Glauben und Denken: Dogmatische Forschung zwischen der Transzendentaltheologie Karl Rahners und der Offenbarungstheologie Karl Barths [Reprint 2018 ed.] 3110026481, 9783110026481, 9783110881882

203 71 19MB

German Pages 298 [296] Year 1970

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Glauben und Denken: Dogmatische Forschung zwischen der Transzendentaltheologie Karl Rahners und der Offenbarungstheologie Karl Barths [Reprint 2018 ed.]
 3110026481, 9783110026481, 9783110881882

Table of contents :
Geleitwort
Vorwort
INHALTSVERZEICHNIS
Einleitung
TEIL I: TRANSZENDENTALTHEOLOGIE ALS ANALOGIETHEOLOGIE BEI KARL RAHNER
I. Darstellung
II. Kritik
TEIL II: OFFENBARUNGSTHEOLOGIE BEI KARL BARTH
Obergang
III. Kritischer Vergleich
TEIL III: GEWISSHEIT UND BEGREIFBARKEIT ALS PROBLEME DER DOGMATIK
Folgerungen
IV. Kritischer Ausblick
Literaturverzeichnis
Namenregister
Sachregister

Citation preview

U L R I C H BRCWARZIK

GLAUBEN UND D E N K E N

GLAUBEN UND DENKEN

Dogmatische Forschung zwischen der Transzendentaltheologie Karl Rahners und der Offenbarungstheologie Karl Barths

VON ULRICH BROWARZIK

Mit einem Geleitwort von Karl Rahner

VERLAG WALTER DE GRUYTER & CO. BERLIN 1970

THEOLOGISCHE

BIBLIOTHEK

HERAUSGEGEBEN K. A L A N D ,

K . G. K U H N ,

C. H . R A T S C H O W 20.

TÖPELMANN

VON UND

E.

SCHLINK

BAND

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

® 1970 by Verlag Walter de Gruyter Sc Co., Berlin 30 (Printed in Germany) Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nidit gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen. Archiv-Nr. 3901704/20 Satz und Druck : F. Spiller, Berlin 36

D E N VEREHRTEN LEHRERN KARL RAHNER KARL BARTH

GELEITWORT Herr Kollege Browarzik hat mich gebeten, zu seiner großen und bedeutenden Arbeit ein Vorwort zu schreiben, weil sich diese Arbeit ja in erheblichem Maße mit meiner Theologie beschäftigt. Nun vermag ich. nicht (wie es einst Barth bei dem Buch Hans Küngs über die Rechtfertigungslehre Barths getan hat), zu diesem vorliegenden Buch selbst Stellung zu nehmen. Das geht im Augenblick einfach über meine Kräfte und über den hier möglichen Raum hinaus. So kann ich dem Verfasser dieses Buches nur herzlich danken, daß er sich die Mühe gemacht hat, ein kleines Stück heutiger katholischer Theologie einem evangelischen Leser nahezubringen. Dafür bin ich ihm einfach als der verpflichtet, der durch dieses ökumenische Werk unmittelbar betroffen ist. Aber ich meine, die Arbeit, für die ich diesen meinen aufrichtigen und herzlichen Dank erstatte, ist auch ein Symptom und ein Beitrag für eine Veränderung, die sich ganz allgemein im Verhältnis der evangelischen und katholischen Theologie zueinander in diesen Jahren vollzieht. Man nimmt wirklich sich gegenseitig ernst. Das ist vor ein paar Jahren noch nicht selbstverständlich gewesen. Man kann aufeinander hören, weil man unterdessen gemerkt hat, daß man sich etwas zu sagen hat. Dabei ist es ferner nicht mehr so, daß man schon von vornherein wußte, um welche festgelegten Punkte der „Streit" und der Dialog geht; heute handelt es sich um ein gemeinsames Bemühen (weithin wenigstens) um Fragen, bei denen wir alle noch offen nach einer Antwort suchen. Insofern ist diese gemeinsame Arbeit im Hören aufeinander gewissermaßen nur noch indirekt „ökumenisch" oder kontroverstheologisch. Sie wird aber dadurch gerade erst wirklich fruchtbar und so auch verheißungsvoller für ökumenische Ziele. Bei aller Berechtigung unmittelbar kontroverstheologischer Dialoge wird auf die Dauer die Arbeit ertragreicher sein, in der man in gegenseitiger Hilfe an den Fragen theologisch arbeitet, die uns die heutige Zeit aufgibt. Daß ich in diesem Buch so gleichberechtigt neben den großen Karl Barth gestellt werde, beschämt mich und überfordert meine Theologie. Aber audi das soll mir und hoffentlich auch anderen ein Zeichen dafür sein, daß man sich über die Lager hinaus und über alle Gräben hinüber gegenseitig ernst nimmt. Niemand in einer bestimmten Konfession wird das Bekenntnis der

VIII

Geleitwort

eigenen Väter und die (gestufte) Verpflichtung seiner eigenen „Bekenntnisschriften" nicht ernst nehmen, wenn er ein wirklicher Theologe seiner Kirche sein will und nicht ein Mann, der bloß die Beliebigkeit seiner eigenen Meinung auf den Markt des Geistes trägt. Aber ist das wirklich unvereinbar mit der Theologie eines bestimmten Theologen, der man es nicht mehr bei allen Themen gleich anmerkt, ob er katholisch oder evangelisch ist? Ich meine nicht. Einfach deshalb, weil uns heute Fragen aufgegeben sind, an die man zur Reformationszeit nicht dachte und nicht denken konnte. Man soll nicht zu schnell sagen, auch solche neuen Fragen seien doch je aus der Mitte des eigenen Bekenntnisses heraus zu beantworten und die Antwort müsse darum ebenso kontrovers ausfallen, wie die Antwort auf die alten Fragen. Es kann nämlich sein, daß es umgekehrt geht: die neuen Fragen und ihre Antworten stellen neue Verständnishorizonte für die alten Fragen und Antworten her. Und es kann doch dann auch sein, daß, wenn man sich dieser Situation vertrauensvoll aussetzt, das neue Verständnis der alten Fragen so wird, daß es einerseits einigt und doch gleichzeitig verständlich macht, daß, was man früher „eigentlich" meinte, durch die neuen Antworten auf die alten Fragen gar nicht wirklich verneint wird. Das ist doch unsere Hoffnung, wenn man ein Theologe seiner Kirche sein und bleiben u n d doch wirklich auch auf der Ebene der Theologie die ökumenische Hoffnung nicht aufgeben will. Mir scheint dieses Buch ein guter Beitrag ökumenischer Theologie in diesem Sinn zu sein, für den ich Herrn Browarzik herzlich danke. Karl Rahner

V O R W O R T

Diese Untersuchung ist im Sommersemester 1969 von der Theologischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg als Habilitationsschrift angenommen worden. Ich danke meinem hochverehrten Lehrern Herrn Professor Walter Künneth sowie den Professoren Wilfried Joest und Joachim Staedtke für ihr freundliches Verständnis — den Herausgebern der THEOLOGISCHEN BIBLIOTHEK TÖPELMANN für die bereitwillige Aufnahme in diese Reihe, insbesondere Herrn Professor Carl-Heinz Ratschow für seine nachhaltige Empfehlung beim Verlag und Herrn Professor Kurt Aland für seine wertvolle Beratung — dem Verlag Walter de Gruyter für sein Entgegenkommen, ganz besonders Herrn Professor H. Wenzel für seine liebenswürdige Mithilfe — nicht zuletzt der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Unterstützung der Drucklegungskosten. Ulrich Browarzik

INHALTSVERZEICHNIS Geleitwort Vorwort Einleitung TEIL I: TRANSZENDENTALTHEOLOGIE ALS ANALOGIETHEOLOGIE BEI KARL R A H N E R

VII IX 1

15

I. Darstellung Kapitel 1: Der Ansatz Kapitel 2: Gott ist Grund Kapitel 3: Gott ist Wille Kapitel 4: G o t t ist Liebe Kapitel 5: Gottes Offenbarung

17 17 27 33 39 47

II. Kritik Kapitel 6: Die logisch-philosophische Bedeutung der Beweise . . . . Kapitel 7: Die theologische Bedeutung der Beweise Vorläufiges Ergebnis

58 58 77 92

TEIL II: OFFENBARUNGSTHEOLOGIE BEI KARL BARTH . . . .

95

Obergang III. Kritischer Vergleich Kapitel 8: Die Methodenfrage Kapitel 9: Gottes Offenbarung A. Darstellung B. Kritischer Vergleich Kapitel 10: Gottes Liebe A. Darstellung B. Kritischer Vergleich Kapitel 11: Gottes Freiheit A. Darstellung B. Kritischer Vergleich Kapitel 12: Gott der Schöpfer A. Darstellung B. Kritischer Vergleich

97 102 102 118 118 130 134 134 148 155 155 167 174 174 193

XII

Inhaltsverzeichnis

TEIL III: GEWISSHEIT U N D BEGREIFBARKEIT ALS PROBLEME DER DOGMATIK 199 Folgerungen

201

IV. Kritischer Ausblick Kapitel 13: Die Gewißheit der theologischen Aussage Kapitel 14: Die Begreifbarkeit der theologischen Aussagen

204 204 231

Literaturverzeichnis

272

Namenregister

277

Sachregister

279

EINLEITUNG Es soll erneut ein Versuch gemacht werden, das Verhältnis von Glauben und Denken zu bestimmen. Was Glauben und was Denken dabei heißt, kann erst die Untersuchung selbst zeigen. Um wenigstens vorläufige Klarheit zu schaffen über den Sinn dieser Arbeit, sollen einige Bemerkungen vorangeschickt werden, die naheliegende Mißverständnisse und verwandte Fragestellungen von der hier gemeinten Frage abgrenzen. 1. Diese Untersuchung will eine dogmatische sein. Ob und inwiefern sie zugleich auch eine philosophische ist, muß vorerst dahingestellt bleiben. Streng grenzt sie sich jedenfalls ab von einer exegetischen oder bibeltheologischen Untersuchung. Das ist für den Dogmatiker eine bewußte Beschränkung aus verschiedenen Gründen. Einmal versteht der Dogmatiker in der Regel von Exegese weniger als wünschenswert wäre. Umgekehrt gilt freilich das gleiche für den Exegeten. Dieses Unvermögen hat nun aber nicht seinen Grund in der gegenseitigen Geringschätzung, wenn dergleichen auch vorkommen mag. Der eigentliche Grund liegt in der Sache selbst. Exeget und Dogmatiker schlagen um der gleichen Sache willen einen verschiedenen Weg ein. Wie sehr diese Wege sich auch berühren oder gar überschneiden mögen, so wird doch der jeweils am weitesten kommen und der gemeinsamen Sache am besten dienen, der seinen eigenen Weg am konsequentesten geht. Dazu darf man wohl ohne Übertreibung anfügen, daß die Exegeten in der neueren theologischen Forschung, wenigstens auf evangelischer Seite, selbstbewußter waren als die Dogmatiker. Sie haben konsequenter ihren eigenen Weg verfolgt, auch rücksichtsloser und aufs Ganze gesehen erfolgreicher. Die Dogmatiker haben mehr nach der Exegese geschielt und ihre Erwartungen an die exegetische Forschung geknüpft als umgekehrt. Es mag nun also durchaus so sein, daß das hier erörterte Problem auch schon in der Heiligen Schrift vorkommt, wenn etwa der Apostel Paulus sagt: „Denn Gottes unsichtbares Wesen, das ist seine ewige Kraft und Gottheit, wird ersehen seit der Schöpfung der Welt und wahrgenommen an seinen Werken, so daß sie keine Entschuldigung haben." (Römer 1, 20) Ja zuletzt mag unsere Frage eigentlich von dorther stammen und dort schon eine Antwort finden. Insofern kann man fragen, wie der Dogmatiker über1 Browarzik, Glauben und Denken

Einleitung

2

haupt -weiterkommen will, wenn er nicht Exegese treibt und die Aussagen der Heiligen Schrift nicht berücksichtigt. Man denke an den berühmten „Pfiff" des Dogmatikers K a r l Barth, wenn er seinen Studenten zuruft: „Exegese, Exegese, Exegese!" Das hier versteckt liegende Problem können wir hier noch nicht erörtern. Wir wollen es aber im Auge behalten und am Ende der dogmatischen Arbeit noch einmal aufnehmen. Vorerst muß folgende Feststellung genügen: Wir setzen voraus, daß es dem Theologen möglich ist, Fragen seines Glaubens zu stellen, zu klären und in gewissem Sinn audi zu beantworten, ohne sie ausdrücklich mit Schriftaussagen zu verbinden. Die Beziehung zur Heiligen Schrift wird nicht geleugnet, aber sie bleibt latent und wird nicht entfaltet. Den Sinn und die Berechtigung dieses Unternehmens kann erst der Verlauf der dogmatischen Untersuchung selbst zeigen. Die ganze theologische Wissenschaft leidet seit geraumer Zeit unter der Entfremdung von Exegese und Dogmatik und es sind kaum noch die ersten Schritte zu ihrer Überwindung getan. D a ß es auf katholischer Seite ähnlich ist, beweist der schöne Aufsatz von K a r l Rahner 1 . In dieser Hinsicht will die vorliegende Untersuchung so verstanden sein, daß sie 1

„Exegese und Dogmatik" in: Schriften zur Theologie, BandV, Zürich 1962, S. 82 ff. Die innere Dynamik der dogmatischen Methode geht u. E. nicht so sehr auf die „Systematisierung des Ganzen" (cf. H. J. Rothert, Gewißheit und Vergewisserung als theologisches Problem, Göttingen 1963, S. 215) im Sinne einer das Ganze christlichen Glaubens umfassenden Zusammenstellung. (cf. audi Η. G. Fritzsche, Die Strukturtypen der Theologie, Göttingen 1961: „Man will unter allen Umständen ein geschlossenes System . . . " S. 51.) Das Ganze fügt sich erst, wenn der Grund gelegt ist. Das Primärziel ist die Grundlegung, die allererst den vielen Vereinzelungen der christlichen Wahrheit ihren Halt gibt. Insofern eignet der dogmatischen Methode eine eigentümliche Dynamik in das Allgemeine und Abstrakte, während umgekehrt der exegetischen Methode eine Dynamik in das Vereinzelte und Besondere eigen ist. Anders ausgedrückt: Was die historisch-kritische Methode in einem fortlaufenden Prozeß der Vereinzelung nebeneinanderstellt, das muß die kritisch-dogmatische Methode in den einheitlichen Grund zurückstellen. (Dagegen Fritsche, a.a.O. 41.) Die Lessingsche Unterscheidung von zufälligen Geschichtswahrheiten und notwendigen Vernunftwahrheiten und das ganze Verhältnis von historischer und dogmatischer Methode müßte in diesem Sinn noch einmal viel genauer geprüft werden, als es ζ. B. bei H. Thielicke, Offenbarung, Vernunft und Existenz, 3. Auflage, Gütersloh 1957, geschieht. Bemerkenswerte Ansätze finden sich vor allem bei H. G. Gadamer, Wahrheit und Methode, 2. Aufl.,

3

Einleitung

durch Vollzug dogmatischen Denkens die Berechtigung, ja Notwendigkeit der theologisch-systematischen Anstrengung erweist, und zwar gelöst von der exegetischen Bemühung um die Texte der Heiligen Schrift. Eine Sache verstehen, heißt für den Dogmatiker primär in der Sache denkend verweilen. Erst sekundär heißt Verstehen auch einen Text verstehen oder die Meinung eines anderen verstehen 2 . Leider müssen wir uns an dieser Stelle mit knappen Andeutungen behelfen. Ganz ähnlich steht es auch mit dem Verhältnis des Dogmatikers zur dogmatischen Tradition, zur Dogmengeschichte und Theologiegeschichte. Die von uns erörterte Frage ist in der Zeit der Kirche schon oft behandelt worden. Ohne Zweifel ist die bisher geleistete Arbeit nicht gleichgültig für unsere eigene Bemühung. Vieles, was im folgenden gesagt wird, haben andere auch schon gesagt und oft genug besser. Das aber jeweils zu erhellen und ins Bewußtsein zu bringen, erfordert eine eigene Denkanstrengung und wird um so gerechter und würdiger ausfallen, je sorgfältiger sich der Historiker auf seine Arbeit konzentriert. Die Arbeit des Dogmatikers aber wird darunter leiden, wenn sie in der ihr eigenen Dynamik immer wieder unterbrochen werden muß durch Überlegungen, denen es um die gerechte Beurteilung anderer Theologen und ihrer Werke, hingegen nicht um die gerechte Beurteilung der Sache selbst zu tun ist. Hegel sagt in seiner Phänomenologie: „So wird auch durch die Bestimmung des Verhältnisses, das ein philosophisches Werk zu andern Bestrebungen über denselben Gegenstand zu haben glaubt, ein fremdartiges Interesse hereingezogen und das, worauf es bei der Erkenntnis der Wahrheit ankommt, verdunkelt 3 ." Darum muß gleich zu Anfang Tübingen 1965 — cf. auch W . v. Loewenich, Luther und der Neuprotestantismus, Witten 1963, S. 4 4 0 : „Wenn man dem Ausdruck .notwendige Vernunftwahrheit' die Lösung

sein aufklärerisches Gepräge nimmt, . . . dann

des Gewißheitsproblems

theologisch wesentlich

dürfte

akzeptabler

erscheinen." 2

Die historisch-kritische Bemühung führt von selbst zu einer sachlichen Fragestellung, deren genaue Struktur wir dahingestellt sein lassen müssen, deren Auftreten aber konstitutiv ist für die dogmatische Arbeit, cf. Gadamer, a.a.O., S. 253.

5

„Verstehen heißt primär, sich in der Sache verstehen, und erst sekundär: die Meinung des anderen als solche abheben und verstehen."

Gadamer,

a.a.O., 278. Dieser Satz bringt das Leitmotiv unserer ganzen Untersuchung, mit ihren Vorzügen wie auch Mängeln, zum Ausdruck, (cf. auch S. 286 f.) — Hegel,

Phänomenologie

des

Geistes,

Band 114, 6. Aufl., Berlin 1952, S. 10. 1*

Der

Philosophischen

Bibliothek

4

Einleitung

eine zweite Feststellung getroffen werden. Die bei unserer Erörterung verwendeten Zitate aus den Werken von Theologen und Philosophen haben nicht den Sinn, die Leistungen dieser Männer zu würdigen. Das könnte jeweils nur eine eigene Untersuchung schaffen. Sie sollen vielmehr nur dazu beitragen, das gestellte Problem zu durchdringen und einer Lösung näherzubringen. Auch Theologen, wie Karl Barth einerseits und Karl Rahner andrerseits, die durch ihr Werk diese Arbeit entscheidend beeinflußt haben, können hier nur als typische Vertreter ganz bestimmter theologischer Denkrichtungen herangezogen werden, ohne daß ihr vielschichtiges Gesamtwerk damit audi nur annähernd gewürdigt wäre. Bleibt die Frage, was nun eigentlich unter einer dogmatischen Anstrengung zu verstehen ist. Wir haben vorerst lediglidi eine notdürftige Abgrenzung getroffen gegenüber der exegetischen und historischen Methode. Im einzelnen kann erst der Vollzug dogmatischen Denkens größere Klarheit und Bestimmtheit schaffen. Allgemein und vorwegnehmend aber soll hier doch soviel gesagt werden: Dem Dogmatiker geht es nicht primär um die sorgfältige Interpretation eines vorliegenden Textes und auch nicht darum, sich mit großem Verständnis und Feingefühl in die Lage eines anderen Theologen zu versetzen. Der Dogmatiker sucht Verständigung über einen theologischen Sachverhalt, freilich im Gespräch mit Historikern und Exegeten. Aber nicht so, daß er ihre Ergebnisse vorwegnehmen oder darauf warten müßte, um zu seiner eigenen Sache zu kommen. Sondern so, daß er in einem immer auch schöpferischen Akt ursprünglichen Denkens Fragen stellt und Antworten findet, die durchaus eigenständig und gerade deshalb in der Lage sind, die historische und exegetische Forschung zu fördern. Der Dogmatiker ist dem Philosophen verwandt und teilt seine erste staunende Frage: Wie kommt es überhaupt dazu, daß eine Aussage gemacht wird und nicht vielmehr gar keine. Mit dieser Frage beschäftigt sich der Dogmatiker angesichts der Offenbarung Gottes. Er sucht die letzten Gründe aller theologischen Aussagen, die Bedingungen ihrer Möglichkeit, auch auf die Gefahr hin, daß er bei diesem actus reflexus in unfruchtbaren Formalismus gerät. Und er sucht nach den Möglichkeiten für neue, schöpferische Aussagen, auch auf die Gefahr hin, daß dabei die überkommenen Aussagen ihre Verbindlichkeit verlieren und zu privaten Meinungen werden. Dabei setzt er voraus, daß es überhaupt Offenbarung gibt und daß es auch gültige Zeugnisse von Offenbarung gibt. Immer wird der Dogmatiker eingedenk bleiben, daß sein Denken, wie ursprünglich und schöpferisch es auch sein mag, in Traditionen verwurzelt ist und daß wir heute

Einleitung

5

überhaupt nicht anfangen können, eine Sache zu verstehen, wenn wir nicht einrücken in ein alles umfassendes Uberlieferungsgeschehen 4 . Doch alle diese Zeugnisse, die der Heiligen Schrift mit eingeschlossen, sind menschliche Zeugnisse. U n d auch noch in den spontansten, ursprünglichsten Aussagen der Heiligen Schrift sind Spuren einer menschlichen Reflexion zu finden, wie versteckt und unausdrücklich auch immer. Denn stets ist der Glaubende, der seinen Glauben bezeugt, audi ein Denkender, der über seinen Glauben nachdenkt. D a r u m wird jede theologisch-exegetische und theologisch-historische Aussage zuletzt eine theologisch-dogmatische enthalten oder anstreben. Nicht die historische Arbeit alleine ist Medium, in dem sich Theologie bewegen muß. Auch die philosophische Arbeit gehört dazu. U n d wenn die Theologie eine historisch-kritische Methode braucht, um weiter zu kommen auf der Suche nach Wahrheit, so braucht sie ebenso dringend eine kritisch-philosophische Methode, um nicht weit zurückzubleiben hinter ihrem Anspruch auf Wahrheit. 2. Wir kommen nun zu den speziellen Einleitungsfragen, die das hier gestellte Problem „Glauben und Denken" genauer bestimmen sollen. Es gibt ja eine Reihe von traditionellen Begriffen, mit denen man schon längst versucht hat, die Sache zu fassen, um die es geht. E t w a : Glaube — Vernunft, oder: Glaube — Einsicht, oder: Glaube — Verstehen, oder: fides quaerens intellectum, oder: credo, quia absurdum, oder: nihil, credendum, nisi prius intellectum, oder: credo, ut intelligam. Hinter diesen Begriffsbildungen stehen jeweils sehr ernsthafte Versuche, bestimmte, für den Glauben bedeutsame Sachverhalte zu erhellen. Die folgenden Überlegungen betreffen also speziell die dogmatische Absicht dieser Untersuchung. Wenn wir den Glauben an Offenbarung voraussetzen und das Verhältnis zum Denken genauer bestimmen wollen, dann setzen wir auch den Ursprung des Glaubens voraus. Unser Ziel ist also nicht die Begründung des christlichen Glaubens im umfassenden Sinn. Wie und unter welchen Bedingungen Gott sich Menschen offenbart, ist eine außerordentlich schwierige und vielschichtige Frage, die wohl zusammenhängt, aber nicht identisdi ist mit der hier gemeinten. Wenn das Gebet: Ich glaube, hilf meinem Unglauben — um den geheimnisvollen Ursprung des Glaubens kreist, so könnte mit dem anderen Gebet: Ich glaube, hilf mir begreifen, was ich glaube — das umschrieben werden, worum es uns geht. Wir sehen vor uns ein * Gadamer, a.a.O., 276 ff.

6

Einleitung

weites, für den einzelnen unübersehbares Feld von Glaubensaussagen, das sich an wenigen Stellen verdichtet zu formelhaften Bekenntnisaussagen und das in bestimmten Epochen der Kirche in merkwürdige, oft überraschende Bewegung gerät. Die letzte Ursache für diese Bewegung erkennt der Glaube darin, daß Gott neu und unerwartet mit den Menschen spricht. Nicht in dem Sinn, daß er eine neue Offenbarung schenkt, die es früher nicht gegeben hat. Sondern in dem Sinn, daß er die alte Offenbarung neu erschließt. Offenbar haben die Worte, die Gott mit Menschen gesprochen hat und die uns nur in menschlichen Worten begegnen — noch nie hat es, nach allem was wir wissen, Wort Gottes gegeben, das nicht durch und durch menschliches Wort war und blieb — eine Tiefe und Fülle und inneren Reichtum, die von einer Generation, ganz zu schweigen von einem einzelnen Menschen, niemals voll erfaßt werden können. Unser Glaube schießt immer über unser Denken erheblich hinaus, und die Worte des Glaubens weisen auf mehr, als wir begreifen können. Niemals kann sich der Glaube in reines Denken auflösen, so wahr Gott immer Geheimnis bleiben wird. Aber nun eben nicht dem menschlichen Denken radikal verschlossenes Geheimnis, sondern geöffnetes Geheimnis. Ich verweise auf einen Aufsatz von Karl Rahner „Uber den Begriff des Geheimnisses in der katholischen Theologie" 5 , nur um anzudeuten, wie dieser Satz vom göttlichen Geheimnis, das menschlichem Denken geöffnet ist, Allgemeingut der Theologie von heute werden könnte, wenn wir behutsam, aber auch frei von Vorurteilen, die ersten sichtbar werdenden, besser gesagt: wieder sichtbar werdenden Ansätze weiter entfalten. Es geht uns also darum, wie der Glaube begreifen kann, was er glaubt. Ähnlich fragt ja auch der Philosoph auf seine Weise, wie er die Fülle der menschlichen Erfahrungen und Aussagen in einem letzten und tiefsten Sinn begreifen kann. Nun gibt es ohne Zweifel ganz verschiedene Formen des Begreifens und Erfassens von Offenbarung. D a ist vor allem das intuitive Erfassen eines menschlichen Wortes als göttliches Wort, das dem Erfassen eines Kunstwerkes vergleichbar ist. Man denke an ein Gedicht oder eine Symphonie. Das intuitive Erfassen, das wohl von jedem vollzogen wird, ist aber streng zu unterscheiden von dem rational-diskursiven E r fassen eines theoretischen Satzes. So wie es ja auch das Erkennen und plötzliche Aufgehen eines sittlichen Wertes gibt, das anders und eigen5

Rahner, Uber den Begriff des Geheimnisses in der katholischen Theologie, Schriften IV, S. 51 ff.

Einleitung

7

ständig ist gegenüber dem begrifflichen Erkennen. Wir können diese verschiedenen Phänomene des Erkennens hier nicht weiter analysieren, sondern lediglich feststellen: Wir beschränken uns bewußt auf das diskursive, Schritt für Schritt im begründenden Beweisverfahren vorgehende und streng begrifflich arbeitende Erkennen von theologischen Satzwahrheiten. Es gibt sehr wohl ein intuitives, der phänomenologischen Schau verwandtes Begreifen von Offenbarung. Man vergleiche dazu nur M a x Scheler und kritisch J . Volkelt 6 . Und ganz gewiß können wir alle weder anfangen noch fortschreiten im denkerischen Vollzug ohne irgendwelche Spuren von Intuition. Aber andrerseits kämen wir doch niemals zu irgendeiner Form verbindlichen Gespräches oder allgemeingültiger Erkenntnis ohne die logisch-diskursive Anstrengung des Begriffes. Durch eine singuläre Wesensschau in mystischer Ekstase kann der Mensch vielleicht selig werden, aber nie und nimmer zu einer audi noch so bescheidenen verbindlichen Äußerung und schon ganz und gar nicht zu einer theologischen Wissenschaft kommen. Der überschwengliche Zauber (Volkelt), den die Phänomenologie gelegentlich im Bereich der Philosophie erzeugt hat, muß den Theologen warnen vor Impressionen, die einem strengen Nachweis aus dem Wege gehen. Anschauungen ohne Begriffe sind blind, so wie freilich auch Begriffe ohne Anschauungen leer sind. Mit der Frage der rational-begrifflichen Offenbarungserkenntnis hängt auch die Frage der Gewißheit zusammen. Indem wir fragen, wie der Glaube nachdenkend zu bestimmten Glaubensaussagen kommt, berühren wir das Problem der Glaubensgewißheit. Aber nun eben nicht das volle und ganze Problem, sondern eben nur den Teilaspekt der denkenden Vergewisserung. Oder anders: die logische Seite der Glaubensgewißheit. Wenn ein Mensch Gott begegnet ist, und wir haben ja gewaltige Zeugnisse dieser Art, so haben wir es mit einer Form der Gewißheit zu tun, die sowohl unmittelbare Selbstgewißheit, als auch allgemeine Gültigkeit beansprucht. Sie kann sich nicht begnügen mit der subjektiven Überzeugung eines Satzes, etwa der Art: Ich habe Durst. Sie strebt weiter und höher hinauf. Wenn wir nun sagen: Uns geht es um die logische Seite der Glaubensgewißheit, so bedeutet das folgende Einschränkung: Wir fragen nicht, wie der Mensch der göttlichen Gegenwart gewiß sein kann in der Begegnung, oder wie das menschliche ICH zum göttlichen D u in der Begegnung sich verhält. Wir setzen die Begegnungsgewißheit voraus, so wie wir den Ursprung des Glaubens vorausgesetzt 6

M. Scheler, Gesammelte Werke, Band 10, Bern 1957, S. 377 ff. J . Volkelt, Gewißheit und Wahrheit, S. 453 ff.

8

Einleitung

haben. Aber über die Art der darauf aufbauenden, denkenden Vergewisserung möchten wir größere Klarheit haben. Wie kommt der Glaube zu verbindlichen, gültigen Aussagen über sein Verhältnis zu Gott? Das ist die Frage. Diese Frage ist hier nicht historisch-exegetisch gemeint. Wir müssen das noch einmal hervorheben, weil zur Zeit jede theologische Frage eine historisch-kritische Frage zu sein scheint und sonst nichts. Aber das ist eine Engführung, deren Unzulänglichkeit wir am Ende unserer dogmatischen Arbeit eigens erörtern müssen. Unsere Frage ist dogmatischer Natur. Sagen wir ruhig: Wir treiben hier nicht historischkritische Forschung, sondern Metaphysik, wenn das audi an dieser Stelle für viele eine unverständliche oder wenigstens unzeitgemäße Behauptung sein wird. Der Fortgang der Untersuchung mag zeigen, daß Kant vielleicht dodi recht hat, wenn er sagt: „Denn irgendeine Metaphysik ist immer in der Welt gewesen . . . und wird wohl auch ferner darin anzutreffen sein. Es ist also die erste und wichtigste Angelegenheit der Philosophie.. . ihr ein für allemal allen nachteiligen Einfluß zu benehmen 7 ." Unsere Fragestellung kann man audi eine erkenntnistheoretische heißen, die verwandt ist mit der transzendentalphilosophisdien Kants, wie er sie in der „Kritik der reinen Vernunft" entwickelt 8 . Wir werden also die Bedingungen der Möglichkeiten erörtern, unter denen der Glaube zu gültigen Aussagen über sein Verhältnis zu Gott kommt. 3. Nachdem wir notdürftig die dogmatische Absidit dieser Arbeit verdeutlicht und verwandte Fragestellungen von der hier gemeinten abgegrenzt haben, müssen wir noch einen Blick auf die Philosophie, genauer: Religionsphilosophie werfen. Auch die Religionsphilosophie erforscht ja die Möglichkeiten, Strukturen und Methoden des glaubenden, oder wie wir gewohnt sind zu sagen, des religiösen Erkennens. So ist anzunehmen, daß unser theologisch-dogmatisches Unternehmen noch am meisten mit dem religionsphilosophisdien zu tun hat. Die traditionelle und wohl schon klassisch zu nennende Unterscheidung zwischen beiden Erkenntnisarten ist geläufig. Auf evangelischer Seite hat insbe7

I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, Der Philosophischen Band 37 a, Hamburg 1952, S. 28.

8

Kant, a.a.O., S. 98 ff. Theologie k o m m t so immer zwischen zwei Fronten zu stehen. Auf der einen Seite eine Theologie des Positivismus, die die Fragen nicht bewältigt, weil sie einfach aufhört zu fragen. Auf der anderen Seite eine Theologie des je eigenen Selbstverständnisses, die die Fragen nicht bewältigt, weil sie ins Unverbindliche abgleitet.

Bibliothek

Einleitung

9

sondere die „Dialektische Theologie" mit großem Nachdruck darauf bestanden. Die Religionsphilosophie fragt nach G o t t und die Theologie antwortet — womöglich gar so, daß es die falsche, religionsphilosophische Fragestellung aufdeckt. D a ß da einem Religionsphilosophen die Lust an seiner Arbeit vergehen mag, kann man sich leicht denken. Auch noch in der gemäßigten F o r m der Unterscheidung steckt genug Deprimierendes und Entmutigendes. Denn wenn man auch etwas bescheidener sagt: D i e Religionsphilosophie fragt und denkt vom Menschen zu G o t t hin, von Vernunft auf Offenbarung hin und die Theologie umgekehrt von G o t t auf Welt hin, von Offenbarung auf Vernunft, so stellt sich doch gar bald die Frage ein, ob das religionsphilosophische Geschäft nicht ganz aufzugeben wäre, da Theologie sich doch nichts sagen läßt und in jedem Streitfall das letzte W o r t behalten muß: Wer dürfte es schon wagen, G o t t zu widersprechen. Es ist die Absicht unserer U n t e r suchungen, die Problematik dieser Differenz deutlich zu machen. M i t anderen W o r t e n : Die Alternative, so wie sie eben angedeutet wurde, ist zu einfach und kann ehrlicherweise nicht durchgehalten werden, wenn Theologie nicht zutiefst unglaubwürdig werden will. W i r werden einsehen müssen, wie Theologie nicht nur denkend den Weg von G o t t zu Mensch, sondern auch den umgekehrten Weg gehen muß. Jede Aussage von Offenbarung enthält diese doppelte Dynamik, deren Art und Sinn wir erst am Ende bestimmen können. Ohne Zweifel bleibt ein tiefgreifender Unterschied zwischen Religionsphilosophie und Theologie, der gerade von Theologen, die nicht aufgehört haben, den Weg der Vernunft auf Offenbarung hin denkend zu beschreiten, leicht unterschätzt, wenn nicht ganz übersehen wird*. Am Anfang der religionsphilosophischen Anstrengung steht der Zweifel, mindestens an einen Gott, der sich endgültig offenbart hätte. A m Anfang der theologischen Forschung hingegen steht der Glaube an den G o t t der Offenbarung. Diese, der genannten Differenz noch vorgelagerte U n t e r scheidung kann hier natürlich nur angedeutet werden. Vorwegnehmend und die strenge Analyse einleitend, seien wenigstens ein paar provisorische Überlegungen angestellt über diesen allerersten Anfang theologischen Denkens. Seine erste Voraussetzung, daß G o t t ist, kann der Theologe nicht beweisen. E r kann sie erhellen, wie wir das unternehmen werden, er kann denkend darüber Rechenschaft ablegen und muß es sogar, aber • cf. Rahner, Hörer Des Wortes, 2. neubearbeitete Ausgabe, München 1963 — 1. Aufl. 1941 —.

10

Einleitung

er kann sie nicht beweisen im Sinn eines logischen SchlußVerfahrens, das nur ein Dummkopf nicht nachvollziehen kann. Denn Glaube ist zuerst und zuletzt Liebe und nicht Einsicht. Wäre er zuerst Einsicht, dann wäre ja jeder Gottesleugner, wie gesagt, ein Dummkopf, der nicht einsehen will, was jeder notwendig einsehen muß. In dieser Lage befindet sich aber der Theologe keineswegs allein. Der Philosoph, der denkend Wahrheit erkennen will, kann auch nicht schlüssig beweisen, daß es überhaupt Wahrheit zu erkennen gibt. Gegen den radikalen Zweifel ist kein Kraut gewachsen. J e tiefer die Wahrheit eines Satzes geht, je grundsätzlicher sie ist, desto weniger ist mit einem strengen Beweis zu machen, desto mehr hängt die Wahrheit am persönlichen Einsatz, an der Zuneigung oder an der Abneigung des Denkenden. Das heißt aber, eine letzte und tiefste Wahrheit ist uns nur auf dem Wege einer letzten, unmittelbaren Gewißheit, sagen wir Glaubensgewißheit zugänglich. Freilich schließt solche Glaubensgewißheit auch Erkenntnisgewißheit ein und muß keineswegs willkürlich sein. Aber diesen alles fundierenden Glaubensstandpunkt teilt der Theologe mit dem Philosophen. Das vernünftige Denken im weitesten Sinn stößt immer wieder auf die Aporie: alles ist zu bezweifeln. Aber indem ich alles bezweifle, komme ich überhaupt zu keiner Erkenntnis, nicht einmal zu der, daß alles zu bezweifeln ist. In radikalem Zweifel löst sich das Denken auf. Nehmen wir die Gültigkeit der logischen Gesetze. Auch sie fallen zuletzt in den Bereich der Glaubensgewißheit. Unser Denken ist zuletzt ohne zwingende Macht. Zuletzt ist alles Glaube ( J . Volkelt) oder „unbegründbare Zuversicht" (Lotze). Man kann darauf vertrauen, daß jedem anderen die gleiche Evidenz widerfährt. „Gefühle sind es, welche unsere Erkenntnis leiten" (Rickert) 1 0 . Freilich ist damit noch nicht viel gesagt, und die Schwierigkeiten des Erkennens beginnen erst. Aber ein nicht belangloser Konsensus zwischen Theologen und Philosophen ist doch erreicht. Wenn ein Gott existiert, dann kann er es den Menschen nur so offenbaren, daß es der Mensch im Glauben erfährt, wie groß die Rolle des Denkens dabei im übrigen auch sein mag. Scheler sagt: „Die Realität Gottes aus Dasein und Beschaffenheit der Welt durch Kausalschlüsse und mit Hilfe einer Konstruktion der Gottesidee aus endlichen Seinsarten zu erschließen oder zu beweisen oder sie auf Grund eines Sittengesetzes als vernunftnotwendige Bedingung seiner möglichen Verwirklichung zu postulieren — alle diese Wege sind ungangbar 1 1 ." Wir werden die relative Bedeu10

Volkelt, a.a.O., S. 265, 333, 538 ff.

"

Scheler, Werke X , S. 183.

Einleitung

11

tung dieses Weges im ersten Teil unserer Arbeit zu erkennen suchen. Vorerst muß der Verweis auf die unmittelbare Gewißheit von der Gegenwart Gottes genügen, so wie am Anfang der philosophischen Bemühung ja auch der Hinweis auf die unmittelbare Gewißheit genügen muß, daß es überhaupt Wahrheit zu erkennen gibt und nicht vielmehr Lüge oder nichts. Dieser ersten Voraussetzung folgt eine zweite, die in gewissem Sinn genau so wenig kontrovers sein muß zwischen Theologie und Philosophie: Gott offenbart sich den Menschen so, daß er mit ihnen redet. Freilich wäre denkbar, daß Gott sich den Menschen unabhängig vom Wort erschließt. So, daß der Mensch in unmittelbarer Begegnung vor Gott steht, fasziniert oder erschrocken, in einem mysterium fascinosum oder tremendum (R. Otto), im Gefühl schlechthinniger Abhängigkeit und einer alles Endliche unendlich übersteigenden Unzulänglichkeit (Schleiermacher). Aber wie dem auch sei, der Mensch muß zurück in die Schranken seiner Endlichkeit und hat, dort angekommen, nur diese zwei Möglichkeiten: E r verstummt im Bewußtsein eines radikalen Unvermögens. Wovon wir nichts wissen, davon sollen wir schweigen (Wittgenstein). Oder aber er redet, weil Gott mit ihm geredet hat. Die erste Möglichkeit ist bekannt als die — Gott bejahend und ihn liebend — mystische oder als die — Gott leugnend — skeptische. Die zweite ist die prophetische oder theologische. Welche Bedeutung nun die Mystik auch für den Glaubensund Denkvollzug in der Theologie und Prophetie hat — und sie scheint in der dialektischen Theologie, etwa bei E. Brunner, erheblich unterschätzt 12 — eines lehrt die Geschichte der Theologie deutlich genug: den großen Mangel jeder Mystik in ihrer letzten Konsequenz und die N o t wendigkeit, darüber hinauszukommen in vernünftiger Rede. Der Grund ist vor allem folgender: Jede Mystik endet konsequent wie die Skepsis, wenn auch in gegensätzlicher Grundrichtung, im Schweigen. Ihre E r kenntnis besteht darin, daß sie nichts zu erkennen hat. Denn jeder Satz, der dieses Schweigen bricht, überschreitet die Grenze. Aber selbst der Satz, daß nichts zu erkennen ist, ist ja selbst wieder eine Erkenntnis, die sich in skeptischer Konsequenz selbst auflöst oder aber, an dem Anspruch festhält, wahre Erkenntnis zu sein und so widersprüchlich doch eine neue Möglichkeit erschließen will: es gibt wahre Erkenntnis von Gott. Was wir an dieser Stelle andeuten, kann nicht mehr sein als eine Rhapsodie der theologischen Eingangsprobleme, unvollständig und ungenau. Aber damit erreichen wir doch wenigstens eine vorläufige K l ä 12

E. Brunner, Die Mystik und das W o r t Gottes, Tübingen 1924.

12

Einleitung

rung der Hintergründe dieser Untersuchung, die unentbehrlich ist für den Einstieg selbst. Wir fügen den zwei vorangehenden Voraussetzungen noch eine letzte hinzu: Der Gott der Offenbarung, der mit den Menschen verbindlich und verpflichtend redet, so daß diese Gottesrede eine strenge, begriffliche Arbeit durch angestrengtes Denken geradezu fordert — andernfalls würde ja alles dem beliebigen Spiel einer wie auch immer wertvollen Phantasie überlassen — , dieser Gott redet frei. Wohl bindet sich Gott an das menschliche Wort, wie wir oben gesagt haben. Anders wüßten wir gar nichts von Gott im strengen Sinn dieses Wortes. Aber Gott bindet sich nicht an Worte in dem Sinn, daß der Mensch von sich aus durch reines Denken sich Offenbarung erschließen könnte. Damit haben wir den zentralen Punkt unserer Erörterung erreicht, der einer sorgfältigen Untersuchung bedarf. Wir haben es hier, um das gleich vorweg zu sagen, mit zwei theologischen Erkenntnistheorien zu tun, die theologisches Denken regeln, nämlich mit TRANSZENDENTALTHEOLOGIE und OFFENBARUNGSTHEOLOGIE. Auf der einen Seite steht TRANSZENDENTALTHEOLOGIE, heute in der katholischen Theologie von E. Przywara und K . Rahner erneut in den Mittelpunkt theologischen Denkens gerückt. Auf der anderen Seite steht OFFENBARUNGSTHEOLOGIE, der große Gegenspieler der Analogietheologie, in der neuesten Zeit durch K . Barth wieder in den Mittelpunkt theologischen Denkens gestellt. Sie hat auch den Namen „Dialektische Theologie" erhalten. D a aber der Begriff des Dialektischen mißverständlich ist, wollen wir den Ausdruck meiden. Damit haben wir den Ort erreicht, von dem aus ein Uberblick über diese Arbeit möglich ist. Uns beschäftigt die Frage, wie der Glaube sich das, was er glaubt, denkend aneignen kann. Wir sind bei unseren Vorüberlegungen auf die Frage gestoßen, wie das zu verstehen sei, daß Gott sich an menschliches Wort bindet und dennoch diesem Wort gegenüber frei bleibt. In einem ersten Teil wollen wir dem ersten Teil dieser Frage nachgehen. In einem zweiten Teil werden wir den zweiten Teil der Frage ins Auge fassen. Schließlich wollen wir versuchen, die Folgerungen aus den gewonnenen Einsichten zu ziehen. Dabei wird alles darauf ankommen, daß es Theologie immer mit einem Geheimnis zu tun hat, das sie mit allen Mitteln zu wahren hat. Glaube kann sich nicht auflösen in Denken, wie rein und zwingend dieses Denken audi immer sein mag. Glaube kann aber ebensowenig von Ungereimtheiten und willkürlichen Spielereien leben, ohne zutiefst unglaubwürdig zu werden. Ständig steht Theologie vor der Aufgabe, die sich im Fortgang oder Rückgang menschlichen Denkens einstellenden Widersprüche und Absurditäten vernünftig

Einleitung

13

zu verarbeiten. Credo, ut intelligam. Nicht aber: Credo, quia absurdum. So daß unser Glaube in dieser Welt immer neu strahlt und leuchtet im geheimnisvollen, göttlichen Licht, auf daß etliche von neuem zum Glauben kommen. Nicht aber so, daß unser Glaube erstarrt in finsteren Traditionen oder kümmerlich weiterlebt in esoterischen Zirkeln und dem Glaubenden nur eines übrigbleibt: sich in einem salto mortale des vernünftigen Denkens hineinzustürzen in das, was man glauben muß, die Frage der Aneignung zu verwerfen und in einem zuletzt grundlosen und willkürlichen Akt der Unterwerfung unaufhörlich das nachzusagen, was andere vorgesagt haben. N u r der verstehende Glaube hat die Kraft der Uberzeugung, nicht der sich unterwerfende. Und nur die Überzeugung, nicht die Unterwerfung, verdient den hohen Namen „Glaube". 4. Zum Schluß noch ein kurzer erklärender Hinweis auf die beiden Theologen Karl Rahner und Karl Barth. Es gibt eine ganze Reihe bedeutender Theologen, die man zu Rate ziehen muß, um T R A N S Z E N D E N T A L T H E O L O G I E und O F F E N B A R U N G S T H E O L O G I E in ihrer historischen Wirkung und gegenwärtigen Bedeutung würdigen zu können. Wir beschränken uns im wesentlichen auf die zwei. Nicht nur deswegen, weil langwierige spraditechnische Vergleiche nötig werden, die wohl für die Würdigung der verschiedenen Autoren erforderlich sind, den Vollzug dogmatischen Denkens aber umständlich belasten. Das Sprachelend ist in der Theologie besonders akut geworden. Der Hauptgrund für unsere Konzentration aber ist folgender. Karl Rahner und Karl Barth sind hervorragende Vertreter der transzendentaltheologischen und der offenbarungstheologischen Erkenntnistheorie. Es geht uns um einen genauen Einblick in die Bedeutung und Tragweite dieser beiden Erkenntnistheorien, die die gesamte dogmatische Forschung der Theologie bestimmen. Es ist nidit unsere Absicht, das vielschichtige Gesamtwerk unserer beiden Theologen zu würdigen. Wir suchen genaueren Aufschluß über die Methodenfrage dogmatisdien Denkens. Zu diesem Zweck haben wir bestimmte dogmatische Lehrsätze auf beiden Seiten ausgewählt und auf die Fragen hin untersucht, wie der Theologe zu seinen Sätzen gekommen ist und welchen Ansprudi er im Raum der Wissenschaft dafür erhebt, sowohl was die Gewißheit, als auch was die Begreifbarkeit seiner Aussagen betrifft. Für den ersten Teil hoffe ich, daß er zugleich einen fruchtbaren Beitrag für das interkonfessionelle Gespräch, insbesondere für die Auseinandersetzung mit der Theologie Karl Rahners leistet.

Teil I TRANSZENDENTALTHEOLOGIE ALS ANALOGIETHEOLOGIE BEI KARL RAHNER

I. D a r s t e l l u n g Kapitell:

Der Ansatz

Wir haben es hier, das sei vorweg gesagt, mit einer der größten Leistungen zu tun, die je im Raum theologischer Denkbemühungen entstanden sind. Und auch noch die schroffste Ablehnung jeder Analogietheologie als ein im Grunde die christliche Wahrheit zerstörendes Unternehmen, läßt ihre tatsächliche Größe erkennen. Der Gegner muß sehr stark sein, wenn man so ungeheure Worte wie das vom Antichrist für ihn findet. „Ich halte die analogia entis für die Erfindung des Antichrist und denke, daß man ihretwegen nicht katholisch werden kann 1 ." Die Frage nach der Analogietheologie ist seit ihrem ersten Auftreten nicht zur Ruhe gekommen, und wir wollen den Nachweis zu führen versuchen, daß sie audi nicht zur Ruhe kommen kann, wo immer Theologie getrieben wird. Karl Barth kämpft gegen diese Art theologischen Denkens, E. Przywara sieht in ihr das bleibende und unaufgebbare Prinzip einer katholischen Metaphysik und das heißt so viel wie einer katholischen Theologie: „Sie ist Prinzip, von dem alles her und zu dem alles hin ist: idem Deus 2 ." Karl Rahner wiederum versucht neuerdings die Konzeption der Analogietheologie in Richtung auf eine Analogie der Seinshabe und den thomistischen Begriff der Gegenstandswelt auf den Begriff der personalen Mitwelt zu überholen 3 . Das zeigt immerhin, daß die Beschäftigung mit dieser Frage von hervorragender theologischer Bedeutung sein muß. Es geht uns nun nicht um eine umfassende Darstellung der Analogietheologie, die nicht frei zu halten wäre von theologiegeschichtlichen Exkursen. Wir versuchen, die Methode zu erkennen, derzufolge bestimmte Fragestellungen überhaupt erst entstehen und typische Antworten ermöglicht werden. Die Auswahl der dafür geeigneten Elementarsätze ist bewußt klein gehalten mit Rücksicht auf den ausführlichen Vergleich in Teil I I . 1

K . B a r t h , K D 1 , 1 , 4. Auflage 1944, S. VIII.

2

E. Przywara S. J., Analogia Entis, München 1932.

» K. Rahner, H ö r e r Des Wortes, 1963 (2. Auflage), S. 11, Anmerkungen: 65, 164, 170. 2 B r o w a r z i k , Glauben und D e n k e n

18

Darstellung

1. Die allererste analogietheologisdie Frage ist sehr einfacher und zugleich sehr umfassender Art: Wie ist es überhaupt möglich, zu sagen, daß Etwas ist und nicht vielmehr Nichts? Diese Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit, zu sagen, daß Etwas da ist oder existiert, beschäftigt den Theologen und den Philosophen in gleicher Weise. Es wird so gleich am Anfang deutlich, wie philosophische und theologische Fragestellungen noch ineinanderliegen. Hören wir dazu Przywara: „Weil in diesem Grundsätzlichen nicht ein Halb-Theologisches mit einem Halb-Philosophischen Kompromiß schließt, sondern unbekümmert echte Theologie mit unbekümmert echter Philosophie im Einen Gott der Einen Wahrheit eins ist, darum gestaltet sich das Grundsätzliche wie die Auswirkung in gleicher Unbekümmertheit. So scharf Theologie und Philosophie sich scheiden, so vollkommen .durchdringen sie sich . . . Aber sie durchdringen sich so, daß jede in das Wurzelhafte der andern eingreift, und die Gegenseitigkeit dieses Eingreifens doch gerade die gegenseitige Selbständigkeit nicht nur nicht antastet, sondern geradezu begründet." Die Philosophie wird zur Grundlegung der „Fundamente" der Theologie bis zu deren „methodischem Werkzeug" im „Aufbau". Die Theologie wird ihrerseits formal zur inneren Befreiung des Aktes von Philosophie und material zur Erweiterung ihrer Horizonte 4 . So steht am Anfang die ontologische Frage nach dem Sein. Und zwar die letzte und tiefste, auf die die ontologische Frage zielt: wie ist das Sein alles Seienden zu begreifen. Unentwegt behaupten wir, daß etwas ist. Wir sagen dieses Sein aus von dem Absoluten wie von dem Relativen, vom Körperlichen wie vom Geistigen, vom Möglichen wie vom Wirklichen. Wir sagen Dasein und Sosein, Realsein und Idealsein, immer das gleiche Sein. Notwendig stellt sidi darum die Frage, ob wir Sein stets im gleichen Sinn meinen oder jeweils in einem verschiedenen. Um einen scholastischen Terminus zu gebrauchen, über dessen Gebräuchlichkeit man sich leicht in jedem scholastischen Lehrbuch orientieren kann: prädizieren wir einem Seienden das Sein jeweils univok, aequivok oder analog? Man findet bei Thomas breite Untersuchungen über die Bedingungen, unter denen praedicatio univoca stattfinden kann. Für unseren bescheideneren Zweck muß folgendes genügen. 2. Ohne Zweifel ist der Begriff des Seins ein Gegenbegriff zu dem des Nichts. Daß nicht Nichts ist, sondern Etwas, das ist der Ursprung der ontologischen Reflexion. „Die erste und unmittelbare Evidenz ist die 4

Przywara, a.a.O., S. 52 u. 59.

Der Ansatz

19

evidente Einsicht, die in Urteilsform besagt, daß überhaupt Etwas sei oder noch schärfer gesagt, daß nicht Nichts sei 5 ." Diese Überlegung aber stößt auf eine Aporie, N . Hartmann sagt: „Die erste Aporie, auf die wir in der Ontologie stoßen"®. Wir finden irgendein Seiendes und bilden von da ausgehend den Begriff des Seins. Dieser Begriff ist aber nicht nur notwendig, sondern zugleich so abstrakt, daß wir darüber hinaus keinen abstrakteren finden können, mit dessen H i l f e wir das gerade gefundene und aufgewiesene Sein eines Seienden näher bestimmen könnten. Wir stehen an der Grenze unseres begrifflichen Vermögens. Wir können, so scheint es, das Sein gerade noch begrifflich festhalten zum Zweck der Erkenntnis, aber nicht genauer bestimmen. Trotzdem läßt die Frage nicht zur Ruhe kommen, welchen Sinn denn nun Sein hat in all der Mannigfaltigkeit von Seiendem 7 . 3. Diese Unruhe treibt das Denken weiter und hindert es daran, sich zufrieden zu geben mit „der vagen Vorstellung von einer größtmöglichen Allgemeinheit des Begriffes vom Sein, seiner absoluten Gleichgültigkeit und Neutralität gegenüber allen spezielleren Arten und Typen des Seienden" 8 . Man könnte sagen: Es gibt an dieser Stelle für das Denken keinen zwingenden Grund weitergehen zu müssen, aber es gibt auch keinen, der zum Stehenbleiben zwingt. Die Analogietheologen, und vor ihnen Aristoteles, um nur einen der Größten zu nennen, sind weitergegangen, in der Hoffnung, noch tiefer einzudringen in die Wahrheit vom Sein (cf Wagner ebda). Bei diesem tastenden Weiterschreiten aber eröffnet sich der Horizont der ganzen Analogieproblematik. Wie gesagt, gibt es nun drei Möglichkeiten, den Sinn von Sein näher zu begreifen: U N I V O K A T I O N , A E Q U I V O K A T I O N und A N A L O G I E ! Wir sind uns bewußt, daß wir die umfassende Bedeutung dieser drei Möglichkeiten für das Denken und für die Erkenntnis von Wahrheit überhaupt im Zusammenhang dieser Untersuchung nur ungefähr andeuten können.. D a s meiste muß unberührt liegenbleiben. Unter diesem Vorbehalt wenden wir uns zunächst der U N I V O K A T I O N ZU. 4. Sein kann einem Seienden jeweils im gleichen Sinn zugesprochen werden. „ D a ß das Sein den verschiedenen Seinsklassen in verschiedenem 5 β

7 8

2*

Scheler, Vom Ewigen im Menschen, Leipzig 1923, S. 112. Ν. Hartmann, Zur Grundlegung der Ontologie, Berlin 1935, S. 47, — ferner dazu: R. Zocher, Die philosophische Grundlehre, Tübingen 1939. Hartmann, a.a.O., 57 ff. H. Wagner, Existenz, Analogie und Dialektik, München 1953, l.Band, S. 156.

20

Darstellung

Sinn zukommen soll, leuchtet keineswegs ein. Alles Seiende stimmt darin überein, daß es ein Seiendes ist und d. h., daß es Sein hat. Dieses Sein ist in allem Seienden dasselbe 9 ." „Sein — und vollends R E A L I T Ä T , D A S E I N , E X I S T E N Z — stuft sich überhaupt nicht ab. Es ist E I N E S an allem, was ist. Was sich abstuft, ist nur die Größenordnung, die Geformtheit, die sich verdichtende Bestimmtheit 10 ." Ausgehend von der ontologischen Differenzierung in D A S E I N — SOSEIN oder E X I S T E N Z — E S S E N Z ergibt sich der Schluß: Entweder es ist etwas da oder es ist nicht da, tertium non datur. Abgesehen von den weiteren Fragen, wie ein Etwas dem erkennenden Bewußtsein als Seiendes erscheint, unter welchen Bedingungen und in welchem Sinn es ihm gegeben ist, bleibt die angegebene Schlußfolgerung einwandfrei. Aber nicht nur das. Schon Plato hat darauf aufmerksam gemacht, im Zusammenhang mit seinem Gottesbeweis, daß das Denken auf diesem Wege zu einem seiner höchsten Begriffe kommt und doch nicht zu dem höchsten11. Wobei es nicht überflüssig ist hinzuzufügen, daß für Plato die obersten Begriffe nicht die leersten, sondern die „energiegeladensten" sind. Dasjenige zu denken, über dem nichts Höheres gedacht werden kann, war für ihn offenbar nicht das eitle Geschäft einer im Grunde müßigen Abstraktion, sondern das erregende Eindringen in eine Welt, aus der alles entspringt 12 . Mag das Sein nun in diesem Sinn einer unserer höchsten Begriffe sein, so ist er doch nicht der höchste. Das läßt sich einfach zeigen. Sagen wir: alles Seiende hat an dem Sein teil, so steht der Begriff des Seins über den vielen Begriffen des Seienden, aber er steht nicht allein. Denn der Begriff des Seins ist nicht ein Begriff, der keines anderen bedarf. Sein ist immer Sein von Etwas. Oder anders: „Sein ist stets Sein eines Eins. Wir haben also das Axiom: das Eins ist. Es besteht aus zwei Teilen, dem Eins und dem Sein, die ein Ganzes bilden 1 3 ." J a zuletzt besteht dieses Axiom wohl aus drei Teilen, denn wir müßten ja noch die verbindende Relation hinzunehmen. Der letzte und höchste Begriff, den wir durch Denken erreichen können, wäre der des Eins. Über diesem läßt sich kein höherer denken. Wie Plato ihn mit dem Begriff Gott zusammenbringt und seinen 8

10 11 12

13

J . Hessen, Lehrbuch der Philosophie, 3 Bände, München 1949, 3. Bd., S. 32 ff. H a r t m a n n , a.a.O., S. 69 u. 76. A.Speiser, Die geistige Arbeit, Basel 1955, S. 110. Speiser, a.a.O., S. 201, cf. auch: S. 118, 153 f. D a z u : Przywara, a.a.O., S. 96 f. Speiser, a.a.O., S. 154.

Der Ansatz

21

Gottesbeweis aufbaut, können wir hier nicht im einzelnen sehen. Eines ist aber deutlich geworden: der Begriff des Seins steht am äußersten Rande unseres Wissens und wer ihn denkt, muß mindestens ein D o p peltes denken: das Sein und das Etwas, das an dem Sein teilhat. U m auf unseren Ausgangspunkt noch einmal zurückzukommen: prädizieren wir einem Seienden das Sein univok, so gerät unser Denken notwendig in einen Zwiespalt. Hier die Welt des Seins und dort die Welt des Seienden. So viel also enthält der Begriff der Univokation und bis zu jenem Riß muß der vordringen, der sich entschließt, das Sein einem Seienden univok zu prädizieren. Aber damit noch nicht genug. Es stellt sich nämlich die Frage, ob alles Seiende an dem Sein zwar in dem gleichen Sinn teilhat, aber nicht in dem gleichen Maß. Ist es wirklich so, daß es für die Teilhabe am Sein keine Stufen und G r a d e gibt? Dieser Frage müssen wir noch etwas weiter nachgehen. Ausgehend von der erwähnten ontologischen Differenz Dasein — Sosein, ergibt sich notwendig die Alternative: entweder ist etwas oder es ist nicht. Dennoch muß das Denken an dieser Stelle noch nicht H a l t machen. Sein muß nicht verstanden werden „als eine feste, immer und überall gleichsinnige Größe, gewissermaßen als eindeutige Z a h l " 1 4 . Sein kann auch verstanden werden als „gleitende Funktion" (ebda.). D a s wird deutlicher, wenn wir auf eine zweite ontologische Differenzierung blicken, nämlich auf die von Idealsein und Realsein. Wir berühren hier die Frage, ob Werte SIND oder GELTEN. D e n T e r m i n u s „ G E L T E N " h a t w o h l H . L o t z e in d i e P h i l o s o p h i e

eingeführt. Die Sache läßt sich zurückverfolgen bis in die Frühzeit der Philosophie 1 5 . Es geht dabei um folgendes: Ein sittlicher Wert hat eine solche Seinsart, daß er für unendlich viele Einzelfälle gilt. Es ist immer der gleiche Wert, der in jedem der Fälle gilt, aber er muß nicht im gleichen Maße gelten. In jedem Einzelfall verwirklicht er sich in verschiedenem Maß oder auf unterschiedlichen Stufen. Er ist wohl jeweils da, aber in verschiedenem G r a d . Wir gehen hier der komplizierten Frage nach dem Verhältnis von „Gelten" und „Sein" nicht weiter nach 15 . Wir berühren nur gerade den kritischen Punkt, und wollen lediglich an dem Beispiel der Geltungsverhältnisse besser zu begreifen suchen, was Univokation meint. Wir sind zu folgendem Ergebnis gekommen: Wer über das Sein alles Seienden nachzudenken unternimmt, kann, wie gezeigt, ein sublimes Abstraktionsverfahren nicht vermeiden. Wir 14

R a h n e r , a.a.O., 65.

ls

Hessen, a.a.O., 51, H . Lotze, L o g i k III, K a p . 2, Leipzig 1912.

22

Darstellung

sind der Meinung, daß es sich dabei nicht um „simple Abstraktionsmanöver" handelt 16 , sondern um ein gründliches Denken, das auf diese Weise zu Begriffen vorstößt, die nicht leer oder gar nutzlos, sondern für das Weiterdenken von fundamentaler Bedeutung sind, ganz gleich ob es nun in Richtung auf eine göttliche Offenbarung oder anderswohin zielt. Dabei ergab sich die Einsicht in die erste und grundlegende ontologische Differenz von Sein und Seiendem. Wer das Sein denkt, muß notwendig das Sein von Etwas denken. Das reine Sein ist undenkbar, gleichgültig, ob es sich nun um Innerweltliches oder Außerweltliches handelt. Wir stoßen zwangsläufig auf Zwei und nicht auf Eins. Daraus ergab sich die Frage nach dem Verhältnis dieser Zwei, nämlich des Seienden zum Sein. In der Univokation fanden wir eine erste Antwort auf diese Frage. Vorsichtig formuliert: Alles Seiende hat im gleichen Sinn teil an dem Sein. Wir sagen mit Recht: Etwas ist oder es ist nicht, tertium non datur. Darüber hinaus aber läßt sich an den idealen Geltungsverhältnissen zeigen, das alles Seiende wohl in dem gleichen Sinn, aber möglicherweise nicht in dem gleichen Maß Sein hat. Bevor wir uns nun der anderen, neuen Möglichkeit zuwenden, das Sein einem Seienden nicht univok, sondern analog zuzusprechen, werfen w i r einen B l i c k a u f d i e AEQUIVOKATION.

5. Das Sein, an dem das Seiende teilhat, ist jeweils ein anderes. Wir haben bereits gesagt, daß logisch diese Möglichkeit besteht. Sein muß nicht in dem gleichen Sinn an einem Seienden haften, wie die Univokation behauptet. Der Begriff des Seins kann so gedacht werden, daß er zuletzt auch noch den Widerspruch mit einschließt. Das Sein des einen und das Sein des anderen hat nichts mit einander zu tun, auch wenn unglücklicherweise das gleiche Wort für beide verwendet wird. Offenkundig ist diese Verwendung eine Verlegenheit. Denn wenn schon das eine und das andere Seiende nicht teilhat an einem gleichsinnigen Sein, sondern jeweils für sich ist in absoluter, ontologischer Eigen- und Andersständigkeit, so daß jede Gleichartigkeit und also auch jede Verbindung und Beziehung ausgelöscht ist, dann fragt man mit Recht, warum für derart Verschiedenes das gleiche Wort gebraucht wird. Die Aequivokation stürzt das Denken in der Tat in die größte Verlegenheit. Sie sagt das Gleiche aus und meint das Verschiedene. Wie wir noch sehen werden, ist sie mit der Analogie verwandt, indem auch diese eine Beziehung setzt und zugleich aufhebt. Aber sie liegt doch wiederum mit ihr im "

Thielicke, a.a.O., 124.

Der Ansatz

23

Streit, insofern sie darauf aus ist, eine Beziehung gar nicht erst zu denken oder eine gedachte von vornherein zu zerstören. Damit kehrt das Denken zu seinem Ausgangspunkt zurück und bringt keine Klärung in das Verhältnis von Sein und Seiendem, ja es lehnt jede Klärung ab. Es ist die Position des radikalen Zweifels, mit der wir es bei der Aequivokation zu tun haben, die sich in den gleichen Schwierigkeiten, ja Widersprüchen befindet, wie die philosophische Skepsis überhaupt. Ich sage das Sein von allem Seienden aus, aber ich weiß nicht, was ich damit sage. So gerät das Denken auf dem Wege der Aequivokation nicht nur in die größte Verlegenheit, sondern auch in die größte Zurückhaltung: Es enthält sich einer Antwort auf die Frage nach dem Sein alles Seienden. Aequivokation ist also gar keine Möglichkeit, sondern das Ende aller Möglichkeiten. Zuletzt bleiben nur Univokation oder Analogie. Mit der zweiten wollen wir uns nun beschäftigen. 6 . Wir studieren die A N A L O G I E am besten so, daß wir das Verhältnis zweier sich gegenüberstehender Dinge, sagen wir Α und B, betrachten. Wobei es für diese zwei „Dinge" noch gleichgültig ist, ob sie aus dem Bereich der dinghaften Umwelt oder der personenhaften Mitwelt stammen. Α und Β stehen sich gegenüber. Von beiden wird ausgesagt, daß sie sind. Im Zuge der Univokation haben wir angenommen, daß beide in dem gleichen Sinn, womöglich aber in ungleichem Maß teilhaben an dem Sein. So ist Sein gedacht als ein B E R E I C H Ü B E R , an dem Α und Β teilnehmen. Und wenn wir uns den höchsten Begriff alles Seienden bilden, so steht audi noch dieses allerhöchste Seiende auf der Seite alles Seienden und nimmt genauso wie Α und Β teil an jenem Bereich Ober, an jenem Dritten, an dem Sein. Daraus ergibt sich, daß die Beziehung von Α und Β zum Sein eine univoke ist. Nun ist aber denkbar, daß es diesen erwähnten Bereich Uber gar nicht gibt. Sein muß nicht über über allem Seienden stehen, wie genus über species. Es könnte eher wohl selbst sich variieren innerhalb des Seienden. Das aber heißt, Α und Β stehen nicht zu einander im Verhältnis der Univokation, sondern der Analogie. Univokation schafft eine eindeutige Beziehung zwischen A und B, indem sie über ein Drittes geht. Analogie schafft eine dialektische Beziehung zwischen Α und B, die eines Dritten nicht bedarf. D a s hat einen Vorteil und einen Nachteil zugleich. Analogie schafft eine Beziehung, die nicht mehr eindeutig, univok ist. Α und Β verhalten sich nicht mehr zu einander nach Maßgabe oder in der Größenordnung eines Dritten.

24

Darstellung

Es wird zwischen Α und Β eine Beziehung festgehalten. Die Analogie wendet sich ja gegen das Auseinanderfallen der beiden in absolute Andersartigkeit. „Das Verhältnis ist fest, aber seine Glieder sind nicht eindeutig bestimmt in ihrem absoluten Wert 17 ." A = SA B" SB Mit diesen beiden mathematischen Gleichungen lassen sich die beiden Möglichkeiten der univoken und analogen Prädikation verdeutlichen. Analogie will sagen, Α und Β sind nicht auf einen Nenner zu bringen. Aus dieser höchst sublimen Aporie, daß zwei Dinge sind, aber in diesem ihren Sein je für sich sind und nicht teilhaben an einem übergeordneten Dritten, das jeweils in beiden sich verwirklicht, — und andrerseits dodi nicht so sind, daß sie in absoluter Entfremdung auseinanderfallen, ergibt sich: Sie sind weder univok, noch aequivok, sondern analog. Das ist der Kern der Analogiekonzeption. „Weil Sein nicht über Seiendem steht, kann es nicht univok prädiziert werden. Weil es in jedem Seienden doch Sein ist, wenn auch in verschiedenem Sinn und Gewicht, ist es auch nicht bloß aequivok, sondern analog 18 ." 7. Um das Gesagte zu verdeutlichen, wenden wir das an dem Verhältnis Α und Β Entwickelte auf das Verhältnis von Gott und Welt an. Die Analogietheorie stellt eine tiefe ontologisdie Spekulation dar, wenn wir hier das Wort „Spekulation" nicht gleich in seinem abfälligen Sinn verstehen, wie er heute üblich geworden ist 18a . Ihren entscheidenden Antrieb hat sie vermutlich von der Theologie bekommen. „Wenn die alte und neue Scholastik dem Problem der analogia entis so viel Aufmerksamkeit schenkte, so waren dafür theologische Gründe maßgebend. Man dachte bei der analogia entis in erster Linie an das Verhältnis von Gott und Welt, Schöpfer und Schöpfung. Die Kluft, die zwischen dem endlichen und unendlichen, dem bedingten und unbedingten Sein besteht, schien eine eindeutige Anwendung des Seinsbegrifis auf beide zu verbieten. Dieser Gedanke besteht audi durchaus zu Recht. Gott ist in der Tat valde aliud (Augustin), das „ganz Andere, wie die heutige Religionsphilosophie zu sagen pflegt"111. Gott und Welt stehen sich als creator und 17

Wagner, a.a.O., S. 165. Rahner, a.a.O., S. 65 f. — Wagner 163. 188 cf. Hegel, a.a.O., S. 47 f. 10 Hessen, a.a.O., Bd. III, S. 32. 18

Der Ansatz

25

creatura gegenüber. Sie können nicht identifiziert werden, sie können aber auch nicht als beziehungslos und so absolut entfremdet gedacht werden; schließlich ist es auch unmöglich, über beiden noch ein Höheres, ein Drittes zu denken, da Gott so gedacht werden muß — ganz abgesehen davon, daß er auch so, wenn überhaupt, erlebt wird — daß über IHM nichts zu stehen kommt, an dem ER in irgendeiner Form der Abhängigkeit teilhaben müßte. Weiter: Alle theologisdien Begriffe, die wir von Gott bilden — und wir müssen ja Begriffe bilden, wenn wir etwas von IHM verstehen wollen — darunter audi der allgemeinste und grundlegendste: GOTT IST, — lassen sich nicht nur auf den creator, sondern auch auf die creatura anwenden. Wir lassen hier die Frage beiseite, welche Begriffe auf Gott allein angewandt werden können, wie sie gebildet und welchen Wert sie für die theologische Erkenntnis haben. Insofern nun diese Begriffe nicht willkürliche Erfindungen des menschlichen Geis'tes sind, spielerische Schlußfolgerungen des Denkens und zuletzt nichtssagende Anthropomorphismen, sind sie auch keine Aequivokationen. Insofern sie nicht Identisches aussagen, das jenseits von Gott und Welt steht und an dem beide irgendwie teilhaben, sind sie keine Univokationen. Sie sind also analog. „Analogie liegt darum zwischen Eindeutigkeit (univocatio) und völliger Andersdeutigkeit (aequivocatio), die auch die Beziehung auslöschen würde . . . Es ist Beziehung, die in dem Maße als echte Beziehung sich kundtut, als sie das grundlegende Anderssein Gottes gegenüber dem Geschöpflichen ausdrückt. D a s Positivum „Beziehung" enthüllt sich in seiner Spitze als Negativum „Anderssein" . . . In allem, was über Gott und Geschöpf gemeinsam gesagt wird, ist es nicht so, daß Gott und Geschöpf nun auf ein Gemeinsames bezogen wären (cf die erste mathematische Gleichung). Sondern es reduziert sich alles auf das letzte unreduzierbare Prius Gottes 2 0 ." So ist Gott wahrhaft gedacht als das oder der Höchste — welche Unterscheidung hier noch unerheblich ist — über dem nichts Höheres gedacht werden kann. Zugleich aber ist auch die Schöpfung wahrhaftig gedacht als ein bleibendes Gegenüber zu Gott. Sie löst sidi nicht auf in Gott, um so zuletzt identisch mit IHM ZU sein. Sie fällt nicht heraus aus jeder Beziehung in absolute Entfremdung. Es ist etwas an ihrem Sein, das mit dem Sein Gottes vergleichbar ist. U n d es ist wiederum etwas an dem Sein Gottes, das mit dem Sein der Schöpfung unvergleichbar ist. „Wir haben d a m i t . . . die klassische Formel des 4. Laterankonzils: In einer noch so großen

20

Przywara, S. 95 f.

Darstellung

26

Ähnlichkeit die je größere Unähnlichkeit: inter creatorem et creaturam non potest tanta similitudo notari, quin inter eos maior sit dissimilitudo notanda — Denz432 2 1 ." Alle Begriffe, die Theologen in mühsamer Arbeit finden, wollen auf Gott zugehen, wollen IHN treffen und so begreifen. Aber sie begreifen IHN nicht zulänglich, da das Dritte, die Beziehung eindeutig Regelnde, nicht gegeben ist. So scheitern sie zuletzt an Gott und in ihrem durchaus berechtigten und notwendigen, die Beziehung ernst nehmenden Zugreifen, entzieht sich Gott dem Zugriff und bleibt Geheimnis. „Darum ist die Ausmündung dieses Ganzen auch das Geheimnis, — in deutlicher Front gegen den Rationalismus des philosophischen Begriffes... wie gegen den theologischen Rationalismus einer Ableitung von allem aus dem Theologischen... Die reductio in mysterium (als auch und gerade das letzte Wort der Kirche) ist also ein Weg ins Geheimnis „im" Begriff „über" den Begriff hinaus 2 2 ." Abschließend können wir sagen: Der Begriff der Analogie hat etwas eigentümlich Schwebendes an sich. Anders: etwas eigentümlich Unabgeschlossenes. Der Begriff faßt das Verhältnis von Gott und Welt in einem spannungsvollen Gegeneinander und Miteinander. Logisch betrachtet ist der Begriff der Analogie widersprüchlich — dialektisch im strengen Sinn dieses Wortes. Das Sein ist das Sein Gottes und das Sein der Welt und es ist doch nicht über beiden als ein identisches Drittes, sondern in beiden und jeweils anders. Ein Widerspruch löst sich auf höherer Ebene auf. Aber hier gibt es keine höhere Ebene. Gott und Welt: tertium non datur. Die den Logikern bekannte Begriffspyramide 2 8 ) ist in ihrer letzten Aufgipfelung erreicht. Aber an ihrer Spitze stehen Zwei und nicht Eins. Und wir fragen nach dem Verhältnis der beiden. Das Eine darf sich nicht auflösen im Anderen. Und beide dürfen nicht auseinanderfallen in ein absolut beziehungsloses Dunkel. Damit begreifen wir Analogietheologie als eine dialektische Theologie. „Es handelt sich um eine Frage, welche die Vernunft stellen muß, aber ohne mit sich in Widerstreit zu geraten nicht stellen kann. Und das ist der präzise Sinn einer endgültigen, unaufhebbaren Dialektik 2 4 ." 21

Ders., S. 97.

22

Ders., S. 60.

23

cf. Kant, a.a.O., S. 454 ff.

24

Wagner, S. 168 ff. — cf. jetzt J . M. Bodienski viel genauer: Logik der Religion, Köln 1968, 101 ff., 133 ff.

Gott ist Grund Kapitel

2: Gott ist

27 Grund

Wir haben versucht, uns klar zu machen, was Analogie meint. Die Anwendung auf Gott geschah nicht notwendig, sondern exemplarisch. Unter der Voraussetzung, daß Gott ist, wäre sein Verhältnis zur Welt nur analog denkbar. Aber daß Gott ist, das eben ist noch längst nicht erwiesen. Wir kommen auf diese erste und grundlegende Schwierigkeit der Analogietheologie in unserem kritischen Teil noch ausführlich zu sprechen. Vorerst wollen wir in der Darstellung weitergehen und einsehen, wie diese Theologie durch angestrengtes Nachdenken über Gott weitere Aussagen zu machen unternimmt. Wir wollen, mit anderen Worten, jenen Eindruck deutlicher und bestimmter werden lassen, den erwähnte OFFENBARUNGSTHEOLOGIE von Anlogietheologie hat und der kurz zusammengefaßt folgendes zum Ausdruck bringt: Der Mensch kann durch gründliches Nachdenken in der „Anstrengung des Begriffes" 2 5 ohne spezielle Offenbarung, ausgerüstet allein mit jenen Werkzeugen, die Gott dem Menschen mit seiner Vernunft gegeben hat, Gott erkennen und also Aussagen von Gott machen. Was dabei die Methode der begrifflichen Anstrengung bedeutet, darüber findet man bei Hegel immer noch bemerkenswerte Erläuterungen. „Worauf es deswegen beim Studium der Wissenschaft ankommt, ist, die Anstrengung des Begriffes auf sich zu nehmen. Sie erfordert die Aufmerksamkeit auf ihn als solchen, auf die einfachen Bestimmungen, ζ. B. des Ansichseins, des Fürsichseins, der Sichselbstgleichheit usf.; denn diese sind solch reine Selbstbewegungen, die man Seelen nennen könnte, wenn nicht ihr Begriff etwas Höheres bezeichnete als diese. Der Gewohnheit, an Vorstellungen fortzulaufen, ist die Unterbrechung derselben durch den Begriff ebenso lästig wie dem formalen Denken, das in unwirklichen Gedanken hin und her räsonniert. Jene Gewohnheit ist ein materielles Denken zu nennen, ein zufälliges Bewußtsein, das in den Stoff nur versenkt ist, welchem es daher sauer ankommt, aus der Materie zugleich sein Selbst rein herauszuheben und bei sich zu sein. D a s andere, das Räsonnieren hingegen, ist die Freiheit v o m Inhalt und die Eitelkeit über ihn. Ihr wird die Anstrengung zugemutet, diese Freiheit aufzugeben, und statt das willkürlich bewegende Prinzip des Inhalts zu sein, diese Freiheit in ihr zu versenken, ihn durch seine eigene N a t u r . . . sich bewegen zu lassen und diese Bewegung zu betrachten. Sich des eigenen Einfallens in den immanenten Rhythmus der Begriffe entschlagen, in ihn nicht durch die Willkür und sonst er23

cf. Rahner, 47.

28

Darstellung

worbene Weisheit eingreifen, diese Enthaltsamkeit ist selbst ein wesentliches Moment der Aufmerksamkeit auf den Begriff 2 0 .'' Analogietheologie in ihrem Anfang, wie in ihrem gleich zu betrachtenden Fortgang, ist ein vorzügliches Beispel für diese strenge, gleichsam asketische Aufmerksamkeit auf den Begriff. Wohin aber dieses begriffliche Erkennen führen soll, das mag einleitend und zugleich vorwegnehmend Rahner sagen: „Weiterhin kann unser Thema (erg. wie der Mensch und warum er notwendig Metaphysik treiben muß) sachlich in die engste Beziehung gebracht werden mit einem anderen in der katholischen Theologie und Philosophie viel verhandelten Problem, von dem aus unser Thema noch deutlicher werden kann. Wir meinen die Frage nach der Möglichkeit einer christlichen Philosophie, wobei man üblicherweise fragt, ob es trotz der relativen Eigenständigkeit einer nur mit den menschlichen Mitteln der natürlichen Vernunft arbeitenden Philosophie so etwas wie eine christliche Philosophie gebe und in welchem Sinn es diese geben kann. Wenn diese eine Zeit lang viel verhandelte Frage trotz des dabei entfalteten Eifers nicht schließlich ein Streit um Worte sein soll in einer Sache, in der sich alle im Grunde einig sind, so muß gesagt werden, daß die Christlichkeit einer Philosophie sich auch darin zeigen muß, daß sie gerade als echte, als bloße Philosophie über sich hinausweist und den Menschen einweist in die Haltung des Achtens auf eine möglicherweise ergehende Offenbarung, daß sie zur praeparatio evangelii wird, in dem sie den Menschen von sich aus begreift als naturaliter christianus, als den für eine Offenbarung Aufnahmebereiten, so daß diese Bestimmung nicht nachträglich zum begriffenen Wesen des Menschen hinzutritt, bloß weil tatsächlich eine Offenbarung ergangen ist, sondern der Mensch damit allererst in seinem Wesen ursprünglich und endgültig metaphysisch begriffen ist®7." Um unsere Arbeit nicht unnötig mit Begriffsbestimmungen zu belasten, wollen wir hier Metaphysik und Analogietheologie noch nicht unterscheiden. Eine metaphysische oder analogietheologische Erkenntnis erfaßt etwas von Gott so, daß sie von Welt ausgeht und keiner speziellen Offenbarung dieses Gottes bedarf. Aber wenden wir uns nun der Einzelanalyse zu. Unsere sehr knapp gehaltene Untersuchung des Seinsbegriffes gestattete eine erste Einsicht in das Wesen eines Analogieverhältnisses. Das " 27

Hegel, a.a.O., S. 48. Rahner, 38 — cf. dazu Kamiah, W : Christentum und Geschichtlichkeit, Stuttgart 1951 — ders. „Entscheidung zwischen geschichtlichem und metaphysischem Denken?" in: Evang. Theologie 1954, S. 171 ff.

Gott ist Grund

29

Verhältnis Gott — Welt erscheint so als ein Modellfall, an dem der Sinn von Analogie studiert werden kann. Ausgangspunkt und ständiger Bezugspunkt war die Frage nach dem Sein Gottes. Diese Frage nun und ihre Antwort führt zu der weiteren Frage, wie das nur analog denkbare Sein Gottes sich genauer und bestimmter, oder im einzelnen, zu dem Sein der Welt verhält. Dabei muß immer im Auge behalten werden, daß die ontologische Differenz von Sein und Seiendem auf beiden Seiten zu finden ist und also nicht Gott als das reine Sein und Welt als das Seiende zu begreifen ist. Diese letzte Unterscheidung ist, wie gezeigt, nicht denkbar. Wenn also im folgenden öfter die Begriffe Gott und Sein identifiziert sind, so ist jeweils im Begreiff Sein die ontologische Differenz mitgedacht. U m nun das Verhältnis von Gottes-Sein und Welt-Sein noch genauer zu bestimmen, gehen wir mit Rahner von der menschlichen Erfahrung sinnlicher Einzeldinge aus. Selbstverständlich gibt es auch noch andere Wege, die zum Ziel führen 2 8 . Wir wählen den einen aus und fragen: Wie ist es möglich, „das in der Sinnlichkeit gegebene Einzelne unter Begriffe zu bringen" 2 ", und so im Besonderen das Allgemeine zu fassen? Unentwegt erfassen wir Einzeldinge, indem wir Begriffe bilden, die das Einzelding in seinem Sosein näher bestimmen und allererst so in seiner Eigenart kenntlich machen. Diese Begriffe aber haben die eigentümliche Tendenz, daß sie über das Einzelding hinausgreifen. Anders: Indem ich mir von dem Was eines gegebenen Einzelnen einen bestimmten Begriff mache, erfasse ich dieses Was zugleich auch als „mögliche Bestimmung anderer Einzelner" 3 0 . Wir abstrahieren so vom Einzelding und erkennen an dem eben bestimmten Was eine sonderbare Unbegrenztheit oder Allgemeinheit. Rahner: „Die Gegrenztheit der in der Sinnlichkeit erfahrenen Washeit in dem sinnlidi gegebenen Diesen und durch e s . . . wird dadurch bewußt, daß der Akt, der dieses sinnlich gegebene Dieses erfaßt, a priori zu dieser Erfassung schon über dieses Einzelne hinausgreift auf mehr, als dieses Einzelne ist 3 1 ." Hegel: „ D a s Bewußtsein ist das Hinausgehen über das Beschränkte... mit dem Einzelnen ist ihm zugleich das Jenseits gesetzt, wäre es auch nur wie im räumlichen Anschauen neben dem Beschränkten 3 2 ." A n dem Einzelnen wird so ein cf. Hessen, Das Kausalprinzip, 2. Aufl. 1958. Rahner, Hörer, 76 ff. » ebda. S1 ebda. 32 Hegel, a.a.O., S. 69, 93 u. 99. 28

29

30

Darstellung

Allgemeines erkennbar, das sich an diesem Einzelnen wohl zeigt, aber nicht bloß für dieses Einzelne allein da ist, sondern für viele andere Einzelne noch dazu. Es fragt sich nun, in welchem Verhältnis dieses Allgemeine, das jenseits des Einzelnen stehen muß, zu dem am Einzelnen in Erscheinung tretenden Allgemeinen steht. Eines ist dabei ganz deutlich: In der Vereinzelung erfährt das Allgemeine eine Beschränkung, die es an und für sich betrachtet nicht hat. Es ist immer mehr, als im Einzelfall erkennbar wird. J a , am Einzelfall wird überhaupt erst erkennbar, daß es mehr ist. Rahner: „Dieses Mehr kann nun selbstverständlich nicht ein einzelner Gegenstand von derselben Art sein wie der, dessen abstrahierende Erkenntnis es ermöglichen soll. Denn sonst begänne die gleiche Frage aufs neue. Dieses Mehr kann n u r . . . jener Horizont und gründender Grund möglicher Gegenstände und ihrer Begegnung sein. Es ist nämlich selbst nie ein Gegenstand neben anderen, ist aber die Eröffnung der absoluten Weite möglicher Gegenständlichkeit überhaupt 3 3 ." Jeder Erkenntnisakt, der als solcher auf einen einzelnen Gegenstand geht, enthält so das Moment eines Vorgriffes, der unser Erkennen einweist in die Weite eines „Horizontes", der allererst ermöglicht, daß Etwas als Gegrenztes erkannt wird. Ohne jene Ungegrenztheit würde die Gegrenztheit nicht erkennbar sein, ohne das Jenseits nicht das Diesseits, ohne das Allgemeine nicht das Besondere. Aber wir wollen genauer zusehen. Es stellt sich nun erst noch die Frage, was jener erwähnte „Horizont" denn ist, auf den der erkennende Vorgriff zielt. Die kurze Andeutung, daß er „gründender Grund" sei, aus dem das Einzelne entspringt, ist ja noch nicht erwiesen. Der Horizont könnte ja auch ein Nichts sein, so daß der erkennende Vorgriff ebert zu nichts führt. Oder aber der Vorgriff zielt auf etwas, was sich grundsätzlich jeder gegenständlichen Erkenntnis entzieht. Der gefragte Horizont wäre dann Etwas, „das grundsätzlich nicht thematisierbar" ist. Mit diesen beiden Möglichkeiten im Denken hat sich also der auseinanderzusetzen, der jenen ungegrenzten Horizont näher bestimmen oder deutlicher begreifen will. Hören wir zuerst, wie Rahner die nihilistische Antwort auf die Frage nach dem Horizont abweist. „Die menschliche Erkenntnis geht doch mindestens zunächst einmal auf das Seiende und somit auf das J a . Solange daher die Erkenntnis der Endlichkeit des unmittelbar gegebenen Gegenstandes einer Erkenntnis aus einer bejahenden Erkenntnis und so33

Rahner, 78.

Gott ist Grund

31

mit aus einem Vorgriff gedeutet werden kann, der auf das Ja, auf das Sein geht, und nicht auf das Nichts, solange kann und darf die Transzendenz nicht als eine Transzendenz auf das Nichts gedeutet werden 34 ." Das Hinausdenken über den einzelnen Gegenstand und dann weiter noch über die Mannigfaltigkeit aller Gegenstände überhaupt, zielt so auf etwas Positives. Der erkennende Blick fällt nicht auf ein Nichts, sondern auf Etwas. Wir haben nun für dieses Etwas eine Reihe provisorischer Begriffe gebildet, wie: Horizont, Allgemeines, Ungegrenztes oder auch „das Ganze der möglichen Gegenstände der menschlichen Erkenntnis" 35 . Zuletzt läuft das auf die Frage hinaus, wie denn nun diese im Vorgriff erkannte „absolute Totalität aller möglichen Gegenstände der Erkenntnis" (ebda.) genauer zu bestimmen sei. Oder anders: Welches ist der Sinn dieser Ganzheit? Leider wird diese Frage im Zusammenhang der Rahnerschen Analysen nicht ausführlich beantwortet. Nur eines wird deutlich abgewiesen: Die erfragte Ganzheit kann nicht bloß so etwas wie die Summe aller Gegenstände sein. Denn die Summe können wir doch wiederum nur als „relativ ungegrenzt" verstehen und also zuletzt als etwas Abgeschlossenes, Gegrenztes, Endliches. Wir wollen an dieser bedeutsamen Stelle des Beweisganges einen Augenblick verweilen. Stellen wir einen mathematischen Vergleich an. Sagen wir für Gegenstände: komplexe Zahlen. Nun können wir den Begriff „alle komplexen Zahlen" bilden. Aber dieser Begriff ist doppeldeutig, oder streng genommen, sogar widersprüchlich. Er enthält die Summe aller komplexen Zahlen und noch eine. Wir erhalten so das Ergebnis: Alle komplexen Zahlen und noch eine. Das Wort „alle" führt zu dem Ergebnis: Alle und noch eins. Der Mathematiker Paul Finsler36 hat einen Weg gezeigt, wie man sich hier weiterhelfen kann. Er bildet den Begriff „alle komplexen Zahlen mit Nachfolger". Die sich daraus ergebende Zahl ist wiederum eine komplexe Zahl, aber ohne Nachfolger. „So haben wir alle Dinge einer Art und noch eins von anderer Art, nämlich die Zahl ohne Nachfolger." (ebda.) Wir kommen so wenigstens zu der Einsicht, daß die oben genannte „Ganzheit aller möglichen Gegenstände der Erkenntnis" von anderer Art sein muß als die einzelnen Gegenstände selbst. Wechseln wir nun wieder von der mathematischen in die metaphysische Denkweise, ohne zu fragen, wie das Verhältnis beider Denkweisen zu bestimmen ist, so ist festzustellen: Um die Ganzheit aller endlichen Gegenstände zu 34 85 36

ebda. 81. ebda. 80. cf. Speiser, a.a.O., S. 119.

32

Darstellung

erfassen, muß ein neuer Begriff gebildet werden, der nicht mehr endlich ist. Nennen wir das, was nicht mehr endlich ist, unendlich, wohl wissend, wie problematisch und auch undeutlich dieser neue Begriff ist, so können wir doch den Schluß bilden: U m Endliches zu erfassen, muß Unendliches im Vorgriff gesetzt sein. So denken wir, indem wir das Endliche denken, das Unendliche, an der Grenze des Relativen das Absolute. Bleibt nur noch die zweite Frage, ob dieses „esse absolutum" überhaupt Gegenstand menschlicher Erkenntnis werden kann. Sehen wir nun, wie Rahner die skeptische Antwort auf die Frage nach dem Horizont abweist. „ G a n z gleich, ob ich die skeptische Frage bejahe oder verneine, in jedem Fall wird das Gefragte zum Gegenstand meiner Erkenntnis gemacht. Die vollzogene Verneinung einer Frage vermeidet die Thematisierbarkeit des Gefragten nicht 37 ." So wird der skeptische Einwand ganz in dem Sinne zurückgewiesen, wie das skeptische Denken ganz allgemein und grundsätzlich abgewiesen werden kann, indem man seinen inneren Widerspruch aufweist. Hegel: „ I m Skeptizismus erfährt das Bewußtsein in Wahrheit sich als ein in sich selbst widersprechendes Bewußtsein... sein Gerede ist in der T a t ein Gezanke eigensinniger Jungen, deren einer Α sagt, wenn der andere B, und wieder B, wenn der andere A, und die sich durch den Widerspruch mit sich selbst die Freude erkaufen, miteinander im Widerspruche zu bleiben 3 8 ." Bleibt noch eine letzte, über das bisher Gesagte hinausgehende Frage, die, indem sie hinausgeht, freilich audi die bisherigen Antworten als richtig voraussetzt. Die Totalität aller möglichen endlichen Gegenstände der Erkenntnis ist nicht nur mehr, sondern audi anderer Art als jeder dieser einzelnen Gegenstände. Aber welcher Art? Wir sagten unendlicher und absoluter Art. Ist dieses Unendliche und Absolute womöglich das Begründende, der „gründende G r u n d " , wie Rahner sagt? Analogietheologie wagt diesen letzten Schritt und läßt dabei deutlich erkennen, daß sie an bestimmten Stellen ihres Denkens mit der reinen Logik nicht auskommt. Denn, daß das esse absolutum auch gründender Grund ist, von dem alles kommt, das ist eben nicht ein weiterer, zwingender Schritt der Erkenntnis, sondern genau besehen, ein Sprung, der für das reine Denken wohl möglich und nachvollziehbar, aber keineswegs zwingend ist. Wir wollen uns diesem darstellenden Teil mit dieser knappen Andeutung behelfen, um dann erst im kritischen Teil ausführlich auf die Art und Motivation dieses Sprunges einzugehen. Jedenfalls sei soviel " Rahner, 82. M Hegel, a.a.O., 158.

33

G o t t ist Wille

hier gesagt, daß Analogietheologie die besondere Art des esse absolutum darin sieht, daß es in ursädilidiem Zusammenhang steht mit jedem esse relativum. Das letze Wort geben wir Rahner selbst: „Mit der Notwendigkeit, mit der dieser Vorgriff gesetzt wird, ist audi Gott als das Seiende absoluter Seinshabe mitbejaht. Zwar stellt der Vorgriff nicht unmittelbar Gott als Gegenstand dem Geiste vor, weil der Vorgriff als Bedingung der Möglichkeit der gegenständlichen Erkenntnis von sich her überhaupt keinen Gegenstand in seinem Selbst vorstellt. Aber in diesem Vorgriff als notwendiger und immer schon vollzogener Bedingung jeder menschlichen Erkenntnis und jeden menschlichen Handelns, ist doch audi schon die Existenz eines Seienden von absoluter Seinshabe, also Gottes, mitbejaht, wenn auch nicht vorgestellt. Denn im Vorgriff ist der Grund seiner eigenen Möglichkeit unthematisch mitbejaht. Nun aber öffnet sich im Vorgriff das Sein als Grund dieser Möglichkeit so, daß es dem Seienden nicht bloß, wie im Geschehen des Vorgriffs selbst, in abständiger Zukünftigkeit (in unvollendeter ontologischer Differenz) zukommt, sondern die absolute Seinshabe des Seienden (Gott) als Grund jeder Seinszukunft zeigt, da die Positivität des Seins das Nicht der unvollendeten ontologisdien Differenz ermöglidit und nicht umgekehrt. Deshalb läßt sich sagen: Der Vorgriff zielt auf — Gott 39 ." „Die Bejahung der realen Endlichkeit eines Seienden fordert als Bedingung ihrer Möglichkeit die Bejahung der Existenz eines esse absolutum, die implizit schon geschieht in dem Vorgriff auf Sein überhaupt, durch den die Begrenzung des endlichen Seienden allererst als solche erkannt w i r d . . . So ist der Mensch immer schon auf dem Wege zu Gott, ob er es ausdrücklich weiß oder nicht, ob er es will oder nicht, denn er ist immer die unendliche Geöffnetheit des Endlichen für Gott 40 ." Kapitel

3: Gott

ist

Wille

Die analogietheologische Bestimmung des G Ö T T L I C H E N SEINS, wie sie aus der transzendentaltheologischen Reflexion Rahners folgt, läßt sich aber audi noch von einer ganz anderen Seite durchführen. Wir haben gesehen, wie in dem Vorhergehenden die Kategorien „bedingt-unbedingt" — „gegrenzt-ungegrenzt" die entscheidende Rolle gespielt haben. Die Bedingung der Möglichkeit ein Gegrenztes überhaupt zu denken, 39 40

R a h n e r , 83. ebda. 84 u. 86.

3 Browarzik, Glauben und Denken

34

Darstellung

war die im Vorgriff erfaßte „Ungegrenztheit", die zugleich eine Bestimm u n g des G ö t t l i c h e n S e i n s w u r d e . WELTLICHES SEIN u n d

GÖTTLICHES

SEIN stehen sich gegenüber wie gegrenztes und ungegrenztes SEIN. D a nun aber weiter das Ungegrenzte behauptet wurde als der Ermöglichungsgrund des Gegrenzten, können wir auch sagen: Gott und Welt stehen im Verhältnis von Ursache und Wirkung, von Grund und Folge zueinander. Inwiefern das stimmt, müssen wir später noch einmal genau prüfen. Ferner bleibt in dem Bisherigen auch die Frage ungeprüft, ob die Denkgesetze, die hier entwickelt wurden, zugleich auch Seinsgesetze sein müssen. Wir gehen nun für das folgende Beweisverfahren nicht von dem sinnlich gegebenen Einzelding aus, sondern wieder mit Rahner von dem spezifischen menschlichen Dasein. An sich ist dieser zweite Ausgangsund Bezugspunkt ebenso einfach und einleuchtend wie der erste. Auch das menschliche Dasein ist zunächst ein sinnlich gegebenes Einzelding. Aber darüber hinaus ist es eben ein solches Ding, das zu sich selbst ein bewußtes Verhältnis hat. Indem sich nun menschliches Dasein seiner bewußt wird, erfährt es sich von vornherein in der eigentümlichen Spannung von NOTWENDIGKEIT und ZUFALL. Vorsichtig gesprochen taucht gleich zu Anfang mindestens die Frage auf, ob menschliches Dasein zufällig oder notwendig ist. Wir haben es also im folgenden mit dem sogenannten Kontingenzbeweis zu tun, von dem Hessen sagt: „Denn es ist jedenfalls streng genommen nicht so, wie viele Lehrbücher der Philosophie und Apologetik es darstellen, daß der Kontingenzbeweis ein (sc. GOTTES) Beweis neben anderen ist. Vielmehr ist er der Gottesbeweis, den alle anderen Beweise voraussetzen 41 ." Oder Sawicki: „Man unterscheidet mehrere Gottesbeweise, und diese mit Recht, sofern es eine Mehrzahl von Gesichtspunkten gibt, unter denen die Welt auf Gott hinweist. Wir werden jedoch sehen, . . . daß es immer die Kontingenz der Welt ist, die da zwingt, über die Welt zu Gott hinauszugehen 42 ." Sehen wir nun zu, wie Rahner den Beweis führt. „Im Menschen geschieht in seiner In-sich-selber-Ständigkeit und in der Gegenständlichkeit seines Erkennens und Handelns ein notwendiges Verhalten zu sich selbst. Er muß notwendig sich bejahen, sich setzen. In Kraft dieser Notwendigkeit fragt er nach Sein überhaupt 4 3 ." Dieser Horizont wurde 41

Hessen, Kausalprinzip, 2 7 8 .

42

F r . Sawicki, Die Gottesbeweise, Paderborn 1926, S. 85.

43

R a h n e r , 108 f.

Gott ist Wille

35

ja schon sichtbar als das esse absolutum, welches nicht NICHTS sein kann. Der Mensch erfährt sich nun aber nicht bloß in der Spannung unendlich-endlich. Stärker noch und unmittelbarer vielleicht, drängt sich ihm die Frage nach Notwendigkeit oder Zufälligkeit seines Daseins auf. Rahner geht von der menschlichen Erfahrung der „Geworfenheit" aus und kommt so zu der Einsicht in die besondere Struktur des menschlichen Daseins, aus der sich dann, wie wir zeigen wollen, auch eine neue Einsicht in die Struktur des Göttlichen Seins ergibt. Eigentümlich fragt der Mensch nach sich selbst und stößt so auf die allererste Frage, ob er überhaupt fragen muß. Anders ausgedrückt: Ob er sich überhaupt einlassen muß auf die Unterscheidungen eines Endlichen und Unendlichen, eines Notwendigen und Zufälligen. Bevor wir die Fragen genauer klären, die sich aus der Erfahrung der menschlichen Zufälligkeit ergeben, müssen wir das Wesen der menschlichen Frage selbst analysieren. Wir fragen also zuerst: Muß der Mensch so fragen? Eines ist gewiß: Jede Frage will eine Antwort. „Eine Frage aber, auf die alles Beliebige geantwortet werden kann, ist keine Frage mehr, weil, wenn jede Antwort gleich gültig ist, sie auch gleichgültig wird und so die Frage gar keine Antwort erwartet." Auch der, der „die Frage unterläßt oder sogar ausdrücklich ablehnt, so zu fragen, gibt auf diese Frage doch eine Antwort: Er erklärt die Frage als gleichgültig oder sinnlos und hat damit schon eine Antwort gegeben 44 ." Die Frage also nach dem Grund menschlichen Daseins, das sich in seiner Endlichkeit und seiner Zufälligkeit erfährt, wäre dann eben die Frage nach jenem ETWAS, „das uns gleichgültig, dunkel und sinnleer aus jedem SEIENDEN heraus anblickt und so den Fragenden als ins Leere fragend erscheinen läßt". (ebda.) So ist eine Enthaltung gegenüber der Antwort gar nicht möglich, weil zum Daseins des Menschen ständig die Frage gehört. Das aber führt zu einer grundlegenden Einsicht in das Wesen von SEIN, oder, wie Analogietheologie auch sagt, von Gott. Gottes Sein ist das Sein vollkommener Seinsteilhabe oder das Sein der vollendeten ontologischen Differenz, wie Rahner sagte. Wo immer und wie immer nach diesem Sein gefragt wird, kann, ja muß auch eine Antwort erwartet werden. Darum ist Sein schon immer bekannt im Sinne eines möglichen Erkanntwerdens, aber nicht immer schon notwendig erkannt. „Ein wesenhaft; in seinem Sein nicht erkennbares Seiendes ist ein Unbegriff. Denn es wäre nach ihm gefragt, da ja die Möglichkeit oder Unmöglichkeit seiner Er44

3*

e b d a . S. 50 f.

36

Darstellung

kenntnis zur Frage steht, und es hätte doch kein Woher für eine solche Frage, da nach einem schlechthin Unerkennbaren nicht gefragt werden kann, weil jede Frage das Gefragte audi schon als Bekanntes setzt, ein schlechthin Unerkennbares aber nicht ein Bekanntes sein kann 45 ." Das eben Entwickelte ist der Sinn des scholastischen Axioms omne ens est verum. Anders ausgedrückt: „Das Wesen des Seins (und zwar sowohl dasjenige vollkommener, wie dasjenige unvollkommener Seinsteilhabe) ist Erkennen und Erkanntsein in einer ursprünglichen Einheit, die wir das Bei-sich-sein oder die Gelichtetheit des Seins nennen wollen 46 ." So steht das Sein der vollendeten ontologischen Differenz zu dem Sein einer je unvollendeteren ontologischen Differenz in dem Verhältnis einer vollkommenen und einer je unvollkommeneren Gelichtetheit. Kehren wir nadi diesem Exkurs über das Wesen der menschlichen Frage, der verdeutlicht, was früher über die skeptische Fragestellung schon gesagt wurde, zurück zu unserem Ausgangspunkt. Der Mensch hat die Erfahrung von seinem Dasein als einem kontingenten. „Insofern er f r a g e n muß, bejaht er seine eigene kontingente Endlichkeit; insofern er fragen m u ß , bejaht er diese seine Kontingenz notwendig, Und indem er sie notwendig bejaht, bejaht er sein Dasein in und trotz seiner Kontingenz als unbedingt, als absolut. Mit anderen Worten: Weil die Bejahung der kontingenten Tatsache unausweichlich notwendig ist, enthüllt sidi in der Kontingenz selber eine Absolutheit: Die Unausweidilidikeit, mit der die kontingente Tatsache von sich her ihre Bejahung fordert. Ihre Existenz schließt trotz ihrer Zufälligkeit von sich her die Möglichkeit ihrer Verneinung aus. Damit ist aber gesagt: Der Mensch hat das notwendige Verhältnis einer absoluten Setzung zu seinem endlichen, kontingenten Dasein. In der Absolutsetzung eines Zufälligen aber erfährt sich Wille. 47 " Wir wollen an dieser Stelle des Beweisganges innehalten und genau zusehen, was bisher erreicht wurde und was noch nicht erreicht worden ist. Zum ersten Mal stehen wir bei unseren Überlegungen vor dem Begriff des Willens. Wir lassen die Frage beiseite, ob es vielleicht noch andere, womöglich sogar einfachere Wege gibt, um zu einer gültigen Bestimmung des Begriffes „Wille" zu gelangen. Der eingeschlagene Weg ist uns gut genug. Aber das andere gilt es jetzt zu erwägen, daß wir im Fortschreiten unserer Gedanken noch keinesfalls bei dem Willen Gottes angelangt sind, 45

ebda. 56. «· ebda. 55. " ebda. 108 f.

Gott ist Wille

37

sondern allenfalls bei dem Willen des Menschen. Wir fragen also jetzt zunächst, was der soeben angedeutete Begriff des menschlichen Willens bedeuten kann, um dann in einem zweiten Durchgang erst nach seiner möglicherweise theologischen Bedeutung zu sehen. „In der Absolutsetzung eines Zufälligen erfährt sich Wille" — so weit waren wir gekommen. Es bleibt die genauere Prüfung der Begründung. Indem sich menschliches Dasein als Zufälliges erkennt, ist sogleich in dieser Selbsterkenntnis ein willentliches Moment enthalten. Denn wäre dieses Willensmoment nicht enthalten, dann wäre die Erkenntnis des Menschen von seinem zufälligen Dasein ein „bloß statisches Einsehen", oder „reines Begreifen" 4 8 . Das reine Begreifen aber kann den Grund seiner Setzung nur aus dem Gegenstand selbst nehmen. Das würde heißen: Das bloße Vorkommen eines Zufälligen wäre schon selbst der Grund für seine Setzung als Zufälliges. Das aber kann nicht stimmen, da ja nun das zufällige Dasein das notwendige Dasein eines Zufälligen wäre, was ein Widerspruch ist. Der Grund für die erkennende Setzung eines Zufälligen liegt also nicht in dem als zufällig Erkannten als solchem, sondern zuerst und vor allem in der Setzung selbst. „Ein soldier Grund aber heißt Wille. Die notwendige Absolutsetzung, die das D a sein seiner Zufälligkeit gegenüber bestätigen muß, ist darum W i l l e . . . Im Grunde des Daseins geschieht also . . . d i e Tat des Willens." (ebda.) Wille ist so ein inneres Moment der Erkenntnis des Menschen von seinem zufälligen Dasein. Anders: Ein Notwendiges ist dem reinen Begreifen zugänglich, ein Zufälliges aber nur unter der Bedingung, daß ein freier Wille mitgesetzt ist. Es ist klar, daß diese eben entwickelte freiwillentliche Bejahung des Zufälligen im Vollzug menschlicher Selbsterkenntnis nicht ohne weiteres identisch gesetzt werden kann mit der frei-willentlichen und zugleich ursprünglichen Setzung des Zufälligen selbst. Diese Unterscheidung von einer frei-willentlichen Bejahung des Nichtnotwendigen im Denken und einem frei-willentlichen Schöpfungsakt in Wirklichkeit läßt erkennen, daß wir es im menschlichen Denken mit freiem Willen im „Nachvollzug" zu tun haben. Lassen wir nun an dieser Stelle des Überganges, wo der Beweisgang vom Anthropologischen zum Theologischen hinüberwechselt, Rahner selbst sprechen: „Das heißt aber: Diese notwendige, willentliche Bejahung läßt das so Bejahte, weil von uns als fremd vorgefunden und uns vorgegeben, als in seiner Kontingenz fremdwillent49

ebda.

38

Darstellung

lieh Gesetztes erscheinen und kann so nur aufgefaßt werden als der Nachvollzug einer freien Absolutsetzung des Nichtnotwendigen. Denn würde diese Absolutsetzung des zufälligen menschlichen Daseins nicht ursprünglich einem freien Willen entspringen, wäre ja die grundsätzliche Gelichtetheit des Seins als solche aufgehoben. Eine Notwendigkeit der Setzung eines Zufälligen und als zufällig Gewußten und so als nicht notwendig zu setzend Begriffenen könnte nur einem dunklen, nicht vor sich selbst gelichteten Grund entspringen, einem Grund, der nicht um sidi selbst weiß. Denn würde das gesetzte Zufällige, das der Mensch ist, aus einem Grund entspringen, dessen Setzung diesem schlechthin notwendig entspringt, so wäre das Gesetzte entweder so notwendig wie die Setzung selbst, oder der Grund der Setzung wäre derart, daß seine Erhellung in einer logischen Verknüpfung zwischen ihm, der Setzung, und dem Gesetzten im Hinblick auf Zufälligkeit und Notwendigkeit durch das eigene Wesen des Grundes ausgeschlossen wäre. Beide Annahmen sind aber unvollziehbar. Die erste, weil das Gesetzte zufällig ist, die zweite, weil Sein, also auch der Grund der Setzung, letztlich gelichtet sein muß, eine Lichtung aber des Zusammenhanges zwischen einer notwendigen Setzung und einem zufälligen, nicht notwendigen Gesetzten nicht begriffen werden kann. Daraus folgt aber, daß die willentliche notwendige Setzung eines Zufälligen, wie sie im bejahenden Verhalten des menschlichen Daseins zu sich selber geschieht, nur begriffen werden kann, indem sie selbst als gesetzt durch eine freie willentliche Setzung bejaht wird. Die menschliche Setzung ist notwendig, weil sie ein Gesetztes durch einen freien Willen ist. Die notwendige Absolutsetzung eines Zufälligen, die als solche die Gelichtetheit des Seins bejaht, kann also nur der gesetzte Nachvollzug und die Weiterung einer freien, willentlichen Absolutsetzung dieses Zufälligen sein. Diese freie willentliche, ursprüngliche Setzung des Seienden, das der Mensch ist, kann aber nur die des absoluten Seins sein, die Gottes. Denn daß im allgemeinen Gott als Grund alles Seienden bejaht werden muß, wurde schon früher gesagt. Hier handelt es sich nur noch darum, zu zeigen, daß diese Gründung des endlichen Seienden durch Gott eine frei-willentliche sein muß. Damit ist aber gesagt, daß der Mensch in seinem notwendigen, die Gelichtetheit des Seins bejahenden, absoluten Verhalten zu seiner Kontingenz sich bejaht als die freie willentliche Setzung Gottes. E r weiß sich getragen von der freien Macht Gottes. Damit ist aber gesagt, daß er dem absoluten Sein Gottes als dem letzten Horizont seines Vorgriffs nicht gegenübersteht als einem unbeweglichen Ideal, das, semper quiescens, seinem

Gott ist Liebe

39

Zugriff immer offen stehen müßte, sondern als einem freien Selbstmächtigen... Was das Wesentliche am Ganzen ist: Der Mensch steht als Geist, indem er als soldier das absolute Sein erkennt, diesem als einer freien, ihrer selbst mächtigen Person gegenüber4'." Da wir auf diesen Erweis des göttlichen Willens in unserem kritischen Teil noch einmal zurückkommen müssen, wollen wir hier abbrechen, indem wir rückblickend uns noch einmal das Ganze vorstellen. Das Erkennen eines Zufälligen erfordert Willen als inneres Moment der Erkenntnis. Dieser Wille aber kann nur Wille im Nachvollzug sein, da er wohl an der Erkenntnis des Zufälligen beteiligt ist, nidit aber an der Schaffung desselben. Und so schreitet das Denken fort von dem Willen im Nachvollzug zu dem Urwillen. Der Vorgriff, der sich am zufälligen Dasein vollzieht, zielt also auf Gott als einen freien, seiner selbst mächtigen Willen. Indem wir aber Wille entdecken, entdecken wir schon zugleich Person. Die Ur-Sache des menschlichen Daseins ist also schon keine Sache mehr, sondern ein Ur-Wille und damit Person. Ein bemerkenswertes Umschlagen findet hier im Denken statt. Man könnte geradezu sagen: Das Denken treibt aus dem Bereich der Kausalität heraus in den Bereich der Personalität. Wenn wir aber hier schon vor einer Person stehen, die etwas wollen oder auch nicht wollen kann, so stehen wir zugleich auch vor ihr als einer Person, die in freiem Entschluß sich offenbaren oder verschließen, sich mitteilen oder verschweigen kann. Wir stehen damit von einer ganzen Reihe neuer Fragen, denen wir im folgenden nachgehen müssen. Kapitel

4: Gott ist Liebe

Das eben Angedeutete soll nun bestimmter und genauer eingesehen werden. Der schöpferische Grund, dem alles, was ist, entspringt, muß derart gedacht werden, daß er frei ist. Was ihm also entspringt, „kann weder vorausgesehen noch erzwungen werden... Alles Schaffen, sei es Tat oder Gestalt oder was immer, kommt, wann es will. Es kann nicht berechnet werden... Der schöpferische Vorgang untersteht nicht einer Regel, die vorher da wäre und nun verwirklicht würde, sondern er setzt Regel... Schaffendes Leben bricht aus, es geht, es strömt, es quillt — lauter Worte, die das nämliche sagen: Es kann nicht errechnet, nicht erzwungen werden. Und was es hervorbringt, ist neu"50. " ebda. 110. 50 cf. R. Guardini, Der Gegensatz, 2. Aufl. Würzburg 1955, 1. Aufl. 1925.

40

Darstellung

Bevor wir nun diesen schöpferischen Vorgang genauer ins Auge fassen, wollen wir den Wendepunkt, an dem wir uns befinden, noch etwas deutlicher markieren. Wille, wie gesagt, erfahren wir zuerst und grundlegend als Willen einer Person. War also in dem Bisherigen die Kategorie der Kausalität führend, so übernimmt im folgenden die komplementäre Kategorie der Mitteilung diese Rolle. „Die eigentlich führende Kategorie ist die der Kausalität, eine typisch empirische und theoretische Kategorie. Ihr Axiom lautet: Omne agens sibi simile, quia agit secundum quod actu est. Kategorie und Axiom gehören in dieser Gestalt in die aristotelische Tradition. Ihre ursprüngliche Stätte ist für beide das Sein der Physis. Die komplementäre Kategorie ist die der Selbstmitteilung, eine typisch personale und praktische Kategorie. Ihr Axiom lautet: Bonum est diffusivum sui. Kategorie wie Axiom gehören in den Komplex der platonischen Tradition. Ihre Heimstätte ist das Personale, Sittliche und Religiöse 5 1 ." „Thomas hat zur Begründung der Analogie zwischen Gott und Welt von Anfang an dem Kausalitätsaxiom das andere, von jenem so tief verschiedene, zur Seite gestellt: Omne ens est bonum." (ebda.) Der Weltgrund ist Gott. Aber dieser Gott „ist nicht bloß ens realissimum, sondern auch summum bonum, nicht bloß höchste Wirklichkeit, sondern oberster Wert. Ein unendlich vollkommenes Wesen, d. h. also ein Wesen von unbegrenzter Seins- und Kraft-Fülle ist aber nicht notwendig ein bonum. Es ist seinem strengen Begriff nach eine wertfreie, wertindifferente Größe. Es braucht nicht notwendig Gott zu sein, es kann sogar — um es ganz scharf auszudrücken — ein Teufel sein. Hier zeigt es sich deutlich, daß die Gottesidee niemals aus der SeinsWelt allein gewonnen werden kann, sondern daß sie sich stets zugleich auf die Wertordnung stützen muß" 5 2 . Daraus wird deutlich, in welcher Richtung wir uns jetzt zu bewegen haben. Wir halten uns im folgenden wieder exemplarisch an Rahner. Erfährt sich menschliches Dasein, wie gezeigt, als zufällig Gesetztes oder Geworfenes, so erfährt es also nicht den Grund, warum es gesetzt ist. Es bleibt in seinem bloßen Dasein zunächst ganz folgerichtig kontingent, dunkel, unbegreiflich, willkürlich. „Denn begriffen ist etwas nur dann, wenn es in seinen Grund zurückverstanden ist, gleichsam in seinen Grund zurückgestellt wird und ihm als dessen notwendige Folge entspringend gesehen wird 5 3 ." Das aber scheint nicht denkbar, da zu51

Wagner, a.a.O., 174 f.

52

Hessen, Kausalprinzip, 282.

53

Rahner, 120 ff.

G o t t ist Liebe

41

gleich mit seiner Denkbarkeit die Erfahrung der Zufälligkeit als Trug erwiesen wäre. Von unserer menschlichen Erfahrung und von dem Denken des menschlichen Daseins als eines Zufälligen kommen wir nicht weiter. Es bleibt bei der Aporie: Entweder menschliches Dasein ist kontingent, dann audi zuletzt beliebig — willkürlich — unbegreifbar. Oder es wird begreifbar, damit aber auch notwendig jeder Form von Willkür entzogen. In dieser Problematik bohrt sich die Frage tiefer in die Problematik der Zufälligkeit überhaupt. Sie richtet sich schließlich auf Gott selbst als den Grund, dem menschliches Dasein entspringt, und fragt: Ist auch in Gott selbst die freie Setzung des menschlichen D a seins zufällig, grundlos, unbegriffen? Sie verschiebt sich so „aus der Zufälligkeit des Gesetzten in die Zufälligkeit der Setzung, aus dem Zufälligen in den Zufall der Freiheit Gottes" 5 4 . Es handelt sich jetzt darum, den Begriff von der Gelichtetheit oder der inneren Lichtung des Seins noch einmal aufzunehmen und auf seinen Gehalt zu prüfen. Zum ersten Mal stießen wir ja auf diesen Begriff bei der Analyse der menschlichen Frage. Wenn Fragen überhaupt sinnvoll sein soll, dann muß eine Antwort wenigstens erwartet werden können. Die Frage nach Gott setzt voraus, daß unter gewissen Umständen von Gott etwas erkannt werden kann. Hier geht es nun gewissermaßen um die Vorfrage: Wie steht es bei Gott selbst? Ist das Sein der vollkommenen Seinsteilhabe sich selber „licht"? Oder, da sich die Bejahung dieser Frage aus dem Bisherigen indirekt ergibt: Inwiefern ist Sein sich selbst gelichtet? Inwiefern kann man sagen: Omne ens est verum? Einfacher: Inwiefern weiß Gott, was und warum er etwas tut? 1. Wir wollen die Antwort Rahners in drei Teile gliedern. Zuerst ist zu sagen: „Die freie Tat ist in ihrem ursprünglichen Wesen nicht so sehr die Setzung eines Anderen, eines Fremden, eines der Tat selbst in Andersheit gegenüberstehenden Werkes, sondern Erfüllung seines eigenen Wesens, ein Besitznehmen von sich selbst, von der Wirklichkeit seiner eigenen, schöpferischen Macht über sich selbst 55 ." Andernfalls wäre die freie Tat ja nichts anderes als blinder Drang. Der Beweisgang stößt damit auf jenen früheren Nachweis, daß Sein nicht Nichts und auch nicht dunkler Drang, sondern in sich selber gelichtet ist, wenn auch einem anderen dunkel. Freie und zugleich dem, der so tätig ist, begreifbare Tat aber ist LIEBE. Liebe ist so begriffen als der gelichtete Wille ·'' ebda. ebda.

55

42

Darstellung

zu einem anderen. Dabei kann zunächst offen bleiben, ob dieses Andere, Gewollte und zugleich Geliebte von dem Liebenden ursprünglich geschaffen oder bloß nachträglich erkannt wird. Wollen wir nicht „das Zufällige zu einem Notwendigen umlügen oder es in absoluter Unbegreiflichkeit, die es nicht geben kann und der die Erkenntnis stets widerspricht, stehenlassen oder das Seiende aus dunklem Drang erklären, in dessen Tiefen kein Licht leuchtet", so müssen wir mit Liebe rechnen 56 . „Die Logik kommt nur in der Logik der Liebe zum Begreifen der Seinsfreiheit." (ebd.) Scheler sagt dazu: „Was wir real, wirklich nennen, das setzt zunächst einen Actus des realisierenden Wollens irgendeines Subjektes voraus, dieser Wollensakt aber ein ihm zuvorkommendes, ihm Richtung und Gehalt gebendes Lieben. Also ist Liebe immer die Weckerin zur Erkenntnis und zum W o l l e n . . . Dieses Eine aber, das an allem also teilnimmt, ohne dessen Wollen nichts Reales real sein kann und durch das hindurch alle Dinge aneinander irgendwie geistig teilhaben und miteinander solidarisch sind — das Eine, das sie schuf und zu dem sie miteinander emporstreben in den ihnen angemessenen und zugewiesenen Grenzen, dieses Eine ist als das Alliebende, darum auch Allerkennende und -wollende, Gott — das Personzentrum der Welt als eines Kosmos und Ganzen. Die Ziele und Wesensideen aller Dinge sind ewig in ihm vorgedacht und vorgeliebt. Also ist der ordo amoris der Kern der Weltordnung als einer Gottesordnung 5 7 ." 2. Ist so die freie Setzung eines Zufälligen als liebende Setzung erwiesen, die gleichsam die Mitte einnimmt zwischen der notwendigen und der zufälligen, willkürlichen Setzung, so ergibt sich daraus auch eine neue Einsicht in das Wesen der menschlichen Erkenntnis. Wir greifen hier noch einmal zurück, teils auf den schon erwähnten „Vorgriff", der sich bei menschlichem Erkennen vollzieht, teils auf den oben genannten „Nachvollzug", der andeuten soll, daß der Mensch auch noch in seinen ursprünglichen Erfahrungen und Denkvollzügen sich abhängig oder geführt oder empfangend oder „geworfen" versteht. Der Mensch stößt im erkennenden Vorgreifen auf die Liebe Gottes und begreift sich darin, gleichsam zu sich selbst zurückkehrend, als geliebt, um so als der Geliebte liebend wieder sich hinzuwenden zu Gott. „Inmitten der Transzendenz des endlichen Geistes begibt sich eine Liebe zu G o t t . . . Das durch Erkennen sich vollziehende Stehen des Menschen vor Gott, das das 56

ebda. 124.

57

Scheler, Ges. Werke, Bd. 10, S. 347 f.

Gott ist Liebe

43

Wesen des Menschen als Geist ausmacht, hat als inneres Moment eben dieser Erkenntnis eine Liebe zu Gott in sich. Die Liebe zu Gott ist nicht etwas, das bloß nachträglich zu seiner Erkenntnis hinzukommt, je nachdem sie sich einstellen kann oder auch nicht, sondern ist als inneres Moment der Erkenntnis ebensosehr ihre Bedingung und ihr G r u n d 5 8 . " So steht im Herzen der menschlichen Erkenntnis die Liebe, aus der die Erkenntnis selbst lebt. Wiederum mögen ein p a a r Sätze von Scheler das Gesagte erläutern. „ D a r u m war uns Liebe immer auch zugleich der U r akt, durch den ein Seiendes — ohne aufzuhören, dieses begrenzte Seiende zu sein — sich selbst verläßt, um an einem anderen Seienden als ens intentionale teilzunehmen... Was wir erkennen nennen — diese Seinsrelation — , das setzt also immer diesen U r a k t v o r a u s . . . Die Liebe des Menschen ist nur eine besondere Abart, ja eine Teilfunktion der universalen, in allem und an allem wirksamen Kraft. Immer war uns dabei die Liebe dynamisch ein Werden, Wadisen, Aufquellen der Dinge in die Richtung des Urbildes, das in Gott von ihnen gesetzt i s t . . . J e d e Liebe ist eine noch unvollendete, oft einschlafende oder sich vergaffende, auf ihrem Wege gleichsam rastende Liebe zu G o t t . . . Der Mensch ist, ehe er ein ens cogitans ist oder ein ens volens, ein ens amans 5 9 ." 3. Bleibt noch eine Schwierigkeit, freilich die größte. Mit dem Gesagten haben wir notdürftig entwickelt, was das scholastische Axiom ausdrückt: ens — verum — bonum convertuntur. D a s Einzelding, und darunter audi das menschliche Dasein, wurde begriffen nicht bloß als ein Seiendes, sondern zugleich auch als ein Werthaftes. Sein ist als werthaft eröffnet. Der Begriff des Willens führte uns auf den Begriff der Freiheit und der Liebe. Aber im Hintergrund steht noch eine andere Möglichkeit: der H a ß . Wille muß ja keineswegs notwendig ein frei-liebender sein. Er könnte auch ein frei-hassender sein. Der Mensch könnte sich nicht nur als liebevoll gesetzt, sondern auch als lieblos gesetzt erfahren und es gibt ja genug Beispiele für solche Erfahrungen. Zuletzt sammelt sich die Problematik in der Frage: Warum muß Gott gut sein? — Er könnte ja auch böse sein! Der transzendentale Beweisgang steht damit vor einem seiner größten Hindernisse. Sehen wir zunächst, wie Rahner mit dem Problem fertig wird. Zwei Wege bieten sich an, die A u f g a b e zu lösen. Der erkennende Vorgriff geht ja, wie wir sahen, zuletzt nicht auf das Nichts, sondern auf das absolute Sein. Dieses absolute Sein kann nun 58 59

Rahner, 125. Sdieler, a.a.O., 356.

44

Darstellung

aber nicht beides zugleich sein: Absolut böse und absolut gut — in höchster Vollkommenheit Teufel und Gott. So sehr das Denken an dieser Stelle auch dazu neigt und oft genug der Versuchung verfallen ist, das Böse auf die Seite des Nichts und das Gute auf die Seite des vollkommenen Seins zu stellen, und also die Frage nach Gut und Böse in dem Sinne zu beantworten, wie zuvor die andere Frage nach Sein oder Nichts beantwortet worden ist, — so löst sich eben auf diesem Wege das Böse ins Nichts hinein auf. Das aber kann keine befriedigende Antwort sein auf die Frage nach dem radikalen und realen Bösen. Dieser Weg ist nicht gangbar. Daher fängt man besser bei dem relativen und einzelnen Guten an, das der Erfahrung jedes Menschen zugänglich ist, wie wir entsprechend bei der ontologischen Frage ja auch von dem einzelnen, endlichen Seienden ausgingen. Und so wie früher in der ontologischen Frage nach dem einzelnen Seienden ein Vorgriff sichtbar wurde, der auf das absolute Sein ging, so dürfte auch hier bei der axiologischen Erkenntnis eines einzelnen Guten jener Vorgriff zu finden sein, der auf das absolute oder vollkommene Gute zielt. Das ist nun tatsächlich die Meinung Rahners: „Der Mensch ist die Transzendenz auf das absolute Gute, das das absolute Sein, Gott, ist. Dieses absolute Gute ist aber zunächst nicht als Gegenstand, sondern nur als das letzte Woraufhin des Vorgriffs gegeben... Es ist nur gegeben als die Bedingung der Möglichkeit der Erfassung eines endlichen Guten 60 ." Aber die störende Frage bleibt: Was ist dann mit dem endlichen Bösen? Dieses ist ja ebensowenig zu leugnen wie das endliche Gute. Es drängt sich vielmehr jetzt die Frage auf, ob der erkennende Vorgriff im axiologischen Bereich nicht notwendig auch auf ein absolut Böses zielt. Und da wären wir wieder in dem Dilemma der Ausgangsposition. Trotzdem haben wir noch nicht alles gesagt, was hier zu sagen ist. Bei den ontologischen Überlegungen tauchte schon sehr bald der Gedanke auf, daß unser Erkennen auf ein Ja geht und nicht auf ein Nein. Anders: In jedem Erkenntnisakt vollzieht sich eine letzte Bejahung, wenn das Denken sich nicht selbst auflösen soll in radikale Verneinung. Wir können auch sagen: Eine Bejahung fundiert jede Form der Verneinung, die natürlich in der Erkenntnis immer mitgegeben ist. Wieviel ich auch verneinen muß, zuletzt will ich auf etwas Positives hinaus: auf Wahrheit und nicht auf Lüge. Die Anstrengung der Kritik ist fundiert von der Anstrengung der Wahrheitssuche. Lüge ist nicht an sich da, sondern »» Rahner, 128.

G o t t ist Liebe

45

nur bezogen auf Wahrheit. Lüge ist so die Verwirrung der Wahrheit, gleichgültig ob bewußt oder unbewußt. Dieser Satz ist nicht umkehrbar in dem Sinn, daß Wahrheit die Verwirrung der Lüge wäre. Und diese Unumkehrbarkeit zeigt an, daß das Fundierende nicht die Lüge, sondern die Wahrheit ist. Das ist wohl auch der Sinn des Satzes vom Teufel, daß er der „Affe Gottes" sei. Dieser Sachverhalt findet seine Entsprechung im axiologischen Bereich. Was von Wahrheit und Lüge gilt, gilt auch von Liebe und Haß. Scheler erläutert: „Immer aber gilt, daß der der Liebe gegenteilige Akt des H a s s e s . . . erst eine Folge irgendwie unrichtiger oder verwirrter Liebe ist. So reich und mannigfaltig die Beweggründe des Hasses oder die Unwertverhalte, die den H a ß fordern, sein können, eine Gesetzmäßigkeit geht doch durdi alles Hassen hindurch. Sie besteht darin, daß jeder Haßakt durch einen Liebesakt fundiert ist, ohne den er des Sinnes ermangelte. Wir können auch sagen: Da Liebe und H a ß das Moment eines starken Interessenehmens gemeinsam haben . . . ist jedes Interessenehmen ursprünglich positives Interessenehmen oder L i e b e n . . . H a ß und Liebe sind also zwar entgegengesetzte emotionale Verhaltungsweisen — so daß es ausgeschlossen ist, dasselbe in derselben Werthinsicht in einem Akte zu lieben und zu hassen — aber sie sind nicht gleich ursprüngliche Verhaltungsweisen. Unser Herz ist primär bestimmt zu lieben, nicht zu hassen. Der H a ß ist nur eine Reaktion gegen ein irgendwie falsches Lieben. Es ist nicht richtig, was so oft fast sprichworthaft gesagt wird: Wer nicht hassen kann, kann auch nicht lieben. Es ist vielmehr richtig: Wer nicht lieben kann, kann auch nicht h a s s e n . . . Der H a ß ist also immer und überall Aufstand unseres Herzens und Gemütes gegen eine Verletzung des ordo amoris 61 ." Auf diesem Wege meint der Religionsphilosoph den G O T T ZU erreichen, in dem nicht Haß, sondern Liebe wirkt. 4. Gott ist Liebe. Das müßte nun eigentlich jeder einsehen, ausgenommen ein Dummkopf. Die letzte Frage, die wir in diesem Kapitel zu beantworten haben, ist also die: „Wie kommt es, daß man einem Bösewicht eine mathematische Wahrheit, nicht aber einen Gottesbeweis einleuchtend machen kann 62 ?" Mit dieser Frage kommen wir noch einmal auf die schon erwähnte „Logik der Liebe" zurück. Je tiefer und umfassender menschliches Denken wird, desto mehr dringt es ein in eine Welt, in der Freiheit, Wille, Liebe und Haß herrschen. Und es ist nichts 61 02

Scheler, 368 f. Rahner, 132.

46

Darstellung

mehr zu machen mit einem schlüssigen Beweis allein. Der metaphysische Beweis und das metaphysische Denken überhaupt fordern den Einsatz der Person. „Die Wahrheiten, die alle Menschen zugeben, etwa die der Mathematik, sind nicht sicherer und strenger bewiesen als die einer Metaphysik des Göttlichen. Aber sie werden nur deshalb von allen anerkannt, weil sie in ihrer Zugehörigkeit zu der äußerlichsten Region des Menschen auch nie dem willentlichen Seinsverständnis widersprechen k ö n n e n . . . Eine metaphysische Erkenntnis ist darum nicht weniger streng objektiv und logisch. Aber sie ist in ihrem Wesen gleichzeitig auch immer Einsatz der ganzen Person in freier Entscheidung... Es ist darum nicht so, daß der Mensch zunächst einmal neutral Gott erkennt und dann nachträglich überlegt, wie er sich liebend oder hassend zu diesem Gott stellen soll 6 3 ." Es ist vielmehr so, daß jeweils eine Liebe oder ein H a ß die Bedingung der Erkenntnis Gottes ist. Diesen Gedankengang erläutert treffend Scheler: „Mögen die Liebenswürdigkeiten von der göttlichen Alliebe aus gesehen durch den Akt dieser Liebe geprägt und geschaffen sein: Des Menschen Liebe prägt und schafft sie nicht. Sie hat ausschließlich ihre gegenständliche Forderung anzuerkennen und s i c h . . . zu unterwerfen. N u r darum gibt es ein als richtig und als falsch charakterisiertes Lieben, da des Menschen faktische Neigungen und Liebesakte mit der Rangordnung der Liebenswürdigkeiten übereinstimmen können oder ihr widerstreiten — wir können audi sagen, sich mit der Liebe, mit der Gott schon die Idee der Welt, ehe er sie schuf, liebte, und mit der er sie jede Sekunde forterhält, eins oder geschieden und im Gegensatz fühlen und wissen können. Stürzt der Mensch in seinem faktischen Lieben oder in der Aufbauordnung seiner Liebesakte, in Vorziehen und Nachsetzen, diese an sich bestehende Ordnung um, so stürzt er — was an ihm ist — gleichzeitig die göttliche Weltordnung der Intention nach selbst um. Und wo immer er sie also umstürzt, da stürzt auch seine Welt als möglicher Erkenntnisgegenstand und seine Welt als Willens-, Handlungs- und Wirkfeld notwendig nach 84 ." Wir nehmen, um das Gesagte abzuschließen, den bekannten Satz: Wer irrt, weiß nicht, daß er irrt. Dieser Irrtum beruht nicht auf dem Mangel an Denkvermögen. Einem so Irrenden stehen sehr wohl eine Reihe von logisch einwandfreien Argumenten zur Verfügung. Der Irrtum beruht vielmehr auf der verkehrten Haltung. Gegenüber einer verkehrten Hal" 64

Rahncr, 131 f. Scheler, 357.

Gottes Offenbarung

47

tung oder einem verkehrten Glauben versagen die logischen Argumente. Die Logik alleine reicht nicht aus. Das ist der Sinn des von Rahner geprägten Ausdrucks einer „Logik der Liebe". Dabei liegt der Sinn von Liebe nicht darin, daß der Erkennende einfach Unbewiesenes oder gar noch Ungereimtes und Absurdes für wahr halten muß. Der Sinn von Liebe in der Erkenntnis liegt vielmehr einzig und allein darin, daß durch diese Liebe „ein Wegräumen des Mißtrauens geschieht, um so die Voraussetzung zu schaffen, daß uns gewisse, nicht leicht zugängliche Sachverhalte gegeben werden können" 65 . Vertrauen und Mißtrauen spielen so auch für das streng begriffliche Erkennen eine viel größere Rolle, als bei oberflächlichem Blick erkennbar wird. „Das Herz hat nicht auch noch seine Gründe, nachdem der Verstand über dieselbe Sache gesprochen hat, Gründe, die keine Gründe . . . sondern nur soi-disant Gründe, nämlich Motive, Wünsche s i n d . . . Das Herz hat seine Gründe, von denen der Verstand nicht weiß und niemals etwas wissen kann . . . Eine Einsicht allermeister Bedeutung ist in jenem Satz Pascals ausgesprochen, eine Einsicht, die sich gegenwärtig wieder nur ganz langsam aus dem Schutt von Mißverständnissen emporringt: Es gibt einen ordre du coeur, eine logique du coeur, eine matematique du coeur, die so streng, so objektiv, so absolut und unverbrüchlich ist wie die Sätze und Folgerungen der deduktiven L o g i k . . . Was der bildliche Ausdruck Herz bezeichnet, das ist ein Inbegriff nicht für verworrene Zustände und unklare, unbestimmte Wallungen. Das ist der Inbegriff von wohlgerichteten Akten, die eine strenge . . . selbständige Gesetzlichkeit in sich tragen, die präzis, exakt, genau arbeitet. . . und in deren Funktionen uns eine streng objektive Tatsachensphäre vor Augen tritt, die von allen nur möglichen Tatsachensphären die objektivste, grundlegendste ist, die es gibt — die auch bei Aufhebung des homo sapiens im All bestehen bliebe, so wie die Wahrheit des Satzes 2 · 2 = 4 — ja die noch unabhängiger ist vom Menschen als die Gültigkeit dieses Satzes 66 !" Kapitel 5: Gottes

Offenbarung

Wir kommen zu dem letzten Abschnitt unserer Darstellung. Das metaphysische Erkennen ist so weit vorgestoßen, daß in seinem vorgreifenden Erfassen G O T T als liebende Person am Horizont menschC5

66

C. F. v. Weizsäcker, Das Verhältnis der Quantenmechanik zur Philosophie Kants, S. 120, o. O. Scheler, 362.

48

Darstellung

licher Erkenntnis auftaucht. D a m i t ist aber gesagt, daß dieser GOTT sich mitteilen oder verschließen kann. ER kann aus Liebe reden oder schweigen. „Das absolute SEIN Gottes erscheint so trotz und in seiner Offenheit für die Transzendenz des endlichen Geistes als das Verschlossen-seinkönnende, das sich in Freiheit erschließende oder sich verschweigende, als der G o t t einer möglichen O f f e n b a r u n g . . . O b und wie dieser G o t t handeln solle mit dem Menschen, ob er etwa in dieser Handlung Geheimnisse seines eigenen, notwendigen Wesens erschließen könne, die Geheimnisse im theologisch engsten Sinne sind, das alles mag vorerst dahingestellt bleiben und kann der aposteriorischen Erkenntnis aus der tatsächlichen Offenbarung dieses Gottes überlassen bleiben. Aber es ist für unsere Absicht von entscheidender Bedeutung, einzusehen, daß die Transzendenz des Menschen auf das an sich absolut gelichtete Sein restloser Erkennbarkeit gleichzeitig zum mindesten die Offenheit vor einem G o t t freien Handelns mit dem Menschen ist, das sich vom Menschen aus nicht errechnen läßt, so daß die Transzendenz auf das absolute Sein Gottes das Stehen vor dem inperscrutabile ist, dessen Wege unerforschlich und dessen Ratschlüsse unberechenbar sind 6 7 ." W i r fragen jetzt also nach dem O r t einer möglichen Offenbarung Gottes. M i t anderen W o r ten: Wohin muß der Mensch hören, wenn er die Stimme Gottes vernehmen will? Wohin soll er horchen und sei es auch nur, um vom Schweigen Gottes getroffen zu werden? W i r müssen die Frage, um die es jetzt geht, aber noch genauer stellen. Denn von dem Gewinnen der richtigen Frage hängt ja entscheidend das ab, was wir als Antwort erwarten. Alles, was bisher von G o t t gesagt wurde: GOTT —

SEIN —

GRUND —

WILLE —

GUT —

LIEBE,

waren

transzendentale Bestimmungen, insofern sie sich indirekt ergaben als die „Bedingungen der Möglichkeit" von Welterkenntnis. W i r haben so ein Wissen von G o t t nur erreicht, „in Funktion von Welt und ihrem Bestand" 6 8 . Anders ausgedrückt: Gotteserkenntnis war und blieb immer Erkenntnis im Vorgriff. Freilich liegt in der A r t unserer Erkenntnis begründet, daß wir alles, auch das zunächst nur indirekt E r f a ß t e , nach Art eines Gegenstandes uns nur vorstellen können. W i r sind gar nicht imstande ein An-sich-seiendes anders als so vorzustellen. Es fragt sich eben nur, ob neben der indirekten Erkenntnis Gottes audi noch eine direkte möglich ist. Und das eben ist die Frage nach dem O r t der Offenbarung. Nicht also die Bedingung der Möglichkeit von Welt, sondern " Rahner, 117, 115. 68 ebda. 182.

Gottes Offenbarung

49

die Bedingung der Möglichkeit von Offenbarung und damit audi von Theologie im Unterschied zu Metaphysik und Religionsphilosophie wollen wir im folgenden erkunden. 1. Wir beginnen noch einmal mit der Frage nach der Eigenart menschlicher Selbsterkenntnis. Es muß für unseren bescheidenen Zweck genügen, wenn wir lediglich eine notdürftige Skizze zu geben versuchen. Denn das, was wir hier anschneiden, reicht tief in die Geschichte des menschlichen Denkens hinein und kann, wie leicht verständlich ist, mit wenigen Worten nur angedeutet, nicht bewältigt werden. Eines allerdings sollte dabei deutlich werden: Die Struktur der Frage, die hier gestellt wird und die Struktur der Antwort, die erwartet wird. Der Mensch weiß nicht von vorneherein und für alle Zeit über sich vollkommen und restlos Bescheid. Er ist nicht das Sein vollkommener Seinsteilhabe. Wenn er nun überhaupt etwas von sich weiß, dann erfährt er dieses Wissen nicht als apriorischen Besitz, sondern als einen aposteriorischen Erwerb. Er versteht sich bei aller Bruchstückhaftigkeit stets so, daß er Bestimmtes seiner Umwelt und Mitwelt als den Ausdruck seines eigenen Wesens erkennt. N u r so ist der Mensch bei sich selbst, indem er zuvor bei einem Anderen ist. Rahner: „Von der Erfassung eines Anderen, Fremden, von ihm Verschiedenen als dem ersterfaßten Gegenstand menschlicher Erkenntnis kommt er zur Erkenntnis seiner s e l b s t . . . Der Mensch ist hinnehmende Erkenntnis derart, daß seine Selbsterfassung immer und grundsätzlich herkommt von einer Auskehr in Welt 69 ." Indem er bei einem anderen ist, ist er bei sich selbst. Ja man darf wohl sagen, je mehr und je intensiver er bei einem anderen ist, desto mehr und intensiver ist er bei sich selbst. Hegel sagt bekanntlich: „Ich unterscheide mich von mir selbst, und es ist darin unmittelbar für mich, daß dies Unterschiedene nicht unterschieden ist. Selbstbewußtsein ist also Unterscheiden des Ununtersdiiedenen . . . Das Selbstbewußtsein ist außer sich gekommen. Erstens: Es hat sidi selbst verloren, denn es findet sich als ein anderes Wesen. Zweitens: Es hat damit das Andere aufgehoben, denn es s i e h t . . . sich selbst im Anderen 70 ." Gadamer hat dasselbe erst kürzlich kritisch auf den historischen Erkenntnisvorgang angewandt: „Hier muß von einem schlecht verstandenen historischen Denken an ein besser zu verstehendes appelliert werden. Ein wirklich historisches Denken muß die eigene Geschichtlichkeit mitdenken. Nur dann wird es «• ebda. 155. 70 Hegel, 128 und 141. 4 B r o w a r z i k , Glauben und Denken

50

Darstellung

nicht dem Phantom eines historischen Objektes nachjagen, das Gegenstand fortschreitender Forschung ist, sondern wird in dem Objekt das A n d e r e des E i g e n e n und damit das Eine wie das Andere erkennen lernen. Der wahre historische Gegenstand ist kein Gegenstand, sondern die Einheit dieses Einen und Anderen, ein Verhältnis, in dem die Wirklichkeit der Geschichte ebenso wie die Wirklichkeit des geschichtlichen Verstehens b e s t e h t . . . Ich nenne das damit Geforderte „Wirkungsgeschichte". Verstehen ist seinem Wesen nach ein wirkungsgeschichtlicher Vorgang 71 . Der mit diesen Worten zum Ausdruck gebrachte Sachverhalt scheint nun aber einen Widerspruch zu enthalten, der sich hinter Begriffen wie „Bewegung", „Beziehung", „Verhältnis" nur versteckt. Schon die Scholastiker haben sich den hier versteckt vorliegenden Widerspruch an den beiden Sätzen klar zu machen versucht: motus est actus moventis. Und motus est in moto 72 . Bewegung ist Bestimmung dessen, der bewegt. Zugleich aber ist Bewegung auch Bestimmung dessen, der bewegt wird. So ist es auch bei der menschlichen Selbsterkenntnis. Das Andere unserer Erkenntnis ist einmal ein vom Erkennenden verschiedener Gegenstand. Es ist aber zugleich auch aufgefaßt als eine Möglichkeit des Erkennenden selbst. Das Andere ist also mir gegenüber und zugleich in mir selbst als meine eigene Möglichkeit. So gerät das Erkennen gerade an der Stelle, die ihm als das eigentliche Ziel seines ganzen Strebens erscheint, in einen merkwürdigen Zwiespalt. Eine hintergründige Einheit wird sichtbar, die im Denken doch immer zerfällt in das Eine und das Andere. Und es muß dabei bleiben. In unserem Zusammenhang bedeutet das: Um von mir selbst zu wissen, muß ich von einem anderen wissen. Selbsterkenntnis vollzieht sich so, daß mir jeweils ein Einzelnes als Fremdartiges und Eigenartiges gegenübersteht. Ja, wir müssen weitergehen und sagen: Die Bedingung der Möglichkeit, etwas (ζ. B. mich selbst) in dieser Welt zu erkennen, ist die Streuung desselben in vielfache Vereinzelungen. Ich muß erst Dies und Das erfassen, um das Ganze in den Begriff zu bekommen. Das Ganze gliedert sich so in Teile und wächst aus den vielen Vereinzelungen erst zu dem Ganzen. Damit haben wir das entwickelt, was der scholastische Begriff der materia im Unterschied zur forma enthält. „Der Grund der vielfachen Vereinzelung des Selbigen" 73 heißt materia. Während forma eine bestimmte, schon erfolgte Vereinzelung oder „washeitliche Bestimmung" meint. 71

Gadamer, 283. Rahner, 168. " ebda. 161. 72

Gottes Offenbarung

51

2. An dieser materia lassen sich nun, nach Rahner, noch zwei weitere Bestimmungen treffen. Der Grund der Vereinzelung ist zugleich Grund der Wiederholung. Ein und dasselbe stellt sich unserer Erkenntnis in seinen Vereinzelungen wiederholt, und das heißt nebeneinander dar. „Die Wiederholung desselben innerhalb eines einzigen Seienden ist aber nichts als seine Räumlichkeit, seine innere Quantumhaftigkeit, die reale Verschiedenheit desselben innerhalb der Einheit eines Seienden. Wir können also sagen: Wo ein Seiendes kraft seiner innersten Seinskonstitution die materia zu seinem innersten Wesensprinzip hat, ist es räumlich74." Was nicht räumlich und also nicht nebeneinanderstellbar ist, kann auch nicht wiederholbar sein. Ich muß dasselbe, so können wir auch weitergehend sagen, in seinen Vereinzelungen wiederholt angehen können, um es überhaupt zu fassen. Natürlich kann ich es auch in einer einmaligen Schau haben. Aber diese Schau erhält ihre Festigkeit und Bestimmtheit und nicht zuletzt ihre Verbindlichkeit erst durch das wiederholte Angehen im begrifflichen Erkennen, das Vereinzelung, Wiederholung und damit Räumlichkeit voraussetzt. Die zweite Bestimmung betrifft nicht das Nebeneinander, sondern das Nacheinander der begrifflichen Erkenntnis. Materia, sagten wir, ist der Grund der Vereinzelung des einen Ganzen. Aber nun nicht bloß in dem Sinn des räumlichen Nebeneinanderstehens, sondern auch des zeitlichen Nacheinanderkommens. „Damit ist ein Seiendes kraft der immer größeren Weite und Unerfülltheit seiner materia immer hinfällig auf neue Seinsbestimmungen, ist immer in Bewegung auf die Zukunft neuer Bestimmungen h i n . . . Die Ganzheit der Verwirklichung der Möglichkeiten eines Seienden ist nur im Nacheinander der inneren Bewegung dieses Seienden verwirklichbar. Das heißt aber: das Seiende ist zeitlich75." Angewandt auf den Menschen: Was der Mensch ist, zeigt sich an diesem oder jenem Menschen und da wiederum an dieser oder jener Eigentümlichkeit, die wir nicht anders erfassen, als in immer neuen Anläufen des Verstehens. Wobei beides sich vollzieht: Ein wiederholendes Nebeneinanderstellen und ein fortschreitendes Weiter- und Tieferdringen. Der Aufbau, der in der Erkenntnis zustande kommt, ist räumlich und zeitlich zugleich. Das aber heißt: geschichtlich. „Der Mensch ist wesentlich einer unter vielen seinesgleichen, mit denen er auf Grund seines inneren u 75

4*

ebda. 162. ebda. 162.

52

Darstellung

Wesens zusammen ist in Raum und Z e i t . . . Er ist geschichtlich im konkreten Sinn einer menschlichen Geschichte... Geschichtlichkeit aber im menschlichen Sinn ist doch nur dort, wo die Tat der Freiheit in einem, Zusammen freier Personen in ihrer Vielzahl sich in einer Welt, das heißt in Raum und Zeit, ausbreitet 78 ." So muß der Mensch in seine Umwelt und Mitwelt eindringen, will er zu sich selber kommen. 3. Was so von menschlicher Erkenntnis überhaupt gilt, das ist nun fruchtbar zu machen für die Erkenntnis einer möglicherweise ergehenden Offenbarung Gottes. Wenn es wahr ist, daß menschliche Erkenntnis darin sich vollzieht, daß ihr ein vereinzeltes, innerweltlich Seiendes vorgestellt wird, so muß das auch für die Erkenntnis eines Weltjenseitigen gelten. Was Gott immer auch noch und darüber hinaus ist, anders können wir nichts von ihm wissen als nach Art eines Gegenstandes in Welt. „Es gibt daher für den Menschen als endlichen, hinnehmenden Geist eine Gelichtetheit des S E I N S überhaupt nur in der Begegnung des Materiellen (gedacht als Prinzip der innerweltlichen Vereinzelungen in Raum und Zeit), eine Hinwendung zu S E I N überhaupt nur in der Hinwendung zu materiellen Seienden, einen Ausgang zu Gott nur in einem Eingang in W e l t . . . Auch wenn etwas begriffen werden muß, was seinem eigenen Wesen nach nicht raumzeitliche Erscheinung sein kann, weil es nicht materiell ist und sich so in seinem eigenen Selbst einer hinnehmenden Erkenntnis nicht zeigen kann, auch dann kann es vom Menschen nicht begriffen werden ohne Hinwendung zu einer Erscheinung, an der das Unerscheinbare auf eine noch genauer zu bestimmende Weise zur Gegebenheit kommt. Sein kann also sowohl in der direkten (theologischen) wie in der reflexen (metaphysischen) Erkenntnis nur an einer Erscheinung erfaßt werden 7 7 ." Gott ist so für den Menschen nur in Welt, oder, wenn wir die oben getroffenen Bestimmungen hinzunehmen, in Geschichte erkennbar. Natürlich könnten wir das Offenbarungsereignis als das absolut Außerweltliche bestimmen, für dessen Erkenntnis Gott ganz andere Wege und ganz neue Weisen der Bestimmung schafft. Wir haben ja diese Möglichkeit schon erwähnt bei unseren früheren Überlegungen im Zusammenhang mit der Mystik. Aber damit wäre der Mensch schon jetzt seiner menschlichen Daseinsweise enthoben, herausgerissen gleichsam aus seiner Welt und Geschichte. Soll das aber nicht der Fall sein, dann wird die Frage um so dringlicher, wann ein Ereignis nicht bloß ™ ebda. 165. 7 7 ebda. 180.

Gottes Offenbarung

53

weltliches und geschichtliches, sondern Offenbarungsereignis ist, und wodurch es das ist. 4. Unsere Frage nach der Offenbarung spitzt sich also derart zu: Wie kann ein Weltjenseitiges an und in einem Weltdiesseitigen zur Gegebenheit kommen? Es ist klar: Ein Weltjenseitiges kann nicht als solches erkannt werden, sondern nur an einem Innerweltlichen. Es kommt dann aber zunächst an diesem Innerweltlichen so zur Gegebenheit, daß eben dies Innerweltliche, an dem es erscheint oder sich zeigt, in seinem Für-sich und An-sich verneint wird. „Durch Negation der Grenze eines solchen bestimmten, unmittelbar zugänglichen Seienden, durch Entschränkung dieser Grenze nach oben gegen das absolute SEIN Gottes hin lassen sich so, ob zwar nur negativ, außerweltliche Seiende (unter welchem Wort natürlich nicht nur substantielle Wesen als solche, sondern auch Sachverhalte an ihnen usw. zu verstehen sind) irgendwie wenigstens als solche und nicht nur in ihren allgemeinsten Bestimmungen, die sie mit allen Seienden teilen, festlegen, gleichsam in und aus ihrem Verhältnis zu den unmittelbar bekannten Weisen des innerweltlich Seienden 78 ." Es kann also grundsätzlich alles Seiende, das innerweltliche wie das außerweltlidie, vom Feld der Erscheinung bestimmt werden. Und zwar zunächst durch Verneinung. Der Ort der Verneinung aber ist das WORT. „Denn eine Verneinung hat als solche ihren einzig möglichen Ort im Wort, was natürlich nicht gleich phonetischem Laut ist. Im Wort läßt sich demnach jedes außerweltlich Seiende erfassen. Denn das Wort stellt einerseits nicht das Seiende in seinem Selbst vor, andrerseits hat es durch die Verneinung, die es und nur es in sich aufnehmen kann, die Möglichkeit, jedes Seiende auch außerhalb der Erscheinung von der Erscheinung her zu bestimmen . . . Der Mensch erschien uns schon als der notwendig auf eine mögliche Offenbarung des freien Gottes Horchenmüssender. Insofern sich nun gezeigt hat, daß alles, auch das außerweltlich Seiende, durch das menschliche Wort in dessen Einheit von verneinter Erscheinung und verneinender Transzendenz eröffnet werden kann, ist nun auch gesagt, daß der Mensch zum mindesten der auf eine Offenbarung dieses freien Gottes in einem menschlichen Wort Hörenmüssender ist 7 9 ." In einem Wort muß ihm gesagt werden, daß dieses Innerweltliche mehr, ja etwas anderes ist als bloß Innerweltliches, nämlich etwas von Gott.

78

ebda. 186.

78

ebda. 190 f.

54

Darstellung

5. Bleibt noch ein Letztes zu bedenken. Wenn Offenbarung Gottes für den Menschen kommt, dann kann sie nur in einem raumzeitlichen Ereignis, oder anders: in einem geschichtlichen Ereignis kommen. Erkannt werden und begriffen werden aber kann sie nur in einem Wort, das dieses geschichtliche Offenbarungsereignis allererst kenntlich macht als das, was es in Wahrheit ist. Trotzdem könnte unter diesen Voraussetzungen Offenbarung auch so verstanden werden, daß sie nicht an einem bestimmten Ort der Welt- und Menschengeschichte eingeht in diese Welt, sondern immer schon eingegangen ist, weil sie nichts anderes ist als die Welt- und Menschheitsgeschichte unter einem bestimmten Aspekt. Denn daß die göttliche Offenbarung ein raumzeitliches Ereignis innerhalb der Gesamtgeschichte ist und keineswegs mit dem Ereignis dieser Gesamtgeschichte als solcher zusammenfällt, das ist ja noch längst nicht erwiesen und bleibt nur eine Möglichkeit dessen, der auf eine Offenbarung warten muß. Wurde also in dem Bisherigen die Möglichkeit der Offenbarung gezeigt, so geht es jetzt um die genauere Bestimmung des Wie. Daß der Mensch in seine Geschichte hineinhorchen muß, um Offenbarung Gottes zu vernehmen, ist noch keine Antwort auf die Frage: An welchen Ort der Geschichte muß er sich wenden? Oder sind womöglich alle Orte zwar nicht gleichgültig, aber gleichwertig? Bei dieser für eine christliche Theologie so bedeutsamen Frage, die als offene Frage für Theologie unerträglich ist, muß der Metaphysiker sehr behutsam vorgehen, wenn er vertrauenswürdig bleiben will, auch und gerade gegenüber dem kritischen Philosophen. Immer noch leben wir in Ressentiments. Wir betonen ,daß wir die aufgebrochene Frage an dieser Stelle nur notdürftig skizzieren und die Probleme, die sich stellen werden, keineswegs bewältigen können. Denn schließlich geht es dabei um eine der kompliziertesten Fragen, die mit der Offenbarung Gottes in Jesus Christus gestellt sind: „Bestimmt sich das Sein und der Sinn der Geschichte überhaupt aus ihr selbst, und wenn nicht, woraus dann 8 0 ?" Wir wollen mit einer Begriffsbestimmung beginnen, um einen geeigneten Ansatzpunkt für unsere Überlegungen zu gewinnen. Der Begriff einer Offenbarung in dem oben entwickelten Sinn enthält zugleich den Begriff einer Offenbarungs- oder auch Heilsgeschichte. Dieser aber fordert von sich aus den anderen Begriff einer Profangeschichte. Offenbarungsgeschichte umgreift dann das Geschehen der Offenbarung innerhalb der Weltgeschichte, und Profangeschichte meint Weltgeschichte abgesehen oder unterschieden oder auch im Gegensatz zu Offenbarung. Und 80

K . Löwith, Weltgeschichte und Heilsgeschehen, Stuttgart 1953, S. 7.

Gottes Offenbarung

55

unsere oben gestellte Frage richtet sich auf das Verhältnis der beiden und seine genaue Bestimmung. N u n gibt es Gründe, die den Schluß zulassen: Das Verhältnis von Offenbarungs- und Profangeschichte ist das einer dauernden Koexistenz. Denn einmal kann sich G o t t nur so offenbaren, daß er mit seiner Offenbarung in die Profangeschichte eingeht. Andernfalls müßte er ja, wie gesagt, den Menschen seiner natürlichen, geschichtlichen Daseinsweise entheben. Zum andern muß sich der Mensch aus eben diesem Grunde immer an seine geschichtliche Daseinsweise halten, will er Offenbarung Gottes erkennen — und zwar nicht nur in dem transzendentalen Sinn als Bedingung der Möglichkeit von Welterkenntnis, sondern audi in dem direkten Sinn einer besonderen Mitteilung Gottes an den Menschen. Beide, die transzendentale wie die faktische Offenbarung, sind an die geschichtliche Daseinsweise des Menschen gebunden. Es würde sich daraus ergeben, daß Heilsgeschichte und Profangeschichte zwei Aspekte wären ein und derselben Gesamtgeschichte. M i t Rahners W o r t e n : „Heils- und Profangeschichte würden sich nur wie gerichtete und ungerichtete G e schichte unterscheiden. Sie wären formell, nicht material, voneinander unterschieden. Tatsächlich gibt e s . . . eine Wirklichkeit und einen Begriff von Heils- und sogar Offenbarungsgeschichte, die in diesem Sinn z w a r nicht formell identisch, aber material koextensiv sind mit der Wirklichkeit und dem Begriff der profanen Weltgeschichte . . . D a r u m geschieht Begegnung mit Offenbarung in allen Dimensionen des menschlichen D a seins immer in Begegnung mit Welt und nicht nur in einem abgegrenzten Bezirk des H e i l i g e n . . . U n d darum geschieht inmitten der Geschichte selbst Heilsgeschichte 8 1 ." D a m i t ist die Zusammengehörigkeit und unlösbare Einheit von Offenbarungsgeschichte und Profangeschichte zum Ausdruck gebracht, noch nicht ihre Verschiedenheit. J a es fragt sich von hier aus sogar, ob der Begriff der Koexistenz nicht doch fallen gelassen werden muß zugunsten des Begriffes der Identität. Denn schließlich ist nach dem Gesagten Offenbarungs- oder audi Heilsgeschichte nichts anderes, als ein Ausdruck für die innere Weiterung und Überhöhung ein und derselben Geschichte, nämlich der Profangeschidite. Will man also den Begriff der Offenbarungsgeschichte retten und damit auch den Begriff der Koexistenz, dann muß eben gezeigt werden können, nicht wie diese Offenbarungsgeschichte gebunden und hineinverstrickt ist in Weltgeschichte, sondern

81

Rahner, Schriften, Bd. V, 116 f., 121.

56

Darstellung

wie sie sich hier und da in einem bestimmten Ereignis absetzt. So wie sich die Einheit zweier Dinge doch nur zeigen läßt, wenn auch ihre Zweiheit erwiesen ist. Man kann nun diesen kritischen Punkt von verschiedenen Seiten angehen und sicherlich ist er es wert, daß er noch einmal in einer ganz neuen Untersuchung gründlich von allen möglichen Seiten angegangen wird. Wir begnügen uns hier mit der knappen Andeutung Rahners, weil sie das Wesentliche erkennen läßt. Geht man nämlich von dem einzelnen und einmaligen Leben eines Menschen aus, so wird man wohl mit Recht sagen können: Es ereignen sich da nicht fortlaufend und unaufhörlich aufeinanderfolgende Offenbarungen. So, als wären alle Ereignisse, die wechselnd vorkommen, zugleich auch Offenbarungsereignisse. Vielmehr tritt eine Offenbarung, im Sinne der heilsamen Mitteilung Gottes an einen Menschen, doch nur zeitweise auf. „ D e r Mensch kann dann die übrige Zeit seines Lebens hindurch die Offenbarung nur bewahren in ihrer Gestalt im menschlichen Wort und muß sich dabei immer auf diesen bestimmten ausgezeichneten Punkt seiner individuellen Geschichte zurückbeziehen als auf den menschlich-geschichtlichen einmaligen Punkt, in dem die Offenbarung ursprünglich ergangen ist. Die Offenbarung geschieht also zunächst einmal mindestens in dem Sinn auch menschlich-geschichtlich, daß sie allen einzelnen Momenten einer einzelmenschlichen Geschichte nicht gleichmäßig dauernd koexistent sein kann, so daß der Mensch zur Erfassung der Offenbarung sich mindestens zu bestimmten, ausgezeichneten Punkten seiner eigenen Geschichte, in einer geschichtlichen Erkenntnis, zurückwenden müßte 8 2 ." Wenn das Gesagte richtig ist, dann könnte unter Umständen die freie T a t einer göttlichen Offenbarung in einem geschichtlichen Ereignis, ursprünglich und für alle Zeiten verbindlich, an einem Punkt der Menschengeschichte eintreten, der für den einzelnen Menschen womöglich sehr weit entfernt liegt. Der Mensch muß dann womöglich sich an einen sehr entlegenen Punkt der Menschengeschichte wenden, wenn er Offenbarung erkennen will. Insofern ist der Mensch geradezu genötigt, die Gesamtgeschichte auf eine möglicherweise ergangene Offenbarung zu befragen. Von einer ganz anderen Seite ließe sich das Gesagte noch einmal zeigen, wenn man das Verhältnis von Menschenwort und Gotteswort prüfen würde. D a s Wesentliche daran ist dies: Der Mensch muß damit rechnen, insofern er immer schon ein auf Offenbarung Hörenmüssender ist, daß Gott durch ein bestimmtes Ereignis und damit notwendig zusam82

Rahner, Hörer, 1%.

Gottes Offenbarung

57

menhängend durch ein bestimmtes Wort ein bestimmtes Stück der Profangeschichte selbst gedeutet und von der übrigen Geschichte abgesetzt und damit zur eigentlichen Offenbarungsgeschichte gemacht hat. Der Mensch ist so „das Seiende von hinnehmender, je für Geschichte eröffneter Geistigkeit, das in und als Freiheit vor dem freien Gott einer möglichen Offenbarung steht, die, wenn sie kommt, in seiner Geschichte und als deren höchste Aktualisierung im Wort sich ereignet. Der Mensch ist der in seine Geschichte auf das Wort des freien Gottes Hineinhorchende. N u r so ist er, was er sein muß. Eine metaphysische Anthropologie ist dann an ihrem Ende, wenn sie sich selbst begriffen hat als die Metaphysik einer potentia oboedientialis für die Offenbarung des überweltlichen Gottes 8 8 ." D a s Ziel Rahners. D a m i t ist jene Grenze erreicht, an der die transzendentaltheologische Reflexion in ihrer noch ungebrochenen theologisch-philosophischen Eigenständigkeit am Ende ist und gleichsam wartend Ausschau hält nach dem spezifisch theologischen Erkennen. Denn die Eigenart dieses anderen, neuen theologischen Erkennens muß es jedenfalls sein, daß es über die Erforschung der Bedingungen der Möglichkeit einer Offenbarung entschlossen hinausgeht und nicht nur sagt, wie Gott und seine Offenbarung, wenn es sie geben sollte, für Menschen erkennbar ist, sondern mit dem ganzen Ernst einer großen Verpflichtung und Verbindlichkeit endlich sagt, was Gott den Menschen denn nun offenbart hat. Bevor wir diesen sicher mühsamen, aber auch heilsamen Weg der TRANSZENDENTALTHEOLOGIE verlassen und die OFFENBARUNGSTHEOLOGIE zu Wort kommen lassen, wenden wir uns dem kritischen Teil zu. Vieles, was bisher im Unklaren blieb, kommt vielleicht jetzt zu größerer Klarheit.

83

ebda. 200.

II.

Kritik

Wir haben in groben Umrissen zu zeigen versucht, wie TRANSZENDENTALTHEOLOGIE sich im Denken orientiert. Das Ziel unserer Darstellung war nicht eine vollständige Würdigung und ebensowenig kann also das Ziel dieses ersten kritischen Durchgangs eine vollständige Kritik sein: Das Ziel war vielmehr exemplarische Verständigung. Es bleibt uns also für diesen kritischen Teil die Aufgabe, das Gefüge dieses theologischen Denkens auf seine schwachen Punkte hin zu prüfen. Was wir uns am Beispiel Karl Rahners klar zu machen versuchten, hätten wir uns ebenso an vielen anderen Beispielen klar machen können. Was wir jetzt am Beispiel Rahners kritisch untersuchen, betrifft also auch nicht Rahner allein, sondern das Programm überhaupt. Freilich würde es jeweils einer gesonderten Untersuchung bedürfen, um die kritischen Sätze, die wir hier entwickeln, auf verwandte theologische Unternehmungen anzuwenden. In einem ersten Kapitel wollen wir nun die analogietheologischen Erkenntnisse auf ihre logische Gewißheit und damit verbunden auf ihre philosophische Bedeutung prüfen. In einem zweiten Kapitel soll ihr theologischer Wert erörtert werden. Damit hätten wir das Ziel des ersten Teiles unserer Arbeit erreicht und zugleich jene notwendige Vorarbeit geleistet, die zum Verständnis des großen Gegenspielers von TRANSZENDENTALTHEOLOGIE,

der

OFFENBARUNGSTHEOLOGIE,

erforderlich

Kapitel 6: Die logisch-philosophische Bedeutung

ist.

der Beweise

1. Was TRANSZENDENTALTHEOLOGIE als Analogietheologie unternimmt, ist dies: Bedingungen der Möglichkeit theologischer Rede sollen erforscht werden. Gotteserkenntnis wird nicht so angestrebt, daß dieses und jenes von Gott direkt ausgesagt werden könnte. Gotteserkenntnis ergibt sich aus Welterkenntnis als die „Bedingung der Möglichkeit" derselben. So fanden wir die transzendentalen Bestimmungen des göttlichen Seins. Eine der ersten Bestimmungen dieser Art war die der Analogie. Göttliches SEIN und weltliches SEIN stehen im Verhältnis der Analogie zueinander. Bevor wir aber das Analogieverhältnis noch einmal überprüfen, müssen wir jene Voraussetzung klären, die das Verhältnis überhaupt

Die logisch-philosophische Bedeutung der Beweise

59

möglich macht, nämlich das Sein Gottes selbst. Mit anderen Worten: Wie steht es mit der Realsetzung Gottes, bevor sein Verhältnis zur Welt bestimmt wird. Antwort: Gott ist real gesetzt, bevor Analogietheologie überhaupt zu denken anfängt. Gottes Sein wird nidit erschlossen, sondern vorausgesetzt, bevor die Arbeit des Erschließens beginnt. Das klingt zunächst wie eine Unterstellung, da ja ausdrücklich von weltlichem Sein, genauer: von den Einzeldingen dieser Welt, ausgegangen wurde. Aber sehen wir noch einmal genau zu, was auf diesem Wege erreicht worden ist. Ganz gewiß verschiedene transzendentale Bestimmungen, deren Bedeutung als Voraussetzung für jede nur denkbare Art von Welterkenntnis wir noch zu prüfen haben. Aber angenommen, diese transzendentalen Voraussetzungen sind bewiesen, und weiter angenommen, es ist erwiesen, daß das göttliche Sein nur so gedacht werden kann, daß es zugleich auch als die Bedingung der Möglichkeit menschlicher Erkenntnis gedacht werden muß — das alles als erwiesen angenommen, so wäre doch noch längst nicht erwiesen, daß ein Gott existiert. Insofern hat wohl Kant doch recht gehabt, daß er den ontologisdien Gottesbeweis als den eigentlichen angesehen hat. Aber einen Gottesbeweis in sensu stricto kann es hier gar nicht geben. Rahner gibt das ja an einer späteren Stelle seiner Analyse selbst zu, wenn er sagt: „Die tiefsten Wahrheiten sind auch die freiesten." Die Wahrheit von Gott, wenn sie überhaupt Wahrheit ist, läßt sich nidit auf dem Wege des schlußfolgernden Denkens erreichen, weil die Wahrheit von der Realität Gottes eben das vernünftig-schlußfolgernde Denken überfordert. Eigentlich setzt sich Rahner mit dem eben erwähnten Satz schon von dem überzogenen Intellektualismus der scholastischen Tradition ab und schafft Raum für eine ganz andere Art der Gotteserkenntnis, die wir genauer noch bei der OFFENBARUNGSTHEOLOGIE kennen lernen werden. Hier mag nur soviel festgestellt sein: Die Analogietheologie mag richtige und tiefgreifende Erkenntnisse vom Wesen Gottes erreichen, die auch von einer möglichen Offenbarung nicht überholt, sondern nur bestätigt werden können, sie erreicht mit alledem aber nur die Idee eines möglicherweise existierenden Gottes, aber nicht die reale Existenz Gottes selbst. „Wenn etwas vom Wesen des Göttlichen audi real existiert, so gibt es nur eine Art, nach der seine Realität endlichen Personen zur Gegebenheit kommen kann: daß es sich diesen spontan selbst zu erkennen gebe84." „Eine Person kann ebensowohl sich vor anderen verschließen, wie sie sich erschließen kann. Es ist noch

SJ

Scheler, Werke, Bd. 10, S. 185.

60

Kritik

an ihre freie Güte gebunden, wenn sie sich erschließt. Sie kann schweigen — welches ein anderes ist als Nicht-Reden." (ebda.) D a m i t haben wir nun freilich nicht viel erreicht. Es bleibt vor allem, die Realitätserfahrung bzw. die Erfassung einer Realität im allgemeinen, sowie im besonderen der Gotteslehre, genauer zu bestimmen. Aber es ist an dieser Stelle auch noch nicht mehr verlangt, als ausdrücklich zu betonen, daß am Anfang des transzendentaltheologischen Denkens die Existenz Gottes im Dunkeln bleibt. Oder sagen wir besser, um dem Wesen dieses D e n kens gerechter zu werden: Am Anfang steht die Liebe zu G o t t . „An der Wiege der Analogiekonzeption stehen ein wagender Optimismus und ein kühner Glaube. Sie sind sich beide nicht ihrer bewußt, aber sie bestimmen die Gestalt des Werkes. I m Werke selbst ist scheinbar alles L o g i k 8 5 . " Wie dieser Glaube nun im einzelnen das Denken, d. h. zunächst die einzelnen transzendentalen Bestimmungen lenkt und beeinflußt, soll im folgenden gezeigt werden. 2. W i r sagten schon, daß die Analogiespekulation (hier nicht abfällig gemeint, sondern im positiven Sinn eines Denkens, das in begründeten Schritten streng begrifflich und nicht in beliebigen Bildern und Behauptungen über die Hintergründe der W e l t Aussagen macht) ihren vornehmsten O r t in der Theologie hat, wo das Verhältnis G o t t und W e l t näher bestimmt werden soll. Schon hier aber fällt auf, daß das Analogieverhältnis nur eine denkbare Möglichkeit unter anderen ist. Abgesehen von der oben angedeuteten, rein philosophischen Kontroverse, besteht auch eine theologische, oder sagen wir hier besser: eine metaphysische, insofern dazu alle Aussagen von G o t t zählen, auch diejenigen, die nicht unter der Voraussetzung des christlichen Schöpferglaubens gemacht werden. Wie ist es nämlich möglich, daß tiefe und gründliche Denker pantheistische Systeme entwerfen und also das Verhältnis G o t t zu Welt nicht analog deuten? Was Spinoza ζ. B . in klarer, mathematischer Kühle, nüchtern und gelassen aufbaut, dennoch durchglüht von der großartigen Leidenschaft des Denkens, das ist doch noch keineswegs widerlegt im Sinn eines logischen Beweisverfahrens. Zu tief sind seine Gedanken, als daß sie einfach als Denkfehler abgetan werden könnten. Etwas anderes als reines Denken muß ihn getrieben haben, das Verhältnis Gottes zur Welt nicht analog, sondern univok zu bestimmen. Die ontologische Univokation ist mit logischen Mitteln allein nicht zu widerlegen. U n d jede pantheistische Mystik, ζ. B . die Veda-Mystik, verwirklicht in diesem

85

Wagner, a.a.O., 210.

Die logisdi-philosophische Bedeutung der Beweise

61

Sinn eine Weltanschauung, die logisch legitim ist. Die Analogiekonzeption ist Ausdrude einer prinzipiell vollzogenen Trennung von Diesseits und Jenseits, von Gott und Welt. Und diese Trennung ist wohl eine Möglichkeit für menschliches Denken, aber keine Notwendigkeit. Freilich, wenn man den Glauben an Gott den Schöpfer voraussetzt, dann ist die Analogiekonzeption die einzig mögliche, was im übrigen auch die O F F E N B A R U N G S T H E O L O G I E beweist. 3. Bevor wir unseren kritischen Durchgang fortsetzen, müssen wir noch eine Schwierigkeit der Analogiekonzeption nennen, die bisher umgangen wurde. Wir können in unserem Zusammenhang nur das Wesentliche dieser Schwierigkeit andeuten. Eine ausführliche Behandlung würde zu einem ausgedehnten Vergleich der thomistischen und scotistischen Metaphysik anwachsen. Es handelt sich kurz um folgendes Problem: Angenommen, das göttliche und das weltliche Sein, creator und creatura, stehen im Verhältnis der Analogie zueinander, wie es vom christlichen Schöpferglauben allein denkbar ist, dann stehen beide, wie wir gezeigt haben, in einem dialektischen Verhältnis zueinander. Es wird eine Beziehung gesetzt und es ist dennoch keine Beziehung streng aufweisbar. Der Grad der Ähnlichkeit, der bestehen soll, kann ja bis zur Unähnlichkeit absinken. Wenn dieser Mangel an Eindeutigkeit nun nicht bloß an dem Sein selbst haftet, sondern darüber hinaus auch an den Begriffen, mit denen dieses Sein näher und genauer bestimmt wird, dann beginnen diese Begriffe so zu schillern zwischen Ja und Nein, zwischen der Setzung eines Sachverhaltes und seiner Aufhebung, daß sie zu keiner Erkenntnis im strengen Sinn mehr taugen. „Es war der geniale Duns Scotus, der diese Sachlage sofort klar erfaßte und den Versuch unternahm, die großartige Konzeption auf stärkere Beine zu stellen. Er begriff, daß dies nur erreichbar sein konnte, wenn es möglich war, die Eindeutigkeit der Leitfäden des Transzendierens zu erweisen. Er mußte die Kategorien der Gottesbeweise als univoke Kategorien nachweisen86." Unter diesem Vorbehalt einer transzendentalen Univokation, nicht einer ontologischen, welch letztere ja zum Pantheismus führen würde, stehen unsere weiteren Überlegungen. Es ist klar, daß zu einer umfassenden Klärung der Analogietheologie dieses Problem der transzendentalen Univokation gründlich behandelt werden müßte. Für unseren Zweck eines Vergleiches zwischen T R A N S Z E N D E N T A L - und O F F E N B A R U N G S T H E O LOGIE muß diese knappe Andeutung genügen. Denn schließlich stellt die 88

ebda. 206.

Kritik

62

Leistung des Schotten keine Kritik, sondern eine subtile Ergänzung und Weiterbildung der TRANSZENDENTALTHEOLOGIE dar 8 7 . 4. Es bleibt dabei, daß die Analogietheorie rein logisch das Sein Gottes voraussetzt, bevor es zu einzelnen Aussagen darüber kommt und daß sie weiter dieses Sein so bestimmt, wie es wohl logisch möglich, aber keineswegs notwendig ist. Dieser Satz findet erneut seine Bestätigung in der schon entwickelten These, daß Gottes Sein „gründender Grund" alles Seienden ist. Wir erinnern uns: „Die Gegrenztheit der in der Sinnlichkeit erfahrenen Washeit in dem sinnlich gegebenen Diesen und durch es wird dadurch bewußt, daß der Akt, der dieses sinnlich gegebene Dieses erfaßt, a priori zu dieser Erfassung schon über dieses Einzelne hinausgreift auf mehr, als dieses Einzelne i s t . . . Dieses MEHR kann nun selbstverständlich nicht ein einzelner Gegenstand von derselben A r t sein wie der, dessen abstrahierende Erkenntnis es ermöglichen soll. Denn sonst begänne die gleiche Frage aufs neue. Dieses MEHR kann nur jenes schon genannte SEIN als Horizont und gründender Grund möglicher Gegenstände und ihrer Begegnung sein 8 8 ." Dieser Schluß Rahners vom Einzelding auf den gründenden Grund erweist sich aber bei genauem H i n sehen als petitio principii. Wohl muß ich vom Einzelding auf alle mög87

Das Problem der begrifflichen Univokation und seine weitreichenden Folgen sind damit erneut zur Diskussion gestellt und warten auf eine theologische Bearbeitung. Untersuchungen in dieser Richtung findet man bei: Tim. Barth, De argumentis et univocationis entis natura apud Duns Scotum, Rom 1934 — J. Habbel, Analogie zwischen Gott und Welt nadi Thomas, Berlin 1928 — Rousselot, P. L'Intellectualisme de Saint Thomas, Paris 1924 — K. Rahner, Geist in Welt, Innsbruck 1939 — zuletzt: G. Siewerth, Analogie des Seienden, Einsiedeln 1965, daraus ein Zitat: „Darum bekommt SEIN erst dann seine Festigkeit, wenn es das Seiendsein der Substanz, des Akzidens oder Gottes meint, d. h. wenn es in die Vielfalt der Bedeutungen und damit zugleich in die analoge Differenz des Seienden übergeht, deren Seiendsein wiederum ohne analogen Bezug und die Differenz des Mehr- oder Weniger-seins, d. h. ohne die Unterscheidung von Akt und Potenz nicht gedacht werden kann. So ergibt sich, daß die Aussagen des Scotus jeweils auf verborgene und nicht mehr bewußte Weise von der verworfenen Analogie des Seiendseins ihren Anspruch und ihren Sinn haben und sich ohne diese Voraussetzung des intuitiven, analogen Seinsbegreifens in ein Nest von Widersprüchen und Sinnlosigkeiten verlieren, was das Schicksal des abendländischen Denkens seither geblieben ist." S. 94.

88

Rahner, Hörer, 77 f.

Die logisch-philosophische Bedeutung der Beweise

63

liehen Einzeldinge schließen, in dem Sinn einer Totalität aller Gegenstände. Aber keineswegs komme ich so zwingend zu dem „gründenden Grund". Rahner wendet ein: Also komme ich zu Nichts und das widerspricht ja gerade dem einzelnen Seienden, an dem ich Etwas und nicht Nichts erkenne. „Was ist, ist innerlich notwendig dem Nichtsein entgegengesetzt, und dieser innere, notwendige Gegensatz beruht auf dem Sein als solchem. Das, womit dieser innere, absolute Gegensatz zum Nichtsein gegeben ist, ist der objektive Grund dafür, warum etwas ist, warum etwas so und nicht anders ist. Die innere Notwendigkeit des Satzes vom hinreichenden Grunde wurzelt also in dem Sein als solchem. Konsequent würde jedes Sein geleugnet, würde man den Satz vom hinreichenden Grunde leugnen 89 ." Hören wir gleich, was ein anderer Sdiolastiker gegen diesen Beweisversudi einwendet: „Was ist, kann nicht zugleich nicht sein. Was ihm aber diese Möglichkeit auferlegt, ist schlechterdings nichts anderes als die Tatsache, daß es ist. Denn was existiert, das existiert eben und kann auf Grund begrifflicher Notwendigkeit unmöglich im Sein beharren und zugleich in seinem Sein nicht beharren. Ganz einerlei, ob hinter dem Sosein und Dasein von etwas irgendein objektiver Grund, m.a. W. eine Ursache steht oder nicht, d. h. ganz unabhängig davon, wie etwas Sein hat und wie es zu seinem Sein gekommen ist, wodurch oder warum es in seinem Sein beharrt, kann etwas in eben dem Augenblick unmöglich sein und nicht sein... Das gilt in vollkommen gleicher Weise für das göttliche und das kontingente . . . Sein, und hat mit der ganzen Frage, woher und wie etwas Dasein h a b e n . . . könne, ob dazu ein objektiver Grund, m. a.W. eine Ursache erforderlich sei oder nicht, nicht das Allermindeste zu tun 9 0 ." Wir können sagen: Die Bejahung der realen Endlichkeit eines Seienden fordert als Bedingung ihrer Möglichkeit eben nicht notwendig, wie Rahner angibt, die Bejahung eines esse absolutum als gründenden Grund alles Seienden. Ohne Zweifel ist es denkmöglich, nach einem gründenden Grund zu fragen. Aber ich bekomme im logisdien Schlußverfahren keine zwingende Antwort. Ich kann zwar den logischen Satz vom zureichenden Grunde, der zunächst nur für den Bereich der Erkenntnis gilt und nicht schon ohne weiteres für den ontologischen Bereich des Seins — ich kann diesen logischen Satz vom zureichenden Erkenntnisgrunde zu 89

90

Fr. Sladeczek, Die erkenntniskritisdien Grundlagen des kosmologisdien Gottesbeweises, Stimmen der Zeit 99, 1920. J. Geyser, Erkenntnistheorie, Münster 1922, 255 f.

64

Kritik

dem ontologischen vom zureichenden Seinsgrunde erweitern. Aber ich kann durch kein logisches Argument dazu gezwungen werden. D e n k gesetze müssen nicht notwendig Seinsgesetze sein. Mit anderen W o r t e n : Bei diesem Übergang von der Erkenntnissphäre (ratio cognoscendi) zur Seinssphäre (ratio essendi) erfolgt ein logischer Sprung. Es wird etwas behauptet, was nicht zwingend zu beweisen ist. Eine solche Behauptung sind wir auch gewohnt Postulat zu nennen. Wie wenig übrigens der Satz, daß etwas aus dem Nichts entsteht, absurd ist, oder sagen wir vorsichtiger: widersprüchlich, wie Rahner meint, mag man daraus ersehen, daß ihn andere Denker immer wieder vertreten. „Die Entstehung aus dem Nichts, die Lotze für undenkbar e r k l ä r t . . . ist nichts Rätselhaftes und Abenteuerliches, vielmehr ist sie Faktum und das Alltägliche 9 1 ." Damit ist selbstverständlich nichts über Kerler und sein Buch gesagt. N u r das eine ist deutlich: Ich kann einen Denker, der die Gesetze der Logik beherrscht, eben nicht dazu zwingen, einen Urgrund alles Seienden anzunehmen. U n d wieder wendet sich der schon erwähnte Rahnersatz gegen ihn selbst: Die tiefsten Wahrheiten sind auch die freiesten. W i r müssen noch einen Schritt weiter gehen. Angenommen, es entscheidet sich einer, aus welchen Gründen audi immer, für den S a t z : Alles Seiende hat einen zureichenden Daseinsgrund. Wie gesagt, dieser Satz ist weder streng beweisbar, noch streng widerlegbar. D a m i t ist nun aber noch längst nicht erwiesen, daß dieser Daseinsgrund oder gründende Grund oder „Horizont des Seins" ein esse absolutum sei, in dem Sinn, daß es ein einziger Grund sei. Nennen wir diesen Grund ruhig einmal Gott, wie Rahner es tut. A u f die theologische Problematik dieser Bezeichnung wollen wir in unserem zweiten kritischen Durchgang zurückkommen. Es ist eben gar nicht so selbstverständlich, daß einer, der einen Weltgrund annimmt, „immer schon auf dem Wege zu G o t t ist, ob er es ausdrücklich weiß oder nicht, ob er es will oder nicht, denn er ist immer die unendliche Geöffnetheit des Endlichen für G o t t " · 2 . Es ist merkwürdig, wie Rahner hier etwas so selbstverständlich unterstellen kann, was er doch selbst in seiner Problematik stark empfindet: Die tiefsten Wahrheiten sind auch die freiesten. „Selbst wenn wir feststellen könnten, daß die W e l t eine Wirkung Gottes ist, so können wir doch niemals wissen, ob G o t t die einzige jenseitige Ursache der W e l t i s t . . . Es ist nicht notwendig, eine unendliche Ursache zu setzen, um das Dasein der endlichen Wirkung zu e r k l ä r e n . . . Noch einmal die äußerste U n 91 82

D. Kerler, Weltwille und Wertwille, Leipzig, 1925, S. 85 ff. Rahner, Hörer, 86.

Die logisch-philosophische Bedeutung der Beweise

65

Wahrscheinlichkeit vorausgesetzt, daß man über das Gesamt der jen-

seitigen Weltursachen ins Klare gekommen wäre, so wäre noch immer nicht das Gesamtgeflecht aller möglichen und wirklichen Weltursachen aufgehellt... Weder was letzte Kausalitäten des realen Weltprozesses angeht, noch was die letzten Prinzipien (Kategorien) des Seins der Welt überhaupt betrifft... wissen wir, was die Welt im Innersten zusammenhält. Im Sein der Welt ist das Sein der ersten Ursache (oder: des gründenden Grundes) längst verwischt: es läßt sich nicht mehr sondern, was daran auf Verantwortung Gottes, was auf Verantwortung etwaiger weiterer jenseitiger Ursachen, was auf Verantwortung schließlich tief in der Welt selbst verborgener Gründe und Faktoren geht. Für ein kritisches Denken führt kein W e g . . . eindeutigen und notwendigen Wissens" dorthin 93 . „Es ist ja eine gerade der Religion ungemein geläufige Erwägung, an solche weiteren Weltursachen zu denken. Entweder in der Form eines grundsätzlichen Dualismus, so am berühmtesten in der Zarathustrareligion, oder aber in der gemilderten Form eines Subordinationismus (Teufel, Dämonen), welch letzterer für das Christentum kennzeichnend ist." (ebda.) So problematisch der analogietheologische Schluß auf das „Mehr als gründender Grund" ist, so problematisch ist auch dieser „gründende Grund" selbst für das vernünftige Denken. 5. Ähnlich wie mit dem Beweis vom zureichenden Grunde verhält es sich auch mit dem Kontingenzbeweis. Wir fragen zuerst: Was soll dieser Beweis leisten? Angenommen, die Welt und alles Seiende hat einen Grund, dem es entspringt, so stellt sich die Frage, ob es diesem Grund notwendig oder zufällig entspringt. Ist die Welt und mit ihr das menschliche Dasein notwendig oder zufällig, bzw. frei gesetzt? Alles hängt also für diesen Beweisgang von der logisdien Differenzierung in Notwendigkeit und Zufälligkeit ab. Wir haben bereits gesehen, wie Rahner an die Lösung dieser Aufgabe geht. Menschliches Dasein erfährt sich als zufälliges Dasein. „Der Mensch muß sein Dasein in seiner Kontingenz auf sich nehmen, um menschliches Dasein zu sein... Die erste metaphysische Bejahung einer absoluten Notwendigkeit ist zugleich die Bejahung der menschlichen Zufälligkeit und Geworfenheit 94 ." Es ist nun sehr lehrreich, zu sehen, wie diese Argumentation mittels der Begriffe notwendig-zufällig zunächst einmal dasselbe leistet, was eben die Argu83 94

Wagner, a.a.O., 177 f. Rahner, Hörer, 108.

5 Browarzik, Glauben und Denken

66

Kritik

mentation mit dem Satz vom zureichenden Grunde geleistet hat, nämlich: überhaupt einen gründenden Grund alles Seienden anzunehmen. Wir prüfen also zuerst, was das Beweisverfahren in diesem Punkt ergibt, und erinnern uns an den Satz von J. Hessen, daß der Kontingenzbeweis der ursprünglichste und wesentlichste Gottesbeweis sei. Es mag an dieser Stelle erlaubt sein, einen anderen großen Neuscholastiker zu Wort kommen zu lassen, der den Kontingenzbeweis ausdrücklich dazu benutzt, um überhaupt zu einem gründenden Grund der Welt zu kommen, ganz abgesehen davon, ob dieser Grund frei oder sonstwie gedacht werden muß. „Was existiert, kann, wie selbstverständlich ist, in eben dem Moment, da es existiert, nicht zugleich nidit-existieren, ist also von dem Gegensatzpaar Nichtsein oder Sein für das zweite Glied different 95 ." „Nun fragt es sich, kommt diese Differenzierung für das Sein dem existierenden Gegenstand durch sich selbst oder durch ein anderes Seiendes z u ? . . . Wird der Gegenstand durch ein anderes Seiendes differenziert, d. h. dazu bestimmt, zu existieren, so ist er verursacht. Nun handelt es sich aber um die Frage, ob es denkmöglich sei, daß ein Gegenstand oder eine Eigenschaft, ohne daß sie irgendwie von außen zum Dasein bestimmt würden, beginnen könnten zu existieren... Alles was entsteht oder wird, nachdem es nicht war, kann nicht durch innere Notwendigkeit oder Differenzierung existieren, sondern muß, soweit es allein in Betracht kommt, für Sein oder Nichtsein sich indifferent verhalten, braucht nicht zu existieren... Nun bedeutet es aber einen evidenten Widerspruch, daß ein zu etwas in sich selbst Indifferentes zugleich zu eben diesem Etwas durch sich selbst different sein könnte. Denn der zweite Satz ist das kontradiktorische Gegenteil des ersten. Da aber doch alles, was existiert, different zum Sein ist, so muß es diese Bestimmung anderswoher bekommen haben, d. h. muß verursacht sein. Folglich sind wir logisch genötigt, anzuerkennen, daß alles, was entsteht, in Kraft einer Ursache entsteht." (ebda.) Dieser Gedankengang zeigt noch einmal deutlich, wie man mit dem Kontingenzargument zunächst nur zu einer Ur-Sache kommt und nicht zu einer Ur-Person oder einem Ur-Willen. Der Überschritt von der Sachwelt zur Personwelt, von der Umwelt zur Mitwelt, ist hier noch nicht vollzogen. Das Kontingenzargument leistet also bisher nicht mehr als das Argument vom zureichenden Grunde. Aber auch auf diesem Wege läßt sich der Satz, daß die Welt und alles was ist in der Welt, eine Ursache haben muß, nicht zwingend beweisen. Bei allem Scharfsinn ent95

J. Geyser, Das philosophische Gottesproblem, Bonn 1899, 121 ff.

Die logisch-philosophische Bedeutung der Beweise

67

hält der Beweisgang einen wunden Punkt, den J . Hessen aufgedeckt und treffend widerlegt hat 9 6 . Eigentlich hat D . H u m e schon viel früher das entscheidende Wort gesprochen: „Wir haben vergeblich nach einer Vorstellung von K r a f t oder notwendiger Verknüpfung in allen den Quellen geforscht, denen sie der Vermutung nach entspringen k o n n t e . . . Alle Geschehnisse erscheinen völlig lose und getrennt. Eines folgt auf das andere, niemals aber können wir irgendein Band zwischen ihnen beobachten. Sie erscheinen zusammen (conjoined), aber niemals verknüpft (connected). U n d da man keine Vorstellung haben kann von etwas, was niemals unserer sinnlichen oder unserer inneren Erfahrung sich darstellte, so scheint die notwendige Folgerung die zu sein, daß wir ganz und gar keine Vorstellung von Verknüpfung oder K r a f t besitzen, und daß diese Worte durchaus ohne Sinn sind, wenn sie in philosophischen Erörterungen oder im gewöhnlichen Leben gebraucht werden 9 7 ." Der logische Fehler dabei besteht nicht darin, daß man von einem festgestellten N A C H E I N A N D E R zu einem D U R C H E I N A N D E R fortschreitet, sondern darin, daß man diesen Fortschritt als logische Notwendigkeit und Unvermeidbarkeit angibt. Eben das aber tut Geyser. Ohne Zweifel geht etwas, das entsteht, von dem Zustand des Nichtseins in den des Seins. D a ß aber dieser Übergang überhaupt verursacht sein soll, ist eine Voraussetzung, die nicht bewiesen ist. Erst wenn ich diese Voraussetzung mache, komme ich zu dem gewünschten Ziel. „Geyser setzt also bei der Begründung des Kausalprinzips dieses schon voraus und wendet es an. Er macht das Beweisziel zum Beweisgrund und begeht so den logischen Fehler, den man petitio principii oder auch Zirkelschluß nennt 9 8 ." Der Schluß auf eine Ursache ist nicht zwingend. Rahner aber will an der oben erwähnten Stelle nicht nur auf eine Ur-Sache oder Ur-Grund, sondern auf einen Ur-Willen kommen. Zu diesem Zweck geht er nicht mehr von Einzeldingen, sondern von der menschlichen Person aus. Menschliches Dasein erfährt sich notwendig als kontingent; das ist der Ausgangspunkt. Die notwendige Absolutsetzung des menschlichen Daseins als ein Zufälliges nennt er Wille. „ I m Grunde des Daseins geschieht a l s o . . . die T a t des Willens, d a sich in der Absolutsetzung eines Zufälligen Wille erfährt 9 9 ." 96 97

98 99

5*

Hessen, Kausalprinzip, 106. D. Hume, Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand, Reclam 79, S. 93 ff. Hessen, ebda. Rahner, Hörer, 109.

68

Kritik

Gleich hier am Anfang des Beweisganges wird etwas als notwendig gesetzt, was nicht notwendig gesetzt werden muß. Ohne Zweifel, ich erkenne menschliches Dasein als ein Zufälliges. Aber es ist einfach logisch nicht von der Hand zu weisen, daß diese Erkenntnis eine Täuschung sein kann, die auf der Beschränktheit menschlichen Erkennens beruht. Was mir als zufällig erscheint, muß noch längst nicht in Wirklichkeit zufällig sein. Angenommen, wir könnten alle Hintergründe menschlichen Daseins aufhellen, dann wäre eben durchaus denkbar, daß in dieser Erleuchtung menschliches Dasein als notwendiges sich zeigte100. Die Kontingenz der Welt ist nicht evident. Wiederum beweisen die großen Pantheisten, daß die Welt als eine Wesensentfaltung des Absoluten denkbar bleibt. Unsere Welterkenntnis ist nicht weit und tief genug, um in dieser Hinsicht mit reinem Denken zu einem endgültigen Urteil zu kommen. Wir bestreiten also hier nicht, daß menschliches Dasein als zufälliges erkannt werden könne. Dies bleibt für das kritische Denken eine legitime Möglichkeit. Wir bestreiten nur, daß diese Kontingenz mit Sicherheit erkannt werden kann und verweisen nochmals auf den Rahnersatz: Die tiefsten Wahrheiten sind auch die freiesten. Ist so die Kontingenz als nicht denknotwendig erwiesen, so sind audi alle weiteren Aussagen, die darauf aufbauen, keine denknotwendigen. Also auch nicht die Aussage vom Urgrund als einem „freien, seiner selbst mächtigen Willen". Weil aber dieser Schritt von der Seinswelt zu einer Personwelt für die Rahnerschen Analysen, wie für die ganze alte und neue Analogietheologie so überaus bedeutsam ist, wollen wir ihn eigens erörtern. Es handelt sich bei dem Folgenden um Prüfung des scholastischen Axioms: ens et bonum convertuntur. 6. Dieses Axiom: „ens, verum, bonum convertuntur" 101 hat „von jeher einer streng kritischen Begründung außerordentliche Schwierigkeiten entgegengesetzt. Seine Gegner haben immer wieder — teils mit stichhaltigen, teils mit unzureichenden Argumenten — auf das evidente Auseinanderfallen von ens und bonum im Bereich der inneren und äußeren Erfahrung hingewiesen: wie auch sollte hier lediglich dem bonum der Charakter des Seins zugesprochen werden, dem malum hingegen dieser Chrakter abgeleugnet werden 102 ?" 100

101 102

Hessen, Augustinus und seine Bedeutung für die Gegenwart, Stuttgart 1924, insbes. S. 60 ff. Rahner, Hörer, 126. Wagner, a.a.O., 180.

Die logisch-philosophische Bedeutung der Beweise

69

Rahner sagte: „Es handelt sich jetzt darum, den rechten Begriff von der Gelichtetheit des Seins (oder Gottes) zu gewinnen 1 0 3 ." Anders: Angenommen, die Welt hat eine Ursache, wie ist dann diese Ursache, dieser „gründende Grund", zu verstehen? Es bietet sich an die Idee eines ewig notwendigen Willens, demzufolge die Erfahrung der K o n tingenz eine Täuschung wäre, oder der Gedanke eines absolut zufälligen irrationalen Willensstoßes und die verschiedenen Varianten dieser beiden Möglichkeiten. Wille aber in diesem doppelten Sinn als notwendiger oder blinder Wille wäre nicht frei. „Ein Gott (oder Ur-Wille), der nur wäre ewig, nur aus sich heraus notwendiger Wille (bzw. auch blinder Wille) oder der solcher Wille audi nur primär w ä r e . . . , bliebe von einer universellen Schicksalsmacht nicht unterscheidbar. Die griechische Heimarmene, die mohammedanische Gotteslehre und die entsetzlichen Irrungen Calvins kommen dieser Überspannung der souveränen Willensmacht in Gott häufig nahe 1 0 4 ." „Der Erkenntnisweg, der zu dem christlichen Schöpfergott führt, ist erst dann zu seinem Ziel gekommen, wenn der Wille als freier Personwille erkannt ist." (ebda.) Zu dieser Erkenntnis kommt Rahner, wie wir gesehen haben. Entweder wir stoßen zuletzt auf lauter dunkle Notwendigkeiten oder auf blinden Drang, „in deren Tiefen kein Licht leuchtet", oder aber wir stoßen auf die freie T a t eines Schöpfers, der die Kreatur liebt und darum überhaupt schafft, weil er sie will und darum sie zuletzt will,' weil er sie liebt und darum schließlich sie liebt, weil sie gut ist. „Und siehe, es war alles sehr gut." Wille enthält so die Momente Freiheit und Liebe 1 0 5 . Ohne Zweifel ist das eine großartige Erkenntnis der christlichen Metaphysik oder, wie wir auch sagen können, der Analogietheologie. Und die Sorgfalt, mit der hier begründet und eins aus dem anderen hergeleitet, d. h. also begreifbar wird, verdient unseren höchsten Respekt. Die Erkenntnis, daß die Logik erst in der Logik der Liebe zum Begreifen der letzten und tiefsten Gründe dieser Welt kommt, diese Erkenntnis ist noch längst nicht in ihrer ganzen Bedeutung erfaßt. Und es muß dem Theologen zu denken geben, was ein Philosoph vom Range M. Schelers dazu bemerkt: „Man kann nicht sagen, daß das größte und folgenschwerste Erlebnis des europäischen Menschen, die Erscheinung Christi, sich zu einem ebenso festen ideellen Typus der Verhältnisbestimmung " " Rahner, H ö r e r , 122. 104

Scheler, Vom Ewigen im Mensdien, Leipzig 1923, II. Halbband, S. 205.

105

Rahner, S. 44 ff.

Hörer,

127, cf. auch J.Pieper, Über

den Glauben,

München,

70

Kritik

von Erkenntnis und Liebe verkörpert habe wie die indische und die griechische Erlebnisstruktur. Trotzdem sich gerade die Erlebnisstruktur der Welt, des Nächsten, und allen voran der Gottheit, gerade in diesem Punkt radikaler als je in der Welt, insbesondere weit radikaler noch als der Übergang vom indischen zum griechischen Typus es einschließt, geändert hat, hat die gedankliche und philosophische Ausprägung dieser einzigartigen Revolution des menschlichen Geistes in fast unbegreiflicher Weise versagt. Diese Erscheinung ist freilich nur ein Glied in der noch weit universelleren Tatsache, daß es zu einem philosophischen Weltund Lebensbild, das originär und spontan aus dem christlichen Erlebnis heraus entsprungen wäre, überhaupt niemals oder doch nur in ganz schwachen Ansätzen gekommen ist." (Man mang hier ruhig das in letzter Zeit durch die sogenannte dialektische Theologie in Verruf gekommene Wort „Erlebnis" durch „Offenbarung" ersetzen, um nicht vorschnell und kurzschlüssig Einsichten sich zu verschließen, die ihre Gültigkeit behalten haben.) „ E s gibt in diesem Sinn und gab nie eine christliche Philosophie, sofern man unter diesen Worten nicht, wie üblich, eine griechische Philosophie mit christlichen Ornamenten, sondern ein aus der Wurzel und dem Wesen des christlichen Grunderlebnisses durch selbstdenkerische Betrachtung und Erforschung der Welt entsprungenes Gedankensystem versteht . . . N u r bei Augustin und seiner Schule finden wir starke A n s ä t z e . . . Es gilt nun nicht mehr das griechische Axiom, es sei Liebe eine Bewegung des Niedrigen zum Höheren, des Menschen zum selbst nicht liebenden Gott, des Schlechten zum Besseren, sondern die liebevolle Herablassung des Höheren zum Niederen, Gottes zum Menschen, des Heiligen zum Sünder u s w . . . . Eben dieser Bewegungsumkehr der Liebe (die die Begriffe Eros und Agape kennzeichnen) liegt aber auch eine neue Fundierungsart von Liebe und Erkenntnis und von Wert und Sein zugrunde 1 0 6 ." Wir können in unserem Zusammenhang natürlich nicht näher auf die Fragen eingehen, die damit aufgeworfen und der Theologie aufgegeben sind. Wir sollten nur die analogietheologischen Überlegungen in den großen Rahmen stellen, der ihnen allein angemessen ist. Eines ist klar, und darauf kam es uns ja zunächst a n : Der logische Schritt von einer Ur-Sache zu einer Ur-Person, die liebend schafft, ist nicht zwingend. Es muß von anderswoher dem menschlichen Denken ein Licht leuchten, wenn es nicht bloß Möglichkeiten, sondern Wirklichkeiten erfassen will. Alle diese Beweise, deren einige wenige wir vor106

Scheler, Liebe und Erkenntnis, Dalp Taschenbücher 316, S. 16 ff.

Die logisch-philosophische Bedeutung der Beweise

71

geführt haben, behalten trotz K a n t ihr volles Recht und ihren Sinn, nicht bloß der ontologische. Aber sie setzen eben noch etwas anderes voraus, als die formalen Gesetze der Logik. D a s ist gemeint mit dem Rahnersatz: Die Logik kommt nur in der Logik der Liebe zum Begreifen Gottes. D a s wird ganz deutlich bei der Wesensbestimmung der Liebe im Gegensatz zum Haß. Wir erinnern uns noch einmal an Rahner: „Der Mensch ist somit die Transzendenz auf das absolute Gute, das das absolute Sein, Gott, ist. Dieses absolute Gute ist aber zunächst nicht als Gegenstand, sondern nur als das letzte Woraufhin des Vorgriffs gegeben . . . , es ist nur gegeben als die Bedingung der Möglichkeit der Erfassung eines endlichen Guten 1 0 7 ." Wie steht es nun aber mit dem Bösen? Denn folgerichtig könnte ich auch sagen: Die Bedingung der Möglichkeit der Erfassung eines endlichen Bösen ist das im Vorgriff am endlichen Bösen erfaßte absolute Böse. D a m i t berühren wir wiederum eine der großen Schwierigkeiten der transzendentaltheologischen Konzeption und zugleich jenen Punkt, den die OFFFENBARUNGSTHEOLOGIE zum Ausgangspunkt ihres eigenen Entwurfes macht. Es ist eben äußerst problematisch für ein kritisches Denken, das ohne Offenbarung zu Aussagen über den Grund der Welt kommen will oder muß, ein unendlich gütiges Wesen als einzige Ursadie für eine so fragwürdige Welt zu setzen. „Ein unendlich gütiges Wesen vorausgesetzt, ist es im Gegenteil äußerst wahrscheinlich, daß neben ihm und seinem gütigen Bemühen eine oder mehrere weitere Ursachen stehen, die mit ihrer vermutlich dummen und bösartigen E i g e n a r t . . . maßgebend mitverantwortlich sind 1 0 8 ." D e m Einwand, daß diese Welt durch eine bedenkliche Unvollkommenheit gekennzeichnet sei, die die „abschließende Bilanz trist genug" ausfallen läßt, begegnet, wie gesagt, die Analogietheologie mit ihrem S a t z : ens et bonum convertuntur. Diese Behauptung erreicht wohl eine vertiefte K l ä r u n g des Guten, nicht aber eine ausreichende Bestimmung des Bösen. Sie hat ohne Zweifel einen platonischen Z u g ; was in der Welt übel und böse ist, ist in seiner Realität nicht zu leugnen. Aber es hat keinen Anteil am Sein. D a s malum ist privatio boni und da ens et bonum convertuntur, ist malum auch zu bestimmen als privatio entis. D a s Problem spitzt sich also zu in der fragwürdigen Definition des malum als bloßer privatio boni. Es bleibt die schwerwiegende Frage: Wenn alles, was ist, gut ist, was ist dann das Böse? D a m i t gerät das analogietheologische Denken 107 108

Rahner, Hörer, 128. Wagner, a.a.O., 177.

72

Kritik

in eine unauflösliche Antinomie. Aus der Betrachtung der Welt komme ich nicht zu der Erkenntnis der absoluten Güte des Schöpfers. „ D i e faktische Welt als die beste aller möglichen Welten zu erweisen, gelingt nidit. Versuche eines solchen Erweises werden entweder zu empörenden Platituden, oder sie führen ins Unkontrollierbare: Sie halten angesichts des tatsächlichen Zustandes der Welt nicht stand, sind entweder seicht oder lügnerisch 1 0 9 ." Erst aus dem, was wir Gottes Selbstoffenbarung nennen können, kommt die Erkenntnis der absoluten Güte Gottes. Insofern besteht der Einwand auch katholischer Kritiker der Scholastik durchaus zu Recht, wenn sie sagen: D i e Bestimmung des malum als ens privativum „hat noch nie das Fragen nach dem Übel und nach dem Bösen befriedigt. D a ß Übel Mangel an Seinsvollkommenheit ist, daß es Beraubung eines einem Seienden zukommenden Seinsgehaltes ist, sagt gar nichts aus über die Tatsache der furchtbaren Verheerungen, die auf Grund dieses Mangels angerichtet werden. Die Tatsachen dieses Wirkens sind so aufdringlich, daß sie aus dem Mangel in keiner Weise erklärt werden können 1 1 0 . Oder J . Hessen, der noch konsequenter das Axiom, das die Identität von Sein und Wert behauptet, nicht nur partiell, wie Steinbüchel, sondern total verwirft: „Ein solches Axiom duldet keine Ausnahme. Wenn es angesichts der Tatsache des Übels versagt, dann wird sein Wahrheitsanspruch damit hinfällig. Hier gibt es für ein klares und konsequentes Denken nur ein Entweder — Oder: Entweder bejaht man jenes Axiom, dann muß man den Realitätscharakter des malum vernen. Oder man erkennt diesen an, dann muß man wohl oder übel das Axiom aufgeben 1 1 1 ." Hören wir schließlich noch N . H a r t m a n n : „ E s gibt in der Welt das Unvollkommene, Schlechte, Wertwidrige, es gibt das Böse. Es ist um nichts weniger wirklich als das Vollkommene und Gute. Der Mensch hat daran zu tragen, er kann das Sein des Bösen nicht aus der Welt wegdeuten . . . Es hilft nicht, das Böse für nichtig zu erklären. Man hebt seine Realität damit nicht a u f 1 1 2 . " Wenn wir nun zurückkehren zu unserer anfangs gestellten Frage nach der Wesensbestimmung der Liebe, aus der heraus Gott die Welt schaffen soll, oder nach der Wesensbestimmung des bonum, das mit Gott identisch sein soll, dann müssen wir jetzt folgendes sagen: Beide Begriffe sind für 10> 110

111 112

ebda. 184. Th. Steinbüchel, Die philosophische Grundlegung der katholischen Sittenlehre, II, S. 48. Hessen, Wertlehre, Köln 1948, S. 54. N. Hartmann, Zur Grundlegung der Ontologie, S. 62.

Die logisch-philosophische Bedeutung der Beweise

73

kritisches Denken, das ohne Offenbarung allein mit den Mitteln reinen Denkens -weiterkommen will, ambivalent. Rein logisch kann ich für Liebe auch H a ß setzen und für bonum das malum. Es ist einfach mit Mitteln der Logik allein aus diesem Dilemma nicht herauszukommen. Bonum besagt zuletzt nichts anderes als werthaft und läßt offen, ob es in positiver oder negativer Richtung zu verstehen ist. Desgleichen bedeutet „Liebe" nur ein Streben — ob aus Mangel oder aus Überfluß bleibt hier unerheblich — jedenfalls ein Streben, dessen positive oder negative Richtung in der philosophischen Sphäre nicht mit Sicherheit zu bestimmen ist. Der Mensch muß es von Gott selbst offenbart bekommen, wenn er Klarheit darüber erlangen will. Mit anderen Worten: Nur auf dem Wege des Glaubens, nicht des Wissens können wir Gott als absolut gut und liebend erkennen. „Die Scholastik war sich der religiösen Voraussetzungen ihres Philosophierens nicht oder nur unvollkommen bewußt. Nur so konnte sie glauben, jene Schau des Seins läge noch innerhalb der Philosophie, und konnte so für jenes Axiom eine Evidenz beanspruchen, die es faktisch nicht besitzt 1 1 3 ." 7. Bevor wir zur theologischen Bedeutung der transzendentaltheologischen Reflexion kommen, wollen wir noch abschließend einen Blick auf jene Gedanken werfen, die von der Möglichkeit einer speziellen Offenbarung Gottes handeln. Wir lassen hier die Frage offen, ob diese Gedankengänge neue Wege der Analogietheologie erschließen, die so oder anders bisher noch nicht begangen worden sind. Die Prüfung dieser Frage wäre freilich erforderlich, wollte man T R A N S Z E N D E N T A L T H E O L O G I E umfassend würdigen. N u r können wir sie in unserem Zusammenhang nicht leisten. Unsere Absicht ist bescheidener. Wir prüfen zunächst lediglich die logisch-philosophische Bedeutung der oben dargestellten Analysen. Alles, was in diesem ersten kritischen Durchgang gesagt wurde, bezog sich auf das Sein oder Gott, als die Bedingung der Möglichkeit von Welterkenntnis. All unser Wissen von Gott, wie problematisch oder wie gläubig es sich auch erweisen mochte, all unser Wissen war nur „ein Wissen von Gott in Funktion von Welt und ihrem Bestand" 1 1 4 . Das höchste Ziel aber der transzendentaltheologischen Analysen war der

111

Hessen, Wertlehre, S. 55. Die A r t der Evidenz dieses Axioms und seine Herleitung müßten noch genauer bedacht werden, insbesondere in Auseinandersetzung mit der Schelersdien Fundierungstheorie. Im Text sieht es fast so aus, als gebe es keinen Einwand. Rahner, Hörer, 182.

74

Kritik

Erweis, d a ß Gott über die transzendentalen Bestimmungen hinaus dem Menschen etwas mitteilen oder offenbaren kann, w a s seine Pläne und Absichten mit der Welt und den Menschen betriift. Es fragt sich, wie eine solche, spezifische Offenbarung im R a u m des Menschen zu stehen kommt. Eine sich anbietende Möglichkeit ist, wie gesagt, die, daß der Mensch eine solche Mitteilung auf unmenschliche oder übermenschliche Weise empfängt. Der Mensch würde in der Situation des Offenbarungsempfanges seiner menschlichen Daseinsweise enthoben, „herausgerissen aus seiner Welt und Geschichte". Aber w i r müssen genauer die lehrreichen Ausführungen Rahners zu diesem Punkt bedenken. Die Fülle der angeblichen Offenbarungen und ihr innerweltlicher Widerstreit treibt den Menschen immer wieder in diese Richtung. W i r haben es hier also nicht mit einer willkürlich erdachten Annahme zu tun, sonder mit einer bestimmten Art von Mystik. Möglicherweise getrieben von der Unruhe und Enttäuschung, daß eine begriffliche und darum auch gegenständliche Klärung der Offenbarung nicht gelingt und immer wieder scheitert und andrerseits ermuntert von der Erfahrung, daß sich ein Offenbarungsbezug trotzdem durchhält in dem wechselnden Spiel der Begriffe und Bilder — ich sage möglicherweise so verursacht, entsteht die Annahme, daß „sich Gott grundsätzlich nur im excessus des endlichen Geistes (ohne Vermittlung eines endlichen Gegenstandes, eines endlich vorgestellten Bildes, in dem sich der Gegenstand dem Geist einbildet) erfassen lasse" 115 . „Ein derart mystisches (gewöhnlich nächtig-ekstatisches) Erlebnis, in dem der Mensch in seiner Ekstasis über die Endlichkeit hinaus das Unendliche erfährt, w i r d als ein die Offenbarung im Wort übertreffendes und überholendes Erlebnis betrachtet... Wer so die Unendlichkeit Gottes ekstatisch erfahren zu haben vermeint, dem k a n n . . . ein menschliches W o r t . . . nichts mehr sagen. Die mystische Frömmigkeit, wenn audi nur die einer dunklen Erfahrung Gottes . . . hätte dann eine prophetische Frömmigkeit des geoffenbarten Wortes in seiner geschichtlichen Enge immer schon überholt." (ebda.) Nebenbei sei bemerkt, daß w i r der Ansicht sind, w i e auch Rahner, daß es eine legitime christliche M y s t i k gibt, ohne diese Ansicht hier begründen zu können. Die Kritik an der M y s t i k insbesondere von Seiten der dialektischen Theologie scheint ganz und gar nicht stichhaltig. 115

ebda. 98.

Die logisch-philosophische Bedeutung der Beweise

75

Abgesehen davon gibt es nun aber eine Reihe von Gründen, die die Schwäche dieser eben angedeuteten Mystik anzeigen. Allen voran jener Grund, den keine Art von Mystik abwehren kann und den wir schon eingangs erwähnten: Die Worte gehen dem Menschen aus und er muß verstummen in der Qual, nie etwas von Gott in verbindlichem Gespräch aussagen zu können. Unendliches Spiel der Bilder und Gedanken. Wo der Prophet aber auch immer auftritt, wird er dem Mystiker entgegenhalten: Wo du verstummst, gab mir ein Gott zu reden. Wie nun die Gründe im einzelnen auch aussehen mögen, es gibt keinen zwingenden Grund im Sinn der reinen Logik. Für ein kritisches Denken bleibt beides möglich116. So wenig sie sich beweisen lassen, so wenig lassen sie sich ausschließen. Wenn wir nun weiter nach den Möglichkeiten fragen, wie eine Offenbarung im Raum des Menschen zu stehen kommen kann, dann bleiben noch zwei andere. Beiden ist gemeinsam die Voraussetzung, daß der Mensch, wenn er Offenbarung empfängt, nicht herausgerissen wird aus seinem menschlichen Denken und Handeln. Mit anderen Worten: Er empfängt Offenbarung nicht außerhalb, sondern innerhalb seiner Umund Mitwelt. Oder: Offenbarung trifft ihn als geschichtliches, raumzeitliches Ereignis. Damit allererst wird die Möglichkeit eröffnet, daß er gegenständlich-begrifflich von Offenbarung reden kann und überhaupt zu einem verbindlichen Glaubensgespräch kommt. So muß der Mensch in seiner menschlichen Geschichte, die vergangene Geschichte eingeschlossen, warten auf eine möglicherweise ergehende Offenbarung. Dennoch bleiben hier zwei Möglichkeiten grundsätzlicher Art offen: Ein Weltjenseitiges kommt an einem Weltlichen zur Gegebenheit. Es kann dann nur so zur Gegebenheit kommen, wie gezeigt117, daß es in einem Wort erfaßt wird, in dem ein Weltliches durch Verneinung überstiegen wird. Und womöglich kommt zur via negationis in jedem Fall audi noch die via eminentiae hinzu. Aber immer bleibt dann noch die Frage offen, ob das Weltjenseitige an jedem beliebigen Welthaften zur Gegebenheit kommen kann, oder an einem bestimmten. Und wiederum müssen wir antworten: Rein logisch ist hier nichts Zwingendes zu erreichen. Haben wir eingesehen, daß möglicherweise Heilsgeschichte inmitten der Geschichte geschieht, so sind wir doch nicht weiter gekommen, als bis zu dem Satz: „Alles in der Weltgeschichte geht schwanger mit Ewigkeit 118 117

ebda. 103. ebda. 185 ff.

76

Kritik

und ewigem Leben oder unendlichem Verderben 1 1 8 ." Offenbarung ereignet sich in Begegnung mit Welt und nicht in einem „abgegrenzten Bezirk des Heiligen", (ebda.) Immer kann etwas in dieser Welt transparent für Gott werden. Immer bindet sich Gott an Menschenwort. Aber an welches Wort er sich bindet, das bleibt dann noch immer und allein von der existentiellen Betroffenheit des Einzelnen abhängig. Heilsgeschichte ist dann Glaubensgeschichte und Glaubensgeschichte ist dann die Geschichte der existentiellen Betroffenheit des Menschen von Gott. Der Prophet aber ist dann zuletzt nicht klüger als der Mystiker. Das Betroffensein allein reicht eben ganz und gar nicht aus, um irgendeine Form von Verbindlichkeit zu erreichen. Wieder bleibt alles unendliches Spiel der Bilder und Gedanken. So bestimmt ein kritisches Denken, das ohne Offenbarung denkt, Sinn und Bedeutung, ja sogar Notwendigkeit der Absetzung des Offenbarungsereignisses von den innerweltlichen Ereignissen einsehen mag, und so wünschenswert es ihm auch erscheinen mag, im Hinblick auf die nur so zu erreichende Verbindlichkeit und Verständigungsmöglichkeit, zuletzt ist ihm alles nur Postulat, eine wünschenswerte Möglichkeit, deren Realisierung ausbleibt. Die theologische Auskunft, „Heilsgeschichte und profane Geschichte sind darum unterschieden, weil Gott durch sein Wort ein ganz bestimmtes Stück dieser Profangeschidite.. . von der übrigen Geschichte abgehoben hat, und dadurch zur eigentlichen, amtlichen und ausdrücklichen Heilsgeschichte macht", mag der wohlwollende Kritiker noch hinnehmen, wie gesagt, weil auch er dem unverbindlichen Spiel der Chiffren zu entkommen trachtet 119 . 118

Rahner, Schriften V, S. 117.

118

Rahner, a.a.O., 125 — dazu K. Löwith, Weltgeschichte und Heilsgeschichte, Stuttgart 1 9 5 3 : „Die christliche Behauptung, daß der ganze und einzige Sinn der Geschichte v o r und nach Christus auf dem geschichtlichen Auftreten Jesu Christi beruhe, ist so seltsam und radikal, daß sie das normale historische Bewußtsein alter und neuerer Zeiten nur vor den Kopf stoßen kann. Für einen antiken Philosophen wie Celsus ist die christliche Behauptung lächerlich anmaßend, weil sie einer unbedeutenden Gruppe von Juden und Christen kosmische Bedeutung zuspricht. Für einen modernen Philosophen wie Voltaire ist sie ebenso lächerlich, weil sie eine besondere Geschichte des Heils und der Offenbarung von der weltlichen und allgemeinen Geschichte der Zivilisation ausnimmt. Sowohl Celsus wie Voltaire sind sich des skandalon eines Heilsgeschehens bewußt. Sie hatten deshalb von ihm eine richtigere Auffassung als jene liberalen Theologen, die die harten Tatsachen der sozialen und ökonomischen Geschichte mit geistigen Werten von zweifelhafter Gültigkeit ausschmückten und diese moderne

77

Die theologische Bedeutung der Beweise

D a ß aber das Leben Jesu dieses Stück eigentlicher, ausdrücklicher Heilsgeschichte sein soll, daß die W e l t auf Christus hin entworfen sein soll, (ebda.) davor kann reines Denken nur staunend oder lächelnd verstummen. Abschließend müssen w i r also auch hier sagen: Die Logik kommt nur in der Logik der Liebe zum Begreifen der göttlichen Offenbarung. Die tiefsten Wahrheiten sind auch die freiesten. Genauer: TRANSZENDENTALTHEOLOGIE macht auf ihrem Wege metaphysischer Erkenntnis Sprünge, die wohl logisch möglich, aber nicht notwendig sind. Es entsteht so die Frage, welches die Motive soldier Sprünge sind. Dieser Frage wollen wir in unserem zweiten kritischen Durchgang nachgehen.

Kapitel 7: Die theologische

Bedeutung

der

Beweise

W i r stehen am Ende unseres Weges, auf dem w i r TTRANSZENDENTALzu begreifen suchen und blicken zurück. So sehr f ü r den evangelischen Theologen Theologie etwas anderes ist als Philosophie und Metaphysik, so entschieden sich gerade die bedeutendsten K ö p f e unter ihnen gegen eine Verbindung gesträubt haben, so unüberhörbar sind doch auch die anderen großen Stimmen geblieben 120 , die eindringlich v o r THEOLOGIE

180

Mischung . . . eine christliche Geschichtsdeutung nannten . . . Die christliche Geschichtsdeutung steht und fällt mit der Annahme, daß Jesus der Christus ist. Das heißt mit der Lehre von der Fleischwerdung Gottes." S. 169. — Mit dieser „Lächerlichkeit" hat es der Theologe zuletzt aufzunehmen und zu sehen, daß er das Lachen der Philosophen wenigstens soweit beruhigt, daß sie wieder staunend, wenn auch mißtrauisch aufhorchen. Den Glauben selbst schafft Gott alleine. In dieser Richtung unseres Weges wird uns Pascal ein leuchtenderes Vorbild sein als der sich zerquälende Glaube eines Kierkegaard. Hier müssen wir nun alles schuldig bleiben und auf den zweiten Hauptteil unserer Arbeit verweisen. Ein paar Andeutungen aber seien wenigstens gemacht. (Nicht, daß damit viel gesagt wäre, sondern nur, damit nicht ganz geschwiegen wird): Kamiah hat wohl doch recht, wenn er der protestantischen Theologie aufs Ganze gesehen eine „Ächtung der Vernunft" zum Vorwurf macht, und damit zusammenhängend eine eigentümliche Blindheit gegenüber der eigenen Vernünftigkeit und Wissenschaftlichkeit. (cf. Christentum und Geschichtlichkeit, S. 85 ff.) Mag das Vernünftige auch als das „Verwegene" (cf. F. Overbeck, Über die Christlichkeit unserer heutigen Theologie, Darmstadt 1963, 3. unveränderte Auflage — 1. Aufl. 1873) im Raum christlichen Denkens zu stehen kommen,

78

Kritik

einer Isolation der Theologie warnen. Es mag Zeiten geben, in denen Theologie sich abschließen muß, um sich zu bewahren und neue Kraft zu sammeln. Aber es kommen Zeiten, in denen sie sich ebenso energisch öffnen muß, um nicht zu erstarren und unglaubwürdig zu werden. Auf im Grunde können wir es nicht entbehren, weil wir nichts Besseres haben. Die einen lästern Gott, indem sie die Vernunft ächten und die anderen lästern Gott, indem sie die Vernunft mit Gott verwechseln, oder wenigstens doch mit seiner Offenbarung. Da müssen wir zusehen, wie wir mitten hindurchkommen. Aber nur ein Possenreißer kann denken, daß die Vernunft übersprungen werden kann. Der Bund zwischen christlichem und antikem oder besser: griechischem Denken ist nun einmal seit den Apologeten geschlossen worden und wahrscheinlich sogar viel früher und es steht nicht in unserer Macht, ihn aufzulösen. „Auf den damit gesetzten Spannungen beruht bis heute unser inneres und geistiges Leben." (A. v. Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte, Bd. I, 1886, S. 350.) Vielleicht läßt sich doch wieder zeigen, daß das Vernünftige die christliche Wahrheit gar nicht so verwegen verfälscht, sondern vielmehr bewegend zur Sprache bringt, (cf. Pascals etre ebranle par la raison, zit. bei Overbeck, a.a.O., S. 46.) Auf keinen Fall ist einzusehen, wie man sich von dem griechisch-rationalen Denken in ein hebräisch-geschichtliches Denken flüchten will, wie das in der neueren protestantischen Theologie wieder versucht wird. (cf. J. Moltmanns Buch: Theologie der Hoffnung, München 1964 ,obgleich sich darin auch noch andere Perspektiven finden, die ungeklärt nebeneinanderlaufen.) Es muß dabei bleiben: „Mit dem Gegensatz von ,biblisch-geschichtlichem Denken und griechisch-rationalem läßt sich diese ganze Problematik von Christentum und Antike nun einmal nicht bewältigen" (Kamiah, a.a.O., S. 86 — cf. auch J. Hessen, Piatonismus und Prophetismus, München 1939). Es bleibt in der Tat gerade in unserer heutigen Lage Fichtes Bemerkung neu zu durchdenken: „Nur das Metaphysische, keineswegs das Historische, macht selig. Das Letzte macht nur verständig." (zit. bei H. Scholz, Religionsphilosophie, Berlin 1921, S. 310.) Das so üppig aufgeschossene historische Denken ist Krisendenken, das uns nicht bloß kritisch, sondern auch ratlos macht. Je sorgfältiger wir über Geschichte nachdenken, desto weiter dringen wir bis an ihre Grenze vor, wo das Metaphysische beginnt. Wir haben Grund zu der Annahme, daß aus der wachsenden Gefahr des Historischen das Metaphysische als das Rettende kommt. Was dabei das Metaphysische ist, kann freilich erst durch eingehende theologische Arbeit gezeigt werden. Und es wird sich zuletzt nicht als etwas Neues, sondern Altes zeigen, das verloren gegangen oder im theologischen Gefecht verschüttet worden ist. Eins scheint uns jedenfalls unerläßlich für die künftige Arbeit der Theologie: „Die Menschen müssen erst wieder zur Vernunft gebracht werden, damit sie die Wahrheit des

79

Die theologische Bedeutung der Beweise

die Dauer kann Theologie wohl doch nur so ihren Auftrag erfüllen, daß sie in lebendigem Kontakt mit der Philosophie steht und nicht so, daß sie alle Brücken abbricht und in äußerster Zurückgezogenheit ein selbstgenügsames Leben fristet. W a s das für OFFENBARUNGSTHEOLOGIE bedeu-

tet, muß vorerst dahingestellt bleiben. Was diese Forderung nach lebendigem K o n t a k t für TRANSZENDENTALTHEOLOGIE besagt, steht jetzt

zur Verhandlung. Es ist ja noch lange nicht gesagt, daß eine Theologie, die streng mit philosophischen Mitteln arbeitet und ein Gedankensystem entwirft, in dem ein einziger Begründungszusammenhang von der Logik über die Ontologie bis zur Fundamentaltheologie führt, in lebendigem Kontakt mit der Philosophie steht. Ganz im Gegenteil ist es ja gerade auch zwischen TRANSZENDENTALTHEOLOGIE und neuzeitlicher Philosophie

zu einer tiefgreifenden Entfremdung gekommen. Man spart nicht mit Verdikten auf beiden Seiten und ist oft weit davon entfernt, sich ernst zu nehmen. Es ist bekannt, wie die katholische Kirche, von der Wohlgegründetheit der Analogiekonzeption überzeugt, jede Philosophie als irrig bekämpft, die nicht in der Lage ist, ihre Glaubensgegenstände nicht nur als denkmöglich, sondern als denknotwendig zu erweisen. Immer noch wird jede Art von Philosophie verworfen, die nicht zu leisten vermag, was die Kirche von ihr erwartet 1 2 1 . Wenn man aber derart die Freiheit der philosophischen Forschung einschränkt, ist es kein Wunder, daß eine erst einmal selbständig und mündig gewordene Philosophie Gottes

Gottheit

offenbarenden

Geschehens

audi wirklich

wahrnehmen.

Denn dieser Wahrheit, so evident sie v o n sich aus ist und so sehr sie als evident audi dargetan werden kann — sonst w ü r d e der Glauben bodenlos — dieser W a h r h e i t stehen die Vorurteile entgegen, in denen die Menschen alltäglich befangen sind . . . D e r K a m p f u m den christlichen Glauben seit der Aufklärung läßt sich vermutlich beschreiben als der Streit u m die Frage, ob der christliche Glaube wahrhaft Glaube oder nicht

vielmehr

Aberglaube sei." (W. Pannenberg, Theol. Lit. Zeitung, 1963, N u m m e r 2, S. 88 f.) 121

H i e r m ü ß t e der berühmte Satz sorgfältig interpretiert und analysiert werden: eadem sancta m a t e r Ecclesia tenet et docet, D e u m r e r u m o m n i u m principium

et

finem

naturali humanae rationis lumine e rebus

creatis

certe cognosci posse. (Denzinger 1785) Denn m i t dem certe cognosci kann der Theologe natürlich auch unlautere Geschäfte machen. Was heißt denn nun certe, wenn m a n dieses W ö r t l e i n in das Spannungsfeld v o n securitas und fiducia gerissen sieht. U n d was heißt cognosci, wenn m a n den K a m p f v o n Vernunft und Glauben, v o n Überzeugung und U n t e r w e r f u n g , kennengelernt hat?

80

Kritik

unbekümmert um die theologischen Widersacher getrost ihre eigenen Wege geht. So kommt es zu der höchst betrüblichen Lage, daß die Theologen Antworten geben, für die die Philosophen gar keinen Sinn mehr haben und die Philosophen Fragen stellen, denen die Theologen hilflos gegenüberstehen. Die Brücken sind abgebrochen und müssen erst wieder neu gebaut werden von beiden Seiten. D a z u ist es freilich zu wenig, wenn die Theologen lediglich beobachten, was auf der anderen Seite vor sich geht, um dann als streitbare Apologeten dreinzuschlagen, oder als trickreiche Spitzbuben, die lausbübisch den neuesten philosophischen J a r g o n sich angeeignet haben, um ihre alte Ware in neuer Verpakkung an den Mann zu bringen. Entweder es kommt ein ernsthafter Austausch zustande, oder es vertieft sich die Kluft. Dieser Austausch kann selbstverständlich an vielen Stellen erfolgen, ja muß es sogar. Der Theologe, der es immer auch mit der Heiligen Schrift zu tun hat, wird sich Rechenschaft über seine Interpretationsregeln so ablegen müssen, daß er nicht einfach theologisch drauflos interpretiert, sondern die Beziehungen zwischen seinem und dem nichtheologischen Interpretationsverfahren klärt. So erst kann er sich ja allgemein verständlich machen, wenn freilich längst noch nicht allgemein überzeugen. U n d was so die theologische Exegese leisten muß, hat auf seine Weise auch der kirchliche oder theologische Historiker und Pädagoge zu leisten. Aber ebenso ist es die dringliche Aufgabe des theologischen Systematikers, als des eigentlichen theologischen Grundlagenforschers, die Gültigkeit des theologischen Denkens zu erweisen in Auseinandersetzung mit dem vernünftigen Denken überhaupt. Es sieht so aus, daß im R a u m evangelischer Theologie diese Arbeit in den letzten Jahrzehnten erheblich vernachlässigt wurde, zugunsten der exegetischen und historischen Anstrengungen. Man denke nur an die doch recht schmalspurigen Auseinandersetzungen mit der Existenzphilosophie und das beinahe gänzliche Außerachtlassen der anderen philosophischen Strömungen, wie der Phänomenologie oder der neueren Ontologie N . H a r t manns oder der neueren Transzendentalphilosophie, ganz zu schweigen von der mathematischen Logik bei Rüssel und Wittgenstein u. a. Diese theologische Isolation legt doch den Schluß nahe, daß die Theologie sich ihrer universalen Bedeutung nicht recht bewußt ist. U n d wenn einer besorgt einwenden wollte, die Theologie ist deswegen zu diesem universalen K o n t a k t nicht fähig, weil sie erst einmal im eigenen Lager Ruhe und Ordnung schaffen muß zwischen den hartnäckig das Alte bewahrenden Fundamentalisten und den tollkühn Neues erfindenden Liberalen,

Die theologische Bedeutung der Beweise

81

so scheint uns das gerade das Allerfragwürdigste zu sein. Wie will man dabei weiterkommen ohne einen lebendigen Kontakt mit der ganzen Philosophie? Doch kehren wir nach diesen einleitenden Überlegungen zu unserer Aufgabe zurück. Wir haben in der Analogietheologie eine Theologie kennengelernt, der es in hervorragendem Maß um diesen Kontakt mit dem vernünftigen Denken im weitesten Sinn zu tun ist. Sie untersucht, wie problematisch auch immer, jedenfalls doch in beispielhafter Weise die Gültigkeit theologischen Denkens in der Auseinandersetzung mit der Gültigkeit vernünftigen Denkens überhaupt. Und was sie auf diese Weise in streng begrifflicher Arbeit gewinnt, das kann keiner Art und Richtung von Theologie gleichgültig sein. Wir wollen nun in einem ersten Abschnitt die theologische Problematik des transzendentaltheologischen Denkens präzisieren. In einem zweiten Abschnitt wird dann noch ein Wort zu der theologischen Bedeutung zu sagen sein. Mit anderen Worten: Wie menschliches Denken auf Gott zielt, ohne ihn zu erreichen, ist zuerst einzusehen. Wie der christliche Glaube bei Gott ist, ohne ihn doch denken zu können, ist das zweite, was klar werden muß. 1. Gehen wir noch einmal von einigen markanten Rahnersätzen aus. In jeder begrifflichen Erkenntnis ist implizit schon immer und notwendig Gott miterkannt. „Der Mensch hört kraft seines Wesens als Geist immer und wesentlich eine Offenbarung Gottes 122 ." „Inmitten der Transzendenz des endlichen Geistes begibt sich eine Liebe zu G o t t . . . Die Liebe zu Gott ist nicht etwas, das bloß nachträglich zu seiner Erkenntnis hinzukommt, je nachdem sie sich einstellen kann oder nicht, sondern ist als inneres Moment der Erkenntnis ebensosehr ihre Bedingung und ihr Grund." „Die Liebe zu Gott geschieht im Grunde des menschlichen Daseins notwendig 123 ." Immer wieder das gleiche Phänomen: Menschliches Denken stößt in seiner eigenen Dynamik bis zu Gott selbst vor. Die Frage ist unausbleiblich: Wie kommt es aber dann dazu, daß diese Beweise, die doch nicht schwieriger und verwickelter sind als so viele mathematische Beweise, dennoch für so viele Menschen ohne jede Überzeugungskraft sind. Wenn Rahner und die Analogietheologen darauf antworten, daß diese Beweise den persönlichen Einsatz verlangen, der ihnen allererst die letzte Kraft verleiht, so spitzt sich die Frage zu: Warum setzen sich diese Menschen dann aber nicht in dieser Weise ein? Es bleibt nur 122 123

Rahner, Hörer, 116. ebda. 129.

6 B r o w a r z i k , Glauben und D e n k e n

82

Kritik

eine sinnvolle Antwort, die die konsequenten Vertreter dieser Theologie audi in der Tat immer wieder geben: Die Beweise sind klar und evident, aber der sündige Wille des Menschen sträubt sich gegen ihre Annahme. Aber dieser Vorwurf eines sündigen Willens zum Atheismus oder Pantheismus „ist nicht weit entfernt vom Charakter leichtsinniger Verleumdung" 1 2 4 . So weit wir auch davon entfernt sein möchten, den radikalen und universalen Charakter der Sünde zu verkennen und also intellektuelle Sünden grundsätzlich zugeben, so entschieden müssen wir den Vorwurf an dieser Stelle zurückweisen. Wenn die Kraft eines Beweises vom persönlichen Einsatz abhängt, dann kann man eben die zwingende Kraft dieses Beweises nicht länger behaupten. Es ist eben nicht Dummheit und auch nicht böser Wille allein, die den vorgeführten Beweisen die Anerkennung versagen. Freilich, wenn es nur diese beiden Möglichkeiten gebe, dann behielten die Beweise ihren ganzen Glanz und niemand könnte ihnen etwas anhaben, da kein redlicher Denker auf die Dauer dumm oder bösen Willens bleiben würde. Aber es gibt eine dritte Möglichkeit: Die Beweise selbst haben keine zwingende Kraft. Diese dritte Möglichkeit aber ist die eigentliche und entscheidende. Gebe es nur ungläubige Denker, die die Kraft der analogietheologischen Beweise leugneten, dann hätte diese dritte Möglichkeit noch nicht allzuviel voraus vor den anderen. Aber so ist es keinesfalls. T R A N S Z E N D E N T A L T H E O L O G I E muß ihre Behauptung von der zwingenden Kraft der Beweise aufgeben, weil sie von glaubenden Denkern selbst in Frage gestellt wird. Wir erwähnen nur einen von vielen, der freilich die Einwände mit bewunderungswürdiger Kraft vorgetragen hat 1 2 5 . Newman sagt: „Die Menschen werden persönlich, wenn die Logik am Ende ist. Ich antworte geradeheraus, daß ich nicht durch einen eleganten Syllogismus bekehrt werden möchte... Wer keine religiöse Inbrunst hat, (der dialektische Theologe mag hier ruhig seinen Mißmut und Unbehagen gegen diesen Ausdruck überwinden und statt „religiöse Inbrunst" einmal ruhig „Glauben" zu sagen wagen) ist Tag für Tag irgendeinem neuen Argument oder einer neuen Tatsache ausgeliefert, die ihn zugunsten des einen oder anderen Schlusses überrumpeln möchten. Darum hat die Wissenschaft so wenig von religiöser Tendenz. Deduktionen haben keine Überzeugungskraft. Das Herz wird gemeinhin nicht durch den Verstand erreicht... Sagen, ein Ding müsse sein, heißt eingestehen, es könne auch wohl nicht sein. 124 125

Stheler, V o m Ewigen, 300. H . Newman, Entwurf einer Zustimmungslehre, Mainz 1961.

Die theologische Bedeutung der Beweise

83

Niemand, sage ich, will für seine eigenen Berechnungen sterben... Ich habe also kein Vertrauen zu Philosophen, die nun eben einmal nicht anders können, als religiös sein, und Christen sind durch Implikation. Sie sitzen zu Hause und reichen in Fernen, die uns verblüffen. Aber sie treffen, ohne zu packen und sind zuweilen gegenüber Schatten ebenso zuversichtlich wie gegenüber Wirklichkeiten... Das Leben ist nicht lang genug für eine Religion aus Folgerungen. Wir werden nicht einmal mit dem Anfang fertig werden, wenn wir uns entschließen, mit einem Beweis anzufangen. Wir werden nur immerzu unsere Fundamente legen. Wir werden aus der Theologie eine Apologetik (evidences) machen und aus Geistlichen Textvergleicher. Entschließe dich nichts zu glauben, und du mußt deinen Beweis beweisen und deine Anfangsgründe analysieren, tiefer und tiefer sinken, bis du in den weiten Schoß des Skeptizismus gelangst. Ich möchte lieber die Aufgabe haben, die Vernünftigkeit der Annahme zu verteidigen, das Christentum sei wahr, als eine sittliche Weltregierung aus der physischen Welt zu beweisen. Wenn wir für jedes Ding auf einem Beweis bestehen, werden wir niemals zum Handeln kommen: Um zu handeln muß man etwas voraussetzen, etwas annehmen, und diese Annahme ist der Glaube (faith)... So gut ist das praktisch zu allen Zeiten verstanden worden, daß bis jetzt keine Religion eine Religion der Naturwissenschaften oder der Philosophie gewesen ist. Sie ist immer gleichbedeutend gewesen mit Offenbarung. Sie ist niemals eine Deduktion gewesen aus dem, was wir wissen. Sie ist immer eine Behauptung gewesen dessen, was wir glauben sollen. Niemals lebte sie in einer Schlußfolgerung, immer ist sie eine Botschaft gewesen, eine Geschichte oder eine Vision... Mose wurde nicht angewiesen, aus der Schöpfung Schlüsse zu ziehen, sondern Wunder zu tun. Das Christentum ist eine übernatürliche, nahezu dramatische Geschichte: Es erzählt uns, was sein Schöpfer ist, indem es uns erzählt, was Er getan hat... 1 2 6 ." Selbstverständlich haben wir nicht vor, uns im einzelnen mit dem Kardinal H. Newman auseinanderzusetzen, so sehr sich das auch lohnen würde. Wir wollten nur eine große katholische Autorität anführen als Beweis für die Richtigkeit oder wenigstens Gewichtigkeit unserer eigenen Beobachtungen. Die Logik kommt nur in der Logik der Liebe zum Begreifen der tiefsten Wahrheiten. Und die tiefsten Wahrheiten sind auch die freiesten. So hörten wir bei Rahner. Wir haben schließlich in unserem kritischen Durchgang eine durchgehende Bestätigung dieser Sätze gefunden und zugleich einen tiefen Zwiespalt im Denken dieses Theologen. 128



ebda. S. 64 ff.

84

Kritik

Denn so sehr er dies betont, was wir eben nannten, und damit gewiß über Thomas hinausgeht, wie er selbst sagt, eben so sehr hält er aber daran fest, daß seine metaphysischen Schlüsse von zwingender Logik seien. Dabei übersieht er die Grenze rationaler Sdxlußweise und die Wahrheit des Satzes von Newman: Die Menschen werden persönlich, wenn die Logik am Ende ist. Dieses „am Ende" meint natürlich nicht restlos am Ende, sondern am Ende mit ihrer zwingenden Kraft. Das zeigt sich noch einmal überaus deutlich an einem analogietheologischen Schluß, den Rahner und die Scholastiker überhaupt, einfach vollziehen, ohne ihn ausreichend zu begründen. Er scheint ihnen selbstverständlich und ist es doch keineswegs. Ich meine jenen Schluß, den schon Pascal heftig kritisiert hat, den Schluß von dem Gott der Philosophen zu dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Mit anderen Worten: Die Identifikation der Idee eines Gottes, die sich aus reinem Denken begründet ergab, mit der Wirklichkeit Gottes, die sich dem Menschen durch Offenbarung erschließt, ist problematisch und nicht selbstverständlich. Scheler sagt: „Der Gott der Religion und der Weltgrund der Metaphysik mögen realidentisch sein, als intentionale Gegenstände sind sie wesensverschieden 127 ." Der Ungläubige wird sich immer mit guten Gründen dieser Identifikation widersetzen. Die Idee eines liebenden Gottes erschließen heißt eben noch lange nicht, Gott lieben. Der Weg des reinen Denkens führt nicht von sich aus zu dem Gott der christlichen Offenbarung. Damit kommen wir zu dem entscheidenden Punkt der theologischen Problematik jeder Analogietheologie und also jeder Theologie, die von Welt ausgehend Gott erreichen will. So großartig und, wie wir noch zeigen werden 1 2 8 , auch notwendig dieser Weg ist, so dunkel und verworren ist er, wenn nicht das Licht des Glaubens leuchtet. Nur weil der Analogietheologe wirklich auch Theologe ist und Glaube wie Offenbarung voraussetzt, kommt er zu dem ihm so sicher und notwendig erscheinenden Erkenntnisziel. Es ist also eine doppelte Richtung in diesem Denken zu unterscheiden: Eine Richtung von dem sich offenbarenden Gott auf Welt her und eine andere von Welt auf den sich offenbarenden Gott hin. Wenn wir die erste Richtung oder audi Dynamik theologisch nennen, und die zweite philosophisch im weitesten Sinn des

127

Scheler, Vom Ewigen, 49.

128

Die Auseinandersetzung mit der Kritischen OFFENBARUNGSTHEOLOGIE im 2. Hauptteil.

Die theologische Bedeutung der Beweise

85

Wortes, dann müssen wir sagen: Die vielen problematischen Schritte, die der christliche Philosoph macht und die allesamt, wie wir gezeigt haben, wohl denkmöglich und sinnvoll, aber nicht denknotwendig und einzig möglich sind, diese Schritte des Denkens kann er nur wagen, weil er zugleich auch Theologe ist und von der Offenbarung Gottes herkommt. Wie logisch sich dieses Denken auch immer erweist, konstitutiv ist nicht das Denken, sondern der Glaube. TRANSZENDENTALTHEOLOGIE ist und bleibt gläubige Philosophie. Alles, was sie setzt, bleibt für kritisches Denken Hypothese oder Postulat. Machen wir uns das klar an dem scholastischen Axiom: Cum enim gratia non tollat naturam, sed perficiat 129 . Nehmen wir den Bereich der natura als den Bereich des philosophischen, vernünftigen Denkens ohne Offenbarung und den Bereich der gratia als den des theologischen Denkens mit Offenbarung. Dann können wir das Verhältnis dieser beiden Bereiche folgendermaßen bestimmen: Die Gesetze vernünftigen Denkens werden nicht aufgehoben. Was der Theologe erschließt, ist nicht unvernünftig oder widervernünftig oder absurd. Der Philosoph kann es denkend mitvollziehen. Und beide können sehr wohl voneinander lernen, was die Folgerichtigkeit und Sauberkeit des Denkens angeht. Beide können sich in gewissem Sinn auf den Satz einigen: gratia non tollit naturam. Aber nicht einigen können sie sich über den Zusatz: sed perficit. Wo der Philosoph staunend oder auch nur fragend vor vielen Wegen steht, oder wenigstens vor einigen wenigen, da schlägt der Theologe entschlossen einen einzigen ein und behauptet, das sei der richtige. Was der Theologe als Vollendung ansieht, das erscheint dem Philosophen als Willkür, als Sprung, der wohl begründet, aber nicht notwendig ist. Wo das Licht des Glaubens nicht leuchtet, tappt das Denken im Ungewissen. Damit haben wir zwar nicht umfassend, aber wenigstens doch grundsätzlich jenen anfangs aufgestellten Satz entfaltet: Das menschliche Denken zielt auf Gott, aber kann ihn von sich aus nicht erreichen. Der Mensch stellt die Frage nach Gott, aber findet keine gültige Antwort. 2 . Das eben Entwickelte weist TRANSZENDENTALTHEOLOGIE in ihre Schranken. Es bleibt uns noch die mindestens ebenso wichtige Aufgabe, die theologische Bedeutung dieses Denkens zu erkennen. Wenn wir die heftige Kritik bedenken, der diese Theologie in den letzten Jahrhun129

Thomas, S. Th. I, qla 8 ad 2 — cf. dazu auch die schönen Erwägungen J.Piepers: „Hinführung zu Thomas von Aquin" und „Thomas von Aquin — Das Wort", erschienen bei Kösel, München.

86

Kritik

derten von Seiten der theologischen Forschung selbst ausgesetzt war, so mag einem diese Aufgabe sogar als die vordringlichere erscheinen. Wenn sie sogar als unchristlich abgelehnt wurde, dann ist es über die Maßen verwunderlich, daß redliche und gläubige Theologen, die keineswegs das Denken verlernt haben, nicht längst von ihr abgekommen sind. Und wenn wir vorhin es abgelehnt haben, kritischen Philosophen, welcher Richtung auch immer, sündigen Willen vorzuwerfen, dann ist es nur billig, wenn wir hier gegenüber dem TRANSZENDENTALTHEOLOGEN das gleiche tun. Der Vorwurf sündigen Willens ist einfach eine Verleumdung. Man kann unter dieser Voraussetzung wohl uferlose Polemik treiben, aber nie und nimmer zu einem sinnvollen Gespräch kommen. Am Ende bieten wir der Welt nur das peinliche Schauspiel eines endlosen Haders. Wenn wir kritischen Philosophen Ernst und Redlichkeit des Denkens zugestehen müssen, dann müssen wir es ebenso andersdenkenden Theologen zugestehen. Der Wert transzendentaltheologischen Denkens wird freilch erst klar und deutlich zu Tage kommen, wenn wir uns ausdrücklich und eingehend mit dem großen Opponenten, dem OFFENBARUNGSTHEOLOGEN beschäftigen. Hier mögen wenigstens einige grundlegende Überlegungen angestellt werden, die sich aus dem Vorhergehenden ergeben. Wir haben eine doppelte Richtung im analogietheologischen Denken festgestellt. Wir haben aber bisher nur eingesehen, warum die Richtung von Offenbarung auf Welt hin notwendig ist. Offen blieb die Frage, warum die Richtung von Welt auf Gottes Offenbarung hin notwendig ist. Wenn Glaube in einem Sprung bei Gott ist, warum kann er sich dann nidit konsequent seinen Weg im Denken von Gott auf Welt hin bahnen? Warum springt er zurück in Welt, um von da noch einmal anzufangen? Und wenn das auch denkbar ist, bleibt doch die Frage, was das für einen Sinn oder Wert hat. Erst wenn wir diese Frage beantwortet haben, ist unser vorläufiges Ziel erreicht. Sehen wir zu. Der Glaube ist bei Gott, aber wie soll er Gott denken? Der Mensch ist Gott begegnet, aber wie soll er sich Rechenschaft ablegen über diese Begegnung in seinem Denken? Gott hat sich den Menschen offenbart, aber wie soll der Mensch diese Offenbarung sich selbst und anderen verständlich machen? Die Auskunft, das tut Gott selbst, das muß nicht die Sorge der Menschen sein, reidit nidit aus. Denn daß Gott es tut, ist gar nicht strittig. Wir wollen wissen, wie er es tut. Mit anderen Worten: Wir fragen, wie Offenbarung im Raum des vernünftigen Denkens zu stehen kommt. Noch genauer: Wir fragen, wie ganz allgemein oder sagen wir:

Die theologische Bedeutung der Beweise

87

formal die Offenbarungsaussage noch vor jeder Vereinzelung und Differenzierung mit dem vernünftigen Denken zusammenhängt. Was wir so allgemein bestimmen wollen, muß sich dann freilich, wenn es richtig ist, an jedem Besonderen zeigen und bestätigen. Auf unsere Frage gibt es grundsätzlich zwei mögliche Antworten. Die Offenbarungsaussage kann im menschlichen Denken isoliert dastehen. Herausgerissen aus dem Zusammenhang vernünftigen Denkens wird sie einfach dogmatisch behauptet mit dem Ansinnen: Vogel friß oder stirb 130 . Dieser Weg ist in der Tat immer wieder eingeschlagen worden und hat schon bei Tertullian seine treffende Charakteristik erhalten: Credo, quia absurdum est. Es ist auch zuletzt nicht einzusehen, warum die Theologen auf diesem Wege sich nicht zu ganz absurden Behauptungen versteigen sollen. Denn was für menschliches Denken gänzlich widersinnig ist, kann ja trotzdem von Gott ausgedacht und den Menschen zu ihrem ewigen Heil mitgeteilt worden sein, so, daß sie es nun einfach annehmen und sich demütig darunter beugen müssen. Glauben wäre eben dann ein intellectus sacrificium im wahrsten Sinn des Wortes und man kann sich in einem gewissen Sinn keinen demütigeren Glauben als diesen vorstellen. Glauben steht so wirklich mit leeren Händen vor Gott, ausgehöhlt und leergemacht von allem Irdischen, empfängt er das Himmlische. Aber wahrhaftig nicht bloß in „getroster Verzweiflung", wie K. Barth einmal sagt131. Wenn man erst diesen Weg beschritten hat, muß man auch mit einer getrosten Zuversicht rechnen, die nicht selten in der christlichen Kirche an die Grenze des Übermütigen geriet, wo der Mensch zwar immer noch demütig vor Gott, stolz aber gegen die Welt geworden ist, weil er alle irdischen Schalen abgelegt zu haben wähnt. Vor allem aber muß man auf diesem Weg mit einer trostlosen Verzweiflung rechnen. Wird das gläubige Verstehen ernsthaft vom vernünftigen Begreifen isoliert, dann gibt es eben keinen Kontakt mehr, sondern nur noch Bruch und Abbruch. Und die vage theologische Auskunft, der Glaube nimmt sehr wohl Kontakt mit der Vernunft auf, indem er sie wandelt und erneuert, führt nicht weiter. Wenn die Vernunft erst sterben muß, darf man redlicherweise nicht mehr von einem Kontakt sprechen. Wir müssen es uns hier versagen, theologische Beispiele zu bringen, da es uns auf das Grundsätzliche und Typische ankommt. Eine Oppo130

131

cf. den lehrreichen Brief D. Bonhoeffers in: Widerstand und Ergebung, München 1954, S. 183 ff. K. Barth, K D IV, 1, S. 710, Zürich 1953.

88

Kritik

sitionstheologie oder Gerichtstheologie, wie sie eben sich abzeichnete, muß nun keineswegs notwendig in offenen Widerstreit mit dem vernünftigen Denken geraten. Das ist nur der eine, wenn auch konsequenteste Weg. Wir wollen die andere Möglichkeit wenigstens noch andeuten. Glaube könnte sich so von Vernunft im Sinne philosophischen Denkens ohne Offenbarung abschließen, daß es ihm auf ein streng begriffliches Denken gar nicht mehr ankommt. Offenbarungsaussagen sind dann nicht streng begriffliche Aussagen, woran eine Oppositionstheologie im ersten Sinn immer noch festhält. Offenbarungsaussagen sind dann nur freischwebende Ausdruckversuche eines frommen Gefühlszustandes ohne Anspruch auf streng gültige Erkenntnis. Glaube gründet in vom übrigen Geistesleben gänzlich isolierten „Intuitionen" und „Erlebnissen" 1 3 2 , die sich einer streng begrifflichen Fixierung widersetzen. Offenbarungsaussagen, wie sie in den Dogmen der Kirche enthalten sind, sind dann eben nur „freischwebende Äußerungen und Ausdrucksversuche des Gefühls, die nicht ungebührlich in den Mittelpunkt des religiösen Interesses gerückt werden dürfen, den doch nur eines einnehmen darf: das Gotteserlebnis selbst" 1 3 8 . Inwiefern und wieweit die ganze neuprotestantische Theologie diesen Weg eingeschlagen hat, von Schleiermacher angefangen über Ritschel bis W. Herrmann, muß hier dahingestellt bleiben. Theologische Aussagen sind dann aber in letzter Konsequenz nicht mehr wissenschaftliche Aussagen, sondern künstlerische. Der Theologe ist dann dem Dichter verwandt, der ja auch Wahrheit erkennt und aussagt, aber nicht in streng begrifflicher Anstrengung, sondern in künstlerischer Anschauung. Wir können in unserem Zusammenhang diesen überaus lehrreichen Aspekt theologischer Arbeit leider nur andeuten. Bevor wir die theologische Bedeutung der Analogietheologie näher ins Auge fassen, müssen wir noch einen Irrtum zurückweisen, der sich in die bisherigen Erörterungen leicht einschleichen könnte. Wenn Glaube isoliert im menschlichen Denken zu stehen kommt, könnte man auf den 132

Hier müßte natürlich eine viel genauere Auseinandersetzung mit

dem

erfolgen, was man Erlebnis- oder Erfahrungstheologie nennen kann. U n d dieses Unternehmen wäre gar nicht freizuhalten von einer gründlichen Erörterung der Lebensphilosophie und wohl auch Phänomenologie, cf. zum Begriff des Lebens in der neueren Philosophie H . G. Gadamer, Wahrheit und Methode, Tübingen 1965, 2. Aufl., S. 229 ff. 133

R . Otto, Das Heilige — Ü b e r das Irrationale in der Idee des Göttlichen und sein Verhältnis zum Rationalen, S. 179.

2 3 . — 2 5 . Auflage, München

1936,

Die theologische Bedeutung der Beweise

89

Gedanken kommen, daß dieser Glaube überhaupt kein theoretisches Bewußtsein, sondern ein praktisches ist. Er erkennt gar nicht metaphysische Tatbestände irgendwelcher Art, sondern Wertverhältnisse. Der Theologe ist nicht Metaphysiker, sondern Ethiker, nicht Ontologe, sondern Axiologe 1 3 4 . Angenommen, es verhält sich in Wahrheit so, dann ist wenigstens das eine leidit einzusehen: Der theologische Axiologe ist nicht besser dran, als der theologische Ontologe. Er steht vielmehr vor der gleichen Aufgabe, das Verhältnis seiner theologischen Wertwelt zu der philosophischen zu bestimmen. Und so problematisdi Gott als das höchste Sein für ein kritisches Denken bleibt, so problematisch ist auch Gott als oberster Wert. So schwierig es ist, Gott als das höchste Sein zu erweisen, so schwierig ist es auch, Heiligkeit als den obersten Wert zu erweisen. „Die Wahrheit ist die, daß zwischen Ethos und Heiligkeit dasselbe Verhältnis besteht, wie zwischen Diesseits und Jenseits. So wie die Religion mit ihrem Jenseitsgedanken den Begriff der Wirklichkeit unrettbar spaltet, so spaltet sie auch das praktische Ideal. Ohne sie gebe es nur das ethische Hochziel, dank ihrer gibt es audi das Hochziel der Heiligkeit 1 3 5 ." Das muß freilich hier Behauptung bleiben. Einen strengen Nachweis bleiben wir schuldig. W e n d e n w i r u n s n u n d e r TRANSZENDENTALTHEOLOGIE z u , d i e nach

den zuletzt gemachten Überlegungen sowohl eine Ontologie wie eine Axiologie einschließen kann. Ihr Ziel ist es, das „credo ut intelligam" zu erweisen und das „credo, quia absurdum" zu widerlegen. Dieses Ziel ist in dem Moment erreicht, wo ihr der Nachweis gelingt, daß die Offenbarungsaussage, ganz gleich welcher Art, ob ontologisch oder axiologisch, denkmöglich, wenn auch nicht denknotwendig ist. Wenn wir aber an unseren darstellenden Teil zurückdenken, so müssen wir sagen: Dieser Nachweis ist gelungen. Nirgends ist eine Aussage von Gott denkunmöglich. Wir können weiter sagen: Nirgends wird vernünftiges Denken in seiner kraftvollen Strenge so ernst genommen wie von dieser Theologie. Der Weg von Mensch zu Gott erscheint als der einzig mögliche, nicht nur, um vernünftiges Denken ernst zu nehmen, sondern auch, um Offenbarungsaussagen überhaupt machen zu können, die von einem kritischen Denken ernst genommen werden wollen. Wir haben ja Dabei denken wir vor allem an Ritsehl, ohne in diesem Zusammenhang die Behauptung begründen zu können. 135 Wagner, a.a.O., 69 — Zu dem ganzen Problem auch Scheler: „Ein Gelten, das nicht das Gelten eines Wirklichen wäre, ist u n d e n k b a r . " Die transzendentale und die psychologische Methode, Leipzig 1900, S. 180.

134

90

Kritik

gesehen und werden es noch einmal in Auseinandersetzung mit der Krisentheologie Barths deutlicher machen: D a s Sein Gottes und die Freiheit Gottes und die Liebe Gottes und die Geschichtlichkeit seiner Offenbarung im engeren Sinn, das alles sind keineswegs absurde Behauptungen des Glaubens. Wie sehr auch Offenbarung schöpferisch am Werk ist, so erschließt Vernunft die Offenbarung und stellt sie vor ein kritisches Denken nicht als lauter Unsinnigkeiten, sondern als Wahrheiten, denen gegenüber dieses kritische Denken immer offen ist, wenn es redlich ist, auch wenn es ihre Gültigkeit von sich aus nicht erweisen kann. Offenbarungsaussagen sind also Wahrheiten, denen ein kritisches Denken begrifflich zustimmen kann, insofern sie nur mit den Mitteln des Denkens sorgfältig begründet und entwickelt werden. Offenbarungsaussagen weisen darüber hinaus freilich auf Wirklichkeiten, deren K r a f t und Tiefe dem reinen Denken verschlossen bleiben und nur dem Glauben zugänglich sind. Wenn wir mit N e w m a n 1 3 8 begriffliche und reale Zustimmung unterscheiden, so stellt sich das Verhältnis von bloßer Meinung zu tiefer Überzeugung dar. So groß und tief nun auch die Kluft zwischen beiden sein mag und so notwendig eine „Bekehrung" sein mag, um von einer Meinung zu einer Überzeugung zu kommen — man denke an H i o b 42, 5: „Ich hatte von Dir mit den Ohren gehört, aber nun hat mein Auge dich gesehen. D a r u m klage ich mich an und tue Buße in Staub und Asche" —, so bleibt dennoch eine Beziehung zwischen beiden erhalten. U n d es bleibt das Verdienst der TRANSZENDENTALTHEOLOGIE, daß sie diese Beziehung nicht einfach behauptet, sondern in strenger Denkarbeit immer wieder neu erweist. Wir haben gesehen, wie sie wohl in Gefahr gerät, die Möglichkeiten, oder sagen wir genauer: die Kraft des Denkens zu überschätzen im Sinne des „nihil credendum, nisi prius intellectum". Aber dieser intellektuelle Mut wird verständlich, wenn man ihr gewaltiges Ringen mit jeder Art von Gerichtstheologie, die es zu allen Zeiten gegeben hat und geben wird, in Rechnung stellt. Denn diese letzte unterschätzt möglicherweise mindestens in gleichem Maße die K r a f t und Bedeutung der Vernunft, wie jene sie überschätzt. Wenn wir so TRANSZENDENTALTHEOLOGIE als eine solche erwiesen haben, die zuversichtlich und kühn auf dem Wege vernünftigen Denkens in lebendigem, wenn audi einseitigem K o n t a k t mit der Philosophie die Offenbarungsaussagen entwickelt und begründet, um so der Welt 136

Newman, a.a.O., S. 26.

Die theologische Bedeutung der Beweise

91

jenen alten christlichen Glaubenssatz glaubwürdig und verständlich zu machen: „Gott wird Mensch", so erschöpft sich darin ihre theologische Bedeutung noch keineswegs. So bedeutsam dieser erste Impuls auch ist, es gibt noch einen zweiten, der von ihr ausgeht. Jener oben aufgestellte Satz, daß der Glaube wohl bei Gott ist, aber Gott nicht denken kann, wenn nicht zugleich das vernünftige Denken im umfassendsten Sinn in Kraft tritt, ist doppelsinnig. Er besagt einmal die theologische Relevanz philosophischer Aussagen. Das sollte dieser erste Hauptteil der Arbeit erweisen und präzisieren. E r besagt damit zugleich die philosophische Relevanz theologischer Aussagen und setzt so ein umfassendes philosophisch-theologisches Gespräch in Gang, wenigstens grundsätzlich. Selbstverständlich sind faktisch immer noch eine Reihe ganz anderer Faktoren im Spiel, die dieses Gespräch und gemeinsame Suchen der Wahrheit immer wieder verderben oder verhindern, und die wir im einzelnen hier nicht bestimmen können 1 3 7 . Aber dieser Satz enthält noch etwas anderes, das wir wenigstens andeuten müssen, audi wenn es schon auf den zweiten Hauptteil übergreift und dort erst entfaltet werden kann. Das Inkrafttreten der kritischen Vernunft hat auch eine innertheologische Bedeutung. Es ermöglicht allererst ein verbindliches Gespräch zwischen den einzelnen theologischen Schulen. So sehr diese theologischen Schulen auch gründen in der gemeinsamen christlichen Offenbarung, so sehr stehen sie miteinander im Widerstreit in der verschiedenen Deutung und Begründung dieser Offenbarung, kurz: Im denkenden Verstehen der Offenbarung. Wenn aber bei diesem denkenden Begreifen wiederum nur Offenbarung relevant ist und sonst nichts, dann kann jede theologische Schule mit Fug und Recht sich auf ihre Sonderoffenbarung berufen und es ist nicht abzusehen, wie es jemals zu einem verbindlichen Gespräch kommen soll. Das Dilemma, das sich in der Auseinandersetzung mit Philosophie gezeigt hat, das kehrt hier wieder, wo es um die innertheologische Auseinandersetzung geht. Überspitzt und scharf ausgedrückt: Es sieht so aus, daß Kontroverstheologie immer auch 137

Es herrscht seit der Aufklärung ein merkwürdiges Verhältnis zwischen Theologie und Philosophie, eine eigentümlich vergiftete Atmosphäre hat sich breit gemacht und unsere Urteile auf beiden Seiten sind ressentimentgeladener, als wir zuzugeben imstande sind. U n d das in einer Zeit, in der es an den Tag k o m m t , daß wir nichts erreichen, wenn wir nicht zusammenarbeiten. cf. dazu Scheler, Das Ressentiment im Aufbau der Moralen, Abhandlungen und Aufsätze, Leipzig 1915, S. 39 if. — insbesondere das über Tertullian Gesagte, S. 88 ff.

92

Kritik

Kontroversphilosophie ist. Wenn Theologie nicht in beliebige Spekulationen auseinanderfallen soll, bedarf sie der Philosophie. Das kritischphilosophische Denken konstituiert allererst ein sinnvolles theologisches Gespräch. Es ist klar, daß das alles an dieser Stelle nicht mehr als vage Vermutung sein kann. Erst nach Prüfung der OFFENBARUNGSTHEOLOGIE werden wir in der Lage sein, in strengerer Begrifflichkeit diese Vermutung zu einer gültigen theologischen Erkenntnis auszuarbeiten. Das vorläufige Ergebnis mag in ein paar Sätzen zusammengefaßt sein. Vorläufiges

Ergebnis

1. TRANSZENDENTALTHEOLOGIE als Analogietheologie ist schon Offenbarungstheologie. Was sie von Gott aussagt, ist auch in den allgemeinsten Bestimmungen im Glauben ausgesagt. Der Weg ihres Denkens ist der Weg ihres Glaubens. Der Offenbarungsglaube konstituiert ihre Erkenntnis. Freilich nicht so, daß Glaube die Erkenntnisse erst möglich macht. Sondern so, daß Glaube aus der Reihe möglicher Erkenntnisse, die allesamt denkmöglich und also auch dem kritischen Denken einsichtig sind, einzelne auswählt und zu Überzeugungen werden läßt. 2 . TRANSZENDENTALTHEOLOGIE ist zugleich Philosophie, genauer: Religionsphilosophie. Was sie von Gott aussagt, steht unter der Voraussetzung, daß philosophisches Denken im umfassendsten Sinn, aber nicht lediglich im Sinn einer philosophischen Schule, durch den Glauben nicht zerstört, sondern in Kraft gesetzt wird. Andernfalls käme es weder zu einem verbindlichen und sinnvollen Gespräch zwischen Glaube und Unglaube, noch zu einer echten Kontroverse zwischen Glaube und Glaube.

3. Dieses „in Kraft bleiben" der Vernunft zeigt sich nicht nur formal, insofern das theologische Denken logisch einwandfrei ist. Es zeigt sich vielmehr auch material, insofern erwiesen wird, daß die Offenbarungsaussagen einem kritischen ungläubigen Denken zugänglich sind. Die Begriffe „formal" und „material" reichen nicht aus, um das Verhältnis von gläubigem und ungläubigem Denken zu bestimmen. 4. Dieser philosophische Zugang, den TRANSZENDENTALTHEOLOGIE erschließt, bleibt nun freilich nur begrifflich-hypothetisch. Die Umsetzung einer begrifflichen Zustimmung in eine reale kann mit den Mitteln des reinen Denkens nicht erreidit werden. Insofern erweist sie die Kraft und Ohnmacht des menschlichen Denkens zugleich. Ihr großartiges Unter-

Vorläufiges Ergebnis

93

nehmen, Glauben zur Vernunft zu bringen und Vernunft zum Glauben, gelingt ihr nicht vollständig. Insofern wahrt sie beides: Den Vernunftcharakter und den Geheimnischarakter von Offenbarung. 5. Es bleiben folgende Fragen offen: a) Wie verhalten sich reale und begriffliche Zustimmung zueinander? Genauer: Ist das Moment oder die Momente, die der begrifflichen Zustimmung fehlen und allein der realen zukommen, regulativ oder konstitutiv oder beides? Konstitutiv würde bedeuten, daß gläubiges Denken schöpferisch ist und Sachverhalte erkennen läßt, die kritischem Denken unzugänglich bleiben. Regulativ würde heißen, daß gläubiges Denken keine neuen Sachverhalte erschließt, sondern nur Gewicht und Bedeutung von Sachverhalten erkennen läßt, die kritischem Denken wohl immer schon zugänglich, aber nicht bedeutsam sind. Damit hängt die andere Frage zusammen, die immer entsteht, ganz gleich zu welcher Entscheidung man zwischen regulativ und konstitutiv kommt: Was muß gläubiges Denken tun, um kritisches Denken zu überzeugen. Mit anderen Worten: Was ist zu tun, um jene Hindernisse wegzuräumen, die kritisches Denken vom gläubigen Denken abhalten. Gott will doch, daß allen Menschen geholfen werde. Das bedeutet im Raum des Denkens, daß sich das gläubige Denken auf das kritische Denken wirklich einläßt und womöglich aufs Spiel setzt, um so die nun schon jahrhundertealten Ressentiments abzubauen und die giftige Atmosphäre in eine vertrauensvolle zu wandeln. Freilich ist die Gefahr groß, daß gläubiges Denken sich dabei auflöst in reines Denken. Aber umgekehrt ist die Gefahr mindestens ebenso groß, daß gläubiges Denken sich abschließt und seinen göttlichen Auftrag nicht ausüben kann, weil es nicht ernst genommen wird und in seiner Isolation beides zerstört: das gläubige und das kritische Denken. b) Es bleibt schließlich auch die Frage offen, wie die bisherigen Erkenntnisse für die kontroversphilosophische und die kontroverstheologische Lage, in der wir uns befinden, fruchtbar gemacht werden können. Das ist freilich eine Aufgabe, die nicht nur weit über das uns gesteckte Ziel hinausgeht, sondern auch weit über das Vermögen eines einzelnen. Trotzdem werden die hier gesammelten Erkenntnisse erst dann wirksam werden, wenn sie in den einzelnen philosophischen und theologischen Schulen ihre konkrete Anwendung finden. Aber um die Sache nicht mit vagen Vermutungen zu belasten, brechen wir hier ab und wenden uns d e r O F F E N B A R U N G S T H E O L O G I E ZU.

Teil II OFFENBARUNGSTHEOLOGIE BEI KARL BARTH

Übergang 1. Wir streben einen kritischen Vergleich an zwischen TRANSZENDENund OFFENBARUNGSTHEOLOGIE, genauer und bescheidener: zwischen Karl Rahner und Karl Barth. Das Ziel soll die Klärung der Frage sein, wie dogmatisch-systematische Theologie getrieben werden kann. Und zwar nicht im weiten Raum der Kirche als Verkündigung und Predigt, sondern im Raum der Wissenschaft als Theorie. Uns beschäftigt also nicht die Frage der existentiellen Praxis des Glaubens, wie bedeutsam sie auch immer sein mag, sondern allein die Frage der theoretischen Vergewisserung. Der Einwand, daß Jesus Christus, der maßgebliche und unaufgebbare Bezugspunkt christlicher Theologie, wenn es denn christliche sein soll, sich nachweislich um solche theoretische Vergewisserung nicht gekümmert hat, sagt noch nichts darüber aus, ob es sie gibt. Und wenn es sie nicht geben kann, so wäre eben das zu erweisen. Würde das letzte gelingen, so wäre damit erwiesen, daß es eine wissenschaftliche Theologie nicht geben kann. TALTHEOLOGIE

Zu diesem Zweck nehmen wir nun das Gespräch mit Karl Barth auf, indem wir ihn zunächst selbst zu Wort kommen lassen. Grundsätzlich gilt das gleiche, wie für das Gespräch mit Karl Rahner. Uns liegt nicht an der Würdigung des Gesamtwerkes und seiner Entwicklungstendenzen. Wir haben vier Aussagen von Gott bei Karl Rahner geprüft: — G O T T IST GRUND —

GOTT IST WILLE —

G O T T I S T LIEBE —

GOTTES OFFEN-

—. Wir wollen sehen, ob sich bei Karl Barth vergleichbare Aussagen von Gott finden. Daraus ergibt sich eine kleine Abweichung in der Gliederung des Folgenden. Jedes Kapitel, in dem wir uns mit einer von den vier vergleichbaren Aussagen beschäftigen, hat nun einen darstellenden Teil A, in dem Art und Sinn der Aussage bei Barth festgestellt wird, und einen vergleichenden Teil B, in dem Differenz und Kongruenz der Aussagen bei Rahner und bei Barth geprüft werden sollen. BARUNG

2. Die Theologie Barths wurde auch Gerichtstheologie genannt. Um den Gang der Untersuchung nicht mit unklaren Ausdrücken zu belasten, wollen wir uns hier schon wenigstens über den logischen Sinn des Begriffes „Gericht" verständigen. Wenn Gerichtstheologie der „große Gegenspieler" der Analogietheologie genannt wurde, so kann ihr mindestens nicht gleichgültig sein, was ihr Gegner treibt. Wäre also zunächst denk7 Browarzik, Glauben und Denken

98

Ubergang

bar, daß sie jede analogietheologische Aussage von Gott richtet im Sinne einer radikalen Verurteilung: Was Analogietheologie von Gott aussagte, mag vielleicht philosophisch beachtenswert sein, theologisch ist es ungültig. Aber was soll das heißen? Sollte von Gott überhaupt nichts ausgesagt werden können: Wovon wir nichts wissen, davon müssen wir schweigen? Dieser Protest mag von anderer Seite kommen, von der Gerichtstheologie Barths kommt er nicht. Denn Barth macht unentwegt Aussagen von Gott mit dem Anspruch gehört und verstanden zu werden. Kommt Barth dann etwa zu theologischen Aussagen, die inhaltlich den Rahnerschen widersprechen? So, daß Barth etwas anderes, genauer noch: Gegensätzliches von Gott aussagt, als Rahner? Auch das ist offensichtlich nicht der Fall. Barth kommt auch zu Aussagen wie: „Es ist ein Gott und nicht viele, und nicht gar keiner." Oder: „Gott ist Liebe und nicht H a ß " usw. Grundsätzlich kann es da zu gar keinem Widerspruch im Sinne einer gegensätzlichen Aussage kommen, wenn christliche Theologie sich nicht selbst widersprechen soll. Beide Theologen wissen sich gebunden und angewiesen auf das Bekenntnis zu Gott, wie es die christliche Kirche in ihrem gemeinsamen Glaubensbekenntnis zum Ausdruck bringt. Wir gehen hier den weiteren Konsequenzen dieser Feststellung nicht nach. Für unseren Zweck genügt es im Auge zu behalten, daß wir gleichlautende Aussagen von Gott bei beiden Theologen gefunden haben. Insofern widersprechen sie sich nicht. Bleiben noch zwei Möglichkeiten, den gerichtstheologischen Widerspruch zu verstehen. Betrifft er nicht den Inhalt der Aussagen, so könnte er ihren Umfang treffen wollen. Wir haben gesehen, was Analogietheologie in ihrem Denken erreicht, kann jede Religionsphilosophie auch erreichen. Nicht im Sinne einer inneren Überzeugung oder eines existentiellen Glaubensvollzuges. Wohl aber im Sinne einer theoretischen Einsicht. In diesem Sinn ist die religionsphilosophische Reflexion, genau so wie die analogietheologische, universal 1 . Es gibt nichts, was sie nicht kritisch durchdenken könnte. Mag sich 1

Die Differenz von religionsphilosophischer und theologischer Erkenntnis wird von uns nicht geleugnet. Sie ist nur ein anderer Ausdruck für die von Newman vorgeschlagene Unterscheidung von begrifflicher und realer Unterscheidung.

Für

die theoretische

Art

unserer

Untersuchung

aber,

ihrem methodischen Absehen von allem existentiellen Betroffensein, hat sich diese Differenz als unerheblich gezeigt. Darüber hinaus will uns scheinen, „daß dieser Unterschied (überhaupt) nicht eigentlich

bewußtseins-

99

Übergang

die allgemeine Religionswissenschaft audi der Frage nach der Geltung der einzelnen Wahrheitsansprüche entziehen und sich mit einer mehr historischen oder mehr phänomenologischen Beschreibung begnügen, so ist gerade die Religionsphilosophie oder audi eine theologische Philosophie 2 darauf aus, die Geltungs- und Wahrheitsfrage zu prüfen. Mit anderen Worten: Es ist im Bereich der Theorie keine Grenze zu sehen, an der das analogietheologische und das religionsphilosophische Erkennen H a l t machen müßten. Es gibt wirklich nichts, was ihrem erkennenden Zugriff entzogen wäre, es sei denn etwas, das dem theoretischen Erkennen überhaupt unzugänglich bliebe. Gäbe es nun einen Bereich theologischer Wahrheiten, der sozusagen der OFFENBARUNGSTHEOLOGIE als Gerichtstheologie vorbehalten wäre, so gäbe es theologische Wahrheiten — für unseren Zweck hier immer zu verstehen im Sinne von theoretischen Satzwahrheiten und nicht von existentieller Wahrheit 3 — die sich überhaupt nicht allgemeinverständlich begründen ließen. Gerichtstheologie könnte dann in diesem Bereich nach ihrem Belieben verfahren, und wir wären wieder da, wo es zu gar keinem Gespräch kommen kann, weil man nichts miteinander zu reden hat: Wovon wir nichts wissen, davon müssen wir schweigen. Ist man aber erst einmal so weit, ein allgemein nicht zugängliches Sondergut an theologischer Wahrheit für sich zu beanspruchen, so ist nicht einmal zu sehen, wie die Offenbarungstheologen — sollte es mehrere geben — sich untereinander verständigen wollen, da womöglich jeder sich auf sein privates Sondergut beruft, zu dem der Zugang von außen versperrt ist. Wir gehen von der Voraussetzung aus, daß ein Gespräch zwischen TRANSZENDENTAL- u n d OFFENBARUNGSTHEOLOGIE m ö g l i c h i s t . mäßig reflektierbar

ist",

(cf. R a h n e r ,

Schriften Band V ,

1962,

Insofern S. 63 f.)

W a s die Universalität der theologischen E r k e n n t n i s betrifft, cf. besonders R a h n e r , Schriften VI, S. 100 ff. — m i t Pannenberg in K e r y g m a und D o g m a 1 9 6 2 , 2, S. 9 2 f. F ü r B a r t h verweise ich auf seine R e d e v o m

„philosophi-

schen Ä q u i v a l e n t " der theologischen Aussage. 2

Neuerdings hat W . Weischedel einen interessanten Versuch in R i c h t u n g auf eine philosophische Theologie gemacht, cf. W . Weischedel in E v a n g . T h e o logie 22, 1962, S. 233 ff. — ebda. 1 9 6 7 , S. 113 ff. — V o n

grundsätzlicher

Bedeutsamkeit sind i m m e r noch Schellings Überlegungen in seiner Philosophie der Offenbarung, W e r k e Band VI, München 1 9 2 7 , zit. nach der Neuauflage 1965, S. 3 8 9 ff. u. 6 2 0 ff. 3

D a z u v o r allem H . S c h o l z : W i e ist eine evang. Theologie als Wissenschaft möglich, in Zwischen den Zeiten, 1931, S. 8 ff. — F e r n e r W . K a m i a h m i t P. L o r e n z e n : Logische Propädeutik, Mannheim 1 9 6 7 .

7*

100

Übergang

kann die gerichtstheologische Kritik nicht den Umfang der theologischen Wahrheit betreffen wollen, da die Intention in beiden Fällen auf den ganzen Bereich theologischer Wahrheit geht. Um so dringlicher stellt sich die Frage nach dem kritischen Punkt, der den offenbarungstheologischen Protest herausfordert. Wir sagten, der inhaltliche Sinn der Aussagen, die gleich lauten, muß gleich sein. Sollte mit den gleichen Begriffen und Aussagen wie „Liebe" oder „Wille" Verschiedenes, womöglich sogar Gegensätzliches und nicht Gleiches gemeint sein, so wäre es unsinnig, darüber zu reden. Man müßte neue Begriffe und Aussagen bilden, um sich verständigen zu können. Wir nehmen für unsere Untersuchung an, daß die gleichlautenden Sätze auch gleichsinnig sind. Wir nehmen ferner, wie gesagt, an, daß der Umfang der Aussagen gleich groß ist. Dann bleibt nur noch eine Möglichkeit, den Protest zu verstehen: Er bezieht sich auf die Herleitung bzw. die Begründung der theologischen Aussagen. 3. Darüber müssen wir abschließend noch eine Erklärung abgeben. Erinnern wir uns noch einmal an Karl Rahner. Er machte Aussagen von Gott so, daß er zuerst bestimmte Aussagen von Welt machte, um diese dann in einer Art logischen Beweisverfahrens auf Gott hin zu cranszendieren. Rahner wollte seine Aussagen von Gott nicht als direkte Aussagen verstanden wissen, die von der göttlichen Offenbarung ausgehen. Nicht ein einziges Mal hat er sich für seine grundlegenden Aussagen von Gott auf eine Offenbarung berufen. Er wollte indirekt von Gott sprechen, indem er die Bedingungen der Möglichkeit von Welterkenntnis an einigen zentralen Punkten erforschte. Gotteserkenntnis als Bedingung der Möglichkeit von Welterkenntnis, das war sein Programm. Erfasse ich die letzten, tiefsten, gewiß nur einer metaphysischen Spekulation zugänglichen Zusammenhänge dieser meiner Welt, so erfasse ich zugleich, wenn auch nur im Vorgriff, etwas von Gott. Und gerade dies nun ist der eigentliche Kontroverspunkt. Mit Leidenschaft erhebt sich gegen solche metaphysischen, durch Nachdenken über diese Welt entstandenen, Aussagen von Gott der ungestüme Protest Karl Barths und der Gerichtstheologie. Kann man denn überhaupt wagen, etwas von Gott auszusagen, wenn Gott sich nicht offenbart hat? Und umgekehrt: Wenn Gott sich offenbart hat, dann kann der Theologe ja nichts Besseres tun, als gehorsam auf jene Offenbarung zu hören, in der Gott mitgeteilt hat, was dem Menschen nötig und möglich ist zu wissen. Nun aber hat sich Gott offenbart in Jesus Christus. Diese einmalige, zu einem bestimmten Zeitpunkt und an einem Ort der Menschengeschichte geschichtliches Er-

Übergang

101

eignis gewordene Offenbarung Gottes muß dann auch Ausgangs- und ständiger Bezugspunkt aller theologischen Aussagen bleiben. Diese Andeutungen müssen vorläufig genügen. Wir werden im Fortgang unserer Untersuchung die hier auftauchende Rede von der Offenbarung genauer prüfen. Abschließend noch eine terminologische Bemerkung. Der Ausdruck „Gericht", in dem eben bestimmten Sinne, bringt nur das kritische Anliegen der Barthschen Theologie zum Ausdruck, nicht aber ihr großartig positives, nämlich die göttliche Offenbarung in Jesus Christus. Und da diese Offenbarung den alles beherrschenden Mittelpunkt der Theologie Barths einnimmt, wollen wir letztere im folgenden immer OFFENBARUNGSTHEOLOGIE

nennen4.

Innerhalb

dieser

OFFENBARUNGS-

THEOLOGIE nun taucht das P r o b l e m der Analogie als analogia fidei er-

neut auf 5 . Es ist darum sehr mißverständlich, das Gegenüber mit einem Ausdruck zu kennzeichnen, der für sie selbst auch eine bedeutende Rolle spielt. Wir haben ferner gesehen, wie Rahner selbst die Art seiner theologischen Frage ausdrücklich als transzendentale kennzeichnet, insofern sie nach den Bedingungen der Möglichkeit von Gotteserkenntnis fragt 6 . Darum scheint es uns sachgemäß, im folgenden einheitlich und durchgehend die Analogietheologie Rahners TRANSZENDENTALTHEOLOGIE und die Gerichtstheologie Barths OFFENBARUNGSTHEOLOGIE zu nennen. 4

Dieser Ausdruck wird allgemein und unbestritten zur Kennzeichnung der Theologie Barths gebraucht: v o n G. C . B e r k o u w e r :

cf. die beiden großen

Barthmonographien

Der T r i u m p f der Gnade in der Theologie

Karl

Barths, Neukirchen 1957 (z. B. S. 9) — und v o n Hans U r s v o n Balthasar, Köln 1951 (insbesondere S. 45 ff.). D a z u neuerdings E . H ü b n e r in: T h e o l o gische Strömungen der Gegenwart, Göttingen 1965, S. 7 ff. 5

Z u r Analogie bei B a r t h j e t z t : H . G. P ö h l m a n n : Analogia entis oder A n a logia fidei? Göttingen 1956, d o r t auch weitere Literatur. Das theologische Problem der Analogie ist k o n t r o v e r s geblieben. Cf. besonders: G. Siewerth: Die Analogie des Seienden, Einsiedeln 1965 und W . Pannenberg in T h e o l o gische Literaturzeitung Existenz

Gottes

im

I960,

225—228.

Bekenntnis

des



Ferner:

Glaubens,

H . Gollwitzer:

München

1963,

Die

S. 148,

A n m . 2 1 2 . — C . H . R a t s c h o w : G o t t existiert, Berlin 1966, S. 82 f. 8

F ü r die Kennzeichnung von Rahners Theologie als Transzendentaltheologie cf. den knappen theologie-geschichtlichen Überblick v o n Balthasar, a.a.O., S. 3 0 3 ff. — und R a h n e r selbst, ausdrücklich in Schriften zur Theologie Bd. VI, Köln 1965, S. 101 f. — F e r n e r E . S i m o n s ' bisher ungedruckte Dissertation München 1 9 6 6 : Philosophie der Offenbarung. — C f . auch K a m iah, a.a.O., S. 15.

III.

Kritischer

Kapitel 8: Die

Vergleich

Methodenfrage

Bevor wir uns der dogmatischen Einzelanalyse zuwenden, soll die Methodenfrage gestellt werden. Sie ist ja die Kernfrage unserer ganzen Untersuchung und wir werden am Ende noch einmal ausdrücklich darauf zurückkommen. Daß wir in dieser Sache bei Barth auf besondere Schwierigkeiten stoßen, ist unbestritten 7 . Wir haben alles erreicht, was wir an dieser Stelle vorläufig erreichen können, wenn uns gelingt, dem Verdacht zu entgehen, wir hätten uns zu unbefangen und unkritisch gleich einzelnen dogmatischen Themen zugewandt, ohne uns genügend um die dahinterstehende theologische Absicht zu kümmern. Diese Absicht aber leitet ja, bewußt oder unbewußt, jede Methode. Barth gibt in seinem frühen wie auch späten Werk deutlich zu verstehen: „Wer Gott ist und was göttlidi ist, lernen wir da, wo Gott sich offenbart hat in Jesus Christus 8 ." Dieser Satz kennzeichnet auch sofort die Differenz im theologischen Ansatz gegenüber Rahner. Die Erörterung des Begriffes „Offenbarung" wird darum gleich am Anfang stehen und nicht am Ende, wie bei Rahner. Denn ist Offenbarung das heimliche Ziel der transzendentaltheologischen Erkenntnis, so ist sie für die O F F E N B A R U N G S THEOLOGIE der erklärte Ausgangspunkt. Nicht zufällig oder beiläufig, sondern bewußt und methodisch soll das eine Mal Offenbarungserkenntnis vorbereitet werden, indem über ihre rationalen Möglichkeiten nachgedacht wird, soll sie das andere Mal gleich vollzogen werden, indem ihrer Wirklichkeit nachgeforscht wird. Barth sagt: „Die Erkenntnisfrage kann nicht lauten: Wie ist menschliche Erkenntnis der Offenbarung möglich.. . sondern: welches ist die wirkliche Erkenntnis der göttlichen Offenbarung . . . Ein verantwortliches... theologisches Denken wird sich damit ausweisen, daß es sich über die Begründung seines G r u n d e s . . . in 7

cf. schon A. v. Harnack in: Theol. Fragen und Antworten. Gesammelte Vorträge 3, 1957, von K. Barth. — Neuerdings: Theologie zwischen gestern und morgen, München 1968, ζ. B. S. 31 ff., 167 ff., u. ö.

8

K D IV, 1, S. 203, ferner H. Gollwitzers Auswahl, Siebenstern Nr. 47/48, S. 39 ff.

Die Methodenfrage

103

keine Diskussion einläßt, sondern s i c h . . . als Denken aus diesem Grunde faktisch vollzieht9. Das Ziel unseres ganzen Vergleiches soll die Beantwortung der Frage sein, ob und wie sich diese andere Methode bei der Behandlung einzelner dogmatischer Sachfragen bewährt gegenüber der transzendentaltheologischen Rahners. Das können wir jetzt noch nicht beurteilen 1 0 . Weil aber Barth selbst nicht einfach anfängt, theologisches Denken „faktisch zu vollziehen", sondern in zwei umfangreichen Arbeiten sich Rechenschaft ablegt über die zu verwendende Methode, wollen wir uns daran halten 1 1 . 1. Zuerst sollen die wichtigsten allgemeinen Forderungen genannt sein, die freilich mehr die Atmosphäre des Dogmatikers als seinen Weg kennzeichnen. Die eigentlichen Schwierigkeiten ergeben sich erst aus dem Detail und wir werden in den darauffolgenden 3 Abschnitten die 3 A n fragen präzisieren, die wir an Barths dogmatische Methode stellen. Grundsätzlich fordert nun Barth, daß Dogmatik als „reguläre D o g m a t i k " getrieben werden soll, d . h . sie soll als „ordentliche Schuldogmat i k " gelehrt werden können. „Die Ernsthaftigkeit ihrer Bedeutung für die Kirche muß sich daran bewähren, daß sie sich gerade nicht n u r . . . in Predigtform oder im Pamphletton, nicht nur als Ausdruck religiöser, vielleicht auch prophetischer Erlebnisse und Impressionen, sondern auch in der strengen Gestalt schulmäßig prüfender Überlegung vortragen läßt. Fast alle Erkenntnisse auf unserem Gebiet sind zunächst in Form des Aphorismus und im T o n der Verkündigung ans Licht g e t r e t e n . . . Aber eine Erkenntnis, die sich nicht unterrichten ließe, wäre keine edite Erkenntnis 1 2 ." Solche Schuldogmatik, die nicht beliebig alles mögliche, sondern verbindlich das lehren soll, was die Kirche als W o r t Gottes glaubt und verkündet 1 3 , gebraucht nicht bloß menschliche Worte, „sofern sie selbst nichts anderes ist als menschliche Rede von G o t t 1 4 . " Solcher Gebrauch menschlicher Worte und Bilder mensdilidier Umgangssprache ist der Kirche immer aufgegeben, auch in ihrer Predigt, wenn sie sich verständ» KD 1,1, 27 f., Zürich 1944. cf. Kap. 13 und 14 dieser Arbeit. 11 KD 1,1 — Fides quaerens intellectum, im folgenden kurz: Anselm, München 1931 — Aber auch: Der Römerbrief, Bern 1919, 2. Auflage, 1922. 12 1,1, 295. 1S Bes. wo Barth von der „Härte des Dogmatischen" redet. 1,1, S. 11, 27, 73, u. ö. 14 1,1, S. 2 u. 263. 10

104

Kritischer Vergleich

lieh machen will — wieviel Esoterisches, Emotionales und Irrationales dabei auch immer miteinfließen mag. Das Sprachproblem der theologischen Erkenntnis, in exegetischer wie in dogmatischer Richtung, ist vielmehr das Problem ihrer „kritischen Rationalität". „Das Wort Gottes (hier noch unerheblich ob Gott zum Menschen, oder der Mensch von Gott redet) ist ein rationales und nicht ein irrationales Geschehen." J a , was die theologische Erkenntnis betrifft, so verlangt sie ja gerade nach vernünftiger Einsicht. „Es handelt sich dabei um ein spontanes Verlangen des Glaubens. Das quaerere intellectum ist der fides immanent, von Hause aus eigentümlich 15 ." Diese angestrebte rationale Einsicht in den Sachverhalt des Glaubens ist aber zugleich „kritische Bemühung" um die menschlichen Wörter. „Es handelt sich bei dem Stoff der Dogmatik zunächst um eine Reihe von Wörtern, die mehr oder weniger konstant und betont in der ganzen Kirche, also diesseits und jenseits der kirchlichen Spaltungen, das sprachliche Material der Verkündigung zu bilden pflegen. Diese Wörter bekommen aber hier wie überall ihren Sinn durch die Verbindungen und Zusammenhänge, in denen sie verwendet werden . . . In einer Fülle derartiger Bestimmtheiten existiert Rede von G o t t . . . und die dogmatische Frage wird allgemein lauten: ob und inwiefern also der Sinn, in dem jene Wörter verwendet werden, ihrer Absicht, Dienst am Worte Gottes zu sein, angemessen ist oder nicht 16 ." So erhebt Barth zwei grundsätzliche Forderungen an jede ordentliche Schuldogmatik: Sie soll kritisch-rational sein und dabei dem vorgegebenen Worte Gottes angemessen oder, wie Barth oft sagt: gehorsam. In seinem Anselmbuch spricht er von der „noetischen Rationalität" des Menschen, der der vorgegebenen „ontischen Rationalität" des Wortes Gottes nachdenkt. D a s Ziel bleibt kritisch-rationale, schulmäßig lehrbare Einsicht in den Glaubensgehalt unter der Bedingung gläubigen Gehorsams gegen die Autorität der Offenbarung in Jesus Christus 17 . Nur zögernd können wir uns entschließen, vor der dogmatischen Einzelanalyse diesen methodischen Anweisungen nachzugehen. In ihrer Allgemeinheit wird kein christlicher Theologe ihnen widersprechen. Bei genauerem Zusehen aber wird der Nachforschende bald müde. Die lebendige, aber oft eben auch romanhafte Vielfalt der Wörter und Bilder, vor allem aber die impulsive, nicht selten bloß rhetorische und predigthafte Art der Gedankenführung läßt dauernd schwanken zwischen J a und 15 18 17

1,1, S. 139 — dazu Anselm S. 6, audi 2, 4, 13, 36. 1,1, 73, 79, 298! Anselm 2, 33, 36, 46, 52 f., 65. — 1,1, S. 27, 193, 280.

Die Methodenfrage

105

Nein, und reißt unentwegt in einen „Strudel ursprünglichen Fragens" (Heidegger), in dem es kaum möglich erscheint, festen Boden unter die Füße zu bekommen. Einem so strengen Methodiker wie H. Scholz, der leider nur einen sporadischen Versuch gemacht hat, Methode in die Theologie zu bringen, und der die traurige Erfahrung ausspricht, daß ihm bisher kein einziges Kriterium begegnet sei, „mit dessen Hilfe auch nur in einem einzigen ernstlich kontroversen Fall entschieden werden kann, ob ein vorgegebenes (theologisches) Denken in diesem Fall sachhaltig ist oder nicht" — ihm entgegnet Barth: „Der Theologe wird sagen, daß gerade Sachgemäßheit in diesem ärgerlichen, unbestimmbaren Sinn der allgemeinste Ausdruck der einen charakteristischen Regel ist, an die sich die Theologie halten darf und halten muß 18 ." Auch A. v. Harnack ist es ähnlich gegangen. In Sorge um die Wissensdiafllichkeit der Theologie gibt er gegen Barth zu verstehen, daß man den Predigtstuhl nicht mit dem Lehrstuhl verwechseln darf und daß Barth vielleicht mehr „an der Predigt seine Aufgabe" habe, weil seine Theologie mehr der charismatischen Rede eines Propheten als der streng rational begründenden Rede eines Wissenschaftlers zu vergleichen sei. (Ähnlich K. Holl an K. Heim — s. Anm.) Worauf Barth lakonisch, an der Grenze des Ironischen feststellt: „Es ist gewiß angemessen, diese testamentarische Erklärung des Mannes, der auch mir ein verehrter Meister gewesen ist, hier ohne Kommentar noch Widerspruch für oder gegen sich selber reden zu lassen 19 ." Unter diesen schwierigen Umständen wollen wir trotzdem wagen, die grundsätzliche Frage zur Methode der Dogmatik an Barth zu stellen, von der sich zeigen läßt, daß sie in dreifacher Richtung verfolgt werden muß. Es ist die Frage, wie denn nun das Verhältnis beschaffen sei zwischen der Autorität der Offenbarung, der Vorgegebenheit des Wortes Gottes, der „ontischen Rationalität" einerseits und der gehorsam nachdenkenden, menschlichen Vernunft, der kritischen ratio, der „noetischen Rationalität" andrerseits. 2. Zuerst das Wort Gottes als Geheimnis. Wir haben ja schon darauf aufmerksam gemacht, welche Bedeutung der Begriff des Geheimnisses 18 19

1 , 1 , S. 7. 1 , 1 , S. 22, ferner: Briefe Karl Holls in Zeitschr. f. Theologie und Kirche, 1967, S. 169 ff., bes. 230 f. — cf. dazu W . v. Loewenich, Luther und der Neuprotestantismus, Witten 1963, S. 250 ff.

106

Kritischer Vergleich

für Rahner hat. Auch für Barth steht er am Anfang jeder dogmatischen Rede wie an ihrem Ende. Zu Beginn seines Unternehmens muß der Theologe erst einmal zugeben, daß er verständlich und vernünftig, ja sogar verbindlich von dem reden soll, was sich geheimnisvoll seiner Bemühung entzieht: das Wort Gottes als unmögliche Aufgabe der Theologie. „Der Theologe befindet sich in der außerordentlichen Lage, reden zu müssen von dem, wovon man nicht reden kann 20 ." Oder: „Die Rede Gottes ist und bleibt Gottes Geheimnis." Freilich, menschlich und weltlich muß diese Rede sein, wenn sie denn überhaupt an Menschen sich richten will. „Aber gerade in seiner Welthaftigkeit ist es in jeder Hinsicht das Wort der Gnade." Es entzieht sich jeder menschlichen Verfügung, ja zuletzt sogar, wie wir gehört haben, menschlicher Verantwortung. Barth scheut sich nicht zu sagen: „Darum kann es audi keine Methode geben, die anleitet, wie wir auf dieses Wort Gottes hören sollen, um es als göttliches Wort zu verstehen... Das wäre ja eben die Methode des Hörens des Wortes Gottes, die als solche unmöglich ist, weil das Hören des Wort Gottes der Glaube, der Glaube aber das Werk des Heiligen Geistes ist 21 ." Von diesem Worte Gottes kann es darum auch keine Wissenschaft geben, weder eine exegetische noch eine dogmatische. Denn hier ist alles geheimnisvoll Gnade, und Glaube ist einfadi dabei. „Keinen Augenblick und in keiner Hinsicht wird er darauf, daß er dabei ist, sein Vertrauen setzen, daran sich orientieren . . . , er wird überhaupt nicht darüber reflektieren, sondern er wird eben dabei sein23." Wenn es gegenüber diesem Ursprung des Glaubens, gegenüber einem solchen Begriff des Wortes Gottes — den wir den 1. Begriff des Wortes Gottes nennen wollen — überhaupt eine theologische Verantwortung gibt, wie ζ. B. Spranger sie forderte, so kann sie lediglich darin bestehen, „klar zu machen, daß Glaubensbereitschaft von außen gesehen ihren Grund in sich selber hat und also hinsichtlich ihres Grundes unverantwortlich ist 24 ." „Eben damit, daß die Wahrheit im Glauben vorausgesetzt wird als das bekannte Maß aller Dinge, ist entschieden, daß sie in keiner Weise als vorhanden vorausgesetzt ist. Die Wahrheit kommt: nämlich im Glauben, 20 21 22 23 21

1,1, 1,1, 1,1, 1,1, 1,1,

S. 171, ferner: Theologie zwischen gestern und morgen, S. 13, 23. S. 175, ferner: S. 54, 61, 81, 116, 122, u. ö. S. 193. S. 231, cf. S. 246, 249. S. 193.

Die Methodenfrage

107

in dem wir a n f a n g e n . . . und aufhören zu erkennen 2 5 ." Diesem „von Glaube zu Glaube" entspricht in seinem Anselmbudi das „von Gebet zu Gebet". „ D i e Bedingung des intelligere berühren wir, wenn wir auf den . . . Zusammenhang zwischen Theologie und Gebet achten . . . Gerade Anselms wissenschaftlich vielleicht vollkommenste Schrift Cur deus homo läßt diese (Gebets)haltung immer wieder durchblicken . . . Auf einem besonderen Höhepunkt der Beweisführung unterbricht Boso selbst mit einem anbetenden Benedictus Deus." Die entscheidende Mächtigkeit zum intellectus fidei mit seinen logischen Operationen „fällt nicht mit der Spontaneität der menschlichen Vernunft zusammen . . . , sondern kann ihr nur je und je geschenkt werden". „Von einer schöpferischen und normativen Bedeutung der menschlidien ratio kann somit in keinem Sinne die Rede sein 26 ." Was Barth so mit seinem 1. Begriff vom Worte Gottes umschreibt, ist die Ohnmacht des Menschen angesichts der souveränen Majestät Gottes. Der Mensch muß schweigen, wenn Gott reden soll. Kritiker haben auch sofort darauf aufmerksam gemacht, daß der Theologe hier eine „Leerstelle" bezeichnet, die er niemals in eigener Verantwortung ausfüllen kann 2 7 . Gegenüber diesem 1. Begriff vom Worte Gottes versagt notwendig alle menschliche Möglichkeit, mit nachprüfbarer Methode eine theologische Wissensdiaft aufzubauen. Hier versagt auch alle praktische Theologie, kritisch die Sachgemäßheit der Verkündigung überprüfen zu wollen. Und wenn Barth ein „christomonistischer Aktualismus" und eine „panaktualistische Seinsauffassung" nachgesagt wird, so hat das in diesem 1. Begriff vom Worte Gottes seinen Grund 2 8 . Wir wollen im folgenden das Geheimnis Gottes, der redet, wann er will und schweigt, wann er will, nicht antasten. Wir wollen aber wissen, ob es noch ein anderes Wort Gottes gibt, das nun eben gerade der menschlichen Verantwortung nicht entzogen, sondern anheimgestellt ist. Sollte die theologische Vernunft dennoch in der Lage sein, Schuldogmatik zu treiben, so wird alles davon abhängen, ob sie daran festhält, daß es das Wort Gottes noch in einem anderen Sinn, nämlich in seinem 2. Begriff gibt: Wort Gottes als „offenbares Geheimnis". Mit Recht sagt Schelling: 25

1 , 1 , S. 13.

» Anselm 31 f., 33, 45. "

cf. E. Reisner: Kennen, Erkennen, Anerkennen. München 1932, S. 136 ff. — ferner: Bohlin, Offenbarung und Glaube, 1928, S. 75 u. 81.

28

cf. H . G. Pöhlmann: Analogia entis oder Analogia fidei, Göttingen 1965, S. 154.

108

Kritischer Vergleich

„Denn entweder ist sie wirklich ein Geheimnis (sc. die Offenbarung) — nun, dann müßten wir uns überhaupt enthalten von ihr zu reden, und am allerwenigsten sie in feste, starre Begriffsbestimmungen einschließen wollen, o d e r sie ist ein offenbares Geheimnis, d. h. ein Geheimnis, das für uns aufgehört hat ein solches zu sein, dann muß sie, um etwas für uns, um also eine wirklich geoffenbarte zu sein, notwendig audi verständlich sein 29 ." Im folgenden fragen wir darum nur noch nach dem 2. Begriff vom Worte Gottes, wie er jeder Theologie, sofern sie denn ernsthaft kritische und rationale Rede von Gott sein will, zu Grunde liegt. Was den 1. Begriff des Wortes Gottes betrifft, so kann er nicht mehr und nicht weniger sein wollen als die ultima ratio eines Vorbehaltes, den jeder Theologe macht, der sich nicht an die Stelle Gottes selbst setzen will. 3. Das Wort Gottes als Offenbarungstatsache. Barth ist kein Mystiker. Er hat keinen Zweifel darüber gelassen, daß es das Wort Gottes noch in einem zweiten, „konkret-faktischen" Sinne gibt. Hier „appellieren wir an die schlichte Tatsache, daß wir faktisch mit der Bibel konfrontiert sind . . . Niemand kann sagen, daß das Wort Gottes als wahres und konkret selbständiges Kriterium seinem Gesichtsfeld entrückt s e i . . . Die Möglichkeit, des Wortes Gottes ansichtig zu werden . . . ist uns gegeben in dem Faktum, daß in der Kirche die Bibel gelesen wird und auf dieses Faktum beziehen wir u n s . . . Dogmatik als Frage nach dem Worte Gottes muß sein die kritische Frage nach der Übereinstimmung der kirchlichen Verkündigung mit der in der Heiligen Schrift bezeugten Offenbarung* 0 . " Das Wort Gottes in seinem 2. Begriff ist nun bezogen auf das Wort der Heiligen Schrift. „Hier gibt es kein heimliches Sichberufen auf eine besondere Begnadung, auf ein Lutherisches „ich kann nicht anders", auf eine prophetische Erleuchtung wohl g a r . . . Nichts von alledem, nichts Besonderes, nichts von Prophetie und Apostolat, eine ganz irdische, harmlose, vieldeutige Sache, alles mystischen Glanzes oder Geheimnisses entbehrend 31 ." Damit haben wir nun aber zum ersten Mal einen Begriff vom Worte Gottes, demgegenüber die Methodenfrage überhaupt erst sinnvoll zu stellen ist. Der Theologe sieht sich nicht mehr einem je und je geschehenden -,J Schellings Werke, Münchner Jubiläumsdrude 1965, Band VI, S. 423. 3 0 1,1, S. 280. 3 1 cf. dazu 1,1, S. 103 f., 268, 274, 279, u. ö.

Die

Methodenfrage

109

dunklen Ereignis, sondern einem historischen Faktum gegenüber, das seine rational-kritische Reflexion nicht ausschaltet, sondern herausfordert. In dem Leben und Werk Jesu hat sich etwas ereignet, was nicht bloß als Geheimnis menschlichem Zugriff entzogen, sondern als historisches Ereignis eben gerade der rational-kritischen Nachforschung ausgesetzt ist. Mit anderen Worten: Das Faktum der göttlichen Offenbarung in Jesus Christus, wenn es denn unter den 2. Begriff vom Worte Gottes fallen soll, ist und bleibt ein historisches Faktum, das zu seiner Interpretation einer historisch-kritischen Methode bedarf 3 2 . Hier ergeben sich nun die entscheidenden methodischen Fragen, deren Richtung wir nur andeuten wollen. Das Genauere sei der ausgewählten Einzelanalyse und anschließenden Kritik vorbehalten. Man wird selten einen Dogmatiker finden, der bei seiner Arbeit so viel Exegese und Dogmengeschichte getrieben hat, wie Barth. Rahner ζ. B. kommt ganz ohne Exegese aus und will es auch, obgleich er dein Satz vom grundlegenden, maßgebenden Wort Gottes in der Heiligen Schrift zustimmt 33 . Ob die dogmatische Reflexion darunter leidet oder dabei gewinnt, werden wir noch sehen. Hier kommt es nur darauf an, Barths methodische Absicht zu begreifen, nicht von irgendeinem metaphysischen Satz auszugehen, sei er nun empirisch, die allgemeine menschliche Erfahrung betreffend oder sei er nicht-empirisch, wie bei Anselms Gottesbeweis — sondern eben von dem konkreten Wort der Heiligen Schrift. Einen solchen ersten, eindrucksvollen Versuch hat Barth in seinem Römerbriefkommentar vorgelegt. Einleitend äußert er sich dort über seine Methode, nach der er verfahren will: „Meine ganze Aufmerksamkeit war darauf gerichtet, durch das Historische hindurchzusehen in den Geist der Bibel, der der ewige Geist ist. Was einmal ernst gewesen ist, das ist es auch heute noch, und was heute ernst ist, und nicht bloß Zufall und Schrulle, das steht audi in unmittelbarem Zusammenhang mit dem, was einst ernst gewesen ist 3 4 ." Wir übergehen jetzt bewußt alle Einzelheiten, wie die Verschiedenheit der beiden Auflagen dieses Kommentars, die unterschiedliche Wirkung — etwa auf R . Bultmann und seine Exegese — , die Auswirkungen auf die Kirchliche Dogmatik, um nur die wichtigsten 32

cf. W . G. Kümmel, Das Neue Testament, Geschichte der Erforschung seiner Probleme, Orbis academicus, München 1958. — Ferner zum allgemeinen Überblick.· W. v. Loewenidi, a.a.O., bes. S. 283 ff., 346 ff., 438 ff.

33

K. Rahner, Schriften zur Theologie, Bd. 6, Zürich 1965, S. 111 ff., ferner: Bd. 5, 1962, S. 82 ff.

34

K. Barth, Der Römerbrief, 1919, Vorwort.

110

Kritischer Vergleich

zu nennen 35 . Unsere ganze Aufmerksamkeit richtet sich vielmehr auf die elementare Tatsache, daß hier ein Dogmatiker unternimmt, „durch das Historische hindurchzusehen", also von der Exegese auszugehen, um so zu einer dogmatischen Aussage zu kommen. Wir werden im nächsten Abschnitt entschieden in Frage stellen, daß das die einzige Möglichkeit ist, Dogmatik zu treiben, obwohl es diejenige ist, die am stärksten bis in die gegenwärtige sog. hermeneutische Diskussion nachwirkt. Barth selbst hat jedenfalls schon zu Beginn seines großen theologischen Unternehmens einer Kirchlichen Schuldogmatik noch eine ganz andere Möglichkeit gesehen und studiert, nämlich in seinem Anselmbuch. Doch bleiben wir vorerst noch bei Barths Auslegung der Heiligen Schrift, in der sich das Exegetische mit dem Dogmatischen eigentümlich vermischt. Gerade dieses Mischverfahren hat bis heute Schule gemacht. Schon in den zwanziger Jahren entzündete sich eine heftige Diskussion unter dem Stichwort: „pneumatisch-prophetische Exegese" oder auch etwas weniger anspruchsvoll: „theologische Exegese" 3 6 , die sich in der Folge über die „Biblische Theologie" zur „Existentialen Interpretation" und schließlich bis zur „Modernen Hermeneutik als protestantische Disziplin" ausgeweitet hat 3 7 . Wir erinnern daran, daß es bei all diesen verschiedenen Bemühungen, auf die Barth entscheidenden Einfluß ausgeübt hat, immer darum gegangen ist, den 2. Begriff des Wortes Gottes zu entfalten, insofern es um die vom Menschen verantwortbare Rede von Gott geht. Wird aber diese Unterscheidung der beiden Begriffe nicht zugestanden, so wäre u. E. Tür und T o r geöffnet für eine „pneumatische Exegese", bei der jeder beliebige Einfall mit dem Anspruch verbunden werden kann, geoffenbartes Wort Gottes zu sein 38 . Die erneute Andeutung muß jetzt dafür genügen, daß nur der 2. Begriff vom Wort Gottes für die theologische Wissenschaft in Frage kommt, aber auch ausreicht. Was nun aber die „theologische Exegese" in diesem eingeschränkten Sinn betrifft, so hat sie eine deutliche Vermittlerfunktion von Vergan35

cf. zuletzt Theologie zwischen gestern und morgen, bes. S. 88 ff.

39

cf. ebda. S. 2 4 — 2 6 — v o r allem W . G. Kümmel, a.a.O., S. 466 ff.

37

H . G. Gadamer, Wahrheit und Methode, 2. Aufl., Tübingen 1965, S. 315 — Zur

philosophischen

Kritik

an

Gadamers

„Geschichtsgläubigkeit",

cf.

O . B e c k e r in Philosoph. Rundschau 1962, S. 225 ff., ferner: W . Kamiah in Logische Propädeutik, Mannheim 1967, S. 27. 38

Dazu immer noch wesentlich R . Bultmann, Glauben und Verstehen, Bd. 2, Tübingen 1961, S. 2 1 1 — 2 3 5 .

Die

Methodenfrage

111

genem zu Gegenwärtigem. Sie soll zwischen Exegese und Dogmatik vermitteln, derart, daß sie bei dem „äußeren T e x t " des Historischen ihren Anfang nimmt, um kraft ihres „Hindurchsehens" schließlich dort zu enden, wo die auch heute noch verbindliche und verpflichtende dogmatische Aussage des christlichen Glaubens steht, die — nach Barths Worten — schulmäßig gelehrt werden kann. Auch wenn man nicht so skeptisch ist wie Rahner, der behauptet: Der Exeget verstünde heute nicht mehr so viel von Dogmatik und der Dogmatiker nicht genug von historisch-kritischer Exegese, um beides in einer Person noch hinreichend vermitteln zu können 39 , so muß doch mindestens die Frage gestellt werden, ob nicht vor aller Vermittlung die Eigenart des Dogmatischen viel genauer und strenger erkannt werden muß. Es gibt jedenfalls Fehlentwicklungen in der neueren Theologie, die das nahelegen. Ich sehe einmal davon ab, daß die Dogmatik viel von ihrer ursprünglichen spekulativen Kraft verloren hat und zaghaft in historisch-kritischen Bahnen läuft 4 0 . Das tut sie übrigens audi dort, wo sie sich als universalgeschichtliche Konzeption (ζ. B. Pannenberg) von einer existentialgeschichtlichen absetzt 4 1 . Viel deutlicher ist das Unbehagen an einer „BiblischenTheologie", die sich so sehr von dogmatisch-theologischen Prämissen der Dialektischen Theologie hat leiten lassen, daß sie in den Verdacht geraten ist, sich um historisch-kritische Exegese nicht ausreichend gesorgt zu haben 4 2 . Es gibt jedenfalls eine beachtliche Kritik in dem Sinn, daß es hier eben nicht zu einer klärenden, sondern verwirrenden Vermittlung zwischen Exegese und Dogmatik gekommen ist. Schwierige historisch-kritische Probleme lassen sich nicht dogmatisch auflösen und umgekehrt gibt es dogmatische Fragen, die damit noch längst nicht beantwortet sind, daß man sie historisch-kritisch abgeleitet hat. Grundsätzlich muß man auch die Existentialtheologie Bultmanns und seiner Schüler auf diesem Wege begreifen, auf dem Wege der Schriftauslegung, auch wenn sie sich nicht auf eine Kirchliche Dogmatik hin entwickelt hat, sondern auf eine philosophische Anthropologie, der es „auf eine einzige, bestimmte Frage ankommt: die entscheidende Frage, die der Mensch selbst ist in seiner 39 40

K. Rahner, a.a.O., Bd. 5, S. 82 ff. cf. dazu W . Trillhaas in Neue Zeitschrift für Systemat. Theologie, 1965, S. 143 ff. — C . H . Ratschow, G o t t existiert, Berlin 1966, bes. S. 86.

41

cf. den Barthaufsatz H . G. Geyers in Theologie zwischen gestern und m o r -

42

Jetzt vor allem J. Barr, Bibelexegese und moderne Semantik, München

gen, bes. S. 260. 1965, bes. S. 207 ff. — Aber schon W . G . K ü m m e l a.a.O., bes. S. 468 ff.

112

Kritischer Vergleich

Existenz" 43 . Wiederum geht es um „theologische Exegese" im Sinne eines „Hindurchsehens" durch das Historische, wie Barth -wollte, wieder geht es um Schriftauslegung, wenn auch diesmal unter Verwendung bestimmter existenzphilosophischer Spekulationen, die inzwischen einer heftigen innerphilosophischen Kritik ausgesetzt sind 44 . Wiederum geht es dem historisch-kritischen Forscher um jene Vermittlung von Vergangenem und verpflichtend Gegenwärtigem, auch wenn er im besonderen sich von Bultmann schon gelöst hat, indem er das Historische höher und das Kerygmatische geringer einschätzt 45 . Das alles läßt sich u. E. grundsätzlich mit der Absicht Barths in seinem Römerbriefkommentar sehr wohl zusammensehen. Ja, w i r können auch die neu aufgekommene Strömung unter dem Titel „Theologische Hermeneutik" oder „Hermeneutische Theologie" — besonders verbunden mit den Namen Ebeling und Fuchs — in ihrem Grundansatz nicht anders beurteilen 46 . Gewiß, es ist ein weiter Weg vom Römerbriefkommentar über die Biblische Theologie und Existentialtheologie zur „modernen Hermeneutik als protestantischer Disziplin" (Gadamer). Aber es ist der gleiche Weg der historisch-kritischen Befragung von Texten und Traditionen, des „Einrückens in ein umfassendes Uberlieferungsgeschehen" 43

44

45 40

In: Anfänge der dialektischen Theologie, ThB. 17,1, 1966 — 2, 1967 (Hg.: J. Moltmann) cf. S. I, 180 — ferner: 11,92. — Zu der Frage „Existenziale Interpretation" a l s Vollzug oder f ü r Vollzug von Existenzverständnis cf. jetzt: W. Joest in Theologie zwischen gestern und morgen, S. 69 ff. Zur philosophischen Kritik an der Existenzphilosophie im weitesten Sinne cf. A. Menne Zur logischen Analyse der Existenz, in Log. philosoph. Studien, I. M. Bochenski (Hg.), München 1959, S. 97 ff. — G. Patzig in R . Carnap: Schemprobleme in der Philosophie, Frankfurt 1966, S. 83 ff. — W. Kamiah/P. Lorenzen a.a.O., bes. S. 15, 128. — M. Theunissen, Der Andere, Berlin 1956, bes. S. 483, 507. — J. Habermas, Theorie und Praxis, Berlin 1967 (2. Aufl.), S. 149, 308 f., 363 ff. — In dieser kritischen Selbstbesinnung der Philosophie lassen sich eine positivistische, an den „Wiener Kreis" anknüpfende und eine transzendentale, an Kant und den Deutschen Idealismus anknüpfende Richtung unterscheiden. cf. dazu bes. E. Käsemann, Exegetische Versuche, Göttingen 1960, S. 187 ff. cf. bes. G. Ebeling, Die Bedeutung der historisch-kritischen Methode f ü r die protestantische Theologie und Kirche, in: Zeitschr. f. Theologie und Kirche, 1950 — Wort Gottes und Hermeneutik, ebda. 1959. — E. Fuchs, Hermeneutik, Bad Cannstatt 1954 — Zum hermeneutischen Problem in der Theologie, Tübingen 1959. — Ferner: H. J. Rothert, G e w i ß h e i t . . . , Göttingen 1963, bes. S. 167 ff.

Die Methodenfrage

113

mit dem Ziel der Vermittlung von Vergangenem und Gegenwärtigem 4 7 . Es ist der Weg von der historisch-kritischen zur theologischen Exegese, die eben nicht nur sagen soll, was einmal gewesen ist, sondern eben audi was heute verpflichtende theologische Wahrheit sei. Die Verpflichtung gegenüber dem historischen Ursprung des Glaubens ist der wichtigste Faktor der protestantischen Theologie geworden. W. v. Loewenich sagt geradezu: „ D i e historisch-kritische Arbeit ist das Salz der Theologie 4 8 ." Barth aber ist an dieser Entwicklung nicht bloß nebenbei beteiligt gewesen. Die entscheidenden Impulse sind von ihm ausgegangen 4 9 und haben schließlich in seiner Kirchlichen Dogmatik zu einem eigentümlichen und oft schwer faßbaren exegetisch-dogmatischen Mischverfahren geführt. Es ist aber unsere Frage, ob es nicht noch einen anderen, eigenständigen Ansatz für die dogmatische Forschung gibt, der zwar das Historische und Empirische nicht verleugnet, aber zunächst einmal ganz mit den nichtempirischen Elementen beschäftigt ist, die zur Begründung der Wahrheit des Glaubens unerläßlidi sind und immer schon waren. 4. D a m i t wenden wir uns jenem Barth zu, der nicht theologische Exegese der Schrift treibt, sondern dem ontologischen Gottesbeweis Anselms bewundernd nachgeht 50 . Wir wollen hier nicht historisch-kritisch beurteilen, ob Barth Anselm richtig interpretiert hat. Uns genügt vorerst, jene Spuren zu finden, die den nicht-historischen Ansatz dogmatischer Reflexion unter bestimmten Bedingungen rechtfertigen könnten. Anselm nun hat nicht bloß „Freude an der ratio", sondern sucht ein Verstehen und Begründen der Glaubenswahrheit, das eben nicht auf dem Wege der Schriftauslegung erfolgt 5 1 . So sehr er die Autorität der Schrift und darüber hinaus audi des Kirchlichen Lehramtes anerkennt, so bestimmt will er doch einen Weg einschlagen, auf dem die Wahrheit eines Glaubenssatzes nidit von einem Bibelwort abgeleitet oder mit biblischen Traditionen begründet wird. Er verschmäht sogar die „beteuernde Anführung von Schriftgründen" 5 2 , will „Heiden und Juden s o l a r a t i o n e überzeugen" und wird so zu einem „Klassiker, einer fast ohne Zitate sich behelfenden theologischen Darstellungsweise" 5 3 . " Gadamer, a.a.O., S. 275 u. 313 ff. 48 W. v. Loewenich, a.a.O., S. 439. 48 cf. W. G. Kümmel, a.a.O., S. 466 ff. 50 cf. Anmerkung 141. 51 Anselm, S. 4. 52 ebda., S. 39. 33 ebda., S.41. 8 Browarzik, Glauben und Denken

114

Kritischer Vergleich

Gewiß kann man auch ein solches theologisches Programm „Hermeneutik" nennen, da es sich ja ausdrücklich um ein Verstehen des Glaubens handelt. Aber eben um ein anderes hermeneutisches Programm, das sich von jenem „Einrücken in ein umfassendes und verpflichtendes Überlieferungsgeschehen'' sehr deutlich unterscheidet. Der Anlaß für Barth, dieses Anselmsche Programm genauer zu studieren und „dessen Technik zu lernen", war auch gar nicht das Unbehagen an der damaligen historisch-kritischen Erforschung der Schrift — aus diesem Unbehagen heraus ist der Römerbrief entstanden. Der Anlaß waren Fragen und Einwände, die von der Seite seines „philosophischen Freundes Heinrich Scholz" kamen 5 4 . Scholz aber stand theologisch mehr und mehr einsam und verlassen da und wandte sich schließlich logistischen Forschungen zu, die von den Theologen ignoriert, wohl audi kaum verstanden, erst in jüngster Zeit von philosophischer Seite starke Beachtung gefunden haben 5 5 . Metaphysik des Christentums zu treiben, war verpönt und „eine Religionsphilosophie von wissenschaftlicher Bedeutsamkeit" schien die Theologen damals nicht zu interessieren. Ein Satz wie dieser: „Man soll sich nur nicht ans Historische klammern, als ob das Wesen des Christentums darin und nicht vielmehr in dem metaphysischen T a t b e s t a n d . . . bestünde" — mag wohl in seiner ersten Hälfte Verständnis gefunden haben 5 6 , nicht aber in seiner zweiten. Erst in der jüngsten Zeit zitiert man das damals von Scholz herangezogene Fichtewort wieder: „Nur das Metaphysische, keineswegs aber das Historische macht selig. Das Letztere macht nur verständig 5 7 ." Es kann uns jetzt nicht um Einzelheiten gehen, sondern um die auch für Barth entscheidende Frage, was denn nun die methodische Forderung sola ratione für die theologische Wissenschaft bedeuten soll 58 . D a ß der theologischen Vernunft die göttliche Offenbarung faktisch vorgegeben ist in Gestalt des maßgebenden Wortes der Schrift, ist unbestritten. 54

ebda., V o r w o r t .

55

cf. I. M. Bochenski, Formale Logik, orbis academicus, München 1956, S. 34,

56

cf. Bultmann, Jesus, Tübingen 1951. — Zu Kerygma als ungeklärtem m o -

316, Lit. 586 ff. dern-theologischen Modebegriff cf. W . Künneth, Glauben an Jesus, H a m burg 1962, S. 81 ff. — Ferner: W . v. Loewenich, a.a.O., S. 283 ff., 363. 57

H . Scholz, Religionsphilosophie, Berlin 1921, S. 310 u. S. 2. — Z u m P r o blem,,bes. P. Tillich, Systematische Theologie, Stuttgart 1956, II. Band, 1958, S. 111 ff.

58

Anselm, S. 41.

Die Methodenfrage

115

Barth nennt diese Vorgegebenheit der Offenbarung auch „ontische Rationalität". Leider nicht ganz eindeutig. Mit Rationalität ist wohl die der menschlichen ratio zugängliche und auch von ihr erforschbare Seite der Offenbarung gemeint. Der Begriff „ontisch" hingegen ist weit schwerer zu fassen. Einmal meint er das grundlegende Ereignis der Offenbarung in Jesus Christus. Insofern nun dieses Faktum (Leben und Werk Jesu) historisch-kritischer Forschung zugänglich ist, fällt es unter den 2. Begriff des Wortes Gottes, wie wir ihn im vorigen Abschnitt verfolgt haben. Barth aber schwankt nicht selten und meint damit auch noch die Priorität, Souveränität und Unverfügbarkeit des Wortes Gottes, wie wir sie im 1. Begriff vom Worte Gottes zusammengefaßt haben. Damit aber stiftet er Verwirrung, da dieser 1. Begriff überhaupt keiner Wissenschaft zugänglich sein kann 59 . Endlich bleibt noch die Frage, ob mit jenem „Ontischen" zwar etwas empirisch Vorgegebenes,, aber vielleicht eben nicht historisch Vorgegebenes gemeint sein kann. Rahner kommt ζ. B. bei seinen Analysen wohl ohne alles Historische aus, aber nicht ohne alles Empirische. Wir kommen später darauf zurück. Was nun den theologischen Denkweg Anselms sola ratione betrifft, also jene vernünftige Einsicht in den Glaubensgehalt — jenes durch und durch rationale Unternehmen der theologischen Vernunft, die gleichsam ganz bei sich selber bleibt, um ganz zu sich selber kommen zu können — ihm wollen wir zum Abschluß dieser methodischen Vorerwägungen noch etwas genauer nachgehen. Barth nennt es „noetische Rationalität" 60 . Aber damit sind wir der Sache keineswegs näher. Diese noetische Rationalität korrespondiert offensichtlich mit jener ontischen, und wir stoßen auf die gleichen Schwierigkeiten wie oben. Unter dem 1. Begriff vom Worte Gottes wäre noetische Rationalität jenes Geschenk des Glaubens selbst, jene tiefe Überzeugung von der Glaubenswahrheit, die dem Menschten gnädig widerfährt, wenn sie ihm überhaupt widerfährt, und von der es keine Wissenschaft gibt und geben kann. Mit dem 2. Begriff vom Worte Gottes könnte nun unter noetisdier Rationalität und audi unter dem Anselmschen sola ratione die allumfassende historische Vernunft gemeint sein. Denn diese erforsdit ja nicht bloß historisch-kritisch das Vergangene, sie ist ja hermeneutisch auf dem Wege, den verpflichtenden Gegenwartsbezug herzustellen. Und wenn Anselm von seiner Methode 59 60



ebda., S. 27, 43. ebda., S. 52, u. ö.

116

Kritischer Vergleich

sola ratione fordert, daß sie für den Glauben wie für den Unglauben die gleiche sein muß, so würde das heißen, daß die Erforschung der Heiligen Schrift keinen anderen Bedingungen unterliegen kann, als die Erforschung jeder anderen menschlichen Literatur 6 1 . Aber gerade dem letzteren widerspricht Anselm ausdrücklich. E r will ja nun gerade das Historische, wie maßgebend und grundlegend es auch immer sein mag, auf sich beruhen lassen. Zwar wurde Anselm bekanntlich durch einen Bibelspruch (Psalm 14,1) auf den Gedanken gebracht, einen Gottesbeweis zu führen, aber eben einen solchen sola ratione, der von der Offenbarung keinen Gebrauch macht. Schließlich verbot er sich jede Beschäftigung mit solchen Überlegungen, weil sie zu viel Zeit verbrauchten. Als ihm aber dann dodi jene berühmt gewordene Erleuchtung kam und er seinen ersten Satz für den Gottesbeweis gefunden hatte: illud quo maius cogitari nequit — da war dieser Satz weder historisch der Offenbarung, noch empirisch der Erfahrung entnommen. Denn diese merkwürdige Gottesdefinition geht über alle menschliche Erfahrung weit hinaus und ist dem Denken eines Mathematikers verwandter als dem eines Historikers. Und wenn heute die Theologen wenig Verständnis für ein derartiges Unternehmen haben (was sich leicht an der Behandlung der Gottesbeweise in den dogmatischen Lehrbüchern zeigen läßt), dann liegt das nicht zuletzt daran, daß die Zeiten längst vorbei sind, in denen große Theologen auch große Mathematiker waren 6 2 . Barth hat für ein solches theologisch-apriorisches Programm zunächst, wie es scheint, volles Verständnis. E r spricht von Anselms „eigenem Boden, dem Boden streng theologischer (wir würden heute sagen: dogmatischer) Sachlichkeit, auf dem man sogar „mit dem Ungläubigen sehr wohl verhandeln kann" 6 3 . Trotzdem ist seine Interpretation gerade an dieser wichtigen Stelle unbefriedigend. Es ist das erste Mal, daß Barth sich vor ein theologisches Programm gestellt sieht, welches weder historisch noch empirisch ist. Aber bei all seiner beteuerten Aufmerksamkeit müssen wir feststellen, daß er die Frage, die Anselm mit seinem ontologischen Gottesbeweis an die theologische Vernunft stellt, weder genügend scharf gestellt hat, noch ihr mit besonderem Eifer nachgegangen ist. Barth gibt zu, daß „die Frage ernstlich gestellt werden kann, ob

"

ebda., S. 68 — cf. dazu Bultmann, Glauben und Verstehen II, 231.

M

A. Speiser, Die geistige Arbeit, Basel 1955, S. 119.

·» Anselm, S. 69 f.

Die Methodenfrage

117

Anselm nicht . . . aprioristisdie Theologie getrieben hat" 6 4 . Aber er selbst stellt diese Frage nur flüchtig, möchte „eine gewisse methodische Ungeklärtheit nicht bestreiten" und nimmt schnell seine Zuflucht zu dem alten Verdacht, daß alle „aphoristische Theologie" eben in „luftiger Spekulation die Unbegreiflichkeit der Faktizität des Glaubensgegenstandes nicht respektiert", und sich verwerflicherweise „ohne Offenbarung aufmadit zu freihändiger Rekonstruktion der christlichen Erkenntnis aus reiner Vernunft" 6 5 . Wir wollen jetzt weder dem Beweisgang Anselms (der sowohl Kant wie auch Hegel noch intensiv beschäftigt hat), noch der Interpretation Barths im einzelnen folgen. Wenn wir auf das entscheidende Problem aufmerksam gemacht haben, haben wir alles erreicht, was wir hier wollten. Die Aufgabe, die eine „aprioristische" oder transzendentale Theologie uns stellt, ist gewiß sehr schwierig. Aber die Bedenken, die Barth mit vielen anderen, ja mit den meisten hat, lassen sich nach unserer Überzeugung beheben. Wir werden jedenfalls in dem Rahmen dieser Untersuchungen Gelegenheit haben, Barth bei seiner eigenen dogmatischen Arbeit zu beobachten, und wir werden sehen, wie er eben nicht bloß Exegese treibt, sondern auch „luftige Spekulationen" über das, was keiner menschlichen Erfahrung in nachprüfbarer Weise je zugänglich sein wird. Und wir werden ferner bemerken, wie er selbst „freihändige Rekonstruktionen der christlichen Erkenntnis" treibt, gelegentlich sogar im Stil der großen Metaphysik, wie sie vor ihm noch der Deutsche Idealismus gewagt hat. Wir wollen ihm das nicht übel nehmen. Ganz im Gegenteil. Wir wollen „metaphysische Technik" neu lernen, gerade weil es uns um die Wahrheit des Glaubens geht. Mit anderen Worten: Wir wollen erneut unsere Aufmerksamkeit der transzendentalen Fragestellung zuwenden, wie sie deutlich wohl erst von Kant formuliert wurde. Jene Frage also nach den apriorischen Bedingungen der theologischen Erkenntnis, die uns vor das Problem stellt, wie denn nun das Verhältnis von transzendental-apriorischer und geschichtlich-aposteriorischer Theologie beschaffen sei. Die kritische Selbstbesinnung der Theologie, wie sie sich gegenwärtig in der hermeneutischen Debatte vollzieht, könnte nur gewinnen, sowohl in ihrer existentialgeschichtlichen (Bultmann, Ebeling, Fuchs) als auch in ihrer universalgeschichtlichen (Pannenberg) Richtung,

61

ebda., S. 56 f.

85

ebda., S. 65.

118

Kritischer Vergleich.

wenn sie sich auf die nichtempirischen Bedingungen ihrer eigenen Möglichkeit besinnt®6. Kapitel 9: Gottes

Offenbarung

A. Darstellung Wir wüßten nichts von Gott, wenn Gott sich nicht offenbart hätte. Nun aber hat er sich offenbart in Jesus Christus. „Das ist gesdiehen und das ist, was das Alte Testament als Wort von der Weissagung und das Neue Testament als Wort von der Erfüllung, aber beide als geschehen, abschließend, vollkommen und genugsam geschehen, verkündigen . . . Das kam über sie (sc. die biblischen Zeugen) und will durch sie immer aufs neue über die Kirche kommen und ausgeschrieen werden als das schlechthin Dringlichste, was jede Zeit und zu jeder Zeit jeder Mensch und jeder Mensch in jeder Hinsicht hören kann und muß: Dieses „Gott mit uns" ist geschehen. Mitten in der menschlichen Geschichte und als ein Teilstück dieser Geschichte, aber nun gerade nicht wie Teilstücke dieser Geschichte zu geschehen pflegen, nämlidi nicht fortsetzungs-, nicht ergänzungsbedürftig, nicht über sich hinausweisend..., sondern mitten im Strom des Werdens... das abgeschlossene Geschehen, die erfüllte Zeit 87 ." „Die in Christus an den Menschen ergangene göttliche Offenbarung ist jenes Geschehen, in dem Gott vor allem das entscheidende Wort über sich selbst spricht und darin eingeschlossen auch das entscheidende Wort über den Menschen und die Welt 68 ." Man sieht sofort, mit welcher Entschiedenheit hier bei der Offenbarung in Jesus Christus eingesetzt wird. Das kleine Bündel von historischen Nachrichten über Jesus von Nazareth erhält eine ungeheuerliche und für manch einen 86

Zum transzendental-apriorischen Ansatz der Theologie unter ausdrücklichem Bezug auf Kant und den Deutschen Idealismus verweise ich für die neuere Forschung besonders auf: Ulrich Mack: Die wissenschaftlichen Grundlagen der Theologie A. Nygrens in NZsyTh. 1966, S. 184—200, dort audi zu C. Stange. — Van Austin Harvey, Die Gottesfrage in der amerikanischen Theologie in ZThK. 1967, S. 325 ff. — bes. S. 329 und 339 f. — K. Rahner, Schriften VI, S. 101 f., bes. VIII, S. 165 ff., dort auch weitere Literatur. — cf. auch das Urteil W. v. Loewenichs, a.a.O., S. 440 — Zum philosophischen Ansatz jetzt P. Lorenzen, a.a.O., S. 189—234.

47

Barth, KD 1,1, S. 118 f. Balthasar, a.a.O., S. 82.

68

Gottes Offenbarung

119

unverständliche Bedeutsamkeit. Mindestens aber muß jeder zugestehen, daß in diesen wenigen Sätzen ein Ernstnehmen der Person, des Lebens und Werkes Jesu zum Ausdruck kommt, das nicht überboten werden kann«9. Es handelt sich für uns nun daraum, diesen allerersten Ansatz einer Offenbarungstheologie, wie ihn Barth andeutet, genauer zu begreifen. Barth gibt gleich zu Beginn unserer Nachfrage folgendes zu bedenken: „Der Zugang zur Offenbarung ist bedingt durch die Einsicht, daß wir zuerst die Tatsachenfrage, dann die Verständnisfrage zu stellen haben. Oder, weil es sich ja audi bei der Tatsachenfrage um ein Verstehen und bei der Verständnisfrage um nichts als um die Tatsache handelt: Wir müssen zuerst die Wirklichkeit Jesu Christi als solche verstehen, dann und daraufhin ablesend von der Tafel dieser Wirklichkeit, die in ihr eingeschlossene Möglichkeit, die in ihr bewiesene und bewährte Freiheit Gottes 70 ." Alles hängt nun also davon ab, wie der hier auftauchende Begriff einer Offenbarungstatsache verstanden werden soll. 1. Das Ereignis der Offenbarung ist zusammengefaßt für alle Zeiten in dem Namen Jesus Christus. „Die Antwort des Neuen Testamentes (also jenes Dokumentes, das von dieser Offenbarung kündet) auf unsere Frage nach der Wirklichkeit von Gottes Offenbarung besteht ja schlicht darin, daß es auf allen seinen Blättern immer wieder den Namen Jesus Christus ausspricht. Dieser Name ist Gottes Offenbarung, genauer gesagt: die aus der Offenbarung sich ergebende... Definition der Offenbarung 71 ." „Jesus Christus ist nicht ein Element des neutestamentlichen Zeugnisses neben anderen, sondern sozusagen der mathematische Punkt, auf den die Linien der sämtlichen Elemente des neutestamentlichen Zeugnisses bezogen sind, schließlich wirklich nur der Name Jesus Christus als solcher in seiner ganzen scheinbaren Leerheit als bloßer Name, der als solcher gar keinen Inhalt ausspricht, kein Prinzip, keine Idee, keine Wahrheit, sondern nur das Zeichen ist für eine Person 72 ." 89

Bezeichnend dafür ist der von P. Althaus erhobene Vorwurf des „Christomonismus". cf. die umsichtige Zusammenfassung von W. Lohff in Festschrift für P. Althaus, Gütersloh 1958, S. 151 ff. Zur Sache immer noch treffend: H. Scholz, Religionsphilosophie, Berlin 1921, S. 159, 304 ff., und Sdielling, a.a.O., S. 427: „Christus ist nicht der Lehrer, wie man zu sagen pflegt, Christus nidit der Stifter, er ist der Inhalt des Christentums." 7 » Barth, KD I, 2, S. 8. 71 KD 1,2, S . l l . 72 KD I, 2, S. 13.

120

Kritischer Vergleich

O d e r an einer viel späteren Stelle, in anderem Zusammenhang, aber im gleichen S i n n : „Ein anderes Woher und Wohin als das mit dem N a m e n Jesus Christus bezeichnete kommt bei dem christlichen „ G o t t mit uns" nicht in Frage. Anders als in diesem N a m e n kann und will es (also auch jede ernsthaft christliche Rede von G o t t ) nicht Wahrheit s e i n . . . Ohne diesen N a m e n ist es ungesichert, ungeschützt, jedem Verdacht, es möchte ein Postulat, eine freie Spekulation, ein Mythus sein, ohne weiteres ausgesetzt. V o n diesem N a m e n her gesagt und als Verweis auf ihn ist es Wahrheit: so allein 7 3 ." 2. Dieses Ereignis der Offenbarung Gottes in Jesus Christus ist aber gleich weiter zu bestimmen als „eine schlechterdings einmalige W i r k l i c h k e i t . . . Sie ist ein bestimmtes, zeitlich umgrenztes, nicht wiederholbares Geschehen... Es gibt keine Vorwegnahme und keine Wiederholung von diesem Geschehen... Es gibt ein Vorher der Weissagung auf Christus und ein Nachher des Zeugnisses von ihm nur in der Beziehung auf den N a m e n Jesus Christus als die Mitte der Z e i t " 7 4 . Es gibt also eine Zeit vor Christus, wenn es denn wahr sein soll, daß Christus die Mitte der Zeit ist, also auch mitten in der Zeit und nicht jenseits von ihr, und das ist die Zeit der Erwartung, so wie es eine Zeit nach Christus gibt, und diese ist die Zeit der Erinnerung. Was heißt nun aber Erwartung? Unter dem Titel „Die Zeit der Offenbarung" geht Barth diesem Begriff genauer nach. So viel ist k l a r : E r wartung meint das Warten auf göttliche Offenbarung. Insofern kann Barth sagen: „Die Vorzeit der Offenbarung ist audi Zeit der Offenbarung, aber nun eben als Zeit von deren E r w a r t u n g 7 5 . " Oder noch deutlicher: „Echte Erwartung der Offenbarung ist j a selber nidit ohne diese: als Erwartung ist ihr die Offenbarung auch gegenwärtig." (ebda.) D a m i t berühren wir einen entscheidenden Punkt im Barthschen Offenbarungsbegriff, den er selber leider nur sehr flüchtig berührt und in seiner logischen Problematik im Dunkeln läßt. W i r wollen die kurzen Andeutungen und Anspielungen auszuwerten versuchen, so gut es geht. Was heißt also nun Gegenwart der Offenbarung im Stadium der Erwartung? Nehmen wir Offenbarung als jenes Zeugnis, oder jene Zeugnisse, in denen uns etwas ganz Bestimmtes von G o t t mitgeteilt wird. W i r erhalten von G o t t Besdieid. Was nun den Inhalt dieser göttlichen Mitteilungen betrifft, wie sollen wir ihn uns im Zustand der Erwartung denken? U m 73 74 75

KD IV, 1, S. 17. KD I, 2, S, 13. KD I, 2, S. 77.

Gottes Offenbarung

121

nicht mißverstanden zu werden, wollen wir zunächst noch einmal genauer klären, wonach wir fragen, wenn wir nach dem Inhalt der Offenbarung fragen. Wir fragen nach einer hier noch ganz unbestimmten Anzahl von Sätzen, in denen bestimmte Aussagen von Gott gemacht werden, die allen Menschen zugänglich und verständlich und also auch von allen nachprüfbar sind. Das ist eine ganz bewußte Einschränkung der Fragestellung, und sie trifft darum auch nur einen Teil der Barthschen Intention. Zuletzt stammen alle echten theologischen Sätze aus einer tiefen persönlichen Uberzeugung, und ihr Ziel ist, dahin wieder zurückzuführen. Sie sind durch und durch praktisch und nur nebenbei einer theoretischen Reflexion zugänglich. Aber gerade dieses theoretische Nebenbei interessiert uns hier allein. Mit anderen Worten: Wir wollen die Tragweite der theologischen Theorie prüfen, weiter nichts. Wir wollen zugeben, daß solch ein Unternehmen vielleicht bloß ein theologisches Nebengeschäft ist. Aber es ist eben hier unser Geschäft, und wir haben keine andere Absicht, als seine Möglichkeit oder Unmöglichkeit zu erweisen. Kehren wir zurück zu unserer Frage: Es wird inhaltlich etwas von Gott ausgesagt im Stadium vor Christus, also im Zeitraum der Offenbarungserwartung. Wir beschränken uns auf Beispiele für solche Aussagen, die uns später noch genauer beschäftigen werden: Daß überhaupt ein Gott ist und nicht vielmehr gar keiner, oder viele oder auch nur zwei — daß dieser Gott Grund der Welt ist — daß dieser Gott liebt —. Alle diese Sätze sind im Stadium der Offenbarungserwartung nicht unbekannt, sondern bekannt. Und im Ereignis der Offenbarung durch Jesus Christus werden sie nicht als falsche Erwartungen entlarvt. Letzteres mag es audi geben. Wir gehen dem Sinn und der Bedeutung falscher Erwartungen hier nicht nach. Uns genügt festzustellen, daß es nadi Barth „echte Erwartung gibt". Es erfüllt sich das, was erwartet wurde. Echte Erwartung drückt sich also in all den Sätzen von Gott aus, die inhaltlich übereinstimmen oder doch wenigstens in Obereinstimmung gebracht werden können mit dem, was in der Offenbarung selbst durch Jesus Christus zum Ausdruck gebracht wird. Barth sagt: Sie sind „eins in ihrem Inhalt, in ihrem Gegenstand, in dem Bezeugten", (ebda.) Wir können das nicht anders verstehen als so: Wenn ein Prophet in der Zeit der Erwartung vom Willen Gottes spricht, so kann eben dieses Wort Wille in der Zeit der Erwartung nicht anders verstanden werden als in der Zeit der Offenbarung selbst. Sonst wäre eben die Rede vom Willen Gottes eine irrtümliche. Jesus Christus würde sie nicht erfüllen, sondern

122

Kritischer Vergleich

verwerfen. Gott hätte gar keinen Willen. Die Rede vom Willen Gottes würde sich als eine falsche Erwartung herausteilen. So ist es gerade nicht. Barth sagt ausdrücklich: „ D a s Alte Testament ist das Zeugnis der echten Erwartung der Offenbarung." (ebda.) v. R a d formuliert ganz in diesem Sinn, nur daß er statt „ E r w a r t u n g " „Weissagung" setzt: „Das, was die Theologie Weissagung nennt, ist doch einfach die Entdeckung, daß die alten Worte mit ihrer Aussage bis hin zu Christus reichen 76 ." Nebenbei stellt sich hier eine heikle Zwischenfrage, die auch Barth in unserem Zusammenhang berührt, aber mit gewaltigen Behauptungen erledigt. Warum sollte es nun bloß im AltenTestament so etwas geben wie echte Erwartung von Offenbarung? Warum nicht etwa „in der babylonischen oder persischen oder auch altgermanischen Uberlieferung" 7 7 ? Barth: „Wir können zur Begründung des Satzes, daß im Alten Testam e n t . . . echte Erwartung der Offenbarung stattfinde, letztlich und grundsätzlich auf keine andere Instanz verweisen als auf die Offenbarung selbst, d . h . aber auf Jesus Christus selber." U n d nun der Beweis: „Sein Kreuzestod beweist, daß jener Satz wahr ist, und er beweist es durch die K r a f t seiner Auferstehung." (ebda.) Man ist zunächst überrascht, daß die griechische Tradition ganz ausfällt. An einer so entscheidenden und grundsätzlichen Stelle wird man kaum von Zufälligkeit reden dürfen. Die Vermutung legt sich nahe, daß audi für Barth das Griechische der Erzfeind des Hebräischen sei. So wie ja in der ganzen neueren protestantischen Forschung die Geringschätzung des griechischen Denkens eine große Rolle spielt. Barr hat zu dieser Sache neuerdings gut gesprochen: „Wir haben die Neigung beobachtet, die Tatsache, daß die hebräische Sprachstruktur nicht mit der Struktur der aristotelischen Logik übereinstimmt, als etwas Wunderbares hinzustellen 7 8 ." Aber geradezu bestürzend ist es, wie hier die Einzigarkeit der alttestamentlichen Erwartung bewiesen wird. Wie hoch man auch den Kreuzestod und die Auferstehung Jesu Christi schätzt, so ist doch nicht im geringsten zu sehen, wie daraus folgen soll, daß es nur im Alten Testament den Ausdruck einer echten Offenbarungserwartung geben soll. J a zuletzt würde eine solche theologische Theorie sogar den Satz einschränken, daß Jesus Christus die Mitte der Zeit ist. Die Zeit des Alten Testamentes rückt nun offensichtlich auch 76 77 78

v. Rad, Theologie des Alten Testamentes, München 1960, Band 2, S. 398 f. K D I, 2, S. 78. J . B a r r : Bibelexegese und moderne Semantik, Mündien 1965, S. 287 — cf. dazu auch W. Kamiah: Christentum und Geschichtlichkeit, Stuttgart 1951, S. 10 f.

Gottes Offenbarung

123

schon in die Mitte der Zeit. Es scheint uns aber nicht nur möglich, sondern audi konsequent, wenn man grundsätzlich davon ausgeht, daß auch die großen Anliegen der übrigen antiken Menschheit echte Offenbarungserwartung enthalten. So wie es schon Augustin gemeint hat: Res ipsa, quae nunc Christiana religio muncupatur, erat et apud antiquos, nec defuit ab initio generis humani, quousque Christus veniret in carne, unde vera religio, quae iam erat, coepit appelari Christiana 79 . Und das würde doch auch mit dem übereinstimmen, was Barth selbst in diesem Zusammenhang sagt: „Die Offenbarung selbst geschieht jenseits des eigenen Bestandes und Gehaltes des Alten Testamentes. Sie fällt in den eigenen Bestand und Gehalt des Alten Testamentes von oben herein aus einer Höhe, die mit einem Höhepunkt altorientalischer Religionsgesdiichte oder dergleichen nicht das geringste zu tun hat 8 0 ." Das nur nebenbei. Wir kehren zu unserer eigentlichen Frage nach dem Verhältnis von Erwartung und Erfüllung zurück. Echte Erwartung, die sich in bestimmten vorchristlichen Zeugnissen ausspricht, will Erfüllung dessen, was erwartet wird und nicht dessen, was nicht erwartet wird. Denn würde die Erfüllung etwas anderes bringen, als was erwartet worden ist, so wäre die Erwartung ja nicht echt, sondern falsch. Wir erinnern uns an das, was Rahner über das Verhältnis von Frage und Antwort angedeutet hat: „Jede Frage will eine Antwort. Eine Frage aber, auf die alles beliebige geantwortet werden kann, ist keine Frage mehr, weil, wenn jede Antwort gleichgültig ist, sie auch gleichgültig wird und so die Frage gar keine Antwort erwartet 81 ." Mit anderen Worten: Die Menschen vor Christus, vor dem Ereignis der Offenbarung selbst, haben eine ganze Reihe richtiger Gotteserkenntnisse gehabt und ebenso echter Gotteserlebnisse, insofern mit Barth vorausgesetzt wird, daß es echte Offenbarungserwartung gibt. In diesem Sinne darf man also die Einzigartigkeit und Einmaligkeit Jesu Christi nicht verstehen, daß er die lange Reihe der von ihm vorgefundenen Gotteserkenntnisse um einige Punkte erweitert und die Vielzahl der Gottesworte, die auf ihn gekommen sind, um ein paar neue vermehrt hat. Dann würde jeder Mensch einmalig und einzigartig sein, dem neue Gotteserkenntnisse gekommen sind, die vorher noch nicht da waren. Und die Offenbarung in Jesus Christus wäre weder universal, noch ' · Zit. bei E. Stauffer: Die Botschaft Jesu, Bern 1959, S. 119. 80

KD I, 2, S. 78.

81

K. Rahner, Hörer des Wortes, S. 50 f.

124

Kritischer Vergleich

einzigartig. Was er gebracht hat, haben andere in anderer Weise auch gebracht. Es wäre sinnlos, von Jesus Christus als von einem mathematischen Punkt zu sprechen, wie Barth es tut, indem sich alle echten Offenbarungserwartungen, die ja immer zugleich audi Offenbarungserkenntnisse enthalten, sammeln. Ist die Offenbarung in Jesus Christus wirklich und streng genommen „das letzte und entscheidende und umfassende W o r t Gottes", so bleiben alle anderen je dagewesenen Gotteserwartungen und Gotteserkenntnisse und Gotteserlebnisse auf Jesus Christus angewiesen. Das heißt aber: Den Menschen vor Christus mag noch so viel von G o t t bekannt gewesen sein und sie mögen von G o t t auch viel, j a womöglich schon alles, was Jesus von G o t t gesagt hat, auch schon gesagt und auch erlebt haben — indem sie es im Stadium der Erwartung gesagt haben, haben sie es zuletzt in der Hoffnung gesagt — ob ihnen das nun bewußt gewesen ist oder nicht — , daß G o t t diese ihre Erwartung nicht Lügen strafen, sondern selbst bestätigen wird. In Jesus Christus fällt die endgültige Entscheidung über wahr und falsch, echt und unecht. U n d all die starken Gotteserlebnisse und all die tiefen Gotteserkenntnisse waren nicht in sich und für sich schon die göttliche Offenbarung. Auch das Eindruckvollste und Tiefste, was von G o t t gedacht und erlebt w o r den ist, bleibt bestimmt von der Unruhe der Erwartung. G o t t hat das entscheidende W o r t über sich und die W e l t noch nicht gesprochen. E r wird es erst sprechen in Jesus Christus. 3. Barth läßt keinen Zweifel darüber, daß in dem gleichen Sinne auch die Zeit nach Christus als Zeit der Erinnerung zu begreifen ist, wenn sie denn überhaupt verstanden werden soll in Beziehung zu dem einzigartigen Ereignis der Offenbarung in Jesus Christus. „Man versteht den Zusammenhang zwischen Jesus Christus und dem Neuen Testament nur dann, wenn man versteht, daß er grundsätzlich ebenso schwer und ebenso leicht zu verstehen ist wie der zwischen Jesus Christus und dem Alten Testament 8 2 ." W i r müssen auch hier sagen: Es gibt in der Zeit nach Christus keine theoretischen Einsichten, oder Erlebnisse oder geschichtlichen Ereignisse, die für sich genommen die Einzigartigkeit der christlichen Religion begründen könnten. So gewiß zu erwarten ist, daß in dieser Hinsicht im Laufe der Menschengeschichte immer wieder etwas Neues sich ereignen wird. Aber das kann nicht die Offenbarung Gottes sein, weil Jesus Christus dann schon nicht mehr die Offenbarung Gottes wäre. Sie bestünde dann in einer Idee, einem Erlebnis oder 82

KD 1,2, S. 112 f.

einem

125

Gottes Offenbarung

Ereignis außer diesem seinem Gekommensein. Dagegen Barth: „Auch in das Neue Testament fällt die Offenbarung von oben herein, aus einer Höhe, die nicht die eines sogenannten geschichtlichen Höhepunktes ist. Auch der Bestand und Gehalt des Neuen Testamentes -will verstanden sein in seiner eigentümlichen Ausrichtung, und zwar in seiner Ausriditung von der Offenbarung her, und nur im Blick auf diese seine Ausrichtung, nicht im Blick auf ihn selber, kann sinnvoll von Offenbarung im Neuen Testament geredet werden 8 3 ." Es ist sehr die Frage, der wir hier nicht genauer nachgehen, ob so, wie Barth eben von der Zeit des Neuen Testamentes gesprochen hat, nicht von der ganzen Zeit der Kirche gesprochen werden muß. Wie Barth ja selbst sagt: „Die erfüllte Zeit hat eine ganz bestimmte, ihr zugeordnete Vorzeit in der Zeit ante Christum natum, wie auch eine bestimmte Folgezeit in der Zeit post Christum natum 8 4 ." Und versteht man diesen Mittelpunkt der Zeit, wie Barth einmal andeutet, im Sinne eines „intensiven Universalismus" 85 , so ist wenigstens grundsätzlich der Versuch denkbar, alles von Gott ante Christum natum wie auch post Christum natum je Gesagte in diese Christusbeziehung zu bringen. Und wir hätten einen Universalismus der Offenbarung in Jesus Christus wenigstens grundsätzlich gedacht, wie er umfassender nicht gedacht werden kann. Es würde der Mensch nach Christus, insofern er überhaupt etwas von Gott erwartet, auch noch in seiner schönsten und größten Hoffnung auf den kommenden Gott ein auf Jesus Christus zurückverwiesener Mensch bleiben — genau so wie der Mensch vor Christus auch noch bei seinen eindrucksvollsten Erinnerungen an die großen Taten Gottes ein auf Jesus Christus gewiesener Mensch bleibt. Alles Warten und Hoffen nach Christus steht dann im Zeichen dieser Erinnerung an Jesus Christus — und alles treue Erinnern vor Christus steht dann im Zeichen dieser Erwartung Jesu Christi. „Wenn das Neue Testament Zeugnis der Hoffnung ist, und das ist es allerdings ganz und gar — , so ist zu sagen: daß der Gegenstand seiner Hoffnung kein anderer ist als eben dieses eine: Jesus Christus 8 6 ." 85

ebda.

64

ebda., S. 111.

86

Zit. bei Balthasar, a.a.O., S. 210.

86

K D I, 2, S. 115. Damit wird ohne Zweifel die einzigartige Bedeutung Jesu Christi zum Ausdruck gebracht. Trotzdem

ist man nach der

Lektüre

Barths wie neuerdings audi J. Moltmanns (Theologie der Hoffnung, München 1965, bes. S. 43 ff.) weit davon entfernt, einzusehen, wie denn nun

126

Kritischer Vergleich

4. Die Einzigartigkeit und Universalität der Offenbarung in Jesus Christus wird noch deutlicher, wenn wir dem Begriff der „Verborgenheit" nachgehen, wie Barth ihn in diesem Zusammenhang einführt. „Das Neue Testament ist wie das Alte Testament das Zeugnis von der Offenbarung des verborgenen Gottes. 8 7 " Hier sagt das Neue Testament sachlich nichts anderes als das Alte. Man wird vielmehr feststellen müssen, daß die alttestamentliche Verborgenheit Gottes erst und gerade im Neuen Testament in allen ihren Konsequenzen sichtbar wird." (ebda.) Oder: „Das Alte Testament ist wie das Neue Testament das Zeugnis von der Offenbarung, in der Gott ein verborgener Gott bleibt, ja gerade sich als der verborgene Gott erweist, indem er sich offenbart. In und mit der hier bezeugten Offenbarung fällt ein Urteil über die ganze sie umgebende Welt, indem Gott — hier, jetzt, so gegenwärtig (sc. in Jesus Christus) — die ganze seine Offenbarung umgebende Welt als gottlos erklärt, ohne Rücksicht auf das, was sie wahrscheinlich an Gottesgegenwart audi zu besitzen meinte. Und durch dieses Urteil wird diese ganze umgebende Welt als solche zum Absterben bestimmt. H a t sie eine Hoffnung, dann nicht in und aus sich selber.. . 8 8 " Wo immer nun der Begriff der Offenbarung auftaucht, kann er zuerst und zuletzt gar nichts anderes zum Ausdruck bringen wollen als dies: Gott hat gesprochen und nicht geschwiegen. Deus dixit. Gott hat den Menschen zu ihrem Heile oder Unheile etwas mitgeteilt, wieviel er ihnen im übrigen auch vorenthalten haben mag. Der Begriff der Offenbarung ist vor allem ein positiver Begriff, der die Berechtigung des Menschen enthält, im Namen Gottes zu reden und nicht zu schweigen. In diesem Sinne durchzieht das gewaltige deus dixit auch die ganze Theologie Barths. W. v. Löwenich sagt dazu: „Mit alle dem will diese Theologie im strengen Sinne Theologie des Wortes sein. Deus dixit! Das ist das einzige Fundamentalprinzip der Theologie... Gott hat geredet. Nur darum können wir von Gott reden. Darum müssen wir es aber auch 8 9 ." Unter dieser Voraussetzung wäre denkbar, daß Barth mit dem Begriff der das Verhältnis dieser Erinnerung und Erwartung Jesu Christi begriffen werden soll. Wie will man ζ. B. das gefährliche Spiel der Theologen vermeiden, bei dem sie so viel in die Erinnerung hineinlegen, wie sie aus ihrer Erwartung herausgeholt haben. 87

K D 1 , 2 , S. 117.

88

K D I, 2, S. 93.

89

Zit. bei W . v. Loewenich: Luther und der Neuprotestantismus, W i t t e n 1963, 5. 256.

Gottes Offenbarung

127

„Verborgenheit" die mangelnde Beweisbarkeit des Gotteswortes und also der Offenbarung zu bestimmen versucht. Wo immer etwas von Gott gesagt wird, kann es nicht anders als menschlich gesagt werden, von Menschen zu Menschen und also unter dem bleibenden Verdacht, daß es von Menschen bloß ausgedacht oder erträumt, aber gar nicht wirklich und ernsthaft von Gott wäre. Aber in einem solchen transzendentalen Problemhorizont, wo es um die allgemeine Frage nach dem Verhältnis von Gotteswort und Menschenwort geht, wäre ja Jesus Christus als das Wort Gottes ein Fall unter vielen und könnte gar nichts anderes sein. U n d wir hätten gerade das außer acht gelassen, warum es Barth geht: D a s spezifische Gewicht des Offenbarungswortes in Jesus Christus. Mit anderen Worten: Der Begriff der „Verborgenheit" soll nicht in seiner allgemeinen, erkenntnistheoretischen Bedeutung erkannt werden, so notwendig und unerläßlidi diese auch immer sein mag, sondern in seiner christologischen. Alles spitzt sich so noch einmal zu auf jenen „mathematischen Punkt", den Barth mit dem „scheinbar leeren N a m e n Jesus Christus" bezeichnet, und in dem Gott das „maßgebende, endgültige und entscheidende, nicht wiederholbare W o r t " gesprochen hat. A n einer sehr späten und zugleich sehr deutlichen Stelle beschreibt Barth diesen Punkt, um den all sein Denken unaufhörlich kreist, folgendermaßen: „ D a ß Jesus Christus das eine Wort Gottes ist, heißt nidit, daß es nicht — in der Bibel, in der Kirche und in der Welt — auch andere, in ihrer* Weise auch bemerkenswerte Worte — andere, in ihrer Weise auch helle Lichter — andere, in ihrer Weise auch reale Offenbarungen gebe. D a sind ja eben die Propheten des Alten und die Apostel des Neuen Testamentes. D a gibt es ja gewiß auch eine Prophetie und ein Apostolat der Kirche. Aber warum sollte es nicht auch weltliche Propheten und Apostel aller Art und aller Größenordnungen geben können? Indem die Bibel das eine Wort Gottes bezeugt, und wenn und sofern die Kirche dieses Zeugnis der Bibel aufnimmt und weitergibt, werden wahrhaftig gewichtige menschliche Worte gesprochen, werden im mensdhlichen R a u m ganz bestimmt leuchtende Lichter aufgesteckt, kommt es zu allerhand großen und kleinen Offenbarungen. U n d auch das folgt nicht aus unserem Satz, daß alle außerhalb des biblisch-kirchlichen Kreises gesprochenen Worte als solche wertlos oder gar als Worte unechter Prophetie nichtig und verkehrt, alle dort aufgehenden und scheinenden Lichter als solche Irrlichter, alle dort sich vollziehenden Offenbarungen als solche falsch verstanden sein müßten. N u r daß Jesus Christus das eine, einzige Wort Gottes, daß er allein Gottes Licht, Gottes Offenbarung ist, meint unser

128

Kritischer Vergleich

Satz. Nur in diesem Sinne grenzt er alle anderen Worte, Lichter, Offenbarungen, Prophetien und Apostolate — die der Bibel und der Kirche und die der Welt — ab gegenüber dem, was in und mit der Existenz Jesu Christi gesagt i s t . . . Zu bestreiten und in Abrede zu stellen ist eben nur dies, daß irgendeines dieser guten menschlichen Worte an sich und als solches das Wort Gottes selbst ist, neben das von Gott selbst gesprochene Wort, neben Jesus Christus treten, ihn ergänzen oder gar verdrängen und ersetzen kann 9 0 ." Nebenbei ist das eine der schönsten Bestätigungen dessen, was wir oben über die einzigartige universale Bedeutung der Offenbarung in Jesus Christus angedeutet haben. Von hier aus wird klar, was Barth mit dem Begriff der „Verborgenheit" eigentlich meint: Noch einmal die totale und ebenso radikale Reduktion alles dessen, was von Gott ausgesagt wird auf jenen einen Punkt Jesus Christus. Was vorhin für die Zeiten vor und nach Christus galt, daß sie im Dunkeln der Erwartung und der Erinnerung liegen, das gilt nun noch einmal für jedes Wort und jeden Satz, der etwas von Gott aussagt. Der Inhalt all dieser theologischen Sätze mag noch so bedeutsam sein, für sich genommen ist er nichts wert, ein Ausdruck für den verborgenen Gott. Das Beweisverfahren mag logisch noch so einwandfrei und historisdi noch so überzeugend sein, in sich und für sich ist es ein Beweisverfahren für den verborgenen Gott. Und auch noch das gewaltigste existentielle Betroffensein, das einem Menschen widerfahren mag und ihn befähigt, im Namen Gottes zu sprechen und für dieses sein Zeugnis zu sterben — es ist wiederum in sich und für sich nichts als ein leidenschaftlicher Ausdruck für den verborgenen Gott. Schon in einem sehr frühen Stadium der Auseinandersetzung mit der Theologie Karl Barths bemerkt E. Reisner: „Das Urteil der dialektischen Theologie über die Gotteserlebnisse und Gotteserkenntnisse von gestern und vorgestern geht nidit auf einen Vorzug zurück, sondern auf einen Mangel 9 1 ." Und von Balthasar wiederholt es später noch einmal: Für sich genommen kann das alles nur als „Defizienz" erscheinen 92 . Es gilt um Jesu Christi willen oder es gilt überhaupt nicht. „Verborgenheit" meint also nicht, daß Gott sich dem Menschen entzogen hätte, sondern daß der Mensch sich Gott entzieht, wenn er an Jesus Christus vorbei meint Gott be»» K D IV, 3, S. 107 f. βι

E. Reisner:

Kennen, Erkennen, Anerkennen,

1932,

S. 136 ff.



Dazu

E. Brunner in seiner ungestümen Habilitationschrift: Erlebnis, Erkenntnis und Glaube, 2. Aufl., Tübingen 1923, bes. S. 129 ff. » Balthasar, a.a.O., S. 207.

Gottes Offenbarung

129

gegnen zu können, sei es auch in dem höchsten Begriff, der sich seinem Verstand unwiderstehlich aufdrängt — sei es audi in dem höchsten Gefühl, das ihn überwältigt. Das eine verwirft Barth als Doketismus, das andere als Ebionitismus. „Wie der Doketismus von einem menschlichen Begriff ausgeht, zu dem er dann auch folgerichtig zurückkehrt, so der Ebionitismus von einer menschlichen Erfahrung, von dem Erlebn i s . . . " . " Und an einer späteren Stelle: „Alle Fehlerquellen, die wir zu vermeiden hatten, haben ihr Gemeinsames in der Vergeßlichkeit oder Willkür, in der man auch in der Kirche immer wieder ohne Jesus Christus, an ihm vorbei oder über ihn hinaus Gott anschauen und begreifen, Gott bezeichnen und von Gott reden möchte. Immer dann wird ja Gott v e r d r ä n g t . . . , wenn die Theologie sich unter irgendeinem Vorwand von diesem Namen abdrängen läßt, wenn sie nicht mit ihm anfangen w i l l . . . — oder wenn sie nicht mit ihm endigen w i l l . . . Es lichtet sich alle Dunkelheit und Zweideutigkeit auf unserem Weg in dem Maß, als wir uns an diesen Namen hielten, ihn das Erste und Letzte sein ließen, als das er uns in der Heiligen Schrift bezeugt ist 9 4 ." Damit haben wir freilich nicht viel erreicht: nicht eine einzige inhaltliche Aussage von Gott, außer dem Faktum seines Gekommenseins oder dem Faktum seiner Offenbarung in Jesus Christus. Aber wir haben alles erreicht, was wir wollten: jenen Ausgangspunkt, von dem aus Barths Offenbarungstheologie ihren Weg nimmt. Man kann nicht sagen, daß dieser Ausgangspunkt willkürlich gewählt ist und daß diese Theologie mit einer ungeheueren Setzung beginnt, die aller Vernunft spottet. Staunend steht der Philosoph vor seiner ersten Frage, daß überhaupt etwas ist und nicht vielmehr gar nichts, um so sich einen Weg zu bahnen zu philosophischer Erkenntnis. Staunend steht der Theologe vor seiner ersten Frage, daß es überhaupt Offenbarung Gottes gibt und nicht vielmehr gar keine, um von da aus einen Weg zu finden zu theologischer Erkenntnis. „Es zwingt midi niemand von Offenbarung zu reden. Wenn aber einmal davon geredet wird, so ziemt es sich, aufrichtig in dem Sinn davon zu reden, wie sie allein genommen werden k a n n . . . J e gesteigerter der Inhalt der Offenbarung ist, je mehr Verwicklungen er darbietet, desto mehr mache ich mir zum Gesetz, die Entwicklung von der Hauptsache anzufangen und zu allererst den Grundgedanken... auszusprechen. Der eigentliche Inhalt des Christentums (also der Offen·» KD I, 2, S. 22. KD II, 2, S. 2 f.

M

9 B r o w a r z i k , Glauben und Denken

130

Kritischer Vergleich

barung im christlichen Verstände) ist aber ganz allein die Person C h r i s t i . . . Christus ist nicht der Lehrer, wie man zu sagen pflegt, Christus nicht der Stifter, er ist der Inhalt des Christentums 95 ." Die Worte Sdiellings lassen erkennen, wie sehr auch der Philosoph diesen offenbarungstheologischen Ausgangspunkt in Jesus Christus zu würdigen versteht. Er scheint ihm so vernünftig und sinnvoll, daß er sidi gar keinen anderen, gleichwertigen Ausgangspunkt denken kann. Bevor wir nun den Weg dieser Offenbarungstheologie ein Stück weit verfolgen, wollen wir erst noch den offenbarungstheologischen Ansatz mit dem transzendentaltheologischen Rahners vergleichen. B. Kritischer Vergleich Aus dem Gesagten ergeben sich zwei Fragen, die den folgenden Vergleich bestimmen werden. Wenn das einzigartige und nicht wiederholbare Ereignis der Offenbarung in Jesus Christus eine ebenso grundlegende wie universale Bedeutung für die theologische Erkenntnis hat, so stellt sich die erste Frage, ob Karl Rahner wenigstens grundsätzlich Karl Barth Recht gibt oder nicht. Sollte sich aber herausstellen, daß unsere beiden Theologen in diesem Punkte übereinstimmen — und wir wollen hier nur diesen einen Punkt geklärt wissen —, so stellt sich die weitere Frage, warum dieser Punkt nidit auch der gemeinsame Ausgangspunkt für die theologische Reflexion geworden ist. 1 . TRANSZENDENTALTHEOLOGIE i s t OFFENBARUNGSTHEOLOGIE. M i t

die-

sem Satz haben wir die Untersuchungen des ersten Teiles abgeschlossen. Wir haben audi gesehen, wie Rahner den Begriff der Offenbarung näher bestimmte als freie Mitteilung: „Die Offenbarung Gottes wurde begriffen als die freie Tat Gottes mit dem Menschen 96 ." Aber Rahner nähert sich im Verlauf seiner Analysen der Position von Barth noch viel mehr. Er stellt fest, daß der Ort dieser Mitteilung ein „Wort" sei: „Das Wort ist somit als der Ort einer möglichen Offenbarungsbegegnung mit dem freien Gott festgestellt." (ebda.) Aber nun nicht die vielen Worte, die immer schon und immer wieder von Gott und im Namen Gottes gesprochen werden, sondern ein einziges Wort Gottes: „Muß nicht die freie Offenbarung Gottes in einem Wort einen bestimmten Platz in der menschlichen Geschichte einnehmen, punktförmig auf die menschliche 85 86

Schelling, a.a.O., cf. S. 396 und S. 427. Rahner: Hörer, S. 193 f.

Gottes Offenbarung

131

Geschichte in ihrer raumzeitlichen Erstreckung auftreffen, so daß der Mensch sich an diesen bestimmten Punkt seiner Geschichte wenden muß, soll er das Offenbarungswort vernehmen 9 7 ?" Aber audi noch über diese vorsichtige Anfrage ist Rahner weit hinausgegangen. W i r haben gesehen, wie das heimliche Ziel der Überlegungen Rahners nicht das freie E r forschen des Denkmöglichen in bezug auf die Offenbarung Gottes war. I m Grunde kam Rahner schon längst von einer bestimmten Offenbarung Gottes her und wollte nur einsehen, wie diese Offenbarung im R a u m menschlichen Denkens zu stehen kommt. Die eine, bestimmte und für uns Heutige an einem recht entlegenen Punkt der Menschengeschichte erfolgte Offenbarung ist für R a h n e r und für Barth diejenige, die mit dem N a m e n und dem Ereignis Jesus Christus verbunden ist. Anders lassen sich Sätze wie diese gar nicht begreifen: „Es ist nicht gesagt, daß es nicht auch für andere V ö l k e r analog zum Alten Testament Heilsveranstaltungen G o t tes geschichtlich greifbarer A r t g a b . . . Aber erst in Jesus Christus ist nun eine absolute und unlösliche Einheit zwischen Göttlichem und Menschlichem erreicht und diese Einheit in der Selbstoffenbarung Jesu auch geschichtlich anwesend, so daß diese Heilsgeschichte eindeutig und bleibend abgegrenzt ist von jeder Profangeschichte mit all dem, was aus diesem Christusereignis erfolgt und in seiner Weise an dieser Endgültigkeit und Unüberbietbarkeit des Christusereignisses partizipiert 9 8 ." U n d noch einmal in anderem Zusammenhang, aber im gleichen Sinn und deutlicher Übereinstimmung mit dem, was wir bei B a r t h gehört haben: „ D a ß das radikale Sidiselbsteinlassen Gottes mit der W e l t . . . gerade in Jesus von N a z a r e t h unter Kaiser Augustus und Pontius Pilatus sich ereignet hat, da und nicht dort, damals und nicht zu anderer Zeit, das läßt sich nicht a priori ableiten, und diese — man könnte fast sagen eine Konkretheit und historische Aposteriorität ist dem Christentum e i g e n . . . D a ist ein Mensch, von dessen Dasein her ich zu glauben wagen kann, daß G o t t sich mir unwiderruflich und endgültig zugesagt h a t . . . Niemand kann durch Diskussionen gezwungen werden, an Jesus von Nazareth als an die absolute Gegenwart Gottes zu glauben. Dieser Glaube ist frei schon deshalb, weil er an Geschichtliches, an Kontingentes glaubt...M." D a m i t haben wir gewiß nicht viel erreicht, aber doch das Entscheidende. Bei aller Verschiedenheit der argumentativen Operationen, die 97 98 89

9*

Rahner, ebda. Rahner, Schriften V, S. 128 f. ebda., S. 20 ff.

132

Kritischer Vergleich

uns im folgenden beschäftigen werden, bei aller Auffälligkeit eines unterschiedlichen Denk- und Sprachstiles 100 , bei aller Ungeklärtheit der sich daraus ergebenden Folgerungen, bleibt das Denken dieser beiden Theologen ausdrücklich bezogen auf jene einzigartige und einmalige Offenbarung Gottes in Jesus Christus. D a s theologische Denken erweist sich dadurch als theologisches, daß es sich versteht als „Artikulation des einzigen Geheimnisses Gottes, das in Jesus Christus offenbar geworden ist" 1 0 1 . Insofern können wir für Rahner bestätigen, was jüngst H a n s K ü n g für die ganze katholische Lehre meinte sagen zu dürfen: „Jesus Christus ist nicht eine Gestalt an der Peripherie . . . , sondern alles beherrschender Primat, A n f a n g und Ende aller Wege Gottes 1 0 2 ." D a ß aber diese Übereinkunft keine belanglose ist, ersieht man am besten daraus, daß sie den kritischen Philosophen „ v o r den K o p f stößt", wie K a r l Löwith sich im Anschluß an Celsus und Voltaire ausdrückt 1 0 3 . Es scheint in dieser ständig angestrebten Christusbeziehung dasjenige Moment zu Stedten, was die theologische Erkenntnis als theologische qualifiziert. Dieser Satz würde sich schon alleine dadurch nahelegen, daß zwei so verschieden geartete Theologen, die noch dazu in ganz unterschiedlichen Traditionen verwurzelt sind, sich auf ihn einigen können. D a s stärkste Argument aber für die Richtigkeit der Annahme liefert uns die Zustimmung des kritischen Philosophen. Zustimmung nicht in dem Sinne, daß er von der Wahrheit dieses Satzes überzeugt ist. Im Gegenteil, er ist nicht überzeugt. Aber er stimmt ihm zu, insofern er auch für ihn der gültige Ausdruck eines spezifisch christlichen Wahrheitsbewußtseins ist. Ein Satz Löwiths mag hier stellvertretend für viele andere kritische Philosophen stehen: Die spezifisch christliche Art zu denken „steht und fällt mit der Annahme, daß Jesus der Christus ist. D a s heißt mit der Lehre von der Fleisdiwerdung Gottes" 1 0 4 . D a m i t hat der Philosoph genau jenen Punkt genannt, auf den für Rahner und Barth alles ankommt. U n d es wird für die folgende Untersuchung einzelner theologischer Aussagen alles davon abhängen, ob es uns gelingt, einsichtig zu machen, wie diese Christusbeziehung nicht bloß allgemein 100

101 102 103

cf. Balthasar, a.a.O., S. 21 f. und S. 263 ff. — Ferner H . K ü n g : Rechtfertigung, Einsiedeln 1957, bes. S. 21 f. und S. 270. R a h n e r : Schriften IV, S. 98. Küng, a.a.O., S. 192. K . Löwith: Weltgeschichte und Heilsgeschehen, Stuttgart, 4. Aufl., 1961, S. 169. ebda.

Gottes Offenbarung

133

behauptet oder gesetzt, sondern wie gerade im Detail der theologischen Einzelaussage ihre Verbindlichkeit bewährt werden kann. Andernfalls könnte ja dann alles Beliebige von Gott ausgesagt werden, und es müßte auch noch in seiner größten Absurdität gelten, wenn der Theologe nur bereit ist, seine Sätze in einem „um Christi willen" auslaufen zu lassen. Dieses „um Christi willen" aber wäre dann überflüssig, weil damit nichts gesagt wäre. 2. Schwieriger ist unsere zweite Frage zu beantworten. Wenn unsere beiden Theologen darin übereinstimmen, daß Theologie, wenn es sie geben soll, O F F E N B A R U N G S T H E O L O G I E sein muß — und z w a r in dem spezifisch christlichen Sinn, daß Gott sich nicht überall und unaufhörlich gleichmäßig dem Menschen in Erlebnissen und Erkenntnissen mitteilt, sondern daß er es einmalig und endgültig und für alle Zeiten maßgebend in Jesus Christus getan hat — wenn das gilt, dann stellt sich die Frage: Warum geht dann Rahner nicht ebenso wie Barth von der Offenbarung aus? N u n kann man erwidern: Es gehört zur Aufgabe der theologischen Wissenschaft, alle denkbaren Wege zu gehen, um zu sehen, wie weit man auf ihnen kommt. Ein Urteil kann man erst sprechen, wenn man eingesehen hat, wohin der Weg führt. D a s haben wir aber bei Barth eben noch nicht eingesehen. Insofern können wir an dieser Stelle noch keine Antwort auf die gestellte Frage geben. Wir haben aber wenigstens andeutungsweise festgestellt, daß wir bei Rahner und Barth vergleichbare theologische Aussagen gefunden haben. Diese haben ja unseren Vergleich herausgefordert. Wenn es bei angeblich sehr verschieden denkenden Theologen oder auch Theologenschulen gleichlautende theologische Aussagen gibt, dann wollen wir sie sozusagen beim Wort nehmen, nicht danach fragen, was nun noch alles dahinterstecken mag an unausgesprochenem Traditionsgut, sondern einzig darauf sehen, wie sie zu ihren Sätzen gekommen sind. Alles andere geht uns hier nichts an. Kommen unsere beiden Theologen zu dem gleichen Ziel, d. h. zu gleichlautenden Sätzen, so ergibt sich daraus, daß es mindestens zwei Wege oder Methoden gibt, nämlich die unserer beiden Theologen, die zum Ziel führen: Sagen wir kurz: Die transzendental- und die offenbarungstheologische. So sieht es jedenfalls bis jetzt aus. Es wäre grundsätzlich auch kein Nachteil, wenn es zwei Methoden gäbe. Man könnte ja dann jeweils auf zweierlei Art die Richtigkeit der Resultate prüfen. Freilich muß man an dieser Stelle auch mit der Möglichkeit rechnen, daß es in Wahrheit nur einen Weg und nur eine echte theologische Methode gibt, die zum Ziel führt, und daß der andere Weg nur ein

134

Kritischer Vergleich

erschlichener ist. Auch das kann sich erst am Ende unserer Erörterung zeigen. Schließlich müssen wir hier noch auf einen Punkt hinweisen, dessen Klärung uns bevorsteht. Sollte es sich herausstellen, daß es zwei Methf»den gibt, die zum gleichen Ziel führen, so wäre immer noch zu fragen, welches spezifische Gewicht jede dieser Methoden hat. Mit anderen Worten: Es wäre zu fragen, ob der Theologe, um zum gewünschten Ziel zu kommen, d. h. hier zu seinen theologischen Aussagen, nicht bloß die beiden angedeuteten Wege gehen kann, sondern gehen muß. Und sollte es auch für den einzelnen Theologen eine Überforderung sein, beide Wege zu gehen, so wäre es dann jedenfalls für die theologische Wissenschaft als ganze eine unerläßliche Forderung, beide Wege zu gehen, um sich ihrer Sache zu vergewissern. Wir haben also nun im folgenden nicht nur darauf zu achten, ob unsere beiden Theologen das gleiche Ziel erreichen, sondern auch noch darauf, welche besondere Absicht sie verfolgen, wenn sie nicht den gleichen, sondern verschiedene Wege gehen.

Kapitel 10: Gottes Liebe A. Darstellung Wir wollen nun sehen, wie Barth von seinem Ansatz aus zu einzelnen, bestimmten theologischen Aussagen kommt. Die Reihenfolge der Beispiele ist einfach dadurch bestimmt, wie Barth sie in seiner Kirchlichen Dogmatik anordnet. Wir beginnen demgemäß mit der Erörterung der Liebe Gottes. Eine besondere methodische Schwierigkeit besteht gleidi zu Beginn darin, daß wir Aussagen über die Liebe Gottes an verschiedenen, mitunter sehr weit auseinanderliegenden Stellen der Kirchlichen Dogmatik finden. Die noch am ehesten geschlossen zu nennenden Abhandlungen zum Thema finden sich in 1,2: „Die Liebe Gottes" — in II, 1: „Gottes Sein als der Liebende" — und in IV, 2. Darüber hinaus aber sind in dem mächtigen Gesamtwerk noch erheblich mehr Erwägungen verstreut. Hinzu kommt eine auffällige Undifferenziertheit und Sprunghaftigkeit der Argumentation, die den denkenden Nachvollzug erheblich erschweren. Mit Recht macht G. Gloege darauf aufmerksam, daß Barth „feinerer Differenzierungen abhold, ein Meister der überschärften, schief werdenden Alternative ist und daß er durch ein dialektisches ,nicht nur, sondern auch' das eben Behauptete fast im selben

Gottes Liebe

135

Atemzug bis zur Aufhebung abzuschwächen vermag" 105 . Ferner finden sich reichlich Bibelzitate, von denen wir hier aus zwei gewichtigen Gründen grundsätzlich absehen müssen. Einmal trägt die Art und Weise ihrer Interpretation und schon ihrer Auswahl bei Barth der von den eigentlidien Fachgelehrten entwickelten historisch-kritischen Methoden nicht genügend Rechnung. Auch wenn man die Methode im einzelnen kritisiert, muß man sich auf sie einlassen und kann sie nicht einfach pauschal ignorieren 106 . Zum anderen aber und vor allem halten wir es für unbedingt erforderlich, zunächst einmal den logisch-theologischen Gedankengang Barths in sich selbst kennenzulernen. Um es noch einmal zu sagen: Die exegetische Ableitung aller dogmatisch-systematischen Sätze mag noch so bedeutsam sein, um der Sauberkeit der dogmatischen Überlegungen willen muß sie bei unserer Untersuchung unterbleiben. Schließlich soll noch eine letzte, vorgesehene Beschränkung erklärt werden. Solange Theologie den Anspruch erhebt, wissenschaftliche Forschung zu treiben, ist sie notgedrungen Theorie, was immer sie darüber hinaus auch noch sein mag. Uns geht es im Zusammenhang dieser Arbeit um nichts anderes, als um die logische Erhellung zweier theologischer Theorien und um die Frage, inwiefern sie der gemeinsamen theologisdien Sache dienen. Das hat zur Folge, daß wir die zum großen Teil predigtartig geschriebenen Abhandlungen Barths auf einige wenige Sätze reduzieren müssen, auch auf die Gefahr hin, daß dabei die geistreiche Fruchtbarkeit seines Denkens verlorengeht. Wir sind nicht darauf aus, die Fruchtbarkeit und Kunstfertigkeit dieses Denkens zu würdigen, sondern seine Folgerichtigkeit zu bestimmen. Mag es im übrigen auch die Eigenart eines theologischen Satzes sein, daß er seine volle Gültigkeit erst erlangt, wenn er nicht bloß streng begriffen und richtig abgeleitet, sondern leidenschaftlich gepredigt wird. Was besagt nun der Satz von der Liebe Gottes? 1. Soll das im vorigen Kapitel Dargestellte gelten, so müssen wir uns an Jesus Christus erinnern, wenn wir uns auf die Liebe Gottes besinnen wollen. „Wenn wir jetzt also die entscheidende Wendung vollziehen, indem wir unsere Aufmerksamkeit auf die uns in Gottes Offenbarung begegnende inhaltliche Bestimmung und Füllung des göttlichen Seins richten, und wenn wir dabei als Erstes gerade den Begriff der Liebe aufnehmen, so kann die Meinung nicht sein, als wüßten wir irgend105 108

G. Gloege in Theologische Literaturzeitung, I960, 3, S. 175. Ders., a.a.O., S. 180.

136

Kritischer Vergleich

woher schon zuvor im Allgemeinen, was Liebe ist als Inbegriff eines in bestimmtem Sinne guten Tuns und als kämen wir von diesem unserem Wissen her dazu, G o t t mit diesem Inbegriff gleichzusetzen... vielmehr muß unser Blick auf alle Fälle steif auf die Sache, nämlich auf Gottes T a t (in seiner Offenbarung) gerichtet bleiben und sich nicht in die Irre führen lassen durch den Zwang eines mitgebrachten und vorausgesetzten Allgemeinbegriffs von Liebe 1 0 7 ." Das ist Barths immer wieder, auch in ganz anderen Zusammenhängen erklärter Wille: „ I m Blick auf das Geschehen der O f f e n b a r u n g . . . zu lernen, was Gottes Liebe ist 1 0 8 ." All die vielen Aussagen über die Liebe Gottes im Alten und im Neuen Testament, j a nach Barths eigenen Andeutungen (cf. Kapitel 8) audi noch viele andere, die außerhalb der beiden Testamente stehen, sind in sich und für sich nichts, wenn sie nicht „zusammentreffen in dem Namen Jesus Christus, in welchem die tatsächliche Offenbarung der Liebe G o t tes geschieht", (ebda.) Barth macht dazu an versteckter, kleingedruckter Stelle eine noch viel kühnere Bemerkung. Sollten sich an einem entlegenen O r t der Menschengeschichte Aussagen über die Liebe, sei es G o t tes oder des Menschen, finden, die im positiven Zusammenhang stehen mit dem, was der Theologe der Offenbarung selbst entnimmt — so wären das „matte Abbilder und Nachklänge", die der Mensch „unbewußt der Offenbarung v e r d a n k t " 1 0 9 . W i r erwähnen diese beiläufige Rede von der unbewußten Offenbarung hier nur, weil sie ein deutliches Licht wirft auf die universale Tendenz dieser Offenbarungstheologie, der man so oft den V o r w u r f einer Engführung gemacht hat 1 1 0 . Es soll also grundsätzlich wohl doch alles, was Menschen an wertvollen Erkenntnissen über die Welt und den Menschen erreicht haben, eben auch in eine positive Beziehung zur Offenbarung in Jesus Christus gebracht werden können. D a m i t aber kommt Barth ganz in die N ä h e Rahners, der den Begriff eines „anonymen Christentums" zu entwickeln versucht hat 1 1 1 . Nach diesen Vorbemerkungen gibt Barth die eigentliche Erklärung des Satzes von der Liebe Gottes. 2. „Dieser N a m e Jesus C h r i s t u s . . . hat uns nun bestimmt vor allem und entscheidend in allen seinen Bestandteilen dies zu sagen: daß G o t t 107 t08 109 110 111

KD II, 1, S. 309 f. KD 1,2, S. 415. KD II, 1, S. 321. cf. Balthasar, a.a.O., S. 253, u. ö. — cf. auch dazu W. Lohff, a.a.O. Rahner, Schriften VI, S. 545 ff.

Gottes Liebe

137

der ist, der, ohne dessen zu bedürfen, Gemeinschaft zwischen sich und uns sucht und schafft 1 1 2 ." Barth sagt nicht, wie er zu diesem doch sehr bedeutsamen und weitreichenden S a t z kommt — ob es etwa ein Wort Jesu in diesem Sinne gibt, oder ob er ihn einer Betrachtung des Lebenswerkes Jesu entnimmt, oder ob er diesen Satz einfach aus dem „ D a ß des Gekommenseins Jesu Christi" folgert — was ja doch alles denkbar wäre. Er macht vielmehr gleich auf eine Schwierigkeit aufmerksam, die dieser Satz, für sich genommen, enthält. Wenn Gott Gemeinschaft sucht und schafft, so kann er das gar nicht, wenn er nicht zuvor ein Eigenständiges, Gott Gegenüberstehendes und also Außergöttliches geschaffen hat. Mit anderen Worten: Aus dem Begriff der Schöpfung für sich genommen ergibt sich schon so etwas wie Wille zur Gemeinschaft. „Ein Suchen und Schaffen von Gemeinschaft ist ja offenbar schon die Schöpfung, d. h. die Setzung und Erhaltung einer von Gott selbst real verschiedenen Wirklichkeit" (ebda.). Insofern brauche ich zur Bestimmung dieses Satzes gar nicht den Umweg über Jesus Christus. Zumindest bleibt die Frage, was ich auf diesem U m w e g Neues erkennen kann. Barth sagt d a z u : „Es potenziert sich dieses Schaffen und Suchen in dem die Schöpfung nicht sowohl fortsetzenden als überbietenden Werk der Offenbarung selber." (ebda.) Aber was soll „überbieten" heißen? Denn daß es allein schon durch den Blick auf die Welt als Schöpfung eine gewisse Erkenntnis der Liebe Gottes gibt, hatte ja Rahner erwiesen. U n d Barth hat dagegen eingewendet, daß es auf diesem Wege zu einer theologischrelevanten Erkenntnis der Liebe Gottes nicht kommen kann, da es zu gar keiner Erkenntnis Gottes kommen kann, wenn diese an der Offenbarung Gottes in Jesus Christus vorbeisieht. Also kann „überbieten" hier nur den Sinn haben, daß der Satz von dem Gemeinschaft suchenden Gott allererst durch die Offenbarung selbst in K r a f t tritt. Anders: Dieser Satz ist erfüllt in Jesus Christus. Abgesehen von Christus läßt sich dieser Satz bloß vermuten. Erst „um Jesu Christi willen" können wir sagen, daß er gilt. Denn erst in Jesus Christus ist die Zeit erfüllt, d. h. hat Gott endgültig und maßgebend mitgeteilt, daß Er es war, der die Welt geschaffen, um Gemeinschaft zwischen sich und uns zu suchen und zu schaffen. Gäbe es Offenbarungen Gottes außer der in Jesus Christus, so gäbe es Menschen, denen Gott eben diese mitgeteilt hätte, und die Offenbarung in Jesus Christus wäre weder einzigartig, noch einmalig, noch universal. Jesus wäre einer unter mehreren, wie groß und gewaltig er sich in dieser Reihe auch ausnehmen möchte. Jede Zeit wäre Zeit der · " K D II, 1, S. 307.

138

Kritischer Vergleich

Erwartung, Zeit der Erfüllung und Zeit der Erinnerung, und von Jesus Christus als der Mitte der Zeit zu reden, wäre ein unverständlicher Euphemismus. Oder aber es gibt nun jene einzigartige, alles durchdringende, über jede wahre oder falsche Gotteserkenntnis richtende Offenbarung in Jesus Christus. Dann mag jener Satz: „Gott sucht und schafft Gemeinschaft" auch vorher schon bekannt und erkannt gewesen sein, er gilt um Jesus Christi willen und bleibt ohne Jesus Christus, also ohne Gottes Selbstmitteilung reine Vermutung, mit wieviel Scharfsinn oder Leidenschaft er auch zum Ausdruck gebracht werden mag. 3. Der Satz von dem Gemeinschaft suchenden und schaffenden Gott soll nun genauer begriffen werden. Er impliziert eine ganze Menge ungeklärter Fragen. Abgesehen von denen, die es mit der Art und Weise zu tun haben, wie Gott sucht und schafft, stellt Barth noch einmal genauer die Frage: Warum will Gott überhaupt Gemeinschaft? Mit anderen Worten: Will Gott diese Gemeinschaft um ihrer selbst willen, oder will er sie als Mittel zu einem anderen, vielleicht höheren Zweck? Ohne genau zu sagen, warum, entscheidet sich Barth für das erste. Die Gemeinschaft ist nicht Mittel zum Zweck, sondern Selbstzweck. „Es ist die Gemeinschaft des Liebenden mit dem Geliebten selbst und als solche dasjenige, was der Liebende dem Geliebten mitzuteilen, was der Geliebte von dem Liebenden zu empfangen hat 1 1 3 ." Die communicatio also ist das höchste Gut, über das hinaus nichts Höheres gedacht werden kann. Sie ist „Inbegriff aller Güter", (ebda.) Noch deutlicher wird die Absicht, die Barth hier verfolgt an folgendem Satz: „In der Gemeinschaft als solcher (sc. zwischen Gott und Mensch) geschieht dem Anderen das Gute, wenn es um das Handeln Gottes geht und nicht umgekehrt" (ebda.). Es kann folglich ein bestimmtes, einzelnes Gut gar nicht gut sein, wenn es nicht aus dieser Gemeinschaft kommt. Angenommen, ein Mensch tut etwas Gutes und die Menschen sind sich einig, daß es etwas Gutes und nicht etwas Böses ist, welcher Fall sich ohne weiteres denken läßt. Dieser Mensch aber leugnet ausdrücklich Gott und also auch die Gemeinschaft mit Gott. Er tut es sozusagen in eigener Regie und will es so tun. Aus dem Vorhergehenden ergibt sich dann folgendes: Entweder dieser Mensch tut eben gar nichts Gutes, da ja das Konstituierende, die Gottesgemeinschaft, fehlt. Oder aber die Gottesgemeinschaft ist trotz Leugnung unbewußt, latent vorhanden und der Mensch tut doch etwas Gutes. Das ist keine Gedankenspielerei. Dahinter verbergen sich zwei 113

ebda., S. 310 u. 313 ff.

Gottes Liebe

139

grundverschiedene Verhältnisse. Im ersten Fall entscheidet die communicatio über das bonum. Im zweiten Falle, da ja die communicatio verborgen ist, entscheidet das konkrete bonum. Ich kann ja überall eine latente Gottesgemeinschaft annehmen. Erkennbar ist sie ja erst, wie G. Thomasius 114 mit Recht sagt, an einem „positiv-guten Gehalt". Das bonum konstituiert die communicatio. Ohne das konkrete bonum bliebe die communicatio eine „schlechte Verflüchtigung" (ebda.). Barth wendet gegen diese zweite Möglichkeit ein: „Der positiv-gute Gehalt... besteht eben darin, daß es das sich mitteilende Leben Gottes als solches ist." (ebda.). Aber damit entscheidet er sich noch einmal für die erste Möglichkeit ohne neues Argument. Wir sind nicht weitergekommen. Es bleibt die Schwierigkeit, wie das Gutestun eines Menschen um des Menschen willen und nicht um Gottes willen begriffen werden soll. Und es bleibt in diesem Punkt eine letzte Unklarkeit bei Barth, zumal er gelegentlich so weit geht, eine unbewußte Offenbarung anzunehmen. Rahner hingegen hat sich eindeutiger erklärt: „Man sage nicht, man könne die Lehre des Christentums nur leben, wenn man von ihr schon überzeugt sei... Es gibt keinen Menschen, der nicht schon... irgendwie Christ wäre, Mensch der Sehnsucht, Mensch der noch gebliebenen Liebe, Mensch, dessen Innerstes sich an der Wahrheit eben doch mehr freut, als an der Lüge... Geh weiter, wo immer du jetzt audi stehen magst, folge dem Licht, audi wenn es jetzt noch klein ist... Wer so sich aufmacht, mag weit vom amtlich verfaßten Christentum entfernt sein, er mag sich vorkommen wie ein Atheist, er mag bekümmert meinen, nicht an Gott zu glauben... Dieser Weg ist schon inmitten des Zieles. Und der Christ fürchtet nicht, daß er nicht ankommen werde, auch wenn es einem solchen Fragenden und Suchenden in dieser Zeit nicht mehr gelang, sein anonymes Christentum vollendet in das ausdrückliche Christentum (und also wohl auch in die ausdrückliche communicatio) hinein zu explizieren und zu integrieren 115 ." Aber wir sind Barth noch nicht zuende gefolgt. Er hat noch ein anderes Argument, das er der Erfahrung der Gottesgemeinschaft selbst entnimmt. Es gibt nicht nur das bonum inmitten der Verflüchtigung der communicatio, wie Rahner eben zu zeigen versucht hat. Es gibt auch die communicatio inmitten der Verflüchtigung des konkret Guten.. Der Mensch steht dann in der ausdrücklichen Gemeinschaft mit Gott, ohne 114 115

ebda. Rahner: Schriften V, S. 30 f.

140

Kritischer Vergleich

das konkret Gute zu wissen, geschweige denn zu tun. Als Zeugnis für diese Erfahrung führt Barth Psalm 73 und Römer 8, 38 an (a.a.O.). Merkwürdig, daß er ein Zeugnis aus der Zeit der Offenbarungserwartung (nämlich eines Psalmdichters) und eines aus der Zeit der Offenbarungserinnerung (nämlich eines Apostels) wählt, und nicht ein Zeugnis von Jesus selbst, um dessentwillen diese Zeugnisse doch allererst Gültigkeit haben sollen. Abgesehen davon aber ist der Gedanke klar. Inmitten seiner Ohnmacht etwas Gutes zu erkennen, umgeben vom Rätselhaften der Welt, gebrochen unter dem Ansturm des Bösen, leidet der Mensch und stirbt und bleibt dennoch ausdrücklich verbunden mit Gott. Auch noch in seinem erschöpften Ruf „Mein Gott, warum hast du mich verlassen" klingt jene letzte, unzerstörbare Verbindung nach. Liebe ist hier die Gottesgemeinschaft für sich, angesichts der Verflüchtigung eines konkret Guten. Liebe ist hier nicht mehr mit Thomas nihil aliud, quam velle bonum alicui116. Wir können abbrechen, da sich die Überlegungen Barths nicht weiter erstrecken. Die Frage nach dem Verhältnis von communicatio und bonum ist nicht eindeutig geklärt. Barth äußert sich in dem Sinne, daß die communicatio konstituierend sei, obgleich er die Konsequenzen einer latenten communicatio nicht offen ausspricht. Sein stärkstes Argument ist die Erfahrung, die sich in Psalm 73 ausspricht. Nirgends aber wird deutlich, und das ist sehr bedeutsam, wie die so erfolgte Entscheidung für die eine der beiden genannten Möglichkeiten sich aus der Offenbarung in Jesus Christus ergibt. Jesus Christus kommt bei dieser ganzen Argumentation ausdrücklich nicht vor. 4. Folgt also aus der Liebesgemeinschaft mit Gott alles Gute und gibt es außerhalb dieser communicatio nichts Gutes — so ist ferner zu erklären, „daß Gott die Gemeinschaft sucht und schafft, ohne Rücksicht auf eine schon vorhandene Eignung und Würdigkeit des Geliebten" 117 . Der Mensch „wird nicht amatus, weil er amabilis ist"! „Die Liebe Gottes schlägt immer eine Brücke über einen Abgrund... Sie sucht und schafft in seiner Offenbarung Gemeinschaft, da, wo es sich um ein Gott gegenüber wirklich Anderes, als Geschöpf Fremdes, als sündiges Geschöpf sogar Feindseliges handelt." (ebda.) Das Ziel dieses Gedankenganges ist klar. Es soll gezeigt werden, daß das amatus ( = von-Gott-geliebt-sein) dem amibilis ( = für-Gott-liebenswürdig-sein) vorangeht. Barth hat zwei Argumente dafür. Gott liebt den Menschen, " · K D II, 1, S. 311 ff. 117 ebda.

Gottes Liebe

141

indem er ihn schafft und „dem ruft, der nicht ist, daß er sei." (a.a.O.) Wenn Gott also das „Andere" schafft, und er schafft es nicht aus H a ß oder blindem Drang, sondern aus Liebe (wie Barth hier wohl doch um Christi willen unterstellt), dann ist das Verhältnis amatus-amabilis eindeutig bestimmt. Es ist sinnlos in Bezug auf den Schöpfergott von einem vorangehenden bonum velle im Sinne einer Liebenswürdigkeit des Geschöpfes zu sprechen. Das zweite Argument entnimmt Barth dem theologischen Satz von der radikalen Sündhaftigkeit des Menschen, den er in unserem Zusammenhang einfach als gültig voraussetzt. Gott als Erlöser erlöst den gefallenen Menschen aus seiner Gottlosigkeit, obwohl dieser als solcher gerade nicht amabilis ist. „Des Menschen Sohn ist gekommen zu suchen und selig zu madien, das verloren ist." (ebda.) Hier aber, in Bezug auf den Erlösergott behält Barth nur zu einem Teil Recht. Schöpfer- und Erlöserliebe berühren sidi, insofern Gott den Verlorenen liebt, indem er sich ihm ohne Verdienst und Würdigkeit zuwendet, ganz so wie er den noch nicht Geschaffenen liebt, indem er ihn schafft. Dennoch besteht zwischen Sdiöpfer- und Erlöserliebe eine erhebliche Differenz, die sich auf das Verhältnis von amatus und amabilis auswirkt. Der Mensch wird nicht mechanisch erlöst, komme was wolle. Seine Erlösung findet statt unter den Bedingungen der Freiheit. Er kann sein Heil verfehlen. Er kann gehorsam sein und ungehorsam. Mit einem Wort: Er bleibt verantwortlich. Räumt man ihm aber Verantwortung für das Böse ein, so muß man sie ihm audi für das Gute einräumen. Sonst hat Verantwortung keinen Sinn und der Gedanke eines göttlichen Endgerichtes wäre ganz unbegreiflich. Es gibt eine Treue, einen Gehorsam, einen Glauben, an dem Gott Gefallen hat, genau so wie es Unglauben gibt, den der Zorn Gottes trifft. Nach Stauffer hat der Mensch „in den Augen Jesu eine gewaltige Reserve an gutem Willen und moralischer Energie, an Stoßkraft, und Widerstandsfähigkeit, an Hingabe, Mut und Opferbereitschaft 118 ." Und also gibt es eben doch auch eine Liebenswürdigkeit, an der sidi die göttliche Liebe allererst entzündet. Der Grund der Liebe Gottes liegt hier eben gerade nicht „außerhalb des von ihm Geliebten", wie Barth behauptet. Der angeführte Spruch „Idi liebe, die mich lieben" (ebda.) weist auch in die entgegengesetzte Richtung. Und darum bleibt die in diesem Zusammenhang geäußerte Kritik an Polanus, Thomas und Quenstedt nur zu einem Teil berechtigt. Es gibt eine doppelte Bestimmung der Liebe Gottes, insofern sie sich auf den Men1,8

E. Stauffer, a.a.O., S. 45.

142

Kritischer Vergleich

sehen richtet: „amabilis weil amatus" als primäre und grundlegende. „Amatus weil amabilis" aber als unerläßliche, wenn man Liebe unter der Bedingung der Freiheit und Erlösung nicht mechanisch begreifen will. 5. N u r um in diesem einen Punkt noch größere Gewißheit zu bekommen, wenden wir uns einem viel späteren Band (IV, 2) der Kirchlichen Dogmatik zu, in dem Barth noch einmal ausführlich auf die christliche Liebe zu sprechen kommt. Dieser mächtige Teil wäre es wert, gründlich erörtert zu werden, zumal sich darin viel Wertvolles mit viel Unverständlichem, ja Widersprüchlichem vermengt hat. Das Verhältnis von Eros und Agape, dem H . Scholz, A. Nygren und nun auch Barth selbst ganze Bücher gewidmet haben, ist u. E. immer noch nicht befriedigend geklärt. Audi wenn Barth mit Scholz den Gegensatz von Eros und Agape nicht so künstlich auf die Spitze treibt wie Nygren, so bleibt doch zuletzt eine merkwürdige Geringschätzung des Eros, vor allem bei Barth, der ihn als „schlicht überflüssig" bezeichnet119, die uns ungerechtfertigt erscheint. Aber wir haben hier nicht die Aufgabe, das eben Angedeutete genauer einzusehen und zu begründen. Uns beschäftigt lediglich die Frage, ob die göttliche Liebe nicht auch so gedacht werden muß, daß sie empfänglich und nicht nur schöpferisch ist, was in der Formel zum Ausdruck kam: amatus weil amabilis. Kann und darf man sich Gott so denken, wenn man ihn denn überhaupt denken will, daß seine Liebe sich auch an dem Gehorsam des Menschen entzündet? Und da finden wir nun zunächst breit ausgedehnte Bestreitungen dieser Möglichkeit. „Die Liebe Gottes ist schöpferisdie Liebe, d. h. eine solche, durch deren Werk die von ihm Geliebten selber Liebende werden." Oder noch deutlicher: „Es ist also die Liebe Gottes wohl der Grund der menschlichen — es wird aber die menschliche Liebe niemals zum Grund der Liebe Gottes." (a.a.O.) Dann aber macht Barth, wie er es nennt, „eine Wendung von 180 Grad" und spricht von der Liebe als „der freien Tat des Menschen": „Die christliche Liebe ist nicht so etwas wie eine Prolongatur der Liebe Gottes, ihr Erguß, ihr Fortströmen ins menschliche Leben hinein..., dem der Mensch, ohne selbst handelndes Subjekt zu sein, nur beiwohnen w ü r d e . . . Der Tat der Liebe Gottes entspricht edit, schlecht und recht (was soll eigentlich eine solche Häufung von Wörtern bedeuten?), von ihr wohl zu unterscheiden, die christliche Liebe als mensdin

> cf. dazu KD IV, 2, S. 825 ff., bes. 852 ff. — 880 ff. Dort audi Literaturangaben.

Gottes Liebe

143

lidie Tat. Sie ist eine Tat, in der der Mensch nicht als Marionette Gottes, sondern Gott gegenüber als ihm begegnendes und antwortendes, sich als sein Partner vor ihm verantwortendes selbständiges Subjekt, aus seinem Herzen heraus, aus seiner Seele, mit seinen Kräften tätig ist." Barth scheint damit nicht fertig werden zu können. Er schwankt. Er kommt an der menschlichen Selbständigkeit nicht vorbei. Er nennt sie „schlicht" und „klar". Und im gleichen Atemzug schaudert er davor zurück, möchte sie wieder einschränken, möchte alles Gesagte wieder zurücknehmen, entschließt sich dann aber, bloß von der „Unbegreiflichkeit" zu sprechen. Einen Augenblick ist er nahe daran zu sagen: „Ein Mensch liebt Gott so, wie Gott ihn liebt." (a.a.O.) Natürlich im Nachvollzug, natürlich in der „Nachfolge", aber immerhin doch „so wie". Aber dann setzt er doch wieder ein Fragezeichen dahinter: „Wie soll denn das möglich sein? (ebda.) Und diese Frage bleibt ohne Antwort. Barth sieht deutlich, daß es keine Verantwortung, keinen Gehorsam, keine Treue und keine Liebe des Menschen gegenüber Gott gebe, wenn es nicht diese seine Freiheit und seine Selbständigkeit gebe. Aber er schreckt davor zurück, die Konsequenz zu ziehen, daß es dann auch so etwas wie die freudige Empfänglichkeit in Gott geben muß für den ihm vom Menschen frei und nicht erzwungen dargebrachten Gehorsam. Genauso wie es in Gott dann die traurige Empfänglichkeit dafür geben muß, daß der Mensch seine Freiheit mißbraudit und versagt. Wenn Barth die freie Liebe des Menschen zu Gott unbegreiflich nennt, dann muß er ebenso die freie Liebe Gottes zu dem Menschen unbegreiflich nennen. Und wir wären am Ende und hätten uns nichts weiter zu sagen. Wenn er aber meint, wie er es denn auch ausspricht, daß es sich lohnt, einen Augenblick denkend bei dem „Unbegreiflichen" zu verweilen, so lohnt es sich doch nur dann, wenn man nun eben doch etwas davon begreifen kann. Wovon wir nichts wissen, davon sollen wir schweigen. Was sich aber sagen läßt, läßt sich audi begreifen, wie unvollkommen audi immer. Gewiß, indem ich dem Menschen Selbständigkeit zugestehe, muß ich Gott eine gewisse Unselbständigkeit zugestehen. Aber in dieser göttlichen Unselbständigkeit muß ja gar nicht Schwäche oder Mangel sein. Gott hat doch gerade dadurch, daß er sich so in die Abhängigkeit des Menschen begibt, das Höchste geschaffen, was sich ihm gegenüber denken läßt: den freien Menschen und keine Marionette. Und darum behält der Satz seine Gültigkeit: amatus weil amabilis. 6. Es folgt ein schwer verständlicher Abschnitt. Teils wird das schon Gesagte über die communicatio als Selbstzweck wiederholt, mit anderen

144

Kritischer Vergleich

Worten, aber ohne neues Argument. Die früher erwähnte Schwierigkeit bleibt 120 . Teils wird vorwegnehmend über die Souveränität der göttlichen Liebe gesprochen, die Barth doch erst im folgenden erörtert, unter dem Titel der Freiheit göttlicher Liebe. So sucht man nach einer neuen, inhaltlichen Bestimmung vergebens. Erschwerend kommt hinzu, daß das Ganze verwoben wird in eine recht flüchtige Auseinandersetzung mit der Definition der Liebe, wie sie A. Ritsehl gibt. Die Definition lautet: „Liebe ist der stetige Wille, welcher eine andere geistige, also gleichartige Person zur Erreichung ihrer eigentlichen höchsten Bestimmung fördert, und zwar so, daß der Liebende darin seinen eigenen Endzweck verfolgt." (a.a.O.) Nun ist das sicher keine erschöpfende Definition der Liebe, aber das braucht uns hier nicht zu bekümmern. Wir wollen wissen, was Barth für seine eigene Definition diesem Satz Ritschis entnimmt. Barth behauptet nicht, daß dieser Satz falsch sei. Er spricht nur von der Schwierigkeit („es ist schwer") und von einer Gefahr („wer das tut, der sehe zu"). Es läßt sich nun zeigen, daß es Barth in diesem Zusammenhang gar nicht um eine neue inhaltliche Bestimmung der Liebe Gottes geht, sondern um eine methodische Überlegung, die für unseren späteren Vergleich mit Rahner von Belang ist. Zunächst einmal kann man sehr wohl die Ritschlsche Bestimmung in die Barthsche übersetzen. Gott als der Liebende verfolgt seinen eigenen Endzweck so, daß er die communicatio sucht und schafft. Und es widerspricht dem bisher Entwickelten keineswegs, wenn dabei der Geliebte (die geistige, gleichartige Person bei Ritsehl) die göttliche Liebesgemeinschaft als seine eigene und eigentliche höchste Bestimmung erfährt. Barth hat nur Bedenken, weil Ritsehl als Ausgangspunkt für diese zweiteilige Bestimmung „die Aktion des menschlichen Selbstgefühles" wählt und von der menschlichen „Selbstbeurteilung, welche uns in den gehobenen sittlichen Momenten unseres sittlichen Wollens eigen ist, in denen wir die Macht unserer Selbstbestimmung zum Guten... erleben" — analog auf die göttliche Liebe schließt. Er fürchtet, daß man auf diesem Wege das „Göttliche dieses Tuns, das, was es als heiliges und gnädiges, als anbetungswürdiges und beseligendes Tun auszeichnet", verliert. „Wer aber diese Aufgabe vor Augen hat, der wird es dem göttlichen Lieben lassen..., daß es in unerforschlicher Wirklichkeit" besteht. Nun erforscht aber Barth selbst diese unerforschbare Wirklichkeit. Er denkt darüber nach, und setzt so voraus, daß sie mindestens bis zu 120

cf. KD 11,1, S. 313 ff.

Gottes Liebe

145

einer bestimmten Grenze auch denkbar ist. Und zwar so, daß sie in menschlichen Worten allgemein verständlich aussagbar ist. Das heißt aber, daß sie grundsätzlich auch f ü r Barth beziehbar ist auf die Erfahrungen dieser Welt und die Regeln vernünftiger Überlegung. Mag sein, daß die Überlegenheit der göttlichen Liebe darin besteht, daß sie zuletzt in ihrer Tiefe oder Höhe nicht mehr denkbar ist, und der Glaube gleichsam den Menschen um seinen Verstand bringt. Aber wenn Barth sich vornehmen sollte, daraus den Schluß zu ziehen, daß man die göttliche Liebe eben deshalb ganz und gar trennen müßte von den menschlichen Erfahrungen der Liebe, und als unerforschliche Wirklichkeit auf sich beruhen lassen sollte, dann beraubt er sich jeder Möglichkeit, verständlich zu machen, was dann eigentlich Liebe Gottes ist, und widerspricht sich zuletzt selbst. Wenn man den Liebeswillen Gottes mit dem des Menschen vergleicht, läuft man gewiß immer Gefahr, den einen in den anderen sich auflösen zu lassen und zuletzt nur noch von einem und demselben zu sprechen. Aber andrerseits muß man diese Gefahr auf sich nehmen, weil von der Vergleichbarkeit die Begreifbarkeit abhängt. Wenn also Ritsehl von dem Menschen ausgeht, übrigens grundsätzlich so wie Rahner, dann muß man ihm zugestehen, daß er den göttlichen Liebeswillen nicht liquidieren, sondern begreifen will, soweit das eben menschenmöglich ist. Wir können ja die Liebe Gottes und alle anderen Bestimmungen Gottes nicht anders begreifen, als unter den Bedingungen dieser Welt. Ist sie offenbar, dann ist sie auch erforschlich. Unerforschliches bleibt freilich genug. Ist sie aber ganz und gar unerforschlich, dann ist sie auch nicht offenbar und wir müssen schweigen. 7. Zuletzt bestimmt Barth die Liebe Gottes als frei. „Gott liebt uns laut seiner Offenbarung..., aber er ist dabei frei von jedem Bedürfnis 121 ." Barth greift zunächst zu einer bemerkenswerten Spekulation, um deutlich zu machen, daß die göttliche Liebe frei und nicht unter irgendeinem äußeren Zwang steht. „Es gehört nicht zu Gottes Tun und also Sein, daß es als Liebe einen Gegenstand in einem von ihm unterschiedenen Anderen haben müßte. Gott ist sich selber als Gegenstand und also auch als Gegenstand der Liebe genug." Spekulation, wie gesagt, nicht im abwertenden Sinne zu verstehen, sondern als ein berechtigter Versuch, sich im Denken zu orientieren und soviel Klarheit und Bestimmtheit in einen Begriff zu bringen, wie es eben menschenmöglich ist. Das Ziel also der Überlegung, die Barth hier anstellt, ist deutlich: Der Gott, 121

ebda.

10 B r o w a r z i k , Glauben und Denken

146

Kritischer Vergleich

der „Gemeinschaft mit dem Menschen sucht und schafft", als das letzte und höchste Ziel, das er in seiner Schöpfung, wie in seiner Erlösung verfolgt, und über das hinaus nichts Höheres gedacht werden kann, dieser Gott handelt dabei in Freiheit. Indem nun der Begriff der Freiheit auftaucht, können auch seine beiden begrifflichen Korrelate nicht verborgen bleiben: die Notwendigkeit und die Zufälligkeit. Damit aber geht das Problem der Liebe in das der Freiheit über und wir sind im nächsten Kapitel. Rahner scheint Recht zu bekommen, wenn er das Problem der Freiheit des göttlichen Willens vor dem der Liebe erörtert. Denn Liebe setzt Freiheit voraus, nicht aber Freiheit unbedingt Liebe. Auch auf die Gefahr der Umständlichkeit hin, wollen wir trotzdem den angegebenen Text mit seinen theologischen Bestimmungen auf seine logische Bedeutung prüfen. Jene oben erwähnte Spekulation über die göttliche Selbstliebe, die Barth äußert ohne jede Berufung auf irgendeine ausdrückliche Offenbarung, sozusagen ganz beschäftigt mit dem Nachdenken über die freie Liebe Gottes, ist der begriffliche Ausdruck eines Protestes gegen die „fromme Unverschämtheit", Gott zu unterstellen, daß er lieben muß und gar nicht anders kann 1 2 2 . Barth sagt, es ist „bedenklich", Liebe im allgemeinen zu bestimmen als „das Trachten eines Wesens nach einem Anderen, das Ausgehen einer Person aus sich selber mit dem Verlangen, in eine andere überzugehen oder die andere in sidi aufzunehmen..., (denn sie kann nicht einsam sein, sie verlangt nach ihres Gleichen)" und diese Bestimmung auf die göttliche Liebe zu übertragen 123 . Dagegen besteht nach Barth das Geheimnis der göttlichen Liebe (hier in Bezug auf die darin eingeschlossene Freiheit) gerade darin, daß er bei sich selbst bleiben kann, und dennoch liebt (also sich selbst), und dabei selig ist und keineswegs eines Anderen bedarf. (a.a.O.) Das führt uns nun auf eine Schwierigkeit in dem Begriff, den sich Barth hier von der Liebe Gottes macht. Abgesehen von ein paar poetischen Verstiegenheiten kann man der kritisierten Definition doch einen guten Sinn abgewinnen. Denn sie möchte doch gerade das vermeiden, was Barth gerade nicht vermeiden kann und worauf er mit seinem Einwand unweigerlich zusteuert, nämlich Liebe als Selbstliebe zu begreifen. Sollte bei Gott etwas gut sein, was beim Menschen böse ist, nämlich das Insichselbstverschließen? Das Eigentümliche der christlichen Liebe ist doch gerade die Hingabe an einen 122

cf. a.a.O. S. 316 f.

123

Jetzt Pannenberg: Grundzüge der Christologie, Gütersloh 1964, S. 347, unter ausdrücklicher Berufung auf Hegel.

Gottes Liebe

147

Anderen, das Sichselbstverlieren, um so sich gerade zu gewinnen. U n d insofern G o t t als der Ursprung dieser Liebe gedacht wird, muß sie doch audi als in ihm vorkommend gedacht werden können. Ich kann nicht die Freiheit der göttlichen Liebe retten, indem ich ihre Eigenart aufgebe und zu irgendeinem dunklen Geheimnis meine Zuflucht nehme. B a r t h stört es, daß für die so verstandene göttliche Liebe der Andere, Nichtgöttliche notwendig wird. U n d er wittert, daß nun die göttliche Liebe als ein „unvermeidlicher Weltprozeß verstanden" wird. Aber das kann doch vermieden werden ohne den Abweg über die Selbstliebe und eine noch so edel verstandene Selbstgenügsamkeit, die zu nichts anderem führt, als zur wahren Aufhebung der Liebe. Es ist hier j a nicht die Frage, ob und wie G o t t Alles für sich ist. Das Begreifen der göttlichen Liebe beginnt vielmehr mit der Frage, ob und wie G o t t „wiederum Alles nicht nur für sich, sondern auch für dieses Andere sein w i l l " , wie Barth selbst formuliert. U n d diese Hingabe, wenn sie frei gewollt sein soll, kann nicht als Willkürliebe verstanden werden in dem Sinn: Ich liebe, wen ich will und hasse, wen ich will und lasse dieses Lieben und Hassen durch nichts bestimmt sein, als durch meinen freien Willen. Genau so wenig wie dieser göttliche Liebesakt begriffen werden kann als ein G o t t äußerlicher Zwang. Beides würde den Begriff der Liebe als freie Hingabe an einen Anderen verfälschen 1 2 4 . B a r t h erklärt ferner, in Anlehnung an ein Zitat von Augustin 1 2 5 , „es sei das göttliche Lieben, sofern es ein von G o t t verschiedenes Anderes zum Gegenstand habe, nidit wie das unsrige (passiv) als ein frui, sondern (aktiv) als ein uti zu beschreiben." So also, als sei in dem A k t göttlicher Liebe ein Bestimmt- und Bewegtwerden durch einen Anderen gar nicht zu denken. Denn der Andere, etwa ein Mensch, der G o t t liebt, ist j a dazu schon von G o t t bestimmt und „eine andere Möglichkeit als Liebe zu G o t t ist ihm gar nicht übrig gelassen" 1 2 8 . Des Menschen Ungehorsam, insofern er nun G o t t gerade nicht liebt, „bleibt nur als offenkundige Unmöglichkeit, nur als das Absurde übrig", (ebda.) Indem aber Barth so die göttliche Liebe als ein reines uti auf die Spitze treibt, verwickelt er sich selbst in den schlimmsten Widerspruch. W i r d die Gottesliebe dermaßen unempfänglich für die Menschenliebe begriffen, so wird sie selbst wiederum zu einem notwendigen Prozeß, und von des Men124

125 128

10s'

cf. M. Scheler, Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik, 4. Aufl., Bern 1954, bes. S. 234 ff. KD II, 1, S. 318. KD 1,2, S. 424.

148

Kritischer Vergleich

sehen Liebe zu Gott kann eigentlich gar nicht mehr die Rede sein. Barth selbst aber kann diese einseitige Bestimmung audi gar nicht durchhalten und will es auch nicht, wenn er sagt: „Sehen wir aber den Menschen..., so sehen wir das Wesen, das seine Existenz in Akten freier Entscheidung und Bestimmung zu verwirklichen dauernd im Begriff steht 127 ." Und an späterer Stelle ausdrücklich bezogen auf die Liebe des Menschen zu Gott: „Es besteht zwischen der Liebe, mit der Gott uns liebt, und der uns gebotenen Liebe zu ihm eine Ähnlichkeit 128 ." Und diese Ähnlichkeit besteht für unseren Zusammenhang eben darin, daß es „die Freiwilligkeit des Gehorsams, der in der christlichen Liebe geleistet wird", in der Tat gibt. J a man möchte ein in anderem Zusammenhang fallendes Wort auf unser Problem anwenden: Die christliche Liebe „wird immer in dem Maße lebensfähig, gesund und stark sein, als ihr dieses Selbstvertrauen eigen ist" 129 . Mit anderen Worten: Schließt man aus dem göttlichen Akt der Liebe das Moment der Empfänglichkeit aus, so besteht eben die erwähnte Ähnlichkeit gar nicht mehr. B. Kritischer Vergleich Wir wollen uns hier nicht noch einmal mit der Folgerichtigkeit der einzelnen Gedankengänge unserer beiden Theologen beschäftigen. Wir wollen lediglich das, was sie als Ergebnis ihrer Überlegungen herausbringen, einander gegenüberstellen und nachsehen, ob es sich widerspricht oder übereinstimmt oder einander ergänzt. Was die Methode des Denkens betrifft, so hat sich u. E. der Eindruck verstärkt, daß die konstruktive Kraft, einen Begriff zu entwickeln und streng das eine aus dem anderen abzuleiten, bei Rahner erheblich größer ist als bei Barth. Letzterer hingegen zieht es vor, in der Hauptsache beschreibend um seinen Gegenstand herumzugehen, eins neben das andere zu stellen und die Frage in der Schwebe zu lassen, wie nun das eine zum anderen paßt — oder besser: wie das alles miteinander zusammenhängen soll. Daher rührt die Sprunghaftigkeit seines Denkens, die um so mehr irritiert, als man es nicht mit einem einzigen, sondern gleich immer mit 127 128 129

K D I, 2, S. 400. ebda., S. 435. K D II, 2, S. 392 — dazu audi S. 436—469. Man könnte mit P. Tillich hinzufügen: „Das ist die einzige Weise, in der die Liebe (Gottes auch) in dem, der sie zurückstößt, wirken kann." — Systematische Theologie II, Stuttgart 1958, S. 86.

Gottes Liebe

149

mehreren Begriffen zu tun bekommt, die selbst nicht genau bestimmt sind. Der bewegte Geist dieses Theologen läßt es offenbar nicht zu, sich nur an einen einzigen Begriff zu hängen. Oder aber man erklärt sich diese lockere, freilich in anderer, praktischer Hinsicht auch recht fruchtbare Art, seinen Gegenstand zu behandeln, mit der fortwährenden historischen Beschäftigung. D a s verbraucht in der T a t viel K r a f t des Denkens, wenn man dauernd Rücksicht zu nehmen hat, was dieser oder jener biblische oder außerbiblische Text zu der verhandelten Sache beiträgt. Wir werden später auf die Frage zurückkommen, die durch die Arbeitsweise Barths ein noch größeres Gewicht bekommt, ob es der theologischen Sache nicht dienlicher ist, wenn man die historische und die dogmatische Erörterung deutlicher von einander trennt und in größerer Eigenständigkeit betreibt. Freilich wird man dann sofort den Einwand hören, daß auf diese Weise der Christusbezug für die dogmatische Überlegung verloren geht, der ja nicht a priori einzusehen, sondern immer nur a posteriori, d. h. historisch zu erreichen ist. Denn Jesus ist nicht eine Idee, sondern eine Person. D a z u wollen wir an dieser Stelle, w o wir einzelne dogmatische Überlegungen Barths prüfen, lediglich folgendes bemerken. Es hat sich gezeigt und es wird sich weiter zeigen lassen, daß man Barth sehr wohl verstehen, ja sogar besser verstehen kann in dem, was er an einzelnen dogmatischen Bestimmungen erreicht, wenn man von seinen exegetischen Exkursen absieht. U n d wenn es audi wahr ist, daß Barth alles an der Christusbezogenheit und also an der Bibelbezogenheit liegt, so mußten wir bisher jedenfalls feststellen, daß dieser Bezug bei der genaueren Bestimmung einzelner dogmatischer Sätze unerheblich ist. Wo er ausdrücklich vorkommt, wirkt er wie eine zusätzliche Behauptung, die für die logische Bestimmung des Satzes selbst kein neues Argument enthält. Es ist so wie in der Mathematik beim Rechnen mit Klammern. Christus ist sozusagen das jeweils die ganze Klammer bestimmende Vorzeichen. Aber man muß das, was in der Klammer steht, erst einmal durchgerechnet haben, wenn man wissen will, was das Vorzeichen wert ist. Wir lassen es hier bei diesen Andeutungen, weil wir in den letzten beiden Kapiteln ausdrücklich diesem Problem nachgehen werden. Was nun die dogmatischen Sätze im einzelnen betrifft, so waren es zuletzt vier, die Barth zur Erklärung der Liebe Gottes aufgestellt hat. Wir wollen sehen, ob sie dem, was Rahner über die Liebe Gottes sagt, widersprechen. 1. Liebe Gottes bestimmt Barth zuerst als das ursprüngliche und nicht weiter ableitbare „Suchen und Schaffen von Gemeinschaft mit dem

150

Kritischer Vergleich

Menschen". Wir haben bei Rahner nichts gefunden, was diesem grundlegenden Satz Barths widerspricht. Vielmehr läuft es ja aufs gleiche hinaus, wenn Rahner sagt: Wir haben es mit Gott als demjenigen zu tun, der, vorausgesetzt, daß es ihn als Schöpfer gibt, diese seine „Kreatur darum zuletzt will, weil er sie liebt" 130 . Eine Differenz findet man also nicht in dem Satz selbst, sondern in dessen Herleitung. Rahner bezieht sich dabei auf die Schöpfung, Barth auf Jesus Christus: „Dieser Name hat u n s . . . dies zu sagen... 131 ." Aber nach Barths eigener Aussage, schließen sich diese beiden Herleitungen, wie sie im einzelnen auch erfolgen, nicht aus, sondern ergänzen einander: „Ein Suchen und Schaffen von Gemeinschaft ist ja offenbar schon die S c h ö p f u n g . . . " Aber was heißt: ergänzen? Barth spricht von „überbieten", und wir haben schon gesehen, in welche Schwierigkeiten das führt. Der Satz ist ja der gleiche und keine inhaltliche Bestimmung kommt neu hinzu. Man könnte sagen, es handelt sich hier um zwei verschiedene Anwendungsbereiche des einen, gleichen Satzes: Einmal die Schöpfung, das andere Mal die Erlösung in Jesus Christus. Aber damit werden wir der Intention Barths nicht gerecht. Denn er spricht in diesem Zusammenhang gar nicht von der „Erlösung durch Jesus Christus", sondern von der „Offenbarung in Jesus Christus". Das kann aber gar nichts anderes heißen, als daß der Satz, den Rahner aus der Schöpfung erschlossen hat, erst um Christi willen, also um der eigentlichen Offenbarung willen, gilt. Erst damit haben wir den wesentlichen DifTerenzpunkt erreicht. Das transzendentale theologische Denken, von dem wir im ersten Hauptteil ein Beispiel gegeben haben, ist ja genau so universal angelegt wie das offenbarungstheologische. Es kann sich nicht damit begnügen, Aussagen über Gott den Schöpfer zu machen. Gott als den Erlöser zu begreifen, so weit das eben menschenmöglich ist, ist ebenfalls diesem Denken aufgegeben. Was gedacht werden kann, kann auch begriffen werden. Aber, wie gezeigt, kommt dieses Denken nie und nimmer über seine gedachten Möglichkeiten hinaus — es sei denn, es greift zu dem Äußersten und hält seine metaphysischen Postulate für unmittelbare Offenbarungen Gottes, womit eine Offenbarungstheologie in Barths und überhaupt in christlichem Sinne, nämlich eine historische, belanglos würde. Das aber tut Rahner niemals132. Wenn er behauptet und begründet, daß die tiefcf. oben, l . T e i l , S. 111. 131

cf. oben, Anm. 198.

132

Dazu Rahner Schriften V, S. 33 ff. — 54 ff. — 82 ff.

Gottes Liebe

151

sten Wahrheiten auch die freiesten sind, so ist er eben weit davon entfernt, aus logischen Möglichkeiten durch einen Machtspruch des Denkens Wirklichkeiten zu machen. Warum ihm an einer strengen theologischen Logik so viel liegt, ist begründet in dem Willen, die mannigfachen theologischen Aussagen möglichst genau zu begreifen und zwar in dem doppelten Sinne einer möglichst genauen Begriffsbestimmung und einer möglichst durchgehenden Beziehung der einzelnen Aussagen untereinander. Barth hingegen liegt nicht so viel an der Begreifbarkeit der theologischen Aussagen, sondern an ihrer Gewißheit. Darum kommt die theologische Erkenntnis erst an ihr Ziel, wenn sie den Offenbarungsalso den Christusbezug hergestellt hat. 2. Wir können das Weitere und Genauere den beiden letzten Kapiteln überlassen und wenden uns dem 2. dogmatischen Satz zu: Die communicatio zwischen Gott und Mensch (sei sie nun angestrebt oder verwirklicht) ist der Ursprung alles Guten. Wir lassen jetzt den Unterschied einer latenten und einer manifesten communicatio unberücksichtigt, weil das in unserem Zusammenhang Nötige dazu schon gesagt wurde. Wir erinnern uns noch einmal an den entscheidenden Satz: „Der positiv-gute Gehalt (irgendeines konkreten Guten) besteht eben darin, daß er das sich mitteilende Leben Gottes als solches ist133." Und wieder stehen wir vor dem gleichen Tatbestand: Der Satz an sich ist gar nicht kontrovers, lediglich seine Herleitung. Barth nimmt die Richtigkeit des Satzes um der Offenbarung in Christus willen an. Er versucht gar nicht eine genauere Herleitung. Lediglich, daß er in diesem Zusammenhang auf das bedeutsame Phänomen aufmerksam macht, daß es auch noch eine „Verflüchtigung des konkret Guten" inmitten einer ausdrücklichen communicatio gibt (cf. Psalm 73), was Rahner sicher nicht bestreiten könnte. Rahner hingegen, weil ihm alles an der Begreifbarkeit eines solchen Satzes liegt, nimmt seinen Ausgang von irgendeinem, womöglich allen Menschen zugänglichen konkreten Guten, und versucht eine Antwort zu geben auf die Frage, woher dieses Gute kommt. „Der Mensch ist somit (sc. nämlich insofern er über das einzelne Gute hinausfragt) die Transzendenz auf das absolute G u t e . . . , Gott. Dieses absolute Gute (wohl doch im doppelten Sinne des Ursprungs und der Fülle) ist aber zunächst nicht als Gegenstand, sondern nur als das letzte Woraufhin des Vorgriffs gegeben..., es ist nur gegeben als die Bedingung der Möglichkeit der Erfassung eines endlichen Guten 134 ." Damit ist aber beide Male der >" cf. Anm. 200. cf. Anm. 111.

152

Kritischer Vergleich

gleiche Satz aufgestellt, wenn audi verschieden begründet: Gott ist der Ursprung des Guten. Das eine Mal im Vorgriff gesetzt, das andere Mal um der Offenbarung willen. Wir wagen schon hier vorwegnehmend zu sagen: Das eine Mal transzendental, das andere Mal historisch, wenn es denn wahr sein soll, daß die Offenbarung ein historisches Ereignis ist, unwiederholbar und einzigartig. Freilich ist mit der Frage nach dem Ursprung des Guten zugleich die andere nach dem Ursprung des Bösen gestellt. Und wir haben wenigstens bei Rahner gesehen, wie schwierig die Aufgabe ist, das Denken vor einem radikalen Dualismus zu bewahren. Barth erörtert die Frage in unserem Zusammenhang nicht. 3. Der dritte Satz lautet: „Gott liebt uns laut seiner Offenbarung..., aber er ist dabei frei von jedem Bedürfnis 135 ." Wir wollen uns kürzer fassen, da die beiden wesentlichen Vergleichsmomente sich wiederholen: Die Kongruenz der Schlußsätze und die Differenz der Herleitung. Rahners entsprechender Schlußsatz lautet: „Entweder wir stoßen zuletzt (auch noch in Gott) auf lauter dunkle Notwendigkeiten oder auf blinden Drang (sc. im Sinne von zufällig), in deren Tiefen kein Licht leuchtet, oder aber auf die freie Tat eines Schöpfers... Der Erkenntnisweg, der zu dem christlichen Schöpfergott führt, ist erst dann zu seinem Ziel gekommen, wenn der Wille als freier Personwille erkannt ist 136 ." Wobei hier die Unterscheidung von Schöpfergott und Erlösergott unerheblich ist, da der Satz von der Freiheit für beide gelten muß, wenn es nicht zwei verschiedene Götter sein sollen. Rein interpretatorisdi wäre zu bemerken, daß Barth gerade in diesem Abschnitt der freien Spekulation Rahners am nächsten kommt, indem er tatsächlich von einer gedachten Selbstliebe Gottes ausgeht, um Gottes „Bedürfnislosigkeit" zu erweisen, ohne jede Zuhilfenahme eines historischen Textes von der Offenbarung in Jesus Christus. Seine Überlegung scheitert allerdings an einer petitio principii. Denn die göttliche Selbstliebe könnte ja nun wiederum als notwendig oder zufällig gedacht werden und ergibt also für das freie Lieben eines Anderen nichts. Rahner verfährt folgerichtiger und kommt ein Stück weiter, wenn er von der Erfahrung der Zufälligkeit des menschlichen Daseins ausgeht. Freilich kommt auch er nicht zu einem zwingenden Beweis, wie wir gezeigt haben. 4. Der vierte Satz betrifft die Ähnlichkeit bzw. Unähnlichkeit der göttlichen Liebe, verglichen mit der menschlichen. Und auch hier zeigen 135

cf. Anm. 207.

159

cf. Anm. 108.

Gottes Liebe

153

sich bedeutsame Übereinstimmungen, hingegen nur unbedeutende Differenzen. Auch hier bewegt sich Barth ganz und gar im freien Raum der theologischen Spekulationen, zieht wohl einige theologische Texte zu Rate, doch nur um seine eigene Überlegung zu verdeutlichen und nicht mit der Absicht, ihr Zeugnis als Offenbarungszeugnis zu beanspruchen. Der entsprechende Satz bei Barth lautet: „Zwischen der Liebe, mit der Gott uns liebt, und der uns gebotenen Liebe zu ihm besteht eine Ähnlichkeit137." Das ist freilich erst der Obersatz, dem Barth zur näheren Bestimmung zwei widersprüchliche Untersätze folgen läßt, wie wir gleich sehen werden. Zunächst aber wollen wir uns den Begriff der Ähnlichkeit genauer ansehen. Wenn die göttliche Liebe mit der menschlichen vergleichbar sein soll, muß sie also mindestens analog sein, und es ist sehr die Frage, ob nicht zuletzt doch vergleichbare Aussagen einen univoken Kern enthalten müssen138. Aber wir können das schwierige Problem hier auf sich beruhen lassen. Unverständlich dagegen bleibt, was Barth meint: Der hier in Frage stehende Vergleich (der Ähnlichkeit als conditio sine qua non voraussetzt) dürfe nicht von einem allgemeinen (gedacht ist an einen menschlich-allgemeinen) Liebesbegriff ausgehen, da sonst „die Entgottung Gottes die unausbleibliche Folge sein würde" 139 . Das ist eine Behauptung, die Rahner deutlich widerlegt. Denn er geht ja nun von einem allgemeinen Begriff der Liebe aus und definiert: „Die freie, beisich-seiende Tat ist Liebe140." Diese Begriffsbestimmung bedarf weder einer historischen Offenbarung, noch ist einzusehen, wie sie zur Entgottung Gottes führen soll. Denn daß die göttliche Liebe zuletzt doch auch noch und immer noch undurchdringliches Geheimnis bleibt und alles menschliche Lieben unendlich übersteigen soll, ist ja gar nicht bestritten. Gerade Rahner hat dem Begriff des Geheimnisses in der Theologie neues Leben gegeben141. Vielmehr geht es um die Möglichkeit einer Begreifbarkeit dieser göttlichen Liebe. Und da könnte zunächst vermutet werden, daß es gleichwertig ist für einen solchen Vergleich, ob ich von dem Begriff der göttlichen Liebe ausgehe oder von dem der menschlichen. Das eine ist die Probe auf das andere. Es muß, wenn es richtig ist, aufs gleiche hinauskommen. Aber eine genauere Betrachtung gerade der Arbeitsweise Barths zeigt, daß wir zuletzt gar nicht auf der Seite Gottes » 7 K D I, 2, S. 435. K D IV, 2, S. 840 f. 138 K D II, 1, S. 316. 140 Rahner: Hörer, S. 123. 141 Rahner: Schriften IV, S. 51 ff.

188

154

Kritischer Vergleich

anfangen können, um irgend etwas von Gott zu erkennen. Wir stehen auf der Seite der Menschen und nicht auf der Seite Gottes und können darum alles, was wir erkennen, nur unter den Bedingungen dieser unserer Menschlichkeit erkennen. Gott muß menschlich mit uns reden, wenn wir ihn verstehen sollen. Die ciszendierende theologische Denkart, die von Gott selbst ausgehen will, ist erschlichen. Die transzendierende Art, die Rahner wählt, ist grundsätzlich die einzig mögliche. Einen Beweis dafür liefert uns Barth selbst. Überall, wo er von Gott etwas zu erkennen trachtet, bedient er sich menschlicher und d. h. allen Menschen zugänglicher Begriffe. Wir haben keinen himmlischen Begriff gefunden. Und wo er gewaltig von der Offenbarung spricht, nimmt der Weg seines Denkens doch immer seinen Ausgang von irgendeinem Datum dieser unserer menschlichen Erfahrungswelt. Aber wir brauchen diese grundsätzliche Kontroverse hier nicht weiter verfolgen, da uns direkt in unserem Zusammenhang nicht der leitende Obersatz, sondern die beigefügten Untersätze interessieren. Der erste lautet: „Das göttliche Lieben, sofern es ein von Gott verschiedenes Anderes zum Gegenstand hat, sei nicht wie das unsrige (passiv) als ein frui, sondern (aktiv) als ein uti zu beschreiben142." Wenn dieser Satz besagen soll, daß das menschliche Lieben Gnade ist und also von Gott als seinem Ursprung abhängig bleibt, so läuft das auf den theologischen Satz von Gottes schöpferischer Macht hinaus und bedeutet für unseren Vergleich: In diesem Punkt ist die göttliche Liebe der menschlichen unvergleichlich überlegen, also unähnlich. Denn die menschliche Liebe verdankt sich (bewußt oder unbewußt) dem göttlichen Lieben, nicht aber umgekehrt. Wie sehr der Mensdi auch Gott lieben wollte, er könnte es gar nicht, wenn Gott ihm nicht die Möglichkeit dazu gegeben hätte. In diesem Punkt besteht auch Ubereinstimmung mit Rahner. Was Barth im Anschluß an ein Zitat von Augustin frui nennt, heißt bei Rahner: Liebe im Nachvollzug 143 . In diesem Rahnerschen Begriff des „Nachvollzuges", dem wir schon früher genauer nachgegangen sind, liegt aber nicht nur das Moment der einseitigen Abhängigkeit der menschlichen Liebe von der göttlichen. Vielmehr geht es Rahner mit diesem Begriff zugleich darum, das menschliche Lieben nun eben nicht bloß als ein passives Genötigtwerden zu begreifen, sondern vielmehr audi als eine sdiöpferisdie, freie Tat des Menschen selbst. N u r wenn menschliches Lieben als frei und nicht erzwungen begriffen werden kann „ist die Mög142 143

K D II, 1, S. 318. Rahner: Hörer, S. 123.

Gottes Freiheit

155

lichkeit des Gotteshasses begreiflich"14,1. Nur unter dieser Bedingung kann man auch den Rahnersatz richtig verstehen: „Inmitten der Transzendenz des endlichen Geistes begibt sich eine Liebe zu Gott", wofür ja auch Barth viel Verständnis zeigt, wenn er sogar formulieren kann: „Dem Menschen als Kind Gottes bleibt ja eine andere Möglichkeit als die Liebe zu Gott gar nicht übrig 145 ." Bleibt nur noch die Frage, ob auch Barth bei seinem Vergleich der göttlichen Liebe mit der menschlichen, der letzteren ein uti, also ein frei-schöpferisches Moment zubilligt. Wenn man aber die im darstellenden Teil zuletzt herangezogenen Texte prüft, muß diese Frage positiv beantwortet werden. Der entscheidende zweite Untersatz lautet: „Es gibt in der Tat die Freiwilligkeit des Gehorsams, der in der christlichen Liebe geleistet wird." Wir können abschließend feststellen: Die einzelnen Sätze, die Barth und Rahner aufstellen und ableiten, um die Liebe Gottes zu verstehen, widersprechen einander nicht. Freilich ist damit noch nicht alles gesagt. Aber wir würden die theologische Erkenntnisarbeit nicht ernstnehmen, und zuletzt in eine trostlose Verwirrung geraten, wollten wir diese Sätze, so wie sie da stehen und miteinander übereinstimmen, nicht ernst nehmen. Ob und inwiefern sie ein versdiiedenes Gefälle haben, werden wir noch zu prüfen haben. Aber schon an dieser Stelle möchten wir uns den Worten eines katholischen Theologen anschließen: „Jede Theologie hat ihr Gefälle... Das Gefälle an sich bedeutet noch nicht überbordenden Irrtum. Aber es bedeutet Beschränktheit. Kein Gefälle darf absoluten Anspruch erheben... Jede, auch die beste Theologie, kann auf ihre Weise das Opfer ihres Gefälles werden, jede, audi die beste Theologie hat gerade in ihren zugkräftigsten Stellen ihre gefährlichsten Strömungen 146 ." Daß wir damit nicht einem zuletzt hilflosen und mit den Problemen nicht fertig werdenden Eklektizismus das Wort reden, wird sich zeigen müssen. Kapitel 11: Gottes Freiheit A. Darstellung Barth schreitet, umgekehrt wie Rahner, von der Erörterung der göttlichen Liebe zu der seiner Freiheit fort, und wir haben das Nachteilige 144 145 146

ebda., S. 128 und 133. ebda., S. 124 f., und Barth I, 2, S. 424. Küng, a.a.O., S. 270.

156

Kritischer Vergleich

dieses Vorgangs bereits gesehen. Zwangsläufig muß sich auf diese Weise Wesentliches wiederholen, was im vorhergehenden Kapitel gesagt wurde. Abgesehen davon, haben wir es nun in Hinsicht auf die Erklärung der göttlichen Freiheit mit einem ziemlich geschlossenen Abschnitt aus der Kirchlichen Dogmatik (II, 1) zu tun, der sich in drei Teile gliedert und den wir unserem Vergleich zugrunde legen. Daß auch hier der Begriff der göttlichen Freiheit nur „im Blick auf die Offenbarung in Jesus Christus" entwickelt werden kann und daß jeder andere Versuch nur „Inbegriff menschlicher Wünsche und Sehnsüchte" sein würde 147 , hat, wie wir gleich sehen werden, für die Entwicklung und Bestimmung des Begriffes keine Bedeutung. Welche Bedeutung aber der Offenbarung in Jesus Christus dennoch zukommt, werden wir erst beurteilen können, wenn wir die mühsame Arbeit der Begriffsbestimmung, wie Barth sie leistet, auf uns genommen haben. 1. Der Begriff der aseitas Dei ist der erste, den Barth zur Bestimmung der göttlichen Freiheit wählt. „Wir bezeichnen mit Freiheit das, was in der altkirchlichen Theologie die aseitas Dei genannt wurde 148 ." Dieser Begriff enthält die negative Aussage, daß Gott frei ist „von allen fremden Bedingungen", (ebda.) Insofern kann er audi wechseln mit dem anderen Begriff der independentia. Es handelt sich dabei vorerst, wie Barth später deutlicher zu erkennen gibt, um die „primäre Freiheit Gottes", die das Verhältnis angeben soll, das Gott zu sich selbst hat und nicht zu einem Anderen. Die „sekundäre Freiheit" gegenüber einer anderen, von Gott verschiedenen Wirklichkeit, behandelt Barth erst später unter dem Begriff der Absolutheit Gottes 149 . Was soll nun aber das Gegenüber in Gott selbst sein, von dem er frei ist? Offenbar noch einmal Gott selbst, wenn es denn wahr bleiben soll, daß wir es hier mit der primären und nicht mit der sekundären Freiheit Gottes zu tun haben. Gott wird also für das Denken zweimal gesetzt: Einmal als der einfach daseiende und wirkende Gott, das andere Mal als der, der zu sich selbst ein Verhältnis hat, nämlich ein freies. Ich sage „für das Denken", da es sich in Wahrheit nicht um zwei Götter, sondern um einen einzigen handelt. Aber eben um göttliche Freiheit denken zu können, muß ich mir Gott als sich selbst noch einmal gegenüberstehend vorstellen. So wird verständlich, was Barth mit der „eigentlichen Positivität der göttlichen Freiheit" (ebda.) meint. Der Begriff independentia drückt ja nur eine Negation aus, und „der 147 148 149

K D II, 1, S. 336. ebda., S. 340. ebda., S. 346.

Gottes Freiheit

157

Akzent in der Bestimmung des Begriffs darf auf keinen Fall auf diese seine negative Seite fallen", (ebda.) Denn independentia meint j a nicht mehr, als wenn wir sagen: Gott hat alles in sich selbst und bedarf nichts. Aber er könnte es nun auch so haben, daß er gar nichts davon weiß, also im Sinne eines dunklen Dranges oder auch willkürlichen Spieles. Oder er ist sich dessen bewußt, gleichsam sein eigener Zuschauer, aber nicht sein eigener Herr. Insofern ist die Bestimmung der göttlichen aseitas durch den Begriff independentia nicht ausreichend. Die andere, positive Bestimmung freilich, obwohl sie so wichtig ist, hat bei Barth keinen einheitlichen Begriff. Am häufigsten und wohl am liebsten verwendet er das Wort Herr. „Wir sagen mit dem Begriff der Freiheit nichts anderes, als was wir sagen würden, wenn wir Gott schlicht als den Herrn bezeichnen würden 1 5 0 ." Andere Worte, die das gleiche ausdrücken, sind: „durch sich selbst bewegt" — „eigenes Wollen und T u n " — „Erhabenheit, Souveränität, Herrlichkeit" — „Sichselbstbestimmen". (ebda.) Der Sinn aber ist der gleiche. In diesem Zusammenhang stellt Barth noch eine Frage. Muß man nicht doch dieses eben als frei bestimmte göttliche Sein, das seiner selbst mächtig ist, als ens necessarium sich denken? Barth führt Diekamps Satz an: „Es ist innerlich unmöglich, daß Gott nicht sei oder anders sei 151 ." Er stimmt ihm auch zu, wenn er sagt: „Indem Gott so ist, wie eben bestimmt, also frei", ist freilich schlechterdings entschieden darüber, daß er ist und also nicht nicht ist, ja nicht einmal nicht sein kann, ja als nichtseiend nicht einmal gedacht werden kann." (ebda.) „Aber es bedeutet eine Gefährdung der damit formulierten Erkenntnis, wenn man den Begriff der Aseität G o t t e s . . . vervollständigen und vertiefen zu müssen meint durch den weiteren Satz, daß Gott notwendig sei, daß er also als das ens necessarium zu bezeichnen s e i . . . Denn in Gott und für Gott gibt es keine Not, die er durch sein Sein erst zu wenden, von sich abzuwenden h ä t t e . . . Von Gott kann man nur sagen, daß er in der T a t seines Seins faktisch dessen Bestätigung ist." (ebda.) Und an anderer Stelle fügt er hinzu: „Nicht weil er dieser Bestätigung bedürfte, sondern weil er es (sc. sein Sein) faktisch bestätigt 1 5 2 ." Es ist im Zusammenhang der Barthschen Überlegungen gar nicht leicht, die Differenz zwischen faktisch und notwendig zu bestimmen. Denn zunächst einmal trifft das deutsche 150

ebda., S. 338.

151

ebda., S. 335.

132

ebda., S. 344.

158

Kritischer Vergleich

Wort „notwendig", wenn man es nach Barth im Sinne von „eine N o t wenden" versteht, gar nicht den logisdien Sinn des Wortes, der ja lediglich das Gegenteil von zufällig ausdrücken soll. „Notwendig ist, was nicht bloß ist, sondern sein muß 1 5 3 ." Der Ausdruck „eine N o t wenden" hat wohl eine poetische Kraft, aber andrerseits eine deutliche logische Schwäche, die die Klärung der Differenz von notwendig-faktisch erschwert. Dahinter kann die Meinung sich verbergen, als ob Gott in irgendeine N o t geraten, von wer weiß wem in die Enge getrieben sei — was ja nicht anders zu verstehen wäre, als so, daß nun Gott eben doch eine Schwäche oder eine gewisse schwache Stelle hätte, wo man ihn in Verlegenheit bringen könnte. Aber das war wohl nie gemeint mit dem theologischen Begriff: ens necessarium. Andrerseits kann in dem poetischen Ausdruck: „eine N o t wenden" durchaus audi etwas Positives liegen. Derjenige, der die N o t wendet, hat die K r a f t und Gewalt, ein ihm Entgegenstehendes und sich ihm Widersetzendes zu überwinden. Wenn Barth nun den Begriff „notwendig" für gefährlich hält, weil er, auf Gott angewendet, eine göttliche Schwäche impliziert, dann muß man entgegenhalten: Diese Implikation ist gar nicht gegeben. Andrerseits hat aber der neue Begriff „faktisch" erst recht seine Unzulänglichkeit. Man sehe: Gott als der Freie, wie er bisher bestimmt worden ist, soll nach Barth nicht notwendig sein, sondern faktisch. N u n liegt aber gerade in dem Ausdruck „faktisch" die ungeklärte Frage: Ist Gott in diesem seinem faktischen Sosein unter irgendeinem äußeren oder inneren Zwang so, wie er ist, oder ist er so ganz zufällig und willkürlich. Diese Frage ist eben noch ganz und gar offen gelassen in dem bloßen Ausdruck: faktisch. Barth hat sie aber schon längst beantwortet, wenn er von Gottes Sein sagt: „Gott kann nicht anders sein, ja nicht einmal anders gedacht werden." Insofern hat er sich für „notwendig" entschieden und gegen „ z u f ä l l i g " , und der Streit ist nur ein Streit um Worte. Eine andere Frage wäre allerdings die von N . Hartmann in diesem Zusammenhang gestellte, ob das göttliche Sein als Erstes, vor dem und über dem nichts gedacht werden kann, nicht eben darum audi ein Zufälliges ist: „ D a s absolut notwendige Wesen ist in Wahrheit das absolut z u f ä l l i g e . . . Denn Notwendigkeit hat nun einmal die äußere Relation an sich. Hier aber ist nichts außer ihm da, auf Grund dessen es notwendig sein k ö n n t e . . . D a s aber, was den Grund in sich hat, hat ihn deswegen doch nicht außer sich, ist also nicht ein Notwendiges, sondern ein 153

J. Hessen: Lehrbuch der Philosophie, Band III, München 1949, S. 65 ff.

Gottes Freiheit

159

Zufälliges... Gott selbst wird eben damit, daß er erster Grund sein soll, zu einem Zufälligen 154 ." Wir dürfen aber diese weitergehende Frage hier beiseite lassen, da Barth auf sie nicht eingeht. 2. Wir kommen zu dem zweiten Begriff, mit dem Barth die göttliche Freiheit genauer zu bestimmen versucht, nämlich dem der Absolutheit. „Nachdem wir uns zuerst haben sagen lassen, daß Gott frei ist in sich selber ( = Aseität = primäre Freiheit)... können und müssen wir uns nun also audi sagen: Gibt es ein Anderes, dann kann es nur unter Gott sein, ihm nur dienen 155 ." Gott ist also Herr nicht nur seiner selbst, sondern auch jedes Anderen. Faßt man dieses Verhältnis Gottes zu einer von ihm verschiedenen Wirklichkeit ins Auge, so gerät man in ein eigentümliches „Dilemma": „Es wird diese Bestimmung... immer schwanken zwischen den beiden Extremen einer konsequenten Behauptung (der göttlichen Absolutheit im Sinne der Freiheit gegenüber jedem Anderen), durch die dann das Sein und die Existenz dieses Anderen problematisiert und letztlich ausgelöscht, die wirkliche Welt in das fahle Licht des NichtSeienden gerückt wird — und seiner (nämlich der göttlichen Freiheit) Auflösung dadurch, daß ihm dieses Andere inkonsequenterweise nun doch als irgendwie selbständige Wirklichkeit gegenübergestellt, das angeblich Absolute also doch wieder gewissen Bedingtheiten durch dieses Andere, die angebliche Gottheit also doch einer durchgehenden Bestimmtheit durch die ihr zugeordnete Welt unterworfen wird 156 ." Das Andere, die Welt und in der Welt der Mensch ist schon gesetzt, und es geht hier allein um die Frage, wie das Verhältnis zwischen Gott und seiner Schöpfung gedacht werden soll. Es ist hier auch vorausgesetzt, daß Gott seine Schöpfung frei gewollt hat: „Gott hat nach dem biblischen Zeugnis den Vorzug, frei zu sein ohne Beschränkung durch diese seine Freiheit von aller äußeren Bedingtheit, frei auch dieser seiner Freiheit gegenüber, frei dazu, sich, ohne sich ihrer zu begeben, ihrer nun doch auch dazu zu bedienen, sich in jene Gemeinschaft (sc. als Schöpfer und Erlöser) zu begeben157." N u r um diese Frage geht es jetzt, wie die Eigenständigkeit des seiner selbst mächtigen Gottes sich verhält zu dem von ihm geschaffenen Anderen, das nun eben doch auch „irgendwie selbständige Wirklichkeit" ist. Barth meint der drohenden Gefahr, daß eins sich in das andere auflöst (Gott in Welt oder Welt in Gott = „Welt154 155 156 157

ebda., KD II, ebda., ebda.,

S. 67. 1, S. 346. S. 347. S. 341.

160

Kritischer Vergleich

Vergötterung") oder daß beides auseinanderfällt ( = „Weltfeindschaft des absoluten Gottes"), dadurch am besten wehren zu können, „wenn man die Welt sub specie aseitatis, d. h. aber im Licht der primären, der positiven Freiheit Gottes betrachtet" 158 . Ob und wie es ihm gelingt, müssen wir jetzt sehen. Gottes Absolutheit besteht noetisch und ontisch darin, „daß er in einzigartiger, in eminenter Weise verschieden, selbständig und unabhängig ist in seinem Verhältnis zu Allem, was nicht Gott ist" 1 5 9 . Noetisch bedeutet das: „Es gibt keine höhere, in einem gemeinsamen Oberbegriff auszudrückende Einheit" zwischen Gott und Nicht-Gott. „Deus non est in genere." (ebda.) Wenn Barth dabei pauschal der römisch-katholischen Theologie den Vorwurf macht: „daß sie bei jeder Gelegenheit auf den Gott und das, was nicht Gott ist, umfassenden Begriff des Seins zurückgreift und im Grunde die ganzen Beziehungen zwischen Gott und dem, was nicht Gott ist, in Form einer Explikation dieses allgemeinen Seinsbegriffes erklären zu können meint", (ebda.) so können wir hier auf unseren 1. Hauptteil verweisen und feststellen, daß Barth das Anliegen der katholischen Analogietheologie mißversteht. Es geht ihr ja gar nicht um einen gemeinsamen Oberbegriff, sondern um einen analogen Begriff. Wenn es den aber nicht geben kann, kann es überhaupt keine Erkenntnis von Gott geben. Gott bleibt dann für unsere Erkenntnis der ganz Andere, und wir müssen schweigen. Das aber will Barth nicht, und so läuft auch bei ihm in der Tat alles auf eine Form der Analogiekonzeption hinaus, ohne daß er das darin eingeschlossene Problem eines univoken Kernes einer Lösung näherbringt. „Hinter dieser noetischen Absolutheit Gottes steht ferner entscheidend seine ontische... Gott ist in unendlichem A b s t a n d . . . Alle tatsächlich bestehende Beziehung und Verbindung Gottes mit einem Anderen muß dahin interpretiert werden, daß sie zwischen zwei schlechterdings ungleichen Partnern stattfindet, wobei die schlechthinnige Ungleichheit darin besteht, daß keine Selbstbestimmung des zweiten Partners eine Bestimmung des ersten bedeuten kann, während die Selbstbestimmung des ersten zugleich die die Selbstbestimmung des zweiten zwar nicht aufhebende, wohl aber ihr schlechterdings vorangehende souveräne Vorherbestimmung ist." (ebda.) Damit kommen „endgültig alle Vorstellungen und Ideen von Gott in Wegfall, die auf der Linie des sog. Pantheismus oder auch Panentheismus liegen" 160 . 158

ebda., S. 348.

" " ebda., S. 350. 180

ebda., S . 3 5 1 .

Gottes Freiheit

161

Gott und Welt sind auseinandergefallen. Als der ganz Andere steht Gott seiner Schöpfung gegenüber, die er „aus dem Nidits" geschaffen hat. (cf. ebda.) Und die Frage ist nur, wie Gott in dieser seiner Schöpfung dennoch anwesend ist. Denn an der Gegenwart Gottes und nicht an seiner Abwesenheit liegt der Theologie ja alles. Wäre Gott transzendent im Sinne der Weltjenseitigkeit, so könnte das gar nicht bekannt sein, wenn Gott nicht audi und vor allem der Welt gegenwärtig wäre. Von einem absolut Jenseitigen würde der Mensch nicht reden können. Das gleiche gilt auch von der Redeform: „Gott der ganze Andere" — die ja sehr alt ist181. Ist Gott im strengen Sinne der ganz Andere, so ist er auch in radikaler Weise der Unerforschliche. Das hätte aber unabweislich zur Folge, daß es eine Theologie nicht geben kann. Jeder mag von Gott reden und denken, was er mag, es ist alles erlaubt, da ja im Grunde alles gleich-gültig ist. Gott ist sowieso ganz anders. Barth stellt nun dem Satz von der Transzendenz Gottes den anderen von der Immanenz gegenüber: „Gott kann wohl (und das ist seine Transzendenz) allem Anderen jenseitig genug sein, um sein Schöpfer aus dem Nichts zu werd e n . . . Aber Gott kann noch mehr als dies: Er kann (und das ist seine Immanenz) allem Anderen so inseitig sein, daß er, indem er sein Schöpfer ist... ihm nicht etwa als Fremder unbeteiligt gegenübersteht, sondern als das Sein seines Seins gegenwärtig ist." „Gott kann dieses Andere, von ihm gänzlich Verschiedene, nun doch und als solches leben, weben und sein lassen in ihm selber." (ebda.) Diese göttliche „Hingabe" ist einzigartig. Nur Gott kann sich so hingeben." Kein Wesen kann ja dem anderen so innerlich gegenwärtig sein... keines so sich dem anderen verbinden in gänzlicher Hingabe", (ebda.) Aber Gott kann das. Nun werden wir gleich der Frage nachgehen müssen, woher Barth das weiß, daß es sich so mit Gott verhält. Ober besser, da Barth alles der Offenbarung in Jesus Christus entnehmen will: wie er es fertig bringt, diese seine Sätze über die Absolutheit Gottes von Christus abzuleiten. Zuvor aber wollen wir uns den Widerstreit der beiden Sätze von der göttlichen Immanenz und Transzendenz noch einmal deutlich vor Augen stellen, zumal einige Unklarheiten in Barths Sätzen noch nicht berücksichtigt sind. Gott steht der Welt als der ganz Andere gegenüber. Wohl gemerkt, nicht bloß als der Selbständige, sondern als der ganz Andere, was doch zweierlei ist, auch wenn Barth es als zweierlei nicht 161 le2

cf. Hessen, Religionsphilosophie, 2. Band, München, 2. Aufl., 1955, S. 111 ff. K D II, 1, S. 353.

11 Browarzik, Glauben und Denken

162

Kritischer Vergleich

kenntlich macht. Nun aber fügt er hinzu: Wenn man konsequent Gott als den ganz Anderen behauptet, hebt man letztlich die Welt auf oder aber Gott. Wie aber soll das zugehen? Gott ist doch der ganz Andere nur und gerade in Beziehung zur Welt. Wenn die Welt nicht wäre, könnte Gott wohl sein, aber nicht als der Andere. Darum ist nicht einzusehen, wie Welt als aufgelöst begriffen werden soll, wo sie doch die Bedingung der Möglichkeit ist, von der Andersartigkeit Gottes zu reden. Es liegt also in dem Begriff der Andersartigkeit die göttliche Eigenständigkeit, sein Fürsidiselbersein und also die Getrenntheit von dem Anderen, nicht aber die Auflösung eben dieses Anderen. Barth führt auch gar kein System an (wie später das pantheistische), das eine solche Behauptung zu begründen unternommen hätte. Es wäre höchstens denkbar, daß ein paar poetische Verstiegenheiten zu solcher Erwägung Anlaß gegeben haben. Eher könnte man in diesem Zusammenhang von einem Atheismus sprechen (Barth tut das aber nicht), der dem Menschen empfiehlt, von Gott zu schweigen, eben weil wir auf Grund der göttlichen Andersartigkeit und Fremdheit von ihm gar nichts wissen und audi gar nichts vermuten können. Wovon wir nidits wissen, davon sollen wir sdiweigen. Enthält aber die so gedachte Trennung von Gott und Welt schon einen Fingerzeig auf eine letzte, zugrunde liegende Einheit, ohne die die Trennung nicht gedacht werden kann, so kommt das Denken in Verfolgung dieser Einheit zu dem Satz: Gott ist dem Anderen wiederum so inwendig und gegenwärtig, wie dieses Andere sich selbst nicht sein kann. Was Barth in dieser Hinsicht sagt, läuft auf das hinaus, was der Pantheismus schon immer gesagt hat. Aber wiederum ist nicht einzusehen, warum dieses Denken in umgekehrter Konsequenz (Barth sagt „inkonsequenterweise") noch einmal zu der „Auflösung Gottes" führen soll. Mindestens führt es ebenso zur Aufhebung der Welt. Denn ob ich nun sage: Alles ist Gott oder: Alles ist Welt — läuft auf das gleiche hinaus. Das ist aber gar nicht die Absicht des Satzes von der innigen Verbundenheit Gottes mit der Welt. Hegel bemerkt dazu treffend: „Wer sich den Pantheismus so vorstellt, daß alle Dinge in ihrer existierenden Vereinzelung Gott seien... befindet sich auf dem Boden zügelloser Verrücktheit, wo die gemeinste Gegenwart unmittelbar zu einem Göttlichen erhoben wird. Eine solche Ungereimtheit ist keinem in den K o p f gekommen, außer den Anklägern des Pantheismus 1 0 3 ." 163 Q W . F. Hegel, Die Beweise v o m Dasein Gottes, Leipzig 1933, herausgegeben von G. Lasson, S. 128 ff.

Gottes Freiheit

163

Wir lassen das Historische in diesem Satz beiseite und achten jetzt nur auf die theologische Absicht. Diese aber ist in ihrer allgemeinen Richtung deutlich: Gott ist alles in allem, aber so, daß er immer zugleich gedacht werden soll in seinem Fürsichsein und in seinem Füreinandersein. Barth sagt dafür: In seiner Transzendenz und in seiner Immanenz. Und er fügt hinzu: Diese seine Immanenz ist echt nur dann, wenn sie mit der Transzendenz zusammengedacht ist und umgekehrt 164 . Damit haben wir eine ungefähre Vorstellung davon, warum die beiden Sätze von der göttlichen Transzendenz und Immanenz gelten sollen. Denn gilt nur einer der beiden, so erreicht das Denken entweder eine Form des Atheismus oder des Pantheismus, wie wir gesehen haben. Es ist aber Barth nicht gelungen zu zeigen, wie diese beiden Sätze in ihrem Verhältnis zueinander begriffen werden sollen. Die bloße Behauptung: „Gott kann das" genügt nicht. Wir haben eben zwei Sätze, die einander widerstreiten. Und wir haben die Behauptung, daß sie beide gelten sollen. Wenn aber der Theologe mit derartigen Behauptungen nicht ein willkürliches und darum sinnloses Spiel treiben will, muß er eine zureichende Begründung dafür angeben. Denn sonst treibt er das theologische Denken in die größte Verwirrung. Eine solche zureichende Begründung aber könnte grundsätzlich auf zweierlei Weise geschehen. Entweder läßt sich zeigen, daß der behauptete Widerspruch nur ein scheinbarer ist und auf einer unzureidienden logischen Bestimmung der beiden widerstreitenden Sätze beruht. In dieser Hinsicht leistet Barth nichts. Wir dürfen aber wenigstens darauf hinweisen, daß ζ. B. Sdielling in seiner Bestimmung des monotheistischen Gottesbegriffes in dieser Richtung einen nachdenkenswerten Versuch unternommen hat 1 6 5 . Oder aber die gesuchte Begründung erfolgt so, daß der Theologe sich bei seiner Behauptung auf göttliche Offenbarung beruft. Und in der T a t ist das im allgemeinen und auch in unserem besonderen Fall der Weg, den Barth einschlägt. Wir müssen also in einem letzten Abschnitt jetzt darauf eingehen. 3. Indem wir nach der Barthschen Begründung seiner theologischen Sätze fragen, geraten wir in jene eigentümliche Schwierigkeit, die uns auch schon im vorhergehenden Kapitel beschäftigt hat. Zunächst und vor allem sind die Sätze von der Aseität und Absolutheit Gottes begründet durch die göttliche Offenbarung in Jesus Christus: „Nach dem Selbstzeugnis seiner Offenbarung hat Gott die F r e i h e i t . . . " Oder: Um den ver184

K D 11,1, S. 352.

165

Sdielling, a.a.O., S. 293 ff.

11»

164

Kritischer Vergleich

wirrenden Reichtum und die einander widerstreitenden Sätze nun doch „auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, brauchen wir bloß einzusehen, daß Jesus Christus der Mittelpunkt und der Höhepunkt i s t . . . Eben darum kann nicht eifrig genug darüber gewacht werden, daß wir Gott allein in Jesus Christus und daß wir in Jesus Christus den einen Gott erkennen... Jedes Vorbeischauen an Jesus Christus nach allerlei vermeintlich anderer Gegenwart Gottes... würde uns angesichts des in der Freiheit Gottes begründeten Reichtums seiner Gegenwart in unabsehbares Dunkel stürzen, weil wir ihm dann, ohne den Schlüssel zum Ganzen, überall da, wo er zweifellos audi gegenwärtig ist, zwar objektiv auch begegnen, ihn aber als Gott nicht finden w ü r d e n . . . , weil wir ihm dann nur in der Verschiedenheit, in den kuriosen Einzelheiten und rätselhaften Widersprüchen seiner Gegenwart begegnen w ü r d e n . . . Die häretischen Christentümer entstehen da, wo der Mensch mit der erkannten Einheit der Gegenwart Gottes in Jesus Christus nicht ernst m a c h t . . . Es muß Alles von Jesus Christus und von Jesus Christus Alles erwartet werden 166 ." Mit einem Wort: Um Christi willen steht es mit der göttlichen Freiheit so. Aber das heißt doch eine Behauptung (etwa die der Absolutheit oder die der Aseität) durch eine andere ersetzen. Wir haben ζ. B. gesehen, daß die beiden Sätze von der göttlichen Immanenz und Transzendenz einander widerstreiten und nur durch die bloße Behauptung zusammenhängen, noch dazu unter dem Verdacht, daß vielleicht nur der eine der beiden Sätze wahr sein kann, da der andere sein Gegenteil besagt. In solcher schwierigen Lage, wo das Denken auf Widersprüche stößt, ist es verpflichtet, mit größter Sorgfalt seine Gründe zu prüfen und nicht eher zu ruhen, bis der Widerspruch behoben ist. Denn ein Denken in Widersprüchen heißt das Denken aufheben. Es sei denn, es gibt einen Machtspruch Gottes selbst, der uns anweist, diesen Widerspruch nicht anzutasten, da er, gleichsam ein Wunder für unser Denken, dieses Denken in seine Schranken weist. Was bei den Menschen unmöglich, das ist bei Gott möglich. Darauf scheint nun Barth mit den oben angeführten Sätzen auch hinaus zu wollen. Und wir müßten uns zufrieden geben mit den Barthschen Überlegungen, wenn sich dafür ein Wort Jesu anführen ließe. Denn Jesus als der maßgebende und einzigartige Zeuge müßte es ja wissen, was wir mit unserem Menschenverstand nicht wissen können, es sei denn, es wird uns gesagt und wir lassen es uns gesagt sein. Aber ein solches Wort Jesu, etwa über die Aseität Gottes, finden wir in dem sonst so reichhaltigen Text von Barth nicht. Es ist, nach allem was wir 166

K D II, 1, S. 342 ff.

Gottes Freiheit

165

von Jesus wissen, wohl auch kaum zu erwarten, daß er die hohe theologische Spekulation durch einen eigenen Beitrag gefördert hätte. U n d darum sehen wir uns zuletzt vergeblich bei Barth nach einem neuen Argument für seine theologischen Behauptungen um. In einem gewaltigen salto mortale des Denkens wird die Richtigkeit der theologischen Sätze durch den Hinweis auf das Christusereignis behauptet. D a s Christusereignis ist aber zuerst und vor allem ein historisches Ereignis, und so ließe sich denn in dieser Richtung, wenn man sie denn einschlagen will, nichts anderes als ein historisches Argument finden. U n d so viel muß man denn auch ehrlicherweise einräumen: M a g sein, daß Barth hier bloß die Richtung zeigt, in der man suchen muß und in welcher dereinst ein genialer Historiker ein Wort Jesu finden wird, das uns anweist, einen gefundenen Widerspruch stehen zu lassen und nicht aufzulösen, wie es der N a t u r unseres Denkens so nahe liegt. So weit wäre alles wenigstens verständlich, wenn auch nicht f ü r jeden annehmbar. Aber Barth schränkt nun das Gesagte selbst wieder ein, indem er ein p a a r höchst bedeutsame Bemerkungen in eine ganz andere Richtung theologischen Denkens macht. Wir haben ja schon beobachtet, daß für seine Begriffsbestimmungen der göttlichen Freiheit — insofern also theologische Begriffe gewählt, bestimmt und miteinander verknüpft werden — der Christusbezug ein äußerlicher und unerheblicher ist. M a g dieser Bezug in anderer Hinsicht auch noch so bedeutsam sein, so spielen faktisch bei dem Entwickeln von theologischen Begriffen andere Theologen und Philosophen eine größere Rolle, als Jesus selbst. Barth spricht ferner von „notwendig zu beachtenden Distinktionen" in der Dogmatik. U n d er meint damit eben die beim theologischen Nachdenken notwendig werdenden Begriffsunterscheidungen, die in ihrer oft recht komplizierten Form in der Bibel gar nicht vorkommen, aber „um der Reinheit und Fülle der kirchlichen Lehre" unvermeidlich sind 1 9 7 . Diese „Distinktionen" kann man sich aber gar nicht anders denken, als so, wie sie die Metaphysik oder theologische Spekulation oder Transzendentaltheologie immer schon versucht hat. U n d wir finden denn auch in unserem Zusammenhang eine recht positive Beurteilung der Gottesbeweise. „ G o t t hat sich menschlichem Erkennen zum Gegenstand gegeben und den Menschen zugleich zum Erkennen dieses Gegenstandes erleuchtet." „Jeder menschliche Beweis der Existenz Gottes" erscheint Barth als ein „Nachbuchstabieren" dessen, was Gott offenbart hat 1 6 8 . Wenn man aber bedenkt, 1W le9

ebda., S. 356. ebda., S. 342 f.

166

Kritischer Vergleich

daß dieses „Nachbuchstabieren" nicht etwa bloß ein Interpretieren von historischen Texten ist, sondern, daß Barth selbst es vollzieht in der Art eines spekulativen Nachdenkens über Gott, das sich weit über das ausdrücklich in der Bibel Stehende erhebt, so ist eben damit zuzugeben, daß die Dogmatik ohne spekulative Theologie ( = Transzendental theologie) nicht auskommt. J a Barth spricht sogar in einem anderen Abschnitt, auf den wir noch zurückkommen, von diskutablen „philosophischen Äquivalenten" für die von ihm entwickelten theologischen Begriffe und will ihnen „die größte Teilnahme und gespannteste Aufmerksamkeit nicht versagen" 169 . Bleibt noch eine letzte Frage. Was kann Barth dann aber mit dem Satz meinen: „Es geht uns bei alledem nicht um Spekulation", der in vielen Variationen immer wieder vorkommt 170 . Offenbar steht dahinter die Vorstellung, daß es eine erlaubte und eine unerlaubte theologische Spekulation gibt. Denn daß spekuliert werden muß, „um der Reinheit und Fülle der Lehre willen", hat Barth selbst bewiesen. Unerlaubte Spekulation wäre also dann diejenige, die von der Offenbarung in Jesus Christus absieht. Sie käme nidit weiter, als bis zu einer „postulierten Apotheose des geschöpflichen Seins" 171 . Mit anderen Worten: Gott würde so zu einem von Menschen ausgedachten Götzen. Aber woran soll ich erkennen, daß der eine (ζ. B. Barth oder Anselm im Barthschen Verständnis172) es in erlaubter Weise tut und der andere (vielleicht Hegel oder die katholische Schuldogmatik im Barthschen Verständnis17®) das gleiche in unerlaubter Weise, nach der Devise: wenn zwei das gleiche tun, ist es nicht das gleiche? Was hat Anselm, den Barth so rühmt, mit seinem ontologischen Gottesbeweis denn anderes getan, als so über Gott nachgedacht, daß er möglichst eindeutige Begriffe sucht, die er möglichst widerspruchsfrei verknüpfen wollte? Das Bibelwort aus dem 14. Psalm: „Die Toren sprechen in ihrem Herzen: Es gibt keinen Gott" war ja nur der äußere Anlaß. Für den Beweis selbst spielt die Historie keine Rolle. Aber die Logik des Beweisverfahrens scheint auf Barth keinen Eindruck zu machen. Es mag noch so folgerichtig eins aus dem anderen entwickelt worden sein, so entscheidet über die Zulässigkeit eines solchen Beweises nicht seine Schlüssigkeit. Aber was dann? Barth sagt: Das " » KD III, 1, S. 391. 1 7 0 K D II, 1, S. 355. 1 7 1 ebda., S. 345, 347, u. ö. 1 7 2 ebda., S. 343. 1 7 5 ebda., S. 346.

Gottes Freiheit

167

ist das Große und theologisch bedeutsame an Anselm, „daß er Gottes Dasein daraus bewiesen hat, daß Gott sich selbst bewiesen hat" 1 7 4 . Mit anderen Worten: Der Theologe treibt erlaubte Spekulation, wenn er seinen gefundenen Gottesbeweis einklammert und vor die Klammer sozusagen das Bekenntnis setzt: „Das habe aber nicht ich getan, sondern Gott selbst. Ich, der Theologe, bin nur der Hörer dessen, was Gott spricht." Das wird ganz deutlich, wo Barth von dem richtigen theologischen Denken sagt: „Es geschieht nur im Hören des Wortes Gottes unter Gebet und Flehen 175 ." Also: Das betende Denken allein ist das angemessene theologische Denken. Ohne Gebet wäre es Sophisterei, Götzendienst, wie Barth sagt. Das damit angeführte Problem eines gläubigen bzw. ungläubigen Denkens müssen wir in unserem Schlußteil noch einmal in größerem Zusammenhang aufnehmen. Hier mag vorwegnehmend nur so viel gefragt sein: Sollte das Beten wirklich ein Kriterium abgeben können für die Zulässigkeit eines theologischen Satzes? Ist das Beten ein Argument? Audi ein gewaltiger Beter könnte ein Sophist sein, wenn er heuchelt. Sollte man in der theologischen Erörterung eines Problems dadurch weiterkommen, daß man das innere Flehen des Forschers untersucht? Selbst wenn wir es wollten, wie sollen wir es können? Haben wir denn eine Ahnung, welches Flehen und Beten u. U. einen Mathematiker bewegen mag? Warum sollen wir das theologische Verfahren mit einer Gewissensfrage belasten, die sich vom Menschen aus sowieso niemals eindeutig entscheiden läßt? B. Kritischer Vergleich Wir können uns kurz fassen, da das, was sich wiederholt, weggelassen wird. So ist auch hier wieder der christologische Bezug der einzelnen dogmatischen Bestimmungen durchaus problematisch. Während Rahner von der menschlichen Erfahrung der Zufälligkeit seines Daseins ausgeht und schrittweise durch nähere Bestimmung dieser Zufälligkeit dazu kommt, einen göttlichen Willen wenigstens zu denken — wobei man diesem Denken Unrecht täte, wenn man es als willkürliches Ausdenken verstünde — geht Barth anders vor. Aber nun eben nicht, w i e man annehmen möchte, von irgendeinem Offenbarungsdokument oder gar von einem Worte Jesu oder von der ausdrücklichen Interpretation des Offenbarungsereignisses aus, um so den Begriff der göttlichen Frei174 175

ebda., S. 343. ebda., S. 346.

168

Kritisdier Vergleich

heit zu erreichen. Wenn man die vorliegende Leistung Barths und nicht die dahinter stehende Absicht beurteilt, so ist festzustellen, daß er zwei der theologischen Tradition entnommene Begriffe — nämlich den der Aseität und den der Absolutheit — zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen macht. Wir haben also jetzt lediglich einzusehen, ob die daraus sich ergebenden Begriffsbestimmungen denen Rahners widersprechen oder nicht. Alles Weitere heben wir uns für den Schlußteil auf. 1. Was Barth unter göttlicher Freiheit im Sinne seiner Aseität versteht, ist dies: Gott hat zu sich selbst ein bewußtes Verhältnis und ist in diesem seiner selbst mächtig. Das ist aber nur ein anderer Ausdrude für den Rahnersatz: Gott als das Seiende vollkommener Seinsteilhabe ist in sich selber gelichtet, wenn auch einem anderen dunkel. Mit dem Unterschied, daß Rahner diesen Satz für notwendig hält: „Letztlich gelichtet sein muß . . .", während Barth schwankt, d. h. sich nicht eindeutig erklärt. Einmal behauptet er, daß Gott gar nicht anders gedacht werden kann. Andrerseits möchte er den Begriff „notwendig" durch den Begriff „faktisch" ersetzen, was aber zuletzt nicht auf die Beantwortung, sondern auf das Offenlassen der gestellten Frage hinausläuft, wie wir gesehen haben. Was aber das allgemeine Verfahren betrifft, so möchten wir an dieser Stelle wenigstens darauf aufmerksam machen, daß es sich nach unserer Einsicht gerade umgekehrt verhält, wie Barth angibt 1 7 6 . Nicht der Weg Rahners (nach Barth „der Weg der Katholischen Dogmatik") ist ein merkwürdig leichter, sondern der Weg Barths. Und nicht Rahner, sondern Barth kommt „im Handumdrehen" zu der gesuchten Bestimmung der göttlichen Freiheit. Denn das Bardische „Hören des Wortes Gottes unter Gebet und Flehen" wird man redlicherweise auch Rahner zugestehen müssen, zumal er seine ganze Arbeit unter den Titel: „Hörer des Wortes" stellt. Das Wort „leicht" kann man in einer wissenschaftlichen Untersuchung sinnvoll doch nur auf den Denkweg der Begriffsbestimmungen anwenden. Und da sehen wir Barth gleich beim Ziel angekommen, während Rahner sich erst mühsam einen Weg bahnen muß. 2. Was den Begriff der Absolutheit betrifft, so haben wir bei Barth zwei nähere Bestimmungen gefunden. Einmal steht Gott jedem Mensdien und jedem Ding als der ganz Andere gegenüber. Das meint der Satz: Gott ist transzendent. Diesen Satz von der „absoluten Transzendenz" finden wir auch bei Rahner wieder, wenn er sagt: 176

ebda.

Gottes Freiheit

169

„Aber erst wenn eine solche Verschlossenheit Gottes in sich selber allem endlichen Geist schlechthin gegenüber (und nicht nur dem Menschen in der faktischen Struktur seiner Erkenntnis) feststeht, kann die Möglichkeit einer Offenbarung Gottes als seiner freien Tat begriffen sein... 177 ." Wobei die „Verhülltheit Gottes" im Sinne der „Blindheit des Menschen" und nicht der „Verschlossenheit Gottes in sich selbst" zu verstehen ist. (ebda.) So steht der Mensch also beide Male vor dem Gott, der ihm unbekannt ist. Also mindestens in diesem vorläufigen, noch ganz oberflächlichen Sinn finden wir gleichlautende Sätze. Aber audi, wenn wir genauer zusehen. Warum kommen unsere beiden Theologen auf diesen seltsamen Satz vom unbekannten Gott? Rahner hat doch andrerseits an dem Sinn der menschlichen Frage nach Gott gezeigt, daß Gott schon bekannt sein muß, wenn sinnvoll gefragt werden soll. „Immer schon bekannt, wenn auch noch nicht erkannt." Und noch unverständlicher ist der Satz bei Barth, da er doch ausdrücklich von der Offenbarung Gottes ausgeht und also von dem bekannten Gott. Nun sind zwei Möglichkeiten denkbar, das Wort „unbekannt" zu deuten, wenn wir uns auf die theologi-· sehe, also theoretische Erkenntnis beschränken und das ganze Problem einer Gefühls- oder mystischen Erfahrungstheologie weglassen, übrigens in Übereinstimmung mit den beiden Theologen. „Unbekannt" könnte dann so viel heißen wie „nicht restlos bekannt", oder stärker: „in seinen wesentlichen Stücken unbekannt". Anders: Gott ist immer noch mehr als wir auch im besten Fall von ihm unter den Bedingungen unserer menschlichen Erkenntnis erfassen. Auf dieses „mehr" läuft ja im Grunde auch die Analogiekonzeption hinaus. Daß Gott aber nicht bloß „noch viel mehr" ist, als was wir in jedem einzelnen Satz von ihm sagen, sondern daß er auch „noch ganz anders" ist, davor sollte der Theologe sich hüten, wenn ihm denn an der Erkenntnis Gottes liegt. Denn das „ganz andere" würde dann ja auch Äquivokationen implizieren und zuletzt alles theologische Denken ganz und gar überflüssig erscheinen lassen. Also auch darin besteht zwischen Rahner und Barth grundsätzliche Übereinstimmung, daß sie theologische Erkenntnis als analoge anstreben. Der andere Sinn des Satzes vom unbekannten = transzendenten Gott ist folgender: Der Mensch erkennt von sich aus überhaupt nichts Positives von Gott. Insofern er aber nun doch wenigstens etwas Negatives ( = was Gott nicht ist) erkennt, wären wir wieder bei der obigen Unter177

Rahner: Hörer, S. 104.

170

Kritischer Vergleich

Scheidung von mehr und weniger. Der Mensch könnte nun also doch wiederum etwas, wenn auch bloß Negatives, von sich aus von Gott erkennen. Der spezifische Sinn dieser zweiten Deutung von „unbekannt" aber ist ein anderer. Es soll zum Ausdruck gebracht werden, daß der Mensch in jedem Fall, bei aller seiner theologischen Erkenntnis, auf die Offenbarung, d. h. die freie Selbstmitteilung Gottes angewiesen ist. Rahner: „Der Mensch ist der in seine Geschichte auf das Wort des freien Gottes Hinhorchende. N u r so ist er, was er sein muß 1 7 8 ." Mit einem Wort: Gott ist unbekannt = transzendent genau dann, wenn er sich nicht offenbart. N u n aber hat er sich offenbart in Jesus Christus. Also bleibt der Theologe in aller seiner Erkenntnis angewiesen auf Jesus Christus. Wenn aber in diesem entscheidenden Satz Übereinstimmung besteht zwischen Barth und Rahner (und wir haben Widersprechendes nicht gefunden), dann ist es eine sekundäre Frage der Methode, die wir später noch genauer prüfen müssen, ob der Theologe von dieser Offenbarung ausgeht oder von irgendetwas anderem in dieser Welt. Wenn nur der Offenbarungsbezug gewahrt bleibt, dann bleibt eben das wesentliche Anliegen dieser beiden Theologen auch gewahrt. Schwieriger zu begreifen und also auch zu vergleichen ist der Sinn des Satzes von der göttlichen Immanenz. Man sehe: „Gott kann (und das ist seine Immanenz) allem Anderen so inseitig sein, daß er diesem seinem Sein nicht etwa als Fremder unbeteiligt gegenüber steht, sondern als das Sein seines Seins gegenwärtig ist 1 7 9 ." N u n geht es uns hier gar nicht um die Frage, wie man den Ausdruck: „ G o t t kann d a s " erklären soll, den Barth oft auch in der erweiterten Form verwendet: Die Bibel redet von einem Gott, der das kann. Der letztere Ausdruck m a g f ü r den Exegeten ein Anlaß sein, sich darüber genauer zu erklären. Wir haben an dieser Stelle schon genug damit zu tun, diesem Satz von der Immanenz Gottes einen vernünftigen Sinn abzugewinnen. Sinn geben heißt für uns aber nicht die Frage beantworten, ob Gott das kann, sondern die andere Frage beantworten: Wie Gott denn das können soll. Denn wenn ich mir dieses Wie nicht erklären kann, ist jenes D a ß sinnlos. Unser Geschäft wird aber noch schwieriger, wenn wir uns klar machen, daß es bei unserem Satz nicht einfach darum gehen kann, jenen anderen Satz von der Allgegenwart Gottes mit neuen Wendungen zu wiederholen. D a s geschieht in jeder Katechismusstunde, und wenn wir 178 178

ebda., S. 200. K D II, 1, S. 353.

Gottes Freiheit

171

nicht mehr wollen, können wir uns alle weitere Mühe sparen. Aber wir wollen ja gerade mehr. Wir wollen ja gerade wissen, was das bedeuten soll, daß Gott „allem Anderen so inseitig sein kann", wie es sich selbst nicht sein kann. Setze ich ζ. B. für „alles Andere", worunter man sich zunächst so gut wie gar nichts vorstellen kann, einen bestimmten Menschen, sagen wir „Hans". Natürlich muß es erlaubt sein, wenn denn „alles Andere" überhaupt sinnvoll sein soll, irgendetwas Beliebiges, also etwa „Klavier" oder „Katze" einzusetzen. Wir wählen aber einen bestimmten Menschen, weil es für unseren späteren Vergleich mit Rahner nützlicher ist. Freilich würden wir uns auch gerne darüber belehren lassen, wie die göttliche Gegenwart in einem Stein zu denken wäre. Wir bleiben bei „Hans". Dieser Hans, so wird uns gesagt, ist sich selbst niemals so nahe, wie Gott ihm ist. Barth sagt für nahe: „inseitig". Das würde doch aber bedeuten, daß Hans, um Gott recht nahe zu kommen, möglichst tief in sich selbst gehen muß, wie wir uns ausdrücken können. Angewandt auf die Erkenntnis, die Hans von sich selber hat, würde das aber heißen: Je mehr Erkenntnis Hans von sich selber hat, desto mehr Erkenntnis hat er auch von Gott. Gott ist nun gar nicht irgendwo draußen, sondern tief in Hans selber drinnen. Nun wissen wir nicht, ob Barth eine solche Anwendung seines Satzes: „allem Anderen so inseitig" erlaubt. Im unmittelbaren Kontext finden wir nichts, was dagegen spricht. Im weiteren Umkreis der Barthsdien Überlegungen aber finden wir den Satz von der Offenbarung Gottes in Jesus Christus mit dem Zusatz: Jedes Vorbeischauen an Christus führt zu gar keiner Erkenntnis Gottes. Wie nun? Soll Hans sich also nun doch nicht an sich selber wenden, sondern an Christus, wenn er denn etwas von Gott wissen will? Oder soll der Satz von der Offenbarung in Christus so viel bedeuten, daß Barth eben gerade dieser Offenbarung seinen Satz von der göttlichen „Inseitigkeit" entnimmt? Dies müßte aber Barth uns dann zeigen. Angenommen nun, er hätte es uns gezeigt, wie man im einzelnen und also genau den einen Satz aus dem anderen ableitet und nicht nur beide so einfach nebeneinanderstellt (leider haben wir eine solche Ableitung nicht gefunden), so bliebe noch die andere Frage, was denn nun unser Hans tun soll. Soll er sich an Christus wenden, um von ihm zu erfahren, daß er in sich gehen muß, um Gott zu erkennen? Aber was heißt wiederum: „sich an Christus wenden"? Soll Hans ein Exeget werden, der historisch-kritische Forschung treibt? Nehmen wir aber einmal an, daß Hans dazu nicht in der Lage ist, sei es, weil es ihm an der Zeit oder an dem Talent fehlt. Darf er sich dann auf die verlassen, die

172

Kritischer Vergleich

dafür Zeit und Talent haben? Oder ist ihm erlaubt, auf diesen Umweg über die Historie zu verzichten und nicht nur Gott, sondern audi schon Christus inwendig in sich selbst zu suchen? Ich hoffe, man versteht uns nicht falsch in dem Sinn, als ob wir hier ein leichtfertiges oder gar spöttelndes Spiel treiben. Wir stellen ja nur ein paar sehr naheliegende Fragen, die sich zwanglos aus dem Gesagten ergeben, und die beantwortet werden müssen, wenn das Gesagte verständlich sein oder gar begriffen werden soll. Eine weitere notwendige Frage ist die: Wie soll nun Gott, der eben noch allem Anderen „jenseitig" gedacht wurde, nun auf einmal allem Anderen „inseitig" gedacht werden? Und wenn Barth zuerst allen Pantheismus damit abgewehrt hat, daß er behauptet: Gott ist „jenseitig", so widerspricht er sich ja selbst, wenn er nun wieder von der göttlichen Immanenz redet und also den Pantheismus hinten herum sozusagen wieder hereinläßt. Schelling sagt bei seiner Auseinandersetzung mit dem Pantheismus: „Durch bloßes Ignorieren wird er nicht überwunden 180 ." Aber wir haben ja hier nicht die Aufgabe, den Pantheismus zu widerlegen, sondern lediglich die, Barth zu verstehen und mit Rahner zu vergleichen. Und da müssen wir gestehen, daß wir mit den Machtsprüchen Barths: „Gott kann das", nichts anfangen können. Bevor wir uns mit unserer offen gebliebenen Frage nach der Begreifbarkeit der göttlichen Immanenz an Rahner wenden, können wir für unseren Vergleich so viel wenigstens schon jetzt sagen: Wenn der Satz: Gott ist „inseitig" ( = allem Anderen inwendig), nur so viel bedeuten soll, wie der Satz: Gott ist gegenwärtig, so finden wir unsere beiden Theologen ohne Zweifel in der besten Übereinstimmung. Denn Rahner geht es ja auch um gar nichts anderes, als um das Begreifen dieser göttlichen Gegenwart. Und da Barth zum genaueren Begreifen dieser Gegenwart nichts Weiterführendes sagt, muß er sichs auch gefallen lassen, im Sinne Rahners verstanden zu werden. Streng genommen wären wir mit unserem Vergleich dieses Punktes schon am Ende. Denn dort, wo Barth stehen bleibt, geht Rahner noch einen Schritt weiter. Bliebe also nur die Frage, ob Barth diesen Schritt erlaubt, d. h. für theologisch legitim hält. Um diese Frage also auch noch zu beantworten, wollen wir uns nun den Rahnerschen Versuch, weiterzukommen, noch einmal in Erinnerung bringen. Rahner erklärt sich zu dem hier verhandelten Problem der Immanenz Gottes am deutlichsten in dem 4. + 10. Kapitel seines Buches: „Hörer des Wortes." Wir finden dort zwar nicht den180

Schelling, a.a.O., S. 295.

Gottes Freiheit

173

selben Ausdruck: „Immanenz", aber doch die gleidie Sache. Denn Barth versteht ja unter dieser göttlichen Immanenz jene Macht, oder sagen wir einfach: jene Möglichkeit Gottes (von der Wirklichkeit ist in unserem Zusammenhang vorerst nicht die Rede, sondern nur von dem richtigen Erfassen des Begriffes) aus sich herauszugehen und bei einem Anderen zu sein. Es ist hier auch gleichgültig, ob ich dieses göttliche Herausgehen aus sich selber am Beispiel seines innergöttlichen — trinitarischen Lebens zu verstehen suche, oder am Beispiel seines Verhältnisses zur Welt. Barth sagt: „Es bedarf nicht erst der Welt, damit es für Gott eine Andersheit gebe 1 8 1 ." „Schon in seinem Sohn wird G o t t selbst sich selbst ein Anderer." Uns geht es hier um das Begreifen dieses göttlichen Herausgehens. U n d dieses eben macht Rahner deutlich am Fall der menschlichen Selbsterkenntnis. D a s „Sich selber in Besitz nehmen" ist vermittelt durch eine doppelte Phase: „Ein Ausströmen, ein Heraussetzen seines eigenen Wesens aus seinem eigenen Grund, eine emanatio, und ein Insich-Zurücknehmen dieses aus seinem Grund herausgestellten, gleichsam geoffenbarten Wesens 1 8 2 ." Oder: „In aller Einkehr wird sich immer zeigen, daß menschliche Erkenntnis immer nur in einer Auskehr in Welt Einkehr sein kann 1 8 3 ." Gott aber ist nicht als der zu denken, bei dem es ganz anders wäre. D a n n wäre er für unser Begreifen überhaupt nicht seiner selbst mächtig. Diesen theologischen Agnostizismus wehrt Rahner dadurch ab, daß er das göttliche Sein als Bei-sich-sein nicht aequivok, sondern analog zum menschlichen versteht. Mit H i l f e dieses Begriffes der Analogie wehrt Rahner nun aber auch den Pantheismus ab. „Sein ist Erkennen: J a . Aber in dem Maß, in dem ein Seiendes Seinshabe ist. U n d weil sich diese Seinshabe (was hier einfach so viel heißt wie: bewußtes Bei-sich-selbst-sein) in einem analogen Begriff darstellt..., darum ist eben nicht jedes Seiende im gleichen Sinn und M a ß E r k e n n e n . . . N u r jenes Seiende ist die absolute Seinshabe als Identität des Seienden mit seinem Sein als Bei-sich-sein, das das reine Sein ist (im Sinne der vollendeten ,ontologischen Differenz') 1 8 4 ." Wir gehen auf die genauere Ableitung hier nicht ein, weil das Gesagte für unseren Vergleich genügt. Wir wollen auch nicht prüfen, ob es 181 182 183 184

KD II, 1, S. 356 f. — ähnlich Rahner: Hörer, S. 67. Rahner: Hörer, S. 67. ebda., S. 152. ebda., S. 68 f.

Kritischer Vergleich

174

noch andere Ableitungen gibt. Was Barth unter göttlicher Immanenz versteht, wird von Rahner durch die Analyse der menschlichen Selbsterkenntnis nicht widerlegt, sondern bestätigt und noch dazu genauer begriffen. Übrigens in dem gleichen Sinn und beinahe mit den gleichen Worten wie Schelling das Verhältnis Gottes zu jedem Anderen, Außergöttlichen begreift, wenn er sagt: „ D a ß bei G o t t allein das Sein und daher alles Sein nur das Sein Gottes ist, diesen Gedanken läßt sich weder die Vernunft noch das Gefühl rauben. E r ist der Gedanke, dem allein alle Herzen schlagen. Selbst die starre, leblose Philosophie des Spinoza verdankt jene Gewalt, die sie von jeher auf die Gemüter, und zwar nicht auf die seichtesten, sondern gerade auf die religiösen ausgeübt hat, diese Gewalt verdankt sie ganz und allein jenem Grundgedanken . . . G o t t ist nun jene Macht des unmittelbaren Seins, des aus sich Herausgehens, des sich ungleich Werdens, jene Macht der E k s t a s i s . . . Diese Potenz in ihrer Hinauswendung ist allerdings die Potenz des ungöttlidien Seins, aber eben darum in ihrer Hineinwendung die Potenz, der Grund, der Anfang, das Setzende des göttlichen S e i n s . . . Fragen wir also was denn G o t t nun eigentlich als solcher sei, so ist offenbar, daß er weder das eine, das wir durch 1 bezeichnen wollen, noch das andere, das w i r durch 2 bezeichnen wollen i s t . . . , sondern G o t t ist nur G o t t in J

2i85 "

Kapitel 12: Gott der Schöpfer A. Darstellung W i r kommen zu der vierten und letzten Aussage. Es geht um den S a t z : „Gott ist der Schöpfer der ganzen von ihm verschiedenen W i r k lichkeit 1 8 6 ." D a ß dieser Satz ein Glaubenssatz ist, der um der Offenbarung in Jesus Christus willen gilt, haben wir im allgemeinen schon früher gesehen. J e t z t geht es nur darum, zu verstehen, wie B a r t h diesen Satz logisch-theologisch begreift. Seine nähere Bestimmung erfolgt bei Barth in vier Sätzen, die wir jetzt im einzelnen darstellen und prüfen wollen. 1. Barth greift zunächst noch einmal auf seinen Satz vom Gemeinschaft suchenden und schaffenden G o t t zurück. N u r daß hier anstelle der Redewendung: „Gemeinschaft schaffen" die andere steht: „Bund 185 188

Schelling, a.a.O., S. 296—301. KD III, 1, S. 36.

Gott der Schöpfer

175

schließen". G o t t will das Gegenüber der Welt und darin eingeschlossen das Gegenüber des Menschen, und darum schafft er es. Barth sagt: „Die Schöpfung ist der äußere Grund des Bundes." Oder etwas komplizierter: „Die Schöpfung ist die Erstellung des Raumes für die Geschichte des Gnadenbundes." Komplizierter, weil hier gleich drei neue, ungeklärte, nur ungefähr zu verstehende Worte auftauchen. Oder einfacher: „Gott will nicht allein sein, wie er vor der Schöpfung allein gewesen ist 1 8 7 ." Wobei man „allein sein" nicht im Sinn von einsam verstehen darf, da innergöttliches Leben von Barth und überhaupt von dem Trinitätsdogma auch vor oder abgesehen von der Schöpfung angenommen wird. „Allein sein" heißt hier nur so viel wie: „Ohne geschaffenes Gegenüber." D e r Begriff von G o t t als dem Schöpfer fällt damit zusammen mit dem „allgemeinen Begriff des ersten Grundes oder der letzten Abhängigkeit aller D i n g e " , (ebda.) N u n fügt Barth aber gleich hinzu, daß G o t t so, als schöpferischer erster Grund gedacht, „vom christlichen Bekenntnis her gesehen gewiß nicht falsch, aber völlig nichtssagend" sei. „Unter dem allgemeinen Begriff der Abhängigkeit der W e l t von G o t t könnte sich allerhand für das christliche Bekenntnis höchst gleichgültige Spekul a t i o n . . . verbergen." (ebda.) Aber das bleibt unverständlich. Es ist ζ. B . gar nicht einzusehen, warum der S a t z : Es gibt einen und nur einen Grund der W e l t — „völlig nichtssagend" sein soll, da er doch mindestens den anderen ausschließt: Es gibt zwei oder mehrere Ursachen der Welt. J e t z t einmal davon abgesehen, wie derjenige, der solchen Satz aufstellt, dazu gekommen ist. Wenn Barth mit seinem „völlig nichtssagend" meint, es wäre damit noch nicht alles und nicht einmal das Entscheidende von G o t t gesagt, so kann man das verstehen. Wenn er ferner daran denkt, daß mit einem solchen Satz, ohne Bezug auf die göttliche Offenbarung, nur ein menschliches Postulat zum Ausdruck gebracht ist, so ist damit gewiß ein ernsthaftes theologisches Bedenken angemeldet. Aber „völlig nichtssagend" ist dann der obige Satz längst noch nicht. W e r immer einen solchen Satz aufstellt wie: „Die Welt ist von dem einen Gott, aber dieser eine G o t t ist nicht von der W e l t " , verdient doch nach Barths eigenen Worten das größte Interesse. U n d sollte es sich dabei auch „bloß" um ein „philosophisches Äquivalent" des theologischen Begriffes von dem Schöpfergott handeln, so kann dem Theologen dieses Äquivalent doch nicht gleichgültig sein, wenn ihm seine eigenen Sätze nicht gleichgültig sein sollen. Aber B a r t h geht in unserem Zusammenhang noch viel weiter. E r sagt: „Wiederum ist es nicht so, als ob die Schöpfung 187

ebda, S. 45 f.

176

Kritischer Vergleich

neben den anderen Werken G o t t e s . . . selbständiger Betrachtung nicht ebenso würdig wäre 1 8 6 ." Es ist aber doch keine selbständigere Betrachtung der Welt denkbar, als die eines Philosophen, der sich seine Gedanken über den Weltgrund macht. E r könnte dem Theologen am besten zeigen, wie weit man mit einer solchen selbständigen Betrachtung kommt 1 8 9 . So besteht, vorsichtig ausgedrückt, eine merkwürdige Spannung zwischen den beiden Sätzen Barths: „Man soll die Frage nach der Schöpfung einer selbständigen Betrachtung unterziehen" und: „Gerade im Blidt auf die Schöpfung kann man an Jesus Christus unmöglich vorbeischauen." (ebda.) Mit anderen Worten: Barth will die selbständige Betrachtung der „immerhin naheliegenden und nicht gleichgültigen Frage nach dem Ursprung des Menschen und seiner Welt", und er macht audi lange Ausführungen darüber, die keine direkte Beziehung auf Christus erkennen lassen. Und doch nimmt er das Gesagte im gleichen Atemzug wieder zurück und verwirft es als metaphysische Spekulation. Wir werden auf das Problem, das sich dahinter verbirgt, später genauer eingehen. Zunächst wollen wir weiter sehen, wie Barth das göttliche Schaffen, welches alles menschliche Schaffen erst ermöglicht, näher bestimmt. 2. „Es ist aber so, daß unser Gegenstand audi noch eine andere Seite h a t . . . Das Geschöpf existiert nidit von ungefähr. Es ist nidit nur da, sondern es ist sinnvoll da 1 9 0 ." Barth kommt damit zu seiner zweiten Bestimmung des göttlichen Schaffens: Göttliches Schaffen ist Wohltat und nicht Übeltat. „Göttliches Schaffen ist ein Werk ganz bestimmten C h a r a k t e r s . . . Es schließt nämlich in sich Gottes J a zu dem von ihm Geschaffenen. Göttliches Schaffen ist göttliche Wohltat 1 9 1 ." Wenn Gott die Welt bewußt geschaffen hat, so könnte er ja immerhin als der gedacht werden, der J a sagt oder Nein sagt, im Sinn von: E r liebt sie oder er haßt sie. Der dritte Fall ist ausgeschlossen: D a ß für Gott die Schöpfung gleichgültig ist. Denn dann würde er sie ja nicht bewußt geschaffen haben. Sie wäre ein sinnloser Prozeß. Es geht nun also darum, einzusehen, wie Barth zu diesem Satz von der Schöpfung als Wohltat kommt. E r beginnt mit starken Behauptungen über die Gewißheit dieses Satzes: „Schöpfung hat den Charakter der Wohltat nicht so, daß er allen18Θ ebda. 189

cf. dazu W . Weisdiedel und H . Gollwitzer: Denken und Glauben, Stuttgart o. J., bes. S. 54 ff. — Ferner C. F. von Weizsäcker: Die Tragweite der Wissenschaft, Stuttgart 1964, bes. S. 173 ff.

'»» K D III, 1, S. 259 f. 191

ebda., S. 378.

G o t t der Schöpfer

177

falls auch übersehen und in Zweifel gezogen werden könnte... Gottes Geschöpf ist notwendig und völlig Gegenstand des göttlichen 'Wohlgefallens 1 ® 2 ." Man sieht daran, worauf wir zurückkommen, daß Barths Interesse viel stärker an der Gewißheit, als an der Begreifbarkeit der theologischen Aussagen haftet. Hier aber wollen wir bloß begreifen, was gemeint ist. Barth gesteht, daß die Schöpfung, in der der Mensch sich befindet, eine doppelte Deutung zuläßt. J a Barth behauptet sogar, daß die Deutung der Schöpfung als Übeltat eine konsequente sei und daß ein solcher Pessimismus unwiderlegbar sei 193 . Barth bewundert Schopenhauer und Marcion. (cf. ebda.) Lassen wir einmal die etwas leichtfertige Redeweise von der Konsequenz des Pessimismus, auf die ja Barth im einzelnen gar nicht eingeht. Fragen wir nur nach der Begründung seiner eigenen, gegenteiligen Auffassung: Schöpfung als Wohltat ist nun nicht bloß „eine gute Meinung oder Überzeugung des christlichen Subjekts, sondern, weil auf den objektiven Sachverhalt der Offenbarung gegründet, strenge Gewißheit" 1 9 4 . Jesus Christus also wäre das entscheidende Argument. Aber Jesus Christus war ja den beiden Vertretern des Pessimismus, die Barth hier anführt, nicht unbekannt. Und Marcion geht ja ausdrücklich von der Offenbarung in Jesus Christus aus. Barth muß also mindestens seine Behauptung, daß die Erkenntnis in diesem Punkt zwingend sei, wieder zurücknehmen. Die pauschale Berufung auf die Offenbarung führt nicht zum Ziel. Das bestätigt nun Barth audi, indem er sich auf eine bestimmte Deutung des OfTenbarungsereignisses berufen muß. Wobei diese Deutung zu dem Dunkelsten gehört, was wir bei Barth gefunden haben. Er sagt: Marcion deutet das Christusereignis doketisch „mit einer von anderen christlichen Doketikern nie wieder erreichten Folgerichtigkeit" 195 . Auf folgende Weise: In Christus allein offenbart sich der Gott der Liebe und Güte, der die Menschen erlösen will von jenem „anderen, inferioren und bloß gerechten" Schöpfergott. Außerhalb dieses Evangeliums, das heißt also abgesehen von ihm, über dem Marcion in Verzückung gerät, gibt es nur die Schöpfung als „Übeltat", (cf. ebda.) Nun stellen sich schon allein gegenüber dieser Behauptung Marcions eine Reihe ganz ungeklärter Fragen wie: Welches ist das Verhältnis jenes „bloß gerech182 193 194 195

ebda., ebda., ebda., ebda.,

S. S. S. S.

378 f. 382, 387, 389. 381. 387.

12 Browarzik, Glauben und Denken

Kritischer Vergleich

178

ten" Schöpfergottes zu dem gütigen Erlösergott, wenn der erste als „inferior" gedacht werden soll? Und wie verhält sich weiter das Helle und Lichte, das ja in dem Begriff der Gerechtigkeit auch steckt, zu dem Hellen und Lichten, welches mit dem Begriff der Güte und Liebe gemeint ist? Würde man diese Fragen genauer ins Auge fassen, so könnte man gewiß nicht so ohne weiteres von einer „nie erreichten Folgerichtigkeit" bei Marcion sprechen. Aber Barth geht auf diese näheren Bestimmungen nicht ein, und wir brauchen es darum in unserem Zusammenhang auch nicht. Er empfiehlt lediglich, Christus als wahren Menschen zu betrachten, der als solcher auch dem Bereich der Schöpfung angehört, um die Marcionitische Einseitigkeit zu vermeiden. Marcion leugnet die wahre Menschheit Christi und darum irrt er. Wie man sich das nun im einzelnen denken soll, bleibt dunkel. Noch schwieriger aber wird die Lage, wenn man die Barthsche Beurteilung Schopenhauers hinzunimmt 198 . Denn Schopenhauer macht nun nach Barth den entgegengesetzten Fehler, daß er die wahre Menschheit Jesu zu ernst nimmt und von seiner Göttlichkeit, ja von Gott überhaupt absieht. Womit also zunächst einmal bewiesen wäre, daß einer mit dem Ernstnehmen der Menschheit Jesu auch nicht weiter kommt. Trotzdem sei nun aber Schopenhauer mit seiner atheistischen Deutung der Welt audi wieder großartig und konsequent: „Die Schöpfung, von der Gott ausgeschlossen ist, kann für ein aufrichtiges Auge nur eine üble Schöpfung sein197." Nun soll also die Welt für einen unbefangenen Betrachter doch wieder nicht einer doppelten, sondern nur einer einzigen Deutung fähig sein. Und man ist versucht, Barth jene Frage zu stellen, die er an Schopenhauer richtet: „Woher weiß er denn das Alles, was er zu wissen vorgibt." (cf. ebda.) Wir finden Barths Argumentation in diesem ganzen Zusammenhang merkwürdig schwach und widersprüchlich. Zuerst steht da eine große Setzung: Die Welt ist Schöpfung Gottes und die Schöpfung ist Wohltat. Diese Erkenntnis entnimmt Barth der Offenbarung in Jesus Christus, ohne sie im einzelnen davon herzuleiten. Also entnimmt er sie doch in jedem Fall nicht einer selbständigen Betrachtung der Welt. Der Satz: Die Schöpfung ist einer selbständigen Betrachtung ebenso würdig, findet keine Anwendung. Die zweite Schwierigkeit entsteht bei der näheren Erklärung des Offenbarungsereignisses. Zuerst sieht es so aus, als ob Barth annimmt: Unter Voraussetzung der Offenbarung in Jesus Christus haben wir keine 196 187

ebda., S. 389 f. ebda.

Gott der Schöpfer

179

andere Möglichkeit, die Schöpfung zu begreifen, als im Sinne der Wohltat. Er sagt: „Das ist notwendig und kann nicht in Zweifel gezogen werden." Aber Marcion beweist, daß es möglich ist, die Schöpfung auch unter Voraussetzung der Offenbarung anders zu deuten. So wird Barths Theorie faktisch eine unter mindestens zwei. Beide berücksichtigen die Offenbarung. Um nun zu entscheiden, welche von beiden die wahre und welche die falsche ist, muß man neue Argumente haben. Mit pauschaler Berufung auf die Offenbarung ist nicht weiter zu kommen. Mit anderen Worten: Die Rede von der Offenbarung ist kein Argument, da man ja nicht genau genug weiß, was darunter zu verstehen ist. Wenn man nun noch an die Argumentation gegen Schopenhauer denkt, so ist deutlich genug, daß man auf diese Weise die Probleme nicht bewältigen kann. Die langen und breiten Ausführungen Barths können wir andrerseits nur so verstehen, daß Barth die angedeuteten Probleme bewältigen will. Es scheint uns dabei aber immer deutlicher zu werden, daß unter Berufung auf die Offenbarung in Jesus Christus nichts gewonnen wird für die theoretische Klärung dieser Probleme. Man müßte systematisch von vorne anfangen und erst einmal gründlich klären, was unter einem theologischen Dualismus, wie er Marcion nadigesagt wird, oder unter einem atheistischen Pessimismus, wie er Schopenhauer nachgesagt wird, eigentlich zu verstehen sei. Das führt uns auf eine letzte, die ganze Kirchliche Dogmatik Barths betreffende Schwierigkeit, vor die sich der Verstehenwollende immer wieder gestellt sieht. Einerseits behauptet Barth, daß der Theologe durch Offenbarung zu zwingender Erkenntnis kommt, hier beispielsweise was die Welt als Schöpfung Gottes betrifft 1 " 8 . Andrerseits rechnet er aber immer wieder mit einem philosophischen Äquivalent, ζ. B. zu dem theologischen Begriff der Sdiöpfung als Wohltat. Damit aber nähert er sich wieder ganz dem transzendentaltheologischen Ansatz Rahners. Wie beide Behauptungen zusammen bestehen sollen, ist nicht deutlich zu erkennen. Von der Deutlichkeit dieser Erkenntnis aber hängt ab, ob diese Behauptungen überhaupt einen Sinn haben, d. h. unsere theologische Erkenntnis weiterbringen. 3. Eine weitere Erläuterung des göttlichen Schaffens finden wir bei Barth unter dem Begriff der „Verwirklichung" gefaßt. „Daß Gott als Schöpfer nicht Nein und auch nicht Ja und Nein, sondern Ja gesagt hat zu dem, was er geschaffen, das bedeutet zum Ersten, daß er es verwirk188

12"

ebda., S. 380, u. ö.

180

Kritischer Vergleich

licht hat 199 ." Mit anderen Worten: Die göttliche Wohltat des Schaffens besteht in der Verwirklichung. Wir haben den Satz so gebildet, um die Tautologie zu zeigen: Das göttliche Schaffen besteht im Schaffen. Denn mit Verwirklichung ist ja nicht mehr gesagt als mit Schaffen. Worum es Barth aber geht, wird gleich etwas deutlicher, wenn er behauptet: „Es ist nicht wahr, daß wir unmittelbar um unsere eigene oder um irgendeine Wirklichkeit wissen. Wahr ist nur dies, daß wir unmittelbar meinen, darum zu wissen. Wahr ist nur unsere unmittelbare Vermutung 200 ." Er möchte also zunächst einmal darauf hinaus, daß der Mensch um seine eigene Existenz, ob sie „Schein, Täuschung und Traum" oder Wirklichkeit sei, nicht Gewißheit haben kann. (cf. ebda.) Aber Barth macht leider nicht deutlich, warum der Mensch hinsichtlich seiner Existenz eine solche Unterscheidung machen soll. Ich bin, was ich eben bin, und ob idi das nun Traum oder Wirklichkeit nenne, läuft dodi auf einen Streit um Worte hinaus. Es sei denn, man erklärt genauer, was man unter „Traum" verstehen will. Aber hier soll man und kann man ja nichts anderes verstehen, als die Existenzweise des Menschen, unter der Voraussetzung, daß grundsätzlich der eine Mensch, wenn er denn existiert, genau so existiert, wie alle anderen. Es ist eine Frage, wie der Mensch existiert und eine andere Frage, warum er existiert. Aber daß er einfach da ist, dieser Mensch, der ich nun einmal bin, das ist vorgegeben. Und es ist nicht zu sehen, warum ich über dieses Dasein noch einmal reflektieren soll, ob das nun Traum oder Wirklichkeit ist. Ich bin da, aber ich weiß nicht, ob das stimmt — wie soll ein soldier Satz meine Erkenntnis von mir selbst erweitern? Es genügt doch zu sagen: Ich bin da, so wie dieses und jenes in der Welt auch da ist. Eine andere Frage ist, ob unter der Voraussetzung dieses meines Daseins bestimmte Dinge für mich (und dann weiter auch für einen anderen) wirklich da sind, in der gleichen Weise, wie ich für mich selbst da bin, oder in einer anderen, erträumten oder erdachten. Hier erst wird die Unterscheidung sinnvoll. Nehmen wir das Beispiel, das Barth selbst in unserem Zusammenhang wählt: die Existenz Gottes. Die Frage lautet dann: Ist Gott wirklich da, so wie ich selbst da bin (zunächst einmal lediglich für mich selbst), oder ist Gott nur in der erträumten oder ausgedachten Weise da? Barth sagt in einer pauschalen Erklärung gegen den ontologischen Gottesbeweis: „Was der ontologische Gottesbeweis beweist, ist die Natur des von mir — sei es denn notwendig — gedachten voll"» ebda., S. 395. «° ebda.

2

Gott der Schöpfer

181

kommenen Wesens... Er führt zur Vermutung, aber zur Gewißheit auf keinen Fall 2 0 1 ." D a s ist oft genug gesagt worden, besonders von Theologen, die danach trachten, aus dem Versagen des Denkens etwas für den Glauben herauszuschlagen. Was Barth aber nun hinzufügt, ist sehr problematisch. Er meint, unsere Frage, ob Gott existiert, sei genau so zu beantworten, wie die Frage, ob ich selbst existiere: „Die K r a f t (sc. unseres Denkens) ist hinsichtlich der Existenz eines Gottes außer mir nicht kleiner, aber auch nicht größer, als die Kraft meines Denkens hinsichtlich meiner eigenen Existenz als denkendes Subjekt." Es ist doch aber ein merkwürdiger Tatbestand, daß man davon hören kann, daß Menschen Gott leugnen, nicht aber sich selbst. Solange das nicht erklärt wird, ist jener obige Satz zu bestreiten. Barth erklärt uns aber diesen Tatbestand nicht und insofern mindestens können wir seinem Satz nicht zustimmen. Barth macht diesen problematischen Satz nun zum Ausgangspunkt für einen anderen, der dann natürlich mindestens ebenso problematisch ist. Nachdem er behauptet hat (die Begründung, wie gesagt, dürfte schwer fallen, aber Barth versucht sie ja auch nicht), daß das Wissen vom Dasein Gottes mit dem Wissen von meinem eigenen Dasein derart zusammenhängt, daß ich in beiden Fällen zwischen Wissen und Nichtwissen sdiwanke und zu keiner Gewißheit kommen kann, versucht er nun auf dem U m w e g über die göttliche Offenbarung in Christus Gewißheit zu erreichen. Er sagt: „ E s hängt die K r a f t eines Beweises f ü r die Existenz Gottes an seiner Begründung auf die K r a f t von Gottes Selbstbeweis . . . Gott kann der Mensch nur durch Gott selber kennen." Oder, nun schon erweitert auf die menschliche Selbsterkenntnis: „Ein höherer Richter müßte zwischen unser Bewußtsein und unser vermeintlich inneres und äußeres Sein hineingetreten sein und darüber entschieden haben, daß unser Bewußtsein sich nicht täuscht." Erst durch den Bescheid dieses Höheren würden wir nicht mehr bloß „vermuten, sondern wissen" 2 0 3 . Dieser höhere Bescheid ist erfolgt in Jesus Christus: „ U n d eben als die frohe Botschaft von Jesus Christus ist sie nun auch die Bekanntmachung der Existenz des Schöpfers." U n d erweitert auf die Existenz des Menschen lautet der Satz bei Barth: „Wir müßten sein Wort, wir müßten den als wirklicher Mensch in der wirklichen Geschöpfwelt gestorbenen 201 202 203

ebda., S. 409. ebda., S. 412. ebda., S. 396 f.

182

Kritischer Vergleich

und auferstandenen Jesus Christus verdächtigen, wenn wir Gottes Existenz und damit audi die unsrige und die der Geschöpfwelt überhaupt der Nichtexistenz audi nur verdächtigen wollen204.'" Wir wollen genauer einsehen, was Barth auf diesem seinem Wege theoretisch erreidit. Anders: Inwiefern er dem Philosophen überlegen ist. Die Unterstellung, daß die Existenz Gottes genau so schwer oder leidit zu beweisen sei, wie die Existenz des Menschen, lassen wir dahingestellt. Zunächst einmal fällt auf, daß Barth sich auf den ontologisdien Gottesbeweis gar nidit sorgfältig und gründlich einläßt. Er macht den Eindruck, als wisse er schon im voraus, was herauskommt. Es scheint, daß sein Standpunkt schon zu weit entfernt liegt von dem des Philosophen, etwa Descartes, den er anführt. Ferner ist der Begriff des Denkens bei Barth nicht eindeutig. Das Verständnis unseres vorliegenden Textes leidet erheblich darunter. Einmal faßt er diesen Begriff so negativ, daß er nur so viel besagt wie: „sich etwas ausdenken", oder: „sich etwas einbilden, träumen". Auf folgende Frage geht er gar nicht ein, obgleich sie doch so naheliegend ist: Indem ich denkend bei mir selber bin, könnte ich nicht schon bei einem anderen sein? Ist das denn unmöglich, daß ich mich in meinem Denken schon abgestoßen habe von mir selber und bei einem anderen bin, den ich denkend zu erfassen suche? Könnte ich nicht, indem ich immer tiefer in midi selbst gerate, auch immer weiter aus mir herauskommen? Insofern könnte das Nachdenken über Gott ζ. B. gleichkommen dem Ausarbeiten einer Frage, die sich mir gar nicht stellen würde, wenn die Antwort darauf meinem Denken ganz und gar unzugänglich wäre. Wir würden nicht suchen, wenn wir nicht schon gefunden hätten. Nach etwas absolut Unerkennbarem kann der Mensch doch gar nicht fragen. Andrerseits soll nun nach Barths eigenen Worten das Denken sehr weit führen können: „So mag auch der Gottesbeweis innerhalb seiner wesentlichen Schranke sehr weit führen: zu einer ansehnlichen Vertiefung des hypothetischen Welt- und Ichbewußtseins205." Will man den Ausdruck „ansehnliche Vertiefung" nicht als die spöttelnde Spielerei eines Theologen, der es besser weiß, verstehen, so bleibt einem gar nichts anderes übrig, als das philosophische Denken viel ernster zu nehmen, als es bei Barth faktisch geschieht. Es ist sehr viel zugestanden, 204 205

ebda., S. 4 1 7 f. ebda., S. 409 f.

Gott der Schöpfer

183

wenn so viel zugestanden wird, wie Barth immer wieder, wenn auch nur in Klammern, zugesteht. Die größte Schwierigkeit aber entsteht bei der Frage nach der Gewißheit. Immer wieder lesen wir den S a t z : Zur vollen Gewißheit kann das Denken nicht kommen. Es ist klar, daß mit „ D e n k e n " in diesem Zusammenhang immer die freie, philosophische Spekulation gemeint ist. D a s Denken bedarf der Offenbarung, wenn es zur Gewißheit kommen will, sagt Barth; aber nicht etwa einer Offenbarung im Sinne der persönlichen Erleuchtung, die dem Nachdenkenden widerfährt und durch die er dann ganz und gar unverdient aus der L a g e des Vermutens in die L a g e des Gewißseins erhoben wäre. Über diese Gnade könnte dann ja weder der Philosoph noch der Theologe sich verständigen. Die einen wären durch Gnade in der Gewißheit, die anderen durdi Ungnade in der Ungewißheit und die Menschen müßten ihren Willen zur Verständigung aufgeben, da es hier keine Gründe und also keine Verständigung mehr gibt. Alles ist Gnade, und du kannst nichts besseres tun, als warten, bis sie dir zuteil wird. Es dürfte klar sein, daß hier die Wissenschaft, auch die theologische am Ende ist. Aber Barth meint ja mit Offenbarung das „Ereignis Jesus Christus". U n d wir fragen, ist er nun wirklich zur Gewißheit gekommen? Wenn er um Christi willen Gewißheit hat, wie hat er sie denn? Wo der Philosoph fragend Ausschau hält nach einem überzeugenden Grund und mit der ganzen K r a f t seines Denkens versucht, die rettende, göttliche Stimme zu hören — da steht der Theologe und hält Ausschau nach dem glaubwürdigen, einzigartigen und maßgebenden Zeugen der göttlichen Offenbarung: Jesus Christus. D a m i t gründet Barth die theologische Gewißheit auf ein historisches Dokument anstatt auf einen vernünftigen Grund. Dem Beweis steht das Zeugnis gegenüber. Aber ist er denn wirklich weitergekommen im Sinne einer besseren theoretischen Vergewisserung? Denn neben den vernünftigen Gründen sind doch auch die historischen Zeugen dem Zweifel ausgesetzt. Will ich nicht von der metaphysischen in die historische Vermutung wechseln, weil beides Vermutung bleibt, so ist eben nicht zu sehen, wie der Offenbarungstheologe zu seiner angeblichen Gewißheit kommen will. Die praktische Vergewisserung im Sinne einer privaten Erleuchtung muß hier, wie gesagt, außer acht bleiben, da Barth sie grundsätzlich nicht will und im Verlauf seiner Überlegungen auch keine Möglichkeit zeigt, wie man sich selbst unter Theologen darüber verständigen soll. A m Beispiel des Descartes läßt Barth noch einmal erkennen, worauf er hinaus will und wie er sein Ziel zuletzt doch nicht erreichen kann. E r sagt: „ D e r Gott

184

Kritischer Vergleich

des Descartes (lies: den er sich denkt in seinem Gottesbeweis) trägt nicht göttlichen Charakter. Seine Göttlichkeit hat gerade damit, daß er sich selbst offenbart hat (nämlich in Jesus Christus) und darauf hin geglaubt werden darf, nichts zu tun. Die Idee ist dem Menschen angeboren. Sie kann von ihm nach Belieben aus dem Schatz oder aus dem Mangel seines eigenen Geistes hervorgebracht werden... Der menschliche Geist bleibt durchaus bei sich selbst, nur daß er seiner Aussicht auf sich selbst nun auch nodi diese „spekulative" Erweiterung und Vertiefung angedeihen läßt2®6." Wir haben ja schon gezeigt, wie problematisch diese Sätze Barths im einzelnen sind. Was heißt denn: „nach Belieben"? Auf keinen Fall so viel wie „willkürlich". Denn das würde dem ganzen Versuch eines Beweises zuwiderlaufen. Es kann wohl willkürlich gepredigt, aber nicht willkürlich bewiesen werden. Der Ausdruck ist ganz und gar mißlich, er sdieint nur so viel bedeuten zu wollen wie: nach menschlichem Ermessen. Weiter, was soll heißen: Die Idee von diesem so bewiesenen Gott ist dem „Menschen angeboren"? Barth erläutert: „Der menschliche Geist bleibt durchaus bei sich selbst." Das müßte aber erst noch gezeigt werden. Abgesehen davon aber stellt sich doch die Frage: Wer hat denn dafür gesorgt, daß diese Idee in den Menschen hineingekommen ist? Unter der Voraussetzung eines wohltätigen Schöpfers liegt es doch viel näher, anzunehmen, daß dieser Wohltäter dem redlich denkenden Menschen diese Idee eingegeben hat. Aber worauf es uns jetzt ankommt: Barth meint durch die Beziehung des Denkens, und das allein interessiert uns hier, auf das Christusereignis größere Gewißheit zu bekommen. Aber damit gerät er nur immer wieder aufs neue in die historische Vermutung der historisch-kritischen Erforschung der Dokumente. Und zuletzt muß er eingestehen, daß Gewißheit nur zu erreichen ist, wenn das freie Denken sich in „Gehorsamsdenken" wandelt 207 . Damit ist nichts anderes gesagt, als daß hier ein Sprung im Denken gemacht werden soll, der nach Barth, teils Mut, teils Gehorsam erfordert. Damit haben wir aber den Bereich der Theorie verlassen und bewegen uns im anderen der existentiellen Praxis. Es ist u. E. sehr wichtig, diesen Übergang genau zu beachten und die Stelle, wo der Sprung beginnt, genau zu bestimmen. Denn wissenschaftliche Verständigung kann es womöglich nur so weit geben, wie es Theorie 20

« ebda., S. 412. ebda., S. 413, 417, u. ö.

107

G o t t der Schöpfer

185

gibt. Wir kommen später darauf zurück. Was unsere jetzige Überlegung betrifft, so bleibt die Frage offen: Warum soll der denkende Mensch den Mut aufbringen, einem menschlichen Zeugnis zu vertrauen, daß es die Wahrheit sagt, und nicht einer vernünftigen Überlegung? Diese Frage wäre noch um einiges leichter zu entscheiden, wenn man auf beiden Wegen zu verschiedenen oder gar gegensätzlichen Ergebnissen käme. Wie ist es aber, wenn beide Wege zu dem gleichen Ziel führen. Sollten dann nicht auch beide Wege gegangen werden dürfen? 4. Wir kommen zum letzten Begriff, mit dem Barth das göttliche Schaffen bestimmt: nämlich zu dem der „Rechtfertigung". Barth kümmert sich nicht darum, daß er mit dem Begriff „Rechtfertigung" das gleiche aussagt, wie früher mit dem Begriff „Wohltat": Alles was der Eine Gott schafft ist gut und nidit böse. Barth: „Indem es durch Gott ist, ist es g u t . . . weil der Gott gut ist, der es, in dem er es verwirklicht, auch rechtfertigt 208 ." Es ist nach dem bisher Ausgeführten auch nicht mehr verwunderlich, daß Barth für seinen Satz nicht auf ein überliefertes Wort Jesu zurückgreift, sondern auf ein alttestamentliches Zitat aus Gen. 1,31, mit dem Zusatz: „Denn von diesem Licht göttlichen Wohlgefallens redet das valde bonum von Gen. 1,3 1 2 0 9 ." Die dogmatischen Erwägungen Barths sind an dieser Stelle so verwickelt mit dogmen- und philosophiegeschichtlichen Auseinandersetzungen, daß man sich am besten von der Frage leiten läßt: Mit wem setzt sich Barth hier auseinander? Unter dem Titel „Wohltat" fand Barth Gelegenheit, sich mit Marcion und Schopenhauer zu beschäftigen, wenn auch nicht so gründlich, wie es wünschenswert wäre. Unter dem Titel „Verwirklichung" wandte er sich dann dem ontologischen Gottesbeweis des Descartes zu. Und jetzt finden wir ihn unter dem Titel „Rechtfertigung" im Streitgespräch mit dem philosophischen Optimismus des Leibnitz. Zunächst macht Barth seinen eigenen Standpunkt klar. Nachdem er an die göttliche Offenbarung in Jesus Christus erinnert hat, fährt er fort: „Das geschöpfliche Sein hat so etwas wie eine Licht- und eine Schattenseite 210 ." Aber die Beurteilung von Licht und Schatten will Barth nicht eigenständig versuchen. Der Theologe ist an die Offenbarung gebunden, die „in freier Überlegenheit zuerst und vor allem in ihrem eigenen Licht leuchtet", (ebda.) „Indem alles auf den Tod und die Auferstehung Jesu Christi hin geschaffen ist, muß alles unter dieser doppelten Bestimmung 208 209 210

ebda., S. 418 f. ebda., S. 422. ebda., S. 424, 426

186

Kritischer Vergleich

stehen: nämlich unter der vor Gott bestehenden Erheblichkeit und Würdigkeit auf der einen S e i t e . . . , und unter der vor Gott ebenso bestehenden Bedürftigkeit und Gefährdung auf der anderen Seite... So sind die beiden entgegengesetzten Beurteilungen in Gottes Willen begründet... Es ist Gottes Wille, daß wir — nicht zweifelnd über diesen beiden Aspekten und also unbeteiligt darüber hinwegsehen — beteiligt daran und also mitten drin uns freuen mit den Fröhlichen und weinen mit den Weinenden 211 ." Ferner bedeutet die Offenbarung, daß diese beiden Aspekte überboten werden, dadurch, daß Gott selbst in der Erniedrigung Jesu erscheint. Wobei man beachten muß, daß Barth hier unter dem Schattenaspekt nicht das Böse versteht, sondern die leidvolle Erniedrigung, die das Gute oder der Gute in der Welt erleiden muß. Man vermißt eine sorgfältige Klärung dieser Bestimmungen des malum. Barth fragt lediglich: „Indem der Schöpfer in der Schöpfung selbst Geschöpf geworden i s t . . . , was ist da alle Hoheit, von der die Kreatur sonst noch zeugen mag, neben der Erhebung die hier widerfahren ist in Jesus Christus." Und was ist alle Erniedrigung angesichts der von Jesus Christus. „Indem Gott selbst beide Aspekte des Daseins sich zu eigen gemacht hat, sind wir unüberhörbar aufgerufen, das Dasein unter diesen beiden Aspekten ganz ernst zu nehmen 212 ." „Es ist verständlich, daß eine Koordinierung dieser beiden Aspekte immer wieder gesucht w i r d . . . Aber es gibt keinen vom Menschen ausfindig zu machenden Ort, von dem her eine legitime Koordinierung jener beiden Aspekte möglich w ä r e . . . Sie könnte immer nur auf Kosten des Ernstes des einen oder des anderen Aspektes geschehen." (ebda.) Wobei nun die Schwierigkeit entsteht, was man denn unter den beiden Aspekten begreifen soll. Die „Erhöhung" und die „Erniedrigung", an der Gott selbst in Jesus Christus teilnimmt, wie Barth sagt? Was ist dann aber mit dem Bösen, das sich in der Welt findet und an dem Gott doch nicht beteiligt sein kann, da er ja der gute Gott ist? Barth geht stillschweigend über diese Schwierigkeit hinweg. Er fügt zu den aufgestellten Behauptungen lediglich eine neue hinzu: „Sollte es in Gott und darum audi in der Geschöpfwelt doch sein Bewenden haben mit einem nebeneinander zweier Bereiche? Man wird, von Gottes Selbstkundgebung her denkend, auch dabei nicht H a l t manchen können... Diese redet nidit von 211 212

ebda., S. 430 f. ebda., S. 432.

G o t t der Schöpfer

187

einem ewigen Dualismus. Sie redet von einer doppelt bestimmten, aber nicht von einer doppelten Wirklichkeit... Gott ist gerade in der Person Jesu Christi am Leid und Tod des Geschöpfes nicht ewig, sondern nur vorübergehend beteiligt 2 1 3 ." Der christliche Glaube (in unserem Zusammenhang also die christliche Theologie) „lebt von dem J a , das Gott selbst in der Auferstehung von den Toten gesprochen hat". Unser J a ist ein „gehorsames Nachsprechen" des göttlichen, getragen von „einem großen Vertrauen" und „gewiß entscheidend und bindend", weil gebunden an Jesus Christus 214 . Nun geht Barth über zu seiner Auseinandersetzung mit dem philosophischen Optimismus, dessen einen hervorragenden Vertreter er in Leibnitz sieht. „Es lohnt sich, dieses geschichtliche Phänomen (des philosophischen Optimismus) zu betrachten, weil es sich in seiner Art und Unart nun doch in einer Nachbarschaft zu der von der kirchlichen Dogmatik zu vertretenden Lehre von der Schöpfung als Rechtfertigung befindet und mit dem sich auseinanderzusetzen gar nicht so einfach ist 2 1 5 ." Barth spricht dann von „Nachbarschaft" und „formaler Affinität" und „Zusammentreffen im Wortlaut", und wir können für unseren Zweck das so zusammenfassen: Bestimmte Philosophen (ζ. B. Leibnitz in seinem Satz von der Welt als der besten aller möglichen) sind zu der gleichen These gekommen, wie Barth, nur eben unabhängig von der Offenbarung in Christus. Wir sehen hier davon ab, wie Barth sich über die Poeten lustig macht 216 . Wir achten jetzt lediglich auf die Einwände, die Barth macht gegen das, „was die Philosophen abstrakt begrifflich geliefert haben" und was im Wortlaut mit den Lieferungen Barths zusammentrifft, (cf. ebda.) Der erste Einwand Barths ist folgender: Wenn der Philosoph durch Nachdenken über die beiden Aspekte der Welt zu dem Ergebnis kommt: Der gute, lichtvolle, heil volle Aspekt hat den Vorrang, so kommt das der Auflösung des anderen, dunklen, unheilvollen Aspektes gleich. „Die Welt hat nun einmal zwei A s p e k t e . . . , und das hat der Optimismus des 18. Jahrhunderts nicht gewußt." Lassen wir einmal diese höchst fragwürdige, historische These beiseite. Sachlich argumentiert Barth so: „Was (sc. dem Optimismus) fehlt, ist nicht die Kenntnis der T a t sachen und der gedanklichen Möglichkeiten, wohl aber der Zwang, die» » ebda., S. 439. 214

ebda., S. 4 4 2 f und 445.

215

ebda., S. 464.

210

ebda., S. 455 und 463.

188

Kritischer Vergleich

sem anderen ( = dunklen — bösen = unheilvollen = leidvollen) Aspekt des Daseins nun einmal standzuhalten 2 1 7 ." Demgegenüber „ist es wohl klar, daß der christliche Satz von der durch den Schöpfer bejahten und gerechtfertigten Geschöpfwelt eine andere, umfassendere Tragweite hat, daß er gerade das in sich schließt, was hier zum Greifen deutlich fehlt: Das echte, das dringende, das nicht von der H a n d zu weisende Wissen auch um die G e f ä h r d u n g . . . , auch um Sünde, T o d und Teufel. E r hat im Unterschied zu jenem Optimismus einen zwingenden Grund, die Wirklichkeit ganz und also auch in dieser D i m e n s i n o n . . . ernst zu nehmen." (cf. ebda.) Aber hier erheben sich schwere Bedenken. Gestehen wir ruhig einmal zu, daß dem Philosophen die Herleitung seines Satzes von dem Vorrang des Guten ohne Widerspruch gelungen ist. Schon das allein ist bei Barth höchst merkwürdig, j a unverständlich, daß er sich auf die einzelnen Deduktionen gar nicht einläßt. U n d dabei läge es doch so nahe, ζ. B . den philosophischen Begriff vom radikalen Bösen genauer zu prüfen, wie K a n t ihn entwickelt hat. Aber davon nun abgesehen, gelingt es Barth j a keineswegs, eine größere begriffliche Klarheit in dieser Sache zu erreichen. Wenn der Philosoph, den Barth hier im Auge hat, den Aspekt des Bösen zugunsten des Guten auflöst, dann tut es Barth selbst auch. Wir sind keinen Schritt weitergekommen. Höchstens einen Schritt zurück, weil wir den Philosophen mit einem höchst fragwürdigen Machtspruch zurückgewiesen haben. Denn ein „zwingender G r u n d " im Sinne einer verständlichen Argumentation ist bei Barth nicht zu finden. Weder historisch mit Bezug auf das Offenbarungszeugnis der Heiligen Schrift, noch spekulativ wird ernsthaft argumentiert. Die pauschale Redeweise: „ U m Christi willen" genügt nicht. Meint aber Barth mit „zwingendem G r u n d " die persönliche Erleuchtung oder das praktische Uberzeugtsein, so entzieht sich das einer theoretischen Erörterung und liegt jenseits des Bereiches der Wissenschaft im Sinn einer allgemeinverständlichen und allgemein nachprüfbaren Wahrheitsfindung. B a r t h entzieht sich in beiden Fällen einer verständlichen Argumentation. Insofern trifft sein Einwand nicht das, was er treffen will. D e r zweite Einwand sagt folgendes: „Unfähig mit den Weinenden zu weinen ist er im Grunde doch auch unfähig, mit den Fröhlichen fröhlich — nämlich gründlich, ruhig und endgültig fröhlich zu sein 2 1 8 ." An diesem Satz zeigt sich wieder, daß es Barth zuletzt vielleicht doch gar 217 218

KD III, 1, S. 476 (cf. S. 466 f.). ebda., S. 468 f.

189

G o t t der Sdiöpfer

nicht so um die theoretische Bewältigung eines Problems geht, als um die praktische Haltung. Aber merkt er nicht, auf welch schlüpfrigen Boden er sich damit begibt? Denn wie soll ich, beim besten Willen, das Weinen und Lachen eines Philosophen oder Theologen fassen?! Noch dazu bei einem solchen, den ich gar nicht persönlich kenne, von dem mir lediglich ein Buch vorliegt, in welchem er sich dem Nachdenken hingibt und vielleicht unter großer Anstrengung von allen Emotionen absieht. Wie soll ich erkennen können, wenn ich es denn schon will, daß da einer „darum in Superlativen gerne redet, weil er sich fortwährend stärker geben muß, als er ist und darum seiner Sache nur halb sicher ist 2 1 9 ." Nehmen wir die Emotionen als Argumente, so ist gar nicht zu sehen, wie wir überhaupt argumentieren sollen, und gar nicht ausgeschlossen, daß der Theologe vor dem Philosophen den kürzeren zieht. Um es noch einmal zu sagen: Wir sind durchaus der Meinung, daß im Bereich der existentiellen Praxis, eben da wo geweint und gelacht wird, bedeutsame Entscheidungen fallen 220 . Wir beanstanden bei Barth lediglich das Fehlen einer Anleitung, wie wir uns auf diesem Felde zurechtfinden sollen. Und um nicht in eine Lage zu geraten, in der wir uns gegenseitig ganz nutzlose und unergiebige Vorwürfe und Beschimpfungen machen, begnügen wir uns damit, die theoretischen Argumente auf ihr Schlüssigkeit zu prüfen. Der dritte Einwand ist nach Barth „der entscheidende". „Es wird aber gerade hier, wo beide im Wortlaut der These dasselbe sagen, sichtbar, daß es in Wirklichkeit nicht dasselbe ist." Der gute Gott, der in der philosophischen Argumentation auftaucht, hat „eine gewisse heilige Überflüssigkeit" an sich. „Der Atheismus, der alles, was die Optimisten wissen, auch weiß, und der den allmächtigen und weisen Schöpfer dennoch zu entbehren weiß, liegt lauernd vor der T ü r . " Im einzelnen stellt 218

ebda.

220

cf. dazu vor allem M. Theunissen, Der Andere, Berlin 1965. — Die allzu schnell in den Vordergrund gespielte existentielle Praxis hat den alsbaldigen Ruin jeder Theorie zur Folge. Aber ohne Praxis kann die Theorie auch nicht leben, cf. S. 4 9 9 : „Es ist gut, daß die Philosophie unserer Tage die reine Theorie wieder als ihr Hauptgeschäft akzeptiert hat." Man fängt wieder an, Verständnis dafür zu haben, „daß nur das restlos Begreifliche und

logisch Auflösbare mögliches Thema philosophischer

Theorie

sein

kann". — F ü r die Gelassenheit dessen, der auf die Kraft der Argumente vertraut, gibt jetzt auch J . H a b e r m a s ein Beispiel: Theorie und Praxis, Sozialphilosophische Studien, Berlin 1963. 221

K D III, 1, S. 4 7 0 ff.

190

Kritischer Vergleich

Barth zwei kritische Fragen. Erstens: Der Philosoph erkennt die Güte und "Wohltätigkeit Gottes so, daß er sich in die Güte und Wohltätigkeit, die er in der Welt erfährt, vertieft. U n d dabei nun eben vernachlässigt er das malum in der Welt. Aber das ist eine Unterstellung. Wäre alles selbstverständlich und bloß bonum, würde die Argumentation niemals anfangen. Sie hätte gar keinen Anlaß. Angesichts des bonum und malum schließen etliche Philosophen auf den Vorrang des bonum. Es ist gar nicht der eine Aspekt zugunsten des anderen aufgehoben, wie schon oben angedeutet, sondern verarbeitet. Die zweite kritische Frage Barths ist die: „Warum muß nun aber diese Vollkommenheit des Daseins (lies einfach: der Vorrang des bonum vor dem malum) auf dem Umweg über die Vollkommenheit Gottes erst begründet werden, wenn sie uns auch abgesehen von dieser gegeben und bekannt ist." (cf. ebda.) Mit anderen Worten: Warum muß ich über die Welt hinausgehen und auf einen Gott spekulieren? Aber hier kann man einfach zurückfragen: Warum soll ich es nicht tun? U n d wenn wir auf diesem Wege audi nichts Zwingendes und Verbindliches ausmachen können, so wäre doch zu bedenken, daß oft schon die Erkenntnis des Möglichen eine große Bedeutung hat. Jedenfalls hat doch der, der das Mögliche für überflüssig erklärt, die Beweislast zu tragen 2 2 2 . Im übrigen hat man hier den fatalen Eindruck, daß das Auftreten des Atheisten für Barth eine Genugtuung ist, weil dieser die „heilige Überflüssigkeit" des Gottes der Philosophen zu beweisen scheint. Danach kehrt Barth noch einmal zu seiner Frage zurück: Angenommen, der U m w e g ist uns erlaubt, so bleibt die Frage: „Inwiefern ist uns die Vollkommenheit des Daseins gegeben, so, daß wir von ihr aus den vollkommenen Gott erkennen?" Man beachte, daß Barth eben schon eine Antwort gegeben hat: Die Vollkommenheit des Daseins ist so gegeben, daß die Unvollkommenheit nicht ernst genommen wird. N u n will er noch hinzufügen, daß eben dies „Übersehen" oder „Nicht-ernst-nehmen" oder „Vernachlässigen" ein „ A k t menschlichen Selbstvertrauens" ist: „ E s gibt keine andere Antwort als die, daß wir durch uns selbst — man sagte: durch unsere Vernunft — dazu jederzeit in der Lage s i n d . . . U n d dieser Einstieg ist rein und klar ein A k t menschlichen Selbstvertrauens. Wir müssen die Courage haben, wir müssen es uns z u t r a u e n . . . Etwas prinzipiell Neues und Anderes als die Vollkommenheit des Menschen ( = Vorrang des Guten im Menschen) war ja auf alle Fälle auch in der 222

cf. dazu die interessanten Bemerkungen von M. Scheler über das onus probandi in: Tod und Fortleben, Werke, Band 10, Bern 1957, S. 54 ff.

Gott der Schöpfer

191

Vollkommenheit Gottes nicht zu finden. D a s ist die entscheidende Schwäche der optimistischen T h e s e . . . Gerade mit göttlicher K r a f t und Autorität konnte sie unmöglich vertreten werden, sondern im besten Fall mit einem Maximum menschlichen Selbstvertrauens... Ihm (sc. dem Philosophen) hilft Gott tatsächlich nur, wenn und sofern er sich selber hilft. Er befindet sich tatsächlich in einer schauerlichen Einsamkeit." (ebda.) Demgegenüber bezieht sich der Offenbarungstheologe „eindeutig auf die Entscheidung des Schöpfergottes. Er spricht ja einfach das aus, was im Gehorsam gegen seinen Willen notwendig auszusprechen i s t . . . Auf die göttliche, offenbarte Entscheidung hin wird im christlichen Glauben J a gesagt zur Welt, jenes J a , das auch das Nein ernst nimmt und in sich schließt, ebenso aber auch überwindet und hinter sich läßt." (ebda.) Mit anderen Worten: Der gute Gott ist im philosophischen Satz eine menschliche Vermutung, im theologischen Satz dagegen eine von G o t t selbst geschenkte Überzeugung. D a s widerspricht sich aber keinesfalls. Es bleibt die Frage, wie beides zusammenhängt. Der vierte und letzte Einwand richtet sich nicht gegen die logische Operation, wie der erste und dritte, sondern gegen die philosophische Haltung, wie der zweite. " J e n e Optimisten sind fast unverbesserliche Betrachter und Zuschauer gewesen... Sie sitzen am Teleskop oder auch einfach in der warmen Stube oder im Gras bei der Kuhherde und sehen zu, um dann über das Gesehene als solches zu reflektieren... Die Dinge kommen nicht zu ihnen, im Bösen nicht, aber doch auch nicht im Guten. U n d so können sie umgekehrt auch nicht zu den Dingen kommen, des Bösen und des Guten nicht gewiß werden 2 2 3 ." Hingegen ist der Theologe „gerade nicht nur Betrachter und Zuschauer, sondern vereidigter Z e u g e . . . Er ist durch die Selbstkundgebung des Schöpfers erreicht und g e t r o f f e n . . . D a s Christliche, das in dieser ganzen Literatur (gemeint ist die philosophisdi-optimistische) zwar nicht geleugnet, sondern gelten gelassen und gelegentlich von weitem gegrüßt, nur eben gerade zur Begründung und zur Erklärung der optimistischen These in keiner Weise fruchtbar gemacht wird, ist aber sehr schlicht gerade Jesus Christus, auf dessen Erkenntnis bei der Begründung und Erklärung des entsprechenden christlichen Satzes nicht weniger als Alles a n k o m m t . . . Von dem N a m e n Jesus Christus her wird alles so anders, was in der Dogmatik in dieser Sache zu sagen ist 2 2 4 ." 223

224

KD III, 1, S. 473 — ganz ähnlich schon früher H. Newman: Entwurf einer Zustimmungslehre, Mainz 1961, S. 64. KD III, 1, S. 474 f.

192

Kritischer Vergleich

Solche Polemik, die wir bei Barth häufig finden, macht es dem Nachdenkenden schwer, bei der Sache zu bleiben und nicht audi auf irgendwelche Schimpf- und Spottreden zu verfallen. Wie soll man denn nachprüfen können, ob der eine Zuschauer und ein anderer vereidigter Zeuge ist? Umgekehrt könnte man doch mit ebenso viel Recht sagen: Wenn es nur recht viel nüchterne und scharfe Beobachter unter den Theologen gäbe! Und man findet gewiß auch einen treifliehen Bibelspruch dafür 2 2 5 . „Steif auf die Sache gesehen", wie Barth sich gerne ausdrückt, ist hier nur so viel zu sehen: Anstelle der philosophischen „Zauberformel" Gott, steht bei Barth: Jesus Christus. Damit ist die spekulative Formel durch eine historische ersetzt, und es ist sehr die Frage, ob nicht diese historische auch bei Barth wiederum eine spekulative geworden ist. Spricht er doch selbst an einer früheren Stelle von dem „Christusprinzip". Der Theologe, wenn er das ist, was er sein soll, nämlich einer, der Wissenschaft treibt, muß es sich gefallen lassen, daß alle seine Sätze als theoretische Sätze verstanden und geprüft werden. Was sie darüber hinaus noch an innerer Beteiligung oder irgendwelchen Emotionen enthalten, geht die Wissenschaft nichts an, weil diese es mit Argumenten und nicht mit Gefühlen zu tun hat. Es sei denn, wir kämen einmal dazu, daß wir Gefühle als sinnvolle Argumente begreifen gelernt haben. Dazu aber finden wir bei Barth keine Anleitung, und so muß es vorerst dabei bleiben: Was dem einen an innerer Haltung zugestanden wird, muß man dem anderen auch zugestehen. Wenn man aber darüber hinaus noch annimmt, wie Barth, „daß die Erkenntnis Jesu Christi dem Philosophen nicht einfach gefehlt hat 2 2 6 ", so ist ja noch eine ganz andere Beurteilung des Philosophen als Zuschauer denkbar. In seinem Herzen fühlt er sich vielleicht auch als „vereidigter Zeuge" und will gar nichts gegen das Buch der Offenbarung sagen. Er will nur eben einmal davon absehen, um dann um so sorgfältiger auf die Logik des Gedankenganges achten zu können, und zusehen, wie weit der Mensch mit vernünftigen Überlegungen kommt. Hinter dem angeblich herzlosen Verfahren eines Beweisganges könnte eine Enthaltsamkeit stehen, die um der Reinheit des Beweisganges und der Klarheit des Begriffes willen höchst sinnvoll ist. Ohne diese Anstrengung der theologischen Theorie bliebe ja nur noch die Möglichkeit, daß die verschieden Denkenden sich gegenseitig anpredigen, mit dem denkbar höchsten und gewaltigsten Einsatz, aber ohne die Chance einer begrifflichen Klärung dessen, 225

cf. jetzt die Klage Bochenski's in: Logik d. Religion, S. 110 u. ö.

226

a.a.O.

G o t t der Schöpfer

193

was sie denn nun eigentlich meinen, und zuletzt eben ohne die Chance der Verständigung. Was wir mit dem warmen Herzenston einer großen Überzeugung sagen können, müssen wir auch mit dem kühlen Verstandeston einer exakten Einsicht sagen können. Der Theologe, der predigt, mag seine Aufgabe haben. Aber der Theologe, der nachdenkt, darf deswegen nicht gescholten werden 227 . Zumal Barth selbst doch etwas hält von einer „kühn wagenden Vernunft" und sogar in „der äußersten Finsternis eines kalt berechnenden Verstandes" empfiehlt, genau hinzuhören, ob nicht auch dort „die Stimme des guten Hirten" zu vernehmen ist 8 2 8 . B. Kritischer Vergleich 1. Der erste, grundlegende Satz heißt bei Barth: „Die Welt ist von Gott, aber Gott ist nicht von der Welt." Und Barth hat audi gleich hinzugefügt, daß dieser Satz in dem Sinne zu verstehen ist, wie die beiden anderen: „Gott ist der erste Grund alles dessen, was ist" und: „Alles, was ist, ist abhängig von Gott." Was nun der einzelne sich alles unter diesen Sätzen vorstellen mag, kann uns nicht interessieren. O b ζ. B. „dahinter eine für das christliche Bekenntnis höchst gleichgültige Spekulation sich verbirgt", wie Barth bemerkt, oder ob damit eine für das christliche Bekenntnis höchst wichtige Aussage gemacht wird, das kann man doch nur entscheiden, wenn man den Sinn der Sätze und ihre Herleitung verglichen hat. Den Sinn der Sätze und deren Herleitung kann man aber nur verstehen, wenn man sich an den Wortlaut hält. Was alles noch dahinter steckt, geht uns nichts an, es sei denn, es wird wieder in einem Wort oder Satz deutlich gemacht. Die Redewendung: „Es könnte sich dahinter verbergen", sollte vermieden werden, weil sie zu keiner Verständigung führt, sondern nur allgemein und nichtssagend darauf hinweist, daß der Autor sich noch ganz andere Gedanken möglicherweise dabei gemacht haben könnte, ohne indessen anzugeben, welche. Wir halten uns an den Wortlaut, weil wir nichts Besseres haben. Und da finden wir nun fürs erste einen gleichsinnigen, j a fast gleichlautenden Satz bei Rahner: Immer, wenn der Mensch ein Einzelding erkennt, „greift er in dem Akt, der dieses sinnlich gegebene Dieses erfaßt, a priori zu dieser Erfassung schon über dieses Einzelne hinaus auf mehr, 227

cf. dazu W . v. Loewenich: Luther und der Neuprotestantismus,

Witten

1963, S. 258 ff. und 386 ff. 228

cf. G. Gloege, in Theologische Literaturzeitung, 1960, 3, Sp. 184 bes. 166 und 178.

13 B r o w a r z i k , G l a u b e n und

Denken

Kritischer Vergleich

194

als dieses Einzelne i s t . . . Dieses Mehr aber kann nur jenes schon genannte Sein als Horizont und g r ü n d e n d e r G r u n d möglicher Gegenstände und ihrer Begegnung sein 2 2 9 ." W i r braudien hier nicht noch einmal zu zeigen, wie Rahner diesen im Vorgriff mitgegebenen Horizont nicht als Nichts und auch nicht als der menschlichen Erkenntnis entzogen, sondern eben positiv als gründenden Grund erweist. W i r erinnern hier nur daran, daß Barth diesen Satz von G o t t als dem gründenden Grund einfach setzt, um der Offenbarung willen, ohne uns zu zeigen, wie er diesen Satz im einzelnen aus der Offenbarung ableitet. R a h n e r hingegen hat wenigstens eine Herleitung versucht, indem er zwar nicht von der Offenbarung in Christus, sondern von der menschlichen Erkenntnis sinnlich gegebener Einzeldinge ausgeht. Das kann man Spekulation nennen, aber keinesfalls überflüssig. Überflüssig wäre sie u. U . erst dann, wenn Barth eine bessere hätte. Aber wie gesagt, B a r t h hat überhaupt keine. 2. Was nun den zweiten Satz betrifft, daß die Welt, also alle Dinge, nicht „von ungefähr" im Sinne von „zufällig" das sind, was sie sind, sondern „sinnvoll", also „bewußt gewollt" — das haben wir j a schon zur Genüge verglichen im Zusammenhang der göttlichen Liebe und des göttlichen Willens. B e v o r wir aber weitergehen und den Kernsatz dieses Abschnittes vergleichen, nämlich den Satz vom Vorrang des Guten vor dem Bösen, wie unsere beiden Theologen ihn aufgestellt haben, werfen wir noch einen Blick auf den Existenzbeweis Gottes bei Barth und bei Rahner. H i e r finden wir unsere beiden Theologen in ganz verschiedener, freilich bekannter Position. Für R a h n e r ist der Mensch und jedes einzelne Ding in dieser Welt zuerst gegeben und auch gewiß gegeben. V o n da aus schließt er dann auf das Dasein Gottes. W i r haben gezeigt, daß er dabei die Gewißheit nicht erreicht, die er erreichen möchte. B a r t h hingegen geht von der göttlichen Selbstmitteilung in Jesus Christus aus. G o t t ist in seinem Beweisgang zuerst gegeben und audi gewiß gegeben. V o n da aus schließt er dann auf das „wirkliche" Dasein des Menschen und jedes einzelnen Dinges in der Welt. U m dahin aber zu kommen, wo er hin will, mußte Barth erst noch die menschliche Selbstgewißheit und die Gewißheit von der Gegebenheit der Weltdinge umdeuten, um nicht zu sagen umlügen, in die Selbsttäuschung: „Es könnte alles T r a u m oder Täuschung sein." Für das Begreifen ist dabei aber gar nichts gewonnen. Es ist nur die Frage, ob Barth zu der Gewißheit gekommen ist, die Rahner wohl erreichen wollte, aber nicht erreicht hat. M i t anderen W o r 229

Rahner, Hörer, S. 77 ff.

Gott der Schöpfer

195

ten: Ist durch die einfache Berufung auf die Offenbarung in Jesus Christus, die Rahner j a nicht leugnet, jene Gewißheit zu erreichen, die beide Theologen erreichen wollen? W i r müssen antworten: Nein. Denn die Offenbarung in Christus ist uns nur zugänglich in einem historischen D o kument. Dieses Dokument ist z w a r anderen, nämlidi historischen, aber nun eben doch genau so Zweifeln ausgesetzt. D i e praktische Gewißheit einer festen Überzeugung ist durch theoretische Erörterungen, seien sie nun spekulativ oder historisch, nicht zu erreichen. W i r kommen damit wieder auf jenen Punkt zurück, auf den wir schon öfter gestoßen sind und dessen genaue Bestimmung wir unserem letzten Teil vorbehalten wollen. 3. Endlich wollen wir noch sehen, was für unseren Vergleich herauskommt, wenn wir jenen Doppelaspekt ins Auge fassen, nach dem die W e l t eine lichte und eine dunkle, eine gute und eine böse Seite hat. D e r Streit ist uralt, ob das alles nun auf einen „ewigen Dualismus" (Barth) hinausläuft, der an sich schon pessimistisch genug ist — oder ob schließlich das Gute über das Böse siegen wird. H i e r haben wir nur die Aufgabe, darauf zu achten, wie sich unsere beiden Theologen in dieser Sache verhalten. W i r erinnern uns zuerst daran, was Barth dazu gesagt hat. W i r können es in drei Sätzen zusammenfassen: D e r christliche Theologe erkennt, wie jeder andere Mensch, die beiden Aspekte der Welt, das bonum und das malum. D e r christliche Theologe nimmt beide Aspekte ernst und darf nicht einen zugunsten des anderen auflösen, um der Offenbarung in Christus willen. D e r diristliche Theologe verkündet den Sieg des Guten über das Böse, um der Offenbarung in Jesus Christus willen. Die wesentlichen theoretischen Schwierigkeiten dieser Barthschen Sätze haben wir oben genannt. J e t z t ist es unsere Aufgabe, zu sehen, ob sie Rahnersätzen widerstreiten. Den ersten Satz kann niemand leugnen. M i t dem zweiten Satz treibt Barth selbst ein unverständliches Spiel. Einerseits soll das malum ganz ernst genommen werden. Anderseits weiß man aber doch, nach Barth, um der Offenbarung willen, daß das bonum siegen wird. Also kann man den zweiten Satz gar nicht so ernst nehmen, wenn man den dritten kennt. Es ist also gar nicht zu sehen, wie man den zweiten Satz Barths zu irgendeinem Vergleich heranziehen soll. Selbst den Fall angenommen, daß Rahner das malum nadi der Formel: ens-verum-bonum convertuntur als ens privativum begreifen will, so kann man ihm noch lange nicht den V o r w u r f machen, daß er das malum nicht ernst genug nimmt. Andrerseits 13*

196

Kritischer Vergleich

wäre durchaus denkbar, daß Barth, der nicht so weit gehen will, und also nach eigener Meinung das malum ernst genug nimmt, sich dem Verdacht aussetzt, daß er nun wiederum das bonum nicht ernst genug nimmt. Man sieht daran, wie fatal die ganze Argumentation mit dem „Ernstnehmen" ist. Es handelt sich dabei eben um gar keine echte Argumentation. Und wir können darum den zweiten Barthschen Satz zu unserem Vergleich nicht gebrauchen. Wir sehen nicht, wie man da weiterkommen will, über die gegenseitige Beschuldigung hinaus. Bleibt also nur der dritte Satz: Das Gute siegt über das Böse. D a ß Rahner hier nicht als „unbeteiligter Zuschauer" sich äußert, sondern als „vereidigter Zeuge", das müssen wir, wie gesagt, weil es uns nicht um existentiellen Vollzug, sondern um Theorie geht, einfach zugestehen, so wie wir es Barth abgenommen haben und so wie wir es jedem zubilligen müssen, es sei denn, er verwahrt sich ausdrücklich dagegen. Selbst dann ist nicht leicht zu sehen, daß für die Theorie etwas Nachteiliges heraus kommen soll. Rahner äußert sich nun zu unserer Frage eindeutig in dem früher genauer erörterten Satz: „Der Mensch ist die Transzendenz auf das absolute Gute, das das absolute Sein, Gott, ist. Dieses absolute Gute ist aber zunächst nicht als Gegenstand, sondern nur als das letzte Woraufhin des Vorgriffs gegeben... Es ist nur gegeben als die Bedingung der Möglichkeit der Erfassung eines endlichen Guten." Damit ist zunächst einmal der Einwand von dem „überflüssigen G o t t " akut geworden, den ja Barth gegen Leibniz geltend gemacht hat. Angenommen der Rahnersche Vorgriff ist erwiesen, d. h. ich brauche zur Erfassung des endlichen Guten das absolute Gute — so würde Barth sagen: Aber gerade dieses so im Vorgriff gesetzte Gute ist gerade nicht der Gott der Offenbarung, sondern ein vom Menschen erdachter Gott. Und dieser müßte ja dann ebenso überflüssig sein wie derjenige, den Barth bei Leibniz fand. Aber andrerseits und im Widerstreit mit dem eben Gesagten, haben wir doch gesehen, daß Barth ein philosophisches Äquivalent zu dem theologischen Begriff gelten läßt und von ihm sogar eine „ansehnliche Vertiefung unseres hypothetischen Weltbewußtseins" erwartet. Insofern ist also dieser Gott der Philosophen doch wieder nicht so überflüssig. J a , wir wagen hinzuzufügen, für die theoretische Klärung unseres Weltbildes ist er bedeutsam. Die Behauptung, daß wir es das eine Mal mit dem guten Gott zu tun haben, den der Mensch sich ausgedacht hat und das andere Mal mit dem guten Gott, der sich offenbart hat, diese Behauptung impliziert doch keinesfalls zwei Götter. Es sind doch darin

Gott der Schöpfer

197

lediglich zwei Einstellungen enthalten, die sich beide auf den einen Gott richten: einmal unter der Voraussetzung der Welt als der Schöpfung Gottes — dann unter der Voraussetzung der göttlichen Offenbarung. Barth dürfte seinen Vorwurf „Gott sei überflüssig" gegen Rahner nur dann aufrecht erhalten, wenn es ihm gelingt, nachzuweisen, daß wir zur Erfassung eines endlichen Guten kein absolutes Gutes brauchen. Diesen Nachweis aber hat er nicht erbracht. Insofern trifft Rahner der erhobene Vorwurf nicht. J a wir gehen noch weiter. Wir haben gesehen, daß Rahner einen diskutablen Versuch gemacht hat, Gott als den Guten zu begreifen unter keiner anderen Voraussetzung als der eines vernünftigen Begreifens dieser unserer Menschenwelt. Wenn er zu keiner Evidenz kam, so hat er doch nicht weniger erreicht als Barth, da letzterer auch zu keiner Evidenz gekommen ist. Wenn er aber uns begreifen gelernt hat, wie der Theologe den guten Gott denken soll, so hat er mehr erreicht als Barth, da letzterer diesen guten Gott wohl audi behauptet (daß er praktisch davon überzeugt ist wie Rahner selbstverständlich auch, geht uns hier nichts an), aber nicht zeigt, wie er ihn aus der gegebenen Offenbarung ableitet. Wir haben ja bereits angedeutet, daß wir uns eine solche Ableitung gar nicht anders als historisch-kritisch denken können, insofern es eine theoretische Ableitung sein soll und nicht eine praktische, von irgendeinem privaten Erlebnis her. Und wieder stoßen wir auf das Problem der Gewißheit und der Begreifbarkeit einer theologischen Aussage, das uns in den beiden letzten Kapiteln noch beschäftigen wird. Hier bleibt uns jetzt nur noch die Frage, ob denn Rahner nun audi zu dem Satz vom Sieg des guten Gottes über das Böse kommt, den Barth ja um der Offenbarung willen aufgestellt, wenn audi nicht abgeleitet hat. Wir haben früher schon erwähnt, daß Rahner dabei in große Schwierigkeiten gerät. Denn ebenso wie ich von einem endlichen Guten auf ein absolutes Gute schließen kann, kann ich ja vom endlichen Bösen auf ein absolutes Böse schließen. Wir erinnern an das Zitat: „Ein unendlich gütiges Wesen vorausgesetzt ,ist es im Gegenteil äußerst wahrscheinlich, daß neben ihm und seinem gütigen Bemühen eine oder mehrere weitere Ursachen stehen, die mit ihrer vermutlich dummen und bösartigen Eigenart maßgebend mitverantwortlich sind." (cf. Kap. 6, 5) Insofern kommt also Rahner auch nur zur Behauptung eines Vorranges des Guten, so wie Barth. Und einige Kritiker der Scholastik (cf. ebda.) haben ja noch hinzugefügt, daß Rahner diese Behauptung, die er nicht beweisen kann, unbewußt der Offenbarung entnimmt. Wir hätten also

198

Kritischer Vergleich

lediglich den Unterschied, daß Barth bewußt und ausdrücklich das unternimmt, was Rahner unbewußt tut. Die Entscheidung für den Sieg des Guten fällt um der Offenbarung Gottes willen. In diesem Sinne haben wir audi die Analysen Rahners im ersten Teil beurteilt. Unser Vergleich wäre damit am Ende. Trotzdem will es uns scheinen, daß wir damit den Rahnerschen Versuch unterschätzen. Denn es sieht ja nun so aus, als sei in diesem Punkt wenigstens Barth der Überlegene, da Rahner nichts anderes tut als Barth, nur eben unbewußt, was in der Theorie ohne Zweifel eine Schwäche ist. Es ist klar, daß Rahner die Offenbarung nicht überflüssig machen will. Auch für ihn hängt entscheidend alles davon ab. Aber er will eben sehen, wie weit das Denken ohne Offenbarung kommt. Er will eben genau das, was Barth das philosophische Äquivalent nennt. Und er hält diesen seinen Weg für das Begreifen dessen, was mit der Offenbarung gemeint ist, für nützlich, um nicht zu sagen: unentbehrlich. Wir erlauben uns darum jetzt noch eine Andeutung, deren Ausführung uns von unserem eigentlichen Zweck abbringen würde. Es ist uns nämlich sehr die Frage, ob nicht der Rahnersatz, daß die menschliche Erkenntnis primär auf ein Ja, auf etwas Positives, eben auf Erkenntnis, also auf Wahrheit und nicht Irrtum geht —, angewandt auf den Satz vom Vorrang des Guten, mehr ergibt, als wir zunächst anzunehmen bereit waren. Es ließe sich vielleicht doch zeigen, daß das Gute das Böse fundiert, nicht aber umgekehrt. Ähnlich wie Scheler sagt, daß die Liebe den H a ß fundiert, nicht aber umgekehrt: „Immer aber gilt, daß der der Liebe gegenteilige Akt des Hasses erst eine Folge irgendwie unrichtiger oder verwirrter Liebe ist." (cf. Kap. 4, 3) So daß wir zuletzt vielleicht doch zu einem stärkeren und besseren philosophischen Äquivalent kämen. Zur Evidenz wohl nicht. Aber wo kommt man in der theologischen Theorie überhaupt zur Evidenz? In der Metaphysik muß man sich begnügen, starke Gründe zu haben und man hat eben alles gefunden, was darin gefunden werden kann, wenn man diese gefunden hat. Wie aus vernünftigen Überlegungen eine starke Überzeugung von dem Vorrang des Guten über das Böse wird, das, so will uns scheinen, liegt für metaphysische Nachforschungen zu tief oder zu hoch, wie man will.

Teil III GEWISSHEIT UND BEGREIFBARKEIT ALS PROBLEME DER DOGMATIK

Folgerungen Wir kommen zum Ziel unseres langen Unternehmens. Da es sich bei unserer Arbeit um eine dogmatische Studie handelt, darf niemand von ihr einzelne, neue historisch-kritische Einsichten erwarten, weder im Sinn der Schriftexegese, noch im Sinn der Theologiegeschichte. Da es uns um das Verstehen von zwei theologischen Entwürfen zu tun ist, die von zwei Dogmatikern vorgelegt und inzwischen mannigfach entwickelt und erprobt worden sind1, dürfen wir freilich erwarten, einige grundsätzliche Einsichten in die dogmatische Methode zu bekommen. Mit anderen Worten: Wenn es zwei so grundlegende und umfassende Arten gibt, von Gott Aussagen zu machen — und zwar mit dem Anspruch, im Bereich der Wissenschaft gehört und verstanden zu werden — dann stellt sich die Frage, was die eine von der anderen zu lernen hat. Und sollten die beiden zuletzt nichts miteinander zu tun haben, so wäre eben das zu erweisen und die entsprechenden Folgerungen daraus zu ziehen. Unsere Arbeit hat zwangsläufig auch einen kontroverstheologischen Aspekt, insofern Karl Rahner katholischer und Karl Barth evangelischer Theologe ist. Aber wir wollen im Rahmen dieser Untersuchung ja nur prüfen, was die beiden Theologen, aus welchen Traditionen sie auch immer stammen, für die theologisch-dogmatische Theorie leisten und nicht, was sie für das Selbstverständnis der beiden Kirchen leisten, denen sie angehören. Das letztere erfordert neue, weitläufige Fragestellungen, die vor allem auch historischer Natur sind 2 . Es mag wohl so sein, daß die dogmatische Theorie erst dann in ihrem hellsten Licht erscheint, wenn sie auch gründlich historisch verarbeitet ist. Aber wie will man 1

Aufs Ganze gesehen ist freilich die auf der einen Seite historische, auf der anderen philosophische Verlegenheit in der Theologie nicht kleiner geworden. Kein Wunder, wenn man dann die Waffen rationaler Reflexion und vernünftiger Argumentation streckt und sich bis auf weiteres der H o f f nung hingibt, daß uns von irgendwoher endlich doch eine neue Erfahrung kommen wird von dem, was Wahrheit und Geschichte heißt. So H . Schmidt in Kerygma und Dogma, 1963, 2, S. 100 f.

2

cf. von reformierter Seite G. C. Berkouwer katholischer Seite H. U. von Balthasar a.a.O.

a.a.O. und von

römisch-

202

Folgerungen

historisch ableiten und einordnen, wenn man nicht zuvor die Theorie für sich genommen und geprüft hat? In dieser Hinsicht einen Versuch zu machen, ist der bescheidene und einzige Zweck dieser Arbeit. Ferner machen wir noch einmal darauf aufmerksam, daß wir den existentiellen Glaubensvollzug, der hinter den Theorien unserer beiden Theologen steht, nicht im geringsten beurteilen wollen, weil wir ihn nicht beurteilen können. Es wird zuletzt jede theologische Aussage, viel erheblicher als alle anderen, von der inneren Beteiligung des Forschers abhängen. Aber diese Abhängigkeit liegt für die wissenschaftliche Nachforschung zu tief. Wir müssen uns mit weniger begnügen, um überhaupt etwas erreichen zu können. Mit Recht hebt Wingren hervor: „Die Wissenschaft ruht auf objektiver Beweisführung in dem Sinne, daß man nicht auf etwas hinweist, das nicht von jedermann beobachtet oder eingesehen werden könnte 3 ." Wir haben um so mehr Grund, diesen Weg einzuschlagen, als wir es mit zwei Theologen zu tun haben, denen ausdrücklich alles an dieser inneren Beteiligung liegt. Insofern treiben sie uns gerade in die Richtung, in der man nicht nach dem praktischen Vollzug, sondern nach den theoretischen Gründen fragt, mit denen theologische Aussagen gerechtfertigt werden. Von hier aus läßt sich leicht einsehen, wie wir grundsätzlich im folgenden verfahren wollen. Das theoretische Interesse an einer jeden angeblich wahren Aussage, die zum Zweck einer allgemeinen Verständigung in Sätzen mitgeteilt wird, geht in jedem Fall in eine doppelte Richtung. Wenn mir ζ. B. einer sagt: „Morgen wird schönes Wetter sein" — so muß vor allem Ärger oder aller Freude darüber geklärt sein, was unter der Aussage „schönes Wetter" zu verstehen ist und wie ich mich einer solchen Aussage vergewissern kann. Selbstverständlich kann ich mich für einen privaten Zweck mit einem privaten Verständnis und einer privaten Vergewisserung, etwa durch eine besondere Empfindlichkeit, zufrieden geben. Die Wissenschaft handelt aber nur von solchen Aussagen, die über das Private zum Zweck einer allgemeinen Verständigung hinausgehen. Insofern haben wir es im folgenden mit den beiden Fragen nach der allgemeinen Begreifbarkeit und nach der allgemeinen Gewißheit einer theologischen Aussage zu tun. In unserem Zusammenhang legen sich diese beiden Fragen noch aus einem anderen Grunde besonders nahe. Schon ein flüchtiger Blick auf die beiden hier erörterten Theologen läßt erkennen, daß die OFFENBARUNGSTHEOLOGIE Barths auffällig interessiert ist an der Frage der Ge3

G. W i n g r e n : Die Methodenfrage der Theologie, Göttingen 1957, S. 150.

Folgerungen

203

wißheit theologischer Aussagen: Was nicht von Gott offenbart ist, können wir auch nicht wissen. Anders Rahner. Seiner TRANSZENDENTALTHEOLOGIE kommt viel mehr darauf an, einzusehen, welches die Bedingungen der Möglichkeit sind, eine theologische Aussage überhaupt zu begreifen 4 . So zieht der offenbarungstheologische Protest Barths seine Kraft aus der Einsicht, daß es jeder transzendentaltheologischen Aussage erheblich an Gewißheit fehlt. Umgekehrt zieht Rahner seine Kraft der Argumentation aus der Einsicht, daß jede theologisdie Aussage im Raum vernünftigen, d. h. allgemeinverständlichen oder auch philosophischen Denkens zu stehen kommt, wenn sie denn überhaupt begriffen werden soll. Wir wenden uns im folgenden Kapitel zuerst der Frage nach der Gewißheit zu.

4

Dazu immer noch lesenswert: A. Nygren: Die Gültigkeit der religiösen Erfahrung, Gütersloh o. J. „Die transzendentale Deduktion der Religion" muß versucht werden, cf. bes. S. 52 ff. — Dagegen C.Stange: Religion als Erfahrung, Gütersloh 1919. — Bei Barth und dem Neuprotestantismus ganz allgemein ist die transzendentale Fragestellung nur noch versteckt vorhanden. Der römische Katholizismus scheint das theologisdie Erbe des Deutschen Idealismus allein übernommen zu haben, cf. dazu J. Maredial, De Lubac, K. Rahner in Bezug auf das Problem „Natur und Gnade" bei Balthasar, a.a.O., S. 303 ff. Die extrem antimetaphysischen Reflexionspositionen, in die sich der Protestantismus im Zuge des mit F. Ebner und M. Buber aufkommenden sog. Dialogischen Personalismus verstiegen hat — ζ. Β. E. Brunner und F. Gogarten — hat dazu geführt, „daß man auf katholischer Seite mit Vorsicht und Zurückhaltung zu Werke geht". Man läßt sich auf den Dialogischen Personalismus allenfalls „auf metaphysischer Grundlage" ein. Dazu B. Langemeyer, Der dialogische Personalismus, Paderborn 1963, bes. S. 193 ff.

IV. K r i t i s c h e r Kapitel

13: Die Gewißheit

Ausblick

der theologischen

Aussage

Das Maß der Gewißheit eines theologischen Satzes interessiert uns hier nicht in praktischer, sondern in theoretischer Hinsicht. Unsere Bestimmung soll so weit gehen, aber nur so weit, als sie wissenschaftliche Gültigkeit, d. h. aber nichts anderes als Allgemeingültigkeit beanspruchen darf. Wir wollen die Aussagen unserer beiden Theologen jetzt auf ihre Gewißheit, später auf ihre Begreifbarkeit prüfen, aber nicht in einem theologischen Sonderbereich, in welchem die allgemeinen Gewißheitsregeln und Verstandesregeln keine Geltung haben. Wir suchen keine „sturmfreie Zone", in der der Glaubende überschwenglich von seinem Glauben reden kann und der Nicht-Glaubende schweigen muß. Wir bescheiden uns mit einem Bereich, in dem jedermann verstehen kann, was gemeint ist, wenn er sich nur die Mühe macht, die Überlegungen nachzuvollziehen, ganz gleich, ob er dann zuletzt zustimmt oder ablehnt. Wir sind auf den Einwand gefaßt, man solle sich an der „Gnade Christi" einfältig genug sein lassen und nicht nach solchen theologischen Erkenntnissen forschen, die zuletzt womöglich alles in der Schwebe lassen. Wir haben darauf nichts Besseres zu antworten, als was Schelling einmal geantwortet hat: „Ferner sollten solche wenigstens nicht für andere maßgeben wollen, und bedenken, daß das Christentum auch für andere in der Welt ist, die nun einmal so geartet sind, daß ihnen Erkennen und Begreifen über alles geht und daß sie selbst zu einer unbegriffenen Gnade kein Herz fassen können, ferner, daß das Christentum nicht bloß von einzelnen erkannt sein will, daß es Anspruch auf allgemeine Anerkennung macht, die ihm nur auf dem Wege der Wissenschaft zu Teil werden kann, denn wissenschaftlich klare Einsicht allein ist es, welche die verschieden geartetsten Menschen zusammenbringt und vereinigt 5 ." Es ist uns klar, daß dieser Satz der Einschränkung bedarf, weil es auch andere Formen der Verständigung — oder wie man heute lieber sagt: der Kommunikation — gibt, die womöglich tiefer reichen als die wissenschaftlich-theoretische. Aber wir wollen hier nur wissen, wie weit 5

Schelling, a.a.O., S. 6 2 6 .

Die Gewißheit der theologischen Aussage

205

die letztere reicht und stellen uns ganz bewußt in „die große und lange Tradition derer, für die sich W a h r h e i t . . . in der Schau theoretischen Erkennens zeigt" 8 . Bestimmt erfassen wir auf diesem Wege nur die rationale Außenseite des christlichen Glaubens, nämlich das, was sich in Verstand auflösen läßt. Aber das ist schon sehr viel und kann nur den enttäuschen, der mit Theorie überhaupt nichts anzufangen weiß und sich einfach an dem praktischen Vollzug und tätigen Umgang des Glaubens genug sein läßt. Sollte aber jemand einwenden, gerade das letzte ist die Art, wie der christliche Glaube in die Welt gekommen und vor ihm schon der hebräische, so hat man sich schon u. E. mit diesem allerersten Satz zur Theorie erhoben oder, wenn man will, ist zu ihr herabgesunken, und es ist nicht mehr die Frage, ob einer eine Theorie hat, sondern nur noch: welche7. 1. Wenden wir uns nach dieser Vorbemerkung nun mit unserer Frage nach der Gewißheit an die beiden hier verhandelten Theologen. Wir konnten zunächst feststellen, daß die wenigen Aussagen Rahners, die wir geprüft haben, alle denkbar, d. h. denkmöglich sind. Sie sind also weder undenkbar noch denknotwendig. Sie sind nicht absurd und auch nicht selbstverständlich. Wir haben gesehen, wie Rahner mit diesem Problem der bloßen Möglichkeit der theologischen Aussagen ständig gerungen hat, wie diesem Ringen der Satz entsprang: „Die tiefsten Wahrheiten sind auch die freiesten", und wie er doch immer wieder den Versuch unternahm, vom bloß Möglichen zum Notwendigen zu gelangen. Wir können nun am Ende unseres langen Weges zweierlei dazu feststellen. Die Sätze von Gott, die Rahner aufgestellt hat, können widerlegt werden. Nicht in dem Sinne, daß man sich der Antworten (Gott ist Grund — Gott ist Wille — Gott ist Liebe) auf die gestellten Fragen enthält. Das wäre Skeptizismus, der sidi zuletzt nur selbst widerspricht und immer über sich selbst hinausweisen wird. Und bloß eine Spielart davon wäre auch jener Agnostizismus, der jede Theorie verschmäht, insbesondere jene für ihn so frostigen und unheimlich abstrakten Sätze der Metaphysik — mit denen der Skeptiker ja immerhin noch spielt —, um sich Hals über Kopf in die Praxis zu stürzen, nicht bemerkend, daß auch das schon wieder eine Theorie voraussetzt. 6

M. Theunissen, a.a.O., S. 166.

7

Damit ist freilich das grundsätzliche Problem von Theorie und Praxis nur angedeutet, cf. dazu die sehr interessanten Erwägungen von J . H a b e r m a s : Theorie und Praxis — über politische Philosophie, a.a.O., bes. S. 231 ff.

206

Kritischer Ausblick

Von dieser Seite ist kein Widerspruch zu fürchten, da man nichts mehr miteinander zu reden hat. Widerlegt werden können Rahners Sätze und, wie wir gezeigt haben, auch Barths, insofern sie nichts anderes aussagen, nur so, daß man eine andere Antwort auf die gestellte Frage gibt. Und das war in der Tat möglich. Ein theologischer Satz ist ein solcher, dem widersprochen werden kann. Wir sind damit von einer anderen Seite zur Bestätigung dessen gekommen, was Schelling meint, wenn er sagt: „Dogma ist nur, was einen Gegensatz hat. Die Lehren der Mathematik, der reinen Vernunftwissenschaften überhaupt, die keinen Gegensatz kennen, apodiktische Wahrheiten sind keine Dogmen 8 ." Wir haben also festgestellt: Die theologischen Aussagen sind widerlegbar in dem Sinn, daß man nicht nichts, sondern etwas anderes an ihre Stelle setzt. Wir müssen gleich hinzufügen: Die theologischen Aussagen sind nicht notwendig widerlegbar. An diesem Zusatz liegt sehr viel. Denn wären sie notwendig widerlegbar, so wären sie sinnlos. Ein redlich denkender Mensch müßte ihnen widersprechen. Man kann unter keinen Umständen sinnlose Redensarten als Wahrheiten ausgeben. Sinnlos aber wäre eine Redensart, bei der ich überhaupt nicht verstehe, was gemeint ist. Die Widerlegung bestünde darin, daß ich Sätze aufstelle, die allgemein verständlich sind, was nicht bedeutet, daß jedermann sie akzeptieren muß. Sinnlos aber wären auch Redensarten, die einen Widerspruch im strengen Sinn enthalten. Zwei Urteile, von denen das eine bejaht, was das andere verneint, können nicht beide wahr sein 9 . „Schon Aristoteles hat gesehen und mit großartiger Deutlichkeit ausgesprochen, daß, wenn der ausgeschlossene Widerspruch auch nur in einem einzigen Falle nicht ausgeschlossen ist, alles zugelassen werden muß. Dann aber hat es überhaupt keinen Sinn mehr, in irgendeinem Felde der Wahrheit nachzuforschen 10 ." Nebenbei gesagt, sehen wir allein von hier aus eine Möglichkeit, die neuerdings stattfindende Diskussion um die „Aussagbarkeit Gottes" sinnvoll weiterzuführen 11 . Man beachte wohl, daß wir nicht sagen: Widersprüche sind ausgeschlossen. Selbstverständlich können solche auftreten und werden es immer wieder. Aber sie treten für unser Denken nicht dazu auf, daß Schelling, a.a.O., S. 351. ' J . Hessen: Lehrbuch der Philosophie, Band I, S. 96. 10 H . Scholz in Zwischen den Zeiten, 1931, S . 4 0 f . 1 1 cf. dazu: H . Gollwitzer: Die Existenz Gottes (dort auch einschlägige Literatur) und jetzt mit behutsamen, aber treffenden Einwänden C . H . R a t schow, Gott existiert, Berlin 1966, bes. S. 78 ff. 8

Die Gewißheit der theologischen Aussage

207

sie hingenommen werden in irgendeinem sacrificium intellectus. Widersprüche sind dazu da, daß sie überwunden werden. Die Kunst des Möglichen, wenn es erlaubt ist, diesen Satz aus der Politik auf die Metaphysik zu übertragen, hat sich vor nichts so zu fürchten, wie vor dem Spiel mit dem „Paradoxen", wie die Theologen gerne sagen. Denn lassen wir das zu, dann lassen wir alles zu und können uns die Mühe sparen, miteinander zu reden. Unser Satz von der möglichen Widerlegbarkeit eines jeden Dogmas ( = theologische Aussage) durch ein Gegendogma entspricht genau dem, was der bedeutende protestantische Religionsphilosoph H. Sdiolz im Ansdiluß an den Philosophen Lotze sagt: „Wer von der Philosophie eine endgültige Beurteilung des Wahrheitsanspruches der Religion, also entweder einen Beweis oder eine Widerlegung desselben im Sinne der exakten Wissenschaft erwartet, wird freilich auf die Erörterung der Wahrheitsfrage verzichten müssen. Denn es ist ganz ausgeschlossen, daß die Philosophie, solange sie sich ihrer mühsam erprobten Methoden bedient, imstande ist, hier irgendetwas Endgültiges zu erreichen. Dies wäre vielmehr eine Wahrheit von jener transzendenten Art, die nach einem treffenden Worte Lotzes, den Erzengeln im Himmel imponieren müßte. Eine solche Wahrheit mag etwas Erhabenes sein, für uns irdische Menschen kommt sie nicht in Betracht... Aber wenn auch die Philosophie auf diesem Gebiet weniger als auf irgendeinem anderen erwarten kann, etwas schlechthin Endgültiges zu ermitteln, so kann sie doch imstande sein, zu motivierten Wahrscheinlichkeitsurteilen nach der einen oder anderen Seite hin zu gelangen. Und an solchen motivierten Wahrscheinlichkeitsurteilen ist bei der gekennzeichneten Lage allerdings ganz außerordentlich viel gelegen... Eine Philosophie (und Theologie), die Regeln aufstellt, welche uns das Suchen nach Wahrscheinlichkeitsurteilen und damit die einzig mögliche Erörterung von Lebens- und Menschheitsfragen verbietet, weiß entweder nicht, was sie tut, oder sie treibt mit sich selber Spott. Es ist ein Zeichen von philosophischem Instinkt, sich von einer solchen Philosophie nicht imponieren zu lassen, sondern trotzdem ans Werk zu gehen12." Wie schwierig diese Aufgabe des metaphysischen Denkens ist, insbesondere wie ärgerlich für den, der überzeugt ist, aber nun um der Verständigung mit dem Andersdenkenden willen vom hohen Thron seiner Gewißheit heruntersteigen und sich im weiten Feld des Denkmöglichen 12

H.Scholz: Religionsphilosophie, Berlin 1921, S. 369 f.

208

Kritischer Ausblick

herumschlagen muß — das zeigt sehr eindrücklich Karl Heim in seinem großen Werk über die Glaubensgewißheit. „Zuletzt bleiben mehrere Möglichkeiten der Stellungnahme." Das ist genau das, was wir mit dem Dogma und seinen möglichen Gegendogmen im Ansdiluß an Schelling zum Ausdruck gebracht haben. Wir müssen Heim nach allem Gesagten audi zustimmen, wenn er hinzufügt: „Diese Frage nach dem Wie der letzten Entscheidung (nämlich für oder gegen ein Dogma) läßt sich nicht mehr vom Standpunkt einer vornehmen wissenschaftlichen Neutralität aus beantworten." Das entspricht genau dem, was wir die innere Beteiligung des Forschers genannt haben. Dann aber zieht Heim daraus eine Folgerung, die sehr nahe liegt, die aber dennoch voreilig ist: „Wir stoßen hier also (sc. bei der Beurteilung eines theologischen Satzes wie ζ. B. Gott ist Wille — oder Gott ist Liebe) auf eine letzte Urentscheidung, die keinen Anhaltspunkt in der gegenständlichen Sachlage selbst h a t . . . Es ist kein theoretischer Anhaltspunkt für die Entscheidung zwischen Bejahung und Verneinung vorhanden, beide sind ja theoretisch gleich möglich... Daß ich in diesem Augenblick im J a stehe, obwohl theoretisch betrachtet das Nein ebenso gut möglich ist, daß ich also über dem Abgrund der entgegengesetzten Möglichkeiten schwebe, ohne hinunterzustürzen, das kann nur kraft des Nichtgegenständlichen zustande gekommen sein... Die letzte Setzung erscheint also von außen gesehen als Willkür, von innen gesehen aber als sinnvolle Notwendigkeit... Wer sich darauf stellt, tritt ins Leere 1 3 ." Wir sagten, diese Folgerung ist voreilig. Sie ist nicht falsch. Irgenwann wird der so oder anders Glaubende sie ziehen müssen, wenn er denn Überzeugungen und nicht bloß Vermutungen ausspricht. Irgendwann ist er am Ende mit seinen Argumenten, die immer mit Gegenständlichem zu tun haben. Über Nichtgegenständliches läßt sich nicht streiten. Er wird sich dann auf die göttliche Gnade oder Ungnade berufen, die immer eine Leerstelle im Bereich menschlichen Denkens bezeichnet. Aber bis dahin ist ein weiter Weg, und Rahner hat u. E. gezeigt, daß noch eine Menge zu tun ist in der Anstrengung des Begriffes, bis das Denken und vernünftige Argumentieren sich selbst aufgibt, um sich ganz der Gnade Gottes anheimzustellen. Wir konnten nicht finden, daß seine Sätze willkürlich aufgestellt und zusammengestellt wurden. Man muß lange suchen, ehe man einen modernen Theologen findet, der mit gleicher Sorgfalt seine Argumente prüft. Aber ein solches mühsames Suchen nach Argumenten wäre ja ganz sinnlos, wenn man immer schon vorher weiß, daß alles auf Willkür hinausläuft. Das große 13

K . H e i m : Glaubensgewißheit, 3. Aufl., Leipzig 1923, S. 350 ff.

Die Gewißheit der theologischen Aussage

209

und für die Theologie immer bleibende Anliegen der transzendentaltheologischen Überlegungen Rahners besteht gerade darin, den Mensdien zu zeigen, daß theologische Aussagen im Bereich der Theorie nicht bloß willkürliche Belanglosigkeiten sind, über die man sich nicht verständigen kann, sondern ernsthafte Versuche, sich im Denken zu orientieren, und nicht gleich von vorneherein alles auf das fromme Gemütsleben oder religiöse Erlebnis oder auf Offenbarung abzuschieben. Die wenigen Sätze, die wir geprüft haben, sind nicht Sonderfälle, sondern Beispiele für theologisch-dogmatische Sätze überhaupt. Jedenfalls wollen wir sie so ansehen, bis das Gegenteil erwiesen ist. Und wenn wir von ihnen aussagen, daß sie möglich sind, so sagen wir damit zugleich aus, daß entsprechende Gegen-Sätze auch möglich sind. Aber damit hört die Auseinandersetzung nicht auf, sondern sie fängt erst an. Der Gegen-Satz fordert die Argumentation ja heraus. Über das Notwendige läßt sich nicht diskutieren. Im metaphysischen Bereich des Möglichen wurzeln alle Beweise, die in der Theologie versucht worden sind. Sollte sich erweisen lassen, daß die theologischen Sätze keine ernsthaften Möglichkeiten einer umfassenden 'Weltorientierung enthalten, sondern allenfalls nur ganz zufällige und belanglose Willkürlichkeiten oder selbstverständliche Notwendigkeiten, dann wäre damit erwiesen, daß dogmatisch-theologische Erkenntnis sinnlos oder überflüssig ist. In der neueren theologischen Forschung, insofern sie nicht bloß historische sein will, spielt die Redeweise eine große Rolle, daß theologische Sätze, die doch wie alle anderen Anspruch auf Wahrheit erheben, „keinem Menschen andemonstriert werden können" 1 4 . Wenn darunter zu verstehen ist, daß Gott den Glauben schafft und nicht unsere klugen Argumente, so kommen darin wohl alle Theologen überein, ja nicht nur diese, und man hat etwas Richtiges gesagt, ohne jedoch zu erklären, warum die Theologen dann noch argumentieren, und zwar nicht bloß historisch-kritisch. Soll damit gemeint sein, daß für theologische Sätze keine apodiktische Gewißheit zu erreichen ist, daß sie beweisbar, aber nicht zwingend beweisbar sind, so liefert unsere Untersuchung ein Beispiel dafür. Soll der Satz aber besagen, daß der Theologe das theoretisch-metaphysische Argumentieren überhaupt aufgeben soll, da sich seine Wahrheiten nicht beweisen, sondern nur verkündigen lassen, so bestreitet man der Theologie grundsätzlich das Recht, eine eigenständige Wissenschaft zu sein. Denn das Geschäft der Predigt 14

R . Bultmann, Glauben und Verstehen, Band II, Tübingen 1961, S. 9 9 ff.

14 B r o w a r z i k , Glauben und Denken

210

Kritischer Ausblick

ist nicht das Geschäft der Wissenschaft. Das hat A. v. Harnack ganz zu Anfang der sog. Dialektischen Theologie treffend zum Ausdruck gebracht: „Es gibt und hat immer gegeben 1. eine charismatische Theologie von innen, bei der der Theologe, vom Standpunkt des Gläubigen aus redend, für seine Wahrheit auf deren innere Überzeugungskraft rechnet und niemals von dem Bewußtsein verlassen ist, daß er nur unter dem Beistand des Geistes Gottes Theologie auszusagen vermag, daß seine Arbeit also eine charismatisch bedingte ist. Diese Art von Theologie ist gewiß von Paulus begründet, kann aber niemals weder kirchliche noch wissenschaftliche Theologie werden. Sie ist Bekenntnis und Predigt. Sie ist also nicht Gemeinschaft bildend. (Anm. des Verf.: Dieser Zusatz ist mir nicht verständlich.) 2. Eine Theologie von außen. Sie stellt die betreffende Religion (bzw. ihre Glaubenssätze) in den Kreis der übrigen Erkenntnisobjekte und beschreibt ihre Wirklichkeit und Wahrheit nach allgemeingültigen, geschichtlichen, psychologischen und theoretischen E r kenntnisprinzipien. Ihre Väter sind die Apologeten des 2. Jahrhunderts und sie und nur sie ist gemeinschaftsbildend, kann kirchlich und wissenschaftlich werden. Man mag das beklagen, weil das Unzureichende einer solchen Theologie offenbar ist. Aber niemand vermag das zu ändern und wer es versucht, der scheitert und verwirrt die Theologie. An der Predigt hat er seine Aufgabe 1 5 ." Uns will darüber hinaus noch scheinen, daß der predigende Praktiker und der argumentierende Theoretiker ganz ähnliche Schwierigkeiten ständig zu überwinden haben, wenn ihre Arbeit glaubwürdig bleiben soll. Denn so wie der eine Gefahr läuft, überheblich anzudemonstrieren, so gerät der andere in die Versuchung, überheblich anzupredigen. 2. Blicken wir auf Barth, und zwar jetzt nur in Bezug auf die Gewißheit seiner Sätze. Wir haben ja wiederholt darauf hingewiesen, daß diese Sätze, die alle wesentliche theologische Aussagen enthalten, inhaltlich mit denen Rahners übereinstimmen. Die Differenz, die wir bei der Herleitung der einzelnen Sätze festgestellt haben, wird uns im letzten Kapitel beschäftigen. Wie steht es mit dem Maß und der Art der Gewißheit? Wir finden unsere beiden Theologen in der besten Übereinstimmung, was ihre Absicht betrifft. Denn beide wollen der ganzen und vollen Glaubensgewißheit im Bereich der theologischen Wissenschaft Rechnung tragen, so gut es geht. Rahner konnte nur darum so weit 15

A. v. Harnack in: Die Entstehung der christlichen Theologie und des kirchlichen Dogmas 1927, zit. bei Barth K D I, 1, S. 22.

Die Gewißheit der theologischen Aussage

211

gehen und von Notwendigkeiten sprechen, obgleich es sich für ein kritisches Denken lediglich um wohlbegründete Möglichkeiten handelt. Insofern Barth das gleiche unternommen hat, nämlich metaphysische Spekulationen über das Wesen Gottes als göttlicher Grund — Wille und Liebe (die wir, um es noch einmal zu sagen, als unerläßliche Versuche einer Orientierung des Glaubens im Denken begreifen), trifft ihn das gleiche Urteil wie Rahner. Wir müssen lediglich hinzufügen, daß die begriffliche Operation bei Rahner sorgfältiger durchgeführt wird. Dieser Mangel bei Barth aber rührt daher, daß er in seine dogmatisch-metaphysischen Überlegungen fortwährend noch soldie einschaltet, die ganz anderer Art sind, um so einen neuen Versuch zu machen, zu größerer Gewißheit zu kommen. Wir werden gleich sehen, was er dabei erreicht. Zuvor aber müssen wir noch einen anderen Punkt der Übereinstimmung nennen, der für das Folgende wichtig ist. Ist der Inhalt des christlichen Glaubens, wie er in einzelnen theologischen Sätzen zum Ausdruck gebracht wird, zwar denkmöglich und in diesem Sinne also glaubhaft, aber nicht denknotwendig, weil nicht zwingend beweisbar — und ist es andrerseits wahr, „daß die Glaubensüberzeugung das absolute, über jede Meßbarkeit erhabene, Maximum der Gewißheit für sich in Anspruch nehmen muß", andernfalls sie ja als Kleinglaube in den Verdacht des Ungehorsams oder der Untreue käme — dann liegt es doch eben sehr nahe, die Gewißheit, die die denkende Überlegung nicht gibt, in dem unmittelbaren Erlebnis der göttlichen Gegenwart zu suchen16. „Wer Gott nicht fühlt in sich und allen Lebenskreisen, dem werdet ihr ihn nicht beweisen mit Beweisen." (cf. ebda.) Vielleicht ist keine Aufgabe in der Theologie so schwierig und zugleich so grundlegend wie die, zu zeigen, daß dieser Satz wahr, d. h. nicht sinnlos ist, indem er den höchsten Ausdruck der Glaubensgewißheit enthält, aber zugleich gänzlich unzureichend, indem er den schwächsten Ausdruck für die Glaubenswahrheit darstellt. Jede große Entdeckung auf dem weiten Feld der menschlichen Wahrheitsforschung war ja gewiß mit einem großen Erlebnis oder Gefühl verbunden. Und nicht selten haben sich bedeutende Forscher bei der Entdeckung einer ganz abstrakten Formel, durch die größere Klarheit in die menschliche Erkenntnis kam, Gott näher gefühlt als beim Anhören einer leidenschaftlichen Predigt 1 7 . Und wie viel Unsinn 18

K. Heim, a.a.O., S. 38 — dazu Scholz, a.a.O., S. 402.

17

Eindrucksvoll A. Speiser, Die geistige Arbeit, Stuttgart 1955 — cf. S. 73 — 76 f. — 41 ff.

14»

212

Kritischer Ausblick

und Aberglaube hat sich auf der anderen Seite mit dem erhabenen Gefühl des Göttlichen verbunden. Wieviel Phantasterei ist als göttliche Offenbarung ausgegeben worden, so daß man es keinem verdenken kann, wenn er „allen Realbehauptungen, die nur auf subjektiven Evidenzgefühlen aufruhen, grundsätzlich mißtraut" 1 8 . Soweit das Problem des Evidenzgefühles unsere Arbeit berührt, müssen wir zwei Feststellungen machen. Einmal hätten wir die dogmatischen Sätze unserer beiden Theologen gar nicht vergleichen können, wenn sie nicht ganz unabhängig von der persönlichen Glaubensgewißheit noch eine Bedeutung hätten. Unser Vergleich beruhte auf Argumenten und nicht auf Gefühlen. Und wir können uns einen Vergleich von Sätzen, die wahr sein wollen, auch gar nicht anders denken. Barth selbst mußte ja zugeben, daß die NichtWürdigkeit der Welt für Schopenhauer ebenso evident war, wie ihre Vortrefflichkeit für Leibniz. Und er selbst hat grundsätzlich so wie Rahner darauf nicht entgegnet, daß man sich in solchen Fällen auf ein höchst privates Evidenzgefühl zurückziehen muß. Er wollte mehr, auch auf die Gefahr hin, daß es in anderer Hinsidit weniger ist 19 . Und damit ist das zweite grundsätzlichere schon angedeutet. Die transzendentale Frage Rahners und die offenbarungstheologische Barths stimmen darin überein, daß das persönliche Erlebnis oder die persönliche Erleuchtung oder audi das unmittelbare Evidenzgefühl für das Verfahren der theologischen Argumentation ausfällt. Das kann aber doch nur bedeuten, daß dergleichen für die Theorie unbrauchbar ist, welch große Bedeutung es audi immer für die Praxis haben mag. In einem sehr frühen Brief an Heim bringt Barth das sehr deutlich zum Ausdruck: „Ich möchte wohl wissen, warum es verboten sein soll, gerade an der entscheidendsten Stelle der Dogmatik, in der Frage der Selbstgewißheit, Ernst zu machen mit dem Satz: Der individuelle, subjektive Besitz erschließt sich dem Glauben gerade in seiner überindividuellen Transsubjektivität 2 0 ." Freilich wäre es ungerecht, wenn wir die große Tradition der Erlebnistheologie hier einfach mit ein paar vagen Behauptungen abtun würden. Es liegt uns jetzt lediglich daran, das Hauptargument zu nennen, das unsere beiden Theologen gegen dieses Verfahren auf ganz verschiedenen Wegen gewonnen haben: Erlebnistheologie insofern sie zuletzt auf eine nicht mehr allgemeinverständlidie, 18 19

20

Scholz, a.a.O., S. 397. D a z u jetzt W. Kamiah mit P. Lorenzen: Logische Propädeutik, Hochsdiulbibliothek 1967, S. 52. K . B a r t h in Zwischen den Zeiten 1931, S. 433.

Die Gewißheit der theologischen Aussage

213

rein subjektive, vielleicht mystische Vergewisserung hinausläuft, wird dem hohen, nämlich objektiven, wissenschaftlichen Anspruch der Glaubenswahrheit nicht gerecht. Im einzelnen ist die Beurteilung der Mystik bei Rahner und bei Barth verschieden. Wir haben angedeutet, daß Rahner sie positiver einschätzt als Barth 2 1 . Im Grundsätzlichen aber ist die Haltung der beiden kritisch und stimmt mit dem überein, was Schelling so formuliert: „Inwiefern die mystische Theologie auf das Innere der Sache selbst ging, stand sie allerdings über den beiden anderen (sc. der rationalen, metaphysischen und der historischen) — aber teils suchte sie dieses Innere selbst nicht auf dem Wege klarer, wissenschaftlicher Erkenntnis, sondern mehr auf dem Wege einer zufälligen Erleuchtung unter den Einflüssen eines fromm erregten, aber seiner selbst nicht mächtigen Gefühls, dessen Äußerungen, anstatt objektiv erklärend, das Innere aufschließend, vielmehr selbst mystisch, d. h. unklar und wenigstens nicht allgemein überzeugend waren, andernteils wurde von der mystischen Theologie die äußere und geschichtliche Seite der Untersuchung zu sehr vernachlässigt. Es war, als ob sie den Inhalt der Offenbarung rein aus innerer Erleuchtung ohne alles äußere Mittel hervorbringen wollte. Allein das Christentum ist unmittelbar und zunächst eine Tatsache, die wie jede andere rein geschichtlich ausgemittelt werden muß 2 2 ." 3. Wir haben nun also noch zu fragen, was Barth über Rahner hinaus für eine besondere Art der Gewißheit für die theologisdien Aussagen erreicht. Diese Gewißheitsart hängt ganz bestimmt mit der Eigentümlichkeit der Barthschen Argumentationen zusammen, bei der die streng metaphysisch-dogmatische Überlegung, auf die sich Rahner konzentriert, ständig unterbrochen wird. Diese Gewißheitsart interessiert uns hier nur, insofern sie den Bedingungen einer theoretischen Vergewisserung entspricht: Es soll eine allgemeinverständliche und eine allgemeinverbindliche Gewißheitsart sein, über die man sich auch mit Andersglaubenden verständigen kann. Sie wird dem entsprechen müssen, was wir die vernünftige Möglichkeit des Dogmas genannt haben. Und in der T a t haben wir eine solche zweite, eigenständige Vergewisserungsart gefunden, die nicht nur für einzelne, sondern für alle theologischen Aussagen gelten muß, insofern sie spezifisch christliche sein wollen und nicht bloß allge"

cf. Rahner, Schriften Band V, S. 51 ff. — Zu Barth cf. auch W . v. Loewenich, a.a.O., S. 254 — ferner ders. treffend gegen E. Brunners: Die Mystik und das W o r t , ebda. S. 330.

22

Sdielling, a.a.O., S. 425.

214

Kritischer Ausblick

meinmensdilidie, unter dem zufälligen Deckmantel des Christlichen. Diese andere Art der Gewißheit ist die historische. Es gibt also mindestens diese zwei, die metaphysische oder dogmatische und die historische, die für die Wissenschaft in Frage kommen. Die subjektiv-private scheidet aus. Rahner hat einen Weg gezeigt, auf dem sich die vernünftige Wahrheit des christlichen Glaubens einsehen läßt, wenn nur die eine Voraussetzung gilt, daß es überhaupt theologische Wahrheit gibt, die mit den Mitteln unseres Denkens erweisbar, wenn audi nicht zwingend beweisbar ist. Und es ist die spezifische Bedeutung Barths, darauf aufmerksam gemacht zu haben, daß christliche Theologie sich selbst aufgibt und sich auflöst in allgemeine Vernunftwahrheiten, wenn sie ihr historisches Interesse aufgibt. Das, was für Rahner nur von ferne in den Blick kam, der „Ort der Offenbarung", auf den er ja immer bezogen blieb, ja dessen Möglichkeit er sogar erweisen wollte, das w a r gerade der Ausgangspunkt und ständige Bezugspunkt bei Barth: Das einmalige und unwiederholbare Ereignis der Offenbarung in Jesus Christus. Auch in dieser Hinsicht besteht zwischen unseren beiden Theologen kein Widerspruch, sondern Ergänzung. Und wenn Barth gelegentlich im Zorn des Widerspruches spricht, so kann er doch nicht die dogmatisch-metaphysischen Überlegungen meinen, die er ständig selbst mitvollzieht, sondern er kann nur den Mangel des historischen Bezuges auf Jesus Christus selbst meinen, der bei Rahner wie bei allen Metaphysikern latent bleibt. Wenn aber Offenbarungstheologie sich so gebunden weiß, nicht an die persönliche Erleuchtung, sondern an Jesus Christus, der zu einem bestimmten Zeitpunkt der Menschengeschichte gelebt hat und als solcher auch der maßgebende Zeuge der göttlichen Offenbarung geworden ist — so bedeutet das unabweisbar das Ingangkommen der historisch-kritischen Nachfrage. Wir wissen von Jesus Christus nur durch das historische Zeugnis anderer hindurch, niemals an ihnen vorbei auf dem Wege irgendeiner unmittelbaren Erleuchtung. Es gibt u. E. keine theologische Theorie, die im Grundsätzlichen der zentralen Bedeutung der Person und dem Leben Jesu gerechter geworden ist, als die offenbarungstheologische, wieviel Unklarheiten und Unzulänglichkeiten im einzelnen auch immer noch geblieben sind. Und es gibt darum auch keine theologische Theorie, die der praktischen Bedeutung Jesu Christi im Vollzug der An 1 betung und Verehrung näher gekommen ist, als diese. Freilich entstehen an dieser Stelle eine ganze Reihe nun eben nicht bloß historisch, sondern auch theologisch bedeutsamer Fragen, die die historisch-kritische Nachfrage betreffen. Genauer noch: Ihre allgemeingültige

Die Gewißheit der theologischen Aussage

215

und allgemeinverständliche Methode der Vergewisserung. W i r können in unserem Zusammenhang nicht einmal den Versuch machen, auch nur zu referieren, was die historische Erforschung der Jesusüberlieferung erreicht hat. I n der jüngsten Zeit ist man wieder etwas zuversichtlicher, was die Frage nach der historischen Erkenntnis Jesu betrifft 2 3 . Einer der führenden Forscher spricht sogar davon, daß die neutestamentliche Wissenschaft „zur historischen Darstellung des Auftretens Jesu und seiner Predigt gezwungen" ist. (cf. ebda.) Man fragt freilich verwundert, wie eine historische Wissenschaft, wie es die neutestamentliche doch sein muß, je etwas anderes als historische Darstellungen von historischen Ereignissen geliefert haben könnte. Sollte sie etwa zeitweise gepredigt und diese Predigt als Wissenschaft verstanden haben? G a n z so, wie die systematische Theologie in ihrem „dialektischen" Frühstadium nach dem Urteil von Harnack in Predigt ausgewichen sei? Oder hat die neutestamentliche Wissenschaft unter dem Vorwand, historische Forschung zu treiben, in Wahrheit Philosophie getrieben? M a n vergleiche nur dazu die scharfe K r i t i k an der neueren Bibelwissenschaft, insbesondere der deutschen, von J . B a r r : D i e Fühlung mit der modernen Linguistik sei verloren gegangen. I n der neu aufgekommenen sog. hermeneutischen Diskussion „hat man trotz der gelegentlichen Anspielungen auf linguistische Sachverhalte über philosophisch-theologische Probleme diskutiert". V o n bedeutenden Bibelforschern wie etwa Bultmann wird gesagt, er sei, wie Barth, „hauptsächlich an philosophisch-theologischen Problemen interessiert". U n d die Reihe der aus solcher philosophisch-theologischen Haltung hervorgegangenen falschen Sprach- und Textinterpretationen sei beträchtlich 2 4 . Das Hauptübel oder besser der Hauptmangel der Bibelwissenschaft aber ist u. E . gar nicht ihre vernachlässigte historische Fragestellung oder die unzureichende historische Methode. D a m i t befindet man sich j a so wie so immer auf dem Wege neuer Entdeckungen. D e r H a u p t mangel ist ein viel umfassenderer, der alle Wissenschaften betrifft, auch noch die naturwissenschaftlichen. E r besteht in der mangelnden Disziplin der wissenschaftlichen Rede. B a r r sagt im Blick auf die Bibel Wissenschaft: „Diese lose Redeweise kann einen mit Verzweiflung füllen. Welch ein cf. W. G. Kümmel in Theologische Rundschau 1966, 1, S. 15 δ. — H. Conzelmann in Zeitschrift für Theologie und Kirche 1959, Beiheft 1, S. 13. — Ferner den großen historischen Uberblick von W . G . K ü m m e l : Das Neue Testament, München 1958 (in Orbis Academicus) bes. S. 520 das abschließende Urteil. ** Barr, a.a.O., S. 274 ff. 23

216

Kritischer Ausblick

Jammer, daß die soziale Dimension der Sprache so vernachlässigt wird! Es klingt hart, ist aber berechtigt, wenn man sagt, daß die Kritik dieser aufgeblasenen Sprache der biblischen Theologie aufgrund des sozialen Sprachbewußtseins teilweise deswegen unterlassen wird, weil solche Kritik audi für die Behandlung der biblisdien Sprachen in derselben Schule verhängnisvoll wäre." (cf. ebda.) Umfassender und grundsätzlicher urteilt W. Kamiah und P. Lorenzen: „Woran es heute fehlt, ist nicht der geniale Einfall oder gar das avantgardistische Experiment — davon haben wir eher zu viel — sondern die Disziplin des Denkens und des Redens, die uns endlich ermöglichen würde, unsere hoffnungslos gegeneinander aufgefahrenen Standpunkte und Meinungen abzubauen und, in aller Ruhe sozusagen, miteinander, in vernünftigem Gespräch, einen neuen Anfang zu machen. Die Disziplinlosigkeit des monologischen Drauflosschreibens und Aneinandervorbeiredens in fast allen Bereichen nidit allein der Philosophie und der Wissenschaft, sondern auch der Literatur, der Kunstkritik, der Politik ist erschreckend, obwohl gerade dies von den Betroffenen meist gar nicht bemerkt wird, weil es Maßstäbe und Regeln des disziplinierten Dialogs nicht gibt. Sonst würden nicht mit so unbekümmerter Betriebsamkeit immer neue Tagungen, Gespräche, Begegnungen, Podiumsdiskussionen organisiert werden, in denen jeder wieder nur seine bereits mitgebrachte Munition abfeuert, wobei Prestigerücksichten die Verwirrung oft noch vermehren 25 ." Übrigens wären wir ganz in diesem Sinne froh, wenn es uns in dieser Arbeit gelingt, die zwischen katholischer und protestantischer dogmatischer Arbeit, hier zwischen Rahner und Barth mächtig aufgebauten Vorurteile dadurch abzubauen, daß wir die oft so verschieden lautenden und kompliziert aussehenden theologischen Sätze, die mitunter in lange Predigten eingewickelt sind, auf einfachere und gleichlautende zurückführen, wenn sie das gleiche bedeuten. 4. Aber kehren wir nach diesem kleinen Exkurs zu unserer Ausgangsfrage zurück. Erreicht Barth gegenüber Rahner eine größere Gewißheit dadurch, daß er seine theologischen Sätze „christologisch interpretiert", d. h. ständig mit Jesus Christus in Verbindung bringt? Wir wollen unsere Antwort in verschiedene Teile gliedern, weil ein einfaches J a oder Nein unzureichend wäre. Zunächst: Wenn es wahr ist, daß Gott sich in Jesus Christus offenbart hat, einmalig und ein für alle Mal (eph hapax) —, so daß alle Men25

Kamlah/Lorenzen, a.a.O., S. 11 f.

Die Gewißheit der theologischen Aussage

217

sehen vor und nach Christus, wollen sie ihr Verhältnis zu Gott bedenken, immer auf diesen Jesus von Nazareth angewiesen bleiben, so bleiben sie auch immer auf die historische Kunde von diesem Menschen und seinem Leben angewiesen. Diese Voraussetzung teilt Rahner mit Barth und mit der ganzen christlichen Kirche, wenn ihre Christusbekenntnisse ernst gemeint sind. Barth spricht, wie wir gehört haben, von der „Zeit der Erfüllung", im Unterschied zu den vorlaufenden Zeiten der Erwartung und den nachfolgenden Zeiten der Erinnerung. Rahner spricht von dem „Ort der Offenbarung" und meint das gleiche, nämlich endgültige und für alle Zeiten maßgebende Offenbarung Gottes in Jesus von N a z a reth. Gollwitzer nennt das neuerdings „Grundbescheid" und sagt ganz in dem gleichen Sinne: „Es ist die Eigentümlichkeit, die Rätselhaftigkeit, zugleich das Wesentliche und Unaufgebbare des christlichen Glaubens, daß er den Grundbescheid, an dem er sich festmacht, empfängt und vernimmt aus einem innergeschichtlichen Ereignis. Die damit gegebene Spannung zwischen der Universalität des Bescheides und der Partikularität des Ereignisses, zwischen der Beanspruchung einer universalen und prinzipiellen Bedeutung einerseits und der Zufälligkeit, Un-Notwendigkeit, Anzweifelbarkeit und Wegdenkbarkeit, die doch jedem innergeschichtlichen Ereignis eigen ist, andrerseits, ist der unerschöpfliche Stoff der Fragen, die dem christlichen Denken hier erwachsen 26 ." Damit ist freilich schon etwas mehr gesagt, als wir an dieser Stelle zunächst sagen wollen: Das kleine Büschel von Nachrichten über den historischen Jesus, „die kleine Anzeige dieses weltgeschichtlichen Nota Bene" 2 7 hat für die Vergewisserung der christlich-theologischen Aussage eine unerläßliche Bedeutung. Uns interessiert nun gar nicht, ob sich der eine daran ärgert, daß es sich so verhält, der andere sich wundert und ein dritter vielleicht sich dafür begeistert. Uns geht hier nur an, was für die allgemeine theologische Theorie der Vergewisserung dabei herauskommt, und zwar in wissenschaftlicher Absicht, d. h. in allgemeinverständlicher und allgemein nachprüfbarer Rede. Denn nur so weit wie diese reicht, soll unsere Untersuchung reichen. Und da ergibt sich grundsätzlich folgendes: Wenn es wahr ist, wie christliche Theologie unentwegt behauptet, „daß unser Wissen von Gott bestimmt ist durch das Wirken Gottes als Jesus von 20

H . Gollwitzer: Denken und Glauben, Stuttgart o. J., S. 133 —

ferner:

H . J. R o t h e r t , Gewißheit und Vergewisserung als theologisches Problem, Göttingen 1963, bes. S. 182, Anm. 76. 27

So Kierkegaard in Philosophische Brocken, zit. bei R o t h e r t , a.a.O., S. 186.

218

Kritischer Ausblick

Nazareth" 2 8 , dann ist es auch wahr, daß die metaphysischen Urteile des Dogmatikers ergänzungsbedürftig sind durch die historischen Urteile des Exegeten. Und so wie es für den Dogmatiker keine andere Methode der Verständigung gibt, nicht einmal unter Gleichgesonnenen, geschweige denn unter Andersdenkenden, als die vernünftige Rede, wie sie unter allen Philosophierenden geübt wird 2 9 — ebenso kann es im Bereich der Wissenschaft auch für den Exegeten der Heiligen Schrift keine andere Methode der Verständigung geben, als diejenige, die von Historikern bzw. Linguisten geübt wird. Angenommen nun den idealen Fall, der praktisch freilich nicht zu erreichen ist, da die theologische Wissenschaft, wie jede andere auch, unabgeschlossen ist, angenommen, daß alle dogmatischen Sätze, in denen von Gott Aussagen gemacht werden, auf historische Sätze, in denen von Jesus Aussagen gemadit werden, direkt oder indirekt zurückgeführt sind (wie die Offenbarungstheologie Barths es ja von Anfang an versucht) — was hätten wir für einen Grad der Gewißheit erreicht? In jedem aller möglichen Fälle wiederum nur bedingte, niemals unbedingte. Denn die historische Nachfrage erreicht ja in jedem Fall nur folgende Form von Antworten: Wenn es wahr ist, was der Zeuge Α oder Β von Jesus gesagt hat, dann ist es wahr, was Jesus gesagt hat. Was aber Jesus gesagt hat, ist wahr, weil es — dies als Axiom diristlidier Theologie — Gott gesagt hat. Ich erreiche also durch diese historische Rückfrage die größtmögliche und zugleich auch allgemein nachprüfbare Beziehung auf Jesus den Gotteszeugen, aber ich erreiche nicht die größtmögliche Gewißheit. Nennen wir Jesus den Primärzeugen und alle anderen die Sekundärzeugen, so erreiche ich Gewißheit bloß in der Einschränkung: Ich habe das Vertrauen, daß die Sekundärzeugen = Christuszeugen die Wahrheit sagen und sich nicht irren. Die Sorge, daß sie sich in diesem oder jenem Fall geirrt haben können, bleibt die ständige Begleiterin dieses Vertrauens 30 . Im Zeichen dieser Ungewißheit steht die theologische Wissenschaft wie jede andere, sowohl in ihrer dogmatisch-metaphysischen wie auch in ihrer historischen Abteilung. Aber wir können darin nicht bloß einen Nachteil sehen. Gewiß stirbt der Überzeugte u. U . für seinen Glauben und kümmert sich nur in den seltensten Fällen um historische oder 28

Ratschow, a.a.O., S. 69.

s>

cf. dazu Kamlah/Lorenzen, a.a.O.

30

P. Tillich, Systematische Theologie Band II, Stuttgart 1958, S. 1 1 9 : „Die Gewißheit des Glaubens schließt keine Gewißheit über Fragen der historischen Forschung ein." — P. Althaus, Das sog. Kerygma, Gütersloh 1958.

Die Gewißheit der theologischen Aussage

219

metaphysische (wir können auch einfach sagen: philosophische) Vergewisserung. Seine unmittelbare Gewißheit entsteht nicht durch Reflexionen oder doch nur in den allerseltensten Fällen. Die Menschen kommen durch die Predigt zum Glauben, wenn sie denn zum Glauben kommen und nicht durch die Hypothesen der Wissenschaft und Metaphysik. Der Bereich der Predigt liegt für die Wissenschaft in dem gleichen, dem rationalen Zugriff zuletzt entzogenen Halbdunkel wie die Kunst 3 1 . Das ist auch einer der wesentlichen Gründe, warum dem Gläubigen gar nicht so sehr an einer sauberen, logisch einwandfreien d. h. nicht widersprüchlichen Rede liegt, wenn er sich für seinen Glauben an die Öffentlichkeit wagt. Ihm liegt vielmehr alles an seinem, wie er sagt: glaubwürdigen, persönlichen Zeugnis. Ganz in dem Sinne wie Newman trefflich sich ausgedrückt hat: „Wenn die Menschen mit der Logik am Ende sind, werden sie persönlich." Alles das zugegeben — und wir haben damit u. E. sehr viel zugegeben und nebenbei auch noch einmal das Abgleiten unserer beiden Theologen, insbesondere Barths, in die Predigt nicht bloß zu verstehen, sondern auch zu rechtfertigen versucht — so hat die Glaubenswahrheit doch immer auch eine rationale Außenseite, nämlich eine metaphysische und eine historische. Und diese allein ist der Wissenschaft zugänglich, es sei denn man will eine Geheimwissenschaft lehren und damit eine einheitliche, allgemeingültige Konzeption von Wissenschaft zerstören. Will man das aber nicht — Barth hat es vielleicht am Anfang seines theologischen Denkens erwogen, Rahner hat es sicher nie gewollt — so wird man für das bei diesem Verfahren unvermeidliche Defizit an Gewißheit reichlich entschädigt durch das nur so erreichbare Höchstmaß an allgemeingültiger und allgemeinverbindlicher Rede. Das war wohl auch immer schon die treibende Kraft aller großen Metaphysiker, die ihre mächtigen Systeme nicht aufgebaut haben mit dem Anspruch des Predigers, sondern mit dem des Wissenschaftlers. 5. Bevor wir weitergehen, wollen wir einen Augenblick auf das bisher Erreichte zurückblicken. Unsere beiden Theologen erreichen nicht das Höchstmaß der Gewißheit für ihre theologischen Aussagen. Sie kommen beide zu motivierten Wahrscheinlichkeitsurteilen, um den Ausdruck von Scholz zu gebrauchen. Das ist nicht nur ein Nachteil, sondern auch ein Vorzug. Was für die Praxis ein Mangel ist, ist für die Theorie ein Vorteil. Weiter stimmen unsere beiden Theologen darin überein, wie sie sich 31

Zur Wahrheit der Kunst jetzt: H . G. Gadamer, Wahrheit und Methode, 2. Aufl. Tübingen 1965, bes. S. 326 ff. — Kritisch W . Kamiah, a.a.O., S. 149 — cf. dazu auch die Bemerkungen von J. Habermas, a.a.O., S. 204 ff.

220

Kritischer Ausblick

nicht vergewissern -wollen. Weder berufen sie sich auf ein privates, höchst subjektives Christuserlebnis, das sie dann nachträglich beschreiben, noch auf eine kirchliche Instanz — etwa ein kirchliches Lehramt oder eine Bekenntnisschrift —, der sie sich unterordnen. Das Erlebnis und die kirchliche Instanz mag bei Rahner und bei Barth eine unterschiedliche Rolle spielen — im faktischen Vollzug der argumentativen Operationen fallen beide Instanzen aus. Mehr oder weniger ausdrücklich wird vorausgesetzt, daß die Mystik wie auch die autoritäre Wahrheitssetzung einer kirchlichen Instanz (welche es auch immer sei) dem hohen Wahrheitsanspruch des Glaubens nicht gerecht wird. So bleiben nur noch zwei Arten der Vergewisserung übrig. Entweder man geht, ganz so wie der Philosoph oder Religionsphilosoph auch, von einer zunächst beliebigen, aber allen Menschen zugänglichen und einsichtigen Erfahrung in dieser Welt aus (ζ. B. Zufälligkeit des Daseins oder Freiheit oder Liebe, cf. Rahners Analysen) und fragt transzendental nach den Bedingungen der Möglichkeit, darüber hinauszugehen (cf. den sog. Vorgriff Rahners), um so von Gott als dem Jenseitigen noch mögliche Aussagen machen zu können. Oder man geht von dem für den Christen zentralen und maßgeblichen historischen Ereignis des Lebens Jesu aus und forscht wiederum zunächst in allen Menschen zugänglicher und von allen grundsätzlich nachprüfbarer Weise nach den Möglichkeiten, von Gott Aussagen machen zu können. Wobei die Interpretation der hierfür maßgeblichen biblischen Schriften, insofern sie eine wissenschaftliche, d. h. allgemeinverständliche sein will, keinen anderen Bedingungen des Verstehens unterliegen darf, als jede andere Literatur 32 . Geht die Interpretation darüber hinaus, dann geht sie über die Wissenschaft hinaus, umgeht ein streng methodisches Verfahren der Vergewisserung, wie es das wissenschaftliche sein muß und nähert sich dem künstlerischen33. So bleiben uns in diesem Kapitel noch zwei Fragen zu beantworten. Vorausgesetzt ist, daß das metaphysische Verfahren der theologischen Vergewisserung ergänzungsbedürftig ist durch das historische. Denn Offenbarung im strengen Sinne der O F F E N B A R U N G S T H E O L O G I E und jeder spezifisch christlichen Theologie erfolgt nicht in beliebiger, unmittelbarer Erleuchtung, sondern in dem Ereignis Jesu. Und dieses Ereignis ist ein 32 33

R. Bultmann: Glauben und Verstehen, II, S. 231. Auf das Verhältnis von Wissenschaft und Kunst oder Weisheit können wir in unserem Zusammenhang nicht eingehen. Interessante Erwägungen über die Dichtung finden sich bei Rahner, Schriften, Band III, S. 349 ff. und Band IV, S. 441 ff.

Die Gewißheit der theologischen Aussage

221

historisches, was es auch immer darüber hinaus noch sein mag. Und nur insofern es ein historisches ist, ist es überhaupt einem allgemeinverständlichen und allgemein nachprüfbaren Verfahren der Wahrheitsfindung, nämlich einem wissenschaftlichen Verfahren, zugänglich. Stellt sich also die erste Frage so: Gelingt es Barth, über Rahner hinaus die transzendentalen Urteile durch historisch-exegetische zu ergänzen, in dem Sinne, daß die ersten durch die letzteren ihre maßgebende Bestätigung oder Korrektur erfahren? Die Beantwortung dieser Frage wird dann zu der letzten dieses Kapitels überleiten: In welch einem Verhältnis stehen die beiden Vergewisserungsarten, nämlich die transzendentale und die historische, überhaupt zueinander? 6. Was die erste Frage betrifft, so können wir im Rahmen dieser Untersuchung nur sehr unzureichend sprechen. Wir haben das faktische Auftreten von historisch-exegetischen Argumenten bei den im übrigen stark metaphysisch-dogmatischen Überlegungen Barths ständig beobachten können. Unsere Methode des Vergleichs aber beruhte darauf, daß die historisch-exegetischen Argumente abgeblendet werden mußten, um überhaupt sehen zu können, was Barth rein dogmatisch gegenüber Rahner erreicht. D a aber hat sich gezeigt, daß die dogmatische Fragestellung bei Rahner konzentrierter und präziser war. Das hat uns zu der Annahme geführt, daß das dogmatisch-exegetische Michverfahren Barth's nicht zu dem gewünschten Ziel einer deutlichen theologischen Erkenntnis führt. Es muß die dogmatische und die historische Methode voneinander getrennt werden. Zu dem ersten dogmatisch-methodischen Mangel kam nun aber noch ein zweiter, exegetisch-methodischer hinzu. Die Barthsche Schriftexegese krankt an ihrer Methode. Diese mag für die Predigt ausreichen, für die Wissenschaft reicht sie nicht aus, auch für eine kirchliche nicht. J a man kann fragen, ob Barth überhaupt eine allgemeinverständliche und diskutierbare, exegetische Methode hat, die den strengen Anforderungen dieser Wissenschaft genügt. Bultmann fragt z . B . : „Ich versuche methodisch zu verfahren, während ich bei Barth nur willkürliche Behauptungen wahrnehmen kann 3 4 ." Wobei strenge Linguisten wie Barr (cf. a.a.O.) auch noch den Bultmannschen Versuch historisch-kritischer Exegese als unzureichend beurteilen. Was jedenfalls Barth betrifft, so wird er der von Rahner ganz im Sinne der Exegeten erhobenen Forderung nicht gerecht: „Deine Exegese in der Dogmatik muß auch für den Fachexegeten überzeugend sein. Auch wenn er dir das Recht zugestehen muß, Fragen an

34

Bultmann, ebda. S. 235.

222

Kritischer Ausbilde

die Schrift zu stellen, die ihm selbst nicht ohne weiteres nahe liegen, auch wenn du ruhig mit der Möglichkeit rechnen darfst, daß dieser und jener bestimmte Exeget im einzelnen dir nicht zustimmt und seine Ablehnung im Namen der Exegese (anstatt seiner Exegese) vorträgt. Aber wenn du bei den Exegeten mitreden willst, dann muß du ihr Handwerkszeug wirklich zu handhaben verstehen... Und vergiß nicht: Bei dir taucht eine solche Frage sehr spät und ganz am Rande deines Systems und deines Bewußtseins auf und kann darum das Gewicht nicht haben, das sie beim Exegeten hat, für den sie sehr früh und darum mit einer ganz anderen geistig organisatorischen Kraft für sein Bewußtsein auftritt 3 5 ." Es gibt nun eine, aber u. E. auch nur eine einzige Verteidigung dieses historisch-dogmatischen Mischverfahrens, das Barth ständig anwendet, und wir müssen an dieser Stelle wenigstens kurz darauf eingehen. Man kann sagen: Das Ziel der historisch-kritischen Erkenntnis sind historische Satzwahrheiten, die von jedermann, soweit er die angegebenen Methoden beherrscht, nachgeprüft und verstanden werden können. Ähnlich ist das Ziel der transzendental-dogmatischen Erkenntnis, die wir gerne philosophisch-kritische Erkenntnis nennen möchten, wenn nur der Ausdruck „philosophisch" nicht so mißverständlich oder besser: nicht so vieldeutig wäre 3 6 — analog ist es das Ziel dieser Erkenntnis, Sätze aufzustellen, die wiederum von jedermann, sofern er nur diese streng vorgeschriebenen Methoden der Verständigung beherrscht, eingesehen und nachgeprüft werden können. Der wissenschaftliche Charakter dieser beiden Methoden, wie jeder anderen, ζ. B. der naturwissenschaftlichen, hängt einzig und allein von ihrer allgemeinen Verstehbarkeit, was die Nachprüfbarkeit impliziert, und von der Strenge ihrer folgerichtigen Durchführung ab 3 7 . Das Ziel der Glaubenserkenntnis nun ist aber damit noch längst nicht erreicht, so geht die Verteidigung fort, da es dem Glauben gar nicht um allgemeingültige Satzwahrheiten geht. Mit historischen oder dogmatischen Beweisen ist nichts anzufangen im Bereich der theologischen Forschung. Wir befinden uns zudem mitten in der „Krise der griechischkatholischen Wahrheitsvergewisserung" 38 . Der Glaube hat es gar nicht mit „metaphysischen Ideen" oder mit historischen Fakten zu tun. Diese sind uns unter dem Ansturm der modernen historischen und philosophi35 36 37 38

Rahner, Schriften, Band V, S. 93 f. Dazu bes. neuerdings Kamiah mit Lorenzen, a.a.O., S. 147 f. ebda. — cf. auch H . Scholz in Zwischen den Zeiten, 1931, S. 8 ff. H . Schmid in Kerygma und D o g m a , 1963, 2, S. 94.

Die Gewißheit der theologischen Aussage

223

sehen Kritik zerbrochen. Und bevor uns nicht eine „neue Erfahrung dessen, was Wahrheit ist" (ebda.) geschenkt wird, bleibt dem Glauben nur ein doppelter Rückzug übrig. Entweder er vergewissert sich auf eine ganz private = mystische Weise, freut sich, wenn ein anderer ähnliche Erlebnisse hat, ist aber weit entfernt davon, irgendwelche allgemeingültigen theoretischen Sätze daraus abzuleiten. Denn er ist ein Praktiker, der die theoretische Argumentation in Glaubenssachen für aussichtslos und unfruchtbar hält. Religion oder hier in unserem Zusammenhang christlicher Glaube ist Tat. Man kann seine Bedeutung nicht an seiner theoretischen Einsicht messen, die er in das Wesen des Menschen und seiner Welt gestattet, sondern allein an seiner praktischen Bedeutsamkeit für das Leben. Ist nur jemand ganz mit Gott vereinigt, so ist es ganz gleichgültig, auf welchem Wege er dazu gekommen ist. Er mag dem sdilimmsten oder absonderlichsten Aberglauben huldigen, das phantastischste Zeug sidi über Gott und die Welt ausdenken oder auch, nach seiner Meinung, von Gott selbst offenbart bekommen haben, wichtig ist nur, daß er ein kraftvolles Leben entfaltet, das in einem sittlich-guten Lebenswandel den Menschen ein leuchtendes Beispiel gibt39. Wobei man nun wiederum nicht darüber spekulieren soll, was „sittlich-gut" oder „leuchtendes Beispiel" bedeuten soll. Es wird sich zeigen. An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen, (cf. ebda.) Die Menschen können auf die Dauer u. E. aber keinen Glauben verkündigen und vertreten, den sie auf gar keine Weise verstehen (oder auf alle mögliche Weise, was aufs gleiche hinauskommt). Die vage Auskunft, daß es die Zukunft zeigen wird, was es mit dem Glauben auf sich hat, ist unzureichend, sowohl was die Verständigung mit den Gleichgläubigen, als auch die mit den Andersgläubigen betrifft, mag sie auch von noch so freudiger Zuversicht getragen sein. „Um den Glauben zu verbreiten, ja einfach, um ihn zu erhalten, gehört, daß man ihn rechtfertigt, daß man sich also eine Theorie davon macht 40 ." Was nun Barth betrifft, so ist er, wie Rahner, von dem eben angedeuteten Rückzug in die Praxis weit entfernt. Er will kirchliche Wissenschaft, also immerhin Wissen39

„Die wahre Aufgabe der Religion ist nicht die, uns zum Denken zu bewegen, unsere Kenntnisse zu bereichern, die Vorstellungen, die wir der Wissenschaft verdanken, durch andere Vorstellungen zu ergänzen, sondern uns zum Handeln zu bringen, uns fürs Leben zu helfen." E. Dürkheim, Die Grundformen des religiösen Lebens, in F. Fürstenberg, Religionssoziologische Texte, Berlin 1964.

40

Treffend Dürkheim, a.a.O., S. 54 f.

224

Kritischer Ausblick

schaft. Aber nun doch wieder nicht Wissenschaft im allgemeinverständlichen Sinne, sondern eben kirchliche Wissenschaft, die sich nur intern unter Gleichgläubigen entwickeln und verstehen läßt. Unter dem Titel; „Die Rede Gottes als Geheimnis" hat Barth sich in Auseinandersetzung mit E. Spranger darüber deutlich erklärt 41 . Und sollte er auch inzwischen davon abgekommen sein 42 , so bleibt die frühe Erklärung dennoch die einzige Möglichkeit, sein auch später noch beibehaltenes dogmatischexegetisches Mischverfahren zu rechtfertigen. Sie lautet: „Es gibt in Sachen des Grundes der Glaubensbereitschaft des Menschen keine Verantwortung der Theologie nach außen. Die Verantwortung der Theologie besteht vielmehr darin, klar zu machen, daß Glaubensbereitschaft von außen gesehen ihren Grund in sich selber hat und also hinsichtlich ihres Grundes unverantwortlich ist. Die Theologie kann sich mit den Eigengesetzlichkeiten des Weltlaufes darum nicht auseinandersetzen, weil sie selbst innerhalb und nicht außerhalb dieses Weltlaufs steht und weil sie die Auseinandersetzung Gottes mit diesen Eigengesetzlichkeiten... zu bezeugen, aber nicht zu vollziehen hat. Die Theologie kann sich mit der vorgefundenen Mannigfaltigkeit religiöser Überzeugungen darum nicht auseinandersetzen, weil sie diese Mannigfaltigkeit zwar in dem Raum menschlicher Erfahrungen, Haltungen und Gedanken in der Tat vorfindet, an der Auseinandersetzung mit ihr aber auf diesem Boden kein Interesse hat." Mit anderen Worten: Die Theologie zieht sich aus dem Bereich allgemeinverbindlicher und allgemeingültiger Rede zurück, vermutlich weil sie auf diesem Feld nur noch alles zu verlieren, nichts aber mehr zu gewinnen glaubt. Dieser Rückzug nach innen wäre allerdings als provisorischer gerechtfertigt und jedermann verständlich, wenn in dem Zustand allgemeiner Verwirrung und uferlosen Aneinandervorbeiredens auf diesem Wege eine wenigstens interne, innertheologische Klärung und Verständigung zu erreichen wäre. Aber eben das ist auch nicht erreicht worden. Barth hat mit seinem Mischverfahren die Verwirrung nicht beseitigt. Die angebliche Gewißheit der theologischen Sätze, der exegetischen wie der dogmatischen, ist erkünstelt und die große Frage ist offen geblieben, „wie eine protestantische Dogmatik aussehen und nach welcher Methode sie zu verfahren habe" 4 3 . Es ist nicht unsere Absicht, die neuere theologische Debatte darüber, wie sie sich unter dem Namen „Hermeneutik" entwickelt hat, im einzelnen zu verfolgen. Es gibt jeden" 42 43

Barth K D I, 1, S. 193 f. Dazu jetzt C. H . Ratschow, a.a.O., S. 63 f. G. Ebeling: Wort und Glaube, Tübingen 1960, S. 48.

Die Gewißheit der theologischen Aussage

225

falls deutliche Anzeichen dafür, daß man in der Theologie aus jener existentiellen Innerlichkeit herausstrebt, in der für den theoretischen Theismus genau so Platz ist, wie für den theoretischen Atheismus 44 , und in der man zuletzt überhaupt nicht mehr weiß, worüber man in der Theologie reden soll, weil eine allgemeinverständliche Methode des wissenschaftlichen Redens fehlt. Und wieder einmal hat es den Anschein, daß von einer ganz anderen Seite die ersten Bausteine für eine allgemeinwissenschaftliche, und also auch theologische Verständigung geliefert werden, nämlich von der philosophisch-logischen 45 . Die Wahrheit des Satzes scheint erneut an den Tag zu kommen: Worüber man sich mit Andersgläubigen nicht verständigen kann — hier immer im Sinne der Wissenschaft, d. h. im Sinne der Theorie — darüber kann man sich überhaupt nicht verständigen, audi nicht mit Gleichgläubigen. Abschließend läßt sich sagen: Barth zeigt keinen Weg, wie man in verständlicher und nachprüfbarer Weise von theologisch-historischen bzw. exegetischen Sätzen zu dogmatischen bzw. religionsphilosophischen kommt und umgekehrt. Sein Verfahren ist sprunghaft und willkürlich und wird weder der dogmatischen nodi der exegetischen Aufgabe gerecht. Wir haben Grund zu der Annahme, daß es eine interne theologische Wissenschaft, die sich um die allgemeine historische und philosophische Forschung nicht kümmern muß, gar nicht gibt. Wir haben ferner Grund zu der Forderung, daß man das dogmatisch-exegetische Mischverfahren, wie es Barth übt und wie es darüber hinaus in der von Barth inspirierten sog. „biblischen Theologie" von Exegeten wie Dogmatikern geübt wird, aufgibt und sozusagen in getrennten Arbeitsgängen theologische Forschung treibt. Wir kommen damit zu der gleichen negativen Beurteilung des theologischen Mischverfahrens wie J . Barr 4 6 im Anschluß an W. Nicholls: „Was Biblische Theologie getauft worden ist, ist oft eine Flucht vor exakter Wissenschaft auf beiden Seiten, der exegetischen und der dogmatischen, und beeinträchtigt sie beide. Biblische Theologie kann so eine Art verborgener Dogmatik sein, während sie vorgibt, hochwissenschaftliche Bibelforsdiung zu betreiben... Wir finden dort (erg. in linguistischen Fragen) den dogmatischen Theologen am Werk, der das bestimmen will, was bei der Untersuchung des biblischen Sprachmate44 45

40

cf. Schmid, a.a.O., S. 97, über Kierkegaard und Ebeling. Das hat im Grunde schon H . Scholz angestrebt (cf. a.a.O.). Jetzt vor allem Kamlah/Lorenzen, a.a.O. J. Barr, a.a.O., S. 278.

15 B r o w a r z i k , G l a u b e n und D e n k e n

226

Kritischer Ausblick

rials als wissenschaftlich zu gelten habe. Der Versuch ist absurd, wenn er, wie manchmal geschieht, von Verfassern ausgeht, die nicht nur kühn über moderne linguistische Methoden hinwegschreiten, sondern sie auch nicht einmal kennen." Mindestens ebenso absurd erscheint uns freilich der Versuch, den exegetische Theologen machen, wenn sie dogmatische Sätze beurteilen (ζ. B. solche zentralen, wie sie in dieser Arbeit untersucht worden sind), ohne sich Rechenschaft darüber abzulegen, welchen Sinn solche Sätze haben und nach welcher Methode man verfahren muß, um solche Sätze mit wissenschaftlichem Anspruch aufstellen zu können. 7. Bleibt uns zuletzt noch die Frage, welch ein grundsätzliches Verhältnis zwischen dem transzendentalen und dem historischen Verfahren der Vergewisserung besteht. Wir wollen, das Gesagte voraussetzend, uns jetzt kürzer fassen. Wir wissen noch nicht, welche Bedeutung die beiden für das Begreifen einer theologischen Aussage haben. Wir haben bis jetzt nur eingesehen, daß grundsätzlich jedermann in der Lage ist, sich einer theologischen Aussage transzendental und historisch zu vergewissern, und daß niemand in der Lage ist, auf diesem Wege volle Gewißheit zu erreichen. Wir kommen über wohlbegründete Wahrscheinlichkeitsurteile nicht hinaus. D a wir es hier nur mit der theologischen Theorie zu tun haben, können wir dahingestellt sein lassen, ob es andere, praktische Verfahren der Vergewisserung gibt, etwa das mystische, das nur privat oder einem Kreis von Auserwählten zugänglich ist. Es ist auch bis jetzt noch kein Nachteil darin zu sehen, daß wir ein jedermann zugängliches und von jedermann grundsätzlich nachprüfbares historisch-kritisches Verfahren außer acht gelassen haben. Rahner hat es niemals angestrebt, weil er auf T R A N S Z E N D E N T A L T H E O L O G I E sich konzentrierte. Barth hat es versucht, aber nicht erreicht, nicht einmal für Gleichgesonnene. Aber das braucht uns nicht weiter zu beschäftigen. Wichtig ist, daß jedesmal nur bedingte Gewißheit in begründeten Wahrscheinlichkeitsurteilen erreicht wird. Und dieser Satz genügt uns nun auch, um noch einen Schritt weiterzugehen und das grundsätzliche Verhältnis dieser beiden Vergewisserungsweisen zu erwägen. D a Jesus Christus in der Gestalt, in der er allein allen Menschen zugänglich ist, nämlich als historischer Jesus von Nazareth, für alle theologischen Aussagen, insofern sie christliche sein wollen, die entscheidende Bedeutung hat, so stellt sich die Frage, ob nicht das transzendentale Verfahren eine unnütze Verdoppelung darstellt, die überflüssig ist. Denn so viel ist klar: Unsere beiden Theologen bestehen einmütig auf

Die Gewißheit der theologischen Aussage

227

der grundlegenden Bedeutung des Historischen. Barth, indem er ein undeutliches Mischverfahren wählt. Rahner, indem er transzendental den Ort der Offenbarung in der Geschichte zu bestimmen sucht, was ihm übrigens den Vorwurf eines Kritikers eingetragen hat, daß er das Historische in seiner philosophisch-theologischen Bedeutung übersdiätzt 47 . Wohl in dem Sinn Fichtes, wenn dieser sagt: „ N u r das Metaphysische, keineswegs aber das Historische macht selig. Das letztere macht nur verständig 4 8 ." Aber wenn der Glaube christlich sein soll und nicht bloß allgemein menschlich oder allgemein religiös, dann kann man das Historische gar nicht überschätzen. Will man den strengen Begriff der Offenbarung Gottes, wie er im Christentum nun einmal aufgekommen ist, beibehalten und nidit auflösen in allgemeine Vernunftwahrheiten, die jedermann auch unabhängig von Jesus Christus einsehen und glauben kann, oder in private Erlebnisse, in deren langer Reihe eines aus dem Jahre 1960 mindestens ebenso bedeutsam sein kann wie eines aus dem Jahre 60 — dann gibt es nur noch einen verständlichen Weg der Vergewisserung, nämlich den der historischen Nachfrage. Und würde sich herausstellen, daß Jesus von Nazareth gar nicht gelebt hat, was nach Lage der Dinge wohl für alle Zeiten einer Absurdität gleichkommt, so hätte sich auch zugleich herausgestellt, daß eine allgemein verständliche Offenbarungstheologie in dem angegebenen Sinne ein reines Hirngespinst wäre. Die Theologen müßten die hohe Einschätzung Jesu als Offenbarer Gottes aufgeben, und sich nach etwas anderem umsehen. Sollten die Theologen aber dennoch an der großen Bedeutung des Historischen für die Vergewisserung des christlichen Glaubens festhalten und sich etwa auf die Christuserlebnisse der Apostel, oder allgemeiner: der Jünger Jesu nach dessen Tode und Auferstehung zurückziehen wollen, ohne sich weiter um die Beziehung auf den historischen Jesus von N a z a reth zu kümmern, so befinden sie sich auf einem bedenklichen Rückzug, der zuletzt in unkontrollierbarer Erlebnistheologie endet. Warum sollen eigentlich Christuserlebnisse aus dem Jahre 50 maßgeblicher sein als solche aus dem Jahre 350 oder 1950. Christus ist ja dann alle Tage gleich gegenwärtig und es ist doch beinahe selbstverständlich, daß er als der Auferstandene und Gegenwärtige jedem Menschen zu jeder Zeit das mitteilen wird, unmittelbar oder wiederum durch ergriffene Prediger und Christuszeugen, was er zum Leben und zum Sterben braucht. Ich 47 48

15»

So E. Simons in seiner ungedruckten Dissertation, München 1966. J. G. Fichte zit. nach H . Scholz, Religionsphilosophie, S. 310.

228

Kritischer Ausblick

glaube, daß Exegeten wie J . Jeremias diese Gefahr deutlich gesehen und ihr zu begegnen versucht haben 49 . Aber zurück zu unserer Frage. Was soll all der scharfe und oft bewundernswerte Tiefsinn des spekulativen Theologen, der seine Sätze aufstellt und seine Schlüsse zieht, ohne sich weiter um die Historie zu kümmern oder gar sich von den historisch-kritischen Entdeckungen stören zu lassen? Denn es ist doch so, daß der Metaphysiker wohl diese oder jene historische Notiz gelegentlich zum Anlaß nimmt für seine Spekulation, aber eben doch bloß zum zufälligen Anlaß, um dann eben seinen eigenen Weg zu gehen. Sofern ihn auf seinem Wege eine historische Notiz überhaupt erreicht, so ist sie für ihn ja nur so etwas wie ein Fingerzeig, daß es schon früher Menschen gegeben hat, die es mit der metaphysischen Spekulation versucht haben, mit der er selbst nun hofft, etwas weiter zu kommen. Sollte es „notwendige Vernunft Wahrheiten" geben, und zwar über Gott, die unabhängig von der Historie, und also auch von Jesus wären, dann wäre dieser Weg wohl der beste, audi dann, wenn man keine notwendigen, sondern, wie wir gesehen haben, nur mögliche Aussagen von Gott machen kann, mit dem Anspruch, daß sie wahr sind. Aber dieser Weg ist für die christliche Theologie versperrt, wenn sie daran festhält, daß es auf Jesus ankommt, und zwar bei jeder theologischen Aussage. Die Historie ist dann nicht zu umgehen, sie ist in jedem Fall entscheidend. Wir können folgende Verhältnisbestimmung in der Form einer Hypothese angeben: Die historische Vergewisserung für jede theologische Aussage ( = im Bereich des Christentums) ist die allein maßgebende. Jede andere ist von ihr abhängig, ζ. B. die transzendentale. Bleibt noch die Frage, ob dann nicht die letztere, die auf allen Menschen zugänglicher Erfahrung (und zwar nicht historischer) und ihrer rationalen Diskussion beruht, überflüssig ist. Barth hat Äußerungen in dieser Richtung getan, und sein „um Christi Willen" läuft ja auf das historische „um Jesu willen" hinaus, wenn wir uns allgemein, also wissenschaftlich darüber verständigen wollen. Wären nun Rahners Sätze notwendig, wie er nicht ganz eindeutig behauptet (cf. „die tiefsten Wahrheiten sind die freiesten"), so wäre die Lage schwierig. Denn wir hätten 49

Ich denke besonders an seine energische und unermüdliche Suche nach echten Jesusworten, von der er sich audi durch noch so starke historische Skepsis (etwa R . Bultmann: Jesus, Berlin 1926) nicht abbringen läßt. Dazu W. G. Kümmel, a.a.O., S. 433.

Die Gewißheit der theologischen Aussage

229

dann eine Art theologischer Sätze, nämlich die transzendentalen, die gewisser sind, als die historischen, und es wäre umgekehrt zu fragen, ob die historischen nicht den transzendentalen unterzuordnen wären, wie etwa Fichte mit seinem Satz andeutet. Aber diese Möglichkeit scheidet aus, weil ja Rahner weder zu notwendigen Sätzen kommt (immer nur zu möglichen), noch zu selbständigen: Denn alle seine Sätze bleiben grundsätzlich abhängig von „dem Ort der Offenbarung", also von Jesus, also von historischen Sätzen. Andrerseits aber ist es doch bedeutsam, daß Rahner überhaupt zu gleichlautenden und gleichsinnigen theologischen Aussagen kommt, ohne sie historisch abgeleitet zu haben. Und Barth stimmt ihm auch hierin zu, indem er die sog. „philosophischen ( = metaphysischen) Äquivalente" gelten läßt. Sollten nun diese letzteren für die Vergewisserung ganz und gar unergiebig sein? Wohl gemerkt: Auch bei Bejahung dieser Frage: Metaphysische Aussagen sind für die Vergewisserung theologischer Aussagen bedeutungslos —, wäre ja noch längst nicht entschieden, ob sie f ü i das Begreifen von theologischen Aussagen bedeutungslos wären. Wir stehen immer noch bei der Frage nach der Gewißheit! Und wir suchen jetzt nach einem vernünftigen, d. h. allgemein verständlichen Grund, die Bedeutung der transzendentalen Aussage auch für die Gewißheit der theologischen Aussage behaupten zu können. Beginnen wir mit der Gegenfrage: Warum soll das transzendentale Denken in Sachen der Theologie das historische Denken nicht ergänzen dürfen? Rahner liefert doch ein deutliches Beispiel dafür, daß das historische „um Jesu willen" dabei keineswegs aufgelöst wird. Wenn aber nur diese Bedingung erfüllt ist, daß der historische Rückbezug auf Jesus das theologisch entscheidende Verfahren darstellt, dann ist doch die Hauptbedingung christlicher Theologie erfüllt und man kann in anderer, etwa metaphysischer Hinsicht, größte Freiheit zugestehen. Ähnlich, obwohl erheblich unklarer verhält es sich doch auch in der kirdilichen Praxis, wo man geneigt ist, beinahe alle religiösen, d. h. gottbezogenen Erlebnisse zuzulassen (also das Analogon zu den metaphysischen Spekulationen), wenn nur die Christusbezogenheit oder genauer die Schriftbezogenheit gewahrt bleibt, da man ja nur durch die Schrift in nachprüfbarer Weise von Jesus Christus weiß. Und so bleibt eigentlich nur ein einziger Einwand gegen die selbständige Bedeutung der transzendentalen Vergewisserung übrig, nämlich daß es eine solche überhaupt nicht gibt, daß sie erschlichen ist. Mit anderen Worten: Daß sie heimlich auch eine historische ist. Dieser Nachweis aber wird nicht gelingen. Wir können

230

Kritischer Ausblick

die Rahnerschen Analysen gar nicht anders verstehen, als so, daß er einen von der Historie unabhängigen und selbständigen Weg des theologischen Denkens gezeigt hat. Es ist unmöglich seine transzendentalen Analysen als historische zu begreifen. Auch Kritiker wie Wagner und Simon, die sich auf das transzendentale Verfahren einlassen, tun das nicht. Und Barth bestätigt nur die Selbständigkeit, wenn er die mangelnde Beziehung auf Jesus Christus rügt. Wenn aber die Eigenständigkeit dieses Verfahrens erwiesen ist, bei aller Abhängigkeit vom historischen, so ist nicht einzusehen, warum dasselbe für die Vergewisserung des theologischen Denkens einfach ausfallen soll. Wir haben doch dann grundsätzlich nicht eine, sondern zwei Reihen theologischer Aussagen. Für jede historisch-theologische Aussage (insofern sie sich nicht bloß auf den Mantel des Apostel Paulus oder den Rock Jesu oder andere historische Belanglosigkeiten bezieht) gibt es ein, sagen wir gleich religionsphilosophisches Äquivalent. Und wenn für das christliche Denken auch beide Reihen nicht gleichwertig sind, da die spekulativ gefällten Denkurteile auf die historisch zu erforschenden Zeugenaussagen angewiesen bleiben, so sind doch beide für die Vergewisserung bedeutend. Die metaphysische Deduktion bedarf der historischen Reduktion 5 0 , da alles von Jesus Christus abhängen soll, und wenn nicht von dem historischen, dann von gar keinem. Aber da nun eben jede theologische Aussage von zwei Seiten zu betrachten ist und die historische Betrachtungsweise für sich allein zu keiner Sicherheit kommt, kann es ihr nicht gleichgültig sein, was die transzendentale ζ. B. erreicht. Es verhält sich im Grunde damit so, wie es Plato im Phaidon zu bedenken gibt: „Ich denke über diese Dinge ungefähr so wie D u : daß es in diesem Leben unmöglich oder doch sehr schwierig ist, etwas Sicheres darüber zu wissen, daß es aber deshalb nötig ist, auf jede Weise zu prüfen, was darüber gesagt wird, und nicht eher davon abzulassen, als bis man müde geworden ist, die Frage nach allen Seiten zu betrachten. Denn eines muß man doch in diesen Dingen erreichen: Entweder von einem anderen lernen, wie es damit steht, oder es selbst herauszufinden. Wenn das aber unmöglich ist, dann doch wenigstens den relativ besten der menschlichen Beweise dafür zu ergreifen und auf ihm wie auf einem Floß das Leben zu durchschwimmen sudien — falls man nicht sicherer und gefahrloser 50

I. M. Bochenski: Die zeitgenössischen Denkmethoden, 2. Aufl. Dalp 1959, bes. S. 100 ff. und 130 ff.

Die Begreifbarkeit der theologischen Aussagen

231

auf einem zuverlässigen Fahrzeug, etwa auf einem göttlichen Worte, hindurchschiffen k a n n 5 1 . " N u n hängt in der T a t für den gläubigen Christen alles von dem göttlichen Worte ab, das er in Predigt von Christus hört und das ihn, wie wir sagen, im Herzen trifft, und daß ihn nun vielleicht weiter zu einer neuen Predigt ermuntert. Aber für eine wissenschaftliche Verständigung, sowohl unter Gleichgläubigen wie unter Andersgläubigen, ist damit nicht viel erreicht. Die Gemeinschaft der Menschen, wie auch die Gemeinschaft der Gläubigen braucht eine jedermann zugängliche und von jedermann nachprüfbare Verständigungsart. U n d wir haben keine bessere und genauere als die wissenschaftliche, welche wir auch die vernünftige nennen können. Was die Theologie betrifft, so haben wir zwei gefunden: D i e historisch-biblische und die transzendentale. W e m an der einen liegt, dem muß auch an der anderen liegen. W e m an beiden nichts liegt, viel mehr alles an einer kräftigen Bewegung der Herzen, der muß sich mit der Predigt begnügen. E r mag sidi wenigstens daran erinnern lassen, daß schon der Apostel Paulus jenen Gottes- und Christusdienst hoch einschätzt, der sich in vernünftiger Rede äußert, höher als jenen, der sich in dunkle, private Ahnungen und Erfahrungen verliert. Will er doch lieber fünf Worte mit Verstand als zehntausend W o r t e glossolalisdi reden 5 2 .

Kapitel 14: Die Begreifbarkeit

der theologischen

Aussagen

Theologie nennen wir jene Wissenschaft, die wahre Aussagen von G o t t machen will. Was eine wahre bzw. falsche Aussage von G o t t ist, haben wir bis jetzt nicht genügend geklärt oder vereinbart. W i r haben lediglich zwei Bedingungen für das Wahr-sein gefordert: Die theologischen Aussagen sollen allgemein verständlich sein. D . h. es sollen V e r einbarungen getroffen werden, daß bei gleichlautenden Sätzen jedermann sich nicht etwas Verschiedenes, sondern das Gleiche denken muß. Ferner soll das Beweisverfahren allgemeingültig geregelt werden. D a s bedeutet: Die Begründung einer Aussage oder ihre Herleitung von einer anderen muß so erfolgen, daß sie grundsätzlich von jedermann nachgeprüft werden kann. Diese beiden Mindestforderungen sollen uns vor51 52

Zit. nadi K. Löwith: Wissen Glaube Skepsis, Göttingen 1960, S. 25. G. Bornkamm: Studien zu Antike und Urchristentum, München 1959, S. 119—137.

232

Kritischer Ausblick

läufig genügen 53 . Ohne sie hätten wir einen Vergleich zwischen Rahner und Barth gar nicht anstellen können. Fortwährend mußten wir den Sinn ihrer theologischen Sätze bestimmen und die Methode ihrer Beweisführung kontrollieren. Scharf ausgedrückt: Wir wollten nicht wissen, was unsere beiden Theologen alles glauben, sondern was sie auszusagen vermochten. Nicht ihre Gefühle oder ihr existentielles Betroffensein, wie man heute gerne sagt, suchten wir zu erkennen, sondern ihre Gründe. Wir haben uns vorgenommen, zu vermeiden, daß irgendein „Gefühl allein zum Richter der Wahrheit" gemacht wird 5 4 . Ferner haben wir bei unseren beiden Theologen ein gleiches Axiom für alle theologischen Aussagen festgestellt, welches ihre Christlichkeit bestimmt: Jesus Christus ist der maßgebende Offenbarungszeuge Gottes. Aus diesem Axiom folgt die Relevanz der historischen Forschung für jede theologische Aussage. Gilt dieses Axiom nicht, so gibt es freilich immer noch Theologie, aber keine spezifisch christliche, auf Jesus Christus bezogene. Man kann sich dann entweder auf andere historische Ereignisse oder Personen berufen als die maßgebenden Zeugnisse göttlicher Offenbarung oder auf gar keine. I m letzteren Fall hätte man die Aufgabe, in freier d. h. an kein bestimmtes historisches Ereignis gebundener religionsphilosophischer Forschung die Wahrheit oder Unwahrheit der Religion zu bestimmen. Diese letzte Möglichkeit theologischer Forschung können wir auch Metaphysik oder Religionsphilosophie nennen. Es ist mißlich für eine theoretische Erörterung viele Ausdrücke für die gleiche Sache zu haben. Darum wollen wir kurz die Frage stellen, ob wir uns nicht für einen Ausdruck entscheiden können. Natürlich hätte diese Entscheidung nur Gewicht, wenn sie von allen Theologen anerkannt würde. Das ist so schnell nicht zu erwarten. Und darum ist unsere Entscheidung nur ein Vorschlag zur Verständigung. Metaphysik ist für die Theologen ein böses Wort geworden. Wer Metaphysik treibt, der spekuliert und abstrahiert und verdinglicht und verfügt und bleibt statischem Denken verhaftet und wird der Geschichtlichkeit des menschlichen Denkens nicht gerecht und ist überhaupt zu wenig dynamisch usf. 55 . K a n t klagt auch schon, daß die Metaphysik „verstoßen und verlassen sei, wie Hecuba" 5 6 . Aber die Kritiker stellen selbst metaphysische Fragen, und ss

Ratsdiow, a.a.O., S. 87, und H . Scholz ZdZ 1931, S. 45 f., 53.

M

Hegel: Die Beweise v o m Dasein Gottes, herausgegeb. von G. Lasson, Leip-

55

Ratschow, a.a.O., 87.

se

W . Weischedel in Evangelische Theologie 1967, 3, S. 138.

zig 1930, S. 137.

Die Begreifbarkeit der theologischen Aussagen

233

es ist nicht die Frage, ob sie eine Metaphysik haben, sondern welche. Es hätte also einen guten Sinn, das W o r t Metaphysik in der Absicht neu einzuführen, um die Theologen darauf aufmerksam zu machen, daß sie metaphysisches Denken überhaupt nicht vermeiden können. Ganz so wie K a n t ( a . a . O . ) sagt: „Daß der Geist des Menschen metaphysische Untersuchungen einmal gänzlich aufgeben werde, ist ebensowenig zu erwarten, als daß wir, um nicht immer unreine Luft zu schöpfen, das Atemholen einmal lieber ganz und gar einstellen würden." Der Ausdruck „Religionsphilosophie", der ähnlichen Einwänden ausgesetzt ist wie der vorige, scheint uns aber aus folgenden Gründen noch brauchbarer zu sein. Philosophie soll ein gründliches Nachdenken, im weitesten Sinn des Wortes, über die Grundlagen des menschlichen Denkens und Handelns sein. Es wird dann eine Philosophie der Wissenschaft geben, insofern über die Wissenschaft als solche nachgedacht und allgemeingültige Aussagen gemacht werden. Es wird eine Philosophie der Kunst und eine solche der Politik geben. Was nun die Frage nach Gott oder die Religion betrifft, so ist es wohl am einfachsten und allgemein verständlich, dieses Unternehmen Religionsphilosophie zu nennen 57 . 57

Zum Namen „Religionsphilosophie" cf. J. Hessen, Religionsphilosophie Band I, Essen 1948, S. 37. Bemerkenswert ist die Problemstellung in der neuesten Lutherforschung, meist unter dem Titel: „Vernunft" oder „Theologie und Philosophie". Dazu bes. B. Lohse, Ratio und Fides. Eine Untersuchung über die ratio in der Theologie Luthers (1958) — W. v. Loewenich: Luther und der Neuprotestantismus insbes. S. 386 ff. (1963) — P. Althaus: Die Theologie Martin Luthers (1962) — W. Joest: Ontologie der Person bei Luther, Göttingen 1967, S. 202 ff. Abgesehen von der Beurteilung Luthers bleibt das große Problem, wie denn der Satz zu verstehen sei: „Der ratio kommen also große Aufgaben in der Theologie zu" (Loewenich 391) — über den sich die Theologen im allgemeinen so ziemlich einig sind. Einig werden sich alle christlichen Theologen audi darüber schnell sein, daß „die ratio nicht gleichen Ranges neben der hl. Schrift" steht (Loewenich 393), wenn sie denn weiter christliche Theologen sein wollen. Aber das Gewicht und die Bedeutung der ratio wird man u. E. erst richtig einschätzen können, wenn die Theologie erst wieder den Mut hat zur freien religionsphilosophischen Forschung, wofür Rahners „Hörer des Wortes" nach wie vor ein eindruckvolles Beispiel bleibt. Das theologisch Ermunternde, das daraus spricht, auch nachdem man Barths Angriff sorgsam geprüft hat, zählt mehr, als die kleinliche Sorge, die Vernunft könnte allzu eigenmächtig werden. Zuletzt wiegt gerade für den Gläubigen die Sorge, eigenmächtig zu denken, vielleicht nicht so schwer, wie die Sorge, wirkungslos oder gar sinnlos zu denken.

234

Kritischer Ausblick

Wir kehren nach diesem terminologischen Exkurs zu unserer Frage zurück. Für alle theologischen Aussagen gilt das Axiom: Jesus Christus ist der Offenbarungszeuge Gottes. Natürlich nur, insofern sie spezifisch christliche, also auf Jesus bezogene Aussagen sein wollen. Mit anderen Worten: Jede theologische Aussage innerhalb der christlichen Theologie impliziert eine historische Aussage, wie schwierig und ungewiß diese letztere audi immer zu erheben ist. Läßt sich die theologische Aussage nicht historisch verifizieren, d. h. direkt oder indirekt auf Jesus zurückführen, dann läßt sie sich überhaupt nicht im eigentlich christlichen Sinn verifizieren 58 . Das ist der Sinn einer strengen OFFENBARUNGSTHEOLOGIE mit ihrem Axiom. Barth gebührt das Verdienst, daß er darauf energisch aufmerksam gemacht hat, wie wir zu zeigen versucht haben. O b er immer konsequent sich daran gehalten hat, müssen wir bezweifeln. Jedenfalls hat er ausdrücklicher und direkter als Rahner, wenn auch gelegentlich mit unzureichenden Mitteln (cf. sein exegetisches Mischverfahren) auf Jesus als den Ort aufmerksam gemacht, an dem man sich über Offenbarung im christlichen Sinne allein verständigen kann. Über eine unmittelbare Erleuchtung durch den Heiligen Geist oder ein privates Christuserlebnis kann man sich nicht ausreichend verständigen, wie bedeutsam praktisch beides auch immer sein mag 5 9 . Denn es ist einfach nicht zu sehen, wie man da im Verstehen weiterkommen will, wenn ein Gesprächspartner an irgendeiner beliebigen Stelle des Dialogs sich auf seine innere Stimme oder Erleuchtung oder Gefühl beruft. Das bleibt für ein wissenschaftliches, also auch allgemein nachprüfbares Begründungsverfahren allezeit ein unerforschliches und unzugängliches X . Mit einem anderen Wort: Es ist im Bereich der Wissenschaft kein brauchbares Argument. Selbstverständlich leugnen wir damit keinesfalls die Tatsache, daß jede Wissenschaft auf bestimmten Erfahrungen beruht und immer für neue Erfahrungen offen bleiben muß. Wir stimmen einem philosophischen Forscher, der sich um die Klärung des Begriffes „Erfahrung" neuerdings sehr bemüht hat, durchaus zu, wenn er sagt: „Die Erfahrung ist nicht die Wissenschaft selbst, sie ist aber eine notwendige Voraussetzung für dieselbe 60 ." Niemand wird leugnen, daß Theologie als die Wissenschaft von Gott bemüht ist, wahre Aussagen von Gott zu machen, die auf echten Erfahrungen mit Gott beruhen. Nur entsteht schon hier 58

D a z u W . Pannenberg in K e r y g m a und D o g m a , 1962, 2, S. 90.

59

ebda. S. 85, A n m . 18.

60

Gadamer, a.a.O., 333 ff.

Die Begreifbarkeit der theologischen Aussagen

235

die von Gadamer nicht ausreichend geklärte Frage, wie man denn echte von unechter Erfahrung (ζ. B . Illusion oder Traum) unterscheiden kann. Oder sollte es wahre theologische Aussagen geben, die auf unechten Gotteserfahrungen beruhen, d. h. auf solchen, die eingebildet oder erfunden sind? Wenn Gadamer in diesem Zusammenhang sagt: „Erfahrung lehrt, Wirkliches anzuerkennen" — so ist damit nicht viel gesagt, wenn man nicht weiß, wie sich Wirkliches von Unwirklidiem unterscheidet. Die Frage nach der Wahrheit des Wirklichen bleibt zuletzt ungeklärt 6 1 . Aber wir erwähnen Gadamers Buch hier nur, weil seine Analyse der Erfahrung uns darauf aufmerksam macht, wie notwendig es ist, den Begriff der Erfahrung zu präzisieren, wenn man ihn denn verwenden will. W i r verzichten in unserem Zusammenhang auf eine umfassende Begriffsbestimmung. W i r beschränken uns auf eine solche, die für unsere weitere Untersuchung ausreicht. Erfahrung soll so bestimmt sein, daß jedermann darauf ansprechbar ist. Gadamer: „Das ist jene Erfahrung, die stets selber erworben sein muß und niemandem erspart werden kann. Erfahrung ist hier etwas, was zum geschichtlichen Wesen des Menschen gehört 6 2 ." Es ist leicht zu sehen, daß diese elementare Bestimmung nicht im Widerspruch zu dem steht, was unsere beiden Theologen als Erfahrung voraussetzen. Rahner beruft sich durchweg bei seinen transzendentalen A n a lysen auf solche Erfahrungen, die allgemein menschlich sind: ζ. B . die Zufälligkeit oder die Endlichkeit oder die Nichtigkeit des menschlichen Daseins. Barth beschränkt sich zwar meist auf jene Erfahrungen, die in den biblischen Zeugnissen sich aussprechen. Sein Erfahrungsbegriff kommt dem sehr nahe, was Gadamer „hermeneutische E r f a h r u n g " nennt. Aber das im einzelnen zu zeigen, müssen wir uns hier versagen. Es genügt einzusehen, daß B a r t h grundsätzlich niemals eine private und nicht jedermann zugängliche Erleuchtung oder Erfahrung für seine theologischen Sätze in Anspruch nimmt. W i r haben gesehen, daß er sich in dieser H i n sicht nicht immer eindeutig ausdrückt, und daß er oft von Erfahrung spricht, die nur dem Glauben an Christus zugänglich ist. Das ist ein sehr schwieriges Kapitel der Barthinterpretation. W i r haben aber ebenso deutlich gesehen, daß Barth von solchen Erfahrungen, aus denen dann theologische Erkenntnisse folgen, als von einem objektiven Geschehen spricht. Wie man nun auch immer dieses objektive Geschehen der Offenbarung in Jesus Christus im einzelnen definiert, in jedem Fall 61

82

So O. Becker zit. in W. Kamiah, Logische Propädeutik, S. 149 — cf. auch S. 137 ff. Gadamer, a.a.O., S. 338.

236

Kritischer Ausblick

bedeutet das mindestens: Eine intersubjektive und darüber hinaus auch noch -wissenschaftliche, in exakter Begriffsbestimmung erfolgende Verständigung ist möglich. Wir sagen: Darüber hinaus audi noch wissenschaftlich, weil es intersubjektive Verständigungsmöglichkeiten im praktischen Umgang mit Menschen gibt, die den strengen Erfordernissen der wissenschaftlichen nicht genügen. So beruht im Raum der Kirche die Predigt auf intersubjektiven Verständigungsmöglichkeiten, d. h. auf jedermann und nicht etwa bloß dem Gläubigen verständlichen Worten, Sätzen und Bildern. Ja, die Predigt soll sich gerade auch an die Ungläubigen wenden. Aber sie braucht zu diesem Zweck sich weder einer genauen Begriffsbestimmung, noch eines strengen Begründungsverfahrens zu bedienen, wie es die Wissenschaft fordert. Ja sie darf es gar nicht, wenn sie fruchtbar bleiben will. Aber wir können uns hier nicht auf die Theorie der Predigt einlassen. Für uns ist jetzt nur wichtig, einzusehen, daß es im Bereich der theologischen Wissenschaft die intersubjektive Verständigung gibt. Und zwar für Rahner wie für Barth. Man achte nur streng darauf, was damit noch nicht gesagt ist. Es ist damit nämlich nicht gesagt, daß diese Verständigung zugleich Zustimmung bedeutet. Damit würde der Begriff der Verständigung in unnötiger Weise belastet. Nehmen wir als Beispiel den u. E. sehr bedeutsamen Barth-Satz: Es gibt für einige, vielleicht sogar für alle theologischen Aussagen ein philosophisches Äquivalent. Für einige Sätze haben wir es gefunden. Nebenbei gesagt, haben wir den umgekehrten Satz: Es gibt für einige oder womöglich alle philosophischen Sätze ein theologisches Äquivalent — weder aufgestellt gefunden, noch geprüft. Er zeigt aber, daß philosophische Sätze, die mit theologischen vergleichbar sein wollen, im Sinne unserer obigen Angabe genauer religionsphilosophische Sätze heißen müssen. Prüfen wir nun die eingeschränkte Behauptung: Für einige theologische Sätze gibt es ein religionsphilosophisches Äquivalent. Diese Behauptung wäre tautologisch, wenn „theologisch" mit „religionsphilosophisch" identisch wäre. Weiter führt diese Behauptung erst, wenn man mit Barth unter „theologisch" jenen anderen Erkenntnisvorgang versteht, der von der Offenbarung in Christus ausgeht. Religionsphilosophisch ist dann jener Erkenntnisvorgang, der von der allgemeinen, mensdilidien Erfahrung, abgesehen von der Offenbarung in Christus, ausgeht. Ausgesagt ist nun in dieser Behauptung, daß man sich auf diesen beiden Wegen treffen, d. h. verständigen kann. Wir haben gesehen, daß Barth den einen, theologischen Weg, Rahner den anderen, religionsphilosophischen Weg geht. Und wir haben darüber hinaus eingesehen, wie beide Theo-

Die Begreifbarkeit der theologischen Aussagen

237

logen auf verschiedenen Wegen zu gleichlautenden und gleichsinnigen Aussagen gekommen sind. Das bedeutet aber nun zunächst nur, daß sie sich verständigen konnten über das, was der andere meint, wenn er sagt: Gott ist Wille usw. Von dieser Verständigung ist streng zu unterscheiden die Zustimmung. (Früher haben wir im Anschluß an Newman die Verständigung audi „begriffliche Zustimmung" genannt und die Zustimmung „reale Zustimmung".) Denn es bleibt durchaus die Möglichkeit, daß der eine die von beiden begriffene Aussage als wahr behauptet, der andere aber als falsch. Für den Satz: „Gott ist Wille" haben wir zwar bei Rahner und Barth gesehen, daß sie sich nicht nur verständigt, sondern audi noch zugestimmt haben. Es wäre aber ein religionsphilosophischer Partner denkbar, der wohl versteht, was gemeint ist, aber nicht zustimmt. Wir werden später darauf zurückkommen. Hier wollten wir nur darauf hinweisen, daß zwischen Verständigung und Zustimmung unterschieden werden muß. Objektives Geschehen, ζ. B. das der Offenbarung in Christus, soll also vorerst nur so viel bedeuten, daß man sich darüber verständigen kann, und zwar mit solchen, die an die Offenbarung glauben, wie mit solchen, die nicht glauben. Und wir haben bei Rahner wie bei Barth Aussagen gefunden, die diese Definition zulassen. Sie ist also möglich, wenn auch nicht ausreichend. Wir sind damit der eigentlichen Erörterung der Begreifbarkeit einer theologischen Aussage näher gekommen. Letztere soll erst dann als begriffen gelten, wenn ich mich mit anderen über sie wissenschaftlich verständigt habe. Zu dem anderen wissenschaftlichen Gesprächspartner soll aber nicht nur der zählen, der meiner Aussage zustimmt, sondern auch der, der sie ablehnt. Denn auch derjenige, der meine Aussage ablehnt, weil er eine besser begründete oder auch nur anders begründete an ihre Stelle setzt, muß sie ja zuvor verstanden haben, wenn er sich überhaupt mit ihr auseinandersetzen will. Es ist aber nun leicht zu sehen, daß zu diesem Andersdenkenden nicht nur der zu rechnen ist, der die christlichtheologische Grundvoraussetzung mit mir teilt, — nämlich die Offenbarung Gottes in Jesus Christus — wobei die Kontroverse dann erst bei den Folgesätzen auftritt. Es muß auch derjenige dazu gerechnet werden, der diese Grundvoraussetzung nicht teilt. Denn auch er soll sie ja verstehen können, damit er sich überhaupt mit ihr auseinandersetzen kann. Er muß auf meine theologischen Aussagen dauernd ansprechbar sein, wie ich auf seine. Und unsere Untersuchung der Begreifbarkeit einer theologischen Aussage soll (nur?) so weit reichen, wie diese permanente Ansprechbarkeit reicht. So setzt audi das Bestreiten Verstehen

238

Kritischer Ausbilde

voraus. Es entsteht dann für die Theologie die Aufgabe, ihre theologischen Aussagen zu machen, nicht so, daß sie sich selbst aufgibt, um nur ja mit religionsphilosophischen in Einklang zu stehen, wohl aber so, daß sie sich durchsetzt und der Kritik aussetzt, um von Religionsphilosophie überhaupt verstanden werden zu können. Umgekehrt steht Religionsphilosophie (neuerdings gebraucht der Philosoph W. Weischedel dafür den Ausdruck: Philosophische Theologie 0 3 ) ständig vor der Aufgabe, christliche Theologie zu verstehen, indem sie sich für deren Wahrheit offenhält, um sie „in sich aufnehmen und begreifen zu können" 6 4 . Wobei immer zu beachten ist, daß Verstehen nidit Zustimmen bedeutet. Ein analoges Beispiel für diesen Sachverhalt im Bereich der Bibelforschung bringt jetzt J . B a r r : „Es ist aber nur vernünftig, wenn der Theologe vom nichttheologischen Bibelgelehrten (also demjenigen Gelehrten, der dem christlich-theologischen Grundaxiom von der Offenbarung in Jesus Christus nicht zustimmt, fügen wir hinzu) die Bereitschaft erwartet, eine Darstellung von dem zu geben, was nach seiner Meinung ein Jeremia oder Esra gesagt und gedacht haben. D a s Denken dieser Männer, und das heißt doch ihr religiöses oder theologisches Denken, gehört zu den wichtigsten Fakten der Kultur. U n d es ist die A u f g a b e des Linguisten, deren sprachliche Aspekte zu verstehen . . . Es soll mich nicht gereuen, wenn die Kritik der Linguisten mich zwingt, diese und jene meiner Ausführungen zu revidieren. Weil die Kritik von einem Linguisten kommt, werde ich sie besonders schätzen, denn das bedeutet, daß dadurch eine bessere linguistische Methode im theologischen Bereich zur Sprache k o m m t . . . Nach meiner Ansicht ist es ζ. B. ein großes Unglück, daß ein Werk wie das Theologische Wörterbuch, so weit ich sehen kann, nur in ganz geringem U m f a n g von Linguisten (abgesehen von Theologieprofessoren) besprochen worden ist 6 5 ." Ähnlich wünschenswert wäre es u. E. auch, wenn wieder Philosophen vom Fach sich mit den dogmatischen Sätzen der Theologen auseinanderzusetzen begännen. Ein gutes Beispiel f ü r die Notwendigkeit und Schwierigkeit einer solchen Verständigung über die christliche Wahrheit gibt neuerdings W. Weischedel: „Aber die Aufgabe, die ich mir gesetzt habe, besteht keineswegs darin, einen neuen Gott zu schaffen. Es liegt mir vielmehr daran, herauszufinden, ob die abendländische Metaphysik W. Weischedel, a.a.O. Schelling, a.a.O., S. 426. «' Barr, a.a.O., S. 289 f. M M

D i e B e g r e i f b a r k e i t der theologischen A u s s a g e n

239

mit ihrer Intention auf einen Gott nichts als ein großer Irrtum gewesen ist, oder ob das, was in ihr intendiert worden ist, in verwandelter Gestalt auch im Zeitalter des Nihilismus noch von Bedeutung sein k a n n . . . Zu dieser Aufgabe kann freilich Noller (als christlicher Offenbarungstheologe) kaum etwas beitragen, weil er zwar ein wohlwollender Beobachter der philosophischen Geisteszudcungen, aber im Grunde eben doch ein darüber erhabener christlicher Theologe ist, angesichts der immer neuen philosophischen G ö t t e r . . . f r o h . . . über die zufällige Geschichtswahrheit Jesus Christus... Und wenn Pannenberg ( = ein anderer Offenbarungstheologe) dem philosophischen Fragen die Intention auf Antwort abspricht, wird er dem Phänomen nicht gerecht. Denn auch das philosophische Fragen erhält seine Dringlichkeit aus dem Willen zur A n t w o r t . . . (cf. dazu meine Thesen am Ende des 1. Teiles dieser Arbeit). A m verwunderlichsten aber ist mir, daß Pannenberg bei seinem Rückzug in die Burg gläubiger Sicherheit und bei dem zirkelhaften und unschlüssigen Versuch einer Bewahrheitung seiner Gewißheit seine eigene Einsicht, daß der Christ hinsichtlich der Möglichkeit von Gott zu reden, genau so angefochten sein müßte, wie jeder andere, vergessen zu haben scheint 66 ." Wenn aber dieses Axiom zugelassen wird, daß die christlich-theologischen Sätze von jedermann verstanden und nachgeprüft werden können, auch wenn ihnen zuletzt nicht zugestimmt wird, dann können wir vorläufig jedenfalls von dem Unterschied des gläubigen und ungläubigen Begreifens einer theologischen Aussage absehen. Wir haben schon bei der Frage der Gewißheit von dem Maß der gläubigen oder vollen praktischen Gewißheit abgesehen, um das Maß der theoretischen Gewißheit zu bestimmen, das jedermann zugänglidi und auf das auch der Ungläubige ansprechbar bleibt. Wir haben bei unseren beiden Theologen nichts gefunden, was einer solchen universalen Ausdehnung des theologischen Dialogs widerspricht. Ganz im Gegenteil haben wir audi sie an einer intersubjektiven Verständigung interessiert gesehen. Und so haben wir Grund, auch unsere Frage nach der Begreifbarkeit in diesem gleichen universalen Sinne zu stellen. Audi hier nun macht sich ein bedeutsamer Unterschied bemerkbar. Bei der Frage nach der Gewißheit gab es eine deutliche Differenz. Der theoretischen, nur annähernden Gewißheit stand die volle praktische Überzeugung gegenüber, also gewissermaßen ein Rest, der sich nicht in Verstand auflösen läßt und der sich womöglich immer allen rationalen Auflösungsbemühungen widersetzen wird. Er bezeichnet eines der schwie60

Weischedel in E v . T h e o l o g i e 1967, 3, S. 117, 120, 125.

240

Kritischer Ausblick

rigsten und dunkelsten Kapitel der Theologie. Aber was nun die Begreifbarkeit der theologischen Aussagen betrifft, so besteht die Möglichkeit, einen solchen unbegreiflichen Rest zu bestreiten. Angenommen nämlich, es gibt eine theologische Aussage, die vom Ungläubigen nicht begriffen werden kann — jetzt ganz davon abgesehen, ob er zustimmt. Können dann die Gläubigen sich wenigstens untereinander darüber verständigen, so wie sie sich untereinander ja über das hohe Maß ihrer Gewißheit verständigen können, welches sie Glauben nennen und vom Unglauben deutlich abgrenzen? Oder wenigstens abzugrenzen versuchen, da sie ja auch dann noch immer von Anfechtung reden? Wir haben bei unseren beiden Theologen keine solche Aussage gefunden, über die man sich zwar mit Gläubigen, aber nicht mit Ungläubigen verständigen kann. Praktisch mag es freilich eine solche mystische, sicherlich außerordentlich gefühlsbetonte Verständigung über derartige Geheimnisse geben, die nur einem kleinen Kreis von Auserwählten zugänglich und verständlich sind. Aber im Bereich der Wissenschaft kann ein soldier Satz nicht vertreten werden. Was unsere beiden Theologen betrifft, so haben wir sie jedenfalls in der besten Ubereinstimmung mit dem überall in der theologischen Forschung geltenden Satz gefunden: Die theologische Aussage ist universal und kommunikativ — sie will ihrem Wesen nach gemeinsam sein. Pannenberg fügt hinzu: „Dieser kommunikative Charakter der Wahrheit bildet die Grundlage der kirchlichen Verantwortung dogmatischer Aussagen67." Aber wir wollen jetzt nicht auf die Suche nach anderen Sätzen gehen, die womöglich diesem Grundsatz widersprechen. Für die wenigen von uns herangezogenen theologischen Sätze über Gott gilt der Grundsatz uneingeschränkt. Sie sind kommunikativ, d. h. begreifbar von Gläubigen wie von Ungläubigen. Und wir wollen nicht fragen, was getan werden muß, daß der Ungläubige auch noch zustimmt, sondern viel elementarer: wie denn diese Verständigung überhaupt geschieht. Die Verständigung in bezug auf die Gewißheitsfrage erfolgt, wie gezeigt, auf dem doppelten Weg einer historischen und einer religionsphilosophischen (wir haben auch gesagt transzendental — dogmatischen) Verständigung. Wobei die historische im Bereich christlicher Theologie die maßgebende bleiben muß, wenn es denn wahr sein soll, daß die Offenbarung in Jesus Christus sich ereignet hat. Es ist nun die im folgenden verhandelte Frage, ob die religionsphilosophische Forschung, bei aller Abhängigkeit von der historischen, für die Begreifbarkeit der theologischen Aussage nicht eine höhere Bedeutung hat, als die historische. 67

Pannenberg in Kerygma und Dogma 1962, 2, S. 94.

Die Begreifbarkeit der theologischen Aussagen

241

O b sich nicht womöglich hier das Verhältnis der beiden geradezu umkehrt und man von der Angewiesenheit der historisch-theologischen Aussage auf die dogmatisch-transzendentale sprechen muß. Wir wollen zu diesem Zweck in einem ersten Abschnitt religionsphilosophische Theologie, wie wir sie bei unseren beiden Theologen kennengelernt haben, genauer bestimmen, indem wir die neuerdings wieder aufgekommene Diskussion um die sog. natürliche Theologie aufnehmen 68 . In einem zweiten Abschnitt wollen wir dann in Bezug auf einen bedeutenden religionsphilosophischen Text 6 9 die elementare Aufgabe der religionsphilosophischen Theologie zu bestimmen versuchen. In einem letzten Abschnitt werden wir dann noch einmal das Verhältnis der historisch-exegetischen Theologie zur religonsphilosophischen prüfen, unter Berücksichtigung einer kürzlich erschienenen dogmatischen Studie 70 . 1. Wir können hier nicht über das komplizierte Geschehen einer modernen theologischen Diskussion berichten. Kompliziert nennen wir diese Diskussion vor allem deswegen, weil bei ihr das, was dieser oder jener Theologe gesagt oder gemeint hat und das, was um der Sache willen gesagt werden muß, schwer durchschaubar ineinander liegen. Wir halten uns vielmehr streng an die gestellte Frage, wie theologisch-philosophische oder besser religionsphilosophische Forschung, wie wir sie bei Rahner und Barth ein Stück weit verfolgt haben, getrieben werden soll, damit sie den Anforderungen der christlichen Offenbarungstheologie gerecht wird. Wir brauchen dabei zwischen gläubigen und ungläubigen Religionsphilosophen nicht zu unterscheiden, da es uns hier lediglich um jene elementare Klärung geht, die jeden betrifft, der christliche Theologie überhaupt verstehen will, sei es auch mit der Absicht, sie zu kritisieren. Die neuere protestantische Diskussion um die „natürliche Theologie" bietet sich uns deswegen als hilfreich an, weil sie in erfreulicher Übereinstimmung 4 Minimalforderungen aufstellt, die für die Lösung unserer Aufgabe ebenfalls unentbehrlich sind. Vorweg sei gesagt, daß allgemein 68

W . Lohff: Zur Verständigung über das Problem der Uroffenbarung, in P. Althaus Festschrift 1958, S. 1 5 1 — 1 7 0 . H . J. Birkner: Natürliche Theologie und Offenbarungstheologie, Ein theologiegeschichtlicher Überblick, in Neue Zeitschrift für Systematische Theologie 1961, S. 2 7 9 — 2 9 5 . E . K i n d e r : Das vernachlässigte Problem der „natürlichen" Gotteserfahrung in der Theologie, in Kerygma und Dogma 1963, 4, S. 3 1 6 — 3 3 3 .

69

H . Scholz in Zwischen den Zeiten 1931.

70

Ratschow, a.a.O.

16 B r o w a r z i k , Glauben und Denken

242

Kritischer Ausblick

„natürliche Theologie" als mögliche Aufgabe der Theologie zugegeben wird 7 1 , daß ihre zeitweilige Geringschätzung von einigen sogar bedauert und ihre Notwendigkeit behauptet wird 7 2 . Lediglich über ihren N a m e n konnte man sich bisher nicht einigen. Sie heißt „natürliche Theologie" oder „rationale Theologie" oder auch undurchsichtiger: Theologie des Gesetzes 7 8 oder Metaphysik oder auch einfach Philosophie bzw. wie bei uns: Religionsphilosophie 7 4 . W i r wollen uns provisorisch jedenfalls mit dem N a m e n Religionsphilosophie begnügen. Was unsere beiden Theologen betrifft, so gehört Rahner zu jenen Theologen, die Religionsphilosophie fordern und treiben. V o n Barth ist sein Protest dagegen allgemein bekannt 7 5 . Aber wir haben auch gesehen, in welchem Sinne sein Protest zu verstehen ist und daß er im übrigen selbst Religionsphilosophie einschließt. Wer das bestreitet, beschwört einen verwirrenden Streit um W o r t e herauf. Uns genügt für das Folgende, daß Barth ein philosophisches Äquivalent für seine offenbarungstheologischen Sätze für möglich, j a gelegentlich sogar, wie wir gezeigt haben, für hilfreidi hält. U n d darüber allein wollen wir uns wenigstens grundsätzlich verständigen. Die 1. F o r d e r u n g nun an eine für Offenbarung in Jesus Christus aufgeschlossene Religionsphilosophie ist diese: Sie soll angewiesen bleiben auf die Offenbarung und darf nicht eigenmächtig die Offenbarung „domestizieren" 7 6 . Das bedeutet wohl nichts anderes, als daß sie die Offenbarung in Jesus Christus, wie sie sich in den neutestamentlichen Zeugnissen ausspricht, nicht verfälschen oder abändern, sondern ihr nachdenken soll. Das gleiche hat schon Schelling deutlich gefordert von einer jeden Philosophie, die sich mit der Offenbarung beschäftigt: „Es ist also leicht einzusehen, daß der Begriff einer Offenbarung entweder gar keinen Sinn hat und völlig aufgegeben werden muß, oder daß man genötigt ist, einzuräumen, der Inhalt der Offenbarung müsse ein soldier sein, der ohne sie nicht nur nicht gewußt würde, sondern nicht einmal gewußt werden könnte 7 7 ." W i r erwähnen hier Schelling nicht nur um dieses scharfen Ausdrucks willen für die bleibende Abhängigkeit der Religionscf. Lohff, a.a.O., und Birkner, a.a.O. cf. Kinder, a.a.O. 7 3 Ders. a.a.O., S. 331 — Lohff, 165 ff. 71 Dazu treffend M. Sdieler, Werke Band 10, 1957, Bern, S. 208 ff. Jetzt auch Ratschow, a.a.O., S. 87. 7 5 Zum Protest Barths, cf. Lohff, a.a.O. 7» Lohff, S. 152 f. und 165 — Birkner, S. 283 und 286. 77 Schelling, a.a.O., S. 397. 71

72

Die Begreifbarkeit der theologischen Aussagen

243

philosophic von der Offenbarung, sondern auch, weil Sdielling einen bedeutsamen Versuch gemacht hat, der Offenbarung als Philosoph nachzudenken. Nun kann man gegenüber dieser ersten Forderung gleidi fragen, ob damit überhaupt etwas gefordert wäre. Denn die Geschichte der Theologie zeigt ja, daß man sehr viel aus der Offenbarung in Christus herauslesen kann. Aber doch wiederum nicht alles mögliche. Rahner und Barth haben diese erste Forderung so verstanden, wie sie mindestens verstanden werden muß: Die Erforschung des Offenbarungszeugnisses von Jesus ist maßgebend für die Auswahl und Geltung der religionsphilosophischen Sätze. Wir sprechen vorerst nur von Sätzen, wie „Gott ist Wille" u.s.f., und nicht vom System. Im Grunde läuft diese allgemein anerkannte Forderung auf unseren schon früher aufgestellten Satz von der Relevanz der historischen Forschung für die religionsphilosophische hinaus. W i r könnten aber gar nicht von solcher Relevanz sprechen, wenn es sich herausstellen würde, daß es überhaupt keine religionsphilosophische Forschung gibt, die für christliche Theologie von Belang wäre. Dann gäbe es ja nur die historisch-exegetische. Darum ist es sehr bedeutsam, daß die jüngste protestantische Diskussion um die natürliche Theologie zu einer 2. F o r d e r u n g geführt hat, die in ihren vielen Varianten auf folgenden Satz zu bringen ist: Religionsphilosophie, zwar nicht eigenmächtig, weil angewiesen auf die Offenbarung, soll dennoch ein eigenständiges Unternehmen zur E r forschung der theologischen Wahrheit sein 78 . Auch diese Forderung bleibt zunächst höchst vage, indem sie nur ungefähr darauf aufmerksam macht, daß es neben dem historisch-exegetischen noch ein anderes, selbständiges theologisches Unternehmen gibt. Gerade aber an der Klärung dieser Selbständigkeit wird uns im zweiten Abschnitt dieses Kapitels alles gelegen sein. Vorerst können wir nur feststellen, daß Rahner für diese Selbständigkeit (aber nicht Eigenmächtigkeit) ein deutlicheres Beispiel gegeben hat mit seinen religionsphilosophischen Analysen des menschlichen Daseins, als Barth. Obgleich letzterer faktisch sich auch dazu genötigt sah, theologische Sätze nicht allein aus den Zeugnissen der Offenbarung abzuleiten, sondern selbständig aufzustellen, zu durchdenken und zu entfalten. Nehmen wir nur noch einmal seine Rede vom philosophischen Äquivalent, so bedeutet sie: Der Religionsphilosoph kann unabhängig von der Auslegung des Offenbarungszeugnisses zu theologischen Sätzen kommen, die den gleichen Sinn haben, wie solche, die dem Offenbarungs78

16»

Lohff, S. 152/168.

Kritischer Ausblick

244

Zeugnis entnommen sind. Das bedeutet freilich noch nicht, daß er in jedem Fall dazu kommt und erst recht nicht, daß er dazu kommen muß. Diese beiden Fragen werden in den beiden folgenden Forderungen an eine christliche Religionsphilosophie enthalten sein. Zunächst geht es lediglich darum, sich klar zu machen, daß es so etwas gibt wie theologische Sätze über Gott und sein Verhältnis zur Welt, die nicht dem Offenbarungszeugnis der Schrift entnommen sind und dennoch mit diesem Zeugnis übereinstimmen. Es gibt also noch eine andere Herleitung theologischer Sätze, als die aus der Schrift. Und man muß sie nicht nur zulassen, sondern auch fordern (Barth ist wie gesagt „brennend daran interessiert"), da sie ja womöglich für das Begreifen theologischer Wahrheit bedeutsam sind. Jeder Weg der Erkenntnis muß erlaubt sein, der zu genauerer Erkenntnis theologischer Wahrheit führt. Christliche Theologie hat nur ein Interesse daran, daß die so sich selbständig entwickelnde Religionsphilosophie ihrer ersten Forderung nach der Angewiesenheit auf Offenbarung Rechnung trägt. Denn diese selbständige Religionsphilosophie könnte ja ihrerseits durchaus zu theologischen Sätzen kommen, die dem Offenbarungszeugnis widersprechen. Dann sind es eben nicht mehr christlich-theologische Sätze, wiewohl theologische, da sie ja von Gott Aussagen machen. Auch noch der Satz „Gott ist nicht" ist ein theologischer Satz. J a erst durch einen solchen Widerspruch oder GegenSatz wird das Eigentümliche einer christlichen, auf Offenbarung in Christus angewiesenen Religionsphilosophie begreiflich. Insofern kann die Herleitung theologischer Sätze aus dem Offenbarungszeugnis niemals überflüssig werden. Denn wenn der Religionsphilosoph aus „fremden Quellen" schöpft 7 ', indem er seine theologischen Sätze nicht aus dem Offenbarungszeugnis ableitet, sondern aus seiner Erfahrung mit den Mitteln der Vernunft (wenn man will: aus eigener Vernunft), wie es z . B . Rahner durchwegs getan hat, so könnte er ja niemals wissen, ob diese Erkenntnis christliche Erkenntnis ist oder unchristliche, wenn er sie nicht am Offenbarungszeugnis überprüfen läßt. Erst bei dieser Überprüfung, wie schwierig sie audi immer sein mag, kommt ja das spezifisch Christliche heraus. Andererseits führt aber diese zweite Forderung zu einer bedeutenden Erweiterung des Vernunftbegriffes 80 . Christliche Religionsphilosophie kann ja diese Forderung nur erheben, wenn sie voraussetzt, daß Vernunft auf dem Gebiet der Religion eben nicht bloß und immer eigenwillige und eigensinnige Unwahrheiten zustande bringt, oder in 79 80

ebda., S. 156. ebda., S. 157.

Die Begreifbarkeit der theologischen Aussagen

245

jedem Fall nur solche theologischen Sätze, die der Offenbarung widerstreiten. Es ist ihr vielmehr möglich, auch solche theologischen Sätze aufzustellen, die mit der Offenbarung übereinstimmen. Tillich sagt von ihr: „Vernunft i s t . . . auf ihre eigene Tiefe hin transparent" 8 1 . Das heißt doch mindestens so viel: Der Mensch ist fähig, Offenbarungswahrheiten nicht bloß um dieser oder jener Autorität willen zu behaupten, sondern auch selbständig zu begreifen. Der eine mag ihnen zustimmen, der andere mag sie ablehnen, aber begreifen können sie sie beide. Dabei bleiben vorerst wichtige Fragen ganz und gar offen, ζ. B. die nach dem Anfang oder nach dem Vorgang der Religionsphilosophie. Es ist aber schon viel zugestanden, wenn dem Theologen oder Religionsphilosophen zugestanden wird, einen anderen, selbständigen Erkenntnisweg zu gehen, der nun eben nicht von Jesus ausgeht, wenngleich er zuletzt immer auf ihn angewiesen bleibt. Die 3. F o r d e r u n g betrifft die Frage, ob der Religionsphilosoph (gläubig oder ungläubig) zu seinen dem Offenbarungszeugnis entsprechenden Aussagen kommen muß. Sie lautet: Religionsphilosophie kommt auf dem ihr eigenen Weg niemals zu notwendigen, immer nur zu möglichen theologischen Wahrheiten 82 . Wir haben das in unserem ersten Teil für ein paar elementare theologische Sätze zu zeigen versucht. Man kommt über eine, wenn audi noch so hohe Wahrscheinlichkeit nicht hinaus. Ganz davon abgesehen, daß faktisch den religionsphilosophischen Sätzen der Charakter notwendiger Vernunftwahrheiten mit Erfolg bestritten worden ist, geht es in dieser Forderung um das Grundanliegen der Offenbarungstheologie: Der Mensch kann noch so viel spekulieren und von Gott ausdenken und von Welt ausgehend im Vorgriff auf Gott ahnend ergründen, zuletzt bleibt er für alle seine Versuche auf die göttliche Offenbarung in Christus angewiesen. Käme er aber zu notwendigen Wahrheiten, die unabhängig von der Offenbarung erschlossen und unabhängig von der Offenbarung gelten würden, so wäre eben die Offenbarung für diese Wahrheiten überflüssig. „Wozu gäbe es eine Offenbarung, oder zu welchem Ende würde der Begriff einer solchen nur noch überhaupt beibehalten, wenn wir durch eine solche am Ende nichts weiter erführen oder inne würden, als was wir auch ohne sie und von selbst wissen oder doch wissen könnten 8 3 ?" Neben Schelling findet man auch schon bei Kant Verständnis für dieses offenbarungstheologische Anliegen, wenn er sagt: 81 82 83

P. Tillich, Systematische Theologie I, S. 98. Birkner, a.a.O., S. 286. Schelling, a.a.O., S. 396.

246

Kritischer Ausbilde

„daß alle Versuche eines bloß spekulativen Gebrauchs der Vernunft in Ansehung der Theologie gänzlich fruchtlos... sind" 84 . Man darf nur nicht übersehen, daß Kant sich a.a.O. gegen die Notwendigkeit von theologischen Vernunftwahrheiten wendet, nicht aber gegen die Möglichkeit oder gar gegen den spekulativen Gebrauch der Vernunft in der Theologie überhaupt. Seine Meinung stimmt mit der hier geäußerten vielmehr darin überein, daß die Vernunft in ihrem bloß spekulativen Gebrauch zwar nicht „hinlänglich" ist für die Erkenntnis theologischer Wahrheiten, aber nichtsdestoweniger „von großem Nutzen", „von der größten Wichtigkeit", ja „unentbehrlich"85. Und das scheint uns auch Rahner an den ausgeführten Beispielen deutlich und Barth zuweilen wider Willen gezeigt zu haben, daß man das weite Feld der theologischen Wahrheiten sehr wohl auch spekulativ erschließen kann, wenngleich auf diesem Wege keine notwendige Wahrheit zu erkennen und erst recht keine praktische Gewißheit zu erreichen ist. Andrerseits wird aber erst durch diesen spekulativen Gebrauch der Vernunft das weite Feld möglicher theologischer Wahrheiten bekannt und so erst die spezifische Auswahl, die durch die Christusoffenbarung getroffen wird, begreifbar. Wenn Schleiermacher einmal über die „übel zusammengenähten Bruchstücke von Metaphysik und Moral, die man vernünftiges Christentum nennt... und dieses Gemisch von Meinungen über das höchste Wesen oder die Welt" spottet8®, so bedenkt er nicht, daß er selbst auch ein Gemisch von Meinungen über das höchste Wesen der Welt zur Beurteilung vorlegt und daß er selbst bei der Herstellung dieses Gemisches des spekulativen Gebrauches der Vernunft niemals entraten kann 87 . Die 4. F o r d e r u n g der Offenbarungstheologie an jede Religionsphilosophie, insofern sie der Offenbarung gegenüber aufgeschlossen blei84

85 88 87

Kant, Kritik der reinen Vernunft, Philosophische Bibliothek Band 37 a, Hamburg 1952, S. 600. Kant, ebda., S. 603 f. zit. bei Birkner, a.a.O., S. 287, Anm. 22. cf. Hegels Vorrede zur Phänomenologie des Geistes, Philosophische Bibliothek, Hamburg 1952, bes. seine energische Verteidigung der Spekulation und sein beharrliches Dringen auf „die Anstrengung des Begriffes": S. 13, 41, 47 f., 55. Und mag man das Gefühl in der Religion auch sehr hoch schätzen — cf. neuerdings H . J. Rotherts Einleitung in die Reden Schleiermachers, Phil. Bibliothek, Band 255, 1961, S. VIII — so tappt es eben doch, wenn nicht für den Fühlenden selbst, so doch für alle anderen, blind herum, es sei denn, man hat es auf den Begriff gebracht.

Die Begreifbarkeit der theologischen Aussagen

247

ben will, betrifft die Frage: Können alle theologischen Sätze, die dem Ofienbarungszeugnis entnommen und zum Zwecke einer deutlichen E r kenntnis der Offenbarungswahrheit aufgestellt sind, auch auf dem geforderten oder wenigstens zugestandenen selbständigen Weg der Religionsphilosophie entdeckt werden? Man sieht gleich, daß diese Frage auf unsere in der Vorbemerkung zu diesem Kapitel gestellte hinausläuft: Gibt es für jede offenbarungstheologische Aussage ein religionsphilosophisches Äquivalent? Mit anderen Worten: Ist die Annahme richtig, „daß Logos der Vernunft und Logos der Offenbarung nach ihrem Gedankengehalt unter dem Gesichtspunkt des Begriffsumfangs zugeordnet werden können" 8 8 ? Für die wenigen Sätze von Gott, die wir in unserer Arbeit untersucht haben, müssen wir die Frage bejahen. Rahner hat deutlich und Barth zögernd gezeigt, wie man zu offenbarungstheologischen Sätzen audi auf anderem, religionsphilosophischem Wege kommen kann. Selbstverständlich ist der Weg Rahners nicht der einzig mögliche. E r ist nur typisch für den eigenständigen Erkenntnisvorgang des Religionsphilosophen. Offen bleibt somit nur die Frage, ob das für alle Fälle grundsätzlich gilt. D a diese Frage die schwierigste und grundlegendeste von allen genannten ist, wollen wir die Antwort, die in der 4. F o r d e r u n g darauf enthalten sein muß, an den Schluß stellen, und uns sozusagen schrittweise herantasten. Das nächstliegendste Verfahren und sicher auch das gründlichste und zuverlässigste wäre dies: Der Offenbarungstheologe nennt dem Religionsphilosophen einen theologischen Satz (also einen solchen, der das Verhältnis Gottes zum Menschen und seiner Mit- und Umwelt betrifft), den er dem Offenbarungszeugnis entnommen hat, mit der Behauptung, daß dieser Satz religionsphilosophisch nicht zu erschließen sei. Dann wäre der Religionsphilosoph an der Reihe und müßte zeigen, ob und wie es dennoch geht. Bevor wir darauf zurückkommen, müssen wir aber ein paar mißverständliche Einwände hervorheben, die dieses Verfahren derart belasten, daß sie es gar nicht richtig in Gang kommen lassen. Man kann sagen: Die Offenbarung in Christus ist gar nicht mehr entscheidend, wenn man audi auf anderem Wege ihre Wahrheit erkennen kann. Man denke an den Satz Schellings, daß Offenbarung dann überflüssig wäre — Offenbarung immer als Christus-Offenbarung, nicht im Sinne der Erleuchtung durch den Heiligen Geist, durch das testimonium Spiritus Sancti internum, welches ja überall und nirgends zugestanden 88

Lohff, a.a.O., S. 157.

248

Kritischer Ausblick

werden kann. Dieser grundsätzliche Einwand aber führt uns zunächst in unserer Frage nicht weiter. Er wiederholt nur noch einmal das Anliegen der ersten Forderung, daß Religionsphilosophie, insofern sie sich über christliche Wahrheiten äußert, immer auf das christliche Offenbarungszeugnis angewiesen bleibt. Geht er aber weiter und meint eine radikale Verfinsterung der Vernunft 80 , so wird damit grundsätzlich die zweite Forderung und ihr Anliegen bestritten, nämlich daß es einen selbständigen Weg der Religonsphilosophie audi gegenüber der Offenbarung gibt. Und man hat die u. E. unüberwindlichen Schwierigkeiten, diese radikale Fremdartigkeit der Offenbarungswahrheiten gegenüber der Vernunft nachzuweisen90. Was unsere beiden Theologen betrifft, so hätte Rahner seine transzendentalen Analysen niemals angefangen und Barth hätte nicht sinnvoll von philosophischen Äquivalenten sprechen können, wenn sie von solcher radikalen Verfinsterung der Vernunft überzeugt wären. Bleiben nur noch die beiden Möglichkeiten einer teilweisen und einer restlosen, also alles umfassenden religionsphilosophischen Erkenntnisfähigkeit, selbstverständlich immer im Sinne der theoretischen Begreifbarkeit, niemals im Sinne der Zustimmung. Diese Einschränkung ist deswegen hier so wichtig, weil das Argument der Gottesliebe, das häufig genannt wird, um der Verständigung willen mit dem Andersdenkenden bzw. Andersglaubenden nicht zugelassen werden darf. Man sehe: „Erkennen ist in biblischer Tiefenbedeutung nicht theoretisch-gegenständlich gemeint, sondern meint: liebend zugewandt sein91." Es ist deutlich, daß „liebend zugewandt sein" hier nicht bloß die Bedeutung haben kann: Auf der liebevollen Suche nach der theologischen Wahrheit sein. Denn diese Liebe muß man jedem Theologen, auch dem unchristlichen zugestehen, wenn man sich mit ihm verständigen will. „Liebend zugewandt sein" kann hier also nur bedeuten, von einer bestimmten Auswahl theologischer Sätze, um der Offenbarung in Christus willen, überzeugt sein. Wir wollen aber vorerst gar nicht wissen, wie es zur Zustimmung kommt, sondern viel elementarer, wie man theologische Sätze begreifen lernt, sei es in christlicher Auswahl oder in unchristlicher. Um es noch einmal zu sagen: Der Ungläubige muß ja verstehen können, worum es in diesem oder jenem Satz oder dann später auch System geht, wenngleich er auch nicht zustimmt. Das „liebend zugewandt sein" ist im ersteren, weiteren 89 90 91

ders. über E. Brunner, a.a.O., S. 159. cf. ebda., S. 158 f. Kinder, a.a.O., S. 323, Anm. 23.

Die Begreifbarkeit der theologischen Aussagen

249

Sinn kein Argument, weil es jedem zugestanden werden muß, der sich um theologische oder religionsphilosophische Wahrheiten bemüht. Im zweiten, engeren Sinn ist die Liebe kein Argument, weil sie lediglich ein anderer Ausdruck für die Zustimmung zu bestimmten theologischen Sätzen ist. Für das Begreifen aber aller vernunftmöglichen theologischen Sätze, der christlichen wie der unchristlichen, liefert sie kein neues Argument. Jeder kann sich auf seine Liebe berufen. Bleibt für die partielle religionsphilosophische Erkenntnistheorie folgende Verteidigung: Die Aufgabe der religionsphilosophischen Vernunft ist es, die Gottesfrage möglichst genau zu bestimmen, in allen ihren vom menschlichen Denken und Erfahren herkommenden Variationen 92 . Die Aufgabe der christlichen Theologie wäre es dann, die spezifisch christliche Antwort auf die religionsphilosophische Frage zu entwickeln. Denn das Offenbarungszeugnis enthält ja göttlichen Bescheid, den sich der Mensch nicht selber geben kann 93 . Den formalen Vorgang kann man sich etwa so denken: Es muß historisch-exegetisch das Offenbarungszeugnis auf seine theologischen Aussagen geprüft werden. Man wird sich bei dieser Arbeit auch grundsätzlich von dem Gedanken leiten lassen, daß diese Aussagen sich nicht widersprechen dürfen. In einem anderen religionsphilosophischen Arbeitsgang können, die dort entwickelten Fragen aufgenommen und weitergetrieben oder womöglich selbständig entwickelt werden. Denn jeder Offenbarungstheologe kann ja selbst Religionsphilosoph sein. Werfen wir an dieser Stelle einen Blick auf unsere beiden Theologen. Rahner hat konsequent das letztere unternommen, Barth mit seinem eigentümlichen Mischverfahren beides. Aber wir müssen gleich korrigierend hinzufügen: Rahner hat keineswegs bloß religionsphilosophische Fragen entwickelt. Er hat ineins damit Antworten gegeben. Bei Barth ist der Vorgang komplizierter. Aber auch er hat uns an einigen Stellen seiner theologischen Spekulation bestätigt, wofür Rahner ein deutliches Beispiel gegeben hat: Wo eine Frage ist, da gibt es auch für den, der fragt, eine oder mehrere Antworten darauf. Was Wille oder Liebe bedeutet, kann man auch unabhängig vom Offenbarungszeugnis verstehen. J a , wir haben gezeigt, daß das, was Rahner unabhängig vom Offenbarungszeugnis entwickelt hat, auch nicht im Widerspruch zu dem stehen muß, was ζ. B. Barth an einigen Stellen aus dem Offenbarungszeugnis glaubt ableiten zu können. Das Schema „religionsphilosophische 92 93

ebda., S. 326 u. ö. H . Gollwitzer: Denken und Glauben, S. 133 ff.

250

Kritischer Ausblick

Frage — offenbarungstheologische Antwort" ist falsch, jedenfalls für einige Fälle. Vielmehr muß man mindestens für einige Fälle zugeben, daß die Religionsphilosophie schon ihrerseits eine Reihe von möglichen Antworten entwickelt und bereithält, von denen Offenbarungstheologie eine bestimmte Auswahl trifft — d. h. einige als mit der Offenbarung übereinstimmend zuläßt, andere als ihr widersprechend verwirft. Unsere Überlegung spitzt sich also auf die Frage zu: Gilt das nun auch für alle möglichen Fälle von theologischen Aussagen? An sich überschreitet diese Frage den Umfang unserer Untersuchung, da wir es hier immer nur mit einer sehr begrenzten Auswahl von theologischen Sätzen zu tun hatten. Aber wir wollen wenigstens grundsätzlich eine Andeutung machen, die sich aus dem bereits Gesagten ergibt. Würde die partielle Theorie Recht haben, so bedeutet das: Es gibt theologische Sätze, die Aussagen von Gott machen, welche nur dem Offenbarungszeugnis entnommen sein können. Man beachte wohl: Diese gelten dann nicht nur um Christi willen, sondern sie sind ohne die Offenbarung in Christus nicht einmal zu wissen, im Sinne einer freien religionsphilosophischen Frage. Es gibt also offenbarungstheologische Antworten, nach denen religionsphilosophisch nicht einmal gefragt werden könnte. Wovon man überhaupt nichts weiß, danach kann man audi überhaupt nicht fragen. Diese Sätze würden die menschliche Vernunft sozusagen völlig unvorbereitet und hilflos antreffen und ihr gänzlich fremdartig erscheinen. Vernunft könnte sie gar nicht begreifen, da sie ja gar keine Möglichkeit hat, sie in sich aufzunehmen. Wir stünden bei einem radikalen Offenbarungspositivismus, der für theologische Aussagen radikaler nicht mehr gedacht werden kann. Es scheint uns aber unmöglich, solche Sätze zu finden. Sie würden gleichsam blinde Behauptungen darstellen, die kein Mensch versteht. Umgekehrt scheinen uns die transzendentalen Analysen Rahners auf alle theologischen Sätze ausdehnbar zu sein, wenn letztere denn begriffen werden wollen. Und Barths Rede vom philosophischen Äquivalent muß um der Begreifbarkeit jeder theologischen Aussage willen nicht nur partiell für einige theologische Sätze, sondern universal für alle theologischen Sätze gelten. Die letzte und 4. F o r d e r u n g heißt dann: Religionsphilosophie ist derart selbständig zu begreifen, daß sie nicht nur einige, sondern alle theologischen Sätze selbständig erforschen kann. Dabei erforscht sie theologische Aussagen nicht so, daß sie lediglich Fragen stellt, auf die sie keine Antwort weiß. Vielmehr erforscht sie mit den Fragemöglich-

Die Begreifbarkeit der theologischen Aussagen

251

keiten audi die Antwortmöglichkeiten94. Sie kann wissen, was geantwortet werden kann, da sie ja die Bedingungen der Möglichkeit für alle Antworten enthält. Sie kann nur nicht wissen oder selbständig erschließen, was die Offenbarung in Christus an tatsächlichen Antworten enthält. Es will uns scheinen, daß man auf diese Weise dem hohen Anspruch der Offenbarungswahrheit keinen Abbruch tut und zugleich dem hohen Anspruch der Religionsphilosophie gerecht wird. So allein kann man sinnvoll von einer Vernunft sprechen, die auf ihre eigene Tiefe hin transparent ist und von einer Offenbarung, die nicht absurd, sondern verstehbar ist, audi wenn ihr nicht immer und von allen Seiten zugestimmt werden muß e ! . 2. Wir betonen noch einmal, daß das bisher und im folgenden Gesagte zunächst lediglich für die von uns untersuchten theologischen Elementärsätze gilt. Ob es audi für alle anderen gilt, bleibt im Rahmen dieser Arbeit eine reine, wenn auch u. E. begründete Vermutung. Wenn nun also theologische Forschung in ihrem religionsphilosophischen Zweig (was für unseren Zweck nichts anderes als metaphysisch oder dogmatisch bedeutet) selbstständig vorgehen darf, d. h. methodisch frei von historischexegetischen Überlegungen — und wenn man eingesehen hat, daß sie gar nicht anders kann, als mit den Fragemöglidikeiten auch zugleich die Antwortmöglichkeiten zu erforschen, wenn es denn Antworten sein sollen, die grundsätzlich von jedermann begriffen werden können — dann können wir ihre elementare Aufgabe im Blick auf Rahner und Barth noch etwas genauer bestimmen. Wir nehmen dazu Anregungen des Religionsphilosophen H. Scholz auf, der sich schon längst mit bemerkenswerter Deutlichkeit darüber geäußert hat 96 . Wenn wir die von uns aufgestellten Forderungen an die religionsphilosophische Theologie durchzählen, so stehen wir jetzt vor der 5. F o r d e r u n g . Es handelt sich um das sog. Satzpostulat bei Scholz. Es besagt, „daß eine Wissenschaft eine Folge von Sätzen sein muß, für welche das Wahrsein behauptet wird" 97 . Elementar nennen wir diese und Zu dem Verhältnis von Frage und Antwort, außer Rahner (cf. l.Teil) neuerdings in gleicher Richtung H. G. Gadamer, a.a.O., S. 344—360; jetzt audi W. Weisdiedel in Ev. Theologie 1967, 3, bes. S. 119 f. •5 Lohff, a.a.O., S. 158 f. 94

H. Scholz in Zwischen den Zeiten 1931, S. 19 ff. Kritisch J. Hessen, Religionsphilosophie Bd. 1, Essen 1948, S. 266—287. 97

Scholz, a.a.O., S. 39.

252

Kritischer Ausblick

die folgenden, weil sie von den ersten 4 Forderungen unabhängig gelten und als gültig vorausgesetzt werden müssen, wenn man in den ersten 4 zu einer verständlichen Entscheidung kommen will. Wir wollen jetzt an dem Beispiel Rahners und Barths diese Forderung genauer prüfen. Wir konnten im besten Fall nur wissen wollen, was unsere beiden Theologen in Sätzen von Gott auszusagen vermochten. Was sie über die blanken Sätze hinaus noch alles, und womöglich jeder anders, empfunden haben, das konnten wir nicht nachprüfen, weil wir, sagen wir vorsichtig, keine Methode dafür haben. Wir lassen also offen, ob es eine solche gibt. Diese Beschränkung schien uns sehr nützlich. Wir konnten dadurch viel besser den Sinn und die Übereinstimmung einiger theologischer Satzwahrheiten ermitteln, ohne daß ihr Wahrsein gleich wieder aufgehoben oder doch unkontrollierbar abgeschwächt wurde durch die dunkle Rede einer „eigentlich protestantischen (oder eigentlich katholischen) Atmosphäre" 8 8 , oder eines mehr oder weniger gefährlichen Gefälles, in dem alles mit einem doch recht schwer zu bestimmenden „Schwung mitgerissen" w i r d " . Auch die Rede von der Entscheidung oder vom Wagnis, die bei Barth eine große Rolle spielt, mußten wir unberücksichtigt lassen, da wir ja nicht wissen wollten, welchen hohen G r a d an Wagemut oder Entscheidungskraft unsere beiden Theologen zur Verfügung haben für ihre einzelnen theologischen Sätze, sondern allein welche Argumente. Denn ihre Sätze wollten doch zuerst einmal und mindestens wahr sein und nicht falsch, begründet und nicht grundlos. „Für Wagnisse haben wir ganz andere Prädikate" und für den mitreißenden Schwung eines Satzes, sein Gefälle und seine Atmosphäre auch 100 . Wenn wir nun daraufhin die Aussagen von Gott bei Rahner und Barth ansehen, so kommen wir zu einigen wichtigen Beobachtungen, wie religionsphilosophische Theologie ihre Sätze von Gott bildet. Rahner geht ganz bewußt und entschlossen von bestimmten menschlichen Erfahrungen aus, die jeder macht und jeder versteht: ζ. B. die Erfahrung der Endlichkeit, sei es räumlich oder zeitlich, oder die andere von der Freiheit, oder die von der Liebe. U m diese Erfahrung audi zu begreifen, gebraucht er Wörter, die d a f ü r allgemein bekannt sind. Aber so wie sie sind, sind sie zu ungenau und also unbrauchbar. In der mühevollen „Anstrengung des Begriffes" (Hegel) definiert er bestimmte Wörter zu Begriffen. Bei diesem ganzen Vorgang einer methodischen Überlegung ist gefordert, 98 99 100

Balthasar, a.a.O., S. 254 u. ö. Küng, a.a.O., S. 270 f. u. ö. Scholz, a.a.O., S. 39 — cf. auch Bochenski, a.a.O., S. 55 f.

Die Begreifbarkeit der theologischen Aussagen

253

daß man einmal definierte Worte, also Begriffe im Fortgang der Erörterung im gleichen Sinn beibehält und genau angibt, wann der Sinn erweitert und wann eingeschränkt wird. In dem von uns vor allem herangezogenen Werk von Rahner ist diese Zucht des Denkens am besten gewahrt, verglichen mit seinen zahlreichen anderen Werken. Obgleich auch da vielleicht noch höhere Anforderungen zu stellen wären 1 0 1 . Vorerst kommt nun in diesen Sätzen, die jeder mit gewissen Abstraktionsund Differenzierungsvermögen und gutem Willen verstehen kann, weder Gott noch seine Offenbarung vor. Damit fehlt das Entscheidende. Aber wenn es nicht auf die Dauer fehlt, warum soll es nicht vorübergehend fehlen dürfen? Rahner kommt so zu einer deutlichen Klärung der gemeinsamen Ausgangsbasis für religionsphilosophische Erkenntnis. Barth hingegen, voll Eifer für die Offenbarung, um die es Rahner genau so zu tun ist, will gleich von Gott und seiner Offenbarung reden. Dadurch erschwert er aber die Ausgangslage für ein Gespräch mit einem, der nicht an Gott und seine Offenbarung glaubt. Wir können hier nicht auf die umstrittene Frage eingehen, ob Barth das überhaupt will. Nach unserer Uberzeugung muß es jeder Theologe wollen, so wie er die Predigt nicht nur für Gläubige, sondern auch und gerade für Ungläubige will. Wir haben jedenfalls Texte gefunden und auch angegeben, die eine solche Barthinterpretation zulassen. Erschwert freilich wird die Redesituation dadurch, daß Barth von vorneherein und unvermittelt von Gott spricht, allerdings durchwegs in Worten, die der menschlichen Sprache entnommen sind und auf allgemein menschliche Erfahrungen hindeuten. Denn andere Worte gibt es ja nicht 102 . Doppelt schwer wird die Lage dadurch, daß Barth nicht bloß gleich von Gott, sondern audi noch von seiner Offenbarung in Christus spricht. Damit kommen, wenn man genau und sorgfältig vorgehen will, sehr komplizierte historisch-exegetische Überlegungen ins Spiel, die eine deutliche Bestimmung des theologischen Satzes zuweilen bis ins Unverständliche belasten. Daher rührt u. E. das ständige Schwanken von der exegetischen Analyse in die religionsphilosophische (oder wie Barth mißverständlich sagt: theologische). Barth scheint zu spüren, daß um der Verständigung willen audi noch etwas 101

Dazu treffend Kamiah, Propädeutik, S. 81, 146 f.

102

Zur „himmlischen Sprache" in der Theologie jetzt: W . Joest in: Ontologie der Person S. 133 und C. H . Ratschow in: G o t t existiert, S. 83.

Immer

noch deutlich genug: Hegel in seiner Vorrede zur Phänomenologie, a.a.O., S. 41 u. ö.

254

Kritischer Ausblick

anderes geklärt sein muß, außer der Exegese. Nur zieht er nicht die Konsequenz daraus, wie Rahner, der die Exegese ganz ausschaltet, um sie vorläufig jedenfalls den Exegeten zu überlassen. Rahner fragt dann in einem zweiten Schritt der Erkenntnis transzendental, wie er wohl im Anschluß an Kant sagt 1 0 3 , nach den Bedingungen der Möglichkeit, von der Endlichkeit, Zufälligkeit oder der Freiheit des menschlichen Daseins zu reden. Und erst dadurch werden aus philosophischen Sätzen religionsphilosophische Sätze. Freilich längst noch nicht offenbarungsphilosophische Sätze. Denn von der Offenbarung ist ja noch nicht die Rede. Aber nun, im „transzendentalen Vorgriff" wird nicht nur etwas von Welt, sondern von Gott erkannt. Nicht so, daß man zwingend dies oder jenes von Gott aussagen könnte. Aber so, daß man die Bedingungen der Möglichkeit erforscht, von Gott zu reden. Der Religionsphilosoph erforsdit sozusagen die theologisdie Tragfähigkeit und Tragweite der philosophischen Begriffe. Daß Rahner im Vollzug solcher Begriffsarbeit zu gleichsinnigen theologischen Aussagen kommt wie Barth, bestätigt die selbständige Bedeutung dieses Vorgangs. Was aber viel wichtiger ist: Seine Begriffsanalysen sind für das spätere Verstehen der Offenbarungswahrheiten unentbehrlich. Natürlich kann man auch, wie Barth es versucht, von den Offenbarungszeugnissen ausgehen. Aber einmal ist das nicht unbedingt erforderlich, wenn man nur immer wieder zum Offenbarungszeugnis zurückkehrt. Denn ob ich mir das im Offenbarungszeugnis von Gott Ausgesagte zuerst aneigne und einsichtig mache, um es dann mit all dem anderswo von Gott Gesagten zu vergleichen, oder umgekehrt, das kommt theoretisch aufs gleiche hinaus. Wenn nur überhaupt die Auseinandersetzung mit dem Anderweitigen stattfindet. Vor allem aber zeigt der Vorgang bei Barth, daß die Beschäftigung mit den Offenbarungsdokumenten so viel historisdi-exegetische Sonderarbeit verlangt, daß die strenge Begriffsanalyse, wie sie Rahner unternimmt, erheblich darunter leidet 104 . Zudem wird in den biblischen Berichten eine Sprache gesprochen, die weit entfernt ist von irgendwelchen transzendentalen Analysen, welche der Religionsphilosoph erst im Laufe einer langen Geschichte der Philosophie gelernt hat. Mit anderen Worten: Das biblische Zeugnis wird den hohen Anforderunlos

104

Sehr erwägenswert ist Sdielers behutsame Kritik an der transzendentalen Methode (in: Die transzendentale und die psychologische Methode, H a b i litationsschrift 1900). cf. Scheler, Die Wissensformen und die Gesellschaft, Werke, Band 8, München 1960, S. 69 ff. — bes. S. 83 f.

Die Begreifbarkeit der theologisdicn Aussagen

255

gen der religionsphilosophischen Abstraktion, oder wie Barth einmal sagt: „sorgfältiger minutiöser Distinktionen" nicht gerecht. Dieser T a t bestand erklärt, warum Barth immer wieder mitten in exegetischen Überlegungen zu selbständigen Analysen greifen muß, weil er eben genauer verstehen will, was im Offenbarungszeugnis nur eben angedeutet oder unzureichend entwickelt ist. Das besagt nichts gegen den theologischen Satz von der Suffiziens der Heiligen Schrift. Es besagt nur, daß man nicht ohne weiteres auf jede theologische Frage eine fertige Antwort der Schrift entnehmen kann. Vielmehr sind dazu eine ganze Reihe von historisch-exegetischen und religionsphilosophischen Überlegungen erforderlich, wenn man sich nicht mit einer vagen Auskunft begnügen will. Der schwerste Einwand gegen die so selbständig vorgehende religionsphilosophische Konstruktion von Sätzen ist der in unserer 1. Forderung schon genannte: Religionsphilosophie verfälscht die Offenbarungswahrheit. Oder: Vernunft domestiziert Offenbarung. Aber was soll das heißen? Wir wollen uns diesen sehr häufig vorkommenden Einwand an dieser Stelle etwas genauer ansehen 105 . Es wird behauptet: Ein bestimmter religionsphilosophischer Satz, ζ. B. der, der Gott überhaupt einen Willen zuspricht, wird dem entsprechenden offenbarungstheologischen Satz nicht gerecht. Selbverständlich ist der Fall ausgeschlossen, daß der eine Satz dem anderen widerspricht. Dann wäre ja in dem einen Satz etwas anderes ausgesagt, als in dem anderen. Es wären keine äquivalenten Sätze mehr. Aber nur mit diesen beschäftigen wir uns hier. Wir müssen auch für unseren Zweck einer allgemeinen Verständigung den Fall ausschließen, daß unsere religionsphilosophisch konstruierten Sätze als „hilflos, rührende Versuche" aufgefaßt werden, von Gott Aussagen zu machen, wo sich Gott doch als der Unerforschliche zuletzt jedem menschlichen Begreifen entzieht, als der ganz Andere 1 0 8 . Denn dieser Fall der sog. Äquivokationen trifft nicht nur die religionsphilosophischen Sätze, sondern auch die offenbarungstheologischen 107 , und stürzt das 105

Nicht eindeutig H . G. Fritzsche, Die Strukturtypen der Theologie, G ö t -

108

Dazu J. Hessen, Religionsphilosophie, 2. Band, 2. Aufl. 1955, bes. S. 194 ff.,

107

Pannenbergs Ausführungen zum Analogieproblem, in Theologische Lite-

tingen 1961, cf. bes. S. 50 ff. und Rahner, Schriften IV, S. 51 ff. raturzeitung 1960, 2 2 5 — 2 2 8 , und in Kerygma und Dogma 1962, 2, S. 94 ff., sind nicht überzeugend. Sollte theologische Erkenntnis auf Äquivokationen hinauslaufen, so löst sie sich selbst auf. cf. E . Wölfel, Duns Skotus, Habilitationsschrift Erlangen (maschinenschriftlich).

256

Kritischer Ausblick

theologische Denken in hoffnungslosen Agnostizismus. Wir wollen uns ja gerade sinnvoll verständigen über zwei Sätze, die das Gleiche und nicht etwas je Anderes aussagen. So spitzt sich der Einwand gegen die eigenständige Konstruktion religionsphilosophischer Sätze auf den Vorwurf zu: Es handelt sich in den gleichlautenden religionsphilosophischen und offenbarungstheologischen Sätzen um je einen anderen Gott. Einmal um den Gott der Philosophen, das andere Mal um den Gott der Offenbarung Jesu Christi. Dieser Einwand enthält ein wichtiges Argument, nämlich jenes, das dem Barthschen Vorwurf gegen jede natürliche Theologie oder freie Religionsphilosophie zugrunde liegt. In der T a t ist ja das, was der Religionsphilosoph zu erkennen anstrebt, gar nicht jene freie Mitteilung Gottes in seiner Offenbarung — im Raum des Christentums also die freie Mitteilung der Offenbarung in Jesus Christus. Jesus Christus kommt in den transzendentalen Analysen Rahners nicht vor. E r spricht nur von dem Ort der Offenbarung, den man natürlich auch anders als christlich deuten kann. Dennoch läßt nun aber Rahner in der grundsätzlichen Einschätzung der Offenbarung Gottes nichts zu wünschen übrig, auch nicht für einen strengen Offenbarungstheologen wie Barth. Dieser Lage wird man u. E. nicht gerecht, wenn man einfach von „zwei Göttern" spricht, ζ. B. dem Gott der Philosophen und dem Gott der Offenbarung. Zuletzt will Rahner ja audi nur den Gott der Offenbarung erkennen, wie Barth. Mindestens muß man, wie Scheler, hinzufügen, daß diese beiden Götter realidentisch, wenn auch nicht intentionalidentisch sind 108 . Die zwei Intentionen entsprechen genau dem, was wir bei unserem Barth-Rahner-Vergleich die zwei Herleitungen genannt haben. Mißlich ist es weiter, die religionsphilosophische Intention gleich von vornherein derart zu verdächtigen, daß man ihr reine Konstruktion eines erdachten Gottes vorwirft, während der Offenbarungstheologe allein Gott erkennt, weil er Gott nicht konstruiert, sondern vernimmt oder gehorsam seiner Offenbarung nachdenkt. Denn der faktische Vollzug solchen gehorsamen Nachdenkens, wie wir ihn bei Barth kennengelernt haben, kann sich gewisser religionsphilosophischer Konstruktionen gar nicht enthalten, für die es einen direkten Schriftnachweis kaum gibt. Aber auch wenn es ihn gibt, so ist der Schriftbeweis audi konstruiert, nämlich historisch. Anders können wir gar nicht argumentieren. Die religionsphilosophische Konstruktion von theologischen Sätzen muß grundsätzlich gegenüber der Offenbarung gar nicht verschlossen sein. Sie 108

M. Scheler, bes. in Werke, Band 10, Bern 1957, S. 181 ff.

Die Begreifbarkeit der theologischen Aussagen

257

muß Offenbarung gar nidit vorwegnehmen, noch sie verfälschen wollen. Sie kann mit ihren Sätzen die Möglichkeit schaffen wollen, Offenbarung genauer im Zusammenhang des allgemeinen, vernünftigen Denkens zu begreifen. Dafür hat Rahner ein eindrucksvolles Beispiel gegeben. Verschlossen wären solche Sätze gegenüber der Offenbarung erst dann, wenn sie eine Überprüfung am Offenbarungszeugnis gar nicht zulassen oder, im Falle eines nachgewiesenen Widerspruches zum Offenbarungszeugnis, sich gegen die Offenbarung wenden. Beides kann man Rahner nicht zum Vorwurf machen. Umgekehrt aber gilt: Werden die offenbarungstheologischen Sätze als verschlossen angesehen gegenüber der freien religionsphilosophischen Forschung, dann werden sie grundsätzlich jedem Begreifen entzogen, auch noch dem unter den Offenbarungstheologen selbst. „Kein Nachweis steht dann dem Theologen zu Gebote, mittels dessen er sich selbst oder anderen beweisen könnte, daß er nicht Grillen fängt, sondern Gottes Wort vernimmt und bedenkt 1 0 9 ." Es bleibt ihm dann nur der Hinweis: „Hier steht es geschrieben", und der kaum je gelingende Nachweis, warum er denn überhaupt theologische Überlegungen anstellt und sich nicht vielmehr mit einer Liste von Bibelworten begnügt. Es käme ein Offenbarungspositivismus heraus, der vor allem erst noch zu beweisen hätte, daß sein positivistischer Ansatz dem Schriftzeugnis entspricht. Will er aber begreifen, was gemeint ist, so wird ihm die freie, religionsphilosophische Forschung unentbehrlich sein. Auf die daraus entspringende schwer zu beantwortende Frage nach dem Verhältnis von historischem und philosophischem Satz werden wir in unserem letzten Abschnitt zurückkommen. Hier ging es nur darum, die selbständige Konstruktion von religionsphilosophischen Sätzen zu rechtfertigen. Die 6. F o r d e r u n g , das von Scholz so genannte Kontrollierbarkeitspostulat, brauchen wir nur noch einmal zu nennen. Ihr Recht müßte aus der ganzen Art dieser Untersuchungen hinlänglich erwiesen sein. Wenn ein Theologe sich äußert, so soll nicht nur der Gleichgesonnene oder Gleichgläubige, sondern auch der Andersgläubige verstehen können, was gemeint ist. Was wir der Predigt zugestehen, daß sie audi von Ungläubigen verstanden werden kann, wenngleich ihr nicht zugestimmt wird, das müssen wir erst recht von der theologischen Wissenschaft verlangen. Zu diesem Zweck ging ja Rahner gerade nicht von Bibelworten aus, sondern von Erfahrungen, die jedermann machen kann:, und leitete daraus theologische Sätze ab, die jedermann nachvollziehen kann, ohne für diesen Nachvollzug auf die Gnade einer besonderen Erm

Scholz, a.a.O., S. 45 und auch 34.

17 B r o w a r z i k , Glauben und D e n k e n

258

Kritischer Ausbilde

leuchtung angewiesen zu sein. Ob er dann zuletzt zustimmt oder ablehnt, das freilich steht nicht in des Menschen Hand, obgleich sich beides immer menschlich äußern wird. Wir fügen hier nur noch das bemerkenswerte Urteil von Scholz an: „Wir verlangen also von einer wissenschaftlichen Dogmatik, daß sie nicht mit Begriffen und Sätzen operiert, für die ein an ein pünktliches Denken gewöhnter Mensch beständig die Frage aufwerfen muß: Was ist das? Ich muß es mir an dieser Stelle versagen, an Beispielen zu zeigen, wieviel nach meinem Urteil die evangelische Dogmatik gerade heute in dieser Hinsicht zu wünschen übrig läßt. Aber das werde ich sagen dürfen, daß vieles nicht nur deutlicher gesagt werden muß, sondern auch deutlicher gesagt werden wird, wenn man erst einmal wieder darauf aufmerksam geworden ist, daß es die Aufgabe jeder Wissenschaft ist, uns aus dem Dunklen ins Helle zu führen, und nicht, durch eine eigens zu diesem Zweck erfundene Sprache das Dunkle noch dunkler zu machen und die Finsternis noch zu steigern 1 0 9 ." Die 7. F o r d e r u n g , von Scholz Kohärenzpostulat genannt, betrifft nicht die einzelnen theologischen Sätze und ihre Herleitung, sei es aus dem Offenbarungszeugnis, sei es aus der menschlichen Erfahrung, sondern den Zusammenhang dieser Sätze untereinander. Genauer gesagt: Wir haben es bei unserer Untersuchung nicht nur mit einem einzigen Satz, sondern mit mehreren zu tun gehabt. Insofern sie alle von Gott Aussagen machen wollten, waren sie theologische, oder, wenn wir von der spezifischen Abhängigkeit von der Offenbarung in Christus absehen, religionsphilosophische. Einige davon nun haben wir als Grundsätze gekennzeichnet: wie ζ. B. Gott ist Liebe. Sie gaben jeweils den Leitsatz für ein ganzes Kapitel an und erforderten zu ihrer genaueren Bestimmung eine Reihe von Folgesätzen. Es ist nun die Frage, welch eine Ordnung in der Menge der aufgestellten theologischen Sätze herrscht. Mit anderen Worten: Kann man aus der Art der theologischen Forschung Rahners und Barths etwas darüber sagen, ob es überhaupt eine solche Ordnung gibt und wenn ja, dann welche? Nun ist die gesamte theologische Fachsprache, wie sie sich gegenwärtig entwickelt hat, diesem Unternehmen sehr hinderlich 110 . Von unseren beiden Theologen gibt Barth die deutlichsten, aber auch warnenden Beispiele, wie seitenlange Paraphrasen zu einem Thema den Leser wohl in eine bestimmte Richtung des Denkens mitnehmen und gelegentlich auch mitreißen kön-

110

Kamiah bringt ein deutliches Beispiel für das Unverständliche

in

theologischen Fachsprache in Log. Propädeutik, S. 81, cf. auch 1 0 1 , 1 .

der

Die Begreifbarkeit der theologischen Aussagen

259

nen, ihm aber zugleich die Art und logische Kraft der Schlußfolgerung völlig verdedien. Man muß sich den Zusammenhang zweier Sätze erst mühsam aus einer Unzahl von paraphrasierenden Sätzen heraussuchen, welche letzteren mit dem jeweiligen Gedankengang direkt nichts zu tun haben. Es ist das Übel einer für wissenschaftliche Zwecke mangelhaft entwickelten Fachsprache, welches der Mathematiker G. Frege in seiner „Begriffssdirift" schon 1879 deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Leider entspricht der Erfolg dieser Schrift nicht ihrer großen Bedeutung 111 . Wir müssen uns angesichts der Schwierigkeit dieses Unternehmens, das eine Logik der theologischen Aussagen anstrebt, auf ein paar grundsätzliche Erwägungen beschränken, die zunächst einmal lediglich die Arbeitsweise unserer beiden Theologen betreffen. Damit keine Mißverständnisse entstehen, sei gleich gesagt: Die Kohärenz der theologischen Sätze ist für uns gleichbedeutend mit dem System der theologischen Sätze. Den Versuch zu einem solchen System haben wir sowohl bei Rahner als auch bei Barth kennengelernt. Keineswegs aber bedeutet System, daß es nur ein einziges System gibt. Darüber können wir hier gar nicht entscheiden. Wir müssen vielmehr offen lassen, ob es nicht mehrere, womöglich gleich gute Systeme gibt. Das hängt davon ab, welches Axiom der Theologe an den Anfang setzt, also von der Frage, ob es nur ein einziges oder mehrere solcher Axiome gibt. Bei unseren beiden Theologen haben wir womöglich schon zwei gefunden: Das eine, das sich aus der ontologischen Frage nach dem Sein des Seienden entwickeln läßt, wie Rahner gezeigt hat, und das andere, welches sich aus der christologischen Frage nach der Offenbarung in Jesus Christus ergibt. So Barth. Übrigens hat schon lange vor ihm Schelling einen ähnlichen Versuch gemacht, von der Christusfrage her ein theologisches System zu entwickeln112. Gefordert wird also in diesem 7. Postulat lediglich, daß der Versuch zu einem System gemacht werden kann und muß, wenn nicht alles in einem Haufen von Sätzen willkürlich zusammengeworfen werden soll. Wie ersichtlich ist das Satzpostulat unerläßliche Voraussetzung des Systempostulates. Aber das Satzpostulat ist unentbehrlich, während das Systempostulat entbehrlich zu sein scheint. Denn um midi über irgendeinen Gegenstand der Erkenntnis äußern zu können, muß ich Sätze bilden, die im Bereich der Wissenschaft nur noch zusätzlichen Anforderungen an strenge und 111

112

17*

G. Frege, Begriffsschrift 2. Aufl. Hildesheim 1964 — cf. audi P. Lorenzen, Entstehung der exakten Wissenschaften, Heidelberg 1960. Schelling, a.a.O., S. 427 und 425 — cf. dazu Barth über Schelling in: Die protestantische Theologie im 19. Jahrhundert, Zürich 1947.

260

Kritischer Ausblick

deutliche Methodik unterliegen. Hingegen muß ich nicht unbedingt ein System vorlegen. Ich kann irgendwo anfangen und irgendwo aufhören, nach Belieben oder nach der Mode oder nach einem guten Einfall. U n d es ist für die Begreifbarkeit solcher Rede nur gefordert, daß zwischen jeweiligem A n f a n g und Ende ein sinnvoller Zusammenhang erkennbar ist. Dann kann ich wiederum irgendwoanders anfangen und muß einem strengen Kritiker vielleicht sagen, warum idi gerade da anfange. Ich muß mein A x i o m erklären. U n d ich muß auch zeigen können, wie ich vom Grundsatz zu bestimmten Folgesätzen komme. Aber damit habe ich noch kein System, d. h. einen erkennbaren Zusammenhang des Ganzen. Mit den trefflichen Worten Fichtes ausgedrückt: „Unser Wissen besteht ( d a n n ) aus endlichen Reihen, aber aus mehreren, jede Reihe schließt sich in einem Grundsatz, der durch keinen anderen, sondern bloß durch sich selbst begründet wird. Aber es gibt solcher Grundsätze mehrere, welche, da sie sich alle durch sich selbst, unabhängig von allen übrigen begründen, keinen Zusammenhang unter sich haben, sondern völlig isoliert s i n d . . . Wenn es sich so v e r h ä l t . . . , daß ursprünglich eine Menge Fäden in unserem Geiste liegen, die unter sich in keinem Punkte zusammenhängen..., so wäre unsere Wohnung nicht ein einziges zusammenhängendes Gebäude, sondern ein Aggregat von Kammern, aus deren keiner wir in die andere übergehen könnten. Es wäre eine Wohnung, in der wir uns immer verirren, und nie einheimisch werden w ü r d e n . . . Wir blieben bei allen unseren Reichtümern arm, weil wir dieselben nie überschlagen, nie als ein Ganzes betrachten, und nie wissen könnten, was wir eigentlich besäßen... Wir müßten immerzu bereit sein, uns irgendwo ein neues Häuschen anzubauen 1 1 3 ." Ein System strebe ich erst dann an, wenn ich den Zusammenhang der Axiome untereinander zu erkennen suche. Der Zusammenhang der Folgesätze eines bestimmten Axioms ergibt immer nur ein Teilsystem und die Frage ist gerade, ob und wie diese Teile zusammengehören. G a n z analog der Frage, ob und wie mehrere Sätze zusammengehören, deren jeder ja nicht bloß Wörter, sondern einen erkennbaren Zusammenhang von Worten enthalten soll. Oder auch analog der anderen Frage nach dem sinnvollen Zusammenhang der Buchstaben in einem Wort. Fassen wir zunächst das Teilsystem ins Auge, also den Zusammenhang von Grund- und Folgesätzen, so weit wir diesen beobachten konnten. Wir haben ja nur einige Grundsätze ausgewählt, und z w a r solche, die 113

J. G. Fichte, Werke Band 1, 2. Aufl., herausgegeben von F. Medicus, Leipzig 1922, S. 180 ff.

Die Begreifbarkeit der theologischen Aussagen

261

bei unseren beiden Theologen gemeinsam vorkommen, wenn audi mit verschiedener Ableitung. Uns interessiert jetzt der systematische Zusammenhang der Sätze, die unter einem Grundsatz, wie dem von der Liebe Gottes, zusammengefaßt sind. Nicht etwa der historische oder exegetische Zusammenhang geht uns hier etwas an, in dem die Sätze gewiß auch noch stehen. D a Barth infolge seines Mischverfahrens sich immer wieder darin verwickelt, bietet Rahner das deutlichere und eindrucksvollere Beispiel für eine Beantwortung unserer Frage. Die Regel aber, die für das Erfassen eines systematischen Zusammenhangs immer und in jedem Fall als Grundregel vorkommt, ist folgende: Für eine beliebige Folge von Aussagen gilt, daß sie wahr sind nur dann, wenn behauptet werden darf, daß sie keinen Widerspruch implizieren 114 . Widerspricht ein Satz dieser Reihe einem anderen der gleichen Reihe, in dem strengen Sinne einer Kontradiktion 1 1 5 , so können nicht beide zugleich wahr sein. Der eine muß als falsch erwiesen und ausgeschlossen werden. Ohne diese Regel vom ausgeschlossenen Widerspruch könnten wir ein System von Sätzen überhaupt nicht finden. Wir dürften dann beliebige Sätze bilden und sie durcheinanderwerfen wie Sandkörner auf einen Haufen Sand, ohne jemals in der Lage zu sein, ein sinnvolles, geordnetes Ganzes zu entdecken. Von diesem Verfahren aber ist nicht nur Rahner, sondern auch Barth weit entfernt. Man könnte freilich einwenden, daß wir relativ einfache Reihen von Grund- und Folgesätzen ausgewählt haben und daß es schwierigere gibt. Wir können jetzt nicht näher darauf eingehen. Wir sind aber der Meinung wie Scholz (a.a.O.), daß auch ein so schwieriger Satz wie das trinitarische Dogma keinen Widerspruch implizieren darf von der Art, daß am Ende die beiden Sätze als wahr gelten müßten: „Es gibt ein und nur ein höchstes Wesen" und „Es gibt mehr als ein höchstes Wesen". Würde man dieses Dogma so interpretieren, so würde man es überhaupt nicht interpretieren. Man hätte nur zum Ausdruck gebracht, daß es eine sinnvolle Verständigung darüber nicht gibt, und daß das Dogma von der Trinität Gottes eigentlich sinnlos ist. Übrigens hat Scholz zu Recht betont, daß ein „ernstes Wort über den unerhörten Mißbrauch gesagt werden muß, der in der gegenwärtigen evangelischen Theologie mit dem Ausdrude Antinomie getrieben wird". Was eine Antinomie ist, studiert man immer noch am besten an den von 114

Scholz, a.a.O., S. 40 ff.

115

ebda.

262

Kritischer Ausblick

K a n t in seiner Kritik der reinen Vernunft aufgestellten 1 1 6 . Aber auch diese klassischen Antinomien sind nicht dazu da, daß sie als der Weisheit letzter Schluß einfach hingenommen und nachgesprochen werden müssen. Vielmehr wird sich das Denken nicht davon abhalten lassen, von der vielleicht richtig und zwingend abgeleiteten Antinomie nach der Voraussetzung zuriickzufragen, und von neuem den Versuch machen, die Richtigkeit der Voraussetzung anzugreifen 1 1 7 . Wir weisen wenigstens noch darauf hin, daß dieses schon von Aristoteles aufgestellte Postulat der Widerspruchsfreiheit, welches dem Systempostulat zugrundeliegt, heute von den Logikern noch viel schärfer formuliert wird. „ M a n verlangt nicht nur, daß sich tatsächlich kein Widerspruch aufzeigen lasse, sondern einen Beweis, daß ein Widerspruch im System überhaupt nicht vorkommen kann. Dieser Beweis, der mittels mehrerer Methoden erbracht werden kann, wird deshalb verlangt, weil die mathematische Logik zeigt, daß aus jedem Widerspruch jede Aussage des Gebietes ableitbar ist. D a s bedeutet aber, daß es dann keinen Unterschied mehr zwischen anerkannten (wahren) und nicht anerkannten (falschen) Aussagen gäbe, was jede Wissenschaft zunicht machte 1 1 8 ." Handelt es sich bei dem Postulat der Widerspruchsfreiheit um eine u. E. notwendige Forderung an jede systematische Forschung (der Widerspruch macht uns darauf aufmerksam, daß irgendwo ein Fehler stecken muß!), so gibt es noch eine 2., die weniger notwendig erscheint: Die systematische Entwicklung einer Reihe von Aussagen aus einem Axiom soll möglichst vollständig sein. Bochenski bemerkt zu diesem Postulat, daß es „einen gewissen ästhetischen Z u g hat" 1 1 9 . Uns scheinen dennoch drei sehr gewichtige Gründe für die (nicht bloß ästhetische) Bedeutung dieser Forderung zu sprechen. Wir fassen damit Beobachtungen an der systematischen Arbeit unserer beiden Theologen zusammen. Erinnern wir uns an die bei Rahner festgestellten Sprünge. Wo er von N o t wendigkeiten sprach, konnten wir nur Möglichkeiten einer Orientierung im Denken sehen. Trotzdem ist sein Anliegen berechtigt, ja für die systematische Arbeit unerläßlich. Ein Sprung in der Entwicklung einer Reihe von Aussagen (warum soll ich gerade so und nicht anders weiterdenken) drängt die theoretische Erkenntnis des Ganzen ins Unkontrollierbare ab. Freilich kann man sich, wie Barth es tut, an solchen Schwai g Kant, Kritik der reinen Vernunft, S. 454—469. 117 118 119

Scholz, a.a.O., S. 43 f. Bochenski, Denkmethoden, S. 63 ff. — 80 — 135 ff. — 139. ebda., S. 80.

Die Begreifbarkeit der theologischen Aussagen

263

dien Stellen einfach auf die Offenbarung berufen. Aber das ist aus zwei Gründen mißlich. Einmal dürfte es schwer fallen, ja wegen der Eigenart der Offenbarungszeugnisse unmöglich sein, für jede Stelle einer bestimmten Aussagenreihe dicta probantia zu finden. Zum anderen belasten die um der Offenbarung willen gemachten Sprünge des Theologen das Gespräch mit dem Religionsphilosophen, der sich doch nach Barths eigenen Worten um eine äquivalente Reihe von Aussagen bemüht, so sehr, daß ihm zuletzt an einem Dialog mit einem Partner nichts gelegen sein kann, der immer an jenen Stellen, wo die Erkenntnis des Zusammenhangs schwierig wird, auf die Offenbarung ausweicht. Es wird immer in der Wissenschaft eine Reihe von Aussagen angestrebt werden, die möglichst wenig Sprünge oder Lücken oder Machtsprüche aufweist. Ferner leistet das Vollständigkeitspostulat noch folgende Erleichterung des Begreifens theologischer Aussagereihen. Wir haben an dem Beispiel Barth gesehen, wie schwierig es ist, seine Aussagen über die Liebe Gottes zu verstehen, nicht bloß weil sie in recht lockerem Zusammenhang stehen, sondern noch viel mehr, weil sie in dem ganzen System so verstreut sind. Der Nachdenkende muß sie erst mühsam zusammensuchen, um begreifen zu können, in welchem Zusammenhang sie stehen. D a s ist anders und besser bei Rahner. Gewiß nimmt auch er Aussagen einer früheren Reihe in einer späteren wieder auf. Aber doch nur so, daß er an bereits Bekanntes und Erkanntes erinnert in einem anderen, neuen Zusammenhang. Jedoch nicht so, daß er früher Versäumtes später nachholt. Mit anderen Worten: D a s Vollständigkeitspostulat wehrt dem lockeren Stil theologischer Impressionen und dem willkürlichen Aneinanderreihen von Aussagen, und fördert den strengen Stil der Deduktion 1 2 0 . Nicht zuletzt aber hat das Vollständigkeitspostulat (einfach ausgedrückt: die Forderung, im Gedankengang nicht hierhin und dorthin zu springen, sondern Schritt für Schritt den Gedankenfortschritt erkennen und dabei nichts auszulassen) noch einen spezifischen Vorzug im System der christlichen Wahrheit. Denn dieses System ist laut Definition gebunden an das Dokument der Offenbarung. Es muß unter allen Umständen bemüht sein, seine Schriftgemäßheit zu zeigen. Es wird dann das beste sein, wenn es „alle einzelnen Fingerzeige oder Äußerungen der Schrift, ohne eine derselben auszuschließen, in sich vereinigt und eben durch 120

Rahner: Hörer, S. 43 — 47 — 49 — 95 f. Unklar bleibt P.Tillich, Syst. Theologie, Band I, S. 83. — cf. auch Bochenski, a.a.O., S. 75, 82, 131, 182.

264

Kritischer Ausblick

diese Vereinigung e r k l ä r t " 1 2 1 . Es besteht grundsätzlich aber nur dann die größte Aussicht, alle Fingerzeige zu vereinigen, wenn die einzelnen Aussagereihen möglichst vollständig entwickelt werden. D e r Einwand aber, daß es ein solches System niemals geben kann, ist nichts anderes als das persönliche Bekenntnis eines einzelnen oder einer Schule, daß es ihnen nicht gelungen ist. Es käme auf einen neuen Versuch an. An Rahner und Barth können wir die Bedeutung dieser letzten Forderung nicht zeigen, da wir einmal nur eine kleine Auswahl von Sätzen untersucht haben und zum anderen diese Untersuchung lediglich in religionsphilosophischer und nicht in historisch-exegetischer Absicht getrieben haben. Das Systempostulat geht also auf das Ganze und fordert einen Ü b e r blick, d. h. den Zusammenhang des Ganzen. Es soll zuletzt audi der Zusammenhang der Axiome gezeigt werden. Selbverständlich gilt auch hier das Postulat der Widerspruchsfreiheit und das der Vollständigkeit. Anders: Was für die Folgesätze gefordert wird, wird auch für die Axiome verlangt. Wenn wir nun daraufhin die systematische Arbeit unserer beiden Theologen ansehen, stellt sich eine neue Frage. Bei Barth hat es den Anschein (mehr können wir nicht sagen, weil B a r t h sich nicht ausdrücklich darüber erklärt und aus dem systematischen Aufbau des Ganzen auch nicht mehr darüber zu entnehmen ist, daß die einzelnen Axiome mit ihren Folgesätzen wie Reihen parallel nebeneinander verlaufen. Es gibt beliebige Querverbindungen, insofern auf früher Erkanntes zurückgegriffen oder früher Versäumtes nachgeholt wird. Aber es gibt keine deutlich erkennbare Verbindung derart, daß aus einem einzigen, sagen wir Primäraxiom, die anderen, sagen wir Sekundäraxiome, abgeleitet werden. Dies nun ist gerade bei R a h n e r der Fall. E r macht den Versuch, mit einem einzigen Axiom auszukommen, wie wir gesehen haben zufolge der alten scholastischen Regel: ens-verumbonum convertuntur 1 2 2 . V o n einer bestimmten metaphysischen Grundfrage (hier der ontologischen nach dem Sein des Seienden) aus entwickelt er eine Folge von Sätzen, die in durchgehendem, wenn auch nicht immer zwingendem Zusammenhang stehen. W i r haben eine und nur eine f o r t laufende Reihe, die freilich sich in verschiedene Abschnitte teilen läßt (durch die abgeleiteten Sekundäraxiome läuft ζ. B . der Gedankengang vom Sein über den Willen zu Liebe) und die abgebrochen wird, genau an der Stelle, w o die vernünftige Möglichkeit einer geschicht121 122

Schelling, a.a.O., S. 425. Rahner, Hörer, S. 126.

Die Begreifbarkeit der theologischen Aussagen

265

liehen Offenbarung angezeigt ist. Wird das Systempostulat für die systematische Arbeit in der theologischen Wissenschaft zugelassen, dann wird man dem Rahnerschen Entwurf zubilligen müssen, daß er von, stärkerer systematischer Kraft ist, d. h. die gestellte Forderung in höherem Maße erfüllt, als alle jene systematischen Entwürfe, die zwar glänzende theologische Gedankenreihen entwickeln, die vielleicht auch an Scharfsinn nichts zu wünschen übrig lassen, die aber den Zusammenhang der einzelnen Reihen nicht erkennen lassen. Wird aber das Systempostulat in dem letzteren Sinne abgelehnt, so mag der Theologe weiter seine Loci nebeneinanderstellen und geniale Impressionen zum Besten geben. N u r sollte er dann die recht lose Rede vom systematischen Zusammenhang aufgeben, da er doch die Hoffnung, die christliche Wahrheit als ein Ganzes zu betrachten, längst aufgegeben hat. Im anderen Falle aber, wo es nicht bloß Systemfragmente, sondern ein System geben soll, das von einem einzigen ersten Grundsatz entwickelt wird, welcher die vielen Reihen und Unterreihen, die sich daraus ableiten lassen, zusammenhält, in diesem Fall bleibt noch die Frage, die weder von Rahner noch von Barth beantwortet wird, ob es nur ein einziges oder mehrere solcher Systeme gibt. Ein ganz anderer, nämlich Fichte, ist sogar der Meinung gewesen, daß es ein solches einziges System des Wissens, nicht bloß für eine bestimmte Wissenschaft, sondern für alle möglichen Wissenschaften, gibt. So wie wir „einen durch seine eigene Schwerkraft sich haltenden Erdball (haben), dessen Mittelpunkt alles, was wir nur wirklich auf dem Umkreis desselben, und nicht etwa in die Luft, und nur perpendikular, und nicht etwa schiefwinkelicht angebaut haben, allmächtig anzieht, und kein Stäubchen aus seiner Sphäre sich entreißen l ä ß t . . . Gelingt es uns, so haben wir bewiesen, daß es ein System des menschlichen Wissens gebe... Gelingt es uns nicht, so ist entweder überhaupt kein solches System, oder wir haben es nur nicht entdeckt, und müssen die Entdeckung desselben glücklicheren Nachfolgern überlassen. Geradezu behaupten, daß es überhaupt keines gebe, weil w i r es nicht gefunden haben, ist eine Anmaßung, deren Widerlegung unter der Würde der ernsten Betrachtung ist" 1 2 3 . Scholz hingegen, von der Hoffnung auf ein System der Wissenschaft weit entfernt und darum schon mitten drin in unserem sog. pluralistischen Zeitalter, meint, daß es sogar innerhalb der evangelischen Dogmatik nicht nur ein einziges, sondern mehrere Systeme gibt. Nämlich 123

Fichte, a.a.O., S. 183.

266

Kritischer Ausbilde

genau so viele, „wie es Präzisierungen der Kategorie des Evangelischen gibt". „Wir werden dann zwar noch immer mit einer wahrscheinlich sehr erheblichen Mannigfaltigkeit von evangelischen Dogmatikern zu rechnen haben... Aber wir werden dann wenigstens wissen, warum wir mit einer solchen Mannigfaltigkeit zu rechnen haben... Wir werden einen Prüfstein in Händen haben, der uns ein Urteil darüber ermöglicht, wie streng ein bestimmter Begriff des Evangelischen in einer vorgegebenen Dogmatik durchgeführt ist, und ob überhaupt von einer solchen Durchführung gesprochen werden kann 124 ." Was unseren Vergleich betrifft, so hat Barth gegenüber Rahner jedenfalls die Frage aufgeworfen, ob das christologische Axiom nicht doch ein der christlichen Wahrheit angemesseneres System ermöglicht, als das zunächst von der Offenbarung ganz unabhängige ontologische. Ganz in dem Sinne Schellings, der die systematische Entwicklung seiner religionsphilosophischen Gedanken mit „der Hauptsache anfangen w i l l . . . Der eigentliche Inhalt des Christentums ist aber ganz allein die Person Christi... Man kann also sagen: In einer Philosophie der Offenbarung handle es sich allein oder doch nur vorzüglich darum, die Person Christi zu begreifen. Christus ist nicht der Lehrer, wie man zu sagen pflegt, Christus nicht der Stifter, er ist der Inhalt des Christentums" 125 . Mehr wagen wir hier angesichts des vorliegenden Materials und seiner systematischen Verarbeitung nicht zu sagen. N u r sollte man sich hüten — wir wollen es jedenfalls meiden — in modisch abfälliger und mißbilligender Weise vom „Systemzwang" zu reden 126 . Denn entweder lassen wir die systematische Arbeitsweise in der Theologie zu, dann müssen wir einem Systematiker auch zubilligen, sein Axiom zu bestimmen und die konsequente Durchführung desselben zu versuchen. Die Rede vom Systemzwang ist kein Argument, denn jeder wirklich systematische Entwurf steht unter solchem Zwang. Das ist gerade seine Stärke. Wir haben lediglich die Möglichkeit Inkonsequenzen des Systems oder mangelnde Übereinstimmung mit den Aussagen des Offenbarungszeugnisses aufzudecken, um dann unsrerseits ein besseres Axiom und eine konsequentere Durchführung zur Diskussion zu stellen. Nichts aber ist der systematischen Arbeit hinderlicher, als das Geschäft des Eklektikers, der sich die besten Gedanken anderer borgt, ohne sie sich erarbeitet zu 121 125 12e

Scholz, a.a.O., S. 47. Schelling, a.a.O., S. 427. Balthasar, a.a.O., S. 253 ff.

Die Begreifbarkeit der theologischen Aussagen

267

haben, und die Schwächen der anderen tadelt, ohne etwas Besseres an ihre Stelle zu setzen, immer nur darauf aus, auf Kosten anderer zu leben. 3. Abschließend wollen wir noch einmal die Frage nach dem Verhältnis dogmatisch-metaphysischer und historisch-exegetischer Arbeitsweise stellen. Diese Frage ist wohl innerhalb christlicher Theologie die tiefgreifendste und man könnte geradezu an das Wort Barths erinnern: Es „ist die ebenso notwendige wie unmögliche Aufgabe der Theologie". Denn versteht man darunter nur dies: Daß von Gott gesprochen werden muß, weil Gott in seiner Offenbarung gesprochen hat, obgleich man nur wirksam von Gott sprechen kann, wenn Gott selber spricht, so hat man in der Tat eine Schwierigkeit genannt, die von Menschen niemals behoben werden kann, weil ihre Behebung nicht im Bereich menschlicher Möglichkeiten liegt. Versteht man aber darunter eine Schwierigkeit, die im Bereich der menschenmöglidien Theologie liegt, so ist es eben jene, um deren Lösung sich gerade Barth selbst so viel Mühe gemacht hat, nämlich das eine Wort Gottes in zweifacher Anstrengung zu begreifen: in der dogmatisch-systematischen und der historisch-exegetischen. Das eine ist notwendig, aber allein bei Gott möglich. N u r das andere ist notwendig in dem Sinne, daß es auch bei den Menschen möglich ist, und von den Menschen verantwortet werden muß. Die doppelte theologische Anstrengung, nämlich in historischer und dogmatischer Absicht, steht nun freilich seit längerem 127 unter einem ungünstigen Stern. Nicht so sehr deswegen, weil die Dogmatiker gelegentlich ihre theologischen Sätze einfach behaupten, ohne die Anstrengung, wenn schon nicht einer vernünftigen Begründung, so doch wenigstens einer vernünftigen Sprachregelung auf sich zu nehmen, welche doch die unerläßliche Voraussetzung für ein vernünftiges Gesprädi über den christlichen Glauben mit einem Andersdenkenden ist 128 . Das mag noch als eine momentane und sicher vorübergehende Schwäche der dogmatischen Arbeit hingehen. Viel tiefer greift die Behauptung, daß ernsthafte theologische Forschung eigentlich nur noch als historisdi-exegetische getrieben werden kann, in Gestalt der Hermeneutik als Auslegung der maßgebenden Offenbarungsurkunden. Man begnügt sich dort, wo man auf das Dogmatische überhaupt noch reflektiert, mit einer „technischen Unterscheidung" (Pannenberg), die aber zuletzt doch auf eine Disquali127 128

C. H . Ratschow: G o t t existiert, Berlin 1966, bes. S. 4, 27, 62, u. ö. Dazu cf. W. Weischedel jetzt in: Evang. Theologie, 1967, S. 113 ff.

268

Kritischer Ausblick

fikation der Eigenständigkeit der dogmatischen Methode hinausläuft 1 2 9 . Freilich bekommt gerade der Dogmatiker den „Bannkreis des historischen Bewußtseins" 1 3 0 am schmerzlichsten zu spüren, in dem alles zuletzt so ratlos relativiert wird, und in dem man vielleicht historisch ein wenig Bescheid weiß, was andere gedacht haben, ohne jedoch zu wissen, was man selbst denken soll 1 3 1 . D e r Dogmatiker, wenn er nicht in dunklen Zaubersprüchen seine Zuflucht sucht, arbeitet mit schlechtem Gewissen, wenn er sozusagen von vorne anfangen und ganz unbekümmert um die Historie ein theologisches Sachproblem stellen und lösen soll mit den Mitteln, die ihm seine Sprache, seine Erfahrung und sein Denken zur Verfügung stellt. E r fühlt sich erst wohler, wenn er, eklektisch genug, eine gehörige Portion historisch-kritischer Analysen dazwischen geschaltet hat, die immer geeignet sind, die Aufmerksamkeit von seinem eigenen verpflichtenden Denken abzulenken und alles, wie man sagt, ein wenig in der Schwebe zu lassen 1 3 2 . Dieser Zustand ist u. E . der einzige plausible Grund, weshalb eine so bedeutsame dogmatische, oder wenn man will: metaphysische Studie wie „Hörer des Wortes" während 25 Jahren in der Fachwelt fast völlig ignoriert worden ist. W o man nun neuerdings unter den Dogmatikern das „Ersticken des metaphysischen Strebens" (Scheler) bedauert und den „Vernichtungskrieg gegen Metaphysik und Natürliche Theologie" (Ratschow) tadelt, schwenkt man leider doch wieder zu schnell ein und wiederholt die Parolen des H i s t o rismus, daß hinfort „aller spekulative Transzendentalismus ausgeschlossen" sei. Noch dazu im protestantischen Lager meist unter dem Deckmantel der beliebten, aber höchst fragwürdigen Hypothese, daß die Alte Kirche unter dem Einfluß des griechischen Denkens Metaphysik treiben konnte, daß wir aber heute uns eines Besseren zu besinnen und im An-

129

1M 151 isi

W. Pannenberg in Kerygma und Dogma 1959, S. 218 ff. und S. 259 ff. — bes. S. 270, 275, 278, 286, 288. Ferner ebda. 1962, 2, S. 91 u. ö. Bei der dogmatischen Arbeit selbst aber — ζ. B. bei der Frage, wie denn die trinitarische Vermittlung der Einheit Gottes nun zu denken sei — ist ihm Hegel ein besserer Führer als ein noch so trefflicher Bibelkommentar, weil er „die Einheit Gottes in einer bis dahin unerreichten Intensität und Lebendigkeit gedacht" habe, die später nicht mehr „voll erreicht und bald vergessen worden" sei. (cf. Grundzüge der Christologie, Gütersloh 1964, S. 183 f.) Habermas, a.a.O., S. 359. Kamiah, Log. Propädeutik, a.a.O., S. 187 f. Gadamer, a.a.O., S. 358.

Die Begreifbarkeit der theologischen Aussagen

269

schluß an ein „hebräisdies Denken" die dem christlichen Glauben allein angemessene geschichtliche (d. h. historisch-kritische) Denkart zu lernen hätten 133 . Stolz geworden auf die Erfolge der historisch-kritischen Methode, die man gerne auf das Konto des „protestantischen Mutes" (Tillich) bucht 184 , hat man kaum mehr als ein historisch-kritisches Verständnis für den Fichtesatz: „Nur das Metaphysische, keineswegs aber das Historische macht selig. Das letztere macht nur verständig" 135 . Das dogmatisch-exegetische Mischverfahren nun, welches wir bei Barth beobachtet haben, ist nur ein Ausdruck dieser allgemeinen theologischen Situation. Barth dürfte damit bewiesen haben, was Rahner vermutet 136 , daß der Dogmatiker überfordert ist, wenn er „in mit und unter" seiner dogmatischen Arbeit auch noch historisch-kritische Analysen schaffen soll, die dem höchst verfeinerten Methodenbewußtsein dieser Wissenschaft auch nur einigermaßen gerecht werden wollen. Er wird bei allem historisch-kritischen Ehrgeiz dodi nur eine „allegorische" oder „pneumatische" oder „theologische" Exegese schaffen, die für die Praxis der Kirche nach wie vor von hoher Bedeutung ist, die aber dem Fachgelehrten doch nur als „Hybris eines Pneumatikers" (Jülicher über Barth) erscheint 137 . Nachdem wir die Arbeitsweise von zwei Dogmatikern ein Stück weit verfolgt und geprüft haben, will uns scheinen, daß man redlicherweise dem (protestantischen?) Mut zur historisch-kritischen Forschung (von cf. Ratschow, a.a.O., S. 4, 23, 27. — Zur Hypothese v o m „griechischhebräischen Denken" cf. jetzt wieder Ratschow, a.a.O., S. 71, und Pannenberg, Kerygma und Dogma 1959, S. 286 ff. Welch große Bedeutung das sog. griechische Denken, das ja keineswegs so homogen ist, wie die Theologen gerne annehmen, f ü r das wissenschaftliche Denken überhaupt hat, dazu neuerdings P. Lorenzen in seinem ausgezeichneten Buch: Die Entstehung der exakten Wissenschaften, Heidelberg 1960, bes. S. 109, 116, 130 ff. 1 3 4 Tillich: Systematische Theologie, a.a.O., S. 1 1 8 . 1 5 5 cf. H. Scholz, Religionsphilosophie, a.a.O., S. 310 ff. — Zum Historischen audi P. Lorenzen, a.a.O., S. 1 f. 1S « Rahner, Schriften V, S. 82 ff. 1 5 7 cf. W . G . K ü m m e l : Das Neue Testament, München 1958, S. 473, 476. Zur dogmatischen Exegese bei Barth cf. Berkouwer, a.a.O., S. 316, A n m . 42. — Ferner allgemein J. Barr, a.a.O. Unerreicht hellsichtig, was die Bedeutung der pneumatischen oder audi „theologischen" Exegese f ü r die Praxis der Verkündigung betrifft, ist Overbeck: Christentum und Kultur, Darmstadt 1963, S. 89—91. m

Kritischer Ausblick

270

dem wir bei Barth keine recht überzeugende Kostprobe bekommen haben), den (katholischen?) Mut zur religionsphilosophischen Forschung ebenbürtig an die Seite stellen muß, wozu Barth selbst genügend Anlaß gibt. Die unausweichliche Folge davon aber wird sein, daß beide in getrennten Arbeitsgängen ihren Weg gehen müssen. Scheler hat darauf aufmerksam gemacht, daß jenes Mischverfahren, bei dem man historische Interpretation und systematische Sacherfassung in einem betreibt, „stets eine zwiefache Täuschungsquelle für die historische Interpretation und die Sacherfassung zugleich (enthält), die durchaus getrennt ihren Gang zu nehmen haben" 1 3 8 . Mindestens als Arbeitshypothese verdient darum Wingrens Satz erneute Beachtung: „Die historische und die systematische Aufgabe sind zwei Aufgaben, nicht eine einzige. Sie können nicht eine aus der anderen abgeleitet werden 1 3 9 ." In dieser Hinsicht sind die Untersuchungen Ratschows über die lutherische Dogmatik im 17. Jahrhundert besonders lehrreich 140 . Noch nicht geblendet von der Aufdringlichkeit und Fragwürdigkeit des Existentiellen, haben sich diese Theologen die metaphysische Kraft bewahr-t, in selbständiger dogmatischer Anstrengung nach dem Wesen Gottes zu forschen, wohl überzeugt, daß man sich nur so auch über die Existenz Gottes verständigen kann 141 . Und weit entfernt von der modernen Hypothese, daß „von Gott ausschließlich von dem biblischen Wort aus zu sprechen sei", hatten sie noch den metaphysischen Mut, unabhängig von Schrift und Historie theologische Sachfragen „in aller möglichen Sauberkeit zu lösen, um daraufhin (!) — und dies ist entscheidend für den dogmatischen usus scripturae — die biblisdien Zeugnisse erfassen zu können" 142 . Angesichts der Tatsache, daß historische Texte als theologische oder philosophische unausschöpfbar sind und unentwegt zu neuer Interpretation herausfordern 143 , wird die exegetische Theologie nur und erst dann in ein fruchtbares und ernsthaftes Gespräch mit der dogmatischen eintreten können, wenn letztere sich nicht in Exegese auflöst, sondern sich auf ihr ureigenes Anliegen besinnt, welches je schon das Anliegen aller Meta138

Sdieler, Werke Bd. 8, a.a.O., S. 83 f.

is« G. Wingren: Die Methodenfrage in der Theologie, Göttingen 1957, S. 148/ 157. — Treffend auch über die Predigt, S. 150 f., Anm. 4. 140

Ratschow, Lutherische Dogmatik zwischen Reformation und Aufklärung,

141

Ratschow, a.a.O., S. 42, 50, 53 ff. u. ö.

1. Teil, Gütersloh 1964. 142

Ders. ebda., S. 63 und S. 48.

143

Gadamer, a.a.O., S. 355.

Die Begreifbarkeit der theologischen Aussagen

271

physik war, nämlich „den Gegenwartshorizont Gottes aus der Welt heraus präsent zu erhalten" 144 . Wenn es uns gelungen ist, anhand der dogmatischen Arbeit zweier Theologen zu zeigen, daß es dogmatische Aussagen gibt, „die in erster Intention auf den reflexen Selbstbesitz des Wissens um eine Sache geht — m. a. W. dogmatische Aussagen, die auf die Sache selbst blicken", dann ist uns fürs erste alles gelungen, was wir wollten. Freilich wird bei derart selbständiger Arbeitsweise der beiden theologischen Disziplinen früher oder später die Frage auftaudien, ob nicht zwischen freier religionsphilosophischer oder metaphysischer Forschung eine Biblische Theologie entstehen muß, die „weder als bloße Fortführung der normalen Exegese, noch als Moment an der Dogmatik betrieben wird, sondern als eigene Wissenschaft die richtige Vermittlung zwischen Exegese und Dogmatik darstellt" 145 . Aber bis dahin führt noch ein weiter Weg.

144 145

Ratschow, a.a.O., S. 29. Rahner, Schriften IV, S. 120.

LITERATURVERZEICHNIS ALTHAUS, P., Das sogenannte Kerygma und der historische Jesus, Gütersloh 1958. — Weitere Lit. cf. Lohff. BAHR, Η . E., Poiesis, Stuttgart 1961. BALTHASAR, H . U . V., Karl Barth, Köln 1951. BARR, J., Bibelexegese und moderne Semantik, München 1965. BARSOTTI, D., Christlidies Mysterium und Wort Gottes, Einsiedeln 1957. BARTH, K., Der Römerbrief, Bern 1919, 2. Aufl., München 1922. —, Fides quaerens intellectum, München 1931. —, Die Kirchliche Dogmatik, Bd. I, 1 ff., München-Zürich ab 1932. Weitere Literatur cf. Pöhlmann. BARTH, T., De argumentis et univocationis entis natura apud Duns Scotus, R o m 1934. BECKER, O., Die Fragwürdigkeit der Transzendierung der ästhetischen Dimension der Kunst, in: Philosophische Rundschau 10, 1962, S. 225 ff. BERKOUWER, G. C., Der Triumph der Gnade in der Theologie Karl Barths, Neukirchen 1957. BERNHART, J., Chaos und Dämonie, München 1950. BIRKNER, H. J., Natürliche Theologie und Offenbarungstheologie, in: Neue Zeitschr. f. System. Theologie 1961, 279 ff. BOCHENSKI, J. M., Formale Logik, 2. Aufl., Freiburg 1956. —, Die zeitgenössischen Denkmethoden, Dalp Bd. 304, 1959. —, Logik der Religion, Köln 1968. BOHLIN, T . Glaube und Offenbarung, Berlin 1928. BOMAN, T., Das hebräische Denken im Vergleich mit dem griechischen, 3. Aufl., Göttingen 1959. BONHOEFFER, D., Widerstand und Ergebung, München 1955. —, Akt und Sein, München 1956. BORNKAMM, G., Gesammelte Aufsätze, 2 Bände, München 1958 f. BRUNNER, Α., Glaube und Erkenntnis, München 1951. BRUNNER, E., Erlebnis, Erkenntnis und Glaube, 2. Aufl., Tübingen 1923. —, Die Mystik und das Wort Gottes, Tübingen 1924. BULTMANN, R., Jesus, Berlin 1926. —, Glauben und Verstehen, Bd. 2, 3. Aufl., Tübingen 1961, Bd. 3, 1960. CIRNE-LIMA, C., Der personale Glaube, Innsbruck 1959. CONZELMANN, H . , S. B a r r .

CULLBERG, J., Das Du und die Wirklichkeit, Uppsala 1933. DANTINE, W., Hg., Theologie zwischen gestern und morgen, München 1968.

Literaturverzeichnis

273

DENZINGER, Η., Enchiridion symbolorum . . . , Ed. 32, Herder 1963. DIEKAMP, F., Katholische Dogmatik, 3 Bände, 13. Aufl., Münster 1957. DÜRKHEIM E . , S. F ü r s t e n b e r g .

EBELING, G., Die Bedeutung der historisch-kritischen Methode für die protestantische Theologie und Kirche, in: ZThK 1950, S. 1 ff. —, Das Wesen des christlichen Glaubens, Tübingen 1959. —, Wort Gottes und Hermeneutik, in: ZThK 1959, S. 224 ff. EBNER, F., Das Wort und die geistigen Realitäten, 2. Aufl., Wien 1952. FICHTE, J . G., Werke, Krit. Ausgabe der Bayer. Akademie, München 1960 FREGE, G., Funktion, Begriff, Bedeutung, 2. Aufl., Göttingen 1966. FRITZSCHE, H . G., Die Strukturtypen der Theologie, Göttingen 1961. FUCHS, Ε., Hermeneutik, Bad Cannstatt 1954. Zum hermeneutischen Problem, Tübingen 1959. FÜRSTENBERG, F., Religionssoziologie, Texte, Berlin 1964. GADAMER, H . G., Wahrheit und Methode, 2. Aufl., Tübingen 1965. GEYSER, J., Erkenntnistheorie, Münster 1922. GLOEGE, G., Zur Versöhnungslehre K. Barths, in: Theolog. Lit. Zeit. 1960, S. 184 ff. GOLLWITZER, H., Die Existenz Gottes im Bekenntnis des Glaubens, München 1963. —, Denken und Glauben, mit W. Weischedel, Stuttgart o. J. GUARDINI, R., Der Gegensatz, 2. Aufl., Würzburg 1955. —, Unterscheidung des Christlichen, Mainz 1935. HABBEL, J., Analogie zwischen Gott und Welt nach Thomas, Berlin 1928. HABERMAS, J., Theorie und Praxis, 2. Aufl., Berlin 1967. HARNACK, A. V., Lehrbuch der Dogmengeschichte, Bd. 1, 1886. —, Marcion, 2. Aufl., Leipzig 1924. HARTMANN, N., Zur Grundlegung der Ontologie, Berlin 1935. —, Neue Wege der Ontologie, 2. Aufl., 1941. HARVEY, Α., Die Gottesfrage in der amerikanischen Theologie, in: ZThK 1967, S. 325 ff. HEGEL, G. W. F., Phänomenologie des Geistes, Phil. Bibl., Hamburg 1952 (6. Aufl.). —, Die Beweise vom Dasein Gottes, Leipzig 1930, herausgegeb. v. G. Lasson. HEIM, K., Glaubensgewißheit, 3. Aufl., Leipzig 1923. —, Glaube und Denken, 5. Aufl., Hamburg 1957. HESSEN, J., Lehrbuch der Philosophie, 3 Bde., München 1950. —, Religionsphilosophie, 2 Bde., Essen 1948. —, Piatonismus und Prophetismus, München 1939. —, Augustinus und seine Bedeutung, Stuttgart 1924. —, Das Kausalprinzip, 2. Aufl., 1958. HOLL, K., Briefe Karl Holls an Adolf Schlatter, in: ZThK 1967, S. 169 ff. HÜBNER, E., Entmythologisierung als theologische Aufgabe, Parrhesia 1966. 18 Browarzik, Glauben und Denken

274

Literaturverzeichnis

Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand, Phil. Bibl. Bd. 35, Hamburg 1964. JOEST, W., Personalität des Glaubens, in: Kerygma und Dogma 1961, S. 36 ff. —, Bultmann, Barth und die existenziale Interpretation, s. Dantine. JÜNGEL, E . , Gottes Sein im Werden, Tübingen 1965. K A M L A H , W . , Christentum und Geschichtlichkeit, 2 . Aufl., Stuttgart 1 9 5 1 . —, Die Entscheidung zwischen geschichtlichem Denken und metaphysischem Denken, in: Ev. Theologie, S. 171 ff. 1954. —, Logische Propädeutik, mit P. Lorenzen, Mannheim 1967. K A N T , I . , Kritik der reinen Vernunft, Phil. Bibl. 3 7 a, Würzburg 1952. KÄSEMANN, E., Exegetische Versuche und Besinnungen, 1. Bd., Göttingen 1960. KERLER, D., Weltwille und Wertwille, Leipzig 1925. KINDER, E., Das vernachlässigte Problem der natürlichen Gotteserfahrung, in: Kerygma und Dogma 1963, S. 316 ff. KRÜGER, G., Einsicht und Leidenschaft, Frankfurt 1 9 4 8 . K U H N , H . , Begegnung mit dem Nichts, München 1 9 5 0 . —, Begegnung mit dem Sein, ebda. KÜMMEL, W. G., Das Neue Testament, Geschichte der Erforschung seiner Probleme, München 1958. K Ü N G , H., Rechtfertigung, Einsiedeln 1 9 5 7 . KÜNNETH, W., Glauben an Jesus, 2 . Aufl., Hamburg 1 9 6 3 . LANGEMEYER, B., Der dialogische Personalismus, Paderborn 1 9 6 3 . L I T T , TH., Die Geschichte und das Ubergeschichtliche, Hamburg 1 9 4 9 . LOEWENICH, W. V., Luther und der Neuprotestantismus, Witten 1 9 6 3 . LOHFF, W., Glaube und Freiheit, Gütersloh 1 9 5 9 . HUME, D . ,

—, Zur Verständigung über das Problem der Uroffenbarung, in: P. AlthausFestschrift, Gütersloh 1958. LOOFS, F., Leitfaden zum Studium der Dogmengeschichte, Tübingen 1959, 6. Aufl. LORENZEN, P., Logische Propädeutik, s. Kamlah. —, Die Entstehung der exakten Wissenschaften, Heidelberg 1960. LOTZE, H., Logik, Leipzig 1912. L Ö W I T H , K., Weltgeschichte und Heilsgeschehen, Stuttgart 1953 (Urban Bd. 2). —, Wissen, Glaube, Skepsis, Göttingen 1956. MENNE, Α., Logisch-Philosophische Studien, München 1959. M O L T M A N N , J., (Hg.) Anfänge der dialektischen Theologie, Theol. Bücherei Bd. 17, München 1962 f. —, Theologie der Hoffnung, München 1964. NEUENSCHWANDER, U., Glaube, Bern 1957. N E W M A N , Η., Entwurf einer Zustimmungslehre, Mainz 1961. N Y G R E N , Α., Eros und Agape, Gütersloh 1954, 2. Aufl. —, Die Gültigkeit der religiösen Erfahrung, Gütersloh o. J.

Literaturverzeichnis

275

OTT, Η., Geschichte und Heilsgeschichte in der Theologie R. Bultmanns, Tübingen 1955. O T T O , R., Das Heilige, München 1936 (25. Aufl.). OVERBECK, F., Uber die Christlidikheit unserer heutigen Theologie, Leipzig 1903, Nachdruck Darmstadt 1963. PANNENBERG, W . , Analogie und Offenbarung, Heidelberger Habilitationsschrift 1955. —, Einsicht und Glaube, in: Theol. Lit. Zeitg. 1963, S. 82 ff. —, Heilsgeschehen und Geschichte, in: Kerygma und Dogma 1959, S. 218 ff. PATZIG, G., in: Carnap, Scheinprobleme, Frankfurt 1966, Vorwort. PIEPER, J., Über den Glauben, Hinführung zu Thomas v. Aquin, München o. J. POHLENZ, M., Der hellenische Mensch, Göttingen 1 9 4 7 . PÖHLMANN, H . G., Analogia entis oder Analogia fidei, Göttingen 1 9 6 5 . P R Z Y V A R A , Ε . , Analogia Entis, München 1 9 3 2 . R A D , G . V., Theologie des Alten Testamentes, 2 Bände, München 1 9 5 7 / 1 9 6 0 . R A H N E R , K . , Hörer des Wortes, 1 9 4 1 , neubearbeitet von J . B . Metz, München 1963.

—, Schriften zur Theologie, Einsiedeln, bisher letzter Band VIII, 1967, Band I, 1954. R A T S C H O W , C. H., Gott existiert, Berlin 1966. REISNER, E., Kennen, Erkennen, Anerkennen, München 1 9 3 2 . R O T H E R T , H . J . , Gewißheit und Vergewisserung als theologisches Problem, Göttingen 1963. ROUSSELOT, P . , L'intellectualisme de Saint Thomas, Paris 1 9 2 4 . SAWICKI, F . , Die Gottesbeweise, Paderborn 1 9 2 6 . S C H E L E R . M . , Die transzendentale und die psychologische Methode, Leipzig 1900. —, Werke, Bern 1954 ff., 10 Bände. SCHELLING, G. W. F., Werke, Münchner Jubiläumsausgabe, 1965, Band VI. SCHLEIERMACHER, F . , Uber die Religion, Hamburg 1 9 6 1 , Phil. Bibl. 2 5 5 . (Hg. Rothert). SCHLINK, E . , Der kommende Christus und die kirchlichen Traditionen, Göttingen 1961. SCHMID, H., Das Verhältnis von neuzeitlichem Wirklichkeitsverständnis und christlichem Glauben in der Theologie Gerhard Ebelings j in: Kerygma und Dogma, 1963, S. 71 ff. SCHOLZ, H . , Religionsphilosophie, Berlin 1 9 2 1 . —, Über Theologie als Wissenschaft, in: Zwischen den Zeiten, 1931, S. 8 ff. SEMMELROTH, O., Gott und Mensch in Begegnung, Frankfurt 1956. SENFT, Chr., Wahrhaftigkeit und Wahrheit, Tübingen 1 9 5 6 . S I E V E R T H , G., Analogie des Seienden, Einsiedeln 1965. SIMMEL, G . , Hauptprobleme der Philosophie, Leipzig 1 9 1 0 . SLADCZEK, F., Die erkenntniskritischen Grundlagen des kosmologisdien Gottesbeweises, in: Stimmen der Zeit, 1920, Bd. 99, S. 427 ff. 18 *

276

Literaturverzeichnis

SPEISER, Α., Die geistige Arbeit, Stuttgart 1955. SPRANGER, E., Der Kampf gegen den Idealismus, Sitzungsberichte der Preuß. Akademie d. Wissenschaften, 1931, X V I I . STAUFFER, E., Die Botschaft Jesu, Bern 1959. STEGMÜLLER, W., Gedanken über eine mögliche rationale Rekonstruktion von Kants Metaphysik der Erfahrung, in: Ratio, Frankfurt 1968, Heft 1, S. Iff. STEINBÜCHEL, Th., Die philosophische Grundlegung der katholischen Sittenlehre, Düsseldorf 1938. STORCH, M., Exegesen und Meditationen zu Karl Barths KD, in: Ev. Theologie, Beiheft, 1964, Bd. 36, München. THEUNISSEN, M., Der Andere, Berlin 1965. THIELICKE, H., Offenbarung, Vernunft und Existenz, Gütersloh 1957. THOMAS V. AQUIN, Summa theologica, Parma, Vol. 1—4, 1852 ff. TILLICH, P., Systematische Theologie, Bd. 1, Stuttgart 1956, Bd. 2, 1958 ebda. TRILLHAAS, W., Einige Bemerkungen zur Idee der Unsterblichkeit, in: NZsyTh. 1 9 6 5 , S. 1 4 3 ff. VOLKELT, J., Gewißheit und Wahrheit, München 1918. WAGNER, H., Existenz, Analogie und Dialektik, München 1953. WEISCHEDEL, W-, in: Ev. Theologie, 1967; s. Gollwitzer. WEIZSÄCKER, G. F. v., Die Tragweite der Wissenschaft, Stuttgart 1964. WELTE, B., Über das Böse, Quaestiones disputatae, Basel 1959. WINGREN, G., Die Methodenfrage der Theologie, Göttingen 1957. WITTRAM, R., Das Interesse an der Geschichte, Göttingen 1958. ZOCHER, R., Die philosophische Grundlehre, Tübingen 1939.

NAMENREGISTER Althaus, P.

119,218,233

Balthasar, Η. U. ν . 101, 118, 125, 128, 132, 136, 201, 203, 252, 266 Barr, J . 11, 122, 215, 225, 238, 269 Barth, Κ. passim Barth, Τ. 62 Becker, Ο. 110, 235 Berkouwer, G. C. 101, 201 Birkner, Η. J . 241, 245 f Bochenski, J. M. 26, 112, 114, 192, 230, 252, 262 f Bohlin, P. 107 Bonhoeffer, D. 87 Bornkamm, G. 231 Brunner, E. 11, 1 2 8 , 2 0 3 , 2 1 3 Bultmann, R. 110 f, 114, 116 f, 209, 220 f Conzelmann, H .

215

Dantine, W. 110 f Dürkheim, Ε. 223 Ebeling, G.

112,117,224

Fichte, J. G. 227, 260, 265 Frege, G. 259 Fritzs die, H. G. 2, 255 Fudis.E. 1 1 2 , 1 1 7 Fürstenberg, F. 223 Gadamer, Η. G. 3, 5, 50, 88, 112 f, 219, 234 f, 251, 268, 270 Geyser, J. 63, 66 Gloege, G. 134 f, 193 Gollwitzer, H. 101 f, 176, 206, 217, 249 Guardini, R . 39

Habbel, J. 62 Habermas, J. 112, 189, 205, 219, 268 Harnack, A. v. 78, 102, 210 Hartmann, Ν. 19, 72 H a r v e y , Α. 118 Hegel, G. W. F. 3, 24, 27 ff, 32, 49, 162, 232, 246, 253 Heim, Κ. 208, 211 Hessen, J. 9, 20 f, 24, 29, 34, 40, 67 f, 72 f, 78, 158, 161, 206, 233, 251, 255 Holl, Κ. 105 Hübner, Ε. 101 Hume, D. 67 Joest, W.

112,233,253

Kamlah, W. 28, 77 f, 99, 101, 110, 112, 122, 212, 216, 218 f, 225, 235, 253, 258, 268 Kant, I. 8, 26, 233, 246, 262 Käsemann, E. 112 Kerler, D. 64 Kinder, E. 241 f, 248 f Kümmel, W. G. 109 f, 111, 113, 215, 228, 269 Küng, Η. 1 3 2 , 1 5 5 , 2 5 2 Künneth, W. 114 Langemeyer, Β. 203 Loewenich, W . v. 3, 105, 109, 113 f, 118, 126, 193, 213, 233 Lohff, W. 119, 136,241 ff, 244,247 ff, 251 Lorenzen, P. 99, 112, 118, 212, 216, 218, 222, 259, 268 £ Lotze, H. 1 0 , 2 1 , 2 0 7

278

Namenregister

Mack, U. 118 Menne, A. 112 Moltmann, J . 78, 125 f Newman, H. 82 f, 90, 191 Nygren, A. 118, 142,203 Otto, R. 88 Overbeds:, F. 77 f, 269 Pannenberg, W. 78 f, 99, 101, 111, 117, 146, 234, 240, 255, 267 f, 269 Patzig, G. 112 Pieper, J. 69, 85 Pöhlmann, H. G. 101, 107 Przywara, E. 17 f, 25 f Rad, G. v. 122 Rahner, K. passim Ratschow, C. H. 101, 111, 206, 218, 224, 232, 241 f, 253, 267 f, 269, 270 f Reisner, E. 107, 128 Rothert, H. J. 2 , 1 1 2 , 2 1 7 , 2 4 6 Rousselot, P. 62 Sawicki, F. 34 Sdieler, M. 7, 10, 19, 42 f, 45 ff, 59, 69, 82, 84, 89, 91, 147, 190, 242, 254, 256, 268, 270

Sdielling, G. W. F. 99, 108, 119, 163, 172, 174, 204, 206, 213, 242, 245, 259, 264, 266 Schmid, H. 201, 222, 225 Scholz, H. 78, 99, 105, 114, 119, 206 f, 221 f, 222, 225, 227, 232, 251 f, 257, 261 f, 266, 269 Siewerth, G. 62, 101 Sladczek, F. 63 Speiser, A. 2 0 , 3 1 , 1 1 6 , 2 1 1 Stauffer, E. 123, 141 Steinbüchel, Th. 72

130, 238,

142, 241,

Theunissen, M. 112, 189, 205 Thielicke, H. 2, 22 Thomas v. Aquin 85 f Tillith, P. 114, 148, 218, 245, 263, 269 Trillhaas, W. Volkert, J.

111 7, 10

Wagner, H. 19, 24, 26, 40, 60, 64 f, 68, 71, 89 Weischedel, W. 99, 176, 232, 238 f, 251, 267 Weizsäcker, G. F. v. 47, 176 Wingren, G. 202, 270

SACHREGISTER Aberglaube 79, 211 f, 223 Aequivokation 18 f, 22 f, 169 Agnostizismus 256 Analogie 17, 23, 61 f, 153 anonym s. Christentum Antinomie 261 f aseitas 156 f Atheismus 162, 178, 189 f, 225 Aussage, theologische 100, 121, 133, 155, 167ff, 193, 218, 250 Axiom 232, 239, 259 f, 264 f Begreifbarkeit, theol. Aussagen 114, 141, 145, 151, 172, 197, 202, 234, 236 f, 240 Begriff, theologischer 20, 27 f, 50, 75, 106 f, 129, 136, 145, 154, 182, 192, 236, 252, 254 Beweis s. Erkenntnis bonum 139, 151 f, 176, 190 Christentum anonym 136, 139 vernünftig 246, s. a. Vernunft Christologie 77, 97, 102, 114, 118ff, 123, 127, 129, 132, 164 f, 170, 179, 183, 187, 191, 216 f, 220, 266 Denken griechisches 122, 268 f hebräisches 122, 268 Dialektik 26 (s. Theologie Gericht) Dichtung 88, 158 Dogmatik s. Methode dogmatische Doketismus 177 Dualismus 195

Eklektiker 266 f Endgericht 141 ens necessarium 157 ens privativum 195 Entscheidung 252 Erfahrung, religiöse 234 f, 247, 257 (s. a. Gewißheit, Glaube) Erkenntnis, theologische 42, 48, 103 abstrakte 21 a posteriori 109, 131 a priori 29, 109, 113, 116 f (s. transzendental) axiomatische s. Axiom begründende 1 0 0 , 1 1 3 , 1 5 0 , 1 6 3 , 189, 231, 245, 249 endliche 32 erinnernde 125, 128 faktische 158 historische 49, 78, 114, 117, 213 hoffende 121 f, 123, 125, 201 im Nachvollzug 37, 42, 143, 154, 165 f intuitive 51, 88, 220 irrationale 106, 169 mögliche 35, 64, 102, 150, 205, 217, 245, 262 notwendige = zwingende 34, 37, 42, 65, 158, 211, 228, 262 praktische 121 rationale 106 ff, 113, 205 räumliche 51 systematische 259 ff, 270 tautologische 180 theoretische 121, 248 transzendentale 33, 43, 48, 57 f, 100, 117 f, 152, 154, 203, 209, 220, 229, 254, 268

280

Sachregister

universale 117, 128, 150, 219, 239, 247 ff, 250 willkürliche 40, 85, 105, 184, 259 f zeitliche 51 f zufällige 41f, 65 f, 158 esse absolutum 33, 64 esse relativum 33 Evidenz 18, 73, 212 Exegese s. Methode existentiale Interpretation 110 f, 117 existentiell 97, 196, 202, 225, 232, 270 Existenz 20, l l l f (Gott)

forma 50 ff Freiheit 142 f, 154 (s. a. Gott) Gebet 107, 167 Gefühl 232, 234 Geheimnis 26, 105 f, 107 f, 126, 153, 224 Geschichte 52, 55, 213 Heilsgeschichte 55 f, 75, 131 Profangeschidite 55, 76. Gewißheit 97, 102 f, 138, 151, 177, 181, 183 f, 191, 194 f, 204, 207 f, 215, 217, 219, 226, 230 f, 239 Glaube 73, 77, 79, 83, 85, 90, 104, 106 f, 131, 235 Gnade 85, 106, 204, 208, 257 Gottes Beweis s. Erkenntnis theologische Erlebnis 88, 158 (a. Mystik u. Predigt) Erlösung 141, 152 Existenz 59 (s. a. Offenbarung) Freiheit 38, 55, 69, 157 Liebe 39 ff, 43, 45, 142, 146 f Offenbarung 28, 52 f, 55 f, 73 ff, 101, 115, 118 ff, 126, 129, 170, 198 217, 244 f, 255, 263 Person 39, 42, 59, 66 Sein 29 (s. a. Ontologie)

Schöpfung 24, 30, 40, 50, 62 f, 64, 141, 175 f Wille 36 f, 67, 157 Wissen 41 f Wort 56 f, 124, 126 f, 131 (s. a. Schrift) H a ß 45, 71, 154 Hermeneutik 110, 112, 114 ff, 215, 224, 235, 267 f Historismus 268 (s. a. Methode historische) Illusion 180 f, 194, 235, 239 Immanenz 163 f, 170 f independentia 157 Intuition 51, 88, 220 Irrtum 47, 218 Jesus s. Christologie Kausalität 67 Kohärenzpostulat 258 ff, 263 Kommunikation 240 Konstruktion 256 f Kontingenz 34 f, 131, 159 Kontrollierbarkeitspostulat 257 Kontroverstheologie s. Theologie Kritik 44, 91 ff, 104, 132, 206

Liebe 46, 60, 69 f, 71, 81, 138, 141 f, 144, 147 f, 154, 249 Linguistik 215, 225 f Logik 45 f, 47, 69 f, 75, 79, 82 f, 151, 166, 219, 259 Lüge 44 f malum 43 f, 71 f, 140 f, 186, 188, 195 f materia 50 ff

281

Sachregister Metaphysik 28, 31, 57, 60 f, 77 f, 84,

Selbstbewußtsein 49 f, 173

114, 198, 203, 214, 233, 238 f, 268 f,

Skeptizismus 32, 205

271

Spekulation 145, 153, 165 f, 184, 192,

Methode 17, 102 f, 105, 107 f,

133,

194, 228, 245

168, 201, 214, 218, 221 f, 225 f, 238,

Sprachdisziplin 215 f, 253, 258, 267

249, 2 6 9

Sünde 141, s. a. malum

dogmatische 97, 110 f, 116 f,

149,

System 259 ff, 264, 266

168, 2 0 6 f, 241, 258, 267 f, 270 f historische 80, 109, 113, 135, 172, 215, 220, 225 f , 253, 267 f Mystik 52, 60, 74 f ,

108, 169, 213,

223

Erlebnistheologie

247

(s.

Mystik,

Intuition) Evangelische Theologie 80, 201, 216, 269

Nihilismus 30 Offenbarung

Theologie Analogietheologie 84, 86, 98

systematische 258 ff, 264

Gerichtstheologie 98 ff, 101 s.

Gott,

Theologie,

Christologie

Kontroverstheologie 91, 93 Natürliche Theologie 242, 268 Offenbarungstheologie

Ontologie 18 f, 24, 29, 36, 66, 79

=

Dialek

tische Theologie 85 f, 98 ff, 119,

Optimismus 185 ff, 191

227 Philosophische Theologie 242 f, 256,

266

Pantheismus 60, 160, 162, 172 Paradox 207

Römisch-katholische

Theologie

Pessimismus 177

160, 201, 216, 2 7 0

Pluralismus 265 £

Transzendental theologie

Polemik 192

101,

79, 130,

passim (s. Erkenntnis)

Positivismus 250, 257

Theorie 219, 239

Praxis 219, 223

Transzendentalismus 268

Predigt 103 f, 105, 135, 203, 211, 215,

Transzendenz 42, 48, 53, 75, 123, 161, 169

219, 231, 236, 257 prophetisch 108, 128

Trinität 261

ratio cognoscendi 34, 64, 156

Umgangssprache 103 f

essendi 34, 64

universal s. Erkenntnis

Realität 20, 71 f, 76 Religionsphilosophie

98 f,

130,

182,

Univokation 18 f, 20, 61 f

2 3 2 f, 241 ff, 243, 250 ff, 255 f, 263, 266

Vernunft 77, 79, 85 ff, 89, 92 f, 107, 114, 145, 197, 213, 233, 244 f, 246,

Satzwahrheit 251 Schrift Heilige 108 f, 113 f, 126, 229, 255, 257, 263, 2 7 0

248, 255, 267 Vorgriff s. Erkenntnis transzendental, 29 f, 32 f , 42, 100, 152, 254, u. ö.

282

Sachregister

Wagnis 252 Wahrheit, theologische s. Erkenntnis, 99 f, 107, 198, 207, 216, 221 f, 231 Wahrscheinlichkeit 207, 219, 226, 245 u. Erkenntnis mögliche widerlegbar 206 f, 209, 217, 245 Widerspruch 32, 98, 163 f, 206 f, 249, 257, 261 f

Wissenschaft, theologische 88, 105 f, 115, 133, 135, 188, 192, 202, 204, 209 f, 214, 219, 223

Zukunft 223 u. Erkenntnis hoffende u. Endgericht

Theologische Bibliothek Töpelmann Sakrament nadi Luther. Von E . ROTH. 38 S. 1952. D M 4,50 (Heft 3) Natürliches und gepredigtes Gesetz bei Luther. Eine Studie zur Frage nach der Einheit der Gesetzesauffassung Luthers mit besonderer Berücksichtigung seiner Auseinandersetzung mit den Antimonern. Von M . SCHLOEMANN. V I I , 137 S. 1961. D M 1 6 , — (Heft 4) Über den Glaubenswecbsel in der Geschichte des Christentums. Von K . ALAND. 147 S. 1961. D M 1 2 , — (Heft 5) Die Botschaft des Thomas-Evangeliums. Von E. HAENCHEN. 76 S. 1961. D M 7,80 (Heft 6) Das Heil des Menschen und sein Traum vom Geist. Ferdinand Ebner, ein Denker in der Kategorie der Begegnung. Von TH. SCHLEIERMACHER. X I I , 189 S. 1962. D M 2 4 , — (Heft 7) Schleiermachers Christliche Sittenlehre im Zusammenhang seines philosophischtheologischen Systems. Von H . J . BIRKNER. 159 S. 1964. D M 2 2 , — (Heft 8) Die philosophischen Wurzeln der Theologie Albrecht Ritschis. Ein Beitrag zum Problem des Verständnisses von Theologie und Philosophie im 19. Jahrhundert. V o n P . WRZECIONKO. 2 6 4 S . 1 9 6 4 . L w d . D M 3 6 , — ( B a n d 9 )

Luthers Konzilsidee in ihrer historischen Bedingtheit und ihrem reformatorischen Neuansatz.

(Band 10)

Von

C H . TECKLENBURG JOHNS.

214

S.

1966.

Lwd.

DM

28,—

Der Begriff der Freiheit im Neuen Testament. Von K . NIEDERWIMMER. V I I I , 240 S. 1966. Lwd. D M 4 8 , — (Band 11) Gott existiert. Eine dogmatische Studie. Von C . - H . RATSCHOW. 2. Aufl. I V , 87 S. 1968. D M 12,— (Heft 12) Das Evangelium und der Zwang der Wohlstandskultur. Von W . TRILLHAAS. V I I I , 82 S. 1966. D M 1 2 , — (Heft 13) Thesen und Thesenanschlag Luthers. Geschehen und Bedeutung. Von H . BORNKAMM. V I I I , 70 S. 1967. D M 6,80 (Heft 14) Religion und Christentum in der Theologie Rudolf Ottos. Von H . - W . SCHÜTTE. V I I I , 160 S. 1969. Lwd. D M 2 8 , — (Band 15) Schleiermachers Einleitung in die Glaubenslehre. Eine Untersuchung der „Lehnsätze". Von D . OFFERMANN. V I I I , 342 S. 1969. Lwd. D M 5 8 , — (Band 16) Das Skandalon als Grundlagenproblem der Dogmatik. Eine Auseinandersetzung mit Karl Barth. Von Η . ΒΙΝΤΖ. V I I I , 163 S. 1969. Lwd. D M 3 2 , — (Band 17) Reflexion und Gefühl. Die Theologie Fichtes in seiner vorkantischen Zeit. Von R . PREUL. V m , 164 S. 1969. Lwd. D M 3 6 , - (Band 18) Der Gottesbegriff der spekulativen Theologie. Von K. KRÜGER. VIII, 185 S. 1970. Lwd. D M 3 8 , — (Band 19) Massenmedien im Dienst der Kirche. Theologie und Praxis. Von B. KLAUS. VIII, 215 S. 1970. D M 9,80 (Heft 21)

Walter de Gruyter & Co · Berlin 30

HJALMAR SUNDEN

Die Religion und die Rollen Eine psychologische Untersuchung der Frömmigkeit Groß-Oktav. ΥΠΙ, 451 Seiten. 1966. Ganzleinen DM 6 8 , -

G E O WIDENGREN

Religionsphänomenologie Oktav. XVI, 684 Seiten. 1969. Ganzleinen DM 38,—

WOLFGANG

TRILLHAAS

Dogmatik

Groß-Oktav. XVI, 581 Seiten. 1967. Ganzleinen DM 36,— (Sammlung Topelmann Reihe 1 Band 3)

EMANUEL

HIRSCH

Hauptfragen christlicher Religionsphilosophie Oktav. VIII, 405 Seiten. 1964. Ganzleinen D M 19,80 (Die kleinen de-Gruyter-Bände 5)

Beiträge zur Theorie des neuzeitlichen Christentums W O L F G A N G TRILLHAAS zum 65. Geburtstag herausgegeben von H A N S - J O A C H I M BIRKNER und D I E T R I C H RÖSSSLER Groß-Oktav. VIII, 142 Seiten. 1968. Ganzleinen DM 28,—

Walter de Gruyter & Co · Berlin 30