Differenz oder das Denken des Denkens: Topologie der Einheitsorte im Verhältnis von Denken und Sein im Horizont der Transzendentalphilosophie Kants 9783787328505, 9783787312078

In Auseinandersetzung mit Kants Systemidee wird in dieser Arbeit gezeigt, dass die Gesamtanlage des Kantischen Systems n

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Differenz oder das Denken des Denkens: Topologie der Einheitsorte im Verhältnis von Denken und Sein im Horizont der Transzendentalphilosophie Kants
 9783787328505, 9783787312078

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CLAUDIA BICKMANN

Differenz oder das Denken des Denkens

SCHRIFTEN ZUR TRANSZENDENTALPHILOSOPHIE Band 11

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

CLAUDIA BICKMANN

Differenz oder das Denken des Denkens Topologie der Einheitsorte im Verhältnis von Denken und Sein im Horizont der Transzendentalphilosophie Kants

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

Im Digitaldruck »on demand« hergestelltes, inhaltlich mit der ursprünglichen Ausgabe identisches Exemplar. Wir bitten um Verständnis für unvermeidliche Abweichungen in der Ausstattung, die der Einzelfertigung geschuldet sind. Weitere Informationen unter: www.meiner.de/bod.

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliogra­phi­­sche Daten sind im Internet über ‹http://portal.dnb.de› abrufbar. ISBN 978-3-7873-1207-8 ISBN eBook: 978-3-7873-2850-5 © Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 1996. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§  53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Gesamtherstellung: BoD, Norderstedt. Gedruckt auf alterungsbeständigem Werkdruck­papier, hergestellt aus 100 % chlor­frei gebleich­tem Zellstoff. Printed in Germany.  www.meiner.de

INHALT

AusFÜHRLICHE INHALTSÜBERSICHT . VoRBEMERKUNG UND DANKSAGUNG ErNLEITUNG

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ERsTER TEIL · DAs DENKEN DES ETWAS

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A. Das Haben von Seinsgedanken im Denken des Etwas . . . . . . .

1

I . Das >Gegebensein< des Etwas in Raum und Zeit. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Das Etwas als Gegenstand des Denkens . . . . . . . . . . . . . . . .

60

B . Rechtfertigung der Verstandeseinheit aus einem einfachen Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

I . Die >obj ektive Deduktion der Kategorien< . . . . . . . . . . . . . . .

80

Il. Schritte zur >subjektiven Deduktion der Kategorien< . . . . . .

147

ZwEITER TEIL DAs DENKEN DES DENKENS . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

191

A. Die Vernunfteinheit unserer Verstandeserkenntnisse . . . . . . . . .

191

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I . Formaler Gebrauch der Vernunftprinzipien

............

191

Il. Übergang zum materialen Gebrauch der Ideen . . . . . . . . . .

258

B . Rechtfertigung der Vernunfteinheit unseres Denkens . . . . . . . .

289

I . Der Ort des transzendentalen Grundes der Vernunfteinheit unter Verstandeserkenntnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

289

Il. Auf dem Wege zu einem überseienden, transsubj ektiven Einheitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

293

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DRITTER TEIL . DAS DENKEN DES EINEN

A. Ort I. Il. III.

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einer transzendentalen Theologie . . . . . . . . . . . . . . . . . Einheitsbedingungen des Systems aller Zwecke . . . . . Die >Idee in individuo< . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der >>wahre Abgrund für die menschliche Vernunft«

299

.. ...

299

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299

..... .....

306 315

B . Die Vollendung der B edingungen des Denkens in einer >Theoria Negativa< . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

321

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Inhalt

VI

I. Negation der Negation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

321

Il. Das Urprinzip als das Prinzip von Differenz zu aller Differenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

327

III. Der s chematisierte höchste Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . .

339

C . Die Rechtfertigung der Einheit des >Zweckmäßig bestimmten Ganzen< mit der Vernunfteinheit der Zwecke aus einem einfa­ chen Prinzip : Der Systemgrund kann nicht mehr innerhalb des Systems gefunden werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

350

I . Das Urprinzip : >im Rückgang erschlossen< . . . . . . . . . . . . .

350

I I . Philosophie als systematische Wissenschaft aller Vernunftpnnztpten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

363

III. Die Idee des obersten Guts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

376

LITERATURVERZEICHNIS .

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387

AUSFÜHRLICHE INHALTSÜBERSICHT

VoRBEMERKUNG UND D ANKSAGUNG .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

xx

EINLEITUNG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXV

I . Gegenstand, Fragestellung und Ziele .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1. Warum die Suche nach einem Prinzip aller Prinzipien auf die Tätigkeit unseres Denkens zurückverweist . . . . . . . . . . 2. Charakteristik der Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der systematische Ort der Fragestellung: Einheitsprinzi­ pien von Denken und Sein im Horizont der Transzendentalphilosophie Kants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

xxv

XXXII XXXIII xxxv

XL

li. Art der B ezugnahme auf Kant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XLIII

1. Im Zentrum der Analyse steht ein Sachproblem, das im Horizont der Transzendentalphilosophie Kants betrachtet werden soll; es soll darum mit Kant gedacht und nicht über ihn gesprochen werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einrücken in das tradierte Überlieferungsgeschehen . . . . .

XLV XVLI

III. Ortsbestimmung der Prinzipienfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Suche nach einer Topologie der Einheitsorte soll der Bestimmung eines obersten Prinzips vorausgesetzt werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . , 2. Postulate in der Bestimmung eines Prinzips aller Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IV. Methodische Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anmerkung zur »philosophischen Methode« . . . . . . . . . . . 2 . Die Trias des Denkens als Einteilungsgrund . . . . . . . . . . . . 3. Aller Analysis liegen Synthesisfunktionen zugrunde . . . . . 4. Nominalismus - Realismus - Konstruktivismus . . . . . . . . . 5. Die performativ-propositionale Doppelstruktur der Rede macht den Gegenstandsbezug des Denkens nicht begreiflich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Der B egriff des »GegebenenGegebensein< des Etwas in Raum und Zeit. Fragestellung . Überlegungen zur Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Nebeneinander ausgedehnter Größen als Funktion des Nacheinander der sukzessiven Synthesis der Teile . . . . . . . . . a) Stoff und Form des Gegebenen. Nur in der Anschauung ist der einzelne Gegenstand gegeben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zeitordnung - Raumordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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11 11 13

2. Gegeben - Gezeugt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Identifikation und Unterscheidung im Durchlaufen und Zusammennehmen des Mannigfaltigen in der Zeit . . . . . . . b) >>Ich kann mir keine Linie, so klein sie auch sei, vorstellen, ohne sie in Gedanken zu ziehen.« Wahrnehmung als Akt der Intentionalität und der Einbildungskraft . . . . . . . . . . .

20

3. Realität und Negation der erscheinenden Körperwelt . . . . . .

22

a) Die Qualität unserer Empfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die transzendentale Materie als >>Sachheit« . . . . . . . . . . . .

22 24

4. Transzendentale Idealität des Raumes und der Zeit . . . . . . . .

27

a) Apriorizität der Raumvorstellung: Notwendige vs. komparative Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

18 18

X

Ausführliche Inhaltsübersicht b) Realitäts- und obj ektivitätsverbürgende apriorische For­ men. Das sinnliche Äußere unserer Innenwelt ist mit dem Äußeren der erscheinenden Welt unmittelbar verbunden .

29

5. Transzendentaler vs. empirischer Raumbegriff . . . . . . . . . . . . .

34

a) Die Erscheinung bringt Gegenläufiges zur Einheit: Die Zeit im Bilde des Raumes, der Raum als Produkt der Eingrenzung des Wahrgenommenen in der Zeit . . . . . . . . . . . . b) Ein Unwandelbares als B edingung allen Wandels; ein Unbegrenztes möglicher Grenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35 38

6. Peras - apeiron . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

a) Der Raum als einigender, allumfassender Horizont, als »unendliche gegebene GrößeErscheinung< als neutraler Terminus . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Differenz von Sein und Gesetztsein macht als Realre­ pugnanz entgegengesetzter Kräfte einen Ort der Indifferenz notwendig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

8. Die Wahrnehmung als ein abhängiges Zeugen des Gegebenen. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

48

a) Subj ektive vs . obj ektive Reproduktion der Erscheinungen in der Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das transzendentale Prinzip der Affinität als Grund der Assoziabilität des Mannigfaltigen in einer empirischen Erfahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

9. Auf dem Weg zur Kategorie: Die Gleichartigkeit der Teile als Vorauss etzung ihrer Reproduktion im Gedächtnis . . . . . . . . .

56

51

a) Das Wahrgenommene als Produkt des Hervorgangs aus einem Inneren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Wahrnehmung im B ilde des Kreises: Veräußerung eines Inneren durch Verinnerlichung eines Äußeren . . . . . . .

58

II. Das Etwas als Gegenstand des Denkens . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

1. >>Die Kategorie der Synthesis des Gleichartigen in einer Anschauung überhauptWir können uns nichts als im Objekt verbunden vorstellen, was wir nicht selbst zuvor verbunden haben< . . . . . b) Das Eine als ein Vieles in der Anschauung und das Viele als Einheit im B egriffe gesetzt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vom begrifflich vereinten Mannigfaltigen zur relationalen Bestimmung der Begriffe. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . .

75

B . Rechtfertigung der Verstandeseinheit aus einem einfachen PrinZlp .,

80

I . Die >obj ektive Deduktion der Kategorien< . . . . . . . . . . . . . . . .

80

1. Auf dem Wege zur obj ektiven Einheit der Apperzeption

80

2. Der verborgene Syllogismus der Begriffsbildung . . . . . . .

81

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3. Überleitung zu den Urteilsfunktionen. Die Synthesis der Synthesen in den relationalen Kategorien . . . . . . . . . . . . a) Die Integration des Gegebenen in ein Gefüge einander koordinierter und subordinierter B egriffe. Das sprachliche Zeichen im Horizont begrifflicher Bestimmung b) Der reine Akt der Apperzeption macht den B egriff als Regel, als Vorstellung der Vorstellung, möglich . . . . . .

86

4. Die logische Form aller Urteile besteht in der obj ektiven Einheit der Apperzeption der darin enthaltenen B egriffe

90

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83

85

XII

Ausführliche Inhaltsübersicht a) Analytische Urteile: der Satz der Identität und des Widerspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Synthetische Urteile als geregelte Verbindungen gegebener Vorstellungen untereinander . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Ist-Aussage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die notwendige kategoriale Unterscheidung von Sub­ stanz und Akzidenz in der Formel A B. Der tran­ szendentale Gegenstand als Einheits- und Unterscheidungsgrund der Relate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das transzendentale Objekt als »Erste Substanz « : Not­ wendigkeit der Annahme eines kategorialen Repräsentanten für das Substrat der Erscheinungen . . . . . . . c) Der bloß logische Gebrauch der B egriffe kann das Verhältnis zum Gegenstand der Sinne nicht regeln . . . . . . d) Synthetische Urteile a priori als geregelte Formen der B eziehung auf ein zugrundeliegendes X. Die Katego­ rien als Gründe der Übereinstimmung mit dem gedachten Substrat uns erer Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93 95 96

=

6. Die Weise der Bestimmung unseres inneren Sinnes . . . . . a) Das Beharrliche ist die Substanz und nicht: Die Substanz ist das Beharrliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Kategorie der Kausalität als notwendiger B estimmungsgrund des Wandels eines B eharrlichen . . . . . . . .

a) Die Kausalität der Urteilsverbindungen ist transzendentales und nicht empirisches Gesetz . . . . . . . ß) Die apriorischen Formen des Verstandes sind nicht bloß subj ektive Notwendigkeiten unseres Denkens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . y) Beharrlichkeit und Folge als zwei Modi, den inneren Sinn zu bestimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c ) Das disjunktive Urteil als der dritte Modus i n der B e­ stimmung unseres inneren Sinnes : Die Einheit des Gedachten im Zugleich seiner Bestimmungen . . . . . . . . . . a) Die drei Zeitmodi als ebenso viele Bestimmungs ­ gründe des dynamischen Verhältnisses der Erscheinungen untereinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ß) Das disjunktive Urteil: Zwischen verallgemeinernder Gattungsbestimmung und artbildender Spezifikation wird das Individuelle zerrieben . . . . . . . . .

98

1 00 1 02

1 03 1 06 1 09 110 114

115 117

1 20

1 21

1 22

Ausführliche Inhaltsübersicht

XIII

d) Möglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit als mo­ dale Kategorien in der Bestimmung unseres inneren Sinns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 27

7. Durch die relationalen Kategorien bestimmen wir allein die Zeitverhältnisse unseres inneren Sinns, so daß gelten kann: unser innerer Sinn steht bezogen auf die Objektivität des Gedachten unter Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 29

8. Art der Übereinstimmung des Denkens mit dem Gedach­ ten sowie des Denkens mit sich selbst in der Gestalt der synthetischen und der analytischen Urteile . . . . . . . . . . . .

1 32

a) Die analytischen Urteile als Formen der Übereinstim­ mung des Denkens mit sich selbst sind notwendige, aber nicht hinreichende Bedingungen der Erkenntnis . b) Die synthetischen Urteile a priori als das Mittlere zwi­ schen den analytischen und den synthetischen Urtei­ len. Als umgekehrte Erweiterungsurteile beruhen Erläuterungsurteile auf dem Satz des Widerspruchs . . . . c) Die Trennung von Sein und Form: Erweiterungs- und Erläuterungsurteile sind nicht aus Einem Grunde ableitbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Synthetische Urteile a priori als Gründe der Überein­ stimmung des Denkens mit sich selbst bezogen auf die Gegenstände des Denkens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die drei Identitätsformen bilden eine Einheit in einer j eden Erfahrungserkenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) B ereits die drei Grundsynthesen des Verstandes beruhen auf dem Grundsatz der Widerspruchsfreiheit . . . . II. Schritte zur >subj ektiven Deduktion der Kategorien< . . . . . .

1 32

1 34

1 36

1 37 1 41 1 45 1 47

1 . Aller Notwendigkeit liegt ein transzendentales Prinzip zugrunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Ich als Korrelat der selbst zeitfreien Zeit, des B eharrlichen im Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das einfache Ich (Xs) als der zeitfreie Grund in der Bestimmung alles Zeitlichen (Xo) . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Numerische Identität und Einfachheit des obersten Prinzips aller Verstandeshandlungen. Es kann nicht in einem noch höheren Prinzip verankert werden . . . . . .

1 51

2. Conjunctio als compositio und nexus. Alle Verknüpfung setzt ein Identisches im Verschiedenen voraus . . . . . . . . .

1 53

1 47 1 49 1 50

XIV

Ausführliche Inhaltsübersicht a) Die Zeit als das Dritte zwischen Begriff und gegebe­ nem Gegenstand. Die Verknüpfungen des Gegebenen in der Zeit machen die synthetischen Urteile a priori notwendig. Einfacher Grund vs . Relationalität des Gegründeten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erkenntnis als B estimmung der erscheinenden Welt . c) Kategorie und kategorial Bestimmtes als die unmittelbare Einheit von Denken und Sein . . . . . . . . . . . . . . . . d) Der Grund jener Einheit kann nur als Ort der Indif­ ferenz die Einheit beider Seiten begreiflich machen. Notwendigkeit der Unterscheidung von aktiven und passivem Vermögen uns erer Erkenntnistätigkeit . . . . . 3. Im Gegenstandsbewußtsein bestimmen wir uns selbst als ein erkennendes B ewußtsein; Selbstbewußtsein und Ge­ genstandesbewußtsein bilden darum eine notwendige Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Selbstbewußtsein ist nicht Entzweiung eines Einfa­ chen, sondern Akt der SelbsterheBung des eigenen Tuns, Selbstverhältnis im Obj ektbezug . . . . . . . . . . . . . b) Akt und Potenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. »Das >Ich denke< muß all meine Vorstellungen begleiten können« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die analytische Einheit der Apperzeption . . . . . . . . . . b) Die Zeit als das Dritte in der Verbindung von Kate­ gorie und kategorial Bestimmtem, als Grund der in­ neren Affinität der assoziierten Vorstellungen untereinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Ich setzt sich selbst durch das Nicht-Ich . . . . . . . d) Sinnlichkeit und Verstand als irreduzible Quellen der Erfahrungserkenntnis. Das Denken ist selbst ein Seien­ des, das gegebenes Seiendes bestimmt. Einheit und Differenz von Denken und Sein . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Das Prinzip als Indifferenzort soll die Einheit von Denken und Gedachtem in einer Erfahrungserkenntnis begreiflich machen können . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Das >>Ich« ist mögliche Wahrnehmung unseres inneren Sinnes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Im »Ich denke-Gedanken« erreichen wir ein B ewußtsein dieser einfachen Wahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . .

1 55 1 57 1 58

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1 64 1 66 1 67 1 67

1 69 1 74

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Ausführliche Inhaltsübersicht

XV

h) Der Einheitsgrund des Denkens ist nicht zugleich auch Grund der Formen, in denen das Denken sich vollzieht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Der Grund der Einheitsfunktionen des Denkens ist mit dem Selbstbewußtsein nicht identisch; das Ich ist relationsfreier Ursprung aller Relationalität . . . . . . . . .

1 82

1 85

5. Das Einfache Ich als Grund aller Relationalität in den Formeln des empirischen, sythethisch apriorischen, des analytischen wie auch des Selbst-Bewußtseins . . . . . . . . .

1 87

. ..........

1 91

A . Die Vernunfteinheit unserer Verstandeserkenntnisse . . . . . . . . .

1 91

I. Formaler Gebrauch der Vernunftprinzipien . . . . . . . . . . . . . .

1 91

1 . Was der Gegenstand an sich selbst sei. Das Ansichsein des Gedachten ist Idee und nicht B egriff . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 91

ZwEITER TEIL

·

DAs DENKEN DES DENKENS

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a) Die funktionalen Prinzipien der Vernunft. Die tran­ szendentale Logik zwischen Subj ekt- und Prädikatenlogik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Generalisierung und Spezifikation auf der B asis der Homogenität und Varietät des Gedachten . . . . . . . . . . . c) Identität und Differenz als Reflexionsbegriffe zur Bestimmung der Grenzbegriffe von Etwas und Anderem d) Die Umkehrung der B egriffsbildung im diairetischen Verfahren der B egriffsexplikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die fünf obersten Gattungen des Seins : Sein als Ruhe und B ewegung, Identität und Differenz . . . . . . . . . . . . f) Etwas und Anderes im System als Inhärenz, Konsequenz und Komposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 91 1 93 1 94 1 96 1 99 200

2. Überleitung zu den Vernunftprinzipien. Die Ideen der un­ bedingten Synthesis der B edingungen als integrierende Prinzipien der Vernunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

203

a) Die Vernunft selbst als zweckmäßig organisierter Gliederbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

205

a) Die Idee eines unbedingten Substrates der Erscheinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ß) Die Idee der Totalität der Reihe der B edingungen zu einem gegebenen B edingten . . . . . . . . . . . . . . . . . y) Die Idee allseitiger Bestimmung . . . . . . . . . . . . . . . .

208 21 3 21 4

Ausführliche Inhaltsübersicht

XVI

b) Genese der Ideen aus den Vernunftschlüssen

21 9

3. Übereinstimmungsbedingungen der Vernunft mit sich selbst. Vernunft als eine sich selbst bestimmende Einheit a) b) c) d)

Struktur der Argumentation . . . . . . . . . . . . . . Was ist Transzendenzbewußtsein ? . . . . . . . . . Transzendentale Ontologie . . . . . . . . . . . . . . . Sein als Selbstsein und lnsichsein: die Sphäre stes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

........ ........ ........ des Gei........

4. Das >Denken des Denkens< ist Ideendenken; Einheit von Materie und Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

226 229 231 234 238 240

a) Differenz von Form und Materie im Denken des Etwas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Affinität des Mannigfaltigen als Grund der ma­ terialen Einheit von Denken und Gedachtem im Denken des Etwas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Hypothetischer vs. apodiktischer Gebrauch der Vernunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

246

5. Kants Versuch, den Widerstreit der Vernunft mit sich selbst zu beheben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

250

a) Die notwendig systematisch Einheit aller Vernunftzwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die funktionale Bestimmung der Vernunftzwecke . . . .

253 256

II. Übergang zum materialen Gebrauch der Ideen . . . . . . . . . .

258

1 . Ort des Prinzips aller Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

260

a) Einheit von Form und Materie in der Idee des Ideals . Idee eines durchgängig bestimmten Gegenstandes . . . b) Idee des Ideals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Logische Genese des Ideals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

262 263 264

>Omnis determinatio est negatio< . . . . . . . . . . . . . . . . .

268

a) Das Wirkliche als Sphäre des Möglichen . . . . . . . . . . .

270

2.

a) Der Begriff von einem unbedingten Substrat, dessen Prädikat die Gedanken sind . . . . . . . . . . . . . . . ß) Das Ich als der zeitfreie Grund aller zeitlichen Bestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . y) Das teleologische Prinzip der Zweckmäßigkeit als regulatives Prinzip der systematischen Einheit der Verstandeserkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

243

245

273 279

281

Ausführliche Inhaltsübersicht

XVII

b) Idee des Weltganzen als Grund der logischen Prinzipien der Generalisierung und Spezifikation . . . . . . . . .

284

c) Problem der Substantiierung des Ideals des Weltganzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

286

B . Rechtfertigung der Vernunfteinheit unseres Denkens . . . . . . . . .

289

I. Der Ort des transzendentalen Grundes der Vernunfteinheit unter unseren Verstandeserkenntnissen . . . . . . . . . . . . . . . . .

289

1 . Notwendigkeit der >>Deduktion« der reinen Vernunftbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

290

2. Deduktion der reinen Vernunftbegriffe aus einem Prinzip aller Prinzipien nach Analogie zur Deduktion der Verstandesbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

291

II. Auf dem Wege zu einem überseienden, transsubj ektiven Einheitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

293

1 . Das Prinzip der Einheit bezogen auf die Trias des Denkens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

293

2. Fundierung der B edingungen des Denkens in einer transzendentalen Ontologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

294

3. » Gleiches sieht ein Gleiches « . Einheit und Differenz von Denken und Sein im Denken des Denkens . . . . . . . . . . .

297

D RITTE R TEIL . DAS DENKEN DES EINEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

299

A. Ort einer transzendentalen Theologie: Das Prinzip aller Prinzipien als Prinzip der Indifferenz von Denken und Sein . . . . . .

299

I. Einheitsbedingungen des Systems aller Zwecke . . . . . . . . . .

299

1 . Sein und Setzen: Fundierung der systematischen Einheit der Vernunftbegriffe in einem obersten Prinzip : Die » Deduktion« der Vernunfteinheit der Zwecke . . . . . . . . . 2. Die moralischen Zwecke müssen in die gegebene Welt der Erscheinungen integrierbar sein . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einheitsgrund von subj ektiver Zwecksetzung und zweckmäßig organisiertem Ganzen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

304

II. Die >Idee in individuo< . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

306

1. Idee einer urbildliehen Vernunft, von der die unsere nur ein s chwaches Nachbild ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

306

299 302

XVIII

Ausführliche Inhaltsübersicht 2. Einheit der sensiblen und intelligiblen Ursachen aus einen einfachen Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Ideal des allerrealsten Wesens als Grund der durch­ gängigen Bestimmung einzelner Gegenstände, der Dinge an sich selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31 5

III. Der »wahre Abgrund für die menschliche Vernunft« . . . . .

31 5

31 3

1 . Die zentrale Aufgabe in der Bestimmung des Ideals: >Entweder zum Notwendigen den Begriff oder zum B e­ griff von irgendeinem Ding die Notwendigkeit desselben zu finden< . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Ideal als die Kunst des Geistes, das durchgängig bestimmte Ganze in einem Urbilde zu antizipieren . . . . . . 3. Die Vorstellung von einem an sich notwendigen Wesen: Der »wahre Abgrund für die mens chliche Vernunftzweckmäßig bestimmten Ganzen< mit der Vernunfteinheit der Zwecke aus einem einfa­ chen Prinzip: der Systemgrund kann nicht mehr innerhalb des Systems gefunden werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

350

I . Das Urprinzip : >im Rückgang erschlossen< . . . . . . . . . . . . .

350

1 . Kausalität aus Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

350

2. Die Einheit des Denkens als Grund der Einheit der Seins -Gedanken muß sich vom Prinzip aller Prinzipien selbst noch umklammern lassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

353

3. Das Eine: Ein S e i e n d e s Eines oder ein E i n s -seien­ des ? Der Horizont des platonischen >Parmenides< in der B estimmung des kantischen Einheitsprinzips . . . . . . . . . 4. Negative Bestimmung des Einen Grundes. Sein und überseiender Einheitsgrund nach Analogie zu den Ge­ danken als den Prädikaten des denkenden Ich vorgestellt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

359

II. Philosophie als systematische Wissenschaft aller Vernunftpnnztpten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

363

1 . Einheitsbedingungen von theoretischen und praktischen Zwecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

366

355

2. Einheit der Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gründe möglicher Übereinstimmung von natürlichen und sittlichen Zwecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

371

111. Die Idee des obersten Guts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

376

369

XX

Ausführliche Inhaltsübersicht 1. Ein »einiger oberster Wille« als der Grund der Übereinkunft unter unseren verschiedenen Willen . . . . . . . . . . .

376

2. Das höchste abgeleitete Gut als Endzweck der erstrebten moralischen Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

379

3. Glückseligkeit - Glückswürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . .

380

4. Das Eine selbst als Grund und Substrat des zweckmäßig bestimmten Ganzen in der Idee der Übereinstimmung der höchsten sinnlichen mit den höchsten sittlichen Zwecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

384

LITERATURVERZEICHNIS

























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. . •



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387

Anmerkungen zu Zitierweise, Quellen, Siglen, etc. . . . . . . . . . . . . .

387

A. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I . Werke Kants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

388 388

II. Weitere Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

389

B . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

392

I . Abgekürzt zitierte Werke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

392

II. Weitere Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

395

VORBEMERKUNG UND DANKSAGUNG

Auch wenn ich nur wenige hier nennen kann, so gilt doch all denj enigen, die direkt oder auch nur indirekt an der Entstehung dieser Arbeit beteiligt waren, dieser rückblickende Dank. Auf der Suche nach einer Möglichkeit systematischen Philosophierens in nachmetaphysischen Zeiten habe ich in dieser Arbeit, die ich in einer erweiterten Fassung im Dezember 1 992 als Habilitationsschrift eingereicht habe, nach einer engen Verbindung der kantischen Philosophie zu solchen Systemansätzen gesucht, wie sie durch den Platonismus-Neuplatonismus übermittelt sind. Das mit dieser Frage verbundene Problem der Grundlegung einer philosophischen Theorie führ­ te mich zunächst in die Nähe zu Veranstaltungen und Arbeiten von Herrn Prof. Werner B eierwaltes nach München. Nicht allein durch seine Schriften, sondern ebenso durch aufmerksame, intensive Gespräche verdanke ich Herrn Prof. B eierwaltes eine Grundorientierung im Denken, die so manche Fährte beeinflußt hat, die ich durch die Transzendentalphilosophie Kants gezogen habe. Für diese richtungsweisenden Anstöße, mit denen er den Entwicklungsgang meiner Arbeit von Beginn an inspiriert und begleitet hat, möchte ich ihm ganz besonders danken. In seinen Arbeiten zum Fundie­ rungsgedanken eines philosophischen Systems konnte ich eine reiche sy­ stematische wie historische Ausdifferenzierung der Problemstellung finden, die als entscheidendes Spannungsfeld einer j eden, sich ihrer Grundlagen vergewissernden philosophischen Theorie zugrundeliegt: Soll systematisches Philosophieren möglich sein, so wird die Frage nach einem systemtragenden Prinzip unausweichlich sein. Soll aber das system­ tragende Prinzip in den Grenzen des Systems zu fassen sein, so ist die aporetische Situation, bezogen auf das B egründungsprogramm einer phi­ losophischen Theorie, unvermeidlich. In welcher Weise kann diese Pro­ blemstellung nun im Horizont einer transzendentalen B etrachtungsart auf einen neuen Grund gestellt werden ? Und inwiefern gibt sie zugleich auch den Weg frei, nach der inneren Konsistenz im B egründungsgang der kanti­ schen Systemanlage zu fragen ? Diese Fragestellung machte zunächst einen B ezug auf die Debatte um die Möglichkeit der Rechtfertigung unserer reinen Verstandesbegriffe aus einem einfachen Prinzip erforderlich. Mußte doch zunächst untersucht werden, inwiefern es innerhalb einer transzendentalen Logik überhaupt möglich ist,

XXII

Vorbemerkung und Danksagung

vom Erfahrungsgebrauch uns erer Verstandesbegriffe zu reden. Ferner muß­ te untersucht werden, inwiefern der Erfahrungsgebrauch der Verstandes­ funktionen an einen Einheitssinn gebunden ist, der nur im Rahmen eines Systemgedankens zu rechtfertigen ist, in dem die Vernunftideen entweder in einer theoretischen Hinsicht - als verstandesbes timmende Einheitsbedin­ gungen oder aber - für unsere lebenspraktischen Vollzüge - als welt­ erschließende Handlungsprinzipien fungieren können. Schließlich wurde die Frage unabweislich, wie denn die Vernunftfunktionen ihrerseits aufein­ ander bezogen sind, wenn sie - gemäß der kohärentistischen Systemanlage der kantischen Theorie - auch untereinander übereinstimmen sollen. Hier nun war der Ort der Rechtfertigung der systematischen Einheit der Theorie erreicht und mit diesem die Suche nach einem systemtragenden Prinzip unvermeidlich geworden. Und s o führten mich die Spuren dieser Fragestellung dann in die Nähe zu Arbeiten, Veranstaltungen und Gesprächen von/mit Herrn Prof. Dieter Henrich und Herrn Prof. Rolf-Peter Horstmann. Für ihre Anregungen und Impulse insbesondere bezogen auf die Systementwürfe der kantischen und nachkantischen Philosophie möchte ich darum sehr herzlich danken. Herr Prof. Reinhard Brandt und Herr Prof. Burkhard Tuschling, die bereits wäh­ rend meiner Marburger Studienzeit die Fährten meiner Kamlektüre beglei­ teten, erschlossen mir den Blick auf den »historischen Kant« und das kanti­ sche Spätwerk. Eine Vielzahl an Gesprächen und lebendiger Kontrovers e, bezogen den Fundierungsgedanken einer philosophischen Theorie, verdan­ ke ich auch Frau Prof. Karen Gloy, Luzern und Herrn Prof. Dr. Gerd Buchdahl, Cambridge. Dr. Wolff Fleischer-B ickmann hat mit seinem lebendigen Widerspruchs­ geist so manchen Widerhaken in das metaphysische Potential dieser Arbeit ges etzt und damit die skeptische Perspektive, bezogen auf die Grundle­ gungsfragen einer philosophischen Theorie, als eine stete B ezugsgröße für ein metaphysisches Denken in nachmetaphysischen Zeiten geschärft. Daß ich in Bremen in freier Lehre und im freien Austausch mit den Kollegen am Institut einen Rahmen vorgefunden habe, der mir nicht nur einen großzügigen Raum für meine Vorlesungen gibt, sondern der auch aus den unterschiedlichsten Richtungen für meine Arbeit produktiv werden konnte, verdanke ich insbesondere Herrn Prof. Hans Jörg Sandkühler, Herrn Prof. Gerhard Pasternack, Herrn Prof. Reiner Hegselmann und Herrn Prof. Manfred Stöckler. Herr Prof. Manfred Stöckler hat mir in einer Vielzahl an Gesprächen - insbesondere zur neuzeitlichen Raum-Zeit-Dis­ kussion - den Blick für grenzüberschreitende Fragen im Horizont ver­ schiedener naturphilosophischer Positionen geöffnet und so aus der Sicht

Vorbemerkung und Danksagung

XXIII

der neueren Physik hilfreiche Hinweise geben können, die vor allem in den ersten Teil der Arbeit eingegangen sind. Herr Prof. Gerhard Pasternack hat sich zu meiner Freude bereit erklärt, ein aus diesen unterschiedlichsten Kontexten angeregtes und entstandenes und doch als ein systematisches Ganzes konzipiertes Werk zu begutachten. Nicht zuletzt aber möchte ich Herrn Prof. Manfred Frank danken, der neben Herrn Prof. Pasternack das Hauptgutachten meiner Arbeit übernom­ men hat. In einer Vielzahl an Gesprächen hat er einen ideenreichen Aus­ tausch möglich gemacht, Gedankengänge vorangetrieben und eine Fülle an Anregungen gegeben, die produktiv in die Arbeit eingehen konnten. Die nachkantische Kontrovers e zwischen einer möglichen Grundsatzphiloso­ phie im Lichte Reinholds und Fichtes und ihren skeptischen Kontrahenten - in der Gestalt von Maimon, Aenesidemus, Schlegel und Novalis - konnte den Blick auf den B eitrag Kants zur Begründung eines philosophischen Systems erneut differenzieren. Ist in Kants Propädeutik zu einer Meta­ physik als Wissenschaft bloß der >Geist eines Systems< (Novalis, Fr. Schle­ gel) angelegt oder aber ein Systementwurf nach der Art der Grundsatz­ philosophien Reinholds, Fichtes oder Schellings erstrebt ? In eingehenden Gesprächen mit Herrn Prof. Manfred Frank konnte ich so einen Kern­ impuls der vorliegenden Argumentation, sowohl bezogen auf Kants eigenen Systemgedanken als auch bezogen auf die Kontroverse um die Grundsatz­ philosophie in der nachkantischen Ära, erweitern und vertiefen. Diesem Ideenaustausch über die Grenzen und Möglichkeiten der Erneuerung der kantischen Philosophie gilt darum mein ganz besonderer Dank. Ganz herzlich danken möchte ich auch meinem Vater, Herrn Prof. Dipl.­ Ing. Karl Bickmann, und Herrn Josef Molitor, die das Manuskript der Ar­ beit lasen, wichtige Anregungen in einer Vielzahl von Streitfällen gaben und so in den Diskussions- und Entstehungsprozeß der Arbeit von B eginn an einbezogen waren.

EINLEITUNG

I . Gegenstand, Fragestellung und Ziele Die folgenden einführenden Bemerkungen sollen auf die Fragestellung, den Gegenstandsbereich sowie die Art der versuchten Annäherung vorbereiten. Methodische Schritte werden genannt, Abgrenzungen vollzogen, die zen­ tralen Thesen im Vorgriff vorgestellt, ohne j edoch bereits ausgeführt oder diskutiert zu sein. Darum fehlen Zusammenhänge und B egründungen, die den Stellenwert der einzelnen Begriffe und Thesen für den Gesamtgang der Argumentation einsichtig machen könnten. In diesen einleitenden Bemer­ kungen sind die vorgestellten Thesen nicht mehr als bloße Versicherungen, bloße Resultate, an denen die Herkunft und der Stellenwert aus dem Be­ gründungsgang der nachfolgenden Ausführungen nicht ablesbar sind, denn es soll einleitend nur der Rahmen gesteckt werden, innerhalb dessen sich die Argumentation in drei aufeinander bezogenen wie aufeinander aufbau­ enden Teilen bewegt.1 Erst im Durchgang durch diese drei Teile kann dann eingelöst werden, was an Zielen und Aufgabenstellungen in den vorberei­ tenden Bemerkungen angekündigt wird. So werden die jeweils neu auftre­ tenden B egriffe auch nicht bei ihrem ersten Erscheinen bereits näher be­ stimmt, sondern im Gang der Argumentation in ihrem Bedeutungsp otential erhellt, indem sie in ihrem Stellenwert für die gesamte Argumentation deut­ lich gemacht werden. Es wird sich im Verlauf der Argumentation dann zeigen, daß diese Weise der Annäherung an das B edeutungspotential der j eweils beanspruchten B egriffe allererst das Geflecht ihrer wechselseitigen B eziehung aufeinander sichtbar machen und damit auch den B lick freigeben kann auf denj enigen Fluchtpunkt aller gedanklichen Bestimmungen, der als Leitziel und Idee aller begrifflichen Bestimmung bereits von fern her die Analyse lenkt. Auf der Suche nach einem Prinzip aller Prinzipien2 wird die

1

Verweise auf zugrundeliegende Diskussionen wie Bezugsquellen sollen jedoch selbst in den einführenden Bemerkungen nicht fehlen, um in einem ersten Vorausblick bereits den systematischen wie historischen Horizont zu benennen, auf den die Fragestellung der Arbeit bezogen ist. 2 Vgl. zum Begriff des »Prinzip aller Prinzipien«: Husserl, E., Erste Philosophie ( 1 923/24). Zweiter Teil: Theorie der phänomenologischen Reduktion, S. 42. Im Sinne

XXVI

Einleitung

Einsicht in das Prinzipiierte dann den Weg weisen, das gesuchte Prinzip als das Prinzip eines B estimmten bzw. eines Bestimmbaren zu beschreiben, so daß - für uns - allein der Weg der B etrachtung vom Prinzip iierten ausge­ hend zurück in die Bedingung seiner Möglichkeit gewählt werden kann. Denn für uns ist das Prinzipiierte ein Erstes, das Prinzip aller Prinzip ien aber bloß ein Abgeleitetes.3 Für die Entwicklung des Argumentations gangs im Hauptteil der Arbeit bedeutet dies, daß die >>ratio cognoscendi« die >>ratio essendi« im umgekehrten Wegesinn durchlaufen kann,4 so daß mit der Idee des an sich oder für uns Ersten davon ausgegangen wird, daß den Husserls kann er auf das »Ich binersten wahren Satz aller wahren Philosophie< bezogen werden. Die Verwendung dieses B egriffs soll jedoch im fo lgenden nicht auf die Funktion des transzendentalen Ich für unsere Erkenntnis beschränkt bleiben. Vielmehr wird auf den Fährten der Transzend entalphilosophie Kants nach demjenigen Prinzip ge­ sucht, durch das die Übereinstimmung der Vernunft mit sich selbst im System aller Ver­ nunftbegriffe gerechtfertigt werden kann. - Daß im Sinne Kants die Grundrelation von Identität und Differenz, Einheit und Mannigfaltigkeit nicht mehr im Sinne von oberstem Grundsatz und Seinsgrund, Prinzip und Ursprung äquivok als epistemische wie ontolo­ gische Relation aufzufassen ist, führt gleichwohl nicht zu einer wechselseitigen Reduktion der B ereiche aufeinander, sondern zu einem Versuch, diejenigen aprio rischen Vermögen unserer Vernunft zu bestimmen, die Garanten der Obj ektivität des Gedachten wie Be­ stimmungsgründe unserer moralisch-praktischen Vernunft gleichermaßen genannt werden können. Ob dann aber bereits in der kritischen Philosophie Kants das >> Gegenverhältnis der Ideen von Gott und der Welt« (Kant, Opus postumum, AA Bd. XXI, S. 1 8) für die Prinzipienfrage leitend ist und in diesem Sinne über die Einheit der Apperzeption als dem höchsten Prinzip der Transzendentalphilosophie hinausgegangen werden muß, sollen die folgenden Ausführungen untersuchen. 3 Die philosophische Methode als >> Rückgang in den Grund der Mö glichkeit von Al­ lem> [ . . . ] auf ein einiges Principium aller Möglichkeit« (Kant, B eweisgru nd, AA II, A 49) zurückzuschließen, rückt die transzendentale Fragestellung in den Horizont der plato­ nisch-neuplatonischen Philosophie, in welcher die Selbsterkenntnis der Vernunft als Rückgang des Geistes in den Grund seiner eigenen Mö glichkeit aufgefaßt werden kann. In diesem Sinne sucht auch Hege! die transzend entale Logik Kants nicht zu überwinden, sondern sie vielmehr zu vollenden. (vgl. dazu Hegels B estimmung der philosophischen Erkenntnis als Rückgang in den G rund, G.W.F. Hege!, Logik I, WW 5, S. 70; ders., Logik II, WW 6, S. 570; ders., Vorlesungen über die Philosophie der Religion, WW 1 6, S. 1 1 1 ) . 4 M i t B lick auf die B edingung des moralischen Gesetzes, d i e Freiheit, unterscheidet Kant in ähnlicher Weise zwischen dem »ordo essendi« und dem »ordo cognoscendi«: Der Sache nach ist Freiheit das Fundament, der Grund und die Basis, durch die allein das moralische Gesetz möglich wird. In der »Erkenntnisordnung« jedoch heben wir mit dem mo ralischen Gesetz an und finden so das der Sache nach Erste, das uns als die B edingung der moralischen Gesetzgebung nachträglich zu B ewußtsein kommen kann. (KpV, A 4. Zur Differenz des >>für-uns>Über alle Grenzen möglicher Erfahrung hinaus« wird darum auf diese Weise erstrebt, sondern Selbsterhellung der Vernunft wird - mit Kant - als eine B eschäf­ tigung der Vernunft mit sich selbst und »ihrem reinen Denken«, aufgefaßt, >> . . . nach deren ausführlicher Kenntnis ich nicht weit um mich suchen darf, weil ich sie in mir selbst antreffe, und wovon mir auch schon die gemeine Logik ein B eispiel gibt, daß sich alle ihre einfache Handlungen völlig und systematisch aufzählen lassen; nur daß hier die Frage aufgeworfen wird, wie viel ich mit derselben, wenn mir aller Stoff und B eistand der Erfahrung genommen wird, etwa auszurichten hoffen dürfe.«7 Die Vernunft hat es im Rückgang auf den Grund aller Erkenntnis somit lediglich mit sich selbst zu tun und kann - so Kant - darum auch beanspruchen, die ratio essendi nun als die Ordnung unserer Erkenntnisvermögen aufgefaßt - in einem umgekehrten Wegesinn erneut zu durchlaufen. Das Bedeutungspotential der je in Gebrauch genommenen B egriffe soll darum nicht durch termi­ nologische Festlegungen normiert, sondern nach dem Vorbild dialektischer Analyse in Platons >>Politeia« durch solche analytischen Akte zur Sprache gebracht werden, die auf den Grund der Möglichkeit von B egriffsbildung überhaupt bezogen sind.8 So wird davon ausgegangen, daß ein Begriff von Erkenntnis von bereits vollzogenen Erkenntnis leistungen seinen Ausgang nimmt und nun in der Reflexion auf die Möglichkeiten dieser Tätigkeit der Versuch gemacht werden kann, die zuvor bloß >unbewußt< in Anspruch

Es ist dies auch die Methode, die Kam in s einer »Grundlegung zur Metaphysik der SittenEinheitsgrund< wie >Unterscheidungsgrund< beider Seiten glei­ chermaßen genannt werden können, wenn »Einheitabsoluter Geist< die Stelle eines obersten Prinzips innehat, so scheint die aporetische Struktur letztbegründender Argumentation, nach welcher der Bestimmungsgrund bereits an dem Anteil hat, was aus ihm allererst begreiflich zu machen wäre, unvermeidlich. Trotz der je unterschiedlich bestimmten Einheitsprinzipien innerhalb der skizzierten Positionen kann die Art der Bestimmung des Verhältnisses von Einheit und Vielheit (die quantitative Fassung des Problems) bzw. von Identität und Differenz (der qualitativen Auslegung des Problems) als ein gemeinsames Anliegen dieser Fundierungsweisen aufgefaßt werden: Ob nun der oberste Ort philosophischer Reflexion in möglichen Seins­ prinzipien (als Wille zum Leben oder zur Macht, als materielle B asis, Exi­ stenz, physiologisches Substrat), kognitiven Bestimmungsgründen (etwa im Sprachtranszendentale als verbindlichem Grund aller philosophischen Ana­ lyse) oder aber auf der Ebene der Einheitsorte der philosophischen Systeme (als Einheit der Apperzeption, Tathandlung des absoluten Ich, Idee der Vernunft als Ort absoluter Indifferenz von Subj ektivität und Objektivität oder aber als universales Vermittlungsprinzip des absoluten Geistes) gelegen ist, - die Frage, auf welche die genannten Positionen eine Antwort suchen, läßt sich wie folgt formulieren: Wird die Einheit als Einheit in der Vielheit gedacht, oder muß das obe­ rste Prinzip als der Grund des Vielen zugleich demgegenüber indifferent

1 4 W. Cramer, 2 1 976, 69. Vgl. zur Unterscheidung zwischen B eziehungs- und Unter­ scheidungsgrund ferner auch den § 3 des ersten Teils von Fichtes Wissenschaftslehre von 1 794: J.G. Fichte, Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre ( 1 794), 1 1 1 .

XXXII

Einleitung

sein, was durch es ermöglicht werden soll ? Muß das oberste Prinzip darum teilhaben am Prinzipiierten, wenn der Zusammenhang von Prinzip und Prinzipiiertem begreiflich gemacht werden soll, oder aber darf es nichts von alldem sein, was aus ihm zu begründen ist? Hat es teil am Prinzipiierten, so kann es sein einfachster Grund nicht sein; und ist es gegenüber all dem indifferent, was aus ihm abzuleiten ist, so bleibt die Frage, wie das Viele aus ihm begreiflich zu machen ist. Soll darum auf der Suche nach einem >Dritten< zwischen den Extremen eine Reduktion beider Relata auf die j eweils andere Seite wie auch die ge­ nannte aporetische Struktur letztbegründender Argumentation vermieden werden, so muß die Art ihrer Verbindung aus der B estimmung zweier zu­ nächst getrennter, gleichwohl aber innerlich verbundener Sphären gewon­ nen werden können. Wie dies aber möglich sein soll ohne die Annahme einer vermittelnden Instanz zwischen den Relata, die weder mit Kategorien aus dem B ereich des Subj ektiven noch mit solchen aus dem B ereich des Obj ektiven hinreichend zu beschreiben sind, kennzeichnet die Schwierig­ keit, die eine j ede sich ihrer Grundlagen vergewissernde p hilosophische Theorie zu vergegenwärtigen hat und die im folgenden im Horizont einer transzendentalen Analyse näher beleuchtet werden soll.

1.

Warum die Suche nach einem Prinzip aller Prinzipien auf die einigende Tätigkeit unseres Denkens zurückverweist

Die Rede von dem Einen Grund im Verhältnis von Denken und Sein muß erläutert werden: Indem ein Etwas Gegenstand der Erkenntnis ist, nehme ich zwar B ezug auf ein Gegebenes, das nicht Denken oder Gedanke ist, die Frage j edoch, wie geartet dieser B ezug ist, verweist auf einen Ermögli­ chungsgrund des »Sich-beziehens-auf« : Dieser B ezug kann nicht gleich ei­ nem Strahl gedacht werden, der auf ein >>Bewußtseinstranszendentes« ge­ richtet ist, sondern er wird vielmehr als ein implizites Verhältnis im Denken selbst begreiflich zu machen sein, indem das Zu-Denkende immer schon, auch auf der Ebene des Erlebens, als ein B ezogenes angeeignet bzw. gezeugt worden ist . 1 5 So ist die eigentliche Frage nicht, wie geartet die Relation des Subjekts (des Erkennenden) zu einem von ihm gänzlich verschiedenen Ob­ j ekt sei, sondern: Wie das Verknüpfen, das B eziehen auf ein j e schon durch unser B ewußtsein B ezogenes, zu begreifen ist. Das Transzendente ist darum

1 5 Vgl. dazu auch: W. Cramer, o.J., S. 59; ebenso: ders., 2 1 965, S. 39.

Gegenstand, Fragestellung und Ziele

XXXIII

für eine Reflexion auf dieses Verknüpfen bereits nicht mehr der »äußere Gegenstand«, sondern als transzendent für unser Denken müssen vielmehr die Formen wie Regeln der Verknüpfung selbst aufgefaßt werden.16 D enn diese Tätigkeit der Verbindung und Verknüpfung gegebener Erscheinungen hat bereits in einer j eden nur möglichen Wahrnehmung, Vorstellung, im B egriff oder im Urteil bereits stattgefunden, unabhängig davon, ob sie uns zu B ewußtsein gekommen ist oder nicht. So bestimmt die Art unseres Ver­ knüpfens in Gedanken zwar die Struktur unseres Denkens, dem Denken selbst j edoch sind diese Strukturen, in denen es sich immer schon bewegt, nicht bewußt. Sie haben vielmehr Existenz, unabhängig davon, ob sie eigens Gegenstand der Analyse sind oder nicht.17 So kann in uns erem Denken das Gedachte vom Akt der Verknüpfung wie Gegenstand und Form der Tätig­ keit unterschieden werden;18 und es ist für uns das Gedachte, der Gegen­ stand unseres Denkens , zugleich dasjenige Seiende, worauf in erkennender Absicht unser Denken bezogen ist. Denken und Sein werden deshalb im folgenden nicht als ein Korrelationsverhältnis zwischen zwei gegeneinander inkommensurablen Sphären aufgefaßt, - so daß eine korresponenztheore­ tische Beschreibung ihrer Verbindung gerechtfertigt wäre, - sondern viel­ mehr als ein implizites Verhältnis in uns erem Denken selbst. 19

2.

Charakteristik der Fragestellung

Insofern daher die Fragestellung, indem sie auf die B edingungen der Ob­ j ektivität des Gedachten sowie die systematische Einheit unserer Erkennt­ nisse zielt, transzendentalen Charakter hat, habe ich die Transzendental­ philosophie Kants als Horizont und Leitfaden der Annäherung an die Prin­ zipienfrage wie auch als terminologischen Rahmen gewählt. Insofern eine solche Fragestellung nämlich nicht - in einer intentio obliqua - mit Pro­ zessen in dieser Welt, sondern vielmehr nur »mit u n s e r e r E r k e n n t n i s ­ a r t von Gegenständen, s o f e r n d i e s e a priori m ö g l i c h s e i n s o l l « ,20

Vgl. W. Cramer, o.J., S. 59. Zur These der hier geäußerten Existenzvermeinung bzw. Transzendenzvermeinung: vgl. W. Cramer, 2 1 965, S. 23 ff. 18 Vgl. zur Differenz von Denken und Gedanke: ebd., S. 1 2 . 19 Z u d e m hier angesprochenen Korrespondenzproblem im Horizont externalistischer bzw. internalistischer Positionen: vgl. H. Putnam, 1 9 82, S. 75 ff. 20 Zu Kants B es timmung von transzendentaler Erkenntnis vgl. KrV, A 1 1 B 25. Die B estimmung des B egriffs »transzendental« als »Vernehmen des Gegenstandes« in der Ge16

17

XXXIV

Einleitung

befaßt ist, zielt sie auf die Vernunft und ihre Vermögen. Indem sie aber gleichwohl die » obj ektive Gültigkeit« der Begriffe des reinen Verstandes a priori dartun und begreiflich machen soll,21 ist die transzendentale Kritik eine Vermögensanalyse >> [ . . . ] in Ansehung der Gegenstände, die ihr in der Erfahrung vorkommen mögen«.22 Sollen die apriorischen Formen von Sinnlichkeit, Verstand und Vernunft einheitsstiftende Funktion bezogen auf mögliche Gegenstände unseres Denkens haben können, so muß sowohl ihre Notwendigkeit als auch ihre objektivitätsgarantierende Funktion einsichtig gemacht werden können.23 Die »Richtschnur« der transzendentalen Er­ kenntnis ist daher mit Kant >>die mögliche Erfahrung«, indem gezeigt wer­ den kann, daß ohne die Annahme der jeweiligen transzendentalen B egriffe, Grundsätze oder Prinzipien a priori >>die Erfahrung selbst, mithin das Ob­ j ekt der Erfahrung, [ . . . ] unmöglich wäre. Also muß der B eweis [der Gül­ tigkeit transzendentaler Sätze, C.B.] zugleich die Möglichkeit anzeigen, synthetisch und a priori zu einer gewissen Erkenntnis von Dingen zu ge­ langen, die in dem Begriffe von ihnen nicht enthalten war« . Die Suche nach der Obj ektivität des Gedachten mündet darum in einem B egriff von einem >> Gegenstand überhaupt«, der durch die Einheitsfunktio­ nen des Verstandes , die Kategorien, a priori gedacht werden kann.24 Diese stalt des » Rückgang[s] des Erkennens in sich«, wie sie für die » transzendentale Logik« von Hermann Krings leitend ist, liegt auch den folgenden Ausführungen zugrunde. Vgl. dazu: H. Krings, 1 964, hier: S. 55 ff. 21 KrV, A XVI. 22 Ebd., B 23. 23 Auch wenn, wie Ernst Tugendhat zeigen kann, der Hang der neueren analytischen Philosophie zum Nominalismus der von Platon bis zu Frege diskutierten Schwierigkeit entstammt, den Obj ektivitäts gehalt der B egriffe zu klären, so ist nach der hier zugrun­ deliegenden Interpretation die zentrale Fragestellung der kantischen Erkenntniskritik auf den obj ektivitätsgarantierenden Status apriorischer Formen gerichtet, so daß diese For­ men dann in schematisierter Form (nicht in transzendentaler Hinsicht) als »konzeptua­ listisch> Gegenstand überhaupt«; vgl.: H.F. Fulda, 1 98 8 , S. 44-83; hier: S. 5 3 . - Z u m B egriff d e s »Gegenstandes überhaupt« vgl. KrV , A 2 9 0 B 3 4 6 : »Der höchste B egriff, v o n dem m a n e i n e Transzendentalphilosophie anzufangen pflegt, ist gemeiniglich die Einteilung in das Mögliche und das Unmögliche. Da aber alle Einteilung einen eingeteilten B egriff voraussetzt, so muß ein noch höherer angegeben werden, und dieser ist der Begriff von einem Gegenstande überhaupt, problematisch genommen, und unausgemacht, ob er Etwas oder Nichts sei.« - Zu den unterschiedlichen Weisen in der Verwendung des Gegenstandsbegriffs vgl. insb. die Arbeiten von Gerd Buchdahl, 1 98 1 , S . 3 9-98. Vgl. ferner zu Kants B egriff von einem >>Gegenstand überhaupt« i n Abgrenzung

Gegenstand, Fragestellung und Ziele

XXXV

werden darum von Kant aufgefaßt als » [ ] B egriffe von einem Gegenstan­ de überhaupt, dadurch dessen Anschauung in Ansehung einer der I o g i ­ s e h e n F u n k t i o n e n zu Urteilen als b e s t i m m t angesehen wird . Denken des Denkens « selbst noch umklammern können, indem es nach dem Grunde selbst der transzendentalen B edingun­ gen fragt, um diese aus obersten Prinzipien zu rechtfertigen.30

2 7 Ebd., B XVI II. 2 8 Vgl. dazu: Kam, Logik, AA IX, A 1 4 1 : »Ob es aber r e i n e Ve r s t a n d e s b e g r i f f e (conceptus puri) gebe, die, als solche, unabhängig von aller Erfahrung lediglich aus dem Verstande entspringen, muß die Metaphysik untersuchen.« - Mit dieser Fragestellung wird zugleich denj enigen Interpreten der kantischen Philosophie widersprochen, die ihn als Metaphysikkritiker und darum auch als den Vorläufer des Positivismus des 1 9. Jhdts. betrachten. Vgl. etwa: A.N. Whitehead, 1 974, S. 50 ff. Zu den verschiedenen Ausdeutun­ gen der kantischen Philosophie im Horizont metaphysischer Fragen vgl.: G. Funke, 1 976, S. 409-424. - Vgl. ferner die Arbeit von M. Chaimi, 1 9 9 1 , S. 1 03-1 26. 2 9 Vgl. W. Cramer, 2 1 976; vgl. insbesondere darin das Kapitel VI: »Philosophie als Letzt­ begründung. Das Absolute.>Alle reine Erkenntnis a priori macht also, vermöge des beson­ deren Erkenntnisvermögens, darin es allein seinen Sitz haben kann, eine besondere Ein­ heit aus, und Metaphysik ist diejenige Philosophie, welche j ene Erkenntnis in dieser sy­ stematischen Einheit darstellen soll.« 3 0 Vgl. zu Kants Annahme, im B ereich der Metaphysik machten die Vernunft und ihre B egriffe selbst das Objekt aus: Kam, Refl. 485 1 , AA XVIII, S. 9. Vgl. zur transzendentalen Leistung des Denkens, sich im Denken selbst noch » einzuklammern>ersten Ur­ sachen und Quellen«68 unseres Denkens und Seins beschrieben werden. Und da Kant diese Fragestellung auf dem Wege der Erkenntniskritik auf ein Die Arbeit greift die von Dieter Henrich ausgeführte Schwierigkeit in der Selbstbe­ stimmung der kantischen Philosophie (vgl. D . Henrich, 1 9 89, S. 220-230, S. 222 f.) auf, um einen B eitrag zu dieser verborgenen Evidenz zu leisten, die die Kamische Philosophie trägt. Dazu ist es notwendig, die Systemteile in ihrer Architektonik zu erfassen, um das Ganze der aufeinander bezogenen Teile in den B lick zu nehmen. Und ebenso erschließen sich umgekehrt nur mit B lick auf die Gesamtkomposition des kantischen Werkes Fu nk­ tion und Stellenwert der abhängig bestimmten Teile. 66 Vgl. D. Henrich, 1 976, S. 9. 67 Platon, Politeia, 5 1 1 b 2 -c 2, hier: 5 1 1 b 6. 68 Vgl. Aristoteles, Metaphys . , 982 b 25 sq. 65

Einleitung

XLVIII

neues Fundament gestellt hat, indem er nach den Gründen der Möglichkeit fragt, ein erstes Prinzip widerspruchsfrei zu denken und zugleich auch in einer >Topologie der Einheits orte< den logischen Ort69 bestimmt, an wel­ chen auf dem Wege der Selbsterhellung unserer Vernunft ein solches ober­ stes Prinzip gefunden werden kann, soll die Arbeit dieses Antwortpotential von Kants philosophischer Systematik erneut zur Sprache bringen.

111. Ortsbestimmung der Prinzipienfrage 1.

Die Suche nach einer Topologie der Einheitsorte soll der Be­ stimmung eines obersten Prinzips vorausgesetzt werden

Nicht die Bestimmung eines solchen Prinzips selbst j edoch, sondern allein die Notwendigkeit, es zu denken, sowie den systematischen Ort, an wel­ chem das Denken eines solchen Prinzips erforderlich wird, soll die folgende »transzendentale Topologie der Einheitsorte« im Verhältnis von Denken und Sein zeigen. Der B egriff der Topologie wird dann im Sinne Kants als der Weg und die Weise bestimmt, in reinen Urteilen a priori durch transzen­ dentale Überlegung jeder Vorstellung ihre Stelle in der ihr angemessenen Erkenntniskraft zuzuweisen/0 so daß die Suche nach den Einheitsgründen im Verhältnis von Denken und Sein demgemäß als ein Versuch aufgefaßt werden kann, in einem stufenweise angelegten Argumentationsgang dieje­ nigen Einheitsorte ausfindig zu machen, welche die Übereinstimmung von Denken und Gedachtem in unserem Welt- und Selbstverhältnis möglich machen. Und insofern wir mit Kant » . . . , die Stelle, welche wir einem B e­ griffe entweder in der Sinnlichkeit, oder im reinen Verstande erteilen, den t r a n s z e n d e n t a l e n O r t « nennen können, läßt sich auf eine solche Weise »die B eurteilung dieser Stelle, die jedem Begriffe nach Verschiedenheit sei­ nes Gebrauchs zukömmt, und die Anweisung nach Regeln, diesen Ort allen B egriffen zu bestimmen« als »transzendentale Topik« beschreiben. »Man kann einen jeden B egriff, einen j eden Titel, darunter viele Erkenntnisse gehören, einen I o g i s c h e n 0 r t nennen.>Letztbegründung« im Marburger Neukantianismus (bei Paul Natorp), b) an die auf Richard Hö­ nigswalds »Philosophie der Gegenständlichkeit« zurückgehende Theorie der »Monade« von Wolfgang Cramer formuliert werden oder c) eine Ver­ bindung zu Husserls phänomenologischem Entwurf der Letztbegründung (zunächst durch das »transzendentale Ego«, später aber durch das Konzept der Lebenswelt; - oberster unhintergehbarer Ort, im transzendentalprag­ matischen Sinne von J. Habermas, indem hier die »Lebenswelt als eine nicht-gegenständliche, vortheoretische Ganzheit auf unproblematische Weise intuitiv immer s chon gegenwärtig« sein soll),73 oder aber d) eine Ver­ bindung zur transzendentalhermeneutischen Konzeption der »Letztbe­ gründungDifferenz oder das Denken des Denkens< enthält darum bereits einen ersten Verweis auf die Unhinter­ gehbarkeit des Prinzips >Differenz< im sich selbst denkenden Denken und mit diesem dann auch den ersten Hinweis auf die Notwendigkeit, die Grundlegung aller Vernunftzwecke nicht mehr innerhalb des Systems dieser Zwecke selbst zu suchen. Schließlich muß d) das gesuchte Prinzip Grund seiner selbst sein und zugleich als Grund von Allem gelten können.

IV. Methodische Vorüberlegungen 1.

Anmerkung zur »philosophischen Methode«

Um den B egriff des »Rückschlusses« auf die B edingungen der Möglichkeit, die Idee eines Rückgangs in den Grund von Denk- und Seinsbestimmun­ gen, im Horizont einer transzendentalen Analyse methodisch näher zu ver­ deutlichen, sei auf eine Unterscheidung verwiesen, die den folgenden Aus­ führungen zugrundeliegt und in der Tradition der dialektischen Methode Platons wie folgt näher beschrieben werden kann:76 Der Begriff der Fol­ gerung im philosophischen Denken wird demnach vom mathematischen oder formal-logischen B egriff der Folgerung derart unterschieden, daß die zugrundeliegenden Sätze zwar auch ein »Vorausgeschicktes «77 sind, aus de­ nen eine Reihe von Folgerungen gezogen werden kann, die Denkbewegung des philosophischen Denkens aber in eine entgegengesetzte Richtung zielt: Nicht kann aus Prämissen deduktiv-nomologisch auf wahre Sätze ge­ schlossen werden, sondern philosophis ches Denken fragt vielmehr in den Vgl. in diesem Zusammenhang die bereits im Denken Platons angelegten im Denken Plotins dann ausgeführte Idee der Entdifferenzierung des Denkens, nach welcher das D enken im Denken des Denkens den Grund dieser Tätigkeit zwar in den B lick zu neh­ men, nicht aber mehr mit den Mitteln des D enkens näher zu erfassen vermag. Die struk­ turellen G ründe dieser Einschränkung lassen sich nur in der Selbsterhellung des Denkens zeigen. (vgl. dazu: W. B eierwaltes, 1 987, S. 3 9-50, S. 44). 76 vgl. W. Cramer, 1 988, 1 ff. Zur Methode der transzendentalen Analyse vgl. W. Steg­ müller, 1 974; A. B runner, 1 978; G. Buchdahl, 1 9 8 1 ; H.M. B aumgartner, 1 984; R. Harri­ son, 1 9 84; K. Hartmann, 1 9 84; J. Mittelstrass, 1 984. 77 Cramer, 1 988, S. 2. 75

Methodische Vorüberlegungen

LI

Grund des je Gesetzten selbst hinein. Ganz im Sinne der Dialektik in Pla­ tons >Liniengleichnis< läßt sich dann die Differenz in der Methode beider Disziplinen am Beispiel mathematischer Axiomatik wie folgt beschreiben: Während etwa das Axiom: »Zwei Punkte bestimmen eine Grade« mit oder ohne weitere Zusatzaxiome zu einer Reihe von Folgerungen führe, zieht die philosophische Methode nicht eigentlich Folgerungen aus dem Axiom, son­ dern Folgerungen in Richtung auf »die das Axiom selbst beherrschenden Bedingungen, die selbst keine Axiome mehr sein können. «78 So fragt das philosophische Denken nach den Gründen möglicher Axiomatik über­ haupt: »[ . ] worauf beruht die Wahrheit des Axioms ? Auf empirischen Feststellungen ? Daraus, was in dem Axiom >selbstverständlich< gemeint ist, zieht es die Folgerung: das Axiom >Zwei Punkte bestimmen eine Grade< beruht nicht auf empirischen Feststellungen. Das ist keine mathematische Folgerung aus dem Axiom mehr. Was ist das für eine Art von Folgerung ? Die Folgerung knüpft an das an, was da in j enem Axiom verstanden wird, an seine Selbstverständlichkeit, und ist ein erster Schritt auf dem Wege, j ene Selbstverständlichkeit noch zu verstehen, ein erster Schritt zur Ergründung der Gründe seiner Selbstverständlichkeit. Das philosophische Denken also strebt fort vom Selbstverständlichen und hinein in die das Selbstverständ­ liche tragenden Gründe« .79 So führt die Frage nach dem Grund der Selbst­ verständlichkeit eines Axioms nicht zu »Folgerungen aus Prämissen >her­ unter«> Ontology of empirical obj ects « in einen Gegensatz zu Husserls p hänomenalen Obj ekten. - Zu recht verweist Hans Friedrich Fulda auf ein Mißverständnis innerhalb des Neukantianismus, nach dem Kants vornehmliches Ziel in der Zerstörung einer geschichtlich bestimmten Form der Ontologie bestanden habe, ohne diese selbst auf ein neues Fundament gestellt zu haben. vgl. dazu: H.F. Fulda, 1 9 88, S. 44-83; hier: S. 64. - Vgl. zum B egriff der transzendentalen O ntologie ferner: W. Cramer, 2 1 976, S. 25. - Zur Differenz zwischen einer Ontologie im Sinne Heideggers und einer Ontologie als Gegenstandstheorie vgl. M. Frank, 1 9 88, S. 7948 1 3 , hier: S. 794 ff. 115

Methodische Vorüberlegungen

LXIII

lautet im folgenden die These, ist die sprachliche Gestalt uns erer Gedanken zwar stets als ein Erstes, als die äußere Form des Gedachten gegeben, der Sache nach aber ist sie ein Letztes, da uns Gedanken zwar nur in der Spra­ che sowie durch die Sprache gegeben sind, es aber die Formen des Denkens s ind, welche die Regeln der Sprache, und nicht umgekehrt, die Regeln der Sprache es sind, welche die Regeln des Denkens bestimmen. So verstanden, läßt sich Transzendentalphilosophie nicht durch »logische Analyse der Sprache« ersetzen oder in einer Analyse des Verwendungssinns sprachlicher Termini neu fundieren, sondern vielmehr muß umgekehrt innerhalb einer transzendentalen Argumentation der Ort ausfindig gemacht werden, an welchem die Herausbildung sprachlicher Zeichen als die >sinnliche B edin­ gung des Gebrauchs unserer Verstandesbegriffe< allererst möglich wird.

6.

Der Begriff des » Gegebenen« in einer empirischen Erfahrung

In einer Analyse der Quelle und Prinzipien von B egriffsbildung überhaupt soll darum gezeigt werden, in welcher Weise das >>Denken des Einen Ur­ sprungs « auf die einigende Tätigkeit unseres Denkens selbst zurückver­ weist, welche im >>Denken des Etwas « auf den Verstand und seine Funktio­ nen, im >>Denken des Denkens « aber auf die Vernunft und ihre Prinzipien gerichtet ist. Die genannte Stufung der Argumentationsschritte ergibt sich aus folgen­ der Überlegung: Auch wenn es, wie gezeigt werden kann, bloß unsere ei­ gene Sinnlichkeit ist, die wir mittels der Funktionen des Verstandes bestim­ men, indem wir ein Etwas als Etwas denken, so muß dem Denken j edoch, soll Erkenntnis überhaupt möglich sein, zuvor ein Etwas >gegeben< sein, das nicht selbst wiederum durch die Spontaneität der Verstandeshandlungen gesetzt sein kann. Denn es mag das Erleben nur durch das B ewußtsein gegeben sein, nicht aber das im Erleben >Gegebene Gegebenen« darf s omit kein Korrelationsverhältnis zum Ausdruck bringen, wenn die genannte Schwie­ rigkeit vermieden werden soll. 1 1 9 Da nun eine solche Kritik a m Repräsentationsmodell d e r sprachlichen Zeichen, wie sie dem >linguistic turn< innerhalb der Philosophie des 20.Jhds . seit Wittgenstein zugrundeliegt, 1 2 0 als ein Anwendungsfall der Kritik am Korrespondenzmodell der Wahrheit aufgefaßt werden kann, gleichwohl aber aus dieser Kritik nicht der Schluß auf die notwendige Überfüh­ rung aller Erkenntniskritik in Sprachkritik gezogen werden muß, s o wer­ den die folgenden Ausführungen die Frage zu stellen haben, in welcher Weise die Rede von einem >> Gegebenen«, das nicht selbst wiederum als ein Sprachliches bzw. ein Gedankliches aufzufassen ist, überhaupt sinnvoll sein kann. V. Analyse der Einheitsbedingungen von Selbst­ und Weltbewußtsein In welcher Weise ein solches Einheitsprinzip bereits die ersten beiden Teile von fern her bestimmt und im >>Denken des Einen« dann seinen systema­ tischen Ort finden kann, soll die folgende Untersuchung zeigen. Und da ein solcher Einheits ort nur - wie zu zeigen ist - als Ort der Indifferenz, als ein >Drittes< zwischen den Relaten, 1 2 1 vorstellbar ist, damit er als Obj ektivitätsVgl. dazu W. Cramer, 2 1 976, S. 39. Vgl. L. Wittgenstein, Philosophische Grammatik, S. 2 1 2 ff. 121 Zum I ndifferenzpunkt als Unterscheidungs- und Beziehungsgrund vgl. J.G. Fichte, Wissenschaftslehre 1 794, WW 1, § 3 D, S. 31 ff.) - Zur Idee der Indifferenz als eines Dritten zwischen den Relaten vgl. auch F.W.J. Schelling, » Aus: Darstellung meines Sy­ stems (1 8 0 1 ) «, WW I/4, S. 1 07-1 26; 1 2 6 (Anm 5) (zur absoluten >Indifferenz>B asis der Erfah­ rungserkenntnis « erst nachträglich sucht, - hat die Kluft zwischen Denk­ und Seinsbestimmungen vertieft. Ihre Überwindung scheint nur um den Preis eines Rückfalls in eine vorkritische Ontologie oder aber einem >Sprachidealismus< möglich, der in der Analyse der Rede über mögliche mentale oder nicht-mentale Phänomene die prä-prädikativen Phänomene

122

Vgl. zur B edeutung des Primats der Erfahrungserkenntnis für die neuzeitliche Wis­ s enschaftstheorie W.v.O. Quine, 1 972, S. 1 67-1 95 , S. 1 90 ff. 123 W.v. O. Quine, 1 972; Vgl. dazu: H. Putnam, 1 982, S. 1 1 6.

LXVI

Einleitung

selbst aus dem Auge verliert. 124 Und während der Empirismus des empiri­ s chen Realismus einen metaphysischen Dogmatismus nach sich zieht, ist im Sprachidealismus eines obersten Sprachtranszendentale ein metaphysischer Skeptizismus die unausweichliche Konsequenz.125 Da nämlich mit B ezug auf das neuzeitliche Primat der Erfahrungser­ kenntnis zugleich gilt, daß wahrheitsfähige Sätze nicht mehr - wie noch in Leibniz' Konzept der Einheit von synthetischen wie analytischen Identi­ tätsannahmen - als ent-wickelte B egriffe, Schlüsse als ent-rollte Urteile aufgefaßt werden können, scheint eine denkbare Einheit von Ontologie und Erkenntnistheorie in nahezu unlösbare Probleme zu geraten: 126 Soll nämlich eine Reduktion der Denkbestimmungen auf nicht-mentale Entitäten oder aber der materiellen Entitäten auf die Bedingungen ihrer Versprachlichung vermieden werden und der gesuchte Einheitsgrund die Obj ektivität unserer Erfahrung in der Einheit von Wissen und Wahrheit garantieren kön n e n, s o dürfen D e n k e n und Sein nicht auf einer nachträg­ lichen Vermittlung an sich unabhängiger Seiten beruhen, - sondern die Ein­ heit der Relate muß vielmehr an ihnen selbst zum Ausdruck gebracht wer­ den können, soll die Rede von ihrer Einheit gerechtfertigt sein: Darum muß ein B egriff des Seins entwickelt werden, der >>im Denken des Etwas « seine lneinsbildung mit den B edingungen des Denkens und zugleich seine Dif­ ferenz gegenüber diesen B edingungen verdeutlichen kann, sowie auf der anderen Seite ein B egriff des Denkens entwickelt werden muß, der Einheit und Differenz von Denken und Sein in der B estimmung der Prinzipien des Denkens, im >>Denken des Denkens«, begreiflich machen kann. Und nur, wenn beide Seiten auch als an sich selbst vermittelbare Pole einer Einheit aufgefaßt werden können, kann der Grund ihrer Einheit in einem eigenen Argumentationsgang, im >>Denken des Einen Ursprungs «, sinnvoll zur Sprache gebracht werden. Da nämlich beide differenten Relate wenigstens in einem Punkte auch identisch sein müssen, wenn ihre Einheit nicht-re­ duktiv sein soll, so muß das Prinzip ihrer Identität ihre Einheit wie ihre Differenz gleichermaßen umspannen können. Im Unterschied zu Fichtes

Vgl. dazu: M. Frank: » Hat Selbstbewußtsein einen Gegenstand ?Einem« auch mit B lick auf Kant in das Zentrum der Analyse zurück: Denn mit der Idee eines >>Alls der Rea­ lität« als dem Inbegriff aller nur denkbaren Prädikate, die möglichem Seien­ den zugesprochen werden können, ist analog zum Begriff des >> Gegenstan­ des überhaupt« als dem Grenzbegriff der >>Analytik« ein Grenzbegriff der >>D ialektik« bestimmt, durch den alles nur Denkbare in einen systemati­ s chen Zusammenhang gebracht werden kann, in welchem dann der Seins­ begriff dem B egriff der Einheit selbst wiederum vorgeordnet s cheint. Denn mit der Idee des >>Alls der Realität« wird ein einfacher Grund in der Be­ stimmung alles Seienden genannt und mit dieser Idee zugleich auch ein B estimmungsgrund uns erer Vernunfteinheit selbst gewonnen, welche im Ideal des durchgängig bestimmten Ganzen eine >>Idee in individuo>Seienden Einenkünftige Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können.Dialektik< und im >Methodenteil< der KrV; der Vorrede zur »Gru ndlegung zur Metaphysik der Sitten« und den »Metaphysi­ sche[n] Anfangsgründe der Naturwissenschaft«; in der »Kritik der praktischen Vernunft«; in der >Kritik der Urteilskraft< sowie in einer Vielzahl an »Reflexionen« wie auch den Nachlaß-Fragmenten zum Opus postumum. - Zu Kants Metaphysikverständnis vgl. M. Wundt, 1 924; G. Buchdahl, 1 969; 1 984; W. B röcker, 1 970; M. B aum/R.-P. Horstmann, 1 979; F. Chiereghin, 1 988; M. Benedikt, 1 994; R. Bubner, 1 9 9 1 ; M. Caimi, 1 9 9 1 ; L. Freu­ ler, 1 992. Zum Metaphysikbegriff im Horizont der Seinsfrage: N. Fischer, 1 9 8 1 ; Zur Phasenentwicklung des kantischen Metaphysikverständnisses: E. Förster, 1 9 8 8 . Zur me­ taphysischen Kantdeutung: G. Funke, 1 976; Zu den metaphysischen Ursprüngen der kantischen Philosophie: H. Heimsoeth, 2 1 97 1 ; R.-P. Horstmann, u. M. B aum, 1 979. Eine heute noch mögliche Metaphysik auf der Grundlage der kantischen Philosophie: vgl. F. Kaulbach, 1 977; M.O. Lorenzen, 1 9 9 1 ; Kants Metaphys ikverständnis im Horizont seiner Ideenlehre: vgl. R. Malter, 1 98 1 ; Über Kants Idee einer aporetischen Metaphysik als Kon­ s equenz der Dialektik des Scheins vgl. G. Martin, 1 977. Zur Metaphysik der Spätphilo­ sophie Kants: B . Tuschling, 1 9 7 1 , B . Tuschling, 1 9 88. Zur metaphysischen Methode: J. Vuillemin, 1 9 88; Kants Neubegründung der Metaphysik: P.F. Strawson, 1 98 8 . 1 7° KrV, X I I .

LXXXVIII

Einleitung

die als Wissenschaft wird auftreten können [ . . . ] ist vielleicht mehr, wie irgend eine andere Wissenschaft, durch die Natur selbst ihren Grundzügen nach in uns gelegt, und kann gar nicht als das Produkt einer beliebigen Wahl, oder als zufällige Erweiterung beim Fortgange der Erfahrungen (von denen sie sich gänzlich abtrennt) angesehen werden. nach­ metaphysischen Ära>Traktat von der Methode 1 82 - gleichfalls nur mit sich selbst zu tun hat, indem sie allein ihre formalen Regeln untersucht,183 stellt die Metaphysik als Wissenschaft im Sinne Kants den Versuch dar, unsere Erkenntnisse im Bereich des »Übersinnlichen>Metaphysica specialis >einfachen Natur unserer SeeleSelbsterkenntnis « 185 der Vernunft soll darum Einblick schaffen in die >>Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer Metaphy­ sik überhaupt und die Bestimmung sowohl der Quellen, als des Umfanges und der Grenzen derselben, alles aber aus Prinzipien « . 1 86 Im Sinne des kantischen Verständnisses von Kritik und Metaphysik ist die Aufgabe der Philosophie dann entweder »> P r o p ä d e u t i k < (Vorübung), welche das Ver­ mögen der Vernunft in Ans ehung aller reinen Erkenntnis a priori unter­ sucht, und heißt K r i t i k , oder zweitens das System (Wissenschaft), die ganze (wahre sowohl als scheinbare) philosophische Erkenntnis aus reiner Vernunft im systematischen Zusammenhange, und heißt M e t a p h y s i k ; wiewohl dieser Name auch der ganzen reinen Philosophie mit Inbegriff der Kritik gegeben werden kann, um s owohl die Untersuchung alles dessen, was jemals a priori erkannt werden kann, als auch die Darstellung desj eni­ gen, was ein System reiner philosophischer Erkenntnisse dieser Art aus­ macht, von allem empirischen aber, imgleichen dem mathematischen Ver­ nunftgebrauche unterschieden ist, zusammen zu fassen . « 1 87

2.

Bedingungen für den Erfolg des Experimentes der Vernunft mit sich selbst

Und es ist ferner die These dieser Arbeit, daß Kants Experiment zur Grundlegung einer Metaphysik als Wissenschaft nur gelingen und zu einem widerspruchsfreien Begriff der Vernunft führen kann, 1 88 weil er die Gegen­ stände in zweifacher Hinsicht als Erscheinungen und als Dinge an sich selbst zu betrachten sucht: Die Obj ekte in >>absoluter« Hinsicht als >>Dinge an sich selbst« und - bezogen auf die Möglichkeiten empirischer Erfahrung - als 1 85 1 86 1 87 1 88

Ebd., Ebd., Ebd., Ebd.,

A XI. A XII. A 841 B 869. B XIX (Anm.).

Seihsterheilung der Vernunft

XCI

raum-zeitliche Erscheinungen zu bestimmen, macht nämlich im Sinne Kants nicht allein die Ideen des Unbedingten - wie die Annahme einer » einfachen Natur der menschlichen Seele«, der Freiheit als einer intelligib­ len Kausalität sowie schließlich eines Urwesens als Grund der Einheit von theoretischer und praktischer Vernunft - allererst denkbar, s ondern es kann, wie zu zeigen ist, die zweifache Hinsicht, unter der Gegenstände betrachtet werden, auch erst die Übereinstimmung der Vernunft mit sich selbst in diesen Begriffen von einem Unbedingten garantieren.189 Indem die Dialektik beide Perspektiven dann wiederum »[ . . . ] zur Einhelligkeit mit der notwendigen Vernunftidee des U n b e d i n g t e n « verbindet, findet sie, »daß diese Einhelligkeit niemals anderes, als durch j ene Unterscheidung herauskomme, welche also die wahre ist.« 190 Und wenn im Rahmen der Kamischen Suche nach einer Metaphysik als Wissenschaft mit Hilfe dieser Unterscheidung gezeigt werden kann, daß wir allein dann das Grundprin­ zip unseres Denkens den Satz der Identität und des ausgeschlossenen Widerspruchs - mit dem Grundprinzip einer möglichen Ontologie - dem Satz vom zureichenden Grunde - widerspruchsfrei vereinen können, wenn wir die Obj ekte in der genannten Weise nicht in derselben Hinsicht als Gegenstände der Sinne und als Gegenstände des bloßen Denkens betrach­ ten, so wäre die getroffene Unterscheidung gerechtfertigt und für die Ein­ helligkeit der Vernunft mit sich selbst auch gefordert.191 Die These vom Ding an sich als die Annahme eines Absoluten, das von aller Relationalität und B estimmung durch ein erkennendes Wesen unab­ hängig vorgestellt werden kann, dürfte dann j edoch ebensowenig fallen­ gelassen werden, wie der Versuch gestartet werden kann, mit seiner Hilfe wider alle Grenzbestimmung unserer menschlichen Erkenntnisse auf den B ereich der erscheinenden Welt - einen Begriff von einem solchen Abso­ luten zu gewinnen, das dann etwa - hypostatisch gedacht und personifi­ ziert -, Einblick in die Sphäre ansieh-seiender, von uns selbst getrennter Wesenheiten gewährleisten könnte.192 Und dennoch ist es die Annahme ei­ nes solchen transempirischen Dings an sich selbst, die Kants Konzeption eines metaphysischen Monismus möglich macht und durch welche in seinem -

189

Vgl. zu dieser Thes e auch: H.M. B aumgartner, 1 985, S. 40. Ebd., B XXI (Anm.). 191 Mit dieser Ziels etzung wird Kants Versuch der Grundlegung einer Metaphysik als Wissenschaft in den Horizont der allgemeinen Metaphysik gestellt, wie er bezüglich die­ ser gedoppelten Perspektive etwa in Leibniz' >Monadologie< zur Sprache kommt. (vgl., Leibniz, Mon., § 32) 1 92 vgl. zur Annahme eines Dinges an sich: M. Baum 1 9 9 1 ; ferner: D. Henrich 1 988b. 1 90

Einleitung

XCII

Sinne auch erst ein Fundament gelegt ist, die unhintergehbare Differenz der sinnlichen und der intelligiblen Sphäre, der res extensa und der res cogitans, in einem Dritten zu vereinen: Da nämlich, wie Kant im Paralogismenteil der reinen Seelenlehre zum Ausdruck bringt, beide Sphären so fremdartig nicht sein können, ist in diesem >Dritten< der Ort für einen Einheitsgedanken gewonnen, der die je vollzogene lneinsbildung eines Sinnlichen mit einem Intelligiblen - von den sinnlichen Erscheinungen bis zur Idee des Alls der Realität - transzendental rechtfertigen kann, gleichzeitig selbst aber weder mit den Bestimmungen eines Subj ektiven noch auch mit den Bestimmungen eines Obj ektiven hinreichend zu beschreiben ist. Für die Aufgabe, »die Gemeinschaft der Seele mit dem Körper zu erklären«, so führt Kant in diesem Paralogismenteil seiner transzendentalen Dialektik aus, könne nach seinem Lehrbegriffe nun eine hinreichende Antwort gegeben werden: »Die Schwierigkeit«, so seine Ausführungen in B 427/28, »welche diese Aufgabe veranlaßt hat, besteht wie bekannt, in der vorausgesetzten Ungleichartigkeit des Gegenstandes des inneren Sinnes (der Seele) mit den Gegenständen äußerer Sinne, [ . . . ]. Bedenkt man aber, daß beiderlei Art von Gegenständen hierin sich nicht innerlich, sondern nur, so fern eines dem anderen äußerlich e r s c h e i n t , von einander unterscheiden, mithin das, was der Erscheinung der Materie, als Ding an sich selbst, zum Grunde liegt, vielleicht so un­ gleichartig nicht sein dürfte, so verschwindet diese Schwierigkeit, und es bleibt keine andere übrig, als die, wie überhaupt eine Gemeinschaft von Substanzen möglich sei, welche zu lösen ganz außerhalb dem Felde der Psychologie, und, [ . . ] ohne allen Zweifel auch außer dem Felde aller menschlichen Erkenntnis liegt.« 193 Wenn somit gezeigt werden kann, daß allein unter dieser Voraussetzung - der Unterscheidung zwischen der bloß erscheinenden Welt von der Welt der Dinge an sich selbst - auch ein wi­ derspruchsfreier Begriff der Vernunft mit sich selbst zu gewinnen ist, durch den zugleich auch die Grundlagen einer möglichen kritisch gewandten Ontologie beschrieben werden können, ist Kants Experiment nach dem Vorbild naturwissenschaftlicher Methode geglückt und damit auch sein An­ spruch auf Vollendung der kopernikanischen Wende in Sachen Metaphysik gerechtfertigt. Denn die Annahme eines solchen Dings an sich selbst, wel­ ches zugleich auch den systematischen Ort eines Prinzips aller Prinzipien bereitstellen kann, indem auf seiner Ebene ein Absolutes, das zugleich die Einheit von Sinnlichem und Sittlichem gewährleisten kann, widerspruchs­ frei mit dem B egriff eines durchgängig bestimmten Weltganzen vereinbar .

1 93 KrV, ebd., B 427/2 8.

Seihsterheilung der Vernunft

XCIII

ist, kann nur gerechtfertigt werden, wenn auf diesem Wege die Vernunft mit sich selbst einhellig gemacht werden kann.

3.

Kants Dialektik als Einheitsort von bedingter Erscheinung und Idee des Unbedingten, des Dings an sich selbst

Wenn nun aber die Elemente der Vernunft - ihre Begriffe und Prinzipien a priori - allein durch diese Trennung von Ding an sich und Erscheinung in Einklang zu bringen sind, s o darf eine solche Unterscheidung nicht allein für eine mögliche Metaphysik als Wissenschaft, sondern sie muß auch für die empirischen Wissenschaften selbst grundlegend sein. D enn die »Ideen des Unbedingten « geraten nur dann nicht in einen Widerstreit zu den B e­ dingungen unserer Erfahrungserkenntnis, wenn wir in der Einschränkung alles Erkennbaren auf die erscheinende Welt zugleich den Raum öffnen, einen widerspruchsfreien Begriff dieser notwendigen Vernunftideen zu er­ möglichen. 1 94 Analog zur Methode der »Naturforscher«, die auf sinnlich gegebene Gegenstände in einer empirischen Erfahrung bezogen sind, müßte dann auch für einen solchen widerspruchsfreien Begriff des Unbedingten gelten, daß er mit den B edingungen unserer Erfahrung in Einklang stehen muß, so daß auch in einer >>Metaphysik als Wissenschaft« ein B egriff von Anschauung gilt, nach dem wahrnehmbar nur ist, was den B edingungen a priori unserer Sinnlichkeit entspricht, und erkennbar nur, was mit den Verstandesbegriffen a priori in Übereinstimmung steht. Insofern darum die Metaphysik als Wissenschaft den Bedingungen unserer Anschauung und unseres Denkens nicht widerstreiten darf, müssen die Prinzipien der Sinn­ lichkeit wie des Verstandes auch für ihre >> Gegenstände« gültig sein. Da sie aber zugleich nicht erfahrbare Gegenstände, sondern »Ideen des Unbeding­ ten«, mithin also absolute Bestimmungsgrößen zu ihrem Gegenstand hat, können diese mit den Bedingungen der Erfahrungserkenntnis nur dann in Einklang gebracht werden, wenn a) unsere Erkenntnisse auf Erscheinungen in Raum und Zeit begrenzt werden und auch nur relativ zu diesen gültig sind, und b) den Ideen eine adäquate Erscheinung in Raum und Zeit ab­ gesprochen wird. In Kants »Dialektik « werden die erfahrbaren Gegenstän­ de einer empirischen Wissenschaft und die übersinnlichen Gegenstände der M etaphysik, wie im zweiten Teil der Arbeit zu zeigen ist, darum derart vereint, daß die sinnlich gegebenen Gegenstände nur als Erscheinungen,

1 94 Ebd., B XXVI ff.

Einleitung

XCIV

nicht aber in ihrem An-sich-sein erkennbar sind, sowie die >>notwendigen Vernunftideen des Unbedingten« zwar widerspruchsfrei denkbar, nicht aber im strengen Sinne erkennbar sind. 195 Allein nur in einer Dialektik, die beide Perspektiven in einem B egriff alles nur Denkbaren überhaupt vereint und dieselben Gegenstände in der einen Hinsicht als Erscheinungen, in einer anderen aber als für sich selbst seiende, >> absoluteSeien­ den, insofern es istnatürlichen Bedürfnis >natürlichen Einheit«, die zugleich Zweckeinheit sein soll, näher untersucht werden, wenn die Rede vom >>Organcharakter der Vernunft« nicht als eine Naturalisierung des Ver­ nunftbegriffs aufgefaßt werden soll. Die These der folgenden Ausführungen ist es, daß Kant im B egriff der Zweckeinheit des Naturganzen ein der Vernünftigkeit unserer theoretischen und praktischen Absichten analoges Prinzip zugrundelegt, wodurch die Natur - in der vollständigen Entfaltung ihres B egriffs - auf intelligible Kausalitäten, auf Zweckbegriffe zu beziehen ist, die j edoch, als intelligible Prinzipien, nur nach Analogie zur zwecksetzenden Vernunft und damit auch nur nach Analogie zu einem zwecksetzenden Wesen - in einer >>Als­ Ob-Teleologie« - zu fundieren sind.202 B ei näherer B etrachtung j edoch s ind beide Extreme, die >>Natureinheit uns erer Vernunft« (die Vernunft als Or­ gan) und die Zweckeinheit der Natur (die >>Als-ob-Teleologie« des Natür­ lichen), nur zwei Pole in einem sich wechselseitig spiegelnden Verhältnis : Indem nämlich die Einsicht in das uns Fremde nur als Proj ektion unserer vernünftigen Eigenschaften in die erscheinende Natur gelingt - nach dem Grundsatz, daß wir nur verstehen, was in wenigstens einem Punkte mit uns selbst auch identisch ist -, kann die Vernunft ihrerseits, als ein O rgan auf­ gefaßt, sich im Spiegel der Natur als eine sinnfällige Erscheinung durchgän­ gig bestimmter Teile betrachten.203 Die B estimmung ihrer verschiedenen

20°

Kant, Refl., 4 8 5 1 , AA XVIII, S. 9. Vgl. KrV, B XXIII, XXXVIINIII. 202 Zu Kants Idee einer Als-ob-Teleologie vgl. KrV, A 669 B 697 ff. 203 Im Sinne Kants ist es dann die Teleologie, welche »die Natur als ein Reich der Zwecke [erwägt, C.B.], die Moral ein mögliches Reich der Zwecke als ein Reich der Natur. Dort ist das Reich der Zwecke eine theoretische Idee, zur Erklärung dessen was da ist. Hier ist es eine p raktische Idee, um das, was nicht da ist, aber durch unser Tun und Lassen wirklich werden kann, und zwar eben dieser Idee gemäß, zu Stande zu bringen.« Kant, GMS, AA IV, BA 80, Anm. 201

XCVIII

Einleitung

Vermögen, Grunds ätze und Begriffe, als eine quasi-organische Größe ge­ deutet, macht den Zusammenhang ihrer Teile im Bilde einer lebendigen Einheit vorstellbar, welche gleich anderen Natureinheiten mit sich selbst nicht in einen Widerspruch geraten darf, ohne sich als diese Einheit zu­ gleich aufzuheben. Denn was sich kontradiktorisch zu ihren B egriffen und Vermögen verhält, greift den Kern ihrer Identität selbst an. Der Grundsatz der Identität und der Widerspruchsfreiheit nun, als das Prinzip der erstreb­ ten Einhelligkeit des Denkens mit sich selbst aufgefaßt, muß seinerseits dann auf einen Einheitsgrund zurückgeführt werden, welcher die geforderte Übereinstimmung eines Dinges oder Sachverhaltes mit sich selbst zum un­ hintergehbaren Grund seiner Existenz macht und welcher mit diesem ober­ sten Grunds atz unseres Denkens zugleich nicht einerlei sein kann. Denn die geforderte Selbstübereinstimmung unseres Denkens in der Gestalt: A=A ist relationale Einheit, deren Grund und Substrat - insofern er ihre Verbin­ dung allererst möglich macht - nicht mit einem der beiden Pole dieser Relation, weder also mit dem A in der Subjektstellung noch mit dem A in der Objektstellung, identisch sein darf. Als Grund ihrer Identität muß er vielmehr sowohl einfach wie relationsfrei, mithin also als ein Drittes vor und über der gegebenen Relation gedacht werden können. Das Substrat dieser Relation nun, das gedachte X, wird dabei durch die geforderte Übereinstimmung des A mit sich j edoch nur indirekt zum Ausdruck ge­ bracht, so daß der oberste Grundsatz unseres Denkens dieses X nur in der vermittelten, der abgeleiteten Gestalt einer relationalen Einheit erreicht. Die Einheit des Denkens liegt somit der Einheit des Gedachten ebenso zugrun­ de, wie die Einheit des Gedachten auf der Einheit des Denkens beruht. So kann in der Idee der Selbstübereinstimmung einer Sache mit sich s owohl der Grund der Einheit unseres Denkens wie auch der Grund der Einheit der Gegenstände des Denkens gesucht werden. Denn wenn ein gesetztes A nur um den Preis der Selbstzerstörung unseres Denkens zugleich und in derselben Hinsicht auch als nicht-A bestimmt werden kann, so ist diese Forderung nach Selbstübereinstimmung an ein Einhelligkeitspostulat ge­ bunden, nach welchem unser Denken gleich einem jeden anderen Gegen­ stand nur Bestand haben kann, wenn er nicht in derselben Hinsicht auch als nicht-A aufgefaßt wird. Mit dem » Ürgangedanken« der Vernunft bemüht Kant s omit eine Naturanalogie, um auch den B ereich der Zwecke unter Einheitsgesichtspunkte zu bringen, die aller Einheit des Gedachten wie auch der Selbstübereinstimmung der denkenden und handelnden Wesen zugrundeliegen; denn s o wie in der Natur nur existieren kann, was bei allem Wechsel seiner Erscheinungen mit sich identisch und einhellig ist, so kann auch unsere Vernunft ihrer Natur nicht zuwiderhandeln, ohne sich selbst zu

Überleitende Fragestellung

XCIX

zerstören: >>Alles, was in der Natur unserer Kräfte gegründet ist, muß zweckmäßig und mit dem richtigen Gebrauche derselben einstimmig sein [ . . . ] «204 »In der Tat ist auch die Vernunft eine so vollkommene Einheit, daß, wenn das Prinzip derselben auch nur zu einer einzigen aller Fragen, die ihr durch ihre eigene Natur aufgegeben sind, unzureichend wäre, man die­ ses immerhin nur wegwerfen könnte, weil es alsdenn auch keiner übrigen mit völliger Zuverlässigkeit gewachsen sein würde.«205 Drittens nun macht die postulierte systematische Einheit uns erer Ver­ nunftzwecke analog zur Einheit unserer Verstandesbegriffe eine Recht­ fertigung aus einem obersten Prinzip erforderlich, wenn neben der Einheit der Begriffsform auch der Grund der systematischen Einheit aller Ver­ nunftzwecke untereinander begreiflich gemacht werden soll. In diesem Teil soll mit der Vernunfteinheit des Denkens auch das Sein selbst >auf Gründe gebracht< werden, so daß mit dem Einen als dem Prinzip von Einheit nicht allein der Grund der systematischen Einheit uns erer Vernunftprinzipien, mithin also der Grund der Einheit der Vernunft als eines mit sich einstim­ migen Organs gefunden wäre, sondern zugleich auch das Sein selbst auf Gründe gebracht werden kann. Denn nur insofern das Denken selbst als eine seiende Einheit aufgefaßt wird, die auf ein von sich selbst verschiedenes Etwas bezogen ist, kann in der Rückbesinnung auf den Grund ihres Ver­ gleichungs- und Unterscheidungsvermögens auch derj enige Grund ausfin­ dig gemacht werden, der dem Sein insgesamt zugrundeliegt. Die dabei lei­ tende Annahme, nach welcher das Sein allererst im Denken des Denkens zu seinem wahren Selbstsein finden kann, muß eigens erläutert werden. Sie ist Gegenstand des zweiten Teils .

2.

Vorentwurf der Begriffe »Sein> Gegeben-sein« ( 1 ) eines noch unbestimmten Gegenstandes aufgefaßt, welcher als das Substrat der Erscheinung unseren inneren Sinn mit »Realität« (2) erfüllt, so daß von diesem zugrundeliegen­ den Gegenstand gesagt werden kann, daß er ein Dasein (3) für ein erken­ nendes B ewußtsein hat, wodurch ein B eweis seiner Möglichkeit durch sein Wirklich-sein (4) gegeben wäre.207 Im Sinne des kopulativen »Ist« (5) kann einem Gegenstand nicht allein eine Eigenschaft prädikativ (6) zugesprochen werden, sondern in der Gestalt dieser Ist-Aussage kann zugleich auch das Identisch-sein (7) des Gedachten behauptet werden sowie ihr Sein als die Position (8) dieses Dinges oder seiner Eigenschaften angenommen werden. Die B edeutung von »Sein« im Sinne von »Ruhe « (9) im Unterschied zu »Werden« oder »Bewegung« spielt im Sinne Kants, bezogen auf das Ver­ hältnis zeitfreier apriorischer Formen sowie der raum-zeitlich in ihrer Gel­ tung beschränkten aposteriorischen Sätze, eine Rolle. Mit der Differenz beider Urteilstypen ist dann auch die Differenz von notwendigen und zu­ fälligen Wahrheiten gesetzt, Sein somit im Sinne von Wahrsein ( 1 0) ins Spiel gebracht. Kants Verständnis von Sein, und dies sollen die folgenden Aus­ führungen zeigen, ist somit nicht auf seine Kritik am Begriff von Sein im Sinne eines »realen Prädikats« einzuschränken, wie es seiner Kritik am ra­ tionalistischen Gottesverständnis zugrundeliegt. Die zehn genannten Seins­ begriffe, die im folgenden in der Auseinandersetzung mit der kantischen Erkenntniskritik zur Sprache kommen werden, sollen auf den verschiede­ nen Stufen des »Denkens des Etwas « wie des »Denkens des Denkens « in ihrer Bedeutung entfaltet und auf die j eweils zugrundeliegenden Einheits­ gründe bezogen werden. Den unterschiedlichen B edeutungen von »Sein« korrespondiert nämlich im Sinne Kants ein j e verschiedener Einheitsbegriff: So liegt etwa dem sub­ strathaften Sein als dem noch unbestimmten Gegenstand in einer empiri­ s chen Erfahrung die Bestimmung der »unbestimmten Mannigfaltigkeit« ( 1 ) zugrunde, welche gleichwohl auf ein einfaches X (2) als den transzen­ dentalen Gegenstand bezogen werden muß, wenn der Gegenstand als ein identischer (3) im Wandel seiner Erscheinungen fixiert und von anderen Vgl. zum Seinsbegriff auch die Arbeiten von E. Tugendhat, 2 1 979, insb. S. 24-1 07; ders., 1 992, insb. S. 2 1 - 1 36. 207 Vgl. KrV, Ebd., B 20. So gilt nach Kant analog auch für die Wissenschaften wie die Metaphysik, daß ihre Möglichkeit bereits durch ihre Wirklichkeit bewiesen ist. 206

Überleitende Fragestellung

CI

unterschieden werden soll. Erst die Einsicht in die Einheit (4) seiner Be­ stimmungen macht schließlich den B egriff von einem Ganzen aus Teilen (5) allererst möglich. Um das unbestimmte Mannigfaltige als Einheit des Ge­ dachten j edoch bestimmt ausmachen zu können, muß in uns selbst ein Prin­ zip als Grund der Möglichkeit aller Verknüpfung zugrundegelegt werden, das als das Substrat aller Synthesisfunktionen selbst einfach ( 6) genannt werden muß. Der Einfachheit dieses Prinzips korrespondiert dann die Möglichkeit, den Gegenstand auch als einen einfachen in uns erem B ewußt­ sein zu setzen, indem er in der Idee als Fixpunkt und Grund aller B es tim­ mung (7) sein intelligibles Pendant erhält. Die kategorialen Einheitsbegriffe (8), allesamt nur Funktionen der Verbindung von Vorstellungen und Be­ griffen gegebener Gegenstände untereinander, sind als relationale Bestim­ mungen nämlich nicht allein auf einen formalen Einheitsgrund (die ur­ sprünglich synthetische Einheit der Apperzeption) (9), sondern gleicher­ maßen auf ein materiales Einheitsprinzip (die Ideen) ( 1 0) verwiesen, wo­ durch sie in ihrer Identität allererst von anderen Gegenständen unterscheid­ bar werden. Die Einheit aller Bestimmungen als systematische und nicht bloß als aggregative Einheit (1 1 ) vorgestellt, macht zudem ein oberstes ein­ faches Prinzip notwendig, das als Systemgrund nicht mehr innerhalb des Systems gesucht werden kann, sondern als Prinzip der durchgängig be­ stimmten Mannigfaltigkeit Eines und einfach ( 1 2) genannt werden muß.208 Die Idee der Einfachheit dieses obersten Prinzips aller durchgängigen Be­ stimmung läßt sich j edoch erst im Durchgang durch die verschiedenen Ein­ heitsfunktionen der Verstandes- und der Vernunfttätigkeit gewinnen, da der angenommene Systemgrund nicht allein die Einheit des Gedachten im Den­ ken des Etwas, sondern auch die einheitsstiftenden Prinzipien des Denkens als die vernünftigen Funktionen unseres Selbstbewußtseins transzendental rechtfertigen solU09

Die Korrespondenz von Einheits- und Seinsbegriffen ist mit der hier aufgeführten Abfolge noch nicht hinreichend bestimmt: Erst die Durchführung dieser B estimmungen im Verlauf der Argumentation kann eine innere B eziehung von Seins- und Einheitsbe­ griffen deutlich werden lassen. 209 So wird Kants Idee aus den >Prolegomena< gefolgt, nach welcher der Einheitsbegriff des Systems allererst nach durchgeführter Erkenntniskritik auf ein sicheres Fundament gestellt werden kann. 208

E R S T E R T E I L · DAS DEN K E N DE S E T W A S

A. Das Haben von Seins gedanken im Denken des Etwas I . Das >Gegebensein< des Etwas in Raum und Zeit. Fragestellung Wenn im >>Denken des Etwas « dem Denken ein Gedanke als das Produkt seiner Tätigkeit gegeben ist, so hat Denken bereits stattgefunden . 1 Denn das Denken kann sich als zweckgerichtete Tätigkeit nur realisieren, wenn es auf ein Etwas als den Gegenstand dieser Tätigkeit bezogen ist. Da nämlich das Denken als Tätigkeit nur im Zeugen von >>Seins-Gedanken«2 erscheinen kann, weil alles Denken ohne ein Etwas leer, das Etwas aber, ohne gedacht zu sein, nicht zugänglich wäre, s o ist das Denken immer schon gewesen, wenn es sich in den Grund seiner Möglichkeit hineinzudenken sucht.3 Denn, s o erläutert Wolfgang Cramer diesen Gedanken, >>Etwas denken heißt, etwas gedacht haben.«4 Es muß das Denken bereits die Zeit gehabt haben, >>Seins-Gedanken« zu zeugen.5 Damit aber wird ein Seinsbegriff ins 1 Vgl. zu diesem Gedanken W. Cramer, 2 1 965, S. 1 8. 2 Ebd., S. 1 5. 3 Zum B egriff des Etwas in logischer bzw. metaphysischer B edeutung vgl. Kant, Vor­ lesungen über Metaphysik und Rationaltheologie, AA XXVI II, Bd. V, 2. Hälfte, 1. Teil, (Mitschrift nach Pölitz), S. 544. » E t w a s , bedeutet ein j edwedes Objekt des D enkens; dies ist das l o g i s c h e Etwas. Ein B egriff von einem Objecte überhaupt heißt der oberste B egriff aller Erkenntnisse. Ein Object nennt man auch ein Etwas, aber kein metaphysi­ sches, sondern ein logisches Etwas . « 4 W. Cramer, 2 1 965, S. 1 8. 5 Die B egriffe »Seins-Gedanken« und »Zeugen des Gedachten« sind in diesem Zusam­ menhang mit Wolfgang Cramer als B estimmungen einer »Theorie des Denkens« in Ge­ brauch genommen: Indem W. Cramer versucht, das Denken von Etwas auf eine Tätigkeit zurückzuführen, die nicht nur Seins-Gedanken zeugt, sondern selbst als ein Seiendes aufgefaßt werden kann, wird Kants Transzendentalphilosophie in einer » transzendentalen Ontologie« verankert. Auf Cramer wird an dieser Stelle B ezug genommen, weil davon ausgegangen wird, daß Kants Suche nach den B edingungen der Möglichkeit von Erkennt­ nis vollzogene Erkenntnisleistungen bereits voraussetzt, Erkenntnis somit bereits statt­ gefunden haben muß, wenn in rekonstruierender und analysierender Absicht nach den

2

Erster Teil Das Denken des Etwas ·

Spiel gebracht, der auf die apriorischen B egriffe, Prinzipien und G rundsätze des Denkens ebenso anwendbar ist wie auf das Sein des Gedachten selbst; denn insofern mit diesen zugrundeliegenden intelligiblen Formen Seinsge­ danken möglich sind, kann ihnen ein Seinsstatus ebensowenig abgesprochen werden wie all denj enigen Entitäten, auf welche sie in erkennender Absicht bezogen s ind. Darum kann der Begriff der transzendentalen Ontologie, in­ dem er den Seinsstatus der epistemischen Formen thematisiert, auf die apriorischen Vermögen und Erkenntnisformen selbst bezogen werden; gleichzeitig aber zeigt er auch den Weg und die Weise an, diesen Seinsstatus zu erhellen: Indem eine solche Ontologie transzendentalphilosophisch kon­ zipiert ist, ist sie auf die Erkenntnisart dieser Vermögen gerichtet, sofern sie a priori möglich sind.6 Da nun im genannten Sinne alles Denken stets ein »Etwas-Denken« ist, seine Erzeugnisse, die Gedanken, Gedanken von Etwas sind, s o muß das Etwas als ein möglicher Gegenstand dieser Tätigkeit dem Denken zuvor >gegeben< sein, wenn es B ezug nehmen will auf ein Etwas, das nicht selbst wiederum das Denken ist. Auch das Denken der reinen Formen, so lautet im folgenden die These, wird als das Denken eines Seienden aufgefaßt und ist darum vom Denken als der Tätigkeit im Zeugen von Seinsgedanken zu unterscheiden. Was bedeutet j edoch zunächst die Rede vom B ezug auf ein Etwas, das unseren Sinnen gegeben ist und das nicht selbst wiederum bloßer Gedanke genannt werden kann ? Ist doch das gedachte Etwas s o sehr nur ein Produkt dieser Tätigkeit, wie sich das Denken nur in seinem B ezug auf dieses GeGründen ihrer Möglichkeit gefragt wird. Die Fundierung der Transzendentalphilosophie in einer » transzendentalen Ontologie« steht daru m in diesem Punkte zu Kants Erkennt­ niskritik nicht in einem Widerspruch, sondern sie vermag es vielmehr, Kants Annahme gegebener Erkenntnisse als Voraussetzung aller Erkenntniskritik zur Sprache zu bringen. Zum Ontologie-Verständnis, das den folgenden Ausführu ngen zugrundeliegt, vgl. die Arbeit von H.F. Fulda, 1 988, S. 44-83. Hans Friedrich Fulda verweist auf das spezifisch Neue der kantischen Ontologie: Nicht die Entfaltu ng einer ontologie-freien Funda­ mentalphilosophie habe Kant im B lick gehabt, sondern die Integration der alten Onto­ logie in seine, nun kritisch gewandte Ontologie, die ihm zugleich als Fundament einer Metaphysik als Wissenschaft diene. (Vgl. S. 48 ff.) Transzendentalphilosophie sei mit Ontologie im Sinne Kants sogar identisch (S. 3 1 ). Kants Ontologie j edoch, als Gegen­ standsontologie gedacht, kann darum nicht zugleich auch als Theorie des Seienden, in­ sofern es an sich s elbst vorgestellt und gedacht werden kann, aufgefaßt werden. 6 KrV, A 12 B 25; vgl. dazu Kants Verweis auf das Ziel transzendentaler Analyse: Sie »sagt die synthetische B edingung der Möglichkeit des Gegenstandes nach diesem B egrif­ fe« aus (A 787 B 8 1 5); und ferner: »Synthetische Sätze, die auf D i n g e überhaupt, deren Anschauung sich a priori nicht geben läßt, gehen, sind transzendental. Etwas< bezeichnet, da der B egriff von >Etwas< - insofern er mit keinem anderen etwas gemein­ sam hat und nur dem >Nichts< entgegengesetzt ist - als der >abstrakteste B egriff< von einem Seienden überhaupt aufgefaßt werden kann,Y Soll ein Etwas gedacht werden, das nicht selbst wiederum nur Gedanke ist, so wird sich die Frage nach der Art des Gegebenseins eines Etwas in einer empirischen Erfahrung erneut stellen.8 Was aber kann nach der no­ minalistischen Kritik am >>Mythos des Gegebenen«9 dem Denken >gegeben< sein, das den Titel eines Etwas trüge, das ist, unabhängig davon, ob es gedacht wird oder nicht ? 1 0 In einem ersten Schritt soll darum die Frage nach

7 Kant, Logik, AA IX, A 1 47. 8 Zur Differenz » Gegeben«, » Gemacht«, vgl. Kant, Opus postumum XXII, S. 452 ; ferner Salomon Maimon, Versuch über die Transzendentalphilosophie, S. 1 3 . Das sog. >Gegebensein< der Gegenstände ist nach Maimon immer >gezeugtGegebensein< eines Etwas wird hier als »Selbstanschau­ ung der innerlich gebundenen Ich-Tätigkeit« aufgefaßt; vgl. ferner: K. Cramer, 1 986, S. 4 1 . - I m Sinne von Ernst Tugendhat hat die cartesianische Frage nach der Zugänglich­ keit des Wißbaren die traditionelle Ontologie selbst noch unbefragt gelassen. (E. Tugend­ hat, 21 979, S. 82 ff.) Erst wenn die Frage nach der Gegebenheitsweise » nicht mehr nur als eine Frage nach der Gewißheit angesehen wird, sondern als konstitutiv für die Gegen­ ständlichkeit der Gegenstände«, werde die Frage nach dem >Sein des Seienden< im Kern berührt. Die Reflexion auf die » Gegebenheitsweise der Gegenstände« ist nach Tugendhat allererst »charakteristisch für die sogenannte transzendentalphilosophische Wendung der OntologieGegenstand identifizierbar< machen (S. 359), soll uns in den folgenden Un­ tersuchungen näher beschäftigen. Zur Frage nach der Gegebenheitsweise der Gegenstände in Kants »Kritik der reinen Vernunft« vgl. H. Hering, 1 953. 9 Vgl. W . Sellars, 1 956, S. 271 f . (Eine Auseinandersetzung m i t Seilars s.: M. Frank, 1 99 1 , -

s.

21 3).

In seinen Ausführungen zur »Überwindung der Metaphysik durch logische Analys e der Sprache« (Vgl. R. Carnap, 1 93 1 , S. 2 1 9-241 ) hat bereits Rudolf Carnap auf das inner­ halb der Diskussion über das >empiristische Sinnkriterium< offengebliebene Problem in der B estimmung der >empirischen Basis der Erfahrungserkenntnis< hingewiesen: »Man pflegt in der Erkenntnistheorie zu sagen, daß die ersten Sätze sich auf >das Gegebene< beziehen; es besteht aber keine Übereinstimmung in der Frage, was als das Gegebene anzusehen sei. Zuweilen wird die Auffassung vertreten, daß die Sätze über das Gegebene von einfachsten Sinnes- und Gefühlsqualitäten sprechen (z.B. >warmblauFreude< und dergl.); andere neigen zu der Auffassung, daß die ersten Sätze von Gesamterlebnissen und Ähnlichkeitsbeziehungen zwischen ihnen sprechen; eine weitere Auffassung meint, daß auch die ersten Sätze schon von Dingen sprechen. « (Ebd., S. 222 f.; vgl. zum Problem des 10

4

Erster Teil Das Denken des Etwas ·

dem >Gegebensein< des Etwas untersucht werden: In welcher Weise, so muß sie lauten, ist ein >Etwas< dem Denken gegeben ? 1 1 Ist ein Etwas für uns nur, insofern es bereits für ein Denken ist, 12 und ist zugleich das Denken nur, insofern es ein Etwas als Etwas setzt, s o stellt sich die Frage, was denn das eigentlich Transzendente für unser Denken sei ? Ist es die Tätigkeit, die im Zeugen von Gedanken, im »Denken des Etwas « bloß >unbewußt< ihre Funktionen erfüllt, oder ist es das in Raum und Zeit Gegebene, das ist, unabhängig davon, ob es gedacht wird oder nicht ? Existiert ein Gegebenes für uns nur im und durch das Denken, so scheint im Denken des Etwas das Denken den Seins-Gedanken gegenüber trans ­ zendent. Denn in seinem Bezug auf ein Etwas ist das Denken auf das Ge­ dachte und nicht zugleich auch auf sich selbst als den Grund der Möglich-

empiristischen Sinnkriteriums ferner: W. Stegmüller, 4 1 969, S. 425.) Für Carnap steht »Unabhängig von der Verschiedenheit dieser Auffassungen [ . . ] fest, daß eine Wortreihe nur dann einen Sinn hat, wenn ihre Ableitungsbeziehung aus Protokollsätzen feststeht, mögen diese Protokollsätze nun von dieser oder j ener B eschaffenheit sein; und ebenso, daß ein Wort nur dann eine B edeutung hat, wenn die Sätze, in denen es vorkommen kann, auf Protokollsätze zurückführbar sind.>Daß unsere Vorstellungen nicht von den Gegenstanden gewirkt werden sondern daß diese sich nach dem Vorstellungsvermögen u. ihrer Synthesis richtenistSeienden, insofern es ist> [ . . . ] einzige[n] Methode, zur höchstmöglichen Gewißheit in der Metaphysik zu gelangen« 15 zu verdeut­ lichen: >>So bald [ . . . ] die Philosophen den natürlichen Weg der gesunden Vernunft einschlagen werden, zuerst dasj enige, was sie gewiß von dem ab­ gezogenen B egriffe eines Gegenstandes (z.E. dem Raume und der Zeit) wissen, aufzusuchen, ohne noch einigen Anspruch auf die Erklärungen zu machen; wenn sie nur aus diesen sicheren Datis schließen, [ . . . ] so werden sie vielleicht nicht so viel Einsichten feil zu bieten haben, aber diej enigen, die sie darlegen, werden von einigem sichern Werte sein.«16 In welcher Wei­ se kann nun aber von der Transzendenz des Gedachten, von einem gege­ benen Gegenstand in Raum und Zeit, die Rede sein, wenn ein Gegebenes stets nur dem Erleben gegeben ist und darum auch nur durch dieses Erleben ein Etwas für uns ist ?17 Was ist dem Erleben gegeben ? Daß bei einem raum­ zeitlich Gegebenem der Anfang gemacht werden soll, scheint nicht sogleich 1 l Daß dieser B egriff von einem >Gegenstand überhaupt< dem B egriff eines Etwas noch vorgeordnet ist, hat eine Funktion für die Dialektik der reinen Vernunft. Diese Unter­ scheidung kann j edoch in diesem ersten Teil der Analyse noch aus der B etrachtung aus ­ geschloss en bleiben. (vgl. z u dieser Unterscheidung auch H . F . Fulda, 1 988, S. 54). 1 4 Im Sinne Kants ist dieser Begriff von einem » D i n g e überhaupt« der >> einzige Begriff, der a priori ([ . . . ] den, C.B .] empirischen Gehalt der Erscheinungen vorstellt [ . . . ], und die synthetische Erkenntnis von demselben a priori kann nichts weiter, als die bloße Regel der Synthesis desj enigen, was die Wahrnehmung aposteriori geben mag, niemals aber die Anschauung des realen Gegenstandes a priori liefern, weil diese notwendig empirisch sein muß.« (KrV, A 720 B 748). 1 5 Kant, Deutlichkeit der Grundsätze, AA II, A 79. 1 6 Ebd., A 86. An dieser Zielsetzung hält Kant auch 1781 fest, indem er als höchsten B egriff, von dem die Transzendentalphilosophie auszugehen hat, den B egriff von einem »Gegenstand überhaupt (problematisch genommen und unausgemacht, ob er etwas oder nichts sei)« bestimmt. (KrV, A 290 B 346) 1 7 Zum B egriff der Transzend enzvermeinung vgl. W. Cramer, 2 1 965, S. 60. Zum Begriff des Gegebenseins eines Etwas im Erleben, vgl. ebd., Kap . II, Vom Erleben, S. 28 f.

Erster Teil Das Denken des Etwas

6

·

einzuleuchten. Handelt es sich dabei um eine unzulässige Einschränkung des Gegebenseins von Etwas auf mögliche Erscheinungen in Raum und Zeit, d.h. auf ausgedehnte, sinnlich vorfindliehe Größen ? Können uns nicht Vorstellungen, Gedanken oder B egriffe in gleicher Weise >gegeben< sein ? Der Rückgang auf denj enigen Ausgangspunkt unserer Erkenntnis , der durch einen sinnlich gegebenen Gegenstand veranlaßt wird, soll nun den Ort in unserem Bewußtsein bestimmen, an dem zwischen dem >>Daß « - und >>Was-Sein« einer Sache noch unterschieden werden kann. 18 Das gegebene Material, das vor allen Synthesisfunktionen unser B ewußtsein >>von außen« erreicht, darf dann weder bereits durch Synthesisfunktionen verknüpft - es wäre ansonsten bereits in seinem Was-sein erfaßt - noch bereits ein Etwas genannt werden können. Der gesuchte Ort der Indifferenz,19 wie ihn Paul Natorp bezeichnet, ist nämlich nur dann erreicht, wenn das Gegebene we­ der durch eine Aktivität uns eres B ewußtseins in Einbildungskraft und Ver­ stand angeeignet noch bloß unabhängig von solchem >Gegebensein< vorge­ stellt werden kann; denn insofern nach Kant das >>erste, was uns gegeben wird« erst in der Wahrnehmung >>mit B ewußtsein verbunden« wird/0 mit­ hin also allererst >>Wahrnehmung« hinzutreten muß, damit aus dem unmit­ telbar Gegebenen auch ein identifizierbarer Gegenstand werden kann, so kann das in einer empirischen Erfahrung >> Gegebene« als noch >>unbe­ stimmter Gegenstand«21 und das Vermögen, ein solches Gegebenes aufzu­ nehmen, als >>vorbewußt« beschrieben werden. Und es werden diesem Ge­ gebenen weder Attribute aus dem B ereich des Subj ektiven noch aus dem B ereich des Obj ektiven zugesprochen, wenn denn Subj ektivität an B ewußt­ heit und Objektivität an B estimmtheit gebunden sind. Was aber sollte ein Vgl. auch KrV, B 1 und A 1 9 B 33. In der Anschauung ist im Sinne Kants das Gegebensein einer Sache als ihr Daß-Sein zu finden, das bereits nach Aristoteles von ihrem Was-Sein zu unterscheiden ist. (vgl. Aristoteles, Metaphysik, 1 070 a - 9 sq.; ferner: ders., Physikvorlesung, 1 93 a). Unsinnig wäre es, ein solches Daß-Sein beweisen zu wol­ len, vielmehr liegt es als das numerisch identische Substrat aller B estimmung zugrunde ( 1 . Buch, 1 90 a 1 5). Diese Unterscheidung kann auch der Differenz von erster und zweiter Substanz zugrundegelegt werden. (Aristoteles, Kategorien, 1 a 12) 1 9 Vgl. dazu die Ausführungen von P. Natorp, (1 958), S. 31 ff. Es ist der »Punkt der Schwebe, in welchem beides sich erst scheiden will«, worauf es Paul Natorp bezogen auf seine These von der Erscheinung als dem Orte der Indifferenz zwischen den Polen an­ kommt. (S. 49) Eine Erörterung der Funktion dieser B estimmung von >> Erscheinung« im Spätwerk Paul Natorps als dem Orte der >Indifferenz< zwischen dem identifizierenden B ewußtsein und dem bestimmbaren Gegenstand von Konrad Cramer findet sich in: K. Cramer, 1 9 88, S. 297-322. hier: S. 3 1 2 u. 3 1 6 ff. 2° KrV, A 120. 2 1 Ebd., A 20 B 34. 18

Das Haben von Seinsgedanken im Denken des Etwas

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nicht-synthetisiertes Gegebenes, das gleichwohl ein Etwas genannt werden kann, überhaupt sein ? Und wie kann ein Erlebtes, das nicht einem Erleben gegeben ist, dennoch für uns ein Etwas sein ? Kann es einen solchen Ort der >Indifferenz< geben, der weder mit Kategorien aus dem Bereich des Subj ek­ tiven noch mit s olchen aus dem B ereich des Obj ektiven beschreibbar wäre, sondern an welchem Subj ektives wie Obj ektives noch ganz in der Schwebe lägen, so daß weder das Gegebene nur gesetzt - und in diesem Gesetztsein über das »hier« und »j etzt« j e schon hinaus - noch das >Gesetzte< bloß für uns und nicht zugleich auch an sich selbst existent wäre ? Wäre nämlich ein Gegebenes ähnlich dem Fichteschen »Nicht-ich« stets nur das Produkt des sich selbst und sein Anderes setzenden »Ich«, so wäre es gezeugt, mithin also bestimmt und nicht bloß bestimmbar.22 Wäre es aber umgekehrt nicht bereits durch Akte der Aufmerksamkeit und der Verknüpfung von einem wahrnehmenden Bewußtsein gezeugt, was könnte es dann für uns über­ haupt sein ? Wäre es dann nicht eben s o viel zu sagen: >Ich habe nicht wahrgenommen< oder: >Das Ding existiert nicht< ? Oder, mit Kant formu­ liert, wäre es nicht gleichviel zu sagen, »daß, wenn ich das denkende Subj ekt wegnehme, die ganze Körperwelt wegfallen muß« ?23 Was aber kann dann noch >Gegebensein< heißen ? - Können wir auf ein Etwas B ezug nehmen, das ist, unabhängig davon, ob es durch uns gesetzt worden ist oder nicht ? Diese Frage rührt an den Kern des Transzendenzproblems: Wie, so kann sie lauten, ist Realitätsbewußtsein möglich ?24 Gibt es einen Ort in unserem B ewußtsein, an welchem Gegebenes noch unsynthetisierte Mannigfaltigkeit ist, welche die Tätigkeit unseres Denkens gleichwohl veranlassen und in Gang bringen kann ? Gefragt wird also nach dem Ausgangspunkt und Ziel des Zeugens von Seinsgedanken: Die im Gedanken von Etwas bereits voll­ zogenen Verknüpfungsleistungen werden dabei im umgekehrten Wegesinn erneut durchschritten, um die im Begriffe des Etwas hergestellte Einheit von Denken und Gedachtem auf den Grund ihrer Möglichkeiten zurück­ zuführen. Gibt es also einen Ort in unserem B ewußtsein, an dem Gege­ benes zuerst unser B ewußtsein erreicht? Denn nur, wenn dieser Ort gefun­ den ist, an welchem ein noch unbestimmter empirischer Gegenstand auf unsere Sinne trifft, kann das Prinzip ihrer Verbindung im Gedanken des

22 Zur Einheit von Sein und Setzen: J.G. Fichte, Grundlage der gesamten Wissenschafts ­ lehre ( 1 794), WW I, hier: 1 1 1 . Teil, § 5, S. 256; - vgl. ferner: zum Gedanken der absoluten Einheit von Sein und B ewußtsein: J.G. Fichte, Die Wissenschaftslehre. Vorgetragen im Jahre 1 804, WW X, S. 94 ff. 23 KrV, V, A 3 8 3 . 2 4 Vgl. zu dieser Fragestellung auch W . Cramer, 2 1 965, S. 22 ff.

Erster Teil Das Denken des Etwas

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Etwas beschrieben werden. Ein solcher Ort müßte dann auch den Punkt bezeichnen können, an welchem ein wahrnehmendes und erkennendes We­ sen über sich selbst hinaus - als perzipierende, nach außen sich öffnende >Monade< - auf ein Anderes gerichtet ist, das nicht bloß durch zeugende wie synthetisierende Akte unseres Bewußtseins gesetzt sein darf, sondern wel­ ches als der noch unbearbeitete Stoff zu möglichen gedanklichen Verknüp­ fungen unser B ewußtsein >>von außen«, durch eine Affektion, unsere Sinne erreicht.25 Aus diesem Grunde spricht Kant zu B eginn seiner >>transzenden­ talen Ästhetik« auch von der Affektion unserer Sinne, dem Vermögen un­ serer Sinnlichkeit, durch welches »uns Menschen wenigstens « allein nur der Gegenstand in einer empirischen Erfahrung gegeben sein kann.26

Überlegungen zur Methode 1. Nach der analytisch-regressiven Methode der Rekonstruktion bereits vollzogener Verknüpfungsleistungen kann in der Reflexion auf die Mög­ lichkeiten solcher Verknüpfungen das Denken seine eigene Tätigkeit auf seine Quellen und Anlässe zurückführen, da es hier, wie Kant diesen >> anaZum B egriff der Affektion der Sinne: vgl. S. Blasche, 1 988, und G. Buchdahl, 1 9 9 1 . G. Buchdahl geht in dieser Abhandlung der Frage nach, was als die Quelle und der Grund der Affektion der Sinne aufgefaßt werden kann und unterscheidet drei gru ndlegende Ty­ pen der Argumentation, je nachdem, ob das Ding an sich selbst, der transzendentale Gegenstand, oder aber ein Sinnliches, wie das gegebene Material zu einer Erscheinung selbst als Grund der Affektion der Sinne genannt werden können. In s einer Unterschei­ dung von Reduktion und Realisation wird allererst a) To: das transzendentale Objekt als Gegenstand überhaupt gewonnen, welches dann b) im Kontext der Realisation als der Gegenstand der Erfahrung (die Erscheinung Ta) gedacht wird, so daß die Erscheinung selbst als der realisierte transzendentale Gegenstand aufgefaßt werden kann. Für die Af­ fektion der Sinne selbst ab er wird »Grundlosigkeit« insofern beansprucht, als wir durch die Sinne mit dem » entsprechenden ursachelosen Sein der Welt selbst« unmittelbar ver­ bunden sind. Mit dieser Argumentation wird darum weder eine physiologische Quelle (Typ B) (auch keine Selbstaffektion der Sinne) noch eine Ursache-Wirkungsbeziehung nach der B estimmung von Ta durch To oder Ts (Ding an sich) als Schlüssel für das Verständnis der Affektion der Sinne in Anspruch genommen, sondern die Sphäre der Sinnlichkeit, ganz im Sinne der kantischen Unterscheidung von unmittelbarem und mit­ telbarem B ezug zu einer gegebenen Erscheinung, als unvermittelt wie grundlos aufgefaßt. 26 KrV, A 19 B 33. Zu Kants B egriff der Erfahrung vgl. B aum, M./R.-P. Horstmann, 1 979; W. B röcker, 1 970; H. Holzhey, H., 1970; P. Krausser, P., 1 9 8 1 ; H.-J. Engfer, 1 987; W. Röd, 1 99 1 ; Erfahrung im Opus postumum vgl. K. Hübner, 1 973. Zu Kants Dialektik der Erfahrung vgl. W. Lütterfelds, 1 977. Zu einer möglichen rationalen Rekonstruktion der kantischen Theorie der Erfahrung vgl. W. Stegmüller, 1974. 25

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lytischen« Akt der Selbsterkenntnis bezeichnet, die Vernunft lediglich mit sich selbst und ihrem reinen Denken zu tun habe, deren einfache Handlun­ gen sich völlig und systematisch aufzählen lassen. Zentral dabei sei allein die Frage, »wie viel ich mit derselben [ausrichten kann, C . B .], wenn mir aller Stoff und B eistand der Erfahrung genommen wird.«27 So kann durch eine Reflexion auf die nicht-empirischen Bedingungen unserer Erfahrungser­ kenntnis, auf die reinen Bedingungen a priori unserer Sinnlichkeit, die an dieser Stelle in ihrem ersten Schritt untersucht werden sollen, zugleich nur ans Licht gebracht werden, was unserer Vernunft, wenn auch unbewußt, in der Anschauung, Wahrnehmung und Erkenntnis eines Etwas selbst bereits vorausgesetzt ist. Dieser Rückgang in den Grund der Möglichkeit der An­ näherung an ein Etwas in Raum und Zeit ist zugleich analytischer Natur, weil bereits vollzogene Synthesisleistungen auf den Grund ihrer Möglich­ keiten hin befragt werden, um diejenigen Einheitsorte zu finden, durch welche Transzendenzbewußtsein und mit diesem ein nicht-empirischer Be­ griff des Empirischen möglich ist.28 Nur, wenn es gelingt, den Grund der Einheit von Denken und Gedachtem im Denken des Etwas zu finden, kann der Geltungsanspruch möglicher Wahrheitserkenntnis ermessen s owie zu­ gleich der Horizont erhellt werden, in welchem all unser empirisches Wis­ sen immer schon steht. Denn erst eine Analyse der Formen unseres Wissens kann eine mögliche Unterscheidung von Wissen und Nicht-Wissen recht­ fertigen und Einblick auch in j ene B ereiche nehmen, die zwar denkbar, nicht aber im Sinne einer Erfahrung auch gegeben sein können.29 2. Die leitende transzendentale Frage, nach welcher wir uns nicht s owohl »mit Gegenständen, sondern mit unserer Erkenntnisart von Gegenständen« befassen, >>insofern diese a priori möglich sein soll«,30 kann auch mit der auf

KrV, A XIV. Vgl. zur Frage nach der Möglichkeit von Transzendenzbewußtsein in p hänomenolo­ gischer und zugleich obj ektivierender Hinsicht auch: Edmund Husserl, Ding und Raum, S. 30 ff. Auch Husserl fragt in diesen Vorlesungen zunächst nach der Möglichkeit von Transzendenzbewußtsein (ebd., S. 1 48), stellt die im Sinne Kants entworfene Gegen­ s tandsanalyse der phänomenologischen Analyse gegenüber, um sie in einem dritten Schritt zu vereinen. 2 9 Aus diesem Grund ist auch Hegels Kritik an der Fragestellung der KrV unberechtigt, es läge in dem analytischen Prozeß der Selbsterhellung des Denkens die skeptische Suche nach einem Ob-überhaupt aller Erkenntnisse und nicht vielmehr eine bloße Analys e und B estimmung der Möglichkeit des Wie bereits vollzogener Erkenntnisse, die in Mathe­ matik und Naturwissenschaft gegeben sind, zugrunde. (Hege!, Vorlesungen über die Ge­ schichte der Philosop hie, Bd. lll, WW 20, S. 3 34). 3° KrV, A 12 B 25. 27 28

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Proklos zurückgehenden methodischen Überlegung in Hegels >Logik< be­ schrieben werden, nach welcher innerhalb eines solchen analytischen Ver­ fahrens >>das Vorwärtsgehen ein R ü c k g a n g in den G r u n d [ . . . ]« genannt werden kann, >>von dem das, womit der Anfang gemacht wurde, abhängt«.31 Doch soll mit diesem Gedanken Hegels nicht zugleich auch die begeisehe Bestimmung von Ausgang und Ziel seiner Logik ins Spiel gebracht werden; mit Hege! kann vielmehr allein formal die Bewegungsrichtung eines Den­ kens beschrieben werden, das sich in diesem Punkte selbst in den Horizont der >>transzendentalen Logik«32 Kants gestellt hat. 3. In einer zweifachen B ewegungsrichtung wird dann im folgenden nach den Fundamenten gefragt, die das Erkennen zwar bestimmen, gleichwohl aber von diesem nicht auch gesetzt sind: Zum einen zielt die Betrachtung auf den noch unbestimmten Gegenstand in einer empirischen Erfahrung, der als das materielle Substrat des Gedachten unsere Erkenntnistätigkeit veranlassen kann, und zum zweiten soll der Grund der Möglichkeit all derj enigen Funktionen erhellt werden, die in erkennender Absicht auf die­ ses Gegebene bezogen sind. Da die konstitutiven Bestimmungsgründe un­ serer Erkenntnistätigkeit im >>Denken des Etwas« aber stets nur >hinter unserem Rücken liegen>Daß« und das >> Wie« seiner erkennenden Funktionen, sondern mit denen es zugleich auch den einheitsstiftenden Grund im Ver­ hältnis von Denken und Sein - als das >> Warum« und >> Worum-willen« die­ ser Tätigkeit - in den Blick zu nehmen vermag. Denn nur in ihrem Zweck, in der Übereinstimmung mit dem Gedachten, erfüllt sich ihre Tätigkeit, und nur mit Blick auf den Grund dieser Möglichkeit läßt sich über Erfüll­ barkeit oder Nichterfüllbarkeit eines solchen Zweckes urteilen. 4. Die Analyse uns eres Erkenntnisvermögens ist somit von eben denj e­ nigen Kernfragen geleitet, die auch für eine mögliche Gegenstandsbestim­ mung bestimmend sind: Gleich wie für diese neben der materialen, for­ malen und der Wirkursache auch der Zweck und das Worumwillen zu be­ s chreiben sind, wenn die Einheit des Gedachten im B egriffe erreicht werden soll, so gilt ähnlich für einen möglichen Erkenntnisbegriff, daß er neben der 3 1 H ege!, Wissenschaft der Logik I, WW 5, S. 70; vgl. dazu auch: H.-J. Engfer, Philo­ sophie als Analys is, Stuttgart-Bad- Cannstatt 1 982, S. 68 ff. 3 2 Hege!, Wissenschaft der Logik I, WW 5, S. 59. 33 Vgl. KrV, A 645 B 673; ferner: F.W.J. Schelling, System des transzendentalen I dealis­ mus (1 800), (WW I/3 , 3 5 7); Platon, Politeia, 508 e sq.

Das Haben von Seinsgedanken im Denken des Etwas

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Materie, der Form und dem Anlaß der Erkenntnistätigkeit auch den inneren Zweck dieser Tätigkeit zu bestimmen hat, wenn er den Begriff unserer Erkenntnistätigkeit in der Idee eines durchgängig bestimmten Ganzen voll­ enden will. Wenn darum im folgenden die Analyse der B edingungen mög­ licher Gegenstandserkenntnis zunächst das Thema der Untersuchung ist, so ist dieser Teil in der Erhellung unserer Erkenntnisvermögen ein notwendig erster Schritt. Denn nur bezogen auf ein je zu-Denkendes , s o die These, erfüllt sich unser Erkenntniszweck; und nur im Wissen um das, was über­ haupt nur erkannt werden kann, läßt sich die Selbsterhellung unserer Er­ kenntnisvermögen bis zu dem Punkte hin verfolgen, der im Selbsteinschluß unserer erkennenden Vermögen einen Einblick auch in diej enigen Einheits­ bedingungen erlaubt, die dem Denken und dem Sein gleichermaßen zu­ grundeliegen. Denn die Idee durchgängiger Bestimmung wird ohne den Selbsteinschluß der erkennenden Tätigkeit, mithin also ohne »die Vollen­ dung der Bedingungen des Denkens« nicht zu erreichen sein; und da eine s olche Selbsterhellung unserer Denktätigkeit erst dann vollendet werden kann, wenn im B egriff ihrer Einheit ihre höchsten Zwecke gefunden sind, so muß zunächst gewußt werden, was überhaupt nur wißbar ist, um im Wissen dieser Möglichkeiten auch bestimmen zu können, was j enseits der Grenzen alles bloß Wißbaren liegt. Die paradox anmutende These von der Einsicht in das Nicht-Erkennbare wird mit B ezug auf die kantische Unter­ scheidung von Denken und Erkennen auf einen Grund gestellt, der zugleich zeigen kann, in welcher Weise der B ereich des Erkennbaren mit dem des widerspruchsfrei Denkbaren nicht deckungsgleich ist.

1.

Das Nebeneinander ausgedehnter Größen als Funktion des Nacheinander der sukzessiven Synthesis der Teile

a) Stoff und Form des Gegebenen. Nur in der Anschauung ist der einzelne Gegenstand gegeben Auf die Anschauung wird zurückgegangen, weil nur durch diese ein ein­ ziger Gegenstand vorgestellt werden kann.34 Und von einem solchen ist hier - in einem ersten Annäherungsschritt an die Frage nach dem Prinzip aller Prinzipien - die Rede: von einem möglichen Gegenstand unserer Sinne, der als dieser Einzelne durch die Weise, wie er unmittelbar unsere Sinne affi-

34 KrV, A 32 B 47.

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Erster Teil Das Denken des Etwas ·

ziert, zwar noch nicht bestimmt, nicht von anderen unterschieden oder überhaupt als ein Etwas identifiziert worden ist, welcher aber den Grund und das Substrat zu einer solchen Bestimmung bereitstellen kann. Denn erst im Einbezug dieses sinnlichen Substrates kann eine Verständigung über die Prinzipien und Regeln erreicht werden, die in funktionaler und integrieren­ der Hinsicht auf dieses sinnlich Gegebene bezogen sind und welche wir j e schon in Anspruch nehmen, wenn wir ein Etwas als Etwas z u denken su­ chen. Auf dieses »prä-prädikativ« Gegebene als Ziel und Maß unserer Seins-Gedanken sind diese Regeln dann in ihrer Funktion bezogen, so daß sie als Einheitsgründe unter unseren Vorstellungen ein Etwas als Etwas denkbar machen . Und es wird sich zeigen lassen, in welcher Weise das Denken eines Etwas in letzter Instanz auf der Idee eines durchgängig be­ stimmten Ganzen beruht, das zugleich der Grund der Möglichkeit der Ver­ gleichung und Unterscheidung zwis chen all den Prädikaten genannt werden kann, die einem Einzelnen zu- oder abgesprochen werden können. Wie aber, s o lautet zunächst die Frage, kann ein Etwas Gegenstand für das Bewußtsein werden ? Nach bisher Gesagtem ist der gegebene Gegen­ stand in seiner unbestimmten Unmittelbarkeit (»Der unbestimmte Gegen­ stand einer empirischen Anschauung«)35 ein Gegenstand unserer Sinne. Die Sinnlichkeit, als »Erkenntnisquelle« im Unterschied zum verbindenden und unterscheidenden Vermögen unseres Denkens ein Medium der Rezeptivität, wodurch ein nicht bereits Bestimmtes, sondern bloß die Materie zu aller Bestimmung, mithin also ein Bestimmbares unser B ewußtsein erreicht, kann zugleich denj enigen Ort sichtbar machen, der Ausgang und Anlaß unserer Erfahrungserkenntnis genannt werden kann. Denn im Denken des Etwas zeugen wir zwar »Seins-Gedanken>Daß-sein>Was->Wie-Sein>Was->Wie-Sein Gegebenen« hier zunächst in dieser B edeutung von »Substrat-Sein« gesprochen werden kann.39 So werden im Akt des Zeugens von Seinsgedanken die Bewegung der Wahrnehmung und des Denkens und die Ruhe des beharrlich Gegebenen zunächst korrelativ aufeinander bezogen sein, wenn unser innerer Sinn nicht ein bloßes Nacheinander und das gegebene Etwas nicht ein bloß punktuell Wahrgenommenes bleiben s ollen. Die Annahme von der Punk­ tualität des Wahrgenommenen wie des bloßen Nacheinander unseres Zeit­ sinns bedürfen einer Erläuterung: Welche Vorstellungen von Raum und Zeit

Vgl. zur D ifferenz von Quelle und Anlaß der Erfahrungserkenntnis KrV, B 1 . Vgl. zu dieser Unterscheidung von Daß-sein und Was-sein, die bereits den Aristote­ lischen »Kategorien« zugrundeliegt: Aristoteles, Kategorien, 1 a 20; ferner: Aristoteles, Zweite Analytik, 93 a, in welcher Aristoteles bemerkt: »Die Existenz kann nie zur Essenz, d as Dasein nie zum Wesen des Dinges gehören«; vgl. ferner auch: ders., Physikvorlesung, 1 93 a und ders., Metaphysik, 1 070 a - 9 sq. 39 Vgl. zu dieser Unterscheidung von Daß-sein und Was-sein auch: Kant, Refl. 4658, AA XVI I, S. 674; ferner: Kant, Refl. 5406, AA XVI II, S. 1 74: »Das erste [pri] innere (bestim­ mende) p rincipium dessen, was zu dem Begriffe eines Dinges gehört, ist Wesen. Das erste [pri] innere bestimmende principium, aber dessen, was (zum) Dasein gehoret, heißt Na­ tur. (materialiter: der Inbegriff der Erscheinungen, formaliter: der nexus der bestimmun­ gen).« 37

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liegen zugrunde; wie ist ihr Zusammenspiel im Erfahrungsgegebenen lei­ tend ? Wird zunächst - im Sinne Kants - die Zeit » als die Form des inneren Sinnes«40 vorgestellt, die als »Vorstellung von unserem inneren Zustand« »keine Gestalt gibt«,41 so ist durch die bloße Zeitordnung unseres inneren Sinnes dem B ewußtsein nichts zu denken gegeben. Denn dieser kann als reiner Zeitsinn nichts nebeneinander im Raume fixieren, weil es dazu, so erläutert Wolfgang Cramer diesen Gedanken, einer notwendigen zweiten Ordnung bedarf, die dem bloßen Nacheinander unseres Zeitsinns ein B e­ harrliches im Raume liefern kann: Das Zeitliche nämlich muß eine >> [ . . . ] von der Bestimmung der Zeitlichkeit verschiedene Bestimmung an sich ha­ ben, um zeitlich sein zu können. Zeitliches kann nicht bare Zeitlichkeit sein. - Sei a zeitlich vor b. Haben a und b nichts als die B estimmung der Zeit­ lichkeit an sich, dann sind a und b Zeitstrecken oder Zeitpunkte. Zeitliches wäre der Fluß - wie immer man diesen Fluß sich denken möge - eines Punktes durch die Zeit. Also wäre der Punkt schon von der Zeit, in der er fließt, und welche wiederum Momente hat, unterschieden. [ . . ] Nur etwas anderes als Jetzt, kann j etzt sein. «42 Der Wandel eines Gegebenen im Nach­ einander der Zeit kann somit nur durch eine weitere Ordnung, die selbst nicht wiederum bloße Zeitordnung sein darf, wahrgenommen werden.43 So bedarf es zur Darstellung eines >>Äußeren« im Inneren unserer Zeitordnung einer zweiten, ihr koordinierten, aber auch von dieser zugleich vers chie­ denen Raumordnung, welche allererst den Ort eines Gegebenen in der Zeit sowie damit einhergehend auch seine räumliche Differenz zu anderen mög­ lichen Gegenständen der Erfahrung sichtbar machen kann. Denn, so ver­ deutlicht Salomon Maimon die Korrelativität beider Sinne, erst durch die >>Hebung« der Zeit kann das Nebeneinander der Teile im Raume sowie durch die >>Hebung« des Raumes der Wandel der Teile in der Zeit sichtbar werden.44 In einer empirischen Erfahrung jedoch, soll sie Erfahrung eines von uns erem B ewußtsein Verschiedenen, in Raum und Zeit Gegebenen sein, müssen dann beide als vereint vorgestellt werden: Die Erfüllung der Zeit durch ein Nebeneinander im Raume sowie die Wahrnehmung eines Nebeneinander im Nacheinander der Zeit. Denn das Fixierbare, der Ge.

KrV, A 3 3 B 49. Ebd., A 3 3 B 50. 42 W. Cramer, 2 1 965, S. 3 5 . 43 Vgl. ebd., 3 5 . Vgl. dazu auch Kant, KrV, B 29 1 : Da im Unterschied z u r Zeit » [ . . . ] der Raum allein beharrlich bestimmt ist«, ist die Raumordnung zugleich B edingung der Wahrnehmung eines Zeitlichen. 44 Salomon Maimon, Versuch über die Transzendentalphilosophie, S. 1 5 ff. 4° 41

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genstand in sinnlicher Gestalt, ist B ewährungsgrund aller gedanklichen Be­ strebungen, ist jener Fluchtpunkt, der als Substrat und Grund aller B es tim­ mungen die Wahrnehmung eines Etwas als Etwas allererst möglich macht.45 Damit ist nicht gesagt, alle Gegenstände des Denkens müßten den Sinnen in einer möglichen Erfahrung präsent sein; vielmehr wird allein die mögliche Übereinstimmung mit den Bedingungen unserer sinnlichen Erfahrung post­ uliert, wenn von einem in Raum und Zeit >Gegebenen< die Rede ist.46 Denn Gegenstände ohne räumliche und zeitliche Bestimmung sind uns prinzipiell unzugänglich, weil wir in Abstraktion von ihrer möglichen Ausdehnung oder ihrer Stellung in der Zeit nur ein >ens rationisGedanken­ ding>Den Begriffen von Allem, Vielem und Einem ist der, so alles aufhebt, d.i. Keines, entgegengesetzt, und so ist der Gegen­ stand eines Begriffs, dem gar keine anzugebende Anschauung korrespon­ diert, = Nichts, d.i. ein Begriff ohne Gegenstand, [ . . . ] « .48 Erscheint mir also etwas in der Zeit, so kann es nicht j enes Innere selber mehr sein, denn die reine Zeitlichkeit wäre in jedem ihrer Augenblicke nur bloßer Jetztpunkt, und es wäre in ihr nichts zu unterscheiden.49 Soll darum ein Anderes als die reine Zeitlichkeit in ihr sichtbar werden, so kann dies Andere nicht mehr absoluter Jetztpunkt sein, nicht in Einem Augenblick wahrgenommen werden, sondern kann nur in einer von der reinen Zeitlich­ keit unterschiedenen zweiten Ordnung zum Ausdruck gebracht werden, da allein mit B ezug auf ein Ruhendes, ein B eharrliches, Bewegung sinnfällig werden kann. 5° Dies Ruhende R, kann von der Bewegung B, die es anzeigen

Vgl. KrV, § 1 5 der B-Deduktion, B 129 f.; ferner: zum Begriff des >Gegenstandes überhauptkontrafaktisch< gleichwohl möglich ist, auf diese unkontrollierbaren Aggregatzustände überhaupt als auf ein sich ständig wandelndes >Etwas< bezogen zu sein und die beobachtbaren >Gerinnungs­ zustände< als identifizierbare Entitäten ausfindig zu machen. Wenn wir selbst uns als Urheber solcher identifizierender Hinsichten beschreiben müßten, so könnten die j e nach Einheitsgesichtspunkten hergestellten Entitäten, nicht aber das Substrat dieser Einheiten selbst, die aggregierten Teile, Produkt unserer gedanklichen Zeugung sein. Denn zwischen dem sinnlichen Substrat, das wir Materie nennen, und den a priori notwendigen, gleich­ wohl ab er bloß subjektiven Formen unseres B ewußtseins klafft eine unaufhebbare D if­ ferenz, nach welcher die Materie der Erscheinungen zwar als das sinnliche, unbestimmte Material durch diese subj ektiven Formen unserer Anschauung in eine raum-zeitliche Ordnung zu bringen ist, von welcher aber zugleich nicht behauptet werden kann, sie repräsentiere die Ordnung der Dinge an sich selbst; denn nicht einer an sich bestimmten Ordnung unabhängiger Gegenstände, sondern nur der gezeugten Ordnung der uns er­ scheinenden Gegenstände kann die Erkenntnis des Gegebenen gemäß s ein. Und so wäre die Annahme einer an sich bestimmbaren Raum-Zeit-Ordnung - ganz im Sinne Kants ebensowenig berechtigt, wie die entgegengesetzte Reduktion s elbst des Substrates des Gegebenen auf unser erkennendes B ewußtsein möglich ist. Warum aber die erscheinende Ordnung der Dinge, obschon sie nach subj ektiven Prinzipien gezeugt und ihren Einheits­ funktionen unterworfen ist, gleichwohl objektiv genannt werden kann, diese Paradoxie gilt es im folgenden - mit Kant - in den B lick zu nehmen. Und es wäre dann die Aufgabe einer getrennten Abhandlung, zu untersuchen, ob die Kamische Lösung dieser Paradoxie auch den kategorialen Rahmen für die nach-newtonsehe Physik darstellen und der Kon­ trovers e um den absoluten oder relationalen Charakter des Raumes bzw. der Raum-Zeit wichtige Impulse geben kann. (Zur Frage der Erschütterung auch der Kamischen Er­ kenntniskritik durch die Entwicklung der neueren Physik vgl. die Arbeiten von W. B ai­ zer, 1 9 8 1 ; U. Gall, 1 9 8 1 ; K. Mainzer, 1 9 8 1 ; M. Flonta, 1 9 8 1 ).

Das Haben von Seinsgedanken im Denken des Etwas

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äußeren Sinnes gleichfalls in uns selbst angetroffen wird, ist dann auch erst die Differenz von Bewegung und Ruhe wahrnehmbar, durch welche ein bleibendes Substrat, später auch Substanz genannt, von dem Wandel seiner Bestimmungen (seinen Attributen) gedanklich unterscheidbar wird. Soll darum ein Inneres geschaut werden, so gelingt dies nur, wenn im Inneren Etwas unterschieden werden kann, was nicht selbst reine Zeitlichkeit ist. Ein Äußeres, das nicht selbst wiederum bloß ein Inneres sein kann, ist also die Bedingung der Wahrnehmung des Inneren, wie auch umgekehrt, das Äußere nur im Nacheinander der Zeit wahrgenommen werden kann . Und nur unter der Voraussetzung, daß unser innerer Sinn sich in einem Äußeren zeige, das nicht selbst wiederum ein bloß Inneres, sondern B edingung der Erscheinung des Inneren ist, läßt sich eine Vorstellung von diesem Inneren gewinnen; so wie umgekehrt ein Äußeres nur angeschaut werden kann, wenn das Gemüt die Zeit hatte, gegebene Eindrücke im Nacheinander suk­ zessiver Apprehension zu durchlaufen und zur Einheit eines wahrgenom­ menen Gegenstandes zusammenzufügen. Denn als ein mögliches Etwas ist ein bloß Innerliches sowenig wahrnehmbar, wie ein Wahrgenommenes als bloß Innerliches bestimmt werden kann.51 Und dies bedeutet dann, daß ein bloß Inneres in der Abstraktion von allem Äußeren vorgestellt, nur ein Punktuelles, ein bloßer Augenblick wäre, der noch keine Zeit - und ohne diese auch kein Medium - hatte, in ein Vor- und Nachher überzugehen. Ein solcher Übergang nämlich ist auf ein Bleibendes im Wandel verwiesen, das neben der Zeit- auch die Raumordnung voraussetzt, da sich ohne Raum­ ordnung ein Inneres nicht >>zeigen« läßt, so daß in Abwandlung einer Sen­ tenz von Fr. Schiller gesagt werden kann: >Zeigt sich ein Inneres, so ist es ein Inneres s chon nicht mehrEtwas< in seiner B edeutung als der allgemeinsten B estimmung eines Seienden überhaupt, kann nur sinnvoll gesprochen werden, wenn dieses Etwas auch identifiziert und von Anderen unterschieden werden kann. Wenn somit in dieser Be­ deutung von >Etwas< nicht bloß auf das zugrundeliegende Substrat, sondern bereits auf ein bestimmtes, von anderen Gegenständen wohl unterschiede­ nes Etwas B ezug genommen wird, so hat der Begriff in dieser B edeutung nur einen Sinn, wenn ein gegebenes Mannigfaltiges bereits unter Einheits­ funktionen gebracht ist, durch welche das unverbundene, verstreute Mate­ rial bereits synthetisierenden Akten unterworfen ist. Und wenn ferner da­ von ausgegangen wird, das durch die Affektion unserer Sinne nur dann etwas Identifizierbares wahrnehmbar ist, wenn unser Bewußtsein bereits Zeit gehabt hatte, die räumlich gegebene Größe in ihren vers chiedenen Tei­ len zu durchlaufen und in einer »Synopsis«53 zur Einen empirischen An­ schauung zusammenzufügen, so ist die Rede von einem bestimmbaren Et­ was an einen Prozeß geknüpft, innerhalb dessen das gegebene Mannigfaltige zu einem Ganzen synthetisiert wird; ein Vorgang, den Kant in der »Syn-

Vgl. zum B egriff der Synthesis: H.G. Hoppe, 1 983, N. Körsgen, 1 9 84 (transzendentale und formale Synthesis); bezogen auf Aristoteles und Kant: M. Forschner, 1 986. 51 Zum B egriff der Synopsis der Anschauung vgl. KrV, A 97. In einer Fußnote zur A-Deduktion der Verstandesbegriffe erläutert Kant die Zugehörigkeit der ursprü nglichen Quellen der Erkenntnistätigkeit: den Sinn, die Einbildungskraft und die Apperzeption in ihrem B ezug zu den drei vereinigenden Vermögen der >Synopsis< des Mannigfaltigen durch den Sinn, der •Synthesis< des Mannigfaltigen durch die Einbildungskraft und schließlich der •Einheit< der Synthesis durch die ursprüngliche Apperzeption. (A 94/95 Anm.) 52

Das Haben von Seinsgedanken im Denken des Etwas

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thesis der Apprehension i n der Anschauung« das »Durchlaufen der Man­ nigfaltigkeit und denn die Zusammennehmung desselben« nennt.54 Kant erläutert diesen Prozeß in seiner A-Deduktion der reinen Verstandesbe­ griffe dann wie folgt: »Jede Anschauung enthält ein Mannigfaltiges in sich, welches doch nicht als ein solches vorgestellt werden würde, wenn das Gemüt nicht die Zeit, in der Folge der Eindrücke aufeinander unterschiede: denn a l s i n e i n e m A u g e n b l i c k e e n t h a l t e n , kann j ede Vorstellung niemals etwas anderes als absolute Einheit sein. Damit nun aus diesem Mannigfaltigen Einheit der Anschauung werde (wie etwa in der Vorstellung des Raumes) s o ist erstlieh das Durchlaufen der Mannigfaltigkeit und denn die Zusammensetzung desselben notwendig, welche Handlung ich die Syn­ thesis der Apprehension nenne, weil sie gerade zu auf die Anschauung ge­ richtet ist, die zwar ein Mannigfaltiges darbietet, dieses aber als ein solches, und zwar i n e i n e r Vo r s t e 1 1 u n g enthalten, niemals ohne eine dabei vor­ kommende Synthesis bewirken kann. »55 Ohne ein Nacheinander der suk­ zessiven Synthesis unserer Eindrücke in der Zeit, durch welche allein die Mannigfaltigkeit der sinnlichen Eindrücke zur Gestalt einer gegebenen Er­ scheinung synthetisiert werden kann, bleiben uns abgrenzbare, von anderen wohl unterschiedene Gegenstände der Anschauung verborgen. Wenn dar­ um an dieser Stelle von Identität die Rede ist, so hat der Identitätsbegriff hier nicht bereits die Funktion eines Reflexionsbegriffes,56 sondern als Ein­ heit, die aus der Synthesis der mannigfaltig gegebenen Eindrücke hervor-

54 Vgl. dazu Kants Ausführungen zur >>Synthesis der Apprehension in der Anschauung« in der >A-Deduktion< der reinen Verstandesbegriffe: KrV, A 98 ff. In der ersten Auflage der KrV wird der Gedanke einer reinen Apprehension ausgeführt, welcher für die em­ pirische Apprehension in den Ausführungen zur zweiten Auflage grundlegend ist. Da nun die empirische Apprehension der Synthesis der Apperzeption, welche a priori in den Kategorien enthalten ist, notwendig gemäß ist (B 1 62 und A 1 1 7), ist sie auch an die B edingungen der transzendentalen Synthesis gebunden (B 1 64). Zum Verhältnis von Ap­ prehension, Reproduktion und Rekognition vgl. K.-S. Lee, 1 9 8 1 . 5 5 K rV , A 99. D e r B egriff des Gemütes wird von Kant in diesem Zusammenhang ohne empirisch-psychologischen Nebensinn nur als Gesamtbezeichnung fü r die allgemeine Funktion der Erkenntnis aufgefaßt: Insofern in einer transzendentalen Analyse etwa die reinen Formen der Anschauung von B edeutung sind, wird >> [ . . . ] nichts, was zur Empfin­ dung gehört, angetroffen [ . . . ]«, mithin also kein empirisch-psychologischer B egriff der Anschauung, sondern der B egriff der reinen Form der Anschauung gewonnen, nach wel­ chem zugleich gilt, daß >>[ . . . ] diese reine Form der Sinnlichkeit [ . . . ] auch selber e i n e A n s c h a u u n g « genannt werden kann. (A 20 B 34/5 ff.). Zum B egriff des Gemüts vgl. ferner: Kant, Aus Sömmering, Über das Organ der Seele, AA XX, A 83 Fn. 5 6 Zu den B egriffen von Identität und Differenz als bloßen Reflexionsbegriffen vgl. KrV, A 263 B 3 1 9; ferner: Kant, Refl. 5552, AA XVIII, S. 2 1 8.

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Erster Teil Das Denken des Etwas ·

gegangen ist, macht er zunächst allein die erste der vier kantischen Kate­ gorien denkbar: die Quantität. Kant nennt sie eine intuitive, eine mathe­ matische Kategorie, weil sie nicht die Verbindung von bereits synthetisier­ ten Vorstellungen in möglichen Urteilen, sondern die Verbindung von sinn­ lich gegebenen Erscheinungen zu Einheiten der Wahrnehmung möglich macht. Sie erfüllt ihre konstitutive Funktion in einer unmittelbaren, einer intuitiven B eziehung auf das gegebene Sinnesmaterial,57 indem sie verstreut gegebenes Mannigfaltiges ( Vielheit) zur Einheit einer gegebenen Wahrneh­ mung oder Anschauung verknüpft, die dann erst den Namen einer wahr­ nehmbaren Größe verdient.

b) >>Ich kann mir keine Linie, so klein sie auch sei, vorstellen, ohne sie in Gedanken zu ziehen . « Wahrnehmung als Akt der Intentionalität und der Einbildungskraft Mit Blick auf den bereits in der Anschauung wirkenden spontanen Akt der Verknüpfung des gegebenen Mannigfaltigen zur Einheit einer anschaulichen Größe kann somit selbst räumlich Gegebenes nur mehr als ein Produkt von Einheitsfunktionen vorgestellt werden. Ist >Gegebenes< somit ein Produkt von Zeugung? Zeugen wir Gegebenes ? Ist diese Beschreibung nicht para­ dox ?58 Soll uns ein Etwas als abgrenzbare Gestalt einer Erscheinung gege­ ben sein, so kann die sinnliche Affektion durch einen Gegenstand nicht so gedacht werden, daß sich der Abdruck eines Gegenstandes dem passiven Anschauungsvermögen von selbst ergäbe. Die Rede vom »Gegebensein ei­ ner äußeren Anschauunggegeben< ? Kann ich schauen, ohne ein Etwas zu identifizieren, können die Blicke umherirren, ohne Größen im Raume wahrzunehmen, so muß das »Gegebensein einer äußeren Erscheinung« auf einem intentionalen Akt der Aufmerksamkeit beruhen, durch welchen mein Blick auf Gegebenes allererst gerichtet wer­ den kann. Doch selbst dieses »Richten meines Blicks« erklärt nicht die

57 Zur B eschreibung der mathematischen Kategorien als intuitiver Kategorien vgl. auch: KrV, A 1 62 B 201 ; ferner: Kant, Refl. 5593, AA XVIII, S. 243. 58 Auf dieses Spannungsfeld zwischen dem Gegebensein eines Etwas in einer empiri­ schen Erfahrung und der Konstitution des Gegebenen, bezogen auf das Kernproblem der Intentionalität in der Philosophie Husserls, verweist auch K.-H. Hahnengress in seiner Einführung in die Vorlesungen von E. Husserl, 1 99 1 , »Ding und Raum«, S. XIX. B eides soll zugleich erreicht werden: In der Schöpfung das Gegebene zur Darstellung kommen, das Dargestellte zugleich ein Gezeugtes sein.

Das Haben von Seinsgedanken im Denken des Etwas

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Wahrnehmung der bestimmten Gestalt einer Größe i m Raume. Wäre das Richten meiner Aufmerksamkeit mit dem >>Haben einer wohlumgrenzten Erscheinung« direkt verbunden, so wären Bilder gegebener Erscheinungen bloße Abdrücke gegebener Entitäten in unserem Bewußtsein. Der gegebene Sinnesreiz kann aber nicht zugleich schon das Bild einer gegebenen Er­ scheinung sein, denn ein Ausgedehntes im Raume (die Einheit der Gestalt mannigfaltig gegebener Sinneseindrücke) läßt sich nur erfassen, indem das ungegliederte Mannigfaltige der sinnlichen Eindrücke zur Einheit einer An­ schauung zusammengefügt wird: Grenzziehung, die Trennung vers chiede­ ner Erscheinungen voneinander sowie ihre Verbindung zu komplexen Ein­ heiten, muß erst in der Zeit vollzogen werden; oder wie Kant diesen Prozeß sukzessiver Synthesis in seinen »Axiomen der Anschauung« beschreibt: »Ich kann mir keine Linie, so klein sie auch sei, vorstellen, ohne sie in Gedanken zu ziehen, d.h. von einem Punkte alle Teile nach und nach zu erzeugen und dadurch allererst diese Anschauung zu verzeichnen. «59 Die Einheit einer Erscheinung, die Einheit der Anschauung eines Gegenstandes scheint also selbst bereits ein Zusammengefügtes (compositio)60 zu sein: Was >>gegeben« ist, ist nur der Materie nach den Sinnen gegeben, als die Anschauung eines bestimmbaren Gegenstandes j edoch ist es in Wahrheit >>erzeugt«, ist es Produkt der Synthesisleistung unseres Bewußtseins . Das Haben eines Etwas als Erscheinung setzt somit Trennung, Abgrenzung, den Akt einer Grenzziehung in der Zeit voraus. Wir grenzen aus , indem wir ein Etwas betrachten. Das Nebeneinander der Teile der gegebenen Erschei­ nung, welche als ein Auseinander im Raume vorzustellen ist, muß darum aus dem Nacheinander schrittweiser Apprehension allererst entstehen. Und wenn zugleich davon ausgegangen wird, daß durch unsere Sinne allein der Stoff zu einer möglichen Erfahrung, nicht aber die Formen der Erfahrung selbst gegeben sein können, so müssen bereits die elementarsten Funktio­ nen unserer Wahrnehmung auf der Spontaneität unserer Einbildungskraft beruhen, welche a) von den Sinnen den Stoff und b) vom Verstande die Kategorien erhält, unter denen die sinnlichen Daten als Gegenstände der Erfahrung allererst identifiziert werden können.61 Beruht nämlich selbst die

59 Vgl. Kant, KrV, A 1 62/ 1 63 B 203 (Hervorheb.von mir); vgl. auch ebd., A 1 02; B 1 37/3 8; B 1 56. 60 Vgl. ebd., A 1 62 f. B 202 f. Zum B egriff der Verbindung entweder als Zusammenset­ zung (compositio) oder als Verknüpfung (nexus) vgl. ebd., Anm.: B 20 1 . 61 Etwas als einen Gegenstand zu erkennen, macht im Sinne Kants dann die Kategorien erforderlich. Denn so erläutert Kant im Abschnitt »Übergang zur transzendentalen De­ duktion Kategorien« der KrV (A 92 B 1 24.): » [ . . . ] , so ist doch die Vorstellung in Anse-

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Erster Teil Das Denken des Etwas ·

Wahrnehmung räumlich gegebener Größen auf einem Akt sukzessiver Syn­ thesis, so ist bereits das den Sinnen Gegebene, identifizierbare Etwas ein Zeugnis unserer Einbildungskraft; denn eine Aktivität unseres B ewußtseins ist gefordert, gegebene Eindrücke spontan zusammenzufügen und zur Ein­ heit einer ausgedehnten Größe zu verbinden, wenn aus dem sinnlichen Sub­ strat ein identifizierbarer Gegenstand für ein wahrnehmendes B ewußtsein werden sollY So ist im B egriff der Wahrnehmung stets ein Akt der Auf­ merksamkeit, ein Gerichtetsein unserer Sinne auf eine gegebene Erschei­ nung eingeschlossen.63 Und es ist vermittels der Einbildungskraft, daß unser innerer Sinn auf räumlich ausgedehnte Größen bezogen ist, durch welche er dann ein B eharrliches, ein Substrat, erhält, das als ein obj ektiv Gegebenes im Nacheinander synthetisierender Akte als die »Einheit einer Anschau­ ungSachheit« Aus diesem Grunde spricht Kant auch von der transzendentalen Materie als derj enigen >>Sachheit«, durch welche unsere Sinne affiziert werden, wenn von der Erscheinung als dem noch unbestimmten Gegenstand der Erfah­ rung die Rede ist.69 Mit dem Begriff der Erscheinung ist nämlich stets ein, wenn auch noch nicht bestimmter, so doch bestimmbarer Gegenstand ins Spiel gebracht, der als bloße Erscheinung zum >> Gegenstand überhaupt«, dem transzendentalen Objekt, in einem notwendigen Verhältnis stehen muß, wenn er in seiner Obj ektivität erkannt werden solJ.7° »Alle unsere Vorstellungen werden in der Tat durch den Verstand auf irgend ein Obj ekt bezogen, und da Erscheinung nichts als Vorstellungen sind, so bezieht sie der Verstand auf ein Etwas, als den Gegenstand der sinnlichen Anschauung: aber dieses Etwas ist in so fern nur das transzendentale Obj ekt. Dieses bedeutet aber ein Etwas x , wovon wir gar nichts wissen, noch überhaupt (nach der j etzigen Einrichtung unseres Verstandes) wissen können [ . . ] « .71 Denn als Erscheinung hat er seine Realität nur in der Erfüllung unseres =

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d erum ihren Gegenstand haben, der also von uns nicht mehr angeschaut werden kann, und daher der nichtempirische, d.i. transzendentale Gegenstand X genannt werden mag« vgl.: A 1 09. 68 Vgl. dazu: KrV, A 1 43 B 1 82/3 ; ferner: den zweiten Grundsatz der reinen Verstandesbegriffe: Die Antizipation der Wahrnehmung: ebd., B 207 ff. 69 Vgl. zum Begriff der transzendentalen Materie als der Sachheit: G. Buchdahl, 1 9 9 1 . 7° KrV, A 105. 7 1 Ebd., Anm. A 25 1 . =

Das Haben von Seinsgedanken im Denken des Etwas

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inneren Sinnes , ist er als »realisierte« Gestalt des transzendentalen Obj ekts nur die intensive Größe einer gegebenen Empfindung.72 Darum ist der B e­ griff der Erscheinung j e schon an diesen - noch zu entwickelnden B egriff des » Gegenstandes überhaupt« gebunden, indem er, schematisiert und in den Kontext einer empirischen Erfahrung gebracht, diesen transzendentalen Gegenstand selbst »zur Erscheinung bringt«, ihn »realisiert« .73 Wie vers chwindend klein der sinnliche Eindruck einer Erscheinung auch immer sein mag, er kann niemals, ohne die Empfindung selbst aufzuheben, gen Null gehen. Denn wäre er 0 , so könnte man von einer Wahrneh­ mung, mithin also von einem erscheinenden Gegenstand nicht mehr spre­ chen, da das B ewußtsein dann nichts mehr hätte, worauf es in seiner Er­ fahrung bezogen wäre. Und da von Erscheinung zu sprechen nur sinnvoll ist im Hinblick auf ein wahrnehmendes Wesen, dem die Erscheinung eines Gegenstandes durch eine Affektion seiner Sinne zugänglich ist, so kann für unsere Wahrnehmung zugleich gelten, daß mit der Aufhebung der Realität der Erscheinung, mithin also der Negation aller Wahrnehmung, deren Grad dann Null wäre, der gegebene Körper selbst aufgehoben ist. Denn zählt man nach dem Grundsatz aller synthetischen Erkenntnisse die subj ektiven B edingungen aller Wahrnehmung zum B egriff der Erscheinung selbst hin­ zu/4 so muß ein Mangel an Empfindung als die Negation der Realität einer gegebenen Erscheinung selbst aufgefaßt werden.75 Analog formuliert Kant diesen Sachverhalt für das Verhältnis des denkenden Subj ekts in seinem Verhältnis zur Körperwelt so: >>Denn weit gefehlt, daß nachdem man die M aterie wegnähme, dadurch alles Denken und selbst die Existenz denken­ der Wesen aufgehoben würde, so wird vielmehr klar gezeigt: daß, wenn ich das denkende Subj ekt wegnähme, die ganze Körperwelt wegfallen muß, als die nichts ist, als die Erscheinung in der Sinnlichkeit unseres Subj ekts und eine Art der Vorstellung desselben«.76 -

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Vgl. zu der aus diesem Gedanken folgenden lneinssetzung von Ding (in einer empi­ rischen Erfahrung) und Erscheinung eines gegebenen Gegenstandes: E. Husserl, Ding und Raum, S. 1 45 . 73 Zum Verhältnis von Reduktion und Realisation: vgl. Buchdahl, 1 99 1 ; ders., 1 9 8 1 ; ders., 1 984a; ders., 1 9 8 1 . 7 4 KrV, A 346/347 B 405. 75 Ebd., A 2 7 B 43: »Weil wir die besonderen B edingungen der Sinnlichkeit nicht zu den B edingungen der Möglichkeit der Sachen, sondern nur ihrer Erscheinungen machen kön­ nen, so können wir wohl sagen, daß der Raum alle Dinge befasse, die uns äußerlich erscheinen mögen, aber nicht alle Dinge an sich selbst, sie mögen nun angeschaut werden oder nicht, oder auch, von welchem Subjekt man wolle.« 76 Ebd., A 3 8 3 . 72

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Erster Teil

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Das Denken des Etwas

So kann das Qualitative in einer empirischen Erfahrung nun, insofern es nicht bloß die Qualität des Formalen in Raum und Zeit, sondern die Qua­ lität der gegebenen Empfindung in einer empirischen Erfahrung betrifft, als die transzendentale Materie, als das materielle Substrat der Erscheinung bestimmt werden.77 Das Stoffliche der Erscheinungen gilt im Akt der An­ schauung als das Gegebene, als jener Sinnesreiz, der durch die anschauende Tätigkeit des Subj ekts zur Einheit einer räumlichen Erscheinung gefügt werden soll. Als Material unserer Empfindungen ist die stoffliche Seite der Erscheinung darum zugleich an empirische B edingungen geknüpft und kann nur in einer solchen Erfahrung gewonnen sein. Nun könnte uns die Materie der Erscheinungen aber nicht als Empfindung gegeben sein, gäbe es nicht zugleich auch ein materielles Substrat dieser Empfindung: wären wir nicht physische Wesen, leibgebundene Organismen, die allein durch diese Eigenschaft B erührung mit gegebener äußerer Materie gewinnen könnten?8 Ohne diese Annahme eines materiellen Substrats unserer Empfindungen wäre selbst die Rede von der Affektion unserer Sinne, wie sie nach Kant das passive Vermögen der Rezeptivität in der Anschauung bestimmt, ohne Sinn. Und da eine Empfindung allein durch mögliche Sinnesreize veranlaßt wer­ den kann, läßt sich die Materie der gegebenen Erscheinung auch als das Vgl. ebd, A 19 B 34: In der Erfahrung wird das, was der Empfindung korrespondiert: Materie genannt; sie ist nur aposteriori gegeben (ebd., A 20 B 34). Die Empfindung als Materie der Anschauung bezeichnet das, »was da macht, daß die Erkenntnis a posteriori, d.i. empirische Anschauung heißt. « (ebd., A 42 B 60) vgl. zum B egriff der transzenden­ talen Materie: ebd., A 574 B 602: Er bezeichnet ein Etwas, » dessen B egriff an sich selbst schon ein Sein ausdrückt, und daher Realität (Sachheit) genannt wird, weil durch sie allein , und so weit sie reichet, Gegenstände Etwas (Dinge) sind, [ . . . ]«. ferner: ebd., A 1 43 B 1 82 : Kant nennt das, was an den Gegenständen, als Erscheinungen, >>der Empfindung entspricht, die transzendentale Materie aller Gegenstände, als Dinge an sich (die Sachheit, Realität)« derselben. Dieser kann in einer transzendentalen Analyse nicht vorgegriffen werden, »weil es befremdlich scheint, der Erfahrung in demjenigen vorzugreifen, was gerade die Materie derselben angehet, [ . . . ]« (ebd., A 1 67 B 209). 78 Auch wenn Kant erst im Opus postumum den Organismusgedanken als sinnliches Substrat unserer Anschauungen explizit thematisiert, (er kann zwar nicht bewiesen wer­ den, ist aber doch ein unhintergehbares »Faktum« , Kant, Opus postumum XXII, S. 4 8 1 ) , so muß er bereits auf der Ebene der »Transzendentalen Ästhetik« der KrV mitgedacht werden: Denn, was Empfindung genannt wird, läßt sich auch dort nur auf der B asis der Annahme leibgebundener Organismen vorstellen. Auf das auch im Opus postumum dun­ kel gebliebene Verhältnis von » innerem Sinn« zum physischen Substrat des O rganismus verweist P. B aumanns, 1 9 8 1 , S. 1 0 1 . Auf die seit Descartes vorherrschende Schwierigkeit, den Begriff des lebendigen Organismus als »Mittelbegriff« zwischen der res extensa und der res cogitans zu denken, verweist Robert Spaemann: ders., 1 9 87, S. 3 73-3 83. hier: s. 3 74 ff. 77

Das Haben von Seinsgedanken im Denken des Etwas

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Korrelat dieser Empfindung bestimmen. Und selbst wenn d i e Affektion unserer Sinne dann im Lichte der Anschauung oder Wahrnehmung einer Sache bloß als eine »Selbstwahrnehmung« aufgefaßt werden kann, insofern wir das im Erleben Gegebene bereits auf ein Angeeignetes beziehen, s o bleiben d e r Reiz wie d i e Reaktion gleichwohl a n ein materielles Substrat gebunden, das als Materie einer gegebenen Erscheinung die j eweilige Emp­ findung ganz unmittelbar bewirkt.79

4.

Transzendentale Idealität des Raumes und der Zeit

a) Apriorizität der Raumvorstellung: Notwendige vs. kompara­ tive Allgemeinheit Den j eweiligen Reiz auf ein Äußeres zu beziehen, das von uns s elbst im Raume verschieden ist, kann dann aber nicht erst das Resultat einer nach­ träglich geleisteten Vermittlung sein, da alle Raumwahrnehmung eine solche Vorstellung »neben- und außereinander« im Raume befindlicher Gegen­ stände bereits zur Voraussetzung hat.80 Dieses unvermittelte Außer-sich­ setzen des Gegebenen in der Anschauung kann somit der Empfindung, der Materie zu dieser Anschauung, nicht entstammen. Denn da die Empfindung von der Weise, in der sie geordnet und »in gewisse Form gestellt«81 wird, zu unterscheiden ist, insofern sie als >bloße EmpfänglichkeitRealität der Außenwelt< im Sinne Berkeleys wie der ihm folgenden empiristischen Position des »esse est per­ cipi« ungewiß, da dem Bezug auf unabhängig von uns im Raume befindliEbd., A 1 29. Vgl. dazu ebd., B 67/6 8: »Nun ist das, was, als Vorstellung, vor aller Handlung, irgend etwas zu denken, vorhergehen kann, die Anschauung, welche, da sie nichts vorstellt, außer so fern etwas im Gemüte gesetzt wird, nichts anders sein kann, als die Art, wie das Gemüt durch eigene Tätigkeit, nämlich dieses Setzen ihrer Vorstellung, mithin durch sich selbst affiziert, wird, d.i. ein innerer Sinn seiner Form nach.« 97 W. Cramer, 2 1 965, S. 60. 9 8 KrV, A 2 7 B 43: »Wenn wir die Einschränkung eines Urteils zum B egriff des Subjekts hinzufügen, so gilt das Urteil alsdenn unbedingt. Der Satz: Alle Dinge sind nebeneinander im Raum, gilt unter der Einschränkung, wenn diese Dinge als Gegenstände unserer s inn­ lichen Anschauung genommen werden. Füge ich hier die B edingung zum B egriffe und sage: Alle Dinge, als äußere Erscheinungen, sind nebeneinander im Raum, so gilt diese Regel allgemein und ohne Einschränkung. Unsere Erörterungen lehren d emnach die R e a l i t ä t (d.i. die objektive Gültigkeit) des Raumes in Ansehung alles dessen, was äu­ ßerlich als Gegenstand uns vorkommen kann, aber zugleich die I d e a I i t ä t des Raumes in Ansehung der Dinge, wenn sie durch die Vernunft an sich s elbst erwogen werden, [ . . . ] « . vgl. auch: ebd., A 3 5 B 52. 95 96

Erster Teil Das Denken des Etwas

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ehe Gegenstände keine Gewißheit zukommen könnte, wenn selbst die Vor­ stellung des Raumes noch >>von äußeren Erfahrungen abgezogen«99 werden müßte.100 Auf der Basis der apriorischen Geltung der Anschauungsform des Raumes ist das sinnlich Gegebene als ein Äußeres im Raume darum nur vorstellbar, wenn das Vermögen der räumlichen Anschauung, der Anschau­ ung von raum-zeitlich-Gegebenem, einen unvermittelten B ezug gegebener Reize auf äußere Gegenstände der Erfahrung erlaubt. Denn gegebene Emp­ findungen liefern bloß den Stoff zu einer möglichen empirischen Anschau­ ung und sind darum subjektiv kontingent; die lneinsbildung von sinnlichem Material der Empfindung und räumlich situierbarer Erscheinung kann dann allein durch die apriorische Form des äußeren Sinnes ebenso unvermittelt wie unmittelbar gewiß geleistet werden. Die Konsequenz der Annahme absoluter Größen von Raum und Zeit läge nach Kant in der Schwierigkeit eines j eden transzendentalen Realismus, auf das Dasein äußerer Gegenstände als der Ursache zu gegebenen Wahr­ nehmungen zu schließen. Ein solcher Schluß bleibe ungewiß, da zu einer gegebenen Wirkung eine Vielzahl möglicher Ursachen denkbar wäre. Ein grundsätzlicher Zweifel an der Realität der Außenwelt wäre somit nicht nur berechtigt, s ondern auch konsequent.101 Und da zudem eine j ede Unter­ scheidung zwischen Schein und Erscheinung verloren wäre, könnte selbst unser Vermögen apriorischer Konstruktionen in Raum und Zeit nicht mehr begreiflich gemacht werden. Die apriorischen Wissenschaften des Raumes und der Zeit jedoch sind im Rahmen einer transzendentalen Theorie der Erfahrung eben das >Faktum unseres VerstandesTimaiosPhysikEnneade III,7< z u Kants Primat des Zeit- vor dem Raumschematismus führt." 1 Während der äußere Sinn allein auf räumliche Erscheinungen bezogen ist, indem er als B edingung von Grenze die Erscheinung aller extensiven Größen möglich macht, so ist die B edingung des Nacheinander in der Zeit nicht allein der Grund möglicher extensionaler Größen im Außereinander des Raumes: Denn im Nacheinander der Zeit existieren alle Erscheinungen, »sie mögen nun äußere Dinge zum Gegenstande haben, oder nicht « . 1 12 So ist die Zeit eine »Bedingung a priori von aller Erscheinungen überhaupt, und zwar die unmittelbare Bedingung der inneren {unserer Seelen) und eben dadurch mittelbar auch der äußeren Erscheinungen. Wenn ich a priori sagen kann: alle äußere Erscheinungen sind im Raume, und nach den Ver­ hältnissen des Raumes a priori bestimmt, so kann ich aus dem Prinzip des inneren Sinnes ganz allgemein sagen: alle Erscheinungen überhaupt, d.i. alle Gegenstände der Sinne, sind in der Zeit, und stehen notwendiger Weise in Verhältnissen der Zeit. « 1 1 3 Wenn n u n aber d i e Anschauungsformen i n dieser Weise einander aus­ schließende Funktionen erfüllen, indem die Extension gegebener Erschei­ nungen nur in sukzessiver Apprehension im Nacheinander der Zeit zu einer abgrenzbaren Erscheinung synthetisiert werden kann, so ist der Zeitsinn, abstrahiert man von allem Außereinander des Raumes, allein auf unser In­ neres (unser Selbst oder unsere Seele) gerichtet. Doch verweist die unsinn­ liche Beschaffenheit der formalen Gestalt des inneren Sinnes, wie sie der abstrahierenden Betrachtung als einer bloß eindimensionalen Form des rei­ nen Nacheinander sukzessiver Synthesisakte zugrundeliegt, darauf, daß nur in einem vom Inneren zugleich verschiedenen Äußeren ein Inneres entwe­ der sinnlich - im »Zeitraum« einer ins Unendliche gehenden Linie - oder aber abstrakt - in der notwendigen Folge in einer ins Unendliche gehenden Zahlenreihe - zur Darstellung kommen kann . 1 1 4 - Und während in der isolierten Betrachtung des äußeren Sinnes von allem Zeitlichen abstrahiert

111

KrV, A 1 3 7 B 1 76 ff. - Vgl. zum Wandel i n der B estimmung des Verhältnisses von Raum und Zeitvorstellung innerhalb der KrV von der ersten zur zweiten Auflage: Gloy, 1 987. 112 Vgl. ebd., A 3 4 B 50. m Vgl. ebd., A 3 4 B 5 1 . 114 Mit B ezug auf diese Vorstellung einer ins Unendliche gehenden Zahlenreihe, durch die die Zeit symbolisch repräsentierbar ist, wird zugleich auch der Stellenwert des B egriffs der Zahl sichtbar: Was eine Zahl sei, erschließt sich somit auf metamathematischem G runde im Horizont einer Theorie des Denkens und speziell einer Theorie der Zeit.

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Erster Teil Das Denken des Etwas ·

wird und darum auch nur die Dimensionen in Betracht kommen, die es uns überhaupt ermöglichen, von der Anschauung einer räumlichen Größe zu sprechen, so hat der Raum als apriorische Bedingung, Gegebenes als Ne­ beneinander im Raume wahrzunehmen - in der Abstraktion von der Zeit -, nur drei Dimensionen, so wie die Zeit in dieser isolierenden B etrachtung nur die Eine Dimension hat: Alles ist in ihr nur nacheinander, wie im Rau­ me alles nur nebeneinander, d.h. zugleich angetroffen werden kann. So bleibt auch in der kantischen Konzeption der Einheit von Materie und Form, die diesen Ausführungen zugrundeliegt, die Form das Dominante, die >ousia< der Erscheinungen, wodurch Empfindungen allererst zu Emp­ findungen gegebener räumlicher Anschauungen werden. Gleich dem ari­ stotelischen Gedanken der notwendigen Einheit von Stoff und Form gilt aber auch für Kants transzendentale >ÄsthetikZeu­ gen eines B eharrlichen in der Dauer des Zeugens einigen, allumfassenden Raum« lassen sich Per­ spektiven auf andere, umgrenzende Räume eröffnen, so daß ein singuläres, percipierendes Wesen das Ganze zwar nur in j e subj ektiver Perspektive bricht, aufgrund seiner Teilhabe am einigen allumfassenden Raum aber zu­ gleich auch in der Lage ist, die Zentralität seiner bloß subj ektiven Perspek­ tive zu verlassen, um sich auf ein Anderes, von ihm selbst im Raume Ver­ schiedenes hin transzendieren zu können. So verstanden, wäre die Idee der

Fortgang in der construktion einer Große ist entweder endlich oder unendlich. B eydes betrifft nicht die Große eines Dinges, sondern der Messung, und gilt nur von Erschei­ nungen. D a s U n e n d I i c h e ist niemals gegeben, sondern nur die B edingung der Mög­ lichkeit d es progressus in infinitum oder indefinitum.«; vgl. ferner: Refl. 5897 u. 5898 AA XVIII, S. 378. 1 25 Auch bezogen auf die Annahme des Einen Erfahrungsraumes gilt im Sinne Kants, daß wir selbst die Annahme der Vielfalt möglicher Welten nur widerspruchsfrei denken kön­ nen, wenn sich uns das Viele als die Vielfalt innerhalb eines Erfahrungsganzen erhellt: Vo n Vielfalt zu sprechen gelingt nämlich nur, wenn dasj enige benannt werden kann, was sich nur als eine Vielfalt möglicher Welten beschreiben läßt. So stellt sich die Frage nach der Einheit oder Vielheit der Erfahrungswelten nur als ein Spezialfall der allgemeinen Frage nach der B estimmung des Verhältnisses von Einheit und Differenz. B ezüglich dieser An­ nahme der Einen Erfahrung bewährt sich jedoch nach Ernst Cassirer zugleich die B ed eu­ tung der kopernikanischen Wende der kantischen Erkenntniskritik Denn, so erläutert Cassirer diesen Gedanken, » [ . . . ) wir fragen nicht, wie der an sich vorhandene, absolute Weltraum sich in die mannigfachen Raumwelten der verschiedenen vorstellenden Subjekte spaltet; sondern wir suchen umgekehrt die logischen B edingungen dafür festzus etzen, daß der subj ektive Raum, der dem einzelnen zunächst allein gegeben ist, sich zum >obj ektiven< wandelt, daß also, aller individuellen Unterschiede der Vorstellungen ungeachtet, ein ein­ deutiger B egriff der empirischen Wirklichkeit sich ergibt.« (E. Cassirer, 1 974. 687).

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Das Haben von Seinsgedanken im Denken des Etwas

einigen, allumfassenden Größe als ein unendlicher Horizont aufzufassen, in welchem alle singulären Größen als Einschränkungen dieses unendlichen wie unumgrenzbaren Horizonts das Ganze aus je vers chiedener Perspektive »spiegeln«, sich zugleich aber auch auf das Andere in der ihm eigenen Räumlichkeit dezentrieren können. Alles, was für ein wahrnehmendes und erkennendes B ewußtsein in Raum und Zeit existieren kann, muß dann be­ reits unter j enen Grenzbedingungen stehen, welche j edoch ihrerseits nur durch Ausgrenzung all dessen beschrieben werden können, was in ihnen und durch sie möglich werden soll. Denn hätten der Raum und die Zeit als unendliche Horizonte aller raum-zeitlichen Wahrnehmung Teil am Um­ grenzten gegebener räumlicher Erscheinungen, könnten sie nicht B edin­ gung raum-zeitlicher Grenze sein. Und es würde die zenonische Paradoxie vom Raume das Problem des möglichen Selbsteinschlusses des Raumes trefflich beschreiben: >Worin denn, wenn alles im Raume sei, der Raum selbst angetroffen werden könne?< . 126

b) Der Raum als grenzelose B edingung von Grenze; die Zeit als zeitfreies Substrat alles Zeitlichen Damit sich Größen im Raume darum wechselweise begrenzen können, muß der Raum im Sinne Kants - ähnlich der newtonseben Idee des abso­ luten Raumes und der absoluten Zeit, die in den >>Principia mathematica« als >>körperfrei« sowie von physikalischen Prozessen zunächst unabhängig vorgestellt werden, - gegenüber aller Grenze indifferent sein.127 Und auch für die Zeit gilt, was für den Raum bestimmend ist: Als unendlicher Ho­ rizont ist sie subjektive Bedingung der Wahrnehmung von Veränderung überhaupt; zeitliche Einheiten sind stets nur »durch Einschränkungen einer einigen zum Grunde liegenden Zeit möglich« .128

126

Vgl. dazu Kant, Opus postumum XXII, S. 409. Zum Verhältnis der Newtonsehen Physik zu Kants Kritik der reinen Vernunft vgl. M. Flonta, 1 9 8 1 ; ferner: I. Strohmeyer, 1 98 8 . Zur Entwicklung des Zeitbegriffs in der Physik vgl.: Stöckler, 1 9 9 1 ; ferner: C.F.v. Weizsäcker, 1 986. Vgl. ferner auch die Diskus­ sion in J. Audretsch, u. K. Mainzer (Hg.), 1 9 8 8 . Vgl. ferner: E. Scheibe, 1 972 Vgl. ferner: R. Hönigswald, 1 965. In diesem Sinne kann Kant auch im Opus postumum XXI, S. 543, behaupten, daß der Raum s elbst nicht unter die wahrnehmbaren Größen fällt. 128 KrV, A 32 B 48. - Zum Zeitbegriff bei Kant vgl. P. B aumanns, 1 9 8 1 ; ferner: P. Bieri, 1 972.- vgl. ferner: E. Henke, 1 978. 127

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Erster Teil Das Denken d e s E tw as ·

Wenn nun das Außer- und Nebeneinander der ausgedehnten Teile als die nicht-reduzierbare, reine Bestimmung räumlich gegebener Erscheinungen gelten kann, s o muß ein gegebenes Etwas, insofern es einen Raum ausfüllt, zugleich Ausdehnung und Gestalt haben, um von anderen Erscheinungen unterscheidbar zu sein. Das Etwas, auch Körper genannt, wird von Kant durch eben diese beiden Attribute bestimmt: >>So wenn ich von der Vor­ stellung eines Körpers, das, was der Verstand davon denkt, als Substanz, Kraft, Teilbarkeit etc., imgleichen, was davon zur Empfindung gehört, als Undurchdringlichkeit, Härte, Farbe etc. absondere, so bleibt mir aus dieser empirischen Anschauung noch etwas übrig, nämlich Ausdehnung und Ge­ stalt. «129 Der Akt der Synthesis der Teile ist dann ein Akt der Ausgrenzung einer wahrnehmbaren Größe aus der Mannigfaltigkeit gegebener Erschei­ nungen wie der Eingrenzung ihrer Teile ineins : sie umgrenzt einen Raum, sowie sie selbst von anderen Größen im Raume begrenzt wird .1 30 Die Teile einer sinnlich gegebenen Größe sind für die hergestellte Einheit dann in dem Sinne konstitutiv, daß sie zwar v o r aller Erfahrung durch die Sinne gegeben, 131 aber zu einem Aggregat gleichgearteter Teile allererst syn­ thetisch verbunden werden müssen, so daß die derart entstandene extensive Größe als Einheit in der Vielheit aufgefaßt werden kann.132 B eide B egriffe s ind hier komplementär: Die Einheit ist nur durch die Vielheit der Teile, die Teile sind gleichartige Elemente eines Ganzen; Teil und Ganzes bedingen sich wechselseitig.133

1 29

Eine gegebene singuläre Erscheinung nun als eine räumliche Größe von anderen zu unterscheiden, s etzt die Abgrenzung dieser Erscheinung gegen andere in der Appre­ hension ihrer Teile im Nacheinander der Zeit voraus. Kant nennt diesen synthetisierenden Akt in s einer »A-Deduktion« der reinen Verstandesbegriffe die »Apprehension des Man­ nigfaltigen« in der Anschauung. (KrV, A 9 8/99). 1 30 Mit diesem I neins von Wirkung und Gegenwirkung gegebener Kräfte im Raume wird b ereits die Kategorie der Wechselwirkung antizipiert. m Ebd., B 1 45: »Allein von einem Stücke konnte ich im obigen B eweise doch nicht abstrahieren, nämlich davon, daß das Mannigfaltige für die Anschauung noch vor der Synthesis des Verstandes, und unabhängig von ihr, gegeben sein müsse [ . . . ]« 132 Dieser Bestimmung korrespondiert auf der Ebene der reinen Anschauungsformen Kants viertes Raumargument, nach welchem die Anschauungsform des Raumes nicht als O berbegriff aufgefaßt werden könne, welcher die Teile unter sich, sondern vielmehr nur als ein Inbegriff zu verstehen sei, der alle Teile in sich enthält. (Vgl. ebd., A 25 B 39/40). Zum Verhältnis Einheit und Vielheit bezogen auf Anschauung und Begriff vgl. Günther Wohlfahrt, der wie folgt unterscheidet: Anschauung ist Vieles in Einem und nicht Einheit in Vielem. (Ders., 1 980, S. 146 ). 1 33 Und es ist dies das Verhältnis der Teile in einem Organismus, wie Kant in seiner >Kritik der Urteilskraft< zu zeigen versucht: A 288 B 2 9 1 /292: »In einem solchen Produkte

Das Haben von Seinsgedanken im Denken des Etwas 7.

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Die Annahme der transzendentalen Idealität des Raumes als Lösung der antinomischen Raumbeschreibung

In welcher Weise ist nun aber die Annahme >>unendlicher Horizonteun­ endlich gegebener Raum< und >räumlich bestimmte Anschauung< auf der­ selben Ebene gedacht würden.135 Daß allein die Annahme der Idealität der Anschauungsformen von Raum und Zeit die Realität gegebener, umgrenz­ ter und damit von anderen wohl unterschiedener Größen begreiflich ma­ chen kann, kann die folgende Überlegung zeigen: Im Sinne der transzen­ dentalen Idealität des Raumes ist der Raum als B edingung möglicher Gren­ ze selbst nichts von all dem, was er umgrenzen soll. Er ist allumfassender Grund aller räumlichen Einheit, ist alleinigend, gestaltgebende Form des vielfältigen Außer- und Nebeneinander gegebener Erscheinungen. 1 36 Als s olcher ist er zugleich allem j eweils gegebenen Räumlichen eingeschrieben, unendlich teilbar und doch kein Teil eines seiner Teile, in und überseiend zugleich, insofern ein Seiendes stets nur durch Grenze vom Anderen un­ terschieden werden kann und Grenze ein Signum des Endlichen ist. Selbst also grenzelos ist er Bedingung möglicher Grenze. Die Attribute >unend­ lich< und >gegeben< können dem Raum im Sinne einer seiend-überseienden

der Natur wird ein j eder Teil so, wie er nur d u r c h alle übrigen da ist, auch als u m d e r a n d e r n und des Ganzen w i l l e n existierend, d.i. als Werkzeug (Organ) gedacht«. D4 Vgl. zu diesem »Unikum der menschlichen Erkenntnis« , das ganz als » eigentümliches Analogon zur allumfassenden >Idee< im göttlichen Verstande« aufgefaßt werden kann: H. Heimsoeth, 2 1 97 1 , S. 1 1 9. 1 35 Vgl. dazu auch: Kant, Refl. 5903, AA XVIII, S. 379/80: »Da nun ein progressum in infinitum, der gantz gegeben worden, ein Widerspruch ist, so ist ein infinitum mathe­ maticum datum unmoglich, aber ein quantum in infinitum dabile moglich. Daraus folgt aber auch nicht, daß der Raum und Zeit an sich grentzen haben, denn das ist auch un­ moglich, sondern nur, daß sie garnicht Dinge an sich s elbst sind, sondern immer nur die Grentzen haben, wo unsere Gedanken und Vorstellungen stehen bleiben«. D6 Zum Gedanken des Raumes als Inbegriff und nicht Allgemeinbegriff im Sinne der Unterscheidung von Gattungen und Arten vgl. das vierte metaphysische Raumargument: KrV, A 25 B 39/40.

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Erster Teil Das Denken des Etwas ·

Einheit dann zugleich nur zugesprochen werden, wenn seine umgrenzbare, empirisch sinnfällige Erscheinung als von einem Horizont aus ermöglicht vorgestellt werden kann, der selbst an den gegebenen Umgrenzungen kei­ nen Anteil hat.137 Darum können wir auch die beiden kontradiktorisch ent­ gegengesetzten Prädikate dem Raume nur zusprechen, wenn der Raum so betrachtet wird, daß er zwar als unendlicher Horizont unserer subjektiven Anschauungsform die B egrenzung und B estimmung eines Endlichen in ei­ ner empirischen Erfahrung erlaubt, selbst aber nicht mehr unter die er­ s cheinenden Dinge fallen kann. Denn dann erst sind die Bestimmungen des B egrenzten und Endlichen mit der Annahme der Unendlichkeit und Grenzelosigkeit (ganz im Sinne des >apeiron>Jetzt« beraubt, muß dann vielmehr selbst aus einem Prinzip heraus begreif­ lich gemacht werden, das die prinzipielle Einstoffigkeit von Wahrnehmung und Wahrgenommenem zu erklären vermag. Mit der >>externen« Quelle pas­ siver Sinnlichkeit, wie sie durch unseren äußeren Sinn gegeben ist, ist im Sinne Kants der Ort unmittelbarer lneinsbildung benannt, ist dasj enige Na­ delöhr zur Welt der Erscheinungen gefunden, wodurch es gerechtfertigt scheint, den Terminus der >Erscheinung< in neutraler Weise äquivok aufzu­ fassen: als Erscheinung des Gegebenen an sich wie auch für uns gleicherma­ ßen. Subjektive Anschauungsform und Form des Angeschauten im Raume sind dabei dann nicht als zwei getrennte, korrelativ aufeinander bezogene Seiten zu begreifen, die nur äußerlich zueinander in Verbindung treten könn­ ten, sondern sie sind, - in Geometrie und Arithmetik in ihrer >>reinen« Form als Gesetze von Raum und Zeit aufgefaßt, - miteinander identisch: Dem Angeschauten (als Erscheinung) ist die subj ektive Anschauungsform ebenso eingeschrieben, wie die subjektiven Anschauungsformen von den Gesetzen des Raumes und der Zeit bestimmt sind. Und darum gilt Kants Grundsatz aller synthetischen Urteile a priori, nach welchem wir die Bedingungen mög­ licher Erfahrung zugleich auch als die Bedingungen der Gegenstände der Erfahrung auffassen können, 140 bereits auf der Ebene unserer Sinnlichkeit: Der äußere Sinn, mit der gegebenen Wirklichkeit der räumlich ausgedehnten Größen identisch verbunden, kann als der erste Einheitsgrund im Verhältnis von Denken und Sein gelten, so daß Kant von ihm sagen kann: >> [ . . ] der äußere Sinn ist schon an sich Beziehung der Anschauung auf etwas Wirkli­ ches außer mir, und die Realität desselben zum Unterschiede von der Ein­ bildung, beruht nur darauf, daß er mit der inneren Erfahrung selbst, als die Bedingung der Möglichkeit derselben, unzertrennlich verbunden werden .

1 4°

KrV, A 1 5 8 B 1 97.

Das Haben von Seinsgedanken im Denken des Etwas

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[ ] sinnliches Substrat< durch die Affektion unseres passiven Sinnes allem Setzen vorausgesetzt. 143 Nur die Form, als Form unseres inneren wie äußeren Sinnes, muß so notwendig wie allgemein aller Erfahrung zugrundeliegen, damit ein subj ektiv Empfunde­ nes gleichwohl in seiner Obj ektivität und Unabhängigkeit wahrgenommen werden kann. Mit dem Sein des Gegebenen und der Apprehension seiner Mannigfaltigkeit in der Anschauung sind darum in einem ersten Schritt zwei p olar aufeinander bezogene Sphären unserer B ewußtseinstätigkeit ins Spiel gebracht, die nach dem Muster einer Realrepugnanz zwischen entge­ gengesetzt-vereinten Kräfte gegenläufige Bewegungsfiguren zusammenbin­ den: In der Spanne zwischen Attraktion und Repulsion bringen Perzeption und Synthesis als passiv/aktive Vermögen unserer Erkenntnisfunktionen die Wahrnehmung eines Gegebenen hervor. Und nur, weil die Materie zu aller Erfahrung gegeben ist, kann die Aktivität unseres Gemüts das gegebene Material durchlaufen und zur Einheit einer sinnlichen Anschauung zusam­ menfügen. Die sukzessive Apprehension der Teile als die erste Einwirkung

Zur Respinozisierung der nachkantischen Philosophie durch Friedrich Heinrich Ja­ cobis Rückgang auf einen Seinsbegriff, der sich allen B edingungsverhältnissen entzieht und welcher Schellings Gedanken vom »Unvordenklichen« Sein den Weg bereitet (vgl. F.H. Jacobi, WW 4 . 1 , S. 37-1 22), vgl. die Ausführungen über die Bedeutung dieses Seins­ begriffs in der nachkantischen Philosophie mit B lick auf die Philosophie Schellings von M . Frank, 1 99 1 , S. 79 ff. 1 41

Das Haben von Seinsgedanken im Denken des Etwas

51

des Verstandes auf die Sinnlichkeit kann dabei zugleich als die elementarste Stufe aller Gegenstandserkenntnis überhaupt aufgefaßt werden, als der, wie Kant es nennt, transzendentale »Grund der Möglichkeit aller Erkenntnisse überhaupt (nicht bloß der empirischen, sondern auch der reinen a priori) [ . ] « .144 . .

8.

Die Wahrnehmung als ein abhängiges Zeugen des Gegebenen. Fragestellung

a) Subj ektive vs . obj ektive Reproduktion der Erscheinungen in der Zeit Nun muß die rein zeitliche Sukzession in der Apprehension des Mannigfal­ tigen - wie Kant zu zeigen sucht - der räumlichen Ordnung des Gegebenen keineswegs entsprechen: So ist es für die Wahrnehmung eines Hauses etwa gleichgültig, ob in der Wahrnehmung mit dem Dach oder dem unteren Teil begonnen wird.145 Die Umgrenzung im zeitlichen Nacheinander des Hauses kann das Nebeneinander der Teile - und damit ihr Zugleichsein im Raume ­ für die Anschauung hervorbringen, ohne eine zeitlich festgelegte Abfolge in der Apprehension der Teile erforderlich zu machen. Allein die Vollständig­ keit der Teile im Nebeneinander des Raumes ist für den Akt der Appre­ hension bedeutsam; die zeitlichen Apprehensionsschritte sind beliebig. Nicht so j edoch bei zeitlichen Abläufen : In diesem Falle ist es für die Wahrnehmung des Ereignisses selbst konstitutiv, in welcher zeitlichen Fol­ ge das wahrgenommene Obj ekt apprehendiert wird: Ein den Fluß abwärts sich bewegendes Schiff macht einen zeitlichen Ablauf der Apprehension notwendig, der durch die Bewegung des wahrgenommenen Gegenstandes selbst vorgegeben sein muß, so daß die Schrittfolge in der Apprehension des Ereignisses an einen vorgegebenen zeitlichen Ablauf gebunden ist, soll un­ sere Wahrnehmung die Obj ektivität des Ereignisses selbst und nicht bloß die B ewegung unseres inneren Sinnes zum Ausdruck bringen. Da im Falle der Wahrnehmung zeitlicher Ereignisse die Assoziation der Erscheinungen darum nicht beliebig sein kann, wenn die obj ektive Folge des Gegebenen von der subjektiven Assoziation unterschieden werden soll, so muß die Assoziation der zeitlichen Einheiten auf einem obj ektiven Grund beruhen, durch welchen die Assoziation der Zeitschritte apriori geregelt ist.146 Die 1 44

KrV, A 1 02. 145 Ebd., A 1 93 B 237. 1 4 6 Ebd.

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Erster Teil Das Denken des Etwas ·

Obj ektivität in einer zeitlich bestimmten Wahrnehmung kann nämlich nur garantiert werden, wenn die Reihenfolge der wahrgenommenen Erschei­ nungen auch als die Folge der sich wandelnden Gegenstände selbst einge­ sehen werden kann und damit dem B elieben subj ektiver Reproduktion nicht unterworfen ist. So ist die ganze Schwierigkeit eines s olchen Krite­ riums der Unterscheidung zwischen bloß subj ektiver Folge unserer Wahr­ nehmungschritte in der Apprehension der Teile und der Wahrnehmung em­ pirischer Gegenstände » außer uns« durch die Frage bestimmt: »[ . . . ] wie und durch welche Ursache die Vorstellungen unserer Sinnlichkeit s o unter­ einander in Verbindung stehen, daß diej enige, welche wir äußere Anschau­ ungen nennen, nach empirischen Gesetzen, als Gegenstände außer uns, vor­ gestellt werden können [ . . . ] Prädikate in einer offenen Satzform< verbunden ist: Der Nexus zwischen Kategorie und kategorial Bestimmtem, der für Kants tran­ szendentale Analyse leitend ist, wäre durch die Reduktion der Kategorien auf ihren prädikativen Status durchschnitten; die Frage nach Art und An­ zahl der Kategorien in ein Problem der Festlegung von Sprachregeln ver­ wandelt. Daß die Suche nach einem geeigneten Auswahlkriterium für Art und Anzahl der Kategorien dann aber entweder zirkulär oder aber regressiv

1 47

Ebd., A 3 87. »Das, was das Mannigfaltige der sinnlichen Anschauung verknüpftsubjektive Folge« in der Apprehension des Mannigfaltigen von der >>objektiven Folge der Erscheinungen«150 derart unterschieden wer­ den, 151 daß nicht sowohl die objektive aus einer subjektiven als vielmehr umgekehrt, die subjektive Folge aus einer objektiven Folge von Wahrneh­ mungsschritten abgeleitet werden kann. Und es muß eine s olche regel­ geleitete Verknüpfung die Folge der Ereignisse apriori bestimmen können, wenn nicht bloß alle empirische Erkenntnis, sondern die Erkenntnis des Empirischen selbst ungewiß bleiben soll.152 Würde nämlich umgekehrt die objektive Folge der Erscheinungen aus einer gewohnheitsmäßig erfaßten Verknüpfung gegebener Erscheinungen allererst zu erschließen sein, so daß etwa die Form der Verknüpfung von Ursache und Wirkung153 bloß das Resultat häufig vollzogener Synthesisleistungen wäre, so müßte - wie Kant gegen Hume einwendet - selbst die logische Genese einer Zahlenreihe un­ begreiflich bleiben.

1 50

Ebd., A 1 93 B 23 8. Zur Geltung des Grundsatzes der »Zweiten Analogie der Erfahru ng« in Kants KrV, insbesonders bezogen auf die Revision des Kausalitätsprinzips durch die neuere Quan­ tenphysik, vgl. B eck, 1 971 . Beck versucht zu zeigen, daß selbst zur Formulierung des Unbestimmtheitsprinzips der Grundsatz der Analogie der Erfahrung vorausges etzt wer­ den muß und somit die Unerläßlichkeit der zweiten Analogie durch den Erfolg des Un­ b estimmtheitsprinzips nicht beeinträchtigt wird. Zur Differenz von transzendentalem und empirischem Gesetz, welche für das Verständnis des Prinzips der Kausalität von Ursache und Wirkung entscheidend ist, vgl. auch G. Buchdahl, 1 9 8 1 , hier: insb.: S. 1 02 ff. - Einen Versuch, die Unterscheidung von »subjektiver« und »objektiver« Folge in der Appre­ hension der Erscheinungen zu rechtfertigen, unternimmt H. Robinson, 1 9 8 1 . 1 52 Ebd., A 343 B 40 1 . 1 53 Zu der hier bereits antizipierten Kategorie der Kausalität als einer solchen Regel, die bereits in unserer Wahrnehmung wirksam ist, vgl. Kants 3 . Analogie der Erfahrung KrV, A 2 1 1 B 256. 151

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Erster Teil Das Denken des Etwas ·

b) Das transzendentale Prinzip der Affinität als Grund der As­ soziabilität des Mannigfaltigen in einer empirischen Erfah­ rung So müssen die Regeln des Verknüpfens, gleichgültig, ob sie auf Räumliches oder Zeitliches bezogen sind, von den zeitlichen Bedingungen des Ver­ knüpften selbst noch unterschieden werden: Auch wenn die subj ektive Fol­ ge der Wahrnehmungsschritte im Falle räumlich gegebener Erscheinungen beliebig, bezogen auf zeitliche Ereignisse aber unter Regeln steht, so ist der obj ektive Grund des Reproduzierten mit den subj ektiven B edingungen der Reproduktion nicht einerlei: Denn für die Wahrnehmung zeitlicher oder räumlicher Erscheinungen gilt gleichermaßen, daß die Reproduktion des Mannigfaltigen unter solchen Regeln steht, die ein Verknüpfen der Er­ scheinungen in Anschauung und Wahrnehmung allererst möglich machen. Denn A und B als Teile einer räumlichen oder zeitlichen Größe zu ver­ knüpfen, sie als Elemente eines Ganzen zu apprehendieren, kann nicht will­ kürlich geschehen, wenn die Größe einer gegebenen Erscheinung nicht als eine zufällige Komplexion unserer Eindrücke, ein Agglomerat des Vielfäl­ tigen, sondern als raum-zeitliche bestimmte Größe betrachtet werden soll. Würde den Akten der Apprehension darum eine solche Regel fehlen, nach der die Reproduktion der Erscheinungen eine Synthesis der Teile zu Teilen eines Ganzen möglich macht, so könnten wir nicht davon ausgehen, daß das, »was wir denken, eben dasselbe sei, was wir einen Augenblick zuvor dachten«, so daß dann »alle Reproduktion in der Reihe der Vorstellungen vergeblich«154 wäre. Die Regel dieser Verknüpfung, die in der je subj ektiven Wahrnehmung zur Anwendung kommt und welche die Verbindung der Teile allererst erlaubt, nennt Kant die Assoziation des Mannigfaltigen.155 Nur Teile, die auch assoziabel sind, können sich zum Ganzen einer räum­ lichen Größe fügen. Um aber die Assoziabilität der Teile als Grund der Möglichkeit ihrer Verbindung voraussetzen zu können, bedarf es eines tran­ szendentalen Prinzips, das die Möglichkeit ihrer Verbindung einsichtig ma­ chen kann. 1 56 Apriori einsichtig ist ihre Verbindbarkeit nur, wenn die Eie-

Vgl. ebd., A 1 03 . 1 55 Vgl. ebd., A 1 2 1 . 1 5 6 Vgl. zum B egriff der Affinität als der obj ektiven Grundlage der Assoziation der Er­ scheinungen KrV, A 1 1 2 ff.; A 1 22 ff: Die Affinität der Erscheinungen wird als »not­ wendige Folge einer Synthesis in der Einbildungskraft [bestimmt, C.B.], die a priori auf Regeln gegründet ist« (A 1 23) und durch welche die Erfahrung der Gleichförmigkeit gegebener Erscheinungen allererst möglich wird. Innerhalb der »Transzendentalen Dia1 54

Das Haben von Seinsgedanken im Denken des Etwas

55

mente der derart verknüpften Teile auch eine Affinität zueinander haben. In der Affinität der Erscheinungen findet unser reproduktives Vermögen ein transzendentales Prinzip und nur, weil wir mit der Gleichförmigkeit gege­ bener Erscheinungen auch rechnen können - denn ansonsten gäbe es nichts, woran sich das Vermögen der Reproduktion überhaupt bewähren und zur Ausübung gelangen könnte -157, ist empirische Synthesis als gere­ gelte Reproduktion des gegebenen Materials überhaupt möglich. Würde nämlich >>der Zinnober bald rot, bald schwarz, bald leicht, bald schwer sein, ein Mensch bald in diese, bald in j ene tierische Gestalt verändert werden, am längsten Tage bald das Land mit Früchten, bald mit Eis und Schnee bedeckt sein, so könnte meine empirische Einbildungskraft nicht einmal Gelegenheit bekommen, bei der Vorstellung der roten Farbe den schweren Zinnober in die Gedanken zu bekommen, oder würde ein gewisses Wort bald diesem, bald jenem Dinge beigelegt, oder auch eben dasselbe Ding bald so, bald anders benannt, ohne daß hierin eine gewisse Regel, der die Er­ scheinungen schon von selbst unterworfen sind, herrschte, so könnte keine empirische Synthesis der Reproduktion stattfinden« . 158 (Die hier zugrundeliegende Annahme der notwendigen >>Ürdnungsbe­ s chaffenheit der Erfahrung« kann nicht als ein Verweis auf die Eigenschaf­ ten möglicher Dinge an sich selbst, sondern vielmehr nur als das Ergebnis eines Rückschlusses von der Tätigkeit der Reproduktion unserer Einbil­ dungskraft auf einen transzendentalen Grund a priori zu dieser Möglichkeit aufgefaßt werden. Unser Vermögen der Reproduktion könnte nämlich nicht zur Ausübung gelangen, wären die Erscheinungen nicht selbst be­ stimmten Regeln unterworfen, die sie reproduzierbar machten. >> [ . . . ] ohne lektik« wird das Gesetz der Affinität dann für den »kontinuierlichen Übergang der ver­ schiedenen Arten u ntereinander« in Gebrauch genommen. Vgl. ebd., A 657 f. B 685 f. In letzter Konsequenz macht nach Hermann Krings allererst die Idee des >Alls der Realität< die transzendentale Affinität begreiflich. (Vgl. Krings, 1 984, hier: S. 1 0 1 ). Die Verbindung von »Transzendentaler Affinität« und »transzendentaler Zweckmäßigkeit« entfaltet G. Wohlfahrt: 1 9 8 1 . Transzendentale Affinität wird nicht allein als Garant der Angemessen­ heit der Erscheinungen an die Kategorien, sondern auch als Voraussetzung der Vernunft für die Bestimmung der Erscheinungen nach den Gesetzen des Verstandes aufgefaßt. »Die Verstandesbestimmung durch die distributive, synthetische Einheit der Apperzeption ist nur respektive der kollektiven, systematischen Einheit der Vernunft möglich. « (S. 3 1 9). So kann es ohne Vernunftregulation keine Verstandesbestimmungen geben, wodurch ein er­ ster Hinweis auf die notwendige Einheit von KrV und KU gegeben ist. Zum B egriff der Affinität vgl. ferner: H. Krings, 1 984, S. 99 (der Erscheinungen) u. S. 101 (Affinität auf­ grund der Idee des Alls der Realität); ferner: K. Gloy, 1 976, S. 44. 1 57 Vgl. ebd., A 1 00. 1 58 Vgl. ebd., A 1 00/1 0 1 .

Erster Teil Das Denken des Etwas

56

·

das würde unsere empirische Einbildungskraft niemals etwas ihrem Ver­ mögen Gemäßes zu tun bekommen, also wie ein totes und uns selbst un­ bekanntes Vermögen im Inneren des Gemüts verborgen bleiben . « 1 59 So sind es die im folgenden Kapitel untersuchten Einheitsfunktionen des Verstan­ des, die Kategorien, die als Gründe der Affinität des Mannigfaltigen die Einheit des wahrgenommenen und gedachten Gegenstandes beschreiben s ollen. Leitend ist dabei die Frage, in welcher Hinsicht die apriorischen Verstandesformen aus noch ungeordnetem Material die Bestimmtheit iden­ tifizierbarer und unterscheidbarer Gegenstände machen und auf diese Wei­ se ein Verstehen des Gegebenen s o wie die Ideen ein Begreifen dieser Er­ s cheinungen erreichen können.) Die Annahme der Affinität der Erscheinungen als der obj ektive Grund der Assoziation der Teile stellt neben den apriorischen Formen des Raumes und der Zeit, der a priori wirksamen Synthesis von Apprehension und Reproduk­ tion, nun einen weiteren Hinweis auf eine apriorische Basis der Erfahrungs­ erkenntnis dar, doch bleibt bezogen auf die unterstellte >>durchgängige Affi­ nität der Erscheinungen« zunächst die Frage: Wie man sich denn diesen ob­ jektiven Grund aller Assoziation, »dadurch sie unter beständigen Gesetzen stehen und darunter gehören müssen«160 begreiflich machen will ?

9.

Auf dem Weg zur Kategorie: Die Gleichartigkeit der Teile als Voraussetzung ihrer Reproduktion im Gedächtnis

Wird im zeitlichen Nacheinander das Nebeneinander der gegebenen Er­ scheinung für den inneren Sinn gezeugt, so ergäbe dieser Prozeß nicht das Bild einer Erscheinung, wenn dem B ewußtsein stets im späteren Moment verloren wäre, was es zuvor wahrgenommen hat. Es muß also nicht allein das Mannigfaltige der gegebenen Erscheinung durchlaufen, s ondern im Akt des Zusammenfügens auch die Elemente des Geschauten reproduzieren, d.h. im Gedächtnis bewahren können.161 Sie im Gedächtnis zu bewahren, um sie als Elemente zu einem Ganzen zu fügen, heißt aber, die Momente als Momente Einer Erscheinung zusammenzufügen. Es muß die Gleichartig­ keit der gegebenen Teile darum vorausges etzt werden, damit sie in der Zeit durchlaufen, reproduziert und zur Einen Anschauung zusammengesetzt werden können. Gleichartig sind die Teile aber nur im Hinblick auf ein 1 59

1 60 1 61

Ebd., A 1 00. Ebd., A 1 1 3. Vgl. dazu, ebd., A 1 00 f.

Das Haben von Seinsgedanken im Denken des Etwas

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gegebenes Ganzes, das als diese Eine Anschauung wahrgenommen werden kann. Wenn den Sinnen allein ein verstreutes Mannigfaltiges gegeben ist, s o kann d a s Durchlaufen und Zusammenfügen sowie d i e Reproduktion des Durchlaufenen darum nur zur Einen Erscheinung gefügt werden, wenn im Übergang vom Einen zum Anderen ein Identisches vorausgesetzt wird, des ­ sen Teile zum Gesamt einer gegebenen Erscheinung synthetisiert werden. In der sukzessiven Apprehension der Teile sowie ihrer Reproduktion durch das Gedächtnis ist darum bereits ein Einheitssinn vorausgesetzt, der Glei­ ches zu Gleichem, die Teile zum Ganzen einer Erscheinung fügt. Es wäre nicht Eine räumliche Gestalt, wären die Teile nicht Teile von derselben Art. Durch die Annahme der Identität im Verschiedenen kann s omit zunächst die Gleichartigkeit und mit dieser dann auch die Affinität der Teile begreif­ lich werden. Daß diese Einheit einer räumlichen Erscheinung wahrgenom­ men und in der Zeit apprehendiert werden kann, beruht s omit auf einem Grund möglicher Einheit, der der Affektion der Sinne selbst nicht entstam­ men kann. Denn wäre er mit oder in unseren Empfindungen bereits gege­ ben, so wäre unser B ewußtsein abbildend; die Genese des B ildes im Be­ wußtsein müßte unbegreiflich blieben. Die Affektion der Sinne kann j edoch nicht nach dem Bild eines Strahls vorgestellt werden, durch welchen sich ein gegebener Gegenstand den Sinnen von selbst ergäbe. So verstanden, müßte das Gegebene dem Erleben transzendent sein. Zwar mögen äußere Realitäten dem Erleben transzendent sein, » aber gewiß nicht das im Sin­ neseindruck Gegebene«, 162 da dieses nur durch unser Erleben dem B ewußt­ sein gegeben ist. Als je schon Erlebtes existiert es für uns nur in und durch diesen Sinneseindruck. Darum muß es durch das Erleben allererst gezeugt worden sein und kann als Gegebenes nicht unabhängig vom Erleben vor­ gestellt werden. Und so kann die Vorstellung von Einheit, die allen Syn­ thesisfunktionen zugrundeliegt, auch nicht das Produkt der verknüpfenden und verbindenden Verstandesfunktionen sein; denn wäre sie erst aus sol­ chen Aktivitäten gewonnen, das Bild einer einheitlichen Größe in einer j eweiligen Wahrnehmung müßte unbegreiflich bleiben.

a) Das Wahrgenommene als Produkt des Hervorgangs aus einem Inneren Wird nun A im Gedächtnis bewahrt, wenn zu B übergegangen wird, und werden noch weitere Teile eines Gegebenen durchlaufen und als gegebene 1 62

Vgl. W. Cramer, 2 1 96 5 Teil II. Vom Erleben, S. 28 ff.

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Erster Teil D a s Denken des Etwas ·

Größe im Raume in wahrnehmender Tätigkeit erzeugt, so ist das Ganze einer empirischen Anschauung nur hergestellt, wenn das Bewußtsein im Prozeß des Durchlaufens und Reproduzierens Äußerliches verinnerlicht hat und in der Einheit des erscheinenden Gegenstandes zum Ausgang seiner Tätigkeit zurückgekehrt ist. Erst das Zusammennehmen des zuvor Ver­ knüpften zur Größe einer empirischen Anschauung vollendet nämlich die­ sen Prozeß: Es ist dies ein Prozeß des Hervorgangs aus dem Inneren durch die Aufmerksamkeit auf ein Gegebenes sowie damit einhergehend ein Rück­ gang ins Innere des wahrnehmenden Bewußtseins: Denn was als das Heraus­ gehen aus dem Inneren des Bewußtseins erscheint, zeigt sich bei näherem Betrachten als Akt der Verinnerlichung des Gegebenen. Und erst in der Voll­ endung des Prozesses durch die Einheit einer räumlichen Größe in der fi­ gürlichen Gestalt einer »synthesis speciosa« 163 oder aber im Begriff der ge­ gebenen Erscheinung ist das Bewußtsein zu seinem Ausgangspunkt zurück­ gekehrt. Lassen sich also Wahrnehmen und Wahrgenommenes durch ein Drittes, die sinnlich gegebene Erscheinung im Raume ineinsbilden, so daß zwischen der Tätigkeit des Wahrnehmens (S-E) und ihrem Gegenstand, dem Wahrgenommenen (E-0), der •lndifferenzpunkt< der Erscheinung vermittelt, so kann die Wahrnehmung als Struktur einer Trias aus Tätigkeit, Gegenstand der Tätigkeit sowie dem beide vermittelnden Ursprung, dem auftreffenden Sinnesreiz einer empirischen Anschauung, beschrieben werden. 1 64

b) Die Wahrnehmung im Bilde des Kreises : Veräußerung eines Inneren durch Verinnerlichung eines Äußeren Die im Resultat hergestellte Einheit des Mannigfaltigen der Anschauung in figürlicher oder begrifflicher Gestalt kann nun im Bild eines Kreises als die Rückkehr zum Ausgangspunkt der Wahrnehmung vorgestellt werden: 1 65 1 63 1 64

KrV, B 1 5 1 . W . Cramer, 2 1 965, S . 60. 1 65 Begreift man mit Kant die Entfaltung eines systematischen Ganzen in der Selbster­ kenntnis der Vernunft als die »Vollendung ihres Kreises«, in welchem allein sie Ruhe finden kann, (KrV, A 797 B 825), so wird mit der Herstellung eines Ganzen in einer empirischen Anschauung ein erster Kreis geschlossen. Der Rückgang in den Grund der Einheit von Denken und Sein kann dann als ein Kreis aus Kreisen aufgefaßt werden, der sich in der genannten systematischen Einheit aller Vernunftbegriffe untereinander vollen­ det. Vgl. zum Bild des Kreises bezogen auf die Zusammensetzung der Teile zu einem Ganzen durch die Synthesisakte von Einbildungskraft und Verstand auch: Kaulbach, 1 9 8 1 , 1 3 1 /32. Vgl. zur Kreisbewegung in der B eschreibung der Wechs elwirkung der Teile

Das Haben von Seinsgedanken im Denken des Etwas

59

Der Prozeß der lneinssetzung der zuvor nur diffus erlebten Mannigfaltig­ keit zur Einen empirischen Anschauung ist allein durch s olche Einheits­ funktionen zu beschreiben, »welche selbst den Verstand und, durch diesen, alle Erfahrung, als ein empirisches Produkt des Verstandes möglich ma­ chen Wiedererkenntnis< der apprehendierten und reproduzierten Teile durch einen B egriff beschrieben werden. 1 68 Spiegelbildlich zu diesem Prozeß, der allererst in der als be­ stimmt gedachten Mannigfaltigkeit vollendet ist, vollzieht auch die Refle­ xion auf den Grund der Möglichkeit der genannten B ewußtseinsstufen die B ewegung eines Kreises: Sucht sie allein zu bestimmen, was wir je schon vollzogen haben, so wird sie allein solche B estimmungen hervorbringen, die in j enem Akt, wenn auch unbewußt und verborgen, bereits in Gebrauch genommen sind. Als analytische Tätigkeit macht sie sich, was bereits ver­ einigt ist, zum Gegenstand der B etrachtung; nun j edoch in einem umge­ kehrten Wegesinn; bereits Angeeignetes und Hervorgebrachtes wird im B e­ wußtsein erneut durchschritten, um in diesem a) die Regeln aufzufinden, denen es je schon gefolgt ist, und b) auch das Prinzip zu benennen, aus dem heraus diese Regeln ihrerseits begreiflich gemacht werden können. Und so wie sich unsere wahrnehmende Tätigkeit dann als Ergebnis der Veräußer­ lichung eines Inneren sowie als Verinnerlichung dieses Äußeren1 69 erschließt, in einem organischen Ganzen in Schellings » Würzburger System«: M. Frank, » I dentität und Subj ektivität«, in: M. Frank, 1 99 1 , hier: S. 1 05 ff. 166 KrV, A 97/9 8 . 1 67 Ebd., B 1 1 1 : »So ist die Allheit (Totalität) nichts anders als die Vielheit als Einheit b etrachtet, [ . . . ] « . 168 In diesem Sinne ist die Idee der Erkenntnis als einer Wiedererkenntnis dem p latoni­ schen Anamnesis-Gedanken verwandt, da, wie zu zeigen ist, die apprehendierten Teile auch nur unter der Voraussetzung eines bereits in der Anschauung wirkenden Einheits­ sinnes zur Einen Anschauung synthetisiert werden können. 1 69 Diese Figur der Rückkehr in den Grund der bereits vollzogenen Verknüpfungslei-

Erster Teil Das Denken des Etwas

60

·

so läßt sich auch der regressiv-analytische Reflexionsgang als Hervorgang aus einem Inneren s owie als Verinnerlichung eines Äußeren beschreiben. 1 70 Transzendenzbewußtsein ist darum nicht allein auf Wahrnehmung und Er­ kenntnis der erscheinenden Welt, sondern auf das Wahrnehmen und Erken­ nen selbst bezogen.

II. Das Etwas als Gegenstand des Denkens 1.

»Die Kategorie der Synthesis des Gleichartigen in einer Anschauung überhaupt«

Ist die Anschauung einer gegebenen Größe somit stets an einen intentio­ nalen Akt der Aufmerksamkeit auf dieses Gegebene gebunden, so daß in der Apprehens ion und Reproduktion der Teile bereits die Einheit einer Anschauung hergestellt ist, so kann selbst die Anschauung eines Gegebe­ nen, eines Etwas, nicht mehr »blinde Anschauung« sein. Vielmehr kann von Anschauung eines Gegenstandes nur gesprochen werden, wenn wir in ihr ein umgrenzbares Etwas sehen, das außer uns und von uns zugleich ver­ s chieden ist. Die Wahrnehmung der Größe einer gegebenen Erscheinung ist somit selbst wiederum nur auf der Basis einer Vorstellung von Einheit mög­ lich, durch welche die Teile als gleichartige Teile (Affinität des Mannigfal­ tigen) in Einer Anschauung zusammengefügt werden. Um also ein gege­ benes Mannigfaltiges als Größe einer gegebenen Erscheinung zu identifi­ zieren, muß in der Wahrnehmung bereits die Kategorie des >> Gleichartigen in einer Anschauung überhaupt«, 171 die Kategorie der Größe, zugrundelie­ gen. Und nur darum kann Kant sagen, daß der Apprehension des Mannig­ faltigen in einer Wahrnehmung »die n o t w e n d i g e E i n h e i t des Raumes « zugrundeliegt, und es eben dieselbe synthetische Einheit ist, die, abstrahiert man von der Form des Raumes, >>im Verstande ihren Sitz [hat, C . B .] , und

s tungen ist für den gesamten Gang der philosophischen Reflexion von Platon bis Hege! leitend gewesen; auf die Struktur der philosophischen Reflexion selbst bezogen, erreicht sie eine B eschreibung der Entfaltung der Einheit von Denken und Sein: Philosophische Reflexion wäre demnach die Entfaltung des Seins in einem umgekehrten Wegesinn. vgl. zu diesem Gedanken auch: Henrich, 1 9 88c. 1 70 Vgl. dazu W. Cramer, 2 1 965, S. 1 9. 171 Vgl. KrV, B 1 62. Vgl. zum B egriff der Gleichartigkeit ferner: Kam, Refl . 5 847, AA XVIII, S. 368. : »Ein j edes Quantum ist ein compositum, [welches] dessen Theile alle in ihm gleichartig sind, [ . . . ] « .

Das Haben von Seinsgedanken im Denken des Etwas

61

[ . . . ] die Kategorie der Synthesis des Gleichartigen i n einer Anschauung überhaupt, d.h. die Kategorie der G r ö ß e [ist] , welcher also j ene Synthesis der Apprehension, d.i. die Wahrnehmung, durchaus gemäß sein muß.1 72 Kants Antwort auf die Frage nach dem Grund der Affinität der Er­ s cheinungen macht darum die Annahme solcher Verstandesformen notwen­ dig, durch welche Gegenstände überhaupt denkbar werden. Denn auch wenn die Erscheinungen die »einzigen Gegenstände« sind, »die uns unmit­ telbar gegeben werden können«, so sind diese aber selbst wiederum nichts anderes als mögliche Vorstellungen der Gegenstände, welche ihrerseits auf Gegenstände verweisen, die dann jedoch nicht mehr angeschaut werden können. 173 Darum kann die gesuchte Einheit der wahrgenommenen Gegen­

stände nur durch die Einheit unter unseren Vorstellungen bezogen auf diese Gegenstände ermöglicht sein174 Denn außer der regelgeleiteten Verknüpfung und Ordnung unserer Vorstellungen haben wir nichts, worauf wir die Ein­ heit des wahrgenommenen und dann auch gedachten Gegenstandes grün­ den könnten. Vielmehr muß diese Ordnung selbst die Einheit der wahr­ genommenen Gegenstände in unserem B ewußtsein allererst ermöglichen können. Dies jedoch gelingt nur, wenn a) die Affinität der Erscheinungen als Grund der möglichen Assoziation und b) solche Regeln der Einheit die Übereinstimmung unserer Vorstellungen untereinander garantieren können, die als apriorische Formen des Verstandes >> Gegenstände überhaupt« denk­ bar machen. Sind nun Raum und Zeit nicht bloß Formen unserer Anschauung, son­ dern Formen des Angeschauten selbst, so ist die Anschauung eines Räum­ lichen, diesen Formen gemäß, die Zusammenfügung gleichartiger Eindrük­ ke zur Größe gegebener Erscheinungen. 1 75 Und da eine empirische Größe

1 72

KrV, B 1 62. m Vgl. ebd., A 1 09. 1 74 Vgl. dazu: ebd., A 1 08: »Also ist das ursprü ngliche und notwendige B ewußtsein der Identität seiner selbst zugleich ein B ewußtsein einer eben so notwendigen Einheit der Synthesis aller Erscheinungen nach Begriffen, d.i. nach Regeln, die sie nicht allein not­ wendig reproduzibel machen, sondern dadurch auch ihrer Anschauung einen Gegenstand b estimmen, d.i. den B egriff von etwas, darin sie notwendig zusammenhängen, [ . . . ] « 1 75 E s ist eben diese Äquivokation i n den B egriffen des Raumes und d e r Zeit, wodurch das Angeschaute in seiner raum-zeitlichen Gestalt mit den Formen des Anschauens selbst identifiziert wird, und wodurch es uns zugleich möglich ist, von einer Identität der Form (die bloß subjektiv ist) mit dem formal B estimmten (den angeschauten Größen in Raum und Zeit und welche zugleich objektiv sind) zu sprechen, so daß in diesem Sinne das Problem einer nachträglichen Vermittlung von subj ektiven Formen und Formen der er­ scheinenden Sinnenwelt im Rahmen der »Transzendentalen Ästhetik« Kants nicht ent-

Erster Teil Das Denken des Etwas

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·

nur durch Verbindung gleichartiger Teile zusammengesetzt werden kann, s o muß d i e Kategorie d e r Größe >>als B edingung d e r Synthesis aller A p p r e ­ h e n s i o n schon mit (nicht in) diesen Anschauungen zugleich gegeben 176 sein. »Diese synthetische Einheit aber kann keine andere sein, als die der Verbindung des Mannigfaltigen einer gegebenen A n s c h a u u n g ü b e r ­ h a u p t in einem ursprünglichen B ewußtsein, den Kategorien gemäß, nur auf unsere s i n n l i c h e A n s c h a u u n g angewandt. Folglich steht alle Syn­ thesis, wodurch selbst Wahrnehmung möglich wird, unter den Kategorien [ . . . ] «177

2.

Quantität und Qualität als Einheitsbedingungen der Synthesis des Gleichartigen in der Zeit

Die in der Wahrnehmung wirkenden Einheitsvorstellungen, die Kategorien, stellen darum, so lautet die Überlegung, eben so viele Funktionen der Gleichartigkeit (Affinität) der Erscheinungen untereinander selbst dar. Konnte nämlich die Kategorie der Größe als Grund der Vereinigung man­ nigfaltiger Eindrücke zum Ganzen einer gegebenen Erscheinung bestimmt werden, so daß erst im Resultat, der Wahrnehmung einer wohl unterschie­ denen Größe, der Prozeß der Apprehension und Reproduktion seine Er­ füllung fand, so kann als Grund der geregelten Verbindung der auseinan­ derliegenden Teile nur eine Verstandesbestimmung angenommen werden, die bereits auf der Ebene der Wahrnehmung gegebener Größen den Prozeß der sukzessiven Synthesis der Teile lenkt. Denn da die apprehendierten Teile extensive Größen sind und somit allein durch wechselseitige Ausgren­ zung im Nebeneinander des Raumes existieren, so ist uns ihre Einheit nur durch den Akt der Verknüpfung (compositio) eines Gleichartigen zugäng­ lich. Mit der Bestimmung der Gleichartigkeit der Teile ist dann aber neben der quantitativen Kategorie der Einheit, die als Allheit ihrer verschiedenen (der vielen) Teile aufgefaßt werden kann, zugleich auch ein qualitatives Moment in Anspruch genommen: denn insofern in einer j eweiligen empi­ rischen Erfahrung nicht bloß reine Formen des Neben- und Nacheinander, wie sie durch die Zahlenverhältnisse gegeben sind, wahrgenommen werden, steht; vgl. ebd., B 1 60: »Aber Raum und Zeit sind nicht bloß als F o r m e n der sinnlichen Anschauung, sondern als A n s c h a u u n g e n selbst (die ein Mannigfaltiges enthalten), also mit der B estimmung der E i n h e i t dieses Mannigfaltigen in ihnen a priori vorgestellt.« 1 76 Ebd., B 1 6 1 . 1 77 Ebd., B 1 6 1 .

Das Haben von Seinsgedanken im Denken des Etwas

63

sondern, in der Vorstellung der Gleichartigkeit zum Ausdruck gebracht, j e verschiedene sinnlich gegebene Gegenstände, die sich als identische zugleich von anderen unterscheiden, so ist alle Synthesis des Gleichartigen ebenso der Kategorie der Qualität unterworfen, nach welcher die Gegenstände überhaupt erst als gleich- oder ähnlich geartete Größen in ihren je bestimm­ ten Eigenschaften voneinander unterscheidbar sind. Aus der Zu- oder Ab­ sprache solcher Eigenschaften, durch welche sie allererst zu identifizierba­ ren Größen werden, kann dann die Realität des Gedachten auch im quali­ tativen Sinne gewonnen werden.

3.

Der reine Begriff eines Gegenstandes als erzeugte Einheit unter unseren Vorstellungen

a) Rekognition im B egriffe Auch wenn also die Anschauung selbst bereits unter Kategorien steht, wenn von einer gegebenen Größe in der Erscheinung die Rede ist, so wird die gleichzeitige Rede vom >>noch unbestimmten Gegenstand einer empirischen Anschauung>notwendigen synthetischen Ein­ heit« des Mannigfaltigen im B egriffe ist. Der reine Begriff eines G egenstan­ des stellt dann die >>erzeugte>analytisch [ . . . ] verschiedene Vorstellungen u n t e r einen Begriff gebracht (ein Geschäft, wovon die allgemeine Logik handelt) . Aber nicht die Vor­ stellungen, s ondern die r e i n e S y n t h e s i s der Vorstellungen a u f B egriffe zu bringen, lehrt die transz. Logik. « 1 80

b) Die reinen Verstandesformen als Bedingungen der Gegenstän­ de der Erkenntnis . Der vorkategoriale Einheitssinn Der Begriff von einem Etwas kann dann so aufgefaßt werden, daß durch ihn das Denken nicht allein den Gegenstand, sondern zugleich auch das Maß und Ziel aller auf Einheit gerichteten Funktionen erhält. So ist er B egriff des Gedachten wie der normative Horizont unseres Denkens glei­ chermaßen. Und so, wie die Kategorien die reinsten Formen dieser Tätigkeit genannt werden können, so ist der Begriff von einem Etwas der reinste Begriff von einem Gegenstand überhaupt, der durch diese Einheitsfunktio­ nen zugleich, wie noch näher auszuführen sein wird, hinreichend bestimmt werden kann. Darum kann er im Sinne der theoretischen Philosophie Kants auch als der >>höchste Begriff>Also müssen wir diese Einheit [ . . ] noch höher suchen, nämlich in demj enigen, was selbst der Grund der Einheit verschiedener B egriffe in Urteilen, mithin der Möglichkeit des Verstandes, sogar in seinem logischen Gebrauche, ent­ hält.rein intellektuellen Synthesis des VerstandesWir können uns nichts als im Obj ekt verbunden vorstellen, was wir nicht selbst zuvor verbunden haben< Sind nun die Eindrücke eines Gegebenen in einer empirischen Anschauung durch sukzessive Apprehension und Reproduktion in der Einbildungskraft als Anschauungen gegebener Größen synthetisiert; sind die Teile des Ge­ gebenen, das Mannigfaltige des Erscheinenden zur Erscheinung Einer räumlichen Größe verbunden, s o ist die in diesen Akten zugrundeliegende Vorstellung von Einheit zwar konstitutiv für das Durchlaufen und Zusam­ menfügen der Teile gewesen, jedoch dem wahrnehmenden B ewußtsein selbst nicht bereits als Einheit bewußt geworden. Das von einer j eweiligen Empfindung abhängige Zeugen des Gegebenen hat das Ganze einer räum­ lichen Vorstellung zwar hervorgebracht und in einer räumlichen Anschau­ ung vergegenwärtigt, noch aber ist die gegebene Größe nicht zu einem solchen Ganzen vereint, über welches das Bewußtsein frei verfügen könnte. Der in der Anschauung waltende Einheitssinn ist j edoch zugleich die Voraussetzung dafür, die Vorstellung des Gegebenen von seiner sinnlichen Präsenz unabhängig und reproduzierbar zu machen: Es ist dies der Ein­ heitssinn, der in der begrifflichen Gestalt seinen unmittelbaren Ausdruck finden kann. Auch im B egriffe ineinszus etzen, was bereits im Akte der Apprehension und Reproduktion als Einheit zusammengenommen wurde, ist darum ein konsequent folgender sowie durch die beiden vorausgegan­ genen Erkenntnisstufen möglich gewordener Schritt: Sowie das B ewußtsein stets die Teile reproduziert, die zum Ganzen der gegebenen Erscheinung gefügt werden sollen, so ist durch j enen waltenden Einheitssinn bereits die Möglichkeit begrifflicher Bestimmung und damit die Reproduzierbarkeit des Gegebenen unabhängig von seiner sinnlichen Präsenz gesetzt: 1 98 Im Be­ griffe ist das B ewußtsein nicht mehr auf ein Gegebenes direkt bezogen,

Vgl. zum Begriff der >reproduktiven Einbildungskraft< G.W.F. Hege!, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1 830). Dritter Teil. Die Philosophie des Geistes, WW 1 0, S. 265. 1 98

Das Haben von Seinsgedanken im Denken des Etwas

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sondern hat dieses Etwas als Etwas gesetzt, die Vorstellung eines Gegebe­ nen mit einer anderen Vorstellung in einem Urteil verknüpft. Denn um eine gegebene Größe auch unabhängig von seiner sinnlichen Präsenz im Be­ wußtsein zu reproduzieren, ist die Vereinigung des gegebenen Mannigfal­ tigen durch B egriffe erforderlich. Und da die so im B egriffe als Einheit gedachte Erscheinung auf den Funktionen der Apprehension und Repro­ duktion des Mannigfaltigen beruht, wird durch den Begriff ihrer Verbin­ dung zunächst nur bestimmt, was die reproduzierende Einbildungskraft bereits als Einheit zusammengefügt hat. So ist das lneinssetzen des Man­ nigfaltigen im B egriff bloß der intellektuelle Ausdruck eines bereits auf die Sinne wirkenden Einheitssinns. Dieser nämlich macht die Vereinigung der verstreuten Eindrücke zum Gesamt einer gegebenen Erscheinung möglich, indem seine lneinsbildung des Mannigfaltigen einer gegebenen Anschauung eine Verbindung gleichartiger Teile im Begriffe des Gegenstandes erreicht. Im Prozeß der Herstellung jener Einen empirischen Anschauung ist darum bereits j enes Prinzip wirksam gewesen, das die Vereinigung des Gleichar­ tigen notwendig und den B egriff dieser Einheit möglich gemacht hat. Was Kant die >>Rekognition im Begriffe« nennt, ist darum nicht ein unvermit­ telter Sprung von der sinnlichen Anschauung zu einer dieser gegenüber gänzlich inkommensurablen Ebene gedanklicher Verknüpfungen, so daß ein Bruch zwischen dem sinnlich Gegebenen und den einheitsstiftenden Funk­ tionen des Verstandes besteht, sondern - im B egriffe der >>Rekognition>nicht-empirischen«, transzendentalen Gegenstandes nur durch die Notwendigkeit in der Verknüpfung der Erscheinungen unterein­ ander zu regeln ist. Die Vereinigung der Vorstellungen untereinander durch B egriffe ist darum nur der letzte Akt der lneinsbildung des Mannigfaltigen in der Synthesis der Erscheinungen. Ein derartiger Akt der B egriffsbildung aber, der zugleich nach Kant den Verstand und durch diesen alle Erfahrung selbst möglich macht, erreicht darum im Begriffe die Synthesis vollzogener Apprehensions- und Reproduktionsschritte, so daß die Verbindung von A zu B in der formalisierten Gestalt synthetischer Urteile a priori dann einer Entwicklung des Begriffs selbst gleichkommen kann. Aus diesem Grund nennt Kant auch die >> categorie des Verhältnisses (der Einheit des B ewußt­ seins) [ . . . ] die Vornehmste unter allen. Denn Einheit betrifft eigentlich nur das Verhaltinis; also macht dieses den Inhalt der Urtheile überhaupt aus und läßt sich allein a priori b e s t i m m t denken« .203 Da nun aber die Verbindung von A zu B in den reinen synthetischen Urteilen a priori zugleich nicht als ein analytischer Akt aufzufassen ist, nach welchen S und P nach dem Grundsatz der Identität auseinander ableitbar wären, s o muß das Prinzip genannt werden, das ihre Verbindung zwar a priori, nicht aber auf analy-

202 203

KrV, B 1 4 5 . Kam, Refl. 5854, AA XVI II, S. 369.

76

Erster Teil Das Denken des Etwas ·

tische Weise regelt. Es ist dies die Kernfrage der kantischen Rechtfertigung seiner Kategorien als synthetische, gleichzeitig aber auch a priori not­ wendigen Formen des Verstandes . Im folgenden soll darum gezeigt werden, in welcher Weise der Übergang von A zu B in der Reproduktion der Erscheinungen die Verbindung zwi­ s chen dem Subj ekt und einem Prädikat in den synthetischen Urteilen a priori zugleich notwendig machen kann, wenn die Assoziabilität der Vor­ s tellungen und Begriffe auf der Affinität der Erscheinungen selbst beruhen soll. Und wenn ferner diese Notwendigkeit bereits auf der Ebene der drei genannten Grundsynthesen des Verstandes gezeigt werden kann, dann läßt sich auch die Notwendigkeit in der Verknüpfung unserer Vorstellungen und B egriffe in den drei >synthetischen Urteilen a priori< als >Nexus< und nicht als bloßes >Compositum< einsehen. Denn nur, wenn bereits die Synthesis­ funktionen der Anschauung und Reproduktion des Gegebenen selbst unter Regeln stehen, kann auch ein apriorischer Begriff von einem » Gegenstand überhaupt« möglich werden, der gleichwohl obj ektiv genannt werden kann. Und dann allein kann die Verbindung von A und B in möglichen synthe­ tischen Urteilen auch beanspruchen, unser Wissen über das Gegebene zu erweitern.204 Denn in der reinen Form der synthetischen Urteile a priori fügen wir durch ein mögliches Prädikat B einem Subj ektbegriff A nur das hinzu, was auf der Ebene der Wahrnehmung nach Regeln der Einheit des Gedachten synthetisiert worden ist.205 Synthetische Urteile a priori beruhen darum auf s olchen Funktionen unseres B ewußtseins, durch welche wir un­ seren inneren Sinn bestimmen und nach welchen wir das derart Syntheti­ sierte dann - in der Rekognition im B egriffe - zugleich auch ineinszusetzen vermögen. Die logische Genese der synthetischen Urteile a priori kann nämlich verdeutlichen, daß durch die Verbindung von A und B in einer Identitätsaussage lediglich bestimmt wird, was wir zuvor in Apprehension und Reproduktion bereits nach Regeln verbunden haben.

Zum Verhältnis von analytischen und synthetischen Urteilen vgl. auch Kant, Refl. 3738, AA XVI I, S. 278. 205 Die hier unterstellte notwendige Verbindung zwischen den Akten des Selbstbewußt­ seins und der Obj ektivität des Gedachten bedarf einer Rechtfertigung: Wenn gezeigt wer­ den kann, daß ihr notwendiger B ezug auf einem Prinzip beruht, welches G rund der Einheit beider genannt werden kann, braucht der Anspruch der Theorie, Einheitsbedin­ gungen der Objektivität des Gedachten zu formulieren, nicht aufgegeben zu werden. Mit der Hinwendung zur Sprache und der Kritik am Deduktionsanspruch der Kategorien ist ein solcher Anspruch aufgegeben worden. (Vgl. dazu die Ausführungen von R. Bubner, 1 984. hier: S. 68). 204

Das Haben von Seinsgedanken im Denken des Etwas

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Wie nun der >innere Sinn< durch die Funktionen der Einheit unter un­ seren Vorstellungen bestimmt werden kann, welcher Einheitsgrund den ge­ dachten B estimmungen zugrundeliegt und wie ferner dieser Einheitsgrund selbst bestimmt werden kann, wird in den folgenden Ausführungen unter­ sucht.206 Zugleich soll deutlich werden, daß Kants Annahme synthetischer Urteile a priori die Mitte hält zwischen den Extremen der Annahme eines strengen Identitätskriteriums (Leibniz) und seiner skeptischen Auflösung etwa bei David Hume: Wie Manfred Frank in seiner Analyse zu » Identität und Subj ektivität« mit Blick auf die Genese des Problems von Leibniz bis SeheHing zeigen kann, verhindert ein strenges Identitätskriterium, nach welchem allein analytische Aussagen als wahr gelten können, die Einsicht in den Grund der Möglichkeit synthetischer Identitätsurteile ebenso, wie die skeptische Auflösung des Identitätskriteriums den Erkenntnisanspruch schließlich selbst gefährden muß.207 Kants Annahme synthetischer Urteile a priori hält nun insofern die Mitte zwischen diesen Extremen, als diese Urteile die Übereinstimmung unseres Denkens nicht allein mit sich selbst, s ondern mit dem Gedachten gleicher­ maßen begreiflich machen können. Denn während wahre synthetische Ur­ teile im Sinne des strengen Identitätskriteriums von Leibniz selbst nur als verkappte analytische Urteile aufgefaßt werden (im göttlichen Wesen wird die Einheit von Denken und Gedachtem angenommen, da in ihm alle Be­ stimmungen bereits gegeben sind, Urteile darum nur für ein endliches Be­ wußtsein synthetischer Art sein können, denn nur für dieses gilt, daß es als perzipierende Monade sein Wissen erweitern kann), sucht Kant den Erfah­ rungsbezug uns eres Wissens zum Fundament wahrheitsfähiger Sätze zu machen. Daß Kants Annahme synthetischer Urteile a priori gleichwohl dem Anspruch unmittelbarer Ineinsbildung von Denken und Sein genügen kann, indem sie die Mitte hält zwischen der Annahme der Wahrheit bloß möglicher analytischer Urteile und den synthetischen Urteilen als der Ver­ bindung zwischen zwei vers chiedenen Vorstellungen, ist Gegenstand der folgenden Untersuchungen.208 Ob mit der Annahme von synthetischen Ur­ teilen a priori dann die seit Frege die neuere analytische Philosophie prä­ gende Zweiteilung der Wissenschaft in apriorische Sätze der Logik und Mathematik und den synthetischen Urteilen aposteriori zu Recht als unVgl. zur B estimmung des inneren Sinnes durch die Einheitsfunktionen des Verstandes auch: Horst Schulz, 1 962. 207 Vgl. M. Frank, » Identität und Subjektivität«, in: ders., 1 99 1 . 208 Zum Verhältnis von synthetischen und analytischen Urteilen vgl. KrV, A 6 B 10 ff; ferner: Kant, Logik, AA IX, A 1 73. 206

78

Erster Teil Das Denken des Etwas ·

zureichend beschrieben werden kann, läßt sich allein an der Möglichkeit zeigen, die synthetischen Funktionen a priori aus einem Prinzip zu recht­ fertigen, das ihre Notwendigkeit einsichtig machen kann. Denn allein auf diese Weise kann über Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit im Ge­ brauch synthetis cher Urteile und B egriffe a priori entschieden werden. Und wenn gezeigt werden kann, daß allein vermöge der angenommenen apriorischen Verstandesbegriffe Gegenstandserkenntnis möglich ist, so ist eine objektive Deduktion der Verstandesbegriffe erreicht: Denn wenn deut­ lich werden kann, daß nur vermittels der Kategorien B egriffe von Gegen­ ständen möglich sind, so gelten diese als Einheitsbedingungen unserer Er­ fahrung unbedingt und können zugleich unsere Erfahrung in ihrer mögli­ chen Obj ektivität begründen. Wenn nun ferner begreiflich werden kann, in welcher Weise diese Verstandesbegriffe auf einer subj ektiven B edingung möglicher Bestimmbarkeit von Gegenständen in Urteilen beruhen, so ist zugleich eine subjektive Deduktion der Verstandesbegriffe erreicht. Denn, s o lautet die zugrundeliegende Annahme: Aller »Notwendigkeit liegt je­ derzeit eine transzendentale Bedingung zugrunde« .209 Als Ermöglichungs­ grund für eine j ede nur mögliche Verbindung kann aber nur ein solcher Grund gelten, der die Vereinigung des Mannigfaltigen durch Begriffe, bzw. der B egriffe in Urteilen gleichermaßen begreiflich macht.210 Neben der obj ektiven und der subj ektiven Deduktion der Verstandes ­ begriffe in metaphysischer und transzendentaler Hinsicht muß dann schließlich, wie im zweiten Teil auszuführen ist, im Hinblick auf die Mög­ lichkeit der B estimmung eines Weltbegriffs, der Idee eines Weltganzen, durch welche die Einheit aller Erscheinungen allererst als ein Ganzes sich wechselseitig bestimmender Gegenstände gedacht werden kann, ein Recht­ fertigungsgrund angegeben werden können, durch welchen nicht allein die erkennbare Welt der gegebenen Gegenstände, sondern zugleich auch die denkbare Welt aller möglichen Gegenstände ein transzendentales Prinzip erhält. Diese Welt aller möglichen Gegenstände muß nämlich gleichermaßen aus einem obersten Prinzip heraus erklärt werden können, wenn wir uns nicht allein ein Seiendes , ein gegebenes Weltganzes, sondern gleichermaßen auch all das begreiflich machen wollen, was durch Freiheit möglich ist, d.h. was nach den Maximen unseres moralischen Willens als Idee einer Welt unter moralischen Gesetzen verwirklicht werden kann. Damit eine derart

KrV, A 1 06. Zum Verhältnis von subjektiver und obj ektiver Deduktion der Verstandesbegriffe vgl. M. B aum, 1 9 86, S. 61 ff. 209

210

Das Haben von Seinsgedanken im Denken des Etwas

79

>>gesollte« Welt aber in ihrer >>Realisierbarkeit« auch gedacht werden kann, müssen, s o kann vorausgreifend gesagt werden, Sein und Sollen selbst in einem einheitlichen Prinzip verbunden sein, muß für beide Modi des Seins ein gemeinsamer Grund angenommen werden können, der ein Seiendes als Ergebnis frei handelnder Wesen verständlich machen kann, gleich wie all unsere moralischen Absichten sich auch in dieser Welt der Obj ekte verwirk­ lichen können müssen, wenn sie nicht lautere Absichten bleiben s ollen. Der Erfolg unserer Handlungen muß daher mitgedacht werden können, wenn ein Einklang zwischen Sein und Sollen in der existierenden Welt nicht als >>harmonie praetetablie« gegeben, s o doch als erstrebenswertes Ziel eine Welt unter moralischen Gesetzen möglich sein soll. Und so mögen zwar unsere Verstandesbegriffe ebenso viele Gegenstandsbegriffe überhaupt ge­ nannt werden können, nicht aber kann durch sie die materiale Welt selbst oder auch die bloß ideale, gedachte Welt, die Welt unter moralischen Ge­ setzen, wie sie erst durch unsere Ideen konstituiert werden kann, antizipiert werden. Die Suche nach einem solchen Prinzip, das zugleich auch Grund alles Prinzipiierten selbst genannt werden kann, ist dann der zentrale Ge­ genstand des 3. Teils der Ausführungen. In einem nächsten Schritt j edoch soll zunächst die Einheit von Kategorie und kategorial B estimmtem im Horizont einer »obj ektiven Deduktion der Kategorien« erfaßt werden, um dann in der >>subj ektiven Deduktion der Kategorien« auch durch ein transzendentales Prinzip gerechtfertigt zu wer­ den.

Erster Teil Das Denken des Etwas

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B. Rechtfertigun g der Verstandeseinheit aus einem einfachen Prinzip I . Die >obj ektive Deduktion der Kategorien< 1.

Auf dem Wege zur objektiven Einheit der Apperzeption

Einheit, so lautet das Ergebnis der bisherigen Untersuchungen, ist stets nur als Produkt der Synthesisfunktionen des Verstandes denkbar, nach welchen selbst die Anschauung bereits unter solchen Einheitsfunktionen steht, durch die der Verstand vermittels der synthetisierenden Funktion der Ein­ bildungskraft unseren inneren Sinn bestimmt. Aus diesem Grunde kann nun, was überhaupt nur als Einheit bezeichnet werden kann, nur als ein Produkt von Aktivität, von Zeugung, verstanden werden, durch welche ein Zusammenhang unter den unverbundenen Teilen in der Anschauung ge­ wonnen und als obj ektive Einheit im B egriffe bestimmt wird. Anschauung und Begriff unterliegen darum denselben Einheitsfunktionen, welche das Gegebene zum einen in seiner j e besonderen äußeren Erscheinung (als fi­ gürliche Synthesis) wahrnehmbar, es zum anderen (im B egriffe) aber auch denkbar machen. Und es sind, wie zu zeigen ist, dieselben Einheitsfunktio­ nen, die nicht allein Erscheinungen unter Begriffe bringen, sondern auch das Verhältnis der B egriffe untereinander in möglichen Urteilen bestimmen. »Die synthetische Einheit des Bewußtseins ist also eine objektive B edin­ gung aller Erkenntnis, nicht deren ich bloß selbst bedarf, um ein Obj ekt zu erkennen, sondern unter der jede Anschauung stehen muß, u m f ü r m i c h O b j e k t z u w e r d e n , weil auf andere Art, und ohne diese Synthesis, das Mannigfaltige sich nicht in einem B ewußtsein vereinigen würde.«211 Sollen s omit nicht willkürliche Verbindungen hergestellt werden, son­ dern allein solche, die die Obj ektivität des Gedachten garantieren können, s o muß eine jede Verknüpfungsleistung bereits unter Gesetzen stehen, die weder aus dem Verknüpften (s.o.) noch aus einer bloß zufälligen subj ekti­ ven Verbindung gewonnen sein können. In welcher Weise nun die logischen Formen unserer Urteile in ihrer synthetischen und analytischen Gestalt das kategorial bestimmte Obj ekt denkbar machen und wie sie ihrerseits auf die Anwendung der Kategorien auf das empirisch gegebene Material verwiesen sind, sollen die folgenden Überlegungen zeigen.

211

KrV, B 1 3 8.

Rechtfertigung der Verstandeseinheit 2.

81

Der verborgene Syllogismus der Begriffsbildung

Soll ein gegebenes und im Begriffe vereintes Mannigfaltiges als Einheit sei­ ner Bestimmungen gedacht werden, so muß in möglichen Urteilen über den Begriff hinausgegangen und das Gegebene Etwas unter die B edingungen des Begriffs subsumiert werden.212 Dieser Akt ist nun sowohl synthetisch, als er das Material der Verknüpfung in einer empirischen Erfahrung ge­ winnt, als auch analytisch, weil unter gegebene Begriffe nur subsumiert werden kann, was als verallgemeinerte Vorstellung in den B egriffen selbst bereits enthalten ist. »Analytisch werden vers chiedene Vorstellungen u n t e r einen B egriff gebracht (ein Geschäfte, wovon die allgemeine Logik han­ delt),«213 s o daß der in einer Erfahrung gegebene Gegenstand den Bedin­ gungen des Begriffs ebenso gemäß sein muß, wie durch den Begriff bereits die Bedingungen gegeben sind, welche auf einen erfahrbaren Gegenstand auch zutreffen müssen, um ihn als je bestimmten Gegenstand der Erfahrung denken zu können.214 In einer j eden Begriffsbildung liegt darum bereits die Struktur des Syl­ logismus verborgen, nach welcher a) ein gegebener Begriff als allgemeine Regel fungiert (z.B . >Ausdehnung< und >Undurchdringlichkeit< als Bedingung der Anwendung des Begriffs >Körper< auf gegebene Erscheinungen); b) eine gegebene Erscheinung unter die Bedingung des Begriffs subsumiert wird, so daß c) die Erscheinung durch den gegebenen Begriff bestimmt werden kann. Werden also noch unbestimmte Gegenstände der empirischen Erfahrung (Erscheinungen) unter gegebene Begriffe subsumiert, so müssen sie die im B egriffe enthaltene Regel erfüllen. Aus diesem Grunde spricht Kant auch, bezogen auf die Funktion der Subsumtion unter ein bereits gegebenes All­ gemeines, vom »apodiktischen Gebrauch der Vernunft«, welcher sich vom problematischen Gebrauche zugleich darin unterscheidet, daß hier das All­ gemeine »eine bloße Idee« und das Besondere gewiß ist, so daß »die All­ gemeinheit der Regel zu dieser Folge [ . . . ] noch ein Problem [ist, C . B .] . «2 1 5 2 1 2 Ebd., A 1 54 ff. B 1 93 ff. m Ebd., A 78 B 1 04. 2 1 4 W. Cramer betrachtet diesen Vorgang der Subsumtion des gegebenen Einzelnen unter den bereits bekannten B egriff auch als das eigentlich >wiedererkennende< Moment in un­ serer Erkenntnistätigkeit; vgl. ders., 2 1 965, S. 62. 2 1 5 KrV, A 646 B 674. (Hervorhebungen von mir).

Erster Teil Das Denken des Etwas

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Nun sind die in Anwendung gebrachten, subsumierenden B egriffe selbst zwar synthetisch gewonnen, erhalten in einer j eweiligen Erfahrung aber den Status eines Prinzips, durch welches analytisch bereits gesetzt wird, worauf es in seiner Anwendung bezogen bzw. beschränkt werden kann. In der >Rekognition im Begriffe< findet nun beides gleichermaßen statt: D as Man­ nigfaltige wird in sukzessiver Synthesis zusammengenommen und durch die Einheit eines Begriffs gedacht, so wie umgekehrt der in Ansatz gebrach­ te B egriff durch die Erscheinung eine anschauliche Entsprechung erhält. Indem der Begriff als Regel fungiert, sind ihm die B edingungen seiner An­ wendung bereits eingeschrieben, so daß etwa das Körpersein die Ausdeh­ nung und die Undurchdringlichkeit einer gegebenen Erscheinung s owie das Dreiecksein die Konstruktion einer räumlichen Figur nach einer Regel not­ wendig macht. Dennoch aber ist der Begriff des Körpers selbst wiederum nur das Resultat abstrahierender Verallgemeinerung, indem gleichartige Er­ s cheinungen durch die zunächst >problematisch< genommene Idee der Ein­ heit eines B egriffs ineinsgefügt und im Begriff des Körpers als Einheit ge­ dacht werden. Ohne Erfahrung wäre der Begriff des Körpers nämlich leer; auf die Synthesis gegebener Erscheinungen geht er darum zurück und erhält allein durch diese seine B edeutung. Damit aber die Synthesis der gegebenen Mannigfaltigkeit im B egriffe eines Gegenstandes vereint gedacht werden kann, wird unterstellt, daß die synthetisierten Teile der »Kategorie der Gleichartigkeit« unterworfen sind, nach welcher die Kategorien der Quantität (das Viele wird als Eine Anschauung gesetzt) und der Qualität (die Gleichartigkeit der Teile ist Grund der Möglichkeit ihrer Synthesis zur Einheit des Gegenstandes) bereits a priori vermittels der Einbildungskraft auf die Sinne wirken. Synthetische und analytische Prozesse greifen somit im Prozeß der B egriffsbildung im problematischen und apodiktischem Ge­ brauch der Vernunft ineinander, sind wechselweise aufeinander bezogen, da weder ein Begriff ohne Anschauung gewonnen noch eine Anschauung ohne B egriff eine bestimmte Anschauung sein kann. Die Synthesis des durch Apprehension und Reproduktion Gegebenen nun auf B egriffe zu bringen, ist dann nicht mehr bloß eine Funktion der Einbildungskraft, sondern ist eine Funktion des Verstandes, »wodurch er uns allererst die Erkenntnis in eigentlicher Bedeutung verschafft . «216 Inner­ halb einer transzendentalen Analyse j edoch, die allein mit den Möglichkei­ ten der reinen Formen der Synthesis befaßt ist, welche aller empirischen Synthesis zugrundeliegt, kann eine solche reine Form der Synthesis dann als

216

Ebd., A 78 B 103.

Rechtfertigung der Verstandeseinheit

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Kategorie aufgefaßt werden. Als »reine Synthesis, a l l g e m e i n v o r g e ­ s t e l l t , gibt [die Kategorie C.B.] nun den reinen Verstandesbegriff«,217 und besteht »lediglich in der Vorstellung dieser notwendigen synthetischen Ein­ heit«.218 Als notwendige synthetische Einheit, die a priori auf sinnliches Material bezogen ist, ist die Kategorie darum diejenige reine Form des Den­ kens, die, indem sie als Regel unser Denken bestimmt, zugleich den Objekt­ bezug unseres Denkens regeln kann. Über den Geltungsbereich gegen­ standsindifferenter logischer Beziehungen hinaus sucht die transzendentale Logik nach s olchen apriorischen Verbindungen des Denkens, durch die der B ezug auf die Gegenstände der Erfahrung so notwendig wie unmittelbar gewiß geregelt ist. Mit der Notwendigkeit der Verbindung ginge dann so­ wohl ihre Apriorizität für eine jeweilige empirische Erkenntnis als auch ihre Gewißheit für ein erkennendes Subjekt einher.

Überleitung zu den Urteilsfunktionen. Die Synthesis der Synthesen in den relationalen Kategorien 3.

Mit den beiden erstgenannten Kategorien sind nun die reinen Formen der Synthesis, die direkt auf unsere Anschauung wirken, erschöpft. Erst in ei­ nem weiteren Schritt, durch welchen die Synthesis von Syntheseeinheiten in (relationalen) Urteilen hergestellt wird, gegebene synthetische Einheiten zu größeren Einheiten zusammengefügt werden, kann dann auch die B ezie­ hung der Vorstellungen untereinander zum Ausdruck gebracht werden. »Durch die beiden eng verbundenen Verfahren der Quantität und Qualität ist für die mögliche Bestimmung eines Gegenstandes eine erste gesetzmä­ ßige Grundlage gegeben. Sie enthalten das zureichende logische Fundament für den Gegenstand als Größe, und dies Fundament reicht aus für grenzen­ los vers chiedene Setzungen von Größen, unter denen auch wieder B ezie­ hungen denkbar und, sofern sie in e i n e r Erkenntnis zusammenbes tehen sollen, zu denken notwendig sind. Also bedarf es noch eines Verfahren, s olche B eziehungen einem Gesetze zu unterwerfen. Dieses Verfahren wird beruhen müssen nicht auf einer einfachen Synthesis eines Mannigfaltigen (diese ist in dem Doppelverfahren der Quantität und Qualität erschöpft), sondern auf einer Synthesis von Synthesen. Kant bezeichnet es als das Ver­ fahren der Relation. «219 Und insofern allererst durch die relationalen Ver217 218 219

Ebd., A 78 B 1 04. Ebd., A 79 B 1 04. P. Natorp, 1 903, S. 24/25.

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Erster Teil Das Denken des Etwas ·

bindungen verschiedener Vorstellungen untereinander (im kategorischen Urteil), verschiedener Urteile in möglichen Urteilsverknüpfungen (im hy­ pothetischen Urteil) oder aber einer Urteilsverbindung aus mehreren Urtei­ len (im disjunktiven Urteil) die Vorstellungen untereinander verbunden und in ein notwendiges Verhältnis zueinander gebracht werden können, be­ zeichnet Kant in seinen »Reflexionen« diese » [ . . . ] dreifache Art, wie Dinge das Daseyn bestimmen« auch als die »vornehmste unter allen. Denn Einheit betrifft eigentlich nur das Verhältnis; also macht dieses den Inhalt der Ur­ teile überhaupt aus und läßt sich allein a priori b e s t i m m t denken. «220 Kant unterscheidet darum die relationalen von den nicht-relationalen Ka­ tegorien auch gemäß ihrer Nähe oder Ferne zum gegebenen s innlichen Ge­ halt unserer Erkenntnis : je nachdem, ob sie direkt (»intuitiv«) auf gegebene Erscheinungen bezogen sind (mathematischen Kategorien der Quantität und Qualität) oder aber ob durch sie eine Verbindung unserer Vorstellun­ gen untereinander oder aber bezogen auf ein erkennendes Subjekt zum Ausdruck gebracht wird (die dynamischen Kategorien der Relation und Modalität), haben sie je unterschiedliche Funktion. Während die erst­ genannte Gruppe das Obj ekt als raum-zeitlich Gegebenes in seiner sinnli­ chen Präsenz und Unmittelbarkeit denkbar machen, kann durch die rela­ tionalen Verbindungen der Vorstellungen untereinander das Dasein eines Etwas als Etwas bestimmt sowie auf sein Verhältnis zum denkenden Sub­ j ekt bezogen werden. Die Gegenstandsbegriffe, welche intuitiv auf gege­ bene Erscheinungen bezogen sind, gehen in diese B egriffsverbindungen als Bestimmungen des Begriffsumfangs oder des Begriffsinhaltes ein. Durch die erstgenannten Kategorien werden darum die genannten »Grundsynthesen« des Verstandes unmittelbar repräsentiert, da sie in der Apprehension und Reproduktion direkt auf gegebenes sinnliches Material bezogen sind, wäh­ rend die Kategorien der Relation und der Modalität in einem nur mittel­ baren Verhältnis zum sinnlichen Material der Erkenntnis stehen, indem sie das identifizierte Etwas als Etwas in eine Synthesis bereits vollzogener Ver­ knüpfungen bringen. Die relationale Verbindung der Vorstellungen, durch welche das identifizierte Etwas dann näher bestimmt werden kann, macht

Kant, Refl. 5 8 54, AA XVI I I , S. 369. Die Art und Anordnung der Kategorien wird im Sinne Kants dann auf die logischen Einheitsfunktionen des B ewußtseins zurückgeführt, so daß ihre dreifache Struktur zugleich den »arten der Einheit des B ewußtseins« nachgebil­ det und durch diese auch hinreichend erschöpft sind. »Weil [die] zwey derselben die Einheit [des B ewußtseyns [der] zweyer oppositorum] des B ewußtseyns an zween oppo­ sitis zeigen, die dritte aber beyderseits Bewußts eyns wiederum verbindet. Mehr arten der Einheit des B ewußtseyns lassen sich nicht denken.« (vgl. ebd., S. 370). 22°

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es dann j edoch möglich, über d i e Identifikation eines Etwas als Etwas hin­ aus dieses Identische als eine Einheit vielfältiger, sich wandelnder Bestim­ mungen zu erkennen.

a) Die Integration des Gegebenen in ein Gefüge einander koor­ dinierter und subordinierter B egriffe. Das sprachliche Zeichen im Horizont begrifflicher Bestimmung Um als B egriff bestimmbar zu sein, kann die B ezeichnung des Etwas als Etwas j edoch nicht auf einer bloße Zuordnung von Name und Sache be­ ruhen, weil im Namen nur Einzelnes bezeichnet, nicht aber die Einheit des Gegebenen in allgemeiner Form aufgefaßt wird. Mit der lneinssetzung des Wahrgenommenen im B egriff geht vielmehr die Integration des Gegebenen in ein Gefüge einander koordinierter und subordinierter B edeutungen ein­ her, welche als B egriff einer Sache dem Verstand zur Regel dienen und im System sprachlicher B edeutungen und Beziehungen auch vernehmbare Ge­ stalt gewinnen können. Doch bleibt der Akt der Verbindung eines Mannig­ faltigen zur Einheit eines gedachten Gegenstandes im Begriff der sprachli­ chen Bestimmung des Gedachten logisch vorgeordnet: Denn nur bereits Verbundenes kann im B egriffe vereint und schließlich in einer sprachlich­ symbolischen Gestalt veräußert werden. Die Analyse des Denkens des Etwas hat mit Verweis auf das System sprachlicher Zeichen den Punkt erreicht, an dem sowohl die Grenzen wie die Möglichkeiten des sprachlichen Zeichens für die B egriffsbildung deut­ lich werden kann: Wenn mit der Integration des Gegebenen in ein System von B edeutungen und B eziehungen die Erscheinung einer gegebenen Grö­ ße im Raume als Einheit eines Gegenstandes gedacht werden soll, so muß das Medium der Ineinsbildung die Vereinigung der Vorstellungen im Be­ griffe derart ermöglichen, daß der gedachte Gegenstand als Einheit ver­ s chiedener B estimmungen auch zu B ewußtsein gebracht werden kann. Wäre also nicht in der Sprache bereits ein verallgemeinertes Potential an B edeutungen gegeben, durch welches eine Vielfalt möglicher Vorstellungen in der Einheit eines B egriffs vereinigt werden könnte - die im B egriffe geleistete Ineinsbildung verschiedener Vorstellungen bliebe ohne Medium ihrer Veräußerung.221

Vgl. Zur B edeutung des allgemeinen Charakters der sprachlichen Zeichen für die Er­ kenntnis eines I ndividuums auch R. Wiehl, 1 9 87, S. 44-76. 221

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Erster Teil Das Denken des Etwas ·

Das räumlich Gegebene im Begriff zu vereinen, um den Gegenstand nicht allein anschaulich im Nebeneinander seiner Teile im Raume zu ver­ gegenwärtigen, und solchermaßen auf die sinnliche Präsenz des Gegebenen beschränkt zu sein, sondern ihn zugleich auch als Gegenstand zu der ge­ gebenen Erscheinung zu denken, ist darum auf die Verallgemeinerung des vorfindliehen Gegenstandes im Begriff angewiesen. Wird etwa der gegebene Gegenstand als ein Körper bestimmt, so ist er nicht mehr einzelne wahr­ nehmbare Gestalt, sondern der verallgemeinerten B edeutung des Körper­ Seins unterworfen. Für ihn gelten dann all die Merkmale, die durch die B edingung des Begriffs >>Körper« allgemein gesetzt sind und welche das Gegebene zugleich auf einige seiner Merkmale einschränken. So ist der vor­ gegebene Gegenstand als begrifflich bestimmte Erscheinung zugleich nicht mehr in seiner Singularität erfaßt, sondern durch diejenigen allgemeinen Merkmale bestimmt, durch die er (im Horizont einer Nominaldefinition) a) als ein Etwas identifiziert, d.h. mit anderen art- oder gattungsgleichen Ge­ genständen irreinsgesetzt werden, und b) durch differenzierende Attribute zugleich auch von diesen unterschieden werden kann. Und dem B egriff als der Regel zu einer solchen B estimmung sind dann die Bedingungen seiner Anwendung auf gegebenes Material bereits eingeschrieben: Mit der Bestim­ mung: >>x ist ein Körper>Sprachidealismus«, nach welchem sprachliche B edeutungen ohne aus­ weisbaren Gegenstandsbezug bleiben. Doch auch innerhalb dieser Position wird das X in der Subjektstellung durch allgemeine Kennzeichnungen oder Eigenschaftsnamen (die universellen Termini) bestimmt, s o daß auch hier ein Singuläres bereits gegebenen Begriffen subsumiert und durch sie be­ stimmt wird, ohne j edoch als ein j e Individuelles, dieses einzelne X, mehr zur Sprache zu kommen. Der hier unbestimmt gebliebene B ezug auf mög­ liche Gegenstände der Erfahrung, auf ein Gegebenes, das nicht selbst mehr ein bloß B egriffliches ist, wird im Rahmen einer möglichen transzenden­ talen Logik als dasjenige sinnlich Gegebene thematisiert, auf das als das Substrat aller Prädikate mittels der gegenstandsbestimmenden Verstandes­ formen B ezug genommen wird. Und da nun diese Formen des Denkens als a priori bestimmende Regeln unserer Verstandestätigkeit aller empirischen Erkenntnis zugrundeliegen, so müßte durch die Analyse der Art ihres B e­ zugs auf das sinnlich gegebene Material zugleich auch die B edingung der Obj ektivität des Gedachten beschreibbar sein. Wie in der B estimmung der Funktion der Substanzkategorie im folgenden zu erläutern ist, entwickelt Kant, wie Friedrich Kaulbach zeigen kann, eine mittlere Position zwischen der auf Aristoteles zurückgehenden >>Substanzlogik« und der innerhalb der modernen Logik auf Frege zurückgehenden »PrädikatenlogikSo denken wir uns einen Triangel als Gegenstand, indem wir uns der Zusammensetzung von drei geraden Linien nach einer Regel bewußt sind, nach welcher eine solche Anschauung j ederzeit dargestellt werden kann.Einheit der Regelanalytischen UrteilenKontradiktionen>Ist« die Identität des Prädikats mit einem Subjekt in einem kategorischen Urteil derart zum Ausdruck gebracht wer­ den kann, daß beide B egriffe durch das kopulative >>Ist« als der Sache nach verbunden aufgefaßt werden können.237 Denn nicht soll gesagt werden, daß ich die >>Empfindung der Schwere« habe, mithin also ein subj ektives Wahr­ nehmungsurteil formuliere, sondern im Urteil wird ein Etwas zugleich als Etwas bestimmt: Das Urteil >>Der Körper ist schwer« vermeint im geäußer­ ten Ist-Anspruch, daß es die Eigenschaft des Körpers selber sei, schwer zu sein. Im Ist-Anspruch wird darum die Obj ektivität des Geäußerten unter­ stellt, unabhängig davon, ob im je gesetzten Falle der Anspruch zu recht besteht. Der mögliche Irrtum beträfe dann allein den Inhalt, nicht aber die Form der Verknüpfung selbst. So kann durch die Form der Ist-Aussage Obj ektivität antizipiert werden, da durch sie ein Etwas als die Einheit seiner Bestimmungen denkbar wird. Und darum ist mit der Ist-Aussage zugleich auch der Anspruch gesetzt, zwischen meinem bloßen Dafürhalten eines Tatbestandes (>>Wenn ich einen Körper trage, s o fühle ich einen Druck der Schwere«)238 und einer not­ wendigen Einheit zwischen den genannten Begriffen >>Körper« und >>Schwere« zu unterscheiden: ein Subsistierendes wird durch mögliche At­ tribute näher bestimmt, so daß im Urteil >>Der Körper ist schwer« zugleich die Unabhängigkeit des Gedachten von der bloßen Wahrnehmung erreicht

237 Ebd., B 1 40 ff. Vgl. Zum Charakter der >Ist-Aussage< auch: W. Cramer, 21 965, S. 1 3 . 238 KrV, B 1 42.

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und beide Vorstellungen als im Objekt selbst vereint gedacht werden kön­ nen. Als eine objektive Einheit der Apperzeption kann s omit allein eine solche Verknüpfung gegebener Begriffe möglich sein, deren Einheit den notwendigen B ezug der Relate untereinander regelt. Und nur, wenn die Verbindung beider B egriffe auf einer Identitätsrela­ tion in der Gestalt einer Ist-Aussage beruht, können zwei unterschiedliche Vorstellungen zu einer (comprehensiven) Einheit zusammengefügt werden, durch welche sie zugleich als Eine gedacht werden. Und wiederum gilt, daß die je verschiedenen Relate zur Einheit des Verschiedenen nur synthetisiert werden können, wenn sie bezogen auf ein Drittes in Übereinstimmung stehen. Dieses Identische im Verschiedenen nun, das zugleich als Grund der Verbindung des Verschiedenen aufgefaßt und in der Form einer Ist-Aussage zum Ausdruck gebracht werden kann, kann in einem synthetischen Urteil dann nur der einige, mit sich identische transzendentale Gegenstand, j enes X sein, auf das bezogen alle Vorstellungen untereinander auch in einer Ver­ bindung stehen müssen, wenn durch sie ein Etwas als Etwas gedacht werden soll. >>Wir finden aber, daß unser Gedanke von der Beziehung aller Er­ kenntnis auf ihren Gegenstand etwas von Notwendigkeit bei sich führe, da nämlich dieser als dasj enige angesehen wird, was dawider ist, daß unsere Erkenntnisse nicht aufs Geratewohl oder beliebig, sondern a priori auf ge­ wisse Weise bestimmt sein, weil, indem sie sich auf einen Gegenstand be­ ziehen sollen, sie auch notwendiger Weise in Beziehung auf diesen unter einander übereinstimmen, d.i. diej enige Einheit haben müssen, welchen den B egriff von einem Gegenstande ausmacht«.239 So können innerhalb der transzendentalen Logik die Verhältnisse der Begriffe untereinander in der Gestalt des kategorischen Urteils >>A B« als die synthetische Einheit zweier unterschiedener Vorstellungen beschrieben werden, welche die Identität eines Gegenstandes durch eine notwendige B eziehung zwischen den verschiedenen Begriffen dadurch zum Ausdruck bringen kann, daß sie diese bezogen auf ein Drittes, das zugrundeliegende X, auch untereinander gleichsetzt. Wie aber kann dieser notwendige Bezug auf ein Drittes durch die Art der Verbindung zwischen den Relaten gewähr­ leistet sein ? Die Identität in der Urteilsform des genannten synthetischen Satzes kann unter der Voraussetzung je unterschiedlicher Vorstellungen in diesem Urteil - das Prädikat ist nicht bereits analytisch im B egriff enthalten - nämlich nur durch einen B ezug beider Relate auf ein Drittes gewährleistet sein, durch das A und B notwendig verbunden sind.240 =

2 39 24 0

Ebd., A 1 04/ 1 05. Zum Verhältnis von synthetischen und analytischen Urteilen vgl. H. Putnam, 1 962;

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Erster Teil Das Denken des Etwas ·

In welcher Weise aber kann das zugrundeliegende X die Einheit der ver­ knüpften Vorstellungen bewerkstelligen, wenn dieses selbst wiederum nur als eine weitere Vorstellung aufzufassen ist, die ihrerseits auf weitere Vor­ stellungen zurückgeführt werden kann usf. ? Es ist dies die Frage nach dem Ort des >Dritten< in der Verbindung von Subj ekt und Prädikat möglicher Urteile, die uns in den folgenden Überlegungen beschäftigen soll.

a) Die notwendige kategoriale Unterscheidung von Substanz und Akzidenz in der Formel A B. Der transzendentale Ge­ genstand als Einheits- und Unterscheidungsgrund der Relate =

Da unsere Vorstellungen somit auf den nicht-empirischen, transzendentalen Gegenstand, das zugrundeliegende X, nur mittelbar bezogen sind, s o kann nach dieser Überlegung den Formen der Übereinstimmung unter unserer Vorstellungen in Urteil und Begriff Notwendigkeit nur zugesprochen wer­ den, wenn die B egriffe auch bezogen auf den gedachten Gegenstand unter­ einander in Übereinstimmung stehen und wenn durch sie zugleich die Ein­ heit des Gedachten im B egriffe hergestellt werden kann. Es ist dieser not­ wendige B ezug auf einen Gegenstand, der die genannte Identitätsrelation regelt, indem zwei Vorstellungen derart miteinander in eine B eziehung ge­ setzt werden, daß durch sie ein Etwas als Etwas denkbar wird. Nun können zugleich nicht beliebige Vorstellungen die Gestalt eines ka­ tegorischen Urteils annehmen, sondern allein solche, durch welche die Ver­ bindung zwischen ihnen, bezogen auf ein zugrundeliegendes Drittes, als notwendig gedacht werden kann. Dieses gedachte X ist Grund der not­ wendigen Verbindung j edoch nur, insofern die gedachten B estimmungen als seine Bestimmungen aufgefaßt werden können. Dieses X oder das Ding an sich selbst, repräsentiert durch die Form der absoluten Identität A A, ist in seinem Selbstsein j edoch nur denkbar, wenn durch die Formel A A nicht eine bloße Tautologie zum Ausdruck gebracht wird; die Aussage »der Mensch ist der Mensch« wäre nämlich im Sinne Wittgensteins nicht allein überflüssig, sondern fügte dem Etwas, dem zugrundeliegenden Substrat auch keine neuen B estimmungen hinzu, durch welche es als ein B estimmtes identifiziert werden kann. Darum müssen beide Seiten der Relation zu­ gleich ein Verschiedenes zum Ausdruck bringen; denn wären beide Seiten in =

=

L.W. B eck, 1 973; B. Tuschling, 1 9 8 1 ; W. B aumgärtner, 1 9 8 1 ; M. Loebbert, 1 989; H.G. Hoppe, 1 983; N. Körsgen, 1 9 84 und P. Rohs, 1 9 9 1 .

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der genannten Unbestimmtheit gedacht, es könnte kein Etwas von einem Anderen unterschieden werden.241 Und allein auf diesem B ezug zu einem Anderen, durch welchen ein gedachter Gegenstand zugleich in seiner Be­ sonderheit aufgefaßt werden kann, kann seine Identität beruhen; nur be­ zogen auf das also, was er nicht ist, dieses Andere von sich ausgrenzend, kann er in seinem Selbstsein erkannt werden. Und darum ist auch die For­ mel A B Identitätsform und Form der Differenz gleichermaßen. B eide Seiten der Relation können in dieser Form so aufgefaßt werden, daß das ­ selbe X, das in einer Hinsicht als A bestimmt werden kann, in einer anderen als B zu denken ist.242 Die Bestimmung der Identität in der Differenz der Relate, die durch ein kategorisches Urteil zum Ausdruck gebracht wird, ist darum nur denkbar, wenn sie auf ein Substrat bezogen ist, das die B egriffe eines Urteils in ihrer Funktion für die Bestimmung des X unterscheidbar macht. Als ein solches Unterscheidungskriterium bestimmt Kant nun die kategorische Relation von Substanz und Akzidenz in einem Urteil, indem durch sie bestimmt wird, daß ein Identisches, das zugrundeliegende X, in der Stellung des Satz­ Subj ektes als Körper und durch das Prädikat als schwer bestimmt werden kann.243 B eide s ind zwar auf ein Identisches, auf das X als das gedachte =

24 1

Vgl. in diesem Zusammenhang die parallele Argumentation, die SeheHing in seiner »Darstellung meines Systems von 1 80 1 « mit B lick auf die Absolute Identität sowie die durch diese möglichen polaren Identitäten realer bzw. idealer Größen entwirft. Wären beide Relate in der absoluten Identitätsform A A in derselben Unendlichkeit gedacht (F.W.J. Schelling, »Aus: Darstellung meines Systems (1 80 1 ) « I/4, S. 126 Anm. 2), so müß­ ten sie als absolut identische zugleich auch undenkbar sein. Nun sind sie aber in ihrer Stellung als Subjekt bzw. als Prädikat der Relation der Form nach zugleich auch ver­ schieden: Wesen und Form, Sein und Form, sind darum bezogen auf die absolute Iden­ titätsfarm zu unterscheiden (ebd., S. 120). Und es bleibt ein absolut Identisches, j enes X, d as Grund und Substrat selbst noch der obersten Identitätsform A A genannt werden kann, das in der Subjekt- und in der Prädikatstellung des Urteils in zwei wesensmäßig identische, der Form nach j edoch verschiedene Relate auseinandergelegt ist. Und diese Verschiedenheit, die zugleich auch als eine wesensmäßige Einheit gedacht werden kann, kann Grund und Substrat der j e unterschiedlichen Potenzen in den verschiedenen Seins­ b ereichen genannt werden. B ezogen auf Kants Annahme eines zugrundeliegenden Sub­ strates, das im kategorischen Urteil eine gedankliche Form erhält, wird an dieser Stelle ähnlich argumentiert: Das zugrundeliegende X wird im kategorischen Urteil in eine Form gebracht, durch welche seine Identität im Verschiedenen der als Prädikate gedachten Be­ stimmungen zum Ausdruck gebracht werden kann. 2 4 2 Vgl. zu dieser Art der B estimmung des Urteils auch: F.W.J. Schelling, Über das Wesen der menschlichen Freiheit, Schriften, Bd. 4, S. 3 3 3-4 1 6, hier: S. 3 4 1 /342. 2 43 Kants erster Verweis auf die Kategorie der Substanz in seiner Einleitung zur zweiten Auflage der KrV führt diese ex negativo ein: Es ist die Kategorie der Substanz, die bleibt, =

=

1 00

Erster Teil Das Denken des Etwas ·

Ding an sich, bezogen, j edoch zugleich so, daß sie, bezogen auf dieses Iden­ tische, zwei unterschiedliche Vorstellungen in ein Verhältnis setzen. - Wä­ ren nun im Sinne Kants die Kategorien auf Dinge an sich selbst bezogen, s o könnte d i e Materie der Erscheinungen unsere Sinne nicht unmittelbar er­ reichen und es wären die Kategorien bloß gedankliche Formen, deren Ver­ hältnis zum anschaulich Gegebenen problematisch bleiben müßte. Und es bliebe die Frage, wie gänzlich heterogene Bereiche - die Singularität einer empirischen Anschauung und die reinen Verstandesformen - notwendig aufeinander bezogen sein könnten.244

b) Das transzendentale Obj ekt als »Erste Substanz« : Notwen­ digkeit der Annahme eines kategorialen Repräsentanten für das Substrat der Erscheinungen Die Ist-Auss age oder das Urteil, in welchem A und B durch das Verhält­ niswort >>Ist« aufeinander bezogen werden, stellte nach bisher Gesagtem die logische Form der Verbindung zweier Vorstellungen derart dar, daß ein zugrundeliegendes X durch die relationale Struktur zwischen einem A als dem Repräsentanten der subsistierenden Einheit und B als dem Prädikat des Urteils, durch die Kopula >>ist>

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nun allein vermittels des gedachten X als dem Fix- und Fluchtpunkt aller Bestimmungen auf das transzendentale Objekt B ezug genommen werden kann, s o muß es für dieses X in der B estimmung des Verhältnisses beider Relate zueinander einen Repräsentanten geben, der untrüglich alle gedach­ ten Prädikate auf dieses Substrat beziehbar macht. Ohne einen solchen Repräsentanten, der zugleich als der Repräsentant des sinnlichen Substrats der gedachten B estimmungen fungieren kann, wäre ein Regreß in der Be­ stimmung der Vorstellungen durch andere Vorstellungen usf. nämlich un­ ausweichlich. Denn da unsere Vorstellungen nur wiederum durch Vorstel­ lungen, nicht aber durch mögliche Verweise auf angenommene Gegenstän­ de an sich selbst bestimmt werden können, wäre ein Anhalt im Rückgang der Bestimmungen aufeinander nicht zu finden. Ein j edes Subj ekt kann nämlich stets erneut wieder Prädikat in möglichen Urteilen sein, so daß allein der logischen Form des Satzes: »Der Körper ist schwer« (A B) nicht entnehmbar ist, ob die Schwere oder der Körper als Substrat unserer Vor­ stellungen dienen soll. Denn wir könnten ebensogut sagen: »Etwas Schwe­ res ist ein Körper.«245 Auf welchen Gegenstand wir in einer empirischen Erfahrung s omit j eweils B ezug nehmen, ließe sich allein durch die B estim­ mung der logischen Form des Urteils nicht a priori regeln, da alle Vorstel­ lungen wiederum Gegenstände weiterer Vorstellungen werden können. So läßt sich durch die Bestimmung des bloß logischen Verhältnisses zwischen zwei B egriffen die Differenz zwischen zugrundeliegendem Substrat und gedachten Prädikaten nicht gewinnen. Von einem zugrundeliegenden Ge­ genstand einer empirischen Erfahrung, dem X, als dem gedachten Substrat seiner B estimmungen zu sprechen, ist daher nur möglich, wenn das gedach­ te transzendentale Objekt nicht selbst wiederum Prädikat in einem mögli­ chen Urteil werden kann, sondern wenn es in der Rolle des Satz-Subjekts zugleich die sog. >>erste Substanz«, das Substrathafte aller Erscheinungen selbst, zum Ausdruck bringen kann.246 Dann aber darf es nicht mehr belie=

24 5

Vgl. zu dieser Funktionsbestimmung der Kategorie der Substanz: Ebd., A 95 B 1 2 8/129. 2 4 6 Vgl. zur Kategorie der ersten Substanz bei Aristoteles: Aristoteles, Kategorien, darin: K. Oehler, Einleitung: S. 66. Nach Oehler wiederlegt Apelt zu Recht die These von Bo­ nitz, durch die >erste Substanz< sei das >Einzelding< bestimmt. Da nämlich ein Einzelding niemals die Stelle des Prädikats annehmen könne, ließe sich schwerlich das Einzelding als die erste Substanz bestimmen. Im Sinne der Interpretation der Aristotelischen Kategorien als möglicher Gegenstandsbegriffe überhaupt gewinnt die Kategorie der ersten Substanz j edoch die Funktion, in der Rolle des Satzsubjektes (Trendelenburg) Grund und Substrat aller kategorialen B estimmungen zu sein. Nach dieser Interpretation wäre die aristoteli­ sche erste Substanz dem kantischen transzendentalen Objekt verwandt. (Vgl. KrV, A 1 09)

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Erster Teil Das Denken des Etwas ·

big sein, welcher Begriff nur in der Subj ektstellung und welcher allein in der Prädikatstellung eines Urteils stehen kann, so daß Kant bezogen auf die Kategorie der Substanz dann zu Recht sagen kann: >>Das, dessen existentz nie eine B estimmung von einem anderen Dinge ist: substantz. Dessen B egrif B estimmung [von] anderer Dinge ist, ist logisch. subject oder praedicat.Ein Körper ist teilbar« oder aber »Einiges Teilbare ist ein Körper«, so wäre nicht auszu­ machen, ob über die Teilbarkeit oder über einen Körper geurteilt werden soll. B etrachtet man also bloß den rein logischen Gebrauch der B egriffe, s o könnten d i e B egriffe nicht i m Hinblick auf ihre Funktion für d i e Erkennt­ nis von Gegenständen unterschieden werden. Als erkenntnisermöglichende

2 47

Kant, Refl. 5856, AA XVI II, S. 370.

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Form des B ezugs zu gegebenen Erscheinungen kann durch die geregelte Verbindung von Substanz und Akzidenz jedoch festgelegt werden, ob das Zu-bestimmende als der Körper oder als das Teilbare aufgefaßt werden soll. Darum ist für eine »transzendentale Logik«, welche nicht allein die Formen des Denkens überhaupt, sondern die Bedeutung dieser Formen für die Er­ kenntnis gegebener Gegenstände in den Blick zu nehmen sucht, die Unter­ s cheidung in der Funktion beider B egriffe konstitutiv. »Durch die Kate­ gorie der Substanz aber, wenn ich den B egriff eines Körpers darunter brin­ gen, wird es bestimmt: daß seine empirische Anschauung in der Erfahrung immer nur als Subjekt, niemals als bloßes Prädikat betrachtet werden müs­ se. «248 Eine solche Unterscheidung im transzendentalen Status der beiden im Urteil verknüpften B egriffe ist mit Blick auf die Öffnung des transzen­ dentalen Systems in Richtung auf das kontingent gegebene empirische Ma­ terial zugleich auch notwendig, da sich das, was Obj ekt des Denkens ge­ nannt werden kann, nicht durch das setzende Denken allein ergibt, s ondern dieses von einer anderen Quelle, der Sinnlichkeit, das Material, den noch >>unbestimmten Gegenstand einer empirischen Erfahrung«, als den Stoff zu allem Denken empfängt. Mit der Form des Denkens ist somit noch nicht zugleich auch der Stoff zu diesem Denken gesetzt, auch wenn die reinen Formen der Gegenstände des Denkens a priori festlegen, was überhaupt nur für uns Gegenstand einer reinen oder empirischen Erfahrung werden kann.

d) Synthetische Urteile a priori als geregelte Formen der B ezie­ hung auf ein zugrundeliegendes X. Die Kategorien als Grün­ de der Übereinstimmung mit dem gedachten Substrat unserer Sinne Durch die Kategorien als mögliche Gegenstandsbegriffe überhaupt kann es nun erreicht werden, daß nicht allein der logische Ort der B egriffe, mithin also allein ihr Verhältnis untereinander, sondern in diesem Verhältnis der B egriffe zueinander zugleich auch das Verhältnis der B egriffe zu den mög­ lichen Gegenständen der Erfahrung verbindlich geregelt wird. So erhalten die Kategorien die B edingungen der Identität unseres Denkens mit den Gegenständen unserer Erkenntnis, Identitätsbedingungen des Denkens mit dem Sein, indem sie allein dadurch ihre Funktion erfüllen, daß sie unterein­ ander, bezogen auf ein Drittes, in Übereinstimmung stehen. Ihre Einheit

248

KrV, B 1 2 9 A 95, 1 34.

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·

selbst ist darum der Grund der Einheit des Gedachten, die Einheit des Denkens mithin also Bedingung der Einheit der Gegenstände des Denkens . Im Hinblick auf den elementarsten Gegenstandsbegriff, die Kategorie der Substanz, als dem Repräs entanten j enes zugrundeliegenden X, bezüglich dessen unser Denken selbst in Übereinstimmung gebracht werden muß, gilt j edoch, daß von »erster Substanz« oder zugrundeliegendem Substrat nicht im Sinne der B estimmbarkeit an sich existierender Gegenstände gesprochen werden kann, da wir uns mittels gedachter Prädikate allein auf die phäno­ menale Welt beziehen, wodurch das zugrundeliegende X nur in seiner Er­ scheinung bestimmbar ist. Denn in unseren Vorstellungen ist unsere Auf­ merksamkeit auf nichts als wiederum bloße Vorstellungen gerichtet, da »die Erscheinungen nicht Dinge an sich selbst, sondern selbst nur Vorstellun­ gen« sind, »die wiederum ihren Gegenstand haben, der also von uns nicht mehr angeschaut werden kann«.249 Darum ist die gesuchte innere Überein­ stimmung unter unseren Vorstellungen in bezug auf einen möglichen Ge­ genstand der Erfahrung » [ . . . ] nichts anderes, als die notwendige Einheit des B ewußtseins, mithin auch der Synthesis des Mannigfaltigen durch gemein­ schaftliche Funktion des Gemüts, es in einer Vorstellung zu verbinden« .250 Dieser B ezug zu einem gegebenen X kann darum in der Konsequenz dieser Prämisse nur als ein inneres Verhältnis der Begriffe untereinander aufgefaßt werden. Für den Repräsentanten jenes Substrates gilt dann, daß seine B e­ ziehung auf das gedachte X notwendig sein muß, indem ihm in unseren Urteilen allein die Funktion des Subj ekts, nicht aber die des Prädikats zu­ gesprochen wird. Allein nur durch diese notwendige Verbindung unserer Vorstellungen untereinander kann auch unser Denken in B eziehung auf das transzendentale Objekt selbst a priori übereinstimmend sein. Vermittels der Kategorie der Substanz wird es dann geregelt, daß in unseren Urteilen das Substrat aller Bestimmungen allein in der Subj ektstellung auftreten kann, weil ihm allein in der Rolle des (logischen) Subj ekts die Funktion als >>erste Substanz« zukommen kann. Und durch sie allein wird es bestimmt, daß dasselbe, was in einer Hinsicht als Körper, in anderer Hinsicht als blau beschrieben werden kann. B eide B egriffe verweisen somit auf ein Zugrun­ deliegendes (X), welches im Subj ekt A als die zu bestimmende Substanz ausgesprochen und durch das Prädikat B in seiner Eigenschaft näher cha­ rakterisiert werden kann.

249 2so

Ebd., A 1 09. Ebd.

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Und mit dieser relationalen Kategorie der Verbindung von Subsistenz und Inhärenz ist darum zugleich das Fundament eines Gegenstandsbegriffs gewonnen, durch welchen die B eziehung unseres Denkens auf mögliche Gegenstände der Erfahrung unmittelbar, d.h. nicht erst vermittels einer nachträglich herzustellenden Relation zwischen dem Gegenstand und dem Subjekt der Wahrnehmung, geregelt werden kann. Darum kann das Ver­ hältnis von gegebener Erscheinung und zugrundeliegendem transzenden­ talem Gegenstand auch nicht nach dem Muster von Ursache und Wirkung vorgestellt werden. Denn erstens setzte diese Relation die Bestimmtheit beider Relate voraus. Und zweitens bliebe ein Schluß von einer gegebenen Wirkung auf eine bestimmte Ursache j ederzeit ungewiß, weil, wie Kant in den Paralogismen als Argument gegen der psychologischen Idealismus aus ­ führt, die gegebene Wirkung auf verschiedenerlei Ursachen beruhen könn­ te.251 Darum darf die Gewißheit in der Wahrnehmung und Erkenntnis ge­ gebener Gegenstände auch nicht erst das Resultat eines Schlusses sein, son­ dern muß mit den B edingungen unseres Denkens selbst unmittelbar gege­ ben sein. Dies aber ist nur möglich, wenn die B edingungen des Denkens selbst apodiktisch gewiß, d.h. a priori notwendig sind und darum allererst den Gegenstandsbezug unserer Erkenntnis möglich und begreiflich machen können.252 Die Kategorie der Substanz, auch in ihrer B edeutung als bloßer Funktionsbegriff unseres Denkens, ist darum in unserer Erkenntnis unhin­ tergehbar, da durch sie allein der B ezug auf das zugrundeliegende Ding an

Vgl. ebd., A 368: »Demnach bleibt es in der B eziehung der Wahrnehmung auf ihre Ursache j ederzeit zweifelhaft: ob diese innerlich, oder äußerlich sei, ob also alle sogenann­ te äußere Wahrnehmungen nicht ein bloßes Spiel unseres inneren Sinnes sein, oder ob sie sich auf äußere wirkliche Gegenstände, als ihre Ursache beziehe. « 252 S. Kripke sucht in diesem Zusammenhang (Kripke, 1 9 8 1 , S. 44) nach einer deutlichen Unterscheidung zwischen den Termini >a priorianalytischnotwendig< und > gewißApriori< wird nach dieser Deutung auf die Erkenntnisart, nicht aber auf den logischen Status der j eweiligen B egriffe oder Prinzipien bezogen: Im Sinne Kants ist je­ doch mit diesem B egriff nicht die Genese unserer Erkenntnisse, sondern allein ihre Gel­ tung verbunden. Ferner: Notwendige Wahrheiten können im strengen Sinne nach Kant keine empirischen Wahrheiten sein, sondern sich allein auf die B edingungen beziehen, welche empirische Erkenntnisse möglich machen. So ist die Frag·e stellung, die S. Kripke bezüglich des Begriffs der Notwendigkeit einer Erkenntnis stellt, ob diese nämlich auf Erkenntnis in möglichen Welten in Anwendung zu bringen sei, eine Frage, die sich auf empirische oder nicht-empirische Erkenntnisse, nicht aber auf die »Erkenntnis d es Em­ pirischen« selbst bezieht. - Zum Verhältnis von analytischen und synthetischen Urteilen vgl. auch: H. Putnam, 1 962. 25 1

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sich möglich ist. Und da dieser B ezug nicht normativ gesetzt, sondern in unserer Erkenntnis, wenn auch ohne Kenntnis der Regel, bereits bean­ sprucht ist, s o kann innerhalb einer transzendentalen Logik erhellt werden, warum wir uns auf gegebene Erscheinungen auch im B egriffe beziehen können. So kann die hergestellte Relation zwischen A und B in einem kategori­ schen Urteil dann zugleich als die elementarste Form gelten, zwei gegebene Vorstellungen derart miteinander in ein Verhältnis zu bringen, daß B als Attribut von A aufgefaßt werden kann, B somit A inhäriert. Die B eziehung der Identität, die durch die Kopula >>ist« zum Ausdruck gebracht werden soll, ist dann nicht als Einerleiheit beider B egriffe, sondern im synthetischen Urteil nur mehr als die Einheit in der Differenz der Bestimmungen zu begreifen. Denn beide B egriffe verweisen in je unterschiedlicher Hinsicht auf ein Zugrundeliegendes (X), das im Subj ekt A als die zu bestimmende Substanz ausgesprochen wird, die durch das Prädikat B in seiner Eigen­ s chaft näher charakterisiert werden kann. Durch die Ist-Aussage oder die einfachste Form eines kategorischen Urteils wird somit die Einheit der Vor­ stellung eines bestimmbaren Gegenstandes, z.B . eines blauen Körpers er­ reicht, indem die Bestimmung >blau zu seindas Absolute< des Dings an sich selbst zum Ausdruck bringen. - Leitmotiv der Arbeit von G. Prauss, (ders., 2 1 977) ist der Versuch, einen die kantische Analyse verwirrenden Mangel an Unterscheidung zwischen der tran­ szendental-philosophischen und der transzendental-metaphysischen Bedeutung des Be­ griffs vom >Ding an sich< zu beheben. - Den Versuch, den »D ingansich-Begriff« als Zen­ tralbegriff einer Kritik der reinen Vernunft zu erweisen, versucht H. Heimsoeth, (in: ders., 2 1 97 1 , S. 1 9 1 ff., hier S. 200.) - In einer spekulativen Begriffsform sucht Dieter Henrich

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Form unseres Denkens stellt bloß die B edingung in der B estimmung un­ seres inneren Sinnes dar und könnte auf diese Weise nicht a priori auf von uns selbst in Raum und Zeit Verschiedenes in Anwendung gebracht wer­ den. Als Grund der Bestimmung unseres inneren Sinnes ist sie j edoch auf die Bedingungen alles Zeitlichen bezogen, bloßes Nacheinander im zeitli­ chen Fluß der Erscheinungen zu sein. Da aber die Anschauungsformen des Raumes und der Zeit bloß subj ektive Bedingungen in der Wahrnehmung des zeitlich Gegebenen sind, so bestimmen wir durch die Formen unseres Denkens nur unseren inneren Sinn, indem wir zu diesem G egebenen einen Gegenstand oder seine sich wandelnden Eigenschaften denken. Als gedank­ liche Formen a priori wirken sie darum unmittelbar auf unseren inneren Sinn und machen nur vermittels dessen die objektiven Verhältnisse in der Zeit selbst denkbar. Denn die sinnliche Form des reinen Nacheinander be­ darf einer äquivalenten, ihr korrelativ zugeordneten >geistigen Form>Sprachidealismus« der logischen Semantik eine Spann­ breite möglicher Fundierungsweisen hervorgebracht, deren gemeinsamer =

3 02 3 03

Zur Entwicklung des empiristischen Sinnkriteriums vgl. Stegmüller, 1 954. Der Terminus >Bedeutung< wird hier im Sinne von Freges Unterscheidung zwischen >Sinn< und >Bedeutung< in Gebrauch genommen. Vgl. dazu: G. Frege, 4 1 975, S. 40-65 .

1 40

Erster Teil Das Denken des Etwas ·

Nenner in der Kritik an der Annahme synthetischer Urteile a priori zu finden ist.304 In der Gestalt der Zweiteilung der Wissenschaft rettet zwar im frühen Wiener Kreis die apriorische Logik zunächst die Forderung nach Übereinstimmung des Denkens mit sich selbst; da aber ihre Übereinstim­ mung mit der physikalistisch interpretierten Basis der Edahrungserkenntnis durch die Annahme sog. » glücklicher Umstände«305 nicht einsichtig ge­ macht werden kann, ist eine schrittweise Zurücknahme des strengen Phy­ sikalismus einerseits s owie der apriorisch bestimmten Logik andererseits konsequent. Und indem im Konventionalismus der Wissenschaftstheorie nun auch die apriorische Logik durch die Konventionen des Sprachge­ brauchs >von unten auf< allererst konstruiert wird, mithin also die Erfah­ rungsbasis nicht mehr logifiziert, s ondern die Logik selbst konventionali­ siert wird, wird dann auch eine Relativierung und Historisierung der aprio­ rischen Logik selbst erreicht. 306 Um j edoch beide Konsequenzen zu vermeiden und sowohl die Forde­ rung nach Übereinstimmung des Denkens mit sich selbst in analytischen Urteilen als auch die Übereinstimmung mit dem in einer empirischen Er­ fahrung Gegebenen in synthetischen Urteilen aufrechterhalten zu können, nimmt Kant als mittlere Ebene zwischen den analytischen und den syn­ thetischen Urteilen die synthetischen Urteile a priori an, durch welche bei­ de Sphären, das Denken als Tätigkeit und das Gedachte als der mögliche Gegenstand dieser Tätigkeit ineinsgefügt werden können: Demnach sind analytische Urteile auf bereits vollzogene Erkenntnisleistungen bezogen, indem sie als B egriffsexplikationen nur mehr zu erläutern suchen, was zu­ vor bereits durch den B egriff gedacht war, so daß sie die Übereinstimmung des Denkens mit sich selbst zum Ausdruck bringen können; synthetische Urteile zielen demgegenüber auf die Übereinstimmung mit den Gegenstän­ den der Erfahrung und sind darum im Sinne Kants »Erweiterungsurteile«, durch welche noch unbestimmte Gegenstände einer empirischen Erfahrung gedacht werden können. B eide Urteilsarten sind nicht aufeinander zurück­ führbar oder auseinander ableitbar, s o daß weder synthetische Urteile im Sinne von Leibniz als verkappte analytische Urteile gelten können, noch auch analytische Urteile im Sinne von Quines Kritik an den »Zwei Dogmen

Vgl. dazu: E. Tugendhat, 1 983, S. 31 ff. R. Carnap, 1 9 3 1 , hier: S. 445 ff. 306 Nicht allein die unaufgelöst gebliebene »ProtokollsatzdiskussionWiedererkenntnis< zu sprechen.

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bezogen auf die Erkenntnis der Obj ektivität des Gedachten. Denn allein auf der B asis dieser Selbstübereinstimmung unseres Denkens ist auch die Übereinstimmung mit dem Gedachten möglich, indem die Einheit unseres Denkens zur Grundlage der Einheit des Gedachten selbst werden kann. Diese zwei Forderungen nach Übereinstimmung a) mit den Gegenständen des Denkens und b) mit den B edingungen des Denkens sind nun in den drei genannten Urteilsformen derart verklammert, daß alle drei zwar analytisch getrennt werden können, in einer j eden empirischen Erkenntnis aber nur in ihrer Einheit die Erkenntnis der Gegenstände bewirken können: a) Im synthetischen Urteil A B als der Form der Übereinstimmung un­ serer B egriffe mit den Gegenständen einer empirischen Erfahrung wird ein Prädikat derart mit einem Subj ekt verbunden, daß dem Subj ekt neue Eigenschaften hinzugefügt werden, diese also nicht bereits durch das Subj ekt gesetzt sind. Wie aber eine solche Verbindung als notwendig gedacht werden kann, wenn sie allein auf einer Bestimmung unseres in­ neren Sinnes und erst vermittels dessen auf einem Bezug zu gegebenen Gegenständen beruht, welches mithin also die Kriterien dieser Überein­ stimmung a priori sind, kann nach Kant einzig durch solche regelsetzen­ den Formen unseres Denkens beantwortet werden, durch welche die Übereins timmung zwischen einem Subj ekt A und seinen Prädikaten B zugleich als der Grund der Objektivität des Gedachten selbst aufgefaßt werden kann. Die Funktion der Kategorien als möglicher Gegenstands­ begriffe besteht dann darin, in den Bedingungen des Denkens die not­ wendigen Bedingungen auch der Gegenstände des Denkens aufzufinden, indem in den synthetischen Urteilen die Identität von A und B zugleich eine Übereinstimmung, bezogen auf die Gegenstände des Denkens selbst, zum Ausdruck bringen kann, indem sie den inneren Sinn gemäß den realen Verhältnissen des Gegebenen in der Zeit kategorial bestim­ men. So sind b) die synthetischen Urteile und B egriffe a priori eben diese B edingung des Denkens in einer solchen empirischen Erkenntnis, durch welche der B e­ zug zu den Gegenständen des Denkens als Bezug zu den Zeitbedingun­ gen unseres Denkens notwendig geregelt werden kann. Diese nun sollen solche Gegenstandsbegriffe hervorbringen können, die s chließlich c) in analytischen Urteilen auch widerspruchsfrei erläutert werden können. Kants Formulierung des obersten Grundsatzes aller analytis chen Urteile in der Gestalt: >>Der Satz nun: Keinem Ding kommt ein Prädikat zu, welches ihm widerspricht, heißt der Satz des Widerspruchs « bringt die zwei Anforderungen an die analytischen Urteile in einem Gedanken zur =

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Sprache: In der Übereinstimmung des Denkens mit sich selbst durch die widerspruchsfreie B estimmung des Gedachten wird zugleich auch ein widerspruchsfreier B egriff eines Dinges selbst erreicht. Es ist diese Übereinstimmung des Denkens mit sich selbst aber nur eine notwendige, keineswegs für die Erkenntnis der Gegenstände bereits hinreichende Be­ dingung. Denn damit in der Rückwendung des Denkens auf das bereits durch seine eigenen Begriffe Gedachte dieses in einem getrennten Akt dann auch zu Bewußtsein kommen kann, müssen uns die Gegenstände zuvor in irgendeiner Erfahrung gegeben sein. Allgemein aber kann gel­ ten, daß ein widerspruchsfreier Begriff eines Gegenstandes dann erreicht ist, wenn der Begriff des Subj ekts zu dem des Prädikates - negativ for­ muliert - in einem Verhältnis der Widerspruchsfreiheit oder - positiv gesagt - in einem Verhältnis der Identität stehen kann. Die logische Form dieses Urteils: A A' oder A A(B) bringt dann die Identität in der Differenz zweier synonymer Termini zum Ausdruck, um die Über­ einstimmung des Denkens mit sich selbst in einem solchen Urteil an­ zuzeigen. Der genannte Grenzfall oder die reine Form dieser Urteilsart ist dann die Formel A A, welche die bloße Einerleiheit der Termini zur Maxime macht, durch die dann aber über den gegebenen B egriff hinaus keine Erkenntnisse gewonnen werden, sondern lediglich eine Tautologie zum Ausdruck gebracht werden kann. =

=

=

So ist diese Verschiedenheit der im analytischen Urteil in Anspruch ge­ nommenen Termini für uns die einzige Weise, die Identität des bereits Ge­ dachten selbst zu vergegenwärtigen. Denn die Identität des Gedachten kann selbst in analytischen Urteilen nur auf der Basis einer Differenz der Termini artikuliert werden, ein Identisches s omit allein in der Differenz zum Aus­ druck gebracht werden. Und da diese Differenz nicht die Form, sondern allein den Gehalt des Gedachten betrifft, so erfährt die Formel der analy­ tischen Urteile gegenüber der reinen Identitätsform auch nur eine Modifi­ kation durch das A' bzw. das A(B) . Denn die Differenz im Gehalt der verwandten Termini, die als Synonyme die Identität des Gedachten durch »bedeutungsgleiche>Ich denke« bilden können, der diese genannte Einheit zum Ausdruck bringen kann. Nur vermittels eines Äußeren also wird unser innerer Sinn durch die wahrnehmende und denkende Aktivität unseres Be­ wußtseins bestimmt, Welt- und Selbstbewußtsein darum in einem Akte durch die Selbstaffektion unseres inneren Sinnes gezeugt. Und darum ist unser Selbstbewußtsein auch - im Sinne Kants - nur das B ewußtsein der Einheit seiner eigenen Funktionen in der Erkenntnis gegebener Gegenstän­ de, mithin also ein B ewußtsein der zeugenden (bestimmenden) und der sich dieses Aktes bewußt werdenden (bestimmbaren) Tätigkeit unserer (Selbst)-

33 6

So hebt unser Selbstbewußtsein im Sinne Kants nicht vom Materialen, sondern »von dem Formalen der Synthesis des Mannigfaltigen der reinen Anschauung a p riori nicht vom Objekt der Erkenntnis, sondern dem Zusammenordnen (coordinatio) möglicher Sin­ nenvorstellungen in dem von Gegenständen afficierten Subject d.h. der Erkenntnis des Gegenstandes als Erscheinung an.« (vgl. Kant, Opus postumum XXII, S. 448). Das Sub­ jektive in Wahrnehmung und Apprehension ist zugleich objektiv nach dem Prinzip der Identität (ebd., S. 453). Doch ist das Selbstbewußtsein »noch kein Act der Selbstbestim­ mung zur Erkenntnis eines Gegenstandes, sondern nur die Modalität des Erkenntnisses überhaupt wodurch ein Subject sich selbst überhaupt zum Object macht und das Förm­ liche der Anschauung überhaupt« (ebd., S. 87). Dieser Act der Apperzeption (sum cogi­ tans) ist daru m noch kein Urtheil über ein Obj ekt, d.i. noch keine Vorstellung des Ver­ hältnisses eines Prädikats zum Subj ekt, wodurch eine Erkenntnis begründet wird (ebd, S. 93). Denn das B ewußtsein meiner selbst ist »noch keine Vorstellung des Verhältnisses eines Gegenstandes zum anderen d.i. noch kein Urtheil«, sondern bloß das Formale des Urteils nach der Regel der Identität: » [ . . . ] der logische Akt I c h d e n k e (apperceptio) ist ein Urteil (iudicium), aber noch kein Satz (propositio) und noch kein Act des Erkennt­ nisvermögens (facultas cognoscendi) wodurch ein Obj ekt gegeben sondern nur im All­ gemeinen gedacht wird. Es ist ein logischer Akt der Form nach ohne I nhalt [ . . . ) « (ebd., S. 95). Daru m ist dieser logische Akt noch kein Satz, denn ihm mangelt das Prädikat, das ihm nur durch den Gedanken eines Etwas als Etwas zukommen kann. (Ebd., S. 98). m Vgl. KrV, B 1 3 3 : »Nämlich diese durchgängige Identität der Apperzeption, eines in der Anschauung gegebenen Mannigfaltigen, enthält eine Synthesis der Vorstellungen, und ist nur durch das B ewußtsein dieser Synthesis möglich«; vgl. ferner: ebd., B 423 Fn: Der Satz »Ich denke« d rückt demnach » eine unbestimmte empirische Anschauung, d.i. Wahr­ nehmung, aus (mithin beweist er doch, daß schon Empfindung, die folglich zur Sinnlich­ keit gehört, diesem Existentialsatze zum Grunde liegt) [ . . . ) « .

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Erkenntnis. Denn da die »Selbstdarstellung« unseres inneren Sinnes auf ei­ ner geliehenen äußeren Gestalt beruht, durch welche allein ein Inneres sichtbar gemacht werden kann, gewinnt mit der Anschauung eines Äußeren zugleich auch unser innerer Sinn erst eine bleibende, wenn auch nur ver­ mittelte äußere Gestalt. Und dies e bleibende Gestalt für unser I nneres ist zugleich die angeschaute und dann auch kategorial bestimmbare Erschei­ nung einer empirischen Erfahrung. Indem diese dann in der ihr eigenen Zeitlichkeit bestimmt wird, wird mittelbar auch unser eigenes Verhältnis in der Zeit bestimmt, so daß für den inneren Sinn gilt, was Kant im zweiten metaphysischen Raumargument in gleicher Weise für den äußeren Sinn ausgeführt hat: daß wir als im Raume an verschiedenem Orte befindliche Wesen nur bestimmen können, wenn wir bereits unmittelbar eine gegebene Erscheinung in ihrem Außer- und Nebeneinander orten können. Analog bedeutet dies für den inneren Sinn: Auch unser Verhältnis in der Zeit ist nur an der je eigenen Zeitlichkeit der gegebenen Obj ekte ablesbar, so daß wir ein Bewußtsein unserer Selbst nur in dieser Relation zu gegebenen wie gedachten Erscheinungen gewinnen können, deren Verhältnisse in der Zeit wir an den je verschiedenen Verhältnissen unserer Vorstellungen unterein­ ander ablesen können, insofern diese unter Regeln stehen. Wenn darum als >>Erscheinung« des inneren Sinnes stets nur das Außer­ und Nebeneinander des Gegebenen im Raume bestimmt werden kann, kann ebensowohl gesagt werden, es erscheint uns ein Gegenstand wie, unser innerer Sinn wird mittelbar durch ein wahrgenommenes Äußeres be­ stimmt. Diese Einheit des Gedachten im Denken des Etwas setzt darum unser einfaches Ich als eine ursprünglich verbindende und verknüpfende Instanz voraus, welche darum nicht allein als der notwendige Grund der B estim­ mung unseres inneren Sinnes, sondern damit einhergehend auch aller mög­ lichen bestimmbaren Gegenstände unseres Denkens genannt werden kann. Insofern also ein Etwas identifiziert wird, muß unser Selbstbewußtsein der Grund dieser Einheit sein, welches sich in der Obj ektbestimmung aber zu­ gleich auch selbst erst als einheitsstiftendes B ewußtsein setzt.

a) Selbstbewußtsein ist nicht Entzweiung eines Einfachen, son­ dern Akt der Seihsterheilung des eigenen Tuns, Selbstverhält­ nis im Obj ektbezug Darum kann der Akt der Reflexion auf dieses Tun allein ein Akt der Selbst­ erheBung bereits vollzogener Synthes isleistungen sein und nicht als die pa-

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radoxe Struktur eines mit sich selbst entzweiten Einfachen aufgefaßt wer­ den, das in der Rückbesinnung auf sich selbst nur mehr die Relation zwi­ schen einem B estimmenden und einem B estimmbaren vorfindet, den ein­ fachen Grund alles Bestimmens aber in diesem regressiven Akt niemals erreicht.338 Denn der Grund der Einheit des Denkens mit dem Gedachten, der als das >>Ich denke« alle unsere Vorstellungen muß begleiten können, ist nicht ein in seiner Selbstreflexion mit sich entzweites einfaches Ich, sondern ein Ich, das sich nur durch seinen B ezug auf das Nicht-Ich als ein solches erkennen und sich darum auch nur in dieser Differenz zu einem Nicht-Ich seiner selbst bewußt werden kann. So ist Selbstbewußtsein nach dieser The­ se unmittelbar zugleich auch Weltbewußtsein. B eide konstituieren sich in dem Einen Erkenntnisprozeß als die zwei Seiten desselben Vollzugs : Und was bezogen auf unseren inneren Sinn als Selbstbewußtsein thematisiert werden kann, läßt sich bezogen auf seine Darstellung in einem >>Äußeren« als die Erkenntnis des Gegebenen bestimmen. Und darum ist uns auch Vgl. zum Problem dieser Interpretation des Selbstbewußtseins: D. Henrich, 1 966, S. 1 8 8-23 3 . Es ist eben diese lneinsbildung von Selbstbewußts ein und Gegenstandsbe­ wußtsein, nach welcher der oberste Ableitungsgrund der Verstandeseinheit nur in seinen Funktionen zu bestimmen ist, so daß eine unabhängige Theorie des Selbstbewußtseins im Horizont der Deduktionsproblematik der KrV nicht intendiert ist. Und da sich zudem der Ort der Bestimmung des Selbstbewußtseins nur im Durchgang durch diese Funktion apriorischer Verbindung erschließt, die Identität des B ewußtseins nur als B ewußtsein der Identität s einer verknüpfenden Funktionen vorgestellt werden kann, so kann auch nicht der Ausgang beim Selbstbewußtsein genommen werden, aus welchem dann deduktiv die logischen Formen und Gegenstandsbegriffe abzuleiten seien. Kants Theorie des Selbst­ bewußtseins ist eine Theorie der notwendigen Ineinsbildung von Selbst- und Gegen­ standsbewußtseins. Der höchste Ort der Transzendentalphilosophie wird in der Reflexion auf die B edingungen unseres Weltbewußtseins gewonnen; der ratio cognoscendi - dem Weg der Ableitung der Kategorien aus den Urteilsformen - folgt schließlich in der »De­ duktion der reinen Verstandesformen« der umgekehrte Ableitungsgang: Hier wird das der Sache nach Erste als Ausgang und Grund der Möglichkeit unserer Verstandesformen bestimmt. Der »Reduktion« im Sinne der Rückführung auf das oberste Prinzip folgt dann der Gang der »Realisation«, indem über die Grundsätze und Sehemate der a p riori be­ stimmte Gebrauch der Kategorien thematisiert wird. (Vgl. dazu: G. Buchdahl, 1 98 1 , S. 3997.) Im Sinne der B edeutung von »Deduktion« als Rechtfertigung ist die gewählte Auf­ und Abwärtsbewegung die Konsequenz transzendentaler B etrachtungsweise. Eine deduk­ tive B ewegung von einem obersten Grunde über die Kategorien und Anschauungsformen zur Ebene der Sinnlichkeit wäre deshalb der Intention Kants zuwider. (Vgl. zu dieser Argumentation: K. Gloy, 1 9 85, hier: S. 29/30). - Zum Selbstbewußtsein als Prinzip der Transzendentalphilosophie vgl. ferner: U. Pothast, 1 97 1 ; D. Henrich, 1 976, 1 9 87; W. B ek­ ker, 1 984; R. B randt, 1 9 84; H. Fink-Eitel, 1 978; M. Frank, 1 98 7, 1 9 88, 1 99 1 , 1 9 9 1 a; H.F. Fulda, 1 987; K. Gloy, 1 985; W. Hinsch, 1 986; R.-P. Horstmann, 1 9 85, 1 9 87; H.-D. Klein, 1 98 7; S. Sho emaker, 1 9 8 1 ; D. Sturma, 1 9 85; E. Tugendhat, 2 1 9 8 1 ; R. Aschenberg, 1 9 88. m

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unser Selbst nur in seiner Erscheinung, nicht aber in seinem An-Sich-Sein zugänglich, denn es bleibt auch im Sinne Kants, wie SeheHing diesen Ge­ danken in seinem »System des transzendentalen Idealismus>Das >Ich denke< muß all meine Vorstellungen begleiten können«

a) Die analytische Einheit der Apperzeption Kants modale B estimmung, nach welcher das Ich all meine Vorstellungen begleiten können soll,340 kann nach den bisherigen Überlegungen auf zwei­ fache Weise verstanden werden: Als Prinzip der Einheit kann es, muß es aber nicht eigens gedacht werden, denn die Verknüpfungsleistungen voll­ ziehen sich unabhängig von einem B ewußtsein dieses Vollzugs und sind auch ohne dieses möglich. So kann ich mir selbst als Urheber der vollzo­ genen Verknüpfungsleistungen in einem getrennten Akt des »Selbstbewußt­ seins« zwar bewußt werden, die vollzogene Verknüpfung selbst bedarf je­ doch einer solchen B ewußtwerdung nicht, um synthetische Einheit des Gedachten, obj ektive Einheit der Apperzeption, zu sein. Denn das Selbst­ bewußtsein als Grund der Möglichkeit aller Verknüpfung ist analytisch be-

34°

KrV, B 1 3 1 /2 ff.

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reits in den vollzogenen Einheitsvorstellungen enthalten, so daß Kant dieses B ewußtsein auch als analytische Einheit der Apperzeption begreift.341 Es ist analytisches Prinzip aller Apperzeption, da alle Verknüpfungsleistungen unseres Verstandes nur durch jenen einzigen Akt des >>Ich denke«, der zu­ dem in allen Verstandeshandlungen ein und derselbe ist, zustande kommen können und keine Verknüpfung in Wahrnehmung oder Begriff j emals denk­ bar wäre, gäbe es nicht im Akt der Verknüpfung eine verknüpfende einfache wie mit sich selbst identische Instanz, die im Gedanken »Ich denke« bloß explizite Gestalt annimmt. Denn all unser Urteilen ist durch j enen einfa­ chen Grund ermöglicht, der nun seinerseits wiederum als die identitätsstif­ tende Instanz zu Bewußtsein gebracht werden kann, welches Kant dann das Selbstbewußtsein nennt. So ist dieser Ich-denke-Gedanke nur das B ewußt­ sein der in einer j eden Verknüpfung bereits geleisteten Irreinsbildung ge­ gebener Erscheinungen zur Einen Anschauung bzw. zum B egriff des ge­ gebenen Obj ekts, indem er den Akt der vollzogenen Irreinsbildung in einem herausgehobenen Satz: >>Ich denke>zugleich die Einheit des B ewußtseins (im Begriffe einer Linie)>Ich denke>Ich denke« begriffen werden, als in ihm lediglich zum Ausdruck gebracht wird, daß wir selbst es sind, durch die der Vollzug der Verknüpfung möglich geworden ist. (Analytische Einheit der Apperzeption) 343

Ebd., B 1 3 3 .

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So wie daher ein B ewußtsein der ursprü nglichen Einheit der Apperzep­ tion, das B ewußtsein vollzogener Synthesisfunktionen im einigen Selbst­ bewußtsein des »Ich denke« nur dadurch zustandekommen kann, daß Ver­ knüpfungen bereits stattgefunden haben, - Synthesisfunktionen der Ana­ lysis somit vorausgesetzt sind, weil ansonsten das Bewußtsein des »Ich den­ ke« leer wäre, was eben s o viel hieße, als daß es dann gar nicht möglich wäre,344 - so muß umgekehrt das Selbstbewußtsein, jenes »Ich denke«, seinerseits als Voraussetzung einer jeden nur möglichen Verbindung begrif­ fen werden. Denn ohne jene verknüpfende Instanz, ohne die ursprünglich synthetische Einheit der Apperzeption, ist die obj ektive Einheit der Ap­ perzeption nicht möglich. Da wir aber außer den Vorstellungen von mög­ lichen Gegenständen der Erfahrung nichts haben, worauf sich die Gewiß­ heit unserer Erkenntnisse gründen könnte, so kann die Obj ektivität des Gedachten nur durch solche Regeln möglich sein, denen das gegebene Man­ nigfaltige nicht erst nachträglich unterworfen wird, sondern unter denen es als Bedingung der Objekterkenntnis immer s chon steht. Wenn nun die Ka­ tegorien als die Formen aufgefaßt werden, in denen sich unser Denken je schon bewegt und wenn sie zugleich Bedingungen der Obj ektivität des Gedachten selbst genannt werden sollen, so können sie nicht aus einem sich seiner selbst gewissen Ich hergeleitet sein. Denn das Ich mag zwar Einheits­ grund von Denken und Gedachtem sein, nicht aber kann es der Grund auch der Formen sein, durch die alles Denken allererst obj ektiv genannt werden kann. Denn obj ektiv genannt werden können die Formen des Denkens nur, weil sie als Gründe der Affinität des Gedachten den reinen B egriff von einem >Gegenstand überhaupt< möglich machen. Und als Bestimmungs­ gründe der Obj ektivität des Gedachten sind sie zugleich diej enigen geisti­ gen Formen, unter denen die gegebenen Erscheinungen immer s chon ste­ hen, um für uns Gegenstände einer empirischen Erfahrung zu sein. Denn, s o lautet die B egründung, stünden die gegebenen Erscheinungen nicht selbst unter solchen reinen Begriffen, durch die sie zu Gegenständen unseres Den­ kens werden, die Obj ektivität des Gedachten bliebe ungewiß. So ist die B eschaffenheit unseres inneren Sinnes, die Ordnung der Erscheinungen in der Zeit zu ermöglichen, das sinnliche Substrat und Fundament der reinen Verstandesformen. Denn ohne die drei genannten Modalitäten der Zeit könnte a) in den Formen der Substanz und des Akzidenz nichts Identisches in der Differenz seiner Bestimmungen gedacht werden, b) die Folge der Erscheinungen im Nacheinander der Zeit nicht durch die Kategorie der

3 44

Ebd., B 1 32.

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Kausalität i n ihrer notwendigen Abfolge geregelt werden noch könnte c) das /neins von Ruhe und Bewegung, Identischem und Verschiedenem ge­ dacht werden, wenn nicht durch die Kategorie der Wechselwirkung das Zugleich der Erscheinungen a priori bestimmbar wäre. Und nur, weil wir durch die apriorischen Formen eine unmittelbare Verbindung des Denkens mit den Gegenständen der Erfahrung herstellen können, können die Kate­ gorien als formale B edingungen des Denkens zugleich ebenso viele B edin­ gungen der Gegenstände des Denkens genannt werden. Die modale B estimmung, nach welcher das »Ich-denke« all meine Vor­ stellungen muß begleiten können, hat darum neben der Möglichkeit der Selbstvergewisserung über den Ursprung der Tätigkeit noch eine zweite B edeutung: Das gegebene Material muß zugleich so beschaffen sein, daß es von einem Ich-denke-Gedanken auch begleitet werden kann, mithin also eine Vereinigung zu objektiven Einheiten der Apperzeption auch erlaubt, da unser Denken ansonsten nichts hätte, was durch es verbunden werden könnte, was ebensoviel hieße, als daß die Vorstellung dann >>entweder un­ möglich, oder wenigstens für mich nichts «345 wäre. Ohne ein Zu-Denken­ des aber würde das Denken selbst aufgehoben, da es dann nichts gäbe, worauf seine Regeln bezogen wären. So ist die Modalität in dieser zweiten Bedeutung des >>B egleiten-Kön­ nens« nicht mehr auf das Denken, sondern auf das Zu-denkende in dem Sinne bezogen, daß der oberste Einheitsgrund unseres Denkens das zu­ nächst bloß verstreut gegebene Material auch unter seine Einheit bringen können muß, weil ansonsten »etwas in mir vorgestellt [würde, C . B .] , was gar nicht gedacht werden könnte.«346 Und da der oberste Grund uns erer Verstandeshandlungen, das >>Ich«, Grund der Einheit von Kategorie und kategorial B estimmtem genannt werden soll, s o müssen die sinnlich gege­ benen Erscheinungen zu den Formen unseres Denkens auch eine Affinität haben, durch die sie unter die Einheit der Apperzeption auch gebracht werden können. Die Erscheinungen müssen sich von den Formen des Den­ kens nämlich auch bestimmen lassen, wenn unser Denken nicht leer und das Gegebene nicht undenkbar sein soll. Denn so wie das sinnlich gegebene Material unter die ursprünglich synthetische Einheit der Apperzeption ge­ bracht werden muß, um Gegenstand unseres Denkens zu sein, s o muß die Spontaneität unserer Verstandeshandlungen auf dieses auch beziehbar sein, wenn im Denken ein Etwas als Etwas bestimmt werden soll. Um darum zur

345 34 6

KrV, B 1 32. Ebd.

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Einheit gegebener Größen der Wahrnehmung bzw. des Denkens gefügt zu werden, muß die verstreute Vielfalt gegebener Erscheinungen mit den spontanen Akten unseres Verstandes in einem Punkte auch übereinstim­ mend sein. Aus dem potentiellen >>B egleiten-Können« kann nämlich ein aktuales B egleiten nur werden, wenn das gegebene Material in eine Ord­ nung gebracht wird, die den Bedingungen des Materials auch entspricht. Gäbe es darum nicht ein verbindendes Drittes zwischen Kategorie und ka­ tegorial Bestimmtem, die Anwendung der reinen Verstandesformen auf das verstreut gegebene Material bliebe unbegreiflich. Da nun aber alle Verstan­ destätigkeit bloß auf unseren inneren Sinn bezogen ist, so können die Ver­ standesformen als die Ordnungsbedingungen der Erscheinungen in der Zeit mit den zeitlichen B edingungen gegebener Erscheinungen durch das ver­ mittelnde Schema der Zeit ineinsgesetzt werden.347 Denn wäre unser Den­ ken auf mehr als bloß die erscheinenden Gegenstände bezogen, es gäbe in unserer Erkenntnis nichts, das mit den gegebenen Gegenständen a priori übereinstimmen könnte. Insofern die Erscheinungen aber etwas sind, das bloß in uns selbst angetroffen wird, so können wir in der B estimmung unseres inneren Sinnes zugleich auch die Bestimmung der Gegenstände der Erfahrung selbst gewinnen. Und nur, weil ihr Erscheinen in der Zeit mit unserem inneren Sinn identisch verbunden ist, kann Gegenstand unseres Denkens werden, was zugleich auch von uns verschieden ist.348 Als Grund der Möglichkeit, ein Vielfältiges unter die Einheit von Begriffen zu bringen, ist darum die Einheit des >>Ich denke« auch der Grund der möglichen Af­ finität der Erscheinungen untereinander. Insofern wir nämlich mit den Ka­ tegorien lediglich unseren inneren Sinn bestimmen, muß das im Nachein­ ander der Zeit gegebene Material durch die Formen unseres Verstandes auch gedacht werden können. Und da die Kategorien ebensolche B estim­ mungsgründe der zeitlichen Verhältnisse der Erscheinungen untereinander sind, ist mit diesen auch die Möglichkeit der lneinsbildung des sinnlich Gegebenen mit den Einheitsgründen unseres Denkens gesetzt. Und so kann die Übereinstimmung unseres zeitlich bestimmten inneren Sinnes mit den Funktionen der Ordnung der Erscheinungen in der Zeit, wie sie durch die Kategorien gegeben sind, als eine Antwort auf die Frage gelesen werden, wie wir uns denn die Affinität der Erscheinungen untereinander überhaupt begreiflich machen wollen ?

347 34 8

Vgl. KrV, A 1 3 7 ff. B 1 76 ff. Ebd., B XL.

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Mit der ursprünglich synthetischen Einheit der Apperzeption ist dann zugleich auch das Prinzip benannt, das in der Bestimmung unseres inneren Sinnes die Einheit von Kategorie und kategorial Bestimmtem rechtfertigen und begreiflich machen kann. Indem nämlich die zeitlich gegebenen Er­ scheinungen den kategorialen Funktionen der Ordnung in der Zeit auch gemäß sind, kann der Einheitsgrund unseres Selbstbewußtseins als Grund der Übereinstimmung unseres Denkens mit dem empirisch gegebenen Ma­ terial selbst fungieren. Die Regeln des Denkens sind dann ebenso viele Be­ stimmungsgründe der Gegenstände des Denkens, da sie als Formen der Übereinstimmung mit dem Gedachten raum-zeitlich gegebene Erscheinun­ gen unter die Zeitbestimmungen des Denkens bringen können. Darum kann die Funktion der Kategorien für die Bestimmung unseres inneren Sinnes auch zeigen, in welcher Weise das bloße Nacheinander gegebener Erscheinungen durch spontane Akte der einheitsstiftenden Funktion un­ seres Verstandes in ein räumliches Nebeneinander und ein zeitliches Nach­ einander einer gedachten Ordnung verwandelt und begrifflich näher be­ stimmt werden. Die B etrachtung dieser Funktion für die Bestimmung ge­ gebener Gegenstände macht dann auch eine Antwort auf die Frage möglich, wie es denn möglich ist, die zerstreut gegebene Mannigfaltigkeit des em­ pirischen Materials unter solche Einheitsgesichtspunkte zu bringen, durch welche die Gegenstände bestimmt und in die Ordnung des Bestimmten integriert werden können. Das gegebene Mannigfaltige kann als Einheit im Begriff nämlich nur ge­ dacht werden, wenn die Assoziation der mannigfaltigen Vorstellungen im B egriff auf der Affinität der verknüpften Vorstellungen untereinander be­ ruht. Wie soll man sich diese Affinität anders begreiflich machen, als durch die genannte gesetzmäßige Verknüpfung der Vorstellungen, durch welche ihre Verbindung nicht zufällig, sondern gemäß solcher Formen geregelt ist, die zugleich als Formen des Gedachten selbst aufgefaßt werden können ? Als solche müssen sie dann aber gleich den Anschauungsformen von Raum und Zeit apriorischen Charakter haben, müssen als Ermöglichungsgrund dieser Einheit einer j eden Verknüpfung bereits eingeschrieben sein, da nur die Kategorien als Gründe der Affinität des Mannigfaltigen die Verbindung unserer Vorstellungen untereinander notwendig und allgemein regeln kön­ nen. Deshalb kann Kant auch sagen, daß dieses »Ich denke« auch all unsere Vorstellungen muß begleiten können, da nur, insofern das sinnlich gegebene Material auch selbst eine Affinität zu unserem Denken aufweisen kann, aus dem potentiellen Begleiten-Können auch ein aktuales B egleiten werden kann. Insofern die Kongruenz-Annahme zwischen reiner Denkform und

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bestimmbarem Material durch die vermittelnde Funktion der Zeit darum gerechtfertigt ist, hat auch die zweite Bedeutung der Modalität des Beglei­ ten-Könnens ein sachliches Fundament.

c) Das Ich setzt sich selbst durch das Nicht-Ich Die genannte Kongruenz beider Bereiche macht somit in der Verbindung von sinnlich gegebenem Material und kategorial bestimmtem Gegenstand des Denkens zugleich auch ein Identisches notwendig, das als ein Gleich­ bleibendes dem Verbinden des Mannigfaltigen im B egriffe zugrundeliegt. Und da das Identische nicht in den Erscheinungen selbst anzutreffen ist, denn diese stellen bloß das heterogene Material zu einer möglichen Er­ kenntnis bereit, so muß der Grund der obj ektiven Einheit des Gedachten in einem Prinzip gefunden werden, das die Ineinsbildung unserer Vorstellun­ gen untereinander in Anschauung und Begriff erlaubt. Auf diese Einheit nun ist die Suche nach einem obersten Prinzip gerich­ tet, denn die Regeln unserer Verstandeshandlungen als Gründe der Affinität der gegebenen Erscheinungen untereinander müssen auf einem Prinzip be­ ruhen, das die Einheit beider Sphären begreiflich machen kann. Und da mit dem Prinzip der Einheit der Apperzeption die Obj ektivität des Gedachten gleichursprünglich verbunden sein soll, kann unser Selbstbewußtsein auch als ein B ewußtsein der Identität unserer selbst in der Verbindung gegebener Mannigfaltigkeit zu möglichen Obj ekten des Denkens aufgefaßt werden. Somit entfaltet das Prinzip der Einheit der Apperzeption seine Wirksam­ keit in s olchen Akten der Verknüpfung, die mit der Wirklichkeit des ge­ dachten Obj ekts auch die Wirklichkeit des Prinzips selbst erst hervorbringt, oder, in Kants Rede: >> [ ] diese durchgängige Identität der Apperzeption, eines in der Anschauung gegebenen Mannigfaltigen, enthält eine Synthesis der Vorstellungen, und ist nur durch das Bewußtsein dieser Synthesis mög­ lich.«349 Als Grund der Möglichkeit zu aller Verbindung ist das Ich nämlich bloßes Vermögen und muß in den Erkenntnisakten als dieses Ich auch al­ lererst gesetzt werden, wenn es in einem weiteren Schritt als Prinzip des Denken selbst angeeignet werden soll. So hat es Existenz nur, wenn es sich als ein erkennendes Subjekt ein Nicht-Ich entgegensetzt, und es ist Selbst­ bewußtsein nur, wenn es sich der Identität seiner selbst in seinen Handlun­ gen auch bewußt geworden ist.350 Denn ohne j enen Akt der B ewußtheit • • •

Ebd., B 1 3 3 . 350 Ebd., B 1 3 3 f. 349

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seiner selbst in all seinen Handlungen ist es zwar ursprüngliches Prinzip seiner Gedanken, doch hat es sich noch nicht als dieses Prinzip angeeignet und ist damit noch ohne ein B ewußtsein seiner selbst in der erkennenden Tätigkeit. Das >>Ich denke« kann darum bereits im Sinne Kants als eine >Tathand­ lung< aufgefaßt werden, durch welche sich das Produzierende zugleich mit seinem Produkt, seinen Gedanken setzt. Im Unterschied j edoch zu Fichtes Bestimmung der >Tathandlung< des absoluten Subj ekts im ersten und zwei­ ten Grundsatz seiner Wissenschaftslehre von 1 794 ist das durch das Ich gesetzte Nicht-ich in Kants >Deduktion< der Kategorien zwar in seiner Be­ stimmtheit durch das Subjekt gesetzt, nicht aber kann es auch als noch unbestimmter Gegenstand einer empirischen Erfahrung durch das Subj ekt gesetzt sein. Vielmehr muß es dem Subj ekt zuvor in einer sinnlichen Erfah­ rung gegeben sein, wenn es zur Einheit des Gedachten im Gedanken des Etwas verknüpft werden soll.

d) Sinnlichkeit und Verstand als irreduzible Quellen der Erfah­ rungserkenntnis . Das Denken ist selbst ein Seiendes , das ge­ gebenes Seiendes bestimmt. Einheit und Differenz von Den­ ken und Sein Diese Voraussetzung Kants, die ihre gedankliche Grundlage in der Tren­ nung von Sinnlichkeit und Verstand als zweier nicht aufeinander reduzier­ barer Erkenntnisquellen hat, erweist sich an dieser Stelle nun als wohl be­ gründet: Denn diese Trennung von rezeptivem und produktivem Vermögen unserer Erkenntnis macht es möglich, das Gedachte nicht gänzlich auf die setzende subj ektive Tätigkeit, mithin also auf ein subj ektives Prinzip zu­ rückzuführen, s ondern es zugleich auch in seiner Unabhängigkeit zu den­ ken, so daß im Sinne Kants gelten kann: das Gedachte ist nicht bloß durch unser Denken gesetzt, sondern zwischen Denken und Sein besteht - nicht allein in unserem Denken - eine grundlegende Differenz. Das Gedachte, so die Konsequenz j ener Trennung, ist nicht bloßer Gedanke, sondern das im Gedanken des Etwas Gedachte ist vom Denken selbst noch zu unterschei­ den. Denken und Sein sind durch die Gegenstandsbegriffe, die synthetisch apriorischen Formen des Verstandes zwar identisch verbunden, s o daß auch im Sinne Kants Denken und Sein nur als Einheit aufzufassen sind, zugleich aber müssen sie auch als verschieden gedacht werden: Denn s o wenig das Denken bloß der Gedanke >>Denken« ist, kann das Gedachte als bloßer Gedanke aufgefaßt werden. Darum sind im >>Denken des Etwas « Denken

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Erster Teil Das Denken des Etwas ·

und Sein s owohl identisch (in der Gestalt der Kategorien) als auch ver­ s chieden (durch die Funktion des gegebenen Materials zu allem Denken, das nicht vom Denken zugleich gesetzt sein kann). So stellt sich auch für Kant die Suche nach den Gründen der Möglichkeit der Einheit von Denken und Gedachtem, Denken und Sein als das ent­ s cheidende Problem einer sich ihrer Grundlagen vergewisserndem philo­ s ophischen Reflexion dar. Kant bestimmt die Anschauungsformen und die Kategorien als j ene gesuchten Einheitsorte, welche in ihrer apriorischen Gestalt die Obj ektivität des Gedachten garantieren und durch den Einheits­ ort des »Ich denke« zugleich auch auf einen Grund ihrer Möglichkeit, den Grund für die Übereinstimmung von Denken und Sein, zurückgeführt wer­ den sollen. Die gedachte Übereinstimmung von Denken und Sein im Denken des Etwas hat darum nach bisher Gesagtem die Struktur: a) das gegebene sinn­ liche Material als das j eweils Seiende zu denken, das durch verknüpfende Funktionen unseres B ewußtseins zur Einheit gedachter Entitäten vereint werden soll; b) die einheitsstiftende Tätigkeit unseres Denkens, das Urtei­ len, als die Form aller Verbindung aufzufassen und c) im >>Ich denke« das oberste Prinzip zu finden, das die Tätigkeit und den Gegenstand dieser Tätigkeit in der Obj ektivität des Gedachten vereint.

e) Das Prinzip als Indifferenzort soll die Einheit von Denken und Gedachtem in einer Erfahrungserkenntnis begreiflich ma­ chen können Die Apperzeption des >>Ich denke« kann darum insofern als reine Apper­ zeption begriffen werden, als sie alle meine Vorstellungen begleiten können muß, selbst aber von keiner weiteren Vorstellung begleitet werden kann. Denn einer j eden nur möglichen Synthesis der Teile zu obj ektiven Größen der Anschauung oder des Denkens liegt dieses »Ich denke« zugrunde, so daß dieser reinen Apperzeption unseres Bewußtseins, dem einfachen >>Ich denke« , obj ektivitätsbildende Funktion zugesprochen werden kann. Darum kann dieses Prinzip, obwohl Prinzip einer subjektiven Tätigkeit, gleichwohl nicht allein durch Bestimmungen aus dem B ereich des Subj ektiven erfaßt werden, sondern muß, wenn seine einheitsstiftenden Aktionen als ebenso viele Gründe der Einheit des Gedachten selbst aufgefaßt werden können, zugleich in seiner transindividuellen, universellen Bedeutung erkannt wer­ den. Denn allein die produktive Kraft j ener Einheitsfunktionen, das Den­ ken als Tätigkeit erkennender Subjekte, kann als die subj ektive Seite des

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Prozesses aufgefaßt werden; indem aber ein bloß Subj ektives wie die ge­ nannten Einheitsfunktionen dieser Tätigkeit unmittelbar zugleich die B e­ dingungen der Obj ekte des Denkens sind, kann der Ursprung der genann­ ten Einheit nicht mit B estimmungen aus dem B ereich des Subj ektiven erfaßt werden. Denn er ist durch die benannten Funktion vielmehr zugleich zu einem Ort der Einheit beider Seiten, der Einheit unserer Tätigkeit mit den Obj ekten dieser Tätigkeit geworden und kann auf diese Weise nur als ein Ort der Indifferenz zwischen Denken und Gedachtem, zwischen dem sub­ j ektiven Bestimmen und dem objektiv Bestimmten aufgefaßt werden. Ein derart Gegensätze übergreifender Einheitsort hat dann die subj ektive Seite des Denkens in ihrer Teilhabe an einem Obj ektiven, den Gegenstandsbe­ griffen überhaupt, begreiflich zu machen. Aus diesem Grunde ist der Ur­ sprungsort unserer Kategorien, den Kant in der Tradition Descartes' als das einfache Ich bezeichnet, zwar auf ein subjektives Prinzip zurückgeführt, zugleich aber kann diesem Grund des Zeugens von Seinsgedanken ein, wenn auch nicht bestimmbares, vorkategoriales Sein zugesprochen werden, das nur in seinen Prädikaten, den Gedanken, einen adäquaten Ausdruck finden und in diesen obj ektiv sein kann.

f) Das >>Ich« ist mögliche Wahrnehmung unseres inneren Sinnes So ist unser Ich als ein Seiendes zu denken, das von den möglichen Gegen­ ständen seiner Tätigkeit durch die Qualität der Spontaneität und damit des Ursprünglichen unterschieden ist. Darum auch kann Kant von der Wahr­ nehmung des >>Ich denke« sprechen, weil wir in den vollzogenen Syn­ thesisleistungen des B ewußtseins diesen Einheitsgrund gleichwohl als ein Identisches in der Vielfalt seiner Vorstellungen »wahrnehmen>Ich denke« zum Ausdruck gebracht wird, auf ein Reales bezogen ist, das, >> [ . . . ] nicht als Erscheinung, auch nicht als Sache an sich selbst (Noume­ non), s ondern als etwas, was in der Tat existiert, und in dem Satze, ich denke, als ein solches bezeichnet wird«,351 vorgestellt werden kann. Daß das >Ich< dabei im Sinne Kants nicht als empirische Vorstellung gilt, erhellt ihr intelligbler Charakter. Daß aber ein Intelligibles zugleich nur wahrnehmbar ist, wenn es uns in irgendeiner Form erscheinen kann, bindet die Wahrneh-

351

Ebd., B 423.

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Erster Teil Das Denken des Etwas ·

mung dieses Intelligiblen dann zwar an die Erscheinungsformen des Sinn­ lichen, macht aber gleichwohl aus einem Intelligiblen keine raum-zeitlich bestimmte Gestalt. So sind es zwar die wahrnehmbaren Gedanken, welche die >Realität< des denkenden Ich zum Ausdruck bringen, nicht aber ist es darum ein Intelligibles, das Ich an sich selbst, das hier als Gedanke er­ s cheint; denn die Gedanken, die seine Prädikate sind, lassen allein einen Rückschluß auf dasjenige Prinzip zu, das, selbst einfach und unbedingt, unser stehendes und bleibendes Ich genannt werden kann. Als dieses »Ich, oder Er, oder Es (das Ding), welches denkt«,352 hat das identische Ich dann zwar den logischen Status aller den Erscheinungen zugrundeliegenden Din­ ge an s ich selbst, doch wird es darum nicht - wie Fichte kritisiert - selbst zu einem leblosen Ding, das durch ein tätiges Prinzip allererst zu ersetzen wäre.353 Denn nur, wenn der intelligible Grund unserer Gedanken selbst als ein bewegendes Prinzip vorgestellt werden kann, kann er in einem B eweg­ ten, den Gedanken, erscheinen, so wie umgekehrt der bewegte Gedanke auch eines bewegenden Prinzips bedarf, wenn der Grund möglicher Ver­ bindung und Verknüpfung gegebener Erscheinungen begreiflich gemacht werden soll. Und nur wenn ein solcher Einheitsgrund zugleich als ein blei­ bendes, numerisch identisches Substrat, als Korrelat alles Zeitlichen in der Zeit, vorgestellt wird, kann es Prinzip all derj enigen intelligiblen Funktio­ nen genannt werden, die als spontane Verstandeshandlungen unseren in­ neren Sinn bestimmen. So macht die Wahrnehmung eines Intelligiblen zwar nicht aus einer in­ telligiblen eine empirische Größe, doch bindet sie gleichwohl ein Intelligib­ les an die B edingungen alles Wahrnehmbaren überhaupt: Denn nur, wenn im empirischen Ich zugleich auch das intelligible Ich als Grund und Sub­ strat aller geregelten Verbindungen erscheinen kann, kann aus bloß subjek­ tiven Verbindungen ein auch der Sache nach - >im Obj ekt Verbundenes< werden.354

352 Ebd., A 346 B 404. 353 Fichtes Versuch der l neinsbildung der theoretischen und der praktischen Vernunft durch die I neinsbildung von Sein und Setzen im Ich kann als Resultat dieser Kritik ver­ standen werden. Denn, so führt er in seiner Wissenschaftslehre von 1 804 aus, war es die »Erforschung der für Kant unerforschlichen Wurzel, in welcher die sinnliche und die übersinnliche Welt zusammenhängt, dann in der wirklichen und begreifenden Ableitung beider Welten aus Einem Prinzip,« von der seine Kritik an Kant ihren Ausgang nahm. Q.G. Fichte, Die Wiss enschaftslehre. Vorgetragen im Jahre 1 804, WW X, S. 1 04.) 354 KrV, B 1 3 0.

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Nach bisher Gesagtem kann eine solche Wahrnehmung als die Wahrneh­ mung eines Intelligiblen widerspruchsfrei nur gedacht werden, wenn wir nicht allein die Unterscheidung zwischen Erscheinung und zugrundeliegen­ dem Ding an sich selbst, sondern auch die Unterscheidung zwischen den Funktionen unseres äußeren und unseres inneren Sinnes erneut in Erinne­ rung rufen: Während nämlich der äußere Sinn auf ein Gegebenes in Raum und Zeit bezogen ist, und auf diese Weise Kunde von einer von uns selbst verschiedenen Welt der Obj ekte (ihrer selbst als Körper) vers chafft, so hat die Selbstwahrnehmung, insofern sie allein auf unser Inneres gerichtet ist, einen Grad, der unendlich vermindert, niemals aber gen Null gehen kann, wenn überhaupt nur von einer intensiven Qualität unserer Empfindungen gesprochen werden soll. Als intensive Größe ist die Wahrnehmung unseres inneren Sinnes nämlich bloße Empfindung, da ihr ohne ein bleibendes Sub­ strat in einer empirischen Erfahrung die Extension und Ausdehnung räum­ lich gegebener Größen fehlt. Und daher kann unser einfaches Ich, soll es Gegenstand »einer unbestimmten empirischen Anschauung« sein, auch nur als die intensive Qualität unseres inneren Sinnes wahrnehmbar sein, welche dem Grade nach zwar vergrößert oder verkleinert, - je nachdem ob das B ewußtsein meiner selbst in meiner Empfindung stark oder schwach ist, nicht aber als ein Gegenstand der äußeren Anschauung mehr zugänglich gemacht werden kann, da sie ohne äußere Form und Gestalt bloße Emp­ findung, mithin also ein bloß Innerliches bliebe, das nur uns selbst und unser denkendes Ich, nicht aber mehr ein von uns selbst Verschiedenes zum Ausdruck bringen kann. Zugleich aber ist eine solche Empfindung nur möglich, wenn Akte der Synthesis bereits vollzogen sind, denn allein in diesen Akten kann j ener Einheitsort als dieses gleichbleibende X >>wahrgenommen« werden, das nur vermittels seiner Gedanken und Wahrnehmungen realisiert werden kann. Wir zeugen uns darum erst selbst als dieses wahrnehmbare Ich, indem wir in unseren Synthesisfunktionen dem Einheitsgrund unseres Selbstbewußt­ seins einen intelligiblen Ausdruck verleihen. So sind die Gedanken die At­ tribute unseres Ich, des zugrundeliegenden Substrates unseres Denkens, welches s elbst wiederum nur ist, insofern es sich in seinen Gedanken als Einheitsgrund aller Verbindung setzt. Sein und Setzen bilden darum in die­ sem Sinne auch für Kant eine unmittelbare Einheit, da auch in seinem Sinne die Wahrnehmung der Existenz unseres denkenden Ich nur möglich ist, insofern sich dieses in seinen Einheitsfunktionen selbst als ein einfaches Prinzip setzt. Darum kann diese Empfindung auch weder bestimmt noch auf ein Bestimmbares bezogen werden, denn ihr ist außer den eigenen Funktionen in den Gedanken keine bestimmbare äußere Gestalt gegeben,

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durch die sie in ihrem eigenen Selbstsein erscheinen könnte. Das Erscheinen ihrer Funktionen aber ist bloß intellektuell, denn in der Wahrnehmung un­ serer Gedanken nehmen wir uns zugleich als denkende Wesen wahr. Was uns aber lediglich als Erscheinung unseres Inneren » gegeben« ist, sind diese Gedanken des Ich, sind solche Attribute, die nicht das Ich als es selbst, sondern vielmehr nur so, wie es uns in seinem B ezug auf ein Anderes er­ scheinen kann, zum Vorschein bringt. Für eine solche Wahrnehmung un­ serer Selbst als möglichem Gegenstande unseres B ewußtseins, bedürfte es nämlich der äußeren Anschauung, durch die unser Inneres allererst eine obj ektivierbare Erscheinung annehmen könnte. >>Denn«, s o erläutert Kant diesen Gedanken in seinen Paralogismen, >> [ . . . ] das Ich ist zwar in allen Gedanken, es ist aber mit dieser Vorstellung nicht die mindeste Anschauung verbunden, die es von anderen Gegenständen der Anschauung unterschie­ de. Man kann also zwar wahrnehmen, daß diese Vorstellung, bei allem Den­ ken immer wieder vorkommt, nicht aber, daß es eine stehende und blei­ bende Anschauung sei, worin die Gedanken (als wandelbar) wechselten« .355 Darum kann unser Ich, auch wenn es eine einfache Wahrnehmung von sich selbst haben kann, dennoch nicht zur Welt der gegebenen Erscheinungen gehören, s ondern es bleibt vielmehr als unergründbarer Grund der Gedan­ ken hinter dem Rücken aller selbstreflexiven B etrachtung. Als das zeitfreie Substrat und Korrelat alles zeitlich Bedingten und gedanklich Bestimmten kann es selbst als unbedingt und einfach vorgestellt werden. Denn nur s o hat e s Teil a n j enem unbedingten (Vermögen), das alles j e B edingte auf Gründe zu bringen vermag.

g) Im >>Ich denke-Gedanken« erreichen wir ein B ewußtsein dieser einfachen Wahrnehmung Darum nennt Kant auch jenes >>Ich denke>Ich denke« in einem empirischen Satz auch zu B ewußtsein kommen und von der vorkategorialen Wahrnehmung unserer selbst in der Vielfalt unserer Gedanken unterschieden werden, wenn gedankliche Verknüpfungs­ leistungen bereits vollzogen worden sind und in einem zweiten Schritt auch ein Bewußtsein dieses Vollzugs erreicht ist. Denn erst dann kann es gedacht und als B ewußtsein unserer selbst in der erkennenden Tätigkeit auch an­ geeignet werden. Nun beruht das Bewußtsein dieses »Ich denke« selbst wiederum auf ei­ nem Akt der Spontaneität, weil es nicht mit der Synthesis unserer Vorstel­ lungen selbst gegeben ist, sondern nur in der Rückwendung unseres Blicks auf den Grund der Möglichkeit der Verknüpfung in einem eigenständigen Akt spontaner Reflexion zu Bewußtsein gebracht werden kann. Denn die B eziehung des >>Ich denke>ich eine zu der anderen hinzusetze und mir der Synthesis derselben bewußt bin«.358 Allererst die notwendige Verbin­ dung der B egriffe in Urteilen oder aber möglicher Vorstellungen zu Be­ griffen macht ein Bewußtsein des Einheitsgrundes der verknüpften Vor­ stellungen selbst möglich. Und in eben diesem B ewußtsein der vollzogenen Synthesis besteht j enes >>Ich denke«, das analytisch bereits in den Syn­ thesisfunktionen enthalten ist, so daß es in dem Gedanken >>Ich denke>Also nur dadurch, daß ich ein Mannigfaltiges gegebener Vorstellungen i n e i n e m B e w u ß t s e i n verbin­ den kann, ist es möglich, daß ich mir die I d e n t i t ä t d e s B e w u ß t s e i n s i n d i e s e n Vo r s t e l l u n g e n s e l b s t vorstelle, d.i. die a n a l y t i s c h e Ein­ heit der Apperzeption ist nur unter der Voraussetzung irgend einer s y n ­ t h e t i s c h e n möglich>Denken des Etwas « das Denken dem Denken ähnlich dem Material zu einer j eden Erkenntnis in seinen vollzo­ genen Funktionen bereits gegeben und es kann erst nachträglich, im Den­ ken des Denkens, als das eigene zurückgewonnen werden. Das Mechani­ s che, Veräußerlichte des eigenen Tuns in der Erkenntnis des Etwas ist dar­ um nur die exoterische Seite dieses Geschehens, der Ort, an dem alle gei­ stigen Funktionen für uns noch die Form des Natürlichen haben: als un­ bewußte Funktionen dienen sie quasi-mechanisch der Beziehung auf ein Gedachtes, ohne selbst mehr in die Gewißheit des eigenen Tuns aufgenom­ men zu sem. Darum kann das >Ich denke< auch nicht der Grund des in zweifacher Weise als transzendent >> Gegebenen« sein; denn weder setzt das Ich die Kategorien aus sich selbst heraus frei, da es sich dieser in seinem >>unbe­ wußten« Tun je schon bedient, noch sind die >>Anlässe« des Denkens, das gegebene Material in einer empirischen Erfahrung, von diesem gesetzt: Das

362

F.W.J. Schelling, System des transzendentalen Idealismus (1 800), WW 1/3, S. 3 5 7.

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als transzendent Vermeinte können wir als unabhängig davon wissen, ob wir es denken oder nicht. Das >Selbst-bewußtsein< im einfachen Gedanken >Ich denke< ist darum bloß ein Nachträgliches : Die bereits vollzogenen Funktionen der Synthesis, die unseren Verstand möglich machen, das B ewußtsein der Einheit des Mannigfaltigen im Begriffe und schließlich das B ewußtsein dieser Tätigkeit selbst; - all dies sind nur je verschiedene Stufen einer solchen >>Nachträg­ lichkeit«; denn stets muß zuvor etwas »gegeben« sein, bevor ein B ewußt­ sein dieses Gegebenen möglich ist, muß allererst etwas sein, bevor es als ein Etwas im B ewußtsein gesetzt werden kann. Und alle B ewußtwerdung er­ reicht allein ein Bewußtsein zuvor bereits vollzogener Verknüpfungslei­ stungen, eignet in reflexiven Akten allein an, was als B estimmung unseres inneren Sinnes bereits vollzogen ist. So ist das B ewußtsein der Einheit des Verknüpften im B egriff des Gegenstandes oder aber das Bewußtsein der Einheit unserer selbst in diesen Verknüpfungsleistungen für uns zwar ein Letztes, der Sache nach aber liegen die je vollzogenen Stufen unserer B e­ wußtseinstätigkeit diesen Zuständen bereits voraus: Denn für unsere erken­ nenden Funktionen gilt gleich wie für das >Gegebensein< der Gegenstände in einer empirischen Erfahrung, daß sie allererst vollzogen, mithin also (ge­ geben) sein müssen, bevor wir ein B ewußtsein unserer Selbst als Grund und Substrat dieser Funktionen gewinnen können. Im Unterschied j edoch zum Material des Gegebenen in einer sinnlichen Erfahrung gilt für den Akt der Selbsterhellung unserer Erkenntnistätigkeit, daß das Gegebene hier zugleich ein Gezeugtes ist, es darum nur ist, insofern es durch eine Aktivität unseres B ewußtseins gesetzt ist. So ist unser Selbstbewußtsein im Unterschied zum Denken des Etwas auch nicht gesetzt, insofern es zuvor in einer empiri­ s chen Erfahrung gegeben ist, sondern es ist nur gegeben, insofern es zuvor bereitsim Denken des Etwas gesetzt ist. Denn das »Ich denke>Ich denke>Ich denke«-Ge­ danken nicht erst als Grund aller Erkenntnis, s ondern bringt in einem refle­ xiven Akt spontaner Selbstaneignung, im >>Ich denke«, lediglich zu B ewußt­ sein, was es in seinen Synthesisfunktionen je schon vollzogen hat. Die allem Denken vorausliegende unvordenkliche Vertrautheit mit dem eigenen Sein wird darum nur zu einem >Selbst-Bewußtsein< der eigenen Tätigkeit ge­ bracht und im § 1 6 der B-Deduktion in der Form eines Gedankens, im Paralogismus-Teil als eine diesem Gedanken zugrundeliegende einfache Wahrnehmung bestimmt: Denn für das Selbstbewußtsein gilt analog zu je­ der Gegenstandserkenntnis, daß ihm der Gegenstand zuvor in einer, wenn auch noch unbestimmten Wahrnehmung gegeben sein muß, bevor er zu B ewußtsein gebracht werden kann. Und darum gilt auch für unser Selbst­ bewußtsein, daß seine Einheit im Vollzug von Synthesisakten allererst her­ gestellt sein muß, damit sich das Ich in reflexiver Selbs tvergewisserung als der einfache Grund und das Prinzip aller Verbindung auch erkennen kann. Daß das >Ich< dann, gleich allen Gegenständen unserer empirischen Erfah­ rung nur in seinen Erscheinungen, den Gedanken, nicht aber in seinem An-sich-sein erkannt werden kann, ist eine Konsequenz des auf Sinnliches bezogenen Erkenntnisbegriffs . Unser Selbstbewußtsein bleibt somit an seine Veräußerung in möglichen Seinsgedanken gebunden, und es kann die analytische Einheit des Selbst­ bewußtseins als Grund und Substrat solcher Seinsgedanken erst in einem weiteren Schritt spontaner Selbstvergewisserung möglich werden soll. Der Sache nach aber geht alles B ewußtsein auf ein Prinzip zurück, das Grund aller Einheitsfunktionen genannt werden kann und welches mit dem Selbst­ bewußtsein als dem B ewußtsein dieser einheitsstiftenden Funktionen nicht identisch ist. Denn während dieses im Sinne der Epigenesis des B ewußtseins ein Nachträgliches genannt werden kann, insofern ihm Synthesisfunktionen voraussetzt sind, so ist der wirkende Grund dieser Synthesisfunktionen, welchen Kant den Grund des Verstandes und selbst der Transzendental­ philosophie nennt, der Sache nach ein Erstes. Als ein Unabgeleitetes wie Unableitbares liegt dieser einfache Grund unseres Denkens all unseren Ge-

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danken je schon voraus. Und dieses >Sein< des denkenden Ich, das sich in möglichen Seinsgedanken eine veräußerbare Gestalt verleiht, ist j ener selbst nicht weiter bestimmbare Grund, der all unser Denken allererst möglich macht, unabhängig davon, ob es sich ein B ewußtsein dieser Tätigkeit nimmt oder nicht. Das Selbstbewußtsein als B ewußtsein seiner selbst in allen Ver­ knüpfungsfunktionen ist gegenüber dem einfachen Ursprungsort des Ich dann selbst ein ebenso Abgeleitetes wie Gedoppeltes : abgeleitet, weil ihm vollzogene Einheitsfunktionen vorausgesetzt sind und gedoppelt, weil es als Wissen um den Grund dieser Einheitsfunktionen nur in der Gestalt einer Einheit in der Differenz zu Bewußtsein gebracht werden kann. Als Be­ wußtsein der Einheit des Gedachten bleibt das Selbstbewußtsein nämlich durch s olche Funktionen in seinem Sein bestimmt, als deren Einheitsgrund es zugleich fungiert: >>Also nur dadurch, daß ich ein Mannigfaltiges gege­ bener Vorstellungen in einem Bewußtsein verbinden kann, ist es möglich, daß ich mir die Identität des B ewußtseins in diesen Vorstellungen selbst vorstelle, d.i. die analytische Einheit der Apperzeption ist nur unter Vor­ aussetzung irgendeiner synthetischen möglich.«363 Der Grund aller Syn­ thesisfunktionen, der all unsere Verknüpfungsleistungen und vermittels der­ selben auch unser Selbstbewußtsein in seiner reflexiven Form als analyti­ s che Einheit des Selbstbewußtseins möglich macht, ist demgegenüber je­ doch nicht mehr als das >>Substrat« aller Einheitsfunktionen überhaupt: mithin also ist er derjenige Einheitsgrund, der alle Synthesisleistungen be­ greiflich machen kann, ohne selbst mehr durch solche Funktionen be­ stimmbar zu sein. So ist er Grund aller Bestimmung, ohne selbst ein B e­ stimmbares zu sein; Grund aller Selbigkeit, ohne durch Selbigkeit und An­ dersheit bestimmbar zu sein. Ein Identisches ist er darum nicht in Relation zu einem von ihm selbst Unterschiedenen, sondern er ist das Identische im Verschiedenen selbst. Und während das Selbstbewußtsein nur als eine re­ lationale Einheit analytisch aus vollzogenen Synthesisfunktionen zu gewin­ nen ist und in der Formel A A zum Ausdruck gebracht werden kann, bleibt der Grund aller Verbindung, das einfache Ich, notwendig unbe­ stimmt: Als Grund der Möglichkeit selbst der analytischen Urteile kann das Ich darum nur als ein einfaches X gelten, welches als Grund aller Verbin­ dung selbst in keinerlei Urteilsfunktion mehr eingespannt werden kann. Und während Fichte in seiner Wissenschaftslehre von 1 794 dieses einfache X auch durch das >>Ich Ich« oder das >>Ich bin Ich« zum Ausdruck zu bringen sucht,364 und SeheHing in seinem >>System des transzendentalen =

=

J 6J J 64

Ebd., B 1 34. J.G. Fichte, Gru ndlage der gesamten Wissenschaftslehre (1 794), WW I , § 1, 4, S. 1 4 .

Rechtfertigung der Verstandeseinheit

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Idealismus« auf der Suche nach einem analytischen Prinzip, das zugleich als ein synthetisches aufgefaßt werden kann, dieses »Ich = Ich« als das oberste Prinzip allen Wissens bestimmt, bleibt der Grund aller Verbindung, das Ich oder einfache X, im Sinne der Transzendentalphilosophie Kants frei von aller Relationalität und Bestimmung. So läßt es sich weder durch die Formel A = A oder spezieller, durch das >Ich = Ich< zum Ausdruck bringen, son­ dern als unausgedehnter, relationsfreier Punkt kann er selbst in keine Re­ lation mehr eingespannt sein. So ist er als ein einfaches, namenloses X Grund und Substrat allen Denkens ohne zugleich j edoch Grund des Seins des Gedachten selbst zu sein. Denn es kann zwar als oberster Grund der Einheitsfunktionen unseres Selbstbewußtseins aufgefaßt werden, indem es das Identische ist, das » eine Synthesis der Vorstellungen [enthält, C . B .] und [ . . . ] nur durch das B ewußtsein dieser Synthesis möglich [ist, C.B.]«,365 nicht aber kann in diesem einfachen X zugleich auch der Grund aller syn­ thetischen Sätze überhaupt gelegen sein, denn der einfache B estimmungs­ grund unseres Denkens setzt zwar aus sich die Einheitsfunktionen unseres B ewußtseins frei, nicht aber kann durch das X auch das frei gesetzt werden, worauf es in einer empirischen Erkenntnis notwendig bezogen bleibt: Auf das Gegebene in Raum und Zeit. So mag das Ich zwar sich selbst in einem spontanen Akt der Selbstreflexion als Grund aller Verknüpfungen anzu­ eignen, mithin also sein Sein durch dieses Setzen zu begründen, s o daß die Sätze >>Ich denke« und »Ich bin« im Sinne Kants im Grunde einerlei sind,366 aber das A = A oder Ich = Ich des Selbstbewußtseins und das X als der Grund dieses A = A sind auf zwei vers chiedenen Ebenen zu denken:

Das Einfache Ieh als Grund aller Relationalität in den Formeln des empirischen, synthetisch apriorischen, des analytischen wie auch des Selbst-Bewußtseins 5.

Während nämlich das Selbstbewußtsein in der genannten relationalen Struktur zum Ausdruck gebracht werden kann, und darum als eine Iden­ tität in der Differenz zu beschreiben ist, bleibt das X, oder das Ich als der einfache Grund aller Relationen frei von aller Relationalität und B estim­ mung. Die vollständige Formel des Selbstbewußtseins müßte darum im Sin­ ne Kants in der Struktur: } 65 3 66

KrV, B 1 34. Gegen D escartes sucht Kant (KrV, B 423) zu erweisen, daß das »Ich bin« analytisch bereits im >> Ich denke« enthalten sei, insofern wir das denkende Ich als s eiend bereits unterstellen, wenn nur überhaupt wir etwas denken.

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Erster Teil Das Denken des Etwas ·

X A=A

zum Ausdruck gebracht werden. Abgeleitet daraus nun ergäbe sich dann zunächst für das empirische B ewußtsein die Formel : X A=B

Das einfache Ich in der Position des Exponenten X dominiert s omit nicht allein die Relationalität und Reflexivität unseres Selbstbewußtseins, sondern ebenso die Verbindungen des Verschiedenen in den sog. synthetischen Ur­ teilen a priori. Und da die synthetischen Urteile a priori als gegenstandser­ möglichende Formen unseres B ewußtseins von einer notwendigen B ezie­ hung zwischen A und B bestimmt sind, so können sie in der Formel: X

A = B(A)

dargestellt werden. Daß A und B bezogen auf ein Drittes gleich s ind, kann in dieser Formel dann durch die Relation A B (A) in der Weise zum Ausdruck gebracht werden, daß das A als der Repräsentant des beharrli­ chen Substrats durch das Attribut B derart bestimmt wird, daß A und B als im Obj ekt vereint gedacht werden können. Analytische Urteile können demgegenüber in einer Formel veranschaulicht werden, welche die Einheit und Differenz der explizierten B egriffe durch die Relation A A' in der Formel =

=

X A = A'

zum Ausdruck bringt. In der Formel des Selbstbewußtseins wie auch in den Formeln des empirischen, synthetisch apriorischen oder analytischen Be­ wußtseins kann dann zugleich deutlich werden, daß die Reflexivität unseres Selbstbewußtseins in einem >prä-prädikativen< Sein, dem X oder Ich, das denkt, seinen Ursprung hat und welcher, vor-reflexiv und vor aller Bestim­ mung, der Grund aller Bestimmung selbst genannt werden kann. Empirische Sätze, deren Gehalte nicht auf die Übereinstimmung mit dem Gedachten gerichtet sind, deren Vorstellungen darum nicht notwendig, be­ zogen auf einen gedachten Gegenstand, das transzendentale X, in Überein­ stimmung stehen, müssen darum auch nicht vom systematischen Einheits­ ort aller Vorstellungen untereinander, dem einfachen Ich, dominiert sein, denn dieses ist allein Grund solcher Funktionen unseres B ewußtseins, wel-

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1 89

ehe zugleich Garanten der Obj ektivität und Einheit des Gedachten selbst genannt werden können. Denn nur, insofern die Verknüpfungen unserer Vorstellungen untereinander nicht beliebig sind, sondern ihre Verbindung auf notwendigen Gesetzen beruht, ist in unseren Urteilen ein Einheitsgrund wirksam, der als einfaches und unbedingtes Prinzip die regelgeleitete Ver­ knüpfung unserer Vorstellungen untereinander auch garantieren kann. In­ sofern wir nämlich die Einheit der Gegenstände des Denkens selbst allererst schaffen, muß in uns ein Einheitsprinzip wirksam sein, das die Funktionen der Einheit unter unseren Vorstellungen im Hinblick auf die geforderte Obj ektivität unserer Gedanken auch ermöglichen kann. Denn wäre ein sol­ ches Prinzip in uns nicht a priori wirksam, so wäre die hergestellte Einheit nicht gewiß, und wäre die geforderte Gewißheit nicht a priori möglich, so bliebe die Einheit unseres Denkens mit den Gegenständen dieses Denkens ohne ein empirisches Substrat. Darum gilt die Formel: X A=B

nur in s olchen Fällen einer geregelten Verbindung zwischen A und B, in denen eine wesentliche B eziehung beider Relate untereinander hergestellt ist, nach welcher somit das A durch ein B wesentlich bestimmt wird, oder mit Schelling gesagt, B von A gewesen ist.367 A wäre dann als B gesetzt, B von A gewesen nur unter der Voraussetzung, daß das B dem A notwendig zugesprochen werden kann. Eine solche Notwendigkeit ist nach Kant je­ doch nur im Hinblick auf sog. synthetische Urteile a priori möglich, denn diese allein können die Übereinstimmung unserer Vorstellungen unterein­ ander, bezogen auf mögliche Gegenstände der Erfahrung, auch garantieren. Oder umgekehrt: nur wenn zwei Vorstellungen bezogen auf ein Drittes gleich sind, können sie auch untereinander gleich sein. A als Subjekt und B als Prädikat möglicher Urteile können in einer Identitätsrelation darum nur verbunden werden, wenn sie neben ihrer Unterschiedenheit in einer Ist­ Aussage wenigstens in einem Punkte identisch sind: Und da alle unsere Vorstellungen selbst wiederum nur auf Vorstellungen, nicht aber auf das transzendentale Obj ekt, das X, bezogen werden können, so muß der Grund der Einheit beider als der einfache Grund der Übereinstimmung unter un­ seren Vorstellungen, bezogen auf das gegebene Objekt, fungieren können. In unserem B ewußtsein kann aber allein das einfache Ich diese Funktion erfüllen, Korrelat des transzendentalen Obj ekts zu sein, denn als relations-

367

Vgl. dazu auch M. Frank, »Identität und Subj ektivität«, in: ders., 1 9 9 1 . S. 1 3 5.

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loser Grund aller Relationen ist das einfache Ich das Dritte zwischen den Relaten, Grund und Substrat der Übereinstimmung unserer Vorstellungen untereinander. Die B estimmung dieses subjektiven Einheitsgrundes als Garant der Ob­ j ektivität des Gedachten kommt dem Ich jedoch nur auf der Grundlage s olcher Einheitsbegriffe zu, welche die Verbindung unserer Vorstellungen notwendigen Regeln unterwirft. Denn die Identität in der Verbindung von A und B kann nur über einen Einheitsgrund geregelt sein, der A und B bezogen auf ein Drittes ineinszubilden vermag. Dieses Dritte nun, insofern es Verschiedenes ineinszus etzen vermag, hat gemäß dem § 3 der Fichteschen Wissenschaftslehre von 1 794 bereits im Sinne Kants die Funktion, Einheits­ und Unterscheidungsgrund gleichermaßen zu sein. Diej enigen B edingungen aber, unter denen A und B identisch und zugleich auch verschieden sind, sind, wie gezeigt, nach Kant die Verhältnisse beider Vorstellungen unterein­ ander in der Zeit: Und da ein Drittes, das ihre Verhältnisse in der Zeit zu regeln hat, selbst außerhalb aller Zeit vorgestellt werden muß, so kann das Ich als das zeitfreie Substrat alles Zeitlichen die Verhältnisse in der Zeit allererst sichtbar machen. Und darum fungiert das Ich auch als Einheits­ wie als Unterscheidungsgrund unter unseren Vorstellungen, indem es Iden­ tisches und Verschiedenes in der Zeit identifizierbar macht; selbst aber au­ ßerhalb aller Zeit gesetzt sein muß. Und wie das einfache zeitfreie Ich dann ein Zeitliches gleichwohl bestimmen kann, findet Kant durch die Katego­ rien geregelt. Die Funktion dieses Einheitsgrundes nun, wie im zweiten Teil zu zeigen sein wird, bleibt als Prinzip der Logik und Transzendentalphilosophie auf die Erkenntnis gegebener Erscheinungen beschränkt, ist Prinzip der Logik, mit dieser auch des Verstandes und der Transzendentalphilosophie: nicht aber, so wird zu zeigen sein, kann dieses Prinzip der Einheitsfunktionen unseres Denkens zugleich auch oberster Ort des gesamten philosophischen Systems genannt werden.

Z W E I T E R T E I L · DAS DE N K E N DE S DE N K E N S

A . Die Vernunfteinheit unserer Verstandeserkenntnisse I . Formaler Gebrauch der Vernunftprinzipien 1.

Was der Gegenstand an sich selbst sei. Das Ansichsein des Gedachten ist Idee und nicht Begriff

a) Die funktionalen Prinzipien der Vernunft. Die transzenden­ tale Logik zwischen Subjekt- und Prädikatenlogik Das Denken des Etwas hat den Punkt erreicht, an welchem das gegebene Mannigfaltige im Begriffe ineinsgesetzt und im Urteil als ein Etwas be­ stimmt werden konnte. Die solchermaßen hergestellte Relation von Sub­ stanz und Akzidenz ist Relation zweier B egriffe: B eide B egriffe nehmen in je unterschiedlicher Hinsicht B ezug auf die gegebene Erscheinung; der all­ gemeinste Ausdruck ihrer Relation ist der unvollständige Satz »X ist ein y « , in welchem d a s Substrat d e r Erscheinung in B ezug z u einem bestimmenden B egriff gesetzt wird. Nach den bisherigen Überlegungen kann deutlich werden, daß das Sub­ j ekt in einem kategorischen Urteil im Kontext einer transzendentalen Logik nicht als noch unbestimmter Name für einen unabhängig gegebenen Ge­ genstand aufgefaßt werden kann. Denn das Subjekt eines kategorischen Urteils hat in der Rolle des Satzsubj ekts als das Substrat aller B estimmun­ gen vielmehr selbst bereits verallgemeinernde begriffliche Gestalt, da es Produkt der Synthesis der Rekognition eines gegebenen Mannigfaltigen in einem B egriffe ist. Mittels B egriffen aber kann auf ein Singuläres nicht ver­ wiesen werden. Darum ist nicht allein die »Materie« in einem Urteil, das zu bestimmende Etwas, selbst bereits ein Begriff, mithin also ein Allgemeines, das stets nur durch weitere allgemeine Vorstellungen bestimmt werden kann; es kann darum auch, wie bereits Aristoteles ausführt, vom Einzelnen keine Wissenschaft geben. 1 Das Ineinssetzen einer gegebenen Erscheinung

1

Aristoteles, Metaphysik, 1 026 b 1-5; ferner: 1 086 b 15 sq.

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durch einen B egriff ist nämlich bereits eine Subsumtion des gegebenen Mannigfaltigen unter die Einheit einer Verstandesform, so daß das Substrat aller Bestimmungen, der Gegenstand als Subj ekt eines Urteils, bereits unter Kategorien steht, welche die Regeln sind, unter die gegebene singuläre Er­ scheinungen gestellt sein müssen, wenn ein Etwas als Etwas erkannt werden soll. Denn unabhängig von diesem Akt der lneinssetzung durch einen B e­ griff wäre die gegebene Erscheinung für uns nicht ein Etwas, nicht ein mögliches Substrat weiterer prädikativer B estimmungen. Zwischen der Tradition einer Subjektlogik in der Nachfolge der aristo­ telischen Kategorienlehre und der seit Frege vorherrschenden Prädikaten­ logik, nimmt Kants Urteilstheorie nach Kaulbach darum eine mittlere Po­ sition ein:2 Das Etwas in der Subj ektstelle eines Satzes ist im Sinne Kants nicht ein vom Denken selbst unabhängiger Gegenstand, eine ontische Grö­ ße, deren Sein im Satz zum Ausdruck gebracht würde, sondern das Subj ekt eines Urteils vertritt in Kants transzendentaler Logik das Substrat des Ge­ gebenen, das B eharrliche, das durch die Kategorie der Substanz gedacht werden kann. Obwohl die Kategorie der Substanz als reine Funktionsbe­ stimmung des Denkens gilt, ist sie gleichwohl auf ein Gegebenes, auf eine beharrliche Größe in Raum und Zeit, bezogen.3 In der begrifflichen Repräsentation von X wird also selbst das Subj ekt des Satzes bereits als ein Allgemeines gesetzt, so daß die Struktur des ein­ fachsten Urteils, des kategorischen Urteils, eine Verbindung zwischen zwei B egriffen derart darstellt, daß ein gegebener Gegenstand in der Rolle des Satz-Subj ekts durch bestimmende Prädikate in seinen Eigenschaften näher charakterisiert werden kann. Bisherigen Überlegungen zur Folge können erscheinende Gegenstände darum begrifflich nur bestimmt werden, weil wir in den Kategorien aprio­ rische Formen des Denkens vorfinden, welche als Bestimmungen möglicher Gegenstände überhaupt gegebene singuläre Erscheinungen als ruhende Sub­ strate sich wandelnder Erscheinungen denkbar machen; ohne ein sinnlich gegebenes Substrat j edoch, welches als raum-zeitliche Erscheinung die Ma­ terie zu einem möglichen Begriff darstellt - müßten die reinen Verstandes ­ formen ohne B edeutung bleiben. Als Formen des Gedachten sind sie darum funktionale Einheitsbegriffe, durch die das gegebene Mannigfaltige in den kategorischen Urteilen als der elementarsten Gestalt möglicher Urteile in­ einsgesetzt und als ein Etwas angeeignet werden können: Und dies gelingt

2 3

Vgl. Fr. Kaulbach, 1 9 8 1 , hier: S. 1 3 9; vgl. ferner auch: Fr. Kaulbach, 1 9 8 1 a. Ebd., S. 1 2 5 .

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in der Subjektstelle des Urteils, welche den Gegenstand als das beharrliche Substrat der Erscheinung identifizierbar sowie in der Funktion des Prädi­ kats, durch welches dem gegebenen Substrat Bestimmungen zugesprochen werden können, die es von anderen möglichen Gegenständen der Erfahrung unterscheidbar machen.4

b) Generalisierung und Spezifikation auf der B asis der Homo­ genität und Varietät des Gedachten Der allgemeine Charakter der begrifflichen Bestimmung eines Substrats ist darum gebunden an den Vollzug der Synthesisfunktionen, durch die ein Mannigfaltiges ineinsgebildet und den B edingungen einer Regel unterwor­ fen wird. Da diese als empirische Begriffe den Status von Regeln haben, die zugleich für alle ähnlich- bzw. gleichgearteten Gegenstände gültig sind, können B egriffe niemals auf singuläre Erscheinungen direkt bezogen wer­ den. Vielmehr setzen sie gegebene Erscheinungen mit anderen ähnlich oder gleichgearteten Erscheinungen nach dem Grundsatz der Homogenität des Mannigfaltigen durch verallgemeinernde Begriffe ineins, so daß begriffliche Bestimmung in der Gestalt des kategorischen Urteils A B darum den Charakter der Subsumtion gegebener besonderer Erscheinungen unter be­ reits vorhandene allgemeine Vorstellungen hat.5 So wird ein Etwas in einem =

So ist es die Kategorie der Substanz, wodurch » [ . . ] ein Ding an sich selbst vorgestellt wird« (KrV, A 344 B 402.) und durch welche zugleich ein unmittelbarer Zugang zu den raum-zeitlich gegebenen Erscheinungen möglich wird: Denn insofern die Kategorie der Substanz als die logische Form einer zeitlich gegebenen B eziehung fungiert, ist sie auf das gegebene Mannigfaltige in der Zeit unmittelbar bezo gen. Und insofern es als ihre zentrale Funktion aufgefaßt werden kann, den Gegenständen ihren Ort in der Zeit zu bestimmen, so sind die genannten Ordnungsfunktionen des Verstandes als Zeitbestimmungen gege­ bener Erscheinungen ebenso viele Möglichkeiten, die Obj ektivität unseres Weltbezuges apriori zu gewährleisten. 5 Kant knüpft das diairetische Vermögen begrifflicher Unterteilung in Gattungen, Arten und Unterarten, wie es in der Generalisation und Spezifikation gegebener Erscheinungen zum Ausdruck kommt, an die Affinität des Mannigfaltigen in einer empirischen Erfah­ rung. (Vgl. d azu insb. KrV, A 657 B 685 ff.) Und da diese Affinität, insofern sie auf etwas bezogen ist, das allein in uns selbst angetroffen werden kann, auf einem Prinzip beruhen muß, wenn sie obj ektiv genannt werden soll, so fragt Kant in seinem Versuch der De­ duktion der Verstandesbegriffe nach einem transzendentalen Grund der Rechtfertigung der Annahme der Affinität der Erscheinungen untereinander. Soll Generalisierung mög­ lich s ein, müssen die Phänomene homogen s ein, soll ihre Spezifikation möglich sein, muß das solchermaßen in Gattungsbegriffen Vereinte zugleich Varietäten aufweisen, durch 4

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kategorischen Urteil als ein Etwas nur in verallgemeinernder und verglei­ chender Hinsicht erfaßt: Es ist als ein Etwas allgemein gesetzt, und darum nicht bereits in seiner B esonderheit, die es zu einem j eweiligen Etwas macht, zur Sprache gebracht. Diese Rückführung eines B esonderen auf ein Allgemeines im kategorischen Urteil - der Akt der Generalisierung - wird mit Blick auf die Suche nach der begrifflichen B estimmung der Besonder­ heit des Gegebenen zugleich wiederum kompensiert: Der umgekehrte Akt der Spezifikation des Gegebenen wirkt der Tendenz zur Verallgemeinerung entgegen, indem nach dem Grunds atz der Varietät des Gleichartigen das Gegebene unter jeweils niedrigere Artbegriffe subsumiert und auf diese Weise zugleich seine Differenz gegenüber anderen Gegenständen zum Aus ­ druck gebracht werden kann. B eide Tendenzen greifen j edoch notwendig ineinander: Keine Spezifika­ tion ist ohne Generalisierung möglich, da Spezifikation stets auf ein Iden­ tisches bezogen ist, das als das Identische im Verschiedenen Grund aller Spezifikation genannt werden kann. Ebensowenig kann umgekehrt die Ge­ neralisierung ohne Spezifikation gedacht werden, da alle Verallgemeine­ rung, alle Identitätshinsicht, auf der Differenz gegebener Bestimmungen beruht.

c) Identität und Differenz als Reflexionsbegriffe zur B estim­ mung der Grenzbegriffe von Etwas und Anderem B eide gedankliche B ewegungen zielen j edoch in entgegengesetzter Richtung auf die B estimmung des Etwas als Etwas: während die Suche nach Ver­ wandtschaft, Übereinstimmung und Einheit des Gegebenen mit einer Gruppe gleichgearteter Gegenstände vom Grundsatz der Übereinstimmung unter gattungs- bzw. artgleichen Gegenständen getragen ist, richtet sich die B ewegung der Spezifikation auf die Mannigfaltigkeit, die Besonderheit letztlich auf die Bestimmung des Individuellen der j e gegebenen Erschei-

welche Unterschiede sichtbar werden können. Beide B ewegungsrichtungen des Verstan­ des beruhen j edoch auf einem gemeinsamen Grund, durch welchen Homogenität und Varietät nur mehr als zwei extreme Pole unserer Verstandesbestimmungen aufgefaßt wer­ den können: auf dem transzendentalen Prinzip der Affinität d es Mannigfaltigen. Die Af­ finität als Grund der Möglichkeit der » I dentität des Grundes der durchgängigen B estim­ mung« (KrV, A 572 B 600) in der Idee eines einzelnen Dinges, wie sie durch den >Grund­ satz der durchgängigen B estimmung< eines jeden Gegenstandes denkbar wird, soll im folgenden näher beschäftigen. (Vgl. zu diesem Grundsatz: ebd., A 5 7 1 ff. B 5 5 9 ff.)

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nung. Durch diese sich ergänzenden B ewegungsrichtungen des Denkens kann nun s owohl die Identität gegebener Entitäten mit gattungs- und art­ gleichen Gegenständen, als auch ihre Differenz diesen gegenüber zum Aus­ druck gebracht werden. Durch ein kategorisches Urteil wird ein Etwas da­ her zunächst mit gedachten Gegenständen derselben Art gleichgesetzt; die­ ser Gleichsetzung wirkt dann die Tendenz zur Spezifikation entgegen, in­ dem ein Etwas als Etwas mittels spezifizierender Artbegriffe gegen Anderes zugleich auch aus - und abgegrenzt wird. So haben B egriffe s owohl identi­ fizierende als auch unterscheidende Funktion, können das Selbstsein wie die Andersheit des Gedachten zur Sprache bringen. Ein Etwas als Etwas zu denken, bedeutet darum, lneinssetzen des Gegebenen durch Subsumtion des Besonderen unter ein Allgemeines und Unterscheidung durch spezifi­ zierende Hinsichten in der Gestalt von Art- und Unterart-B egriffen: ln­ sofern B egriffe also allgemeinen Charakter haben, setzen sie Verschie­ denartiges ineins, insofern sie aber zugleich auch abgrenzenden und aus­ grenzenden Charakter haben, können sie ein Etwas von gleich- oder ähn­ lich gearteten Gegenständen unterscheidbar machen. B egriffe als Produkte der Synthesisfunktion des Verstandes sind darum Ineinsbildungen des Mannigfaltigen nicht als Einheiten in der Vielheit im Außer- und Nebeneinander räumlich gegebener Teile, sondern das Vielfäl­ tige als Einheit gesetzt. Einheit ist darum hier nicht als totum, sondern als compositum aufgefaßt.6 Durch die ineinsbildende Funktion der B egriffe wird das zeitliche Moment der sukzessiven Synthes is der Teile in einer Wahrnehmung somit in das Zugleich eines gedachten Ganzen verwandelt, so daß die hergestellte Einheit das Produkt der vereinigenden Funktionen unseres Verstandes in figürlicher oder begrifflicher Gestalt ist. Ein nicht­ synthetisiertes Etwas ist darum weder wahrnehmbar, denn selbst die Wahr­ nehmung setzt Synthesisfunktionen voraus, noch denkbar, da alle B egriff­ lichkeit auf der vereinigenden Funktion des Verstandes beruht. Ein Gege­ benes im Raume kann als beharrliche Größe darum nur durch die B ewe­ gung synthetisierender Akte als der Bedingung der Wahrnehmung des Ge­ gebenen angeschaut und gedacht werden. Wäre das gegebene Mannigfaltige nämlich bloß in einem Augenblicke wahrgenommen, so wäre es von an­ deren Dingen nicht unterscheidbar, was dann ebensoviel hieße, als daß es dann für uns gar nicht existieren könnte. Und so wie erst das B ewußtsein von Grenze räumlich abgetrennte wie zeitlich begrenzte Einheiten schaffen

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Zur Unterscheidung der B egriffe Totum und Compositum, vgl. KrV, A 435 ff. B 463 ff. (insb.: A 442 B 470); vgl. ferner: Kant, Refl. 5865-5869, AA XVIII, S. 3 72/73.

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kann, so ist auch das von anderen durch gedachte Bestimmungen unter­ schiedene Etwas ein Grenzbegriff, der nur durch Ausgrenzung gegen An­ deres seine Bestimmung erhält.

d) Die Umkehrung der Begriffsbildung im diairetischen Verfah­ ren der Begriffsexplikation Im Rückgang auf diese im B egriffe verallgemeinerten Gehalte ist das dia­ iretische Verfahren der Begriffsexplikation darum auch bloß eine - auf den Akt der Begriffsbildung selbst spiegelbildlich bezogene - Weise, gegebene B egriffe in dem in ihnen bereits gedachten Bedeutungspotential auseinan­ derzulegen. Denn insofern Synthesisleistungen im Akte begrifflicher Be­ stimmung die Einheit gegebener B egriffe hervorgebracht haben und darum dem analytischen Akt der Begriffsexplikation als geronnene Resultate be­ reits verbundener Vorstellungen zugrundeliegen, sind Synthesis und Ana­ lysis der B egriffsexplikation - gegenläufig zum Prozeß der B egriffsbildung selbst - die zwei komplementären Formen diairetischer B estimmung. Als Grundfigur dialektischer Analyse vereint die diairetische Bestimmung dar­ um beide B ewegungsformen des Denkens gegenüber dem Akt begrifflicher B estimmung nur in umgekehrter Bewegungsrichtung: Während dem Pro­ zeß der B egriffsbildung Synthesisfunktionen als Funktionen der Einheit unter unseren Vorstellungen vorausges etzt sind, sucht die diairetische Be­ stimmung des gegebenen B egriffs diesen Prozeß vom Ergebnis aus rück­ wärts erneut zu durchschreiten, um im Resultat die analysierten B edeu­ tungsgehalte als die synthetische Einheit seiner Bestimmungen zusammen­ zufügen. Rein nur in B egriffen und aus Begriffen kann dialektisches Denken dar­ um vollzogen werden: Denn ihr Grund und Substrat sind bereits vollzo­ gene Synthesisleistungen, Einheitsvorstellungen, deren logische Genese dia­ lektisches Denken im diairetischen Gang begrifflicher Rekons truktionen erneut zu durchs chreiten hat. Darum wird im folgenden dialektisches Den­ ken, indem es auf geistige Funktionen bezogen ist, im Unterschied zum erkennenden Weltbezug in der Anwendung der Kategorien auf gegebene Erscheinungen, als ein »Denken des Denkens« , bestimmt: Im Rückgang auf die Möglichkeiten zu allem Seinsdenken ist das Denken des Denkens somit auf ein Seiendes bezogen, das es selbst zugleich auch ist. Als eine Form des Selbstbezugs im Fremdbezug ist das Gedachte selbst das Denken; Denken und Sein sind darum im Denken des Denkens nicht nur wie Tätigkeit und Gegenstand dieser Tätigkeit unterschieden, sondern bezogen auf den Ge-

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genstand dieser Tätigkeit zugleich auch identisch. Denn, s o bestimmt Kant diesen Akt der Selbsterhellung des Denkens im Prinzipiendenken der Ver­ nunft, »[ . . . ] die reine Vernunft ist in der Tat mit nichts als sich selbst be­ schäftigt, und kann auch kein anderes Geschäft haben, weil ihr nicht die Gegenstände zur Einheit des Erfahrungsbegriffs, sondern die Verstandeser­ kenntnisse zur Einheit des Vernunftbegriffs, d.i. des Zusammenhanges in einem Prinzip gegeben werden. > Ich denke« auf ein neues Fundament zu stellen: Vgl. dazu: M. Frank, 1 9 9 1 a, S. 4 1 5 ff.; vgl. ferner: D. Henrich, 1 966, S. 1 8 8-233; hier: 2 1 0: Das Selbstbewußtsein, von Fichte als >sich selbst sehendes Sehenein Auge einge­ s etzt< ist, steht nach den bisherigen Rekonstruktionen der kantischen Frage ganz in der Tradition der Seihsterheilung der Vernunft. Auch im Sinne Schellings findet im unmittel­ baren Ausgang von Fichte, mittelbar aber nur ausgehend von Kant, die Philosophie ihren Hauptgegenstand in der Vernunft (F.W.J. Schelling, Erstes Buch. Einleitung in die Phi­ losophie der Offenbarung oder Begründung der positiven Philosophie, WW 1 113, S. 62). I m Unterschied zur kantischen Philosophie soll dabei »[ . . . ] die Vernunft nicht als Er­ kenntnisvermögen, nicht subj ektiv genommen [werden, C.B.] , sondern es wird schon derjenige Standpunkt der Vernunft vorausgesetzt, auf welchem sie sich selbst Obj ekt ist, [ . . . ]«. (ebd, S. 63). Das Denken in dem so verstandenen Sinne der sich selbst sehenden Vernunft » . . . geht über die Wissenschaft« und ist »Denken über das D enken« (F.W.J. Schelling, Philosophie der Mythologie oder Darstellung der reinrationalen Philosophie, WW II/ 1 , S. 363). Und so kann das Denken seiner Selbst auch als »Selbstbezüglichkeit des Seins im Denken des Seienden« begriffen werden (H.J. Sandkühler, >> Einleitung« zu: F.W.J. Schelling, Das Tagebuch 1 848, S. XXX). - In Fichtes Wissenschaftslehre von 1 804 - und in diesem Gedanken treffen sich die späteren Entwürfe der » Wissenschaftslehre« mit Schellings Suche nach einem Indifferenzort j enseits des Verhältnisses von Denken und Sein Q.G. Fichte, Die Wissenschaftslehre. Vorgetragen im Jahre 1 804, WW X, hier: S. 1 02.) - ist allein aufgrund des indifferenten Einen, des Absoluten, die Differenz von Denken und Sein verloren, indem nämlich » [ . . . ] kein Sein ohne Denken sei, [ . . . ] et vice versa.« und es darum einzig noch interessiere, wie das >> [ ] Band zwischen beiden« zu denken sei. Kant sei es gewesen, der bereits das A »als Band des unabtrennlichen Seins und Denkens« (S. 1 02) begriffen habe. - Im B estreben der kantischen Philosophie nun, das Nicht-ich als Grund und Substrat der Einheitsbegriffe des Verstandes nicht selbst wie­ derum aus dem Ich abzuleiten, sucht die folgende Untersuchung, die Nähe der kantischen 7 8

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dann nicht mehr als Erscheinung, sondern nun als Idee gegeben.9 Und es ist der Ideengedanke, an dem sich die kantische Umkehrung der Denkungsart dann ein weiteres Mal sinnfällig machen und in ihrer Funktion für die Komplettierung unserer Verstandeserkenntnisse (Teil 2) wie auch Selbster­ hellung und Selbsteinbettung der Vernunft (Teil 3) erhellen läßt. Die Ideen, » archetypae« 10 derj enigen Gegenstände, die nur durch Ideen möglich s ind, dienen dann zunächst dem Ausdruck der »Vollkommenheit« des je Ge­ dachten: Denn »diese kann nicht von den Sachen entlehnt werden«, son­ dern vielmehr gilt umgekehrt, daß die Sachen nur dann >>vollkommen [sind, C . B .], s o fern sie mit der Idee zusammenstimmen. « " Ganz im Sinne der platonischen Funktion der Ideen als Maßstäbe und Urbilder des Gegebenen wird dann, transzendentalphilosophisch gewandt, der Ideengedanke in Funktion für die >>sinnlichen Begriffe« gesetzt: >>Die Ideen sind repraes­ entationes archtypae, die sinnlichen Begriffe ectypae, die Verstandesbegriffe sind reflectentes.«12 Die Seihsterheilung der Vernunft ist in diesem zweiten Teil darum mit dem Vermögen der Vernunft befaßt, Einheit unter unsere Verstandesfunk-

Philosophie zu derjenigen Traditionslinie zu beschreiben, welche im Rahmen des Plato­ nismus-Neuplatonismus mit den Einheitsgründen von Denken und Sein befaßt ist. (Vgl. dazu: Platin, Geist - Ideen - Freiheit. Enneade V 9 und VI 8; insb.: V 9, 5, S. 1 6- 1 9 ff.) . I m Horizont der zweiten Hypothesis d e s platonischen >ParmenidesÜbers eienden Einen< begreift. Das Denken des Denkens wird in dieser Traditionslinie, wie die Arbeiten von Werner Beierwaltes zeigen können, nur als mittlere Sphäre gegenüber dem zeitlichen Sein der Seele und dem nur negativ bestimmbaren Ur­ sprung aufgefaßt: Zur Entfaltung dieses Gedanken im Neuplatonismus, vgl. W. B eier­ waltes, 1 98 8 , S. 75-97, hier: S. 79; ferner: ders. 1 9 80 und ders., und ders., 1 98 5 . - Denken als Seinsverhältnis wird in der Folge der kantischen Philosophie auch von P. Natorp beschrieben, (in: ders., Philosophie der Gegenwart in Selbstdarstellungen, hrsg. v. R. Schmidt, Bd. 1, 1 92 1 , S. 1 5 1-1 76; hier: 1 6 1 ; vgl. dazu: G. Funke, 1 979, S. 1 9 1 ); ebenso von N. Hartmann (vgl. dazu: G. Funke, 1 979, S. 1 9 1 ). Darum setzt nach Hartmann Erkennt­ nistheorie Metaphysik ebenso voraus wie Metaphysik auf Erkenntnistheorie aufruhe, (vgl. N. Hartmann, 2 1 925, S. 1 76), weshalb eine kritische Ontologie einen Standpunkt j ens eits von Idealismus und Realismus wählen müsse. 9 Vgl. dazu (»Die Gegenstände werden gegeben entweder in der Erscheinung oder in der idee, und gedacht entweder in der Anschauung oder dem B egriffe [conceptus]) . « Kant, Refl. 4687, AA XVII, S. 675. 10 Ebd. 11 Ebd.; vgl. zur Idee der Vollkommenheit als Ziel aller Vernunftaktivitäten: Kant, Refl. 5 554, AA XVIII, S. 230. 12 Ebd.

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tionen zu bringen, um auf diese Weise sowohl den Erfahrungsbegriff von Welt zu komplettieren als auch einen Vernunftbegriff der Erfahrung be­ greiflich zu machen und beides zugleich so, daß in ihm die Natur als ein »continent« erscheint, dessen Grenze sie erkundet, »indem sie den Ocean, der sie begrenzt« »nur nach dem Ufer« zu erkennen sucht: Denn » Gott und die andere Welt, die notwendig als Grenzen der Natur betrachtet werden« , sind zwar »von ihr unterschieden [ . . . ] die berüchtigte Frage, wegen der Gemeinschaft des 18

KrV, A 2 1 5 B 262. In A 3 3 6 B 393 wird mit B lick auf die » [ . . . ) absolute Totalität der Synthesis auf der Seite der B edingungen« von Inhärenz, Dependenz oder Konkurrenz gesprochen, während die Begriffe Inhärenz, Konsequenz und Komposition eher den rei­ nen Zeitbezug der systematisch verknüpften Erscheinungen bestimmen. 1 9 Vgl. zu dieser Kritik: S. Maimon, Versuch über die Transzendentalphilosophie. S. 64.

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Denkenden und Ausgedehnten, [ . . . ] lediglich darauf hinauslaufen: w i e i n e i n e m d e n k e n d e n S u b j e k t ü b e r h a u p t , äußere Anschauung, nämlich die des Raumes (einer Erfüllung desselben Gestalt und Bewegung) m ö g ­ l i e h s e i . Auf diese Frage aber [ . . . ] « , s o legt er grundsätzlich fest, » [ . . . ] ist es keinem Menschen möglich, eine Antwort zu finden, und man kann diese Lücke unseres Wissens niemals ausfüllen, sondern nur dadurch bezeichnen, daß man die äußeren Erscheinungen einem transzendentalen Gegenstande zuschreibt, welcher die Ursache dieser Art Vorstellungen ist, den wir gar nicht kennen, noch j emals einen Begriff von ihm bekommen werden.«20

Überleitung zu den Vernunftprinzipien. Die Ideen der unbedingten Synthesis der Bedingungen als integrierende Prinzipien der Vernunft 2.

Im Denken des Denkens wird das Denken sich nun in der Hinsicht >>ge­ genständlich«, als es seine eigenen Prinzipien bei der Vereinigung unserer Verstandesfunktionen untersucht und darum in der Terminologie von Die­ ter Henrich nicht mehr bloß die >>fungierenden«, sondern gleichermaßen auch die >>integrierenden« Einheitsbegriffe zu beschreiben sucht.21 Wenn nämlich gezeigt werden kann, daß ein j eder Erkenntnisprozeß die Einheit des Erkannten nicht ohne erkenntnisleitende Prinzipien, die Ideen als in­ tegrierende Einheitsfunktionen, zu B ewußtsein bringen kann, s o muß die Selbsterhellung der Vernunft als ein integraler Bestand einer jeden Eckennt­ nistätigkeit zu den B edingungen der Gegenstandserkenntnis selbst gehören. Aus diesem Grunde gewinnt in Kants >Opus Postumum< die Transzenden­ talphilosophie als >>das B ewußtsein des Vermögens vom System seiner Ideen in theoretischer s o wohl als praktischer Hinsicht«22 auch die Funktion, das sich selbst bestimmende Vermögen der Vernunft >> [ . . . ] durch den syste­ matischen Inbegriff der Ideen welche apriori die durchgängig Bestimmung desselben als Obj ects (die Existenz desselben) zum Problem machen sich s elbst als in der Anschauung g e g e b e n zu constituieren. Gleichsam s i c h s e l b s t m a c h e n ldeendenken« erreicht die Vernunft allererst den Ort, an wel­ chem sie sich selbst auch im Bereich der Metaphysik als gesetzgebend be­ greifen kann.24 Wäre nun mit der Analyse der regelsetzenden Verstandesfunktionen in­ nerhalb einer transzendentalen Logik die erkennende Tätigkeit bereits hin­ reichend bestimmt, so wäre der zweite Schritt, die Reflexion auf die Einheit unserer Verstandesoperationen, durch eine logische Analyse der Prinzipien der Vernunft im Rahmen einer möglichen Erkenntnistheorie nicht weiter erforderlich. Wenn aber gezeigt werden kann, daß ohne Prinzipien der Ver­ nunft Verstandeserkenntnis nicht möglich ist, daß der rechte G ebrauch des Verstandes vielmehr an einen regulativen Gebrauch der Prinzipien der Ver­ nunft gebunden ist, durch welchen allererst Einheit unter seine Funktionen gebracht werden kann, s o müßte, soll Erkenntnis nicht eine ihrer eigenen Quellen unbewußte Tätigkeit sein, die Reflexion auf die Prinzipien aller Verstandestätigkeit zum integralen Bestand der Gegenstandserkenntnis selbst gehören. Die Prinzipien des Denkens selbst zu denken, d.h. nicht allein die Formen des Gedachten in Sinnlichkeit und Verstand, sondern die Prinzipien des Gebrauchs des Verstandes zu erfassen, ist darum der nächst folgende Schritt. Denn eine Naturerkenntnis, die ihre eigenen Prinzipien nicht als geist-bestimmte begreift, bliebe nicht bloß in Unkenntnis der Be­ stimmungsgründe ihres eigenen Tuns, sie wird die B edingungen ihres Ge­ genstandsbegriffs auch nicht als konstitutive Bestimmungsgründe des Den­ kens dem Erkannten selbst zurechnen können. In den Grenzen einer selbst nicht reflexiv gewordenen Gegenstandserkenntnis, gerät diese nämlich zu einer Proj ektion unbewußter Voraussetzungen, indem die reine Funktio­ nalität der Methode eine Reduktion des Gedachten auf seine Funktion für das erkennende Bewußtsein nach sich zieht. So sind die einheitsstiftenden Vernunftprinzipien zugleich Orte der Verbindung zweier nur methodisch trennbarer B ereiche unserer Erkenntnis, der Geistes- und der Naturwissen­ schaften. Denn insofern die Analyse der natürlichen Phänomene auf den regulativen Funktionen einheitsstiftender Vernunftprinzipien beruht, hat naturwissenschaftliche Analyse ein geisteswissenschaftliches Fundament; insofern aber die Vernunftprinzipien ihrerseits nur B edeutung erhalten in ihrer Anwendung auf eine kategorial bestimmbare Erscheinungswelt, so hat alle Vernunfterkenntnis ein empirisches Substrat. Wird nun der B lick der B etrachtung auf die Prinzipien der Vernunft gerichtet, s o ist der Gegen-

24

Zur Funktion der Ideen für Kants Dialektik wie auch für s eine Metaphysikkonzep­ tion: vgl. Fr. Kaulbach, 1 987; R. Malter, 1 9 8 1 ; H. Krings, 1 9 84.

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stand der Analyse ein Seiendes, das zugleich sich selbst sieht. Seit Aristo­ teles kann es als »Geist« bezeichnet werden.25 Zielt die B etrachtung aber darüber hinaus auf diej enigen Entitäten, die uns in Raum und Zeit gegeben sind, und liegen zugleich die Operationsweisen der Vernunft nur hinter dem Rücken der Verstandestätigkeit, so können wir .d en Gegenstand dieser » intentio recta« auch mit Kant als »Natur« bezeichnen.26

a) Die Vernunft selbst als zweckmäßig organisierter Gliederbau Und wenn nun umgekehrt im Sinne Kants der B egriff der Vernunft nicht selbst wiederum nach dem Muster eines zweckmäßig organisierten Ganzen entwickelt wird, mithin also auf die Idee einer »NatureinheitWir­ kursache< des Erkenntnisvollzuges kann als der Anlaß der erkennenden Tä­ tigkeit in der Affektion unserer Sinne gefunden werden, welche unsere Sin25 Das Parmenideische Diktum, nach welchem das Denken und das Sein als dasselbe aufzufassen s eien, wird in der Folge der aristotelischen Philosophie von Plotin auf die Sphäre des Nus, des sich selbst denkenden Geistes bezogen, der, indem er sich selbst - die Ideen - denkt, zugleich das Sein denkt. Und so ist der Geist im Sinne der platonisch­ neuplatonischen Tradition zugleich ein Seiendes, das sich selbst sieht und im Sehen seiner selbst zugleich auch in Einheit und Differenz mit dem Anderen existiert. Die Identitäts­ form des Geistes ist darum auch von Plotin bis zu SeheHing und Hege! als Identität in der Differenz beschrieben worden. (Vgl. dazu W. B eierwaltes, 1 9 80, S. 2 1 9 u. S. 226; zu Plo­ tins Begriff des » Geistes« vgl., Plotin, Enneade V 9, 5, S. 1 6-2 1 ). Und es ist Hege!, der dem Gedanken des »Denkens des Denkens« den deutlichsten systematischen Stellenwert zuweist, indem er das Prinzip der systematischen Einheit aller D enk- und Seinsb estim­ mungen als ein Geistprinzip begreift, das in der Entfaltung der Seinsstufen ein B ewußtsein s einer selbst erreicht. (Vgl. dazu: D. Henrich, Andersheit und Absolutheit d es Geistes, in: 1 982, hier insb. S. 1 66) 26 Kr V, A 4 1 8 B 446: Mit dem B egriff der »Natur« wird hier von Kant - in Abgrenzung gegen den engeren »Weltbegriff« - die »Einheit im Dasein der Erscheinungen« bestimmt.

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ne, nicht aber unseren Verstand determiniert, da wir zwar das Gegebene nur durch synthetisierende Verstandesakte als ein Etwas erkennen können, mit dem Zeugen von Seinsgedanken aber nicht zugleich auch das Gedachte selbst erst setzen. Darum ist das Erkennen ein abhängiges Sich-bestimmen im Unterschied zum Vollzug der praktischen Vernunft, welche sich in Frei­ heit vom Bestimmungsgrund des Gegebenen selbst unter Regeln stellen kannP Während nämlich die theoretische Vernunft zur Ausübung ihres Vermögens auf die Materie gegebener Erscheinungen verwiesen ist, ist das freie Sich-bestimmen der praktischen Vernunft ein Setzen selbst der Materie des Gedachten. Von diesem äußeren Wirkgrund der Erfahrungserkenntnis ist dann die Spontaneität der Verknüpfung gegebener Vorstellungen als die innere Quelle und zweite Wirkursache gezeugter Gegenstandsbegriffe un­ terschieden. Schließlich ist das derart formal Bestimmte und kategorial Ge­ dachte dann zugleich solchen Zwecken unterworfen, welche a) auf die er­ kennende Tätigkeit mit dem Ziel der Übereinstimmung unseres Denkens mit den Gegenständen der Erfahrung, mithin also auf einen Weltbegriff im Sinne der Idee eines durchgängig bestimmten Ganzen bezogen sind, indem die Einheit aller Vernunftzwecke dann zugleich auch b) von solchen prak­ tischen Prinzipien bestimmt ist, durch welche die Einheit aller sittlichen und sinnlichen Zwecke in der Idee einer Welt unter moralischen Gesetzen erreicht werden kann.28 Und so wie bereits die theoretische Vernunft das gegebene Sein auf die Idee der durchgängigen Bestimmung bezieht, ist auch das erstrebte Sein einer sittlichen Welt in einem Bilde antizipiert, welches als normativer Horizont des gegebenen Seins fungieren kann.29 27

Zur Spontaneität als Quelle selbst unserer Erkenntnisse apriori: vgl. Kant, Refl. 5440 und 544 1 , AA XVI II, S. 1 82/83. Zur Idee der Freiheit als Bestimmungs grund menschli­ chen Handeins vgl. Kant, Refl. 5 4 1 3 , AA XVI II, S. 1 76; ferner: Kant, Refl. 5438, AA XVIII, S. 1 82. 28 Daß in dieser Auslegung der Differenz zwischen unserer theoretischen und unserer praktischen Vernunft bereits die Idee eines einheitlichen spontanen Vermögens angesetzt wird, das beiden B ereichen gleichermaßen zugrundeliegt, - auch wenn es in diesen eine je unterschiedliche Funktion erfüllt, - zielt bereits auf den Gedanken der Einheit des kanti­ schen Systems: Die Spontaneität des einfachen Ich als Vermögen freier oder abhängiger Selbstbestimmung kann als Ort der Verbingung zwischen der theoretischen und der p rak­ tischen Vernunft gelten. Denn nach dieser Interpretation - die als ein Vorgriff auf Fichtes frühe Wissenschaftslehre von 1 794 erscheint - vermag das spontane Vermögen des ein­ fachen Ich beide Sphären gleichermaßen auf einen Grund zu bringen und durch diesen dann zugleich auch das Prinzip ihrer inneren Übereinstimmung zu bezeichnen. Daß mit dieser Verbindungsfunktion des einfachen Ich jedoch die Frage nach dem G rund der Möglichkeit der Übereinstimmung unserer theoretischen und unserer praktischen Zwecke in einer Welt unter moralischen Gesetzen noch nicht hinreichend beantwortet ist, soll das d ritte Kapitel zeigen.

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Gemäß dieser Funktion einer urbildliehen Antizipation eines Weltganzen sind die Ideen im Sinne Kants darum aller empirischen Erfahrung vorgän­ gig. Ganz platonisch werden sie als » einzig (individuum), selbständig und ewig«30 bestimmt, demgegenüber die empirischen Erscheinungen bloß der­ ivative Funktion erhalten: Sie fungieren als bloße »Nachbilder oder gar apparentzen«31 dieser einigen urbildliehen »Vorstellung des G antzen« , das zugleich in unseren theoretischen Operationen dann als Ziel und Maß »nothwendig vor der Bestimmung der Theile vorhergeht« .32 Zugleich aber können sie » niemals empirisch vorgestellt werden, weil in der Erfahrung man von den Theilen durch successive synthesis zum Ganzen geht«33 und nicht umgekehrt das Ganze als Grund der Möglichkeit der Teile fungiert. Da nun gegebene Gegenstände allein durch den normativen Gehalt er­ kenntnisleitender Ideen mit den Formen des Denkens in Übereinstimmung zu bringen sind - sie allein können die Verstandesoperationen zur Einheit führen - s o regeln nicht allein die formalen Bedingungen des Denkens die Übereinstimmung mit dem Gedachten, sondern ebenso solche Prinzipien, die zwischen allgemeinen B estimmungen und bestimmbarem Einzelnen vermitteln, indem sie die Erkenntnis des Besonderen durch das Allgemeine mittels Begriffen allererst möglich machen. Und da all unsere Verstande­ stätigkeit allein auf Erscheinungen selbst nicht erscheinender Gegenstände bezogen ist, - denn das unsinnliche Substrat der Erscheinungen kann selbst nicht erscheinen, - so müssen wir der Erkenntnis gegebener Erscheinungen solche Ideen des Unbedingten34 zugrundelegen, durch die wir 29

» Freiheit und absolute Notwendigkeit« sind darum im Sinne Kants >die einzigen rei­ nen Vernunftbegriffe, welche obj ektiv, obzwar unerklärlich sind.< »Denn durch Vernunft versteht man die selbstthätigkeit, vom allgemeinen zum besonderen zu gehen, und dieses a priori zu thun, mithin mit einer Notwendigkeit schlechthin. Die absolute notwendig­ keit: in Ansehung des B estimbaren, und freyheit: des B estimmenden.« Kant, Refl. 5 44 1 , A A XVI II, S . 1 83; vgl. ferner: Kant, Refl. 5450, A A XVI II, S . 1 8 5. 3° Kant, Refl. 5247, AA XVIII, S. 1 30. 3 1 Ebd. 3 2 Kant, Refl. 5248, AA XVIII, S. 1 3 0. Zur Idee als Richtmaß und Ziel aller B estimmung vgl.: Kant, Refl. 5553, AA XVIII, S. 224 f. 33 Kant, Refl. 5248, AA XVIII, S. 1 3 0/1 3 1 . 3 4 I m Sinne Kants führt der Prosyllogismus i n der B estimmung der B edingungen zu einem gegeben Bedingten unweigerlich auf die Idee des Unbedingten; der B egriff wird darum nicht analytisch gewonnen, sondern synthetisch generiert. (vgl. H. Krings, 1 9 84, S. 97). D arum kann auch im Sinne Kants >Vom Unbedingten< weder im Ich (Fichte), noch als solchem (Schelling) noch im Denken (Hege!) der Ausgang genommen werden. (Vgl. zu dieser von Dieter Henrich in einer Heidelberger Vorlesung aus dem Wintersemester 1 965/66 vorgenommenen Systematisierung der Ausgangsfiguren vom Unbedingten: M. Frank, 1 9 85, S. 24.)

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Zweiter Teil Das Denken des Denkens ·

a) ein zugrundeliegendes Ding an sich, das nicht mehr selbst Prädikat weiterer Urteile sein kann, als das nicht-empirische Substrat all seiner B e­ stimmungen denken können; b) ein gegebenes B edingtes durch die Totalität aller Bedingungen zu ei­ nem gegebenen Bedingten hinreichend erklären können: Es sind dies die Ideen eines unbedingten Anfangs in der Folge aller Erscheinungen, eines einfachen Teiles in der Zusammensetzung einer Reihe, eines unbedingten Grundes aller bedingten Erscheinungen, s owie eines notwendigen Grundes für alles je zufällig Gegebene; und durch das wir schließlich in einem dritten Prinzip c) das Wechselverhältnis der Gegenstände in einem System der durchgän­ gigen, allseitigen Bestimmungen erfassen können. Es sind dies Vernunftbegriffe, nicht aber Verstandesfunktionen, welche die Verhältnisse der empirischen Begriffe untereinander derart regeln, daß sie die Anwendung von allgemeinen Begriffen oder Regeln auf gegebene Erscheinungen möglich machen können. Während sich dann aber das Sein der theoretischen Vernunft im Wahrsein des Gedachten erfüllt, so greift die Suche nach einem Prinzip der Übereinstimmung von sittlichen und sinnli­ chen Zwecken über die theoretische und praktische Vernunft hinaus, indem sie nach dem Grund der Einheit aller nur denkbaren Zwecke im systema­ tischen Ganzen in einer einheitlichen Theorieform fragt.

a.) Die Idee eines unbedingten Substrates der Erscheinungen Einzelnes und Allgemeines wären nicht zu vermitteln, wenn nicht beide Sphären des Denkens, das noch unbestimmte Etwas einer empirischen Er­ fahrung und bereits gegebene allgemeine B estimmungen, in der Gestalt vor­ handener Allgemeinbegriffe durch die vermittelnde Idee an sich seiender Gegenstände verbunden wären. Denn allein durch ein solches Drittes kann das Ding an sich selbst, wenn auch nicht erkannt, so doch wenigstens ge­ dacht werden:35 So ist es weniger das gegebene Ding an sich selbst als viel­ mehr nur die Idee zu einem solchen Dinge, welche wir durch die Einheit unserer Verstandeshandlungen bestimmen, da wir das transzendentale Ob­ j ekt selbst wiederum nur als Vorstellungen haben, »die wiederum ihren Gegenstand haben, der also von uns nicht mehr angeschaut werden kann. «36 35 KrV, A 576 B 604: »Es ist aber auch durch den Allbesitz der Realität der B egriff eines D i n g e s an s i c h s e l b s t , als durchgängig bestimmt, vorgestellt [ . . . ]« 3 6 Ebd., A 1 09.

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Somit hat die Idee der ersten Substanz, wie sie Aristoteles in seiner » Ka­ tegorienschrift«37 als Voraussetzung und materiales Fundament des Ge­ dachten beschreibt, zwar die Funktion einer Kategorie, die unmittelbar auf gegebene Obj ekte bezogen ist; insofern sie aber das gegebene Substrat zu­ gleich nur indirekt vermittels einer Vorstellung der Vorstellung zu B ewußt­ sein zu bringen vermag, wird das derart mittelbar zugängliche Einzelne nur in der Idee eines Dinges an sich selbst greifbar, die in ihrer Funktion als Einheitsort des Gedachten zugleich >unbedingtes Substrat unserer Vorstel­ lungen< genannt werden kann. Die Kategorie der Substanz wird darum zwar auch im Sinne Kants auf ein B eharrliches in der Zeit bezogen, das als Substrat unserer Prädikate selbst sinnlicher Natur sein muß, für unseren Verstand hat dieses zugrundeliegende X j edoch die Funktion der Idee eines Identischen, das als Fix- und Fluchtpunkt gedanklicher B estimmungen das Ziel und Maß der Prädikationen bestimmt. Auch für Kant gilt, daß diese » erste Substanz« als Grund aller Prädikate und sinnliches Fundament der gedanklichen Bestimmungen nicht mehr selbst Prädikat in möglichen Ur­ teilen sein kann. So ist die Idee eines unbedingten Substrates Platzhalter des Daß-Seins des Gedachten, des nicht-empirischen Grundes der gegebenen Erscheinungen. Für Aristoteles wie für Kant gilt jedoch gleichermaßen, daß zuvor gegeben sein muß, was in einem weiteren Schritt gedacht werden soll, s o daß die Existenz einer Sache von ihrer Essenz notwendig zu unter­ s cheiden ist. Das Unbestimmte - apeiron - aller Gegenstandserkenntnis ist als das Daß-sein zu allem Was-sein aller kategorialen B estimmung darum vorgängig. Insofern nun aber zugleich gilt, daß die Materie der Erscheinun­ gen nur in einer empirischen Erfahrung gegeben sein kann, so können mit den apriorischen Verstandesformen auch nur formale Gegenstandsbegriffe, mithin also nur das >eidos< des Gedachten, apriori gewonnen sein. Da somit die reinen Formen des Denkens allein diejenigen Bestimmungen des Ge­ dachten betreffen, die als Quantität und Qualität des Gedachten auf arith­ metischen Verhältnissen beruhen, können die Bestimmungsgründe des Denkens mit den empirisch gegebenen Gegenständen des Denkens auch nur bezogen auf diese zahlenmäßig faßbaren Verhältnissen apriori kon­ gruieren. Für die Transzendentalphilosophie Kants wie für Platons Ideen­ lehre gleichermaßen hat dies zur Konsequenz, daß die Ordnung der Dinge allein auf solchen Relationen beruht, die gegebene Erscheinungen a) in ihrer quantifizierbaren Ausdeutung als ausgedehnte Größen im Raume erkenn­ bar und ihre Verbindung untereinander b) durch ihre Verhältnisse in der

37

vgl. Aristoteles, Kategorien, 1

a

17 ff.

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Zweiter Teil Das Denken des Denkens ·

Zeit - als ruhende und bewegende, identische und verschiedene Größen faßbar machen. In Kants kritischer Wende wird aus der an sich seienden, vom erkennen­ den B ewußtsein unabhängigen ersten Substanz - ihrem Wandel sowie dem Zugleich ihrer B estimmungen - dann zwar ein reiner Funktionsbegriff für unser denkendes B ewußtsein; durch die Identifikation von apriorischer Form des Denkens mit dem Bestimmungsgrund der Gegenstände des Den­ kens bleibt die gesuchte lneinsbildung von Denken und Gedachtem, Den­ ken und Sein, in der Erkenntnis gegebener Erscheinungen aber gleichwohl gewahrt. Diese lneinsbildung j edoch, da sie nicht Unvergleichliches ineins­ zusetzen, sondern die Einheit von Denken und Gedachtem als Ort der Indifferenz beider Sphären zu bestimmen sucht, kann darum, bezogen auf das Denken, nur in den reinen apriorischen Formen dieser Tätigkeit und, bezogen auf das Gedachte, nur in den formalen Regeln der Verknüpfung des gegebenen Mannigfaltigen als den möglichen Einheitsorten zwis chen Denken und Gedachtem gelegen sein: Und es ist die Mathematisierbarkeit unserer Erfahrungserkenntnis, durch die wir das sinnlich Gegebene als be­ stimmbare Größen apriori erfassen können, sowie das raum-zeitlich Ge­ gebene selbst in seiner reinen Form durch die intensiven wie extensiven Verhältnisse der Zahlen zum Ausdruck gebracht werden kann. Denn, s o erläutert Kant diesen B ezug von mathematischer Konstruktion u n d for­ malem Bestimmungsgrund gegebener Erscheinungen in einer beliebigen empirischen Erfahrung: »Die empirische Anschauung ist nur durch die rei­ ne (des Raumes und der Zeit) möglich; was also die Geometrie von dieser sagt, gilt auch ohne Widerrede von j ener, und die Ausflüchte, als wenn Gegenstände der Sinne nicht den Regeln der Konstruktion im Raume (z.E. der unendlichen Teilbarkeit der Linien oder Winkel) gemäß sein dürfe, muß wegfallen. Denn dadurch spricht man dem Raume und mit ihm zugleich aller Mathematik obj ektive Gültigkeit ab, und weiß nicht mehr, warum und wie weit sie auf Erscheinungen anzuwenden ist.«38 Und s o ist es bezogen auf das gegebene Mannigfaltige veränderlicher Erscheinungen auch die for­ male B estimmung der Zeit, durch die wir das sinnlich gegebene Material mit den B edingungen unseres inneren Sinnes ineinszubilden vermögen, in­ dem wir die Zeit selbst - s chematisiert durch der Zahl - erzeugen s owie das in der Zeit Gegebene in den ihm eigenen zeitlichen Verhältnissen zu be­ stimmen vermögen.

38

KrV, A 1 65 B 206.

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Ins ofern nun all unsere Erkenntnis allein auf Erscheinungen bezogen ist, die Erscheinungen aber Erscheinungen von Etwas sind, so kann dieses Et­ was oder X, das hier zur Erscheinung kommt, nicht mehr durch solche Gegenstandsbegriffe bestimmt werden, die die Verhältnisse der Erscheinun­ gen untereinander regeln. Und da die beschriebenen sinnlichen wie gedank­ lichen Formen unserer Erkenntnis mit dem Gedachten allein bezogen auf sinnlich wahrnehmbare Größen in Raum und Zeit in Übereinstimmung stehen, bleibt ihnen eine B eziehung auf s olche B ereiche, deren Eigentüm­ lichkeit auf der Unabhängigkeit von raum-zeitlichen Bestimmungen beruht, verwehrt. Das Substrat der Erscheinungen, insofern es selbst nicht mehr erscheint, ist uns darum nur mehr als Idee zu einem möglichen B egriff gegenwärtig, auf welche dann zugleich alle begriffliche Bestimmung regu­ lativ bezogen ist. So ist der B egriff von der Sache an sich selbst, insofern er auf ein zugrundeliegendes, unbedingtes Substrat bezogen ist, das hier zur Erscheinung kommt, eine, wenn auch notwendige regulative Idee: die Idee von derjenigen unbedingten, absoluten Größe, die als Grund aller Erschei­ nungen selbst keine sinnliche Gestalt mehr annehmen kann. Die aristoteli­ sche Unterscheidung der zwei Funktionen des Begriffs der Substanz findet somit ihr Gegenstück in Kants Unterscheidung zwischen der logischen Funktion der Kategorie der Substanz in einem kategorischen Urteil und der Idee einer zugrundeliegenden ersten Substanz, dem transzendentalen Ob­ j ekt als dem Adressaten aller B estimmungen. Da nämlich all unsere Er­ kenntnis bloß auf die erscheinenden Gegenstände bezogen ist, können die zugrundeliegenden Dinge an sich nur mehr als Ideen und nicht als B egriffe von den unbedingten Substraten aller Bestimmungen greifbar sein, denn als Gründe der Vereinigung unserer Erkenntnisse machen sie die Einheit eines B egriffs von dem zugrundeliegenden Ding allererst möglich. Als Ziel- und Fluchtpunkte begrifflicher B estimmung liegen sie der Einheit des Erfah­ rungsbegriffs darum zugrunde, sind B ezugspunkt aller begrifflichen Unter­ s cheidung, so daß Kants Rede von der >>bloßen Ideeabsoluten< Bezugsgröße gegenüber dem Begriff von einem Gegenstande einzuschränken, sondern vielmehr nur den logischen Status der Idee gegenüber den Erfahrungsbegriffen zu erhellen sucht.39 Als Begriff

Die Funktion des bei Kant häufig verwandten »nur« bezogen auf den Gebrauch der Ideen wäre jedoch, - so H. Krings (ders., 1 984, 97) - in ihrer Intention zugleich mißver­ standen, würde die gegen die traditionelle Metaphysik gerichtete Stoß richtung des »nUrbloß< die Idee zu einem s olchen B egriff. Und da die Idee als Einheitsgrund des B egriffs nur im B egriff oder in vergleichbaren symbolischen Formen Gestalt annehmen kann, s o erfüllt der B egriff die Funktion eines Bildes der Idee des Gedach­ ten. Bild nämlich ist der B egriff bezogen auf die Idee, weil er sie in der Vergleichung und Unterscheidung der Bestimmungen nur annäherungs­ weise, niemals aber unvermittelt und direkt erreicht. Sowenig darum die Sache an sich selbst als das von unserer Erkenntnis verschiedene Substrat einer gegebenen Erscheinung im B egriffe erscheinen kann, so wenig läßt sich ihr Korrelat, die Idee des Dings an sich selbst, durch B egriffe adäquat repräsentieren. Was darum eine Sache an sich selbst sei, findet in unserer Erkenntnis ein Korrelat in der Idee des unbedingten Substrates, da nur durch eine solche Idee die Unabhängigkeit des Gedachten von seinem Ge­ gebensein-für-ein-denkendes -Wesen erfaßt werden kann. Und während Hegel die B estimmung dieser absoluten Größe, das »Ding an sich selbst«, durch die Bestimmung der Substanz als Subjekt zu erreichen sucht, so daß das absolute Subjekt im zugrundeliegenden Objekt nur mehr sich selbst erkennt, - Gleiches somit im Gleichen sichtbar wird, - ist die Idee des unbedingten Substrates aller B estimmungen für Kant denknot­ wendig, aber nicht in einem gegenständlichen Sinne obj ektiv zu nennen. Denn wäre die Idee eines unbedingten Substrates aller Bestimmungen im Sinne einer gegebenen absoluten Größe zugleich obj ektiv, s o wäre sie etwa als endliche Größe in Raum und Zeit zugleich nicht mehr unbedingt, oder aber es müßte ein privilegierter Zugang zu einem solchen Unbedingten die Annahme einer absoluten Perspektive rechtfertigen können. Da j edoch der gesuchte B egriff von einer absoluten Größe nur in der Idee eines zugrun-

licher Gegenstands erkenntnis zu sprechen; die Vernunftideen des Unbedingten konstitu­ ieren dabei nur den Verstand, nicht aber die Gegenstände der Erfahrung.

Die Vernunfteinheit unserer Verstandeserkenntnisse

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deliegenden, unbedingten Substrates repräsentiert werden kann, lassen sich allein vermittels dieser Idee alle gedachten Bestimmungen auf einen zu­ grundeliegenden Gegenstand an sich selbst beziehen. Und s o bleibt die Idee zu einem solchen B egriff bei aller Vielfalt ihrer historischen geprägten Er­ scheinungen dasjenige unbedingte Maß, auf das alle Begriffsbildung regu­ lativ - im praktischen Sinne sogar konstitutiv - bezogen ist. Nach einer transzendentalen Subreption führt j edoch - s o Kant - die Idee einer unbedingten Substanz zwangsläufig auf den Gedanken von ei­ nem beharrlichen, numerisch identischen wie einfachen Substrat, das wir als menschliche Seele der Vielzahl seiner empirischen Erscheinungen zugrun­ delegen und welches wir uns zugleich, hypostatisch gedacht, als eine selb­ s tändige Entität vorstellen. Und tatsächlich hat Hege! dann in der Folge des »spekulativen Gebrauchs unserer Verstandeskategorien«, welche die Kate­ gorien aus ihrer unmittelbaren Anwendung auf gegebene sinnliche Er­ s cheinungen zu befreien und in ihrem eigenen Gehalte und Zusammenhang zu erfassen suchte, den Versuch gemacht, die Idee einer Substanz als Sub­ j ekt zu denken, so daß es dann auch möglich sein sollte, den B egriff von einem Unbedingten zu gewinnen, das als bewegendes Prinzip und Substrat die Systemstelle des Dings an sich selbst innehaben kann. Und tatsächlich lag dieser hegelschen Idee Fichtes und Schellings Kritik an der Kamischen Idee eines Dings an sich zugrunde, nach welchem, - so Fichte, - selbst das Subj ekt zu einem >Ding< gemacht würde oder, s o Schelling, das Ding an sich nicht Ort wahrer Ineinsbildung eines Subj ektiven mit einem Obj ektiven sein könne. Im Sinne Kants j edoch ist die Idee eines solchen unbedingten Substrates der Ort des dialektischen Scheins, insofern in spekulativer B e­ trachtung in einen Begriff verwandelt wird, was uns allein als Idee zu einem s olchen B egriff zugänglich ist.

ß) Die Idee der Totalität der Reihe der Bedingungen zu einem gegebenen Bedingten Ein zugrundeliegender Gegenstand kann zugleich nur dann als hinreichend bestimmt gelten, wenn die Reihe der Bedingungen zu dem gegebenen Be­ dingten nach dem Grundsatze vom zureichenden Grunde selbst als vollen­ det gedacht werden kann. Diese Idee der Vollständigkeit in der Bestimmung der Ursachen zu einem gegebenen B edingten ist darum gleichermaßen re­ gulativ für unsere Verstandeshandlungen, indem sie die Funktionen des Verstandes in die Richtung auf Vollständigkeit in der Erkenntnis der Ab­ hängigkeitsverhältnisse der gegebenen Erscheinungen lenkt. Regulativ ist

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die Idee s omit im Hinblick auf unsere Verstandestätigkeit: Im Unterschied zur Idee der unbedingten Substanz, die das Substrat der Bestimmungen als das zugrundeliegende Ding selbst denkbar macht, wird diese zweite Idee des Unbedingten auf die Folge der Erscheinungen bezogen, durch welche die Totalität aller B edingungen zu einem gegebenen Bedingten denkbar wird. Und während die Idee des Dinges an sich selbst das unbedingte Sub­ strat als das Ruhende in der Bewegung zu fassen sucht, ist die Bestimmung der Folge seiner Erscheinungen auf die Bewegung dieser Erscheinung ge­ richtet, indem sie den Wandel des Gegebenen, seine Veränderung in der Zeit, zu bestimmen sucht. Die Erscheinungen sind darum nicht allein auf ein zugrundeliegendes Substrat als den ruhenden Fluchtpunkt all seiner Bestimmungen, sondern in gleicher Weise auch auf den Wandel der Ver­ hältnissen der Erscheinungen im Nacheinander der Zeit bezogen. Und es ist die Idee der Vollendung der Reihe der Erscheinungen, durch die allein die letzte raum-zeitlich gegebene B edingung für ein gegebenes B edingtes ge­ funden werden kann.

y) Die Idee allseitiger Bestimmung Das Zusammenwirken der verschiedenen Substanzen, ihre wechselseitige B eziehung zueinander im Ganzen der denkbaren Gegenstände, kann drit­ tens nun allein gedacht werden, wenn die gegebenen Erscheinungen auch als untereinander verbunden aufgefaßt werden können.40 Nun sind Kate­ gorien allein auf wahrnehmbare Gegenstände, nicht aber auf das System alles nur Wahrnehmbaren und Denkbaren überhaupt bezogen: Die Idee eines Weltganzen, die Idee des Alls der Realität (omnitudo realitatis),41 in

40

Zu einer frühen vorkritischen B estimmung der Kategorie der Wechselwirkung vgl., Kant, Neue Erhellung AA I, S. 385 ff. und S. 4 1 2/1 3 ff. Zum Übergang der metaphysi­ schen Begründung der Kategorie der Wechselwirkung zur transzendentalen B egründung vgl. G. Buchdahl, 1 98 1 , S. 1 1 3 ff; ferner: H. Heimsoeth, 1 9 8 1 , S. 45 ff. - Als Kernkategorie für die Verhältnisbestimmung von Mechanismus und Organismus und zugleich als »dritte Phase« der Kategorie der Relation, durch die das Dynamische der Erscheinungen denkbar wird, vgl. P. Natorp, 1 958, S. 201 ff. - Zur ontologischen Bedeutung der Kategorie der Wechselwirkung im Spannungsfeld von Mechanis mus und Teleologie vgl. M. Frank, » Identität und Subj ektivität«, in: 1 99 1 , hier: S. 123 ff. 41 Vgl. zur Idee des »Alls der Realität>Der Verstand macht für die Vernunft ebenso einen Gegenstand aus, als die Sinnlichkeit für den Verstand. Die Einheit aller möglichen empirischen Verstandeshand­ lungen systematisch zu machen, ist ein Geschäft der Vernunft, s owie der Verstand das Mannigfaltige der Erscheinungen durch B egriffe verknüpft und unter empirische Gesetze bringt. «48

KrV, A 322 B 379. Zur Unterscheidung zwischen den B egriffen der »Allheit« und der »Allgemeinheit« vgl. die Fußnote zu A 572 B 600: »Die B e s t i m m b a r k e i t eines jeden B e g r i f f e s ist der Allgemeinheit (Universalitas) des Grundsatzes der Ausschließung eines Mittleren zwi­ schen zwei entgegenges etzten Prädikaten, die B e s t i m m u n g aber eines D i n g e s der Allheit (Universitas) oder dem Inbegriffe aller möglichen Prädikate untergeordnet.« 4 7 In diesem Sinne interpretiert auch Rafael Ferber Kants transzendentalphilosophische D eutung der p latonischen Ideen ( ders., 1 989, S. 30). Demnach seien Kants Ideen » [ . . . ] nicht nur I deen im bisherigen ontischen Sinne, sondern auch Ideale, nicht nur 0 n t a , sondern auch D e o n t a , kurz, nicht nur das, was i s t , sondern auch das was s e i n s o l l : Sie sind an sich gegebene Normen.« 48 KrV, A 664 B 692; vgl. dazu ferner: Kant, Refl. 5 5 5 3 , AA XVI II, S. 22 1 /222. 45 3

46

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Die Idee durchgängiger B estimmung kann dann nicht mehr durch einen B egriff, der auf ein Erfahrbares in Raum und Zeit bezogen wäre, dargestellt werden, sondern allein durch das System aller aufeinander bezogenen B e­ s timmungen, das die durchgängige Bestimmung der erfahrbaren Gegenstän­ de möglich macht. Denn durchgängig bestimmt sein können lediglich die Anschauungen, nicht aber die B egriffe dieser Anschauungen: »Da nur ein­ zelne Dinge oder Individuen durchgängig bestimmt sind: so kann es auch nur durchgängig bestimmte Erkenntnisse als A n s c h a u u n g e n , nicht aber als B egriffe, geben; in Ansehung der letzteren kann die logische B estim­ mung nie als vollendet angesehen werden. «49 Kant nennt den Ort dieser Ordnungsfunktion die Vernunft; die Art der Anwendung ihrer Prinzipien auf den Verstand den transzendenten Gebrauch der Vernunftbegriffe, da sie im Unterschied zu den Verstandesbegriffen nicht in einem immanenten Gebrauch50 die Erkenntnis empirischer Größen erlauben, sondern da sie die unbedingte Vollständigkeit in der Erkenntnis des Empirischen selber regeln . Transzendent kann dieser Gebrauch genannt werden, weil er über d e n im­ manenten Gebrauch unserer Verstandesbegriffe hinaus ein Transzendentes - wenigstens als Idee - denkbar macht. Und es ist ein solches Transzen­ dentes, das Kant durch die Ideen des Unbedingten repräsentiert s ieht, das er zugleich den eigentlichen Zweck aller Metaphysik nennt.51 Denn ohne diese Ideen des Unbedingten, durch welche a) ein zugrundeliegendes Substrat als absoluter Grund seiner Bestimmun­ gen, das Ding an sich selbst, gedacht, b) die vollständige Kette aller B edingungen als hinreichende Ursache zu einem gegebenen B edingten beschrieben sowie c) die systematische Stellung der Teile zum Ganzen einer gegebenen Ord­ nung bestimmt werden kann, wäre ein innerer Begriff von Gegenständ­ lichkeit nicht denkbar. Dann nämlich erst ist das Ziel der vollständigen, durchgängigen Bestimmung eines gegebenen Etwas erreicht, wenn die Totalität aller B edingungen zu einem gegebenen B edingten im System aller Bestimmungen erfaßt worden ist. Das Ziel der durchgängigen Bestimmung ist regulatives Prinzip unserer Erkenntnistätigkeit und hat darum seine Wurzeln nicht mehr im Verstand und seinen Funktionen, sondern in einem zwecksetzenden Vermögen, das

Kant, Logik, AA IX, A 1 55 . 5° KrV, B 3 8 3 A 327. 5 1 Kant, Refl. 48 5 1 , AA XVIII, S. 1 0 . 49

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über den Verstandeshandlungen operiert, indem es eine Verbindung der em­ pirischen B egriffe untereinander gemäß der Idee der Vollständigkeit aller Bestimmungen untereinander bewirken kann.52 Um daher die Vollständig­ keit aller B edingungen in den drei genannten Fällen relationaler Urteile erreichen zu können, müssen die Verstandesoperationen von der Idee des >> Unbedingten « in der Synthesis alles B edingten geleitet sein, denn es wird angenommen, daß die Erkenntnis der gegebenen Erscheinungen nur dann als vollständig gedacht werden kann, wenn mit dem Gegebenen auch die Totalität aller B edingungen zu diesem Gegebenen erkannt ist.53 Die Ideen des Unbedingten sind darum solche Prinzipien der Vernunft, durch die der Verstand auf die Vollständigkeit in der Erkenntnis alles B e­ dingten gelenkt wird, und s o dürfen sie mit der Funktion der Verstande­ seinheiten nicht verwechselt werden: Denn während der Verstand mittels Kategorien auf gegebene Erscheinungen bezogen ist, um diese im Begriff zu obj ektiven Einheiten der Apperzeption zusammenzufügen, reguliert die Vernunft die Verstandeserkenntnis, indem sie Einheit unter den Regeln des Verstandes, bezogen auf die Idee eines vollständig bestimmten Ganzen, her­ zustellen sucht. Und gleich den Verstandesformen sind diese Prinzipien nicht Begriffe, die der Erfahrung entnommen wären, sondern in ihrer Funktion, die Sub­ sumtion eines Besonderen unter ein Allgemeines in Erfahrungsurteilen zu erlauben und gleichzeitig den Verstand auf die Vollständigkeit in der Be­ stimmung der Erscheinungen zu richten, liegen sie aller Erfahrungserkennt­ nis je schon zugrunde. Denn Erkenntnis kann im Sinne Kants nur dann obj ektiv sein, wenn eine durchgängige, allseitige B estimmung des Gegebe­ nen erreicht ist, mithin also die B edingungen der Prädikation selbst als vollendet angenommen werden können. Die Vernunft ist darum die Statthalterin der Dinge an sich, 54 indem sie die verschiedenen relationalen Kategorien den Ideen eines unbedingten Sub­ strats aller Bestimmungen, einer unbedingten Ursache zu einem gegebenen 5 2 Nur mithilfe dieser feinen Unterscheidung, nach welcher das Unbedingte sich nicht eigentlich im Begriff, sondern nur als Idee vergegenwärtigen läßt, ist die Annahme eines solchen Transzendenten, auf das alle Metaphysik zielt, gerechtfertigt. Kant, Refl. 4946, AA XVI II, S. 3 8 . 51 KrV, A 307/8 B 3 6 4 : >>Diese logische Maxime kann aber nicht anders e i n Prinzipiu m der r e i n e n Ve r n u n f t werden, als dadurch, daß man annimmt: wenn das B edingte gegeben ist, so ist auch die ganze Reihe einander untergeordneter B edingungen, die mithin selbst unbedingt ist, gegeben (d.i. in dem Gegenstande und seiner Verknüpfung enthal­ ten).> höchste und absolute Form unseres D enkens« nennt (G.W.F. Hege!, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie li, WW 1 9, S. 90; vgl. auch: G.W.F. Hege!, Wissenschaft der Logik l i . , WW 6, S. 3 9 1 ff.), Kants erste Auseinandersetzung, in: »Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren«, AA 2, hier: A 5 ff; ferner: KrV, A 298 ff. B 355 ff.; A 303 B 359 f.; A 321 ff. B 3 77 ff. Kant, Logik A 1 87 ff. - In einem Vernunftschluß wird nach dem Prinzip: was unter der Bedingung der Regel steht, steht auch unter der Regel selbst, die Erkenntnis der Notwendigkeit eines Satzes durch die Subsumtion seiner B edingung unter eine allgemeine Regel erreicht. Die Einsicht, daß alles notwendig bzw. unter einer Regel stehe, wird als das Prinzip der Rationalität aufgefaßt, als dessen wesentliche B estandsstücke a) die all­ gemeine Regel (Obersatz) b) der Untersatz. c) das Prädikat der Regel, von dem die sub­ sumierte Erkenntnis bejaht oder verneint wird (conclusio, Schlußsatz), gelten. Die Ein­ teilung der verschiedenen Vernunftschlüsse (ebd., A 1 90 ff.) erfolgt gemäß den Kategorien der Relation als den drei Bedingungen der Einheit des Bewußtseins des Mannigfaltigen der Erkenntnis im kategorischen (Subjekt der Inhärenz der Merkmale), hypothetischen (als Grund der Dependenz einer Erkenntnis von einer anderen) und disjunktiven (Ver­ bindung der Teile in einem Ganzen) Vernunftschluß. - Zum Einfluß der Vernunftschlüsse auf die Annahme sog. substantieller Argumente im Rahmen der Argumentationstheorie von Stephan Toulmin und Jürgen Habermas vgl. M. Frank, 1 9 8 8a, S. 66 ff. 58 KrV, A 302 B 359; A 306 B 363 f.; A 3 3 5 B 392. 59 Vgl. Kant, Refl. 5555, AA XVIII, S. 23 1 .

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gen ist, das zugleich sie selbst ist, kann sie in der Bestimmung ihres eigenen Grundes das Sein selbst auf Gründe bringen.60 Es ist das sich selbst den­ kende Denken nämlich das einzige Seiende, das sich selbst zu durchlichten vermag, indem es nicht allein Licht auf ein Anderes, von sich selbst ver­ schiedenes wirft, s ondern zugleich noch das Licht zu sehen vermag, das Licht für ein anderes ist. Die Orte der Entdeckung, die »empirische B asis« für das Auffinden der Ideen sind somit solche Funktionen der Vernunft, durch welche Gegen­ stände der Erfahrung in den Vernunftschlüssen mittelbar vorgestellt und bestimmt werden können. Aus ihnen können die Ideen ähnlich wie die Kategorien aus den Urteilsformen gewonnen werden, indem sie als B egriffe des Unbedingten die Vermittlung von gegebener Erscheinung und allge­ meinem B egriff möglich machen: Es sind dies die Ideen des Unbedingten einer kategorischen, hypothetischen oder disj unktiven Synthesis .61 Gleich­ zeitig aber sind die logischen Funktionen des Verstandes und der Vernunft nur unter der Voraussetzung fungierender Elementarbegriffe in diesen Be­ reichen möglich, da sie entweder das Substrat dieser Verbindung (Katego­ rien) oder aber ihren regulativen Horizont (Ideen) bilden. In der Analyse der logischen Operationen von Verstand und Vernunft können darum ent­ weder die transzendentalen Bedingungen möglicher Gegenstandsbestim­ mung oder aber die Bedingungen der Vernunfteinheiten des Gedachten selbst gefunden werden.62 Darum sind die Urteilsformen und die Vernunft­ s chlüsse nicht der Sache nach ein Erstes, sondern sie sind allein diej enigen heuristischen Mittel, durch die wir Kunde von den Elementarbegriffen, den Kategorien wie den Ideen gleichermaßen, gewinnen können.63

60

Das zweckmäßige Ganze auf Gründe zu bringen, erreicht im Sinne Kants allein das Sittengesetz, indem es die Welt, wie zu zeigen ist, so vorstellt, als sei sie » aus einer Idee entsprungen« (KrV, A 8 1 5/6 B 843/4). 6 1 Vgl. ebd., A 323 B 379. 6 2 Ebd., A 321 B 3 77. 6 3 Nach den bisherigen Überlegungen folgt die Ableitung der Kategorien aus den Ur­ teilsformen (in: KrV, A 66 ff.) im Sinne Kants nur der Erkenntnisordnung, nicht aber der logischen Genese der Sache selbst. Die Möglichkeit der Transzendentalphilosophie, » [ . . . ] ihre B egriffe nach einem Prinzip aufzusuchen; weil sie aus dem Verstande, als absoluter Einheit, rein und unvermischt entspringen, [ . . . ] « (KrV, A 67 B 92), erschließt sich uns nämlich nur im Rückgang von den Urteilsformen zu den in sie eingelagerten Gegen­ standsbegriffen. Der Sache aber macht »der Seinsgedanke [ . . . ] s einerseits erst die Form des [ . . . ] Urteils möglich.« (W. Cramer, 2 1 976, S. 26.) Die solcherart von Wolfgang Cramer erstrebte Umkehrung der Ableitungsverhältnisse von Kategorie und Urteilsform, nach welcher die Kategorien als ontisch primär aufgefaßt werden kann, befindet sich darum

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Die Karrtische Lösung für die B estimmung der Elementarbegriffe beider Vermögen ist s omit der aristotelischen Suche nach der Verwendung gege­ bener B egriffe verwandt: Es ist die Weise des Gebrauchs s olcher B egriffe, durch die wir uns ihren Gehalt und ihre Funktion für die Erkenntnis er­ schließen können, indem wir ganz im Sinne des Aristoteles das An-sich­ von dem bloß Für-uns-Ersten unterscheiden.64 Die Weise ihrer Verwen­ dung in möglichen Urteilen oder Schlüssen ist darum in der Analyse der Verstandes- und Vernunftbegriffe auch ein Erstes; es ist dies der Ort ihrer Entdeckung und Funktionsbestimmung in unserem Erkenntnisprozeß glei­ chermaßen. Die Genese der Ideen aus den Vernunftschlüssen läßt s ich am B eispiel des kategoris chen Vernunftschlusses dann wie folgt beschreiben: Wenn aus einem allgemeinen Urteil der Art: Alle Menschen sind sterb­ lich, folgt, daß auch einige Menschen sterblich sind, so kann dieses Urteil ohne Mittelbegriff direkt aus dem Obersatz abgeleitet werden. Unmittelbar nämlich kann aus einer Regel des Verstandes auf einen einzelnen Fall ge­ schlossen werden, weil ein Allgemeines, das für alle gilt, auch für einige oder einzelne Gegenstände derselben Art gelten muß. Insofern diese Schlußform auf einem lmplikationsverhältnis von allgemeinen und beson­ deren Größen beruht, kommt sie ohne weitere vermittelnde B egriffe aus und kann daher - mit Kant - als Verstandesschluß bezeichnet werden. Wenn aber ein bestimmter Mensch, z.B . Cajus, unter das genannte Gesetz subsumiert werden soll, so ist zunächst zu prüfen, ob Cajus unter die Be­ dingung der Regel fällt, um ihn dann in einem nächsten Schritt durch das Prädikat der Regel zu bestimmen.65 In einer solchen Schlußform ist unsere Vernunft auf allgemeine B egriffe oder Bestimmungen des Verstandes, nicht aber auf Gegenstände der Wahrnehmung bezogen. Denn die Vernunft ver­ bindet hier in einem kategorischen Vernunftschluß ein Allgemeines mit ei­ ner noch unbestimmten singulären Erscheinung, indem die B edingungen der Regel als zutreffend auf eine gegebene Erscheinung bestimmt werden, um sie dann durch das Prädikat der Regel zu bestimmen. So sind bereits vollzogene Verknüpfungsleistungen des Verstandes das Aktionsfeld der urteilenden Vernunft, indem sie auf gegebene allgemeine Bestimmungen in vermittelnder Absicht bezogen sind. Im Unterschied zur Erkenntnis des Gegebenen mittels solcher Synthesisfunktionen, die direkt auf gegebene Erscheinungen bezogen sind, ist es darum die Aufgabe der bereits in Übereinstimmung mit der sachlichen B eziehung beider Bereiche zueinander in Kants Kritik der reinen Vernunft. (Vgl. dazu: W. Cramer, 2 1 976, S. 26.) 64 Aristoteles, Physikvorlesung, hier: 1 84 a ff. 6 5 KrV, A 322 B 378 f; vgl. dazu: Kant, Refl. 5553, AA XVIII, S. 229.

Die Vernunfteinheit unserer Verstandeserkenntnisse

223

Vernunft, »das Besondere im Allgemeinen durch B egriffe«66 zu erkennen. Das Denken richtet sich darum nicht allein im Denken des Denkens, im Ideendenken, auf sich selbst zurück, sondern bereits auf der Ebene der Erfahrungserkenntnis ist die B estimmung noch unbestimmter Erscheinun­ gen durch spezifizierende B egriffe als ein Umgang des Denkens mit seinen eigenen Produkten zu begreifen: denn die apprehendierten und reprodu­ zierten Erscheinungen sind gleich wie ihre Ineinsbildungen im B egriff ein ­ wenn auch abhängiges - Zeugen des Gegebenen; ein Produzieren in Ab­ hängigkeit von einem Gegebenen zwar, dennoch aber ein sich-Bestimmen der Vernunft in der Abhängigkeit dieses Gegebenen. Indem es vermeintlich ein Anderes, den noch unbestimmten Gegenstand sieht, ist das Denken in seiner Funktion, mittelbar zu schließen, zugleich j edoch nur mit sich selbst befaßt, greift es zurück auf bereits vollzogene Verstandesleistungen, bedient sich der Urteilskraft zur Subsumtion gegebener Erscheinungen unter die B edingungen einer gegebenen Regel und schließt dann durch die vermit­ telnde Funktion der Vernunft auf die Bestimmtheit der gegebenen Erschei­ nung. So kann die logische Funktion der Vernunft in der Subsumtion einer gegebenen Erscheinung unter eine allgemeine Regel im Schlußs atz eines Vernunftschlusses als das Zusammenwirken dreier Vermögen wie folgt be­ schrieben werden: a) zunächst wird durch den Verstand eine allgemeine Regel erstellt; b) mittels der Urteilskraft wird dann eine gegebene Erscheinung unter die B edingung des B egriffs subsumiert und schließlich c) wird mittels der Vernunft das Gegebene durch ein allgemeines Gesetz bestimmt, indem das Besondere, unter die B edingung der Regel gestellt, durch das Prädikat dieser Regel bestimmt werden kann .67 Die Vernunft stellt darum die Einheit unter den Verstandesbestimmungen her, indem sie das B esondere mit dem Allgemeinen im vermittelnden B egriff zusam­ menschließt. Mit dem Denken der Vernunftprinzipien ist die zweite Stufe der Suche nach dem Einheitsprinzip von Denken und Sein erreicht; das Denken übergegangen zur Reflexion auf seine eigenen Prinzipien und mit dem Den­ ken der Ideen als regulativer Vernunftbegriffe in eine erste Phase eingetre­ ten.

66 67

Ebd., A 300 B 3 57. Ebd., A 304 B 360/6 1 .

224

Zweiter Teil Das Denken des Denkens ·

Das Ideendenken im Hinblick auf die Vervollständigung der Verstandes ­ funktionen ist Denken der Prinzipien der Einheit unter unseren Verstan­ deshandlungen und ist darum noch ein Teil des ersten Teils: des Denkens des Etwas . Denn erst mit Blick auf die Prinzipien der Verstandeseinheit, durch welche die Erkenntnis auf Dinge an sich selbst, auf die Totalität alles B edingten sowie das System alles Denkbaren regulativ bezogen ist, kann die Verstandestätigkeit als vollendet aufgefaßt werden. Auf Gegebenes kann sie nämlich nur bezogen sein, wenn das erscheinende Mannigfaltige gemäß der Idee eines unbedingten Substrates auf ein unbedingtes Subj ekt aller B estim­ mungen hin geordnet ist, wenn in der Idee der Totalität seiner B edingungen die Erklärung der vorgegebenen Erscheinung auf einen obersten Grund seiner B edingungen zurückgeführt worden ist, und wenn im System aller Verstandesbestimmungen die Einheit aller Gegenstände des Denkens denk­ bar wird. Beharrlichkeit, Folge und das Zugleich des Gedachten als die drei zeitli­ chen Modi der Existenz aller raum-zeitlich gegebenen Erscheinungen fin­ den darum ihr Gegenstück in solchen Ideen des Unbedingten, die ein Be­ harrliches als ruhend im Wandel der Erscheinungen identifizierbar machen; die den Wandel der Erscheinungen auf einen obersten Grund zurückführen können und welche ferner ein >>All der Realität« als das System aller aufein­ ander bezogener Verstandesbegriffe denkbar machen. Und da die relatio­ nalen Kategorien auf die drei genannten zeitlichen Modi der Existenz der Erscheinungen bezogen waren, sind die Ideen des Unbedingten direkt auf die Kategorien, indirekt aber nur auf die Bestimmungen unseres inneren Sinnes bezogen: Denn die Idee eines Maximums in der B estimmung der gegebenen Erscheinungen, bezogen auf ihre Inhärenz, Dependenz und Konkurrenz, reguliert unseren Verstand und gibt so indirekt den Ort der Erscheinungen in Raum und Zeit, ihre Beharrlichkeit, Folge oder ihr Zu­ gleichsein an.68 Als B estimmungsgründe des Verstandes dienen die Vernunftbegriffe dar­ um der Zwecksetzung aller Verstandeshandlungen und erfüllen damit aller­ erst die B edingung, einheitliches Vermögen zu sein, das nicht allein durch Materie, Form und Wirkursache seiner Entstehung bestimmt wird, sondern das sich zugleich auch als eine zweckgerichtete, auf die Einheit des Gedach­ ten zielende Vernunfthandlung bestimmen läßt: So können durch die Idee eines unbedingten Substrates, eines Ding an sich selbst, die Bestimmungen eines Etwas auf ein Satz-Subj ekt hin geord-

68

Ebd., A 336 B 393.

Die Vernunfteinheit unserer Verstandeserkenntnisse

225

net werden, das nicht mehr selbst Prädikat in einem weiteren Urteil sein kann, mithin also als die »erste Substanz« aufgefaßt werden kann; s o dient die kosmologische Idee des unbedingten Anfangs einer Reihe von Bedin­ gungen der Suche nach einem unbedingten Grund zu allem gegebenen B edingten und strebt so nach dem Grundsatz vom zureichenden Grun­ de auf ein Unbedingtes in der erfahrbaren Welt; und so dient s chließlich die Idee eines durchgängig bestimmten Ganzen der Suche nach Überein­ stimmung all unserer Verstandeshandlungen untereinander in einem System aller wechselseitig aufeinander bezogenen B estimmungen.69 Die Übereinstimmung unseres Denkens mit den Gegenständen der Erfah­ rung ist nämlich nur durch die Idee einer größtmöglichen Einheit unter den Verstandeshandlungen in einem System aller Verstandesbestimmun­ gen denkbar, weil die Einheit des Gedachten auf der zweckmäßigen Ein­ heit all unserer Verstandeshandlungen beruht. Darum kann zugleich gesagt werden, daß als Grund möglicher Obj ektivität und Einheit des Gedachten allein die Einheit des Denkens selbst aufgefaßt werden kann. Denn auch für unsere Vernunft gilt, daß sie als eine mit sich einige Kraft ihrer Bestimmung nicht zuwiderhandeln kann, sondern sich nur in Übereinstimmung mit ihren Funktionen entfalten kann: Ihre Funktion, die Herstellung der Einheit des Verstandes, bezogen auf das Ziel der Einheit mit dem Gegenstand, macht diese Vernunfteinheit darum notwendig. So wird als leitende Idee der Vernunft antizipiert, was B edingung der obj ektiven Einheit des Gedachten selbst genannt wer­ den kann. Als Einheitsgründe des Denkens bestimmen die Ideen darum die Tätig­ keit, nicht aber die Gegenstände dieser Tätigkeit: Und darum ist im Denken des Denkens die Einheit des Denkens der Gegenstand der B etrachtung und, was zuvor nur Mittel war, ist nun sein eigener Zweck. Denn die Verstan­ desformen sind bloß funktionale Einheitsformen, Medien der Gegenstands­ begriffe, die Vernunftprinzipien aber die integrierenden Einheitsfunktionen, indem sie die Verstandeseinheiten zur Vernunfteinheit des Denken führen können. Und nur in der Vernunfteinheit des Gedachten kann der Begriff von einem Gegenstand, der Begriff eines zweckmäßig geordneten Ganzen, vollendet werden. Das Denken des Denkens war darum in einem ersten Schritt ein Denken der Einheitsfunktionen unter unseren Verstandeshandlungen, indem die

69

Vgl. zur Funktion der drei transzendentalen Ideen auch Kant, Refl. 5938 und 5939, AA XVI II, S. 395.

Zweiter Teil Das Denken des Denkens

226

·

Prinzipien der Vernunft die Subsumtion des Gegebenen unter bereits vor­ handene B egriffe in möglichen Vernunftschlüssen derart regeln konnte, daß durch die Idee des Unbedingten in der »kategorischen Synthesis« in einem Subjekt das Substrat aller Bestimmungen, durch die Idee der unbedingten »hypothetischen Synthesis der Glieder einer Reihe Gegenstand« sein soll. Denn bezogen auf das Denken des Etwas ist alle Erfahrungserkenntnis blind, insofern sie ihr eigenes Tun nicht begreift sowie die Vernunfterkenntnis leer bleibt, wenn sie sich nicht in ihrer Funk­ tion für die Gegenstands erkenntnis begreift. Die Einsicht in die Bedingungen möglicher Erkenntnis hat darum an dieser Stelle den Punkt erreicht, an welchem die Selbsterhellung der Ver­ nunft im Denken des Denkens unabdingbar geworden ist. Denn es bedarf der Einsicht in den inneren Zusammenhang ihrer Prinzipien, wenn nicht allein die Tätigkeit unseres Verstandes bezüglich der Erkenntnis möglicher Gegenstände im Begriff eines zweckmäßig organisierten Ganzen vollendet, sondern das zwecksetzende Vermögen der Vernunft selbst als eine Einheit zweckmäßig aufeinander bezogener Funktionen begriffen werden soll. In welcher Weise die durchgängige Bestimmung des Gedachten zugleich die systematische Einheit unserer Erkenntnisse erforderlich macht, so daß selbst Erfahrungserkenntnis nur im systematischen Ganzen unserer Ver­ standesbegriffe möglich ist, sollte in den bisherigen Ausführungen deutlich werden. In welcher Weise aber auch die Vernunftfunktionen selbst unter­ einander eine systematische Einheit bilden, wenn die Zwecke der Vernunft untereinander übereinstimmen sollen, sollen die folgenden Ausführungen zeigen. Sie folgen damit der Leitidee der systematischen Einheit aller Ver­ nunftzwecke, für die Kant in seiner >>Praktischen Vernunft« fordert, >> [ . . . ] daß, wenn sie [die praktische Vernunft, C . B .] vollendet sein soll, ihre Ein­ heit mit der spekulativen in einem gemeinschaftlichen Prinzip zugleich müsse dargestellt werden können, weil es doch am Ende nur eine und die­ selbe Vernunft sein kann, die bloß in der Anwendung unterschieden sein muß « .72 Wird darum die geforderte Zweckeinheit der Vernunftbegriffe, so Kant, in ihrem Ganzen Umfange übersehen, >> [ . . . ] so finden wir, daß das ­ j enige, was die Vernunft ganz eigentümlich darüber verfügt und zustande zu bringen sucht, das S y s t e m a t i s c h e der Erkenntnis ist, d.i. der Zusam­ menhang derselben aus einem Prinzip . Diese Vernunfteinheit setzt jederzeit eine Idee voraus, nämlich die von der Form eines Ganzen der Erkenntnis, welches vor der besonderen Erkenntnis der Teile vorhergeht und die Be­ dingung enthält, jedem Teil seine Stelle im Verhältnis zu den übrigen a prio­ ri zu bestimmen. Diese Idee postuliert demnach vollständige Einheit der Verstandeserkenntnis, wodurch diese nicht bloß ein zufälliges Aggregat,

72 KpV, BA XV.

Die Vernunfteinheit unserer Verstandeserkenntnisse

229

sondern em nach notwendigen Gesetzen zusammenhängendes System wird« .73 a) Struktur der Argumentation Nun sind nach bisher Gesagtem die drei formalen Begriffe der Vernunft, die Ideen des Unbedingten, in ihrer integrierenden Funktion allein bean­ sprucht, ohne als B egriffe bereits analysiert zu sein. Gleich der geforderten Einheit unserer Verstandeserkenntnisse, bezogen auf die Idee der Einheit des Erfahrungsganzen, müssen darum auch die Vernunftbegriffe zunächst in ihrer eigenen Bedeutung erkannt und dann auch in ihrem systematischen Zusammenhang beschrieben werden, wenn die Vernunft als ein einheitli­ ches Organ aufgefaßt werden soll, in dem alle Funktionen in einer wohl­ geordneten Verbindung untereinander stehen. Die Annahme einer durch­ gängigen Verbindung der Vernunftprinzipien untereinander ist dann der Gedanke eines Systems, durch welches der wechselseitige B ezug der Funk­ tionen der Vernunft erhellt werden kann. Die Annahme der Einheit ihrer Vermögen in der Erkenntnis gegebener Gegenstände ist notwendig, wenn wir uns die Einheit unseres Denkens mit den Gegenständen der Erfahrung selbst begreiflich machen wollen. Diese nämlich setzt die Einheit des denkenden Vermögens als Grund der Einheit des Gedachten im Denken des Etwas selbst voraus. Die gesuchte Einheit der Vernunftprinzipien untereinander aber wäre selbst unbegreiflich, wür­ den wir in ihr nicht ein Prinzip finden, das Grund des Zusammenhangs all ihrer Funktionen genannt werden kann. Denn insofern die Vernunfteinheit eine Einheit in der Differenz ihrer unterschiedlichen Zwecke und Ideen ist, gilt für den Verstand wie für die Vernunft nach § 3 von Fichtes »Wissen­ s chaftslehre« (1 794), daß die Einheit wie für die Differenz ihrer Bestim­ mungen gleichermaßen ein Prinzip erforderlich ist, das Vergleichs- und Unterscheidungsgrund der systematischen Zweckeinheit der Vernunft ge­ nannt werden kann . Das Denken des Denkens hält darum die Mitte zwi­ schen dem Denken des Etwas und dem Denken des Einen Ursprungs, in­ dem es als Prinzipiendenken die Prinzipien des Gedachten wie des Denkens gleichermaßen bestimmt: Im ersten Fall, auf ein Anderes, einen möglichen Gegenstand, der nicht das Denken ist, gerichtet, müssen diej enigen Vernunftprinzipien entdeckt und bestimmt werden, durch die allein die Verstandesfunktionen komplet-

73 KrV, A 645 B 673.

230

Zweiter Teil Das Denken des Denkens ·

tiert und zur Einheit der Erfahrungserkenntnis geführt werden können. Im zweiten Falle besinnt sich das Denken auf sich selbst, indem es auf der Suche nach der Übereinstimmung der Prinzipien untereinander, bezogen auf die Gegenstände des Denkens, in den Ideen zugleich s olche >> Gegen­ standsbegriffe« gewinnt, die als Sehemate der Vernunft Begriffe von mög­ lichen Dingen an sich selbst denkbar machen.74 Und nun ist es in einem dritten Schritt nur konsequent, nach dem Prinzip dieser Prinzipien selbst zu fragen. Es ist dies eine Frage, die dann nicht mehr auf das Denken oder einen möglichen Gegenstand der Erfahrung zielt, sondern welche sich in den Grund der Einheit beider, in die Ermög­ lichungsbedingungen von Denken und Sein gleichermaßen hineinzudenken sucht. I m Denken des Denkens ist darum der Punkt ausfindig zu machen, an welchem das Denken über sich selbst hinaus auf ein Anderes verweist, das nicht mehr Denken oder ein Gedachtes ist, sondern welches, die Einheit beider allererst ermöglichend, nur j enseits dieser vollzogenen Einheit auf­ gesucht werden kann. So ist in der Analyse des Zusammenhangs aller Ver­ nunftprinzipien zugleich auch der Ort aufzufinden, an welchem das Den­ ken des Grundes der Vernunfteinheit das Denken der Einen Quelle und des Einen Prinzips als das Prinzip aller Prinzipien erforderlich macht. Dieser letzte Schritt ist darum ein >>Denken des Einen Prinzips oder Ursprungs «, aus welchem selbst noch die integrierenden Einheitsfunktionen des Den­ kens, die Prinzipien der Vernunft, begreiflich gemacht werden können. Der Grund der Einheit von Denken und Sein kann aber nach bisher Gesagtem nur dann sinnvoll Gegenstand einer eigenen B etrachtung sein, wenn im »Denken des Etwas > Gegenstände überhaupt>Denken des Denkenssinnliche Bedingungen des Ge­ b rauchs der reinen Verstandesbegriffe< zwischen Kategorie und Erscheinung vermitteln (KrV, A 1 3 6 B 1 75). Obgleich j edoch für die durchgängige Einheit der Verstandesbegriffe kein Schema in der Anschauung gegeben werden kann, so soll die Idee der Vernunft j edoch »[ . . . ) ein Analogon von einem Schema der Sinnlichkeit« liefern, wenn auch mit dem Unterschied, daß die Sehemate der reinen Vernu nftbegriffe nicht auf Gegenstände der Erfahrung, sondern nur auf »die Einheit des Verstandesgebrauchs « gerichtet s ind. (Ebd., A 665 B 693).

Die Vernunfteinheit unserer Verstandeserkenntnisse

23 1

b) Was ist Transzendenzbewußtsein ? Wege und Weisen der Gegenstandskonstitution unabhängig von möglichen Erkenntnisvollzügen zu thematisieren und sie nicht unmittelbar einer Phi­ losophie der Wissenschaften einzugliedern, ist nun durch folgende Fragen gerechtfertigt: Wie kann die erstrebte Übereinstimmung von Denkbestim­ mungen und Gegenstandsbewußtsein gedacht werden ? Wie weit kann un­ sere Erfahrungserkenntnis reichen ? Was überhaupt erschließt sich in den Grenzen der Erfahrung? Was ist mithin in einer jeden Erfahrung bereits an B ewußtseinsleistung vorausgesetzt, das nicht mehr selbst auf Erfahrung zu­ rückgeführt werden kann ? In welcher Hinsicht ist ein möglicher Objekti­ vitätsanspruch gerechtfertigt: Kann erfahrungsgebundenes Wissen die Not­ wendigkeit und Allgemeinheit möglicher Obj ektivität, d.h. ein Gegen­ standsbewußtsein begründen, das beanspruchen kann, wahr zu sein ? Wie also können die B edingungen des Denkens zu B edingungen der Denkbar­ keit von Gegenständen werden, die im B ewußtsein obj ektiv und dem Ge­ halte nach als wahr bezeichnet werden können ? Wie also ist Transzendenzbewußtsein möglich ?75 Daß die Einsicht in die Prinzipien des Denkens dabei selbst bereits vollzogene Erkenntnisleistung ist, könnte nur dann als ein Einwand gegen eine solche Untersuchung gel­ ten, wenn durch sie der Sache nach die Möglichkeit aller obj ektiven Er­ kenntnis zugleich grundsätzlich bezweifelt würde. Der Ausgangspunkt die­ ser Untersuchung ist aber vielmehr bereits vollzogene Erkenntnis , so daß der Akt der Rückbesinnung auf ihre Möglichkeit nicht das Ob-überhaupt, s ondern allein das Wie einer solchen Erkenntnis zum Thema hat. Und dar­ um ist die Untersuchung auch nicht, wie Hegel die kantische Frage begreift, zirkulär durch eine Erkenntnis vor aller Erkenntnis bestimmt, wodurch das Infragestehende je schon in Anspruch genommen würde, s ondern sie ist Denken des Denkens, durch welches in einem ersten Schritt die Einheit von B egriff und Gegenstand in der Erkenntnis des Etwas, in einem zweiten dann die Einheit des B egriffs selbst, das Prinzip der Einheit des Denkens im Vollzug der Erkenntnis des Etwas selbst thematisch werden kann.76 Im Denken des Etwas ist das Denken zwar auf ein Transzendentes be­ zogen, das ist, unabhängig davon, ob ich es denke oder nicht; zugleich aber ist dieses Transzendente als >>Erscheinung>Ich denke« Ursprung aller Verknüpfung und damit zugleich auch Garant der Obj ektivität des Gedachten ist, so kann dieses Einheitsprinzip darum nicht zugleich auch Grund der Möglichkeit der Ge­ genstände des Denkens selber sein. Ins ofern diese nämlich dem Denken äußerlich, in einer sinnlichen Erfahrung, gegeben sind, bleibt alles Denken, das auf die Objektivität der Gegenstände zielt, auf die Rezeptivität unserer Sinne als der äußeren Quelle dieser Tätigkeit verwiesen. So kann das Prinzip unseres Denkens darum nur Prinzip der Seinsge­ danken, nicht aber Prinzip des Seins des Gedachten gleichermaßen genannt werden. Obj ektivität und damit die Einheit von Denken und Sein erreicht unser Denken nämlich nur in der Erkenntnis der erscheinenden Gegenstän­ de, da diese als Erscheinungen »einen Gegenstand aus [machen, C . B .] , der bloß in uns ist, weil eine bloße Modifikation unserer Sinnlichkeit außer uns gar nicht angetroffen wird« .77 Das Gesetz dieser Erscheinungen, durch die Kategorien a priori bestimmt und durch die Sehemate mit den gegebenen singulären Erscheinungen verknüpft, ist dann Gesetz des Denkens wie des Gedachten gleichermaßen; denn >Gegenstand des Denkens zu sein< heißt unter diesen Voraussetzungen nur, Gegenstand für ein wahrnehmendes und erkennendes Wesen zu sein. Und ein solcher Gegenstand, der bloß in uns ist, kann nur der erscheinende Gegenstand sein. Darum kann umgekehrt auch gesagt werden, daß ein nicht-erscheinender Gegenstand niemals Ge­ genstand für uns sein könnte. Das aber bedeutet, daß für uns die Gegen­ stände unabhängig von ihrem Sein-für-uns Nichts sind, als absolute, d.h. von einer jeden Erfahrung unabhängige Gegenstände, daher unzugänglich bleiben.78 Denn Realität ist für ein erkennendes B ewußtsein bestimmt durch die Erfüllung des inneren Sinnes, da wir uns das, was Erscheinung eines Wirklichen genannt werden kann, nur als die Weise vorstellen können, wie ein Äußeres, ein von uns selbst Verschiedenes , unseren inneren Sinn erreicht. Realität ist darum nach den bisherigen Ausführungen die Position eines Dinges in einer empirischen Erfahrung, nicht aber der Titel einer von

77 KrV, A 1 29. 7 8 Ebd., A 3 8 3 .

Die Vernunfteinheit unserer Verstandeserkenntnisse

233

uns gänzlich verschiedenen Welt der Obj ekte.79 Gesetzt werden kann dieses Etwas als Etwas somit nur durch eine Aktivität unseres Verstandes , der vermittels der Einbildungskraft die Aufmerksamkeit auf eine gegebene Er­ s cheinung lenkt und das gegebene Material dann solchen Funktionen un­ terwirft, durch welche wir Einheit unter den gegebenen Erscheinungen nach Maßgabe möglicher Gegenstände des Denkens herstellen können. 8 0 Aktivität unseres Verstandes und Passivität der Sinne wirken darum in der Bestimmung unseres inneren Sinnes als untrennbare Seiten Eines Prozesses zusammen, da wir durch die Aktivität unseres Verstandes allein die Emp ­ fänglichkeit unseres inneren Sinnes, gegebenes Material im Nacheinander der Zeit aufzufassen, bestimmen, indem wir es den Einheitsfunktionen des Denkens unterwerfen. So ist es nur unser eigener innerer Sinn, den wir in der Erkenntnis ge­ gebener Erscheinungen bestimmen: Es sind Erscheinungen äußerer Gegen­ stände oder aber bloß innerer Wahrnehmungen, die den inneren Sinn mit Realität erfüllen, welche dann durch die Kategorien der Relation in ihrem realen Verhältnis in der Zeit als ein Beharrliches (Substanz) festgehalten, durch wandelnde Attribute in der Folge der Zeit (Kausalität) verständlich gemacht und in ihrem Wechselverhältnis zueinander in zeitlicher Gemein­ schaft auch als Einheit des gedachten Gegenstandes bestimmt werden kön­ nen. Die Antwort auf die Frage nach der Möglichkeit von Transzendenzbe­ wußtsein hat sich darum von der B estimmung eines Verhältnisses zwischen dem erkennendem Subjekt und dem von diesem selbst unterschiedenen Obj ekt auf ein Verhältnis innerhalb unseres eigenen B ewußtseins verscho­ ben: Nicht mehr stellt sich die Frage, wie denn unsere Denkformen mit dem von uns selbst gänzlich verschiedenen Objekt übereinstimmen können - eine s olche Frage zielte auf ein Transzendentes und wäre damit unlös­ bar -, sondern es stellt sich nun die Frage, inwiefern die Formen und Grundsätze unseres Denkens, die unserem Denken inhärent und im Den­ ken des Etwas zugleich transzendent sind, nach dem obersten Grundsatz aller synthetischen Urteile a priori als eben solche B estimmungsgründe ge­ dachter Gegenstände selbst aufgefaßt werden können. Denn das eigentlich Transzendente ist nicht der von uns selbst verschiedene Gegenstand einer empirischen Erfahrung - dieser ist als Erscheinung vielmehr in uns selbst

79 Ebd., A 598 B 626. 80 Vgl. zur Funktion der Einbildungskraft W. Metz, 1 99 1 .

1m

Horizont der Kategoriendeduktion:

234

Zweiter Teil Das Denken des Denkens ·

anzutreffen -, s ondern es sind dies die Formen, in denen wir denken, ohne doch von uns selbst bereits bestimmt zu sein. Weder nämlich s ind diese in ihrer Veräußerung an das gedachte Obj ekt von uns allererst gesetzt, noch sind sie uns als Formen des Denkens im Denken des Etwas als solche bereits bewußt geworden. B ewußtwerden kann uns das zuvor Transzen­ dente nur durch einen Akt des Rückgangs in die Bestimmungsgründe er­ kennender Tätigkeit, durch welche wir zugleich zurückgewinnen, was wir selbst immer schon vollzogen haben. Denn wir selbst sind es, die wir uns im Denken des Etwas transzendent geblieben sind, und so sind es auch wir selbst, die ein Licht werfen müssen auf das Licht, das anderes sieht, ohne sich im Sehen des Anderen zugleich selbst sehen zu können. Ganz im Sinne der Seins-erheilung unseres Selbstbewußtseins, als welche Kant die Rück­ besinnung auf unsere Erkenntnisvermögen begreift, kann Schelling darum sagen: >>Das Selbstbewußtsein ist der lichte Punkt im ganzen System des Wissens, der aber nur vorwärts, nicht rückwärts leuchtet.«81 Denn von der Anschauung z.B . gelangt « [ . . . ] nur das Obj ektive zum gemeinen B ewußt­ sein, das Ans chauen selbst verliert sich im Gegenstand; indeß die transcen­ dentale B etrachtungsart vielmehr nur durch den Akt des Anschauens hin­ durch das Angeschaute erblickt«.82

c) Transzendentale Ontologie Im zweiten Teil der Arbeit, im Denken des Denkens, ist darum die Mitte erreicht zwischen dem Denken des Einen Prinzips von Denken und Sein und den Prinzipien der Erfahrungserkenntnis: Auf der Ebene des Denkens des Denkens ist die Trias des Denkens aus Tätigkeit, Gegenstand und Ur­ sprung dieser Tätigkeit dann nicht mehr allein funktional auf die Objekti­ vität möglicher Gegenstände einer empirischen Erfahrung gerichtet, nach welcher das >>Ich« als Einheitsg ru nd, das Gedachte als Produkt kategorial geregelter Verknüpfungsleistungen und die Tätigkeit als gegenstandskon­ stitutives Prinzip aller Erkenntnis aufgefaßt werden können, sondern auf dieser Ebene des Denkens ist das Denken in den Grund des Verhältnisses von Denken und Sein derart zurückgewandt, daß das Prinzip des Seins des Denkens selbst in den Blick genommen werden kann. Die Trias von Denken als Tätigkeit, Gegenstand und Ursprung dieser Tätigkeit ist im Denken des

81 82

F.W.J. Schelling, Das System des transzendentalen Idealismus, WW 113 , S. 375. Ebd., S. 345.

Die Vernunfteinheit unserer Verstandeserkenntnisse

235

Denkens darum auf ein Seinsprinzip gerichtet, das nicht allein Prinzip mög­ licher Seins-Gedanken, sondern Prinzip des Seins selber genannt werden kann. Denn dasjenige Seiende, das nicht allein anderes Sein, sondern sich selbst auf Gründe zu bringen vermag, erreicht im Rückgang auf seinen eigenen Grund darum auch den Grund alles Seins, da es in der Bestimmung des Einheitsgrundes von Denken und Gedachtem das sich selbst sehende Sein auf Gründe zu bringen vermag. Denn der Einheitsgrund von Denken als Tätigkeit und der Einheitsgrund des Seins des Gedachten, das Denken als der Gegenstand dieser Tätigkeit, sind im Denken des Denkens einerlei . Ein Seiendes , das Denken, durchlichtet sich selbst in seinem Sein und ver­ mag darum in der B estimmung seines eigenen Grundes nicht allein den Grund der Tätigkeit des Denkens, sondern zugleich auch den Grund des Seins des Gedachten selbst in den Blick zu nehmen. Damit aber wird das Sein qua Denken selbst auf Gründe gebracht. Und da die Tätigkeit des Denkens zugleich der einheitsstiftende Grund der Gegenstände dieser Tä­ tigkeit ist, indem der Grund der systematischen Einheit der Vernunftzwek­ ke mit der Idee des zweckmäßig organisierten Ganzen der gegebenen Seinsordnung selbst identifiziert werden kann, so ist das Sein des Gedach­ ten das Denken sowie das Denken selbst das Sein genannt werden kann. Das Denken als das Sein des Gedachten ist darum auch der Grund der gedachten Seinsordnung, weil diese Ordnung, wie zu zeigen ist, allein nur durch die Einheit der Vernunftzwecke selbst als ein zweckmäßig organisier­ tes Ganzes möglich ist. Indem nämlich die Idee der gegebenen Seinsord­ nung zugleich auch das Sein dieser Ordnung selbst zum Gegenstand hat, j a dieses Sein selbst ist, indem das zweckmäßig bestimmte Ganze als ein Gan­ zes aus Zwecken aufgefaßt werden kann, so ist der Grund dieser systema­ tischen Einheit aller Zwecke mit dem Grund des zwecksetzenden Vermö­ gens selbst einerlei. Denn es sind die vernünftigen Zwecke selbst, durch die eine gegebene Seinsordnung als ein zweckmäßig organisiertes Ganzes auf­ gefaßt werden kann, weshalb der Grund in der Bestimmung dieses Gege­ benen mit dem Bestimmungsgrund des Gegebenen auch identifiziert wer­ den kann. Im Horizont dieser Perspektive wird die kantische Suche nach der Möglichkeit synthetischer Urteile a priori in die Traditionslinie des par­ menideischen Diktums der Einheit von Denken und Sein gerückt; und in­ dem die B eantwortung dieser Frage zugleich als eine Suche nach dem Band zwischen beiden aufgefaßt werden kann,83 wird auch die Verbindung zu

Vgl. J.G. Fichte, Die Wissenschaftslehre. Vorgetragen im Jahre 1 804, WW X, S. 99, S. 1 02 f. - Vgl. dazu auch F.W.J. Schelling, Aus: Darlegung des wahren Verhältnisses der 83

236

Zweiter Teil Das Denken des Denkens ·

solchen Positionen der nachkantischen Philosophie hergestellt, die ein sol­ ches Band entweder in der Vorstellung (Reinhold), im absoluten Ich (Fich­ te), in der Indifferenz zwischen Realem und Idealem (Schelling), im Sein (Hölderlin) oder aber im Gang der Entfaltung des absoluten Geistes (He­ gel) zu finden suchen. Denn auch im Sinne Kants gilt die Vernunft als ein lebendiges Organ, in welchem gleich wie in einem jeden Organismus alle Funktionen wohl aufeinander abgestimmt sind und keine der anderen wi­ derstreiten darf, ohne das Ganze im Kern zu berühren, sowie umgekehrt das Weltganze auch als ein Ganzes aus Zwecken beschrieben werden muß, wenn theoretische und praktische Zwecke in ihm kompatibel sein sollen. Und s o ist auch für Kant das Denken vor allem Gesetzt-sein ein Seiendes, das unser Erkennen unter solche Regeln stellt, die erst die reflektierende Vernunft in der Rückbesinnung auf ihre Vermögen als ein »Wissen des Wissens« ans Licht bringen kann. 84 Insofern also die Prinzipien der Vernunft die Erkenntnistätigkeit bestim­ men, unabhängig davon, ob ein B ewußtsein dieser Tätigkeit existiert oder nicht, s o sind diese als dem Denken immanente, obgleich der erkennenden Tätigkeit selbst transzendente Bestimmungsgründe - als Seins-prinzipien aufzufassen: Denn das Denken ist sich selbst transzendent, wenn es - in Unkenntnis der Formen und Ges etze seines Tuns - geradezu auf ein Ge­ dachtes bezogen ist. Die ihrer selbst unbewußte Tätigkeit im Produzieren von Seinsgedanken kann darum erst in einem zweiten Schritt erhellt wer­ den. Denn erst, wenn sich das Denken auf seine Funktionen selbst besinnt, geht es in den Grund seiner eigenen wie der Möglichkeiten alles nur Denk­ baren gleichermaßen zurück. So ist das Denken in seinem Sich-selbst-Setzen ein Seiendes und ist dar­ um nicht bloß der Gedanke »Denken> [ . . . ] dieses Prinzip der Vernunftkritik ein Verborgenes und Ungedachtes [darstellt, C . B .] , nämlich das im Sein der Vernunft und ihrer vernünftigen Synthesen verborgene Sein, das in j egli­ chem Sein des Seienden verborgen bleibt« .89 So ist die genannte Einheit nicht ein >Unvordenkliches Sein>Metaphysik der Natur« und die »Metaphysik der Sitten« auf ein gemeinsames Prinzip zurückführbar sein sollen, welches diese analoge Darstellung zugleich auch rechtfertigen kann. Daß ein solches Einheitsprinzip aber wiederum nicht im Sinne Hegels als die Selbstdurchlichtung eines Absoluten aufgefaßt werden kann, s ondern es für die menschliche Vernunft unausweichlich bleibt, vor den Grenzen der Erkennbarkeit des Dings an sich selbst innezuhalten und nur angrenzend und ausgrenzend von einem solchen Urprinzip zu reden, läßt die kantische Kritik hinter den Selbstdurchlichtungsanspruch des Ab­ soluten in der hegelschen Philosophie zurücktreten. Denn daß Natur und Geist nicht wesentliche Einheit genannt werden können, sondern nur nach Analogie zueinander vorgestellt werden können - nach welcher die Natur nur mit vorbehaltlichem >>Als-ob« als eine Einheit aus Zwecken aufgefaßt werden kann -, s o wie umgekehrt die Vernunft auch nur nach Analogie zu einem belebten Wesen als Organ vorgestellt werden kann, ist Konsequenz dieser Kritik: Kants Trennung von Ding an sich und Erscheinung bleibt Grund und Fundament einer Vernunftkritik, die allein aufgrund dieser sy­ stemtragenden Unterscheidung der geforderten Einheit mit sich selbst Rechnung zu tragen glaubt.

4.

Das >Denken des Denkens< ist Ideendenken; Einheit von Materie und Form

Mit den Ideen, den unbedingten Horizonten im Denken der Vollständig­ keit der B edingungen zu allem B edingten, ist dann eigentlich erst das Sein erreicht, das nicht durch B edingung und Grenze, sondern durch Un­ bedingtheit und Grenzelosigkeit ausgezeichnet ist.91 Denn die Ideen als

9 1 Als Einheitsort im Verhältnis von Ding an sich und Erscheinung ist diese notwendige Vernunftidee des Unbedingten, wie SeheHing in seinem Tagebuch von 1 84 8 ausführt, > letz­ ter Gipfelheuristische Funktion< für die Steigerung unserer Verstan­ desbegriffe ins Unbedingte (vgl. H. Vaihinger, 1 9 1 8, S. 6 1 9 ff.) nach dem Grundsatz: » [ . . . ] wenn das B edingte gegeben ist, so ist auch die ganze Summe der B edingungen, mithin das schlechthin Unbedingte gegeben, [ . . . ]« (KrV, A 4 1 0 B 436). - Gleichwohl aber sei sie, so

Die Vernunfteinheit unserer Verstandeserkenntnisse

24 1

Gründe alles j e Einzel-Seienden und >Urbilder des Gebrauchs des Verstan­ des>D enken des DenkensLeistung< der Vernunft dar.« Nach dieser Interpretation wird selbst die Philosophie Kants in den Horizont einer Position gestellt, die neben der Aufgabe der B egründung der Einheit der Erfahrungserkenntnis auch mit der Selbstbegründung der Vernunft befaßt ist. Und so läge die kantische Inten­ tion dem Gedanken Schellings nahe, daß das Denken des Denkens selbst als ein Seins-

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darum nicht bloß die Formen des Gedachten, mögliche Gegenstandsbegrif­ fe, sondern sie sind Einheitsprinzipien des Denkens im Denken des Etwas . Sie bestimmen die Regeln und Prinzipien der Tätigkeit selber, indem sie das Denken im Hinblick auf die Einheit des Gedachten in einem System zu­ sammenführen und auf diese Weise die Einheit des Denkens mit den Ge­ genständen der Erkenntnis allererst vervollständigen. Durch den Akt der Selbstvergewisserung des Denkens im Denken der einheitsstiftenden Ver­ nunftbegriffe kann das Sein sich darum selbst gegenständlich werden; wird es zu einem Sein, das zugleich auch das Denken ist; ist es Sein nicht bloß an sich, sondern gleichermaßen auch für sich; ist erst wahres Selbst-sein, indem es sich zu sich selbst in ein Verhältnis bringen kann, so daß Denken und Sein hier verschmelzen: das Denken - als Gegenstand seiner selbst - ein Seiendes und das Sein - als Denken - zugleich Denken geworden ist.97

a) Differenz von Form und Materie im Denken des Etwas Während nun im Denken des Denkens, im »ldeendenken«, die Einheit von Form und Materie erreicht ist, indem das Denken zugleich denkt, was es selbst ist, so kann eine s olche Einheit im Denken des Etwas nicht a priori vorausgesetzt werden. Denn die Materie zu aller Erfahrung kann unserem Denken nur nachträglich durch unsere Sinne gegeben werden, weshalb über sie a priori auch nichts ausgemacht werden kann. Wenn aber Antrieb und Ziel, das innere Telos aller erkennenden Tätigkeit, auf der Suche nach der Übereinstimmung der Formen des Denkens mit dem Gehalt des Gedach­ ten, der Materie der Erfahrung, beruht, s o muß auch die B edingung der Übereinstimmung der Formen unseres Denkens mit der Materie des Ge­ dachten in einer Erkenntnistheorie bestimmt werden, wenn in der Erkennt­ nis des Etwas als Etwas ein durchgängig bestimmtes Einzelnes in der Wechverhältnis, als Selbstbezüglichkeit des Seins im Denken des Seienden aufgefaßt werden kann. Und ähnlich dem Gedanken von Aristoteles und Plotin, nach welchem das Gedach­ te früher als das D enken sei, geht auch im Sinne Kants das >Gegebensein< eines Gegen­ standes in einer empirischen Erfahrung wie auch das >Haben von Seinsgedanken< der kritischen ErheBung der Erkenntnisvermögen voran. Insofern daru m auch im Sinne Kants das Denken ein Sein in zweifachem Sinne (als Grund der Möglichkeit von Seinsgedanken wie auch als ein Seiendes selbst) genannt werden kann, kann es auch den Ursprung allen Seins, das einige, alles bestimmende Urwesen, wenn auch nur als Idee, in den B lick neh­ men. 97 Vgl. zu diesem Gedanken bei Plotin: Plotin, Über Ewigkeit und Zeit (Enneade III,7), darin: W. Beierwaltes, Einleitung, S. 28.

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selwirkung mit Anderen erreicht werden soll. Als vollendet gedacht werden kann diese Tätigkeit nämlich nur, wenn das Denken und sein Anderes, der gedachte Gegenstand, im Begriff des Gegenstandes in formaler und ma­ terialer Hinsicht in Übereinstimmung gebracht worden sind. Denn dann erst ist das Selbstsein des Gedachten, das Andere auch in seiner Andersheit, mithin also das Seiende in seinem eigenen Selbstsein erfaßt.98 Da nun der gedachte Gegenstand stets nur in uns selbst angetroffen wer­ den kann, s o können auch die B edingungen der materialen Übereinstim­ mung mit dem Gedachten nicht in einem B ewußtseinstranszendenten, son­ dern gleichfalls nur in uns selbst gelegen sein, so daß die Prinzipien der Vernunft, den Formen der Anschauung und den B egriffen des Verstandes analog, eben solche apriorischen Bestimmungsgründe des Denkens hervor­ bringen, durch die dann nicht allein die Formen des Denkens der Gegen­ stände, sondern auch der Inbegriff der Materie alles nur Denkbaren selbst antizipiert werden kann. Und nur wenn diese Formen auch die Obj ektivität des Gedachten garantieren und als B edingungen der Gegenstände im Den­ ken selbst aufgefaßt werden können, ist eine Übereinstimmung mit dem Gedachten in Gedanken erreicht. Gegenstandsbewußtsein konnte nach die­ sen Untersuchungen in solchen einheitsstiftenden Funktionen des Denkens gefunden werden, die als formale Bedingungen der Verbindung unserer Vorstellungen untereinander den B egriff von »Gegenständen überhaupt« möglich machen. Darum war die Analyse möglichen Transzendenzbewußt­ seins eine Analyse der Formen und Regeln des Gedachten, insofern es dem Denken zuvor gegeben und nicht selbst zugleich das Denken ist.

9 8 Zum Verhältnis von Form und Materie der Erkenntnis in ihrem empirischen und in ihrem transzendentalen Gebrauch, vgl. KrV, A 266 f B 322 f. Wären unsere Erkenntnisse auf Dinge an sich s elbst bezogen, so müßte die Materie der Erfahrung der Form unserer Erkenntnisse vorhergehen; insofern unsere Erkenntnisse aber nach Kant allein auf Er­ scheinungen bezogen sind, kann im Sinne des transzendentalen Gebrauchs der Kategorien gelten, daß die Formen a priori der Sinnlichkeit und des Verstandes die Materie der Er­ scheinungen bestimmen, mithin diese also j ener voraus gesetzt sind. Würde somit zwi­ schen Ding an sich und Erscheinung nicht unterscheiden, so wäre eine Umkehrung der Abhängigkeitsverhältnisse von Materie und Form die Konsequenz: Denn in ihrem em­ pirischen Gebrauch muß der Erkenntnis zunächst ein Etwas - der Materie nach - gege­ ben sein; im transzendentalen Gebrauch aber ist die Form der Materie vorausgesetzt.

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b) Die Affinität des Mannigfaltigen als Grund der materialen Einheit von Denken und Gedachtem im Denken des Etwas Wenn aber unser Denken mittels B egriffen oder Urteilen auf ein Etwas B ezug nimmt, das nicht Denken oder Gedanke ist, sondern welches von uns als Nicht-Gegenstand, d.h. als nicht vom B ewußtsein gesetzt, gewußt wird, s o können die B edingungen der Übereinstimmung mit dem Gedach­ ten nicht in diesem »Nicht-Gegenstand« liegen.99 Denn lägen sie außerhalb unseres Denkens, bleibe die Übereinstimmung mit dem Gedachten unge­ wiß. Die geforderte Übereinstimmung muß vielmehr durch die Formen unserer Wahrnehmung wie unseres Denkens unmittelbar garantiert sein, mithin also in den Regeln der Verknüpfung unserer Vorstellungen selbst gelegen sein. Dies aber ist nur möglich, wenn die Einheitsbedingungen des Denkens als ebensolche B edingungen der Einheit der Gegenstände des Denkens selbst aufgefaßt werden können. Das Gegebene muß daher einem Denken gegeben sein, das mit ihm a priori übereinstimmen kann, d.h. eine innere Affinität zu den Gegenständen des Denkens besitzt. Das bedeutet aber, daß die regelgeleitete Verknüpfung des gegebenen Mannigfaltigen auf einem transzendentalen Grund der Affinität des gegebenen Mannigfaltigen beruhen muß, der diese Einheit notwendig und begreiflich machen kann, weil ansonsten die Art der Verbindung bloß subj ektiv, beliebig und zufällig wäre. Eine Übereinstimmung des Denkens mit den Gegenständen dieser Tätig­ keit wäre darum undenkbar, wenn nicht eine innere Affinität des Gedach­ ten selbst die besondere Art der regelgeleiteten Verknüpfung unserer Vor­ stellungen möglich machen könnte. a) Ein erster Grund der Affinität unserer Vorstellungen untereinander konnte in den Kategorien gefunden werden, insofern diese als Einheitsfor­ men des Verstandes a priori Einheitsbegriffe der Gegenstände des Denkens selbst darstellen können. b) Die innere Affinität des Denkens mit den Gegenständen der Erfahrung aber, welche nicht bloß auf der Einheit der Formen des Denkens beruht, sondern auch die transzendentale Affinität der Materie des Gedachten be­ greiflich machen kann,1 00 kann nun zweitens durch solche Ideen zum Aus­ druck gebracht werden, die als Ideen des Unbedingten auch den Grund der Materie zu allem Sein in der Idee des Alls der Realität anzuzeigen vermö­ gen. 99 1 00

Vgl. dazu: W. Cramer, o.J., S. 56 ff. Ebd., A 5 7 1 f. B 599 f.

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c) Wie nun aber aus der Idee des Alls der Realität als dem Inbegriff aller nur denkbaren Prädikate101 in einem j eweiligen Vernunftschluß ein Einzel­ nes unter die B edingungen einer allgemeinen Regel gestellt und durch das Prädikat der Regel bestimmt werden kann, bzw. zu gegebenen Erscheinun­ gen überhaupt ein allgemeiner Begriff oder ein Gesetz gefunden werden kann, macht ein weiteres Prinzip der Affinität der Erscheinungen unterein­ ander erforderlich, durch welches allererst die logischen Funktionen der Generalisation und Spezifikation begreiflich gemacht werden kann. Denn dem Gesetz der Homogenität und Varietät der Erscheinungen muß, sollen beide durch Gattungs- und Artbegriffe innerlich aufeinander beziehbar sein, ein drittes, verbindendes Prinzip zugrundeliegen, das den logischen Gebrauch von Gattungs- und Artbegriffen ermöglichen kann: Es ist dies das Prinzip der Affinität des gegebenen Mannigfaltigen, das die Verwandt­ schaft aller Erscheinungen untereinander in möglichen Urteilsakten durch das transzendentale Prinzip der Zweckmäßigkeit der Erscheinungen be­ s chreibbar macht.102

c) Hypothetischer vs. apodiktischer Gebrauch der Vernunft Wenn nun die Verbindung von Allgemeinem und Einzelnem zur Einheit der Verstandeserkenntnisse im B egriff des Gegenstandes nur unter Vorzei­ chen der vermittelnden Ideen des Unbedingten in Vernunftschlüssen zu bewerkstelligen ist, indem durch sie das Einzelne mit dem Allgemeinen notwendig zusammenges chlossen werden kann, so läßt sich dieser Akt der Subsumtion gegebener Erscheinungen unter die Bedingung der durch den Obersatz formulierten Regel als Funktion der bestimmenden Urteilskraft auffassen. Die Subsumtion eines Einzelnen unter einen allgemeinen B egriff durch die schlußfolgernde Vernunft kann als der >>apodiktische Gebrauch der Vernunft«103 bezeichnet werden kann, denn der Akt der Prädikation folgt dem Gesetz der Übereinstimmung der Vernunft mit sich selbst: Sie schließt das Einzelne, insofern es unter die Bedingung einer Regel fällt, auch mit dem Prädikat der Regel notwendig zusammen. Dieser Akt der bestim­ menden Urteilskraft setzt aber voraus, daß für die Bestimmung eines Ein­ zelnen das allgemeine Gesetz oder der B egriff, durch den es allgemein ge-

101 1 02 1 03

Ebd., A 575 f. B 603 f. Vgl. KrV, A 650 B 678. Ebd., A 646 B 674.

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setzt werden kann, bereits gegeben ist. Im Gang der bisherigen Argu­ mentation j edoch, die vom noch »unbestimmten Einzelnen«, der gegebenen Erscheinung in einer empirischen Erfahrung ihren Ausgang nimmt, ist aber zunächst auch der Schritt zu bedenken, durch den wir zu einem gegebenen Einzelnen ein Allgemeines allererst finden können. 1 04 Das Auffinden eines Allgemeinen zu einer gegebenen singulären Erschei­ nung, wie es der Anwendung gegebener Regeln in den Vernunftschlüssen vorausgesetzt ist, ist in seiner Möglichkeit darum noch unbestimmt geblie­ ben. Zugleich aber ist dieser Schritt als ein integrales Moment der Eckennt­ nistätigkeit selbst aufzufassen, da Erkenntnis nicht allein auf der Anwen­ dung bereits gegebener Regeln beruht, sondern diese allererst gefunden s ein müssen, wenn ein Einzelnes unter das Gesetz der Regel subsumiert werden soll. Da nun ein solcher Akt induktiver Begriffsbildung in einer transzen­ dentalen Analyse nicht a priori bestimmt werden kann, so läßt sich für die reflektierende Urteilskraft allein das Prinzip benennen, nach welchem diese in ihrem Bestreben, ein Allgemeines zu einem gegebenen Einzelnen aufzu ­ finden, verfährt, um die durchgängige B estimmung des gegebenen Einzel­ nen zu erreichen. Denn für das Auffinden eines Allgemeinen zu einem gegebenen Einzelnen bedarf es gleichfalls eines transzendentalen Prinzips , d a s d i e Vermittlung beider Sphären möglich macht. 1 05 Waren d i e regulativen Prinzipien der Vernunft zunächst für die Vollständigkeit in der Reihe alles Bedingten zuständig, um die Vollendung aller Erkenntnis zu ermöglichen, s o muß die Verbindung des Einzelnen mit einem Allgemeinen in der um­ gekehrten Richtung - vom Einzelnen zum Allgemeinem - noch auf einem weiteren Prinzip beruhen, das die innere B eziehung beider Sphären in mög­ lichen Vernunftschlüssen allererst begreiflich machen kann, indem es die zweckmäßige Verbindung beider Seiten erlaubt. Die Suche nach einem B e­ griff oder Gesetz für eine gegebene Erscheinung ist darum nicht Funktion der bestimmenden, sondern das Feld der reflektierenden Urteilskraft. Durch sie wird das Entdecken einer solchen Regel, die dann für alle ähnlich und gleichgearteten Fälle gültig ist, allererst möglich. Wird in einem Vernunftschluß das Einzelne somit durch das Prädikat einer Regel bestimmt, so muß die in Anwendung gebrachte Regel aus noch unbestimmtem Material einer empirischen Erfahrung zuvor gewonnen sein. Das Auffinden eines solchen Gesetzes oder Begriffs ist aber nur möglich, Vgl. zu dieser Fragestellung auch: R. Wiehl, 1 987, S. 44-76. KdU, A XXVII B XXIX ff. Vgl. zur logischen und erkenntnistheoretischen Funktion der Urteilskraft: R. Enskat, 1 986; M. Riede!, 1 9 89; T. B oswell, 1 9 9 1 ; ]. Peter, 1 992. Vgl. zum systematischen Ort von Kants »Kritik der Urteilskraft«: W. B artuschat, 1 972. 1 04

105

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wenn durch eine a priori gegebene Idee die innere Verbindung von Einzel­ nem und Allgemeinem antizipiert werden kann. Da sich ein s olches Prinzip aus den gegebenen sinnlichen Erscheinungen aber nicht herleiten läßt, weil es der Möglichkeit ihrer Bestimmung bereits vorausgesetzt ist, 1 06 so bedarf es eines regulativen Prinzips der reflektierenden Urteilskraft, das die zweckmäßige Zugehörigkeit von Einzelnem und Allgemeinem denkbar macht. Die Idee der Zweckmäßigkeit ist nun dasj enige apriorische Prinzip der reflektierenden Urteilskraft, welches das Auffinden eines Allgemeinen zu einem gegebenen Einzelnen allererst begreiflich machen kann. 1 07 Auch umgekehrt gilt, daß das Einzelne nicht spezieller Fall eines Allgemeinen sein könnte, wäre es nicht a priori zweckmäßig mit ihm verbunden. 1 08 Das Allgemeine zu einem gegebenen Einzelnen zu suchen, ist der >>hypothetische

Vgl. dazu: KrV, A 660 B 6 8 8 . Der Zweckmäßigkeitsbegriff ist im Sinne der Transzendentalphilosophie nicht allein Prinzip alles Lebendigen, er ist auch - als subjektive Zweckmäßigkeit - Prinzip der ästhetischen Urteilskraft. Eb enso kann er - als obj ektive Zweckmäß igkeit - als materiale und formale Zweckmäßigkeit unterschieden werden; die materiale Zweckmäßigkeit wei­ terhin in äußere und innere Zweckmäßigkeit: Die Idee der Nützlichkeit und Zuträglich­ keit für den Menschen oder die lebenden Organismen läßt sich dann vom Gedanken der der inneren Zweckmäßigkeit als Naturtelos unterscheiden. Auf diesen letzteren B egriff der inneren Zweckmäßigkeit eines durchgängig bestimmbaren Ganzen ist die folgende Analyse bezogen. (Vgl. dazu: E. Heintel, 1 966, hier: S. 1 63 ff.) - Die Verbannung des Zweckmäßigkeitsprinzips aus der Naturerkenntnis seit Roger B acon sucht Whitehead (A.N. Whitehead, 1 974, S. 25) durch den Verweis auf die Notwendigkeit dieses Prinzips für einen j eglichen >>Pragmatismus> eine Wiss enschaft der Auflösung des Scheins« aufgefaßt werden, in welcher die Quellen der Scheins aufgezeigt werden, um die Wahrheit gegen diesen Schein zu sichern. Vgl., Kant, Refl. 4952, AA XVIII, S. 39. 116

117

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mögliche Gegenstandsbegriffe überhaupt gewonnen, mit ihrer Hilfe aber können wir ein Etwas als Etwas nur erkennen, wenn dies mit den B edin­ gungen unserer Erfahrungserkenntnis in Einklang steht. Und nur, wenn der B egriff der Erkenntnis auf solche raum-zeitlich bestimmten Erscheinungen eingeschränkt bleibt, kann der unendliche Horizont eröffnet werden, in welchem wir die Ideen des Unbedingten als absolute B estimmungsgründe unseres Denkens und Handelns, wenn auch nicht erkennen, so doch we­ nigstens denken können. Und es steht uns zugleich nicht frei, solche Ver­ nunftbegriffe zu denken, s ondern wir müssen sie zugleich denken, wenn wir unser Denken, unser Handeln und die berechtigte Hoffnung auf die erfüllte Einheit unserer sinnlichen und sittlichen Zwecke in einer Welt unter moralischen Gesetzen begreifen wollen.

a) Die notwendig systematisch Einheit aller Vernunftzwecke Was aber bedeutet nun die geforderte Übereinstimmung des Denkens mit sich selbst ? Was heißt Einheit der Vernunft als Vermögen der Prinzipien des Denkens ? Welchen Gegenstand haben die Begriffe der Vernunft, und wie sind sie auf den Verstand und seine Gegenstandsbegriffe bezogen ? Um dies herauszufinden, muß das Denken sich selbst zum Gegenstand der Analyse machen, müssen Denken als Tätigkeit und Gedachtes als Gegenstand dieser Tätigkeit im Denken des Denkens identisch sein. Gemäß der Trias des Den­ kens als Einheit aus Gegenstand, Tätigkeit und Grund dieser Tätigkeit wird darum die Tätigkeit selbst als der produktive Grund alles nur Denkbaren überhaupt in das Zentrum der Betrachtung gerückt. Ein Zeugendes, das sich sieht und die Bedingungen aller auf Wahrheit gerichteten Tätigkeit untersucht, ist Grund der Analyse der Prinzipien, auf denen alles Erkennen ruht: Die zwecksetzende Tätigkeit selbst rückt in den Mittelpunkt der Be­ trachtung. Nun bliebe der B egriff der Vernunft aber unvollständig und al­ lein auf seine Funktionalität für die Erfahrungserkenntnis beschränkt, wenn nicht die Einheit unter den Zwecken der Vernunft selbst bestimmt wäre, durch welche diese in theoretischer und praktischer Hinsicht miteinander harmonieren und sich wechselseitig ergänzen können. Kant nennt eine sol­ che Einheit unter den Zwecken der menschlichen Vernunft die höchst mög­ liche denkbare Einheit überhaupt. »Diese höchsten Zwecke werden, nach der Natur der Vernunft, wiederum Einheit haben müssen, um dasj enige Interesse der Menschheit, welches keinem höheren untergeordnet ist, ver­ einigt zu befördern . « 1 1 9 Denn diese ist nicht allein Grund der Einheit der 119

KrV, A 797/8 B 825/6.

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Gegenstände des Denkens, s ondern Einheitsgrund des Denkens wie des Handeins gleichermaßen und darum in der Lage, auch den Ort anzugeben, der die erstrebte Einheit der sinnlichen und sittlichen Zwecken begreiflich machen kann. B ezogen auf die Bestimmung des zwecksetzenden Vermögens der Ver­ nunft wird darum ein widerspruchsfreier Begriff aller Zwecke notwendig sein, wenn die Vernunft gleich einem Organ als in sich zweckmäßig geglie­ dertes Ganzes aufgefaßt werden soll, in welchem der erkennende mit dem handelnden Weltbezug und beide untereinander auch mit dem als zweck­ mäßig angenommenen Weltganzen übereinstimmen s ollen. Der B egriff der Einheit aller Zwecke kann dann zugleich nur in einem System entworfen werden, in welchem alle B estimmungen des Denkens wie des Seins wider­ spruchsfrei zusammenstehen können.120 Denn ihre Widerspruchsfreiheit wird nach dem obersten Grundsatz uns eres Denkens überhaupt erfordert; eingelöst werden kann eine solche Forderung aber nur in einem System, dessen Qualität sich nach dem Umfang der in es widerspruchsfrei integrier­ baren B egriffe bemißt. Und eben diese Forderung hatte Kant im Blick, als er die Einheit von Denken und Sein, Erkennen und Handeln, Natur und Freiheit allein in der Einheit eines Systems zu fassen suchte, in welchem die B ereiche sich weder ausschließen noch einander widerstreiten dürfen, son­ dern vielmehr einander ergänzende Bestimmungen der Idee eines Weltgan­ zen darstellen können. >>Übersehen wir unsere Verstandeserkenntnisse in ihrem ganzen Umfange, so finden wir, daß dasj enige, was die Vernunft ganz eigentümlich darüber verfügt und zu stande zu bringen sucht, das S y s t e ­ m a t i s c h e der Erkenntnis ist, d.i. der Zusammenhang derselben aus einem Prinzip . Diese Vernunfteinheit setzt j ederzeit eine Idee voraus, nämlich die von der Form eines Ganzen der Erkenntnis, welches vor der besonderen Erkenntnis der Teile vorhergeht und die Bedingung enthält, j edem Teil seine

Vgl. zum Systemgedanken auch: KrV, A 841 B 869. Der systematische Charakter ist unserem Wissen im Sinne Kants wesentlich. Mit dem Systemgedanken ist aber nicht allein der zweckmäßige »Zusammenstand« des Wissens, sondern auch die Suche nach dem Prin­ zip dieser Verbindung erstrebt. (Vgl. dazu: P. Natorp, 1 958, S. 1 f.). Insofern nämlich der Systemgedanke als die Idee des Ganzen vor den Teilen fungiert, ist das Wissen an den » Inbegriff einer Erkenntnis « als System gebunden und vom bloß aggregativen Charakter des Gewußten zu unterscheiden (Kant, Logik, AA IX, A 1 09). Insofern dabei jedoch unausgemacht ist, »ob die B eschaffenheit der Gegenstände oder die Natur des Verstandes, der sie als solche erkennt, an sich· zur systematischen Einheit bestimmt sei«, kann die systematische Einheit nur als »proj ektierte Einheit, die man an sich nicht als gegeben, sondern nur als Problem ansehen muß« (KrV, A 647 B 675), als ein » logisches Prinzip« und nicht als ein » transzendentaler Grundsatz« fungieren. (Ebd., A 648 B 676). 1 20

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Stelle im Verhältnis zu den übrigen a priori zu bestimmen. Diese Idee post­ uliert demnach vollständige Einheit der Verstandeserkenntnis, wodurch die­ se nicht bloß ein zufälliges Aggregat, sondern ein nach notwendigen Ge­ setzen zusammenhängendes System wird . « 121 Für den Verstand und seine Funktionen galt nach einer Äquivokation der Termini, daß die Formen der Sinnlichkeit und des Verstandes als eben sol­ che Formen der Gegenstände der Erkenntnis aufgefaßt werden können. Die Vernunftbegriffe können j edoch nicht in einem gleichen Sinne als mögliche Gegenstandsbegriffe aufgefaßt werden: Denn die B egriffe der Vernunft sind Ideen oder Prinzipien, denen unab­ hängig von ihrer Funktion für unseren Verstand kein eigenes Dasein zu­ gesprochen werden kann. Sie existieren nur in, wenn auch nicht allein durch die Tätigkeit des Denkens selbst, indem sie nicht auf mögliche Gegenstände der Erfahrung, sondern nur mittelbar auf diese, unmittelbar aber auf den Verstand und seine Funktionen bezogen sind. So ist der » Gegenstand« ihrer sich-bestimmenden Aktionen der Verstand, nicht aber für sich selbst be­ stehende Wesenheiten, die nach Analogie zu möglichen Gegenständen der Erfahrung gedacht werden könnten. Die Ideen s ind darum nicht transzen­ dent, wohl aber transzendental: Dies bedeutet, daß allein mit ihrer Hilfe Gegenstandserkenntnis möglich ist, sie aber nicht selbst mehr nach Ana­ logie zu einer möglichen Gegenstands erkenntnis erkennbar sind. Die » Kri­ tik der reinen Vernunft« kann darum als ein Versuch aufgefaßt werden, von diesen denknotwendigen, das Denken selbst bestimmenden Ideen all die Bestimmungen fernzuhalten, durch welche ihnen, verdinglicht, eine eigene unabhängige Existenz zugesprochen werden könnte. Der Analyse der Ein­ heit der Zwecke im System aller Vernunftbegriffe ist darum die Analyse der zweckmäßigen Einheit der Gegenstände des Denkens vorausgesetzt. Denn die Vernunft muß zunächst in ihrer funktionalen B edeutung für die Gegen­ standserkenntnis begriffen sein, bevor ein Begriff der Einheit ihrer Zwecke selbst s innvoll entwickelt werden kann. Diese Einheit umgreift dann nicht mehr allein die Einheit der Erfahrungserkenntnis, sondern ist auf die Mög­ lichkeiten einer gewollten und gesollten Ordnung aller Zwecke gleicher­ maßen gerichtet. Diese aber, soll sie nicht bloßes Aggregat einer verstreuten M annigfaltigkeit, sondern das dynamisch beschreibbare Ganze einer denk­ baren Seins- und Sollensordnung genannt werden können, wird dann in einem Prinzip zu fundieren sein, das Ermöglichungsgrund der Vernunft­ Einheit der Zwecke wie der zweckmäßigen Einheit der als vernünftig be­ schriebenen Ordnung gleichermaßen genannt werden kann. 121

Ebd., A 645 B 673.

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Zweiter Teil Das Denken des Denkens ·

b) Die funktionale B estimmung der Vernunftzwecke Funktional wirksam sind die Vernunftprinzipien unserer Erkenntnis zu­ nächst durch diej enigen integrierenden Vernunftoperationen, durch die uns die Verstandeseinheit eines Gegenstandsbegriffes möglich ist. Und insofern eine solche Verstandes einheit des Gedachten auf der Subsumtion eines Be­ sonderen unter ein Allgemeines beruht, mithin also die B estimmung des B esonderen mittelbar durch bereits gegebene Gesetze oder B egriffe erfolgt, so muß innerhalb einer Erkenntnistheorie auf der Ebene des Denkens des Etwas auch begreiflich gemacht werden können, wie denn gegebene Er­ scheinungen auf allgemeine Bestimmungen oder Gesetze überhaupt ge­ bracht werden können. Ein Singuläres unter bereits vorhandene allgemeine Bestimmungen oder Gesetze zu bringen, gelingt nämlich nur, wenn unser Denken selbst unter Prinzipien steht, die eine solche Vermittlung von Ein­ zelnem und Allgemeinem auch bewerkstelligen können. Die Analyse der Gegenstandserkenntnis wird darum auf dieser Stufe der zweiten Reflexion die Einheitsfunktionen des Denkens zugleich als die B edingungen der sy­ stematischen Einheit unserer Verstandesbestimmungen und damit einher­ gehend der durchgängigen Bestimmung des Gedachten selbst auffassen können. Denn mit den kategorialen B edingungen des Denkens sind zwar die formalen B estimmungen der Gegenstandserkenntnis benannt, nicht aber ist auf diese Weise auch die systematische Gestalt der Erkenntnisse selbst begreiflich geworden. Diese aber ist gefordert, weil die Erkenntnis des Be­ sonderen aus einem Allgemeinen ein System von Verstandesbestimmungen voraussetzt, in welchem die einzelnen B egriffe in einer zweckmäßigen Be­ ziehung zueinander geordnet sind. Der Analyse der Einheitsbedingungen des Gedachten folgt darum in einem zweiten Schritt die Analyse der Ein­ heitsbedingungen des Denkens, der systematischen Ordnung des Gedach­ ten. Der Gegenstand der Analyse wird dann nicht mehr als ein dem B e­ wußtsein selbst Transzendentes aufgefaßt, sondern er ist Gegenstand nur, insofern er mit dem Denken selbst gesetzt ist: er ist das Denken selbst. Die Analyse des formal Bestimmten mündet darum in der Analyse der Form, die im Denken des Denkens nur mehr sich selbst und seine B estimmungs­ gründe sieht. Darum ist der Gang zurück in den Grund aller B estimmung im Verhältnis von Denken und Sein Prinzipiendenken: Insofern nämlich eine Verbindung von Verschiedenem nur über die Teilhabe an einem ge­ meinsamen Dritten, einem Einheitsort ihrer Verbindung, möglich ist, führt der Gang in den Grund ihrer Einheit auf ein Prinzip, das ihre Identität in der Differenz wie auch ihre Differenz in der Identität begreiflich machen kann. Und da allein durch ein solches vermittelndes Drittes, das als Grund

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der Einheit des Verschiedenen Vergleichung und Unterscheidung allererst ermöglicht, eine Reduktion des Denkens auf das Sein bzw. des Seins auf das Denken vermieden werden kann, müssen beide in einem Prinzip gründen, das gegenüber diesen Extremen zugleich indifferent ist. Denn ohne die Teil­ habe an einem solchen Einheits- und Unterscheidungsgrund müßte die Genese beider Seiten aus der j eweils anderen Seite verständlich gemacht werden: Wie dann aber sich wechselseitig ausschließende Pole gleichwohl aneinander Teil haben bzw. auseinander hervorgehen können, müßte un­ begreiflich bleiben. Die damit einhergehende Reduktion beider Seiten auf­ einander führt in ein quasi-monistisches Konzept der Erklärung des Verhält­ nisses von Denken und Sein, durch das weder die einzelnen Seiten selbst noch auch ihr Verhältnis zueinander einsichtig gemacht werden kann. Als ein solches quasi-monistisches Konzept kann zum einen, wie Rolf­ Peter Horstmann zeigt, 122 der Versuch aufgefaßt werden, die >>Substanz als Subjekt« zu denken, um auf diese Weise die Spannung von Denken und Sein zugunsten des Prinzips: Geist, aufzulösen. Zum anderen aber kann umgekehrt auch das Sein als vorgängig vorgestellt werden, so daß etwa im Sinne der Fundamentalontologie von Martin Heidegger die Formen des Denkens als B edingungen möglicher Seinsgedanken nicht mehr in den Blick geraten können. Beide Positionen verabsolutieren j e eines der Extreme und wagen sich damit, wie Rainer Wiehl mit Blick auf die Spannung zwischen Dunkel und Vergewisserung, innerhalb derer man die Verbsolutierung bei­ der Extreme ansiedeln läßt, verdeutlicht, in je unterschiedlicher Richtung über die kantische Erkenntniskritik hinaus: »Für den einen, für Hegel, liegt im Grundprinzip der Kamischen Vernunftkritik, im Prinzip der syntheti­ schen Einheit und der Einheit der Synthesis der Vorverweis auf die eigent­ liche Seinsweise der Vernunft und des Geistes, eine allgemeine Antizipation der allgemeinen Seinsweise des absoluten Wissens und der Wahrheit selbst. Für den anderen, für Heidegger, zeigt dieses Prinzip der Vernunfkritik ein Verborgenes und Ungedachtes, nämlich das im Sein der Vernunft, und ihrer vernünftigen Synthesen verborgene Sein, das in j eglichem Sein des Seienden verborgen bleibt. Entelechie vom Körper,126 als Freiheit und Gott ideelle Wesenheiten in ihrem An-sich-sein erkennbar machten. Es ist dieser materiale Gebrauch der Ideen j edoch im Sinne Kants zugleich auch die Quelle des transzendentalen Scheins, nach welchem die B edingungen mög­ licher Gegenstands erkenntnis in B estimmungen gedachter Obj ekte selbst verwandelt werden, mithin also die bloß distributive Einheit unserer Erfah­ rungserkenntnis in die kollektive Einheit eines Erfahrungsganzen verwan­ delt wird . 1 27 Die Gefahr solcher dialektischen Fehlschlüsse, durch welche aus bloßen B egriffen zugleich auf die Existenz für sich bestehender Wesenheiten ge­ schlossen wird, ist darum der Gegenstand der folgenden Ausführungen.

1 24 1 25 1 26 127

KrV, A 341 ff.B 399 ff. Ebd., A 567 ff. B 595 ff. Vgl. Kant, Refl. 4757, AA XVI I, S. 704. Ebd., A 582 B 6 1 0.

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Zweiter Teil Das Denken des Denkens ·

Dabei ist es j edoch ein Ziel der Kantischen Dialektik, nicht allein das ne­ gative Resultat der genannten Fehlschlüsse zu zeigen, um auf diese Weise die Fragen, um die es der menschlichen Vernunft wesentlich zu tun ist, 128 zusammen mit ihren fehlerhaften Antworten selbst zu überwinden, sondern durch den notwendigen Schein der als substantiell gedachten ideellen Ent­ itäten zu Möglichkeiten vorzudringen, die einen widerspruchsfreien B egriff der drei genannten transzendentalen Ideen der menschlichen Vernunft er­ lauben können. Denn denken lassen müssen sich solche Ideen des Unbe­ dingten wenigstens, wenn überhaupt nur unser Denken (sein Einheitsort im identischen Subj ekt), freies Handeln (wir müssen eine Kausalkette durch intelligible Ursachen beginnen können) und die notwendige Idee einer Welt unter moralischen Gesetzen begreiflich sein sollen. Ohne diese Ideen näm­ lich wäre weder uns ere empirische Erkenntnis zu vollenden, noch die Mög­ lichkeit an sich seiender Gegenstände denkbar. Daß sie aber gedacht werden müssen, erhellt nicht allein das Faktum der Freiheit als Quelle der Selbst­ gesetzgebung der Vernunft, sondern bereits die notwendige Annahme un­ bedingter Substrate in einer jeden empirischen Synthesis in ihrem katego­ rischen, hypothetischen oder disjunktiven Gebrauche. Im Folgenden wird darum die Suche nach einem bestimmbaren Gehalt der Ideen derart vollzogen, daß die genannten Ideen zunächst, analog zu möglichen Gegenständen einer empirischen Erfahrung, mittels der Kate­ gorien gedacht werden, um sie in einem zweiten Schritt als bloße Gegen­ stände des Denkens aufzufassen, als Dinge an sich selbst, die zwar gedacht, nicht aber im strengen Sinne auch erkannt werden können. Kategorien und Ideen können als mögliche Gegenstandsbegriffe dann in der Hinsicht un­ terschieden werden, daß die Kategorien auf erfahrbare Gegenstände über­ haupt, auf erscheinende Gegenstände bezogen sind, die Ideen aber die Din­ ge an sich selbst denkbar machen, vom Anspruch auf Erkenntnis im oben genannten Sinne aber zugleich entbunden sind.129

1.

Ort des Prinzips aller Prinzipien

Mit der Prinzipienanalyse des Denkens ist die Suche nach einem Prinzip aller Prinzipien notwendig verbunden. Denn um die Verstandeshandlungen in ihrer zweckmäßigen Einheit, vereinigt durch das Ziel der Gegen128

Ebd., A 565 B 593. Vgl. zu diesem »Experiment der Vernunft mit sich selbstAusblitzungen< hervortreten können.56 Um nämlich den Teil zu bestimmen, ist die Idee des Ganzen vorausgesetzt, von dem es ein Teil ist, und in welchem alle nur denkbaren Prädikate in höchster Einheit und Vollendung aufgehoben sind. Und da alles Einzelne von allen anderen nur denkbaren Obj ekten auch hinreichend unterscheidbar sein muß, so darf aus diesem Inbegriff des Seins zugleich kein Prädikat ausgeschlossen sein, das je zu einem Sein gehören kann. Der platonische Gedanke des Urbildes aller nur denkbaren Nachbil­ der ist s omit auch in der kantischen Idee vom Inbegriff aller Seinsprädikate lebendig: Die einzelnen Erscheinungen sind für Kant Negationen dieses In­ begriffs aller Realität, Eingrenzungen der Einen Erfahrung des unendlich gegebenen Raumes und der unendlichen Zeit s owie des Inbegriffs aller nur denkbaren Substanzen, wodurch sie ex negativo ihre positive B estimmung erhalten.

2.

Die unendliche Fülle als Negation aller endlichen Begrenzung und Bestimmung

Indem somit dem Zu-bestimmenden in einer Erfahrung gegebenen Etwas in einem transzendentalen Sinne zunächst ein Sein zugesprochen wird (die transzendentale B ej ahung der Existenz des Gedachten !),57 auf das dann all s olche Prädikate angewandt werden, durch die es von anderen denkbaren Gegenständen unterschieden werden kann, wird auch im Sinne Kants alle Bestimmung als Negation, als Negation der unendlichen Fülle möglicher Seinsbestimmungen aufgefaßt. Und darum geht auch für Kant die Idee der unendlichen Fülle, des Alls der Realität als der Grund aller Seinsbestim5 6 Vgl. dazu: Leibniz, Monadologie § 47: »Somit ist Gott allein die Ur-Einheit oder die Ur-Monade. Alle geschaffenen oder abgeleiteten Monaden sind s eine Erzeugungen und entstehen sozusagen durch beständige Ausblitzungen der Gottheit von Augenblick zu Augenblick - beschränkt durch die Aufnahmefähigkeit des Geschöpfs, dem es wesentlich ist, begrenzt zu sein.« 57 KrV, A 574 B 602.

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Dritter Teil Das Denken des Einen ·

mungen dem Gegebensein des Etwas, mithin also der transzendentalen Materie als der Sachheit, die nur in einer empirischen Erfahrung gegeben ist, voran, s o daß aus dem bloß denkbaren Horizont unendlicher Fülle die gegebene Welt durch Negation und Einschränkung gewonnen werden kann.58 Der Begriff dieser obersten Realität selbst wiederum wird dann umge­ kehrt aus der Negation aller empirischen Beschränkung gewonnen, indem diesem gedachten höchsten Wesen all die Attribute abgesprochen werden, die empirischen Gegenständen zukommen müssen: Es wird als nicht viel­ fältig, von zeitlicher Dauer oder räumlicher Beschränkung, als abhängig und bedingt, sondern als einfach, ewig, grenzelos, selbstbegründet wie un­ bedingt vorgestellt. Doch lassen sich die transzendentalen Prädikate als apriorische B egriffe von einem >Gegenstand überhaupt< aus ihrer Funktion für eine mögliche empirische Begriffsbildung nicht lösen und in bestim­ mende Prädikate einer gedachten Entität verwandeln, als seien diese zu ­ gleich Attribute seiner unbedingten Existenz. Denn analog zu der Schwie­ rigkeit in der B estimmung einer einfachen Seelensubstanz im »Paralogis­ mus «-Kapitel der »Transzendentalen Dialektik« kann auch das transzen­ dentale Prinzip der Einheit unserer Vernunftbegriffe nicht nach dem Muster einer erkennbaren Entität vor Augen gebracht und durch bestimmende Prä­ dikate erkannt werden. Als Grund der systematischen Einheit unserer Ver­ nunftzwecke macht ein solches Prinzip das Systematische unserer Erkennt­ nisse vielmehr erst möglich und kann darum - als Systemgrund - nicht innerhalb der Grenzen dieses Systems beschrieben werden. So wäre, dem einfachen Subs trat des B eharrlichen in einer empirischen Erfahrung ver­ gleichbar, die Idee des unbedingten Substrates eher als ein D a ß , nicht aber als das Was, das Was-es-ist-dies-zu-sein, zu beschreiben. Universaler Seinshorizont und gegebenes Weltganzes stehen darum in einem Verhältnis wechselseitiger Negation zueinander: Während alles Wirkliche allein durch Negation des unbegrenzten wie unendlichen Hori­ zontes aller Möglichkeiten (aller Seinsprädikate) zu bestimmen ist, läßt sich der B egriff dieser unendlichen Fülle seinerseits wiederum nur durch die Negation alles Begrenzten wie Endlichen gewinnen.

5 8 Zum B egriff der transzendentalen Materie als »Sachheit« vgl. ebd.

Die Vollendung der Bedingungen des Denkens 3.

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Sein oder Nicht-Sein des Dings an sich selber oder seiner Ei­ genschaften im System aller Prädikate

Mit der transzendentalen Bejahung oder Verneinung von Prädikaten für gegebene Gegenstände ist darum nicht allein ihre logische B ej ahung oder Verneinung zum Ausdruck gebracht, sondern B ej ahung oder Verneinung in einem transzendentalen Sinne muß als die Bestimmung des Vorhandenseins einer gedachten Eigenschaft oder des Dings an sich selbst aufgefaßt werden, so daß auf diese Weise über Sein und Nicht-sein der Gegenstände oder ihrer Eigenschaften entschieden werden kann.59 Das Ziel der Ausgrenzung eines durchgängig bestimmten Gegenstandes einer empirischen Erfahrung durch Negation der unendlichen Fülle aller nur denkbaren Prädikate kann dann allein durch die Verbindung unserer Erkenntnisse in einem System erstrebt werden, durch welches die B estimmung eines singulären Gegenstandes als ein Produkt einer solchen Ausgrenzung aus einem gedachten Ganzen er-

59 Sein als »SachheitBegriffslogik< faßt als Negation der Negation das Wesen des Seins selbst als ein begriffliches Verhältnis auf. Das Sein wird hier j edoch durch die Selbsttätigkeit des denkenden (absoluten) Ich bzw. des sich begreifenden absoluten Geistes gesetzt und nicht, wie im Sinne Kants, umgekehrt: die Tätigkeit allererst anläßlich eines Gegebenen in Gang gebracht. Im Sinne Kants bedeutet dann, was seiend genannt werden kann - ähnlich wie in Aristoteles' >Metaphys ik< ( 1 028 b 3) -, nichts anderes als die Frage nach der Substanz (in einer empirischen Erfahrung). Diese seit Platon und Ari­ stoteles den Seinsbegriff prägende Verbindung von Sein und Denken, Sein und Begriff, wird in Schellings später Philosophie dann mit der Unterscheidung von Daß- und Was­ sein (F.W.J. Schelling, Philosophie der Mythologie, WW li/I, S. 402) aufgebrochen: In­ dem er zwischen Sein und Seiendem einen Unterschied setzt und das Sein als das » aus­ geschlossene D ritte« zwischen die Pole des Subj ektiven und des Obj ektiven rückt (ebd., S. 303 ff., S. 3 1 3), gewinnt er mit dem Gedanken des >unvordenklichen Seins< zugleich Anschluß an den systematischen Ort des Einen in der Philosophie Platons und Plotins, nach welcher das Eine in gleicher Weise als ein Drittes neben und über den Relaten >Denken und Sein< vorgestellt wird. In dieser Funktion ist das Sein - ganz im Sinne der kantischen Idee des »Alls der Realität« - als »Inbegriff aller Gegenstände«, mithin als das »potentiell Absolute« aufgefaßt (F.W.J. Schelling, Tagebuch 1 848, S. 143 f.). Und es kann in dieser Funktion mit dem Seienden s elbst zugleich nicht verwechselt werden, ohne das Sein als Obj ekt des Vernehmens nach dem Modell des >geistigen Auges< wiederum auf ein Gegenständlichsein zu reduzieren.

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reicht wird. Als Ding an sich selbst in seiner durchgängigen B estimmung vorgestellt wird das Ideal den singulären Erscheinungen darum als das Maß und Ziel ihrer durchgängigen Bestimmung dienen,60 als in sich differente Einheit die Einheit in der Vielfalt ihrer Erscheinungen denkbar und so den Gedanken einer in höchster Vollendung gedachten Einheit möglich machen. Der B egriff von Einheit aber, der für den Idealgedanken leitend ist, wird als ein Totum und Inbegriff des Gedachten Differenz und B estimmung in sich einschließen und so als Inbegriff aller Differenz zugleich eine in sich be­ wegte M annigfaltigkeit sein. So ist er nicht different zu aller Differenz, sondern, diese vielmehr in sich einschließend, kann er dasj enige genannt werden, was Kant als den Leitgedanken im Gottesverständnis von Ansel­ mus und Descartes, aber auch in der Idee des Urseins von Spinoza und in

Der mit diesem Ideal des durchgängig bestimmten Gegenstandes zugleich antizipierte » no rmative« Horizont in der Vollendung unserer Verstandeshandlungen kann darum auch als eine Norm für die B estimmung des Faktischen, d.h. also Norm für unsere er­ kennende Tätigkeit, und in indirekter Weise auch als Norm des Faktischen aufgefaßt werden: D enn aufgrund der in einer j eden Prädikation unterstellten Idealität durchgän­ giger B estimmung läßt sich zwar, wie dies Rafael Ferber in s einer Abhandlung zum »Normativen Ist« (in: ders., 1 9 88, Zeitschrift für philosophische Forschung, 42, S. 3 7 1 3 9 6 ) ausführt, d a s » ist« einer konstativen Aussage zugleich auch als e i n normatives »ist« d euten: Denn die regulative Idee der durchgängigen B es timmung im Sinne Kants ist an das Ideal eines durchgängig bestimmten Gegenstandes gebunden, das zugleich die Voll­ ständigkeit in der B estimmung gegebener Gegenstände fordert, wenn ein Etwas als Etwas in s einer Singularität auch erfaßt werden soll. Da nämlich die Ist-Aussage im Sinne Kants an Identitätsrelationen gebunden ist, innerhalb derer in synthetischen Sätzen gegebene Erscheinungen durch bestimmende Prädikate charakterisiert werden, bleibt das » Ist« als der Ausdruck der Position einer Sache oder ihrer Eigenschaften zunächst an ihr »Gege­ b ensein« in Raum und Zeit gebunden. Der Charakter einer solchen Aussage ist nicht normativ, sondern assertorisch. Da nun aber ihre durchgängige B estimmung nur im sy­ stematischen B ezug unserer Erkenntnisse untereinander gelingt, so gehört die Antizipa­ tion des >Alls der Realität< zu den transzendentalen Horizonten in der B estimmung ge­ gebener Erscheinungen, durch welche unsere Erkenntnis - normativ - auf Vollständigkeit gelenkt werden kann. I m Sinne der erstrebten Vollendung unserer Verstandeshandlungen in der durchgängigen B estimmung der Gegenstände kann die Idee des Alls der Realität dann auch als ein quasi-normativer Seinshorizont aufgefaßt werden, durch den das voll­ s tändig bestimmte Ganze zugleich als Norm unserer Erkenntnis der nur partiell wie frag­ mentarisch gegebenen Erscheinungen dient: In diesem Sinne wertet Kant auch die scho­ lastische trias aus >unum, verum und bonum< dahingehend um, daß >gut< im Sinne unserer Erkenntnisse allein genannt werden kann, was der Vollständigkeit der im B egriffe verein­ ten B estimmungen betrifft. (KrV, B 1 3 3 f.) Und darum antizipiert dieses Ideal auch den durchgängig bestimmten Gegenstand, ohne ihn j edoch bereits als einen solchen zu s etzen oder aber einen solchen durchgängig bestimmten Gegenstand als gegeben betrachten zu können. 60

Die Vollendung der Bedingungen des Denkens

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Leibniz' Monadengedanken begreift: In diesen Konzeptionen wird das Ideal als eine seiende Einheit aufgefaßt, die, hypostatisch gedacht, als die Idee von einer All-Einheit aufgefaßt werden kann, welche Mannigfaltigkeit und Differenz in sich einzuschließen vermag.

II. Das Urprinzip als das Prinzip von Differenz zu aller Differenz 1.

Das Absolute und das Kontingente

Im Rahmen einer möglichen transzendentalen Theologie, die Kant als Ziel­ punkt einer möglichen Metaphysik als Wissenschaft im Blick hat, wird alles Kontingente der Ebene der Erscheinungen, Notwendigkeit aber allein sol­ chen B egriffen zuerkannt, durch welche die Obj ektivität des Gedachten verbürgt werden soll. Allein somit den Formen, B egriffen und Ideen a prio­ ri des Denkens, nicht aber möglichen Gegenständen der Erfahrung kann darum im Sinne Kants Notwendigkeit und Apodiktizität zukommen. Denn erst die Notwendigkeit apriorischer Formen kann Transzendenzbewußt­ sein garantieren, mithin also die Obj ektivität des Gedachten möglich ma­ chen. Über die Notwendigkeit des Gedachten selbst ist dabei j edoch noch nichts ausgemacht. So macht ein absolutnotwendiges Wesen - wenn denn ein B egriff von ihm wenigstens widerspruchsfrei denkbar sein soll, den empirischen B egriff eines durchgängig bestimmten Gegenstandes denkbar und läßt das B ewußt­ sein über sich selbst hinaus auf Dinge an sich B ezug nehmen, die ihrerseits in keiner Erfahrung mehr gegeben sind. Dabei erreicht Kants Ideal eines durchgängig bestimmten Ganzen den Status eines materialen Einheitsgrun­ des, der gleichwohl nicht dem Prozeß der Entfaltung des empirischen Welt­ ganzen vorgreift: Denn im Begriffe des Ideals ist mit dem B egriff der Zweckmäßigkeit allein das Prinzip der Übereinstimmung von Einzelnem und Allgemeinem genannt, nicht aber ist, was nur durch freie Selbstbewe­ gung möglich ist, im Begriffe bereits antizipiert. D er s achliche Bezugspunkt, der Kants Kritik am Systemprogramm der Leibniz-Wolffschen Metaphysik wie auch seiner Kritik am >Pantheismus< Spinozas darum zugrundeliegt und der zugleich seine kritische Wende der Metaphysik motiviert, läßt sich in einer knappen Skizze wie folgt be­ s chreiben: Wenn 1 . gelten soll, daß die B estimmung eines Einzelnen (als >Gegenstand überhauptAlls der Realität< unmittelbar ge­ bunden ist; unser Weltbegriff darum als durchgängig bestimmt vorgestellt

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werden muß, wenn ein Einzelnes als sein Teil erkannt werden soll, und wenn 2. gilt, daß ein solcher Weltbegriff von der Realität der Freiheit unab­ trennbar ist, so ist Freiheit nur zu retten, wenn wir den Gedanken dieser durchgängig bestimmten >Seinsordnung< nicht auf ein extramundanes Prin­ zip gründen, dem natürliche und intelligible Bestimmungsgründe als seine Attribute bereits eingeschrieben sind. Denn Freiheit als das innere Bewe­ gungsprinzip eines dynamischen Weltbegriffs ist mit dem Ganzen der durchgängig bestimmten Erscheinungswelt nur dann in einem Systemge­ danken zu vereinen, wenn intelligible Kausalitäten in dieses Systemganze widerspruchsfrei integrierbar sind und das systemtragende Prinzip darum mit Freiheit kompatibel ist. Freiheit als eine spontane Handlungsquelle frei setzender Wesen und Naturkausalität als Bewegungsform der äußerlich be­ wirkten Erscheinungsmannigfaltigkeit bringen nämlich, so Kant, unsere Vernunft nur dann nicht in einen Widerstreit ihrer Prinzipien untereinan­ der, wenn die kausal geschlossene, erscheinende Welt mit der Offenheit der auf Freiheit gründenden moralischen Welt in einem System zusammenbe­ stehen kann, ohne entweder unseren Verstandesbegriff der Erfahrung oder aber die Vernunftidee der Freiheit zu gefährden.61 Wie aber soll Freiheit als ein intelligibler Bestimmungsgrund in den kau­ sal geschlossenen Bereich der sinnlich gegebenen Erscheinungswelt in­ tegriert werden können, ohne 1 . das Prinzip ihrer Verbindung in einem extramundanen Einheitsgrund zu finden, und 2. beide Sphären nur mehr als Attribute dieses Einheitsprinzipes selbst zu beschreiben ?62 Dies ist die Kernfrage, vor die sich Kants kritisch gewandelte Metaphysik gestellt sieht.63 Und da die Notwendigkeit ihrer inneren Übereinstimmung nur durch einen einfachen Bestimmungsgrund eingesehen und gerechtfertigt werden kann, der selbst noch die Vernunfteinheit auf Gründe bringen kann, so scheint die Frage nach einem extramundanen >Schlußstein< des Systems der Vernunftzwecke zugleich unabweisbar.64 Und es ist die Frage nach einer widerspruchsfreien B estimmung dieses obersten Systemortes, die Kant dann zugleich vor diejenige Schwierigkeit stellt, die seit ihrer erstmaligen systematis chen Betrachtung in Platons >Parmenides< mit der Verständigung

61 KrV, B XV. 6 2 Zur B estimmung des Verhältnisses von System und Freiheit vgl., Krings, 1 9 77; zum Verhältnis von Naturkausalität und Freiheit: Rang, 1 990; Rohs, 1 9 9 1 ; Zur Mö glichkeit von Freiheit im Sinne Kants: Kant, Refl. 5 5 3 8-5 54 1 , AA XVIII, S. 2 1 2/ 1 3 ; Schulte, G., 1 9 8 1 ; Tielsch, E., 1 9 8 1 ; Freiheit als Autonomie: Prauss, 1 983; als Wahrheit: Simon, 1 978. 63 KrV, A 8 1 5 ff. B 843 ff. 64 KrV, A 1 07; A 669 ff. B 697 ff; A 8 1 5 ff. B 843 ff.

Die Vollendung der Bedingungen des Denkens

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über ein solches systemtragendes Prinzip verbunden ist: Wird der System­ grund außerhalb des Systems gesetzt, so stellt sich die Frage, wie das Man­ nigfaltige aus ihm begreiflich zu machen ist; soll das systemtragende Prinzip umgekehrt innerhalb der Grenzen des Systems zu finden sein, so fragt sich, wie es dann ihr Grund noch sein kann.65 Kant sucht Spinozas Problem der universalen Determination von Einzelnem und Allgemeinem in einer als Einheit mit ihren Attributen vorgestellten Ursubstanz darum zu lösen, in­ dem er das Ideal, die Ursubstanz - wie zu zeigen ist - a) nur außerhalb der Reihe möglicher Naturkausalitäten denkbar macht und b) durch dieses Ideal nicht einen bestimmten Begriff von einem Weltganzen antizipiert, son­ dern durch dieses Ideal allein die Möglichkeit geben sieht, unser Erkennt­ nisvermögen wie auch unseren freien Willen so zu bestimmen, als ob er aus einem absoluten Urwesen möglich sei.

2.

Ein Unbedingtes als Bedingung alles Bedingten: Das Urprin­ zip als höchster Ableitungsgrund des Systems ?

Und darum kann mit der Idee von einem absoluten Urwesen auch allein die systematische Einheit unserer Vernunftprinzipien auf Gründe gebracht, nicht aber ein für sich bestimmter Gegenstand erkannt werden. Das bedeu­ tet aber für einen möglichen Begriff eines absoluten Wesens, daß wir mit einer solchen Vorstellung nicht den Anfang machen können, um aus ihr alles folgende B edingte, mithin auch die Möglichkeit dieser Vernunfteinheit selbst abzuleiten.66 Welcher Begriff von einem Ursprung könnte diese Ab­ leitungsbeziehung garantieren ? Es müßte dies ein B egriff sein, der durch j ene Vernunftprinzipien gedacht würde, die als seine Folge beschrieben wer­ den können. Doch s owenig das einfache Substrat unserer Gedanken, das einfache Ich als Grund aller Prädikate, die seine Gedanken s ind, durch eben die Kategorien gedacht werden kann, die aus ihm begreiflich zu machen sind, so wenig können auch unsere Vernunftprinzipien den Grund ihrer Möglichkeit durch die Vernunftbegriffe erfassen, als deren Prinzip er fun­ gieren soll. Und darum läßt sich der oberste Grund alles nur Denkbaren überhaupt, j enes intelligible Prinzip, nicht nach dem Muster eines A blei­ tungsgrundes denken, aus welchem unsere eigene Vernunft dann hergeleitet

Platon, Parmenides, 1 3 7 c sq. Vgl. zu der hier ausgeführten Problemstellung: C. Bick­ mann, 1 995, S. 321 ff. 66 KrV, A 6 1 6 B 644. 65

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werden könnte. Denn Prinzip und Prinzipiiertes können nicht in einer Rei­ he gedacht werden, sondern nur nach Analogie zu einer s olchen Verbin­ dung vorgestellt werdenY Aus diesem Grunde kann Kant sagen, daß wir den Zusammenhang der möglichen Erfahrung s o betrachten können, » als ob der Inbegriff aller Erscheinungen (die Sinnenwelt selbst) einen einzigen obersten und allgenugsamen Grund außer ihrem Umfange habe, nämlich eine Vernunft, in B eziehung auf welche wir allen empirischen Gebrauch unserer Vernunft in seiner größten Erweiterung so richten, als ob die Ge­ genstände selbst aus j enem Urbilde aller Vernunft entsprungen wären, das heißt: nicht von einer einfachen denkenden Substanz die inneren Erschei­ nungen der Seele, sondern nach der Idee eines einfachen Wesens j ene von einander ableiten; nicht von einer höchsten Intelligenz die Weltordnung und systematische Einheit derselben ableiten, s ondern von der Idee einer höchstweisen Ursache die Regel hernehmen, nach welcher die Vernunft bei der Verknüpfung der Ursachen und Wirkungen in der Welt zu ihrer eigenen B efriedigung am besten zu brauchen sei« .68 So kann das Absolute, in einem transzendentalen Sinne aufgefaßt, allein umgekehrt durch einen Prosyllogismus vom B edingten zu den B edingun­ gen, d.h. also im »Zurückgehen zu den B edingungen des Existierens«,69 mithin also aus dem Kontingenten, dem empirischen Gebrauch unserer Vernunft, auf die Fundamente unserer Vernunfteinheit selbst erschlossen werden; nicht aber wird es in einer umgekehrten Wegerichtung auch als ein bestimmbarer Ableitungsgrund von Mannigfaltigkeit und Differenz dien­ lich sein können. Der empirische Weg des Rückgangs j edoch, der die Be­ dingung zu allem B edingten auf Einer Ebene mit den erscheinenden Ge­ genständen sucht, bleibt demgegenüber so unabschließbar wie aussichtslos, da er, auf die B edingungen alles Kontingenten eingeschränkt, nur in einer s chlechten Unendlichkeit versuchter Annäherung münden kann. »Würde das höchste Wesen in dieser Kette der B edingungen stehen, so würde es selbst ein Glied der Reihe derselben sein, und, eben so, wie die niederen Glieder, denen es vorgesetzt ist, noch fernere Untersuchungen wegen seines noch höheren Grundes erfordern. «70 Wenn aber die Idee eines notwendi­ gen, unbedingten Wesens zum Grunde der Erkenntnis alles B edingten selbst gemacht wird, ist sie zwar für unseren empirischen B egriff unerreich6 7 Ebd., A 62 1 B 649; A 685 B 7 1 3; vgl. zur Funktion der Analogie für die »Erkenntnis« des göttlichen Prinzips: Kant, Refl. 5552, AA XVI II, S. 22 1 . 6 8 Ebd., A 672 B 700. 6 9 Ebd. 70 Ebd., A 621 B 649.

Die Vollendung der Bedingungen des Denkens

331

bar, d a s i e sich i n seinen Grenzen niemals adäquat repräsentieren läßt, als unendlicher Horizont kann sie aber gleichwohl als ein transzendentales Prinzip und Substrat zu aller Bestimmung dienen. Denn als Idee zu einem möglichen empirischen Begriff bleibt sie indifferent gegenüber den Be­ schränkungen, in welche empirische B egriffsbildung eingespannt ist. Die gegebene Welt der Erscheinungen ist gegenüber dem Inbegriff aller Realität eine Einschränkung seiner unbegrenzten Sphäre; und während diese durch j enen allererst möglich wird, bleibt j ener als Bedingung aller durchgängigen B estimmung selbst notwendig unbestimmt.

3.

Das Ideal als Inbegriff aller Realität macht einen Substratgedanken erforderlich

Darum kann das genannte Ideal - als der Inbegriff aller Realität in der Verkörperung durch ein vollständig bestimmtes Ganzes - im Sinne Kants nicht zugleich auch als Grund, Fundament oder Quelle allen Seins aufgefaßt werdi!n. Denn als sein Inbegriff vereint dieses Ideal alle nur denkbaren Prädikate in höchster Vollendung, stellt es die Idee einer allseits bestimmten Realität dar, die nichts, was zum Sein gehören könnte, von sich ausschlie­ ßen darf. Als der Grund und das Substrat alles Einzelseienden hat es darum den Status eines Ganzen, das vor seinen Teilen und doch nur in ihnen allen zugleich existiert und welchem darum nicht ein Teil fehlen darf, ohne das Ganze zu zerstören. Insofern nun aber das genannte Ideal als Inbegriff und Urbild aller Realitäten nicht zugleich auch letzter Grund und Quelle alles Seins s elbst genannt werden kann, da es als das Prinzip von Allem nicht zugleich an dem teilhaben kann, was es begründen soll, so muß der Grund aller Realität von diesem Ideal selbst noch unterschieden werden: Aus ihm s ollen nämlich nicht allein alle nur denkbaren Gegenstände, sondern auch alle sinnlich gegebenen, alle empirisch erfahrbaren Gegenstände in ihrer sin­ gulären Gestalt und Mannigfaltigkeit begreiflich gemacht werden können.71 Insofern aber das Prinzip von allem auch die sinnlich-intelligible Einheit des Weltganzen allererst ermöglichen s oll, s o kann es nicht selbst unter die B edingungen des Seins - weder als Erscheinung, wie in einem physiko­ theologischen Verständnis des höchsten Wesens - fallen, noch in seiner Existenz aus B egriffen allein erschließbar sein (ontologischer Gottesbeweis) . Vielmehr s o l l er d i e Einheit v o n Sinnlichkeit u n d Verstand, d i e im Ideal des

7 1 Ebd., A 573 B 601; A 579 B 608.

Dritter Teil Das Denken des Einen

332

·

durchgängig bestimmten Ganzen als sinnlich-geistige Einheit vorgestellt wird, allererst ermöglichen können.

4.

Das Urprinzip als das Prinzip von Differenz zu aller Differenz

Bezogen auf einen solchen Grund und das Substrat allen Seins, das nicht mehr selbst an der Einheit und Wechselwirkung der sinnlich bestimmten Gestalt des Seins einen Anteil haben kann, wird darum nach einem Prinzip gefragt, das selbst die Einheit von Sinnlichkeit und Verstand im Ideal noch begreiflich machen kann. Denn, so begründet Kant die notwendige Unter­ scheidung von >Inbegriff aller Realität< und >Grund< dieser Realität: Das Ideal ist zwar Schema und Prinzip zu einer solchen Einheit, nicht aber kann diese >in individuo< vorgestellte sinnlich-geistige Einheit den Substratgedan­ ken hinfällig machen, durch den allein das in sich differente Ideal-Ganze auf Gründe zu bringen wäre; die Idee einer solchen in sich differenten Einheit vielmehr allererst ermöglichend, wird es als ein einfaches Prinzip nur au­ ßerhalb ihrer Sphäre zu finden sein.72 An dieser Stelle ist darum der Ort erreicht, die Prinzipienfrage auf den­ j enigen Substratgedanken zu konzentrieren, der das systemtragende Prinzip zugleich als ein einfaches, bestimmungsfreies und - im Sinne des platoni­ s chen Liniengleichnisses - auch als ein >überseiendes< Prinzip aller Unter­ s cheidung und Bestimmung ins Licht rücken kann. Die Suche nach einem systemtragenden Prinzip wird darum in diesem Zusammenhang in den Horizont eines Einheitsgedanken gestellt, der als Einheit vor und über aller Differenz Differenz und Mannigfaltigkeit allererst begreiflich machen kann. Als Differenz zu aller Differenz wird das reine Identitätsprinzip darum nicht mit dem logischen Prinzip der Identität zu verwechseln sein, sondern es wird, aller l ogischen B estimmung voraus, selbst die in sich differente Einheit des A A noch auf Gründe bringen können. So wird das differenz­ freie Eine, wie es hier als das Substrat des Idealgedanken in einer plato­ nisch-neuplatonischen Auslegung des kantischen Grund-Folge-Verhältnis­ ses gedacht wird, nicht nur als überseiend, sondern auch als vorlogisch in dem Sinne genannt werden können, als durch ein differenzfreies Eines selbst die Urdisjunktion der elementarsten Urteilsgestalt des A A noch auf ein Prinzip zu bringen ist. =

=

72 Ebd., A 579 B 607.

Die Vollendung der Bedingungen des Denkens 5.

333

Das höchste Prinzip als Grund und nicht als Inbegriff

Und da die Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung ein Verhältnis die­ ser Gegenstände zu unserem Denken darstellt73 - über ihre Möglichkeit kann nur in der Abhängigkeit von unseren Erkenntnisvermögen entschie­ den werden -, die Gegenstände selbst aber gegeben sein müssen, bevor sie gedacht werden können, s o kann als Grund und Inbegriff aller Realität nur ein solcher Begriff dienlich sein, der auch die Möglichkeit der Erfahrung dieser Gegenstände in einem Inbegriff zu denken vermag. Das Ideal des Alls der Realität, der Inbegriff aller nur denkbaren Gegenstände als Dinge an sich selbst, wird dann bereits als eine Folge aus diesem Prinzip aufgefaßt werden, - das Prinzip selbst aber als Grund und Substrat dieses Inbegriffs .74 Die Rede von Grund und Folge bezogen auf das Verhältnis von Prinzip und Prinzipiiertem muß erläutert werden, soll eine transzendentale Subrep­ tion vermieden werden: Würde nämlich im Bereich der theoretischen Ver­ nunft das Andere, das durch dieses Prinzip ermöglicht ist, die Welt der Erscheinungen, von diesem zugleich derart dominiert, daß es aus ihm wie die Wirkung zu einer gegebenen Ursache folgen kann, dann wären beide Seiten unter die relationale Kategorie von Ursache und Wirkung gebracht, nach welcher ein B auf A notwendig folgt. Eine derartige kategoriale Be­ stimmung des Verhältnisses von Grund und Gegründetem wird aber das Spezifische in der B estimmung von Urprinzip und Prinzipiiertem zugun­ sten einer B eschreibungsart opfern, die dem Gesetz der erscheinenden Welt entlehnt wäre, so daß Grund und Folge dann nach dem Muster einer not­ wendigen Folge zweier unabhängiger Größen vorgestellt würden. »Soll das empirischgültige Gesetz der Kausalität zu dem Urwesen führen, s o müßte dieses in die Kette der Gegenstände der Erfahrung mitgehören; alsdenn wäre es aber, wie alle Erscheinungen, selbst wiederum bedingt. «75 Mit der Suche nach dem Grund der Möglichkeit der erscheinenden Welt wird aber nach dem Grund der Kausalität der Erscheinungen selbst gefragt, so daß aus diesem Prinzip die Gesetze der erscheinenden Welt allererst begreiflich gemacht werden müßten. Wären aber das Prinzip und das Prinzipiierte wie Ursache und Wirkung aufeinander bezogen, so wäre der Grund von allem s elbst als eine relationale Größe gedacht und würde so zu einem Teil dessen, was aus ihm folgen soll. Darum kann dieser oberste Deduktionsoft der

73 Vgl. Ebd., A 5 8 1 B 609. 74 Ebd., A 5 79 B 607. 75 Ebd, A 636 B 664. Vgl. auch ebd., A 685 B 7 1 3 .

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Vernunfteinheit uns eres Denkens und Handeins nicht mehr mit den Mitteln bestimmt werden, die zur Erkenntnis wahrnehmbarer Gegenstände erfor­ derlich sind. Insofern die in Gebrauch genommene Grund-Folge-Relation das Verhältnis zwischen Urprinzip und Prinzipiiertem darum nicht im Sin­ ne der dritten kantischen Relationskategorie als eine notwendige Verbin­ dung zwischen zwei bestimmbaren Größen begreiflich machen kann, wird ihre Verbindung nur nach Analogie zu einer solchen relationalen Form ge­ dacht werden können und der Gebrauch der Kategorie der Relation durch ein vorbehaltliches >Als-ob< angezeigt werden müssen: Denn nur nach Ana­ logie zu einem solchen Verhältnis kann das überseiende Eine mit der Ein­ heit des durchgängig B estimmten in eine Verbindung gebracht werden. Kant verweist darum auch auf die Grenze in der Übertragung des Grund­ Folge-Verhältnisses auf die B eziehung des höchsten Wesens zum Weltgan­ zen: >>Die Kausalität der Weltwesen, die immer sinnlich-bedingt (derglei­ chen die durch Verstand) ist, kann nicht auf ein Wesen übertragen werden, welches mit j enen keinen Gattungsbegriff, als den eines Dinges überhaupt, gemein hat. >Sein« wird nicht auf den Begriff des Seienden beschränkt, sondern mit dem unendlichen Seinshorizont, den Kant durch seine Idee des Alls der Realität aufzuspan­ nen sucht, ist vielmehr die Reflexion auf ein oberstes Transzendentale jen­ seits und außerhalb alles Einzelseienden eröffnet, das als B edeutungshori-

76 Vgl., KdU A 444 B 450. 77 KrV, A 577 B 605.

Die Vollendung der Bedingungen des Denkens

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zont wie Wahrheitsgarant gleichermaßen angenommen werden muß, wenn eine gegebene Erscheinung in Raum und Zeit für uns identifizierbar und bestimmbar sein soll.78 Da somit dieses oberste Substrat alles Einzel-Seien­ den nicht an dem teilhaben kann, was durch es allererst ermöglicht werden soll, so kann es nicht mit dem Inbegriff aller nur denkbaren Realitäten selbst ineinsgesetzt werden, welcher die Vielfalt der gegebenen wie der möglichen Erscheinungen in sich vereint. Als Grund aller Realität muß er diese vielmehr als seine Folge bestimmen können, zu welcher dann auch die Sphäre der Sinnlichkeit, die empirische Vielfältigkeit der Erscheinungen ge­ hört. >>Die Ableitung aller anderen Möglichkeit von diesem Urwesen wird daher, genau zu reden, auch nicht als eine E i n s c h r ä n k u n g seiner höch­ sten Realität und gleichsam als eine Te i 1 u n g derselben angesehen werden können; denn alsdenn würde das U rwesen als ein bloßes Aggregat von abgeleiteten Wesen angesehen werden, welches nach dem Vorigen unmög­ lich ist, ob wir es gleich anfänglich im ersten rohen Schattenrisse so vor­ stellten. Vielmehr würde der Möglichkeit aller Dinge die höchste Realität als ein G r u n d und nicht als I n b e g r i f f zum Grunde liegen, und die Mannigfaltigkeit der ersteren nicht auf der Einschränkung des Urwesens selbst, sondern seiner vollständigen Folge beruhen, zu welcher dann auch unsere ganze Sinnlichkeit, samt aller Realität in der Erscheinung, gehören würde, die zu der Idee des höchsten Wesens, als ein Ingrediens, nicht ge­ hören kann.sumconceptus singularis< - iden­ tifiziert werden kann. Denn so verstanden, könnte er nicht G rund von Allem sein, da er als Teil des Systems nicht zugleich auch Prinzip seiner Möglichkeit wäre. So führt die Bestimmung des Ideals zur notwendigen Differenz zwischen der Idee des Alls der Realität und dem Grunde der Möglichkeit dieser universellen Bestimmung: Grund und Gegründetes, Prinzip und Prinzipiiertes, dürfen nicht auf derselben Ebene gedacht wer­ den, nicht Teile Eines Systems sein.80 Und was Kant für das intelligible Prinzip der Freiheit in Anspruch nimmt, daß nämlich dort »wo die Ver­ nunft selbst als bestimmende Ursache betrachtet wird (in der Freiheit), also bei praktischen Prinzipien, [ . . . ] die B edingungen nicht mehr in der Reihe der Erscheinungen, sondern außer derselben gesetzt werden können, und die Reihe der Zustände angesehen werden kann, als ob sie schlechthin (durch eine intelligible Ursache) angefangen würde; [ . . . ] «,81 gilt analog auch vom obersten Einheitsort von Denken und Sein: Als Grund allen Seins kann er nur gedacht werden, wenn er selbst nicht in Eine Reihe mit der Totalität der erscheinenden Welt gestellt wird, sondern es zu dieser Totalität noch ein außerhalb gibt, durch welches unbedingte Gründe - wie die menschliche Freiheit - in alles Bedingte widerspruchsfrei zu integrieren sind.82 So kann die Totalität aller Reihen im System des durchgängig be­ stimmten Weltganzen auch nicht ein Letztes sein, worauf selbst alle Ein­ zelerscheinungen zurückgeführt werden können, sondern dieses systema­ tische Ganze selbst muß vielmehr auf einem Grunde ruhen, der nicht auf derselben Ebene mit der Totalität aller Reihen liegen kann. Und darum kann das Ideal auch nicht nach dem Muster einer obersten Gattung vorge-

80

Vgl. zum Schema des durchgängig bestimmten Ganzen: KrV, A 6 8 5 B 7 1 3 . Ebd. 82 Ebd., A 672 B 700. - Insofern nämlich, so die These, wir »die Wirklichkeit der Freiheit« nicht »aus der Erfahrung schließen« können, so ist Freiheit als B estimmungs­ grund unserer praktischen Vernunft nur zu retten, wenn wir die Art unseres Zugangs zu einem möglichen B egriff der Freiheit - ohne Widerspruch zu den B edingungen der Er­ fahrungserkenntnis - auf ein »intellektuelles inneres Anschauen (nicht den inneren Sinn) uns erer Tätigkeit« - (Kant, Refl. 4336, AA XVI I, S. 509/5 1 0) gründen. Denn nur eine solche freie Tätigkeit kann » durch motiva intellectualia bewegt werden« und darum auch »praktische Gesetze und regeln des Guten Willens selbst in ansehung unserer möglich sind.« (ebd.) So kann die Wirklichkeit der Freiheit als eine >notwendige praktische Vor­ aussetzung< bestimmt werden, die unserer theoretischen Vernunft keineswegs wider­ spricht. » Denn als Erscheinungen [ . . . ] sind die Handlungen jederzeit im Felde der Er­ fah rung, als obiektive data sind sie im Felde der Vernunft und werden gebilligt und gemisbilligt.« (ebd.) 81

Die Vollendung der Bedingungen des Denkens

337

stellt werden, dem die Welt der Erscheinungen als j e verschiedene Arten untergeordnet wären, sondern es ist vielmehr dem Verhältnis von G attung und Art, Inbegriff und B egriff, entzogen, indem der Grund nicht als B egriff gedacht wird und der B egriff auf einen nicht-begrifflichen Ursprung be­ zogen wird. 83

Die Konsequenz der Aporie der Letztbegründung: >>Es folgt aber hieraus, daß ihr das Absolutnotwendige a u ß e r h a l b d e r We l t annehmen müßt. hypothesis< des platonischen >>Parmenides « , das gleich­ falls am Sein keinen Anteil hat; denn würde es mit der Idee des Alls der Realität, dem Inbegriff zu allem nur denkbaren Sein, identifiziert, könn­ te es nicht mehr Grund allen Seins selbst genannt werden. Und so for­ muliert Kant dann die Konsequenz aus der aporetischen Struktur in der Bestimmung des obersten Prinzips in seiner >>Entdeckung und Erklä­ rung des dialektischen Scheins in allen transzendentalen B eweisen vom Dasein eines notwendigen Wesens « : »Es folgt aber hieraus, daß ihr das Absolutnotwendige a u ß e r h a 1 b d e r W e 1 t annehmen müßt; weil es nur zu einem Prinzip der größtmöglichen Einheit der Erscheinungen, als deren oberster Grund, dienen soll, und ihr in der Welt niemals dahin gelangen könnt, weil die zweite Regel euch gebietet, alle empirischen Ursachen der Einheit j ederzeit als abgeleitet anzusehen. «85 Durch eine derartige B estimmung, die Grund und Gegründetes nicht in derselben Reihe oder in Einem System zu denken sucht, erweist sich nun erneut die Notwendigkeit der anfangs mit Kant eingeführten Unterschei­ dung von Ding an sich und Erscheinung: Denn ohne diese Differenz gäbe es für unser Erkennen kein >> a uß er « , da all unsere Erkenntnis allein auf erscheinende, bestimmbare wie begrenzbare endliche Obj ekte in einer em­ pirischen Erfahrung bezogen bleibt; ein Unbedingtes aber, und sei es nur in seiner Funktion für unseren erkennenden Verstand, dabei widerspruchsfrei nicht denkbar wäre. Daß aber die Idee des Ideals ein Unbedingtes als das Substrat alles Be­ dingten und Bestimmten wenigstens denkbar machen muß, erhellt der bis­ herige Argumentationsgang: Denn allein durch die Ideen des Unbedingten wird in einem formalen Sinne eine Vervollständigung aller Verstandeshand­ lungen zu erreichen sein sowie in einem materialen Sinne dann auch das Obj ekt an sich selbst - wenn auch nur als das Schema zu einem möglichen Begriff - denkbar gemacht. Und erst wenn der Grund der Möglichkeit der systematischen Einheit all unserer Denkbestimmungen auch die materiale B edingung alles Denkbaren schematisieren kann, umgreift er im Urbilde eines durchgängig bestimmten Ganzen auch den Bereich aller erscheinen­ den Gegenstände in ihrer sinnlichen Präsenz und materialen Differenz zu 8 5 Ebd., A 6 1 7 B 645.

Die Vollendung der Bedingungen des Denkens

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anderen möglichen Gegenständen der Erfahrung. Darum kann das Ideal auch nicht allein als Inbegriff alles nur Denkbaren, als Grund der Möglich­ keit der systematischen Einheit unserer Bestimmungen aufgefaßt werden, sondern es wird bis hinab zur Besonderheit der empirischen Erscheinungen auch die materiale Seite der Dinge denkbar machen. Zugleich aber wird durch einen s olchen B egriff von Realität nur dann ein systematisches Gan­ zes denkbar, wenn es zur durchgängig bestimmten Erscheinungswelt auch ein »außerhalb« gibt, das als Grund dieser systematischen Einheit mit dem Inbegriff aller Realität, dem B egriff des Seins selbst, nicht einerlei sein kann. Würden nun aber gegebene Erscheinungen in Raum und Zeit als Dinge an sich selbst aufgefaßt, könnte es für unseren B egriff von Welt kein >>au­ ßerhalb« geben.86 Und darum wird erst durch Kants kritische Wende des Erkenntnisbegriffs neben der Welt der begrenzten und bedingten Erschei­ nungen ein absolutnotwendiges Wesen als Urbild aller durchgängig be­ stimmten Gegenstände widerspruchsfrei mit unserem Erfahrungsbegriff von Welt vereinbar.

III. Der schematisierte höchste Gegenstand 1.

Der Verstand als » Gegenstandnatürlichen Schein< unserer Vernunft, nach welchem sie zur B estimmung der Einheit ihrer Funktionen Ideen ausbildet, die sie in B egriffe möglicher Gegenstände an sich selbst verwandelt, um durch sie Obj ekte ihrer Erkenntnis zu bestimmen. Würde nun zwischen Ding an sich und Erscheinung nicht unterschieden, so ließe sich ein solcher Schein weder ausfindig machen noch auf seine Quellen zurückführen, s o daß zugleich nicht begreiflich gemacht werden könnte, warum er notwendig betrügt. Wenn nämlich Erscheinungen für Dinge an sich selbst gehalten werden, so wären entweder die Ideen des Unbedingten, obwohl für unsere Erfahrungserkennntis unabdingbar, nicht zu retten, da sie dann in einem Widerspruch zu den Möglichkeiten der Erfahrungserkenntnis stünden, oder aber diese Ideen müßten als Gegen­ standsbegriffe überhaupt gelten, obwohl ihre Obj ekte in keiner Erfahrung gegeben sein können. Dann aber würde etwa die notwendige Idee eines unbedingten Substrats aller Erscheinungen in die Erkenntnis eines göttli­ chen Wesens selbst verwandelt, dem all die Prädikate zugesprochen werden, die nur auf Gegenstände der Erfahrung in Anwendung zu bringen sind. Die für unsere Erkenntnis notwendige regulative Idee von einem höchsten We­ sen, das Grund und Substrat der Einheit aller Zwecke untereinander ge­ nannt werden kann, würde dann zu einer Bestimmung der Existenz eines solchen Wesens allein aus Begriffen führen, und auf diese Weise der gesam­ ten Kritik ein Ende gemacht. Denn ein solchermaßen ausgeweiteter Er­ kenntnisbegriff, welcher allein aus Begriffen auf die Bestimmtheit un­ bedingter Wesen schließt, würde nach dem Muster rationalistischer Meta­ physik die Ergebnisse der spekulativen Vernunft in den Rang des Wissens heben, auch wenn ihm aller Erkenntnisgrund mangelt89

2.

Quasi-Deduktion der Vernunftbegriffe

Gleich dem Aufbau der transzendentalen Analytik folgt die >>Dialektik« dem Schema: Angabe der Orte der Entdeckung der Elementarbegriffe, Ana-

Erkenntnis des höchsten Wes ens aber gelingt - in einem praktisch-dogmatischen Ge­ b rauch des B egriffs von einem Urwesen - allein in praktischer B eziehung. (Vgl. KpV A 248 f.) 89

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Dritter Teil Das Denken des Einen ·

lyse dieser B egriffe, Grundsätze ihrer Anwendung in einer möglichen Er­ fahrungserkenntnis und schließlich, - nach Analogie zur Deduktion der Verstandesbegriffe - Deduktion dieser Vernunftbegriffe aus einem obersten Prinzip, das die systematische Einheit aller vernünftigen Zwecke in einer erstrebten Welt unter moralischen Gesetzen allererst begreiflich machen kann. Und so bestimmt Kant dann die quasi-Deduktion der Vernunftbe­ griffe: »Wenn man nun zeigen kann, daß, obgleich die dreierlei transzen­ dentalen Ideen (psychologische, kosmologische und theologische) direkt auf keinen ihnen korrespondierenden Gegenstand und dessen Bestimmung bezogen werden, dennoch alle Regeln des empirischen Gebrauchs der Ver­ nunft unter Voraussetzung eines solchen Gegenstandes in der Idee auf sy­ stematische Einheit führen und die Erfahrungserkenntnis j ederzeit erwei­ tern, niemals aber derselben zuwider sein können: so ist es eine notwendige Maxime der Vernunft, nach dergleichen Ideen zu verfahren. Und dieses ist die transzendentale Deduktion aller Ideen der spekulativen Vernunft, nicht als konstitutiver Prinzipien der Erweiterung uns erer Erkenntnis über mehr Gegenstände als Erfahrung geben kann, sondern als regulative Prinzipien der systematischen Einheit des Mannigfaltigen der empirischen Erkenntnis überhaupt, welche dadurch in ihren eigenen Grenzen mehr angebauet und berichtigt wird, als es ohne solche Ideen durch den bloßen Gebrauch der Verstandesgrunds ätze geschehen könnte.«90 Und da eine solche Deduktion nicht die Erkenntnisse von Gegenständen, sondern allein die Einheit unter den Vernunftprinzipien rechtfertigen soll, so kann sie nur nach der Ana­ logie zu einer möglichen Gegenstandserkenntnis die Einheit aller Vernunft­ zwecke untereinander durch ein Prinzip rechtfertigen, das dann, wenn auch nur in unbestimmter Weise, gleichwohl obj ektiv zu nennen ist.

3.

Das Schema der Einheit der Person

Den einzig nur denkbaren >obj ektiven< Gebrauch unserer Vernunftbegriffe hat Kant in einem den >Grundsätzen< der Analytik vergleichbaren >>Anhang zur transzendentalen Dialektik« in den Kapiteln >>Von dem regulativen Ge­ brauch der Ideen« und >>Von der Endabsicht der natürlichen Dialektik der Ideen« untersucht, um dort die Art der Anwendung der Ideen auf die Ver­ standesfunktionen näher zu bestimmen.91

90 Ebd., A 671 B 699. 9 1 Ebd., A 642 B 670 ff; A 669 B 697 ff.

Die Vollendung der Bedingungen des Denkens

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Auf das Subjekt der Erkenntnis angewandt ist die Idee eines unbedingten beharrlichen Substrates dann nicht mehr bloß die Regel, den unbedingten Grund aller Erscheinungen in einer zugrundeliegenden Substanz zu suchen, sondern den Schematen der Einbildungskraft vergleichbar wird dieser Ver­ nunftbegriff das >>Schema« zu einem B egriff von einem Subj ekt bestimmen, nach welchem wir die Vielfalt und Wandelbarkeit der Erscheinungen des Subj ekts auf ein Identisches, ein Bleibendes beziehen, das wir als die Einheit der Person, als seine unbedingte wie einfache Seele begreifen.92 Das Schema zu einem s olchen Begriff liefert die Vernunft mit ihrer Idee eines unbeding­ ten Substrates aller Erscheinungen, während die Erscheinungen selbst nur in einer Erfahrung unseres eigenen oder aber das der anderen empirischen Subjekte gegeben sind.93 Und da der Verstand die begrenzte und zerstreute Vielfalt einander teils ergänzender, teils widersprechender Erscheinungen des Subjekts nicht zu einem einfachen, personell identischen Wesen syn­ thetisieren kann, ohne die Idee zu einem solchen B egriff der Identität der Person der Vielfalt der Erscheinungen zugrundezulegen, und damit die Ba­ sis der Erfahrungserkenntnis zu verlassen, welche allein nur verstreuten Stoff zu dieser Vielfalt bereitstellt, so kann die Annahme der Einfachheit, der personalen Identität und der B eharrlichkeit zu aller Zeit nur einem Schema zu einem solchen Gegenstand, dem Gegenstande als Idee, entsprin­ gen; die Erscheinungen selbst aber lassen derartige Prädikate als mögliche Bestimmungen des Subj ekts selbst nicht zu. Widerläufig zu allen B edingun­ gen möglicher Erfahrung wird in der Annahme eines mit sich identischen, einfachen wie beharrlichen Subj ekts also nur ein Vernunftschema zu einem möglichen B egriff in Anwendung gebracht, das vermittels seiner einheits­ stiftenden Funktion auf die Verstandeserkenntnisse bezogen werden kann. Den Kategorien gemäß wird der vorgestellte Gegenstand einer mit sich identischen, einfachen Person dann seiner Quantität nach als numeris ch identisch, seiner Qualität nach als einfach, der Relation von Substanz und Akzidenz nach als ein Beharrliches im Wandel sowie in seiner Modalität als ein idealer Gegenstand gedacht. Mittels der genannten Verstandesformen wird durch das transzendentale Schema der Vernunft die menschliche Seele als unbedingtes Substrat seiner Gedanken und Äußerungen widerspruchs­ frei denkbar, s o daß das Vielfältige seiner Äußerungen auf einen identischen Personenkern zurückgeführt und auf diese Weise alle Gedanken als Prädi-

92 Ebd., A 682 B 7 1 0. 93 Zum Verhältnis von Selbst- und Fremderfahrung in der Analyse der Paralogismen der reinen Seelenlehre vgl. ebd., A 346 B 404 ff; A 353/4 ff; A 362/3 ff.

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Dritter Teil Das Denken des Einen ·

kate dieser unbedingten Substanz begreiflich gemacht werden können. So dient das Schema der Vernunft der B estimmung eines unbedingten Sub­ j ekts in der Idee, auch wenn die Erfahrungsbasis den gedachten Eigen­ schaften der Einfachheit, Identität, B eharrlichkeit und Idealität widerspricht und für derartige Bestimmungen kein empirisches Substrat bereitstellen kann. Als Vernunftidee, durch welche ein solcher B egriff eines Gegenstandes an sich selbst denkbar wird, ist der Gedanke eines unbedingten Subj ekts j e­ doch widerspruchsfrei möglich und sogar notwendig, wenn die Vielfalt der empirischen Äußerungen der Subjekte auf einen einfachen Grund ihrer Möglichkeit, auf die Einheit einer Person, zurückgeführt werden soll. Der B egriff einer mit sich identischen Person ist dabei j edoch bloße Vernunf­ tidee, das Schema zu einem möglichen B egriff der Person, derer sich der Verstand bedient, um im empirischen Ich die Einheit aller Vermögen und Handlungen zu bestimmen und im intelligiblen Ich die Obj ektivität der Erkenntnisse aus einem einheitsstiftenden Prinzip heraus zu rechtfertigen. Denn ohne diesen unhintergehbaren Ort aller Einheitsfunktionen des Ver­ standes in der Einheit der Apperzeption bliebe die Einheit aller verknüpften Vorstellungen untereinander ohne Substrat. Unsere Vorstellungen, bezogen auf das gedachte Obj ekt, untereinander in Übereinstimmung zu bringen, bedeutet nämlich, die Einheit des Subj ekts in dieser Tätigkeit selbst voraus­ zusetzen, so daß die Einheit der Apperzeption zugleich der unbedingte, nicht-relationale Grund aller Verknüpfungen genannt werden kann, durch den allein die Identität des Gedachten zu bewerkstelligen ist. Diesen Ein­ heitsort aber für den B egriff einer unabhängigen Wesenheit zu halten, deren Existenz von ihren Äußerungen zugleich auch getrennt werden kann, führt zu einem hyperphysischen Gebrauch der Kategorien, macht diese unabhän­ gig von ihrem Gebrauch in einer empirischen Erfahrung. Der B egriff einer solchen Wesenheit wäre dann aber bloß negativ; denn es könnte lediglich gesagt werden, daß einem solchen Wesen Ausdehnung, Dauer und Be­ stimmtheit fehle, nicht aber kann auf diese Weise auch der B egriff eines Etwas gewonnen werden, da die Einheit des denkenden und handelnden Ich als ein nicht-gegenständliches, nicht-bedingtes und nicht-begrenztes nur einen negativen B egriff ihres Gegenstandes erlaubt. Indem Kant für die unbedingten Substrate der empirischen Erscheinungen darum nur einen negativen Begriff zuläßt, kann der Vorwurf des vergegenständlichenden Denkens innerhalb der abendländischen Metaphysik seine Position nicht treffen: Denn sein Bestreben, von den Ideen des Unbedingten alle katego­ rialen B estimmungen fernzuhalten, knüpft an die Tradition einer •philoso­ phia negativa< an, welche den Ideen des Unbedingten keinerlei B estimmun-

Die Vollendung der Bedingungen des Denkens

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gen aus dem B ereich der Gegenständlichkeit zuzuweisen sucht, um nicht Ideen des Unbedingten in Begriffe begrenzter und bedingter Erscheinungen zu verwandeln. Und darum kann Eriugenas Verneinung aller Kategorien im Denken eines >Wesens aller Wesen< - >>Nullam categoriam in deum caddere« - für eine mögliche rationale Psychologie gleichermaßen gelten, so daß gesagt werden kann: Das denkende Subj ekt selbst muß von aller kategoria­ len Bestimmung freigehalten werden. Eine kritische Analyse dieser Vernunftidee kann dann im Sinne Kants verdeutlichen, warum die Ideen in ihrer Realisierung lediglich als mögliche Sehemate zu solchen Gegenstandsbegriffen dienen können, durch welche wir geistige Einheiten dann zugleich s o betrachten können, als ob sie ge­ genständlich bestimmbare Größen wären. Aber die Einschränkung durch Kants »Als ob« ist für die genannte Differenz von physischen und geistigen Entitäten wesentlich und kann darum nicht im Sinne einer ontologischen B etrachtung an sich seiender geistiger Wesenheiten rückgängig gemacht werden, da wir dann erneut in die Gefahr der Verdinglichung gerieten, die Heidegger zum Ausgangspunkt seiner Metaphysikkritik macht und deren Kritik bereits das zentrale Anliegen der Dialektik Kants gewesen ist. Durch die Sehemate zu möglichen Begriffen werden aber Obj ekte der Erfahrung auch als Dinge an sich selbst vorstellbar; s o daß die erscheinen­ den Gegenstände sowohl in ihrem Ansichsein - als noumena - denkbar wie auch in ihrer Erscheinung - als Phaenomena - erkennbar werden. Und so läßt sich ein numerisch identisches Substrat als Grund der Vielfalt der Er­ scheinungen des denkenden Subj ekts zugrundelegen, ohne zugleich durch solche Attribute auch erkennbar zu sein.

4.

Das Schema zu einem möglichen Weltbegriff

Vergleichbar dem unbedingten »Seelensubstrat« als dem Einheitsort aller Verstandeshandlungen läßt sich nun im Rahmen einer möglichen transzen­ dentalen Kosmologie Freiheit als ein spontanes Ursprungsprinzip sittlich­ moralischen Handeins denken, ohne als Gegenstand unserer Wahrnehmung zugleich erkennbar zu sein. Auch wenn in kritischer Grenzziehung unserer Erkenntnisse auf erscheinende Gegenstände nur intensive oder extensive Größen in Raum und Zeit Gegenstand unserer Erfahrung sein können, läßt die Unterscheidung von >>Denken« und »Erkennen« gleichwohl die Annah­ me eines unbedingten Substrats als Bestimmungsgrund einer Reihe von Ursache- und Wirkungsketten zu, ohne mit der raum-zeitlichen B estim­ mung begrenzter Erscheinungen in einen Konflikt zu geraten.

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Dritter Teil Das Denken des Einen ·

Die Idee einer hinreichend a priori bestimmten Ursache, welche der Be­ stimmung der B edingungen zu einem gegebenen B edingten zugrundeliegt und welche zugleich von der Idee der Freiheit als dem Prinzip des Sitten­ gesetzes zu unterscheiden ist, kann als die Idee eines Maximums in der Erklärung gegebener Erscheinungen regulativ unsere Verstandeserkenntnis­ se leiten, ohne j edoch in einem absoluten Sinne als bestimmbare Entität aufgefaßt werden zu können. Damit ist die Idee des Unbedingten allein auf den Verstand und seine Funktionen, mithin also auf das Denken und nicht auf das Gedachte, die raum-zeitlich gegebenen Erscheinungen in einer em­ pirischen Erfahrung, bezogen. Indem sie diesem zur Vollständigkeit seiner Erkenntnisse verhilft, bleibt der Verstand zwar von den Ideen des Unbe­ dingten in seinen Funktionen bestimmt, ohne j edoch selbst auf ein Unbe­ dingtes gerichtet zu sein. Insofern die Ideen des Unbedingten darum mit den raum-zeitlichen Er­ scheinungen nicht auf derselben Ebene gedacht werden, da sie direkt auf den Verstand und seine Funktionen, aber nur vermittels desselben auf mög­ liche Erscheinungen bezogen sind, schließen sie einander auch nicht aus, sondern setzen sich vielmehr wechselseitig voraus. Die damit vollzogene B eschränkung uns erer Erkenntnisse auf den B ereich des empirisch Erfahr­ baren öffnet nach Kant darum allererst die Möglichkeit, das kosmologische Prinzip der Kausalität aus Freiheit mit der durchgängig bestimmten Er­ scheinungswelt in einem System zu vereinen, so daß die Regeln der gesetz­ gebenden Vernunft als B estimmungsgründe unseres sittlichen Handeins mit der Gesetzmäßigkeit der erscheinenden Natur in eine zweckmäßige Über­ einstimmung gebracht werden können. Diese Idee der Übereinstimmung zweier auf unterschiedlichen Prinzipien beruhenden Gesetzmäßigkeiten innerhalb eines möglichen Weltbegriffs macht dann in einem weiteren Schritt auch den Weg frei für die Annahme einer Idee des Weltganzen, in dem die gegebene Seins-ordnung mit der aufgegebenen Sollens-ordnung in eine Einheit durch Wechselwirkung ge­ �racht werden kann. Ein solcher Weltbegriff macht nämlich das Prinzip der Zweckmäßigkeit aller aufeinander bezogenen Teile erforderlich, durch wel­ ches der Zusammenhang aller Erscheinungen untereinander zugleich so vorgestellt werden kann, als sei er aus einem >>weisen Plan« entstanden.94 Denn die Idee der Zweckmäßigkeit in der Übereinstimmung aller Teile in einem gegebenen- und erstrebten Weltganzen setzt den Gedanken einer Vernunfteinheit voraus, mithin also eine intelligible Kausalität, durch wel­ che selbst die Naturkausalität noch auf Gründe gebracht werden kann, 94 Ebd., A 686 B 714 ff.; A 697 B 725; A 699 B 727.

Die Vollendung der Bedingungen des Denkens

347

ohne dabei in ihrer Eigengesetzlichkeit infragegestellt zu sein. Insofern nämlich die Annahme der Wechselwirkung von Ursache und Wirkung in einem Weltganzen die Idee des Ganzen vor den Teilen erforderlich macht, s o ist mit dieser Idee der Einheit durch Wechselwirkung auch die Idee einer höchsten Vernunft ins Spiel gebracht, die Grund und Substrat der zweck­ mäßig bestimmten Teile genannt werden kann. Die vielen Substanzen kön­ nen nämlich nur, s o die These, »durch eine gemeinschaftliche Ursache in Gemeinschaft sein« .95 Dies aber macht, so die weitere Annahme, ein einiges Prinzip als Grund ihrer inneren Verbindung erforderlich. Insofern aller Notwendigkeit darum ein transzendentales Prinzip zugrundeliegen muß, wenn die Notwendigkeit ihrer Verbindung eingesehen werden soll, s o ist mit der systematischen Einheit aller Zwecke zugleich ein Systemgedanke verbunden, in welchem nicht allein die Prinzipien der Gegenstände des Denkens, sondern zugleich auch die Prinzipien des Denkens selbst als Prin­ zipien dieser systematischen Einheit zu erfassen sind. Soll darum eine zweckmäßige Einheit aller Seins- und Sollensprinzipien möglich sein, so ist mit dieser geforderten Einheit die Idee eines Urwesens als Grund und Ga­ rant der zweckmäßigen Übereinstimmung aller Prinzipien verbunden.

Das Ideal als das Schema zu einem vollständig bestimmten Ganzen ist S e i e n d e s E i n e s ; von ihm ist das E i n s - S e i e n d e als Grund der systematischen Einheit der Erkenntnisse zu unterscheiden 5.

Darum kann drittens nun, bezogen auf die Bedingungen der Denkbarkeit einer solchen Seins- und Sollens-ordnung, ein einfacher Grund aller denk­ baren Substanzen als Substrat und Bestimmungsgrund aller Gemeinschaft durch Wechselwirkung angenommen werden, auch wenn durch ein s olches Ideal nur das Schema für unsere Erkenntnis, nicht aber die Existenz eines bestimmbaren Urwesens gegeben ist. Und wenn gezeigt werden kann, daß ohne eines solches Schema von einem unbedingten obersten Wesen der Be­ griff des Systems all uns erer Erkenntnisse und damit auch das System aller Systeme, das philosophische System selbst, unvollständig bleibt, da ein sol­ ches Ideal das Systematische unserer Erkenntnisse selbst allererst möglich macht, s o muß im Rahmen einer philosophischen Theorie ein solches Ur­ prinzip einen sicheren Ort finden, ohne zugleich mit dem Erfahrungsbegriff unseres primären Weltverständnisses in einen Widerspruch zu geraten. 9 5 Kant, Refl. 5934, A A XVIII, S. 396.

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Denn wenn mit der Idee des Ideals im Sinne Kants auch allein das Sche­ ma zu einem durchgängig bestimmten Ganzen gefunden ist, so daß es nicht als ein bestimmbares Objekt, sondern allein nur als die Idee zu einem sol­ chen durchgängig bestimmten Objekt vorgestellt werden kann, s o wird mit diesem Ideal lediglich unsere Vernunft in eine Richtung auf Einheit ihrer Erkenntnisse gelenkt, nicht aber wird mit seiner Hilfe ein Gegenständliches an sich selbst bestimmt, dem der Titel eines Absoluten und unbedingten Wesens zugesprochen werden könnte. Kant versucht beides : Die Not­ wendigkeit in der Annahme eines s olchen Ideals mit der Kritik an Hypo­ stasierung der Idee derart zu vereinen, daß gezeigt werden kann, in welcher Weise das Ideal für unser Denken unausweichlich wie zugleich in seinem gegenständlichen Schein zu vermeiden ist. Diesem »fehlerfreien Ideal«96 darum den Schein einer an sich bestehenden Entität zu nehmen, um ihm gleichwohl eine Funktion als Bestimmungsgrund der Einheit durchgängig bestimmbarer Obj ekte wie der Welt im Ganzen zuzuweisen, ist das Ziel einer Metaphysik als Wissenschaft, die in einem widerspruchsfreien B egriff der theoretischen und praktischen Vernunftfunktionen das »Dialektisch­ Werden« unserer Ideen zu vermeiden sucht. Aus diesem Grunde versucht er, das Unbedingte unserer Vernunftbegriffe mit dem B edingten der kate­ gorial beschreibbaren Erscheinungen nicht auf derselben Ebene zu denken, um weder im B ereich unserer Erfahrungserkenntnis die Idee eines Unbe­ dingten im Prädikat des B edingten zu gefährden, noch die Annahme durch­ gängiger B estimmung ohne ein transzendentales Prinzip zu lassen, wenn zugleich seine Notwendigkeit eingesehen werden soll. Insofern nämlich dialektische Erkenntnis auf der Unauflösbarkeit zweier gleichberechtigter, gleichwohl widerstreitender Annahmen beruht, kann entweder nur ihre gleiche Berechtigung oder aber - nach dem Muster eines eliminativen Re­ duktionismus - eine der beiden Seiten dieses Gegensatzes aufgegebenen werden, wenn die Vernunft im B egriffe ihrer selbst mit sich einhellig sein will. Da Kant aber, wie im ersten und zweiten Teil der Ausführungen ge­ zeigt, die Geltung beider Seiten beansprucht und im Sinne der Vernunftein­ heit auch für erforderlich hält, kann nur ein widerspruchsfreier B egriff zwi­ s chen der erkennenden abhängigen und der frei setzenden moralischen Ver­ nunft die genannte Aporie lösen. Wenn darum die Attribute des Unbeding­ ten dem B edingten unserer empirischen Erfahrung nicht widerstreiten sol­ len, lassen sich beide Seiten nur um den Preis eines Kategorienfehlers auf derselben Ebenen und in derselben Reihe denken.

96 Ebd., A 641 B 669.

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Indem die Suche nach einem Wesen aller Wesen auf den Einheitsort aller nur denkbaren Gegenstände in einem Inbegriff aller Realität bezogen ist, zielt sie nicht mehr allein auf die Gegenstände des Denkens, s ondern auf das Denken als Tätigkeit gleichermaßen und umgreift darum - im Selbstein­ schluß ihrer Möglichkeiten - auch die Grundlagen einer Metaphysik als Wissenschaft. Dieser Selbsteinschluß des Denkens im Denken des obersten Einheitsgrundes der im System vereinten Zwecke gehört zu den zentralen Anliegen der kritischen Philosophie Kants: Denn insofern sich die Vernunft in der Reflexion auf die Einheit ihrer Prinzipien allein mit sich selbst befaßt, muß die Möglichkeit der Begründung eines philosophischen Systems in diesem Systemgedanken eingeschlossen sein. Diesen Systemgedanken zu ermöglichen und das System zugleich in einem einfachen obersten Prinzip zu fundieren, ist darum die Funktion des Ideals . Seine Bestimmung sucht eine Antwort auf die Frage, ob die Idee der Einheit des Weltganzen als Einheit in der Vielheit gedacht werden kann oder ob das oberste Prinzip als der Grund des Vielen zugleich demgegenüber indifferent sein muß, was durch es ermöglicht werden soll. Hat ein solches Prinzip am Prinzipiierten einen Anteil, so kann es sein einfachster Grund nicht sein; soll es aber dem gegenüber indifferent sein, was aus ihm abzuleiten ist, so bleibt die Frage, wie das Viele dann aus ihm begreiflich zu machen ist. So betrachtet, scheint die Suche nach einem Prinzip aller Prinzipien in der Aporie zu münden, die bereits in Platons Dialog »Parmenides « ihre erste systematische Gestalt angenommen hat: Aus dem nicht nennbaren, unbestimmbaren Einen als dem Grund alles Vielen, wie er Gegenstand der ersten Hypothesis des zweiten Teils des Dialoges ist, wird in der zweiten Hypothesis das seiende Eine, dem all die Prädikate zugesprochen werden, die vom Eins-Seienden verneint worden sind. Als relationale Einheit des Seienden Einen wird der oberste Grund in der zweiten Hypothesis dann zwar kategorial bestimmbar, als Einheitsgrund allen Seins scheint er j edoch verloren. Denn insofern die Relationalität seiner kategorialen B estimmung auf der Relationalität alles geistig Bestimmten beruht, kann er ihr einfacher Grund nicht mehr sein. Darum wird in der B estimmung des Ideals die Frage leitend sein, ob der Gedanke eines seienden Einen, den Platon mit der Idee durchgängiger kategorialer Bestimmung verbunden sieht, Kants höch­ stes Einheitsprinzip genannt werden kann oder ob es Kant gelingt, ein Ein­ heitsprinzip seiner Philosophie zu finden, das die aporetische Situation letztbegründender Argumentation vermeiden kann.

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C. Die Rechtferti gun g der Einheit des >zweckmäßi g bestimmten Ganzen< mit der Vernunfteinheit der Zwecke aus einem einfachen Prinzip: Der System grund kann nicht mehr innerhalb des Systems gefunden werden I. Das Urprinzip : >im Rückgang erschlossen< 1.

Kausalität aus Freiheit

Wenn darum Prinzip und Prinzipiat nicht nach dem Muster einer Ablei­ tungsbeziehung vorgestellt werden können, nach welchem zwischen beiden die Kategorie der Relation vermitteln könnte, sondern Prinzip und Prin­ zipiiertes vielmehr nur nach Analogie zum Verhältnis von Grund und Folge aufeinander bezogen sein können,97 so ist allererst der Horizont eröffnet, innerhalb dessen das Dasein der erscheinenden Welt auf Gesetze der Natur wie auf Akte der Freiheit gleichermaßen zurückgeführt werden können. Und was in einer Hinsicht als notwendig erscheint, kann in einer anderen Hinsicht zugleich das Resultat freier Setzung sein. Denn Grund und Ge­ gründetes stehen nicht im Verhältnis einer Verbindung zueinander, nach welcher ein B auf ein gegebenes A unausweichlich folgt. Das bedeutet aber, daß das oberste Prinzip nur dann Freiheit und Notwendigkeit gleicher­ maßen prinzipiieren kann, wenn es, frei im Akt des Setzens, unfrei jedoch bezogen auf die Regeln des Gesetzten ist. Denn die Welt der Erscheinungen ist zwar in sich, nicht aber von ihrem Grunde her determiniert, da sie zwar in ihrer Erscheinung für ein menschliches Wesen als eine durchgängige Ein­ heit abhängiger und bedingter Größen zu beschreiben ist, zugleich aber von einem Grunde aus ermöglicht sein kann, der diese Welt der Erscheinungen zugleich in Freiheit setzt. Denn würde der Grund dieser erscheinenden Welt in Eine Reihe mit diesen Erscheinungen selbst gebracht, s o würde ein solches oberstes Prinzip als ein Glied dieser Reihe Freiheit undenkbar ma-

97 Da nach Kant der Grund die Folge notwendig unter sich enthält (vgl. Kant, Lo gik, AA IX, A 1 48), kann in einem strengen Sinne auch die Relation von G rund und Folge nicht zur B eschreibung des Zusammenhanges von Prinzip und Prinzipiiertem taugen. Die Grund-Folge-Beziehung hat daru m in der B estimmung des Verhältnisses der Idee eines obersten B estimmungsgrundes zum Weltganzen nur die Funktion eines Schemas für un­ sere einheitsstiftende Vernunft.

Die Rechtfertigung der Einheit des >Zweckmäßig bestimmten Ganzen
Zweckmäßig bestimmten Ganzen
conceptus singularis< den obersten aller denkbaren Gattungsbegriffe bilden könnte. Die Idee zu einer solchen obersten Gattung, die gleich der An­ schauungsform des Raumes die verschiedenen Bestimmungen nicht unter sich, sondern als Inbegriff in sich enthält, ist nämlich nicht mehr selbst als ein Begriff zu denken, sondern kann vielmehr nur als die Idee zu einem s olchen B egriff gelten; als der Einheits ort, durch welchen eine j ede nur denkbare begriffliche Bestimmung bis hinauf zum obersten conceptus sin­ gularis möglich wird. So muß die Idee des Alls der Realität vom Ermögli­ chungsgrund dieses Ideals noch unterschieden werden und kann als diese oberste Quelle allen Seins nicht selbst wiederum begriffliche Gestalt anneh­ men, sondern als Idee zu aller nur denkbaren systematischen Einheit der B egriffe ist sie vielmehr ihr transzendenter Einheitsgrund, der stets nur hinter dem Rücken aller Begriffsbildung gelegen ist. Ähnlich den Katego­ rien, die nicht mehr selbst mit kategorialen Mitteln zu bestimmen sind, da sie alles kategorial Bestimmte allererst möglich machen, kann die Idee zu einer obersten Gattung nicht mehr ein Gattungsbegriff sein, sondern kann nur als Idee zu einem solchen Begriff fungieren. Auch wenn auf einer nächsten Stufe der Reflexion ein solcher »B egriff aller Begriffe« Gegenstand der Analyse sein kann, da er sich als der Grund von Allem gleichwohl widerspruchfrei denken lassen muß, s o ist im Sinne Kants j edoch eine s olche »Idee im Begriff« nur das Schema zu einem sol­ chen B egriff, nicht aber kann mit diesem Schema bereits eine wahrnehm­ bare und an sich existierende Wesenheit als gegeben angenommen werden.99 B ezogen auf die Erkenntnis unserer selbst als denkende Wesen, eines möglichen Weltanfangs sowie der Idee von einem Wesen aller Wesen, das Grund dieses Weltganzen genannt werden kann, erfüllen die Sehemate näm­ lich allein die Funktion, diese Entitäten in ihrem An-sich-Sein, wenn auch nicht erkennbar, so doch wenigstens denkbar zu machen. Und s o kann durch ein solches Schema analog zu den Gegenständen einer möglichen Erfahrungserkenntnis zugleich der Begriff zu solchen Gegenständen ausge­ bildet werden, nach welchen etwa 99 Ebd., A 665 B 693 .

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Dritter Teil Das Denken des Einen ·

- die Äußerungen der menschlichen Seele auf einen beharrlichen, iden­ tischen Wesenskern zurückgeführt; - den gegebenen Erscheinungen neben der in ihnen allseitig wirkenden Notwendigkeit zugleich auch das Vernunftgesetz der Freiheit zugrun­ degelegt, sowie schließlich das All der Realität auf eine höchste Intelligenz zu­ rückgeführt werden kann, die letzter Grund der zweckmäßigen Ein­ heit aller Teile im systematischen Ganzen aller nur denkbaren B es tim­ mungen genannt werden könnte. 1 00 Mittels dieser Sehemate zu möglichen Ideen eines unbedingten Selbsts oder einer unsterblichen Seele, eines auf Freiheit gründenden Weltanfangs s owie eines unbedingten göttlichen Wesens, - wie sie zugleich in der Tra­ dition der »metaphysica specialis « zu Begriffen selbständiger Wesenheiten ausgebildet wurden - können die unbedingten Gründe der nur bedingt gegebenen Erscheinungen - ein einfaches Seelensubstrat, eine unbedingte Kausalität als Substrat unseres Sittengesetzes sowie ein einiges und einfa­ ches U rwesen als Grund des dynamischen Wechselverhältnisses der Er­ s cheinungen untereinander - widerspruchsfrei gedacht werden. Zugleich aber sind solche Gegenstandsbegriffe nicht bloß regulativ für die Einheit unserer Verstandestätigkeit, sondern gleichermaßen notwendig, wenn in der Seihsterheilung unseres Denkens die Einheit von Denken und Sein selbst auf Gründe gebracht werden soll: Denn ohne Analyse des Be­ stimmungsgrundes unserer gedanklichen Tätigkeit im denkenden Ich, ohne die Analyse der Möglichkeit, die Reihe gegebener Erscheinungen im B egriff eines Weltganzen zu vollenden, und schließlich ohne die Idee von einem Einheitsgrund der denkenden mit der erscheinenden, der ausgedehnten Welt, bliebe selbst alles wissenschaftliche Erkennen ohne Kenntnis ihrer eigenen Prinzipien. Allein nämlich auf mögliche Gegenstände der Erkennt­ nis (im Denken des Etwas) gerichtet, bliebe sie unwissend über ihre eigenen Grenzen und ohne Einsicht in die Bestimmungsgründe ihrer eigenen Tä­ tigkeit (im Denken des Denkens), bliebe ihr der Grund der Einheit mit dem Gedachten (im Denken des Einen) verborgen.

1 00

Ebd., A 681 ff. B 709 ff.

Die Rechtfertigung der Einheit des >Zweckmäßig bestimmten Ganzen< 3.

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Das Eine: Ein S e i e n d e s Eines oder ein E i n s -seiendes ? Der Horizont des platonischen >Parmenides< in der Bestimmung des kantischen Einheitsprinzips

Würde nun aber das Ideal, welches als Schema zu einem möglichen B egriff eines durchgängig bestimmten Ganzen, als »Idee in individuo « , alle Seins­ bestimmungen in höchster Vollendung in sich vereint, mit dem Grund zu einem solchen Inbegriff der Realität selbst identifiziert, so müßte der obe­ rste Einheitsort des Systems als ein seiendes Eines im Sinne der zweiten Hyp othesis des platonischen »Parmenides « aufgefaßt werden. Wenn aber als Grund von Allem ein Seiendes Eines angenommen würde, das mit der Idee der durchgängigen Wechselbeziehung aller nur denkbaren Substanzen, der Idee des Alls der Realität, identifiziert werden könnte, s o wäre in den Ursprung bereits eine Differenz gesetzt. Und es wäre dies die Gefahr, die Kant im Spinozismus gegeben sieht, indem das göttliche Urwesen durch seine beiden höchsten Attribute, das Denken und das Sein, mit dem Ganzen der gegebenen Seinsordnung identifiziert und auf diese Weise nur eine zir­ kulären Bestimmung der Seinsordnung durch das oberste Wesen s owie des obersten Wesens durch die gegebene Seinsordnung erreicht. Dann aber blie­ be die Frage nach dem Grund der Möglichkeit einer s olchen Einheit un­ geklärt, da durch sie bereits Verbindung, Gemeins chaft und Wechselwir­ kung in das Urprinzip gesetzt wären, für deren Verbindung dann ein wei­ teres Prinzip angegeben werden müßte, das nicht mehr selbst an dieser Verknüpfung einen Anteil hat, sondern diese allererst ermöglichen kann. Und ebenso lautet auch Kants Argument gegen den physikotheologischen Gottesbeweis: Im pantheistischen Modell eines teleologisch gedachten Weltbegriffs, das Kant mit dem System des Spinoza identifiziert, kann ein freies zwecksetzendes Wesen sowenig wie der Grund der zweckmäßig ge­ dachten Ordnung selbst in den Blick geraten. Darum müßte, so lautet die Konsequenz, der Grund von Allem als unbedingt, unausgedehnt und rela­ tionsfrei vorgestellt werden, wenn er Grund aller Rationalität und Prinzip freier Zwecksetzung gleichermaßen genannt werden soll. Und da die er­ strebten Einheiten unserer Verstandeshandlungen, - die Idee eines unbe­ dingten Subj ekts aller Prädikate, die Idee eines unbedingten Grundes aller emp irischen Reihen sowie schließlich die Idee eines durchgängig bestimm­ ten Gegenstandes, - wenn auch in unbestimmter Weise obj ektiv genannt werden können, so kann die Deduktion dieser Vernunftbegriffe nur nach dem Muster eines Prinzips vollzogen werden, das analog der ursprünglich synthetischen Einheit der Apperzeption als ein relationsfreies, einfaches wie numerisch identisches Prinzip zu denken ist. Als Grund aller möglichen

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Verknüpfung war die Einheit der Apperzeption nämlich als eine ausdeh­ nungslose Größe, als j ener Punkt vorgestellt, der selbst nicht mehr mit den Mitteln zu bestimmen war, die aus ihm gerechtfertigt werden sollten. Und so wiederholt sich bezogen auf die »Deduktion der Vernunftbegriffe« auch die Schwierigkeit in der B estimmung des obersten Prinzips der Verstan­ deseinheit: Es kann dieses Prinzip, der Einheit der Apperzeption gemäß, als Grund aller Einheiten, als Substrat aller nur denkbaren Verbindungen im System aller aufeinander bezogenen Begriffe, nur bestimmungsfrei und ein­ fach vorgestellt werden. Die Argumentation ist darum, bezogen auf den Grund der Einheit unserer Gegenstandserkenntnis im Einheitsort der Ap­ perzeption, derj enigen analog, durch welche der Grund der systematischen Einheit unserer Erkenntnis se in der Idee eines » Weltganzen« gefunden wer­ den soll: Soll dieses Prinzip der Grund von Allem sein, so kann es nicht ein Moment dieses Systems mehr sein; vielmehr müßte es als systemtragender Grund gegenüber all dem indifferent sein, was aus ihm begreiflich zu ma­ chen ist. Und da die systematische Einheit unserer Erkenntnisse nicht, wie die Verstandeseinheit, allein auf mögliche Gegenstände der Erfahrung, sondern auf die Einheit unserer Verstandeshandlungen bezogen ist, welche, als Ver­ nunfteinheit des Gedachten, nur mittelbar auf die Gegenstände der Erfah­ rung, unmittelbar aber auf den Verstand und seine Funktionen gerichtet ist, so kann durch ein solches Prinzip die erstrebte Vernunfteinheit selbst auf ein Prinzip zurückgeführt werden, das Einheitsgrund von Denken und Sein genannt werden kann. Denn während die ursprüngliche Einheit der Ap ­ perzeption allein der Rechtfertigung der Obj ektivität unserer Gegenstands­ begriffe diente, so ist der Grund der Einheit unserer Erkenntnisse im sy­ stematischen Ganzen alles nur Denkbaren überhaupt Einheitsgrund des Denkens wie der Gegenstände des Denkens gleichermaßen: Er kann Seins­ wie Erkenntnis grund gleichermaßen genannt werden. Darum ist die Kamische Argumentation, die zwischen dem Inbegriff al­ ler Realität, dem Sein, und dem Ermöglichungsgrund allen Seins unter­ scheidet, auch der platonischen Argumentation verwandt, welche mit B lick auf das oberste Prinzip des Seins, das Prinzip aller Prinzipien, nicht mehr von einem Seienden spricht, sondern nach welcher dieses Prinzip sich als Grund allen Seins - als ein Über-seiendes - einer jeden nur denkbaren Bestimmung entzieht. Diese Unterscheidung zwischen bestimmungsfreiem Grund und be­ stimmbarem Sein als dem Schema zu einem durchgängig bestimmten Welt­ ganzen ist ferner auch der aristotelische Unterscheidung von Daß-Sein und Was-Sein einer Sache verwandt: In der Funktion einer ersten Substanz, dem

Die Rechtfertigung der Einheit des >Zweckmäßig bestimmten Ganzen
Daß-Sein< des Gedachten, kann die jeweilige Entität nicht selbst mehr Prä­ dikat eines anderen sein. Wird nun Kants Unterscheidung zwischen dem Grund des Alls der Realität und der Idee des im höchsten Maße Seienden mit dieser Differenz von Daß- und Was-Sein in Verbindung gebracht, s o kann begreiflich werden, warum das durchgängig bestimmte Ganze nach Kant nur als die Folge aus dem höchsten Prinzip, nicht aber mehr als ein Inbegriff dieses Ganzen, vorgestellt werden kann. Das oberste Prinzip, das einige, die Einheit der gegebenen Seins- und Sollensordnung ermöglichende Urwesen, wäre - ganz im Sinne des platonischen >Parmenidescon­ ceptus singularis< unter die Bedingungen alles Seienden gesetzt, seinen Sta­ tus als oberstes Prinzip und Substrat des Seins verlieren müßte, sondern der Einheitsgrund von Denken und Sein wird bei Kant vielmehr als das Eins-Seiende bestimmt, welches als Grund und Substrat aller Realität nicht an dem teilhaben kann, was aus ihm allererst ermöglicht werden soll. Dieses oberste Subs trat in der Bestimmung der systematischen Einheit unserer Erkenntnisse und die Systemstelle des Guten, wie sie Platon mit Blick auf den Grund der Vermittlung von Erkennen und Erkanntem ent­ wirft, sind darum insofern vergleichbar, als auch Kant neben dem Inbegriff allen Seins noch die Idee eines unbedingten Grundes entwirft, der mit die­ sem Inbegriff aller Realität selbst nicht identifiziert werden kann, da ihm als dem Grunde aller Seinsprädikate selbst kein Prädikat mehr aus dem B ereich des Seins zugesprochen werden darf. So nimmt Kants Annahme eines eini­ gen Urwesens, dem in theoretischer Hinsicht alle Prädikate abgesprochen werden müssen, die erscheinenden Gegenständen zukommen können, Pla­ tons Systemstelle (der Idee) des Guten oder auch: des Einen - wie dieser Systemort seit Plotin dann explizit genannt wird - ein, indem ein unbeding­ tes Wesen, das Grund selbst des Alls der Realität genannt werden kann, dann ebensowenig unter Kategorien gebracht werden kann, die abgrenz­ baren wie bestimmbaren Gegenständen zugesprochen werden kann, wie es ausgeschlossen ist, das Gute oder Eine unabhängig von dem zu bestimmen, was durch es prinzipiiert werden soll. Und es ist die Unterscheidung von Ding an sich und Erscheinung, die das Denken des Einen Urwesens mög­ lich macht, da durch sie allein der Raum geöffnet werden kann, ein unbe­ dingtes Prinzip, - Platons indifferent >Einem< der ersten Hypothesis des >>Parmenides« verwandt, - widerspruchsfrei zu denken. Denn während im »Parmenides« das unnennbar Eine mit dem bestimmbaren Einen der zwei­ ten Hypothesis in einen unauflösbaren Widerstreit gerät, indem ein Un­ bedingtes zu denken die Negation aller Kategorien notwendig macht, - das solchermaßen von aller Kategorialität B efreite dann aber auch nicht mehr

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gedacht werden kann und umgekehrt, insofern es gedacht wird, seinen Sta­ tus als einfaches, absolutes Prinzip verliert, so kann durch die genannte Unterscheidung von Ding an sich und Erscheinung die aporetische Struktur vermieden werden: Denn bestimmbar sind nach einer solchen Prämisse al­ lein solche Gegenstände, die uns in Raum und Zeit gegeben sind, während Gegenstände, die mit den B edingungen unserer Erfahrungserkenntnis nicht in Übereinstimmung stehen können, gleichwohl aber für die Vernunftein­ heit uns erer B egriffe erforderlich sind, dann zwar gedacht, nicht aber zu­ gleich auch erkannt werden können. Platon wie Kant suchen daher gleichermaßen nach dem Ort, der das Prinzip aller Prinzipien widerspruchsfrei denkbar macht. Und für beide gilt, daß dieser Ort sich nur im Rückgang auf die B edingungen des Denkens erschließt: Denn s o wie im ersten Teil des >>Parmenides « Platons Überle­ gungen zum Ideenbegriff auf den im zweiten Teil des Dialoges durchge­ führten dialektischen Argumentationsgang vorbereiten kann, in welchem dann die Suche nach der >Idee der Ideen< oder dem >Prinzip aller Prinzipien< die Frage nach dem Einen in der Vielfalt der Ideen nach sich zieht/01 so leitet auch Kants Bestimmung der Einheit der Vernunftprinzipien, des Ein­ heitsoftes der Ideen, zur Frage hin, wie denn das Prinzip aller Prinzipien selbst zu denken sei. Und auch Kant versucht, dieses Prinzip deutlich von dem zu unterscheiden, was durch es bewirkt werden kann: So darf auch für Kant das Urprinzip von allem nicht als ein Seiendes Eines aufgefaßt werden, da aus diesem der Zusammenhang der Ideen untereinander wie das kate­ gorial bestimmte Sein selbst allererst begreiflich zu machen sind. Durch Kants Unterscheidung von Ding an sich und Erscheinung wird nun die Aporie der Letztbegründung im Sinne der Tradition der >meta­ physica generalis< zugleich in einen neuen Horizont gestellt und auf diese Weise, s o lautete die hier entfaltete These, die aporetischen Struktur in der B estimmung eines solchen Urprinzips zugleich vermieden: Als >Ding an sich selbst< kann das gesuchte Urprinzip Grund und Substrat allen Seins genannt werden, ohne doch auf derselben Ebene und in derselben Reihe mit allem abhängig und bedingt Seienden gedacht werden zu müssen und auf diese Weise nur einen widersprüchlichen B egriff seiner selbst zu erlauben.102 Auf der Ebene des Dings an sich kann dann ein >überseiendes Eines< gedacht werden, ohne mit den Bedingungen unserer Erfahrungserkenntnis zugleich 101

Die B estimmung des Ideenbegriffs durch räumliche und zeitliche Metaphern (Par­ menides, 1 3 1 b sq.) sowie durch die Annahme vom »Dritten Menschen« (ebd., 1 32 a) leiten zur Frage hin: wie denn das Eine an sich s elbst zu denken sei. 102 KrV, A 62 1 B 649 ff; A 685 B 7 1 3 .

Die Rechtfertigung der Einheit des >Zweckmäßig bestimmten Ganzen
Alls der Realität> [ . . . ] aus einer Idee entsprungen vorstellen«, wenn es mit der Vernünftig­ keit uns erer moralischen Zwecke vereinbar sein soll . 1 1 0 Und allein durch 110

Ebd., A 8 1 5/6 B 843/4.

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eine solche einheitsstiftende Idee kann auch die systematische Einheit des Denkens als dasj enige »FaktumPrinzipienwissenschaftzweckmäßig bestimmten Ganzen
> [ . . . ] nicht allein die Erweiterung aller zu dieser Natur gehöri­ gen wesentlichen Eigenschaften, welche unseren B egriff von derselben aus­ machen, bis zur vollständigen Kongruenz mit ihren Zwecken, welches un­ sere Idee der vollkommenen Menschheit sein würde, sondern auch alles, was außer diesem Begriffe zu der durchgängigen B estimmung der Idee ge­ höret; denn von allen entgegengesetzten Prädikaten kann sich doch nur ein einziges zu der Idee des vollkommensten Menschen schicken « .U 2 Die Idee der vollständigen Kongruenz der moralischen Zwecke mit den Zwecken der äußeren Natur ist der Idee freier Zwecksetzung somit eingeschrieben. Und darum erhält das frei setzende Vermögen menschlicher Handlungen auch nicht allein sein Maß in der Idee der Realisierung der Freiheit Aller in einem sich entfaltenden Gemeinwesen, sondern greift über die erstrebte Harmonie aller menschlichen Zwecke untereinander auf die Idee eines harmonischen Weltganzen selbst hinaus, in welchem die sittlichen mit den natürlichen Zwecken in Übereinstimmung gebracht werden können. Und eine solche >>vollständige zweckmäßige Einheit« ist es, die Kant >>Vollkommenheit (schlechthin betrachtet) « 1 1 3 nennt. Vollkommenheit in diesem Sinne bedeu­ tet aber für Kant nichts anderes als die Mannigfaltigkeit der gegebenen

112 113

Ebd., A 568 B 596. Ebd., A 694 B 722.

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Erscheinungen auf die Einheit des B egriffs von einem Weltganzen zu brin­ gen,1 14 so daß die Idee einer solchen Einheit in einem zweckmäßig organi­ sierten Ganzen zugleich den Begriff eines Systems erforderlich macht, durch welches der Zusammenhang des Weltganzen auch bestimmbar wird. Und auch wenn kein Begriff dieser Idee eines vollständig bestimmten Gan­ zen jemals kongruieren kann (>>Ich verstehe unter der Idee einen not­ wendigen Vernunftbegriff, dem kein kongruierender Gegenstand in den Sinnen gegeben werden kann«), 1 15 so bleibt sie notwendige regulative Idee aller Verstandeserkenntnis: Denn die >> [ ] größte systematische, folglich auch die zweckmäßige Einheit ist die Schule und selbst die Grundlage der Möglichkeit des größten Gebrauchs der Menschenvernunft. Die Idee der­ selben ist also mit dem Wesen unserer Vernunft unzertrennlich verbunden. Eben dieselbe Idee ist also für uns gesetzgebend und so ist es sehr natürlich, eine ihr korrespondierende gesetzgebende Vernunft (intellectus archetypus) anzunehmen, von der alle systematische Einheit der Natur als der Gegen­ stand uns erer Vernunft abzuleiten sei>weisen Plan des Ganzen>Die Metaphysik der spekulativen Vernunft ist nun das, was man im e n g e r e n Ve r s t a n d e Metaphysik zu nennen pflegt; so fern aber reine Sittenlehre doch gleichwohl zu dem besonderen Stamme menschlicher und zwar philosophischer Erkenntnis aus reiner Vernunft gehört, so wollen wir ihr j ene B enennung erhalten [ . . . ] zweckmäßig bestimmten Ganzen
>Randbedingungen« stel­ len die empirischen B edingungen bloß befördernde oder einschränkende Umstände ihrer Durchsetzung dar.

3.

Gründe möglicher Übereinstimmung von natürlichen und sittlichen Zwecken

Die auf Freiheit gründende moralisch-sittliche Ordnung kann aber nur dann auch ein erstrebenswertes Ziel unserer Handlungen sein, wenn wir durch diese auch in einen Einklang mit unserer inneren wie äußeren Natur gelangen können, wenn uns ein solches Streben in der Verwirklichung des obersten Gutes die erhoffte Glückseligkeit verspricht, durch die wir die Übereinstimmung uns erer Freiheit mit den B edingungen des Erfahrungs­ ganzen auch erreichen können. Daraus j edoch den Schluß zu ziehen, daß nun umgekehrt diese erwünschte und erhoffte Übereinstimmung unserer sinnlichen mit unserer sittlichen Natur selbst wiederum das entscheidende Motiv unserer moralischen Handlungen sein solle, machte die Geltung des Sittengebots von ihrem Erfolg oder Mißerfolg abhängig, wodurch Freiheit zugleich aufgehoben wäre. Insofern freie Selbstbestimmung aber die Durchsetzung der Freiheit aller erstrebt, kann sie den erwünschten Erfolg nicht zum Maß ihrer Handlungen machen, da die erreichte Glückseligkeit als erlebte Übereinstimmung unserer sinnlichen mit unseren sittlichen Zie­ len nicht auch ein Garant der Freiheit der anderen ist. Ein bloß subj ektiver Geltungsgrund des Sittengebots nämlich steht in Gefahr, dieses den will­ kürlichen und beliebigen Interessen der einzelnen auszuliefern, wodurch es seinen Status, als unbedingter Horizont aller moralischen Handlungen zu­ gleich der Garant der Freiheit aller zu sein, verlieren müßte. Dennoch aber, so begründet Kant die gleichzeitig notwendige Forderung der erstrebten Übereinstimmung unserer sittlichen mit unseren sinnlichen Zwecken, wären alle unsere sittlichen Gebote zwar Gegenstände der Aner­ kennung und B ewunderung, nicht aber wären sie Motiv genug, ihnen ge­ mäß sich zu verhalten, wenn mit ihrer Erfüllung nicht zugleich auch das Versprechen, die berechtigte Hoffnung auf ein glückseligen Leben verbun­ den wäre. 122 Als Ziel uns erer Hoffnungen kann die erstrebte Übereinstim122

Ebd., A 813 B 84 1 .

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mung unserer natürlichen mit unseren sittlichen Zwecken zugleich aber nur gelten, wenn eine s olche Hoffnung sich in diesem oder einem späteren Le­ ben auch erfüllen kann. Denn wären all unsere Hoffnungen auf eine Wirk­ lichkeit gerichtet, deren Gesetz den Bedingungen ihrer Erfüllung zugleich zuwider ist, so wären uns ere Hoffnungen ohne Grund und unser sittliches B emühen bliebe ohne Aussicht auf Erfolg. Die Suche nach den B edingungen möglicher Übereinstimmung der ei­ genen mit der Freiheit aller kann darum nicht allein auf die theoretische Vernunft (im Hinblick auf die Widerspruchsfreiheit der in ihr enthaltenen Erkenntnisse) oder aber auf die praktische Vernunft (im Hinblick auf die Idee der Übereinstimmung der Freiheit aller nach den Regeln des Sitten­ gebotes) beschränkt bleiben, sondern theoretische und praktische Vernunft müssen auch untereinander in Übereinstimmung stehen können, wenn unser sittliches Tun realisierbar und unsere Hoffnung auf ein glückseliges Leben auch erfüllbar sein sollen. So kann im Rahmen der praktischen Ver­ nunft nur ein Gesetzesbegriff zugrundegelegt werden, der mit der Bedin­ gung der menschlichen Freiheit wie dem Gesetz der erscheinenden Welt in Einklang gebracht werden kann; s o wie uns ere theoretische Vernunft nur einen Begriff des Weltganzen entfalten kann, wenn dieser auch mit der Kausalität aus Freiheit, den Möglichkeiten des Sittengebotes, in Überein­ stimmung stehen kann. Im Sinne Kants beruht darum die Annahme eines >ente originario< - nicht als >derivatumprincipium (non principiatum)< - auf dem Begriff von einem >unbedingten Prinziprealissimum< gedacht werden müsse, als ein >subjektiver Grund>die Möglichkeit der Dinge denklich« werde.123 Insofern nämlich die Vernunft selbst j ene Instanz sei, die bezogen auf all ihre Funktionen in theoretischer und praktischer Absicht mit sich selbst in Übereinstimmung stehen müsse, bedürfe es eines, wenn auch nur >>negativen allgemeinen Begriffs « von einem solchen >>unbedingten Prin­ zip « , damit die geforderte Kongruenz der natürlichen Gesetze mit dem Sittengebot auch möglich ist und die moralisch-praktischen Prinzipien der Vernunft auch obj ektive Realität gewinnen können. 124 Und ebensowenig darf das Gesetz der Freiheit der Kausalität nach dem Gesetz der er­ scheinenden Natur widerstreiten, wenn unser höchster natürlicher Zweck, die Glückseligkeit, mit unseren höchsten sittlichen Zwecken, der erstrebten Welt unter moralischen Gesetzen, harmonieren soll. Ebd., A 581 f. B 608 f. Was ein solches Wesen » [ . . ] an sich selbst sei, erforschen zu wollen, ist ein eben so zweckloser als vergeblicher Vorwitz.« (KdU, A 446 B 451 Fn.; A 459 B 465). 1 23 1 24

.

Die Rechtfertigung der Einheit des >Zweckmäßig bestimmten Ganzen
>Erste Phi­ losophie« oder aber als >>Metaphysik« bezeichnen kann.125 Denn allein in einer solchen Wissenschaft, die als Theorie der Einheit aller Vernunftzwek­ ke untereinander zugleich auch nach dem Grund dieser Einheit fragt, ist eine Analyse des Prinzips aller Prinzipien möglich, durch welches die Ein­ heit von Ethik und Erkenntnistheorie allererst auf Gründe gebracht werden kann. Allein j edoch durch die moralische Gesetzgebung in uns kann ein s olches zweckmäßiges Ganzes auf einen obersten Zweck bezogen werden, da wir an diesem Ganzen nur dann einen bestimmenden Anteil haben, wenn wir uns die Ordnung dieses Ganzen zu uns erem eigenen Zwecke machen und dadurch zugleich unser eigenes Menschsein in diesem zweckmäßig orga­ nisierten Ganzen vollenden. 126 Und eine solche durch Zwecke gesetzte Ordnung, die die gegebene Ordnung » auf moralische Gründe bringt«, kann aus der bloß vor-gegebenen eine aus Freiheit mögliche Ordnung machen und sich damit in dem vollenden, was Kant das »höchste abgeleitete Gut« genannt hat. Auch wenn nun dieses Ideal einer Welt unter moralischen

1 25

KrV, A 8 4 1 B 869. Vgl. zu diesem Ziel der kantischen Metaphysik: der Vollendung des Seins ganzen in einer Ordnung aus Zwecken: Kant, Refl. 4849, AA XVIII, S. 5-8. 1 26

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Gesetzen in der gegebenen, endlichen Welt unter begrenzten, konfligieren­ den Interessen niemals erreichbar ist, so muß es als höchs tes Maß und re­ gulative Idee unserer praktischen Vernunft unser Tun oder Lassen gleich­ wohl bestimmen können. Dies aber bedeutet, daß unser Handeln mit dem natürlich bestimmten Ganzen zwar kongruieren kann, diesem aber nicht unterworfen ist. Und damit eine solche Kongruenz, welche in all unserem moralischen Handeln bereits ihre Realität erweist, auch möglich ist, muß die äußere mit der inneren Natur auch innerlich übereinstimmen können. Damit aber eine solche innere Übereinstimmung überhaupt begreiflich ist, muß zugleich vorausgesetzt werden, daß die gegebene äußere Natur mit unserer inneren Natur auch wesensmäßig identisch ist. Dies aber hat für unseren Umgang mit der äußeren Natur, von der wir selbst ein Teil s ind, zur Folge, daß wir alle Natur so betrachten müssen, als wäre sie einem »weisen Plan« entsprungen. Denn die Integration unserer Zwecke in die gegebene Ordnung macht die Annahme notwendig, daß auch diese Ord­ nung selbst von Zwecken bestimmt wird, deren Prinzip nicht Naturkau­ salität, sondern Freiheit heißen muß. Und eine s olche auf Freiheit gegrün­ dete Ordnung macht dann auch die Idee eines »intelligiblen Ursprungs « erforderlich, >> [ . . ] wenn sie mit demjenigen Vernunftgebrauch, ohne wel­ chen wir uns selbst der Vernunft unwürdig halten würden, nämlich dem moralischen, als welcher durchaus auf der Idee des höchsten Guts beruht, zusammenstimmen soll«. 127 Darum aber dürfen nicht nur die zwecksetzen­ den menschlichen Wesen als Selbst-Zweck, sondern es muß die gesamte Natur so betrachtet werden, als habe sie ihren Zweck in sich selbst. Denn allein durch diese Idee eines >>weisen Urhebers« können wir uns die Inte­ gration unserer praktischen Zwecke in die gegebene Welt der Erscheinun­ gen selbst begreiflich machen. Und so, wie die Annahme intelligibler Ursachen im B ereich der äußere Natur auf einer Übertragung unserer eigenen Zwecke auf dieses gegebene Ganze beruht, so daß wir nur in einer sehr indirekten Weise von >>Natur­ zwecken> Geworfensein« in eine Welt durchgängiger Abhängigkeiten hinaus unseren Willen einer .

127

KrV, A 8 1 6 B 844.

Die Rechtfertigung der Einheit des >Zweckmäßig bestimmten Ganzen
[ . . . ] alle Naturforschung eine Richtung nach der Form eines Systems der Zwecke, und wird in ihrer höch­ sten Ausbreitung Physikotheologie. Diese aber, da sie doch von sittlicher Ordnung, als einer dem Wesen der Freiheit gegründeten und nicht durch äußere Gebote zufällig gestifteten Einheit anhob, bringt die Zweckmäßig­ keit der Natur auf Gründe, die a priori mit der inneren Möglichkeit der Dinge unzertrennlich verknüpft sein müssen und dadurch auf eine tran­ szendentale Theologie, die sich das Ideal der höchsten ontologischen Voll­ kommenheit zu einem Prinzip der systematischen Einheit nimmt, welches nach allgemeinen und notwendigen Naturgesetzen alle Dinge verknüpft, weil sie alle in der absoluten Notwendigkeit eines einigen Urwesens ihren Ursprung haben.«131 Wie nämlich, so lautet die Frage zu der hier ausgeführten Antwort, könnte die Einheit all unserer praktischen mit unseren theoretischen Be­ strebungen vorgestellt werden, wenn dieser nicht auch ein einfaches, intel­ ligibles Prinzip zugrundeläge, das die Integration vernünftiger Zwecke in die Welt gegebener Erscheinungen möglich machte ? Und wie könnte unser freier zwecksetzender Wille eine Welt aus intelligiblen Gesetzen schaffen, läge ihm nicht ein »einiger oberster Wille« als der Grund der Übereinkunft all unserer verschiedenen Willen zugrunde ? Denn im Sittengebot wird angenommen, daß die j e verschiedenen Willen der handelnden Wesen auch untereinander übereinstimmen können, wenn die Erfüllung des Sittlichkeitsgebots nicht ohne Aussicht auf Erfolg bleiben soll. Darum kann der Grund der Einheit der Willen aller in der erstrebten

Ebd., A 8 1 6 B 844; zur Idee einer transzendentalen Theologie vgl. ferner: Kant, Refl . 5528, AA XVI II, S. 209. 131

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Welt unter moralischen Gesetzen nur auf einem einigen Prinzip beruhen, das nach Analogie zu einer einfachen, freien, zwecksetzenden Intelligenz die Übereinstimmung uns erer freien Zwecksetzungen im System aller sitt­ lichen Zwecke garantieren kann. Und s o kann dieses oberste Prinzip nicht allein als ein intelligibles Prinzip gelten, wenn es zugleich auch der Grund der Einheit unserer höchsten sittlichen Zwecke genannt werden soll: Denn bezogen auf seine Funktion als Garant der Einheit der Willen aller im Sit­ tengebot kann zugleich angenommen werden, daß es sich als ein einfacher, unbedingter Wille durch die Willen aller Einzelnen hindurch auch realisie­ ren läßt, da diese selbst bereits im Sittengebot unter die Einheit Eines Wil­ lens gebracht sind. Die geforderte Übereinstimmung unserer subj ektiven Handlungsmaximen mit den Bedingungen einer allgemeinen Gesetzgebung setzt nämlich ein solches einfaches Subs trat voraus, das - analog der Einheit der Apperzeption im B ereich der theoretischen Vernunft - die Überein­ stimmung unseres eigenen Willen mit dem Willen aller auch möglich ma­ chen kann. Denn für die praktische Vernunft gilt wie für die theoretische Vernunft gleichermaßen, daß alle Notwendigkeit auf einem transzendentalen Prinzip beruhen muß, wenn sie als Notwendigkeit auch eingesehen werden soll. Das Sittengebot als das Postulat der Übereinstimmung der Willen aller und zugleich als ein Faktum der Vernunft, durch das unsere Freiheit sich objek­ tiviert, bliebe nämlich ohne ein Substrat seiner Möglichkeit, würde der po­ tentiellen Übereinstimmung aller Willen nicht Ein gemeinsamer Wille zu­ grundeliegenden, als dessen Ausdruck das Sittengebot selbst aufgefaßt wer­ den kann. Denn es gäbe diese Einheit unserer Willen im Sittengebot nicht, gäbe es nicht auch ein transzendentales Prinzip, das diese Einheit begreiflich machen kann. Da es sich im Sittengebot aber um ein Faktum der Vernunft handelt, das durch seine Existenz bereits seine Möglichkeit bewiesen hat, s o gehört d i e Annahme eines intelligiblen, einfachen Urwesens als Grund und Urbild der freien Selbstbestimmung sittlich handelnder Wesen zu den not­ wendigen Postulaten unserer reinen praktischen Vernunft. Insofern nämlich im Sittengebot ein universeller Bestimmungsgrund aller Einzelwillen ge­ schaffen ist, die Vielfalt unserer Willen somit bereits unter ein einheitliches Gesetz gebracht sind, so kann dieses selbst wiederum nur als der Ausdruck eines einigen Willens aufgefaßt werden, der sich im Willen der Vielen als Einheit setzt und damit allererst die Idee der Einen Welt unter moralischen Gesetzen denkbar macht.

Die Rechtfertigung der Einheit des >Zweckmäßig bestimmten Ganzen< 2.

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Das höchste abgeleitete Gut als Endzweck der erstrebten moralischen Ordnung

Im Ideal einer Welt der wohl-proportionierten Harmonie zwischen Sinn­ lichem und Sittlichem können wir eine s olche Einheit von Natur und Frei­ heit, Geist und Natur bereits als vollzogen unterstellen und als das » höchste abgeleitete Gut« auch zum Leitziel unserer Handlungen machen. Darum führt nach Kant »[ . . . ] diese systematische Einheit der Zwecke in dieser Welt der lntelligenzen, welche obzwar, als bloße Natur, nur Sinnenwelt, als ein System der Freiheit aber intelligible, d.i. moralische Welt (regnum gra­ tiae) genannt werden kann, [ . . ] unausbleiblich auch auf die zweckmäßige Einheit aller Dinge, die dieses große Ganze ausmachen, nach allgemeinen Naturgesetzen, so wie die erstere nach allgemeinen und notwendigen Sit­ tengesetzen, und vereinigt die praktische mit der spekulativenTranseendental Arguments< und transzen­ dentales Denken. Hg. v. Eva Schaper u. Wilhelm Vossenkuhl. Stuttgart (= Deut­ scher Idealismus Bd. 9). Schnädelbach, H. (Hg.) 1 984 = Rationalität. Philosophische Beiträge. Hg. v. H. Schnädelbach, F rankfurt/M. Schwabe, K-H. Schwabe u. M. Thom, (Hg.) 1 993 = Naturzweckmäßigkeit und äs­ thetische Kultur. Studien zu Kants Kritik der Urteilskraft, hg. v. K.-H. Schwabe und M. Thom, St. Augustin. Tuschling, B. (Hg.) 1 984 = Probleme der » Kritik der reinen Vernunft«. Kam-Tagung Marburg 1 98 1 . Hg. v. Burkhard Tuschling. Berlin, New York. Walker, C.S. (Hg.) 1 982 = Walker, Ralph C.S. (Hg.), Kant on Pure Reason, London. Wippern, J. (Hg.) 1 972 = Das Problem der ungeschriebenen Lehre Platons. Beiträge zum Verständnis der platonischen Prinzipienphilosophie, Hg. v. Jürgen Wippern, Darmstadt.

II. Weitere Literatur Adolphi, Rainer, 1 99 1 , »Die Probleme heutiger Rationalitätstheorien - können wir von Kant konzeptionell lernen ?«, in: Funke, G. (Hg.) 1 99 1 , Akten 11.2, S. 653671 . Agosta, Louis, 1 9 8 1 , »Kants Problem of die Existence of die External World: Hi­ storical, Systematic, Critical«, in: Funke, G. (Hg.) 1 9 8 1 , Teil l . l , S. 3 8 7-394. Albrecht, Michael, 1 9 8 1 , »Der Deist und der Theist (KrV B 659-66 1 ) « , in: Funke, G. (Hg.) 1 9 8 1 , Teil l . l , S. 475-485. Ameriks, Kar!, 1 98 1 , »Kant's First Paralogism«, in: Funke, G. (Hg.) 1 9 8 1 , Teil l . l , s . 485-493. Andersen, Svend, 1 983, Ideal und Singularität. Über die Funktion des Gottesbegriffs in Kants theoretischer Philosophie. New York, Berlin. Anderson-Gold, Sharon, 1 99 1 , »The Good Disposition and the Highest Good (The Social Dimensions of Moral Life)«, in: Funke, G. (Hg.) 1 9 9 1 , Akten Il.2, S. 229237. Anscombe, Elisabeth, 1 98 1 , »Die erste Person«, in: Bieri, P. (Hg.) 1 9 8 1 , S. 222-243 . Anzenbacher, Arno, 1 98 1 , »Zur Bedeutung synthetisch-apriorischer Sätze i n der theoretischen und in der praktischen Philosophie«, in: Erfahrungsbezogene Ethik, hg. v. Valemin Zsifkovits u. Rudolf Weiler, Berlin. Apel, Karl-Otto, (Hg.) 1 976, Transformation der Philosophie, Bd. 1, Sprachanalytik, Semiotik, Hermeneutik, Frankfurt/M.

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