artikel streitig . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 c) Outbound-Fall: Ausländischer Fonds, inländischer Initiator . . . 138 d) Zuzug und Wegzug eines Initiators aa) Zuzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 bb) Wegzug . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 IV. Gewerblicher Fonds 1. Ertragsteuern – Fonds als Mitunternehmerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 2. Gewerbesteuerpflicht des Fonds . . . . 146 3. Carried Interest als Gewinnanteil i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG . 148 4. Teileinkünfteverfahren und Teilabzugsverbot a) Berechtigter ist natürliche Person 150 b) Berechtigter ist Kapitalgesellschaft 152 5. Grenzüberschreitende Konstellationen a) Inbound-Fall: Inländischer Fonds, ausländischer Initiator . . . . . . . . 153 b) Outbound-Fall: Ausländischer Fonds, inländischer Initiator . . . 155 c) Zuzug und Wegzug eines Initiators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

A. Einleitung 1 Für die Asset-Klassen Private Equity und Infrastruktur legen international tätige Fondsini-

tiatoren häufig Fondsstrukturen mit Gesellschaften auf, die auf Grundlage des sog. Typenvergleichs nach deutschem Steuerrecht als Personengesellschaften einzustufen sind (zum sog. qualifizierten Rechtstypenvergleich vgl. § 1 InvStG Rz. 85 ff., insbes. Rz. 88 ff.). Anleger werden weltweit geworben. In Deutschland stpfl. oder steuerlich ansässige Investoren halten häufig nur eine Minderheit der Kommanditbeteiligungen (limited partnership interests) an solchen Fonds-Personengesellschaften. Ist mehr als nur ein in Deutschland stpfl. bzw. steuerlich ansässiger Anleger als Kommanditist (limited partner) beteiligt, sind gem. § 180 Abs. 1 Nr. 2 1026 | Mühling

B. Anleger als Mitunternehmer | Rz. 3

Buchst. a AO einheitliche und gesonderte Feststellungserklärungen zu erstellen. Weil sich die in Deutschland stpfl. bzw. steuerlich ansässigen Kommanditisten (limited partners) im Verhältnis zu in anderen Staaten stpfl. bzw. steuerlich ansässigen Kommanditisten in der Minderheit befinden, sind Fondsinitiatoren in solchen Fällen häufig nicht bereit bzw. nicht in der Lage, die deutsch-steuerrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung und Wahrung der Einordnung der Fonds-Personengesellschaften als vermögensverwaltend zu beachten (zu den Voraussetzungen für die Einordnung als ertragsteuerlich vermögensverwaltend vgl. Rz. 114 ff.) oder Beteiligungen an gewerblichen Personengesellschaften mit der Rechtsfolge der Infektion nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG zu vermeiden. Zum Teil besteht auch keine Möglichkeit oder Bereitschaft, einen Kommanditisten gesellschaftsvertraglich mit Geschäftsführungsbefugnis auszustatten, um die Fonds-Personengesellschaft i.S.v. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich zu „entprägen“. Im Folgenden werden daher die Grundsätze der steuerlichen Behandlung von gewerblichen und gewerblich geprägten Personengesellschaften (Mitunternehmerschaften) und deren Gesellschaftern (Mitunternehmern) dargestellt. Gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 InvStG ist das InvStG auf Investmentvermögen in der Rechtsform einer Personengesellschaft oder einer vergleichbaren ausländischen Rechtsform grds. nicht anwendbar (vgl. § 1 InvStG Rz. 85 ff.). Solche ertragsteuerlich gewerblichen Fonds-Personengesellschaften investieren z.T. über Zwi- 2 schenvehikel (acquisition vehicles), die ihrerseits nach dem sog. Typenvergleich für Zwecke des deutschen Steuerrechts als Personengesellschaften einzuordnen sind. In der Praxis stellt die Sachverhaltsermittlung häufig eine kaum zu bewältigende Herausforderung dar. Die Erstellung der Feststellungserklärungen und die Veranlagungen sind z.T. – abhängig vom Einzelfall – nur auf Grundlage von Schätzungen möglich.1

B. Anleger als Mitunternehmer I. Einleitung Gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 InvStG findet das InvStG auf Investmentvermögen in der Rechtsform 3 einer Personengesellschaft oder einer vergleichbaren ausländischen Rechtsform regelmäßig keine Anwendung,2 sodass auf Anleger, die in eine Personengesellschaft investiert sind, die allgemeinen Besteuerungsregeln anwendbar sind. Anleger, die sich als Gesellschafter an einem als Personengesellschaft strukturierten Investmentvermögen beteiligen, erzielen aus ihrer Beteiligung regelmäßig als Mitunternehmer Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG). Das gesetzliche Grundkonzept der Mitunternehmerschaft orientiert sich dabei an offenen Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften, die nicht nur eigenes Vermögen verwalten (§ 105 Abs. 2, § 161 Abs. 2 HGB), sondern ein Gewerbe betreiben. Der Begriff des Mitunternehmers ist als rein steuerlicher Begriff, der an die gesellschaftsrechtliche Terminologie anknüpft, mit dem Begriff des Gesellschafters einer Personengesellschaft nicht vollständig deckungsgleich.3 In der Abgrenzung qualifizieren bspw. Anleger, die sich an rein vermögensverwaltenden Personengesellschaften beteiligen, zwar gesellschaftsrechtlich als Gesellschafter, für steuerliche Zwecke sind sie gleichwohl keine Mitunternehmer.4

1 Als Rechtsgrundlage kommt § 162 AO in Betracht. 2 Soweit es sich gem. § 1 Abs. 3 Nr. 2 InvStG auch nicht um Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren nach § 1 Abs. 2 KAGB oder um Altersvorsorgevermögenfonds nach § 53 KAGB handelt. 3 Bode in Brandis/Heuermann, § 15 EStG Rz. 221 f. 4 Zur Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb und Vermögensverwaltung s. Rz. 56 ff. sowie 109 ff. Mühling | 1027

Rz. 4 | Anhang 4 Besonderheiten bei Investmentvermögen in Personengesellschaftsform 4 Ein Anleger ist ein Mitunternehmer, wenn er zivilrechtlich Gesellschafter einer gewerblich

tätigen1 oder gewerblich geprägten (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) Personengesellschaft ist, eine gewisse unternehmerische Initiative entfalten kann (Mitunternehmerinitiative) und zudem ein unternehmerisches Risiko trägt (Mitunternehmerrisiko), wobei die beiden Merkmale der Mitunternehmerinitiative und des Mitunternehmerrisikos im Einzelfall mehr oder weniger stark ausgeprägt sein können.2

II. Mitunternehmerinitiative und -risiko 5 Im Einzelnen kann einem Anleger eine Mitunternehmerinitiative zugeschrieben werden,

wenn dieser an unternehmerischen Entscheidungen der Gesellschaft teilhaben kann. Dabei ist es nicht erforderlich, dass er wie ein Geschäftsführer das Tagesgeschäft mitbestimmt, sondern – eben in Orientierung am Leitbild des Kommanditisten einer KG zumindest die Möglichkeit zur Ausübung von bestimmten Gesellschafterrechten (Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechte) innehat.3 Da das Personengesellschaftsrecht stark dispositiv ist, ist es denkbar, dass im Gesellschaftsvertrag zuvor genannte Teilhaberechte so weitgehend ausgeschlossen oder beschränkt sind, dass im Einzelfall eine Mitunternehmerinitiative zu verneinen ist.

6 Daneben muss der Anleger auch ein Mitunternehmerrisiko tragen, also am Erfolg und am

Misserfolg der Gesellschaft partizipieren.4 Das bedeutet in aller Regel, dass der Anleger sowohl am Gewinn und Verlust als auch an den stillen Reserven des Unternehmens beteiligt ist, wobei diese einen etwaigen Geschäftswert einschließen.5 Auch beim Merkmal des Mitunternehmerrisikos besteht eine Bandbreite von Fällen, in denen eine hinreichende Risikoteilhabe zu bejahen oder abzulehnen ist. So bejaht die Rspr. bspw. das Mitunternehmerrisiko, obwohl eine Partizipation an stillen Reserven der Gesellschaft ausgeschlossen ist, wenn gleichzeitig die stillen Reserven für diesen Gesellschafter keine oder nur eine untergeordnete Bedeutung haben.6 Für einen Anleger, der in eine geschlossene Publikumsgesellschaft investiert ist, dürfte eine solche Interpretation des Merkmals Mitunternehmerrisiko in aller Regel kaum gelten, zumal dieser ein erhebliches Interesse an dem Liquidationsgewinn zum Ende der Fondslaufzeit haben wird. Eine Ausnahme kommt in Betracht, wenn das Asset bzw. die Assets der Personengesellschaft über die Dauer der Fondslaufzeit wirtschaftlich verbraucht ist bzw. sind.

7 Ist ein Anleger an einer Personengesellschaft über einen Treuhänder beteiligt, so wird dem

Anleger gem. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO der ihm zustehende Einkünfteanteil zugerechnet. In Abhängigkeit von den im Treuhandvertrag zwischen Anleger und Treuhänder vereinbarten Rechten kann auch der Anleger als Mitunternehmer einzuordnen sein, insbes. dann, wenn ihm die eines Kommanditisten vergleichbaren Rechte vermittelt durch den Treuhandvertrag zustehen.7

1 Die gewerbliche Tätigkeit ist hinreichend, soweit eine Abfärbung der Einkünfte gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG erfolgt, s. auch H 15.8 Abs. 5 „Bagatellgrenze“ EStH 2017. 2 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751; H 15.8 Abs. 1 „Allgemeines“ EStH 2017. 3 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (769); Haep in H/H/R, § 15 EStG Anm. 309 f.; H 15.8 Abs. 1 „Mitunternehmerinitiative“ EStH 2017. 4 Wacker in Schmidt41, § 15 EStG Rz. 264. 5 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751. 6 BFH v. 5.6.1986 – IV R 272/84, BStBl. II 1986, 802. 7 Hoppe/Mühling in Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, Handbuch GmbH & Co. KG, 22. Aufl. 2020, § 2 Rz. 2379.

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B. Anleger als Mitunternehmer | Rz. 11

III. Gewinnermittlung Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG sind die Einkünfte aus Gewerbebetrieb eines Mit- 8 unternehmers (1) die ihm zuzurechnenden Gewinnanteile aus der Mitunternehmerschaft und (2) die Vergütungen, die er von der Mitunternehmerschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Mitunternehmerschaft, für die Hingabe von Darlehen oder die Überlassung von Wirtschafsgütern erhält. Die Gewinnermittlung erfolgt somit zweistufig. Aus dem steuerbilanziellen Gewinn des Gesamthandsvermögens der Mitunternehmerschaft, bereinigt um außerbilanzielle Korrekturen (z.B. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a, § 3c Abs. 2, § 4 Abs. 5 oder 5b EStG), ergibt sich der dem Mitunternehmer zugewiesene Gewinnanteil. Auf der zweiten Stufe fließt das Ergebnis aus Sonderbeziehungen in die Einkünfteermittlung des Mitunternehmers ein. In der Regel stehen Anleger nicht im Dienst der Personengesellschaft, an der sie beteiligt sind, und auch die Überlassung von Wirtschaftsgütern spielt in der Praxis bei der Beziehung zwischen Anlegern und der Personengesellschaft, an der sie beteiligt sind, eine untergeordnete Rolle. Umso wichtiger sind Vergütungen aus der Hingabe von Darlehen, nämlich Zinsen, die in Publikumsfonds bisweilen verwendet werden, um bspw. Zwischenfinanzierungen zu ermöglichen. Aus Anlegersicht macht es steuerlich keinen Unterschied, ob ihm als Mitunternehmer ein Gewinnanteil zugewiesen wird oder ob er Zinsen aus einem Darlehen erhält. Als Mitunternehmer generiert er stets Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Gegebenenfalls sind für Anleger im Rahmen der Gewinnermittlung auf der ersten Stufe noch 9 Korrekturen über Ergänzungsbilanzen abzubilden, in der individuelle Wertkorrekturen zu Ansätzen der Steuerbilanz des jeweiligen Anlegers erfasst werden.1 Die Darstellung von Ergänzungsbilanzen ist bspw. erforderlich, wenn Anleger zu verschiedenen Zeitpunkten einer Personengesellschaft beitreten und daher unterschiedlich hohe AK auf ihre Beteiligung aufbringen. Konsequenterweise schlagen sich die von der Gesamthandsbilanz abweichenden AK in der jährlichen AfA-Berechnung nieder und werden i.R.d. Ergänzungsbilanzen für eine zutreffende Gewinnermittlung des einzelnen Anlegers fortentwickelt.

IV. Mitunternehmerschaft bei doppelstöckigen Personengesellschaften Bei doppelstöckigen Personengesellschaften ist hinsichtlich der Mitunternehmerstellung der 10 Anleger zu differenzieren: – Mitunternehmer kann der Anleger einerseits in Bezug auf die Ober(personen)gesellschaft sein, insbes. wenn diese selbst gewerblich tätig ist. Für den Fall, dass die Obergesellschaft ansonsten als rein vermögensverwaltende Personengesellschaft einzuordnen ist, führt die Beteiligung an einer gewerblich tätigen Personenuntergesellschaft gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2 EStG zu einer Abfärbung der Einkünfte bei der Obergesellschaft, sodass der Anleger der Obergesellschaft aufgrund dieser gesetzlichen Fiktion Mitunternehmer ist. – In Bezug auf die Untergesellschaft sind die Anleger der Obergesellschaft gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG ebenfalls als Mitunternehmer zu begreifen, weil diese Gesellschaftern der Untergesellschaft nach gesetzlicher Maßgabe gleichstehen.

V. Verfahrensrecht Verfahrensrechtlich wird im Wege der einheitlichen und gesonderten Feststellung der auf den 11 Anleger entfallende Anteil am Gewinn und Verlust der Mitunternehmerschaft gem. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO bestimmt. Von der einheitlichen und gesonderten Feststellung, die vom Be1 Wacker in Schmidt41, § 15 EStG Rz. 401. Mühling | 1029

Rz. 11 | Anhang 4 Besonderheiten bei Investmentvermögen in Personengesellschaftsform

triebsfinanzamt der Personengesellschaft erstellt wird, werden die jedem Anleger zuzuordnenden Einkünfte der ersten Gewinnermittlungsstufe (dem Anleger zugeordneter Jahresüberschuss der Mitunternehmerschaft im jeweiligen Wirtschaftsjahr zzgl. des Ergebnisses seiner Ergänzungsbilanz) und der zweiten Gewinnermittlungsstufe (Ergebnis der Sonderbilanz des Anlegers) sowie ggf. Veräußerungsgewinne, wenn Anleger Anteile ihrer Mitunternehmerschaft beenden (z.B. durch Veräußerung oder im Fall der Liquidation zum Ende der Fondslaufzeit). 12 Aufgrund der regelmäßig abweichenden Zuständigkeit für die einheitliche und gesonderte

Feststellung (Betriebsfinanzamt, Rz. 11) auf Ebene der Personengesellschaft und die Einkommensteuerbescheidung auf Ebene des Anlegers (Veranlagungsfinanzamt) kann es zu Verzögerungen bei der Einarbeitung von Daten aus der einheitlich gesonderten Feststellung in die Einkommensteuererklärung der einzelnen Anleger kommen.1 Dieses Problem hat eine besondere Bedeutung, wenn die Personengesellschaft als gewerbliche Abschreibungsgesellschaft konzipiert ist und eine Verlustgesellschaft i.S.d. BMF-Schreibens vom 13.7.19922 darstellt. Dabei handelt es sich um Investmentvermögen, die gerade so konzipiert worden sind, dass ihre Anleger bestimmte Verluste unmittelbar mit ihren Einkünften verrechnen können (zu den materiellen Verrechnungsmöglichkeiten und -einschränkungen s. Rz. 14 ff.). Um diese Verlustnutzungsmöglichkeit zu gewährleisten, nimmt das Betriebsfinanzamt der Verlustgesellschaft eine Vorprüfung vor, in welcher das Betriebsfinanzamt glaubhaft gemachte Verluste ermittelt,3 die dann den für die Anleger zuständigen Veranlagungsfinanzämtern übermittelt werden.4 In Anbetracht der so mitgeteilten Verluste haben die Anleger dann die Möglichkeit, eine Herabsetzung ihrer Einkommensteuervorauszahlung bzw. eine Lohnsteuerermäßigung gem. §§ 37 Abs. 3, 39a Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b EStG zu beantragen.

VI. Arten von Mitunternehmerschaften 13 Die OHG und die KG sind gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG idealtypische Formen

von Personengesellschaften, die zugleich das Leitbild für die Mitunternehmerschaft im steuerlichen Sinne bilden, soweit die an ihr beteiligten Gesellschafter jeweils die Mitunternehmermerkmale erfüllen.5 Das EStG zieht den Anwendungsbereich weiter auf andere Gesellschaften, bei der die Gesellschafter als Mitunternehmer des Betriebs der Gesellschaft anzusehen sind. Dabei kann es sich u.a. um Gesellschaften bürgerlichen Rechts, atypisch stille Beteiligungen und Personengesellschaften ausländischen Rechts handeln, die wirtschaftlich den beiden idealtypischen Formen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG ähnlich sind. Regelmäßig dürften limited partnerships aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis oder bspw. die société en commandite simple, kurz: SCS, nach dem luxemburger Recht als solche einzuordnen sein. In weniger eindeutigen Fällen ist auf der Grundlage des BMF-Schreibens vom 19.3.20046 ein Rechtstypenvergleich vorzunehmen, auf dessen Grundlage die jeweilige Gesellschaft für Zwecke des deutschen Steuerverständnisses einzuordnen ist. Als maßgebende Kriterien sind dabei Geschäftsführung und Vertretung, Haftung, Übertragbarkeit der Anteile, Gewinnzuteilung, Kapitalaufbringung, Laufzeit, Gewinnverteilung sowie formale Gründungsvoraussetzungen – letztlich im Rahmen einer Gesamtschau – in Betracht zu ziehen. 1 Hoppe/Mühling in Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, Handbuch GmbH & Co. KG, 22. Aufl. 2020, § 2 Rz. 2379. 2 BMF v. 13.7.1992 – IV A 5 - S 0361 - 19/92, BStBl. I 1992, 404 Rz. 1.2 (geändert durch BMF v. 28.6.1994 – IV A 4 - S 0361 - 14/94, BStBl. I 1994, 420). 3 BMF v. 13.7.1992 – IV A 5 - S 0361 - 19/92, BStBl. I 1992, 404 Rz. 3 f. (geändert durch BMF v. 28.6.1994 – IV A 4 - S 0361 - 14/94, BStBl. I 1994, 420). 4 BMF v. 13.7.1992 – IV A 5 - S 0361 - 19/92, BStBl. I 1992, 404 Rz. 3.1.8. 5 Haep in H/H/R, § 15 EStG Anm. 303. 6 BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 411.

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C. Verluste bei beschränkter Haftung (§ 15a EStG) | Rz. 17

C. Verluste bei beschränkter Haftung (§ 15a EStG) I. Grundaussagen des § 15a EStG Grundsätzlich sind mehrere Einkünfte eines StPfl. untereinander ausgleichsfähig. So kön- 14 nen bspw. negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die ein Anleger aus einer Mitunternehmerschaft erzielt, mit anderen Einkünften des Anlegers aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden. Gemäß § 10d Abs. 1 EStG können negative Einkünfte, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden, innerhalb bestimmter Grenzen zurückgetragen (Verlustrücktrag, § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG) oder vorgetragen (Verlustvortrag, § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG) werden. § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG schränkt das Grundkonzept der Ausgleichsfähigkeit von Verlusten 15 für Anleger ein, die als Kommanditisten (Abs. 1 Satz 1) oder ähnlich wie Kommanditisten (Abs. 5) in Anbetracht des konkreten zivilrechtlichen Haftungsregimes einer begrenzten Haftung unterliegen. Der Verlustausgleich soll mit der Risikoposition des Anlegers in Bezug auf den möglichen Totalverlust des Investments synchronisiert werden.1 Dementsprechend soll der Anleger nur dann Verluste geltend machen können, wenn er wirtschaftlich belastet ist, was dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Ausdruck verleihen soll.2

II. Abzugsfähigkeit und Ausnahmeregelung (§ 15a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EStG) Gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG darf der einem als (oder wie ein) Kommanditist beteiligten 16 Anleger zuzurechnende Anteil am Verlust der Mitunternehmerschaft weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden, soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht. In gleicher Weise ist die Abzugsfähigkeit nach § 10d EStG versperrt (§ 15a Abs. 1 Satz 1 EStG am Ende). Ein gem. § 15a Abs. 1 EStG nicht ausgleichbarer oder abziehbarer Verlust mindert die Gewinne, die dem Anleger in späteren Wirtschaftsjahren aus seiner Beteiligung an der Mitunternehmerschaft zuzurechnen sind (sog. verrechenbarer Verlust). Der verrechenbare Verlust geht im Zeitpunkt der Veräußerung des gesamten Mitunternehmeranteils oder bei der Liquidation des Investmentvermögens – freilich nach Abzug eines etwaigen Veräußerungsoder Aufgabegewinns –, unter, es sei denn, der Anleger tätigt nachträgliche Einlagen auf seine Beteiligung (Rz. 23 ff.). Als zuzurechnender Anteil am Verlust ist nur der Anteil i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 17 EStG zu verstehen, der bei der Gewinnermittlung auf der ersten Stufe erfolgt, m.a.W. der steuerbilanzielle Gewinn/Verlust des Gesamthandsvermögens der Mitunternehmerschaft, bereinigt um außerbilanzielle Korrekturen (z.B. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a, § 3c Abs. 2, § 4 Abs. 5 oder 5b EStG), unter Einbezug des Ergebnisses einer etwaigen Ergänzungsbilanz des Anlegers als Mitunternehmer. Die Bezüge aus Sondervergütungen (Gewinnermittlung zweiter Stufe) bleiben unberücksichtigt. In Anbetracht der gesetzlichen Maßgabe, dass ein negatives Kapitalkonto des Anlegers entstehen oder sich erhöhen muss, damit die Verlustnutzungsbeschränkung greift, ist die Außerachtlassung von Sonderbeziehungen konsequent: Aus rein zivilrechtlicher Betrachtung stehen der Mitunternehmerschaft als Sonderbetriebsvermögen überlassene Wirtschaftsgüter regelmäßig nicht als Haftungsmasse zur Verfügung. 1 Heuermann in Brandis/Heuermann, § 15a EStG Rz. 1. 2 Heuermann in Brandis/Heuermann, § 15a EStG Rz. 1; demgegenüber krit. Lüdemann in H/H/R, § 15a EStG Anm. 9. Mühling | 1031

Rz. 18 | Anhang 4 Besonderheiten bei Investmentvermögen in Personengesellschaftsform 18 Für Zwecke des § 15a Abs. 1 EStG ist der Begriff des Kapitalkontos nach steuerlichem Ver-

ständnis zu verstehen: Dieses setzt sich aus dem Kapitalkonto des Anlegers in der Steuerbilanz der Gesellschaft und dem Mehr- oder Minderkapital aus seiner Ergänzungsbilanz zusammen.1 Hierzu gehören im Wesentlichen die geleistete Hafteinlage, die gem. § 172 Abs. 1 HGB im Verhältnis zu den Gläubigern nach Eintragung im Handelsregister bestimmt wird, und etwaige Pflichteinlagen des Anlegers, die im Gesellschaftsvertrag der Personengesellschaft bestimmt werden. Ferner sind jeweils bilanziell ausgewiesene Kapitalrücklagen, die der Personengesellschaft zur Abdeckung etwaiger Bilanzverluste vorübergehend durch den Anleger zur Verfügung gestellt worden sind, und Gewinnrücklagen bei der Ermittlung des Kapitalkontos i.S.d. § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG zu berücksichtigen.2 Nicht zu berücksichtigen sind Darlehenskonten, die lediglich eine Forderung des Anlegers gegenüber der Personengesellschaft abbilden. Wesentliches Indiz zur Unterscheidung von Darlehens- und echten Beteiligungskonten, die Berücksichtigung finden, ist, ob aufgrund einer gesellschaftsrechtlichen Vereinbarung auf dem Konto auch Verluste gebucht werden.3 Positives und negatives Sonderbetriebsvermögen einzelner Anleger bleibt gänzlich unberücksichtigt.4

III. Verfahrensrecht (§ 15a Abs. 4 EStG) 19 Um für den Anleger über die Totalperiode der Fondslaufzeit einen Ausgleich der Verlustnut-

zungsbeschränkung mit zukünftigen – ihm zustehenden – Gewinnen zu gewährleisten, erfolgt jährlich eine gesonderte Feststellung des nicht ausgleichsfähigen oder abzugsfähigen Verlusts. Zuständig für den Erlass des Feststellungsbescheids ist gem. Abs. 4 Satz 3 das Betriebsfinanzamt. Es ist für jeden Anleger ein Feststellungsbescheid zu erlassen,5 der gem. Abs. 4 Satz 4 nur insoweit angegriffen werden kann, als der verrechenbare Verlust gegenüber dem verrechenbaren Verlust des vorangegangenen Wirtschaftsjahres sich verändert hat.

IV. Erweiterte Außenhaftung (§ 15a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG) 20 In Anbetracht der Grundüberlegung des 15a EStG, dass der Verlustausgleich mit der zivil-

rechtlichen Risikoposition des Anlegers synchronisiert werden soll,6 reduziert § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG die Verlustausgleichsbeschränkung des Satzes 1 für den Fall der erweiterten Außenhaftung. Erweiterte Außenhaftung meint den Fall, indem ein Anleger seine Einlageverpflichtung nicht oder noch nicht in voller Höhe geleistet hat und somit gem. § 171 Abs. 1 HGB den Gesellschaftsgläubigern haftet. Dasselbe gilt für den Fall, dass eine einmal vollständig geleistete Einlage an den Anleger wieder zurückgezahlt worden ist und die Haftung gem. § 171 Abs. 4 HGB wieder auflebt.

21 Satz 3 beschränkt wiederum die Ausgleichsfähigkeit bei erweiterter Außenhaftung auf solche

Fälle, in denen der Anleger sowohl im Handelsregister eingetragen ist als auch das Bestehen der Haftung nachgewiesen wird und schließlich eine potenziell aus der Haftung resultierende Vermögensminderung vertraglich – bspw. aufgrund des Gesellschaftsvertrags – nicht ausgeschlossen oder in Anbetracht von Art und Weise des Geschäftsbetriebs unwahrscheinlich 1 Lüdemann in H/H/R, § 15a EStG Rz. 82 f.; BMF v. 30.5.1997 – IV B 2 - S 2241a - 51/93 II, BStBl. I 1997, 627. 2 BMF v. 30.5.1997 – IV B 2 - S 2241a - 51/93 II, BStBl. I 1997, 627. 3 BMF v. 30.5.1997 – IV B 2 - S 2241a - 51/93 II, BStBl. I 1997, 627. 4 Lüdemann in H/H/R, § 15a EStG Anm. 84; Heuermann in Brandis/Heuermann, § 15a EStG Rz. 54; BMF v. 30.5.1997 – IV B 2 - S 2241a - 51/93 II, BStBl. I 1997, 627. 5 Lüdemann in H/H/R, § 15a EStG Anm. 171. 6 Heuermann in Brandis/Heuermann, § 15a EStG Rz. 1.

1032 | Mühling

C. Verluste bei beschränkter Haftung (§ 15a EStG) | Rz. 24

ist. Die FinVerw. legt diese Regelung eng aus: Es wird strikt auf die Eintragung im Handelsregister als Publizitätsmedium abgestellt, der bloße Antrag auf Eintragung genügt indes nicht.1 Problematisch ist diese Regelung für Fondsstrukturen, bei denen die Anleger nicht unmittelbar durch die Registerpublizität in Erscheinung treten, sondern Treuhandkommanditisten anstelle der Anleger in das Handelsregister eingetragen sind. Bei solchen Strukturen soll für den erweiterten Verlustausgleich oder -abzug die Eintragung des Treuhänders im Handelsregister nicht genügen.2 Die Inanspruchnahme der erweiterten Außenhaftung soll dem Anleger betragsmäßig nur 22 einmal zugutekommen. Besteht die erweiterte Außenhaftung nach § 171 Abs. 1 HGB über mehrere Bilanzstichtage, kann der Anleger insgesamt nur einmal das Verlustausgleichsvolumen nach § 15a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG in Anspruch nehmen.3 Schließlich soll der erweiterte Verlustausgleich keine Anwendung finden, wenn sich die Haftung des Anlegers aus § 176 HGB ergibt.4 Nach § 176 HGB haftet ein Kommanditist für die bis zur Eintragung der KG im Handelsregister begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft unbeschränkt, vorausgesetzt, der Kommanditist hat der geschäftlichen Tätigkeitsaufnahme der Gesellschaft zugestimmt und dem jeweiligen Gläubiger ist die beschränkte Haftung aufgrund der Kommanditistenstellung nicht bekannt.

V. Missbrauchsvermeidungsvorschriften 1. § 15a Abs. 3 EStG Während durch die jährliche gesonderte Feststellung des nicht ausgleichsfähigen oder abzugs- 23 fähigen Verlusts ein Ausgleich mit späteren Gewinnen über die Totalperiode ermöglicht wird, bezweckt Abs. 3 ein gegenläufiges Ziel: die Einlagenminderung (Abs. 3 Satz 1) und die Haftungsminderung (Abs. 3 Satz 3) führen jeweils zu einer Korrektur des bereits vorgenommenen Verlustausgleichs bzw. des ausgleichsfähigen Verlusts, der in einen „nur“ verrechenbaren Verlust umqualifiziert wird. Missbrauchsverhütenden Charakter hat Abs. 3 insoweit, als dass kurzfristige Einlagenerhöhungen und Haftsummenerhöhungen, die in Anbetracht des Abs. 1 Satz 1 vorgenommen werden, um eine Verlustbeschränkung zu vermeiden, ihre Wirkung verlieren sollen. Abs. 3 Satz 1 ordnet an, dass eine Einlageminderung, also eine Entnahme, durch die ein negatives Kapitalkonto entsteht, dem Anleger als Gewinn zuzurechnen ist. Die Gewinnzurechnung erfolgt freilich nur, soweit durch die Entnahme ein negatives Kapitalkonto entsteht und nicht zugleich eine erweiterte Außenhaftung durch die Einlagenrückgewähr i.S.d. § 172 Abs. 4 HGB begründet wird. Entsprechend der Regelung zur Einlagenminderung ist bei einer Minderung des Haftungsbetrags i.S.d. Abs. 1 Satz 2 – also bei der erweiterten Außenhaftung – (Haftungsminderung) zu verfahren. In zeitlicher Hinsicht greifen die Rechtsfolgen des Abs. 3 Sätze 1 und 3 im Wirtschaftsjahr der Einlagen- und Haftungsminderungen sowie in den zehn vorangegangenen Wirtschaftsjahren (Abs. 3 Satz 2). 2. § 15a Abs. 1a EStG Mit dem JStG 20095 ist nachträglich Abs. 1a in den § 15a EStG eingefügt worden. Der Gesetz- 24 geber bezweckt hiermit, dass bei einem negativen Kapitalkonto Einlagen nur noch insoweit zu einem Verlustausgleichsvolumen führen, als es sich um Verluste des Wirtschaftsjahres der 1 2 3 4 5

R 15a Abs. 3 Sätze 1 f. EStR 2018. R 15a Abs. 3 Satz 4 EStR 2018. R 15a Abs. 3 Satz 7 EStR 2018. R 15a Abs. 3 Satz 5 EStR 2018. G v. 19.12.2008, BGBl. I 2008, 2794. Mühling | 1033

Rz. 24 | Anhang 4 Besonderheiten bei Investmentvermögen in Personengesellschaftsform

Einlage handelt.1 Nachträgliche Einlagen im Sinne des Satzes 1 sind Einlagen, die erst nach Ablauf eines Wirtschaftsjahres geleistet werden, in dem ein nicht ausgleichs- oder abzugsfähiger Verlust nach Abs. 1 oder ein Gewinn aufgrund einer Einlagen- oder Haftungsminderung zugerechnet worden ist. Solche nachträglichen Einlagen können einen „nur“ verrechenbaren Verlust nicht zu einem ausgleichs- oder abzugsfähigen Verlust umqualifizieren. Auch die nachträgliche Einlage führt nicht zur Ausgleichs- oder Abzugsfähigkeit zukünftiger Verluste, soweit durch diese ein negatives Kapitalkonto des Anlegers entsteht oder sich erhöht.

VI. Anwendungsbereich (§ 15a Abs. 1 und 5 EStG) 25 Bei der Verlustverrechnung mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb sowie mit Einkünf-

ten aus anderen Einkunftsarten beschränkt das Regime des § 15a EStG in erster Linie Kommanditisten (§ 15a Abs. 1 Satz 1 EStG). Daneben findet Abs. 1 Satz 1, Abs. 1a, 2 und 3 Sätze 1, 2 und 4 sowie Abs. 4 sinngemäß auch auf Unternehmer Anwendung, wenn deren Haftung mit der eines Kommanditisten vergleichbar ist. Die sinngemäße Verweisung greift den Fall der erweiterten Außenhaftung aufgrund einer bestehenden Handelsregisterpublizität (§ 15a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG) nicht auf. Dies erscheint konsequent, weil eine weitergehende Haftung aufgrund einer Handelsregistereintragung nur bei einem Kommanditisten und nicht bei einem anderen – ansonsten vergleichbaren – Unternehmer vorkommen kann.2 In Anbetracht des gesetzgeberischen Anliegens, gleichmäßig zu besteuern,3 erscheint die Anwendbarkeit des § 15a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG zumindest auf Anleger einer ausländischen Personengesellschaft als angebracht, wenn diese ebenfalls einer Haftungserweiterung aufgrund einer ausländischen Registerpublizität unterliegen.4 Exemplarisch werden von Abs. 5 Nr. 1 bis 5 Anwendungsfälle genannt: Bestimmte Fälle des stillen Gesellschafters (Nr. 1), Gesellschafters einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Nr. 2), beschränkt haftenden Gesellschafters einer ausländischen Personengesellschaft (Nr. 3) sowie die unternehmerische Betätigung mit haftungslosen Darlehen (Nr. 4) und der Partenreeder (Nr. 5).

D. Verluste im Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen (§ 15b EStG) I. Zweck, Grundkonzept, Anwendungsbereich und Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Zweck 26 § 15b EStG wurde durch das G zur Beschränkung der Verlustverrechnung im Zusammenhang

mit Steuerstundungsmodellen v. 22.12.20055 in das EStG eingeführt. Damals identifizierte der Gesetzgeber einen vermeintlichen Steuerausfall durch die Investition in Personengesellschaften, die ihren Anlegern in der Anfangsphase der Fondslaufzeit hohe Verluste zuweisen, die dann mit anderen Einkünften ausgeglichen werden konnten.6

1 2 3 4

Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/10189, 49, rechte Spalte. Heuermann in Brandis/Heuermann, § 15a EStG Rz. 136. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 8/3648, 17. Heuermann in Blümich, § 15a EStG Rz. 138; so explizit nicht mehr: Heuermann in Brandis/Heuermann, § 15a EStG Rz. 146. 5 BGBl. I 2005, 3683 = BStBl. I 2006, 80. 6 Gesetzentwurf BT-Drucks. 16/107, 1 und 4.

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D. Verluste im Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen (§ 15b EStG) | Rz. 30

2. Grundkonzept Gemäß § 15b EStG werden Verluste, die im Zusammenhang mit einem Steuerstundungs- 27 modell stehen, weder mit Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen. Freilich dürfen entsprechende Verluste auch nicht vor- oder zurückgetragen werden. § 15b EStG setzt dabei voraus, dass sowohl auf Ebene der Personengesellschaft als auch auf Ebene des Anlegers eine Einkünfteerzielungsabsicht im Hinblick auf die Totalperiode der Fondslaufzeit gegeben sein muss.1 Erst wenn aus derselben Einkunftsquelle, also aus der Investition in den Fonds, positive Einkünfte erzielt werden, können die in der Anfangsphase dem Anleger zugewiesenen Verluste verrechnet werden. Damit wird dem Anleger der Anreiz genommen, sein Investitionsverhalten an der besonderen steuerlichen Vorteilhaftigkeit auszurichten und stattdessen seine Investition anhand anderer Anlagekriterien zu tätigen.2 3. Zeitliche Anwendbarkeit In zeitlicher Hinsicht ist § 15b EStG gem. § 52 Abs. 25 Satz 1 EStG anwendbar, wenn ein 28 Anleger nach dem 10.11.2005 einer Personengesellschaft, die als Steuerstundungsmodell qualifiziert, beigetreten ist oder für diese Personengesellschaft nach dem 10.11.2005 mit dem Außenvertrieb begonnen wurde.3 Das Gesetz zur Beschränkung der Verlustverrechnung im Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen4 wurde damals mit Rückwirkung für die Vergangenheit erlassen. In Anbetracht des Vertrauensschutzes ist die Rückwirkung auf den 10.11.2005 anstelle des zeitlich nachfolgenden Kabinettsbeschlusses v. 24.11.2005 krit. zu bewerten, aber verfassungsrechtlich zur Verhinderung von „Ankündigungseffekten“ wohl hinzunehmen.5 4. Verhältnis zu anderen Vorschriften § 15b Abs. 1 Satz 3 EStG ordnet den Vorrang zu § 15a EStG an.6 In Anbetracht der weiterge- 29 henden Rechtsfolge des § 15b gegenüber § 15a EStG liegt das Spezialitätsverhältnis ohnehin auf der Hand. Gegenüber § 42 AO ist das Regime des § 15b EStG als Missbrauchsvermeidungsvorschrift ebenfalls vorrangig.7 § 15b EStG findet grds. auch Anwendung bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft (§ 13 30 EStG), selbstständiger Arbeit (§ 18 EStG), Kapitalvermögen (§ 20 EStG), Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) und sonstigen Einkünften (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG).8

1 Hoppe/Mühling in Hesselmann/Tillmann/Mueller-Thuns, Handbuch GmbH & Co. KG, 22. Aufl. 2020, § 2 Rz. 2.384 ff. 2 S. zum Gedanken der Fehlallokation von Kapital: Gesetzentwurf in BT-Drucks. 16/107, 1. 3 Für Investitionen, die nach dem 4.3.1999 und vor dem 10.11.2005 erfolgt sind, findet die als zu unbestimmt empfundene Vorgängerregelung des § 15a EStG, § 2b EStG a.F., Anwendung; s. § 52 Abs. 4 i.V.m. § 2b EStG a.F.; s. noch Heuermann in Blümich, § 15b EStG Rz. 8. 4 BGBl. I 2005, 3683 = BStBl. I 2006, 80. 5 Heuermann in Brandis/Heuermann, § 15b EStG Rz. 8; Schuska, DStR 2014, 825 (830). 6 Gesetzentwurf BT-Drucks. 16/107, 7; Heuermann in Brandis/Heuermann, § 15b EStG Rz. 28. 7 Heuermann in Brandis/Heuermann, § 15b EStG Rz. 5a. 8 BMF v. 17.7.2007 – IV B 2 - S 2241 - b/07/0001, BStBl. I 2007, 542 Einleitung; ergänzend BMF v. 29.1.2008 – IV B 2 - S 2241 - b/07/0001, DStR 2008, 561. Mühling | 1035

Rz. 31 | Anhang 4 Besonderheiten bei Investmentvermögen in Personengesellschaftsform

II. Steuerstundungsmodell (§ 15b Abs. 2 und 3 EStG) 31 Gemäß § 15b Abs. 2 Satz 1 EStG liegt ein Steuerstundungsmodell vor, wenn aufgrund einer

modellhaften Gestaltung steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollen. Der Gesetzgeber präzisiert in Satz 2, dass eine solche modellhafte Gestaltung gegeben sei, wenn dem Anleger anhand eines vorgefertigten Konzepts die Möglichkeit geboten werden soll, zumindest in der Anfangsphase seiner Investition Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen. Ferner sollen gem. Abs. 3 nur solche Steuerstundungsmodelle im Hinblick auf den Verlustausgleich erfasst werden, bei denen innerhalb der Anfangsphase der Fondslaufzeit das Verhältnis der Summe der prognostizierten Verluste zur Höhe des gezeichneten, aufzubringenden oder eingesetzten Kapitals 10 % übersteigt.

32 Die FinVerw. nimmt ein Steuerstundungsmodell regelmäßig an, wenn Anleger sich an einem

geschlossenen Fonds in der Rechtsform einer Personengesellschaft beteiligen, bei der der Anleger eine kapitalmäßige Beteiligung ohne geschäftsführenden Einfluss anstrebt und in der Anfangsphase steuerliche Verluste zugewiesen bekommt. Insbesondere sollen Medienfonds, Gamefonds, New-Energy-Fonds, Lebensversicherungs-Zweitmarktfonds und geschlossene Immobilienfonds als Steuerstundungsmodelle in Betracht kommen.1

33 Eine schädliche Modellhaftigkeit identifiziert die FinVerw. maßgebend anhand des Vorhan-

denseins eines vorgefertigten Konzepts und gleich gerichteter Leistungsbeziehungen, die für jeden Anleger im Wesentlichen identisch sind.2 Ein vorgefertigtes Konzept kann im Rahmen eines Anlegerprospekts oder in ähnlichem Format beschrieben sein und bildet die strukturelle Grundidee ab, die zur Erzielung steuerlicher Vorteile genutzt werden soll. Nicht entscheidend ist die Bestimmung oder Bestimmbarkeit von einem konkreten Investitionsobjekt (z.B. anhand von Anlagekriterien); so kann auch einem sog. Blindpool, bei dem zum Zeitpunkt des Anlegerbeitritts die konkreten Investitionsobjekte noch nicht bestimmt sind, ein schädliches vorgefertigtes Steuerkonzept zugrunde liegen. In Abgrenzung ist von einem vorgefertigten Konzept nicht auszugehen, wenn der Anleger die einzelnen Leistungen und Zusatzleistungen sowie deren Ausgestaltung vorgibt (sog. anlegerbezogene Betrachtungsweise).3 Von gleich gerichteten Leistungsbeziehungen gegenüber dem Anleger spricht die FinVerw., wenn gleichartige Verträge mit mehreren identischen Vertragsparteien abgeschlossen werden (z.B. Treuhänder, Vermittler, Finanzierungsbank).4

34 Der Begriff der Anfangsphase, in der nach dem zugrunde liegenden Konzept keine nachhaltig

positiven Einkünfte erzielt werden, wird weder vom Gesetzgeber noch von der FinVerw. konkret bestimmt und kann daher variieren.

35 Durch das AIFM-StAnpG v. 18.12.20135 ist § 15b EStG um einen Abs. 3a zur Vermeidung

bestimmter Steuerstundungsmodelle (sog. Goldfinger-Modell) ergänzt worden.6

III. Verfahrensrecht 36 Gemäß § 15b Abs. 4 EStG ist der nicht ausgleichsfähige Verlust nach § 15b Abs. 1 Satz 1 EStG

jährlich gesondert festzustellen. Die Zuständigkeit für den Erlass des Feststellungsbescheids

1 BMF v. 17.7.2007 – IV B 2 - S 2241 - b/07/0001, BStBl. I 2007, 542 Rz. 7. 2 BMF v. 17.7.2007 – IV B 2 - S 2241 - b/07/0001, BStBl. I 2007, 542 Rz. 8. 3 BMF v. 17.7.2007 – IV B 2 - S 2241 - b/07/0001, BStBl. I 2007, 542 Rz. 10, zur anlegerbezogenen Betrachtungsweise s. auch Rz. 8. 4 BMF v. 17.7.2007 – IV B 2 - S 2241 - b/07/0001, BStBl. I 2007, 542 Rz. 11. 5 BGBl. I 2013, 4318. 6 Heuermann in Brandis/Heuermann, § 15b EStG Rz. 37 f.; Mann/Stahl, DStR 2015, 1425.

1036 | Mühling

E. Grundsätze des 5. Bauherrenerlasses für geschlossene Fonds | Rz. 39

liegt beim für die Fondsgesellschaft zuständigen Betriebsfinanzamt.1 Da § 15b Abs. 4 EStG an § 15a Abs. 4 EStG orientiert ist,2 wird auf die Kommentierung des § 15a Abs. 4 EStG verwiesen (Rz. 19).

E. Grundsätze des 5. Bauherrenerlasses für geschlossene Fonds I. Vorbemerkung Mit Schreiben vom 20.10.2003 hat das BMF den sog. 5. Bauherrenerlass3 veröffentlicht, der 37 den sog. 4. Bauherrenerlass vom 31.8.19904 einschließlich seiner späteren Ergänzungen5 ersetzt hat. Anlass für die Überarbeitung des 4. Bauherrenerlasses war die Weiterentwicklung der Rspr. des BFH.

II. Geltungsbereich Der 5. Bauherrenerlass gilt für sämtliche Wirtschaftsgüter, die Gegenstand eines Gesamt- 38 objekts oder eines vergleichbaren Modells mit nur einem Kapitalanleger sind, und für sämtliche geschlossene Fonds, die den Erwerb, die Errichtung oder Modernisierung eines Wirtschaftsguts und dessen anschließende Nutzung zum Zwecke der Einkünfteerzielung zum Gegenstand haben. Ausgenommen sind Medienfonds (Film- und Fernsehfonds), deren steuerliche Behandlung gesondert im sog. Medienerlass6 geregelt ist. Nach der Einführung des § 15b EStG wendet die FinVerw. den 5. Bauherrenerlass nur außer- 39 halb des Geltungsbereichs von § 15b EStG an, also insbes., wenn die Höhe der Verlustzuweisungen unter der Grenze von 10 % des gezeichneten, aufzubringenden oder eingesetzten Eigenkapitals bleibt (Rz. 31 f.). Der 4. Senat des BFH7 sieht hingegen in § 15b EStG die abschließende gesetzliche Regelung für eine bis dahin bestehende Regelungslücke. Nach Einführung des § 15b EStG verbleibt für eine ergänzende Anwendung des 5. Bauherrenerlasses kein Raum.8 Die Entsch. verdient Zustimmung, da die dogmatische Einordnung überzeugt. Eine vom Gesetzgeber eingeführte Regelung zur Abwehr eines erkannten Missbrauchs regelt diesen Komplex abschließend. Mit der Einführung einer Aufgriffsgrenze von Verlusten von mehr als 10 % hat der Gesetzgeber den Bereich bis zur Aufgriffsgrenze faktisch ebenfalls mitgeregelt; Gestaltungen, die „nur“ zu maximal 10 % Verlusten gemessen am gezeichneten, aufzubringenden oder eingesetzten Eigenkapital führen, sind danach nicht als Missbrauch einzustufen. Insoweit kommt § 42 AO nicht zur Anwendung, der aufgrund der spezielleren Regelung des § 15b EStG in seiner Anwendung gesperrt ist (Rz. 29). Inzwischen hat der Gesetzgeber auf die Rspr. des BFH reagiert und Ende 2019 i.R.d. „JStG 2019“9 § 6e EStG eingeführt, der Fonds1 2 3 4 5 6 7 8

9

BMF v. 17.7.2007 – IV B 2 - S 2241 - b/07/0001, BStBl. I 2007, 542 Rz. 26. Heuermann in Brandis/Heuermann, § 15b EStG Rz. 46. BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546. BMF v. 31.8.1990 – V B 3 - S 2253a - 49/90, BStBl. I 1990, 366. BMF v. 1.3.1995 – IV B 3 - S 2253a - 6/95, BStBl. I 1995, 167; v. 24.10.2001 – IV C 3 - S 2253a -15/01, BStBl. I 2001, 780; v. 29.11.2002 – IV C 3 - S 2253a - 95/02, BStBl. I 2002, 1388. BMF v. 23.2.2001 – IV A 6 - S 2241 - 8/01, BStBl. I 2001, 175; v. 5.8.2003 – IV A 6 - S 2241 - 81/03, BStBl. I 2003, 406. BFH v. 26.4.2018 – IV R 33/15, DStR 2018, 1491. In der Literatur ist die Entsch. unterschiedlich beurteilt worden: zustimmend Levedag in BeckOK EStG, § 15b Rz. 76–82; Heuermann in Brandis/Heuermann, § 15b EStG Rz. 5 f.; für eine parallele Anwendung: Beck in Kanzler/Kraft/Bäuml/Marx/Hechtner/Geserich6, § 15b EStG Rz. 53; Hallerbach in H/H/R, § 15b EStG Rz. 19. G v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451. Mühling | 1037

Rz. 39 | Anhang 4 Besonderheiten bei Investmentvermögen in Personengesellschaftsform

etablierungskosten als AK qualifiziert. Gemäß § 6e Abs. 1 Satz 1 EStG gehören zu den AK von Wirtschaftsgütern, die ein StPfl. gemeinschaftlich mit weiteren Anlegern gemäß einem von einem Projektanbieter vorformulierten Vertragswerk anschafft, auch die Fondsetablierungskosten i.S.v. § 6e Abs. 2 und 3 EStG. Die Wirtschaftsgüter i.S.v. § 6e Abs. 1 Satz 1 EStG gelten i.S.v. § 6e Abs. 1 Satz 1 EStG als angeschafft, wenn die Anleger in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit keine wesentlichen Möglichkeiten zur Einflussnahme auf das Vertragswerk haben. Gemäß § 6e Abs. 2 EStG sind Fondsetablierungskosten alle aufgrund des vorformulierten Vertragswerks neben den AK i.S.v. § 255 HGB vom Anleger an den Projektanbieter oder an Dritte zu zahlenden Aufwendungen, die auf den Erwerb der Wirtschaftsgüter i.S.v. § 6e Abs. 1 Satz 1 EStG gerichtet sind. Zu den AK der Anleger i.S.v. § 6e Abs. 1 Satz 2 EStG gehören darüber hinaus alle an den Projektanbieter oder an Dritte geleisteten Aufwendungen in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Abwicklung des Projekts in der Investitionsphase. Zu den AK zählen gem. § 6e Abs. 2 Satz 3 EStG auch die Haftungs- und Geschäftsführungsvergütungen für Komplementäre, Geschäftsführungsvergütungen bei schuldrechtlichem Leistungsaustausch und Vergütungen für Treuhandkommanditisten, soweit sie auf die Investitionsphase entfallen. § 6e Abs. 1 bis 3 EStG sind gem. § 6e Abs. 4 EStG im Falle der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG entsprechend anzuwenden. § 15b EStG bleibt gemäß § 6e Abs. 5 EStG unberührt. 40 Nach allgemeiner Auffassung ist die Regelung des § 6e EStG eine spezielle Missbrauchsver-

meidungsvorschrift, die § 42 AO vorgeht.1 Die durch den Gesetzgeber angeordnete Rückwirkung auf alle offenen Fälle (§ 52 Abs. 14a EStG) stand und steht in der Kritik einer unzulässigen Rückwirkung.2 Der 5. Bauherrenerlass dürfte nunmehr auch im Hinblick auf § 6e EStG als Auslegungshilfe für die FinVerw. gelten, weil die Ende 2019 eingeführte Neuregelung zu Fondsetablierungskosten auf die bisherige finanzgerichtliche Rspr. und Finanzverwaltungsauffassung zurückzuführen ist und der Gesetzgeber den status quo ante, also vor der BFH-Rspr. aus 2018 bzgl. des Vorrangs von § 15a EStG, wieder herstellen wollte.3 Etwas großzügiger ging der 5. Bauherrenerlass i.R.d. Einordnung als BA bzw. WK noch mit klar abgrenzbaren Gebühren für Mietgarantien und Geldbeschaffungskosten während der Investitionsphase um (s. Rz. 52), während wohl § 6e Abs. 1 Satz 2 EStG eine Qualifizierung als AK i.R.d. Fondsetablierungskosten vorsieht.4 Maßgebend dürfte diesbezüglich die Auslegung des Tatbestandsmerkmals des „wirtschaftlichen Zusammenhangs mit der Abwicklung des Projekts“ sein. Der 5. Bauherrenerlass findet nach der finanzgerichtlichen Rspr. ebenfalls Anwendung auf Private Equity-/Venture Capital-Fonds (s. Rz. 55); dasselbe dürfte für die Anwendbarkeit des § 6e EStG gelten.5

III. Qualifikation der Aufwendungen des Fonds 41 Erfüllt ein geschlossener Fonds den Tatbestand der Einkünfteerzielung, ist bei allen seinen

Aufwendungen jeweils zu prüfen, ob es sich um Herstellungs-, Anschaffungskosten oder um BA bzw. WK handelt. Maßgeblich sind hierbei die Verhältnisse auf der Ebene der Gesellschaft und nicht auf der Ebene ihrer Anleger.6

1 Kortendick/Lüken in H/H/R, § 6e EStG Anm. 7; Oellerich in BeckOK EStG, § 6e Rz. 25. 2 Für eine verfassungsgemäße Rückwirkung: Kulosa in Schmidt41, § 6e EStG Rz. 2; Berndt, ISR 2021, 268 (279); aA Zapf, FR 2019, 804 (806); Kortendick/Lüken in H/H/R, § 6e EStG Rz. 2; differenzierend: Rüsch in Brandis/Heuermann, § 6e EStG Rz. 17 f. 3 Kulosa in Schmidt41, § 6e EStG Rz. 6 f. 4 Kulosa in Schmidt41, § 6e EStG Rz. 8; zukünftiger Umgang unklar: Oellerich in BeckOK, § 6e EStG Rz. 96b.3. 5 Berndt, ISR 2021, 268; Rüsch in Brandis/Heuermann, § 6e EStG Rz. 11. 6 BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 32; BFH v. 19.8.1986 – VIII R 1/ 85, BStBl. II 1987, 212.

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E. Grundsätze des 5. Bauherrenerlasses für geschlossene Fonds | Rz. 45

IV. Abgrenzung von Hersteller und Erwerber bei geschlossenen Fonds 1. Vorbemerkung In Umsetzung der BFH-Rspr. zur ertragsteuerlichen Behandlung der Eigenkapitalvermitt- 42 lungsprovisionen und anderer Gebühren aus dem Jahr 20011 verschärft der 5. Bauherrenerlass (Fondserlass) die bis dahin geltenden Regelungen für die Abgrenzung der Herstellereigenschaft von der Erwerbereigenschaft. Demgemäß ist ein geschlossener Fonds „immer dann als Erwerber anzusehen, wenn – der Initiator der Gesellschaft ein einheitliches Vertragswerk vorgibt und – die Gesellschafter bzw. Anleger in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit keine Möglichkeit besitzen, hierauf Einfluss nehmen zu können.“2 Die Bedeutung der Unterscheidung zwischen Herstellung und Erwerb liegt vor allem im Um- 43 fang des Werbungskostenabzugs, der in Herstellungsfällen deutlich größer ist.3 Beispielsweise ist der Sofortabzug von Modernisierungsaufwendungen, die noch nicht die Grenze des anschaffungsnahen Herstellungsaufwands (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG) überschreiten, nur einem „Hersteller“, nicht aber einem „Erwerber“ des bereits modernisierten Objekts möglich.4 Wird hingegen ein Fonds als Erwerber angesehen, ist bei gewerblichen Fonds ein sofortiger Betriebsausgabenabzug bzw. bei vermögensverwaltenden Fonds ein sofortiger Werbungskostenabzug nur eingeschränkt möglich, da der Fonds grds. nur bestimmte Kosten aus der Nutzungsphase sofort absetzen kann, jedoch bspw. nicht die Eigenkapitalvermittlungsprovision. Ferner sind in diesem Fall alle an die Anbieterseite (Initiatorenseite) geleisteten Aufwendungen, die auf den Erwerb des Wirtschaftsguts gerichtet sind, als AK zu qualifizieren.5 2. Vorgabe eines einheitlichen Vertragswerks Ein wesentliches Kriterium für die Abgrenzung der Hersteller- von der Erwerbereigenschaft 44 ist die Frage, ob der Initiator der Fondsgesellschaft ein einheitliches Vertragswerk vorgibt, wobei der 5. Bauherrenerlass nicht definiert, welche Voraussetzungen für die Annahme eines einheitlichen Vertragswerks vorliegen müssen. Gemeint ist das typischerweise bei geschlossenen Fonds anzutreffende Geflecht verschiedener Verträge, die inhaltlich aufeinander abgestimmt sind und in ihrer Gesamtheit den Zweck haben, dem Anleger einen maximalen Steuervorteil bei möglichst geringem wirtschaftlichem Risiko zu verschaffen. 3. Möglichkeit der Einflussnahme „Für die Herstellereigenschaft ist es wegen der besonderen Konzeption geschlossener gewerb- 45 licher Fonds erforderlich, dass die Mitwirkungsrechte der Gesellschafter über die zur Anerkennung der Mitunternehmereigenschaft nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG geforderte Initiative hinausgehen; auch bei vermögensverwaltenden Fonds müssen die Mitwirkungsrechte weitergehen als die einem Kommanditisten nach dem HGB zustehenden Rechte. Wesentliche Einflussnahmemöglichkeiten entstehen nicht bereits dadurch, dass der Initiator als Gesellschafter oder Geschäftsführer für den Fonds gehandelt hat oder handelt. Die Einflussnahmemöglichkeiten müssen den Gesellschaftern selbst gegeben sein, die sie innerhalb des Fonds im 1 BFH v. 8.5.2001 – IX R 10/96, BStBl. II 2001, 720; v. 28.6.2001 – IV R 40/97, BStBl. II 2001, 717. 2 BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 33. 3 Pfirrmann in H/H/R, § 15 Rz. 115 und 125 (Stand: Juli 2013), u.a. mit Verweis auf Beck, DStR 2001, 2061; Beck, DStR 2002, 1846 (1849). 4 Pfirrmann in H/H/R, § 15 Rz. 115 und 125 (Stand: Juli 2013), u.a. mit Verweis auf Beck, DStR 2001, 2061; Beck, DStR 2002, 1846 (1849). 5 Lüdicke/Arndt, Geschlossene Fonds, 6. Aufl. 2013, 88 f. Mühling | 1039

Rz. 45 | Anhang 4 Besonderheiten bei Investmentvermögen in Personengesellschaftsform

Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit ausüben. Eine Vertretung durch bereits konzeptionell – d.h. vonseiten der Initiatoren – vorbestimmte Dritte (z.B. Treuhänder, Beiräte) reicht nicht aus. Einem von den Gesellschaftern selbst aus ihrer Mitte bestimmten Beirat oder einem vergleichbaren Gremium dürfen weder der Initiator noch Personen aus dessen Umfeld angehören. Über die Einrichtung und Zusammensetzung eines Beirats dürfen allein die Gesellschafter frühestens zu einem Zeitpunkt entscheiden, in dem mindestens 50 % des prospektierten Kapitals eingezahlt sind.“1 46 Nach Auffassung der FinVerw. ist die maßgebende Einflussnahmemöglichkeit sehr weit-

gehend. Sie soll gegeben sein, „wenn der Fonds rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, wesentliche Teile des Konzepts zu verändern. Das kann auch dann bejaht werden, wenn Entscheidungsalternativen für die wesentlichen Konzeptbestandteile angeboten werden.“2 Allein die Möglichkeit der Anleger zur Zustimmung oder Ablehnung der vom Initiator vorgelegten Konzepte oder Vertragsentwürfe bedeutet keine ausreichende Einflussnahme.3 „Die Gesellschafter müssen vielmehr über die wesentlichen Vertragsgestaltungen und deren Umsetzung tatsächlich selbst bestimmen können.“4 Darüber hinaus dürfen die Einflussnahmemöglichkeiten auch faktisch nicht ausgeschlossen sein.5

47 „Die Umsetzung der wesentlichen Konzeptbestandteile und Abweichungen hiervon sind

durch geeignete Unterlagen vollständig zu dokumentieren.“6 Dies soll dazu dienen, Missbrauch zu vermeiden und die Überprüfung der Herstellereigenschaft im Rahmen von Betriebsprüfungen zu ermöglichen.

V. Rechtliche Einordnung der Kosten bei einem Fonds ohne wesentliche Einflussnahmemöglichkeit der Anleger („Erwerber“) 1. Anschaffungskosten 48 Aufgrund der Tatsache, dass die Anleger i.d.R. Erwerber sind, gehören grds. alle Aufwendun-

gen, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Abwicklung des Projekts in der Investitionsphase anfallen, zu den AK des Fonds.7 Entsprechend gehören zu den AK alle auf Grundlage des einheitlichen Vertragswerks geleisteten Aufwendungen, die auf den Erwerb des Wirtschaftsguts gerichtet sind, insbes. „Baukosten für die Errichtung oder Modernisierung des Gebäudes, Baubetreuungsgebühren, Treuhandgebühren, Finanzierungsvermittlungsgebühren, Zinsfreistellungsgebühren, Gebühren für die Vermittlung des Objekts oder Eigenkapitals und des Treuhandauftrags, Abschlussgebühren, Courtage, Agio, Beratungs- und Bearbeitungsgebühren, Platzierungsgarantiegebühren, Kosten für die Ausarbeitung der technischen, wirtschaftlichen und steuerlichen Grundkonzeption, für die Werbung der Bauinteressenten, für die Prospektprüfung und sonstige Vorbereitungskosten sowie Gebühren für die Übernahme von Garantien und Bürgschaften (…). Eine Aufspaltung dieser Aufwendungen in sofort abziehbare [BA bzw. WK und AK] danach, ob sie auf die Finanzierung, die steuerliche Beratung oder die Errichtung des Gebäudes entfallen, kommt nach dem Erlass nicht in Betracht.“8

1 2 3 4 5 6 7 8

BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 34. BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 35. BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 35. BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 35. BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 36. BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 37. BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 38. BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 38 i.V.m. Rz. 9, mit Verweis auf BFH v. 14.11.1989 – IX R 197/84, BStBl. II 1990, 299.

1040 | Mühling

E. Grundsätze des 5. Bauherrenerlasses für geschlossene Fonds | Rz. 51

Ohne Bedeutung ist im Zusammenhang mit den Aufwendungen des Fonds, „ob diese von 49 dem Gesellschafter unmittelbar geleistet werden oder ob ein Teil seiner Einlage mit oder ohne sein Wissen für diese Zahlungen verwendet wird. Unbeachtlich ist weiterhin, ob diese Aufwendungen an den Initiator des Projektes oder an Dritte gezahlt werden. Zu den [AK] gehören darüber hinaus stets Haftungs- und Geschäftsführungsvergütungen für Komplementäre, Geschäftsführungsvergütungen bei schuldrechtlichem Leistungsaustausch und Vergütungen für Treuhandkommanditisten, soweit sie auf die Investitionsphase entfallen.“1 2. Betriebsausgaben oder Werbungskosten Für die Frage der Abgrenzung, ob tatsächlich BA bzw. WK oder AK oder HK anfallen, ver- 50 weist der 5. Bauherrenerlass auf seine vorderen Abschnitte betr. die Gesamtobjekte oder vergleichbaren Modelle mit nur einem Kapitalanleger.2 Entsprechend sollen vereinbarte Kosten nicht nach der vertraglichen Bezeichnung, sondern nach dem tatsächlichen wirtschaftlichen Gehalt der erbrachten Leistungen zu beurteilen sein,3 weil die mit der Errichtung und dem Vertrieb des Fonds befassten Personen regelmäßig bestrebt sind, möglichst hohe BA bzw. WK auszuweisen, indem der Gesamtaufwand durch eine Vielzahl von Verträgen und durch Einschaltung zahlreicher, zum Teil finanziell und personell verbundener Unternehmen aufgespalten wird.4 Die geltend gemachten Aufwendungen können, auch wenn sie im Einzelfall nach dem Wortlaut der Vereinbarungen BA bzw. WK sind, nicht als solche anerkannt werden, wenn sie tatsächlich für andere als die in den Verträgen bezeichneten Leistungen gezahlt werden, die nicht zu BA bzw. WK führen können.5 „Diese Beurteilung ist auch vorzunehmen, wenn Leistungen, die zu [AK oder HK] führen, nicht oder zu niedrig berechnet werden. Erfahrungsgemäß erfolgt in diesen Fällen ein Ausgleich, der dem tatsächlichen wirtschaftlichen Gehalt der Leistungen entspricht.“6 „Der Anleger muss im Einzelnen nachweisen, welche tatsächlichen Leistungen an ihn erbracht worden sind und welches Entgelt er dafür leisten musste.“7

Aufwendungen, welche nicht auf den Erwerb des Wirtschaftsguts gerichtet sind und welche 51 der Erwerber eines Wirtschaftsguts außerhalb eines Gesamtobjekts als BA bzw. WK ebenfalls abziehen könnte, werden nicht als AK des Wirtschaftsguts qualifiziert. Werden sie an den Initiator geleistet, sind sie unter den nachfolgenden Voraussetzungen als BA bzw. WK einzuordnen:8 – Den Aufwendungen muss eine klare Vereinbarung zugrunde liegen, die insbesondere den Grund der Leistungsbeziehungen und die Höhe der Aufwendungen bestimmt; – die vereinbarten Leistungen müssen hinsichtlich des jeweiligen Entgelts einem Drittvergleich standhalten; – die Aufwendungen müssen eindeutig abgrenzbar gegenüber den übrigen Aufwendungen sein; – die Aufwendungen müssen dem jeweiligen Anleger zuzuordnen sein und – der Anleger muss die rechtliche und tatsächliche Abwahlmöglichkeit der Leistung haben, die im Fall der Abwahl zu einer Ermäßigung des Gesamtpreises zugunsten des Anlegers führt. Ob und inwieweit § 6e Abs. 2 Satz 2 EStG an dieser Zuordnung für die Investitionsphase etwas ändert, dürfte noch nicht abschließend geklärt sein (s. Rz. 39). 1 BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 38. 2 BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 40, mit Verweis auf Rz. 5–7 und 11–20. 3 BFH v. 29.10.1986 – IX R 107/82, BStBl. II 1986, 217. 4 BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 40 i.V.m. Rz. 5. 5 BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 40 i.V.m. Rz. 5. 6 BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 40 i.V.m. Rz. 5. 7 BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 40 i.V.m. Rz. 6. 8 BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 40 i.V.m. Rz. 11, mit Verweis auf BFH v. 14.11.1989 – IX R 197/84, BStBl. II 1990, 299. Mühling | 1041

Rz. 52 | Anhang 4 Besonderheiten bei Investmentvermögen in Personengesellschaftsform

3. Einzelnachweise 52 Zinsen der Zwischen- und Endfinanzierung: Zinsen und Bearbeitungskosten des Kredit-

instituts sind grds. Entgelte für die Überlassung des Kredits und damit BA bzw. WK, wenn der Anleger sie aufgrund eigener Verpflichtung gegenüber dem Darlehensgeber zahlt.1 „Eine andere Beurteilung ist jedoch z.B. dann geboten, wenn hinsichtlich der Bauzeitzinsen eine Vereinbarung mit der Anbieterseite besteht, nach der eine bestimmte Zinsbelastung garantiert wird, und hierbei höhere Zinsen vom Garantiegeber getragen, niedrigere Zinsen jedoch dem Erwerber nicht erstattet werden. In einem derartigen Fall stellen die vom Darlehensnehmer zu zahlenden Zinsen und die Gebühr für die Zinsgarantie lediglich einen Kalkulationsbestandteil des Gesamtpreises und damit [AK] dar.“2 Vorauszahlung von Schuldzinsen: Zinsen sind i.d.R. spätestens am Ende des jeweiligen Jahres zu entrichten. Bei einer Vorauszahlung liegt ein im Jahr der Zahlung als WK zu berücksichtigender Zahlungsabfluss nur vor, wenn für die Vorauszahlung ein wirtschaftlich vernünftiger Grund maßgebend ist.3 „Hiervon kann ausgegangen werden, wenn Schuldzinsen für einen Zeitraum von nicht mehr als zwölf Monaten vorausgezahlt werden,“4 bei größeren Zeiträumen ist der wirtschaftlich vernünftige Grund vom StPfl. im Einzelfall darzulegen.5 Bestehen insoweit „keine vernünftigen wirtschaftlichen Gründe, sind die vorausgezahlten Schuldzinsen anteilig in den Jahren als [BA bzw. WK] abziehbar, zu denen sie wirtschaftlich gehören.“6 Zinsfreistellungsgebühren: „Vereinbarungen, nach denen der Anleger für mehrere Jahre von Zinszahlungsverpflichtungen gegenüber dem Darlehensgläubiger gegen Entrichtung von Gebühren an diesen freigestellt wird, haben den Charakter eines zusätzlichen Darlehens. Die gezahlten Gebühren sind deshalb anteilig in den Jahren als [BA bzw. WK] abziehbar, für die der Anleger von Zinszahlungsverpflichtungen freigestellt worden ist.“7 Damnum, Disagio, Bearbeitungs- und Auszahlungsgebühren von Kreditinstituten sind i.H.d. vom Darlehensnehmer gezahlten Betrags als BA bzw. WK abziehbar, soweit die marktüblichen Beträge unter Berücksichtigung der jährlichen Zinsbelastung nicht überschritten werden.8 „Der über die marktüblichen Beträge hinausgehende Teil ist auf den Zinsfestschreibungszeitraum oder bei dessen Fehlen auf die Laufzeit des Darlehens zu verteilen. Eine Zinsvorauszahlung ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Nominalzins ungewöhnlich niedrig und das Damnum entsprechend hoch bemessen ist. Aus Vereinfachungsgründen kann von der Marktüblichkeit ausgegangen werden, wenn für ein Darlehen mit einem Zinsfestschreibungszeitraum von mindestens fünf Jahren ein Damnum i.H.v. bis zu 5 [%] vereinbart worden ist. Ist ein Damnum nicht mehr als drei Monate vor Auszahlung der Darlehensvaluta oder einer ins Gewicht fallenden Teilauszahlung des Darlehens (mindestens 30 [%] der Darlehensvaluta einschließlich Damnum) geleistet worden, kann davon ausgegangen werden, dass ein wirtschaftlich vernünftiger Grund besteht.“9 Kosten der Darlehenssicherung: Die anteiligen Notariats- und Grundbuchkosten für die Darlehenssicherung sind sofort abziehbare BA bzw. WK, soweit sie an den Notar und das Grundbuchamt abgeführt worden sind.10 Gebühren im Zusammenhang mit der Vermietung: Gebühren für die erstmalige Vermietung des Objekts sind BA bzw. WK, soweit sie die ortsübliche Maklerprovision nicht über-

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 40 i.V.m. Rz. 12. BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 40 i.V.m. Rz. 12. BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 40 i.V.m. Rz. 13. BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 40 i.V.m. Rz. 13. BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 40 i.V.m. Rz. 13. BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 40 i.V.m. Rz. 13. BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 40 i.V.m. Rz. 14. BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 40 i.V.m. Rz. 15. BFH v. 3.2.1987 – IX R 85/85, BStBl. II 1987, 492. BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 40 i.V.m. Rz. 16.

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E. Grundsätze des 5. Bauherrenerlasses für geschlossene Fonds | Rz. 52

schreiten, wobei eine Gebühr i.H.v. bis zu zwei Monatsmieten i.d.R. als angemessen angesehen werden kann. Ist das Objekt schon von der Planung her für einen ganz bestimmten Mieter errichtet worden oder bestand zum Beitrittszeitpunkt des Anlegers bereits ein Mietvertrag oder eine entsprechende Vorvereinbarung mit dem Mieter, fehlt es bspw. an einer wirtschaftlich ernsthaften Gegenleistung. Erhobene Gebühren stellen anteilig AK des Grund und Bodens und des Gebäudes oder der Eigentumswohnung dar, wenn eine Mietervermittlungsgebühr nicht anzuerkennen ist,1 „[weil] der Vermittler mit dem Mieter identisch oder wirtschaftlich verflochten ist, der Anleger das Objekt selbst bezieht oder aus anderen Gründen die angebotenen Leistungen nicht in Anspruch nimmt.“2 Gebühren für die Übernahme von Garantien und Bürgschaften können nur als BA bzw. WK anerkannt werden, wenn das „vom Garantiegeber bzw. Bürgen getragene Risiko im Verhältnis zur dafür erhobenen Gebühr als eine wirtschaftlich ernsthafte Gegenleistung anzusehen ist und der Garantiegeber bzw. Bürge wirtschaftlich (einkommens- und vermögensmäßig) in der Lage ist, die Garantie- bzw. Bürgschaftsverpflichtung zu erfüllen. Alle diese Voraussetzungen sind vom Anleger darzulegen. Gebühren für Mietgarantien sind [BA bzw. WK], wenn tatsächlich ein Mietausfallwagnis besteht. Bei dem üblicherweise vereinbarten Garantiezeitraum von fünf Jahren kann das wirtschaftliche Risiko durch eine Gebühr bis zur Höhe von vier Monatsmieten als abgedeckt angesehen werden. War das Objekt im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits vermietet, muss das Risiko entsprechend geringer bewertet werden; es ist regelmäßig mit einer Gebühr [i.H.v.] bis zu zwei Monatsmieten angemessen abgegolten.3 Höhere vereinbarte und gezahlte Gebühren stellen anteilig AK des Grund und Bodens und des Gebäudes oder der Eigentumswohnung dar.4 Nach § 6e Abs. 2 Satz 2 EStG dürften Gebühren für Mietgarantien, die innerhalb der Investitionsphase aufgewandt werden, nunmehr als Fondsetablierungskosten den AK zuzurechnen sein.5 Gebühren im Zusammenhang mit der Endfinanzierung: „Geldbeschaffungskosten sind i.H.d. marktüblichen Konditionen als [BA bzw. WK] abziehbar. Erfahrungsgemäß betragen sie insgesamt 2 [%] des jeweils vermittelten Darlehens. Der darüber hinausgehende Teil ist den HK des Gebäudes oder der Eigentumswohnung und den [AK] anteilig hinzuzurechnen.“6 Bürgschafts- und Garantiegebühren für die Endfinanzierung sind als BA bzw. WK abzuziehen, wenn die Gebühren als eine wirtschaftlich ernsthafte Gegenleistung anzusehen sind und der Garantiegeber bzw. Bürge wirtschaftlich (einkommens- und vermögensmäßig) in der Lage ist, die Garantie- bzw. Bürgschaftsverpflichtung zu erfüllen, was vom Anleger darzulegen ist.7 „Ferner muss die selbstschuldnerische Garantie oder Bürgschaft vom Darlehensgläubiger nachweislich gefordert und bei diesem auch hinterlegt worden sein,“8 was ebenfalls vom Anleger darzulegen ist. „Gebühren für die Übernahme von Bürgschaftsverpflichtungen gegenüber dem Kreditgeber zur Sicherstellung der Zwischenfinanzierung können unabhängig von der Zahl der Bürgen in Höhe einer banküblichen Avalprovision (insgesamt 2 [%] jährlich des verbürgten und zugesagten Betrags) den [BA bzw. WK] zugerechnet werden.“9 Vergütungen an Steuer- und Rechtsberater sind im „Zusammenhang mit der Anschaffung des Grund und Bodens oder der Errichtung oder Modernisierung des Gebäudes oder der Eigentumswohnung den jeweiligen [AK] zuzurechnen.“10 Sie können als BA bzw. WK berücksichtigt werden, soweit „auch der Erwerber eines bebauten Grundstücks außerhalb eines Gesamtobjekts 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 40 i.V.m. Rz. 17. BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 40 i.V.m. Rz. 17. BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 40 i.V.m. Rz. 17. BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 40 i.V.m. Rz. 17. Kulosa in Schmidt41, § 6e EStG Rz. 8. BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 40 i.V.m. Rz. 22. BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 40 i.V.m. Rz. 18. BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 40 i.V.m. Rz. 22. BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 40 i.V.m. Rz. 27. BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 40 i.V.m. Rz. 19. Mühling | 1043

Rz. 52 | Anhang 4 Besonderheiten bei Investmentvermögen in Personengesellschaftsform

die Gebühren sofort als [BA bzw. WK] abziehen könnte, insbes. wenn und soweit die Leistungen den Zeitraum nach Bezugsfertigkeit betreffen (z.B. Abgabe von Feststellungserklärungen, Rechtsbehelfsverfahren). (…) Ist für die Vermittler-, Initiatoren- oder Treuhandtätigkeit und die Steuer- und Rechtsberatungstätigkeit ein Gesamthonorar vereinbart, gehören die Gebühren zu den [AK]. Das gilt auch, wenn ein pauschales Steuer- und Rechtsberatungshonorar, das die Zeit vor und nach Bezugsfertigkeit umfasst, vereinbart worden ist und die Tätigkeit vor Bezugsfertigkeit mit der Anschaffung des bebauten Grundstücks wirtschaftlich zusammenhängt.1 Beiträge zu Sach- und Haftpflichtversicherungen „für während der Bauzeit eintretende Schäden sind [BA bzw. WK], soweit sie der Erwerber als Versicherungsnehmer gezahlt hat.“2

VI. Rechtliche Einordnung der Kosten bei einem Fonds mit wesentlicher Einflussnahmemöglichkeit („Hersteller“) 1. Vorbemerkung 53 Wenn die Anleger eines geschlossenen Fonds über wesentliche Einflussnahmemöglichkeiten

im vorbeschriebenen Sinne verfügen (Rz. 45 ff.), richtet sich die Abgrenzung zwischen Erwerber- und Herstellereigenschaft nach allgemeinen Grundsätzen zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG.3 2. Einzelnachweise

54 Herstellungs-, Modernisierungs- oder Sanierungsfonds: Für die Abgrenzung der AK, HK und

sofort abziehbaren BA bzw. WK sowie BA bei einem Fonds, der ein Wirtschaftsgut herstellt oder modernisiert sowie saniert, gelten die Ausführungen des 5. Bauherrenerlasses in Rz. 5 bis 7 sowie die Rz. 21 bis 29 jeweils entsprechend. In Fällen der Instandsetzung und Modernisierung von Gebäuden wird zusätzlich auf das BMF-Schreiben zur Abgrenzung von AK, HK und Erhaltungsaufwendungen bei der Instandsetzung und Modernisierung von Gebäuden verwiesen.4 Ferner können insbes. folgende Aufwendungen sofort abziehbare BA bzw. WK sein: – Eigenkapitalvermittlungsprovisionen, „die die Fondsgesellschaft für die Vermittlung des Eintritts von Gesellschaftern zahlt, sind in der Regel [BA bzw. WK] (…). Bemessungsgrundlage ist das jeweils vermittelte Eigenkapital. Hierzu gehören neben der Einlage des Gesellschafters auch ein an die Gesellschaft zu leistendes Agio sowie ein Gesellschafterdarlehen, wenn es eigenkapitalähnlichen Charakter hat. Provisionen von bis zu insgesamt höchstens 6 [%] des vermittelten Eigenkapitals können den [BA bzw. WK] zugerechnet werden. Damit sind sämtliche Vertriebsleistungen Dritter, die auf die Werbung von Gesellschaftern gerichtet und nicht den [AK oder HK] zuzurechnen sind, abgegolten. Hierzu gehören insbes. die Aufwendungen für die Prospekterstellung, Prospektprüfung und Übernahme der Prospekthaftung, für den Außenvertrieb, für Werbung und für Marketing. Der nicht als [BA bzw. WK] anzuerkennende Teil der Eigenkapitalvermittlungsprovision ist [ggf.] anteilig den [AK oder HK] des Objekts zuzuordnen.“5 – Haftungs- und/oder Geschäftsführungsvergütungen, die der Komplementär aufgrund einer gesellschaftsrechtlich wirksamen Vereinbarung für die Übernahme der Haftung und/ oder der Geschäftsführung erhält, mindern die Ergebnisanteile der übrigen Gesellschafter, soweit die Vergütungen nicht unangemessen sind.6 Die Haftungsvergütungen können wie 1 2 3 4 5

BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 40 i.V.m. Rz. 19. BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 40 i.V.m. Rz. 20. BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 41. BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 42 bis 45. BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 43, mit Verweis auf BFH v. 24.7.1987 – IX R 114/82, BStBl. II 1987, 810. 6 BFH v. 7.4.1987 – IX R 103/85, BStBl. II 1987, 707.

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E. Grundsätze des 5. Bauherrenerlasses für geschlossene Fonds | Rz. 55

Bürgschaftsgebühren behandelt werden (s. Rz. 52), soweit die entsprechenden Höchstbeträge noch nicht ausgeschöpft sind.1 – Geschäftsführungsvergütungen bei schuldrechtlichem Leistungsaustausch: „Vergütungen, die ein Gesellschafter für die Übernahme der Geschäftsführung erhält, können wie entsprechende Leistungen an einen Nichtgesellschafter auf einem schuldrechtlichen Leistungsaustausch beruhen (…). In diesem Fall kommt ein Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug auf der Gesellschaftsebene in Betracht.“2 Konzeptionsgebühren und Platzierungsgarantiegebühren stellen keine BA bzw. WK dar.3 Kosten für die Vertretung der Gesellschafter: „Vergütungen, die Gesellschafter für die Wahrnehmung ihrer Interessen in der Gesellschaft an Dritte zahlen, sind entsprechend der tatsächlichen Gegenleistung in [AK, HK und sofort abziehbare BA bzw. WK] aufzuteilen. Soweit sie den [AK] oder [HK] zuzuordnen sind, sind sie in einer Ergänzungsrechnung zu erfassen oder in einer Ergänzungsbilanz zu aktivieren. Soweit sie sofort abziehbare [BA bzw. WK] darstellen, sind sie Sonderbetriebsausgaben bzw. Sonderwerbungskosten des betreffenden Gesellschafters. Werden diese Kosten gem. Gesellschafterbeschluss von der Gesellschaft übernommen, ist die Aufteilung auf der Ebene der Gesamthand vorzunehmen.“4 Späterer Beitritt von Gesellschaftern: „Aufwendungen, die vor dem Beitritt eines Gesellschafters zu einer Fondsgesellschaft rechtlich entstanden und gezahlt worden sind, gehören bei dem Gesellschafter zu den [AK]. Rechtlich entstandene Aufwendungen, die nach dem Beitritt eines Gesellschafters von der Gesellschaft gezahlt werden und bei der Ermittlung der Einkünfte auf der Ebene der Gesellschaft den [BA bzw. WK] zuzurechnen sind, sind bei dem neu eintretenden Gesellschafter [BA bzw. WK], wenn er mit ihnen belastet wird.“5

VII. Besonderheiten bei Private Equity-/Venture Capital-Fonds Mit Urt. vom 8.12.2015 hat das FG Hamburg6 entschieden, dass Aufwendungen eines Private 55 Equity-/Venture Capital-Fonds für die wirtschaftliche, rechtliche und steuerliche Konzeption, die Prospektierung, die Werbung der Anleger, die Eigenkapitalvermittlung und die Kontrolle der Mittelverwendung sowie die Vergütung für die Geschäftsbesorgung, die Treuhandverwaltung und die Haftung während der Einwerbungs- und Investitionsphase als Anschaffungskosten zu qualifizieren sind, wenn sich die Anleger aufgrund eines vom Projektanbieter vorformulierten Vertragswerks beteiligen. Der 5. Bauherrenerlass ist nach Auffassung des FG Hamburg grds. auch auf Private Equity-/Venture Capital-Fonds anwendbar. Dieses Urt. kann für Anleger, die in Private Equity-/Venture Capital-Fonds investiert sind, durchaus positiv sein, da gem. § 20 Abs. 9 EStG WK nur i.H.v. 801 Euro abzugsfähig sind. Die als AK aktivierten WK dagegen wirken sich bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns der Beteiligung vollständig aus. Bei Geltung des Teileinkünfteverfahrens auf Ebene des Gesellschafters verringert sich die Steuerlast auf den verbleibenden stpfl. Teil des Veräußerungsgewinns entsprechend. Sollte auf Ebene des Anlegers § 8b Abs. 2 KStG gelten, würden sich die 5 % nicht abzugsfähige BA (§ 8b Abs. 5 Satz 1 KStG) mindern. Gegen die Entscheidung des FG Hamburg wurde zunächst Revision zum BFH eingelegt (Az. VIII R 3/16). Mit Rücknahme der Revision ist das Verfahren inzwischen erledigt und damit rechtskräftig entschieden. Zur gesetzlichen Regelung s. Rz. 39.

1 BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 44. 2 BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 47, mit Verweis auf BFH v. 13.10.1998 – VIII R 4/98, BStBl. II 1999, 284; v. 23.1.2001 – VIII R 30/99, BStBl. II 2001, 621. 3 BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 47. 4 BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 48. 5 BMF v. 20.10.2003 – IV C 3 - S 2253a - 48/03, BStBl. I 2003, 546 Rz. 49. 6 FG Hbg. v. 8.12.2015 – 6 K 184/12, EFG 2016, 367 (rkr.). Mühling | 1045

Rz. 56 | Anhang 4 Besonderheiten bei Investmentvermögen in Personengesellschaftsform

F. Grundlagen des gewerblichen Grundstückshandels I. Vorbemerkung 56 Das BMF nimmt zur Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung und gewerblichem

Grundstückshandel in seinem Schreiben v. 26.3.2004 Stellung.1 Das BMF-Schreiben beinhaltet in seiner Anlage außerdem das folgende vereinfachte Prüfschema zum gewerblichen Grundstückshandel:

1 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434.

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F. Grundlagen des gewerblichen Grundstückshandels | Rz. 61

II. Private Vermögensverwaltung Der BFH stellt bei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb einerseits und Vermögensver- 57 waltung andererseits auf das Gesamtbild der Betätigung unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung ab. Er geht in st. Rspr. zum gewerblichen Grundstückshandel davon aus, dass eine private Vermögensverwaltung zu bejahen ist, solange sich die zu beurteilende Tätigkeit noch als Nutzung von Grundbesitz durch Fruchtziehung aus zu erhaltender Substanz darstellt und die Ausnutzung substanzieller Vermögenswerte nicht entscheidend in den Vordergrund tritt.1 Soll eine Tätigkeit in den gewerblichen Bereich fallen, ist gem. BFH-Rspr. in Zweifelsfällen 58 entscheidend, ob die Tätigkeit dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist.2 Dabei ist jedoch nicht die vom StPfl. vorgenommene steuerliche Qualifikation seiner Tätigkeit oder die angegebene Bezeichnung maßgeblich, sondern eine nach objektiven Kriterien vorzunehmende Bewertung. Ein gewerblicher Grundstückshandel liegt daher nicht allein deshalb vor, weil der StPfl. beim FA und seiner Gemeindebehörde einen Gewerbebetrieb anmeldet und erklärt, er sei gewerblicher Grundstückshändler.3 Wird ein gewerblicher Grundstückshandel verneint, ist im Anschluss zu prüfen, ob Gewinne aus der Veräußerung als private Veräußerungsgeschäfte nach § 23 EStG zu besteuern sind.

III. Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr Eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr wird beim Kontakt zu einer Mehr- 59 zahl von Verkäufern oder Käufern als gegeben angesehen.4 Eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr kann allerdings auch bei einer Tätigkeit für nur einen Vertragspartner oder bei Einschaltung eines Maklers vorliegen,5 u.a. auch beim Verkauf an dem Verkäufer aus seinem privaten Umfeld bekannte Personen.6 Eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr kann bereits dann anzunehmen 60 sein, wenn die Verkaufsabsicht nur einem kleinen Personenkreis – unter Umständen einer einzigen Person – eröffnet wird und der Verkäufer die Intention hat, seine Verkaufsabsicht werde sich herumsprechen.7 Maßgebend ist in diesem Fall allerdings, dass der Verkäufer auch an jeden, der die Kaufbedingungen erfüllt, grds. verkaufen will.8 Ferner kann sie auch vorliegen, wenn der Verkäufer nur ein Geschäft mit einem Dritten tä- 61 tigt, sich dieser aber tatsächlich nach außen erkennbar nach den verkäuferseits vorgegebenen Bestimmungen an den allgemeinen Markt wendet.9

1 Bode in Brandis/Heuermann, § 15 EStG Rz. 56; BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617; v. 10.12.2001 – GrS 1/98, BStBl. II 2002, 291; v. 24.6.2009 – X R 36/06, BStBl. II 2010, 171; v. 27.9.2012 – III R 19/11, BStBl. II 2013, 433; v. 11.10.2012 – IV R 32/10, BStBl. II 2013, 538; v. 20.11.2012 – IX R 10/11, BFH/NV 2013, 715. 2 BFH v. 10.12.2001 – GrS 1/98, BStBl. II 2002, 291. 3 BFH v. 18.8.2009 – X R 25/06, BStBl. II 2009, 965. 4 BFH v. 20.12.1963 – VI 313/62 U, BStBl. III 1964, 137; v. 29.3.1973 – I R 153/71, BStBl. II 1973, 661; BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 4. 5 BFH v. 12.7.1991 – III R 47/88, BStBl. II 1992, 143; v. 7.12.1995 – IV R 112/92, BStBl. II 1996, 367. 6 BFH v. 28.10.1993 – IV R 66–67/91, BStBl. II 1994, 463; v. 7.3.1996 – IV R 2/92, BStBl. II 1996, 369. 7 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 4. 8 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 4. 9 BFH v. 13.12.1995 – XI R 43/89, BStBl. II 1996, 232. Mühling | 1047

Rz. 62 | Anhang 4 Besonderheiten bei Investmentvermögen in Personengesellschaftsform 62 Selbst ein entgeltlicher und von Gewinnerzielungsabsicht getragener Leistungsaustausch

zwischen nahen Angehörigen kann die Voraussetzung einer Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr zur Konsequenz haben.1

63 Erfolgen mehrere Grundstücksverkäufe, ist es nicht erforderlich, dass das Merkmal der Betei-

ligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr bei jedem einzelnen Geschäft vorliegt.2

IV. Die Drei-Objekt-Grenze und der Fünf-Jahres-Zeitraum 1. Vorbemerkung 64 Wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung die Ausnutzung substanzieller Vermögenswerte

durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Grundbesitz im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund tritt, ist die Grenze von der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb überschritten.3 Indizien hierfür sind die Zahl der veräußerten Objekte und der zeitliche Abstand zwischen dem Erwerb bzw. der Errichtung der Objekte und ihrem Verkauf. In der Regel ist die nicht steuerbare Vermögensverwaltung dann überschritten, wenn mehr als drei Objekte innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs – eines Zeitraums von fünf Jahren – ab dem Erwerb bzw. der Errichtung der Objekte wieder veräußert werden.4 Der Zeitraum von fünf Jahren darf allerdings nicht als starre Grenze betrachtet werden.5 2. Veräußerungsabsicht

65 Werden mindestens vier Objekte innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs von etwa

fünf Jahren nach ihrem Erwerb bzw. ihrer Errichtung wieder veräußert, kann man nach den äußeren Umständen darauf schließen, dass der StPfl. bereits bei Erwerb bzw. Errichtung des ersten Objekts die Ausnutzung substanzieller Vermögenswerte durch Umschichtung beabsichtigte. Als Indiz für die Veräußerungsabsicht kommen alle Handlungen des StPfl. infrage, die auf das Vorhandensein des Willens zur Veräußerung schließen lassen. Die Betätigung dieses Willens durch Abschluss eines Vertrags ist ein derartiges Indiz für die Veräußerungsabsicht, das auch nicht durch das spätere Scheitern des Vertragsvollzugs wegfällt. Daher führen nicht nur erfolgreiche Tätigkeiten zur Überschreitung der Drei-Objekte-Grenze, sondern auch erfolglose Versuche, ein Objekt zu fremdüblichen Konditionen zu veräußern.6 Die Veräußerungsabsicht kann jedoch nicht allein aus dem engen zeitlichen Zusammenhang abgeleitet werden, wenn eindeutige Anhaltspunkte bestehen, dass ausschließlich eine anderweitige Nutzung als die Veräußerung in Betracht gezogen worden ist.7 So gelten unentgeltliche Übertragungen, Veräußerungen zum Selbstkostenpreis oder bei Unterschreitung desselben sowie Übertragungen im Rahmen der Auseinandersetzung einer Gesellschaft nicht als Veräußerungen, die zu einer Überschreitung der Drei-Objekte-Grenze führen können.8

1 BFH v. 13.8.2002 – VIII R 14/99, BStBl. II 2002, 811; BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 4. 2 BFH v. 28.10.1993 – IV R 66/91, BStBl. II 1994, 463. 3 BFH v. 10.12.2001 – GrS 1/98, BStBl. II 2002, 291. 4 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 5; BFH v. 18.9.1991 – XI R 23/90, BStBl. II 1992, 135; v. 10.12.2001 – GrS 1/98, BStBl. II 2002, 291. 5 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 5; BFH v. 18.9.1991 – XI R 23/90, BStBl. II 1992, 135. 6 BFH v. 5.12.2002 – IV R 57/01, BStBl. II 2003, 291. 7 BFH v. 10.12.2001 – GrS 1/98, BStBl. II 2002, 291. 8 Kulosa/Wacker in Schmidt41, § 15 EStG Rz. 50.

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F. Grundlagen des gewerblichen Grundstückshandels | Rz. 69

Die Veräußerungsabsicht ist anhand objektiver Merkmale zu beurteilen. Vor diesem Hinter- 66 grund sind konkrete Anlässe und Beweggründe für die Veräußerung regelmäßig nicht entscheidend, einzelne oder mehrere Objekte bei der Zählung und der vermuteten Veräußerungsabsicht außer Betracht zu lassen, sodass diese grds. für die Zuordnung der veräußerten Objekte zur privaten Vermögensverwaltung oder zum gewerblichen Grundstückshandel unerheblich sind.1 Es ist zu unterscheiden zwischen einer bedingten und einer unbedingten Veräußerungs- 67 absicht, wobei die bedingte Veräußerungsabsicht nur bei Überschreiten der Drei-ObjektGrenze maßgeblich ist.2 Zieht der StPfl. eines zum Zwecke der Vermögensverwaltung erworbenen Grundstücks die Veräußerung mit einem von ihm zu errichtenden Gebäude lediglich in Erwägung, so ist nicht erkennbar, in welcher Weise er in unbedingter Veräußerungsabsicht gewerblich tätig geworden ist. Auch die ausschließliche Fremdfinanzierung des Grundstücksgeschäfts sagt nichts darüber aus, ob der StPfl. mit unbedingter Veräußerungsabsicht gewerblich tätig geworden ist oder ob er mit dem Verkauf lediglich seine bisherige vermögensverwaltende Tätigkeit beendet.3 Auch ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Erwerb oder Bebauung und anschließender Veräußerung eines Grundstücks lässt isoliert betrachtet noch nicht den Schluss zu, dass der Grundbesitz mit der unbedingten Absicht erworben oder bebaut worden ist, ihn alsbald zu veräußern. Nur wenn weitere Umstände hinzutreten, die dafür sprechen, dass bereits im Zeitpunkt des Erwerbs oder bei der Bebauung des Grundstücks eine unbedingte Veräußerungsabsicht bestand, kann die Indizwirkung der Umstände insgesamt durch die Kürze der zwischen Erwerb oder Bebauung und Veräußerung liegenden Zeitspanne verstärkt werden.4 Trotz vorliegender unbedingter Veräußerungsabsicht kann ein gewerblicher Grundstückshan- 68 del als Liebhaberei eingestuft werden, wenn ein Betrieb des gewerblichen Grundstückshandels im Wege eines Strukturwandels zum sog. Liebhabereibetrieb geworden ist,5 z.B. weil das FA die Gewinnerzielungsabsicht aufgrund nicht hinreichender Profitabilität über eine geschätzte Totalperiode aberkennt. Der Wegfall der Gewinnerzielungsabsicht bewirkt in einem bestehenden gewerblichen Betrieb keine zur vollständigen steuerlichen Entstrickung des vormaligen Gewerbebetriebs führende Betriebsaufgabe, was eine Entnahme zum gemeinen Wert ins Privatvermögen zur Folge hätte, sondern vielmehr einen erfolgsneutralen Strukturwandel vom Gewerbebetrieb zur Liebhaberei. Die Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens bleiben sog. „eingefrorenes Betriebsvermögen“.6 Die stillen Reserven werden in diesem Fall auf den Zeitpunkt des Übergangs zur Liebhaberei gesondert festgestellt. 3. Objekte im Sinne der Drei-Objekt-Grenze Objekte i.S.d. Drei-Objekt-Grenze sind nach allgemein anerkannter Verwaltungsauffassung 69 „Grundstücke jeglicher Art. Auf die Größe, den Wert oder die Nutzungsart des einzelnen Objekts kommt es nicht an (…). Es kommt nicht darauf an, ob es sich um bebaute oder unbebaute Grundstücke handelt oder ob der [StPfl.] die Objekte selbst errichtet hat oder in bebautem Zustand erworben hat.“7 Jedes zivilrechtlich selbstständig nutzbares und veräußerbares Immobilienobjekt (Grundstück, grundstücksgleiches Recht – z.B. ein Erbbaurecht – oder 1 BFH v. 17.12.2009 – III R 101/06, BStBl. II 2010, 541; BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 5. 2 BFH v. 4.7.2006 – IV B 59/05, BFH/NV 2006, 2063; v. 27.11.2008 – IV R 38/06, BStBl. II 2009, 278. 3 BFH v. 4.7.2006 – IV B 59/05, BFH/NV 2006, 2063. 4 BFH v. 27.11.2008 – IV R 38/06, BStBl. II 2009, 278. 5 BFH v. 5.4.2017 – X R 6/15, BStBl. II 2017, 1130. 6 BFH v. 27.5.2005 – IV B 97/03, BFH/NV 2005, 2176. 7 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 8; BFH v. 18.5.1999 – I R 118/97, BStBl. II 2000, 28; v. 15.3.2000 – X R 130/97, BStBl. II 2001, 530. Mühling | 1049

Rz. 69 | Anhang 4 Besonderheiten bei Investmentvermögen in Personengesellschaftsform

Recht nach dem WEG) stellt ein Objekt i.S.d. Regelung dar, völlig unabhängig von seiner Größe, seinem Wert und anderen Umständen, wie z.B. Bebauung, Ausstattung etc.1 70 Als „Grundstück“ nach zivilrechtlichem Verständnis und damit als Objekt i.S.d. Drei-Objekt-

Grenze ist der räumlich abgegrenzte Teil der Erdoberfläche, welcher im Bestandsverzeichnis eines Grundbuchblattes auf einer eigenen Nummer eingetragen ist. Von dem Grundsatz der zivilrechtlichen Selbstständigkeit ist auch nicht unter dem Aspekt der wirtschaftlichen Einheit (§§ 2, 93 BewG) abzuweichen, selbst wenn man bei der Beurteilung von aneinander grenzenden, rechtlich selbstständigen Mehrfamilienhausgrundstücken die (durch die Rspr. widerlegte) Auffassung vertritt, es handle sich um eine (!) „wirtschaftliche Einheit“ i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 3 BewG.2 Vor diesem Hintergrund ist bspw. auch ein ungeteiltes Grundstück mit fünf freistehenden Mehrfamilienhäusern nur als ein (!) Objekt i.S.d. Drei-Objekt-Grenze anzusehen.3 4. Einzelnachweise

71 Errichtung von Objekten: Ein gewerblicher Grundstückshandel ist anzunehmen, wenn in en-

gem zeitlichem Zusammenhang mit der Errichtung mehr als drei Objekte veräußert werden und der StPfl. im Zeitpunkt der Errichtung in Veräußerungsabsicht handelt.4 Dabei ist spätestens auf den Moment abzustellen, in welchem der Abschluss der auf die Bebauung/Errichtung gerichteten Verträge getätigt wird; spätestens in diesem Zeitpunkt muss die Veräußerungsabsicht vorliegen.5 Einen gewerblichen Grundstückshandel nimmt die Rspr. auch dann an, wenn derart umfassende Baumaßnahmen auf einem schon bebauten Grundstück vorgenommen werden, dass ein bereits bestehendes Gebäude nicht bloß erweitert oder über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehend wesentlich verbessert wird, sondern ein „neues Gebäude“ hergestellt wird.6 Erwerb von Objekten: Ein gewerblicher Grundstückshandel liegt vor, „wenn im engen zeitlichem Zusammenhang mit dem Erwerb mehr als drei Objekte veräußert werden und der [StPfl.] mit Veräußerungsabsicht handelt.“7 Der Annahme eines gewerblichen Grundstückhandels steht es auch nicht entgegen, dass die Anzahl der Objekte bei Erwerb bzw. Errichtung oder Modernisierung nicht der tatsächlichen Anzahl der Objekte entspricht, die bei Veräußerung durch zwischenzeitliche Aufteilung aus dem erworbenen Objekt entstanden sind.8 Unbebautes Grundstück: Objekt i.S.d. Drei-Objekt-Grenze kann auch ein unbebautes Grundstück sein.9 Wird ein zusammenhängender Grundbesitz erworben, der z.B. aus fünf Parzellen besteht und der vor dem Erwerb als einheitliches Betriebsgelände genutzt wurde, und verkauft der StPfl. diesen Grundbesitz ungeteilt an einen Erwerber, fehlt es an dem Merkmal der Nachhaltigkeit, sodass die Grenze von der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb nicht überschritten ist.10 Eigentumswohnung: Jede als Wohneinheit anzusehende Eigentumswohnung ist als eigenständiges Objekt zu behandeln, selbst wenn sämtliche in einem Gebäude befindlichen Woh-

1 BFH v. 16.5.2002 – III R 9/98, BStBl. II 2002, 571; v. 3.8.2004 – X R 40/03, BStBl. II 2005, 35; v. 12.7.2007 – X R 4/04, BStBl. II 2007, 885; v. 5.5.2011 – IV R 34/08, BStBl. II 2011, 787 Rz. 34. 2 BFH v. 3.8.2004 – X R 40/03, BStBl. II 2005, 35. 3 BFH v. 5.5.2011 – IV R 34/08, BStBl. II 2011, 787. 4 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 19 bis 21. 5 BFH v. 17.12.2008 – IV R 77/06, BStBl. II 2009, 791. 6 BFH v. 15.1.2020 – X R 18/18, X R 19/18, BStBl. II 2020, 538. 7 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 22 f. 8 BFH v. 23.11.2011 – IV B 107/10, BFH/NV 2012, 414. 9 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 3, 8. 10 BFH v. 15.4.2004 – IV R 54/02, BStBl. II 2004, 869.

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F. Grundlagen des gewerblichen Grundstückshandels | Rz. 71

nungen in einem einheitlichen Vertrag an einen einzigen Käufer veräußert werden.1 Im Einzelfall können mehrere Wohnungs- oder Teileigentumsrechte jedoch ein Objekt i.S.d. DreiObjekt-Grenze sein, wenn die rechtlich selbstständigen Einheiten baulich umgestaltet wurden und ohne bauliche Veränderung nur noch als eine Wohnung genutzt werden können.2 Mehrfamilienhaus: Es liegen erst dann mehrere Objekte vor, wenn eine Teilung nach dem Wohneigentumsgesetz vollzogen worden ist, weil erst aufgrund der Aufteilung mehrere zivilrechtlich einzelveräußerbare Einheiten geschaffen worden sind: Nur eine Aufteilung schafft die Voraussetzung für das Entstehen selbstständig veräußerbarer Wirtschaftsgüter unter Aufgabe der vormaligen wirtschaftlichen Einheit (§ 70 Abs. 1 i.V.m. § 75 Abs. 1 Nr. 1 BewG).3 Erwerb durch vorweggenommene Erbfolge oder durch Schenkung: Grundstücke, welche i.R.d. vorweggenommenen Erbfolge oder schenkweise übertragen und in einem zeitlichen Zusammenhang (weiter-)veräußert worden sind, sind in die Prüfung des gewerblichen Grundstückshandels und damit der „Drei-Objekt-Grenze“ einzubeziehen.4 Dabei ist für die Frage des zeitlichen Zusammenhangs auf den Erwerb oder die Herstellung durch den Erblasser oder Schenker, also den Rechtsvorgänger, abzustellen.5 Werden durch Rechtsvorgänger und deren -nachfolger gemeinsam mehr als drei Objekte veräußert, können beim Rechtsvorgänger hinsichtlich der veräußerten Grundstücke und beim Rechtsnachfolger hinsichtlich der unentgeltlich erworbenen und veräußerten Grundstücke gewerbliche Einkünfte vorliegen.6 Gescheiterte Grundstücksverkäufe können auch zum Überschreiten der „Drei-Objekt-Grenze“ führen.7 Erbbaurechte können als Objekte i.S.d. Drei-Objekt-Grenze Bedeutung haben.8 Dies gilt jedoch nur für die Weiterveräußerung eines bereits bestellten Erbbaurechts. Die erstmalige Bestellung eines Erbbaurechts hingegen ist hiervon nicht erfasst, da das Erbbaurechtsverhältnis lediglich einem rein schuldrechtlichen Nutzungsverhältnis wie Miete oder Pacht ähnlich ist und das Grundstück lediglich zur Fruchtziehung genutzt wird, also die Substanz des Grundstücks nicht Gegenstand einer Verwertung ist.9 Eheleute: Bei Ehegatten ist eine Zusammenfassung von Grundstückserwerben und -veräußerungen im Regelfall nicht zulässig, daher kann grds. jeder Ehegatte drei Objekte innerhalb desselben Fünf-Jahres-Zeitraums veräußern, ohne dass die Drei-Objekt-Grenze überschritten wird.10 Veräußerung von Anteilen an Grundstücksgesellschaften (s. auch Rz. 82 ff.): „In den Fällen, in denen der Gesellschafter seinen Anteil an der Grundstücksgesellschaft veräußert, ist die Veräußerung der Beteiligung gem. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO einer anteiligen Grundstücksveräußerung gleichzustellen. Für die Drei-Objekt-Grenze kommt es dabei auf die Zahl der im Gesellschaftsvermögen (Gesamthandsvermögen) befindlichen Grundstücke an.“11 „Voraussetzung für die Anrechnung von Anteilsveräußerungen ist jedoch immer, dass der Gesellschafter 1 BFH v. 5.12.2002 – IV R 57/01, BStBl. II 2003, 291; BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 8. 2 BFH v. 24.2.2005 – X B 183/03, BFH/NV 2005, 1274. 3 BFH v. 18.9.2002 – X R 108/96, BFH/NV 2003, 455. 4 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 9. 5 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 9. 6 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 9. 7 BFH v. 5.12.2002 – IV R 57/01, BStBl. II 2003, 291; BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 8. 8 BFH v. 3.7.2002 – XI R 31/99, BFH/NV 2002, 1559; BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 8. 9 BFH v. 22.4.1998 – XI R 28/97, BStBl. II 1998, 665; v. 12.7.2007 – X R 4/04, BStBl. II 2007, 885. 10 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 12. 11 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 18, unter Verweis auf BFH v. 7.3.1996 – IV R 2/92, BStBl. II 1996, 369; v. 28.11.2002 – III R 1/01, BStBl. II 2003, 250. Mühling | 1051

Rz. 71 | Anhang 4 Besonderheiten bei Investmentvermögen in Personengesellschaftsform

an der jeweiligen Gesellschaft zu mindestens 10 % beteiligt ist oder dass eine Beteiligung von weniger als 10 % einen Verkehrswert von mehr als 250.000 Euro hat.“1 Die Veräußerung des Anteils an einer vermögensverwaltenden Grundstücksgesellschaft, welche der StPfl. in seinem Privatvermögen hält, ist unter Maßgabe der o.g. Kriterien einer Veräußerung von zumindest einem Grundstück gleichzustellen und die Anteile sind Objekte i.S.d. Drei-Objekt-Grenze.2 Erwirbt und veräußert ein StPfl. innerhalb von fünf Jahren mehr als drei Anteile an vermögensverwaltenden Grundstücksgesellschaften, gleicht dies der Veräußerung von mindestens drei Grundstücken, wodurch der Gesellschafter i.d.R. die Grenzen der privaten Vermögensverwaltung überschreitet und als gewerblicher Grundstückshändler zu qualifizieren ist. Entsprechendes gilt im Fall von immobilienhaltenden gewerblich geprägten Personengesellschaften. 72 Keine Objekte im Sinne der Drei-Objekt-Grenze sind:

Durch Erbfall übernommene Grundstücke: Unabhängig vom Umfang des Grundbesitzes sind durch Erbfolge übergegangene Grundstücke nicht einzubeziehen, denn der Erwerb eines Grundstücks kraft Gesamtrechtsnachfolge ist kein Erwerb eines Objekts i.S.d. gewerblichen Grundstückshandels.3 Dies gilt allerdings nicht, wenn der Erblasser in seiner Person bereits einen gewerblichen Grundstückshandel begründete und der Erbe diesen Handel fortführt. Auch die Veräußerung von unentgeltlich erworbenen Grundstücken bleibt für die Beurteilung der Drei-Objekt-Grenze unberücksichtigt.4 Grundstücke, die eigenen Wohnzwecken dienen, stellen keine Objekte i.S.d. Drei-ObjektGrenze dar, denn zu eigenen Wohnzwecken genutzte Grundstücke sind grds. dem notwendigen Privatvermögen des StPfl. zuzuordnen.5 „Etwas anderes kann sich allerdings ergeben, wenn ein zur Veräußerung bestimmtes Wohnobjekt nur vorübergehend zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird.“6 Auch beim Grundstückshändler gehören zu eigenen Wohnzwecken genutzte Gebäude zum Privatvermögen, wenn die private Nutzung ursprünglich auf Dauer angelegt gewesen ist. „Bei einer Selbstnutzung von weniger als fünf Jahren ist das Grundstück dann nicht einzubeziehen, wenn der Veräußerer eine auf Dauer angelegte Eigennutzung nachweist, indem er darlegt, dass die Veräußerung auf offensichtlichen Sachzwängen beruhte,“7 bspw. die Veräußerung auf eine nicht vorhergesehene finanzielle Notlage zurückzuführen ist. Schenkung an Angehörige: Objekte, die im Rahmen einer Schenkung unter nahen Angehörigen oder teilentgeltlich übertragen werden, stellen grds. keine Zählobjekte i.R.d. Drei-ObjektGrenze dar, wenn mit ihrer Weitergabe kein Gewinn erzielt werden soll, es also an der maßgebenden Gewinnerzielungsabsicht fehlt, z.B. im Fall der unentgeltlichen Grundstücksübertragung auf Kinder des StPfl.8 Dies gilt jedoch nicht, „wenn der [StPfl.] vor seinem Entschluss der Schenkung an seine Kinder die Absicht besaß, auch diese Objekte am Markt zu veräußern, denn in diesem Fall gehörten die später verschenkten Objekte bereits von Anfang an zum Umlaufvermögen seines gewerblichen Grundstückshandels.“9 1 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 18. 2 BFH v. 5.6.2008 – IV R 81/06, BStBl. II 2010, 974; v. 7.3.1996 – IV R 2/92, BStBl. II 1996, 369; v. 10.12.1998 – III R 61/97, BStBl. II 1999, 390. 3 BFH v. 15.3.2000 – X R 130/97, BStBl. II 2001, 530; BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 9 a.E. 4 BFH v. 20.4.2006 – III R 1/05, BStBl. II 2007, 375; vgl. „Erwerb durch vorweggenommene Erbfolge oder durch Schenkung“ in Rz. 62. 5 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 10. 6 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 10, mit Verweis auf BFH v. 16.10.2002 – X R 74/99, BStBl. II 2003, 245. 7 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 10, mit Verweis auf BFH v. 18.9.2002 – X R 28/00, BStBl. II 2003, 133; v. 15.3.2005 – X R 36/04, BFH/NV 2005, 1535. 8 BFH v. 9.5.1996 – IV R 74/95, BStBl. II 1996, 599; v. 20.5.1998 – III B 9/98, BStBl. II 1998, 721; v. 2.2.2000 – X B 83/99, BFH/NV 2000, 946. 9 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 11.

1052 | Mühling

F. Grundlagen des gewerblichen Grundstückshandels | Rz. 75

Fehlende Gewinnerzielungsabsicht: Wenn mit der Veräußerung eines Objekts kein Gewinn erzielt werden soll, stellt dieses grds. kein Zählobjekt i.R.d. Drei-Objekt-Grenze dar.1 Etwas anderes kann allerdings gelten, wenn vor Veräußerung des Objekts zumindest die bedingte Absicht bestanden hat, das Objekt am Markt zu verwerten. Objekte, hinsichtlich derer eine Gewinnerzielungsabsicht vorlag, der Gewinn jedoch nicht realisiert werden konnte, sind als Zählobjekt i.R.d. Drei-Objekte-Grenze zu berücksichtigen. Eine teilentgeltliche Veräußerung stellt, wenn der Verkaufspreis die AK oder HK oder den Einlagewert nicht übersteigt, kein Zählobjekt i.R.d. Drei-Objekt-Grenze dar.2 5. Der Fünf-Jahres-Zeitraum Die Anschaffung und Veräußerung von mindestens drei Zählobjekten i.R.d. Drei-Objekt- 73 Grenze innerhalb eines Zeitraums von nicht mehr als fünf Jahren indiziert, dass der StPfl. als Grundstückshändler gewerblich tätig ist und den Bereich der privaten Vermögensverwaltung verlassen hat. Aufgrund des Zusammenhangs von Anschaffungen und Veräußerungen innerhalb eines begrenzten Zeitraums wird die notwendige Intensität gewerblicher Betätigung zum Ausdruck gebracht und dem Bild eines Grundstückshändlers entsprochen. Insoweit lassen diese Umstände den Schluss zu, dass nicht die Fruchtziehung, sondern die Ausnutzung substanzieller Vermögenswerte durch Umschichtung und Verwertung im Vordergrund steht.3 „Eine Überschreitung des Fünfjahreszeitraums von lediglich wenigen Tagen beseitigt die Indizwirkung allerdings nicht.“4 Dies ist bspw. der Fall, wenn ein branchenkundiger StPfl. innerhalb des Fünfjahreszeitraums weniger als vier potenzielle Zählobjekte erwirbt und veräußert und kurz nach Ablauf des Fünfjahreszeitraums weitere Objekte planmäßig veräußert.5 Im Einzelfall können auch Objekte, die außerhalb des Fünfjahreszeitraums, aber innerhalb von zehn Jahren nach Erwerb oder Errichtung veräußert werden, in den gewerblichen Grundstückshandel einzubeziehen sein.6 Veräußert der StPfl. mehr als drei von ihm erschlossene unbebaute Grundstücke, stellt sich 74 dies nicht mehr als Vermögensverwaltung dar, auch wenn diese ererbt oder geschenkt wurden. Für den zeitlichen Zusammenhang ist dann nicht auf den Zeitraum zwischen Eigentumserwerb und Veräußerung abzustellen, sondern ob nicht mehr als etwa fünf Jahre zwischen der wertsteigernden Maßnahme und der Verwertung liegen.7 „Besteht kein enger, zeitlicher Zusammenhang zwischen der Errichtung oder dem Erwerb 75 und der Veräußerung der Objekte, kann ein gewerblicher Grundstückshandel vorliegen, wenn der [StPfl.] die Objekte vor der Veräußerung in nicht unerheblichem Maße modernisiert und hierdurch ein Wirtschaftsgut anderer Marktgängigkeit entstanden ist. Für die Veräußerungsabsicht kommt es dann auf den engen zeitlichen Zusammenhang mit der Modernisierung an. In Sanierungsfällen beginnt die Fünf-Jahres-Frist mit Abschluss der Sanierungsarbeiten.“8

1 BFH v. 18.9.2002 – X R 183/96, BStBl. II 2003, 238; v. 9.5.1996 – IV R 74/95, BStBl. II 1996, 599. 2 BFH v. 23.7.2002 – VIII R 19/01, BFH/NV 2002, 1571; BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 11. 3 BFH v. 9.5.2001 – XI R 34/99, BFH/NV 2001, 1545. 4 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 20, mit Verweis auf BFH v. 28.11.2002 – III R 1/01, BStBl. II 2003, 250. 5 BFH v. 5.9.1990 – X R 107/89, BStBl. II 1990, 1060. 6 BFH v. 11.3.2003 – IX R 77/99, BFH/NV 2003, 911; v. 14.1.2004 – IX R 88/00, BFH/NV 2004, 1089; BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 6 und 20. 7 BFH v. 20.4.2006 – III R 1/05, BStBl. II 2007, 375. 8 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 24, mit Verweis auf BFH v. 5.12.2002 – IV R 57/01, BStBl. II 2003, 291. Mühling | 1053

Rz. 76 | Anhang 4 Besonderheiten bei Investmentvermögen in Personengesellschaftsform

V. Gewerblicher Grundstückshandel ohne Überschreiten der Drei-ObjektGrenze 76 Die Drei-Objekt-Grenze und der Fünf-Jahres-Zeitraum haben für die Frage des Vorliegens ei-

nes gewerblichen Grundstückshandels bloße Indizwirkung. In Anbetracht dessen besteht die Möglichkeit, dass auch bei einer Veräußerung von weniger als vier Objekten Umstände gegeben sind, welche auf eine gewerbliche Betätigung des StPfl. schließen lassen. Konsequenterweise darf die Drei-Objekt-Grenze nicht als Freigrenze oder Mindestgrenze verstanden werden.1

77 Grundlegende Voraussetzung für einen gewerblichen Grundstückshandel ohne Überschreiten

der Drei-Objekt-Grenze ist eine von Anfang an bestehende unbedingte Veräußerungsabsicht.2 Selbst wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Bebauung oder Erwerb und Veräußerung eines Grundstücks besteht, lässt dies isoliert betrachtet noch nicht den Schluss zu, dass die Bebauung oder der Erwerb mit einer unbedingten Absicht durchgeführt wurde, das Objekt zeitnah verkaufen zu wollen. Insoweit bedarf es anderer Umstände, die dafür sprechen, dass bereits im Zeitpunkt des Erwerbs oder bei der Bebauung des Grundstücks eine unbedingte Veräußerungsabsicht bestand. Freilich kann die vorbeschriebene Indizwirkung der Umstände durch einen kurzen Zeitraum zwischen Erwerb oder Bebauung und Veräußerung verstärkt werden.3

78 Das für einen gewerblichen Grundstückshandel erforderliche Merkmal der Nachhaltigkeit

kann auch dann erfüllt sein, wenn sich der StPfl. als Verkäufer mehrerer Grundstücke zunächst um Einzelverkäufe bemüht, die Grundstücke schließlich aber an nur einen Käufer in einem einzigen Veräußerungsgeschäft überträgt.4

79 Bei Ein- und Zweifamilienhäusern sowie bei Eigentumswohnungen kann auch der Verkauf

von weniger als vier Objekten in zeitlicher Nähe zu ihrer Errichtung zu einer gewerblichen Tätigkeit führen; die FinVerw. hat diesbezüglich folgende Fälle zusammengefasst: – „Das Grundstück mit einem auf diesem vom [StPfl.] zu errichtenden Gebäude wird bereits vor seiner Bebauung verkauft; als Verkauf vor Bebauung ist gleichfalls ein Verkauf bis zur Fertigstellung des Gebäudes anzusehen. – Das Grundstück wird von vornherein auf Rechnung und nach Wünschen des Erwerbers bebaut. – Das Bauunternehmen des das Grundstück bebauenden [StPfl.] erbringt erhebliche Leistungen für den Bau, die nicht wie unter fremden Dritten abgerechnet werden. – Das Bauvorhaben wird nur kurzfristig finanziert. – Der [StPfl.] beauftragt bereits während der Bauzeit einen Makler mit dem Verkauf des Objekts. – Vor Fertigstellung wird ein Vorvertrag mit dem künftigen Erwerber geschlossen. – Der [StPfl.] übernimmt über den bei Privatverkäufen üblichen Bereich hinaus Gewährleistungspflichten. – Unmittelbar nach dem Erwerb des Grundstücks wird mit der Bebauung begonnen und das Grundstück wird unmittelbar nach Abschluss der Bauarbeiten veräußert.“5

1 2 3 4 5

BFH v. 5.5.2004 – XI R 25/03, BFH/NV 2004, 1399. BFH v. 15.9.2006 – IV B 96/05, BFH/NV 2007, 30. BFH v. 27.11.2008 – IV R 38/06, BStBl. II 2009, 278. BFH v. 12.7.1991 – III R 47/88, BStBl. II 1992, 143. BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 28.

1054 | Mühling

F. Grundlagen des gewerblichen Grundstückshandels | Rz. 81

„Bei Verkauf von errichteten Großobjekten (z.B. Mehrfamilienhäuser, Büro-, Hotel-, Fabrikoder Lagergrundstücke) kann auch außerhalb der o.g. Ausnahmefälle ein gewerblicher Grundstückshandel bei Veräußerung von weniger als vier Objekten vorliegen (…). Dies setzt voraus, dass besondere Umstände gegeben sind, z.B., wenn die Tätigkeit des [StPfl.] nach ihrem wirtschaftlichen Kern der Tätigkeit eines Bauträgers entspricht.“1 Bauherrenmodelle: S. Rz. 37 ff.

VI. Kein gewerblicher Grundstückshandel trotz Überschreiten der DreiObjekt-Grenze Wenngleich die Indizwirkung des Überschreitens der Drei-Objekt-Grenze in aller Regel durch 80 die FinVerw. zum Anlass genommen werden wird, dass der StPfl. einen gewerblichen Grundstückshandel betreibt, sind Umstände denkbar, die trotz Überschreiten der Drei-Objekt-Grenze keine Gewerblichkeit zur Folge haben, wenn es konkrete Anlässe und Beweggründe für die Veräußerungen gibt. Die FinVerw. zählt hier exemplarisch folgende Umstände auf: „plötzliche Erkrankung, Finanzierungsschwierigkeiten, schlechte Vermietbarkeit, Scheidung, nachträgliche Entdeckung von Baumängeln, unvorhergesehene Notlagen“.2 Darüber hinaus sind Fälle denkbar, dass einzelne Objekte trotz des Vorliegens eines gewerblichen Grundstückshandels nicht als gewerbliche Veräußerungen zu berücksichtigen sind: Sind bebaute Grundstücke bis zur Veräußerung während eines langen Zeitraums (mindestens zehn Jahre) durch Vermietung oder zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden und gehören die Einkünfte aus der Vermietung zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, gehört grds. auch noch die Veräußerung der bebauten Grundstücke zur privaten Vermögensverwaltung. Dies ist unabhängig vom Umfang des veräußerten Grundbesitzes.3

VII. Gewinnermittlung beim gewerblichen Grundstückshandel „Ein gewerblicher Grundstückshändler, dessen Betrieb nach Art und Umfang keinen in einer 81 kaufmännischen Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, betreibt kein Handelsgewerbe und ist kein Kaufmann i.S.d. HGB (§§ 1 und 238 HGB).“4 Anders jedoch, wenn sich die Buchführungspflicht aus der Tatsache ergibt, dass sein Betrieb im Handelsregister eingetragen ist (§ 5 HGB). Wenn ein gewerblicher Grundstückshändler die Grenzen des § 141 AO nicht überschreitet und nicht nach § 140 AO i.V.m. § 238 Abs. 1 HGB buchführungspflichtig ist, hat seine Gewinnermittlung grds. im Rahmen einer Einnahmenüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) zu erfolgen.5 Er kann sich jedoch auch entscheiden, freiwillig Bücher zu führen und Bilanzen zu erstellen.

1 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 29, mit Verweis auf BFH v. 24.1.1996 – X R 255/93, BStBl. II 1996, 303; v.14.1.1998 – X R 1/96, BStBl. II 1998, 346. 2 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 30. 3 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 2. 4 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 33. 5 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 33. Mühling | 1055

Rz. 82 | Anhang 4 Besonderheiten bei Investmentvermögen in Personengesellschaftsform

VIII. Gesellschaften als gewerbliche Grundstückshändler 1. Vorbemerkung 82 „Beteiligt sich ein [StPfl.] an Grundstücksgesellschaften zur Verwertung von Grundstücken

(z.B. durch Verkauf oder Bebauung und Verkauf), ist zunächst zu prüfen, ob die Gesellschaft selbst ein gewerbliches Unternehmen i.S.d. § 15 Abs. 2 EStG betreibt (…), sodass steuerlich eine Mitunternehmerschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vorliegt. In diesem Fall ist die Überschreitung der Drei-Objekt-Grenze auf der Ebene der Gesellschaft zu prüfen.“1 Auf Grundstücksveräußerungen durch einzelne Gesellschafter kommt es dabei nicht an.2 Ebenfalls keine Relevanz entfaltet die Frage ob Gesellschafter der Personengesellschaft allein oder als Mitunternehmer einer anderen gewerblich tätigen Personengesellschaft Grundstücksaktivitäten entwickelt haben. Denn derartige Grundstücksaktivitäten der Gesellschafter sind bei der Prüfung, ob die Personengesellschaft wegen Überschreitung der Drei-Objekt-Grenze keine private Vermögensverwaltung mehr darstellt, nicht zu berücksichtigen.3

83 „Wird eine Gesellschaft nach den vorgenannten Grundsätzen im Rahmen eines gewerblichen

Grundstückshandels tätig, sind die Grundstücksveräußerungen der Gesellschaft bei der Prüfung, ob auch auf der Ebene des Gesellschafters ein – weiterer – gewerblicher Grundstückshandel besteht, als Objekt mitzuzählen (…). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Gesellschafter an der jeweiligen Gesellschaft zu mindestens 10 % beteiligt ist oder dass der Verkehrswert des Gesellschaftsanteils oder des Anteils an dem veräußerten Grundstück bei einer Beteiligung von weniger als 10 % mehr als 250.000 Euro beträgt.“4 Vor diesem Hintergrund ist es daher denkbar, dass ein StPfl. einen gewerblichen Grundstückshandel betreibt, ohne in eigener Person ein Grundstück zu veräußern.5 Verfügt der Gesellschafter einer Personengesellschaft über eine Generalvollmacht oder bestimmt er aus anderen Gründen die Geschäfte der Grundstücksgesellschaft maßgeblich mit, können ihm zu seinen eigenen Grundstücksverkäufen auch die Grundstücksverkäufe der Personengesellschaft hinzugerechnet werden, auch wenn seine Beteiligung an der Personengesellschaft weniger als 10 % beträgt.6

1 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 14, mit Verweis auf BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751. 2 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 14. 3 BFH v. 17.12.2008 – IV R 72/07, BStBl. II 2009, 529. 4 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 14 ff., mit Verweis auf BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617; v. 28.11.2002 – III R 1/01, BStBl. II 2003, 250. 5 BFH v. 22.8.2012 – X R 24/11, BStBl. II 2012, 865. 6 BFH v.12.7.2007 – X R 4/04, BStBl. II 2007, 885.

1056 | Mühling

F. Grundlagen des gewerblichen Grundstückshandels | Rz. 84

2. Zwischenschaltung einer GmbH Tätigkeiten einer GmbH können dem Anteilseigner grds. nur zugerechnet werden, wenn die 84 Voraussetzungen eines Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 AO vorliegen. Dies kann bspw. durch folgende Umstände indiziert sein:1 – Die GmbH erwirbt von ihrem Alleingesellschafter-Geschäftsführer ein von ihm erworbenes unaufgeteiltes Mehrfamilienhaus, teilt es anschließend auf und veräußert noch im selben Jahr die entstandenen vier Eigentumswohnungen an verschiedene Erwerber;

1 BFH v. 18.3.2004 – III R 25/02, BStBl. II 2004, 787; v. 22.4.2015 – X R 25/13, BStBl. II 2015, 897. Mühling | 1057

Rz. 84 | Anhang 4 Besonderheiten bei Investmentvermögen in Personengesellschaftsform

– Die GmbH ist hauptsächlich zum Zweck des Erwerbs und der Weiterveräußerung von Objekten gegründet worden und zahlt einen so hohen Kaufpreis an den Veräußerer, dass sie höchstenfalls einen unerheblichen Gewinn aus dem Weiterverkauf erwarten kann. – Die Mittel für den Kaufpreis, der an den Anteilseigner als Verkäufer zu zahlen ist, stammen zu einem erheblichen Teil vom StPfl. selbst oder sind erst aus den Weiterveräußerungserlösen zu erbringen. 85 Allerdings ist die Zwischenschaltung einer GmbH jedenfalls dann nicht als rechtsmissbräuch-

lich anzusehen, wenn die GmbH nicht funktionslos ist, also wenn sie selbst eine wesentliche eigene wertschöpfende Tätigkeit ausübt, bspw. die Bebauung und Entwicklung oder den Vertrieb des erworbenen Grundstücks verantwortet.1 Grundstücksverkäufe einer GmbH können einem StPfl. jedenfalls dann nicht zugerechnet werden können, wenn dieser nur einen GmbH-Anteil von maximal 25 % hält.2 3. Einbringung eines Grundstücks in eine Kapitalgesellschaft

86 „Als Veräußerung i.S.d. Drei-Objekt-Grenze gilt die Einbringung eines Grundstücks in eine

KapGes. gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten. Dies gilt auch in sog. Mischfällen, in denen die dem Gesellschafter gewährte angemessene (drittübliche) Gegenleistung teils in der Gewährung von Gesellschaftsrechten und teils in anderen Entgelten, z.B. in der Zahlung eines Barkaufpreises, der Einräumung einer Forderung oder in der Übernahme von Schulden des Gesellschafters besteht.“3 Wird ein Grundstück vor Fertigstellung des Gebäudes in eine GmbH eingebracht, die vom StPfl. beherrscht wird, kann dieser Vorgang als Anhaltspunkt für das Vorliegen einer unbedingten Veräußerungsabsicht im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels gelten.4 4. Einbringung eines Grundstücks in eine Personengesellschaft

87 „Als Veräußerung i.S.d. Drei-Objekt-Grenze gilt auch die Einbringung eines Grundstücks in

das Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft, die nach den Grundsätzen des BMF-Schreibens vom 29.3.2000 (…) als Veräußerung anzusehen ist. Grundstücksübertragungen in das Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft, für die der Übertragende keine Gegenleistung erhält (verdeckte Einlage), und die Übertragung von Grundstücken im Wege der Realteilung einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft oder Bruchteilsgemeinschaft auf die einzelnen Gesellschafter zu Alleineigentum gelten dagegen nicht als Veräußerung i.S.d. Drei-Objekt-Grenze.“5

IX. Beginn des gewerblichen Grundstückshandels 88 Als Beginn des gewerblichen Grundstückhandels ist auf den Zeitpunkt abzustellen, „in dem

der [StPfl.] mit Tätigkeiten beginnt, welche objektiv erkennbar auf die Vorbereitung der

1 BFH v. 17.3.2010 – IV R 25/08, BStBl. II 2010, 622. 2 BFH v. 26.9.2006 – X R 27/03, BFH/NV 2007, 412. 3 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 7 und 11, mit Verweis auf BFH v. 19.9.2002 – X R 51/98, BStBl. II 2003, 394. 4 BFH v. 24.6.2009 – X R 36/06, BStBl. II 2010, 171. 5 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 7, mit Verweis auf BMF v. 29.3.2000 – IV C 2 - S 2178 - 4/00, BStBl. I 2000, 462.

1058 | Mühling

F. Grundlagen des gewerblichen Grundstückshandels | Rz. 91

Grundstücksgeschäfte gerichtet sind.“1 Der gewerbliche Grundstückshandel und damit die Erzielung gewerblicher Einkünfte beginnt regelmäßig bereits im Zeitpunkt des ersten Grundstückserwerbs, der dem Grundstückshandel zuzuordnen ist. In der Konsequenz liegen bei einer Vermietung der veräußerten Immobilien keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, sondern von Anfang an Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor. Da Grundstücke insoweit nicht dem Anlagevermögen, sondern dem Umlaufvermögen zuzuordnen sind, können keine Gebäudeabschreibungen i.S.v. § 7 Abs. 4 oder Abs. 5 EStG vorgenommen werden.2 Errichtung von Objekten: Der gewerbliche Grundstückshandel beginnt bei der Errichtung 89 von Objekten mit der Stellung des Bauantrags bzw. mit der Einreichung der Bauunterlagen für die Verwirklichung des geplanten Entwicklungsprojekts.3 Soweit ein gewerblicher Grundstückshandel anzunehmen ist, wenn derart umfassende Baumaßnahmen auf einem schon bebauten Grundstück vorgenommen werden, dass ein „neues Gebäude“ hergestellt wird (s. Rz. 71), ist auf den Zeitpunkt des Beginns des Erweiterungsbaus abzustellen.4 Erwerb von Objekten: Der gewerbliche Grundstückshandel beginnt dann im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs.5 Sanierung von Objekten: In Sanierungsfällen beginnt der gewerbliche Grundstückshandel in dem Zeitpunkt, in welchem die Sanierungsarbeiten beginnen.6

X. Beendigung des gewerblichen Grundstückshandels „Ein gewerblicher Grundstückshandel wird mit Verkauf des letzten Objekts oder durch die 90 endgültige Einstellung der Verkaufstätigkeiten beendet.“7 „Die Gewinne aus den Grundstücksveräußerungen sind regelmäßig nicht begünstigte laufende Gewinne, auch wenn zugleich der Gewerbebetrieb aufgegeben wird.“8 Selbst wenn es sich um die Veräußerung des letzten zum Betriebsvermögen gehörenden Grundstücks an nur einen Erwerber handelt, sind die Gewinne eines gewerblichen Grundstückshändlers aus der Veräußerung des zum Umlaufvermögen gehörenden Grundbesitzes der laufenden, nicht begünstigten unternehmerischen Tätigkeit zuzurechnen.9 Soweit der gewerbliche Grundstückshändler über vermietete Grundstücke verfügt, können 91 diese zu seinem Anlagevermögen gehören. Mit Beendigung des gewerblichen Grundstückshandels sind diese Grundstücke in das Privatvermögen zu überführen. Die Beendigung des gewerblichen Grundstückshandels bewirkt insoweit die Aufgabe des Gewerbebetriebs und die Realisierung der zu diesem Zeitpunkt vorhandenen stillen Reserven. Dieser Gewinn ist als Aufgabegewinn mit dem ermäßigten Steuersatz zu versteuern.10

1 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 31, mit Verweis auf BFH v. 9.2.1983 – I R 29/79, BStBl. II 1993, 451; v. 23.10.1987 – III R 275/83, BStBl. II 1988, 293; v. 21.6.2001 – III R 27/98, BStBl. II 2002, 537. 2 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 33. 3 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 31. 4 BFH v. 15.1.2020 – X R 18/18, X R 19/18, BStBl. II 2020, 538. 5 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 31. 6 BFH v. 5.12.2002 – IV R 57/01, BStBl. II 2003, 291; BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 31. 7 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 35. 8 BMF v. 26.3.2004 s– IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434 Rz. 35. 9 BFH v. 5.7.2005 – VIII R 65/02, BStBl. II 2006, 160. 10 BFH v. 30.11.2004 – VIII R 15/00, BFH/NV 2005, 1033. Mühling | 1059

Rz. 92 | Anhang 4 Besonderheiten bei Investmentvermögen in Personengesellschaftsform

G. Private Equity- und Venture Capital-Fonds (insbes. Besteuerung des Carried Interest) I. Einleitung 1. Vorbemerkung 92 Zunehmendes wirtschaftliches Gewicht haben in den letzten zehn Jahren Investmentver-

mögen in Personengesellschaftsform gewonnen, die als Private Equity- oder Venture CapitalFonds bezeichnet werden. Dabei handelt es sich um geschlossene Fonds, die das von ihren Investoren eingesammelte „private“ Kapital als Finanzinvestoren außerhalb von organisierten Kapitalmärkten anlegen. Beide Fondstypen unterscheiden sich vor allem durch ihre Anlagestrategie.

93 Private Equity-Fonds (PE-Fonds) konzentrieren sich i.d.R. auf Investitionen in wenige, am

Markt etablierte Unternehmen (Portfoliogesellschaften), an denen sie eine Mehrheitsbeteiligung erwerben und die sie nach einigen Jahren – möglichst mit Gewinn – wieder veräußern. Teils wird die Geschäftsführung der Portfoliogesellschaften dem bisherigen Management überlassen, teils wird das Management auf Betreiben des Fonds ausgetauscht. Der Fonds zielt während seiner Beteiligung an den Portfoliogesellschaften typischerweise nicht auf Dividenden ab, sondern lässt die Portfoliogesellschaften etwaige Gewinne zum Zweck der Wertsteigerung der Gesellschaftsanteile reinvestieren. Manche PE-Fonds spezialisieren sich darauf, Unternehmen in einer Krisen- oder Verlustsituation zu erwerben, um ihnen dann dabei zu helfen, wieder rentabel zu werden, andere Fonds darauf, verstecktes Potenzial von Unternehmen zu heben und am Markt sichtbar zu machen.

94 Venture Capital-Fonds (Wagniskapitalfonds; VC-Fonds) investieren vorrangig in junge, in

der Entwicklungsphase befindliche Unternehmen, die sich am Markt noch nicht etabliert und erheblichen Kapitalbedarf für ihren Wachstumskurs haben. VC-Fonds verteilen ihr Kapital zumeist auf eine größere Anzahl von Portfoliogesellschaften, an denen sie Minderheitsbeteiligungen erwerben. Nicht alle ihrer Portfoliogesellschaften können sich am Markt behaupten, allerdings bringen sie zumeist erhebliches Wertsteigerungs- und Marktanteilspotenzial mit sich. Auch VC-Fonds verfolgen das Ziel, Portfoliobeteiligungen nach einigen (ca. drei bis fünf) Jahren mit Gewinn zu veräußern (sog. Exit). Die Anteilsveräußerung kann außerbörslich ebenso wie im Rahmen eines Börsengangs erfolgen. PE- und VC-Fonds erzielen daher im Erfolgsfall überwiegend Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen. Nach Veräußerung ihrer Portfoliobeteiligungen und Gewinnverteilung werden die Fondsgesellschaften typischerweise liquidiert und beendet (Ausnahmefälle sind sog. Evergreen-Fonds). Hinsichtlich ihrer gesellschaftsrechtlichen Binnenstruktur und ihrer steuerlichen Behandlung sind PE- und VC-Fonds vergleichbar, sodass sich die nachfolgende Darstellung gleichermaßen auf beide Fondstypen bezieht. 2. Motive für die Strukturierung von PE-/VC-Fonds als Personengesellschaften

95 Der weit überwiegende Anteil von PE- und VC-Fonds wird in Deutschland als Personenge-

sellschaft strukturiert und ist damit vom Anwendungsbereich des InvStG ausgenommen (§ 1 Satz 1 Abs. 3 Nr. 2 InvStG).1 In diese Bereichsausnahme fallen PE- und VC-Fonds insbes., 1 Die Bereichsausnahme gilt auch für Gesellschaften ausländischer Rechtsform, die nach dem Rechtstypenvergleich mit einer inländischen Personengesellschaft vergleichbar sind (BMF-Anwendungsschreiben [konsolidierte Fassung], Rz. 1.12). Auf Sondervermögen und vergleichbare ausländische Rechtsformen ist das InvStG anwendbar (§ 1 Abs. 3 Satz 2 InvStG), wobei PE-/VC-Fonds im Inland nicht als Sondervermögen strukturierbar sind, Schwarz van Berk/Euhus in Pöllath/Rodin/Wewel, § 2 Rz. 5.

1060 | Schnittker/Dickersbach

G. Private Equity- und Venture Capital-Fonds | Rz. 96

weil sie weder in Wertpapiere i.S.d. § 1 Abs. 2 KAGB investieren noch Altersvermögensfonds gem. § 53 InvStG sind und damit die Rückausnahmen von § 1 Satz 1 Abs. 3 Nr. 2 InvStG nicht erfüllen.1 Auch die Optionsausübung einer Personengesellschaft zur Körperschaftsbesteuerung gem. § 1a KStG eröffnet nicht den Anwendungsbereich des InvStG (§ 1 Abs. 3 Satz 3 InvStG)2. Die wesentlichen Motive zur Errichtung von PE- und VC-Fonds als Personengesellschaft sind deren statutarische Flexibilität, ihre steuerliche Transparenz und ihr im Vergleich zu KapGes. einfacher Gründungsprozess.3 Wird – wie in aller Regel – die Rechtsform einer GmbH & Co. KG gewählt, wird zudem die Haftung der Fondsgesellschafter beschränkt. Die Komplementär-GmbH der Fondsgesellschaft hat in diesen Fällen außer der Haftungsabschirmung keine weiteren Funktionen. 3. Akteure bei PE-/VC-Fonds Am Gewinn und Verlust eines Fonds sind ihre Initiatoren und Investoren beteiligt. Die Initia- 96 toren sind (natürliche) Personen, die für die Gründung, das Einwerben von Kapital und die Investitionstätigkeit eines Fonds verantwortlich sind und das sog. Management-Team des Fonds bilden. Mit ihrem Kontaktenetzwerk sowie ihren Branchenkenntnissen tragen sie maßgeblich zum Erfolg eines Fonds bei. Die Initiatoren beteiligen sich regelmäßig – wie die übrigen Investoren auch – mit einer Kapitaleinlage am Fonds (sog. Co-Investment) und tragen dadurch bei einem potenziellen Misserfolg des Fonds ein Verlustrisiko. Die von den Initiatoren auserkorenen (oder auch „gesourcten“) Investitionsmöglichkeiten („Investment Opportunities“) werden von der sog. Management-Gesellschaft geprüft und – bei positivem Ergebnis der Prüfung („Due Diligence“) – vollzogen. Die Management-Gesellschaft ist eine aufsichtsrechtlich regulierte Gesellschaft, die zumeist als ein zur Geschäftsführung der Fonds-Gesellschaft befugter Kommanditist tätig wird, der allerdings am Vermögen des Fonds nicht beteiligt ist. Zur Kostendeckung für ihre Räumlichkeiten, Angestellten und sonstigen Kosten erhält die Management-Gesellschaft vom Fonds i.d.R. eine Tätigkeitsvergütung, die sog. Management-Fee, die sich an einem bestimmten Prozentsatz der Kapitalzusagen der Investoren für den Fonds orientiert (meistens zwischen 1,5 und 2,5 % während der sog. Investitionsperiode in den ersten Jahren des Fonds; üblich ist eine anschließende Fee-Reduzierung).4 Gesellschafter der Managementgesellschaft sind typischerweise die Initiatoren selbst. Die Initiatoren werden am finanziellen Erfolg eines Fonds besonders beteiligt. Diese Erfolgsbeteiligung schafft einen Interessengleichlauf zwischen den Initiatoren und den Investoren, die an einer gewinnbringenden Geldanlage interessiert sind. Neben ihrem kapitalproportionalen Gewinnanteil, den sie auf ihr Co-Investment erhalten, bekommen die Initiatoren einen kapitaldisproportionalen Gewinnanteil, den sog. Carried Interest bzw. – in Kurzform – „Carry“. Der Carried Interest ist die wirtschaftliche Gegenleistung für das Know-how, das Kontaktenetzwerk und die Branchenkenntnis, die die Initiatoren in die Fondsgesellschaft einbringen.5 Der Carried Interest wird häufig nicht unmittelbar vom Fonds an die einzelnen Initiatoren gezahlt, sondern in eine Bündelungsgesellschaft der Initiatoren, der sog. Carry-Gesellschaft, über die die Initiatoren mittelbar am Fonds beteiligt sind.6 Sie ist wie die Fondsgesellschaft regelmäßig als GmbH & Co. KG strukturiert und als Kommanditist an der Fondsgesellschaft beteiligt. Vermögensmäßig an der Carry-Gesellschaft beteiligt sind in erster Linie die Initiato1 2 3 4 5

Link in H/H/R, Anh. zu § 20 EStG, § 1 InvStG Anm. 15a; Niedling/Hempelmann, RdF 2019, 41 (43). Satz 3 eingefügt durch Art. 4 Nr. 1 des KöMoG v. 25.6.2021, BGBl. I 2021, 2050. Schwarz van Berk/Euhus in Pöllath/Rodin/Wewel, § 2 Rz. 3. Mardini in Pöllath/Rodin/Wewel, § 11 Rz. 5 ff. Levedag in BeckOK EStG, § 18 Rz. 505; Baumgartner, DStR 2021, 1858 (1859); Töben/Schrepp, DStR 2019, 526 (528). 6 BMF v. 16.12.2003 – IV A 6 - S 2240 - 153/03, BStBl. I 2004, 40 Rz. 3 („Private Equity-Erlass“; dort „Initiator-KG“ genannt); Mardini in Pöllath/Rodin/Wewel, § 11 Rz. 55. Schnittker/Dickersbach | 1061

Rz. 96 | Anhang 4 Besonderheiten bei Investmentvermögen in Personengesellschaftsform

ren (oft auch – jedenfalls mit ihrem Co-Investment-Anteil – über deren persönliche Beteiligungsgesellschaften), teils aber auch sonstige Mitarbeiter des Management-Teams, selbständige, nicht am Fonds beteiligte Berater oder sogar (Anker-)Investoren des Fonds. Zweck der Carry-Gesellschaft ist es, die Carry-Auszahlung aus der Fondsgesellschaft zu vereinfachen und auf Ebene der Carry-Gesellschaft den Carried Interest nach einem intern vereinbarten Schlüssel auf die verschiedenen Carried Interest-Berechtigten verteilen zu können. 97 Personelle Änderungen im Management-Team und individuelle Vereinbarungen mit einzel-

nen Initiatoren können zudem ohne Änderung der Gesellschaftsverträge des Fonds auf Ebene der Carry-Gesellschaft abgebildet werden. Tritt ein Mitglied des Management-Teams der Carry-Gesellschaft nachträglich bei und wird dadurch am Gewinn der Carry-Gesellschaft beteiligt, kann sich die Frage nach der Bewertung der erhaltenen Gesellschaftsanteile und der damit verbundenen Carried Interest-Ansprüche stellen (dazu Rz. 140 f.). Womöglich ist auch ein Veranlassungszusammenhang der Anteilsgewährung mit einem Angestelltenverhältnis zu prüfen oder auch der Frage nachzugehen, ob dadurch ein schenkungsteuerlicher Tatbestand erfüllt wird. Verlassen Initiatoren das Management-Team, behalten aber ihre Carried InterestAnsprüche (sog. Good Leaver), ändert der Austritt i.d.R. nichts an der Besteuerung des Carried Interest (vgl. § 24 Nr. 2 EStG).

98 Die Investoren von PE- und VC-Fonds sind oft institutionelle Kapitalanleger wie Pensions-

fonds, Versicherungen, Staatsfonds, Dachfonds oder Banken, mitunter auch Family Offices oder Privatanleger. Ihr wirtschaftliches Interesse richtet sich darauf, das von ihnen verwaltete Kapital außerbörslich zu investieren und für ihre Anleger einen Gewinn zu erzielen, ohne dabei selbst unternehmerisch tätig zu werden. Ihr steuerliches Interesse besteht darin, wie bei einer Direktanlage in die Portfoliogesellschaften des Fonds gestellt zu werden und durch die Zwischenschaltung des Fonds keine zusätzlichen Besteuerungsebene zu schaffen. Das gilt umso mehr, als institutionelle Kapitalanleger persönlich steuerbefreit sein können, was durch eine zusätzliche Besteuerung auf Fondsebene konterkariert würde. Die Investoren sind insofern dem Grunde nach passive Kapitalanleger.1 Die verschiedenen Investoren eines Fonds sind oft im In- oder auch im Ausland steuerlich ansässig. Bei ihrer Investmententscheidung ist es ausländischen Investoren wichtig, durch das Investment in den Fonds nicht im Inland steuererklärungspflichtig zu werden, sondern alleine nach den Vorschriften ihres Ansässigkeitsstaats besteuert zu werden.

4. Gewinnverteilung auf Fondsebene a) Vorbemerkung 99 Die Gewinnverteilungsabrede der Fondsgesellschaft ist wesentlich vom Carried Interest zu-

gunsten der Initiatoren geprägt. Nach der typischerweise vereinbarten Gewinnverteilungsabrede ist zunächst den Investoren ihr eingezahltes Kapital mit einer festen Verzinsung zurückzugewähren (zumeist zwischen 6 und 8 % p.a., sog. Preferred Return oder Hurdle). Die Hurdle ist gewinnabhängig und wird nicht vom Fonds oder den Initiatoren garantiert.

100 Nach Rückzahlung des eingezahlten Kapitals an die Investoren und dem Erreichen der Hurdle

erhalten die Initiatoren auf den darüber hinaus verbleibenden Fondsgewinn den kapitaldisproportionalen Carried Interest. Der verbleibende Fondsgewinn wird zur Gewährung des Carried Interest im Verhältnis 80/20 an die Investoren bzw. Initiatoren ausgezahlt.2 Im Umfang der auf ihre Co-Investments entfallenden kapitalproportionalen Gewinnanteile werden die Initiatoren wie „gewöhnliche“ Investoren behandelt.3 1 Töben/Blank in Gosch/Grotherr/Bergmann, Steuerplanung und Compliance, Sonderthemen der Besteuerung grenzüberschreitender Private Equity Fonds-Strukturen, Rz. 5 ff. (Stand: Juni 2021). 2 Baumgartner, DStR 2021, 1858 (1859). 3 Pfirrmann in Kirchhof/Seer21, § 18 EStG Rz. 102; Friederichs/Köhler, DB 2004, 1638 (1639).

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G. Private Equity- und Venture Capital-Fonds | Rz. 104

b) Carried-Interest-Modelle Im Grundsatz stehen sich zwei wirtschaftliche Modelle zur Berechnung des Carried Interest 101 gegenüber. In den USA wird der Carried Interest häufig auf Basis des Ergebnisses einzelner Transaktionen berechnet, also nach Abschluss jedes „Deals“ des Fonds (sog. Deal-By-DealCarry). Waren einige Investments des Fonds erfolgreich, andere hingegen nicht, erhalten Initiatoren nach Ende der Fondslaufzeit mitunter einen höheren Gewinnanteil, als es einer Verteilung des Gesamtgewinns im Verhältnis 80/20 entspricht. Sofern kein Ausgleich nach Ende der Fondslaufzeit vereinbart wird, bevorteilt dieses Carry-Modell die Initiatoren. In europäischen Staaten (einschließlich Großbritannien) berechnet sich der Carry-Anspruch der Initiatoren in aller Regel auf Basis einer Gesamtbetrachtung des Fondsgewinns über seine gesamte Laufzeit (sog. Fund-as-a-whole-Carry oder Whole-Of-Fund-Carry). Aus Investorensicht wird dadurch das Risiko eines überhöhten Carry-Anteils der Initiatoren minimiert. Die Initiatoren müssen zudem länger auf ihren kapitaldisproportionalen Gewinnanteil warten, weil mitunter erst spät im Fondszyklus feststeht, ob ein Carry-Anspruch entsteht.1 Die beiden Carry-Modelle gibt es in verschiedenen Spielarten. Statt einer konstanten Ge- 102 winnaufteilung im Verhältnis 80/20 gibt es auch abgestufte Vereinbarungen, wonach beim Erreichen bestimmter Gewinnkennzahlen die verbleibenden Kapitalrückflüsse nicht mehr im Verhältnis 80/20, sondern im Verhältnis 70/30 zwischen den Investoren und den Initiatoren aufgeteilt wird (sog. Super-Carry). In Fonds, die ihren Erfolg nicht nur finanziell, sondern auch unter Nachhaltigkeitsgesichts- 103 punkten messen, wird zum Teil ein sog. Impact-Carry vereinbart. Die Initiatoren profitieren in solchen Fällen nur dann von ihrem kapitaldisproportionalen Gewinnanteil, wenn bestimmte Nachhaltigkeitsziele bei den Fonds-Investments erfüllt werden. Andernfalls entsteht der Impact-Carry entweder gar nicht erst oder er wird gespendet. Mitunter sind auch sog. Alternative Fee Arrangements anzutreffen, bei denen den Investoren das Wahlrecht eingeräumt wird, verschiedene finanzielle Parameter des Fonds zu verschieben und etwa eine geringere Management-Fee im Gegenzug für einen erhöhten Carry-Anspruch der Initiatoren zu zahlen. c) Auszahlungen nach dem sog. Wasserfall Die Kapitalrückflüsse aus den Portfoliobeteiligungen (zumeist in Form von Veräußerungs- 104 gewinnen, teilweise auch von Zinsen, eher selten von Dividenden) werden nach einem bestimmten Auszahlungsmechanismus an die Investoren und Initiatoren weitergeleitet, dem sog. Wasserfall. Die Auszahlung von Gewinnen richtet sich nach der Verfügbarkeit von Liquidität und nicht zwingend nach dem handelsrechtlichen und steuerlichen Jahresergebnis.2 Die gesellschaftsvertragliche Abrede zur Auszahlung verfügbarer Liquidität beinhaltet mehrere Stufen. Auf den ersten beiden Auszahlungsstufen erhalten die Investoren ihr eingezahltes Kapital zurück und die vereinbarte Festverzinsung (Hurdle oder Preferred Return, zusammen mit der Kapitalrückzahlung die sog. Vollrückzahlung). Damit wird ein „Mindestgewinn“ der Investoren sichergestellt. Auf der anschließenden dritten Stufe wird erstmalig Liquidität an die Initiatoren ausgezahlt, indem sie ihren Carried Interest-Anteil von 20/80 auf die an die Investoren gezahlte Hurdle erhalten (sog. Catch-Up). Danach wird auf vierter Stufe – vorbehaltlich weitergehender Abreden im Einzelfall – die verbleibende Liquidität im Verhältnis 80/20 zwischen den Investoren und den Initiatoren verteilt.3 Für den Fall, dass die den Initiatoren zugeflossenen Zahlungen ihren vertraglich vereinbarten Gewinnanteil von 20 % des Gesamt-

1 Mardini in Pöllath/Rodin/Wewel, § 11 Rz. 42 ff.; Anzinger/Jekerle, IStR 2008, 821 (823). 2 Töben/Schrepp, DStR 2019, 526 (529). 3 Mardini in Pöllath/Rodin/Wewel, § 11 Rz. 34 ff. Schnittker/Dickersbach | 1063

Rz. 104 | Anhang 4 Besonderheiten bei Investmentvermögen in Personengesellschaftsform

gewinns des Fonds übersteigen, werden die Initiatoren zumeist vertraglich zur nachträglichen Carried Interest-Rückzahlung verpflichtet (sog. Clawback).1 Zur (anteiligen) Sicherung dieses Rückzahlungsanspruchs geben die Initiatoren typischerweise eine Garantie zugunsten der Fondsgesellschaft ab, beschränkt auf den von den Initiatoren letztlich vereinnahmten Nachsteuerbetrag. Alternativ können Carried Interest-Anteile zwischenzeitlich in der Fondsgesellschaft zurückbehalten werden, bevor sie (vollständig) an die Initiatoren ausgeschüttet werden (sog. Escrow). Weil der Carried Interest unabhängig vom Zufluss bei den Initiatoren besteuert wird, aber entsprechende Liquidität der Initiatoren zur Begleichung ihrer Steuerschuld nicht vorausgesetzt werden kann, sind im Escrow-Fall Steuerausschüttungen (sog. Tax Distributions) üblich. 5. Steuerliche Qualifikation des Carried Interest: Gewinnanteil oder Tätigkeitsvergütung? 105 Eine langjährige und immer noch nicht vollständig geklärte Streitfrage im Zusammenhang

mit der Besteuerung des Carried Interest betrifft seine steuerliche Qualifikation als Gewinnanteil oder Tätigkeitsvergütung. Die FinVerw. geht seit Erlass des sog. Private Equity-Erlasses v. 16.12.2003 davon aus, dass der Carried Interest eine Tätigkeitsvergütung der Investoren an die Initiatoren darstellt, die aus den Gewinnanteilen der Investoren an die Initiatoren geleistet wird und die lediglich zur Abkürzung von Zahlungswegen direkt von der Fondsgesellschaft an die Carry-Gesellschaft fließt.2 Bei den Initiatoren würde der Carried Interest nach dieser Auffassung als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit zu erfassen sein, die mit dem progressiven persönlichen Einkommensteuersatz zu versteuern wären. Nach der Gegenauffassung ist der Carried Interest ein Gewinnanteil, der für immaterielle Gesellschafterbeiträge eingeräumt wird.3 Diese Ansicht kann sich auf § 706 Abs. 3 BGB mit Geltung für alle Personengesellschaften berufen, wonach der Beitrag eines Gesellschafters auch in der Leistung von Diensten bestehen kann. Der Carried Interest ist damit zwar ein kapitaldisproportionaler, aber ein beitragsproportionaler Gewinnanteil.4

106 Der Gesetzgeber hat mit der Einführung von § 18 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 3 Nr. 40a EStG ein

steuerliches Sonderregime für den Carried Interest aus vermögensverwaltenden Fonds geschaffen. Unter den dort normierten Voraussetzungen gehört er zu den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit, die „systemdurchbrechend“5 dem Teileinkünfteverfahren unterliegen. Die Neuregelung diente zum Zeitpunkt ihrer Einführung im Jahr 2004 der aus Sicht des Gesetzgebers notwendigen Schließung einer Besteuerungslücke, die bei steuerlich vermögensverwaltenden Fonds zur fehlenden Steuerbarkeit des Carried Interest führen konnte.6 In der Frage der Einordnung des Carried Interest als Gewinnanteil oder Tätigkeitsvergütung hat die Vorschrift allerdings nicht für die erhoffte Klarheit gesorgt. Relevant bleibt die Frage in allen Fällen, in denen der Tatbestand von § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG nicht erfüllt ist, sowie in grenzüberschreitenden Fällen.7 Der Gesetzgeber hat bei Einführung der Norm nicht erkennen lassen, ob

1 Levedag in BeckOK EStG, § 18 Rz. 618 f.; vgl. auch Anzinger/Jekerle, IStR 2008, 821 (823). 2 BMF v. 16.12.2003 – IV A 6 - S 2240 - 153/03, BStBl. I 2004, 40 Rz. 24; ebenfalls BayLfSt v. 29.8.2008 – S 2241 - 17 St32/St33, DStR 2008, 2421. 3 Levedag in BeckOK EStG, § 18 Rz. 511; Korn in Korn, § 18 EStG Rz. 103.1 f.; Baumgartner, DStR 2021, 1858 (1861); Töben/Schrepp, DStR 2019, 526 (528); Weber-Grellet, DStR 2018, 992; Schnittker/ Steinbiß, IStR 2015, 760 (764 f.); Friedrichs/Köhler, DB 2006, 1396 (1399 f.); Bauer/Gemmeke, DStR 2004, 579; Hohaus/Inhester, DB 2003, 1080 (1081); Rodin, StbgJb 2002/2003, 469 (481); Herzig/ Gocksch, DB 2002, 600. 4 Bärenz/Veith, BB 2004, 251 (255). 5 Anzinger/Jekerle, IStR 2008, 821 (825); a.A. Weber-Grellet, DStR 2018, 992 (997). 6 Ausführlich Töben/Schrepp, DStR 2019, 526 (527). 7 Schnittker/Steinbiß, IStR 2015, 760 (761).

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G. Private Equity- und Venture Capital-Fonds | Rz. 109

es sich bei der Qualifikation als selbständige Einkünfte um eine deklarative Vorschrift handelt, der Carried Interest also auch ohne die Vorschrift unter § 18 EStG zu fassen wäre, oder um eine konstitutiv wirkende Vorschrift, die einen grds. unter § 20 EStG fallenden Gewinnanteil in Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit umqualifiziert. Die in der Literatur überwiegend vorgenommene Einstufung des Carried Interest als kapitaldisproportionaler Gewinnanteil bestätigte der BFH mit Urteil v. 11.12.20181 (im Anschluss auch das FG München mit Urteil v. 17.11.2020)2. Stellungnahme. Der herrschenden Auffassung (Carried Interest als Gewinnanteil statt als Tä- 107 tigkeitsvergütung) ist – entgegen der FinVerw. – zuzustimmen. Die steuerliche Qualifikation des Carried Interest muss in erster Linie der zivilrechtlichen Qualifikation folgen, die aus den Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag des Fonds abzuleiten ist. Die Ansicht der FinVerw., wonach die Leistungen der Initiatoren zugunsten der Fondsgesellschaft auf Basis einer schuldrechtlichen Vereinbarung mit den Investoren erbracht würden und die Vergütung dafür eine wirtschaftlich von den Investoren getragene Tätigkeitsvergütung sei, lässt die vertraglichen Abreden auf Ebene des Fonds außer Betracht. Dass der Carried Interest im Gesellschaftsvertrag des Fonds und nicht in einer außerstatutarischen (schuldrechtlichen) Nebenabrede zwischen Initiatoren und Investoren vereinbart ist, mag zwar nur ein Indiz für die Beurteilung als Gewinnanteil sein. Entscheidend ist, dass der Carried Interest nach dem Willen der Vertragsparteien immaterielle Gesellschafterbeiträge vergütet, die allein die Initiatoren erbringen können, und dass er – wie ein kapitalproportionaler Gewinnanteil – nur vom Entstehen eines Gewinns abhängt. Auch das Regelstatut zur Kommanditgesellschaft geht bislang davon aus, dass immaterielle Gesellschafterleistungen bei der Gewinnverteilung zu berücksichtigen sind (vgl. § 168 Abs. 2 HGB). Damit liegt die zivilrechtliche Qualifikation des Carried Interest als Gewinnanteil näher als eine Tätigkeitsvergütung, zumal die Initiatoren für ihre Tätigkeiten als Angestellte der Management-Gesellschaft regelmäßig gesondert (und fremdüblich) vergütet werden. Als Gewinnanteil speist sich der Carried Interest aus den auf Fondsebene erzielten Zinsen, Dividenden und Veräußerungserlösen aus den Portfoliobeteiligungen, nicht hingegen aus den Gewinnanteilen der Investoren. Der Carried Interest ist auch steuerlich als kapitaldisproportionaler Gewinnanteil anzuerken- 108 nen, weil er keine unangemessene Gewinnverteilung zwischen Initiatoren und Investoren zur Folge hat. Zum einen vergütet er nach § 706 Abs. 3 BGB bzw. – ab Geltung des MoPeG3 – § 709 Abs. 1 BGB anzuerkennende immaterielle Gesellschafterbeiträge und führt damit zu einer beitragsproportionalen Gewinnverteilung, die keinen Anlass für eine steuerliche Korrektur gibt. Zum anderen wird die Gewinnverteilungsabrede des Fonds zwischen fremden Dritten getroffen, was die Angemessenheit der Gewinnverteilung vermuten lässt.4 Die aus zivilrechtlicher sowie steuerlicher Sicht zutreffende Beurteilung des Carried Interest als Gewinnanteil gilt schließlich unabhängig davon, ob der Fonds eine steuerlich gewerbliche oder vermögensverwaltende Gesellschaft ist.

II. Steuerlich vermögensverwaltende und gewerbliche Fonds 1. Vorbemerkung Personengesellschaften lassen sich aus deutscher steuerlicher Sicht in gewerbliche Personenge- 109 sellschaften (Mitunternehmerschaften) und vermögensverwaltende Gesellschaften unterteilen. Mitunternehmerschaften verfügen über steuerliches Betriebsvermögen und erzielen gewerb1 2 3 4

BFH v. 11.12.2018 – VIII R 11/16, BFHE 263, 418. FG München v. 17.11.2020 – 12 K 2334/18, DStRE 2021, 587 (Rev. VIII R 3/21). G v. 10.8.2021, BGBl. I 2021, 3436. BFH v. 29.5.1972 – GrS 4/71, BFHE 106, 504 = BStBl. II 1973, 5 unter IV.2.b)aa). Schnittker/Dickersbach | 1065

Rz. 109 | Anhang 4 Besonderheiten bei Investmentvermögen in Personengesellschaftsform

liche (Gewinn-)Einkünfte. Die steuerliche Gewinnermittlung erfolgt durch Betriebsvermögensvergleich (§§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG). Der Gewerbeertrag unterliegt – bei Betrieb eines Gewerbes im Inland – der GewSt. Steuerlich vermögensverwaltende Personengesellschaften haben kein Betriebsvermögen, sondern erzielen stets Überschusseinkünfte. Der Gesellschaftsgewinn wird steuerlich als Überschuss der Einnahmen (§ 8 EStG) über die WK ermittelt (§ 9 EStG). 2. Steuerliche Relevanz der Unterscheidung a) Aus Sicht der Investoren 110 Die Investoren haben ein Interesse daran, dass ihre Gewinne nicht anders besteuert werden

als beim Direkterwerb von Portfoliogesellschaftsbeteiligungen und dass die Einschaltung eines Fonds nicht zu einer zusätzlichen Besteuerungsebene führt. Verwirklichen lässt sich dieses Konzept im deutschen Steuerrecht, wenn der Fonds als steuerlich vermögensverwaltende Personengesellschaft strukturiert ist. Nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO werden den Investoren die Wirtschaftsgüter der Fondsgesellschaft anteilig unmittelbar zugerechnet und die Fondsgesellschaft für steuerliche Zwecke ausgeblendet. Mangels Gewerbebetriebes unterliegt ein vermögensverwaltender Fonds außerdem nicht der Gewerbesteuer.

111 Der wesentliche steuerliche Unterschied zwischen steuerlicher Vermögensverwaltung und Ge-

werblichkeit liegt für Privatinvestoren darin, dass sie bei Beteiligung an einem vermögensverwaltenden Fonds (und sofern sie ihre Fondsbeteiligung im steuerlichen Privatvermögen halten) abgeltungsbesteuerte Kapitaleinkünfte gem. § 20 EStG erzielen, während sie bei Gewerblichkeit des Fonds Einkünfte gem. § 15 EStG erzielen, die überwiegend dem Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 Buchst. a EStG unterliegen. Für institutionelle (körperschaftlich verfasste) Investoren ist auf Einkünfte aus vermögensverwaltenden und gewerblichen Fonds regelmäßig § 8b KStG (bei gewerblichen Fonds zudem § 7 Satz 4 GewStG auf Fondsebene) anwendbar, sodass der Gewinn aus der Veräußerung von Portfoliobeteiligungen in beiden Fällen effektiv zu 95 % steuerbefreit ist.1

112 Überdies ist die Unterscheidung zwischen steuerlicher Vermögensverwaltung und Gewerb-

lichkeit für ausländische Investoren relevant. Im vermögensverwaltenden Fall sind ausländische Investoren deutscher PE- oder VC-Fonds mit ihnen zuzurechnenden Anteilsveräußerungsgewinnen im Inland nicht beschränkt steuerpflichtig, sofern sie nicht ausnahmsweise „durchgerechnet“ mit mindestens 1 % in den letzten fünf Jahren vor Anteilsveräußerung durch den Fonds an einer Portfoliogesellschaft beteiligt waren (§ 49 Abs. 1 Buchst. e EStG). Eine beschränkte StPfl. ergibt sich allerdings stets im Fall von Dividenden oder gewinnabhängigen Zinsen (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a, c Doppelbuchst. bb EStG).2 Dividenden unterliegen einem inländischen Kapitalertragsteuerabzug von 26,375 % inkl. Solidaritätszuschlag,3 sie lösen wegen der abgeltenden Wirkung der Kapitalertragsteuer aber keine Steuererklärungspflicht ausländischer Investoren im Inland aus. Selbst bei Bestehen einer beschränkten StPfl. (und damit auch Steuererklärungspflicht, § 25 EStG) führen die einschlägigen DBA-Verteilungsartikel regelmäßig dazu, dass das deutsche Besteuerungsrecht am Gewinnanteil ausländischer Investoren bis auf abkommensrechtlich zulässige Quellensteuern ausgeschlossen wird und die ausländischen Investoren nur nach den Vorschriften ihres Ansässigkeitsstaats besteu1 Herkenroth/Striegel/Wiesbrock in Jesch/Striegel/Boxberger, Rechtshandbuch Private Equity, 2. Aufl. 2020, § 22 Rz. 43 ff., 71 ff. 2 Ein weiterer Fall der beschränkten StPfl. sind Zinsen aus grundpfandrechtlich besicherten Darlehen, die vor allem bei Immobilienfonds ausgereicht werden. 3 Die KapErtrSt reduziert sich unter DBA-Schutz (vgl. Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b OECD-MA) und bei beschränkt stpfl. Körperschaften gem. § 44a Abs. 9 EStG nach Antrag beim BZSt (§ 50c Abs. 3 EStG) auf 15 %.

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ert werden (näher Rz. 98, 136 f., 154, 157). Ist der Fonds gewerblich, sind ausländische Investoren im Fall einer ihnen anteilig zuzurechnenden Betriebsstätte des Fonds im Inland gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG beschränkt stpfl. und steuererklärungspflichtig.1 b) Aus Sicht der Initiatoren Auch für die Initiatoren hat die Unterscheidung zwischen gewerblichen und vermögensver- 113 waltenden Fonds steuerliche Bedeutung. Das gilt zum einen für ihren kapitalproportionalen Gewinnanteil auf das Co-Investment, der – wie bei den Investoren – bei gewerblichen und vermögensverwaltenden Fonds unterschiedlichen Einkunftsarten mit divergierenden Steuerfolgen zuzurechnen ist. Zum anderen unterliegt auch die Besteuerung des Carried Interest unterschiedlichen Regeln. Während die Besteuerung des Carried Interest als Gewinnanteil an einem vermögensverwaltenden Fonds unter § 18 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 3 Nr. 40a EStG fällt und zu 40 % steuerfrei ist, unterliegt der Carried Interest aus einem gewerblichen Fonds den „allgemeinen“ steuerlichen Regeln.2 Die Anerkennung des Carried Interest als kapitaldisproportionaler Gewinnanteil vorausgesetzt, sind demnach Anteilsveräußerungsgewinne und Dividenden in den Händen natürlicher Personen als Initiatoren nach § 3 Nr. 40 Buchst. a EStG ebenfalls zu 40 % steuerfrei (nicht allerdings Zinsen). Eine steuerliche Mehrbelastung durch die auf Fondsebene anfallende GewSt wird grds. nach § 35 EStG größtenteils verhindert. Für Carried Interest-Ansprüche einer KapGes. können bei gewerblichen Fonds statt des Teileinkünfteverfahrens Steuerbefreiungen gem. § 8b Abs. 1 und 2 KStG einschlägig sein.3 Hierbei ist allerdings – soweit sich der Carried Interest aus Dividenden speist – wiederum § 8b Abs. 4 KStG zu beachten. Für die Anwendung der (anteiligen) Steuerbefreiungen des § 3 Nr. 40 Buchst. a EStG und § 8b Abs. 1 und 2 KStG kommt es darauf an, ob die gewerbliche Fondsgesellschaft im Jahr der Gewinnzurechnung an die Initiatoren Veräußerungsgewinne oder Dividenden erzielt hat; auf die Einkünfte der Fondsgesellschaft im ggf. abweichenden Jahr der Auszahlung des Carried Interest an die Initiatoren kommt es insoweit nicht an. 3. Abgrenzungskriterien a) Vorbemerkung Die Fondsstrukturierung erfordert in der Praxis große Sorgfalt, um den Fonds von Beginn an 114 möglichst rechtssicher der Sphäre der Vermögensverwaltung oder der Gewerblichkeit zuzuordnen. Orientierung für die Einordnung bietet der Private Equity-Erlass der FinVerw.4 b) Verwaltungspraxis Die FinVerw. führt im Private Equity-Erlass (Rz. 9 bis 16) acht Kriterien auf, die bei kumulati- 115 vem Vorliegen die vermögensverwaltende Tätigkeit eines PE- oder VC-Fonds indizieren. Entscheidend soll danach das „Gesamtbild der Tätigkeiten“ sein.5 Die Kriterien leiten sich aus der Rspr. zum gewerblichen Wertpapierhandel ab und konkretisieren aus Verwaltungssicht den allgemeinen Maßstab der sog. Fruchtziehungsformel. Danach wird die Grenze der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substanzieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung der Vermögenswerte im Sinne 1 Gens in Pöllath/Rodin/Wewel, § 35 Rz. 23 ff. 2 BMF v. 16.12.2003 – IV A 6 - S 2240 - 153/03, BStBl. I 2004, 40 Rz. 18. 3 Sagasser/Leuschner in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 5. Aufl. 2020, § 27 Rz. 852. 4 BMF v. 16.12.2003 – IV A 6 - S 2240 - 153/03, BStBl. I 2004, 40. 5 BMF v. 16.12.2003 – IV A 6 - S 2240 - 153/03, BStBl. I 2004, 40 Rz. 8. Schnittker/Dickersbach | 1067

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einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund tritt.1 – Kein Einsatz von Bankkrediten/keine Übernahme von Sicherheiten.2 Der Fonds darf nur Eigenmittel zum Erwerb von Portfolio-Beteiligungen einsetzen. Staatliche Förderungen, die zivilrechtlich als Darlehen ausgestaltet ist, können jedoch ebenso in Anspruch genommen werden wie kurzfristige Zwischenfinanzierungen zur Überbrückung von ausstehenden Kapitaleinlagen, was dem Fonds das Liquiditätsmanagement erleichtert. Der Fonds darf keine Verbindlichkeiten seiner Portfoliogesellschaften besichern, sofern es sich nicht um Brückenfinanzierungen mit Bezug zu ausstehenden Einlagen durch den Fonds in die Portfoliogesellschaft handelt. Dieses „Fremdkapitalverbot“ beschränkt mangels vorrangig zu bedienender Gläubiger auf Fondsebene das Verlustrisiko der Investoren. Außerdem entstehen keine Fremdkapitalkosten, die womöglich nur durch „schädliche“ Vermögensumschichtung gedeckt werden können. Auf Ebene der Portfoliogesellschaften bzw. nachgeschalteten Akquisitionsgesellschaften ist die Fremdkapitalaufnahme für die vermögensverwaltende Tätigkeit des Fonds unschädlich.3 – Keine eigene Organisation.4 Der Umfang der Verwaltungsorganisation der Fondsgesellschaft darf nicht größer sein, als es bei der Verwaltung privater Großvermögen üblich ist. Typischerweise unterhält nur die Management-Gesellschaft eine eigene Organisation, die dem Fonds nicht zuzurechnen ist.5 – Keine Ausnutzung eines Marktes unter Einsatz beruflicher Erfahrungen.6 Der Fonds darf keine beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen „einkaufen“. Unschädlich ist die Nutzung der Branchenkenntnisse geschäftsführender Gesellschafter und der Initiatoren. Dadurch führt die Einschaltung einer Managementgesellschaft, die Geschäftsführerin der Fondsgesellschaft ist, regelmäßig nicht zu einer gewerblichen Tätigkeit.7 Gleiches sollte für die Einschaltung einer Beratungsgesellschaft gelten, wenn die Beratungsleistungen ebenfalls von den Initiatoren erbracht werden. Auch die alleinige Beteiligung sog. (semi-)professioneller oder institutioneller Anleger führt den Fonds nicht in die Gewerblichkeit.8 – Kein Anbieten gegenüber breiter Öffentlichkeit/Handeln auf eigene Rechnung.9 Der Fonds muss seine Portfoliobeteiligungen stets auf eigene Rechnung erwerben und verwerten. Die Portfoliobeteiligungen dürfen nicht „wie eine Ware“ gegenüber einer breiten Öffentlichkeit zum Eintritt in einen Leistungs- und Güteraustausch angeboten werden. Die bloße Veräußerung von Portfolio-Beteiligungen ist allerdings unschädlich. Das muss konsequenterweise auch für Wirtschaftsgüter gelten, die keine Gesellschaftsanteile sind, sondern bspw. Krypto-Token. Handeln „auf eigene Rechnung“ liegt vor, wenn der Fonds im wirtschaftlichen Interesse seiner Anleger handelt oder wenn er treuhänderisch als Beteiligungsverwalter bzw. -verwerter eines Parallelfonds tätig wird.10 1 2 3 4 5 6 7

BMF v. 16.12.2003 – IV A 6 - S 2240 - 153/03, BStBl. I 2004, 40 Rz. 6. BMF v. 16.12.2003 – IV A 6 - S 2240 - 153/03, BStBl. I 2004, 40 Rz. 7, 9 f. Schnittker/Steinbiß, FR 2016, 1069 (1075); Pöllath+Partner, Private Equity Fonds, 2006, 73. BMF v. 16.12.2003 – IV A 6 - S 2240 - 153/03, BStBl. I 2004, 40 Rz. 7, 11. Pöllath+Partner, Private Equity Fonds, 2006, 88. BMF v. 16.12.2003 – IV A 6 - S 2240 - 153/03, BStBl. I 2004, 40 Rz. 7, 12. Sagasser/Leuschner in Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 5. Aufl. 2020, § 27 Rz. 809; Rodin/Veith, DB 2001, 883 (886). 8 Schnittker/Steinbiß, FR 2016, 1069 (1076), unter Berufung auf den sog. Geprägebeschluss des BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751; a.A. FG Ba.-Wü. v. 11.5.2010 – 6 K 285/06, BeckRS 2011, 94037 (im Revisionsverfahren bestätigt durch BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, BStBl. II 2014, 764). 9 BMF v. 16.12.2003 – IV A 6 - S 2240 - 153/03, BStBl. I 2004, 40 Rz. 7, 13. 10 Pöllath+Partner, Private Equity Fonds, 2006, 95, mit der Begründung, dass in solchen Fällen zwar „formal betrachtet“ ein Handeln auf fremde Rechnung, aber materiell ein Handeln auf eigene Rechnung vorliegt, weil der Fonds lediglich auf mehrere Gesellschaften „aufgegliedert“ sei.

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– Keine kurzfristige Beteiligung. Der Fonds muss seine Portfoliobeteiligungen mindestens über eine gewogene durchschnittliche Haltedauer von drei bis fünf Jahren halten, weil andernfalls nicht von einer für die Vermögensverwaltung typischen „Fruchtziehung“ aus bestehenden Vermögenswerten auszugehen ist.1 Die Anzahl der Beteiligungen ist hingegen nicht ausschlaggebend. Schädlich sind nicht eine einzelne Beteiligungsveräußerung vor Ablauf der Haltedauer, sondern nachhaltige, eng zusammenhängende An- und Verkäufe. „Gewogene Haltedauer“ meint eine gewichtete Betrachtung von Haltedauer und Beteiligungshöhe am Eigenkapital der Portfoliogesellschaften. Je größer die Portfoliobeteiligung, desto mehr Gewicht hat sie bei der Berechnung der gewogenen durchschnittlichen Haltedauer. Bei Teilnahme an mehreren Finanzierungsrunden kommt es zeitlich auf die erste Runde, für die Beteiligungshöhe aber auf den Eigenkapitalanteil nach der letzten Runde an.2 – Keine Reinvestition von Veräußerungserlösen. Die erzielten Veräußerungserlöse sind auszuzahlen und dürfen nicht reinvestiert werden. Reinvestitionen sind Ausdruck eines (gewerblichen) Beteiligungshandels. Keine Reinvestition liegt i.H.d. Beträge vor, die dem Fonds zuvor (etwa für seine Verwaltung) als Kosten entstanden sind und bislang nicht investiert werden konnten (gemeint ist insbes. Geschäftsführungsaufwand des Fonds und damit nicht der Carried Interest der Initiatoren). Dadurch wird eine Investitionsquote von 100 % des eingezahlten Kapitals ermöglicht. Zusätzlich können Veräußerungserlöse i.H.v. bis zu 20 % des gezeichneten Kapitals in bestehende Portfoliobeteiligungen „nachgeschossen“ werden.3 – Kein unternehmerisches Tätigwerden in Portfoliogesellschaften. Der Fonds darf sich nicht am aktiven Management der Portfoliogesellschaften beteiligen, wobei eine Tätigkeit als Aufsichtsrat von Portfoliogesellschaften unschädlich ist. Zustimmungsvorbehalte entsprechend § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG sind unschädlich, solange der Portfoliogesellschaft echter Spielraum für unternehmerische Entscheidungen verbleibt.4 Der Fonds sollte dementsprechend keine zu kleinteiligen Weisungen gegenüber der Geschäftsführung der Portfoliogesellschaft erteilen können. Bei Private Equity-Fonds, die sich als sog. TurnaroundFonds auf die Sanierung von Krisenunternehmen spezialisieren und strategisch in die Geschäftsführung ihrer Portfoliogesellschaften eingreifen, liegt eine aktive unternehmerische Tätigkeit regelmäßig nahe. Die Einschaltung eines Inkubators, der dem Fonds als verbundener Dritter zuzurechnen wäre, führt zu dessen Gewerblichkeit. Als Inkubatoren („Brutkasten“) werden gewerbliche Entwicklungsgesellschaften bezeichnet, die einen ganzheitlichen Ansatz einschließlich der Bereitstellung von räumlicher, personeller und technischer Infrastruktur an Start-ups bis zur Marktetablierung fördern.5 – Keine gewerbliche Prägung oder „Infektion“.6 Der Fonds darf nicht gewerblich geprägt sein, d.h., es muss zumindest ein Kommanditist zur Geschäftsführung befugt sein. Bei ausländischen Personengesellschaften ist zu beachten, dass die Geschäftsführung durch einen Kommanditisten (nach dem Recht mancher Staaten) zu dessen unbeschränkter Haftung führen kann, was eine KapGes. als Kommanditistin wiederum zu einem unbeschränkt haftenden Gesellschafter macht und die „Entprägung“ der Fondsgesellschaft erschwert.7Zur Vermeidung einer gewerblichen „Infektion“ muss der Fonds nicht nur eigene gewerbliche Tätigkeiten unterlassen, sondern darf sich auch nicht direkt an Personengesellschaften beteiligen, die ihrerseits gewerbliche Einkünfte erzielen. Der Fonds wird nicht infiziert, wenn er Beteiligungen an gewerblichen Tochtergesellschaften von vornherein in eine Parallelge1 2 3 4 5 6 7

BMF v. 16.12.2003 – IV A 6 - S 2240 - 153/03, BStBl. I 2004, 40 Rz. 7, 14. Rodin/Veith/Bärenz, DB 2004, 103 (106); Buge in Pöllath/Rodin/Wewel, § 25 Rz. 28. BMF v. 16.12.2003 – IV A 6 - S 2240 - 153/03, BStBl. I 2004, 40 Rz. 7, 15. BMF v. 16.12.2003 – IV A 6 - S 2240 - 153/03, BStBl. I 2004, 40 Rz. 7, 16. Pöllath+Partner, Private Equity Fonds, 2006, 129. BMF v. 16.12.2003 – IV A 6 - S 2240 - 153/03, BStBl. I 2004, 40 Rz. 7, 17. Pöllath+Partner, Private Equity Fonds, 2006, 134. Schnittker/Dickersbach | 1069

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sellschaft ausgliedert (sog. Ausgliederungsmodell) oder die „schädliche“ Personengesellschaftsbeteiligung mittelbar über eine Tochterkapitalgesellschaft („Blocker-Gesellschaft“) hält, die die gewerbliche Infektion „blockiert“.1 c) Finanzrechtsprechung 116 Der BFH hat in einem obiter dictum angezweifelt, ob die im Private Equity-Erlass genannten

und beschriebenen Kriterien zutreffend die in der bisherigen Rspr. zur Abgrenzung der privaten Vermögensverwaltung vom Gewerbebetrieb beim Erwerb und der Veräußerung von Anteilen an KapGes. entwickelten Grundsätze widerspiegeln.2 Das Geschäftsmodell von PEFonds gleiche demjenigen von Flugzeugleasinggesellschaften, die aus BFH-Sicht gewerblich tätig sind. Zudem spreche der typische „Buy-to-Sell“-Ansatz von PE-Fonds und die damit einhergehende Nutzung der Vermögenssubstanz für händlertypisches und damit gewerbliches Verhalten. Damit legt der BFH einen engeren Maßstab an eine vermögensverwaltende Tätigkeit als die FinVerw. an. Auch das FG Münster ist zur Abgrenzung vermögensverwaltender und gewerblicher Gesellschaften von den Kriterien des Private Equity-Erlasses abgewichen.3 Dem Gericht zufolge spricht es für die Gewerblichkeit, wenn ein Fonds die Erlöse aus Anteilsveräußerungen nicht reinvestiert, sondern ausschüttet. Die FinVerw. positioniert sich im Private Equity-Erlass konträr und sieht die Gewerblichkeit grds. indiziert, wenn der Fonds die Anteilsveräußerungserlöse reinvestiert und nicht ausschüttet. Der FinVerw. ist in diesem Punkt zuzustimmen, da sich eine Reinvestition als „Umschichtung“ von Vermögenswerten darstellt und als händlertypisches (gewerbliches) Verhalten zu beurteilen ist.

117 Die Entscheidungen wurden im Schrifttum überwiegend kritisch aufgenommen.4 PE- bzw.

VC-Fonds sind keine „Beteiligungshändler“ oder „Unternehmensproduzenten“, sondern (aus Investorensicht) Kapitalanleger und (aus Sicht der Portfoliogesellschaften) Finanzierer. Jedes Anlageobjekt wird außerdem erworben, um später veräußert zu werden, sodass eine „Buy-toSell“-Strategie kein taugliches Abgrenzungskriterium ist. Der Gesetzgeber hat seine Auffassung zur Vermögensverwaltung speziell mit Blick auf PE- und VC-Fonds in § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG dargelegt, wonach der Erwerb und die Veräußerung von Portfoliobeteiligungen als vermögensverwaltende Tätigkeit anzusehen ist, und zwar ohne Einschränkungen hinsichtlich des Veräußerungszeitpunkts oder der Veräußerungshäufigkeit.

118 Letztlich sind die Kriterien der Abgrenzung vermögensverwaltender und gewerblicher Fonds

aufgrund der Entscheidungen weiterhin als ungeklärt zu betrachten und hinterlassen bei den Fondsgesellschaftern Rechtsunsicherheit. Zur Absicherung des vermögensverwaltenden Status einer noch nicht „aktiven“ Fondsgesellschaft empfiehlt es sich, beim zuständigen FA vor dem Abschluss eines Fondsvertrags die Erteilung einer verbindlichen Auskunft über die vermögensverwaltende Tätigkeit eines Fonds zu beantragen (§ 89 Abs. 2 AO). d) Ausgewählte Zweifelsfragen

119 Wichtig ist eine verbindliche Klärung des steuerlichen Status eines Fonds insbes. bei Sachver-

halten im Grenzbereich der Kriterien des Private Equity-Erlasses: – Im VC-Bereich bieten die Initiatoren oder eine dem Fonds nahestehende Gesellschaft den Portfoliogesellschaften gelegentlich Serviceleistungen auf Basis eines gesonderten Dienst1 2 3 4

Buge in Pöllath/Rodin/Wewel, § 25 Rz. 42; Stoschek/Protzen, FR 2001, 816 (818). BFH v. 24.8.2011 – I R 46/10, BStBl. II 2014, 764. FG Münster v. 28.4.2017 – 10 K 3435/13 F, BeckRS 2017, 113311. Levedag in BeckOK EStG, § 18 Rz. 565 ff.; Buge in Pöllath/Rodin/Wewel, § 25 Rz. 44 f.; Schnittker/ Steinbiß, FR 2016, 1069; Elser/Bindl, FR 2012, 44 (45); Süß/Mayer, DStR 2011, 2276; der Rspr. zustimmend etwa Hufeld in BeckOK EStG, § 15 Rz. 1341.

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leistungsvertrags an. Diese Leistungen sollen die Portfoliogesellschaften etwa bei der Personalgewinnung, beim Marketing oder bei IT-Fragen unterstützen. Derartige Serviceleistungen, die auch jeder Drittanbieter erbringen könnte, dienen der punktuellen Beratung und sind keine unternehmerische Tätigkeit in einer Portfoliogesellschaft.1 In Abgrenzung zur Tätigkeit eines Inkubators dienen einzelne Serviceleistungen nicht der ganzheitlichen Unternehmensentwicklung. Eine gewerbliche Tätigkeit des Fonds nach den Grundsätzen über die Betriebsaufspaltung mit dem Fonds als Besitzunternehmen scheitert regelmäßig an der miet- oder pachtweisen Überlassung wesentlicher Betriebsgrundlagen vom Fonds an die Beratungsgesellschaft. – Daneben gibt es Fälle, in denen Inkubationsleistungen (wie etwa das Überlassen von Räumlichkeiten oder technischer Infrastruktur, die Herstellung von Kontakten zu Beratern oder Investoren oder die Erbringung sonstiger Leistungen, z.B. im Bereich Marketing oder Controlling) durch einen gewerblichen Vorgängerfonds oder eine verbundene Gesellschaft erbracht wurden und sich nunmehr ein (vermögensverwaltender) Nachfolgefonds an dem inzwischen gewachsenen Start-up beteiligt. Die Beteiligung an einer Portfoliogesellschaft, deren Inkubationsphase (oder „Produktion“) abgeschlossen ist, stellt kein unternehmerisches Tätigwerden i.S.d. Private Equity-Erlasses dar. Dem vermögensverwaltenden Nachfolgefonds kann eine zeitlich vorhergehende Tätigkeit eines Vorgängerfonds nicht zugerechnet werden. – Die Übernahme von Aufsichtsratsposten in Portfoliounternehmen ist nach dem Private Equity-Erlass unschädlich. Problematisch kann die Übernahme von Posten in ausländischen Portfoliogesellschaften sein. Deren Leitung und Kontrolle ist mitunter nicht in den Organen Vorstand und Aufsichtsrat separiert, sondern folgt einem monistischen System (etwa bei Gesellschaften aus dem anglo-amerikanischen Rechtsraum mit einem Board of Directors). Das Board hat zugleich Kontroll- und Geschäftsführungskompetenzen. Innerhalb der Grenzen des Private Equity-Erlasses bewegen sich Fonds in aller Regel, wenn sie sog. Non-executive Board Members ohne Leitungskompetenzen stellen oder sich auf Überwachungsposten (sog. Observer Seats) ohne Stimmrecht beschränken.2 – Dem Private Equity-Erlass liegt die Vorstellung zugrunde, dass PE- und VC-Fonds ihr Kapital in Kapitalgesellschaftsanteile investieren und sich auf die Unternehmensfinanzierung beschränken. Seit einiger Zeit stehen jedoch auch Investitionen in sog. Krypto-Token oder andere Blockchain-basierte Anlagegegenstände wie sog. Non-Fungible Token (NFTs) im Fokus. Teils dienen Token nur der Ergänzung eines „herkömmlichen“ Beteiligungsportfolios, teils haben sich inzwischen reine Krypto-Fonds formiert. Sofern ein als Personengesellschaft strukturierter Krypto-Fonds nicht als OGAW qualifiziert, bleibt der Anwendungsbereich des InvStG für ihn verschlossen. Wiederum stellt sich aber die Frage nach der Abgrenzung vermögensverwaltender und gewerblicher Fondstätigkeit.3 Weil es unterschiedliche Arten von Token mit unterschiedlichen Eigenschaften und Verkörperung verschiedener Rechte gibt, ist zwischen den einzelnen Token im Einzelfall zu unterscheiden. Bei Security-Token oder Investment-Token, die einem Anteilsschein vergleichbar sein können, lassen sich Anleihen für die Grenzziehung der Rspr. zum gewerblichen Wertpapierhandel entnehmen, wonach u.a. die Handelsfrequenz, der Unterhalt eigener Büroräume oder die Reinvestition von Gewinnen eine Rolle spielen. Daneben gibt es Currency-Token („Kryptowährungen“), die die Eigenschaft eines Wertspeichers oder Zahlungsmittels haben 1 Ausführlich Pöllath+Partners, Private Equity Fonds, 2006, 118 f.; Brandt in H/H/R, § 18 EStG Anm. 283. 2 Ist eine Beschränkung des Tätigkeitsumfangs eines Fondsvertreters nicht möglich, liegt schädliches unternehmerisches Tätigwerden vor (so OFG Frankfurt am Main v. 16.2.2007 – S 2241 A - 67 - St 220, GmbHR 2007, 671). 3 Ausführlich Albrecht/John, FR 2019, 393 (401 ff.); Albrecht/Kretzschmann, WM 2020, 1237 (1240 f.); Krauß/Blöchle, DStR 2018, 1210 (1212 f.). Schnittker/Dickersbach | 1071

Rz. 119 | Anhang 4 Besonderheiten bei Investmentvermögen in Personengesellschaftsform

können, Utility-Token, die einen Anspruch auf eine bestimmte Leistung gewähren, und weitere Formen.1 Alle diese Token eignen sich abstrakt zur Fruchtziehung, sei es durch die Wertsteigerung nach längerer Halteperiode oder durch ihren Einsatz zur Generierung weiterer Token (etwa durch sog. Lending oder Staking). Die steuerliche Vermögensverwaltung des Fonds dürfte für inländische Privatanleger vor allem deshalb attraktiv sein, weil die Veräußerung von Krypto-Token für sie nach Ablauf der Spekulationsfristen von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 und 4 EStG ein anteiliges nicht steuerbares privates Veräußerungsgeschäft darstellen kann. Die FinVerw. hat im Entwurf eines BMF-Schreibens zur Besteuerung von Krypto-Token verschiedene Aktivitäten im Zusammenhang mit Currency-Token als aus ihrer Sicht gewerblich bzw. vermögensverwaltend eingeordnet.2 Der wiederholte An- und Verkauf von Currency-Token sei nach der auch hierauf anwendbaren Rspr. zum gewerblichen Wertpapierhandel erst dann gewerblich, wenn sich der StPfl. „wie ein Händler“ bzw. „bankentypisch“ verhalte und einen kaufmännischen Geschäftsbetrieb nutze. Im Privatvermögen seien Currency-Token ein „anderes Wirtschaftsgut“ i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, dessen Verkauf nur i.R.d. in Abs. 1 genannten Spekulationsfristen steuerbar sei. Beim sog. Mining, Staking und Lending vermutet die FinVerw. „widerleglich“ einen Gewerbebetrieb des StPfl., ohne zwischen den unterschiedlichen technischen Voraussetzungen der einzelnen Verfahren zu differenzieren.3

III. Vermögensverwaltender Fonds 1. Spezialregime für Carried Interest – § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG 120 Mit § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG hat der Gesetzgeber im Jahr 2004 die zuvor umstrittene Besteue-

rung des Carried Interest bei vermögensverwaltenden Fonds gesetzlich festgeschrieben.4 Sie ordnet den Carried Interest (nicht hingegen den kapitalproportionalen Gewinnanteil der Initiatoren auf ihr Co-Investment) den Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit zu, verbunden mit einer 40-prozentigen Teilfreistellung der Einkünfte gem. § 3 Nr. 40a EStG.5 Betriebsausgaben im Zusammenhang mit dem Carried Interest dürfen als Kehrseite der Teilfreistellung nur zu 60 % abgezogen werden (§ 3c Abs. 2 EStG). Die systematische Nähe zu § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG lässt sich durch die inhaltliche Nähe der Initiatorenleistungen zu den (allerdings fremdnützigen) Leistungen von Anlageberatern erklären. Die Einordnung als Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit verhindert die GewStPfl. des Carried Interest, sofern nicht auf Ebene des Berechtigten § 8 Abs. 2 KStG eingreift. Mit der Einführung von § 3 Nr. 40a EStG wird eine steuerliche Gleichstellung des Carried Interest mit unter § 3 Nr. 40 Buchst. a EStG fallenden Dividenden oder Gewinnen aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen erreicht. Gleichzeitig bewirkt § 3 Nr. 40a EStG eine Entkopplung des Carried Interest von den zugrunde liegenden Gewinnbestandteilen der Fondsgesellschaft (Zinsen, Dividenden, Veräußerungserlöse). Diese Entkopplung vollzieht sich nach h.M. auf Ebene der Initiatoren oder ihrer Carry-Gesellschaft und führt dort zu einer Einkünfte-Umqualifizierung.6 1 A. Varmaz u.a. in Omlor/Link, Kryptowährungen und Token, 2021 Kap. 1 Rz. 39 ff.; Werneburg, BB 2019, 2844 (2845). 2 Entwurf eines BMF-Schreibens zu Einzelfragen zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und von Token v. 17.6.2021, veröffentlicht unter www.bundesfinanzministerium.de. 3 Ausführlich Sanning, FR 2022, 244. 4 Eingefügt durch Art. 1 Nr. 2 des G zur Förderung von Wagniskapital v. 30.7.2004, BGBl. I 2004, 2013. 5 Für vor dem 1.1.2009 gegründete Fondsgesellschaften gilt eine hälftige Steuerbefreiung nach dem Halbeinkünfteverfahren. Zum zeitlichen Anwendungsbereich i.Ü. s. Levedag in BeckOK EStG, § 18 Rz. 526 ff. (Stand: Oktober 2021). 6 FG München v. 17.11.2020 – 12 K 2334/18, EFG 2021, 755 (Rev. VIII R 3/21); Levedag in BeckOK EStG, § 18 Rz. 511; vgl. auch BFH v. 11.12.2018 – VIII R 11/16, BFHE 263, 418 = BFH/NV 2019, 746.

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2. Tatbestandsvoraussetzungen a) Persönlicher Anwendungsbereich („Beteiligter“) Einkünfte i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG kann nur ein „Beteiligter“ einer vermögensverwalten- 121 den Gesellschaft oder Gemeinschaft erzielen. Streitig ist, ob das Merkmal „Beteiligter“ neben unmittelbaren auch mittelbare „Gesellschafter“ umfasst.1 Gesellschafter können jedenfalls natürliche Personen und Personengesellschaften sein. Da der Wortlaut insoweit keine Einschränkungen enthält und ein dahingehender gesetzgeberischer Wille bestand, zählen – nach umstrittener Auffassung – auch Kapitalgesellschaften zu den möglichen „Beteiligten“ i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG.2 Andernfalls hätte der Gesetzgeber § 3 Nr. 40 Buchst. a EStG, der nicht für KapGes. gilt, auf Einkünfte gem. § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG erstrecken können. Carried Interest kann somit auch eine persönliche Beteiligungsholding erhalten. Diese Holdingstruktur ist bei vermögensverwaltenden Fonds jedoch praktisch nicht verbreitet (vgl. die Rechtsfolgendarstellung unter Rz. 132). Eine mögliche und in der Praxis verbreitete Struktur besteht darin, dass die Initiatoren ihr 122 Co-Investment in der Carry-Gesellschaft bündeln und nur diese sich unmittelbar mit einer Kommanditeinlage an der Fondsgesellschaft beteiligt. Die Carry-Gesellschaft wird dadurch „Beteiligter“ der Fondsgesellschaft und erzielt beim Vorliegen der weiteren Tatbestandsvoraussetzungen Einkünfte gem. § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG, die den Initiatoren anteilig nach dem Gewinnverteilungsschlüssel der Carry-Gesellschaft zugerechnet werden.3 Voraussetzung für diese Struktur ist, dass zwischen den Initiatoren und dem Fonds eine ununterbrochene Kette immaterieller Gesellschafterbeiträge besteht. Hinsichtlich der Carry-Gesellschaft erlangt auch § 18 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 EStG Bedeutung, wonach die Anwendung von § 15 Abs. 3 EStG ausgeschlossen ist: Die Umqualifizierung des Carried Interest auf Ebene der Carry-Gesellschaft in Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit erfolgt nach Halbs. 2 auch, wenn die Carry-Gesellschaft gewerblich geprägt oder infiziert ist.4 Nur die Infektion durch eine gewerbliche Fondsgesellschaft verhindert die Anwendung von § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG, weil in diesem Fall das weitere Tatbestandsmerkmal der Beteiligung an einer „vermögensverwaltenden“ Gesellschaft nicht erfüllt ist.5 Aufgrund des Erfordernisses einer Gesellschafterstellung können Vergütungen auf allein 123 schuldrechtlicher Grundlage nicht unter § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG gefasst werden.6 Schuldrechtlich vereinbarter (vermeintlicher) Carried Interest ist steuerlich eine Tätigkeitsvergütung und unterliegt allgemeinen Regeln (Einkünfte gem. §§ 15, 18 oder 19 EStG bei natürlichen Personen, gem. § 8 Abs. 1, 2 KStG bei KapGes.). Neben der ertragsteuerlich abweichenden Wür-

1 Nur unmittelbare Gesellschafter: Brandt in H/H/R, § 18 EStG Anm. 281; Levedag in BeckOK EStG, § 18 Rz. 572; Weber-Grellet, DStR 2018, 992 (994); a.A. (mittelbare Gesellschafterstellung ausreichend) Wacker in Schmidt41, § 15 EStG Rz. 286; Veith/Schade in FS Pöllath, 2008, 435 (443); Güroff in Littmann/Bitz/Pust, § 18 EStG Rz. 371 f.; Korn in Korn, § 18 EStG Rz. 103.6; Carlé, ErbStB 2005, 246 (248); Elser/Dürrschmidt, FR 2010, 1075 (1076). 2 R 8.1 Abs. 1 Nr. 1 KStR 2022; FinMin. Schl.-Holst. v. 30.3.2009 – VI 324 - S 2741 - 111, mit Bezug auf BT-Drucks. 15/3336, 6 f.; Levedag in BeckOK EStG, § 18 Rz. 571; Friederichs/Köhler, DB 2004, 1638 (1639); Veith/Schade, FS Pöllath, 2008, 435 (445 f.); a.A. Weber-Grellet, DStR 2018, 992 (995). 3 BFH v. 11.12.2018 – VIII R 11/16, BFH/NV 2019, 746; Levedag in BeckOK EStG, § 18 Rz. 577. 4 BT-Drucks. 15/3336, 5, 7; Weber-Grellet, DStR 2018, 992 (995); ausführlich zu Nr. 4 Halbs. 2 Geerling/ Ismer, DStR 2005, 1596. 5 BFH v. 11.12.2018 – VIII R 11/16, BFH/NV 2019, 746. 6 Korn in Korn, § 18 EStG Rz. 103.11; Levedag in BeckOK EStG, § 18 Rz. 573; a.A. Veith/Schade in FS Pöllath, 2008, 435 (444); Behrens, FR 2004, 1211 (1212 f.); Stuhrmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 18 Rz. B 257b. Schnittker/Dickersbach | 1073

Rz. 123 | Anhang 4 Besonderheiten bei Investmentvermögen in Personengesellschaftsform

digung ist bei schuldrechtlich vereinbartem „Carried Interest“ die Umsatzsteuerbarkeit und -pflicht zu prüfen.1 b) Vermögensverwaltende Gesellschaft oder Gemeinschaft 124 Der Carried Interest kann „Gesellschaften“ und „Gemeinschaften“ entstammen. Sie können

in- und ausländisch sein. Der Begriff „Gesellschaft“ umfasst Personen- und Kapitalgesellschaften.2 Eine tatbestandliche „Vermögensverwaltung“ entfällt nach umstrittener enger Auslegung des BFH und Teilen der Literatur nicht erst bei originär gewerblicher Tätigkeit der Gesellschaft gem. § 15 Abs. 2 EStG, sondern schon bei ihrer gewerblichen Prägung oder Infektion.3 Die Beteiligung eines vermögensverwaltenden Dachfonds an einem gewerblichen Fonds schließt die Anwendbarkeit von § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG auf Carried Interest der Initiatoren des Dachfonds folglich aus. Nr. 4 Halbs. 2, wonach § 15 Abs. 3 EStG „nicht anzuwenden“ ist, bezieht sich nach BFH-Rspr. und verbreiteter Literaturansicht nicht auf das Tatbestandsmerkmal der Vermögensverwaltung, die somit für die Anwendung von § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG stets gegeben sein muss.4 Vom BFH noch nicht geklärt ist allerdings, ob die „Vermögensverwaltung“ tätigkeits- oder statusbezogen zu verstehen ist. Bei einem statusbezogenen Verständnis wäre die „Vermögensverwaltung“ bei sämtlichen fiktiv gewerblichen Einkünften abzulehnen.5 Weil inländische KapGes. stets (fiktiv) gewerbliche Einkünfte erzielen (§ 8 Abs. 2 KStG), könnten demnach nur, aber immerhin (vermögensverwaltende) ausländische KapGes. „Gesellschaften“ oder „Gemeinschaften“ i.S.d. Norm sein.6 In diesem Fall kann ein unter § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG fallender Carried Interest aus einem Fonds bezogen werden, der dem InvStG unterliegt. Ebenfalls keine fiktiv gewerblichen und daher unter § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG fallenden Einkünfte entstehen, wenn der Carried Interest aus einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft bezogen wird, die ihre Portfoliobeteiligungen über eine unter das InvStG fallende ausländische (vermögensverwaltende) Fondskapitalgesellschaft hält. § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG wird in Bezug auf kapitaldisproportionale Gewinnanteile auch nicht von § 16 InvStG (Investmenterträge) verdrängt. Da Investmenterträge auf Anlegerebene zu Einkünften i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG führen, greift die Subsidiaritätsklausel des § 20 Abs. 8 EStG ein und führt zum Vorrang von § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Dieses Ergebnis entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers bei Einführung von § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG, Rechtssicherheit für die Initiatoren von PE-Fonds zu schaffen.

125 Die vermögensverwaltende Tätigkeit der Gesellschaft oder Gemeinschaft ist im Rahmen von

§ 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG normspezifisch zu verstehen. Sie muss auf den Erwerb, das Halten, Verwalten und die Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften gerichtet sein. Weil die Anlageklasse (Kapitalgesellschaftsanteile) vom Wortlaut explizit benannt wird, fallen (ausschließliche) Investitionen in andere Anlageobjekte wie etwa Krypto-Token aus dem Anwen1 Gesellschafterbeiträge, die durch Gewinn- und Verlustbeteiligung abgegolten werden, sind nicht umsatzsteuerbar (BFH v. 24.8.1994 – XI R 74/93, BStBl. II 1995, 28; v. 8.11.1995 – XI R 63/94, BStBl. II 1996, 114; Heidner in Bunjes, UStG, 20. Aufl. 2021, § 15 Rz. 69). Da Carried Interest einen gesellschaftsvertraglich vereinbarten Gewinnanteil zur Abgeltung immaterieller Gesellschafterbeiträge darstellt, liegt auch insoweit ein nicht umsatzsteuerbarer Gesellschafterbeitrag vor. 2 Levedag in BeckOK EStG, § 18 Rz. 581 ff. m.w.N.; a.A. Weber-Grellet, DStR 2018, 992 (996). 3 BFH v. 11.12.2018 – VIII R 11/16, BFH/NV 2019, 746; Weber-Grellet, DStR 2018, 992 (994). 4 So zuvor bereits Brandt in H/H/R, § 18 EStG Anm. 279; Geerling/Kost, IStR 2005, 757 (760); Friederichs/Köhler, DB 2004, 1638 (1639). 5 A.A. (Tatbestandsmerkmal der Vermögensverwaltung ist tätigkeitsbezogen zu verstehen) Brandt in H/H/R, § 18 EStG Anm. 281; Hutter in Brandis/Heuermann, § 18 EStG Rz. 203 f.; Levedag in BeckOK EStG, § 18 Rz. 583; Korn in Korn, § 18 EStG Rz. 103.4.1, 103.12; Stuhrmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 18 Rz. 257 ff.; Elser/Dürrschmidt, FR 2010, 1075 (1077); Veith/Schade in FS Pöllath, 2008, 435 (440). 6 Vgl. Mimh, RdF 2020, 113 (115).

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G. Private Equity- und Venture Capital-Fonds | Rz. 127

dungsbereich der Norm heraus. Fragen werfen insofern Mischfälle auf, in denen ein Fonds sowohl in Portfoliogesellschaften als auch in anderweitige Assets investiert. Der steuerlich vermögensverwaltende Status der Gesellschaft wird dadurch nicht zwingend berührt, denn allgemein eignen sich nicht nur Kapitalgesellschaftsanteile zur Vermögensverwaltung. Der Wortlaut von § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG besagt überdies nicht, dass der Erwerb, das Halten und die Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen ausschließlicher Zweck der Gesellschaft sein muss. Somit sollte ein weiterer Gesellschaftszweck unschädlich sein, solange die Verwaltung von Kapitalgesellschaftsanteilen noch als Hauptzweck erkennbar ist und die Gesellschaft nach allgemeinen steuerlichen Maßstäben insgesamt vermögensverwaltend tätig ist.1 Ebenfalls tatbestandsmäßig ist eine Beteiligung der Fondsgesellschaft an einer vermögensverwaltenden (Unter-)Personengesellschaft, die wiederum den in § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG definierten vermögensverwaltenden Gesellschaftszweck erfüllt. Dadurch kann Carried Interest auch aus Dachfonds bezogen werden.2 c) Vergütungen für Leistungen zur Förderung des Gesellschaftszwecks Nur Vergütungen für Leistungen zur Förderung des Gesellschaftszwecks sind tatbestandlich 126 i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Gemeint sind immaterielle Gesellschafterbeiträge, nicht hingegen Tätigkeiten auf schuldrechtlicher (einschließlich anstellungsvertraglicher) Grundlage. Die Qualität der zu erbringenden immateriellen Beiträge steht im Ermessen der Carried Interest-Berechtigten.3 Als Vergütungsempfänger kommen natürliche Personen, Personengesellschaften und nach h.M. auch KapGes. in Betracht.4 Sind Initiatoren zugleich als Geschäftsführer der Management-Gesellschaft vergütungsberechtigt, besteht das Risiko, dass auch ihr Carried Interest-Anspruch als durch das Anstellungsverhältnis veranlasst angesehen wird und steuerlich Arbeitslohn darstellt. Ein solcher Veranlassungszusammenhang mit dem Anstellungsverhältnis ist allerdings abzulehnen, wenn der Carried Interest klar für Leistungen gewährt wird, die außerhalb des (Geschäftsführer-)Anstellungsverhältnisses begründet sind, oder der Carried Interest unabhängig von der Geschäftsführertätigkeit gewährt wird, also auch etwa nach deren Beendigung. Die Vergütung muss für Leistungen zur Förderung „des“ Gesellschaftszwecks erfolgen. Damit 127 ist der in der Norm beschriebene Zweck des Erwerbs, Haltens und der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen gemeint. Ungeklärt ist, wie mit Vergütungen zur Förderung untergeordneter Gesellschaftszwecke umzugehen ist, sofern man in solchen Mischfällen die Tatbestandsmäßigkeit von § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG nicht von vornherein verneint: – Einerseits könnten solche Vergütungen von der Umqualifizierung des § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG nicht erfasst sein, sondern disquotale Gewinnanteile darstellen, die den zugrunde liegenden Einkünften zuzuordnen und entsprechend zu besteuern sind.5 Soweit die Gewinnanteile etwa aus privaten Veräußerungsgeschäften stammen, folgt deren Besteuerung bei den Carried Interest-Berechtigten der Regelung des § 23 EStG. Dieses Ergebnis hätte eine gespaltene, aber systemgerechte Besteuerung des Carried Interest zufolge. – Andererseits könnten alle disquotalen Vergütungen der Initiatoren als für die Förderung des Hauptzwecks der Portfolioverwaltung gewährt anzusehen sein, sodass § 18 Abs. 1 Nr. 4 1 Für die Unschädlichkeit weiterer vermögensverwaltender Tätigkeiten auch Brandt in H/H/R, § 18 EStG Anm. 279, 284; Elser/Dürrschmidt, FR 2010, 1075 (1078); Friederichs/Köhler, DB 2004, 1638; Behrens, FR 2004, 1211 (1217). 2 Veith/Schade in FS Pöllath, 2008, 435 (442). 3 Veith/Schade in FS Pöllath, 2008, 435 (447). 4 R 8.1 Abs. 1 Nr. 1 KStR 2022; FinMin Schl.-Holst. v. 30.3.2009 – VI 324 - S 2741 - 111, mit Bezug auf BT-Drucks. 15/3336, 6 f.; Levedag in BeckOK EStG, § 18 Rz. 600 f.; Brandt in H/H/R, § 18 Anm. 287; Veith in Pöllath/Rodin/Wewel, § 11 Rz. 136, m.w.N. auch zur Gegenauffassung. 5 So Brandt in H/H/R, § 18 EStG Anm. 284. Schnittker/Dickersbach | 1075

Rz. 127 | Anhang 4 Besonderheiten bei Investmentvermögen in Personengesellschaftsform

EStG für den gesamten Carried-Interest gelten würde („Abfärbung“ von § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG auf Vergütungen für die Förderung anderweitiger vermögensverwaltender Tätigkeiten).1 Das hätte aus Sicht der Initiatoren den Nachteil, dass ggf. nicht steuerbare Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften durch ihre Einstufung als Carried Interest gem. § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG i.V.m. § 3 Nr. 40a EStG zu 60 % stpfl. werden. d) Vollständige Kapitalrückzahlung an die Gesellschafter aa) Anspruch unter Voraussetzung der Kapitalrückzahlung eingeräumt 128 Schließlich ist Tatbestandsvoraussetzung, dass der Carried Interest-Anspruch dem Berechtig-

ten unter der Voraussetzung eingeräumt wurde, dass die Gesellschafter oder Gemeinschafter ihr eingezahltes Kapital vollständig zurückerhalten haben. Der auf Fondsebene gesellschaftsvertraglich vereinbarte „Wasserfall“ sieht auf erster Stufe regelmäßig Auszahlungen an die Investoren bis zur Höhe ihrer geleisteten Einlagen vor. Damit wird der vom Gesetz geforderte Vorbehalt der Kapitalrückzahlung an die Investoren gewährleistet. Die Anwendung von § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG ist sodann erst nach tatsächlicher Vollrückzahlung der Kapitaleinlagen an die Investoren „gesichert“. Die Kapitalrückzahlung muss bis zum Ende der Fondslaufzeit erfolgen, soll der Carried Interest unter § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG fallen. Unerheblich für die Tatbestandserfüllung ist die Hurdle-Zahlung.2 bb) Vorauszahlungen und Vereinbarung einer Rückzahlungspflicht

129 Die Nachrangigkeit des Carried Interest-Anspruchs ist allerdings nur strukturell, nicht zeitlich

zu verstehen. Möglich sind demnach Abschlagszahlungen, die nach § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG zu besteuern sind, wenn die Vollrückzahlung des eingezahlten Kapitals an die Investoren gesichert ist.3 Typisches Instrument zur Sicherstellung der Vollrückzahlung ist eine ClawbackVereinbarung, wonach die Investoren diejenigen Carried Interest-Anteile zurück an den Fonds zahlen müssen, die für die Vollrückzahlung an die Investoren notwendig sind. § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG ermöglicht daher auch den sog. Deal-by-Deal-Carry, wenn eine Clawback-Regelung die Vollrückzahlung an die Investoren gewährleistet. Zum Zeitpunkt der Rückgewähr bereits ausgezahlter Carried Interest-Anteile entstehen den Initiatoren negative Einnahmen i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Ohne Durchsetzung des Clawback trotz fehlender Vollrückzahlung an die Investoren sind die Carried Interest-Anteile der Initiatoren rückwirkend als voll stpfl. Tätigkeitsvergütungen zu qualifizieren.4 3. Rechtsfolgen a) Tatbestandsvoraussetzungen von § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG erfüllt

130 § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG führt konstitutiv zur Qualifikation des Carried Interest als Einkünfte

aus selbstständiger Tätigkeit. Verbunden mit § 3 Nr. 40a EStG ist auf die Einkünfte das Teileinkünfteverfahren anzuwenden (d.h. 40 % der Einkünfte sind steuerfrei). Im Gegenzug sind 60 % der durch den Carried Interest veranlassten Aufwendungen steuerlich nicht abziehbar.

1 Elser/Dürrschmidt, FR 2010, 1075 (1081). 2 Weber-Grellet, DStR 2018, 992 (997). 3 Levedag in BeckOK EStG, § 18 Rz. 618 ff.; Brandt in H/H/R, § 18 EStG Anm. 286; Güroff in Littmann/Bitz/Pust, § 18 EStG Rz. 394; Veith in Pöllath/Rodin/Wewel, § 11 Rz. 146; Behrens, FR 2004, 1211 (1218); a.A. Wacker in Schmidt41, § 18 EStG Rz. 286 (Darlehen an die Initiatoren seien indes unschädlich); Siewert in Frotscher/Geurts, § 18 EStG Rz. 102c. 4 Levedag in BeckOK EStG, § 18 Rz. 621 f.; Töben/Schrepp, DStR 2019, 573 (578).

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G. Private Equity- und Venture Capital-Fonds | Rz. 134

Die Umqualifizierung in Einkünfte gem. § 18 EStG erfolgt nach überwiegender Ansicht nicht 131 bereits in der gesonderten und einheitlichen Einkünftefeststellung bei der Fondsgesellschaft, sondern erst nachgelagert bei den Initiatoren oder einer zwischengeschalteten Carry-(Personen-)Gesellschaft.1 Damit gilt verfahrensrechtlich das von sog. Zebragesellschaften bekannte Prinzip. Nach dem BFH können steuerbefreite Einkünfte gem. § 3 Nr. 40a EStG nur gemeinsam mit Einkünften aus § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG festgestellt werden. Beide Feststellungen bleiben aber nach dem Grundsatz der „Atomisierung“ des Feststellungsbescheids selbstständig anfechtbar.2 Besonderheiten gelten bei Kapitalgesellschaften als „Beteiligte“. Der Carried Interest ist auf 132 Ebene der KapGes. zu 40 % steuerfrei (§ 3 Nr. 40a EStG), bevor er in gewerbliche Einkünfte umqualifiziert wird (§ 8 Abs. 2 KStG).3 § 8b KStG findet keine Anwendung,4 sodass i.R.d. Anwendungsbereichs von § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG typischerweise keine KapGes. an der CarryKG beteiligt werden. Im Übrigen fällt GewSt an. Verfahrensrechtlich gelten wiederum die Grundsätze zu „Zebragesellschaften“. b) Tatbestandsvoraussetzungen von § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG nicht erfüllt

Der FinVerw. zufolge ist der Carried Interest, sofern er nicht unter § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG zu 133 fassen ist, eine verdeckte Tätigkeitsvergütung, die beim Empfänger „voll“ stpfl. sei und nicht unter § 3 Nr. 40 Buchst. a EStG oder § 8b Abs. 1 und 2 KStG falle. Die Finanzrechtsprechung und das Schrifttum gehen überwiegend davon aus, dass unabhängig von der Tatbestandserfüllung des § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG der Carried Interest ein steuerlich anzuerkennender kapitaldisproportionaler Gewinnanteil ist (Rz. 105 ff.). Dem ist zu folgen. Die kapitaldisproportionalen Gewinnanteile sind keine Einkünfte gem. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG, sondern Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1, 7 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG.5 Eine Umqualifizierung auf Ebene der Initiatoren in Einkünfte gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG scheitert regelmäßig an der dafür notwendigen „durchgerechneten“ 1 %-Beteiligung eines Initiators am Stammkapital einer Portfoliogesellschaft. Ist Carried Interest-Berechtigter eine KapGes., findet § 8b KStG auf Veräußerungsgewinne und Dividenden Anwendung. Gewinne aus der Veräußerung von Portfoliobeteiligungen sind unabhängig von der „durchgerechneten“ Beteiligungshöhe der KapGes. effektiv zu 95 % körperschaftsteuerbefreit, Dividenden im Fall einer „durchgerechneten“ Mindestbeteiligung an der ausschüttenden Portfoliogesellschaft von 10 % (§ 8b Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 KStG; für Gewerbesteuerzwecke: 15 %-Beteiligung des Fonds, § 7 Satz 4 Halbs. 2 i.V.m. § 8 Nr. 5, § 9 Nr. 2a Satz 1 GewStG). Zur Besteuerung des Carried Interest bei einem gewerblichen Fonds s. Rz. 148 ff. 4. Grenzüberschreitende Konstellationen a) Vorbemerkung Interessante international steuerrechtliche Fragen stellen sich, wenn Initiatoren eines inländi- 134 schen Fonds mit vorgeschalteter inländischer Carry-Gesellschaft steuerlich im Ausland ansässig sind (Inbound-Fall) oder steuerliche Inländer als Initiatoren an einem ausländischen Fonds mit ausländischer Carry-Gesellschaft beteiligt sind (Outbound-Fall).

1 BFH v. 11.12.2018 – VIII R 11/16, BFH/NV 2019, 746; Töben/Schrepp, DStR 2019, 573. 2 BFH v. 11.12.2018 – VIII R 11/16, BFH/NV 2019, 746; Brandis in T/K, § 180 AO Rz. 11. 3 Levedag in BeckOK EStG, § 18 Rz. 602.1 f.; Veith/Schade in FS Pöllath, 2008, 435 (447); a.A. WeberGrellet (DStR 2018, 992 [995]), der auf Ebene der KapGes. § 8b KStG für anwendbar hält und auf die anschließenden Ausschüttungen an einen Initiator §§ 18 Abs. 1 Nr. 4, 3 Nr. 40a EStG statt § 20 EStG anwendet. 4 A.A. Weber-Grellet, DStR 2018, 992 (995). 5 Levedag in BeckOK EStG, § 18 Rz. 638 f.; a.A. Anzinger/Jekerle, IStR 2008, 821 (826 f.) (Einkünfte gem. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG). Schnittker/Dickersbach | 1077

Rz. 135 | Anhang 4 Besonderheiten bei Investmentvermögen in Personengesellschaftsform

b) Inbound-Fall: Inländischer Fonds, ausländischer Initiator aa) Beschränkte Steuerpflicht des Initiators im Inland 135 Bei einer inländischen Carry-Gesellschaft mit Einkünften gem. § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG ist

noch ungeklärt, wonach sich die mögliche beschränkte StPfl. einer ausländischen1 natürlichen Person als Initiator richtet. Überwiegend wird § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG für maßgeblich gehalten, weil aus § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG eine konstitutive und auch im Rahmen von § 49 EStG zu beachtende Umqualifizierung der Einkünfte in solche aus selbstständiger Tätigkeit folge.2 Nach dieser Ansicht kommt es für die beschränkte StPfl. des ausländischen Initiators im Einzelfall auf folgende drei Faktoren an: Dessen Tätigkeitsausübung im Inland, eine Verwertung seiner Tätigkeit im Inland oder die Unterhaltung einer inländischen festen Geschäftseinrichtung oder Betriebsstätte für die Tätigkeit. Eine Tätigkeitsausübung im Inland wird regelmäßig am ausländischen Tätigkeitsort des Initiators scheitern. Eine Verwertung der Initiatoren-Leistung im Inland wird herrschend ebenfalls verneint.3 Möglicher Anknüpfungspunkt für eine inländische Betriebsstätte ist eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte der Carry-Gesellschaft (§ 12 Satz 2 Nr. 1 AO) etwa in den Räumlichkeiten der Management-Gesellschaft, die dem ausländischen Initiator anteilig zugerechnet werden könnte.4 Fraglich ist insofern, ob eine (hier unterstellte) Geschäftsleitungsbetriebsstätte „für die“ infrage stehenden Einkünfte des ausländischen Initiators unterhalten wird, zumal – wie üblich – ein ausländischer Initiator überwiegend im Ausland tätig ist. Näher liegen dürfte eine vom Initiator im Ausland begründete Betriebsstätte, der der Carried Interest zuzurechnen ist. Vorstehende Erwägungen rufen im Schrifttum begründete Zweifel hervor, ob für ausländische Carried Interest-Berechtigte der Tatbestand von § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG tatsächlich als erfüllt angesehen werden kann.5 Ohnehin sei eine bloße Umqualifizierung des Carried Interest in Einkünfte gem. § 18 EStG tatbestandlich nicht von § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG erfasst. Stattdessen komme es für die beschränkte StPfl. auf den Inlandsbezug der Kapitaleinkünfte selbst an (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG).6 Eine beschränkte StPfl. gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und e EStG scheidet mangels gewerblicher Einkünfte i.S.d. §§ 15, 17 EStG aus. bb) Anwendbare DBA-Artikel streitig

136 Besteht im Einzelfall eine beschränkte StPfl. des ausländischen Initiators im Inland, ist streitig,

ob ein dem OECD-MA entsprechendes DBA das inländische Besteuerungsrecht am Carried Interest ausschließt. Nach hier vertretener Ansicht folgt ein inländisches Besteuerungsrecht nicht aus Art. 7 OECD-MA (Unternehmensgewinne).7 Bei der abkommensrechtlich gebotenen autonomen Einkommensqualifikation ist die im nationalen Steuerrecht vorgesehene Um1 D.h. mit Wohnsitz (§ 8 AO) und gewöhnlichem Aufenthalt (§ 9 AO) im Ausland. 2 Levedag in BeckOK EStG, § 18 Rz. 630; Veith/Schade in FS Pöllath, 2008, 435 (455); Schnittker/Steinbiß, IStR 2015, 760 (765); Früchtl, IStR 2009, 604 (605). 3 Töben/Blank in Gosch/Grotherr/Bergmann, Steuerplanung und Compliance, Sonderthemen der Besteuerung grenzüberschreitender Private Equity Fonds-Strukturen, Rz. 73 (Stand: Juni 2021); Veith/ Schade in FS Pöllath, 2008, 435 (455 f.). 4 Schnittker/Steinbiß, IStR 2015, 760 (765); ablehnend Früchtl, IStR 2009, 604 (609); Veith in Pöllath/ Rodin/Wewel, § 11 Rz. 161. 5 Geerling/Kost, IStR 2005, 757 (760). 6 Töben/Blank in Gosch/Grotherr/Bergmann, Steuerplanung und Compliance, Sonderthemen der Besteuerung grenzüberschreitender Private Equity Fonds-Strukturen, Rz. 80 (Stand: Juni 2021). 7 Gl.A. Töben/Blank in Gosch/Grotherr/Bergmann, Steuerplanung und Compliance, Sonderthemen der Besteuerung grenzüberschreitender Private Equity Fonds-Strukturen, Rz. 83, 85 (Stand: Juni 2021); Töben/Schrepp, DStR 2019, 573 (580); Schnittker/Steinbiß, IStR 2015, 760 (767); Früchtl, IStR 2009, 604 (607); a.A. Levedag in BeckOK EStG, § 18 Rz. 635; Veith/Schade in FS Pöllath, 2008, 435 (456); Friederichs/Köhler, DB 2004, 1638 (1639).

1078 | Schnittker/Dickersbach

G. Private Equity- und Venture Capital-Fonds | Rz. 138

qualifikation des Carried Interest in Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit nicht zu berücksichtigen. Denn allein durch die nach nationalen Maßstäben vorzunehmende Umqualifikation beruhen die kapitaldisproportionalen Gewinnanteile nicht auf einer „ihrer Art nach ‚unternehmerischen‘ Tätigkeit“, die der BFH für die Anwendung von Art. 7 OECD-MA fordert.1 Somit bleibt es grds. bei der Anwendung der (speziellen) DBA-Verteilungsartikel 13 Abs. 5 OECD-MA (Anteilsveräußerungsgewinne), 10 Abs. 1 bzw. 21 Abs. 1 OECD-MA (für Dividenden inländischer bzw. ausländischer KapGes.) und Art. 11 Abs. 1 OECD-MA (Zinsen). Bis auf das Quellensteuerrecht im Fall von Dividenden aus inländischen Portfoliogesellschaften (vgl. Art. 10 Abs. 2 OECD-MA) und Zinsen (vgl. Art. 11 Abs. 2 OECD-MA) liegt das ausschließliche Besteuerungsrecht beim Ansässigkeitsstaat des Initiators. Betriebsstättenvorbehalte, die ein inländisches Besteuerungsrecht am Carried Interest aufleben lassen würden (Art. 10 Abs. 4, 11 Abs. 4, 13 Abs. 2, 21 Abs. 2 OECD-MA), sind zumeist nicht anwendbar: Der ausländische Initiator unterhält typischerweise keine Betriebsstätte im Inland. Die vermögensverwaltende inländische Fondsgesellschaft und die „zugehörige“ Carry-Gesellschaft begründen mangels „Geschäftstätigkeit“ i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c, h, Art. 5 Abs. 1 OECDMA ebenfalls keine inländische Betriebsstätte. Die physische Präsenz der Management-Gesellschaft ist i.d.R. keine dem ausländischen Initiator zuzurechnende Betriebsstätte, weil er nicht durch sie seine immateriellen Gesellschafterbeiträge an die Fondsgesellschaft erbringt.2 Die FinVerw. dürfte hingegen ein inländisches Besteuerungsrecht aus Art. 7 Abs. 1 Satz 2 137 OECD-MA ableiten, weil ihr zufolge der Carried Interest eine selbstständige Geschäftstätigkeit vergütet und keine Gewinnbeteiligung ist. Die Carry-Gesellschaft als Rechtsträger eines Unternehmens mit Einkünften aus § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG könnte demnach eine inländische Geschäftsleitungsbetriebsstätte begründen, der der Carried Interest-Anteil eines ausländischen Initiators zuzurechnen wäre. Unklar bliebe der Umfang dieser Zurechnung.3 Bei Besteuerung im Inland droht dem ausländischen Initiator eine Doppelbesteuerung, wenn sein Ansässigkeitsstaat den Carried Interest als Gewinnanteil qualifiziert und seinerseits ein Besteuerungsrecht – etwa aus Art. 13 Abs. 5, 21 OECD-MA– ableitet.4 c) Outbound-Fall: Ausländischer Fonds, inländischer Initiator Der Outbound-Fall mit einem im Inland nach dem sog. Welteinkommensprinzip unbe- 138 schränkt stpfl. Initiator eines ausländischen Fonds ist – vorausgesetzt, die ausländische Fondsgesellschaft ist nach dem Rechtstypenvergleich als Personengesellschaft einzuordnen – spiegelbildlich zum Inbound-Fall zu lösen. Sind der ausländische Fonds und die ausländische CarryGesellschaft nach inländischen steuerlichen Maßstäben vermögensverwaltend tätig, wird der über die Carry-Gesellschaft bezogene Carried Interest-Anteil des Initiators im Inland nach § 18 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 3 Nr. 40a EStG besteuert. Nach einer Auffassung im Schrifttum schränken die Art. 10, 11, 13 Abs. 5 und 21 OECD-MA das inländische Besteuerungsrecht nicht ein.5 Im Ausland auf den Carried Interest bzw. zugrunde liegende Dividenden und Zinsen einbehaltene KapErtrSt ist im Inland anrechenbar (Art. 23A Abs. 2, Art. 23B Abs. 1 OECD-MA).

1 BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BStBl. II 2014, 754. 2 Töben/Blank in Gosch/Grotherr/Bergmann, Steuerplanung und Compliance, Sonderthemen der Besteuerung grenzüberschreitender Private Equity Fonds-Strukturen, Rz. 95 (Stand: Juni 2021). 3 Töben/Blank in Gosch/Grotherr/Bergmann, Steuerplanung und Compliance, Sonderthemen der Besteuerung grenzüberschreitender Private Equity Fonds-Strukturen, Rz. 94, 98 (Stand: Juni 2021). 4 Schnittker/Steinbiß, IStR 2015, 760 (767). 5 Töben/Blank in Gosch/Grotherr/Bergmann, Steuerplanung und Compliance, Sonderthemen der Besteuerung grenzüberschreitender Private Equity Fonds-Strukturen, Rz. 91 (Stand: Juni 2021); Schnittker/Steinbiß, IStR 2015, 760 (767); Früchtl, IStR 2009, 604 (608). Schnittker/Dickersbach | 1079

Rz. 139 | Anhang 4 Besonderheiten bei Investmentvermögen in Personengesellschaftsform 139 Sieht man den Carried Interest des inländischen Initiators als Vergütung für eine selbstständi-

ge Tätigkeit, wäre er im Inland gem. Art. 7 OECD-MA freizustellen, soweit er als Unternehmensgewinn auf eine ausländische Betriebsstätte entfällt.1 Unklar ist, ob auch die FinVerw. diese Konsequenz aus ihrer Auffassung ziehen würde.2 Als maßgebliche Betriebsstätte käme wiederum die Geschäftsleitungsbetriebsstätte der Carry-Gesellschaft in Betracht (dazu Rz. 135, 137). Bei einem negativen Qualifikationskonflikt, also bei Nichtbesteuerung des Carried Interest auch im Ansässigkeitsstaat der Fondsgesellschaft, könnte die sog. Switch-OverKlausel des § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG das inländische Besteuerungsrecht revitalisieren. d) Zuzug und Wegzug eines Initiators aa) Zuzug

140 Der Zuzug eines bislang steuerlich im Ausland ansässigen Initiators führt zu bislang ungeklär-

ten Fragen. Möglich erscheint eine steuerliche Verstrickung seines Carried Interest-Anspruchs, was vor allem Bewertungsfragen hervorruft. Typischerweise ermitteln inländische Carry-Gesellschaften ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG, sodass sich die steuerlichen Zuzugsfolgen nach § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG bzw. § 4 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2, Satz 9 EStG richten. Nach hier vertretener Auffassung begründet der Zuzug regelmäßig ein inländisches Besteuerungsrecht am kapitaldisproportionalen Gewinnanteil des zuziehenden Initiators (Rz. 136 f.), sodass dessen Carried Interest-Anteil steuerverstrickt würde und mit dem gemeinen Wert zum Zeitpunkt des Zuzugs anzusetzen wäre (§ 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2, § 6 Abs. 1 Nr. 5a Halbs. 1 EStG). Die Einlagefiktion des § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG setzt allerdings voraus, dass sich der Carried Interest-Anspruch schon zu einem (immateriellen) Wirtschaftsgut verdichtet hat. Dazu müssen die wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen für die Entstehung des Anspruchs gesetzt worden sein und mit der zukünftigen Entstehung eines Carried Interest-Anteils fest gerechnet werden.3 Sieht man im Carried Interest eine Tätigkeitsvergütung anstelle eines Gewinnanteils, liegt kein einlagefähiges immaterielles Wirtschaftsgut vor.4

141 Belegt der Wegzugsstaat den Carried Interest-Anspruch mit einer Wegzugsteuer, ist deren Be-

messungsgrundlage auch für den inländischen Bilanzansatz maßgeblich, solange sie nicht den gemeinen Wert übersteigt (§ 6 Abs. 1 Nr. 5a Halbs. 2 EStG).5 Zur Ermittlung des gemeinen Werts des Carried Interest-Anspruchs ist eine Einzelfallbetrachtung notwendig. Vorgeschlagen wird die Wertermittlung auf Basis einer hypothetischen Liquidation des Fonds.6 Etwaige auf der Basis von Finanzierungsrunden ermittelte stille Reserven in den Portfoliogesellschaften sind allerdings nicht zwingend eine robuste Wertermittlungsbasis. Denn erstens sind die dabei zugrunde gelegten Bewertungen nicht auf der Basis von anerkannten Wertermittlungsgrundsätzen ermittelt, sondern lediglich ein Weg, um das Kräfteverhältnis zwischen Gründern 1 Vgl. Levedag in BeckOK EStG, § 18 Rz. 631. 2 Zweifelnd Töben/Blank in Gosch/Grotherr/Bergmann, Steuerplanung und Compliance, Sonderthemen der Besteuerung grenzüberschreitender Private Equity Fonds-Strukturen, Rz. 91 (Stand: Juni 2021). 3 BFH v. 26.4.2018 – III R 5/16, BStBl. II 2018, 536. 4 Vgl. zum Handelsvertreterausgleichsanspruch FG Nds. v. 8.7.1010 – 9 K 258/17, EFG 2020, 1757. 5 Verstärkt der Zuzug das inländische Besteuerungsrecht bloß (anstatt es zu begründen) und erfolgt im Wegzugsstaat eine Wegzugsbesteuerung, kann für Wirtschaftsjahre mit Beginn nach dem 31.12.2019 auf Antrag eine Verstrickungsbesteuerung erfolgen (sog. „Willkommensteuer“, § 4 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 EStG). Auch insoweit wird ein Bewertungsgleichlauf mit dem Wegzugsstaat angestrebt (§ 6 Abs. 1 Nr. 5b EStG). Die ausländische Entstrickungsteuer ist nach Maßgabe von § 34c EStG anzurechnen oder abzuziehen. § 4 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 EStG und § 6 Abs. 1 Nr. 5b EStG wurden durch das ATADUmsG v. 25.6.2021 (BGBl. I 2021, 2035) eingefügt. 6 Vgl. zum Wegzugsfall Veith in Pöllath/Rodin/Wewel, § 11 Rz. 152.

1080 | Schnittker/Dickersbach

G. Private Equity- und Venture Capital-Fonds | Rz. 145

und Investoren in vertretbarer Weise zu gestalten; es sind so gesehen eher „Papierwerte“ als reale Werte. Zweitens lässt auch nicht jede kurzfristige Wertentwicklung einer jungen Portfoliogesellschaft darauf schließen, dass sich bei einem zukünftigen Anteilsverkauf die gegenwärtig angenommenen stillen Reserven in den Gesellschaftsanteilen realisieren lassen. In der Investitionsphase eines Fonds, in der Kapitalrückflüsse aus den Portfoliogesellschaften teils noch Jahre entfernt sind, müssen Carried Interest-Ansprüche regelmäßig mit sehr starken Abschlägen bewertet werden. Oft stellen sie in dieser Phase nicht viel mehr als einen reinen Hoffnungswert dar. bb) Wegzug Ebenso ungeklärt sind die steuerlichen Folgen des Wegzugs eines bisher im Inland steuerlich 142 ansässigen Initiators ins Ausland. Nach hier vertretener Ansicht lässt der Wegzug das inländische Besteuerungsrecht am Carried Interest entfallen (mit Ausnahme eventueller Quellensteuer auf Dividenden und Zinsen; näher Rz. 136). Mögliche Ansatzpunkte für eine Besteuerung des Initiators sind (i) eine Betriebsaufgabe i.S.d. §§ 18 Abs. 3, 16 Abs. 3 und 3a, 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG,1 (ii) eine Entstrickungsbesteuerung gem. §§ 4 Abs. 1 Satz 3 f., 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG oder (iii) § 6 AStG. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 AStG werden stille Reserven in Anteilen i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG 143 des Wegziehenden besteuert. Die Wegzugsbesteuerung würde strukturell zur Einordnung des Carried Interest als Gewinnanteil passen, der sich typischerweise aus Gewinnen aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen speist.2 Da Initiatoren jedoch in den wenigsten Fällen einmal die durchgerechnete Beteiligungsschwelle des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG erreichen, würde die Wegzugsbesteuerung wohl nur in absoluten Ausnahmefällen eingreifen. Eine Besteuerung als Betriebsaufgabe (§ 18 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 3, 3a EStG) oder Entstri- 144 ckung eines Einzelwirtschaftsguts des wegziehenden Initiators (§ 4 Abs. 1 Satz 3 f. EStG) knüpft an die Umqualifizierung des Carried Interest in Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit und das Vorliegen von Betriebsvermögen in der Carry-Gesellschaft an. Eine Entstrickungsbesteuerung setzt voraus, dass der Carried Interest-Anspruch bei Wegzug die Voraussetzungen eines Wirtschaftsguts erfüllt.3 Bemessungsgrundlage für eine etwaige Entstrickungsbesteuerung wäre der gemeine Wert des Carried Interest-Anspruchs (näher Rz. 157).4

IV. Gewerblicher Fonds 1. Ertragsteuern – Fonds als Mitunternehmerschaft Ist die Schwelle zu einer gewerblichen Tätigkeit nach § 15 Abs. 2 EStG überschritten oder ist 145 die Fondsgesellschaft gewerblich geprägt oder „infiziert“ (§ 15 Abs. 3 EStG), ist sie steuerlich eine Mitunternehmerschaft. Zu beachten sind allgemeine mitunternehmerschaftliche Besteuerungsprinzipien (etwa betr. Sondervergütungen, Sonderbetriebsvermögen, Sonder- und Ergänzungsbilanzen). Alle Gesellschafter mit Mitunternehmerstellung erzielen Einkünfte gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (bei inländischen KapGes. i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG). Soweit der Gewinnanteil auf der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen oder Dividenden be1 Veith/Schade in FS Pöllath, 2008, 435 (455). 2 Töben/Blank in Gosch/Grotherr/Bergmann, Steuerplanung und Compliance, Sonderthemen der Besteuerung grenzüberschreitender Private Equity Fonds-Strukturen, Rz. 135 (Stand: Juni 2021). 3 BFH v. 26.4.2018 – III R 5/16, BStBl. II 2018, 536; FG Nds. v. 8.7.1010 – 9 K 258/17, EFG 2020, 1757. 4 Bei Wegzug in einen EU- oder EWR-Staat ist die Anwendbarkeit von § 4g EStG zu prüfen (Ausgleichsposten). Weiterführend zur subjektbezogenen Entstrickung in Mitunternehmerschaften Meyer in BeckOK EStG, § 4 Rz. 649.1 ff., 664.1. Schnittker/Dickersbach | 1081

Rz. 145 | Anhang 4 Besonderheiten bei Investmentvermögen in Personengesellschaftsform

ruht, gilt für natürliche Personen das Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 Buchst. a EStG. 40 % dieser Gewinne sind folglich steuerbefreit (spiegelbildlich gilt gem. § 3c Abs. 2 EStG ein Teilabzugsverbot für Kosten und Verluste im Zusammenhang mit den begünstigten Gewinnen). Für Körperschaften gilt für Veräußerungsgewinne und Dividenden § 8b KStG. Die Zwischenschaltung der Fondsgesellschaft zwischen körperschaftliche Investoren und die Portfoliogesellschaften ist gem. § 8b Abs. 6 KStG unschädlich. Sind die Initiatoren in einer CarryGesellschaft gebündelt, wird diese durch den Fonds gewerblich „infiziert“ und erzielt ebenfalls gewerbliche Einkünfte (zur Nichtanwendbarkeit von § 18 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 EStG s. Rz. 124). 2. Gewerbesteuerpflicht des Fonds 146 Eine gewerbliche Fondsgesellschaft ist Trägerin eines Gewerbebetriebs und damit gewerbe-

steuerpflichtig. Der Gewerbeertrag bestimmt sich nach den §§ 7 ff. GewStG. Ist auf Investorenebene das Teileinkünfteverfahren oder § 8b KStG anzuwenden, bleiben die danach ertragsteuerbefreiten Beträge auch bei Ermittlung des Gewerbeertrags unberücksichtigt (§ 7 Satz 4 GewStG). Alleine dadurch kann es – wenn an einem Fonds in nennenswertem Umfang sowohl jeweils juristische als auch natürliche Personen beteiligt sind – zu erheblichen gewerbesteuerlichen Verwerfungen kommen, da beide Gesellschaftergruppen dann in unterschiedlichem Maße zur (alle Gesellschafter beeinträchtigenden) Gewerbesteuerbasis beitragen und auch eine Anrechnung der GewSt bei Gesellschaftern, die sich als natürliche Personen beteiligt haben, dann nur auf Basis des „verwässerten“ GewSt-Messbetrags erfolgt.

147 Für Dividenden gilt die Gewerbesteuerbefreiung des § 7 Satz 4 GewStG nur, wenn die Fonds-

gesellschaft mit mindestens 15 % an der ausschüttenden Portfoliogesellschaft beteiligt ist (§ 8 Nr. 5, § 9 Nr. 2a und 7 GewStG).1 Sondervergütungen an Gesellschafter mindern den Gewerbeertrag nicht, sodass bspw. die Management-Fee – wenn die Managementgesellschaft selbst auch am Fonds beteiligt ist – der GewSt auf Fondsebene unterliegt. Auch Beteiligungsveräußerungen durch Fondsgesellschafter können gewerbesteuerliche Folgen haben.2 Weil die GewSt von den einzelnen Fondsgesellschaftern abhängt, empfehlen sich eine gesellschaftsvertragliche Regelung zur „verursachungsgerechten“ Allokation der Gewerbesteuerlast und entsprechende Kürzungen des Gewinnanteils. 3. Carried Interest als Gewinnanteil i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG

148 In einer gewerblichen Fondsstruktur ist der Carried Interest nach h.M. ein (kapitaldispropor-

tionaler) Gewinnanteil gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG und keine Tätigkeitsvergütung.3 Kapitaldisproportionale Gewinnanteile sind insbes. von Sondervergütungen i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG abzugrenzen, die gewinnunabhängig sind und auf erster Gewinnermittlungsstufe als Aufwand behandelt werden. Die Gewinnverteilungsabrede auf Fondsebene ist als Vereinbarung zwischen fremden Dritten auch steuerlich anzuerkennen (näher Rz. 108). Mangels Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG erfolgt keine Umqualifizierung in Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit.

149 Die steuerliche Anerkennung des Carried Interest als Gewinnanteil aus einem gewerb-

lichen Fonds wird von der FinVerw. in der Praxis nicht einheitlich gehandhabt. Insbesondere Rz. 24 des Private Equity-Erlasses sorgt für Rechtsunsicherheit, obwohl sich dieser Abschnitt 1 Haase/Dorn, DStR 2017, 134 (136 f.); bei ausländischen Portfoliounternehmen im Anwendungsbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie (RL 2011/96/EU) kommt es auf eine 10 %-Mindestbeteiligung des Fonds an. 2 Buge in Pöllath/Rodin/Wewel, § 25 Rz. 91. 3 BFH v. 11.12.2018 – VIII R 11/16, BFH/NV 2019, 746; Levedag in BeckOK EStG, § 18 Rz. 638.

1082 | Schnittker/Dickersbach

G. Private Equity- und Venture Capital-Fonds | Rz. 152

nur auf vermögensverwaltende Fonds bezieht.1 Danach wäre beim Carried Interest aus Fondsgesellschaften, die nicht als solche i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG qualifizieren, von einer (verdeckten) Tätigkeitsvergütung der Investoren an die Initiatoren auszugehen. Das würde bei den Initiatoren die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens auf im Carried Interest enthaltene Dividenden und Veräußerungsgewinne ausschließen. Da Rz. 24 allerdings nicht auf Rz. 18 verweist und folglich die Gesellschafter gewerblicher Fonds nach den allgemeinen Regeln (Teileinkünfteverfahren oder § 8b KStG) besteuert werden, ist für gewerbliche Fonds davon auszugehen, dass der Carried Interest keinem steuerlichen Sonderregime unterfällt und auch nicht als Tätigkeitsvergütung zu qualifizieren ist.2 4. Teileinkünfteverfahren und Teilabzugsverbot a) Berechtigter ist natürliche Person Ist Carried Interest-Berechtigter eine natürliche Person, ist auf seinen kapitaldisproportiona- 150 len Gewinnanteil das Teileinkünfteverfahren anzuwenden, soweit sich der Carried Interest aus Veräußerungsgewinnen und Dividenden speist (§ 3 Nr. 40 Buchst. a EStG).3 Als Gegenstück zum Teileinkünfteverfahren gelten die Abzugsbeschränkungen des § 3c Abs. 2 EStG. Die von der Fondsgesellschaft gezahlte GewSt ermäßigt, soweit sie auf den Gewinnanteil eines 151 Initiators entfällt, dessen tarifliche ESt nach Maßgabe des § 35 EStG. Der Anteil der Initiatoren am GewSt-Messbetrag richtet sich nach ihrem Gewinnanteil an der Fonds- bzw. CarryGesellschaft. § 35 Abs. 2 Satz 2 EStG stellt auf den Gewinnanteil nach Maßgabe des „allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels“ ab; „Vorabgewinne sind nicht zu berücksichtigen“. Der Carried Interest ist bei typischer Ausgestaltung kein Vorabgewinn,4 sondern Teil des „allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels“, und folglich bei der Steuerermäßigung gem. § 35 EStG zu berücksichtigen. b) Berechtigter ist Kapitalgesellschaft Auch bei gewerblichen Fonds können KapGes. Carried Interest-Berechtigte sein. Dass der 152 Carried Interest „Leistungen zur Förderung des Gesellschafts- oder Gemeinschaftszwecks“ vergütet (vgl. § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG), ist bei gewerblichen Fonds keine gesetzliche Tatbestandsvoraussetzung für die Anerkennung der Gewinnverteilung auf Fondsebene. Typischerweise wird eine KapGes. mit einem Initiator als Gesellschafter-Geschäftsführer jedoch stets solche immateriellen Gesellschafterbeiträge erbringen (ggf. mittelbar über eine zwischengeschaltete Carry-Gesellschaft). Folglich ist die Gewinnverteilungsabrede auf Fondsebene auch steuerlich „angemessen“. Für KapGes. als Carried Interest-Berechtigte gilt nicht das Teileinkünfteverfahren, sondern § 8b Abs. 1 bis 5 KStG. Denn der Carried Interest aus einem gewerblichen Fonds ist ein „Gewinnanteil aus einer Mitunternehmerschaft“ i.S.d. § 8b Abs. 6 Satz 1 KStG, der Abs. 1 bis 5 für anwendbar erklärt. Der auf Anteilsveräußerungsgewinnen beruhende Carried Interest ist danach effektiv zu 95 % körper- und gewerbesteuerbefreit (§ 8b Abs. 2 Satz 1 KStG, § 7 Satz 4 GewStG). Für die Körperschaftsteuerbefreiung von Dividenden aus Portfoliogesellschaften kommt es auf die durchgerechnete 10 %-Mindestbeteiligung der KapGes. an einer Portfoliogesellschaft an (§ 8b Abs. 4 Satz 1 KStG). Zur korrespondierenden Gewerbesteuerbefreiung auf Fondsebene und der dafür erforderlichen 15-prozentigen Beteiligung des Fonds an der ausschüttenden KapGes. s. bereits Rz. 147. 1 Veith in Pöllath/Rodin/Wewel, § 11 Rz. 150. 2 Gl.A. Friederichs/Köhler, DB 2006, 1396, unter Bezugnahme auf frühere Fassungen des Private-Equity-Erlasses. 3 Levedag in BeckOK EStG, § 18 Rz. 638. 4 Töben/Schrepp, DStR 2019, 526 (530). Schnittker/Dickersbach | 1083

Rz. 153 | Anhang 4 Besonderheiten bei Investmentvermögen in Personengesellschaftsform

5. Grenzüberschreitende Konstellationen a) Inbound-Fall: Inländischer Fonds, ausländischer Initiator 153 Gewerbliche Carry-Gesellschaften begründen regelmäßig eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte

im Inland, die zu einer beschränkten StPfl. eines im Ausland steuerlich ansässigen Initiators führt. Die beschränkte StPfl. gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 1 EStG erstreckt sich auf alle dieser Betriebsstätte zuzurechnenden Einkünfte. Die auf Fondsebene anfallende GewSt vermindert die tarifliche ESt des beschränkt stpfl. Initiators nach Maßgabe von § 35 EStG, der nicht zwischen beschränkter und unbeschränkter StPfl. unterscheidet.1 Gleichzeitig ist es möglich, dass der Initiator auch in seinem Ansässigkeitsstaat über eine Betriebsstätte verfügt (sog. Mitunternehmerbetriebsstätte) und ein Teil des Carried Interest auf diese etwaige Betriebsstätte entfällt. Mit diesen Einkünften ist ein ausländischer Initiator im Inland nicht beschränkt stpfl. (die GewSt auf Fondsebene ist insoweit gem. § 9 Nr. 3 GewStG zu kürzen).

154 Die von einer vorgeschalteten Carry-Gesellschaft erzielten gewerblichen Einkünfte dürften im

Unterschied zum „vermögensverwaltenden“ Fall als Unternehmensgewinne i.S.d. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA zu qualifizieren sein, weil sie auch nach inländischem DBA-Verständnis einer „echten“ Geschäftstätigkeit i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c OECD-MA entstammen. Soweit die dem Carried Interest zugrunde liegenden Veräußerungsgewinne, Dividenden und Zinsen in einem Verursachungszusammenhang mit der einer inländischen Betriebsstätte zuzurechnenden unternehmerischen Tätigkeit stehen, wird das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats des ausländischen Initiators ausgeschlossen. Nur Gewinne, die einer Mitunternehmerbetriebsstätte im Ansässigkeitsstaat des ausländischen Initiators zuzurechnen sind, können dort besteuert werden (Art. 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 OECD-MA). b) Outbound-Fall: Ausländischer Fonds, inländischer Initiator

155 Im Outbound-Fall (ausländischer Fonds und ausländische Carry-Gesellschaft mit aus inländi-

scher steuerlicher Sicht gewerblichen Einkünften) ist der inländische Initiator mit seinem Welteinkommen im Inland unbeschränkt stpfl. Seine Carried Interest-Einkünfte sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (ggf. i.V.m. § 3 Nr. 40 Buchst. a EStG) als kapitaldisproportionale Gewinnanteile zu besteuern. Auf den Carried Interest einer inländischen KapGes. ist § 8b KStG anwendbar.

156 Das inländische Besteuerungsrecht am Carried Interest-Anteil des inländischen Initiators

wird von Art. 7 OECD-MA ausgeschlossen, soweit nicht der Initiator eine Betriebsstätte der Carry-Gesellschaft im Inland begründet und der Carried Interest dieser etwaigen Betriebsstätte zuzurechnen ist (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA). Wird der Carried Interest-Anteil des inländischen Initiators vom Ansässigkeitsstaat des Fonds nicht nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA im Ausland besteuert, sondern dort etwa unter Art. 10, 11 oder 13 Abs. 5 OECDMA gefasst, entsteht ein negativer Qualifikationskonflikt, der zur Anwendung einer SwitchOver-Klausel im anwendbaren DBA oder nach § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG führen könnte. c) Zuzug und Wegzug eines Initiators

157 Die steuerlichen Folgen des Zuzugs eines Initiators eines inländischen Fonds hängen davon

ab, ob durch den Zuzug der Carried Interest-Anspruch des Initiators steuerlich verstrickt (§ 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG) bzw. das inländische Besteuerungsrecht daran verstärkt wird (§ 4 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 EStG). In beiden Fällen ist grds. der gemeine Wert des Carried Interest-Anspruchs bei Zuzug anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 5a und 5b EStG). Unterliegt der Carried

1 Gerg in BeckOK EStG, § 35 Rz. 41.

1084 | Schnittker/Dickersbach

G. Private Equity- und Venture Capital-Fonds | Rz. 158

Interest schon vor dem Zuzug einem inländischen Besteuerungsrecht, ergeben sich keine steuerlichen Zuzugsfolgen. Im Wegzugsfall stellt sich die Frage, ob das inländische Besteuerungsrecht am Carried Inte- 158 rest beschränkt wird oder entfällt. Soweit der Carried Interest auch nach Wegzug einer inländischen Betriebsstätte der Carry-Gesellschaft funktional zuzuordnen ist, dürfte kein Entstrickungstatbestand eingreifen. Nur falls dem wegziehenden Initiator eine Betriebsstätte der Carry-Gesellschaft im Zuzugsstaat zuzurechnen sein sollte und soweit dieser Betriebsstätte zuzurechnende Einkünfte im Inland freizustellen wären (Art. 7 Abs. 1 OECD-MA), könnte der Wegzug eine Entstrickungsbesteuerung nach sich ziehen (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG). Wiederum müsste der Carried Interest-Anspruch dazu als Wirtschaftsgut qualifizieren (dazu Rz. 140, 144).

Schnittker/Dickersbach | 1085

1086 | Schnittker/Dickersbach

Anhang 5 Umsatzsteuerliche Behandlung der Verwaltung von Investmentvermögen Für die umsatzsteuerliche Behandlung der Verwaltung von Investmentvermögen ist die folgende Vorschrift von Bedeutung: § 4 UStG Steuerbefreiungen bei Lieferungen und sonstigen Leistungen Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei: ... 8. ... h) die Verwaltung von Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren im Sinne des § 1 Absatz 2 des Kapitalanlagegesetzbuchs, die Verwaltung von mit diesen vergleichbaren alternativen Investmentfonds im Sinne des § 1 Absatz 3 des Kapitalanlagegesetzbuchs, die Verwaltung von Wagniskapitalfonds und die Verwaltung von Versorgungseinrichtungen im Sinne des Versicherungsaufsichtsgesetzes, … A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck . . . . . II. Anwendungsbereich (sachlich/zeitlich/ persönlich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu Vorschriften der MwStSystRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zu anderen nationalen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Regelungen im Einzelnen I. Leistungserbringer 1. Kapitalverwaltungsgesellschaften . . . . 2. Leistungen eines Dritten . . . . . . . . . . . II. Begünstigte Dienstleistungen 1. Dienstleistung – Gesellschafterbeitrag 2. Verwaltung a) Verwaltungsleistung . . . . . . . . . . . . b) Auslagerung von Leistungen auf einen außenstehenden Dritten . . . . . c) Keine Verwaltungsleistungen im Sinne der Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Leistungsempfänger 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren i.S.d. § 1 Abs. 2 KAGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 2 3 4 7

8 10 15 18 25 28 32 33

3. Mit diesen vergleichbare alternative Investmentfonds i.S.d. § 1 Abs. 3 KAGB a) Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Tatbestandsmerkmal „vergleichbar“ aa) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . bb) Vergleichbare besondere staatliche Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . cc) Derselbe Anlegerkreis . . . . . . . dd) Gleiche Wettbewerbsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Mehrere Anleger . . . . . . . . . . . ff) Abhängigkeit des Ertrags von den Ergebnissen der Anlage – Teilhabe an Chancen und Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Grundsatz der Risikomischung – Risikostreuung . . . . . . . . . . . c) Spezial-Investmentvermögen . . . . 4. Wagniskapitalfonds . . . . . . . . . . . . . . . 5. Portfolioverwaltung für einzelne Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Versorgungseinrichtungen i.S.d. VAG a) Versorgungseinrichtungen, die Sondervermögen i.S.v. Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL darstellen . b) Betriebliche Versorgungseinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verwaltungsleistungen . . . . . . . . . . IV. Keine Option – Kein Vorsteuerabzug . .

39 41 45 49 51 55

57 58 59 60 63

64 68 72 73

Literatur: Löhlein, Vorsteuerabzug bei offenen Immobilienfonds – Behandlung der Umsatzsteuer bei Grundstückssondervermögen, UStB 2001, 24; Philipowski, Verwaltung von Investmentfonds durch exterGrünwald | 1087

| Anhang 5 Umsatzsteuerliche Behandlung der Verwaltung von Investmentvermögen ne Dienstleister umsatzsteuerfrei?, UR 2004, 501; Fromm, Die societe d’investissement a capital variable (SICAV) als Steuersubjekt der Mehrwertsteuer – gleichzeitig zum Urteil des EuGH v. 21.10.2004 – C-8/ 03, IStR 2005, 227; Philipowski, Erfüllung einzelner Verwaltungsaufgaben für einen Investmentfond durch einen externen Unternehmer, UR 2005, 672; Posegga, Neue Entwicklungen bei der umsatzsteuerlichen Behandlung der Anlageberatung für Kapitalanlagegesellschaften – Zugleich Anmerkungen zum Urteil des FG Hamburg vom. 2.3.2005, DStR 2005, 1799; Bacmeister, Umsatzsteuerbefreiung des Outsourcing bei Investmentfonds – Die Sicht des EuGH, IStR 2006, 779; Becker/Neubert, Umsatzsteuerbefreiung der Verwaltung von „Sondervermögen“ nach dem EuGH-Urteil „Abbey National plc“, IStR 2006, 624; Fock, Das EuGH-Urteil „Abbey National“ zur Umsatzbesteuerung von Investmentvermögen, IStR 2006, 379; Fock, Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital im Umsatzsteuerrecht, UR 2006, 558; Fock, Das neue Recht der Investmentaktiengesellschaft, BB 2006, 2371; Hahne, Mehrwertsteuerbefreiung für die Verwaltung von Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften, IStR 2006, 383; Wäger, Auslagerung administrativer Aufgaben der Verwaltung von Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaft, UR 2006, 359; Englisch, Zur bankmäßigen Vermögensverwaltung, UR 2008, 219; Vellen, Behandlung der „bankmäßigen Vermögensverwaltung“, UStB 2008, 64; Wäger, Steuerbare Leistungen im Rahmen von Gesellschaftsverhältnissen, UR 2008, 69; Hahne, Nichtanwendungserlass der Finanzverwaltung zur Umsatzsteuerbefreiung von Vermögensverwaltungsleistungen – Kritische Anmerkungen und praktische Auswirkungen, DStR 2009, 94; Becker, Steuerbefreiung der Verwaltung von Investmentvermögen, UStB 2010, 278; Posegga, Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG für die Verwaltung von Investmentvermögen nach dem Investmentgesetz, DStR 2010, 1418; Raab/Jacobs, Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG für die Verwaltung von Investmentvermögen nach dem Investmentgesetz – eine kritische Analyse des BMF-Schreibens vom. 6.5.2010 –, UR 2010, 437; Sedlmaier, Umsatzsteuerbefreiung der Verwaltung von Investmentvermögen – Anmerkungen zum BMF-Schreiben v. 6.5.2010, UR 2010, 442; Weißbrodt/Michalke, Das BMF-Schreiben zur Umsatzbesteuerung der Fondsverwaltung: Neues oder Altes?, BB 2010, 2604; Hahne, Keine Umsatzsteuerbefreiung für die Anlageberatung für Investmentfonds, BB 2011, 1320; Martin, Vorabentscheidungsersuchen zur Steuerfreiheit der Portfolioverwaltung, BFH-PR 2011, 187; Stöber, Umsatzsteuer bei Anlageberatung für eine Kapitalanlagegesellschaft, UR 2011, 765; Weitnauer, Die AIFM-Richtlinie und ihre Umsetzung, BKR 2011, 143; Dahm/Hamacher, Vermögensverwaltung und Umsatzsteuer, UR 2012, 817; Grube, Steuerfreiheit für Verwaltung eines Investmentfonds mit Kapitalvermögen eines Altersversorgungssystems, MwStR 2013, 160; Hechtner/Wenzel, Gescheitertes AIFM-StAnpG – Praktische Auswirkungen auf die Besteuerung von Investmentvermögen und deren Anlegern?, DStR 2013, 2370; Höink, Steuerfreiheit der externen Ankaufsberatung und Verkaufsberatung bei der Fondsverwaltung, BB 2013, 2152; Kempf, Umsatzsteuerfreiheit der gegenüber einer KAG erbrachten Beratungsleistung, MwStR 2013, 124; Kempf/Totsche, Anmerkung zur Entscheidung des BFH v. 11.4.2013 – „Zur Frage der steuerfreien Leistungen an eine Kapitalanlagegesellschaft“, MwStR 2013, 447; Philipowski, Steuerfreiheit für die Verwaltung von Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften, UR 2013, 297; Grube, Mögliche Steuerfreiheit für Verwaltung von Rentenkassen sowie Begründung von Konten/Verbuchung von Beiträgen für Rentenversicherte, MwStR 2014, 301; Hansen, Umsatzsteuer bei der Abwicklung offener Immobilienfonds, MwStR 2014, 720; Huschens, Umsatzsteuerbefreiung der Verwaltung von Investmentvermögen, NWB 2014, 673; Müller/Dorn, Umsatzsteuerfreie Verwaltung von Investmentvermögen durch außenstehende Dritte?, BB 2014, 30; Sedlmaier, Umsatzsteuerbefreiung der Verwaltung von Investmentfonds – AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz und neuere EuGH-Rechtsprechung, UR 2014, 213; Faller/Kratz, Umsatzsteuerbefreiung von Verwaltungsleistungen bei Immobilienfonds: Nach den Schlussanträgen ist vor dem Urteil – EuGH C-595/13, Fiscale Eenheid X NV, BB 2015, 1759; Haisch/ Bühler, Loan Origination Funds im Spannungsfeld von Aufsichts- und Steuerrecht, BB 2015, 1986; Böcker, Die neue Fondsbesteuerung im Zuge der Investmentsteuerreform, NWB 2016, 2789; Buge/Bujotzek/ Steinmüller, Die InvSt-Reform ist verabschiedet, DB 2016, 1594; Faller/Kratz, Anpassung der Finanzverwaltungsauffassung zur Steuerfreiheit bei ausgelagerten administrativen Fondsverwaltungsleistungen, BB 2016, 23; Hahne, Umsatzsteuerbefreiung der Fondsverwaltung – Erleichterung bei ausgelagerten Verwaltungsleistungen, RdF 2016, 83; Höring, Das Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung, DStZ 2016, 727; Kempf/Kenk, Steuerfreiheit der Verwaltung von Sondervermögen bei Immobiliengesellschaften, MwStR 2016, 116; Kleutgens/Golz, Umsatzbesteuerung von Verwaltungsleistungen regulierter Investmentfonds, DB 2016, 16; Mühlenkamp/Schott/Strauß, Die EuGH-Rechtsprechung zur Umsatzsteuerbefreiung regulierter Fonds und ihre nationalen Folgen, MwStR 2016, 408; Prätzler/Stuber, Handlungsbedarf bei der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Verwaltung von Fondsinvestments, StB 2016, 172; Tauser, Umsatzsteuerliche Strukturierung der Verwaltung von Investmentvermögen (Sondervermögen und Investment-KG), beispielsweise bei Immobilien-, Infrastruktur- und Privat Equity Fonds – Zugleich Anmerkung zu Abschn. 4.8.13 UStAE nF und zum EuGH in der Rechtssache Fiscale Eenheid

1088 | Grünwald

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 2 X, UR 2016, 617; Wagner/Marchal, Die Entscheidung des EuGH i.S. Fiscale Eenheid X – Erweiterung der Umsatzsteuerbefreiung für die Verwaltung von Investmentvermögen, ZfIR 2016, 438; Hahne, Der Entwurf neuer Verwaltungsregelungen zum Anwendungsbereich des § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG nach der Investmentsteuerreform 2018, MwStR 2017, 604; Hahne, Umsatzsteuerfreiheit der Verwaltung von Versorgungseinrichtungen, BB 2017, 2472; de Weerth, Zur Steuerbefreiung der Verwaltung von Unterstützungskassen, MwStR 2017, 839; Blank/Kretzschmann, Umsatzsteuerfreiheit der Management Fee bei typischen Private Equity/Venture Capital Fonds, RdF 2018, 312; Hahne, Änderung des § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG durch Art. 5 des Investmentsteuerreformgesetzes (InvStRefG), BB 2018, 39; Jacobs/Stabenow, Umsatzsteuerbefreiung der Verwaltung von Investmentvermögen, UR 2018, 75; Stadler/Sotta, Die Umsatzsteuerbefreiung der Verwaltung von Spezial-AIF i.S.d. § 282 KAGB, BB 2019, 2790; Forster, Die Irrungen und Wirrungen um den Vorsteuerabzug einer Kapitalanlagegesellschaft i.R.d. Verwaltung von ImmobilienSondervermögen, UR 2021, 89; Jacobs, Kein Vorsteuerabzug für Eingangsleistungen steuerfreier Verwaltungsleistungen einer Kapitalanlagegesellschaft i.S.d. InvG, MwStR 2021, 537; Seifert, Fondsstandortgesetz und Vermögensbeteiligungen, StuB 2021, 546; De Weerth, Zur Steuerbefreiung von ausgelagerten Dienstleistungen einer Fondsgesellschaft, MwStR 2021, 681; Walter/Mehrgardt, Die Vorsteuer in Immobilien-KVG – Quo Vadis, BB 2022, 407.

A. Grundaussagen der Vorschrift I. Regelungsgegenstand und -zweck Die Vorschrift befreit bestimmte Dienstleistungen für Organismen zur gemeinsamen Anlage 1 nach Maßgabe von Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL von der Steuer. Mit der Befreiung bezweckt die Richtlinie, den Anlegern die Anlage in Wertpapiere über Organismen für die Anlagen dadurch zu erleichtern, dass die Mehrwertsteuerbelastung wegfällt und die Neutralität des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems hinsichtlich der unmittelbaren Anlage in Wertpapiere einerseits und derjenigen, die durch die Einschaltung von Organismen für gemeinsame Anlage erfolgt, andererseits, gewährleistet bleibt.1 Privatanleger, insbes. Kleinanleger, sollen mit ihren Anlagen in Investmentvermögen (z.B. Wertpapier- oder Immobilien-Sondervermögen) nicht stärker mit USt belastet werden als im Fall der Direktanlage.2 Diese umsatzsteuerliche Neutralität wird jedoch nur im Verhältnis zum selbst verwaltenden Direktanleger erreicht. Nimmt dieser zur Verwaltung seiner Direktanlagen professionelle Dienstleistungen – z.B. einer Bank – in Anspruch, so ist diese mit USt belastet.3 § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG befreit derartige Leistungen gegenüber dem Direktanleger nicht von der Steuer.

II. Anwendungsbereich (sachlich/zeitlich/persönlich) Die Befreiung ist beschränkt auf nach dem UStG steuerbare Verwaltungsleistungen. Leistun- 2 gen sind steuerbar, wenn sie von einem Unternehmer im Inland erbracht werden. Unternehmer ist jedes selbstständig tätige Wirtschafsgebilde, das nachhaltig Leistungen gegen Entgelt ausführt4 oder die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, eine unternehmerische Tätigkeit gegen Entgelt und selbstständig auszuüben.5 Leistungen an Nichtunternehmer (B2C) werden gem. § 3a Abs. 1 UStG grds. am Sitz des leistenden Unternehmers ausgeführt. Für 1 EuGH v. 9.12.2015 – C-595/13 – Fiscale Eenheid X, MwStR 2016, 109 Rz. 34; v. 28.6.2007 – C-363/05 – JP Morgan, BStBl. II 2010, 573 Rz. 22, 45; v. 7.3.2013 – C-424/11 – Wheels, MwStR 2013, 157 Rz. 19; v. 13.3.2014 – C-464/12 – ATP Pensionservice, MwStR 2014, 294 Rz. 43. 2 EuGH v. 4.5.2006 – C-169/04 – Abbey National, BStBl. II 2010, 567 Rz. 62; BMF v. 13.12.2017 – III C 3 - S 7160 - h/16/10001, BStBl. I 2018, 72. 3 Hahne, MwStR 2017, 604 (606). 4 BFH v. 4.7.1956 – V 56/55 U, BStBl. III 1955, 275. 5 BFH v. 22.2.2001 – V R 77/96, BStBl. II 2003, 426; v. 8.3.2001 – V R 24/98, BStBl. II 2003, 430. Grünwald | 1089

Rz. 2 | Anhang 5 Umsatzsteuerliche Behandlung der Verwaltung von Investmentvermögen

Leistungen u.a. nach § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG, die an Leistungsempfänger im Drittlandsgebiet (außerhalb der EU) ausgeführt werden, bestimmt § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 6 Buchst. a UStG den Wohnsitz/Sitz des Leistungsempfängers als Leistungsort. Leistungen an Unternehmer (B2B) werden nach § 3a Abs. 2 UStG grds. dort ausgeführt, wo der Leistungsempfänger sein Unternehmen betreibt. Leistungen, die nicht der Verwaltung dienen, sind nicht befreit. Zudem ist die Befreiung beschränkt auf Leistungen für bestimmte im G genannte Organismen. Die Vorschrift erhielt ihre jetzige Fassung durch Art. 5 InvStRefG1 und wurde mit Wirkung zum 1.7.2021 ergänzt durch die Ausweitung der Steuerbefreiung auf die Verwaltung von Wagniskapitalfonds durch Art. 4 und Art. 19 Abs. 1 FoStoG.2

III. Rechtsentwicklung 3 Die Vorschrift befreite ursprünglich die Verwaltung von Investmentvermögen, die im G über

Kapitalanlagegesellschaften geregelt waren.3 Durch Art. 1 Nr. 3 Buchst. d Doppelbuchst. bb des G zur Änderung des UStG und anderer Gesetze v. 9.8.19944 ist § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG ergänzt worden. Danach ist die Verwaltung von Versorgungseinrichtungen i.S.d. VAG seit dem 17.8.1994 von der USt befreit. Unter Versorgungseinrichtungen sind nach § 1 Abs. 4 VAG Einrichtungen zu verstehen, die Leistungen im Todes- oder Erlebensfall, bei Arbeitseinstellung ober bei Minderung der Erwerbsfähigkeit vorsehen. Mit der Steuerbefreiung sollen Wettbewerbsnachteile inländischer Unternehmer gegenüber entsprechenden Unternehmern in anderen EU-Mitgliedstaaten vermieden werden.5 Mit Wirkung zum 1.1.2004 wurde der Wortlaut der Norm an die Begrifflichkeit des InvG angepasst, das durch das InvestmentmodernisierungsG6 das G über Kapitalanlagegesellschaften ersetzt hat. Durch das AIFM-StAnpG v. 18.12.20137 erfolgte eine begriffliche Anpassung an das durch das AIFM-UmsetzungsG8 v. 4.7.2013 in Kraft gesetzte KAGB. Mit der Neuregelung durch das Investmentsteuerreformgesetz9 mit Wirkung zum 1.1.2018 knüpft das G die Umsatzsteuerbefreiung an den aufsichtsrechtlichen Status des Investmentvermögens. Nach der Gesetzesbegründung10 handelt es sich um eine punktuelle Erweiterung der Umsatzsteuerbefreiung auf bestimmte nach dem KAGB regulierte Fonds aufgrund des Urteils des EuGH in der Rechtssache Fiscale Eenheid X11 und um eine Folgeänderung aufgrund der Neufassung des InvStG.12 Im Übrigen wird der Umfang der nach bisherigem Recht umsatzsteuerfreien Verwaltungsleistungen bzw. der begünstigten Investmentvermögen unverändert aufrechterhalten. Auch an der Steuerbefreiung der Verwaltung von Versorgungseinrichtungen i.S.d. VAG ändert sich nach dem Willen des Gesetzgebers nichts.13 Jüngst wurde die Vorschrift abermals geändert und die Verwaltung von Wagniskapitalfonds von der Steuer befreit.14

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

InvStRefG v. 19.7.2016, BGBl. I 2016, 1730. FoStoG v. 3.6.2021, BGBl. I 2021, 1498. KAAG v. 14.1.1970, BGBl. I 1970, 127 = BStBl. I 1970, 187. BGBl. I 1994, 2058 = BStBl. I 1994, 655. BMF v. 18.12.1997 – IV C 4 - S 7160h - 6/97, BStBl. I 1997, 1046. BGBl. I 2003, 2676 = BStBl. I 2004, 5. BGBl. I 2013, 4318. BGBl. I 2013, 1981. InvStRefG v. 19.7.2016, BGBl. I 2016, 1730. BT-Drucks. 18/8045, 141. EuGH v. 9.12.2015 – C-595/13 – Fiscale Eenheid X, MwStR 2016, 109. BR-Drucks. 119/16, 163. EuGH v. 9.12.2015 – C-595/13 – Fiscale Eenheid X, MwStR 2016, 109. FoStoG v. 3.6.2021, BGBl. I 2021, 1498.

1090 | Grünwald

A. Grundaussagen der Vorschrift | Rz. 7

IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Verhältnis zu Vorschriften der MwStSystRL Die Vorschrift setzt Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL in nationales Recht um. Demnach 4 befreien die Mitgliedstaaten die Verwaltung von durch die Mitgliedstaaten als solche definierten Sondervermögen von der Mehrwertsteuer. Bei dieser Befreiungsvorschrift handelt es sich um eine der seltenen Vorschriften der MwStSystRL, die den Mitgliedstaaten zwar zwingend die Befreiung bestimmter Dienstleistungen von der Steuer vorschreibt, ihnen aber gleichzeitig das Recht einräumt, den Umfang des Regelungsbereichs der Norm teilweise selbst zu bestimmen. Die Definition des Begriffs des Sondervermögens überlässt die Richtlinie den Mitgliedstaaten. Dies hat zur Konsequenz, dass die Definitionen der Mitgliedstaaten insoweit nicht notwendigerweise deckungsgleich, aber gleichwohl richtlinienkonform sind, soweit der jeweilige Mitgliedstaat innerhalb des Rahmens des ihm eingeräumten Definitionsspielraums bleibt. Der Begriff des Sondervermögens ist daher kein autonomer Begriff des Unionsrechts und unterliegt daher auch nur der eingeschränkten Kontrolle durch den EuGH.1 Diese Definitionsbefugnis ist jedoch durch das Verbot begrenzt, der vom Unionsgesetzgeber 5 verwendeten Formulierung der Befreiungsvorschrift zuwiderzuhandeln. Ein Mitgliedstaat kann daher nicht, ohne den Wortlaut des Begriffs „Sondervermögen“ zu missachten, auswählen, welchen Sondervermögen die Befreiung gewährt wird und welchen nicht. Die genannten Bestimmungen räumen ihm somit lediglich die Befugnis ein, in seinem innerstaatlichen Recht die Fonds zu definieren, die unter den Begriff „Sondervermögen“ fallen. Insbesondere hat der Mitgliedstaat die mit der MwStSystRL verfolgten Ziele sowie den dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem innewohnenden Grundsatz der steuerlichen Neutralität zu beachten.2 Zudem wurde die Definitionsbefugnis der Mitgliedstaaten durch die Koordinierung der Rechtsvorschriften im Bereich der Investmentaufsicht auf Unionsebene überlagert. Der Begriff des „Sondervermögens“ wird daher gleichzeitig durch Unionsrecht und durch nationales Recht bestimmt.3 Im Hinblick auf die Befreiung der Verwaltung von Wagniskapitalfonds bestehen Zweifel, ob der Gesetzgeber den vom EuGH gesetzten Definitionsrahmen eingehalten hat.4 Demgegenüber stellt der Begriff der Verwaltung einen autonomen Begriff des Unionsrechts 6 dar, dessen Inhalt die Mitgliedstaaten nicht verändern können.5 2. Verhältnis zu anderen nationalen Vorschriften In Umsetzung der Ermächtigung von Art. Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL befreit § 4 7 Nr. 8 Buchst. h UStG die Verwaltung von Sondervermögen nach Maßgabe des nationalen Rechts von der USt. Das UStG verzichtet darauf, die begünstigten Leistungsempfänger selbst zu definieren und verweist insoweit auf die Vorschriften des KAGB bzw. des VAG. Die Verwaltung von OGAW, AIFS und Versorgungseinrichtungen ist nach dem UStG steuerfrei, wenn diese Leistungsempfänger den Anforderungen des jeweiligen Gesetzes entsprechen. Hinsichtlich der Verwaltung von Wagniskapitalfonds erfolgt zum Zweck der Definition kein Verweis in ein anderes Gesetz. Insoweit macht der Gesetzgeber von seiner Definitionsbefugnis nach der o.g. Richtlinienvorschrift Gebrauch.

1 EuGH v. 9.12.2015 – C-595/13 – Fiscale Eenheid X, MwStR 2016, 109 Rz. 30. 2 EuGH v. 9.12.2015 – C-595/13 – Fiscale Eenheid X, MwStR 2016, 109 Rz. 32, 33; v. 28.6.2007 – C363/05 – JP Morgan, BStBl. II 2010, 573 Rz. 22, 41–43; v. 7.3.2013 – C-424/11 – Wheels, MwStR 2013, 157 Rz. 17 f.; v. 13.3.2014 – C-464/12 – ATP Pensionservice, MwStR 2014, 294 Rz. 41 f. 3 EuGH v. 9.12.2015 – C-595/13 – Fiscale Eenheid X, MwStR 2016, 109 Rz. 46. 4 Vgl. Wäger in Sölch/Ringleb, UStG, § 4 Nr. 8 Rz. 257 (Stand: Oktober 2021). 5 EuGH v. 4.5.2006 – C-169/04 – Abbey National, BStBl. II 2010, 567 Rz. 43. Grünwald | 1091

Rz. 8 | Anhang 5 Umsatzsteuerliche Behandlung der Verwaltung von Investmentvermögen

B. Die Regelungen im Einzelnen I. Leistungserbringer 1. Kapitalverwaltungsgesellschaften 8 Auch wenn das G die Steuerbefreiung an eine bestimmte Leistung und nicht an einen be-

stimmten Leistungserbringer knüpft, kommen als Leistende steuerbefreiter Leistungen in erster Linie Verwaltungsgesellschaften nach § 17 f. KAGB in Betracht. Der Wortlaut des § 17 KAGB lautet wie folgt:

§ 17 Kapitalverwaltungsgesellschaften (1) 1Kapitalverwaltungsgesellschaften sind Unternehmen mit satzungsmäßigem Sitz und Hauptverwaltung im Inland, deren Geschäftsbetrieb darauf gerichtet ist, inländische Investmentvermögen, EU-Investmentvermögen oder ausländische AIF zu verwalten. 2Verwaltung eines Investmentvermögens liegt vor, wenn mindestens die Portfolioverwaltung oder das Risikomanagement für ein oder mehrere Investmentvermögen erbracht wird. (2) Die Kapitalverwaltungsgesellschaft ist entweder 1. eine externe Kapitalverwaltungsgesellschaft, die vom Investmentvermögen oder im Namen des Investmentvermögens bestellt ist und auf Grund dieser Bestellung für die Verwaltung des Investmentvermögens verantwortlich ist (externe Kapitalverwaltungsgesellschaft), oder 2. das Investmentvermögen selbst, wenn die Rechtsform des Investmentvermögens eine interne Verwaltung zulässt und der Vorstand oder die Geschäftsführung des Investmentvermögens entscheidet, keine externe Kapitalverwaltungsgesellschaft zu bestellen (interne Kapitalverwaltungsgesellschaft). In diesem Fall wird das Investmentvermögen als Kapitalverwaltungsgesellschaft zugelassen. (3) Für jedes Investmentvermögen kann nur eine Kapitalverwaltungsgesellschaft zuständig sein, die für die Einhaltung der Anforderungen dieses Gesetzes verantwortlich ist.

9 Je nach Art des verwalteten Investmentvermögens existieren Kapitalverwaltungsgesellschaften

in zwei Ausprägungen. Gemäß § 1 Abs. 15 KAGB sind OGAW-Kapitalverwaltungsgesellschaften KVG nach § 17 KAGB, die mindestens einen OGAW verwalten oder zu verwalten beabsichtigen. Gemäß § 1 Abs. 16 KAGB sind AIF-Kapitalverwaltungsgesellschaften KVG nach § 17 KAGB, die mindestens einen AIF verwalten oder zu verwalten beabsichtigen. Kapitalverwaltungsgesellschaften, die vom Investmentvermögen oder im Namen des Investmentvermögens bestellt sind und aufgrund dieser Bestellung für die Verwaltung des Investmentvermögens verantwortlich sind (externe KVG), dürfen neben der kollektiven Vermögensverwaltung von OGAW bzw. AIF nur die Dienstleistungen und Nebendienstleistungen nach § 20 Abs. 2 bzw. Abs. 3 erbringen. Sie dürfen jedoch nicht ausschließlich die in § 20 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 KAGB bzw. § 20 Abs. 3 Nr. 1 bis 6 KAGB genannten Leistungen erbringen, ohne auch die kollektive Vermögensverwaltung zu erbringen (§ 20 Abs. 4 KAGB).1 2. Leistungen eines Dritten

10 Die Steuerfreiheit hängt nicht davon ab, dass sie von einem bestimmten Leistungserbringer

erbracht wird. Ausschlaggebend ist allein, dass es sich um eine Verwaltungsleistung i.S.d. Vorschrift handelt. Daher sind auch Leistungen eines Dritten, die unter den Begriff der Verwaltungsleistung dieser Vorschrift subsumiert werden können, von der Befreiung umfasst.

11 Die KVG kann unter den Bedingungen des § 36 Abs. 1 KAGB Aufgaben, die für die Durch-

führung der Geschäfte wesentlich sind, zum Zwecke einer effizienteren Geschäftsführung auf ein anderes Unternehmen, ein sog. Auslagerungsunternehmen, auslagern. Dieses muss über 1 Abschn. 4.8.13 Abs. 4 UStAE.

1092 | Grünwald

B. Die Regelungen im Einzelnen | Rz. 14

ausreichende Ressourcen für die Ausführung der ihm übertragenen Aufgaben verfügen. Die Personen, die die Geschäfte des Auslagerungsunternehmens tatsächlich leiten, müssen zuverlässig sein und über ausreichende Erfahrung verfügen. Eine weitere Bedingung ist, dass die Auslagerung die Wirksamkeit der Beaufsichtigung der KVG in keiner Weise beeinträchtigt. Insbesondere darf sie weder die KVG daran hindern, im Interesse ihrer Anleger zu handeln, noch darf sie verhindern, dass das Investmentvermögen im Interesse der Anleger verwaltet wird. Das Auslagerungsunternehmen darf die ihm übertragenen ausgelagerten Aufgaben unter den Bedingungen des § 36 Abs. 6 KAGB weiter übertragen (Unterauslagerung).1 Die Verwahrstelle darf der KVG aus den zu einem inländischen OGAW bzw. AIF gehörenden Konten nur die für die Verwaltung des inländischen OGAW bzw. AIF zustehende Vergütung und den ihr zustehenden Ersatz von Aufwendungen auszahlen. Werden die zu einem inländischen AIF gehörenden Konten bei einer anderen Stelle nach § 83 Abs. 6 Satz 2 KAGB geführt, bedarf die Auszahlung der der AIF-KVG für die Verwaltung des inländischen AIF zustehenden Vergütung und des ihr zustehenden Ersatzes von Aufwendungen der Zustimmung der Verwahrstelle.2 Beauftragt eine KVG einen Dritten mit der Verwaltung des Investmentvermögens, erbringt 12 dieser als umsatzsteuerrechtlich leistender Unternehmer eine Leistung gegenüber der KVG als umsatzsteuerlicher Leistungsempfängerin, indem er die ihr gegenüber dem Investmentvermögen insoweit obliegende Pflicht erfüllt. Der Dritte wird ausschließlich aufgrund der vertraglichen Vereinbarung zwischen ihm und der KVG tätig, sodass er auch nur ihr gegenüber zur Leistung verpflichtet ist.3 Die Verwaltungsleistung wird in einer Leistungskette von dem Dritten an die KVG und von dieser an das Investmentvermögen erbracht. Beauftragt eine intern verwaltete Investment-AG bzw. eine intern verwaltete Investment-KG 13 einen Dritten mit der Wahrnehmung von Aufgaben, erbringt der Dritte ihr gegenüber eine Leistung, da grds. der intern verwalteten Investmentgesellschaft die Anlage und die Verwaltung ihrer Mittel obliegt. Beauftragt eine extern verwaltete Investmentgesellschaft eine KVG mit der Verwaltung und Anlage ihrer Mittel, ist die KVG Vertragspartnerin des von ihr mit bestimmten Verwaltungstätigkeiten beauftragten Dritten. Dieser erbringt somit auch nur gegenüber der KVG und nicht gegenüber der Investmentgesellschaft eine Leistung.4 Für Tätigkeiten im Rahmen der Verwaltung von Investmentvermögen, die nach § 36 Abs. 1 14 KAGB auf ein anderes Unternehmen ausgelagert worden sind, kann nach Auffassung der FinVerw. ebenfalls die Steuerbefreiung in Betracht kommen. Zur steuerfreien Verwaltung gehören auch Dienstleistungen der administrativen und buchhalterischen Verwaltung von Investmentvermögen durch einen außenstehenden Verwalter, wenn sie ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes bilden und für die Verwaltung dieses Investmentvermögens spezifisch und wesentlich sind.5 Angesichts der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache K6 erscheint die Rechtsauffassung der FinVerw. zur Eigenständigkeit7 als zu eng. Nach Auffassung des EuGH kann die Voraussetzung der Eigenständigkeit nicht dahingehend ausgelegt werden, dass eine für die Verwaltung von Sondervermögen spezifische und wesentliche Dienstleistung vollständig ausgelagert sein müsste, damit sie von der Steuerbefreiung erfasst wird.8 Würde eine für die Verwaltung von Sondervermögen spezifische und wesentliche Leistung schon deshalb der Mehrwertsteuer unterliegen, weil sie nicht vollständig ausgelagert ist, würde dies die Verwal1 2 3 4 5 6 7 8

Abschn. 4.8.13 Abs. 6 UStAE. Abschn. 4.8.13 Abs. 7 UStAE. Abschn. 4.8.13 Abs. 15 UStAE. Abschn. 4.8.13 Abs. 16 UStAE. Abschn. 4.8.13 Abs. 17 Satz 1 UStAE. EuGH v. 17.6.2021 – C-58/20 und C- 59/20 – K, MwStR 2021, 676. Vgl. Abschn. 4.8.17 UStAE. EuGH v. 17.6.2021 – C-58/20 und C- 59/20 – K, MwStR 2021, 676 Rz. 36. Grünwald | 1093

Rz. 14 | Anhang 5 Umsatzsteuerliche Behandlung der Verwaltung von Investmentvermögen

tungsgesellschaften, die diese Leistung selbst erbringen, und die Anleger, die ihr Geld unmittelbar in Wertpapieren anlegen und keine Fondsverwaltungsleistungen in Anspruch nehmen, begünstigen. Daher würde eine Auslegung der Voraussetzung der Eigenständigkeit, wonach eine für die Verwaltung von Sondervermögen spezifische und wesentliche Dienstleistung vollständig ausgelagert sein müsste, damit die Steuerbefreiung greift, die praktische Wirksamkeit der Möglichkeit der Steuerbefreiung für eine solche Leistung einschränken, wenn diese von einem Dritten erbracht wird.1

II. Begünstigte Dienstleistungen 1. Dienstleistung – Gesellschafterbeitrag 15 Die Steuerbefreiung setzt voraus, dass die konkrete Leistung steuerbar ist, d.h., es muss eine

Dienstleistung i.S.d. Zuwendung eines verbrauchbaren Vorteils von dem Dienstleister an einen anderen vorliegen.

16 Davon abzugrenzen sind Gesellschafterbeiträge. Ein Gesellschafter kann an die Gesellschaft,

an der er beteiligt ist, sowohl Leistungen erbringen, die ihren Grund in einem gesellschaftsrechtlichen Beitragsverhältnis haben, als auch solche, die auf einem gesonderten schuldrechtlichen Austauschverhältnis beruhen. Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung dieser Leistungen richtet sich danach, ob es sich um Leistungen handelt, die als Gesellschafterbeitrag durch die Beteiligung am Gewinn oder Verlust der Gesellschaft abgegolten werden, oder um Leistungen, die gegen Sonderentgelt ausgeführt werden und damit auf einen Leistungsaustausch gerichtet sind. Umsatzsteuerrechtlich maßgebend für das Vorliegen eines Leistungsaustauschs ist, dass ein Leistender und ein Leistungsempfänger vorhanden sind und der Leistung eine Gegenleistung gegenübersteht.2 Bringt der Gesellschafter Dienstleistungen in eine Tochtergesellschaft ein, ohne hierfür ein Entgelt zu erhalten, so liegt ein nicht steuerbarer Gesellschafterbeitrag vor. Ein solcher Beitrag gehört zum Halten von Gesellschaftsanteilen, das keine wirtschaftliche (unternehmerische) Tätigkeit i.S.d. MwStSystRL darstellt. Der Vorgang unterliegt nicht der Steuer und berechtigt nicht zum Vorsteuerabzug.3

17 Bei der Geldanlage über Investmentgesellschaften (Investment-AG oder Investment-KG) kön-

nen im Einzelfall Zweifel hinsichtlich der Annahme einer steuerbaren Leistung der Investmentgesellschaft an die Anleger im Rahmen eines Leistungsaustausches bestehen.4 Hat das Investmentvermögen die Organisationsform einer InvAG i.S.d. KAGB oder einer InvestmentKG i.S.d. KAGB, ist der Anleger Aktionär bzw. Gesellschafter. Seine konkrete Rechtsstellung richtet sich nach gesellschaftsrechtlichen Regelungen und der Satzung bzw. dem Gesellschaftsvertrag der Investmentgesellschaft. Soweit keine separate schuldrechtliche Vereinbarung über die Erbringung einer besonderen Verwaltungsleistung besteht, ist insofern kein Leistungsaustausch zwischen der Investmentgesellschaft und ihren Aktionären bzw. Gesellschaftern anzunehmen. Der Anspruch auf die Verwaltungsleistung ergibt sich aus der Gesellschafterstellung. Die Verwaltung des Investmentvermögens durch die Investmentgesellschaft ist insoweit ein nicht steuerbarer Vorgang.5 Maßnahmen im Hinblick auf das Vermögen einer Investment-AG beziehen sich auf das Vermögen der Gesellschaft. Sie verwaltet ihr eigenes Vermögen und nicht das der Anleger. Ihren Aktionären gegenüber erbringt sie daher keine Leistungen.

1 2 3 4 5

EuGH v. 17.6.2021 – C-58/20 und C- 59/20 – K, MwStR 2021, 676 Rz. 39–40. Abschn. 1.6 Abs. 3 UStAE. Vgl. EuGH 8.9.2022 – C-98/21 – Finanzamt R, DStR 2022, 1904 Rz. 53. Wäger in Sölch/Ringleb, UStG, § 4 Nr. 8 Rz. 252 (Stand: Oktober 2021). Abschn. 4.8.13 Abs. 14 UStAE.

1094 | Grünwald

B. Die Regelungen im Einzelnen | Rz. 20

2. Verwaltung a) Verwaltungsleistung Die Vorschrift befreit Dienstleistungen, deren wirtschaftlicher Gehalt die Verwaltung von 18 Sondervermögen darstellt. Weder die MwStSystRL noch das deutsche Gesetz enthalten eine Definition, was Verwaltung i.S.d. Vorschrift meint. Der Begriff der Verwaltung von Sondervermögen spezifiziert die begünstigten Leistungen sowohl nach Art der Leistung als auch nach den Kriterien des verwalteten Vermögens. Die Vorschrift befreit nicht jede Art von Leistung, sondern nur Verwaltungsleistungen. Wie für alle Tatbestandsmerkmale der MwStSystRL gilt auch für den Terminus „Verwaltung“ 19 i.S.v. Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL, dass dies ein autonomer Begriff des Unionsrechts ist, dessen Inhalt die Mitgliedstaaten nicht verändern können.1 Nur solche Verwaltungsleistungen sind von der Steuer befreit, die für die Tätigkeit der genannten Organismen für gemeinsame Anlagen spezifisch sind.2 Von einem außenstehenden Verwalter erbrachte Verwaltungsdienstleistungen müssen ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes bilden und für die Verwaltung von Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften spezifisch und wesentlich sein.3 Sie können nur dann als steuerbefreite Umsätze eingestuft werden, wenn sie die spezifischen und wesentlichen Funktionen der Verwaltung von Sondervermögen erfüllen sollen.4 Zur steuerfreien Verwaltung gehören demnach auch Dienstleistungen der administrativen 20 und buchhalterischen Verwaltung von Investmentvermögen durch einen außenstehenden Verwalter, wenn sie ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes bilden und für die Verwaltung dieses Investmentvermögens spezifisch und wesentlich sind. Rein materielle oder technische Dienstleistungen, die in diesem Zusammenhang erbracht werden, wie z.B. die Zurverfügungstellung eines Datenverarbeitungssystems, fallen nach Verwaltungsauffassung unter Bezugnahme auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Abbey National5 nicht unter die Steuerbefreiung.6 Von dieser strikten Rechtsauffassung ist der EuGH mittlerweile abgerückt. In der Rechtssache K stellt der EuGH klar, dass seine Ausführungen in der Entscheidung Abbey National nicht dahin verstanden werden können, Dienstleistungen, die einer Verwaltungsgesellschaft von einem Dritten über ein Datenverarbeitungssystem erbracht werden, von vornherein aus dem Anwendungsbereich der Befreiungsvorschrift auszuschließen wären.7 Die Tatsache, dass eine Leistung vollständig im Wege der elektronischen Datenverarbeitung ausgeführt wird, steht der Steuerbefreiung nicht entgegen.8 So können Dienstleistungen der Leistungs- und Risikoüberwachung, die ein Dritter Fonds-Verwaltungsgesellschaften mittels einer Softwareplattform erbringt, steuerfrei sein.9 Wird eine Dienstleistung wie die Einräumung eines Nutzungsrechts an Software ausschließlich für die Zwecke der Verwaltung von Sondervermögen und nicht an andere Fonds erbracht, kann sie mithin als „spezifisch“ für die1 EuGH v. 9.12.2015 – C-595/13 – Fiscale Eenheid X, MwStR 2016, 109 Rz. 69; v. 4.5.2006 – C-169/04 – Abbey National, BStBl. II 2010, 567 Rz. 43. 2 EuGH v. 4.5.2006 – C-169/04 – Abbey National, BStBl. II 2010, 567 Rz. 63; v. 19.7.2012 – C-44/11 – Deutsche Bank, BStBl. II 2012, 945 Rz. 31; v. 13.3.2014 – C-464/12 – ATP Pension Service, MwStR 2014, 294 Rz. 65. 3 EuGH v. 9.12.2015 – C-595/13 – Fiscale Eenheid X, MwStR 2016, 109 Rz. 71; v. 13.3.2014 – C-464/12 – ATP Pension Service, MwStR 2014, 294 Rz. 65. 4 EuGH v. 17.6.2021 – C-58/20 und C- 59/20 – K, MwStR 2021, 676 Rz. 33. 5 EuGH v. 4.5.2006 – C-169/04 – Abbey National, BStBl. II 2010, 567 Rz. 53. 6 Abschn. 4.8.13 Abs. 17 Satz 3 UStAE. 7 EuGH v. 17.6.2021 – C-58/20 und C- 59/20 – K, MwStR 2021, 676 Rz. 54. 8 EuGH v. 17.6.2021 – C-58/20 und C- 59/20 – K, MwStR 2021, 676 Rz. 55; v. 5.6.1997 – C-2/95 – SDC, UR 1998, 64 Rz. 37. 9 EuGH v. 2.7.2020 – C-231/19 – Blackrock, MwStR 2020, 1231. Grünwald | 1095

Rz. 20 | Anhang 5 Umsatzsteuerliche Behandlung der Verwaltung von Investmentvermögen

sen Zweck angesehen werden. Dienstleistungen wie steuerliche Arbeiten, die die Besteuerung der Fondseinkünfte der Anteilinhaber gem. dem nationalen Recht sicherstellen, und die Einräumung eines Nutzungsrechts an Software, die der Durchführung von für das Risikomanagement und die Performancemessung wesentlichen Berechnungen dient, fallen unter die Steuerbefreiung, wenn sie eine enge Verbindung mit der Verwaltung von Sondervermögen ausweisen und ausschließlich für die Zwecke der Verwaltung von Sondervermögen erbracht werden.1 Demgegenüber erscheint die Verwaltungsauffassung, die darauf abstellt, ob die übertragenen Aufgaben für die Durchführung der Geschäfte des jeweiligen Leistungsempfängers unerlässlich sind,2 als zu eng. Der EuGH stellt nicht auf die Unerlässlichkeit der Dienstleistungen für die Durchführung der Geschäfte des jeweiligen Leistungsempfängers, sondern darauf ab, ob sie ausschließlich für die Zwecke der Verwaltung von Sondervermögen erbracht werden und daher als spezifisch für diese Zwecke anzusehen sind. 21 Vorbereitende Handlungen, bei denen sich der Leistungsempfänger eine abschließende Ent-

scheidung vorbehält, bilden regelmäßig nicht ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes im vorgenannten Sinn. Demgegenüber fallen Leistungen, die in der Abgabe von Empfehlungen zum An- und Verkauf von Vermögenswerten bestehen, unter die Steuerbefreiung, wenn eine enge Verbindung zu der spezifischen Tätigkeit der Leistungsempfängerin besteht.3 Davon ist auszugehen, wenn die Empfehlung für den Kauf oder Verkauf von Vermögenswerten konkret an den rechtlichen und tatsächlichen Erfordernissen der jeweiligen Wertpapieranlage ausgerichtet ist, die Empfehlung für den Kauf oder Verkauf von Vermögenswerten aufgrund ständiger Beobachtung des Fondsvermögens erteilt wird und auf einem stets aktuellen Kenntnisstand über die Zusammenstellung des Vermögens beruht.4

22 Die spezifische Tätigkeit eines Fonds, mit dem ein Sondervermögen verwaltet wir, besteht da-

rin, die beschafften Gelder für gemeinsame Rechnung anzulegen.5 Bestehen die Aktiva eines solchen Fonds in Immobilien, umfasst seine spezifische Tätigkeit zum einen Tätigkeiten in Bezug auf die Wahl sowie den An- und Verkauf der Immobilien und zum anderen Tätigkeiten der Verwaltung und des Rechnungswesens.6

23 Neben den Aufgaben der Portfolioverwaltung stellen die administrativen Aufgaben der Orga-

nismen für gemeinsame Anlagen selbst, wie sie in Anh. II der OGAW-Richtlinie unter der Überschrift „Administrative Tätigkeiten“ aufgeführt sind, spezifische Aufgaben dieser Organismen dar.7 Demnach sind folgende Tätigkeiten8 in die gemeinsame Portfolioverwaltung einbezogen: – Anlageverwaltung – Administrative Tätigkeiten – gesetzlich vorgeschriebene und im Rahmen der Fondsverwaltung vorgeschriebene Rechnungslegungsdienstleistungen – Kundenanfragen – Bewertung und Preisfestsetzung (einschließlich Steuererklärungen) – Überwachung der Einhaltung der Rechtsvorschriften 1 EuGH v. 17.6.2021 – C-58/20 und C- 59/20 – K, MwStR 2021, 676 Rz. 57 f. 2 Abschn. 4.8.13 Abs. 17 Sätze 1 bis 4 UStAE. 3 Vgl. BFH v. 11.4.2013 – V R 51/10, BStBl. II 2013, 877; EuGH v. 7.3.2013 – C-275/11 – GfBk, BStBl. II 2013, 900; Abschn. 4.8.13 Abs. 17 Sätze 5 und 6 UStAE. 4 BFH v. 11.4.2013 – V R 51/10, BStBl. II 2013, 877; EuGH v. 7.3.2013 – C-275/11 – GfBk, BStBl. II 2013, 900. 5 EuGH v. 7.3.2013 – C-275/11 – GfBk, BStBl. II 2013, 900 Rz. 22, 24. 6 EuGH v. 9.12.2015 – C-595/13 – Fiscale Eenheid X, MwStR 2016, 109 Rz. 77. 7 EuGH v. 13.3.2014 – C-464/12 – ATP Pension Service, MwStR 2014, 294 Rz. 66. 8 RL 2009/65/EG v. 13.7.2009, Anh. II, ABl. EU 2009 Nr. L 302, 32.

1096 | Grünwald

B. Die Regelungen im Einzelnen | Rz. 25

– Führung des Anlegerregisters – Gewinnausschüttung – Ausgabe und Rücknahme von Anteilen – Kontraktabrechnungen (einschließlich Versand der Zertifikate) – Führung von Aufzeichnungen – Vertrieb Nach Ansicht der FinVerw. sind insbes. folgende Tätigkeiten der Verwaltung von Investment- 24 vermögen durch die KVG, die Investment-AG, die Investment-KG oder die Verwahrstelle steuerfrei,1 sofern Leistungen gegen Entgelt und keine Gesellschafterbeiträge (vgl. Rz. 16) vorliegen: – Portfolioverwaltung – Risikomanagement – Ausübung des Sicherheitenmanagements (Verwalten von Sicherheiten, sog. Collateral Management, das im Rahmen von Wertpapierleihgeschäften nach § 200 Abs. 2 KAGB Aufgabe der OGAW-KVG ist) – administrative Leistungen, soweit sie nicht dem Anteilsvertrieb dienen – gesetzlich vorgeschriebene und im Rahmen der Fondsverwaltung vorgeschriebene Rechnungslegungsdienstleistungen (u.a. Fondsbuchhaltung und die Erstellung von Jahresberichten und sonstigen Berichten) – Bewertung und Preisfestsetzung (Ermittlung und verbindliche Festsetzung des Anteilspreises) – Überwachung und Einhaltung der Rechtsvorschriften (u.a. Kontrolle der Anlagegrenzen und der Marktgerechtigkeit [Fonds-Controlling]) – Ausgabe und Rücknahme von Anteilen (diese Aufgabe wird nach § 71 Abs. 1 KAGB von der Verwahrstelle ausgeführt) – Führung des Anteilinhaberregisters – Beantwortung von Kundenanfragen und Übermittlung von Informationen an Kunden, auch für potenzielle Neukunden – Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Gewinnausschüttung – Erstellung von Kontraktabrechnungen (einschließlich Versand und Zertifikate, ausgenommen Erstellung von Steuererklärungen) – Führung gesetzlich vorgeschriebener und im Rahmen der Fondsverwaltung vorgeschriebener Aufzeichnungen – die aufsichtsrechtlich vorgeschriebene Prospekterstellung b) Auslagerung von Leistungen auf einen außenstehenden Dritten Wird von einem außenstehenden Dritten, auf den Verwaltungsaufgaben übertragen wurden, 25 nur ein Teil der Leistungen aus dem vorstehenden Leistungskatalog erbracht, kommt die Steuerbefreiung nur in Betracht, wenn die erbrachte Leistung ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes bildet und für die Verwaltung von Investmentvermögen spezifisch und wesentlich ist.2

1 Abschn. 4.8.13 Abs. 19 UStAE. 2 Abschn. 4.8.13 Abs. 20 Satz 1 UStAE. Grünwald | 1097

Rz. 26 | Anhang 5 Umsatzsteuerliche Behandlung der Verwaltung von Investmentvermögen 26 Leistungen, die in der Abgabe von Empfehlungen zum An- und Verkauf von Vermögenswer-

ten (z.B. Wertpapiere oder Immobilien) gegenüber einer KVG bestehen, können1 unter die Steuerbefreiung fallen.2

27 Nach Ansicht der FinVerw. kommt für eine administrative Leistung nach Abschn. 4.8.13

Abs. 19 Nr. 4 Buchst. e bis j UStAE im Fall der Auslagerung auf einen außenstehenden Dritten die Steuerbefreiung nur in Betracht, wenn die Leistung von dem Dritten gemeinsam mit einer der in Abschn. 4.8.13 Abs. 19 Nr. 4 Buchst. a bis d UStAE aufgeführten administrativen Leistung erbracht wird.3 Diese Einschränkung erscheint im Lichte der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache K als zu eng.4 Demnach kommt es für die Steuerbefreiung nicht darauf an, dass eine Verwaltungsleistung vollständig5 ausgelagert ist, sondern allein darauf, dass die ausgelagerte Tätigkeit die spezifischen und wesentlichen Funktionen der Verwaltung von Sondervermögen erfüllt.6 Demnach erscheint eine Kombination aus Leistungen nach Abschn. 4.8.13 Abs. 19 Nr. 4 Buchst. e bis j UStAE mit Leistungen nach Abschn. 4.8.13 Abs. 19 Nr. 4 Buchst. a bis d UStAE nicht zwingend erforderlich zu sein. Erbringt eine KVG, eine Investment-AG, eine Investment-KG oder eine Verwahrstelle Verwaltungsleistungen bezüglich des ihr nach dem KAGB zugewiesenen Investmentvermögens, kann die Steuerbefreiung unabhängig davon in Betracht kommen, ob ggf. nur einzelne Verwaltungsleistungen aus dem vorstehenden Leistungskatalog erbracht werden.7 c) Keine Verwaltungsleistungen im Sinne der Rechtsprechung des EuGH

28 Die Aufgaben der Verwahrstellen von Organismen für gemeinsame Anlagen sowie die rein

materiellen oder technischen Dienstleistungen, wie z.B. die Zurverfügungstellung eines Datenverarbeitungssystems, sind nach der Rspr. des EuGH nicht von der Steuerbefreiung erfasst.8 Diese restriktive Sicht hat der EuGH in der Rechtssache K revidiert. Entscheidend ist, ob eine Dienstleistung die spezifischen Funktionen der Verwaltung von Sondervermögen erfüllt. Wird eine Dienstleistung, wie die Einräumung eines Nutzungsrechts an Software, ausschließlich für die Zwecke der Verwaltung von Sondervermögen und nicht an andere Fonds erbracht, kann sie als spezifisch für diesen Zweck angesehen werden9 und damit von der Steuer befreit sein. Nach Auffassung der FinVerw., die vor dem Hintergrund der Ausführungen des EuGH in der Rechtssache K10 als zu eng erscheint und einer Überarbeitung bedarf, können insbes. folgende Tätigkeiten nicht als Tätigkeiten der Verwaltung von Investmentvermögen angesehen werden und fallen daher nicht unter die Steuerbefreiung, soweit sie nicht Nebenleistungen zu einer steuerfreien Tätigkeit sind:11 – Erstellung von Steuererklärungen – Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Portfolioverwaltung wie allgemeine Rechercheleistungen – sofern diese nicht unselbstständige Nebenleistungen zu Beratungsleistungen mit

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Vgl. Abschn. 4.8.13 Abs. 17 Sätze 6 und 7 UStAE. Abschn. 4.8.13 Abs. 20 Satz 2 UStAE. Abschn. 4.8.13 Abs. 20 Satz 3 UStAE. EuGH v. 17.6.2021 – C-58/20 und C- 59/20 – K, MwStR 2021, 676. EuGH v. 17.6.2021 – C-58/20 und C- 59/20 – K, MwStR 2021, 676 Rz. 36. EuGH v. 17.6.2021 – C-58/20 und C- 59/20 – K, MwStR 2021, 676 Rz. 49. Abschn. 4.8.13 Abs. 20 Satz 4 UStAE. EuGH v. 4.5.2006 – C-169/04 – Abbey National, BStBl. II 2010, 567 Rz. 65, 71. EuGH v. 17.6.2021 – C-58/20 und C- 59/20 – K, MwStR 2021, 676 Rz. 57. EuGH v. 17.6.2021 – C-58/20 und C- 59/20 – K, MwStR 2021, 676. Abschn. 4.8.13 Abs. 21 UStAE.

1098 | Grünwald

B. Die Regelungen im Einzelnen | Rz. 29

konkreten Kauf- oder Verkaufsempfehlungen für Vermögenswerte (z.B. Wertpapiere oder Immobilien) sind –, insbes. – die planmäßige Beobachtung der Wertpapiermärkte – die Beobachtung der Entwicklungen auf den Märkten – das Analysieren der wirtschaftlichen Situation in den verschiedenen Währungszonen, Staaten oder Branchen. – die Prüfung der Gewinnaussichten einzelner Unternehmen – die Aufbereitung der Ergebnisse dieser Analysen – Beratungsleistungen ohne konkrete Kauf- oder Verkaufsempfehlungen – Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Anteilsvertrieb, wie z.B. die Erstellung von Werbematerialien – Tätigkeiten im Zusammenhang mit der tatsächlichen Bewirtschaftung gehaltener Immobilien, insbes. ihre Vermietung, die Verwaltung der bestehenden Mietverhältnisse, die Beauftragung Dritter mit Instandhaltungsmaßnahmen sowie deren Überwachung und Überprüfung.1 Die tatsächliche Bewirtschaftung einer vom Fonds gehaltenen Immobilie ist für die Bewirtschaftung eines Sondervermögens insoweit nicht spezifisch, als sie über die verschiedenen Tätigkeiten hinausgeht, die mit der Anlage der beschafften Gelder auf gemeinsame Rechnung verbunden sind. Soweit die tatsächliche Bewirtschaftung der Immobilien die Erhaltung und Vermehrung des angelegten Vermögens bezweckt, ist ihr Zweck nicht spezifisch für die Tätigkeit eines Fonds, mit dem Sondervermögen verwaltet wird, sondern gilt für jede Anlageart.2 Nicht nach § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG steuerfrei sind nach Auffassung der FinVerw. insbes. alle 29 Leistungen der Verwahrstelle als Verwahr- oder Kontrollstelle gegenüber der KVG. Dies sind insbes. folgende Leistungen:3 – Verwahrung der Vermögensgegenstände des Investmentvermögens; hierzu gehören z.B.: – die Verwahrung der zu einem Investmentvermögen gehörenden Wertpapiere, Einlagenzertifikate und Bargeldbestände in gesperrten Depots und Konten – die Verwahrung von als Sicherheiten für Wertpapiergeschäfte oder Wertpapier-Pensionsgeschäfte verpfändeten Wertpapieren oder abgetretenen Guthaben bei der Verwahrstelle oder unter Kontrolle der Verwahrstelle bei einem geeigneten Kreditinstitut – die Übertragung der Verwahrung von zu einem Investmentvermögen gehörenden Wertpapieren an eine Wertpapiersammelbank oder an eine andere in- oder ausländische Bank – die Unterhaltung von Geschäftsbeziehungen mit Drittverwahrern – Leistungen zur Erfüllung der Zahlstellenfunktion – Einzug und Gutschrift von Zinsen und Dividenden – Mitwirkung an Kapitalmaßnahmen (Corporate Actions) und der Stimmrechtsausübung (Proxy Voting) – Abwicklung des Erwerbs und Verkaufs der Vermögensgegenstände inklusive Abgleich der Geschäftsdaten mit dem Broker (Broker-Matching); hierbei handelt es sich nicht um Verwaltungstätigkeiten, die von der KVG auf die Verwahrstelle übertragen werden könnten, sondern um Tätigkeiten der Verwahrstelle im Rahmen der Verwahrung der Vermögensgegenstände. 1 EuGH v. 9.12.2015 – C-595/13 – Fiscale Eenheid X, MwStR 2016, 109 Rz. 77. 2 EuGH v. 9.12.2015 – C-595/13 – Fiscale Eenheid X, MwStR 2016, 109 Rz. 78. 3 Abschn. 4.8.13 Abs. 22 UStAE. Grünwald | 1099

Rz. 29 | Anhang 5 Umsatzsteuerliche Behandlung der Verwaltung von Investmentvermögen

– Leistungen der Kontrolle und Überwachung, die gewährleisten, dass die Verwaltung des Investmentvermögens nach den entsprechenden gesetzlichen Vorschriften erfolgt, wie insbes. – Kontrolle der Ermittlung und der verbindlichen Feststellung des Anteilspreises – Kontrolle der Ausgabe und Rücknahme von Anteilen – Erstellung aufsichtsrechtlicher Meldungen, z.B. Meldungen, zu denen die Verwahrstelle verpflichtet ist 30 Nicht unter die Steuerbefreiung fallen Leistungen der Vermögensverwaltung mit Wertpapie-

ren, bei der die mit den Leistungen beauftragte Bank aufgrund eigenen Ermessens über den Kauf und Verkauf von Wertpapieren entscheidet und diese Entscheidung durch den Kauf und Verkauf der Wertpapiere vollzieht.1

31 Die Vermittlung von Verwaltungsleistungen ist nicht von der Steuer befreit. Weder der

Wortlaut von Art. 135 Abs. 1 Buchstabe g MwStSystRL noch derjenige von § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG bieten einen Anhaltspunkt dafür, die Steuerbefreiung auf Vermittlungsleistungen auszudehnen.2 Da die Befreiungstatbestände des § 4 Nr. 8 Buchst. a bis g UStG jeweils auch ausdrücklich die Vermittlung der dort genannten Umsätze nennen, ist das Fehlen eines entsprechenden Hinweises in § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG als beredtes Schweigen und damit als ausdrücklicher Ausschluss von Vermittlungsleistungen von der Steuerfreiheit zu verstehen.

III. Leistungsempfänger 1. Vorbemerkung 32 Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL überlässt die Definition der befreiten Sondervermögen

den Mitgliedstaaten. § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG macht hiervon durch Verweisung auf das KAGB Gebrauch und benennt zudem Wagniskapitalfonds und Versorgungseinrichtungen als begünstigte Leistungsempfänger. 2. Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren i.S.d. § 1 Abs. 2 KAGB

33 § 4 Nr. 8 Buchst. h Alt. 1 UStG befreit Organismen für gemeinsame Anlagen von der Steuer.

Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren sind gem. § 1 Abs. 2 KAGB Investmentvermögen, die die Anforderungen der sog. OGAW-Richtlinie3 erfüllen.4 § 1 Abs. 1 KAGB definiert Investmentvermögen als Organismus für gemeinsame Anlagen, der von einer Anzahl von Anlegern Kapital einsammelt, um es gemäß einer festgelegten Anlagestrategie zum Nutzen dieser Anleger zu investieren und der kein operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors ist. Eine Anzahl von Anlegern in diesem Sinne ist gegeben, wenn die Anlagebedingungen, die Satzung oder der Gesellschaftsvertrag des Organismus für gemeinsame Anlagen die Anzahl möglicher Anleger nicht auf einen Anleger begrenzen.

34 Inländische Investmentvermögen sind Investmentvermögen, die dem inländischen Recht

unterliegen (§ 1 Abs. 7 KAGB). EU-Investmentvermögen sind Investmentvermögen, die dem Recht eines anderen Mitgliedstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum

1 EuGH v. 19.7.2012 – C-44/11 – Deutsche Bank, BStBl. II 2012, 945; BFH v. 11.10.2012 – V R 9/10, BStBl. II 2014, 279; Abschn. 4.8.13 Abs. 1 UStAE. 2 Ebenso Wäger in Sölch/Ringleb, UStG, § 4 Nr. 8 Rz. 205 (Stand: Oktober 2021). 3 RL 2009/65/EG v. 13.7.2009, ABl. 2009 Nr. L 302, 1, zuletzt geändert durch RL 2014/91/EU, ABl. EU Nr. L 257, 186. 4 Abschn. 4.8.13 Abs. 2 Satz 1 UStAE.

1100 | Grünwald

B. Die Regelungen im Einzelnen | Rz. 39

unterliegen (§ 1 Abs. 8 KAGB). Ausländische AIF sind AIF, die dem Recht eines Drittstaates unterliegen (§ 1 Abs. 9 KAGB). Zur Auslegung des Begriffs des Investmentvermögens kann auf die aufsichtsrechtlichen Ver- 35 waltungsverlautbarungen, insbes. auf das Schreiben der BaFin v. 14.6.2013, zurückgegriffen werden. Hinsichtlich der von den FinBeh. zu beurteilenden Rechtsfrage, ob ein Investmentfonds vorliegt, besteht jedoch keine Bindung an die aufsichtsrechtliche Entscheidung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 KAGB zum Vorliegen eines Investmentvermögens.1 Hat der Investmentfonds die Organisationsform einer Investment-AG mit veränderlichem 36 Kapital i.S.d. §§ 108 bis 123 KAGB oder einer offenen Investment-KG i.S.d. §§ 124 bis 138 KAGB, ist der Anleger Aktionär bzw. Gesellschafter. Wurde keine separate schuldrechtliche Vereinbarung über die Erbringung einer besonderen Verwaltungsleistung getroffen, liegt insofern kein Leistungsaustausch zwischen der Investmentgesellschaft und ihren Aktionären bzw. Gesellschaftern vor (s. Rz. 18). Sondervermögen sind gem. § 1 Abs. 10 KAGB inländische offene Investmentvermögen in Vertragsform, die von einer Verwaltungsgesellschaft für Rechnung der Anleger nach Maßgabe dieses Gesetzes und den Anlagebedingungen, nach denen sich das Rechtsverhältnis der Verwaltungsgesellschaft zu den Anlegern bestimmt, verwaltet werden. Es sei darauf hingewiesen, dass im registrierten Bereich der Rechtsformenzwang nicht gilt. Offene inländische Investmentvermögen dürfen unter den Voraussetzungen des § 91 KAGB 37 in Form eines Sondervermögens, einer Investment-AG mit veränderlichem Kapital oder einer offenen Investment-KG gebildet werden. Geschlossene inländische Investmentvermögen dürfen nach § 139 KAGB als Investment-AG mit fixem Kapital oder als geschlossene InvestmentKG aufgelegt werden.2 Ein Investmentvermögen liegt mangels wirtschaftlich oder rechtlich von den Anlegern ver- 38 selbstständigten Vermögens nicht vor, wenn die Vermögensgegenstände den Anlegern des Investmentvehikels zuzurechnen sind. Insbesondere Vermögensverwaltungsmandate (sog. managed accounts), bei denen einem Vermögensverwalter lediglich eine Verfügungsmacht an dem Vermögen eingeräumt wird, die Eigentumsposition der Anleger jedoch unverändert bleibt, stellen keine Investmentvermögen dar. Von einem Investmentvermögen ist dagegen auszugehen, wenn die Vermögensgegenstände nach § 92 Abs. 1 KAGB oder einer vergleichbaren ausländischen Vorschrift im Miteigentum der Anleger stehen.3 Kein verselbstständigter Organismus für gemeinsame Anlagen liegt vor, wenn das vom Anleger hingegebene Kapital ohne wirtschaftliche oder rechtliche Trennung Vermögen einer dritten Person wird, die mit dem Kapital eigene wirtschaftliche Interessen verfolgen kann.4 Interne Fonds i.S.d. § 124 Abs. 2 Satz 2 VAG stellen keine rechtlich verselbstständigten Organismen und damit keine Investmentfonds nach § 1 Abs. 2 Satz 1 InvStG dar.5 3. Mit diesen vergleichbare alternative Investmentfonds i.S.d. § 1 Abs. 3 KAGB a) Definition § 4 Nr. 8 Buchst. h Alt. 2 UStG befreit die Verwaltung von mit Organismen für gemeinsame 39 Anlagen in Wertpapieren vergleichbaren alternativen Investmentfonds i.S.d. § 1 Abs. 3 KAGB (AIF) von der Steuer und folgt damit der Rspr. des EuGH. Dieser hat entschieden, dass als

1 2 3 4 5

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 1.2. Abschn. 4.8.13 Abs. 3 UStAE. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 1.3. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 1.4. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 1.5. Grünwald | 1101

Rz. 39 | Anhang 5 Umsatzsteuerliche Behandlung der Verwaltung von Investmentvermögen

Sondervermögen neben den OGAW auch Fonds anzusehen sind, die zwar keine Organismen für gemeinsame Anlage i.S.d. OGAW-Richtlinie darstellen, jedoch dieselben Merkmale aufweisen wie diese und somit dieselben Umsätze tätigen oder diesen zumindest soweit ähnlich sind, dass sie mit ihnen im Wettbewerb stehen.1 40 Unter den Begriff AIF fallen alle geschlossenen Investmentvermögen und alle offenen Invest-

mentvermögen, die nicht als OGAW gelten.2 Nach § 91 KAGB dürfen offene inländische Investmentvermögen nur als Sondervermögen gemäß den Vorschriften der §§ 92 ff. KAGB oder als Investment-AG mit veränderlichem Kapital gemäß den Vorschriften der §§ 108 ff. KAGB aufgelegt werden. Nach Abschn. 4.8.13 Abs. 9 UStAE sind geschlossene Investmentvermögen begünstigt, soweit solche geschlossenen Investmentvermögen die Kriterien nach Abschn. 4.8.13 Abs. 8 Satz 4 UStAE erfüllen.3 Geschlossene inländische Investmentvermögen dürfen unter den Voraussetzungen des § 139 KAGB nur als Investment-AG mit fixem Kapital oder als geschlossene Investment-KG aufgelegt werden.4 Von der Steuerbefreiung sind sowohl inländische Investmentvermögen i.S.d. § 1 Abs. 7 KAGB, EU-Investmentvermögen i.S.d. § 1 Abs. 7 KAGB als auch ausländische AIF i.S.d. § 1 Abs. 7 KAGB umfasst.5 b) Tatbestandsmerkmal „vergleichbar“ aa) Vorbemerkung

41 Das Tatbestandsmerkmal „vergleichbar“ hat der Gesetzgeber unglücklich gewählt. Ohne Be-

nennung des Kriteriums, im Hinblick auf das die Vergleichbarkeit zu beurteilen ist, läuft das Tatbestandsmerkmal leer, da Dinge miteinander verglichen werden können, deren Vergleich kein sinnvolles Resultat liefert. Dies zeigt der Vergleich der sprichwörtlichen Äpfel und Birnen. Vergleichbar meint daher eine Ähnlichkeit im Hinblick auf umsatzsteuerrechtlich bedeutsame Kriterien. Ein Prinzip der harmonisierten europäischen Mehrwertsteuer ist die Neutralität. Waren und Dienstleistungen, die ähnlich oder – mit den Worten des Gesetzgebers – vergleichbar sind, sollen nicht unterschiedlich besteuert werden, da sonst die Steuer sich nicht neutral verhalten, sondern den Wettbewerb dieser Leistungen auf dem Markt beeinflussen könnte. Vergleichbar als das die Neutralität sicherstellende Tatbestandsmerkmal beschreibt daher Leistungen, die sich unter ähnlichen Rahmenbedingungen an denselben potenziellen Abnehmerkreis richten. Der EuGH hat in der Rechtssache Fiscale Eenheid diese Rahmenbedingungen skizziert und die Kriterien benannt, die den Bezug für den vom Gesetzgeber insinuierten Vergleich liefern. Damit Gesellschaften als begünstigtes Sondervermögen i.S.d. MwStSystRL angesehen werden können, müssen sie dieselben Merkmale aufweisen, wie die in der OGAW-Richtlinie definierten Organismen für gemeinsame Anlagen und dieselben Umsätze tätigen oder diesen zumindest soweit ähnlich sein, dass sie mit ihnen im Wettbewerb stehen.6

42 Vergleichbarkeit liegt nach der Rspr. des EuGH7 vor,

– wenn Anlagevermögen einer besonderen staatlichen Aufsicht unterstehen, – gleichen Wettbewerbsbedingungen unterliegen – gleichen Anlegerkreis ansprechen 1 2 3 4

EuGH v. 9.12.2015 – C-595/13 – Fiscale Eenheid X, MwStR 2016, 109 Rz. 37. Abschn. 4.8.13 Abs. 2 Satz 3 UStAE. Jacobs/Stabenow, UR 2018, 75 (76); Hahne, BB 2018, 39. Huschens in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 4 Nr. 8 Rz. 117.4 (Stand: August 2017); Abschn. 4.8.13 Abs. 9 Satz 2 UStAE. 5 Huschens in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 4 Nr. 8 Rz. 118 (Stand: August 2017). 6 EuGH v. 9.12.2015 – C-595/13 – Fiscale Eenheid X, MwStR 2016, 109 Rz. 39. 7 EuGH v. 9.12.2015 – C-595/13 – Fiscale Eenheid X, MwStR 2016, 106 Rz. 48–52.

1102 | Grünwald

B. Die Regelungen im Einzelnen | Rz. 43

– wenn bestimmte Personen Anteilsrechte an einem solchen Fonds gekauft haben, – wenn der Ertrag dieser Anlage von den Ergebnissen der Anlagen abhängt, die die Verwalter des Fonds im Laufe des Zeitraums, in dem die betreffenden Personen diese Anteilsrechte innehaben, getätigt haben, und – wenn die Anteilsinhaber Anrecht auf die Gewinne haben oder – das Risiko im Zusammenhang mit der Verwaltung des Fonds tragen. Nach Auffassung der FinVerw. setzt die Vergleichbarkeit mit OGAW insbes. folgende kumulativ zu erfüllende Kriterien voraus:1 – Die AIF unterliegen einer vergleichbaren besonderen staatlichen Aufsicht. AIF, die gemäß KAGB reguliert sind, unterliegen grds. dieser vergleichbaren Aufsicht.2 – Die AIF sprechen denselben Anlegerkreis an.3 – Die AIF unterliegen den gleichen Wettbewerbsbedingungen (unterliegen vergleichbaren Pflichten und Kontrollen).4 – Die AIF haben Anteilsrechte an mehrere Anleger ausgegeben.5 – Der Ertrag der Anlage hängt von den Ergebnissen der Anlage ab, die die Verwalter im Laufe des Zeitraums, in dem die Anteilsinhaber diese Anteilsrechte innehaben, getätigt haben.6 – Die Anteilsinhaber haben Anrecht auf die vom AIF erzielten Gewinne und auf den Gewinn infolge einer Wertsteigerung ihres Anteils und tragen das Risiko, das mit der Verwaltung des darin gesammelten Vermögens einhergeht.7 – Die Anlage des gesammelten Vermögens erfolgt nach dem Grundsatz der Risikomischung zum Zwecke der Risikostreuung. Der Grundsatz gilt regelmäßig als erfüllt, wenn das Vermögen in mindestens drei Vermögensgegenständen mit unterschiedlichen Anlagerisiken angelegt ist. Hierbei sind die Anlagenfristen des KAGB zu beachten.8 Nach Ansicht der FinVerw. müssen diese Kriterien kumulativ9 vorliegen. Dies erscheint ange- 43 sichts des vom Gesetzgeber verwendeten Begriffs der „Vergleichbarkeit“ zweifelhaft. Ein AIF, der alle sieben vorgenannten Kriterien erfüllt, ist einem OGAW ähnlicher als ein solcher, der lediglich fünf oder sechs der Kriterien erfüllt. Gleichwohl ist der Letztgenannte einem OGAW bei einer Übereinstimmung hinsichtlich mehrerer Kriterien nicht unähnlich bzw. vergleichbar. Sachgerechter erscheint es, eine Gesamtschau vorzunehmen und auf deren Grundlage über eine Ähnlichkeit respektive Vergleichbarkeit zu befinden. Jacobs/Stabenow ist daher darin zuzustimmen, dass im Einzelfall ein AIF, der nicht sämtliche der vorgenannten Kriterien erfüllt, i.Ü. aber als Ergebnis einer Gesamtschau aller Umstände des Einzelfalls als einem OGAW vergleichbar erscheint, als begünstigtes Investmentvermögen einzuordnen sein kann. Als Beleg für diese These sei Abschn. 4.8.13 Abs. 9 UStAE angeführt. Dort werden ausdrücklich offene Spezial-AIF mit festen Anlagebedingungen gem. § 284 KAGB genannt, die unabhängig von

1 EuGH v. 9.12.2015 – C-595/13 – Fiscale Eenheid X, MwStR 2016, 106 Rz. 52, 63, 64; Abschn. 4.8.13 Abs. 8 Satz 4 UStAE; BT-Drucks. 18/8045, 141. 2 Abschn. 4.8.13 Abs. 8 Satz 4 Nr. 1 UStAE. 3 Vgl. EuGH v. 4.5.2006 – C-169/04 – Abbey National, BStBl. II 2010, 567; v. 28.6.2007 – C-363/05 – JP Morgan Fleming Claverhouse Investment Trust und The Association of Investment Trust Companies, BStBl. II 2010, 573; Abschn. 4.8.13 Abs. 8 Satz 4 Nr. 2 UStAE. 4 Abschn. 4.8.13 Abs. 8 Satz 4 Nr. 3 UStAE. 5 Abschn. 4.8.13 Abs. 8 Satz 4 Nr. 4 UStAE. 6 Abschn. 4.8.13 Abs. 8 Satz 4 Nr. 5 UStAE. 7 Abschn. 4.8.13 Abs. 8 Satz 4 Nr. 6 UStAE. 8 Abschn. 4.8.13 Abs. 8 Satz 4 Nr. 7 UStAE. 9 Abschn. 4.8.13 Abs. 8 Satz 4 UStAE; krit. Hahne, BB 2018, 39. Grünwald | 1103

Rz. 43 | Anhang 5 Umsatzsteuerliche Behandlung der Verwaltung von Investmentvermögen

den Kriterien gleicher Anlegerkreis, gleiche Wettbewerbsbedingungen und Ausgabe von Anteilsrechten an mehrere Anleger begünstigtes Investmentvermögen darstellen können.1 Das Element der staatlichen Aufsicht erscheint angesichts des Gewichts, das ihm der EuGH in der Begründung seiner Entscheidung einräumt, unverzichtbar.2 Die Verwendung des Begriffs „insbesondere“ durch die FinVerw.3 schließt demgegenüber nicht aus, dass seitens der FinVerw. im Einzelfall weitere Kriterien gefordert werden. Allerdings lässt sich dem UStAE nicht entnehmen, welche Kriterien insoweit in Betracht kommen. Wäger hält es für denkbar, nur offene Publikuminvestmentvermögen als mit den OGAW vergleichbar anzusehen, da es sich bei den OGAW um offene Publikumsinvestmentvermögen handelt. Maßgeblich komme es auf die Möglichkeit der Anteilsrückgabe und den Anlegerkreis an.4 Er nennt gute Gründe für die von ihm vorgenommene Differenzierung. Es bestehen jedoch Zweifel, ob sich diese mit dem Wortlaut des Gesetzes und der Rspr. des EuGH begründen lassen. Dies gilt insbes. für das Erfordernis der Möglichkeit der Anteilsrückgabe. 44 Der Gesetzgeber5 und das BMF gehen davon aus, dass „im Übrigen“ der Umfang der nach

bisherigem Recht begünstigten Investmentvermögen unverändert aufrechterhalten bleibt. Das Tatbestandsmerkmal „vergleichbar“ kann daher nicht zur Einschränkung der Umsatzsteuerbefreiung führen. Jacobs/Stabenow weisen darauf hin, dass dies insbes. für Fonds nach §§ 282 f. KAGB relevant sei, die den Anforderungen des bisherigen § 1 Abs. 1b Satz 2 InvStG entsprochen haben oder unter das sog. „Grandfathering“ des bisherigen § 22 Abs. 2 InvStG gefallen sind.6 Es bestehen Zweifel, ob die Rspr. des EuGH dahingehend verstanden werden darf, dass dieser einen Kriterienkatalog aufstellen wollte, der zur Bejahung der Vergleichbarkeit mit jeweils positivem Ergebnis abzuprüfen wäre. Blanke/Kretschmann weisen mit guten Gründen darauf hin, dass der EuGH die verschiedenen Kriterien eher als Elemente einer zusammenhängenden „Typusprüfung“ erscheinen lässt, bei der abhängig vom jeweiligen Einzelfall das Gewicht einmal auf dem einen, ein andermal auf dem anderen Aspekt zu liegen scheint.7 bb) Vergleichbare besondere staatliche Aufsicht

45 Nur Anlagevermögen, die besonderer staatlicher Aufsicht unterstehen, können nach Ansicht

des EuGH den gleichen Wettbewerbsbedingungen unterliegen und den gleichen Anlegerkreis ansprechen.8 Es stellt sich daher die Frage, ob die Vergleichbarkeit in diesem Sinne bereits vorliegt, wenn der AIF überhaupt einer staatlichen Aufsicht unterliegt, oder ob diese staatliche Aufsicht ähnlich bzw. vergleichbar ausgestaltet sein muss. Die Entscheidung in der Rechtssache Fiscale Eenheid enthält hierzu keine weiteren Ausführungen. Eine Anlage, die ausschließlich in Immobilien besteht und nicht den Aufsichtsregeln des im Jahr 1996 geltenden Unionsrechts, d.h. der OGAW-RL, unterliegt, kann nur dann ein Sondervermögen i.S.v. Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten RL darstellen, wenn das nationale Recht eine besondere staatliche Aufsicht für ein solches Vermögen vorsieht.9 Konkrete Anforderungen an Art und Umfang der staatlichen Aufsicht stellt der Gerichtshof nicht. Darauf weisen Mühlenkamp/ Schott/Strauß ausdrücklich hin.10 Daher könne bereits beim Vorliegen einer bloßen Manager-

1 Jacobs/Stabenow, UR 2018, 75 (76). 2 EuGH v. 9.12.2015 – C-595/13 – Fiscale Eenheid X, MwStR 2016, 109 Ls. und Rz. 60 ff.; ebenso Jacobs/Stabenow, UR 2018, 75 (77). 3 Vgl. Abschn. 4.8.13 Abs. 8 Satz 4 UStAE. 4 Wäger in Sölch Ringleb, UStG, § 4 Nr. 8 Rz. 236 ff. (Stand: Oktober 2021). 5 BT-Drucks. 18/8045, 141. 6 Jacobs/Stabenow, UR 2018, 75 (76). 7 Blanke/Kretzschmann, RdF 2018, 312 (316). 8 EuGH v. 9.12.2015 – C-595/13 – Fiscale Eenheid X, MwStR 2016, 109 Rz. 48. 9 EuGH v. 9.12.2015 – C-595/13 – Fiscale Eenheid X, MwStR 2016, 109 Rz. 49. 10 Mühlenkamp/Schott/Strauß, MwStR 2016, 408 (411).

1104 | Grünwald

B. Die Regelungen im Einzelnen | Rz. 49

regulierung von einer staatlichen Aufsicht im Sinne dieser Rspr. ausgegangen werden. Hierfür spreche auch die Bezugnahme des EuGH auf die AIFM-RL, die im Gegensatz zur OGAW-RL nicht die Produktregulierung, sondern im Kern die Managerregulierung in den Fokus stelle.1 Nach Auffassung von Kempf/Kenk2 sei offen, ob eine Aufsicht auch dann gegeben ist, wenn 46 ein Fonds von einer lediglich registrierten KVG i.S.d. § 44 KAGB extern oder intern verwaltet wird. Denn solche kleinen KVG unterliegen zwar bestimmten Registrierungs- und Meldepflichten. Mangels laufender Aufsicht seien sie jedoch nur eingeschränkt mit lizenzierten OGAW-Verwaltungsgesellschaften vergleichbar. Diese Zweifel scheint die FinVerw. nicht zu teilen. AIF, die gemäß KAGB reguliert sind, unterliegen – so die FinVerw. – grds. dieser vergleichbaren Aufsicht.3 Bei den Vorschriften des § 44 KAGB handelt es sich um eine Regulierung in diesem Sinne. Jacobs/Stabenow hegen Zweifel, ob der EuGH dem Kriterium der staatlichen Aufsicht künftig hohen Stellenwert einräumen wird. Für die Einordnung einer Rentenkasse als Sondervermögen i.S.d. Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL sei es dem Gericht auf die staatliche Aufsicht in der Rechtssache ATP4 nicht angekommen. Aus der Rspr. des EuGH lasse sich nicht ableiten, dass mit dem Begriff der staatlichen Aufsicht eine dem KAGB vergleichbare Aufsicht gemeint sei. In der Rechtssache JP Morgan Fleming Claverhouse5 habe der EuGH auch eine Börsenaufsicht für ausreichend erachtet.6 Zu Art und Umfang der staatlichen Aufsicht, die diese als vergleichbar erscheinen lasse, äu- 47 ßert sich die FinVerw., soweit erkennbar, bislang nur im Schreiben v. 13.12.2017. Demnach könne sich eine vergleichbare staatliche Aufsicht aus der AIFM-RL7 oder aus nationalem Recht (KAGB) ergeben, durch das AIF einer speziellen aufsichtsrechtlichen Regelung unterliegen.8 Nach Ansicht des BFH genügt die allgemeine Aufsicht durch die BaFin nicht der vom EuGH 48 in der Rechtssache Fiscale Eenheid geforderten besonderen Aufsicht.9 cc) Derselbe Anlegerkreis AIF sind nach Ansicht der FinVerw. begünstigt, wenn sie denselben Anlegerkreis ansprechen. 49 Unter Hinweis auf die Urteile des EuGH in den Rechtssachen Abbey National10 und JP Morgan Fleming Claverhouse11 nennt der UStAE in einem Klammerzusatz ausdrücklich den Kleinanleger.12 Diese Fokussierung auf den Kleinanleger wird zu Recht kritisiert. Zwar sei es nach Auffassung des EuGH das Ziel der Steuerbefreiung, Kleinanlegern die Geldanlage in Investmentfonds zu erleichtern. Daraus folge jedoch nicht zwingend, dass damit AIF, deren Anteile institutionelle Anleger halten, nicht zum Kreis der begünstigten Investmentvermögen zählen. Denn zum einen könnten Anteile an OGAW Klein- wie Großanleger halten, zum anderen können institutionelle Investoren wie Versorgungswerke und Pensionskassen sich auch an Spezialfonds beteiligen und Kleinanleger mittelbar am Anlageerfolg des Fonds partizipieren lassen. Schließlich seien die Grenzen zwischen Groß- und Kleinanleger fließend. Blank/

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Kempf/Kenk, MwStR 2016, 109 (116); ebenso Mühlenkamp/Schott/Strauß, MwStR 2016, 408 (411). Kempf/Kenk, MwStR 2016, 109 (116). Abschn. 4.8.13 Abs. 8 Satz 4 Nr. 1 Satz 2 UStAE. EuGH v. 13.3.2014 – C-464/12 – ATP, MwStR 2014, 294. EuGH v. 28.6.2007 – C-363/05 – JP Morgan Fleming Claverhouse, UR 2007, 727. Jacobs/Stabenow, UR 2018, 75 (77). RL 2011/61/EU v. 8.6.2011, ABl. EU 2011 Nr. L 174, 1. BMF v. 13.12.2017 – III C 3 - S 7160 - h/16/10001, BStBl. I 2018, 72. BFH v. 5.9.2019 – V R 2/16, BStBl. II 2020, 109 Rz. 111. EuGH v. 4.5.2006 – C-169/04 – Abbey National, BStBl. II 2010, 567. EuGH v. 28.6.2007 – C-363/05 – JP Morgan Fleming Claverhouse, UR 2007, 727. Abschn. 4.8.13 Abs. 8 Satz 4 Nr. 2 UStAE. Grünwald | 1105

Rz. 49 | Anhang 5 Umsatzsteuerliche Behandlung der Verwaltung von Investmentvermögen

Kretzschmann1 weisen darauf hin, dass der Begriff des „Kleinanlegers“ in der Terminologie des europäischen Aufsichtsrechts insbes. auch semiprofessionelle Anleger umfasst. Dies sind nach § 1 Abs. 19 Nr. 33 KAGB etwa Anleger, die sich verpflichten, mindestens 200.000 Euro zu investieren, und über Sachverstand, Erfahrungen und Kenntnisse hinsichtlich einer derartigen Investition verfügen. Das Anlegerkriterium sei daher als Unterscheidungskriterium zwischen begünstigten und nicht begünstigten Fonds nicht geeignet.2 50 Spezial-AIF sprechen nicht denselben Anlegerkreis an, da deren Anteile nach § 1 Abs. 6

KAGB nur von professionellen und semiprofessionellen Anlegern erworben werden. Dessen ungeachtet nennt Abschn. 4.8.13 Abs. 9 UStAE ausdrücklich offene Spezial-AIF mit festen Anlagebedingungen gem. § 284 KAGB und relativiert den o.g. Hinweis auf Kleinanleger als Kriterium für die Beurteilung der Ähnlichkeit respektive Vergleichbarkeit. Jacobs/Stabenow3 weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die FinVerw. für die Vergleichbarkeit mit OGAW „insbesondere“ das Vorliegen der genannten Kriterien voraussetze. Damit werde der Regelbeispielcharakter der Vergleichskriterien hervorgehoben. Demgegenüber vertritt Wäger4 den Standpunkt, dass unter der Voraussetzung, dass der EuGH daran festhält, dass die Steuerfreiheit dazu dient, Kleinanlegern die Geldanlage zu erleichtern, die für die Steuerfreiheit erforderliche Vergleichbarkeit von OGAW und Spezial-AIF zu verneinen sei. Das gleiche gelte für Spezialinvestment-AG und allgemein bei der offenen Investment-KG. Allerdings könne die Versagung der Steuerfreiheit auf geschlossene Spezial-AIF beschränkt werden, wenn man davon ausgehe, dass die vom EuGH und vom historischen Gesetzgeber des nationalen Rechts übernommenen Kriterien nicht als kumulativ zu erfüllen ansehe.5 dd) Gleiche Wettbewerbsbedingungen

51 Nach der Rspr. des EuGH sind als steuerbefreite Sondervermögen zum einen Anlagen anzuse-

hen, die unter die OGAW-Richtlinie fallen und in diesem Rahmen einer besonderen staatlichen Aufsicht unterliegen, und zum anderen Fonds, die zwar keine OGAW im Sinne dieser Richtlinie darstellen, jedoch dieselben Merkmale aufweise wie diese und somit dieselben Umsätze tätigen oder diesen so weit ähnlich sind, dass sie mit ihnen im Wettbewerb stehen.6 Die Anwendung der oben genannten Kriterien auf AIF führt dazu, dass nur solche AIF die Voraussetzungen erfüllen, die miteinander im Wettbewerb stehen. Es ist daher nicht erkennbar, welcher Regelungsbereich für dieses Kriterium verbleibt.7 Dies gilt umso mehr, als der Klammerzusatz in Abschn. 4.8.13 Abs. 8 Satz 4 Nr. 3 UStAE („unterliegen vergleichbaren Pflichten und Kontrollen“) auf Abschn. 4.8.13 Abs. 8 Satz 4 Nr. 1 UStAE verweist.

52 Für OGAW und AIF gilt zwar in Abhängigkeit von der jeweiligen Form ein im KAGB geregel-

tes Sonderrecht. Im Ergebnis haben sich die Wettbewerbsbedingungen jedoch weit angenähert, sodass sie im Ergebnis vergleichbar sind.8

53 Hahne stellt infrage, ob diese Unterscheidung für Anleger so bedeutsam ist, dass offene und

geschlossene AIF nicht in unmittelbarem Wettbewerb miteinander stehen.9 Berücksichtige man, dass die Anteile an geschlossenen Fonds grds. – unter bestimmten Anforderungen – ebenso wie Anteile an einem offenen Fonds an Dritte übertragbar sind und dass die Rück1 2 3 4 5 6 7 8 9

Blank/Kretzschmann, RdF 2018, 312. Jacobs/Stabenow, UR 2018, 75 (78). Jacobs/Stabenow, UR 2018, 75 (76). Wäger in Sölch/Ringleb, UStG, § 4 Nr. 8 Anm. 242 (Stand: September 2019). Wäger in Sölch/Ringleb, UStG, § 4 Nr. 8 Anm. 245 (Stand: September 2019). EuGH v. 9.12.2015 – C-595/13 – Fiscale Eenheid X, MwStR 2016, 106 Rz. 47. Jacobs/Stabenow, UR 2018, 75 (78). Mühlenkamp/Schott/Strauß, MwStR 2016, 408 (412). Hahne, MwStR 2017, 604 (607).

1106 | Grünwald

B. Die Regelungen im Einzelnen | Rz. 58

gabemöglichkeit der Anleger in offenen Fonds in Krisenzeiten ausgesetzt werden kann, hätten Investoren im Ergebnis wirtschaftlich vergleichbare Möglichkeiten des Ausstiegs aus ihrem Investment. Dem Kriterium „gleiche Wettbewerbsbedingungen“ kommt kein eigener Regelungsbereich zu. 54 Ähneln sich OGAW und AIF gemessen an den anderen Kriterien, so sind sie vergleichbar und stehen miteinander in Wettbewerb.1 ee) Mehrere Anleger Eine Anzahl von Anlegern ist gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 KAGB gegeben, wenn die Anlagebedin- 55 gungen, die Satzung oder der Gesellschaftsvertrag des Organismus für gemeinsame Anlagen die Anzahl möglicher Anleger nicht auf einen Anleger begrenzen.2 Dies ist sowohl bei AIF wie bei OGAW der Fall, sodass diese insoweit vergleichbar sind.3 Auch bei diesem Erfordernis bestehen Zweifel, ob es sich hierbei um ein eigenes Abgrenzungskriterium handelt.4 Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 InvStG können auch Organismen für gemeinsame Anlagen, de- 56 ren mögliche Anlegerzahl auf eine Person begrenzt ist, als Investmentfonds gelten. Dies setzt voraus, dass der Organismus mit Ausnahme der Beschränkung der möglichen Anzahl der Anleger (§ 1 Abs. 1 Satz 2 KAGB) sämtliche weiteren Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 KAGB erfüllt.5 ff) Abhängigkeit des Ertrags von den Ergebnissen der Anlage – Teilhabe an Chancen und Risiken Eine gemeinsame Anlage i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB liegt nur dann vor, wenn die Anleger 57 an den Chancen und Risiken des Organismus beteiligt werden. Die Anleger nehmen an den Gewinnen und Verlusten der Anlage teil. Der Anlageertrag hängt von den Ergebnissen der Anlage ab. Diese Voraussetzungen sollten bei einem AIF stets erfüllt sein.6 gg) Grundsatz der Risikomischung – Risikostreuung Der Grundsatz der Risikomischung zum Zwecke der Risikostreuung gilt nach Auffassung der 58 FinVerw. regelmäßig als erfüllt, wenn das Vermögen in mindestens drei Vermögensgegenständen mit unterschiedlichen Anlagerisiken angelegt ist.7 Unklar ist, was mit dem Hinweis in Abschn. 4.8.13 Abs. 8 Satz 4 Nr. 7 Satz 3 UStAE auf die Anlagenfristen des KAGB gemeint ist. Jacobs/Stabenow vermuten, dass stattdessen Anlagegrenzen gemeint sein könnten. Es wäre problematisch, wenn wegen eines Verstoßes gegen gesetzliche Anlagegrenze die Umsatzsteuerbefreiung versagt werden würde.8 Es liege nahe, dass das BMF den Grundsatz der Risikomischung für umsatzsteuerrechtliche Zwecke wie die BaFin verstanden wissen möchte. Offene und geschlossene Publikums-AIF seien bereits nach § 214 Satz 1, § 262 Abs. 1 Sätze 1 und 2 KAGB und offene Spezial-AIF nach § 282 Abs. 1 KAGB dem Grundsatz der Risikomischung verpflichtet. Für Investment-AG und Investment-KG gelte dies ebenfalls generell nach § 110 Abs. 2 Satz 1, § 125 Abs. 2 Satz 1 KAGB. Sofern das KAGB selbst wie in § 262 Abs. 2 oder

1 2 3 4 5 6 7 8

Ebenso Jacobs/Stabenow, UR 2018, 75 (78). Abschn. 4.8.13 Abs. 2 Satz 5 UStAE. Mühlenkamp/Schott/Strauß, MwStR 2016, 408 (412). Hahne, MwStR 2017, 604 (608); Jacobs/Stabenow, UR 2018, 75 (78). BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 1.6. Jacobs/Stabenow, UR 2018, 75 (78). Abschn. 4.8.13 Abs. 8 Nr. 7 UStAE. Jacobs/Stabenow, UR 2018, 75 (78). Grünwald | 1107

Rz. 58 | Anhang 5 Umsatzsteuerliche Behandlung der Verwaltung von Investmentvermögen

§ 285 einen AIF nicht zur Einhaltung des Grundsatzes der Risikomischung verpflichtet, erscheine es fraglich, ob ein solcher Fonds allein deswegen seine Eigenschaft als Sondervermögen i.S.d. Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL verliert, da er bereits europarechtlich harmonisiert sei.1 Das Erfordernis der Risikomischung bzw. -streuung beruht auf der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Fiscale Eenheid2 und erscheint daher als sachgerechte Umsetzung der Kriterien des EuGH i.R.d. Neufassung der deutschen Vorschrift. c) Spezial-Investmentvermögen 59 Spezial-Investmentfonds können ein begünstigtes Investmentvermögen darstellen.3 Offene in-

ländische Spezial-AIF mit festen Anlagebedingungen i.S.d. § 284 KAGB sowie vergleichbare EU-Investmentvermögen und ausländische AIF können begünstigte Investmentvermögen darstellen. Dies gilt nach Auffassung der FinVerw. auch dann, wenn sie die Kriterien des Abschn. 4.8.13 Abs. 8 Satz 4 UStAE nicht erfüllen.4 Dadurch werde sichergestellt, dass keine Verschlechterung des umsatzsteuerlichen status quo bei den betroffenen StPfl. eintritt.5 Es bestehen Zweifel, ob die Rechtsauffassung der FinVerw. den Vorgaben der EuGH-Rspr. und insbes. dem Neutralitätsgebot der MwStSystRL hinreichend Rechnung trägt. Insbesondere das Verständnis der FinVerw., wonach es sich bei den vom EuGH genannten Vergleichbarkeitskriterien um einen Katalog kumulativ zu erfüllender Voraussetzungen handelt, überzeugt nicht. Insoweit sei auf die Ausführungen unter Rz. 42 bis 44 verwiesen. 4. Wagniskapitalfonds

60 § 4 Nr. 8 Buchst. h Alt. 3 UStG befreit die Verwaltung von Wagniskapitalfonds von der Steuer.

Mit Wirkung zum 1.7.2021 ist das Fondsstandortgesetz6 in Kraft getreten. Ziel des Gesetzes ist es, die Attraktivität Deutschlands als Fondsstandort zu stärken. Durch dieses Gesetz wurde § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG dahingehend ergänzt, dass nunmehr auch die Verwaltung von Wagniskapitalfonds von der Steuer befreit ist. Die Gesetzesbegründung nennt als unionsrechtliche Grundlage für die Steuerbefreiung für Managementleistungen von Sondervermögen Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL. Die Umsatzbesteuerung der Managementleistungen bei der Verwaltung von Wagniskapitalfonds in Deutschland habe sich als entscheidender Standortnachteil gegenüber anderen europäischen Standorten herausgestellt. Daher wird die Umsatzsteuerbefreiung für die Verwaltung von Sondervermögen auf die Verwaltung von Wagniskapitalfonds ausgedehnt.7 Der Gesetzgeber hat es – bewusst – versäumt, den Begriff des Wagniskapitalfonds zu definieren. Dadurch bleibt eine große Unsicherheit hinsichtlich des Umfangs der Steuerbefreiung.

61 In der Rechtssache Fiscale Eenheid hat der EuGH den Rahmen bestimmt, innerhalb dessen

der nationale Gesetzgeber den Kreis der Begünstigten festlegen kann. Demnach ist die dem nationalen Gesetzgeber übertragene Definitionsbefugnis durch das Verbot begrenzt, der vom Unionsgesetzgeber verwendeten Formulierung der Befreiungsvorschrift zuwiderzuhandeln. Zudem sind bei der den Mitgliedstaaten eingeräumten Befugnis, den Begriff „Sondervermögen“ zu definieren, auch die in der MwStSystRL verfolgten Ziele sowie der dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem innewohnende Grundsatz der steuerlichen Neutralität zu be1 2 3 4 5 6 7

Jacobs/Stabenow, UR 2018, 75 (79). EuGH v. 9.12.2015 – C-595/13 – Fiscale Eenheid X, MwStR 2016, 106. Huschens in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 4 Nr. 8 Buchst. h Rz. 118 (Stand: August 2017). Abschn. 4.8.13 Abs. 9 Satz 1 UStAE. Hahne, BB 2018, 39. G v. 3.6.2021, BGBl. I 2021, 1498. Vgl. Referentenentwurf zum FoStoG v. 1.12.2020 zu Art. 4 UStG, 115.

1108 | Grünwald

B. Die Regelungen im Einzelnen | Rz. 62

achten.1 Nach der Rspr. des EuGH sind neben den Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren i.S.d. OGAW-RL auch Fonds als Sondervermögen anzusehen, die dieselben Merkmale wie diese aufweisen oder diesen so ähnlich sind, dass sie mit ihnen im Wettbewerb stehen.2 Welche Überlegungen der Gesetzgeber sich bei der Erweiterung der Steuerbefreiungen auf Wagniskapitalfonds im Hinblick auf die vom EuGH aufgestellten Kriterien angestellt hat, bleibt im Dunkeln. Die Gesetzesbegründung ist denkbar knapp. Wagniskapitalfonds werden durch die gesetzliche Formulierung als Sondervermögen i.S.d. Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL definiert. Der Hinweis auf den Standortnachteil durch die Umsatzbesteuerung der Managementleistungen bei der Verwaltung von Wagniskapitalfonds kann als Hinweis auf den zu beachtenden Grundsatz der Neutralität3 verstanden werden. Die FinVerw. erläutert den Begriff „Wagniskapitalfonds“ im UStAE. Hierzu zählen nach Auf- 62 fassung der FinVerw. auch – d.h., die Aufzählung ist nicht abschließend – „qualifizierte Risikokapitalfonds“ i.S.d. Verordnung (EU) Nr. 345/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 17.4.2013 über Europäische Risikokapitalfonds, geändert durch die Verordnung (EU) 2017/1991 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.10.2017 und durch die Verordnung (EU) 2019/1156 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20.6.2019 – „EuVECAVerordnung“ (European Venture Capital – EuVECA – Funds), soweit sie die Voraussetzungen der Sätze 2 bis 8 erfüllen.4 Wagniskapitalfonds nach Satz 1 sind nach Auffassung der FinVerw. AIF i.S.d. § 1 Abs. 3 KAGB, die keine OGAW sind, wenn diese durch entsprechende Vorgaben in den Anlagebedingungen verpflichtet sind, ganz oder überwiegend (zu mehr als 50 % des aggregierten eingebrachten bzw. noch nicht eingeforderten, aber zugesagten Kapitals) zum Zeitpunkt der ersten Wagniskapitalbeteiligung in Wachstumsunternehmen (Zielunternehmen) nach Satz 6 zu investieren.5 Wagniskapitalfonds zielen nach Auffassung der FinVerw. durch eine Kapitalbeteiligung oder sonstige risikotragende Finanzierungen regelmäßig nach Erreichen des durch die Finanzierung beabsichtigten Zwecks auf einen erheblichen Wertzuwachs des Zielunternehmens ab, der zum Zeitpunkt des Ausstiegs des Fonds maßgeblich dessen Investitionsertrag bestimmt. Der Kapitalfluss der Investition erfolgt dabei regelmäßig direkt oder indirekt in das bzw. in die Zielunternehmen.6 Die Begünstigung von Wagniskapitalfonds setzt voraus, dass sie zumindest den gleichen Wettbewerbsbedingungen unterliegen wie OGAW und sie einer besonderen staatlichen Aufsicht unterstehen oder als „qualifizierte Risikokapitalfonds“ i.S.d. Satzes 1 registriert sind.7 Zielunternehmen im vorgenannten Sinne sind nach Auffassung der FinVerw. Wachstumsunternehmen, die insgesamt die nachfolgenden Voraussetzungen erfüllen: – Das Zielunternehmen ist zum Zeitpunkt der ersten Wagniskapitalbeteiligung nicht älter als zwölf Jahre seit Unternehmensgründung. – Die Unternehmensgröße des Zielunternehmens entspricht zum Zeitpunkt der ersten Wagniskapitalfinanzierung einem qualifizierten Portfoliounternehmen nach Art. 3 Buchst. d Unterbuchstabe i i.S.d. EuVECA-Verordnung nach Satz 1. – Das Zielunternehmen hat seinen Sitz in einem Gebiet nach Art. 3 Buchst. d Unterbuchstabe iv i.S.d. EuVECA-Verordnung nach Satz 1. – Das Zielunternehmen ist fortlaufend wirtschaftlich (mit Gewinnerzielungsabsicht) aktiv. 1 2 3 4 5 6 7

EuGH v. 9.12.2015 – C-595/13 – Fiscale Eenheid X, MwStR 2016, 106 Rz. 30 ff. EuGH v. 9.12.2015 – C-595/13 – Fiscale Eenheid X, MwStR 2016, 106 Rz. 37. EuGH v. 9.12.2015 – C-595/13 – Fiscale Eenheid X, MwStR 2016, 106 Rz. 33. Abschn. 4.8.13 Abs. 10 Satz 1 UStAE. Abschn. 4.8.13 Abs. 10 Satz 2 UStAE. Abschn. 4.8.13 Abs. 10 Sätze 3–4 UStAE. Abschn. 4.8.13 Abs. 10 Satz 5 UStAE. Grünwald | 1109

Rz. 62 | Anhang 5 Umsatzsteuerliche Behandlung der Verwaltung von Investmentvermögen

Das Vorliegen der Voraussetzungen hat der Unternehmer durch geeignete Belege (insbes. anhand der vertraglichen Anlagebedingungen) gegenüber der FinBeh. nachzuweisen. Die Kriterien für die Qualifizierung als Wagniskapitalfonds sind insbes. dann nicht eigehalten, wenn die Anlagebedingungen des Fonds dahingehend geändert werden, dass die Anlagestrategie dauerhaft nicht mehr auf eine Anlage in Zielunternehmen nach Satz 6 gerichtet ist, oder wenn dauerhaft die Zielunternehmen, in die der Fonds investiert, die Voraussetzungen des Satzes 6 nicht erfüllen.1 Stellungnahme. Dieses Zusammenspiel zwischen Gesetzgeber und FinVerw. ist unglücklich. Das Gesetz verwendet einen nicht definierten auslegungsbedürftigen Begriff. Der Gesetzgeber unterlässt es, diesen selbst zu konkretisieren oder diese Aufgabe im Wege der Verordnungsermächtigung nach Art. 80 Abs. 1 GG an die Exekutive zu delegieren. Aus dem Gesetz lässt sich nicht mit hinreichender Gewissheit ablesen, ob einen bestimmten StPfl. die dort geregelte Rechtsfolge trifft oder nicht. Stattdessen nimmt die FinVerw. – ohne eine entsprechende Ermächtigung – eine Konkretisierung im Wege einer internen Richtlinie vor. Aufgrund der Vagheit des gesetzlichen Begriffs und der sehr konkreten Ausfüllung dieses Begriffs durch die FinVerw. ergibt sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Diskrepanz zwischen dem Begriff des Wagniskapitals in der Auslegung der Finanzgerichte und derjenigen der FinVerw. ausweislich des UStAE. Rechtstreitigkeiten sind daher unvermeidbar. 5. Portfolioverwaltung für einzelne Anleger 63 Die Portfolioverwaltung für einzelne Anleger stellt keine Verwaltungsleistung für das Son-

dervermögen dar. Sie wird nicht an das Sondervermögen, sondern an den einzelnen Anleger erbracht. Es handelt sich dabei um eine Leistung im Rahmen der Vermögensverwaltung des einzelnen Anlegers, die von der Befreiungsvorschrift nicht umfasst ist.

6. Versorgungseinrichtungen i.S.d. VAG a) Versorgungseinrichtungen, die Sondervermögen i.S.v. Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL darstellen 64 § 4 Nr. 8 Buchst. h Alt. 4 UStG befreit die Verwaltung von Versorgungseinrichtungen i.S.d.

VAG von der Steuer. Durch Art. 1 Nr. 3 Buchst. d Doppelbuchst. bb des G zur Änderung des UStG und anderer Gesetze v. 9.8.19942 ist § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG ergänzt worden. Danach ist die Verwaltung von Versorgungseinrichtungen i.S.d. VAG seit dem 17.8.1994 von der USt befreit. Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL nennt Versorgungseinrichtungen nicht ausdrücklich, sondern durch die Mitgliedstaaten als solche definierten Sondervermögen. Der nationale Gesetzgeber hat durch die Einbeziehung von Versorgungseinrichtungen von diesem Definitionsrecht Gebrauch gemacht.

65 Versorgungseinrichtungen in diesem Sinne sind Einrichtungen, die Leistungen im Todes-

oder Erlebensfall oder bei Arbeitseinstellung oder bei Minderung der Erwerbsfähigkeit vorsehen (§ 1 Abs. 2 Satz 3 KAG). Die Versorgungswerke der Ärzte, Apotheker, Architekten, Notare, Rechtsanwälte, Steuerberater bzw. Steuerbevollmächtigten, Tierärzte, Wirtschaftsprüfer und vereidigten Buchprüfer sowie Zahnärzte zählen zu den Versorgungseinrichtungen i.S.d. § 1 Abs. 4 VAG;

66 Pensionsfonds i.S.d. § 236 VAG sind Versorgungseinrichtungen, deren Verwaltung von der

Steuer befreit ist.

1 Abschn. 4.8.13 Abs. 10 Sätze 6–8 UStAE. 2 BGBl. I 1994, 2058.

1110 | Grünwald

B. Die Regelungen im Einzelnen | Rz. 71

Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist nicht, dass die Versorgungseinrichtung der Ver- 67 sicherungsaufsicht unterliegt.1 b) Betriebliche Versorgungseinrichtungen Ein Investmentfonds, in dem das Kapitalvermögen eines Altersversorgungssystems zusam- 68 mengeführt wird, fällt nach Ansicht des EuGH nicht unter den Begriff „Sondervermögen“, dessen Verwaltung in Anbetracht der Ziele der MwStSystRL und des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität von der Mehrwertsteuer befreit werden kann, da die Mitglieder nicht die mit der Verwaltung dieses Fonds zusammenhängenden Risiken tragen und die Beiträge, die der Arbeitgeber an das Altersversorgungssystem zahlt, für ihn ein Mittel darstellen, seinen gesetzlichen Verpflichtungen gegenüber seinen Angestellten nachzukommen.2 Demgegenüber können nach Ansicht des EuGH Rentenkassen unter diese Bestimmung fal- 69 len, wenn sie von den Personen finanziert werden, denen die Renten ausgezahlt werden, die Ersparnisse nach dem Grundsatz der Risikostreuung angelegt werden und das Anlagerisiko von den Versicherten getragen wird. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Beiträge vom Arbeitgeber gezahlt werden, ihr Beitrag auf kollektiven Vereinbarungen zwischen den Organisationen der Sozialpartner beruht, die wirtschaftlichen Modalitäten der Rückgewähr der Ersparnisse verschiedener Art sind, die Beiträge nach den Bestimmungen des Einkommensteuerrechts abziehbar sind oder es möglich ist, eine zusätzliche Versicherungsleistung hinzuzufügen.3 Der BFH vertritt die Rechtsauffassung, dass die Verwaltungsleistungen von betrieblichen Ver- 70 sorgungseinrichtungen jedenfalls dann nicht nach § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG steuerfrei, sondern umsatzsteuerpflichtig sind, wenn die Arbeitnehmer kein Anlagerisiko tragen und der Arbeitgeber zur Zahlung an das Altersversorgungssystem gegenüber seinen Arbeitnehmern gesetzlich verpflichtet ist.4 In dem vom BFH zu entscheidenden Sachverhalt trugen die Arbeitnehmer nicht die Risiken der Verwaltung der Unterstützungskassen, in denen das Kapitalvermögen dieses Alterssicherungssystems zusammengeführt wurde. Die Arbeitnehmer hatten gegen den Arbeitgeber einen vom Wert des angelegten Kapitalvermögens unabhängigen und damit risikolosen Anspruch. Die Höhe dieses Anspruchs war allein durch die Dauer ihrer Beschäftigung bei dem Arbeitgeber und die Höhe ihres Gehalts vorgegeben. Sie waren über den Pensionssicherungsverein abgesichert.5 Unterstützungskassen sind Versorgungseinrichtungen i.S.d. § 1 Abs. 4 BetrAVG. Erhält ein 71 Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber (Trägerunternehmen) eine Zusage auf betriebliche Altersversorgungsleistungen durch die Unterstützungskasse, hat er nach Eintritt des Versorgungsfalls Ansprüche gegen die Unterstützungskasse. Zur Erfüllung der arbeitsrechtlichen Verpflichtungen der Unterstützungskasse stattet das Trägerunternehmen sie mit Finanzmitteln aus. Diese Zuwendungen gehen in das Vermögen der Unterstützungskasse über (Sondervermögen). Die Verwaltung dieses Vermögens kann die Unterstützungskasse selbst durchführen oder Dritte damit beauftragen. Ein solcher Dritter kann auch das Trägerunternehmen sein. Wickelt eine Unterstützungskasse anfallende Verwaltungsaufgaben selbst, d.h. ohne Einschaltung von Dritten ab, liegt keine umsatzsteuerfreie Verwaltung von Versorgungseinrichtungen vor. Die Versorgungseinrichtung verwaltet das Sondervermögen vielmehr in eigener Zuständigkeit.6 Beauftragt hingegen die Unterstützungskasse das Trägerunternehmen mit der 1 2 3 4 5 6

Abschn. 4.8.13 Abs. 22 Satz 4 UStAE. EuGH v. 7.3.2013 – C-424/11, MwStR 2013, 157. EuGH v. 13.3.2014 – C-464/12, MwStR 2014, 294. BFH v. 26.7.2017 – XI R 22/15, MwStR 2017, 836. BFH v. 26.7.2017 – XI R 22/15, MwStR 2017, 836 Rz. 32 ff. BMF v. 18.12.1997 – IV C 4 - S 7160h - 6/97, BStBl. I 1997, 1046 Fall 1. Grünwald | 1111

Rz. 71 | Anhang 5 Umsatzsteuerliche Behandlung der Verwaltung von Investmentvermögen

entgeltlichen Durchführung der Verwaltungsaufgaben, kommt die Steuerbefreiung insoweit zur Anwendung, als lediglich für die Verwaltung der Einrichtung typische Leistungen erbracht werden. Gleiches gilt, wenn neben den typischen Leistungen allgemeine Verwaltungsleistungen Bestandteil eines Gesamtangebots sind, für das ein Gesamtentgelt entrichtet wird. Wird das Trägerunternehmen hingegen unentgeltlich tätig, fehlt es an einem Leistungsaustausch. Die Durchführung der Verwaltungsaufgaben durch das Trägerunternehmen ist nicht umsatzsteuerbar.1 Beauftragt eine Unterstützungskasse ein drittes Unternehmen (Verwaltungsgesellschaft) mit der Durchführung der Verwaltungstätigkeit, so ist diese Leistung steuerfrei, wenn lediglich für die Verwaltung der Versorgungseinrichtung typische Leistungen erbracht werden. Gleiches gilt, wenn neben den typischen Leistungen allgemeine Verwaltungsleistungen Bestandteil eines Gesamtangebots sind, für das ein Gesamtentgelt entrichtet wird. Wird das Entgelt für die Verwaltungstätigkeit nicht vom Leistungsempfänger (der Unterstützungskasse), sondern vom Trägerunternehmen entrichtet, liegt eine Entgeltzahlung von dritter Seite nach § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG vor, die ebenfalls nach § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG steuerfrei ist.2 c) Verwaltungsleistungen 72 Nach Ansicht der FinVerw.3 sind insbes. folgende Leistungen als typische Verwaltungsleistun-

gen anzusehen: – die Erfassung und Pflege des Anwärter- und Rentnerbestands – die Verwaltung der vorhandenen Vermögenswerte einschließlich der Anlage der Vermögenswerte am Kapitalmarkt – die Wahrnehmung der Mitteilungspflichten an den Pensionssicherungsverein a.G., einschließlich der Kurztestate – Erarbeitung der Konzeption, Beratung und Unterstützung bei der Einführung und/oder Durchführung der Versorgungseinrichtung einschließlich der Erstellung des Leistungsplans, des Finanzierungskonzepts und der Anlagestrategie, sofern das leistende Unternehmen auch die Verwaltung der Unterstützungskasse übernimmt – Berechnung und Einzug der notwendigen Versorgungsbeiträge – Bearbeitung von Leistungsfällen einschließlich der Ermittlung der Leistungshöhe und Auszahlung der Versorgungsleistungen – Ermitteln, Anmelden und Abführen der Steuern und Sozialabgaben – Ausfertigung von Versorgungszusagen sowie die Erstellung jährlicher Leistungsnachweise – Bei Rückdeckung: Die Abwicklung mit der Versicherungsgesellschaft – die Durchführung erforderlicher vertraglicher Anpassungen (z.B. Anpassung nach § 16 BetrAVG) Einzelleistungen an die jeweilige Versorgungseinrichtung, die keine unmittelbare Verwaltungstätigkeit darstellen (z.B. Erstellung eines versicherungsmathematischen Gutachtens), fallen dagegen nicht unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG.4

1 2 3 4

BMF v. 18.12.1997 – IV C 4 - S 7160h - 6/97, BStBl. I 1997, 1046 Fall 2. BMF v. 18.12.1997 – IV C 4 - S 7160h - 6/97, BStBl. I 1997, 1046 Fall 3. BMF v. 18.12.1997 – IV C 4 - S 7160h - 6/97, BStBl. I 1997, 1046. Zu weiteren Einzelheiten, insbes. bei Unterstützungskassen, vgl. BMF v. 18.12.1997 – IV C 4 - S 7160h - 6/97, BStBl. I 1997, 1046; bei Leistungen zur Durchführung des Versorgungsausgleichs nach dem Versorgungsausgleichsgesetz handelt es sich abweichend von diesem BMF-Schreiben um typische und somit steuerfreie Verwaltungsleistungen.

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B. Die Regelungen im Einzelnen | Rz. 73

IV. Keine Option – Kein Vorsteuerabzug § 9 UStG räumt Unternehmern, die bestimmte steuerfreie Umsätze erbringen, das Recht ein, 73 auf die Steuerfreiheit dieser Umsätze zu verzichten und damit die Möglichkeit zum Abzug der auf Eingangsleistungen lastenden USt als Vorsteuer zu erlangen. Demnach kann ein Unternehmer einen Umsatz, der nach § 4 Nr. 8 Buchst. a bis g UStG steuerfrei ist, als stpfl. behandeln, wenn der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird. Nach dem Wortlaut der Norm sind nach § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG steuerfreie Umsätze hiervon nicht umfasst. Es besteht somit keine Möglichkeit, zur StPfl. und damit zum Vorsteuerabzug zu optieren. Die USt auf Eingangsleistungen wird damit zum Kostenfaktor.

Grünwald | 1113

1114 | Grünwald

Anhang 6 Grunderwerbsteuerliche Besonderheiten A. Hintergrund der Grunderwerbsteuer . . B. Verhältnis zwischen InvStG und GrEStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . D. Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . E. Sondervermögen I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Treuhandlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Miteigentumslösung . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 3 7 10 12 15 22

F. Ausländische Immobilien-Investmentvermögen I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausländische Personengesellschaften . . . III. Ausländische Kapitalgesellschaften . . . . . IV. Teilfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ausländische Sondervermögen . . . . . . . .

24 26 29 30 31

Literatur: Hoffmann, Unangemessene Grunderwerbsteuerpflicht bei der Veräußerung von Kapitalanlagegesellschaften, BB 2001, 757; Behrens, Anmerkungen zum koordinierten Länder-Erlass zu § 1 Abs. 2a GrEStG v. 25.2.2010 (DStR 2010, 697), DStR 2010, 777; Spranger, Grunderwerbsteuer bei Fondsinvestments in deutsche Immobilien, RdF 2016, 57; Brinkhaus/Grandpierre, Grunderwerbsteuerrechtliche Folgen der sog. Miteigentumslösung bei Immobilien-Sondervermögen – Zugleich Anm. zum Urteil des FG Köln v. 12.4.2016, DStR 2017, 707; Wagner, GrESt bei Share Deals: Besonderheiten bei Fondsstrukturen und börsennotierten Gesellschaften – Geplante Änderungen nach dem RefE, DB 2019, 1409; Bauderer/ Fleischer/Zingler, Regulatorische und grunderwerbsteuerliche Aspekte des Unit Deal bei Immobilien-Investmentvermögen, RdF 2021, 202; Behrens/Wagner, Verschärfung des GrEStG für Share Deals ab 1.7.2021, DB 2021, 866; Stadler/Mager/Mayer, Der Luxemburger FCP im Grunderwerbsteuerrecht, BB 2021, 408; Behrens/Klöcker, Praxisfrage der neuen Börsenklausel bei der Grunderwerbsteuer, RdF 2022, 124.

A. Hintergrund der Grunderwerbsteuer Die Übertragung von Grundstücken bzw. von Anteilen an grundstückshaltenden Gesellschaf- 1 ten – auch mittelbar – unterliegt in Deutschland grds. der GrESt.1 Es handelt sich somit um eine Verkehrssteuer. In Bezug auf Investmentfonds bestehen insoweit keine Besonderheiten, sodass diese und Übertragungen durch sie nach den allgemeinen Regelungen des Grunderwerbsteuergesetzes zu beurteilen sind. Lediglich § 100a KAGB enthält eine Sondervorschrift zu Investmentvermögen, wenn bei einem Erlöschen des Verwaltungsrechts einer KVG dieses zunächst auf die Verwahrstelle übergeht und sodann entweder auf eine andere KVG weiterübertragen wird oder das Sondervermögen komplett abgewickelt und die Immobilien veräußert (§ 100 Abs. 2 KAGB) werden. So soll eine Doppelbelastung mit GrESt vermieden werden (s. hierzu Rz. 17). Das (insbes. Ertrags-)Steuerrecht folgt grds. einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, wie sie 2 sich auch aus § 39 AO ergibt. Nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO ist danach entscheidend, wer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Demgegenüber ist i.R.d. Grunderwerbsteuerrechts grds. der schuldrechtliche Anspruch auf die Übereignung eines inländischen Grundstücks bzw. das (rein) zivilrechtliche Eigentum an dem Grundstück entscheidend.2 Eine wirtschaftliche Be-

1 S. auch Pahlke in Pahlke, GrEStG, 6. Aufl. 2018, § 1 Rz. 1. 2 Vgl. allerdings auch § 1 Abs. 2 GrEStG. Gottschling | 1115

Rz. 2 | Anhang 6 Grunderwerbsteuerliche Besonderheiten

trachtungsweise ist diesem weitgehend fremd (wobei jedoch nach neuerer Rspr. des BFH für die mittelbare Zurechnung von Gesellschaftsanteilen § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO Relevanz erlangt hat).1 Die Erwerbsvorgänge des § 1 GrEStG knüpfen an zivilrechtliche Rechtsvorgänge wie den Kaufvertrag über ein Grundstück, dessen Auflassung oder den Wechsel des Gesellschafterbestands einer Immobiliengesellschaft an. Erfasst werden auch mittelbare Wechsel. Hinzuweisen ist hier insbes. auf die Änderungen für sog. share deals durch § 1 Abs. 2b GrEStG.2 Durch diese unterschiedliche Herangehensweise ist in der Folge die steuerliche Qualifikation durch andere Gesetze – wie die des Ertragsteuerrechts, insbes. des Investmentsteuerrechts – i.R.d. Grunderwerbsteuerrechts grds. nicht relevant.3

B. Verhältnis zwischen InvStG und GrEStG 3 Das Kapitalanlagegesetzbuch legt einen materiellen Investmentbegriff zugrunde.4 Die Qualifi-

kation als Investmentvermögen erfolgt unabhängig von der Rechtsform.5 Lediglich die Erlaubnis- bzw. Registrierung(sfähigkeit) unterliegt einem bestimmten Formenkanon. So dürfen aus Anlegerschutzgesichtspunkten z.B. keine Gesellschaften bürgerlichen Rechts als zulässige Investmentvermögen genutzt werden. Investmentvermögen sind im Inland neben den klassischen Sondervermögen als Personengesellschaften (GmbH & Co. KG) oder KapGes. (Investmentaktiengesellschaft) strukturiert. Dem InvStG unterliegen im Wesentlichen nur Sondervermögen und KapGes., während Personengesellschaften mit wenigen Ausnahmen (vgl. § 1 InvStG Rz. 35 ff.) grds. vom Anwendungsbereich ausgenommen sind (§ 1 Abs. 3 Nr. 2 InvStG, s. dazu Anhang 4). Im Rahmen des Grunderwerbsteuerrechts ist diese Einordnung jedoch grds. unbeachtlich. Hier ist für die grunderwerbsteuerrechtliche Behandlung von Investmentvermögen, deren KVG und der Anleger lediglich entscheidend, wem die Immobilie zivilrechtlich zuzuordnen ist.

4 Soweit das Investmentvermögen als Personengesellschaft strukturiert ist, ergeben sich inso-

weit keine Besonderheiten, sowohl für ertragsteuerliche Zwecke als auch i.R.d. Grunderwerbsteuerrechts. Körperschaftlich organisierte Investmentfonds unterliegen grds. dem InvStG als sog. Publikums- oder Spezial-Investmentfonds, sie werden für Grunderwerbsteuerzwecke jedoch wie „normale“ KapGes. behandelt. Bei Investmentvermögen in der Gesellschaftsform, die im Inland lediglich als geschlossene Immobilien-Investmentvermögen zulässig sind, ergeben sich unterschiedliche Rechtsfolgen in Abhängigkeit davon, ob es sich um eine Personenoder Kapitalgesellschaft handelt.

5 Die größten Besonderheiten ergeben sich für Investmentvermögen, die als Sondervermögen

strukturiert sind. Diese sind selbst nicht rechtsfähig, sodass sie auch selbst nicht Eigentümer eines Grundstücks sein können.6 Bei diesen in Vertragsform organisierten Sondervermögen besteht die Möglichkeit einer sog. Treuhandlösung, bei der die KVG Eigentümerin der Immobilie ist, und der sog. Miteigentumslösung, bei der die Anleger direkt an der Immobilie beteiligt sind (Rz. 13).

1 Ausführlich Fischer in Boruttau, GrEStG, 19. Aufl. 2019, Vorbemerkungen Rz. 205 ff. 2 Zu den hierbei auftretenden Problemen bei Fondsstrukturen s. z.B. Wagner, DB 2019, 1409; allgemein zu den Änderungen Behrens/Wagner, DB 2021, 866. 3 Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Vorbemerkung zu § 1 InvStG Rz. 91. 4 Ausführlich Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 1 InvStG Rz. 17. 5 Gottschling in Moritz/Jesch/Mann2, § 1 InvStG Rz. 17. 6 Ebenso Bödecker in Bödecker/Ernst/Hartmann, Einleitung Rz. 58; a.A. Hoffmann, BB 2001, 757 (760).

1116 | Gottschling

D. Kapitalgesellschaften | Rz. 11

Letztlich besteht die Möglichkeit, dass ausländische Investmentvermögen dem GrEStG un- 6 terliegen, da dieses lediglich an Rechtsvorgänge in Bezug auf inländische Grundstücke anknüpft. Hier bestehen derzeit noch viele offene Fragen (Rz. 24).

C. Personengesellschaften Investmentvermögen unterliegen grds. keinem Rechtsformzwang (Rz. 3). Die Erlaubnisfähig- 7 keit dieser Gesellschaften unter dem KAGB ist allerdings beschränkt. Geschlossene inländische Immobilien-Investmentvermögen dürfen danach nur als geschlossene Investmentkommanditgesellschaften nach § 139 KAGB strukturiert werden, wenn eine Personengesellschaft als Investmentvehikel genutzt werden soll. Dies gilt sowohl für Publikums-Investmentvermögen (§§ 261 ff. KAGB) als auch Spezial-Investmentvermögen (§§ 285 ff. KAGB). Sog. Sub-Threshold-Fonds, die lediglich einer Registrierung nach § 44 KAGB bedürfen,1 sind 8 in der Wahl ihrer Rechtsform freier. Entscheidend ist insoweit lediglich, dass der Anleger keiner unbeschränkten Haftung ausgesetzt wird. Gesellschaften bürgerlichen Rechts sind auch unter dem bloßen Registrierungsregime daher unzulässig. Regelmäßig werden solche Fonds in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG aufgesetzt. Aus grunderwerbsteuerlicher Sicht bestehen insoweit keine Besonderheiten. Die aufsichts- 9 rechtlichen Vorgaben an den Personengesellschafts-Fonds führen hier nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Es kann daher uneingeschränkt auf die entsprechenden grunderwerbsteuerlichen Kommentierungen verwiesen werden.2 Soweit der Investmentfonds Teilgesellschaftsvermögen bzw. -fonds oder bei ausländischen Fonds einzelne Compartments aufgelegt hat, ist jeder Teilfonds gesondert zu betrachten, da nur diesem das jeweilige Grundstück zugerechnet werden kann.3

D. Kapitalgesellschaften Soll das Investmentvermögen als KapGes. strukturiert werden, ist für das geschlossene inlän- 10 dische Immobilien-Investmentvermögen i.R.d. Erlaubnis nach KAGB nur die Investmentaktiengesellschaft mit fixem Kapital möglich. Dies gilt sowohl für Publikums-Investmentvermögen (§§ 261 ff. KAGB) als auch Spezial-Investmentvermögen (§§ 285 ff. KAGB). Bei den sog. Sub-Threshold-Fonds ist regelmäßig eine klassische GmbH das Mittel der Wahl. Aus grunderwerbsteuerlicher Sicht bestehen insoweit auch hier keine Besonderheiten. Die auf- 11 sichtsrechtlichen Vorgaben an den Kapitalgesellschafts-Fonds führen hier nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Es kann daher uneingeschränkt auf die entsprechenden grunderwerbsteuerlichen Kommentierungen verwiesen werden.4 Hinzuweisen sei aber auf die Problematik börsennotierter Gesellschaften, die sich aufgrund der Neueinführung des § 1 Abs. 1b und 2c GrEStG ergeben können.5

1 2 3 4 5

Zu den Voraussetzungen s. § 2 Abs. 4 ff. KAGB. S. auch Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Vorbemerkung zu § 1 InvStG Rz. 117. S. Drees/Nienhaus/Böing/Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 324. S. auch Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Vorbemerkung zu § 1 InvStG Rz. 117. Zur sog. Börsenklausel in § 1 Abs. 2c GrEStG vgl. Behrens/Klöckner, RdF 2022, 124; ausführlich hierzu auch Wagner, DB 2019, 1409 (1412 ff.). Gottschling | 1117

Rz. 12 | Anhang 6 Grunderwerbsteuerliche Besonderheiten

E. Sondervermögen I. Vorbemerkung 12 Soll das Investmentvermögen als ein offenes Immobilien-Investmentvermögen strukturiert

werden, bleibt nur die Möglichkeit eines Sondervermögens nach § 91 Abs. 3 KAGB. Der avisierte Anlegerkreis ist hierbei unbeachtlich, sodass sowohl Publikums- als auch Spezial-Investmentvermögen möglich sind.1 Personen- oder Kapitalgesellschaften sind insoweit nicht zulässig, diesen sind die geschlossenen Investmentvermögen vorbehalten. Wie in Rz. 8 erläutert, ist dies i.R.d. bloßen Registrierung nach § 44 KAGB jedoch nicht zwingend.

13 Traditionell können Sondervermögen sowohl in der Miteigentums- als auch in der Treu-

handvariante aufgelegt werden. Die beiden Varianten unterscheiden sich im Wesentlichen darin, wer Eigentümer der vom Investmentvermögen gehaltenen Vermögensgegenstände ist. Bei der sog. Treuhandlösung ist die KVG Eigentümerin der Immobilien. Sie kann grds. nach § 93 Abs. 1 KAGB im eigenen Namen über die zu einem Sondervermögen gehörenden Gegenstände nach Maßgabe des KAGB und der Anlagebedingungen verfügen und alle Rechte aus ihnen ausüben. Ist die Verwaltungsgesellschaft für mehrere Sondervermögen bestellt, sind die einzelnen Vermögenssphären jeweils getrennt zu halten und zu betrachten (§ 92 Abs. 3 KAGB). Gleiches gilt für das Vermögen der Verwaltungsgesellschaft selbst (§ 92 Abs. 1 Satz 2 KAGB). Demgegenüber sind bei der sog. Miteigentumslösung die Anleger Eigentümer der Immobilien – wie der Name schon verrät. Es handelt sich um eine Bruchteilsgemeinschaft i.S.d. §§ 1008, 741 ff. BGB. Trotzdem steht der KVG ebenso wie bei der Treuhandlösung die Verfügungsbefugnis über die Vermögensgegenstände zu. Sie kann im eigenen Namen über die Vermögensgegenstände des Sondervermögens verfügen.2

14 Soweit sich der Fonds nur an professionelle und semi-professionelle Anleger richtet und da-

mit als Spezial-AIF nach § 1 Abs. 6 KAGB qualifiziert, sind nach § 92 Abs. 1 Satz 1 KAGB beide Alternativen eröffnet, sodass sowohl die Miteigentums- als auch die Treuhandvariante möglich sind. Für Publikums-Investmentvermögen schränkt § 245 KAGB dies auf die Treuhandlösung ein. Hintergrund dieser Einschränkung ist ein rein praktischer, kein rechtlicher. Der Eigentümer des Grundstücks oder der grundstücksgleichen Rechte muss ins Grundbuch eingetragen werden. Dies wären bei der Miteigentumslösung alle Anleger, was bei einer großen Zahl von – ggf. häufig wechselnden – Anlegern zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten beim Grundbuchverkehr führen würde. In Bezug auf Immobiliengesellschaften müssten die Anleger als Gesellschafter im Handelsregister eingetragen werden.3 § 245 KAGB unterscheidet nicht zwischen den von der KVG gehaltenen Vermögensgegenständen, sodass auch Vermögensgegenstände, für die es nicht per se an den vorgenannten Gründen scheitern würde, d.h. die insbes. nicht registerpflichtig sind, von der Miteigentumslösung ausgeschlossen sind.4 So ganz ist diese Argumentationslinie jedoch nicht nachvollziehbar. Die Unterscheidung zwischen Publikums- und Spezial-Investmentvermögen besteht lediglich in der Qualifikation der Anleger, nicht jedoch in deren Anzahl. Grundsätzlich würde dieses Argument daher auch auf Spezial-AIF zutreffen. Man mag lediglich anführen, dass hier die Wechselfrequenz der Anleger nicht so hoch ist.

1 Spezialfonds richten sich ausschließlich an professionelle und semi-professionelle Anleger i.S.d. § 1 Abs. 19 Nr. 32 und 33 KAGB, während sog. Publikumsfonds auch für Privatanleger (§ 1 Abs. 19 Nr. 31 KAGB) offen sind. 2 Für eine Gleichbehandlung der beiden Alternativen und Zurechnung zur KVG Bödecker in Bödecker/ Ernst/Hartmann, Einleitung Rz. 60. 3 Vgl. Bujotzek/Thömmes in Emde/Dornseifer/Dreibus, KAGB, 2. Aufl. 2019, § 245 Rz. 2. 4 Vgl. Bujotzek/Thömmes in Emde/Dornseifer/Dreibus, KAGB, 2. Aufl. 2019, § 245 Rz. 3.

1118 | Gottschling

E. Sondervermögen | Rz. 17

II. Treuhandlösung Bei der sog. Treuhandlösung ist die KVG zivilrechtliche Eigentümerin der Grundstücke und 15 grundstücksgleichen Rechte. Im Rahmen der GrESt ist daher auf die KVG als Grunderwerbsteuersubjekt abzustellen, nicht auf das Sondervermögen oder die Anleger. Gleichermaßen ist die Verwahrstelle weder Eigentümerin, noch steht ihr eine Verwertungsbefugnis zu.1 Im Bereich der KVG können daher grunderwerbsteuerrelevante Vorgänge vorkommen. Demgegenüber ist die Anlegerebene grunderwerbsteuerlich grds. irrelevant.2 Folgende Einzelfälle sind hervorzuheben: – Erwerb und Veräußerung eines Grundstücks bzw. grundstücksgleichen Rechts durch die KVG für Rechnung der Anleger des Sondervermögens (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Dies gilt unabhängig von dem jeweiligen Veräußerer bzw. Erwerber der Immobilie, sodass hierunter auch Vorgänge fallen, bei denen die Gegenpartei selbst Anleger des jeweiligen Sondervermögens ist. Dies beruht auf der rechtlichen Trennung des Eigentums, da es sich hierbei um eigenständige Rechtsträger handelt.3 Dies gilt daher auch für Ein-Anleger-Fonds. – Übertragung des Verwaltungsrechts eines Sondervermögens von einer KVG auf eine andere KVG. Da hier ein Rechtsträgerwechsel stattfindet, unterliegt der Vorgang grds. der GrESt. – Übertragung von mindestens 95 % der Anteile an der KVG (§ 1 Abs. 3 GrEStG). Erfasst werden hiervon sowohl die im Eigenvermögen gehaltenen Grundstücke als auch die der KVG zugeordneten Grundstücke.4 Die allgemeinen Regelungen des § 6a GrEStG finden auch hier Anwendung, sodass bei konzerninternen Übertragungen unter den dort genannten Beschränkungen keine GrESt erhoben wird. Nicht final geklärt ist die Behandlung der Verschmelzung von Sondervermögen innerhalb desselben Finanzkonzerns. Allerdings sollte es hier bereits an einem tauglichen Umwandlungsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1–3 UmwG fehlen, sodass eine direkte Anwendung von § 6a GrEStG ausgeschlossen ist.5 Aufgrund eines fehlenden Rechtsträgerwechsels sind hingegen nicht von der GrESt erfasst: 16 – Übertragung eines Investmentfondsanteils durch einen Anleger auf einen anderen Anleger – Unit Deals, d.h. die Abtretung und der Erwerb von Investmentanteilen6 – Ausgabe oder Rückgabe von Investmentfondsanteilen – Übertragung von Immobilien zwischen verschiedenen Sondervermögen, die von der gleichen KVG verwaltet werden – Übertragung von Immobilien aus dem Eigenvermögen der KVG in ein von dieser verwaltetes Sondervermögen Aufgrund der Besonderheiten der Struktur eines Sondervermögens stellt das Erlöschen des 17 Verwaltungsrechts einer KVG nach § 100 Abs. 1 KAGB einen Sonderfall dar.7 Danach geht das Verwaltungsrecht zunächst auf die Verwahrstelle über und wird sodann entweder auf eine andere KVG weiterübertragen (§ 100 Abs. 3 KAGB) oder das Sondervermögen abgewickelt

1 S. auch FG Düss. v. 18.10.2000 – 7 K 9374/97 GE, EFG 2001, 91 (rkr.). 2 Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Vorbemerkung zu § 1 InvStG Rz. 94; Spranger, RdF 2016, 57 (58 ff.); Bödecker in Bödecker/Ernst/Hartmann, Einleitung Rz. 62.3. 3 Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Vorbemerkung zu § 1 InvStG Rz. 96. 4 BFH v. 29.9.2004 – II R 14/02, BStBl. II 2005, 138; krit. hierzu Wagner, DB 2019, 1409 (1410), zur Einführung des neuen § 1 Abs. 2b GrEStG. 5 Detailliert hierzu Bödeker in Bödecker/Ernst/Hartmann, Einleitung Rz. 62.11 ff. 6 Detailliert hierzu Bauderer/Fleischer/Zingler, RdF 2021, 202: regulatorische und grunderwerbsteuerliche Aspekte des Unit Deal bei Immobilien-Investmentvermögen. 7 Detailliert Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 415 f. Gottschling | 1119

Rz. 17 | Anhang 6 Grunderwerbsteuerliche Besonderheiten

und die Immobilien veräußert (§ 100 Abs. 2 KAGB). Jeder dieser Rechtsvorgänge löst im Grundsatz GrESt aus. Um eine Doppelbelastung mit GrESt in diesen Fällen zu vermeiden, sind nach § 100a KAGB Erwerbsvorgänge i.S.d. § 1 GrEStG, die sich aus dem Übergang eines Immobilien-Sondervermögens auf die Verwahrstelle gem. § 100 Abs. 1 Nr. 1 KAGB ergeben, von der GrESt befreit, wenn sie fristgerecht und vollständig i.S.d. §§ 18 bis 20 GrEStG angezeigt werden. Dies gilt allerdings nur in den Fällen des § 99 Abs. 1 KAGB aufgrund der Kündigung des Verwaltungsrechts während einer Aussetzung der Rücknahme gem. § 257 KAGB. Die Befreiung entfällt außerdem, wenn nicht innerhalb von drei Jahren eine grunderwerbsteuerpflichtige Übertragung oder Veräußerung erfolgt. 18 Die hier vertretene Meinung geht vom rechtlichen Eigentum als entscheidendem Faktor aus.

Haben die Anleger nach den allgemeinen und/oder besonderen Vertragsbedingungen einen Anspruch auf Sachauskehr, kann es je nach Ausgestaltung im Einzelfall sein, dass den Anlegern entweder ein Herausgabeanspruch im Hinblick auf die zum Sondervermögen gehörigen Immobilien oder die Verwertungsbefugnis i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG an den zu dem Sondervermögen gehörigen Immobilien zusteht. Dann würde sich die grunderwerbsteuerliche Beurteilung ändern. In diesen Fällen würde auch eine Übertragung des mit den Anteilen verbundenen Übereignungsanspruchs nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG bzw. der Verwertungsbefugnis nach § 1 Abs. 2 GrEStG stattfinden. Dies hätte eine – nicht gewollte – doppelte Grunderwerbsteuerbelastung zur Folge, da auch der Abschluss des Kaufvertrags durch die KVG gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerpflichtig wäre.1

19 Stellungnahme. In der Praxis ist darauf zu achten, dass dem Anleger kein genügender He-

rausgabeanspruch in Bezug auf die Immobilien des Investmentvermögens eingeräumt wird. Bei Beendigung des Investmentvermögens bzw. der Anteilsrückgabe durch den Anleger hat dieser dann i.d.R. lediglich einen Barabfindungsanspruch i.H.d. Nettoinventarwerts seines Anteils nach § 98 KAGB. Sachausschüttungen von Immobilien werden höchstens auf Veranlassung der KVG durchgeführt. Unklar ist, ob – wenn der Anleger ausnahmsweise Sachausschüttungen verlangen kann – dieser Anspruch erst entsteht, wenn die Anteilsrückgabe wirksam erfolgt bzw. der Fonds wirksam beendet worden ist.2

20 Unter einer Verwertungsbefugnis i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG ist die rechtliche oder wirtschaftli-

che Möglichkeit zu verstehen, eine Immobilie für eigene Rechnung zu verwerten. Hierzu müsste der Anleger jedoch in der Lage sein, die Verwertung selbst herbeizuführen.3 Ein entsprechendes Weisungsrecht gegenüber der KVG besteht jedoch nicht. Vielmehr ist diese nach § 93 Abs. 1 KAGB grds. unabhängig in ihrer Entscheidung, sodass auch hier i.d.R. eine genügende Verwertungsbefugnis zu verneinen ist.4

21 Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, in der Fondsdokumentation Sachausschüttungen vor-

zusehen. In der Regel liegt die Entscheidung, keine Barausschüttung vorzunehmen, sondern die Vermögensgegenstände selbst zu übertragen, beim Sondervermögen/der KVG, sodass dem Anleger keine Verwertungsbefugnis zusteht.5 Jedoch kann die Entscheidung in Einzelfällen auch dem Anleger zugewiesen werden, ob er sich bei Abwicklung des Investmentvermögens statt einer Barausschüttung die zu dessen Vermögen gehörenden Vermögensgegenstände auskehren lassen will. Eine entsprechende Verhandlungsmacht steht dem Anleger jedoch regelmäßig nur in Spezial-AIF zu, in denen er einziger oder einer von wenigen Anlegern

1 2 3 4

Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Vorbemerkung zu § 1 InvStG Rz. 102. Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Vorbemerkung zu § 1 InvStG Rz. 103. BFH v. 10.3.1999 – II R 35/97, BStBl. II 1999, 491. Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Vorbemerkung zu § 1 InvStG Rz. 104; im Ergebnis ebenso Bödecker in Bödecker/Ernst/Hartmann, Einleitung Rz. 62.6; Spranger, RdF 2016, 57 (58 ff.); BFH v. 2.10.1985 – II R 86/83, BStBl. II 1986, 28, lässt keine andere Beurteilung zu. 5 Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Vorbemerkung zu § 1 InvStG Rz. 106.

1120 | Gottschling

E. Sondervermögen | Rz. 23

ist. Jedoch sollte selbst in diesen Fällen nicht von einer Verwertungsbefugnis des Anlegers auszugehen sein. Da der Anspruch auf die Auskehrung der Immobilien erst mit Abwicklung des Investmentvermögens entsteht, liegt kein tauglicher Herausgabeanspruch vor.1 Etwas anderes kann sich nur dann ergeben, wenn der Anleger entsprechende Einflussmöglichkeiten auf das Immobilien-Sondervermögen hat und so eine Fondsbeendigung und damit die Sachausschüttung erzwingen kann. Diese Auffassung ist leider nicht durch die Rspr. oder die FinVerw. gesichert, sodass sich in diesen Fällen aus Gründen der Rechtssicherheit die Einholung einer verbindlichen Auskunft empfiehlt. Letztlich kann die Diskussion i.d.R. jedoch dahinstehen. Sachauskehrungen sind bei Immobilien-Investmentvermögen nicht üblich, was auch daran liegt, dass bei mehreren Anlegern eine Aufteilung kaum möglich sein wird. Sollten im Einzelfall doch einmal Sachausschüttungen vorgesehen sein, müsste geprüft werden, ob dem Anleger ein für die Zwecke von § 1 Abs. 1 Nr. 1, 5 und 7 GrEStG relevanter Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks oder eine nach grunderwerbsteuerlichen Grundsätzen hinreichende Verwertungsbefugnis für die entsprechende Immobilie zusteht.2

III. Miteigentumslösung Bei der sog. Miteigentumslösung sind die Anleger zivilrechtliche Eigentümer der Grundstücke 22 und grundstücksgleichen Rechte (s. auch Rz. 13). Im Rahmen der GrESt ist daher auf die Anleger als Grunderwerbsteuersubjekte abzustellen, nicht auf das Sondervermögen oder die KVG.3 Grunderwerbsteuerrelevante Vorgänge können daher lediglich im Bereich der Anleger vorkommen. Demgegenüber ist die Ebene der KVG grds. irrelevant.4 Hevorzuheben sind insbes. die folgenden Einzelfälle: – Erwerb und Veräußerung eines Grundstücks bzw. grundstücksgleichen Rechts für Rechnung der Anleger des Sondervermögens durch die KVG (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG); Schuldner der GrESt ist trotz des Miteigentums der Anleger die KVG;5 – Übertragung eines Investmentfondsanteils durch einen Anleger auf einen anderen Anleger. Das Miteigentum des Anlegers an den zum Sondervermögen gehörigen Immobilien geht mit Veräußerung des Anteils auf den Erwerber über; – Ausgabe oder Rückgabe von Investmentfondsanteilen. Aufgrund eines fehlenden Rechtsträgerwechsels sind hingegen von der GrESt nicht erfasst: 23 – Vorgänge im Bereich der KVG – soweit es sich nicht um Immobilien im Eigenvermögen der KVG handelt; – Erlöschen des Verwaltungsrechts der KVG – Übertragung des Verwaltungsrechts eines Sondervermögens von einer KVG auf eine andere KVG; – Änderungen bei den Gesellschaftern der KVG.6 Bringt ein Anleger in diesen Fällen ein in seinem Eigentum stehendes Grundstück in das Sondervermögen ein, liegt insoweit kein Rechtsträgerwechsel vor, wenn und soweit sich die Eigentumsverhältnisse nicht ändern. Wesentlicher Fall dürfte die Einbringung in einen Ein-Anle1 Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Vorbemerkung zu § 1 InvStG Rz. 107. 2 S. auch Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Vorbemerkung zu § 1 InvStG Rz. 108. 3 S. z.B. BFH v. 29.9.2004 – II R 14/02, BStBl. II 2005, 148; FG Münster v. 22.1.2009 – 8 K 5035/06 GrE, EFG 2009, 770 (nachgehend BFH v. 22.6.2010 – II R 24/09, BFH/NV 2010, 2300). 4 Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Vorbemerkung zu § 1 InvStG Rz. 94; Spranger, RdF 2016, 57 (58 ff.); krit. Bödecker in Bödecker/Ernst/Hartmann, Einleitung Rz. 62 ff. 5 Gottwald/Behrens, Grunderwerbsteuer, 5. Aufl. 2015, Rz. 1113. 6 Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Vorbemerkung zu § 1 InvStG Rz. 115. Gottschling | 1121

Rz. 23 | Anhang 6 Grunderwerbsteuerliche Besonderheiten

ger-Fonds sein.1 Gleiches gilt für den Fall, in dem mehrere Anleger eine Immobilie einbringen und sich die Anteilsverhältnisse an der Immobilie und am Sondervermögen nicht verschieben.2 Zwar gehen die Verfügungsbefugnis bzw. das Besitzrecht an der Immobilie auf die KVG über. Nach h.M. in der Literatur3 liegt hierin kein grunderwerbsteuerpflichtiges Geschäft begründet. Insbesondere geht hierdurch nicht die Verwertungsbefugnis i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG auf die KVG über, da diese die Immobilie nur für Rechnung des Sondervermögens verwerten darf, nicht hingegen für eigene Rechnung.4

F. Ausländische Immobilien-Investmentvermögen I. Vorbemerkung 24 Das Grunderwerbsteuerrecht knüpft ohne Rücksicht auf die Orte der Ansässigkeit der han-

delnden Personen, Gesellschaften oder sonstigen Rechtsgebilde an Rechtsvorgänge in Bezug auf das mittelbare oder unmittelbare Halten inländischer Grundstücke an. Dementsprechend können auch ausländische Immobilien-Investmentvermögen grds. unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen, soweit sie inländische Grundstücke halten. Das Grunderwerbsteuerrecht enthält diesbezüglich keine Besonderheiten.

25 Die Qualifikation der ausländischen Gesellschaft richtet sich nach den allgemeinen Rege-

lungen, also grds. nach dem internationalen Privatrecht.5 Es ist daher auf das Zivil- bzw. Gesellschaftsrecht des jeweiligen Staates abzustellen. Dies ist auch konsequent, da das Grunderwerbsteuerrecht grds. auf das Zivilrecht rekurriert.

II. Ausländische Personengesellschaften 26 Die FinVerw. stellt bei der Einordnung ausländischer Personengesellschaften für die Beurtei-

lung, ob eine ausländische Personengesellschaft von ihrer rechtlichen Struktur her einer inländischen Personengesellschaft entspricht, nicht auf das internationale Privatrecht, sondern auf ertragsteuerliche Kriterien ab, insbes. auf den sog. konkret-individuellen Typenvergleich, wie er im Betriebsstättenerlass6 und im sog. LLC-Schreiben7 niedergelegt ist.8 Für den Wechsel im Gesellschafterbestand ergab sich dies bereits aus zwischenzeitlich außer Kraft getretenen gleichlautenden Ländererlassen zu § 1 Abs. 2a GrEStG9 und §§ 5, 6 GrEStG.10 Auch die neuen gleichlautenden Ländererlasse zu § 1 Abs. 2a GrEStG11 verweisen auf vergleichbare ausländische Gesellschaften. 1 2 3 4 5 6 7 8

Ebenso Wagner, DB 2019, 1409 (1410). Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Vorbemerkung zu § 1 InvStG Rz. 114. Z.B. Gottwald/Behrens, Grunderwerbsteuer, 5. Aufl. 2015, Rz. 1102 ff. S. auch Gottwald/Behrens, Grunderwerbsteuer, 5. Aufl. 2015, Rz. 1102 ff. Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Vorbemerkung zu § 1 InvStG Rz. 118. Vgl. die Tabellen 1 und 2 in BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076. BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 411. Krit. Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Vorbemerkung zu § 1 InvStG Rz. 120; s. auch FG Köln v. 12.4.2016 – 5 K 1346/15, EFG 2016, 1354 (rkr.), sowie hierzu Brinkhaus/Grandpierre, DStR 2017, 707. 9 Gleichlautende Erlasse der obersten FinBeh. der Länder zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG v. 18.2.2014, BStBl. I 2014, 561 Tz. 1.1. 10 Gleichlautende Erlasse der obersten FinBeh. der Länder zur Anwendung der §§ 5 und 6 GrEStG v. 9.12.2015, BStBl. I 2015, 1029 Tz. 2. 11 Gleichlautende Erlasse der obersten FinBeh. der Länder zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801.

1122 | Gottschling

F. Ausländische Immobilien-Investmentvermögen | Rz. 30

Insbesondere bei Personengesellschaften stellt sich die Frage nach ihrer (Teil-)Rechtsfähigkeit, 27 denn nur in diesen Fällen können sie auch selbst Eigentümer der Grundstücke und grundstücksgleichen Rechte sein. Während dies für die deutsche (Investment-)Kommanditgesellschaft unzweifelhaft der Fall ist, ist dies bei bestimmten ausländischen Personengesellschaften abweichend zu beurteilen. Beispielhaft sei hier nur die englische limited partnership genannt, die zwar grds. dem Rechtstypus einer Personengesellschaft entspricht, bei der jedoch der unbeschränkt haftende Gesellschafter (general partner, vergleichbar einem Komplementär) zivilrechtlicher Eigentümer der Vermögensgegenstände ist. Auch die société en commandite spéciale (Spezial-Kommanditgesellschaft – „SCSp“) nach luxemburger Recht ist in diesem Sinne nicht rechtsfähig, sodass die einzelnen Gesellschafter als Eigentümer der Vermögensgegenstände anzusehen sind. Folgt man der Auffassung der FinVerw. und Teilen der Literatur1 und wendet den Typenver- 28 gleich an, stellt man bei der grunderwerbsteuerlichen Behandlung auf die ertragsteuerrechtliche Klassifizierung der Personengesellschaft ab. § 1 Abs. 2a GrEStG wäre daher grds. anzuwenden. Danach ist unbeachtlich, wem das jeweilige Gesellschaftsrecht das Eigentum an den Vermögensgegenständen zuordnet. Ob sich hieran durch die Aufgabe des Gesamthandsprinzips i.R.d. MoPeG v. 10.8.20212 ab 2024 etwas ändert, wird sich zeigen.3 Doch letztlich nimmt das Steuerrecht – so ja auch explizit i.R.d. Investmentsteuergesetzes – für sich eine eigene Beurteilung in Anspruch, sodass dies nicht zwingend Folgen haben wird.

III. Ausländische Kapitalgesellschaften Bei ausländischen KapGes. ist die Qualifikation hingegen i.d.R. einfacher. Die englische Limi- 29 ted oder public limited company (plc), oder auch die societé anonyme (S.A.) nach luxemburger Recht (ob in der Ausgestaltung als RAIF oder SIF) sind grds. als KapGes. zu bewerten, sodass auch § 1 Abs. 2b GrEStG (und § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG) Anwendung findet.

IV. Teilfonds Das Investmentrecht sieht grds. die Möglichkeit vor, dass Investmentvermögen Teilfonds bil- 30 den. Diese werden für aufsichts- und investmentsteuerrechtliche Zwecke wie eigenständige Investmentvermögen behandelt (s. § 1 Abs. 4 InvStG). Hier wäre es für grunderwerbsteuerliche Zwecke durchaus sinnvoll, diese ebenfalls als eigenständige KapGes. zu behandeln.4 Eine Analogie zum Investmentsteuerrecht ist aufgrund der unterschiedlichen Intention jedoch kaum möglich, zumal dieses auch nur ein separates Investmentvermögen fingiert, nicht eine eigene Gesellschaft.5 Als Konsequenz wird man also nur auf die Gesellschaft als solche abstellen können,6 was aber nicht immer zu sinnvollen Ergebnissen führt. Eine gesetzliche Klarstellung wäre wünschenswert. Bei Personengesellschaften wird hingegen auf die vermögensmäßige Beteiligung bzw. die sachenrechtliche Mitberechtigung des Gesellschafters an dem jeweiligen Grundstück abgestellt.7 Dies ist auch folgerichtig, da sich die Rechte der Investoren auch

1 So z.B. Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Vorbemerkung zu § 1 InvStG Rz. 121; s. auch Behrens, DStR 2010, 777 (786 f.). 2 BGBl. I 2021, 3436. 3 Ausführlich und im Ergebnis ablehnend Wachter in Behrens/Wachter2, § 19 GrEStG Rz. 167. 4 Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Vorbemerkung zu § 1 InvStG Rz. 122. 5 Jetter/Mager in Beckmann/Scholtz/Vollmer, Vorbemerkung zu § 1 InvStG Rz. 123. 6 Bödecker in Bödecker/Ernst/Hartmann, Einleitung Rz. 62.23; s. Rz. 62.24 zur Rechtsträgerschaft bei inländischen Teilgesellschaftsvermögen. 7 Gleichlautende Erlasse der obersten FinBeh. der Länder zur Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG v. 10.5.2022, BStBl. I 2022, 801 Rz. 4. Gottschling | 1123

Rz. 30 | Anhang 6 Grunderwerbsteuerliche Besonderheiten

auf die Vermögenswerte des jeweiligen Teilgesellschaftsvermögens beschränken. Für Investmentfonds hat das auch dadurch an Bedeutung gewonnen, dass geschlossene Investment-KGs (sowohl solche mit veränderlichem als auch fixem Kapital) nunmehr ebenfalls die Möglichkeit haben, Teilgesellschaftsvermögen einzurichten.1

V. Ausländische Sondervermögen 31 Für ausländische Sondervermögen gelten die Ausführungen in Rz. 30 entsprechend. Insbeson-

dere bei den Investmentvermögen in Vertragsform stellt sich die Kernfrage der Eigentumszuordnung. Im Einzelfall kann die Abgrenzung schwierig werden und erfordert eine genaue Analyse der Vertragsdokumentation.2

1 Seit 20.3.2020, s. G zur Einführung von Sondervorschriften für die Sanierung und Abwicklung von zentralen Gegenparteien und zur Anpassung des WpHG an die Unterrichtungs- und Nachweispflichten nach den Art. 4a und 10 der VO (EU) Nr. 648/2012 v. 19.3.2020, BGBl. I 2020, 529. 2 Detailliert Behrens in Behrens/Wachter2, § 1 GrEStG Rz. 20.2, zur luxemburgischen FCP.

1124 | Gottschling

Anhang 7 Investmentfonds im Internationalen Steuerrecht A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Grenzüberschreitende Besteuerung von Einkünften eines Investmentfonds (Fondseingangsseite) I. Ebene des Investmentfonds 1. Inländischer Investmentfonds mit ausländischen Einkünften . . . . . . . . . . . . . 2. Ausländischer Investmentfonds mit inländischen Einkünften a) Steuerliche Einordnung ausländischer Investmentfonds . . . . . . . . b) Steuerpflicht ausländischer Investmentfonds mit inländischen Einkünften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Keine Zurechnung der Fondseinkünfte beim Anleger 1. Inländischer Anleger eines Investmentfonds mit ausländischen Einkünften . . 2. Ausländischer Anleger eines Investmentfonds mit inländischen Einkünften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Grenzüberschreitende Besteuerung von Ausschüttungen von Investmentfonds (Fondsausgangsseite) I. Beteiligung inländischer Anleger an ausländischen Investmentfonds 1. Laufende Einkünfte a) Quellensteuerpflicht im Ausland . b) Besteuerung in Deutschland – Schachtelprivileg aa) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Internationales Schachtelprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Treaty override in § 16 Abs. 4 InvStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Veräußerungsgewinne . . . . . . . . . . . . . II. Beteiligung ausländischer Anleger an inländischen Investmentfonds 1. Laufende Einkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Veräußerungsgewinne . . . . . . . . . . . . . III. Beteiligung inländischer Anleger an einem Investmentfonds mit ausländischen Einkünften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Anwendung von DBA auf Investmentfonds (Fondseingangsseite) I. Differenzierung zwischen In- und Outbound-Konstellationen 1. Inländischer Investmentfonds mit ausländischen Einkünften . . . . . . . . . . . . .

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2. Ausländischer Investmentfonds mit inländischen Einkünften . . . . . . . . . . . . . II. Einzelne Problembereiche 1. Nutzung von Abkommensvorteilen und Missbrauchsverhinderung . . . . . . 2. Abkommensberechtigung von Investmentfonds a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Investmentfonds als „Person“ aa) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . bb) Haftungs- und vermögensrechtlich getrennte Teile von Investmentfonds im DBA . . . . . . . . . c) „Ansässigkeit“ von Investmentfonds aa) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . bb) Deutsche Sichtweise . . . . . . . . . cc) Sicht anderer Staaten . . . . . . . . d) Nutzungsberechtigung von Investmentfonds aa) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . bb) Deutsche Sichtweise . . . . . . . . . cc) Sicht anderer Staaten . . . . . . . . 3. Abkommensberechtigung von hybriden Rechtsgebilden a) Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . b) Anwendungsprobleme . . . . . . . . . . c) Abkommens- vs. anwenderstaatsorientiertes Verständnis . . . . . . . . . d) Sonderregelung im nationalen Recht: § 50d Abs. 11a EStG . . . . . . e) Sonderregelungen in DBA aa) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . bb) Anwendungsbereich . . . . . . . . cc) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . dd) Verhältnis zu § 50d Abs. 11a EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Andere abkommensrechtliche Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Spezielle Regelungen für Investmentfonds in DBA a) Einführung aa) Vorschläge auf OECD-Ebene . bb) Deutsche Abkommenspolitik . b) DBA-USA aa) Prot. Ziff. 2 Buchst. b DBAUSA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Art. 28 Abs. 6 DBA-USA (1) Verhältnis zur LoB-Klausel . . . (2) Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Schwenke/Sanning | 1125

| Anhang 7 Investmentfonds im Internationalen Steuerrecht (3) Tatbestandsvoraussetzungen (a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . 73 (b) Aktien oder andere Eigentumsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 (c) Kreis der qualifizierten Anteilseigner (aa) Berechtigte Personen . . . . . . . . 75 (bb) Gleichberechtigte Begünstigte . 76 (d) Ermittlung der Beteiligungsquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 c) Art. 25b Abs. 4 DBA-Frankreich . . 81 d) DBA-Irland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 e) DBA-Liechtenstein aa) Prot. Ziff. 2 DBA-Liechtenstein 86 bb) Art. 31 Abs. 3 DBA-Liechtenstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 f) DBA-Australien . . . . . . . . . . . . . . . 94 g) DBA-Luxemburg . . . . . . . . . . . . . . 98 h) DBA-Niederlande aa) Prot. Ziff. II und XV DBA-Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 bb) Prot. Ziff. XIX Abs. 1 DBA-Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 cc) Prot. Ziff. XIX Abs. 2 DBA-Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 i) DBA-Großbritannien . . . . . . . . . . . 109 j) DBA-Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 k) DBA-Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 III. Anwendbarkeit des Steuersatzes für Schachteldividenden . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 IV. Anwendbarkeit von § 50d Abs. 3 EStG auf Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

E. Anwendung von DBA auf Anlegerebene (Fondsausgangsseite) I. Anwendung des DBA aus deutscher Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendung des DBA aus Sicht anderer Vertragsstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Hinzurechnungsbesteuerung bei Investmentfonds I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beteiligung eines inländischen Investmentfonds an einer ausländischen Zwischengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Beteiligung eines Steuerinländers an einem ausländischen Investmentfonds 1. Grundsätzlicher Vorrang des InvStG . 2. Drittelregelung: Öffnungsklausel für Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . . . . 3. Investmentfonds als ausländische Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beherrschung von Investmentfonds . . 5. Vermeidung einer Doppelbesteuerung 6. Verfahrensfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Mittelbare Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Beteiligung einer ausländischen Zwischengesellschaft mit inländischen Anteilseignern an einem ausländischen Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literatur: Fock, Investmentsteuerrecht und Außensteuergesetz, IStR 2006, 734; Wolff/Eimermann, Neuerungen im DBA-USA: Änderungsprotokoll vom 1.6.2006 zum DBA-USA 1989 und dem Protokoll dazu, IStR 2006, 837; Geurts/Jacob, Französische SICAV: Ansässigkeit nur bei Steuerpflicht – und was ist mit dem deutschen REIT?, IStR 2007, 737; Schnitger/Schachinger, Das Transparenzprinzip im Investmentsteuergesetz und seine Bedeutung für das Zusammenwirken mit den Vorschriften über die Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 ff. AStG, BB 2007, 801; Schönfeld, Der neue Artikel 1 DBA-USA – Hinzurechnungsbesteuerung und abkommensrechtliche Behandlung von Einkünften steuerlich transparenter Rechtsträger, IStR 2007, 274; Zinkeisen/Walter, Seminar F: Abkommensberechtigung von Investmentfonds, IStR 2007, 583; Anger/Sewtz, Zum Schachtelprivileg auf Ausschüttungen an eine S-Corporation nach dem DBA-USA 2006 – Duplik zu Eimermann, IStR 2009, 273; Eimermann, Schachtelprivileg auf Ausschüttungen an eine S-Corporation oder einen anderen hybriden Rechtsträger nach dem DBA-USA 2006? – Eine Erwiderung auf die Anmerkungen von Anger/Sewtz in IStR 2008, 852, IStR 2009, 58; Obermann/Brill/Heeren, Konsolidierungen in der Fondsindustrie — Eine Untersuchung der aufsichtsrechtlichen und steuerrechtlichen Behandlung der Verschmelzung von inländischen Sondervermögen und Investmentaktiengesellschaften, DStZ 2009, 152; Bahns/Keuthen, Behandlung hybrider Gesellschaften im Entlastungsverfahren nach § 50d EStG – Reichweite des Art. 1 Abs. 7 DBA-USA, IStR 2010, 750; da Silva, Granting Tax Treaty Benefits to Collective Investment Vehicles – A Review of the OECD Report and the 2010 Amendments to the Model Tax Convention, Intertax 2011, 195; Geurts, Das DBA-Irland aus investmentsteuerlicher Sicht, IStR 2011, 573; Lang, Steuerlich transparente Rechtsträger und Abkommensberechtigung, IStR 2011, 1; Benz/Kroon, Die Besteuerung von Dividenden nach dem neuen DBA-Niederlande, IStR 2012, 799; Böing/Prang, Das neue DBA-Niederlande 2012, BB 2012, 2211; Jacob, Das neue DBA Deutschland-Luxemburg 2012, IStR 2012, 749; Eberhardt, Abkommensrechtliche Missbrauchsvermeidung bei Investmentvermögen, IStR 2013, 377; Jacob/Klein, S-Corporation die Zweite – Kernaussagen und Folgewirkungen des BFH-Urt. v. 26.6.2013 – I R 48/12, IStR 2014, 121; Richter/Moser/Bachmann/

1126 | Schwenke/Sanning

A. Einführung | Rz. 4 Kraft, Zweifelsfragen im Zusammenspiel der Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7–14 AStG mit dem InvStG, Ubg 2014, 694; Angsten, Praxisfälle des Investmentsteuerrechts und der Hinzurechnungsbesteuerung, IWB 2015, 199; Birker, Auswirkungen der Reform der Investmentbesteuerung auf spezielle Abkommensregelungen für Investmentvermögen, RdF 2015, 221; Kopec/Rothe, § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG – eine verfahrensrechtliche oder materiell-rechtliche Vorschrift?, IStR 2015, 372; Haug, Investmentfonds und Außensteuerrecht: Abgrenzungsfragen nach dem InvStRefG, IStR 2016, 597; Stadler/Bindl, Das neue InvStG – Überblick und Korrekturbedarf, DStR 2016, 1953; Bindl/Stadler, Die Immobilientransparenz gem. § 33 Abs. 2 InvStG 2018 bei Dach- und Masterfonds-Strukturen, BB 2017, 1943; Haug, Konsequenzen für die Investmentbesteuerung aufgrund „ATAD-UmsG“ und „JStG 2019“, Ubg 2020, 84; Herr/Link, Verhältnis zwischen InvStG und AStG – Ende der Sperrwirkung aufgrund der ATAD I-Richtlinie?, RdF 2020, 20; Kortendick/Ekinci, Das neue Beherrschungskonzept in der Hinzurechnungsbesteuerung nach dem ATADUmsG (RefE), IStR 2020, 615; Linn, Änderungen in der Hinzurechnungsbesteuerung durch das ATADUmsG?, IStR 2020, 77; Rechid/Schäfer, ATAD-Umsetzungsgesetz: Reform der Hinzurechnungsbesteuerung – Mögliche Konsequenzen in der Praxis von deutschen Kreditinstituten, BB 2020, 2071; Sanning, Systemgerechtigkeit im Spannungsfeld von Investmentsteuerrecht und Hinzurechnungsbesteuerung, Diss., Berlin 2020; Stadler/Sotta, Investmentfonds und Hinzurechnungsbesteuerung nach dem ATAD-UmsG – eine kritische Analyse des Referentenentwurfs v. 24.3.2020, BB 2020, 1943; Gütle/Sotta, Reform der Hinzurechnungsbesteuerung – Auswirkungen des § 7 Abs. 4 Satz 2 AStG-E bei Fondsinvestments, BB 2021, 224; Haug, Abgrenzung zwischen Außen- und Investmentsteuerrecht nach dem ATADUmsG, DStZ 2021, 612; Herr/Link, Verhältnis zwischen InvStG und AStG: doch kein Ende der Sperrwirkung aufgrund der AStG-Reform? – Update zu RdF 2020, 20 ff., RdF 2021, 268; Höring, Das Investmentsteuergesetz 2018 im Lichte des ATAD-UmsG, IWB 2021, 546; Link, AbzStEntModG-RegE zur Reform des § 50d Abs. 3 EStG – Konsequenzen für Private-Equity-Strukturen, RdF 2021, 122.

A. Einführung Das seit dem 1.1.2018 geltende InvStG regelt erstmals die intransparente Besteuerung inländi- 1 scher und ausländischer Investmentfonds i.S.d. § 1 Abs. 2 und 3 InvStG. Im Zusammenhang mit Investmentfonds kann das Internationale Steuerrecht damit in verschiedenen Sachverhaltskonstellationen relevant werden. Grundsätzlich sind zwei Besteuerungsebenen zu unterscheiden: Die Ebene des Investmentfonds selbst (Fondseingangsseite) und die des Anlegers (Fondsausgangsseite). Auf der Fondseingangsseite ist seit dem InvStG 2018 weiter zu differenzieren zwischen inländischen und ausländischen Investmentfonds, die wiederum über inländische oder ausländische Einkünfte verfügen können. Nicht in allen denkbaren Konstellationen stellen sich aber Fragen des Internationalen Steuerrechts. Dies ergibt sich insbes. aus dem begrenzten Besteuerungszugriff des InvStG 2018 (nur) auf inländische Einkünfte (§ 6 Abs. 2 InvStG). Auf der Fondseingangsseite liegt ein grenzüberschreitender Sachverhalt vor, wenn ein inlän- 2 discher Investmentfonds ausländische Einkünfte bezieht, ein ausländischer Investmentfonds inländische Einkünfte bezieht oder der Anleger in einem anderen Staat ansässig ist als der Staat, aus dem die Einkünfte des Investmentfonds stammen (Rz. 5 ff.). Im Besonderen stellen sich Fragen zur Abkommensberechtigung eines Fonds (Rz. 35 ff.) und im Speziellen zu hybriden Rechtsgebilden (Rz. 47 ff.). Daneben finden sich in den einzelnen DBA vermehrt spezielle Vorschriften für Investmentfonds (Rz. 63 ff.). Auf der Fondsausgangsseite ist wiederum zwischen inländischen und ausländischen Anle- 3 gern zu unterscheiden. Fragen des Internationalen Steuerrechts stellen sich dabei, wenn sich ein Steuerinländer an einem ausländischen Investmentfonds oder ein Steuerausländer an einem inländischen Investmentfonds beteiligt (Rz. 11 ff.). Weiter stellen sich bei Investmentfonds Fragen der Hinzurechnungsbesteuerung (Rz. 124 ff.). Die nachfolgende Darstellung beschränkt sich im Wesentlichen auf Investmentvermögen, die 4 Investmentfonds i.S.d. § 1 Abs. 2 und 3 InvStG sind. Schwenke/Sanning | 1127

Rz. 5 | Anhang 7 Investmentfonds im Internationalen Steuerrecht

B. Grenzüberschreitende Besteuerung von Einkünften eines Investmentfonds (Fondseingangsseite) I. Ebene des Investmentfonds 1. Inländischer Investmentfonds mit ausländischen Einkünften 5 Wenn ein inländischer Investmentfonds ausländische Einkünfte bezieht, ist der Investment-

fonds ungeachtet seiner unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 InvStG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 KStG mit diesen Einkünften nicht in Deutschland körperschaftsteuerpflichtig, weil sich die StPfl. des Investmentfonds auf inländische Einkünfte beschränkt (§ 6 Abs. 2 InvStG, § 6 InvStG Rz. 24). Wenn der Investmentfonds jedoch im Hinblick auf ausländische Kapitalanlagen aktiv unternehmerisch tätig ist und die ausländischen Einkünfte somit über eine gewerbliche Betriebsstätte erzielt, sind diese ausländischen Einkünfte sonstige inländische Einkünfte i.S.d. § 6 Abs. 5 Nr. 1 InvStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG und damit körperschaftsteuerpflichtig.1 Im Quellenstaat unterliegen die ausländischen Einkünfte unter Umständen einer (Quellen-)Steuer. Wenn die ausländischen Einkünfte (wie im Regelfall) nicht körperschaftsteuerpflichtig sind, scheidet eine Anrechnung dieser im Quellenstaat erhobenen Steuer auf die deutsche KSt des Investmentfonds gem. § 26 KStG i.V.m. § 34c Abs. 1 EStG aus. Diese Ausführungen gelten entsprechend für Spezial-Investmentfonds (§ 29 Abs. 1 InvStG).

6 Wenn der inländische Investmentfonds die Voraussetzungen für die Gewerbesteuerbefreiung

nicht erfüllt (§ 15 Abs. 2 InvStG), unterliegen die ausländischen Einkünfte grds. der GewSt.2 Die Beschränkung der StPfl. auf inländische Einkünfte in § 6 Abs. 2 InvStG gilt ausweislich des Wortlauts nur für die KSt. Bei einer aktiven unternehmerischen Bewirtschaftung wird der Investmentfonds aber auch gewerblich tätig sein. Dann handelt es sich bei den ausländischen Einkünften um sonstige inländische Einkünfte i.S.d. § 6 Abs. 5 Nr. 1 InvStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, die auch der Körperschaftsteuerpflicht unterliegen. In der Folge stellt sich die Frage, ob und wie die ausländische Quellensteuer auf die GewSt angerechnet werden kann.3 2. Ausländischer Investmentfonds mit inländischen Einkünften a) Steuerliche Einordnung ausländischer Investmentfonds

7 Ob ein ausländisches Rechtsgebilde ein Investmentfonds ist, bestimmt sich allein aus Sicht des

deutschen Steuerrechts, d.h. auf der Grundlage des § 1 Abs. 2 und 3 InvStG. Da Personengesellschaften nur in den in § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG genannten Fällen Investmentfonds sein können, ist die erste Vorfrage, die sich hierfür stellt, ob das ausländische Rechtsgebilde aus deutscher steuerlicher Sicht als steuerlich transparent (Personengesellschaft) oder intransparent (Körperschaft) qualifiziert. Hierfür gelten die allgemeinen Grundsätze für die steuerliche Einordnung ausländischer Rechtsgebilde, d.h., das Investmentvermögen ist aufgrund eines 1 Stadler/Bindl, DStR 2016, 1953 (1955). 2 A.A. Stadler/Bindl, DStR 2016, 1953 (1956). Widersprüchlich insofern die Gesetzesbegründung (BTDrucks. 18/8045, 84 f.), die einerseits davon ausgeht, dass nur inländische Einkünfte von § 15 Abs. 4 InvStG erfasst werden, aber gleichzeitig darauf verweist, dass ausländische Betriebsstätteneinkünfte gem. § 9 Nr. 3 GewStG aus dem Gewerbeertrag zu kürzen sind. 3 Das FG Hessen hatte eine Anrechnung analog der körperschaftsteuerrechtlichen und einkommensteuerrechtlichen Anrechnungsregelungen der §§ 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG, 34c Abs. 6 Satz 2 EStG bejaht, sofern das entsprechende DBA deren Anrechnung auf inländische Steuern vom Einkommen vorsieht (FG Hess. v. 26.8.2020 – 8 K 1860/16, EFG 2021, 779 [rkr.]). Der BFH hat die dagegen eingelegte Revision als unzulässig verworfen (BFH v. 8.2.2022 – I R 8/21, BFH/NV 2022, 814).

1128 | Schwenke/Sanning

B. Grenzüberschreitende Besteuerung (Fondseingangsseite) | Rz. 12

Rechtstypenvergleichs als Personengesellschaft oder Körperschaft einzuordnen.1 Bei ausländischen Investmentvermögen in Vertrags- oder Trustform stößt dies auf Schwierigkeiten, weil die dafür entwickelten Abgrenzungskriterien2 an gesellschaftsrechtliche Merkmale des ausländischen Rechtsgebildes anknüpfen. Für Investmentvermögen in Trust- oder Vertragsform spielt die Einordnung als Personengesellschaft oder Körperschaft aber auch keine Rolle, weil sie für die Subsumtion unter § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG nicht als Personengesellschaften gelten (§ 1 Abs. 3 Satz 2 InvStG, § 1 InvStG Rz. 123 f.). b) Steuerpflicht ausländischer Investmentfonds mit inländischen Einkünften Ausländische Investmentfonds gelten gem. § 6 Abs. 1 Satz 2 InvStG als ausländische Ver- 8 mögensmassen und unterliegen als solche grds. gem. § 2 Nr. 1 KStG mit ihren inländischen Einkünften i.S.d. § 49 Abs. 1 EStG der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht. Die StPfl. nach § 2 Nr. 1 KStG wird durch § 6 Abs. 2 bis 5 InvStG insoweit eingeschränkt, als Veräußerungsgewinne i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG bei Investmentfonds nicht zu den inländischen Einkünften zählen. § 6 Abs. 2 und 3 Satz 1 Nr. 2 InvStG erweitert die StPfl. um die in § 2 Nr. 2 Buchst. a bis c KStG genannten Einkünfte aus Wertpapierleih- und Wertpapierpensionsgeschäften (s. § 6 InvStG Rz. 32 ff.). Eine Gewerbesteuerpflicht scheidet unabhängig von § 15 Abs. 2 InvStG i.d.R. schon deshalb 9 aus, weil der ausländische Investmentfonds in Deutschland regelmäßig keine Betriebsstätte unterhält. Denkbar wäre eine inländische Betriebsstätte jedoch im Falle einer grenzüberschreitenden Verwaltung des Investmentfonds aus Deutschland heraus. Dies gilt grds. auch für Spezial-Investmentfonds. Übt jedoch ein Spezial-Investmentfonds die 10 Transparenzoption gem. § 30 Abs. 1 und 3 InvStG aus oder behält er gem. § 33 Abs. 1 und 3 InvStG KapErtrSt ein, sind die betreffenden inländischen Einkünfte des Spezial-Investmentfonds steuerlich den Anlegern zuzurechnen (Rz. 12 f.). Der Spezial-Investmentfonds ist mit diesen Einkünften nicht beschränkt körperschaftsteuerpflichtig.

II. Keine Zurechnung der Fondseinkünfte beim Anleger 1. Inländischer Anleger eines Investmentfonds mit ausländischen Einkünften Erzielt ein ausländischer oder inländischer Investmentfonds ausländische Einkünfte, sind die- 11 se dem Investmentfonds und nicht dem Anleger zuzurechnen. Ein inländischer Anleger ist mit diesen Einkünften also nicht in Deutschland stpfl. Das gilt auch für Spezial-Investmentfonds, da durch die Transparenzoption gem. § 30 Abs. 1 und 3 InvStG nur eine Transparenz des Spezial-Investmentfonds im Hinblick auf inländische Einkünfte hergestellt wird. Da den Anlegern die ausländischen Einkünfte nicht zugerechnet werden, scheidet auf Ebene des Anlegers auch eine Anrechnung der ausländischen Steuer auf diese Einkünfte wegen fehlender Steuersubjektidentität aus. Die ausländische Steuer wird allerdings mittelbar auf der Fondsausgangsseite bei der Besteuerung des Anlegers berücksichtigt (Rz. 30). 2. Ausländischer Anleger eines Investmentfonds mit inländischen Einkünften Die inländischen Einkünfte eines (inländischen oder ausländischen) Investmentfonds sind ei- 12 nem ausländischen Anleger nicht zuzurechnen. Dieser ist somit mit diesen Einkünften in 1 Ausführlich Schnittker in W/R/S2, Rz. 3.5 ff. 2 Vgl. zur US-LLC BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA – 22/04, BStBl. I 2004, 411. Diese Kriterien sollen auch für andere ausländische Gesellschaftsformen gelten; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 – S 1300/ 09/10003, BStBl. I 2014, 1258 Tz. 1.2. Schwenke/Sanning | 1129

Rz. 12 | Anhang 7 Investmentfonds im Internationalen Steuerrecht

Deutschland nicht beschränkt steuerpflichtig. Das gilt grds. auch für Spezial-Investmentfonds.1 Es gelten allerdings Besonderheiten: Wenn der Spezial-Investmentfonds für Beteiligungseinnahmen oder sonstige inländische Einkünfte mit Steuerabzug die Transparenzoption ausübt (§ 30 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 InvStG), gelten für diese Einkünfte die Anleger als Gläubiger der betreffenden Einnahmen (§ 30 InvStG Rz. 24). Die ausländischen Anleger sind dann gem. § 49 Abs. 1 EStG (ggf. i.V.m. § 2 Nr. 1 oder Nr. 2 KStG) mit den inländischen Beteiligungseinnahmen bzw. sonstigen inländischen Einkünften mit Steuerabzug des Spezial-Investmentfonds in Deutschland beschränkt einkommen- bzw. körperschaftsteuerpflichtig.2 13 Wenn der Spezial-Investmentfonds gem. § 33 Abs. 1 InvStG auf ausgeschüttete und ausschüt-

tungsgleiche inländische Immobilienerträge KapErtrSt erhebt, gelten die inländischen Immobilienerträge als von den Anlegern unmittelbar bezogene Einkünfte i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f, Nr. 6 oder 8 EStG (§ 33 Abs. 3 InvStG). Die beschränkte StPfl. der ausländischen Anleger für die Immobilienerträge ergibt sich dann aus § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f, Nr. 6 bzw. 8 EStG (§ 33 InvStG Rz. 48 ff.). Nach § 33 Abs. 4 Satz 1 InvStG soll dies entsprechend für sonstige inländische Einkünfte ohne Steuerabzug gelten. Satz 2 der Vorschrift stellt klar, dass auf die einschlägige Bestimmung im § 49 Abs. 1 EStG Bezug genommen wird, aus der sich dann die beschränkte StPfl. des Anlegers ergibt.3

C. Grenzüberschreitende Besteuerung von Ausschüttungen von Investmentfonds (Fondsausgangsseite) I. Beteiligung inländischer Anleger an ausländischen Investmentfonds 1. Laufende Einkünfte a) Quellensteuerpflicht im Ausland 14 Bei Ausschüttungen ausländischer Investmentfonds an einen Steuerinländer stellt sich zu-

nächst die Frage, ob der ausländische Staat eine Quellensteuer erhebt, und weiter, ob diese auf der Grundlage des Dividendenartikels des jeweiligen zwischen dem Ansässigkeitsstaat des Investmentfonds und Deutschland abgeschlossenen DBA (vgl. Art. 10 Abs. 2 OECD-MA) reduziert werden kann. Handelt es sich um einen Investmentfonds in der Rechtsform einer Gesellschaft, werden Ausschüttungen i.d.R. unter die Dividendendefinition des dem Art. 10 Abs. 3 OECD-MA entsprechenden Artikels des jeweiligen DBA fallen.4 Bei Ausschüttungen von Investmentfonds in Vertrags- oder Trustform ist hingegen danach zu fragen, ob die Ausschüttungen im Ansässigkeitsstaat des Fonds steuerlich den Einkünften aus Aktien gleichgestellt i.S.d. dem Art. 10 Abs. 3 OECD-MA entsprechenden Artikels des jeweiligen DBA sind. Zahlreiche deutsche DBA schließen zudem „Ausschüttungen auf Anteilsscheine an einem Investmentvermögen“ in die abkommensrechtliche Dividendendefinition ausdrücklich mit ein.5 Allerdings gilt diese Definitionen häufig nur für deutsche Investmentvermögen, nicht für Investmentvermögen im anderen Vertragsstaat.6

1 2 3 4

BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.15. BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 30.17; BT-Drucks. 18/8045, 139. BT-Drucks. 18/12127, 65; BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 33.37. BFH v. 15.3.2021 – I R 61/17, BFH/NV 2021, 1387 Rz. 48 ff., zu Ausschüttungen einer Luxemburger SICAV. 5 Die im Vergleich zur OECD-Definition erweiterte Dividendendefinition ist Teil der deutschen Verhandlungsgrundlage für DBA (Art. 10 Abs. 3 D-VG). 6 Vgl. etwa Art. 9 Abs. 6 DBA-Frankreich.

1130 | Schwenke/Sanning

C. Grenzüberschreitende Besteuerung (Fondsausgangsseite) | Rz. 20

Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Dividendenartikels ist ferner, dass der Investment- 15 fonds im Ausland ansässig ist (Art. 10 Abs. 1 OECD-MA; Rz. 39 ff.). Wenn der Investmentfonds im anderen Vertragsstaat transparent besteuert wird, fallen die Ausschüttungen nicht unter den Dividendenartikel, sondern stellen sonstige Einkünfte dar, für die Deutschland als Wohnsitzstaat des Anlegers grds. das alleinige Besteuerungsrecht zusteht (Art. 21 OECD-MA). Fallen die Ausschüttungen unter den Dividendenartikel, beschränken die DBA den Quellen- 16 steuersatz i.d.R. auf 15 % (Art. 10 Abs. 2 Buchst. b OECD-MA). Bei Schachteldividenden (unmittelbare Beteiligung einer Gesellschaft i.H.v. i.d.R. mindestens 10 % an der ausschüttenden Gesellschaft) wird der Quellensteuersatz regelmäßig auf 5 % beschränkt (Art. 10 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA). Einige deutsche DBA schließen jedoch den ermäßigten Steuersatz für Schachteldividenden bei Ausschüttungen von Investmentfonds ausdrücklich aus.1 Bei anderen DBA kann der ermäßigte Quellensteuersatz für Schachteldividenden durch eine in Deutschland ansässige Gesellschaft grds. für Ausschüttungen eines Investmentfonds in Anspruch genommen werden. Fraglich könnte bei Investmentfonds in Vertrags- oder Trustform sein, ob die deutsche Gesellschaft dann über eine Beteiligung am „Kapital“ des Investmentfonds i.S.d. Art. 10 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA entsprechenden Artikels verfügen kann, weil es an einem gezeichneten Kapital fehlt. Insofern sollte jedoch auf die Beteiligung an den Einlagen abgestellt werden. Nicht anwendbar ist der ermäßigte Quellensteuersatz hingegen, wenn das DBA auf die Beteiligung an den stimmberechtigten Anteilen abstellt, weil die Anteile am Investmentfonds den Anlegern i.d.R. keine Stimmrechte vermitteln. Eine Sonderregelung für Ausschüttungen bestimmter Immobilien-Investmentfonds enthält 17 Art. 9 Abs. 10 DBA-Frankreich, nach dem die Begrenzung des Quellensteuerrechts für Dividenden gem. Art. 9 Abs. 2, 3 und 5 DBA-Frankreich für diese Ausschüttungen nicht gilt. b) Besteuerung in Deutschland – Schachtelprivileg aa) Grundsatz Wenn die Ausschüttungen des ausländischen Investmentfonds unter den Dividendenartikel 18 eines DBA fallen (Rz. 16), darf Deutschland i.d.R. die Ausschüttungen unter Anrechnung der ausländischen Quellensteuer besteuern (Art. 10 Abs. 1, 23A Abs. 2 OECD-MA, Art. 22 Abs. 1 Buchst. c Doppelbuchst. aa D-VG). bb) Internationales Schachtelprivileg Die meisten deutschen DBA sehen ein internationales Schachtelprivileg vor. Danach werden 19 Dividenden einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Gesellschaft an eine in Deutschland ansässige Gesellschaft von der deutschen Steuer freigestellt, wenn die Beteiligung der deutschen Gesellschaft an der ausschüttenden Gesellschaft eine bestimmte Mindestgrenze erreicht (Art. 22 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 D-VG). Im Einzelnen unterscheiden sich die Voraussetzungen für das internationale Schachtelprivileg in den verschiedenen DBA, sodass im Weiteren nur auf die Grundsätze eingegangen werden kann. Das Schachtelprivileg ist nur anwendbar, wenn die Ausschüttungen des Investmentfonds der 20 Dividendendefinition in den entsprechenden Vorschriften des betreffenden DBA (vgl. Art. 10 Abs. 3 OECD-MA) unterfallen (Rz. 16). Ist das der Fall, sollten auch die Vorabpauschale bei Investmentfonds und die ausschüttungsgleichen Erträge bei Spezial-Investmentfonds abkommensrechtlich Dividenden darstellen.2 Nach der Konzeption des InvStG 2018 nehmen diese 1 Vgl. Art. 10 Abs. 4 DBA-USA. 2 Lübbehüsen in Berger/Steck/Lübbehüsen, Vor §§ 1 ff. InvStG Rz. 101, zu ausschüttungsgleichen Erträgen unter dem InvStG 2004; a.A. wohl Tischbirek/Specker in Vogel/Lehner7, Art. 10 OECD-MA Rz. 230. Schwenke/Sanning | 1131

Rz. 20 | Anhang 7 Investmentfonds im Internationalen Steuerrecht

Einkünfte eine Ausschüttung des Investmentfonds vorweg und sollten insofern tatsächlichen Ausschüttungen gleichgestellt sein. 21 Weiterhin muss der ausländische Investmentfonds im anderen Vertragsstaat ansässig sein

(Rz. 39 ff.). Soweit das betreffende DBA voraussetzt, dass die ausschüttende Gesellschaft eine KapGes. ist, greift das Schachtelprivileg nicht für Ausschüttungen von Investmentfonds in Trust- oder Vertragsform. Auch ist das Schachtelprivileg i.d.R. nicht anwendbar, wenn das DBA die Beteiligung nicht am Kapital, sondern an den Stimmrechten misst, da den Anlegern i.d.R. kein Stimmrecht zusteht.

22 Schließlich enthalten viele von Deutschland abgeschlossene DBA einen sog. Aktivitätsvor-

behalt als Voraussetzung für das Schachtelprivileg. Die Tätigkeit von Investmentfonds dürfte häufig nicht ausreichend sein, um die Voraussetzungen eines Aktivitätsvorbehalts zu erfüllen. Auch versagen manche DBA das Schachtelprivileg, wenn die ausschüttende Gesellschaft steuerbefreit ist oder die Ausschüttung von der ausländischen Bemessungsgrundlage abzugsfähig war, was bei Investmentfonds häufig der Fall sein wird. Zudem schließen einige DBA das Schachtelprivileg für Ausschüttungen von Investmentfonds ausdrücklich aus. cc) Treaty override in § 16 Abs. 4 InvStG

23 Für den Fall, dass die Voraussetzungen für das internationale Schachtelprivileg des betreffen-

den DBA vorliegen, sieht § 16 Abs. 4 einen sog. treaty override vor (§ 16 InvStG Rz. 77 ff.). Danach wird die Freistellung für die Ausschüttung eines ausländischen Investmentfonds „ungeachtet eines Abkommens“ nur gewährt, wenn (1) der ausschüttende Investmentfonds in dem Staat, dem nach dem DBA das Besteuerungsrecht zusteht (d.h. dem Quellenstaat), der allgemeinen Ertragsbesteuerung unterliegt und (2) die Ausschüttung zu mehr als 50 % auf nicht steuerbefreiten Einkünften des Investmentfonds beruht. Diese Vorschrift soll Steuergestaltungen entgegenwirken, bei denen stpfl. Einkünfte (z.B. Zinsen) in stfreie Schachteldividenden umgewandelt wurden.1 Es handelt sich dabei um ein verfassungsrechtlich unbedenkliches sog. offenes treaty override, da der Gesetzgeber seinen Derogationswillen eindeutig zum Ausdruck gebracht hat (s. auch Einl. Europarecht und Verfassungsrecht Rz. 15).

24 Von einer allgemeinen Ertragsbesteuerung (1. Voraussetzung) ist nach § 16 Abs. 4 Satz 3

InvStG auszugehen, wenn der Investmentfonds einer Ertragsbesteuerung von mindestens 10 % unterliegt und nicht von dieser befreit ist. Dabei sollte es auf den nominalen und nicht den effektiven Steuersatz ankommen, weil sachliche Steuerbefreiungen schon durch die 2. Voraussetzung berücksichtigt werden.2 Bei der Ermittlung des Anteils der steuerbefreiten Einkünfte an einer Ausschüttung (2. Voraussetzung) wird man davon ausgehen müssen, dass stpfl. und steuerbefreite Erträge im gleichen Verhältnis ausgeschüttet werden. Die Steuerlast auf Ebene der Portfoliounternehmen des Investmentfonds wird nicht berücksichtigt.3

25 Nach § 16 Abs. 4 Satz 2 InvStG findet das Schachtelprivileg auch dann unter den Vorausset-

zungen von § 16 Abs. 4 Satz 1 InvStG keine Anwendung, wenn das jeweilige DBA für die Ausschüttung des Investmentfonds einen Quellensteuersatz i.H.v. 0 % vorsieht. Das Schachtelprivileg findet zudem auch dann unter den Voraussetzungen von § 16 Abs. 4 Satz 1 InvStG keine Anwendung, wenn der Vertragsstaat schon nach innerstaatlichem Recht keine Quellensteuer erhebt.

1 Vgl. dazu etwa die beim BFH anhängige Rev. I R 8/19. 2 Vgl. auch BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.22. 3 BMF-Anwendungsschreiben (konsolidierte Fassung), Rz. 16.20.

1132 | Schwenke/Sanning

C. Grenzüberschreitende Besteuerung (Fondsausgangsseite) | Rz. 29

2. Veräußerungsgewinne Für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an ausländischen Investmentfonds steht 26 Deutschland i.d.R. nach den dem Art. 13 Abs. 5 OECD-MA entsprechenden Artikeln der jeweiligen DBA das alleinige Besteuerungsrecht zu. Ausnahmen bestehen nach neueren deutschen DBA für ausländische Investmentfonds mit ausländischem Immobilienvermögen (Art. 13 Abs. 4 OECD-MA; § 19 InvStG Rz. 17). In diesen Fällen darf der Niederlassungsstaat des Investmentfonds den Veräußerungsgewinn besteuern. Deutschland hat sich verpflichtet, die ausländische Steuer anzurechnen.

II. Beteiligung ausländischer Anleger an inländischen Investmentfonds 1. Laufende Einkünfte Ausschüttungen eines inländischen Investmentfonds oder Spezial-Investmentfonds unterlie- 27 gen als Investmenterträge bzw. Spezial-Investmenterträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 3 bzw. 3a EStG (i.V.m. § 16 Abs. 1 Nr. 1 bzw. § 34 Abs. 1 Nr. 1 InvStG) keiner beschränkten StPfl. in Deutschland. Das Gleiche gilt für die Vorabpauschale gem. § 16 Abs. 1 Nr. 2 InvStG bei Investmentfonds und für ausschüttungsgleiche Erträge i.S.d. § 34 Abs. 1 Nr. 2 bei Spezial-Investmentfonds. Damit entfällt auch die Kapitalertragsteuerpflicht bei diesen Einkünften (§ 7 InvStG Rz. 23). Auf eine potenzielle Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts nach einem DBA kommt es somit nicht an. 2. Veräußerungsgewinne Für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Investmentanteilen inländischer Invest- 28 mentfonds (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 bzw. 3a EStG i.V.m. § 16 Abs. 1 Nr. 3 bzw. § 34 Abs. 1 Nr. 3 InvStG) durch Steuerausländer fehlt es an einer Regelung, die diese Einkünfte der beschränkten StPfl. unterwirft. Auch aus § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. e EStG lässt sich keine beschränkte StPfl. wesentlich beteiligter Anleger herleiten. Bei Anteilen an Investmentfonds handelt es sich nicht um Anteile an KapGes.,1 da Investmentfonds aufgrund der Fiktion in § 6 Abs. 1 InvStG als Zweckvermögen bzw. Vermögensmassen gelten (§ 6 InvStG Rz. 15). Auch insoweit kommt es nicht auf die Anwendbarkeit eines DBA an.

III. Beteiligung inländischer Anleger an einem Investmentfonds mit ausländischen Einkünften Da die ausländischen Einkünfte eines inländischen oder ausländischen Investmentfonds dem 29 Anleger nicht steuerlich zugerechnet werden, kann ein inländischer Anleger weder die ausländische Steuer auf die deutsche Steuer nach § 34c EStG anrechnen (Rz. 13) noch Beschränkungen des deutschen Besteuerungsrechts für diese Einkünfte aufgrund eines DBA zwischen Deutschland und dem Quellenstaat geltend machen (Rz. 122). Um diese Nachteile im Vergleich zu einer Direktanlage auszugleichen, werden Investmenterträge aus Investmentfonds teilweise gem. § 20 InvStG von der deutschen Steuer freigestellt.2 Die ausländischen Steuern und die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts (bei Auslandsimmobilienfonds vgl. § 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 InvStG) werden also pauschal berücksichtigt (s. im Einzelnen § 20 InvStG Rz. 27 ff.).

1 Vgl. Schmidt in H/H/R, § 17 EStG Anm. 147. 2 BT-Drucks. 18/8045, 91. Schwenke/Sanning | 1133

Rz. 30 | Anhang 7 Investmentfonds im Internationalen Steuerrecht 30 Bei einem Spezial-Investmentfonds werden ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträge

beim Anleger insoweit steuerbefreit, als sie ausländische Einkünfte enthalten, die nach einem DBA von der deutschen Steuer freigestellt wären (§ 43 Abs. 1 Satz 1 InvStG, vgl. einschränkend für Dividenden und Investmenterträge § 43 Abs. 1 Satz 2 und 3 InvStG). Die Freistellung nach einem DBA wird bei Spezial-Investmentfonds also auf der Ebene des Anlegers nicht nur pauschal berücksichtigt, sondern abkommensrechtlich eine gewisse Transparenz mittelbar hergestellt (vgl. im Einzelnen § 43 InvStG Rz. 2). § 47 InvStG ermöglicht zudem die Anrechnung von ausländischen Steuern, die auf ausländische Einkünfte des Fonds erhoben wurden, auf die deutsche ESt bzw. KSt des Anlegers (vgl. im Einzelnen § 47 InvStG Rz. 13).

D. Anwendung von DBA auf Investmentfonds (Fondseingangsseite) I. Differenzierung zwischen In- und Outbound-Konstellationen 1. Inländischer Investmentfonds mit ausländischen Einkünften 31 Wenn ein inländischer Investmentfonds ausländische Einkünfte erzielt, die im Ausland einer

(Quellen-)Steuer unterliegen, stellt sich die Frage, ob und inwieweit der Investmentfonds eine Freistellung von der ausländischen Steuer auf der Grundlage des zwischen Deutschland und dem jeweiligen Quellenstaat abgeschlossenen DBA beanspruchen kann. Zwar droht auf der Fondsebene keine Doppelbesteuerung, da die ausländischen Einkünfte in Deutschland stfrei sind (Rz. 5). Die Entlastung von der Steuer im Quellenstaat aufgrund eines DBA ist gleichwohl von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung für den inländischen Investmentfonds. Das DBA wird dann aus der Sicht des ausländischen Quellenstaats angewandt. In diesem Zusammenhang rücken Fragen nach der Anwendbarkeit von DBA auf Investmentfonds in den Fokus (Rz. 35 ff.). Besondere praktische Relevanz hat dabei die Reduzierung der Quellensteuer auf der Grundlage des Dividenden- und Zinsartikels des einschlägigen DBA (Art. 10 und 11 OECD-MA). Grundsätzlich nicht relevant ist die abkommensrechtliche Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts für die ausländischen Einkünfte eines inländischen Investmentfonds (z.B. für Immobilieneinkünfte, Art. 6, 13 Abs. 1 OECD-MA), weil diese Einkünfte auf der Ebene des Investmentfonds nicht in Deutschland stpfl. sind (§ 6 Abs. 2 InvStG). 2. Ausländischer Investmentfonds mit inländischen Einkünften

32 In der spiegelbildlichen Situation eines ausländischen Investmentfonds mit inländischen Ein-

künften ist aus deutscher Sicht zu prüfen, ob der ausländische Investmentfonds die Voraussetzungen für eine Freistellung oder Reduzierung der deutschen (Quellen-)Steuer nach dem jeweiligen DBA zwischen Deutschland und dem Ansässigkeitsstaat erfüllt. Seit dem InvStG 2018 hat diese Frage allerdings an praktischer Relevanz verloren. Schon vor dem InvStG 2018 spielten für ausländische Investmentfonds DBA im Wesentlichen nur bei Dividenden eine Rolle, weil Zinsen nur in begrenzten Fällen in Deutschland einer beschränkten StPfl. unterliegen und für inländische Immobilieneinkünfte Deutschland i.d.R. das Besteuerungsrecht zusteht (Art. 6, 13 Abs. 1 OECD-MA). Nach dem InvStG 2018 unterliegen Dividenden, die ein ausländischer Investmentfonds bezieht, nur noch einer KapErtrSt i.H.v. 15 % (§ 7 Abs. 1 Satz 1 InvStG). Die DBA Deutschlands sehen i.d.R. ebenfalls nur eine Beschränkung des deutschen Quellensteuersatzes auf 15 % vor.1 Vorteile bringt die Anwendung des DBA nur dann, wenn der Investmentfonds die Voraussetzungen für den ermäßigten Steuersatz für Schachteldividenden (i.d.R. 5 %, vgl. Art. 10 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA) erfüllt (Rz. 14 ff.). Daneben bleiben DBA noch in den Fällen praktisch relevant, in denen für Zinsen eine beschränkte StPfl.

1 Tischbirek/Specker in Vogel/Lehner7, Art. 10 OECD-MA Rz. 150.

1134 | Schwenke/Sanning

D. Anwendung von DBA auf Investmentfonds (Fondseingangsseite) | Rz. 36

besteht und das DBA hierfür eine Freistellung vorsieht (bspw. nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG).

II. Einzelne Problembereiche 1. Nutzung von Abkommensvorteilen und Missbrauchsverhinderung Aufgrund der verschiedenen Rechtsformen für Investmentfonds und des besonderen Besteue- 33 rungsregimes, dem sie in Deutschland und anderen Staaten unterliegen, wirft die Anwendung von DBA auf Investmentfonds sowohl aus deutscher Sicht als auch aus Sicht vieler anderer Staaten verschiedene Probleme auf. Zum einen kann zweifelhaft sein, ob Investmentfonds die allgemeinen Voraussetzungen für die Gewährung von Abkommensvorteilen erfüllen (Rz. 35 ff.). Außerdem stellen sich bei der Gewährung von Abkommensvorteilen an Investmentfonds abkommenspolitische Fragen, insbes. im Hinblick auf die Verhinderung von treaty shopping. Da Investmentfonds i.d.R. keiner Besteuerung in ihrem Niederlassungsstaat unterliegen, eignen sie sich besonders als Vehikel für treaty shopping-Strukturen, bei denen sich Drittstaatsansässige an einem Investmentfonds beteiligen, um so die Vorteile eines ansonsten nicht anwendbaren DBA in Anspruch zu nehmen (sog. direct-conduit-Strukturen). Die OECD hat sich in einem Bericht aus dem Jahr 2010 mit diesen Problemen bei der Anwen- 34 dung von DBA auf Investmentvermögen befasst und Lösungsvorschläge unterbreitet,1 die auch in den OECD-MK eingeflossen sind. Sowohl der OECD-Bericht als auch der OECD-MK befassen sich allerdings nur mit Investmentvermögen, die eine breite Anteilsstreuung aufweisen, unter Beachtung des Grundsatzes der Risikomischung investieren und einer Aufsicht zum Schutz der Anleger unterliegen (sog. „Collective Investment Vehicles – CIVs“).2 Für andere Investmentvermögen („Non-CIVs“) werden derzeit im Rahmen des BEPS-Projekts der OECD (Action Point 6) Lösungsmöglichkeiten diskutiert. Deutschland hat vor dem Hintergrund des OECD-Berichts zu CIVs bereits in einigen DBA Sonderregelungen für Investmentfonds eingeführt (vgl. ausführlich Rz. 63 ff.). 2. Abkommensberechtigung von Investmentfonds a) Vorbemerkung Nach den von Deutschland abgeschlossenen DBA kann – in Übereinstimmung mit dem 35 OECD-MA – ein Investmentfonds nur dann Abkommensvorteile geltend machen, wenn er eine „Person“ (Rz. 36 ff.) ist und „im anderen Vertragsstaat ansässig ist“ (Rz. 49 ff.), d.h. dort der (unbeschränkten) StPfl. unterliegt (Art. 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 OECD-MA). Weiterhin setzen die neueren deutschen DBAs, wie auch das OECD-MA, im jeweiligen Dividenden- bzw. Zinsartikel voraus, dass der Investmentfonds als Nutzungsberechtigter der betreffenden Einkünfte (Rz. 42 ff.) anzusehen ist. Bei Investmentfonds kann die Subsumtion unter diese Voraussetzungen sowohl aus Sicht Deutschlands als auch der anderen Vertragsstaaten Schwierigkeiten bereiten. b) Investmentfonds als „Person“ aa) Vorbemerkung Ob ein Investmentfonds als „Person“ i.S.d. anwendbaren DBA qualifiziert, kann bei Invest- 36 mentfonds zweifelhaft sein, die nicht in der Rechtsform einer Gesellschaft organisiert sind, 1 OECD, Granting Treaty Benefits to CIVs. 2 OECD, Granting Treaty Benefits to CIVs, Rz. 4. Schwenke/Sanning | 1135

Rz. 36 | Anhang 7 Investmentfonds im Internationalen Steuerrecht

also bei Investmentfonds in Vertrags- oder Trustform. Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECDMA umfasst der Ausdruck „Person“ natürliche Personen, Gesellschaften und alle anderen Personenvereinigungen. Nach dem OECD-MK können Investmentfonds (oder genauer: CIVs) in Vertrags- oder Trustform auch dann eine „Person“ sein, wenn sie sich nicht unter diese Begriffe subsumieren lassen. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA enthalte lediglich eine beispielhafte Aufzählung von bestimmten Arten von Personen, sei aber keine abschließende Definition.1 Der Begriff der Person müsse vielmehr, um den Zweck eines DBA zu gewährleisten, weit ausgelegt werden. Daher seien CIVs dann als Personen anzusehen, wenn sie als Steuersubjekt behandelt werden.2 37 Umstritten ist, ob die Eigenschaft als Person aus Sicht des Anwenderstaats (also i.d.R. des

Quellenstaats) oder des anderen Vertragsstaats beurteilt werden muss. Nach dem OECDMK soll es ausreichen, wenn das CIV im Niederlassungsstaat als Steuersubjekt behandelt wird.3 Richtigerweise sollte es jedoch auf die Sicht des Anwenderstaats ankommen.4 Aus deutscher Sicht sind dann Investmentfonds stets als Person anzusehen, weil sie nach § 6 Abs. 1 InvStG Körperschaftsteuersubjekte sind. Sie werden daher „wie eine juristische Person“ i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b OECD-MA besteuert, sind somit Gesellschaften (Rz. 118) und daher auch „Person“ i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA. bb) Haftungs- und vermögensrechtlich getrennte Teile von Investmentfonds im DBA

38 Wenn ein Investmentfonds aus mehreren haftungs- und vermögensrechtlich getrennten Teilen

besteht, bestimmt § 1 Abs. 4 InvStG, dass für die Zwecke des InvStG ungeachtet der zivilrechtlichen Einheit des Investmentfonds von eigenständigen Investmentfonds auszugehen ist. Diese Bestimmung hat auch Auswirkung auf die Anwendung von DBA, da in diesem Fall auch eigenständige Personen für die Zwecke der Abkommensanwendung vorliegen.5 Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass § 1 Abs. 4 InvStG nur für „die Zwecke dieses Gesetzes“, also des InvStG, gilt.6 Die Frage, was eine Person für die Zwecke der Abkommensanwendung ist, richtet sich nach innerstaatlichem Steuerrecht und damit auch nach dem InvStG. c) „Ansässigkeit“ von Investmentfonds aa) Vorbemerkung

39 Eine Person ist nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA in einem Vertragsstaat ansässig, wenn sie

nach dem Recht dieses Staats dort (unbeschränkt) stpfl. ist. Diese Voraussetzung kann für Investmentfonds krit. sein, wenn sie in ihrem Ansässigkeitsstaat einer persönlichen Steuerbefreiung unterliegen.

1 OECD-MK zu Art. 3, Tz. 2. 2 OECD-MK zu Art. 1, Tz. 24; ebenso Mann in Moritz/Jesch/Mann2, § 6 InvStG Rz. 434 f.; Zinkeisen/ Walter, IStR 2007, 583 (584); vgl. aber Weggenmann/Nehls in Vogel/Lehner7, Art. 1 OECD-MA Rz. 54c, wonach der OECD-MK bei fehlender StPfl. vom Fehlen der Personeneigenschaft ausgehe. Das ist aber schon deshalb nicht richtig, weil der OECD-MK lediglich verlangt, dass der Investmentfonds ein „taxpayer“ ist, was schon bei vorhandener Steuersubjekteigenschaft zu bejahen wäre. 3 OECD-MK zu Art. 1, Tz. 24. 4 Dürrschmidt in Vogel/Lehner7, Art. 3 OECD-MA Rz. 13b; Wassermeyer/Drüen in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 11. 5 BFH v. 15.3.2021 – I R 61/17, BFH/NV 2021, 1387 Rz. 47, zum DBA-Luxemburg, wobei die Frage mangels Entscheidungserheblichkeit im Ergebnis offenbleiben konnte; a.A. zu Art. 31 Abs. 3 DBALiechtenstein: Kammeter in Wassermeyer, Art. 31 DBA-Liechtenstein Rz. 39. 6 So aber Kammeter in Wassermeyer, Art. 31 DBA-Liechtenstein Rz. 39.

1136 | Schwenke/Sanning

D. Anwendung von DBA auf Investmentfonds (Fondseingangsseite) | Rz. 41

bb) Deutsche Sichtweise Wenn ein ausländischer Investmentfonds, der nach dem Recht seines Niederlassungsstaats 40 steuerbefreit ist, inländische Einkünfte bezieht und hierfür Abkommensvorteile beansprucht, ist für die Abkommensberechtigung die deutsche Auslegung der Ansässigkeitsvoraussetzung maßgeblich. Aus Sicht des deutschen Steuerrechts hat der BFH entschieden, dass eine persönliche Steuerbefreiung einer Person der Ansässigkeit nicht entgegensteht.1 Voraussetzung für die Ansässigkeit sei lediglich die abstrakte StPfl. nach dem Steuerrecht des Niederlassungsstaats, d.h. die Anerkennung der Person als Steuersubjekt.2 Diese Auffassung ist nicht unumstritten,3 wird aber von zahlreichen Vertretern in der deutschen Literatur geteilt.4 Sie erscheint vorzugswürdig, weil die Funktion der Ansässigkeitsvoraussetzung in Art. 4 Abs. 1 OECD-MA darin liegt, die Besteuerungsrechte zwischen den Vertragsstaaten aufzuteilen und damit schon eine sog. virtuelle Doppelbesteuerung zu verhindern. Hingegen lässt sich Art. 4 Abs. 1 OECD-MA nicht die Voraussetzung entnehmen, dass Einkünfte im Ansässigkeitsstaat stpfl. sein oder eine tatsächliche Doppelbesteuerung drohen muss.5 Daher sollten ausländische Investmentfonds, die nach dem Recht des anderen Vertragsstaats Steuersubjekte sind, dort aber einer persönlichen Steuerbefreiung unterliegen, aus deutscher Sicht im anderen Vertragsstaat ansässig sein. Auch sachliche Steuerbefreiungen oder die Möglichkeit des Investmentfonds, Ausschüttungen von der Steuerbemessungsgrundlage im Niederlassungsstaat abzuziehen, stehen der Ansässigkeit nicht entgegen. Investmentfonds, die nach dem Steuerrecht des anderen Vertragsstaats transparent besteuert werden, sind hingegen nicht im anderen Vertragsstaat ansässig. Die Ausübung der Transparenzoption durch einen ausländischen Spezial-Investmentfonds hat auf die Ansässigkeit i.S.d. Art. 4 Abs. 1 OECD-MA keine Auswirkungen, weil hierfür nur die StPfl. nach dem Steuerrecht des anderen Vertragsstaats entscheidend ist. cc) Sicht anderer Staaten Wenn ein inländischer Investmentfonds ausländische Einkünfte erzielt und hierfür Abkom- 41 mensvorteile beansprucht, kommt es auf die Auslegung der Ansässigkeitsvoraussetzung durch den ausländischen Quellenstaat an. Der OECD-MK stellt hierzu lediglich fest, dass einige Staaten die Ansässigkeit eines Investmentfonds nicht an dessen persönlicher Steuerbefreiung scheitern lassen, sofern die Steuerbefreiung an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist. Nach der Auffassung anderer Staaten soll hingegen eine persönliche Steuerbefreiung der Ansässigkeit entgegenstehen.6 Die Frage, welcher Auffassung der betreffende Quellenstaat folgt, hat mit dem InvStG 2018 an Gewicht verloren, weil Investmentfonds nunmehr keiner persönlichen, sondern einer sachlichen Steuerbefreiung unterliegen. Eine sachliche Steuerbefreiung ist im Hinblick auf die Ansässigkeit auch nach der restriktiveren Auffassung mancher 1 BFH v. 15.3.2021 – I R 61/17, BHF/NV 2021, 1387 Rz. 52, zum DBA-Luxemburg; v. 6.6.2012 – I R 52/ 11, BStBl. II 2014, 240 Rz. 12 zum DBA-Frankreich; so auch die Vorinstanz FG Rh.-Pf. v. 15.6.2011 – 1 K 2422/08, EFG 2011, 1828. 2 Im BFH-Urt. v. 6.6.2012 (I R 52/11, BStBl. II 2014, 240) ging es um die Frage der Ansässigkeit einer französischen SICAV. Der BFH verwies die Sache an die Vorinstanz zurück, da aus seiner Sicht durch das FG nicht ausreichend geklärt wurde, ob die SICAV nach französischem Recht als eigenständiges Steuersubjekt anerkannt sei oder als steuerlich transparent behandelt werde. 3 Gegen die Ansässigkeit bei persönlicher Steuerbefreiung: FG Nds. v. 29.3.2007 – 6 K 514/03, EFG 2007, 1223 (rkr.). 4 Ismer/Blank in Vogel/Lehner7, Art. 4 OECD-MA Rz. 82 f.; Pohl in Schönfeld/Ditz, DBA, 2. Aufl. 2019, Art. 4 Rz. 25; Schäfer in Moritz/Jesch/Mann2, Annex II Rz. 24; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 33a; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 25. 5 Ismer/Blank in Vogel/Lehner7, Art. 4 OECD-MA Rz. 82 f. 6 OECD-MK zu Art. 1, Tz. 26 f.; vgl. zur Praxis einiger Staaten Zinkeisen/Walter, IStR 2007, 583 (585 ff.). Schwenke/Sanning | 1137

Rz. 41 | Anhang 7 Investmentfonds im Internationalen Steuerrecht

Staaten wohl unschädlich.1 Auch Art. 4 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA steht nach seinem Sinn und Zweck der Ansässigkeit von Investmentfonds nicht entgegen.2 Allerdings ist fraglich, ob die Vertragsstaaten Deutschlands diese Schlussfolgerung in der Praxis immer nachvollziehen werden. d) Nutzungsberechtigung von Investmentfonds aa) Vorbemerkung 42 Der Begriff des Nutzungsberechtigten wird in Art. 10 OECD-MA (Dividenden) und Art. 11

OECD-MA (Zinsen) sowie in den entsprechenden Artikeln der neueren deutschen DBA verwendet.3 Diese Vorschriften machen die Entlastung von der Quellensteuer auf Dividenden bzw. Zinsen davon abhängig, dass die betreffenden Einkünfte von einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Person „als Nutzungsberechtigtem“ bezogen werden. Bis zur Änderung des OECD-MK in 2014 wurde dieser Begriff aber nur mit einigen Negativbeispielen konkretisiert und dementsprechend in den verschiedenen Staaten unterschiedlich ausgelegt.4 Einigkeit besteht zwischen den verschiedenen Auffassungen zur Auslegung des Begriffs des Nutzungsberechtigten insoweit, als dieses Konzept Missbräuche verhindern soll, bei denen der zivilrechtliche Gläubiger der Einkünfte eine abkommensberechtigte Person ist, die Einkünfte bei wirtschaftlicher Betrachtung aber einer anderen, nicht abkommensberechtigten Person zustehen. Vor diesem Hintergrund könnten die (potenziell drittstaatsansässigen) Anleger als Nutzungsberechtigte der durch den Investmentfonds erzielten Einkünfte anzusehen sein. bb) Deutsche Sichtweise

43 Der BFH vertritt die Auffassung, dass der Nutzungsberechtigte in Ermangelung einer abkom-

mensrechtlichen Definition nach innerstaatlichem Steuerrecht zu bestimmen sei. Nutzungsberechtigt ist somit die Person, der nach deutschem Steuerrecht die Einkünfte zuzurechnen sind.5 Diese Auffassung wird im deutschen Schrifttum geteilt.6 Demnach ist aus Sicht des deutschen Steuerrechts grds. der Investmentfonds als Nutzungsberechtigter anzusehen, weil dem Investmentfonds und nicht den Anlegern die Einkünfte zuzurechnen sind. Das ergibt sich regelmäßig schon daraus, dass der Investmentfonds, nicht jedoch die Anleger als wirtschaftlicher Eigentümer i.S.d. § 39 AO der den Einkünften zugrunde liegenden Wirtschaftsgüter anzusehen ist (§ 20 Abs. 5 EStG).7 Aber selbst soweit das nicht der Fall ist, enthält § 6 Abs. 1 Satz 2 InvStG für ausländische Investmentfonds eine spezielle Einkünftezurechnung, welche die allgemeinen Zurechnungsgrundsätze verdrängen würde. Einer anderen Person sind die Einkünfte nur zuzurechnen, wenn sich eine solche abweichende Zurechnung mit an-

1 Investmentaktiengesellschaften unterlagen allerdings auch vor dem InvStRefG lediglich einer sachlichen Steuerbefreiung. 2 Stadler/Bindl, DStR 2016, 1953 (1956). 3 Außerdem findet sich dieser Begriff in Art. 12 OECD-MA (Lizenzgebühren). Dieser Verteilungsartikel hat für Investmentfonds aber kaum Relevanz. 4 Tischbirek/Ismer in Vogel/Lehner7, Vor Art. 10 bis 12 OECD-MA Rz. 13. 5 BFH v. 26.6.2013 – I R 48/12, BStBl. II 2014, 367, zur Abkommensberechtigung einer US-amerikanischen S-Corporation nach Art. 10 DBA-USA. So auch noch zum DBA-USA (1989), das den Nutzungsberechtigten entsprechend definierte: BFH v. 20.8.2008 – I R 39/07, BStBl. II 2009, 234. 6 Gohr in Endres/Jacob/Gohr/Klein, DBA-USA, 2009, Art. 10 Rz. 70; Jacob/Klein, IStR 2014, 121; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 68; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 11 OECD-MA Rz. 57, Art. 12 OECD-MA Rz. 33. 7 Vgl. allerdings auch Obermann/Brill/Heeren, DStZ 2009, 152 (158), wonach bei einem Investmentvermögen in Vertragsform die Anleger wirtschaftliche Eigentümer sein sollen.

1138 | Schwenke/Sanning

D. Anwendung von DBA auf Investmentfonds (Fondseingangsseite) | Rz. 47

deren Umständen, etwa aufgrund besonderer schuldrechtlicher Vereinbarungen mit Dritten, begründen lässt. Ein Spezial-Investmentfonds ist im Hinblick auf inländische Beteiligungseinnahmen und 44 sonstige inländische Einkünfte mit Steuerabzug nicht Nutzungsberechtigter, wenn er die Transparenzoption ausübt (§ 30 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 InvStG). In diesem Fall sind insoweit die Anleger als Nutzungsberechtigte anzusehen. Gleiches gilt im Fall des § 33 Abs. 1 und 3 InvStG für Immobilienerträge bzw. sonstige inländische Einkünfte ohne Steuerabzug. cc) Sicht anderer Staaten Auf internationaler Ebene gibt es verschiedene Auffassungen zur Reichweite des Konzepts des 45 Nutzungsberechtigten.1 Einige Länder, wie z.B. USA2, bestimmen den Nutzungsberechtigten ebenfalls unter Rückgriff auf das innerstaatliche Steuerrecht. Andere Staaten legen das Konzept hingegen abkommensautonom und teilweise auch sehr weit aus, sodass ein großer Spielraum eröffnet wird, Einkünfte abweichend von der zivilrechtlichen Lage einer anderen Person zuzurechnen und so die Abkommensvorteile zu versagen.3 Bei dieser Auslegung wäre es zumindest denkbar, die Anleger und nicht den Investmentfonds als Nutzungsberechtigten anzusehen. Der OECD-MK enthält seit 2014 eine (Negativ-)Definition des Nutzungsberechtigten. 46 Demnach soll der Empfänger einer Zahlung dann nicht als Nutzungsberechtigter anzusehen sein, wenn seine rechtliche Position, diese Zahlung zu verwenden und den Nutzen daraus zu ziehen, durch eine vertragliche oder (sonstige) rechtliche Verpflichtung beschränkt wird, die Zahlung an eine andere Person weiterzuleiten, allerdings nur dann, wenn die Verpflichtung zur Weiterleitung von dem Erhalt der Zahlung abhängt.4 An einer solchen Abhängigkeit soll es aber nach dem OECD-MK bei Ausschüttungsverpflichtungen eines CIV fehlen.5 An anderer Stelle des OECD-MK heißt es, die Manager eines CIV hätten typischerweise einen erheblichen Ermessensspielraum bei der Auswahl und der Verwaltung der Investments, sodass die Anleger nicht als Nutzungsberechtigte angesehen werden könnten.6 Wenn es aber an einem ausreichenden Ermessenspielraum des Fondsmanagements im Einzelfall fehlen sollte oder der Investmentfonds kein CIV ist (etwa weil er nur einen oder wenige Anleger hat), kann das nach der Auffassung des OECD-MK wohl die Nutzungsberechtigung des Investmentfonds ausschließen. 3. Abkommensberechtigung von hybriden Rechtsgebilden a) Begriffsbestimmung Die Frage, ob ein Investmentfonds i.S.d. DBA ansässig und Nutzungsberechtigter der Einkünf- 47 te ist, wirft bei hybriden Investmentfonds besondere Probleme auf. Begrifflich wird zwischen hybriden Rechtsgebilden im engeren Sinne und umgekehrt hybriden Rechtsgebilden unterschieden. Ein hybrides Rechtsgebilde im engeren Sinne liegt vor, wenn das Rechtsgebilde im Anwenderstaat steuerlich transparent (wie eine PersGes.) und in einem anderen Staat steuerlich intransparent (wie eine KapGes.) behandelt wird. Wird das Rechtsgebilde im Anwender-

1 Tischbirek/Ismer in Vogel/Lehner7, Vor Art. 10 bis 12 OECD-MA Rz. 17 f. 2 Technical Explanation DBA-USA (2006) zu Art. 10 Abs. 2 DBA-USA; Technical Explanation US-MA (2006) zu Art. 10 Abs. 2 US-MA. 3 Vgl. Tischbirek/Ismer in Vogel/Lehner7, Vor Art. 10 OECD-MA Rz. 15. 4 Vgl. im Einzelnen: OECD-MK (2014) zu Art. 10 OECD-MA, Tz. 12.4. 5 OECD-MK zu Art. 10 OECD-MA, Tz. 12.4. 6 OECD-MK zu Art. 1 OECD-MA, Tz. 28. Schwenke/Sanning | 1139

Rz. 47 | Anhang 7 Investmentfonds im Internationalen Steuerrecht

staat steuerlich intransparent und in einem anderen Staat steuerlich transparent behandelt, spricht man von einem umgekehrt hybriden Rechtsgebilde. 48 Dementsprechend rechnet ein Staat die Einkünfte eines hybriden Rechtsgebildes seinen An-

teilseignern zu und besteuert diese Personen, während der andere Staat die Einkünfte dem hybriden Rechtsgebilde zurechnet und daher das Rechtsgebilde selbst besteuert (sog. subjektiver Qualifikationskonflikt).1 Diese unterschiedliche Einordnung kann auch zu einer uneinheitlichen Subsumtion unter die Verteilungsartikel eines DBA (sog. objektiver Qualifikationskonflikt) und damit zu einer doppelten Besteuerung oder doppelten Nichtbesteuerung in den Vertragsstaaten führen.

49 Investmentvermögen sind häufig hybride Rechtsgebilde, weil Staaten unterschiedliche steuer-

liche Konzepte verfolgen, um die Investition über ein Investmentvermögen der Direktanlage gleichzustellen. Aus deutscher steuerlicher Sicht ist ein (inländischer oder ausländischer) Investmentfonds immer intransparent, weil Deutschland die Einkünfte dem Investmentfonds und nicht seinen Anlegern zurechnet (§ 6 Abs. 1 Satz 1 bzw. 2 InvStG). Im Verhältnis zu Deutschland ist ein Investmentfonds daher aus deutscher Sicht dann umgekehrt hybrid, wenn der andere Staat den Investmentfonds transparent besteuert. Aus Sicht des anderen Staates ist der Investmentfonds dann hybrid (im engeren Sinn). Spezial-Investmentfonds werden bei Ausübung der Transparenzoption gem. § 30 Abs. 1 bzw. 3 InvStG und bei Einbehalt von KapErtrSt gem. § 33 Abs. 1 bzw. 3 InvStG aus deutscher Sicht teilweise transparent und i.Ü. intransparent besteuert. b) Anwendungsprobleme

50 Ein ausländischer Investmentfonds, der aus deutscher Sicht umgekehrt hybrid ist, führt i.d.R.

zu einem Leerlaufen des DBA im Hinblick auf die Einkünfte, die er aus Deutschland bezieht. Wenn der Niederlassungsstaat des Investmentfonds die Einkünfte den Anlegern zurechnet, ihn also steuerlich transparent behandelt, ist der Investmentfonds keine in diesem Staat ansässige Person für die Zwecke des Art. 4 Abs. 1 OECD-MA entsprechenden Artikels des jeweiligen DBA zwischen Deutschland und dem Niederlassungsstaat.2 Die Anleger können hingegen, selbst wenn sie im Niederlassungsstaat ansässig sind, keine Abkommensvorteile geltend machen, weil sie aus deutscher Sicht die inländischen Einkünfte nicht beziehen und somit auch nicht Nutzungsberechtigte der Einkünfte sind. Ein ähnliches Problem stellt sich, wenn sowohl Deutschland als auch der Niederlassungsstaat den Investmentfonds als steuerlich intransparent ansehen, ein Anleger jedoch in einem Drittstaat ansässig ist, der den Investmentfonds steuerlich transparent behandelt (aus deutscher Sicht umgekehrt hybrid in Bezug auf den Drittstaat) und Deutschland mit dem Drittstaat, nicht jedoch mit dem Niederlassungsstaat ein DBA abgeschlossen hat oder das DBA mit dem Drittstaat günstiger ist.

51 Bei einem inländischen Investmentfonds, der aus Sicht eines anderen Staates hybrid ist (also

intransparent in Deutschland und transparent im Quellenstaat), kann die Abkommensberechtigung dann leerlaufen, wenn die Anleger in einem Drittstaat ansässig sind3 (ansonsten wendet der Quellenstaat das DBA in Bezug auf die in Deutschland ansässigen Anleger an). Weitere Fallgestaltungen, in denen die Hybridität eines Investmentfonds zu einem Leerlaufen der Abkommensberechtigung führt, sind denkbar.

1 Jacobs/Endres/Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, 8. Aufl. 2016, 1274 ff.; Weggenmann/Nehls in Vogel/Lehner7, Art. 1 OECD-MA Rz. 17. 2 Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 27. 3 Wenn Deutschland die Einkünfte dem Investmentfonds zurechnet, liegt eine virtuelle Doppelbesteuerung vor, die eigentlich zur Anwendbarkeit des DBA führen müsste. Das kann nicht allein damit verneint werden, dass hinter dem Investmentfonds drittstaatsansässige Anleger stehen.

1140 | Schwenke/Sanning

D. Anwendung von DBA auf Investmentfonds (Fondseingangsseite) | Rz. 54

Daneben können hybride Investmentfonds auch dazu genutzt werden, um durch unangemes- 52 sene Gestaltungen Abkommensvorteile in Anspruch zu nehmen. Man stelle sich einen Spezial-Investmentfonds in einem Nicht-DBA-Staat vor, der die Transparenzoption ausübt, sodass aus deutscher Sicht die Dividenden direkt den Anlegern in einem DBA-Staat zuzurechnen sind. Aus deutscher Sicht wären dann die Abkommensvorteile zu gewähren. Das ist aber nicht sachgerecht, wenn der Ansässigkeitsstaat der Anleger den Spezial-Investmentfonds steuerlich intransparent behandelt und die Einkünfte nicht den Anlegern zurechnet. c) Abkommens- vs. anwenderstaatsorientiertes Verständnis Eine Lösung für die aufgezeigten Probleme könnte darin bestehen, bei der Frage, wem die Ein- 53 künfte für die Zwecke des DBA zuzurechnen sind, nicht auf das Steuerrecht des Anwenderstaates, sondern auf das Recht des anderen Vertragsstaates abzustellen. Im Fall des aus deutscher Sicht umgekehrt hybriden ausländischen Investmentfonds mit inländischen Einkünften und Anlegern im Niederlassungsstaat des Fonds würde Deutschland dann für die Zwecke des DBA mit dem Niederlassungsstaat die Einkünfte den im Niederlassungsstaat des Fonds ansässigen Anlegern zurechnen und aufgrund dieser Zurechnung das DBA mit dem Niederlassungsstaat anwenden. Dieses sog. „abkommensorientiertes Verständnis“ wird (wenn auch nicht konsequent) im OECD-Partnership-Report und im OECD-MK in Bezug auf hybride Personengesellschaften vertreten.1 In Deutschland wird diese Auslegung jedoch sowohl vom BFH2 als auch (im Grundsatz) von der FinVerw.3 sowie im Schrifttum abgelehnt (sog. „anwenderstaatsorientiertes Verständnis“).4 Für die Abkommensanwendung soll es demnach allein auf die Einkünftezurechnungsregeln des Anwenderstaates ankommen. d) Sonderregelung im nationalen Recht: § 50d Abs. 11a EStG Eine innerstaatliche Regelung für hybride Gesellschaften enthält § 50d Abs. 11a EStG.5 Da- 54 nach steht der Anspruch auf Quellensteuerentlastung nach einem DBA nur der Person zu, der die betreffenden Einkünfte nach dem Steuerrecht des anderen Vertragsstaats zugerechnet werden, wenn der Gläubiger der Einkünfte eine Person ist, der die Einkünfte nach deutschem Steuerrecht oder6 nach dem Steuerrecht des anderen Vertragsstaats nicht zugerechnet werden. Es handelt es sich dabei lediglich um eine verfahrensrechtliche Vorschrift, die regelt, welche Person einen nach einem DBA bestehenden Anspruch geltend machen kann. Damit kann § 50d Abs. 11a EStG nicht über ein „Leerlaufen“ der Abkommensberechtigung durch subjektive Qualifikationskonflikte, wie es zuvor beschrieben wurde, hinweghelfen. Die FinVerw. will der Vorschrift hingegen auch eine materiell-rechtliche Wirkung dahingehend entnehmen, dass sie bei hybriden Rechtsgebilden eine Bindung an die Einkünftezurechnungsregeln des anderen Vertragsstaats, also ein abkommensorientiertes Verständnis, festschreibt.7 Das ist jedoch aufgrund des klaren Wortlauts der Vorschrift, der einen materiell-rechtlich bestehenden An-

1 OECD-MK zu Art. 1, Tz. 3 ff.; OECD-MK zu Art. 4, Tz. 8.13. 2 BFH v. 26.6.2013 – I R 48/12, BStBl. II 2013, 2002 (S-Corporation als umkehrt hybrides Rechtsgebilde). 3 Bei hybriden Rechtsgebilden folgt die FinVerw. aber offenbar einem abkommensorientierten Verständnis (BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258 Tz. 2.1.2). 4 Vgl. zu einem weiteren Ansatz Lang, IStR 2011, 1 (2). 5 Die Regelung war bisher in § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG enthalten und wurde unverändert in Abs. 11a der Vorschrift übernommen, vgl. BT-Drucks. 19/27632, 61. 6 Gemeint ist hier ein „entweder oder“, da nur tatsächliche Qualifikationskonflikte erfasst werden sollen, vgl. Gosch in Kirchhof/Seer21, § 50d EStG Rz. 10b. 7 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258 Tz. 2.1.2; ebenso Geurts in Frotscher/Geurts, § 50d EStG Rz. 269. Schwenke/Sanning | 1141

Rz. 54 | Anhang 7 Investmentfonds im Internationalen Steuerrecht

spruch voraussetzt, aber nicht einräumt, sowie der systematischen Stellung der Norm abzulehnen. Zwar widerspricht das verfahrensrechtliche Verständnis offenbar der gesetzgeberischen Intention,1 diese kann aber das nach dem Wortlaut und Systematik der Vorschrift eindeutige Auslegungsergebnis nicht umkehren.2 e) Sonderregelungen in DBA aa) Vorbemerkung 55 Einige deutsche DBA enthalten spezielle Vorschriften für hybride Rechtsgebilde. Diese Vor-

schriften sollen ein „Leerlaufen“ der Abkommensberechtigung bei hybriden Rechtsgebilden, aber auch die unangemessene Inanspruchnahme von Abkommensvorteilen durch hybride Rechtsgebilde verhindern. Die wohl bekannteste Abkommensvorschrift für hybride Rechtsgebilde ist Art. 1 Abs. 7 DBA-USA.3 Allerdings hat Art. 1 Abs. 7 DBA-USA für Investmentfonds nur eine eingeschränkte Bedeutung, weil Prot. Ziff. 2 Buchst. b DBA-USA die Ansässigkeit und implizit auch die Nutzungsberechtigung deutscher Investmentfonds und US-amerikanischer RICs und REITs ausdrücklich anerkennt (Rz. 67). Wortlautgleiche bzw. fast wortlautgleiche Vorschriften finden sich aber auch in Art. 4 Abs. 3 DBA-Bulgarien, Prot. Ziff. 1 Buchst. b DBA-Mexiko und Prot. Ziff. 1 Abs. 2 Satz 1 DBA-Niederlande. Auch das von der OECD vorgeschlagene Multilaterale Instrument enthält eine ähnliche Vorschrift (Art. 3 Abs. 1 OECD-MLI). Im Folgenden werden die Grundsätze für die Anwendung dieser Vorschriften erläutert. bb) Anwendungsbereich

56 Die Abkommensvorschriften sind anwendbar, wenn Einkünfte von bzw. über eine Person be-

zogen werden, die „nach dem Recht eines der Vertragsstaaten als solche nicht steuerpflichtig“ bzw. „steuerlich transparent“ ist. Einer der Vertragsstaaten muss also die Person als steuerlich transparent behandeln und die Einkünfte, für die Abkommensvorteile beansprucht werden, nicht der Person selbst zurechnen. Wenn die Person in beiden Vertragsstaaten steuerlich transparent behandelt wird, greifen die Abkommensvorschriften zwar ihrem Wortlaut nach ein, allerdings sollte ihre Rechtsfolge bei nicht hybriden Rechtsgebilden leerlaufen. Die Vorschriften erfassen auch partiell steuerlich transparente Rechtsgebilde.4 Daher sollte sie auch anwendbar sein, soweit ein ausländischer Spezial-Investmentfonds die Transparenzoption ausübt und inländische Beteiligungseinnahmen aus deutscher Sicht direkt den Anlegern zugerechnet werden, während der Spezial-Investmentfonds aus Sicht des anderen Vertragsstaats vollständig intransparent ist. cc) Rechtsfolgen

57 Die Rechtsfolgen der Vorschriften hängen davon ab, ob die Einkünfte, für welche die Abkom-

mensvorteile geltend gemacht werden, nach dem Steuerrecht eines Vertragsstaates als Einkünfte einer in diesem Vertragsstaat ansässigen Person gelten, d.h., der Vertragsstaat die Einkünfte einer dort ansässigen Person zurechnet. Ist dies der Fall, so bestimmen die Vorschriften als Rechtsfolge, dass die Einkünfte als von einer in diesem Staat ansässigen Person erzielt gel1 BR-Drucks. 302/12, 95; vgl. auch BT-Drucks. 19/27642, 48, wonach nur die verfahrensrechtlichen Vorschriften aus § 50d EStG a.F. in § 50c EStG überführt wurden, die Vorschrift des § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG a.F. aber in § 50d EStG beibehalten wurde. 2 Ebenso Gosch in Kirchhof/Seer21, § 50d EStG Rz. 10b. 3 Vgl. im Detail zur Vorschrift: Schnitger in Endres/Jacob/Gohr/Klein, DBA-USA, 2009, Art. 1 Rz. 54 ff.; Linn in Wassermeyer, Art. 1 DBA-USA Rz. 48 ff. 4 In Art. 3 Abs. 1 OECD-MLI wird dies ausdrücklich klargestellt.

1142 | Schwenke/Sanning

D. Anwendung von DBA auf Investmentfonds (Fondseingangsseite) | Rz. 60

ten. Ein wesentliches Problem des Wortlauts dieser Rechtsfolge ist, dass er nicht festlegt, wer die in dem Vertragsstaat ansässige Person ist, die Einkünfte aus dem anderen Vertragsstaat erzielt. Nach Auffassung des BFH1 und Stellungnahmen in der Literatur2 bewirkt die Vorschrift lediglich eine Ansässigkeitsfiktion. Der Anwenderstaat wendet also für die Zwecke des DBA weiterhin die Vorschriften seines innerstaatlichen Steuerrechts an, um die Person zu bestimmen, der die Einkünfte zugerechnet werden. Die Abkommensvorschriften bewirken nach dieser Ansicht lediglich, dass diese Person als in dem anderen Vertragsstaat ansässig (und i.Ü. als nicht ansässig) gilt, soweit der andere Vertragsstaat die Einkünfte einer dort ansässigen Person zurechnet. Bei einem ausländischen umgekehrt hybriden Investmentfonds würde Deutschland also die Einkünfte weiterhin dem Investmentfonds (und nicht den Anlegern) zurechnen. Der Investmentfonds würde aber als im anderen Vertragsstaat ansässig gelten, soweit die Anleger, denen der andere Vertragsstaat die Einkünfte zurechnet, in dem anderen Vertragsstaat steuerlich ansässig sind. Nach anderer Auffassung3 bewirken die Abkommensvorschriften, dass der Anwenderstaat an die innerstaatliche Zurechnung des anderen Vertragsstaats gebunden ist (Zurechnungsfiktion). Bei einem ausländischen, umgekehrt hybriden Investmentfonds müsste Deutschland dann für die Zwecke der Anwendung des Abkommens die Einkünfte den Anlegern zurechnen. Relevant wird der Unterschied zwischen Ansässigkeits- und Zurechnungsfiktion u.a. bei der 58 Frage, ob ein ausländischer, umgekehrt hybrider Investmentfonds den reduzierten Quellensteuersatz für Schachteldividenden in den Art. 10 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA entsprechenden Artikeln des jeweiligen DBA in Anspruch nehmen kann. Bei einer Ansässigkeitsfiktion bleibt es dabei, dass die Einkünfte aus deutscher Sicht dem Investmentfonds zugerechnet werden, der eine „Gesellschaft“ i.S.d. Art. 10 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA ist. Geht man von einer Zurechnungsfiktion aus, sind die Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA auf Ebene der Anleger zu prüfen. Der reduzierte Quellensteuersatz kommt nicht zur Anwendung, wenn der Anleger keine Gesellschaft ist. Auch wäre fraglich, ob der Anleger eine unmittelbare Beteiligung i.S.d. Art. 10 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA hält. Unabhängig davon, ob man von einer Ansässigkeits- oder Zurechnungsfiktion ausgeht, bewir- 59 ken die Abkommensvorschriften zudem, dass unangemessene Gestaltungen durch hybride Rechtsgebilde verhindert werden. In dem zuvor beschriebenen Falls eines ausländischen Spezial-Investmentfonds in einem Nicht-DBA-Staat, dessen inländische Beteiligungseinnahmen nach Ausübung der Transparenzoption den Anlegern in einem DBA-Staat zuzurechnen sind (s. Rz. 52), versagt sie die Abkommensberechtigung, soweit der Ansässigkeitsstaat der Anleger die Einkünfte nicht den Anlegern zurechnet.4 dd) Verhältnis zu § 50d Abs. 11a EStG In der Literatur wird teilweise die Frage nach der Konkurrenz zwischen den speziellen Ab- 60 kommensvorschriften für hybride Rechtsgebilde und § 50d Abs. 11a EStG diskutiert.5 Die Frage nach der Konkurrenz stellt sich aber nur, wenn man in § 50d Abs. 11a EStG eine materiellrechtliche Vorschrift und nicht eine verfahrensrechtliche Vorschrift sieht (s. Rz. 54). Bei einem 1 BFH v. 26.6.2013 – I R 48/12, BStBl. II 2014, 367 (zur Gewährung des ermäßigten Steuersatzes für Schachteldividenden nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a DBA-USA an eine umgekehrt hybride USGesellschaft [S-Corporation]). 2 Linn in Wassermeyer, Art. 1 DBA-USA Rz. 56; Anger/Sewtz, IStR 2009, 273 (274); Schönfeld, IStR 2007, 274 (276). 3 Bahns/Keuthen, IStR 2010, 750 (752 f.); Eimermann, IStR 2009, 58 (59); Schnitger in Endres/Jacob/ Gohr/Klein, DBA-USA, 2009, Art. 1 Rz. 73 f. 4 Technical Explanation DBA-USA (2006) zu Art. 1 Abs. 7; vgl. Bahns/Keuthen, IStR 2010, 750 (752); a.A. Schnitger in Endres/Jacob/Gohr/Klein, DBA-USA, 2009, Art. 1 Rz. 78, 96 f. 5 Jacob/Klein, IStR 2014, 121 (130); Klein/Hagena in H/H/R, § 50d EStG Anm. 24. Schwenke/Sanning | 1143

Rz. 60 | Anhang 7 Investmentfonds im Internationalen Steuerrecht

verfahrensrechtlichen Verständnis regelt § 50d Abs. 11a EStG nur, welcher Person ein bestehender Anspruch auf Quellensteuerentlastung aus dem DBA zusteht. Bei der Prüfung dieses Anspruchs ist dann die Abkommensvorschrift anzuwenden. § 50d Abs. 11a EStG beinhaltet bei diesem verfahrensrechtlichen Verständnis keine Lösung für subjektive Qualifikationskonflikte. 61 Wenn man in § 50d Abs. 11a EStG hingegen eine materiell-rechtliche Vorschrift zur Lösung

subjektiver Qualifikationskonflikte sieht, durch die eine Bindungswirkung an die Einkünftezurechnung des anderen Vertragsstaats erreicht wird, schließen die Abkommensvorschriften die Anwendung des § 50d Abs. 11a EStG aus.1 Das gilt auch dann, wenn man in den Abkommensvorschriften lediglich eine Ansässigkeitsfiktion sieht und somit § 50d Abs. 11a EStG und die Abkommensvorschriften auf unterschiedlichen Stufen der Prüfung eines Quellensteuerentlastungsanspruchs eingreifen.2 Denn die Abkommensvorschrift enthält im Vergleich zu § 50d Abs. 11a EStG (bei einem materiell-rechtlichen Verständnis) eine speziellere Vorschrift zur Lösung subjektiver Qualifikationskonflikte durch hybride Rechtsgebilde. f) Andere abkommensrechtliche Vorschriften

62 Einige deutsche DBAs enthalten spezielle Vorschriften für Investmentfonds, die im nächsten

Abschnitt näher erläutert werden sollen (Rz. 63 ff.). Soweit diese Vorschriften vorsehen, dass der Investmentfonds als Nutzungsberechtigter der betreffenden Einkünfte gilt, hat das auch Bedeutung für hybride Investmentfonds, da dadurch auch die Einkünftezurechnung zwischen den Vertragsstaaten verbindlich festgelegt wird. 4. Spezielle Regelungen für Investmentfonds in DBA

a) Einführung aa) Vorschläge auf OECD-Ebene 63 Um Rechtssicherheit bei der Frage zu schaffen, ob Investmentfonds (oder genauer: CIVs) als

in einem Vertragsstaat ansässige Person und als Nutzungsberechtigte der Einkünfte gelten (s. Rz. 35 ff.), empfiehlt der OECD-MK, dies in dem betreffenden DBA ausdrücklich zu regeln.3 Für Fall, dass CIVs nach dem betreffenden DBA grds. abkommensberechtigt sein sollen, schlägt der OECD-MK weitere Abkommensvorschriften vor, die Staaten verwenden können, um treaty shopping unter Einsatz von CIVs zu verhindern.4 Als Grundregel wird vorgeschlagen, dass das DBA die Abkommensberechtigung den CIVs nur in dem Verhältnis einräumt, in dem an dem CIV Anleger beteiligt sind, die „gleichberechtigte Begünstigte“ sind (sog. quotale Abkommensberechtigung). Je nach der Abkommenspolitik der Vertragsstaaten könne der Begriff des „gleichberechtigten Begünstigten“ dabei nur Anleger, die im Niederlassungsstaat des CIV ansässig sind,5 oder auch Anleger in Drittstaaten, die aufgrund eines DBA mit ihrem Ansässigkeitsstaat und dem Quellenstaat Anspruch auf die gleichen Abkommensvorteile wie das CIV hätten, würden sie die Einkünfte direkt beziehen,6 einschließen.

64 Bei einer solchen quotalen Gewährung der Abkommensberechtigung muss das CIV grds. für

jeden Anleger ermitteln, ob er ein gleichberechtigter Begünstigter ist, was auf praktische Pro-

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Jacob/Klein, IStR 2014, 121 (130); Klein/Hagena in H/H/R, § 50d EStG Anm. 24. Vgl. dazu Kopec/Rothe, IStR 2015, 372 (379). OECD-MK zu Art. 1 OECD-MA, Tz. 31. OECD-MK zu Art. 1 OECD-MA, Tz. 35. So der Vorschlag im OECD-MK zu Art. 1 OECD-MA, Tz. 35; vgl. auch da Silva, Intertax 2011, 195 (203 ff.). 6 So der Vorschlag im OECD-MK zu Art. 1 OECD-MA, Tz. 37.

1144 | Schwenke/Sanning

D. Anwendung von DBA auf Investmentfonds (Fondseingangsseite) | Rz. 67

bleme stößt. Zur Lösung dieses Problems schlägt der OECD-MK zum einen vor, dass das DBA Abkommensvorteile nicht nur proportional im Verhältnis der gleichberechtigten Begünstigten, sondern vollständig gewährt, wenn das CIV nachweisen kann, dass der Anteil der gleichberechtigten Begünstigten eine bestimmte Schwelle überschreitet.1 Zum anderen wird den Vertragsstaaten nahegelegt, zweckmäßige (statistische) Verfahren zu entwickeln, die keine taggenaue Ermittlung des Anteilsbesitzes erfordern.2 Bei börsengehandelten Investmentanteilen wird vorgeschlagen, die Abkommensvorteile unter bestimmten Voraussetzungen (regelmäßiger Börsenhandel, regulierte Börse) unabhängig von der konkreten Zusammensetzung des Anlegerkreises zu gewähren.3 Als einen alternativen Weg schlägt der OECD-MK zudem vor, Investmentfonds für die An- 65 wendung des DBA transparent zu behandeln (d.h., die Abkommensvorteile zu versagen) und ihnen stattdessen zu ermöglichen, die Abkommensvorteile im Namen ihrer Investoren geltend zu machen.4 bb) Deutsche Abkommenspolitik Die Einführung spezieller Abkommensvorschriften für Investmentfonds entspricht auch 66 der neueren deutschen Abkommenspolitik. Art. 27 Abs. 5 D-VG setzt einige der Vorschläge des OECD-MK um. Danach werden einem deutschen Investmentvermögen oder entsprechenden Investmentvermögen des anderen Vertragsstaates die Abkommensvorteile im Umfang der Beteiligung von Anlegern gewährt, die in dem Vertragsstaat oder in einem Drittstaat ansässig sind und bei Direktbezug der Einkünfte Anspruch auf die gleichen Abkommensvergünstigungen (wie das Investmentvermögen) hätten (quotale Abkommensberechtigung, vgl. Art. 27 Abs. 5 Nr. 1 D-VG). Wenn der Anteil der Anleger, die in dem Ansässigkeitsstaat des Investmentvermögens oder einem Drittstaat ansässig sind und die Anspruch auf die gleichen Abkommensvergünstigungen hätten, 90 % erreicht, werden die Abkommensvorteile vollständig gewährt (Art. 27 Abs. 5 Nr. 2 D-VG). Das Gleiche gilt, wenn der Anteil der Anleger, die im Ansässigkeitsstaat des Investmentvermögens ansässig sind und Anspruch auf die gleichen Abkommensvergünstigungen hätten, 75 % erreicht (vgl. Art. 27 Abs. 5 Nr. 3 D-VG). Eine Vorschrift für börsengehandelte Investmentanteile – wie sie der OECD-MK vorschlägt – enthält die D-VG hingegen nicht. Ebenso wenig enthält die D-VG eine Vorschrift zur vereinfachten Ermittlung des Anteils der abkommensberechtigten Anleger, sodass die Praxistauglichkeit dieser Vorschrift bezweifelt werden kann. Bislang enthalten nur einige, insbesondere jüngere DBA Deutschlands besondere Vorschriften für die Geltendmachung von Abkommensvorteilen durch Investmentfonds. Diese orientieren sich teilweise an den Vorschlägen des OECDMK, weichen aber oft stark davon ab, sodass sie nachfolgend im Einzelnen erläutert werden sollen. b) DBA-USA aa) Prot. Ziff. 2 Buchst. b DBA-USA Nach Prot. Ziff. 2 Buchst. b DBA-USA gelten ein „deutscher Investmentfonds und eine deut- 67 sche Investmentaktiengesellschaft (zusammenfassend als Investmentvermögen bezeichnet), auf die die Vorschriften des Investmentgesetzes anzuwenden sind“ (vgl. zum persönlichen Anwendungsbereich Rz. 72) als in Deutschland ansässig. Im Hinblick auf US-amerikanische Investmentfonds besagt das Protokoll, dass eine regulated investment company (RIC) und ein 1 2 3 4

OECD-MK zu Art. 1 OECD-MA, Tz. 41. OECD-MK zu Art. 1 OECD-MA, Tz. 43 ff. OECD-MK zu Art. 1, Tz. 46. OECD-MK zu Art. 1, Tz. 42; vgl. da Silva, Intertax 2011, 195 (205) („full look-through approach“). Schwenke/Sanning | 1145

Rz. 67 | Anhang 7 Investmentfonds im Internationalen Steuerrecht

real estate investment trust (REIT) als in den USA ansässig gelten. Mit dieser Vorschrift sollen die Zweifel, die an der Ansässigkeit dieser Rechtsgebilde aufgrund ihrer Steuerbefreiung bestehen könnten, ausgeräumt werden. Sie hat angesichts der Anerkennung der Ansässigkeit steuerbefreiter Rechtsgebilde (vgl. Rz. 40) aus deutscher Sicht wohl nur klarstellende Bedeutung.1 Obwohl das Protokoll dies nicht ausdrücklich feststellt, sollte mit dieser Regelung auch die grundsätzliche Nutzungsberechtigung des Investmentfonds und dessen Eigenschaft als „Person“ i.S.d. DBA-USA feststehen, weil sie ansonsten leerliefe. bb) Art. 28 Abs. 6 DBA-USA (1) Verhältnis zur LoB-Klausel 68 Art. 28 Abs. 6 DBA-USA schränkt die Abkommensberechtigung deutscher Investmentfonds

(nicht jedoch US-amerikanischer) ein. Art. 28 Abs. 6 DBA-USA muss im Gesamtzusammenhang mit der in Art. 28 DBA-USA enthaltenen limitation-on-benefits-Klausel (LoB-Klausel) gesehen werden, die zur Verhinderung von treaty shopping die Abkommensberechtigung einer Person neben der Ansässigkeit in einem der Vertragsstaaten von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig macht. Damit eine in einem Vertragsstaat ansässige Person abkommensberechtigt ist, muss sie nach Art. 28 Abs. 1 DBA-USA grds. eine „berechtigte Person“ i.S.d. Art. 28 Abs. 2 DBA-USA sein. Natürliche Personen, die Vertragsstaaten und ihre Gebietskörperschaften sowie bestimmte steuerbegünstigte Organisationen sind stets berechtigte Personen (Art. 28 Abs. 2 Buchst. a, b und d DBA-USA). Andere Personen (insbes. Gesellschaften) müssen zusätzliche Voraussetzungen (in der Diktion des US-amerikanischen Steuerrechts: „Tests“) erfüllen, um als berechtigte Person zu qualifizieren. So können börsennotierte Gesellschaften und ihre Tochtergesellschaften nach dem „publicly-traded-Test“ des Art. 28 Abs. 2 Buchst. c DBA-USA berechtigte Personen sein. Personen, an denen zu mindestens 50 % andere berechtigte Personen beteiligt sind und bei denen die Höhe der an nicht abkommensberechtigte Personen gezahlten Zahlungen eine bestimmte Grenze nicht überschreitet, können nach dem „ownership/base-erosion-Test“ des Art. 28 Abs. 2 Buchst. f DBA-USA berechtigte Personen sein.2 Für Pensionsfonds sieht Art. 28 Abs. 2 Buchst. e DBA-USA besondere Voraussetzungen vor.

69 Falls eine in einem Vertragsstaat ansässige Person keine berechtigte Person i.S.d. Art. 28 Abs. 2

DBA-USA ist, kann sie Abkommensvorteile beanspruchen, soweit die betreffenden Einkünfte aus dem Quellenstaat in einem ausreichenden Zusammenhang mit einer aktiven gewerblichen Tätigkeit im anderen Vertragsstaat stehen („active-trade-or-business-Test“, Art. 28 Abs. 4 DBA-USA).3 Ferner ist eine Gesellschaft auch dann abkommensberechtigt, wenn mindestens 95 % ihrer Anteilseigner „gleichberechtigte Begünstigte“ (vgl. Rz. 80) sind und die Höhe der abzugsfähigen Zahlungen der Gesellschaft an Personen, die keine gleichberechtigten Begünstigten sind, eine bestimmte Schwelle nicht überschreitet („derivative-benefits-Test“, Art. 28 Abs. 3 DBA-USA).4

70 Art. 28 Abs. 6 DBA-USA bildet in diesem System der LoB-Klausel eine Spezialvorschrift für

deutsche Investmentfonds. Hintergrund dieser Vorschrift ist, dass die USA bei deutschen Investmentfonds aufgrund ihrer Steuerbefreiung und der fehlenden Kapitalertragsteuerpflicht von Ausschüttungen an Drittstaatsansässige ein besonders hohes Potenzial für treaty shop-

1 Linn in Wassermeyer, Art. 4 DBA-USA Rz. 22. 2 Vgl. zu den Voraussetzungen, die hier nicht im Detail dargestellt werden können: Gohr in Endres/ Jacob/Gohr/Klein, DBA-USA, 2009, Art. 28 Rz. 16 ff.; Linn in Wassermeyer, Art. 28 DBA-USA Rz. 73 ff. 3 Siehe weiterführend: Linn in Wassermeyer, Art. 28 DBA-USA Rz. 105 ff. 4 Vgl. Linn in Wassermeyer, Art. 28 DBA-USA Rz. 94 ff.

1146 | Schwenke/Sanning

D. Anwendung von DBA auf Investmentfonds (Fondseingangsseite) | Rz. 74

ping sehen und daher Abkommensvergünstigungen für Investmentfonds nur unter verschärften Bedingungen anerkennen wollen.1 Ob es für die Abkommensberechtigung ausreicht, wenn ein Investmentfonds nur die Voraus- 71 setzungen des Art. 28 Abs. 6 DBA-USA erfüllt oder ob er zusätzlich die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 2, 3 oder 4 DBA-USA erfüllen muss, wird bislang nicht diskutiert. Der Wortlaut des Art. 28 Abs. 6 DBA-USA („können nur gewährt werden“) im Vergleich zu Art. 28 Abs. 2, 3 oder 4 DBA-USA („hat Anspruch auf alle Abkommensvergünstigungen“) spricht dafür, in dieser Vorschrift eine zusätzliche Voraussetzung zu sehen. Für eine solche kumulative Anwendung spricht auch, dass ansonsten im Vergleich zum derivative-benefits-test die Anforderungen gesenkt werden würden (dieser Test setzt die Beteiligung von gleichberechtigten Begünstigten i.H.v. 95 % voraus) und Art. 28 Abs. 6 DBA-USA gerade höhere Anforderungen an die Abkommensberechtigung stellen soll.2 (2) Persönlicher Anwendungsbereich

Da Art. 28 Abs. 6 DBA-USA noch die Terminologie des InvG zum Zeitpunkt des Abschlusses des 72 Abkommens benutzt, stellt sich die Frage, welche Personen heute in den persönlichen Anwendungsbereich der Vorschrift, d.h. unter die Begriffe „Investmentfonds“ und „Investmentaktiengesellschaft“, fallen. Zwar sind Verweise in DBA auf das innerstaatliche Recht grds. als dynamische Verweisungen zu verstehen.3 Ein solches dynamisches Verständnis ist hier aber schon deshalb nicht weiterführend, weil die Begriffe Investmentfonds und Investmentaktiengesellschaft im Lauf der Jahre nach Abschluss des Abkommens grundlegende Bedeutungswandel erfahren haben und es den Begriff des Investmentfonds im damaligen aufsichtsrechtlichen Sinn gar nicht mehr gibt.4 Da es bei Art. 28 Abs. 6 DBA-USA vor allem darum geht, Personen zu erfassen, die einem besonderen Steuerregime nach dem InvStG unterfallen (s. Rz. 74), sollte der persönliche Anwendungsbereich dieser Vorschrift alle Personen einschließen, die nach dem InvStG 2018 der Steuerbefreiung für ausländische Einkünfte unterfallen und deren Ausschüttungen nicht kapitalertragsteuerpflichtig sind. Das sind nach geltender Rechtslage alle Investmentfonds i.S.d. § 1 Abs. 2, 3 InvStG. (3) Tatbestandsvoraussetzungen (a) Vorbemerkung Nach Art. 28 Abs. 6 Satz 1 DBA-USA müssen mindestens 90 % der Aktien oder anderen Ei- 73 gentumsrechte an dem deutschen Investmentfonds unmittelbar oder mittelbar in Deutschland ansässigen Personen gehören, die nach Art. 28 Abs. 2 Buchst. a, b, c Doppelbuchst. aa, Buchst. d oder e DBA-USA abkommensberechtigt sind oder im Hinblick auf die betreffenden Einkünfte aus den USA gleichberechtigte Begünstigte sind. (b) Aktien oder andere Eigentumsrechte Unter Aktie sind die Aktien an einer Investmentaktiengesellschaft i.S.d. § 109 Abs. 1 KAGB 74 und unter andere Eigentumsrechte die Anteile an einem Sondervermögen zu verstehen.5 1 BT-Drucks. 16/2708, 40; Linn in Wassermeyer, Art. 28 DBA-USA Rz. 137 ff. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des DBA sah § 7 Abs. 1 Nr. 1 InvStG a.F. noch eine Befreiung von der KapErtrSt für ausländische Dividenden vor. Nach der aktuellen Rechtslage sind Ausschüttungen eines Investmentfonds mangels beschränkter StPfl. generell nicht kapitalertragsteuerpflichtig. 2 In eine etwas andere Richtung deutet die Denkschrift der Bundesregierung, die sich aber nicht mit dem Konkurrenzverhältnis näher auseinandersetzt (vgl. BT-Drucks. 16/2708, 40). 3 Lehner in Vogel/Lehner7, Grundlagen des Abkommensrechts Rz. 184 ff. 4 Vgl. noch zur Rechtslage vor dem InvStRefG: Birker, RdF 2015, 221. 5 Linn in Wassermeyer, Art. 28 DBA-USA Rz. 137. Schwenke/Sanning | 1147

Rz. 75 | Anhang 7 Investmentfonds im Internationalen Steuerrecht

(c) Kreis der qualifizierten Anteilseigner (aa) Berechtigte Personen 75 Zum Kreis der qualifizierten Anteilseigner, die mittelbar oder unmittelbar zu mindestens

90 % beteiligt sein müssen, gehören zum einen berechtigte Personen i.S.d. Art. 28 Abs. 2 DBA-USA, die in Deutschland ansässig sind, mit Ausnahme jedoch der Personen, die lediglich als Tochtergesellschaften börsennotierter Gesellschaften (Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. bb DBA-USA) oder nach dem ownership/base-erosion-Test (Art. 28 Abs. 2 Buchst. f DBA-USA) als berechtigte Personen qualifizieren. Wenn also beispielsweise eine GmbH an einem Investmentfonds beteiligt ist, muss auf die Anteilseigner der GmbH hindurchgesehen werden, weil die GmbH selbst kein qualifizierter Anteilseigner sein kann.

(bb) Gleichberechtigte Begünstigte 76 Weiterhin sind „gleichberechtigte Begünstigte“ im Rahmen des Art. 28 Abs. 6 Satz 1 DBA-USA

qualifizierte Anteilseigner. Gleichberechtigte Begünstigte sind zum einen gem. Art. 28 Abs. 8 Buchst. e Doppelbuchst. aa DBA-USA in einem EU-/EWR- oder NAFTA-Staat ansässige Personen, die nach einem „umfassenden“ DBA zwischen ihrem Ansässigkeitsstaat und den USA abkommensberechtigt sind. Dafür müssen sie als berechtigte Person nach einer Art. 28 Abs. 2 Buchst. a, b, c Doppelbuchst. bb, Buchst. d oder e DBA-USA entsprechenden Vorschrift dieses DBA qualifizieren oder, wenn das DBA keine dem Art. 28 Abs. 2 DBA-USA entsprechende Vorschriften enthält,1 die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 2 Buchst. a, b, c Doppelbuchst. bb, Buchst. d oder e DBA-USA bei unterstellter Ansässigkeit in Deutschland erfüllen. An das Vorliegen einer Art. 28 Abs. 2 DBA-USA entsprechenden Vorschrift im DBA des Anteilseigners sollten keine zu hohen Anforderungen gestellt werden.2 Da auf Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. bb und Buchst. f DBA-USA nicht verwiesen wird, ist die Abkommensberechtigung als Tochtergesellschaft einer börsennotierten Gesellschaft oder nach dem ownership/base-ErosionTest nicht ausreichend. Bei Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren muss ein gleichberechtigter Begünstigter zudem nach dem DBA zwischen seinem Ansässigkeitsstaat und den USA einen Anspruch auf einen Steuersatz haben, der mindestens ebenso niedrig ist wie der des DBA-USA. Daher ist bspw. ein italienischer Anleger eines Investmentfonds kein gleichberechtigter Begünstigter in Bezug auf Zinsen, weil das DBA zwischen den USA und Italien einen Quellensteuersatz i.H.v. 15 % und nicht wie Art. 11 DBA-USA 0 % vorsieht. Wegen der rein konditionalen Formulierung ist dann für den Investmentfonds auch keine Reduzierung auf 15 % möglich.3 Gleichberechtigte Begünstigte sind gem. Art. 28 Abs. 8 Buchst. e Doppelbuchst. bb DBA-USA zudem berechtigte Personen i.S.d. Art. 28 Abs. 2 DBA-USA (mit Ausnahme von Personen, die lediglich als Tochtergesellschaften börsennotierter Gesellschaften oder nach dem ownership/ base-erosion-Test berechtigte Personen sind), die in einem der beiden Vertragsstaaten ansässig sind. Dies ist relevant, wenn Anleger in den USA ansässig sind.4 (d) Ermittlung der Beteiligungsquote

77 Bei mittelbaren Beteiligungen eines qualifizierten Anteilseigners sind die Beteiligungsquoten

auf jeder Stufe zu multiplizieren, um die für Art. 28 Abs. 6 Satz 1 DBA-USA relevante Beteiligungsquote zu ermitteln.5 Die Ansässigkeit von zwischengeschalteten Personen in Betei1 Gohr in Endres/Jacob/Gohr/Klein, DBA-USA, 2009, Art. 28 Rz. 109. 2 Wolff/Eimermann, IStR 2006, 837 (841); Gohr in Endres/Jacob/Gohr/Klein, DBA-USA, 2009, Art. 28 Rz. 110. 3 Gohr in Endres/Jacob/Gohr/Klein, DBA-USA, 2009, Art. 28 Rz. 112. 4 Gohr in Endres/Jacob/Gohr/Klein, DBA-USA, 2009, Art. 28 Rz. 136 f. 5 Gohr in Endres/Jacob/Gohr/Klein, DBA-USA, 2009, Art. 28 Rz. 53.

1148 | Schwenke/Sanning

D. Anwendung von DBA auf Investmentfonds (Fondseingangsseite) | Rz. 80

ligungsketten, die keine qualifizierten Anteilseigner sind, ist dabei anders als bei anderen Tests der LoB-Klausel irrelevant. Art. 28 Abs. 6 Sätze 2 und 3 DBA-USA enthalten zudem Sonderregelungen zur Ermittlung der Beteiligungsquote. Nach Art. 28 Abs. 6 Satz 2 DBA-USA werden Mitglieder oder Begünstigte von Rechtsträgern 78 i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 3 und 5 KStG (also von Versicherungs- und Pensionsfondsvereinen auf Gegenseitigkeit, nichtrechtsfähigen Vereinen und Anstalten)1 als Personen angesehen, die indirekt Anteile an dem Investmentfonds halten. Diese Rechtsgebilde haben keine gesellschaftsrechtlich Beteiligten. Es bestand daher wohl die Sorge, dass es bei der Ermittlung der Beteiligungsquote nicht möglich wäre, auf die wirtschaftlich Beteiligten durchzusehen.2 Nach Art. 28 Abs. 6 Satz 3 DBA-USA werden Stiftungen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG, die nicht 79 berechtigte Personen i.S.d. Art. 28 Abs. 2 Buchst. d DBA-USA sind (also keine steuerbegünstigten Zwecke verfolgen), bei der Ermittlung der Beteiligungsquote nicht berücksichtigt. Ihr Anteil an dem Investmentfonds fließt demzufolge bei der Berechnung der 90 %-Grenze weder im Zähler noch im Nenner des Quotienten ein. Wenn bspw. an dem Investmentfonds zu 50 % eine nicht steuerbefreite Stiftung, zu 45 % eine natürliche Person in Deutschland und zu 5 % Drittstaatsansässige beteiligt sind, erfüllt der Investmentfonds gleichwohl die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 6 Satz 1 DBA-USA, weil die Beteiligung qualifizierter Anteilseigner bei Außerachtlassung der Stiftung 90 % beträgt. Für die Anwendung der anderen Tests der LoBKlausel gilt diese Vereinfachung jedoch nicht. Art. 28 Abs. 6 Satz 3 DBA-USA findet ausschließlich auf in Deutschland ansässige Stiftungen Anwendung, da eine Stiftung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG in Deutschland unbeschränkt stpfl. sein muss. Für Publikumsfonds kann das Erreichen der Beteiligungsgrenze i.d.R. nicht nachgewiesen 80 werden. Ein Publikumsfonds hat eine Vielzahl ständig wechselnder Anleger. Zudem werden die Verwaltung des Fonds und der Vertrieb der Fondsanteile oft von unterschiedlichen, wirtschaftlich voneinander unabhängigen Gesellschaften durchgeführt, sodass die Verwaltung des Fonds keine Kenntnis über die Zusammensetzung seiner Investoren oder gar seiner mittelbaren Anteilseigner hat.3 Die Abkommensberechtigung scheitert damit schon oft an praktischen Problemen. Prot. Ziff. 24 DBA-USA versucht dieses Problem zu adressieren, indem es den zuständigen Behörden der Vertragsstaaten aufgibt, (statistische) Verfahren zu erarbeiten, wie die Beteiligungsgrenze zu ermitteln ist. Trotz Vorschlägen seitens deutscher Interessensverbände,4 wie ein solches Verfahren aussehen könnte, haben sich die Vertragsstaaten aber bislang nicht auf ein Verfahren geeinigt.5 Zudem bezieht sich die englische Fassung des Protokolls nur auf die Ermittlung der Beteiligungsquote bei mittelbaren Beteiligungen.6 Wegen der Trennung von Verwaltung und Vertrieb bei Publikumsfonds bestehen jedoch die Nachweisprobleme auch im Hinblick auf die unmittelbaren Investoren des Fonds. Daneben besteht für den Investmentfonds das Problem, die Beteiligungsvoraussetzungen für eine Abkommensberechtigung nach Art. 28 Abs. 2 oder 3 DBA-USA nachzuweisen, für die Prot. Ziff. 24 DBAUSA nicht gilt. Im Ergebnis wird daher die Abkommensberechtigung von Investmentfonds nach dem DBA-USA oft an praktischen Nachweisproblemen scheitern.7

1 Grundsätzlich sind von diesem Verweis auch Stiftungen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG erfasst. Da diese aber nach Art. 28 Abs. 6 Satz 3 DBA-USA nicht bei der Berechnung der Beteiligungsgrenze berücksichtigt werden, spielt Art. 28 Abs. 6 Satz 2 DBA-USA für Stiftungen keine Rolle. 2 Linn in Wassermeyer, Art. 28 DBA-USA Rz. 139; Wolff/Eimermann, IStR 2006, 837 (842). 3 Zinkeisen/Walter, IStR 2007, 583 (587). 4 Geurts, IStR 2011, 573 (574). 5 Vgl. Linn in Wassermeyer, Art. 28 DBA-USA Rz. 141. 6 Linn in Wassermeyer, Art. 28 DBA-USA Rz. 141. 7 Vgl. Linn in Wassermeyer, Art. 28 DBA-USA Rz. 138. Schwenke/Sanning | 1149

Rz. 81 | Anhang 7 Investmentfonds im Internationalen Steuerrecht

c) Art. 25b Abs. 4 DBA-Frankreich 81 Nach Art. 25b Abs. 4 DBA-Frankreich kann eine Einrichtung für die kollektive Anlage in

Wertpapiere (OPCVM), die in einem Vertragsstaat liegt, in dem sie keiner KSt unterliegt, in Bezug auf Dividenden oder Zinsen die Abkommensvergünstigungen für den Teil dieser Einkünfte global beantragen, der den Rechten entspricht, die im erstgenannten Staat ansässige Personen an der Einrichtung halten. Trotz der Verwendung des französischen Begriffs „OPCVM“ (für: organisme de placements collectif en valeurs mobilières, dt: Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren [OGAW]) findet diese Regelung sowohl auf französische als auch auf deutsche Einrichtungen Anwendung.1 Dem Wortlaut nach werden jedoch nur Investmentvermögen, die in Wertpapiere (und nicht vorwiegend in andere Anlagegegenstände) investieren, erfasst. Umstritten ist, ob Art. 25b Abs. 4 DBA-Frankreich dem Grunde nach voraussetzt, dass es sich bei Investmentfonds um in den Vertragsstaaten ansässige Personen handelt, und lediglich die Abkommensberechtigung beschränkt,2 oder ob Investmentfonds gerade nicht als ansässige Personen angesehen und nur ermächtigt werden, für ihre Anleger Quellensteuerentlastungsansprüche geltend zu machen.3 Im Hinblick auf die Argumente für die grundsätzliche Anerkennung eines Investmentfonds als ansässige Person (Rz. 43) ist der erstgenannten Auffassung zuzustimmen. Art. 25b Abs. 4 DBA-Frankreich sieht eine proportionale Gewährung der Abkommensvorteile im Verhältnis der Beteiligung von Anlegern vor, die im gleichen Vertragsstaat wie der Investmentfonds ansässig sind; Anleger im Quellenstaat sind damit schädlich. An die Ansässigkeit der Anteilseigner der Anleger werden jedoch keine Anforderungen gestellt.4 d) DBA-Irland

82 Prot. Ziff. 1 Buchst. b DBA-Irland folgt in weiten Teilen den Vorschlägen des OECD-MK.

Nach Prot. Ziff. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa DBA-Irland wird ein in einem der Vertragsstaaten niedergelassenes Investmentvermögen für die Zwecke der Abkommensanwendung wie eine in dem Vertragsstaat ansässige natürliche Person und als Nutzungsberechtigter behandelt, soweit an dem Investmentvermögen „gleichberechtigte Begünstigte“ beteiligt sind (sog. quotale Abkommensberechtigung). Bei einer Beteiligung von gleichberechtigten Begünstigten i.H.v. mindestens 95 % werden die Abkommensvorteile vollständig gewährt (Prot. Ziff. 1 Buchst. b Doppelbuchst. bb DBA-Irland).

83 Prot. Ziff. 1 Buchst. b Doppelbuchst. cc i DBA-Irland enthält eine abkommensrechtliche Defi-

nition des Begriffs des Investmentvermögens. Die Vorschrift ist damit nur anwendbar auf Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapiere i.S.d. OGAW-Richtlinie in der jeweils gültigen Fassung.5 Zudem ist vorgesehen, dass die zuständigen Behörden den Anwendungsbereich durch eine Vereinbarung erweitern können. Das ist aber bislang nicht geschehen. Die Abkommensvorschrift erfasst somit nicht AIFs, die als Investmentfonds qualifizieren.

84 Nach Prot. Ziff. 1 Buchst. b Doppelbuchst. cc ii DBA-Irland sind gleichberechtigte Begünstigte

(1) Personen, die im Niederlassungsstaat des Investmentvermögens ansässig sind und (2) Personen, die in einem anderen Staat ansässig sind, wenn (a) der Quellenstaat mit dem Ansässigkeitsstaat dieser Person ein DBA abgeschlossen hat, das einen effektiven und umfassenden Informationsaustausch vorsieht, und (b) die Person nach diesem DBA oder dem innerstaatli1 Martini in Wassermeyer, Art. 25b DBA-Frankreich Rz. 15; Geurts/Jacob, IStR 2007, 737 (739). 2 So FG Rh.-Pf. v. 15.6.2011 – 1 K 2422/08, EFG 2011, 1828; Geurts/Jacob, IStR, 2007, 737 (739). 3 So wohl die Denkschrift BR-Drucks. 11/6533, 16; auch Martini in Wassermeyer, Art. 25b DBA-Frankreich Rz. 15. 4 Vgl. zur Unvereinbarkeit mit der Kapitalverkehrsfreiheit wegen der Nichtberücksichtigung von Anteilseignern in anderen EU-/EWR-Staaten: Eberhardt, IStR 2013, 377 (385). 5 Nunmehr RL 2009/65/EG, zuletzt geändert durch die RL 2021/2261 EU.

1150 | Schwenke/Sanning

D. Anwendung von DBA auf Investmentfonds (Fondseingangsseite) | Rz. 87

chen Recht des Quellenstaates hinsichtlich der betreffenden Einkünfte einen Anspruch auf einen Quellensteuersatz hätte, der mindestens ebenso niedrig ist wie der Satz, den das Investmentvermögen nach dem DBA-Irland beansprucht. Wie im DBA-USA stellt sich die Frage, ob eine Person schon dann kein gleichberechtigter Begünstigter ist, wenn das für ihn anwendbare DBA einen höheren Quellensteuersatz vorsieht, oder ob dann zumindest eine Entlastung auf den höheren Quellensteuersatz möglich ist (Rz. 80). Obwohl das DBA-Irland und das DBA-USA insoweit teilweise im Wortlaut übereinstimmen („mindestens ebenso niedrig ist“), gibt es doch einen Unterschied, weil im DBA-Irland der Quellensteuersatz verglichen wird, den das Investmentvermögen nach dem DBA-Irland „beansprucht“, und nicht der Quellensteuersatz, der nach dem DBA-Irland gilt (so das DBA-USA). Wenn das Investmentvermögen somit eine Reduzierung auf einen höheren Quellensteuersatz, als nach dem DBA-Irland vorgesehen, beansprucht, sollten sich die für das DBA-USA beschriebenen Probleme vermeiden lassen. Nach Prot. Ziff. 1 Buchst. c DBA-Irland gilt ein in Irland errichteter „common contractual 85 fund“ (CCF) nicht als Investmentvermögen i.S.d. des DBA und wird für die Zwecke der Gewährung von Abkommensvergünstigungen als steuerlich transparent behandelt. Das entspricht der steuerlichen Behandlung in Irland.1 Aus Sicht des deutschen innerstaatlichen Rechts wird ein CCF hingegen regelmäßig als Investmentfonds und damit steuerlich intransparent zu qualifizieren sein. Da über die Zurechnung von Einkünften bei der Anwendung des DBA grds. das innerstaatliche Recht des Anwenderstaats entscheidet, würde Deutschland die Einkünfte daher dem nicht in Irland ansässigen CCF zurechnen (vgl. Rz. 48). Prot. Ziff. 1 Buchst. a DBA-Irland bewirkt jedoch, dass die Einkünfte für die Zwecke der Abkommensanwendung abweichend davon auch aus deutscher Sicht den Anlegern des CCF zuzurechnen sind, womit ein subjektiver Qualifikationskonflikt vermieden wird. e) DBA-Liechtenstein aa) Prot. Ziff. 2 DBA-Liechtenstein Nach Prot. Ziff. 2 Buchst. a DBA-Liechtenstein gelten ein deutscher „Investmentfonds und 86 eine deutsche Investmentaktiengesellschaft, auf die die Vorschriften des InvG anzuwenden sind“, als in Deutschland ansässig. Wie schon im Zusammenhang mit dem DBA-USA erläutert (Rz. 72), sollten nach derzeitiger Rechtslage darunter alle Investmentfonds i.S.d. § 1 Abs. 2 und 3 InvStG zu verstehen sein, weil diese Abkommensvorschrift die besonderen Probleme, die sich aus der Steuerbefreiung nach dem InvStG 2018 ergeben, adressieren will.2 Auch wenn Prot. Ziff. 2 Buchst. a DBA-Liechtenstein nur die Ansässigkeit anspricht, wird man daraus auch folgen können, dass ein Investmentfonds abkommensrechtlich eine Person und grds. Nutzungsberechtigter der Einkünfte ist, damit die Vorschrift nicht leerläuft (vgl. Rz. 67 zum DBA-USA). Eine entsprechende Regelung zur Ansässigkeit und mittelbar auch zur Abkommens- und Nutzungsberechtigung trifft Prot. Ziff. 2 Buchst. b für liechtensteinische OGAW und liechtensteinische Investmentunternehmen für andere Werte und Immobilien. bb) Art. 31 Abs. 3 DBA-Liechtenstein Art. 31 Abs. 3 DBA-Liechtenstein beschränkt die Abkommensberechtigung deutscher Invest- 87 mentfonds3 sowie liechtensteinischer OGAW und liechtensteinischer Investmentunternehmen. Diese Investmentvehikel sind nur insoweit abkommensberechtigt, als sie eine der dort genannten Voraussetzungen erfüllen. 1 Kunschke/Herring in Moritz/Helios/Jesch, Recht der Assetklassen, 2019, Kap. 8 Rz. 116 ff. 2 Kammeter in Wassermeyer, Art. 4 DBA-Liechtenstein Rz. 9 ff. 3 Auch hier wird noch die Terminologie des InvG verwendet (s. dazu Rz. 72). Schwenke/Sanning | 1151

Rz. 88 | Anhang 7 Investmentfonds im Internationalen Steuerrecht 88 Art. 31 Abs. 3 Buchst. a DBA-Liechtenstein enthält eine Börsenklausel, nach der das Invest-

mentvehikel im Hinblick auf Einkünfte aus dem anderen Vertragsstaat abkommensberechtigt ist, wenn die Aktien oder Anteile an einer anerkannten Börse gehandelt werden. Ein Handel mit der Hauptgattung der Anteile oder ein regelmäßiger Handel, wie er bspw. in § 50d Abs. 3 Satz 2 EStG vorausgesetzt wird, ist vorbehaltlich § 42 AO nicht notwendig.1 Eine anerkannte Börse sollte aus deutscher Sicht gleichbedeutend mit organisiertem Markt i.S.d. § 2 Abs. 5 WpHG sein.2 Allerdings besteht zurzeit in Liechtenstein keine Börse.

89 Art. 31 Abs. 3 Buchst. b DBA-Liechtenstein gewährt die Abkommensvorteile vollständig,

wenn mindestens 90 % der Aktien oder Anteile Personen gehören, die, wenn sie Einkünfte direkt bezogen hätten, nach dem DBA-Liechtenstein oder nach einem DBA des Quellenstaates mit einem Staat der EU/des EWR Anspruch auf die gleichen Abkommensvergünstigungen hätten. Mittelbar abkommensberechtigte Anleger außerhalb des EU-/EWR-Raums werden also nicht berücksichtigt.3 Sieht das DBA des Ansässigkeitsstaats des Anlegers einen höheren Quellensteuersatz vor, hätte er keinen Anspruch auf die „gleichen Abkommensvergünstigungen“ und er wird ebenfalls nicht berücksichtigt.

90 Art. 31 Abs. 3 Buchst. c DBA-Liechtenstein senkt die Beteiligungsquote für eine vollständige

Gewährung der Abkommensvorteile auf 75 % ab, schränkt aber auch den Kreis der qualifizierten Anteilseigner auf Personen ein, die im gleichen Vertragsstaat wie das Investmentvehikel ansässig sind.

91 Art. 31 Abs. 3 Buchst. d DBA-Liechtenstein sieht vor, dass „insoweit und in der Höhe“ Ab-

kommensvorteile gewährt werden, als an dem Investmentvehikel Personen beteiligt sind, die, wenn sie die Einkünfte direkt bezogen hätten, nach dem DBA-Liechtenstein oder einem DBA zwischen ihrem Ansässigkeitsstaat und dem Quellenstaat Anspruch auf die im DBA-Liechtenstein gewährten Abkommensvergünstigungen hätten. Es handelt sich also um eine Vorschrift zur quotalen Gewährung von Abkommensvorteilen. Aus der Formulierung „insoweit und in der Höhe“ wird man ableiten können, dass, wenn das DBA des Ansässigkeitsstaats des Anlegers einen höheren Quellensteuersatz als das DBA-Liechtenstein vorsieht, der höhere Quellensteuersatz zur Anwendung gelangt.

92 Art. 31 Abs. 3 Buchst. b, c und d DBA-Liechtenstein stellen jeweils nur auf den unmittelbar

beteiligten Anleger ab. Die Ansässigkeit mittelbar beteiligter Personen ist somit nicht zu berücksichtigen.

93 Art. 31 Abs. 3 DBA-Liechtenstein schließt die Gewährung des Schachtelprivilegs gem. Art. 10

Abs. 2 Buchst. a und b DBA-Liechtenstein bei Erfüllung der Voraussetzungen der Börsenklausel (Art. 31 Abs. 3 Buchst. a DBA-Liechtenstein) ausdrücklich aus. In den anderen Fällen (Buchst. b bis d) kann das Schachtelprivileg dem Investmentvehikel i.d.R. nicht gewährt werden, weil die Anleger nicht als Gesellschaft i.S.d. DBA-Liechtenstein qualifizieren oder – falls die Anleger Gesellschaften sein sollten – die (durchgerechnete) Beteiligungsquote der einzelnen Anleger an der ausschüttenden Gesellschaft nicht die in Art. 10 Abs. 2 Buchst. a bzw. b DBA-Liechtenstein erforderliche Höhe erreicht. In diesen Fällen hätte der Anleger beim Direktbezug der Einkünfte selbst keinen Anspruch auf die gleichen Abkommensvergünstigungen i.S.d. Art. 31 Abs. 3 Buchst. b, c bzw. d DBA-Liechtenstein.

1 Kammeter in Wassermeyer, Art. 31 DBA-Liechtenstein Rz. 39. 2 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016, BStBl. I 2012, 171 Tz. 9.1. 3 Vgl. das Beispiel bei Kammeter in Wassermeyer, Art. 31 DBA-Liechtenstein Rz. 40.

1152 | Schwenke/Sanning

D. Anwendung von DBA auf Investmentfonds (Fondseingangsseite) | Rz. 98

f) DBA-Australien Art. 4 Abs. 4 DBA-Australien enthält eine Sonderregelung für „Organismen für gemeinsame 94 Anlagen“ (OGA). Ein OGA ist gem. Art. 3 Abs. 1 Buchst. l DBA-Australien ein Publikumsfonds, der mit dem Hauptzweck der Renditeerzielung ein diversifiziertes Wertpapierportfolio hält oder mittelbar oder unmittelbar in unbewegliches Vermögen investiert und in dem Staat, in dem er errichtet ist, den Anlegerschutzvorschriften unterliegt und bei dem es sich um einen australischen „managed investment trust“ oder um ein deutsches Investmentvermögen i.S.d. KAGB mit Ausnahme von Personengesellschaften handelt. Die Vertragsstaaten können zudem weitere Organismen als OGA definieren. Nach Art. 4 Abs. 4 Satz 1 DBA-Australien gilt ein in einem Vertragsstaat errichteter OGA als 95 in diesem Vertragsstaat ansässige natürliche Person und (im Grundsatz) als Nutzungsberechtigter der Einkünfte, soweit an dem OGA Personen beteiligt sind, die in dessen Errichtungsstaat ansässig oder gleichberechtigte Begünstigte sind (sog. quotale Abkommensberechtigung). Art. 4 Abs. 4 Satz 2 DBA-Australien sieht zudem drei alternative Voraussetzungen vor, unter 96 denen der OGA vollständig abkommensberechtigt ist (d.h. als im Vertragsstaat ansässige natürliche Person und Nutzungsberechtigter gilt). Nach Buchst. a der Vorschrift werden die Abkommensvorteile einem australischen OGA vollständig gewährt, wenn die Aktien, Anteile oder sonstigen vergleichbaren Rechte an dem OGA an einer anerkannten Börse notiert sind und regelmäßig gehandelt werden. Zum Begriff der anerkannten Börse s. Rz. 89. Der Begriff des regelmäßigen Handels ist weder im Abkommen noch im deutschen innerstaatlichen Recht definiert. Man wird daraus gewisse Mindesterfordernisse an die Häufigkeit der Börsentransaktionen als auch an das Handelsvolumen ableiten können. Eine Anlehnung an den Begriff der Nachhaltigkeit, wie er teilweise vorgeschlagen wird,1 erscheint dagegen nicht zielführend. Buchst. b und c der Vorschrift gewähren zudem die Abkommensvorteile vollständig, wenn 75 % des Werts der Anteile an dem OGA in dessen Errichtungsstaat ansässigen Personen oder 90 % des Werts der Anteile gleichberechtigten Begünstigten gehören. Gleichberechtigte Begünstigte sind gem. Art. 4 Abs. 5 DBA-Australien (1) im Errichtungsstaat 97 des OGA ansässige Personen2 und (2) Personen in Drittstaaten, mit denen der Quellenstaat ein DBA abgeschlossen hat, das einen wirksamen und umfassenden Informationsaustausch vorsieht, und die bei einem Direktbezug der Einkünfte nach diesem DBA oder nach dem innerstaatlichem Recht des Quellenstaates einen Anspruch auf einen Steuersatz hätten, der mindestens ebenso niedrig ist wie der Satz, den der OGA geltend macht. Sieht das auf den Anleger anwendbare DBA einen höheren Quellensteuersatz als das DBA-Australien vor, sollte eine Ermäßigung auf den höheren Quellensteuersatz möglich sein, da der Steuersatz verglichen wird, den der OGA „geltend macht“, was auch ein höherer Steuersatz als der des DBA-Australien sein kann. g) DBA-Luxemburg Nach Prot. Ziff. 1 Abs. 1 DBA-Luxemburg werden einem nach dem Recht eines Vertragsstaa- 98 tes gebildeten „Investmentvermögen“ für Dividenden oder Zinsen die Abkommensvorteile nach Art. 10 und 11 DBA-Luxemburg gewährt, soweit die Anteile an dem Investmentvermögen von im Gründungsstaat des Investmentvermögens ansässigen Personen gehalten werden (sog. quotale Abkommensberechtigung). Die Abkommensberechtigung der Anleger des 1 Vgl. zur Börsenklausel in Art. 28 Abs. 2 Buchst. c Doppelbuchst. aa DBA-USA: Schönfeld in Schönfeld/Ditz, DBA, 2. Aufl. 2019, Art. 10 OECD-MA Rz. 458. 2 Dieser Teil der Definition dürfte überflüssig sein, weil in dem Errichtungsstaat ansässige Personen in Art. 4 Abs. 4 DBA-Australien bereits als qualifizierte Anteilseigner genannt werden. Schwenke/Sanning | 1153

Rz. 98 | Anhang 7 Investmentfonds im Internationalen Steuerrecht

Investmentvermögens wird ausdrücklich ausgeschlossen. Prot. Ziff. 1 Abs. 1 DBA-Luxemburg definiert Investmentvermögen als ein in Deutschland durch eine Kapitalanlagegesellschaft verwaltetes Sondervermögen i.S.d. InvG und luxemburgische Investmentfonds (fonds commun de placement). Nach geltender Rechtslage sollten darunter Investmentvermögen in Form von Sondervermögen i.S.d. § 1 Abs. 1, 10 KAGB, die als Investmentfonds qualifizieren, zu verstehen sein. 99 Nach Prot. Ziff. 1 Abs. 2 Satz 1 DBA-Luxemburg können „Investmentgesellschaften“ die Ab-

kommensvorteile nach Art. 10 und 11 DBA-Luxemburg geltend machen. Investmentgesellschaft bedeutet nach Prot. Ziff. 1 Abs. 2 Satz 2 DBA-Luxemburg in Deutschland Investmentaktiengesellschaft und in Luxemburg SICAR, SICAV und SICAF. Bei Investmentgesellschaften ist die Abkommensberechtigung folglich nicht von deren Anlegerkreis abhängig. Nach geltender Rechtslage sollten unter Investmentaktiengesellschaften solche i.S.d. KAGB, die als Investmentfonds qualifizieren, zu verstehen sein.

100 Sowohl Prot. Ziff. 1 Abs. 1 als auch Abs. 2 DBA-Luxemburg enthalten keine Bestimmungen

zu anderen Abkommensvorteilen als nach Art. 10 und 11 DBA-Luxemburg. Das erlaubt jedoch nicht den Umkehrschluss, dass Investmentfonds für Zwecke der anderen Abkommensbestimmungen nicht als abkommensberechtigt anzusehen wären.1 Die Regelung in Prot. Ziff. 1 DBA-Luxemburg wurde auf Wunsch Luxemburgs eingeführt, um für die praktisch relevantesten Einkunftsarten Rechtssicherheit zu schaffen. Ein Ausschluss der Abkommensberechtigung für andere Abkommensbestimmungen war nicht im Interesse Luxemburgs und lässt sich aus dem Wortlaut auch nicht ableiten.2 Für andere Abkommensvorteile richtet sich daher die Berechtigung von Investmentfonds nach allgemeinen Grundsätzen, d.h., sie sollten u.E. grds. abkommensberechtigt sein (Rz. 35 ff.). Das Gleiche gilt für Investmentfonds in einer Rechtsform, die nicht in Prot. Ziff. 1 DBA-Luxemburg genannt ist, insbes. für die luxemburgische SPF.3

h) DBA-Niederlande aa) Prot. Ziff. II und XV DBA-Niederlande 101 Prot. Ziff. II DBA-Niederlande enthält eine Regelung, nach der auch in den Niederlanden

steuerbefreite Körperschaften für die Zwecke des Abkommens in den Niederlanden ansässig sind. Diese Regelung bestätigt insbes. die Ansässigkeit niederländischer Investmentvehikel wie die FBI (fiscale beleggingsinstelling) und die VBI (vrijgestelde beleggingsinstelling) und wurde aufgrund einer anderslautenden niederländischen Rspr. für notwendig erachtet.4 Prot. Ziff. XV Abs. 5 DBA-Niederlande hält fest, dass Deutschland auf die FBI § 50d Abs. 3 EStG anwendet. Nach der Streichung des § 50d Abs. 3 Satz 5 EStG a.F. (Rz. 117) dürfte dem Vorbehalt künftig gesteigerte Bedeutung zukommen. bb) Prot. Ziff. XIX Abs. 1 DBA-Niederlande

102 Nach Prot. Ziff. XIX Abs. 1 Buchst. a DBA-Niederlande können bei in einem Vertragsstaat

niedergelassenen „Investmentvermögen“ die Verwalter für die Investoren die Abkommensvorteile des DBA-Niederlande geltend machen, soweit diese Investoren Anspruch auf diese Vergünstigungen haben. 1 So auch Siegers in Wassermeyer, Art. 1 DBA-Luxemburg Rz. 13; a.A. Jacob, IStR 2012, 749 (750 f.). 2 Vgl. Siegers in Wassermeyer, Art. 1 DBA-Luxemburg Rz. 13. 3 Siegers in Wassermeyer, Art. 1 DBA-Luxemburg Rz. 14, mit Hinweis darauf, dass der Ausschluss der Abkommensberechtigung für 1929-Holdingggesellschaften nach dem alten DBA-Luxemburg, der von der FinVerw. auf SPF ausgedehnt wurde, nicht in das neue DBA-Luxemburg übernommen wurde. 4 Böing/Prang, BB 2012, 2211 (2212); vgl. auch Link, RdF 2021, 122 (128 f.).

1154 | Schwenke/Sanning

D. Anwendung von DBA auf Investmentfonds (Fondseingangsseite) | Rz. 107

Nach Prot. Ziff. XIX Abs. 1 Buchst. b DBA-Niederlande sind Investmentvermögen Rechtsträ- 103 ger, die in einem oder beiden Vertragsstaaten nicht wie juristische Personen behandelt werden. Dabei handelt es sich jedoch ersichtlich nicht um eine abschließende Definition, sondern es wird nur der persönliche Anwendungsbereich näher festgelegt. Was ein Investmentvermögen ist, bestimmt sich nach dem Recht des Anwenderstaates. Aus deutscher Sicht sollten alle Investmentvermögen i.S.d. § 1 Abs. 1 KAGB, einschließlich Investmentvermögen in Personengesellschaftsform (s. nachfolgend Rz. 104), erfasst sein. Durch Prot. Ziff. XIX Abs. 1 Buchst. a DBA-Niederlande wird die nach allgemeinen Grund- 104 sätzen bestehende Abkommensberechtigung von Investmentfonds nicht negiert.1 Dagegen sprechen schon der Wortlaut sowie die Stellung der Vorschrift als Zusatzregelung zur verfahrensrechtlichen Abkommensvorschrift in Art. 29 DBA-Niederlande. Vielmehr betrifft diese Regelung einen verfahrensrechtlichen Aspekt, nämlich die Aktivlegitimation im Hinblick auf einen nach dem DBA-Niederlande bestehenden Quellensteuerentlastungsanspruch. Die niederländische Steuerverwaltung hat deutsche Investmentfonds in der Vergangenheit als steuerlich transparent angesehen und ihre Abkommensberechtigung versagt.2 Für diesen Fall kann der deutsche Investmentfonds die Abkommensvorteile im Namen seiner Anleger, denen nach niederländischem Steuerrecht die Einkünfte des Investmentfonds zugerechnet werden, geltend machen. Aus diesem Grund erfasst diese Regelung auch deutsche Investmentfonds.3 Ebenso können deutsche Investmentvermögen in Personengesellschaftsform, die auch in Deutschland transparent besteuert werden, auf dieser Grundlage den ihren Gesellschaftern zustehenden Quellensteuerentlastungsanspruch geltend machen. Werden Investmentfonds übereinstimmend von beiden Vertragsstaaten steuerlich intrans- 105 parent behandelt (wie z.B. die FBI), findet Prot. Ziff. XIX Abs. 1 DBA-Niederlande keine Anwendung. Aus dem Vergleich mit dem Wortlaut des Prot. Ziff. XIX Abs. 2 Buchst. b DBANiederlande wird man schließen können, dass Prot. Ziff. XIX Abs. 1 Buchst. a DBA-Niederlande nur für Ansprüche der Anleger nach dem DBA-Niederlande, nicht jedoch aufgrund anderer DBA gilt. Prot. Ziff. XIX Abs. 1 Buchst. d DBA-Niederlande schließt für den Fall der Gewährung der 106 Abkommensvorteile an das Investmentvermögen den Anspruch des einzelnen Anlegers aus. cc) Prot. Ziff. XIX Abs. 2 DBA-Niederlande Für geschlossene niederländische Sondervermögen (besloten fondsen voor gemene rekening – 107 geschlossene FGR) und Dachfonds, die aus mehreren geschlossenen FGR bestehen, trifft Prot. Ziff. XIX Abs. 2 DBA-Niederlande eine im Vergleich zu Abs. 1 spezielle Regelung. Aus deutscher Sicht sind FGR regelmäßig als steuerlich intransparent zu qualifizieren, während sie nach niederländischem Steuerrecht transparent sind.4 Gemäß Prot. Ziff. XIX Abs. 2 Buchst. a DBA-Niederlande ist diese steuerlich transparente Behandlung auch für Deutschland maßgeblich, d.h. auch aus deutscher Sicht sind die Einkünfte den Anlegern des FGR zuzurechnen. Der Verwalter oder Verwahrer des FGR kann gem. Prot. Ziff. XIX Abs. 2 Buchst. b DBA-Niederlande anstelle