Die Trostschriften des Ambrosius von Mailand: Consolatio mortis im Denken der Spätantike 3161606663, 9783161606663

Am Übergang von der heidnischen Antike zur christlichen Spätantike rangen die Menschen mit unterschiedlichen Deutungsmus

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Die Trostschriften des Ambrosius von Mailand: Consolatio mortis im Denken der Spätantike
 3161606663, 9783161606663

Table of contents :
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Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
I. Der Missionar, der Codex und der Tod
II. Vorüberlegungen
1. Thematik
2. Quellen zur consolatio mortis
3. Forschungsüberblick
4. Methodik
5. Aufbau
III. Ein Bischof zwischen römischer Tradition und Christentum: Ambrosius von Mailand
1. Herkunft und soziokultureller Hintergrund
2. Der Bischof und seine Gemeinde in Mailand
3. Der Tod des Ambrosius
A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis
I. Todesvorstellungen und Trost in der antiken Tradition
1. Tod und Trost im Denken der antiken Philosophie
2. Die argumentative Struktur der consolatio mortis
II. Die Jenseitstopographie des Ambrosius
1. Der leibliche Tod des Menschen
2. Die unteren Regionen der Himmel: Der Lufthimmel und der Fixsternhimmel
3. Das Prüfungs- bzw. Reinigungsfeuer
4. Das Paradies
5. Der Hades
6. Die Auferstehung der Körper und das allgemeine Gericht
7. Das Königreich der Himmel
8. Die Hölle
9. Zusammenfassung
III. Der Traktat über den Tod: De bono mortis
1. Einleitung
2. Der Sitz im Leben von de bono mortis: Der katechetische Unterricht
3. Zeitgeschichtlicher und situativer Hintergrund
4. Inhalt und Argumentation
4.1 Ist der Tod ein Übel? (bon. mort. 1,1 – 2)
4.2 Die drei Gattungen des Todes (bon. mort. 2,3 – 7)
4.3 Die imitatio mortis im Leben (bon. mort. 3,8 – 12)
4.4 Der Tod als Straffolge und Ende der Sünde (bon. mort. 4,13 – 15)
4.5 Die Vereinigung von Seele und Logos (bon. mort. 5,16 – 21)
4.6 Die Seele als Herrscherin über den Körper (bon. mort. 6,22 – 7,29 / 30)
4.7 Die Strafen nach dem Tod (bon. mort. 8,31 – 8,37)
4.8 Das Wesen der unsterblichen Seele (bon. mort. 9,38 – 10,44)
4.9 Der Zwischenzustand (bon. mort. 10,45 – 10,47)
4.10 Der processus claritatis (bon. mort. 11,48 – 51)
4.11 Das Land der Lebendigen (bon. mort. 12,52 – 54)
4.12 Der Aufstieg durch Christus (bon. mort. 12,55 – 57)
5. Zusammenfassung
B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis
I. Die erste Leichenrede für Satyrus: De excessu fratris Satyri liber primus
1. Einleitung
2. Zielsetzung
3. Zeitgeschichtlicher und situativer Hintergrund
4. Inhalt und Argumentation
4.1 Das allgemeine Los der Sterblichkeit
4.2 Der Tod als Befreiung von Leid und Sünde
4.3 Das Fortleben des Verstorbenen
5. Zusammenfassung
II. Die Rede über die Auferstehung: De excessu fratris Satyri liber secundus
1. Einleitung
2. Zielsetzung
3. Inhalt und Argumentation
3.1 Die Ablehnung der Trauer angesichts des Todes (exc. Sat. 2,3 – 34)
3.1.1 Die allgemeine Sterblichkeit (exc. Sat. 2,3 – 6)
3.1.2 Der rechte Umgang mit Trauer (exc. Sat. 2,7 – 20)
3.1.3 Der Tod als Ruhe von den Mühen des Lebens (exc. Sat. 2,21 – 34)
3.2 Der Tod als ein Gut (exc. Sat. 2,35 – 49)
3.2.1 Die drei Gattungen des Todes (exc. Sat. 2,35 – 37)
3.2.2 Der natürliche Tod unter der Voraussetzung der mors mystica (exc. Sat. 2,38 – 49)
3.3 Die Beweisgründe für die Auferstehung (exc. Sat. 2,50 – 89)
3.3.1 Universitatis exemplum (exc. Sat. 2,53 – 65)
3.3.2 Testimonia rei gestae (exc. Sat. 2,66 – 86)
3.3.3 Ratio (exc. Sat. 2,52.88)
3.3.4 Decorum (exc. Sat. 2,89 – 131)
3.4 Die conclusio (exc. Sat. 2,132 – 135)
4. Zusammenfassung
III. Die exemplarische Darstellung des Todes Gratians: De obitu Gratiani (exp. Ps. 61,16 – 27)
1. Einleitung
2. Zielsetzung
3. Zeitgeschichtlicher und situativer Hintergrund
4. Die Darstellung der Ermordung Gratians in de obitu Gratiani
4.1 Die Einführung des exemplum des Gratian (exp. Ps. 61,16 – 19)
4.2 Die Ermordung Gratians in Analogie zur Passion Christi (exp. Ps. 61,20 – 23)
4.3 Die Anklage der beteiligten Personen (exp. Ps. 61,24 – 26)
5. Trostargumente
5.1 Gratians Tod als imitatio Christi
5.2 Die Rache Gottes für die Ermordung
6. Zusammenfassung
IV. Die Leichenrede für Kaiser Valentinian II.: De obitu Valentiniani
1. Einleitung
2. Zielsetzung
3. Zeitgeschichtlicher und situativer Hintergrund
4. Die Umstände des Todes des Valentinian II. in der Diskussion
4.1 Der Tod Valentinians II. – Mord oder Suizid
4.2 Die Bewertung des Suizids in der Antike
4.2.1 Die Bewertung des Suizids als gesellschaftliches Phänomen
4.2.2 Die Bewertung des Suizids in der antiken Philosophie
4.2.3 Die Bewertung des Suizids in der christlichen Tradition
4.2.4 Die Bewertung des Suizids in den Werken des Ambrosius
4.3 Zusammenfassung
5. Die Leichenrede de obitu Valentiniani als Reaktion auf den Suizid des Kaisers
5.1 Der lexikalische Befund der Beschreibung des Todes
5.2 Die assoziative Darstellung des Todes als mors immatura in Analogie zu Christi Passion
5.3 Die Begierdentaufe Valentinians II. als kompensierendes Konstrukt
5.4 Die Darstellung des Todes in Parallelität und Abgrenzung zur Ermordung Gratians
5.5 Die Bedeutung Gratians als advocatus Valentinians II. im Paradies
6. Das Fehlen Valentinians II. in der Leichenrede de obitu Theodosii
7. Zusammenfassung
V. Die Leichenrede für Kaiser Theodosius: De obitu Theodosii
1. Einleitung
2. Zielsetzung
3. Zeitgeschichtlicher und situativer Hintergrund
4. Die Rede de obitu Theodosii als politisches Instrument der Loyalitätsverpflichtung
4.1 Die rechtliche Grundlegung der Nachfolge der Kaisersöhne Honorius und Arcadius
4.2 Die Kompensation des Jugendalters der Nachfolger
4.3 Die repraesentatio Theodosii als Garantie gegenseitiger Loyalität
4.4 Die Kreuzauffindungslegende in ob. Theod. 41 – 51 als Ätiologie der Reichsreliquien
4.4.1 Die Kreuzauffindungslegende: Der Inhalt der ambrosianischen Version
4.4.2 Die Kreuzauffindungslegende: Interpretation
5. Die Rede de obitu Theodosii als Ersatz für die Konsekration des Kaisers
5.1 Vorbemerkung: Die consecratio der römischen Kaiser bis Theodosius
5.1.1 Die consecratio in vorkonstantinischer Zeit
5.1.2 Die consecratio in nachkonstantinischer Zeit
5.2 Die Terminologie der consecratio in de obitu Theodosii
5.3 Die Darstellung des Theodosius als Märtyrer
5.4 Die den Tod des Theodosius begleitenden prodigia
5.5 Der Aufstieg des Theodosius in das Königreich der Himmel
5.6 Die Interzessorenrolle des Theodosius
5.7 Die damnatio memoriae der Usurpatoren Maximus und Eugenius
5.8 Die postmortale Existenz in der domus Augustana
5.9 Der triumphale adventus des Kaisers
6. Die Rede de obitu Theodosii als protreptische Rede
6.1 Vorbemerkung: Die Werbung für das Christentum als pastorales Anliegen des Ambrosius
6.1.1 Die Protreptik
6.1.2 Die Struktur des Publikums und der Gemeinde in Mailand
6.2 Der gläubige Kaiser als Vorbild und Schützling Gottes
6.3 Der Glaube des Theodosius
6.4 Die Überbietung der Philosophie durch den Inhalt des christlichen Glaubens
6.5 Die Darstellung der gratia Dei
6.6 Die Zusage der Taufgnade
6.7 Die christliche Deutung von Tod und Jenseits
6.8 Die Kreuzauffindungslegende als Teil der Heilsgeschichte
7. Zusammenfassung
VI. Die Trostbriefe
1. Die Briefsammlung des Ambrosius
2. Die Gattung des Trostbriefes
VII. Der Trostbrief zum Tod des Bischofs Acholius: Epistula 51 (15)
1. Einleitung
2. Zielsetzung
3. Zeitgeschichtlicher und situativer Hintergrund
4. Inhalt und Argumentation
4.1 Der Briefbeginn (ep. 51,1 – 2)
4.2 Acholius sanctus – Der Trost in der Heiligkeit des Verstorbenen (ep. 51,3 – 4)
4.3 Raptus est nobis murus fidei – Klage und Lob (ep. 51,5)
4.4 Helisaei intus imitatorem degere – Acholius als neuer Elisa (ep. 51,5 – 9)
4.5 Discipulus imitatione – Die Nachfolge des Acholius (ep. 51,9 – 14)
4.6 Briefschluss (ep. 51,14)
4.7 Die Antwort an Anysius (ep. 52)
5. Zusammenfassung
VIII. Der Trostbrief an Faustinus: Epistula 8 (39)
1. Einleitung
2. Zielsetzung
3. Inhalt und Argumentation
3.1 Exhortatio (ep. 8,1 – 4)
3.2 Consolatio (ep. 8,5 – 8)
4. Zusammenfassung
C. Konturen einer Theologie des Trostes
I. Trost als allgemein anthropologisches Bedürfnis
II. Trost angesichts der soteriologischen Dimension des Todes
III. Trost im Tod als eschatologischer Übergang
IV. Der tröstende Prediger als politischer Akteur
Anhang: Zeittafel
Literaturverzeichnis
I. Quellen
1. Ambrosius
1.1 Editionen
1.2 Übersetzungen
2. Biblische Schriften
3. Inschriften
4. Werke christlicher Autoren
5. Werke nichtchristlicher Autoren
II. Hilfsmittel
III. Sekundärliteratur
Stellenregister
Autorenregister
Personen- und Sachregister

Citation preview

Studien und Texte zu Antike und Christentum Studies and Texts in Antiquity and Christianity Herausgegeber / Editors Christoph Markschies (Berlin) · Martin Wallraff (München) Christian Wildberg (Pittsburgh) Beirat / Advisory Board Peter Brown (Princeton) · Susanna Elm (Berkeley) Johannes Hahn (Münster) · Emanuela Prinzivalli (Rom) Jörg Rüpke (Erfurt)

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Florian Durner

Die Trostschriften des Ambrosius von Mailand Consolatio mortis im Denken der Spätantike

Mohr Siebeck

Florian Durner, geboren 1987; Studium der Ev. Theologie, der Lateinischen Philologie und der Erziehungswissenschaften in Erlangen, München und Rom; 2014–2019 Promotionsstudent und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Theologischen Fakultät der Friedrich-SchillerUniversität Jena; 2019 Promotion; seit 2021 im Bayerischen Schuldienst. orcid.org / 0000‑0002‑1493‑0095

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. ISBN 978‑3‑16‑160666‑3 / eISBN 978‑3‑16‑160667‑0 DOI  10.1628 / 978‑3‑16‑160667‑0 ISSN 1436‑3003 / eISSN 2568‑7433 (Studien und Texte zu Antike und Christentum) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ biblio­graphie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021  Mohr Siebeck Tübingen.  www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Laupp und Göbel in Gomaringen aus der Minion gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden. Printed in Germany.

parentibus meis

Vorwort Die vorliegende Monographie ist die geringfügig überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Sommersemester 2019 von der Theologischen Fakultät Jena angenommen wurde. Voller Dankbarkeit blicke ich auf die vielfältige Unterstützung, die im Hintergrund dieses Buches stand und das Gelingen meines Dissertationsprojekt und die vorliegende Veröffentlichung ermöglichte. An erster Stelle möchte ich mich bei meiner Betreuerin Frau Prof. Dr. Katharina Bracht bedanken, die die Arbeit mit fachkundigen Impulsen und konstruktiver Kritik begleitet hat. Mein Dank gilt auch dem Zweitgutachter der Arbeit, Herrn Prof. Dr. Christopher Spehr. Er hat über Epochengrenzen hinweg mit wertvollen Hinweisen mein wissenschaftliches Vorankommen unterstützt. Besonders bedanken möchte ich mich bei den Herausgebern Herrn Prof. Dr. Christoph Markschies (Berlin), Herrn Prof. Dr. Martin Wallraff (München) und Herrn Prof. Dr. Christian Wildberg (Pittsburgh) für die Aufnahme in die Reihe der „Studien und Texte zu Antike und Christentum“ sowie bei den Mitarbeitern des Verlags Mohr Siebeck für die freundliche Betreuung und die Unterstützung bei der Drucklegung, vor allem Elena Müller und Tobias Stäbler, der mir nicht nur in Jena ein guter Freund und Gesprächspartner war. Der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern sowie der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften gilt mein großer Dank für den Druckkostenzuschuss. In den langen Jahren der Entstehung und Fertigstellung der Arbeit haben mich zahlreiche Kollegen und Freunde begleitet, ermutigt und unterstützt. Zuerst sei Herrn Dr. Matthias Daufratshofer (Münster) genannt, der als katholischer Kirchenhistoriker und Latinist viele Seiten des Manuskripts kritisch gelesen hat und für all meine Fragen offen war. Für die Ermutigung, stets weiter zu denken und zu diskutieren möchte ich Frau Dr. Barbara Bushart (Leipzig) danken, die mit analytischem und kritischem Geist manches Argument geprüft hat. Mein großer Dank gilt Frau Dr. Katharina Wörn (Jena). Mit vielen Anmerkungen und in zahlreichen Gesprächen über Sprache, Geschichte und Theologie hat sie meine Arbeit mit Ambrosius begleitet. Herrn Nikolaus Koch (Kiel) danke ich für viele Reisen in die antike Welt und das römische Recht. Danken möchte ich Herrn PD Dr. Ralph Hennings (Oldenburg), der mit viel patristischer Expertise meinen Blick auf manches Argument geschärft hat. Meinen langjährigen Kollegen in Jena, Frau Maria Poppitz und Herrn Dipl.-

VIII

Vorwort

Theol. Karl-Christoph Goldammer sowie PD Dr. Roland Lehmann, möchte ich für viele Ratschläge und die persönliche Unterstützung danken. Die letzten Schritte von der Abgabe bis zur Drucklegung hat meine Partnerin Gesa Lienhop begleitet. Für ihre Hilfe und Kraft in dieser Zeit bin ich mehr als dankbar. Mein größter Dank schließlich gilt meinen Eltern, die mich stets ermutigt haben, meinen Weg zu gehen. Ihnen sei dieses Buch gewidmet. Wien, Dezember 2020

Florian Durner

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

I. Der Missionar, der Codex und der Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Thematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Quellen zur consolatio mortis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Forschungsüberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3 3 5 7 15 17

III. Ein Bischof zwischen römischer Tradition und Christentum: Ambrosius von Mailand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Herkunft und soziokultureller Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Bischof und seine Gemeinde in Mailand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Tod des Ambrosius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19 19 24 28

A.  Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis . . . . . . . . . . . . . . .

33

I.  Todesvorstellungen und Trost in der antiken Tradition . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

1. Tod und Trost im Denken der antiken Philosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die argumentative Struktur der consolatio mortis . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35 37

II.  Die Jenseitstopographie des Ambrosius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

1. Der leibliche Tod des Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die unteren Regionen der Himmel: Der Lufthimmel und der Fixsternhimmel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Prüfungs- bzw. Reinigungsfeuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das Paradies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39 40 41 44

X

Inhaltsverzeichnis

5. Der Hades . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Auferstehung der Körper und das allgemeine Gericht . . . . . . . . . . . 7. Das Königreich der Himmel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Die Hölle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46 48 51 56 59

III.  Der Traktat über den Tod: De bono mortis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Sitz im Leben von de bono mortis: Der katechetische Unterricht . . 3. Zeitgeschichtlicher und situativer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Inhalt und Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Ist der Tod ein Übel? (bon. mort. 1,1 – 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Die drei Gattungen des Todes (bon. mort. 2,3 – 7) . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Die imitatio mortis im Leben (bon. mort. 3,8 – 12) . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Der Tod als Straffolge und Ende der Sünde (bon. mort. 4,13 – 15) . 4.5 Die Vereinigung von Seele und Logos (bon. mort. 5,16 – 21) . . . . . . 4.6 Die Seele als Herrscherin über den Körper (bon. mort. 6,22 – 7,29 / 30) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7 Die Strafen nach dem Tod (bon. mort. 8,31 – 8,37) . . . . . . . . . . . . . . 4.8 Das Wesen der unsterblichen Seele (bon. mort. 9,38 – 10,44) . . . . . 4.9 Der Zwischenzustand (bon. mort. 10,45 – 10,47) . . . . . . . . . . . . . . . . 4.10 Der processus claritatis (bon. mort. 11,48 – 51) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.11 Das Land der Lebendigen (bon. mort. 12,52 – 54) . . . . . . . . . . . . . . . 4.12 Der Aufstieg durch Christus (bon. mort. 12,55 – 57) . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61 62 66 70 70 72 76 78 82 88 92 94 97 103 110 112 114

B.  Praktische Anwendungen der consolatio mortis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 I.  Die erste Leichenrede für Satyrus: De excessu fratris Satyri liber primus . . . . 119 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zeitgeschichtlicher und situativer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Inhalt und Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Das allgemeine Los der Sterblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Der Tod als Befreiung von Leid und Sünde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Das Fortleben des Verstorbenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

119 121 125 129 131 134 135 139

Inhaltsverzeichnis

XI

II.  Die Rede über die Auferstehung: De excessu fratris Satyri liber secundus . . 141 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Inhalt und Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Die Ablehnung der Trauer angesichts des Todes (exc. Sat. 2,3 – 34) 3.1.1 Die allgemeine Sterblichkeit (exc. Sat. 2,3 – 6) . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Der rechte Umgang mit Trauer (exc. Sat. 2,7 – 20) . . . . . . . . . 3.1.3 Der Tod als Ruhe von den Mühen des Lebens (exc. Sat. 2,21 – 34) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Der Tod als ein Gut (exc. Sat. 2,35 – 49) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Die drei Gattungen des Todes (exc. Sat. 2,35 – 37) . . . . . . . . . 3.2.2 Der natürliche Tod unter der Voraussetzung der mors mystica (exc. Sat. 2,38 – 49) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Die Beweisgründe für die Auferstehung (exc. Sat. 2,50 – 89) . . . . . . 3.3.1 Universitatis exemplum (exc. Sat. 2,53 – 65) . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Testimonia rei gestae (exc. Sat. 2,66 – 86) . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Ratio (exc. Sat. 2,52.88) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4 Decorum (exc. Sat. 2,89 – 131) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Die conclusio (exc. Sat. 2,132 – 135) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

141 144 147 148 149 151 155 157 157 160 163 164 169 173 175 179 180

III.  Die exemplarische Darstellung des Todes Gratians: De obitu Gratiani (exp. Ps. 61,16 – 27) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zeitgeschichtlicher und situativer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Darstellung der Ermordung Gratians in de obitu Gratiani . . . . . . . . 4.1 Die Einführung des exemplum des Gratian (exp. Ps. 61,16 – 19) . . . 4.2 Die Ermordung Gratians in Analogie zur Passion Christi (exp. Ps. 61,20 – 23) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Die Anklage der beteiligten Personen (exp. Ps. 61,24 – 26) . . . . . . . 5. Trostargumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Gratians Tod als imitatio Christi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Die Rache Gottes für die Ermordung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

183 184 185 190 190 191 195 198 199 200 204

IV.  Die Leichenrede für Kaiser Valentinian II.: De obitu Valentiniani . . . . . . . . 206 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 2. Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 3. Zeitgeschichtlicher und situativer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208

XII

Inhaltsverzeichnis

4. Die Umstände des Todes des Valentinian II. in der Diskussion . . . . . . . . 4.1 Der Tod Valentinians II. – Mord oder Suizid . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Die Bewertung des Suizids in der Antike . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Die Bewertung des Suizids als gesellschaftliches Phänomen 4.2.2 Die Bewertung des Suizids in der antiken Philosophie . . . . . 4.2.3 Die Bewertung des Suizids in der christlichen Tradition . . . 4.2.4 Die Bewertung des Suizids in den Werken des Ambrosius . . 4.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Leichenrede de obitu Valentiniani als Reaktion auf den Suizid des Kaisers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Der lexikalische Befund der Beschreibung des Todes . . . . . . . . . . . 5.2 Die assoziative Darstellung des Todes als mors immatura in Analogie zu Christi Passion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Die Begierdentaufe Valentinians II. als kompensierendes Konstrukt 5.4 Die Darstellung des Todes in Parallelität und Abgrenzung zur Ermordung Gratians . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Die Bedeutung Gratians als advocatus Valentinians II. im Paradies 6. Das Fehlen Valentinians II. in der Leichenrede de obitu Theodosii . . . . . 7. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

214 214 217 217 219 220 223 226 228 229 231 234 237 239 243 246

V.  Die Leichenrede für Kaiser Theodosius: De obitu Theodosii . . . . . . . . . . . . . . 249 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zeitgeschichtlicher und situativer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Rede de obitu Theodosii als politisches Instrument der Loyalitätsverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Die rechtliche Grundlegung der Nachfolge der Kaisersöhne Honorius und Arcadius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Die Kompensation des Jugendalters der Nachfolger . . . . . . . . . . . . 4.3 Die repraesentatio Theodosii als Garantie gegenseitiger Loyalität . . 4.4 Die Kreuzauffindungslegende in ob. Theod. 41 – 51 als Ätiologie der Reichsreliquien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1 Die Kreuzauffindungslegende: Der Inhalt der ambrosianischen Version . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2 Die Kreuzauffindungslegende: Interpretation . . . . . . . . . . . . . 5. Die Rede de obitu Theodosii als Ersatz für die Konsekration des Kaisers 5.1 Vorbemerkung: Die consecratio der römischen Kaiser bis Theodosius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1 Die consecratio in vorkonstantinischer Zeit . . . . . . . . . . . . . . 5.1.2 Die consecratio in nachkonstantinischer Zeit . . . . . . . . . . . . . 5.2 Die Terminologie der consecratio in de obitu Theodosii . . . . . . . . . .

249 250 252 259 259 260 262 263 264 266 272 273 273 274 278

Inhaltsverzeichnis

5.3 Die Darstellung des Theodosius als Märtyrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Die den Tod des Theodosius begleitenden prodigia . . . . . . . . . . . . . 5.5 Der Aufstieg des Theodosius in das Königreich der Himmel . . . . . 5.6 Die Interzessorenrolle des Theodosius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7 Die damnatio memoriae der Usurpatoren Maximus und Eugenius 5.8 Die postmortale Existenz in der domus Augustana . . . . . . . . . . . . . 5.9 Der triumphale adventus des Kaisers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Rede de obitu Theodosii als protreptische Rede . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Vorbemerkung: Die Werbung für das Christentum als pastorales Anliegen des Ambrosius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.1 Die Protreptik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.2 Die Struktur des Publikums und der Gemeinde in Mailand 6.2 Der gläubige Kaiser als Vorbild und Schützling Gottes . . . . . . . . . . 6.3 Der Glaube des Theodosius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Die Überbietung der Philosophie durch den Inhalt des christlichen Glaubens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Die Darstellung der gratia Dei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6 Die Zusage der Taufgnade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.7 Die christliche Deutung von Tod und Jenseits . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.8 Die Kreuzauffindungslegende als Teil der Heilsgeschichte . . . . . . . 7. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XIII 280 282 283 288 289 290 294 295 295 295 296 298 300 301 302 305 306 307 309

VI.  Die Trostbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 1. Die Briefsammlung des Ambrosius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 2. Die Gattung des Trostbriefes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 VII.  Der Trostbrief zum Tod des Bischofs Acholius: Epistula 51 (15) . . . . . . . . 317 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zeitgeschichtlicher und situativer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Inhalt und Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Der Briefbeginn (ep. 51,1 – 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Acholius sanctus – Der Trost in der Heiligkeit des Verstorbenen (ep. 51,3 – 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Raptus est nobis murus fidei – Klage und Lob (ep. 51,5) . . . . . . . . . 4.4 Helisaei intus imitatorem degere – Acholius als neuer Elisa (ep. 51,5 – 9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Discipulus imitatione – Die Nachfolge des Acholius (ep. 51,9 – 14) 4.6 Briefschluss (ep. 51,14) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7 Die Antwort an Anysius (ep. 52) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

317 317 318 320 320 321 323 323 327 330 331 333

XIV

Inhaltsverzeichnis

VIII.  Der Trostbrief an Faustinus: Epistula 8 (39) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Inhalt und Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Exhortatio (ep. 8,1 – 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Consolatio (ep. 8,5 – 8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

335 336 336 336 340 347

C.  Konturen einer Theologie des Trostes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 I.  Trost als allgemein anthropologisches Bedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 II.  Trost angesichts der soteriologischen Dimension des Todes . . . . . . . . . . . . . 351 III.  Trost im Tod als eschatologischer Übergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 IV.  Der tröstende Prediger als politischer Akteur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 Anhang: Zeittafel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 I. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ambrosius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Editionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Übersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Biblische Schriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Inschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Werke christlicher Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Werke nichtchristlicher Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

359 359 359 359 360 361 361 363

II. Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 III. Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 Autorenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 Personen- und Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400

Abkürzungsverzeichnis Die Werke des Ambrosius werden folgendermaßen abgekürzt: Abr. bon. mort. Cain. ep. ep. extra coll. exam. exc. Sat. exh. virg. exp. Luc. exp. Ps. exp. Ps. 118 fid. Hel. Iac. incarn. Iob et Dav. Ios. Is. myst. Nab. Noe ob. Theod ob. Val. off. paen. par. sacr. spir. vid. virg. virginit.

de Abraham de bono mortis de Cain et Abel epistulae epistuale extra collectionem Exameron de excessu fratris Satyri exhortatio virginitatis Expositio evangelii secundum Lucam Explanatio Psalmorum XII Expositio Psalmi CXVIII de fide libri V ad Gratianum Augustum de Helia et ieiunio de Iacob et vita beata de incarnationis dominicae sacramento de interpellatione Iob et David de Ioseph de Isaac vel anima de mysteriis de Nabuthae de Noe de obitu Theodosii de obitu Valentinani / liber de consolatione Valentiniani de officiis de paenitentia de paradiso de sacramentis de spiritu sancto de viduis de virginibus de virginitate

Die Werke griechischer christlicher Autoren werden abgekürzt nach Geoffrey William Hugo Lampe (Hg.), A Patristic Greek Lexicon, Oxford, 1961. Die Werke griechischer paganer Autoren werden abgekürzt nach Henry George Liddell / Robert Scott (Hg.), A  Greek-English Lexicon, New Edition Revised and Augmented throughout by Henry Stuart Jones with the Assistance of Roderick McKenzie,

XVI

Abkürzungsverzeichnis

Oxford, 1958. Die lateinischen Werke werden abgekürzt nach dem Index librorum scriptorum inscriptionum ex quibus exempla afferuntur des Thesaurus Linguae Latinae, Leipzig 21990. Alle weiteren Abkürzungen richten sich nach Siegfried M. Schwertner, IATG3 – Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete. Zeitschriften, Serien, Lexika, Quellenwerke mit bibliographischen Angaben, 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Berlin / Boston 2014.

Einleitung omnifariam igitur mors bonum est Ambrosius, bon. mort. 4,13

I. Der Missionar, der Codex und der Tod Winfrid Bonifatius, aufgrund seiner Missionstätigkeit im heidnischen Germanien auch Apostel der Deutschen genannt, nahm im Jahr 753 die Anstrengung einer Reise nach Friesland auf sich, um die dortigen Heiden zu missionieren. In der Nähe der niederländischen Stadt Dokkum wurden er und seine Begleiter am 5. Juni 754 von heidnischen Räubern überfallen und getötet.1 In der vita altera Bonifatii aus dem frühen neunten Jahrhundert schildert ein anonymer Presbyter aus Utrecht die Ermordung des 80‑jährigen Bonifatius: „Als ich mich in genau der Gegend danach erkundigte, ob ich noch etwas schreiben könnte, da erreichte mich die Kunde, dass noch eine Frau am Leben sei, allerdings schon sehr altersschwach, die unter Eid behauptete, dass sie bei der Enthauptung dieses Kämpfers Christi zugegen gewesen war. Sie sagte, dass Bonifatius, als er mit dem Schwert geschlagen wurde, einen heiligen Evangelien-Codex auf sein Haupt gelegt hat, um darunter den Schlag abzufangen und im Tode den Schutz des Buches zu besitzen, dessen Lektüre er im Leben so sehr geliebt hatte. Mit Bonifatius wurden aber auch seine Schüler in der Nähe eines Ortes namens ­Dokkum getötet.“2

Noch heute kann man im Domschatz zu Fulda den Codex betrachten, der in der Tradition als Berührungsreliquie des Bonifatius verehrt wurde. Deutlich sind vier Einkerbungen – am oberen und unteren Schnitt sowie auf dem Buchdeckel – zu 1   Vgl. Theodor Schieffer, Winfrid-Bonifatius und die christliche Grundlegung Europas, Freiburg i. Br. 1954, 272 – 257 und Gereon Becht-Jördens, Die Ermordung des Erzbischofs Bonifatius durch die Friesen. Suche und Ausgestaltung eines Martyriums aus kirchenpolitischer Notwendigkeit?, AMRhKG 57 (2005), 95 – 132. 2   Vita altera Bonifatii auctore Radbodo qui dicitur episcopo Traiectensi, cap. 16, in: Vitae Sancti Bonifatii archiepiscopi Moguntini, ed. Wilhelm Levison, MGH. Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum 57, Hannover / Leipzig 1905, 73: Michi autem in eadem regione sciscitanti de eo, si quid scribere possem, relatum est adhuc superstitem esse quandam mulierem, sed iam valde decrepitam, que iureiurando asserebat, se decollationi militis Christi fuisse presentem, dicebatque quod cum gladio feriendus esset, sacrum ewangelium codicem capiti suo imposuerit, ut sub eo ictum percussoris exciperet eiusque presidium haberet in morte, cuius lectionem dilexerat in vita. Perempti sunt autem et discipuli eius cum eo in loco qui Dockinga dicitur [. . .].

2

Einleitung

erkennen, die als Folgen der Schwerthiebe der Räuber gedeutet wurden. Bei diesem aus dem achten Jahrhundert stammenden Codex Ragyndrudis handelt es sich aber, entgegen der Darstellung der Augenzeugin in der vita altera, keineswegs um ein Evangeliar, sondern um eine Sammlung exegetischer, apologetischer und dogmatischer Schriften.3 Was hat Bonifatius an diesem Buch, „dessen Lektüre er im Leben so sehr geliebt hatte“, so gefallen, wenn es sich nicht um das Leben Jesu, sondern in erster Linie um eine Auswahl antiarianischer Werke handelte? Eine mögliche Antwort könnte in dem Traktat liegen, der die Seiten 62r bis 96r einnimmt: Eingebettet zwischen dem Decretum Gelasianum und einer Liste der Apostel- und Evangelistengräber findet sich die Schrift des Ambrosius, des spätantiken Bischofs von Mailand, über den Tod: de bono mortis. Ambrosius bietet dem Leser in diesem Traktat eine Relativierung des Lebens als Existenz voller Leid und eine Relativierung des Todes als Übergang ins Paradies. In der Tradition der antiken Gattung der consolatio entwirft Ambrosius eine Therapie der Trauer und der Furcht angesichts des Todes. Demnach muss der Mensch den Tod nicht mehr fürchten, sondern kann ihn als allgemeines Schicksal anerkennen, als Heilmittel gegen die Widrigkeiten der Welt erbitten und als rettenden Übergang ins ewige Leben erhoffen. Der Codex Ragyndrudis rettete Bonifatius zwar nicht das Leben, die Lektüre des Traktats de bono mortis aber stellte ihm ein anderes Leben in Aussicht und schuf möglicherweise in tröstender Absicht den für Bonifatius dann gangbaren Weg ins Martyrium. Da der Codex Ragyndrudis mit großer Sicherheit Teil der Reisebibliothek des Bonifatius war,4 in der dieser theologische und homiletische Schriften zur Vorbereitung seiner Predigten transportierte, ist davon auszugehen, dass der Missionar auch Ambrosius’ Traktat de bono mortis aufmerksam gelesen hat. Bonifatius führte damit auf seiner Missionsreise ein Werk mit sich, mit dem Ambrosius ein ähnliches Anliegen verfolgte wie der mittelalterliche Bischof, nämlich pastoral und missionarisch auf Zuhörer bzw. Leser einzuwirken. In de bono mortis setzt Ambrosius am universalen Problem des Todes an, um Menschen verschiedener Hintergründe – christlicher und heidnischer – zu trösten, ihnen eine Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod zu geben und ihnen somit eine neue Identität in Christus vor Augen zu stellen. Die alten Götter und Kulte aufgeben und sich zu Christus bekennen – diese Botschaft verbindet Ambrosius und Bonifatius. Für den mittelalterlichen Missionar musste de bono mortis wie eine Brücke wirken, die in eine andere Zeit und eine andere Kultur führt. Aus der antiken Ferne spra-

3   Vgl. Lutz E. von Padberg, Bonifatius und die Bücher, in: Ders. / Hans-Walter Stork (Hgg.), Der Ragyndrudis-Codex des hl. Bonifatius. Kommentar, Paderborn 1994, 7 – 75. 4   Dies wird neuerdings wieder aufgrund der Annahme der Beschädigung des Codex im Rahmen der Nagelung vertreten, die als heidnisches Ritual fremde heilige Gegenstände unwirksam machen wollte, vgl. Rüdiger Kurth, Die Nagelung des Codex Ragyndrudis. Neue Aspekte zum Tod des Bonifatius, AMRhKG 62 (2010), 9 – 14.

II. Vorüberlegungen

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chen Platon, Cicero, Seneca und Plotin zu ihm, als wären sie Koautoren des Ambrosius gewesen. Bonifatius traf auf die philosophische Deutung des Todes als Trennung von Körper und Seele, er lernte platonische Beweise der Unsterblichkeit der Seele kennen und begegnete der plotinischen Darstellung des Seelenaufstiegs. Doch beim weiteren Lesen musste Bonifatius auch die christliche Verarbeitung jener philosophischen Vorstellungen erkennen: Ambrosius lehrt den Tod als Gottes heilsame Antwort auf den Sündenfall. Befreit vom Leid der Welt kann die Seele zu Gott aufsteigen, wo sie paradiesische Freuden genießt. Die Furcht vor dem Tod ist dem Leser genommen, da Christus selbst den Tod auf sich nahm. Er schuf dadurch einen Tod, der das eigentliche Leben darstellt, nämlich den mystischen Tod durch die Taufe. Mit der Lektüre des Traktats de bono mortis konnte Bonifatius anerkennen, was Ambrosius postuliert: „Der Tod ist in jeder Hinsicht ein Gut.“ Diese besondere Trostbotschaft angesichts des Todes, die consolatio mortis des Ambrosius von Mailand, prägte nicht nur die mittelalterliche ars moriendi und konnte nicht nur noch Jahrhunderte später den Missionar Bonifatius im Tod stärken. Sie stellte vor allem eine Reaktion auf historische Gegebenheiten und ein pastorales Anliegen des spätantiken Bischofs angesichts der heterogenen Gesellschaft des ausgehenden vierten Jahrhunderts dar. Es ist das Proprium des Ambrosius, dass er als Prediger zu den Lesern seiner Werke spricht: als pastoraler Theologe, dem das Wohl, die salus, aber auch die Einstellung seiner Gemeinde am Herzen liegt. Trost ist dabei ein, wenn nicht das Mittel der Seelenheilung wie der Empfehlung des Christentums. Die Überwindung der Sterblichkeit, die Hoffnung der Auferstehung angesichts der Hoffnungslosigkeit des Todes, die Brücke zwischen dem diesseitigen Leben und dem, wie es in Phil 1,23 heißt, „Sein mit Christus“. Es sind dies die ureigensten Fragen des Menschen und die Antworten des christlichen Glaubens, die den Rahmen dieser Arbeit bilden, dem antiken Bischof beim Umgang mit dem Tod über die Schulter zu schauen das Ziel – sei es bei der Selbsttröstung, bei der Tröstung einer Gemeinde oder des gesamten Reichs.

II. Vorüberlegungen 1. Thematik Das Christentum der Spätantike stand an einem Wendepunkt der Kirchengeschichte. Für Theologen des vierten Jahrhunderts stellte sich die Herausforderung, zwischen dem Streben nach Inkulturation und der Notwendigkeit einer Ausdifferenzierung der Lehre zu vermitteln. Mit Ambrosius von Mailand (333 / 34 – 397) kommt dabei eine Person in den Blick, die auf vielfache Weise eine solche Vermittlerposition einnimmt. Die vorliegende kirchengeschichtliche Studie widmet sich dem besonderen Thema des Todestrosts, mit dem Ambrosius einerseits Erwartungen erfüllt, andererseits eigene Ziele verfolgt.

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Einleitung

An der Nahtstelle von römischer Tradition und christlicher Religion, von Philosophie und Theologie, von griechischer und lateinischer Sprache bietet Ambrosius eine Metamorphose des Todes, indem er die Todesvorstellungen und ‑deutungen antiker Philosophen aufgreift und in den christlichen Horizont überführt. Dabei nutzt Ambrosius das literarische Phänomen der Trostschrift, der consolatio. Im engeren Sinne bezeichnet der Gattungsbegriff consolatio den Trost im Sinne einer literarischen Verarbeitung eines konkreten Trauerfalls. Im weiteren Sinne aber umfasst die consolatio die Darlegung tröstender Argumente ohne besonderen Anlass.5 Die Besonderheit der consolatio mortis im Werk des Ambrosius zeigt sich in den verschiedenen Anforderungen, die der Tröster erfüllen muss. Ambrosius reagiert mit jeder konsolatorischen Schrift auf die entsprechende historische Situation und versucht, multifunktional auf seine Zuhörer einzuwirken. In den Trostwerken des Ambrosius findet sich daher eine spezifische Synthese aus Philosophie, Theologie und Kirchenpolitik. In Ambrosius’ Erklärung der für den Christen unterschiedlichen Tode und in seiner Vorstellung eines den Menschen erwartenden Jenseits stehen heidnischphilosophische und christlich-theologische Konzepte oft nebeneinander. Dieses Verhältnis wird bisweilen als „unverbunden“ bezeichnet.6 Gegen dieses Urteil vertritt die vorliegende Arbeit die These, dass das Neben- und Ineinander unterschiedlicher Gedanken eine bewusste Strategie des Ambrosius ist. Die Studie setzt bei der Frage an, wie Ambrosius mit der Situation des Todes im allgemeinen und konkreten Fall umgeht, und wie er den Trost einsetzt, um ein heterogenes Publikum anzusprechen. An theoretischen Schriften zeigt sich einerseits, wie Ambrosius in der Verchristlichung der traditionellen Argumente auf ein missionarisches Instrumentarium zurückgreift, das Zuhörern den Weg in einen nachvollziehbaren Glauben eröffnen soll. Daneben kommen Schriften mit historisch-pragmatischer Intention in den Blick. Angesichts des Todes der spätantiken Kaiser Gratian, Valentinian II. und Theodosius zeigt sich, wie Ambrosius als (kirchen‑)politische Instanz den jeweiligen Tod in der historischen Situation deutet, und wie der Trost der Angehörigen und Nachfolger die politische Lage prägen sollte. 5  Vgl. Cic. tusc.  3,33,81: Tractatum est autem a nobis id genus aegritudinis, quod unum est omnium maxumum, ut eo sublato reliquorum remedia ne magnopere quaerenda arbitraremur. sunt enim certa, quae de paupertate certa, quae de vita inhonorata et ingloria dici soleant [. . .]. – „Wir haben aber die Art der Trauer behandelt, die unter allen die schlimmste ist (sc. die Trauer über den Tod von Verwandten bzw. Bekannten), sodass ich glaube, dass wir nach den Heilmitteln der übrigen, nicht so schlimmen, suchen müssen. Es gibt nämlich bestimmte Aspekte, die man angesichts der Armut, und bestimmte, die man angesichts eines Lebens ohne Ehre und Ruhm zu sagen pflegt [. . .].“ Vgl. dazu auch Rudolf Kassel, Untersuchungen zur griechischen und römischen Konsolationsliteratur, Zet. 18, München 1958, 3: „Konsolatorische Schriften sind im engeren Sinne solche, die bei konkret gegebenem Trauerfall abgefaßt werden in der Absicht, den Betroffenen von seinem Schmerz zu befreien oder wenigstens seine Betrübnis zu mindern; im weiteren Sinne zählen zu ihnen Schriften, die ohne solchen unmittelbaren Anlaß dem Leser gegen Widrigkeiten verschiedenster Art die passenden gedanklichen Hilfen vermitteln sollen.“ 6  Ernst Dassmann, Die Frömmigkeit des Kirchenvaters Ambrosius von Mailand, MBT  29, Münster 1965, 225.

II. Vorüberlegungen

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2. Quellen zur consolatio mortis Zum Grundbestand der christlichen Religion gehört die radikale Umdeutung eines universalen menschlichen Schicksals, nämlich des Todes.7 Noch im vierten Jahrhundert kollidierte die Botschaft des Neuen Testaments mit den heidnischen Todesvorstellungen, was zu einer intensiven Behandlung der Todesthematik in einigen konsolatorischen Werken des Ambrosius führte. Diese spezifischen Schriften stellen das Zentrum der vorliegenden Arbeit dar und sollen im Folgenden kurz in chronologischer Abfolge genannt und historisch verortet werden: de excessu fratris Satyri liber primus (CSEL 73:207 – 251)8 und de excessu fratris Satyri liber secundus / de resurrectione9 (CSEL 73:251 – 325) Die zwei Leichenreden für seinen Bruder hielt Ambrosius wohl im Jahr 378, nachdem Satyrus an einer Krankheit verstorben war. Beide Reden fanden vermutlich auf dem Vorplatz der basilica ambrosiana in Mailand mit Blick auf das Grabmal des Bruders, wohl vor einem großen, heterogenen Publikum, statt. epistula 51 (15; CSEL 72,2:60 – 67)10 Der Trostbrief richtet sich an die Bischöfe der Provinz Macedonien und den Klerus der Stadt Thessaloniki und reagiert auf den Tod des Bischofs Acholius von Thessaloniki, der im Zeitraum der Jahre 382 / 83 verstorben ist. Gemeinsam mit ep. 51 (15) wird auch der damit eng verwandte Brief 52 (16) behandelt, mit dem sich Ambrosius an den Nachfolgekandidaten des Acholius auf dem Bischofsstuhl, Anysius, wendet. de obitu Gratiani (exp. Ps. 61,16 – 27; CSEL 64:387 – 394) In der Auslegung von Ps 6111 (exp. Ps. 61) findet sich in den Kapiteln 16 bis 27 eine Aufarbeitung des Todes des Kaisers Gratian, der 383 im Rahmen der Usurpation des  7   Vgl. etwa Joh 11,25 f. Zu den divergierenden Interpretationen des Todes im Neuen Testament vgl. Manuel Vogel, Der Tod im Neuen Testament vor dem Hintergrund antiker ars moriendi, in: Ulrich Volp (Hg.) Tod, UTB 4887, Tübingen 2018, 57 – 115.  8   Die zitierten Quellentexte richten sich stets nach den im Literaturverzeichnis aufgeführten kritischen Editionen. Sämtliche Übersetzungen der lateinischen und griechischen Quellen stammen vom Autor.  9   Die zweite Leichenrede für Satyrus wird zwar von der späteren Überlieferung und der modernen Forschung unter dem Titel de excessu fratris Satyri liber secundus geführt, Michaela Zelzer konnte allerdings nachweisen, dass Ambrosius selbst als ursprünglichen Titel de resurrectione gewählt hat. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden Textstellen aus der Rede mit der gängigen Abkürzung exc. Sat. 2 bezeichnet. 10   Die Zählung der ambrosianischen Briefe erfolgt im Weiteren nach der Ausgabe der CSEL 82 von Michaela Zelzer, die der alten Mauriner-Zählung vorzuziehen ist. Aufgrund der Verwendung der Mauriner-Zählung in der älteren Forschung wird in Klammern stets die entsprechende Nummer des Briefes mit angegeben. 11   Die Nummerierung von Ps 61 erfolgt, wie die Bezeichnung sämtlicher Psalmen in der vorliegenden Untersuchung, nach der griechischen Zählung, die in der Septuaginta und der Vulgata

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Einleitung

Magnus Maximus ermordet wurde. Erst die Überlieferung erkannte die konsolatorische Absicht dieses Abschnittes und tradierte das Textstück als de obitu Gratiani neben den anderen Kaiserreden. de bono mortis (CSEL 32,1:703 – 753) Der Traktat über das Gute am Tod bzw. das Gut des Todes ist der einzige theoretische Traktat über den Tod im Werk des Ambrosius. Er baut auf zwei Predigten auf, die Ambrosius in den Jahren 388 bis 390 im Rahmen der katechetischen Ausbildung der Taufbewerber in Mailand gehalten hat. Der Traktat bietet die Lehre vom dreifachen Tod und die Schilderung der jenseitigen Existenz und stellt somit eine mit vor allem neuplatonistischen Konzepten konkurrierende Auseinandersetzung mit dem Tod dar. de obitu Valentiniani / liber de consolatione Valentiniani12 (CSEL 73:327 – 367) Ambrosius hielt wohl im August 392 die Leichenrede für Kaiser Valentinian II. in Mailand, möglicherweise im Rahmen einer liturgischen Feier unter Anwesenheit der Schwestern des verstorbenen Herrschers. Dieser war am 15. Mai 392 erhängt in seinen Gemächern in Vienne aufgefunden worden, wobei unklar ist, ob der Heermeister Arbogast, der den hilflosen Kaiser als Marionette benutzte, diesen ermorden ließ, oder ob Valentinian II. Suizid beging. epistula 8 (39; CSEL 82,1:66 – 70) In dem zweiten Trostbrief aus seinem Œuvre wendet sich Ambrosius tröstend und mahnend an einen engen Freund namens Faustinus, der den Tod seiner Schwester betrauert. Der Brief kann auf den Zeitraum der Jahre 394 bis 397 datiert werden. de obitu Theodosii (CSEL 73:369 – 401) Am 25. Februar 395 hielt Ambrosius in Mailand die Leichenrede für Kaiser Theodosius, der bereits am 17. Januar 395 an einer Krankheit verstorben war. Im Rahmen einer Gedenkfeierlichkeit in Mailand richtet sich Ambrosius mit der Rede an ein breites, heterogenes Publikum. Insbesondere das versammelte Heer, den Beamtenstab und den Nachfolger des Kaisers Theodosius, seinen elfjährigen Sohn Honorius, spricht Ambrosius an. Im Anschluss an die Rede wurde der Leichnam des Kaisers zum Begräbnis nach Konstantinopel überführt. gebraucht wird. In hebräischer Zählung, nach der sich auch die späteren und modernen Übersetzungen richten, handelt es sich somit also um Ps 62. 12   Michaela Zelzer hat auch für die Leichenrede für Valentinian II. nachweisen können, dass der eigentliche von Ambrosius intendierte Titel liber de consolatione Valentiniani lautet, vgl. ­Michaela Zelzer, Zur frühen Verbreitung der Werke des Ambrosius und zu ihren authentischen Titeln, StPatr 40 (2006), 315 – 324, 319 f. und dies., Zur Überlieferung und Rezeption der Kaiserreden des Ambrosius im Mailänder Raum, in: Benoît Gain / Pierre Jay / Gérard Nauroy (Hgg.), Chartae caritatis. Études de patristique et d’antiquité tardive en hommage à Yves-Marie Duval. Collection des études augustiniennes, Série antiquité 173, Paris 2004, 113 – 125, 117. Da jedoch der überwältigende Teil der Forschung immer noch von dem Titel de obitu Valentiniani ausgeht, soll zur besseren Lesbarkeit der gängige Titel und die dazugehörige Abkürzung ob. Val. genutzt werden.

II. Vorüberlegungen

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Eine weitere Schrift könnte dieser Auswahl hinzugefügt werden: die Grabinschrift für Sextus Claudius Petronius Probus, (ICUR, n. s. II 4219b = CIL 6, 1756 [31922] = CE 1347), an dessen Grabmal in der konstantinischen Petersbasilika in Rom.13 In der kondensierten Form des anonymen Grabepitaphs werden hier theologische Gedanken formuliert, die den theologischen Motiven der Trostschriften des Ambrosius nahestehen.14 Trotz der ähnlichen Semantik und der Tatsache, dass Ambrosius ein Vertrauter des Probus war, ist eine Verfasserschaft des Ambrosius nicht gesichert, weswegen die Inschrift in der vorliegenden Studie nicht berücksichtigt wird.15 3. Forschungsüberblick Mag auch Ambrosius von Mailand nicht der prominenteste der Kirchenväter sein und vor allem hinter seinem Täufling Augustinus zurückstehen, so ist dennoch die Forschungsliteratur über den Kirchenvater, der als wichtigster Bischof Italiens im späten vierten Jahrhundert angesehen wird, überaus vielfältig. Unter der biographischen Literatur ist die zweibändige Biographie von Frederick H. Dudden16 immer noch als grundlegend anzusehen. Neben der Darstellung von Leben und Hintergründen bietet sie eine Zusammenstellung der ambrosianischen Werke und eine Übersicht der theologischen Themen. Aus jüngerer Vergangenheit ist vor allem die Arbeit von Neil B. McLynn17 zu nennen, der eine Beschreibung des Bischofs im Kontext der Mailänder Gesellschaft und des Kaiserhofes zu verdanken ist. Die Zusammenfassung seiner intensiven Beschäftigung mit Ambrosius stellt Ernst Dassmann18 in seiner 2004 erschienene Biographie dar. 13   Petronius Probus wurde im Zeitraum von 330 und 333 geboren und stieg zu einem der bedeutendsten Männer des Imperiums auf. Er durchlief den cursus honorum, war viermal Praetorianerpraefekt der Stadt Rom und im Jahr 371 gemeinsam mit Gratian Konsul. Nach der Erhebung des Maximus und dem Tod Gratians 383 fungierte Probus als Vormund des Valentinian II. Möglicherweise hatten auch in dieser Phase Probus und Ambrosius engeren Kontakt durch ihren gemeinsamen Schützling. Vgl. dazu Otto Seeck, Art. Petronius Probus, RE 1,2 (1894), 2205 – 2007. 14   Probus, so berichtet der Biograph Paulinus in vit. Ambr. 5, kannte Ambrosius und machte ihn, den aufstrebenden Anwalt, im Jahr 370 zum Berater in Sirmi, wo sich Probus zu der Zeit meist aufhielt. 15   In der Diskussion um die Verfasserschaft votiert Manfred Schmidt, Ambrosii carmen de obitu Probi. Ein Gedicht des Mailänder Bischofs in epigraphischer Überlieferung, Hermes 127 (1999), 99 – 116 für Ambrosius. Dagegen sind Dennis Trout, The Verse Epitaph(s) of Petronius Probus. Competitive Commemoration in Late-Fourth-Century Rome, New England Classical Journal 28 (2001), 157 – 176 und Philippe Bruggisser, Ambroise lapicide. L’évêque de Milan a‑t‑il composé le second poème de l’épitaphe de Probus et Proba?, in: Jean-Yves Guillaumin (Hg.), Autour de Lactance. Hommages à Pierre Monat, Besançon 2003, 79 – 98. 16   Frederick H. Dudden, The Life and Times of St. Ambrose, Oxford 1935. 17   Neil B. McLynn, Ambrose of Milan. Church and Court in a Christian Capital. The Transformation of the Classical Heritage 22, Berkeley u. a. 1994. 18  Ernst Dassmann, Ambrosius von Mailand. Leben und Werk, Stuttgart 2004. Als weitere biographische Entwürfe sind zu nennen: Angelo Paredi, Saint Ambrose. His Life and Times, übs. v. M. Joseph Costelloe, Notre Dame, IN. 1964; Cesare Pasini, Ambrogio di Milano. Azione e pensiero

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Einleitung

In der Beschäftigung mit Ambrosius wird insbesondere seit der Arbeit von Hans von Campenhausen19 vor allem seine kirchengeschichtliche bzw. ‑politische Bedeutung beleuchtet. Allein zu seiner Rolle in der Kirchenbuße des Theodosius finden sich unzählige Monographien und Aufsätze, die das Verhältnis der beiden Protagonisten untersuchen.20 Auch wenn die Episode, in der Bischof Ambrosius dem Kaiser den Zugang zur Kirche verwehrt, das Bild beider Personen lange prägte, ist heute von einer radikalen Unterwerfung des Kaisers nicht mehr die Rede. Vielmehr geht Hartmut Leppin21 davon aus, dass Theodosius den Umgang mit dem selbstbewussten und sich selbst überschätzenden Bischof und dessen Einfluss auf die kaiserlichen Angelegenheiten reduziert hat. Zahlreiche weitere Veröffentlichungen skizzieren das Verhältnis von Kaiser und Bischof bzw. von Staat und Kirche am Beispiel des Ambro­sius. Exemplarisch sei hier Jörg Ernesti genannt, der das Theodosius-Bild des Ambrosius mit anderen antiken Quellen vergleicht.22 Seit McLynn auf die Bedeutung des Selbstverständnisses des Ambrosius als senatorischer Bischof hingewiesen hat, finden sich zudem immer mehr Untersuchungen zur episkopalen und pastoralen Autorität des Ambrosius. Zu nennen sind hier vor allem die Beiträge von Rita Lizzi23. In dem Bereich der kirchenpolitischen Bedeutung trägt die vorliegende Arbeit mit der Untersuchung der Rede de obitu Theodosii dazu bei, das Verständnis des christlichen Kaisers als Heiligen der Kirche zu erhellen. Im Brief zum Tod des Acholius wird dagegen der Versuch der Installation des von Ambrosius favorisierten monastischen Bischofstypus herausgearbeitet.

di un vescovo, Cinisello Balsamo 1996 (engl. Übersetzung: Cesare Pasini, Ambrose of Milan. Deeds and Thoughts of a Bishop, Staten Island, N. Y. 2013); John Moorhead, Ambrose. Church and Society in the Late Roman World, London / New York 1999. 19   Hans von Campenhausen, Ambrosius von Mailand als Kirchenpolitiker, AKG 12, Berlin u. a. 1929. 20   Zur Thessaloniki-Affäre und der darauffolgenden Kirchenbuße des Theodosius vgl. Frank Kolb, Der Bußakt von Mailand. Zum Verhältnis von Staat und Kirche in der Spätantike, in: Hartmut Boockmann (Hg.), Geschichte und Gegenwart. Festschrift für Karl Dietrich Erdmann, Neumünster 1980, 41 – 74. 21  Hartmut Leppin, Ein Bischof redet dem Kaiser ins Gewissen. Ambrosius und Theodosius, in: Mariano Delgado / Volker Leppin / David Neuhold (Hgg.), Ringen um die Wahrheit. Gewissenskonflikte in der Christentumsgeschichte, Studien zur christlichen Religions- und Kulturgeschichte 15, Stuttgart 2011, 83 – 94. Vgl. auch Leppins Beurteilung des Verhältnisses zwischen Bischof Ambrosius und Kaiser Theodosius in ders., Theodosius der Große. Auf dem Weg zum christlichen Imperium, Darmstadt 2003, besonders 161. 22  Jörg Ernesti, Princeps christianus und Kaiser aller Römer. Theodosius der Große im Lichte zeitgenössischer Quellen, PaThSt 25, Paderborn 1998. Zu nennen wären hier auch Francesco Braschi, La figura imperiale nel de obitu Theodosii di Ambrogio di Milano. Elaborazione concettuale e novità delle forme espressive, ScC 125 (1997), 823 – 920. 23  Rita Lizzi, Vescovi e strutture ecclesiastiche nella città tardoantica (l’Italia Annonaria nel IV – V secolo d. C.), Biblioteca di Athenaeum 9, Como 1989; dies., The Late Antique Bishop. Image and Reality, in: Jutta Raithel / Philip Rousseau (Hgg.), A Companion to Late Antiquity, Chichester, U. K. / Malden, MA. 2009, 525 – 538; dies., Ambrose’s Contemporaries and the Christianization of Northern Italy, JRS 80 (1990), 156 – 173.

II. Vorüberlegungen

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Die Rolle des „Kirchenfürsten“ Ambrosius wurde in der Geschichte wie in der Forschungsliteratur allerdings so einseitig rezipiert, dass sich das von Hieronymus geprägte Bild des Bischofs lange Zeit gehalten hat: malui alieni operis interpres exsistere, quam (ut  quidam faciunt) informis cornicula, alienis me coloribus adornare. legi dudum cuiusdam libellos de spiritu sancto: et iuxta comici sententiam ex graecis bonis, latina vidi non bona.24 Hieronymus kritisiert die Übersetzungsleistung des Ambro­sius scharf und bezeichnet ihn als unkreativen, innovationslosen Plagiator, der sich mit fremden Federn schmückt. Dem folgt auch die Einschätzung von Martin Schanz25, der Ambrosius als unfähigen Theologen darstellt, der sich allein in kirchenpolitischen und praktischen Belangen hervorgetan hat. Dieses Bild lässt sich durch die jüngere Forschung revidieren. Spätestens seit der Untersuchung zur Frömmigkeit des Ambrosius von Ernst Dassmann26 aus dem Jahr 1965, die die religiöse Wirksamkeit des Kirchenvaters beleuchtet, wird Ambrosius auch als Theologe gewürdigt. Nach Dassmann lässt sich in Ambrosius’ Biographie eine Verschiebung der Interessen erkennen. Nach einer engen Bindung an die alttestamentliche Exegese des Philo in der ersten Schaffensphase (374 – 387 / 88) zeigt sich in der zweiten Phase (387 / 88 – 397) Ambrosius’ Hinwendung zur Hoheliedexegese auf der Basis der Auslegungen des Hippolyt und des Origenes sowie eine starke Beeinflussung durch den Neuplatonismus Plotins. Im Anschluss an diese Erkenntnisse kam es zu weiteren Veröffentlichungen, die der theologischen Bedeutung des Ambrosius nachgehen. Zu nennen seien hier zum einen Werke, die sich dem exegetischen Schaffen des Ambrosius widmen, so etwa die Dissertation von Thomas Graumann27, der am Lukaskommentar die innovative, auf einer spezifischen ChristusHermeneutik aufbauende, exegetische Arbeit des Ambrosius aufzeigt. Zum anderen

24  Hier. praef. in Didym. de spir. sanct.: „Ich wollte lieber ein Übersetzer eines fremden Werks sein als (wie manche das tun) mich wie eine hässliche Krähe mit fremden Farben schmücken. Ich habe vor langem sein (sc. Ambrosius’) Büchlein über den heiligen Geist gelesen. Und, nach dem Spruch des Komödiendichters, ich habe aus gutem Griechisch (erg. übertragen) kein gutes Latein erkannt.“ 25   Vgl. vor allem das negative Urteil von Martin Schanz, Geschichte der römischen Literatur. Teil 4. Bd. 1: Die Literatur des vierten Jahrhunderts, München 1914, 362 f.: „Zur Schriftstellerei fehlen dem Ambrosius wesentliche Eigenschaften: er ist kein spekulativer Kopf und besitzt keine Originalität der Gedanken; seine Abhängigkeit von den Quellen, besonders von Philon und Basilius, ist eine außerordentlich starke.“ 26   Dassmann, Die Frömmigkeit des Kirchenvaters Ambrosius von Mailand. MBT 29, Münster 1965. Dassmann differenziert natürlich zwischen Frömmigkeit und Theologie, aber er kann dennoch die Vielfalt in beiden Themenbereichen aufzeigen. In diesen Bereich fällt die theologische Entfaltung dogmatischer Themen in den ambrosianischen Hymnen, vgl. dazu Alexander Zerfass, Mysterium mirabile. Poesie, Theologie und Liturgie in den Hymnen des Ambrosius von Mailand zu den Christusfesten des Kirchenjahres, Tübingen 2008. 27  Thomas Graumann, Christus interpres. Die Einheit von Auslegung und Verkündigung in der Lukaserklärung des Ambrosius von Mailand, PTS 41, Berlin 1994. Zum Bereich der Allegorese ist zudem Christoph Jacob, „Arkandisziplin“, Allegorese, Mystagogie. Ein neuer Zugang zur Theologie des Ambrosius von Mailand, Theoph 32, Frankfurt a. M. 1990 zu nennen.

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Einleitung

finden sich zahlreiche theologiegeschichtliche Untersuchungen, unter denen vor allem die Studie von Christoph Markschies28 zur Einordnung der ambrosianischen Trinitätstheologie in die Streitigkeiten um das Nizänum hervorzuheben ist. Dieser Hochschätzung der theologischen Arbeit des Ambrosius folgt auch die vorliegende Studie, indem sie die innovativen theologischen Argumentationen in den Trostschriften herausstellt. Im Bereich der theologiegeschichtlichen Würdigung sind für die vorliegende Arbeit die Beiträge zur Todesthematik von besonderem Interesse. Neben philologischen Studien zur Gattung der consolatio und zur Gestaltung antiker Leichenreden,29 in denen vor allem Ambrosius’ Reden für Satyrus und die Kaiser Valentinian II. und Theodosius als erste erhaltene christliche Leichenreden der lateinischen Literaturgeschichte thematisiert werden, bietet Johannes Niederhuber30 in seiner zu Beginn des 20. Jahrhunderts erschienenen Studie zur Eschatologie des Ambrosius immer noch grundlegende theologische Überlegungen. Niederhubers Beitrag ist vor allem aufgrund der Beachtung des Gesamtwerkes ein für das Verständnis der ambro­sianischen Todesvorstellung unverzichtbares Werk. Diesem wird als Ergänzung die vorliegende Arbeit vor allem hinsichtlich der Herausarbeitung der – bei Niederhuber nicht beachteten – missionarisch-pastoralen und historisch-pragmatischen Intentionen zur Seite gestellt. Neben der Rolle als Kirchenpolitiker und als Theologe wird Ambrosius als Erbe der römischen Tradition am Ende des vierten Jahrhunderts von der Forschung in den Blick genommen. Gerade durch den Aufschwung des Interesses an der Spätantike als Epoche, die bis vor wenigen Jahrzehnten als Verfallszeit angesehen wurde, wird Ambrosius aufgrund seiner zentralen Stellung an der Schnittstelle von Heidentum und Christentum untersucht.31 Einerseits wird dabei Ambrosius’ Rolle in der

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 Christoph Markschies, Ambrosius von Mailand und die Trinitätstheologie. Kirchen- und theologiegeschichtliche Studien zu Antiarianismus und Neunizänismus bei Ambrosius und im lateinischen Westen (364 – 381 n. Chr.), BHT 90, Tübingen 1995. Vgl. auch Daniel H. Williams, Ambrose of Milan and the End of the Arian-Nicene Conflict, Oxford 1995. 29   Zur literarischen Erscheinungsform der consolatio vgl. besonders Kassel, Untersuchungen zur griechischen und römischen Konsolationsliteratur, Zet. 18 München 1958 und Horst-Theodor Johann, Trauer und Trost. Eine quellen- und strukturanalytische Untersuchung der philosophischen Trostschriften über den Tod, München 1968. Zur Einordnung der ambrosianischen Schriften in die consolatio vgl. Charles Favez, La consolation latine chrétienne, Paris 1937. Die zur Konsola­ tionsliteratur zählende laudatio funebris behandelt grundlegend Wilhelm Kierdorf, Laudatio funebris. Interpretationen und Untersuchung zur Entwicklung der römischen Leichenrede, BKP 106, Meisenheim am Glan 1980. 30   Johann Evangelist Niederhuber, Die Eschatologie des heiligen Ambrosius. Eine patristische Studie, FChLDG 6,3, Paderborn 1907. 31   Vgl. dazu die Menge der Veröffentlichungen zur Spätantike, vor allem im angelsächsischen Bereich: Robin Lane Fox, Pagans and Christians, San Francisco 1995; Alan Cameron, The Last Pagans of Rome, Oxford u. a. 2011; Michelle Salzman / Marianne Sághy / Rita Lizzi Testa (Hgg.), Pagans and Christians in Late Antique Rome. Conflict, Competition, and Coexistence in the Fourth Century, Cambridge 2015; Therese Fuhrer (Hg.), Die christlich-philosophischen Diskurse der

II. Vorüberlegungen

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konflikthaften Auseinandersetzung mit den heidnischen Eliten thematisiert.32 Andererseits ist das römische Erbe des Ambrosius Inhalt zahlreicher philologischer und philosophiegeschichtlicher Studien, die die Prägung seines Werks durch klassische Autoren analysieren.33 Vor allem seine Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Philosophie rückt in den Vordergrund. An der Schnittstelle zwischen Ambrosius’ Theologie und dem Neuplatonismus reißen die Studien seit Pierre Courcelles Beitrag aus dem Jahr 1950 kaum ab. Dessen Untersuchungen zeigen, wie stark der Einfluss Plotins auf Ambrosius, gerade hinsichtlich der Vorstellungen von der Unsterblichkeit der Seele und der Definition des Todes, ist.34 Die Verarbeitung neuplatonistischen Materials in den Trostschriften des Ambrosius ist auch Grundlage der vorliegenden Arbeit, die Courcelles Erkenntnisse um den Blick auf die Wirkweisen dieser Verbindung in den Trostargumenten erweitert. Während der bisherige Forschungsüberblick das Gesamtwerk thematisierte, sollen nun die spezifischen Schriften zur consolatio mortis forschungsgeschichtlich eingeordnet werden. Im Fall des Traktats über den Tod de bono mortis zeigt sich in der Forschungslandschaft eine auffallende Lücke. Neben dem von William Wiesner35 im Jahr 1970

Spätantike. Texte, Personen, Institutionen, Philosophie der Antike  28, Stuttgart 2008; Hartmut Leppin, Religiöse Vielfalt und öffentlicher Raum in der Spätantike, in: Matthias Lutz-Bachmann (Hg.), Postsäkularismus. Zur Diskussion eines umstrittenen Begriffs, Normative orders 12, Frankfurt a. M. / New York 2015, 335 – 360. Jüngst hat Peter Brown Ambrosius neben anderen Gestalten des späten vierten Jahrhunderts hinsichtlich v. a. sozialer Strukturen thematisiert, vgl. Peter Brown, Der Schatz im Himmel. Der Aufstieg des Christentums und der Untergang des römischen Reiches, Stuttgart 2017, 199 – 236. 32   Vor allem ist hier der Victoria-Altar-Streit zwischen Ambrosius und dem heidnischen Senator Symmachus zu nennen. In dieser, vor allem literarischen, Auseinandersetzung ging es um die Frage der Aufstellung des Altars der Victoria im Senatsgebäude und damit um die Bedeutung der traditionell-paganen Kulte für den Staat. Die Streitschriften, Symmachus’ dritte Relatio und Ambrosius’ Briefe 72 (17) und 73 (18) zählen zu den Höhepunkten spätantiker Literatur. Vgl. dazu aus jüngerer Zeit Daniel Carlo Pangerl, Von der Kraft der Argumente. Die Strategien des römischen Stadtpräfekten Symmachus und des Bischofs Ambrosius von Mailand beim Streit um den Victoriaaltar im Jahre 384, RQ 107 (2012), 1 – 20. 33  Michaela Zelzer, Ambrosius von Mailand und das Erbe der klassischen Tradition, WSt 100 (1987), 201 – 226; dies., Symmachus, Ambrosius, Hieronymus und das römische Erbe, StPatr 28 (1993), 146 – 160; Andrew Lenox-Conyngham, Ambrose and Philosophy, in: Lionel R. Wickham (Hg.), Christian Faith and Greek Philosophy in Late Antiquity, SVigChr 19, Leiden 1993, 112 – 128. 34  Pierre Courcelle, Plotin et Saint Ambroise, RPh 76 (1950), 29 – 56; ders., Die Entdeckung des christlichen Neuplatonismus, in: Carl Andresen (Hg.), Zum Augustin-Gespräch der Gegenwart, WdF 5, Darmstadt 21975, 125 – 181; ders., Anti-christian Arguments and Christian Platonism, from Arnobius to St. Ambrose, in: Arnaldo Momigliano (Hg.), The Conflict between Paganism and Christianity in the Fourth Century, Oxford 1963, 151 – 192. Die neueste Veröffentlichung auf diesem Gebiet wurde 2018 vorgelegt von Andreas Kirchner, Dem Göttlichen ganz nah. „Muße“ und Theoria in der spätantiken Philosophie und Theologie, Otium 8, Tübingen 2018, zu Ambrosius vgl. besonders 188 – 222. 35   William Theodore Wiesner, Ambrosii De bono mortis. A Revised Text with an Introduction, Translation and Commentary, PatSt 100, Washington 1970.

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Einleitung

vorgelegten Kommentar wird de bono mortis nur in wenigen Beiträgen behandelt, die sich mit den Grundthesen des Traktats beschäftigen.36 Ergänzend dazu ist jüngst die Dissertation von Maria MacLean Kiely37 erschienen, die sich dem Traktat hinsichtlich der Brautmetaphorik widmet. Die Behandlung von de bono mortis in der vorliegenden Arbeit soll diese Lücke in Berücksichtigung der Verortung des Todestraktats im katechetischen Unterricht38 und der Vermittlung der Todesvorstellung durch die consolatio mortis an philosophisch geprägte Christen und Nichtchristen schließen. In den Leichenreden des Ambrosius treffen die drei bereits genannten Bereiche, die für Ambrosius charakteristisch sind, auf konzentrierte Weise zusammen: Kirchenpolitik, Theologie und klassisches Erbe. Daher gehören jene Reden zu den berühmtesten und am stärksten rezipierten Werken des Kirchenvaters,39 an deren Neuedition in der Reihe der CSEL derzeit Victoria Zimmerl-Panagl40 arbeitet. Grundlage für eine Beschäftigung mit den Leichenreden ist die philologische Studie von Franz Rozynski,41 der Struktur und Inhalt im Vergleich zu den klassischen 36  Silvester Stenger, Das Frömmigkeitsbild des hl. Ambrosius nach seinen Schriften De Abraham, De Isaac und De bono mortis, Berlin 1949; David A. Jones, Approaching the End. a Theological Exploration of Death and Dying, Oxford 2007; John C. Cavadini, Ambrose and Augustine De bono mortis, in: William E. Klingshirn / Mark Vessey (Hgg.), The Limits of Ancient Christianity. Essays on Late Antique Thought and Culture in Honor of R. A. Markus, Ann Arbor, Mich. 1999, 232 – 249. 37  Maria MacLean Kiely, Ambrose the Pastor and the Image of the ‚Bride‘. Exegesis, Philosophy, and the Song of Songs, Washington, D. C. 2013 (online veröffentl. Dissertationsschrift, URL: http:// hdl.handle.net / 1961 / 14878; letzter Zugriff: 20.11.2020). 38   Vgl. Marcia L. Colish, Ambrose’s Patriarchs. Ethics for the Common Man, Notre Dame, IN. 2005, 14 – 29. 39   Die Flut an Veröffentlichungen aus den Bereichen der Patristik, der Philosophiegeschichte, der klassischen Philologie und der antiken Geschichte, v. a. zu den Kaiserreden, ist kaum zu überblicken. In der vorliegenden Untersuchung wurden darum in erster Linie einschlägige und aktuelle sowie für die Kirchen- bzw. Theologiegeschichte bedeutsame Studien zur Thematik des Todes bzw. des Trostes und deren jeweiliger Verarbeitung herangezogen. 40  Victoria Zimmerl-Panagl, Videtur nobis in sermone revivescere . . . Preparing a New Critical Edition of Ambrose’s Orationes funebres, StPatr 85 (2017), 15 – 22. Von derselben Autorin sind auch mehrere Beiträge zu Textgeschichte und Situation der Leichenreden erschienen, vgl. dies., Die Totenreden und Epistula 25 des Ambrosius. Fragen zu Ritualen und Begräbnisumständen, in: Georg Danek (Hg.), Rituale – identitätsstiftende Handlungskomplexe. 2. Tagung des Zentrums Archäologie und Altertumswissenschaften an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2. / 3. November 2009, Origines 2, Wien 2012, 187 – 200 und dies., Zu Überlieferung und Textgeschichte von Ambrosius’ De obitu Theodosii (und Epistula extra collectionem 1), WSt 129 (2016), 299 – 330. 41  Franz Rozynski, Die Leichenreden des hl. Ambrosius. Insbesondere auf ihr Verhältnis zur antiken Rhetorik und den antiken Trostschriften untersucht, Breslau 1910. Der dort v. a. für die erste Rede für Satyrus und für die Kaiserreden postulierte Trostcharakter der Reden wird abgelehnt von Paul Bruno Albers, Über die erste Trostrede des hl. Ambrosius zum Tode seines Bruders Satyrus, in: Albert Michael Koeniger (Hg.), Beiträge zur Geschichte des christlichen Altertums und der byzantinischen Literatur. Festgabe Albert Ehrhard zum 60. Geburtstag, Bonn / Leipzig 1922, 24 – 52. Albers sieht in de excessu fratris Satyri liber primus eine reine Klagerede. Diese einseitige Interpretation kann aber durch die Analyse widerlegt werden.

II. Vorüberlegungen

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Vorbildern der Trostschrift untersucht hat und in den Reden eine Fortsetzung der Schulrhetorik sieht. Seither erschienen mehrere Veröffentlichungen zu den Leichenreden, etwa die philologische Arbeit von Martin Biermann42 mit einer vor allem formalen Aspekten folgenden Analyse der Reden für Satyrus, Valentinian II. und Theodosius hinsichtlich panegyrischer und politischer Elemente. Hinzu kommen Einzeluntersuchungen zu den Leichenreden. Aufgrund ihrer Stellung als erste überlieferte lateinische Leichenreden haben die Reden für Satyrus zahlreiche philologische Interessen geweckt. Die erste Rede de excessu fratris Satyri wurde vor allem auf ihre Einordnung in die Gattung der laudatio funebris hin untersucht.43 Die zweite Rede dagegen ist trotz ihres theoretischen Gehalts Gegenstand weniger umfassender theologischer Studien. Zu nennen sind hier die ältere Studie von Anne-Lene Fenger44 sowie die maschinenschriftlich veröffentlichte Diplomarbeit von Marianne Gleissner45, die die Argumentation der Rede darlegt. Bernhard Schmitt46 bietet mit seiner Dissertation neben einer Teilkommentierung der Rede de obitu Valentiniani eine detaillierte Einbettung des Todes des Kaisers in die Zeitgeschichte und Ereignisse des Jahres 392. Von besonderem Interesse ist ergänzend dazu die ebenfalls in Maschinenschrift vorliegende Dissertation von Marianne Gleissner47, welche die in der Rede für Valentinian II. genutzten Psalmen dem ambrosianischen Taufverständnis und der Mailänder Taufliturgie zuordnet.

42  Martin Biermann, Die Leichenreden des Ambrosius von Mailand. Rhetorik, Predigt, Politik, Hermes.E 70, Stuttgart 1995. Hinzu kommen mehrere philologische Untersuchungen zu einer oder mehreren Reden: Santiago Ruiz, Investigationes historicae et litterariae in Sancti Ambrosii de obitu Valentiniani et de obitu Theodosii imperatorum orationes funebres, München 1971; Braschi, La figura imperiale nel de obitu Theodosii di Ambrogio di Milano; Sophie Lunn-Rockliffe, Ambrose’s Imperial Funeral Sermons, JEH 59 (2008), 191 – 207. Der philologische Kommentar zu de obitu Theodosii von Mary Dolorosa Mannix, Sancti Ambrosii oratio de obitu Theodosii. Text, Translation, Introduction and Commentary, PatSt 9, Washington 1925 bietet, bis auf die Anzeige von Bezügen und Wortkombinationen, keine besondere Hilfe bei der Arbeit an den Reden. 43   Rozynski, Die Leichenreden des hl. Ambrosius, 15 – 70 und Albers, Über die erste Trostrede des hl. Ambrosius zum Tode seines Bruders Satyrus, 24 – 52. 44  Anne-Lene Fenger, Tod und Auferstehung des Menschen nach Ambrosius’ „De excessu fratris II“, in: Theodor Klauser / Ernst Dassmann / Klaus Thraede (Hgg.), Jenseitsvorstellungen in Antike und Christentum. Gedenkschrift für Alfred Stuiber, JbAC.E 9, Münster 1982, 129 – 139. 45  Marianne Gleissner, Aufbau und Argumentationstechnik in Ambrosius’ „De excessu fratris II“. Maschinenschriftl. Diplomarbeit, Wien 1989. Daneben sind zu beachten Klaus Zelzer /  Michaela Zelzer, Todestrost und Auferstehung bei Ambrosius von Mailand. Am Beispiel der Reden zum Tod seines Bruders Satyrus, SWKA 48, Wien 2006; Tran van Tóan, La Foi en la résurrection chez saint Ambroise de Milan, Lille 1983. 46  Bernhard Schmitt, Ambrosius von Mailand und der Tod Kaiser Valentinians II. Ein historisch-theologischer Kommentar zu des Bischofs Leichenrede „De obitu Valentiniani“ (1 – 14), nebst einer deutschen Übersetzung des gesamten Textes, Egelsbach / Washington 1994. Ergänzend dazu ist der Kommentar zu der Rede von Thomas A. Kelly, Sancti Ambrosii Liber de Consolatione Valentiniani. A Text with a Translation, Introduction and Commentary, Washington, D. C. 1940 zu nennen. 47  Marianne Gleissner, Die Argumentationsweise des Ambrosius von Mailand in seiner Rede auf den Tod Kaisers Valentinian II. Maschinenschriftl. Dissertationsschrift, Wien 2000.

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Einleitung

Die Rede de obitu Theodosii, die weniger Trauer- denn Lobrede ist,48 wurde vielfach auf ihren politisch-panegyrischen Charakter hin analysiert, etwa von Franca Ela Consolino49. Zu den jüngsten Veröffentlichungen gehört die detaillierte Untersuchung zu den Reichsreliquien durch Michail A. Bojcov50. Bojcov liefert interessante Hinweise zur Legende der Kreuzauffindung sowie zur Bedeutung der Reliquien in der Leichenrede des Ambrosius und in der weiteren Kirchengeschichte. Der in der Forschung meist einseitig untersuchten Rede widmet sich die vorliegende Studie erstmals umfassend hinsichtlich ihrer politischen, rituell kompensierenden und protreptischen Wirkung. Von der Forschungsliteratur größtenteils übersehen ist das als de obitu Gratiani bezeichnete Textstück in exp. Ps. 61,16 – 27, das einzig durch Christian R. Raschle51 eine genauere Interpretation erfahren hat. Raschles These der Datierung der dem Text zugrundeliegenden Predigt ins Jahr 383 folgt auch die vorliegende Studie. Schließlich sind bei der Behandlung der Trostschriften die Briefe des Ambrosius in den Blick zu nehmen. Michaela Zelzer52 konnte nachweisen, dass Ambrosius noch zu Lebzeiten eine Herausgabe seiner Korrespondenz in zehn Briefbüchern nach dem Vorbild Plinius’ des Jüngeren vorgenommen hat. Die beiden für die Trostthematik interessanten Briefe ep. 51 (15) und ep. 8 (39) sind keineswegs erschöpfend untersucht. Der Brief an die Gemeinde in Thessaloniki wird immerhin von Josef Fellermayr53 in seiner Studie zu Tradition und Nachfolge thematisiert, während der Brief an Faustinus in der vorliegenden Studie erstmals einer detaillierten Analyse unterzogen wird.54 48

  Zu dieser Einschätzung vgl. Charles Favez, L’inspiration chrétienne dans les „Consolations de Saint-Ambroise“, REL 7 (1930), 82 – 91, 83 und Biermann, Die Leichenreden des Ambrosius von Mailand, 49. 49   Franca Ela Consolino, L’optimus princeps secondo S. Ambrogio. Virtu imperatorie e virtu cristiane nelle orazioni funebri per Valentiniano e Teodosio, RSIt 96 (1984), 1025 – 1045; Alessandra Lovino, Su alcune affinità tra il Panegirico per Teodosio di Pacato Drepanio e il De obitu Theodosii di Sant’Ambrogio, VetChr 26 (1989), 371 – 376. 50   Michail A. Bojcov, Der Heilige Kranz und der Heilige Pferdezaum des Kaisers Konstantin und des Bischofs Ambrosius, FMSt 42 (2008), 1 – 69. 51   Christian R. Raschle, Ambrosius’ Predigt gegen Magnus Maximus. Eine historische Interpretation der explanatio in psalmum 61 (62), Hist. 54 (2005), 49 – 67. 52  Michaela Zelzer, „Plinius Christianus“. Ambrosius als Epistolograph, StPatr  23 (1989), 203 – 210; dies., Mittelalterliche „Editionstätigkeit“. Ein Schlüssel zur Überlieferung lateinischer patristischer Texte, in: Adolf Primmer (Hg.), Textsorten und Textkritik. Tagungsbeiträge, VKCLK 21, Wien 2002, 243 – 256. Michaela Zelzer führt mit der Neuedition der Briefe das Werk von Otto Faller fort. 53  Josef Fellermayr, Tradition und Sukzession im Lichte des römisch-antiken Erbdenkens. Untersuchung zu den lateinischen Vätern bis zu Leo dem Grossen, München 1979. Eine Übersetzung der Briefe an die Gemeinde legte Michaela Zelzer vor, vgl. Die Briefe des Ambrosius an die Kirche von Thessaloniki, in: Theresia Hainthaler (Hg.), Einheit und Katholizität der Kirche. Forscher aus dem Osten und Westen Europas, ProOr 32, Innsbruck 2009, 225 – 239. 54  Allein die Parallele zu Cic. fam.  4,5 wird hin und wieder hervorgehoben, vgl. Raphael Schwitter, Der tröstende Freund. Epistolare Praxis und kommunikative Verhaltensweise in Ciceros Epistulae ad familiares, Ciceroniana on line 1,2 (2017), 369 – 394, 382, Anm. 66.

II. Vorüberlegungen

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Die Darlegung des Forschungsstands zeigt, dass es trotz zahlreicher Spezialuntersuchungen zur philologischen und historischen Bedeutung der ambrosianischen Schriften ein Desiderat bleibt, die Trostschriften in ihrem Zusammenhang vor dem Hintergrund der Todesvorstellungen des Ambrosius sowie seiner Aufgabe als Bischof des späten vierten Jahrhunderts zu untersuchen. Vor allem mit der Untersuchung von de bono mortis, de excessu fratris Satyri liber primus und secundus und ep. 8 (39) sollen bisher zum Teil vernachlässigte Schriften in ihrer Synthese von Philosophie und Theologie als missionarisch-pastorale Schriften erschlossen und hinsichtlich der strategischen Argumentation gewürdigt werden. Die Untersuchungen der Leichenreden für Gratian, Valentinian II. und Theodosius sowie der Brief 51 (15) bieten daneben Einblick in die Bedeutung der consolatio mortis in politischer bzw. kirchenpolitischer Funktionalisierung. 4. Methodik Die vorliegende Arbeit hat das Ziel, den Trost angesichts des Todes bei Ambrosius in seiner Intention und Wirkung nachzuzeichnen. Die Unterschiede in Gattung, Umfang, Adressaten, Sitz im Leben, Intention und nicht zuletzt Rezeption der zugrundeliegenden Quellen in der Forschung haben zur Konsequenz, dass die methodische Untersuchung der Texte variiert. Die Untersuchungen von de bono mortis, de excessu fratris Satyri liber secundus und de obitu Gratiani und den beiden Trostbriefen erfolgt als textnahe, zum Teil fast kommentierende Behandlung. In den längeren Leichenreden dagegen, deren Inhalt bereits in zahlreichen anderen Beiträgen historisch und philologisch behandelt wurde, werden thematische und systematische Aspekte aufgezeigt. Besonderes Interesse liegt dabei stets auf der textimmanenten Pragmatik des Autors, die anhand von Analysen der Argumentation und der philologischen und theologischen Gestaltung erhellt werden soll. Ferner wird im Rahmen dieser historischen Interessen folgenden Arbeit auf Bezüge zu modernen pastoral-theologischen und poimenischen Ansätzen verzichtet, da solche zu Anachronismen führen würden.55 Als Grundlage aller Untersuchungen dient stets der lateinische Text der Werke des Ambrosius in der heute vorliegenden Gestalt.56 Ambrosius überarbeitete seine Predigten und Reden sorgfältig, bevor er sie veröffentlichte.57 In manchen Texten, 55

  Einen spannenden Versuch, diese Kluft der theologischen Fächer zu überwinden, unternehmen die Autoren des Sammelbandes von Clemens Sedmak / Malgorzata Bogaczyk-Vormayr (Hgg.), Patristik und Resilienz. Frühchristliche Einsichten in die Seelenkraft, Berlin / Boston 2015. 56   Bezüge zu anderen christlichen und nichtchristlichen antiken Autoren werden in erster Linie hergestellt, wenn diese das Verständnis der ambrosianischen Texte erhellen. Aufgrund der schieren Flut an Literatur, die sich mit dem Tod befasst, kann darum nur der Teil der Schriften, zu denen Ambrosius in vermutet direkter Abhängigkeit steht, in den Blick genommen werden. 57   Einen Einblick in den Überarbeitungsprozess gibt der Brief des Ambrosius an Sabinus, ep. 32 (48): Remisisti mihi libellos, quos tuo iudicio probatiores habebo. [. . .] Malo enim tuo corrigatur

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Einleitung

wie dem Traktat de bono mortis, finden sich darum kaum mehr Hinweise auf eine mündliche Vorstufe, während in den Leichenreden liturgische und situative Bezüge zu identifizieren sind. Nichtsdestotrotz soll bei sämtlichen hier untersuchten Quellen die jeweilige Entstehungs- bzw. Vortragssituation in größtem Maße Hintergrund der Interpretation sein. Der Frage nach der Textgestalt der Quellen schließt sich die Frage nach der Gattung an. Ambrosius tritt in unterschiedlichen literarischen Gattungen, in Reden, Predigten und Briefen, als Tröster auf. In der vorliegenden Untersuchung werden nur die dem katechetischen Bereich zugeordneten Predigten, die dem Traktat de bono mortis zugrunde liegen, und die vermutete Predigt, auf der de obitu Gratiani fußt, als solche bezeichnet. Die vorliegenden epideiktischen Reden zum Tod des Satyrus, des Valentinian II. und des Theodosius dagegen werden als Leichenreden bezeichnet. Eine strenge Unterscheidung von Predigt und Rede ist dabei nur begrenzt möglich. Ambro­ sius selbst greift in Predigten auf die rhetorischen Strukturelemente der ciceronianischen Redelehre zurück, zugleich finden sich in Reden, die außerhalb bzw. am Rande einer Gottesdiensthandlung stehen, liturgische Bezüge. Schließlich ist zu bedenken, dass dem Bischof Ambrosius gerade angesichts seiner langen Laufbahn als Beamter mit rhetorischer Erfahrung eine strikte Trennung künstlich anmuten würde.58 Alle behandelten Texte verfolgen das Anliegen, eine konsolatorische Wirkung zu entfalten, die nicht durch eine zu starke Differenzierung der Gattungen verdeckt werden soll. Das verbindende Moment der hier untersuchten heterogenen Quellen liegt darum in der Intention des Ambrosius, der sich in erster Linie aus seelsorgerlichen und pastoralen Gründen – ob durch Predigt, Rede oder Brief – an sein Publikum wendet. Ein letzter methodischer Gedanke betrifft die Terminologie der in der vorliegenden Untersuchung in den Blick genommenen Interessensgruppen: die „Christen“ und die „Heiden“ bzw. „Paganen“.59 Diese begriffliche Gegenüberstellung soll nicht zur Annahme einer strengen Dichotomie von Christentum und Paganismus in der iudicio si quid movet, priusquam foras prodeat, unde iam revocandi nulla facultas sit, quam laudari a te quod ab aliis repraehendatur. [. . .] Notam adpone ad verbum dubii ponderis et fallacis staterae, ne quod pro se esse adversarius interpraetetur. – „Du hast mir meine Bücher zurückgesendet, die ich aufgrund deines Urteils noch höher schätze. [. . .] Mir ist es nämlich lieber, dass etwas, wenn es Ärger verursacht, durch dein Urteil korrigiert wird, bevor es der Öffentlichkeit übergeben wird, wo es keine Möglichkeit mehr gibt, es zurückzuholen, als dass von anderen getadelt wird, was du lobst. [. . .] Füge ein Zeichen an jedes Wort zweifelhafter Bedeutung und trügerischer Gewichtung, damit der Gegner nichts interpretieren kann, was ihm zugutekommt.“ 58   Vgl. dazu Biermann, Die Leichenreden des Ambrosius von Mailand, 15 – 18. 59   Schon die Termini „heidnische“ bzw. „pagan“ sind als Sammlungsbegriffe für sämtliche Nichtchristen und Nichtjuden unscharf. Sie lassen Assoziationen einer Form von Einheitlichkeit und Einheit aufkommen, die im religiösen Bereich der römischen Antike angesichts einer Vielzahl von Kulten, Mysterien und Philosophenschulen nicht gegeben war. Als verbindendes Element aber kann nach Jörg Rüpke eine Form von politischer Reichsreligion in Anschlag gebracht werden, unter deren Voraussetzung die Begriffsfelder „Heiden / heidnisch“ und „Pagane / pagan“ genutzt werden. Vgl. dazu u. a. Jörg Rüpke, Reichsreligion? Überlegungen zur Religionsgeschichte des antiken Mittelmeerraums in römischer Zeit, HZ 292 (2011), 297 – 322.

II. Vorüberlegungen

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spätantiken Gesellschaft führen. Einzelne Persönlichkeiten konnten durchaus in diffusen Verhältnissen zu beiden Gruppen stehen, wobei sie sich keinem identifikatorischen Zwang einer ausschließlichen religiösen Verortung aussetzten. Vielmehr verband die hier angesprochenen Zuhörer eine starke, auf die römische Tradition zurückgehende Wertebasis. Gerade angesichts dieser Diffusität musste Ambrosius sein Publikum auf eine multivalente und plausibilisierende Weise ansprechen, die aber schließlich zum identitätsstiftenden Kern seines christlichen Glaubens führte. Der Umgang mit dem Tod ermöglichte Ambrosius die Plausibilisierung des christlichen Glaubens, da er Zuhörern mit bekannten philosophischen Todesvorstellungen, die er in seine Werke integrierte, entgegenkommen konnte. 5. Aufbau Der Gliederung der vorliegenden Untersuchung liegt die Differenzierung der antiken consolatio nach Cicero60 zugrunde, der zwischen der sich auf theoretischer Ebene mit dem Phänomen des Todes befassenden Trostschrift und der von einem konkreten Todesfall ausgelösten Gelegenheitsschrift unterscheidet. Nach einer einführenden Darstellung zur Person des Ambrosius unter Berücksichtigung seines familiären und soziokulturellen Hintergrunds, zur Gemeinde­ situation in Mailand und zum Tod des Bischofs erfolgt in Teil A eine theoretische Grundlegung des Trostes angesichts des Todes bei Ambrosius. Zunächst wird eine kurze Einführung zur Gattung der consolatio und ihrer Argumentation (A. I) gegeben, bevor die Vorstellungen der Orte, in denen das postmortale Schicksal der Seelen stattfindet, aus dem Gesamtwerk des Ambrosius zusammengestellt werden (A. II). Nach der Zeichnung dieses komplexen Bildes, vor dessen Hintergrund sämtliche Trostschriften spielen, wird das wichtigste theoretische Werk des Ambrosius zum Tod, de bono mortis, eingehend untersucht (A. III). Die inhaltliche und argumentative Struktur dieses von der Forschung weitestgehend unbeachteten Traktats soll detailliert nachgezeichnet werden, um seine besondere Intention – die Vermittlung christlicher Gedanken im Gegenüber zum Neuplatonismus – herauszustellen. Teil B widmet sich der praktischen Anwendung der consolatio mortis angesichts konkreter Todesfälle. Die Entfaltung der konsolatorischen Grundlage wird anhand von fünf Leichenreden61 und zwei Trostbriefen untersucht, wobei in beiden Gattungsgruppen die Quellen in chronologischer Reihenfolge untersucht werden. Der äußere Anlass einer jeden behandelten Quelle bringt eine spezifische Problematisierung des Todes und eine individuelle Trostargumentation mit sich. Darum werden sämtliche Quellen in ihrer historischen Entstehungssituation erhellt und in ihrer 60   Vgl. Cic. tusc. 3,33,81 und Kassel, Untersuchungen zur griechischen und römischen Konsolationsliteratur, 3. 61   Genau genommen zählt de obitu Gratiani nicht zu den Leichenreden. Vielmehr handelt es sich wohl um eine Predigt, die nachträglich in überarbeiteter Form in einen Psalmenkommentar integriert worden ist.

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Eigenart interpretiert. Zunächst kommen die zu den frühesten Werken des Ambrosius zählenden Reden für Satyrus in den Blick. Die erste Rede, de excessu fratris Satyri liber primus, wird vor allem im Hinblick auf ihren gattungsbezogenen Hintergrund kursorisch analysiert, wobei das Hauptaugenmerk auf der Transformation paganer Aspekte in christliche Trostargumente liegt (B. I). Die von der Thematik der Auferstehung geprägte zweite Rede, de excessu fratris Satyri liber secundus, wird dagegen intensiver in inhaltlicher und argumentativer Gestaltung vorgestellt. Auch hier steht die Vermittlung christlicher Gedanken an heidnische Zuhörer im Vordergrund, die vor allem durch die Fundierung des Glaubens auf das decorum im Sinne des Ver­ trauens auf die Prophezeiungen nach der rationalen Erkenntnis geprägt ist (B. II). Als erste Verarbeitung eines Kaisertodes wird das moralische exemplum der Ermordung Gratians, de obitu Gratiani, thematisiert, dessen Gestaltung als Gerechter und Märtyrer in der Analogie zu Christus durch Ambrosius als Grundlage für den Trost fungiert. Als Besonderheit wird dort die Bedeutung der Hoffnung auf die göttliche Rache an den an der Ermordung beteiligten Personen erarbeitet. Durch die textnahe Untersuchung des kurzen Abschnitts soll zudem für eine frühe Datierung einer dem Text zugrundeliegenden Predigt plädiert werden, da Ambrosius die Mailänder Gesellschaft angesichts des Verbrechens zu stärken und politisch zu einen versucht (B. III). Die Rede für Valentinian II., de obitu Valentiniani, wird unter besonderer Berücksichtigung des möglichen Suizids des Kaisers untersucht. Nach einer Darlegung der Beurteilung des Suizids in der antiken Gesellschaft wird Ambrosius’ Versuch nachgezeichnet, den Tod Valentinians II. kompensatorisch darzustellen. Dazu werden verschiedene Motive und theologische Konzepte ausgemacht, welche die Seligkeit des Kaisers – auch angesichts eines Suizids – sicherstellen wollen (B. IV). Die letzte Leichenrede, de obitu Theodosii, wird vor allem unter der Voraussetzung der Instrumentalisierung des Todestrosts untersucht. Die Rede will erstens als politisches Werkzeug die Loyalität der Soldaten zu den Söhnen sichern, zweitens den Ersatz der kaiserlichen Konsekration schaffen und drittens mit anschaulichen Mitteln für das Christentum werben (B. V). Schließlich kommen nach kurzen Bemerkungen zur Gattung des Trostbriefes und zur Briefsammlung des Ambrosius (B. VI) die beiden Briefe in den Blick, die Ambrosius aus der Entfernung an Hinterbliebene richtet. Zunächst wird epistula 51 (15) hinsichtlich seiner argumentativen Bedeutung für die Nachfolgeregelung intensiv untersucht, wobei neben der Stilisierung des Bischofs Acholius als Heiliger die Bedeutung des episcopus otiosus erhellt wird (B. VII). Der zweite Trostbrief, epistula 8 (39), wird ebenso, aufgrund seiner Kürze, detailliert in seiner Argumentation als Modifikation der consolatio hin zur christlichen Botschaft der Überwindung des Todes angesichts der Auferstehung analysiert (B. VIII). In dem die Gedanken zusammenführenden Teil C wird schließlich der Versuch unternommen, eine Theologie der ambrosianischen Trostschriften anhand einzelner materialdogmatischer Topoi nachzuzeichnen.

III. Ein Bischof zwischen römischer Tradition und Christentum

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III. Ein Bischof zwischen römischer Tradition und Christentum: Ambrosius von Mailand Die der Untersuchung zugrunde gelegten Quellen zeigen ein vielseitiges Bild des Mailänder Bischofs Ambrosius. Während die Leichenreden für Satyrus einen trauernden Bruder erkennen lassen, der Einblicke in seinen emotionalen Zustand, seine Familie und seine Stellung als Bischof am Anfang seines Episkopats gewährt, sind die Reden de obitu Valentiniani und de obitu Theodosii Schlüsseltexte hinsichtlich der kirchenpolitischen Bedeutung des Ambrosius. In ep. 51 (15) dagegen, die an den Klerus von Thessaloniki gerichtet ist, gibt er Einblick in seine innerkirchliche Bedeutung als Appellationsinstanz in Fragen der episkopalen Sukzession. In den theoretischen Trostschriften zeigt sich aber, dass Ambrosius von Mailand mehr ist als der „Kirchenfürst“. Hier tritt ein philosophisch geschulter, pastoraler Theologe auf, der auf die Bedürfnisse und den Kenntnishorizont seiner Zuhörerinnen und Zuhörer eingeht und zwischen Alt und Neu, zwischen Philosophie und Theologie, zwischen Neuplatonismus und Christentum vermittelt. Um diese zwei Ambrosiusbilder ins Verhältnis zu setzen und die philosophischen Gedanken in den ambrosianischen Werken einordnen zu können, aber auch um die theologische Arbeit in der Vermittlung nachvollziehen und beurteilen zu können, sind einige Vorbemerkungen zu Ambrosius’ Herkunft, Hintergrund sowie zum Zustand seiner Gemeinde in Mailand nötig. 1. Herkunft und soziokultureller Hintergrund Ambrosius wurde als jüngster Sohn des praefectus praetorio Galliarum, Ambrosius des Älteren,62 in Trier geboren. Die ältere Schwester Marcellina, die um das Jahr 330 geboren wurde, sollte bis zu Ambrosius’ Tod eine enge Vertraute sein, an die er sich in vielen Briefen wandte.63 Der ältere Bruder Satyrus, der Ambrosius sowohl im äußerlichen Erscheinungsbild als auch in Ausbildung und Karriere äußerst ähnlich war und dem Ambrosius mit den zwei Leichenreden ein Denkmal setzte, ist wohl wenige Jahre vor Ambrosius geboren worden.64 Das Geburtsjahr des Ambrosius ist nicht eindeutig zu bestimmen. Maßgeblich sind zwei textliche Hinweise, die eine ungefähre Datierung zulassen. So findet sich 62

  Zum Vater des Ambrosius vgl. PLRE I,51, s. v. Ambrosius 1.   Die Briefe des Ambrosius an seine Schwester, die seit etwa 353 / 55 in Rom das Leben einer Jungfrau führte, sind epp. 76 (20) und 77 (22) sowie ep. extra coll. 1 (41). Außerdem thematisiert Ambrosius ihre Jungfräulichkeit in de virginibus. Auch der Biograph Paulinus von Mailand kommt auf Marcellina zu sprechen, vgl. vit. Ambr. 1.4 und 9. Zu Marcellina vgl. PLRE I,544, s. v. Marcellina, Dassmann, Ambrosius von Mailand, 12 – 14.41 f. und Paredi, Saint Ambrose, 22 f. 252 f. 64   Ambrosius erwähnt den Bruder an keiner anderen Stelle und es finden sich auch keine weiteren Quellen anderer Autoren zu Satyrus. Vgl. PLRE I,809, s. v. Satyrus und Ansgar Franz, Art. Satyrus, LThK 9 (2006), 86 f. Zu näheren Informationen zu seiner Person in den beiden Reden siehe unter B.I.1 und 2. 63

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erstens in der Vita des Paulinus eine Bemerkung zu der Geburt des Ambrosius, die in die Amtszeit seines Vaters als Präfekt in Gallien fiel.65 Es ist in der Forschung die anerkannte Meinung, dass Ambrosius’ Vater dieses Amt vor 341 innehaben musste.66 Einen zweiten Hinweis gibt der Brief 49 (59), den Ambrosius an den neapolitanischen Bischof Severus richtete.67 Nach eigenen Worten ist er zu jener Zeit, die er als eine bedrückende Situation voller drohender Kriege und Belagerungen beschreibt, 52 Jahre alt. Es gibt drei historische Ereignisse, die einer solchen politischen Lage entsprechen können: (i) die im Zuge der Usurpation des Maximus erfolgte Belagerung Mailands im Jahr 387;68 (ii) die Bedrohung Norditaliens durch Barbarenangriffe in Pannonien im Jahr 392;69 (iii) der Feldzug, den der Usurpator Eugenius gen Italien in den Jahren 393 und 394 anstrebte.70 Aus diesen Daten ergeben sich drei wahrscheinliche Termine für die Geburt des Ambrosius, die in der Forschung eingehend diskutiert wurden: 333 / 471, 33972 und 34073. 65

 Paul. vit. Ambr. 3,1: posito in administratione praefecturae Galliarum patre eius Ambrosio natus est Ambrosius. – „Ambrosius wurde geboren, als sein Vater Ambrosius mit der Verwaltung der Präfektur Galliens betraut war.“ Für den Zeitraum der Jahre 337 bis Frühjahr 341 finden in der sonst gut bezeugten Liste sich keine Informationen über die Präfekten in Gallien. Es ist wahrscheinlich, dass der Vater Ambrosius in jener Zeit Präfekt war. 66   Vgl. Hevré Savon, Ambroise de Milan, Paris 1997, 32 und MacLean Kiely, Ambrose the Pastor and the Image of the ‚Bride‘, 112. 67  Vgl. ep. 49,3 – 5 (59): Nos autem obiecti barbaricis motibus et bellorum procellis in medio versamur omnium molestiarum freto et pro his laboribus et periculis graviora colligimus futurae vitae pericula. Unde de nobis propheticum illud concinere videtur: Pro laboribus vidi tabernacula Aethiopum. Etenim in istius mundi tenebris, quibus obumbratur veritas futurae perfectionis, cum ad annum tertium et quinquagesimum iam perduxerim in hoc corpore situs, in quo tam graves iam dudum sustinemus gemitus, quomodo non in tabernaculis Aethiopum tendimus et habitamus cum habitantibus Madian? – „Wir sind aber den Einfällen der Barbaren und den kriegerischen Anstürmen ausgesetzt und befinden uns im Zentrum all dieser Leiden. Und aus diesen Leiden und Gefahren entnehmen wir noch größere Gefahren für unser zukünftiges Leben. Daher stimmt wohl auch jener Prophetenspruch über uns: ‚Ich sah die Zelte der Äthiopier wegen der Gefahr.‘ (Hab 3,7) Denn da ich in der Finsternis dieser Welt, durch die die Wahrheit der kommenden Vollkommenheit verdunkelt wird, bereits bis zum 53. Lebensjahr in diesem Körper eingeschlossen bin, in dem wir schon lange Zeit solch Weinen ertragen, wie können wir nicht zu den Zelten der Äthiopier eilen und mit den Bewohnern Midians zusammenleben?“ 68  Vgl. Leppin, Theodosius der Große, 106 f. 69   Zu den Angriffen vgl. Schmitt, Ambrosius von Mailand und der Tod Kaiser Valentinians II., 162. 70  Vgl. Leppin, Theodosius der Große, 206 f. Vgl. dazu auch Dassmann, Ambrosius von Mailand, 242. 71  Vgl. Paredi, Saint Ambrose, 2 und Dassmann, Ambrosius von Mailand, 11 f. 72  Vgl. Dudden, The Life and Times of St. Ambrose, 2, Jean Rémy Palanque, Saint Ambroise et l’Empire romain, Paris 1933, 480 – 482 und McLynn, Ambrose of Milan, 32. 73  Vgl. Savon, Ambroise de Milan, 31.

III. Ein Bischof zwischen römischer Tradition und Christentum

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Die vorliegende Studie basiert auf der These einer frühen Datierung, nach der Ambrosius im Jahr 333 / 4 geboren ist. Auch wenn über keinen der drei Termine ­endgültige Gewissheit herrscht, scheint doch die These von Maria MacLean Kiely am plausibelsten, dass im Jahr 374 gerade das 40‑jährige Alter des gereiften und gefestigten Ambrosius ausschlaggebend war, der für den Episkopat ausreichende Erfahrung als consularis und als Mitglied der senatorischen Elite mitbringt,74 – im Gegensatz zu einem ‚nur‘ 34 oder 35 Jahre alten Beamten. Für eine Deutung der Werke Ambrosius und das richtige Verständnis seines Selbstbildes ist ein kurzer Blick auf Ambrosius’ familiären und soziokulturellen Hintergrund von großer Bedeutung. Während nämlich die Bischöfe des jungen Christentums bis dahin nur kurialen Familien entstammten,75 trat mit Ambrosius ein senatorischer Bischof sein Amt an, der dieses mit einer in der Kirche bisher ungekannten Würde ausübte. Der Vater des Ambrosius, Prätorianerpräfekt der Provinz Gallia, verdankte seine Stellung und damit die Erhebung in den Adelsstand einer langjährigen, loyalen Beziehung zu Constantinus II. Im Kontext von dessen Tod muss man auch die Hinrichtung des älteren Ambrosius annehmen.76 Dieser Zusammenhang legt nahe, dass die Familie des Ambrosius nach der Übersiedelung von Trier zu ihrem ursprünglichen Familiensitz in Rom77 nach 340 durchaus unter prekären Verhältnissen lebte. Neil McLynn verortet entsprechend die Familie des Ambrosius am Rand der – allerdings stark fragmentierten  – aristokratischen Gesellschaft des Imperium Romanum.78 Die Vielschichtigkeit des Adels, die zu einer gewissen Distanz zwischen Symmachus, einem Angehörigen des alten Geldadels, und Ambrosius führte,79 ändert 74  Vgl. MacLean Kiely, Ambrose the pastor and the image of the ‚bride‘, 115: „In fact, much in Ambrose’s life makes better sense, if we allow him another 5 or 6 years before his election. [. . .] This is a normal age for election to the episcopacy; it allows for a more mature Ambrose, less of a prodigy / quick learner than has been assumed. A seasoned veteran of the imperial service, he could be counted upon to undertake a largely uncharted career as head of a divided Christian church in an imperial city.“ 75   Vgl. Frank D. Gilliard, Senatorial Bishops in the Fourth Century, HTR 77 (1984), 153 – 175 und Moorhead, Ambrose, 26 f. 76  Vgl. McLynn, Ambrose of Milan, 32. Wahrscheinlich wurde dem älteren Ambrosius nach der Invasion der Truppen des Constans in Italien im Jahr 340, der auch Constantinus II. zum Opfer fiel, wegen der Anklage des Hochverrats der Prozess gemacht. 77   Grund für diesen Ortswechsel könnte die unsichere Lage in Trier, aber auch die Ausstrahlung der römischen Kirche sowie die besseren Bildungsbedingungen für die Söhne der Familie, Satyrus und Ambrosius sein, vgl. McLynn, Ambrose of Milan, 33 f. und Ernst Dassmann, Ambrosius in Rom, RQ 98 (2003), 72 – 86, 73 f. 78  Vgl. McLynn, Ambrose of Milan, 33 und Brown, Der Schatz im Himmel, 204 f. 79   Die beiden kannten sich, bisweilen wurde sogar angenommen, dass sie in einem Verwandtschaftsverhältnis standen. Anlass dafür waren erstens die Bezeichnung des Symmachus in der Anrede an (den verstorbenen) Satyrus als Symmacho tuo parente (exc. Sat. 1,32) und zweitens die Bezeichnung wohl des Satyrus durch Symmachus als communis frater (Symm. ep. 1,63 an seinen Bruder Celsinus Titianus). McLynn, Ambrose of Milan, 263 f. konnte allerdings zeigen, dass der Terminus frater für Symmachus ein häufiger Freundschaftstitel ist, während der Terminus des parens auf eine höhergestellte Position des Beratenden in Fragen der Ökonomie hindeutet.

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aber nichts an der Tatsache, dass mit Ambrosius als Mitglied des senatorischen Standes und der administrativen Elite das bisherige episkopale Selbstverständnis bei weitem überstiegen wurde. Die Wahl eines Adeligen, der in der Position des consularis das Amt des Statthalters des Provinzkonglomerats Aemilia et Liguria innehatte, stellte ein überraschendes Ereignis dar, das sich möglicherweise durch den Niedergang des homöischen Kirchensystems erklären lässt.80 Die konfliktreiche Situation in Mailand nach dem Tod des homöischen Bischofs Auxentius war darum unter anderem Grund für die Wahl eines erfahrenen, hochgebildeten Staatsmannes, der zugleich Sympathisant der ultranizänischen Position war, ins Amt des Bischofs.81 Die Verschmelzung der bischöflichen Stellung mit der senatorischen Autorität82 muss man im Hinterkopf behalten, wenn man das Verhältnis zu und die Kommunikation mit den Kaisern, aber auch den heidnischen Eliten der Stadt Mailand untersucht.83 Entsprechend seiner Herkunft durchlief Ambrosius in seiner Jugend- und Reifezeit in Rom nach 340 die klassische Bildungskarriere eines Mitglieds der Senatsaristokratie,84 die vor allem auf Rechtskunde und Rhetorik abzielte. Durch die Ausbildung in den artes liberales machte sich Ambrosius mit den traditionellen Schulautoren Vergil und Cicero vertraut, die Spuren im Werk des Bischofs hinterlassen haben.85 Doch zeigt sich in seinem Opus auch eine Selbstverständlichkeit im Umgang mit der platonischen Philosophie. Die möglicherweise auf die griechische Herkunft der Familie zurückzuführenden umfangreichen Kenntnisse der griechischen Sprache86 ermöglichten Ambrosius den Zugang zu Originaltexten der griechischen Philosophen, aber auch der Septuaginta.87 So ist es wahrscheinlich, dass er sich neben römischem Recht und Rhetorik auch mit Philosophie und Theologie beschäftigte. 80   Über die Wahl berichten Rufin, h. e. 11,11 und Paulinus, vit. Ambr. 6 – 9. Zum Hintergrund und Ereignis der Wahl vgl. Dassmann, Ambrosius von Mailand, 26 – 41. 81  Vgl. Brown, Der Schatz im Himmel, 202. 82   Seine Position als ehemaliger Statthalter zeigt sich etwa im Verhör des Palladius in Aquileia im Jahr 381, in dem Ambrosius wie in seiner früheren Funktion zu Gericht saß, vgl. dazu Brown, Der Schatz im Himmel, 203 f. Brown weist zudem auf die dem Senatorenstand zuzuordnende Gewänder hin, die Ambrosius wohl im Gottesdienst getragen habe, vgl. a. a. O., 203. 83   Zum Selbstverständnis als Gegenüber des Kaisers und als dessen „externalisiertes Gewissen“ vgl. Hartmut Leppin, Zum politischen Denken des Ambrosius. Das Kaisertum als pastorales Pro­ blem, in: Therese Fuhrer (Hg.), Die christlich-philosophischen Diskurse der Spätantike. Texte, Personen, Institutionen, Philosophie der Antike 28, Stuttgart 2008, 33 – 50 und ders., Ein Bischof redet dem Kaiser ins Gewissen, 83 – 94. 84   Vgl. Paul. vit. Ambr. 5,1: edoctus liberalibus disciplinis – „er war in den freien Künsten unterrichtet worden.“ Zur Ausbildung des Ambrosius vgl. Dassmann, Ambrosius von Mailand, 16 – 20. 85   Vgl. dazu Zelzer, Ambrosius von Mailand und das Erbe der klassischen Tradition, 201 – 226 und Mary Dorothea Diederich, Vergil in the Works of St. Ambrose, PatSt 29, Washington, D. C. 1931. Hinzu kommen eine Reihe weiterer Autoren in den Lehrplänen: Livius, Ovid, Seneca und Sallust. Vgl. dazu auch Dassmann, Ambrosius in Rom, 77. 86  Vgl. Dassmann, Die Frömmigkeit des Kirchenvaters Ambrosius von Mailand, 2. 87   Ambrosius rezipierte zwar mehrere Versionen der Vetus Latina, die im letzten Drittel des vierten Jahrhunderts in Norditalien nachweisbar sind, doch griff er, aufgrund seiner Griechischkennt-

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Aufgrund der hohen Vertrautheit mit den klassischen Werken hielten auch in späteren Werken philosophische Begriffe und Konzepte in die Gedanken des christlichen Bischofs Einzug, sodass es an manchen Stellen schwer ist, den Philosophen vom Theologen und den Platoniker vom Christen zu unterscheiden. Paulinus berichtet überdies davon, dass sich Ambrosius, als ihm das Amt des Bischofs angetragen wurde, sich dagegen sträubte, weil er sich der Philosophie verschreiben wollte.88 Auch wenn diese Bemerkung in einer Reihe von Topoi steht, die Ambrosius’ Rückweisung der Ehre des Episkopats illustrieren, so findet sich darin doch der Hinweis auf eine ernsthafte Beschäftigung mit der aktuellen Philosophie seiner Zeit, dem Neuplatonismus. Allerdings war Ambrosius Mitglied einer schon seit mehreren Generationen christlichen Familie, die regen Kontakt zu den klerikalen Autoritäten hielt. So übernahm wohl der Bischof von Rom, Liberius (352 – 366), selbst die Weihe der Schwester des Ambrosius, Marcellina, in der konstantinischen Petersbasilika.89 Auf das hohe Ansehen in der christlichen Gemeinde Roms kann auch die Schilderung des Paulinus hinweisen, dass das Haus der Familie in Rom, das eventuell in der heutigen Via dell’Ambrogio zu verorten ist,90 mehrmals von Bischöfen besucht worden ist.91 Schließlich erwähnt nisse und der Qualitätsunterschiede in den frühen lateinischen Übersetzungen, auf die Septuaginta und die Übersetzungen von Symmachus, Aquila und Theodotion. Vor allem in exegetischen Werken, die in starker Abhängigkeit zu griechischen Gewährsmännern stehen, wie etwa das Exameron, das sich an Basilius von Caesarea anlehnt, ist allerdings jeweils zu untersuchen, ob Ambrosius eine eigene Übersetzung des Bibeltextes oder aber eine modifizierte Übersetzung der Vorlage bringt, vgl. dazu Hermann Josef Frede, Probleme des ambrosianischen Bibeltextes, in: Giuseppe Lazzati (Hg.), Ambrosius Episcopus. Atti del Congresso Internazionale di studi Ambrosiani nel XVI centenario dell’elevazione di Sant’Ambrogio alla cattedra episcopale (Milano, 2 – 7 dicembre 1974), SPMed 2, Mailand 1976, 365 – 392, besonders 373 und 380 f. 88   Vgl. Paul. vit. Ambr. 7,3: Tunc ille turbatus revertens domum philosophiam profiteri voluit. – „Da kehrte er aufgewühlt nach Hause zurück und hatte den Plan, sich zur Philosophie zu bekennen.“ Zu den Ereignissen bei und nach der Wahl und seiner Weihe am 7. Dezember 374 vgl. Dassmann, Ambrosius von Mailand, 27 – 31. 89  Vgl. Dassmann, Ambrosius in Rom, 74 f. Die Predigt des Liberius, die am Weihnachtsfest in den Jahren 352 bis 355 stattgefunden haben muss, gibt Ambrosius später in virg. 3,1,1 – 3,14 wieder. Allerdings scheint diese Initiation durch den Bischof der Stadt Konvention gewesen zu sein, vgl. Markschies, Ambrosius von Mailand und die Trinitätstheologie, 44. 90   Bei dieser Verortung handelt es sich allerdings um eine nicht eindeutig belegte Lokaltradition, vgl. Dassmann, Ambrosius in Rom, 74. 91   Vgl. Paul. vit. Ambr. 4,1: Postea vero, cum adolevisset et esset in urbe Roma constitutus cum matre vidua et sorore, quae virginitatem iam fuerat professa, comite alia virgine [. . .], cum videret sacerdotibus a domestica, sorore vel matre manus osculari, ipse ludens offerebat dexteram, dicens et sibi id ab eis fieri oportere, siquidem episcopum se futurum esse memoraret. – „Später aber, als er herangewachsen war und mit seiner verwitweten Mutter und seiner Schwester, die sich bereits zum Jungfrauenstand bekannt hatte, sowie mit einer weiteren Jungfrau in Rom lebte, da sah er, dass den Priestern von der Hausgenossin, von der Schwester oder von der Mutter die Hände geküsst wurden. Da bot er im Scherz seine rechte Hand an und sagte, dass man das auch bei ihm tun sollte, weil er im Geiste sah, dass er Bischof sein werde.“ Peter Gemeinhardt, Das lateinische Christentum und die antike pagane Bildung, STAC 41, Tübingen 2007, 277 vermutet, dass dieser Text auf die dargebrachte Ehrerbietung in den Gottesdiensten anspielt, die Ambrosius beobachtet hat. Die Nähe zur Beschreibung der Wohnsituation und die Bezeichnung der weiteren Jungfrau als domestica machen es wahrscheinlich, dass eine Szene im Haus der Familie gemeint ist.

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Ambrosius gegenüber Marcellina, dass sie die Märtyrerin Soteris, die 304 unter Diokle­ tian das Martyrium erlitten habe, zu ihren Vorfahren zählen dürften.92 Trotz dieses Hintergrundes wurde 374 kein Theologe auf den Bischofstuhl gewählt. Ambrosius war nur Katechumene und erst kurz vor der Weihe wurde er – möglicherweise unter Mitwirkung von Simplician93 – getauft. Nach der Weihe am 7. Dezember 374 erweiterte der Neugetaufte seine, wahrscheinlich in der Jugend erworbenen, Kenntnisse der biblischen Schriften durch den Unterricht des Simplician, unter dessen Leitung er wohl auch eine detailliertere Einführung in ein vom Neuplatonismus geprägtes Christentum sowie die Schriften Plotins erfuhr.94 Die Verbindung seiner Herkunft aus einem, vor allem von frommen Frauen geprägten, christlichen Haushalt mit seinem Selbstverständnis als administrative Führungspersönlichkeit machte Ambrosius einerseits zu einem proaktiven Kirchenpolitiker auf Augenhöhe mit dem Kaiser, andererseits aber auch zu einem soziale und religiöse Grenzen überschreitenden Praktiker, dem am inneren und äußeren Wachsen seiner Gemeinde gelegen war. 2. Der Bischof und seine Gemeinde in Mailand Der Predigtdienst war die Hauptaufgabe des Bischofs, der sich im Falle des Mailänder Episkopats nicht durch Priester vertreten ließ,95 sondern jede Predigt selbst sprach. Schon Augustinus war beeindruckt von dem rhetorischen Können und der Bedeutungsschwere der Predigten und Reden des Ambrosius, die den junge Hofredner Augustinus stark beeinflussten.96 Ambrosius gibt selbst nur wenige Hinweise auf eine Methodik seiner Predigttätigkeit, doch macht er eines deutlich: Die Predigt muss der Fassungskraft der Zuhörer entsprechen. constitue nunc doctorem aliquem, qui rem obscuram velit aperire audientibus, quemadmodum, etsi ipse potens in sermone sit et scientia, condescendat tamen ad eorum scientiam qui non intellegant et simplici et planiore atque usitato sermone utatur, ut possit intellegi.97 92  Vgl. exh. virg. 12,82: [. . .] sancta Soteris, ut domesticum piae parentis proferamus exemplum [. . .]. – „[. . .] die heilige Soteris, um das Beispiel der frommen Mutter aus unserem eigenen Hause anzuführen [. . .].“ Vgl. dazu Dassmann, Ambrosius in Rom, 74. 93   Dies legt eine Nachricht von Augustinus nahe, conf. 8,3: Simplicianum, patrem in accipienda gratia tunc episcopi Ambrosii. – „Simplician, damals der Vater des Bischofs Ambrosius beim Empfang der Gnade.“ Simplician war allerdings zu dieser Zeit noch kein Bischof. Möglicherweise war er nur der Pate und Bischof Limenius von Vercelli vollzog das Sakrament, vgl. dazu Dassmann, Ambrosius von Mailand, 33 f. 94  Vgl. Moorhead, Ambrose, 170. 95   Zur Predigttätigkeit des Ambrosius vgl. Dassmann, Ambrosius von Mailand, 142 – 145 und Biermann, Die Leichenreden des Ambrosius von Mailand, 15 – 20 und 199 – 218. 96   Vgl. Aug. conf. 5,13. Zur Wirkung der ambrosianischen Predigten auf Augustinus vgl. Therese Fuhrer, Augustin in Mailand, in: Dies. (Hg.), Die christlich-philosophischen Diskurse der Spät­ antike. Texte, Personen, Institutionen, Philosophie der Antike 28, Stuttgart 2008, 63 – 79. 97   Is. 7,57: „Stell dir doch einen Lehrer vor, der einen dunklen Stoff seinen Zuhörern eröffnen will, wie er, auch wenn er selbst gewandt in Sprache und Wissen ist, sich dennoch auf das Wissens-

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Mit welchen audientes und welcher scientia aber ist in Mailand zu rechnen? Ein Blick auf das kulturelle Milieu der Stadt soll dieser Frage nachgehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Ambrosius mit der Veröffentlichung seiner überarbeiteten Werke auch außerhalb des Gottesdienstes intensiv rezipiert wurde. Grundsätzlich ist in den Gottesdiensten des Ambrosius mit einer breiten, aus allen Schichten der Mailänder Gesellschaft zusammengesetzten Zuhörerschaft zu rechnen, die sich nicht nur aus Christen, sondern auch aus interessierten Heiden zusammensetzte. Einzig in den liturgischen Teilen der Eucharistiefeier und in mys­ tagogischen Katechesen war der Zutritt bzw. die Anwesenheit eingeschränkt. Im Jahr 374 zählte Mailand zwischen 130.000 und 150.000 Einwohner, wobei der Großteil immer noch heidnischen Kulten verpflichtet war.98 Claudia Tiersch kann nachweisen, dass es sich bei der norditalienischen Stadt im vierten Jahrhundert ­keineswegs um eine christliche Metropole handelte, wie Charles Pietri meint.99 Die Beschreibung des Leichenzugs, der im Jahr 397 den Leichnam des Ambrosius zum Begräbnis geleitet, lässt darauf schließen, dass selbst zu dieser Zeit in Mailand ein großer Anteil der Bevölkerung aus Juden und Paganen bestand.100 Zudem weist der Befund der Grabinschriften darauf hin, dass in der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts noch pagane Kulte in der Stadt aktiv waren und es keineswegs zu einer plötzlichen Abschaffung der Kultbetriebe kam.101 Es ist davon auszugehen, dass auch im Stadtbild Mailands, trotz der intensiven Kirchenbautätigkeit des Ambrosius, bis ans Ende des vierten Jahrhunderts ein Nebeneinander von Tempeln und Basiliken herrschte.102 Die Konkurrenz durch kultische Religionen muss für Ambrosius spürbar gewesen sein, auch wenn in Mailand die Patronage des Christentums durch die Präsenz niveau derer begibt, die den Stoff nicht verstehen, und wie er eine einfache, recht verständliche und gebräuchliche Sprache benutzt, damit man ihn verstehen könne.“ Zur Anpassung des Stils an die Zuhörer vgl. Dassmann, Ambrosius von Mailand, 145 mit dem Hinweis auf ep. 36,2 – 7 (2) an den Bischof Constantinus, dem Ambrosius mehrere rhetorische Anweisungen gibt. Vgl. auch Jean Mesot, Die Heidenbekehrung bei Ambrosius von Mailand, NZM 7, Schöneck / Beckenried 1958, 52 f.  98   Vgl. Enrico Cattaneo, La religione a Milano nell’età di Sant’Ambrogio, ArAmb 25, Mailand 1974, 37 – 41. Cattaneo nimmt außerdem eine große jüdische Gemeinde an, vgl. a. a. O., 33, Anm. 6 und 41 – 45.  99   Zu Mailand als „métropole d’une chrétienté impériale“ vgl. Charles Pietri, Aristocratie milanaise. Païens et chrétiens au IVe siècle, Publications de l’École Française de Rome 234 (1997), 981 – 1006, 997 – 1005. 100   Vgl. Paul. vit. Ambr. 48: Erant enim exsequiarum turbae innumerabiles totius dignitatis totius­ que sexus omniumque paene aetatum, non solum christianorum sed etiam Iudaeorum et paganorum.  – „An  dem Leichenzug nahmen unzählige Massen von Menschen jeden Standes, jeden Geschlechts und fast jeden Alters teil, nicht nur Christen, sondern auch Juden und Heiden.“ 101   Vgl. Claudia Tiersch, Mailand im 4. Jh. – ein christliches Rom?, in: Therese Fuhrer (Hg.), Rom und Mailand in der Spätantike. Repräsentationen städtischer Räume in Literatur, Architektur und Kunst, Topoi 4, Berlin 2011, 393 – 413, 404. Nur 150 von 2000 überlieferten Inschriften in Mailand weisen demnach ein christliches Bekenntnis auf. 102   Vgl. Mark Humphries, Communities of the Blessed. Social Environment and Religious Change in Northern Italy, AD 200 – 400, Oxford 1999, 208 f.

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der Kaiser von hoher Wirksamkeit war. Selbst nach dem kaiserlichen Beschluss, die Finanzierung der Tempel und Priester aus öffentlicher Hand einzustellen, konnten diese in Form von Privatkulten durch die Unterstützung wohlhabender Heiden weiter fortbestehen.103 Das Mailand des Ambrosius ist darum trotz eines steten Wachstums der Kirche weniger eine homogene, christianisierte Metropole als vielmehr eine vom Nebeneinander unterschiedlicher Gruppen geprägte Stadt. Eine besondere Prägung erhielt Mailand seit 383 durch die Anwesenheit des kaiserlichen Hofes, in dessen Schatten sich die Administration in Form höher und niedriger gestellter Beamter, aber auch das logistische Netzwerk in Form von Händlern und Handwerkern niederließ. Peter Brown geht von einem starken gesellschaftlichen Potenzial aus, ein die verschiedenen Schichten integrierendes Kirchenvolk zu gestalten,104 in dem aber auch die verschiedenen Bedürfnisse der Gruppen angesprochen werden wollten. Neben der wirtschaftlichen Prosperität, die sich aufgrund der Präsenz des Kaisers nach dem Schock von Adrianopel im Jahr 378 einstellte,105 erfuhr Mailand auch einen kulturellen Aufschwung durch die Anwesenheit mehrerer hochgebildeter Personen. Ob es tatsächlich einen „Mailänder Zirkel“ gegeben hat, in dem neuplatonische und christliche Gedanken in symbiotischer Beziehung zusammen gebracht wurden, wie es von Aimé Solignac106 und Henry Chadwick107 vermutet wurde, steht zuletzt im Zweifel.108 Tatsächlich finden sich nur wenige Personen, die in ihrem Denken eine echte Synthese aus beiden Strömungen darstellen – es sind dies Ambrosius selbst, Simplician und Marius Victorinus in Rom. Weitere Namen, die oft ins Spiel gebracht wurden, wie Zenobius und Verecundus, lassen sich als Nichtchristen einordnen.109 Dass aber in der Residenzstadt ein von Autoritäten wie Manlius Theodorus und Simplicianus geprägtes Klima der kulturellen Vielfalt und philosophischen Konzentration herrschte, das nicht nur Augustinus im Denken beflügelte und das einen Dialog jenseits von Christentum und Philosophie förderte, steht außer Frage. Es ist von mehreren „Zirkeln“ auszugehen, wie Maria MacLean Kiely vermutet, zu denen Ambrosius wohl Kontakt hatte.110

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 Vgl. Humphries, Communities of the Blessed, 209 f.  Vgl. Brown, Der Schatz im Himmel, 205 – 207. 105   Vgl. a. a. O., 219. Mailand stellte das verbindende Wirtschaftszentrum zwischen der nördlichen Po-Ebene bzw. der Alpenregion und dem südlichen Italien dar, und Humphries, Communities of the Blessed, 30. 106   Vgl. Aimé Solignac, Il circolo neoplatonico milanese al tempo della conversione di Agostino, in: Marta Sordi (Hg.), Agostino a Milano. Il  battesimo; Agostino nelle terre di Ambrogio (22 – 24 aprile 1987), Augustiniana 3, Palermo 1988, 43 – 56. 107   Vgl. Henry Chadwick, Augustin, Göttingen 1987, 30 f. 108   Vgl. Volker H. Drecoll, Ambrosius als Taufvater Augustins und der „Mailänder Kreis“, in: Ders. (Hg.), Augustin Handbuch, Stuttgart / Tübingen 2014, 127 – 143, 141 f. 109   Vgl. a. a. O., 142 und Markschies, Ambrosius von Mailand und die Trinitätstheologie, 80. 110  Vgl. MacLean Kiely, Ambrose the Pastor and the Image of the ‚Bride‘, 129 f. 104

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Ein solches Klima müssen wir auch für die Gemeinde in Mailand annehmen: Als Bischof rechnete Ambrosius, vor allem im Fall seiner regulären Predigten, offensichtlich mit einem gebildeten, mit den Grundlagen der platonischen Philosophie vertrauten Publikum, das sogar Anspielungen auf die Enneaden Plotins erkannte – gerade wenn es um das allgegenwärtige Thema des Todes und den Aufstieg der Seele ging. Berühmte Beispiele sind dafür die Briefe des Ambrosius an den Priester Horontianus und an den Laien Irenäus, mit denen der Bischof dezidiert neuplatonische Gedanken austauscht,111 die auf die Vermischung der Fronten bzw. die Synthese aus Neuplatonismus und Christentum hinweisen. Ein pastorales Ziel des Ambrosius ist die Ermunterung der christlichen Zuhörer und Leser zur Taufe. Während er die Heidenmission methodisch nur indirekt zum Ziel hat, ist die Überzeugung der eigenen Gemeindemitglieder, „Vollchristen“ zu werden, ein größeres Problem des Bischofs.112 Ambrosius klagt mehrmals über die geringe Zahl der Taufbewerber: et ego, domine, scio quia nox mihi est, quando non imperas. nemo adhuc dedit nomen suum, adhuc noctem habeo. misi iaculum vocis per epifania et adhuc nihil cepi.113 Hintergrund dieser Zurückhaltung bei der Anmeldung zur Taufe war der seit Anfang des vierten Jahrhunderts in Mode gekommene Brauch, sich erst im hohen Alter taufen zu lassen, um möglichst spät die volle Sündenvergebung in Anspruch zu nehmen.114 Gegen diesen Brauch kämpfte Ambrosius unter anderem mit der Schilderung der Folgen, die der Tod eines Ungetauften nach sich zieht.115 111  Vgl. ep. 11 (29) an Irenäus zum Begriff des Guten in Anlehnung an Plotin, enn. 1,6. Ähnlich auch die Briefkorrespondenz mit Horontianus zum Wesen der Seele, vgl. ep. 21 und 23 (34 und 36). 112   Vgl. Ernst Dassmann, Pastorale Anliegen bei Ambrosius von Mailand, in: Georg Schöllgen (Hg.), Ernst Dassmann. Ausgewählte kleine Schriften zur Patrologie, Kirchengeschichte und christlichen Archäologie, JbAC 37, Münster 2011, 295 – 315, 301 f. 113  Vgl. exp. Luc. 4,76: „Und ich, Herr, weiß, dass für mich Nacht herrscht, wenn du nicht deine Befehle sprichst. Niemand hat bisher seinen Namen (sc. für die Taufanmeldung) eingetragen, bisher herrscht die Nacht um mich. Ich habe das Netz der Worte seit Epiphanias ausgeworfen und bisher habe ich nichts gefangen.“ 114   Zur Tradition des Taufaufschubs, der sich ab dem vierten Jahrhundert, möglicherweise nach dem Vorbild von Kaiser Konstantin, hoher Beliebtheit erfreute, vgl. Markus Öhler, Taufe, UTB 3661, Tübingen 2012, 100 f. 115  Vgl. Hel. 22,85: quousque delectationes, quousque comissationes? instat iudicii dies: dum differs gratiam, mors adpropinquat. quis dicat: ‚non mihi nunc vacat, occupatus sum, non mihi demonstres lumen, nolo tam cito me redimas, non mihi adhuc opus est regnum caeleste?‘ nonne hoc dicit qui excusat a baptismate? et quanta gratia renovaris, o homo! et non exureris, sanaris et non doles, reformaris et non dissolveris, ictum mortis non excipis et resurgis. – „Wie lange noch (dauern) die Vergnügungen, wie lange die Schwelgereien? Der Tag des Gerichtes steht kurz bevor: Während du die Gnade aufschiebst, nähert sich der Tod. Wer könnte sagen: ‚Ich habe jetzt keine Zeit, ich bin beschäftigt, zeige mir nicht das Licht, ich will nicht, dass du mich so schnell erlöst, bis jetzt brauche ich das Himmelreich noch nicht?‘ Sagt das nicht einer, der sich von der Taufe entschuldigt? Und wie groß ist die Gnade, mit der du erneuert wirst, Mensch! Gereinigt wirst du und nicht verbrannt, geheilt wirst du und hast keine Schmerzen, erneuert wirst du und nicht aufgelöst. Du empfängst keinen Todesstoß und erstehst wieder auf.“ Vgl. dazu auch die Briefe des Ambrosius an Bellicius, ep. 9 (79) und 67 (80), wo der Bischof die Ernsthaftigkeit des Täuflings fordert.

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Zudem kritisiert Ambrosius voller Sorge die mangelnde Ernsthaftigkeit mancher seiner Gemeindeglieder, die sich offenbar in einem nur sporadischen Gottesdienstbesuch zeigte.116 Die Untersuchung der Trostschriften wird zeigen, welche Bandbreite Ambrosius mit seinen Gedanken schafft, um gerade angesichts des allgemein-menschlichen Phänomen des Todes verschiedene Gruppen anzusprechen und Interessierte, Zauderer und Skeptiker von der christlichen Auferstehungshoffnung zu überzeugen. 3. Der Tod des Ambrosius Bevor die theoretischen Grundlegungen und praktischen Anwendungen der Trostschriften dargestellt werden, sei ein kurzer Blick auf das Ende des Ambrosius selbst erlaubt. Nur kurze Zeit nach der Leichenrede für Theodosius verstarb Ambrosius am 4. April 397, in der Nacht des Karsamstages. Möglicherweise hat die Reise nach Pavia, wo er den Nachfolger des Eventius eingesetzt hatte, den etwa 63‑Jährigen so geschwächt, dass er erkrankte und ans Bett gefesselt war.117 Diese Tage schildert Paulinus, der Sekretär des Ambrosius, in der Biographie des Bischofs. Als der schlechte Gesundheitszustand des Ambrosius bemerkt wird, bitten ihn seine Freunde um Gebete für sich selbst, um von Gott eine Verlängerung seines Lebens zu erwirken. Auch wenn der historische Wert dieser Biographie kritisch gesehen werden muss, so deckt sich doch die berühmte Antwort des Ambrosius, die Paulinus zitiert, mit der Sicherheit und Konsequenz, die die ambrosianischen Trostschriften auszeichnet: Quod ille ubi audivit ab illis, respondit: ‚Non ita inter vos vixi, ut pudeat me vivere; nec timeo mori, quia bonum Dominum habemus‘.118

116  Vgl. exp. Luc. 6,78: quanti etiam praesentium deficient in via et post hos sermones [. . .], quanti inquam deficient et in vias gentium transversis itineribus fornicantes abibunt! atque utinam unus et non plurimi. – „Wie viele der Anwesenden werden also vom Weg abkommen, selbst nach diesen Worten [. . .], wie viele, sage ich, werden abkommen und auf gewundenen Pfaden der Heiden hurend in die Irre laufen! Wenn es doch nur einer wäre und nicht viele!“ 117  Vgl. Paul. vit. Ambr. 45: Sed post dies hos, ordinato sacerdote ecclesiae Ticinensi, incidit in infirmitatem. – „Nach diesen Tagen aber, nachdem er den Bischof von Ticinium (Pavia) eingesetzt hatte, erkrankte er.“ 118  Paul. vit. Ambr. 45: „Als jener aber dies von ihnen vernahm, antwortete er: ‚Ich habe nicht auf solche Weise unter euch gelebt, dass ich mich meines Lebens schämen müsste. Ich fürchte den Tod nicht, da wir einen guten Herrn haben.‘“ Michaela und Klaus Zelzer weisen auf die Nähe des Zitates zu Cic. Cato 84 (non lubet enim mihi deplorare vitam, quod multi et ii docti saepe fecerunt, neque me vixisse paenitet, quoniam ita vixi, ut non frustra me natum existumem. – „Denn ich möchte nicht das Leben beweinen, was viele und auch gerade gelehrte Menschen häufig tun. Und ich bereue es nicht, gelebt zu haben, da ich so gelebt habe, dass ich glaube, nicht umsonst geboren worden zu sein.“) hin, was die Authentizität dieses Ausspruches im Bericht des Paulinus nahelegt, vgl. Zelzer / Zelzer, Todestrost und Auferstehung bei Ambrosius von Mailand, 116.

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Die Überwindung der Todesfurcht im Vertrauen auf die Gnade Gottes, der in seiner Güte auch aus dem leiblichen Tod ein bonum schafft,119 legt Ambrosius seinen Zuhörern in allen Werken nahe. Das lebenswerte Leben, dessen sich der Mensch nicht schämen muss, ist das auf Christus ausgerichtete Leben, das von der Sünde Abstand nimmt. Die Konzentration auf das Ziel im Vollzug eines gottgeweihten Lebens vergleicht Ambrosius auch mit dem Tanz Davids vor der Bundeslade, dessen er sich nicht schämen muss.120 Freude ist nach Ambrosius die adäquate Reaktion auf den Tod, wenn man sich des erfüllten Lebens bewusst sein kann. Entsprechend schildert Paulinus eine Szene, in der Ambrosius in Tränen ausbricht, als er vom Tod eines Priesters erfährt. Nicht Trauer über die Verstorbenen bewege ihn, so lässt Paulinus ihn auf eine Anfrage antworten, sondern das Vorausgehen des Toten – und die Tatsache, dass es schwierig sei, passende Personen für das Priesteramt zu finden.121 Ambrosius kümmerte sich noch auf dem Krankenbett um seine Nachfolge, indem er seinen ehemaligen Lehrer, den bereits 80 Jahre alten Simplician bestimmte.122 Ambrosius überging somit wohl in seiner Nachfolgefrage die kirchlichen Bestimmungen, indem er selbst über den geeigneten Kandidaten entschied.123 Überhaupt hat Ambrosius Vorbereitungen für seinen Tod getroffen. So hat er schon früh die basilica ambrosiana, die heutige Kirche San Ambrogio, als Begräbnisort ausgesucht.124 Der Tod des etwa 63‑jährigen Bischofs am Morgen des Karsamstages, des 4. April, wird von Paulinus mit einer Audition des Bischofs Honoratus illustriert: Honoratus etiam sacerdos ecclesiae Vercellensis, cum in superiore domus se quiescendum composuisset, tertio vocem vocantis se audivit dicentisque sibi: ‚Surge, festina, quia modo est recessurus‘. Qui descendens obtulit sanctum Domini corpus; quo adcepto ubi gluttivit, emisit spiritum, bonum viaticum se cum ferens, ut in virtute escae anima refectior angelorum nunc consortio,

119   Die Wendung bonum Dominum habemus findet sich mit genau diesem Impetus der sündenvergebenden Gnade auch in paen. 2,4 und 6. 120  Vgl. paen. 2,6: totum enim decet quidquid defertur religioni, ut nullum obsequium quod proficiat ad cultum et observantiam Christi, erubescamus. – „Alles, was der Verehrung Gottes gilt, ist nämlich richtig, sodass wir uns keines Dienstes schämen müssen, der zur Verehrung und zur Nachfolge Christi dient.“ 121   Vgl. Paul. vit. Ambr. 40. 122   Paulinus schildert die Szene der Ernennung des Simplician breit und anekdotenhaft. Während sich drei Diakone über die Nachfolge unterhalten, soll, als der Name des Simplician fällt, der Sterbende dreimal ausgerufen haben: Senex, sed bonus (vit. Ambr. 46). Simplician wurde im April 397 als Bischof von Mailand eingesetzt 123   Dasselbe eigenmächtige Verhalten entgegen der eigentlichen kirchlichen Richtlinien zur Bischofswahl lässt sich nach dem Tod des Bischofs Acholius von Thessaloniki feststellen, dessen zu Nachfolge bestimmten Kandidaten Anysius Ambrosius unterstützte, siehe unter B.VII. 124   Ambrosius wollte wohl ursprünglich direkt unter dem Altar begraben werden, vgl. ep. 77,13 (22): hunc ego locum praedestinaveram mihi, dignum est enim ut ibi requiescat sacerdos ubi offerre consuevit. – „Diesen Ort hatte ich für mich bestimmt, denn es ist angemessen, als Priester dort zu ruhen, wo man stets geopfert hat.“

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Einleitung

quorum vita vixit in terris, et Heliae societate laetetur; quia ut Helias numquam regibus vel ullis potestatibus, ita nec iste pro Dei timore loqui veritus est.125

Direkt nach der Einnahme der „Wegzehrung“ der Eucharistie starb Ambrosius. Sein Leichnam wurde während der Ostervigil und der Taufe der competentes in der Bischofskirche basilica nova126 aufgebahrt und schließlich mit einem Leichenzug durch die Stadt zur basilica ambrosiana begleitet, wo Ambrosius bestattet wurde. Paulinus berichtet im Rahmen der Beschreibung der pompa funeralis von einer großen, heterogenen Volksmenge: Nicht nur Christen, sondern auch Juden und Heiden haben dem Bischof das Geleit gegeben.127 Er nahm für sich das besondere Privileg in Anspruch, ad sanctos begraben zu werden, d. h. in direkter Nähe der unter dem Altar bestatteten Märtyrer, wo sein Leichnam auch heute noch gemeinsam mit den Reliquien des Gervasius und des Protasius verehrt wird.128 Der Tod des Ambrosius wird in Paulinus’ Darstellung von einigen Wundern begleitet: In der Ostervigil hätten Neophyten den Toten auf dem Thron sitzen sehen, 125  Paul. vit. Ambr. 47: „Honoratus, der Bischof von Vercelli, hörte, als er sich im oberen Bereich des Hauses zur Ruhe gelegt hatte, hörte dreimal die Stimme, die nach ihm rief und ihm sagte: ‚Steh auf, beeile dich, weil er bald zurückkehren wird.‘ Dieser ging hinunter und bot den heiligen Leib des Herrn. Und nachdem er ihn empfangen hatte, als er ihn geschluckt hatte, gab er seinen Geist auf, wobei er eine gute Wegzehrung mit sich führte, sodass seine Seele, in der Kraft dieser Speise gestärkt, sich nun der Gemeinschaft mit den Engeln, deren Leben er bereits auf Erden gelebt hat, und der Gesellschaft des Elia erfreuen dürfe. Denn so wie sich Elia niemals fürchtete, mit den Königen oder anderen Mächtigen zu sprechen, so fürchtete sich auch dieser nicht zu sprechen, da er gottesfürchtig war.“ Das viaticum bzw. ἐφόδιον, die Spendung der Eucharistie auf dem Sterbebett, scheint zumindest nach der Zeit Konstantins ein in der Kirche verbreiteter Brauch gewesen zu sein, wobei aber schon auf dem Konzil von Nizäa (can. 13) beschlossen wurde, dass die Spendung keinem Sterbenden verweigert werden dürfe, vgl. Ulrich Volp, Tod und Ritual in den christlichen Gemeinden der Antike, SVigChr 65, Leiden / Bonn 2002, 166 – 169. Der sofortige Tod nach Einnahme der Eucharistie ist wohl ein Motiv, vgl. die Darstellung des Todes des Serapion in Eus. h. e. 6,44,4 f. 126   Es stellt sich die Frage, wer, nach dem Ableben des Bischofs, die Taufe der Anwärter in der Osternacht vorgenommen hat bzw. wer auch schon in der Osterwoche die Unterrichtung der competentes vorgenommen hat. Möglicherweise kann hier Honoratus, für dessen Wahl zum Bischof der Gemeinde in Vercelli Ambrosius erst 396 gesorgt hatte, vgl. ep. extra coll. 14 (63), als Vertreter fungiert haben. Honoratus war in den letzten Tagen des Ambrosius in Mailand und reichte dem Sterbenden noch die Eucharistie, vgl. Paul. vit. Ambr. 47. Vielleicht ist sein Aufenthalt in Mailand durch die längere Krankheit des Bischofs und eine daraus resultierende Mithilfe bei den Amtsgeschäften begründet. Paulinus jedenfalls gibt keinen Grund für seine Anwesenheit an. 127   Vgl. Paul. vit. Ambr. 48: Erant enim exsequiarum turbae innumerabiles totius dignitatis totius­ que sexus omniumque paene aetatum, non solum christianorum sed etiam Iudaeorum et paganorum. – „An dem Leichenzug nahmen unzählige Massen von Menschen jeden Standes, jeden Geschlechts und fast jeden Alters teil, nicht nur Christen, sondern auch Juden und Heiden.“ Selbst am Ende des vierten Jahrhunderts zeigt sich hier der erhebliche Anteil der paganen Bevölkerung Mailands. 128  Zur translatio der Gebeine der beiden Märtyrer in die 386 eingeweihte Basilika vgl. ep. 77 (22). Zu Bauentscheidung, Ortswahl und Baubeginn unter Ambrosius vgl. Markus Löx, Monumenta sanctorum. Rom und Mailand als Zentren des frühen Christentums: Märtyrerkult und Kirchenbau unter den Bischöfen Damasus und Ambrosius, Spätantike, frühes Christentum, Byzanz 39, Wiesbaden 2013, 105 – 109.

III. Ein Bischof zwischen römischer Tradition und Christentum

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andere hätten einen Stern über dem Leichnam leuchten sehen. Auch berichtet Paulinus von schreienden Dämonen und Erscheinungen des Ambrosius vor Klerikern aus dem Osten und in Florenz sowie vor dem Heerführer Masezel. Schließlich findet sich in der Vita ein Bericht über die Heilung eines Blinden, der wegen einer Vision des verstorbenen Ambrosius nach Mailand gereist war.129 Während Paulinus diese Wunder detailliert beschreibt und eindringliche Warnungen vor der Verleumdung des Toten anfügt, berichtet er weder Genaueres über die liturgischen Abläufe der Trauerfeier noch erwähnt er eine Leichenrede für den Verstorbenen.130 Es hat also den Anschein, als ob zu Ehren des großen Predigers und Trösters Ambrosius keine Leichenrede gehalten wurde.

129

  Vgl. dazu die Schilderungen in Paul. vit. Ambr. 47 – 52.  Vgl. Dassmann, Ambrosius von Mailand, 278. Ein geeigneter Kandidat für solch eine Ehre wäre wohl der Nachfolger Simplician oder aber der anwesende Honoratus gewesen. Dass Paulinus als Zeuge des Geschehens allerdings keine Rede erwähnt, spricht dafür, dass eine solche auch nicht gehalten wurde. 130

Teil A

Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis Entsprechend der Bedeutung der consolatio als „Trostschrift“ im Sinne einer theoretischen Belehrung zur Todesüberwindung oder Trauerbewältigung und als „Trost“ im Sinne einer Gelegenheitsschrift angesichts eines konkreten Todesfalls soll im folgenden Teil A zunächst die theoretische Grundlegung des Todestrosts erfolgen, bevor in Teil B mit den unterschiedlichen Reden und Briefen konkrete Tröstungen im Rahmen ihrer historischen Situation betrachtet werden. Ambrosius greift in seinen Trostschriften verschiedener Gattungen auf die gattungsspezifischen Empfehlungen zum Verfassen einer consolatio zurück. Darum ist ein Blick auf die unterschiedlichen philosophischen Todesvorstellungen, die den antiken Trostschriften zugrunde liegen, nötig, die Ambrosius – in Teilen annehmend, in Teilen ablehnend – rezipiert.

I. Todesvorstellungen und Trost in der antiken Tradition 1. Tod und Trost im Denken der antiken Philosophie Ambrosius war Spross einer vornehmen Familie, die trotz ihres christlichen Bekenntnisses in der elitären römischen Gesellschaft verankert war. Innerhalb der Ausbildung in Rom ist darum, neben Rhetorik und der Rechtsauslegung, seine Beschäftigung mit der Philosophie selbstverständlich. Inwiefern er sich mit den verschiedenen Werken der Philosophen auseinandergesetzt hat, ob mittels originalsprachlicher Einzelwerke oder übersetzter Anthologien, ist nicht sicher nachzuweisen. Dass er aber mit den Gedanken reflektiert umging, zeigt sich an vielen Stellen. Auffällig ist dies im Rückgriff auf die philosophischen und rhetorischen Argumentationsstrukturen der antiken Trostliteratur, die im Folgenden dargestellt werden sollen. Die kultische Religionsausübung in der antiken griechischen und römischen Kultur zielte in erster Linie auf die Orthopraxie und die moralische Integrität des Menschen vor den Göttern ab. Das Seelenheil des Einzelnen wurde darüber vernachlässigt, weswegen sich die Philosophie und die Rhetorik der Therapie des Schmerzes angesichts des Todes verschrieben.1 Sämtliche Philosophenschulen der Antike hatten ihre Ansichten zum Tod und seinen Umständen, die von christlichen Autoren schon früh rezipiert worden. Die unterschiedlichen Vorstellungen finden in der antiken Tradition der consolatio Anwendung, die es sich zur Aufgabe macht, den Schmerz und die Trauer in erster Linie angesichts des Todes zu therapieren. In seiner wegweisenden Darstellung zur griechischen und römischen consolatio hat Rudolf Kassel die Entstehung der Trostliteratur als eigene Gattung nachgezeichnet, die aus den verschiedenen Philosophenschulen Motive und Vorstellungen übernimmt und neu integriert.2 Die philosophischen Schulen des Epikureismus und der Stoa schließen aufgrund der materialistischen Grundlage aller Existenz ein postmortales Leben nach dem Tod aus, da Körper und Seele nach dem Tod in Atome zerfallen.3 Vor allem der Epikureis­

1

 Vgl. Favez, La consolation latine chrétienne, 9 f.  Vgl. Kassel, Untersuchungen zur griechischen und römischen Konsolationsliteratur, 4 – 39. 3   Zu dieser μεταβολή vgl. etwa Diog. Laert. 10,65. Vgl. zu epikureischen und stoischen Todesvorstellungen den Beitrag von Maximilian Forschner, „Der Tod ist nichts Gewaltiges“. Stoische und epikureische „meditatio mortis“, JBTh 19 (2004), 297 – 310 und Ernst Benz, Das Todesproblem in der stoischen Philosophie, TBAW 7, Stuttgart 1929. 2

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

mus propagiert darum die Lehre von der Beraubung aller Sinneswahrnehmung im Tod, weswegen der Tod den Menschen nichts mehr angehe.4 Aus dieser Todesvorstellung folgt für den Trost, dass der Tod des Menschen nicht reflektiert werden kann und muss, während die Konzentration auf die Lust von therapeutischer Wirksamkeit sei. In der Stoa dagegen wird der Tod als Eingang der verschiedenen Teile in den Kosmos verstanden, wobei diese Rückkehr als vernünftige Integration in den göttlichen Geist interpretiert wird. Die consolationes des Seneca zeigen ein gutes Beispiel der stoischen Affektenlehre, indem dem zu Tröstenden in Erinnerung gerufen wird, dass Gefühle wie Trauer angesichts der vanitas alles Irdischen nur Täuschungen darstellen und darum nicht der Vernünftigkeit der Natur entsprechen. Platon und seine Nachfolger, insbesondere Plotin und der von ihm ausgehende Neuplatonismus bauen auf der Erkenntnis auf, dass der Tod die Beendigung des dichotomischen Zustandes des Menschen darstellt, weswegen er regelmäßig als Trennung von Körper und Seele (χωρισμὸς ψυχῆς ἀπὸ σώματος) definiert wird.5 Diese Befreiung versucht die Philosophie in die irdische Existenz zu integrieren, indem das philosophische Leben als Sterben im Sinne der Befreiung der Seele von weltlichen Affekten und somit als Vorbereitung auf den Tod bezeichnet wird.6 Hinter dieser Vorstellung steht die Lehre einer unsterblichen Seele, die in unterschiedlicher Weise fortlebt. Im Dialog Phaidon stellt Platon im Rahmen des Gesprächs vor Sokrates’ Hinrichtung seine Lehre von der Seele dar, die nach dem Tod des Körpers daraufhin in einen anderen Körper wandern, oder aber, nach einem philosophisch vollkommenen Leben, in die intelligible Welt aufsteigt.7 Mit der Vorstellung von der Metempsychose greift Platon auf ein pythagoreisches Konzept zurück, das ihm die erkenntnistheoretische Grundlage der menschlichen Anamnesis bietet.8 Auf solche 4   Vgl. dazu Epicur. ep. Men. 124 f.: [. . .] στέρησις δέ ἐστιν αἰσθήσεως ὁ θάνατος. [. . .] ὁ θάνατος οὐθὲν πρὸς ἡμᾶς, ἐπειδήπερ ὅταν μὲν ἡμεῖς ὦμεν, ὁ θάνατος οὐ πάρεστιν, ὅταν δὲ ὁ θάνατος παρῇ, τόθ’ ἡμεῖς οὐκ ἐσμέν. – „[. . .] der Tod aber ist der Raub der Sinneswahrnehmung. [. . .] Der Tod bedeutet nichts für uns, denn solange wir existieren, ist der Tod nicht da; wenn der Tod aber da ist, dann existieren wir nicht mehr.“ 5   Vgl. Plat. Phaid. 67D: Οὐκοῦν τοῦτό γε θάνατος ὀνομάζεται, λύσις καὶ χωρισμὸς ψυχῆς ἀπὸ σώματος. – „Wird nicht der Tod als das bezeichnet: Loslösung und Trennung der Seele vom Körper.“ Dieselbe Definition, die auch Chrysipp bietet, findet sich etwa bei Cicero, Cic. tusc. 1,75: secernere autem a corpore animum, nec quicquam aliud, est mori discere. – „Die Seele vom Körper zu trennen bedeutet nichts anderes als sterben zu lernen.“ So auch Seneca, ep. 102,2. 6   Vgl. Cic. tusc. 1,75: Tota enim philosophorum vita, ut ait idem, commentatio mortis est. – „Das ganze Leben der Philosophen, so sagt er (sc. Sokrates, vgl. Plat. Phaid. 67D), ist eine Vorbereitung auf den Tod.“ 7   Zur Jenseitsdarstellung des Platon im Rahmen des Mythos im Phaidon vgl. Christian Schäfer, Der Mythos im Phaidon (107d – 115a), in: Jörn Müller (Hg.), Platon. Phaidon, Klassiker auslegen 44, Berlin 2011, 159 – 174. 8   Vgl. Plat. Phaid. 72E – 73A: [. . .] καὶ κατὰ τοῦτον ἀνάγκη που ἡμᾶς ἐν προτέρῳ τινὶ χρόνῳ μεμαθηκέναι ἃ νῦν ἀναμιμνῃσκόμεθα. τοῦτο δὲ ἀδύνατον, εἰ μὴ ἦν που ἡμῖν ἡ ψυχὴ πρὶν ἐν τῷδε τῷ ἀνθρωπίνῳ εἴδει γενέσθαι. – „[. . .] demnach müssen wir notwendigerweise in einer früheren Zeit etwas gelernt haben, an das wir uns jetzt erinnern. Dies wäre nicht möglich, wenn wir nicht eine Seele hätten, die schon war, bevor sie in die menschliche Form eingegangen ist.“ Vgl. auch

I. Todesvorstellungen und Trost in der antiken Tradition

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Jenseitsspekulationen wird regelmäßig in der konsolatorischen Literatur verwiesen, wobei sich aber keine Einheitlichkeit abzeichnet.

2. Die argumentative Struktur der consolatio mortis Ihrer Entstehung im sophistischen Bereich, in enger Verwandtschaft mit der Protrep­ tik, verdankt die consolatio eine grundsätzliche rhetorisch-psychagogische Prägung. Mit Argumenten, Definitionen und Umdeutungen des Übels als Gut soll der Redner oder Autor den consolandus, das heißt den zu tröstenden Zuhörer, von der Trauer ablenken und den Tod verharmlosen. Dazu finden sich sowohl eine klassisch gewordene Struktur der konsolatorischen Schriften als auch ein häufig wiederkehrender Bestand an Argumenten, die beide im Folgenden dargelegt werden. Der Aufbau einer zur Tröstung anregenden Rede zeigt sich am deutlichsten an den gattungsspezifischen Anweisungen des spätantiken Rhetors Menander,9 der in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts n. Chr. als Redelehrer in Athen gewirkt hat. Menander gibt zur Struktur eines λόγος παραμυθητικός, das heißt einer unter die laudatio funebris zu zählende Trostrede, folgende Abschnitte vor: 1) Klage: Der zu frühe Tod des geliebten Menschen ὁ μέντοι γε παραμυθούμενος ἐπιχειρήσας ἐκ τούτων ἐν τῷ πρώτῳ μέρει τοῦ λόγου, οἷον ὅτι νέος ὢν (ἂν οὕτω τύχῃ) παρ’ ἡλικίαν πέπτωκεν, οὐχ ὡς ἂν εὔξαιτό τις, καὶ γένος ἐστέρησεν τῆς ἐλπίδος καὶ γονέας καὶ πατρίδα [. . .].10 2) Trost καὶ τὸν ἐπ’ αὐτῷ θρῆνον αὐξήσας, ὡς ἐνδέχεται, ἐπὶ δεύτερον ἥξει μέρος τοῦ λόγου τὸ παραμυθητικόν [. . .].11 a) Allgemeinheit des Todes καὶ φιλοσοφῆσαι δὲ ἐπὶ τούτοις οὐκ ἀπειρόκαλον καθόλου περὶ φύσεως ἀνθρωπίνης, ὅτι τὸ θεῖον κατέκρινε τῶν ἀνθρώπων τὸν θάνατον, καὶ ὅτι πέρας ἐστὶν ἅπασιν ἀνθρώποις τοῦ βίου ὁ θάνατος, καὶ ὅτι ἥρωες καὶ θεῶν παῖδες οὐ διέφυγον.12 Phaedr. 245C – 249D. Zum Konzept der Seelenwanderung vgl. Walter Stettner, Die Seelenwanderung bei Griechen und Römern, TBAW 22, Stuttgart 1934.  9   Das wenige, was zu diesem spätantiken Rhetor bekannt ist, hat Joachim Soffel zusammengetragen, vgl. Joachim Soffel, Die Regeln Menanders für die Leichenrede, BKP 57, Meisenheim am Glan 1974, 90 – 105. 10   Men. Rhet. 413,15 – 19: „Derjenige aber, der eine Trostrede halten will, soll im ersten Teil der Rede damit beginnen, dass er (sc. der Verstorbene) jung war, wenn das zutrifft, und dass er frühzeitig gestorben ist, nicht so, wie man es sich sonst wünscht, und dass er sein Geschlecht, seine Eltern und seine Heimat der Hoffnung beraubt hat [. . .].“ 11   Men. Rhet. 413,21 – 23: „Und wenn du diese Klage über ihn bis zum Höhepunkt gesteigert hast, dann soll der zweite Teil der Rede kommen, der Trostteil [. . .].“ 12   Men. Rhet. 414,2 – 6: „Es ist nicht unpassend, über die allgemeine menschliche Natur zu philosophieren, dass das Göttliche den Tod der Menschen entschieden hat, und dass der Tod für alle Menschen die Grenze des Lebens darstellt, und dass auch Heroen und Kinder von Göttern ihm nicht entkommen sind.“

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

b) Ende des irdischen Leids εἰ δὲ ἀτύχημα, τύχης τὸ πίπτειν ἐνθάδε, ἐξέφυγεν ἀνιαρὰ τοῦ βίου·13 c) Jenseitshoffnung εἶτα ὅτι πείθομαι τὸν μεταστάντα τὸ Ἠλύσιον πεδίον οἰκεῖν [. . .].14

Der Rhetor Menander gilt als Gattungsbegründer der Leichenpredigt und stellt mit seinen Anleitungen zur Konzeption der Monodie, der Trostrede und der Grabrede angesichts der Tatsache, dass keine antiken paganen laudationes funebres auf uns gekommen sind, eine wichtige Quelle für die Erforschung des Umgangs mit dem Tod und der Bewältigung von Trauer in der Antike und Spätantike dar. Die hier zitierten Passagen aus seinen Ausführungen zum Verfassen einer Trostrede spiegeln das Repertoire der gängigsten heidnischen Argumente der consolatio wider: die allgemeine Sterblichkeit des Menschen, die Unannehmlichkeiten des Lebens und das Fortleben im Jenseits – ein Repertoire, das der christliche Rhetor der Spätantike auf verschiedenste Weise in Trostreden, Briefen oder philosophischen Traktaten vorfindet – und zu dem er sich auf je eigene Weise verhalten muss. Das Repertoire klassischer Konsolationsargumente wird zudem durch eine Reihe weiterer philosophischer und logischer Grundsätze ergänzt:15 – – – – – – – – – –

Das Leben ist den Wechselfällen des Zufalls ausgeliefert. Tränen sind nutzlos, sie verlängern nur das Leid. Exemplarische Todesfälle großer Persönlichkeiten bieten eine Vorbereitung auf den Tod. Der Wechsel von Leben und Tod ist Teil des vernünftigen Kosmos. Der Tod ist nichts anderes als eine lange Reise. Der sittliche Gehalt des Lebens ist wichtiger als die Länge des Lebens. Die Akzeptanz des Todes bedeutet die Unterordnung unter die göttliche Vorsehung. Nutzlose Trauer verlängert nur die Schmerzen im Leben. Übermäßige Trauer ist Zeichen von Barbaren und Frauen. Die richtige Trauer besteht im ehrenden Gedenken.

In der vorliegenden Arbeit wird gezeigt, wie Ambrosius auf viele dieser Argumentationsstrukturen und Argumente zurückgreift, wobei er allerdings nie sklavisch den Empfehlungen seiner Vorbilder folgt, sondern stets eine christliche Modifikation vornimmt und durch unterschiedliche Selektion, Gewichtung und Präsentation die antike literarische Erscheinungsform der consolatio erstmals in das christliche Gewand kleidet. In den Trostschriften des Ambrosius bieten diese Argumente allerdings nur die Grundlage für das biblische Korrektiv. Gerade wo sich die pagane consolatio in einer diffusen Jenseitsspekulation verliert, setzt ihr Ambrosius die christ­ liche Vorstellung vom jenseitigen Schicksal des Toten bei Gott entgegen. 13   Men. Rhet. 414,15 f.: „Wenn aber (erg. das Leben) ein Unglück ist, und es ein Unglück ist hier zu leben, dann ist er den Widrigkeiten des Lebens entkommen.“ 14   Men. Rhet. 414,16 f.: „Dann (erg. musst du sagen): ‚Ich bin überzeugt davon, dass er in die Elysischen Gefilde übergetreten ist und dort Wohnung genommen hat [. . .].“ 15   Vgl. die Argumentensammlung mit Textbelegen bei Kassel, Untersuchungen zur griechischen und römischen Konsolationsliteratur, 59 – 89.

II. Die Jenseitstopographie des Ambrosius Ambrosius gibt in keiner Schrift einen systematischen Überblick seiner Vorstellungen der postmortalen Ereignisse, und doch sind diese, vor allem in den Trostschriften, omnipräsent, da sie den Hintergrund bilden, vor dem Ambrosius den Tod als Übergang und die Auferstehung als Ziel verarbeitet.1 Aus dem Werk des Ambrosius lassen sich vier Stationen extrahieren: (i), das Prüfungsfeuer, das die körperlosen Seelen in verschiedene Kategorien unterteilt; (ii) das Interim, das für die gerechten Seelen im Paradies, für die ungerechten im Hades stattfindet; (iii) das allgemeine Gericht bei der Vollendung der Welt, in dessen Rahmen die Auferstehung der Körper geschieht; (iv) das Eschaton, das für die Gerechten das Himmelreich, für die Ungerechten und Gottlosen die Hölle bedeutet. Bestimmte Ereignisse und Prozesse korrelieren dabei mit jenseitigen, explizit charakterisierten Orten. So entsteht eine Jenseitstopographie – eine Bühne, auf der in mehreren Szenen das Schicksal des verstorbenen Menschen spielt.

1. Der leibliche Tod des Menschen Infolge des Falls Adams erleidet der Mensch den leiblichen Tod, der, wie Ambrosius lehrt, die Auflösung der Gemeinschaft von Körper und Seele darstellt.2 Die beiden getrennten Teile erwartet zunächst ein unterschiedliches Schicksal. Da die Seele als lebensstiftendes Prinzip den Körper nach dem Tod nicht mehr bewohnt, muss dieser sterben und aufgrund seiner materiellen Substanz in seine Grundelemente zerfal-

1   Für eine Sammlung der Textstellen zur Jenseitsbeschreibung sind immer noch maßgeblich Niederhuber, Die Eschatologie des heiligen Ambrosius und ders., Die Lehre des hl. Ambrosius vom Reiche Gottes auf Erden. Eine patristische Studie, FChLDG 4,3 / 4, Mainz 1904. Daneben bietet Dudden, The Life and Times of St. Ambrose, 650 – 677 eine Zusammenstellung der eschatologischen Ereignisse. Ein kurzer Überblick innerhalb der Darstellung der lateinischen Eschatologie im 4. Jahrhundert findet sich bei Brian Daley, The Hope of the Early Church. a Handbook of Patristic Eschatology, Cambridge u. a. 1991, 97 – 101. 2  Vgl. Is. 8,79: ergo non timeamus mortem, quoniam requies est corporis, animae autem vel libertas vel absolutio. – „Fürchten wir darum nicht den Tod, denn er bedeutet Ruhe für den Leib, für die Seele aber Freiheit oder Loslösung.“

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

len.3 Dieses Los sieht Ambrosius aber nicht als endgültig an, sondern er bezeichnet den Aufenthalt des Leichnams im Grab als requies corporis, da er für den Körper die Auferstehung erwartet, nach der dieser gemeinsam mit der Seele gerichtet wird.4 Die unsterbliche Seele erwartet dagegen nach der Befreiung von den körperlichen Banden der Aufstieg in die himmlischen Sphären.

2. Die unteren Regionen der Himmel: Der Lufthimmel und der Fixsternhimmel Ambrosius stellt sich eine Teilung der himmlischen Sphäre in sieben Himmel vor, wobei er drei Regionen ausmacht, die jeweils weitere Unterteilungen erfahren, die unteren, sichtbaren Regionen der Himmel, den „dritten“ Himmel, der mit dem Paradies identisch ist, und das Königreich der Himmel, das wiederum in vier Sphären geteilt ist.5 Der unterste Himmel ist der Lufthimmel, der locus aerius bzw. caelum appelativum, der als sichtbare Sphäre noch Teil der vergänglichen Welt ist. Er wird in den höheren Regionen von Dämonen bevölkert.6 Bei ihrem Aufstieg nach dem Tod fliegt 3

 Vgl. Is. 7,59: quid enim tam diversum quam ignis et aqua, aer et terra, ex quibus corporis nostri creatura consistit? – „Was ist nämlich so unterschiedlich wie das Feuer und das Wasser, die Luft und die Erde, aus denen das Geschöpf unseres Körpers besteht?“ und Abr. 2,41: caro hominis et mundus e quattuor constat elementis. – „Das Fleisch des Menschen und die Welt sind, wie es bekannt ist, aus vier Elementen zusammengesetzt.“ Zum Zerfall des Körpers vgl. Abr. 2,64: patitur nos discedere ex hoc saeculo, ut secessione animae hoc corpus resolvatur in terram suam. – „Er lässt uns aus dieser Welt gehen, sodass durch die Trennung von der Seele dieser Körper zur Erde aufgelöst wird.“ 4  Vgl. exc. Sat. 2,52: Quomodo enim in iudicium vocabitur anima sine corpore, cum de suo et corporis contubernio ratio praestanda sit? – „Wie sollte denn (erg. nur) die Seele ohne den Körper vor Gericht gerufen werden, wenn über ihre Gemeinschaft Rechenschaft abzulegen ist?“ 5  Vgl. exp. Ps. 38,17: et ille quidem ascendit super omnes caelos ad dei sedem, homines autem a primo caelo ad secundum et deinceps a secundo ad tertium et ab illo per distinctiones fere ad septimum caelum atque in ipsam apsidem et summitatem caeli qui merentur ascendunt. – „Und jener (sc. Christus) steigt über alle Himmel zum Sitz Gottes auf, während die Menschen vom ersten Himmel zum zweiten kommen und schließlich vom zweiten zum dritten und von jenem über unterschiedliche Wege fast bis zum siebten Himmel, und die es verdienen, steigen bis zur eigentlichen Spitze und zum Gipfel des Himmels.“ Diese Einteilung bietet auch die Himmelfahrt Jesajas, vgl. AscJes 7 – 10, vgl. Adolf Lumpe / Hans Bietenhard, Art. Himmel, RAC 15 (1991), 173 – 212, 202. Ob Ambrosius hier möglicherweise auf diese Quelle oder auf Origenes zurückgreift, der in princ. 2,3,6 die Apokalypse des Baruch und deren Schilderung von sieben Himmeln erwähnt, oder aber ob er die Sieben aufgrund ihrer biblischen Bedeutung, etwa wegen der Schöpfungstage, anwendet, muss offenbleiben. Die Vorstellung der sieben Himmel findet sich nur an dieser Stelle, Ambrosius geht aber auch an anderen von mehreren Himmeln über dem dritten Himmel aus, vgl. exam. 2,2. Basilius von Caesarea stellt in seinem Hexameron, der Vorlage des Ambrosius, die Möglichkeit mehrerer Himmel den sieben Planetensphären gegenüber. Aussagen über eine Siebenzahl der Himmel im Sinne der Vorstellung des Ambrosius macht er aber nicht, vgl. Bas. exam. 6,3. 6  Vgl. ep. extra coll. 14,71 (63): in caelo nequitiam angelorum refelleret. – „er widerstand der Verdorbenheit der Engel im Himmel.“ Vgl. auch exp. Ps. 118,8,58: hoc enim caelum velut medius quidam inter caelum et terram aerius locus dicitur, in quo sunt etiam spiritales nequitiae in caelestibus. –

II. Die Jenseitstopographie des Ambrosius

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die Seele durch diese Sphäre und ist somit den Bedrohungen des Teufels und seiner Dämonen ausgesetzt. Ambrosius ist darum daran gelegen, die Gemeindeglieder zu tätiger Mithilfe aufzurufen und für den sicheren Aufstieg der Seelen der Verstorbenen zu beten.7 Der zweite Himmel ist der Fixsternhimmel, der im Gegensatz zum Lufthimmel aus einer ätherischen Substanz besteht und Wohnraum der Engel ist.8 Diese bewegen die Gestirne und bewachen die Pforten zum dritten Himmel, dem Paradies.9

3. Das Prüfungs- bzw. Reinigungsfeuer Der sichtbare Sternenhimmel ist vom Paradies durch eine Feuerzone getrennt. Diese ist das aus dem Flammenschwert des Cherubs (Gen 3,24) entstandene Prüfungsfeuer, das alle Seelen durchlaufen müssen: sicut enim romphaea est in ingressu paradisi ignea, ut qui redit per ignem revertatur, urat peccata sua, probet aurum suum, ita qui redit per hos decursus redit, meritoque dicunt sancti: transivimus per ignem et aquam.10

Dieses Feuer hat im Konzept des Ambrosius mehrere Aspekte. In Form eines individuellen Gerichts prüft es alle durchschreitenden Seelen nach dem Tod. In dieser „Dieser Himmel ist nämlich wie die Mitte zwischen dem Himmel und der Erde und wird Luftort genannt, in dem auch dem die ‚nichtigen Geister im Himmel existieren‘ (Eph 6,12).“  7   Besonders deutlich wird ein solches Suffragium in der ersten Rede für Satyrus: Ambrosius bittet um die Tränen und Gebete der Gemeinde, um der Seele des Verstorbenen Schutz vor den Anfechtungen des Feindes zu verleihen, wenn sie ins Paradies aufsteigt. Vgl. exc. Sat. 1,29: a nequitiae spiritalis incursionibus eius animam liberavit. – „er (sc. Christus) hat die Seele vor den Angriffen der nichtigen Geister bewahrt.“ Entsprechend ist die Empfehlung der Seele an Gott zu verstehen, vgl. exc. Sat. 1,80: Tibi nunc, omnipotens Deus, innoxiam commendo animam. – „Dir, allmächtiger Gott, gebe ich die unschuldige Seele in die Hand.“ Zu den Suffragien für die Toten vgl. Niederhuber, Die Eschatologie des heiligen Ambrosius, 43 – 45 und Volp, Tod und Ritual in den christlichen Gemeinden der Antike, 232 f. Die Suffragien können aber auch ein möglichst schnelles Durchschreiten des Prüfungs- bzw. Reinigungsfeuer zum Inhalt haben. Ähnliche Gebetsanliegen bringt Ambrosius auch für Valentinian II. und Gratian (ob. Val. 78), die Schwester des Faustinus (ep. 8,4 [39]) und Theodosius (ob. Theod. 35) vor.  8  Vgl. Cain. 2,9,31: [. . .] superius utique caelum et quae in caelo sunt, sol, luna et stellae, throni, dominationes, principatus et potestates, Cherubin et Seraphin. – „[. . .] der höhere Teil ist natürlich der Himmel und die Dinge, die im Himmel sind: die Sonne, der Mond und die Sterne, die Throne, die Herrschaften, die Mächte und Gewalten, die Cherubim und Seraphim (vgl. Kol 1,16).“  9  Vgl. fid. 4,2,14: Quomodo ascendemus ad caelum? Sunt illic dispositae potestates, ordinati principes, qui caeli ianuas servant, qui ascendentem interrogant. – „Wie werden wir zum Himmel aufsteigen? Dort sind die Gewalten aufgestellt und die Mächte angeordnet, die die Türen des Himmels bewachen und den, der aufsteigt, befragen.“ 10   Exp. Ps. 1,38: „So befindet sich nämlich am Eingang des Paradieses ein ‚feuriges Schwert‘ (Gen 3,24), damit der, der zurückkommt, durchs Feuer zurückkommt, damit es seine Sünden verbrennt, damit es sein Gold prüft; auf diese Weise kommt der, der zurückkommt, auf diesem Weg zurück und die Heiligen sagen zu Recht: ‚Wir sind durch Feuer und Wasser hindurch gegangen‘ (Ps 65,12).“

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

Prüfung werden die je nach ihrer Sündenlast unterschiedlichen Kategorien der Menschen identifiziert und für den weiteren Verlauf unterteilt. Im Hintergrund steht dabei die paulinische Metaphorik der Reinigung von Metallen in 1 Kor 3,11 – 15:11 Je reiner eine Seele ist, desto weniger Schmutz muss aus ihr herausgebrannt werden und desto weniger Zeit muss sie im Feuer verbringen. Nur Christus musste aufgrund seiner Sündlosigkeit das Feuer nicht durchschreiten.12 Die Seelen erdulden je nach Lebensführung eine unterschiedliche Untersuchung ihrer merita, wobei das Feuer das Stroh und den Schmutz, d. h. die sündigen Anteile, ausbrennt. Dabei ordnet Ambro­sius die Menschen in drei Gruppen ein, perfecti bzw. iusti, peccatores und impii:13 ergo omnes igne examinabimur. [. . .] alii in igne remanebunt. illis rorabit ignis ut Hebraeis pueris, qui incendio fornacis ardentis obiecti sunt, ministros autem impietatis ultor ignis exuret, ministros autem impietatis ultor ignis exuret. vae mihi, si opus meum arserit et laboris huius patiar detrimentum! etsi saluos faciet dominus seruos suos, salui erimus per fidem, sic tamen salvi quasi per ignem; etsi non exuremur, tamen uremur.14

Die vollkommenen Heiligen (perfecti) durchwandern das Reinigungsfeuer, ohne dass sie viele Schmerzen erleiden müssen, da sie nur wenige Gedankensünden auf sich geladen haben.15 Nach Verlassen des Feuers gehen sie direkt in das Königreich 11   Daneben findet Ambrosius dieses Bild auch in Ps 16,3 und Mal 3,2 f, vgl. Niederhuber, Die Eschatologie des heiligen Ambrosius, 29 f. 12  Vgl. exp. Ps. 118,20,14: ideo unus ignem illum sentire non potuit qui est iustitia dei Christus, quia peccatum non fecit. – „Denn der einzige, der jenes Feuer gar nicht fühlen musste, ist Christus, die Gerechtigkeit Gottes, da er keine Sünde begangen hat.“ 13  Vgl. exp. Ps. 1,56: vides quia surgunt impii et non surgunt in iudicio, quia et peccatores, etsi non surgunt in consilio iustorum, resurgunt tamen in iudicio. unde videntur, qui bene crediderunt et fidem suam etiam operibus exsecuti sunt, ipsi non iudicari, sed surgere in consilio iustorum; peccatores autem, qui non possunt inter iustos surgere, surgent in iudicio. habes duos ordines; tertius super­est impiorum, qui quoniam non crediderunt iam iudicati sunt et ideo non surgunt in iudicio, sed ad poenam. – „Du siehst, dass die Gottlosen nicht zum Gericht auferstehen, dass aber die Sünder, obwohl sie nicht zur Versammlung der Gerechten auferstehen, doch zum Gericht auferstehen. Daher kann man einsehen, dass die, die recht geglaubt haben und ihren Glauben auch mit Werken erfüllt haben, nicht gerichtet werden, sondern zur Versammlung der Gerechten auferstehen. Die Sünder aber, die nicht unter den Gerechten auferstehen können, erstehen zum Gericht. Damit hast du zwei Klassen; Als dritte bleibt die der Gottlosen, die, weil sie nicht geglaubt haben, bereits gerichtet sind und nicht zum Gericht auferstehen, sondern zu Strafe.“ 14   Exp. Ps. 36,26: „Also werden wir alle im Feuer geprüft. [. . .] Die einen werden im Feuer verbleiben. Für jene (sc. Gerechten) wird das Feuer wie Tau sein, wie für die hebräischen Jünglinge, die in das Feuer des Brennofens geworfen wurden; die Diener der Gottlosigkeit aber wird das Rachefeuer verbrennen. Weh mir, wenn mein Werk verbrennt und ich den Schaden dieser Mühen ertragen werde. Auch wenn der Herr seine Diener zu Geretteten machen wird und wir durch Glauben gerettet werden, so werden wir doch wie durch das Feuer gerettet. Auch wenn wir nicht verbrennen, so brennen wir doch.“ 15   Exp. Ps. 118,20,12: omnes oportet transire per flammas, sive ille Iohannes evangelista sit [. . .]. sed Iohanni cito versabitur igneus gladius, quia non invenitur in eo iniquitas quem dilexit aequitas. – „Alle müssen durch die Flammen hindurchgehen, sei es auch jener Evangelist Johannes. [. . .] Aber das feurige Schwert wird bei Johannes schnell umgewendet werden, da an ihm, den die Gerechtigkeit geliebt hat, keine Ungerechtigkeit gefunden wird.“ Ambrosius vergleicht den Durchgang mit der Durchquerung des Meeres in Ex 14,22 – 28, vgl. exp. Ps. 36,26: nempe in Mare Rubrum demersus

II. Die Jenseitstopographie des Ambrosius

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der Himmel ein, wobei ihnen sowohl der Zwischenzustand als auch das eigentliche allgemeine Gericht erspart bleiben.16 Für die Gottlosen (impii), die sich im Leben nicht zu Gott bekannt haben,17 wird das Prüfungsfeuer zu einem bleibenden Zustand, da an ihnen keine Edelmetalle, d. h. keine gottgefälligen merita vorhanden sind. Ambrosius bezeichnet das Feuer in diesem Fall auch als Rache- bzw. Straffeuer oder als Feuersee, in dem die Verdammten brennen.18 Die Mittelkategorie der peccatores, d. h. der glaubenden, aber mit Sünden behafteten Christen, erlebt das Prüfungsfeuer als Reinigungsfeuer, das je nach Sündenschwere hinsichtlich der Intensität der Schmerzen und der Dauer des Brennens unterschiedlich ist. Im Hintergrund steht dabei wohl die Vorstellung der Anwendung von Feuer als Heilmittel, auf die auch Origenes hinweist. Wie der Arzt Krankheiten ausbrennt, so wendet Gott das Feuer als reinigendes Instrument der Heilung an.19 Ambrosius differenziert innerhalb dieser Kategorie zwischen den peccata leviora der (peccatores) iusti, die die Seele nur partiell verschmutzen und den Eingang ins Paradies nicht verhindern,20 und den peccata graviora der Todsünder, die Ambro­ populus est Aegyptiorum, transivit autem populus Hebraeorum; Moyses pertransivit, praecipitatus est Pharao, quoniam gravia eum peccata merserunt. Eo modo praecipitabuntur sacrilegi in lacum ignis ardentis, qui superba in deum iactavere conuicia. – „Das Volk der Ägypter ist natürlich im Roten Meer untergegangen, das Volk der Hebräer aber hat es durchschritten. Moses hat es durchschritten, der Pharao ist hinabgestürzt, da die schweren Sünden ihn hinabzogen. Auf diese Weise werden die Gottlosen, die hochmütige Lästerreden gegen Gott geschwungen haben, in den brennenden Feuersee hinabgestürzt werden.“ 16  Vgl. exp. Ps. 1,54: beatus qui habet partem in prima resurrectione, isti enim sine iudicio veniunt ad gratiam. [. . .] sunt qui resurrexerunt in passione Christi et isti plane beati, qui acceperunt Christi gratiam et audierunt. – „Selig ist der, der an der ersten Auferstehung teilhat; diese kommen nämlich ohne das Gericht zur Gnade. [. . .] Es sind diejenigen, die im Leiden Christi auferstanden sind, und diese sind völlig selig, da sie Christi Gnade erhalten haben und ihn gehört haben.“ Für die Heiligen ist das Gericht vielmehr nur die Bestätigung bzw. Krönung der bereits festgestellten Vollkommenheit. 17  Vgl. exp. Ps. 1,51: quia non credidit in Christum, iam iudicatus est et ideo non venit in iudicium. – „Weil er nicht an Christus glaubte, ist er bereits gerichtet und kommt darum nicht mehr zum Gericht.“ 18  Vgl. exp. Ps. 36,26. Zu diesem Höllenzustand und der Paradoxie zwischen „Nicht-Sein“ vor Gott und bleibender Existenz unter der Strafe siehe unter A.II.8. 19   Vgl. Orig. princ. 2,10,6: quanto magis intellegendum est medicum nostrum deum volentem diluere vitia animarum nostrarum, quae ex peccatorum et scelerum diversitate collegerant, uti huiuscemodi poenalibus curis, insuper etiam ignis inferre supplicium his, qui sanitatem animae perdiderunt? – „Wie viel mehr müssen wir verstehen, dass Gott, unser Arzt, der die Fehler unserer Seelen, die sie sich wegen vieler Sünden und Verbrechen zugezogen haben, ausmerzen will, an denen, die die Gesundheit ihrer Seele verloren haben, mit derartigen bestrafenden Heilmitteln, sogar Feuer, anwendet.“ 20  Vgl. exp. Ps. 118,3,16: Sed quia hic purgatus iterum necesse habet illic purificari, illic quoque nos purificet, quando dicet dominus: intrate in requiem meam, ut unusquisque nostrum ustus romphaea illa flammea, non exustus, introgressus in illam paradisi amoenitatem gratias agat domino suo dicens: induxisti nos in refrigerium. qui ergo per ignem transierit, intrat in requiem, transit a materialibus atque mundanis ad illa incorruptibilia atque perpetua. – „Aber wer hier gereinigt wurde, muss auch dort eine weitere Reinigung erhalten; auch uns wird er dort reinigen, da der Herr sagen wird: ‚Geht ein in meine Ruhe (Ps 94,11 bzw. Hebr 4,3).‘, sodass ein jeder von uns, durch jenes Flammenschwert

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

sius ebenfalls iniusti bzw. impii nennt. Im Falle diese Sünder stellt die Schuldenlast im individuellen Gericht des Prüfungsfeuers im Verhältnis zu den guten Taten ein solches Übergewicht dar, dass der Seele der Weg ins Paradies versperrt ist und sie in den Hades eingehen muss.21

4. Das Paradies In Anlehnung an 2 Kor 12,2 wird der dritte Himmel als Ort der Ekstase des Paulus mit dem Paradies gleichgesetzt, aus dem Adam und Eva verstoßen worden sind.22 Erst durch die Heilstat Christi ist dieser Ort wieder für Seelen erreichbar geworden, während davor der Schoß Abrahams als Teil der Unterwelt den Aufenthaltsort für gerechte Seelen bot.23 Das Paradies stellt im Denken des Ambrosius den Zwischenzustand der Seelen dar, die nach dem Tod und dem Gang durch das Reinigungsfeuer ihren vorläufigen Bestimmungsort einnehmen.24 Bereits vor dem Fall hat Gott das Paradies als „Warteraum“ geschaffen, sodass bereits Adam in den Garten gesetzt wurde, um auf den Sohn Gottes zu warten.25 Beendet wird dieser Zustand erst durch das Gericht Gottes, das die Seelen in der Zwischenzeit in unterschiedversengt, aber nicht völlig verbrannt, in jene Wonne des Paradieses einzieht und seinem Herrn mit den Worten dankt: ‚Du hast uns in die Ruhe geführt‘ (Ps 65,12). Wer also durch das Feuer gegangen ist, tritt ein in die Ruhe, er schreitet hinüber von den materiellen und weltlichen Dingen zu jenen unvergänglichen und ewigen.“ Unter den peccata leviora versteht Ambrosius vor allem Jugendsünden und unfreiwillige Sünden. 21  Als peccata graviora bzw. letale definiert Ambrosius etwa den Glaubensabfall, vgl. paen. 1,11: nam qui penitus deum ex suo corde abicit, ille mortuus est. qui ergo non penitus abicit, sed per inpressionem tormentorum ad tempus negavit, semivivus est. – „Denn wer Gott völlig aus seinem Herzen entfernt, der ist tot. Wer ihn darum nicht völlig entfernt, sondern auf Druck von Folter auf bestimmte Zeit verleugnet hat, der ist halbtot.“ 22  Vgl. exam. 2,2,6: Itaque nos non solum secundum, sed tertium caelum esse negare non possumus, cum apostolus raptum se ad tertium caelum scriptorum suorum testificatione confirmet. – „Daher müssen wir nicht nur einen zweiten, sondern auch einen dritten Himmel behaupten, da ja der Apostel im Zeugnis seiner Schriften bestätigt, dass er in den dritten Himmel enthoben worden sei (vgl. 2 Kor 12,2).“ Vgl. auch exp. Ps. 118,4,2 und ep. 19,8 (71). 23   Als Teil der Unterwelt vor Christi Tod und Auferstehung wird der Schoß Abrahams auch in Lk  16,22 f. geschildert. Niederhuber, Die Eschatologie des heiligen Ambrosius, 63 f. zeigt den unterschiedlichen Gebrauch des Bild vom „Schoß Abrahams“ bzw. „Schoß der Patriarchen“ auf. Nachdem das Paradies seit dem Fall Adams für die menschlichen Seelen verschlossen war und gerechte Seelen ihr Schicksal in der Unterwelt im Schoß Abrahams verbrachten, kann Ambrosius unter der Voraussetzung des Christusgeschehens den Schoß Abrahams auch als Teil des Paradieses bezeichnen. 24  Vgl. Cain. 2,2,9: Solvitur corpore anima et post finem vitae huius adhuc tamen futuri iudicii ambiguo suspenditur. – „Die Seele wird vom Körper befreit und nach dem Ende dieses Lebens bleibt aber immer noch der schwebende Zustand des kommenden Gerichts.“ 25  Vgl. par. 1,5: posuit autem eum in paradiso sicut solem in caelo expectantem regnum caelorum, quemadmodum creatura expectat revelationem filiorum dei. – „Er setzte ihn (sc. den Menschen) ins Paradies, wie die Sonne an den Himmel, damit er das Reich der Himmel erwarte, wie die Schöpfung die Offenbarung des Gottessohnes erwartet.“ Vgl. dazu auch Dudden, The Life and Times of St. Ambrose, 653 f.

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lichen Wohnräumen (habitacula bzw. promptuaria) erwarten. Für die Seelen der Gerechten bedeutet der Aufenthalt im Paradies einen Vorgeschmack auf die ewigen Freuden im Himmelreich im Sinne eines refrigerium interim26: ergo dum expectatur plenitudo temporis, expectant animae remunerationem debitam. alias manet poena, alias gloria: et tamen nec illae interim sine iniuria nec istae sine fructu sunt.27 Ambro­ sius charakterisiert dieses Interim im Fall der peccatores iusti vor allem durch die requies paradisi. Durch die Loslösung der Seele vom Körper kann diese sich frei entfalten und nach einem von Leidenschaften geplagten, irdischen Dasein den Frieden genießen. Vor allem betont Ambrosius die Freiheit von physischen Leiden, wie Krankheiten, Mühen, aber auch Affekten. Er vergleicht die paradiesische quies mortis auch mit der Ruhe des Lazarus, die dieser im Schoß Abrahams empfindet. Dieses Bild behält Ambrosius bei und verortet den Schoß des Patriarchen in den dritten Himmel, wobei er von der himmlischen Seligkeit unterschieden ist: si vivit qui in sinu est patriarchae Abrahae ut ille Lazarus pauper, quanto magis vivit qui suscipitur a Christo! quomodo enim potest non in aeternum vivere quem sempiterna vita suscepit, quem totum sibi Christus adsumpsit, qui totus verbi est, cuius vita abscondita est in Christo Iesu? sed et qui in sinu Abrahae sedet susceptus a Christo est.28

Ambrosius bezeichnet die requies im Paradies an manchen Stellen zwar als dauerhaft, doch verdeutlicht er, dass es noch keine vollkommene Ruhe ist: neque enim virtutis gratia cum corpore occidit, nec idem naturae meritorumque finis, licet ipsius naturae usus non in aeternum occidat, sed temporali quadam vacatione requiescat.29 Die Wiederherstellung der Natur nach einer zeitweisen Loslösung meint die Auferstehung des Körpers und dessen Zusammenführung mit der Seele, damit beide im Gericht beurteilt werden können. Neben der Ruhe ist das zweite Charakteristikum des paradiesischen Zustands der gerechten Seelen die beatitudo. In de bono mortis schildert Ambrosius die sieben Grade der paradiesischen Seligkeit, die auf der höchsten Stufe die visio Dei antizi26   Zu dieser Vorstellung eines Zwischenzustandes in der Literatur und Sepulkralkunst des frühen Christentums vgl. Alfred Stuiber, Refrigerium interim. Die Vorstellungen vom Zwischenzustand und die frühchristliche Grabeskunst, Theoph. 11, Bonn 1957 und Joseph A. Fischer, Studien zum Todesgedanken in der alten Kirche. Die Beurteilung des natürlichen Todes in der kirchlichen Literatur der ersten drei Jahrhunderte, München 1954, 226 – 315. 27   Bon. mort. 10,47: „Während also die Erfüllung der Zeit erwartet wird, warten die Seelen auf die geschuldete Vergeltung: den einen bleibt die Strafe, den andern die Herrlichkeit. Und trotzdem sind in der Zwischenzeit weder jene Seelen ohne Leid, noch diese Seelen ohne Lohn.“ 28   Exp. Ps. 118,15,26: „Wenn der lebt, der im Schoß des Patriarchen Abraham ist, wie jener arme Lazarus, wie viel mehr lebt dann derjenige, der von Christus angenommen wird! Wie kann nämlich der nicht ewig leben, den das ewige Leben angenommen hat, den Christus sich ganz genommen hat, der als ganzes zum Wort gehört, dessen Leben in Christus Jesus verborgen ist? Aber der, der in Abrahams Schoß sitzt, ist auch von Christus angenommen.“ Vgl. auch exp. Ps. 38,11. 29   Exc. Sat. 1,63: „Denn die Gnade der Tugend stirbt nicht mit dem Körper, noch ist das Ende der Verdienste mit dem Ende der Natur identisch. So ist es vergönnt, dass der Gebrauch der Natur nicht in Ewigkeit stirbt, sondern nur eine bestimmte Zeit ruht.“

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

pieren.30 Allerdings muss es bei dieser vorläufigen Gewissheit bleiben. Ambrosius gesteht den Seelen im Paradies zwar ein „Sein mit Christus“ (esse cum Christo) zu und versichert seinen Zuhörern und Lesern, dass es keine Vertreibung aus dem Paradies mehr geben werde. Doch das mit dem Herantreten an den Thron Gottes einhergehende „Herrschen mit Christus“ (regnare) sowie die vollkommene Ruhe bleiben ein zu erwartendes Gut des Himmelreiches. Deutlich wird dies vor allem in der Auslegung der Worte Jesu an den Schächer am Kreuz (Lk 23,43): Unde et latroni illi confitenti dicitur: Amen, amen dico tibi, hodie me cum eris in paradiso. Ille dixerat: Memento mei, cum veneris in regnum tuum. Christus non de regno respondit, sed ad causam: Hodie me cum eris in paradiso; id est: reformandum est ante quod amissum est, postea conferendum id quod augendum est, ut per paradisum ad regnum perveniatur, non per regnum ad paradisum.31

Den Schächer wird unmittelbar nach dem Tod das Paradies erwarten, nicht aber das Reich der Himmel, das erst nach dem allgemeinen Gericht für die Seele anbricht. Dieses Gericht und die weiteren Sphären des Himmelreiches sollen aber erst nach einem Blick auf den vorläufigen Aufenthaltsort der peccatores bzw. impii dargestellt werden.

5. Der Hades Neben den Regionen der Himmel finden sich im Werk des Ambrosius auch Beschreibungen der Unterwelt.32 Seit der Vertreibung des Menschen aus dem Paradies, das dadurch den Seelen verschlossen war, war der Hades der allgemeine Aufenthaltsort der Seelen. Darum betrat auch Christus nach seinem Tod die Unterwelt, die ihn allerdings aufgrund seiner Sündlosigkeit nicht halten konnte33: descendit enim, ut

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 Vgl. bon. mort. 10,44 – 47.   Ep. 19,8 (71): „Darum wird auch zu jenem bekennenden Räuber gesagt: ‚Amen, amen, ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradies sein‘ (Lk 23,43). Jener hatte gesagt: ‚Erinnere dich an mich, wenn du in dein Reich kommst‘ (Lk 23,42). Christi Antwort handelte nicht vom Reich, sondern bezog sich auf den Sachverhalt. ‚Heute wirst du mit mir im Paradies sein‘, das bedeutet: Erst muss wiederhergestellt werden, was verloren war, und dann muss zusammengebracht werden, was vergrößert werden muss, sodass man durch das Paradies zum Reich kommt, nicht durch das Reich zum Paradies.“ 32   Obwohl sich Ambrosius nicht näher zur Lage des Hades äußert, legen seine Beschreibungen eine Verortung in der Tiefe unter der Erde nahe, vgl. etwa ep. 36,16: Ergo die iudicii aut nostra nobis opitulabuntur opera aut ipsa nos in profundum tamquam molari depressos lapide demergent. – „Darum werden am Tag des Gerichts unsere Werke uns helfen oder uns in die Tiefe versenken, wie von einem schweren Stein hinabgedrückt.“ 33  Vgl. exc. Sat. 2,102: Sibi autem ubi erat necessaria resurrectio, quem mortis vincula non tenebant? Nam etsi secundum hominem mortuus, in ipsis tamen erat liber infernis. – „Inwiefern war aber für ihn die Auferstehung notwendig, den die Fesseln des Todes nicht halten konnten? Denn obwohl er der menschlichen Natur gemäß gestorben ist, war er doch in der Unterwelt frei.“ 31

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captivos absolveret de faucibus inferorum, non ut in his captiva remaneret.34 In seinem descensus ad inferos35 befreite Christus die Seelen der Gerechten und überführte sie ins Paradies, das ab diesem Moment auch den jüngeren Seelen zugänglich wurde. Ambrosius unterteilt schließlich die Unterwelt, entsprechend der Differenzierung des Himmels, in zwei Regionen, eine vorläufige und eine definitive. Der Hades36 bzw. das infernum bildet dabei das negative Äquivalent zum Paradies als Ort vorläufiger Sündenbestrafung. Dorthin gelangen die Seelen der Todsünder, der peccatores impii, die nach dem Prüfungsfeuer des positiven Ausgangs unwürdig sind. In Analogie zu den iusti im Paradies erleiden die sündigen Seelen dort aber keine ewigen Strafen, sondern nur vorläufige, während sie das Gericht erwarten.37 Ambrosius charakterisiert ihre Strafen vor allem als Unruhe: Isti igitur qui in deliciis, qui in luxuria, rapinis, quaestibus, honoribus studia posuerunt sua, [. . .] exsolvent, seram licet, nequitiae suae poenam. Horum requies in infernis, tua vero in caelo, horum domus in sepulcro, tua in paradiso. Vnde pulchre vigilare eos in tumulo Iob dixit, quia soporem quietis habere non possunt quem ille dormivit qui resurrexit.38

Zudem zeigt sich in der Beschreibung des Hades als „dunkler Raum“ ein Schicksal in Finsternis, das als Gegenbild des Lichtes im Paradies39 fungiert.

34   Exp. Ps. 48,22: „Denn sie (sc. die Seele Christi) ist hinabgestiegen, um die Gefangenen aus dem Schlund der Unterwelt zu befreien, ohne aber in dieser gefangen zurückzubleiben.“ 35  Vgl. fid. 3,4,27 f.: mortis vincla nescivit, non captus ab inferis, sed qui operatus sit in infernis. – „[. . .] die Fesseln des Todes hat er nicht gekannt, er war kein Gefangener der Unterwelt, sondern er ist der, der in der Unterwelt gehandelt hat.“ und incarn. 39 – 42, vgl. auch Niederhuber, Die Eschatologie des heiligen Ambrosius, 59. Zum descensus Christi ad inferos allgemein vgl. Ernst Koch, Art. Höllenfahrt Christi, TRE 15 (1986), 455 – 461 36  Vgl. bon. mort. 10,45. 37  Vgl. bon. mort. 10,47: ergo dum expectatur plenitudo temporis, expectant animae remunerationem debitam. alias manet poena, alias gloria: et tamen nec illae interim sine iniuria nec istae sine fructu sunt. – „Während also die Erfüllung der Zeit erwartet wird, warten die Seelen auf die geschuldete Vergeltung: den einen bleibt die Strafe, den andern die Herrlichkeit. Und trotzdem sind in der Zwischenzeit weder jene Seelen ohne Leid, noch diese Seelen ohne Lohn.“ 38   Off. 1,61: „Solche Leute aber, die auf Genuss, Vergnügen, Raub, Gewinn und Ehren eifern, [. . .] werden, wenn auch spät, ihre Strafe für die Verderbtheit bezahlen. Sie werden die Ruhe in der Unterwelt haben, du aber im Himmel. Sie werden ihre Heimat im Grab haben, du aber im Paradies. Darum sagt Hiob richtig, dass sie ‚im Grab wachen‘ (Hi 21,32), da sie den Schlaf der Ruhe nicht besitzen können, den jener geschlafen hat, der auferstanden ist.“ Vgl. die Darstellung der Unruhe in der Unterwelt auch exp. Ps. 48,26. 39  Vgl. exam. 4,1,2: quantum peccatori damnum veri luminis munere defraudatum perpetuae noctis tenebras sustinere! – „Welch große Strafe ist es für den Sünder, dass er, des Geschenks des wahren Lichtes beraubt, die Finsternis ewiger Nacht erträgt.“ Da Gott als die Quelle des Lichts selbst angesehen wird, ergibt sich dieses Bild unweigerlich als Zeichen der Gottesferne der peccatores.

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6. Die Auferstehung der Körper und das allgemeine Gericht Ambrosius interpretiert die Kriege und Bedrohungen seiner Zeit mehrmals als Zeichen für das nahende Weltende, das das Kommen Christi zum Gericht einläutet.40 Mit dem Kommen Christi findet die Auferstehung der Körper statt, die in den ­Gräbern gewartet haben, um gemeinsam mit der Seele gerichtet zu werden.41 Eine Seelenwanderung lehnt Ambrosius darum an mehreren Stellen vehement ab.42 Über das Schicksal der zu dieser Zeit noch lebenden Menschen findet sich im Werk des Ambrosius keine eindeutige Aussage.43 Spekulationen über einen genauen Zeitpunkt des Gerichts lehnt Ambrosius ab. Er erwähnt zwar in der zweiten Rede für Satyrus das millesimus annus, das das Ende der Zeit markiert,44 doch ist ansonsten kein stichhaltiger Hinweis auf millenaristi40   Ambrosius erwähnt mehrmals in seinen Werken äußere Gefahren durch die Barbaren. Die Lage Mailands am Fuß der Alpen sowie seine Bedeutung als kaiserliche Residenz machte Überfälle durch die Goten und andere Stämme nicht unwahrscheinlich. Tatsächlich war seit dem Fall des rätischen Limes 383 mit einer größeren Gefahr von äußeren Feinden zu rechnen. Hinzu kam die militärischen Aktionen im Rahmen der verschiedenen Usurpationen des Maximus (383 – 388) und Eugenius (393 – 394). Vgl. dazu exc. Sat. 1,31; exc. Sat. 2,59; fid. 2,16,140 und bon. mort. 10,46. Zur Interpretation der Bedrohungen als drohendes Weltende vgl. exp. Luc. 10,14: ideo mundi findem videmus – „Wir sehen also das Ende der Welt.“ Zum Zusammenfall von Parusie Christi und dem Endgericht vgl. exp. Luc. 10,33: orate ne fiat fuga vestra hieme uel sabbato, cum iudicii die venturus sit dominus [. . .]. – „‚Betet, dass eure Flucht nicht im Winter oder am Sabbat geschehe‘ (Mt 24,20), denn der Herr wird am Tage des Gerichts (wieder) kommen.“ 41  Vgl. exc. Sat. 2,88: haec est series et causa iustitiae, ut quoniam corporis animique communis est actus, quia animus cogitavit, corpus effecit, utrumque in iudicium veniat, utrumque aut poenae dedatur aut gloriae reservetur. – „Dies ist die Reihenfolge und der Grund der Auferstehung, dass, da ja das Handeln von Körper und Seele ein gemeinsames ist, weil die Seele dachte und der Körper ausführte, beide vor das Gericht kommen, beide entweder die Strafe erhalten oder zur Verherrlichung bereitet werden.“ 42  Vgl. exc. Sat. 2,65 und 130 sowie bon. mort. 10,45. 43   Die Paraphrase von 1 Thess 4,15 f. in exc. Sat. 2,48 legt nahe, dass die zu diesem Zeitpunkt noch lebenden Menschen den leiblichen Tod nicht erleben werden: Denique mortui qui in Christo sunt, resurgunt primi, deinde et nos, qui vivimus, inquit, simul cum illis rapiemur in nubibus obviam Christo in aera et ita semper cum domino erimus. Illi primi, viventes autem secundi, illi cum Iesu, viventes per Iesum, illis dulcior vita post requiem, viventibus etsi grata conpendia, tamen ignota remedia. – „‚Schließlich werden die Toten, die in Christus sind, als erste auferstehen, dann werden wir, die wir am Leben sind,‘ so spricht er, ‚gemeinsam mit jenen auf den Wolken zu Christus hin durch die Luft hinweggenommen und werden so immer beim Herrn sein‘ (vgl. 1 Thess 4,15 f.). Jene werden als erste auferweckt, die Lebenden aber als zweite, jene mit Jesus, die Lebenden aber durch Jesus. Für jene ist das Leben süßer nach der Ruhe, für die Lebenden aber bleiben die Heilmittel unbekannt, obwohl sie einen angenehmen Lohn bekommen.“ Mit den grata conpendia meint Ambrosius wohl die Ersparnis des Zwischenzustands. Es ist unklar, welche Heilmittel dagegen den viventes unbekannt bleiben müssen. Niederhuber, Die Eschatologie des heiligen Ambrosius, 8 geht davon aus, dass Ambrosius selbst nicht weiß, welche Veränderungsprozesse dieses Fehlen des interim erfordert, da das remedium des Todes dieser Gruppe nicht hilft, sich von den Sünden frei zu machen. 44  Vgl. exc. Sat. 2,59: Ergo isti avi quingentesimus resurrectionis annus est, nobis millesimus, illi in hoc saeculo, nobis in consummatione mundi. – „Für diesen Vogel (sc. den Phönix) bedeutet das 500. Jahr das Jahr der Auferstehung, für uns aber das 1000. Jahr. Für ihn geschieht das in dieser Welt,

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sches Gedankengut in seinem Werk zu finden. Ambrosius wendet vielmehr das oft als Grundlage des Millenarismus herangezogene Konzept der zweifachen Auferstehung nach Offb 20,6 auf die Differenzierung von Zwischenzustand und endgültiger Vollkommenheit an: Et ideo quoniam et saluator duo genera resurrectionis posuit et Iohannes in Apocalypsi dicens: beatus qui habet partem in prima resurrectione – isti enim sine iudicio veniunt ad gratiam, qui autem non veniunt ad primam resurrectionem, sed ad secundam reservantur, isti urentur, donec impleant tempora inter primam et secundam resurrectionem, aut, si non impleverint, diutius in supplicio permanebunt.45

Wichtiger ist Ambrosius die Markierung der Fülle der Zeit, in der das Gericht stattfinden wird, wobei der Schall der Posaunen aus Offb 8,2 bzw. 1 Kor 15,52 die Toten aus den Gräbern ruft.46 Dabei erwartet Ambrosius nicht, dass die Auferstehung der Chronologie des jeweiligen Todes entspricht, sondern er geht von einer moralisch bestimmten Ordnung der Auferstehung der Toten aus, die in der Reihenfolge der Größe der Verdienste im Leben geschieht.47 für uns aber mit dem Ende der Welt.“ Zur Diskussion dieser Stelle und der Deutung der 1000 Jahre als Bild der Vollkommenheit siehe unter B.II.3.3.1. 45   Exp. Ps. 1,54: „Und darum hat einst der Heiland zwei Arten von Auferstehung eingesetzt und Johannes spricht in der Offenbarung: ‚Selig ist der, der an der ersten Auferstehung teilhat,‘ (Offb 20,6) – die nämlich kommen ohne Gericht zur Gnade. Diejenigen aber, die nicht zur ersten Auferstehung kommen, sondern für die zweite aufbewahrt werden, werden brennen, bis die Zeit zwischen der ersten und der zweiten Auferstehung erfüllt ist, oder sie werden, falls sie die Erfüllung nicht haben, noch länger in der Strafe verharren.“ Der nicht ganz eindeutige Bezug von impleverint muss m. E. auf die isti angewandt werden und nicht auf die tempora, da es um die Vervollkommnung der Menschen im Feuer geht. Vgl. auch die Übersetzung von Daley, The Hope of the Early Church, 99: „Those, however, who do not come to the first resurrection but are reserved for the second will be burned, until the time between the first and second resurrections has passed – or if they have not fulfilled [their purification], they will remain in punishment longer.“ Die Identifikation von erster und zweiter Auferstehung im Sinne dieser Differenzierung findet sich auch in exp. Luc. 5,61: primum ergo regnum caelorum sanctis propositum est in absolutione corporis, secundum regnum caelorum est post resurrectionem esse cum Christo. – „Das erste Reich der Himmel also ist für die Heiligen bei der Loslösung vom Körper bereitet, das zweite Reich der Himmel ist nach der Auferstehung das ‚Sein mit Christus‘ (Phil 1,23).“ Vgl. a. a. O., 98 f. 46  Vgl. exc. Sat. 2,110: Talium enim tubarum sonitu mortui suscitantur, non crepitu utique aeris, sed verbo veritatis animati.  – „Durch den Klang solcher Posaunen werden nämlich die Toten erweckt, nicht aber durch das Geräusch des Metalls, sondern durch das Wort der Wahrheit werden sie belebt.“ 47  Vgl. exc. Sat. 2,92: distinctus ordo meritorum – „die Ordnung der Verdienste ist verschieden.“ Ambrosius nennt in exc. Sat. 2,116 vier Gruppen, die nacheinander auferstehen: Et ideo primi resurgunt, qui maturi devotionis occursu et quodam antelucano fidei exortu prodeuntes solis aeterni radios receperunt. [. . .] Secundi autem, qui ritum gentium relinquentes ab errore sacrilego transierunt in ecclesiae disciplinam. [. . .] Tertii suscitantur et quarti, qui ab austro et ab aquilone sunt. – „Und erstehen als erstes die, die durch die Begegnung mit dem frühen Glauben und durch eine Art Aufgang des Glaubens vor dem Licht hervorgetreten sind und die Strahlen der ewigen Sonne ergriffen haben. [. . .] Als zweite aber die, die den Kult der Heiden hinter sich gelassen haben und vom frevelhaften Irrtum zur Lehre der Kirche hinübergegangen sind. [. . .] Als dritte und vierte werden die auferweckt, die im Süden und Norden sind.“ Die der dritten und vierten Gruppe zugeordneten Seelen werden

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

Durch die Schöpfungsmacht Gottes erstehen die in die Elemente zerfallenen ­ örper wieder in Ganzheit und in Identität zum vorherigen Körper.48 Im Falle der K vollkommen Gerechten werden allerdings die Körper in ihrer Qualität dem Leib Christi nach seiner Auferstehung ähnlich, das heißt, sie erreichen einen Verklärungszustand von geistlicher Substanz und sind der Vergänglichkeit entzogen.49 Über die Körper der peccatores macht Ambrosius dagegen keine entsprechenden Aussagen. Die Verdammten erstehen zwar nochmals auf, sie erhalten aber, da ihr Schicksal bereits besiegelt ist, nur eine Bestätigung dieser Strafe im Gericht. Ebenso verhält es sich mit der Bestätigung des Schicksals der Heiligen, für die das Gericht nur mehr eine Krönung des bereits empfangenen Lohnes ist.50 Im allgemeinen Gericht richtet demnach der Menschensohn nur die peccatores. Christus verliest in richterlicher Funktion ihr Gewissen wie ein Buch und bewertet ihre Sünden.51 Den Sündern wird zugute kommen, dass sie in der Zwischenzeit durch den leiblichen Tod von den Sünden abgelassen haben, während auch der Zorn Gottes nachgelassen hat.52 Nur selten beschreibt Ambrosius den Charakter des allgemeinen Gerichts näher. Auch hier stellt er sich ein Feuer vor, das allerdings nicht mehr reinigt, sondern bestätigt: den Gerechten wird es erleuchten, den Gottlosen ausbrennen.53 Wichtiger aber ist die Scheidung der Gruppen in die endgültigen, ewigen Wohnstätten, das Königreich der Himmel bzw. die Hölle.

in exc. Sat. 2,115 genauer als die im Glauben Schwankenden und die im Herzen gegenüber der Botschaft Gottes Verhärteten definiert: [. . .] eos, qui tamquam in mari exagitati istius freto mundi, saeculi huius fluctibus vacillaverint. [. . .] illos, qui dura mentium nequaquam satis potuerint eloquii spiritalis mollire praecepto – „die, die wie auf dem übermütigen Meer dieser aufgeregten Welt und in den Wogen dieser Zeit schwanken. [. . .] jene, die trotz des Gebotes des geistlichen Wortes die Härte ihres Herzens nicht genug erweichen konnten“ 48   Vgl. die Samenmetaphorik in exc. Sat. 2,53 – 65. 49  In exp. Luc. 10,168 f. schildert Ambrosius die Erscheinung des auferstandenen Christi, der durch Wände geht, in Joh 20,27 als Bild für den auferstandenen Leib. Vgl. Niederhuber, Die Eschatologie des heiligen Ambrosius, 187 – 195. 50  Vgl. exp. Ps. 1,5. Vgl. dazu auch Dudden, The Life and Times of St. Ambrose, 670. Den Satz non resurgunt impii iudicio muss man wohl dahingehend deuten, dass die Verdammten zwar auferstehen, aber eben nicht, „um gerichtet zu werden“, sondern um nochmals die Bestätigung zu bekommen. 51   Zum Gerichtsprozess über die Sünden der peccatores vgl. Niederhuber, Die Eschatologie des heiligen Ambrosius, 233 – 239. 52  Vgl. Iob et Dav. 1,8,26: Recte ergo sanctus in iudicium mavult resurgere, quam in tempus divinae iracundiae [. . .]. – „Richtig ist es darum, dass der Heilige lieber zum Gericht aufersteht als zur Zeit göttlichen Zorns.“ Zum Trostmotiv des finis peccati vgl. bon. mort. 4,15; exc. Sat. 2,94; ob. Val. 57; ob. Theod. 37. 53  Vgl. exam. 4,3,10: In retributionibus quoque meritorum colligimus diuini ignis naturam, ut alios inluminet, alios exurat, inluminet iustos, exurat inpios. – „Bei der Entlohnung der Verdienste finden wir auch die Natur des göttlichen Feuers, nämlich dass es die einen erleuchtet, die andern verbrennt; es erleuchtet die Gerechten und verbrennt die Gottlosen.“

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7. Das Königreich der Himmel Über dem Paradies wölbt sich das Königreich der Himmel bzw. das caelum verum. Diese Region des Reichs der Himmel ist, wie Ambrosius in der Auslegung von Ps 38,5 erklärt, nochmals in vier Himmel aufgeteilt.54 Trotz der Vollkommenheit der Heiligen im Himmelreich werden sie diese Himmel je nach ihrem sittlichen Verhalten in unterschiedlichen Regionen bewohnen: primum ergo regnum caelorum sanctis propositum est in absolutione corporis, secundum regnum caelorum est post resurrectionem esse cum Christo. cum fueris in regno caelorum, tunc processus est mansionum. etsi unum regnum, diversa tamen merita sunt in regno caelorum.55

Entsprechend der irdischen Bewährung stellt sich Ambrosius eine unterschiedliche Verortung der Heiligen in den unterschiedlichen Himmeln vor. Eine Steigerung des Lohns, d. h. eine höhere Verortung, erwartet die Gerechten, die Verfolgungen und andere Notlagen ausgestanden haben.56 Dieser processus mansionum im Himmelreich stellt die Kontinuität von irdischen und jenseitigen Leben heraus und könnte einen Rückgriff Ambrosius’ auf die Vorstellung des Origenes von einem spirituellen Wachstum selbst im Eschaton darstellen.57 54

 Vgl. exp. Ps. 38,17: et ille quidem ascendit super omnes caelos ad dei sedem, homines autem a primo caelo ad secundum et deinceps a secundo ad tertium et ab illo per distinctiones fere ad septimum caelum atque in ipsam apsidem et summitatem caeli qui merentur ascendunt. – „Und jener (sc. Christus) steigt über alle Himmel zum Sitz Gottes auf, während die Menschen vom ersten Himmel zum zweiten kommen und schließlich vom zweiten zum dritten und von jenem über unterschiedliche Wege fast bis zum siebten Himmel, und die es verdienen, steigen bis zur eigentlichen Spitze und zum Gipfel des Himmels.“ 55   Exp. Luc. 5,61: „Das erste Reich der Himmel ist den Heiligen mit der Befreiung vom Körper vor Augen gestellt. Das zweite Reich der Himmel besteht nach der Auferstehung aus dem ‚Sein mit Christus‘. Wenn du aber ins Himmelreich gelangst, dann geschieht ein Aufstieg in die Wohnungen (vgl. Joh 14,2). Obwohl es nur ein Reich gibt, sind die Verdienste im Reich der Himmel verschieden.“ 56   Vgl. zu der Lohnsteigerung durch Verfolgungen exp. Ps. 118,20,43: si multae persecutiones, multae probationes; ubi multae coronae, multa certamina. – „Wo es viele Verfolgungen gibt, da gibt es viele Situationen der Bewährung. Wo es viele Kronen gibt, da sind auch viele Kämpfe.“ 57   Die Stellen zum processus mansionum zeigen meist nur auf die grundsätzliche Verortung in den Himmeln hin. Ein Hinweis auf solch ein Wachstum könnte in exp. Luc. 5,60 vorliegen: qui autem patitur persecutionem in ultimo certamine constitutus probatur adversis, ut cum legitime certaverit coronetur. hos quidam gradus volunt esse virtutum, per quos ab ultimis ad superiora possimus ascendere. – „Wer aber im letzten Streit die Verfolgung erträgt, wird durch Widrigkeiten geprüft, damit er, wenn er aufrecht gekämpft hat, gekrönt wird. Manche behaupten, dass dies die Tugendgrade sind, auf denen wir von den niedrigen zu den höheren Dingen aufsteigen können.“ Zum Erkenntnisaufstieg im eschatologischen Zustand bei Origenes vgl. Orig. princ. 2,3,7: Ad hanc etenim terram descendi dicitur, ad illam autem, quae in alto est, exaltari. Hoc ergo modo videtur quasi iter quoddam sanctorum profectibus aperiri ab illa terra ad illos caelos, ut non tam permanere in illa terra quam habitare videantur, transituri scilicet, cum in id quoque profecerint, ad hereditatem regni caelorum. – „Es heißt nämlich, dass man auf diese Erde hinabsteigt, zu jener aber, die in der Höhe ist, ‚wird man erhöht‘. Auf diese Weise also scheint es, als ob sich für den Fortschritt der Heiligen eine Art Weg eröffnet von jener Erde zu jenen Himmeln, sodass sie scheinbar auf dieser Erde weniger dauerhaft sind, als vielmehr nur dort wohnen, und offensichtlich zum ‚Erbe des Himmelreichs‘

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

An der Spitze der Himmel steht der Thron Gottes.58 Während das Paradies für Ambrosius ein refrigerium interim ist, bildet das Königreich der Himmel, das sich oberhalb des dritten Himmels erstreckt, einen endgültigen Wohnort in vollkommener Seligkeit und somit die eigentliche patria, zu der die Seele zurückstrebt.59 Eine bildliche Darstellung dieses Himmelreiches gibt Ambrosius mehrmals durch die Gleichsetzung mit dem himmlischen Jerusalem aus Offb 21: Illa est ergo civitas Hierusalem quae in caelo est, intra quam iam quasi perfecta et immaculata servaris; non enim intrat in eam omne commune. [. . .] Si igitur inuenimus civitatem, ingrediamur in eam, videamus lumen eius, videamus murum, videamus tribus, videamus fundamenta muralia, videamus etiam custodes murorum. Sed quomodo ingrediamur in eam? In hac civitate est et una est via quae ducit ad vitam; via autem Christus est. Ergo Christum sequamur. Sed ipsa in caelo est civitas.60

Bei der Charakterisierung der himmlischen Seligkeit gebraucht Ambrosius in weiten Teilen Aspekte, die mit den Beschreibungen der Paradiesesfreuden identisch sind: Ruhe, Frieden, Freude und Glückseligkeit. Doch handelt es sich nun um jeweils endgültige und darum auch vollkommenere Gaben, die den perfecti iusti bzw. den gerichteten Seelen zukommen61: Sed illa erit perfecta, quando resurgent omnes in incorruptione, honore, gloria, qui mereantur faciem dei videre.62 Die Freude an Gott, dem summum bonum, wird erst hier durch eine Partizipation an ihm vervollständigt. (Ps 36,34) übergehen werden, wenn sie darin auch vollkommen werden.“ Vgl. dazu auch Charlotte Köckert, Gott, Welt, Zeit und Ewigkeit bei Origenes, in: Reinhard G. Kratz / Hermann Spieckermann (Hgg.), Zeit und Ewigkeit als Raum göttlichen Handelns. Religionsgeschichtliche, theologische und philosophische Perspektiven, BZAW 390, Berlin 2009, 253 – 298, 294. 58  Vgl. fug. 8,45: Ergo quia deus refugium, deus autem in caelo et supra caelos, utique hinc illo fugien­dum est [. . .]. – „Weil darum Gott die Zuflucht ist, Gott aber im Himmel und über den Himmeln ist, muss man von hier dorthin flüchten [. . .].“ 59  Vgl. exc. Sat. 2,33: Petamus amoveri a nobis plagas, eripi nos ex insipienti saeculo, carere peregrinatione diuturna, ad illam redire patriam et naturalem domum. – „Beten wir, dass wir aus dieser Mühsal genommen werden, dass wir aus dieser sinnlosen Welt gerissen werden, dass das ewige Umherwandern ein Ende habe, dass wir zu jener Heimat und zu unserer eigentlichen Heimat zurückkehren.“ 60   Virginit. 14,85: „Jene ist also die Stadt Jerusalem, die im Himmel ist, in der du nur als Vollkommene und Unbefleckte dienen kannst. ‚Denn nichts Gewöhnliches betritt diese‘ (vgl. Offb 21,27). [. . .] Wenn wir darum diese Stadt finden, dann wollen wir sie betreten, dann lasst uns hineingehen, lasst uns ihr Licht anschauen, ihre Mauern, ihre Einwohner, die Fundamente der Mauern und die Wächter der Mauern (vgl. Offb 21,12 – 25). Aber wie können wir sie betreten? In dieser Stadt ist auch einzige Weg, der zum Leben führt. Der Weg aber ist Christus. Lasst uns darum Christus folgen. Die Stadt selbst aber ist im Himmel.“ Vgl. dazu auch Abr. 2,9,62 und ep. 63,93 (73). Im Rahmen der Auslegung des Gleichnisses vom barmherzigen Samaritaner legt Ambrosius zwar Jerusalem als Bild für den Himmel aus, vgl. exp. Luc. 7,73. Aber dort geht es weniger um die Lokalisierung des Paradieses als um die Veränderung des Status des Menschen vom himmlischen zum irdischen, vgl. Emilien Lamirande, Le theme de la Jerusalem celeste chez saint Ambroise, REAug 29 (1983), 209 – 232, 218. 61  Vgl. exp. Ps. 118,15,7: gloriosa quies futura und bon. mort. 12,55: requies pura. 62   Ep. 22,13 (35): „Aber jene (sc. Annahme durch Gott) wird erst vollkommen sein, wenn alle in Unvergänglichkeit, Ehre und Herrlichkeit auferstanden sind, sodass sie es verdient haben, das Antlitz Gottes zu sehen.“

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Aus der im Paradies antizipierten visio Dei wird eine tatsächliche visio Dei facie ad faciem, die schließlich in der unio Dei gipfelt. Verbildlicht wird diese in der Annahme der gloria Gottes und dem Herrschen mit Christus. In den Genuss der vollkommenen himmlischen Freuden aufgrund einer Teilnahme an der ersten Auferstehung kommen aber vorerst nur wenige. Für ausgewählten Personenkreise, nämlich die in Glauben und Werken vollkommenen Gerechten, nimmt Ambrosius eine Ausnahme vom allgemeinen Schicksal des Zwischenzustands an, indem er ein Konzept des sofortigen Aufstiegs des Menschen nach dem Tod einfügt. Diese Differenzierung von peccatores iusti und perfecti korrespondiert mit der Differenzierung von vorläufiger quies mortis und endgültiger requies aeterna bzw. von Paradies und Königreich der Himmel. In der Auslegung der Verklärung Jesu (Lk 9,27 – 36) kommt Ambrosius auf jene Vorstellung vom sofortigen Aufstieg der Heiligen zu Gott zu sprechen: si ergo vivus quis in infernum descendit [. . .], sunt profecto quibus nec in morte corporis interruptus sit ordo vivendi, sicut Abraham, Isaac et Iacob, quos vivere divinae sententiae auctoritate conperimus, quoniam cum sit deus Abraham, Isaac et Iacob, non utique deus mortuorum est, sed viventium. itaque non de uno, sed de plurimis dicit; neque enim Petrus mortuus est, cui iuxta dominicam sententiam inferi porta praevalere non potuit, nec Iacobus et Iohannes mortui filii tonitrui, quibus in usum gloriae caelestis adsumtis non praevalent terrena, sed subiacent.63

Die Patriarchen und die Apostel, so stellt es Ambrosius in dieser Textstelle dar, sind vom Tod nicht betroffen und befinden sich damit bereits im Himmelreich. An anderen Textstellen reiht Ambrosius auch die Gruppe der Propheten in den Kreis der Auserwählten ein: Cum vero gloriam eius viderimus, quam habuit prius, quam mundus esset, erimus in dei regno, in quo patriarchae sunt et prophetae, de quibus scriptum est: Cum videritis Abraham et Isac et Iacob et omnes prophetas in regno dei, ut iam pleniore dei cognitione potiamur.64

Entsprechend der spätantiken Vorstellung der „Krönung“ der Blutzeugen durch den Tod für Christus lehrt Ambrosius die Existenz der Märtyrer im Reich des Himmels

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  Exp. Luc. 7,4 – 5: „Wenn also einer lebendig in die Hölle hinabfährt [. . .], dann gibt es in der Tat auch solche, für die es auch im Tod des Körpers nicht eine Unterbrechung des lebendigen Standes gibt, so wie Abraham, Isaak und Jakob, von denen wir durch den Rat göttlicher Meinung erfahren haben. Wenn Gott nämlich der ‚Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs‘ ist, ist er doch ‚kein Gott der Toten, sondern einer der Lebendigen‘ (Mt 22,32). Denn dies ist nicht über einen Menschen gesagt, sondern über mehrere. Auch Petrus ist nicht tot, den nach dem Ausspruch des Herrn die Tore der Unterwelt nicht überwinden konnten, und auch Jakobus und Johannes, die Donnersöhne, sind nicht tot, denen, nachdem sie in die Erfahrung der der himmlischen Herrlichkeit hineingenommen wurden, die irdischen Dinge nicht überwältigend sind, sondern zu Füßen liegen.“ 64   Fid. 5,12,152: „Wenn wir seine Herrlichkeit gesehen haben, die er hatte, bevor die Welt war (vgl. Joh 17,5), dann werden wir im Königreich Gottes sein, in dem die Patriarchen und die Propheten sind, von denen geschrieben steht: ‚Wenn ihr Abraham, Isaak und Jakob und alle Propheten im Königreich Gottes seht‘ (Lk 13,28), sodass wir dann die vollständigere Erkenntnis Gottes erhalten.“

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

und am Altar Gottes.65 Dieser Einordnung der Erzväter, Propheten, Apostel und Märtyrer unter die Heiligen treten in der Lehre des Ambrosius weitere Personenkreise hinzu, die nicht der ferneren Vergangenheit angehören, sondern in Ambrosius’ Zeit, nach der Verfolgung, einen direkten Aufstieg in den „wahren Himmel“ verdient haben. Im Brief 19 (71) erklärt Ambrosius dem Priester Horontianus, einem ehemaligen Schüler, was die Basis für eine solche sofortige Erlösung, gewissermaßen eines unblutigen Martyriums, sein kann: Servatur discipulis, quod plus conferatur pro laboribus ideoque incolatum promisit, regnum distulit. Itaque is qui sub ictu mortis convertitur et confitetur dominum Iesum, mereatur incolatum paradisi, qui vero multo ante se exercuit et Christo militavit, adquisivit populorum animas, pro Christo se obtulit, habeat paratum stipendiis suis dei regnum, cuius se remuneratione donatum gaudeat. Ideoque Petro dicitur: Tibi dabo claves regni caelorum. Ex latrocinio conversus requiem habet, in apostolatum probatus accepit potestatem.66

Es wird deutlich, dass vor allem die potestas, das Richten und Regieren mit Christus, den vollkommenen Gerechten vorbehalten ist. Zudem stellt Ambrosius besonders tugendsamen, asketischen Jungfrauen aufgrund der Nähe zu den Märtyrern eine Teilhabe an der ersten Auferstehung und somit einen direkten Eingang in das Reich der Himmel in Aussicht.67 65  Vgl. exp. Luc. 10,12: denique mortuis regibus in perpetuum martyres regnum caelestis gratiae honore succedunt et illi fiunt supplices, hi patroni. – „Schließlich folgen auf die sterblichen Könige in Ewigkeit die Märtyrer“ Vgl. zur Fürbittfunktion der Märtyrer vid. 9,55: obsecrandi sunt angeli pro nobis, qui nobis ad praesidium dati sunt; martyres obsecrandi, quorum videmur nobis quodam corporis pignore patrocinium vindicare. Possunt pro peccatis rogare nostris, qui proprio sanguine, etiam si qua habuerunt peccata, laverunt. – „Für uns müssen wir die Engel bitten, die uns als Schutz gegeben sind. Die Märtyrer müssen wir anflehen, durch deren Leichname als Unterpfand uns ein Schutz sicher zu sein scheint. Sie können für unsere Sünden bitten, da sie mit ihrem eigenen Blut gewaschen sind, auch wenn sie irgendwelche Sünden an sich hatten.“ 66   Ep. 19,9 (71): „Den Jüngern bleibt es vorbehalten, dass ihnen für ihre Leiden mehr zurückgegeben wird; und ihm (erg. dem Schächer am Kreuz) hat er darum den Wohnsitz versprochen, das Reich aber hat er nach hinten verschoben. Darum soll der, der sich beim Ansturm des Todes bekehrt und den Herrn Jesus bekennt, die Wohnung im Paradies verdienen; der aber, der sich davor in vielem angestrengt hat und ‚für Christus gekämpft hat‘ (vgl. 2 Tim 2,3 – 4), der die Seelen der Menschen gesucht hat und sich für Christus geopfert hat, soll für seine Dienste das Himmelreich bereitet haben. An dieser geschenkten Vergeltung soll er sich erfreuen. Darum wird auch dem Petrus gesagt: ‚Ich werde dir die Schlüssel des Himmels geben‘ (Mt 16,19). Der, der sich vom Raub bekehrt, hat die Ruhe; der, der sich im Apostelamt bewährt, hat die Herrschaft erlangt.“ 67  Vgl. virg. 2,12: Quae pompa illa, quanta angelorum laetitia plaudentium, quod habitare mereatur in caelo quae caelestem vitam uixit in saeculo. Tunc etiam Maria tympanum sumens choros virginales citabit cantantes domino, quod per mare saeculi sine saecularibus fluctibus transierunt. Tunc unaquaeque exultabit dicens: Et introibo ad altare dei mei, ad deum qui laetificat iuventutem meam [. . .]. – „Welch ein Festzug, wie groß ist die Freude der jubelnden Engel, dass sie es verdient hat, im Himmel zu wohnen, die bereits auf Erden ein himmlisches Leben geführt hat. Da wird Maria das Tympanon nehmen und die Chöre der Jungfrauen anstimmen, dass sie dem Herrn singen, da sie unbefleckt von den Fluten der Welt durch das Meer der Welt hindurchgegangen sind. Da wird jede von ihnen jubeln und sagen: ‚Und ich trete heran an den Altar meines Gottes‘ (Ps 42,4).“ Die hohe Bewertung der Virginität als mit dem Martyrium gleichgestelltes Dasein, im Sinne eines unbluti-

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Für die vorliegende Studie sind aber vor allem jene perfecti bzw. sancti von besonderem Interesse, die Ambrosius selbst gekannt hat und deren Verortung im Himmelreich er propagiert. Im Brief 51 an die Gemeinde in Thessaloniki wendet Ambrosius das Konzept der vollkommenen Seligkeit auf den verstorbenen Bischof Acholius an, von dem er sagt, er sei bereits im Himmel und genieße die himmlischen Freuden und das ewige Licht: in caelestibus iam requiescere virum, quem in terris requirebamus. [. . .] Est igitur iam superiorum incola, possessor civitatis aeternae illius Hierusalem quae in caelo est. Videt illic urbis eius mensuram immensam, purum aurum, lapidem pretiosum, lumen sine sole perpetuum.68

Als weiteren Bewohner des himmlischen Jerusalems stellt sich Ambrosius den verstorbenen Kaiser Theodosius vor: Absolutus igitur dubio certaminum fruitur nunc augustae memoriae Theodosius luce perpetua, tranquillitate diuturna, et pro his, quae in hoc gessit corpore, remunerationis divinae fructibus gratulatur. Ergo quia dilexit augustae memoriae Theodosius dominum deum suum, meruit sanctorum consortia.69

Theodosius erlebt die vollkommene Ruhe,70 die die paradiesische Ruhe noch übersteigt, und wohnt im ewigen Licht in der Gemeinschaft mit den Heiligen.71 Besonders deutlich wird bei Theodosius der himmlische Lohn des regnare cum Christo dargestellt, der den Heiligen vorbehalten bleibt, während die Paradiesbewohner nur den Vorgeschmack des esse cum Christo erreichen.72 Mit diesem Konzept der Heiligkeit des Kaisers betritt Ambrosius theologisches Neuland und kompensiert die in der Antike übliche Vergöttlichung des Kaisers durch eine sanctificatio.73

gen Martyriums, findet sich schon bei Methodius von Olympus. Nach symp. 7,3,156 f. werden sie als erste ins Himmelreich, den „besseren Ort“, einziehen, da sie die irdischen Güter verachten, vgl. symp. 8,2,174. Vgl. dazu Katharina Bracht, Vollkommenheit und Vollendung. Zur Anthropologie des Methodius von Olympus, STAC 2, Tübingen 1999, 198 – 201 und 328 f. 68  Vgl. ep. 51,1 (15): „Der Mann, den wir noch auf Erden suchen, ruhe bereits im Himmel. [. . .] Er ist nämlich bereits jetzt ein Bewohner der höheren Sphären (sc. der Himmel), ein Eigner jenes himmlischen Jerusalems, das im Himmel ist. Dort blickt er auf die unermesslichen Ausbreitungen dieser Stadt, das reine Gold, den kostbaren Stein, das ewige, ohne Sonne scheinende Licht.“ 69   Ob. Theod. 32: „Befreit von den gefährlichen Bedrängnissen genießt er, Theodosius, erlauchten Andenkens, das ewige Licht, die andauernde Ruhe und er freut sich am reichen Ertrag der göttlichen Vergeltung für die Dinge, die er in diesem Körper vollbracht hat. Weil Theodosius erlauchten Andenkens also den Herrn, seinen Gott, liebte, hat er sich die Gemeinschaft der Heiligen verdient.“ 70  Vgl. ob. Theod. 36: Da requiem perfectam servo tuo Theodosio, requiem illam, quam praeparasti sanctis tuis. – „Schenke Deinem Diener Theodosius die vollkommene Ruhe, jene Ruhe, die Du Deinen Heiligen bereitet hast.“ 71  Vgl. ob. Theod. 39: manet ergo in lumine Theodosius et sanctorum coetibus gloriatur. 72  Vgl. ob. Theod. 40: Nunc se augustae memoriae Theodosius regnare cognoscit, quando in regno est domini Iesu et considerat templum eius. Nunc sibi rex est. – „Jetzt erst weiß Theodosius erhabenen Andenkens zu regieren, als er im Reich des Herrn Jesus ist und seinen Tempel betrachtet. Jetzt fühlt er sich als König.“ 73   Siehe unter B.V.5.

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

8. Die Hölle Die Seelen der peccatores iniusti gehen nach dem vorläufigen Strafzustand und dem Urteil des Gerichts in die unterste Region der Unterwelt, die Hölle, ein: si nihil argenti in me inventum fuerit, heu me! in ultima inferna detrudar.74 So wie das Himmelreich vom Thron Gottes gekrönt wird, stellt sich Ambrosius den Aufenthaltsort des Teufels und seiner Dämonen am Grund der Unterwelt75 vor. Sie erwartet die Strafe der ewigen Verdammnis, die aus Feuer und Peitschenhieben bestehen werde.76 Die Besonderheit der Strafe für den Teufel liegt allerdings darin, dass sie noch nicht angebrochen ist, sondern auf unbestimmte Zeit verschoben ist: differtur diaboli iudicium, ut sit semper in poenis reus, semper inprobitatis suae innexus catena, conscientiae suae in perpetuum sustineat ipse iudicium.77 Ambrosius erklärt die Suspendierung der endgültigen Verurteilung des Teufels durch die noch größere Strafe der Angst vor einer solchen. Der Teufel, der sich der Bestrafung sicher sein muss, soll unter der Ungewissheit, welche Strafen ihn wann erwarten, leiden. Ein früheres Gericht Gottes über die Sünder ist dagegen ein Zeichen von Barmherzigkeit.78 Die Hölle ist der unwiderrufliche Strafort für die Seelen der impii. Zu diesen rechnet Ambrosius Ungläubige und hartnäckige Apostaten, Frevler und Häretiker79 sowie Mörder und in bestimmten Fällen auch Suizidenten.80 Sie erleiden bereits seit dem Eingang ins Prüfungs- bzw. in ihrem Fall Straffeuer das endgültige Strafschicksal. 74  Vgl. exp. Ps. 118,20,13: „Wenn man überhaupt kein Silber an mir finden sollte, – weh mir! Dann werde ich in die tiefste Unterwelt hinabgestoßen.“ 75   Vgl. den sedes diaboli in fid. 2,13,119. 76  Vgl. fid. 2,13,119 und par. 71. 77   Exp. Ps. 20,23: „Das Gericht des Teufels ist verschoben, damit er für schon immer als Angeklagter unter Strafen stehe, damit er immer durch die Kette seiner Bosheit gefesselt sei, damit er in unablässiger Dauer selbst das Gericht seines Gewissens durchleide.“ 78  Vgl. exp. Ps. 118,20,22: separata est poena, ubi distat et culpa. [. . .] quos miseratur enim, cito ­castigat, ut non diutius adficiantur futuri expectatione iudicii. – „Die Strafe ist insoweit verschoben, wie auch die Schuld unterschiedlich ist. [. . .] Wessen sich Gott nämlich erbarmt, den bestraft er schnell, dass man nicht länger durch die Erwartung des kommenden Gerichts beunruhigt wird.“ 79   Vgl. etwa im Falle der Manichäer fid. 2,13,119: Tu te a diabolo, Manichaee, creatum arbitraris; ad illius ergo festina sedem, ubi ignis et sulpur, ubi non restinguitur eius incendium, ne umquam poena moriatur. – „Halte dich selbst, Manichäer, für ein Geschöpf des Teufels! Eile darum zu seinem Wohnsitz, wo Feuer und Schwefel sind, wo sein Feuer nicht vergeht, auf dass die Strafe niemals ersterbe (vgl. Mt 9,48).“ 80   Das Schicksal der ewigen Trennung von Gott und den übrigen Seelen erwartet diejenigen, die aus übermäßiger Trauer und amentia Suizid verüben, vgl. exc. Sat. 2,11: Qui quoniam consentaneum naturae suae ferre ac perpeti nequiverunt, contrarium voti incidunt, ut ab his in perpetuum separentur, quos sequi desideraverint. – „Da sie das Los, das im Einklang mit ihrer Natur stand, nicht duldend ertragen konnten, stürzten sie ins Gegenteil von dem, was sie sich wünschten: auf ewig haben sie sich von denen getrennt, denen sie so sehnlichst folgen wollten.“ Zur Bewertung des Suizids bei Ambrosius siehe unter B.IV.4.

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Ambrosius charakterisiert die Höllenstrafen vor allem durch ein ewiges Feuer bzw. ein Feuermeer, in dem die Verdammten andauernde Schmerzen erleiden.81 Die zweite Strafe ist die Erfahrung des ewigen Todes, der das Gegenbild zur vita aeterna im Himmelreich darstellt: nisi remissum peccatum hic fuerit, non habebimus requiem, si requies non fuerit, non erit vita aeterna, si vita aeterna non fuerit, non erimus. [. . .] qui autem non est, consumetur cum descendentibus in lacum, qui in catenis et carcere fuerit derelictus.82

Den impii spricht Ambrosius aufgrund ihrer Ablehnung Gottes ab, dass Gott sie kennt, das heißt: sich ihrer annimmt.83 Als alieni Gottes kommt ihnen überhaupt kein Leben mehr zu. Allerdings ist damit nicht das Ende der Schmerzen gemeint, sondern das Ende einer subjektiven, von Gott angenommenen Existenz aufgrund der auf Erden selbstgewählten und im Jenseits endgültig vollstreckten Abwendung von der Gemeinschaft Gottes.84 Als Beispiele seien die Usurpatoren Eugenius und Maximus genannt, deren Höllenaufenthalt Ambrosius in de obitu Theodosii schildert.85 Ambrosius lehrt demnach keine Annihilation, wie manche Formulierungen der „Nicht-Existenz“ vermuten lassen, sondern betont mehrmals die ewigen Strafen, die an eine physische Existenz der Verdammten gebunden ist. Die Vernichtung betrifft nur das Böse bzw. die Gottlosigkeit selbst. Dieser Habitus, der ein bloßes Akzidenz ist, kann abgelegt und vernichtet werden, während die Substanz bleibt.86 81

 Vgl. exp. Ps. 1,57.   Exp. Ps. 38,38: „Wenn aber hier die Sünde nicht vergeben werden sein sollte, dann werden wir keine Ruhe haben. Wenn es keine Ruhe gegeben haben sollte, wird es das ewige Leben nicht geben. Wenn es das ewige Leben nicht geben sollte, dann werden wir nicht sein. [. . .] Wer aber nicht ist, wird vernichtet werden gemeinsam mit denen, die hinabsteigen in den See; dort wird er in Ketten und im Kerker bestraft.“ 83  Vgl. exp. Ps. 35,57: qui autem operantur iniquitatem, his dicit dominus: discedite a me omnes operarii iniquitatis; non novi uos. non per ignorantiam, sed per id, quod indigni sint scientia dei, nesciuntur. – „Zu denen aber, die Übles tun, sagt der Herr: ‚Geht weg von mir, ihr Übeltäter‘ (Lk 13,27). Ich kenne euch nicht. Nicht durch seine Unwissenheit, sondern deswegen, weil sie der Kenntnis Gottes unwürdig sind, werden sie nicht gekannt.“ 84  Vgl. exp. Luc. 7,204: sed quicumque extra promissa sunt caelestium mandatorum in tenebris exterioribus sunt, quia mandata dei lumen sunt. – „Aber wer auch immer außerhalb der Verheißungen der göttlichen Gebote wandelt, wird draußen in Finsternis sein, denn die Gebote Gottes sind das Licht.“ 85  Vgl. ob. Theod. 39: Contra autem Maximus et Eugenius in inferno quasi ‚nox inducti indicat scientiam‘ docentes exemplo miserabili, quam durum sita arma suis princibus inrogare. [. . .] Transivit enim pius de caligine saeculari ad lumen aeternum, et non erat inpius, qui esse desivit iniquus. – „Dagegen sind aber Maximus und Eugenius in der Hölle, wie wenn ‚eine Nacht es der anderen kundtut‘ (Ps 18,3), wobei sie ein trauriges Beispiel lehren, wie verhängnisvoll es ist, die Waffen gegen die eigenen Herrscher zu richten. [. . .] Der Gerechte ging nämlich vom Dunkel dieser Welt in das ewige Licht hinüber und ‚der Gottlose war nicht mehr‘ (Ps 36,35 f.), der aufgehört hat, ein Ungerechter zu sein.“ Siehe dazu auch B.V.5.6. 86  Vgl. exp. Ps. 1,58: quod accidens igitur est perit, quod substantiuum, manet. pereunt autem ita impii, quomodo dicitur: anima quae peccat ipsa morietur, ut peccati aculeo, non omni substantiae suae dissolutione moriantur. – „Was ein Akzidenz ist, geht zugrunde. Was substantiell ist, bleibt. So werden aber die Gottlosen zugrunde gehen, wie es heißt: ‚Die Seele selbst, die sündigt, wird sterben‘ 82

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

Die Taten des Gottlosen werden folglich vernichtet, der Gottlose bleibt – wenn auch unter ewiger Strafe, die er auch schon vor dem Gericht ohne Unterschied erduldete. Das Gericht bringt folglich vor allem eine Veränderung des Schicksals derjenigen Seelen, die schwere Sünden auf sich geladen haben und nach dem Zwischenzustand im Hades die endgültigen Strafen der Verdammnis erleiden. Auch wenn die Darstellungen vom ewigen Zustand der Hölle es nahelegen, so finden sich bei Ambrosius auch Textstellen, die eine Rettung der Todsünder andeuten: Omnes enim, qui sacrosanctae ecclesiae copulati divini nominis adpellatione censentur, praerogativam resurrectionis et delectationis aeternae gratiam consequentur [. . .].87 Noch weiter gehen Aussagen, die der origenistischen Lehre einer Allerlösung nahestehen. In de fide geht Ambrosius detailliert auf 1 Kor 15,28 ein, die Stelle, die auch Origenes zur Annahme einer Art ἀποκατάστασις τῶν πάντων führte: Per sua igitur opera Christus et genera diversa virtutum erit in nobis patri subditus, cum vitiis abdicatis et feriante delicto unus in omnibus deo coeperit in uno sensu populorum omnium spiritus adhaerere; tunc erit deus omnia et in omnibus.88

Ebenso wie Origenes identifiziert Ambrosius die Unterwerfung Christi als universale Unterwerfung der Menschheit, der universalen Rettung folge. Ein weiteres Bild, das starke Anklänge an die Allversöhnungslehre hat, ist die „Ummantelung“ der ganzen Welt durch die Gnade Christi, von der Ambrosius mehrmals im Kommentar (Ez 18,4), sodass sie durch den Stachel der Sünde, nicht aber durch die Auflösung der gesamten Substanz sterben.“ Vgl. dazu auch Niederhuber, Die Eschatologie des heiligen Ambrosius, 117 f. 87   Exc. Sat. 2,161: „Alle Menschen, von denen die Meinung besteht, dass sie der heiligsten Kirche durch die Anrufung des göttlichen Namens verbunden sind, werden das Privileg der Auferstehung und die Gnade der ewigen Freude erreichen [. . .].“ Vgl. auch exp. Ps. 118,20,29: etsi longe est a peccatoribus salus, tamen nemo desperet, quia multae sunt misericordiae. – „‚Auch wenn das Heil fern von den Sündern ist‘ (Ps 118,155), soll dennoch keiner verzweifeln, weil es viele Erbarmungen gibt.“ 88   Fid. 5,14,182: „Daher wird Christus durch seine Werke und die verschiedenen Arten von Tugenden in uns dem Vater untergeordnet sein, wenn, nachdem die Fehler abgeschafft sind und die Sünde keine Wirkung mehr hat, ein einziger Geist in allen Gott anhängt in dem einen Sinn aller Völker. Dann wird Gott alles und in allem sein (vgl. 1 Kor 15,28).“ und fid. 5,13,169: non in paucis est Christi subiectio, sed in omnibus. – „Die Unterwerfung Christi geschieht nicht in wenigen, sondern in allen.“ Vgl. dazu auch fid. 5,8,106: incarnationis dei mysterium universae salus est creaturae. – „Das Geheimnis der Fleischwerdung Gottes ist die Rettung der gesamten Schöpfung.“ Zur Allversöhnungslehre des Origenes im Rahmen der Diskussion von 1 Kor 15,28 vgl. princ. 3,6,3: Si ergo finis ad principium reparatus et rerum exitus conlatus initiis restituet illum statum, quem tunc habuit natura rationabilis, [. . .] solus qui est unus deus bonus hic ei fiat ‚omnia‘ et non in paucis aliquibus vel pluribus sed ut ‚in omnibus‘ ipse sit ‚omnia‘, cum iam nusquam ‚mors‘, nusquam ‚aculeus‘ mortis, nusquam omnino malum: tunc vere deus ‚omnia in omnibus‘ erit. – „Wenn also das Ende wieder zum Anfang zurückgekehrt ist und der Ausgang der Dinge mit dem Beginn zusammengestellt ist, wird er jenen Zustand wiederherstellen, den die vernünftige Natur damals hatte; [. . .] dann wird dieser allein, der der einzige gute Gott ist, ‚alles‘ für ihn und zwar nicht bei irgendwelchen wenigen oder für viele, sondern damit er selbst bei ‚allen‘ ‚alles‘ ist, da dann nirgends mehr der Tod ist, nirgends mehr ‚der Stachel des Todes‘, nirgends mehr überhaupt ein Übel. Dann wird er wahrhaftig Gott ‚alles in allen‘ (1 Kor 15,28) sein.“ Zur Allversöhnungslehre und ihrer Rezeption vom zweiten bis ins neunte Jahrhundert vgl. Illaria Ramelli, The Christian Doctrine of Apokatastasis. A Critical Assessment from the New Testament to Eriugena, SVigChr 120, Leiden / Boston 2013.

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des Lukasevangeliums spricht.89 Überhaupt bleibt, so beobachtet Ernst Dassmann, aufgrund der Betonung der allumfassenden Barmherzigkeit Gottes und der Souveränität der Gnade Christi im Denken des Ambrosius wenig Raum für die ewige Verdammung.90 Die Schilderung der Höllenqualen nutzt er dennoch immer wieder, um zu strenger Lebensführung91 und zum wahren Glauben aufzurufen. Die Andeutungen einer Lehre der Allversöhnung gehen auf die intensive Origenes-Rezeption des Ambrosius zurück, wobei er aber an keiner Stelle wagt, eine solche Lehre auszuformulieren.92

9. Zusammenfassung Ambrosius gibt an zahlreichen Stellen Hinweise auf die jenseitige Welt. Sie ist einerseits geprägt von dem dualistischen Prinzip des doppelten Ausgangs, der durch das Prüfungsfeuer und das allgemeine Gericht das Schicksal der Toten angesichts ihrer Verdienste und ihres Gewissens durch die zwei Perspektiven der Gottesnähe (Paradies und Königreich der Himmel) und der Gottesferne (Hades und Hölle) dargestellt wird. Andererseits gestaltet Ambrosius seine Jenseitstopographie innerhalb dieses Prinzips zweistufig, indem er zunächst einen Zustand des Wartens mit einem Vorgeschmack auf Lohn und Strafe (Interim) und schließlich eine Bestätigung des Schicksals durch die Aufnahme in die endgültigen Wohnorte mit dem Empfang der vollkommenen Belohnung bzw. vollkommenen Bestrafung (Eschaton) in Aussicht stellt. Eine Besonderheit in der Eschatologie des Ambrosius ist die von ihm dargestellte Kategorisierung der Menschen in verschiedene Gruppen: Heilige, Sünder und Gottlose. Vor allem die Modifikation der Gruppe der Heiligen, die Ambrosius um Menschen aus seinem Umfeld erweitert, hat für die Wirksamkeit der ambrosianischen Trostschriften besondere Auswirkung. Die Problematik in der Darstellung von Interim und Eschaton im Werk des Ambro­sius liegt in der nur geringen sprachlichen Differenzierung. Ambrosius verwendet in der Beschreibung des Zwischenzustandes im Paradies die gleichen semantischen Felder von Ruhe, Friede, Freude und Licht, wie bei der des Himmelreichs. Ambrosius führt eindeutige Charakterisierungen an, die die Differenzierung heraus89  Vgl. exp. Luc. 10,117: quantos itaque Christus sua veste vestivit! puto autem quod non quattuor tantum, sed omnes vestiuit milites et omnibus abundavit. – „Wie viele hat Christus denn mit seinem Mantel gekleidet? Ich glaube aber, dass er nicht nur die vier Soldaten (vgl. Joh 19,23) gekleidet hat, sondern alle Soldaten, und für alle war er im Überfluss da.“ und exp. Luc. 8,71. Vgl. dazu auch Ramelli, The Christian Doctrine of Apokatastasis, 620 f. 90  Vgl. Ernst Dassmann, Heil zwischen Allerlösung und Prädestination von Origenes bis Augustinus, JbAC 37 (2008), 218 – 229, 222. 91   Vgl. vor allem seine Aufforderungen in de officiis. 92  Vgl. Dassmann, Heil zwischen Allerlösung und Prädestination von Origenes bis Augustinus, 223 und ders., Die Frömmigkeit des Kirchenvaters Ambrosius von Mailand, 129 – 134. Von einer Errettung des Teufels und der Dämonen schreibt Ambrosius ebenfalls nichts.

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

stellen, etwa die bloße Existenz mit Christus im Paradies im Unterschied zum Regieren mit Christus und Stehen vor Gott im Königreich der Himmel. Allerdings hat es den Anschein, als ob Ambrosius an manchen Stellen versucht, diese Unterschiede zu glätten und seinen Rezipienten eine Zukunft vor Augen zu stellen, die die Zweistufigkeit der eschatologischen Ereignisse überdeckt.93 So ist der Status des vollkommenen Gerechten im Falle von Theodosius und Acholius eindeutig. Ambrosius nutzt aber die Unschärfe zwischen Interim und Eschaton, um auch nicht vollkommen Gerechten in den Leichenreden höchsten Lohn zuzuschreiben und sie in nächste Nähe zu den Heiligen zu stellen. Im weiteren Fortgang der vorliegenden Untersuchung soll gerade diese semantische Unschärfe im Fokus bleiben, mit der Ambrosius versucht, Assoziationen aufzurufen, die zu Folge haben, dass sich Zuhörer die Kaiser Gratian und Valentinian II. im Himmelreich vorstellen. In den Trostschriften liegt aus seelsorgerischen Gründen der Fokus vor allem auf dem positiven Schicksal des Toten in Paradies und Himmelreich. Auf das Los der Verdammten, der Gottlosen und der Todsünder, geht Ambrosius dagegen kaum ein.94 Auch erfahren die Zuhörer bzw. Leser der konsolatorischen Werke nichts über den Reinigungs- oder Gerichtsprozess. Diese Fokussierung liegt in der pastoralen und tröstenden Ausrichtung der entsprechenden Werke begründet, da sie stets den Weg der Seele eines iustus bzw. perfectus zum Thema haben. Den größten Trost spendet Ambrosius insofern seinen Zuhörern und Lesern, als er dieses positive Schicksal in hellsten Farben zeichnet, sodass auch die Furcht vor dem eigenen Tod in Hoffnung auf das Paradies bzw. das Königreich der Himmel umschlägt.

93   Besonders in de bono mortis ist dies der Fall, wie zu zeigen ist, vgl. besonders bon. mort. 10,45 – 11,51. Siehe dazu unter A.III.4.11. 94  Vgl. bon. mort. 10,48: melius est cognoscere quomodo innocentes salventur quam quomodo crucientur flagitiosi. – „Es ist besser, zu erfahren, wie die Unschuldigen gerettet werden, als wie die Sünder gequält werden.“

III. Der Traktat über den Tod: De bono mortis 1. Einleitung Mit dem Traktat de bono mortis legt Ambrosius in der zweiten Phase seines Schaffens eine theoretische Trostschrift vor, die sich der Frage nach dem rechten Umgang mit dem Tod widmet, ohne dass sie auf einen konkreten Todesfall reagiert. Ambrosius geht dabei mehreren für die consolatio üblichen Fragen nach: Ist der Tod ein Übel? Muss der Mensch ihn fürchten? Ist Gott der Erschaffer des Todes? Und welches Schicksal erleidet die Seele nach dem Tod? Diese Fragen werden im ersten Teil des Werkes beantwortet, wobei Ambrosius philosophische Argumente, meist in neuplatonischer Interpretation, aufnimmt und mit christlichen Gedanken modifiziert. Das Leben nach dem Tod stellt Ambrosius vor allem im zweiten Teil vor. Diese Darstellung übertrifft die platonischen Vorstellungen von den postmortalen Räumen. In einer Zeit, in der pagane Kulte und neuplatonisches Gedankengut, das durch Elemente der Theurgie zu einer das gesamte Leben des Menschen betreffenden ­Religion werden konnte, noch eine große Konkurrenz, in Teilen gar eine Bedrohung der christlichen Kirche darstellten,1 bietet Ambrosius mit de bono mortis eine Brücke an, die von einer philosophischen Interpretation des Todes und einer den traditionellen Argumenten folgenden Tröstung zu einer christlichen Perspektive auf Tod, postmortale Existenz und Auferstehung hinüberführt. Der Blick auf die Entstehungssituation von de bono mortis, der für eine Interpretation des Werkes wichtig ist, wird durch die literarische Verwandtschaft des Traktats zur Schrift de Isaac vel anima ermöglicht. So wird sich im Folgenden zeigen, dass beide Traktate auf Predigten aufbauen, die im katechetischen Kontext in Mailand gehalten wurden.

1   Ein Großteil der Mailänder Gesellschaft war auch um 386 / 7 noch paganen Kulten verpflichtet, vgl. Ramsay MacMullen, Christianity and Paganism in the Fourth to Eighth Centuries, New Haven, CT. 1997, 12 und Humphries, Communities of the Blessed, 208 – 210. Noch im vierten und fünften Jahrhundert wurden in Mailand und Umgebung Tempel und Heiligtümer restauriert, was für eine immer noch starke Lobby der paganen Kulte spricht, vgl. Tiersch, Mailand im 4. Jh. – ein christliches Rom?, 403 f.

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

2. Der Sitz im Leben von de bono mortis: Der katechetische Unterricht Der ambrosianische Traktat wird in zwei Handschriften aus dem neunten Jahrhundert überliefert, die ein Korpus von Werken des Ambrosius über den Tod und das ewige Leben bieten: de Isaac vel anima, de bono mortis, de fuga saeculi, de Iacob, de paradiso und de obitu Valentiniani / de consolatione Valentiniani sowie der Brief ep. extra coll. 14 (63) an die Gemeinde im norditalienischen Vercelli.2 Bereits in dieser Zusammenstellung zeigt sich durch die Platzierung die enge Bindung zwischen dem Traktat über die Seele, de Isaac vel anima, und de bono mortis. Ambrosius betont selbst zu Beginn von de bono mortis den Zusammenhang beider Werke, weswegen eine Entstehung kurz nacheinander als sicher gilt.3 Neben diesem expliziten Hinweis finden sich auch thematische Parallelen. So weist etwa das Ende von de Isaac auf den Umgang mit dem Tod hin, der aus der Anerkennung der Unsterblichkeit der Seele und ihrer Rückkehr in das „wahre Vaterland“ resultiert.4 Die Definition des Todes wird dort in ähnlicher Weise formuliert wie im Traktat über das Gut des Todes: ergo non timeamus mortem, quoniam requies est corporis, animae autem vel libertas vel absolutio.5 Aufgrund thematischer Doppelungen und unterschiedlicher Zugriffe auf gleiche Schriftzitate geht Jean Rémy Palanque davon aus, dass der Traktat de bono mortis auf zwei Predigten beruht, die von Ambrosius überarbeitet und als ein Buch herausgegeben wurden.6 Teil dieser Überarbeitung von Predigten war, wie Michaela Zelzer 2   Es sind dies die Handschriften Saint Omer 72 und Paris BN lat. 1913. Vgl. Michaela Zelzer, Quelques remarques sur la tradition des oeuvres d’Ambroise et sur leurs titres originaux, in: Gérard Nauroy (Hg.), Lire et éditer aujourd’hui Ambroise de Milan. Actes du colloque de l’Université de Metz, 20 – 21 mai 2005, Recherches en littérature et spiritualité 13, Bern 2007, 21 – 36, 25. Eine genaue Analyse der Handschriften wurde vorgelegt von Lama el Horr, La tradition du „De bono mortis“ de saint Ambroise, in: Gérard Nauroy (Hg.), Lire et éditer aujourd’hui Ambroise de Milan. Actes du colloque de l’Université de Metz, 20 – 21 mai 2005, Recherches en littérature et spiritualité 13, Bern 2007, 75 – 106. 3  Vgl. bon. mort. 1,1: quoniam de anima superiore libro sermonem aliquem contexuimus, faciliorem viam putamus de bono mortis conficere aliquid. – „Nachdem ich im vorhergehenden Buch eine Rede über die Seele verfasst habe, halte ich es jetzt für die leichtere Verfahrensweise, etwas über das Gut des Todes anzuführen.“ 4  Vgl. Is. 8,79: fugiamus ergo in patriam verissimam. – „Fliehen wir also in unsere wahre Heimat.“ 5   Is. 8,79: „Fürchten wir darum nicht den Tod, denn er bedeutet Ruhe für den Leib, für die Seele aber Freiheit oder Loslösung.“ Vgl. dazu bon. mort. 5,16: Quid eam timeamus, quae animae nocere non soleat? [. . .] Per mortem autem istam anima liberatur, dum a corporis contubernio secernitur et involucris perturbationis exuitur. – „Warum sollten wir also den Tod fürchten, der ja der Seele niemals schadet? [. . .] Durch diesen Tod aber wird die Seele befreit, indem sie von der Gemeinschaft mit dem Körper getrennt wird und sie die verwirrende Hülle (sc. des Körpers) ablegt.“ 6  Vgl. Palanque, Saint Ambroise et l’Empire romain, 441. Eine Abgrenzung der beiden Predigten kann man anhand einer Zäsur zwischen den Kapiteln 29 und 30 erkennen. Vgl. Pierre Courcelle, Recherches sur les confessions de Saint Augustin, Paris 1950, 123; Palanque, Saint Ambroise et l’Empire romain, 441 und Michael P. McHugh, Saint Ambrose. Seven Exegetical Works, Washington, D. C. 1972, 69. Wiesner nimmt in Kapitel 31 einen Einschnitt an, vgl. Wiesner, Ambrosii De bono mortis, 38. Mit Hinweis auf die schwache Stimme des Ambrosius geht dagegen MacLean Kiely, Ambrose the Pastor and the Image of the ‚Bride‘, 120 f. von mehr als zwei Predigten aus, allerdings spezifiziert sie diese These nicht genauer am Text.

III. Der Traktat über den Tod

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ebenso auch für die Privatbriefe des Bischofs untersucht hat, die Streichung aller privater Notizen und Anspielungen auf politische Gegebenheiten: „Ambrosius bediente sich somit offensichtlich der alten literarischen Tradition, um zeitlose Dokumente zu hinterlassen.“7 Weder de Isaac vel anima noch de bono mortis bieten daher direkte Hinweise auf zeitliche oder situative Umstände. Marcia L. Colish hat die überzeugende These aufgestellt, dass die Predigten, auf denen sowohl de Isaac vel anima als auch de bono mortis aufbauten, Teil der katechetischen Vorbereitung der competentes in der Woche vor Ostern waren, jener Gruppe der Katechumenen also, die sich für die Taufe angemeldet hatten.8 Der Taufunterricht in Mailand erfolgte in zwei Stufen: Zunächst meldeten sich interessierte Heiden oder Juden zum Katechumenat an und erhielten den ersten katechetischen Unterricht zu den grundlegenden Glaubensinhalten.9 Dieser Unterricht war nicht dem Bischof oder Priestern vorbehalten, sondern konnte auch von Laien gegeben werden oder in schriftlicher Form erfolgen. Die Katechumenen durften nach einem Aufnahmeritus10 dem Wortgottesdienst, nicht aber der Eucharistie beiwohnen.11 Viele dieser auch aspirantes genannten Interessierten warteten allerdings oft Jahrzehnte, bevor sie sich zur Taufe anmeldeten. Durch diesen Brauch des Taufaufschubs konnten sie der strengen Bußpraxis entsprechend eine vollständige Sündenvergebung durch die Taufe kurz vor dem Tod erhalten. Der Schritt zum ernsthaften Christsein vollzog sich für die Katechumenen erst mit der nomendatio, der Anmeldung zur Taufe. Mit der Eintragung ihres Namens in die Bewerberliste wurden aus den Katechumenen competentes, die anschließend die Taufvorbereitung im eigentlichen Sinne durchliefen.12 Nach einem Sündenbekenntnis und einer umfangreichen Buße erfolgte in der Karwoche der intensive Unterricht in christlicher Lehre und Lebensführung. Zum einen erhielten die Taufbewerber eine Glaubensunterweisung, die auf den Einführungskatechesen der aspirantes aufbaute.13 Diese Unterweisung wurde vorrangig von Priestern, im  7

 Michaela Zelzer, Zur Chronologie der Werke des Ambrosius. Überblick über die Forschung von 1974 bis 1997, in: Luigi Pizzolato (Hg.), Nec timeo mori. Atti del Congresso Internazionale di Studi Ambrosiani nel XVI Centenario della Morte di Sant’Ambrogio (Milano, 4 – 11 Aprile 1997), SPMed 21, Mailand 1998, 73 – 92, 87.  8  Vgl. Colish, Ambrose’s patriarchs, 14 – 29. Dieser Interpretation der Predigten folgen auch J. Warren Smith, Christian Grace and Pagan Virtue. The Theological Foundation of Ambrose’s Ethics, Oxford / New York 2011, 6 f. und McHugh, Saint Ambrose, 69.  9   Dazu gehörten, so Ambrosius in exp. Luc. 6,104, das Verständnis der Schöpfung, des Monotheismus mit der Ablehnung des Götzenkultes sowie die Bedeutung von Jesu Leben und Sterben. Vgl. dazu Josef Schmitz, Gottesdienst im altchristlichen Mailand. Eine liturgiewissenschaftliche Untersuchung über Initiation und Meßfeier während des Jahres zur Zeit des Bischofs Ambrosius († 397), Theoph. 25, Köln 1975, 35 – 41. 10   Schmitz, Gottesdienst im altchristlichen Mailand, 38 geht von einer Art Bekreuzigung aus. 11  Vgl. Colish, Ambrose’s patriarchs, 14 f. 12  Vgl. Schmitz, Gottesdienst im altchristlichen Mailand, 41 – 46. 13   Nach einer Wiederholung des in den Einführungskatechesen gelernten Stoffes folgte eine genaue Darlegung über dem Kreuzestod Christi und das Wesen der Gottheit Christi. Derartige Glaubensfragen waren aber nicht auf einen solchen privaten Unterricht begrenzt, sie konnten auch in den bischöflichen Katechesen aufgegriffen werden, vgl. a. a. O., 59 – 61.

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

Ausnahmefall auch von Laien übernommen. Zum anderen hörten die competentes an jedem Tag der Karwoche im Rahmen von Gottesdiensten katechetische Predigten zur christlichen Sittenlehre, die ausschließlich vom Bischof gehalten wurden. Basis dieser Predigten waren die Erzählungen der Patriarchen und die Behandlung von Texten aus dem Buch der Sprichwörter, wie Ambrosius in de mysteriis berichtet: De moralibus cottidianum sermonem habuimus, cum vel patriarcharum gesta vel proverbiorum legerentur praecepta, ut his informati atque instituti adsuesceretis maiorum ingredi vias eorumque iter carpere ac divinis oboedire oraculis [. . .].14

Der Grund für diese Auswahl liegt in der Bedeutung der Patriarchen als moralische Vorbilder. Nicht mehr die großen Männer der römischen Geschichte zieht Ambrosius heran, sondern die „einfachen“ Gottesfürchtigen des Alten Testaments.15 Gleichzeitig boten diese Gestalten Ambrosius die Gelegenheit, das Verhältnis von Altem und Neuem Testament zu klären und mittels der allegorischen Schriftauslegung den mystischen Schleier der alttestamentlichen Schriften zu heben. Dass die Predigten zu de Isaac vel anima und de bono mortis zu einer Abfolge solcher Predigten zählten, die sich den Patriarchen widmen und in Form von exempla ei-ne christliche Ethik grundlegen, zeigt sich durch die zeitliche Verortung in Is. 4,35. Hier kann davon ausgegangen werden, dass das bald anstehende Osterfest in den Blick genommen wird, sodass eine zeitliche Verortung in die Karwoche wahrscheinlich ist: iam praeteriit hiemps, id est venit pascha, venit indulgentia, advenit remissio peccatorum.16 Auch wenn in de bono mortis keine Patriarchenfigur im Zentrum steht, ist doch die Auslegung von Gen 2 f. sowie die starke Fokussierung auf das sittliche Leben ein Hinweis auf die ähnliche Situation der Katechese, wie sie für de Isaac vel anima zu postulieren ist. Die Einordnung von de bono mortis in die Gattung der katechetischen Predigt eröffnet den Blick auf die Zusammensetzung des Publikums. Zum einen besteht dieses natürlich aus der Gruppe der competentes. Ambrosius hatte mit den Taufanwärtern erwachsene Laien vor sich, die die intensive Taufvorbereitung auf sich genommen haben. Sie brachten zur Unterweisung das in den Einführungskatechesen erworbene Grundwissen über den christlichen Glauben mit. Es ist zudem mit Konvertiten zu rechnen, die eine klassische Bildung genossen haben, da Ambro14   Myst. 1,1: „Wir haben täglich eine Predigt über moralische Fragen gehalten, indem entweder die Geschichten der Patriarchen oder die Vorschriften des Buchs der Sprichwörter gelesen wurden, damit ihr, durch diese Inhalte unterrichtet und gebildet, daran gewöhnt werdet, auf dem Weg der Vorfahren voranzuschreiten, ihren Lauf zu nutzen und den göttlichen Geboten zu folgen [. . .].“ 15  Vgl. off. 1,25,116: Sit igitur nobis vita maiorum disciplinae speculum, non calliditatis commentarium, imitandi reverentia, non disputandi astutia. – „Das Leben der Vorfahren soll uns darum ein Spiegel der Sittsamkeit sein, nicht eine Zusammenstellung schlauer Kniffe, eine nachzuahmende Ehrwürdigkeit, nicht eine zu erörternde Verschlagenheit.“ 16   Is. 4,35: „Schon ist der Winter vorbei, das heißt: Ostern kommt, die Vergebung kommt, die Nachlassung der Sünden tritt ein.“

III. Der Traktat über den Tod

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sius in verschiedenen derartigen Predigten auf Bildungsinhalte wie etwa römische Rechtstermini rekurriert oder griechische Grundkenntnisse voraussetzt.17 Diese Konvertiten sollten nun die Reste paganer Vorstellungen ablegen und den christlichen Glauben in seiner ganzen Tiefe erlernen. Wenn auch die Unterrichtung der competentes der eigentliche Anlass für die Katechesen war, standen jene Predigten dennoch anderen Zuhörern offen, wie die Einladung an interessierte Männer in Abr. 1,25 zeigt.18 Es ist nicht unwahrscheinlich, dass aufgrund der Offenheit der Katechesen auch Katechumenen oder interessierte, gebildete Heiden die Predigten über das Gut des Todes verfolgt haben. Schließlich zeigt die spätere von Ambrosius organisierte Veröffentlichung als Traktat, dass er sich auch an ein lesendes Publikum außerhalb des Kirchenraumes wandte, damit sich unter anderem auch pagane Interessierte, die den öffentlichen Gang in den Gottesdienst scheuten, mit den Erklärungen zum christlichen Glauben und der Unterweisung in Themen der Lebensführung auseinanderzusetzen.19 Die komplexe Sprache und Argumentation der Traktate und die zahlreichen Anspielungen auf pagane Autoren sowie griechische Phrasen, die Ambrosius offensichtlich als bekannt voraussetzt, legen nahe, dass Ambrosius sowohl bei den Zuhörern der Predigten als auch bei den Lesern des überarbeiteten Traktates von gebildeten Rezipienten ausging.20 Die plotinischen Traktate enn. 1,1 und 1,7, aus denen Ambrosius in de bono mortis ausgiebig zitiert, galten zudem als „Einsteigerlektüre“ für am Neuplatonismus interessierte Leser21 – ein Hinweis darauf, dass die intendierten Zuhörer bzw. Leser bereits mit den Grundgedanken des Neuplatonismus vertraut waren.22 17   Vgl. etwa Abr. 2,8,50: [. . .] quod αἴξ graece παρὰ τὸ ἀίσσειν nomen acceperit [. . .]. – „[. . .] dass die Ziege im Griechischen von Anstürmen ihren Namen bekommen hat [. . .].“ Vgl. dazu Colish, Ambrose’s patriarchs, 17: „he assumes that his competentes are comparatively well off, that they are persons with domestic and public responsibilities, that they are literate in Greek as well as Latin, familiar with the literary classics in both languages, and familiar as well with Roman law and classical ethics.“ 18  Vgl. Abr. 1,25: sed et vos moneo, viri, maxime qui ad gratiam domini tenditis [. . .]. – „Aber ich ermahne auch euch, ihr Männer, die ihr besonders zur Gnade des Herrn strebt [. . .].“ So die Interpretation von Schmitz, Gottesdienst im altchristlichen Mailand, 64. 19   Vgl. dazu Dassmann, Pastorale Anliegen bei Ambrosius von Mailand, 299: „Heiden, die sich für den christlichen Glauben interessierten, konnten in aller Ruhe und ohne sich öffentlich exponieren zu müssen, nachlesen, was Ambrosius zur Begründung christlicher Glaubensaussagen und sittlicher Verhaltensnormen ausgeführt hatte.“ 20   Wie stark die Eingriffe in den Text der Predigten waren, lässt sich freilich nicht rekonstruieren. Es ist aber davon auszugehen, dass der Traktat die Grundstruktur der Predigten referiert. Streichungen betrafen nur zeitgeschichtliche und situative Informationen. Hinzufügungen können in erster Linie im Bereich der Zitation antiker Vorbilder wahrscheinlich gemacht werden. 21  Vgl. MacLean Kiely, Ambrose the Pastor and the Image of the ‚Bride‘, 107. Zur Plotin­ rezeption in de bono mortis und de Isaac vel anima vgl. vor allem Courcelle, Die Entdeckung des christlichen Neuplatonismus, 156 – 162, Pierre Hadot, Platon et Plotin dans trois sermons de Saint Ambroise, REL 34 (1956), 202 – 220 und Volker H. Drecoll, Neuplatonismus und Christentum bei Ambrosius, De Isaac et anima, ZAC 5 (2001), 104 – 130. 22   Ein Beispiel für solch einen Zuhörer ist natürlich Augustinus, der bereits vor seiner Taufe mit den libri platonicorum in Kontakt kam, vgl. conf. 7,13. Vor allem die Frühdialoge des Augustinus zeigen außerdem, dass es eine größere Bildungselite in Mailand gab, die sich mit christlichen und philosophischen Themen beschäftigte, vgl. dazu auch Fuhrer, Augustin in Mailand, 63 – 79.

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

3. Zeitgeschichtlicher und situativer Hintergrund Der Versuch, den Traktat genau zu datieren, steht vor dem Problem, dass Ambrosius in de bono mortis auf kein spezifisches äußeres Geschehen reagiert. Darum ist nur eine relative Einordnung von de bono mortis und de Isaac vel anima innerhalb der Chronologie von Ambrosius’ Œuvre möglich. Die Datierung beider Traktate ist gerade im Hinblick auf die Rezeption des Autors von Interesse, da sich bei einer Verortung der Predigten in die mittleren Jahre seines Episkopats unweigerlich die Frage stellt, ob die dort vorgetragenen Gedanken von Ambrosius’ berühmtestem Zuhörer aufgenommen wurden: dem jungen Augustinus, der in den Jahren 385 bis 387 die ambrosianischen Predigten in Mailand gehört hat.23 Inhaltliche Aufnahmen und Anspielungen in späteren Werken Augustins, wie in contr. epp. Pel. 4,11,31, wo bon. mort. 3,9 und 11,49 zitiert werden,24 lassen auf eine Kenntnis schließen. Aber hat Augustinus bereits in seiner Mailänder Zeit die Predigten gehört und ist er auf diese Weise dem christlichen Neuplatonismus des Ambrosius nahegekommen oder hat er die später herausgegebenen Überarbeitungen rezipiert? Dabei kommen verschiedene Datierungsversuche der modernen Forschung in den Blick. Pierre Courcelle versuchte in seinen „Recherches sur les confessions de Saint Augustin“ zu zeigen, dass die Predigten, die die Grundlage von de bono mortis und de Isaac vel anima bildeten, zu den Predigten in den Jahren 385 bis 387 gehörten, die Augustinus als Zuhörer verfolgt hatte.25 Vor allem die Übernahme des privatio boniGedankens aus Is. 7,61 in das philosophische Konzept des Augustinus spreche für eine direkte Beeinflussung, die sich auch schon in der Schaffenszeit in Cassiciacum niederschlage.26 Theodore Wiesner erläutert in der Einleitung seines Kommentars zu de bono mortis die unterschiedlichen literarischen Abhängigkeiten des Traktats de Isaac vel anima von dem Lukaskommentar, der Auslegung von Ps 118 und dem Exameron, die darauf schließen lassen, dass die drei Werke etwa zur selben Zeit kurz vor de Isaac vel anima und de bono mortis verfasst worden sind.27 Wiesner stützt sich dabei auf Wilhelm Wilbrands Datierung der drei großen Werke in die Jahre 386 bis 38828 und 23   Zu Augustinus in Mailand und seiner Beziehung zu Ambrosius vgl. Dassmann, Ambrosius von Mailand, 161 – 174 und Drecoll, Ambrosius als Taufvater Augustins und der „Mailänder Kreis“, besonders 127 – 141. 24  Vgl. Cavadini, Ambrose and Augustine De bono mortis, 242. 25  Vgl. Courcelle, Recherches sur les confessions de Saint Augustin, 93 – 138 bzw. die deutsche Übersetzung dieses Kapitels, ders., Die Entdeckung des christlichen Neuplatonismus, 126. 26  Vgl. Courcelle, Die Entdeckung des christlichen Neuplatonismus, 164. 27   Is. 4,17 setzt die Auslegung von Ps 118 voraus. Is. 5,40 – 43 wiederum scheint eine Weiterführung von exp. Luc. 10,154 – 158 zu sein und Ernst Dassmann, Ambrosius von Mailand, De Isaac vel anima. Über Isaak oder die Seele. Übersetzt und eingeleitet von Ernst Dassmann, FC 48, Turnhout 2003, 8 f. 28   Vgl. Wilhelm Wilbrand, Zur Chronologie einiger Schriften des hl. Ambrosius, Historisches Jahrbuch 41 (1921), 1 – 19, 7 f.

III. Der Traktat über den Tod

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kommt somit für die Entstehung von de Isaac vel anima und de bono mortis auf den Zeitraum zwischen 387 bis 389.29 Ernst Dassmann dagegen verlegt die Entstehung von de bono mortis in das Jahr 391 mit dem Hinweis, dass es sich vor allem mit dem Werk über die Seele um ein Werk der Spätphase des Bischofs handeln muss, da Ambrosius darin die Hoheliedthematik, die er in den Jahren 385 bis 387 bei Origenes entdeckt hatte, auf das Verhältnis zwischen Mensch und Christus anwendet.30 In die Zeit kurz vor dem Tod des Ambrosius 395 / 96 verortet Michaela Zelzer die Entstehung der beiden Traktate. Sie stützt sich für diese späte Datierung auf die These Luigi Franco Pizzolatos, dass die mit de Isaac und de bono mortis in Abhängigkeit stehende Auslegung von Ps 118 ebenfalls in die Jahre 395 / 96 datiert werden müsse.31 Dass Augustinus Jahre nach seiner Zeit in Mailand die ambrosianischen Gedanken deshalb so präsent im Gedächtnis hatte, weil er einst die Predigten gehört hatte, wie es Courcelle vermutet, ist zwar attraktiv, aber als Argument für die Datierung von de bono mortis m. E. nicht valide. Schon vor der intensiveren Beschäftigung mit den neuplatonischen Gedanken des Ambrosius hat Augustinus die Bücher Plotins in der Übersetzung des Marius Victorinus32 kennengelernt. Die Nähe von de bono mortis und de Isaac vel anima zu den großen Werken exp. Ps. 118, exp. Luc. und exam., die sämtlich in den späten 380er Jahren entstanden, lässt dagegen vermuten, dass die beiden Traktate auf diese folgen. Eine Datierung von de bono mortis ist somit im Zeitraum zwischen 388 und 391 am wahrscheinlichsten. Der zeitgeschichtliche Hintergrund von de bono mortis lässt sich aufgrund der groben Datierung ebenso nur schematisch erfassen. Mit der Frage nach der Furcht vor dem Tod behandelt Ambrosius ein Grundanliegen menschlichen Daseins. Die Bewohner Mailands beschäftigte aber in den Jahren 388 bis 391 noch mehr als die alltägliche Sorge um den Tod. Aufgrund der exponierten Lage der kaiserlichen Residenzstadt in Norditalien sahen sie sich der besonderen Bedrohung durch barbarische Einfälle ausgesetzt, die von den Alpen aus in die Regionen um Mailand erfolgten.33 Den Bewoh29

 Vgl. Wiesner, Ambrosii De bono mortis, 10 – 15.  Vgl. Dassmann, Ambrosius von Mailand, Anm. 865, und ders., Ambrosius von Mailand, De Isaac vel anima. Über Isaak oder die Seele, 8 – 10. Vgl. dazu auch Palanque, Saint Ambroise et l’Empire romain, 541 und Paredi, Saint Ambrose, 349. 31  Vgl. Zelzer, Zur Chronologie der Werke des Ambrosius, 92. 32   Vgl. Aug. conf. 8,2. Da Augustinus nur im Jahr 387 als Taufbewerber die Predigten gehört haben kann, hält auch Colish eine Zuhörerschaft des Augustinus für de Isaac vel anima und de bono mortis für unwahrscheinlich, vgl. Colish, Ambrose’s patriarchs, 25. Es ist allerdings möglich, dass katechetische Predigten auch öfter gehalten worden sind. Gerade die Beschreibung in myst. 1,1 legt nahe, dass Ambrosius von einem regelmäßigen, zumindest wiederholten Verfahren spricht. 33   Ambrosius erwähnt die Bedrohung bereits in der ersten Rede für Satyrus, exc. Sat. 1,31, und warnt vor der nahen Gefahr durch die Ansiedlung der Goten auf dem Balkan, vgl. fid. 2,16,140. Vor allem seit dem Fall des rätischen Limes 383 war die Bedrohung von feindlichen Angriffen über die offenen Alpenpässe so brisant, dass Abwehrmaßnahmen in Mailand eingerichtet wurden und die Militärpräsenz in der gesamten Umgebung erhöht wurde, vgl. Humphries, Communities of the Blessed, 41. 30

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

nern der Stadt musste die verheerende Niederlage der Römer bei Adrianopel 378 noch in lebhafter Erinnerung sein, die zu dauernden Unruhen von Seiten der Goten führte. Hinzu kam die Usurpation des dux Britanniarum Maximus im Jahr 383. Magnus Maximus wurde zwischen Ende 382 und Mitte 383 in Britannien von seinen Soldaten zum Kaiser ausgerufen, setzte nach Gallien über und lieferte sich mit dem eigentlichen Kaiser im Westen, Gratian, eine Schlacht, die dieser verlor. Den flüchtenden Gratian ließ Maximus schließlich ermorden.34 Der Usurpator, der von Theodosius, dem Augustus des Ostens, zunächst geduldet wurde, traf im Jahr 386 in Trier Vorbereitungen, um nach Italien in das Herrschaftsgebiet des westlichen Augustus und Nachfolgers Gratians, Valentinian II., zu marschieren. Im Sommer 387 schließlich überquerte Maximus die Alpen, was den unvorbereiteten Valentinian II. zur Flucht aus Mailand nach Thessaloniki bewegte. Maximus konnte daraufhin dessen gesamten Herrschaftsbereich und so auch Mailand besetzen. Dieses Verhalten zwang Theodosius schließlich zu einer kriegerischen Intervention.35 Ein Krieg auf italienischem Boden bedeutete für die Gemeinde in Mailand, dass der Tod von Einwohnern, von Verwandten und Bekannten auf dem Schlachtfeld zu erwarten war. Die Belagerung der kaiserlichen Residenzstadt Mailand stellte zudem eine direkte Gefahr für alle Bewohner dar. Aber auch in Mailand selbst kam es in den Jahren zu beunruhigenden Aus­ einandersetzungen. So behauptete sich die dortige Gemeinde unter der Leitung des Ambrosius im Basilikenstreit 385 / 6 gegen Valentinian II. und seine Mutter Justina. Ambrosius weigerte sich, eine Kirche zur Nutzung durch homöische Christen freizugeben, woraufhin es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen der Gemeinde und dem kaiserlichen Hof kam. In seinem Brief an Marcellina beschreibt Ambrosius selbst, dass er als Anführer einer seditio angesehen worden sei, gegen die der kaiserliche Hof mit Strafaktionen vorging, etwa durch die militärische Belagerung der von Gemeindemitgliedern besetzten Basilika.36 Den Tod, besonders das Martyrium, thematisiert Ambrosius nach dieser Auseinandersetzung auch in ep. 77 (22), wo er seiner Schwester von der inventio der Gebeine der Märtyrer Gervasius und Protasius berichtet und die eigene Martyriumssehnsucht andeutet.37 34

  Siehe dazu unter B.III.3.   Vgl. Kirsten Groẞ-Albenhausen, Art. Magnus Maximus Usurpator, 383 – 388 n. Chr., DNP 7 (1999), 1087 f. und Alexander Demandt, Geschichte der Spätantike. Das Römische Reich von Diocletian bis Justinian 284 – 565 n. Chr., München 22008. Zu den gotischen Unruhen und der Situation Mailands bzw. Norditaliens in den Jahren 387 bis 391 vgl. außerdem Dassmann, Ambrosius von Mailand, 92 – 108, und Wiesner, Ambrosii De bono mortis, 15 – 19 sowie Paredi, Saint Ambrose, 159 – 175.237 – 256. 36  Vgl. ep. 76,7 – 9 (20). Ambrosius bot sich selbst als Opfer dar, vgl. ep. 76,8: non ego me vallabo circumfusione populorum nec altaria tenebo vitam obsecrans, sed pro altaribus gratius immolabor. – „Ich werde mich nicht hinter der Versammlung des Volkes verschanzen und mich auch nicht am Altar festhalten, um für mein Leben zu betteln, sondern ich opfere mich lieber für den Altar.“ Zum genaueren Ablauf der Streitigkeiten vgl. Günther Gottlieb, Der Mailänder Kirchenstreit von 385 / 386. Datierung, Verlauf, Deutung, MH 42 (1985), 37 – 55. 37  Vgl. ep. 77,12 (22): quia ipse martyr esse non mereor hos vobis martyres acquisivi. – „Da ich es selbst nicht verdient habe, Märtyrer zu sein, habe ich euch die Märtyrer erworben.“ Zur Auffindung 35

III. Der Traktat über den Tod

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Sterben und Tod waren also für die Zuhörer in der Mailänder Gemeinde allgegenwärtige Themen. Sie finden in de bono mortis, ähnlich wie es Cyprian von Karthago in de mortalitate zur Bewältigung einer Pestwelle versucht,38 eine pastorale und spirituelle Aufarbeitung, ohne dass sie auf ein spezifisches Ereignis reagieren müssen. Wenn nun eine exakte Datierung von de bono mortis nicht möglich ist, so muss doch festgehalten werden, was für die Einordnung in das ambrosianische Œuvre weit bedeutender ist: Die zwei Traktate de Isaac vel anima und de bono mortis fallen in die zweite Schaffensphase des Ambrosius und gehören somit zu seinen Spätschriften. In den frühen Schriften nach 374 hat sich Ambrosius vor allem an Philo orientiert.39 Um die Jahre 387 / 88 aber gerät das Hohelied in der origenistischen Auslegung stärker in den Blick des nun erfahreneren Bischofs.40 Vor allem de Isaac vel anima gibt sich nahezu als Kommentar zum canticum canticorum, in dem Ambrosius die Braut nach Origenes in der Doppelauslegung als ecclesia vel anima interpretiert.41 In dieser späten Schaffensphase geht die Abwendung von Philo mit der Hinwendung zu Origenes und Plotin einher.42 Spuren dieses Wandels finden sich auch in de bono mortis in Form vieler Anspielungen und Zitate, die auf die Enneaden Plotins, vor allem enn. 1,1 und 1,7, verweisen.

der Gebeine der Märtyrer im Kontext der Auseinandersetzung mit dem kaiserlichen Hof vgl. Ernst Dassmann, Ambrosius und die Märtyrer, JbAC 18 (1975), 49 – 68. Ähnlich argumentiert Ambrosius auch in dem im Jahr 387 entstandenen Brief ep. 23 (36) an seinen Schüler Horontianus. 38   Vgl. David Scourfield, The De Mortalitate of Cyprian. Consolation and Context, VigChr 50 (1996), 12 – 41. 39   Eine starke Anlehnung an Philo findet sich vor allem in den frühen Schriften, de Cain et Abel (vgl. Phil. quaest. in Gen. 1,64 – 77 und leg. 1,12 – 2,18), de Noe (vgl. Phil. quaest. in Gen. 1,87 – 2,82), und de paradiso (vgl. Phil. quaest. in Gen. 1,8 – 47). Aufgrund der inhaltlichen Nähe in dieser Phase gilt Ambrosius bisweilen als Philo christianus, vgl. Dassmann, Die Frömmigkeit des Kirchenvaters Ambrosius von Mailand, 44 – 74 und ausführlich Hervé Savon, Saint Ambroise devant l’exégèse de Philon le Juif, Paris 1977. 40   Zur Einteilung des Schaffens Ambrosius’ in diese zwei Phasen vgl. Dassmann, Ambrosius von Mailand, 201 – 223. 41   Die Hoheliedauslegung in de Isaac vel anima folgt in erster Linie Origenes, an manchen Stellen greift Ambrosius auch auf die Auslegung des Hippolyt zurück, doch tut er dies vor allem an Stellen, zu denen er bei Origenes keine Vorlage gefunden hat, vgl. etwa die Auslegung von Hld 3,1 f. nach Hipp. cant. 25, die Ambrosius in Is. 5,42 f. übernimmt. Diese Zurückhaltung liegt an der Betonung der anima-Auslegung, die Ambrosius in elaborierter Weise bei Origenes vorfindet. Enger ist die Anlehnung an Hippolyt in der Auslegung von Ps 118, in der die ekklesiologische Ebene im Vordergrund steht. Vgl. dazu Ernst Dassmann, Ecclesia vel anima. Die Kirche und ihre Glieder in der Hoheliederklärung bei Hippolyt, Origenes und Ambrosius von Mailand, in: Georg Schöllgen (Hg.), Ernst Dassmann. Ausgewählte kleine Schriften zur Patrologie, Kirchengeschichte und christlichen Archäologie, JbAC.E 37, Münster 2011, 7 – 25. 42   Beides sind Vorbilder, denen Ambrosius zwar auch in früheren Werken gelegentlich folgt, deren volles Gewicht er aber erst in den späten Psalmenexegesen und de virginitate entfaltet, vgl. Dassmann, Die Frömmigkeit des Kirchenvaters Ambrosius von Mailand, 135 – 137 und ders., ­Ambro­sius von Mailand, De Isaac vel anima. Über Isaak oder die Seele, 9 f.

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

4. Inhalt und Argumentation Im Folgenden soll eine textnahe Analyse die inhaltlichen und argumentativen Dimensionen des Traktats de bono mortis erhellen. Auszugehen ist dabei natürlich von der vorliegenden Textform des Traktats. Nichtsdestotrotz sollen neben den Lesern auch die Zuhörer der ursprünglichen Predigten in den Blick genommen werden. Zwar bietet Ambrosius in de bono mortis zahlreiche Argumentationsstrukturen einer klassischen consolatio, doch liegt der Fokus bei genauerer Untersuchung auf dem exhortativen Charakter, der den Traktat als Anleitung zur Vorbereitung der Seele auf den Tod ausweist. Im ersten Teil (bon. mort. 1,1 – 7,29 / 30), der wahrscheinlich aus der ersten der beiden Predigten entstand,43 bietet Ambrosius eine Kommentierung der wohl im Gottesdienst gehörten Lesung von Gen 2 und 3.44 Ambrosius schildert in dieser ersten Hälfte die verschiedenen Deutungen des Todes, die Überwindung des leiblichen Todes durch die Abwendung der Seele vom irdischen Leben und ihre Unterwerfung unter Christus. Die zweite Hälfte des Traktats (bon. mort. 8,31 – 12,57) wendet sich der unnötigen Todesfurcht und der postmortalen Existenz zu. Sie stellt in weiten Teilen eine Kommentierung von Abschnitten des apokryphen Buches 4 Esr dar, die wohl ebenfalls im Gottesdienst verlesen worden sind.45 4.1 Ist der Tod ein Übel? (bon. mort. 1,1 – 2) Im ersten Abschnitt des Traktats de bono mortis schafft Ambrosius die Grundlage seiner Argumentation: die Definition von bonum und malum und deren Gegensätzlichkeit. Zwar verrät er schon zu Beginn die These seines Werkes, dass der Tod ein Gut sei, doch bietet Ambrosius zunächst ein der Diatribe entsprechendes Eingehen 43   Diese Einteilung nimmt auch Éric Rebillard, In hora mortis. Évolution de la pastorale chrétienne de la mort aux IVe et Ve siècles dans l’occident latin, Bibliothèque des Écoles Françaises d’Athènes et de Rome 283, Rome 1994, 10 f. 18, vor, eine ähnliche (bon. mort. 1,1 – 7,28 / 7,29 – 12,5 7) bietet Wiesner, Ambrosii De bono mortis, 218 f. Zur Stellung des Kapitels bon. mort. 7,30 siehe unter B.III.4.6. 44   Vgl. die Bezeichnung der betreffenden Stellen als lectio divina, bon. mort. 1,2: denique ut lectionis divinae exemplo utamur, in paradiso est positus homo, ut ederet de ligno vitae et ceteris paradisi lignis. – „Um am Ende ein Beispiel der göttlichen Lesung nutzen: Der Mensch ist ins Paradies versetzt worden, damit der vom Baum des Lebens und den übrigen Bäumen des Paradieses esse (vgl. Gen  2,16 f.).“ und bon. mort. 5,19: Quis autem ignorat quod ex paradisi illo, quem legimus in Genesi habentem lignum vitae et lignum scientiae boni et mali et ligna cetera [. . .]. – „Wer weiß aber nicht, dass aus jenem Paradies, von dem wir im Buch Genesis gelesen haben, dass es den Baum des Lebens und den Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen und die weiteren Bäume hatte [. . .].“ 45  Vgl. bon. mort. 10,45: animarum autem superiora esse habitacula scripturae testimoniis ualde probatur, siquidem et in Hesdrae libris legimus [. . .]. – „Dass es aber höhergelegene Wohnungen für die Seelen gibt, wird durch die Zeugnisse der Schrift deutlich bewiesen, da wir ja davon in den Büchern Esras gelesen haben [. . .].“

III. Der Traktat über den Tod

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auf gegnerische Einwände. Sollte der Tod der Seele Schaden zufügen, so könne man ihn gewiss als Übel bezeichnen,46 wenn aber nicht – und darum wird es Ambrosius im weiteren Verlauf gehen – dann kann der Tod nicht als Übel gelten, sondern muss infolge der Abwesenheit von Schlechtem als Gut bezeichnet werden.47 Die Grundsätzlichkeit, mit der er argumentiert, muss jeder Zuhörer anerkennen: innocentia est, ubi non est nocendi voluntas, et noxius dicitur qui non sit in­noxius, misericors qui remittat, inmisericors qui ignoscere atque inflecti nesciat.48 Den Tod trifft wegen keiner Sache Schuld, weswegen er ein Gut genannt werden kann. Indem Ambrosius dieses Gut mit der misericordia remittens gleichsetzt, es also auf eine moralische Ebene verlegt, hat Ambrosius die Basis für die spätere Argumentation geschaffen, in der er den Tod als das Heilmittel Gottes charakterisiert, das der Sünde ein Ende setzt.49 Im Stile der philosophischen Diatribe lässt Ambrosius einen fiktiven Gesprächspartner dagegen allerdings den Einwand vorbringen, dass ein klarer Gegensatz zwischen Leben und Tod bestehe. Diese Anfrage entnimmt Ambrosius in wörtlicher Übertragung der Enneade 1,7 Plotins.50 Im Fortgang der Enneade bezeichnet Plotin den Tod als eigentliches Gut, während er das Leben ἐν σώματι als das eigentliche Übel beurteilt. Diesen Gedanken bringt Ambrosius erst im späteren Verlauf. Zunächst stellt er, dem Gesprächspartner folgend, die stoische Definition des Lebens als frui bonis, des Todes hingegen als privari bonis vor.51 Dem philosophisch-rationalen Argument folgt eine biblische Begründung des Todes als Übel auf Grundlage von Dtn 30,15 und Gen 2,16 f. Die Schuld der Urmenschen und die

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  Ambrosius übernimmt die im Diatribenstil gestaltete Eingangsfrage von Plotin, enn. 1,7,2: Ἀλλ’ εἰ ἀγαθὴ ἡ ζωή, πῶς ὁ θάνατος οὐ κακόν; – „Aber wenn das Leben gut ist, wie wäre der Tod kein Übel?“ Vgl. Courcelle, Die Entdeckung des christlichen Neuplatonismus, 156 – 158. 47   Die Erkenntnis, dass das Fehlen von Schlechtem das Gute charakterisiert, übernimmt Ambro­ sius aus dem neuplatonischen Denken Plotins in enn. 1,8. Vgl. bon. mort. 1,1: quod autem vitio caret id bonum, ideoque bona malis contraria sunt et mala bonis. – „was aber keinen Fehler an sich hat, ist ein Gut, und darum sind die Güter das Gegenteil der Übel und die Übel das Gegenteil der Güter.“ Vgl. auch die Definition des Bösen in Is. 7,60: illud enim decorum et speciosum est, in quo nihil sit mali. [. . .] contraria ergo speciositatis sterilitas, quoniam qui privatur specie vel dolore, in eo est enim malum. – „Denn jenes ist anständig und schön, in dem nichts Böses ist. [. . .] Das Gegenteil von Schönheit ist also Unfruchtbarkeit, da nämlich in dem, der keine schöne Gestalt und keine Anmut hat, das Böse herrscht.“ 48   Bon. mort. 1,1: „Schuldlosigkeit ist dort, wo kein Wille zum Schaden herrscht, und schuldig nennt man den, der nicht unschuldig ist. Barmherzig ist der, der (erg. Schuld) nachlässt, unbarmherzig der, der nicht imstande ist, zu verzeihen und sich umstimmen zu lassen.“ 49  Vgl. bon. mort. 2,3 – 7; 4,14. 50  Vgl. bon. mort. 1,2: sed forte aliqui adserat: quid tam contrarium quam vita morti? Si ergo vita bonum putatur, quomodo mors non est mala? – „Aber vielleicht möchte einer hinzufügen: Was ist denn ein größerer Gegensatz als der zwischen Leben und Tod? Wenn also das Leben als gut beurteilt wird, wie ist dann der Tod nicht ein Übel?“ Vgl. dazu Plot. enn. 1,7,2: Ἀλλ’ εἰ ἀγαθὴ ἡ ζωή, πῶς ὁ θάνατος οὐ κακόν; – „Aber wenn das Leben gut ist, wie ist dann der Tod nicht ein Übel?“ Die zweite Frage des Plotin in enn. 1,7,16 erscheint ebenso in bon. mort. 4,13. 51   Zum Tod in der stoischen Güterlehre vgl. Benz, Das Todesproblem in der stoischen Philosophie, 48 – 67.

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

darauf folgende Strafe werden als Ursprung des Todes angeführt: eiectus de paradiso mortem gustavit. malum igitur mors, quae pretio damnationis infertur.52 Der Tod ist die sichtbare Folge des Fluches, der Adam und Eva nach der Drohung Gottes trifft und mit dem Verlust des ewigen Lebens einhergeht.53 Ambrosius stellt somit die vorläufige These auf, dass der Tod ein Übel sei. 4.2 Die drei Gattungen des Todes (bon. mort. 2,3 – 7) Diesem scheinbaren Eingeständnis stellt Ambrosius seine Theorie von den drei Arten des Todes entgegen, die er wohl dem folgenden Abschnitt des Dialogus cum Heraclide des Origenes entnommen hat. Origenes differenziert zwischen drei Todesarten: ἐγὼ μέντοι γε ἐπὶ τοῦ παρόντος οἶδα τρεῖς θανάτους. Ποίους τούτους τρεῖς θανάτους; Ζῇ‘ τις ‚τῷ Θεῷ καὶ ‚ἀπέθανεν τῇ ἁμαρτίᾳ‘ κατὰ τὸν ἀπόστολον. Οὗτος μακάριος ὁ θάνατος· ἀποθνῄσκει τις τῇ ἁμαρτίᾳ· τοῦτον τὸν θάνατον ὁ [Κύριός] μου ἀπέθανεν. Ὃ γὰρ ἀπέθανεν, τῇ ἁμαρτίᾳ ἀπέ[θ]ανεν. Οἶδα καὶ ἄλλον θάνατον καθ’ ὃν ἀποθνῄσκει τις τῷ Θεῷ, περὶ οὗ εἴρηται· Ψυχὴ ἡ ἁμαρτάνουσα αὐτὴ ἀποθανεῖται. Οἶδα καὶ τρίτον θάνατον καθ’ ὃν κοινῶς νομίζομεν τοὺς ἀπαλλαγέντας τοῦ σώματος ἀποτεθνάναι· ἔζησεν γὰρ Ἀδὰμ ἔτη τριάκοντα καὶ ἐνακόσια, καὶ ἀπέθανεν.54

Während es Origenes dort allerdings um den Erweis der Sterblichkeit der Seele geht, legt Ambrosius den Fokus auf die Existenz eines guten Todes: Sed mortis tria sunt genera. una mors peccati est, de qua scriptum: anima quae peccat ipsa morietur. alia mors mystica, quando quis peccato moritur et deo vivit, de qua ait item apostolus: consepulti enim sumus cum illo per baptismum in mortem tertia mors, qua cursum vitae huius et munus explemus, id est animae corporisque secessio.55 52   Bon. mort. 1,2: „[. . .] vertrieben aus dem Paradies hat er (sc. der Mensch) den Tod gekostet. Ein Übel ist also der Tod, da er zur Strafe durch die Verurteilung verhängt wird.“ 53  Vgl. par.  14,70: dereliquisti vitam aeternam et adtumulatus es morti, consepultus errori.  – „Du hast das ewige Leben zurückgelassen und bist mit dem Grab des Todes bedeckt, bestattet mit dem Fehler.“ Vgl. zum Verlust des ewigen Lebens und die Folgen der ersten Sünde Wolfgang Seibel, Fleisch und Geist beim heiligen Ambrosius, MThS.S 14, München 1958, 99 – 122. 54  Orig. dial. Her. 25 f.: „Ich kenne auf jeden Fall jetzt drei Tode. Welche drei Tode sind das? ‚Es lebt‘ einer ‚für Gott‘ und ‚ist für die Sünde gestorben‘ gemäß dem Apostel (vgl. Röm 6,2). Dies ist ein seliger Tod. Es stirbt einer für die Sünde. Diesen Tod ist mein Herr gestorben. ‚Was er nämlich starb, starb er für die Sünde‘ (Röm 6,10). Ich kenne noch einen weiteren Tod, durch den einer für Gott stirbt, über den man sagt: ‚Die Seele, die sündigt, sie wird sterben‘ (Ez 18,4). Ich kenne noch einen dritten Tod, gemäß dem wir allgemein annehmen, dass die, die vom Körper befreit worden sind, tot sind. ‚Es lebte‘ nämlich Adam ‚930 Jahre und er starb‘ (Gen 5,5).“ Vgl. dazu Henri-Charles Puech / Pierre Hadot, l’Entretien d’Origene avec Heraclide et le commentaire de Saint Ambroise sur l’Evangile de Saint Luc, VigChr 13 (1959), 204 – 234. 55   Bon. mort. 2,3: „Es gibt aber drei Arten des Todes. Der erste ist der Tod der Sünde, von dem geschrieben steht: ‚Die Seele, die sündigt, wird sterben‘ (Ez 18,4). Der zweite ist der mystische Tod, wenn ein Mensch der Sünde stirbt und Gott lebt. Über den sagt auch der Apostel: ‚Wir sind durch die Taufe mit ihm auf den Tod begraben‘ (Röm 6,2; Gal 2,9). Der dritte Tod, mit dem wir den Lauf dieses Lebens und unsere Aufgabe vollenden, bedeutet die Trennung von Seele und Körper.“ Das

III. Der Traktat über den Tod

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Ambrosius unterscheidet entsprechend der stoischen Güterlehre die Todesarten als bonum, malum und medium.56 Der Tod der Seele, die mors peccati bzw. poenalis57 ist das wahre Übel, das den Menschen bereits im Leben als Strafe für den Sündenfall treffen kann. Als bonum wird die mors mystica bzw. spiritalis bezeichnet, die ein Absterben im Hinblick auf die Sünde und ein Leben für Gott darstellt. Es ist dies der heilsnotwendige Tauftod, in dem der Mensch mit Christus begraben wird und mit ihm auferstehen wird. Ambrosius nennt diesen Tod einerseits mystisch, da sich darin Christus in seinem Geheimnis erschließt, andererseits geistlich, da er vom Geist Gottes bewirkt ist. Als dritten Tod bezeichnet Ambrosius den natürlichen, physischen Tod, der in der Nachfolge der platonischen Todesdefinition58 als animae corporisque secessio festgelegt ist. Dieser Tod fällt in die moralisch neutrale Kategorie der ἀδιάφορα bzw. indifferentia.59 Ambrosius diskutiert die Bewertung des natürlichen Todes, indem er allein auf das Leben des Menschen vor dem Tod abzielt: Während für den Schwachen, der sich den Fesseln des Lebens hingibt, der Tod zu fürchten ist, erstreben die sancti et sapientes viri den Tod als Erlösung vom irdischen Leben. Wie der stoische Weise überwinden die Heiligen die ἀδιάφορα und zeigen, dass der physische Tod zur Offenbarung und Vervollkommnung der mors mystica, die in der Taufe begonnen hat, dient. Im weiteren Verlauf des Traktats widmet sich Ambrosius der genaueren Diskussion des natürlichen Todes, den er seinen Hörern als bonum vermitteln will, um sie im zweiten Teil von der Todesangst zu befreien. Das wichtigste Argument für die positive Bewertung des natürlichen Todes liegt in seiner Funktion als remedium und finis, als heilsame Beendigung der irdischen Übel und Befreiung von den Fesseln des Körpers. Diese Argumentation ist wichtiger Bestandteil der traditionellen consolatio und findet sich bei zahlreichen klassischen Autoren.60 Die Erkenntnis der Beendigung aller Übel durch den Tod macht den Konzept der tria genera mortis erscheint bereits an früherer Stelle in der zweiten Trauerrede für Satyrus, exc. Sat. 2,36 sowie erneut im Lukaskommentar, exp. Luc. 7,35, und dem Werk „Über das Paradies“, par. 9,45. Eine Behandlung des „dreifachen Todes“ im Horizont der philosophischen meditatio mortis erfolgt in B.III.2.2. 56   Vgl. Marcia L. Colish, The Stoic Tradition from Antiquity to the Early Middle Ages. Bd. 1: Stoicism in Classical Latin Literature, Leiden u. a. 1990, 44 und Paul Scherz, Grief, Death, and Longing in Stoic and Christian Ethics, JRE 45 (2017), 7 – 28, 10. Vgl. dazu etwa Sen. ep. 82,13: vides ipsam mortem nec malum esse nec bonum [. . .]. sic istis, quae a nobis indifferentia ac media dicuntur. – „Du siehst, dass der Tod selbst weder ein Übel noch ein Gut ist [. . .]. So ist das mit diesen Dingen, die wir indifferent oder Mitteldinge nennen.“ 57  Vgl. exc. Sat. 2,37. 58  Plat. Phaid. 67D: Οὐκοῦν τοῦτό γε θάνατος ὀνομάζεται, λύσις καὶ χωρισμὸς ψυχῆς ἀπὸ σώματος. – „Wird nicht der Tod als das bezeichnet: Befreiung und Trennung der Seele vom Körper.“ Zu dieser Definition in der christlichen Tradition vgl. etwa Orig. in Rom. 6,6: separatio corporis ab anima mors nominatur. 59  Vgl. Rebillard, In hora mortis, 13. 60   Vgl. etwa Cic. tusc. 1,34,82: A malis igitur mors abducit, non a bonis [. . .] – „Der Tod führt nämlich von den Übeln weg, nicht von den guten Dingen.“ So auch Sen. Marc. 19,4; Pol. 5,1; 9,2 und

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

Weisen aus. Doch als exemplarischer vir sapiens wird nicht der stoische Weise, etwa Cato, als Beispiel herangezogen,61 sondern biblische Figuren, Simeon und David.62 Ambrosius modifiziert diesen Rückgriff auf die exempla, indem er der römischen Geschichte die christliche Heilsgeschichte entgegensetzt. Simeon, der beim Erblicken Jesu das berühmte nunc dimittis ausruft,63 und der Psalmendichter David, der die Klage anstimmt: advena ego sum apud te in terra et peregrinus sicut omnes patres mei,64 dienen als Beispiele für die Fremdheit der irdischen Existenz und das Streben der anima, die das eigentliche Wesen des Menschen darstellt,65 zurück in die himmlische Heimat. Die Worte, mit denen Ambrosius diese Flucht der Seele aus dem Körper und ihren Aufstieg bezeichnet, entlehnt er wiederum platonischen Darstellungen vom Tod: sunt enim velut vincula quaedam corporis huius et quod est gravius vincula temptationum, quae nos alligant et ad iniuriam captivitatis adstringunt quadam lege peccati. denique in exitu ipso videmus quemadmodum anima decedentis paulatim solvat se vinculis carnis et ore emissa evolet tamquam carcereo corporis huius exuta gurgustio.66 ep. 65, 24. Zum Motiv des finis incommodorum vor allem in der mittelalterlichen Literatur vgl. Peter von Moos, Consolatio. Studien zur mittellateinischen Trostliteratur über den Tod und zum Problem der christlichen Trauer. Bd. 3: Testimonienband, MMAS 3,4, München 1972, 151 – 161. 61   Die Ausschmückung konsolatorischer Schriften mit exempla der Vergangenheit ist ein gattungstypisches Merkmal, vgl. Kassel, Untersuchungen zur griechischen und römischen Konsolationsliteratur, 6 f. 62   Dieser Ersatz durch biblische exempla findet sich auch in der ersten Rede für Satyrus und in de officiis. Im Brief an seinen Freund Sabinus, den Bischof von Piacenza, redet Ambrosius von den maiores nostri, meint damit aber die Apostel Paulus und Petrus, vgl. ep. 37,6 (47). Vgl. dazu Zelzer, Ambrosius von Mailand und das Erbe der klassischen Tradition, 209.211 und Hartmut Leppin, Das Alte Testament und der Erfahrungsraum der Christen. Davids Buße in den Apologien des Ambrosius, in: Andreas Pecar / Kai Trampedach (Hgg.), Die Bibel als politisches Argument. Voraussetzungen und Folgen, HZ 43, München 2007, 119 – 134, 119 – 128. Die hier angeführten exempla, Simeon und David, sind für Ambrosius die Vorbilder für die Abwendung von der Welt. 63  Vgl. bon. mort. 2,5: dixit: nunc dimittis servum tuum in pace, quasi necessitate quadam in hac vita teneretur, non voluntate. – „Er sprach: ‚Nun entlässt du deinen Diener in Frieden‘ (Lk 2,29), wie wenn er durch eine Notwendigkeit im Leben gehalten wurde und nicht aufgrund einer freiwilligen Entscheidung.“ Der Zusammenhang der Befreiung von den terrena vincula mit dem Beispiel des Simeon erscheint so auch in exp. Ps. 118,20,25 und exp. Luc. 2,6,59 sowie Ios. 3,9. Das biblische Beispiel für das Glück des Sterbenden gebraucht in ähnlicher Argumentation mit einer Betonung der Gerechtigkeit aus Glauben auch Cyprian in seinem Traktat über die Sterblichkeit, vgl. mort. 3: probans scilicet atque contestans tunc esse servis dei pacem, tunc liberam, tunc tranquillam quietem, quando de istis mundi turbinibus extracti sedis et securitatis aeternae portum petimus, quando expuncta hac morte ad immortalitatem venimus. – „Natürlich bewies und bezeugte er (sc. Simeon) damit, dass wir als Diener Gottes erst dann Frieden, erst dann freie und sorglose Ruhe haben, wenn wir aus diesen Stürmen der Welt befreit zum Hafen der ewigen Heimat und Sicherheit streben und die Unsterblichkeit erreichen, nachdem der Tod aufgehoben worden ist.“ 64   Bon. mort. 2,5: „‚Ein Fremder bin ich bei dir auf Erden und ein Pilger wie alle meine Väter‘ (Ps 39,13).“ 65  Vgl. Seibel, Fleisch und Geist beim heiligen Ambrosius, 24: „‚Der Mensch handelt‘ und ‚die Seele handelt‘ sind für Ambrosius synonyme Begriffe.“ 66   Bon. mort. 2,5: „Es ist so, als wären es irgendwelche Fesseln dieses Körpers, und was noch schlimmer ist: Fesseln der Versuchung, die uns binden und uns nach dem bekannten Gesetz der

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Den Fluchtgedanken der Seele nimmt Ambrosius zwar auf, erweitert ihn aber um die Kategorie der Erlösung. Für den Aufstieg des Menschen ist die remissio peccatorum67 nötig, die die competentes in der Taufe erwartet und im ewigen Leben ihre vollkommene Erfüllung findet. Es ist davon auszugehen, dass Ambrosius hier sowohl die einmalige Sündenvergebung in der Taufe, als auch die wiederholte in der Eucharistie als Voraussetzung und Vorbereitung für den Seelenaufstieg bezeichnet.68 Wenn die Welt schlecht ist, muss der Tod, so argumentiert Ambrosius, als Ausweg ein Gewinn sein. Biblisch gewendet bezeichnet er diesen platonischen Gedanken mit dem Vers aus dem Brief des Paulus an die Philipper: mihi enim vivere Christus et mori lucrum (Phil 1,21).69 Der Gewinn besteht in der Beendigung der Sündenanhäufung und der Wendung zu höheren Dingen. Die Konsequenz aus diesem Gedanken ist die in der Philosophie propagierte meditatio bzw. commentatio mortis,70 die Einübung des Sterbens im Sinne eines Freimachens von der Welt, das Ambrosius hier als imitatio mortis bezeichnet. Bevor er aber diese Einübung des Todes näher behandelt, problematisiert er die ‚falsche‘ mors: den Suizid.71 Indem Ambrosius den biblischen Ausdruck dimittere des Ausspruchs des Simeon (Lk 2,29) aufnimmt und als „Entlassung“ auf das militärische Bild des Soldateneides anwendet, kritisiert er den impliziten Schluss mancher Philosophen, dass angesichts des negativen Lebens der Suizid geboten sein könnte, Sünde zur Ungerechtigkeit der Knechtschaft zwingen. So sehen wir schließlich auch, wie sich im Augenblick des Todes die Seele des Sterbenden allmählich von den Banden des Körpers befreit und wie sie aus dem Munde ausgehaucht wird, wie sie sich emporschwingt, nachdem sie gleichsam die Kerkerhütte des Körpers abgelegt hat.“ Zur Deutung des Körpers als Kerker vgl. Plat. Phaid. 62D und Cic. rep. 6,14: immo vero, inquit, hi vivunt, qui e corporum vinculis tamquam e carcere evolaverunt. – „Er spricht: Diese aber leben, die sich von den Fesseln des Körpers wie aus einem Kerker befreien.“ Vgl. bei Ambrosius auch Is. 8,79 oder exp. Luc. 5,61. 67  Vgl. bon. mort. 2,5: qui enim hic non acceperit remissionem peccatorum illic non erit; non erit enim, qui ad vitam aeternam non potuerit pervenire, quia vita aeterna remissio peccatorum est. – „Wer nämlich hier die Vergebung der Sünden nicht erhalten hat, der wird dort nicht sein. Es wird dort nämlich keinen geben, der nicht in der Lage wäre, zum ewigen zu Leben gelangen, denn das ewige Leben ist die Vergebung der Sünden.“ 68  Vgl. sacr. 4,6,28: Si, quotienscumque effunditur sanguis, in remissionem peccatorum funditur, debeo illum semper accipere, ut semper mihi peccata dimittat. – „Wenn das Blut jedes Mal, wenn es vergossen wird, zur Vergebung der Sünden vergossen wird, muss ich jenes Blut immer wieder empfangen, damit es mir die Sünden immer wieder vergibt.“ Es ist durchaus erstaunlich, dass Ambrosius trotz dieser Sakramentaltheologie mit dem Phänomen des Taufaufschubs zu kämpfen hat. 69  Vgl. bon. mort. 2,7: „‚Leben ist für mich Christus und Sterben Gewinn‘ (Phil 1,21).“ Dieser Vers stellt für Ambrosius ein seine Werke durchziehendes Motto und Trostmotiv dar, vgl. exp. Ps. 43,54; exc. Sat. 2,40; ob. Val. 46. 70  Die meditiatio mortis ist die in Stoa und Epikureismus praktizierte gedankliche Einübung des Todes, vgl. Manfred Wacht, Meletē thanatou – meditatio mortis. Zur Wirkungsgeschichte einer platonischen Bestimmung der Philosophie, JbAC 54 (2011), 7 – 40 und Forschner, „Der Tod ist nichts Gewaltiges“, 297 – 310. Zu diesem Konzept in Parallelität zur mors mystica vgl. exc. Sat. 2,35 – 37, siehe unter B.II.3.2. 71   Zur Bewertung des Suizids in der antiken Gesellschaft und Philosophie sowie im Denken des Ambrosius siehe unter B.IV.4.

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

als ‚Fahnenflucht‘:72 quantos imperator terrae huius in peregrinis locis aut honoris specie aut muneris alicuius causa iubet degere! numquid hi inconsulto imperatore disce­ dunt? et quanto amplius est divinis placere quam humanis?73 Das Leben wird als Kriegsdienst dargestellt, der Suizid gleichsam als unerlaubte Entfernung aus dem Leben, die dem Gehorsam gegenüber Gott widerspricht. Die Heiligen erkennen die wohlgeordnete Schöpfung und nehmen ihren Platz im Kosmos an, ohne sich diesem Dienst zu entziehen, aber auch ohne sich von der Welt binden zu lassen. Einem Freitod, wie die Philosophen ihn vertreten, erteilt Ambrosius damit eine klare Absage. 4.3 Die imitatio mortis im Leben (bon. mort. 3,8 – 12) Die philosophische Definition des Todes als Trennung von Leib und Seele wird in bon. mort. 3,8 mit biblischen Belegen untermauert. Mit dem Zitat aus Ps 116: disrupisti vincula mea; tibi sacrificabo hostiam laudis,74 nimmt Ambrosius einerseits das platonische Bild des Körpers als Fessel75 wieder auf und erläutert andererseits das Argument auf christliche Weise, indem er durch die Futurform sacrificabo im zweiten Versteil aufzeigt, dass ein vollkommenes Opfer nur nach jener Ablösung vom Körper gelingen kann. Erst wenn die Behinderung der Seele durch den Körper eliminiert ist, kann diese in der Vollkommenheit das Gute erkennen und sich zu Gott aufschwingen. Dies gelingt im natürlichen Tod, nachdem die Bande der Welt abgetrennt

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  Vgl. etwa die Diskussion des Suizids des Weisen in Senecas Brief 70 an Lucilius, ep. mor. 70,14: Invenies etiam professos sapientiam, qui vim adferendam vitae suae negent et nefas iudicent ipsum interemptorem sui fieri: expectandum esse exitum, quem natura decrevit. Hoc qui dicit, non videt se libertatis viam cludere. Nil melius aeterna lex fecit, quam quod unum introitum nobis ad vitam dedit, exitus multos. – „Du wirst auch Leute finden, die sich der Weisheit verschrieben haben und sagen, dass man seinem Leben keine Gewalt antun darf, und die es für eine Schande erachten, zu jemandem zu werden, der sich selbst tötet. Man müsse das Ende abwarten, das die Natur bestimmt hat. Wer dies sagt, sieht nicht, dass er den Weg der Freiheit verschließt. Nichts Besseres hat das ewige Gesetz geschaffen, als dass es uns einen Eingang ins Leben gegeben hat, aber viele Ausgänge.“ Ein Lob des vernünftigen Suizids spricht Seneca auch dem Sokrates aus, vgl. ep. 70,9. Zum Suizid vor allem in der stoischen Philosophie am Beispiel des Cato Uticensis vgl. Dagmar Hofmann, Suizid in der Spätantike. Seine Bewertung in der lateinischen Literatur, Altertumswissenschaftliches Kolloquium 18, Stuttgart 2007, 95 – 104. 73   Bon. mort. 2,7: „Wie viele Menschen gibt es, die auf Befehl eines irdischen Herrschers in fremden Ländern ihr Leben verbringen unter dem Vorwande einer Ehrung oder eines Amtes wegen! Verlassen diese etwa ihren Posten, ohne den Herrscher befragt zu haben? Wieviel ruhmvoller ist es, den göttlichen Geboten zu gehorchen als den menschlichen!“ Auch in dieser Argumentation folgt Ambrosius dem platonischen Phaidon, Phaid. 62A – C. Das Bild Gottes als Feldherrn, der die Menschen wie Soldaten aussendet, findet sich schon bei Cicero, Cato 83: vetat Pythagoras iniussu imperatoris, id est Dei, de praesidio et statione vitae decedere. – „Pythagoras verbietet es, dass man ohne Befehl des Feldherrn, d. h. Gottes, den Posten und die Wacht des Lebens verlässt.“ 74   Bon. mort. 3,8: „‚Du hast meine Fesseln zerrissen; dir werde ich das Opfer des Lobes darbringen‘ (Ps 116,6).“ 75   Vgl. Plat. Phaid. 67D.

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sind und das Sündigen ein Ende genommen hat. Für die Zwischenzeit aber ermahnt Ambrosius die Zuhörer bzw. Leser zum Leben im Angesicht des Todes – und zwar zu einem guten Leben nach der Taufe. Danach muss der Mensch in der perseverantia nach dem Guten streben. Dies gelingt ihm nur durch die Hinwendung zu Christus und durch die Abwendung von der Welt. Die Folge aus dieser Erkenntnis ist die imitatio mortis in diesem Leben, die durch das Freimachen von Verlockungen, Begierden und irdischen Lüsten geschieht. Das philosophische Konzept des Sterbens im Leben76 stellt Ambrosius in den Kontext des Kreuzestodes Christi: unius mors quantorum populorum vitam aedificabat! itaque docet et istam mortem in hac vita positis expetendam, ut mors Christi in corpore nostro eluceat, et illam beatam, qua conrumpitur exterior ut renovetur interior homo noster et terrestris domus nostra dissolvatur [. . .].77

Das übliche Argument der Tröstungen durch die Einsicht, dass einzelne Personen durch ihren Tod Gutes vollbracht haben, wird hier überhöht zu der Wirksamkeit des Todes Christi in jedem Menschen, wenn dieser sich als „neuer Mensch“ in die Nachfolge Christi stellt. Dem platonischen Denken folgend beschreibt Ambrosius den aus dem metaphorischen Sterben resultierenden Aufstieg der Seele, die, befreit von den Banden des Körpers, zu Wahrheit und Einsicht im Leben kommt, wobei aber nicht mehr die philosophische Vertiefung Grund der Erkenntnis ist, sondern die Annahme der Taufgnade durch den Glauben.78 Erneut ist das philosophische Konzept mit Schriftzitaten verwoben. So stellt Ambrosius den Aufstieg mit paulinischen Worten als conversatio in caelis dar.79 Der Körper ist dabei ein Hindernis, da die irdische Erkenntnis von den defektiven und darum trügerischen Sinnen stammt. Wie beim Menschen, der sich in der Stille und mit geschlossenen Augen konzentriert, müssen die Sinne ausgeblendet werden, damit sie die Seele nicht von Gott abbrin76

  Vgl. Plat. Phaid. 64A: Κινδυνεύουσι γὰρ ὅσοι τυγχάνουσιν ὀρθῶς ἁπτόμενοι φιλοσοφίας λεληθέναι τοὺς ἄλλους ὅτι οὐδὲν ἄλλο αὐτοὶ ἐπιτηδεύουσιν ἢ ἀποθνῄσκειν τε καὶ τεθνάναι. – „Denn die, die sich richtig mit der Philosophie befassen, sollen, natürlich ohne dass es die anderen merken, gar nichts anderes suchen, als allein zu sterben und tot zu sein.“ Vgl. dazu Wacht, Meletē thanatou – meditatio mortis, 7 – 40. Ähnlich argumentiert Ambrosius auch in exc. Sat. 2,35, wo er die philosophische „Einübung des Todes“ ebenso mit dem mythischen Tod parallelisiert, siehe unter B.II.2.2. 77   Bon. mort. 3,9: „Der Tod eines Einzelnen hat das Leben so vieler Völker aufgerichtet! Darum lehrt er (sc. Paulus), dass wir, solange wir uns in diesem Leben befinden, auch diesen Tod suchen müssen, damit der Tod Christi in unserem Körper leuchtet, und zwar jenen seligen Tod, durch den der äußere Mensch zerstört wurde, damit unser innerer Mensch erneuert (vgl. 2 Kor 4,16) und unser irdisches Haus aufgelöst werde (vgl. 2 Kor 5,1).“ 78   Vgl. Plat. Phaid. 65A – B und 83A. Eine detaillierte Gegenüberstellung bietet Hadot, Platon et Plotin dans trois sermons de Saint Ambroise, 213 f. 79   Bon. mort. 3,10: „‚unser Wandel ist im Himmel‘ (Phil 3,20).“ Vgl. auch die Integration von 2 Kor  4,18 (quae videntur temporalia sunt, quae non videntur aeterna) als Charakterisierung der nur stückhaften Erkenntnis sowie Kol 2,21 f. (ne tetigeritis, ne attaminaveritis, ne gustaveritis, quae sunt omnia ad corruptelam) als Beleg für die Vergänglichkeit der Welt in die neuplatonistische Argumentation.

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

gen.80 Der Tod bildet das Ende all dieser Plagen, indem er der Seele die gnädige Ruhe von allen äußeren Verlockungen und inneren Affekten, den occupationes, verschafft.81 4.4 Der Tod als Straffolge und Ende der Sünde (bon. mort. 4,13 – 15) In bon. mort. 4,13 reagiert Ambrosius auf den Einwand gegen die postulierte These des „guten Todes“. Nach Art der philosophischen Diatribe führt er mit Weish 1,13 ein gängiges Argument an: Wenn der Tod nicht von Gott geschaffen worden ist, dann ist er also ein nachträglich zur Schöpfung hinzugekommenes Element, das deswegen kein Gut sein kann.82 Ambrosius reagiert darauf zunächst mit einem Referat der epikureischen Lehre, nach der der Tod frei von Empfindung und demnach kein Übel sei.83 Aus Sicht seines Gewährsmannes Paulus dagegen sei der Tod mehr als ein indifferens, nämlich ein lucrum, da er die Gemeinschaft mit Christus herstellt. Ambrosius weist das epikureische Argument der Empfindungslosigkeit mit dem Hinweis auf das Leben der Seele nach dem Tod zurück. Die Seele bleibe über den Tod hinaus bestehen, wobei der Tod kein Hemmnis für ihr Wirken darstellt, sondern sie vom Körper befreit und ihr somit zu höherer Wirksamkeit verhilft. Dieses Argument, in fast wörtlicher Entsprechung, führt schon Plotin an, um den Tod als Gut zu beweisen.84 80  Vgl. bon. mort. 3,11: saepe etiam aliqui claudunt oculos, si quid profundae volunt nisu cogitationis eruere, oculorum inpedimenta vitantes. – „Oft schließen manche sogar die Augen, wenn sie etwas durch die Anstrengung intensiven Denkens erfahren wollen, sodass sie das Hindernis der Augen umgehen.“ Vgl. die Empfehlung des Sokrates, durch Konzentration die Verirrung durch die Sinne auszuschalten, Phaid. 65C – 66B. 81  Vgl. bon. mort. 3,12: Multas igitur occupationes nobis corporis huius necessitas gignit atque usus invehit, quibus inpeditur animae vigor et revocatur intentio. – „Denn viele Bedürfnisse entstehen uns durch das notwendige Schicksal unseres Körpers, wodurch die Kraft unserer Seele und ihre Aufmerksamkeit zurückgehalten werden.“ 82  Vgl. bon. mort. 4,13: sed dicet aliquis scriptum esse quia deus mortem non fecit. vita erat in paradiso, ubi lignum vitae, et vita erat lux hominum. mors igitur mala, quae accidit et subintravit. – „Aber es könnte einer sagen, dass geschrieben steht: ‚Gott hat den Tod nicht geschaffen‘ (Weish 1,13). Im Paradies war das Leben, wo der Lebensbaum stand, und das Leben war das Licht der Menschen. Der Tod ist daher ein Übel, da er hinzugekommen und sich eingeschlichen hat.“ Der gleiche Einwand findet sich auch in exc. Sat. 2,47. 83   Vgl. Cic. tusc. 1,34,82 f. 84  Vgl. bon. mort. 4,13: cum autem manet post mortem vita atque anima, manet bonum nec morte amittitur, sed augetur, nec ullo inpedimento mortis retardatur anima, sed operatur ea magis, quia operatur quae sua sunt sine ulla corporis societate, quod animae maiori oneri quam usui est. – „Wenn aber nach dem Tod das Leben und die Seele erhalten bleiben, dann bleibt ein Gut und dieses geht nicht durch den Tod verloren, sondern es wird noch gesteigert, und durch kein Hindernis des Todes wird die Seele verlangsamt, sondern sie wirkt umso freier, da sie ihre eigenen Fähigkeiten ohne irgendeine Verbindung mit dem Körper entfaltet, der für die Seele eine größere Last als einen Nutzen darstellt.“ Vgl. Plot. enn. 1,7,3: Εἰ δ’ ἔστι ζωὴ καὶ ψυχὴ μετὰ θάνατον, ἤδη ἂν εἴη ἀγαθόν, ὅσῳ μᾶλλον ἐνεργεῖ τὰ αὑτῆς ἄνευ σώματος. – „Wenn aber Leben und Seele nach dem Tod existieren, dann wird es doch sicherlich ein Gut sein, umso mehr da sie (sc. die Seele) ohne den Körper ihre Wirkung entfaltet.“

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Ambrosius antwortet in seinem Werk auf das Problem, das Weish 1,13 stellt, auf unterschiedliche Weise. In exp. Ps. 1 nennt Ambrosius ebenso das Zitat, doch gewichtet er dort stärker das Moment der Buße und Umkehr.85 Ambrosius geht davon aus, dass der Mensch gut und mit einer unvergänglichen Seele geschaffen worden sei. Da er aber seine Bestimmung verloren hatte, müsse er den Tod an Leib und Seele erleiden und von Gott vernichtet werden. In exp. Ps. 1,48 bietet Ambrosius die Lösung, dass Gott die Trübsal (tribulatio) eingesetzt hat, die den Menschen zur Buße treibt und für die Gnade Gottes vorbereitet. Auf diese Weise kann Gott auch den sündigen Menschen erretten, bevor er der Vernichtung anheimfällt.86 In bon. mort. 4,13 – 15 dagegen konzentriert sich Ambrosius auf die Wirkung des Todes als remedium, als Heilmittel nach der Sünde und somit als Gottes gnädige Erfindung, die die Sünde beendet.87 Wenn hinsichtlich des Todes dennoch etwas Böses befürchtet wird, so ist es nicht sein Wesen, sondern das malum des vorherigen Lebens, dessen Lohn der Tod auszahlt: Quid igitur accusamus mortem, quae aut pretium luit aut abolet eius dolorem atque cruciatum? itaque mors aut suae quietis bono utitur aut malo alieno laborat.88 85   Exp. Ps. 1,48: Omnia enim deus salua vult esse. unde et Salomon dixit: deus mortem non fecit nec laetatur in perditione vivorum. fecit animam ut sit, creavit hominem in incorruptionem quem ad imaginem sui fecit; sed homines a naturae munere deviantes obnoxios fecere se morti, ut quasi terreni corrumpantur. sed deus per tribulationes ad paenitentiam cogit, ut per paenitentiam uratur et consumatur illud accidens malum inprobitatis et pereat et locus ille animae, qui erat accidentis impietatis possessio, pateat ad receptionem virtutis et gratiae. – „Denn Gott wollte, dass alle Dinge unbeschadet seien. Darum sagt auch Salomo: ‚Gott hat den Tod nicht geschaffen und er freut sich nicht über Vernichtung der Lebendigen.‘ (Weish 1,13) Er hat die Seele geschaffen, dass sie existiert. Er hat den Menschen, den er nach seinem Bild gemacht hat, zur Unvergänglichkeit hin erschaffen. Aber die Menschen, die von der Bestimmung ihrer Natur abgekommen sind, haben sich zu Sklaven des Todes gemacht, sodass sie vergänglich werden, als ob sie irdisch seien. Aber Gott zwingt sie durch Trübsal zur Buße, damit durch die Buße jenes hinzugekommene Übel der Schlechtigkeit verbrannt und aufgelöst und völlig vernichtet werde und sich jener Raum der Seele, der zum Besitz dieser hinzugekommenen Schlechtigkeit gehörte, für die Aufnahme der Tugend und Gnade öffne.“ 86   Vgl. auch die dilatatio, den Aufschub zur Buße, der dem Gnadenwillen Gottes entspringt, in exp. Ps. 36,20. Dazu vgl. auch Seibel, Fleisch und Geist beim heiligen Ambrosius, 122 – 125, wo der dreistufige Gedankengang nachgezeichnet wird: Todesverfallenheit – Aufschub der Strafe – Gelegenheit zur Buße. 87   Diese christliche Verwendung des Trostmotivs des φάρμακον bzw. remedium ist bereits bei Platon angelegt, der den Tod als Reinigung ansieht, vgl. Plat. Phaid. 67C: κάθαρσις δὲ εἶναι ἆρα οὐ τοῦτο συμβαίνει [. . .] τὸ χωρίζειν ὅτι μάλιστα ἀπὸ τοῦ σώματος τὴν ψυχὴν [. . .]. – „Bedeutet es aber nicht, dass es Reinigung sei [. . .], wenn man nach allen Kräften die Seele vom Körper löst [. . .]?“ Die christliche Erweiterung um die Deutung als Ende der Sünde findet sich schon bei Theophilus von Antiochien, Autol. 2,36 und Irenäus, haer. 3,23,6. Aufgrund des Todes als φάρμακον, der die Sünde aus dem Leben des Menschen entfernt, gelten für Methodius von Olympus die Leichen nicht mehr als unrein, sondern als „gereinigte Tote“ und „Entflohene der Sündenschuld“, vgl. das aus dem Altkirchenslavischen übersetzte Zitat aus cib. 13,5 bei Bracht, Vollkommenheit und Vollendung, 125 f. Zur Deutung des Todes als Gnade Gottes bei den Kirchenautoren der ersten drei Jahrhunderte vgl. außerdem Fischer, Studien zum Todesgedanken in der alten Kirche, 104 – 121. 88   Bon. mort. 4,13: „Warum klagen wir also den Tod an, der doch nur den Wert des Lebens auszahlt oder des Lebens Leid und Qual beendet? Der Tod bringt also entweder das Gut der ihm eigentümlichen Ruhe oder er leidet an einem fremden Übel.“ Vgl. dazu die stoische Einstellung zur Irrelevanz der Lebensdauer angesichts der Lebensqualität, Sen. ep. 74,27: Honestam vitam ex

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

Auffallend ist an dieser Argumentation, die sich eng, mit zum Teil wörtlichen Übernahmen, an die Gedanken Plotins anschließt, das fast vollständige Fehlen von Schriftbelegen. Offensichtlich spricht Ambrosius als Redner mit neuplatonischem Bildungshintergrund zu Menschen, die diese Termini verstehen. Dass die Last, die der Körper für die Seele darstellt, auf den Fluch der Sünde zurückgeführt wird, steht hier zwar im Hintergrund, biblische Belege dafür werden aber – zugunsten einer platonisierenden Sprache – zurückgehalten.89 Ist der Tod kein reines Übel, so ist auch das Leben als Existenz der Seele im Körper wiederum kein reines Gut. Ein tugendsames Leben in Ausrichtung am Guten aber antizipiert den Zustand des Todes als Trennung von Körper und Seele.90 Ambro­sius legt dar, dass der Tod ein Gut sei, da er für ein mühevolles Leben eine Erlösung sei, während er nach einem guten und tugendhaften Leben angesichts des Gerichtes, das einen positiven Ausgang erwarten lässt, nicht zu fürchten sei. Seine bisherigen Erkenntnisse fasst Ambrosius in bon. mort. 4,15 für seine Zuhörer und Leser zusammen: omnifariam igitur mors bonum est, et quia conpugnantia dividit, ne se invicem inpugnent, et quia portus quidam est eorum qui magno vitae istius iactati salo fidae quietis stationem requi­ runt et quia deteriorem statum non efficit.91 centum annorum numero in quantum voles corripe et in unum diem coge: aeque honesta est. – „Raffe ein ehrbares Leben aus hundert Jahren in eine Spanne, so groß wie du willst, und zwinge es in einen einzigen Tag: es ist genauso ehrbar.“ 89  Vgl. bon. mort. 4,13: quomodo igitur nobis mors malum, si nullus post mortem sensus est? ubi enim nullus sensus, nullus utique iniuriae dolor, quia dolor sensus est. aut quia est post mortem sensus, est utique vita post mortem et superstes mortis est anima, quae sensu utitur et vita fungitur. cum autem manet post mortem vita atque anima, manet bonum nec morte amittitur, sed augetur, nec ullo inpedimento mortis retardatur anima, sed operatur ea magis, quia operatur quae sua sunt sine ulla corporis societate [. . .]. – „Wie aber kann der Tod für uns ein Übel sein, wenn es nach dem Tod kein Empfinden mehr gibt? Wo nämlich kein Empfinden ist, da gibt es auch keinen Schmerz über ein Unrecht, da ja der Schmerz eine Empfindung ist. Oder weil es nach dem Tod noch Empfindung gibt, gibt es natürlich auch Leben nach dem Tod und es gibt die Seele, die den Tod überlebt, die Empfindung hat und das Leben genießt. Wenn aber nach dem Tod Leben und Seele weiter bestehen, dann bleibt das Gute bestehen und wird vom Tod nicht angenommen, sondern vergrößert, und durch kein Hindernis im Tod wird die Seele gehemmt, sondern wird umso wirksamer, weil sie ihre Eigentümlichkeit ohne die Gemeinschaft mit dem Körper wirksamer machen kann [. . .].“ Vgl. auch Plot. enn. 1,7,3: Τὸ γὰρ κακὸν συμβεβηκέναι δεῖ τῳ · ὃ δ᾽ οὐκ ἔστιν ἔτι ὄν, ἤ, εἰ ἔστιν, ἐστερημένον ζωῆς – οὐδ᾽ οὕτω κακὸν τῷ λίθῳ. Εἰ δ᾽ ἔστι ζωὴ καὶ ψυχὴ μετὰ θάνατον, ἤδη ἂν εἴη ἀγαθόν, ὅσῳ μᾶλλον ἐνεργεῖ τὰ αὑτῆς ἄνευ σώματος. Εἰ δὲ τῆς ὅλης γίνεται, τί ἂν ἐκεῖ οὔσῃ εἴη κακόν. – „Das Übel muss nämlich irgendeinem zustoßen. Demjenigen aber, das nicht mehr seiend ist, oder, wenn es zwar ist, aber dem Leben beraubt ist – kann es kein Übel sein wie dem Stein. Wenn aber Leben und Seele nach dem Tod existieren, dann wird es doch sicherlich ein Gut sein, umso mehr da sie (sc. die Seele) ohne den Körper ihre Wirkung entfaltet. Wenn sie aber in die Gesamtseele eingeht, was könnte ihr Übles geschehen?“ Ambrosius übernimmt fast alle Gedanken Plotins, nur die Vorstellung vom Eingehen der Seele in die Weltseele (Εἰ δὲ τῆς ὅλης γίνεται) übergeht er. 90  Vgl. bon. mort. 4,14. und die gleiche Argumentation in enn. 1,7,3. Vgl. dazu auch Jones, Approaching the End, 33 und Smith, Christian Grace and Pagan Virtue, 147 f. 91   Bon. mort. 4,15: „In jeder Hinsicht ist also der Tod ein Gut: erstens, weil er einander Widerstreitendes trennt, damit so der Streit ruht; zweitens, weil er ein Hafen ist für diejenigen, die, in der

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Die Furcht vor dem Tod ist angesichts der Aspekte des Todes als Streitschlichter, als Hafen der Ruhe und als Bewahrer des guten Zustandes unangebracht. Ambrosius entkräftet schließlich auch den Einwand, Gott sei nicht der Schöpfer des Todes: passus est igitur dominus subintrare mortem, ut culpa cessaret.92 Ambrosius konzediert, dass Gott den Tod tatsächlich nicht geschaffen habe, er habe ihn vielmehr „zugelassen“.93 Das Verbum pati verdeutlicht die Ambiguität im Handeln Gottes, der sich den Tod nachträglich als finis peccati gewissermaßen „erlaubt“, um die Heilsökonomie wiederherzustellen. So kann Ambrosius das eigentliche Paradox des Todes als zu suchendes Gut und als Strafe für die Sünde umgehen. Der Tod trifft den Menschen als Sündenstrafe, er stellt jedoch keine Auflösung der Natur dar, sondern gewährt dem Menschen aus der Barmherzigkeit Gottes heraus das Ende des Sündigens und einen transitus autem a corruptione ad incorruptionem.94 Während in den zuletzt vorgetragenen Gedanken die philosophischen Argumentationen den Traktat prägten, bindet sich Ambrosius am Ende dieses Kapitels stärker an den Tod Christi und die christliche Auferstehungshoffnung. Dieser hat in seinem Tod die gesamte Welt verändert und die Auferstehung gewirkt, sodass die Natur des Menschen bewahrt wird und nicht der Vernichtung anheimfällt.95 Zum ersten Mal in dem Traktat deutet Ambrosius in bon. mort. 4,15 den Glauben an die Auferstehung an, den er hier jedoch nicht weiter ausführt. Er zeigt, dass er dem Gedanken Plotins, der Tod sei gut, weil er den Streit zwischen Seele und Körper für immer beende, nur zum Teil folgt. Plotin sieht im Tod die endgültige Erlösung in Form der Befreiung der Seele, der der Aufstieg zum Einen folgt.96 Ambrosius dagegroßen Flut dieses Lebens umhergeworfen, sich nach einem sicheren Ruheplatz sehnen; drittens, weil er den Zustand des Menschen nicht verschlechtert.“ 92   Bon. mort. 4,15: „Der Herr ließ daher zu, dass sich der Tod einschleiche, damit die Schuld zum Ende komme.“ 93  Vgl. Rebillard, In hora mortis, 14. Eine ähnliche Erklärung bietet Ambrosius in exc. Sat. 2,47: Et mors quidem in natura non fuit, sed conversa in naturam est; non enim a principio deus mortem instituit, sed pro remedio dedit. Et consideremus, ne videatur esse contrarium. Nam si bonum est mors, cur scriptum est, quia deus mortem non fecit, sed malitia hominum mors introivit in orbem terrarum? – „Und der Tod ist natürlich nicht Teil der Natur, sondern ist in die Natur hineingebracht worden. Denn Gott hat nicht von Anfang an den Tod eingerichtet, sondern als Heilmittel gegeben. Und wir sollten bedenken, dass nicht das Gegenteil der Fall zu sein scheint. Denn wenn der Tod gut ist, warum steht dann geschrieben, dass ‚Gott den Tod nicht geschaffen hat‘ (Weish 1,13), sondern der Tod durch die Schlechtigkeit des Menschen ‚in die Welt gekommen ist‘ (Weish 2,24)?“ 94   Bon. mort. 4,15: „ein Übergang aber von der Verweslichkeit zur Unverweslichkeit (1 Kor 15,53).“ 95  Vgl. bon. mort. 4,15: ideoque mors haec transitus universorum est. – „Darum bedeutet dieser Tod den Übergang für alle.“ Wolfgang Huber, Passa und Ostern. Untersuchungen zur Osterfeier der alten Kirche, BZNW 35, Berlin 1969, 126 weist in diesem Kontext auf den Zusammenhang zwischen transitus und πάσχα („Übergang“) hin. Der Horizont des Osterfestes wird damit den competentes wieder in Erinnerung gerufen. Allerdings spitzt Huber den betreffenden Satz christologisch zu, indem er unter mors haec den Tod Christi versteht, wie auch in den folgenden Sätzen. Doch muss man m. E. stärker differenzieren: Für Ambrosius bedeutet der individuelle Tod des Menschen bereits eine „Bestattung der Sünden“, er geht aber stufenlos über in die mortificatio Christi, durch die der Mensch gereinigt und wiedererweckt wird. 96  Vgl. Smith, Christian Grace and Pagan Virtue, 148.

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

gen betont den Tod als Gottes Erfindung der Trennung, bei der die menschliche Natur von der Sünde gereinigt und erst auf die Vereinigung in der leiblichen Auferstehung vorbereitet wird. Damit entwickelt Ambrosius die Todesdefinition Plotins weiter. 4.5 Die Vereinigung von Seele und Logos (bon. mort. 5,16 – 21) Die Kapitel 16 und 17 behandeln die Entfaltung der imitatio mortis und den Aufstieg der Seele, nachdem diese im Tod den Körper verlässt.97 Auffällig ist die Erweiterung des platonischen Gedankens um den der Reinheit der Seele von den irdischen Bindungen (terrena), sodass der Teufel keine Angriffspunkte findet: abducamus [. . .] ut cum venerit adversarius, nihil in nobis inveniat suum.98 Der hier als adversarius benannte Teufel ist ein gefallener Engel, der aus Stolz von Gott abgefallen ist, und die Menschen versucht, wobei sein Ziel ist, diese sich ihm ähnlich zu machen. In der lateinischen Übersetzung von Joh 14,30 fügt Ambrosius das Possessivpronomen suum ein.99 Das damit bezeichnete Eigentum, also das für den Teufel Charakteristische, sind die irdischen und vergänglichen Dinge. Klarer drückt dies Ambrosius in der Beschreibung des Teufels in de Iacob aus: Der Widersacher ist nicht von Dauer und kann keine ewige Substanz haben.100 Der Teufel besitzt also nicht die Ewigkeit Gottes, mit der der Mensch seine Seele erfüllen sollte. Den Kampf, den er gegen den Teufel führen muss, lässt Ambrosius in bon. mort. 5,16 außen vor. Nur implizit lässt  97  Vgl. bon. mort. 5,16: unde et nos, dum in corpore sumus, usum mortis imitantes adleuemus animam nostram ex istius carnis cubili et tamquam de isto exsurgamus sepulchro. abducamus nos a corporis nexu [. . .] – „Darum sollen auch wir, solange wir im Körper sind, die Wirklichkeit des Todes nachahmen und unsere Seele aus dem Lager des Fleisches erheben und gleichsam aus dem Grab auferstehen. Wir sollen uns von der Fessel des Körpers freimachen. [. . .].“ Vgl. Plat. Gorg. 493A: καὶ τὸ μὲν σῶμά ἐστιν ἡμῖν σῆμα – „und der Leib ist für uns ein Grab“ und Plot. enn. 4,8,3: Περὶ δὲ τῆς ἀνθρωπείας ψυχῆς [. . .] ᾗ καὶ δεσμὸς τὸ σῶμα καὶ τάφος, καὶ ὁ κόσμος αὐτῇ σπήλαιον καὶ ἄντρον [. . .]. – „Was aber die menschliche Seele angeht [. . .], für welche der Körper eine Fessel und ein Grab, die Welt eine Höhle und Grotte ist [. . .].“ Ob Ambrosius hier auf platonische Texte zurückgreift oder zeitgenössische Quellen nutzt, wie in Cain. 2,9,36, wo er die Kerker-Metapher von Macrobius, somn. 1,10,5 – 7 übernimmt, lässt sich bei einem solchen Gemeinplatz der Philosophie nicht entscheiden.  98  Vgl. bon. mort. 5,16: „Wir sollen uns losmachen [. . .], damit der Widersacher, wenn er kommt, nichts in uns findet, das ihm gehört (vgl. Joh 14,30).“  99   Vgl. Joh 14,30: ἔρχεται γὰρ ὁ τοῦ κόσμου ἄρχων· καὶ ἐν ἐμοὶ οὐκ ἔχει οὐδέν – „Denn der Fürst der Welt kommt; und in mir hat er gar nichts.“ Diese Erweiterung findet sich auch in Iac. 2,5,24: Quam beatus vir, in quo inimicus nihil invenit quod suum posset dicere, in quo diabolus nihil offendit quod suum agnosceret. – „Wie glücklich ist der Mann, in dem der Feind nichts findet, was er sein Eigen nennen kann, in dem der Teufel nichts angreift, was er als sein Eigen erkennt.“ 100  Vgl. Iac. 2,5,24: Nihil est enim quicquid est diaboli, quod nullam potest habere perpetuitatem atque substantiam. – „Nichts gehört dem Teufel, da er keine Ewigkeit besitzen kann und keine feste Substanz.“ An anderer Stelle erklärt Ambrosius breiter, dass der Mensch nach dem Sündenfall die imago diaboli bzw. mundi anstatt der imago caelestis in sich trägt und sich darum dem Teufel verähnlicht, vgl. exp. Ps. 118,11,14 und off. 1,49,244. In diesem Gedanken folgt Ambrosius der Lehre des Origenes, vgl. Seibel, Fleisch und Geist beim heiligen Ambrosius, 100 – 102.

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sich erkennen, dass die imitatio des Todes Christi die Macht bringt, gegen die Ver­ suchungen des Teufels immun zu sein.101 Die Abwendung von den irdischen Dingen geht mit dem Aufstieg der Seele einher, den Ambrosius mit dem Bild des Adlerflugs beschreibt.102 Dieses in der Antike gebräuchliche Bild erweitert Ambrosius um die Vorstellung der Gefangenschaft des Vogels.103 Gold, Silber, Grundbesitz sowie Liebe, Begierde und weitere Affekte sind die Schlingen und Fallen, die der Teufel der Seele legt und die sie an ihrem Flug hindern. Dasselbe Bild wendet Ambrosius in de sacramentis auch im Rahmen der Taufe an, wenn er die Neugetauften selbst als Adler anspricht, die ihren Weg zu Gott nehmen und alles Irdische hinter sich lassen.104 Damit verbindet sich für die competentes das Ereignis der Taufe mit dem Segen des Todes, insofern nach dem mystischen Tod in der Taufe ein neues Leben beginnt. Mit einer Aufforderung wendet sich der Prediger an die competentes und weist ihnen den Weg zum höchsten Gut: fugiamus ergo haec mala et exaltemus animam nostram ad illam imaginem dei et similitudinem. fuga malorum similitudo dei est et virtutibus imago dei adquiritur.105 Den Fluchtgedanken, der die Abwendung des Menschen von der Welt fordert, thematisiert Ambrosius in mehreren seiner Werke, etwa in de Isaac vel anima, de fuga saeculi und de paradiso.106 Dabei greift er regelmäßig auf die platonische bzw. von Plotin übernommene Vorstellung vom Seelenaufstieg zurück. 101   Während in de bono mortis der Tod Christi nachzuahmen ist, fordert Ambrosius im Kommentar des Lukasevangeliums, dass die Versuchung und das Widerstehen Jesu in der Wüste ein Vorbild sein müssen, vgl. exp. Luc. 4,4. 102   Zum Seelenflug vgl. Pierre Courcelle, Art. Flügel (Flug) der Seele. I., RAC 8 (1972), 29 – 65. Auch hier zeigt sich der Gebrauch der platonischen, aber auch plotinischen Metaphorik des Seelenaufstieges. Vgl. neben den zahlreichen Bildern der geflügelten Seele etwa auch den Seelenwagen im Phaidros. Ambrosius stellt den Seelenaufstieg selbst regelmäßig als (Adler‑)Flug dar: exc. Sat. 2,108; ob. Val. 64; ep. 8,7 (39); ep. 11,17 (29). 103   Ambrosius stellt die Jagd mit klebrigen Leimruten (uisco), mit Schlingen (laqueis) und Löckvögeln bzw. Hinterhalten (insidiis) vor. Vgl. Verg. Georg. 1,139 f.: Tum est inventum captare feras laqueis, et fallere aves visco / et circumdare magnos saltus canibus. – „Damals hatte man erfunden, die wilden Tiere mit Schlingen zu fangen und die Vögel mit Leim, und den großen Weideplatz mit Hunden zu umzingeln.“ Alle drei Methoden sind tatsächlich bei der Vogeljagd eingesetzt worden, vgl. Kurt Lindner, Beiträge zu Vogelfang und Falknerei im Altertum, Quellen und Studien zur Geschichte der Jagd 12, Berlin / New York 1973, 19 – 46. 104  Vgl. sacr. 4,2,7: Bona aquila coepisti, quae caelum petis, terrena fastidis. – „Ein guter Adler bist du geworden, der du zum Himmel strebst, die irdischen Dinge zurückweist.“ 105   Bon. mort. 5,17: „Fliehen wir also diese Übel und erheben wir unsere Seele zum Ebenbild und Gleichnis Gottes. Die Flucht vor den Übeln ist das Gleichnis Gottes und durch Tugenden erlangt man das Ebenbild Gottes.“ Vgl. Plat. Tht. 176B: „Deshalb muss man auch versuchen, von hier möglichst schnell dorthin zu entfliehen (ἐκεῖσε φεύγειν ὅτι τάχιστα). Der Weg dazu ist die Verähnlichung mit Gott, soweit wie möglich (ὁμοίωσις θεῷ κατὰ τὸ δυνατόν), und diese Verähnlichung bedeutet, durch Einsicht gerecht und fromm zu sein.“ 106   Besonders sei auf das Bild der Flucht ins „wahre Vaterland“ in Is. 8,78 f. hingewiesen und die dortige noch deutlichere Übernahme des plotinischen Gedankenkomplexes aus enn. 1,6,8 – 7,2. Die Verarbeitung des neuplatonistischen Gedankengutes in de Isaac untersucht detailliert auch Drecoll, Neuplatonismus und Christentum bei Ambrosius, De Isaac et anima, 104 – 130.

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

Besonders hervorzuheben aber ist hier die folgende Charakterisierung der Seele durch die allegorische Auslegung von Jes 27,3: ego civitas munita, ego civitas obsessa:107 Die Seele muss sich wie eine Stadt wappnen. Was Ambrosius in de bono mortis mit diesem Ausspruch nur andeutet, wird durch den Vergleich mit anderen Werken deutlich. Die Seele als gewappnete Stadt ist ein bei Ambrosius häufig erscheinendes Motiv, das das Thema des adventus Christi in mentem, des Ankommens Christi in der Seele, illustriert.108 Die Seele muss sich im Diesseits durch Übung der Tugend vorbereiten, um Christus aufnehmen zu können. Dieses Ankommen beschreibt Ambrosius in de Isaac vel anima mit der Brautmetaphorik: considera vel ecclesiam iam diu promisso sibi per prophetas dominico adventu per tempora multa suspensam vel animam, quae elevans se a corpore abdicatis luxurie atque deliciis voluptatibusque carnalibus, exuta quoque sollicitudine saecularium vanitatum iam dudum infusionem sibi divinae praesentiae et gratiam verbi salutaris exoptet [. . .]. Osculetur me ab osculis oris sui. non unum osculum quaerit, sed plura oscula, ut desiderium suum possit explere. [. . .] hoc est enim osculum verbi, lumen scilicet cognitionis sacrae; osculatur enim nos deus verbum, quando cor nostrum et ipsum principale hominis spiritu divinae cognitionis inluminat.109

Nahtlos geht Ambrosius dort von der Deutung der wartenden Braut als Kirche zu der Identifikation mit der individuellen Seele über. Der Bräutigam, der der wartenden Braut Küsse gibt (Hld 1,2), steht in der auf Origenes zurückgehenden110 Deutung des Ambrosius für Christus, der seinen Geist in die Seele einfließen lässt. Diese Küsse sind der Beginn der engeren Beziehung mit Christus und stehen metaphorisch für die Übermittlung der Lehren und der göttlichen Weisheit. Voraussetzung für eine solche erste Vereinigung mit Christus ist aber die Vorbereitung der Seele in 107

  Bon. mort. 5,18: „‚Ich bin eine befestigte Stadt, ich bin eine belagerte Stadt‘ (Jes 27,3).“   Vgl. Pierre Dufraigne, Quelques aspects de l’aduentus in mentem d’Hippolyte de Rome à Grégoire le Grand, RechAugPat 31 (1999), 3 – 87, 19 – 31. 109   Is. 3,8: „Oder bedenke die Kirche, die schon lang, durch viele Zeiten hindurch, auf die von den Propheten geweissagte Ankunft des Herrn gewartet hat, oder die Seele, die sich vom Körper entfernt und dem Genuss, den Freuden und den fleischlichen Lüsten entsagt hat und von allen Sorgen um das nichtige Irdische freigemacht hat; schon lang ersehnt sie die Eingießung der göttlichen Präsenz in sie und die Gnade des heilbringenden Wortes [. . .]. ‚Er möge mich mit dem Küssen seines Mundes küssen‘ (Hld 1,2). Nicht nur einen Kuss wünscht sie, sondern viele Küsse, damit sie ihr Verlangen stillen kann. [. . .] Der Kuss des Wortes bedeutet nämlich das Licht heiliger Erkenntnis. Denn das göttliche Wort küsst uns, wenn es unser Herz und das eigentliche Innerlichste des Menschen mit dem Geist göttlicher Erkenntnis erleuchtet.“ 110   Hier greift Ambrosius auf den Hoheliedkommentar des Origenes zurück, vgl. Orig. cant. 1,1,7 – 15, insbesondere 1,1,7: ad te patrem sponsi mei precem fundo et obsecro, ut tandem miseratus amorem meum mittas eum, ut iam non mihi per ministros suos angelos dumtaxat et prophetas loquatur, sed ipse per semet ipsum veniat et osculetur me ab osculis oris sui, verba scilicet in os meum sui oris infundat, ipsum audiam loquentem, ipsum videam docentem. – „An dich, Vater meines Bräutigams, richte ich meine Bitte und flehe, dass du dich endlich Mitleid mit meiner Liebe hast und ihn mir zuschickst, damit er nicht mehr durch seine Diener, genaugenommen die Engel und die Propheten, mit mir spricht, sondern er selbst in eigener Person kommt und ‚mich küsst mit den Küssen seines Mundes‘ (Hld 1,2), also die Worte seines Mundes in meinen Mund gießt, damit ich ihn selbst reden höre und ihn selbst lehren sehe.“ 108

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Form der Weltentsagung, der Wachsamkeit und der Suche nach Gott.111 In de officiis beschreibt Ambrosius genauer, wie sich die Seele zu wappnen hat: si  tyranni aliquis imaginem habeat, nonne obnoxius est damnationi? tu deponis imaginem aeterni imperatoris et erigis in te imaginem mortis. eice magis de civitate animae tuae imaginem diaboli et adtolle imaginem Christi. haec in te fulgeat, in tua civitate, hoc est anima, resplendeat quae oblitterat vitiorum imagines. [. . .] cum enim pinxerit Hierusalem dominus ad imaginem suam, tunc adversariorum omnis imago deletur.112

Die äußeren, weltlichen Einflüsse sind die Gefahren für die Seele, von denen sie sich freimachen muss, um das Bild Christi in sich aufzurichten, sich also dem Bilde ­Gottes ähnlich zu machen. Die gleiche Metaphorik nutzt Ambrosius in de bono mortis, wo er das tägliche Sterben mit eben jener Vereinigung der Seele mit dem Wort Gottes gleichsetzt. Die Abwendung vom Vergänglichen, das Absterben hinsichtlich der Welt, der mystische Tod – dies sind die Voraussetzungen für den adventus Christi in der Seele, der die erste Stufe auf dem Weg zur visio Dei darstellt. Von dem Bild der Seele als gewappneter Stadt geht Ambrosius über zum Bild des Gartens. Diese Szenerie aus dem Hohelied, die Ambrosius aus den Werken des Origenes kennt,113 eröffnet die Thematik der Ehe, die allegorisch die Vereinigung von Logos und Seele verdeutlicht: ideoque haec anima habens gratiam suorum uberum ingreditur in hortos et inveniens illic sponsum sedentem et disputantem amicis [. . .].114 Hier verlässt Ambrosius für einen Moment die Schilderung und fügt eine Bemerkung über die seiner Ansicht nach untergeordnete Abhängigkeit Platons von der Autorität der Bibel ein, da er in dem Garten des Jupiter aus dem platonischen Sym111   Zur „Vereinigung“ von Seele und Christus im Kuss als erster Stufe des Aufstiegs vgl. Dassmann, Die Frömmigkeit des Kirchenvaters Ambrosius von Mailand, 173 – 175 und Felix B. A. Asiedu, The Song of Songs and the Ascent of the Soul. Ambrose, Augustine, and the Language of Mysticism, VigChr 55 (2001), 299 – 317, 303 – 305. 112   Off. 1,49,245: „Wenn jemand das Bild des Tyrannen trägt, setzt er sich dann nicht der Verurteilung aus? Du legst das Bild des ewigen Herrschers ab und richtest in dir das Bild des Todes auf. Wirf lieber aus der Stadt deiner Seele das Bild des Teufels hinaus und richte das Bild Christi auf! Dieses Bild soll in dir leuchten, in deiner Stadt, d. h. in deiner Seele, soll es widerstrahlen, sodass es die Bilder der Sünden aus dem Gedächtnis drängt. [. . .] Wenn nämlich der Herr Jerusalem nach seinem Bild gemalt hat (vgl. Jes 49,16), dann wird das Bild des Feindes völlig zerstört.“ Vgl. auch exam. 6,8,49: munita per Christum, obsessa per diabolum. Sed non debet obsidionem vereri cui Christus adiutor est. Munitus enim gratia spiritali et saecularibus periculis obsidetur – „befestigt ist die Stadt durch Christus, belagert vom Teufel. Doch es muss derjenige, der Christus als Helfer hat, die Belagerung nicht fürchten. Gewappnet wird er durch die geistliche Gnade und belagert wird er von weltlichen Gefahren.“ Zum Bild der Festungsseele vgl. schon Cic. parad. 4,27: Sapientis animus [. . .] omnibus virtutibus ut moenibus saeptus [. . .]. – „Die Seele des Weisen ist [. . .] durch alle Tugenden wie mit Mauern umgeben [. . .].“ 113   Zur Origenesrezeption bei Ambrosius vgl. Stenger, Das Frömmigkeitsbild des hl. Ambrosius nach seinen Schriften De Abraham, De Isaac und De bono mortis, 104 – 108 und Dassmann, Die Frömmigkeit des Kirchenvaters Ambrosius von Mailand, 137 – 141. 114   Bon. mort. 5,18: „Darum geht die Seele, die die Gnade ihrer Brüste (vgl. Hld 8,10) hat, in den Garten und findet dort den Bräutigam sitzen und mit seinen Freunden sprechen [. . .].“ Vgl. auch ep. 34,4 (45) und Is. 1,2; 5,48.

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

posion, in dem Poros und Penia aufeinandertreffen (Symp 203B), eine Entlehnung Platons aus dem Hohelied, namentlich Hld 4,12 f., sieht: hinc hortum illum sibi Plato conposuit, quem Iovis hortum alibi, alibi hortum mentis appellavit; Iovem enim et deum et mentem totius dixit. In hunc introisse animam, quam Venerem nuncupat, ut se abundantia et divitiis horti repleret, in quo repletus potu iaceret Porus, qui nectar effunderet.115

Die Unterschiede der Darstellung des Ambrosius gegenüber der Erzählung des Platon im Symposion lassen sich durch die Nutzung eines Zwischentextes erklären: der Version des Plotin, in enn. 3,5,9: τὰ δὲ ἐν αὐτῇ ἀγλαίσματα ὡς ἂν ἐν ζωῇ κείμενα κῆπος Διὸς λέγεται, καὶ εὕδειν ἐκεῖ ὁ Πόρος οἷς ἐπληρώθη βεβαρημένος.116 Ambrosius ordnet die pagan-philosophische Tradition der christlichen unter und relativiert die Kreativität Platons, indem er voraussetzt, dass die biblischen Schriften Platon bekannt gewesen seien. Im Hintergrund steht die schon seit dem ersten Jahrhundert v. Chr. greifbare Legende eines Aufenthalts Platons in Ägypten, bei dem er das Gesetz des Mose kennen gelernt habe.117 Den Garten des Symposion interpretiert Ambrosius als die Seele selbst, umzäunt von Mauern und voller Tugend. In diesen Garten soll der Bräutigam, der für das Wort Gottes steht, hinabsteigen und die Blumen der Braut, die Tugenden, annehmen: in quem hortum invitat dei verbum descendere, ut anima illa verbi imbre caelesti et eius copiis inrigata fructificet. verbum autem dei pascitur animae virtutibus.118 In einer Mischung aus platonischem Mythos und dem Bild des Hoheliedes illustriert Ambrosius somit die Vereinigung von Braut / Seele und Bräutigam / Logos im Leben. Wie bei der Hochzeit von Rebekka und Isaak in de Isaac vel anima lädt die mit

115   Bon. mort. 5,19: „Von da aus hat sich Platon diesen Garten ausgedacht, den er an anderer Stelle Garten des Jupiters oder Garten des Geistes nennt. Denn auch Jupiter nennt er sowohl als Gott als auch als Geist von allem. In diesen Garten sei die Seele hineingegangen, die er als Venus bezeichnet, um sich mit dem Reichtum und den Gütern des Gartens anzufüllen, in dem vom Trank gefüllt Porus lag, der den Nektar ausgoss.“ 116   „Der in ihr (sc. die Seele) wie im Leben vorhandenen Schmuck wird als Garten des Zeus bezeichnet, und dort ruht Porros, der wegen der Dinge, durch die er zu gefüllt ist, zu Boden gedrückt wird.“ Vgl. dazu Courcelle, Die Entdeckung des christlichen Neuplatonismus, 158 – 161. Die Rezeption der Plotinzitate über ein drittes Werk, möglicherweise die Schrift de regressu animae des Porphyr nimmt aufgrund der Ähnlichkeit der Zitate in Augustinus’ de ordine Dominique Doucet, L’époux des âmes. Porphyre, Ambroise et Augustin: De bono mortis 14 – 20; De ordine I, 8, 24, REAug 41 (1995), 231 – 252, an. 117  Vgl. exp. Ps. 118,4,2: eruditionis gratia in Aegyptum profectus, ut Moysi legis oracula, prophetarum dicta cognosceret [. . .]. – „Er reiste nach Ägypten, um sich fortzubilden, um die Worte des Gesetzes des Mose und die Sprüche der Propheten kennenzulernen [. . .].“ Zu Quellen des Motivs des Mose als Lehrer Platons vgl. Heinrich Dörrie, Der hellenistische Rahmen des kaiserzeitlichen Platonismus. Bausteine 36 – 72: Text, Übersetzung, Kommentar, Der Platonismus in der Antike 2, Stuttgart-Bad Cannstatt 1990, 190 – 217. 118   Bon. mort. 5,19: „Sie (sc. die Seele) lädt das Wort Gottes ein, in diesen Garten hinabzusteigen, damit sie, vom himmlischen Regen des Wortes und seiner Fülle getränkt, Frucht bringe. Das Wort Gottes aber weidet sich an den Tugenden der Seele.“

III. Der Traktat über den Tod

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Tugenden geschmückte Seele den Logos in die Brautkammer bzw. in den Garten ein und geht einen quasi juristischen Ehevertrag mit dem Bräutigam ein.119 Hierauf folgt das Fest, bei dem der Seele die göttlichen Speisen und Gaben zuteilwerden, mit denen Ambrosius implizit die Freuden der Glückseligkeit beschreibt. Der Terminus beatitudo wird hier noch vermieden. Die Seele muss sich reinigen und für den Logos vorbereiten, indem sie sich tugendhaft zeigt und sich auf diese Weise dem Logos als angemessene Braut darbietet. Im Gegenzug erhält die mit dem Logos vereinigte Seele die Speisen des Hochzeitsmahles. Ambrosius bezeichnet mit diesen unterschiedlichen cibi die Heilung der kranken, sündhaften Seele durch den Zuspruch Christi.120 So wird sie zum weiteren Aufstieg vorbereitet: quo cibo et potu repleta anima [. . .] atque inebriata saeculo dormiebat, vigilabat deo.121 Mit der Schlafmetapher illustriert Ambrosius dasselbe, was er auch mit der mors mystica bezeichnet: das Sterben hinsichtlich der Welt und der Sünde bzw. das Leben für Gott.122 In mystischer Sprache bezeichnet hier Ambrosius die Notwendigkeit der Tugenden für die Aufnahme Christi in der Seele, um dadurch den weiteren Aufstieg zu Gott zu vollbringen. Die Erkenntnis Gottes, die dem Einzelnen erst durch Christus ermöglicht wird, bringt die nötigen Fortschritte auf dem Weg zur vollkommenen Gotteserkenntnis.

119  Vgl. bon. mort. 5,20: sponsus autem animae deus verbum est, cui anima legitimo quodam conubii foedere copulatur. – „Der Bräutigam der Seele aber ist das Wort Gottes, mit dem die Seele eine Art Ehebündnis eingeht.“ Vom Bündnis zwischen Seele und Christus spricht schon Tertullian, res. 63: utrumque iam in semetipso foederavit, sponsam sponso et sponsum sponsae comparavit. – „Beide hat er in sich verbündet, die Verlobte hat er dem Verlobten und den Verlobten der Verlobten an die Seite gestellt.“ Dieses kraftvolle Bild für das Verhältnis von Christus und gläubigem Menschen wirkte durch die Kirchengeschichte hindurch, vgl. etwa Luthers Rede vom fröhlichen Wechsel vor dem Hintergrund der mittelalterlichen Brautmetaphorik, lib. Christ. WA 7,54, 31 – 33: Tertia fidei gratia, incomparabilis est haec, Quod animam copulat cum Christo, sicut sponsam cum sponso, Quo sacramento (ut Apostolus docet) Christus et anima efficiuntur una caro. – „Die dritte Gnade des Glaubens ist dieses Unvergleichliche, dass er die Seele mit Christus verbindet, wie eine Verlobte mit ihrem Verlobten; durch dieses Geheimnis, wie der Apostel es sagt (vgl. Eph 5,31 f.), werden aus Christus und der Seele ein Fleisch.“ Vgl. dazu Oswald Bayer, Martin Luthers Theologie. Eine Vergegenwärtigung, Tübingen 32007, 204 – 207. 120  Zur Gleichsetzung von cibus und sermo kommt Ambrosius über die Auslegung von Prov 16,24: favi mellis sermones boni. – „Gute Worte sind Honigwaben.“ In de Isaac vel anima wird Ähnliches durch das Bild der Küsse (vgl. Hld 1,2) ausgesagt, vgl. etwa Is. 3,8 – 10. 121   Bon. mort. 5,21: „Von dieser Speise gesättigt und von diesem Getränk berauscht schlief die Seele für die Welt und wachte für Gott.“ Vgl. Is. 6,53: Surrexit aperire, et opera eius et facta mortificata sunt mundo. – „Sie (sc. die Seele) hat sich erhoben, um zu öffnen, und ihre Taten sind der Welt gestorben.“ Vgl. zu jener Stelle auch Dufraigne, Quelques aspects de l’aduentus in mentem d’Hippolyte de Rome à Grégoire le Grand, 26 f. 122   Ähnliche Bedingungen stellt Christus der Seele auch in Is. 5,47: Ille mecum est qui ex se ipso egredietur, ille iuxta me qui extra se fuerit, ille mihi integer qui perdiderit propter me animam suam. – „Derjenige ist mit mir, der aus sich selbst heraustritt, derjenige ist bei mir, der außerhalb seiner selbst ist, heil ist derjenige, ‚der um meinetwillen sein Leben verliert‘ (Mt 10,39).“

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

In diesem Abschnitt ist die Verzahnung von paganer platonischer Philosophie und christlicher Umdeutung deutlich geworden. Mit engen, zum Teil wörtlichen Übernahmen, aber auch mit klarer Unterordnung der Philosophie unter die Heilige Schrift zeigt sich die innovativ-verbindende Arbeit des Ambrosius, der mit beiden Traditionssträngen bewusst umgehen kann, sie korreliert und so in seine Argumentation integriert. Er greift zwar Platon dafür an, dass er Ideen aus der Heiligen Schrift entnommen habe, gegen seine eigentlichen philosophischen Gedanken aber polemisiert er keineswegs. 4.6 Die Seele als Herrscherin über den Körper (bon. mort. 6,22 – 7,29 / 30) Nach diesem Blick in das Innere der Seele geht der Fokus zurück auf die irdische Existenz, indem Ambrosius die „Mauern“ der Seele betrachtet. Diese werden von den irdischen Reizen, die Ambrosius nach Eph 6,12 als die Mächte des Himmels und die Gewalten der Erde bezeichnet, belagert. Es sind einerseits die Dämonen des Teufels, die nach Ambrosius’ Lehre den Lufthimmel bevölkern,123 sowie die irdischen Verlockungen, vor allem Besitzgier und Ruhmsucht. Die Sünde, die den Menschen dazu verleitet, sich Gott gleichmachen zu wollen, rückt Ambrosius als Adams Ursünde in den Vordergrund.124 Dabei werden die außermenschlichen Einflüsse der ersten Sünde betont, die den Menschen in die Irre führten: iniciunt etiam honoris adpetentiam potestates mundi, ut te extollas sicut Adam et, dum vis ad­aequare deum similitudine potestatis, divina praecepta despicias et quae habebas incipias amittere.125

Der Verlust der Gnade im Sündenfall hat für das Fleisch, das von Natur aus eigentlich gut geschaffen war, den Hang zum Bösen zur Folge. Die gottgewollte Hierarchie im Paradies, in der die mens als leitendes Seelenteil die Seele und auch den Körper beherrschte,126 ist durch die Übertretung des Verstandes umgestürzt worden, sodass dieser die nichtrationalen Belange des Körpers nicht kontrollieren kann und sich den Einflüsterungen des Teufels öffnet. Die auf diese Weise nicht mehr gewappnete 123

  Zum Lufthimmel als Wohnort der Dämonen siehe unter A.II.2.  Vgl. exp. Ps. 118,7,8: maximum peccatum in homine superbia est, quandoquidem inde manavit nostri origo delicti. hoc telo nos primum diabolus vulneravit et perculit. – „Die größte Sünde im Menschen ist der Stolz, da daher der Ursprung unserer Übertretung herrührt. Mit dieser Waffe hat uns der Teufel zum ersten Mal verletzt und geschlagen.“ Vgl. dazu Josef Huhn, Ursprung und Wesen des Bösen und der Sünde nach der Lehre des Kirchenvaters Ambrosius, FChLDG 17 / 5, Paderborn 1933, 79 – 82 und Theresia Heither / Christiana Reemts, Adam, Biblische Gestalten bei den Kirchenvätern 1, Münster 2007, 249 f. 125   Bon. mort. 6,22: „Die Mächte der Welt verursachen auch das Verlangen nach Ehre, sodass du dich überhebst wie Adam und, während du Gott an Macht gleich werden willst, die göttlichen Gebote verachtest und beginnst zu verlieren, was du hattest.“ 126  Vgl. Smith, Christian Grace and Pagan Virtue, 47 f. Zur mens vgl. bon. mort. 10,44: cor repletur mente, quia mens animae principale est et virtus animae est. – „Das Herz ist voll des Geistes, da der Geist der eigentliche Teil der Seele und die Kraft der Seele ist.“ 124

III. Der Traktat über den Tod

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Seele unterliegt dem Widersacher, der das Ziel hat, der Seele die Erinnerung an Gott zu nehmen.127 Ambrosius fordert von jedem Zuhörer, zu einem miles Christi Jesu (2 Tim 2,3) zu werden und seine Seele von den Stricken und Verlockungen freizumachen, um ihr den Aufstieg zu ermöglichen. Und wieder nutzt er dazu das Bild des Todes, den die Seele hinsichtlich der Welt sterben muss, woraufhin sie zur Herrscherin über den Körper werden kann: moriatur igitur nobis hoc saeculum, moriatur nobis carnis istius sapientia, quae inimica est deo. subiciamus animam nostram soli Christo, ut dicat unusquisque: nonne deo subdita est anima mea?128

Wenn Ambrosius vom Tod der „Weisheit des Fleisches“ spricht, wird deutlich, dass er hier den Tod der Sünde in der Taufe vor Augen hat. Die Schuld bzw. das sündige Fleisch, das Gott widerspricht, muss untergehen, nicht das eigentliche Fleisch.129 In diesem Zusammenhang ist es notwendig, Ambrosius’ anthropologische Unterscheidung zwischen nos, nostra und circa nos darzustellen: Aliud enim sumus nos, aliud sunt nostra, alia quae circa nos sunt. Nos sumus, hoc est anima et mens, nostra sunt corporis membra et sensus eius, circa nos autem pecunia est, servi sunt et vitae istius adparatus.130 Die Person, das „wir“ (nos), besteht nach Ambrosius allein aus der Seele, während der Körper bloßer Besitz (nostra) im Sinne des Kleides der Seele ist.131 Die Dinge schließlich, die den Menschen umgeben (circa nos), sind die materiellen Dinge und die Affekte. Die Seele hat demnach eigentlich den vollkommenen Vorrang vor dem Körper. Aufgrund der compassio aber, der mitfühlenden Verbindung zwischen Körper und Seele, beeinflusst der eine Teil den anderen. Wenn die geschwächte Seele sich vom Körper überwältigen lässt, nimmt sie den Charakter der Sterblichkeit an, womit 127  Vgl. bon. mort. 6,23: quotiens inserit animo tuo verbum iniquum et cogitationes cordis absconditas! [. . .] et obliviscaris dominum deum tuum. – „Wie oft sät er nicht in deinem Geist ein ungerechtes Wort und verborgene Gedanken deines Herzens. [. . .] Und so wirst du den Herrn, deinen Gott, vergessen.“ Hier ist nicht nur ein mentales Vergessen der Gottebenbildlichkeit gemeint, sondern der komplette Verlust der Ebenbildlichkeit. 128   Bon. mort. 6,25: „Darum soll für uns diese Welt sterben, für uns soll die Weisheit dieses Fleisches (vgl. Röm 8,7) sterben, die Gott feindlich gesinnt ist. Lasst uns unsere Seele allein Christus unterwerfen, sodass jeder sagen kann: ‚Ist meine Seele nicht Gott unterworfen?‘ (Ps 61,2).“ Vgl. dazu auch fid. 5,13,170 und Iac. 1,5,17. 129  Mit carnis bezeichnet Ambrosius auch den gesamten sündigen Menschen, vgl. Seibel, Fleisch und Geist beim heiligen Ambrosius, 165 f. 130   Exam. 6,7,42: „Das eine nämlich sind wir, etwas anderes sind die unsrigen Dinge, noch etwas anderes sind die Dinge, die um uns sind. Wir sind, das bedeutet die Seele und der Geist; die unsrigen Dinge sind die Glieder des Körpers und seine Sinne; um uns herum aber ist das Geld, sind die Sklaven und die ganze Ausstattung dieses Lebens.“ Damit bietet Ambrosius die Übersetzung von Bas. Hom. 3,3 in Attende tibi: Ἄλλο γάρ ἐσμεν ἡμεῖς αὐτοί, καὶ ἄλλο τὰ ἡμέτερα, καὶ ἄλλο τὰ περὶ ἡμᾶς. Zur Dreiteilung und ihrer exegetischen Grundlage vgl. Ulrich Volp, Die Würde des Menschen. Ein Beitrag zur Anthropologie in der alten Kirche, SVigChr 81, Leiden / Boston 2006, 220 – 227. 131  Vgl. Is. 2,3 und exp. Ps. 118,22,24. Vgl. dazu Seibel, Fleisch und Geist beim heiligen Ambro­ sius, 20 f. und 45 f.

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

Ambrosius den zweiten Tod, die mors peccati, bezeichnet. Der eigentlich von Gott gewollte Zustand der Kontrolle ist aber wiederherzustellen, sodass die unsterbliche Seele den Körper belebt und führt, ohne sich mit ihm zu vermischen, so wie ein Lichtstrahl das Dunkel erhellt, ohne von der Finsternis beschmutzt zu werden. Ambro­sius charakterisiert dieses Verhältnis mit dem Bild des Künstlers, der ein Instrument spielt: iusti autem anima utitur corpore ut instrumento aut organo, quae velut praeclara artifex quo vult obsequium corporis ducit et effingit de eo speciem quam elegit [. . .].132 Der Vergleich des Verhältnisses zwischen Seele und Körper mit dem Verhältnis zwischen Künstler und Musikinstrument, den Ambrosius aus dem platonischen Phaidon übernimmt,133 deutet bereits an, dass der Körper in der Anthropologie des Ambrosius nicht durchweg negativ konnotiert ist. Er trägt zunächst keine Schuld, da er nur ein Werkzeug in den Händen der Seele ist. So propagiert Ambrosius bereits in der zweiten Rede für seinen Bruder Satyrus die leibliche Auferstehung und auch in de bono mortis selbst kommt er – wenn auch nur kurz – auf diese Sicht zu sprechen.134 Nur diejenige Seele, die sich aufgrund des Körpers von den irdischen Einflüssen korrumpieren lässt, ist negativ zu bewerten. Ein solches Leben sollen die Taufanwärter, die Adressaten des Ambrosius, in der Taufe beenden. Sie sollen in die Kontemplation Christi eintreten, so wie Petrus auf dem See wandelnd seinen Blick fest auf Jesus richten sollte. Eindringlich warnt Ambrosius vor einer negativen Beeinflussung der Seele durch den Körper und fordert die competentes auf, sich nicht an die vana, an die vergänglichen Dinge wie Reichtum und Neugier, noch an das Leben selbst zu binden, sondern sich an Gott und seinen Geboten auszurichten. Anders aber als Plotin, der die visio Dei allein im Erkennen Gottes durch das innerliche Auge als erreichbar erachtet, verweist Ambrosius auf ein „Betrachten, Lesen und Suchen“, auf eine Gotteserfahrung also in der Bibellektüre bzw. der gottesdienstlichen Lesung und die Vervollkommnung des moralischen Lebens.135 132   Bon. mort. 6,25: „Die Seele des Gerechten aber bedient sich des Körpers wie eines Werkzeuges oder eines Musikinstrumentes. Wie eine vortreffliche Künstlerin lenkt sie den Körper zu der Dienstleistung, die sie bestimmt, und gestaltet aus ihm das Bild, das sie gewählt hat.“ 133   Vgl. die Seele als Leier in Plat. Phaid. 86A. Plotin vergleicht das Verhältnis mit dem Bild des Künstlers und dessen Werkzeug, vgl. enn. 1,1,3. 134   Zur leiblichen Auferstehung vgl. exc. Sat. 2,52: Ratio evidens, quia, cum omnis vitae nostrae usus in corporis animaeque consortio sit, resurrection autem aut boni actus praemium habeat aut poenam inprobi, necesse sit corpus resurgere, cuius actus expenditur. – „Der Grund ist klar, denn wenn der ganze Verlauf unseres Lebens in der Gemeinschaft von Leib und Seele stattfindet, die Auferstehung aber den Lohn für gutes oder die Strafe für böses Handeln darstellt, dann ist es notwendig, dass auch der Körper wieder aufersteht, dessen Taten abgewogen werden.“ In de bono mortis spricht Ambrosius erst in Kapitel 33 von der leiblichen Auferstehung: interitus autem hominis esse non potest, cum anima superstes corpori sit, salvo eo quod ipsum corpus manet resurrectio. – „Ein Untergang des Menschen kann er (sc. der Tod) aber nicht sein, da die Seele den Körper überlebt, unbeschadet der Tatsache, dass eben den Körper die Auferstehung erwartet.“ 135  Vgl. bon. mort. 11,49: et hic quidem positi meditando legendo quaerendo copulemur deo, cognoscamus eum ut possumus. – „Und so wollen wir, die wir zwar hier festsitzen, durch Betrachten,

III. Der Traktat über den Tod

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Ambrosius beendet hiermit den ersten Teil von de bono mortis. Aller Wahrscheinlichkeit nach endete in bon. mort. 7,29 die erste der beiden Predigten, die dem späteren Traktat zugrunde liegen. Dies zeigt sich durch einen abschließenden paränetischen Aufruf zu einem bußfertigen Leben auch nach der sündenvergebenden Taufe und der Warnung vor der Verstocktheit des Menschen: duritia autem tua, qua in erroris pertinacia perseveras, futuri iudicii auget severitatem, ut dignam retributionem tuorum accipias delictorum.136 Es ist leicht vorstellbar, dass Ambrosius nach dieser ethischen Zuspitzung seine Zuhörer entlassen hat. Die Wiederaufnahme des „bitteren Todes“ aus bon. mort. 7,29137 und die Eröffnung des neuen Arguments in bon. mort. 8,31 weisen darauf hin, dass es sich bei Kapitel 30 möglicherweise um eine nachträglich hinzugefügte Überleitung handelt, die die beiden Predigten verbindet. Entsprechend findet sich darin eine den ersten Teil zusammenfassende und zugleich den zweiten Teil vorbereitende Beurteilung des Todes in Übereinstimmung mit der paganen, vor allem epikureischen Philosophie als indifferens, das weder die Lebenden betrifft, da sie noch existieren, noch die Toten: nam neque apud viventes mors est neque apud defunctos; apud alios enim non est, quia adhuc vivunt, alii transierunt.138 Anders aber als die epikureischen Philosophen, die lehren, dass nach dem Tod nichts mehr empfunden werden kann, dass darum der Tod den Toten nichts mehr angeht, betont Ambrosius den Übergang des Menschen ins ewige Leben.

Lesen und Suchen uns mit Gott vereinigen und ihn erkennen, soweit wir es können.“ Die vollkommene Erkenntnis erreicht die Seele aber erst, nachdem sie sich durch den leiblichen Tod von der Welt gelöst hat. Vgl. Ethan Gannaway, Seeing God through the Tomb in Ambrose of Milan, Studia Ambrosiana 6 (2012), 213 – 230, dort 214 – 218. 136   Bon. mort. 7,29: „Aber deine Verstocktheit, mit der du stur in der Sünde verharrst, steigert die Schwere des kommenden Urteils, sodass du den gerechten Lohn für deine Sünden erhalten wirst.“ In diesem Zusammenhang ermahnt Ambrosius außerdem seine Zuhörer zum rechten Umgang miteinander: kein gegenseitiges Verurteilen, kein falsches Brüsten vor anderen soll das Gemeindeleben prägen. 137  Vgl. bon. mort. 7,30: itaque neque apud eos amara est qui eam adhuc nesciunt [. . .]. – „Darum ist er (sc.  der Tod) für die einen nicht bitter, die ihn noch nicht kennen [. . .].“ Vgl. dazu bon. mort. 7,28: invenio ego eam amariorem quam mortem, non quia amara sit mors, sed quia impio amara. – „Ich finde alles bitterer als den Tod; nicht weil der Tod bitter sei, sondern weil er für den Gottlosen bitter ist.“ Das Argument der Trennung der Teile durch das semantische Feld der „Bitterkeit“ bringt auch Stenger, Das Frömmigkeitsbild des hl. Ambrosius nach seinen Schriften De Abraham, De Isaac und De bono mortis, 113 f. 138   Bon. mort. 7,30: „Denn weder bei den Lebenden noch bei den Toten ist der Tod: Bei den einen ist er nicht, da sie noch leben, die anderen sind hinübergegangen.“ Vgl. Cic. tusc. 1,38,91: in quo quid potest esse mali, cum mors nec ad vivos pertineat nec ad mortuos? alteri nulli sunt, alteros non attinget. – „Was kann daran Schlechtes sein, da der Tod weder die Lebenden noch die Toten etwas angeht? Die einen existieren nicht, die anderen berührt er nicht.“ Vgl. Stenger, Das Frömmigkeitsbild des hl. Ambrosius nach seinen Schriften De Abraham, De Isaac und De bono mortis, 128 f.

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

4.7 Die Strafen nach dem Tod (bon. mort. 8,31 – 8,37) Nach dieser rückblickenden Zäsur beginnt der zweite Teil von de bono mortis, der auf eine zweite Predigt des Ambrosius zurückgeht. Der im Gottesdienst vor dieser Predigt gehörte Lesungstext war ein Abschnitt aus 4 Esr, wodurch Ambrosius eine Fokusverschiebung von der Diskussion des Wesens des Todes auf Basis von Gen 2 und 3 hin zur Existenz nach dem Tod eröffnet.139 Analog zum ersten Teil leitet Ambrosius mit seiner Ausgangsfrage ein: Müssen wir den Tod fürchten? Die Bewertung des Todes als Übel rührt, so Ambrosius, nur aus der negativen, aber letztendlich falschen Vorstellung über den Tod her, der Todesfurcht: non ergo mors gravis, sed metus mortis. metus autem opinionis est, opinio nostrae infirmitatis, contraria veritati.140 Ambrosius führt diese Furcht des Menschen auf seine Schwäche, das Wahre zu erkennen, zurück. Wäre diese Erkenntnisfähigkeit intakt – wie es auf die Gerechten zutrifft ‒, könnte jeder Mensch die auf Vergehen folgenden Strafen bereits im Diesseits erkennen und würde vor solchen zurückschrecken. Da dies aber nicht der Fall ist, muss der Mensch Verantwortung für die Taten in seinem Leben übernehmen. Den Tod trifft dagegen keine Schuld, er ist für den Gerechten ein Eingang in den Hafen der Ruhe, für den Schuldigen ein Schiffbruch. Ambrosius geht darum genauer auf die Gründe des metus mortis ein. Häufigste Ursache dafür sei die Vorstellung, dass der Tod zur Nihilierung des Menschen führe. Da aber die Seele unsterblich ist – Beweise für diese These wird Ambrosius im kommenden Abschnitt liefern – und selbst der Körper die Auferstehung erwartet,141 ist die erste Furchtursache grundlos. Der zweite Grund besteht in der Angst vor den Strafen, die den Menschen nach dem Tod treffen. Hier differenziert Ambro139  Wobei aber nicht davon auszugehen ist, dass Ambrosius die zwei Predigten nach dem Schema prae und post mortem gestaltet hat. Dafür sind in beiden Teilen des Traktates zu viele Hinweise auf die jeweils andere Thematik gestreut. Die stärkere Gewichtung der postmortalen Existenz im zweiten Teil des Traktats geht vielmehr auf die Auslegung des Textes der Schriftlesung aus 4 Esr zurück. 140   Bon. mort. 8,31: „Nicht der Tod ist also unerträglich, sondern die Furcht vor dem Tod. Die Furcht aber ist Folge unserer Vorstellung, die Vorstellung aber Zeichen unserer Schwäche und widersprüchlich zur Wahrheit.“ Hier zeigt sich Ambrosius’ Nähe zur Stoa, vgl. etwa Epikt. enchir. 5: Ταράσσει τοὺς ἀνθρώπους οὐ τὰ πράγματα, ἀλλὰ τὰ περὶ τῶν πραγμάτων δόγματα. οἷον θάνατος οὐδὲν δεινόν, ἐπεὶ καὶ Σωκράτει ἂν ἐφαίνετο· ἀλλὰ τὸ δόγμα τὸ περὶ τοῦ θανάτου, διότι δεινόν, ἐκεῖνο τὸ δεινόν ἐστιν. – „Die Menschen beunruhige nicht die Dinge, sondern die Meinungen über diese Dinge. So ist der Tod nichts Schreckliches, sonst hätte er auch für Sokrates solchen Anschein gehabt, sondern die Meinung über den Tod, dass er schrecklich sei, macht ihn zu etwas Schrecklichem.“ 141  Vgl. bon. mort. 8,33: una, quod eam interitum appellent. interitus autem hominis esse non potest, cum anima superstes corpori sit, salvo eo quod ipsum corpus manet resurrectio. – „Der erste Grund (sc. für die Furcht) ist, dass sie den Tod ‚Untergang‘ nennen. Der Untergang des Menschen kann es aber nicht sein, wenn die Seele den Körper überlebt – ungeachtet der Tatsache, dass selbst den Körper die Auferstehung erwartet.“ Damit spielt Ambrosius auf die epikureisch-materialistische Vorstellung des Todes als Zerfall von Körper und Seele an.

III. Der Traktat über den Tod

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sius, indem er zugibt, dass es Strafen gebe. Diese seien aber Konsequenzen, die den Menschen aufgrund seines gelebten Lebens betreffen, sie sind darum keine Folgen des Todes an sich. Im Rekurs auf den klassischen Bildungshintergrund, den seine Zuhörer und er selbst besaßen, karikiert er die mythologischen Unterweltsstrafen, die etwa Lucrez und Vergil in deutlichen Bildern darstellen, als Erfindungen der Dichter.142 Die Furcht vor dem Tod ist demnach auch mit Blick auf die Strafen unnötig. Vielmehr stellt der Tod des Körpers, neben der Befreiung der Seele, die Voraussetzung für die Auferstehung dar.143 Mit verschiedenen positiven Bildern bezeichnet Ambro­ sius darum den leiblichen Tod: nach griechischem Vorbild als Ende bzw. Vollendung,144 da er das irdische Leben beendet, als Schlaf bzw. angenehme Ruhe vor der Auferstehung, da er auch dem Körper die Möglichkeit gibt, sich im Grab von einem mühevollen Leben zu erholen, und als testimonium vitae, da nach dem Eintritt des Todes das Leben in seiner Gänze bewertet werden kann.145 Aufgrund des katechetischen Hintergrundes der Predigten ist es nur natürlich, dass Ambrosius das Thema des Todes auch auf die Lebensführung bezieht. Er erteilt dabei in der Meditation über den Vers Hi 29,13 (benedictio morituri bzw. perituri in me veniat)146 eine konkrete ethische Anweisung, die über die Mahnung zum tugend142

 Vgl. bon. mort. 8,33: altera autem causa, quod poenas reformident, poetarum videlicet fabulis territi [. . .]. – „Der zweite Grund aber ist, dass sie die Strafen fürchten, verängstigt aufgrund der Geschichten der Dichter.“ Es folgt eine Beschreibung der Unterwelt und ihrer Bewohner, die sich an Vergils Schilderung in der Nekyia anlehnt, vgl. Aen. 6,417 f. und Aen. 6,572 – 606. Möglicherweise greift Ambrosius hier auch auf Macr. somn. 1,10,9 – 15 zurück, vgl. die komparatistische Analyse bei Pierre Courcelle, Nouveaux aspects du platonisme chez saint Ambroise, REL 34 (1956), 220 – 239, 236 f. Zu den Unterweltsstrafen vgl. auch Lucr. rer. nat. 3,978 – 1010. Lucrez beurteilt natürlich die Unterweltsstrafen selbst als fiktiv und rein pädagogisches Hilfsmittel. Der Furcht vor diesen Strafen setzt der Epikureismus die Empfindungslosigkeit nach dem Tod entgegen. Auch Cicero bezeichnet den Glauben an die Fabeln der Strafen als töricht, vgl. Cic. tusc. 1,5. So auch Sen. Marc. 19,25. Diese Verspottung des Glaubens an die mythologischen Unterweltsstrafen gehört zu den gängigen Topoi christlicher Apologetik, vgl. etwa Min. Fel. Oct. 11,9. 143  Vgl. bon. mort. 8,32: per vitam ad mortem est transitus, per mortem autem ad vitam reditus; neque enim nisi qui mortui fuerint possunt resurgere. – „Es ist ein Übergang durch das Leben zum Tod, eine Rückkehr aber durch den Tod ins Leben. Denn nur die, die gestorben sind, können auferstehen.“ Ambrosius betont hier die Allgemeinheit des Todes, die als Voraussetzung für die Auferstehung dient. Als ausdrückliche Ausnahmen von dieser lex communis nennt er nach alttestamentlichem Zeugnis nur Henoch, Elia (fid. 4,1,8) und Mose (Cain. 1,2,8 f.). Nur in exc. Sat. 2,48 gibt er in der Paraphrase von 1 Thess 4,15 f. zu verstehen, dass die Menschen, die beim Anbruch des Gerichts noch leben, den leiblichen Tod nicht erleben werden. 144   Τελευτή vgl. Plat. Gorg. 516A, Phaid. 118. 145   Dieser Blick auf das Leben in seiner Gesamtheit im Augenblick des Todes ist ein Topos der antiken Literatur. Beispiel wäre der furchtlose Tod des Cato Uticensis, der der abschließende Beweis für Catos philosophisches, stoisches Dasein ist. Vgl. dazu Kurt Paul Marcik, Die Suizide von Cato, Seneca und Petron in der antiken Literatur, Wien 2015, 6 – 29 (online veröffentl. Dissertationsschrift, URN: urn:nbn:at:at-ubw:1-29619.16354.253361‑5; letzter Zugriff: 20. November 2020). 146   Bon. mort. 8,36 f.: „‚Der Segen des Sterbenden komme über mich‘ (Hi 29,13).“ Hiob spielt in den Werken des Ambrosius bei ethischen Diskussionen eine besondere Rolle, vgl. Judith R. Baskin, Job as Moral Exemplar in Ambrose, VigChr 35 (1981), 222 – 231.

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

haften Sterben im Alltag noch hinausgeht. Der Vers Hi 29,13 richtet sich innerhalb der Verteidigungsrede Hiobs eigentlich auf das glückliche Leben, das Hiob einst geführt hat, und auf den Segen derer, die ohne Hiob verloren gewesen wären.147 Indem Ambrosius den Vers aber aus seinem Kontext nimmt und isoliert zitiert, kann er zu einer paränetischen Aussage kommen, die sich direkt auf den Umgang mit den Sterbenden und Ärmsten bezieht: Si quem viderimus debilem, non deseramus, si quem in extremis positum, non relinquamus: occurrat et nobis dicere: benedictio morituri in me veniat.148 Angesichts des Todes des Anderen, des Hungernden oder des Gefangenen, dessen Begleitung Ambrosius oft nahelegt, fordert er diakonisches Handeln.149 4.8 Das Wesen der unsterblichen Seele (bon. mort. 9,38 – 10,44) Nachdem geklärt ist, welche Befreiung der Tod für die Seele darstellt, wendet sich Ambrosius nochmals genauer dem Wesen der Seele selbst zu: non enim mori animam cum corpore manifestum est, quia non est de corpore. non esse autem eam de corpore scriptura multis modis edocet.150 Die Seele ist, da Gott sie dem Menschen eingehaucht hat, göttlichen Ursprungs und darum dem materiellen Körper entgegengesetzt. Ambrosius bedient sich einer platonischen Sprache, wenn er die Verwandtschaft zwischen Seele und Gott, dem „reinen und ewigen Guten“,151 darstellt. Diese cognatio bildet die Grundlage für die Eigenschaften der Seele: die Vorstellung des Zukünftigen, die Rekapitulation des Vergangenen und die Angleichung an Christus.152 Wie das Eine Quelle des Seins ist, ist die vom Einen stammende Seele 147   Vgl. Hi 29,13: εὐλογία ἀπολλυμένου ἐπ᾽ ἐμὲ ἔλθοι, στόμα δὲ χήρας με εὐλόγησεν – „Der Segen des Verlassenen komme über mich, der Mund der Witwe segnete mich.“ Ambrosius übergeht den Kontext und den zweiten Halbsatz des Verses und bindet somit den Vers in seine moralische Argumentation ein. 148   Bon. mort. 8,37: „Wenn wir einen Schwachen sehen, dann sollen wir ihn nicht allein lassen; wenn wir einen sehen, der im Sterben liegt, dann lassen wir ihn nicht liegen. So wird dann auch uns das Wort begegnen: ‚Der Segen des Sterbenden komme über mich‘ (Hi 29,13).“ 149  Vgl. die Aufforderung zum diakonischen Handeln im Zusammenhang mit Hi 29,13 in off. 1,30,148 und exh. virg. 12,80. Zum sozialen Engagement des Ambrosius vgl. Dassmann, Ambro­ sius von Mailand, 231 – 236. Das diakonische Handeln in Bezug auf Kranke sieht kritisch Alfred Breitenbach, Ambrosius von Mailand: Ein Bischof für die Kranken? Eine Beurteilung anhand des Lukaskommentars und der Schrift De officiis, in: Barbara Feichtinger / Helmut Seng (Hgg.), Die Christen und der Körper. Aspekte der Körperlichkeit in der christlichen Literatur der Spätantike, BzA 184, Berlin / Boston 2016, 101 – 150. 150   Bon. mort. 9,38: „Dass die Seele nicht mit dem Körper stirbt, ist nämlich bekannt, da sie nicht vom Körper stammt. Dass sie aber nicht vom Körper stammt, lehrt die Schrift auf vielerlei Weise.“ 151  Vgl. bon. mort. 9,38: [. . .] ad illud sublime evolet et cum illo puro et perpetuo bono atque inmortali maneat, ipsi adhaereat et cum ipso sit [. . .]. – „[. . .] sie steige zu jenem Erhabenen auf und bleibe bei jenem reinen und ewigen und unsterblichen Gut, sie hänge ihm an und sei eins mit ihm [. . .].“ Vgl. Plat. Phaid. 79D: Ὅταν δέ γε αὐτὴ καθ’ αὑτὴν σκοπῇ, ἐκεῖσε οἴχεται εἰς τὸ καθαρόν τε καὶ ἀεὶ ὂν καὶ ἀθάνατον καὶ ὡσαύτως ἔχον [. . .]. – „Wenn sie allerdings durch sich selbst schaut, dann kommt sie zum reinen und immer seienden Unsterblichen und sich gleich Bleibenden [. . .].“ 152  Vgl. Seibel, Fleisch und Geist beim heiligen Ambrosius, 54 f.

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die Quelle des Lebens im Körper. Als das Leben selbst muss die Seele unsterblich sein. Für die Beweisführung greift Ambrosius auf den platonischen Phaidon zurück. Auf Basis der These der Leben spendenden Seele argumentiert Ambrosius, dass ein Wesen nicht das ihm Gegensätzliche aufnehmen könne. Die Seele als das Prinzip des Lebens kann nicht den Tod annehmen, so wie der Schnee nicht die Wärme und das Licht nicht die Finsternis.153 Dies hat Auswirkung auf das Schicksal der Seele. Anders als der Körper wird diese nach dem Tod nicht zerfallen, sondern zu Gott zurückkehren und in die regio vivorum eingehen, die im Gegensatz zur irdischen regio mortuorum steht.154 Wenn die Seele aber den mystischen Tod stirbt, indem sie sich zum Guten wendet, kann sie dieses „Wohnen im Himmel“ schon im Hier und Jetzt durch einen gottesfürchtig-tugendhaften Lebenswandel, der in der Nichtvermischung von Körper und Seele besteht, zumindest teilweise realisieren. Beständiges Nachahmen des Guten und die Flucht vor allem Körperlichen lässt die Seele aufsteigen und bewirkt, dass sie dem Guten „ähnlich“ wird. Hier zitiert Ambrosius die Worte des Sokrates im Theaitetos mit der Formel der ὁμοίωσις θεῷ.155 Die Seele als Ebenbild Gottes muss sich von der Welt, die sie beim Sündenfall an Gottes Statt als Anschauungsobjekt gewählt hat, lösen und sich kontemplativ erneut auf das Gute ausrichten, sodass sie die vollständige Kontrolle über den Körper zurückerhält und die erneut vollkommene ὁμοίωσις erlangt. Die philosophische Beweisführung der Unsterblichkeit der Seele aufgrund des Gegensatzes zwischen Leben und Tod bezeichnet Ambrosius als ratio humana, als 153

 Vgl. bon. mort.  9,42: quomodo potest mortem recipere, cum sit contraria? sicut enim nix calorem non recipit, nam statim solvitur, et lux non recipit tenebras, nam statim discutit [. . .], ita et anima, quae vitam creat mortem non recipit, non moritur. – „Wie kann sie den Tod aufnehmen, wenn sie das Gegenteil von ihm ist? Denn wie der Schnee nicht die Wärme aufnehmen kann – denn er wird sofort aufgelöst – und das Licht nicht die Finsternis aufnehmen kann – denn es zerstreut sie sofort – [. . .], so stirbt auch die Seele, die das Leben schafft und den Tod nicht aufnimmt, keineswegs.“ Vgl. Plat. Phaid. 102B – 106E, besonders 104D – E und 105D: Ψυχὴ ἄρα ὅτι ἂν αὐτὴ κατάσχῃ, ἀεὶ ἥκει ἐπ’ ἐκεῖνο φέρουσα ζωήν; – „Wird die Seele also, wenn sie sich eines Wesens bemächtigt, immer Leben mitbringen?“ 154   Das „Land der Toten“ stellt die Existenz des Menschen dar, der unter der Sünde und allein für sie lebt. Seine Seele erleidet die mors peccati als Folge des negativen Einflusses des Körpers und der Fallibilität der Sinne. Dabei differenziert Ambrosius zwischen zwei Gründen für die sinnliche Täuschung: Einerseits können die Sinne als Teile des materiellen Körpers nur die Qualitäten der materiellen Welt erfassen, während sie die ewigen Wahrheiten von Gut und Böse nicht erkennen. Zu diesem ontologischen Defizit kommt andererseits die ablenkende Beeinflussung der Sinne durch die Leidenschaften hinzu, die den Menschen erst dazu bringt, sich an das Vergängliche zu binden und den Blick des Auges auf Äußerlichkeiten zu lenken, was wiederum eine Folge des Sündenfalls darstellt. Ambrosius nutzt für diese Differenzierung das Beispiel der Reaktionen eines Mannes, der auf eine Prostituierte blickt. Dieses Bild findet sich so auch in exp. Luc. 4,63. 155  Vgl. bon. mort. 9,41: ergo anima, quae adhaeret illi invisibili bono deo atque inmortali, et ipsa corporea haec fugit et terrena et mortalia derelinquit fitque illius similis quod desiderat et in quo vivit et pascitur. – „Folglich flieht auch gerade die Seele, die jenem unsichtbaren, guten und unsterblichen Gott anhängt, diese körperlichen, irdischen und sterblichen Dinge und wird jenem ähnlich (vgl. Plat. Tht. 176B), was sie begehrt, worin sie lebt und sich ernährt.“

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

Argument zwar logischer Folgerichtigkeit, aber dennoch minderer Qualität. Unter dem Stichwort des divinum stellt er dem ratio-Argument einen biblischen Beweis der Unsterblichkeit der Seele entgegen: Habemus ergo rationem. sed haec humana, illud divinum, quod ait dominus: potestatem habeo ponendi animam meam et potestatem habeo iterum sumendi eam. vides igitur quia non moritur cum corpore quae et ponitur et resumitur et in manus dei patris commendatur [. . .] de qua dicit propheta: anima mea in manibus tuis semper. semper inquit, non in tempore.156

Die Seele wird mit biblischen Zitaten als von Gott geliehene und darum auch von ihm zurückgeforderte Gabe beschrieben.157 Nach 2 Kor 4,18 zeigt sich dieser eigentliche Besitz Gottes dadurch, dass die Seele bereits im Leben unsichtbar ist, so wie Gott und die mit ihm verbundenen Wesen unsichtbar sind:158 denique cor regis in manu domini et ab eo regitur et gubernatur. cor repletur mente, quia mens animae principale est et virtus animae est.159 Diese Einführung Gottes als des eigentlichen Besitzers der Seele zur Beweisführung der Unsterblichkeit der Seele ist besonders, da es das platonische Argument der Gegensätze noch überbietet. Ambrosius nutzt an mehreren Stellen das rhetorische Mittel, auf ein logisches Argument aus dem Bereich der Philosophie ein Glaubensargument folgen zu lassen, wobei er stets dem zweiten den Vorrang gibt, ohne aber dem ersten seine Bedeutung abzusprechen.160 Dies 156   Bon. mort.  10,43: „Da  haben wir also eine logische Erklärung. Diese ist aber nur eine menschliche, jene (erg. Erklärung) aber, die der Herr sagt, ist göttlich: ‚Ich habe die Macht, meine Seele hinzugeben, und ich habe die Macht, sie wieder an mich zu nehmen‘ (Joh 10,18). Du siehst also, dass sie (sc. die Seele) nicht mit dem Körper stirbt, die hingegeben und wieder genommen und in die Hände Gottes gelegt werden kann (vgl. Lk 23,46). [. . .] Dazu sagt der Prophet: ‚Meine Seele ist immer in deinen Händen‘ (Ps 118,109). ‚Immer‘ sagt er, nicht nur ‚in bestimmter Zeit‘.“ Auffallend ist hier die Abweichung in den Possessivpronomina. Ambrosius liest an dieser Stelle in manibus tuis, wohingegen die überlieferte Texttradition in manibus meis liest. Offensichtlich kursierten zur Zeit des Ambrosius beide Varianten, da er in exp. Ps. 118,14,29 beide diskutiert und sich der Mehrheit anschließt, die, so berichtet er, tuis lesen. 157  Vgl. bon. mort. 10,43: qui scis an nocte a te tua anima reposcatur? numquid dixit: moriatur in te anima tua? sed: reposcatur a te. quae data est reposcitur vel repetunt a te. repetitur enim anima, non interimitur. – „‚Weißt du denn, ob deine Seele in der Nacht zurückgefordert wird‘ (Lk 12,20)? Hat er etwa damit gesagt: Die Seele in dir stirbt? Nein, sondern: sie wird von dir zurückgefordert. Was gegeben ist, wird von dir zurückgefordert oder zurückverlangt. Die Seele wird also zurückverlangt, nicht zerstört.“ 158   Für Ambrosius besteht die eigentliche Welt aus den unsichtbaren Dingen, die den absoluten Vorrang vor allen irdischen und vergänglichen Dingen haben. Die Seele als eigentliches Abbild ist darum wie Gott unsichtbar und unsterblich, vgl. Seibel, Fleisch und Geist beim heiligen Ambrosius, 8 f. 12.44. 159   Bon. mort. 10,44: „Denn ‚das Herz des Königs ist in der Hand des Herrn‘ (Prov 21,1) und von ihm wird es geleitet und geführt. Das Herz wird vom Geist erfüllt, weil der Geist der führende Seelenteil und die Kraft der Seele ist.“ 160   Vgl. besonders die Verortung des ratio-Arguments für die Auferstehung hinter den Argumenten der Schrift (testimonium rei gestae) und dem „gebotenen“ Glaubensargument (decorum) in exc. Sat. 2,50 – 89. Eine ähnliche Bevorzugung mit stärkerer Polemik findet sich nach einer philosophischen Diskussion der Elemente, exam. 1,24: Itaque illos suis relinquamus contentionibus, qui mutuis disputationibus se refellunt: nobis autem satis est ad salutem non disputationum controversia,

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stellt – wie de bono mortis insgesamt – ein Entgegenkommen an gebildete Hörer dar, vom objektiv Einsichtigen zur Glaubenswahrheit der Schrift fortzuschreiten. Wie an anderen Stellen, die für Ambrosius von großer Bedeutung sind, lässt er dabei Christus selbst zu Wort kommen, um dem Argument die größtmögliche Autorität zu verleihen.161 Ambrosius will das logische Argument des Sokrates durch die Schriftautorität in den Schatten stellen. Maria MacLean Kiely stellt wegen dieser Übernahme und Weiterentwicklung die vielversprechende These auf, dass hier eine durchaus auch polemisch gemeinte Karikatur des Testaments des Sokrates, das dieser im Gefängnis abgelegt hat, zu finden sei.162 Neben einer solchen Polemik ist auch die Didaktik der Predigt von großer Bedeutung, die einem Zuhörer das Verfolgen der Gedanken und eine Annahme des christlichen Systems erleichtern soll. Gemäß dem Vorbild des Sokrates, der nach seinen Beweisgängen zur Unsterblichkeit der Seele im Phaidon zur Vorstellung der postmortalen Existenz der Seelen, die in der Unterwelt von ihren Dämonen geführt werden, übergeht, referiert Ambro­ sius im Anschluss an den Beweis der Unsterblichkeit der Seele seine Vorstellungen von einem status intermedius zwischen Tod und leiblicher Auferstehung. 4.9 Der Zwischenzustand (bon. mort. 10,45 – 10,47) Nach dem Unsterblichkeitserweis durch ratio und scriptura stellt sich die Frage nach dem Schicksal der Seelen, die beim Tod den Körper verlassen. In exc. Sat. 2 geht Ambrosius näher auf das Schicksal des Körpers ein, der wie ein Same in der Erde liegt und schließlich wiedererweckt wird.163 In de bono mortis dagegen konzentriert er sich allein auf den Aufstieg der Seele. Waren die bisherigen Argumente in unübersehbarer Abhängigkeit von platonischen Gedanken und in der Rezeption dieser Konzepte bei klassischen Autoren entwickelt, entfernt sich Ambrosius bei der expliziten Beantwortung dieser Frage von den paganen Philosophen und zieht für die Vorstellung vom Fortleben der Seele das apokryphe vierte Esrabuch164 als Zeuge heran. Ambrosius zählt diese apokalyptische sed praeceptorum veritas nec argumentationis astutia, sed fides mentis, ut seruiamus creatori potius quam creaturae, qui est deus benedictus in saecula. – „Überlassen wir darum jene (sc. Philosophen) ihren Auseinandersetzungen, die sich in ihren Debatten gegenseitig widerlegen. Für uns braucht es zum Heil keinen Debattenstreit, sondern es genügt die Wahrheit der Gebote; wir brauchen keine spitzfindigen Argumente, sondern einen glaubenden Geist, sodass wir lieber unserem Schöpfer, der Gott ist ‚hochgelobt in Ewigkeit‘ (Röm 1,25), dienen als einem Geschöpf.“ 161  Vgl. bon. mort. 10,43: illud divinum, quod ait dominus [. . .]. Zu dieser Methode und der Bedeutung Christi als Mitte der Schrift vgl. Graumann, Christus interpres und Dassmann, Ambro­ sius von Mailand, 70 und 196 – 200. 162   MacLean Kiely, Ambrose the Pastor and the Image of the ‚Bride‘, 258: „Here and in the following paragraphs Ambrose attacks all this solemnity. The subtle implication is that if this is all Socrates can come up with at such a moment, there is no point in wasting one’s time with him.“ 163  Vgl. exc. Sat. 2,53 f. und 87. 164   Zu 4 Esr vgl. Ferdinand Hahn, Frühjüdische und urchristliche Apokalyptik. Eine Einführung, BThSt 36, Neukirchen-Vluyn 1998, 63 – 75.

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

Schrift, die wohl um 100 n. Chr. entstanden ist, zum biblischen Kanon und sieht darin die legitime Offenbarung und das Wort Gottes. So empfiehlt er etwa dem Priester Horontianus, seinem ehemaligen Schüler, das Buch, um ein besseres Verständnis des Wesens der Seele zu erlangen.165 Im Werk des Ambrosius erfährt 4 Esr somit erstmals in der lateinischen Literatur eine intensivere Rezeption.166 4 Esr dient Ambrosius in de bono mortis als Schriftautorität,167 die sowohl die heidnischen Vorstellungen einer Nihilierung der leiblich-seelischen Existenz durch den Tod als auch den Glauben an die mythologischen Unterweltsstrafen widerlegt, indem sie die wahre Fortexistenz der Seele illustriert. Ambrosius betont dabei nicht nur die Bedeutung der Schrift als göttliche Offenbarung, sondern behauptet, dass 4 Esr älter sei als die Lehre der Philosophen. Erst durch deren falsche Interpretation des Buches sei es zu der pervertierten Vorstellung einer Seelenwanderung gekommen.168 Richtig sei in den philosophiae libri als Rückgriff auf die ältere biblische Quelle nur zu lesen, dass die Seele nach dem Tod eine Mehrzahl von Räumen erwarte, wie der Mythos des Hades zeigt.169 Ausdrücklich verweist Ambrosius auf die Lesung aus der Apokalypse in der liturgischen Feier. Die detaillierte Auslegung wenigstens eines Teils dieser Lesung, nämlich der Verse 4 Esr 7,23 – 33, die in der dritten Vision die Auferweckung der Toten und das Weltgericht behandeln, folgt in bon. mort. 10,45: in Hesdrae libris legimus quia, cum venerit iudicii dies, reddet terra defunctorum corpora et pulvis reddet ea quae in tumulis requiescunt, reliquias mortuorum. et habitacula inquit reddent animas, quae his commendatae sunt, et revelabitur altissimus super sedem iudicii.170 165  Vgl. ep. 21,2 (34): De quo tibi Hesdrae librum legendum suadeo, qui et illas philosophorum nugas despexerit et abditiore prudentia, quam conlegerat ex revelatione, perstrinxerit eas substantiae esse superioris. – „Zu diesem Thema rate ich dir die Lektüre des Buches von Esra, der jene Sinnlosigkeiten der Philosophen verachtet hat und aufgrund verborgenerer Weisheit, die er aus der Offenbarung gezogen hatte, dargelegt hat, dass die Seelen von höherer Substanz seien.“ 166  Vgl. spir. 2,6; exc. Sat. 1,2.60 – 67; exp. Luc. 1,60 und ep. 21 (34). Zur Rezeption des 4. Buches Esra vgl. Karina Martin Hogan, The Preservation of 4 Ezra in the Vulgate. Thanks to Ambrose, not to Jerome, in: Matthias Henze / Gabriele Boccaccini (Hgg.), „Fourth Ezra“ and „Second Baruch“. Reconstruction after the Fall, JSJ.S 164, Leiden / Boston 2013, 381 – 402. 167   Die Autorität wird für Ambrosius durch die Bezeichnung als „(heilige) Schrift“ deutlich: scriptura habitacula illa animarum promptaria nuncupavit. – „Die Schrift hat jene Wohnräume auch als ‚Aufenthaltsräume‘ bezeichnet.“ 168  Vgl. bon. mort. 10,45: sed Hesdrae usus sum scriptis, ut cognoscant gentiles ea quae in philosophiae libris mirantur translata de nostris. – „Die Schriften Esras habe ich aber herangezogen, damit die Heiden erkennen, was in den Büchern der Philosophie aus unseren Schriften aus Bewunderung übernommen wurde.“ 169   Die These des Altersvorrangs biblischer Schriften vor denen der Philosophen und der Verfälschung der Lehre findet sich so auch in off. 1,10,31 und ep. 7,28 (37). Vgl. dieselbe Argumentation in bon. mort. 11,47 und 51, wo vor allem auf die Überlegenheit des Offenbarungszeugen Esras gegenüber der reinen Spekulation des Platon hingewiesen wird. Vgl. auch exp. Ps. 118,184. 170   Bon. mort. 10,45: „In den Schriften Esras lesen wir: ‚wenn der Tag des Gerichts kommen wird, wird die Erde die Körper der Verstorbenen zurückgeben und der Staub wird das, was in den Gräbern ruht, die Überreste der Toten, zurückgeben. Und die Wohnungen‘, sagt er, ‚werden die Seelen zurückgeben, die ihnen anvertraut wurden, und der Höchste wird sich offenbaren auf dem Richterstuhl‘ (vgl. 4 Esr 7,32).“

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Die Nennung der habitacula171 lässt Ambrosius vermuten, dass es postmortale Warteräume gebe, in denen sich die Seelen nach dem Tod aufhalten, bis sie sich am Tag des Gerichts bzw. am Tag der Auferstehung wieder mit den Körpern vereinen und den endgültigen Lohn bzw. die endgültige Strafe empfangen. Offensichtlich stellt Ambrosius anhand des Bildes dieser Lagerräume das apokalyptische Buch dem platonischen Phaidon gegenüber,172 in dem Sokrates seinen Besuchern im Gefängnis anhand eines Mythos das Schicksal der reinen und der unreinen Seelen vorstellt. Diese werden jeweils von ihrem daimon in die Unterwelt geführt und dort gerichtet, wobei sie sich in Wohnungen aufhalten, die im Rang dem gelebten Leben entsprechen.173 Sokrates lässt daraufhin die Beschreibung der Erde und der Unterwelt folgen, in deren verschiedenen Regionen die Seelen ein je unterschiedliches Schicksal erwartet.174 Ambrosius spricht den Philosophen hinsichtlich der Übernahme der Vorstellungen von den „Wohnungen“ ein Lob aus, da sie der Autorität der Bibel in dieser Frage gefolgt sind und die habitacula aus 4 Esr anerkannt haben. In der weiteren Lehre aber kam es, so Ambrosius, zu unnötigen Hinzufügungen, zu superflua [. . .] et inutilia.175 171  Die habitacula nennt Ambrosius auch in exp. Ps. 47, wo er die Verortung der Seele von der Güte des Lebens der Seele abhängig macht, vgl. exp. Ps. 47,23,2: [. . .] ut pro suorum ratione meritorum digna unusquisque habitacula consequatur, in quibus requiem illam carpat aeternam. – „[. . .] sodass ein jeder nach der Summe seiner Verdienste die ihm zustehenden Wohnungen einnimmt, in denen er die ewige Ruhe genießt.“ Auch der Körper stellt für Ambrosius nur ein habitaculum dar, das die Seele des Menschen wieder verlässt, vgl. Is. 6,54 und 8,64. 172  Vgl. MacLean Kiely, Ambrose the Pastor and the Image of the ‚Bride‘, 259 – 265. 173  Vgl. Plat. Phaid. 107D – 115A, besonders 108C: αὐτὴ δὲ πλανᾶται ἐν πάσῃ ἐχομένη ἀπορίᾳ ἕως ἂν δή τινες χρόνοι γένωνται, ὧν ἐλθόντων ὑπ’ ἀνάγκης φέρεται εἰς τὴν αὐτῇ πρέπουσαν οἴκησιν· ἡ δὲ καθαρῶς τε καὶ μετρίως τὸν βίον διεξελθοῦσα, καὶ συνεμπόρων καὶ ἡγεμόνων θεῶν τυχοῦσα, ᾤκησεν τὸν αὐτῇ ἑκάστη τόπον προσήκοντα. – „Sie (sc. die unreine Seele) aber irrt in völliger Ratlosigkeit, bis bestimmte Zeiten gekommen sind. Wenn diese um sind, wird sie von der Notwendigkeit in die für sie geeignete Wohnung gebracht. Die Seele aber, die rein und voller Maß ihr Leben verbracht und Götter als Gefährten und Führer hatte, bewohnt den ihr jeweils zustehenden Ort.“ Zur platonischen Unterweltsbeschreibung vgl. Schäfer, Der Mythos im Phaidon (107d – 115a), 159 – 174. 174   Vgl. Plat. Phaid. 113D – E und 114B – C: καὶ οἳ μὲν ἂν δόξωσι μέσως βεβιωκέναι, πορευθέντες ἐπὶ τὸν Ἀχέροντα, ἀναβάντες ἃ δὴ αὐτοῖς ὀχήματά ἐστιν, ἐπὶ τούτων ἀφικνοῦνται εἰς τὴν λίμνην, καὶ ἐκεῖ οἰκοῦσί τε καὶ καθαιρόμενοι τῶν τε ἀδικημάτων διδόντες δίκας ἀπολύονται, εἴ τίς τι ἠδίκηκεν, τῶν τε εὐεργεσιῶν τιμὰς φέρονται κατὰ τὴν ἀξίαν ἕκαστος. [. . .] οἳ δὲ δὴ ἂν δόξωσι διαφερόντως πρὸς τὸ ὁσίως βιῶναι [. . .] ἄνω δὲ εἰς τὴν καθαρὰν οἴκησιν ἀφικνούμενοι καὶ ἐπὶ γῆς οἰκιζόμενοι. τούτων δὲ αὐτῶν οἱ φιλοσοφίᾳ ἱκανῶς καθηράμενοι ἄνευ τε σωμάτων ζῶσι τὸ παράπαν εἰς τὸν ἔπειτα χρόνον, καὶ εἰς οἰκήσεις ἔτι τούτων καλλίους ἀφικνοῦνται. – „Und die aber, die als solche erkannt worden sind, dass sie ein Leben im Mittelmaß gelebt haben, gehen zum Acheron, begeben sich auf die Boote, die für sie bereitet sind, und erreichen auf diesen den See. Und dort wohnen sie, reinigen sich und, wenn sie etwas Falsches getan haben, büßen sie, indem sie die Strafe erleiden, und für ihre guten Taten erhalten sie Lohn – jeweils gemäß ihrer Würde. [. . .] Die aber, die als solche erkannt wurden, dass sie sich ausgezeichnet haben in einem heiligen Leben [. . .], werden hinauf in die reine Wohnung gelangen und auf der Erde wohnen. Diejenigen von ihnen aber, die sich durch die Philosophie genügend gereinigt haben, werden für alle kommenden Zeiten vollkommen ohne Körper leben und in noch schönere Wohnungen eingehen.“ 175  Vgl. bon. mort. 10,45.

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Die Vorstellung, dass Seelen in Tierkörper eingehen, die Metempsychose, wie sie von der pythagoreisch-platonischen Philosophie vertreten wurde,176 ist in den Augen des Ambrosius eine Verirrung. Er zeichnet die Grundgedanken der rivalisierenden Lehre, die vom Neuplatonismus vertreten wurde, in kurzen Worten nach: Mit der Nachtigall und den Bienen führt er exemplarisch Tiere an, in die Seelen von Philosophen eingehen.177 Die negativen Beispiele, die Einkörperung von Seelen in Eulen und Frösche, finden sich in einem Fragment des verlorenen ambrosianischen Werks de philosophia, das bei Augustinus überliefert ist: ergo sanctus Ambrosius, miror, inquit, tantum philosophum, quomodo animam, cui potestatem conferendae immortalitatis adtribuit, in noctuis includat aut ranulis, feritate quoque induat bestiarum; cum in Timaeo eam Dei opus esse memoraverit, inter immortalia a Deo factam.178

Ambrosius liefert weder hier noch an einer anderen Stelle eine differenzierte theoretische Widerlegung der Metempsychose, sondern konzentriert sich in jenem Ausschnitt der Schrift de philosophia allein auf das Altersargument. Auch in de bono mortis greift er nicht auf ein Argument seiner Vorgänger zurück, etwa auf Irenäus’ Einwand, die Seele müsste Erinnerungen an ihre früheren Körper besitzen,179 oder Tertullians Argument, dass eine erneute Einkörperung eine zu milde Strafe sei.180 Diese Entscheidung ist auf die Verortung der Thematik im zweiten Teil des Traktats zurückzuführen, der die ratio hinter sich gelassen hat und sich fortan allein den Schriftargumenten widmet. Nach dieser Gegenüberstellung von Philosophie und Schrift widmet sich Ambrosius einer genaueren Diskussion der Wartesituation der Seelen innerhalb des status intermedius. Zunächst klärt er die Anfrage nach der Dauer des Schicksals zwischen dem individuellen Tod und dem allgemeinen Gericht. Die Idee eines Seelenschlafes schließt 176

 Vgl. Stettner, Die Seelenwanderung bei Griechen und Römern, passim.  Vgl. bon. mort. 10,45: atque utinam non superflua his et inutilia miscuissent, ut dicerent animas hominum pariter ac bestiarum esse communes earumque summum praemium, si magnorum philosophorum animae in apes aut luscinias demigrarent, ut qui ante hominum genus sermone pavissent postea mellis dulcedine aut cantus suavitate mulcerent. – „Hätten sie doch nicht solch überflüssige und unnütze Dinge hineingepanscht, indem sie sagen, dass die Seelen der Menschen die gleichen wären wie die der Tiere und dass der höchste Lohn für sie sei, dass die Seelen der bedeutenden Philosophen in Bienen und Nachtigallen eingehen, damit sie, die zuvor das Menschengeschlecht mit ihren Reden genährt hatten, es später mit süßem Honig oder lieblichem Gesang erfreuen.“ 178  Aug. contr. Iul.  2,7,19: „So  sagt der heilige Ambrosius: Ich wundere mich über einen so bedeutenden Philosophen, dass er die Seele, der er die Fähigkeit anvertraut, Unsterblichkeit an sich zu tragen, in Nachteulen und Frösche einschließt und auf alle erdenklichen Weisen mit tierischer Wildheit kleidet, da er doch im Timaios meint, sie sei Gottes Werk und von Gott innerhalb der unsterblichen Dinge geschaffen.“ Eine weitere Ablehnung der Seelenwanderung bietet Ambrosius in exc. Sat. 2,126 – 128. Vgl. zu beiden Stellen auch Courcelle, Anti-christian Arguments and Christian Platonism, from Arnobius to St. Ambrose, 161 – 163. 179   Vgl. Iren. adv. haer. 2,33,1. 180   Vgl. Tert. an. 33,3 – 10. Die Seelenwanderung wird regelmäßig als unbiblisch abgelehnt, vgl. etwa Tert. an. 32,10; Orig. princ. 1,8,4. 177

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Ambrosius dabei aus. Die Seele genießt zwar die quies, verfällt nach Ambrosius’ Vorstellung aber nicht in einen Schlaf, der die zu wartende Zeit für alle Menschen als nicht gefühlten und erlebten Abschnitt kompensieren würde.181 Im Gegenteil: Die Seele wird, so beschreibt Ambrosius es in Analogie zum Traum,182 aufgrund der Befreiung von der körperlichen Last eine höhere Funktion ihres Wesens entfalten. Gleichwohl müssten eigentlich die früher Gestorbenen im Falle dieses zeitlichen Wartens ungerechterweise länger verharren als die Seelen derer, die erst in jüngerer Zeit verstarben.183 Dieser Vorstellung begegnet Ambrosius mit einem Zitat aus 4 Esr: mirabiliter ait coronae esse similem iudicii diem, in quo sicut non novissimorum tarditas, sic non priorum velocitas. coronae enim dies expectatur ab omnibus.184 Keiner kommt zu früh, keiner zu spät. Trotz des Entwicklungsgedankens und der Vielzahl der Wohnungen, die die aufsteigenden Stufen der Seelenseligkeit darstellen, nimmt Ambrosius eine überzeitliche Dauer des Wartens im Interim an, sodass die einzelnen Seelen keine ungerechte Behandlung aufgrund einer unterschiedlichen Aufenthaltsdauer erdulden. Als weiteren Trost stellt Ambrosius den Wartenden das Motiv der senectus mundi in Aussicht. Diese in der Antike weit verbreitete Vorstellung sah in der Welt ein alterndes und darum schwächer werdendes Geschöpf. Die Stoiker erwarteten darum in nicht allzu ferner Zukunft das Vergehen dieses Kosmos in Form eines Weltenbrands. Auch Ambrosius sah sich als Zeuge von Alterserscheinungen der Welt in Form von Verfall und Bedrohungen, die auf das bald anstehende Gericht hindeuten.185 Dieses Konzept geht mit einer Glorifizierung der Vergangenheit einher. Entsprechend tröstet sich Ambrosius damit, dass die früher Gestorbenen als Bewohner der jungen Welt ein positives Schicksal erlebt haben. Dagegen müssten alle später 181   Zum Konzept des Seelenschlafes vgl. Jerry L. Walls (Hg.), The Oxford Handbook of Eschatology. Oxford Handbooks in Religion and Theology, Oxford 2008, 388 und Michael Fiedrowicz, Auferstehungshoffnung und Jenseitsvorstellungen in der frühen Kirche, UVK 42 (2012), 291 – 313, 302 f. Das Konzept wird etwa vertreten von Aphrahat und Ephrem dem Syrer sowie Hilarius von Poitiers, vgl. dazu Daley, The Hope of the Early Church, 73 f. und 95. 182  Vgl. exc. Sat.  2,21: quod exemplo dormientium possumus aestimare, quorum animi velut sepulto quieti corpore ad altiora se subrigunt et renuntiant corpori rerum absentium vel etiam caelestium visiones. – „Dies können wir am Beispiel der Schlafenden nachvollziehen, deren Seelen sich wie aus dem in Ruhe bestatteten Körper zu den höheren Dingen aufrichten und dem Körper die Erscheinungen abwesender oder sogar himmlischer Dinge melden.“ Vgl. auch exc. Sat. 1,73; 2,3 und Cain. 2,9,35. 183  Vgl. bon. mort. 11,46: [. . .] querellae humanae, eo quod iusti qui praecesserunt uideantur usque ad iudicii diem per plurimum scilicet temporis debita sibi remuneratione fraudari [. . .]. – „[. . .] die Klagen der Menschen, dass die Gerechten, die schon vorausgegangen sind, scheinbar bis zum Tag des Gerichts für eine sehr lange Zeit der ihnen zustehenden Belohnung beraubt werden [. . .].“ 184   Bon. mort. 10,46: Die Heilige Schrift „sagt, dass der Tag des ‚Gerichts einer Krönung gleich sei, an dem es weder das Spätkommen der Letzten noch das Frühkommen der Ersten gäbe‘ (vgl. 4 Esr 5,42). Denn der Tag der Krönung wird von allen erwartet.“ 185   Vgl. 4 Esr  5,53 – 55 und bon. mort. 10,46. Zur Vorstellung der senectus mundi vgl. schon Plat. Phil. 16C. Als Anzeichen für ein nahe bevorstehendes Weltende, vgl. Tert. spect. 30,2, und Deutung gegenwärtiger Übel, vgl. Cypr. Dem. 3,56 – 63.

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

geborenen Menschen – darunter zählt Ambrosius auch sich selbst186 – die Auswirkungen der Ermüdung der Welt erfahren.187 Nachdem die Frage der Dauer des Zwischenzustandes geklärt wurde, wendet sich Ambrosius in bon. mort. 11,47 seiner Qualität zu. Die Seelen erhalten bereits einen Vorgeschmack auf das Gericht. Die Gerechten erwartet die gloria, die Sünder die poena. Diese Zuweisung unterscheidet sich von der endgültigen Belohnung bzw. Bestrafung nach dem Gericht, da jede gerechte Seele, im Verhältnis zum gelebten Leben, auch Strafen empfangen muss, wie jede sündhafte Seele einen Anteil am Lohn zugesprochen bekommt: ergo dum expectatur plenitudo temporis, expectant animae remunerationem debitam alias manet poena, alias gloria: et tamen nec illae interim sine iniuria nec istae sine fructu sunt.188

Ambrosius charakterisiert den vorläufigen Zwischenzustand zwar mit den gleichen Aspekten, die er auch für die vollkommene Seligkeit nutzt: quies, libertas und vita beata. Die Teilhabe an Gottes Macht aber, die visio Dei, bleibt als direkt nach dem Tod eintretender Lohn den Heiligen, den sancti bzw. iusti vorbehalten, die den Zwischenzustand überspringen. Die impii, Gottlose und Nichtchristen, die sich im Leben vor Gott verschlossen haben, übergeht Ambrosius in de bono mortis. Für sie wird das reinigende Feuer, das alle Seelen nach dem Tod durchschreiten müssen, zu einem dauerhaften Zustand des Verbrennens.189 Der status intermedius betrifft folglich allein die „mittlere“ Menschenklasse der schuldigen peccatores, über deren Leben noch entschieden werden muss. Sie unterscheiden sich von den impii durch den grundsätzlichen Christusglauben und den Taufcharakter, hinsichtlich der Sündenlast aber wiederum zerfallen sie in die Gruppe 186   Ambrosius interpretiert die Kriege und die Bedrohung durch die Barbaren in der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts als Zeichen des nahenden Weltendes, vgl. exp. Luc. 10,10,14. Auch Augustinus deutet die Einnahme Roms 410 als Phänomen des sechsten Zeitalters und damit des Greisenalters der Welt, vgl. Peter Brown, Augustinus von Hippo. Eine Biographie, München 2000, 259. 187   Von diesem Konzept ausgehend kommt Ambrosius nochmals auf die Weisheit der Schriften, die aufgrund ihrer Entstehung in der weit zurückliegenden Vergangenheit eine höhere Qualität aufweisen als jüngere Schriften. Damit verweist Ambrosius auch auf seine Einordnung der Schrift 4 Esr, die er als älter als die Philosophen und darum als höhere Autorität ansieht. Die Nähe zur Quelle, der göttlichen Offenbarung, garantiere eine reinere Wahrheit, womit ein Argument intellektueller Autorität gebracht wird, das bei Zuhörern unterschiedlicher Schichten und Hintergründe effektiv sein musste. 188   Bon. mort. 10,47: „Während man also auf die Erfüllung der Zeit wartet, warten die Seelen auf die geschuldete Vergeltung: die einen auf die Strafe, die andern auf die Herrlichkeit. Und doch sind in der Zwischenzeit weder jene Seelen ohne Leid, noch diese Seelen ohne Lohn.“ 189  Vgl. exp. Ps. 36,26,2: ministros autem impietatis ultor ignis exuret. – „Die Diener der Gottlosigkeit aber wird das Rachefeuer verbrennen.“ Dieser Zustand ist ein definitiver, weswegen die Seelen der impii – wie auch die der Heiligen – nicht mehr dem Gericht unterstellt sein werden, vgl. exp. Ps. 1,51: non resurgunt impii in iudicio – „Die Gottlosen erstehen nicht beim Gericht“. Die Gruppe der impii bezeichnet Ambrosius auch als infideles (exam. 1,4,14), infidi (exp. Ps. 48,17,3) oder perfidi (Jos. 3,9). Zu ihrem Schicksal im Rachefeuer auch in der Hölle vgl. Niederhuber, Die Eschatologie des heiligen Ambrosius, 37 und 100 – 125.

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der Menschen mit nur leichten Sünden und die Gruppe der Menschen mit schweren Sünden.190 Über das Schicksal der Seelen, die mehr Sünden als gute Taten vorzuweisen haben, informiert Ambrosius die competentes zurückhaltend. Er erwähnt allein ihre neidische Schau auf den Lohn der gottesfürchtigen Seelen, den Zustand der Verwirrung und die Scham, vor Gott treten zu müssen, und beschränkt sich damit auf rein psychische Strafen. Weitere materielle Strafen aber, etwa den schmerzhaften Durchgang durch das Reinigungsfeuer, wie er ihn in der Auslegung von Ps 36 schildert,191 übergeht er. Diesen Zustand der psychischen Leiden vergleicht Ambrosius mit dem status peccati des Adam, der sich ebenso nach dem Sündenfall in Gottes Gegenwart geschämt und die visio Dei gefürchtet hat. Als Grund für die Vernachlässigung des Schicksals der sündhaften Seelen führt er die positive Verstärkung des Glaubenden an, die in der Vorstellung des erfreulichen Schicksals besteht. Man solle besser erfahren, wie die Unschuldigen zu retten sind, als dass man sich daran weide, wie die Sünder gequält werden.192 4.10 Der processus claritatis (bon. mort. 11,48 – 51) In enger Anlehnung an 4 Esr 7,91 – 99 beschreibt Ambrosius den processus claritatis, also den Verlauf, wie die Seelen im Zwischenzustand innerhalb von sieben Tagen193 die sieben Stufen der Freude aufsteigen: (1)  Die Überwindung des Fleisches:194 Die erste Stufe der Freude der Seele ist für Ambrosius die grundlegende, da sie die Befreiung der Seele vom Körper und dessen Hindernissen dar190

 Vgl. exp. Ps. 1,56. Zum weiteren Schicksal der drei Gruppen siehe unter A.II.   Zum Reinigungs- bzw. Gerichtsfeuer, das alle Seelen, im Besonderen die Seelen der Sünder, durchschreiten, vgl. exp. Ps. 36,26,2: etsi salvos faciet dominus servos suos, salvi erimus per fidem, sic tamen salvi quasi per ignem; etsi non exuremur, tamen uremur. – „Auch wenn der Herr seine Diener retten wird, werden wir durch den Glauben gerettet, und zwar so, als würden wir durch ein Feuer gerettet werden. Auch wenn wir nicht verbrennen, so brennen wir doch.“ 192  Vgl. bon. mort. 10,48: melius est cognoscere quomodo innocentes salventur quam quomodo crucientur flagitiosi. – „Es ist besser, zu erfahren, wie die Unschuldigen gerettet werden, als wie die Sünder gequält werden.“ Wegen eben dieser Zurückhaltung übergeht Ambrosius auch die Darstellung der siebenstufigen Schmerzen der schuldhaften Seelen in 4 Esr 7,81 – 87 und wendet sich sogleich den Seelen der Gerechten zu. 193  Vgl. bon. mort. 11,48: unde ait propheta ad angelum: ergo dabitur tempus animabus, postquam separatae fuerint de corporibus, ut videant ea quomodo dixisti. et dixit angelus: septem dies erit libertas earum, ut uideant in septem diebus qui praedicti sermones, et postea congregabuntur in habitaculis suis. – „Daher sagt der Prophet zu dem Engel: ‚Also wird den Seelen Zeit gegeben, nachdem sie von den Körpern getrennt worden sind, damit sie die Dinge sehen, von denen du sprachst. Und der Engel sagte: Sieben Tage lang wird ihre Freiheit dauern, damit sie in den sieben Tagen sehen, was in den zuvor gehaltenen Predigten gesagt worden ist. Und dann werden sie in ihren Wohnungen gesammelt werden‘ (4 Esr 7,100 f.).“ Die Einteilung in „Tage“ ist hier die Grundlage für die Aufstiegsordnung. Ambrosius meint damit allerdings keinen temporalen Aspekt, sondern eine überzeitliche Entwicklung. 194   Bon. mort. 11,48: iustarum vero animarum per ordines quosdam digesta laetitia. primum quod vicerint carnem nec inlecebris eius inflexae sint. – „Die Freude der gerechten Seelen aber ist unterteilt durch mehrere Stufen. Zuerst (erg. besteht die Freude darin), dass sie das Fleisch besiegt haben und nicht mehr durch seine Lockungen abgelenkt wurden.“ 191

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

stellt, sodass diese sich frei entfalten und die himmlischen Dinge erkennen kann. Der Tod wird als Sieg über das Fleisch dargestellt, das keine Gelegenheit mehr hat, die Seele in den Tod der Sünde zu reißen. (2)  Die Erlangung von Sicherheit:195 Aufgrund der Freiheit vom Körper kann die Seele ihr Leben bewerten und angesichts eines gerechten, tugendhaften Daseins die Sorglosigkeit und Sicherheit genießen, dass ihr der Aufstieg gewährt ist. Ambrosius kommt hier auch auf das gegensätzliche Schicksal der sündhaften Seelen zu sprechen, die aufgrund der Erkenntnis der Sünden von Verwirrung und Angst gepeinigt und dabei von den gerechten Seelen beobachtet werden. Die ungerechten Seelen müssen um den weiteren Aufstieg bangen und mit einer Einordnung unter die impii in der Hölle rechnen. (3)  Das Vertrauen auf die Kongruenz mit dem göttlichen Gebot:196 Indem die Seele ihre irdischen Taten überblickt und die Kongruenz ihres Lebens mit den Geboten Gottes erkennt, wird aus der Sicherheit, auf dem Weg des Aufstiegs zu sein, die Gewissheit der Seele, auch vor dem Gericht zu bestehen. Diese Stufe besteht also aus der Kenntnis des ursprünglichen Plans Gottes für Adam und der Erkenntnis, dass die Seele diesem Plan nachgekommen ist. (4)  Die Erkenntnis der Ruhe:197 Die Ruhe stellt für Ambrosius ein wichtiges Charakteristikum der himmlischen Freude dar und ist das Gegenbild zur irdischen Existenz, die von Unruhe und Unsicherheit geprägt ist.198 Die Seele kann auf dieser vierten Stufe die vorläufige Ruhe genießen, die zunächst in ihrem Wesen nicht von der endgültigen zu unterscheiden ist. Darum kann von dort auf die zukünftige Herrlichkeit, die absolute Ruhe, geschlossen werden. Die Beschreibung der Wohnräume und der Schutz der Engel beziehen sich auf diese vollkommene Herrlichkeit. (5)  Der Genuss der Freuden:199 Die fünfte Stufe bildet eine Scharnierstelle. Die Seele freut sich mit Blick auf die Vergangenheit, dass sie von dem sie fesselnden Körper befreit worden ist, 195   Bon. mort. 11,48: deinde quod pro pretio sedulitatis et innocentiae suae securitate potiantur nec quibusdam sicut impiorum animae erroribus et perturbationibus inplicentur atque vitiorum suorum memoria torqueantur et exagitentur quibusdam curarum aestibus. – „Zweitens (erg. besteht die Freude darin), dass sie für den Preis ihres Eifers und ihrer Unschuld die Sicherheit erhalten und nicht, wie die Seelen der Gottlosen, durch Irrtümer und Verwirrungen eingewickelt werden und durch die Erinnerung an ihre Sünden gequält und durch das Brennen ihrer Sorgen umhergetrieben werden.“ 196   Bon. mort. 11,48: tertio quod servatae a se legis divino testimonio fulciantur, ut factorum suorum incertum supremo iudicio non vereantur eventum. – „Drittens (erg. besteht die Freude darin), dass sie sich auf das göttliche Zeugnis des Gesetzes, das sie befolgt haben, stützen können, sodass sie keine Furcht vor einem ungewissen Ausgang im letzten Gericht haben.“ 197   Bon. mort. 11,48:  tum quia incipiunt intellegere requiem suam et futuram sui gloriam praevidere eaque se consolatione mulcentes in habitaculis suis cum magna tranquillitate requiescent stipatae praesidiis angelorum. – „Viertens (erg. besteht die Freude darin), dass sie beginnen, ihre Ruhe zu erkennen und ihre zukünftige Herrlichkeit vorauszusehen, und durch diesen Trost besänftigt werden sie in ihren Wohnungen mit tiefen Frieden ruhen, dicht umgeben vom Schutz der Engel.“ 198   Zur eschatologischen Ruhe siehe unter A.II.4. 199   Bon. mort. 11,48: quintus autem ordo exultationis habet uberrimae suavitatem, quod ex hoc corruptibilis corporis carcere in lucem libertatemque pervenerint et repromissam sibi possideant hereditatem. – „Die fünfte Stufe beinhaltet die überreiche Süße der Freude, da sie (sc. die Seelen der Gerechten) aus diesem Gefängnis des vergänglichen Körpers zum Licht und zur Freiheit gelangen und das ihnen verheißene Erbe besitzen.“

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und mit Blick auf die Zukunft, dass sie das verheißene Erbe, das ewige Leben, antreten wird. Ab dieser Stufe sieht 4 Esr die Seele für unsterblich an,200 was aber nicht bedeutet, dass sie den Zwischenzustand überwunden hätte. (6)  Der Glanz der Seele:201 Das Leuchten der Seele an sich stellt die Nähe zu Gott heraus. Ambrosius kennt schon für das irdische Leben die Wirkung der Schrift, die Licht in die Seele einfließen lässt und dieser zu vorläufiger Weisheit verhilft.202 Diese partielle Weisheit aber ist auf der sechsten Stufe scheinbar überschritten. Das Licht der Seele wird nicht mehr nachlassen, sondern die Seele leuchtet aufgrund ihrer Vereinigung mit Gott selbst von innen heraus. (7)  Die Anschauung Gottes:203 Die höchste Stufe der Freude ist geprägt von der Aussicht auf die freie, unzweifelhafte und ungebrochene Begegnung mit Gott. Im vollsten Vertrauen auf ein positives Gericht freut sich die Seele, dass sie vor Gott treten und sein Antlitz schauen kann. Ambrosius drückt hier mit den Worten von 4 Esr aus, was auch Plotin mit der Vereinigung mit dem Einen bezeichnet. Darüber hinaus ergänzt Ambrosius den Gedanken, dass die Seele beginnt, Gott zu empfangen.204 200  Vgl. bon. mort. 11,48: hic ordo, inquit, animarum, quae sunt iustorum, quos etiam inmortales non dubitavit dicere in quinto ordine eo quod spatium, inquit, incipiunt recipere fruentes et inmortales. – „‚Dies‘, sagt er (sc. Esra), ‚ist die Ordnung der Seelen, die den Gerechten gehören‘ (4 Esr 7,99), die er auch ohne Zweifel auf der fünften Stufe unsterblich nennt, weil sie dort beginnen, in Genuss und Unsterblichkeit die Zeit zu empfangen.“ Vgl. 4 Esr 7,96: quintus ordo, exultantes quomodo corruptibile effugerunt nunc, et futurum quomodo hereditatem possidebunt, adhuc autem videntes angustum et labore plenum quo iam liberati sunt et spatiosum incipiunt recipere, frunescentes et inmortales. – „Die fünfte Stufe bezeichnet, dass sie nun jubelnd das Vergängliche hinter sich gelassen haben und dass sie das zukünftige Erbe besitzen werden, überdies aber, dass sie die Enge, die voll ist von Leiden, sehen, von der sie befreit sind, und beginnen, die Weite in Genuss und Unsterblichkeit anzunehmen.“ Dass trotz einer starken Andeutung des Eschatons auch in diesem Vers der Verbleib der Seele im Zwischenzustand gemeint ist, hat Samuel Vollenweider, Freiheit als neue Schöpfung. Eine Untersuchung zur Eleutheria bei Paulus und in seiner Umwelt, FRLANT 147, Göttingen 1989, 155 bestätigt. 201   Bon. mort. 11,48: denique sexto ordine demonstrabitur his quod vultus earum sicut sol incipiat refulgere et stellarum luminibus comparari, qui tamen fulgor earum corruptelam iam sentire non possit. – „Auf der sechsten Stufe wird sich ihnen schließlich zeigen, dass ihr Antlitz wie die Sonne zu glänzen und dem Licht der Sterne gleich zu werden beginnt, wobei ihr Glanz keine Vergänglichkeit mehr zu spüren bekommen kann.“ 202  Vgl. Is. 3,8: hoc est enim osculum uerbi, lumen scilicet cognitionis sacrae; osculatur enim nos deus verbum, quando cor nostrum et ipsum principale hominis spiritu divinae cognitionis inluminat. – „Der Kuss des Wortes ist nämlich dies: das Licht der heiligen Erkenntnis. Denn Gott, das Wort, küsst uns, wenn es unser Herz und das leitende Prinzip des Menschen mit dem göttlichen Geist der Erkenntnis erleuchtet.“ 203   Bon. mort. 11,48: septimus vero ordo is erit, ut exultent cum fiducia et sine ulla cunctatione confidant et sine trepidatione laetentur festinantes vultum eius videre, cui sedulae servitutis obsequia detulerunt, de quo innoxiae conscientiae recordatione praesumant gloriosam mercedem laboris exigui [. . .]. – „Die siebte Stufe aber wird sein, dass sie mit Zuversicht jubeln und ohne jedes Zögern vertrauen und sich ohne Unruhe darauf freuen, eilends das Antlitz dessen zu sehen, dem sie den Gehorsam eifriger Knechtschaft entgegengebracht haben, von dem sie in der Erinnerung an ihr unschuldiges Gewissen den herrlichen Lohn für die geringe Mühe erhalten [. . .].“ 204  Vgl. bon. mort. 11,48: incipientes recipere cognoverunt indignas esse huius temporis passiones, quibus remunerationis aeternae gloria tanta refertur. – „indem sie anfangen, ihn aufzunehmen, verstehen sie, dass die Leiden dieser Zeit nicht würdig sind, dass ihnen eine solch große Herrlichkeit als ewiger Lohn zustehe.“

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Es ist im Falle dieses processus schwer zu erkennen, dass es sich bei dem Aufstieg der Seele noch immer um einen Prozess im Zwischenzustand handelt, der die Seele hinsichtlich der verschiedenen Aussichten mit unterschiedlichen Freuden affiziert. Doch Ambrosius macht nach dieser Aufstellung nochmals den Charakter des Vorgeschmacks deutlich: haec est, inquit, requies earum per septem ordines et futurae gloriae prima perfunctio, priusquam in suis habitationibus quietae congregationis munere perfruantur.205 Die gerechte Seele erlangt im Zwischenzustand zwar einen vorläufigen, dem absoluten Seligkeitszustand aber fast deckungsgleichen Status des Lohnes. Diese Unschärfe, die bereits in 4 Esr vorliegt, nutzt Ambrosius und nimmt somit den Zuhörern die Furcht vor der Vorläufigkeit und dem folgenden Gericht. Auch wenn es sich noch nicht um das Eschaton handelt, so kann der Gläubige dieses Schicksal bereits mit Freude annehmen. Doch dieser detaillierte Bericht des Seelenaufstiegs ist für Ambrosius mehr als nur eine apokalyptische Darstellung der zukünftigen Dinge. Denn der Kontext der katechetischen Unterweisung legt nahe, dass der processus claritatis nach 4 Esr auch als Ermahnung an seine Zuhörer fungieren sollte, die zur Schau Gottes im Diesseits anleiten soll.206 Ein ähnliches Aufstiegsmodell erklärt Ambrosius in de Isaac vel anima, wo in gleichem Maße Unklarheit herrscht, ob Ambrosius von einem im Diesseits praktizierten, ekstatischen Erlebnis oder einer eschatologischen Verheißung spricht.207 Ambrosius gibt im Verlauf von de bono mortis mehrere Hinweise auf eine contemplatio Dei, also eine mystische Schau Gottes im körperlichen Status.208 Wie es Plotin in enn. 5,9 für den Aufstieg der Seele zum Schönen beschreibt, kann also auch die Stufenfolge der Seelenfreuden nach 4 Esr auf die steigende Gotteserkenntnis im Diesseits angewendet werden. Die entsprechenden Stufen ließen sich folgendermaßen interpretieren:

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  Bon. mort. 11,48: „Dies, sagt er (sc. Esra), ist ihre Ruhe in den sieben Stufen und der erste Genuss der zukünftigen Herrlichkeit, bevor sie in ihren Wohnungen das Geschenk der friedvollen Gemeinschaft genießen.“ 206   Gannaway, Seeing God through the Tomb in Ambrose of Milan, 214 – 218 sieht in der Aufstiegsbeschreibung eine Anleitung zur meditativen Einübung der contemplatio Dei, die das NichtSehen des christlichen Gottes im irdischen Kontext im Unterschied zur allgegenwärtigen Sichtbarkeit der polytheistischen Gottheiten kompensieren soll. 207   Darauf weist Dassmann, Die Frömmigkeit des Kirchenvaters Ambrosius von Mailand, 174 hin. Vgl. Is. 6,50. Dort beschreibt Ambrosius einen mystischen Aufstieg der Seele, der in vier bzw. fünf Stufen gegliedert ist: (i) Finden, (ii) Verlieren, (iii) Wiederfinden, (vi) endgültige Vereinigung von Braut und Bräutigam und (v) die ungehinderte Gottesschau, die Dörrie gegen Dassmann vertritt. Heinrich Dörrie hat darauf hingewiesen, dass Kapitel 50 den Fluss des Traktats unterbricht und dem Leser erst aufzeigt, dass der gesamte Traktat de Isaac vel anima dieser Stufenfolge unterliegt, vgl. Heinrich Dörrie, Das fünffach gestufte Mysterium. Der Aufstieg der Seele bei Porphyrios und Ambrosius, in: Theodor Klauser (Hg.), Mullus. Festschrift für Theodor Klauser, JbAC.E 1, Münster 1964, 79 – 92, 88 – 90 und Dassmann, Die Frömmigkeit des Kirchenvaters Ambrosius von Mailand, 171 – 179. 208   Etwa in der konzentrierten Meditation mit geschlossenen Augen, vgl. bon. mort. 3,10 f. und 9,40.

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(1*)  Die Überwindung des Fleisches: Die erste Stufe bedeutet für den Christen die Zurückgewinnung der Kontrolle über den Körper. Er soll seine eigentliche Bestimmung, den Körper wie ein Instrument zu gebrauchen, wiederfinden.209 (2*)  Die Erlangung von Sicherheit: Zweitens muss er sich von den Ängsten freimachen, die mit der Sterblichkeit einhergehen, ein Ziel, das der Traktat insgesamt zu erreichen sucht, indem die Todesfurcht genommen wird und allein die irdischen Taten als strafwürdig angesehen werden.210 (3*)  Das Vertrauen auf die Kongruenz mit dem göttlichen Gebot: Es folgt mit der dritten Stufe die Gewissheit eines gelungenen Lebens bei sorgfältiger Beachtung des göttlichen Gebotes, in dessen Kongruenz der Mensch nicht vom Weg abkommen kann.211 (4*)  Die Erkenntnis der Ruhe: Der so vorbereitete Christ kann auf der vierten Stufe in der Vertiefung in die Schrift das postmortale Schicksal, also die ihn erwartenden paradiesischen Wohnungen erkennen. (5*)  Der Genuss der Freuden: Auf der fünften Stufe breitet sich im Menschen durch diese Erkenntnis Ruhe aus, die ihn vollends von der Welt loslöst und den Körper vergessen lässt. Dies ist der mystische Tod bzw. der Tod in der Taufe, der den Menschen vor Gott bringt und mit dem Herzen sehen lässt.212 Auf dieser Stufe ist die Seele der mors peccati entzogen,213 sodass Ambrosius tatsächlich von einer seelischen Unsterblichkeit reden kann. (6*)  Der Glanz der Seele: Darauf folgt mit der sechsten Stufe die Erleuchtung, die dem Menschen durch das Heilswerk Christi, des Lichts der Welt, gebracht wurde.214 Diese Lichtmetaphorik kann bei Ambrosius einerseits die Erfahrung der mystischen Gegenwart Gottes widerspiegeln,215 andererseits aber auch für den „Glanz der Tugend“216 stehen, der im eigenen Leib 209  Vgl. bon. mort. 6,25: iusti autem anima utitur corpore ut instrumento aut organo, quae velut praeclara artifex quo vult obsequium corporis ducit et effingit de eo speciem quam elegit [. . .].  – „Die Seele des Gerechten aber bedient sich des Körpers wie eines Werkzeuges oder eines Musik­ instrumentes. Wie eine vortreffliche Künstlerin lenkt sie den Körper zu der Dienstleistung, die sie bestimmt, und gestaltet aus ihm das Bild, das sie gewählt hat [. . .].“ Die Reinigung der Seele von den körperlichen Lüsten als Grundlage für die Vereinigung mit Gott wird auch in Is. 1,2 angesprochen, vgl. dazu auch Smith, Christian Grace and Pagan Virtue, 12. 210  Vgl. bon. mort. 8,31: „Nicht der Tod ist also unerträglich, sondern die Furcht vor dem Tod. Die Furcht aber ist Folge unserer Vorstellung, die Vorstellung aber Zeichen unserer Schwäche und widersprüchlich zur Wahrheit.“ 211  Vgl. bon. mort. 6,22: „Die Mächte der Welt verursachen auch das Verlangen nach Ehre, sodass du dich überhebst wie Adam und, während du Gott an Macht gleich werden willst, die göttlichen Gebote verachtest und beginnst zu verlieren, was du hattest.“ 212  Vgl. bon. mort. 2,3 – 7. 213  Als mors peccati bezeichnet Ambrosius den Tod der Seele in exc. Sat. 2,36. 214   Als Licht bezeichnet Ambrosius auch den Heiligen Geist, der den Menschen dazu anleitet, in Christus wiederum Gott Vater zu erkennen, vgl. dazu Dassmann, Die Frömmigkeit des Kirchen­ vaters Ambrosius von Mailand, 123 – 125. 215  Vgl. Is. 7,62: sed ipsa magis lucem expetit: tamquam in superioribus domus suae, id est corporis sui et supra mundum posita divina intuetur et ad aeterna se elevat, ut deo adsit [. . .]. – „Aber sie sucht selbst lieber das Licht: Als ob sie sich im obersten Geschoss ihres Hauses, das bedeutet ihres Körpers, und über der Welt aufhält, schaut sie die göttlichen Dinge und hebt sich zu den ewigen Dingen empor, sodass sie nahe bei Gott sein kann [. . .].“ 216  Vgl. exp. Ps. 118,17,27: inluminat dominus sanctos suos et lucet in corde iustorum. – „Der Herr erleuchtet seine Heiligen und strahlt im Herzen der Gerechten.“

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im Sinne eines Glaubenszeugnisses strahlt.217 Tugenden und Erkenntnis hängen – das hat Ambrosius in bon. mort. 5,18 gezeigt – als Voraussetzungen für den Aufstieg eng zusammen. Das geistige Sehen des Menschen aber wird auf Erden getrübt bleiben, worauf Ambrosius im weiteren Verlauf noch zu sprechen kommt. (7*)  Die Anschauung Gottes: Der Höhepunkt der contemplatio ist die visio Dei, die intellek­ tuelle Vereinigung mit dem Einen.

Es ist nicht genau festzustellen, ob Ambrosius hier den Vereinigungsgedanken einer expliziten Mystik vor Augen hat oder aber auf das den competentes bevorstehende Ereignis der Taufe im Sinne einer sakramentalen Eingießung des verbum in den Gläubigen anspielt, wie es Ernst Dassmann für de Isaac vel anima vertritt.218 Ist auf der fünften Stufe der mystische Tod gemeint, den Ambrosius mit der Taufe gleichsetzt, die das Leben des Christen erst beginnen lässt und nach einer Entwicklung ruft, dann ist es nicht unwahrscheinlich, dass Ambrosius doch die  – zumindest punktuelle – visio Dei vor Augen hat. Ein dauerhaftes Schauen Gottes facie ad faciem bleibt aber dem Seligkeitszustand im Himmel vorbehalten. Es spricht Einiges dafür, dass Ambrosius das vierte Buch Esra herangezogen hat, um den Aufstieg der Seele nach neuplatonischem Vorbild zu illustrieren. Der Unterschied aber zum plotinischen System zeigt sich im Verweis auf die Vermittlung des Aufstiegs. Dass die Beschreibung des postmortalen Schicksals der Seele ihren Sitz im Leben der Katechese hat, wird dadurch unterstützt, dass Ambrosius den Taufbewerbern das christliche Leben in Ausrichtung auf Gott einschärft: abhinc induamus huiusmodi studium, ut adpropinquet anima nostra deo, adpropinquet oratio, adhaereat illi nostrum desiderium, non separemur ab eo.219 Meist wird das von Ambrosius gesetzte abhinc an dieser Stelle temporal übersetzt,220 doch scheint eine kausale Deutung hier angemessener: Dieser Erkenntnis des mystischen Aufstiegs „folgend“ bzw. „aufgrund“ dieses Aufstiegsgedankens221 soll sich der Christ im Leben und Handeln, im Denken und Gebet Gott nähern: Et hic quidem positi meditando legendo quaerendo copulemur deo, cognoscamus eum ut possumus. Ex parte enim hic cognovimus, quia hic inperfecta, illic perfecta omnia, hic parvuli illic robusti.222 217

 Vgl. Dassmann, Die Frömmigkeit des Kirchenvaters Ambrosius von Mailand, 193 f.   Vgl. a. a. O., 196 – 198. 219   Bon. mort. 11,49: „Darum wollen wir solchen Eifer annehmen, dass sich unsere Seele Gott nähere, dass sich unser Gebet ihm nähere, dass unser Wünschen ihm anhänge und wir nicht von ihm getrennt werden.“ 220   Vgl. die Übersetzungen Josef Huhn, Ambrosius. Der Tod – ein Gut, CMe 44, Freiburg i. Br. 1992, 69: „von jetzt an laßt uns eifrig bemühen“ und Wiesner, Ambrosii De bono mortis, 143: „let us henceforth put on this kind of desire“; 221   Vgl. den Gebrauch von abhinc in exp. Ps. 36,64,2: denique abhinc vide in praeceptis sanctum prophetam assurgere. – „Sieh hieraus schließlich den heiligen Propheten in den Geboten erstehen.“ 222   Bon. mort. 11,49: „Solange wir hier weilen, wollen wir durch Betrachten, Lesen und Suchen uns mit Gott vereinen, wir wollen ihn erkennen, so gut wir können. Denn wir erkennen ihn hier nur zum Teil, da hier alle Dinge unvollkommen, dort alles vollkommen ist, da hier alles kindlich ist, 218

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Ambrosius betont die asketische Konzentration auf das Unkörperliche und NichtIrdische durch Kontemplation und die Ausrichtung auf Gott. Er geht aber nicht davon aus, dass ein solches Herantreten an Gott unter der Voraussetzung der Verbindung der Seele mit dem Körper in Vollkommenheit möglich sei, da der defektive Zustand der Fleischlichkeit und Unwürdigkeit eine solche Erkenntnis verhindert. Es muss, entsprechend der siebten Stufe des processus claritatis, bei der Freude über das zukünftige Schicksal und einem nur punktuellen Schauen Gottes bleiben. Als Ursache dafür gibt Ambrosius die grundverkehrte Situation des gefallenen Menschen an: quis enim iustificatur in conspectu dei, cum unius quoque diei infans mundus a peccato esse non possit et nemo possit de sui cordis integritate et castimonia gloriari?223

Kein Mensch, nicht einmal der Säugling, ist frei von Sünde und darum rein vor Gott, weswegen eine Erkenntnis nur ex parte möglich ist. Ambrosius vertritt hier die Lehre einer Verderbnis der gesamten menschlichen Natur. Auch wenn Ambrosius den Begriff des peccatum originale, den Augustinus geprägt hat, nicht verwendet und nur selten von den peccata hereditaria spricht, findet sich hier die Vorstellung einer erblichen Sünde, die den Menschen von seiner Zeugung an durch seine Teilhabe an der menschlichen Natur korrumpiert. Diese Tendenz findet sich auch in der Rede über die Auferstehung: Quid enim nobis miserius, qui tamquam spoliati et nudi proicimur in hanc vitam, corpore fragili, corde lubrico, inbecillo animo, anxii ad sollicitudines, desidiosi ad labores, proni ad voluptates?224

dort alles von großer Kraft.“ Völlige Blindheit dagegen müssen die Ungetauften erdulden. Erst in der Taufe wird dem Gläubigen ein Teilwissen mitgeteilt und die Möglichkeit des Sehens gegeben, vgl. sacr. 3, 2, 15: Isti, lavisti, venisti ad altare, videre coepisti, quae ante non videras. Hoc est: per fontem domini et praedicationem dominicae passionis tunc aperti sunt oculi tui. Qui ante corde videbaris esse caecatus, coepisti lumen sacramentorum videre. – „Du bist eingetreten, hast dich gewaschen, bist zum Altar gekommen, hast begonnen zu sehen, was du vorher nicht gesehen hattest. Das bedeutet: durch die Quelle des Herrn und die Predigt des Leidens des Herrn sind deine Augen nun geöffnet. Du, der du vorher im Herzen scheinbar blind warst, hast nun begonnen, das Licht der Sakramente zu sehen.“ 223   Bon. mort. 11,49: „‚Wer ist nämlich gerecht in den Augen Gottes‘ (Ps 142,2), wenn selbst ein einen Tag altes Kind nicht rein von Sünde sein kann und niemand sich der Lauterkeit und Reinheit seines Herzens rühmen kann?“ 224   Exc. Sat. 2,3: „Was gibt es denn Armseligeres als uns, die wir gleichsam aller Dinge beraubt und nackt in dieses Leben geworfen werden, mit einem zerbrechlichen Körper, mit einem leicht zu beeinflussenden Herzen, mit einem schwachen Geist, voller Angst vor den Sorgen, voller Überdruss angesichts der Mühen, mit dem Hang zur Wollust?“ Vgl. auch myst. 6,32: mundus erat Petrus, sed plantam lavare debebat; habebat enim primi hominis de successione peccatum, quando eum subplantavit serpens et persuasit errorem. ideo planta eius abluitur, ut hereditaria peccata tollantur; nostra enim propria per baptismum relaxantur. – „Petrus war rein, doch musste er sich die Fußsohle waschen lassen. Er hatte nämlich durch die Abkunft vom ersten Menschen die Sünde an sich, nachdem diesen die Schlange zu Fall gebracht und zum Fehler überredet hat. Darum wird seine Fußsohle gewaschen, damit die ererbten Sünden beseitigt werden. Unsere eigenen werden nämlich durch die Taufe aufgelöst.“

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

Dagegen finden sich aber auch Stellen, an denen Ambrosius eine Schuld der Kleinkinder ausschließt, wie etwa in dem Traktat de paradiso: parvulus sine ullo est crimine praevaricationis et culpae225. Auch im Falle des Todes seien sie, so Ambrosius, vor der Verdammnis sicher.226 Ambrosius unterscheidet zwischen der Schwere der eigenen Sünden und der Adamssünde, was sich auch im doppelten Ritus wiederfindet: in der Taufe, die von den eigenen Sünden reinwäscht, und in der Fußwaschung, die die Sünde Adams entfernt: alia est iniquitas nostra, alia calcanei nostri, in quo Adam dente serpentis est vulneratus et obnoxiam hereditatem successionis humanae suo vulneri dereliquit, ut omnes illo vulnere claudicemus.227 4.11 Das Land der Lebendigen (bon. mort. 12,52 – 54) Der letzte Abschnitt des Traktats ist stark geprägt vom Predigtstil des Ambrosius: In kurzen Hortativen fordert Ambrosius mit aufmunternden Worten zum „unverzagten“228 Annähern an Christus auf, der als redemptor angesprochen wird. Die Erlösungstat Christi hat die Todesfurcht destruiert, sodass Ambrosius nun zu einem furchtlosen, den Tod als bonum beurteilenden Leben aufrufen kann, das – cum dies advenerit229 – ins Paradies führt. Unter Verwendung einer Vielzahl von Schriftbelegen und ‑anspielungen zeichnet Ambrosius das Bild eines Zwischenzustandes, das die Grenzen zwischen Vorläufigkeit und Vollkommenheit zerfließen lässt. Die Gläubigen werden von dem concilium patriarchum, dem coetus sanctorum und dem conuentus iustorum erwartet. Die Kluft des Gerichtes scheint überwunden und die Ruhe vollkommen. Doch mehrere Aspekte dieser Schilderung des postmortalen Aufenthaltsortes der Seele legen immer noch nahe, dass es sich lediglich um das refrigerium interim handelt: ibimus et ubi sinum suum Abraham sanctus expandit, ut suscipiat pauperes, sicut suscepit et Lazarum, in quo sinu requiescunt qui in hoc saeculo gravia atque aspera pertulerunt.230 225

  Par. 6,31: „Das kleine Kind ist frei von jeglichem Vorwurf einer Übertretung und Schuld.“  Vgl. Abr. 2,11,48: habeant tamen illam opertam poenarum immunitatem. – „Sie haben jene offensichtliche Straffreiheit.“ Zum Konzept einer vererbten Sünde bei Ambrosius vgl. Pier Franco Beatrice, The Transmission of Sin. Augustine and the Pre-augustinian Sources, New York 2013, 142 – 157 und Andrew Lenox-Conyngham, Sin in St. Ambrose, StPatr 18 (1985), 173 – 177. 227   Exp.  Ps.  48,8: „Das eine ist unsere Sündhaftigkeit, das andere die Sündhaftigkeit unserer Ferse, an der Adam vom Zahn der Schlange verletzt worden ist und durch seine Wunde das Erbe dieser Schuld der menschlichen Nachkommenschaft hinterlassen hat, sodass wir alle in jener Wunde gelähmt sind.“ 228  Vgl. bon. mort. 12,52: intrepide pergamus ad redemptorem nostrum Christum. – „Lasst uns unverzagt zu unserem Erlöser Christus eilen!“ Hier nimmt Ambrosius fast wörtlich die Freude der siebten Stufe auf, vgl. bon. mort. 11,48: sine trepidatione laetantur festinantes vultum eius uidere. – „Ohne Zagen freuen sie sich und eilen, das Antlitz Gottes zu sehen.“ 229   Bon. mort. 12,52: „wenn der Tag kommt.“ Hier ist der Tag des (leiblichen) Todes gemeint. 230   Bon. mort. 12,52: „Wir werden dorthin gehen, wo der heilige Abraham seinen Schoß ausbreitet, um die Armen aufzunehmen, so wie er den Lazarus aufnahm (vgl. Lk 16,23). In diesem Schoß 226

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Der Schoß Abrahams hat schon in der Rezeption bei früheren Kirchenschriftstellern den Charakter eines status intermedius.231 Auch Ambrosius glaubt an die Existenz des sinus als realen Ort,232 der unter der Voraussetzung des Heilsgeschehens Christi zum paradiesischen Warteraum wird, in dem die Seelen die vorläufige quies mortis genießen.233 Auch der Kontext in bon. mort. 12,52 f. weist in die Richtung eines Zwischenzustandes. So finden sich in der Beschreibung der zu erwartenden Seligkeit neben der Begegnung mit den Patriarchen auch Adam und der Schächer aus Lk 23,43: Ibimus [. . .] ubi et latro ipse regni caelestis consortio gratulatur.234 Wenn man die ambrosianische Auslegung der Worte Jesu an den Schächer in ep. 19 (71) bedenkt, wird der Charakter der Paradiesszenerie deutlich.235

ruhen diejenigen, die in der Welt schwere und widrige Dinge ertragen haben.“ Der Schoß Abrahams ist ein beliebtes und häufig gebrauchtes Motiv in der Eschatologie des Ambrosius, bei dem er auf die Perikope des armen Lazarus (Lk 16,19 – 31) und deren Rezeption mehrerer Kirchenautoren zurückgreift. 231   Schon in Lk 16,19 – 31 bleibt unklar, ob mit dem Schoß Abrahams ein Zwischenzustand oder eine endgültige Seligkeit gemeint ist, wohingegen in der patristischen Auslegungstradition der Stelle verstärkt auf den Wartecharakter bzw. das refrigerium interim hingewiesen wird. Vgl. Iren. adv. haer. 2,34,1: Per haec enim manifestissime declaratum est [. . .] dignam habitationem unamquamque gentem percipere etiam ante iudicium. – „Dadurch ist nämlich auf offensichtliche Weise klar, [. . .] dass jegliches (Menschen‑)Geschlecht vor dem Gericht eine ihm würdige Wohnstätte erhält.“ So auch Tert. an. 55,2. Zur weiteren Rezeption von Lk 16,19 – 31 in der patristischen Literatur vgl. ­Andreas Merkt, Abrahams Schoß. Ursprung und Sinngehalt eines antiken christlichen Jenseitstopos, in: Walter Ameling (Hg.), Topographie des Jenseits. Studien zur Geschichte des Todes in Kaiserzeit und Spätantike, Altertumswissenschaftliches Kolloquium 21, Stuttgart 2011, 35 – 48. Zur Gliederung des Jenseits bei Ambrosius siehe unter A.II. 232  Ambrosius sieht im sinus bzw. gremium Abrahae an manchen Stellen einen seelischen Zustand im mystischen Sinne, vgl. exc. Sat. 2,101: Sequamur Abraham moribus, ut nos recipiat in gremium suum et tamquam Lazarum suae humilitatis heredem propriis circumfusum virtutibus pio foveat amplexu. Non enim nos in gremio corporali, sed in quodam bonorum factorum amictu sancti patriarchae probata deo successio fovet. – „Folgen wir der Lebensart des Abraham, damit er uns in seinem Schoß aufnehme und wie Lazarus, den Erben seiner Demut, der umgeben ist von seinen eigenen guten Taten, wärme in seiner väterlichen Umarmung. Denn wir werden nicht in seinem tatsächlichen Schoß liegen, sondern unsere Nachfolge, die Gott gefällt, wird uns in einer Art Umhang aus guten Taten warm halten.“ 233   Der Schoß Abrahams war nach Ambrosius’ Lehre zunächst der Aufenthaltsort der gerechten Seelen als Teilregion der Unterwelt, in der sämtliche Seelen warteten, bevor Christus den Zugang zum Paradies wieder geöffnet und bei seinem descensus ad inferos die gerechten Seelen befreit hat. 234   Bon. mort.  12,53: „Wir werden dorthin gehen, [. . .] wo auch der Schächer sich über die himmlische Gemeinschaft freut.“ 235   Ep. 19,8 (71): Unde et latroni illi confitenti dicitur: Amen, amen dico tibi, hodie me cum eris in paradiso. Ille dixerat: Memento mei, cum veneris in regnum tuum. Christus non de regno respondit, sed ad causam: Hodie me cum eris in paradiso; id est: reformandum est ante quod amissum est, postea conferendum id quod augendum est, ut per paradisum ad regnum perveniatur, non per regnum ad paradisum. – „Darum wird auch zu jenem bekennenden Räuber gesagt: ‚Amen, amen, ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradies sein‘ (Lk 23,43). Jener hatte gesagt: ‚Erinnere dich an mich, wenn du in dein Reich kommst‘ (Lk 23,42). Christi Antwort handelte nicht vom Reich, sondern bezog sich auf den Sachverhalt. ‚Heute wirst du mit mir im Paradies sein‘, das bedeutet: Es muss

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

Ambrosius stellt sich das Paradies in Abgrenzung zum regnum als interme­diäre Durchgangsstation vor, die der Schächer durchlaufen muss, bevor er nach dem Gericht in das Reich Gottes eintritt. Daraus kann gefolgert werden, dass der Aufenthalt dieses Schächers im Schoß Abrahams auch in de bono mortis auf jenen paradiesischen Zustand verweist. Schließlich wird auch Adam genannt, der im Paradies die vorläufige Seligkeit genießt.236 In de bono mortis ist Ambrosius offenbar daran gelegen, den Wartezustand zwischen Tod und Gericht zu verdecken. Er stellt mit rhetorischen Mitteln seinen Zuhörern den unmittelbaren vollkommenen Lohn in Aussicht, der die Märtyrer erwartet, um so auf effektivste Weise bei den Zuhörern für sein Ziel der Tröstung einzutreten und eventuelle Ängste vor postmortalen Strafen zu verhindern. 4.12 Der Aufstieg durch Christus (bon. mort. 12,55 – 57) Den Weg zur Vollkommenheit findet der Gläubige in Christus, der von dieser Stelle an bis zum Ende des Traktats im Vordergrund steht. Ambrosius wendet sich in einem Gebet an Christus, dessen Göttlichkeit er nochmals hervorhebt, indem er die Einheit von Vater und Sohn durch den Zusammenfall ihres Willens bestätigt: sequimur te, domine Iesu: sed ut sequamur accerse, quia sine te nullus ascendet. tu enim via es, veritas vita possibilitas fides praemium. suscipe tuos quasi via, confirma quasi veritas, vivifica quasi vita. pande illud tuum bonum, quod videre desiderabat David inhabitans in domo domini [. . .]. pande ergo illud vere bonum tuum, illud divinum, in quo et vivimus et sumus et movemur. [. . .] demonstra nobis illud quod est bonum, simile sui, semper indissolubile atque inmutabile, in quo simus aeterni in agnitione omnis boni.237

Drei Offenbarungen werden von Christus erbeten, die das illud tuum bonum bzw. illud vere bonum betreffen. Durch die Wortwahl zeigt sich, dass Ambrosius in platonischer Sprache eine christliche visio Dei erbittet, die von der Offenbarungskraft

erst wieder hergestellt werden, was verloren war, und dann muss zusammengebracht werden, was vergrößert werden muss, sodass man durch das Paradies zum Reich kommt, nicht durch das Reich zum Paradies.“ Diese Differenzierung zeigt sich etwa auch in par. 1,5, vgl. Dudden, The Life and Times of St. Ambrose, 653 f. 236  Vgl. bon. mort. 12,52: ibimus eo, ubi paradisus iocunditatis est, ubi Adam, qui incidit in latrones, nescit iam vulnera sua flere [. . .]. – „Wir werden dorthin gehen, wo die Freude des Paradieses herrscht, wo Adam, der unter die Räuber fiel, seine Wunden nicht mehr zu beweinen weiß [. . .].“ Ambrosius zählt auch sonst Adam nicht zu den Heiligen. 237   Bon. mort. 12,55: „Wir folgen dir, Herr Jesus. Aber damit wir dir folgen können, rufe uns zu dir, da niemand ohne dich aufsteigen kann. Denn du bist der Weg, die Wahrheit, das Leben, die Macht, der Glaube und der Lohn. Nimm die Deinen mit wie der Weg, bestärke sie wie die Wahrheit, schenke ihnen Leben wie das Leben. Offenbare uns jenes Gut von dir, das David sehen wollte, als er das Haus des Herrn bewohnte [. . .]. Offenbare darum jenes wahre Gut von dir, jenes Göttliche, in dem wir leben und sind und uns bewegen (vgl. Offb 17,28). [. . .] Zeige uns jenes, das gut ist, das sich selbst ähnlich ist, stets unauflöslich und unveränderlich ist, damit wir in ihm seien in der Erkenntnis des gesamten ewigen Gutes [. . .].“

III. Der Traktat über den Tod

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Christi abhängig ist.238 Die Betonung der Mittlerschaft Christi ist eine Wendung gegen die neuplatonische Besinnung auf die Autonomie des Menschen und die damit einhergehende Ablehnung einer gnadenhaften Erlösungslehre.239 Maria MacLean Kiely zeigt, dass sich Ambrosius einer rivalisierenden neuplatonischen Gottesvorstellung, die in der Mailänder Gesellschaft verbreitet gewesen sei, entgegenstellt, die ohne Inkarnation, Tod und Auferstehung Christi auskommt.240 Gerade dieses Vakuum der absoluten Unbestimmtheit des neuplatonischen Einen konfrontiert er zum Schluss des Traktats mit einer Besinnung auf das Heilsgeschehen und seine Auswirkung auf den Gläubigen – nicht in Form der Erkenntnis allein, sondern in Form des Glaubens an Christus als Grundbedingung für den Weg in die eschatologische regio vivorum. In einem abschließenden Mosaik biblischer Zitate und Anspielungen241 richtet sich Ambrosius’ Blick wieder auf seine Zuhörer, auf das Hier und Jetzt, das er als regio mortuorum bezeichnet. Das von Sünde und Unreinheit geprägte Dasein ist ein Sterben im Leben, die mors peccati. Die Nichtgläubigen bauen folglich nur zu den vergänglichen Dingen, und somit dem Tod, Beziehungen auf:242 et qui infideles sunt descendunt in infernum viventes: etsi nobis cum videntur vivere, sed in inferno sunt.243 Die Heiden nehmen damit ihr zukünftiges Schicksal vorweg und erfahren bereits im Leben die Hölle. Im Gegensatz dazu müssen die Gläubigen Christus, das Leben an sich, im Glauben berühren, damit sie bereits jetzt ihr Schicksal des ewigen Lebens

238  Vgl. MacLean Kiely, Ambrose the Pastor and the Image of the ‚Bride‘, 266: „Clearly ­Ambrose describes here the Christian vision of God and blessedness in Heaven in terms of the Platonic good. The petitions, however, are substantiated with texts from Scripture, mainly from the psalms; and Ambrose mentions David by name as the great and primary seeker of the Good, the authoritative paradigm.“ Ähnliche Begriffe finden sich in einer Meditation über Christus als das höchste Gut, die Ambrosius dem Laien Irenäus zukommen lässt, wobei er auf Plot. enn. 1,6 zurückgreift, vgl. ep. 11,1 (29): vere nihil speciosius illo summo bono. – „es gibt wahrlich nichts Schöneres als jenes höchste Gut.“ 239   Zur Ablehnung einer plotinischen Gnadenlehre vgl. Volker H. Drecoll, Der Neuplatonismus, in: Ders. (Hg.), Augustin Handbuch, Stuttgart / Tübingen 2014, 72 – 85, 80 f.: „Das Eine führt nicht von sich aus handelnd bestimmte Seelen bzw. Menschen zur Einung, sondern gewährt denen, die von sich aus den richtigen Weg eingeschlagen haben und sich weit genug gereinigt und vorbereitet haben, gleichsam natürlich und automatisch das Erreichen des Einen, in dem die Individualität des Betrachters ebenso verschwindet wie der Gegensatz von Handeln und Erleiden. Von einer ‚plotinischen Gnadenlehre‘ ist daher nicht auszugehen, vielmehr von einem grundsätzlichen Optimismus, demzufolge der Mensch, orientiert er sich an dem, was in ihm das Beste ist, den Aufstieg zum Guten erreichen kann.“ 240  Vgl. MacLean Kiely, Ambrose the Pastor and the Image of the ‚Bride‘, 266 f. Als Folie legt Kiely Plot. enn. 3,8,11 zugrunde, wo die Schau des Guten als Erkenntnis der Natur beschrieben wird. Ambrosius begegnet dieser Erkenntnismöglichkeit mit der Konzentration auf das sakramentale Sehen Gottes, vgl. sacr. 3,2,15. 241   Maria MacLean Kiely bezeichnet das Ende als „final crescendo and cadence“, a. a. O., 268. 242   So auch schon bon. mort. 3,10. 243   Bon. mort. 12,56: „und diejenigen, die Ungläubige sind, fahren zu Lebzeiten hinab in die Hölle. Obwohl sie den Anschein machen, mit uns zu leben, sind sie aber in der Hölle.“

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

vorwegnehmen.244 In der Einübung des Todes im Sinne einer täglichen Aufgabe erlangt der Mensch die Vereinigung mit Gott, von der auch Plotin mit dem Bild der Berührung spricht.245 Für Ambrosius aber besteht das „Berühren“ nicht nur in geistiger Erkenntnis, sondern auch in der Anbetung und Unterwerfung unter Christus. Auf diese Weise kann Ambrosius den Tod vom Schicksalsereignis, das Trost nötig macht, in die Frömmigkeit des täglichen Lebens überführen.246 Und so endet der Traktat de bono mortis mit einer Aufforderung an die competentes, ihr Leben an Christus als Orientierungspunkt auszurichten: nos eum in temporum fine quaeramus et conplectamur pedes eius et adoremus eum, ut dicat et nobis: nolite timere, id est nolite timere a peccatis saeculi [. . .]. ego sum peccatorum remissio. nolite timere a tenebris: ego sum lux. nolite timere a morte: ego sum vita. quicumque ad me venit mortem non videbit in aeternum, quoniam ipse est plenitudo divinitatis et ipsi est decus gloria perpetuitas a saeculis et nunc et semper et in omnia saecula saeculorum.247

Der Zuspruch des Auferstandenen an die Frauen am Grab: „Fürchtet euch nicht“ (Mt 29,9 f.), bildet das Ziel der Tröstung. Der Vers richtet sich nun nicht mehr nur an die biblischen Figuren, sondern an die competentes und alle anderen Zuhörer. Er bezieht sich auf die Todesfurcht, die durch das sündenvergebende Werk Christi aufgehoben ist.

5. Zusammenfassung Der Traktat de bono mortis richtet sich an ein gebildetes Publikum, das sich einerseits aus katechetischen Schülern, also Konvertiten heidnischen Hintergrunds, und andererseits aus einer offenen Zuhörer- und Leserschaft zusammensetzte, das über Grundkenntnisse der Philosophie verfügen musste. Auf unterschiedlichen Ebenen legt Ambrosius eine Deutung des Todes vor, die dazu führen soll, jegliche Furcht vor dem Sterben abzulegen. Es ist deutlich geworden, wie Ambrosius mit steigender 244   Ambrosius schildert mehrmals die „Berührung“ Christi, wobei er die Erzählung der Heilung der blutflüssigen Frau (Lk 8,48) zugrunde legt, vgl. exp. Ps. 40,39,3; exp. Luc. 6,57; 10,155 und virginit. 4,15. 245  Vgl. Kirchner, Dem Göttlichen ganz nah, 99 – 102 mit Hinweis auf das „geistige Berühren“ (νοερῶς ἐφάψασθαι, Plot. enn. 5,3,17) des Einen durch die Seele als Akt der intellektuellen Schau, bei der sich die Seele aus der Aktivität des Rufens in die Passivität des Sich-Berühren-Lassens durch das aktive Eine wandelt. 246  Vgl. Dassmann, Die Frömmigkeit des Kirchenvaters Ambrosius von Mailand, 228 f. 247   Bon. mort. 12,57: „Wir wollen ihn am Ende der Zeiten suchen, wir wollen seine Füße umfassen und ihn anbeten, damit er auch zu uns sage: ‚Fürchtet euch nicht‘ (Mt 28,9), das heißt, fürchtet euch nicht vor den Sünden der Welt [. . .]. Ich bin die Nachlassung der Sünden. Fürchtet euch nicht for der Finsternis, ich bin das Licht. Fürchtet euch nicht vor dem Tod, ich bin das Leben. Wer zu mir kommt, ‚der wird den Tod nicht schauen in Ewigkeit‘ (Joh 8,51), denn er selbst ist die Fülle der Gottheit und ihm ist Ruhm, Ehre und Unvergänglichkeit jetzt und immer und in alle Ewigkeit. Denn er ist selbst die Fülle der Gottheit und ihm gereicht Ruhm, Ehre und Unvergänglichkeit von aller Welt Anfang, jetzt und immerdar und in alle Ewigkeit.“

III. Der Traktat über den Tod

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Intensität einer philosophischen Basis christliche Elemente hinzufügt, die im Verlauf der Schrift die Oberhand gewinnen. In dem Traktat zeigt Ambrosius damit die Verschmelzung von Philosophie und Theologie auf engstem Raum. Mit einer Vielzahl an Schriftzitaten untermauert Ambro­sius die traditionellen philosophischen Trostargumente, die er aus den Dialogen Platons, den Enneaden Plotins, den philosophischen Traktaten Ciceros, der Trostliteratur Senecas und weiteren paganen Werken übernimmt. Der Tod muss nicht gefürchtet werden, da jeder Mensch ihn erwarten muss. Als Befreier der Seele aus dem irdischen Körper ist er ein positives Phänomen. Indem der Mensch versucht, dieses Phänomen der Trennung in sein Leben zu integrieren, den Tod im Leben zu sterben, kann er die Seele befreien und zu ihrer eigentlichen Kontrolle über den Körper befähigen. Ambrosius erscheint hiermit als Gelehrter, der vor allem den neuplatonistischen Gedanken Plotins, die die Seele und das Gute betreffen, folgt: Die Seele strebt selbst dem Einen zu und erreicht den Aufstieg durch die in Übung stattfindende Reinigung und Ablösung vom Körper. Mit seiner Differenzierung dreier Gattungen des Todes, des natürlichen Todes, des Sündentodes und des mystischen Todes, kann Ambrosius die philosophischen Konzepte allerdings überbieten. Der philosophischen Einübung des Todes setzt er den Tauftod entgegen, in dem der Gläubige sein altes, sündhaftes Leben verliert und ein neues Leben in Christus annimmt. Diese Annahme ist der adventus Chrisi in mentem, der die Seele des Gläubigen für den Aufstieg zu Gott vorbereitet. Die vollkommene visio Dei erreicht der Glaubende dabei zwar erst im Tod, im Falle des Gerechten aber kann auch im Diesseits die Möglichkeit durch Christus sich dem Einen zu nähern. Während allerdings die plotinische Philosophie den Menschen auf ἄσκησις und Spekulation allein verweist, bietet Ambrosius der Menschheit insgesamt den Weg des Glaubens, nämlich durch Christus als Wahrheit. Die Überbietung der Philosophie durch die Theologie, autorisiert durch den Altersbeweis, verstärkt sich dabei im Traktat immer mehr. Vor allem in der Rezeption des paulinischen Denkens von der Erneuerung des inneren Menschen durch die Vernichtung des äußeren und des Taufgeschehens, das heißt des „Sterbens mit Christus“, als Ersatz für die praemeditatio mortis beweist Ambrosius die Bewältigung der Spannung zwischen Anpassung und Innovation, um den Christen bzw. Interessierten seiner Zeit eine anschlussfähige, attraktive und auf Bekanntes zurückgreifende Theologie zu bieten. Diese stellt den zuhörenden Taufanwärtern eine postmortale Zukunft vor Augen, die im fast völligen Verschwimmen der Grenzen zwischen Interim und Eschaton, zwischen Vorgeschmack und Vollkommenheit, ein Bild der Glückseligkeit darstellt, sodass heidnische Strafvorstellungen in den Schatten gestellt werden und auch frühere christliche Vorstellungen eines Seelenschlafes durch die positive Schilderung des Paradieses und das besondere Inte­ resse am Schicksal der Einzelseele überboten werden.248 Somit kann das tugendhafte 248   Tertullian etwa interessiert sich kaum für die Einzelseele. Der Raum zwischen Tod und Auferstehung der Toten erscheint in seinem Denken angesichts der Betonung der eschatologischen

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A. Theoretische Grundlegungen der consolatio mortis

Leben zum Mittel werden, eine solche Glückseligkeit zu erreichen. Während Ambrosius den Traktat mit konsolatorischen Methoden philosophischer Systeme beginnt, lässt er ihn schließlich in der Konzentration auf Christus, den Mittler des Seelenaufstiegs und der postmortalen Seligkeit, gipfeln. Er bietet damit ein Gegenkonzept zum von äußerer Hilfe unabhängigen, unvermittelten Seelenaufstieg, wie ihn Plotin lehrt, und erläutert am Tod die Wirkung und Bedeutung der Taufe sowie der postbaptismalen Christusnachfolge. Der natürliche Tod kann, wie zu Beginn des Traktats in Aussicht gestellt, getrost als Gut angesehen werden, da er das „Sein mit Christus“ ermöglicht. Ambrosius integriert somit den Tod in das Frömmigkeitsleben der Gemeinde. Nicht mehr das zu betrauernde Ereignis, das dem Menschen droht, stellt er schließlich vor Augen, sondern das menschliche Mitwirken an der Annäherung an Gott durch die tägliche Übung des Todes in Rahmen von Taufe und Lebensführung.

Ereignisse und des Schicksals der Märtyrer geradezu bedeutungslos, der Zustand der Seele entsprechend fast ein bewusstloser ist, vgl. Peter Brown, Der Preis des ewigen Lebens. Das Christentum auf dem Weg ins Mittelalter, Darmstadt 2018, 26 f.

Teil B

Praktische Anwendungen der consolatio mortis Der Teil B der vorliegenden Arbeit widmet sich sämtlichen ambrosianischen Trostschriften, die auf einen konkreten Todesfall reagieren. Dies sind die zwei Leichenreden für den Bruder des Ambrosius, die Verarbeitung des Todes Kaiser Gratians innerhalb der Psalmenauslegung zum Ps 61, die Leichenreden für Valentinian II. und Theodosius sowie die Trostbriefe an die Bischöfe der Provinz Macedonien und an Faustinus. Diese Gelegenheitsschriften sind in hohem Maße von der historischen Situation abhängig. Darum werden vor der detaillierten Untersuchung jeder Schrift der zeitgeschichtliche Hintergrund sowie das Anliegen, das Ambrosius in dem jeweiligen Werk verfolgt, erläutert.

I. Die erste Leichenrede für Satyrus: De excessu fratris Satyri liber primus 1. Einleitung Der erste Anlass, zu dem Ambrosius den Umgang mit dem Tod reflektiert, könnte kaum persönlicher sein: Es war der Tod des eigenen Bruders, mit dem der Bischof eine äußerst enge Verbundenheit pflegte. Ambrosius wandte sich zweimal an die Trauergemeinde, wobei er unterschiedliche Schwerpunkte legte. Bei der ersten Rede, die wohl noch am selben Tag stattfand, an dem Satyrus verstarb, bot er ein eindrucksvolles Zeugnis der emotionalen Verarbeitung des Todes eines geliebten Menschen. Sieben Tage später versammelte sich die Trauergemeinde erneut und hörte eine theoretische Erörterung des Themas der Auferstehung. Die zwei Reden, die Ambrosius für seinen verstorbenen Bruder hielt, sind die ­ersten erhaltenen Leichenreden in lateinischer Sprache überhaupt1 und gehören gleichzeitig zu den frühesten Texten des nur wenige Jahre zuvor zum Bischof gewählten Ambrosius, der hier die Tradition der römischen laudatio funebris erstmals für den christlichen Kontext adaptiert.2 Wie Ambrosius mit diesem Erbe umgeht und wie er das Thema des Todestrosts vor seinen Zuhörern theologisch einsetzt, soll im Folgenden untersucht werden. Ambrosius äußert sich in seinen anderen Werken nicht zu seinem Bruder; so müssen biographische Informationen zu Satyrus ausschließlich den beiden Reden entnommen werden.3 Uranius Satyrus war der ältere Bruder des Ambrosius und genoss wohl dieselbe Ausbildung in Rom. Nach 365 gingen die Brüder gemeinsam nach Sirmium, um am Gerichtshof der Provinzverwaltung als Juristen zu arbeiten. Ambrosius deutet an, dass, als er selbst im Jahr 370 zum Provinzstatthalter in Mailand ernannt wurde, Satyrus einen ähnlichen Posten als Präfekt innehatte.4 Diesen 1  Vgl. Kierdorf, Laudatio funebris, 82. Neben den Reden des Ambrosius und wenigen Fragmenten weiterer lateinischer Leichenreden ist nur die laudatio Turiae, eine römische Inschrift aus der Zeit des Augustus, überliefert. Zu jener Leichenrede vgl. Dieter Flach, Die sogenannte Laudatio Turiae. Einleitung, Text, Übersetzung und Kommentar, TzF 58, Darmstadt 1991. 2   Zur Datierung der Reden für Satyrus siehe unter B.I.2. 3   In der zweiten Rede tritt die Person des Satyrus allerdings sehr stark in den Hintergrund, sodass keine weiteren dienlichen Informationen zu seiner Charakterisierung entnommen werden können. 4   Von diesem Hintergrund ist auszugehen, da Ambrosius die eloquentia erwähnt, die Satyrus in den Gerichtshöfen der Präfektur zeigte, vgl. exc. Sat. 1,49: Quam incredibili admiratione in auditorio praefecturae sublimis emicuit. – „Mit welch unglaublicher Bewunderung glänzte er im Saal der erhabenen Präfektur.“ Es ist allerdings nicht zu erkennen, in welcher Provinz Satyrus dieses Amt innehatte.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

gab Satyrus allerdings auf, als sein jüngerer Bruder am 7. Dezember 374 zum Bischof ernannt wurde, und kam nach Mailand, um Ambrosius in Verwaltungsangelegenheiten der Mailänder Kirche zu unterstützen.5 Sein Tod steht im Zusammenhang mit einer im Rahmen dieser Verwaltungstätigkeiten unternommenen Reise nach Nordafrika, wo Satyrus die Besitzungen der Familie inspizierte und Probleme mit einem säumigen Pächter regeln sollte.6 Auf der Rückfahrt erlitt Satyrus wahrscheinlich in der Nähe von Sardinien Schiffbruch.7 Er überlebte jedoch die Katastrophe, eilte zu einer Kirche und ließ sich taufen, nachdem er sich versichert hatte, einen rechtgläubigen, „mit den katholischen Bischöfen oder, was dasselbe ist, mit der römischen Kirche“8 in Einklang stehenden Bischof vor sich zu haben.9 Nach der Rückkehr nach Mailand erkrankte Satyrus allerdings schwer – möglicherweise an den Folgen des Schiffbruchs – und starb in den Armen seines Bruders.10 Über die weitere Familie, die Jugend, die Ämterlaufbahn, generell über Taten des Verstorbenen – die gängigen Lobestopoi der klassischen Trostrede – berichtet Am 5

 Vgl. exc. Sat. 1,20: sine offensione ulla et gubernasti fratris domum et commendasti sacerdotium.– „[. . .] ohne Ärger hast du das Haus deines Bruders verwaltet und das Bischofsamt nach außen hin beliebt gemacht.“ Ambrosius erwähnt in der Rede die beratende und verwaltende Unterstützung in Finanzfragen, beim Kirchenbau und bei der Verwaltung des familiären Erbes, vgl. Dassmann, Ambrosius von Mailand, 53 f.  6   Vgl. dazu exc. Sat.  1,8: ita in unius necessitudinis gradu complurium mihi necessitudinum officia impendebas. – „So erfülltest du mir, der du in einer Kategorie der Verwandtschaft mir verbunden warst, die Dienste vieler Verwandtschaften.“ Auf die Regelung der Verwaltungsprobleme in Afrika, die zu der Reise veranlassten, infolge derer Satyrus gestorben ist, spielt Ambrosius in exc. Sat. 1,24 – 26 an: Peregisti omnia, et ubi perfunctus omnibus revertisti, tu solus nobis, qui omnibus es praeferendus, eriperis. – „Du hast alles zur Entscheidung gebracht, und als du alle Dinge geregelt hattest und du zu uns zurückgekehrt bist, da wirst du, der du allein über allen anderen stehst, uns entrissen.“  7  Vgl. exc. Sat. 1,43: cum ea qua veheretur, navis scopuloso illisa vado, et urgentibus hinc atque inde fluctibus solveretur, non mortem metuens, sed ne vacuus mysterii exiret e vita; quos initiatos esse cognoverat, ab his divinum illud fidelium sacramentum poposcit: non ut curiosos oculos inferret arcanis, sed ut fidei suae consequeretur auxilium. – „Als das Schiff, mit dem er fuhr, auf einer klippenreichen Untiefe festfuhr und unter dem Andränge der Fluten brach, da fürchtete er nicht zu sterben, sondern ohne das Geheimnis aus dem Leben scheiden zu müssen. Darum erbat er von denjenigen, von denen er wusste, dass sie bereits Zugelassene waren, das göttliche Geheimnis der Gläubigen, nicht um einen neugierigen Blick auf das Geheimnis zu werfen, sondern um die Gnadenhilfe des Glaubens zu erlangen.“  8  Vgl. exc. Sat. 1,47: [. . .] cum episcopis catholicis, hoc est, cum Romana Ecclesia conveniret. – „[. . .] ob er mit den rechtgläubigen Bischöfen, d. h. mit der römischen Kirche übereinstimmte.“  9   Diese Erläuterung nutzt Ambrosius für kurze Polemik gegen Schismatiker, in diesem Falle die Luziferianer, die Anhänger des Lucifer von Cagliari, der trotz orthodoxen Glaubens die Gemeinschaft mit der ecclesia catholica verlassen hat. Die Erwähnung legt nahe, dass die Szene nach der Taufe auf Sardinien stattfand, dem Wirkungsort des Lucifer, vgl. Dudden, The Life and Times of St. Ambrose, 179, Anm. 4. 10  Vgl. exc. Sat. 1,27: Ex Africa redditum, ex mari restitutum, ex naufragio servatum, putabamus iam nobis non posse eripi: sed graviora naufragia in terris positi sustinemus. – „Du kamst zurück aus Afrika, warst dem Meer entkommen, aus dem Schiffbruch gerettet; wir dachten, du könntest uns nicht mehr entrissen werden. Aber, wenngleich du an Land, erleiden wir noch schwereren Schiffbruch.“

I. Die erste Leichenrede für Satyrus

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bro­sius nichts Näheres.11 Es ist zu vermuten, dass Ambrosius mit detaillierteren enkomiastischen Worten über die Herkunft und Ausbildung des Satyrus zu stark seinen eigenen Lebenslauf berührt hätte und darum, dem Bescheidenheitstopos nachkommend, diese weggelassen hat. Stattdessen betont Ambrosius das innige Verhältnis zu seinem Bruder. Wilhelm Kierdorf meint zudem in der Zurückhaltung die religiöse Verantwortung des Ambrosius zu erkennen, der aus weltanschaulichen Gründen die Selbstdarstellung in weltlichen Dingen abgelehnt habe.12 Dass das Schweigen über persönliche Angaben aber nicht allein der christliche Kontext begründet, zeigt ein Vergleich mit den Leichenreden der Kappadokier, die über Ausbildung und Werdegang der Toten detaillierte Angaben machen.13 Es ist daher ein Proprium des Ambrosius, dass Informationen über die Biographie und die Karriere des Satyrus einer religiösen Scheu Ambrosius’ vor allzu breitem Lob zum Opfer gefallen sind. Hinzu kommt, dass Ambrosius im Zuge der Edition der Reden persönliche Informationen aus der Vorlage gestrichen haben könnte, wie er es mit persönlichen Angaben bzw. situativen Details auch in den meisten anderen seiner Werke tat.14 So bleibt von der Person des Satyrus das Bild eines mustergültigen Christen zurück, der als Vorbild gelten soll, über dessen konkretes Leben die Zuhörer und Leser aber über die Schiffbruchszene hinausgehend kaum etwas en détail erfahren.

2. Zielsetzung Vor einem genaueren Blick auf die Trostelemente sollen die Anliegen, die Ambrosius mit seiner ersten Rede verfolgt, präzisiert werden. Ambrosius berichtet, dass Satyrus ihm am Totenbett das Weinen verboten habe.15 Dieses Verbot verarbeitet Ambro­ sius in der emotionalen Rede, in der er Trauer und Tränen verschiedenermaßen einordnet: als private und öffentliche Trauer. Die eigene Trauer und die eigentliche Unverfügbarkeit des Trostes nimmt er ernst und lässt zu, dass seine stoische Haltung zum Tod mehrmals von verzweifelten Ausrufen durchbrochen wird: Atque utinam [. . .] dimidiumque meorum decideret temporum, quod ad tuorum proficeret usum! [. . .] 11

  Die Empfehlungen des Menander zu γένος, φύσις, ἀνατροφή, ἐπιτηδεύματα und πράξεις übergeht Ambrosius großenteils; er betont stattdessen vor allem die pietas seines Bruders. 12  Vgl. Kierdorf, Laudatio funebris, 127. 13   Gerade in der Rede für seinen Bruder Caesarius (or. 7) betont Gregor von Nazianz weitschweifig die Karriere seines Bruders und erzählt mehrere Anekdoten, die ihn in hellstem Licht darstellen, das auch auf Gregor selbst zurückfallen musste. Ein Sonderfall unter den Reden der Kappadokier ist unter diesem Gesichtspunkt die Rede des Gregor von Nyssa zum Tod seines Bruders Basilius von Caesarea (laud. Bas.), die kaum Trost- und Klageelemente enthält, sondern fast ausschließlich lobende Aspekte aufweist. 14  Vgl. Zelzer, Zur Chronologie der Werke des Ambrosius, 87. 15  Vgl. exc. Sat. 1,15: Nam etiam cum adhuc viveres, flere prohibebas: moeroremque magis nostrum, quam tuam mortem tibi esse testabaris dolori. – „Denn schon als du noch lebtest, hast du mir verboten zu weinen. Du hast bekundet, dass unser Schmerz für dich ein größerer Schmerz sei als dein Tod.“

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Nunc vero, frater, quo progrediar, quove convertar?16 Dieser Wunsch, das Leben mit Satyrus zu teilen bzw. für den Verstorbenen auf Lebenszeit zu verzichten, zeigt den herben Verlust, den Ambrosius in der Rede verarbeitet. Sein erstes Ziel ist es also, sich selbst zu trösten. Entsprechend dem Motiv der vor allem vom Peripatos vertretenen Metriopathie-Lehre17 soll der Schmerz in der Trauerphase gemäßigt, nicht aber unterdrückt werden.18 Wie in der Forschung gezeigt werden konnte, greift Ambrosius mit dieser Strategie auf die verlorene consolatio des Cicero zurück, der dort ebenfalls in einer Art Selbsttherapie den Tod seiner Tochter Tullia verarbeitet.19 Tränen werden in der 16   Exc. Sat. 1,7 f.: „Und wenn doch [. . .] die Hälfte meiner Tage wegfallen könnte, damit sie dem Gebrauch deiner Tage zugerechnet werden könnte. [. . .] Wohin soll ich aber jetzt, mein Bruder, gehen, wohin mich wenden?“ Vgl. die Klagerede exc. Sat. 1,7 – 63. 17   Zur Lehre von der Metriopathie etwa bei Cicero, vgl. tusc. 4,38 – 46. Zur Rolle der maßvollen Trauer als Gegenüber zur stoischen Ablehnung der Affekte in der Tradition der consolatio vgl. Kassel, Untersuchungen zur griechischen und römischen Konsolationsliteratur, 24 f. und 56 f. und Johann, Trauer und Trost, 69 – 89. Auch die biblischen Bücher kennen eine Annahme des Schmerzes in Maßen, vgl. Hi 6,12; Mt 11,17 und Röm 1,31. Zur maßvollen Trauer rät Ambrosius auch in exc. Sat. 2,14 und ob. Val. 41. 18   Ambrosius lehnt sich hier an das Motiv der flendi voluptas in ihrer positiven Bedeutung an, vgl. exc. Sat. 1,21: sed tamen in ipsa mei affectione requiesco, atque hae mihi recordationes etsi dolorem renovant, tamen afferunt voluptatem. – „Aber dennoch komme ich in der Erregung selbst zur Ruhe, und auch wenn diese Erinnerungen den Schmerz erneuern, bringen sie doch Freude.“ Vgl. dazu etwa Sen. ep. 99,19: Hae lacrimae per elisionem cadunt nolentibus nobis: aliae sunt, quibus exitum damus, cum memoria eorum, quos amisimus, retractatur, et inest quiddam dulce tristitiae, cum occurrunt sermones eorum iucundi, conversatio hilaris, officiosa pietas: tunc oculi velut in gaudio relaxantur. – „Diese Tränen fallen durch den Druck, ohne dass wir es wollen. Andere Tränen gibt es, denen wir den Austritt gewähren, wenn die Erinnerung an die, die wir verloren haben, erneuert wird; und darin liegt eine Art süße Traurigkeit, wenn man sich an angenehme Worte über sie, an den freudige Umgang mit ihnen und die pflichtbewusste Verbundenheit erinnert. Dann lassen die Augen freien Lauf, als würden sie sich freuen.“ Zum Motiv der Tränen und des Weinens in der lateinischen Literatur vgl. auch Judith Hagen, Die Tränen der Mächtigen und die Macht der Tränen. Eine emotionsgeschichtliche Untersuchung des Weinens in der kaiserzeitlichen Historiographie, Stuttgart 2017. 19  Vgl. Zelzer, Ambrosius von Mailand und das Erbe der klassischen Tradition, 210 und Albers, Über die erste Trostrede des hl. Ambrosius zum Tode seines Bruders Satyrus, 24 – 52. Cicero hat in seiner consolatio ebenfalls dazu geraten, eine frische Wunde nicht allzu schnell mit Heilmitteln (remedia) zu überdecken, vgl. tusc. 4,63: etsi aegritudinis sedatio et hesterna disputatione explicata est et in Consolationis libro, quem in medio – non enim sapientes eramus – maerore et dolore conscripsimus; quodque vetat Chrysippus, ad recentes quasi tumores animi remedium adhibere, id nos fecimus naturaeque vim attulimus. – „Auch wenn wir die Stillung der Trauer im gestrigen Gespräch erklärt haben und auch in der Consolatio, die wir inmitten – wir waren nicht weise – von Trauer und Schmerz verfasst haben. Und was Chrysipp verbietet, nämlich beim frischen seelischen Aufwallen Heilmittel anzuwenden, das haben wir getan und der Natur Gewalt angetan.“ Die Abhängigkeit von der consolatio zeigt sich außerdem in einer Parallelstelle zu Hieronymus, der ebenfalls auf die verlorene Trostschrift zurückgegriffen hat. Vgl. dazu Hier. ep. 60,54,7: nec doleas, quod talem amiseris, sed gaudeas, quod talem habueris; und exc. Sat. 1,3: laetandum est enim magis quod talem fratrem habuerim, quam dolendum quod fratrem amiserim. Biermann, Die Leichenreden des Ambro­sius von Mailand, 22 f. Anm. 4 sieht die Abhängigkeit skeptisch und merkt an, dass viele Aspekte auch aus anderen konsolatorischen Werken stammen können, wobei Ambrosius weniger in Abhängigkeit als im vertrauten Umgang mit der Literatur predigt bzw. schreibt. M. E. ist nicht von einer

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christlichen Literatur zwar häufig als Zeichen des Unglaubens oder der Undankbarkeit kritisiert, doch Ambrosius rechtfertigt seine Trauer, indem er den heidnischen Tränen, die Zeichen der tristitia diffidentiae sind, die christliche Trauer als Ausdruck des naturae dolor gegenüberstellt.20 Dass Tränen auch einem christlichen Bischof erlaubt sind, verdeutlicht Ambrosius außerdem dadurch, dass selbst Jesus angesichts des Todes von Lazarus geweint habe. Es folgt der einzige dogmatische Exkurs in de excessu Satyri liber primus, in dem sich Ambrosius dem Verhältnis der Niedrigkeits- und der Hoheitsaussagen zu Christus widmet und ein Bekenntnis der ZweiNaturen-Lehre21 darlegt. Christus habe nicht in seiner göttlichen Natur geweint, sondern in der menschlichen. Zur Verdeutlichung der beiden Naturen zitiert Ambrosius Ps 86,5, wobei er mit der Schöpfung (factus est ex matre) die menschliche Natur betont, und den Vers Jes 9,6, den er als Erweis der göttlichen Natur aus Gott (natus est ex patre) heranzieht.22 Es ist wohl auch auf Ambrosius’ Unsicherheit und noch unselbständigen Rezeption auszugehen. Dass Ambrosius aber die berühmte Selbsttröstung seines Vorbildes Cicero kannte und sich davon inspirieren ließ, ist angesichts mancher Textnähe und der vergleichbaren Situation mehr als wahrscheinlich, auch angesichts der Rezeption des Trostbriefes des Servius Sulpicius an Cicero (Cic. fam. 4,5) zum selben Thema, des Todes der Tullia, in Ambr. ep. 8 (39), siehe unter B.VIII. 20  Vgl. exc. Sat. 1,10: At non gravem lacrimis contraximus culpam: non omnis infidelitatis aut infirmitatis est fletus. Alius est naturae dolor, alia est tristitia diffidentiae: et plurimum refert deside­ rare, quod habueris; et lugere, quod amiseris. – „Aber wir haben mit den Tränen keine schwere Schuld auf uns geladen. Nicht jedes Weinen ist Ausdruck von Unglauben und Schwäche. Das eine ist der natürliche Schmerz, das andere die Trauer des Misstrauens. Und es kommt am meisten darauf an, ob man das vermisst, was man als Besitz hatte, oder zu betrauern, was man verlor.“ 21   Exc. Sat. 1,11: Ille nostro, non suo inlacrimavit adfectu; neque enim divinitas lacrimas habet. sed lacrimavit in eo, qui tristis fuit, lacrimavit in eo, qui crucifixus est, qui mortuus, qui sepultus est. – „Jener weinte in unserem Zustand, nicht in seinem. Denn die Gottheit hat keine Tränen. Aber er weinte in dem Menschen, der traurig war, er weinte in dem Menschen, der gekreuzigt wurde, der starb, der begraben wurde.“ Ambrosius betont vor allem in der Auseinandersetzung mit arianischen Positionen die unvermischte Existenz zweier Naturen, wobei die eine die andere nicht nihiliert, vgl. incarn. 49 f. Insofern ist es wichtig, der göttlichen Natur die Wunder und die Kraft der Auferstehung zuzuschreiben und der menschlichen die Geburt und die Trauer, vgl. dazu fid. 5,8,115: Pia mens, quae leguntur, secundum carnem diuinitatemque distinguit. – „Ein frommer Geist, wie man liest, unterscheidet zwischen Fleisch und Gottheit“. Zur Einheit der zwei Personen vgl. auch Dudden, The Life and Times of St. Ambrose, 597 – 605. Vgl. dazu Favez, L’inspiration chrétienne dans les „Consolations de Saint-Ambroise“, 84. 22  Vgl. exc. Sat. 1,11: Homo, et homo factus est in ea, et ipse fundavit eam Altissimus. [. . .] susceptus ex Virgine. Matrem autem secundum divinitatem habere non potuit, quia auctor est matris. Ille factus est non divina generatione, sed humana; quia homo factus est, Deus natus est. Sic et alibi habes: Puer natus est nobis, Filius datus est nobis. In puero enim nomen aetatis, in Filio plenitudo divinitatis est. Factus ex matre, natus ex Patre; idem tamen et natus est et datus. – „‚Ein Mensch, ja ein Mensch ist in ihr geschaffen worden, und der Höchste selbst hat sie gegründet (Ps 86,5).‘ [. . .] Er ist empfangen worden von der Jungfrau. Die Mutter aber konnte er gemäß seiner Gottheit nicht haben, weil er der Urheber der Mutter ist. Jener ist nicht in göttlicher Geburt entstanden, sondern in menschlicher. Denn als Mensch wurde er geschaffen, als Gott wurde er geboren. So hast du es auch anderswo: ‚Ein Kind ist uns geboren, der Sohn ist uns gegeben‘ (Jes 9,6). Im Kind zeigt sich die Bedeutung des Alters, im Sohn zeigt sich ‚die Fülle der Gottheit‘ (Kol 2,9). Geworden ist er aus der Mutter, geboren aus dem Vater. So ist er dennoch derselbe: sowohl geboren als auch gegeben.“ Diese Argumentation

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

mangelnde Erfahrung zurückzuführen, dass er diesen Exkurs schon bald abbricht und sich damit entschuldigt, dass seine eigentliche Aufgabe die Tröstung sei: sed consolandi hodie, non tractandi partes recepi; quamquam abducere a moerore animum intentione tractandi consolationis sit usus. Sed temperandus mihi magis moeror, quam alienan­ dus affectus, ut mulceantur magis desideria, quam sopiantur. Non libet enim abire a fratre longius, et occupatione subduci; cum velut comitandi eius gratia hic sermo susceptus sit [. . .].23

Das eigentliche Anliegen der Rede ist es, der Trauer freien Lauf zu lassen,24 weswegen sich keine weiteren dogmatisch-theologischen Aussagen finden. Neben der Klage, die vor allem durch die Erinnerung an Satyrus immer wieder die Rede durchbricht, gedenkt Ambrosius jedoch der Tugenden seines Bruders. Dabei wendet er sich in der ersten Hälfte direkt an den Verstorbenen und erinnert sich an die gemeinsame Zeit sowie an die durch den Tod verlorene Unterstützung. Ein zweiter Lobteil ist nach dem Schema der vier Kardinaltugenden prudentia, fortitudo, temperantia und iustitia strukturiert.25 Hier wendet sich Ambrosius stärker an das Publikum und fordert es immer wieder auf, dem exemplum seines Bruders zu folgen. Die antiken Autoren antworten auf das Problem des Todes mit einem relativ festen Kanon aus Trostargumenten. Auch Ambrosius verbleibt als rhetorisch geschulter und in griechischer und römischer Literatur ausgebildeter Angehöriger der Oberschicht, der seine Trauer in die Form der traditionellen consolatio kleidet, in diesem Bereich. Doch es zeigt sich, dass Ambrosius, aus dem reichen Schatz der Trostliteratur schöpfend, etwas Neues, der eigenen Situation Angemessenes schafft, indem er hat Ambrosius von Tertullian übernommen, der allein Ps 86,5 so interpretiert und Jes 9,6 gegenüberstellt, vgl. Tert. adv. Prax. 27,6.10. Vgl. dazu Markschies, Ambrosius von Mailand und die Trinitätstheologie, 103 f. 23   Exc. Sat. 1,14: „Ich habe aber heute die Aufgabe, zu trösten, und nicht, Streitfragen zu behandeln. Allerdings lenkt man häufig durch Konzentration auf Streitfragen den Geist vom Schmerz ab, um zu trösten; ich will aber keineswegs die Regung des Schmerzes schlechthin erdrücken; ich will vielmehr den Schmerz selbst nur mildern, und zwar so, dass die Sehnsucht nicht ausgelöscht wird, sondern sich vielmehr mäßigt. Deshalb will ich auch nicht zu weit von meinem Bruder abschweifen: diese Predigt ist ja doch nur übernommen, um ihn gleichsam zu begleiten.“ Die nur oberflächliche Rezeption der östlichen Theologie und der ἰδιότης-Lehre der Kappadokier thematisiert Markschies, Ambrosius von Mailand und die Trinitätstheologie, 105 f. 24   Auch der Blick auf den Beginn der Rede de excessu fratris Satyri liber secundus bzw. de resurrectione zeigt nochmals, dass in der ersten Leichenrede die Emotionen im Vordergrund stehen und der Klage Ausdruck verliehen werden soll, vgl. exc. Sat. 2,1: Superiore libro aliquid indulsimus desiderio, ne tamquam ferventi plagae austeriora adhibita medicamenta exasperarent magis quam lenirent dolorem. Simul quia fratrem saepius adlocuti sumus et oculis tenebamus, absurdum non fuit relaxare paulisper adfectum naturae, qui lacrimis magis pascitur, fletibus delinitur, stupore defigitur. – „Im ersten Buch haben wir etwas der Sehnsucht Raum gegeben, damit nicht wie bei einer brennenden Wunde die Verabreichung eines zu starken Arzneimittels den Schmerz eher verschlimmert als lindert. Da wir meinen Bruder oftmals angesprochen haben und ihn mit Blicken festhielten, war es nicht abwegig, das natürliche Gefühl etwas zu Ruhe kommen zu lassen, das sich durch Tränen besser beruhigt, das durch Weinen besänftigt wird, durch den Schock aber erstarrt.“ 25  Vgl. exc. Sat. 1,42 – 62. Erstmals erscheint hier die Bezeichnung dieser Tugenden als virtutes cardinales (exc. Sat. 1,57) Vgl. dazu Biermann, Die Leichenreden des Ambrosius von Mailand, 59 – 80.

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die pagane Gattung der consolatio in den christlichen Kontext überführt. Die Trauer, die sich Ambrosius zugesteht, muss schließlich angesichts des reichen Trostes überwunden werden.26 Ambrosius verbindet diese Zuversicht mit der christlichen Hoffnung auf die Auferstehung und stellt diese der defizitären bzw. trostlosen Sicht der paganen Kulte bzw. der philosophischen Todesdefinition gegenüber.27 Einer schärferen Polemik enthält er sich jedoch vorerst. Wie sich auch in der zweiten Rede für Satyrus zeigen wird, tritt Ambrosius als Vermittler zwischen Alt und Neu, zwischen paganen Erwartungen und christlicher Hoffnung auf, wobei er stets vom Vorrang des Christentums ausgeht. Diese Vermittlertätigkeit zeigt sich auch in der Frage nach der Gattung der ersten Rede. Während die zweite Rede den intellektuellen Ansprüchen eines philosophisch ansprechbaren Publikums gerecht werden soll, stehen in de excessu Satyri liber primus die ehrlichen Emotionen des Bruders und die Verarbeitung des Todes durch Klage, Lob und Trost im Vordergrund. Der Text bleibt aber in der Schwebe zwischen Predigt und Rede: Ambrosius bezeichnet ihn selbst einerseits als oratio, was der ausgefeilten Festrede entspricht,28 andererseits als sermo, ein Wort, das Ambrosius sonst regelmäßig für die christliche Predigt gebraucht.29 Möglicherweise ist diese Ambiguität ebenso wie die Platzierung der Rede außerhalb des liturgischen Rahmens, die es ermöglicht, die Trauerrede zu hören, ohne am damit verbundenen Gottesdienst teilgenommen zu haben, ein Entgegenkommen für das aus Christen und Paganen bestehende Publikum.

3. Zeitgeschichtlicher und situativer Hintergrund Ambrosius gibt in der ersten Rede für Satyrus nur wenige Hinweise auf zeitgeschichtliche Ereignisse, die eine Datierung möglich machen. So berichtet er in exc. Sat. 1,1 von den motus barbarici, die Satyrus nun nicht mehr zu fürchten braucht.30 Diese Bar26

  Vgl. die Trostrede exc. Sat. 1,64 – 79.  Vgl. exc. Sat. 1,70 f. 28  Vgl. exc. Sat. 1,78: Sed quid ego demoror, frater? Quid expecto, ut nostra te cum commoriatur et quasi consepeliatur oratio? – „Aber warum zögere ich noch, mein Bruder? Warum warte ich, dass meine Rede mit dir stirbt und gewissermaßen begraben wird?“ Zimmerl-Panagl, Ultimum coram populo vale dico, 186 f. bezieht diese Aussage auf die gestaltete Kunstrede: „[. . .] mir ist keine Stelle bekannt, an der ein spätantiker christlicher Prediger seine Predigt als oratio bezeichnet hat, wie es Ambrosius hier tut. Anders ausgedrückt: Die Wahl des Wortes oratio legt nahe, dass Ambrosius seine Rolle, zumindest in diesem Moment, nicht als die eines Predigers, sondern eines Redners, eines orator, empfunden hat, auch wenn Elemente seiner Rede durchaus Predigtcharakter aufweisen.“ 29  Vgl. exc. Sat. 1,14: comitandi eius gratia hic sermo susceptus sit. – „diese Predigt ist ja doch nur übernommen, um ihn gleichsam zu begleiten.“ Vgl. dazu Zimmerl-Panagl, Ultimum coram populo vale dico, 186 mit weiteren Textstellen. 30   Vgl. dazu auch die Bedrohungsszenerie in exc. Sat. 1,30 (drohendes Weltende) und 31 (Schutz der Alpen). Die zweite Rede für Satyrus ist in dieser Hinsicht nur wenig hilfreich, da die Person des Bruders dort stark in den Hintergrund gerückt wird. Nur das auch dort genannte drohende Weltende in exc. Sat. 2,59 kann auf eine Bedrohung durch Barbaren hin gedeutet werden. 27

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

barengefahr wird meist mit der Niederlage von Adrianopel am 9. August 378 und der daraus folgenden Bedrohung durch gotische Einfälle in Verbindung gebracht.31 Eine frühere Bedrohung durch die Quaden, die seit 373 das Reich bedrängten und im Jahr 375 vor allem in Pannonien einfielen, könnte auch eine frühere Datierung der Rede nahelegen.32 Christoph Markschies bringt dieses Datum mit der Aussage zusammen, dass Satyrus von Quintus Aurelius Symmachus aus Afrika zurückgerufen wurde.33 Markschies hält es für wahrscheinlich, dass ein solcher Befehl des Symmachus unter dessen Prokonsulat der Provinz Africa, das er in den Jahren 373 – 375 innehatte, an Satyrus erging. Im Jahr 378 wäre Symmachus dagegen nur Senator ohne besondere Interessen an der Provinz gewesen.34 Unter der Bedingung, dass eine solche Frühdatierung ins Jahr 375 zuträfe, wären die Leichenreden die ersten Texte, die Ambrosius hinterlassen hat. Die erste Rede hätte dann höchstens elf Monate nach seiner Ernennung zum Bischof stattgefunden. Das breite Lob für die unterstützende Tätigkeit des Satyrus und seine Bedeutung für die Gemeinde sprechen allerdings dagegen, dass Satyrus nur so kurze Zeit in Mailand gewirkt hat,35 weswegen die Datierung der Rede in das Jahr 378 einer Frühdatierung vorzuziehen ist. Damit stellen beide Leichenreden aber immer noch sehr frühe Werke des Ambrosius dar, dessen schriftstellerisches Schaffen erst ab 377 bezeugt ist und sich bis zu diesem Zeitpunkt nur zwei Themen widmete: der Jungfräulichkeit und der Auslegung des Alten Testaments.36 Ein weiteres Problem ist die Lokalisierung der ersten Rede – sowohl im Hinblick auf den Ort als auch auf ihren Platz innerhalb eines liturgischen Ablaufs, da Ambrosius auch in dieser Hinsicht nur wenige, nicht eindeutige Hinweise gibt. Fest steht, dass bei der ersten Rede der Leichnam aufgebahrt war37 und dass das vorbereitete 31  So McLynn, Ambrose of Milan, 69, Anm. 56 und Otto Faller, Situation und Abfassungszeit der Reden des hl. Ambrosius auf den Tod seines Bruders Satyrus, WSt 44 (1925), 86 – 102. 32   In Folge der Auseinandersetzung mit den Quaden starb auch Valentinian I. bei den Friedensverhandlungen mit Brigetio am 17. November 375, vgl. Demandt, Geschichte der Spätantike, 90. Dieses Ereignis wäre allerdings nach einem auf den 17. September datierten Tod des Satyrus geschehen. Die bedrohliche Stimmung im Reich muss aber schon vor dem Tod Valentinians I. zu spüren gewesen sein. 33  Vgl. exc. Sat. 1,32: Qui cum a viro nobili revocareris Symmacho, tuo parente, quod ardere bello Italia diceretur [. . .]. – „Als du von dem edlen Symmachus, deinem Verwandten, zurückgerufen wurdest, da es hieß, dass der Krieg in Italien entbrannt sei [. . .].“ 34  Vgl. Markschies, Ambrosius von Mailand und die Trinitätstheologie, 102, Anm. 101 f. So auch Gerhard Rauschen, Jahrbücher der christlichen Kirche unter dem Kaiser Theodosius dem Grossen, Freiburg i. Br. 1897, 475 f. Zur Provinzstatthalterschaft des Symmachus vgl. Michaela Zelzer, Art. Q. Aurelius Symmachus Eusebius, DNP 11 (2001), 1134 f. 35   Nach Markschies Datierungsvorschlag blieben Satyrus vom Zeitpunkt der Wahl im Dezember 374 bis zu seinem Tod am Herbst 375 nur etwa zehn Monate der Mitarbeit. Von dieser Zeitspanne wären nochmals die Dauer seiner Reise nach Afrika und zurück sowie sein Krankheitszustand abzuziehen. 36   Im Jahr 377 erscheinen die drei Bücher de virginibus und der kurze Traktat de viduis, im Jahr 378 erscheinen wohl neben den Leichenreden noch de paradiso und de Cain et Abel, wobei die Reihenfolge in diesem Jahr unsicher ist, vgl. Zelzer, Zur Chronologie der Werke des Ambrosius, 88 f. 37  Vgl. exc. Sat. 1,37: Qualem te nunc ego, frater, aspicio, iam nulla mihi verba referentem, iam nulla offerentem oscula. – „Wie sehe ich dich, mein Bruder, nun an, der du bereits meinen Worten

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Grabmal in Sichtweite lag.38 Die Aufbahrung des Leichnams nach Kussritual, Augenschließung und Reinigung erfolgte bis ins vierte Jahrhundert im Haus des Verstorbenen.39 Für Satyrus, der außer seinem Bruder keine engere Familie in Mailand hatte, ist dies nicht der Fall. Aufgrund seiner Bedeutung innerhalb der Mailänder Gemeinde als Bruder des Bischofs und als wirtschaftlicher Verwalter ist der Leichnam, wie auch der des Ambrosius selbst,40 im kirchlichen Raum aufgebahrt worden. Die Bemerkung des Ambrosius, sich zum Grab zu begeben, legt nahe, dass die Aufbahrung möglicherweise auf dem Vorplatz eines Kirchengebäudes stattfand. Victoria Zimmerl-Panagl hat die Textzeugnisse aus der ersten Rede untersucht und mit archäologischen Erkenntnissen abgeglichen. Sie kommt zu der vorläufigen These, dass sich das Grab des Satyrus im Sacello di San Vittore in ciel d’oro befand, einer später zur basilica ambrosiana gehörenden Kapelle, in der zwei Sarkophage gefunden wurden. Diese wurden von der Mailänder Gemeinde, die früh begonnen hat, das Sacello als Grab des Satyrus zu verehren, dem Märtyrer Viktor und Satyrus zugeordnet.41 Die erste Rede könnte demnach auf dem Vorplatz der basilica ambrosiana mit Blick auf das Grabmal gehalten worden sein.42 nicht mehr antwortest, der du keine Küsse mehr gibst?“ Zum Kuss des Toten vgl. exc. Sat. 1,19: Stringebam quidem brachia, sed iam perdideram, quem tenebam, et extremum spiritum ore relegebam, ut consortium mortis haurirem. Sed nescio quomodo vitalis ille mihi halitus factus est et maiorem gratiam in ipsa morte redolebat. – „Ich ergriff zwar die Arme, aber schon hatte ich ihn verloren, den ich festhielt, und den letzten Atem habe ich mit dem Mund aufgenommen, damit ich die Gemeinschaft des Todes in mir aufnehme. Aber irgendwie wurde jener Atem für mich lebendig und er duftete selbst im Tod nach der größeren Gnade.“ Der Kuss des Toten wird bereits bei paganen Autoren als das Auffangen des letzten Atems verstanden. Ambrosius aber erweitert diesen Gedanke um das „Riechen“ (redolebat) der göttlichen Gnade, vgl. Volp, Tod und Ritual in den christlichen Gemeinden der Antike, 173 f. 38  Vgl. exc. Sat. 1,6: hic mihi tumulus genitali solo gratior. – „Dieses Grabmal ist mir angenehmer als die Erde der Geburt.“ Victoria Zimmerl-Panagl, Ultimum coram populo vale dico. Fragen an die erste Leichenrede des Bischof Ambrosius von Mailand, in: Gerhard Thür (Hg.), Grab­ rituale – Tod und Jenseits in Frühgeschichte und Altertum. 21. – 22. März 2010. Origines 3, Wien 2014, 173 – 190, 179 deutet das Demonstrativpronomen hic plausibel in ich-deiktischer Weise auf das in unmittelbarer Nähe befindliche Grabmal verweisend. 39   Zum rituellen Umgang mit Toten im christlichen Bereich vgl. Volp, Tod und Ritual in den christlichen Gemeinden der Antike, 172 – 185 und Leo Koep / Eduard Stommel / Johannes Kollwitz, Art. Bestattung, RAC 2 (1954), 194 – 219, 209 – 218. 40   Vgl. Paul. vit. Ambr. 48. Dieser Brauch der Aufbahrung in der Kirche setzt sich in der weiteren Geschichte, vor allem natürlich in der monastischen Tradition immer mehr durch, vgl. Josef Rist, Sterben und Tod in der Alten Kirche. Theologische Konzepte, Rituale und die römischen Katakomben, in: Christof Breitsameter / Bernd Janowski (Hgg.), Hoffnung auf Vollendung. Christliche Eschatologie im Kontext der Weltreligionen, Theologie im Kontakt 19, Berlin 2012, 67 – 88, 78. 41   Möglich ist auch, dass Satyrus in einem Vorgängerbau an selber Stelle bestattet wurde, da nicht endgültig geklärt ist, wann das sacellum entstanden ist. Zur Grablege des Satyrus vgl. auch Löx, Monumenta sanctorum, 111 und 219 – 221 sowie Zimmerl-Panagl, Ultimum coram populo vale dico, 180 – 183. 42   Dieser Sachverhalt ist nicht endgültig bewiesen, doch lassen sich die Bemerkungen des Ambro­sius am besten mit der Lokalisierung im sacellum harmonisieren. Neuere archäologische Erkenntnisse legen nahe, dass das Sacello erst im fünften Jahrhundert gebaut worden sein könnte. Dann wäre mit einem Vorgängerbau am gleichen Ort zu rechnen, vgl. Zimmerl-Panagl, Ultimum coram populo vale dico, 180 – 182 und dies., Die Totenreden und Epistula 25 des Ambrosius, 188.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Verschiedene Anspielungen auf Lesungstexte zeigen, dass die Rede in zeitlicher Nähe zu einer Totenliturgie-Feier stattgefunden haben muss.43 Es müssen kurz vor der Rede Teile von Ps 8644, von Ps 2345 und von Ps 1446 zu hören gewesen sein. Ob diese Psalmen allerdings gelesen oder als Zwischengesänge gehört wurden, bleibt offen.47 Als liturgische Lesungstexte lassen sich außerdem 1 Thess 448 und möglicherweise 4 Esr  1049 identifizieren. Wie die Feier ausgesehen haben mag, lässt sich nicht mehr rekonstruieren,50 doch ist es unwahrscheinlich, dass die Rede als eigentliche Predigt eines solchen Gottesdienstes fungierte, da Ambrosius andeutet, dass sich die Trauergemeinde im direkten Anschluss an das Ende der Rede auf den kurzen Weg zum Grab aufmacht.51 Sie stellt also vielmehr das Bindeglied zwischen der liturgischen Feier und dem eigentlichen Begräbnis dar. 43   Aufgrund fehlender Quellen kann eine Totenliturgie-Feier nicht rekonstruiert werden, vgl. Volp, Tod und Ritual in den christlichen Gemeinden der Antike, 203 und Zimmerl-Panagl, Ultimum coram populo vale dico, 174 f. 44  Vgl. exc. Sat.  1,11: lacrimavit in eo, de quo hodie nobis insinuavit propheta, dicens [. . .].  – „Er weinte in der Natur, von der der Prophet uns heute berichtet hat, wenn er sagt [. . .].“ 45  Vgl. exc. Sat. 1,12: [. . .] sicut et praesens lectio docet [. . .]. – „[. . .] wie auch die Lesung des Tages lehrt [. . .].“ 46  Vgl. exc. Sat. 1,61: [. . .] hodie quoque per vocem lectoris parvuli [. . .]. – „[. . .] auch heute durch die Stimme unseres jungen Lektors [. . .].“ 47   Auch der Zug der Leiche, die pompa funeralis, wurde von Psalmengesängen begleitet, vgl. Rist, Sterben und Tod in der Alten Kirche, 78. Möglich ist auch das Singen eines Psalms während der Waschung des Toten, wie es Augustinus für die Bestattung der Monnica berichtet, während der Ps 100 gesungen wurde, vgl. Aug. conf. 9,31. Schmitz, Gottesdienst im altchristlichen Mailand, 342 erklärt, dass das Amt des lector nicht unbedingt für eine Lesung des Psalms spricht. Da zu der Zeit der Lektor auch das Amt des Kantors innehatte, ist es möglich, dass die Psalmen auch als Zwischengesänge erklangen bzw. gesungen wurden. 48  Vgl. exc. Sat. 1,9: [. . .] sicut nuper audistis [. . .]. – „[. . .] wie ihr jüngst gehört habt [. . .].“ Zimmerl-Panagl, Ultimum coram populo vale dico, 183 konnte nachweisen, dass sich das Adverb nuper durchaus auf einen Lesungstext desselben Tages und sogar Gottesdienstes beziehen kann. Dies ist deswegen umso wahrscheinlicher, da Ambrosius 1 Thess 4,13 auch in ob. Val. 44 als Lesungstext nutzte, vgl. Schmitz, Gottesdienst im altchristlichen Mailand, 325 f. 49  Vgl. exc. Sat. 1,65: [. . .] prophetico sermone uni illi mulieri [. . .] – „[. . .] in der Rede des Propheten an jene Frau [. . .].“ Der Hinweis auf illi mulieri legt es nahe, dass auf einen bekannten, eben gehörten Text angespielt wird. Gegen die Nutzung als Lesungstext aber spricht, dass Ambrosius in exc. Sat. 1,66 – 69 intensiv aus 4 Esr 10 zitiert, was er nicht tun müsste, wenn der Text nicht eben gehört worden wäre. Dieses Argument ist m. E. nicht stichhaltig, da die Zitate jeweils die Argumentationen der Rede wiederaufnehmen: exc. Sat. 1,66 vgl. 4 Esr 10,6 f. (allgemeine Sterblichkeit); 68 vgl. 4 Esr 10,15 f. (mannhafte Vergewisserung der Auferstehung) und 69 vgl. 4 Esr 10,20 – 24 (Trost angesichts des Endes des Leids; Relativierung des privaten Leides durch allgemeines Leid). 50   Paredi, Saint Ambrose, 170 f. geht durch die wörtliche Interpretation von exc. Sat. 1,1 (hostiam) von einer Eucharistie-Feier aus. Vielmehr muss aber Satyrus als hostia gedacht werden, wie Zimmerl-Panagl, Ultimum coram populo vale dico, 185 richtig argumentiert. Vgl. dazu auch den Schluss der Rede mit der Wiederaufnahme Satyrus’ als Opfer, exc. Sat. 1,80. 51  Vgl. exc. Sat. 1,78: nihil, inquam, moror, procedamus ad tumulum. – „Ich sage, ich will nicht mehr warten. Lasst uns zum Grabmal gehen.“ Biermann, Die Leichenreden des Ambrosius von Mailand, 124, und Dassmann, Ambrosius von Mailand, 57 sowie Paredi, Saint Ambrose, 170 gehen dagegen davon aus, dass die Rede die Predigt während eines Gottesdienstes war.

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Ein letzter Blick im Rahmen der Redeszenerie der soll auf dem anwesenden Publikum liegen. Aufgrund der gesellschaftlichen Stellung des Ambrosius wie auch der des Satyrus ist mit einer großen und stark durchmischten Zuhörerschaft zu rechnen, vor der Ambrosius sowohl die erste als auch die sieben Tage später anzusetzende Rede gehalten hat. Das Bischofsamt des Ambrosius und die Verwaltungstätigkeiten des Satyrus innerhalb der Mailänder Gemeinde sprechen dafür, dass eine Vielzahl christlicher Zuhörer anwesend war. Allerding müssen auch viele Verwandte und Bekannte aus dem paganen Milieu im Publikum gewesen sei, da Ambrosius selbst erst drei Jahre zuvor den Posten des Statthalters aufgegeben hat und Satyrus als Bruder des ehemaligen Provinzstatthalters sicherlich auch eine Person des öffentlichen Interesses darstellte. Der Tod und die wie auch immer verfasste Totenliturgie-Feier mit dem anschließenden Begräbnis mussten von der gesamten Stadtbevölkerung beobachtetes Ereignisse gewesen sein.52

4. Inhalt und Argumentation Die erste Rede für Satyrus lässt sich nach Rozynski53 in die drei klassischen Rede­ partien einteilen: exordium (1 – 6), expositio (7 – 77) und conclusio (78 – 80). Die expositio wiederum besteht, wie Menander es empfiehlt, aus einer Klagerede (7 – 63) und einer Trostrede (64 – 77). In der Klagerede umgreifen dabei zwei Klageabschnitte (7 – 14; 63) eine längere Lobrede (42 – 62), in der die Eigenschaften des Satyrus anhand des Katalogs der Kardinaltugenden gepriesen werden.54 Abgesehen von diesem ἔπαινος in den Kapiteln 42 bis 62 finden sich allerdings in der gesamten Rede spezifische Trostargumente und ‑motive der consolatio.55 Der Kampf der Emotionen, der sich offensichtlich in Ambrosius abspielte, hinterließ in der Anlage der Rede Spuren, indem sich eine Durchdringung der Rede von einerseits verzweifelten, ande52   Auf die breite Öffentlichkeit, die die Rede erlebt hat, spielt auch Ambrosius Dank für die allgemeine Anteilnahme an, vgl.exc. Sat. 1,27: Non enim misericordiae privatae dolor, sed quoddam publicae officium. – „Denn es ist nicht nur der Schmerz privaten Mitleidens, sondern eine gewisse Aufgabe der Öffentlichkeit.“ 53  Vgl. Rozynski, Die Leichenreden des hl. Ambrosius, 18 f. 54   Zur Interpretation der Kardinaltugenden bei Ambrosius, besonders in exc. Sat. 1,42 – 62. Vgl. Biermann, Die Leichenreden des Ambrosius von Mailand, 60 – 81. Wahrscheinlich hat Ambrosius den Terminus virtutes cardinales (exc. Sat. 1,57) sogar selbst geprägt, vgl. Dassmann, Die Frömmigkeit des Kirchenvaters Ambrosius von Mailand, 20. 55   Während die Klage und die Versuche des Trostes bei Ambrosius aber stark überwiegen – oft scheint es, als fiele der Redner durch Assoziationen zurück in die Klage über den Tod –, finden sich in den Leichenreden des Gregor von Nazianz weniger Trostargumente in geringerer Ausbreitung, die zudem stets auf den hinteren Teil der Rede, die eigentliche Trostrede, begrenzt sind. Vgl. dazu die Rede für Caesarius (Greg. Naz. or. 7), in der das erste Trostargument, das Weiterleben im Jenseits, in or. 7,17 nach längeren Ausführungen über den Lebenslauf des Caesarius erscheint. Ähnlich verhält es sich mit der Rede für Gorgonia (Lohn im Jenseits in or. 7,15 bzw. Befreiung von den Ketten des Körpers or. 7,19) und auch mit der Rede für den Vater (vergängliches Leben or. 7,42).

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

rerseits hoffnungsvollen Elementen feststellen lässt, die angesichts der Situation als authentische und nachvollziehbare Gedanken des Hinterbliebenen gelten können.56 Diese Streuung von Trostargumenten über die gesamte Rede stellt ein Unikum in der erhaltenen antiken Literatur dar. Der ständige Wechsel von Klage und Trost aber geht weit über die Empfehlungen des Menander zum λόγος παραμυθητικός hinaus, die Ambrosius zwar an vielen Stellen befolgt, an einigen aber auch verwirft.57 Der Trost in der ersten Rede ist auch als Selbsttrost zu verstehen. Das Abfassen und Halten der Rede gilt Ambrosius als Ablenkung58 und als Erfüllung seiner priesterlichen Pflicht.59 Besonderen Trost schöpft der Bischof außerdem aus der Trauer der Gemeinde. Sie stellt einerseits das psychologische Therapeutikum dar, den Trauernden aus der Isolation zu lösen.60 Andererseits fungiert sie im liturgisch-theologischen Rahmen als supplicatio im Sinne einer diesseitigen, tätigen Mithilfe beim Aufstieg der Seele und deren Durchgang durch das Reinigungsfeuer. Ambrosius ruft darum die Zuhörer dazu auf, sündenvergebende Tränen am Grab zu „opfern“.61 56

  Biermann, Die Leichenreden des Ambrosius von Mailand, 25 sieht in der Struktur der Trostrede eher „Trostargumente in haltloser Vermischung mit pathetischen Klagen und lebhaften Erinnerungen“. 57  Vgl. Kierdorf, Laudatio funebris, 88 f. weist aber neben der auf Überzeugung zielenden Disposition auf die Möglichkeit hin, dass die „Unordnung“ durch etwaige Abhängigkeiten von Ciceros verlorener consolatio herrührt. 58  Vgl. exc. Sat. 1,14: [. . .] quamquam abducere a moerore animum intentione tractandi consolatio­ nis sit usus. – „[. . .] obwohl es auch eine Erfahrung des Trostes ist, den Geist von der Trauer durch die Konzentration auf eine theoretische Frage abzulenken.“ 59  Vgl. exc. Sat. 1,65: Dicitur ergo et ad me, et dicit scriptura coelestis: Hoccine doces, sic instituis Dei plebem? An nescis quia exemplum tuum periculum ceterorum est? – „Also richtet sich das Wort auch an mich und die himmlische Schrift sagt: ‚Dieses lehrst du? So unterrichtest du das Volk Gottes? Weißt du nicht, dass dein Vorbild eine Gefahr für die anderen ist?“ und exc. Sat. 1,75: Ac mihi tamen dat aliquas officii usus inducias et obsequii sacerdotalis intentio abducit animum. – „Und die Ausübung des Amtes gibt mir eine gewisse Ruhe und die Aufmerksamkeit der bischöflichen Pflicht entspannt den Geist.“ Zu den officia pietatis gehören neben der Vorbildwirkung des Priesters Gebete und Tränen, vgl. Favez, La consolation latine chrétienne, 146. 60  Vgl. exc. Sat. 1,5: cum meae lacrimae nihil prosint, vestrae autem lacrimae fidem astruant, consolationem afferant. – „Während meine Tränen nichts nützen, mögen eure Tränen Glauben schaffen und Trost bringen.“ Vgl. auch exc. Sat. 1,28: [. . .] si qua vos mei tangit misericordia, quod talem fratrem amiserim, habeo fructum uberem, habeo vestri pignus affectus. – „[. . .] wenn euch aber irgendein Mitleid wegen mir rührt, dass ich einen solchen Bruder verloren habe, dann habe ich reiche Entschädigung, dann habe ich das Pfand eures Mitgefühls.“ Interessanterweise erscheint in den Reden der Kappadokier die Perspektive der trauernden Gemeinde, die dem Redner Trost schenkt, nicht explizit. Damit weist Ambrosius für sich die Besonderheit des seelsorgerischen Bischofs auf, der einerseits das Wohl und die Trauer seiner Gemeinde im Blick hat, andererseits selbst so stark in Trauer versunken ist, dass er auf das Mitgefühl seines Publikums antwortet. 61  Vgl. exc. Sat. 1,5: Fleverunt et pauperes, et quod multo est pretiosius, multoque uberius, lacrimis suis eius delicta laverunt. Illae sunt lacrimae redemptrices, illi gemitus qui dolorem mortis abscondunt, ille dolor qui, perpetuae ubertate laetitiae, veteris sensum doloris obducat. – „Auch die Armen haben geweint, und – was noch viel wertvoller, was viel fruchtbarer ist: durch ihre Tränen haben sie seine Sünden abgewaschen. Jene Tränen sind vergebende Tränen, jene Klagen sind es, die den Schmerz des Todes überdecken, jener Schmerz ist es, der durch den Reichtum ewiger Freude das Gefühl des alten Schmerzes bedeckt.“ Vgl. auch exc. Sat. 1,29, wo Ambrosius die Tränen der plebs erbittet, um

I. Die erste Leichenrede für Satyrus

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Um schließlich zur Überwindung der Tränen zu wechseln, führt Ambrosius mit dem langen Zitat von 4 Esr 9,38 – 10,5 ein weiteres Motiv der Trostliteratur an: den Aufruf, „Mann“ (vir) zu sein, das memento te virum.62 Die Anrede an die den Tod ihres Kindes beklagende Frau, sie solle ruhig und mutig ihr Schicksal ertragen, bezieht Ambrosius auf sich selbst,63 wobei der Vers 4 Esr 10,33 (sta ut vir) hier sicherlich mitzudenken ist, wenn er nicht gar in der gottesdienstlichen Lesung zu hören war. Im Folgenden sollen vor allem drei die Rede durchziehende Argumentationsgänge, mit denen Ambrosius sich und dem Publikum Trost spendet, untersucht werden: die allgemeine Sterblichkeit, der passende zeitliche Moment des Todes und das postmortale Schicksal des Satyrus. 4.1 Das allgemeine Los der Sterblichkeit Das Trostargument der condicio humana, der allgemeinen Sterblichkeit des Menschen, findet sich in allen antiken Trostschriften64 und stellt auch bei Ambrosius die Grundlage aller Betrachtung des Todes dar. So gibt er bereits im zweiten Satz der Rede zu, sich dieser Basis bewusst zu sein.65 Dankbarkeit wäre angesichts des gelebten Lebens angebracht, da ein Anrennen gegen die Natur absurd sei.66 Damit bleibt dem Bruder den Weg ins Paradies und den Aufenthalt dort zu erleichtern. Zur besonderen Bedeutung der pauperes für die Fürbitte vgl. schon 2 Kor 8,9 und Mt 5,7. Die Armen werden entsprechend dem antiken Patronagesystem von den clientes zu den patroni der Toten, vgl. dazu Volp, Tod und Ritual in den christlichen Gemeinden der Antike, 233 f. 62  Der vir als der tapfere Mann, der die Wechselfälle des Lebens einzuordnen weiß und sich angesichts des Todesschicksals als gewappnet zeigt, findet sich, in der Differenzierung zum homo, schon bei. Cic. fam. 5,17,3: rogaremque ut et hominem te et virum esse meminisses, id est, ut et communem incertumque casum, quem neque vitare quisquam nostrum nec praestare ullo pacto potest, sapienter ferres. – „Und ich bitte darum, dass du dich erinnerst, dass du ein Mensch und ein Mann bist, das heißt, dass du das uns gemeinsame und unsichere Schicksal, das keiner von uns vermeiden oder mit irgendeiner Verabredung auf sich nehmen kann, voller Weisheit trägst.“ Zu diesem Motiv vgl. Kassel, Untersuchungen zur griechischen und römischen Konsolationsliteratur, 54 – 56 und Moos, Consolatio. Band 3: Testimonienband, 238 f. 63  Vgl. exc. Sat. 1,68: Nunc, inquit, retine apud temet ipsam dolorem tuum, et fortiter fer, qui tibi contigerunt, casus. [. . .] Si hoc ad mulierem, quanto magis ad sacerdotem? – „‚Jetzt halte‘, so heißt es, ‚deinen Schmerz zurück und trage tapfer das Unglück, das dir widerfahren ist‘ (4 Esr 10,15 f.). Wenn dies zur Mutter (erg. gesagt wird), wie viel mehr noch zum Priester?““ 64   Aussagen zum menschlichen Los des Sterbens innerhalb der konsolatorischen Literatur finden sich bei Cicero Cic. tusc. 1 passim und Seneca, vgl. etwa Pol. 11,3: quisquis ad vitam editur, ad mortem destinatur. – „Jeder, der ins Leben entlassen wird, ist zum Tode bestimmt.“ So auch Ambr. exc. Sat. 1,4: Quis exceptum se putet esse debere a condicione moriendi, qui non sit exceptus a condi­ cione nascendi? – „Wer könnte glauben, dass er von der Bedingung zu sterben ausgenommen sei, der doch nicht von der Bedingung der Geburt ausgenommen ist?“ 65  Vgl. exc. Sat. 1,1: Memineram esse mortalem, nec fefellit opinio. – „Ich habe mich daran erinnert, dass er sterblich ist, und meine Meinung ging nicht falsch.“ 66   Exc. Sat. 1,4: Unde ingrati de fratre esse non possumus; quia quod naturae communis fuit, reddidit. [. . .] Quis enim communem condicionem recuset. – „Darum können wir im Falle meines Bruders nicht undankbar sein, denn er hat zurückgegeben, was ein gemeinsames Los der Natur ist. [. . .] Wer könnte sich denn gegen eine allgemeine Bedingung behaupten?“

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Ambro­sius auf dem Boden klassischer Bildung. Interessanterweise verzichtet er in der ersten Rede auf die explizit christliche Interpretation des Todes als Folge der Sünde, die sich gegen eine philosophische, naturalistisch-materialistische Erklärung67 wendet. Eine solche Interpretation der necessitas moriendi nach Gen 2,17 ist Allgemeingut der christlichen Tradition und findet sich auch in den Frühschriften de paradiso und de Cain et Abel,68 sowie in einer dogmatischen Herleitung aus dem Sündenfall in der zweiten Rede.69 Die Zurückhaltung ist wohl durch den Lob- und Klagecharakter der Rede zu erklären, wodurch Ambrosius den Fokus von dogmatischen Gedanken weg und stattdessen auf die Trauer des Sprechenden und der Anwesenden legt.70 Ambro­ sius konzentriert sich stärker auf das fatalistische Konzept des allgemeinen Loses der Natur,71 verstärkt das Trostargument des allgemeinen Todesschicksals allerdings durch den Verweis auf Christi Menschwerdung und Sterben. Er nimmt den Gedanken des stellvertretenden Todes Christi, den er im exordium bereits andeutet,72 auf und verstärkt den Aspekt des allgemeinen Todes durch ein argumentum a fortiori: Magnum pietatis mysterium, ut mors corporis nec in Christo esset excepta [. . .]. Et mihi necesse est mori, illi necesse non fuit. [. . .] quod igitur maius est solatium nostri, quam quod secundum carnem et Christus mortuus est?73

Der Tod Christi wird in mehrfacher Weise gedeutet: als solatium, als stellvertretender Tod und als Vorbild, ethisch gut zu handeln und nicht für sich selbst zu leben. Damit folgt Ambrosius dem gängigen Motiv der consolatio, auf den Tod berühmter Män67   Vgl. bereits die Vergänglichkeit des Körpers wegen seiner Gewordenheit bei Platon, Tim. 41B bzw. den Materialismus der Stoiker, Sen. ira 2,19. 68  Vgl. par. 5,29: qui autem peccatores sunt in umbra mortis sunt. – „Die Sünder aber befinden sich im Schatten des Todes.“ Beide Werke sind in den Jahren 377 / 78 entstanden. Zum Motiv des Todes als Straffolge der Sünde vgl. Fischer, Studien zum Todesgedanken in der alten Kirche, 81 – 103. 69  Vgl. exc. Sat. 2,3 – 6. 70   Überhaupt behandelt Ambrosius das Thema der Sünde eher zurückhaltend. So deutet Ambrosius den Tod des Satyrus auch nicht als Befreiung von der eigenen Sündigkeit, vgl. dazu exc. Sat. 1,30. 71   Cyprian von Karthago (200 / 210 – 258) verdeutlicht dieses Motiv zunächst in klassischer Weise durch Beispiele aus der Natur, um dann im Hinblick auf das Schicksal der Christen, die christliche Eigenart herauszustellen, indem er besonderen Leiden und Anfechtungen in der Nachfolge Christi betont, vgl. Cypr. mort. 8: Movet quosdam quod sit nobis cum ceteris mortalitas ista communis. Quid enim nobis in hoc mundo non commune cum ceteris, quamdiu adhuc secundum legem primae nativitatis manet caro ista communis? quoadusque istic in mundo sumus, cum genere humano carnis aequalitate coniungimur, spiritu separamur. – „Denn es verärgert manche, dass wir mit den übrigen die Sterblichkeit gemeinsam haben. Was haben wir denn in dieser Welt nicht mit dem Rest gemeinsam, solange uns noch gemäß dem Gesetz der ersten Geburt dieses Fleisch gemeinsam bleibt? Solange wir in dieser Welt sind, sind wir mit dem menschlichen Geschlecht durch die Gleichheit des Fleisches verbunden, durch den Geist aber sind wir (von ihm) getrennt.“ Vgl. Cypr. mort. 10 mit Verweis auf die biblischen Gestalten in Hiob 1 f. und im Buch Tobit. 72  Vgl. exc. Sat. 1,2: propterea enim pro omnibus secundum carnem Christus est mortuus, ut nos non solis nobis vivere disceremus. – „Denn Christus ist deswegen für alle nach dem Fleisch gestorben, damit wir lernen, dass wir nicht nur für uns leben (vgl. 2 Kor 5,15).“ 73  Vgl. exc. Sat. 1,4: „Es ist ein großes ‚Geheimnis des Glaubens‘ (1 Tim 3,16), dass der Tod des Körpers auch vor Christus nicht halt gemacht hat. [. . .] Ich muss sterben, er musste es nicht. [. . .] Was könnte also für uns größerer Trost sein, als dass auch Christus gemäß dem Fleisch gestorben ist?“

I. Die erste Leichenrede für Satyrus

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ner hinzuweisen, um den zu betrauernden Tod zu relativieren.74 Er überhöht das schlichte Argument der lex communis durch den Christusbezug und die Bewertung des Todes als Ereignis der Heilsgeschichte jedoch enorm.75 Auch in den Reden der Kappadokier findet sich das Argument der allgemeinen Sterblichkeit, es ist dort allerdings eher mit der negativen Beurteilung des Körpers verbunden, die Ambrosius in der Rede für Satyrus nicht aufgreift. Gregor von ­Nazianz stellt das Schicksal des sterblichen Menschen in ähnlichen Bildern dar wie der Mailänder Bischof, indem er vom Vorauseilen des Bruders und vom allgemeinen Gesetz der Sterblichkeit spricht.76 Besondere Ähnlichkeiten finden sich in dem semantischen Feld der „Leihgabe“ des von Gott anvertrauten Gutes des Lebens, das sowohl der naturalistischen Sicht der Stoiker als auch den biblischen Bildern entspricht.77 Gregor von Nazianz spricht von der εἰσφορά („Zoll“) des Lebens, Ambrosius von munus, debitum, fenus oder pignus. Innerhalb dieser Metaphorik muss auch die Bezeichnung des Satyrus als hostia Deo placens im Horizont von Phil 4,1878 als Rückgabe gedeutet werden. 74  Vgl. Rozynski, Die Leichenreden des hl. Ambrosius, 23 f. mit dem Hinweis auf die Rede und das Vorbild des L. Aemilius Paullus bei Seneca und Valerius Maximus. Dass es ein Topos der consolatio ist, auf solche exempla hinzuweisen, zeigt der Rat des Menander, den dieser in seiner Anleitung „Über die Trostrede“ (περί παραμυθητικοῦ) gibt, vgl. Men. Rhet. 414,2 – 6: καὶ φιλοσοφῆσαι δὲ ἐπὶ τούτοις οὐκ ἀπειρόκαλον καθόλου περὶ φύσεως ἀνθρωπίνης, ὅτι τὸ θεῖον κατέκρινε τῶν ἀνθρώπων τὸν θάνατον, καὶ ὅτι πέρας ἐστὶν ἅπασιν ἀνθρώποις τοῦ βίου ὁ θάνατος, καὶ ὅτι ἥρωες καὶ θεῶν παῖδες οὐ διέφυγον. – „Es ist nicht unpassend, über die allgemeine menschliche Natur zu philosophieren, dass das Göttliche den Tod der Menschen entschieden hat, und dass der Tod für alle Menschen die Grenze des Lebens darstellt, und dass auch Heroen und Kinder von Göttern diesem nicht entkommen sind.“ 75   Zumindest andeutungsweise findet sich bereits in exc. Sat. 1,4 eine Hoffnung auf die Auferstehung, indem Ambrosius auf die mit dem Tod Christi verbundene, ewige Gnade hinweist, die dem Bruder zuteilwerde, vgl. exc. Sat. 1,4: aut cur ego vehementius fleam fratrem, cum sciam illam mori non potuisse pietatem? – „Oder warum soll ich meinen Bruder zu sehr beweinen, da ich ja weiß, dass jene Glaubensgnade nicht sterben konnte?“ 76   Vgl. Greg. Naz. or. 7,18: Πόσον ἡμᾶς ἔφθη Καισάριος; πόσον ἔτι τὸν ἀπελθόντα πενθήσομεν; Οὐ πρὸς τὴν αὐτὴν ἐπειγόμεθα μονήν; [. . .] οὐ τοσοῦτον κερδανοῦμεν ἐν ταῖς μικραῖς ταύταις ἡμέραις, ὅσον πλείω κακά, τὰ μὲν ἰδόντες, τὰ δὲ αθόντες, τὰ δὲ καὶ πράξαντες ἴσως, λειτουργῆσαι τῷ τῆς φύσεως νόμῳ τὴν κοινὴν εἰσφορὰν καὶ ἀσάλευτον [. . .]; – „Wie weit ist Cäsarius vorausgegangen? Wie lange noch werden wir seinen Tod betrauern? Werden wir nicht zur gleichen Wohnung gedrängt? [. . .] Sollen wir nicht an diesen wenigen Tagen das als Gewinn haben, dass noch mehr Übel, die wir sehen, einerseits erleiden, andererseits genau so auch tun, um dem Gesetz der Natur zu dienen, indem wir den gemeinsamen, unveränderlichen Zoll zahlen [. . .]?“ Vom Tod als allgemeinen Gesetz (lex communis) spricht Ambrosius auch in exc. Sat. 2,4, siehe dazu unter B.III.3.2. 77   Vgl. die stoische Auffassung bei Lucrez, rer. nat. 3,971: vitaque mancipio nulli datur, omnibus usu. – „Und das Leben ist niemandem als Eigentum gegeben, jedem (erg. nur) zum Gebrauch.“ Ambrosius greift mit der Schulden-Metapher auf 1 Sam 2,20 zurück, vgl. Αποτείσαι σοι κύριος [. . .] ἀντὶ τοῦ χρέους, οὗ ἔχρησας τῷ κυρίῳ. 78  Vgl. exc. Sat. 1,1: Deduximus, fratres dilectissimi, hostiam meam, hostiam incontaminatam, hostiam Deo placentem. Diese Deutung auf die Opfergabe des Bruders im Sinne der Rückgabe eines Pfandes ist hier wahrscheinlicher als die Interpretation auf die Eucharistie hin, die auf eine entsprechende Messfeier hinweisen würde, auch wenn Ambrosius selbst später Phil 4,18 in Teilen in die Messgebete aufnimmt, vgl. sacr. 4,27.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

4.2 Der Tod als Befreiung von Leid und Sünde Der frühzeitige Tod, so Ambrosius, bewahrt den Verstorbenen vor den Gefahren und Übeln im Leben. Grundlage dieses in der consolatio gängigen Arguments ist die Bedingung der Negativität des Lebens und der defizitäre Zustand des Körpers, der als Kerker der Seele dargestellt wird.79 In der römischen Trostliteratur wurde dieses Motiv ebenfalls zu einer Beschreibung der äußeren Umstände gewählt, etwa des Niedergangs des römischen Staates im Trostbrief des Sulpicius Severus.80 Ambrosius führt diverse Unsicherheiten für das irdische Leben an – Gefahren, Krankheiten und moralische Dekadenz – und argumentiert, die Tatsache, dass Satyrus aufgrund seines frühen Tode die drohenden Barbarenstürme erspart blieben, sei ein Glücksfall.81 Zudem wendet Ambrosius dieses Motiv auch auf sich selbst an, indem er den Bruder beglückwünscht, dass diesem der Anblick toter Geschwister wiederum erspart bleibe.82 Die Konsequenz aus dem Gedanken des rechtzeitigen Todes ist die Todessehnsucht des Ambrosius selbst, der in seiner Verzweiflung aber durch die Pflichten gegenüber der Gemeinde und seiner Schwester Marcellina von einer zu starken Todessehnsucht abgehalten wird.83 Die christliche Weiterentwicklung dieses Arguments findet sich in Ambrosius’ Denken vor allem in Form des Konzeptes des remedium, des Todes als Heilmittel gegen den sündenbelasteten, leiblichen Zustand des Menschen, das vor allem in de excessu fratris Satyri liber secundus behandelt wird.84 In der ersten Rede erfolgt allerdings noch keine detaillierte Erklärung der von Gott gebrauchten inventio des Todes als finis peccatorum.85 Ambrosius zitiert den in der Trostliteratur häufig genutzten Bibelvers Weish 4,11, um das Leben des Menschen, vor allem des schwachen Sünders, zu charakterisieren: [. . .] propheta laudavit, sicut de illo scriptura dixit: raptus est, ne malitia mutaret cor eius. quanto magis nunc iure dicendum est, cum ad saeculi lubricum, vitae accedat ambiguum. raptus est, ne in manus incideret barbarorum: raptus est, ne totius orbis excidia [. . .] videret.86 79   Vgl. dazu etwa Plat. Phaid. 62B; Cic. tusc. 1,74; Cato 77; Sen. Marc. 22. Zum Motiv der opportunitas mortis vgl. auch Johann, Trauer und Trost, 108 f. 80   Siehe dazu unter B.VIII. 81  Vgl. exc. Sat. 1,31: Ego vero te, frater, cum vitae tuae flore, tum mortis commoditate beatum arbitror. Non enim nobis ereptus es, sed periculis. non vitam amisisti, sed ingruentium acerbitatum formidine caruisti. – „Ich preise dich also glücklich, lieber Bruder, wegen der Blüte deines Lebens, besonders aber wegen der Leichtigkeit deines Todes. Denn nicht so sehr uns bist du entrissen, als den Gefahren. Du hast nicht so sehr das Leben verloren, als vielmehr die Schrecken der hereinbrechenden Sorgen.“ Vgl. ebenso exc. Sat. 1,75. 82  Vgl. exc. Sat. 1,75. 83  Vgl. exc. Sat. 1,34. Dieser Vorzug des Todes vor dem Leben und das „Mitsterben“ des Vortragenden mit dem Verstorbenen, vgl. exc. Sat. 1,18 und auch exc. Sat. 2,43, sind Topoi in der Trostliteratur, vgl. etwa Sall. Iug. 14,24 oder Augustinus’ Verarbeitung des Todes seines Freundes in conf. 4,11. 84  Vgl. exc. Sat. 2,35 – 49 und bon. mort. 4,13 – 15. 85  Vgl. bon. mort. 4,15. Zur inventio des Todes siehe unter A.III.4.4. 86   Exc. Sat. 1,30: „[. . .] der Prophet hat lobend gesprochen, wie auch die Schrift über ihn sagt: ‚Er ist hinweggenommen, damit nicht Schlechtigkeit sein Herz verändert‘ (Weish 4,11). Um wie viel

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Nach Weish 4,11 verstehen die christlichen Autoren die Existenz des Menschen als ständiges Risiko des Abdriftens in die Sünde verstanden. Diesem Risiko bereitet erst der Tod ein Ende.87 Im Fall des Satyrus verhält sich Ambrosius allerdings auffallend zurückhaltend. Ambrosius erwähnt die Sünden, die der Tod beendet hat oder die Satyrus noch begehen hätte können, aber nicht, sondern er deutet das rapere allein auf die Barbarengefahr hin.88 Die Betonung der Tugenden und Charakterstärken geht hier mit einer Reduzierung des Sündengedankens angesichts der Vollkommenheit des Bruders einher. Auch der rechte Zeitpunkt des Todes in der Biographie des Satyrus wird von Ambrosius hervorgehoben. Detailliert beschreibt er die Ereignisse vor dem Tod des Satyrus, vor allem die Schiffbruch-Episode und die Bewährung in der Gefahr. Satyrus konnte sich retten, wobei er eine Hostie bei sich trug, und ließ sich, nach der Versicherung der recta fides, taufen.89 Damit habe er prudentia und fortitudo bewiesen90 und sich so, kurz vor seinem Tod, als Christus würdig erwiesen. 4.3 Das Fortleben des Verstorbenen Der Trost des Jenseits in seiner Intensität bei Ambrosius ist ein Novum gegenüber der Trostwirkung der traditionellen consolatio und gleichzeitig das konsolatorische Zentrum der Rede, indem er das grundlegende Konzept der allgemeinen Sterblichkeit relativiert. Ambrosius führt darin die beiden vorangehenden Argumentationsstränge zusammen: Der Tod als dankbare Rückgabe des von Gott geliehenen Lebens wird zur Voraussetzung des Übergangs, während die dunkle Zeichnung des Lebens durch die opportunitas mortis die Bewährung und den daraus folgenden eschatologischen Lohn strahlen lässt. Bereits im zweiten Satz der Rede benennt er dieses Gegengewicht zur condicio humana als Wirkung des göttlichen Heilswerks, ohne auf mehr muss man das nun zu Recht sagen, wenn zur Unsicherheit dieser Welt noch die Unsicherheit des Lebens dazukommt. Er ist hinweggenommen, damit er nicht in die Hände der Barbaren fällt. Er ist hinweggenommen, damit er nicht den Untergang der gesamten Welt [. . .] mitansieht.“ 87  Vgl. exc. Sat. 2,94; ob. Val. 57; ob. Theod. 37; Vgl. auch Cypr. mort. 23 und Hier. ep. 60,2,1. 88   Einen anderen Schwerpunkt setzt Ambrosius in de bono mortis mit der Betonung der Befreiung vom aktiven Sündigen, vgl. bon. mort. 2,6: quid igitur tantopere vitam istam desideramus, in qua quanto diutius quis fuerit tanto maiore oneratur sarcina? – „Warum also wünschen wir uns dieses Leben so sehr, in dem man doch, je länger man es hat, mit umso größerer Sündenlast beschwert wird?“ 89  Vgl. exc. Sat. 1,43. Ambrosius sieht im Heimkommen überhaupt einen letzten Trost, indem Gott den Brüdern nach der Reise noch ein Wiedersehen gewährte, vgl. exc. Sat. 1,17. Auch diese Einschätzung des genau richtigen Eintreffens des Todes gehört zum Motiv der opportunitas mortis. 90   Ambrosius interpretiert die Kardinaltugenden auf christliche Weise: prudentia (exc. Sat. 1,42 – 47) bedeutet für ihn das Vertrauen auf Gott als ewige Wahrheit und die Rechtgläubigkeit; fortitudo (exc. Sat. 1,50) heißt dagegen für Ambrosius die Verachtung des Leides und die Bewährung gegenüber der körperlichen Schwäche und Sündhaftigkeit, vgl. dazu auch Biermann, Die Leichenreden des Ambrosius von Mailand, 71 – 74.

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dieses genauer einzugehen: Memineram esse mortalem, nec fefellit opinio, sed superabundavit gratia.91 Ambrosius schildert allerdings in de excessu fratris Satyri liber primus keine systematische Jenseitsvorstellung oder den detaillierten Ablauf der postmortalen Ereignisse, sondern er kommt immer wieder auf die Gewissheit des jenseitigen Lebens Satyrus’ zu sprechen. In der Rede bringt Ambrosius allerdings Gedanken vor, die für pagane Ohren durchaus annehmbar klingen mussten. So schildert er den Zustand der freien Seele nach dem Tod in enger Anlehnung an Platon: Non enim dolere debemus eos, quos cernimus liberatos; neque enim otiose tam sanctas hoc tempore animas corporeis vinculis reminiscimur absolutas.92 Entsprechend dieser Vorstellung spricht Ambrosius den Verstorbenen als noch Anwesenden an. Es ist die Verbindung in Christus, die den Brüdern den usus commutatus gewährt. Dabei wird der Existenz Satyrus’ durch die seelische Verwandtschaft mit Ambrosius eine besondere Rolle zugewiesen: Non enim perdidi usum tui, sed commutavi: ante corpore inseparabilis, nunc individuus affectu; manes enim mecum, at semper manebis. [. . .] nec ipse mihi umquam patriam praetulisti: et nunc alteram praestitisti: coepi enim iam hic non esse peregrinus, ubi melior mei portio est.93

Satyrus wird als ins Jenseits Vorausgegangener dargestellt, der dort bereits die Freuden der Ruhe und des Friedens genießt und somit für Ambrosius eine Verbindung ins Paradies darstellt. Ambrosius überträgt das Motiv des vorangegangenen Christus als πρωτότοκος ἐκ τῶν νεκρῶν (Kol 1,18) auf seinen Bruder.94 Die Parallelisierung mit Christus findet sich auch am Ende der Rede, wo Satyrus aufgefordert wird, dem Ambrosius die Ankunft bzw. die gemeinsame Wohnung im Jenseits vorzubereiten. Diese Gedankenführung, die auf die Wiedervereinigung der Brüder abzielt, ist ein 91   Exc. Sat. 1,1: „Ich erinnerte mich daran, dass er sterblich ist, und meine Meinung ging nicht falsch. Aber ‚die Gnade ist übergroß geworden‘ (Röm 5,20).“ Implizit setzt Ambrosius hier die Sterblichkeit bereits mit der Folge der Sünde gleich, indem die erste Satzhälfte von Röm 5,20 (superabundavit peccatum) mitklingt. 92   Exc. Sat. 1,67: „Wir dürfen ja auch diejenigen nicht beklagen, welche wir befreit wissen; und wir erinnern uns auch, dass nicht so ganz ohne Grund heilige Seelen in dieser Zeit von ihren körperlichen Fesseln erlöst sind.“ Vgl. Plat. Phaid. 114B. 93   Exc. Sat. 1,6: „Ich habe den Umgang mit dir nicht verloren, sondern er hat sich verwandelt. Zuvor waren wir im körperlichen Dasein unzertrennlich, nun sind wir im Herzen ungetrennt. Denn du bleibst bei mir und wirst immer bleiben. [. . .] Niemals hast du selbst die Heimat mir vorgezogen. Und auch jetzt hast du eine andere Heimat erhalten. Ich habe nun begonnen, kein Fremder mehr da zu sein, wo mein besserer Teil ist.“ 94   Vgl. Joh 14,2. So auch Moos, Consolatio. Band 3: Testimonienband, 37. Eine andere Interpretation der Aussage coepi enim iam hic non esse peregrinus schlägt Markus Löx, Monumenta sanctorum, 111 vor: „Mit der Bestattung seines Bruders in seiner Gemeinde sah sich Ambrosius, der nicht von dort stammte, nach eigener Aussage Mailand enger verbunden.“ Eine solche Instrumentalisierung des Bruders halte ich im Allgemeinen in der emotionalen Rede für abwegig. Zudem ist das semantische Feld der Heimat, wie auch andere Stellen belegen, auf das Paradies angewendet, vgl. exc. Sat. 1,78: Para hospitii consortium; et quemadmodum hic omnia nobis fuere communia, ita illic quoque ius dividuum nesciamus. – „Bereite die gemeinsame Wohnung vor. Und wie hier uns alles gemeinsam gehörte, so wollen wir auch dort kein getrenntes Recht kennen.“

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seltenes Beispiel für die Emotionalität eines antiken Autors. In diesem Sinne kann auch die Bezeichnung des Satyrus als hostia interpretiert werden: Mit der Rückgabe des von Gott geliehenen Gutes erlangt Ambrosius gleichzeitig einen Schatz im Himmel und ein Pfand, das ihm selbst den Weg zu Gott erleichtert. Ambrosius gibt, anders als in den Kaiserreden, nur wenige Hinweise auf die Szenerie des Ortes, an dem sich Satyrus nach dem Tod befindet, sodass es nicht vollends möglich ist, den Seligkeitsstand des Satyrus zu definieren. In exc. Sat. 1,50 schildert Ambrosius den Eintritt des Toten in das regnum caelorum.95 Eine solche Schilderung spräche für die Einordnung unter die sancti, die vollkommenen Gerechten. Dem widerspricht die Rede vom futurischen Erklimmen des Berges Gottes, die Ambrosius in exc. Sat. 1,61 schildert.96 Auch die Bitte um die Bereitung des gemeinsamen Hauses spricht eher für einen vorläufigen Zustand und die Einordnung des Satyrus unter die peccatores iusti, da Ambrosius sich selbst kaum unter die perfecti bzw. sancti rechnen würde. Diese These wird durch die Gebete unterstützt, die die Gemeinde dem Toten zukommen lassen soll und die für eine Erleichterung des Reinigungsprozesses sorgen können. Mit keinem Wort aber erwähnt Ambrosius seine Vorstellung von der Vorläufigkeit der Existenz im Zwischenzustand des Paradieses, den er in der zweiten Rede genauer bestimmt. Auch dort überdeckt er am Ende den Unterschied zwischen Interim und Eschaton durch Bilder der Vollkommenheit. Es ist also zu vermuten, dass Ambrosius für seinen Bruder Satyrus nicht den vollkommenen Status eines sanctus annimmt, ihn aber sehr wohl zu der Gruppe der peccatores iusti zählt, deren Lohn im Paradies von dem endgültigen im Himmelreich kaum zu unterscheiden ist. Ausgehend von der Vorstellung des Lebens im Jenseits wirft Ambrosius einen Blick auf den Leichnam. Auffällig ist die Betonung der Bedeutung der sterblichen Überreste, die mehrmals in der Rede thematisiert werden. Ambrosius ruft den Trauernden den Besitz der Überreste als Trost in Erinnerung und blickt auf den tumu95  Vgl. exc. Sat. 1,50: Intravit igitur in regnum caelorum, quoniam credidit Dei verbo. – „Darum hat er das Reich der Himmel betreten, da er dem Wort Gottes geglaubt hat.“ 96  Vgl. exc. Sat. 1,61: Hic ergo et in montem Domini ascendet, et in tabernaculo habitabit Dei. – „Dieser wird darum auf ‚den Berg des Herrn‘ steigen und im ‚Zelt Gottes wohnen‘ (vgl. Ps 14,2).“ Vgl. dazu die Schilderung des Himmelreichs in ob. Theod. 37: Dilexi et ideo prosequor eum usque ad regionem vivorum nec deseram, donec fletu precibusque inducam virum, quo sua merita vocant, in montem domini santum, ubi perennis vita, ubi corruptelae nulla contagio, nullus gemitus, nullus dolor, nulla consortio mortuorum. – „‚Ich habe ihn geliebt‘ (Ps 114,1) und darum begleite ich ihn bis zum ‚Land der Lebendigen‘ (Ps 114,9) und ich werde ihn nicht verlassen, bis ich den Mann mit Weinen und Gebeten dort führe, wohin ihn seine Verdienste rufen, ‚zum heiligen Berg des Herrn‘ (Ps 23,3), wo ewiges Leben ist, wo es keine Berührung mit der Vergänglichkeit gibt, keine Klage, keinen Schmerz, kein Zusammensein mit den Toten.“ Zum tabernaculum Dei vgl. ob. Theod. 2: Et ille quidem abiit sibi regnumque non deposuit, sed mutavit, in tabernacula Christi iure pietatis adscitus, in illam Hierusalem supernam, ubi nunc positus [. . .]. – „Und jener ging zwar hin und er legte sein Königtum nicht ab, sondern er verwandelte es. Aufgrund seiner Frömmigkeit ist er in die Zelte Christi aufgenommen, in jenes himmlische Jerusalem, wo er nun weilt [. . .].“ Der Unterschied besteht darin, dass Theodosius bereits Wohnung im tabernaculum genommen hat, während der zukünftige Einzug des Satyrus dagegen erhofft wird.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

lus.97 Hier bilden der Grabhügel und der Ort der Geburt die Parallele zu Tod und Geburt – eine Gegenüberstellung, die in de bono mortis immer wieder aufgenommen wird, wenn die Geburt als Beginn des Leidens und der Tod als Erlösung dargestellt werden.98 Allerdings geht Ambrosius in seiner Trauer und der Sympathie für den Grabhügel noch weiter: Habeo plane pignus meum, quod nulla mihi peregrinatio iam possit avellere: habeo quas complectar, reliquias; habeo tumulum, quem corpore tegam; habeo sepulcrum, super quod iaceam; et commendabiliorem Deo futurum esse me credam, quod supra sancti corporis ossa requiescam.99

Möglicherweise modifiziert hier Ambrosius das Lob der Gestalt, das Teil der laudatio funebris war, in Form der Betrachtung des Leichnams, der für den Sieg über das sündhafte Leben steht. Der Rhetor Menander sieht für das Lob des Toten verschiedene Topoi vor: Eigenschaften, Fähigkeiten, Ausbildung. Außerdem fordert die Gattung der laudatio funebris normalerweise das Lob der körperlichen Schönheit in Hinblick auf Aussehen, Wuchs, Bartwuchs und Augen. Eine solche Beschreibung des Körpers sucht man in der Leichenrede, in der der Leib als Kerker der Seele definiert wird, vergeblich. Ambrosius lässt sich allerdings das Lob der Gestalt nicht ganz nehmen. Beim Anblick der Leiche ruft er aus, dass diese noch Trost spende und die exanimis corporis forma die Augen erfreue.100 Ein Lob des Körpers kann wohl nur mit der leiblichen Auferstehung begründet werden, deren theoretische Grundlegung in der zweiten Rede folgt. Die Hochschätzung der reliquiae und des Verehrungsortes mag einerseits für die Sehnsucht nach dem Toten sprechen, erinnert aber andererseits an die Märtyrerund Heiligenverehrung, die der Mailänder Bischof praktizierte, wie in ep. 77 (22), dem Bericht über inventio und translatio der Gebeine der Märtyrer Gervasius und Protasius zu entnehmen ist. In dieser Parallelisierung zeigt sich die tiefe Verehrung für Bruders. Zum Abschluss soll ein kurzer Blick auf das Grab des Satyrus erfolgen. Der wahrscheinliche Ort ist, wie gezeigt, der Sacello di San Vittore di ciel d’oro. Tatsächlich findet sich eine Quelle aus dem neunten Jahrhundert, die ein Grabepigramm zitiert, das meist Ambrosius zugeschrieben wird: Uranio Satyro supremum frater hono 97   Exc. Sat. 1,6: Hic mihi tumulus genitali solo gratior, in quo non naturae, sed gratiae meae fructus est. – „So ist mir dieser Grabhügel angenehmer als die Stätte deiner Geburt: denn hier ruht die Frucht der Gnade, nicht die der Natur.“  98   Vgl. Hiobs Verfluchung der eigenen Geburt (Hiob 3,3) oder das an Pred 6,3 angelehnte Lob der Fehlgeburt in bon. mort. 2,4.  99   Exc. Sat. 1,18: „Immerhin besitze ich ein Unterpfand, das mir kein Abschied mehr rauben kann: ich habe die sterblichen Überreste, die ich umfasse; ich habe den Grabhügel, den ich mit meinem Körper decke; ich habe das Grab, über dem ich ausgestreckt liege; und ich glaube, Gott wohlgefälliger zu werden, wenn ich auf den Gebeinen des heiligen Leichnams ruhe.“ 100  Vgl. exc. Sat. 1,78: Licet ipsa species et exanimis corporis forma soletur, oculosque manens gratia et permanens figura demulceat [. . .]. – „Wenn auch der Anblick und die Gestalt des leblosen Körpers Trost spendet und die bleibende Anmut und die ewige Schönheit die Augen schmeichelt [. . .].“

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rem / Martyris ad laevam detulit Ambrosius. / Haec meriti merces, ut sacri sanguinis humor / Finitimas penetrans adluat exuvias.101 Die Grabaufschrift zeugt von der Hoffnung auf die leibliche Auferstehung und weist auf die würdevolle Grablegung ad sanctos hin. Dieser Positionierung liegt die Vorstellung zugrunde, dass am jüngsten Tage die Märtyrer den auferstandenen Körpern indirekter Nähe den Weg zu Gott weisen. Das Epitaph verweist auf diese Vorstellung, indem die Hoffnung ausgesprochen wird, dass das Blut des Märtyrers und damit die besondere Gnade auf den verstorbenen Bruder übergehen möge. Es ist davon auszugehen, dass mit dem Märtyrer der heilige Victor gemeint ist, dem auch das sacellum geweiht war.102 Dieselbe Positionierung in direkter Nähe zu den Märtyrerreliquien von Gervasius und Protasius in der angrenzenden basilica ambrosiana hat Ambrosius auch für sich selbst bestimmt.103

5. Zusammenfassung Ambrosius stellt mit der ersten Rede für seinen verstorbenen Bruder Satyrus ein Werk vor, das den klassischen Vorgaben der antiken Trostliteratur in weiten Teilen entspricht. Es finden sich vielfach Anklänge an Ciceros Tusculanen, Cato maior und die verlorene consolatio sowie Senecas Konsolationsschriften. Darüber hinaus zeigen Aufbau und Argumentation, die den Ausführungen des Menander weitestgehend folgen, was man von einem gebildeten Mitglied der Oberschicht Roms erwarten konnte. Ambrosius bedient sich der gängigen Motive und Gemeinplätze, die nicht nur seiner Ausbildung und den daraus resultierenden Kenntnissen der Trostmethodik, sondern auch seiner Zuhörerschaft geschuldet waren, welche zumindest in Teilen aus Angehörigen der vornehmen Schicht Mailands bestanden haben muss. Ein bloßes Abschreiben und Nachbilden ohne jegliche kreative Leistung kann dies aber nicht genannt werden. Die Eigenart der christlichen Argumente entfaltet eine Kraft, die eine pagan-philosophische consolatio nicht erreichen konnte. Wo der stoische Seneca und der skeptische Cicero kapitulieren müssen, entfaltet sich die Hoffnung der Auferstehung und des ewigen Lebens. Immer wieder lässt Ambrosius diese Grundlage seines Glaubens in der ersten Rede durchscheinen, ohne die Zuhörer mit genaueren dogmatischen Ausführungen zu behelligen. Immer wieder relativiert sich ein klassisches Argument durch den Blick auf eine Zukunft in Glückseligkeit. Diese Gegenüberstellung kulminiert schließlich im letzten Teil der Rede, wo Ambrosius zur Überwindung der Trauer aufruft: 101   CIL 5,617 Nr. 5: „Dem Uranius Satyrus hat der Bruder Ambrosius die höchste Ehre zuteilwerden lassen, / zur Linken des Märtyrers (sc. des Victor) zu ruhen. / Dies ist der Lohn für seine Verdienste, damit das Nass des heiligen Blutes / die Hülle daneben durchdringend rein wäscht.“ 102   Zur Diskussion der Lokalisierung und des Alters der Inschrift vgl. Zimmerl-Panagl, Ultimum coram populo vale dico, 180 f. und Löx, Monumenta sanctorum, 111 – 113, der den Zusammenhang zwischen dem sacellum des heiligen Viktor und der Kirche erörtert. 103   Siehe dazu Einleitung III.3.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Cessabunt igitur lacrimae, parendum est enim remediis salutaribus, quia debet aliquid inter fidos et perfidos interesse. Fleant ergo qui spem resurrectionis habere non possunt, quam non sententia Dei eripit, sed fidei inclementia. Intersit inter Christi servulos, idolorumque cultores; ut illi fleant suos, quos in perpetuum existimant interiisse: illi nullas habeant lacrimarum ferias, nullam tristitiae requiem consequantur, qui nullam putant requiem mortuorum. Nobis vero quibus mors non naturae, sed vitae istius finis est; quoniam in melius ipsa natura reparatur, fletus omnes casus mortis abstergat. [. . .] Nos vero ut erectiores praemio, ita etiam patientiores solatio esse debemus; non enim amitti, sed praemitti videntur, quos non assumptura mors, sed aeternitas receptura est.104

Während sich alle Argumente und Motive zuvor an die Vorgaben der Tradition halten oder diese zur Grundlage nehmen, bricht Ambrosius hier explizit die Abhängigkeit von der klassischen Trostliteratur auf. Er wendet sich gegen die „Götzendiener“, die er später mit den philosophischen Schulen identifiziert. Deutlich klingen die Todesvorstellungen von Stoa und Epikureismus an, der finis sensus und der defectus naturae.105 Diesen in seinen Augen trostlosen Aussichten setzt Ambrosius die transzendente Lösung als Kompensation irdischen Leides entgegen: die Wandlung zum Besseren und das Vorausgeschickt-Werden in die Ewigkeit – ein Analogieschluss a minori ad maius. Aus dem „Tal der Tränen“, den defizitären Vorstellungen der Heiden,106 möchte Ambrosius all seine Zuhörer herausführen. Im Rahmen der Todesverarbeitung in de excessu fratris Satyri liber primus zeigt sich, dass Ambrosius in erster Linie seelsorgerisch handelt, indem er den Tod des Satyrus für unterschiedliche Zuhörergruppen verständlich macht und konsolatorisch auffängt. Die Überhöhung des Bruders zu einem mustergültigen Christ, die die eigentliche Person überdeckt und die menschliche Sündhaftigkeit weitestgehend unerwähnt lässt, mündet in eine ambivalente Verortung des verstorbene Satyrus zwischen Interim und Eschaton, sodass Zuhörer und Autor selbst den vollständigen Trost finden können. 104

  Exc. Sat. 1,70 f.: „Die Tränen sollen also aufhören. Den von Gott gegebenen Heilmitteln muss man gehorchen, weil es doch zwischen Gläubigen und Ungläubigen einen Unterschied geben muss. Diejenigen sollen weinen, die keine Hoffnung auf Auferstehung haben können, jene Hoffnung, welche kein Urteilsspruch Gottes wegnimmt, sondern uns einzig die Schwäche des Glaubens raubt. Ein Unterschied muss zwischen den Dienern Christi und den Verehrern der Götzen bestehen: diese mögen ihre Verstorbenen beweinen, die sie für immer dem Untergange geweiht erachten; sie mögen ihren Tränen keine Pause, ihrem Schmerze keine Ruhe gestatten, weil sie an die Ruhe der Toten nicht glauben. Uns aber, für die der Tod nicht das Ende der Natur, sondern nur dieses Lebens ist, für die aber diese Natur ins Bessere verwandelt wird, – uns soll das Schicksal des Todes die Tränen trocknen. [. . .] Wir aber, da wir durch den Lohn aufrechter gehen, müssen so auch im Trost mehr ertragen. Die sind nicht verloren, sondern vorausgesandt, die der Tod nicht verschlingen, sondern die Ewigkeit aufnehmen wird.“ 105   Eine polemische Auseinandersetzung mit den Neuplatonikern und deren Vorstellung von der Seelenwanderung folgt in exc. Sat. 2,65 f.  79.126 – 131. 106   Mit diesem Bild bezeichnet Ambrosius mehrmals das Heidentum, vgl. etwa exam. 3,1,3: Vallis est haeresis, uallis est gentilitas, quia deus montium est, non uallium. Denique in ecclesia exultatio est, in haeresi et gentilitate fletus et maeror. – „Ein Tal ist die Häresie, ein Tal das Heidentum, weil Gott ‚ein Gott der Berge und nicht der Täler‘ (1 Kön 20, 28) ist. Schließlich herrscht in der Kirche Jubel, in der Häresie und dem Heidentum Weinen und Trauer.“

II. Die Rede über die Auferstehung: De excessu fratris Satyri liber secundus 1. Einleitung Sieben Tage nach der ersten Rede zum Tod seines verstorbenen Bruders Satyrus im Jahr 378 wandte sich Ambrosius erneut an seine Gemeinde. Die Erwähnung der Schriftlesung aus Offb 141 macht es wahrscheinlich, dass Ambrosius auch diese Rede im Rahmen einer Totenliturgie-Feier hielt. Ambrosius hat in dieser Ansprache aber ein anderes Ziel als in der ersten Rede: Es finden sich nicht mehr die emotionalen Worte des trauernden Bruders, sondern die Hoffnung verheißenden Worte des Predigers zur allgemeinen Aufmunterung der Menschheit, ad communem humani generis cohortationem. Ambrosius erklärt die Strategie, nach der er die erste Rede aufgebaut hatte, als den „Aufschub der Tröstung“: Superiore libro aliquid indulsimus desiderio, ne tamquam ferventi plagae austeriora adhibita medicamenta exasperarent magis quam lenirent dolorem. Simul quia fratrem saepius adlocuti sumus et oculis tenebamus, absurdum non fuit relaxare paulisper adfectum naturae, qui lacrimis magis pascitur, fletibus delinitur, stupore defigitur. [. . .] Ferendo autem probatur patientia quam resistendo.2

1  Vgl. exc. Sat. 2,132: quam citharizantes illos dicere prophetica lectione conperimus, quia magna et mirabilia opera tua, domine deus omnipotens [. . .]. – „Dass sie (sc. die Seelen) das Lob zur Kithara singen, haben wir aus der prophetischen Lesung erfahren: ‚Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott [. . .]‘ (Offb 15,3 f.).“ Kein weiterer der zahlreichen Bibeltexte wird als Lesungstext angeführt, vgl. Biermann, Die Leichenreden des Ambrosius von Mailand, 126.131. 2  Vgl. exc. Sat. 2,1: „Im ersten Buch haben wir etwas der Sehnsucht Raum gegeben, damit nicht wie bei einer brennenden Wunde die Verabreichung eines zu starken Arzneimittels den Schmerz eher verschlimmert als lindert. Da wir meinen Bruder oftmals angesprochen haben und ihn mit Blicken festhielten, war es nicht abwegig, das natürliche Gefühl etwas zu Ruhe kommen zu lassen, das sich durch Tränen besser beruhigt, das durch Weinen besänftigt wird, durch den Schock aber erstarrt. [. . .] Im Ertragen aber zeigt sich die Geduld, nicht im Widerstand.“ Vgl. dazu Cic. tusc. 4,63: quodque vetat Chrysippus, ad recentis quasi tumores animi remedium adhibere, id nos fecimus naturaeque vim attulimus, ut magnitudini medicinae doloris magnitudo concederet. – „Und was Chrysipp verbietet, nämlich beim frischen seelischen Aufwallen Heilmittel anzuwenden, das haben wir getan und der Natur Gewalt angetan, damit der Größe des Heilmittels die Größe des Schmerzes weiche.“ Diese Therapie des Schmerzes entsprach vor allem stoischem Denken und wird erstmals von Chrysipp empfohlen, vgl. Kassel, Untersuchungen zur griechischen und römischen Konsolationsliteratur, 52.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Erst nach sieben Tagen sei der rechte Zeitpunkt des Trostes gekommen, da eine vorschnelle Tröstung die falsche Behandlung sei, durch die die Wunde wieder aufbrechen und stärker schmerzen könnte. Somit folgt auf die den Regeln des Menander in weiten Teilen entsprechende erste Grabrede eine zweite, in der Ambrosius ausdrücklich den Aspekt des παραμυθητικός, der Tröstung, als Ziel nennt. Tatsächlich entwickelt sich die Rede aber zu einem theoretischen Traktat. Die Wahl des Zeitpunktes legt Ambrosius allegorisch aus. Ausgehend von Lev 23,3 wird mit dem siebten Tag, dem Sabbat, die ewige Ruhe in den Blick genommen: die septimo ad sepulcrum redimus, qui dies symbolum futurae quietis est.3 Der siebte Tag ist ein ritueller Termin, der als besonderer Gedächtnistag für den Toten fungiert.4 In der Forschung wird überwiegende die Meinung vertreten, dass Ambrosius die Rede am siebten Tag nach der ersten hielt. Victoria Zimmerl-Panagl stellt aber zu Recht die Frage, ob mit dem dies septimus nicht auch der Todestag des Satyrus gemeint sein kann, der nicht zwingend mit dem Tag der ersten Rede zusammenfallen muss.5 Dies ist nicht unwahrscheinlich, da sich rituelle Gedächtnistage meist am Todestag orientierten. Es lässt sich jedoch in keiner der beiden Reden feststellen, ob zwischen Tod und erster Leichenrede ein größerer Zeitraum lag. Ulrich Volp beschreibt den rituellen Ablauf zwischen Tod und Begräbnis: Nach dem Tod erfolgten unter Klagen das Kussritual und das Schließen der Augen, das von engsten Verwandten vorgenommen wurde. Im Anschluss daran wurde der Leichnam gewaschen und in manchen Fällen, vor allem, wenn es sich um einen angesehene Person oder Herrscher handelte, für eine gewisse Zeit aufgebahrt.6 Im Falle des Satyrus ist es durchaus möglich, dass diese Rituale in kurzer Zeit, wahrscheinlich sogar am selben Tag, durchgeführt wurden.7 Welcher Tag letztlich auch gemeint sein mag, die Symbolträchtigkeit der Zahl Sieben bleibt in beiden Fällen erhalten. Nimmt man die einzige Bemerkung des Ambrosius zum Ort der Rede, die Rückkehr zum Grab (ad sepulcrum redimus), wörtlich, so ist die zweite Rede in relativer Nähe zur Grablege des Satyrus zu lokalisieren. Die Untersuchung der ersten Rede für Satyrus hat ergeben, dass sich das Grab wohl im Sacello di San Vittore in ciel d’oro 3   Exc. Sat. 2,2: „Am siebten Tag haben wir uns wieder zum Grab begeben – an dem Tag, der als Symbol für die zukünftige Ruhe steht.“ 4  Vgl. Volp, Tod und Ritual in den christlichen Gemeinden der Antike, 225 – 227. Zum jüdischen Trauerbrauch der Feier am siebten Tag nach dem Tod vgl. Koep / Stommel / Kollwitz, Art. Bestattung, 199. Ambrosius kennt selbst mehrere Traditionen, die er in seiner Argumentation dafür, dass die Leichenrede für Theodosius erst am 40. Tag nach dessen Tod gehalten wird, nennt, ob. Theod. 3: Et quia alii tertium diem et tricesimum, alii septimum et quadragesimum observare consuerunt, quid doceat lectio, consideremus. – „Und da die einen den dritten Tag und den dreißigsten, andere aber den siebten und den vierzigsten zu verehren pflegen, wollen wir schauen, was die Schrift lehrt.“ 5  Vgl. Zimmerl-Panagl, Die Totenreden und Epistula 25 des Ambrosius, 188 f. Sie weist dabei auf die Erklärung der Totengedächtnistage in ob. Theod. 3 f. hin, die sich jeweils auf den Todestag beziehen. 6  Vgl. Volp, Tod und Ritual in den christlichen Gemeinden der Antike, 172 – 185. 7   Selbst der Leichnam des Ambrosius wurde nur sehr wenige Stunden in der Basilika aufgebahrt und noch am gleichen Tag bestattet, vgl. Paul. vit. Ambr. 48. Siehe dazu Einleitung III.3.

II. Die Rede über die Auferstehung

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befand. Es ist darum wahrscheinlich, dass die zweite Rede am selben Ort stattfand wie die Rede sieben Tage zuvor, auf dem Vorplatz vor der späteren basilica ambrosiana mit Blick auf das Grabmal im sacellum, da die Kapelle bzw. ein eventueller Vorgängerbau für eine größere Menschenmenge zu klein war. Es ist auch im Falle der zweiten Rede von einer großen Anzahl an Zuhörern auszugehen, wobei sich sehr wahrscheinlich die gleichen Personen erneut eingefunden haben. Mag auch der Tod des Satyrus immer noch den Anlass für die Rede darstellen, so fällt der Blick nur an wenigen Stellen der Rede auf den Bruder.8 Ambrosius hat die weitere Zukunft im Blick, wenn er den Todesfall seines Bruders mit der christlichen Botschaft der Auferstehung verwebt. Dies zeigt sich auch in der Bezeichnung der Reden durch Ambrosius selbst. In exp. Ps. 1,51 spricht er von ihnen als libri consola­ tio­nis et resurrectionis.9 Dass damit nicht nur der Inhalt der Reden, sondern auch ihre eigentliche Titel gemeint sind, zeigt eine Bemerkung bei Augustinus, der die zweite Rede mit de resurrectione betitelt.10 Die Bezeichnung der ersten Rede als consolatio und der zweiten als Abhandlung de resurrectione wird durch den in der Überlieferung gängigen Titel de excessu fratris Satyri liber primus et liber secundus überdeckt, den Michaela Zelzer anhand der Überlieferungsgeschichte als sekundär bewiesen hat. Er findet sich in einem Codex aus dem sechsten Jahrhundert, der neben den Reden unter der Bezeichnung de excessu fratris liber primus et liber secundus noch die Schriften de apologia prophetae David, de Ioseph, de patriarchis und de paenitentia liber primus et liber secundus sowie fünf Briefe überliefert. Auch mehrere jüngere Codices bieten die beiden Leichenreden, etwa die Handschrift der Dombibliothek Köln cath. 39, die Handschrift der Bamberger Staatsbibliothek Patr. 6 und die Würzburger Handschrift M. th. f. 26 aus dem zehnten und elften Jahrhundert, allerdings in einer anderen Zusammenstellung. Dort trägt die zweite Rede den Titel liber de resurrectione. Da diese Codices eine frühe Mailänder Tradition bewahren, ist die Authentizität des Titels liber de resurrectione auch wegen der Übereinstimmung mit Augustinus und Ambrosius selbst äußerst wahrscheinlich. Die Umbenennung ist wohl in Parallele zu den beiden Büchern de paenitentia vorgenommen worden.11 Aus Gründen der Kompatibilität mit der Forschungsliteratur und der besseren Verständlich 8   Ambrosius nennt ihn als Anlass und Objekt des Gedenkens (exc. Sat. 2,1 f.), als Vorbild und Beweis für den Tod des Gerechten, vor dem man sich nicht fürchten muss (exc. Sat. 2,42 f.) und als Angesprochenen, der Fürsprache vor Gott für den Bruder einlegen soll (exc. Sat. 2,135). Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass weitere Hinwendungen an Satyrus im Überarbeitungsprozess gestrichen wurden.  9  Vgl. exp. Ps. 1,51: et de resurrectione quidem plurima scripturarum sunt testimonia, quae non praetermisimus in libris consolationis et resurrectionis. – „Auch über die Auferstehung gibt es natürlich vielerlei Schriftbeweise, die ich in den Büchern über den Trost und die Auferstehung behandelt habe.“ 10   Vgl. Aug. pecc. orig. 2,41,47: in opere quod scripsit de Resurrectione sanctus Ambrosius [. . .]. – „in dem Werk, das der heilige Ambrosius über die Auferstehung geschrieben hat [. . .].“ 11   Zelzer, Zur frühen Verbreitung der Werke des Ambrosius und zu ihren authentischen Titeln, 320 f. Vgl. auch die von Ambrosius selbst stammende Bezeichnung des Redepaares in exp. Ps. 1,51,1: libri de consolatione et resurrectione.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

keit soll aber in der vorliegenden Studie der immer noch gängige Titel de excessu fratris Satyri liber secundus (exc. Sat. 2) verwendet werden.

2. Zielsetzung Welches Ziel verfolgt Ambrosius mit dieser sich in theoretischen Darlegungen drehenden Rede, die Ausmaße einer üblichen Ansprache weit übersteigt?12 De excessu fratris Satyri liber secundus changiert auf signifikante Weise zwischen einer Leichenrede und einem theoretischen Traktat. So finden sich zwar Hinweise auf Schriftlesungen und der Blick auf das Grab des Bruders, doch fehlen weitere typische Elemente einer laudatio funebris, wie die Trauer- und die Lobrede. Die zweite Rede ist damit keine Fortsetzung der ersten Rede, sondern eine Unterrichtung der Gemeinde hinsichtlich des christlichen Verständnisses von Tod und Auferstehung, wobei Ambrosius von philosophischen Vorstellungen seinen Ausgang nimmt. So verwandelt sich die Rede für die Zuhörer von einer cohortatio communis, die von traditionellen Motiven geprägt ist, gleichsam in eine christliche Predigt, die sich auf die Heilige Schrift stützt. Auf diese Weise verliert der Redner Ambrosius seine Zuhörer nicht aus dem Blick. Er richtet sich einerseits als Prediger an die initiierten Gemeindemitglieder, an Katechumenen und an Interessierte. Andererseits adressiert er als Redner ein paganes, philosophisch gebildetes Publikum. M. E. macht er aus der Not der Rede eine Tugend: Er hält dabei die Zweideutigkeit aufrecht und bietet damit beiden Gruppen eine adäquate Gattung. Während der christliche Zuhörer eine christliche Predigt verfolgt, hört der mit Satyrus und Ambrosius befreundete Heide einen ihm anfangs vertrauten, philosophischen Vortrag, bis Ambrosius den Vorzug des christlichen Denkens und Hoffens immer stärker in den Vordergrund stellt. Vor allem aber ist Ambrosius ein – noch junger – Lehrer, der seinen eigenen Glauben an die Auferstehung darstellen will. Dass er dabei auf Quellen und bekannte Vorgänger zurückgreift und keine spekulativen Konzepte entwickelt, wurde ihm zwar zum Vorwurf gemacht,13 doch lässt diese Kritik der Argumentation die Situation außer Acht, in der Ambrosius spricht: 12   Auffällig ist tatsächlich die Länge der Rede. Nimmt man Ciceros Rede zur Verteidigung des Poeten Archias, die mit einer Länge von 3139 Wörtern etwa 35 Minuten lang dauerte, wie Jon Hall, Performing Cicero’s Pro Archia. DVD Edition, Mundelein, IL. 2009, zeigen konnte, hätte die Rede in der vorliegenden Form mit rund 12.000 Worten um die 135 Minuten gedauert. Die erste Rede dagegen hatte entsprechend nur eine Dauer von 82 Minuten. Allerdings ist nicht mehr feststellbar, wie stark die Überarbeitungen für die Edition auf den Textbestand Einfluss hatten. 13   An vielen Stellen lässt sich der Gebrauch von Vorlagen erkennen. Dassmann, Ambrosius von Mailand, 58 – 60 stellt die Vermutung auf, dass Ambrosius auf Florilegien, die die wichtigsten Gemeinplätze der verschiedenen Philosophenschulen versammelten, zurückgegriffen habe. Dass solche Hilfswerke Rhetoren zur Verfügung standen, ist bekannt. Ob und in welchem Ausmaß aber Ambrosius diese im Schreibprozess genutzt hat, muss Spekulation bleiben. Selbst im Falle einer solchen Vorlagensituation bezweifelt Dassmann, dass Ambrosius eine Rede von solchem Ausmaß

II. Die Rede über die Auferstehung

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Die Datierung der beiden Totenreden schwankt zwischen den Jahren 375 und 378, wobei dem späteren Datum in der Forschung meist der Vorzug gegeben wird.14 Nach seiner Weihe am 7. Dezember 374 steht im Jahr 378 mit Ambrosius ein Bischof vor der Gemeinde, der höchstens drei Jahre Erfahrung als Seelsorger und Theologe hat.15 Selbst wenn Ambrosius schon vor seiner plötzlichen Bischofsweihe christlichen Unterricht genossen hat, betont er doch stets seine Situation eines Lehrers, der selbst noch lernt.16 Eine spezifisch christliche consolatio hat vor Ambrosius allerdings noch kein Autor vorgelegt. Es ist darum nur natürlich, dass ein klassisch gebildeter Redner wie Ambrosius auf die ihm bekannten paganen und christlichen Argumentationsstrukturen zurückgreift. Ambrosius versteht es dabei, die Motive und Ideen seiner Vorbilder mit seinen eigenen Gedanken zu verweben. Hinzu kommt, dass Ambrosius in beiden Reden als direkt betroffener Angehöriger spricht. Die Gattung der consolatio nimmt auf diesen Umstand durch den Rückgriff auf einen festen Bestand an Motiven und Gemeinplätzen Rücksicht. Dabei ist zu bedenken, dass die originellen Werke, auf die Ambrosius sich stützt, die Auferstehungstraktate des Tertullian und des Athenagoras, unter gänzlich anderen Voraussetzungen entstanden sind.17 Vielleicht, so könnte man den Schluss ziehen, waren innovative Spekulationen angesichts des Todes des eigenen Bruders nicht nur nicht intendiert, sondern wurden als deplatziert angesehen. Eine dritte Herausforderung stellt die Zusammensetzung des anwesenden Publikums dar. Mag auch der äußere Rahmen der Rede eine Gottesdienstfeier sieben Tage nach der Grablegung (oder dem Tod) des Satyrus gewesen sein, so fanden sich doch mit Sicherheit nicht nur Christen im Auditorium, sondern aufgrund der besonderen Stellung des Satyrus als Person des öffentlichen Interesses auch pagane Bürger Mailands.18 Mehrmals nimmt Ambrosius in der Rede heidnische Zuhörer in den in nur sieben Tagen ohne weitere Hilfe fertigstellen konnte. Er geht darum von umfangreichen nachträglichen Überarbeitungen aus. Am Grundtenor und der Argumentation hätten diese aber nichts verändert. 14  Vgl. Zimmerl-Panagl, Ultimum coram populo vale dico, 173. Siehe dazu auch die Diskussion um die Datierung unter B.II.2. 15   Ambrosius widmete sich nach seiner Ernennung zum Bischof zunächst für zwei Jahre dem Bibelstudium. In den ersten Jahren im Amt verfasste er neben dem Redenpaar die Werke de virginibus, de viduis, de paradiso und de Cain et Abel. 16  Vgl. off. 1,1,4: Ego enim raptus de tribunalibus atque administrationis infulis ad sacerdotium, docere vos coepi quod ipse non didici. – „Denn ich wurde vom Richterstuhl und der Amtsbinde weggerissen hin zum Priesteramt, ich habe begonnen euch zu lehren, was ich selbst nicht gelernt habe.“ 17   Tertullian verteidigt in seinem Traktat de resurrectione carnis den Glauben an die Auferstehung des Leibes gegen gnostische Vorstellungen, vgl. Daley, The Hope of the Early Church, 35 f. (Ps‑)Athenagoras’ Werk de resurrectione stellt eine Apologie dar, die vor allem mit philosophischen Argumentationen auszukommen versucht, vgl. Peter Pilhofer, Art. Athenagoras, LACL3 (2002), 63 f. 18   Satyrus hatte eine ganz ähnliche Ausbildung durchlaufen wie sein Bruder. Als dieser Bischof wurde, trat Satyrus in den Dienst der Mailänder Kirche und wurde Verwalter der Güter und Berater des Ambrosius. Aufgrund dieser gehobenen Position und der vielfältigen öffentlichen Aufgaben kann es als sicher gelten, dass die Trauergemeinde auch aus Freunden, Verwandten und Geschäftspartnern aus dem heidnischen Milieu bestand. Siehe dazu auch unter Einleitung III.2.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Fokus, wenn er auf Gemeinsamkeiten der christlichen Tradition mit heidnischen Bräuchen und Gedanken hinweist und der Philosophie gegenüber versöhnliche Töne anschlägt. Ambrosius grenzt sich nicht vollkommen vom heidnischen Milieu in Mailand ab, das immer noch einen großen Teil der Gesellschaft ausmacht. Vielmehr will er einem gemischten Publikum den Glauben an die Auferstehung nahebringen. Im philosophischen, von Platon und Plotin geprägten Denken war die Loslösung des Selbst vom Körper das Ziel der Existenz. Die Hoffnung auf eine Auferstehung des Körpers wurde darum als unvernünftig abgewertet, die Zusammenführung von Leib und Geist nach dem Tod als unerhörtes Novum abgestritten.19 Selbst im vierten Jahrhundert stellte dieser Glaube eine Herausforderung für Heiden und philosophisch interessierte Christen dar. Die Herausforderung für Ambrosius bestand aber nicht darin, ein neues, originelles Konzept für das Leben nach dem Tod zu entwickeln, sondern in der pastoralen Sorge um seine Gemeinde, die er in der Lehre von der Auferstehung zu Sprachfähigkeit unterweisen wollte. Sein Rückgriff auf die Philosophie ist daher auch nicht im Ton einer apologetischen Polemik verfasst,20 sondern fungiert als Instrument eines sanften Zugangs, den er interessierten Heiden ermöglicht. Die Rede de excessu fratris Satyri liber secundus bzw. de resurrectione kann als Gelegenheit gesehen werden, interessierte Zuhörer für das Christentum zu gewinnen.21 Die schroffe Ablehnung paganer Literatur und Philosophie hätte der Plausibilisierung und damit der Ausbreitung des Glaubens eher geschadet als geholfen. Ambrosius steht darum in einer langen Reihe von Abhandlungen, die sich der Erklärung und der Apologie der Auferstehung widmeten – „sowohl nach außen gegenüber den Heiden oder Häretikern als auch nach innen gegenüber den Gläubigen“.22 Einige Schriften, darunter Tertullians de resurrectione carnis, Athenagoras’ de resurrectione und Cyprians de mortalitate sowie die lateinische Version des ersten Clemensbriefes, benutzt Ambrosius – zum Teil wörtlich, vor allem aber strukturell – und webt sie in die eigene Argumentation ein. Daneben greift er auf klassische Werke zurück, etwa Senecas consolationes, Ciceros tusculanae disputationes und die Schrift Cato maior vel de senectute. 19   Vgl. die Einschätzung des Augustinus, enarr. Ps. 88,2,5: in nulla ergo re tam vehementer, tam pertinaciter, tam obnixe et contentiose contradicitur fidei christianae, sicut de carnis resurrectione. – „Bei keinem Thema wird darum so heftig, so hartnäckig, so beharrlich und aggressiv dem christlichen Glauben widersprochen wie beim Thema der Auferstehung des Fleisches.“ Vgl. dazu auch Fiedrowicz, Auferstehungshoffnung und Jenseitsvorstellungen in der frühen Kirche, 299 – 302. Ein solches Publikum, das mit den Fragen der leiblichen Auferstehung zu kämpfen hatte, postuliert auch Henriette Meissner für Gregors Abhandlung de anima et resurrectione, vgl. Henriette M. Meissner, Rhetorik und Theologie. Der Dialog Gregors von Nyssa De anima et resurrectione, Pat. 1, Frankfurt a.  M. / New York 1991, 77 – 79. 20   Darum finden sich in den betreffenden Werken nur auf wenige Philosophengruppen zugespitzte Polemiken, vgl. Graumann, Christus interpres, 285.291.341.345. 21   van Tóan, La Foi en la résurrection chez saint Ambroise de Milan, 132 spricht davon, dass unter den Voraussetzungen der wachsenden Kirche im späten vierten Jahrhundert Stabilisation und Assimilation die drängenderen Herausforderungen für Ambrosius darstellten. 22   Meissner, Der Dialog Gregors von Nyssa De anima et resurrectione, 78.

II. Die Rede über die Auferstehung

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Die Rede stellt somit sowohl ein Dokument des eigenen Glaubens – gerichtet an die christliche Gemeinde – als auch ein Entgegenkommen an heidnische Zuhörer dar, das die oft als Torheit abgetane Vorstellung von der leiblichen Auferstehung Schritt für Schritt verständlich und schließlich glaubhaft machen soll.

3. Inhalt und Argumentation Im Folgenden soll eine Analyse von Inhalt und Aufbau der Rede die zum Teil schwer nachvollziehbaren Gedanken des Ambrosius offenlegen. Oftmals zeigt sich, dass der Bischof scheinbar assoziative Verbindungen knüpft. Ein genauerer Blick unter die Oberfläche lässt jedoch ein didaktisch durchdachtes Konzept erkennen, das in wiederkehrenden Argumentationsketten wichtige Themen und Aspekte aus unterschiedlicher Perspektive beleuchtet und ein heterogenes Publikum anspricht.23 Ambrosius schickt seiner Rede eine Gliederung des ersten Teils voraus: Unde proposuimus, fratres carissimi, solari nos communi usu nec durum putare, quidquid universos maneret, et ideo mortem non esse lugendam, primum quia communis sit et cunctis debita, deinde quia nos saeculi huius absolvat aerumnis, postremo quia somni specie, ubi ab istius mundi labore requietum sit, vigor nobis vivacior refundatur. Quem enim non soletur resurrectionis gratia, quem non excludat maerorem, si credas nihil perire morte, immo ipsius celeritate fieri mortis, plus perire ne possit.24

Die grundlegende These „Der Tod darf nicht beweint werden“ stützt er auf drei Argumenten:25 (i) Der Tod ist ein allgemeines, jedes Individuum betreffendes Schicksal. (ii) Der Tod ist das Ende allen Leidens in der Welt. (iii) Der Tod ist die Erholung vom Leben. Vor allem das erste Argument legt Ambrosius ausführlich dar, während die beiden anderen darauf aufbauen und fließend ineinander übergehen. Mit diesen 23   Die von Marianne Gleissner als Diplomarbeit vorgelegte Studie schafft in dieser Frage eine wichtige Grundlage, die weiterer Ergänzungen bedarf, vgl. Gleissner, Aufbau und Argumentationstechnik in Ambrosius’ „De excessu fratris II“, passim. 24   Exc. Sat. 2,3: „Daher haben wir uns vorgenommen, liebe Brüder, dass wir mit der allgemeinen Erfahrung Trost spenden wollen und dass wir das, was alle erwartet, nicht als etwas Beschwerliches betrachten; dass man also den Tod nicht beweinen darf – erstens, weil er allen gemeinsam ist und von allen wie eine Schuld beglichen werden muss, zweitens, weil er uns von aller Mühe dieser Welt erlöst und schließlich weil uns in Gestalt des Schlafes eine lebendigere Kraft eingeflößt wird, sobald die Ruhe von der Anstrengung dieser Welt hier eintritt. Wen könnte denn die Gnade der Auferstehung nicht trösten, welche Trauer würde sie nicht verhindern, wenn man daran glaubt, dass durch den Tod nichts zerstört wird, ja vielmehr, dass es durch einen schnellen Tod selbst passiert, dass nichts mehr zerstört wird?“ 25   Gleissner, Aufbau und Argumentationstechnik, 10 hat bereits auf die rhetorische bzw. „didaktische“ Strukturierung dieses Abschnittes durch die termini technici proponere – primum – deinde – postremo hingewiesen, was ein Argument für eine Belehrung der Gemeinde im Sinne eines philosophischen Vortrags darstellt.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Gedanken steht Ambrosius in direkter Tradition zu der antiken consolatio. Erst der folgende Absatz qualifiziert die Rede als christliches Zeugnis. Darin wird die „Gnade der Auferstehung“ eingeführt, die die vorherigen Argumente überstrahlt und jegliche Todesangst gegenstandslos machen sollte. Die Natur des Menschen werde vom Tod nicht angerührt, im Gegenteil, ein schneller Tod sei wünschenswert, da die irdische Existenz vielmehr einem Zugrundegehen gleichkomme. Dieser Gedanke findet sich auch in der Apostrophe an Satyrus am Schluss der Rede: Quid enim superest solacii mihi, quam quod me citius ad te, frater, spero venturum nec digressus tui inter nos longa divortia fore tuisque intercessionibus mihi hoc posse conferri, ut citius desiderantem tui advoces? Quis enim est, qui non sibi debeat istud optare prae ceteris, ut corruptibile hoc induat incorruptelam et mortale hoc induat inmortalitatem, ut, qui nunc morti corporis fragilitate subcumbimus, supra naturam siti mortem iam timere nequeamus.26

Der Glaube an die Auferstehung, der der Rede auch ihren Namen gegeben hat, wird am Ende als das alles überstrahlende Trostargument dargestellt, das der philosophischen Trostargumente nicht mehr bedarf. Die Vollendung bzw. Veredelung der Natur und die Vereinigung mit den bereits Gestorbenen verwandelt die Trauer in eine Hoffnung, ein sehnsüchtiges Erwarten des Todes. Zwischen dem Ausgangspunkt des Todes und dem Ziel der körperlichen Auferstehung entspinnt Ambrosius eine wohldurchdachte, auf den ersten Blick aber nicht durchschaubare Argumentation,27 die sich, in grober Einteilung, zunächst der Behandlung des Todes mit der abschließenden These, der Tod sei ein Gut (exc. Sat. 2,4 – 50), dann der Argumente für die Auferstehung (exc. Sat. 2,53 – 105) und Sonderfragen zu Zeitpunkt und Ordnung der Auferstehung (exc. Sat. 2,105 – 123) widmet, bevor sie mit einem eschatologischen Ausblick auf die Existenz der Seele im Brautgemach Gottes schließt (exc. Sat. 2,132 – 135). 3.1 Die Ablehnung der Trauer angesichts des Todes (exc. Sat. 2,3 – 34) Im ersten Teil der Rede, exc. Sat. 2,3 – 34, legt Ambrosius fest, dass der Tod keineswegs etwas sei, das man beweinen dürfe. Die bereits vorgestellte Gliederung in exc. Sat. 2,3 fächert er daraufhin in drei Argumentationsgänge auf, in denen jeweils auf eine These unterschiedliche Beispiele und Konsequenzen folgen.

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  Exc. Sat. 2,135: „Welcher Trost bleibt mir denn noch, als zu hoffen, dass ich schneller zu dir, mein Bruder, kommen werde und dass ‚dein Weggang nicht eine lange Trennung zwischen uns‘ (vgl. Cic. Cato 84) darstellen werde und dass mir durch deine Fürbitten gestattet werde, dass du denjenigen, der dich vermisst, schneller (i. S. v. früher) zu dir rufst? Wer könnte sich denn nicht vor allem anderen dies wünschen: Dass ‚dies Verwesliche die Unverweslichkeit anziehen muss und dies Sterbliche die Unsterblichkeit‘ (1 Kor 15,53), dass wir, die wir jetzt wegen der Hinfälligkeit des Körpers dem Tod erliegen, über die Natur erhoben den Tod nicht mehr fürchten müssen.“ 27   Zum negativen Urteil über Anlage und Struktur vgl. auch Dassmann, Ambrosius von Mailand, 58 – 60.

II. Die Rede über die Auferstehung

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3.1.1 Die allgemeine Sterblichkeit (exc. Sat. 2,3 – 6) Das erste Argument ist das grundlegende Motiv der allgemeinen Sterblichkeit, das Ambrosius in den Kapiteln 4 bis 21 ausführlich darlegt. Dass Ambrosius seine Rede mit diesem Argument beginnt, verwundert nicht. Da die Mischung aus Klage und Lob, die nach den Regeln des Menander den ersten Teil des λόγος παραμυθητικός darstellen, bereits in der ersten Rede abgehandelt ist, wendet sich Ambrosius direkt der von Menander empfohlenen philosophischen Argumentation zu, indem er die menschliche Natur diskutiert:28 Quid enim absurdius quam ut id, quod scias omnibus esse praescriptum, quasi speciale deplores?29 Mit dieser rhetorischen Frage wendet sich der Bischof direkt an seine Zuhörer: Angesichts des allgemeinen Todesloses wäre die Klage um einen Verstorbenen etwas völlig Widernatürliches, ein Zeichen von Dummheit.30 In einer steigenden Reihung erscheinen die verschiedenen Aspekte einer solchen Auflehnung gegen die Natur, doch das Ziel fasst Ambrosius in christliche Worte, indem er Kol 2,18 zitiert: Hoc est animum supra condicionem extollere, legem non recipere communem, naturae consortium recusare, mente carnis inflari et carnis ipsius nescire mensuram.31 Die christlich interpretierte Natur des von der caro bestimmten Menschen wird somit zur neuen Grundlage des alten Arguments.32 Mehr als diese Anspielung verrät Ambrosius allerdings noch nicht. Vielmehr folgt mit der Darstellung von Völkern, die die Geburt eines Menschen betrauern, das Beispiel, das die übergeordnete These stützt. Absichtlich konzentriert sich Ambrosius hier auf die Abwertung der Geburt, in deren Nähe er die christliche Tradition der Feier des Todestages von Verstorbenen bei gleichzeitigem Vergessen des dies natalis rückt,33 wodurch er durch eine postulierte34 Ähnlichkeit eine direkte Verbindung von der paganen Tradition zur christlichen Lebensweise herstellt.

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  Vgl. Men. Rhet. 414,2 – 8. Ähnlich beginnt auch Seneca seine Trostschrift an Polybius zum Tod dessen Bruders, Pol. 1,1 – 3. 29   Exc. Sat. 2,4: „Was ist denn abwegiger, als dass du das, was bekanntermaßen allen bestimmt ist, beweinst, als ob es etwas Besonderes sei?“ 30  Vgl. exc. Sat. 2,4: Quid absurdius [. . .]? Aut quid inprudentius [. . .]? Natura ipsa nos revocat [. . .]. – „Was wäre abwegiger [. . .], oder was dümmer? [. . .] Die Natur selbst ruft uns zurück [. . .]. 31   Exc. Sat. 2,4: „Das bedeutete, sich über die (menschliche) Grundbedingung zu erheben, das allgemeine Gesetz nicht respektieren, sich der natürlichen Gemeinschaft verweigern, ‚vom fleischlichen Geist übermütig werden lassen‘ (Kol 2,18: φυσιούμενος ὑπὸ τοῦ νοὸς τῆς σαρκὸς αὐτοῦ) und die Beschaffenheit des Fleisches selbst nicht verstehen.“ 32  Vgl. Gleissner, Aufbau und Argumentationstechnik, 16. 33  Vgl. exc. Sat. 2,5: Fuisse etiam quidam feruntur populi, qui ortus hominum lugerent obitusque celebrarent [. . .]. Nos quoque ipsi natales dies defunctorum obliviscimur et eum, quo obierunt, diem celebri sollemnitate renovamus. – „Es heißt, es hat Völker gegeben, die die Geburt eines Menschen beweinten und seinen Tod feierten. [. . .] Auch wir selbst (sc. die Christen) vergessen die Geburtstage und erinnern uns an den Tag, an dem Menschen gestorben sind, mit Feierlichkeiten.“ Zur Bewertung und Feier des Geburtstages in paganer und christlicher Tradition vgl. Alfred Stuiber, Art. Geburtstag, RAC 9 (1976), 217 – 243. 34   Er übergeht dabei die heidnische Feier zu Ehren des Genius eines Menschen.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Auf gleiche Weise verfährt Ambrosius in exc. Sat. 2,6, wo er die klassische These der allgemein sterblichen Natur des Menschen wiederholt – nun allerdings mit der biblischen Begründung der Sündhaftigkeit des Menschen aufgrund seiner Geschlechtsgemeinschaft mit Adam nach Röm 5,18.35 Während Ambrosius auf die RömerbriefStelle nur anspielt, erscheinen mit der Kombination aus Lk 19,10 und Röm 14,9 erstmals in der Rede biblische Zitate: Etenim mors aequalis est omnibus, indiscreta pauperibus, inexcepta divitibus. Et ideo, licet per unius peccatum, in omnes tamen pertransivit, ut, quem generis non refugimus auctorem, non refugiamus et mortis et sit nobis sicut per unum mors, ita per unum etiam resurrectio [. . .]. Venit enim, ut legimus, Christus salvum facere, quod perierat, sed ut non solum vivorum, sed etiam mortuorum dominetur.36

Mit diesem Mischzitat fordert Ambrosius seine Zuhörer dazu auf, den Tod als Grundlage der Auferstehung anzuerkennen, indem er als Teil der Heilsgeschichte eingeordnet wird. Der Tod müsse erträglich (tolerabilis) sein, da er auch von Christus in Kauf genommen worden sei. Allen Menschen, die in der Folge der Sünde Adams den Tod erleiden müssen, wird bereits hier die Garantie der Auferstehung auf Basis der Bibel in Aussicht gestellt. Bis zu dieser Stelle und auch im weiteren Verlauf des ersten Teiles verzichtet Ambrosius auf weitere Anspielungen und Zitate aus der Heiligen Schrift,37 was bei seinen Zuhörern bzw. Lesern den Eindruck erwecken musste,

35  Vgl. exc. Sat. 2,6: Etenim mors aequalis est omnibus, indiscreta pauperibus, inexcepta divitibus. Et ideo, licet per unius peccatum, in omnes tamen pertransivit, ut [. . .] sit nobis per unum mors, ita per unum etiam resurrectio [. . .]. – „Denn der Tod ist für alle gleich, ohne Unterschied für die Armen, ohne Ausnahme für die Reichen. Und darum, obwohl er durch die Sünde eines Einzigen (in die Welt kam), ist er doch auf alle übergegangen, damit [. . .] uns, so wie durch einen der Tod gekommen ist, auch durch einen die Auferstehung (erg. geschieht).“ Genauer charakterisiert Ambrosius diese traduzianistische Sicht der Anwesenheit der gesamten Menschheit in Adams Fall in exp. Luc. 7,234: fuit Adam et in illo fuimus omnes: periit Adam et in illo omnes perierunt. homo igitur et in illo homine, qui perierat, reformatur et ille ad similitudinem dei factus et imaginem diuina patientia et magnanimitate reparatur. – „Adam war und in ihm waren wir alle. Adam ging verloren und in ihm gingen wir alle verloren. Der Mensch wird nämlich in dem Menschen, der verloren ging, wiederhergestellt und jener nach dem Gleichnis und dem Bild Gottes geschaffene Mensch wird durch die göttliche Geduld und Großmütigkeit geheilt.“ Vgl. dazu Smith, Christian Grace and Pagan Virtue, 43 f. Aus diesem Zusammenhang erfolgt aber bei Ambrosius keine explizite Schuld des Menschen, wie Augustinus es formuliert. Diese stellt sich erst ein, wenn der Mensch dem Hang zum Sündigen, den er von Adam geerbt hat, freien Raum gibt, so Lenox-Conyngham, Sin in St. Ambrose, 173 – 177. Doch dieser Hang zum Sündigen stellt dennoch eine größere Verwundung der Natur des Menschen dar als die des malum exemplum Adams, das Pelagius postuliert. 36   Exc. Sat. 2,6: „Der Tod ist nämlich für alle gleich, er ist ohne Unterschied für die Armen und ohne Ausnahme für die Reichen. Und darum: Mag er auch nur durch die Sünde eines einzigen gekommen sein, so ist er doch auf alle übergegangen, sodass wir demjenigen, dem wir als Urheber dieses Geschlechts nicht entkommen können, auch nicht als Urheber des Todes entkommen, damit uns, wie der Tod durch den einen, so auch die Auferstehung durch einen geschieht [. . .]. Denn Christus ist, wie wir lesen, ‚gekommen‘, um ‚selig zu machen, was verloren war‘ (vgl. Lk 19,10), aber nicht nur ‚um Herr über die Lebenden, sondern auch über die Toten zu sein‘ (Röm 14,9).“ 37   Die nächsten Schriftzitate finden sich erst wieder ab exc. Sat. 2,23.

II. Die Rede über die Auferstehung

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Zeugen einer philosophischen consolatio zu werden.38 Dass dies tatsächlich Ambrosius’ Absicht ist, verrät der Autor selbst, indem er nach der kurzen Darlegung christlicher Anthropologie seine Argumentation wieder in die traditionellen Bahnen lenkt: sed hic locus posterioribus partibus debet reservandus.39 Ambrosius stellt somit nur einen ersten Ansatz vor, er gibt dem Rezipienten eine vorentlastende Orientierung für späteres Gedankengut als Vorbereitung an die Hand gegeben, ohne ihn bereits zu Beginn der Rede dogmatisch zu herauszufordern. 3.1.2 Der rechte Umgang mit Trauer (exc. Sat. 2,7 – 20) Aus dem Werk des Valerius Maximus greift Ambrosius ein Beispiel für den rechten Umgang mit Trauer auf: das Volk der Lykier, das von Männern verlangte, Frauenkleider anzulegen, wenn diese trauerten.40 Dieses Beispiel führt Ambrosius zur ersten Konsequenz, die sich aus der These ergibt: Die maßvolle Reaktion auf den Tod besteht im Einschließen der Trauer im Inneren, während übermäßige Trauer bedeutet, dass man an den positiven Leistungen der Verstorbenen zweifelt, die jene nach dem Tod vor einem unglücklichen Schicksal bewahren: Quin etiam hoc ipsum inreligiosum puto erga ipsorum memoriam, quos dolemus amissos, ut oblivisci malimus quam consolatione mulceri aut cum horrore reminisci quam meminisse cum gratia, recordationem timere, quorum imago debeat esse voluptati, diffidere potius quam s­ perare de meritis defunctorum et poenae addictos quam inmortalitati debitos, quos dilexeris, aestimare.41 38

 Vgl. Gleissner, Aufbau und Argumentationstechnik, 27.   Exc. Sat. 2,6: „Doch dieser Gedanke muss für spätere Abschnitte aufbewahrt werden.“ Ambro­ sius wird diese Thematik in den Kapiteln 37 bis 39 detaillierter aufgreifen. Ähnlich verfährt er in Kapitel 29. Bei der Deutung der richtigen Trauer Davids führt er den Gedanken konsequent zu Ende und gibt mit der Auferstehung den Grund für den Verzicht auf die Tränen, doch verwehrt er sich, weiter auf diese Thematik einzugehen, um den Duktus nicht zu unterbrechen: sed de resurrectione posterius, nunc ad proposita revertamur. – „Doch über die Auferstehung (erg. reden wir) später, nun wollen wir zum Thema zurückkommen.“ 40  Vgl. exc. Sat. 2,7: Denique Lyciorum feruntur esse praecepta, quae viros iubeant mulierum vestem induere, si maerori indulgeant, quod mollem et effeminatum iudicaverint in viro luctum. – „Schließlich heißt es auch, dass es bei den Lykiern Gesetze gab, die Männern vorschrieben Frauen­ kleider anzuziehen, wenn sie der Trauer nachgäben, da sie bei einem Mann Trauer für etwas Schwaches und Verweichlichtes hielten.“ Vgl. dazu die Stelle bei Valerius Maximus, 2,6,13: Quocirca recte Lycii, cum his luctus incidit, muliebrem vestem induunt, ut deformitate cultus commoti maturius stultum proicere maerorem velint. – „Daher tun die Lykier gut daran, sich Frauenkleider anzuziehen, wenn bei ihnen ein Trauerfall geschieht, sodass sie wegen der Unansehnlichkeit der Kleidung schneller die dumme Trauer von sich abstreifen wollen.“ Horst-Theodor Johann geht davon aus, dass dieses Beispiel aus der consolatio des Cicero stammt, vgl. Johann, Trauer und Trost, 79. Zum Motiv der „weibischen“ Trauer vgl. auch Kassel, Untersuchungen zur griechischen und römischen Konsolationsliteratur, 59. 41   Exc. Sat. 2,7: „Ja, ich halte es sogar für einen Frevel am Andenken derjenigen, die wir als verloren betrauern, dass man sie lieber vergisst, als dass man sich vom Trost beruhigen lässt, oder dass man sich eher mit Schrecken an sie erinnert, als dass man sie mit Dank im Gedächtnis hat, dass man sich vor der Erinnerung fürchtet, während ihr Bild eigentlich ein Genuss sein sollte, und dass man eher den Glauben verliert, als dass man auf den Lohn der Toten hofft, und man diejenigen, die man 39

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Nur andeutungsweise nennt Ambrosius hier den christlichen Gedanken eines Gottesgerichts durch das Gegenüber von poena und immortalitas, hüllt ihn aber mit der Anspielung auf ein Argument des Seneca in die Sprache der philosophischen consolatio. Der Stoiker Seneca betont, dass Tränen angesichts des Todes nutzlos, ja geradezu unvernünftig sind, da der Tote solch eine übermäßige Gemütserregung niemandem wünschen kann. Ebenso wäre für Ambrosius angesichts der merita des Verstorbenen das Misstrauen ein Frevel gegenüber der eigentlich angebrachten Hoffnung auf das Gericht. In den Kapiteln 9 bis 19 folgt eine Erörterung mehrerer Anfragen an diese These. Im Stil der philosophischen Diatribe lässt Ambrosius einen fiktiven Gesprächspartner Einwände vorbringen, die er jeweils widerlegt. Zunächst wird der bloße Verlust der Verstorbenen aus der Perspektive der Hinterbliebenen problematisiert: sed dicas: quos diligibamus, amisimus.42 Ergänzend zur Einführung des ersten Arguments der Sterblichkeit des Menschen wird die allgemeine Vergänglichkeit der Natur bzw. der Wechsel der Gestirne als Gegenargument angeführt. Diesen Faden, der inhaltlich wohlbekannt ist,43 wird Ambrosius im Rahmen der Diskussion der Auferstehung erneut aufnehmen und fortspinnen.44 Ambrosius zieht aus dem Argument der allgemeinen Vergänglichkeit die Schlussfolgerung, dass Trauer nicht maßlos sein dürfe. Vielmehr sei eine immoderatio doloris das eigentliche Übel. Auffallend ausführlich schildert Ambrosius diese falsche, weil maßlose Trauer und kommt auf den aus Trauer vollzogenen Suizid, der für Ambrosius die Perversion der Trauer darstellt, zu sprechen: Quantos ad laqueum inpulit, armavit ad gladium, ut in eo ipso amentiam suam proderent, mortem non ferentes et mortem adpetentes, et quod pro malo fugerent, pro remedio adsciscerent. Qui quoniam consentaneum naturae suae ferre ac perpeti nequiverunt, contrarium voti incidunt, ut ab his in perpetuum separentur, quos sequi desideraverint.45 lieb hatte, eher der Strafe zurechnet als der Unsterblichkeit.“ Vgl. dazu Sen. Pol. 5,1 – 3: Neminem esse toto orbe terrarum, qui delectetur lacrimis tuis, audacter dixerim. [. . .] ille desiderio tibi esse vult, tormento esse non vult.– „Ich wage zu behaupten, dass es niemanden auf Erden gibt, der sich an deinen Tränen erfreut. [. . .] Jener (sc. dein Bruder) will von dir Objekt der Sehnsucht sein, eine Qual aber will er dir nicht sein.“ Vgl. auch Sen. ep. 99,24: Oblivisci quidem suorum ac memoriam cum corporibus efferre et effusissime flere, meminisse parcissime, inhumani animi est. – „Die Seinen zu vergessen und die Erinnerung mit den Leichnamen von sich zu entfernen und mit Tränenströmen zu beweinen, sich aber nur sehr wenig zu erinnern, ist Zeichen einer unmenschlichen Seele.“ 42   Exc. Sat. 2,9: „Aber du könntest einwenden: Die, die wir liebten, haben wir verloren.“ 43   Vgl. dazu Cic. tusc. 1,39 und Sen. Pol. 1,1; Auch Tertullian führt dieses Argument in res. 12 an. 44   Vgl. die Argumente für die Auferstehung ausgehend von Naturabläufen, vor allem die ausführliche Darstellung über das Saatkorn, exc. Sat. 2,53 – 60. 45   Exc. Sat. 2,11: „Wie viele Menschen trieb dies (sc. der ungezügelte Schmerz bzw. die Angst vor dem Tod) zum Strick, wie viele rüstete dies mit dem Schwert aus, sodass sie genau dadurch ihre Verrücktheit verrieten, dass sie solche seien, die den Tod nicht ertragen können und (darum) den Tod ersehnen, und weil sie das, was sie als Übel vermeiden wollten, sich als Heilmittel verordnen. Da sie das Los, das im Einklang mit ihrer Natur stand, nicht duldend ertragen konnten, stürzten sie ins Gegenteil von dem, was sie sich wünschten: auf ewig haben sie sich von denen getrennt, denen sie so sehnlichst folgen wollten.“

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Dem Menschen, der aus amentia Suizid begeht, wird die Gemeinschaft mit den anderen Verstorbenen und somit auch die Gemeinschaft Gottes verwehrt; es bleibt damit nur die Existenz in der Hölle.46 Dieses Schicksal schildert Ambrosius nicht genauer, auch vermeidet er die Erwähnung des Wirkens Gottes; stattdessen wird die natura als agierende Kraft genannt.47 Ambrosius gibt hier einen ersten kurzen Einblick in seine Vorstellung vom Leben nach dem Tod. Die Topographie des Jenseits, die er in der Rede bisher kaum geschildert hat, ist zumindest zweigeteilt, wenn eine solche separatio, eine Trennung in verschiedene Gruppen, möglich ist. Der ungebührlichen Reaktion auf den Tod stellt Ambrosius im Folgenden einen Katalog des richtigen Verhaltens – in diesem Falle der Witwe – gegenüber: Bewahrung der Keuschheit und Treue, Pflichtgefühl gegenüber dem Verstorbenen.48 Diese ethische Belehrung der Witwen wird ausgeweitet auf die Zuhörer, die sich durch die Spende von Erbanteilen den Armen zuwenden sollen. Ambrosius koppelt die Paränese argumentativ an das pretium futurum, an den künftigen Lohn im Himmel,49 ohne aber in christliche Terminologie zu verfallen. Ein zweiter Einwand wird entschärft vorgebracht, indem Ambrosius sich selbst unter die Sprecher eines solchen Wunsches einordnet: Sed desideramus amissos. Duo sunt enim, quae maxime angunt: aut desiderium eorum, quos amiserimus, sicut meo exemplo metior, aut quod eos vitae suavitate privatos, ereptos laboris sui fructibus arbitremur.50 Fast versöhnlich klingt dieser Einwand im Vergleich zu der vorherigen Paränese. Der Bischof konzediert dem Leser nach der drastischen Darstellung falscher Trauer und dem christlichen Ideal der Trauer die bereits von Aristoteles empfohlene Mischung: die maßvolle Trauer,51 die kein Vergessen darstellt, sondern im 46

  Zum Suizid und der Frage des Schicksals von Suizidenten siehe unter A.II.8 und B.IV.3.  Vgl. exc. Sat. 2,11: sed haec rara, quoniam natura ipsa revocat, etsi praecipitet amentia. – „Aber das geschieht nur selten, da die Natur selbst dort zurückruft, wo die Verrücktheit voranstürzt.“ Vgl. exc. Sat. 2,4: Natura ipsa nos revocat [. . .] – „Die Natur selbst ruft uns zurück.“ und Sen. Pol. 1,3: in hac naturae necessitate omnia ad eundem finem revocantis [. . .] – „unter diesem Gesetz der Natur, die alle Dinge zum selben Ziel zuführt [. . .].“ 48   Auch Plutarch schildert in cons. ux. 7 kontrastierend die übermäßige, unziemliche Trauer von Frauen gegenüber der Standhaftigkeit seiner eigenen Ehefrau, die den Tod des gemeinsamen Kindes verarbeitet. 49  Vgl. Gleissner, Aufbau und Argumentationstechnik, 22: „Der Ansatz zur sittlichen Läuterung und Lenkung des Lesers, der, keimhaft in jeder Trostschrift enthalten, natürlich von den Kirchenlehrern stark entwickelt wurde, zeigt sich insbesondere in solchen Partien. [. . .] Auch in diesem Fall liefert der Glaube an ein Weiterleben nach dem Tod und an den himmlischen Lohn für irdische Wohltaten die Begründung für die Zweckmäßigkeit moralischen Handelns.“ 50   Exc. Sat. 2,14: „Doch wir vermissen die, die wir verloren haben. Zwei Aspekte sind es nämlich, die uns so sehr beunruhigen: entweder die Sehnsucht nach denen, die wir verloren haben – so wie ich es an meinem eigenen Beispiel ermessen kann – oder unsere Vorstellung, dass denjenigen, denen die Süße des Lebens genommen wurde, auch die Früchte ihrer Mühen entrissen wurden.“ Im Hintergrund steht hier wohl der ähnliche Einwand in Senecas Trostschrift an Marcia, Marc. 7,1: At enim naturale desiderium suorum est. – „Doch die Sehnsucht nach den Seinen ist etwas ganz Natürliches.“ 51   Zur Lehre von der Metriopathie vgl. schon exc. Sat. 1,5. Dazu vgl. auch Johann, Trauer und Trost, 157 und Norbert Brox, Den Tod einüben. Gedanken der Kirchenväter über das Sterben, in: 47

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

rechten Maß den Schmerz zu lindern in der Lage ist: Tenera enim amoris est titillatio, quae inprovisum affectum excitat, ut sedandi magis quam excludendi doloris facultas relinquatur [. . .].52 Damit bildet sich auch das eigene Vorgehen des Redners ab, der in der ersten Rede durch wohldosierte Emotionen versucht hat, die Trauer zu therapieren. Dieses Entgegenkommen währt allerdings nur kurz. Ambrosius wendet sich gegen die Einwände, zunächst mit einem argumentum de minore: Selbst bei einer langen Reise bestünde ja keine Sicherheit für die Rückkehr eines geliebten Menschen.53 Möglicherweise denkt Ambrosius hier an die Reise seines Bruders, an deren Folgen er wohl verstorben ist.54 Sehnsüchtige Trauer wäre Ausdruck der Nicht-Akzeptanz der Ordnung des Kosmos, die allein Gott in seiner Freiheit gestaltet hat. Auch den Einwand, dass die Toten nun keine Annehmlichkeiten (suavitates) des Lebens mehr genießen können, widerlegt Ambrosius mit einer Umwertung des Lebens: Nulla potest esse iucunditas inter has vitae nostrae amaritudines aut dolores, quae vel ex corporis ipsius infirmitate vel extrinsecus accidentium incommoditate generantur.55 Damit stellt Ambrosius den Übergang zu seiner nächsten These her: Der Tod ist der Ausgang aus jenen amaritudines des Lebens. Denn selbst im Falle eines glücklichen Lebens kann die unkörperliche Seele keine Freude erleben, sondern muss sich vom Körper und dem Diesseits lösen. Wolfgang Beinert (Hg.), Einübung ins Leben – der Tod. Der Tod als Thema der Pastoral, Regensburg 1986, 55 – 82, 72 f. 52   Exc. Sat. 2,14: „Denn es ist ein zartes, liebevolles Kitzeln, das auf einmal ein Gefühl erregt, sodass eher die Möglichkeit belassen wird, den Schmerz zu lindern, als ihn auszuschließen [. . .].“ Siehe dazu auch schon die Mittelposition der mollis enim et tenera species [. . .] et forma pietatis zwischen durum / duritia als völlige Unterdrückung und insolens / insolentia als ins Extrem gesteigerte Emotion in der Einleitung, exc. Sat. 2,1. Ähnliches findet sich in Sen. Pol. 18,5 f.; Helv. 16,1. Vgl. dazu Johann, Trauer und Trost, 41 – 50. 53  Vgl. exc. Sat. 2,15: Sed cur tu putas patientiorem illam esse debere, quae dilectum ad peregrina dimiserit et militiae gratia vel susceptae administrationis officio vel negotiandi usu transfretasse conpererit, quam te, quae non fortuito arbitrio derelinqueris aut studio pecuniae, sed lege naturae? – „Aber warum glaubst du, dass jene Frau, die ihren Geliebten auf eine Reise entließ und ihn wegen des Kriegsdiensts oder wegen der Erledigung einer Verwaltungspflicht oder einer Geschäftssache über das weite Meer ziehen sah, geduldiger sein muss als du, die du nicht wegen einer zufälligen Entscheidung oder wegen monetärer Interessen verlassen bist, sondern wegen des Gesetzes der Natur?“ Diese Entgegnungsstrategie findet sich auch bei Cyprian, mort. 20 f. 54  Vgl. exc. Sat. 1,26 f. Ambrosius beklagt dort das unsichere Los des Reisenden (o fallax laetitia, o incerta humanarum rerum curricula). Selbst wenn dieser, wie im Falle des Satyrus, die Reise überlebt, so kann man sich des weiteren Schicksals am Zielort nicht sicher sein. Ähnlich findet sich dieser Gedanke auch in Sen. Marc. 7,2: nam discessu, non solum amissione carissimorum necessarius morsus est et firmissimorum quoque animorum contractio. – „Denn auch durch eine Abreise (discessus), nicht nur durch den Verlust geliebter Menschen geschieht notwendigerweise eine Verletzung und Bedrängnis auch der standhaftesten Herzen.“ 55   Exc. Sat. 2,18: „Es kann keine Freude geben in diesen Bitterkeiten und Schmerzen des Lebens, die entweder aus der Schwäche des Körpers selbst oder aus der Unannehmlichkeit von außen hinzugekommener Dinge entstehen.“ Vgl. dieses Motiv bei Cicero, tusc. 1,34,83 – 35,85, und Seneca, Marc. 19 und Pol. 9. Zur Bewältigung dieses Problems in der Stoa vgl. Manfred Wacht, Angst und Angstbewältigung in Senecas Briefen, Gymnasium 105 (1998), 507 – 536.

II. Die Rede über die Auferstehung

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3.1.3 Der Tod als Ruhe von den Mühen des Lebens (exc. Sat. 2,21 – 34) Der zweite Aspekt des Einwands, der Verlust der suavitas vitae, entspricht dem Reglement der consolatio. Menanders Empfehlungen entsprechend folgt auf das condicio-Argument, also die necessitas mori, die Diskussion der Qualität des Todes bzw. des Lebens.56 Damit schafft Ambrosius die Grundlage für das zweite Argument: mors portus quietis. Er zeigt über mehrere Kapitel hinweg auf, dass der Mensch im Leben keinerlei Annehmlichkeiten erfährt, sondern erst durch den Tod von den irdischen Mühen befreit wird. So gelingt Ambrosius die Wendung der Argumentation hin zur platonischen Definition des Todes und zur Modifikation seiner These: Ergo si mors carnis et saeculi nos absolvit aerumnis, utique malum non est, quae libertatem restituit, excludit dolorem.57 Der Tod ist nicht nur nicht zu betrauern, sondern er ist an sich kein Übel. An dieser Stelle nun verändert sich der Duktus von der Vermeidung biblischer Zitate und Anspielungen und einer traditionellen Gestaltung nach den Regeln der consolatio hin zu einer von biblischer Sprache durchdrungenen Argumentation. So wählt Ambro­sius für die von Menander vorgeschlagenen exempla berühmter Männer biblische Figuren: Jakob und Joseph sowie David, der als vorbildlicher Trauernder dargestellt wird, und Petrus, der als exemplum menschlicher Schwäche fungiert.58 Ihnen wird damit diejenige Funktion von Gewährsmännern zugeschrieben, die zuvor mythische und historische Figuren innehatten.59 Entsprechend wird nun die These mit der Autorität der Heiligen Schrift gestützt, indem das klassische Diktum, es sei besser, gar nicht erst geboren zu werden,60 mit Pred 4,2 als Wort Salomos erscheint, dem besondere Einsicht in den Lauf der Welt attestiert wird: Non nasci igitur longe optimum secundum sancti Salomonis sententiam. Ipsum enim etiam hi, qui sibi visi sunt in philosophia excellere, secuti sunt. Nam ipse illis anterior, nostris posterior,

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 Vgl. Moos, Consolatio. Band 3: Testimonienband, 151.   Exc. Sat. 2,21: „Wenn der leibliche Tod uns also von den Mühen der Welt befreit, dann ist der Tod keinesfalls ein Übel, da er die Freiheit wiederherstellt und den Schmerz ausschließt.“ Vgl. bon. mort. 3,9 f. und Cic. tusc. 1,82 – 84. 58  Vgl. exc. Sat. 2,23: das Umherirren Israels / Jakobs, dessen Gebeine selbst im Tod keine Ruhe fanden (Gen  28; 49,29 – 50,14); exc. Sat.  2,24: Joseph, der unter Hass, Neid und Lüsternheit litt (Gen  37 f.); exc. Sat. 2,25.28: der Tod der Söhne Davids (2 Sam 12,18 – 23); exc. Sat. 2,27: die Schwäche des Petrus, der pro nobis versucht wurde, um die menschliche Schwäche aufzuzeigen (Mk 14). 59   Zum Ersatz römischer exempla durch christliche bei Ambrosius vgl. auch bon. mort. 2,5. Vgl. zum Vorgehen auch Zelzer, Ambrosius von Mailand und das Erbe der klassischen Tradition, 209 – 211 und Leppin, Das Alte Testament und der Erfahrungsraum der Christen, 119 – 128. Vgl. auch Biermann, Die Leichenreden des Ambrosius von Mailand, 35 mit Hinweis auf Cic. tusc. 1,83 – 85, wo das Schicksal des Priamus und das des Metellus erörtert werden. 60   Vgl. etwa Sen. Marc. 22,3: felicissimum est non nasci. – „Das größte Glück ist es, nicht geboren zu werden.“; clem. 1,18,3: quanto autem non nasci melius fuit quam numerari inter publico malo natos. – „Um wie viel aber wäre es besser gewesen, gar nicht geboren zu werden, als zu denen gezählt zu werden, die zu einem allgemeinen Unglück geboren wurden.“ Ähnliches findet sich auch bei Cicero, cons. fr. 9 und tusc. 1,114. 57

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

ita in Ecclesiaste locutus est: Et laudavi ego omnes defunctos, qui iam mortui sunt, magis quam viventes, quicumque vivunt usque adhuc [. . .].61

Salomo wird dabei nicht nur als erleuchtete Person, die Gottes Weisheit erhalten habe, sondern auch als Quelle für die Lehren späterer Philosophen bezeichnet; mit noch vorsichtigen Worten stellt Ambrosius damit die biblische Aussagen als ältere und tiefere Wahrheit der Philosophie gegenüber, ohne allzu polemisch das Motiv des „Diebstahls der Hellenen“ anzuwenden.62 Mit Hiob als weiterem Gewährsmann erscheint ein für die christliche Literatur klassisches exemplum63 eines Menschen, der die condicio humana auf die einzig richtige Weise erträgt, indem er erkennt, dass die Geburt den Beginn allen Leidens darstellt. Der vom Irdischen korrumpierte Mensch kann aber nur eine unvollkommene Erkenntnis seiner selbst erlangen, weswegen er Leben und Tod falsch einschätzt: Nunc enim ex parte scimus et ‚ex parte cognoscimus‘, tunc autem id, ‚quod perfectum est‘, poterit conpraehendi, cum revelata facie nobis speculandae maiestatis aeternitatisque divinae coeperit relucere non umbra, sed veritas.64

Aus der modifizierten These und dem Gedanken der Unvollkommenheit zieht Ambro­sius den Schluss, dass der Tod nicht nur kein Übel, sondern etwas Wünschenswertes sei, wodurch das Ziel vorbereitet ist – eine weitere Modifikation der Ausgangsthese hin zu der Aussage: Der Tod ist ein Gut. Ambrosius stellt die irdische Existenz als mühsame Pilgerschaft dar und leitet daraus einen Gebetswunsch ab: petamus amoveri a nobis plagas, eripi nos ex insipienti saeculo, carere peregrinatione diuturna, ad illam redire patriam et naturalem domum.65 61   Exc. Sat. 2,30: „Nicht geboren zu werden ist bei weitem das Beste gemäß dem Spruch des Salomo. Genau diesem folgten nämlich auch die, die sich in der Philosophie hervorzutun vermuteten. Denn so sprach er – älter als jene, jünger aber als andere unserer Autoren – im Buch des Predigers: ‚Ich pries alle Toten, die schon gestorben sind, mehr als die Lebendigen, die noch am Leben sind [. . .]‘ (Pred 4,2).“ Die Autorität Salomos wird wiederum mit den Worten aus Weish 7,7.17.19 f. gestärkt. 62   Diesen Gedanken kann Ambrosius andernorts mit Schärfe ausbauen, vgl. ep. 6 (28); bon. mort. 10,54; off. 1,10,31. Vgl. Dassmann, Die Frömmigkeit des Kirchenvaters Ambrosius von Mailand, 135. Für weitere Belegstellen vgl. auch Mesot, Die Heidenbekehrung bei Ambrosius von Mailand, 61. An der vorliegenden Stelle scheint ihm aber vorrangig an der besonderen Würde Salomos gelegen zu sein. 63  Vgl. Favez, La consolation latine chrétienne, 104. Zu Hiob, im Besonderen Hi 3,3, vgl. bon. mort. 2,3 und exp. Luc. 4,40. 64  Vgl. exc. Sat. 2,32: „Denn jetzt wissen und ‚erkennen wir nur Stückwerk‘, dann aber wird man verstehen können, was das ‚Vollkommene‘ ist, nachdem sich das Antlitz der sehenswerten Majestät und göttlichen Ewigkeit uns enthüllt hat und nicht Schatten (erg. auf uns) zurückstrahlt, sondern die Wahrheit.“ Eine detaillierte Erklärung der Erkenntnis in den hermeneutischen Stufen umbra – imago – veritas nach Hebr 10,1 bietet Ambrosius in exc. Sat. 2,108 f. Die nur stückhafte Erkenntnis aufgrund der Täuschung durch die Sinne und die Ablenkung, die der Körper zulässt, erscheint schon bei Platon, Phaid. 65A – 66C. 65   Exc. Sat. 2,33: „Lasst uns darum bitten, dass die Plagen von uns genommen werden, dass wir der törichten Welt entrissen werden, dass dieses tägliche Umherirren aufhört und wir zurückkehren

II. Die Rede über die Auferstehung

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Wieder unterlegt Ambrosius diese These mit biblischen Beispielen: mit der Klage des Beters in Ps 119 und der Klage des Jeremia.66 Von jener ausgehend erweitert Ambrosius den Gedanken von der Existenz in der Fremde um die Vorstellung der „Nutzlosigkeit“ des Menschen.67 Der sündhafte Mensch produziert keinen moralischen Mehrwert im Leben, im Gegenteil: Er häuft weitere Sünden an. 3.2 Der Tod als ein Gut (exc. Sat. 2,35 – 49) 3.2.1 Die drei Gattungen des Todes (exc. Sat. 2,35 – 37) Die Lösung für dieses irdische Dasein findet Ambrosius bei Paulus. Während die Philosophen nur eine meditatio mortis praktizierten, sich also geistig mit dem Studium des Todes beschäftigten, sei Paulus tatsächlich gestorben: ‚Cottidie morior‘, apostolus dicit melius quam illi, qui meditationem mortis philosophiam esse dixerunt; illi enim studium praedicarunt, hic usum ipsum mortis exercuit. Et illi quidem propter se, Paulus autem ipse perfectus moriebatur non propter suam, sed propter nostram infirmitatem.68

Die meditatio mortis war ein gängiges Motiv der Philosophie und deren Antwort auf das zentrale Problem des Todes. Cicero beschreibt im ersten Buch der Tusculanen in der Tradition Platons das Leben des Philosophen als Vorbereitung auf den Tod, die durch eine Ablösung der Seele vom Körper schon im Leben stattfindet. Auf diese Weise soll die Seele sich frei dem Göttlichen und Vernünftigen zuwenden.69 Seneca zu jener Heimat, unserem eigentlich natürlichen Zuhause.“ Dieses Motiv kennt auch die heidnische Literatur, vgl. schon Plat. Phaedr. 250A und Phaid. 70A – D. Zur Thematik der Fremdheit der Christen in der Welt vgl. Reinhard Feldmeier, Die Christen als Fremde. Die Metapher der Fremde in der antiken Welt, im Urchristentum und im 1. Petrusbrief, WUNT 64, Tübingen 1992. 66   Vgl. Ps 119,1 – 5 und Jer 15,10. 67  Vgl. exc. Sat. 2,34: Si igitur sancti viri vitam fugiunt, quorum vita, etsi nobis utilis, sibi tamen inutilis aestimatur, quid nos facere oportet, qui nec aliis prodesse possumus et nobis vitam hanc quasi fenebrem pecuniam usurario quodam cumulo gravescentem onerari in dies peccatorum aere sentimus? – „Wenn also heilige Männer das Leben fliehen, deren Leben ihnen, obwohl es für uns von Nutzen ist, dennoch unnütz erscheint, was sollen dann wir tun, die wir niemanden einen Nutzen bringen können und die wir spüren, dass dieses Leben wie Geld, das Zinsen bringt, durch einen bestimmten Zinshaufen schwerer wird und von Tag zu Tag mit der Sündenschuld belastet wird?“ 68   Exc. Sat. 2,35: „‚Ich sterbe täglich‘ (1 Kor 15,31), sagt der Apostel (sc. Paulus), besser als jene, die behauptet haben, Weisheit sei die Betrachtung des Todes (meditatio mortis); sie predigten nämlich die Beschäftigung, er übte den eigentlichen Tod ein. Und jene machten dies für sich, Paulus aber, selbst vollkommen geworden, starb nicht wegen seiner, sondern wegen unserer Schwäche.“ 69   Grundlegendes Beispiel für diese Einstellung ist die Todesbereitschaft des Sokrates. Vgl. Cic. tusc. 1,75: Tota enim philosophorum vita, ut ait idem, commentatio mortis est. nam quid aliud agimus, cum a voluptate, id est a corpore, [. . .] sevocamus animum, quid, inquam, tum agimus nisi animum ad se ipsum advocamus, se cum esse cogimus maximeque a corpore abducimus? secernere autem a corpore animum, nec quicquam aliud, est mori discere. quare hoc commentemur, mihi crede, disiungamusque nos a corporibus, id est consuescamus mori. – „Das ganze Leben der Philosophen, so sagt er (sc. Sokrates, vgl. Plat. Phaid. 67D), ist eine Vorbereitung auf den Tod. Denn was anderes tun wir, wenn wir die Seele von der Leidenschaft, d. h. vom Körper [. . .] trennen, was, sage ich, tun wir denn, außer die Seele zu sich selbst zurückzurufen, sie zu zwingen mit sich selbst zu sein und vor allem sie vom

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

betont die Relativierung sowohl des Lebens als auch des Todes und bezieht beide aufeinander. Bereits im Leben soll sich der Philosoph antizipieren, was ihm im Tod geschehen wird. Diese meditatio mortis musste seinen Zuhörern wohlbekannt sein. Indem er sie dem paulinischen Konzept gegenüberstellt, zeigt er in mehrfacher Hinsicht, dass die Philosophie hinter der Heiligen Schrift zurückbleibt. Zunächst betont Ambrosius den Unterschied zwischen dem theoretischen studium und dem praktischen usus, mit der Konsequenz, dass der Philosophie ein defizitärer, rein intellektueller Vorgang der Antizipation des Todes vorgeworfen wird, der hinter dem handlungsanweisenden paulinischen Konzept zurückbleibt.70 Während ferner die platonische meditatio bei sich selbst bleibt und nach der Vollkommenheit des Individuums strebt, weist das paulinische Konzept über sich hinaus und wendet sich in christlicher Nächstenliebe „uns“ bzw. dem Anderen zu.71 Einen dritten Kritikpunkt nennt Ambrosius: In einer rhetorischen Frage referiert er die hinter der meditatio mortis stehende communis opinio, die Definition des Todes nach Platon: mors ipsa non alius quam corporis atque animae secessio definitur.72 Dieser communis opinio stellt er in seinem Schaffen erstmals die Definition des Todes als ein dreifaches Phänomen gegenüber: Sed hoc secundum communem opinionem, secundum scripturas autem triplicem esse mortem accipirous, unam, curo morimur peccato, deo vivimus: beata igitur mors, quae culpae refuga, domino dedita a mortali nos separat, immortali nos consecrat. Alia mors est vitae huius excessus [. . .], cum anima nexu corporis liberatur. Tertia mors est, de qua dictum est: Dimitte mortuos sepelire mortuos suos. Ea morte non solum caro, sed etiam anima moritur: Anima enim, quae peccat, ipsa morietur. Moritur enim domino, non naturae infirmitate, sed culpae.73 Körper zu trennen? Die Seele vom Körper zu trennen, das bedeutet sterben lernen, nichts anderes. Darum wollen wir uns vorbereiten, glaube mir, darum wollen wir uns von den Körpern trennen, d. h. darum wollen wir uns daran gewöhnen zu sterben.“ Seneca greift direkt auf das Verb meditare zurück, vgl. Sen. ep. 26,8. Zur praemeditatio mortis bei Seneca vgl. auch Marc. 4,1; 7,1; Pol. 11,1. Zur meditatio bzw. commentatio mortis vgl. auch Manuel Vogel, Commentatio mortis. 2 Kor 5,1 – 10 auf dem Hintergrund antiker ars moriendi, FRLANT 214, Göttingen 2006, 206 – 209. 70   Vgl. die Betonung der Praxis durch die Kombination von usus und exercere gegenüber studium und praedicare. Vgl. Hier. ep. 60,14: Platonis sententia est omnem sapienti vitam meditationem esse mortis. Laudant hoc philosophi et in caelum ferunt, sed multo fortius apostolus: ‚cotidie‘, inquit, ‚morior per vestram gloriam‘. – „Die Lehre des Platon besagt, dass für den Weisen das ganze Leben eine Einübung des Todes sei. Dies loben die Philosophen und heben es in den Himmel, aber weit stärker sagt der Apostel (sc. Paulus): ‚Täglich sterbe ich für euren Ruhm‘ (1 Kor 15,31).“ Hieronymus kommt aber zu einem anderen Ergebnis, indem er eher behauptet, der Mensch solle sich allzeit seiner Sterblichkeit bewusst sein. Vgl. Wacht, Meletē thanatou – meditatio mortis, 30 f. 71   Vgl. a. a. O., 25 f.: „Das paulinische ‚Sterben‘ folgt damit dem nutzbringenden Wirken der angeführten alttestamentlichen Gestalten. [. . .] Paulus’ Motiv ist christliche Nächstenliebe, die Philosophie folgt einem kaum verdeckten, anspruchsvollen Egoismus.“ 72   Exc. Sat. 2,35: „[. . .] die Definition des Todes selbst besagt nichts anderes als das Auseinandertreten von Körper und Seele.“ Vgl. Plat. Phaid. 67D: λύσις καὶ χωρισμὸς ψυχῆς ἀπὸ σώματος; Cic. tusc. 1,75: secernere autem a corpore animum, nec quicquam aliud, est mori discere. – „Die Seele vom Körper zu trennen bedeutet nichts anderes als sterben zu lernen.“ 73   Exc. Sat. 2,36: „Das heißt es aber gemäß der vorherrschenden Meinung; gemäß der Schrift aber sind wir der Ansicht, dass es einen dreifachen Tod gibt: der erste (erg. Tod), wenn man für

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Ambrosius differenziert zwischen drei Toden: (i) die mors mystica bzw. spiritalis: Den mystischen Tod stirbt der Mensch, indem er sich der Sünde enthält und ganz Gott verschreibt. (ii) die mors naturalis: Der natürliche Tod ist das Sterben des Körpers, bei dem die Seele befreit wird. (iii) die mors poenae: Der Straf- bzw. Sündentod bedeutet die vollkommene Verstrickung der Seele in der Sünde, sodass der Mensch bereits im Leben durch die Entfernung von Gott als tot erscheint. Dieses Konzept wendet Ambrosius in seinen späteren Werken mehrmals an, besonders ausführlich in bon. mort. 2,3 f.74 Doch anders als im Traktat über den Tod nutzt Ambrosius in der Rede die dreifache Definition als Zusammenführung zweier Konzepte, indem er zeigt, wie sich die philosophische meditatio mortis und die christliche Lehre vom Sündentod mit dem natürlichen Tod zu einem Ganzen formen lassen. Wie bereits für bon. mort. 2,3 f. angesprochen, ist es wahrscheinlich, dass Ambrosius hier auf Origenes zurückgreift, der die Lehre vom dreifachen Tod in dem Dialogus cum Heraclide 25 f. entfaltet.75 Wenn auch die Nähe der ambrosianischen Darstellung zur Definition des Origenes zu beobachten ist, so handelt es sich dabei aber um keine bloße Übernahme. Zur Erklärung des Seelentodes führt Ambrosius nicht nur Ez 18,4, sondern vor allem Lk 9,60 an. Diese Bibelstelle führt auch Philo an, der gewissermaßen eine Vorstufe zu der Lehre des dreifachen Todes bietet. Im Rahmen der Auslegung des Verses Gen 2,17 (θανάτῳ ἀποθανεῖσθε)76 entwickelt Philo die Vorstellung eines „doppelten Todes“ (διττός θάνατος). Er unterscheidet zwischen dem allgemeinen, natürlichen Tod des Menschen, der in der Trendie Sünde stirbt und für Gott lebt; das ist ein glücklicher Tod, da er der Sünde entkommen ist, sich ganz dem Herrn dargebracht hat und uns von allem Sterblichen absondert, dem Unsterblichen aber weiht. Der zweite (erg. Tod) ist das Scheiden aus dem Leben hier [. . .], wenn die Seele aus der Verbindung mit dem Körper befreit wird. Der dritte Tod ist das, von dem es heißt: ‚Lass die Toten ihre Toten begraben‘ (Lk 9,60). In diesem Tod stirbt nicht nur der Leib, sondern auch die Seele. ‚Die Seele, die sündigt, sie soll sterben‘ (Ez 18,4). Sie stirbt nämlich dem Herrn nicht aufgrund der Schwäche der Natur, sondern der Schuld.“ 74   Siehe dazu unter A.III.4.2. 75   Vgl. Orig. dial. Her. 25 f.: „Wir wollen aber zuerst den Begriff ‚Tod‘ erklären und zeigen, wie viele Dinge mit dem Wort ‚Tod‘ bezeichnet werden. [. . .] Ich kenne auf jeden Fall jetzt drei Tode. Welche drei Tode sind das? ‚Es lebt‘ einer ‚für Gott‘ (ζῇ τις τῷ Θεῷ) und ‚ist für die Sünde gestorben‘ (ἀπέθανεν τῇ ἁμαρτίᾳ) gemäß dem Apostel (vgl. Röm 6,2). Dies ist ein seliger Tod. Es stirbt einer für die Sünde. Diesen Tod ist mein Herr gestorben. ‚Was er nämlich starb, starb er für die Sünde.‘ (Röm 6,10). Ich kenne noch einen weiteren Tod, durch den einer für Gott stirbt (ἀποθνῄσκει τις τῷ Θεῷ), über den man sagt: ‚Die Seele, die sündigt, sie wird sterben.‘ (Ez 18,4). Ich kenne noch einen dritten Tod, gemäß dem wir allgemein annehmen, dass die, die vom Körper befreit worden sind, tot sind (τοὺς ἀπαλλαγέντας τοῦ σώματος ἀποτεθνάναι).“ Vgl. Puech / Hadot, l’Entretien d’Origene avec Heraclide et le commentaire de Saint Ambroise sur l’Evangile de Saint Luc und Fenger, Tod und Auferstehung des Menschen, 131. Die Nähe zu Macrobius betont Courcelle, Recherches sur les confessions de Saint Augustin, 351. Zu der gleichen Definition in bon. mort. 2,3 f. 76   Vgl. Philo, leg. all. 33,105: „du sollst des Todes sterben“ (Gen 2,17).

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

nung der Seele vom Körper besteht, und dem speziellen strafenden Tod der Seele, die unter Schlechtigkeit und Leidenschaft begraben wird.77 Ambrosius führt ebenso die mors naturalis auf, den physischen Tod, durch den die Seele vom Körper befreit wird, sowie die mors poenalis, den Tod der Seele, die in der Sünde stirbt. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass Ambrosius in dem Frühwerk de excessu fratris Satyri liber secundus auf diese Differenzierung des Philo zurückgreift, da er in seiner frühen Schaffensphase auch in anderen Werken besonders eng dessen Auslegungen folgt.78 In exp. Luc. 7,34 f. widmet sich Ambrosius dem Vers Lk 9,60 (sine mortui sepeliant mortuos suos) und erklärt, es müsse einen doppelten Tod geben: geminam hic intellegas mortem, unam naturae, alteram culpae.79 Ambrosius bringt gewissermaßen die philonische Vorstellung vom zweifachen Tod und die meditatio mortis der Philosophie zusammen, indem er als drittes die mors mystica bzw. spiritalis einbringt, wobei diese die intellektuelle Einübung des Sterbens in der Philosophie weit übersteigt. Er verwirft die philosophische Lehre nicht vollends, sondern modifiziert sie. Das tägliche Sterben des Paulus ist „besser“ (melius) als die bloße philosophische Betrachtung. Diese nimmt eine Art „Vorstufe“ zur vollendeten Erkenntnis ein. Mit dem mystischen Tod meint Ambrosius im sakra­ mentalen Sinne die Taufe als Tod in und mit Jesus Christus. Indem er diesen also gegenüberstellt, gibt er den Zuhörern die Möglichkeit, das bekannte Konzept der meditatio als Grundlage anzunehmen, seiner weiteren Argumentation sowie dem besseren Beispiel des Paulus zu folgen und den Tauftod als plausibel zu akzeptieren. 3.2.2 Der natürliche Tod unter der Voraussetzung der mors mystica (exc. Sat. 2,38 – 49) Was Paulus in seiner Entrückung ins Paradies in 2 Kor 12,2 – 4 beschreibt, entspricht der Vorstellung Ambrosius’ vom mystischen Tod, den der Mensch stirbt, indem er der Sünde abschwört und in die Gemeinschaft mit Gott eingeht. Dieser Tod durchzieht die gesamte weitere Rede und bildet die Grundlage für die positive Zeichnung der mors naturalis, die bei Ambrosius von dem Straftod unterschieden wird, um allein jenem einen negativen Charakter zuzusprechen. Die mors naturalis dagegen wird positiv als remedium hervorgehoben, das von Gott eingesetzt den aus dem Sündenfall resultierenden Strafen ein Ende bereitet.80 Damit nun kann Ambrosius ein 77   Vgl. dazu Vogel, Commentatio mortis, 167 f. und Wacht, Meletē thanatou – meditatio mortis, 12. 78   Vor allem in den etwa zur selben Zeit entstandenen Traktaten de paradiso, de Cain et Abel, de Noe, de Abraham und de fuga saeculi ist die Abhängigkeit deutlich zu erkennen, vgl. Dieter Zeller, Philos spiritualisierende Eschatologie und ihre Nachwirkung bei den Kirchenvätern, in: Dieter Zeller (Hg.), Studien zu Philo und Paulus, BBB 165, Bonn 2011, 101 – 118, 114 f. 79   Exp. Luc. 7,35: „Einen doppelten Tod muss man einsehen, einen Tod der Natur und einen Tod der Sünde.“ 80  Vgl. exc. Sat. 2,41: Quis me liberabit de corpore mortis? Gratia dei per Iesum Christum dominum nostrum. Habemus medicum, sequamur remedium. Remedium nostrum Christi gratia est, et corpus mortis corpus est nostrum. Ergo peregrinemur a corpore, ne peregrinemur a Christo. – „‚Wer befreit mich vom Körper des Todes? Die Gnade Gottes durch Jesus Christus, unseren Herrn‘ (Röm 7,24)

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weiteres Mal eine Modifikation seiner Ausgangsthese vornehmen und den (natürlichen) Tod des Körpers endgültig als Gut bezeichnen.81 Ihm gelingt die Integration des konsolatorischen Motivs des Todes als Ende aller Übel82 in das christliche Konzept in einer Intensität wie keinem anderen vor ihm in der lateinischen Tradition.83 Mit dem Zitat Phil 1,21 wird die Eröffnung der Gemeinschaft der Gläubigen mit Christus als höheres, die Philosophie übersteigendes Ziel in den Blick genommen. War zuvor bei Paulus nur die praktische Umsetzung des „Sterbens“ gelobt worden, wird nun Christi Sterben als Begründung des mystischen Todes angeführt: Quid est Christus nisi mors corporis, spiritus vitae? Et ideo commoriamur cum eo, ut vivamus cum eo.84 Das christliche Sterben in Christus steht in enger Verwandtschaft mit dem platonischen Dualismus. Es besteht in der segregatio85 von körperlichen Begierden. Durch Christi Tod und Auferstehung wird die mors naturalis verwandelt: sie wird zum Eingangstor in die Vollendung der Auferstehung.86 Die Teilnahme am Sterben Christi als das Deo vivere ist der wahre Gewinn. Nach Abschluss dieses Argumentationsgangs führt Ambrosius den Tod des Satyrus als exemplum für den nicht zu fürchtenden, mystischen Tod an: praestitisti mihi, frater, ne mortem timerem, atque utinam moriatur anima mea in anima tua. [. . .] Denique qui moritur in Christo, fit eius gratiae particeps in lavacro.87 Dadurch nimmt Wir haben einen Arzt, lasst uns dem Heilmittel folgen. Unser Heilmittel ist die Gnade Christi, und unser Körper ist der Körper des Todes. Lasst uns darum vom Körper fortgehen, damit wir uns nicht von Christus entfernen.“ Zur mors naturalis als remedium vgl. auch bon. mort. 4,13 – 15, siehe unter A.III.4.4. 81  Vgl. exc. Sat. 2,38 f.: Vides mortem magis metam nostrarum esse poenarum, qua cursus vitae huius inciditur. Ergo mors non solum malum non est, sed etiam bonum est. – „Du siehst nun ein, dass der Tod eher eine Grenzmarkierung für unsere Strafen ist, mit der der Lauf unseres Lebens hier zusammenfällt. Der Tod ist folglich nicht nur kein Übel, sondern sogar ein Gut.“ Dieselbe Argumentation findet sich auch in bon. mort. 4,13 – 15. Unverkennbar ist auch hier der Rückgriff auf Cicero, vgl. tusc. 1,16: [. . .] non modo malum non esse, sed bonum etiam esse mortem. – [. . .] der Tod sei nicht nur kein Übel, sondern sogar ein Gut.“ 82   Zum Tod als finis malorum vgl. Cic. tusc. 1,115 und Sen. Pol. 9,6; Marc. 19,5. Eine detaillierte Quellenaufstellung findet sich bei Moos, Consolatio. Band 3: Testimonienband, 151 – 172. Diese Integration findet sich erstmals bei Ambrosius. Sie wurde maßgeblich in der späteren konsolatorischen Literatur. 83  Vgl. Moos, Consolatio. Band 3: Testimonienband, a. a. O. 161 f.: „Wenn auch allgemein der Doppelaspekt des Todes als Triumph der Sünde und Triumph über die Sünde, als Übel und Heilmittel, zur christlichen Tradition gehört [. . .], so sind doch nur wenige so weit wie Ambrosius gegangen, der die dem Dasein anhaftende Strafe dem davon erlösenden Tode entgegengesetzt hat.“ 84   Exc. Sat. 2,39: „Was ist Christus (erg. anderes) als der Tod des Körpers, als der Hauch des Lebens? Und deswegen wollen wir mit ihm sterben, damit wir mit ihm leben!“ Vgl. Gleissner, Aufbau und Argumentationstechnik, 38. 85  Hier greift Ambrosius auf seine eigene Formulierung der platonischen Todesdefinition (Phaid. 67D) aus exc. Sat. 2,35 zurück. 86  Vgl. Wacht, Meletē thanatou – meditatio mortis, 27 und Fenger, Tod und Auferstehung des Menschen, 132 f. 87  Vgl. exc. Sat. 2,43: „Du hast mir die Gewissheit verschafft, mein Bruder, dass ich den Tod nicht zur fürchten brauche, wenn denn meine Seele in deiner Seele stirbt. [. . .] Schließlich wird der, der in Christus stirbt, im Taufbad Anteil haben an seiner Gnade.“

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

der Redner seine Hörer mit in seine eigene Gefühlswelt. Wieder der MetriopathieLehre folgend gibt Ambrosius zu, unter der Sehnsucht nach seinem Bruder zu leiden. Da dieser aber die Taufe erhalten hat, ist sich Ambrosius der Gnade Gottes und der Nützlichkeit des natürlichen Todes sicher. Nach dem Beispiel des Bruders bringt Ambrosius eine Reihe weiterer exempla dafür, dass der Tod ein Gut sei: Der Tod des Einzelnen bewahrt im Falle von imperatores die Menschen vor weiteren Schlachten,88 der Tod der Märtyrer festigt die Kraft von Glaube und Kirche. Diese Gegenüberstellung von profaner Geschichte und Heilsgeschichte soll die mors naturalis und die mors mystica symbolisieren, wobei bei den Märtyrern beide gewissermaßen in einem Moment zusammenfallen als leiblicher Tod und Sterben für Gott. Die Grundlage für den mystischen Tod legt Ambrosius nun auch erstmals inhaltlich dar: Unius morte mundus redemptus est. [. . .] Itaque mors eius vita est omnium. Morte eius signamur, mortem eius orantes adnuntiamus, mortem eius offerentes praedicamus. Mors eius victoria est, mors eius sacramentum est, mors eius annua sollemnitas mundi est.89

Durch Christi Tod ist der Tod als Teil der condicio humana zur Voraussetzung für die Erlösung geworden. Erst durch die Allgemeinheit des Todes – das im ersten Teil der Rede breit dargelegte Argument – kann der Tod Christi zur Vollkommenheit führen und die gesamte Menschheit als causa salutis [. . .] publicae erlösen.90 Dass der natürliche Tod ein Gut ist, muss Ambrosius mit der Aussage des Schriftwortes Weish 1,13 (deus mortem non fecit) harmonisieren: Aufgrund des Sündenfalls bietet der Tod als nachträgliche Institution Gottes den Ausweg aus den Übeln und stellt damit die eigentliche Erklärung des debitum dar. Die Argumentation gipfelt in dem Satz: inmortalitas enim oneri potius quam usui est, nisi adspiret gratia.91

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  Vgl. dazu die Beispiele von Königen und Feldherrn, die Cicero in tusc. 1,116 gibt.   Exc. Sat. 2,46: „Durch den Tod eines Einzigen ist die Welt erlöst worden. [. . .] Denn sein Tod ist das Leben aller. Durch seinen Tod sind wir gezeichnet, seinen Tod verkündigen wir im Gebet, seinen Tod predigen wir beim Opfer. Sein Tod ist der Sieg, sein Tod ist das Geheimnis, sein Tod ist das alljährliche Fest der Welt.“ Im Ostergeschehen, der annua sollemnitas, werden hier Leiden, Tod und Auferstehung zusammengedacht. 90  Vgl. exc. Sat. 2,46: „Ursache des allgemeinen Heils“. Mit dieser Formulierung der salus publica umschreibt Ambrosius regelmäßig den Tod Christi am Kreuz, vgl. fid. 4,12,158: Vae enim mihi, si sacramentum salutis publicae denegavero! – „Weh mir darum, wenn ich das Geheimnis des allgemeinen Heils verleugnen sollte.“ Vgl. auch exp. Ps. 43,71,1. 91   Exc. Sat. 2,47: „Unsterblichkeit wäre nämlich eher belastend als von Nutzen, wenn sie nicht von der Gnade unterstützt würde.“ Vgl. dazu Fenger, Tod und Auferstehung des Menschen, 131:„Dieser Ansatz: die Sehnsucht des Menschen nach (endgültiger) Vollendung, taucht den Tod in ein neues Licht: das Ergebnis deckt sich nur scheinbar mit Cicero: Wenn der Tod von der Last des Lebens befreit und die Heimkehr der Seele schenkt, kann er kein Übel sein.“ Eine ähnliche Argumentation, ebenfalls ausgehend von Weish 1,13, bietet Ambrosius in bon. mort. 4,13 – 15. Gott habe sich den Tod geradezu „erlaubt“, was Ambrosius durch eine vorsichtige Bemerkung anzeigt, bon. mort. 4,15: passus est igitur dominus subintrare mortem – „Der Herr hat es also (erg. nur) zugelassen, dass der Tod eintrete.“ 89

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Der Gedanke eines ewigen Lebens bei gleichzeitiger Alterung – wie im Falle des mythischen Trojaner Tithonos, der ewiges Leben, aber nicht ewige Jugend erhält92 – ist ein traditionelles Motiv der consolatio, auf das Ambrosius mehrmals in de excessu fratris Satyri liber secundus anspielt.93 Indem er aber dieses Sterben in den Horizont der Auferstehungsgnade stellt und den Lohn dieses Lebens ins Jenseits verlegt, übertrifft er die in paganen Reden gängige Motivik. In Kapitel 48 spricht Ambrosius das erste Mal in der Rede ausdrücklich über die Auferstehung der Gläubigen mit den Worten von 1 Thess 4,16 f. Er gibt sich somit nicht mit der paganen Lehre von einer „gnadenlosen“ Existenz zufrieden. 3.3 Die Beweisgründe für die Auferstehung (exc. Sat. 2,50 – 89) Ab exc. Sat. 2,50 widmet sich Ambrosius vorrangig dem Glauben an die Auferstehung. Bisher wurden nicht nur die terminologische Bezeichnungen, sondern auch das Konzept der Auferstehung an sich vermieden.94 Wie sich der Blick weg von der Todesbetrachtung hin zu der Hoffnung auf die postmortale Existenz wendet, so verändern sich auch Ambrosius’ Argumentationsstruktur und Duktus. Fand man im ersten Teil eine den traditionellen Regeln weitgehend entsprechende Argumenta­ tionsstruktur sowie eine gewisse Zurückhaltung bezüglich biblischer Zitate und eine nur allmähliche Integration christlicher Argumente vor, so tritt nun die christliche Perspektive aus der Defensive heraus. Fast jeder Gedanke ist mit einem Schriftbeleg untermauert, wohingegen Anklänge an die traditionelle consolatio in den Hintergrund treten.95 An mehreren Stellen, vor allem wenn es um die Seelenwanderung geht, erlaubt sich Ambrosius einen gemäßigt polemischen Ton.96 Den Schwerpunkt in seiner Argumentation legt Ambrosius auf die Vergewisserung der Auferstehung. Spekulative Fragen nach dem „Wie“ der Auferstehung lehnt er allerdings ausdrücklich ab.97 Damit haben wir es nicht mit einem rein theoretischen Traktat über die Auferstehung im eigentlichen Sinne zu tun, sondern mit einer 92

  Vgl. René Nünlist, Art. Tithonos, DNP 12 (2002), 627.  Vgl. exc. Sat. 2,123 f. Vgl. dazu auch Moos, Consolatio. Band 3: Testimonienband, 157: „Die Väter vergleichen hier auch mit der Endlosigkeit der Höllenpein“ mit Hinweis auf Ambr. exc. Sat. 2,39: quaeret dives ille positus in inferno (erg. mortem) – „Es sucht den Tod der Reiche, der in die Hölle geworfen wurde.“ und Boeth. Cons. 4,4p.30 – 32. 94   Aus der Wortfamilie resurgere finden sich im ersten Teil (exc. Sat. 2,1 – 34) nur vier Belege: gratia resurrectionis (exc. Sat. 2,3); per resurrectionis spem (exc. Sat. 2,3); per unum (sc. Christum) etiam resurrectio (exc. Sat. 2,6) und hunc (sc. filium David) resurrecturum sperabat (exc. Sat. 2,28). Bei allen Nennungen wird zwar das Konzept im Gesamten mitgedacht, aber nicht weiter erklärt. 95   Während Ambrosius in exc. Sat. 2,1 – 49 vor allem der Struktur der tusculanae disputationes folgt, findet man im zweiten Teil Anspielungen dazu nur, wenn er in ablehnender Haltung über heidnische Vorstellungen spricht, vgl. exc. Sat. 2,126. 96  Vgl. exc. Sat. 2,65 f.  79.126 – 131. 97  Vgl. van Tóan, La Foi en la résurrection chez saint Ambroise de Milan, 133: „L’argumentation d’Ambroise consiste moins à préciser en quoi consiste la résurrection qu’à exposer ce qui fonde sa foi et son espérance.“ 93

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

pastoralen Hinwendung des Bischofs an seine Zuhörer unterschiedlicher Milieus. Er legt den Grundstein des Glaubens an die Auferstehung, indem er die Möglichkeit der Auferstehung argumentativ aufbereitet und in mehrfacher Hinsicht zu beweisen sucht: Et ideo eam non uno argumento aliquo, sed pluribus modis, ut possumus, adstruamus: Et quidem omnia aut usu aut ratione aut exemplo aut eo, quia decorum sit esse ea, ideo esse creduntur. Et ad fidem singula suffragantur usus, quia movemur, ratio, quia, quod movet, virtutis alterius convenit aestimari, exemplum, quia generavit ager fruges et ideo generaturum esse praesumimus, decorum, quia, et ubi fructum non putamus, decere tamen credimus, ut virtutis opera minime deseramus.98

Die Reihung usus – ratio – exemplum – decorum lässt sich nur zum Teil mit der folgenden Gliederung harmonisieren, die nur noch drei Aspekte explizit nennt: ratio – universitatis exemplum – testimonium rei gestae. Die gesonderte Rolle des decorum wird nur durch Interpretation ersichtlich. Im Folgenden soll auf die vier Argumentationsstränge eingegangen werden, wobei das Vernunftargument, das den argumentativen Teil in exc. Sat. 2,52 einleitet99 und in exc. Sat. 2,88 abschließt, erst nach den beiden ausführlich diskutierten Aspekten der Analogie- und der historischen Beweise thematisiert wird. 3.3.1 Universitatis exemplum (exc. Sat. 2,53 – 65) Ambrosius wechselt in dem Argumentationsgang der Analogiebeweise aus der Natur zwischen den Termini usus und universitatis exemplum.100 Er nähert sich den Phänomenen damit aus zwei Perspektiven: Ist mit usus die menschliche Wahrnehmung und Erfahrung gemeint, stehen die exempla des Kosmos für die Einprägung der Auferstehung in die Weltabläufe durch Gott. Nicht Gesetze der Natur beobachtet der Mensch, sondern Gottes Allmacht, die die Welt durchdringt und sie damit zum Erkenntnisfeld der Auferstehung macht.  98   Exc. Sat. 2,51 f.: „Und darum wollen wir sie (sc. die Auferstehung) nun nicht nur mit einem Argument, sondern mit möglichst vielen beweisen. Jeglicher Sachverhalt wird ja entweder aufgrund der Erfahrung, aufgrund des vernünftigen Denkens oder aufgrund eines Beispiels geglaubt oder man glaubt darum, dass Dinge existieren, weil es ‚angemessen‘ ist, dass sie existieren. Und im Falle des Glaubens wirken die einzelnen Aspekte zusammen: die Erfahrung, dass wir bewegt werden; die Vernunft, dass das, was bewegt, einer anderen Kraft zugerechnet werden muss; das Beispiel, dass der Acker Früchte hervorgebracht hat, und wir darum den Schluss ziehen können, dass er hervorbringen wird; Die ‚Angemessenheit‘ (erg. besagt), dass wir selbst dort, wo wir keine Frucht vermuten, glauben, dass sie da sein müsse, damit wir keinesfalls das Werk der Tugend aufgeben.“  99  Vgl. exc. Sat. 2,52: Ratio evidens, quia, cum omnis vitae nostrae usus in corporis animaeque consortio sit, resurrectio autem aut boni actus praemium habeat aut poenam inprobi, necesse sit corpus resurgere, cuius actus expenditur. – „Der Grund ist klar, denn wenn der ganze Verlauf unseres Lebens in der Gemeinschaft von Leib und Seele stattfindet, die Auferstehung aber den Lohn für gutes oder die Strafe für böses Handeln darstellt, dann ist es notwendig, dass auch der Körper wieder auferstehen, dessen Taten abgewogen werden.“ 100  Vgl. usus in exc. Sat. 2,51.53.62 und universitatis exemplum in exc. Sat. 2,52. Nicht zu verwechseln ist diese Formulierung mit Ambrosius’ Bezeichnung des nächsten Beweisganges, der Argumentation qua exemplum.

II. Die Rede über die Auferstehung

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Dieser Beweistypus folgt nicht zufällig, der die Gewissheit der Auferstehung secundum naturam schaffen soll, auf das allgemeine Vernunftargument. Ohne dezidiert auf christliche Vorstellungen zurückzugreifen, generiert Ambrosius bei den Zuhörern die auf Beobachtung und Erfahrung fußende Zustimmung zum allgemeinen Wechsel in der Natur. Als Beispiel zieht er die Entwicklung der Pflanze aus dem Saatkorn, das in die Erde fällt, heran. Dieses Beispiel hat mehrere Vorteile: ­Erstens ist es sowohl im paganen Denken, etwa in Ciceros Cato maior, als auch in der christlichen Tradition, vor allem in 1 Kor 15, ein wichtiges Motiv. Zweitens kann sich Ambro­sius möglicher Spekulationen über das Aussehen des Auferstehungsleibes enthalten, indem er auf die offensichtliche Konstante zwischen Samen und Baum bei unterschiedlichem Aussehen hinweist:101 Nonne tibi videntur occidere, cum deci­ dunt, resurgere, cum virescunt? Quod satum est, resurgit, resurgit, quod mortuum est, et in eadem genera, in easdem species reformatur.102 Ambrosius ahmt den Diatribenstil des Paulus in 1 Kor 15,35 nach, indem er, ähnlich wie im ersten Teil, fiktive Einwände vorbringt: Wie kann das Aufgelöste wieder zusammengefügt werden? Wie kann die Erde die menschlichen Körper wieder herausgeben? Wie kann Leichen Leben eingehaucht werden, wenn sie im Meer untergingen oder von Tieren zerfleischt wurden?103 Die Antworten auf diese Fragen gestaltet Ambrosius sehr eng an der Argumentation des Paulus:104 Quid igitur miraris, si homines, quos acceperat, terra restituat, cum seminum corpora, quaecumque susceperit, vivificet, erigat, vestiat, muniat atque defendat? Desine ergo dubitare, quod depositum generis humani terrae fides reddat, quae commendata sibi semina usurario quodam fenore multiplicata restituat.105 101   Vgl. Cic. Cato 15,51 f. und 1 Kor 15,35 – 49. Zur Saatmetapher im Sinne der Auferstehung in der Bibel vgl. Petra von Gemünden, Vegetationsmetaphorik im Neuen Testament und seiner Umwelt. Eine Bildfelduntersuchung, NTOA 18, Göttingen 1993, zu 1 Kor 15,35 – 49 bes. 299 – 303. Zu dieser Metapher bei paganen und christlichen Autoren vgl. Elke Ahlborn, Naturvorgänge als Auferstehungsgleichnis bei Seneca, Tertullian und Minucius Felix, WSt 103 (1990), 123 – 137. 102   Exc. Sat. 2,53: „Scheinen dir denn nicht die Dinge zu sterben, wenn sie zu Boden fallen, und wieder aufzuerstehen, wenn sie wieder erblühen? Was gesät ist, ersteht wieder; es ersteht wieder, was tot ist; und zwar in derselben Form und in der derselben Gestalt wird es neu gebildet.“ Vgl. dazu 1 Kor 15,36. Unter den christlichen Autoren ist die Metaphorik außerdem zu finden bei Athen. res. 17,2; Just. 1 Apol 19; Meth. res. 2,20 und Greg. Nyss. or. cat. 33. 103  Vgl. exc. Sat. 2,55 f. 58. Vgl. dazu die Anfrage bei Paulus, 1 Kor 15,35: Ἀλλ’ ἐρεῖ τις· πῶς ἐγείρονται οἱ νεκροί; ποίῳ δὲ σώματι ἔρχονται; – „Aber jemand könnte fragen: Wie werden die Toten auferstehen? Mit welchem Körper werden sie auferstehen?“ Marianne Gleissner zeigt, dass auch Tertullian in res. 4 diesen relativ festen Katalog an Anfragen bzw. Einwänden gegenüber der Auferstehung des Körpers hat, vgl. Gleissner, Aufbau und Argumentationstechnik, 49. Ähnliches findet sich auch bei Methodius, res. 2,20,8 f., wo Gott als Künstler dargestellt wird, der die Körper wieder zusammensetzt. Vgl. dazu Selene Zorzi, Bilder und Vorstellungen des Todes in Methodius’ Schrift De resurrectione, in: Katharina Bracht (Hg.), Methodius of Olympus. State of the Art and New Perspectives, TU 178, Berlin / Boston 2017, 156 – 165, besonders 158 – 162. 104  Vgl. Fenger, Tod und Auferstehung des Menschen, 134. 105  Vgl. exc. Sat. 2,56: „Was wunderst du dich also, wenn die Erde die Menschen, die sie aufgenommen hatte, wieder zurückgibt, da sie doch alle Samenkörner, die sie aufgenommen hat, belebt,

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Am Beispiel des Baumes, der aus dem Samen entsteht, zeigt Ambrosius das Konzept des usuarium, des Wucherzinses, den schon Vergil und Cicero nennen, wobei Ambrosius aber die Schöpfermacht Gottes als Grundlage aller Veredelung des Leibes anführt. Dadurch kann er die unterschiedliche Gestalt von totem Körper und Auferstehungsleib postulieren, ohne auf spekulative Detailfragen eingehen zu müssen.106 Zudem verweist er erneut auf die Erkenntnisfähigkeit ex parte, nach der es dem Menschen in diesem Leben nicht möglich ist, tieferes Wissen über das „Wie“ der Auferstehung zu erlangen.107 Neben dem argumentativen Aspekt der Analogie zur Natur nutzt Ambrosius das usus-Argument im Sinne eines argumentum de minore: Wenn schon die Pflanzen dem ständigen Wechsel unterworfen sind, dann noch vielmehr der Mensch.108 Für das Empfinden des modernen Lesers etwas überraschend verlässt Ambrosius die allgemein kosmologischen Beispiele und führt die Legende des Phönix an, des aus dem Osten stammenden Vogels, der nach 500 bzw. 1000 Jahren aus seiner eigenen Asche wiedererstehen soll. Der von Herodot überlieferte mythische Phönix galt in der Antike und auch darüber hinaus als real existierendes Wesen.109 Ambrosius ist hier von seinen Vorlagen abhängig: Sowohl in 1 Clem 25 als auch in Tert. res. 13 folgt das Phönix-Beispiel auf die Analogien mit der Natur. Die direkte Abhängigkeit lässt sich in diesem Fall sogar durch die wörtlichen Übereinstimmungen zwischen der Stelle bei Ambrosius und der lateinischen Übersetzung des ersten Clemensbrief nachweisen.110 aufrichtet, kleidet, ausrüstet und verteidigt? Höre darum auf zu zweifeln, dass die verlässliche Erde die Gabe des menschlichen Geschlechts zurückgeben wird, da sie die ihr anvertrauten Samen immer mit einem gewissen Zins vergrößert wiederherstellt.“ 106   Dieselbe Zurückhaltung bzgl. des Auferstehungsleibes findet sich bei Gregor von Nyssa, vgl. an. et res. 153A. 107  Vgl. exc. Sat. 2,66. Vgl. schon exc. Sat. 2,32. 108  Vgl. exc. Sat. 2,57. Zu dieser Weiterentwicklung der Argumentation vgl. auch van Tóan, La Foi en la résurrection chez saint Ambroise de Milan, 136: „[. . .] l’argument acquiert une tout autre portée, du fait que, dans la pensée d’Ambroise ce sont les cycles de la vie végétale qui sont des faibles imitations de notre résurrection.“ Vgl. auch die Interpretation bei Fenger, Tod und Auferstehung des Menschen, 134. 109   Zum Mythos des Phönix vgl. Hesiod. fr. 163,3 – 4; Hdt. hist. 2,73; Plin. ep. 10,3; Tac. ann. 6,28; Orig. Cels. 4,98; Diog. Laert. 9,79. Eine ausführliche Darstellung zur Phönixsage bietet Roel van den Browk, Myth of the Phoenix According to Classical and Early Christian Traditions, Leiden 1972. Vgl. außerdem Claudia Schindler / Hanna Witte, Art. Phoenix, RAC 27 (2016), 670 – 691. Die Phönixsage bringt Ambrosius in fast wörtlicher Übereinstimmung in exam. 5,23,79 f. Ihm gilt außerdem der Phönix aufgrund seiner anscheinend ungeschlechtlichen Fortpflanzung als Bild für die Jungfräulichkeit, vgl. exp. Ps. 118,19,13. 110  Vgl. exc. Sat. 2,59: Avis in regione Arabiae, cui nomen est Phoenix. [. . .] thecam sibi de ture myrra et ceteris odoribus adornare [. . .]. Ex cuius umore oriri vermem [. . .]. nam thecam illam [. . .] ex Aethiopia in Lycaoniam vehit. [. . .] incolae conpletum quingentorum annorum tempus intellegunt. – „Es gibt einen Vogel in der Gegend Arabrien mit dem Namen Phönix. [. . .] Er bereitet sich eine Urne mit Weihrauch, Myrrhe und anderen Gewürzen. [. . .] Aus seinem Lebenssaft entsteht ein Wurm [. . .]. Die Urne [. . .] trägt er dann von Äthiopien nach Lycaonien [. . .]. So erkennen die Einwohner, dass ein Zeitraum von 500 Jahren vergangen ist.“Vgl. dazu die lateinische Version des ersten Clemensbriefs aus dem zweiten od. dritten Jahrhundert, 1 Clem 25: Avis enim, quae vocatur phoenix. [. . .] facit

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Es scheint, als ob Ambrosius den Vogel nutzt, um den bekannten Beispielen der Naturanalogien ein stärkeres, übernatürliches Phänomen hinzuzufügen.111 Gleichzeitig bietet ihm die Legende den Übergang zur Frage des Zeitpunktes der Auferstehung, die auch bei Paulus erscheint und später diskutiert wird: Ergo isti avi quingentesimus resurrectionis annus est, nobis millesimus, illi in hoc saeculo, nobis in consummatione mundi.112 Die meisten Autoren des Altertums nahmen für die Lebensspanne des Phönix 500 Jahre an.113 Dieses Alter, das in eine erneute Auferstehung des Phönix führt, kennt auch Ambrosius. Dagegen versteht er die Zahl 1000 als Anbruch der von ihm erwarteten Auferstehung der Toten. Die Nennung des millesimus annus lässt die Frage zu, ob Ambrosius hier einer millenaristischen Vorstellung Ausdruck verleiht, nach der mit der Parusie Christi ein tausendjähriges Reich auf Erden anbreche, bevor das jüngste Gericht tage. Auffallend ist tatsächlich die Nähe dieser Textstelle zu Offb 20,5, die die Grundlage des Millenarismus ist.114 In der Auslegung von Ps 1 aber interpretiert Ambrosius die erste und zweite Auferstehung aus Offb 20 in anderer Weise.115 sibi thecam de ture et myrra et ceteris odoribus [. . .]. de umore carnis eius nascitur vermis [. . .]. portat illam e regione Arabiae usque in Aegyptum [. . .]. inveniunt illam quingentesimo anno suppleto venisse. Warum Ambrosius trotz direkter Abhängigkeit andere Landschaften nennt, ist ungeklärt. Roel van den Browk geht von einem Missverständnis auf Seiten des Ambrosius aus, vgl. van den Browk, Myth of the Phoenix According to Classical and Early Christian Traditions, 190. 111   Auch dieses Beispiel nutzt Ambrosius als Grundlage für ein argumentum de minore, vgl. exc. Sat. 2,59: Avis in regione Arabiae, cui nomen est Phoenix, redivivo suae carnis umore reparabilis, cum mortua fieret, revivescit. Solos non credimus homines resuscitari? – „Jener Vogel in Arabien, der Phönix genannt wird, kann sich durch die wiederbelebende Feuchtigkeit seines Fleisches erneuern und lebt wieder auf, wenn er gestorben ist. Wir glauben (erg. dann), dass allein die Menschen nicht wieder auferstehen?“ Da der Phönix ein beliebtes ikonographisches Symbol auch im christlichen Kontext war, ist es durchaus möglich, dass Ambrosius während seiner Rede auf eine entsprechende Abbildung verweisen konnte. 112   Exc. Sat. 2,59: „Für diesen Vogel bedeutet das 500. Jahr das Jahr der Auferstehung, für uns aber das 1000. Jahr. Für ihn geschieht das in dieser Welt, für uns aber mit dem Ende der Welt.“ 113   Hesiod behauptet als erster, dass der Phönix nach 500 Jahren sterbe und wiedererstehe. Ihm folgen Herodot, Ovid, Tacitus, Seneca und auch der erste Clemensbrief. Neben dieser Zeitspanne meinen allerdings Martial, Plinius sowie Lactanz, av. Phoen. 59, und Claudian, Phoenix 27, es handele sich um 1000 Jahre. Vgl. van den Browk, Myth of the Phoenix According to Classical and Early Christian Traditions, 68 – 72. 114   Vgl. Offb 20,5: οἱ λοιποὶ τῶν νεκρῶν οὐκ ἔζησαν ἄχρι τελεσθῇ (vgl. consummatione) τὰ χίλια ἔτη (vgl. millesimus annus). – „Die übrigen Toten wurden nicht lebendig bis die tausend Jahre vollende wurden.“ Zur Endzeitvorstellung und dem allgemeinen Gericht siehe unter B.II.5. 115  Vgl. exp. Ps. 1,54: Et ideo quoniam et salvator duo genera resurrectionis posuit et Iohannes in Apocalypsi dicens: beatus qui habet partem in prima resurrectione – isti enim sine iudicio veniunt ad gratiam, qui autem non veniunt ad primam resurrectionem, sed ad secundam reservantur, isti urentur, donec impleant tempora inter primam et secundam resurrectionem, aut, si non impleverint, diutius in supplicio permanebunt. – „Und darum hat einst der Heiland zwei Arten von Auferstehung eingesetzt und Johannes spricht in der Offenbarung: ‚Selig ist der, der an der ersten Auferstehung teilhat.‘ (Offb 20,6) – Die kommen nämlich ohne Gericht zur Gnade. Diejenigen aber, die nicht zur ersten Auferstehung kommen, sondern für die zweite aufbewahrt werden, werden brennen, bis die Zeit zwischen der ersten und der zweiten Auferstehung erfüllt ist, oder sie werden, falls sie (erg. ihre Reinigung) nicht erfüllt haben, noch länger in der Strafe verharren.“ Siehe dazu auch unter B.II.3 – 6.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Dort verlagert er die Erfüllung der Zeit, die 1000 Jahre aus Offb 20, in den Zwischenzustand, der den Heiligen durch das direkte Eingehen ins Himmelreich erspart bleibt und nur die peccatores erwartet.116 Entsprechend lässt sich dieses Konzept auf exc. Sat. 2,59 anwenden, um den Zeitpunkt der leiblichen Auferstehung anzugeben. Wie die Ernte der Frucht am Jahresende, falle diese mit dem Ende der Welt zusammen. Das Bild der 1000 Jahre ist somit vielmehr als Metapher für die Vollkommenheit der Zeit zu verstehen117 und darf nicht wörtlich als Erwartung eines tausendjährigen Reiches angesehen werden. Ambrosius stellt keine Spekulationen zum Zeitpunkt der Auferstehung an; allein die Sicherheit des Termins beim Ende der Welt begründet er mit dem Argument, eine Rückkehr in den status quo ante, also in die leidvolle Welt sei ungerecht.118 Am Schluss des usus-Beweisganges aber relativiert Ambrosius die Kraft des Menschen, aus den Erfahrungen zu allzu detaillierten Schlüssen zu kommen. Der Mensch könne die Vorgänge der Natur zwar beobachten, die eigentlichen Wirkweisen (organa) jedoch blieben unbekannt.119 Aufgrund der nur partiellen Erkenntnisfähigkeit hat der Mensch keine endgültige Gewissheit, die spezifischen Abläufen der Auferstehung oder die Identität des Auferstehungsleibes zu durchschauen. So logisch also der bisherige Argumentationsgang war, so stark relativiert Ambrosius die Erkenntnis. Soweit scheint sich Ambrosius ganz im Rahmen seiner Vorbilder, dem ersten Clemensbrief, Tertullian und Athenagoras zu bewegen. Beim Übergang zum nächsten Argument für die Auferstehung in Kapitel 65 allerdings zeigt er sich als didaktisch geschulter praeceptor fidei: Waren die Einwände fiktiver Gesprächspartner jeweils mit Begriffen aus dem semantischen Feld des Zweifels und der Verwirrung eingeleitet,120 so wendet er nun die gelernten Erkenntnisse auf die Diskussion mit dem heidnischen Gegenüber selbst an und drückt seine Verwunderung ob des Glaubens an die Seelenwanderung aus: Illud mirum, quod, cum resurrectionem non credant, tamen ne genus pereat humanum, clementi quadam benignitate prospiciunt et ideo transire ac 116

  Vgl. dazu auch Daley, The Hope of the Early Church, 98 f.   So auch Gleissner, Aufbau und Argumentationstechnik, 53, und Fenger, Tod und Auferstehung des Menschen, 135. Zu der Zahl 1000 als Zeichen der Vollkommenheit vgl. Josef Schmid, Art. Zahlensymbolik, LThK 10 (1965), 1303 – 1305, 1305. 118  Vgl. exc. Sat. 2,62: Et bene in consummatione mundi resurrectio mortuorum est, ne post resurrectionem in hoc malum nobis esset saeculum recidendum. – „Und es ist gut, dass die Auferstehung der Toten bei der Vollendung der Welt stattfindet, damit wir nicht nach der Auferstehung in diese schlechte Welt hineinfallen.“ 119  Vgl. exc. Sat. 2,60: Sed illa credis, quia vides, ista non credis, quia non vides? Beati, qui non viderunt et crediderunt. – „Aber jene glaubst du, weil du sie siehst, diese glaubst du nicht, weil du sie nicht siehst? ‚Selig sind die, die nicht gesehen haben und doch geglaubt haben‘ (Joh 20,29).“ Mit dem Zitat von Joh 20,29 ruft er zum Vorrang des Glaubens vor dem Wissen auf, vgl. exc. Sat. 2,89. 120  Vgl. exc. Sat. 2,54: Quid dubitas de corpore corpus resurgere?; exc. Sat. 2,55: sed miraris, quem­ admodum putrefacta sildentur [. . .]?; exc. Sat. 2,56: quid igitur miraris, si homines, quos acceperat, terra restituat [. . .]?; exc. Sat. 2,57: sed incredibilis tibi videtur [. . .]?; exc. Sat. 2,58: sequitur illud, quod gentiles plerumque perturbat, quomodo fieri possit, ut quod mare absorbuit [. . .], terra restituat? 117

II. Die Rede über die Auferstehung

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demigrare in corpora dicunt animas, ne mundus intereat.121 Hier klingt weniger ein polemischer Ton als eine fast entgegenkommende Haltung gegenüber diesem gutgemeinten Konzept der Heiden an, die sich um eine Bewahrung der Welt bemühen. Da im vorigen Abschnitt aber die fürsorgliche Schöpferkraft Gottes erwiesen wurde, können die im usus-Argument nun geschulten Zuhörer diese clemens quadam benignitas mit der vollkommenen bonitas Gottes widerlegen. Hinter der Auferstehung bleibt die Seelenwanderung somit als defizitäres und der Ordnung der Natur nicht entsprechendes Konzept zurück: Sed quid sit difficilius, ipsi adserant, transire animas an redire, sua repetere an nova quaerere.122 3.3.2 Testimonia rei gestae (exc. Sat. 2,66 – 86) Von den Analogieargumenten zu den Schriftbeweisen, die Ambrosius als geschichtliche exempla dienen, überzugehen, hat Tradition.123 Der erste Clemensbrief und besonders Tertullian können hier als Vorbilder genannt werden. Während Tertullian allerdings die Schrift gegen Häretiker verteidigt, wendet Ambrosius sie als unumstößliche, dem defizitären Wissen der Heiden gegenüberstehende bzw. deren Scheinweisheit aufdeckende Autorität an: Sed illi dubitent, qui non didicerunt, nos vero, qui legimus legem, prophetas, apostolos, evangelium, dubitare fas non est.124 Ambrosius eröffnet die Reihe der Schriftbeispiele, der testimonia rei gestae bzw. exempla, mit der Anführung alttestamentlicher Beispiele – Daniel, Hiob, Jesaja und vor allem Ezechiel – bevor er sich den Auferstehungserzählungen des Neuen Testaments zuwendet – besonders der Auferweckung des Lazarus (Joh 11), dann der des Jünglings von Naïn (Lk 7,11 – 17), der der Tochter des Synagogenvorstehers (Mt 9,18 – 25)125 und 121  Vgl. exc. Sat.  2,65: „Das ist verwunderlich, dass sie, wenn sie nicht an die Auferstehung glauben, trotzdem aufgrund einer Art mildevollen Güte sich darum sorgen, dass das menschliche Geschlecht nicht ganz zugrunde geht. Darum behaupten sie, dass die Seelen in (erg. andere) Körper hinüberwechseln, damit die Welt nicht vergeht.“ Vgl. zu dieser Beschreibung der Metempsychose Plat. Phaid. 72C – D. Zur Kritik der Seelenwanderung vgl. auch exc. Sat. 2,126 – 128.131 und bon. mort. 10,45. 122   Exc. Sat. 2,65: „Sie selbst aber (sc. die Philosophen) sollen beweisen, was schwieriger sei: dass die Seelen hinübergehen oder zurückkehren; oder dass sie das, was ihres war, wieder suchen oder nach Neuem streben.“ Eine entsprechende Anwendung des testimonium‑Arguments auf die Metempsychose liefert Ambrosius in exc. Sat. 2,85. 123   Eine andere Einteilung als die hier vorliegende nimmt Biermann, Die Leichenreden des Ambrosius von Mailand, 40 f. vor. Er fasst die alttestamentlichen Auferstehungszeugen als Teil des usus-Arguments und allein die „konkreten Beispiele von Totenauferweckungen“ des Neuen Testamentes als testimonia rei gestae zusammen. 124   Exc. Sat. 2,66: „Sollen jene zweifeln, die nichts gelernt haben. Uns aber, die wir das Gesetz, die Propheten, die Apostel und das Evangelium gelesen haben, ist es nicht erlaubt, zu zweifeln.“ Hier verweist Ambrosius bereits auf die fehlende Weisheit der heidnischen Philosophen, denen er in exc. Sat. 2,85 eine bloße Scheinweisheit unterstellt. Vgl. 1 Clem 26 mit demselben Hinweis auf Hi 19,25 f. und Tert. res. 18 – 38. Vgl. dazu auch Gleissner, Aufbau und Argumentationstechnik, 54 f. Die Aufzählung lex, prophetae, apostoli und evangelium entspricht der gängigen Beschreibung des biblischen Kanons, vgl. Aug. serm. 339; Hil. Tract. Ps. 118 aleph 7; Hier. ep. 50,4,1. 125   In umgekehrter Reihenfolge erscheinen diese drei Beispiele auch bei Irenäus, adv. haer. 5,13.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

schließlich der Auferstehung der Toten beim Tode Jesu (Mt 27,53). Wirksam werden diese Argumente natürlich nur unter Voraussetzung der Annahme, dass die Schrift wahres Zeugnis sei. Aus diesem Grund postuliert Ambrosius mehrfach die Autorität der „Auferstehungszeugen“ als wahrhaftige, der Lüge unfähige Männer sowie die besondere Autorität der Schrift.126 Die exempla aus dem Alten Testament konzentrieren sich auf die Gewissheit der Auferstehung, wie es schon beim Samenbeispiel der Fall war. Wie in einem Lehrer-Schüler-Verhältnis lässt Ambrosius dabei die verschiedenen Propheten vor den Zuhörern als Lehrer auftreten.127 Mit Dan 12,1 – 3 möchte Ambrosius die Grundlage des allgemeinen Gerichtes schaffen,128 das, so die Verheißung an Hiob in Hi 19,26,129 als Ausgleich und Trost ein besseres Leben nach sich zieht. Den negativen Ausgang des Gerichts nennt das Zitat aus Dan 12 zwar, Ambrosius vermeidet aber, wie in der gesamten Rede, dessen weitere Erklärung. Wie auch in den anderen Leichenreden konzentriert sich Ambrosius auf das Schicksal des Gerechten, die Auferstehung zum Heil. Als nächsten resurrectionis propheta testis führt Ambrosius Jesaja an und referiert die Ankündigung der Auferstehung anhand einer Zusammenstellung von Jes 25,8 und 26,17 – 20. Diese Texte bieten mehr Details über den Vorgang der Auferstehung 126

 Vgl. exc. Sat. 2,73: Magna domini gratia, quod futurae resurrectionis propheta testis adhibetur, ut nos quoque ea illius oculis videremus. Neque enim omnes testes adhiberi poterant, sed in uno omnes testes sumus, quia nec in virum sanctum cadit mendacium nec in tantum error prophetam. – „Die Gnade unseres Herrn ist groß, dass er einen Propheten als Zeugen für die zukünftige Auferstehung gebraucht hat, damit auch wir mit deren Augen diese Dinge sehen. Nicht alle können nämlich als Zeugen gebraucht werden, sondern allein darin sind wir Zeugen, dass in einen heiligen Mann keine Lüge hineinfallen kann noch ein Irrtum in Propheten solcher Bedeutung.“ Vgl. auch schon exc. Sat. 2,30. 127   Gleissner, Aufbau und Argumentationstechnik, 55 weist darauf hin, dass sich in diesem Teil der Rede die Zuhörer als Schüler angesprochen fühlen mussten, vgl. exc. Sat. 2,67: Iob [. . .] promisit. – „Hiob [. . .] hat es versprochen“; ebd. Esaias [. . .] adnuntians – „Jesaja [. . .] ruft uns damit an“; exc. Sat. 2,69: Docet etiam sanctus Ezechiel [. . .]. – „Auch der heilige Ezechiel lehrt es.“ Diesen Lehrern, so Ambrosius, solle man zuhören, vgl. exc. Sat. 71: [. . .] sed iam ipsum audiamus prophetum [. . .]. – „[. . .] aber den Propheten selbst wollen wir nun hören [. . .].“ 128   Das zweite Schriftzitat, exc. Sat. 2,67: suscitabis me et confitebor tibi – „Du wirst mich auferwecken und ich werde dich preisen“, hat Ambrosius aus der lateinischen Übersetzung von 1 Clem 26 wörtlich übernommen. Der Satz stellt höchstwahrscheinlich eine Kombination aus Ps 27,7 und Ps 87,11 dar, vgl. dazu Donald Hagen, The Use of the Old and the New Testaments in Clemens of Rome, Leiden 1973, 58 f. 129  Vgl. exc. Sat. 2,67: Quid etiam illud, quod Iob sanctus vitae istius expertus iniurias et adversa omnia patientia virtutis exsuperans conpensationem sibi malorum praesentium de resurrectione promisit dicens: Suscitabis corpus meum hoc, quod multa mala passum est? – „Warum soll ich noch jenes Wort anführen, das der heilige Hiob über die Auferstehung zu sich sagte, nachdem er die Leiden in seinem Leben erfahren hatte und alle Widrigkeiten mit tugendhafter Geduld erduldete, zum Trost für die gegenwärtigen Übel: ‚Du wirst diesen meinen Körper auferwecken, der viele Übel erduldet hat‘ (Hi 19,26)?“ Auch an dieser Stelle folgt Ambrosius dem Wortlaut des lateinischen ersten Clemensbrief, 1 Clem 26,3 und somit dem Gedankengang des ältesten Zeugnisses der Auferstehung des Leibes, vgl. Horacio E. Lona, Über die Auferstehung des Fleisches. Studien zur frühchristlichen Eschatologie, BZNW 66, Berlin 1993, 24 – 31.

II. Die Rede über die Auferstehung

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als die allgemeinen Zitate vorher und stellen den Übergang zur Idee der Materialität des Auferstehungsleibes dar.130 Dazu wird das Bild des Taus in die Metaphorik des Samenkorns eingebunden, sodass Ambrosius mit ihm, in Aufnahme des Gedankens aus dem usus-Argumentationsgangs, zum wichtigsten alttestamentlichen Auferstehungszeugnis überleiten kann, dem in extenso zitierten Beispiel Ez 37,1 – 14.131 Der Bericht von der Auferweckung der Knochen gibt Ambrosius die Möglichkeit, usus und exemplum zusammenzubringen, indem er, im Gegensatz zu Tertullian, die Saatmetaphorik direkt auf die Erzählung anwendet: In ipsis, dum legimus, propheticis sermonibus humanorum videtur seges corporum rediviva consurgere, atque ipsa spatia diffusa camporum novis videas pullulare seminibus.132 Dass aus Knochen wieder Körper werden, stellt Ambrosius also als der Natur entsprechendes Phänomen vor. Kontrastierend berichtet er vom Mythos des Cadmus und der Gründung der Stadt Theben.133 Gemäß dem Mythos bei Apollonios von Rhodos pflanzte Cadmus auf Geheiß der Athene Drachenzähne in den Boden,134 aus denen bewaffnete Krieger erwuchsen. Diese Diskontinuität zwischen Saat und Frucht im Mythos greift Ambro­ sius auf. Er nutzt die Vorstellung, die er heidnischen Philosophen als allgemeinen Lehrinhalt unterstellt, für ein argumentum a maiore: Wenn die Philosophen selbst die mutatio annähmen, so müssten sie doch um vieles leichter die reformatio naturae akzeptieren.135 Mit der Wendung zu den testimonia des Neuen Testamentes ändert sich der Fokus, indem Ambrosius Christus als souveränen Akteur der Auferweckung in Analogie zur Schöpfungsmacht Gottes einführt: 130  Vgl. exc. Sat. 2,68: [. . .] quiescit quasi e medio se subtrahens et recedens, ne eum artioribus laqueis mundi huius involvat aerumna, quibus repositam resurrectionis esse laetitiam sanitatemque corporum solutorum divino rore reparabilem caelestia oracula propheticis vocibus pollicentur. – „[. . .] er ruht gleichsam, während er sich aus sich selbst enzieht und weggeht, damit ihn nicht mehr die Not dieser Welt mit den engen Fesseln bindet. Wenn man sich von diesen freimacht, werden einem die himmlischen Weissagungen mit prophetischen Worten die Freude der Auferstehung und die Genesung der abgelösten Körper durch den himmlischen Tau versprochen.“ Diesen Übergang von Jesaja zu Ezekiel sieht auch van Tóan, La Foi en la résurrection chez saint Ambroise de Milan, 140 f. 131  Vgl. exc. Sat. 2,71 – 75. Die Bibelstelle bringt auch Tertullian in res. 29. Ambrosius hat allerdings die Reihenfolge verändert, denn Tertullian führt nach Ez 37 noch weitere Schriftworte, u. a. Jes 26,19 an, vgl. res. 31. 132   Exc. Sat. 2,69: „Wenn wir in diesen prophetischen Reden (sc. Ez 37,1 – 14) lesen, dann hat es den Anschein, dass sich die Saat der menschlichen Körper wieder lebendig erhebt, und du könntest sehen, wie die ausgedehnte Weite der Felder aus frischen Samen austreibt.“ 133   Vgl. die Darstellung bei Apoll. Rhod. 3,414 – 416, auf die auch Vergil in den Georgica zurückgreift. 134   Vgl. dazu exc. Sat. 2,70: satis hydri dentibus mit Verg. Georg. 2,140: satis immanis dentibus hydri. 135  Vgl. exc. Sat. 2,70: Potestis ergo, gentiles, reformationem negare naturae, qui mutationem potestis adserere? Potestis non credere oraculis, non evangelio, non prophetis, qui fabulis inanibus creditis? – „Könnt ihr also, ihr Heiden, die Wiederherstellung verleugnen, wenn ihr doch die Verwandlung annehmen könnt? Könnt ihr nicht den Weissagungen glauben, dem Evangelium, den Propheten, wenn ihr unsinnigen Fabeln glaubt?“

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Si miraris haec, disce, qui imperaverit, ut mirari desinas: Iesus Christus, dei virtus, via, lux, resurrectio mortuorum. Virtus erexit iacentem, via gressum extulit, lux fugavit tenebras, reparavit obtutum, resurrectio vivendi gratiam reformavit.136

In Aufnahme von Röm 1,16 und der johanneischen Ich-bin-Worte gestaltet Ambrosius Christus als Kraft Gottes, die über dieselbe Schöpfungskraft mittels des Wortes allein verfügt. In den gleichen Zusammenhang der Schöpfung durch das Wort stellt Ambrosius die Auferstehung der Toten bei Jesu Tod am Kreuz, indem er das Zitat mit dem Schrei des Sterbenden beginnt.137 In exc. Sat. 2,85 stellt er diese Verbindung von Wort und Schöpfung nochmals dar und weist sie als die eindeutige Macht Gottes aus, die auch Christus zukommt: dixit et fecit.138 Der Ton der Rede ändert sich ab Kapitel 77. Nach dem lehrhaften Teil der alttestamentlichen Propheten, in dem das Publikum und der Redner meist als Kollektiv in der ersten Person Plural erschienen, wendet sich Ambrosius nun in direkter Form dem Leser zu, wobei er mit der Gegenüberstellung von miraris und disce139 die Skepsis heidnischer Zuhörer und ihre Befriedigung in der Erkenntnis Gottes im Blick hat. Zudem steigt das Interesse am Zustand des Auferstehungsleibes, dessen Identität mit dem Toten betont wird. Das Rufen des Namens Lazarus’ in Joh 11,43 wird von Ambro­sius als Vergewisserung interpretiert, dass eben dieser und nicht ein anderer wiedererstanden ist.140 Gleichzeitig haben die Auferweckungserzählungen die Funktion, Glauben zu erwecken. So bringt Ambrosius eine dritte Deutung des Rufs Jesu nach Lazarus: Der Ruf sei das Bild und Beispiel der kommenden Auferstehung141, indem 136   Exc. Sat. 2,79: „Sollte dich das wundern, dann lerne, wer den Befehl hat, so dass du dich nicht mehr wunderst: Jesus Christus, die ‚Kraft Gottes‘ (Röm 1,16), der ‚Weg‘ (Joh 14,6), das ‚Licht‘ (Joh 8,12), die ‚Auferstehung der Toten‘ (Joh 11,25). Die Kraft hat den Liegenden aufgerichtet, der Weg hat seinen Fuß erhoben, das Licht hat die Finsternis vertrieben und den Blick eröffnet, die Auferstehung hat die Gnade des Lebens erneuert.“ 137  Vgl. exc. Sat. 2,83: simul enim, ut clamans iterum voce magna (Mt 27,50.53); vgl.auch exc. Sat. 2,81: Resuscitavit adulescentem [. . .] dicens [. . .]. Statim (sc. adulescens) audivit (Lk 7,14 f.); und exc. Sat. 2,82: quam cito ad vocem domini convertitur spiritus (Mt  9,18 – 25). 138   Auf die Gleichsetzung des Wortes Jesu mit dem Schöpfungswort Gottes schließt Ambrosius außerdem aus der Aufforderung des Teufels an Jesus, das Brot zu verwandeln, vgl. exc. Sat. 2,85. Im Gegensatz dazu wird in den zwei Auferweckungserzählungen in exc. Sat. 2,83 die Berufung auf die göttliche Autorität betont: Helias oravit et defunctum suscitavit infantem – „Elia betete (sc. zu Gott) und rief den Toten ins Leben zurück“ (2 Kön 13,21) und: Petrus in nomine Christi Tabitham surgere et ambulare praecepit – „Petrus befahl Tabitha im Namen Christi sich zu erheben und umherzulaufen.“ 139  Vgl. exc. Sat. 2,79: Si miraris haec, disce, qui imperaverit, ut mirari desinas. – „Wenn du dich darüber wunderst, dann lerne, wer den Befehl gegeben hat, damit du aufhörst, dich zu wundern.“ 140   Gleiches findet sich bei der Erweckung des Jünglings von Naïn, exc. Sat. 2,81: Et resedit, qui erat mortuus – „und es erhob sich der, der tot war“ und exc. Sat. 2,83: redivivum corpus erigitur – „der wiederbelebte Körper richtet sich auf.“ Vgl. Gleissner, Aufbau und Argumentationstechnik, 58. 141  Vgl. exc. Sat. 2,77: Quid enim sibi vult quod dominus ad monumentum accessit, magna voce clamavit: Lazare, exi foras, nisi ut futurae resurrectionis speciem praestaret, exemplum ederet? – „Was wollte denn unser Herr, als er zu dem Grabmal ging und ‚mit lauter Stimme rief: Lazarus, komm‘ heraus!‘ (Joh 11,43)? Nichts anderes als ein Bild der zukünftigen Auferstehung zu gewähren und ein Beispiel dafür zu geben.“

II. Die Rede über die Auferstehung

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die Stimme Jesu als Typos der Posaune aus 1 Kor 15,52 am Ende der Zeit gedeutet wird. Dem Zuhörer, gleichgesetzt mit den ungläubigen Zuschauern der LazarusSzene, wird der Ablauf der Auferweckung detailliert dargelegt, sodass er die Wirkung der göttlichen Macht nachverfolgen kann. Die Wirkung auf die Juden müsse sich, so Ambrosius, in den Zuhörern wiederholen, zumal diese durch Anerkennung der Schrift zu Zeugen der wahren Auferstehung Christi geworden sind.142 Auch diesen Argumentationsgang schließt Ambrosius in exc. Sat. 2,86 mit einer Anwendung des Gelernten auf die paganen Philosophen: De solis cursu caelique ratione philosophi disputant et sunt, qui putant his esse credendum, cum, quid loquantur, ignorent. Neque enim caelum ascenderunt, axen dimensi mundum oculis per­ scrutati sunt, quia nullus eorum cum deo in principio fuit.143

Der Scheinweisheit der Philosophen stellt er mit Prov 8,27 die Autorität der Schrift gegenüber und hebt auf diese Weise die voranstehenden biblischen testimonia über die philosophisch-naturwissenschaftlichen Erkenntnisse, da Gott in der Schrift die Weisheit an sich offenbart habe. Die am Anfang des Abschnittes gestellte Frage: quis enim dubitet, cum legit,144 nach der Reihe der exempla kann mit einem eindeutigen nemo dubitat beantwortet werden. 3.3.3 Ratio (exc. Sat. 2,52.88) Das Vernunftargument in der Tradition des Athenagoras145 stellt Ambrosius zu Beginn der Argumentationsgänge verhältnismäßig kurz dar, kommt aber in exc. Sat. 88 nochmals darauf zu sprechen: Et haec est series et causa iustitiae, ut quoniam corporis animique communis est actus, quia animus cogitavit, corpus effecit, utrumque in iudicium veniat, utrumque aut poenae dedatur aut gloriae reservetur. Nam propemodum absurdum videtur, ut, cum animi legem lex carnis inpugnet et mens plerumque, quod odit, hoc faciat, quando inhabitans in homine peccatum carnis operatur, animus subdatur iniuriae, alienae reus culpae, caro quiete potiatur, auctor aerumnae, et solus adteratur, qui non solus erravit, aut solus gloriam referat, qui non solus gloriae militavit.146 142  Vgl. exc. Sat. 2, 80. Mehrmals betont Ambrosius die Vorbildwirkung der Auferweckungsbeispiele, vgl. exc. Sat. 2,77.81 und 84. 143   Exc. Sat. 2,86: „Über den Lauf der Sonne und die Gesetze des Himmels diskutieren die Philosophen und es gibt Leute, die meinen, man müsste ihnen glauben, obwohl sie gar nicht wissen, was sie sagen. Sie haben nämlich nicht den Himmel erklommen, nicht seine Achse vermessen. Sie haben nicht mit eigenen Augen die Welt untersucht, weil keiner von ihnen am Anfang bei Gott war.“ Es folgen die Zitate Prov 8,27.30 und Jes 66,22 – 24. In par. 1,2 und exp. Ps. 118,8,60 bezeichnet Ambrosius Christus selbst als sapientia. Zur Verknüpfung von Nachfolge Christi und wahrer Erkenntnis Gottes und der Welt vgl. Dassmann, Die Frömmigkeit des Kirchenvaters Ambrosius von Mailand, 199 f. 144   Exc. Sat. 2,66: „Wer kann zweifeln, wenn er liest [. . .].“ Mit dieser Frage beginnt der Abschnitt der testimonia. 145   Vgl. Athen. res. 21 f. und Tert. res. 15. Die Vorstellung vom Gesamtgericht stammt schon aus Dan 12. 146   Exc. Sat. 2,88: „Dies sind die Reihenfolge und der Grund der Auferstehung, dass, da ja das Handeln von Körper und Seele ein gemeinsames ist, weil die Seele dachte und der Körper ausführte,

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Da die menschliche Existenz von der Verbindung von Körper und Seele geprägt ist, müsse der Körper auferstehen, um seine gerechte Strafe bzw. den ihm zustehenden Lohn zu erhalten. Die alleinige Beurteilung der Seele wäre angesichts der Beteiligung des Körpers im Leben bzw. seiner die Seele beeinflussenden Schwäche ungerecht und irrational.147 Ambrosius nimmt dieses Argument in exc. Sat. 88 wieder auf, wobei dort ausführlicher auf die Rolle des Körpers als auctor aerumnae eingegangen wird, der im „absurden“, der ratio widersprechenden Falle einer alleinigen Verurteilung der Seele in (unverdienter) Ruhe bliebe. Überraschend ist dabei, dass diese Argumentation, die die Schicksalsgemeinschaft von Körper und Seele betont, der oft als streng dichotomisch vertretenen Anthropologie des Ambrosius widerspricht. Es zeigt sich, dass die Beurteilung des Körpers im Denken des Ambrosius keineswegs ausschließlich negativ ist, sondern der Körper als Gegenüber der Seele wahrgenommen und auch positiv hervorgehoben werden kann.148 Sowohl den usus‑, als auch den testimonia‑Argumentationsgang schließt Ambrosius, wie gezeigt, mit einer Widerlegung des entsprechenden Arguments der Philosophen ab. Auch das ratio-Argument behandelt er auf ähnliche Weise, indem er, nach Beendigung der gängigen, den philosophisch interessierten Zuhörern entgegenkommenden Beweisführung, diese selbst als unnütz und nicht ausreichend bezeichnet: Plena, ni fallor, et iusta ratio. Sed ego rationem a Christo non exigo. Si ratione convincor, fidem abnuo.149 Der philosophischen Argumentation wird der Glaube entgegenstellt. Damit greift Ambrosius m. E. das bereits in exc. Sat. 2,51 angedeutete Argument des decorum auf. Der in der Forschung meist vertretenen Gliederung in drei Argumentationsgänge150 ist darum ein vierter hinzuzufügen.

beide vor das Gericht kommen, beide entweder die Strafe erhalten oder für die Ehre aufbewahrt werden. Denn es erscheint geradezu absurd, dass, da ja das Gesetz des Fleisches gegen das Gesetz des Geistes kämpft und der Geist oft tut, was er hasst, da die im Menschen wohnende Fleischlichkeit die Sünde wirkt, die Seele der Ungerechtigkeit als Angeklagter einer fremden Schuld unterliegt, das Fleisch aber, der Urheber der Not, die Ruhe genießt. Soll die Seele allein zerstört werden, die doch nicht allein in die Irre ging, oder soll sie allein Ehre erhalten, die doch nicht allein unter der Ehre gekämpft hat?“ 147  Vgl. exc. Sat. 2,52: Quomodo enim in iudicium vocabitur anima sine corpore, cum de suo et corporis contubernio ratio praestanda sit? – „Wie sollte denn (erg. nur) die Seele ohne den Körper vor Gericht gerufen werden, wenn über ihre Gemeinschaft mit dem Körper Rechenschaft abzulegen ist?“ 148   Ambrosius kann den Körper durchaus auch positiv als Instrument der Seele loben, vgl. bon. mort. 6,25. Zur Einheit und Verschiedenheit von Körper und Seele und der damit zusammenhängenden Bewertung von caro bzw. corpus vgl. Seibel, Fleisch und Geist beim heiligen Ambrosius, 39 – 47. 149   Exc. Sat. 2,89: „Allumfassend, wenn ich mich nicht täusche, gerecht ist dieses Vernunftargument. Aber ich fordere von Christus keine Vernunft. Wenn ich mich von der Vernunft überzeugen ließe, würde ich dem Glauben abschwören.“ 150   Vgl. etwa Fenger, Tod und Auferstehung des Menschen, 134 und van Tóan, La Foi en la résurrection chez saint Ambroise de Milan, 135 – 143.

II. Die Rede über die Auferstehung

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3.3.4  Decorum (exc. Sat. 2,89 – 131) Ambrosius nennt in exc. Sat. 2,51 den argumentativen Gesichtspunkt des decorum. Offensichtlich meint er dabei weniger die rhetorische Regel des πρέπον / decorum, die die Angemessenheit der Rede gegenüber dem Publikum bzw. die Angemessenheit der Worte untereinander bezeichnet.151 Vielmehr muss hier die Angemessenheit des Denkens angesichts des Glaubens gemeint sein. Ambrosius erläutert das decorum als System, in dem man aus Gründen der Angemessenheit die Existenz eines Sachverhalts als wahr ansieht (credere), auch wenn man ihn nicht denken (putare) kann: [. . .] quia decorum sit esse ea, ideo esse creduntur. [. . .] decorum, quia, et ubi fructum non putamus, decere tamen credimus, ut virtutis opera minime deseramus.152 Entscheidend ist an dieser Stelle die Unterscheidung der Verben credere und putare. Erstes fokussiert sich auf „die Inhalte eines individuell verankerten doxastischen Systems bzw. eine zugrundeliegende doxastische Quelle“153, während putare eine subjektive Meinung oder eine auf Zahlenlogik beruhende Aussage meint. Das credere als Vertrauen in die Gewissheit der Auferstehung sei darum die angemessene Antwort auf die Verheißung Gottes, es ist das adäquate Verhalten gegenüber den virtutis opera und die Anerkennung und Einhaltung der gottgewollten Ordnung.154 Nimmt man diese Unterscheidung zwischen credere und putare ernst, erschließt sich die in der Forschung oft kritisierte relativierende Aussage in exc. Sat. 2,89, wo Ambrosius die gesamte vorherige Argumentation für unwichtig erklärt und sich allein der Glaubensgewissheit verschreibt.155 Man hat Ambrosius diese Wendung als 151   Vgl. Gert Ueding / Bernd Steinbrink, Grundriss der Rhetorik. Geschichte, Technik, Methode, Stuttgart 1994, 216 – 221. Zur Nutzung des Konzepts des decorum in Ciceros de officiis vgl. Max Pohlenz, Antikes Führertum. Cicero De officiis und das Lebensideal des Panaitios, Neue Wege zur Antike 2. Interpretationen 3, Leipzig, Berlin 1934, 58 – 63. 152  Vgl. exc. Sat. 2,52: „[. . .] man glaubt darum, dass Dinge existieren, weil es ‚angemessen‘ ist, dass sie existieren. [. . .] Die ‚Angemessenheit‘ (erg. besagt), dass wir selbst dort, wo wir keine Frucht denken, glauben, dass sie da sein müsse, damit wir keinesfalls das Werk der Tugend aufgeben.“ 153   Martin G. Becker, Welten in Sprache. Zur Entwicklung der Kategorie „Modus“ in romanischen Sprachen, ZRP 386, Berlin 2014, 199. Vgl. dazu auch exam. 1,7,27: Ideo primum fecit deus, postea venustavit, ut eundem credamus ornasse qui fecit et fecisse qui ornaverit, ne alterum putemus ornasse, alterum creavisse, sed eundem utrumque esse operatum. – „Deshalb hat Gott zuerst geschaffen und später (erg. die Schöpfung) ausgeschmückt, damit wir glauben, dass derselbe, der sie geschaffen hat, sie auch ausgestattet hat, und derselbe, der sie ausgestattet hat, sie auch geschaffen hat, damit wir nicht die Meinung haben, ein anderer habe sie ausgestattet, ein anderer sie erschaffen, sondern derselbe habe beides erwirkt.“ 154  Klaus Zelzer / Michaela Zelzer, Ambrosius von Mailand und die ethische Tradition der Antike. Philologische Randbemerkungen aus Anlass seines 1600. Todestages am 4. April 1997, SWKA 27, Wien 1998, 48 f. 155   Exc. Sat. 2,89: Plena, ni fallor, et iusta ratio. Sed ego rationem a Christo non exigo. Si ratione convincor, fidem abnuo. – „Allumfassend, wenn ich mich nicht täusche, gerecht ist dieses Vernunft­ argument. Aber ich fordere von Christus keine Vernunft. Wenn ich mich von der Vernunft überzeugen ließe, würde ich dem Glauben abschwören.“ Als Vorbilder für „unvernünftige“ Glaubende werden Abraham (Röm 4,3 bzw. Gen 22) und als Beter von Ps 115,1 David genannt.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

unverständigen Fideismus156 oder mangelndes Vertrauen in seine Darlegung157 ausgelegt. M. E. ist Ambrosius dagegen darum bemüht, den Glauben an die Auferstehung als vernünftig zu beweisen. Wenn dieser Schritt aber getan ist, kann er die Glaubenden auf ein „neues und stabileres Fundament“158 mitnehmen. Zwar sind die vorigen Argumente notwendig, doch werden sie im weiteren Verlauf angesichts der glaubenden Vernunft überflüssig. Die bloße Kenntnis der logischen Schlüsse kann nicht ausreichen, wenn man, so Ambrosius in seinem späteren Werk de officiis, Gott nicht erkannt hat.159 Die Gegenüberstellung von putare und credere bzw. ratio und decorum entspricht folglich dem von Cicero definierten Verhältnis von utile und honestum.160 Sofern sich das decorum auf den Willen Gottes bezieht, kann es sich als „Schicklichkeitsargument“ auch auf die ethische Notwendigkeit der gemeinsamen Beurteilungen von Körper und Seele beziehen.161 Dem vorzuziehen ist aber die Vermutung, dass vor allem die Hinwendung zu Gott im Vordergrund steht: das Vertrauen auf seine Allmacht, insbesondere die Glaubensgewissheit der Auferstehung durch die Integrität der von Gott gewollten Ordnung, im Gegensatz zur bloßen Annahme von Beobachtungen. Ambrosius fordert ein, was auch Cicero als decorum definiert hat: nam et ratione uti atque oratione prudenter et agere quod agas considerate omnique in re quid sit veri uidere et tueri decet contraque falli errare labi decipi tam dedecet quam delirare et mente esse captum.162

Gottes Wille und Verheißung gegenüber muss sich der Mensch „angemessen“ verhalten, indem er den Glauben an die Auferstehung annimmt. Dies untermauert Ambrosius mit einer Zitatenkette von Schriftworten über die Auferstehung in exc. Sat. 2,89,163 die zum Sterben Christi überleitet, der als primitiae quiescentium die Auferstehung aller gewirkt hat.164 Ein willentliches Wenden gegen diese Verheißung, die in Christus realisiert wurde, wäre unpassend. 156

  Vgl. Goulven Madec, Saint Ambroise et la philosophie, Paris 1974, 33 f.  Vgl. van Tóan, La Foi en la résurrection chez saint Ambroise de Milan, 138. 158  Vgl. Gleissner, Aufbau und Argumentationstechnik, 62. 159   Vgl. Ambr. off. 1,25,117: Nemo enim prudens qui Dominum nescit. – „Niemand ist nämlich klug, wenn er Gott nicht kennt.“ Auch hier wird wie im Folgenden mit Röm 4,3 Abraham als Glaubenszeuge angeführt. 160   Vgl. Cic. off. 3,18,1. Zum decorum bei Cicero und Ambrosius vgl. Franz-Hubert Robling, Redner und Rhetorik. Studie zur Begriffs- und Ideengeschichte des Rednerideals, ABG.S 5, Hamburg 2007, 232 – 236. 161  Vgl. van Tóan, La Foi en la résurrection chez saint Ambroise de Milan, 134 und Gleissner, Aufbau und Argumentationstechnik, 48. 162  Cic. off. 1,95: „Denn sowohl die Vernunft als auch die Rede klug zu gebrauchen und, was du tust, mit Bedacht zu tun und in allen Dingen, was Wahres in ihnen ist, zu sehen und zu betrachten, ist schicklich (decet); und dagegen sich zu täuschen, zu irren, zu Fall zu kommen und sich betrügen zu lassen, ist so unschicklich (dedecet), wie in Wahn zu verfallen und verrückt zu werden.“ Vgl. dazu auch Andrew R. Dyck, A Commentary on Cicero „De officiis“, Ann Arbor, MI. 21996, 238 – 258. 163   Vgl. 2 Kor 4,14; Joh 6,39 f; Mt 27,52 und 1 Kor 15,21. 164  Vgl. exc. Sat. 2,90: Si deo non credimus, nec exemplo credimus? Non credimus, quod promisit, quando etiam, quod non promisit, effecit? Ipse autem quam causam moriendi habuisset, nisi habuisset 157

II. Die Rede über die Auferstehung

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Beispiele für dieses decorum gibt Ambrosius, indem er erneut die Reihe der Patriarchen als Glaubenszeugen anführt.165 Waren diese im ersten Teil der Rede Beispiele für die Schlechtigkeit der Welt, fungieren sie hier als Vorbilder in der Beziehung zu Gott: Abrahams Glaube und Gehorsam, Isaaks Güte und Milde, Jakobs Gehorsam und richtige Reaktion auf die Vision der Himmelsleiter. Diese Reihe als rein „moralische Erbauung“ zu interpretieren,166 greift zu kurz. Den Gläubigen, der nach diesen Vorbildern lebt, erwartet – und damit nennt Ambrosius zum ersten Mal in der Rede die postmortale Existenz in Form eines nicht weiter beschriebenen Zwischenzustands – der Aufenthalt im Schoße Abrahams, gekleidet in den Umhang der (guten) Taten.167 Ethik und Erkenntnis Gottes fallen dabei in eins. Die Ablehnung der Auferstehung, der Widerspruch gegen das decorum, wird von Ambrosius als sacrilegium gewertet: Advertimus, quam grave sit sacrilegium resurrectionem non credere; si enim non resurgimus, ergo Christus gratis mortuus est, ergo Christus non resurrexit. Si enim nobis non resurrexit, utique non resurrexit, qui, sibi cur resurgeret, non habebat.168

Der Entrüstung darüber, dass man angesichts des Todes Christi und seiner Verheißungen nicht zum vollkommenen Glauben kommen kann, verleiht Ambrosius am Ende der Rede erneut Ausdruck: quid philosophi ipsi genus post mortem aliquod reppererunt, quo nos uti magis quam resurgere delectabit? Et illi quidem, qui dicunt animas inmortales esse, non satis mulcere me possunt, cum

et causam resurgendi? – „Wenn wir Gott nicht glauben, können wir dann dem Beispiel glauben? Glauben wir nicht, was er verheißen hat, da er sogar gewirkt hat, was er verheißen hat? Hätte er aber selbst einen Grund zu sterben gehabt, wenn er nicht auch einen Grund gehabt hätte, aufzuerstehen?“ Christus als Vorausgegangener wird hier als Basis der Verheißungssicherheit herangezogen. 165   Vgl. den langen Exkurs zu den Patriarchen in exc. Sat. 2,95 – 101. 166   So behauptet etwa Biermann, Die Leichenreden des Ambrosius von Mailand, 42: „Die langen Erinnerungen an die biblischen exempla aus der Väterzeit dienen wie auch sonst in den Predigten des Ambrosius der moralischen Erbauung der Zuhörer, haben aber mit dem Thema der Auferstehung nicht mehr viel zu tun.“ Biermann übersieht hier den besonderen erkenntnisbezogenen Aspekt der Beispielreihe. 167  Vgl. exc. Sat. 2,101: Sequamur Abraham moribus, ut nos recipiat in gremium suum [. . .]. Non enim nos in gremio corporali, sed in quodam bonorum factorum amictu sancti patriarchae probata deo successio fovet. – „Folgen wir der Lebensart des Abraham, damit er uns aufnehme in seinen Schoß [. . .]. Nicht in einem materiellen Schoß aber, sondern in einer Art Umhang aus guten Taten wird uns die Nachfolge des heiligen Patriarchen, die von Gott gewollt ist, wärmen.“ Mit amictus bezeichnet Ambrosius sonst meist den Leib, den amictus carnis, vgl. exam. 6,6,39. Er spielt hier wohl auf einen Zwischenzustand an, gibt aber keine genaueren Informationen über diesen Aufenthalt zwischen Tod und Auferstehung. Vgl. auch exc. Sat. 2,95 und 132 und unter A.II.4. 168  Vgl. exc. Sat. 2,102: „Wir merken also, was für ein schwerer Frevel es ist, nicht an die Auferstehung zu glauben. Wenn wir nicht auferstehen, dann ist Christus umsonst gestorben, dann ist Christus nicht auferstanden. Wenn er nämlich nicht für uns auferstand, dann ist er nicht auferstanden, da er keinen Grund hatte, warum er für sich selbst auferstehen sollte.“

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

pro parte me redimunt. Nam quae potest esse gratia, ubi non totus evasi, quae vita, si in me opus dei occidat, quae iustitia, si naturae finis mors sit erranti iustove communis [. . .].169

Mit Anspielungen auf Cicero und Platon und Kurzzitaten aus deren Werken erklärt Ambrosius den Versuch der philosophi, die Unsterblichkeit der Seele zu postulieren, als defizitäre Vorstellung, da dadurch nur eine Erlösung pro parte in Aussicht gestellt werde. Mit ironischen Fragen wird die Unangemessenheit einer partiellen Unsterblichkeit aufgezeigt. Einen drastischeren Ton schlägt Ambrosius bei der Beurteilung der pythagoreischen Seelenwanderung an, wenn er diese als „dichterische Spielereien“ (ludibria poetarum) und als lächerlichen philosophischen Irrtum (philosophorum errores) bloßstellt.170 Dieses falsche Vertrauen in die Fabeln und somit die als völlig unglaubwürdig abgestempelte Vorstellung von der Metempsychose wird am Beispiel des Ikarus karikiert, der, so die polemische Umdeutung des Mythos, wohl meinte, er sei selbst einst ein Vogel gewesen.171 Dieser Reihe der indecora stellt Ambrosius nochmals die Zusammenfassung seiner Argumentation gegenüber: Haec quam incredibilia, quam deformia! Quanto illud convenientius, ut credas secundum naturam, credas secundum usum fructuum ceterorum, credas secundum exempla gestorum, oracula prophetarum Christi caeleste promissum! Quid vero praestantius, quam ut opus dei iudices non perire et secundum imaginem et similitudinem dei factos transferri non posse in effigies bestiarum, cum utique ad similitudinem dei non corporis sit imago, sed ratio?172

Auch hier finden sich die vier Argumentationsgruppen, als rationales Postulat der Erhaltung des Körpers als Werk Gottes, als Glaube aufgrund des Beispiels der Früchte, als Glaube aufgrund von historischen Zeugnissen und als Glaube durch und an die Verheißungen. In direkter Ansprache173 wendet sich Ambrosius dem paganen Publikum zu und wünscht sich die Konversion und die Einsicht in diese bessere

169   Exc. Sat. 2,126: „Welche Art von Vorstellung nach dem Tod haben denn solche Philosophen gefunden, deren Gebrauch uns mehr erfreut als die Auferstehung? Und selbst jene, die behaupten, dass die Seelen unsterblich seien, können mich nicht völlig beruhigen, da sie mich nur zum Teil erlösen. Denn was für eine Gnade kann das sein, wenn ich nicht als Ganzer gerettet bin, was für ein Leben, wenn in mir das Werk Gottes stirbt, was für eine Gerechtigkeit, wenn der Tod das gemeinsame Ende der Natur für den Irrenden und den Gerechten ist.“ 170  Vgl. exc. Sat. 2,127 f. 171  Vgl. exc. Sat. 2,128 mit Anspielungen auf Ov. Met. 8,233 – 235. 172   Exc. Sat. 2,130: „Wie unglaubwürdig, wie entstellt sind diese (erg. Gedanken). Wie zutreffender ist doch, dass man der Natur gemäß glaubt, gemäß der Erfahrung an den übrigen Früchten, gemäß den Beispielen der Geschichte und den Verheißungen der Propheten, dem himmlischen Versprechen Christi. Was aber wäre wichtiger, als dass man annehme, dass das Werk Gottes nicht vergeht und die Geschöpfe, die nach dem Bild und der Ähnlichkeit Gottes geschaffen wurden, nicht in Tiergestalt übergehen können, da ja nicht das Bild des Körpers die Ähnlichkeit Gottes darstellt, sondern die Vernunft.“ 173   Der Wechsel vom meist in der zweiten Person Singular angesprochenen Zuhörer zum Plural (vestro – vos) macht die Veränderung des Blickwinkels deutlich.

II. Die Rede über die Auferstehung

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Wahrheit Gottes: Ego tamen malim de vestro merito melius iudicetis, ut non inter coetus ferarum, sed inter angelorum consortia vos credatis futuros.174 Sicherlich mag in dem Schluss, die Seelenwanderungsvorstellung hinge mit der Anbetung von Tieren zusammen, einige Polemik liegen,175 doch ist m. E. die Wendung des Ambrosius an seine nichtchristlichen Zuhörer von dem ehrlichen Wunsch und Bemühen geprägt, diese Vorstellung hinter sich zu lassen und zum Glauben zu kommen. Dieser Glaube, so Ambrosius in exc. Sat. 2,134, habe auch im Falle des Irrtums in Bezug auf das Leben nach dem Tod eine positive Wirkung auf das Leben.176 Glaube ist demnach nicht nur der geistige Vollzug der Inhalte, sondern auch die Ausrichtung des Lebens. Schwach klingt hier zwar auch ein Vorwurf gegenüber denjenigen an, die dem Glauben nicht folgten,177 doch ist der Nutzen für Ambrosius sicherlich schwerwiegender. Diese Einsicht folgt dem das Wissen relativierenden decorum. 3.4 Die conclusio (exc. Sat. 2,132 – 135) Ausgehend von der Schriftlesung im Gottesdienst, in der Offb 15,3 – 4 zu hören war, schließt Ambrosius die Rede in exc. Sat. 2,132 f. mit einem Ausblick auf die himmlischen Freuden. Die Seele wird das Brautgemach betreten und in Gemeinschaft mit den Jungfrauen und den Märtyrern verweilen, wobei Ambrosius präzisiert, dass die174   Exc. Sat. 2,131: „Ich wünschte mir dennoch lieber, dass ihr von eurem Lohn besser denkt, sodass ihr nicht glaubt, dass ihr in der Zusammenrottung von Tieren sein werdet, sondern in der Gemeinschaft mit den Engeln.“ Mit meritum ist hier das Geschenk Gottes, das meritum dei munus (exc. Sat. 2,53), das allen Menschen zuteil wird, gemeint, vgl. Zelzer / Zelzer, Todestrost und Auferstehung bei Ambrosius von Mailand, 114, Anm. 157. 175  Vgl. exc. Sat.  2,131: Sed videro quid vos de vobis, gentes, opinionis habeatis; neque enim mirum debet videri, quod creditis vos in bestias posse mutari, qui bestias adoratis. – „Ich möchte aber sehen, welche Meinung ihr Heiden von euch selbst habt. Denn es darf nicht verwundern, dass es den Anschein hat, dass ihr glaubt, dass man sich in Tiere verwandeln kann, da ihr Tiere anbetet.“ Vgl. dazu auch Karl Hoheisel, Das frühe Christentum und die Seelenwanderung, JbAC 27 (1984), 24 – 46. Dass absurde Kultpraktiken von christlichen Autoren verallgemeinert wurden und polemisch überspitzt auf sämtliche heidnischen Kulte übertragen wurden, um die Wirksamkeit der Argumente zu erhöhen, ist ein Charakteristikum des späten vierten Jahrhunderts, vgl. Hartmut Leppin, Zum Wandel des spätantiken Heidentums, Millennium-Jahrbuch 1 (2004), 59 – 82, 64. 176  Vgl. exc. Sat. 2,134: Iuvat hoc credere, sperare delectat, certe non credidisse poena est, sperasse gratia. Quod si in hoc erro, quia angelis me post mortem sociari malo quam bestiis, libenter erro neque umquam hac me opinione, dum vivo, fraudari patiar. – „Es ist ein Genuss, zu glauben, es erfreut zu hoffen; sicherlich ist es eine Strafe, nicht geglaubt zu haben und es ist Gnade, gehofft zu haben. Wenn ich mich aber darin irre, dass ich nach dem Tod die Gemeinschaft mit den Engeln der mit den Tieren vorziehe, dann irre ich lieber und niemals möchte ich von dieser Meinung abgebracht werden, solange ich lebe.“ Hier liegt eine wörtliche Anspielung auf Cic. Cato 23,85 vor: quodsi in hoc erro, qui animos hominum inmortales esse credam, libenter erro nec mihi hunc errorem quo delector, dum vivo, extorqueri volo. – „Wenn ich mich auch hierin irren sollte, dass ich glaube, dass die menschlichen Seelen unsterblich sind, so irre ich gern und will nicht, dass mir dieser Irrtum, an dem ich mich erfreue, solange ich lebe, entrissen wird.“ 177  Vgl. Gleissner, Aufbau und Argumentationstechnik, 76 f.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

ses Schicksal vorerst nur den Heiligen vorbehalten ist:178 Habet animus ex hoc iam vitae anfractu et terreni corporis conluvione discedere et ad illa concilia superna contendere, etsi sanctorum sit pervenire, laudem dicere deo.179 Die Hoffnung, in diese Szenerie der gloria futura einzutreten und die Gemeinschaft mit dem Bruder, der am Schluss wieder in den Blick kommt, ist der Wunsch des Ambrosius. Satyrus wird hier nochmals als Interzessor angerufen, den Weg des Bruders zu sich vorzubereiten. Die Todesangst ist nach dieser Erkenntnis der Auferstehung unmöglich: Quis enim est, qui non sibi debeat istud optare prae ceteris, [. . .] ut, qui nunc morti corporis fragilitate subcumbimus, supra naturam siti mortem iam timere nequeamus.180

4. Zusammenfassung Die zweite Rede de excessu fratris Satyri liber secundus ist ein komplexer Text, der von Ambrosius mit Bedacht gewoben ist. Zwar lässt er wenige innovative Gedanken einfließen und folgt an vielen Stellen den Auferstehungstraktaten unterschiedlicher Vorgänger, doch gelingt es ihm, ein neues, seiner Situation und seinem Publikum angemessenes Werk vorzulegen. Martin Biermann181 nennt diesen Umgang mit traditionellen Quellen „unbekümmert“. Meiner Meinung nach entspricht genau dieses Vorgehen der Strategie des Ambrosius: Er legt keine Blütenlesen alter Autoren vor, sondern lanciert ganz bewusst bekannte Zitate und Beispiele, um einerseits die Zuhörer mit einer Art captatio benevolentiae gewogen zu stimmen und andererseits eine inhaltlich-argumentative Vorarbeit für den jeweils nächsten Gedankengang zu leisten. Viele Gedanken und Beispiele, etwa die Reihe der Patriarchen oder die Rezeption der Paulusbriefe, erscheinen sowohl im ersten als auch im zweiten Teil, sodass die Zuhörer stets auf bereits Gelerntes zurückgreifen können und nicht überfordert werden. In der Analyse ist deutlich geworden, dass der Redner zwar ein heterogenes Publikum vor sich hat, es ihm aber gelingt, allen Zuhörern eine jeweils stimmige Therapie zukommen zu lassen. Auf den klassischen ersten Teil folgt eine didaktisch geschickt strukturierte Abhandlung über die Auferstehung, die die Zuhörer in den 178   Entsprechend deutet Ambrosius den Schmuck des Brautgemaches hinsichtlich der Gruppen der Heiligen, vgl. exc. Sat. 2,132: Sic enim cuius alterius ornantur nuptiae: confessorum livore, martyrum sanguine, liliis virginum, coronis etiam sacerdotum? – „Welches Brautgemach anderer Menschen ist denn auf diese Weise geschmückt: mit dem Blau der Bekenner, mit dem Blut der Märtyrer, mit den Lilien der Jungfrauen und mit den Kronen der Priester?“ 179   Exc. Sat. 2,132: „Die Seele hat die Aufgabe, aus diesem Labyrinth des Lebens und der Vermischung mit dem irdischen Körper wegzugehen und zu jenen himmlischen Versammlungen zu eilen und, obwohl es nur den Heiligen erlaubt ist, so weit zu kommen, Gott das Lob zu singen.“ 180   Exc. Sat. 2,135: „Wer könnte nicht vor allen anderen Dingen dieses wünschen, [. . .] dass wir, die wir jetzt durch die Zerbrechlichkeit unseres Körpers dem Tod unterliegen, dann, wenn wir über unsere Natur hinausgehoben sind, den Tod nicht mehr fürchten können.“ 181   Biermann, Die Leichenreden des Ambrosius von Mailand, 34.

II. Die Rede über die Auferstehung

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Verstehensprozess hineinnimmt und mit Anwendungsbeispielen versorgt. Dabei ist über die gesamte Schrift hinweg eine kontinuierliche Steigerung der christlichen Anteile zu beobachten: Ausgehend von der These, dass der Tod nicht zu beweinen sei, über die Modifikation, dass der Tod im Gegenteil ein Gut sei, da er Voraussetzung für die Vervollkommnung durch den mystischen Tod sei, kommt er zum Vierschritt der Argumentation von Verstand (ratio), Auge (usus), Ohr (testimonium) und Herz (decorum). Dieser argumentative Durchgang mündet schließlich in eine Vision der paradiesischen Existenz. Beide Gruppen, christliche und heidnisch-philosophische Zuhörer, nimmt Ambrosius dabei mit auf den Weg: zum einen Christen, die er im Glauben stärken und möglicherweise auf Gespräche mit heidnischen Gegenübern vorbereiten will, und zum anderen christlich interessierte, aber noch skeptische pagane Zuhörer und Gäste, die er überzeugen will. Aus diesem Grund enthält sich Ambrosius stärkerer Polemik und eines vorwurfsvollen Tones. Sein Ziel ist es, zu einer schrittweisen Akzeptanz des Glaubens zu führen, der selbst für pagane Vorstellung als anschlussfähig präsentiert wird. Immer wieder betont Ambrosius darum die Allgemeinheit des Todes, aber auch der Auferstehung sowie die Möglichkeit der Bekehrung der Heiden. Er selbst wird zum Priester, der „in die Posaune stößt“,182 um die Gemeinde zu sammeln. Er selbst wird zum Priester, der die Heiden zum Glauben aufruft, indem er auch ihnen die Auferstehung preisend in Aussicht stellt: omnes tamen meritorum ordine suscitantur. Et ideo primi resurgunt, qui maturi devotionis occursu et quodam antelucano fidei exortu prodeuntes solis aeterni radios receperunt. [. . .] Secundi autem, qui ritum gentium relinquentes ab errore sacrilego transierunt in ecclesiae disciplinam.183

Wenn Ambrosius auf die heidnischen Allgemeinplätze zurückgreift, den Tod logisch durchdringt und die Todesfurcht sowie die übermäßige Trauer mit Argumenten der Philosophenschulen dekonstruiert, dann tut er das auch aus dem Grund, die Zuhörer auf allen Ebenen anzusprechen. Alle Waffen, die ihm zu Gebote stehen, muss er im Angesicht des Todes verwenden.184 Sollte die Gläubigen durch den plötzlichen 182  Vgl. exc. Sat. 2,110 f.: Talium enim tubarum sonitu mortui suscitantur, non crepitu utique aeris, sed verbo veritatis animati. [. . .] canere tuba nec omnium est universam colligere synagogam, sed solis sacerdotibus et ministris dei canentibus praerogativa ista defertur. – „Durch den Klang solcher Posaunen werden nämlich die Toten erweckt, nicht aber durch das Geräusch des Metalls, sondern durch das Wort der Wahrheit werden sie belebt. [. . .] Die Posaunen zu spielen, um die gesamte Synagoge zu versammeln, ist aber nicht allen erlaubt, sondern allein den Priestern und den Dienern Gottes ist dies als Vorzeichen erlaubt.“ 183   Exc. Sat. 2,116: „Alle werden dennoch nach der Ordnung der Verdienste erweckt. Und zwar als erste werden die auferstehen, die durch die frühere Begegnung mit dem Glauben und gewissermaßen schon vor Tagesanbruch die Strahlen der ewigen Sonne aufgenommen haben, indem sie dem Glauben begegneten. [. . .] Als zweites werden aber die auferstehen, die die Bräuche der Heiden hinter sich ließen und vom frevelhaften Irren hinüber gegangen sind zur Lehre der Kirche.“ 184   Eine ähnliche Strategie nutzt Hieronymus in dem Trostbrief an Heliodorus, ep. 60. Dort aber ist weniger eine Entwicklung als ein Ineinander von christlichen und paganen Elementen zu beobachten. Hieronymus zieht Motive der heidnischen Literatur heran, um die christliche Botschaft

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Tod eines Verwandten die Mutlosigkeit und der Zweifel an der christlichen Hoffnung ereilt haben, dann sind die paganen Trostargumente die Grundlage für das decorum, die angemessene Antwort auf diese Verheißungen. Ambrosius schildert damit wohl auch den Weg, den er selbst genommen hat, indem er in seiner Ausbildung zunächst die römische Konsolationsliteratur kennen gelernt hat und sicherlich erst später Auferstehungstraktaten und christlichen literarischen Texten begegnet ist. Ambrosius betont in seinen Werken stets den Vorrang der fides vor der ratio,185 weswegen eine Darstellung philosophischer bzw. logischer Argumente eigentlich fehl am Platz ist. Dennoch bietet Ambrosius in de excessu fratris Satyri liber secundus bzw. de resurrectione die Perspektive eines Glaubens, der mit dem Verstehen beginnt – zumindest im Fall der Überzeugung heidnischer Zuhörer. Das Verstehen, das noch nicht notwendig zum Ziel des Glaubens führt, eröffnet sich den zum Glauben Gekommenen in einer neuen Qualität.

vom „Sein mit Christus“ zu untermauern, und nennt neben christlichen exempla mit Hippias von Elis (ep. 60,12) auch heidnische, vgl. David Scourfield, Consoling Heliodorus. A Commentary on Jerome, Letter 60, Oxford 1993, 32 f. 185  Vgl. fid. 1,5,42: Omnem enim vim venenorum suorum in dialectica disputatione constituunt, quae philosophorum sententia definitur non adstruendi vim habere, sed studium destruendi. Sed non in dialectica conplacuit deo salvum facere populum suum; regnum enim dei in simplicitate fidei est, non in contentione sermonis. – „Alle Mühe ihrer Gifte wenden sie für die dialektische Erörterung an, die nach Meinung der Philosophen dahingehend definiert wird, dass sie keine Kraft hat, aufzubauen, sondern nur danach eifert, zu zerstören. Aber es gefiel Gott nicht, durch Dialektik sein Volk zu retten. Das Königreich Gottes besteht nämlich aus der Einfachheit des Glaubens, nicht aus der Streitrede.“ Vgl. auch Abr. 1,3,21. Vgl. dazu auch Lenox-Conyngham, Ambrose and Philosophy, 119 – 123.

III. Die exemplarische Darstellung des Todes Gratians: De obitu Gratiani (exp. Ps. 61,16 – 27) 1. Einleitung In die Reihe der Leichenreden des Ambrosius ist ein Text einzuordnen, der sich zwar mit dem Tod eines Kaisers beschäftigt, der aber anders als seine „Geschwistertexte“ nicht als offizielle Rede zum Anlass einer Trauerfeier in Anwesenheit des aufgebahrten Leichnams gehalten wurde: das exemplum der Ermordung Gratians durch Andragathius im Rahmen der Auslegung von Ps 61, exp. Ps. 61,16 – 27.1 Der betreffende Text fußt, wie die meisten edierten Texte des Ambrosius, auf einer Predigt, die er im Rahmen einer nicht weiter fassbaren liturgischen Feier gehalten und später als moralisches exemplum in die Auslegung von Ps 61 integriert hat. Schon im Mittelalter wurde die thematische Nähe des Textes zu den Leichenreden für Valentinian II. und Theodosius wahrgenommen: So bietet der aus dem 14. Jahrhundert stammende Codex Parisinus BN lat. 1920 neben den Reden de obitu Valentiniani und de obitu Theodosii auch die Auslegung von Ps 61 unter dem Titel de obitu Gratiani.2 Die sekundäre Verortung aber verschleiert die Unsicherheiten, denen man bei der Psalmenkommentar-Sammlung in Bezug auf Gattung und Datierung ausgesetzt ist. Paulinus berichtet, Ambrosius habe ihm als Sekretär noch auf dem Sterbebett die Auslegung von Ps 43 diktiert.3 Somit ist sicher, dass die zwölf 1   Im Folgenden wird stets auf Ps 61 in der Septuaginta-Zählung verwiesen, der sich in der hebräischen Bibel unter Ps 62 findet. In der Forschungsliteratur wird jener Abschnitt nur selten behandelt. Genauere Untersuchungen zu der Stelle bringen v. a. die beiden Untersuchungen von Raschle, Ambrosius’ Predigt gegen Magnus Maximus, 49 – 67 und ders., Ambrosius in psalm. 61,16 – 27. Eine Predigt gegen den Usurpator Magnus Maximus, Göttinger Forum für Altertumswissenschaft  5 (2002), 225 – 243. In der zweiten Untersuchung bietet Raschle eine deutsche Übersetzung des entsprechenden Textes. Daneben befassen sich zwei Überblickswerke über die Psalmenauslegungen des Ambrosius mit dem Text, ohne ihn jedoch kritisch in die Diskussion um Gratians Tod einzuordnen: Hansjörg auf der Maur, Das Psalmenverständnis des Ambrosius von Mailand. Ein Beitrag zum Deutungshintergrund der Psalmenverwendung im Gottesdienst der Alten Kirche, Leiden 1977, und Luigi Franco Pizzolato, Ambrosius, La „Explanatio psalmorum duodecim“. Studio letterario sulla esegesi di Sant’Ambrogio, ArAmb 17, Mailand 1965. 2  Vgl. Zelzer, Mittelalterliche „Editionstätigkeit“, 284 f. mit Anm. 25 f. Nach den Totenreden erscheinen auf dem Codex die Briefsammlung des Ambrosius extra collectionem. 3   Vgl. Paul. vit. Ambr. 42: Ante paucos vero dies quam lectulo detineretur, cum quadragesimum tertium psalmum dictaret, me excipiente et vidente, subito in modum scuti brevis ignis caput eius cooperuit atque paulatim per os ipsius, tamquam in domum habitator, ingressus est. [. . .] Nam scribendi vel dictandi ipso die finem fecit, siquidem ipsum psalmum explere non potuit. – „Als er, einige Tage

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Psalmenauslegungen nachträglich geordnet und postum ediert worden sind. Die Sammlung der Auslegungen von Ps 1, 35 – 40, 43, 45, 48 und dem hier behandelten Ps 61 wird in den Codices, so zeigt Michaela Zelzer, meist mit dem Titel überschrieben: Incipit explanatio | tractatus sancti ambrosii super undecim psalmos, der die zwölfte Auslegung exp. Ps. 61 übergeht. Dies lässt auf eine gewisse Alleinstellung der letzten, hier behandelten, Psalmenauslegung schließen.4

2. Zielsetzung Die Frage nach der Datierung des Textes hängt eng mit der Frage zusammen, wann und warum Ambrosius eine solch politische Predigt, auf die die Psalmenerklärung zurückgeht, vor seiner Mailänder Gemeinde halten konnte und welche Intention er dabei verfolgte.5 Die These von Christian Raschle ist m. E. plausibel, demzufolge der entsprechende Abschnitt der Psalmenauslegung die überarbeitete Fassung einer Predigt aus dem Jahr 383 darstellt. Ambrosius stellt dem Publikum die Ereignisse um den Tod des Kaisers detailliert dar und klagt die Beteiligten an der Ermordung Gratians, nämlich Andragathius, Maximus und wahrscheinlich Merobaudes, an. Diesen Tätern wird die Rache Gottes als Strafe in Aussicht gestellt, die Folge der von Gott zu vergeltenden Gerechtigkeit ist. Anhand von Ps 61 glorifiziert Ambrosius darum Gratian als gerechten Märtyrer, dessen ewige Seligkeit er dem Publikum als Trost vor Augen stellt. Neben anderen ermutigenden Worten kritisiert Ambrosius vor der Folie des leidenden Gerechten in der Analogie zu Christus mit drastischen Worten den Verrat des Usurpators Maximus. Damit tröstet er auf der einen Seite die anwesenden Zuhörer, auf der anderen Seite nutzt er seine Position in politischer Hinsicht, indem er die Mailänder Gesellschaft gegen die Usurpation vereint. Vielfach ist belegt, dass Ambrosius in seinen Predigten auch die politischen Eliten des Kaiserhofes anspricht. Neil McLynn weist in diesem Zusammenhang auf den regelmäßigen Gottesdienstbesuch der kaiserlichen Familie hin;6 es ist möglich, dass Ambrosius mit der Predigt bevor er ans Bett gefesselt war, den 43. Psalm diktierte, wobei ich ihm zuhörte und ihn anblickte, da bedeckte auf einmal ein Feuer wie ein kleiner Schild seinen Kopf und verschwand langsam in seinem Mund, als wäre es Bewohner dieses Hauses. [. . .] Er hörte an jenem Tag auf zu schreiben und zu diktieren, auch wenn er den Psalm nicht mehr vollenden konnte.“ 4   A. a. O., 249. Michaela Zelzer weist zudem auf das Fehlen der letzten Auslegung in manchen Handschriften hin. 5  Vgl. Raschle, Ambrosius’ Predigt gegen Magnus Maximus, 61. Aufgrund fehlender Bezüge zum Publikum vermutet Pizzolato, Ambrosius, La „Explanatio psalmorum duodecim“, 5 f., dass der Text nicht vor einer Gemeinde gehalten wurde. Die nachträgliche Überarbeitung könnte aber solche Wendungen gelöscht haben. Zudem verweist die detailreiche Darstellung des Dramas in ihrer Bildhaftigkeit und Sprachgewalt durchaus auf eine geplante Wirkung vor dem Publikum. 6  Vgl. McLynn, Ambrose of Milan, 170 – 209 und Raschle, Ambrosius’ Predigt gegen Magnus Maximus, 63 f.

III. Die exemplarische Darstellung des Todes Gratians

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eigens auf den Tod reagiert und darum eine konsolatorische Predigt mit politischer Ausrichtung hält. Bei der Behandlung der Predigt de obitu Gratiani sind neben der Diskussion um den historischen Wert der alleinstehenden Darstellung vor allem der Umgang mit dem Tod des Kaisers außerhalb öffentlicher Leichenreden und das Konzept der Rache als Trost von Interesse. Im weiteren Verlauf der Arbeit kommt ferner dem Vergleich von de obitu Gratiani mit der Verarbeitung des Todes Valentinians II. besondere Bedeutung zu.

3. Zeitgeschichtlicher und situativer Hintergrund Gratian (359 – 383) wurde von seinem Vater Valentinian I. unter dem Druck der „insurance-policy“, die dem regierenden Kaiser mit Blick auf die Konflikte um die Nachfolge bei den unerwarteten Todesfällen Julians und Jovians nahegelegt worden war,7 im Jahr 367 mit nur acht Jahren zum Mit-Augustus erhoben. Er war zunächst ein hoffnungsvoller Kandidat für die Lenkung des Imperiums, doch konnte er der Verantwortung als Nachfolger seines Vaters nach dessen Tod 375 nicht gerecht werden. Die Schlacht von Adrianopel am 9. August 378, in der Valens, der Augustus des Ostens, den Tod fand, forderte von ihm die Entscheidung für einen Mit-Kaiser im Osten. Die Entscheidung fiel nicht auf seinen Bruder Valentinian II., der zu dieser Zeit erst sieben Jahre alt war, sondern auf den erfahrenen und vielversprechenden Theodosius, den Gratian am 19. Januar 379 zum Kaiser im Osten erhob.8 Während Theodosius weitgehend erfolgreich agierte, zog Gratian durch verschiedene Handlungen und Einstellungen, so schildern es die antiken Geschichtsschreiber, den Unmut unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen auf sich. Mit den Angehörigen des kaiserlichen Hofes kam es zu Auseinandersetzungen, weil Gratian sich weitestgehend der Regierungsgeschäfte enthielt und vorrangig für sportliche Aktivitäten interessierte.9 Außerdem verlor der Kaiser den Rückhalt bei den Soldaten, da er eine 7

  Vgl. Meaghan Anne McEvoy, Child Emperor Rule in the Late Roman West. AD 367 – 455, Oxford 2013, 49 f. 8  Vgl. Leppin, Theodosius der Große, 42 – 44 und Demandt, Geschichte der Spätantike, 99. 9   Vgl. Aur. Vict. epit. 47,4 f.: nihil aliud die noctuque agere quam spiculis meditari summaeque voluptatis divinaeque artis credere ferire destinata. [. . .] cunctisque esset plenus bonis, si ad cognoscendam reipublicae regendae scientiam animum intendisset, a qua prope alienus non modo voluntate, sed etiam exercitio fuit. – „Tag und Nacht tat er nichts anderes als mit dem Wurfspieß zu üben und er glaubte, es sei eine Sache höchster Freude und göttlicher Kunst, markierte Stellen (erg. mit dem Spieß) zu treffen. [. . .] Und er wäre mit allen guten Dingen ausgestattet gewesen, wenn er seine Konzentration auf die Erlernung der Wissenschaft der Staatsführung gerichtet hätte, die ihm nicht nur im Wollen, sondern auch in der Praxis fast vollständig fremd blieb.“ Vgl. dazu auch Sandra Seibel, Typologische Untersuchungen zu den Usurpationen der Spätantike, Duisburg / Essen 2006, 53 (online veröffentl. Dissertationsschrift; URN: urn:nbn:de:hbz:464-20060831-123011‑3; letzter Zugriff: 20. November 2020).

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

alanische Truppe gegenüber römischen Soldaten bevorzugte.10 Hartmut Leppin erkennt in dieser Sonderbehandlung der Alanen, die so weit ging, dass Gratian in alanischer Tracht auftrat, ein noch tieferliegendes Problem: Der junge Kaiser versuchte sich an der nötigen Integration fremdstämmiger Teile der Armee – wie es zahlreiche Vorgänger taten – und scheiterte kläglich an der Vermittlung dieser Geste. Gratian war mit seinen jungen Jahren schlicht zu unerfahren und in Regierungs­ angelegenheiten ungeschickt.11 Der Prestigeverlust und die negative Stimmung im Heer kulminierten zwischen Ende 382 und Frühjahr 383 in der Usurpation des in Britannien stationierten Magnus Maximus, der von seinen Soldaten zum Kaiser ausgerufen wurde, daraufhin nach Gallien übersetzte und nach Süden marschierte.12 Magnus Maximus war als dux Britanniarum in der politischen Riege kein unbeschriebenes Blatt, diente unter dem General Flavius Theodosius, dem Vater Theodosius’ des Großen, und war wohl auch Kamerad des späteren Kaisers. Die Bekanntschaft mit dem Heer sollte ihm den großen Vorteil in der Auseinandersetzung mit Gratian bringen. Als dieser sich bei Paris den auf den Kontinent zurückgekehrten Truppen des Maximus stellte, gelang es dem Usurpator, die Soldaten des Gratian davon zu überzeugen, dass Theodosius selbst die Usurpation unterstütze. Zuallererst, so heißt es, seien maurische Reiterabteilungen, die Maximus aus seiner Zeit bei Theodosius kannte, übergelaufen.13 Es folgten große Teile der weiteren Truppen unter dem fränkischen General Merobaudes, der auch für die Interpretation der Predigt des Ambrosius eine Rolle spielt.14 Angesichts der Verluste blieb dem jungen Kaiser nur die Flucht mit einem Rest von nur 300 Reitern in Richtung Alpen, wohl mit dem sicheren Mailand als Ziel vor 10   Vgl. Aur. Vict. epit. 47,6: Nam dum exercitum negligeret et paucos ex Alanis, quos ingenti auro ad se transtulerat, anteferret veteri ac Romano militi, [. . .] odia contra se militum excitavit. – „Denn als er das Heer vernachlässigte und einige Alanen, die er durch ungeheure Goldzahlungen auf seine Seite gebracht hatte, den altgedienten und römischen Soldaten vorzog, [. . .] erregte er den Hass der Soldaten gegen seine Person.“ Den gleichen Kritikpunkt bringt auch Zosimus, h. n. 4,35,2 f. 11  Vgl. Leppin, Theodosius der Große, 88. Vgl. auch Paredi, Saint Ambrose, 205. 12   Zu Magnus Maximus vgl. Groẞ-Albenhausen, Art. Magnus Maximus Usurpator, 383 –  388 n. Chr.; Barbara Saylor Rodgers, Merobaudes and Maximus in Gaul, Hist. 30 (1981), 82 – 105; Leppin, Theodosius der Große, 88 – 97. 13  Vgl. Zos. h. n. 4,35,5: Ὡς δὲ συνῆλθον αἱ δυνάμεις ἀλλήλαις, ἀκροβολισμοὶ μὲν ἐπὶ πέντε μόνας ἡμέρας ἐγίνοντο, θεασάμενος δὲ ὁ Γρατιανὸς πρότερον μὲν τὴν Μαυρουσίαν ἅπασαν ἵππον ἀποχωρήσασαν καὶ Μάξιμον ἀναβοήσαντας Αὔγουστον, εἶτα καὶ τοὺς ἄλλους κατὰ βραχὺ τῇ μερίδι Μαξίμου θεμένους, ἀπογνοὺς ταῖς ἐλπίσι, τριακοσίους ἱππέας ἀναλαβὼν σὺν αὐτοῖς ἔφυγε προτροπάδην ἐπὶ τὰς Ἄλπεις. – „Als dann die Heere einander trafen, kam es für fünf Tage zu kleinen Konfrontationen; als aber Gratian sah, dass sich alle Maurischen Reitertruppen entfernten und Maximus zum Augustus ausriefen, und dann auch die anderen Truppen in kleineren Teilen zu seiner Streitmacht überliefen, da ließ er alle Hoffnung fahren, nahm 300 berittene Soldaten und floh mit ihnen ohne Blick zurück in die Alpen.“ 14   Zu Merobaudes, dem Heermeister und Konsul der Jahre 377 und 383, vgl. Raschle, Ambrosius’ Predigt gegen Magnus Maximus, 50, Anm. 10, und Saylor Rodgers, Merobaudes and Maximus in Gaul, besonders 102 f. sowie Helmut Reimitz, Art. Merobaudes, Hoops Reallexikon der germanischen Altertumskunde 20 (2001), 572 – 573.

III. Die exemplarische Darstellung des Todes Gratians

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Augen. Zosimus berichtet in der Historia Nova, wie der Reiteroberst Andragathius15 den fliehenden Gratian einholte und ihn ermordete: Εὑρὼν δὲ ταύτας ἀφυλάκτους ἐπὶ Ῥαιτίας ἐχώρει καὶ Νωρικὸν Παιονίας τε καὶ τὴν ἄνω Μυσίαν· οὐκ ἀμελήσας δὲ τῆς αὐτοῦ φυγῆς Μάξιμος τὸν ἵππαρχον Ἀνδραγάθιον, ὁρμώμενον μὲν ἀπὸ τοῦ Εὐξείνου πόντου, δοκοῦντα δὲ εὔνουν εἶναι, μετὰ καρτερωτάτων ἵππων ἐκπέμπει διώξοντα· ὃ δὲ συντόνῳ ὁρμῇ διώκων, καταλαβών τε διαβαίνειν ἐθέλοντα τὴν ἐν τῇ Σιγιδούνῳ γέφυραν, κατασφάζει, οὕτω τε βεβαιοτέραν Μαξίμῳ τὴν βασιλείαν πεποίηκεν.16

Die Kirchenschriftsteller Sozomenus und Sokrates berichten detaillierter von einer List des Reiteroberst Andragathius, der Gratian mit der Information, seine Frau Laeta warte auf ihn in einer Kutsche, auf eine Brücke lockte, um dann selbst aus der Kutsche zu treten und ihn niederzustechen.17 Die Ermordung des 25‑jährigen Gratian durch Andragathius am 25. August 383 war wohl von Maximus nicht in Auftrag gegeben worden, sondern scheint eine Entscheidung des Andragathius selbst gewesen zu sein. So ist die Nachricht in Ambro­ sius’ ep. 30 (24) zu interpretieren, wenn er von seiner Unterredung mit Maximus schreibt: Et  quomodo allegabas quod eum non mandaveris occidi, quem prohibes sepeliri?18 Ambrosius berichtet dort Valentinian II., dass Maximus sich weigerte, den Leichnam des Gratian herauszugeben. Aus dem Nachsatz lässt sich schließen, dass Maximus keinen offiziellen Befehl zur Tötung gegeben habe. Gratian stellte für den Usurpator offensichtlich keine große Gefahr dar, sodass dieser eine Reise zu Theodosius in den Osten nicht verhindert hätte. Eine weitere Flucht Richtung Süden über die Alpen, die eine Vereinigung Gratians mit seinem Bruder Valentinian II. zum Ziel gehabt hätte, musste Maximus jedoch unterbinden, weswegen die Ermordung Gra­ tians auch nicht völlig ungelegen kam. Für Theodosius, den dienstjüngeren Kaiser im Osten, war die Ermordung kein Grund zur sofortigen Intervention, sondern er ließ Maximus als Herrscher im Westen freie Hand.19 Das Verhältnis zwischen Gratian und Theodosius war allerdings 15   Zum Heermeister Andragathius vgl. PLRE I,62, s. v. Andragathius, und Werner Portmann, Art. Andragathius, DNP 1 (1996), 686. 16  Zos. h. n. 4,35,6: „Als er (sc. Gratian) diese Berge unbewacht fand, wandte er sich nach Rätien, Noricum, Pannonien und Richtung des oberen Mösien. Maximus, der dessen Flucht nicht aus den Augen ließ, schickte seinen Reitergeneral Andragathius, einen Mann vom Schwarzen Meer und scheinbar einen Vertrauten, mit schnellen Pferden, um ihn zu verfolgen. Dieser nahm die Verfolgung mit Eifer auf und erreichte Gratian, als er im Begriff war, in Sigidunum eine Brücke zu überschreiten. Und er tötete ihn. Auf diese Weise stärkte er für Maximus das Kaisertum.“ 17   Vgl. Socr. h. e. 5,11 und Soz. h. e. 7,13,8 f. Vgl. außerdem die Darstellungen bei Rufin, h. e. 11,14, und Hieronymus, ep. 60,15. 18   Ep. 30,10 (24): „Und wie wirst du bestimmen können, dass du den, dessen Ermordung du nicht befohlen hast, nicht bestatten lässt?“ Zur zweiten Gesandtschaft des Ambrosius vgl. Norbert Dörner, Ambrosius in Trier, Hist. 50 (2000), 214 – 244. 19  Vgl. Leppin, Theodosius der Große, 90. So kam es zu Streitigkeit um Theodosius’ eigenmächtige Erhebung des Arcadius zum Augustus Anfang 383, vgl. dazu die kritische Einschätzung von Otto Seeck, Geschichte des Untergangs der antiken Welt. Bd. 5, Stuttgart 21921, 166 und 169: „Jedenfalls musste Theodosius daran liegen, den unreifen Jüngling los zu werden, der seine Kirchenpolitik

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

auch schon vor der Usurpation von Konflikten und gegenseitigen Beleidigungen überschattet, sodass der fehlende Rückhalt des Theodosius nicht überrascht. Nichtsdestotrotz ist es unwahrscheinlich, dass er an dem Plan der Verfolgung beteiligt war und die Ermordung mitveranlasst hat. Eine von den späteren Geschichtsschreibern abweichende, detailliertere Version des Tathergangs liefert Ambrosius innerhalb von de obitu Gratiani in exp. Ps. 61,23 –  25. Nicht auf der Brücke20 sei demnach Gratian von Andragathius ermordet worden, sondern bei einem Gastmahl, zu dem der Heermeister den Kaiser mit falschen Versprechen überredete.21 Als einziger Autor bietet Ambrosius diese Episode, weswegen ihr ein historischer Wert meist abgesprochen wurde. Hinzu kommt die in der Forschung häufig spät angesetzte Datierung der Predigt. So meint Paredi, die Predigt könne nicht vor 387 entstanden sein – rund vier Jahre nach der Tat.22 Grund für diese späte Datierung ist die Deutung der verheißenen Rache: vindicta paululum comperendinata est.23 Paredi interpretiert das Perfekt comperendinata est dahingehend, dass die entsprechende Rache den Usurpator bereits eingeholt habe, und er seine Niederlage gegen Theodosius erlitten habe bzw. gestorben sei – eine Spur, die ins Jahr 388 führen würde.24 Unterstützend wird angeführt, der Bischof hätte zu Lebzeiten des Usurpators eine solch kompromittierende Rede, in der der akzeptierte Usurpator als proditor adressiert wird, nicht halten können.25 Christian Raschle bringt anhand des Spiels zwischen Verklausulierung und drastischer Darstellung gegen diese späten Datierungen gewichtige Einwände vor.26 Die chiffrierte Sprache des Ambrosius, so Raschle, lässt sich nur durch eine noch bestehende Bedrohung erklären; nach 388 hätte Ambrosius hingegen kein Blatt mehr vor den Mund nehmen müssen. Die in exp. Ps. 61,26 verheißene Rache (vindicta bekämpfte und ihm dabei mit der Autorität des älteren Augustus entgegentreten konnte.“ Auch Theodosius kam der Tod nicht ungelegen, was aber nicht bedeuten muss, dass er in die Ermordung involviert war. 20   Die Szenerie der Brücke gehört wohl zur Propaganda des Zosimus, vgl. Alan Cameron, The Imperial Pontifex, HSCP 103 (2007), 341 – 384. 21  Vgl. exp. Ps. 61,23 – 24. 22  Vgl. Paredi, Saint Ambrose, 209 mit Anm. 18. 23   Exp. Ps. 61,26: „die Rache ist nur ein wenig verschoben.“ Zum Terminus aus der Gerichtssprache vgl. Georges, 1039, s. v. comperendino, I.: „die Parteien in einer bereits klaren Sache auf den drittnächsten (Gerichts‑)Tag [. . .] vorbescheiden, vorladen“. Vgl. auch den ähnlichen Gebrauch in exp. Ps. 43,8: quomodo aut illum dilatum incolatum caelestem aut hunc terrenum comperendinatum doleret, [. . .] cum dierum brevitas celerandi cursus istius compendium videretur afferre? – „Wie schmerzt diesen (sc. David) die Verschiebung der himmlischen Wohnstatt oder die verschobene Existenz hier auf Erden, [. . .] da die Kürze der Tage scheinbar eine Verkürzung dieses Weges mit sich bringt?“ 24   So etwa McLynn, Ambrose of Milan, 155 und Pizzolato, Ambrosius, La „Explanatio psalmorum duodecim“, 24. 25  Vgl. Dudden, The Life and Times of St. Ambrose, 690 f. und Maur, Das Psalmenverständnis des Ambrosius von Mailand, 7 datieren die Auslegung von Ps 61 ins Frühjahr 387 und somit zwischen die zweite Gesandtschaft des Ambrosius und den Tod des Maximus. 26   Raschle, Ambrosius’ Predigt gegen Magnus Maximus, 65 f.

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paululum comperendinata) deutet Raschle als „Ambrosius’ religiöse Gewißheit [. . .], daß der Usurpator der gerechten Strafe nicht entgehen wird.“ Eine kurze Aufschiebung der Rache also setze der Bischof voraus, keine vollzogene Strafe. Es bestehe also kein Grund, die Hinrichtung des Maximus durch Theodosius oder den Suizid des Andragathius für die Predigt vorauszusetzen. Diese These wird dadurch unterstützt, dass über Maximus nach seinem Tod die damnatio memoriae verhängt wurde, nach der der Name des Toten, vor allem in panegyrischen Texten, stets unausgesprochen bleibt.27 Neben vielen Anspielungen auf den Usurpator als proditor nennt Ambrosius aber in exp. Ps. 61,26 seinen Namen, was auf eine Datierung vor den Tod und die damnatio hinweist. Schon Otto Seeck hat die These aufgestellt, dass das exemplum selbst vor dem Jahr 387 anzusetzen sei und zwar als Predigt im Winter 383 / 384, die unmittelbar auf die Ermordung Gratians bzw. die erste Gesandtschaft des Ambrosius nach Trier reagiert.28 Diese These stärkt Raschle durch zwei Argumente: Einerseits lege die detaillierte Darstellung des Geschehens eine zeitliche Nähe zu der Ermordung nahe, andererseits spreche die verschlüsselte Ausdrucksweise dafür, dass nur ein über das aktuelle Geschehen informiertes Publikum die Rede verstehen konnte.29 Ambrosius kam wohl auf der Rückreise von seiner ersten Mission nach Trier im Winter 383 / 84 an den Hof des Maximus nach Lyon, wo Gratian wenige Monate zuvor ermordet worden ist, und erhielt dort möglicherweise genauere Information über die Tat.30 Es ist darum nicht unwahrscheinlich, dass Ambrosius den Tod des Kaisers schon wenige Zeit später, vielleicht sogar noch im Jahr 383, seiner Gemeinde in einer gottesdienstlichen Predigt geschildert hat, die er schließlich in seine Auslegung des Ps 61 integriert herausgegeben hat. Der de obitu Gratiani genannte Abschnitt exp. Ps. 61,16 – 27 führt somit nicht nur in die nächste Nähe des Geschehens aus der Perspektive des wohlinformierten Ambro­sius, er zeigt uns zugleich die politischen Verstrickungen der Beteiligten und die Bewertung der Tat.

27  Vgl. Demandt, Geschichte der Spätantike, 200: „In den Panegyriken erscheint ein Usurpator stes ohne Namensnennung als latro, proditor, carnifex purpuratus oder ähnlich.“ Vgl. aber Ambr. exp. Ps. 61,26: sed longe Maximus saevior denegabat quod Pilatus ipse auferre non potuit. – „Aber lange verweigerte der allzu grausame Maximus das, was selbst Pilatus nicht wegnehmen konnte.“ 28   Vgl. Otto Seeck, Geschichte des Untergangs der antiken Welt. Bd. 5: Anhang, Stuttgart 21921, 500. 29  Vgl. Raschle, Ambrosius’ Predigt gegen Magnus Maximus, 65 f. 30   Vgl. a. a. O., 52.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

4. Die Darstellung der Ermordung Gratians in de obitu Gratiani Der Bericht über die Ermordung des Kaisers ist Teil einer längeren Auslegung von Ps 61. Auf die pars mystica (exp. Ps. 61,1 – 15), in der Ambrosius auf allgemeiner Ebene die Unterwerfung der Seele unter Gott behandelt, folgt die pars moralia (exp. Ps. 61,16 – 27), die innerhalb der Auslegung der Verse Ps 61,1 – 7 den konkreten Fall der Ermordung Gratians als exemplum schildert. Der betreffende Text lässt sich in drei Abschnitte gliedern, die im Folgenden hinsichtlich ihrer Argumentationsstruktur untersucht werden. 4.1 Die Einführung des exemplum des Gratian (exp. Ps. 61,16 – 19) Die ersten vier Kapitel der pars moralia leiten in das exemplum ein und bereiten die Verarbeitung der Ermordung argumentativ vor. veniamus ad moralia. Etenim quoniam non semel appetitur Christus [. . .], appetitur et in singulis sanctis suis et innocentibus qui domino se dicarunt, recordemur aliquem proxime ab omnibus appetitum, a suis destitutum ac proditum.31

So baut Ambrosius assoziativ einen Übergang von Jesus Chritus zu Gratian auf, indem er durch das Stichwort appetitur von den körperlichen Leiden und dem Sterben Christi in suo corpore zu den vielfachen Angriffen auf den Körper Christi und seine Glieder kommt: in eo corpore quod est ecclesia (vgl. Röm 12,5). Ambrosius baut damit zu Beginn der pars moralia eine vom Märtyrerdenken geprägte Stimmung auf, wenn er sodann die Opfer dieser Angriffe als die „Heiligen und die Unschuldigen, die sich dem Herrn gewidmet haben“ bezeichnet. Als besonderes Opfer von Treuebruch und Verrat führt er Gratian ein, der allerdings noch nicht namentlich genannt wird. Ein erster Blick wird zudem bereits auf die Mörder geworfen, die den Kaiser bedrängten und schließlich umbrachten – auch diese Akteure bleiben vorerst gesichtslos.32 Als Hoffnung für Gratian und als Trost für die Gemeinde wendet Ambrosius die Aussage des Psalmzitates aus Ps 61,1: nonne deo subdita erit anima mea? auf den Verstorbenen an. Mit dieser sich selbst vergewissernden Frage legt der Bischof die Grundlage für seine Argumentation einer postmortalen Existenz Gra­

31

  Exp. Ps. 61,16 f.: „Denn Jesus Christus wird nicht nur einmal angegriffen [. . .]. Er wird in jedem einzelnen Heiligen und in den Unschuldigen angegriffen, die sich dem Herrn geweiht haben. Lasst uns an einen erinnern, der kürzlich von allen angegriffen worden ist und von den Seinen verlassen und verraten worden ist.“ 32  Vgl. exp.  Ps.  61,17: ab  ipsis, quorum hereditarium fuerat sortitus obsequium, coepit urgeri ingruentibus in exitium, inferentibus mortem, nullo auxiliatore, nullo iam socio sui, nullo comite. – „Er begann, von genau den Leuten, deren Gehorsam er durch das Schicksal als Erbe hatte, bedrängt zu werden. Die stürmten zu seinem Tod heran, die brachten ihm den Tod, wobei er keinen Helfer, keinen Freund, keinen Begleiter hatte.“

III. Die exemplarische Darstellung des Todes Gratians

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tians bei Gott: anima ergo quae deo subdita est non est humanae subdita potestati; ab ipso enim vitae fructum sperat aeternae et perpetuae salutis auxilium.33 Mit dieser Gewissheit vor Augen kann der Mensch jegliches Leid im Leben bewältigen. Die Hingabe der Seele an Gott, die Ablehnung der Welt und das tugendhafte Leben, die Gratian noch häufiger zugesprochen werden, bringen den rechten Lohn des ewigen Lebens und des endlosen Heils. Verbunden mit dieser Zukunftshoffnung nennt Ambrosius den Schutz Gottes, die Auferstehung aus dem Tod und – was für die Situation und den Hintergrund der Usurpation wichtig wird – die Rache für die Ermordung: necatum tuebitur et mortuum resuscitabit et ulciscetur occisum.34 Im weiteren Verlauf bleibt Ambrosius im Tenor des Psalmes, indem er mit Ps 61,3 die Glaubensstärke und die Gottesnähe des Betenden lobt.35 Die Person des Gratian bleibt dabei zunächst hinter diesen allgemeinen Erwägungen zurück, doch beginnt Ambrosius im Verlauf des exemplum das Opfer des ermordeten Kaisers mit meh­ reren Anspielungen hervorzuheben: mit dem Bild des Vorübergehens der Juden am Kreuz (Mt 27,39) und – im Gegensatz dazu – der Standhaftigkeit des Stephanus (Apg 7,55).36 Beide Motive legen eine Deutung des Todes Gratians als Martyrium bzw. imitatio Christi nahe. 4.2 Die Ermordung Gratians in Analogie zur Passion Christi (exp. Ps. 61,20 – 23) In exp. Ps. 61,20 tritt Gratian erstmals aktiv auf und wird in seiner ausweglosen Situation beschrieben – zu denken ist hier an die Situation, in der Andragathius den Kaiser auf der Flucht bei Lyon einholt. Ähnlich wie die Jungfrau Pelagia, von deren Schicksal Ambrosius in ep. 7,38 (37) und de virg. 3,7,33 f. berichtet, im Angesicht ihrer Verfolger den Freitod wählte, sieht Gratian sich von den agmina persequentium umzingelt.37 Mit den Worten von Ps 61,4 stellt er sich seinen Feinden entgegen und betont sein Vertrauen auf Gott sowie seine Besorgnis um andere. 33   Exp.  Ps.  61,17: „Die Gott unterworfene Seele (vgl. Ps 61,2) ist nicht menschlicher Macht untertan. Von Gott selbst erhofft sie sich die Frucht des ewigen Lebens und die Unterstützung zum endlosen Heil.“ 34   Exp. Ps. 61,17: „er (sc. Gott) wird den Gemeuchelten beschützen, den Toten wiedererwecken und den Ermordeten rächen.“ 35  Vgl. exp. Ps. 61,18: non movebor amplius. – „Ich werde mich nicht weiter von ihm entfernen.“; 36  Vgl. exp. Ps. 61,18: ipse dominus in psalmo ait: omnes qui videbant me aspernabantur me et locuti sunt labiis et moverunt caput. [. . .] Stephanus autem martyrio coronatus est, quia stantem videbat dominum Iesum immobilem, non praetereuntem. – „Der Herr sprach selbst im Psalm: ‚Alle, die mich sahen, verachteten mich und sprachen mit ihren Lippen und bewegten die Köpfe‘ (vgl. Mt 27,39). [. . .] Stephanus aber wurde durch das Martyrium gekrönt, weil er sah, dass Jesus, der Herr, unveränderlich war und nicht vorüberging.“ 37   Zu der Jungfrau Pelagia vgl. ep. 7,38 (37): Pelagia Christum sequitur, libertatem nemo auferet, nemo captivam videbit liberam fidem insignemque pudicitiam et prosapiam prudentiae. Quod servum est, hic manebit, nullos in usus debitum. Magna igitur piae virginitatis libertas, quae saepta agminibus persecutorum inter maxima pericula integritatis et vitae nequaquam inclinata est. – „Pelagia folgt Christus, keiner wird ihr ihre Freiheit nehmen, keiner wird ihren freien Glauben gefangen sehen,

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

non de se sollicitus, sed de his, quos liberare cupiebat, ait: quo usque irruitis in hominem, interficientes universos? Si me quaeritis, cur alios vultis occidere? offero me ipse pro multis, quia pro omnibus solus se ille potuit offerre qui auctor est omnium.38

Ambrosius stellt Gratian als imitator Christi dar und legt ihm für den Moment der Gefangennahme die Worte Jesu aus Joh 18,8 f. in den Mund.39 Indem Gratian sich selbst als Opfer „für viele“ bezeichnet, rückt Ambrosius ihn noch näher an die Passion Christi. Gratians Sterben wie Christus fällt mit seinem Sterben für Christus zusammen. Diesen Rückgriff auf die Passionsgeschichte, die Gestaltung des Sterbens nach dem Vorbild Jesu, findet man bereits früh in der Märtyrerliteratur.40 Mit der Auslegung von Ps 61,5 kommen erstmals konkrete Zuweisungen in den Text: et cum ego me sponte offeram, irruitis et incumbitis tamquam parieti inclinato et maceriae inpulsae, hoc est: apex dudum nobilis sedis Augustae et circumfusi toto orbe Romano validus quondam murus imperii sicut paries inclinatus aut maceries inpulsa collabor.41

Mit apex dudum nobilis sedis Augustae bezeichnet wenn Ambrosius Gratians Kaiserwürde auf dem Thron, die durch die Angriffe der Feinde zusammenbricht. Grund für diese Bedrängnis stellt Ambrosius wiederum mit Ps 61,5b dar: die Beschmut-

ihre besondere Keuschheit oder das Vermächtnis ihrer Weisheit. Was geknechtet ist, soll hier verbleiben und soll keinem Nutzen verpflichtet sein. Groß ist darum die Freiheit dieser frommen Jungfrau, die umzingelt von den Scharen der Verfolger in größter Gefahr ihre Keuschheit und ihr Leben nicht ins Wanken bringen ließ.“ Vgl. auch virg. 3,7,33 f. 38   Exp. Ps. 61,20: „Er war nicht um sich selbst besorgt, sondern um die, die er befreien wollte, und er sagte: ‚Wie weit stellt ihr einem Menschen nach, wenn ihr alle töten wollt?‘ (Ps 61,4) Wenn ihr mich sucht, warum wollt ihr die anderen töten? Ich opfere mich für die vielen, da er, der der Urheber aller ist, sich für alle opfern konnte.“ Vgl. dazu Hebr 9,28. Möglicherweise liegt hier auch bereits eine Anspielung auf die Einsetzungsworte des Abendmahls vor, die bei Ambrosius im Gegensatz zu den Vorläufern durch genau jenen Gedanken ergänzt werden, vgl. sacr. 4,5,21: hoc est enim corpus meum, quod pro multis confringetur. – „Denn dies ist mein Leib, der für viele zerstört wurde.“ Zur Abendmahlsterminologie und ‑szenerie siehe unter B.III.4.2. 39  Vgl. exp. Ps. 61,20: Ipsius ergo quem sequebatur imitator ait: si me quaeritis, sinite hos abire [. . .]. – „Der Nachahmer dessen, dem er folgte, sagte darum: ‚Wenn ihr mich sucht, dann lasst diese gehen [. . .]‘ (Joh 18,8 f.).“ Zum Begriff des imitator bzw. der imitatio Christi in den Märtyrerakten und ‑legenden vgl. Maarten Taveirne, Das Martyrium als imitatio Christi. Die literarische Gestaltung der spätantiken Märtyrerakten und ‑passionen nach der Passion Christi, ZAC  18 (2014), 167 – 203. 40   Schon dem ersten Märtyrer, Stephanus, werden vom Autor der Apostelgeschichte kurz vor seinem Tod Jesu Worte in den Mund gelegt, vgl. Apg 7,59 f.: κύριε Ἰησοῦ, δέξαι τὸ πνεῦμά μου und κύριε, μὴ στήσῃς αὐτοῖς ταύτην τὴν ἁμαρτίαν. καὶ τοῦτο εἰπὼν ἐκοιμήθη. Vgl. dazu die Worte Jesu am Kreuz in Lk 23,46 εἰς χεῖράς σου παρατίθεμαι τὸ πνεῦμά μου und Lk 23,34: πάτερ, ἄφες αὐτοῖς, οὐ γὰρ οἴδασιν τί ποιοῦσιν. 41   Exp. Ps. 61,20: „Und da ich mich freiwillig anbiete, stürzt ihr auf mich ein und legt euch auf mich wie auf eine ‚geneigte Wand und eine eingeschlagene Mauer‘ (Ps 61,4), das bedeutet: Einst war ich die Spitze des ehrenwerten Throns des Augustus und eine kräftige Mauer für das Reich, das einst den ganzen Erdkreis umspannt. Ich stürze in mich zusammen wie eine geneigte Wand oder eine eingeschlagene Mauer.“

III. Die exemplarische Darstellung des Todes Gratians

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zung des Gerechten.42 Ausgehend vom Stichwort des pretium lobt Ambrosius Gra­ tians Vorzüge in einem panegyrischen Absatz anhand von sechs Tugenden: pudicitia, misericordia, fides, existimatio, munditia und simplicitas.43 In diesem Zusammenhang fällt nun auch erstmals Licht auf die Gegner als diejenigen, die „sein Gold mit ihren Herzen annahmen, ihn dennoch von ganzem Herzen verschmähten“.44 Gemeint sind hier die bei Gratian in Lohn stehenden und ihm zu Treue verpflichteten Soldaten, die zum feindlichen Heer übergelaufen sind. Im Besonderen denkt Ambrosius wohl an den abtrünnigen magister militum Merobaudes. Den Halbvers Ps 61,5b (ἔδραμον ἐν ψεύδει) kommentiert Ambrosius sodann auf zweierlei Weise, indem er den Septuagintatext zunächst im Singular (cucurri) übersetzt und auf Gratian bezieht: cucurri in siti, eo quod fidem quaereret et invenire non posset, destitutus a sociis, a propriis derelictus.45 Gratian wird als Glaubenssuchender dargestellt, der allein gelassen nach Gott strebt. Während diese erste Übersetzungsmöglichkeit des zweideutigen griechischen Aorist Ambrosius erneut Gelegenheit bietet, Gratian und Christus zu parallelisieren und Gratian als gerechten Glaubenden bzw. als nach Glauben Dürstenden darzustellen,46 kann er die zweite Übersetzungsmöglichkeit (cucurrerunt) und das Stichwort des Durstes nutzen, um zur Ermordungsszene in Lyon überzuleiten: potest et sic intellegi: cucurrerunt in siti, quorum fauces aestu nimio fundendi mei sanguinis aruerunt. sicut enim est sitis fidei, ita est et perfidiae.47 Somit wendet Ambrosius mit der gleichen Bibelstelle den Blick auf die Verräter und Mörder. Durch das semantische Feld des Dürstens bzw. Trinkens kommt Ambro­sius zum Zentrum seiner Schilderung und zum Höhepunkt der imitatio Christi Gratians. Während in anderen Martyriumsdarstellungen der Prozess mit 42  Vgl. exp. Ps. 61,21: pretium meum cogitaverunt repellere. – „‚Sie sannen darüber nach, meinen Wert zu stürzen‘ (Ps 61,5).“ 43   Möglicherweise stellen diese sechs Tugenden das Gegengewicht zu den sechs Lastern in exp. Ps. 61,19 dar: ira, libido, invidia, avaritia, timor und maeror. Betont wird in der Aufzählung die simplicitas als Tugend des Unschuldigen, die frei ist von aller Arglist und nicht weiß, „was sie fürchten soll“ (exp. Ps. 61,21). Treffend wird damit die Reaktion Gratians vorbereitet, der von Andragathius hinters Licht geführt wird, sowie eine indirekte Charakterisierung der Täter gegeben, da die simplicitas den negativen Eigenschaften malitia und fraus entgegensteht. Vgl. auch die Beschreibung der simplicitas des Satyrus, die in einer fast kindlichen Unschuld und Arglosigkeit besteht, vgl. exc. Sat. 1,51 f. Ambrosius setzt mit der simplicitas die Einstellung der „Armen im Geiste“ (Mt 5,3) gleich, vgl. exp. Luc. 5,53 f. 44  Vgl. exp. Ps. 61,21: aurum eius manibus accipiebant, corde intimo repellebant, praedam tenentes, fidem negantes. – „Sein Gold nahmen sie mit ihren Händen an, sie verschmähten ihn aber mit ganzem Herzen, sie hielten die Beute fest, die Treue verleugneten sie.“ 45   Exp. Ps. 61,21: „‚Ich rannte im Durst‘ (Ps 61,5), weil er (sc. Gratian) den Glauben suchte und ihn nicht finden konnte, alleingelassen von den Verbündeten, verlassen von den Seinen.“ 46  Vgl. exp. Ps. 61,22: sic dominum Iesum legimus in evangelio et esurisse et sitisse. – „Wir lesen im Evangelium, dass der Herr Jesus so gehungert und gedürstet habe.“ 47   Exp. Ps. 61,23: „Man kann es auch so verstehen: ‚Sie rannten im Durst‘ (Ps 61,5), deren Kehlen brannten wegen des allzu glühenden Drangs, mein Blut zu vergießen. Wie es nämlich einen Glaubensdurst gibt, so gibt es auch einen Durst nach Treulosigkeit.“

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Anspielungen auf die Evangelienberichte gestaltet wird,48 nutzt Ambrosius die Parallelität der Szenerie, die jeweils vor dem Tod des Protagonisten erscheint: Er setzt die List des Andragathius, der Gratian zu einem Abendessen eingeladen und dort ermordet hatte, zur Abendmahlsszenerie der Passionsgeschichte in Analogie. An dieser Stelle übersteigt Ambrosius die Informationen, die andere antike Historiker liefern, wenn er von der Gefangenschaft Gratians berichtet und das Abendessen beschreibt, bei dem Andragathius die Ermordung des jungen Mannes plant und später in die Tat umsetzt.49 Ambrosius wendet sich mit einer direkten Anklage an den magister equitum: nonne tibi videbatur, impie, cum manducares, caedem parares, quod humana sub dentibus tuis ossa crepitarent? Cum vinum biberes et parricidium cogitares, quod illis poculis sanguinem tibi innocentis infunderes? ita prorsus alienus non solum ab imitatione, sed etiam a lectione divina, ut non tibi veniret in mentem versiculus ille psalmorum: tu vero, homo unanimis, dux meus et notus meus, qui simul me cum dulces capiebas cibos, atque ille alius, cuius meminit in evangelio ipse dominus Iesus: qui edebat me cum panem levavit super me calcaneum suum.50

Auf assoziativer und lexikalischer Ebene leitet der Prediger seine Zuhörer durch den Terminus des Durstes über zu den dapes und pocula der Szenerie des Mahls: manducare ist der erste Begriff, der den Zuhörer aufhorchen lassen muss, kennt er doch diesen Terminus aus der Abendmahlsliturgie und anderen Predigten des Ambrosius.51 48   Vgl. etwa M. Polyc. 1,2; 6,2 oder 16,1. Zu dieser Parallelisierung vgl. Taveirne, Das Martyrium als imitatio Christi, 174 – 177. 49  Vgl. exp. Ps. 61,23: quam sitiuit ille qui inter convivii dapes et pocula constitutus innocentis convivae necem moliebatur Augusti. – „Danach (sc. Treulosigkeit) dürstete ihn (sc. Andragathius), der inmitten der Speisen und Kelches des Mahls die Ermordung des unschuldigen Gastes, des Kaisers, in Gang brachte.“ 50   Exp. Ps. 61,23: „Als du aßest und den Mord vorbereitetest, schien es dir da nicht so, als ob zwischen deinen Zähnen menschliche Knochen knackten? Als du den Wein trankst und an den Meuchelmord dachtest, schien es dir nicht so, als ob du mit jenen Bechern das Blut eines Unschuldigen in dich hineinschüttetest? Warst du so schlecht vertraut nicht nur mit der Nachahmung, sondern auch mit der Heiligen Schrift, dass dir nicht einmal jener Vers der Psalmen in den Sinn gekommen ist: ‚Du aber, ein Mensch meinesgleichen, mein Freund und Vertrauter, der du mit mir umgängliche Gemeinschaft gepflegt hast‘ (Ps 54,14 – 15), und jener andere, an den sich im Evangelium unser Herr Jesus selbst erinnert: ‚Der mit mir das Brot aß, stellt sich mit seinem Fuß auf mich‘ (Joh 13,18).“ 51   Zwar findet sich in der Überlieferung der Einsetzungsworte in der Liturgie in sacr. 4,5,22 für das griechische φάγετε als lateinisches Äquivalent edite, doch nutzt Ambrosius manducare selbst häufig im eucharistischen Kontext, vgl. etwa die weitere Auslegung der Stelle sacr. 4,5,24: deinde manna qui manducavit, mortuus est, qui manducaverit hoc corpus, fiet ei remissio peccatorum et non morietur in aeternum. – „Schließlich ist der, der das Manna gegessen hat gestorben (vgl. Joh 6,49); der aber diesen Leib gegessen hat, der wird die Vergebung der Sünden erfahren und er wird in Ewigkeit nicht sterben.“ Vgl. auch myst. 8,47: unde dictum est: Panem angelorum manducavit homo (Ps 77,25). Sed tamen panem illum qui manducaverunt, omnes in deserto mortui sunt: ista autem esca quam accipis, iste panis vivus qui descendit de coelo, vitae aeternae substantiam subministrat; et quicumque hunc manducaverit, non morietur in aeternum; et est corpus Christi. – „Darum heißt es: ‚Das Brot der Engel hat der Mensch gegessen‘ (Ps 77,25). Aber trotzdem sind alle, die jenes Brot gegessen haben, in der Wüste gestorben (vgl. Joh 6,49). Die Speise aber, die du empfängst, dieses ‚lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist‘, lässt dir die Wirklichkeit des ewigen Lebens zukommen. Und wer auch immer davon isst, ‚wird in Ewigkeit nicht sterben‘ (Joh 6,50 f.). Dies ist der Leib Christi.“

III. Die exemplarische Darstellung des Todes Gratians

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Die Perversion der Abendmahlsszenerie durch Andragathius bildet für Ambrosius den Grundstein der weiteren literarischen Verarbeitung der Figuren. 4.3 Die Anklage der beteiligten Personen (exp. Ps. 61,24 – 26) Ambrosius bleibt nicht bei der Parallelisierung Gratians mit Christus stehen. Konsequent deutet er die weiteren Protagonisten der Passionsgeschichte als historische Personen, die in den Komplott involviert waren. Deren Anklage prägt die weiteren Kapitel, die Auslegung von Ps 61 gerät dabei immer weiter in den Hintergrund. Zunächst wendet sich Ambrosius der wichtigsten Figur des Verrates zu: Judas. Quid tibi faciam, Iuda? plures reliquisti nobis proditionis tuae et fraudis heredes; hoc enim etiam ad proditorem Iudam potest per apostropham derivari.52 Raschle zeigt nachvollziehbar, dass Judas für drei Personen, die aus der Ermordung ihren Lohn ziehen, der Identifikationspunkt ist: So kann Ambrosius mit dem Bild des Judas einerseits Maximus angreifen, der sich der Provinzen bemächtigt habe, außerdem den magister equitum Andragathius, der sich militärische Würden erstritten habe, und schließlich den übergelaufenen Merobaudes, der höhere öffentliche Ämter erhalten habe.53 In besonderer Weise kommt Ambrosius zunächst auf Andragathius zu sprechen. Beide, Judas und Andragathius, haben das Gastmahl missbraucht. Während aber Judas nur zum Verräter wurde, sich auf seine Unwissenheit gegenüber dem Ausgang seiner Tat berief und daraufhin die Belohnung verwarf, wurde Andragathius zum Mörder, der den Lohn behielt und darüber hinaus noch mehr einforderte.54 Offen52   Exp. Ps. 61,24: „‚Was soll ich mit dir tun, Juda?‘ (Hos 6,5) Du hast uns mehrere Erben deines Verrates und deiner Hinterlist hinterlassen. Diesen Ausspruch kann man auch auf eine Hinwendung an den Verräter Judas interpretieren.“ 53  Vgl. exp. Ps. 61,24: tu commissos tibi loculos et pecunias pauperum suscepisti, iste provincias sibi creditas; tu apostoli honorem, ille militiae dignitatem, administrationis infulas. – „Du Judas hast dir das Kästchen, das dir anvertraut war, und das Geld der Armen genommen (vgl. Joh 12,6), der da aber die Provinzen, die ihm anvertraut waren. Du hast dir die Ehre eines Apostels, jener sich die militärischen Würden und die Abzeichen des Amtes genommen.“ Vgl. dazu Raschle, Ambrosius’ Predigt gegen Magnus Maximus, 56, Anm. 47. Dagegen hat etwa McLynn, Ambrose of Milan, 155 nur Maximus im Blick. Zu den infulae als Abzeichen von Priestern und römischen Beamten vgl. Anna Viola Siebert, Art. Infula, DNP 5 (1998), 998. 54  Vgl. exp. Ps. 61,24: tu tamen de convivio ad proditionem surrexisti, iste ad necem; hoc est: tu, licet in scelere, verecundior, qui negasti, quod inferendam necem credideris domino quem prodebas, qui pretium refudisti, ne residere apud te merces parricidii videretur; iste non solum tenuit acceptam, verum etiam extorsit non oblatam mercedem proditionis. – „Du aber hast dich vom Gastmahl zum Verrat erhoben, der da sich zum Mordanschlag. Das bedeutet: Du bist ehrenhafter, da du sagtest, du hättest nicht gewusst, dass man den Herrn, den du ausgeliefert hast, umbringen werde, und da du das Geld abgelehnt hast, damit es nicht den Anschein hat, dass du den Lohn für einen Mord behältst. Der da hat den empfangenen Lohn nicht nur behalten, sondern erpresste für sich noch einen weiteren, nicht ausgemachten Lohn für den Verrat.“ Vgl. dazu Seeck, Geschichte des Untergangs der antiken Welt, 501 Anm. 9. Andragathius handelte hier wohl eigenverantwortlich, gegen die Anweisungen des Maximus.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

sichtlich hat sich Andragathius durch die Ermordung besondere merita erhofft. Der Heermeister des Maximus ist demnach von tieferer moralischer Bosheit selbst als Judas, zumal er den Kaiser nur nach einer eidlichen Versicherung überhaupt zu dem Gastmahl hatte überreden können. In chiffrierter Form – stets erscheint das ambivalente Demonstrativum iste – changiert der Inhalt der Judas-Figur und wechselt Ambrosius die gemeinten Personen: postremo superioris proditoris pecunia profecit ad sepulturam peregrinorum, iste sepulturam integram suo principi denegavit.55 Ambrosius kommt hier auf den Verräter zu sprechen, der die Herausgabe des Leichnams verweigerte: Maximus. Dieser nimmt im weiteren Verlauf dann auch als Auftraggeber, der hinter der Ermordung steht, die Rolle des Pontius Pilatus ein.56 Die politisch verfahrene Situation wird aus der Beschreibung weiterer Protagonisten ersichtlich: nec defuit Herodes, cui alter Pilatus se placiturum creditit, si captum principem destinasset.57 Herodes steht hier für Theodosius in Konstantinopel. Raschle erklärt gegen Vermutungen einer spürbaren Bitterkeit, dass bei dieser Parallelisierung weniger Ambrosius’ Unmut über Theodosius zum Ausdruck kommt. Die Figur des Herodes kann hier, wie exp. Luc. 10,99, rein symbolisch gebraucht sein. Theodosius ist sodann nur als ein neutraler Akteur genannt, dem das Opfer eigentlich hätte überliefert werden sollen.58 Ambrosius’ vorsichtige Bezeichnung des Theodosius als Herodes zudem ist der Unsicherheit bezüglich der abwartenden Reaktion des östlichen Kaisers auf die Usurpation sowie der Tatsache geschuldet, dass Ambrosius 383 / 84 noch nicht das Gegenüber war, mit dem Theodosius es spätestens ab dem Tod Valentinians II. zu tun hat. Noch ist er nicht, wie er sich später selbst sieht, wichtiger Gesprächspartner, Berater und autoritatives Gegenüber des Kaisers.59 Im Fokus des Satzes steht aber vor allem der alter Pilatus, der einen Beamten symbolisieren muss, der hervorragende Kontakte zu beiden Lagern unterhalten musste und gewissermaßen aus Eigennutz, so die Anklage des Ambrosius, eine Auslieferung Gratians an Theodosius im Sinne einer „Rückversicherung bei einem Scheitern der

55   Exp. Ps. 61,24: „Schließlich nützte das Geld für den ersten Verrat (sc. des Judas) zum Begräbnis der Fremden (vgl. Mt 27,7). Dieser aber (sc. Maximus) verwehrte seinem Kaiser eine ungestörte Bestattung.“ 56  Vgl. exp. Ps. 61,25: Nec defuit qui manus lavaret dicens: innocens sum a sanguine iusti huius. – „Da gab es auch einen, der sich die Hände wusch mit den Worten: ‚Ich bin unschuldig am Blut dieses Gerechten‘ (Mt 27,24).“ Seeck, Geschichte des Untergangs der antiken Welt, 168 vermutet im Zusammenhang mit dieser Stelle, dass Maximus Gratian für ungefährlich hielt, sodass er eine Ermordung für unnötig gehalten haben könnte. 57   Exp. Ps. 61,25: „Auch fehlte ein Herodes nicht, dem ein anderer Pilatus meinte gefallen zu können, wenn er ihm den gefangenen Kaiser zuschicken würde.“ 58  Vgl. Raschle, Ambrosius’ Predigt gegen Magnus Maximus, 58. Vgl. die Interpretation von Otto Seeck, Geschichte des Untergangs der antiken Welt, 500, der eine mögliche Beleidigung auf das wegen Streitigkeiten über die Besetzung der Bischofsstühle in Konstantinopel und Antiochia gespannte Verhältnis zwischen Ambrosius und dem Kaiserhof zurückführt. 59   Sollte die Predigt erst 387 oder 388 gehalten worden sein, wäre die Vorsicht angesichts der Kriegsvorbereitungen bzw. der schon stattgefundenen Niederlage unverständlich.

III. Die exemplarische Darstellung des Todes Gratians

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Usurpation“ geplant habe.60 Mit aller Wahrscheinlichkeit kann angesichts dieser Beschreibung Merobaudes angeführt werden, der lange Zeit in Kontakt mit Theodosius stand und nach seinem Verrat zum bedeutendsten Offizier unter Maximus wurde. Auf die Abendmahlsszenerie folgt nach einer nur schemenhaften Anspielung auf den Prozess vor Pilatus und Herodes die Verspottung Jesu, die auf Gratian angewendet wird. Der Kaiser sei seiner Insignien beraubt und mit einem weißen Gewand bekleidet worden: quid illud quoque dicam, quod is quoque vestem dealbatam indutus est ad illudendum, postea quoque regia veste donatus est ad moriendum, ne amisisse honorem debitum videretur? nam etsi scelere interiit, ius tamen collatae sibi potestatis etiam mortuus reservabat eorum ipsorum, a quibus negabatur, uel ministerio vel assensu.61

Die Parallelisierung mit der Verspottungsszene aus Mt 27,27 f. und die Rückgabe eines „königlichen Gewandes“ an Gratian lässt sich dahingehend interpretieren, dass durch eine scheinbare Wiederherstellung der eigentlichen Hierarchien und Rehabilitation des Kaisers diesem von Andragathius Sicherheit vorgespielt wurde, um ihn ahnungslos zum Gastmahl einzuladen. Diese Ironie legt Ambrosius als eigentliche In-Recht-Setzung des Kaisers aus: Trotz der Schmähung bewahrte sich Gratian im Tod das ius [. . .] collatae sibi potestatis.62 In exp. Ps. 61,26 tritt Ambrosius schließlich selbst als Akteur in der Predigt auf, indem er auf den Umgang des Maximus mit dem Leichnam des Verstorbenen eingeht.63 Der Usurpator, der hier erstmals beim Namen genannt wird, hatte den Plan, Gratian köpfen zu lassen und dessen Haupt den Provinzen zu präsentieren, doch konnte Ambrosius wie ein zweiter Joseph von Arimathäa intervenieren und eine solche pompa feralis verhindern. Zur Herausgabe des Leichnams konnte er den Usurpator jedoch nicht bewegen; darin übertreffe Maximus gar den Pilatus.64 Ambrosius schließt dieses Kapitel mit einer einem Fluch ähnlichen Prophezeiung. Er stellt, in 60  Vgl. Raschle, Ambrosius’ Predigt gegen Magnus Maximus, 58 f. Zu Merobaudes vgl. auch Saylor Rodgers, Merobaudes and Maximus in Gaul, pass. 61   Exp. Ps. 61,25: „Warum soll ich noch dies sagen, dass man ihm auch ein weißes Gewand anzog, um ihn zu verspotten, und dass man ihm später für seinen Tod auch einen königlichen Mantel schenkte, damit nicht der Anschein entstehe, dass ihm die geschuldete Ehre verwehrt wurde? Denn auch wenn Gratian durch ein Verbrechen starb, so bewahrte er sich trotzdem im Tode noch das Recht über die ihm gegebene Befugnis durch den Dienst und die Zustimmung genau derer, die ihn verleugnet haben.“ 62  Vgl. Raschle, Ambrosius’ Predigt gegen Magnus Maximus, 60. So auch Seeck, Geschichte des Untergangs der antiken Welt, 168. 63  Vgl. exp.  Ps.  61,26: Addebatur huic tanto sceleri pompa feralis, nisi is, qui inpatienter ista de­flebat, cognitis quae parabantur iusto commotus dolore increpasset victorem superbum tyrannis illa, non regibus inferri solere. – „Zu diesem großen Verbrechen wäre noch ein Trauerzug hinzugekommen, wenn nicht jener, der dies alles voller Ungeduld beweinte, als er herausgefunden hatte, was geplant war, durch gerechten Schmerz veranlasst den hochmütigen Sieger getadelt hätte, dass solche Behandlung für Tyrannen gilt, nicht aber Königen zuzukommen ist.“ 64   Vgl. dazu die zwei Gesandtschaften des Ambrosius und ep. 30 (24), wo er Valentinian II. von der Begegnung mit Maximus berichtet.

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Aufnahme der Treue Gottes zum Gerechten, von der Ps 61 spricht, die Konsequenzen für Maximus in Aussicht: Ihn wird die nur für kurze Zeit verschobene Rache Gottes für die Untat treffen: innocenti tamen non defuit gratia et ad tempus assumpta patientia vindicta paululum comperendinata est.65 Erst nach dieser ‚Verfluchung‘ wendet sich Ambrosius wieder dem Wortlaut des Psalms zu und schließt sein exemplum mit der Aussicht auf den jenseitigen Gratian. Voller Zuversicht lässt Ambrosius diesen von der Ruhe in der „heiligen Wohnstatt des Herrn“ sprechen,66 der das irdische Geschehen, die Ermordung und die Verweigerung der Herausgabe des Leichnams nicht abträglich sein konnte.

5. Trostargumente Nach dem analytischen Durchgang durch de obitu Gratiani soll ein genauerer Blick auf die Troststrukturen folgen, die bereits angeklungen sind. Wie verarbeitet Ambrosius Gratians Ermordung in Hinsicht auf die anwesende Gemeinde? Welche Akzente setzt er im Wissen auf ein Weitertragen der Botschaft, die er mit der Predigt vermittelt? Dabei fallen in exp. Ps. 61,16 – 27 vor allem zwei Argumentationskomplexe auf: die Parallelisierung Gratians mit Jesus in Form einer imitatio Christi, die zur Darstellung Gratians als Gerechter auf Erden und Märtyrer im Jenseits führt sowie die Rache, die die Gegner, im Besonderen Maximus, treffen soll. Alle Aspekte zeigen sich bereits in der Textgrundlage von Ps 61, der die gehorsame Treue (Ps 61,2 f.;6 – 12) in der Anfeindung (Ps 61,4 f.) und das Vertrauen auf die wiederum von Gott gezeigte Treue in Form der Vergeltung (Ps 61,13) anspricht. Neben diesen argumentativen Strukturen erscheinen nur wenige, für die consolatio klassische, Argumente, die den Zuhörern Trost spenden sollen. So erinnert Ambrosius mit Mt 10,2867 an die Unsterblichkeit der Seele und die Unfähigkeit des 65   Exp. Ps. 61,26: „Es fehlte nicht dem Unschuldigen an Gnade. Und nachdem man sich eine Zeit lang Geduld genommen hat, ist die Rache nur ein wenig verschoben.“ 66  Vgl. exp.  Ps.  61,27: numquid sepultura negata corporis perpetuae quietis mansionem mihi abstulit? Habeo habitaculum meum in domini tabernaculo et in sancto eius monte reqviescam. Non emigrabo humano scelere, quia domini favore susceptus sum neque mors neque gladius neque tribulatio a caritate Christi me separare potuerunt. – „Hat er (sc. Maximus) mir denn durch die Verweigerung der Bestattung des Körpers die Wohnung in der ewigen Ruhe genommen? ‚Ich habe meine Behausung in der heiligen Wohnstatt des Herrn, und auf seinem heiligen Berg werde ich ruhen‘ (Ps 14,1). Ich werde nicht durch das menschliche Verbrechen fortgehen, denn durch die Gnade des Herrn bin ich aufgenommen und weder Tod noch Schwert noch Not können mich von der Liebe Christi trennen (vgl. Röm 8,35.39).“ 67  Vgl. exp. Ps. 61,17: Nolite timere eos qui possunt occidere carnem, animam autem non possunt; sed potius eum timete qui potest animam et corpus perdere in gehennam. Anima ergo quae deo subdita est non est humanae subdita potestati. – „‚Fürchtet nicht die, die das Fleisch töten können, die Seele aber nicht töten können. Fürchtet vielmehr den, der die Seele und den Körper in Vernichtung der Gehenna bringen kann‘ (Mt 10,28). Die Seele ist folglich Gott unterworfen und nicht der menschlichen Macht.“

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Menschen diese zu verletzen. Galt dieses Zitat im Traktat de bono mortis als Basis der Argumentation dafür, dass der natürliche Tod ein omnifarium bonum sei,68 ist der Schwerpunkt in de obitu Gratiani stärker auf die Situation gelegt: Die gegnerischen Akteure Maximus und Andragathius können die Seele nicht antasten, der Lohn bleibt Gratian trotz der Ermordung bzw. gerade wegen des Todes sicher. Wie in bon. mort. 5,16 bringt der Prediger das Konzept der fuga bzw. des finis peccati: Der Tod bedeutet die Vermeidung von Sünden bzw. die Bewahrung des positiven Zustandes des Lebens.69 In exp. Ps. 61,17 allerdings erscheint dieser Gedanke nur kurz und wie eine Art Anhang, unterbrochen von dem Rachegedanken, der noch thematisiert wird. Einen gewaltsamen Tod als fuga peccati zu bewerten, ist denn auch eine Verlegenheit, die Ambrosius nur mit wenigen Worten anführt. Wie in der ersten Rede für Satyrus vermeidet Ambrosius den negativen Aspekt dieses Trostarguments, der zur Basis hat, dass der Tote nicht mehr sündigen kann. Der Blick auf das sündige Leben und das positiv gewertete Ende des menschlichen Scheiterns ist auch im Falle der Ermordung des Gratian unpassend.70 5.1 Gratians Tod als imitatio Christi Das Trostargument, das das exemplum am entscheidendsten prägt, ist die Parallelisierung des Todes Gratians mit der Passion Jesu Christi. Wie gezeigt ist schon die Einleitung der Erzählung durch das Verb appetere unter dieses Thema gestellt. Ambro­sius legt Gratian die Worte von Ps 61 in den Mund, die nach Ambrosius’ christologischer Deutung der inkarnierte Christus in seiner Unterwerfung unter Gott als Mensch sprach. Allein durch die rhetorische Gestaltung, durch den Wechsel des Psalmsprechers, wird die Gemeinde mit dem leidenden, sich Gott unterwerfenden Gratian konfrontiert. Der Ausgang und jegliche Schuldzuweisung sind dadurch mit den ersten Worten klar: Gratian, der leidende Gerechte, steht den Söhnen des Judas gegenüber.

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 Vgl. bon. mort. 5,16, wo die platonischen Bilder des Körpers als Grab und Fessel zur Unterstützung stehen und das bonum mortis als Befreiung charakterisieren. 69  Vgl. exp. Ps. 61,16: raptus est iustus, ne malitia mutaret cor eius. Mors ergo ista magis peccati fuga quam morientis est detrimentum. – „Denn ein gerechter Mensch wird dahingerafft, damit nicht Schlechtigkeit sein Herz verändert. (vgl. Weish 4,11) Der Tod ist auf diese Weise vielmehr eine Flucht vor der Sünde als ein Schaden für den Sterbenden.“ Dieses Trostargument wird variiert wiederaufgenommen, etwa durch die immobilitas Dei im Vergleich zum Wankelmut des Sünders, exp. Ps. 61. 19: qui deo proximus est lapsui non potest esse vicinus. – „Derjenige, der in der Nähe Gottes ist, kann nicht in der Nähe des (Sünden‑)Falls sein.“ Hier wird bereits der Übergang zum Argument der sündfreien Existenz bei Christus vollzogen, vgl. kurz danach exp. Ps. 61,19: dissolvi enim et cum Christo esse multo melius. Non enim labi poterit, qui coeperit esse cum Christo, quia mors iusto non naturae finis, sed culpae est. – „‚Zu sterben und mit Christus zu sein ist viel besser‘ (Phil 1,23), da der Tod für den Gerechten nicht das Ende der Natur, sondern das Ende der Schuld ist.“ 70   Vgl. dazu die ähnlich zurückhaltende Deutung des Todes als finis peccati in exc. Sat. 1,30.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Für den Bischof und damit für die Gemeinde soll Gratian aber nicht nur als gerechter und tugendsamer Christ, sondern als Märtyrer und als imitator Christi gelten. Die Konnotation als Märtyrer nutzt Ambrosius, um sich und die Gemeinde der Nähe Gratians zu Gott auch im Tode zu versichern: Ausgehend vom tugendhaften Leben soll der zu Unrecht Verfolgte als vollendet Gerechter den sofortigen Weg ins Himmelreich nehmen, wie die Gerechten und Märtyrer des Alten und des Neuen Bundes.71 Dazu bedient sich Ambrosius einerseits der Stilisierung Gratians als tugendhafter Christ, andererseits in Parallelisierung mit Stephanus, Pelagia und Christus selbst als Leidender, der von irdischen Bestürmungen nicht ins Wanken gebracht wurde. Die Hüllung in weiße Kleider (vestis dealbata) im Rahmen der Verspottungsszene in exp. Ps. 61,25 lässt dabei an das Gewand Jesu denken,72 das für Gratian zum Symbol von Reinheit und Unschuld des agnus Dei wird. Assoziativ ist zudem an die weißen Gewänder der Märtyrer vor dem Altar Gottes in Offb 6,1173 zu denken, deren Schicksal Gratian auch nach exp. Ps. 61,27 teilt: den Genuss der ewigen Ruhe, der durch die Schilderung des jenseitigen Ortes als endgültiger Seligkeitszustand charakterisiert wird: Habeo habitaculum meum in domini tabernaculo et in sancto eius monte requiescam. [. . .] Non enim innocens de tabernaculis iustorum, sed peccator emigrat.74 Die Zeichnung Gratians als Märtyrer wird durch die Versetzung des Toten in die endgültige Seligkeit im Königreich der Himmel bestätigt. 5.2 Die Rache Gottes für die Ermordung Das innovative Trostmotiv, das sich in den ambrosianischen Trostschriften nicht findet, ist die klar in Aussicht gestellte Rache des Verstorbenen. Sie erscheint als Gegenbild der versprochenen Seligkeit des Toten und als Erweis der Treue Gottes angesichts der Untreue der Mörder: Ille ergo, cui me tradidi, et necatum tuebitur et mortuum resuscitabit et ulciscetur occisum.75 Der Vergeltungsgedanke ist gleichwohl im Ps 61 selbst angelegt und wird von Ambrosius auch im weiteren Verlauf der Psalmenerklärung nach dem exemplum 71

  Zur sofortigen Seligkeit der Märtyrer im Königreich der Himmel siehe unter A.II.7.   Im Hintergrund steht die Verspottungsszene in Lk 23,11: ἐξουθενήσας δὲ αὐτὸν [καὶ] ὁ Ἡρῴδης σὺν τοῖς στρατεύμασιν αὐτοῦ. – „Es verspottete ihn aber auch Herodes mit seinen Soldaten.“ 73  So Raschle, Ambrosius’ Predigt gegen Magnus Maximus, 60 mit Verweis auf exp. Luc. 10,103: non otiosum quod veste alba induitur ab Herode inmaculatae tribuens indicia passionis, quod agnus dei sine macula cum gloria mundi peccata susciperet. – „Nicht umsonst war es, dass er von Herodes mit einem weißen Kleid angezogen wurde, womit er die Zeichen der unbefleckten Passion darbrachte, da das Lamm Gottes ohne Makel mit der Ehre gleichzeitig die Sünden der Welt aufnimmt.“ Vgl. außerdem die weißen Kleider der Märtyrer in Offb 6,11 und 7,9. 74  Vgl. exp. Ps. 61,27: „‚Ich habe meine Behausung in der heiligen Wohnstatt des Herrn, und auf seinem heiligen Berg werde ich ruhen‘ (Ps 14,1). [. . .] Denn der Rechtschaffene entfernt sich nicht von der Wohnstatt der Gerechten, sondern der Sünder.“ 75   Exp. Ps. 61,17: „Jener nun, dem ich mich anvertraut habe, wird den Gemeuchelten beschützen, den Toten wiedererwecken und den Ermordeten rächen.“ 72

III. Die exemplarische Darstellung des Todes Gratians

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thematisiert. Der Beter wendet sich in Vers 13 Gott selbst zu und vertraut auf dessen gerechtes Urteil bzw. die Vergeltung für jegliche Taten.76 Die Einlösung der versprochenen Rache kennt Ambrosius bereits in der Behandlung der Mörder in der exegetischen Schrift de Noe, wo dem homicida eine größere und zudem ewig währende Strafe im Gericht vorausgesagt wird.77 Die Strafe besteht innerhalb der Psalmenauslegung in der Umkehrung des Schicksals Gratians. Ambro­ sius beschränkt sich in seiner Schilderung der Strafen auf die poena damni, die im Ausschluss der Gottlosen von der himmlischen Seligkeit besteht. Gratian werde, so legt es ihm Ambrosius in den Mund, in den himmlischen Wohnungen ruhen. Die filii proditoris, als die Ambrosius Maximus und Andragathius bezeichnet, werden dagegen von Unruhe geplagt werden, verbunden mit der Vertreibung bzw. Verstoßung durch Gott: migrant Iudae proditoris heredes, de quibus et similibus eorum merito dicitur: commoti amoveantur filii eius et mendicant, eiciantur de habitaculis suis.78 In exp. Ps. 61,18 f. und 27 wendet Ambrosius Ps 108,10 auf die impii, Maximus und Andragathius, an und charakterisiert die Unruhe mit dem Verb commoveo, das das griechische σαλεύω wiedergibt.79 Ps 108 wird hier dem Hörer als Fluchpsalm ins Gedächtnis gerufen. Ambrosius sieht als Sprecher des Verses offensichtlich einen Ankläger, der sich mit Strafwünschen gegen seine Feinde an JHWH richtet.80 Ausgehend von der präsentischen Situation in exp. Ps. 61,18, in der sich die Täter in Hinsicht auf Moral und Glaube im Gegensatz zum standhaften (immobilis bzw. 76   Vgl. Ps 61,13: καὶ σοῦ, κύριε, τὸ ἔλεος, ὅτι σὺ ἀποδώσεις ἑκάστῳ κατὰ τὰ ἔργα αὐτοῦ. In der Psalmenerklärung des Ambrosius kommt dieses Zitat erst in exp. Ps. 61,35: ideoque ipse reddet unicuique secundum opera sua. – „Und darum wird er einem jeden nach seinen Werken Vergeltung schaffen.“ Besonders die Wiederaufnahme des Verses in Jesu Rede von der Nachfolge in Mt 16,27 sowie in Röm 2,5 – 8 machen die eschatologische Wirkung des Gerichts Gottes als Ausschüttung von Ungnade und Zorn über die impii für Ambrosius deutlich. 77  Vgl. Noe 26,29: ergo dominus deus noster ultionem promittit, ut vel sic frangatur metu qui pietatis est oblitus et sciat quod etiamsi homines effugiat homicida, dei tamen iudicium non possit evadere, sed maiori et aeterno supplicio reservetur. – „Denn der Herr, unser Gott, verspricht uns Rache, sodass der in Angst bangt, der die fromme Pflicht vernachlässigt hat, und weiß, dass der Mörder, auch wenn er den Menschen entkommt, dem Gericht Gottes nicht entgehen kann, sondern für eine noch größere und ewig dauernde Strafe aufgehoben wird.“ 78   Exp. Ps. 61,27: „Die Erben des Judas sollen fortziehen, über die und solche, die ihnen ähnlich sind, es zu Recht heißt: ‚In Unruhe sollen seine Söhne fortgeschickt werden und sie sollen betteln und sie sollen aus ihren Wohnungen geworfen werden‘ (Ps 108,10).“ So auch exp. Ps. 61,18: Commoti sunt filii proditoris, de quibus dicitur: Commoti amoveantur filii eius et mendicant. – „Die Söhne des Verräters sind in Unruhe, von denen es heißt: ‚In Unruhe sollen seine Söhne fortgeschickt werden und sie sollen betteln‘ (Ps 108,10).“ 79   Im biblischen Kontext bezeichnet das Verb σαλεύω, ausgehend vom Schwanken auf See, das erschütternde Handeln Gottes in der Geschichte und die menschlichen Unruhe und Angst. Dabei wird stets die Korrelation von Sünde und Unruhe mitgedacht, vgl. ThWNT, 66 f., s. v. σαλεύω. 80   Zu Auslegung und Rezeption von Ps 108 vgl. Frank-Lother Hossfeld / Ericht Zenger, Psalmen 51 – 100, HThKAT 26, Freiburg i. Br. u. a. 32007, 167 – 195. Zenger weist auf die meist nicht dem ursprünglichen Sinn entsprechende Verwendung bzw. Deutung des Psalms als Fluchpsalm hin; vielmehr handele es sich um einen „Gerechtigkeitspsalm“, in dem sich der Beter an Gott wendet, mit der Bitte vor den Flüchen der Feinde gerettet zu werden.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

stans) Gratian als moventes und transeuntes erwiesen, wird der gleiche Vers am Ende des exemplum eschatologisch als ewige Unruhe, als Fernsein von Gott und als Ausgeschlossenheit des unerlösten Menschen von der Gemeinschaft der Heiligen umgedeutet.81 Eine besondere Konnotation erhalten Maximus und Andragathius durch ihre Darstellung in Analogie zu Judas in exp. Ps. 61,23 f. und, darüber hinaus, durch die Bezeichnung als filii proditoris bzw. Iudae proditoris heredes.82 Ambrosius sieht in Judas einen von Gott zunächst angenommenen Menschen, der in den Genuss der Gemeinschaft mit Jesus kam, eine Tatsache, die seinen Verrat noch schwerer macht. Er gehört dadurch zum Eigentum des Teufels und verbringt seine Strafe in dessen Nähe in der Tiefe der Hölle.83 Die Wahl dieses Bildes ist vorrangig durch die Ermordung während des Gastmahls bedingt, doch führt Ambrosius das Bild des Verräters weiter und stellt die beiden Verantwortlichen als dessen Nachfolger dar. Er erreicht somit höchste und in seinem Werk seltene Polemik.84 Der Verzicht auf eine Darstellung der poena sensus, wie etwaige Höllendarstellungen oder den Aufenthalt im Läuterungsfeuer, die Ambrosius an anderen Stelle den impii zuweist,85 erstaunt angesichts der drastischen und bilderreichen Schilderung. Ambrosius denkt sie immerhin präfiguriert bereits im Diesseits als Entfernung von Gott durch das Verbrechen. Die vollständigen Konsequenzen aber liegen im Jenseits. Welche Auswirkung die Straffälligkeit für Maximus dort zur Folge hat, konkretisiert Ambrosius erst in ob. Theod. 39 mit der Schilderung des Aufenthalts des Theodosius im Jenseits. Als Gegenbild zur Seligkeit des Kaisers im Königreich der Himmel schildert Ambrosius das Schicksal der Usurpatoren: Gemeinsam mit dem Usurpator Eugenius, der im Jahr 392 auf Betreiben des magister militum Arbogast zum Kaiser ausgerufen wurde,86 büßt Maximus seine Strafe in inferno, der ambrosianischen Bezeichnung für den Aufenthaltsort in den unteren Regionen des Feuermeers, dem 81  Vgl. exp. Ps. 61,18 eiciantur de habitaculis suis mit dem „Herausfallen aus der Gemeinschaft mit den Engeln“ in exp. Ps. 118,7,8: consortiis excidere angelorum. 82   Zur Rezeption des Judas vgl. Peri Terbuyken, Art. Judas Iskarioth I – VI, RAC 19 (2001), 142 – 157, besonders 151 f. 83  Vgl. exp. Ps. 40. Für die enge Beziehung und die Tiefe des Verrats wird dem Andragathius der von Jesus gesprochene Vers Joh 13,18 in Erinnerung gerufen, exp. Ps. 61,23: Qui edebat mecum panem levavit super me calcaneum suum. – „‚Derjenige, der mit mir das Brot aß, stellt sich mit seinem Fuß auf mich‘ (Joh 13,18 bzw. Ps 40,10).“ 84   Ähnlich verfährt Ambrosius mit der Kaisermutter Justina, die er in ep. 76,18 (20) mit der alttestamentlichen Isebel (1 Kön 21) vergleicht. Vgl. dazu Ilona Opelt, Die Polemik in der christlichen lateinischen Literatur von Tertullian bis Augustin, BKAW 63, Heidelberg 1980, 100 – 102. Opelt weist auf eine ähnliche Parallelisierung zwischen Judas und Constantius II. bei Lucifer von Calaris. Dort handelt es sich jedoch um antiarianische Polemik, die den Christusverrat mit der theologischen Position der Leugnung der Göttlichkeit Jesu gleichstellt. 85  Mit infernum bezeichnet Ambrosius den Aufenthaltsort der Verdammten in der Nähe zum Teufel und den gefallenen Geistern, siehe dazu unter A.II.8. 86   Vgl. zur Usurpation des Eugenius, die eine Reaktion auf den Tod des Valentinian II. darstellt, siehe unter B.V.3.

III. Die exemplarische Darstellung des Todes Gratians

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Strafort, den auch der Teufel mit seinen Dämonen bewohnt.87 Als Hintergrund für ihren dortigen Aufenthalt wird vorrangig auf die Feindschaft zu Theodosius verwiesen,88 doch indirekt benennt Ambrosius auch Gratian als Opfer des Maximus, indem Theodosius als ultor des Bruders und dessen indigna mors genannt wird.89 Ambrosius spielt mit der „Rache“ auf die militärische Intervention an, die Theodosius 387 startete, nachdem Maximus mit dem Einmarsch in Italien begann. Der von Theodosius seit 383 bestätigte Maximus reagierte nämlich auf einen Hilferuf Valentinians II., der wegen mehrerer Konflikte in den Grenzregionen zu Pannonien um Unterstützung bat, positiv, nutzte aber diese Gelegenheit der Unterstützung, seinen Herrschaftsbereich auf Italien auszudehnen. Valentinian II. verließ angesichts dieser Invasion Mailand und floh mit seiner Mutter Justina und seiner Schwester Galla nach Thessaloniki, wo er sich unter den Schutz des Theodosius stellte. Dieser wandte sich gegen die Invasionspolitik des nunmehr als Usurpator bezeichneten Maximus und bereitete sich auf den Krieg vor. In zwei Schlachten, bei Siscia und Poetovio, schlug Theodosius den Usurpator, der sich vor Aquileia dem Kaiser des Ostens ergab.90 Am 27. / 28. August 388 wurde Maximus, möglicherweise gegen den Willen des Theodosius, aber auf Drängen der Soldaten, hingerichtet.91 Der spätantike Historiker Zosimus berichtet zudem vom Ende des Andragathius, der auf die Nachricht des Todes Maximus’ Suizid begangen haben soll.92 Im Falle des 87  Vgl. ob. Theod. 39: Contra autem Maximus et Eugenius in inferno quasi nox nocti indicat scientiam, docentes exemplo miserabili, quam durum sit arma suis principibus inrogare. De quibus pulchre dicitur: Vidi inpium superexaltatum et elevatum super cedros Libani: et transivi et ecce non erat. Transivit enim pius de caligine saeculari ad lumen aeternum, et non erat inpius, qui esse desivit iniquus. – „Dagegen sind aber Maximus und Eugenius in der Hölle, wie wenn ‚eine Nacht es der anderen kundtut‘, wobei sie ein trauriges Beispiel lehren, wie verhängnisvoll es ist, die Waffen gegen die eigenen Herrscher zu richten. Trefflich heißt es über sie: ‚Ich sah den Gottlosen hoch erhoben und stolz erhaben über die Zedern des Libanon; und ich ging an ihm vorüber, und siehe, er war nicht mehr‘. Denn der Fromme geht von der Finsternis der Welt hinüber zum ewigen Licht, und ‚der Gottlose war nicht mehr‘ (Ps 36,35 f.), er hat aufgehört ein Ungerechter zu sein.“ 88   Die gemeinsame Nennung von Maximus und Eugenius weist hier auf die jeweiligen Usurpationen hin; zur Usurpation des Eugenius und zur Niederschlagung durch Theodosius vgl. Leppin, Theodosius der Große, 205 – 215. 89  Vgl. ob. Theod. 39: Illic nunc conplectitur Gratianum iam sua vulnera non maerentem, quia invenit ultorem; qui licet indigna morte praereptus sit, requiem animae suae possidet. – „Dort umarmt er jetzt Gratian, der seine Wunden schon nicht mehr betrauern muss, weil er seinen Rächer gefunden hat. Mag er auch durch einen schändlichen Tod vor seiner Zeit gestorben sein, ist er doch im Besitz der Ruhe seiner Seele.“ 90   Vgl. die Darstellung des Zosimus, h. n. 4,45 – 47. Dazu vgl. auch Leppin, Theodosius der Große, 106 – 115; Demandt, Geschichte der Spätantike, 109 f. 91   Vgl. Ernst Stein, Geschichte des spätrömischen Reiches. Vom römischen zum byzantinischen Staate (284 – 476 n. Chr.), Wien 1928, 319 f. Vgl. die Darstellung bei Sokrates, h. e. 5,14,1. 92   Vgl. Zos. h. n. 4,47,1.: τούτων ἀπαγγελθέντων Ἀνδραγαθίῳ [. . .], ὅτι μυρίοις περιπεσεῖται κακοῖς ἐπιστάμενος, οὐκ ἀναμείνας τοὺς ἐπιθησομένους αὐτὸς ἑαυτῷ τὴν τιμωρίαν ἐπέθηκεν, καθεὶς εἰς τὴν θάλασσαν τὸ σῶμα καὶ ταύτῃ μᾶλλον ἐκδοῦναι τὰ καθ’ ἑαυτὸν ἢ τοῖς ἐχθίστοις ἑλόμενος. – „Als dies dem Andragathios [. . .] gemeldet worden war, da wusste er, dass ihm zahllose Leiden bevorstehen würden, und er wartete nicht auf die Angreifer, sondern er erlegte sich selbst die Strafe auf, indem er sich ins Meer stürzte und es vorzog, sich lieber dem Meer als seinen Erzfeinden auszuliefern.“

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Flavius Merobaudes besteht Unsicherheit über ein genaues Sterbedatum. Möglicherweise wurde er bereits im Jahr 383 von Maximus zum Suizid gezwungen oder aber er fand erst 388 den Tod.93 Die Referenz auf das Schicksal des Maximus (und des Eugenius) aus dem Jahr der Leichenrede für Theodosius 395 ist offensichtlich ein Rückblick auf diese Tode als göttliche Wiedergutmachung des Verbrechens an Gratian sowie ein Blick auf die gegenwärtige Situation der Verstorbenen. Die positiven Strafen, die mit dem Aufenthalt in der Hölle einhergehen,94 werden in exp. Ps. 61 durch die Prophezeiung der Unruhe und der Exilierung aus den habitacula des Himmels nicht eigens referiert, was für eine frühere Datierung der Rede im Sinne Raschles vor 388 spricht. Angesichts des Todes des Maximus’ hätte Ambrosius nicht gezögert, auch die Höllenexistenz zu schildern. Zu seinen Lebzeiten jedoch begnügt er sich damit, die Strafe des foris esse, d. h. den Selbstausschluss von der ewigen Herrlichkeit bzw. die in der Tat selbst angelegte willentliche Entfernung von Gott, in Aussicht zu stellen.95

6. Zusammenfassung Aller Wahrscheinlichkeit nach reagiert die Predigt, aus der Ambrosius den Abschnitt de obitu Gratiani geformt hat, im Jahr 383 auf die Ermordung des Gratian. Ambrosius verfolgt in dem moralischen exemplum zwei Ziele: die moralische und tröstende Vergewisserung der Belohnung des Gerechten und der daraus resultierende Seligkeit Gratians sowie die politische Einigung der Zuhörer gegen die Mörder. Gratian wird den Zuhörern als der vollkommen Gerechte und Märtyrer vorbildhaft vor Augen gestellt. Die Aufzählung der Tugenden wirkt wie ein Katalog, dem der Einzelne nacheifern soll, damit er sich die gleiche Treue Gottes verdient: die Würdigung durch den Einzug ins Königreich der Himmel und die Vergeltung des Toten. Mit Gratian vereinnahmt Ambrosius dabei den ersten orthodoxen Kaiser und hebt darum mit Blick auf ein sich dem Christentum mehr und mehr zuwendendes Mailänder Publikum umso intensiver dessen idealisiertes Glaubensleben hervor.96 93

 Vgl. pan. lat. 2 (12), 28,4: Merobaudes [. . .], post amplissimos magistratus et purpuras consulares [. . .] vita sese abdicare compulsus est. – „Merobaudes [. . .] (erg. ist), nachdem er höchste Ämter und nach Purpur des Consolus innehatte, [. . .] gezwungen worden, aus dem Leben zu scheiden.“ Vgl. dazu Peter Kehne, Art. Merobaudes, DNP 8 (2000), 6 f. und Reimitz, Art. Merobaudes, 573. Dass Merobaudes bereits vor der Ermordung von Gratian Suizid begangen habe, wie es Manfred Waas, Germanen im römischen Dienst (im 4. Jh. n. Chr.), Bonn 21971, 98 f. behauptet, ist unwahrscheinlich. 94   Als positive Strafen nennt Ambrosius im Fall der Gottlosen den ewigen Aufenthalt im Läuterungsfeuer (fid. 2,13,119) und den damit verbundenen Schmerz (off. 1,38,187), die Knechtschaft unter dem Teufel in ewiger Nacht (exp. Ps. 38,38), die Bedürftigkeit und, als Antwort auf all die Qualen, das ständige Wehklagen (paen. 1,4,22), siehe dazu unter A.II.8. 95   Auf der Linie dieser Vorläufigkeit liegen auch die Äußerungen der Rache, die sämtlich futurischen Aspekt besitzen: amoveantur, mendicent, eiciantur. Vgl. im Gegensatz dazu die stets präsentischen Aussagen zum Schicksal Gratians. 96   Vgl. dazu Mesot, Die Heidenbekehrung bei Ambrosius von Mailand, 35.

III. Die exemplarische Darstellung des Todes Gratians

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Aufgrund der Verflechtung des Glaubenszeugnisses Gratians mit der Treue Gottes, die sich in der Rache an den Mördern widerspiegelt, und der Positionierung zu der unklaren Reaktion des Theodosius kann man, wie Raschle, die Predigt des Ambrosius als „unmittelbares Zeugnis des politischen Widerstandes“ der Mailänder Gesellschaft und im Speziellen des Bischofs der Gemeinde gegen den Usurpator Maximus bezeichnen.97 Diese Wirkung entfaltet sich mit sehr viel größerer Wahrscheinlichkeit zu einem früheren Zeitpunkt – und zwar im Lichte der noch frischen Erinnerung an den Tod des Kaisers, wie sich auch die Chiffrierung des exemplum nur durch die Aktualität des Geschehens und die Kenntnis der Akteure auflösen lässt. Der Text de obitu Gratiani (exp. Ps. 61,16 – 27) sticht damit unter den Texten des Ambrosius, die sich mit dem Tod beschäftigen, heraus. Es handelt sich nicht um eine Leichenpredigt im Rahmen einer liturgischen Feier anlässlich einer großen Trauerfeier mit aufgebahrtem Leichnam. Auch der Ton differiert stark von den verwandten Texten. Mit einer seltenen Dramatik schildert Ambrosius hochemotional das pervertierte Drama der Ermordung, das Andragathius inszenierte, und klagt die Beteiligten des Verbrechens mit Nachdruck an. Gleichzeitig aber wird die Trostwirkung des Textes deutlich, indem Ambrosius die klassischen Elemente des finis peccati und des Seins bei Christus mit einer starken Märtyrermetaphorik und der Vergeltung des Todes verbindet, sodass auch für Gratian der sofortige Genuss der himmlischen Seligkeit in Aussicht gestellt wird, der den Heiligen vorbehalten ist.

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  Raschle, Ambrosius’ Predigt gegen Magnus Maximus, 66.

IV. Die Leichenrede für Kaiser Valentinian II.: De obitu Valentiniani 1. Einleitung Mit der Rede des Ambrosius für den verstorbenen Kaiser Valentinian II. ist die erste christliche Leichenrede für einen Kaiser im Rahmen einer offiziellen Feierlichkeit erhalten. Dass Ambrosius in der Position war, dem Herrscher des westlichen römischen Reiches diese Ehre zu erweisen – und nicht, wie es in der römischen Gesellschaft üblich war, ein Verwandter oder naher Bekannter – hängt mit der einzig­ artigen Position des Kirchenfürsten zusammen, der mit Mailand einen Bischofssitz innehatte, der ihn in engste Nähe zum kaiserlichen Hof führte. Schon zum Halbbruder des verstorbenen Valentinian II., dem Kaiser Gratian (375 – 383), pflegte Ambrosius eine intensive Beziehung.1 Und auch zu Valentinian II. stand er in einem besonderen, wie er es selbst nennt, „väterlichen“ Verhältnis.2 Tatsächlich ist Ambrosius in der Rede für Valentinian II. sehr darum bemüht, dies zu betonen. Die Realität dieses Verhältnisses war allerdings durchaus durch schwere Auseinandersetzungen zwischen Bischof und Kaiserhof, vor allem in der Person der Justina, geprägt.3 Die Rede de obitu Valentiniani gehört der Gattung der laudatio funebris an und soll vor allem hinsichtlich der konsolatorischen Wirkung angesichts eines vermuteten Suizids des Kaisers Valentinian II. untersucht werden. Die besondere Situation und die Tatsache, dass Ambrosius sich selbst eine Teilschuld an dem Tod des Kaisers gibt, prägen die Rede und zeigen somit das Anliegen des Redners, die möglicherweise in Frage gestellte Seligkeit des Verstorbenen sicherzustellen.

1   Zum Verhältnis von Ambrosius und Gratian siehe unter B.III, sowie Dassmann, Ambrosius von Mailand, 63 – 65 und Gunther Gottlieb, Ambrosius von Mailand und Kaiser Gratian, Hyp. 40, Göttingen 1973. 2   Vgl. etwa die Anrede an beide Kaiser, Gratian und Valentinian II., als Söhne, ob. Val. 79a: Doleo in te, fili Gratiane, suavis mihi valde. [. . .] Doleo etiam in te, fili Valentiniane, speciosus mihi valde. – „Ich trauere über dich, mein Sohn Gratian, der du mir so sehr am Herzen lagst. [. . .] Ich trauere auch über dich, mein Sohn Valentinian, der du für mich so wichtig warst.“ 3   Justina, die zweite Frau Valentinians I. und Mutter von Valentinian II., Justa, Grata und Galla, hatte bis zu ihrem Tod 388 zu großen Teilen die Regierungsgeschäfte inne. Aufgrund ihres homöischen Bekenntnisses kam es zur Auseinandersetzung mit dem nizänisch gesinnten Ambrosius, v. a. im Rahmen des Mailänder Basilikenstreits 385 / 86.

IV. Die Leichenrede für Kaiser Valentinian II.

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2. Zielsetzung Anders als bei der ersten Rede für Satyrus, die Ambrosius vor allem dazu nutzt, sich selbst und die anwesende Trauergemeinde zu trösten, hat er in dieser Rede spezifische Zuhörer im Blick, an die er sich auch direkt wendet: die anwesenden Schwestern Valentinians II., Iusta und Grata.4 Zudem ist mit einem gemischten Publikum aus Mitgliedern des kaiserlichen Hofes, Soldaten und Mailänder Bürgern zu rechnen. Die im Rahmen des Begräbnisses gehaltene laudatio funebris will für diese Zuhörer, im Unterschied zu der wenige Jahre später gehaltenen enkomiastischen Lobrede auf Theodosius, eine eindeutige consolatio sein, die den plötzlichen Tod des 21‑jährigen Kaisers tröstend auffangen will. Zwar stellt Ambrosius diesen Trauernden Trost­ argumente vor Augen, wie etwa die allgemeine Sterblichkeit5 oder die Charakterisierung des Todes als remedium bzw. finis peccati.6 Das überragende und die Rede durchziehende Trostargument aber besteht in der Postulierung einer Begierdentaufe Valentinians II., die durch den bloßen Taufwunsch des Kaisers eine sakramentale Wassertaufe ersetzt und somit die Grundlage für die Vorstellung des Aufenthalts Valentinians II. im Paradies darstellt. 4   Zu den Schwestern Valentinians II. vgl. Socr. h. e. 4,31: Καὶ ὁ μὲν νόμος προέκειτο, ὁ δὲ ἄγεται τὴν Ἰουστίναν, ἀφ’ ἧς αὐτῷ γίνεται Οὐαλεντινιανός τε ὁ νέος καὶ θυγατέρες τρεῖς, Ἰούστα Γράτα Γάλλα. – „Das Gesetz wurde erlassen, er (sc. Valentinian I.) aber heiratete Justina, die ihm Valentinian den Jüngeren und drei Töchter gebar, Justa, Grata und Galla.“ Galla, die jüngste der Geschwister, hat 387 Theodosius geheiratet und war somit am Kaiserhof in Konstantinopel. Biermann, Die Leichenreden des Ambrosius von Mailand, 45 schließt darum ihre Anwesenheit bei dem Begräbnis aus. 5   Das klassische Trostargument der allgemeinen Sterblichkeit erscheint in der Rede für Valentinian II. nur einmal, wenn Ambrosius die Schwestern zu maßvoller Klage aufruft, vgl. ob. Val. 48: Nihil ergo habetis quod gravissime doleatis in fratre. homo natus est, humanae fuit obnoxius fragilitati. Nemo se redemit a morte, non dives, non ipsi reges. – „Nichts habt ihr also, was ihr in eurem Bruder auf so schwerste Weise betrauern müsstet. Als Mensch ist er geboren, der menschlichen Gebrechlichkeit war er verfallen. Niemand kann sich vom Tod loskaufen, nicht der Reiche, nicht einmal Könige.“ Diese fragilitas belegt Ambrosius mit zwei biblischen Beispielen, dem Dulder Hiob (Hi 15,20 f.) und dem seine Söhne beweinenden David (2 Sam 19). 6   Ob. Val. 45: Quod si gentes, quae spem resurrectionis non habent, hoc uno se consolantur, quod dicant quod nullus post mortem sensus sit defunctorum, ac per hoc nullus remaneat sensus doloris: quanto magis nos consolationem recipere debemus, quia mors metuenda non sit, eo quod finis sit peccatorum, vita autem desperanda non sit, quae resurrectione reparatur? – „Wenn aber die Heiden, die die Hoffnung auf die Auferstehung nicht besitzen, sich allein mit der Behauptung trösten, dass nach dem Tod die Verstorbenen keine Empfindung mehr haben, und so auch kein Empfinden des Schmerzes mehr bleibt, wie viel höher müssen wir dann unseren Trost empfangen, da der Tod nicht zu fürchten ist, eben deshalb, weil er das Ende der Sünden ist, das Leben aber nicht zur Verzweiflung führen darf, da es durch die Auferstehung wiederhergestellt wird?“ Es hat sich gezeigt, dass Ambrosius diesen Aspekt schon in der Rede für seinen Bruder vorsichtiger verwendet, als er es in de bono mortis in theoretischer Weise vorbringt. Und auch in de obitu Valentiniani wird nur einmal auf diese Bedeutung des Todes hingewiesen. In Analogie zu der Rekapitulation der paganen Vorstellung von der Empfindungslosigkeit nach dem Tod vergrößert Ambrosius in einem ähnlichen Verfahren wie in exc. Sat. 1,70 f. das christliche Potential des Trostes mit der Definition des Todes nicht als finis sensuum, sondern als finis peccatorum.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Der Trost angesichts des frühen Todes des Kaisers spiegelt sich auch in der Wahl des Titels der überarbeiteten Version der gehaltenen Rede wider.7 Der in der Forschung gebräuchliche Titel de obitu Valentiniani findet sich nur in der Zusammenstellung zweier Mailänder Handschriften aus dem 12. bzw. 14 Jahrhundert, weswegen Michaela Zelzer den besser bezeugten, bereits im neunten Jahrhundert belegten Titel liber de consolatione Valentiniani favorisiert, der, wie zu zeigen ist, auch inhaltlich die Intention des Bischofs trifft.8 Aufgrund der besseren Lesbarkeit der Forschungsliteratur soll aber in der vorliegenden Untersuchung der gängige Titel de obitu Valentiniani (ob. Val.) genutzt werden. In der vorliegenden Untersuchung soll der Fokus auf der Verarbeitung der besonderen Situation des Todes Valentinians II. liegen, der in der Nacht auf den 15. Mai 392 auf bisher ungeklärte Weise starb. Ambrosius, der mit der wenige Monate später gehaltenen Leichenrede das früheste Zeugnis zu diesem Ereignis hinterlässt, steht mit der Rede vor dem Problem, diesen Tod seelsorgerisch auffangen zu müssen. Es soll gezeigt werden, wie Ambrosius verschiedene rhetorische und theologische Mittel anwendet, um den toten Kaiser zu rehabilitieren und den Trost auf der Basis seiner jenseitigen Seligkeit zu formulieren.

3. Zeitgeschichtlicher und situativer Hintergrund Die Rede de obitu Valentiniani hat ihren Ort, anders als die beiden Reden zum Tode des Satyrus, in der Zeitgeschichte des ausgehenden vierten Jahrhunderts und ist auf das engste in die machtpolitischen Abläufe zwischen den Autoritäten in Ost und West eingebunden. Aus diesem Grund soll auf die politischen Gegebenheiten rund um den Tod Valentinians II. im Jahr 392 eingegangen werden, der im Zusammenhang mit der Situation des Westreiches nach der Usurpation des Magnus Maximus 383 zu sehen ist. Nachdem Theodosius diese zunächst gebilligt hatte, musste er ange7   Auch der heute vorliegende Text der Rede de obitu Valentiniani stellt eine überarbeitete und wohl kurz vor Ambrosius’ Tod von ihm selbst herausgegebene Version dar, wie sich an der nachträglich zugefügten Einleitung in ob. Val. 1 zeigen lässt. Dass diese nicht Teil der ursprünglichen Rede war, ist ersichtlich durch die Bezeichnung des scribere und durch den fehlenden Zusammenhang zwischen Proöm und Rede, vgl. ob. Val. 1: etsi incrementum doloris sit id, quod doleas, scribere, tamen quoniam plerumque in eius, quem amissum dolemus, commemoratione requiescimus [. . .]. – „Wenn es auch eine Vergrößerung des Schmerzes bedeutet, das aufzuschreiben, was einen schmerzt, so finden wir dennoch in der Erinnerung dessen, den wir als verloren betrauern, ja meist Ruhe [. . .].“ Vgl. zum sekundären Charakter der Einleitung und zur Überarbeitung der Rede auch Zelzer, Zur Überlieferung und Rezeption der Kaiserreden des Ambrosius im Mailänder Raum, 116 f. und Rozynski, Die Leichenreden des hl. Ambrosius, 75 sowie Biermann, Die Leichenreden des Ambrosius von Mailand, 44, Anm. 119. 8   Zu Überlieferung und der Diskussion der authentischen Titel der Kaiserreden und anderer Werke vgl. Zelzer, Zur frühen Verbreitung der Werke des Ambrosius und zu ihren authentischen Titeln, 319 f., und dies., Zur Überlieferung und Rezeption der Kaiserreden des Ambrosius im Mailänder Raum, 117.

IV. Die Leichenrede für Kaiser Valentinian II.

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sichts der Invasion des Maximus in Italien doch militärisch eingreifen. So trafen im Jahr 388 die Truppen des Maximus und des Theodosius in Siscia und Poetovio aufeinander, wobei der Usurpator unterlag und schließlich getötet wurde.9 Nach dem Sieg kam es zu einer Neuordnung der Kompetenzen im Westreich, da Theodosius nach Mailand zog und bis 391 dort residierte, während Valentinian II. bereits 389 nach Vienne in Gallien ausweichen musste.10 Theodosius hatte in diesen Jahren die faktische Kontrolle des Westreiches inne. Seinem jungen Amtskollegen Valentinian II. – gerade erst von der Vormundschaft seiner 388 gestorbenen Mutter Justina befreit – stellte Kaiser Theodosius als Zeichen und Auswirkung seines Protektorats auch nach seiner Rückkehr nach Konstantinopel 391 den fränkischen General Arbogast als „virtual factotum of Valentinian“ und Vormund zur Seite.11 Arbogast, ein Vertrauter des Theodosius, hatte bereits im Heer Gratians gedient und hatte auch an den Schlachten gegen Maximus teilgenommen. Zum magister militum in Gallien ernannt sollte Arbogast in den Jahren 388 bis 391 die letzten Reste der Usurpation in Gallien aufdecken und zerschlagen.12 Valentinian II. war mit Theodosius’ Rückzug nach Konstantinopel zwar wieder der alleinige Herrscher im Westen, tatsächlich aber hielt Theodosius stets die reichsweite Herrschaft in Händen, während der junge Kaiser unter der Kontrolle des magister militum Arbogast stand. Ihm war jegliche Befugnis in militärischen Belangen genommen und die Ausübung seines Einflusses war, wenn überhaupt, auf Gallien allein begrenzt, während Theodosius wohl Vorbereitungen traf, seinen fünfjährigen Sohn Honorius als Augustus im Westen und somit als Ersatz für Valentinian II. zu installieren.13  9

  Zur Niederschlagung des Maximus vgl. Schmitt, Ambrosius von Mailand und der Tod Kaiser Valentinians II., 28 f. und Adolf Lippold, Theodosius der Große und seine Zeit, München 21980, 34 – 38. 10   Zur Übersiedelung Valentinians II. nach Gallien vgl. Brian Croke, Arbogast and the Death of Valentinian II, Hist. 25 (1976), 235 – 244, 236. Schmitt, Ambrosius von Mailand und der Tod Kaiser Valentinians II., 30 Anm. 246 weist anhand des Gesetzes Cod. Theod. 4, 22,3 vom 14. Juni 389 nach, dass Valentinian II. zu dieser Zeit schon in Gallien verweilt. Schmitt betont zudem die Wahl Viennes und nicht Triers, der gallischen Präfektur, aufgrund machtpolitischer Erwägung, da Ambrosius dort immer noch großen Einfluss hatte. Einerseits ist Ambrosius dort im Jahr 339 geboren, andererseits wirkte er dort 385 im Rahmen des Prozesses gegen Priscillian. 11  Vgl. Croke, Arbogast and the Death of Valentinian II, 236. Zu Arbogast vgl. außerdem Otto Seeck, Art. Arbogast, RE 2 / 1 (1895), 415 – 419 und Lippold, Theodosius der Große und seine Zeit, 38. 12  Vgl. Schmitt, Ambrosius von Mailand und der Tod Kaiser Valentinians II., 35 f. und Dudden, The Life and Times of St. Ambrose, 414. 13   Zeichen der Zurückstellung des Valentinian II. war u. a. der Triumph am 13. Juni 389, den Theodosius mit seinem fünfjährigen Sohn Honorius, der am 9. September 384 geboren wurde, in Rom ohne Valentinian II. feierte. Offensichtlich sollte die Loyalität auf den eigenen Sohn in dynastischer Nachfolge übergehen. Vgl. Lippold, Theodosius der Große und seine Zeit, 38 sowie Schmitt, Ambrosius von Mailand und der Tod Kaiser Valentinians II., 30 und Albert Güldenpenning / Julius Ifland, Der Kaiser Theodosius der Große. Ein Beitrag zur römischen Kaisergeschichte, Halle 1878, 174 f. Zu Honorius, dem jüngeren Sohn von Theodosius und seiner ersten Frau Aelia Flacilla, vgl. Klaus-Peter Johne, Art. Honorius, DNP 5 (1998), 711 – 713 und Martijn Icks, The Inadequate Heirs of Theodosius. Ancestry, Merit and Divine Bblessing in the Representation of Arcadius and Honorius, Millennium 11 (2014), 69 – 99.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

In den antiken Quellen finden sich Beschreibungen dieser für Valentinian II. belastenden Situation, vor deren Hintergrund sein Tod bewertet werden muss. Offensichtlich kam es zu mehreren Demütigungen Valentinians II. durch Arbogast, der bei den Truppen in weit höherem Ansehen stand als der Kaiser. Nicht nur die militärischen Befugnisse lagen in Arbogasts Hand, auch in zivilen Fragen hatte er die maßgeblichen Kompetenzen. Dementsprechend befolgte er weder die Befehle Valentinians II. noch bezog er ihn in Beratungen ein.14 Von einer solchen demütigenden Szene berichtet der heidnische Geschichtsschreiber Zosimus. So soll Valentinian II. dem Heermeister ein Entlassungsschreiben überreicht haben, das jener mit den Worten zerriss: οὔτε δέδωκάς μοι [. . .] τὴν ἀρχὴν οὔτε ἀφελέσθαι δυνήσῃ.15 Weitere Berichte über das angespannte Verhältnis, z. B. der Verdacht, Arbogast habe Harmonius, den Berater und Vertrauten Valentinians II., vor den Augen des Kaisers getötet,16 sowie die Tatsache der mangelnden Loyalität der Soldaten gegenüber Valentinian II. machen die bedrängende Situation deutlich, unter der der Kaiser zu leiden hatte.17 Einblick in die labile Verfassung des jungen Kaisers gibt auch der Kirchenhistoriker Philostorgius, der von einem verzweifelten Mordversuch Valentinians II. auf Arbogast berichtet. Nach der vergeblichen Tat soll Valentinian II. gesagt haben, dass er sich selbst Gewalt antun wolle, da er, obwohl Kaiser, in seiner Handlungsfreiheit derart eingeschränkt sei.18 Mehrere um Hilfe suchende Briefe, die Valentinian II. an Theodosius schrieb, ließ dieser unbeantwortet und kam als Kaiser im östlichen Reichsteil seinem inzwischen zur Marionette degradierten Kollegen nicht zur Hilfe. Der Konflikt zwischen Valentinian II. und dem Heermeister kam Theodosius wohl nicht ungelegen, da er sich auf

14

 Vgl. Dudden, The Life and Times of St. Ambrose, 414.  Zos. h. n. 4,53,3: „Du hast mir [. . .] die Macht nicht gegeben, du wirst sie mir auch nicht nehmen können.“ Zur Stellung Arbogasts als Heermeister, der sich völlig aus der Abhängigkeit des Kaisers gelöst hat, und zur Diskussion um die Einsetzung Arbogasts durch Theodosius oder durch Akklamation des Heeres vgl. Seibel, Typologische Untersuchungen, 101 – 105. 16   Vgl. Joh. Antioch. fr. 187 (FGH 4, 609). Vgl. dazu Croke, Arbogast and the Death of Valentinian II, 237. 17   Neben dieser Not Valentinians II. weist McEvoy, Child Emperor Rule in the Late Roman West, 96, außerdem auf die unsichere Lage in Italien hin, die aufgrund des Abzugs militärischer Kräfte nach Vienne entstand; vgl. dazu die Furcht in Mailand vor Barbareneinfällen und die Unsicherheit der Verteidigung in Ambr. ob. Val. 2: sed ille non passus, cum audiret Alpes Italiae hoste infestari barbaro, maluit periclitari se, si Gallias derelinqueret, quam nostro deesse periculo. – „Aber er (sc. Valentinian II.) konnte es nicht ertragen, und als er erfuhr, dass die barbarischen Feinde die italischen Alpen unsicher machten, nahm er es lieber in Kauf, sich selbst in Gefahr zu bringen, wenn er Gallien verließe, als der Gefahr, die uns drohte, aus dem Weg zu gehen.“ 18   Vgl. Philost. h. e. 11,1: καὶ γὰρ ἐπερωτήσαντι τῆς τοσαύτης ὁρμῆς τὴν αἰτίαν ἑαυτὸν διαχρήσασθαι Οὐαλεντινιανὸς ὑπεκρίνατο, διότι βασιλεύων οὐδὲν ὧν ἂν βούλοιτο πράττει. – „Denn nach dem Grund für diesen Wutausbruch gefragt antwortete Valentinian, dass er beabsichtigt habe sich umzubringen, weil er, obwohl er Kaiser sei, nichts von dem tun könne, waser wollte.“ Vgl. dazu auch Gleissner, Die Argumentationsweise des Ambrosius, 24, Anm. 181: „Philostorgius glaubte allerdings auch, daß Valentinian, zum Jähzorn neigend, durchaus die Absicht hatte, Arbogast zu töten.“ 15

IV. Die Leichenrede für Kaiser Valentinian II.

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diese Weise auf den Ausbau seiner Macht und die Dynastiebildung konzentrieren konnte.19 Unklar ist, warum Arbogast ein derart gespanntes Verhältnis zu Valentinian II. aufbaute. Möglicherweise ist es eine Reaktion auf das aufkommende Engagement, das Valentinian II. nach dem Tod der Justina entwickelt hat und dem Arbogast kontrollierend entgegenwirken wollte. Auch vermutet Ernst Dassmann, dass sich der Heermeister durch das Verhältnis Valentinians II. zu Ambrosius in seiner Position als leitende Instanz bedroht sah.20 Zu einer Eskalation kam es allem Anschein nach, als Valentinian II. Anfang 392 wegen eines Einfalls größerer Barbarentruppen in Pannonien nach Norditalien aufbrechen wollte, um eine Panik zu verhindern21 und wohl auch um sich der Kontrolle des Arbogast zu entziehen. Dieses militärische Vorhaben aber, das ein Eingreifen in die von Theodosius vorbereitete Übergabe Italiens an seinen Nachkommen bedeuten konnte,22 verhinderte Arbogast mit einer Gefangensetzung Valentinians II. in Vienne. Aus dieser Situation heraus kontaktierte der junge Kaiser Ambrosius mit dem Anliegen, jener solle zu ihm nach Vienne reisen. Der Wunsch nach der Anwesenheit des Bischofs in Vienne muss überaus eindringlich vorgebracht worden sein, betrachtet man den drängenden Ton, den Ambrosius in der Leichenrede wiedergibt: ecce rescriptum accipio, ut sine mora pergendum putarem, eo quod vadem fidei tuae habere me apud comitem tuum velles.23 Ambrosius sollte einerseits dem jungen Kaiser die 19   Gerüchte, nach denen Theodosius bewusst die Hilferufe Valentinians II. ignorierte und insgeheim dessen Tod begrüßte, halten sich bereits in den antiken Quellen sowie in der modernen Forschung, vgl. dazu Zos. h. n. 4,53: ὁ μὲν Οὐαλεντινιανὸς συνεχέσι πρὸς τὸν βασιλέα Θεοδόσιον γράμμασιν ἐχρῆτο, τὴν κατὰ τῆς βασιλείας ἀλαζονείαν τἀνδρὸς ἐξαγγέλλων, καὶ βοηθεῖν παρεκάλει, δραμεῖσθαι πρὸς αὐτόν, εἰ μὴ τάχιστα τοῦτο ποιήσειεν, ἐπομνύμενος· – „Valentinian schrieb häufige Briefe an den König Theodosius, in denen er ihm von den Betrügereien des Mannes gegen den Thron berichtete, ihn um Hilfe rief, wobei er schwor, zu ihm zu eilen, wenn er ihm nicht so schnell wie möglich helfe.“ 20  Vgl. Dassmann, Ambrosius von Mailand, 176: „Störte ihn der von Ambrosius eigens hervorgehobene Eifer, mit dem Valentinian begann, besonnen und verantwortungsbewußt die Regierungsgeschäfte zu übernehmen (ob. Val. 16), nachdem der Einfluß der verstorbenen Mutter und die Einflüsterungen der von ihr abhängigen Hofbeamten verschwunden war? Fühlte er sich womöglich in seinem eigenen Entscheidungsspielraum eingegrenzt, als der immer noch junge Kaiser begann, sich mehr und mehr dem Rat des Ambrosius anzuvertrauen?“ 21  Vgl. Dudden, The Life and Times of St. Ambrose, 415. 22   Die Intervention des Valentinian II. musste Arbogast außerdem überflüssig erscheinen, da die Barbaren den Konflikt bereits von ihrer Seite aus beigelegt hatten, vgl. Seibel, Typologische Untersuchungen, 104. 23   Ob. Val. 25: „Siehe, da bekomme ich ein Reskript, dass ich ohne Verzögerung aufbrechen soll, weil du mich als Bürgen für deine Treue gegenüber deinem comes haben wolltest.“ So auch ep. 25,2 (53): Quin etiam illis ipsis publici doloris diebus, cum sanctos et summos sacerdotes domini intra Gallias haberet, ut a me tamen sacramentis baptismatis initiaretur, scribendum arbitratus est. – „Sogar in diesen Tagen des öffentlichen Schmerzes dachte er daran schreiben zu müssen, dass er, obwohl er heilige und bedeutsame Priester des Herrn in Gallien hatte, dennoch von mir in die Geheimnisse der Taufe eingeführt werde.“

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Taufe spenden, andererseits sollte er wohl auch als Mediator in dem gespannten Verhältnis zwischen Kaiser und magister militum dienen.24 Ambrosius wollte sich gen Norden aufmachen, doch sah er wegen der (falschen) Nachricht, Valentinian II. sei selbst Richtung Mailand aufgebrochen, von einer Abreise vorerst ab.25 Verspätet also brach Ambrosius am 13. Mai 392 auf und erhielt auf halbem Wege die Nachricht vom Tod seines Schützlings, der am 15. Mai tot im Palast in Vienne aufgefunden worden war.26 Damit war Arbogast seiner Marionette beraubt und musste eigentlich fürchten, dass andere Kandidaten angesichts des Machtvakuums die Gelegenheit zur Usurpation ergreifen könnten. Dennoch wartete er erstaunlich lang, bis er auf den Tod reagierte. Erst am 22. August 392, rund drei Monate nach dem Tod des Kaisers, geriet Arbogast offensichtlich in Zugzwang. Da der kaiserliche Hof in Konstantinopel ebenfalls keine Reaktion zeigte – eigentlich wäre mit der Einsetzung des Honorius als Kaiser im Westen zu rechnen gewesen –, ergriff Arbogast die Initiative und ließ den Rhetoriklehrer Flavius Eugenius zum Augustus ausrufen.27 Die zeitliche Verortung der Rede des Ambrosius hängt von der Datierung des Todes Valentinians II. ab, der für den 15. Mai 392 bezeugt ist.28 Nach der Angabe innerhalb der Rede hielt Ambrosius die Leichenrede, nachdem die Schwestern des Kaisers zwei Monate trauern mussten.29 Nach Thomas Kelly beginnt dieser Zeit24  Vgl. ob. Val. 27: sed quanta ego cura inter te et comitem tuum, quanta sedulitate concordiam et gratiam refudissem! – „Aber mit welcher Sorge, mit welchem Eifer hätte ich versucht, die Harmonie zwischen dir und deinem comes wiederherzustellen!“ Zunächst hat Valentinian II. Ambrosius wohl mit der Einberufung eines Konzils nach Vienne gerufen, sodann wurden aber die Bitten geradezu flehentlich, vgl. ob. Val. 25. 25  Vgl. ob. Val. 23 f. 26  Vgl. ob. Val. 27: iam superabam Alpium iuga, et ecce nuntius amarus mihi et omnibus de tanti morte imperatoris. – „Schon hatte ich die Pässe der Alpen hinter mir, siehe, da ist die Botschaft, die so bitter ist für mich und alle Menschen, vom Tode unseres so großen Kaisers.“ 27  Vgl. Rufin. h. e.  2, 32. Zu Eugenius vgl. Johannes Straub, Art. Eugenius, RAC  6 (1966), 860 – 877. 28   Vgl. Epiph. mens. 20: Ἐν δὲ τῇ Ἀρκαδίου Αὐγούστου καὶ Ῥουφίνου ὑπάτου ἐτελεύτησεν Οὐαλεντινιανὸς ὁ νεώτερος, υἱὸς Οὐαλεντινιανοῦ τοῦ μεγάλου, εὑρεθεὶς ἄφνω ἐν τῷ παλατίῳ Τιβέρεως ὡς λόγος πεπνιγμένος ἐν εἰδοῖς Μαΐαις, πρὸ μιᾶς ἡμέρας τῆς Πεντηκοστῆς, ἐν ἡμέρᾳ Σαββάτου. – „Während des Konsulats von Augustus Arcadius und Rufinus starb Valentinian der Jüngere, der Sohn Valentinians des Älteren, den man plötzlich in dem Palast des Tiberius fand, wie es heißt, erhängt an den Iden des Mai, einen Tag bevor Pfingsten, am Sabbattag.“ Die Angabe der Konsuln Arcadius und Rufin verweist bestätigend auf das Jahr 392, vgl. Willy Liebenam, Fasti Consulares Imperii Romani. Von 30 v. Chr. bis 565 n. Chr., Kleine Texte für theologische und philologische Vorlesungen und Übungen 41 / 43, Bonn 1909, 40. Hans Lietzmann / Kurt Aland, Zeitrechnung der römischen Kaiserzeit, des Mittelalters und der Neuzeit für die Jahre 1 – 2000 nach Christus, Sammlung Göschen 1085, Berlin 31956, 22 und 84, zeigen, dass in jenem Jahr Pfingsten auf den 16. Mai fiel. 29  Vgl. ob. Val. 49: duorum mensuum curricula in fraterni funeris cottidiano clausistis amplexu. – „Den Durchlauf von zwei Monaten lang habt ihr in täglicher Umarmung den Leichnam des Bruders umschlossen.“ Zur Verzögerung des Begräbnisses vgl. auch Brief 25, den Ambrosius im Sommer 392 mit der Bitte an Theodosius richtet, der Tote möge endlich bestattet werden, ep. 25,5 (53): Et ipsis igitur consuletur et carissimis exuviis, si adceleretur sepultura, ne aestivo penitus solvantur calore; vix

IV. Die Leichenrede für Kaiser Valentinian II.

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raum mit der Ankunft der Leiche nach der Überführung von Vienne nach Mailand. Dies müsse nach nur wenigen Wochen der Fall gewesen sein,30 wodurch Kelly das Datum für das Begräbnis, in dessen Rahmen Ambrosius die Rede hielt, im August 392 ansetzt. Bernhard Schmitt hingegen geht von einer mehrwöchigen Verzögerung in Vienne aus, begründet mit der Benachrichtigung des Theodosius’ durch Arbogast und dessen Abwarten sowie mit einem längeren Transport, „die damit zu erklären ist, daß der Provinzbevölkerung ausreichend Gelegenheit gegeben werden sollte, den Heimgang des verstorbenen Fürsten angemessen zu betrauern“.31 Er kommt dadurch auf eine Datierung des Begräbnisses in die ersten Wochen im September 392. Es finden sich im Text keine Hinweise darauf, ob die Rede für Valentinian II. im Rahmen eines Gottesdienstes gehalten wurde, wenn auch von einem großen Zeremoniell zu Ehren des Kaisers ausgegangen werden kann, der ja auch selbst zu Lebzeiten regelmäßig Gottesdienste besucht hatte. Angesichts der Vermutung, dass Valentinian II. neben seinem Halbbruder Gratian im Mausoleum Sant’Aquilino der Basilika San Lorenzo bestattet wurde,32 läge es nahe, eine Feierlichkeit in jener Kirche zu verorten. Bei der Frage nach dem liturgischen Ort der Leichenrede muss man beachten, dass Ambrosius vor dem Problem der fehlenden Taufe Valentinians II. in Form eines „zeremoniellen Problems“ stand: Katechumenen erhielten wohl keine feierlichen Begräbnisfeiern.33 Auch dieses Anliegen löst Ambrosius aber mit der Begierdentaufe, indem er in seiner Rede betont, den von Christus getauften Kaiser zu bestatten.

enim superiorem aestatem transegimus. – „Und darum mag es für sie ein Trost sein und auch für den geliebten Leichnam, wenn die Bestattung recht bald stattfindet, damit er nicht durch die sommerliche Hitze völlig aufgelöst werde. Wir haben nämlich kaum die erste Sommerhitze verbracht.“ Ambrosius schlägt auch bereits einen entsprechenden Sarkophag aus Porphyr vor. Zu Brief 25 vgl. Zimmerl-Panagl, Die Totenreden und Epistula 25 des Ambrosius, 190 f. 30   Die Überführung sollte nicht mehr als zwei bis vier Wochen in Anspruch genommen haben. Eine baldige Auslieferung der Leiche sei zudem wahrscheinlich, da es nicht im Sinne Arbogasts sein konnte, Spekulationen über einen Mord aufkommen zu lassen, vgl. Kelly, Sancti Ambrosii Liber de Consolatione Valentiniani, 5. 31   Schmitt, Ambrosius von Mailand und der Tod Kaiser Valentinians II., 111. 32   Vgl. Mark J. Johnson, On the Burial Places of the Valentinian Dynasty, Hist. 40 (1991), 501 –  506. Dass diese Basilika mit der basilica Portiana zu identifizieren sei – was ein gewisser Affront gegen den Toten angesichts des Streits mit Ambrosius um eben jene Kirche gewesen wäre –, wurde von Markus Löx widerlegt, vgl. Markus Löx, Die Kirche San Lorenzo in Mailand. Eine Stiftung des Stilicho?, MDAI.R 114 (2008), 407 – 438. 33  Vgl. Zimmerl-Panagl, Die Totenreden und Epistula 25 des Ambrosius, 191 f. Victoria Zimmerl-Panagl weist darauf hin, dass Ambrosius diese kirchenrechtliche Frage beantworten musste. Nach Johannes Chrysostomos sei es verboten gewesen, den Namen eines toten Katechumenen in der Fürbitte zu nennen und ihnen eine oblatio darzubringen. Beides aber betont Ambrosius in der Leichenrede, vgl. ob. Val. 78: omnibus vos oblationibus frequentabo. quis prohibebit innoxios nominare, quis vetabit conmendationis prosecutione conplecti? – „Euch beiden werde ich meine Opfer feiern. Wer wird mich daran hindern, die Unschuldigen beim Namen zu nennen, wer wird mir verbieten, sie in der Begleitung der Fürbitte zu umschlingen?“

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

4. Die Umstände des Todes des Valentinian II. in der Diskussion Es ist nicht geklärt, wie Valentinian II. zu Tode kam: ob er sich selbst das Leben nahm, oder ob er von Arbogast bzw. in dessen Auftrag ermordet wurde. Nach einer Sichtung der Quellen, die vom Tod Valentinians II. berichten, soll im Folgenden die Leichenrede de obitu Valentiniani des Ambrosius auf die Frage nach den Todesumstände hin untersucht werden. Es soll diskutiert werden, welche Intention Ambrosius mit der spezifischen Ausgestaltung der Leichenrede hatte und ob diese zur Klärung des historischen Ereignisses beitragen kann. Natürlich verbleibt die Rekonstruktion des Todes Valentinians II. spekulativ. M. E. lassen sich die Anspielungen und Konzepte, die Ambrosius in seine Leichenrede einflicht, besser mit einem Suizid harmonisieren als mit einer Ermordung. Dafür muss nach einem Blick auf den Quellenbefund ein Blick auf die möglichen Positionen zu einem Suizid geworfen werden. 4.1 Der Tod Valentinians II. – Mord oder Suizid34 Die antiken Quellen zeichnen ein relativ einheitliches Bild vom den Tod des Kaisers: Valentinian II. wurde, mit einem Strick erhängt, in seinen Gemächern gefunden. Doch schon einer der frühesten Berichte, die Kirchengeschichte des Rufin,35 bleibt bei den Umständen unsicher und bietet zwei Hypothesen als Begründung: Interea Valentinianus in occiduis partibus animis, quantum aetas patiebatur, ardentibus rem publicam gerens causis etiam nunc latentibus laqueo vitam finivit. sed hoc quidam dolo ducis sui Arbogastis factum confirmabant, idque quam maxime publica tenebat opinio. alii a conmissi quidem scelere ducem alienum dicebant, sed causas praestitisse, quibus in hoc adulescens animi indignatione cogeretur, quod minus ei tamquam per aetatem nondum valido libera de omnibus indulgeret imperia.36 34   Treffend sind die lateinische Bezeichnung der mors voluntaria bzw. die griechische des θάνατος ἑκούσιος, die beide die Freiwilligkeit des Aktes der Selbsttötung widerspiegeln. Der wissenschaftliche Begriff „Suizid“ – abgeleitet von suicidium, einer Analogiebildung zu parricidium, – soll in der vorliegenden Untersuchung den umgangssprachlichen Terminus „Selbstmord“ ersetzen, der eine Straftat impliziert und den Täter in den Vordergrund stellt. Zum Begriff „Suizid“ vgl. auch Karl Hoheisel, Art. Suizid, I. Religionsgeschichtlich, TRE 32 (2001), 442 – 445. 35   Der historische Wert der Kirchengeschichte Rufins für die Beurteilung der Todesumstände ist umstritten; Rufin ist in den übersetzten Teilen der historia ecclesiastica oftmals keine valide Quelle, da er an vielen Stellen eigenmächtig in den Text eingreift. Croke, Arbogast and the Death of Valentinian II, 239 hebt aber seine Verlässlichkeit bei zeitgeschichtlichen Ereignissen hervor. Vgl. auch Nathalie Henry, Art. Rufin von Aquileia (um 345 – 407), TRE 29 (1998), 460 – 464, da 462. Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass Rufin die Gerüchte genau kannte, aber über die Todesart nicht vollständig informiert war. 36  Rufin. h. e. 11,31: „Inzwischen hat Valentinian in den vergänglichen, brennenden Teilen seiner Seele, so wie es sein Alter zuließ, als er die Führung des Staates innehatte, aus selbst jetzt noch unbekannten Gründen mit dem Strick sein Leben beendet. Manche aber behaupteten, dies sei durch eine List seines Heerführers Arbogast geschehen, und diese Sicht hatte die öffentliche Meinung vor allem verinnerlicht. Andere sagten, dass dem Feldherrn ein Verbrechen nicht ähnlich sehe, er aber

IV. Die Leichenrede für Kaiser Valentinian II.

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Diese um das Jahr 401 und somit schon kurz nach dem Tod 392 entstandene Einschätzung verdeutlicht die Unsicherheit bezüglich der Hintergründe. Rufin bietet unterschiedliche Motivationen des Todes: Es ist möglich, dass „Depressionen“37, ausgelöst durch die unerträgliche Situation, den jungen Herrscher in den Suizid trieben. Andererseits deutet der Historiograph aber eine „List des Arbogast“ an, die im Hintergrund stand. Eine solche Version der Ermordung des Kaisers durch Arbogast findet sich auch bei Claudian, der als Hofdichter in einem Panegyrikus für Kaiser Honorius den Tod Valentinians II. erwähnt.38 Es spricht einiges dafür, dass darin die offizielle Verlautbarung des kaiserlichen Hofes in Konstantinopel fassbar ist. In Claudians Schilderung wird Arbogast die Schuld am Tod gegeben, wohingegen von der Untätigkeit Theodosius’ abgelenkt wird. Dieser Propagandaversion steht in den antiken Quellen die Hypothese des Suizids des Kaisers gegenüber.39 Ebenso bleibt die moderne Forschung in dieser Frage gespalten und favorisiert bisweilen die Mordhypothese,40 bisweilen die Suizidhypothese.41 Bernhard Schmitt kommt in seiner Analyse der griechischen und lateinischen Quellen sowie in der Diskussion der verschiedenen Forschungspositionen zu dem Ergebnis, dass Arbogast die Ermordung Valentinians II. veranlasst habe – allerdings mit der Relativierung, dass selbst ein Suizid des jungen Kaisers indirekte Folge der Einwirkung Arbogasts sei.42 Meaghan Anne McEvoy dagegen sieht in der VerzöGründe geliefert hätte, durch die der Jüngling in solche Depression getrieben wurde, weil ihm die freie Ausübung seiner Macht in allen Dingen verwehrt wurde, als ob er wegen seines jungen Alters noch nicht bedeutend genug sei.“ 37   Die bei Rufin mit „Depression“ übersetzte Formulierung animi indignatio soll nicht das medizinische Krankheitsbild der Depression im modernen Sinne einer psychischen Störung wiedergeben, sondern vielmehr die in der Antike als „Schwermut“ bezeichnete Unausgeglichenheit der Seele, der μελαγχολία, wobei in dem Fall Valentinians II. vor allem die von außen bewirkte indignatio, die wörtliche „Herabwürdigung“, als Auslöser zu vermuten ist. 38   Vgl. Claudian. 6 cons. Hon. 72 – 76: ausus uterque nefas, domini respersus uterque / insontis iugulo. – „Beide (sc. Arbogast und Eugenius) wagten ein Verbrechen, beide sind besudelt durch den Mord an ihrem unschuldigen Herrn.“ Die Mordversion hat zudem ein Übergewicht bei den griechischen Historikern, vgl. Hofmann, Suizid in der Spätantike, 176. Von einer Ermordung Valentinians II. sprechen auch Philostorgius, h. e. 11,1, Aurelius Victor, epit. 48,7, und Zosimus, h. n. 4,54,3 f. 39   Der Suizid als Todesart findet sich dagegen bei Soz. h. e. 7,22 und Sidon. carm. 5, 354 – 357, auch lässt sich Aug. civ. 5,26 entsprechend deuten. Eine Kombination der beiden Versionen, die besagt, dass Valentinian II. zunächst ermordet wurde und dann an einem Strick aufgehängt wurde, bieten Hieronymus, ep. 60,15,4, und Orosius, hist. 7,35,10. Weitere Untersuchungen der unterschiedlichen Quellentexte haben Hofmann, Suizid in der Spätantike,174 – 176, und Schmitt, Ambrosius von Mailand und der Tod Kaiser Valentinians II., 75 – 82, vorgenommen. 40   Eine gewaltsame Ermordung vermuten etwa Rauschen, Jahrbücher der christlichen Kirche unter dem Kaiser Theodosius dem Grossen, 362 f., Güldenpenning / Ifland, Der Kaiser Theodosius der Große, 174 f., Schmitt, Ambrosius von Mailand und der Tod Kaiser Valentinians II., 63 – 87, Dudden, The Life and Times of St. Ambrose, 417 f. und Rozynski, Die Leichenreden des hl. Ambrosius, 71 Anm. 1. 41  Vgl. McLynn, Ambrose of Milan, 336 f. und Croke, Arbogast and the Death of Valentinian II, 244. 42  Vgl. Schmitt, Ambrosius von Mailand und der Tod Kaiser Valentinians II., 63 – 100, dabei besonders 100.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

gerung des Begräbnisses einen Hinweis auf einen plötzlichen Suizid, da selbst der kaiserliche Hof in Konstantinopel nicht wusste, wie man mit solch einem Ereignis umgehen sollte.43 Von der Unwissenheit der zeitgenössischen und kurz darauf folgenden Quellen ausgehend hält Croke den Suizid des Kaisers ebenfalls für wahrscheinlicher. Valentinian II. sei durch Arbogasts Verhinderung einer Aktion gegen die Barbaren in eine unerträgliche Krise geraten, die sich in dem verzweifelten Rufen nach Ambrosius und schließlich im Suizid niederschlug.44 Ebenso mag aus heutiger Sicht die Interpretation des Handelns Arbogasts den Suizid wahrscheinlicher machen: Der Heermeister ließ ganze drei Monate verstreichen, bis er am 22. August 392 den Rhetoriklehrer Flavius Eugenius als Usurpator ausrief. Dieses Zögern deute, so McEvoy, darauf hin, dass er vom Tod überrascht wurde, und es ist unwahrscheinlich, dass Arbogast ohne genauere Vorbereitungen seine Position durch die Ermordung des Kaisers aufs Spiel gesetzt hätte.45 Die Leichenrede de obitu Valentiniani wird seit je her als geradezu schlagendes Argument gegen den Suizid vorgebracht: Der Bischof hätte dem verstorbenen Kaiser im Falle des Suizids keinesfalls die Erlösung zusichern können. Der Tod Valentinians II. müsse also durch die gewalttätige Ermordung Arbogasts bewirkt worden sein.46 Diese scheinbar eindeutige Beweisführung, die auf der negativen Bewertung des Suizids und auf dem obligatorischen Ausschluss des Suizidenten von der Erlösung aufbaut, steht allerdings zur Debatte. Eine genaue Analyse der Sicht des Ambrosius in der Leichenrede für Valentinian II. zeigt, dass die propagierte Eindeutigkeit seines Verhaltens keinesfalls so klar ist, wie bisweilen formuliert wurde. Es stellen sich nämlich, vor dem Hintergrund der Beurteilung des Suizids im antiken Denken, folgende Fragen: Ist die Verdammung des Suizidenten Ambrosius’ einzige Möglichkeit, auf einen Suizid zu reagieren? Lässt sich aus der Zusicherung der Erlösung Valentinians II. so ohne weiteres der Suizid ausschließen? Im Folgenden soll 43

 Vgl. McEvoy, Child Emperor Rule in the Late Roman West, 97, die sich hier auf die Interpretation des Briefes 25 des Ambrosius an Theodosius bei Lunn-Rockliffe, Ambrose’s Imperial Funeral Sermons, 197 f. stützt. Johnson, On the Burial Places of the Valentinian Dynasty, 503 geht davon aus, dass der Leichnam zwei Monate unbestattet in Mailand lag. Die Verzögerung des Verfahrens hing wohl auch mit den Überlegungen der Nachfolge des Verstorbenen zusammen und der Frage, welcher der Söhne des Theodosius den Westen übernehmen sollte, gepaart mit der problematischen Stellung des Arbogasts, dem die Loyalität der Soldaten in Gallien galt, vgl. Schmitt, Ambrosius von Mailand und der Tod Kaiser Valentinians II., 44 – 45. 44  Vgl. Croke, Arbogast and the Death of Valentinian II, 240. 45  Vgl. McEvoy, Child Emperor Rule in the Late Roman West, 97. Schmitt, Ambrosius von Mailand und der Tod Kaiser Valentinians II., 46 – 47, sieht in dem Abwarten Arbogasts keinen Putschversuch: „Offensichtlich durch die reserviert abwartende Haltung des Theodosius ermutigt und in der Hoffnung auf die stillschweigende Duldung des Augustus ließ Arbogast Eugenius mit dem Purpur bekleiden.“ 46  Vgl. Hofmann, Suizid in der Spätantike, 172: „Im Falle einer Selbsttötung habe Ambrosius niemals solche Äußerungen verlauten lassen und dem Kaiser erst recht nicht nachträglich die Taufe zukommen lassen können, da der Suizid nach christlicher Moral als Sünde gegolten habe.“ So auch Schmitt, Ambrosius von Mailand und der Tod Kaiser Valentinians II., 65 f. und Kelly, Sancti Am­brosii Liber de Consolatione Valentiniani, 35.

IV. Die Leichenrede für Kaiser Valentinian II.

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darum – unter der Annahme des Suizids des Kaisers – die Bewertung eines solchen Todes untersucht werden. 4.2 Die Bewertung des Suizids in der Antike Um nachzuvollziehen, wie ein antiker Bischof auf einen, aufgrund von depressiven Zuständen mittels Strangulation durchgeführten Suizid konnte, und mit welchen Mitteln eine Kompensation eines solchen Todes möglich gewesen wäre, ist ein Blick auf die Bedeutung und Bewertung des Suizids im paganen und christlichen Denken der Antike sowie im Speziellen im Werk des Ambrosius notwendig.47 4.2.1 Die Bewertung des Suizids als gesellschaftliches Phänomen Die zahlreichen Darstellungen von Suiziden berühmter Personen in der griechischrömischen Literatur verleihen den Eindruck, dass die Antike eine suizidfreundliche Phase gewesen sei. Doch wird man annehmen müssen, dass dies ein einseitiges Bild ist. Anton van Hooff korrigiert diese Einschätzung: Zwar kann er zahlreiche Suiziddarstellungen und Fälle von Selbsttötungen ausfindig machen, jedoch gibt er zu Bedenken, dass die Anzahl auf die Bevölkerung des Reiches nicht unbedingt höher ist als in moderneren Epochen der westlichen Zivilisation..48 Wichtiger für die vorliegende Untersuchung allerdings sind van Hooffs Hinweise zur Methode der Selbsttötung:49 auf den ersten Plätzen rangieren dabei der Tod durch eine Waffe, das Erhängen und der aktive Sturz in den Tod.50 Während der Suizid durch das Schwert oder andere Waffen als besonders ehrenwerter Tod beurteilt wurde, stellte der Suizid durch Erhängen (laqueo vitam finire), der im Falle Valenti­nians II. überliefert ist, in der römischen Gesellschaft zwar eine relativ häu47

  Der folgende Exkurs kann nur ansatzweise die Bedeutung und Bewertung des Suizids in der Antike nachvollziehen und konzentriert sich vorrangig auf die Aspekte, die einen römischen Bischof in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhundert mit größter Wahrscheinlichkeit beeinflussen konnten. 48   Vgl. Anton J. L. van Hooff, Vom „willentlichen Tod“ zum „Selbstmord“. Suizid in der Antike, in: Andreas Bähr Bähr / Hans Medick (Hgg.), Sterben von eigener Hand. Selbsttötung als kulturelle Praxis, Köln 2005, 23 – 44, 24 f.: „Wenn es so etwas wie ein ständiges Mittelmeermodell gibt, muss man sogar annehmen, dass auch in der Antike die Ziffern ziemlich niedrig gewesen sind. Aber dies ist alles Spekulation.“ 49   Vgl. Anton J. L. van Hooff, From Autothanasia to Suicide. Self-killing in Classical Antiquity, London 1990, 40 – 78, wo neben den folgenden noch jene weiteren genannt werden: der Tod durch Hungern, Provokation anderer, Verbrennen und Gift. 50   Zur Verteilung vgl. genauer van Hooff, From Autothanasia to Suicide, 42, wo Anton van Hooff angesichts 626 untersuchter Fälle von 115 Suizide durch Erhängen spricht, was einem Anteil von 18 % entspricht. Zudem kann er aufzeigen, dass diese Todesart bei Frauen mit 34 % die vorrangige ist, während bei Männern nur in 13 % der Fälle der Suizid durch Strangulation belegt ist. Unter den männlichen Suizidenten ist mit 46 % der Selbsttötungen der Tod durch Waffen der häufigste modus moriendi. Zum Suizid durch Sturz auch Hoheisel, Art. Suizid, I. Religionsgeschichtlich, 442, mit dem Hinweis auf die sexagenarii de ponte bzw. die depontani senes, die sich aus Verzweiflungsgründen von Brücken stürzten.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

fige, jedoch äußerst negativ bewertete Todesart dar.51 Als foeda mors galt der Suizid durch Strangulation sowohl vor dem Gesetz als auch in der Gesellschaft als „feige Tat“ und hatte in Prozessen bei Vollzug durch Angeklagte den Geruch des Schuldeingeständnisses.52 Er galt außerdem als besonders gebräuchlich unter Frauen und Sklaven. Generell wurde der Suizid durch Strangulation als „death of the desperate“53 verstanden, da er an der Leiche durch die Entstellung nach dem einsetzenden Tod nach antikem Denken Hinweise auf sein Elend nach dem Tod hinterlässt. So zeigt van Hooff, dass der Suizid durch Erhängen in der antiken Bewertung als die niedrigste Form angesehen werden muss: Er sei „in the recording of historical cases the method less and less befits those who care for their dignity.“54 Neben dem modus moriendi untersucht van Hooff mögliche causae moriendi. Folgende nach Häufigkeit geordnete Suizidmotive gibt er dabei an: pudor, desperatio, dolor, necessitas, fides, devotio, impatientia, iactatio, exsecratio, furor, taedium vitae und mala conscientia.55 Die Berichte über die Konflikte und das Verhalten Valentinians II. vor seinem Tod lassen mehrere Motivationen zu, die je unterschiedliche Bewertungen in der antiken Gesellschaft erfahren haben. Aufgrund des abergläubischen Hintergrundes weniger wahrscheinlich ist die sehr spezifische und seltene exsecratio, die bei van Hooff genauer als „Rache des Schwachen“ definiert wird: durch den weithin sichtbaren Suizid in den Räumen des Peinigers soll dieser verflucht werden.56 Ähnlichen Impetus ohne Verfluchungscharakter hat die iactatio, die würdevolle, zeichensetzende Selbsttötung in der Öffentlichkeit,57 die jedoch mit dem stillen Ende Valentinians II. nicht übereinstimmt. Es bleibt die desperatio, die Verzweiflung, als causa moriendi, die unter den untersuchten Fällen van Hooffs mit 349 Vorkommnissen nach dem pudor58 den zweithöchsten Anteil bildet.59 Ein Suizid als Verzweiflungstat galt als Zeichen der Schwäche.60 In diesen Bereich fiele der mögliche Suizid Valentinians II., der den verzweifelter Ausweg aus der bedrängten Lage durch Arbogast darstellte. 51  Vgl. van Hooff, From Autothanasia to Suicide, der in dem Kapitel „The rope of ghastly death“ auf diesen modus moriendi eingeht, und ders., Vom „willentlichen Tod“ zum „Selbstmord“, 25 f. 52  Vgl. van Hooff, From Autothanasia to Suicide, 69. 53   Vgl. a. a. O., 70 f., der außerdem auf die Thematik des Erhängens im antiken Humor hinweist: „Suspendium was the only means which generated black humour. [. . .] In these jokes hanging merely underlines the miserable character of the ridicoulous protagonists.“ 54   A. a. O., 78. 55   Vgl. a. a. O., 25 – 43. 56   Van Hooff, From Autothanasia to Suicide, 31 f. Anton van Hooff gibt als Beispiel den Fall des Melissos an, der, um die Mörder seines Sohnes zu verfluchen, die Götter um Rache anflehte und sich anschließend in den Tod stürzte, vgl. Plut. mor. 773A – B. 57  Vgl. Van Hooff, From Autothanasia to Suicide, 129 f. 58   Die Deutung des Suizids als Ehrenrettung Valentinians II. wäre zwar möglich, doch spricht der modus moriendi gegen eine solche Annahme. In der klassischen Literatur wird jener Suizid meist mit dem Tod durch das eigene Schwert, etwa im Fall des Aias und der Lucretia, vollzogen. 59   Vgl. a. a. O., 39. 60  Zur desparatio vgl. a. a. O., 85 – 94.

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4.2.2 Die Bewertung des Suizids in der antiken Philosophie Nach der Einordnung des Todes Valentinians II. in die allgemeine gesellschaftliche Beurteilung des Suizids, soll eine kurze Darstellung der Bewertung des Suizids in den antiken Philosophenschulen erfolgen, die die Basis für die Einschätzung des Ambrosius bieten. Die paganen Philosophen bieten das Konzept des Philosophentodes im Sinne eines würdigen, selbstbestimmten Sterbens, das seine Grundlage in der negativen Bewertung des Körpers bzw. der Materie bei Platon hat.61 Unter normalen Umständen, so Platon, habe der Mensch nicht das Recht, seine Seele eigenmächtig aus dem Kerker des Körpers zu befreien.62 Nur bestimmte, notwendige Gründe können einen Suizid entschuldigen bzw. legitimieren, die Platon im Phaidon darlegt: Im Falle einer von Gott angewiesenen ἀνάγκη, etwa eines schmerzvollen und ausweglosen Zustands oder einer untilgbaren Schande, sei der Suizid vertretbar.63 Die Stoa, die den Tod ebenso als Trennung von Seele und Leib definiert und als bonum bewertet, nimmt eine positivere Stellung ein, nach der der Suizid unter manchen notwendigen Gegebenheiten sogar vom λόγος bzw. der ratio gefordert wird. Nach Seneca bestünde neben der schwindenden Lebensqualität im hohen Alter eine solche Notwendigkeit in der Unmöglichkeit eines ehrbaren Lebens bzw. in einem drohenden Absturz in ein ehrloses Leben.64 Als Grund muss dem Suizidgedanken jedoch eine causa iusta zugrunde liegen, sodass der religiöse Suizid als ein „Ideal des selbstbeherrschten Sterbens“ gelten kann, während ein überstürzter und unüberlegter, von den Affekten ausgelöster Suizid abgelehnt wird.65 61   Zur Bewertung des Suizids im antiken philosophischen Denken vgl. Hofmann, Suizid in der Spätantike, 24 – 41 und Hartwin Brandt, Am Ende des Lebens. Alter, Tod und Suizid in der Antike, Zet. 136, München 2010, 87 – 106. 62   Vgl. Plat. Phaid. 62B – C: ὁ μὲν οὖν ἐν ἀπορρήτοις λεγόμενος περὶ αὐτῶν λόγος, ὡς ἔν τινι φρουρᾷ ἐσμεν οἱ ἄνθρωποι καὶ οὐ δεῖ δὴ ἑαυτὸν ἐκ ταύτης λύειν οὐδ᾽ ἀποδιδράσκειν, μέγας τέ τίς μοι φαίνεται καὶ οὐ ῥᾴδιος διιδεῖν: [. . .] ἴσως τοίνυν ταύτῃ οὐκ ἄλογον μὴ πρότερον αὑτὸν ἀποκτεινύναι δεῖν, πρὶν ἀνάγκην τινὰ θεὸς ἐπιπέμψῃ [. . .]. – „Aber die Lehre nun darüber in den geheimen Reden, dass wir in einer Art Gefängnis sind und man sich weder selbst aus diesem freimachen dürfe, noch davongehen dürfe, die scheint mir eine wichtige und nicht leicht zu durchblicken. [. . .] So also wäre es nicht unvernünftig, dass man sich nicht selbst töten dürfe, bevor der Gott irgendeine Notwendigkeit dazu verhängt hat [. . .]?“ 63   Vgl. so auch Plat. leg. 873C. Auch ist es möglich, dass Platon einen Alterssuizid infolge einer Depression, die durch die Nachricht eines tragischen Verlusts in der Familie ausgelöst wird, als akzeptabel bezeichnen konnte, vgl. Brandt, Am Ende des Lebens, 49 und Rainer Thiel, Philosophie als Bemühung um Sterben und Tod. Tugendlehre und Suizidproblematik bei Platon und den Neuplatonikern, AuA 47 (2001), 21 – 40, 22 f. 64   Vgl. Sen. ep. 70,6: bene autem mori est effugere male vivendi periculum. – „Gut zu sterben bedeutet, der Gefahr eines schlechten Lebens zu entkommen.“ Berühmt wurden dabei natürlich der Tod des Cato Uticensis (46 v. Chr.), vgl. Sen. ep. 24,6 – 8, und der Tod Senecas selbst (65 n. Chr.), der von Tacitus eindrücklich überliefert wird, vgl. ann. 15,60,2 – 15,67. Eine ähnliche Position nimmt der Epikureismus ein, vgl. Brandt, Am Ende des Lebens, 45 – 56. 65   Vgl. a. a. O., 23 und Hofmann, Suizid in der Spätantike, 34. Abgelehnt wird in der Stoa ein Suizid aus Leidenschaft, Weichlichkeit, falscher Scham und Feigheit.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Von besonderer Bedeutsamkeit für das Denken der Gebildeten im vierten Jahrhundert sowie für die Einstellung des Ambrosius zum Suizid ist dessen Bewertung im Neuplatonismus. Auszugehen ist dabei von Plotins Traktat „Über die Bewertung des Selbstmordes“ (enn. 1,9: περὶ εὐλόγιου ἐξαγωγης). Plotin untersagt dort den ­Suizid, da dieser die Seele eigenmächtig aus dem Körper reißt, jedoch keine vollständige Trennung der beiden ermöglicht. Die Seele soll sich jedoch in philosophischer Askese vom Körper lösen, um deren völlige Freiheit zu gewährleisten. Der künstlich herbeigeführte Suizid wäre nur eine bequeme Abkürzung. Die Selbsttötung würde zudem der Seele Teile ihrer Apathie nehmen.66 Es bleiben dem Philosophen allerdings notwendige Umstände, die den Suizid rechtfertigen. Als Beispiele nennt Plotin den Wahnsinn67, Gefangenschaft und durch Krankheit ausgelöste Schmerzen.68 4.2.3 Die Bewertung des Suizids in der christlichen Tradition Die christliche Religion in der Spätantike hat im Hinblick auf das biblischen Zeugnis noch keine eindeutige Stellung zum Suizid.69 Nur wenige Fälle von Suizid finden sich im Alten und Neuen Testament, wobei an den betreffenden Stellen weder eine Befürwortung noch eine Ablehnung des Suizids erkennbar ist.70 In der paulinischen Literatur findet sich eine hohe Todessehnsucht, gespeist aus der Jenseitsvorstellung und abgebildet in Phil 1,21 – 24; ein klares Votum zum Suizid aber lässt sich daraus nicht extrahieren.71 Allerdings bildet sich bereits ein biblisches Fundament des Märtyrertums – und somit einer positive Konnotation des selbstbestimmten Sterbens für Christus heraus.72 66

 Vgl. Thiel, Philosophie als Bemühung um Sterben und Tod, 28 – 33.   Vgl. Plot. enn. 1,9: Εἰ οὖν ἀρχὴν αἴσθοιτο τοῦ ληρεῖν; [. . .] εἰ δὲ καὶ γένοιτο, τάττοιτ’ ἂν ἐν τοῖς ἀναγκαίοις τοῦτο καὶ ἐκ περιστάσεως αἱρετοῖς, οὐχ ἁπλῶς αἱρετοῖς. – „Wenn er nun den Beginn des Wahnsinns merken sollte? [. . .] Wenn das geschehen sollte, dann ist dies unter die notwendigen Dinge zu rechnen, für die man sich unter Umständen, aber nicht einfach so zu entscheiden hat.“ 68   Vgl. Plot. enn. 1,4,7 f.: Καὶ πολλοὶ δὴ καὶ ἄμεινον αἰχμάλωτοι γενόμενοι πράξουσι. Καὶ ἐπ’ αὐτοῖς δὲ βαρυνομένοις ἀπελθεῖν. [. . .] Τὸ δὲ τῶν ἀλγηδόνων αὐτοῦ, ὅταν σφοδραὶ ὦσιν, ἕως δύναται φέρειν, οἴσει· εἰ δὲ ὑπερβάλλουσιν, ἐξοίσουσι. – „Vielen wird es ja sogar in der Gefangenschaft besser gehen. Und es ist ihnen überlassen, dem Druck zu entgehen. [. . .] In Bezug auf seinen Schmerzen, wenn sie stark sein sollten, wird er sie tragen, solange er sie tragen kann. Wenn sie aber über ihn hinauswachsen, werden sie ihn hinaustragen.“ 69   Zur Bewertung des Suizids im christlichen Denken vgl. vor allem Hofmann, Suizid in der Spätantike, 42 – 63. 70   Vgl. die Suizide von Abimelech (Ri 9,50 – 56), Samson (Ri 16,28 – 31), Saul (1 Sam 31,4 – 13 par 1 Chron  10,4 – 14), Ahitofel (2 Sam  17,23), Simri (1 Kön  16,18 – 20), Eleaser (1 Makk  6,43 – 46), Ptolemaios Makron (2 Makk 10,12 f.), Rasi (2 Makk 14,41 – 46) und Judas Iskariot (Mt 27,5). Zum Suizid in der Bibel vgl. Hoheisel, Art. Suizid, I. Religionsgeschichtlich, 442 – 445. Zur Bewertung einzelner biblischer Suizide vgl. Jean-Pierre Sonnet / André Wénin, La mort de Samson. Dieu bénit‑il l’attentat suicide ? De la nécessité de mieux lire, Revue Théologique de Louvain 35 (2004), 372 – 381 und Lilly Nortje-Meyer, Matthew’s Motive for the Composition of the Story of Judas’s Suicide in Matthew  27:3 – 10, Neotestamentica 28 (1994), 41 – 51. 71  Vgl. Hofmann, Suizid in der Spätantike, 44 f. 72   A. a. O., 45: „Die Todessehnsucht mit der gleichzeitigen Leidensbereitschaft ist es, die oft die christlichen Märtyrer auszeichnet, so daß die Verteidigung und Rechtfertigung des Martyriums den hauptsächlichen Kontext darstellt [. . .].“ 67

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Die meisten Suizide, die in der christlichen Tradition der Antike und Spätantike reflektiert werden, fallen in diesen Bereich. Doch auch hier entstehen unterschiedliche Ansichten unter den christlichen Autoren. Eine Ablehnung des Suizids erfolgt aus dem Argument des Schöpferwillens und der Freude Gottes am Leben, so etwa bei Justin dem Märtyrer, der sich gegen eine übertriebene Martyriumssehnsucht wendet.73 Stärker differenzierend zwischen Martyrium und Suizid verurteilt Clemens von Alexandrien den letzteren vehement.74 Allein die Märtyrer sind zu rühmen und selig zu preisen als „die um der Gerechtigkeit willen Verfolgten“.75 Die Gründe, die Clemens zu dieser Bewertung bewegen, liegen in der Sorge um die Harmonie zwischen Körper und Seele: Erst die Erfahrung des Lebens eröffnet die Möglichkeit der Erkenntnis.76 Eine positive Bewertung des Suizids, die sich auf den suizidfreundlichere Kontext der paganen Philosophie und auf die Ausbildung der Martyriumstheologie gründet, lässt sich bei Tertullian finden. So ruft der karthagische Schriftsteller in seinem Werk ad martyras zur militia Christi auf und führt eine Liste von heidnischen Beispielen für den ehrenvollen Suizid an.77 Tertullian kommt bei dieser Thematik auch auf das wirkmächtige Konzept der Bluttaufe zu sprechen, das lauacrum sanguinis. In der 73   Vgl. Just. 2 Apol. 4: οὐκ εἰκῆ τὸν κόσμον πεποιηκέναι τὸν θεὸν δεδιδάγμεθα, ἀλλ’ ἢ διὰ τὸ ἀνθρώπειον γένος [. . .]. εἰ οὖν πάντες ἑαυτοὺς φονεύσομεν, τοῦ μὴ γεννηθῆναί τινα καὶ μαθητευθῆναι εἰς τὰ θεῖα διδάγματα, ἢ καὶ μὴ εἶναι τὸ ἀνθρώπειον γένος, ὅσον ἐφ’ ἡμῖν, αἴτιοι ἐσόμεθα, ἐναντίον τῇ τοῦ θεοῦ βουλῇ καὶ αὐτοὶ ποιοῦντες ἐὰν τοῦτο πράξωμεν. – „Man hat uns gelehrt, dass Gott den Kosmos nicht ohne Zweck geschaffen hat, sondern für das menschliche Geschlecht. [. . .] Wenn wir uns nun alle selbst töten würden, wären wir, soviel es von uns kommt, daran schuld, dass niemand mehr geboren und in den göttlichen Lehren gelehrt würde, und auch, dass das menschliche Geschlecht nicht mehr existieren würde, indem wir in solchem Betreiben gegen den Willen Gottes handeln.“ 74   Vgl. Clem. Strom. 4,4,17: ψέγομεν δὲ καὶ ἡμεῖς τοὺς ἐπιπηδήσαντας τῷ θανάτῳ· εἰσὶ γάρ τινες οὐχ ἡμέτεροι, μόνου τοῦ ὀνόματος κοινωνοί, οἳ δὴ αὑτοὺς παραδιδόναι σπεύδουσι τῇ πρὸς τὸν δημιουργὸν ἀπεχθείᾳ, οἱ ἄθλιοι θανατῶντες. τούτους ἐξάγειν ἑαυτοὺς ἀμαρτύρως λέγομεν, κἂν δημοσίᾳ κολάζωνται. – „Aber auch wir tadeln die, die in den Tod springen. Dies sind nämlich Leute, die nicht zu den Unsrigen gehören, sie tragen nur den gleichen Namen; sie liefern sich eilends aus, nur aus Hass gegenüber dem Schöpfer der Welt, Jämmerliche, die sich wünschen zu sterben. Solche bringen sich selbst um, ohne Märtyrer zu sein, sagen wir, auch wenn sie von Staats wegen bestraft werden.“ 75  Clem. Strom. 4,6,41 und Mt 5,10. 76  Clem. Strom. 4,4,18: διὰ γὰρ τοῦ ζῆν καὶ τῆς ὑγείας ὁδεύοντες ἐκμανθάνομεν τὴν γνῶσιν. – „Denn durch das Leben und die Gesundheit hindurchgehend verstehen wir die Erkenntnis richtig.“ Vgl. Hofmann, Suizid in der Spätantike, 48 mit dem Hinweis auf Plat. Rep. 410C. Dagmar Hofmann weist zudem auf auf eine erste Annäherung an das Tötungsgebot des Dekalogs hin, vgl. a. a. O., 49: „Auch wenn Clemens sich nicht direkt gegen Selbsttötung, sondern lediglich gegen Selbstauslieferung und Provokation wendet, wirft er mit diesen Worten eine Möglichkeit der christlichen Argumentation gegen das 5. Gebot ‚Du sollst nicht töten‘. Er geht allerdings nicht so weit, den Suizid selbst unter dieses Gebot zu stellen, sondern argumentiert über die Schuld des Mörders, an der das Opfer durch seine Provokation teilhat.“ 77   Vgl. Tert. ad Mart. 4. Tertullian nennt hier Lucretia, die Philosophen Heraklit, Empedokles und Peregrinus, außerdem die Karthager Dido und Hasdrubal, den römischen Feldherrn Regulus und Kleopatra VII. Philopator.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Bluttaufe sieht er den einzig möglichen Ersatz für eine nicht stattgefundene Wassertaufe, wobei das Blut nicht weniger wirksam sei als das Wasser.78 Der Bischof Cyprian von Karthago gibt ein eher zurückhaltendes Urteil hinsichtlich des suizidalen Martyriums ab. Wohl abgeleitet aus seiner eigenen Biographie79 bewertet er die Vermeidung des Martyriums nicht als feige, sondern als adäquate Form der Prüfung, solange man sich nicht selbst ausliefert.80 Eine definitive Verurteilung des Suizids als mit der christlichen Lehre keinesfalls zu vereinbarendes Verbrechen findet sich bei Lactanz, der das Tötungsverbot des Dekalogs auch auf den Suizid anwendet.81 Begründet wird diese Sicht neben der Argumentation mit der Schrift erneut mit der platonischen Vorstellung von der Lösung der Seele vom Körper allein aufgrund göttlicher Ordnung. Explizit wendet sich Lactanz gegen die philosophische Selbsttötung, die er als sceleratum et nefarium disqualifiziert.82 Diese Sicht findet ihren Höhepunkt bei Augustinus, der in de civitate Dei den Suizid als „Selbstmord“ bezeichnet: qui se ipsum occidit, homicida est.83 Augustinus hält den Suizid für eine Sünde, selbst wenn er als Rettung der eigenen Ehre herangezogen wird.84 Obwohl auch Augustinus Ausnahmen von dieser Verur78   Vgl. Tert. bapt. 16,2: Est quidem nobis etiam secundum lavacrum, unum et ipsum, sanguinis scilicet, [. . .] hos duos baptismos de vulnere percussi lateris emisit, quia qui in sanguinem eius crederent aqua lavarentur, qui aqua lavissent et sanguine oporterent. hic est baptismus qui lavacrum et non acceptum repraesentat et perditum reddit. – „Es gibt für uns natürlich noch eine zweite Reinigung, die auch nur eine ist: die des Blutes nämlich [. . .] Diese beiden Taufen hat er aus der Wunde seiner geschlagenen Seite hervortreten lassen (vgl. Joh 19,34), weil die, die an sein Blut glaubten, mit Wasser gewaschen werden, und die, die mit Wasser abgewaschen wären, auch des Blutes bedürften. Diese ist die Taufe, die das Bad, wenn es nicht empfangen wurde, (in anderer Form) vergegenwärtigt und das Verlorene zurückgibt.“ Vgl. dazu auch Franz Dölger, Tertullian und die Bluttaufe. Tertullian De baptismo 16, AuC 2 (1930), 117 – 141. 79   Cyprian hatte selbst im Jahre 250 / 51 während der Decischen Verfolgungswelle seine Gemeinde verlassen und kam aus sicherer Entfernung seinen episkopalen Pflichten nach, vgl. Maurice Bévenot, Art. Cyprian von Karthago, TRE 8 (1981), 246 – 254, 246. 80   Vgl. Cypr. ep. 1,5; 81,4. 81   Vgl. Lact. inst. 3,18,6: nam si homicida nefarius est, quia hominis extinctor est, eidem sceleri obstrictus est qui se necat, quia hominem necat. – „Denn wenn der Mörder ein Frevler ist, weil er der Zerstörer eines Menschen ist, dann ist derjenige, der sich umbringt, des gleichen Verbrechens schuldig, weil er einen Menschen umbringt.“ 82  Lact. inst. 6,17,25: item uirtus est mortem contemnere, non ut adpetamus eamque nobis ultro inferamus, sicut philosophorum plurimi et maximi saepe fecerunt, quod est sceleratum ac nefarium. – „Ebenso ist die Verachtung des Todes eine Tugend, aber nicht so, dass wir ihn begehren und für nichts erleiden, wie es viele der bedeutendsten Philosophen oft getan haben – das ist etwas Unheilvolles und Schändliches.“ 83  Aug. civ. 1,17: „[. . .] wer sich selbst tötet, ist ein Mörder.“ Vgl. auch civ. 1,26: hoc dicimus [. . .] neminem spontaneam mortem sibi inferre debere velut fugiendo molestias temporales [. . .], quia reos suae mortis melior post mortem vita non suscipit. – „Dies sagen wir [. . .], dass niemand sich freiwillig töten darf, als ob er fliehen würde vor zeitlichen Bedrängnissen [. . .], da diejenigen, die des eigenen Todes angeklagt sind, erwartet kein besseres Leben nach dem Tod.“ 84   Zu dieser Einstellung und deren Hintergründe auf Basis seiner Willensdebatte vgl. Makiko Sato, The Prohibition of Suicide for Affirmation of Human Beings by Augustine, Scrinium  11 (2015), 135 – 142.

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teilung kennt, wurde im weiteren Verlauf der Kirchengeschichte die Identifikation von Selbsttötung und Tötung rezipiert. So kam es zu einer immer stärkeren Herabsetzung von Suizidenten im kirchlichen Rahmen. Als Übernahme aus der rechtlichen Sphäre wurde der Suizid im Sinne eines Schuldeingeständnisses verstanden, das vor allem im sechsten Jahrhundert auf die Bestattungsregeln Einfluss nahm. So finden sich im Konzil von Braga, das im Jahr 561 stattgefunden hat, Canones, die im Falle eines Suizids Totenmessen und feierliche Leichenbegräbnisse untersagen.85 4.2.4 Die Bewertung des Suizids in den Werken des Ambrosius Ambrosius selbst wendet sich an mehreren Stellen in seinem Werk dem Thema des Suizids zu. Generell abwertend äußert er sich über den Suizid als Folge übermäßiger Todesangst und Trauer und stellt den Suizidenten den Aufenthalt in der Hölle in Aussicht.86 Ausgehend von der Simeon-Episode (Lk 2,25 – 35) und seiner Interpretation des Gehorsamsbegriffs drückt Ambrosius in bon. mort. 2,7 seine Abneigung gegen den Suizid aus, indem er ihn als Wendung gegen den Willen Gottes wertet. Der Suizident handle wie ein desertierender Soldat gegenüber seinem Heerführer.87 Diese Wertung spiegelt die Haltung der paganen Philosophie wider, die den Suizid als einen Rückzug aus der Verantwortung gegenüber dem Göttlichen und der Gesellschaft sehen kann. Doch genau wie etwa Platon und Plotin auf die ἀνάγκη als legitimen 85   Vgl. Conc. Brag. I, Can. 16. Dieselbe Regelung traf hingerichtete Verbrecher. Diese Kanonisierung und weitere Interpretationen des Suizids im sechsten und siebten Jahrhundert gehen auf die Ablehnung des Suizids durch Augustinus zurück. Vgl. dazu auch Hofmann, Suizid in der Spätantike, 52 – 80 und Anna Christ-Friedrich, Art. Suizid, II. Theologisch, TRE 32 (2001), 445 – 453, besonders 445 – 448. Zur Bewertung des Suizids von bedrängten Jungfrauen als Befehl Gottes vgl. civ. 1,17 – 27. Dass die spätere Kirchengesetzgebung an Augustinus in manchen Teilen vorbeigeht, beschreibt Melanie Webb, Abraham, Samson, and ‚Certain Holy Women‘. Suicide and Exemplarity in Augustine’s De ciuitate dei 1.26, in: David Vincent Meconi (Hg.), Sacred Scripture and Secular Struggles. The Bible in Ancient Christianity 9, Boston 2015, 199 – 234. 86  Vgl. exc. Sat. 2,11: Quantos ad laqueum inpulit, armavit ad gladium, ut in eo ipso amentiam suam proderent, mortem non ferentes, et mortem appetentes.  – „Wie viele Menschen trieb dies (sc. der ungezügelte Schmerz bzw. die Angst vor dem Tod) zum Strick, wie viele rüstete dies mit dem Schwert aus, sodass sie genau dadurch ihre Verrücktheit verrieten, dass sich solche seien, die den Tod nicht ertragen können und (darum) den Tod ersehnen.“ Zum Schicksal der Suizidenten in der Hölle siehe unter A.II.8. 87  Vgl. bon. mort. 2,7: Christus enim rex noster est: ideo quod rex iubet deserere non possumus et contemnere. quantos imperator terrae huius in peregrinis locis aut honoris specie aut muneris alicuius causa iubet degere! numquid hi inconsulto imperatore discedunt? Et quanto amplius est divinis parere, quam humanis. – „Denn Christus ist unser König. Was also der König befiehlt, das können wir nicht vernachlässigen und geringschätzen. Wie viele Männer lässt ein Herrscher dieser Erde an fremden Orten ihr Leben verbringen – unter dem Schein der Ehre oder um irgendeiner Belohnung willen? Verlassen die denn ihren Posten, ohne den Herrscher zu Rate zu ziehen? Und wie viel wichtiger ist es, den göttlichen Dingen zu gehorchen als menschlichen Ansichten.“ In die gleiche Argumenta­ tionsrichtung geht im Folgenden dann auch der Hinweis auf Paulus und die Notwendigkeit der irdischen Existenz, vgl. Niederhuber, Die Eschatologie des heiligen Ambrosius, 18.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Grund des Freitodes hinweisen, schildert auch Ambrosius in de virginibus eine Situa­ tion, die eine Ausnahme bildet: den Suizid der Jungfrau als Form des Martyriums. Ambrosius’ Schwester Marcellina fragt den Bischof, was von Frauen zu halten sei, die Suizid begingen, um nicht den Verfolgern in die Hände zu fallen, da ja die biblischen Schriften verbieten, dass ein Christ sich selbst Gewalt antue.88 Der Bruder antwortet mit der Episode über die antiochenische Jungfrau Pelagia.89 Ambrosius lässt die15‑jährige Pelagia, die von Vergewaltigern verfolgt wurde, selbst das Wort ergreifen und ihre Entscheidung zu einem Tod aus Glauben vortragen: Moriamur, si licet, uel si nolunt licere, moriamur. Deus remedio non offenditur et facinus fides ablevat.90 Ambrosius stellt den Tod, wie auch andernorts in philosophischen und theologischen Schriften, als Heilmittel (remedium) dar, allerdings relativiert er ihn im Gegensatz zu den anderen Stellen. Während der natürliche Tod als remedium und finis peccati Teil der Gnade Gottes ist, ist an dieser Stelle textlich klar, dass der Suizid Gott entgegensteht: er ist das Unerlaubte, das facinus. Pelagia ist sich des Sündencharakters des Suizids bewusst, doch gelangt sie durch die Güterabwägung zum Entschluss, dass Gott diesen Tod unter den gegebenen Umständen der bevorstehenden Vergewaltigung vergeben wird. Durch das Handeln aus Glauben wertet Ambrosius den Suizid um und deutet ihn als Martyrium. Gekleidet wie zur Hochzeit verlässt Pelagia ihren Hausarrest und stürzt sich vom Dach. Diesen Sachverhalt verschweigt Ambrosius, indem er nur durch die Bemerkung: ereptam sibi uiderunt praedam pudoris91, sowie durch Marcellinas Frage zur Flucht in den Tod durch das Hinabstürzen aus der Höhe andeutet, dass Pelagia den Tod gefunden hat. Ambrosius stellt Pelagia keineswegs verzweifelt und verängstigt, sondern durchaus reflektiert dar, als rationale Person, die die Vorund Nachteile ihres Handelns abwägt und schließlich „von Gott erfüllt“ handelt.92 88  Vgl. virg. 3,7,32: soror sancta, quid super eorum meritis aestimandum sit qui se praecipitauere ex alto vel in fluvium demerserunt, ne persecutorum inciderent manus, cum scriptura divina uim sibi Christianum prohibeat inferre. – „Die heilige Schwester (sc. fragte), was über die Verdienste jener zu denken ist, die sich aus der Höhe hinabstürzten oder in einen Fluss untergehen ließen, um nicht den Verfolgern in die Hände zu fallen, da ja die Heilige Schrift untersagt, dass ein Christ sich Gewalt antue.“ Diese spezifische Frage nach Suizid bei bedrängten Jungfrauen zieht sich durch die frühe Kirchengeschichte, so findet sich eine ähnliche Episode auch bei Euseb, h. e. 8,12,3 – 5. 89   Zur Person der Pelagia vgl. Ambrosius, De virginibus. Über die Jungfrauen, übs. v. Peter Dückers, FC 81, Turnhout 2009, zur Stelle, 324 – 333, vgl. auch die Entfaltung des Martyriums im Brief an Simplician, ep. 7,38 (37). 90   Virg. 3,7,33: „Lasst uns sterben, wenn es erlaubt ist. Selbst wenn es nicht erlaubt sein soll, lasst uns sterben. Gott wird durch dieses Heilmittel nicht beleidigt und der Glaube erleichtert die Untat.“ 91  Vgl. virg. 3,7,34: Fertur ornasse caput, nuptialem induisse vestem, ut non ad mortem ire diceres, sed ad sponsum. Ast ubi detestandi persecutores ereptam sibi viderunt praedam pudoris, matrem et sorores coeperunt quaerere. – „Es heißt, sie habe ihren Kopf geschmückt und das Hochzeitskleid angelegt, so dass man sagen könnte, sie gehe vicht in den Tod, sondern zu ihrem Verlobten. Aber als die schändlichen Verfolger sahen, dass ihnen die fromme Beute entrissen sei, fingen sie an, ihre Mutter und ihre Schwestern zu suchen.“ 92   Vgl. Antje Junghanẞ / Katharina Walther, Du sollst nicht töten? Zum Tötungsrecht in der römischen Antike, in: Stephan Dreischer / Jessica Buskirk (Hgg.), Jenseits der Geltung. Konkurrie-

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Im weiteren Verlauf der Episode richtet sich die Aufmerksamkeit der Verfolger auf die Mutter und die Schwestern, die sich, in die Enge gedrängt, mit folgenden Worten in einen Fluss stürzen: Quid veremur?, inquiunt, ecce aqua: quis nos baptizari prohibet? Et hoc baptisma est, quo peccata donantur, regna quaeruntur. Et hoc baptisma est, post quod nemo delinquit. Excipiat nos aqua, quae regenerare consuevit, excipiat nos aqua, quae virgines facit, excipiat nos aqua, quae caelum aperit, infirmos tegit, mortem abscondit, martyres reddit.93

Der Tod Pelagias und ihrer Verwandten wird mit dem Martyrium gleichgesetzt, wie sich durch die Terminologie in dem Abschnitt deutlich zeigt: Ambrosius setzt den Märtyrertod mit der Ehe94 gleich und er betont, dass die Ausweglosigkeit der Krönung diene.95 Schließlich deutet er das Wasser des Flusses als Taufwasser. Ambrosius versteht das Martyrium als Bluttaufe im Sinne Tertullians: Beim Tod um Christi willen werden die Sünden durch das Blut abgewaschen, das die Wassertaufe ersetzt. An dieser Stelle liegt also der Sonderfall des suizidalen Martyriums vor, das Ambrosius als vorsichtige Ausnahme zur Vermeidung der Schändung als Ausrichtung auf den Willen Gottes interpretiert.96 In der Beurteilung des Suizids wirkt allerdings eine ähnliche Episode, die Ambro­ sius in virg. 2,4,22 – 33 schildert, relativierend: Eine namenlose, ebenfalls antiocherende Transzendenzbehauptungen von der Antike bis zur Gegenwart, Berlin 2013, 47 – 66, 61: „Der eigentlich transzendente, in der Hand Gottes liegende Tod wird für Pelagia durch die Immanenz Gottes verfügbar.“ 93   Virg. 3,7,34: „‚Warum fürchten wir uns?‘ sagten sie, ‚siehe, (dort ist) Wasser. Wer hindert uns daran, getauft zu werden? Auch das ist eine Taufe, durch die Sünden vergeben werden, die Himmelreiche erlangt werden. Auch das ist eine Taufe, nach der niemand mehr sündigt. Das Wasser soll uns aufnehmen, das die Wiedergeburt zu bewirken pflegt, das Wasser soll uns aufnehmen, das Jungfrauen macht, es soll uns aufnehmen, das den Himmel aufschließt, die Schwachen bedeckt, den Tod verbirgt und uns zu Märtyrern macht.‘“ 94  Vgl. virg. 3,7,34. So auch das Martyrium der Agnes, virg. 1,2,8: non sic ad thalamum nupta properaret ut ad supplicii locum laeta successu gradu festina virgo processit, non in torto crine caput compta, sed Christo, non flosculis redimita, sed moribus. – „So wäre keine Braut ins Brautgemach geeilt, wie die Jungfrau glücklich und mit schnellem Schritt zum Ort ihrer Hinrichtung, wobei ihr Haar nicht von künstlichen Schmuck geziert war, sondern mit Christus, nicht mit Blumen bekränzt, sondern mit Tugenden.“ 95  Vgl. virg. 3,7,34: inclusae ad coronam. – „Sie waren eingeschlossen, um die Siegeskrone (sc. des Martyriums) zu erreichen.“ Die Krone bzw. der Siegeskranz als Zeichen des Martyriums findet sich als häufiges Merkmal der Märtyrer sowohl in der Literatur als auch in der Kunst, vgl. Robin M. Jensen / Mark D. Ellison (Hgg.), The Routledge Handbook of Early Christian Art, Milton 2018, 337 f. 96  Vgl. Dudden, The Life and Times of St. Ambrose, 157 gibt zu der betreffenden Stelle außerdem zu bedenken, dass Ambrosius den Suizid der Pelagia zwar nicht verurteilt, aber doch nur zu einem solchen rät, wenn er im Rahmen der Nachfolge Christi als Martyrium geschieht. So auch in seiner späteren Bewertung des Falles in ep. 2,7 (37), 38: Pelagia Christum sequitur, libertatem nemo auferet. [. . .] Magna igitur piae virginitatis libertas, quae saepta agminibus persecutorum inter maxima pericula integritatis et vitae nequaquam inclinata est. – „Pelagia folgt Christus nach, niemand wird ihr ihre Freiheit nehmen. [. . .] Groß ist nämlich die Freiheit der frommen Jungfräulichkeit, die von den Horden der Verfolger umzingelt sich nicht in die größte Gefährdung ihrer Reinheit und ihres Lebens begab.“

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

nische Jungfrau wird unter Druck vor die Wahl gestellt, ein heidnisches Kultopfer zu vollziehen oder zur Prostitution gezwungen zu werden. Anders als Pelagia sucht diese Jungfrau aber ihr Heil nicht im Suizid,97 sondern nimmt sich biblische Figuren, Rahab98 und Judith99, zum Vorbild und ergibt sich in ihr Schicksal der Prostitution. Ambrosius hebt diese constantia besonders lobend hervor und weist auf die Unmöglichkeit der Entehrung einer christlichen Jungfrau hin.100 In der Parallelität der Szenen zeigt sich, dass Ambrosius zum Ertragen des Leides tendiert und der constantia gegenüber der fuga den Vorrang gibt. Dass das Ziel des Martyriums aber ein lobenswertes ist, so dass ein Suizid vor diesem Hintergrund empfehlenswert ist, zeigt Ambrosius in de officiis, wo er in enger Aufnahme stoischen Gedankengutes den Klerikern Empfehlungen gibt: Filii, ante factum cogitate et cum diutius cogitaveritis, tunc facite quod probatis. Laudabilis mortis cum occasio datur, rapienda est illico: dilata gloria fugit, nec facile comprehenditur.101 Mit der laudabilis mortis bezeichnet Ambrosius hier auch den Suizid, den er den Klerikern in der Verfolgungssituation als Entkommen vor den Feinden nahelegt. Ambrosius’ eigene Sicht auf den Suizid bleibt in seinen Werken ebenso eher ablehnend, wenn er nicht, durch ein necessarium im Martyrium endend, unausweichlich ist, wobei selbst dabei die bei den Philosophen oft genannte Schande kein vollends entschuldigendes Moment bietet, wie die Standhaftigkeit der zur Prostitution gezwungenen Jungfrau zeigt. 4.3 Zusammenfassung Der Blick auf die Gedanken zum Suizid in der antiken Gesellschaft, Philosophie und Theologie hat einige klare Tendenzen gezeigt, die für eine Bewertung des Todes Valentinians II. in der Situation des Jahres 392 berücksichtigt werden müssen: Als  97

 Vgl. virg. 2,4,23: ecce persecutio. Puella fugere nescia, certe pavida, ne incideret insidiatores pudoris, animum ad uirtutem paravit. – „Siehe (es erhebt sich) eine Verfolgung. Das Mädchen dachte nicht daran, zu fliehen, aber es war doch voller Angst, den Räubern ihrer Keuschheit in die Hände zu fallen, und bereitete sein Herz auf die Tugend vor.“  98  Vgl. virg. 2,4,24: Et Rahab meretrix fuit, sed postquam deo credidit, salutem inuenit. – „Auch Rahab war eine Hure, aber nachdem sie an Gott glaubte, fand sie Rettung.“ Zu Rahab vgl. Jos 2 und 6.  99  Vgl. virg. 2,4,24: et Iudith se, ut adultero placeret, ornavit. Quae tamen quia hoc religione, non amore faciebat, nemo eam adulteram iudicabat. – „Auch Judith schmückte sich, um dem Ehebrecher zu gefallen. Da sie das aber aus Ehrfurcht (vor Gott) getan hat und nicht aus Liebe, hielt niemand sie für eine Ehebrecherin.“ Zu Judith vgl. das Buch Jdt, besonders Kapitel 10. 100  Vgl. virg. 2,4,26: uirgo prostitui potest, adulterari non potest. Ubicumque dei virgo est, dei templum est. – „Eine Jungfrau kann zur Unzucht preisgegeben werden, aber sie kann nicht durch Ehebruch entehrt werden. Wo immer eine Jungfrau Gottes ist, da ist ein Tempel Gottes.“ 101   Off. 2,30,153: „Meine Söhne, denkt vor der Tat, und wenn ihr längere Zeit nachgedacht habt, dann tut, was ihr für richtig haltet! Wenn sich die Gelegenheit eines lobenswerten Todes bietet, dann muss man diese sofort ergreifen. Aufgeschobener Ruhm entflieht und wird nicht leicht wiedererrungen.“ Vgl. dazu Ulrich Faust, Christo servire libertas est. Zum Freiheitsbegriff des Ambrosius von Mailand, SPS 3, Salzburg / München 1983, 120 – 123.

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modus moriendi ist der Suizid durch Erhängen der unehrenhafteste und gesellschaftlich besonders negativ konnotierte Tod. Die Untersuchung der causa moriendi im Falle des Valentinian II. weist in die Richtung der in der Antike ebenso negativ konnotierten desperatio. Valentinians II. Suizid ließe sich wohl als verzweifelte Flucht aus der unerträglichen Situation unter Arbogasts Kontrolle interpretieren, die zu einer gewissen psychischen Instabilität geführt hat. Aus philosophischer Sicht konnte ein Suizid Valentinians II. negativ bewertet werden, da er nicht der durch eine ἀνάγκη bzw. ein necessarium zugestandene Freitod war. Auch die christliche Tradition, in der der Suizid allein in einer Verfolgungssituation gerechtfertigt sein konnte, musste einen Suizid aus Verzweiflungsgründen ablehnen. Wo diese Situation nicht gegeben ist, scheint die Mehrzahl der christlichen Autoren den Suizidenten zu verdammen. Ambrosius selbst räumt die alleinige Ausnahmeregelung eines gottgewollten Frei­ todes ein, den er als Martyrium wertet. Damit nimmt er den Gedanken der Notwendigkeit durch Gottes Befehl aus der platonischen Philosophie auf, die als Ausnahme vom Suizid schon im Phaidon erscheint. Auf den ersten Blick schweigt Ambrosius in der Leichenrede für Valentinian II. über modus und causa moriendi.102 Wenn aber schon Rufin wenige Zeit später von der Auffindung des erhängten Kaisers spricht, dann muss die Annahme eines Suizids in der Mailänder Gesellschaft im Jahr 392 mehr als nahe liegen – und es muss als sehr wahrscheinlich gelten, dass Ambrosius von den genaueren Umständen wusste! Dass der Kaiser eine solche Verzweiflungstat begangen hat, konnte Ambrosius keinesfalls offen predigen. Seinem Schweigen steht allerdings eine beredte Stilisierung des Kaisers gegenüber, die einen Grund haben muss: Ambrosius musste kompensierend reagieren, er musste die einzige Möglichkeit, die einen Suizid aus christlicher Sicht zulässt, auf Valentinian II. anwenden, den Märtyrertod angesichts einer Notwendigkeit zur Ehre Gottes. Diese laudabilis mors verwirklicht – im wahrsten Sinne des Wortes – Ambrosius in der Leichenrede, indem er kursierende Spekulationen um das Seelenheil Valentinians II. durch Lobreden und Versicherungen der Seligkeit des Toten zurückweist. Das Faktum des Erhängens aber verschweigt er, sodass keinerlei Assoziationen mit einem Suizid aufgrund von Depressionen erregt werden. So gelingt ihm eine, vom negativ konnotierten Bild der Verzweiflungstat gereinigte, Darstellung des Märtyrers Valentinian II.

102   Die einzige causa, die Ambrosius anführt, besteht im Engagement des Kaisers für sein Reich, vgl. ob. Val. 2: magnum crimen agnoscimus imperatoris, quod Romano subvenire voluit imperio! haec causa mortis, quae plena laudis! – „Wir sehen es als ein großes Verbrechen des Kaisers an, dass er dem römischen Reich zu Hilfe kommen wollte! Dies ist der Grund für seinen Tod, der voll des Lobes ist!“ Diese Formulierung kann in die später noch zu betrachtende Motivik der Aufopferung eingeordnet werden. Das magnum crimen besteht hierbei im Wunsch der Rückkehr aus Vienne, der zu stärkeren Zerwürfnissen mit Arbogast geführt hat.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

5. Die Leichenrede de obitu Valentiniani als Reaktion auf den Suizid des Kaisers Ambrosius geht mit seiner Rede m. E. auf das Problem der Ungewissheit in Bezug auf den Tod Valentinians II. ein. Sicherlich ist er über die Vorgänge in Vienne informiert worden, als er dort hinreiste, doch scheut er in der Rede offensichtlich direkte Anklagen und erlaubt sich nur Anspielungen. Die spezifische Gestaltung der Leichenrede aber macht es wahrscheinlich, dass Ambrosius wusste, dass Valentinian II. aufgrund der immensen emotionalen Belastung Suizid begangen hat. Diesen Makel aber, der sich wohl auch als Gerücht – entgegen der offiziellen Propagandaversio­ nen – in der Bevölkerung hielt, kompensiert Ambrosius103 mit der Garantie der Seligkeit Valentinians II. durch das Konstrukt der Begierdentaufe und der postmortalen Unterstützung Valentinians II. durch Gratian. Auch wenn der historische Gehalt der Quelle angesichts ihrer pastoralen Färbung bisweilen in Zweifel stehen muss, so sind doch die Nähe zum Geschehnis sowie die Bedeutung der Sicht des Ambrosius als Vertrauter des verstorbenen Kaisers und als in die Motivation des Valentinian II. direkt verstrickter Berater für eine Bewertung der Umstände von großer Bedeutung. Grundsätzlich muss bei dem Versuch, die Frage zu beantworten, natürlich auf die Einschränkung geachtet werden, was Ambro­sius zu wissen meinte bzw. was er überhaupt wissen konnte.104 Dass Ambrosius sich generell bedeckt hält und nur mit Anspielungen agiert, kann dahingehend gedeutet werden, dass er Arbogast nicht offen für die Ermordung beschuldigen konnte. Tatsächlich umgeht der Redner geschickt offene Anschuldigungen, bleibt jeweils vage105 und weist Spekulationen zurück, indem er betont, dass er eine Trauerrede halten wolle und keine Anklage führe.106 Verstreut über die gesamte Rede finden 103   So etwa Hofmann, Suizid in der Spätantike, 174: „Die Leichenrede liest sich vor diesem Hintergrund sodann als eine Bemühung der Rehabilitierung des Kaisers, der aufgrund seines schändlichen Todes durch Erhängen der Vernachlässigung seiner kaiserlichen Pflicht beschuldigt werden konnte.“ 104   Wie bei historischen Quellenuntersuchungen generell steht weniger die objektive Information, als vielmehr die Intention des Autors im Fokus des Interesses. Dass Ambrosius allerdings über die Abläufe völlig im Unklaren war, ist unwahrscheinlich, zumal er an vielen Stellen in der Rede auf die Todesumstände anspielt. Detaillierte, konkrete Informationen über die Todesart gibt er allerdings nicht direkt, sodass sich ein gewisser Interpretationsspielraum auftut. Mit der für Ambrosius üblichen „Entaktualisierung“, der nachträglichen Streichung persönlicher Bemerkungen und Fakten vor der Herausgabe, ist wohl auch in dieser Leichenrede zu rechnen, jedoch sind die Verklausulierungen des Todes so markant und viele Anspielungen so vieldeutig, dass nur geringe Eingriffe anzunehmen sind. 105   So nennt er etwa Arbogast nicht beim Namen, sondern umschreibt ihn stets mit der neutralen Amtsbezeichnung des comes, vgl. ob. Val. 25 und 27. 106  Vgl. ob. Val. 33: de celeritate mortis, non de genere loquor; non enim accusationis voce utor, sed doloris. – „Über die Plötzlichkeit seines Todes will ich reden, nicht über dessen Art. Ich spreche nämlich nicht mit der Stimme der Anklage, sondern mit der des Schmerzes.“

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sich jedoch Bemerkungen und Anspielungen des Bischofs zum Ableben des Valentinian II., die einige Klarheit bringen können. Im Folgenden werden derartige Textbefunde, semantischen Nuancen und theologischen Konzept sowie die Trostargumente des Ambrosius in ihrer kompensierenden Wirkung untersucht, die Interpretation des Todes Valentinians II. als Suizid nahelegen. 5.1 Der lexikalische Befund der Beschreibung des Todes Zunächst erfolgt eine Betrachtung der Termini, die Ambrosius nutzt, um den Tod Valentinians II. zu umschreiben. Über die Rede verteilt gebraucht Ambrosius mehrere Formulierungen, die eigene Konnotationen haben: funus (ob. Val. 3; 39), occumbere (ob. Val. 5), raptus bzw. ereptus esse (ob. Val. 3; 6: 26; 46; 48; 57), obire bzw. obitus (ob. Val. 3; 43; 46; 48; 57), excedere e vita (ob. Val. 43), se offerre (ob. Val. 35) und occidere (ob. Val. 26; 33; 35). In der Verwendung von funus in ob. Val. 3107 sieht Thomas Kelly einen Hinweis auf einen „violent death“. Diese Konnotation sei subtil genug, dass Arbogast die Anklage nicht bemerken würde.108 Die Bedeutungsnuance von funus als „gewaltsamer Tod“, die eigentlich in poetischen Texten vorkommt, ist hier jedoch nicht zwingend. Wahrscheinlicher ist der metonymische und bei Ambrosius viel häufiger vorkommende neutrale Gebrauch im Plural im Sinne von „Leichnam“ oder „Todesfall“.109 Ein weiteres Indiz für einen Mord sehen Kelly und Schmitt in dem Terminus occumbere:110 „the classical meaning of this word has the implication of violent death. [. . .] This may be one of Ambrose’s subtle references to the manner of Valentinian’s death, which would escape the notice of ‚barbarian‘ like Arbogast.“111 Kelly folgt der Angabe von Krebs-Schmalz, die davon ausgehen, dass die Vokabel „nur bei unnatür107

 Vgl. ob. Val. 3: [. . .] suaque omnes funera dolent. – „[. . .] alle beklagen seinen Tod.“  Vgl. Kelly, Sancti Ambrosii Liber de Consolatione Valentiniani, 36 und 240, gibt hier als Begründung die Nutzung in Ambr. exc. Sat. 1,30 an: raptus est, ne [. . .] propinquorum funera [. . .] videret. – „Er wurde hinweggerissen, damit er nicht die Todesfälle seiner eigenen Verwandten mit ansehen müsse.“ Funus erscheint hier zwar im Kontext der Gefahren, die die Barbareneinfälle mit sich bringen, und denen Satyrus durch seinen Tod entgangen ist; auf das semantische Feld der Gewalt ist aber nicht zwingend zu schließen, da durchaus ein Mitansehen bzw. Miterleben der „Begräbnisse“ – eben wie es Ambrosius in der Situation erleiden muss – vorstellbar ist. 109   Zum Bedeutungsspektrum und Gebrauch vgl. Lewis / Short, 795, s. v. funus, I. a „funeral procession, funeral rites, burial, funeral, usually with reference to the burning of the body; [. . .] B. Trans. 2. Death, esp. violent death, murder (mostly poet.).“ Die Belegstellen zeigen eine Nutzung in erster Linie bei Vergil und Horaz. Eine auf die LLT-Database gestützte Textsuche ergibt, dass der Terminus funus im Œuvre des Ambrosius 44 Mal vorkommt, aber wohl nur an zwei Stellen spezifisch auf einen gewaltsamen Tod hin interpretiert werden kann: bei dem Tod des Nabot in Nab. 16,69 und bei dem Tod des Täufers in de virg. 3,6,29. Die anderen Stellen beschreiben entweder das Leichenbegängnis oder die Leiche an sich bzw. den unspezifischen Tod synonym zu mors. 110  Vgl. ob. Val. 5: [. . .] qui eam splendidiorem fide sua et devotione faciebat, occubuit. – „[. . .] der durch seinen Glauben und seine Hingabe sie (sc. die Kirche) glänzender machte, lag tot da.“ 111   Kelly, Sancti Ambrosii Liber de Consolatione Valentiniani, 244. 108

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

lichem Tode“112 verwendet wurde. Diese Behauptung widerlegen bereits die Stellen, an denen Ambrosius jenes Verb ebenfalls benutzt, da sich dort, etwa in exp. Ps. 37,29 mit der Beschreibung des Todes Nabals (1 Sam 25) keine gewaltsame Einwirkung erkennen lässt, vielmehr ein „Ersterben“ in emotionaler Hinsicht.113 Die häufig verwendete Formel raptus bzw. ereptus esse deutet auf die Plötzlichkeit des Todes hin,114 bleibt aber im Hinblick auf den Täter semantisch unbestimmt. Zwar könnte das Passivum einen außenstehenden Agenten implizieren, doch ob damit ein Mörder in den Blick kommt oder aber das Schicksal bzw. göttliches Wirken, muss offenbleiben.115 Der Terminus obire bringt schon anhand seiner Etymologie – „entgegen gehen“, meist mit dem Ziel mortem – ein Mindestmaß an Aktivität mit sich. So finden sich auch in der klassischen Literatur explizite Kombinationen mit dem Suizid.116 Mag diese Vokabel auch den Mord im Rahmen der Semantik unwahrscheinlich machen, so bleibt sie in der semantischen Nutzung zu unbestimmt, um als Beweis für den Suizid zu gelten. Gleiches ist auch im Falle von excedere e vita zu sagen. Eindeutig mit der Konnotation der freiwilligen Hingabe erscheint se offerre in ob. Val. 35.117 Im Rahmen der Märtyrertheologie und des erlösenden Todes Christi kann diese Vokabel durchaus auf einen Freitod hindeuten. Schließlich kann für den Terminus occidere, der dreimal für die Bezeichnung des Todes Valentinians II. erscheint, festgestellt werden, dass Ambrosius an sämtlichen Stellen das intransitive occidere im Sinne von „niederfallen“ bzw. „umkommen“ gebraucht.118 Auch hier zeigt sich also nicht die fremde Einwirkung. 112   Vgl. Johann Philipp Krebs / Joseph Schmalz (Hgg.), Antibarbarus der lateinischen Sprache, Basel 61888, s. v. occumbere (Kursivierung von K.‑S.). 113  Vgl. exp. Ps. 37,29: unde et Abigaeae verbum ferre non potuit, sed obduruit cor eius et quasi infirmus occubuit. – „Deshalb konnte er auch das Wort der Abigail nicht ertragen, sondern sein Herz wurde hart und gleichsam geschwächt starb er.“ Vgl. auch das Ersterben des intellectus unter den Juden nach der Trennung von der Kirche, exp. Ps. 43,63: [. . .] legis spiritalis intellectus occubuit. – „[. . .] es erstarb die Einsicht ins geistige Gesetz.“ Dem einseitigen Gebrauch von occumbere stehen auch Verbindungen in der klassischen Literatur entgegen, die durchaus in die suizidale Richtung weisen, wie die Phrase necem voluntariam occumbere bei Sueton, vgl. Aug. 13,2: occiso filius quoque voluntariam occubuisset necem. – „Auch der Sohn hat sich, nachdem er (sc. der Vater) gestorben war, freiwillig umgebracht.“ 114   Vgl. Lewis / Short, 1523, s. v. rapio, I,3: „To carry off suddenly or prematurely by death, to snatch away“. 115   In der Rede für seinen Bruder etwa steht raptus est (exc. Sat. 1,30 vgl. Weish 4,11) für den Tod durch die Folgen der Krankheit. Ein Eingreifen Gottes wird durch die Beschreibung Henochs dargestellt, ebenfalls mit der genannten Formulierung, ob. Val. 57: raptus est Enoch. 116   So etwa bei Sueton, Galba 3,4: [. . .] voluntaria morte obiit. – „[. . .] er (sc. Gaius) starb durch den Freitod.“ So auch Velleius Paterculus, hist. rom. 2,87,3. 117  Vgl. ob. Val. 35: immo pro omnibus se obtulit dicens, quod frustra innoxii in invidiam vocarentur [. . .]. – „Ja, er opferte sich selbst für alle mit den Worten, dass Unschuldige ohne Grund in den Hass ausgeliefert werden [. . .].“ 118   Ob. Val. 26: quanto ipse angebar dolore, [. . .] quod ita mei cupidissimus occidisset. – „Wie sehr quält mich der Schmerz, [. . .] dass mein Liebster auf diese Weise umgekommen ist.“

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Die Untersuchung der Beschreibungen des Todes Valentinians II. auf lexikalischer Ebene zeigt keine eindeutige Tendenz zum Mord, wie es Kelly sieht, sondern vielmehr eine Neigung zum Suizid. Gestützt wird dies durch die gegenteilige Eindeutigkeit der Wortwahl in exp. Ps. 61,16 – 27, dem sogenannten de obitu Gratiani. Klare lexikalische und semantische Bezüge werden dort zu den Mördern bzw. den Auftraggebern hergestellt.119 5.2 Die assoziative Darstellung des Todes als mors immatura in Analogie zu Christi Passion Die Situation, in der Valentinian II. sein Leben ließ, schildert Ambrosius nur andeutungsweise, ohne auf Details einzugehen. Bernhard Schmitt meint allerding, in den Textstellen, die von der celeritas mortis, also dem frühen und plötzlichen Tod Valentinians II. handeln, Hinweise auf die Ermordung zu sehen.120 Tatsächlich finden sich in der Rede auffällig viele Stellen, die von dem Wunsch des Aufschubs des Todes und dessen allzu frühen Zeitpunkt sprechen.121 Die Plötzlichkeit aber, die Ambrosius in diesem Zusammenhang betont, zeigt deutlicher in die Richtung eines für das Umfeld unerwarteten Suizids: quodsi me ad illum revocatis dolorem, quod cito excessit e vita, nec ego abnuo inmatura obisse aetate, quem nostrae vitae temporibus fulcire cuperemus [. . .].122 Das Argument der celeritas mortis bezieht sich auf den frühen Tod des nur 21‑jährigen Kaisers. Die Hilfe, die Ambro­sius meint hätte bringen zu können, indem er Spannung aus dem Verhältnis zu Arbogast genommen hätte, kann sich folglich auf die labile Verfassung Valenti­

119  Vgl. dazu die Bezeichnung der Ermordung Gratians durch das transitive occidere in exp. Ps. 61,24: et fefellit ut occideret. – „Er (sc. Arbogast) betrog, um zu morden.“ Vgl. auch ob. Val. 33 und 35. 120   Vgl. dazu etwa. ob. Val. 23: mora ei adventus mei prolixior videbatur. Atque utinam adventus ipsius nullus praevenisset nuntius! – „Die Verzögerung meiner Ankunft schien ihm noch länger zu sein. Wenn doch nicht die Nachricht seine eigene Ankunft überholt hätte!“; ob. Val. 25: ecce rescriptum accipio, ut sine mora pergendum putarem [. . .]. – „Siehe, da bekomme ich ein Reskript, dass ich ohne Verzögerung aufbrechen soll [. . .].“; ob. Val. 33: de celeritate mortis, non de genere loquor. – „Über die Plötzlichkeit seines Todes will ich reden, nicht über dessen Art.“ Vgl. dazu außerdem ob. Val. 46.52.57 und 79. Vgl. dazu Schmitt, Ambrosius von Mailand und der Tod Kaiser Valentinians II., 67 f. 121  Vgl. ob. Val. 27: utinam te dilatio aliqua meo reservasset adventui! – „Ach, wenn doch irgendeine Verzögerung dich für meine Ankunft bewahrt hätte!“ 122   Ob. Val. 43: „Wenn ihr mir aber jenen Schmerz in Erinnerung rufen wollt, dass er so schnell aus dem Leben schied, dann leugne ich nicht, dass er in einem noch nicht gereiften Alter starb. Wir wünschten, wir hätten ihn mit der Zeit unseres eigenen Lebens unterstützen können [. . .].“ Vgl. auch ob. Val. 46: esto tamen, dolendum sit, quod primaeva obierit aetate [. . .]. quam beata fuisset res publica, si eum diutius servare potuisset! [. . .] dolendum est, quod nobis cito raptus sit [. . .]. – „Es bleibe aber so, dass wir klagen, dass er in seinem jungen Alter starb. [. . .] Wie glücklich wäre der Staat gewesen, wenn er diesen länger hätte bewahren können. [. . .] Man muss also darüber trauern, dass er uns so schnell geraubt wurde [. . .].“

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

nians II. beziehen.123 Ambrosius hätte als vas fidei für Valentinian II. und Schlichter vor dem Heerführer auftreten können. Ob der Bischof als psychologische Stütze oder als Lebensretter vor Arbogasts Tücke fungieren sollte, muss an dieser Stelle im Ungewissen bleiben. Als weiteres Argument für einen gewaltsamen Tod wird die Parallelisierung mit Christus vorgebracht:124 orabat ergo dominus Iesus, et eius imitator Valentinianus orabat. [. . .] sed etiam dominus orabat et crucifixus est.125 Ambrosius stilisiert in den Kapiteln 32 bis 39 den Tod des Valentinian II. als Opfertod nach dem Vorbild Christi, bis hin zur Szene der Maria unter dem Kreuz, die als Präfiguration für die Schwestern des Verstorbenen fungiert.126 Vorbereitet wird diese Sicht durch einige Bemerkungen Ambrosius’, die die allgemeine Aufopferung Valentinians II. für sein Volk betonen und einerseits von seiner Tugendhaftigkeit,127 andererseits von seinem Wunsch, gegen die Barbaren vorzugehen, ausgehen.128 Schmitt sieht in der imitatio Christi eine Anspielung auf einen gewaltsamen Tod im Auftrag Arbogasts, vor allem weist er dabei auf Kapitel 34 hin, in dem Ambrosius zum Gebet für die Feinde übergeht: rogare autem quis debeat et pro inimicis suis, orare etiam pro persequentibus, sicut ipse dominus orabat dicens: pater, dimitte illis [. . .].129 123  Vgl. ob. Val. 25: eo quod vadem fidei tuae habere me apud comitem tuum velles. – „Siehe, da bekomme ich ein Reskript, dass ich ohne Verzögerung aufbrechen soll, weil du mich als Bürgen für deine Treue gegenüber deinem comes haben wolltest.“ So auch ep. 25,2 (53): Quin etiam illis ipsis publici doloris diebus, cum sanctos et summos sacerdotes domini intra Gallias haberet, ut a me tamen sacramentis baptismatis initiaretur, scribendum arbitratus est. – „Sogar in diesen Tagen des öffentlichen Schmerzes dachte er daran schreiben zu müssen, dass er, obwohl er heilige und bedeutsame Priester des Herrn in Gallien hatte, dennoch von mir in die Geheimnisse der Taufe eingeführt werde.“ Dass Ambrosius sich zum Teil selbst die Schuld am Ende des Kaisers gibt, zeigt die pathetische Anklage der Allgemeinheit, vgl. ob. Val. 28: omnes absentiam meam causam tuae mortis adpellant. – „Alle nennen meine Abwesenheit den Grund deines Todes.“ 124   So etwa Schmitt, Ambrosius von Mailand und der Tod Kaiser Valentinians II., 69 f. und Hofmann, Suizid in der Spätantike, 171. 125   Ob. Val. 32 f.: „Es betete nämlich der Herr Jesus und es betete sein Nachahmer Valentinianus. [. . .] Aber auch der Herr betete und wurde gekreuzigt.“ 126  Vgl. ob. Val. 39: durum quidem funus videtis, sed stabat et sancta Maria iuxta crucem filii et spectabat virgo sui unigeniti passionem. – „Natürlich erblickt ihr den grausamen Tod. Aber auch die heilige Maria stand neben dem Kreuz ihres Sohnes und die Jungfrau schaute das Leid ihres einziggeborenen Sohnes.“ 127  Vgl. ob. Val. 9: et ille quidem se suarum virtutum remuneratione solatur, eo quod in iuventute sua labores absorbuit, pericula multa toleravit. – „Und jener kann sich trösten mit dem Lohn seiner Tugendhaftigkeit, weil er in der Jugend seine Leiden ertragen hat und viele Gefahren auf sich genommen hat.“ 128  Vgl. ob. Val. 2: [. . .] cum audiret Alpes Italiae hoste infestari barbaro, maluit periclitari se, si Gallias derelinqueret, quam nostro deesse periculo. – „[. . .] als er hörte, dass die italischen Alpen von den feindlichen Barbaren angegriffen würden, wollte er lieber sich selbst in Gefahr bringen, wenn er Gallien verlassen sollte, als die Gefahr, die uns droht, vernachlässigen.“ Vgl. dazu auch ob. Val. 35: [. . .] sibique potius mortem optabat, ne ipse aliis causa mortis esset. – „[. . .] und lieber wünschte er sich selbst den Tod, als dass er anderen zum Grund ihres Todes werde.“ 129   Ob. Val. 34: „Aber man muss auch für seine Feinde beten, ja sogar für seine Verfolger, wie der Herr betete mit den Worten: ‚Vater, vergib ihnen [. . .]‘ (Lk 23,34).“ Vgl. zu dieser Stelle Schmitt,

IV. Die Leichenrede für Kaiser Valentinian II.

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Wenn hier auch eine starke Ähnlichkeit zu der Darstellung des Todes Gratians besteht,130 den Ambrosius auch, wenn auch ungleich stärker, mit Christus parallelisiert, so ist doch fraglich, ob diese Aussagen ausreichen, um ein Verbrechen zu postulieren. Dass der Tod Christi unter den altkirchlichen Schriftstellern selbst durchaus als freiwilliger aufgefasst wurde, erwähnt Schmitt in seiner Argumentation nicht.131 Während in der Darstellung des Todes Valentinians II. eher dessen Opferrolle betont wird, schildert Ambrosius in de obitu Gratiani mit drastischen Worten den Verrat des „Judas“ Andragathius während des Gastmahls. In dem exemplum greift Ambro­ sius intensiv auf die Motive der Passion Christi zurück, was er im Fall des Todes Valentinians II. unterlässt. Ambrosius selbst unterstreicht in de incarnationis sacramento die Freiwilligkeit des Leidens und Sterbens Jesu mit denselben Worten wie für Valentinian II.: Secundum naturam igitur se obtulit nostram [. . .]. Didicistis igitur quia sacrificium de nostro obtulit. Nam quae erat causa incarnationis, nisi ut caro, quae peccaverat, per se redimeretur?132 Es ist also durchaus wahrscheinlich, die Parallelisierung von Valentinian II. und Christus im Horizont des freiwilligen Märtyrertodes zu sehen, der ein Gewaltverbrechen unberücksichtigt lässt. Ambrosius von Mailand und der Tod Kaiser Valentinians II., 69: „Valentinians nähere Lebensumstände werden somit als Verfolgungssituation charakterisiert.“ 130   Vgl. dazu die Darstellung in exp. Ps. 61,20 – 23, siehe unter B.III.4 131   Zu dieser Interpretation des Todes Christi vgl. Hofmann, Suizid in der Spätantike, 171, mit Hinweis auf Aug. Io. Eu. Tr. 31,5 und c. faust. 22,36. 132   Incarn. 54 – 56: „Gemäß unserer Natur hat er sich also hingegeben [. . .]. Ihr habt also gelernt, dass er für uns sein Opfer hingegeben hat. Denn was war der Grund für die Fleischwerdung, wenn nicht, dass das Fleisch, das gesündigt hatte, durch sich selbst erlöst würde?“ Zum Tod Jesu als stellvertretendes Leiden und seine Freiwilligkeit vgl. Anne-Lene Fenger, Aspekte der Soteriologie und Ekklesiologie bei Ambrosius von Mailand, EHS 149, Frankfurt a. M. u. a. 1981, 69 – 71. Einen anderen Schwerpunkt hat die Darstellung des Satyrus in exc. Sat. 1,1 f. ebenso als Opfer, vgl. exc. Sat. 1,1 – 2: Deduximus, fratres dilectissimi, hostiam meam, hostiam incontaminatam, hostiam Deo placentem, dominum et fratrem meum Satyrum. [. . .] mallet occidi pro aliis, quam sibi vivere; propterea enim pro omnibus secundum carnem Christus est mortuus, ut nos non solis nobis vivere disceremus. – „Meine liebsten Brüder, ich habe mein Opfer hergeführt, ein unbeflecktes Opfer, ein Opfer, das Gott gefällt, meinen Herrn und Bruder Satyrus. [. . .] er wollte lieber für andere den Tod erleiden, als für sich selbst zu leben. Deswegen nämlich ist auch Christus nach dem Fleisch für alle gestorben, damit wir lernen, nicht allein für uns zu leben.“ Hier liegt der Fokus der Argumentation auf dem non sibi vivere als dem perfekten, Christus ähnlichen Leben, wie es auch weiter mit dem Lob des Bruders verbunden wird, doch ein Verbrechen steht weder im Hintergrund – Satyrus starb an den Folgen seines Schiffbruchs – noch wird auf ein solches angespielt. Vielmehr fungiert hier die Parallelisierung im Rahmen der Tröstung, in diesem Falle des Ambrosius selbst, dass Satyrus nach seinem Leiden in ein jenseitiges Paradies eingehen wird. Diese Intention findet sich auch in der Rede für Valentinian, vor allem in Kapitel 44 in Verbindung mit dem Zitat von 1 Thess 4,13 f. Vgl. auch exc. Sat. 1,51: Intravit igitur in regnum coelorum, quoniam [. . .] iniuriae dolorem clementer absorbuit, quam inclementius vindicavit. – „Er ist also eingetreten in das Reich der Himmel, weil er den Schmerz des Unrechts geduldig ertragen hat, anstatt ihn ohne Gnade zu rächen.“ Die Opferrolle findet sich natürlich auch bei der Darstellung der Märtyrer, etwa in dem schon genannten Abschnitt über die Verwandten der Pelagia, virg. 3,7,35.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

5.3 Die Begierdentaufe Valentinians II. als kompensierendes Konstrukt Das theologiegeschichtlich bedeutendste Element von de obitu Valentiniani ist zweifelsohne das baptisma ex voto, die Begierdentaufe. Sie erscheint als Konzept in dem Trostteil der Leichenrede, ob. Val. 42 – 57, besonders 50 – 56, und stellt dort das Fundament dar, auf dem Ambrosius im Rahmen der Tröstung der anwesenden Schwestern das Eintreten des erlösten Valentinian II. in das Paradies sichern kann. Auf deren besorgte Klage, ihr Bruder, der nur Katechumene war, habe das Taufsakrament nicht (mehr) erhalten, antwortet Ambrosius in ob. Val. 51 mit Sicherheit versprechenden Worten. dicite mihi: quid aliud in nobis est nisi voluntas, nisi petitio? atqui etiam dudum hoc voti habuit, ut, antequam in Italiam venisset, initiaretur, et proxime baptizari se a me velle significavit [. . .] non habet ergo gratiam, quam desideravit, non habet, quam poposcit? et quia poposcit, accepit, et ubi illud est: iustus quacumque morte praeventus fuerit, anima eius in requie erit.133

Die Tatsache, dass ein Mensch vor seinem Tod keine Taufe erhielt, stellt im grundsätzlichen Denken des vierten Jahrhunderts und auch bei Ambrosius einen Hinderungsgrund für den Eintritt in die himmlische Seligkeit dar.134 Im Rahmen der Kategorisierung der Menschenklassen im Prüfungsfeuer zählt Ambrosius die Ungläubigen und Ungetauften zu den impii.135 Er stellt darum auch in seinen Bemühungen um die Katechumenen, die Taufe nicht weiter aufzuschieben, ein drohendes Schicksal fern von Gott in Aussicht.136 Möglicherweise kam es auch in Mailand zu entsprechenden Stimmen, die das heillose Schicksal des ungetauften Kaisers annahmen. Im Fall des Todes Valentinians II. ist Ambrosius aber daran gelegen, dieses Fehlen zu kompensieren. Der reine Wunsch, den Valentinian II. brieflich geäußert hat und von dem Ambrosius zweimal berichtet,137 soll als vollgültiger Ersatz der Wassertaufe 133   Ob. Val. 51: „Sagt mir, was anderes in uns ist, außer dem Willen, außer dem Wunsch? Aber er hatte auch schon lange diesen Wunsch, dass er, bevor er nach Italien käme, in die Geheimnisse eingeführt werde, und er zeigte mir an, dass er schnellstmöglich von mir getauft werden wolle. [. . .] Hat er darum nicht die Gnade, die er ersehnt hat? Hat er nicht, was er gefordert hat? Sicher hat er es empfangen, weil er es gefordert hat. Darum heißt auch jener Vers: ‚Welcher Tod auch immer dem Gerechten zuvorkommen sollte, seine Seele wird in der Ruhe sein‘ (Weish 4,7).“ 134   Zur Notwendigkeit der Taufe bei Ambrosius vgl. ep. 1,20 (7): Non enim fides sola ad perfectionem satis est, nisi etiam baptismatis adipiscatur gratiam et sanguinem Christi redemptus accipiat. – „Der Glaube allein ist nicht ausreichend für die Vollkommenheit, außer der Erlöste erhielt auch die Gnade der Taufe und das Blut Christi.“ 135   Siehe unter A.I.2.3. 136  Vgl. Mesot, Die Heidenbekehrung bei Ambrosius von Mailand, 93 – 95. Zum Schicksal der ungetauften impii siehe unter A.II.8. 137  Vgl. ob. Val. 23 und 25: sed utinam viventi tibi hunc deberem reatum! excusarem, quod nulla tua audissem pericula, nullas tuas accepissem litteras – „Aber wenn ich dich dir zu Lebzeiten diese meine Schuld vorbringen! Wenn ich mich doch mit der Tatsache entschuldigen könnte, dass ich von deinen Gefahren nichts gehört habe, deine Briefe nicht erhalten habe.“ Hier lässt sich darauf schließen, dass Ambrosius von diesen Briefen erst nach dem Tod Valentinians II. erfahren hat.

IV. Die Leichenrede für Kaiser Valentinian II.

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für den Gerechten genügen. Ambrosius betritt hier theologisches Neuland, indem er erstmals in der patristischen Literatur einen solchen Ausgleich der sakramentalen Wassertaufe postuliert.138 Die argumentative Untermauerung gelingt ihm dabei durch verschiedene Aspekte: In Anlehnung an Weish 4,7 (iustus quacumque morte praeventus fuerit, anima eius in requie erit) baut er die These der grundsätzlichen Seligkeit des Gerechten auf – der geschickt gewählte alttestamentliche Vers passt mit dem Motiv des „zuvorkommenden Todes“ exakt auf die Situation Valentinians II. Anschließend führt Ambrosius Beispiele für die These des von der sakramentalen Wassertaufe unabhängigen Erhalts der Seligkeit an solve igitur, pater sancte, munus servo tuo, quod Moyses, quia in spiritu vidit, accepit, quod David, quia ex revelatione cognovit, emeruit. solve, inquam, servo tuo Valentiniano munus, quod concupivit, munus, quod poposcit sanus, robustus, incolumis. si adfectus aegritudine distulisset, tamen non penitus a tua misericordia esset alienus, qui celeritate temporis esset, non voluntate, fraudatus.139

Mose und David haben je die Gnadengabe der Erlösung in spiritu bzw. ex relevatione vor der Einsetzung der Taufe erhalten. Marianne Gleissner weist darauf hin, dass hier auf Ps 22,2.5 angespielt wird: David wird als der Prophet gesehen, der mit den Worten vom „frischen Wasser“ und der „Salbung mit Öl“ auf die Taufe verweist.140 In diese Reihe stellt Ambrosius auch Valentinian II. Der Kaiser wird von dem Verdacht freigesprochen, aus Krankheit oder Schwachheit gehandelt zu haben – allein die celeritas sei Grund für die Verhinderung der Taufe gewesen. Der mehrmals ge­äußerte Wunsch des Kaisers, die Taufe zu erhalten, und sein in der Leichenrede gelobtes Leben gestatten es Ambrosius, Valentinian II. die Seligkeit zuzusprechen. Dass der Glaube allein für die volle Erlangung der Gnadengabe Gottes nicht ausreichend ist, zeigt Ambrosius allerdings mehrmals in seinen eigenen Werken. Dieses Defizit kompensiert er also außerdem durch ein weiteres Argument: Das Fehlen des sakramentalen Vollzugs der Taufe kompensiert Ambrosius dadurch, dass er den Tod

138  Vgl. Dassmann, Ambrosius von Mailand, 178, und William G. Rusch, Baptism of Desire in Ambrose and Augustine, StudPatr 15 (1984), 374 – 378 sowie Dorothea Sattler, Art. Begierdetaufe, LThK 2 (1994), 143 f. 139   Ob. Val. 52: „Erweise also, Heiliger Vater, deinem Knecht das Geschenk, das Mose empfangen hat, weil er in deinem Geist erkannte, das Geschenk, das David sich verdient hat, weil er aus der Offenbarung heraus es erkannt hat. Erweise deinem Knecht Valentinian das Geschenk, das er begehrte; das Geschenk, das er forderte als Gesunder, Kräftiger und Unverletzter. Wenn er durch Krankheit geschwächt dieses Geschenk aufgeschoben hätte, wäre er dennoch nicht völlig von deiner Barmherzigkeit ausgeschlossen, da er durch die Plötzlichkeit und nicht durch sein Wollen betrogen wurde.“ 140  Vgl. Gleissner, Die Argumentationsweise des Ambrosius, 157. Als Prophet der Taufe wird David auch in apol. Dav. 12,59 gesehen: Quid miraris si vidit baptismatis sacramenta cum supra dixerit, ubi descripsit domini passionem: Dominus pascit me, et nihil mihi deerit [. . .]. – „Warum wundert man sich, wenn er (sc. David) das Sakrament der Taufe schon sah, als er oben sagte, wo er die Passion des Herrn beschrieben hat: ‚Der Herr weidet mich, und nichts wird mir mangeln [. . .]‘ (Ps 22,1).“

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Valentinians II. mit dem Märtyrertod parallelisiert und somit die Bluttaufe des Kaisers postuliert: aut si, quia sollemniter non sunt celebrata mysteria, hoc movet, ergo nec martyres, si catechumeni fuerint, coronantur; non enim coronantur, si non initiantur. quodsi suo abluuntur sanguine, et hunc sua pietas abluit et voluntas.141

Dieses Konzept der Bluttaufe nennt bereits Tertullian in de baptismo, wo die Vollgültigkeit der Taufe durch das Blut aus der Seite Christ begründet wird.142 Einen entsprechenden Taufersatz bei Märtyrern hat Ambrosius bereits Jahre früher bei der Behandlung der Episode um die Jungfrau Pelagia erörtert. Wie bereits gezeigt wurde, stürzten sich deren Mutter und Schwestern in einen Fluss, um Verfolgern zu entkommen, wobei sie durch das Wasser, das sie tötete, eine Repräsentation des sakramentalen Taufwassers erhalten.143 Ambrosius kennt also den erlösenden Märtyrertod als Ersatz für die Taufe. Die Stilisierung Valentinians II. in der Rede als Opfer in der Parallelisierung mit Christus weist in die gleiche Richtung. So kann Ambrosius schließlich sogar zu der Aussage kommen, dass Valentinian II. durch Christus selbst getauft wurde.144 Ambrosius ruft zudem auch die Gemeinde auf, dass sie den Übergang des Verstorbenen in die Seligkeit mit oblationes, d. h. mit dem eucharistischen Opfer, unterstützt.145 Dass Ambrosius einen Suizid aus Verzweiflung nicht offen gutheißen kann, wurde gezeigt. Dass er den Tod aber als Akt des Fliehens vor Verfolgern als Martyrium deuten und so dulden kann, ist möglich. Die Anwendung der Begierdentaufe wird bisweilen als Argument gegen den Suizid in Anschlag gebracht, da behauptet wird, der Bischof könne diese Taufe einem Suizidenten nicht zusprechen.146 Meiner Meinung nach kann aber im Gegenteil dieses theologische Konzept im Sinne eines solchen Märtyrertodes, wie Ambrosius ihn auf Valentinian II. anwendet, gedeutet werden, 141

  Ob. Val. 52: „Oder falls euch die Tatsache beunruhigt, dass die Mysterien nicht ordnungsgemäß gefeiert wurden, dann sind auch die Märtyrer nicht gekrönt, die noch Katechumenen waren. Sie werden nämlich nicht gekrönt, wenn sie nicht getauft werden. Wenn diese aber durch ihr eigenes Blut gereinigt werden, dann reinigt diesen (sc. Valentinian) auch seine Frömmigkeit und sein Wille.“ 142   Vgl. Tert. bapt. 16: hic est baptismus qui lavacrum et non acceptum repraesentat et perditum reddit. – „Diese ist die Taufe, die das Bad, wenn es nicht empfangen wurde, (in anderer Form) vergegenwärtigt und das Verlorene zurückgibt.“ 143  Vgl. virg. 3,7,33. Siehe dazu unter B.IV.4.3. 144  Vgl. ob. Val. 75: non quicumque te, sed Christus inluminavit gratia spiritali. ille te baptizavit, quia humana tibi officia defuerunt. – „Niemand anderes als Christus hat dich mit der geistlichen Gnade erleuchtet. Jener hat dich getauft, weil dir der Dienst der Menschen fehlte.“ Gleissner, Die Argumentationsweise des Ambrosius, 183 weist darauf hin, dass diese Stelle für die Beschränkung auf Tugenden als Voraussetzung zur Begierdentaufe nicht ausreicht. Nur die Kirche, die mit Ambro­ sius als Vermittlerin auftritt, kann diese Taufe selbst im nicht mehr irdischen Kontext wirken. 145  Vgl. ob. Val. 56: date manibus sancta mysteria, pio requiem eius poscamus adfectu. date sacramenta caelestia, animam nepotis nostris oblationibus prosequamur. – „Bringt mit euren Händen das heilige Geheimnis, mit frommen Herzen wollen wir seine Ruhe erbitten. Bringt die himmlischen Sakramente, mit unseren Opfern wollen wir die Seele des Kindes begleiten.“ 146   So etwa Schmitt, Ambrosius von Mailand und der Tod Kaiser Valentinians II., 266.

IV. Die Leichenrede für Kaiser Valentinian II.

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wodurch dem Verstorbenen die Taufe durch den Willen und das Blut zugesprochen wird.147 Ambrosius versichert sich und den Anwesenden, dass es sich um keinen unseligen Suizid handle, der auch in der Gesellschaft Mailands im ausgehenden vierten Jahrhundert mit Verachtung gestraft würde, sondern er baut einen christusgleichen Freitod auf, der den Geruch des Suizids zu überdecken vermag und jegliche Zweifel an der Erlösung beseitigt. Diese extreme Bemühung kann durch einen Suizid, von dem Ambrosius weiß, besser erklärt werden als durch eine Ermordung. Diese These wird schließlich dadurch gestützt, dass eine ähnliche Bemühung im Falle des Todes Gratians, der ebenfalls ungetauft war,148 ausbleibt. Gratian, der Halbbruder des Verstorbenen, wurde am 25. August 383 im Rahmen der Usurpation des Magnus Maximus von dem Heermeister Andragathius auf der Flucht gefangen genommen. Andragathius lockte den Kaiser unter einem Vorwand zu einem Gastmahl und ermordete ihn.149 In de obitu Gratiani schildert Ambrosius wohl kurz nach dem Tod Gratians dieses Verbrechen und klagt die Beteiligten scharf an, bringt aber außer der Zeichnung als Märtyrer kein der Begierdentaufe entsprechendes Konzept.150 Offensichtlich haftete dem ermordeten Gratian also kein Makel an, Valentinian II. aber musste Ambrosius mit besonderen Bemühungen rehabilitieren. 5.4 Die Darstellung des Todes in Parallelität und Abgrenzung zur Ermordung Gratians In der Leichenrede für Valentinian II. schildert Ambrosius ungewöhnlich detailliert das Aufeinandertreffen der Brüder Gratian und Valentinian II. im Jenseits. Während die Schilderung der postmortalen Existenz in den anderen Trostschriften des Ambrosius zurückhaltend ist und in erster Linie in der Darstellung von bildhaften Szenerien besteht, gibt Ambrosius in de obitu Valentiniani Einblick in ein mehrere Szenen durchlaufendes Miteinander der Brüder, das ebenfalls als eine Kompensation der nicht erhaltenen Taufe und des Suizids Valentinians II. gelten kann. 147   Die suggestive Kraft des Textes, die das Konzept der Begierdentaufe stärkt, entsteht – so konnte Marianne Gleissner überzeugend nachweisen – aus einer Rhetorik, die auf biblische Zitate und Anspielungen, v. a. von Psalmen zurückgreift, welche in Verbindung mit der Taufe stehen und allen Getauften bekannt sein mussten, vgl. Gleissner, Die Argumentationsweise des Ambrosius, 133 – 178. 148   Vgl. Hartmut Leppin, Art. Flavius Gratian, DNP 4 (1998), 1208 – 1210. 149   Der Usurpator Maximus wurde, damit der Frieden vorerst gewahrt bliebe, von Theodosius und Valentinian II. als Herrscher im Westen anerkannt, behielt aber die Leiche des Gratian ein: Ambrosius berichtet im Brief 30 (25) an Kaiser Valentinian II. von einer Reise nach Trier, deren Ziel neben diplomatischen Friedensverhandlungen mit Maximus, der eine Ausweitung seines Machtbereiches auf die Gebiete Valentinians plante, eine Herausgabe der Gebeine des Gratians war. Auch in der Leichenrede für Valentinian bringt Ambrosius, der mit leeren Händen aus Trier abreisen musste, einen Hinweis auf diese zweite Gesandtschaft. Eine ähnliche Situation ergibt sich also für Ambrosius, der sich auch um die Gebeine des Valentinian II. sorgte. 150   Zum Tod Gratians und der Verarbeitung bei Ambrosius in exp. Ps. 61,16 – 27 siehe unter B.III.4.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Ambrosius stellt eine offensichtliche Analogie zwischen den beiden her, wobei aber nicht unbedingt die Todesumstände, sondern das junge Alter als verbindendes Element dient. Im Klageteil der Leichenrede für Valentinian II. stellt Ambrosius das Weinen der Kirche dar, die nun einen erneuten „Schlag auf die Wange“ ertragen musste: flet igitur ecclesia pignus suum, et lacrimae eius in maxillis eius. quid sit maxilla, audi: qui te percusserit in maxillam, praebe ei et alteram [. . .]. percussa eras, ecclesia, in maxilla tua, cum amitteres Gratianum, praebuisti et alteram, quando tibi Valentinianus ereptus est. merito tibi non in una maxilla, sed in utraque sunt lacrimae, quia pie germanum utrumque deploras.151

Nach dem Tod des Gratian sei nun auch der Tod des Valentinian II. ein schwerer Verlust für die Kirche.152 In Kapitel 79a der Rede betont Ambrosius schließlich ihr gemeinsames Schicksal im Hinblick auf ihren frühen Tod und das Begräbnis der beiden jungen Kaiser: quomodo rapidiora utriusque vitae fuere curricula quam ipsius Rhodani sunt fluenta! o mihi, Gratiane et Valentiniane, speciosi et carissimi, quam angusto vitam fine clausistis, quam proxima vobis mortis fuere confinia, quam sepulcra vicina!153

Hier betont Ambrosius wieder die celeritas mortis, die sowohl Gratian als auch Valentinian II. getroffen habe. Zunächst könnte man dadurch zu dem Schluss kommen, dass darin ein Hinweis auf eine gewaltsame Ermordung des Valentinian II. vorliegt, da das Gewaltverbrechen an Gratian eine gesicherte Tatsache ist.154 Hier ist allerdings die Betonung des Zeitpunkts des Todes in jungen Jahren gemeint.155 Ein vergleichender Blick auf den Umgang mit den Mördern Gratians in der Auslegung von Ps 61 zeigt aber, dass Ambrosius, selbst in politisch unsicheren Zeiten, 151   Ob. Val. 6: „Deshalb beweint die Kirche ihr Pfand und ihre Tränen (erg. sind) auf ihren Wangen. Höre, was die Wange sei: ‚Der dich auf die Wange schlagen sollte, dem biete auch die andere‘ (Lk 6,29). [. . .] Du, Kirche, wurdest auf eine Wange geschlagen, als du Gratian verlorst. Du hast die zweite geboten, als dir Valentinian entrissen wurde. Zu Recht sind nicht nur auf der einen Wange Tränen, sondern auf beiden, weil du in frommer Liebe die beiden Brüder beweinst.“ 152   Eine ähnliche Bemerkung findet sich in ob. Val. 39, wo Ambrosius die beiden Brüder als die Augen bezeichnet, die ihm ausgestochen wurden: immo utrumque germanum, quos velut oculos mihi effossos arbitror. – „Ja, beide Brüder sind es, die ich für meine Augen halte, die mir ausgestochen wurden.“ 153   Ob. Val. 79a: „Wie war doch euer beider Leben noch schneller als das Fließen der Rhone. O Gratian und Valentinian, meine teuersten und liebsten, in welcher Enge habt ihr euer Leben beendet? Wie nah waren für euch die Grenzen des Todes, wie nah sind eure Gräber!“ 154   Schmitt, Ambrosius von Mailand und der Tod Kaiser Valentinians II., 197 – 199: „Mit dem Tod Valentinians, dessen conversio Ambrosius zu den hoffnungsvollsten Erwartungen Anlaß gegeben hatte, nun, hat die Kirche einzweites Mal ihre Wange zum Schlage dargeboten [. . .], was dem Zusammenhang nach m. E. nichts anderes alludieren will, als daß auch Valentinian Opfer einer Gewalttat wurde [. . .].“ 155   Gratian starb 383 im Alter von 24 Jahren, Valentinian II. 392 im Alter von 21 Jahren. Auch zielt Ambrosius hier auf die Nähe der Gräber zueinander ab, die in Mailand nebeneinander lagen. Möglicherweise war der Begräbnisort in der Kapelle Sant’Aquilio, die zur Basilika San Lorenzo gehörte, vgl. Johnson, On the Burial Places of the Valentinian Dynasty, 504 – 506.

IV. Die Leichenrede für Kaiser Valentinian II.

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mit drastischen Worten Schuldige benennt. Was Ambrosius exp. Ps. 61,16 – 27 im Falle eines eindeutigen Mordes ausspricht, nämlich die klare Benennung der Mörder, die Anklage der Schwere der Schuld und die göttliche Vergeltung der Tat, sucht man in der Rede für Valentinian II. vergebens. Sollte er nicht ein solches Vorgehen wenige Jahre später wiederholen, wenn man annimmt, Kaiser Valentinian II. sei ebenfalls Opfer eines Mordanschlags geworden? In de obitu Valentiniani finden wir jedoch fast keine Hinweise auf den stets comes genannten Arbogast, und dessen Rolle in der unerträglichen Situation des Kaisers in Vienne.156 Bestünde Klarheit über eine Ermordung Valentinians II., hätte Ambrosius wohl eine genauso klare Anklage gegen Arbogast erklingen lassen – gerade um von seinem eigenen Versäumnis abzulenken.157 Dagegen gibt sich Ambrosius Mühe, den plötzlichen Tod Valentinians II. zu verdeutlichen, seine Hinwendung zum Christentum zu betonen und seine Taufe aus reinem Willen für vollgültig zu erklären. Im Gegensatz dazu bedarf Gratian in der Darstellung von de obitu Gratiani keiner Hilfe, sein Aufstieg zu dem habitaculum [. . .] in domini tabernaculo ist über jeden Zweifel erhaben. 5.5 Die Bedeutung Gratians als advocatus Valentinians II. im Paradies Vor allem am Ende der Leichenrede nimmt Ambrosius die Brüder nochmals in den Blick, nun aber in Bezug auf die eschatologische Existenz. Hat er durch das Konzept des baptisma ex voto die Seligkeit Valentinians II. erst einmal sichergestellt, kann er auf die Szenerie des Jenseitsaufenthalts zu sprechen kommen. Zunächst muss aber eine Verortung der postmortalen Existenz Valentinians II. erfolgen. Es ist zunächst nicht eindeutig erkennbar, ob Ambrosius den verstorbenen Kaiser bereits in der vollkommenen Seligkeit des Königreichs der Himmel verortet oder aber im Paradies, d. h. innerhalb eines vorläufigen Seligkeitszustands.158 In der Leichenrede erscheinen wenige Bilder, mit denen Ambrosius auf die endgültige Seligkeit des Königreichs der Himmel anspielt: semel tantum ad nos convertere, ut te videamus, et rursus convertere atque ad Hierusalem illam civitatem sanctorum tota intentione festina.159 Diesen Einzug ins himmlische Jerusalem, das für 156  Vgl. ob. Val. 27: sed quanta ego cura inter te et comitem tuum, quanta sedulitate concordiam et gratiam refudissem! – „Aber mit welcher Sorgfalt, mit welchem Eifer hätte ich die Harmonie und die Einvernehmlichkeit zwischen dir und deinem comes wiederhergestellt!“ 157  Vgl. Gleissner, Die Argumentationsweise des Ambrosius, 38 f. Folgende Gründe zählt Gleiss­ner für das Schweigen Ambrosius’ über Arbogast auf: die Zurückhaltung des Ambrosius in der unsicheren politischen Situation; seine Vermeidung, Theodosius zu verärgern; seine Unsicherheit im Umgang mit Arbogast. Der Umgang mit Maximus und Andragathius hat aber gezeigt, dass keiner dieser Gründe Ambrosius von klaren Worten abhalten konnte. 158   Zu dieser Unterscheidung siehe unter A.II.4 und 7. 159   Ob. Val. 65: „Einmal nur wende dich zu uns, damit wir dich sehen können, und dann drehe dich wieder um und eile mit voller Aufmerksamkeit Richtung Jerusalem, zu jener Stadt der Heiligen.“

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Ambrosius meist mit dem Himmelreich gleichgesetzt wird, kann er mit der Konnotation Valentinians II. als Märtyrer160 begründen und ihn so in den Status eines sanctus bzw. iustus perfectus versetzen. Gleichzeitig aber finden sich mehrere Anspielungen auf eine Vorläufigkeit, etwa wenn Ambrosius Valentinian II. als Seele beschreibt, die die Auferstehung erwartet.161 Vor allem die Beschreibung der Existenz des Kaisers im Schoß der Patriarchen deutet eher auf einen paradiesischen Zustand hin: aut certe veni in illum agrum, qui est odor Iacob, hoc est veni in gremium Iacob, ut sicut Lazarus pauper in Abrahae sinu, ita etiam tu in Iacob patriarchae tranquillitate requiescas.162 Wie in der Leichenrede für Satyrus verdeckt Ambrosius die Differenz zwischen Interim und Eschaton, um den Zuhörern ein hoffnungsvolles Bild einer garantierten Seligkeit zu präsentieren. Mit den Attributen einer eindeutigen Verortung im Himmelreich, wie er es im Falle des Theodosius und des Acholius tut, bleibt Ambrosius vorsichtig und betont eher die Weiterentwicklung Valentinians II. im Jenseits durch Mithilfe seines Bruders Gratian. Dieser dominiert die Jenseitsdarstellung in der Leichenrede, indem er als Begleiter, Lehrer und Beistand (advocatus) des jüngeren Kaisers auftritt.163 Es zeigt sich aber, dass gerade Gratian mehr kompensiert als nur das fehlende Lob, indem er nämlich vor Gott für Valentinian II. Fürsprache einlegt.164 Außerdem ist Gratian nach

160  Vgl. ob. Val. 69 f.: [. . .] quod non regalia diademata, sed domini sanguinis insignia coronarent. merito tamquam rex peccati victor et caelesti corona redimitus ascendit [. . .]. – „[. . .] darum wird er nicht mit dem königlichen Diadem, sondern mit den Auszeichnungen des Blutes Christi gekrönt. Verdientermaßen steigt er wie ein König als Sieger über die Sünde und geschmückt mit der Krone des Himmels auf [. . .].“ 161  Vgl. ob. Val. 44: manet ergo eos vita, quos manet resurrectio. – „Folglich bleibt das Leben bei denen, die die Auferstehung erwartet.“ Auch wenn Ambrosius das Leben als vita aeterna bezeichnet, kann damit das ewige Leben, das er für das Paradies postuliert, gemeint sein. 162   Ob. Val. 72: „Oder komme wenigstens zu jenem Acker, der der Geruch Jakobs ist, das bedeutet: komme zum Schoß Jakobs, damit, so wie der arme Lazarus im Schoß Abrahams, auch du in der Ruhe des Patriarchen Jakobs schläfst.“ Zur Verortung des Schoßes des Patriarchen im Paradies siehe unter A.II.4. 163  In ob. Val. 54 f. wird Gratian zudem der Vater des Verstorbenen, Valentinian I., an die Seite gestellt. Dassmann meint hier den Versuch des Ambrosius’ zu erkennen, „die Verdienste der drei Valentinianer zu bündeln“, da er nicht mehr Lobenswertes an dem Verstorbenen zu finden vermag. Vgl. ob. Val. 55: adest etiam pater, qui militiam sub Iuliano et tribunatus honores fidei amore con­ tempsit. dona patri filium, fratri germanum suum, quorum utrumque imitatus, alterum fide, alterum devotione pariter atque pietate [. . .]. – „Auch der Vater (sc. Valentinian I.) ist anwesend, der unter Julian aus Liebe zum Glauben auf die militärische Laufbahn und die Ehrenposition als Tribun verzichtete. Gib dem Vater den Sohn, dem Bruder (sc. Gratian) seinen Bruder, die er beide nachahmte, den einen im Glauben, den anderen genauso durch die Ehrerbietung wie durch die Frömmigkeit [. . .].“ Vgl. Dassmann, Ambrosius von Mailand, 179: „Außer den abgelehnten Vergünstigungen für die heidnischen Heiligtümer, die mehrfach lobend erwähnt werden, gibt es nicht viel Konkretes, was Ambrosius am jungen Valentinian hätte rühmen können.“ 164  Vgl. ob. Val. 54: quas ille nunc manus ad te, pater, erigit! quas pro fratre preces fundit! quo ei inhaeret amplexu! quemadmodum sibi eum non patitur avelli! – „Wie erhebt er jetzt zu dir, Vater, die Hände? Was für Bitte gießt er für seinen Bruder aus? Wie umfasst er ihn in der Umarmung? Wie lässt er nicht zu, das er sich von ihm fortreißt?“

IV. Die Leichenrede für Kaiser Valentinian II.

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dem Aufstieg der Seele des Verstorbenen der erste, der sich ihrer annimmt: huic ascendenti animae Gratianus frater occurrit et conplexus eam dicit: ego fratri meo, et super me conversio eius, vel quod sibi eum cupiat inhaerere, vel quod pietate fraterna quasi advocatus adsistat [. . .].165 Gratian wird mit dem Terminus advocatus als Fürsprecher oder Rechtsbeistand ausgezeichnet – ein Terminus, den Ambrosius ansonsten stets auf den erhöhten, vor dem Vater stehenden Christus bezieht.166 Ambrosius charakterisiert Gratian somit als Personifikation des gemeindlichen Beistandes, der Valentinian II. den Eintritt in die Seligkeit ermöglichen soll.167 Von besonderer Bedeutung ist allerdings die Bestätigung der Taufe, die Gratian bringt, indem Ambrosius ihm den Vers Hld 8,1 in den Mund legt und allegorisch ausdeutet: offert, quae servaverit fratri nova et vetera, hoc est et testamenti veteris et evangelii sacramenta, et dicit: quis dabit te, frater, fratrem mihi lactantem ubera matris meae? hoc est: non quicumque te, sed Christus inluminavit gratia spiritali. ille te baptizavit, quia humana tibi officia defuerunt.168

165   Ob. Val. 71: „Als diese Seele heraufsteigt, begegnet ihr der Bruder Gratian. Er umarmt sie und spricht: ‚Ich gehöre meinem Bruder, und nach mir ist seine Umwendung‘ (Hld 7,11), weil er sich danach sehnt, ihn zu umarmen oder weil er ihm durch seine brüderliche Frömmigkeit als Rechtsbeistand helfen will.“ Vgl. dazu auch Is. 8,68, wo Christus den gleichen Satz zu der Seele spricht. 166   Meist steht bei solchen Stellen 1 Joh 2,1 im Hintergrund, vgl. Iac. 1,6,21: quia pro me advocatus apud patrem Christus est, quia pro me Christi sanguis effusus est. – „[. . .] denn für mich ist ‚Christus ein Beistand beim Vater‘ (1 Joh 2,1), denn für mich wurde Christi Blut vergossen.“ Vgl. so auch in exp. Ps. 38,25; exp. Ps. 39,8; exp. Ps. 48,15; exp. Ps. 118,20,34; exp. Ps. 118,21,14. Dass eine ähnliche Rolle der Bischof annehmen kann, legt Ambrosius sonst nur in exp. Ps. 40,9 nahe: Et ideo uotis opus est et precibus cotidianis et aduocatione principis sacerdotum, de quo dicit Iohannes evangelista: advocatum habemus ad patrem dominum Iesum [. . .]. – „Und darum sind die Gebete und täglichen Bitten notwendig sowie der Beistand des obersten Priesters, von dem Johannes, der Evangelist, sagt: ‚Wir haben als Beistand beim Vater, dem Herrn, Jesus [. . .]‘.“ 167   Auf die Parallelisierung Gratians mit der fürbittenden Kirche anhand des Bildes der Umarmung (complecti) und die Worte des Hohelieds weist Gleissner, Die Argumentationsweise des Ambrosius, 171 hin, vgl. dazu ob. Val. 8: et intra se quidem indignatur, ad Valentinianum autem dicit: adsumam te et inducam te in domum matris meae et in secretum eius, quae concepit me. [. . .] ecclesia sancta conplectitur [. . .]. – „Und tatsächlich ist sie (sc. die Kirche) in sich voller Empörung, zu Valentinian aber sagt sie: ‚Ich werde dich führen und hineinnehmen in das Haus meiner Mutter und in ihre Kammer, die mich geboren hat‘ (Hld 8,2). [. . .] Die Heilige Kirche hat mich umarmt [. . .].“ und ob. Val. 74: inveniens te foris osculabor te, adsumam te et inducam te in domum matris meae et in secretum eius, quae concepit me. – „Wenn ich dich draußen finde, werde ich dich küssen und ‚ich werde dich führen und hineinnehmen in das Haus meiner Mutter und in ihre Kammer, die mich geboren hat‘ (Hld 8.2).“ Auch die „Früchte der Tugend“ (fructus diversarum virtutum) erscheinen in ob. Val. 8 und 74. Gratian erscheint folglich als Personifizierung des gemeindlichen Beistandes. 168   Ob. Val. 75: „Er bringt dem Bruder die Dinge, die er ihm bewahrt hat, die alten und die neuen, das heißt: die Geheimnisse des Alten Testaments und des Evangeliums und spricht: ‚Wer wird dich, mein Bruder, mir zum Bruder geben, den die Brüste meiner Mutter genährt haben – das bedeutet: keiner, außer Christus hat dich erleuchtet mit geistiger Gnade. Jener hat dich getauft, weil dir der menschliche Dienst fehlte.“ Zur Bedeutung der Hoheliedauslegung für die Ekklesiologie und die Sakramente vgl. Dassmann, Die Frömmigkeit des Kirchenvaters Ambrosius von Mailand, 161 – 171.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

In der Rolle der Geliebten aus dem Hohelied erscheint Gratian zunächst wie ein Taufpate, der im Paradies den Ritus nachholt, der den Täufling nach der regulären Wassertaufe erwartete: den Empfang der Eucharistie.169 In der Position eines Priesters empfängt Gratian seinen Bruder mit dem Friedenskuss170 und führt ihn in die arcana ecclesiae matris und omnia secreta mysterii ein. Schließlich gibt Gratian der neu angekommenen Seele den poculum gratiae spiritalis zu trinken.171 Die Eucharistie ist bei Ambrosius das „Sakrament des Wachsens, des Reifens, der Vollendung in Christus“172 und stellt die Begegnung mit Christus dar, was sie für das Christsein unabdingbar macht.173 Diese Darstellung der Kompensation des Sakraments der Eucharistie, die sich an die Ausdeutung des Hoheliedes anlehnt,174 soll, wie schon die Begierdetaufe, die Hoffnung auf die Erlösung des Toten stärken. Gratian – ausgestattet mit Aspekten, die sonst auf Christus im Paradies angewendet werden, die Bezeichnung als advocatus, als Geliebter im Garten, als Einführer in die Mysterien – 169

 Vgl. Dudden, The Life and Times of St. Ambrose, 664.  Vgl. ob. Val. 75: inveniens, inquit, te foris osculabor te, hoc est extra corpus te reperiens osculo mysticae pacis amplectar. – „Er spricht: ‚Wenn ich dich draußen finde, werde ich dich küssen‘ (Hld 8,1), das heißt, wenn ich dich außerhalb des Körpers finde, werde ich dich mit dem Kuss des mystischen Friedens umfangen.“ Auch hier erscheint eine Parallelisierung von Gratian mit Christus, da die Seele den Kuss normalerweise von dem Bräutigam Christus erhält, vgl. Is. 3,8. Der Friedenskuss war, wie schon in der allgemeinen Liturgie der Eucharistie, auch bei Ambrosius Teil des Ablaufs des Ritus, vgl. sacr. 5,5 – 7 und myst. 7,40, wo ebenfalls Hld 8,1 (inveniens te foris osculabor te) zitiert wird. 171  Vgl. ob. Val. 75: nemo te spernet, nullus excludet, in penetralia te et arcana ecclesiae matris inducam et in omnia secreta mysterii, ut bibas poculum gratiae spiritalis. – „Niemand soll dich verschmähen, niemand wird dich ausschließen, ich werde dich einführen in die innersten und verborgenen Dinge der Mutter Kirche und in alle geheimen Mysterien, damit du den Kelch der geistigen Gnade trinken kannst.“ 172   Vgl. Jakob Rinna, Die Kirche als Corpus Christi mysticum beim heiligen Ambrosius, Rom 1940, 96. 173   Vgl. zur Tauffrömmigkeit in den späteren Werken des Ambrosius vgl. Dassmann, Die Frömmigkeit des Kirchenvaters Ambrosius von Mailand, 164 – 166. 174   Auch sind Anklänge an Stellen in de Cain et Abel festzustellen, die aufgrund der Arkandisziplin die Lehre von der Eucharistie in ähnlich verschlüsselter Weise wiedergeben, vgl. Cain. 1,19: ueni ad convivium sapientiae, quae invitat omnes cum magna praedicatione dicens: Venite et edite panes meos et bibite vinum, quod miscui vobis. [. . .] Nec verearis ne in convivio ecclesiae aut grati odores tibi aut dulces cibi aut diversi potus aut convivae nobiles desint aut decentes ministri. [. . .] In horto, hoc est in paradiso est convivium ecclesiae, ubi erat prius Adam quam peccatum committeret. [. . .] Vinum bibes cum lacte, hoc est cum splendore ac sinceritate, sive quod pura simplicitas sit sive quod inmaculata gratia quae in remissionem sumitur peccatorum, sive quod parvulos consolationis suae lactet uberibus, ut ablactati in deliciis in plenitudinem perfectae aetatis adolescant. – „Komme zum Gastmahl der Weisheit, die alle Menschen einlädt und mit lauter Stimme ruft: ‚Kommt und esst mein Brot und trinkt meinen Wein, den ich für euch gemischt habe. [. . .] Und fürchte dich nicht davor, dass beim Gastmahl der Kirche dir die angenehmen Düfte oder die süßen Speisen oder die verschiedenen Getränke oder vornehme andere Gäste oder würdige Diener fehlen. [. . .] In dem Garten, das heißt im Paradies, ist das Gastmahl der Kirche, wo Adam war, bevor er die Sünde beging. [. . .] Du trinkst den Wein mit Milch, das heißt mit Glanz und Reinheit – dies mag reine Einfachheit bedeuten oder die unbefleckte Gnade, die zur Vergebung der Sünden gebraucht wird oder die Kinder durch die Brüste ihres Trostes säugt, damit sie, nachdem sie geäugt wurden, mit Freuden in die Fülle des vollkommenen Alters hineinwachsen.“ 170

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wird dabei wie ein Mittler dargestellt, der die unvorbereitete Seele lehrt und für die volle Erlösung bereitet. So erscheint denn am Ende der Rede in ob. Val. 77, wie eine Bestätigung, die Gewissheit der Seligkeit durch die testimonia angelorum: [. . .] labe peccati ablutus ascendit, quem sua fides lavit et petitio consecravit. credamus et sicut alii habent, quia ascendit a deserto, hoc est ex arido et inculto loco ad illas florulentas delectationes, ubi cum fratre coniunctus aeternae vitae fruitur voluptate.175

Valentinian II., gereinigt durch seinen Glauben und geheilt durch seinen Taufwunsch, ist gemeinsam mit Gratian, frei von Sünde und in den Himmel aufgestiegen. Dass diese detaillierte Beschreibung hier anzutreffen ist, kann wohl nur dahingehend gedeutet werden, einen Makel auszuräumen und Zweifel an der Erlösung verstummen zu lassen.

6. Das Fehlen Valentinians II. in der Leichenrede de obitu Theodosii Ein Befund, der von der Forschung als Hinweis auf die Suizidversion vorgebracht wird, ist das Fehlen jeglicher Erwähnung Valentinians II. in der Rede des Ambrosius zum Tode des Kaiser Theodosius, de obitu Theodosii. So interpretiert Arturo Solari das Fehlen dahingehend, dass Ambrosius erst Jahre später den Suizid Valentinians II. wahrgenommen habe und dieses Sakrileg zum Anlass nimmt, den Kaiser nicht mehr unter die Himmelsbewohner zu zählen.176 Während der junge Kollege verschwiegen werde, betone Ambrosius die Setzung Gratians neben den verstorbenen Theodosius: Ambulabunt plane ac maxime Gratianus et Theodosius, prae ceteris principes, non iam armis militum, sed meritis suis tecti, non purpureum habitum, sed amictum induti gloriae.177 Gratian und Theodosius stellen das Ende einer Kette christlicher Kaiser dar, 175

  Ob. Val. 77: „[. . .] gereinigt von den Flecken der Sünde ist er aufgestiegen, den sein Glaube gewaschen hat und sein Bitten geheiligt hat. Wir wollen glauben, wie auch andere meinen, dass er aufstieg ‚wie aus der Wüste‘ (Hld 8,5), das heißt: aus dem trockenen und unwirtlichen Ort zu den blühenden Genüssen, wo er sich gemeinsam mit seinem Bruder an der Wonne des ewigen Lebens erfreut.“ 176  Arturo Solari, La versione ufficiale della morte di Valentiniano II, L’antiquité classique 1 (1932), 273 – 276, 274: „Ma, ormai, dopo tre anni, nel 395, accertata o fattasi strada la realtá die particolari della fine violenta di V., quando il vescovo milanese imprese a commemorare la dipartita dell’imperatore Teodosio (de obitu Theodosii), apartamente, pur avendo riguardo alle idee religiose professato dal defunto V., fece comprendere il suicidio di questi, escludendo dal consesso die celesti, dove egli per sua morte non era meritevole di sedere.“ So auch bereits Seeck, Geschichte des Untergangs der antiken Welt, 242; Campenhausen, Ambrosius von Mailand als Kirchenpolitiker, 264, Anm. 1, und Biermann, Die Leichenreden des Ambrosius von Mailand, 156, Anm. 20. 177   Ob. Theod. 52: „Sicher werden auch Gratian und Theodosius wandeln, sie standen allen anderen Fürsten voran; sie sind nun nicht mehr durch ihre Rüstungen geschützt, sondern durch ihre Verdienste, sie tragen keinen Purpurmantel, sondern haben einen Umhang aus Herrlichkeit um sich gelegt.“ Vgl. auch ob. Theod. 39: illic nunc conplectitur Gratianum iam sua vulnera non maerentem, quia invenit ultorem. – „Hier nun umarmt er Gratian, der nicht mehr unter seinen Wunden leidet, weil er seinen Rächer gefunden hat.“

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

beginnend mit Konstantin. Weitere Begegnungen mit und Bemerkungen zu Gratian finden sich in der Leichenrede: ob. Theod. 39 und 40. An diesen Stellen gewährt Ambrosius einen Einblick in das Paradies, das Theodosius betritt: Neben Gratian trifft der Kaiser zudem auf seine Tochter Pulcheria, auf seine Gattin Flacilla sowie auf seinen eigenen Vater und schließlich auf Konstantin. Auch ein Blick in die Tiefe wird dem Zuhörer bzw. Leser gewährt, wenn die Usurpatoren Maximus und Eugenius als in inferno178 verweilend beschrieben werden. Damit sind die Personen des politischen und familiären Lebens aufgezählt, in deren Reihe Valentinian II. fehlt,179 dessen Eingang in das Paradies mit ähnlichen Worten und einer ähnlichen Situation, nämlich der Begrüßung durch Gratian, beschrieben wird.180 Ambrosius habe, so die Interpretation, in dem Zeitraum zwischen 392 und 395 seine Bewertung der Todesumstände widerrufen, sodass er „offenbar annimmt, dass dieser (sc. Valentinian II.) durch seinen Selbstmord die Seligkeit verwirkt habe“181. Eine andere Erklärung des Fehlens Valentinians II. in der Lobrede auf Theodosius bezieht sich auf Kontext, Zuhörerkreis und Adressat der Rede: Gehalten in Anwesenheit der kaiserlichen Soldaten richtet sich die Rede an den Sohn des Theodosius, Honorius. Frederick Dudden vermutet, dass Ambrosius angesichts der Trauer und des Lobs auf Theodosius auf jede Erwähnung des jüngeren Kollegen, der trotz mehrmaliger Hilferufe von dem östlichen Herrscher im Stich gelassen wurde, verzichtet habe.182 Die aus politischer Umsicht gebildete Kette von christlichen Kaisern, die in der Rede für Theodosius ihren kunstvollen Höhepunkt in der Episode über die Auffindung des Kreuzes Christi durch Helena Augusta hat, soll die Soldaten auf den jungen und schwach wirkenden Kaiser Honorius einschwören. Eine Störung durch Assoziationen mit dem Unglück des Valentinian II., eines in der Zeit nach seinem Ableben im Umfeld der theodosianischen Dynastie wohl eher negativ besetzten Kaiser,183 kann bei aller Nähe des Bischofs zu seinem ehemaligen Schützling nicht Ziel 178

  Zur Höllenvorstellung des Ambrosius siehe unter A.II.8.   Beachtlich ist auch das Fehlen in der Abfolge der Kaiser nach Julian, ob. Theod. 51: Inde reliqui principes Christiani – praeter unum Iulianum, qui salutis suae reliquit auctorem, dum philosophiae se dedit errori – inde Gratianus et Theodosius. – „Dann kommen die restlichen christlichen Principes – bis auf allein Julian, der den Urheber seines Heils zurückließ, während er sich dem Irrtum der Philosophie hingab – danach kommen Gratian und Theodosius.“ 180  Vgl. ob. Val. 76: Amplexatus igitur fratrem, deducere eum coepit ad propriam mansionem, und ob. Theod. 39: nunc conplectitur Gratianum. Die Rolle des Gratian als Helfer der Seele findet sich in de obitu Theodosii allerdings nicht. Gewissermaßen nimmt Konstantin in der späteren Rede die Rolle des Gratian in der früheren Rede ein, wenn die Situation im Reich des Herrn folgendermaßen dargestellt wird, vgl. ob. Theod. 40: nunc sibi rex est [. . .], quando Constantino adhaeret. – „Nun ist er für sich König [. . .], wenn er sich dem Constantinus anschließt.“ Vgl. dazu die aktive Aufnahme Valentinians durch Gratian in ob. Val. 71 f. 181   Seeck, Geschichte des Untergangs der antiken Welt, 537. 182  Vgl. Dudden, The Life and Times of St. Ambrose, 418, Anm. 20. Ebenso argumentiert auch Kelly, Sancti Ambrosii Liber de Consolatione Valentiniani, 35 f. Dass Valentinian sich mit mehreren Briefen an Theodosius gewandt hat, berichtet Zosimus, h. n. 4,53,4, s. o. 183   Dass es zu einem Ansehensverlust Valentinians II. in der Gesellschaft und im Umfeld des kaiserlichen Hofes des Theodosius schon zu Lebzeiten kam, zeigt auch das Fehlen Valentinians II. 179

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der Rede gewesen sein. Diese Begründung des Fehlens ist plausibler, auch im Hinblick auf das Beispiel des Gratian: Dieser scheint in beiden Schilderungen jeweils auf die in die Seligkeit eingehende Person abgestimmt zu sein. Bietet er Valentinian II. in brüderlicher Verbundenheit die Hilfe des Aufstiegs als advocatus184, so nimmt er bei der Begegnung mit Theodosius eine deutlich niedrigere Stellung ein als vorher Leidender bzw. nun Gerächter,185 wodurch Ambrosius die Gelegenheit hat, Theodosius als Retter und Rächer zu preisen, eine Gelegenheit, die ihm die Person des Valentinian II. nicht einbrachte. Die Schilderung des himmlischen Jenseits hat demnach keinen unveränderlichen Personenstab, sodass ein Fehlen Valentinians II. nicht auf seine Verbannung aus dem Paradies schließen lässt. Das Schweigen über den Verstorbenen lässt sich darum weniger durch eine Neubewertung des Todes Valenti­ nians II. begründen als vielmehr durch die widrigen Umstände, unter denen dieser zu leiden hatte, nicht zuletzt durch die Haltung des Theodosius.186 Dass zudem vom „Fehlen“ Valentinians II. in de  obitu Theodosii ausgegangen wird, trifft den Sachverhalt nicht richtig. In der Darstellung der Existenz des Theodosius im Himmelreich konzentriert sich Ambrosius neben der domus Augustana nur auf einen weiteren Kaiser, Konstantin, der wiederum das legitimierende erste Glied der Kette christlicher Kaiser darstellt und gleichzeitig eine Überleitung in die Kreuzauffindungslegende ermöglicht. Darüber hinaus aber erwähnt Ambrosius die reliqui principes christiani, denen insbesondere Gratian und Theodosius voranstehen, wobei die Einzelpersonen – bis auf Julian – nicht weiter benannt werden.187 Es ist gut vorstellbar, dass Ambrosius sich die anderen Kaiser in einer Reihe stehend vorstellt. Die besondere Betonung des Gratian kann unter anderem auf dem Lob im Panegyrikus, den der Gallier Drepanius Pacatus im Juni 389 vor Theodosius und Honorius hielt, vgl. Leppin, Theodosius der Große, 143 f. und Adolf Lippold, Herrscherideal und Traditionsverbundenheit im Panegyricus des Pacatus, Hist. 17 (1968), 228 – 250. 184  Vgl. ob. Val. 71 und 72. 185  Vgl. ob. Theod. 39: Illic nunc conplectitur Gratianum iam sua vulnera non maerentem, quia invenit ultorem. – „Dort umarmt er jetzt Gratian, der seine Wunder nicht mehr mehr beweinen muss, weil er seinen Rächer gefunden hat.“ Zu beachten ist an dieser Stelle übrigens die Offenheit, mit der Ambrosius den Tod des Gratians betitelt: qui licet indigna morte praereptus sit – „[. . .] mag auch dieser von einem unwürdigen Tod frühzeitig aus dem Leben gerissen worden sein.“ Vgl. dazu auch die weiteren Todesbeschreibungen in exp. Ps. 61,16 – 27. Eine Ermordung Valentinians II. hätte wohl genauso klingen können. 186   Vgl. dazu auch die Interpretation des Fehlens Valentinians in der Rede für Theodosius bei Ernesti, Princeps christianus und Kaiser aller Römer, 219 f., der ohne genauere Argumentation von einem Suizid ausgeht. Aber auch im Falle einer anderen Todesursache sieht er ein Fehlen Valentinians in einer Bewahrung des positiven Andenkens begründet: Ambrosius würde demnach verschweigen, dass Theodosius zu lange die Augen vor der Situation Valentinians II. verschlossen habe. 187  Vgl. ob. Theod. 51 f.: Inde reliqui principes Christiani – praeter unum Iulianum [. . .] – inde Gratianus et Theodosius. Non ergo mentita est prophetia dicens: Ambulabunt reges in lumine tuo. Ambulabunt plane ac maxime Gratianus. et Theodosius, prae ceteris principes. – „Dann kommen die restlichen christlichen Kaiser [. . .] – danach kommen Gratian und Theodosius. Darum lügt die Prophezeiung nicht, die sagt: ‚Die Könige werden in deinem Licht wandeln‘ (Jes 60,3).“ Julian wird hier als einziger Kaiser aus der Reihe ausgeschlossen.

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der Orthodoxie dieses Kaisers in Parallelität zur klar nizänisch ausgerichteten Politik des Theodosius beruhen. Eine eigene Erwähnung des, auch unter dogmatischen Gesichtspunkten nicht einfach als orthodox zu lobenden, Valentinian II., kann daher verständlicherweise unterbleiben. Dass Ambrosius seine Sicht auf den Tod Valentinians II. nicht geändert hat, lässt sich auch daran erkennen, dass er, wie Zelzer zeigt, wohl selbst eine Zusammenstellung der Rede de obitu Valentiniani mit weiteren Werken, die das Dasein im Jenseits schildern (de Isaac, de bono mortis, de fuga saeculi, de Iacob, de paradiso und epistula ad Vercellenses), geplant hat. Gegen die Interpretation Fallers, diese Reihung stamme von einem späteren Mönch aus Gründen der thematischen Ähnlichkeit, nämlich des Trostes und der Bestärkung, „kann dieses Corpus verschiedenartiger Schriften wohl nur auf Ambrosius selbst zurückgehen und ist dann knapp vor seinem Tod entstanden“.188 Zudem erscheint die Rede in der Mehrzahl der bewahrten Sammlungen unter dem Titel liber de consolatione Valentiniani, der das Programm der Rede aus der Sicht des Ambrosius wiedergibt, als Versicherung der Taufe. Von einer Revision seiner Gedanken kann also keine Rede sein.

7. Zusammenfassung Nach dem Durchgang der Argumente für und wider einen Suizid des Valentinian II. ergibt sich m. E. die Schlussfolgerung, dass Ambrosius zum Zeitpunkt der Rede im Jahr 392 von einem Suizid wusste, der aus Gründen der bedrückenden Situation unter Arbogast eine Verzweiflungstat des Kaisers darstellte. Der lexikalische Befund der Darstellung des Todes Valentinians II., wie auch die Konnotation des Todes als „zu früh“ zeigen eine Tendenz zum Suizid auf. Beide Aspekte machen eine akute Fremdeinwirkung durch Arbogast unwahrscheinlich. Anklänge an den Tod Christi bilden ebenso wenig eine Grundlage für einen gewaltsamen Tod Valentinians II., da die Passion Christi von Ambrosius auch in ihrer Freiwilligkeit im Sinne des Martyriums gezeichnet werden kann. Im Beispiel des Gratian, exp. Ps. 61,6 – 27, dagegen wendet Ambrosius andere Anspielungen auf die Tötung Chrisi an, die eine Assoziation mit der Ermordung Gratians zulassen. Den Suizid Valentinians II., der somit naheliegt, konnte Ambrosius in der historischen Situation der Leichenrede jedoch nicht nennen oder bestätigen, der dem Ansehen Valentinians II. erheblichen Schaden zugefügt hätte. Ambrosius wendet darum die theologische Konzeption einer auf dem Glauben allein beruhenden Begierdentaufe an. Durch den von Valentinian II. vorgetragenen Wunsch zur Taufe postuliert Ambrosius dessen Seligkeit. Ihre besondere Wirkung 188   Zelzer, Zur Überlieferung und Rezeption der Kaiserreden des Ambrosius im Mailänder Raum, 116 f. Vgl. auch dies., Zur frühen Verbreitung der Werke des Ambrosius und zu ihren authentischen Titeln, 317.

IV. Die Leichenrede für Kaiser Valentinian II.

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erlangt die Begierdentaufe durch die Darstellung des Todes im Sinne eines märtyrergleichen Opfertodes, sowie die postmortale Kompensation der fehlenden Eucharistie durch die Unterstützung Gratians. Damit tröstet er aber nicht nur die anwesenden Schwestern des Verstorbenen, sondern er schafft unter kreativen Anstrengungen eine breite Basis der Seligkeit Valentinians II., die sich nicht anders erklären lässt, als dass Ambrosius versucht, den jungen Kaiser zu rehabilitieren und Gerüchten über seine Verdammung infolge des Suizids entgegenzuwirken. Schließlich kann und muss Ambrosius auch sein eigenes Gewissen bestärken, da auch sein Fernbleiben von Vienne den Kaiser in den Suizid getrieben haben könnte. Hat Ambrosius einmal mit solchen Bemühungen die Seligkeit Valentinians II. im Paradies argumentativ festgelegt, ist keinesfalls mit einer Veränderung dieser Sicht in den späteren Jahren zu rechnen. Das Fehlen des Kaisers in der Leichenrede für Theodosius lässt sich durchaus auch auf andere Weise erklären, etwa durch die Vermeidung des für Honorius und die theodosianische Administration peinliche Erinnerung an den Umgang mit Valentinian II. Die Mühe, die sich Ambrosius offensichtlich gibt, den toten Kaiser reinzuwaschen, die sich in den anderen Leichenreden nicht findet, lässt sich m. E. nur vor diesem Hintergrund erklären. Hätte Ambrosius von der Ermordung Valentinians II. durch Arbogast gewusst oder diese vermutet, hätte er wohl, wie in der Darstellung der Ermordung Gratians, die Täter angegriffen und der Gerechtigkeit Gottes anheimgestellt. Ein letzter, diese Argumentation abschließender Blick sei auf eine biblische Anspielung erlaubt: Im Schlussteil der Rede gestaltet Ambrosius die letzte Klage, in der die Brüder gemeinsam betrauert werden, mit Worten des Klagelied Davids über Jonathan und Saul aus 2 Sam 1,17 – 27: Quomodo ceciderunt potentes? [. . .] O omnibus Gratiane et Valentiniane speciosi et carissimi. Inseparabiles in vita, et in morte non estis separate. [. . .] Gratiani sagitta non est reversa retro, et Valentiniani iustitia non fuit vacua nec inanis auctoritas.189

Diese Anspielung auf den Tod der beiden Kaiser in Parallelität zu Jonathan und Saul wird in der bei Schmitt als Argument für die Ermordung gewertet, da die große Nähe zum Schicksal Gratians betont wird.190 Tatsächlich ist die in 2 Sam 1 erklin189  Vgl. ob. Val. 79a: „Wie sind die Herrscher gefallen! [. . .] O, Gratian und Valentinian, ‚die ihre allen lieb und teuer seid. Unzertrennlich wart ihr im Leben, auch im Tod seid ihr nicht getrennt‘ (2 Sam 1,23). [. . .] Gratians ‚Pfeil ist nicht wieder zurückgekehrt‘ und Valentinians Gerechtigkeit ‚war nicht leer‘ (2 Sam 1,22) und seine Macht nicht wertlos.“ Ambrosius bringt das Beispiel selbst in de officiis, vgl. off. 3,9,61: Saul et Ionatha, speciosi et carissimi, inseparabiles in vita sua, et in morte non sunt separati. [. . .] Sagitta Ionathae non est reversa retro et gladius Saul non est reversus vacuus. – „Richtig sagt der heilige David: Saul und Jonathan, lieb und teuer, unzertrennlich (erg. waren sie) im Leben, auch im Tod sind sie nicht getrennt. [. . .] Der Pfeil Jonathans ist nicht wieder zurückgekehrt und das Schwert Sauls ist nicht leer zurückgekehrt.“ 190   Vgl. dazu Schmitt, Ambrosius von Mailand und der Tod Kaiser Valentinians II., 271: Es „gestatten die Ausführungen des Bischofs m. E. nicht den geringsten Zweifel an seiner persönlichen Überzeugung, der zufolge es sich bei dem ‚unzeitigen‘ Ausgang Valentinians nicht um einen Suizid, sondern um einen Regizid handelt. Dies weist insonderheit der mit dem Schriftwort 2 Sam 1,

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

gende Klage Davids eine Reaktion auf die Nachricht des Tod des Saul und des Jonathans. Ambrosius zitiert die alttestamentliche Stelle, wobei er in Aufnahmen von Vers 22 Jonathan mit Gratian und Saul mit Valentinian gleichsetzt. Nun war doch sicherlich Ambrosius und allen Zuhörern klar: Jonathan ist in der Schlacht getötet worden – Saul aber beging Suizid.191

19.25.27 – eine Anspielung auf den Heldentod Sauls und Jonathans in der Schlacht gegen die heidnischen Philister im Gebirge Gilboa – eingeleitete Schlussteil seiner Rede aus, welcher den Tod Valentinians in unlösbare Parallele zu dem seines ermordeten Bruders Gratian setzt.“ 191   Vgl. 1 Sam  31,4: καὶ ἔλαβεν Σαουλ τὴν ῥομφαίαν καὶ ἐπέπεσεν ἐπ᾽ αὐτήν. Vgl. die Schilderung bei Ambrosius in exp. Ps. 37,20,3: haec manus mentem gravavit regis Saul, ut [. . .] gladium suum in se ipse converteret. – „Diese Hand (erg. Gottes) beschwerte den Geist des König Saul, sodass er [. . .] sein Schwert gegen sich selbst richtete.“

V. Die Leichenrede für Kaiser Theodosius: De obitu Theodosii 1. Einleitung Mit der Rede de obitu Theodosii am 25. Februar 395 begab sich Ambrosius am Ende seines Lebens nochmals auf die große Bühne der Reichspolitik. Mochte er auch sein Verhältnis zu Theodosius in einem möglicherweise übertrieben positiven Licht darstellen, mochte er auch seine Rolle als kaiserlicher Berater und seinen Einfluss auf die (Religions‑)Politik des Theodosius überbewerten,1 so ist die Tatsache, dass die Wahl des Redners anlässlich des Todes des Kaisers auf ihn fiel, dennoch von besonderer Bedeutung. Kaiser Theodosius war am 17. Januar 395 im Alter von 47 Jahren infolge der Erkrankung an der Wassersucht im Mailand gestorben. Dass er auf dem Sterbebett noch Ambrosius zu sich rief, zeigt bei aller Diskussion um das Verhältnis der beiden, dass der Bischof doch gerade am Lebensende des ernsthaft gläubigen Kaisers eine Rolle spielte. Vierzig Tage nach dem Tod hielt schließlich Ambrosius die Leichenrede im Rahmen eines Gedenkgottesdienstes in Mailand, bevor der Leichnam nach Konstantinopel überführt wurde, wo am 8. November 395 die Begräbnisfeier in der Apostelkirche stattfand. Welchen Stellenwert die Leichenrede als Beleg für die enge Beziehung zu Theodosius und für Ambrosius’ politische Rolle hat, zeigt sich darin, dass Ambrosius sie selbst in das zehnte Buch seiner Briefsammlung eingeordnet hat, das als Dokument der religionspolitischen Errungenschaften seines Episkopats fungiert.2 Die Rede de obitu Theodosii steht dort zwischen zwei Briefen an seine Schwester Marcellina, 1   Das Verhältnis der beiden zueinander war wohl nicht so eng und bedeutsam, wie Ambrosius es schildert. Schon zu Beginn seiner Regierungszeit musste Theodosius wegen der Konflikte mit Valentinian II. bzw. besonders dessen Mutter Justina gewisse Vorbehalte gegenüber dem Mailänder Bischof haben. Nach der Callinikum-Affäre 388, in der Ambrosius den Kaiser in die Enge trieb und provozierte, sorgte Theodosius dafür, dass Ambrosius von den kaiserlichen Beratungen ausgeschlossen blieb. Und auch wenn bisweilen auf die engen Beziehungen nach der Kirchenbuße, die Theodosius angesichts des Massakers in Thessaloniki 390 leisten musste, hingewiesen wird, so muss festgehalten werden, dass Ambrosius nicht in den engeren Beraterkreis des Kaisers aufrückte und seine politische Autorität auf Italien, v. a. auf Mailand begrenzt war, vgl. dazu Leppin, Theodosius der Große, 161 und ders., Ein Bischof redet dem Kaiser ins Gewissen, 83 – 92. 2   Zum Briefkorpus des Ambrosius vgl. Klaus Zelzer / Michaela Zelzer, „Retractationes“ zu Brief und Briefgenos bei Plinius, Ambrosius und Sidonius Apollinaris, in: Wilhelm Blümer (Hg.), Alvarium. Festschrift für Christian Gnilka, JbAC.E 33, Münster 2002, 393 – 405. Zum zehnten Buch vgl. besonders Michaela Zelzer, Zu Aufbau und Absicht des zehnten Briefbuches des Ambrosius, in: Herbert Bannert (Hg.), Latinität und alte Kirche. Festschrift für Rudolf Hanslik zum 70. Geburtstag, WSt.B 8, Wien 1977, 351 – 362. Siehe auch unter B.VI.1.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

in denen er von seinen Konflikten im Mailänder Basilikenstreit 386, ep. 76 (20), und der Auffindung der Gebeine des Gervasius und des Protasius berichtet, ep. 77 (22).3 Diese Positionierung muss, so vermutet Michaela Zelzer, gerade wegen ihrer scheinbaren Willkür auf den Autor selbst zurückgehen. Und tatsächlich entspricht die Leichenrede auch inhaltlichen der Grundhaltung des zehnten Briefbuches, indem sie den idealen Kaiser, den frommen Christen und den geheiligten Toten darstellt, als dessen väterlichen Berater sich Ambrosius selbst präsentiert.

2. Zielsetzung An dem neuralgischen Punkt des Todes des Kaisers, der zu Chaos und Nachfolgestreitigkeiten führen konnte, wendet sich Ambrosius an das Heer und die Würdenträger des Hofes und schwört die Anwesenden auf den jungen Kaiser Honorius ein.4 Im Unterschied zu den Leichenreden für seinen Bruder Satyrus und Valentinian II. finden sich in de obitu Theodosii nur wenige explizit konsolatorische Stellen,5 klagende Ausrufe und philosophisch-theologische Argumentationen über das (positive) Wesen des Todes. Meist wird die Leichenrede darum als Lobrede in der Tradition antiker Enkomienliteratur bezeichnet. Dieses Fehlen klassischer Trostmotive ist jedoch der Wirkung nicht abträglich: Nicht Schmerz und Trauer, die therapiert werden müssten, stehen im Vordergrund, sondern politische Unsicherheiten und Brüche, die beseitigt und geheilt werden mussten, was Ambrosius durch verschiedene Elemente seiner Theologie erreicht. Die Gestaltung der Rede ist die Antwort auf die vielfältigen Herausforderungen, die Ambrosius als Kirchenpolitiker, Theologe und Seelsorger durch den Tod des Kai3   Zelzer, Quelques remarques sur la tradition des oeuvres d’Ambroise et sur leurs titres originaux, 23. Vermutlich ist diese ungewöhnliche Zwischenstellung dem Kompositionstopos der variatio geschuldet. Ambrosius variiert auch in den neun Briefbüchern mit privater Korrespondenz stark hinsichtlich Adressaten und Themen. Die Tradierung der Leichenrede für Theodosius zusammen mit der Reder de obitu Valentiniani / liber de consolatione Valentiniani und de obitu Gratiani findet sich erst ab dem zwölften Jahrhundert im Heiligenkreuzer Codex 254, vgl. dies., Zur Überlieferung und Rezeption der Kaiserreden des Ambrosius im Mailänder Raum, 113 – 125. 4  Vgl. ob. Theod. 3: et nunc quadragesimam celebramus, adsistente sacris altaribus Honorio principe. – „Und heute feiern wir den vierzigsten (sc. Tag), während uns Kaiser Honorius am heiligen Altar beiwohnt.“ Dabei hat er auch stets den Bruder des Toten, Arcadius, der sich zur Zeit der Rede in Konstantinopel aufhielt, im Blick. Obwohl dieser namentlich nur in ob. Theod. 15 genannt wird, ist er in den Bezeichnungen filii, liberi, pignores principis etc. mit angesprochen. 5   Nur einmal kommt Ambrosius direkt auf den Trost als Intention seiner Rede zu sprechen, vgl. ob. Theod. 35: Dilexi ergo fateor, et ideo dolorem meum intimo viscere dolui et prolixiore sermonis prosecutione solandum putavi. – „‚Ich habe ihn geliebt‘ (Ps 114,1), das gestehe ich also, und deshalb fühlte ich im tiefsten Inneren meinen Schmerz und ich dachte, ich müsse durch einen längeren Nachruf Trost spenden.“ Im weiteren Sinne müssen die Schilderungen des Aufenthalts des Theodosius im Himmelreich als Trost interpretiert werden. Die klassischen Argumente der consolatio aber, etwa die Betonung der condicio humana oder der Hinweis auf das Ende des Leidens, finden sich tatsächlich in der Rede nicht.

V. Die Leichenrede für Kaiser Theodosius

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sers gestellt wurden. Wie gelang es Ambrosius, die Heterogenität der Zuhörer aufzufangen? Wie ging er mit der Aufgabe der Deutungshoheit über den Tod des Königs um? Wie konnte er gleichzeitig die christliche Trostbotschaft vor einem heterogenen Publikum entfalten? Dementsprechend muss die Rede de obitu Theodosii hinsichtlich ihrer Vielschichtigkeit und differenzierten Intentionen betrachtet werden: (i) Die Leichenrede fungiert als politisches Instrument der Loyalitätsverpflichtung: Die erste Herausforderung, vor der Ambrosius steht, hat die Nachfolge des erst elfjährigen Sohnes des Kaisers, Honorius, zum Inhalt, deren Sicherstellung Ambrosius zu gewährleisten hatte. Der Tod eines Kaisers warf stets die Frage der Nachfolgeregelung auf. Nicht selten sahen Usurpatoren in dem entstandenen Machtvakuum eine Gelegenheit zum politischen Aufstieg. Gerade angesichts der vielen Usurpatio­nen der Jahre zuvor und der offensichtlichen Schwäche der Kindkaiser war eine solche Gefahr realistisch. Zwar betrieb Theodosius eine dynastiebildende Politik, indem er zunächst Arcadius am 31. Januar 383 und dann Honorius am 23. Januar 393 zum Augustus ausrufen ließ, bevor er Letzteren als Herrscher im Westen installierte.6 Doch trotz jener Vorbereitung und der Rolle des Heermeisters Stilicho als stabilisierende Stütze und Vormund7 der Kaisersöhne musste das Heer, das mit dem Leisten des Treueeids und der Akklamation des Kaisers die faktische Grundlage der Ernennung bildete, von dem Führungswechsel überzeugt und für den nachfolgenden Herrscher gewonnen werden8 – besonders angesichts der Tatsache, dass Theodosius kein Abkömmling der vorher herrschenden valentinianischen Dynastie war, in die er sich hätte einreihen können.9 (ii) Die Leichenrede fungiert als Ersatz der kaiserlichen Konsekration: Nach römischpaganer Tradition wurde der Kaiser mit seinem Tod zum Gott erhoben. Mittels verschiedener kultisch-ritueller Elemente und einer consecratio bei der Bestattung 6   Vgl. Socr. h. e. 5,25,8. Mit der Erhebung des Arcadius zum Augustus begann Theodosius, seinen älteren Sohn als Herrscher zu inszenieren, obwohl die valentinianische Dynastie noch an der Macht war. Anscheinend muss Theodosius aber bereits klar gewesen sein, dass weder von Gratian noch von Valentinian II. eine ernstzunehmende Gegenwehr zu erwarten sei, vgl. Leppin, Theodosius der Große, 127 – 129. 7   A. a. O., 225 f. und Stephen Williams / Gerard Friell, Theodosius. The Empire at Bay, London 1998, 138 f. 8   Zur Rolle des Heeres bei der Kaisererhebung vgl. Seibel, Typologische Untersuchungen, 16 – 20. 9   Theodosius wurde von Gratian im Jahr 379 nach der Schlacht von Adrianopel als Augustus eingesetzt und konnte auf keine familiären Verbindungen setzen. Sein eigener Vater, Theodosius der Ältere, wurde 376 in Karthago hingerichtet. Ihm wurde Hochverrat vorgeworfen, da er sich angeblich gegen die Erhebung Valentinians II. zum Augustus ausgesprochen habe. Hinzu kommt, dass Theodosius der Ältere möglicherweise Usurpationsbestrebungen hegte. Damit bildet Theodosius den Neubeginn einer Dynastie, deren ideelle Grundlage Ambrosius zu schaffen hatte. Vgl. dazu vgl. Leppin, Theodosius der Große, 23 f. und 96 und Kirsten Groẞ-Albenhausen, Art. Flavius Theodosius, DNP 12 (2002), 340 f.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

wurde durch die Apotheose die Kontinuität zwischen dem divinisierten Verstorbenen und dem Nachfolger, der nun divi filius war, hergestellt. Ambrosius musste in seiner Leichenrede dieses angesichts des christlichen Monotheismus inakzeptable Konzept kompensieren. In der Leichenrede ersetzt er daher auf mehreren Ebenen die paganen Rituale und schafft so das Konzept der sanctificatio des christlichen Kaisers. (iii) Die Leichenrede fungiert als protreptische Rede: Eine christliche Bestattungs­ feier­lichkeit für einen römischen Kaiser war selbst im ausgehenden vierten Jahrhundert keine Selbstverständlichkeit. Gewiss kommt es unter dem sich selbst als nizänischen Christen verstehenden Theodosius zu Aktionen und Reaktionen, die eine Förderung des Christentums und eine Abdrängung des paganen Kults darstellen, doch kann man selbst unter der Voraussetzung des orthodoxen christlichen Kaisers Theodosius noch politische Versuche des Ausgleichs mit heidnischen Eliten und der Integration größerer Gruppen erkennen.10 Es ist davon auszugehen, dass Ambrosius ein gemischtes Publikum bei der Trauerfeier zufriedenstellen musste, das sich aus Christen und Paganen bzw. aus Sympathisanten mit der christlichen Religion und wohl auch Teilen einer heidnischen Opposition zusammensetzte.11 Entsprechend webt Ambrosius protreptische, für das Christentum werbende Elemente in die Leichenrede ein, die den Zuhörern das Christusgeschehen und die Auferstehungshoffnung mit leuchtenden Farben nahebringen und am Beispiel des christianissimus imperator ein Glaubensvorbild schaffen sollten.

3. Zeitgeschichtlicher und situativer Hintergrund Der Tod des Kaisers Theodosius fällt in den Schatten der Auseinandersetzung mit der letzten Erhebung des Heidentums unter dem Usurpator Flavius Eugenius (392 –  394),12 auf die Ambrosius in der Leichenrede mehrmals eingeht. Daher ist vor einer Untersuchung der verschiedenen Intentionen des Ambrosius auf die der Rede vorausgehenden Ereignisse zu blicken.

10   Vgl. Robert M. Errington, Christian Accounts of the Religious Legislation of Theodosius I, Klio 79 (1997), 438 – 453 und Leppin, Theodosius der Große, 233. Zum integrativen Vorgehen des Theodosius meint Leppin: „Ein solches Bestreben kann man vielleicht mit Gutherzigkeit oder christlicher Gesinnung erklären, ergibt sich aber schlüssiger aus taktischen Notwendigkeiten. Theodosius war als Kaiser selten stark genug, um bei Konflikten aufs Ganze zu gehen, und er musste stets die Ressourcen des Reiches schonen.“ Zu einer dezidiert antiheidnischen bzw. proaktiv kirchenfreundlichen Politik kam es darum erst ab 392. 11   Vgl. Giorgio Raspanti, „Clementissimus imperator“. Power, Religion, and Philosophy in Ambrose’s „De  obitu Theodosii“ and Seneca’s „De  clementia“, in: Andrew Cain / Noel E. Lenski (Hgg.), The Power of Religion in Late Antiquity, Farnham 2009, 45 – 55, 55. 12  Vgl. Straub, Art. Eugenius, 860 – 877.

V. Die Leichenrede für Kaiser Theodosius

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Infolge der Wirren, die nach dem Tod Valentinians II. entstanden, musste der magister militum Arbogast reagieren.13 Der Marionette des jungen Kaisers beraubt wartete der Heermeister zunächst ab. Obwohl er der eigentliche Machthaber hinter Valentinian II. war, wollte er offensichtlich nicht selbst zum Augustus erhoben werden, sondern er füllte er das entstandene Machtvakuum mit einem eigenen Kandidaten. Am 22. August 392 wurde darum auf Betreiben des Arbogast der Rhetoriklehrer Flavius Eugenius zum Augustus des Westens ausgerufen.14 Eugenius setzte zunächst darauf, dass er als legitimer Kaiser herrschen könne, und schickte Gesandtschaften zu Theodosius, um seine Ernennung anerkennen zu lassen, die allerdings nicht eindeutig beantwortet wurden.15 Theodosius ließ den Usurpator tatsächlich einige Zeit agieren, was wohl Loyalitätsbekundungen des Eugenius gegenüber Theodosius und dem dienstälteren Augustus Arcadius zuzuschreiben ist.16 Eugenius bemühte sich, als Antworten aus Konstantinopel ausblieben, erfolgreich um den pagan dominierten, römischen Senat, was zur Folge hatte, dass es zu einem Aufschwung der heidnischen Kulte kam. Doch schon am 23. Januar 393 reagierte der kaiserliche Hof in Konstantinopel mit der Ernennung des Honorius zum Augustus, der als Herrscher des Westens Valentinian II. ersetzen sollte. Der offene Bruch mit dem Usurpator Eugenius zeigt sich darin, dass das Konsulat des Eugenius im selben Jahr vom östlichen Kaiserhof nicht anerkannt wurde.17 Zum aktiven Handeln wurde Theodosius gedrängt, als Eugenius sich der Kontrolle Ita­liens bemächtigte. Er nahm vor allem Eugenius’ heidenfreundliche Politik und seine Koalition mit dem römischen Senat18 zum Anlass, sich für den Krieg zu rüsten und in den Westen aufzubrechen. Der Feldzug gegen Eugenius, dessen Erhebung als „letzte Erhebung des Heidentums“ bezeichnet wird,19 wurde wohl absichtlich religiös aufgeladen. Von den 13   Zum Tod Valentinians II. und der Rolle des Arbogast siehe unter B.IV.3 und 4. Arbogast hat wohl mit der Entsendung des Arcadius in den Westen gerechnet, vgl. Seibel, Typologische Untersuchungen, 106. Möglicherweise sah Theodosius eine zu große Gefahr darin, seinen nur acht Jahre alten Sohn Honorius, den er eigentlich als Herrscher des Westens vorbereitet hatte, zu Arbogast zu entsenden. 14  Vgl. Demandt, Geschichte der Spätantike, 109. 15   Aufgrund der guten Beziehungen, die Ambrosius zu Theodosius zu der Zeit pflegte, wandte sich Eugenius auch an ihn, um sich mit der Kirche Mailands gut zu stellen. Ambrosius beantwortete mehrere Briefe des Eugenius vorerst nicht. Im weiteren Verlauf der Jahre 393 bis 395 distanzierte sich Ambrosius weiter von dem Usurpator, auch wenn er sich vor Theodosius für angebliche Illoyalität rechtfertigen musste, vgl. Dassmann, Ambrosius von Mailand, 242 f 16   Um Arcadius gegenüber Loyalität zu zeigen, gab Eugenius Münzprägungen in Auftrag, auf denen er an dritter Position hinter Theodosius und Arcadius genannt wurde. Vgl. Leppin, Theodosius der Große, 207, der an der Stelle auf die fehlende Möglichkeit Theodosius’ eingeht, gegen den Usurpator direkt einzuschreiten, da er wegen verschiedener politischer und militärischer Unsicherheiten im Osten gebunden war. Zur Regentschaft des Honorius und des Arcadius als Kindkaiser vgl. McEvoy, Child Emperor Rule in the Late Roman West, 135 – 222 und Icks, The Inadequate Heirs of Theodosius, 69 – 99. 17  Vgl. Leppin, Theodosius der Große, 212. 18  Vgl. Seibel, Typologische Untersuchungen, 107. 19   Seeck, Geschichte des Untergangs der antiken Welt, 217.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Gebeten des Kaisers zum christlichen Gott und von Ratschlägen des ägyptischen Eremiten Johannes von Lycopolis unterstützt,20 inszenierte der konstantinopolitanische Kaiserhof die militärische Aktion als christlichen Glaubenskrieg. Eugenius favorisierte dagegen die heidnischen Kulte und machte dies ebenso kenntlich. So wurde wohl im Lager des Usurpators bzw. in dessen Nähe eine große Jupiterstatue aufgestellt.21 Die Truppen des Eugenius und des Arbogasts trafen am 6. September 394 in der Nähe des Flusses Frigidus auf die des Theodosius. Da Arbogast seine Soldaten in der Ebene bei dem Fluss breit aufstellen ließ, hatten diese die weit günstigere Position gegenüber dem Heer des Theodosius, das von einem Pass hinabmarschierend nicht seine volle Stärke entfalten konnte. Doch, wie durch ein Wunder, gelang den kaiserlichen Truppen aufgrund günstiger Fallwinde, so die Darstellung des Rufin von Aquileia, der Sieg: etenim compertum est, quod post illam imperatoris precem, quam deo fuderat, ventus ita vehemens exortus est, ut tela hostium in eos qui iecerant retorqueret. cumque magna vi persistente vento omne iaculum missum ab hostibus frustraretur, fracto adversariorum animo seu potius divinitus repulso, Arbogaste duce nequiquam, deo adverso, fortiter faciente, Eugenius ante Theodosii pedes vinctis post terga manibus adducitur, ibique vitae eius et certaminis finis fuit.22

Rufin stilisiert den Wind als göttlichen Eingriff, der so wohl nicht stattfand, da von Ambrosius nur von einem Windphänomen berichtet wird, das die Soldaten des 20   Die spätantiken Kirchengeschichtsschreiber berichten von einer Prophezeiung des Johannes von Lycopolis, der als Gegenbild zu den von Eugenius hinzugezogenen haruspices wirken sollte, der weissagte, der Krieg werde zwar zugunsten des Kaisers ausgehen, dieser werde aber selbst noch in Italien sterben, vgl. Soz. h. e. 7,22,8: καὶ ὁ μὲν ὡς Ἰωάννην παραγενόμενος οὐκ ἔπεισε πρὸς τὸν βασιλέα ἐλθεῖν, ἐπανελθὼν δὲ ἤγγειλεν εἰπεῖν αὐτόν, ὡς νικήσει τὸν πόλεμον καθελών τε τὸν τύραννον μετὰ τὴν νίκην ἐν Ἰταλίᾳ μεταλλάξει τὸν βίον. ἀμφότερα δὲ ἀληθῆ τὸ τέλος ἔδειξεν. – „Als er (sc. Eutrop, der ausgesandte Eunuch des Theodosius) zu Johannes gelangt war, konnte er ihn nicht dazu bewegen, zum Kaiser zu kommen, meldete aber nach seiner Rückkehr, dieser (sc. der Eremit Johannes) habe gesagt, Theodosius werde im Krieg Sieger bleiben und nach erfolgreicher Niederwerfung des Usurpators sein Leben in Italien beenden. Beides erwies sich durch den Ausgang als wahr.“ Die christlichen Autoren scheinen hier bereits die Ereignisse, die auf den Feldzug gegen Eugenius folgten, zurückzuprojizieren und dem Mönch ein vaticinium ex eventu in den Mund zu legen. 21   Vgl. Aug. civ. 5,26: victor autem, sicut crediderat et praedixerat, iovis simulacra, quae adversus eum fuerant nescio quibus ritibus velut consecrata et in alpibus constituta, deposuit. – „Siegreich aber, wie er es geglaubt und vorhergesagt hatte, hat er die Standbilder Jupiters, die als ob sie gegen ihn mit irgendwelchen Riten geweiht in den Alpen aufgestellt wurden, gestürzt.“ Zur Diskussion der heidnischen Bilder und Standarten im Feldzug des Eugenius vgl. Cameron, The Last Pagans of Rome, 102 – 107. 22  Rufin. h. e. 11,33: „Es wird nämlich berichtet, dass sich nach dem Gebet des Kaisers, das er Gott entgegenströmen ließ, ein solch starker Wind erhob, dass die Wurfgeschosse der Feinde auf die, die sie geworfen hatten, zurückfielen. Und weil aufgrund des andauernden, heftigen Windes sämtliche, von den Feinden geworfenen Speere nutzlos wurden, und da der Mut der Feinde gebrochen, oder vielmehr durch göttliches Wirken gehemmt wurde, und auch die Heeresleitung des Arbogast, da Gott gegen sie war, nicht mehr standhalten konnte, wurde Eugenius mit hinter dem Rücken gefesselten Händen vor Theodosius gebracht, und dort fand sein Leben und der Konflikt ein Ende.“

V. Die Leichenrede für Kaiser Theodosius

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Eugenius am Abend vor der Schlacht demoralisiert habe.23 Nichtsdestotrotz interpretiert Ambrosius den Sieg insgesamt in der Leichenrede als Gottesurteil, das die letzte Erhebung des Heidentums auslöschte.24 Eugenius soll den Quellen zufolge gegen den Willen des Theodosius von den kaiserlichen Soldaten hingerichtet worden sein, Arbogast hingegen hat wohl Suizid begangen. Aufgrund seines integrativen Herrschaftsstils enthielt sich Theodosius größerer Strafaktionen an den feindlichen Soldaten und gliederte sie stattdessen in sein eigenes Heer ein.25 Nach dem Sieg am Frigidus wandte sich Theodosius der Ordnung des Reiches zu. Mit dem Tod Valentinians II. und der Ausschaltung des Usurpators Eugenius war er nun endgültiger Alleinherrscher des Römischen Reichs, doch konnte er diese Situation nicht für lange Zeit ordnen, da er bald danach, am 17. Januar 395 in Mailand verstarb. Der Kirchengeschichtsschreiber Sozomenos schildert den Tod des Kaisers folgendermaßen: Μετὰ δὲ τὴν κατὰ Εὐγενίου νίκην ἔτι ἐν Μεδιολάνῳ διάγων Θεοδόσιος ὁ βασιλεὺς ἀρρώστως διετέθη, ἐννοηθείς τε, ὡς οἶμαι, τὴν Ἰωάννου τοῦ μοναχοῦ προφητείαν ὑφωρᾶτο τελευτήν. ἐν τάχει τε τὸν υἱὸν Ὀνώριον ἐκ τῆς Κωνσταντινουπόλεως μετεκαλέσατο καὶ παραγενόμενον ἰδὼν ἔδοξε ῥᾷον ἔχειν, ὡς καὶ ἐπὶ θέαν ἱπποδρομίας σὺν αὐτῷ προελθεῖν. ἐξαπίνης δὲ μετὰ τὸ ἄριστον κακῶς διατεθεὶς ἐκέλευσε τῷ παιδὶ τὴν θέαν ἐπιτελέσαι, τῆς δὲ ἐχομένης νυκτὸς τὸν βίον μετήλλαξεν Ὀλυβρίου καὶ Προβίνου τῶν ἀδελφῶν ὑπατευόντων.26 23  Vgl. exp. Ps. 36,25 f.: [. . .] ut subito ventus oreretur, qui infidelibus excuteret scuta de manibus ac tela omnium atque missilia in peccatoris exercitum retorqueret. adhuc hostis deerat et iam illi ventorum proelia ferre non poterant suisque spiculis sternebantur et, quod peius est, non erant corporum graviora vulnera illa quam mentium; deficiebant enim corde, cum deum adversum se pugnare cognoscerent. – „[. . .] sodass sich plötzlich ein Wind erhob, der den Ungläubigen die Schilde aus den Händen riss und sämtliche Geschosse und Pfeile auf das Heer des Sünders umlenkte. Der Feind war noch gar nicht da und sie konnten den Angriffen des Windes schon nicht mehr standhalten und sie streckten ihre Waffen und – was noch schlimmer war: die psychischen Wunden waren schlimmere als die physischen. Sie waren nämlich im Herzen gelähmt, da sie erkannten, dass Gott gegen sie kämpft.“ Vgl. dazu Cameron, The Last Pagans of Rome, 114. Cameron sieht die pagane Frontstellung des Eugenius, wie sie in den späteren Quellen oft postuliert wird, kritisch und will darin eher eine propagandistische Instrumentalisierung des Theodosius zugunsten des Feldzuges erkennen. 24   Vgl. so auch Soz. h. e. 7,22. Eine andere Geschichte erzählt der Theodosius gegenüber negativ eingestellte Zosimus, h. n. 4,58, nach dessen Schilderung der Sieg einem Hinterhalt der Truppen des Theodosius geschuldet war, die das feindliche Lager in der Nacht während des Abendessens überrannten. Eine Gegenüberstellung und Interpretation der Quellen bietet Leppin, Theodosius der Große, 217 – 220. Zur Schlacht am Frigidus vgl. auch Dassmann, Ambrosius von Mailand, 242 – 245 und Paredi, Saint Ambrose, 361 – 363. 25  Vgl. Leppin, Theodosius der Große, 219 f. 26   Vgl. Soz. h. e. 7,29: „Nach seinem Sieg gegen Eugenius blieb Kaiser Theodosius noch in Mailand und erkrankte schwer. Und er erinnerte sich, wie ich weiß, an die Prophezeiung des Mönchs Johannes und ahnte, dass er sterben werde. Schnell ließ er nach seinen Sohn Honorius aus Konstantinopel schicken, und als er sah, dass dieser gekommen war, schien es, als ob es ihm besser ging, sodass er mit ihm gehen konnte, um die Zirkusspiele anzusehen. Bald nach dem Essen aber ging es ihm plötzlich schlecht und er befahl, sein Sohn solle das Spektakel zu Ende ansehen. Er starb in der kommenden Nacht, als die Brüder Olybrius und Probanius Konsuln waren.“ Ähnlich auch Philost. h. e. 11,2; Socr. h. e. 5,26; Zos. h. n. 4,59. Das schlechte Wetter in Mailand, von dem Ambrosius zu Beginn seiner Rede spricht, könnte einen Anteil an einer Verschlechterung des Gesundheitszu-

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Theodosius wusste wohl um seine schlechte Gesundheit, weswegen er, um die Nachfolge im Westen zu sichern, seinen inzwischen zehn Jahre alten Sohn Honorius aus Konstantinopel nach Mailand kommen ließ. Gemeinsam mit ihm besuchte der Kaiser am 17. Januar 395 die Zirkusspiele, die möglicherweise in die Thronjubiläumsfeierlichkeiten von Theodosius und Arcadius am 19. Januar einzuordnen sind. Theodosius entfernte sich jedoch bald von den Feierlichkeiten und verstarb am Abend desselben Tages in Mailand infolge seiner Erkrankung an der Wassersucht. Es war wohl der magister militum Stilicho, der oberste Heermeister des neu zusammengestellten Heeres,27 der als einer der engsten Vertrauten des Verstorbenen Bischof Ambrosius den Auftrag gab, eine Leichenrede für den Kaiser zu halten. Diese Rede wurde allerdings erst am 25. Februar 395, 40 Tage nach dem Tod des Kaisers, in Anwesenheit des Honorius gehalten. Dass Ambrosius die Verzögerung der 40 Tage ausführlich deutet und erklärt, lässt darauf schließen, dass sich der Bischof unter Rechtfertigungszwang sah. Offensichtlich, darauf weist Leppin hin, kam es zu Streitigkeiten über die Zuständigkeiten.28 Wenn auch die Tatsache, dass Theodosius ein getaufter Christ war und somit eine Leichenrededurch einen Bischof im Rahmen eines Trauergottesdienstes sehr naheliegend war, so ist doch die Wahl des Ambrosius keine Selbstverständlichkeit. Die Beziehung zwischen Kaiser und Bischof, wie sie Ambrosius den Zuhörern bzw. Lesern darstellt, muss durchaus kritisch gesehen werden. Nachdem Eugenius’ Usurpation niedergeschlagen war, musste Ambrosius in mehreren Briefen an Theodosius auf die Vorwürfe des Kaisers reagieren, er habe ein opportunistisches Verhalten und einen Mangel an Loyalität zeigen lassen. Erst nach einem Treffen in Aquileia, bei dem sich Ambrosius wohl persönlich rechtfertigte, scheint sich der Kaiser offen für Versöhnung gezeigt zu haben.29 standes gehabt haben. Vgl. ob. Theod. 1: hoc iuges pluviae minabantur, et ultra solitum caligo tenebro­ sior denuntiabat. – „dies drohten die unablässigen Regenfälle und dies verkündete die Finsternis, die dunkler war als man es gewohnt war.“ 27   Zu Stilicho vgl. Werner Lütkenhaus, Art. Stilicho, DNP 11 (2001), 997 – 998. Dass Stilicho an Ambrosius herangetreten ist, und sich dementsprechend die Rede auch an den kaiserlichen Vormund richtet, hat Lellia Cracco Ruggini, Il 397. L’anno della morte di Ambrogio, in: Luigi Pizzolato (Hg.), Nec timeo mori. Atti del Congresso Internazionale di Studi Ambrosiani nel XVI Centenario della Morte di Sant’Ambrogio (Milano, 4 – 11 Aprile 1997), SPMed 21, Milano 1998, 5 – 29, 13 herausgearbeitet. 28   Vgl. die Erklärung des Zeitraums von 40 Tagen in ob. Theod. 3 mit dem Verweis auf das Begräbnis Jakobs in Gen 50,2 f. Vgl. dazu auch Leppin, Theodosius der Große, 225. 29  Vgl. ep. extra coll. 2 (61). Vgl. dazu Leppin, Theodosius der Große, 220 – 222. Auffälliger ist die Verzögerung von 40 Tagen für die Feierlichkeit, die ein Zeichen für Spannungen bzw. Unklarheiten in der Verantwortlichkeit sein kann. Patricia Just meint in der Tatsache, dass Ambrosius nicht explizit von einer Spendung des Sterbesakraments spricht, einen Hinweis auf bestehende Ressentiments des Kaisers gegenüber Ambrosius zu erkennen, Vgl. Patricia Just, Imperator et episcopus. Zum Verhältnis von Staatsgewalt und christlicher Kirche zwischen dem 1. Konzil von Nicaea (325) und dem 1. Konzil von Konstantinopel (381), Potsdamer altertumswissenschaftliche Beiträge 8, Stuttgart 2003, 202. Da Ambrosius aber davon berichtet, wie Theodosius auf dem Totenbett mit ihm spricht, ist doch von einer gewissen Nähe und wohl auch von der Spendung des Sterbesakraments auszugehen, besonders da Ambrosius dieses auch in den anderen Leichenreden nicht explizit erwähnt.

V. Die Leichenrede für Kaiser Theodosius

257

Es handelte sich bei de obitu Theodosii, anders als im Falle der Rede für Valentinian II., nicht um eine Leichenrede im Rahmen des Begräbnisses, sondern um eine Rede anlässlich einer öffentlichen Trauerfeier. Mehrere Hinweise auf Lesungstexte und die detaillierte Auslegung des Ps 114 legen nahe, dass die Rede in einen Gottesdienst eingebunden war.30 Direkt im Anschluss an diesen wurde der Leichnam in einer Prozession aus der Stadt transportiert und nach Konstantinopel, in die Hauptstadt des östlichen Reichsteils, überführt, wo er am 8. November 395 im Apostoleion, bestattet wurde.31 In fast allen spätantiken Berichten wird die Apostelkirche als Grablege genannt.32 Mark Johnson aber hat eine interessante Beobachtung ausgehend von einer widersprüchlichen Quelle gemacht. Einzig der Chronist Hydatius nennt nämlich die Basilika des heiligen Lorenz in Mailand als Begräbnisstätte: Theodosius valitudine hydropis apud Mediolanum defunctus est anno regni sui XVII. aromatus sancti ecclesiae Laurencii sepultus est.33 Auch wenn die Lokalisierung des Grabes so nicht zutrifft, findet sich in der Aussage des Hydatius möglicherweise dennoch eine falsch zugeordnete Erinnerung und somit ein impliziter Hinweis auf den Ort, an dem der Leichnam aufgebahrt und die Leichenrede gehalten wurde: die Kirche San Lorenzo in Mailand.34 Diese Basilika befand sich in geringer Entfernung zum kaiserlichen Palast und diente wohl repräsentativen Zwecken, weswegen es gut möglich ist, dass sie die Bühne für den feierlichen Akt bot. Biermann geht dagegen davon aus, dass die Rede in der Hauptkirche Mailands stattfand, der basilica nova bzw. maior im Zen­ trum der Stadt.35 Eine dritte Kirche kommt für das Ereignis in Frage, die Mailänder Apostelkirche. Aufgrund ihrer Lage an der Porta Romana, von der aus die Straßen in Richtung Osten zu den Hafenstädten an der Adriaküste führen, favorisiert Michail Bojcov mit den stärksten Argumenten die Apostelkirche als Ort des Gottesdienstes.

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  Vgl. die Hinweise auf die Lesung zum Begräbnis des Jakob (Gen 50) in ob. Theod. 3. Außerdem ist wahrscheinlich, dass Ps 114 im Gottesdienst verlesen wurde, den Ambrosius in extenso in ob. Theod. 17 – 38 auslegt. Die neutestamentliche Lesung bestand möglicherweise aus dem Abschnitt über den reichen Prasser und den armen Lazarus (Lk 16,19 – 31), vgl. ob. Theod. 53: ideo singulariter in sinu Abrahae requiescit divinae testimonio lectionis. – „darum ruht er allein im Schoß Abrahams, so das Zeugnis der göttlichen Schriftlesung.“ Vgl. dazu auch Biermann, Die Leichenreden des Ambro­sius von Mailand, 143 f. 31   Konstantinopel hat sich seit der Bestattung Konstantins als traditionelle Grablege der Kaiser, die über den östlichen Reichsteil geherrscht hatten, durchgesetzt. 32   Vgl. etwa Socr. h. e. 6,1,4; Chron. Pasch. Anno 395. 33  Hyd. chron. 25: „Theodosius starb im 17. Jahr seiner Regentschaft an der Wassersucht bei Mailand und ist im 17. Jahr seiner Regierungszeit einbalsamiert in der Kirche des heiligen Laurentius bestattet worden.“ Vgl. Mark J. Johnson, On the Burial Places of the Theodosian Dynasty, Byz. 61 (1991), 330 – 339, 331 und Bojcov, Der Heilige Kranz, 33. 34   Zur Diskussion der Grablege des Theodosius vgl. Johnson, On the Burial Places of the Theodosian Dynasty, dort 330 – 332. Diese Kirche läge auch nahe, da in ihr aller Wahrscheinlichkeit nach die Brüder Gratian und Valentinian II. bestattet wurden, vgl. ders., On the Burial Places of the Valentinian Dynasty, 501 – 506. 35  Vgl. Biermann, Die Leichenreden des Ambrosius von Mailand, 180.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Er begründet dies damit, dass der Leichnam des Theodosius von dort aus seine Reise nach Konstantinopel beginnen konnte, auf die Ambrosius am Ende der Leichenrede hinweist.36 Anwesend waren bei diesem Gottesdienst Honorius und sein Vormund Stilicho,37 die Repräsentanten des Hofes und die Soldaten, und zwar die Soldaten zweier Heere: Nach der Schlacht am Frigidus erwies nämlich Theodosius den Soldaten des Eugenius bzw. des Arbogast Gnade und verzichtete auf eine Strafe. Aus beiden Lagern wurde ein gemeinsames Heer gebildet, das Stilicho unterstellt werden sollte.38 Ambro­sius wendet sich in seiner Rede einerseits an die Truppen des Theodosius, wenn er die Siege des Kaisers preist und das Verhältnis von Feldherrn und Soldaten lobt. Andererseits betont er immer wieder die Vergebungsbereitschaft, die Theodosius zu Lebzeiten gezeigt hat und auch seinen Söhnen vererbt hat. Damit adressiert er offensichtlich die besiegten, aber amnestierten und ins kaiserliche Heer integrierten Truppen des Eugenius. Mit diesem Blick auf die Adressaten und deren unterschiedliche Bedürfnisse und Interessen werden im Folgenden die drei bereits genannten Zielsetzungen untersucht, die Ambrosius in de obitu Theodosii verfolgt: (i) die Herausforderung, das Heer zu einen und auf den neuen Herrscher einzuschwören, indem Kontinuitäten gewahrt werden und Loyalität übertragen wird; (ii) die Darbietung der adäquaten Formulierung einer laudatio funebris, die rituelle Vorgänge im Rahmen einer vormals propagierten Apotheose auffängt bzw. umarbeitet, und (iii) die Anrede an ein heterogenes Publikum, wobei protreptische Elemente für die Grundlagen des christlichen Glaubens werben.

36  Vgl. ob. Theod. 54: Sed iam veniamus ad augusti corporis transmissionem. – „Aber lasst uns nun zur Überführung des Leichnams des Kaisers kommen.“ Vgl. dazu Bojcov, Der Heilige Kranz, 33 f. 37  Vgl. ob. Theod. 5: de filiis enim nihil habebat novum, quod conderet, quibus totum dederat, nisi ut eos praesenti commendaret parenti. – „Da er ihnen alles übertragen hatte, hatte er im Hinblick auf seine Söhne nämlich nichts neues mehr einzurichten, außer dass er sie einem anwesenden Verwandten (sc. Stilicho) anvertraute.“ Ambrosius gibt sich, nach der Ansicht Camerons, bewusst unklar. Bekannt war, dass Stilicho die Herrschaft im Westen annehmen sollte. Dass er aber auch die Vormundschaft für Arcadius übernommen habe, war dem Hof wohl zu dieser Zeit noch nicht bekannt, vgl. Alan Cameron, Theodosius the Great and the Regency of Stilico, HSCP 73 (1969), 247 – 280, 278 – 280. 38  Vgl. McLynn, Ambrose of Milan, 357, Anm. 231 und Straub, Art. Eugenius, 860 – 870 sowie Leppin, Theodosius der Große, 219. Zur direkten Ansprache der Soldaten vgl. ob. Theod. 7 f. und 10, zum Lob der Vergebungsbereitschaft und einer impliziten Anrede der ehemals Arbogast unterstellten Truppen vgl. ob. Theod. 12 f.

V. Die Leichenrede für Kaiser Theodosius

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4. Die Rede de obitu Theodosii als politisches Instrument der Loyalitätsverpflichtung Die dringendste Aufgabe, die Ambrosius mit der Rede de obitu Theodosii zukommt, besteht in der Wahrung der Loyalität eines heterogenen Heeres und einer neu auf Kaiser Honorius einzuschwörenden Bevölkerung. Angesichts des jungen Alters beider Söhne – Honorius war zu dem Zeitpunkt elf, Arcadius achtzehn Jahre alt39 – und der nur kurz zurück liegenden Usurpation des Eugenius musste diese Brisanz spürbar sein. Vor allem im ersten Teil der Rede wendet er sich darum gezielt diesem Vorhaben zu, indem er mit mehreren Argumenten die Legitimation der jungen Kaiser stärkt und die Loyalität der Soldaten einfordert. 4.1 Die rechtliche Grundlegung der Nachfolge der Kaisersöhne Honorius und Arcadius Ambrosius nutzt mehrmals seine Position als Festredner, um die Soldaten direkt anzusprechen und sie an ihre rechtlichen Verpflichtungen der Treue gegenüber den Söhnen des Theodosius zu erinnern. So fordert er die Soldaten auf, den Eid, den sie Theodosius gegenüber geschworen haben, einzulösen: Solvite filiis eius, quod debetis patri. Plus debetis defuncto quam debuistis viventi.40 Wahrscheinlich spielt Ambrosius auf das sacramentum militare an, den Soldateneid, den die Soldaten ursprünglich dem Feldherrn, ab der Kaiserzeit dem princeps bei der Bildung des Heeres leisteten. Die Soldaten wurden durch diesen zu Gehorsam und Disziplin, mitunter auch spezifisch zur Treue verpflichtet.41 Durch diesen Eid der Soldaten des theodosianischen Heeres waren diese auch zu Einhaltung der inhaltlichen Anweisungen des Theodosius selbst verpflichtet. Schon zu Lebzeiten hat der Kaiser seinen Söhnen Honorius und Arcadius die entsprechenden Vollmachten übergeben: regnum, potestatem, nomen Augusti.42 Wenn schon der letzte Wille des normalen Bürgers beachtet werde, dann müsse der Wille des Kaisers Gesetz sein, wobei sich dieser Wille sowohl an die Nachfolger richtet, um die Ausführung von Entscheidungen sicherzustellen, als auch an die Untergebenen mit der Aufforderung, die Treue auf die Nachfolger zu übertragen. Über den Tod hinaus wirken diese Direktiven des Herrschers im Hinblick auf die untergebenen Soldaten. Doch der Blick weitet sich auch auf das gesamte Reich, indem Ambrosius Begrifflichkeiten des römischen Erbrechts anwendet, um 39   Natürlich stand bei der Trauerfeier der sich in Mailand befindliche Honorius im Vordergrund, während Arcadius in Konstantinopel blieb. Ambrosius spricht aber oft beide Söhne an und erinnert die Zuhörer an die Treue gegenüber beiden. 40   Ob. Theod. 11: „Löst an seinen Söhnen das ein, was ihr dem Vater schuldet. Dem Toten schuldet ihr mehr, als was ihr dem Lebenden geschuldet habt.“ 41   Zum Soldateneid vgl. Walter Eder, Art. Sacramentum, DNP  10 (2001), 1199 f. und Jörg Rüpke, Domi militiae. Die religiöse Konstruktion des Krieges in Rom, Stuttgart 1990, 74 – 79. 42  Vgl. ob. Theod. 5. Arcadius wurde bereits 383 zum Augustus ernannt und war ab dem Feldzug des Theodosius gegen Eugenius 394 Herrscher im Westen. Honorius erhielt sein erstes Konsulat im Jahr 386, zum Augustus wurde er 393 ausgerufen.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

die tutela des gesamtes Volkes einzufordern.43 Die Brüder Honorius und Arcadius sind nach dem römischen Recht in der Altersstufe der minores, der unter 25‑Jährigen und deswegen nicht vollständig Mündigen. Solchen minores kam im Zivilrecht besonderer Schutz zu, vor allem gegenüber der Übervorteilung in Verträgen,44 den Ambrosius auch für die Kaisersöhne in Anspruch nehmen will. In deren Fall ist die Wahrung der iura minorum noch dringender als bei ‚normalen‘ Bürger. Ein weiteres juristisches Phänomen stellt Ambrosius den Zuhörern mit dem erbrechtlichen Institut des fideicommissum vor Augen. Gloriosius quoque in eo Theodosius, qui non communi iure testatus sit; de filiis enim nihil habebat novum, quod conderet, quibus totum dederat, nisi ut eos praesenti commendaret parenti: de subditis sibi et commissis testari debuit, ut legata dimitteret, fidei commissa signaret.45

Durch ein fideicommissum konnte ein Erblasser einem Dritten gegenüber die formlose Bitte aussprechen, das Erbe für eine Person, die aus Alters- oder Standesgründen nicht zum Erbe berechtigt war, wie ein Treuhänder zu verwalten. Ursprünglich war solch eine, vom Testament unabhängige, Verfügung, wie der Name sagt, „der Treue (des Angesprochenen) überlassen“.46 In der Rede de obitu Theodosii spricht Ambrosius die Zuhörer als Treuhänder der Wünsche des toten Theodosius an und nimmt sie in die Pflicht, das Erbe des Kaisers entsprechend zu verwalten. 4.2 Die Kompensation des Jugendalters der Nachfolger Theodosius hat zwar sein Möglichstes getan, um seine Nachfolge zu regeln, dennoch ist spürbar, wie sehr sich Ambrosius in der Rede um die Problematik des jugendlichen Alters der Söhne und eine mögliche Verunsicherung vor allem beim Heer sorgt 43  Vgl. ob. Theod. 11: Etenim si in liberis privatorum non sine gravi scelere minorum iura temerantur, quanto magis in filiis imperatoris. – „Denn wenn schon bei Kindern von Privatleuten die Rechte der Minderjährigen nicht ohne ein schweres Verbrechen verletzt werden können, wie viel mehr gilt das dann bei den Söhnen des Kaisers.“ So auch Johannes Straub, Parens Principum. Stilichos Reichspolitik und das Testament des Kaisers Theodosius, in: Johannes Straub (Hg.), Regeneratio imperii. Aufsätze über Roms Kaisertum und Reich im Spiegel der heidnischen und christlichen Publizistik, Darmstadt 1972, 220 – 239, 225. 44   Vgl. Max Kaser / Rolf Knütel, Römisches Privatrecht, Kurzlehrbücher für das juristische ­Studium, München 172003,102 – 104. 45   Ob. Theod. 5: „Sehr ruhmvoll hat Theodosius auch darin gehandelt, dass er sein Testament nicht nach den allgemeinen Rechtsvorstellungen verfasst hat. Da er ihnen alles übertragen hatte, hatte er im Hinblick auf seine Söhne nämlich nichts neues mehr einzurichten, außer dass er sie einem anwesenden Verwandten (sc. Stilicho) anvertraute. Im Hinblick auf seine Untergebenen und Schutzbefohlenen musste er noch Anordnungen treffen, um Vermächtnisse auszugeben und Fideikommisse zu unterzeichnen.“ 46  Zum zivilrechtlichen Konzept des fideicommissum vgl. Wolfgang Kunkel / Martin Josef Schermaier, Römische Rechtsgeschichte, UTB 2225, Köln 142005, 172 und Max Kaser, Das römische Privatrecht. Bd. 2: Die nachklassischen Entwicklungen, München 1975, 555 f. Zur Verwendung von legatum und des fideicommissum bei Ambrosius vgl. Giorgio Bonamente, „Fideicommissum“ e trasmissione del potere nel „De obitu Theodosii“ di Ambrogio, VetChr 14 (1977), 273 – 280.

V. Die Leichenrede für Kaiser Theodosius

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und darum versucht, angesichts der Schwäche der Söhne zu besonderer Loyalität aufzurufen. Mit einem Wortspiel setzt er die Bedeutung der Treue (fides) und des Glaubens (fides) ins Verhältnis: Nec moveat aetas! Fides militum imperatoris perfecta aetas est; est enim perfecta aetas, ubi perfecta est virtus. Reciproca haec, quia et fides imperatoris militum virtus est.47 Ambrosius appelliert einerseits an die Pflicht der Soldaten, dem jungen Kaiser Honorius die Treue zu halten und ihm gegenüber der virtus entsprechend zu handeln, damit so dessen geringe Erfahrung kompensiert werde. Deutlich wird das durch die Definition des Glaubens, die Ambrosius dem Hebräerbrief entnimmt: Der Glaube als die Hoffnung auf das Zukünftige schließt das Vertrauen auf die glückliche Zukunft und die wachsende Erfahrung der jugendlichen Kaiser mit ein.48 Zudem erinnert Ambrosius die Soldaten an die Schlachterfolge des Theodosius, die dieser mit der Hilfe des christlichen Gottes aufgrund seines Glaubens errungen hat.49 Zweifach sollen die Legionäre dabei gebunden werden: einerseits durch den Treueeid, den der Soldat seinem Feldherrn leistet, andererseits durch den Glauben an Gott, der das Heer zum Erfolg führte. Beides geht auf die Söhne über, da sie seine Erben sind, und zwar nicht nur im rechtlichen Sinne, sondern auch im Sinne der pietas. Zudem nutzt Ambrosius mehrere biblische Figuren als Beispiele dafür, dass junges Alter kein Grund für Schwäche und Unsicherheit sein dürfe. Ambrosius vergleicht Theodosius und Honorius mit den Patriarchen Jakob und Joseph,50 zunächst, um den späten Termin der Trauerfeier zu legitimieren, da auch Jakob erst am 40. Tag nach seinem Tod von Joseph bestattet wurde. Schließlich hebt Ambrosius das jugendliche Vorbild Josephs hervor und überträgt es auf Honorius, indem Ambrosius ihm die Segensworte, die Joseph von dem Patriarchen erhalten hat, zuspricht. Sicherlich sollten die Zuhörer, neben der dadurch entstehenden ehrwürdigen Autorität durch eine solche Parallelisierung, auch die Verwaltungsfähigkeit und politische Bedeutung Josephs auf Honorius übertragen wissen. 47   Ob. Theod. 6: „Ihr Alter soll nicht beunruhigen! In der Treue (fides) der Soldaten liegt die Altersreife des Kaisers. Das Alter ist nämlich dann gereift, wenn die Tugend gereift ist. Sie stehen in einem reziproken Verhältnis, da auch im Glauben (fides) des Kaisers die Tugend der Soldaten besteht.“ 48  Vgl. ob. Theod. 8: Nec mirum, si auget aetatem fides, cum repraesentet futura. Quid est enim fides, nisi rerum earum, quae sperantur, substantia? – „Es ist nicht verwunderlich, dass der Glaube das Alter steigert, da er doch die zukünftigen Dinge vergegenwärtigt. ‚Was ist denn der Glaube anderes als das Wesen der Dinge, die man erhofft‘ (Hebr 11,1)?“ 49  Vgl. ob. Theod. 7 f.: Recognoscitis nempe, quos vobis Theodosii fides triumphos adquisiverit. [. . .] Theodosii ergo fides fuit vestra victoria: vestra fides filiorum eius fortitudo sit. – „Ihr wisst natürlich, welche Triumphe euch der Glaube des Theodosius errungen hat. [. . .] Der Glaube des Theodosius ist also euer Sieg, eure Treue aber ist die Stärke seiner Söhne.“ Vgl. dazu Biermann, Die Leichenreden des Ambrosius von Mailand, 182: „Ambrosius spielt den eigentlich christlichen und zugleich den römischen Gehalt der Begriffe aus, wenn er an den Sieg des Theodosius über Eugenius, Arbogast und ihre heidnische Anhängerschaft erinnert.“ 50   Ob. Theod. 3. Ausgehend von dieser biblischen Geschichte wird Theodosius in Parallelität zu Jakob als Überwinder des Götzendienstes und Unglaubens dargestellt, vgl. Gen 35,4.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Weitere biblische Beispiele sind die alttestamentlichen Könige Josia und Asa, die beide trotz ihrer Jugend erfolgreiche Herrscher waren, solange sie sich zu Gott bekannten, obwohl ihre eigenen Väter, Amon und Abia, von Gott abgefallen seien.51 Theodosius dagegen sei auch noch ein Glaubensvorbild gewesen, was die Bedeutung von Honorius und Arcadius weiter stärkt. 4.3 Die repraesentatio Theodosii als Garantie gegenseitiger Loyalität Der Treue der Soldaten stellte Ambrosius die Loyalität und Kontinuität der Nachfolger des Theodosius als Gewissheit gegenüber. Im Besonderen bedeutet dies die Gewährleistung von Entscheidungen, die Theodosius zu Lebzeiten gegeben hat, durch Honorius: Theodosius versprach willkommene Abgabensenkungen und gewährte nach der Schlacht am Frigidus den Soldaten aus den Abteilungen des Eugenius durch einen Gnadenerlass Amnestie.52 Gerade für das anwesende Heer, in das von einer solchen Begnadigung unmittelbar betroffene Soldaten integriert worden waren, war diese Sicherheit von größter Wichtigkeit und die Basis für eine Fortführung des Treueeids. Indem Ambrosius diese konkreten Maßnahmen anspricht, erwirbt er für die jungen Kaiser starke Sympathien sowohl in der Gesellschaft als auch im Heer. Gleichzeitig wird so verhindert, dass der die jungen Söhne bevormundende Regierungsapparat die Vorsorge des Theodosius übergehen konnte. In besonderer Weise betont Ambrosius die segensreiche Herrschaft der Söhne durch die Versicherung einer andauernden Wirkkraft des Theodosius im Diesseits. Die beiden sollen als Repräsentationen des Theodosius gelten, seine auctoritas soll auf sie übergehen und sie sollen als Teil seiner selbst gelten: Ergo tantus imperator recessit a nobis, sed non totus recessit; reliquit enim nobis liberos suos, in quibus eum debemus agnoscere et in quibus eum et cernimus et tenemus.53 51

 Vgl. ob.  Theod.  15 f. Zu Amon und Josia vgl. 2 Kön 21,19 – 32 und zu Abia und Asa vgl. 1 Kön  15,1 – 24. 52  Vgl. ob. Theod. 5: Nihil gloriosius exitus tanti principis habuit [. . .] quam quod [. . .] promissa annonarum exigendarum relaxatio dum moratur, facta est successio eius indulgentiarum hereditas. Praecepit dari legem indulgentiae, quam scriptam reliquit. – „Nichts Ruhmreicheres hatte der Tod dieses bedeutenden Kaisers [. . .], als dass, während der versprochene Nachlass der geforderten ­Steuern teilweise ausgesetzt wurde, seine Nachfolge zum Erbe dieses Erlasses wurde. [. . .] Er ordnete ein Gesetz an, dass Strafnachlass gewährt werde, das er schriftlich hinterlassen hat.“ Zu den Steuer­ senkungen vgl. Kirsten Groẞ-Albenhausen, Imperator christianissimus. Der christliche Kaiser bei Ambrosius und Johannes Chrysostomus, Frankfurter althistorische Beiträge 3, Frankfurt a. M. 1999, 132. 53   Ob. Theod. 6: „Solch ein großer Kaiser ist also von uns gegangen, aber vollständig ist er nicht gegangen. Er hinterließ uns nämlich seine Söhne, in denen wir ihn erkennen müssen und in denen wir ihn sehen und festhalten.“ Vgl. dazu auch das Gebet in ob. Theod. 36: Sed tamen tu solus, domine, invocandus es, tu rogandus, ut eum in filiis repraesentes. Tu, domine, custodiens etiam parvulos in hac humilitate, salvos facito sperantes in te. – „Dich allein aber, Herr, muss man anflehen, dich muss man bitten, dass du ihn in seinen Söhnen vergegenwärtigst. Du, Herr, bewahrst auch die Kinder in solcher Demut; rette die, die auf dich vertrauen.“ Eindeutig wird hier Gott als Wirker der repraesentatio genannt, vgl. ep. 51,11 (15), siehe dazu unter B.VII.5.

V. Die Leichenrede für Kaiser Theodosius

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Dieser Gedanke des Fortlebens des Vaters im Sohn bzw. den Söhnen ist bereits im römischen Erbrecht angelegt, wo angenommen wurde, dass ein Erbe die gesamte Persönlichkeit, die Rechte und die Pflichten des Erblassers in sich aufnehmen könne.54 Das Konzept der repraesentatio wendet Ambrosius auch im Fall des Todes des Bischofs Acholius und der Frage nach dessen Nachfolge durch Anysius in Brief 51 (15) an.55 Wie Acholius als Repräsentation des Bischofs Acholius sein Amt – mit allen Aufgaben und Vorzügen – fortführen wird, so werden Honorius und Arcadius die Versprechen des Theodosius halten. Unter dieser Voraussetzung können auch die enkomiastischen Passagen auf Arcadius und Honorius angewendet werden: Die Söhne werden als die pietatis heredes angeführt und als Träger seiner clementia, indulgentia und misericordia mitgedacht. Wie noch zu sehen ist, wird Theodosius als jenseitiger Fürsprecher seiner Söhne vor Gott von Ambrosius deutlich herausgearbeitet, um eine neue Idee des christlichen Herrschers zu verdeutlichen. Er nutzt diese Metamorphose des Kaisers, um ihn als Akteur im Himmel, der durch Fürbitte bei Gott auf Erden weiter wirksam sein kann, ins Spiel zu bringen und so die Position seiner Söhne zu stärken.56 Jegliche Handlung illoyaler Art würde angesichts des praesul am Thron Gottes bestraft werden und zu einem Akt der impietas werden. Sowohl heidnischen als auch christlichen Zuhörern konnte ein solches Bild zur Mahnung dienen. 4.4 Die Kreuzauffindungslegende in ob. Theod. 41 – 51 als Ätiologie der Reichsreliquien In der Rede für Theodosius findet sich die berühmte Erzählung von der Kreuzauffindung durch Helena, die Mutter Konstantins.57 Ambrosius erwähnt zwar in

54

  Vgl. dazu Fellermayr, Tradition und Sukzession, 361 – 367. Diese Vorstellung kann soweit gehen, dass man von einem tatsächlichen Fortleben des Toten sprechen kann, wobei es nur zu einem Wechsel der Person kam. Dieses Denken bietet auch die Grundlage für eine Vorstellung von der apostolica successio, in der die Bischöfe als „Söhne“ der Apostel fungieren. 55  Vgl. ep. 51,11 (15): Hunc nobis quis poterit repraesentare? Sed repraesentat dominus et se ipsum in discipulo repraesentat. Repraesentant iudicia vestra. – „Wer könnte aber uns diesen vergegenwärtigen? Der Herr vergegenwärtigt ihn und sich selbst vergegenwärtigt er durch seinen Schüler. Eure Urteile vergegenwärtigen ihn.“ 56  Vgl. ob. Theod. 16: Theodosius vero plenus timoris dei, plenus misericordiae, speramus, quod liberis suis apud Christum praesul adsistat, si dominus propitius sit rebus humanis. – „Theodosius aber war voll von der Ehrfurcht vor Gott, voll von Barmherzigkeit. Wir hoffen, dass er seinen Kindern bei Christus als Fürsprecher steht, wenn der Herr menschlichen Angelegenheiten gnädig ist.“ 57   Zur Legende und der Rolle Helenas vgl. Jan Willem Drijvers, Helena Augusta. the Mother of Constantine the Great and the Legend of Her Finding of the True Cross, BSIH 27, Leiden / New York 1992 und ders., Helena Augusta, the Cross and the Myth. Some New Reflections, Millennium 8 (2011), 125 – 174; Bojcov, Der Heilige Kranz, passim; Ernesti, Princeps christianus und Kaiser aller Römer, 220 – 227; Franca Ela Consolino, Il significato dell’inventio crucis nel de obitu Theodosii, AFLS 5 (1984), 161 – 180, passim; Joseph Vogt, Helena Augusta, das Kreuz und die Juden. Fragen um die Mutter Constantins des Großen, Saeculum 27 (1976), 211 – 222.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Kapitel 33, dass er zum Schlussteil der Rede komme,58 doch tatsächlich folgt in den Kapiteln 41 bis 51 ein ausführlicher, den Rahmen der Rede sprengender Exkurs darüber, wie Helena ins Heilige Land pilgerte, um dort das wahre Kreuz Christi zu suchen. Vielfach wurde darum angenommen, man habe es bei dem Exkurs mit einen nachträglichen Einschub zu tun, der erst im Überarbeitungsprozess vor der Veröffentlichung seinen Platz in der peroratio der Rede gefunden habe.59 Eine genauere Untersuchung der Kreuzauffindungslegende zeigt aber, dass Ambrosius sie mit Bedacht an diesen Ort gestellt hat. Sie nimmt dabei eine wichtige Funktion in der Einordnung der Kaiser Theodosius, Honorius und Arcadius in die Reihe der heres fidei ein und schafft so ein weiteres Argument für die Zuhörer, den jungen Kaisern ihre Treue und Loyalität zu versprechen. 4.4.1 Die Kreuzauffindungslegende: Der Inhalt der ambrosianischen Version Seinen Platz findet der Exkurs im Anschluss an die Schilderung, wie Theodosius mit seiner Familie, Gratian und schließlich Konstantin im Himmelreich zusammentrifft: Cuius temporibus conpletum est propheticum illud: In illo die erit, quod super frenum equi, sanctum domino omnipotenti. Quod illa sanctae memoriae Helena, mater eius, infuso sibi dei spiritu revelavit.60 Eingeleitet mit dem Zitat Sach 14,20 kommt Ambrosius recht unvermittelt auf den Besuch der Kaisermutter Helena in Jerusalem zu sprechen, die zwischen 325 und 328 von ihrem Sohn nach Palästina geschickt wurde.61 Dort besuchte sie die loca sancta und schließlich den Kreuzigungsort Jesu, Golgatha. Der Heilige Geist, so schreibt es Ambrosius, gab ihr ein, das Kreuz zu suchen.62 Nach einem inneren Monolog, in dem Helena über die Bedeutung der Offenbarwerdung des Kreuzes meditiert, schildert Ambrosius die Aufgrabung des Bereiches und berichtet von der Auffindung dreier Kreuze. Gemäß den Evangelien-

58  Vgl. ob. Theod. 33: [. . .] ut quadam sermonem concludam [. . .] – „[. . .] um nun mit einem Schlusswort meine Rede zu beenden [. . .].“ 59   Vgl. Charles Favez, L’épisode de l’invention de la croix dans l’„Oraison funèbre de Théodose“ par saint Ambroise, REL 10 (1932), 423 – 429 und Louis Laurand, L’oraison funèbre de Théodose par saint Ambroise. Discours prononcé et discours écrit, RHE 17 (1921), 349 f. 60   Ob. Theod. 40: „In dessen (sc. Konstantins) Zeit hat sich das Prophetenwort erfüllt: ‚An jenem Tag wird es sein, dass über dem Zaumzeug des Pferdes das dem Herrn Heilige ist‘ (Sach 14,20). Dies hat jene Helena heiligen Andenkens, seine Mutter, nachdem der Geist Gottes es ihr eingegeben hat, offenbart.“ 61   Vgl. Eus. v.C. 3,42. Der genaue Zeitpunkt der Reise wird unterschiedlich diskutiert. Zu einem Überblick der Datierungsdiskussionen vgl. Drijvers, Helena Augusta, the Cross and the Myth, 138, Anm. 54, der sich selbst für eine mittlere Datierung zwischen 326 und 328 ausspricht. 62  Vgl. ob. Theod. 43: Venit ergo Helena, coepit revisere loca sancta, infudit ei spiritus, ut lignum crucis requireret. Accessit ad Golgotham et ait: Ecce locus pugnae, ubi est victoria? Quaero vexillum salutis et non invenio. – „Helena kam also an und begann die heiligen Stätten zu besuchen. Der Geist gab ihr ein, dass sie das Holz des Kreuzes suchen solle. Sie kam nach Golgatha und sprach: Siehe, der Ort des Kampfes, wo ist der Sieg? Ich suche die Standarte des Heils und kann sie nicht finden.“

V. Die Leichenrede für Kaiser Theodosius

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berichten konnte die Kaisermutter durch den titulus crucis das wahre Kreuz identi­ fizieren, das sich selbst außerdem durch ein Aufleuchten zu erkennen gab.63 Einer weiteren Eingebung des Heiligen Geistes folgend suchte Helena die Kreuzesnägel zusammen und ließ aus einem Nagel ein Pferdezaumzeug (frenum) und aus einem zweiten eine Krone (diadema) herstellen. Beide Reliquien – unum ad decorem, alterum ad devotionem – sendete sie schließlich zu ihrem Sohn Konstantin.64 Ambrosius ist der erste, der über den Fund des Kreuzes durch Helena berichtet. Euseb schreibt zwar darüber, dass Helena ins Heilige Land reiste und dort die Wirkungsstätten Jesu besuchte sowie mehrere Kirchen bauen ließ, von einer Auffindung des Kreuzes aber spricht er nicht.65 Kyrill von Jerusalem schreibt in einem Brief an Constantius II. immerhin von der Kreuzesreliquie, die zu Zeiten Konstantins gefunden worden sei, schweigt aber zur Rolle Helenas.66 Auch Johannes Chrysostomos verliert in seiner ins Jahr 390 zu datierende Homilie, in Joh. hom. 85, in der der Auffindung der drei Kreuze gedacht wird, kein Wort über die Kaiserin.67 Zudem bietet Ambrosius in seiner Darstellung auch andere Aspekte, die in den späteren Berichten fehlen. Rufin etwa berichtet in den Jahren 402 / 3 von der Auffindung und auch Paulinus von Nola kennt eine ähnliche Version, die sich auf das Kreuzesholz konzentriert, während die Nägel in den Hintergrund rücken.68 Beide Autoren, wie auch die weiteren spätantiken Kirchengeschichtsschreiber, schöpfen dabei offensichtlich aus einer gemeinsamen Quelle, wohl der Kirchengeschichte des Gelasius von Caesarea, die um 390 zusammengestellt wurde. Dessen historia

63

 Vgl. ob. Theod. 45 f.: Incerto haeret, haeret ut mulier, sed certam indaginem spiritus sanctus inspirat, eo quod duo latrones cum domino crucifixi fuerint. Quaerit ergo medium lignum. [. . .] pertendit tamen ad cubile veritatis. lignum refulsit et gratia emicuit. – „Voller Unsicherheit stockt sie, sie stockt wie eine Frau, aber der heilige Geist gibt ihr einen sicheren Hinweis, dass nämlich zwei Räuber mit dem Herrn gekreuzigt wurden. Sie sucht darum das mittlere Holz. [. . .] Sie kam aber zur Ruhestätte der Wahrheit: das Holz erstrahlte und die Gnade leuchtete auf.“ 64  Vgl. ob. Theod. 47: Quaesivit clavos, quibus crucifixus est dominus, et invenit. De uno clavo frenum fieri praecepit, de altero diadema intexuit; unum ad decorem, alterum ad devotionem vertit. Misit itaque filio suo Constantino diadema gemmis insignitum, quas pretiosior ferro innexa crucis redemp­ tionis divinae gemma conecteret, misit et frenum. Utroque usus est Constantinus et fidem transmisit ad posteros reges. – „Sie suchte die Nägel, mit denen der Herr gekreuzigt worden ist, und fand sie. Aus dem einen Nagel ließ sie ein Zaumzeug machen, aus dem anderen ließ sie eine Krone verarbeiten. Den einen Nagel bestimmte sie zum Schmuck, den anderen zur Verehrung. Daher schickte sie ihrem Sohn Konstantin die Krone, die mit Edelsteinen besetzt war, mit denen sie den noch wertvolleren Edelstein der göttlichen Erlösung, der dem Eisen der Krone eingearbeitet war, verband. Und auch das Zaumzeug schickte sie ihm. Beide (sc. Reliquien) nahm Konstantin in Gebrauch und übertrug den Glauben auf die späteren Herrscher.“ 65   Vgl. Eus. v.C. 3,42 f. Zur Bedeutung der Anmerkung bei Euseb für Ambrosius vgl. Consolino, Il significato dell’inventio crucis nel de obitu Theodosii, 162 – 169. Vgl. dazu Bojcov, Der Heilige Kranz, 13 f. 66   Vgl. Cyr. Hier. Cat. 9,10; 10,19;13,14. 67  Vgl. Bojcov, Der Heilige Kranz, 11 f. 68   Vgl. Paul. ep. 31,3 – 6 und die Versionen der Kirchenhistoriker, Soz. h. e. 2,1; Socr. h. e. 1,17 und Theodrt. h. e. 1,18.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

eccle­siastica ist zwar verloren, lässt sich aber in Teilen rekonstruieren, da er unter anderem Rufin, Sozomenus, Sokrates und Theodoret als Quelle dient.69 Es muss also bereits zu Ambrosius’ Zeit eine zunächst mündliche, später verschriftlichte Erzählung der Auffindung etabliert gewesen sein, die wahrscheinlich in Jerusalem im Rahmen der Verehrung der Kreuzesreliquie erzählt wurde.70 Diese gängige Version musste sich allerdings von der Variante des Ambrosius merklich unterscheiden, da sonst das ausführliche Referat unnötig gewesen wäre.71 4.4.2 Die Kreuzauffindungslegende: Interpretation Beim Hören der Leichenrede musste sich den Anwesenden die Frage stellen, in welchem Zusammenhang diese Legende zur Leichenrede für Theodosius steht. Der Übergang, der von der Szene im Reich Gottes zu der kaiserlichen Mutter führt, ist so abrupt, dass sich die Frage stellt, warum Ambrosius hier einen solchen historischen Exkurs einschaltet, der die Ausgewogenheit der Rede stört. M. E. übernimm die Legende, die zu den Wurzeln des christlichen Kaisertums zurückgeht, die Funktion des für die laudatio funebris klassischen Motivs des Lobs der Vorfahren, indem Theodosius durch die Kreuzesreliquien, die Helena fand, in die Reihe der christlichen Kaiser aufgenommen wird. Das Lob der Vorfahren kann im Falle des Theodosius nur modifiziert angewendet werden, denn die Abkunft von Theodosius dem Älteren war nicht prestigeträchtig und für eine dynastische Einordnung unbrauchbar.72 Ambrosius meistert die Heraus­forderung, diese fehlende familiäre Verbindung zu früheren Kaisern zu kompensieren. Mit dem Exkurs gelingt es ihm, nicht nur die familiäre Lücke zu schließen, sondern das gesamte Reich miteinzubeziehen und eine politische Theologie des Römischen Reichs darzulegen, wobei er die Reichsreliquien, die Krone und das Zaumzeug aus den Kreuzesnägeln, den Zuhörern präsentiert: das frenum muss am Pferd des Honorius sichtbar gewesen sein, die diadema befand sich wohl auf Honorius’ Haupt. Die Neuartigkeit und Einzigartigkeit seiner Version bietet Ambrosius die Gelegenheit, die Geschichte der Kreuzauffindung auf verschiedene Weise zu nutzen. Auf69  Sokrates, h. e. 1,17, hat dabei Rufin als Quelle, während Sozomenos, h. e. 2,1, und Theodoret, h. e. 1,17, vorrangig Rufin folgen, aber die Eigenheiten des Ambrosius miteinarbeiten, vgl. Consolino, Il significato dell’inventio crucis nel de obitu Theodosii, 163. 70   Möglicherweise kann die Entstehung dieser Tradition mit dem verstärkten Aufkommen von Pilgerreisen zu den loca sancta in Verbindung gebracht werden. Die Legende könnte dann aus den Erklärungen, die den Pilgern zur Kreuzesreliquie gegeben wurden, entstanden sein. 71  Vgl. Bojcov, Der Heilige Kranz, 15. Bojcov geht davon aus, dass ein Anhänger des theodosianischen Hofes die Erzählung aus dem Osten des Reiches dem Mailänder Bischof zugetragen haben könnte. 72   Der Vater des Theodosius, Flavius Theodosius, der Anfang 376 aufgrund des Verdachts des Hochverrats gegen Valentinian II. hingerichtet wurde, war kein Kaiser, und somit, auch wenn Theodosius für seine Rehabilitation gesorgt hat, keine Basis für eine Dynastie. Zu Theodosius dem Älteren vgl. Leppin, Theodosius der Große, 23 f. 96 und Groẞ-Albenhausen, Art. Flavius Theodosius, 340 f.

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fallend ist die Rolle Helenas, die in de obitu Theodosii gegenüber anderen Berichten besonders hervorgehoben ist: Helena wird zur eigentlichen Akteurin, zum göttlichen Werkzeug der Auffindung, während in den anderen Versionen stets weitere Personen und Wunder hinzugenommen werden, damit das Kreuz gefunden werden kann.73 Ambrosius betont stattdessen das Wirken des Heiligen Geistes an Helena, der sie an verschiedenen Schaltstellen der Erzählung leitet, und lobt ihre Rolle bei der Auffindung. Dies mündet schließlich in einer Parallelisierung Helenas mit Maria: Visitata est Maria, ut Evam liberaret, visitata est Helena, ut redimerentur imperatores.74 Ambrosius konzentriert sich außerdem auf die Kreuzesnägel. Dass Helena auch ein großes Stück des lignum crucis ihrem Sohn nach Konstantinopel sandte, erfahren die Zuhörer nicht ‑möglicherweise aus dem Grund, dass das Kreuzesholz in Konstantinopel verehrt wurde. Die zu Zaumzeug und Krone umgearbeiteten Nägel konnten dagegen in Mailand während der Rede präsentiert werden.75 In der Jerusalemer Version wird dagegen das Kreuzesholz betont und, in Differenz zu Ambrosius, von der Herstellung eines Helms aus einem der Nägel berichtet.76 73   Vgl. die wunderhafte Heilung einer schwer kranken Frau unter der Anweisung des Jerusalemer Bischofs Makarius bei Rufin, h. e. 10,7 – 8. Erst durch die Berührung mit dem dritten Kreuz wird die Frau gesund, wodurch das wahre Kreuz identifiziert wird. Helena rückt dabei in den Hintergrund. Ähnlich verhält es sich in der Darstellung des Paulinus: Helena braucht die Hilfe ortskundiger Personen, um den Ort der Kreuzigung zu finden. Auch hier identifiziert ein Wunder, die Auferweckung eines Toten, das Kreuz Jesu, vgl. Paul. Nol. ep. 31,5. Die gewisse Nüchternheit entspricht auch Ambrosius’ genereller Zurückhaltung im Falle von wunderhafter Beschreibungen im Umkreis von Märtyrern und Reliquien, vgl. Dassmann, Ambrosius und die Märtyrer, 58 – 60. 74   Ob. Theod. 47: „Maria wurde (sc. vom Heiligen Geist) heimgesucht, damit sie die Eva befreie; Helena ist heimgesucht worden, damit die Kaiser erlöst werden.“ Vgl. auch ob. Theod. 44: illa quasi sancta dominum gestavit, ego crucem eius investigabo. illa generatum docuit, ego resuscitatum. Illa fecit, ut deus inter homines videretur, ego ad nostrorum remedium peccatorum divinum de ruinis elevabo vexillum. – „Jene (sc. Maria) hat als Heilige den Herrn getroffen, ich werde sein Kreuz finden. Jene hat den als Mensch geborenen gezeigt, ich zeige den Auferstandenen. Jene hat dafür gesorgt, dass Gott als Mensch gesehen werden kann, ich werde zur Heilung unserer Sünden das göttliche Standbild aus den Trümmern heben.“ 75   Ambrosius setzt allerdings auch Nagel und Holz in eines und postuliert somit, dass das Kreuz an sich als Reliquie anwesend sei Vgl. ob. Theod. 48: corona de cruce, ut fides luceat, habena quoque de cruce, ut potestas regat sitque iusta moderatio, non iniusta praeceptio. – „Die Krone besteht aus dem Kreuz, damit der Glaube leuchte, das Zaumzeug besteht aus dem Kreuz, damit die Macht herrscht und eine gerechte Leitung besteht, kein ungerechtes Befehlen.“ 76   Vgl. Rufin. h. e. 10,8: clavos quoque, quibus corpus dominicum fuerat adfixum, portat ad filium. ex quibus ille frenos conposuit, quibus uteretur ad bellum, et ex aliis galeam nihilominus belli usibus aptam fertur armasse. ligni vero ipsius salutaris partem detulit filio, partem vero thecis argenteis conditam dereliquit in loco, quae etiam nunc ad memoriam sollicita veneratione servatur. – „Die Nägel, mit denen der Körper des Herrn festgemacht war, brachte sie (sc. Helena) auch zu ihrem Sohn. Aus den einen ließ er ein Zaumzeug machen, das er zur Kriegsführung nutzte, und aus den anderen einen Helm, von dem es heißt, er sei um nichts weniger geeignet, für den Krieg zu wappnen. Einen Teil des heilbringenden Holzes selbst aber schickte sie ihrem Sohn, einen Teil bewahrte ihn in einer silbernen Schatulle und ließ sie an dem Ort. Dieses Stück wird noch heute zu ihrem Gedächtnis mit inniger Verehrung aufbewahrt.“ Socrates, h. e. 1,17, weiß außerdem, dass Konstantins das ihm gesandte Stück in seiner Statue in Konstantinopel verbaut hat. Vgl. dazu Bojcov, Der Heilige Kranz, 15 f.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Die dritte Eigenheit ist die starke Einbindung der inventio in die Auslegung des Zitates aus Sach 14,20: In illo die erit, quod super frenum equi, sanctum domino omnipotenti.77 Dieses Zitat, das die Nagelreliquie am Pferd des Herrschers in den Vordergrund stellt, bildet den Rahmen für den Exkurs, indem Ambrosius die Prophezeiung auf die gläubigen Kaiser anwendet: Utroque usus est Constantinus et fidem transmisit ad posteros reges. Principium itaque credentium imperatorum sanctum est, quod super frenum. ex illo fides, ut persecutio cessaret, devotio succederet.78 Ambrosius’ Wortwahl in diesem Fall ist von besonderem Interesse: Nicht ein initium des Glaubens, also einen rein zeitlichen Beginn, stellen die Auffindung des Kreuzes und die Inbesitznahme der Reliquien dar, sondern ein principium, einen grundlegenden Ursprung, dem der Keim des Nachfolgenden bereits innewohnt.79 Es ist ein neues Prinzip, das von Konstantin in Form der hereditas fidei weitergegeben wird. Damit wird der Bogen zum vorderen Teil der Rede de obitu Theodosii geschlagen, wo in Kapitel 9 dieses Konzept von Abraham, Isaak und Jakob auf jeden einzelnen Gläubigen übergeht. Der häufig verwendete Plural in der Kreuzauffindungslegende zeigt an, dass Ambrosius die Wirkung der Auffindung auch für Theodosius, Arcadius und Honorius in Anspruch nimmt, die sich durch die Weitergabe von Krone und Zaumzeug in die Kette des Glaubens einordnen.80 Die ambrosianische Variante der Kreuzesauffindungslegende dient damit dem übergeordneten Zweck der Rede: der Vergewisserung von Loyalität der Soldaten und Untergebenen durch die Erzeugung von Kontinuität. Theodosius wird in eine Linie mit Konstantin gestellt, doch nicht in eine familiäre Abfolge, sondern in die Tradi77

  Ob. Theod. 40: „An jenem Tag wird es sein, dass über dem Zaumzeug des Pferdes das dem Herrn Heilige ist.“ Der Zusammenhang zwischen Sacharja-Prophezeiung und Auffindung gehört zum Urbestand der Legende. Neben die Rahmung durch Sach 14,20, die das frenum betrifft, tritt eine zweite Klammer durch den zweiten Nagel: Der Einschub beginnt in Kap. 41 damit, dass Helena ihrem Sohn eine Art Amulett, das ihn in der Schlacht schützen wird, besorgt hat – damit ist der Helm gemeint, von dem die späteren Autoren berichten und der, wohl aus Rücksicht auf den kriegsunerfahreren und zur Abfahrt bereiten Honorius, von Ambrosius zu einer Krone verändert wurde. Diese Krone steht auch in dem die Erzählung abschließenden Kap. 48. 78   Ob. Theod. 47: „Beide (sc. Reliquien) nahm Konstantin in Gebrauch und übertrug den Glauben auf die späteren Herrscher. Den Beginn also der glaubenden Kaiser stellt das ‚heilig‘ dar, das auf dem Zaumzeug stand. Daraus folgte der Glaube, sodass die Verfolgung ein Ende nahm und die Frömmigkeit ihr nachfolgte.“ 79  Vgl. Ernesti, Princeps christianus und Kaiser aller Römer, 221. 80  Vgl. Fellermayr, Tradition und Sukzession, 100 – 102 mit Verweis auf ob. Theod. 47: [. . .] visitata est Helena, ut redimerentur imperatores. – „Helena ist heimgesucht worden, damit die Kaiser erlöst werden“; ob. Theod. 51: Quid ergo aliud egit Helenae operatio, ut frena dirigeret, nisi ut omnibus imperatoribus sancto dicere spiritu videretur: Nolite fieri sicut equus et mulus, sed in freno et camo maxillas eorum constringeret, qui se non agnoscerent reges, ut regerent sibi subditos? – „Welchen Zweck aber hatte denn Helenas Vorhaben, die Zügel zu beherrschen, als sie scheinbar durch den Heiligen Geist allen Kaisern zurufe: ‚Werdet nicht wie das Pferd und das Maultier!‘ (Ps 31,9), sondern sie sollen ihre Backen mit Zaum und Zügel kontrollieren, wenn sie sich nicht als Könige erkennen, um ihre Untergebenen zu führen?“ Zudem weist Fellermayr darauf hin, dass das in ob. Theod. 47 (Constantinus et fidem transmisit ad posteros reges) genutzte Verb dem juristische Terminus für „vererben“ entspricht.

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tion der christlichen Kaiser – offenbart durch die Nagelreliquien, die die Übergabe des Glaubens symbolisieren. Euseb nennt als Motivation der Helena die Fürsorge um „den so mächtigen Kaiser, und seine Söhne, die von Gott so geliebten Cäsaren, ihre Enkel“81. Diese dynastische Intention, die sich auf die Söhne Konstantins richtet, fehlt bei Ambrosius: anxia mater pro filio [. . .] festinavit Hierosolymam et scrutata est locum dominicae passionis.82 Konstantin allein kommt in den Blick, der den christlichen Glauben angenommen hatte und als Glaubenserbe den nachfolgenden Kaisern, den posteri reges, übergeben hatte.83 Unter dem Einfluss der Passionsreliquien sind sämtliche Kaiser – bis auf Julian84 – Christen geworden. Die Reliquien haben nach Ambrosius unterschiedliche Wirkungen: Er deutet zunächst an, dass Konstantin ein göttliches Schutzmittel für Schlachten gegeben wurde.85 Dies spielt auf die ursprüngliche Verarbeitung des einen Nagels in einem Helm an, wie die Jerusalemer Tradition es weiß.86 Im Fortgang der Rede ersetzt Ambrosius aber den Helm durch die Krone: Sapienter Helena, quae crucem in capite regum locavit, ut Christi crux in regibus adoretur. Non insolentia ista, sed pietas est, cum defertur sacrae redemptioni. Bonus itaque Romani clavus imperii, qui totum regit orbem ac vestit principum frontem, ut sint praedicatores, qui persecutores esse consueverant. Recte in capite clavus, ut ubi sensus est, ibi praesidium. In vertice corona, in manibus habena.87 81  Eus. v.C. 3,42: [. . .] ἐφ’ υἱῷ τε βασιλεῖ τοσούτῳ παισί τε αὐτοῦ καίσαρσι θεοφιλεστάτοις, ἑαυτῆς ἐκγόνοις, τὰ χαριστήρια δεῖν ᾤετο [. . .]. 82   Ob. Theod. 41: „Aus Sorge um ihren Sohn [. . .] eilte die Mutter nach Jerusalem und suchte den Ort der Leiden des Herrn.“ 83  Vgl. ob. Theod. 40 und 52. Dieser Gedanke bildet einen weiteren Rahmen um die inventio. Vgl. Marta Sordi, La morte di Teodosio e il De obitu Theodosii di Ambrogio, Acta classica Universitatis scientiarum Debreceniensis 36 (2000), 131 – 136, 132 f. 84  Vgl. ob. Theod. 51: praeter unum Iulianum, qui salutis suae reliquit auctorem, dum philosophiae se dedit errori. – „bis auf Julian, der als einziger den Urheber seines Heils verlassen hat, während er sich dem Irrtum der Philosophie hingab.“ 85  Vgl. ob. Theod. 41: Beatus Constantinus tali parente, quae imperanti filio divini muneris quaesivit auxilium, quo inter proelia quoque tutus adsisteret et periculum non timeret. – „Selig war Konstantin durch solch eine Mutter, die dem herrschenden Sohn die Hilfe eines göttlichen Geschenkes erwarb, mit dem er sich geschützt mitten in die Schlacht stellen konnte und keine Gefahr fürchten musste.“ 86   Vgl. Rufin. h. e. 10,8: clavos quoque, quibus corpus dominicum fuerat adfixum, portat ad filium. ex quibus ille frenos conposuit, quibus uteretur ad bellum, et ex aliis galeam nihilominus belli usibus aptam fertur armasse. – „Die Nägel, mit denen der Körper des Herrn festgemacht war, brachte sie (sc. Helena) auch zu ihrem Sohn. Aus den einen ließ er Zaumzeug machen, das er zur Kriegsführung nutzte, und aus den anderen einen Helm, von dem es heißt, er sei um nichts weniger geeignet, für den Krieg zu wappnen.“ Rufin geht wie Theodoret von der Auffindung von vier Nägeln aus, vgl. Bojcov, Der Heilige Kranz, 35. 87   Ob. Theod. 48: „Helena handelte weise, als sie das Kreuz auf das Haupt der Kaiser setzte, sodass das Kreuz Christi an den Kaisern verehrt werde. Nicht Übermut ist solch eine Tat, sondern Weisheit, da sie der heiligen Erlösung dargebracht wird. Gut ist darum der Nagel des Römischen Reichs, der das ganze Reich lenkt und die Stirn der Kaiser ziert, sodass jetzt Prediger sind, die Verfolger zu sein gewöhnt waren. Zu Recht ist der Nagel auf dem Haupt, damit dort, wo der Verstand sitzt, auch der Schutz wirksam ist. Auf dem Kopf die Krone, die Zügel in der Hand.“

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

In der Krone sieht Ambrosius keinen Schlachtenhelfer mehr, sondern einen Schutz des Kaisers vor Angriffen auf seinen Verstand (sensus). Zudem präsentiert er mit der Reliquie, die wohl auf Honorius’ Haupt zu sehen war, eine mit Konstantin verbindende Staatsreliquie, die das Kreuz und damit den Glauben des Kaisers öffentlich zeigt. Somit gelingt es Ambrosius, die möglicherweise aufgrund des Alters in Zweifel stehende Person des Honorius aus dem Fokus zu nehmen und den Blick auf die Reliquie zu lenken, die eine kluge Staatslenkung garantiert. Ambrosius nutzt die Mehrdeutigkeit des Terminus clavus: von Cicero etwa ist, ausgehend vom „nagelförmigen Griff am Steuer“ die metonymische Bedeutung des Staatssteuers bekannt.88 Durch den Nagel wird die fides seit Konstantin als Grundlage des Handelns der Kaiser hervorgehoben,89 wodurch der Glaube auch das Fundament des Reiches selbst bildet. Die zweite Reliquie, das frenum, stellte wohl ein Zaumzeug dar, mit dem das Pferd des Honorius gezäumt war. Es ist dabei fraglich, auf welche Weise der Nagel eingearbeitet wurde. Sicherlich kann mit frenum nicht die Trense im engeren Sinne, also das Mundstück des Pferdes, gemeint sein. Die Platzierung des Nagels dort wäre für eine öffentliche Reliquienausstellung völlig ungeeignet und wohl auch für den Wert der Passionsreliquie unangebracht. Ausgehend von antiken Pferdedarstellungen und der Beschreibung christlicher Phylakterien an der Stirn von Tieren ist vielmehr davon auszugehen, dass der Kreuznagel wie ein Talisman auf dem Stirnriemen des Pferdes platziert war.90 Diese zweite Nagelreliquie bewirkt nach Ambrosius die Zügelung der Herrschaft des Kaisers durch das Maß der christlichen Ethik und die Ausrichtung auf Gott: Restrinxit eos crux domini et revocavit a lapsu impietatis, levavit oculos eorum, ut Christum in caelo quaererent. Exuerunt se camo perfidiae, susceperunt frena devotionis et fidei.91

88

  Vgl. Georges, 1203 f., s. v. clavus. Neben Cicero, Pro Sext. 20: quis enim clavum tanti imperii tenere et gubernacular rei publicae tractere [. . .] arbitraretur, nutzt auch Lactanz den Terminus in Synonymik zu regimen, vgl. mort. pers. 3: [. . .] secutisque temporibus, quibus multi ac boni principes Romani imperii clavum regimenque tenuerunt. – „[. . .] nachdem Zeiten folgten, in denen viele gute Herrscher das Steuerruder des Römischen Reiches in Händen hielten.“ 89  Vgl. ob. Theod. 48: ut sint praedicatores, qui persecutores esse consueverant. Zuhörer und Leser mussten bei dieser Stelle an die Verwandlung des Paulus denken, vgl. dazu 1 Tim 1,13; 2,7 und 2 Tim 1,4. Vgl. dazu auch Wolf Steidle, Die Leichenrede des Ambrosius für Kaiser Theodosius und die Helena-Legende, VigChr 32 (1978), 94 – 112, 100 f. Die Entwicklung des Saulus zum Paulus als eine Entwicklung vom persecutor zum praedicator benennt Ambrosius außerdem in exp. Ps. 38,33,2 und ep. 8,6 (39). 90  Vgl. Bojcov, Der Heilige Kranz, 25 – 31. Dass es sich bei der Reliquienverarbeitung um ein „Zaumzeug“ im strengen Sinne in Form von Zügeln handelt ist abwegig. Möglich wäre, so Bojcov, zwar eine an den Seiten verzierte Trense; in dem Falle wäre aber die Herstellung aus zwei Nägeln, die symmetrisch verarbeitet werden, wahrscheinlicher. 91   Ob. Theod. 51: „Das Kreuz des Herrn hat sie (sc. die Kaiser) im Zaum gehalten und sie vom Irrtum der Gottlosigkeit abgehalten; es hob ihre Augen empor, damit sie Christus im Himmel suchten. Sie befreiten sich vom Maulkorb der Gottlosigkeit und nahmen die Zügel der Ehrfurcht und des Glaubens auf.“

V. Die Leichenrede für Kaiser Theodosius

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Die zügellose Willkürherrschaft der „Männer wie Nero und Caligula“92 ist durch den christlichen Glauben der Herrscher, versinnbildlicht durch die zweite Reliquie, beendet. Man könnte annehmen, dass die Leichenrede im Allgemeinen und diese Stelle im Besonderen eine Belehrung des Honorius sein soll. Tatsächlich kann man die in ob. Theod. 51 dargestellten Laster im Rahmen eines Fürstenspiegels wiederfinden. Doch weniger der didaktische Impetus steht hier im Vordergrund als die Folie, vor der Theodosius als Musterherrscher gezeigt werden kann.93 Wahrscheinlicher ist, dass Ambrosius die anwesenden Soldaten und Untergebenen anredet und ihnen die positive Zukunft und die Kontinuität der Herrschaft bestätigen will. Theodosius und sein Verhalten nach der Affäre von Thessaloniki rücken dabei wieder vorbildhaft in den Fokus, da auch er die Willkür fallen ließ und sich in Demut dem Willen Gottes beugte.94 Die Heilsgeschichte und die Geschichte des Reiches, die hereditas fidei als christlicher Glaube und politische Treue fallen in diesem Moment der Rede zusammen, ohne dass das Konkrete, die Nagelreliquie, aus den Augen gerät. In dem „Kulmina­ tionspunkt“ der gesamten Leichenrede soll die Tradition der christlichen Kaiser nicht nur in Erinnerung gerufen, sondern den Anwesenden realiter vor Augen gestellt werden. Bojcov geht davon aus, dass die Nagelreliquien, frenum und diadema, bei der Rede zu sehen waren, als Schmuck am Pferd und als Krone auf dem Haupt des Honorius. Dies würde die ausführliche Beschreibung und den Wechsel von Vergangenheitsformen zu präsentischen Erklärungen in ob. Theod. 48 und 50 f. erklären. Es ist – unter der Bedingung, dass diese Reliquien tatsächlich existiert haben – davon auszugehen, dass sie im Besitz der kaiserlichen Familie gewesen sind. Der Trauergottesdienst für Theodosius wäre der richtige Anlass gewesen, zwei derartig aufge-

92  Vgl. ob. Theod. 50: Quae Neronum, quae Caligularum ceterorumque probra conperimus, quibus non fuit sanctum super frenum! – „Was für Verbrechen von Männern wie Nero, von Männern wie Caligula und von anderen haben wir kennen gelernt, denen nicht das ‚Heilig‘ auf dem Zaumzeug stand!“ 93  Vgl. ob. Theod. 51: Prona enim potestas in vitium ferebatur et more pecudum vaga sese libidine polluebant, ignorabant deum. – „Denn die Macht wird leicht in die Schieflage zum Laster gebracht und nach Art der Tiere beschmutzten sie sich durch die zügellose Lust. Sie kannten Gott nicht.“ Das Lob des Theodosius, vor allem die Behandlung durch Ambrosius im Fall der Affäre von Thessaloniki und die demütige Buße – so wenigstens die Sicht des Bischofs – klingen hier an. Durch die Assoziation von Finsternis und Licht aus Jes 60,1 – 4 wird zudem die Brücke zu ob. Theod. 52 und der Darstellung von Gratian und Theodosius als Könige, die „in deinem Lichte wandeln“ (Jes 60,3) geschlagen. 94  Vgl. ob. Theod. 34: Dilexi virum, qui magis arguentem quem adulantem probaret. Stravit omne, quo utebatur, insigne regium, deflevit in ecclesia publice peccatum suum, quod ei aliorum fraude obrepserat, gemitu et lacrimis oravit veniam. Quod privati erubescunt, non erubuit imperator, publicam agere paenitentiam. – „Ich liebte diesen Mann, der eher dem zustimmte, der ihn tadelte, als dem, der ihm schmeichelte. Alle königlichen Insignien, die er hatte, legte er ab und beweinte öffentlich in der Kirche seine Sünde, die ihn durch den betrügerischen Rat von anderen eingeholt hatte, und mit Klagen und Tränen bat er um Vergebung. Wofür sich Privatleute schämen, dafür schämte er sich als Kaiser nicht, nämlich öffentliche Buße zu leisten.“

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

ladene, politische Reliquien dem Volk zu präsentieren.95 In der fragilen Situation sind diese „Reichsreliquien“ der materielle Garant der Kontinuität, die Ambrosius zwischen Konstantin, Theodosius und seinen Söhnen herstellen will. Nicht nur die Persönlichkeit und Autorität des Nachfolgers gewährleistet die Sicherheit, sondern auch die Wirkung der Reichsreliquien. Nicht zu unterschätzen ist dabei die einheitsstiftende Wirkung von gemeinsamen Symbolen und Feldzeichen für den Zusammenhalt und die Identität der Legionen. Oft wurde in dieser Kontinuitätswahrung eine auf die Söhne Arcadius und Honorius gerichtete Intention nach Art eines Fürstenspiegels gesehen,96 doch wird in der Gesamtsicht der Rede klar, dass der Blick stärker auf das Publikum geht. Ambrosius will nicht Honorius belehren, sondern den Anwesenden die Gewährleistung der Kontinuität der kaiserlichen Herrschaft begründen. Mit der Weitergabe der Kreuzesreliquien erzielt er die Christianisierung der Herrscherkontinuität. Statt der Erbfolge in einer Dynastie steht nun die hereditas fides für Schutz und Kontinuität.

5. Die Rede de obitu Theodosii als Ersatz für die Konsekration des Kaisers Der Tod des Kaisers Theodosius stellte Ambrosius vor ein Problem, das er als christlicher Bischof lösen musste: Mit dem Tod wurde der römische Kaiser nach paganem Verständnis zum Gott.97 Die Divinisierung bzw. Apotheose, die im Rahmen der consecratio bei der Bestattung des verstorbenen Kaisers zelebriert wurde, sollte dem princeps die Sonderstellung, die er bereits zu Lebzeiten hatte, auch nach dem Tod gewährleisten: die Entrückung aus der menschlichen Sphäre und die Ausnahme von der allgemeinen Sterblichkeit. Vor allem war damit ein wichtiges Element der Legitimation der kaiserlichen Herrschaft im Imperium Romanum geschaffen. Durch die Rückbindung an einen vergöttlichten Vater wurde der jeweilige Nachfolger als divi filius qualifiziert und aus der Reihe möglicher anderer Kandidaten oder Usurpatoren hervorgehoben. Ambrosius verehrte Theodosius und war bemüht, den Nachfolgern Honorius und Arcadius die nötige Unterstützung in der Sicherung der Herrschaft zu verschaffen, 95  Vgl. Bojcov, Der Heilige Kranz, 54: „Das plötzliche Auftauchen des ‚Nagels des Römischen Reiches‘ in der höchst brisanten politischen Situation des ungesicherten Machtübergangs entspräche voll und ganz der Logik des Umgangs Ambrosius’ mit heiligen Reliquien.“ Bojcov sieht die Präsentation der Nagelreliquien in Parallelität zu den Auffindungen von Märtyrerreliquien, die meist in (kirchen‑)politisch brisanten Zeiten stattfanden, wie die inventio und translatio der Gebeine von Gervasius und Protasius. Bojcovs spekuliert zudem, ob Ambrosius vielleicht sogar selbst aus Nägeln, die wenige Zeit vorher in einem Märtyrergrab gefunden wurden, Nagelreliquien hergestellt habe. 96   Vgl. Pierre Hadot, Art. Fürstenspiegel, RAC 8 (1972), 555 – 632, 617, der die Rede als ersten christlichen Fürstenspiegel bezeichnet. „Ausreichend Züge [. . .], um als Fürstenspiegel gelesen zu werden“ erkennt auch Ernesti, Princeps christianus und Kaiser aller Römer, 204. 97   Vgl. schon den berühmten Ausspruch Vespasians auf dem Sterbebett, vgl. Suet. Vesp. 23,4: vae, inquit, puto deus fio. – „Weh mir, sagte er, ich glaube, ich werde ein Gott.“

V. Die Leichenrede für Kaiser Theodosius

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eine Vergöttlichung aber konnte Ambrosius nicht propagieren. Er musste Möglichkeiten finden, dieses Konzept mit einem adäquaten christlichen Pendant zu ersetzen: die sanctificatio des Theodosius. Bevor die Elemente aufgezeigt werden, durch die Ambrosius diesen Ersatz tragfähig macht, muss näher auf das rituelle Konzept der consecratio der Kaiser in der römischen Geschichte eingegangen werden, um die Modifikationen der ambrosianischen Version verständlich zu machen. 5.1 Vorbemerkung: Die consecratio der römischen Kaiser bis Theodosius 5.1.1 Die consecratio in vorkonstantinischer Zeit Ursprünglich als Rechtsbezeichnung einer „Überweisung einer Sache aus dem Rechtsbereich des ius humanum in den des ius divinum“98 bezeichnete die consecratio die Aufnahme eines Menschen als Staatsgott bzw. ‑göttin in die Gruppe der divi bzw. divae.99 Clauss weist auf die zeitliche Differenzierung zwischen Divinisierung und Konsekration hin: Divinisierung ist zu präzisieren als „Beschluß des Senates zur ‚Konsekration‘, der zwar den Namen ‚Staatsgott‘ (divus) oder ‚Staatsgöttin‘ (diva) verleiht, die betreffende Person allerdings noch nicht zur Staatsgottheit macht“.100 Die consecratio im engeren Sinne bezeichnet dagegen die konsequente, rituelle Umsetzung.101 Seit 42 v. Chr. beschloss auf Octavians Anweisung hin ein senatus consultum nach Abwägung von Tugenden und Taten die consecratio bzw. bei entsprechend negativer Bewertung die damnatio memoriae, die nach der Ermordung des Caligula im Jahr 41 erstmals vollzogen wurde mit dem Ziel, den Abbruch der Kontinuität der Existenz und Herrschaft des Kaisers zu signalisieren.102 Ein fester liturgischer Ablauf charakterisierte die Konsekration: Ein Leichenzug führte auf das Marsfeld in Rom, wo der Verstorbene auf einem Scheiterhaufen restlos verbrannt wurde – zunächst der Leichnam selbst, später symbolisch eine Wachs 98

  Vgl. Georg Wissowa, Art. Consecratio, RE 4 / 1 (1900), 896 – 902, 896.   Schon Cicero kennt die Einordnung wichtiger Staatsmänner unter die Götter, vgl. rep. 16,24. Zur Apotheose des Kaisers vgl. Manfred Clauss, Deus praesens. Der römische Kaiser als Gott, Klio 78 (1996), 400 – 433, 409. Vgl. dazu ebenfalls die breit angelegte Monographie, ders., Kaiser und Gott. Herrscherkult im römischen Reich, München / Leipzig 1999. Den Termins deus interpretiert Clauss, Kaiser und Gott, 357 als Gattungsbegriff für sämtliche göttliche Wesen, dagegen sei divus als Bezeichnung der individuellen Gottheit gebraucht worden. 100   A. a. O., 359. Clauss bringt mehrere Beweise, die diese Unterscheidung untermauern, u. a. das Lob des Velleius Paterculus gegenüber der Ehrung, die Tiberius dem verstorbenen Augustus zukommen hat lassen, Vell. Pat. 2,126,1: non appellavit eum sed fecit deum. 101   Vgl. a. a. O., 448 – 450. 102   Vgl. Christian Gizewski, Art. Damnatio memoriae, DNP 3 (1997), 299 und Florian Krüpe, „Sit divus, dum non sit vivus“. Über Wechselwirkungen von damnatio memoriae und consecratio zwischen Kaiserzeit und Spätantike, in: Armin F. Bergmeier / Katharina Palmberger / Joseph E. Sanzo (Hgg.), Erzeugung und Zerstörung von Sakralität zwischen Antike und Mittelalter, Heidelberg 2016, 7 – 24. Zur damnatio memoriae des Caligula vgl. Christiane Kunst, Der Leichnam des Princeps zwischen Consecratio und Damnatio, Potestas 1 (2008), 79 – 100, 96.  99

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

figur –, bevor ein Adler in den Himmel entlassen wurde, der gleichsam die Auffahrt des Verstorbenen symbolisieren sollte und zum Teil von einem, eigens dafür berufenen, Zeugen bestätigt wurde.103 Die rituellen Folgen der consecratio als vollgültige Aufnahme unter die Götter waren die Schaffung eines eigenen Bereichs im Heiligtum der Staatsgötter auf dem Palatin, die priesterliche Organisation durch einen flamen und die Einrichtung eines entsprechenden Priesterkollegiums.104 Problematisch wurde dieses Konzept der Divinisierung, als das Kaisertum sich immer stärker zum monotheistischen Christentum bekannte. Der Divinisierungsbeschluss als Zeichen der Ehrung und als Ergebnis einer positiven Bewertung des Lebens, der probatio, und damit das ­Epitheton divus war für christliche Rezipienten möglicherweise noch akzeptabel. Die Konsequenz dieses Beschlusses aber, die consecratio im engeren Sinne, das heißt die kultische Umsetzung der Divinisierung, konnten christliche Theologen nicht akzeptieren, wobei sie dennoch auf einer besonderen Stellung des Kaisers beharren mussten. 5.1.2 Die consecratio in nachkonstantinischer Zeit Diesen Balanceakt zwischen Tradition und Christianisierung hatten die Theologen und Kirchenpolitiker des vierten Jahrhunderts zu meistern – ein Balanceakt, der mit dem Tod Konstantins und seiner Deutung durch Euseb beginnt und mit der Leichenrede zur Trauerfeier des Theodosius ein Ende findet, indem Ambrosius ein neues Konzept anwendet. Der Tod Konstantins im Jahr 337 war ein erstes Experimentierfeld für die Deutung des Todes des Kaisers, wobei das Programm der Mehrdeutigkeit, das die Regierungszeit Konstantins prägte, auch beim Lebensende Anwendung fand. So ließ sich der Kaiser nach eigenen Instruktionen im Kreis von zwölf θῆκαι in der Apostelkirche in Konstantinopel begraben. Rebenich sieht in dieser auffälligen Positionierung das Selbstverständnis des Kaisers als ἰσόχριστος, nicht als eine Einordnung in die Reihe der Apostel. Diese selbstbewusste Deutung, die Konstantin für sich in Anspruch nahm, wurde allerdings von der Nachwelt als unannehmbar bewertet, woraufhin der Sarg des Konstantin verlegt wurde.105 Gleichzeitig aber konnte 103  Sabine MacCormack, Art and Ceremony in Late Antiquity. the Transformation of the ­ lassical Heritage 1, Berkeley u. a. 1981 hat im Rahmen ihrer Untersuchung neben dem adventus C des Kaisers, der in Verbindung mit der Überwindung von Raum thematisiert wird, die consecratio eingehender analysiert. Vgl. auch Wilhelm Kierdorf, „Funus“ und „consecratio“. Zu Terminologie und Ablauf der römischen Kaiserapotheose, Chiron 16 (1986), 43 – 69 und Simon Price, From Noble Funerals to Divine Cult. the Consecration of Roman Emperors, in: David Cannadine (Hg.), Rituals of Royalty. Power and Ceremonial in Traditional Societies, Cambridge u. a. 1992, 56 – 105. 104  Vgl. Clauss, Kaiser und Gott, 360. 105   Zur Deutung des Todes Konstantins vgl. Stefan Rebenich, Vom dreizehnten Gott zum dreizehnten Apostel? Der tote Kaiser in der Spätantike, ZAC 4 (2000), 300 – 324, 312 – 314; MacCormack, Art and Ceremony in Late Antiquity, 171 – 121; Giorgio Bonamente, Dall’imperatore divi-

V. Die Leichenrede für Kaiser Theodosius

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der Kaiser einem paganen Betrachter als Sol / Helios in der Mitte des Zodiakkreises gelten. Ebenso kann die nach dem Tod des Kaisers herausgegebene Konsekrationsmünze die traditionelle Deutung des in Ähnlichkeit zu Sol auf dem Sonnenwagen aufsteigenden Kaisers bedienen,106 als auch an eine Darstellung des aufsteigenden Elia aus 2. Kön 2,11 erinnern.107 Diese Münzen sind die letzten ihrer Art, und schon um 317 / 18 finden sich auf ähnlichen Funden anstatt der Aufschrift consecratio die Legenden memoriae aeternae sowie requies optimorum meritorum,108 die als Hinweis auf eine allmähliche Wende hin zu christlichen Vorstellungen der postmortalen Existenz gelten können. Euseb konzentriert sich in der vita Constantini vor allem auf das Lob des Kaisers und stellt ihn als perfekten Christen dar, der als Herrscher seine Macht direkt von Gott erhalten hat. Göttlich mag Euseb ihn zwar nicht nennen, aber er postuliert für den verstorbenen Kaiser den direkten Zugang zu Gott und die Herrschaft über den Tod hinaus. Euseb versucht aber, durch eine philosophisch geprägte Sprache eine Mehrdeutigkeit zu schaffen, die seine Interpretation für pagane Zuhörer erträglich macht.109 Konstantins Konzept eines christusgleichen Status nach dem Tod konnte sich aber nicht halten; die Peinlichkeit der Grablege wurde schnell revidiert und das Grab des Kaisers in die Vorhalle des Heiligtums verlegt.110 Eine entsprechende Deutung und Verarbeitung des Todes des Constantius II. aus christlicher Sicht findet sich kaum.111 Grund dafür mag die aus nizänischer Sicht negativ bewertete Religionspolitik des Sohnes Konstantins wirken, der mit dem vereinheitlichenden homöischen Reichsdogma allzu sehr in kirchliche Fragen eingegriffen hat. Die Beschreibungen des paganen Geschichtsschreibers Ammianus Marcellinus lassen dennoch auf eine Konsekration schließen.112 Dass Constantius II. Christ war, wurde dabei nicht als störend empfunden.113 Allein Gregor von Nazianz nizzato all’imperatore santo, in: Peter Robert Lamont Brown / Rita Lizzi Testa (Hgg.), Pagans and Christians in the Roman Empire. The breaking of a dialogue (4th – 6th century A. D.), ChrHi 9, Wien 2011, 339 – 371, 340 – 345 und Martin Wallraff, Sonnenkönig der Spätantike. Die Religionspolitik Konstantins des Großen, Freiburg i. Br. / Wien u. a. 2013, 149 – 164. 106   Auch die am oberen Rand gelegene ausgestreckte Hand findet sich bereits beim Tod des Constantius Chlorus und konnte entsprechend pagan gedeutet werden. Vgl. dazu a. a. O., 160 f. 107   Vgl. Eus. v.C. 4,73. Zur Hand, die den Auffahrenden empfängt vgl. pan. lat. 6 (7),7,3: Iove ipso dexteram porrigente. Vgl. Rebenich, Vom dreizehnten Gott zum dreizehnten Apostel?, 315. 108   Vgl. Giorgio Bonamente, Teodosio I, imperatore senza apoteosi, in: Tommaso Gnoli / Fede­ ricomaria Muccioli (Hgg.), Divinizzazione, culto del sovrano e apoteosi tra antichità e Medioevo, Bologna 2014, 359 – 378, 366. 109  Vgl. MacCormack, Art and Ceremony in Late Antiquity, 120. Sabine MacCormack meint, die Ehrungen, die dem Verstorbenen dabei zuteil werden, würden sogar einen entsprechenden Kult implizieren. 110  Vgl. Rebenich, Vom dreizehnten Gott zum dreizehnten Apostel?, 318 f. 111   Constantius II. starb am 3. November 361 in Kilikien, möglicherweise kurz nach seiner Taufe, von der christliche Legenden berichten. Vgl. Amm. Marc. 21,15,2 f. 112   Ammianus berichtet auch von der Einbalsamierung, Überführung nach Konstantinopel und der Bestattung in der Apostelkirche, Amm. Marc. 21,16,20. 113   Vgl. Pedro A. Barceló, Constantius II. und seine Zeit. Die Anfänge des Staatskirchentums, Stuttgart 2004, 187.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

erwähnt die Begräbnisfeier und den ‑ort sowie den feierlichen adventus von Kaiser Constantius II.: Εἰ δέ τῳ πιστὸς ὁ λόγος, καὶ τοῦτο διεδόθη ταῖς τῶν πολλῶν ἀκοαῖς, ὅτι, ἐπειδὴ τὸν Ταῦρον ὑπερβάλλοι τὸ σῶμα [. . .] φωνή τις ἐκ τῶν ἄκρων ἔστιν οἷς ἐξηκούετο, οἷον ψαλλόντων τε καὶ παραπεμπόντων, ἀγγελικῶν οἶμαι δυνάμεων, γέρας τῆς εὐσεβείας ἐκείνῳ, καὶ ἀντίδοσις ἐπιτάφιος.114

Zwar berichtet Gregor von wunderhaften Ereignissen, von Engelgesängen, die den Leichenzug begleiteten, aber er berichtet weder von einer consecratio, noch versucht er den Tod entsprechend zu deuten. Für die Todesfälle von Valentinian I. und Valens finden sich im Werk des Ambrosius selbst Interpretationen. Kaiser Valentinian I., der 375 verstarb,115 zeichnete sich durch eine neutrale Religionspolitik aus, die von Ambrosius keineswegs geschätzt wurde. Ambrosius lässt Valentinian I. darum in der Leichenrede für dessen Sohn nur blass auftreten. Zunächst gelobt für die Glaubenstreue als Militärtribun unter Julian gerät Valentinian I. jedoch sogleich in die Kritik wegen seiner allzu toleranten Religions­politik. Er verschwindet darum auch hinter dem Glaubensvorbild Gratian: adest etiam pater, qui militiam sub Iuliano et tribunatus honores fidei amore contempsit. [. . .] quod patri defuerat, adiunxit, quod frater constituit, custodivit.116 Noch deutlicher wird Ambrosius in der Darstellung des Todes des Valens, der 378 in der Schlacht von Adrianopel gefallen ist. Seinen Tod deutet Ambrosius als gerechtes Gericht Gottes über die prohomöische Politik.117 In de fide verurteilt er Kaiser Valens als Glaubensübertreter:118 ut satis claruerit eos qui violaverint fidem tutos esse non posse.119 Beim Tod des Gratian findet sich, trotz aller Sympathie, die Ambrosius vor allem wegen seines nizänischen Glaubens für ihn gehegt hat, kein spezifisches Programm einer Anpassung der consecratio zu einem christlichen Modell. Ein solches scheint 114   Greg. Naz. or. 5,16: „Nach einem verbreiteten, aber fraglichen Gerücht hatten, als seine Leiche über das Taurusgebirge gekommen war [. . .], einige von Oben herab eine Stimme gehört, die sang und sie begleitete; es könnten Engel gewesen sein. Es war für ihn eine Anerkennung seiner Frömmigkeit, eine Vergeltung am Grab.“ 115  Valentinians I. Leiche wurde von Pannonien nach Konstantinopel überführt und am 21. Februar 382 konsekriert, vgl. Bonamente, Dall’imperatore divinizzato all’imperatore santo, 347 Anm. 31. 116   Ob. Val. 55: „Auch sein Vater ist anwesend, der unter Julian aus Liebe zum Glauben den Militärdienst und die Ehren eines Tribuns zurückwies. [. . .] Was dem Vater fehlte, das fügte er hinzu; was der Bruder beschloss, das bewahrte er.“ Das Standhalten des Valentinian I. unter Julian zählt zu den einzigen wohlwollenden Bemerkungen des Ambrosius über den Kaiser. 117   Valens hat zur Verfolgung von nizänischen Christen aufgerufen, vgl. Hartmut Leppin, Art. Valens, DNP 12 (2002), 1079 f. 118   Damit ist Ambrosius nicht allein, denn auch Hieronymus verurteilt Valens, der sich vom Bischof von Konstantinopel homöisch taufen ließ, als einen Christenverfolger, vgl. Hier. Chron. ad annum 367: Valens ab Eudoxio Arrianorum episcopo baptizatus nostros persequitur. 119   Fid. 2,16,141: „So hat er (sc. Gott) gezeigt, dass diejenigen, die den (sc. rechten) Glauben verletzen, nicht in Sicherheit sein können.“

V. Die Leichenrede für Kaiser Theodosius

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in einer Gemeindepredigt, die mit aller Wahrscheinlichkeit nach die Grundlage des Abschnitts exp. Ps. 61,16 – 27 war, keinen Platz gehabt zu haben. Die Umstände des Todes und der Predigt sind zu sehr von der Rolle der Mörder und deren Bestrafung geprägt, als dass Ambrosius mehr herausarbeiten konnte – und wollte – als eine grundsätzlich positive Jenseitsschilderung, die ausgehend von Ps 61 die Ruhe der Seele unter dem Schutz Gottes betont.120 Ambitioniertere Versuche einer interpretatio Christiana der Konsekration bietet Ambrosius erstmals in seiner Leichenrede für Valentinian II. Spuren einer probatio finden sich in der Bewertung des Lebens des jungen Kaisers, wobei nicht mehr der Senat, sondern Ambrosius das iudicium vornimmt. Das über die gesamte Rede verteilte Lob der virtutes stellt eine Versicherung des Lohns für die Verdienste und des Aufstiegs des Kaisers in den Himmel dar.121 Diesen Aufstieg schildert Ambrosius in deutlicher Anlehnung an die traditionelle Apotheose der Kaiser: Existi de tenebris istius saeculi, et ut luna resplendes, ut sol refulges [. . .] Videre igitur videor te tamquam de corpore recedentem et repulsa noctis caligine surgentem diluculo sicut solem appropinquantem Deo, et rapido volatu sicut aquilam, quae terrena sunt, relinquentem.122

Die Imagination Valentinians II. als Mond erinnert an die pagane Vorstellung des Vorgangs der Apotheose als Aufnahme in die Sterne, der Aufstieg des Kaisers als ad sidera relatus in die Fixsternsphäre. Auch der Adlerflug wird von Ambrosius als Vergleich übernommen. Interessant ist die Aussage, Ambrosius würde die Seele selbst beim Aufstieg zu beobachten glauben, da sie stark an die Tradition der „Zeugen“ erinnert, die vor allem in der frühen Kaiserzeit den Aufstieg öffentlich beschworen.123 Valentinian II. trifft danach auch auf verschiedene Vorgänger, wobei allein Gratian hervorgehoben wird, während der Vater Valentinian I. im Hintergrund bleibt.124 Aber die von Ambrosius mit Mühe kompensierte fehlende Taufe und die unrühmlichen Vorgänge um den Tod Valentinians II., machen den jungen Kaiser zu keinem geeigneten Objekt eines vollends entwickelten Alternativmodells.

120

 Vgl. exp. Ps. 61,27. Siehe dazu unter B.IV.4.   Nicht der Senat, sondern die personifizierte Kirche spricht in ob. Val. 8 mit den Worten aus Hld 8,2 das Urteil über Valentinian II. aus: Adsumam te, et inducam in domum matris meae et in secretum eius, quae concepit me. – „Ich werde dich führen und hineinnehmen in das Haus meiner Mutter und in ihre Kammer, die mich geboren hat‘ (Hld 8,2).“ 122   Ob. Val. 62: „Hinfortgegangen bist du aus der Finsternis dieser Welt, und wie der Mond leuchtest du, wie die Sonne strahlst du. [. . .] Darum glaube ich zu beobachten, wie du aus deinem Leib heraustrittst und wie die Sonne ins Zwielicht aufsteigst, nachdem du die Dunkelheit der Nacht von dir gewiesen hast. Ich glaube zu sehen, wie du dich Gott nahst und im schnellen Flug wie ein Adler alles Irdische hinter dir lässt.“ 123   Diese Tradition findet sich allerdings nur bis zur Apotheose der Livia oder Drusilla, vgl. Kierdorf, „Funus“ und „consecratio“, 61 – 63.68. 124   Bonamente, Teodosio I, imperatore senza apoteosi, 370 vermutet hinter dieser Aufstellung die negative Bewertung der Religionspolitik des Valentinians I. durch Ambrosius. Gratian hingegen konnte strahlend dargestellt werden. 121

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

5.2 Die Terminologie der consecratio in de obitu Theodosii Es ist in der Forschung umstritten, ob Theodosius noch eine Divinisierung zuteilwurde – möglicherweise kam dieser Brauch bereits mit Gratian zu einem Ende.125 Zwar wird Theodosius in späteren Quellen als divus adressiert und von Claudian als Vergöttlichter beschrieben, der zu den Sternen aufstieg,126 Informationen über die rituellen Abläufe sind jedoch nicht bekannt.127 Ein Beschluss des Senats zur Divinisierung musste aber nicht zwingend eine Konsekration nach sich ziehen. Für die vorliegende Untersuchung kann die letztendliche Umsetzung der Kulteinrichtung unbeachtet bleiben, da sich für Ambrosius noch vor der Überführung nach Konstantinopel und dem Begräbnis im Apostoleion in Konstantinopel die Frage stellte, wie er das Ableben des Kaisers, des in traditioneller Sicht göttlichen Wesens, angemessen verarbeiten kann. Die Differenzierung zwischen Divinisierung als Beschluss und der Konsekration als Akt, auch erst nach der Bestattung, mag, so Clauss, der Schlüssel für eine christliche Rezeption der Divinisierung des Kaisers sein: Auch ohne Konsekration konnte der Kaiser von Christen als divus bezeichnet werden, wie es etwa bei Konstantin der Fall war und bis ins sechste Jahrhundert praktiziert wurde.128 Erst beim Todesfall des Theodosius entwickelt Ambrosius ein umfassendes Konzept, das die traditionelle consecratio, die Apotheose des Kaisers, ersetzen kann. Kein Makel befleckt den Verstorbenen, der sich bereits 380 hat taufen lassen129 und sich klar für die nizänische Orthodoxie entschieden hat. Auch die Todesumstände sind klar und werden vom stilisierten Sieg Gottes am Frigidus überstrahlt. Ambrosius steht in der Pflicht, dem gemischten Publikum in Mailand ein adäquates Bild des verherrlichten Imperators zu präsentieren. Bonamente bezeichnet die Leichenrede 125   Zu Gratian vgl. die berühmte Relatio 3 des Symmachus, in der der Senator den Gratian als divus frater (rel. 3,20) und Valentinian als senior divus (rel. 3,20) bezeichnet. Demandt, Geschichte der Spätantike, 191 geht davon aus, dass mit Gratian die Tradition der Konsekration zum Ende kommt. 126   CIL 6,1730 = D 1277: progenero divi Theodosi. Claudian berichtet über den Aufstieg des Kaisers nach dem Tod in 3 cons. Honor. 162 – 184. Den gemeinsamen Aufenthalt von Vater und Sohn in Gemeinsamkeit mit Sol wiederum schildert er in Stil. 2,421 – 423: nec minus in caelo chorus est; exultat uterque / Theodosius diuique tui; Sol ipse quadrigis / vere coronatis dignum tibi praeparat annum. – „Nicht geringer sind die Gesänge im Himmel. Beide Theodosii und deine Schutzgötter jubeln. Sol selbst aber, der seinen Wagen bekränzt hat, bereitet für dich ein glückliches Jahr.“ 127  Vgl. Rebenich, Vom dreizehnten Gott zum dreizehnten Apostel?, 305 interpretiert die ­Hinweise auf die Bezeichnung des „Staatsgottes“ nicht als Beweis für eine vom Senat beschlossene Konsekration, sondern als Phänomen des „allgemeinen Usus des Nachfolgers, seinen Vorgänger zu divinisieren“. 128   Noch Anastasius wurde im Jahr 518 als divus bezeichnet, vgl. Marcellinus Comes: Hypatius, Pompeius et Probus genere consobrini, divique Anastasii nepotes. Vgl. dazu Douglas Boin, Late Antique Divi and Imperial Priests of the Late Fourth and Early Fifth Centuries, in: Michelle Salzman / Marianne Sághy / Rita Lizzi Testa (Hgg.), Pagans and Christians in Late Antique Rome. Conflict, Competition, and Coexistence in the Fourth Century, Cambridge 2015, 139 – 161, 140, Anm. 4. 129   Zur Taufe des Theodosius in Thessaloniki durch Acholius im Jahr 380 vgl. Leppin, Theodosius der Große, 69 und unter B.VII.2.

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des Kaiser Theodosius als „momento di svolta decisivo per la concezione e per il rituale propri dell’apoteosi“,130 als entscheidenden Wendepunkt, der das Ringen um eine Interpretation zum Abschluss bringt, indem dem Kaiser die sanctificatio, die Versetzung unter die Heiligen, zukommt. Diese Lösung hat den Vorteil, dass der Kaiser auch nach dem Tod innerhalb der Kirche verbleibt: als Heiliger, sanctus, und gleichzeitig Dienender, servus Dei.131 Die Schlüsselstelle in de obitu Theodosii findet sich in ob. Theod. 32: Absolutus igitur dubio certaminum fruitur nunc augustae memoriae Theodosius luce perpetua, tranquillitate diuturna, et pro his, quae in hoc gessit corpore, remunerationis divinae fructibus gratulatur. Ergo quia dilexit augustae memoriae Theodosius dominum deum suum, meruit sanctorum consortia.132

Bonamente identifiziert zwei Textstellen, in denen Ambrosius die traditionellen Formeln der consecratio fast wörtlich übernimmt und mit leichten Änderungen christlich adaptiert: Ambrosius bezeichnet den Kaiser als augustae memoriae Theodosius – eine Formulierung, die den antiken Zuhörer an das im Kontext der Divinisierung anzutreffende Epitheton divae memoriae erinnern.133 Eine christliche Umarbeitung bietet der Satzteil meruit sanctorum consortia, der die ursprüngliche Formel meruit in numerum divorum / inter divos referri, die etwa im breviarium des Eutropius häufig zu finden ist,134 leicht abändert. Diese terminologische Nähe muss als Entgegenkommen des Ambrosius an den traditionellen Ritus der consecratio interpretiert werden. Statt der divi erscheinen nun aber die sancti zusammen mit einer Beschreibung des Theodosius in direkter Nähe zu Gott. Wie gezeigt, kennt der Bischof zwei Ordnungen von iusti:135 Diejenigen gerechten Seelen, die leichte Sünden an sich tragen, warten im Paradies auf die ewige Seligkeit und nehmen vorläufige Wohnorte in den habitacula oder promptuaria ein, bevor sie nach dem Gericht ins Himmelreich eingehen. Von diesen zu unterscheiden sind die Seelen der vollkommen Gerechten, die frei von aller Sünde direkt in das Himmelreich aufsteigen. Diesen Seligkeitszustand erreichen neben den „Gerechten“ des Alten Testaments, den Aposteln und den Märtyrern nur wenige Gläubige, wie fromme Jungfrauen und der Bischof Acholius von Thessaloniki, und auch Theodosius. 130

  Bonamente, Teodosio I, imperatore senza apoteosi, 366.  Vgl. ob. Theod. 36: Da requiem perfectam servo tuo Theodosio. – „Schenke deinem Knecht Theodosius die vollkommene Ruhe.“ Vgl. auch die Bezeichnung Valentinians als servulum in ob. Val. 59. 132   Ob. Theod. 32: „Befreit von den gefährlichen Bedrängnissen genießt Theodosius erlauchten Andenkens das ewige Licht, die andauernde Ruhe und erfreut sich am reichen Ertrag der göttlichen Vergeltung für die Dinge, die er in diesem Körper vollbracht hat. Weil Theodosius erlauchten Andenkens also den Herrn seinen Gott liebte, hat er sich die Gemeinschaft der Heiligen verdient.“ 133   Vgl. CIL 6,872; CIL 9,5136; CIL 12 2927. 134   Vgl. Eutr. brev. 7,20.22; 8,1: inter Divos meruit referri. – „Er hat es sich verdient, unter die Götter gezählt zu werden.“ 135   Siehe unter A.II.3. 131

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

5.3 Die Darstellung des Theodosius als Märtyrer Die Vorstellung vom sofortigen Aufstieg zu Gott, dem Genuss der prima resurrectio, wendet Ambrosius auf Theodosius an, indem er ihn mit den Märtyrern auf eine Stufe stellt, die als Äquivalent der vorigen divi gelten können. Das Martyrium bildet eine Vergegenwärtigung der Heilstat Christi und eine Fortsetzung seines Leidens, wobei Ambrosius in exp. Ps. 118,20,48 eine Erweiterung des Begriffs vornimmt und die Versuchung neben die Verfolgungssituation stellt: temptatus es spiritu superbiae, sed uidens inopem atque egenum pia mente conpassus es, humilitatem magis quam adrogantiam dilexisti: testis es Christi; [. . .] Quanti ergo cotidie in occulto martyres Christi sunt et Iesum dominum confitentur.136

Es gehört zu Ambrosius’ innerster Einsicht als pastoraler Theologe, dass zur frommen Nachfolge des Lebens Christi die Verfolgungssituation gehört. Keiner könne die Vollkommenheit erreichen, wenn er nicht gekämpft hat. Dieser Gedanke lässt Ambro­sius die Märtyrerfrömmigkeit auf viele Bereiche anwenden.137 Die Bedrängnis durch den Teufel kann dabei sogar gefährlicher sein als politische Nachstellungen. Somit gelingt es Ambrosius für zeitgenössische Christen, nach der Beendigung der Verfolgungen, den Horizont des Martyriums als Glaubensbewahrung und ‑bewährung zu eröffnen: Wahre Zeugen Christi können sich diejenigen Gläubigen nennen, die Begierde, Habgier und Hochmut überwunden und somit den direkten Zugang zum Himmelreich verdient haben.138 In der Leichenrede für Theodosius führt Ambrosius darum in geprägter Martyriumssprache die certamina auf, die Theodosius erdulden musste, um die Siegeskrone des Märtyrers zu erhalten: Denique volens invenit tribulationem et dolorem, sciens, quia tribulatio patientiam operatur, patientia probationem, probatio spem. Etenim quasi bonus athleta quaesivit certamina, ut coronam inveniret, quam tamen non suis viribus, sed domini auxilio novit sibi esse donatam.139 136   Exp. Ps. 118,20,47 f.: „Du wurdest versucht durch den Geist des Hochmuts, aber als du den Armen und Hilflosen gesehen hast, hast du Mitleid empfunden, die Demut hast du mehr geliebt als den Hochmut: du bist ein Zeuge Christi. [. . .] Wie viele also sind täglich im Verborgenen Märtyrer Christi und bekennen Jesus, den Herrn.“ 137  Vgl. Dassmann, Ambrosius und die Märtyrer, 63. Zur Bedeutung der Märtyrer bei Ambro­ sius vgl. außerdem Dudden, The Life and Times of St. Ambrose, 308 – 315 und Dassmann, Die Frömmigkeit des Kirchenvaters Ambrosius von Mailand, 275 – 277. 138   Vgl. zur Gewinnung der sofortigen ewigen Seligkeit etwa ep. 19,9 (71): [. . .] qui vero multo ante se exercuit et Christo militavit, adquisivit populorum animas, pro Christo se obtulit, habeat paratum stipendiis suis dei regnum, cuius se remuneratione donatum gaudeat. – „[. . .] der aber, der sich davor in vielem angestrengt hat und ‚für Christus gekämpft hat‘ (vgl. 2 Tim 2,3 – 4), der die Seelen der Menschen gesucht hat und sich für Christus geopfert hat, soll für seine Dienste das Himmelreich bereitet haben.“ Hier werden auch besondere Missionsgewinne zur Erlangung des sofortigen Aufstiegs zu Gott in Anschlag gebracht. 139   Ob. Theod. 23: „Schließlich begegnete er freiwillig der Trübsal und dem Schmerz, in dem Wissen, dass ‚Trübsal Geduld bewirkt, Geduld Bewährung, Bewährung Hoffnung‘ (Röm 5,3 f.). Denn wie ein tüchtiger Kämpfer sucht er die Wettkämpfe, damit er die Krone erlangt (2 Tim 2,3.5), von der er aber wusste, dass sie ihm nicht aus eigener Kraft (erg. zuteilwerde), sondern durch die

V. Die Leichenrede für Kaiser Theodosius

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Erst in ob. Theod. 53 erfährt der Zuhörer genauer, welche Anfechtungen Ambrosius hier meint: die Ermordung des Theodosius des Älteren und das Exil des Theodosius in Spanien, zu dem sich der spätere Kaiser wegen des Angriffes auf seinen Vater gezwungen sah.140 Außerdem habe Theodosius ein schweres Joch getragen, indem er die Regierung des Reiches auf sich genommen hätte, während es sich durch die Unruhen der Barbaren im Umsturz befand, und sich zudem den Usurpatoren gestellt.141 Das iugum grave aus Klgl 3,27 findet sich auch in der Auslegung des Ps 118 und in der Leichenrede für Valentinian II.142 Eindeutig verweist das Bibelzitat dort auf das Martyrium, das Ambrosius mit Rücksicht auf die Ereignisse vor dem Tod Valentinians II. zeichnet. Die parallele Argumentation lässt vermuten, dass Ambrosius ein unblutiges Martyrium des Theodosius postuliert, das dem Kaiser den Vorzug des sofortigen Aufstiegs bringt.143 Theodosius, der die certamina auf sich genommen und als tugendhafter Musterchrist den Versuchungen widerstanden habe, wird auf diese Weise legitimiert, in die Gruppe der sancti aufgenommen zu werden. In vorkonstantinischer Zeit wurde eine solche Erhebung durch ein senatorisches Gericht über das Leben und die Taten des Kaisers, die probatio, gewährleistet. Dieses iudicium nimmt Ambrosius den Senatoren aus den Händen und setzt dabei neue Maßstäbe an: clementia, pietas, fides und in besonderem Maße mit Blick auf die Kirchenbuße die christliche Tugend der humilitas, die in der traditionellen probatio keine Rolle spielte.

Hilfe des Herrn geschenkt werde.“ Vgl. zur Nutzung von Röm 5,3 f. im Kontext des Martyrium Orig. exhort. Mart.  41 oder Ambr. off.  1,36,183. Der Begriff des „Athleten“ aus 2 Tim 2,3 bzw. 4 Makk 17,11 – 16 entwickelte sich schnell zu einem Synonym für Märtyrer, vgl. Uta Poplutz, Art. Athlete of God / Christ, EBR 3 (2011), 17 – 21. Das Erringen des Siegeskranzes durch sittliche Bemühungen und Abwehren von Bedrängnissen, in Anlehnung an 2 Tim 2,3 – 5, zieht sich durch das Werk des Ambrosius und verbindet die Martyriumsvorstellung vom Siegeskranz durch Verfolgung mit der Bewährung des Glaubens angesichts des Wirkens des Teufels. 140  Vgl. ob. Theod. 53: Portavit iugum grave Theodosius a iuventute, quando insidiabantur eius saluti, qui patrem eius triumphatorem occiderant. – „Von Jugend an trug Theodosius das schwere Joch (Klgl 3,27 f.), als diejenigen, die seinen triumphierenden Vater getötet hatte, auch gegen sein Heil etwas im Schilde führten.“ Dem Vater des Theodosius, Flavius Theodosius, warf man wegen seiner kritischen Haltung gegenüber der Ernennung des jungen Valentinians II. Hochverrat vor. Er wurde Anfang 376 in Karthago hingerichtet. Der Sohn Theodosius zog sich daraufhin aus dem politischen Leben zurück und verbrachte einige Zeit auf dem väterlichen Landgut in Spanien. Als Theodosius der Große sich etabliert und seine Macht stabilisiert hatte, wurde Theodosius der Ältere rehabilitiert und möglicherweise sogar konsekriert, vgl. Leppin, Theodosius der Große, 23 f. 96 und Groẞ-Albenhausen, Art. Flavius Theodosius, 340 f. 141   Gemeint ist hiermit Theodosius’ Übernahme der Herrschaft auf das Betreiben Gratians im Schatten der Niederlage von Adrianopel 378. 142  Vgl. ob. Val. 10 f. und exp. Ps. 118, 9,3. 143   Eine weitere Anspielung in geprägter Martyriumssprache ist der Ausspruch quia hic in labore, ibi in requie (ob. Theod. 53), der in ähnlichen Worten auch in exp. Ps. 37,2,4 zu finden ist.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

5.4 Die den Tod des Theodosius begleitenden prodigia Im Bericht des Ambrosius ist bereits der Tod des Kaisers von verschiedenen Natur­ phänomenen umgeben, die den Prodigiumssichtungen bzw. den omina mortis aus der paganen römischen Literatur ähneln: Erdbeben, Starkregen und Finsternis: Ipsa igitur excessum eius elementa maerebant: caelum tenebris obductum, aer perpeti horrens caligine, terra, quae quatiebatur motibus, replebatur aquarum alluvionibus. Quidni mundus ipse defleret eum principem continuo esse rapiendum [. . .]?144

Tatsächlich finden sich antike Quellen über mehrere Erdbeben in den Monaten vor Theodosius’ Tod in der zweiten Jahreshälfte 394,145 doch Ambrosius lässt es sich nicht nehmen, diese Ereignisse, wie auch schon das Naturphänomen bei der Schlacht am Frigidus,146 in seinem Sinne als Zeichen des bevorstehenden Unheils zu deuten. In der biographischen und panegyrischen Literatur der Antike werden häufig derartige omina mortis als begleitende Umstände der Todesstunde berühmter Menschen geschildert. Sueton berichtet beispielsweise, dass es zu Erdbeben und Blitzeinschläge kam, kurz bevor Nero den Tod fand.147 Ambrosius übernimmt diesen Topos, der sich bereits in der frühen Kaiserzeit entwickelt, als Prodigien nicht mehr der res publica galten, sondern als omina hauptsächlich den princeps betrafen. Als Deuter der Zeichen treten nun nicht die römischen Priesterkollegien auf,148 son144   Ob. Theod. 1: „Die Elemente selbst betrauerten seinen Tod: Der Himmel war in Finsternis gehüllt, die Luft war starr von Dunkelheit, die Erde, die von Beben erschüttert wurde, war voll von strömenden Regengüssen. Warum sollte nicht die Welt selbst trauern, dass gleich darauf ein Kaiser dahingerafft wurde [. . .]?“ 145   Vgl. Marc. Com. chron. ad annum 394: Terrae motu a mense Septembrio in Novembrium continuo inminente aliquantae Europae regiones quassatae sunt. – „Durch ein Erdbeben, das durchgängig von September bis November drohte, wurden einige Regionen Europas erschüttert.“ Von den Folgen desselben Erdbebens, den zerstörten Städten in Gallia Cisalpina, spricht Ambrosius auch in ep. 8 (39). 146   Vgl. neben der Darstellung der Schlacht bei Theodoret auch die Interpretation des Ambrosius in ep. extra coll. 2,3 (61): Gratias domino deo nostro qui fidei tuae pietatique respondit et formam veteris restituit sanctitatis, ut videremus nostro tempore, quod in scripturarum lectione miramur, tantam in proeliis divini auxilii fuisse praesentiam, ut nulli vertices montium adventus tui cursum retardarent, non hostilia arma impedimentum aliquod afferrent. – „Ich danke Gott, unserem Herrn, der auf deinen Glauben und deine Frömmigkeit reagiert und das Ideal der alten Heiligkeit wiederhergestellt hat, sodass wir zu unseren Zeiten sehen, was wir bei der Schriftlektüre bewundern, nämlich dass in der Schlacht eine derart mächtige göttliche Kraft zu Hilfe kam, dass keinerlei Winde, die von den Bergen kamen, den Weg deiner Ankunft hemmten und dass die Waffen der Feinde keinerlei Hindernis darstellten.“ 147   Vgl. Suet. Nero 48,2: Statimque tremore terrae et fulgure adverso pavefactus audiit e proximis castris clamorem militum et sibi adversa et Galbae prospera ominantium. – „Und plötzlich wurde er durch ein Erdbeben und einen Blitzeinschlag erschrocken und er hörte aus dem nahegelegenen Lager das Geschrei der Soldaten und derer, die ihm ein unglückseliges und dem Galba ein glückliches Schicksal voraussagten.“ Der Gedanke, dass Naturphänomene als kosmische Zeichen auf die Bedeutung wichtiger Personen hinweisen, findet sich oft, vgl. etwa die Vorkommnisse beim Tod Caesars in Verg. Georg. 1,475 – 482. 148   Traditionell waren für die Deutung von Prodigien die pontifices, die decemviri sacris faciundis und die haruspices, zuständig, vgl. Veit Rosenberger, Gezähmte Götter. Das Prodigienwesen der

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dern der christliche Bischof. Neben der Einbindung in die traditionelle Darstellung schafft Ambrosius eine Anspielung auf die Passion Christi mit den sie umgebenden Prodigien, die Finsternis und das Erdbeben.149 Auf zweifache Weise schreibt damit Ambro­sius den Tod des Kaisers sowohl in die pagane als auch in die christliche Tradition ein. Indem er den Tod als überirdisches Ereignis hervorhebt, läutet er die Szenerie einer Apotheose ein. 5.5 Der Aufstieg des Theodosius in das Königreich der Himmel Zum Repertoire der paganen Apotheose gehörte der Aufstieg der freien Seele, der rituell durch die Freilassung eines Adlers inszeniert wurde. Da im Christentum bereits früh eine ähnliche Idee vom Aufstieg einer geflügelten Seele bekannt war, kann Ambrosius in de obitu Theodosii dieses Bild ohne größere Änderungen übernehmen:150 ergo discedens e terris pia anima et sancto repleta spiritu quasi interrogantibus his, qui sibi occurrerent, cum sese ad sublimia et superna subrigeret, dicebat: Dilexi. Nihil hoc plenius, nihil expressius. Interrogabant angeli vel archangeli: Quid egisti in terris? – occultorum enim solus cognitor deus – dicebat: Dilexi.151

Während die paganen Autoren gerade hier aus der Tiefe der mythologischen Bilder schöpfen, wie etwa der anonyme Autor des pan. lat. 7 (6), der die Auffahrt des Constantius Chlorus auf dem Sonnenwagen als Sonnengott selbst schildert,152 wird römischen Republik, Heidelberger althistorische Beiträge und epigraphische Studien 27, Stuttgart 1998, 46 – 56. 149   Vgl. Mt 27,45: σκότος ἐγένετο ἐπὶ πᾶσαν τὴν γῆν; 27,51: ἡ γῆ ἐσείσθη. Das biblische Motiv des Erdbebens weist dabei ins Alte Testament und steht meist für eine Selbstoffenbarung Gottes, vgl. etwa vgl. Ex 19,18, Ri 5,5; 1 Kön 19,11 f.; Ps 18,8. In ob. Theod. 1 steht dagegen wohl eher das Mitleiden Gottes im Vordergrund. 150   Zum Adlerflug vgl. den Bericht des Cassius Dio über das Begräbnis des Pertinax, Cass. Dio 74,5,5: εἶθ’ οὕτως οἱ ὕπατοι πῦρ ἐς αὐτὴν ἐνέβαλον. γενομένου δὲ τούτου ἀετός τις ἐξ αὐτῆς ἀνέπτατο. καὶ ὁ μὲν Περτίναξ οὕτως ἠθανατίσθη. – „Schließlich also zündeten die Consuln den Aufbau an. Als dies geschehen war, flog ein Adler auf. So wurde Pertinax unsterblich gemacht.“ Zum Flug der Seele im christlichen Denken vgl. etwa bereits Dtn 32,11. Dazu vgl. auch Courcelle, Art. Flügel (Flug) der Seele, 29 – 65. Durch die doppelte Ansprache an Christen und Pagane rückt Ambrosius die beiden Lager in seinem Publikum noch enger nebeneinander, vgl. Biermann, Die Leichenreden des Ambrosius von Mailand, 49 Anm. 145. 151   Ob. Theod. 18: „Als nämlich die fromme Seele sich von der Erde aufmachte und sich gefüllt vom Heiligen Geist zu den oberen und himmlischen Regionen emporhob, da rief sie denen, die ihr begegneten und sie gleichsam fragten, zu: ‚Ich habe geliebt‘ (Ps 114,1)! Nichts ist vollständiger, nichts ist klarer als dies. Die Engel oder Erzengel fragten: ‚Was hast du auf Erden getan?‘ – allein Gott kennt nämlich die verborgenen Dinge – und sie sprach: ‚Ich habe geliebt‘.“ 152  Vgl. pan. lat. 7 (6),14,3: O felix imperio, et post imperium felicior! Audis enim profecto haec et vides, dive Constantine, quem curru paene conspicuo, dum vicinos ortus repetit occasu, Sol ipse invecturus caelo excepit. – „O du in deiner Herrschaft glücklicher, und nach der Herrschaft noch glücklicherer! Du hörst und siehst dies alles gewiss, Constantius (sc. Chlorus), den Sol selbst, während er vom Untergang zum nahegelegenen Aufgang zurückkehrte, auf dem kaum sichtbaren Wagen mitgenommen, um dich in den Himmel zu tragen.“

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

der auffahrende Theodosius in der ambrosianischen Version durch die von Engeln bevölkerten Sphären enthoben. Die zweifache, fragende Anrede der Engel an die Seele verdeutlicht den Aufstieg durch den caelum appellativum, den Lufthimmel, der die Dämonen bzw. die spiritus nequitiarum beherbergt.153 Theodosius wendet sich mit dem kurzen Bekenntnis seines Lebens gegen eventuelle Widerstände: Dilexi – „Ich habe geliebt“. Dasselbe Bekenntnis wirkt gegenüber den Engeln, die den Sternenhimmel bevölkern und die Pforten zum Himmel bewachen, als Losungswort. Offensichtlich weiß Ambrosius, wie er seine Zuhörer beeindrucken muss, denn was auf den Aufstieg der Seele in die patria folgt, ist die anschaulichste und detailreichste Darstellung der himmlischen Seligkeitsfreuden in seinem Werk. War die Beschreibung der Existenz Valentinians II. in de obitu Valentiniani im Himmelreich durch die Attribute des Hohelieds geprägt,154 so entfaltet sich die Darstellung des Aufenthaltsortes des Theodosius in mehreren Aspekten. Ambrosius gebraucht die apokalyptische Vorstellung der himmlischen Stadt Jerusalem aus Offb  21,1 – 2.10 – 27 bzw. Hebr  12,22:155 In quam festinavit intrare Theodosius atque ingredi civitatem Hierusalem, de qua dictum est: Et reges terrae ferent gloriam suam in illam.156 Auffallend ist dabei die Konzentration auf die politische Konnotation Jerusalems als Stadt Gottes und Heimat der Engel und Heiligen, wie sie vor allem beim Einzug des Leichnams in Jerusalem am Ende der Rede illustriert wird, sowie die Verbindung der Stadt mit dem Bild des Königs durch Offb 21,24.157 Im Gegensatz dazu unterbleibt diese Deutung in der Rede für Valentinian II. zugunsten einer Deutung Jerusalems als Kirche.158 Weitere biblische Bilder, die Ambrosius zur Charakterisierung des Jenseits als Königreich der Himmel verwendet, sind der mons Domini,159 die regio vivorum aus

153   Zum Lufthimmel als Wohnort der Dämonen und zum Sternenhimmel als Aufenthalsort der Engel siehe unter A.II.2. 154   Vgl. Chiara O. Tommasi Moreschini, Coping with Ancient Gods, Celebrating Christian Emperors, Proclaiming Roman Eternity. Rhetoric and Religion in Late Antique Latin Panegyrics, in: Maijastina Kahlos (Hg.), Emperors and the Divine. Rome and Its Influence, COLLeGIUM 20, Helsinki 2016, 177 – 209, 194. Noch viel zurückhaltender bleibt die Jenseitsschilderung des Gratian, dessen Aufenthalt nur durch das habituculum im Domini tabernaculo und die Ruhe in sancto eius monte dargestellt wird (exp. Ps. 61,27). 155  Vgl. ob. Theod. 2.31 und 56. Vgl. dazu auch Abr. 2,9,62; virg. 1,14,85; ep. 51,4 (15). 156   Ob. Theod. 31: „In diese (sc. Ruhe) eilte Theodosius einzugehen und die Stadt Jerusalem zu betreten, von der es heißt: ‚Und die Könige der Erde werden ihren Ruhm in sie hineintragen‘ (Offb 21,24).“ 157  Vgl. ob. Theod. 56. 158  Vgl. ob. Val. 5: Et quia de Hierusalem dictum est: Plorans ploravit in nocte; et nostra Hierusalem, id est, Ecclesia, ploravit in nocte. – „Darum ist auch über Jerusalem gesagt: ‚Sie weint mit Klagen des Nachts‘ (Klgl 1,2); Und unser Jerusalem, das heißt die Kirche, weinte in der Nacht.“ Zur umfassenden Bedeutung Jerusalem als himmlische Stadt Gottes, Allegorie für die Kirche und Heimat der Engel und Heiligen vgl. Lamirande, Le theme de la Jerusalem celeste chez saint Ambroise, 209 – 232. 159   Ob. Theod. 37: Dilexi et ideo prosequor eum usque ad regionem vivorum nec deseram, donec fletu precibusque inducam virum, quo sua merita vocant, in montem domini santum, ubi perennis vita,

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Ps 114,9 und die tabernacula Christi,160 sowie der ewige Sabbat.161 Die Schau Gottes charakterisiert Ambrosius, wie auch in anderen Werken, durch das semantische Feld des „Lichts“: Theodosius genießt die perpetua bzw. candida lux und er hält sich auf in lumine perpetuo.162 Im irdischen Dasein ist noch keine vollkommene Sicht Gottes möglich, so wie das menschliche Auge noch nicht einmal den Blick in die Sonne ertragen könne, wie Ambrosius in bon. mort. 11,49 argumentiert. Doch im Tod, frei von irdischen Fesseln, komme der Mensch zur unverstellten Sicht des reinen Lichts Gottes.163 Diese Betonung des Lichts verdeutlicht an dieser Stelle die endgültige visio Dei – ein Unterscheidungsmerkmal zu den Seelen, die in den Warteräumen des Paradieses nur einen Vorgeschmack der himmlischen Seligkeit genießen.164 Wenn man sich im Vergleich dazu die Jenseitsschilderung der traditionellen ­Panegyrik, insbesondere den Panegyricus 7 an Constantinus Chlorus und Claudians Rede zum dritten Konsulat des Honorius, ansieht, wird deutlich, dass Ambrosius mit einer breiten Bildervielfalt konkurrieren muss. Vom Aufstieg im Sonnenwagen bis zur Aufnahme in die Tempel der Götter und das Treffen auf Jupiter nutzen die ­Panegyriker ein reiches mythologisches Repertoire,165 das dem christlichen Autor verwehrt bleibt.166 In beiden panegyrischen Texten nimmt die Lichtmetaphorik ubi corruptelae nulla contagio, nullus gemitus, nullus dolor, nulla consortio mortuorum. – „‚Ich habe ihn geliebt‘ (Ps 114,1) und darum begleite ich ihn bis zum ‚Land der Lebendigen‘ (Ps 114,9) und ich werde ihn nicht verlassen, bis ich den Mann mit Weinen und Gebeten dort führe, wohin ihn seine Verdienste rufen, ‚zum heiligen Berg des Herrn‘ (Ps 23,3), wo ewiges Leben ist, wo keine Berührung mit der Vergänglichkeit gibt, keine Klage, keinen Schmerz, kein Zusammensein mit den Toten.“ Vgl. Offb 3,12; 21,10; Hebr 12,22; 2 Petr 1,18. 160  Vgl. ob. Theod. 2. Vgl. dazu Ps 15,1. Eine ähnliche Formulierung nutzt Ambrosius auch für den Einzug Gratians ins Reich Gottes, vgl. exp. Ps. 61,27: Habeo habitaculum meum in Domini tabernaculo. 161  Vgl. ob. Theod. 29: Haec est requies sabbati magni, ut unusquisque sanctorum supra mundi sensibilia sit in illo intellegibili secreto totus intentus atque adhaerens deo. – „Dies ist die Ruhe des großen Sabbats, sodass jeder Heilige oberhalb der Welt der wahrnehmbaren Dinge stehe und sein ganzes Streben auf jenes geistiges Geheimnis richte und Gott anhänge.“ 162   Ob. Theod. 32. 38 f. 52. 163  Vgl. Dassmann, Die Frömmigkeit des Kirchenvaters Ambrosius von Mailand, 123 – 125.193 f. und Richard Morgan, The Imagery of Light in St. Ambrose’s Theology, Melbourne / Victoria 1998. 164   Zur gestuften Topographie des Jenseits in Ambrosius’ Denken siehe unter A.III.3 – 9. 165  Vgl. pan. lat. 6 (7),7,3: Vere enim profecto illi superum templa patuerunt, receptusque est consessu caelitum Iove ipso dexteram porrigente. Quin immo statim sententiam rogatus cui imperium decerneret, dixit ut decebat Constantinum Pium. – „Denn plötzlich öffneten sich ihm (sc. Constantius Chlorus) wahrhaftig die Tempel der überirdischen Götter, er wurde aufgenommen in die Versammlung der Himmlischen und Jupiter selbst streckte ihm die Hand entgegen; Und sogleich um seine Meinung befragt, wem er die Herrschaft zuerkenne, nannte er, wie er es gewohnt war Con­ stantinus Pius.“ Vgl. dazu auch die Schilderung von Theodosius und seinem Vater vor Sol in Claud. Stil. 2,421 – 423. 166   Besonders ein Blick in die Lobrede des Claudius Claudianus auf das dritte Konsulat des Honorius nur wenige Zeit nach dem Tod des Theodosius zeigt, welche Bilder in einem paganen Mileu als Gegenbild präsentiert werden: nachdem Theodosius sich dort von Stilicho verabschiedet, da „jetzt der Palast im Himmel wartet“, entschwebt er durch den Himmel an Mond und Planeten vorbei und wird schließlich als „neues Gestirn“ von Arctos und Orion begrüßt. Vgl. Claud. 3 cons.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

einen wichtigen Stellenwert ein, jedoch steht diese in beiden für die Weiterexistenz als Stern und das damit verbundene Sehen auf die Erde, wie es Claudian für das fortgesetzte Wächteramt des Theodosius für seine Söhne verdeutlicht.167 Das Sternenlicht wird somit von dem Licht göttlicher Erkenntnis, der Olymp von der himmlischen Stadt Jerusalem, das Sitzen im Reigen der Götter von der Gemeinschaft der Heiligen abgelöst. Ausgehend von Ps 114,7 erfährt zudem die Ruhe des Gerechten, die requies Christi, in die die Seelen der Heiligen frei von weltlichen Fesseln heimkehren, eine besondere Betonung.168 Die einzelnen Aspekte der Schilderung des Himmelreichs in de obitu Theodosii finden sich zwar auch in anderen Werken des Bischofs, doch die Zusammenstellung, Pointierung und Zielsetzung machen sie innovativ. Ambrosius gelingt es, den Zuhörern ein Bild des Himmelreichs zu präsentieren, das es in seinem motivischen Reichtum mit der mythologisch durchsetzten Vorstellung der Apotheose aufnehmen kann, ohne sich in allzu komplexen christlichen Bildern zu verlieren.169 Hervorzuheben ist dabei ein weiterer Aspekt, der von Bedeutung ist: die Wirksamkeit des Theodosius über den Tod hinaus.170 Theodosius betritt das Jenseits und herrscht dort als Hon. 162 – 184. Claudian allerdings vermeidet bereits die Vorstellung einer Gruppe mehrerer Götter und spricht von Theodosius allein. Sabine MacCormack, Art and Ceremony in Late Antiquity, 141 sieht darin ein Zugeständnis an christliche Zuhörer. 167   Anklänge an eine platonische Interpretation des Lichts als Erkenntnis können zwar im Hintergrund stehen, werden aber nicht explizit genannt. Im Zentrum steht die Metamorphose zu einem Gestirn. Diese Vorstellung fußt auf dem Gedanken der Rückkehr großer Männer in den Fixsternhimmel, wie es etwa Cicero im somnium Scipionis erläutert, vgl. Price, From noble funerals to divine cult, 76 f. Weitere Beispiele mit Stellen für die Bezeichnung von divinisierten Kaisern als Sterne finden sich bei Clauss, Kaiser und Gott, 265 – 268 und Christian Bechtold, Gott und Gestirn als Präsenzformen des toten Kaisers. Apotheose und Katasterismos in der politischen Kommunikation der römischen Kaiserzeit und ihre Anknüpfungspunkte im Hellenismus, Schriften zur politischen Kommunikation 9, Göttingen 2011. Damasus von Rom übernimmt die Rede von den nova sidera und wendet sie auf das Apostelpaar Petrus und Paulus an, vgl. Damasi Epigrammata Nr. 306: Christumque per astra secuti / aetherios petiere sinus regnaque piorum; / Roma suos potius meruit defendere cives / Haec Damasus vestras referat nova sidera laudes. Zur Entwicklung dieser Vorstellung ausgehend von den Dioskuren und dem Kaiserkult vgl. Rudolf Brändle, Petrus und Paulus als nova sidera, in: Martin Heimgartner / Thomas K. Kuhn / Martin Sallmann (Hgg.), Studien zur alten Kirche, Stuttgart u. a. 1999, 113 – 124. Von einer solchen Metamorphose aber findet sich bei Ambrosius nichts. 168  Vgl. ob. Theod. 28: Et ideo, quia humilem se praebuit Theodosius imperator et, ubi peccatum obrepsit, veniam postulavit, conversa est anima eius in requiem suam, sicut habet scriptura, quae dicit: Convertere, anima mea, in requiem tuam, quia dominus benefecit mihi. – „Und darum, weil sich Kaiser Theodoisus demütig zeigte und, als die Sünde ihn ergriffen hat, um Vergebung bat, ist seine Seele in ihre Ruhe zurückgekehrt, so wie es auch die Schrift besagt mit den Worten: ‚Kehre zurück, meine Seele, in deine Ruhe, weil Gott mir Gutes getan hat (Ps 114,7).“; Vgl. auch ob. Theod. 27: Ipse ad Christi pervenit requiem, qui humilitatem fuerit Christi secutus. – „Er ist selbst zur Ruhe Christi gelangt, der der Demut Christi nachgefolgt ist.“ 169   Vgl. dazu die Schilderung des Fortlebens Valentinians II. in ob. Val. 70 – 77 durch fast ausschließlich dem Hohelied entnommene Vorstellungen. Diese sind zwar anschlussfähig durch die bukolischen Bilder paganer Tradition, richten sich aber wegen der dichten Poesie und der zahlreichen Schriftworte, die Gratian in den Mund gelegt sind, vorrangig an biblisch gebildete Zuhörer. 170  Vgl. ob. Theod. 2: ille quidem abiit sibi regnumque non deposuit, sed mutavit. – „Und jener ging zwar hin und er legte sein Königtum nicht ab, sondern er verwandelte es.“

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wahrer König an der Seite Christi: Nunc se augustae memoriae Theodosius regnare cognoscit, quando in regno est domini Iesu et considerat templum eius. Nunc sibi rex est.171 Das Herrschen an Christi Seite ist ein Privileg des vollkommenen Gerechten und ein weiteres deutliches Unterscheidungsmerkmal gegenüber den unvollkommenen peccatores.172 Ambrosius orientiert sich dabei auch an dem postmortalen Herrschen des Konstantin, wie Euseb es berichtet. Vor dem aufgebahrten Leichnam des Kaisers verhielten sich Beamte und Soldaten so, als wäre der Kaiser noch lebendig.173 Was dort allerdings nötig war, um die Nachfolge der Konstantinsöhne zu sichern und ihnen die Legitimation eines noch herrschenden Kaisers zukommen zu lassen, wird bei Ambrosius transzendiert: Ambulabunt plane ac maxime Gratianus et Theodosius, prae ceteris principes, non iam armis militum, sed meritis suis tecti, non purpureum habitum, sed amictum induti gloriae. Qui cum hic delectarentur absolutione multorum, quanto magis illic pepercisse se pluribus recensendo pietatis suae recordatione mulcentur.174

Theodosius wird in den Kreis der Heiligen aufgenommen, was sich auch an der Betonung der Nähe zu Gott zeigt. Damit wird fortgeführt, was bereits dem lebenden Kaiser in der Schlacht am Frigidus als besonderes Verhältnis zum Theodosii deus attestiert wird.175

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  Ob. Theod. 40: „Jetzt erst weiß Theodosius erhabenen Andenkens zu regieren, als er im Reich des Herrn Jesus ist und seinen Tempel betrachtet. Jetzt fühlt er sich als König.“ 172  Vgl. ep. 19,9 (71): ex latrocinio conversus requiem habet, in apostolatu probatus accepit potestatem. – „Der, der sich vom Raub bekehrt, hat die Ruhe; der, der sich im Apostelamt bewährt, hat die Herrschaft erlangt.“ Siehe dazu unter A.II.4. 173  Eus. v.C. 4,67: Οἱ δέ γε τοῦ παντὸς στρατοῦ καθηγεμόνες κόμητές τε καὶ πᾶν τὸ τῶν ἀρχόντων τάγμα, οἷς τὸν βασιλέα καὶ νόμος πρότερον ἦν προσκυνεῖν, μηδὲν τοῦ συνήθους ὑπαλλαξάμενοι τρόπου [. . .]. καὶ τὸ θνητὸν αὐτοῦ βασιλεύειν ἐν ἀνθρώποις ὁ ἐπὶ πάντων ἠξίου θεός [. . .]. – „Die Heerführer der gesamten Truppen, die Comites und der gesamte Stand der Beamten, für die es vorher Gesetz war vor dem Kaiser zu knien, änderten diesen Brauch nicht [. . .]. Und Gott, der über allem ist, würdigte seinen Leichnam, dass er noch über die Menschen herrsche [. . .]“ Sueton berichtet in Bezug auf den Tod des Claudius ähnliches, Claud. 45: Mors eius celata est, donec circa successorem omnia ordinarentur. Itaque et quasi pro aegro adhuc vota suscepta sunt. – „Sein Tod wurde verheimlich, bis alles bezüglich des Nachfolgers geregelt war. Und so wurden wie für einen Kranken noch Gebete gesprochen.“ Hier zeigt sich allerdings stärker das Problem der Nachfolgeregelung. 174   Ob. Theod. 52: „Ja, ‚sie werden wandeln‘ und besonders Gratian und Theodosius werden vor den übrigen Kaisern wandeln, nicht mehr in Kriegswaffen gehüllt, sondern in ihre Verdienste, nicht in den Purpurmantel gehüllt, sondern in den Umhang der Herrlichkeit. Da sie sich hier am Freispruch von vielen erfreut haben, wird es ihnen dort durch die Erinnerung an ihre Milde ein noch größeres Vergnügen bereiten, wenn sie bedenken, dass sie (so) viele verschont haben.“ 175  Vgl. ob. Theod. 7: ante aciem solus progrediens ait: ‚Ubi est Theodosii deus?‘ Iam hoc Christo proximus loquebatur. – „Allein schritt er vor der Schlachtreihe und sagte: ‚Wo ist der Gott des Theodosius?‘ Dies sprach er schon in nächster Nähe zu Christus.“

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

5.6 Die Interzessorenrolle des Theodosius In ob. Theod. 16 erhält die postulierte Nähe zu Gott ihren Höhepunkt, indem Ambro­ sius den Kaiser am Thron Christi verortet: Theodosius vero plenus timoris dei, plenus misericordiae, speramus, quod liberis suis apud Christum praesul adsistat, si dominus propitius sit rebus humanis.176 Theodosius wird damit eine Wirkkraft nach dem Tod zugesprochen, wie der heidnische Redner Schriftsteller und Panegyriker Libanius sie auch für Kaiser Julian erwartet. Libanius ruft in einer Rede, in der er lobend auf Julian zu sprechen kommt, Theodosius dazu auf, auf die Kraft und Mithilfe des konsekrierten divus zu vertrauen.177 Auch in dem Epitaphios auf Julian, oratio 18, verweist Libanius auf die Wirksamkeit der Gebete von Gläubigen verschiedener Städte, die Julian nicht enttäuscht habe.178 Ein Großteil der Rede de obitu Theodosii baut auf dieser verlängerten Wirksamkeit des Kaisers auf, der als Glaubensvorbild durch die repraesentatio in seinen Kindern fortlebt.179 An dieser Stelle aber wird ihm die Fähigkeit zugesprochen, auf das Schicksal seiner Söhne und durch jene auf das Schicksal des gesamten Imperiums Einfluss zu nehmen. Allerdings geschieht dies nicht in der Direktheit, die sich Libanius vorstellt, sondern in der Vermittlung des sanctus Theodosius, der als Interzessor die Bitten der Nachkommen vor Gott bringt. Die Interzessorenrolle ist im Christentum ursprünglich nur für die Apostel und die Reihe der Märtyrer belegt,180 aber wie gesehen, überträgt Ambrosius den Status

176   Ob. Theod. 16: „Theodosius aber war voll von der Ehrfurcht vor Gott, voll von Barmherzigkeit. Wir hoffen, dass er seinen Kindern bei Christus als Fürsprecher steht, wenn der Herr menschlichen Angelegenheiten gnädig ist.“ 177   Vgl. Lib. or. 24,40: ὄψει τοὺς αὐτοὺς στρατιώτας ἐρευνωμένους τὴν ὕλην καὶ τὰ ἄντρα καὶ τοὺς μὲν σφάττοντας, τοὺς δὲ ζῶντας ἕλκοντας δοῦναι τοῖς βουλομένοις ὠνεῖσθαι. τούτων συνεφάψεται Ἰουλιανὸς πάντα καθιστὰς ῥᾴδια τοὺς μὲν ὀφθαλμοὺς τῶν στρατιωτῶν διαφεύγων, τοῖς δὲ ἔργοις γνωριζόμενος. – „Du wirst sehen, dass dieselben Soldaten die Wälder und Höhlen durchsuchen, die Feinde umbringen oder lebendig davon führen, um sie an jeden zu verkaufen, der sie will. Julian aber wird Hand ans Werk legen, alles machbar gestalten, den Augen der Soldaten unsichtbar, doch an den Taten zu erkennen.“ 178   Vgl. Lib. or. 18,304: [. . .] πολλαὶ πόλεις ἐκεῖνον τοῖς τῶν θεῶν παραστήσαντες ἕδεσιν ὡς τοὺς θεοὺς τιμῶσι, καί τις ἤδη καὶ παρ’ ἐκείνου δι’ εὐχῆς ᾔτησέ τι τῶν ἀγαθῶν καὶ οὐκ ἠτύχησεν. – „[. . .] viele Städte haben jenes (sc. sein Bild) neben den Statuen der Götter aufgestellt und verehren es wie die Götter. Und so mancher hat vor ihm mit Gebeten um Segen gefleht und es ging nicht fehl.“ MacCormack gibt dabei zu bedenken, dass es für die Vorstellung eines konsekrierten Kaisers, der Gebete erhört, im imperialen Kult so gut wie keine Parallelen gibt. Selten seien solche Gebete dargebracht worden, und noch seltener glaubten die Beter, sie könnten in Erfüllung gehen Vgl. MacCormack, Art and Ceremony in Late Antiquity, 135. Vgl. dazu auch Arthur Darby Nock, Deification and Julian, JRS 47 (1957), 115 – 123. 179   Siehe unter B.V.4.c). 180   Zur Interzession der Märtyrer im frühen Christentum vgl. Michael Slusser, Art. Martyrium. III / 1. Neues Testament / Alte Kirche, TRE 22 (1992), 207 – 212, 209.

V. Die Leichenrede für Kaiser Theodosius

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eines Märtyrers, dem die Fähigkeit der intercessio und der Patronage zukommt, auf Theodosius.181 Diese besondere Stellung benennt Ambrosius, wie auch im Falle des Valentinian II.,182 als praesul apud Christum. Der Terminus bezeichnet einen Vorsitzenden oder, vor allem in nachklassischer Zeit, einen Beschützer.183 Bei Ambrosius steht praesul regelmäßig für Christus, so zum Beispiel kurz danach in derselben Rede: Cur enim non praesumas gratiam, cum habeas praesulem certaminis misericordem?184 Wenn Ambrosius diesen Terminus auf die Kaiser anwendet, kann darunter nur eine immense Würdigung verstanden werden, die sie der menschlichen Sphäre entrückt und an die Seite Gottes stellt. 5.7 Die damnatio memoriae der Usurpatoren Maximus und Eugenius Ambrosius stellt in seiner Adaption des Konsekrationsgedankens nicht nur die Heiligung des als würdig erachteten Herrschers dar, sondern er widmet sich auch der auf den negativen Ausgang des Totengerichts folgenden damnatio memoriae. Nach diesem Konzept wurde den, in manchen Fällen geschändeten, Leichen der Kaiser nach der Verbrennung ein funus publicum verwehrt, stattdessen wurden sie zum Teil in die Cloaca Maxima geworfen.185 Zu der körperlichen Entehrung trat die nachträgliche Rückstufung des Kaisers in einen menschlichen Status, weswegen Verehrungsgegenstände entweiht wurden. Schließlich wurde der Name des entehrten Kaisers aus Inschriften getilgt, um sein Andenken zu zerstören.186 Dieses Konzept greift Ambro­ sius in der Darstellung des Schicksals der Usurpatoren Maximus und Eugenius187 auf. Auf eine Schilderung der materiellen Strafen ewiger Verdammnis, die als Pendant des so bildhaft dargestellten Himmelreiches eigentlich zu erwarten wären,188 scheint er bewusst zu verzichten: 181

  Diese Adaption auf den Kaiser ist wahrscheinlicher als die von Jörg Ernesti vermutete „Verchristlichung der heidnischen Vorstellung einer Mittlerstellung des Kaisers zwischen Göttern und Menschen“, vgl. Ernesti, Princeps christianus und Kaiser aller Römer, 210. 182  Vgl. ob. Val. 41: Ille vobis maneat in corde, ille vivat in pectore, ille amplexibus piis haereat, ut solebat. [. . .] Ille vobis auxiliaturus speretur, ille noctibus praesul assistat, illum a vobis iam nec somnus excludat. – „Er bleibe in euren Herzen, er lebe in eurer Brust, er sei euch nah in frommer Umarmung, wie er es immer tat. [. . .] Möge die Hoffnung bestehen, dass er euer Helfer ist, er soll euch nachts als Beistand unterstützten und er möge nicht aus eurem Schlaf ausgeschlossen werden.“ 183   Vgl. Lewis / Short, 1432, s. v. praesul, II.: „Transf., in gen., a presider, president, director; a patron, protector, etc.“ 184   Ob. Theod. 25: „Warum kannst du nicht die Gnade annehmen, da du doch einen barmherzigen Bewahrer im Wettstreit hast?“ 185  Vgl. Kunst, Der Leichnam des Princeps zwischen Consecratio und Damnatio, 96 f. 186  Vgl. Krüpe, „Sit divus, dum non sit vivus“, 7 – 24. 187   Magnus Maximus verfiel nach seiner Hinrichtung im Jahr 388 der damnatio memoriae, vgl. Demandt, Geschichte der Spätantike, 200. Über eine damnatio des Eugenius finden sich keine weiteren Quellen. 188   Für den Aufenthalt in der Hölle stellt sich Ambrosius, wie gezeigt, ein ganzes Set an Strafen vor: der Aufenthalt im Feuermeer, seelische und geistige Schmerzen, Knechtschaft in Ketten, Fins-

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Contra autem Maximus et Eugenius in inferno quasi nox inducti indicat scientiam docentes exemplo miserabili, quam durum sit arma suis princibus inrogare. [. . .] Transivit enim pius de caligine saeculari ad lumen aeternum, et non erat inpius, qui esse desivit iniquus.189

Offensichtlich stellt sich Ambrosius die beiden Usurpatoren segregiert vor: sie genießen nicht die Gemeinschaft der Heiligen, sondern sind in der Hölle. Weitere Strafen mögen sich hinter dem durum verbergen. Auffallend ist aber die Anwendung von Ps 18 auf die beiden. Hier ist mehr als nur ein Ausschluss von der consortia sanctorum angedeutet, mehr als nur eine Unruhe als Gegenbild zur Sabbatruhe im Himmelreich. Ambrosius postuliert mit Ps 36,35 f. die völlige Auflösung der Existenz des Gottlosen vor Gott: non erat impius.190 Damit kommt er dem Konzept der damnatio nahe, das auf eine völlige Auslöschung der Person prae und post mortem abzielte.191 Auch im negativen Ausgang bildet damit das ambrosianische Konzept eine der menschlichen Sphäre enthobene Entscheidung über das Schicksal der Usurpatoren im Himmel. 5.8 Die postmortale Existenz in der domus Augustana Der vollkommene Abbruch der Erinnerung als Zeichen der Diskontinuität steht im Gegensatz zu der Kontinuität stiftenden Bedeutung der consecratio. Die Bewahrung aber baut auf die Aufnahme des Verstorbenen in den Kreis der Staatsgötter, die in Form der divinisierten domus Augustana im Jenseits fortexistieren.192 Während die pagane Vorstellung besagte, dass ein Kaiser auf seinen Vater und andere Ahnen trifft, um so die Dynastie zu stärken, muss Ambrosius eine Lösung finden, genau dies zu ersetzen. Nachdem sein Vater Flavius Theodosius wegen des Verdachts der Verternis, Armut und Friedlosigkeit, die sich in ewigem Klagen äußert. Zur Vorstellung der Hölle und dem Schicksal der impii siehe unter A.II.8. 189   Ob. Theod. 39: „Dagegen sind aber Maximus und Eugenius in der Hölle, wie wenn ‚eine Nacht es der anderen kundtut‘ (Ps 18,3), wobei sie durch ihr jämmerliches Beispiel lehren, wie verhängnisvoll es ist, die Waffen gegen die eigenen Herrscher zu richten. [. . .] Der Gerechte ging nämlich vom Dunkel dieser Welt in das ewige Licht hinüber und ‚der Gottlose war nicht mehr‘ (Ps 36,35 f.), der aufgehört hat, ein Ungerechter zu sein.“ 190   Ein ähnlicher Gedanken findet sich in exp. Ps. 36,82: iustorum reliquiae uirtutes sunt, impio­ rum reliquiae improbitas atque perfidia ac peccatum. ea delebuntur, ut non sint. – „Die Tugenden sind die Hinterlassenschaften der Gerechten, die Hinterlassenschaften der Gottlosen sind Bosheit, Treulosigkeit und Sünde. Sie werden zerstört werden, bis sie nicht mehr sind.“ Die Anwendung von Ps 36,35 f. auf die impii auf Erden so auch in Iob et Dav. 3,7,22: Vides subito impium in hoc saeculo potentem: dum tu transis, ille iam non est. – „Du siehst auf einmal den Gottlosen, der in dieser Welt mächtig war. Während du aber hinübergehst, existiert er nicht mehr.“ 191  Vgl. Krüpe, „Sit divus, dum non sit vivus“, 7 – 24 und MacCormack, Art and Ceremony in Late Antiquity, 148 f. 192   Constantius II. etwa betont in auf der Inschrift eines Meilensteins im antiken Sirmium seine, schon von Konstantin postulierte, Abstammung von Claudius Gothicus CIL 3,3705: Imp(erator) Caes(ar) Fla(vius) Iul(ius) / Constantius Pius Fel(ix) / Aug(ustus) victor maximus / triumfator aeternus / divi Constantini Optimi / Maximique principis [f(ilius)] divo / rum Maximiani et / Constanti nepos divi / Claudi pronepos.

V. Die Leichenrede für Kaiser Theodosius

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schwörung gegen den jungen Valentinian II. hingerichtet wurde, war Theodosius von Gratian aus dem spanischen Exil zum Kaiser berufen worden.193 Er konnte darum auf keine dynastische Eingliederung in die herrschende Gens der Valentinianer zurückblicken. Dieses Problem löst Ambrosius in ritueller Hinsicht durch die narrative Umsetzung der Gemeinschaft mit christlichen Herrschern im Himmelreich.194 Wie schon im Fall der Reichsreliquien ist es auch hier der christliche Glaube, der den Kaiser legitimiert, nicht die dynastische Erbfolge. Nur kurz schildert Ambrosius daher die Familienzusammenführung: Nunc sibi rex est, quando recepit etiam filium Gratianum et Pulcheriam, dulcissima sibi pignora, quos hic amiserat, quando ei Flaccilla adhaeret, fidelis anima deo, quando patrem sibi redditum gratulatur, quando Constantino adhaeret.195 Theodosius trifft auf seine bereits verstorbenen Kinder Gratian und Pulcheria,196 seine erste Frau Flacilla197 und seinen Vater Theodosius den Älteren. Aus der domus Augustana fehlen lediglich Galla, zweite Ehefrau des Theodosius und Schwester Valentinians II., und Valentinian II. selbst. Ambrosius verzichtet wohl auf die Nennung Gallas, um keine Erinnerungen an das Zerwürfnis zwischen ihr und Arcadius hervorzurufen. Der ältere Sohn des Theodosius aus erster Ehe hatte 390 seine Stiefmutter aus dem Palast in Konstantinopel verwiesen.198 Dass mit der Tochter Justinas und Valentinians I. 193

  Zur Hinrichtung des Flavius Theodosius dem Älteren Anfang 376 in Karthago und dem darauf folgenden Exil des Sohnes vgl. Leppin, Theodosius der Große, 23 f. 96 und Groẞ-Albenhausen, Art. Flavius Theodosius, 340 f. 194   Schon Cyprian von Karthago modifiziert in mort. 26 das gängige Motiv der Familienzusammenführung im Jenseits, das man etwa bei Seneca, Marc. 25, findet, indem er die Verstorbenen auf die „wahren“ Verwandten und Ahnen des Glaubens treffen lässt: die Apostel, Propheten und Märtyrer. 195   Ob. Theod. 40: „Jetzt fühlt er sich als König, als er auch seinen Sohn Gratian und Pulcheria, die Unterpfande seiner so überaus großen Liebe, die er verloren hatte, wiedererhalten hat; jetzt, da Flacilla, eine Gott treue Seele, sich ihm anhängt; jetzt, da er seinen Vater, der ihm wiedergegeben ist, grüßt und da er sich Konstantin anhängt.“ 196   Pulcheria war die Tochter aus Theodosius’ erster Ehe mit Flacilla. Sie starb 385 / 6 im Alter von acht Jahren. Ihre Leichenrede hielt Gregor von Nazianz, vgl. Hartmut Leppin, Art. Pulcheria, DNP 10 (2001), 587. Es wurde vermutet, dass Ambrosius hier mit Gratianum erneut den Kaiser bezeichnet. Doch Stefan Rebenich konnte herausarbeiten, dass es tatsächlich einen weiteren Sohn des Theodosius mit Namen Gratian gegeben haben muss, der ein Sohn der Galla und somit ein Neffe des Kaisers Gratian war, vgl. Stefan Rebenich, Gratian, a Son of Theodosius, and the Birth of Galla Placidia, Hist. 34 (1985), 372 – 385, besonders 372 – 380. 197   Aelia Flacilla, die erste Frau des Theodosius und Mutter von Arcadius und Honorius, starb 386. Auch für sie hielt Gregor von Nazianz die Leichenrede, vgl. Kirsten Groẞ-Albenhausen, Art. Flacilla, DNP 4 (1998), 353. 198   Vgl. die Bemerkung in der Chronik des Marcellinus Comes, a. 390: Galla Theodosii uxor ab Arcadio privigno sui eiecta est. Galla starb am 24. April 394 bei einer Fehlgeburt. Zu Galla vgl. Anja Busch, Die Frauen der theodosianischen Dynastie. Macht und Repräsentation kaiserlicher Frauen im 5. Jahrhundert, Hist.E 237, Stuttgart 2015, 35 – 39. Interessanterweise wurde Galla von Theodosius auch nicht der Titel der augusta verliehen. Möglicherweise hat Ambrosius die zweite Ehe des Theodosius missbilligt. In de viduis lobt er das Witwentum und rät von einer Wiederverheiratung ab, vgl. vid. 11,69: Licet ergo nubere, sed est pulchrius abstinere. – „Es ist folglich erlaubt zu heiraten, aber rühmlicher ist es, darauf zu verzichten.“ Dass Kirsten Groẞ-Albenhausen, Imperator christianis-

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

gerade diese Brücke zur valentinianischen Dynastie fehlt, ist nachvollziehbar: die Szenerie im Himmel, wie auch die ganze Rede, hat das Ziel, Theodosius von dynastischen Gedanken unabhängig zu machen, auf die sich Arcadius und Honorius, Söhne von Theodosius und Flacilla, keinesfalls berufen konnten.199 Besonders innig schildert Ambrosius die Beziehung zwischen Gratian und Theodosius, der als Rächer des ermordeten Kaisers auftritt.200 Gemeinsam genießen sie die Ruhe des Himmelreiches. Dass Gratian in der Rede eine so hervorgehobene Rolle erhält, erschließt sich aus seiner Rolle als auctor imperii des Theodosius. Aufgrund des fehlenden Rückgriffs auf eine Dynastie fungiert derjenige Kaiser, durch den Theodosius eingesetzt wurde, als Bindeglied in der Kette der christlichen Kaiser.201 Da Ambrosius einerseits nur Maximus und Eugenius sowie den Apostaten Julian als gefallene Seelen und andererseits die reliqui principes Christiani erwähnt, ist anzunehmen, dass die gesamte Reihe der christlichen Kaiser vor Theodosius im Himmel anzutreffen ist: Constantius II., Jovian, Valens, Valentinian I. und wohl auch Valentinian II.202 Einzig Konstantin wird gesondert als erster christlicher Kaiser genannt – allerdings mit einer leichten Kritik wegen seiner späten Taufe: Cui licet baptismatis gratia in ultimis constituto omnia peccata dimiserit, tamen quod primus imperatorum credidit et post se hereditatem fidei principibus dereliquit, magni meriti locum repperit.203 Den Makel der arianischen Taufe durch Euseb von Nikomedien, von dem Hieronymus berichtet, übergeht Ambrosius.204 Konstantin wird zum orthodoxen Herrscher, der aufgrund seiner Verdienste einen bedeutenden Rang im simus, 132, davon ausgeht, die Nachricht von ihrem Tod sei zwei Jahre nach dem Vorfall noch nicht in Mailand angekommen, ist unverständlich. Anja Buschs Vermutung, dass „der vermeintlichen Homöerin“ kein Platz im Himmel bereitet sei, trifft zwar die grundsätzliche Vorstellung des Ambrosius vom Zusammenhang von Seligkeit und Orthodoxie, trifft aber m. E. in der Rede für Theodosius nicht zu, da, wie an Konstantin zu zeigen ist, Orthodoxie hier im Hintergrund zu bleiben scheint. 199   Der, wohl heidnische, Hofdichter Claudian geht hier sogar noch weiter. Er erwähnt in seinem Panegyricus auf Honorius im Jahr 396, 3 cons. Hon., weder Gratian noch Valentinian II. Der Übergang zur theodosianischen Dynastie war offenbar schon kurz nach der Bestattung des Kaisers in Konstantinopel derart erfolgreich, dass die valentinianische getrost übergangen werden konnte, vgl. Icks, The Inadequate Heirs of Theodosius, 97. 200  Vgl. ob. Theod. 39: Illic nunc conplectitur Gratianum iam sua vulnera non maerentem, quia invenit ultorem. – „Dort umarmt er jetzt Gratian, der seine Wunden schon nicht mehr betrauern muss, weil er seinen Rächer gefunden hat.“ 201   Dass das Verhältnis zwischen beiden getrübt war und vor allem das Verhalten des Theodosius angesichts der Ermordung als Ablehnung des jüngeren Kaisers gewertet werden muss, überspielt Ambrosius. 202   Zum „Fehlen“ Valentinians II. in de obitu Theodosii siehe unter B.IV.5.4. 203  Vgl. ob. Theod. 40: „Wenn auch erst am Lebensende diesen die Taufgnade von sämtlichen Sünden befreit hat, so hat er dennoch, weil er als erster Kaiser glaubte und nach sich den Kaisern das Erbe des Glaubens hinterlassen hat, eine hochbelohnte Position eingenommen.“ 204   Vgl. Hier. chron. ad annum 337: Constantinus extremo vitae suae tempore ab Eusebio Nicomedensi episcopo baptizatus in arrianum dogma declinat. a quo usque in praesens tempus ecclesiarum rapinae et totius orbis est secuta discordia. – „Konstantin, der sich an seinem Lebensende vom Bischof Euseb von Nikomedien taufen ließ, fiel zum arianischen Glauben ab. Seit damals bis zum heutigen Tag folgten daraus die Plünderungen von Kirchen und Zwietracht auf der gesamten Erde.“

V. Die Leichenrede für Kaiser Theodosius

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Himmel eingenommen hat.205 Die Legitimation der Nachfolge durch den Glauben, die Bedeutung der hereditas fidei, steht für Ambrosius stärker im Vordergrund als eine Bewertung der Moral oder der Regierung Konstantins, während im Falle des Theodosius’ immer wieder die moralischen Handlungen Grund für die sanctificatio bieten. Der Grund für das Verschweigen der arianischen Taufe Konstantins kann im Respekt vor anwesenden homöischen Soldaten liegen. Vor allem aber bietet der „orthodoxe Konstantin“ den makellosen Beginn einer Dynastie, in die sich Theodosius einreihen kann. Die beiden Kaiser werden zu „campioni dell’ortodossia“206. In der Struktur der Rede gebraucht Ambrosius das Aufeinandertreffen von Theodosius und Konstantin außerdem zur Einleitung der Kreuzauffindungslegende (ob. Theod. 41 – 51). Diese verlässt den Rahmen der unmittelbaren rituellen Umformung der consecratio, da sie, wie gesehen, einer ganz eigenen Intention folgt, nämlich den nachfolgenden Kaiser, Honorius, mit hineinzunehmen in eben diese Reihe christlicher Herrscher, sichtbar durch die Reichsreliquien, die er aller Wahrscheinlichkeit nach bei der Rede an sich trägt.207 Die Besonderheit des Theodosius als geheiligter Kaiser, der im Zentrum der Rede steht, zeigt sich am Schluss der Rede: Qui nunc luce fruuntur candida, longe meliora illic, quam hic possidebant, habitacula consecuti [. . .]. remotus a turba praecipuum locum quietis possidet.208 Er genießt das Licht und die consortia sanctorum, doch stellt sich Ambrosius vor, dass der Kaiser schließlich einen Sonderplatz in der Topographie des Himmelreiches einnimmt. Aufgrund der Taten und Leiden stehe dem Kaiser ein besonderer Platz zu. Ambrosius schildert hier die transzendente Entsprechung einer im kaiserlichen Zeremoniell schon angelegten Vorstellung, der „Absonderung des Kaisers“. In Form der lokalen Abgrenzung des Palastes als Heiligtum, der Verhüllung und des Sitzens des Kaisers auf einem abgesonderten, höhergestellten Sessel bzw. Thron wurde dem Kaiser am oströmischen Hof schon zu Lebzeiten eine Aura der Göttlichkeit verliehen.209 Die Alleinstellung des Kaisers ist gleichermaßen Grundlage und Ziel der consecratio, die die Isolation auch ins Jenseits überträgt. Ambrosius scheint darum auch für den Kaiser darauf bedacht zu sein, innerhalb der Jenseitsschilderung neben der Gemeinschaft mit den Heiligen eine Sonderstellung abzutrennen, der dem traditionellen Bild der Dissoziation des Imperators entspricht. 205   Vgl. Marilena Amerise, Il Battesimo di Costantino il Grande. Storia di una scomodaeredità, Hermes.E 95, Stuttgart 2005, 78: „Il battesimo di Costantino è indiscutibimente ‚ortodosso‘ in quanto ca a coronare la retta fede che viene lasciata in eredità; al riguardo Ambrogio ecita di precisare le circostanze del battesimo e tanto più di nominare il ministro e collega.“ 206   Amerise, Il Battesimo di Costantino il Grande, 77. 207   Zur Funktion der Kreuzauffindungslegende im Rahmen der politischen Loyalitätsherstellung siehe unter B.V.4.4. 208   Ob. Theod. 52: „Sie (sc. Theodosius und Gratian), die jetzt das strahlende Licht genießen, haben dort Wohnungen erreicht, die um vieles besser sind, als die, die sie hier besaßen. [. . .] entfernt von der Menge nimmt er (sc. Theodosius) einen besonderen Platz der Ruhe ein.“ 209   Vgl. Otto Treitinger, Die oströmische Kaiser- und Reichsidee nach ihrer Gestaltung im höfischen Zeremoniell, Darmstadt 21956, 44 – 123.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

5.9 Der triumphale adventus des Kaisers Die Leichenrede schließt mit dem auf die Rede und den Transport des Leichnams gen Osten folgenden Einzug des Leichnams in Konstantinopel. Dieser adventus wird zu einer „triumphalen Ankunft im himmlischen Jerusalem“,210 bei der nicht irdische Heere und senatorische Vertreter den Leichnam begleiten, wie es etwa der Historiker Herodian für die pompa funeralis beschreibt,211 sondern die angelorum caterva, die bereits als himmlische Heere in Erscheinung trat, und die turba sanctorum, die Mitglieder des himmlischen Hofstaates. Konstantinopel wird in diesem christlichen Bild zur Heimat des Leichnams und steht in Verbindung zur Heimat der Seele des Verstorbenen, zum himmlischen Jerusalem.212 Der triumphale Einzug des Herrschers, angelehnt an den Einzug Jesu in Jerusalem in Mt 21,1 – 11 par., soll dabei ein trostspendendes Bild des überwundenen Todes aussenden, ein Gegenbild zum Tod des einfachen Mannes. Seine eigene Rolle bzw. die Rolle der Kirche innerhalb der consecratio bringt Ambrosius mit ein, indem er die Opfer und Kulthandlungen, die die Divinisierung begleitet haben, nun durch die Eucharistiefeier und die Fürbittgebete des Priesters ersetzt.213 Wie vormals der pontifex maximus, der in der Kaiserzeit den Senatsbeschluss nicht nur durch den Bau eines Tempels und die Einsetzung eines flamen sowie eines Priesterkollegiums in Auftrag gab, sondern auch Opfer darbrachte und den Aufstieg der Seele durch den Adlerflug rituell umsetzte,214 tritt nun Ambrosius auf, der mit Gebeten statt mit dem Rauch der Brandopfer die Seele des verstorbenen Kaisers beim Aufstieg in den Himmel begleitet.

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  Rebenich, Vom dreizehnten Gott zum dreizehnten Apostel?, 321.   Vgl. Herodian. 4,2,4: ἐπὰν δὲ δόξῃ τετελευτηκέναι, τὴν μὲν κλίνην ἀράμενοι τοῦ τε ἱππικοῦ τάγματος εὐγενέστατοι καὶ τῆς συγκλήτου ἐπίλεκτοι νεανίαι κατακομίζουσι διὰ τῆς ἱερᾶς ὁδοῦ, ἔς τε τὴν ἀρχαίαν ἀγορὰν προτιθέασιν, ἔνθα οἱ Ῥωμαίων ἄρχοντες τὰς ἀρχὰς ἀπόμνυνται. – „Als die Meinung bestand, dass er gestorben sei, hoben die Vornehmsten der Ritter und ausgewählte junge Senatoren die Bahre empor und trugen sie auf der Heiligen Straße und stellten sie auf das alten Forum. Dort werden die römischen Beamten aus ihrem Amt entlassen.“ 212  Vgl. MacCormack, Art and ceremony in late antiquity, 146 f.: „This was one of the processes of thought whereby Constantinople became a sacred city, the image, as it was later expressed, of the heavenly Jerusalem, image also of the Jerusalem on earth.“ 213  Vgl. ob. Theod. 36: Da requiem perfectam servo tuo Theodosio, requiem illam, quam praeparasti sanctis tuis. – „Schenke Deinem Diener Theodosius die vollkommene Ruhe, jene Ruhe, die Du Deinen Heiligen bereitet hast.“ Vgl. auch ob. Theod. 37: Dilexi et ideo prosequor eum usque ad regio­ nem vivorum nec deseram, donec fletu praecibusque inducam virum, quo sua merita vocant. – „Ich habe ihn geliebt, und darum geleite ich ihn bis ins Land der Lebendigen und werde den Mann nicht lassen, bis ich ihn mit meinen Tränen und Gebeten dorthin führen werde, wohin seine Verdienste ihn rufen.“ Ähnliches findet sich in der conclusio der ersten Rede für Satyrus, exc. Sat. 80: tibi nunc, omnipotens Deus, innociam commendo animam, tibi hostiam meam offero. – „Dir, allmächtiger Gott, gebe ich die unschuldige Seele in die Hand, dir bringe ich mein Opfer dar.“ 214   Vgl. Leonhard Schumacher, Zur „Apotheose“ des Herrschers in der Spätantike, in: Giuliano Crifò / Stefano Giglio (Hgg.), Atti dell’Accademia Romanistica Costantiniana. X Convegno Internazionale in Onore di Arnaldo Biscardi, Neapel 1995, 105 – 126, 108. 211

V. Die Leichenrede für Kaiser Theodosius

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6. Die Rede de obitu Theodosii als protreptische Rede Schon Charles Favez merkt bezüglich der Leichenrede für Theodosius an, dass sie zum größten Teil eine Lobrede sei, die sich kaum dem Trost verschreibe.215 Anders als in den Reden für seinen Bruder, wo Ambrosius vor allem in der ersten Rede starke Emotionen zulässt, und in der Rede für Valentinian II., die bei allem rhetorisch verbergenden Geschick von der Anklage des Ambrosius und seiner eventuellen Mitschuld geprägt ist, wird die Rede de obitu Theodosii zumeist als politisches Zeugnis und Festrede eingeordnet. Doch finden sich in der Leichenrede durchaus Elemente, die als tröstend angesehen werden können. Der Trost liegt dabei aber vor allem in ihrer dogmatischen Reflektion, die Ambrosius mit protreptischen Mitteln hervorhebt. 6.1 Vorbemerkung: Die Werbung für das Christentum als pastorales Anliegen des Ambrosius 6.1.1 Die Protreptik Die heute weitestgehend als Typos bzw. Stil definierte Protreptik leitet sich von dem antiken Begriff des Protreptikos ab, der ursprünglich die Aufforderung, Philosophie zu betreiben, bezeichnet. Man unterscheidet zwischen der eigenständigen Gattung des Protreptikos, etwa in Form von Briefen und Reden, und dem Stil der Protreptik im Sinne einer Durchwirkung eines Textes mit persuasiven Elementen.216 Die Nähe zur Trostschrift ist schon in den griechischen Ursprüngen der Sophisten des 5. Jahrhunderts v. Chr. gegeben: Während die Trostschrift die Trauer angesichts eines Todesfalls zu heilen versuchte, stellte der Protreptikos die Ermahnung bzw. Ermunterung (admonitio, adhortatio) zu einer bestimmten Entscheidung dar.217 In erster Linie hat sich der Protreptikos als Ermunterung zur Philosophie durchgesetzt, wie die persuasiven Elemente in den Dialogen des Platon und der Protreptikos des Aristoteles zeigen.218 Neben dieser Zuspitzung finden sich aber auch protreptische Aspekte in den lateinischen Panegyriken der römischen Kaiserzeit, wo die Gelegenheit des Herrscherlobs für die Ermahnung zu Moral und Nachfolge genutzt wurde.219 215  Vgl. Favez, L’inspiration chrétienne dans les „Consolations de Saint-Ambroise“, 83. Dieser Einschätzung folgt auch Biermann, Die Leichenreden des Ambrosius von Mailand, 49, der „keine explizit tröstenden Partien“ in dem Werk erkennt. 216   Vgl. Beate R. Suchla, Art. Protreptikos, LACL3 (2002), 598 und Annemaré Kotzé, Art. Pro­ treptik, RAC 28 (2018), 372 – 393. 217   Vgl. John Procopé, Art. Erbauungsliteratur, I. Alte Kirche, TRE 10 (1982), 28 – 43, 33 f. 218   Zur Protreptik in der nichtchristlichen Literatur vgl. Kotzé, Art. Protreptik, 380 – 385. 219   Vgl. dazu Susanna Morton Braund, Praise and Protreptic in Early Imperial Panegyric. Cicero, Seneca, Pliny, in: Mary Whitby (Hg.), The Propaganda of Power. The Role of Panegyric in Late Antiquity, MnS 183, Leiden / Boston 1998, 53 – 76.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Die rhetorische Funktion der protreptischen Werbung für bestimmte Themen wurde auch von christlichen Autoren übernommen und für die Ermahnung zum christlichen Glauben und zur Nachfolge bzw. für die Aufforderung zur Bekehrung genutzt. Dabei finden sich in vielen christlichen protreptischen Schriften die Zusammenstellung und Integration von heidnischen und christlichen Gedanken,220 wobei die christlichen Vorstellungen schließlich zur Überzeugung werden sollen. Besonders zu nennen sind der Protreptikos des Clemens von Alexandria oder Texte, die zum Martyrium auffordern, wie Tertullians ad martyras.221 Ambrosius selbst nutzt die persuasiven Elemente der Werbeschrift in seinen zur Jungfräulichkeit auffordernden Texten.222 Ein solches Vorgehen der Werbung für den christlichen Glauben im Sinne eines kommunikativen Ziels findet sich auch in de obitu Theodosii. Ambrosius führt diese persuasiven Elemente an, um Pagane und Katechumenen, die die Taufe aufschieben, für die christliche Idee zu gewinnen. Die Bezeichnung der persuasiven Elemente der Rede als „protreptisch“ drückt m. E. das Anliegen des Ambrosius am passendsten aus, da er der keine organisierte Heidenmission propagiert, sondern auf die Wirkung seiner Predigten vertraut hat.223 Ambrosius nutzt darum die Gelegenheit der Leichenrede – neben der Versicherung der Legitimität und der sanctificatio – dafür, die Zuhörer in ihrer eigenen Christlichkeit anzuspornen bzw. ihnen Aspekte zu präsentieren, die den christlichen Glauben plausibel und die Taufe erstrebenswert machen. Dass dies notwendig ist, zeigt sich an der Heterogenität nicht nur des anwesenden Publikums, sondern auch an der Gesellschaft Mailands selbst, aus der sich die Gemeinde des Ambrosius formiert. 6.1.2 Die Struktur des Publikums und der Gemeinde in Mailand224 Theodosius förderte mit seiner Religionspolitik die Verdrängung des Heidentums, indem er einerseits das nizänische Bekenntnis für die Bevölkerung obligatorisch 220  Vgl. etwa das Ineinander von heidnischen und christlichen Begrifflichkeiten in Clem. prot.  120, wo Gott als Hierophant innerhalb der Mysterien bezeichnet wird, vgl. dazu Annette von Stockhausen, Ein „neues Lied“? Der Protreptikos des Klemens von Alexandrien, in: Christoph Schubert / dies. (Hgg.), Ad veram religionem reformare. Frühchristliche Apologetik zwischen Anspruch und Wirklichkeit, ErF.A 109, Erlangen 2006, 75 – 96, 77. 221   Vgl. auch Origenes’ adhortatio ad martyrium oder Cyprians Schrift ad fortunatum, vgl. Procopé, Art. Erbauungsliteratur, I. Alte Kirche, 33. 222   Vgl. seine Schriften zu diesem sein Leben durchziehenden Thema de virginibus, de virginitate, de viduis, de institutione virginis und die exhortatio virginitatis. 223  Vgl. Dassmann, Pastorale Anliegen bei Ambrosius von Mailand, 298 f.: „Dagegen standen die Predigten des Bischofs in der Basilika im Rahmen des Wortgottesdienstes jedermann offen, und zahlreiche Stellen in den ambrosianischen Schriften lassen erkennen, daß ein äußerst gemischtes Publikum – Heiden, Häretiker, Juden, Getaufte und Ungetaufte – dem Bischof gelauscht haben. [. . .] Der Bischof wirbt in seinen Predigten jeden Zuhörer.“ Noch stärker muss diese Intention in der Leichenrede für Theodosius in Anschlag gebracht werden. 224   Zur Konturierung der Mailänder Gesellschaft und der Gemeinde des Ambrosius siehe Einleitung III.2.

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machte und andererseits, vor allem ab 392, die heidnischen Kulte zurückdrängte.225 Dennoch muss die Gesellschaft Mailands auch am Ende des vierten Jahrhunderts noch zu erheblichen Teilen pagan geprägt gewesen sein. Ambrosius hatte sicherlich die Auseinandersetzung um den Victoria-Altar noch lebhaft in Erinnerung, die, wenn auch zu seinen Gunsten gelöst, dennoch zeigt, dass es im Senat eine mächtige nichtchristliche Opposition gab. Numerische Angaben im Bereich der antiken Verbreitung des Christentums müssen stets mit Vorsicht bewertet werden, doch greift die Schätzung von 30 bis 40 Prozent christlichen Anteils an der Bevölkerung im späten vierten Jahrhundert wohl nicht zu hoch.226 Aus den Werken des Ambrosius und einer Untersuchung von Grabinschriften konnte Claudia Tiersch herausarbeiten, dass es in Mailand zu jener Zeit eine beträchtliche Anzahl an Heiden und Juden gegeben haben muss, und dass sich der Hof trotz einer stetigen Christianisierung noch stark an traditionellen Formen und Riten orientierte.227 Hinzu kommen im Aufschwung der konstantinischen Wende sogenannte „Namen‑“ oder „Halbchristen“, die sich zwar der christlichen Religion zuzählen, aber noch heidnischen Ritualen beiwohnen.228 Ambrosius äußert selbst seinen Unmut darüber, dass bestimmte Personen in der Nähe des Hofes das Christentum nur annehmen, um dem Kaiser zu gefallen oder christliche Frauen heiraten zu können.229 Besonders im Heer, das sich zu großen Teilen aus gotischen Soldaten zusammensetzte, waren unter Theodosius noch zahlreiche Nichtchristen und homöische Christen zu finden. Da die stark heidnisch geprägten Truppen des Eugenius bzw. des Heerführers Arbogast nach der Schlacht am Frigidus amnestiert und in das bestehende Heer des Theodosius integriert wurden, ist also mit einer hohen Anzahl heidnischer Soldaten bei der Gedenkfeier zu rechnen. Gegenüber der tatsächlichen Heterogenität seines Publikums tritt Ambrosius mit einem Universalanspruch des Christentums auf: omnes vocantur ad ecclesiam, ut omnes redimantur a Christo. [. . .] omnes aedificat scriptura divina; in ea invenit unusquisque, quo aut vulnera sua curet aut merita confirmet.230 Alle Völker sind in die all225

 Vgl. Demandt, Geschichte der Spätantike, 107 f.   Clauss, Kaiser und Gott, 469, rechnet mit einem Anteil von deutlich weniger als 50 % Christen im römischen Reich. Für Mailand selbst vermutet Josef Schmitz, dass in der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts etwa ein Drittel der Stadtbevölkerung christlich gewesen sein dürfte, vgl. Schmitz, Gottesdienst im altchristlichen Mailand, 277. 227  Vgl. Tiersch, Mailand im 4. Jh. – ein christliches Rom?, 396.406. 228   Vgl. Christoph Markschies, Das antike Christentum. Frömmigkeit, Lebensformen, Institutionen, München 2012, 59 – 65. Über derartige Christen, die beispielsweise den Iupiter omnipotens anrufen, beschwert sich etwa Hieronymus in seinem Brief an Damasus (382 / 84), ep. 21,13,18 f. Ähnliches berichtet auch Augustinus über die Auseinandersetzung mit Christen, die Götzenbilder verehren und Wahrsager um Rat fragen, vgl. Aug. en. Ps. 88,2,14. 229   Vgl. Ambr. exp. Ps. 119,20,49 und ep. 72,8. 230   Exp. Ps. 48,5: „Alle werden zur Kirche gerufen, damit alle von Christus erlöst werden. [. . .] Alle erbaut die Heilige Schrift; in ihr findet ein jeder, wodurch er entweder seine Wunden heilt oder seine Verdienste bekräftigt.“ Vgl. dazu Mesot, Die Heidenbekehrung bei Ambrosius von Mailand, 133 f. Ambrosius sieht hier v. a. eine einladende Möglichkeit der Bekehrung. Er selbst ist allerdings 226

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

gemeingültige Heilstat Christi mitaufgenommen, so die Botschaft und pastorale Herausforderung für Ambrosius angesichts einer zwar angestrebten, im Jahr 395 in der Realität aber bei weitem nicht gegebenen Christianisierung der gesamten Gesellschaft. Im Werk des Mailänder Bischofs findet sich allerdings keine Schrift, die sich unmittelbar gegen Heiden richtet oder die Heidenmission propagiert, im Gegenteil: wohl wegen der Stellung als Bischof in der Nähe zum in großen Teilen noch konservativ geprägten Kaiserhof geht Ambrosius behutsam mit heidnischen Hörern und Ansichten um und bleibt Individuen gegenüber zurückhaltend, während er gegen den institutionalisierten Staatskult scharf polemisiert. Neben seinen episkopalen Tätigkeiten im Bereich der Diakonie und Seelsorge sah Ambrosius die Predigt als wichtigsten Weg zur Bekehrung der Menschen.231 In der Auslegung des Lukasevangeliums gibt er Empfehlungen für Methoden der Predigt: Zunächst sei der Glaube an den einen Gott darzulegen, dann müsse man den Aberglauben an die Götzenbilder zerstören und schließlich auf die Erlösungstat Christi hinweisen. Dabei müsse man stets Milde mit den Zuhörern walten lassen und die Rede an die Bedürfnisse des Publikums anpassen, wie sich auch in der Rede de obitu Theodosii zeigen lässt.232 6.2 Der gläubige Kaiser als Vorbild und Schützling Gottes Diese Milde und Anpassung lässt sich durchweg in der Leichenrede für Theodosius finden: Ambrosius umschifft die Extreme, indem er diffizile theologische Aussagen, wie Darlegungen zur Trinität oder zur Zweinaturenlehre, vermeidet, sich aber auch komplexer philosophischer Argumentationen enthält, wie er sie etwa in de bono mortis und de Isaac vel anima bietet. Dennoch gelingt es ihm, Grundsätze des christlichen Glaubens assoziativ zu verbinden und an Theodosius darzustellen, der zur Leuchtfigur des Glaubens stilisiert wird und somit als „aktiver Multiplikator [. . .] des christlichen Glaubens“233 den Heiden ein Vorbild sein kann. Ambrosius nimmt die jüngsten Ereignisse zum Anlass für eine christliche Interpretation des Siegs am Frigidus, bei der die Nähe des Theodosius zu Christus betont skeptisch, wenn es um die Bekehrung der gesamten Welt geht, ihm liegt vielmehr das Heil des Glaubens und des lokalen Gemeindeaufbaus am Herzen. 231   Vgl. dazu die Belege bei Mesot, Die Heidenbekehrung bei Ambrosius von Mailand, 57. 232  Vgl. exp. Luc.  6,104 f.: ideo etiam nos, cum aliqui ex gentibus vocantur ad Ecclesiam, ita praeceptorum seriem formare debemus, ut primo unum Deum auctorem mundi omniumque esse doceamus, in quo vivimus, et sumus et movemur, cuius et genus sumus; [. . .] deinde opinionem illam, quae est de idolis, destruamus. [. . .] cum unum Deum esse persuaseris, tunc indicio eius astrues per Christum nobis salutem datam. – „Darum müssen auch wir, wenn irgendwelche Heiden zur Kirche berufen werden, die Struktur der Glaubenslehren so aufbauen, dass wir zuerst den einen Gott, den Schöpfer der Welt und aller Dinge lehren, in dem wir leben und sind und uns bewegen (Apg 17,24.28), und dessen Geschlecht wir sind. [. . .] Dann müssen wir jenen Irrglauben, der sich auf die Götzenbilder bezieht, zerstören. [. . .] Wenn man die Überzeugung bewirkt hat, dass Gott einer ist, dann muss man mit einem Hinweis darauf aufbauen, dass uns unser Heil durch Christus gegeben ist.“ 233   Tiersch, Mailand im 4. Jh. – ein christliches Rom?, 400.

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wird: ante aciem solus progrediens ait: Ubi est Theodosii deus? Iam hoc Christo proximus loquebatur.234 Wie ein Schlachtenhelfer wird Christus dem Kaiser an die Seite gestellt und als Grund für die Triumphe angesehen.235 Damit schöpft Ambrosius auch aus dem Motivbestand der Missionspredigt: der Wundererzählung.236 Die Zurückführung von Katastrophen auf den Zorn Gottes bzw. von Schlachterfolgen auf die Gunst Gottes ist ein gängiges Motiv bei Bekehrungen.237 Die Schilderung der Schlacht am Frigidus gegen den heidnischen Gegner Eugenius mit den als Gott bewirkt interpretierten Fallwinden,238 kann die Zuhörer durchaus an die Schilderung der Schlacht an der Milvischen Brücke im Jahr 312 erinnern,239 bei der sich Kon­ stantin von den tetrarchischen Göttern abgewandt hatte, sich einen neuen Schutzgott wählte und in den Augen der antiken Betrachter eine Bekehrung durchgemacht hat.240 Die Überzeugung, die göttliche Gunst erlangen zu können, ist dabei hoch anschlussfähig für das pagane Do-ut-des-Denken. Gleichzeitig geht hier in Erfüllung, was Ambrosius in anderen Schriften als These aufgestellt hat: Der wahre, richtige Glaube an das Nizänum steht in direkter Verbindung mit militärischen Erfolgen.241 234   Ob. Theod. 7: „Allein schritt er vor der Schlachtreihe und sagte: ‚Wo ist der Gott des Theodosius?‘ Dies sprach er schon in nächster Nähe zu Christus.“ 235  Vgl. ob. Theod. 7 f. 236   Zur immensen Bedeutung von Wundererzählungen als Auslöser von Bekehrungen im frühen Christentum vgl. Ramsay MacMullen, Christianizing the Roman Empire (A. D. 100 – 400), New Haven, CT. 1984, 108. Vgl. besonders die in der Spätantike entstandenen Wunderberichte im Rahmen der Bischofs- bzw. Heiligenbiographien, deren Lektüre zu Konversionen führte. 237   Vgl. etwa das Eingreifen Gottes bei Lactanz, de ira Dei 2,7 f., und die Wundererzählungen in der Lebensbeschreibung des Porphyrius von Gaza, durch die zahlreiche Bekehrungen initiiert wurden. Vgl. dazu Markschies, Das antike Christentum, 60 f. 238   Zur Schlacht am Frigidus und der Schilderung des Sieges bei Rufin, h. e. 11,33, vgl. Kapitel B VI 2. 239   So stellt auch Euseb die Schlacht des Konstantins als einen Sieg durch die Mithilfe Gottes dar, vgl. die Version des Sieges in h. e. 9,9,1 – 5, wo die Parallelisierung mit Ex 15 im Vordergrund steht, sowie die spätere, berühmtere Version mit der Vision in v.C. 1,27 – 32 und 1,38. 240   Diese Parallelität wird durch den Auftritt Konstantins in ob. Theod. 40 noch verstärkt. 241   Vgl. die Siege, die Bischof Acholius aufgrund seiner Glaubensstärke bewirkt haben soll, in ep. 51,6 f. (15), siehe dazu auch unter B.VII.2.4. Vgl. auch die Beteuerung, dass Gratian unter dem Schutz Gottes in der Schlacht kämpfen werde, fid. 2,16,136: Progredere plane scuto fidei saeptus et gladium spiritus habens, progredere ad victoriam superioribus promissam temporibus et divinis oraculis profetatam. – „Schreite umgeben vom vollständigen Schutz des Glaubensschildes und mit dem Schwert des Geistes in der Hand voran! Schreite zum Sieg, der in früheren Zeiten verheißen wurde und von göttlichen Worten geweissagt wurde.“ Vgl. Amerise, Il Battesimo di Costantino il Grande, 78 – 80, mit dem Hinweis auf den Brief des Ambrosius an Theodosius nach dessen Sieg am Frigidus, ep. extra coll. 2,3 (61): Gratias domino deo nostro qui fidei tuae pietatique respondit et formam veteris restituit sanctitatis, ut videremus nostro tempore, quod in scripturarum lectione miramur, tantam in proeliis divini auxilii fuisse praesentiam, ut nulli vertices montium adventus tui cursum retardarent, non hostilia arma impedimentum aliquod afferrent. – „Ich danke Gott, unserem Herrn, der auf deinen Glauben und deine Frömmigkeit reagiert und das Ideal der alten Heiligkeit wiederhergestellt hat, sodass wir zu unseren Zeiten sehen, was wir bei der Schriftlektüre bewundern, nämlich dass in der Schlacht eine derart mächtige göttliche Kraft zu Hilfe kam, dass keinerlei Winde, die von den Bergen kamen, den Weg deiner Ankunft hemmten und dass die Waffen der Feinde keinerlei Hindernis darstellten.“

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6.3 Der Glaube des Theodosius Zudem finden sich in der Rede Theologumena, die Ambrosius zunächst theoretisch beschreibt und dann als Konkretion auf Theodosius anwendet. So kommt Ambrosius zu Anfang seiner Rede auf den Glauben des Kaisers zu sprechen. Während dieses Thema in der Rede für Valentinian II. und auch in den Leichenreden auf Satyrus zwar an einigen Stellen behandelt wird, steht der Glaube in der vorliegenden Rede im Zentrum, indem er erstens abstrakt, zweitens individuell durch das Vorbild des Theodosius und drittens historisch durch die Einbindung der Helenalegende beleuchtet wird.242 Ambrosius gibt nach der Darstellung des Sieges am Frigidus, den er auf den Glauben des Theodosius zurückführt, eine allgemeine Definition des Glaubens nach Hebr 11,1: Theodosii ergo fides fuit vestra victoria: vestra fides filiorum eius fortitudo sit. Fides ergo auget aetatem. [. . .] Nec mirum, si auget aetatem fides, cum repraesentet futura. Quid est enim fides nisi rerum earum, quae sperantur, substantia? Sic nos scripturae docent.243

Ambrosius verfolgt das Ziel, das Jugendalter und die fehlende Erfahrung der Söhne Honorius und Arcadius durch den Glauben, das heißt: durch die Hoffnung auf die Bewährung der Jugend in der Zukunft, zu kompensieren. Die dogmatischen Präzisierungen aber sprechen dafür, dass Ambrosius dem Zuhörer ein noch grundsätzlicheres Verständnis des Glaubens zukommen lassen möchte: Es folgt die Ausdeutung der Stärke des Glaubens durch Hebr 10,38. Damit eröffnet Ambrosius das Thema des Glaubens im Horizont der Gerechtigkeit Gottes. Bevor der Glaube inhaltlich gefüllt wird, erscheint er als Grundlage der Soteriologie.244 In ob. Theod. 10 findet sich in direkter Anrede an die anwesenden Soldaten die Erklärung des Zusammenhangs von Glaube und göttlicher Gerechtigkeit, wenn erneut der christliche Gott als Schlachtenhelfer gezeigt wird und das besiegte Heer als caecus [. . .] exercitus infidelium bezeichnet wird.245 Als argumentative Grundlage 242   Zur Bedeutung des Glaubens bzw. der hereditas fidei als die dynastische Erbfolge ersetzendes Konzept siehe unter B.V.4. 243   Ob. Theod. 8: „Der Glaube des Theodosius war also euer Sieg: Euer Glaube an seine Söhne soll (eure) Stärke sein. Glaube steigert nämlich das Alter. [. . .] Es ist nicht verwunderlich, dass der Glaube das Alter steigert, da er doch die zukünftigen Dinge vergegenwärtigt. ‚Was ist denn der Glaube anderes als das Wesen der Dinge, die man erhofft‘ (Hebr 10,38)? So lehren es uns die Schriften.“ 244   Die Sorge um den „Schaden der Seele“ behandelt Ambrosius mit der gleichen Zitatverbindung auch in fug. 3,14 und in paen. 2,3 im Rahmen der Auslegung vom Gleichnis des verlorenen Sohns, Lk 15,11 – 32. 245  Vgl. ob. Theod. 10: Merito ergo caecus erat exercitus infidelium. Ubi autem fides, ibi exercitus angelorum est. Bona itaque fides, quae frequenter operatur in mortuis. Denique adversarius et legiones suae cottidiana martyrum virtute torquerentur. – „Zu Recht war also das Heer der Ungläubigen blind (vgl. 2 Kön 6,14 f.). Wo aber der Glaube ist, da ist das Heer der Engel. Gut ist darum der Glaube, der häufig noch im Tod wirksam ist. Schließlich werden auch der Widersacher und seine Legionen durch die Kräfte der Märtyrer täglich gequält.“

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stützt sich Ambrosius auf die alttestamentlichen Glaubenszeugen Abraham, Isaak und Jakob sowie auf Elisa, der als Held in der Schlacht in Analogie zu Theodosius gestellt wird (2 Kön 6,8 – 23). Der individuelle, orthodoxe Glaube des Kaisers wird schließlich zum allgemeinen Vorbild. Theodosius wird dabei nicht nur für sein „Wandeln auf dem Weg Christi“ gelobt, sondern auch mehrmals für seine antiheidnische Politik gerühmt, so schon zu Beginn der Rede in ob. Theod. 3, wo Ambrosius ihn als imitatus Iacob wegen seines Vorgehens gegen Unglauben und Götzenbilder lobt.246 Im orthodoxen Glauben des Theodosius liegt auch der Grund dafür, dass Theodosius anderen Kaisern vorgezogen wird und die Schilderung Konstantins dagegen relativ blass bleibt.247 6.4 Die Überbietung der Philosophie durch den Inhalt des christlichen Glaubens In den Bereich der Protreptik gehört auch die Überbietung der Philosophie, die Ambrosius in vielen Werken anbringt, meist durch das Motiv des „Raubs der Hellenen“. In de obitu Theodosii wendet sich Ambrosius nur einmal, ausgehend vom Lob der clementia des Kaisers, explizit dieser Thematik zu, wenn er von der clementia des Theodosius spricht, aufgrund derer der Kaiser Übeltäter lieber Gott anheimstellte, als sie zu bestrafen: quod tanta imperator ageret verecundia, ut mallet sibi homines religione quam timore adstringere. Maximum philosophorum inpunitatem ferunt dedisse his facinoribus, quae per iram commissa forent, sed scriptura divina melius ait: Irascimini et nolite peccare. Maluit peccatum recidere quam excusare.248

Ambrosius rekurriert hier offensichtlich auf Platons Diskussion der Bestrafung von Tötungen aus Zorn in den Nomoi. Platon spreche Tätern, so die verfälschte Darstellung des Ambrosius, Straflosigkeit zu, wenn sie aus Affekt gehandelt hätten.249 246  Vgl. ob. Theod. 4: nos celebramus Theodosii quadragesimam, qui sanctum imitatus Iacob subplantavit perfidiam tyrannorum, qui abscondit simulacra gentium; omnes enim cultus idolorum fides eius abscondit, omnes eorum caerimonias oblitteravit. – „Lasst uns den vierzigsten Tag des Theodosius feiern, der die Treulosigkeit der Tyrannen zu Boden warf, wobei er den heiligen Jakob nachgeahmt hat, der die Götzenbilder der Heiden verbarg (vgl. Gen 35,4). Alle Götzenkulte hat sein Glaube nämlich in der Finsternis verborgen, alle ihre Riten hat er in Vergessenheit geraten lassen.“ Zur antiheidnischen Religionspolitik, auf die Ambrosius hier anspielt, vgl. Leppin, Theodosius der Große, 162 – 181. 247   Den arianisch getauften Konstantin kann Ambrosius auch wegen dessen von der Nachwelt nicht akzeptierten Positionierung als „Christusgleicher“ nicht als Musterchrist darstellen, siehe dazu auch unter B.V.5.8. 248   Ob. Theod. 14: „Dies tat er mit solchem Respekt, dass er die Menschen lieber durch Gottesfurcht als durch Furcht (sc. vor ihm) an sich band. Es heißt, der größte der Philosophen hätte bei solchen Verbrechen, die aus Zorn begangen worden seien, Straflosigkeit gewährt. Aber die eilige Schrift sagt es noch besser: Zürnet ihr, so sündigt nicht (Ps 4,5). Sie wollte damit lieber die Sünde ausrotten als sie entschuldigen.“ 249   Vgl. Plat. leg. 9,866D – 867A. Allerdings spricht sich Platon dort angesichts einer Affekthandlung, im Gegensatz zu einer Tötung mit Vorbedacht, lediglich für eine mildere Strafe aus, nicht für

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Dieses Verfahren werde von der Heiligen Schrift übertroffen, da diese sie die Tat gar nicht erst geschehen lasse. Im Vergleich zu mancher Polemik, mit der Ambrosius an anderen Stellen die Überbietung der Philosophie durch das Christentum beschreibt, ist hier eine gewisse Zurückhaltung spürbar, wenn Ambrosius den maximus philosophorum, Platon, mit der Entschuldigung von Sünden zitiert. Die Metamorphose der anthropologischen Grundhaltung durch die christliche Offenbarung, die „Ausrottung der Sünde“, stellt aber einer Werbung für das Christentum auf grundsätzlichster Ebene dar. Die clementia des Kaisers lobt Ambrosius in ob. Theod. 16 als Nachfolge Christi, die aus der Erkenntnis des Heilsgeschehens entstanden ist: Agnoscit enim se esse hominem, qui novit ignoscere, et vias Christi sequitur, qui carne suscepta maluit in hunc mundum redemptor venire quam iudex.250 Hier findet sich nun, nach nur schwachen Andeutungen, das erste Mal in der Rede komprimiert der Inhalt dieses Glaubens: die Menschwerdung Christi und sein Erlösungswerk. Dieses Vorgehen entspricht der Anweisung des Ambrosius, die Botschaft des Evangeliums nicht zu Beginn einer Predigt zu entfalten.251 6.5 Die Darstellung der gratia Dei Nachdem die Grundlage der fides gelegt ist, verlegt sich Ambrosius im Kontext der Auslegung von Ps 114 auf Basis der Anthropologie auf soteriologische Ausblicke. Erneut ausgehend von Theodosius stellt Ambrosius den Menschen als stets von Gott abhängiges Geschöpf dar: Quid enim habes, quod non accepisti? Ergo quia semper accipis, semper invoca, et quia, quod habes, a domino est, debitorem te semper esse cognosce.252 Was sein Schüler Augustinus als Basis seiner Gnadenlehre nennt,253 spielt auch für Ambrosius eine große Rolle in der Diskussion der humilitas. Der Hang zur Sünde

die Straffreiheit. Vgl. leg. 9,867B: βέλτιστον μὴν καὶ ἀληθέστατον εἰς εἰκόνα μὲν ἄμφω θεῖναι [. . .] τοῖς δὲ ἀπροβουλεύτως τε καὶ ἐξαίφνης πρᾳοτέρας νομοθετεῖν. – „Am besten und wahrsten wird es jedoch sein, wenn man beide nach ihrer Ähnlichkeit einstuft, [. . .] und für die, die es ohne Vorbedacht und im Affekt tun, mildere Strafen im Gesetz festzulegen.“ Der Tat aus Affekt, die in den Bereich der freiwilligen Handlung fällt, folgt darum eine zweijährige Exilierung, während einen Täter, der zwar aus Zorn, aber mit Vorbedacht tötet, ein dreijähriges Exil erwartet. Straffreiheit kennt Platon nur im Fall der Notwehr (869C – D) und in Verteidigungsfällen (gegen Diebe, Räuber, Vergewaltiger von freien Personen und weiteren Angreifern, vgl. 874B – D). 250   Ob. Theod. 16: „Er (sc. Theodosius) erkennt, dass er ein Mensch ist, weil er zu verzeihen weiß, und er folgt den Wegen Christi, der, nachdem er das Fleisch angenommen hat, lieber als Erlöser denn als Richter in diese Welt kommen wollte (vgl. Joh 3,17).“ 251  Vgl. exp. Luc. 6,104. 252   Ob. Theod. 22: „‚Was hast du, das du nicht empfangen hast‘ (1 Kor 4,7)? Da du also alles ­empfängst, sollst du ihn immer anrufen, und da das, was du hast, vom Herrn kommt, sollst du erkennen, dass du immer ein Schuldner bist.“ 253   Vgl. neben zahlreichen Stellen etwa Aug. conf. 7,21,27 oder Simpl. 1,2,9.

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wird bei Ambrosius bemerkt, aber nicht zur Schuld an sich gemacht.254 Die Schuld des Vaters braucht und kann der Sohn nicht abtragen. Wenn sich aber der Mensch der Tendenz zum Sündigen beugt, dann wird er für seine Aktualsünden zur Rechenschaft gezogen. Die Verstrickung des Menschen in die Sünde stellt Ambrosius im weiteren Verlauf mit dem Zitat aus Röm 7,23 – 25 dar:255 das verkehrte Wollen des Menschen, aus dem allein die Gnade Gottes heraushelfen kann, das gleichsam als Voraussetzung der Erlösung und felix ruina bezeichnet werden kann.256 Aus der Schwäche des Menschen folgt in ob. Theod. 25 f. die Deutung Gottes als Grundlage aller Tugenden, vor allem der Barmherzigkeit, die von Gott als Kompensation der menschlichen Sündhaftigkeit eingesetzt worden ist. Diese misericordia führt Ambrosius als komplementäre Tugend der iustitia ein, wobei er dieses Paar spezifisch christlich definiert: als von Gott in seinem Erlösungswillen dem Menschen gegebene Tugenden. Aufgrund der condicio humana ist der Mensch auf diese Barmherzigkeit angewiesen: Ille vincit, qui gratiam dei sperat, non qui de sua virtute praesumit. [. . .] superabundant enim peccata, superabundet ergo misericordia. Apud dominum omnium virtutum abundantia est, quia dominus virtutum est.257 Iustitia und misericordia stehen sich dabei nicht gegenüber, sondern fallen zusammen und kennzeichnen nicht nur die Eigenschaften Gottes, sondern auch die des Kaisers. Die klassischen Herrschertugenden werden dadurch zu christlichen Werten umgedeutet und als solche für das breite Publikum zugänglich gemacht.258 Mehrmals wird in der Leichenrede die Tugend der Demut auf Theodosius angewandt, die als Herrschertugend eine Innovation in der panegyrischen Literatur darstellt.259 In der Demut und der Unterwerfung unter den Willen Gottes wird der Mensch 254  Vgl. exp.  Ps.  48,8. Zur ambrosianischen Sündenlehre vgl. Lenox-Conyngham, Sin in St. Ambrose, 175: „Thus, to summarize Ambrose’s position, it could seem that he generally holds that we are not guilty directly on account of the tendency to sin which we inherit from Adam. It is, ­however, obviously because of this tendency that we become guilty when we give way to it.“ 255  Vgl. ob. Theod. 24: Video legem carnis meae repugnantem legi mentis meae et captivantem me in legem peccati, quod est in membris meis. – „‚Ich sehe, dass das Gesetz des Fleisches gegen das Gesetz meines Geistes kämpft, und dass es mich zum Gefangenen des Gesetzes der Sünde macht, das in meinen Gliedern ist‘ (Röm 7,23).“ Vgl. die ähnliche Argumentation der Hinführung des Menschen zum Tod als Gewinn in exc. Sat. 2,40. 256  Vgl. exp. Ps. 12,39,20,1: felix ruina, quae reparatur in melius. – „Voller Glück ist der Untergang (durch die Sünden), der zum Besseren wiederhergestellt wird.“ 257   Ob. Theod. 25: „Jener hat gesiegt, weil er auf die Gnade Gottes hoffte, nicht weil er auf seine eigene Kraft vertraute. [. . .] Überreich sind nämlich die Sünden, darum wird auch die Barmherzigkeit überreich sein. Beim Herrn ist der Reichtum aller Tugenden, denn ‚er ist der Herr der Tugenden‘ (Ps 23,10).“ Vgl. ob. Theod. 26: Etenim si dei nos misericordia non sustentaret, quomodo in ipso exordio parvuli viveremus [. . .]. Ipse ergo custodit parvulos, aut certe eos, qui se parvulos humili confitentur adfectu. – „Denn wenn uns nicht die Barmherzigkeit Gottes erhalten würde, wie könnten wir als kleine Kinder am Anbeginn selbst überleben [. . .]. Er selbst nämlich ‚behütet die Kleinen‘ (Ps 114,6) oder auf jeden Fall diejenigen, die sich mit demütigem Herzen als Kleine bekennen.“ 258   Vgl. dazu Biermann, Die Leichenreden des Ambrosius von Mailand, 106 – 108. 259  Die humilitas ist bei den antiken Autoren stets negativ konnotiert, vgl. Albrecht Dihle, Art. Demut, RAC 3 (1957), 735 – 778, 737.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Christus ähnlich und schreitet auf dem Weg zur Erlösung voran. Die humilitas wird darum bei Ambrosius zur christlichen Haupttugend, zur Kaisertugend.260 Lobend wird daher die Rolle des Theodosius im Kontext der Thessaloniki-Affäre261 genannt: Indem sich der Kaiser Gott unterordnete, sich für seine Taten verantwortete und öffentlich Buße tat, wurde er selbst zum Nachahmer Christi und hat so die „höchste Form von Frömmigkeit“262 erwiesen.263 Die Buße bildet für Ambrosius die Befreiung der Seele durch die Reinwaschung von den Sünden. Interessant ist die Bedeutung, die er in der Rede dem Priester und damit der Kirche zukommen lässt: In omnibus sacerdos periclitatur, in omnibus reis angitur. [. . .] Conteror corde, quia ereptus est vir, quem vix possumus invenire. Sed tamen tu solus, domine, invocandus es, tu rogandus, ut eum in filiis repraesentes.264 Als Interzessor wendet sich Ambrosius mit einem Gebet an Gott, in dem er den Verstorbenen Gott anempfiehlt und darum bittet, dieser möge in die Ruhe eingehen. Ambrosius macht die Rolle des Priesters klar, der, neben moralischer Unterstützung der Lebenden, den Toten auf dem Weg ins „Land der Lebendigen“ begleitet und die Auferstehung in Vollkommenheit in Aussicht stellt.265 Das Instrument des Bußsystems zu erklären, ist Thema in mehreren Predigten von Missionsbischöfen, die sich an Katechumenen oder andere Interessierte wenden – oft in Verbindung mit Schilderung von Strafen im Jenseits.266 Diese streift Ambrosius nur im Vorbeigehen, wenn 260  Vgl. Biermann, Die Leichenreden des Ambrosius von Mailand, 110 f.: „Die Gedanken zur Demut, die Ambrosius zum Lob des Kaisers entwickelt, entsprechen dem, was er seiner Gemeinde sonst in Predigten über diese ‚christliche Tugend schlechthin‘ immer wieder nahebringt.“ 261   Zur Thessaloniki-Affäre und der folgenden Buße des Theodosius vgl. Leppin, Theodosius der Große, 157 – 161 und Kolb, Der Bußakt von Mailand, 41 – 74. 262  Heinz Bellen, Christianissimus Imperator. Zur Christianisierung der römischen Kaiser­ ideologie von Constantin bis Theodosius, in: Rosmarie Günther (Hg.), E fontibus haurire. Beiträge zur römischen Geschichte und zu ihren Hilfswissenschaften, SGKA.NF 8, Paderborn / Wien u. a. 1994, 3 – 19, 16. 263   Ob. Theod. 27: Bona igitur humilitas, quae liberat periclitantes, iacentes erigit. [. . .] Ipse per humilitatem pervenit ad salutem. Humiliavit se Christus, ut omnes elevaret. Ipse ad Christi pervenit requiem, qui humilitatem fuerit Christi secutus. – „Gut ist darum die Demut, die diejenigen rettet, die in Gefahr sind, und die aufrichtet, die am Boden liegen. [. . .] Er selbst (sc. Theodosius) ist durch die Demut zum Heil gekommen. Christus hat sich erniedrigt, um alle zu erhöhen. Er selbst (sc. Theodosius) ist zur Ruhe Christi gekommen, da er der Demut Christi nachgefolgt ist.“ Hier und im folgenden Satz in ob. Theod. 28 wird nochmals der Zusammenhang zwischen Demut und der Versicherung der himmlischen Ruhe zusammengefasst. 264   Ob. Theod. 36: „Für alle begibt sich der Priester in Gefahr, mit allen Schuldigen fürchtet er mit. [. . .] Ich bin im Herzen erschüttert, weil uns ein Mann entrissen wurde, wie wir ihn kaum wieder finden können. Aber dennoch sollst du allein, Herr, angerufen sein, du sollst gebeten werden, dass du ihn in seinen Söhnen wiedererstehen lässt.“ 265  Vgl. ob. Theod. 37: Dilexi et ideo prosequor eum usque ad regionem vivorum nec deseram, donec fletu precibusque inducam virum, quo sua merita vocant [. . .]. – „‚Ich habe ihn geliebt‘ (Ps 114,1) und darum begleite ich ihn bis zum ‚Land der Lebendigen‘ (Ps 114,9) und ich werde ihn nicht verlassen, bis ich den Mann mit Weinen und Gebeten dort führe, wohin ihn seine Verdienste rufen [. . .].“ 266   Vgl. etwa Pacianus von Barcelona, paen. 1,1 – 5,5. Ambrosius wendet sich selbst dem Thema der Buße in dem um 384 entstandenen Werk de paenitentia zu, wo er das Bußinstitut aus der Schrift heraus erklärt.

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er die Usurpatoren Eugenius und Maximus betrachtet, doch bildet seine detailreiche Darstellung des Himmelreichs in hellen Farben das positive und erstrebenswerte Gegenbild. 6.6 Die Zusage der Taufgnade Unter dem Aspekt der Protreptik ergibt zudem eine etwas aus dem Rahmen fallende Bemerkung in ob. Theod. 38 Sinn. Ambrosius kommt über Ps 114 und die Zahl 14 zur Feier des Osterfestes am 14. Nisan zu sprechen: Grande numeri mysterium, quando pater unicum filium pro nobis omnibus tradidit, cum pleno luminis sui orbe luna fulgeret. Ita est enim ecclesia, quae pie pascha celebrat domini nostri Iesu Christi: sicut luna perfecta in aeternum manet. Quisquis bene hic domini pascha celebraverit, in lumine perpetuo erit.267

Die Verbindung von Vollkommenheit und Osterfest268 lässt auf den Taufcharakter schließen: In Mailand war die Osternacht zur Zeit des Ambrosius der einzige Tauftermin, eine Assoziation mit dem Taufritus liegt also nahe.269 Das „richtige“ Feiern des Paschas kann dabei einerseits für die vollgültige Teilnahme an der Eucharistie stehen, die allein getauften Gemeindemitgliedern erlaubt war, andererseits für die Taufe an sich, in der der einzelne den transitus a peccato ad vitam270 vornimmt, wie Christus den transitus vom Leben zum Tod vorgenommen hat.271 Die Zusage des ewigen Lebens als lumen perpetuum, angebunden an das Opfer Jesu pro nobis, kann als Zentrum der Werbung für die Taufe gesehen werden. Dass Ambrosius gerade das Problem des Taufaufschubs von Katechumenen, aber auch das Verharren von paganen Zuhörern in der kultischen Tradition Sorgen bereitete, lässt sich in seinen dringenden Aufrufen zur Taufe sehen.272 Diesen Zögernden also stellt Ambrosius die Vorzüge der Taufe in Aussicht: die Sündenvergebung und die Auferstehung. 267   ob. Theod. 38: „Das Mysterium dieser Zahl ist groß, da der Vater seinen einzigen Sohn für uns hingegeben hat, als der Mond im vollen Rund seines Lichtes strahlte. So ist es nämlich auch mit der Kirche, die voller Ehrfurcht das Pascha unseres Herrn Jesu Christi feiert: Wie der Vollmond bleibt sie in Ewigkeit bestehen. Jeder, der hier das Pascha des Herrn richtig feiert, wird im ewigen Licht sein.“ 268   Mit der Verbindung pascha domini bezeichnet Ambrosius ausschließlich die Osternacht, vgl. Hieronymus Frank, Das Mailändische Kirchenjahr in den Werken des hl. Ambrosius, PastB 51 (1940), 40 – 48; 79 – 90; 120 – 127. 269  Vgl. sacr. 1,2 und Is. 4,35. Für die Einmaligkeit des Termins vgl. sacr. 4,2. 270   Sacr. 1,4,12. 271  Vgl. ep. 1,10 (7): Pascha autem est, quando anima inrationabilem deponit passionem, sumit autem bonam conpassionem, ut conpatiatur Christo et transitum eius in se suscipiat, ut inhabitet in ea et deambulet et fiat eius deus. – „Das Osterfest aber ist es, wenn die Seele die unvernünftige Leidenschaft ablegt, die gute Mitempfindung aber ergreift, sodass sie mit Christus leidet und seinen Übergang in sich aufnimmt, sodass er in ihr wohnt und wandert und ihr Gott wird. (vgl. 2 Kor 6,16).“ Schmitz, Gottesdienst im altchristlichen Mailand, 160, erkennt in der Darstellung des pascha domini bei Ambrosius eine „Darstellung der unsichtbaren gnadenhaften Umwandlung des Menschen.“ 272  Vgl. Hel. 22,85. Siehe dazu Einleitung III.2.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

6.7 Die christliche Deutung von Tod und Jenseits Dadurch kann Ambrosius auch seine differenzierte Deutung des Todes anführen, die zum Verständnis wie zur Werbung des Christentums dient, indem sie an philosophische Konzepte anschließt. So wird der Tod und der Aufstieg mit unterschiedlichen Bildern illustriert: nicht als Ende der Natur, sondern als Befreiung von der leidvollen Welt, als Beendigung der Sünde, und als Übergang in die Ruhe, versinnbildlicht durch die Vorstellungen vom heimischen Stall oder der Ankunft in einem Hafen.273 Das Leben als schmerzvolle Arbeit und die Heimkehr der Seele kennen dabei sowohl die pagane Philosophie als auch die christliche Theologie. Gegen die verbreiteten Ängste vor postmortalen Strafen stellt Ambrosius in de obitu Theodosii den Komplex der jenseitigen Existenz des Theodosius, in der Ambrosius ein anschauliches Bild des Himmelreiches ausmalt.274 Als Ort der himmlischen Glückseligkeit nennt Ambrosius mehrmals das himmlische Jerusalem.275 Hier steht, wie gesehen, die Rolle Jerusalems als Königsstadt im Zentrum. Ambrosius spricht den Zuhörern immensen Trost zu, indem er ihnen durch Ps 47,9 die ewige Glück­ seligkeit im Jenseits sicut audivimus versichert. Im Himmelreich thematisiert Ambrosius zudem das Aufeinandertreffen mit den Gerechten. Im Falle des Theodosius sind dies seine Verwandten und Vorgänger, insbesondere Gratian und Konstantin. Die Gerechtigkeit Gottes wird einerseits durch den Lohn für die Gerechten gezeigt, andererseits schildert Ambrosius auch die Strafe für Unglauben und Sünden: das Schicksal der impii Maximus und Eugenius. Gegen pagane Vorstellungen des „Nichts“ nach dem Tod bildet diese Präsentation einer

273  Vgl. ob. Theod. 36: Illo convertatur anima eius, unde descendit, ubi mortis aculeum sentire non possit, ubi cognoscat mortem hanc non naturae finem esse, sed culpae. – „Dorthin soll seine Seele zurückkehren, woher sie herabstieg, wo sie den Stachel des Todes nicht spüren kann (vgl. 1 Kor 15,55), wo sie erkennt, dass dieser Tod nicht das Ende der Natur ist, sondern der Schuld.“ Vgl. auch ob. Theod. 28: [. . .] ut a labore convertatur ad requiem. Convertitur equus ad stabulum, ubi cursum inpleverit, navis ad portum, ubi ad stationem fidam a fluctuum mole subducitur. – „[. . .] damit sie von der Mühe zur Ruhe heimkehre. Das Pferd kehrt zum Stall zurück, sobald es seinen Lauf beendet hat, das Schiff in den Hafen, sobald es aus den beschwerlichen Fluten zum sicheren Ankerplatz geführt wird.“ Vgl. dazu bon. mort. 4,15 und Sen. Pol. 5,19: in hoc tam procelloso et ad omnes tempestates exposito mari navigantibus nullus portus nisi mortis est. – „Für die, die auf solch einem stürmischen und allen Stürmen ausgesetzten Meer segeln, gibt es keinen Hafen außer den Tod.“ 274   Siehe unter B.V.5.8 und 9. 275  Vgl. ob. Theod. 2: Et ille quidem abiit sibi regnumque non deposuit, sed mutavit, in tabernacula Christi iure pietatis adscitus, in illam Hierusalem supernam, ubi nunc positus [. . .]. – „Und jener ging zwar hin und er legte sein Königtum nicht ab, sondern er verwandelte es. Aufgrund seiner Frömmigkeit ist er in die Zelte Christi aufgenommen, in jenes himmlische Jerusalem, wo er nun weilt [. . .].“ und 31: In quam festinavit intrare Theodosius atque ingredi civitatem Hierusalem, de qua dictum est: Et reges terrae ferent gloriam suam in illam. – „In diese (sc. Ruhe) eilte Theodosius einzugehen und die Stadt Jerusalem zu betreten, von der es heißt: ‚Und die Könige der Erde werden ihren Ruhm in sie hineintragen‘ (Offb 21,24).“

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breitgeschilderten postmortalen Existenz das beliebteste Argument für das Christentum.276 Bei aller Besonderheit der Ausformung einer Jenseitsstimmung zur Anpassung an die traditionellen consecratio-Vorstellungen gelingt es Ambrosius dennoch, das Bild des „Musterchristen“ darzustellen, das Schicksal, das jeden Menschen iure pietatis, wenigstens im Grundsatz, erwarten kann.277 Die Darstellung des Theodosius als Christ, der auf der gleichen Stufe steht wie der privatus, vermittelt dem Zuhörer die Gewissheit, durch den Glauben ein ähnliches Schicksal erreichen zu können. Wenn auch die Differenzierung zwischen Paradies und Himmelreich im Denken des Ambrosius besteht, so ist ihm hier wie auch in den anderen Trostschriften daran gelegen, diese Unterscheidung zu überdecken, um möglichst große Zuversicht zu wecken. 6.8 Die Kreuzauffindungslegende als Teil der Heilsgeschichte Neben dem Beitrag, den der lange Exkurs der Kreuzauffindungslegende für die politische Kompensation der fehlenden dynastischen Anbindung des Theodosius durch die Ätiologie der Reichsreliquien leistet,278 kann die Legende der Helena auch unter der dem Aspekt des Protreptikos interpretiert werden. Denn Ambrosius schildert in ihr mit starker Betonung das Wirken des Heiligen Geistes, der die Erlösung durch das Auffinden des Kreuzes und der Nägel sichtbar macht.279 Sämtliche Scharnierstellen der Erzählung markiert Ambrosius als vom Geist eingegeben. Zuallererst wird Helena zur Suche an sich inspiriert.280 Nachdem sie an der Stelle der Kreuzigung, auf Golgatha, das Erdreich aufgraben lässt und vor das Problem der Identifizierung des wahren Kreuzes unter den dreien gestellt wird, greift

276

  Vgl. dazu Daniel König, Bekehrungsmotive. Untersuchungen zum Christianisierungsprozess im römischen Westreich und seinen romanisch-germanischen Nachfolgern (4. – 8. Jahrhundert), HS 493, Husum 2008, 348 – 373. 277  Vgl. ob.  Theod.  2. Vgl. zum universalen Verständnis des Ambrosius Niederhuber, Die Eschatologie des heiligen Ambrosius, 79 und zur grundsätzlichen Gleichheit des Kaisers mit allen anderen Menschen in der Rede ob. Val. 48 sowie in dem Brief an Theodosius ep. extra coll. 11,11 (51): Homo es et tibi venit temptatio, vince eam. – „Du bist ein Mensch und die Versuchung trifft auch dich, besiege sie!“ Vgl. dazu auch Lunn-Rockliffe, Ambrose’s Imperial Funeral Sermons, 192 f. 278   Zum Inhalt der Kreuzauffingungslegende in der Version des Ambrosius siehe unter B.V.4.4. 279  Vgl. ob. Theod. 40: Quod illa sanctae memoriae Helena, mater eius, infuso sibi dei spiritu revelavit. – „Dies offenbarte seine Mutter Helena, der heilige Erinnerung zukommt, durch die Eingebung des Heiligen Geistes“; ob. Theod. 51: Quid ergo aliud egit Helenae operatio, ut frena dirigeret, nisi ut omnibus imperatoribus sancto dicere spiritu videretur: Nolite fieri sicut equus et mulus. – „Was anderes vollbrachte denn die Mühe Helenas, die Zügel zu führen, als dass man meine, sie spreche durch den Heiligen Geist zu allen Kaisern: ‚Seid nicht wie die Pferde und Maultiere‘ (Ps 31,9).“ 280  Vgl. ob. Theod. 43: Venit ergo Helena, coepit revisere loca sancta, infudit ei spiritus, ut lignum crucis requireret. – „Helena kam also an, begann die heiligen Orte zu besichtigen und der Geist gab ihr ein, nach dem Kreuzesholz zu suchen.“

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der Heilige Geist mit einem „Fingerzeig“ ein.281 Daraufhin liest sie im Evangelium und erkennt das Kreuz Jesu am titulus crucis, der als heilsgeschichtlicher Hinweis für Helena gedeutet wird.282 Helena wird in der Leichenrede auch zum Glaubensvorbild, indem sie in die Heilsgeschichte eingeordnet wird: Sie wird der Eva gegenübergestellt als Frau, der der Heilige Geist kundtat, was Menschen verborgen blieb, und sie widersteht dem Teufel.283 Mit der Übersendung der Nägel, die nach der Version des Ambrosius zu einem Zaumzeug (frenum) und einer Krone (diadema) umgearbeitet werden  – unum ad decorem, alterum ad devotionem – ist die heilsgeschichtliche Erlösung der Kaiser in sichtbarer Weise Realität geworden. Visitata est Maria, ut Evam liberaret, visitata est Helena, ut redimerentur imperatores. [. . .] Utroque usus est Constantinus et fidem transmisit ad posteros reges. Principium itaque credentium imperatorum sanctum est, quod super frenum: ex illo fides, ut persecutio cessaret, devotio succederet.284

Diese enge Verbindung von Auffindung des Kreuzes und Christianisierung des Kaisertums sowie die Inspiration der Helena ist ein Proprium der ambrosianischen Fassung der Legende.285 Die Betonung des Glaubens der Kaiser, vor allem durch die Krone, die sie gleichsam zu praedicatores macht, schließt an die Schilderungen der individuellen Frömmigkeit des Theodosius an und stellt ihn in die Reihe der principes christiani. Michail Bojcov hat in seiner Studie zur Kreuzauffindung die plausible These aufgestellt, dass die beiden Kreuzesnägel, eingearbeitet in Krone und Zaumzeug, bei der Feierlichkeit präsent waren: als Herrschaftszeichen des Honorius, der sie von seinem toten Vater geerbt und übernommen hat, und zwar als Phylakterion auf der Stirn des

281  Vgl. ob. Theod. 45: [. . .] sed certam indaginem spiritus sanctus inspirat, eo quod duo latrones cum domino crucifixi fuerint. – „[. . .] aber der Heilige Geist gibt ihr einen sicheren Hinweis dahingehend, dass zwei Räuber mit dem Herrn gekreuzigt worden sind.“ 282  Vgl. ob. Theod. 45: Redit ad evangelii lectionem, invenit, quia in medio patibulo titulus erat: Iesus Nazarenus, rex Iudaeorum. Hinc collecta est series veritatis, titulo crux patuit salutaris. [. . .] propemodum dicens: Habeat Helena, quod legat, unde crucem domini recognoscat. – „Erneut liest sie den Text des Evangeliums und findet heraus, dass auf dem mittleren Marterholz eine Aufschrift war: Jesus der Nazarener, König der Juden. Daraus erschloss sich die wahre Reihenfolge, und durch die Aufschrift wird das Kreuz des Heils offenbart. [. . .] Fast als wollte er (sc. Pilatus) sagen: Helena soll etwas haben, durch das sie das Kreuz des Herrn erkenne.“ 283  Vgl. ob. Theod. 44. 284   Ob. Theod. 47: „Maria wurde (sc. vom Heiligen Geist) heimgesucht, damit sie die Eva befreie; Helena ist heimgesucht worden, damit die Kaiser erlöst werden. [. . .] Beide (sc. Reliquien) nahm Konstantin in Gebrauch und übertrug den Glauben auf die späteren Herrscher. Der Beginn also der gläubigen Kaiser ist das „heilig“, das auf dem Zaumzeug steht: von da kommt der Glaube, sodass die Verfolgung aufhörte und die Gottesverehrung nachfolgte.“ 285  Vgl. Steidle, Die Leichenrede des Ambrosius für Kaiser Theodosius und die HelenaLegende, 101.

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kaiserlichen Pferdes und als Krone auf dem Haupt des Honorius.286 Damit ist das Kreuz selbst, das von Ambrosius mit den Nägeln synekdochisch mitgedacht wird, anwesend und bietet den Zuschauern und Zuhörern einen materiellen Anknüpfungspunkt. Die Attraktivität, die Phylakterien, Amulette und Talismane bei Paganen hatten und auch für Christen belegt ist,287 muss eine gewichtige Rolle bei der Werbung für das Christentum gespielt haben, weswegen Ambrosius die Kreuzesreliquien den Zuschauern als strahlende, lobens- und verehrungswerte Objekte vor Augen stellt.288 Voller Euphorie klingen die Worte, mit denen Helena in dem Exkurs sowohl Kreuzesholz als auch Nägel apostrophiert: vexillum saluti, Christi triumphus, palma vitae aeternae, redemptio und remedium inmortalitatis. Reliquien im weiteren Sinne, im Gegensatz zu leiblichen Überresten, beinhalten demnach wunderhafte Wirkung, der sich selbst die Heiden und Juden beugen müssen. Darum schiebt Ambrosius eine eigene Interpretation dieser „Verehrung“ nach, indem er jegliche Formen der Anbetung ausschließt: regem adoravit, non lignum utique, quia hic gentilis est error et vanitas impiorum. sed adoravit illum, qui pependit in ligno, scriptus in titulo.289 Angesichts dieser Offenbarung des christlichen Glaubens und des Wirkens des Kaisers in der Nachahmung des Wortes Christi durch die Reliquien bleibt den Gegnern des Kreuzes nurmehr Scham.290

7. Zusammenfassung Mit der Rede de obitu Theodosii hielt Ambrosius bei der Gedächtnisfeier in Mailand keine Trostrede, wie sie etwa den Vorstellungen des Menander entspräche. Die zahlreichen klassischen Trostargumente und die Abfolge von Lob und Trauer, die man in den Reden de excessu fratris Satyri und de obitu Valentiniani findet, stehen in dieser Leichenrede im Hintergrund. Dass Ambrosius auf diese Tradition verzichtet, heißt aber nicht, dass er dem Publikum im Jahr 395 keinen Trost spendete. 286   Da in ob. Theod. 54 die an die Rede anschließende Reise des Leichnams erwähnt wird, ist es nur wahrscheinlich, dass Honorius mit gezäumtem Pferd zugegen war, um dem Tross das Ehrengeleit, wenigstens bis zum Hafen, zu geben, vgl. Bojcov, Der Heilige Kranz, 25 – 42. Zu den beiden Reichsreliquien aus den Kreuznägeln siehe unter B.VI.3.4. 287   Vgl. Andreas Bendlin, Art. Phylakterion, RGG4 9 (2000), 978 – 981. Martin von Brega setzt z. B. das Kreuzzeichen als christliche Alternative zu solchen Talismanen ein, vgl. König, Bekehrungsmotive, 359. 288  Vgl. Niederhuber, Die Lehre des hl. Ambrosius vom Reiche Gottes auf Erden, 251 f. 289   Ob. Theod. 46: „Den König betete sie an, auf keinen Fall das Holz, weil das ein Fehler der Heiden und der leere Glaube der Gottlosen ist. Jenen aber betete sie an, der am Holz gehangen ist, der im (Kreuzes‑)Titel beschrieben ist.“ 290   Mit diesem Gedanken der Beschämung richtet sich Ambrosius in ob. Theod. 49 explizit gegen Juden, Photinianer und Arianer – ein Gedanke, der so nicht in der ursprünglichen Rede ausgedrückt worden sein kann. Da zahlreiche Soldaten homöischen Glaubens anwesend sein mussten und überdies auch Stilicho Homöer war, ist es nur wahrscheinlich, dass die starke Polemik in ob. Theod. 49 eine nachträgliche Einfügung ist. Vgl. dazu Bojcov, Der Heilige Kranz, 41 f.

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Gerade die Verschränkung der drei untersuchten Aspekte der Rede als politisches Instrument, als Ersatz der Konsekration und als christliche Werbeschrift verhilft den Zuhörern dazu, den Tod des Kaisers je für sich deuten und verarbeiten zu können. Die Zuhörer erhalten dadurch die politisch wichtige Gewissheit, dass der Kaiser in seinen Söhnen fortexistiert und dass sein Tod daher nicht zu Chaos und Disruption führen wird. Ambrosius ruft die Soldaten nicht nur zur Einhaltung der Eide und Pflichten auf, die sie Theodosius noch schuldig sind, er versucht vor allem, durch das Konzept der repraesentatio die Wirksamkeit des Theodosius auf die Persönlichkeiten der jungen Kaiser Honorius und Arcadius zu übertragen. Auf diese Weise kann er die fehlende Erfahrung der Söhne kompensieren und die Fortführung der Versprechungen des Theodosius an die Soldaten garantieren. Diese Kontinuität verdeutlicht Ambrosius mit der Kreuzauffindungslegende, durch die er Theodosius in die Reihe der christlichen Kaiser stellt, wodurch er die fehlende dynastische Anbindung an die Gens der Valentinianer ersetzt. Besonderen Ausdruck dieser Fundierung der Legitimation auf das christliche Kaisertum erzielt Ambrosius mit der Präsentation der Reichsreliquien, die aus den Nägeln des Kreuzes Christi gefertigt waren. Diese Reliquien konnten wohl bei der Rede an Kaiser Honorius betrachtet werden. Die Krone und das Zaumzeug symbolisieren nach Ambrosius einerseits den Schutz des Kaisers und seine maßvolle Regierung, zugleich stehen sie aber für den Ersatz der Dynastie zugunsten der Glaubenstradition. Daneben erhalten die Angehörigen des Hofes und die traditionsgeprägten Zuhörer die für die Erwartung der kaiserlichen Verehrung wichtige Gewissheit, dass der christliche Kaiser kein Fremdkörper im imperialen Kult ist, sondern, integriert in die rituelle Sprache des Imperiums, das Alte mit dem Neuen verbindet und seinen rechtmäßigen Platz im Himmel, zwar nicht mehr als Gott, aber immerhin als Heiliger, eingenommen hat. Dadurch wird die zweifache Kontinuität zwischen Leben und jenseitiger Existenz sowie zwischen Verstorbenem und Nachfolger bzw. Nachfolgern garantiert, wozu die consecratio in ihrer grundlegendsten Bedeutung schon seit Augustus diente. Wieder geht damit der Blick weniger auf Honorius (und Arcadius) als auf die Anwesenden, also das zur Loyalität aufgerufene Heer und die Hofadministration, um Einheit und Frieden zu erhalten. Dem Wesen der römischen Religion entsprechend war die Apotheose des Kaisers ein Element der Orthopraxie, das durch eine Legitimierung der Herrschaft eines Nachfolgers Kontinuität schaffen sollte. Sie war somit ein Teil dynastischer Propaganda, die auf keine individuelle Glaubensüberzeugung abzielte, die auf den offiziellen Raum beschränkt war, wobei Kritik für dieselbige nicht nur von Seiten der Christen, sondern auch aus den Reihen der paganen Bevölkerung laut wurde.291 Die Analyse der Leichenrede hat gezeigt, dass Ambrosius die Gelegenheit des Gedenkgottesdienstes nutzt, um dem Publikum, dem kaiserlichen Hof und der gesamten römischen Gesellschaft eine christliche Modifikation der consecratio zu bieten, indem der christliche Bischof auf verschiedene 291

 Vgl. Schumacher, Zur „Apotheose“ des Herrschers in der Spätantike, 121 – 124.

V. Die Leichenrede für Kaiser Theodosius

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Elemente der paganen consecratio zurückgreift. So rezipiert Ambrosius neben der rituellen Terminologie, die bei Divinisierungsbeschreibungen früherer Kaiser zu finden ist, auch die den Tod des Kaisers Theodosius begleitenden Naturphänomene im Sinne von Prodigien. Dabei umgeht Ambrosius aber das traditionelle, für Christen inakzeptable Bild der Vergöttlichung durch den Ersatz der Heiligung und stellt den Kaiser gleichzeitig als idealen Kaiser und Musterchristen dar. Die Grundlage der sanctificatio des Kaisers liegt in seiner Zeichnung als Märtyrer, der sich aufgrund von Tugend und Demut im Sinne eines unblutigen Martyriums das ewige Leben in seiner sofortigen Auswirkung verdient hat. Nicht mehr das Moralurteil des Senats spielt dabei eine Rolle, sondern das auf christlicher Ethik beruhende iudicium Gottes, vermittelt durch den Bischof. Die zum Ritus der consecratio gehörigen Elemente der pompa funeralis und des Seelenflugs zu den Sternen nach der Verbrennung des Leichnams werden bei Ambrosius zum Aufstieg des Theodosius in Begleitung der Engel und zum adventus des Heiligen im himmlischen Jerusalem transzendiert. Die Vorstellung der Existenz der früheren römischen Kaiser als divi im Reigen der Vorfahren oder Götter modifiziert Ambrosius, indem er einerseits schildert, dass Theodosius die domus Augustana im Jenseits betritt und seiner Familie sowie den früheren christlichen Kaisern, vor allem Konstantin, begegnet, andererseits aber postuliert, dass der Kaiser als sanctus am Thron Gottes steht und besondere Fürbitten vorbringen kann. Auch die der consecratio gegenüberstehende damnatio memoriae der negativ bewerteten Kaiser greift Ambrosius auf, indem er das Schicksal der Usurpatoren Eugenius und Maximus in der Hölle erwähnt. Durch all diese gestalterischen Elemente fügt sich die Rede de obitu Theodosii in das rituelle Hofzeremoniell der kaiserlichen Verehrung ein und kann dennoch eine Botschaft des christlichen Glaubens vermitteln, indem mit der Fundierung der sanctificatio auf Glauben, Barmherzigkeit und Demut ein Novum geschaffen wird. Ambrosius funktionalisier den imperator fidelissimus292 somit als Vorbild und Trostbild eines jeden Christen. Auf diese Weise erhalten die Zuhörer, zu denen neben Christen auch Anhänger der traditionellen Religion gehörten, schließlich die Gewissheit, dass dieser Platz vom christlichen Gott bereitet ist, der sich in Barmherzigkeit an jeden Menschen richtet. Die Durchsicht der Rede hat gezeigt, dass Ambrosius auf zahlreiche theologische Themen anspielt und sie in geprägter Sprache erklärt. Diese Elemente durchdringen das Lob und die politische Absicht der Loyalitätsversicherung. Neben der Aufforderung an das Publikum, dem beispielhaften Glauben des Kaisers nachzueifern, die sich durch den gesamten Text zieht, finden sich Theologumena und Zusammenhänge, die sich teils belehrend, teils werbend an ein heterogenes Publikum wenden. Ohne die Komplexität, die in anderen Predigten zu finden ist, gelingt es Ambrosius mit anschaulichen Bildern und nachvollziehbaren Assoziationen, ein werbendes Bild des christlichen Glaubens mit den Schwerpunkten der Demut, die selbst vom Kaiser 292   So bezeichnet Ambrosius Kaiser Theodosius etwa in ep. extra coll. 8,1 (14): imperator tranquillissime ac fidelissime.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

geübt wurde, und der Erlösung, die von einem stärkeren Gott geschenkt wird, aufzubauen. Die Helena-Legende kann sich in dieses Bild einfügen, wenn man sie als Beschreibung des Handelns des Geistes zur Grundlegung des Glaubens der Kaiser interpretiert. Die historische Erklärung des Glaubens anhand der Bekehrung des Reiches durch die Kreuzesreliquien kann dabei dem heidnischen Interesse an Tradition und Kult sowie materieller Anschaulichkeit in Form von Talismanen entsprechen. Nach dem Aufleben der heidnischen Kulte unter Eugenius und der starken Koalition, die er mit den senatorischen Eliten aufgrund seiner heidenfreundlichen Politik einging, war ein christliches Statement nach dem Sieg des christlichen Gottes am Frigidus unbedingt notwendig. Tatsächlich scheinen die Vorbereitungen des Theodosius und die Rede des Ambro­sius ihre Wirkung gezeigt zu haben, denn die Nachfolge von Honorius im Westen wurde nicht angefochten. Doch nur kurze Zeit konnten die Söhne des Theodosius die geerbte Herrschaft halten. Es kam zu immer stärkeren Differenzen zwischen den beiden Reichsteilen, die schließlich zur endgültigen Teilung des Imperium Romanum führten. Dies alles aber musste Ambrosius nicht mehr mit ansehen. Er starb selbst nur wenige Zeit nach der Rede für Theodosius am 4. April 397.

VI. Die Trostbriefe 1. Die Briefsammlung des Ambrosius Ambrosius hat wahrscheinlich selbst am Ende seines Lebens Briefe zur Herausgabe ausgewählt und überarbeitet. In den letzten Jahren konnten Karl Schenkl und Otto Faller,1 nach dessen Tod aber vor allem Michaela und Klaus Zelzer, durch Analysen von Textzeugen aus dem neunten Jahrhundert nachweisen, dass diese Sammlung in der Tradition des klassischen Musters von Plinius dem Jüngeren steht.2 Nicht die von den Maurinern vorgeschlagene chronologische Ordnung ist daher historisch, sondern eine Sammlung von 77 Briefen in neun Büchern, die private Briefe beinhalten, und einem zehnten Buch offizieller Briefe, die sich mit kirchenpolitischen Themen befassen; hinzu kommen 16 Briefe extra collectionem.3 Die Strukturierung nach dem Vorbild der plinianischen Korrespondenzsammlung diente Ambrosius, so Zelzer, offensichtlich dazu, sein „religiös-politisches Vermächtnis“4 zu hinterlassen: Einerseits wollte er ein umfassendes Bild seines episkopalen Wirkens im Dialog mit verschiedenen Bischöfen und vor allem den Kaisern zeichnen – besonders das zehnte Briefbuch, das Plinius’ Korrespondenz als Statthalter mit Kaiser Trajan zum Vorbild hat, steht in dieser Hinsicht im Vordergrund, da es die lange Amtszeit des Ambrosius abdeckt.5 Andererseits aber versammelt Ambro­ 1   Vgl. Sancti Ambrosii opera. Pars X. Epistulae et Acta Tom. I. Epistularum libri I – VI, ed. Otto Faller, CSEL 82,1, Wien 1968 und Sancti Ambrosii opera. Pars X. Epistulae et Acta Tom. III. Epistularum liber decimus, Epistulae extra collectionem, Gesta concili Aquileiensis, ed. Michael Zelzer, CSEL 82,3, Wien 1982, XIX f. und XXXVIII. 2  Vgl. Zelzer, „Plinius Christianus“, 203 – 210 und Zelzer / Zelzer, „Retractationes“ zu Brief und Briefgenos bei Plinius, Ambrosius und Sidonius Apollinaris, 393 – 405. 3   Dieser Erkenntnis folgend werden die Briefe des Ambrosius nach der CSEL-Zählung von Michaela Zelzer (CSEL 82,1 – 3) zitiert. Die Angabe der Mauriner-Zählung wird aufgrund der Zählung in der älteren Forschung in Klammern mit angegeben. 4   Zelzer / Zelzer, „Retractationes“ zu Brief und Briefgenos bei Plinius, Ambrosius und Sidonius Apollinaris, 394. 5  Vgl. Zelzer, Zu Aufbau und Absicht des zehnten Briefbuches des Ambrosius, 351 – 362. Die Auswahl bietet ein klares Bild des Ambrosius als Bischof, der für Orthodoxie und Kirchenfrieden kämpft, indem er sich gegen Häresien, Arianer, Juden und Heiden richtete. Die entsprechenden Briefe sind: zwei Briefe an die Bischöfe (epp. 70 [56] und 71 [56a]), die Korrespondenz zum Streit um den Victoria-Altar (epp. 72 [17] und 73 [18], die die relatio Symmachi umrahmen), der Brief an Theodosius zur Callinikum-Affäre (ep. 74 [40]), die Briefe, die den Mailänder Kirchenstreit im Jahr 386 betreffen (epp. 75 [21] und 76 [20]) und der Bericht der Auffindung der Gebeine des Gervasius und des Protasius (ep. 77 [22]) sowie die Leichenrede auf Theodosius. Dagegen sollen die an die Kaiser Theodosius bzw. Valentinian II. gerichteten Briefe 25 (53) bzw. 30 (24) bewusst als freund-

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

sius Lehrschreiben, die sich theologischen Fragen und detaillierten exegetischen Problemen, vor allem Themen der Paulusbriefe, widmen. Aufgrund der gattungsspezifischen Forderung nach varietas im Briefgenos6 streute Ambrosius außerdem weitere Themen ein.7 So finden sich juristische Fragen oder Freundschaftsbekundungen, aber auch mehrere Schreiben, die sich an Angehörige von Verstorbenen richten und Trost spenden: Erstens ist dies der Brief 51 (15), der sich an den Klerus von Macedonien richtet und sich mit dem Tod des Acholius, des Bischofs von Thessaloniki, beschäftigt. Zu diesem Schreiben gehört der darauffolgende Brief 52 (16), der Anysius, den von Acholius zum Erben bestimmten Nachfolger auf dem Bischofsstuhl, als Adressaten hat. Ein zweites Kondolenzschreiben stellt der Brief 8 (39) dar, der den Bischof Faustinus angesichts des Todes seiner Schwester tröstet. Ambrosius bietet in jenem Brief eine Synthese aus der Tradition der consolatio, anhand derer er eine ausgeprägte exhortatio gestaltet, und der christlichen Deutung des Todes anhand des Christusereignisses.

2. Die Gattung des Trostbriefes Der Brief an sich stellt die ureigenste Gattung der Trostschriften dar, aus der sich die consolatio erst entwickelt hat. Allein die Funktion des Briefes als Überbrückung der Trennung zweier oder mehrerer Gesprächspartner bzw. die Überwindung der Abwesenheit des Schreibers spendet durch seine virtuelle Präsenz Trost. Als „Ersatz und zugleich fixierende Nachbildung des Gesprächs“8 kann der Brief vor allem in Not­ situationen die Unterstützung eines Freundes gewährleisten und zur Stabilisation des emotionalen Zustandes des Adressaten beitragen. Diese Charakterisierung des Briefes klingt bereits in der Definition des Grammatikers Artemon von Kassandreia im zweiten Jahrhundert v. Chr. bei Ps.-Demetrios von Phaleron (ca. 360 – ca. 280 v. Chr.) an: Δεῖ ἐν τῷ αὐτῷ τρόπῳ διάλογόν τε γράφειν καὶ ἐπιστολάς· εἶναι γὰρ τὴν ἐπιστολὴν οἷον τὸ ἕτερον μέρος τοῦ διαλόγου.9 schaftliche Privatbriefe interpretiert werden. Den sehr intimen Brief, ep. extra coll. 11 (51), in dem Ambrosius Theodosius nach der Affäre in Thessaloniki zur Buße auffordert, hat Ambrosius nicht veröffentlicht. Er ist erst im neunten Jahrhundert wieder gefunden worden, vgl. Zelzer, Mittelalterliche „Editionstätigkeit“, 251. 6  Zur varietas bzw. variatio als Ordnungsprinzip in den Briefen des Plinius vgl. Johanna ­Goetzl, Variatio in the Plinian epistle, CJ 47 (1952), 265 – 268 und in der Epistolographie der Spätantike vgl. Michaela Zelzer, Art. Die Briefliteratur, in: Lodewijk J. Engels / Heinz Hofmann (Hgg.), Neues Handbuch der Literaturwissenschaft. Bd. 4: Spätantike, Wiesbaden 1997, 321 – 354. 7  Vgl. Zelzer, Ambrosius von Mailand und das Erbe der klassischen Tradition, 216 f. 8   Peter von Moos, Consolatio. Studien zur mittellateinischen Trostliteratur über den Tod und zum Problem der christlichen Trauer. Bd. 1: Darstellung, MMAS 3,1, München 1971, 38. 9  Dem. de eloc. 223: „Ein Gespräch und ein Brief sind auf die gleiche Weise zu schreiben. Ein Brief sei nämlich wie der andere Teil eines Gesprächs.“ Vgl. auch Sen. ep. 67,2: Si quando intervenerunt epistulae tuae, tecum esse mihi videor. – „Wann immer deine Briefe ankommen, meine ich, dass

VI. Die Trostbriefe

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Hat der Brief als wichtiger Teil der Kommunikation innerhalb der amicitia also an sich eine konsolatorische Wirkung, so bildet der Trost- oder Kondolenzbrief in der Briefgattung eine spezifische Vertiefung des Trostes angesichts des Todes. Gerade die intime Situation des Briefes erfüllt die Voraussetzungen, die im Trauerfall erforderlich sind: Mitleid und Anteilnahme fernab von Öffentlichkeit und politischem Kalkül bei zeitlichem Phasenverzug, der sowohl auf Seiten des Trösters für reflektierte Argumente Zeit lässt, als auch auf Seiten des zu Tröstenden die Gelegenheit zur Trauer und die freie Wahl des rechten Zeitpunktes der Tröstung gibt; vor allem aber wirkt die Nähe des Briefes zur oralkommunikativen Situation stark konsolatorisch.10 Die Dialoge des Seneca, die consolatio ad Marciam, die consolatio ad Polybium und die consolatio ad Helviam, können aufgrund ihrer Adressierung an eine Person aus Anlass eines Trauerfalles auf den ersten Blick als solche Trostbriefe eingeordnet werden, doch sprengen sie den Rahmen des Briefes und richten sich aufgrund der allgemeinen Behandlung der Thematik in essayistischer Form an ein breites Publikum. Ein echter Trostbrief dagegen ist der Brief des Servius Sulpicius an Cicero, epistula ad familiares 4,5, den Ambrosius gekannt und in ep. 8 (39)zum Vorbild genommen hat. Im Februar des Jahres 45 v. Chr. starb Tullia, die 30‑jährige Tochter des Cicero, nachdem sich nach der Geburt ihres zweiten Kindes ihr Gesundheitszustand stark verschlechtert hatte. Der Jurist und Politiker Servius Sulpicius wendet sich im März desselben Jahres an seinen Freund und spendet ihm Trost, indem er Cicero in Erinnerung ruft, wie vollkommen das Leben der Tochter gerade wegen ihrer Nähe zum Vater und dessen Bedeutung für die Republik gewesen sei.11 Der dem heutigen Leser möglicherweise allzu pragmatisch erscheinende Trost zeigte Erfolg, wie der Antwortbrief des Cicero, fam. 4,6 belegt. Im christlichen Bereich finden sich konsolatorische Briefe im Werk von Basilius von Caesarea und Gregor von Nazianz,12 sowie vor allem bei Hieronymus.13 Es gibt in der antiken Rhetorik keine überlieferten rhetorischen Anweisungen zum Verfassen eines Trostbriefs. Seneca erwähnt immerhin die geforderte brevitas, die allen Briefen zu eigen sein sollte. Nur ein Grundgedanke, so Seneca, dürfe im du bei mir seist.“ Zum Topos des Briefs als Dialog vgl. Klaus Thraede, Grundzüge griechisch-römischer Brieftopik, Zet. 48, München 1970 und Thomas Johann Bauer, Paulus und die kaiserzeitliche Epistolographie. Kontextualisierung und Analyse der Briefe an Philemon und an die Galater, WUNT 267, Tübingen 2011, 33 – 43. 10  Vgl. Schwitter, Der tröstende Freund, 369 f. und Barbara Conring, Hieronymus als Briefschreiber. Ein Beitrag zur spätantiken Epistolographie, STAC 8, Tübingen 2001, 98. 11   Vgl. Amanda Wilcox, Sympathetic Rivals. Consolation in Cicero’s Letters, AJP 126 (2005), 237 – 255. 12  Vgl. Jane F. Mitchell, Consolatory Letters in Basil and Gregory Nazianzen, Hermes  96 (1968), 299 – 318 und Robert C. Gregg, Consolation Philosophy. Greek and Christian Paideia in Basil and the Two Gregories, PatMS 3, Philadelphia 1975. 13   Besonders sei der Trostbrief an Heliodor genannt, vgl. dazu Scourfield, Consoling Heliodorus, passim.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Vordergrund stehen. Besonders in Trostbriefen stünden darum der Tod und die Fragen, die mit ihm in Zusammenhang stehen, im Fokus.14 Ein generelles Grundprinzip der Strukturierung konsolatorischer Briefe lässt sich allerdings nachzeichnen, wenn man zwei zeitlich weit auseinanderliegende, überlieferte Briefvorlagen vergleichend untersucht. So bietet Ps.-Demetrios von Phaleron in den τύποι ἐπιστολικοί einen exemplarischen Trostbrief, der die drei Elemente Mitleid, Trost und Ermahnung empfiehlt.15 Diese drei Aspekte kennt auch Ps.-Libanius, der im fünften Jahrhundert in seinen ἐπιστολιμαῖοι χαρακτῆρες ebenso eine Briefvorlage vorstellt.16 Er verändert nur die Anordnung: Auf Mitleid und Ermahnung folgt der Trost. Offensichtlich lehnen sich diese Briefvorlagen an die Struktur an, die auch Menander im παραμυθητικός λόγος empfiehlt, nämlich zunächst den Wechsel von Klage und Trost und schließlich eine Ermahnung.17 Verständlicherweise wird dabei die in der Rede öffentlich vorgetragene μονῳδία im Brief durch die persönlich gehaltene Mitleidsbekundung, die συμπάθεια, ersetzt.18 Es wird sich zeigen, wie Ambrosius, je nach Zielsetzung, diese Struktur variiert und flexibel gewichtet.

14   Auch die brevitas wird nicht in allen Fällen eingehalten. Der umfangreiche Trostbrief des Hieronymus 108 etwa umfasst 45 Seiten (CSEL 56,306 – 351); allerdings ist dieser Brief in weiten Strecken dem Lob der Mutter gewidmet, vgl. Scourfield, Consoling Heliodorus, 27 f. 15   Vgl. Dem. form. ep. 5. Vgl. dazu Mitchell, Consolatory Letters in Basil and Gregory Nazian­ zen, 302. 16   Vgl. a. a. O., 301 – 303. 17   Vgl. Men. Rhet. 434,20 – 23: τί τοίνυν ἡ μονῳδία βούλεται; θρηνεῖν καὶ κατοικτίζεσθαι, κἂν μὲν μὴ προσήκων ᾖ ὁ τεθνεώς, αὐτὸν μόνον θρηνεῖν τὸν ἀπελθόντα, παραμιγνύντα τὰ ἐγκώμια τοῖς θρήνοις [. . .]. – „Was will nun die Monodie? Klagen und jammern, und wenn der Verstorbene kein Verwandter ist, soll der Redner nur den Toten selbst beklagen, indem er die Enkomientopoi mit den Klagen mischt [. . .].“ Zum Wechsel in der Trostrede vgl. auch Soffel, Die Regeln Menanders für die Leichenrede, 171. 18  Vgl. Mitchell, Consolatory Letters in Basil and Gregory Nazianzen, 303.

VII. Der Trostbrief zum Tod des Bischofs Acholius: Epistula 51 (15) 1. Einleitung Der Brief 51 (15) entstammt dem siebten Briefbuch und richtet sich an die Bischöfe der Provinz Macedonien und den Klerus der Stadt Thessaloniki. Er reagiert auf ein Schreiben, das an Ambrosius gerichtet worden ist, um ihn über den Tod des Bischofs Acholius von Thessaloniki zu informieren. Ambrosius gestaltet seine Antwort als strahlendes Lob des Verstorbenen, wobei er seine persönliche Verbindung zu ihm betont. Da sich ep. 51 (15) an ein größeres Publikum richtet und da davon ausgegangen werden kann, dass ein solcher Brief öffentlich, möglicherweise im Rahmen eines Gottesdienstes verlesen wurde, treten manche Charakteristika des Genos des Trostbriefs zurück und geben Gemeinplätzen und Lobesreden und einer breiten Darstellung der Heiligkeit des Acholius Raum. Klageanteile sind dagegen nur in geringem Ausmaß zu finden.

2. Zielsetzung Bei dem Schreiben an den Klerus der Provinz Macedonien und die Gemeinde in Thessaloniki handelt es sich um einen Trostbrief, der ein kirchenpolitisches Ziel verfolgt. Mithilfe der konsolatorischen Ausrichtung versucht Ambrosius seine Autorität in der Frage der bischöflichen Nachfolgeregelung nach dem Tod des Acholius in die Waagschale zu werden. In ep. 51 (15) finden sich nur einige Andeutungen über die Situation der Vakanz in Thessaloniki. Offensichtlich hat Bischofs Acholius vor seinem Tod den jüngeren Priester Anysius zu seinem Nachfolger bestimmt1 und überging damit den eigentlichen Ablauf einer Bischofswahl. In Canon 23 der Synode von Antiochia 341 findet sich ein explizites Verbot der Designation eines Nachfolgers durch den vorherigen Bischof.2 Auch wenn dieses Verbot vor allem im Westen 1   Zu Anysius vgl. Geoffrey D. Dunn, Innocent I and Anysius of Thessalonica, Byz. 77 (2007), 124 – 148. 2  Vgl. Can. 23: „Einem Bischof ist nicht erlaubt, für sich einen Nachfolger zu bestellen, auch wenn er an das Ende seines Lebens kommt. Geschieht aber Solches, so soll die Aufstellung ungültig sein. Es soll aber die kirchliche Regel bewahrt werden, welche enthält: es dürfe ein Bischof nicht anders bestellt werden als durch eine Synode und nach dem Urtheil der Bischöfe, die nach dem Tode des Vorigen das Recht haben, den Würdigen zu befördern.“ (Text nach Karl Joseph von Hefele,

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

faktisch kaum durchgesetzt wurde, musste dennoch eine Legitimation des designierten Nachfolgers erfolgen, die die eigentliche Wahl des Bischofs durch Klerus und Gemeinde kompensierte. Ob es in Thessaloniki zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Bischofswürde des Anysius gekommen ist, lässt sich nicht zweifelsfrei feststellen. Bemerkungen in epp. 51 (15) und 52 (16) weisen jedoch in eine solche Richtung: Möglicherweise bestand im Klerus Uneinigkeit, die durch mangelnde Ehrerbietung, Zweifel an seiner Autorität und Skepsis hinsichtlich der Eignung des Anysius sichtbar wurde.3

3. Zeitgeschichtlicher und situativer Hintergrund Der Brief 51 stellt das wichtigste Zeugnis zum Leben des Acholius dar, der selbst eine bedeutende kirchenpolitische Rolle in der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts spielte. Als sich Theodosius im Jahr 380 nach dem Sieg über die Goten in Thessa­ loniki aufhielt, erkrankte er. Es muss sich um eine ernsthafte Krankheit gehandelt haben, da der Kaiser den ortsansässigen, nizänischen Bischof Acholius zu sich kommen ließ und von diesem getauft wurde.4 Eine solche Taufe in verhältnismäßig jungen Jahren war meist nur auf dem Krankenbett üblich, um sich angesichts drohenden Todes von den bisher angehäuften Sünden reinzuwaschen. Conciliengeschichte. Bd. 1, Freiburg i. Br. 1855, 500). Ambrosius gibt selbst Einblick in das Verfahren der Bischofswahl in seinem Brief an die Gemeinde in Vercelli, ep. extra coll. 14 (63), wo er klar macht, dass die Bischöfe nicht eigenmächtig einen Kandidaten ohne Zustimmung des Volkes ordinieren können, vgl. dazu und zur Bischofswahl im Allgemeinen Anton Landersdorfer, Die Bestellung der Bischöfe in der Geschichte der katholischen Kirche, MThZ 41 (1990), 271 – 290. 3  Vgl. ep. 51,14 (15): Sit honorificus inter fratres suos. – „Er sei geehrt unter den Brüdern.“; ep. 52,1 (16): gaudeo tibi ne uno quidem momento de successore tanti dubitatum viri et magnum onus, frater, tanti nominis pondus subisse, tantae librae tantique examinis. – „Ich freue mich für dich, dass es auch nicht zu einem Zeitpunkt Zweifel am Nachfolger des großen Mannes gab. Und es ist eine große Bürde, mein Bruder, das Gewicht eines solchen Titels, eines solch gewichtigen Vergleiches, einer solchen Begutachtung auf sich zu nehmen.“ Diese Stellen könnten eine Ermahnung an Zweifler darstellen. Möglicherweise fielen genauere Angaben der Tilgung vor der Veröffentlichung zum Opfer. Auch muss damit zu rechnen sein, dass Ambrosius sehr vorsichtig formuliert, da der Brief – vorgelesen vor der Gemeinde – keine offenen Konflikte oder Unterstellungen thematisieren konnte. Vielmehr muss man wohl mit einem unterschwelligen Appell ans Gewissen möglicher Kontrahenten rechnen. 4   Vgl. die Berichte des Sokrates, h. e. 5,6,2 – 5 und des Sozomenos, h. e. 7,4,3 f. Ob Acholius besonderen Kontakt zu Theodosius hatte, wie Ursula Reutter, Damasus, Bischof von Rom (366 – 384). Leben und Werk, Tübingen 2009, 454 meint, oder ob er schlicht der einzige in Frage kommende Bischof war, wie Leppin, Theodosius der Große, 69 konstatiert, muss offenbleiben. Auch bleibt es Spekulation, warum Ambrosius, der sonst stets an den Lebensereignissen der Kaiser interessiert war, die Taufe durch Acholius nicht erwähnt. Sicherlich war er über diese Information unterrichtet. Sein Schweigen könnte möglicherweise durch die eigene Nähe zum kaiserlichen Hof motiviert sein und ein Zeichen eines gewissen Konkurrenzdenkens bzw. unterschwelliger Missgunst sein. Allerdings ist zu beachten, dass der Fokus im Brief allein auf Acholius und Anysius liegt und keine weiteren konkreten Personen genannt werden.

VII. Der Trostbrief zum Tod des Bischofs Acholius

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Dieses Ereignis stellt nicht nur ein frühes Bekenntnis des Theodosius zum Nizänum dar,5 sondern hat auch zu einem Zuwachs der Autorität des Acholius geführt. Dieser unterhielt regen Kontakt mit Damasus, dem Bischof von Rom, dessen Interessen er als einziger westlicher Teilnehmer auf dem Konzil von Konstantinopel 381 gegen Gregor von Nazianz vertrat.6 Gemeinsam mit Ambrosius war Acholius zudem Teilnehmer auf dem Konzil von Rom, das Bischof Damasus im Herbst 382 einberufen hat.7 Aufgrund des Konzilstermins ergibt sich ein terminus post quem für den Tod, sodass sich ep. 15 (51) auf die Jahre 382 / 83 datieren lässt. Es ist die Zeit, in der Ambrosius als wichtiger Berater Gratians auftritt und besondere Autorität genießt. Dass ihn die macedonische Gemeinde in Thessaloniki eigens über das Ableben informiert und ihn zur Appellationsinstanz in kirchenrechtlichen Fragen macht, ist Zeichen dieses hohen Status. Über Mailand, die Kaiserresidenz, verlief die Kommunikation – nicht über Rom oder Konstantinopel! Hinzu kommt, dass Ambrosius selbst mit der Provinz Illyrien biographisch verbunden war. Im Jahr 365 verließ Ambrosius Rom und wurde Anwalt am Gerichtshof in Sirmi,8 Verwaltungssitz der Präfektur Italia, Illyricum und Africa und bis 378 kaiserliche Residenz. Zum Verwaltungsbereich der Prätorianerpräfektur Illyricum gehörte auch Macedonien.9 Ambrosius muss also mit Struktur und Gesellschaft Thessalonikis vertraut gewesen sein, was ein Grund für die Einschaltung des Mailänder Bischofs in die Frage der Nachfolge war. Die Nähe zu seiner früheren Wirkungsstätte ist Grund dafür, dass der Brief Eingang in das eigens zusammengestellte Briefkorpus gefunden hat. In den Textzeugen folgt auf diesen Brief, entgegen der sonst so streng durchgeführten varietas, der dazugehörige Antwortbrief 52 (16), in dem Ambrosius sich allein an den designierten Nachfolger Anysius wendet. Neben weiteren Lobeshymnen auf Acholius ermahnt Ambrosius den „Nachfolger und Erben“ (successorem heredemque), als Acholius’ Abbild dessen Bürde zu tragen. 5   David Stone Potter geht davon aus, dass es wohl dem Einfluss des Acholius geschuldet gewesen sei, dass Theodosius am 28. Februar 380 von Thessaloniki aus den Erlass cunctos populos (Cod. Theod. 16,1,2) veröffentlichte und seiner Religionspolitik die klare Richtung des nizänischen Glaubens gab, vgl. David S. Potter, The Roman Empire at Bay, AD 180 – 395, London / New York 2004, 555 f. Dagegen interpretiert Leppin die Version des Sozomenos dahingehend, dass Theodosius bereits vor seiner Krankheit ein Anhänger des Nizänums war, die nizänische Taufe dementsprechend nur eine Bestätigung dessen gewesen sei, vgl. Leppin, Theodosius der Große, 69. 6   Vgl. Ambr. ep. extra coll. 9,7 (13). Vgl. zur Rolle des Acholius als westlicher Bischof in Konstantinopel auch Justin Taylor, The First Council of Constantinople (381), Prudentia 13 (1981), 47 – 54, 51 und Simon L. Greenslade, The Illyrian Churches and the Vicariate of Thessalonica, 378 – 95, JThS 46 (1945), 17 – 30, 21 f. 7   Zum Konzil in Rom (382) vgl. Theodrt. h. e. 5,9 und Markschies, Ambrosius von Mailand und die Trinitätstheologie, 151 – 153. 8   Die Etappe in Sirmi lässt sich nur in den Zeitraum zwischen 365 und 373 eingrenzen, vgl. a. a. O., 45. Zum Aufenthalt vgl. auch Dassmann, Ambrosius von Mailand, 22 f. und Zelzer, Die Briefe des Ambrosius an die Kirche von Thessaloniki, 239. 9   Vgl. ebd.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Michaela Zelzer geht davon aus, dass Ambrosius beide Briefe ursprünglich auf Griechisch, der Sprache der Bevölkerung Macedoniens, verfasst hatte und erst kurz vor seinem Tod 397 eine lateinische Übersetzung für die Veröffentlichung veranlasste oder selbst vornahm.10 Entsprechend seinem redaktionellen Verfahren in anderen Werken ist aber davon auszugehen, dass Ambrosius in dem Kondolenzschreiben an die Gemeinde und im Brief an Anysius nur unwesentliche Teile gestrichen hat.

4. Inhalt und Argumentation 4.1 Der Briefbeginn (ep. 51,1 – 2) Oftmals erscheinen in traditionellen Trostbriefen zu Beginn Schilderungen eines Schockzustandes, der als adäquate Reaktion zum Schweigen führt.11 Dieser Topos der Redehemmung bedient einerseits die συμπάθεια, da auf plastische Weise dem bzw. den Adressaten das Mitgefühl ausgesprochen wird. Andererseits verstärkt er die Rolle des Schreibers, der eben dieses Schweigen mit seinem Brief überwindet. So beginnt auch ep. 51 (15) mit einem Bericht darüber, wie Ambrosius den Brief mit der Information des Todes des Acholius aufgenommen hatte: Dum semper affixum tenere animo desidero sanctum virum atque omnes actus eius quasi in specula positus exploro, hausi nimia indagine sollicitudinis amaritudinem nuntii celerioris et, quod adhuc mallem nescire, cognovi.12 In tiefer Sehnsucht nach Acholius und in der geistigen Vergegenwärtigung seiner Taten habe Ambrosius wie durch ein Wunder bereits vor dem Schreiben aus Thessaloniki vom Tod des Bischofs erfahren, wobei offenbleibt, wie diese Information den Weg nach Mailand fand. Es ist wahrscheinlich, dass die kaiserliche Residenzstadt eine Infrastruktur bot, die eine schnellere Verbreitung der Kunde ermöglichte. Ambrosius reagiert schockiert, er verwünscht die Nachricht vom Tod des Acholius als amaritudo nuntii celerioris. Lieber wäre es ihm gewesen, er hätte die Nachricht nie erhalten: quod adhuc mallem nescire, cognovi.13 Dass Ambrosius die Information als nuntium celerius bezeichnet, kann sich dabei sowohl auf die Charakterisierung als Nachricht von einem zu frühen Tod, als auch auf die, im Gegensatz zur Information der macedonischen Gemeinden, schnellere Kunde beziehen.14 Lob und Klage wechseln sich ab, wenn die traurige Nachricht Ambrosius’ ‚zufälliges‘ Sinnieren über 10

  Vgl. ebd.   Zum Topos der Redehemmung vgl. Moos, Consolatio. Band 3: Testimonienband, 23 – 26. 12   Ep. 51,1 (15): „Während ich mich danach sehne, den heiligen Mann stets im Gedächtnis zu haben und alle seine Taten, wie auf einem Wachturm gestellt, anschaue, habe ich durch diese zu ungeduldige Erforschung die Bitternis der allzu schnellen (i. S. v. plötzlichen) Nachricht aufgenommen und erfahren, was ich lieber nicht gewusst hätte.“ 13   Ep. 51,1 (15): „Ich habe erfahren, was ich lieber nicht gewusst hätte.“ 14   Durch den Genitiv nuntii celerioris ist nicht erkennbar, ob die Nachricht (nuntium) oder aber der Bote (nuntius) gemeint ist, der später noch (anonym) erwähnt wird. 11

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die guten Taten des Toten unterbricht, womit Ambrosius den gängigen rhetorischen Empfehlungen des Menander zum Verfassen einer Trostrede folgt. Die Situation der Aufnahme der Nachricht bietet Ambrosius die Gelegenheit, dem als sanctus eingeführten Acholius ein erstes Wunder zuzuweisen: Sed tamen clauso tunc temporis mari, occupatis terrarum barbarica infestatione regionibus, cum deesset qui advenire potuerit, non defuit qui nuntiaret, ut mihi videatur ipse sanctus adnuntiasse se nobis [. . .].15 Durch die Erklärung, dass eine Benachrichtigung zu Wasser und zu Land unmöglich gewesen sei, verstärkt Ambrosius das wunderhafte Wirken des Acholius, der sich ihm wie in einer Vision gezeigt habe. Gleichzeitig instrumentalisiert Ambrosius die sehr viel wahrscheinlichere Sachlage einer zufälligen schnellen Kunde durch Händler oder kaiserliche Boten, um gleich zu Beginn des Briefes mehrmals auf das besondere Band zwischen Acholius und sich selbst hinzuweisen: Der Heilige erscheint Ambrosius persönlich mit dem Ziel, den error amantis, das Gebet um ein langes Leben, abzustellen.16 4.2 Acholius sanctus – Der Trost in der Heiligkeit des Verstorbenen (ep. 51,3 – 4) Der Trostteil, der auf die kurze συμπάθεια folgt, ist vor allem durch ein Argument geprägt: die Aufnahme des Acholius als Heiligen in das Reich Gottes. Nach der Vision präzisiert Ambrosius für die Leser den Ablauf des Seelenaufstiegs, indem er sich die Seele in der Tradition des platonischen Phaidros als geflügeltes Wesen vorstellt, das in den Himmel aufsteigt:17 Abiit ergo, non obiit, et emigravit a nobis veteranus Christi Iesu, caelo terrae istius solum mutans et plaudens alis atque remigiis spiritalibus.18 Wie Methodius von Olympus sieht Ambrosius in der asketischen, insbesondere der jungfräulichen Lebensweise den Flug der Seele, die sich durch die Tugenden von der Welt ablöst.19 Acholius wird durch die Doppelstruktur von alis atque remi15   Ep. 51,2 (15): „Aber obwohl das Meer zu dieser Zeit unbefahrbar war, und die Gegenden zu Land durch die Bedrohung der Barbaren blockiert waren, obwohl es also niemanden gab, der (hier) ankommen konnte, gab es doch jemanden, der die Nachricht überbrachte, sodass es für mich den Anschein hat, dass der Heilige selbst uns von sich berichtete [. . .].“ 16  Vgl. ep. 51,2 (15): cupiens amantis sui errorem absolvere, ne illi longaevitatem vitae huius deprecaremur, cui vitae aeternae iam praemia deferebantur. – „Er hatte den Wunsch, den Fehler eines Menschen, der ihn liebt, zu beheben, damit wir nicht für ihn um die längere Dauer seines Lebens auf Erden beten, während ihm bereits der Lohn des ewigen Lebens gegeben wurde.“ 17  Vgl. Courcelle, Art. Flügel (Flug) der Seele, 26 – 65. 18   Ep. 51,3 (15): „Er ist also fortgegangen, er ist nicht gestorben; dieser Veteran Jesu Christi ist von uns hinübergewandert, er hat den Boden dieser Erde hier mit dem Himmel eingetauscht und hat mit seinen Flügeln geschlagen und mit geistigen Rudern.“ Der Flug der Seele findet sich mehrmals im Werk des Ambrosius, vgl. ob. Val. 64; bon. mort. 5,16 und exp. Luc. 8,5,55. 19   Zur Befreiung von der Welt vgl. virg. 17,108: Itaque adhaerens deo et imaginis in se referens caelestis effigiem [. . .] in illum aetherium purumque locum plausu spiritalium evecta pennarum, despicit omnia quae in hoc mundo sunt, et aeternis intenta virtutibus supra mundum labitur. – „Wer

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

giis spiritalibus die vollkommene Befreiung von den weltlichen Schlingen durch sein tugendhaftes Leben attestiert. Keineswegs in die Nicht-Existenz sei dieser darum eingegangen, sondern er habe den transitus von der Erde zum Himmel genommen. Acholius kommt, wie Theodosius und ausgewählten Jungfrauen, im Denken des Ambrosius das Privileg zu, als Heiliger sofort ins Reich Gottes überzugehen und die vollkommene Ruhe in der Gegenwart Christi zu genießen:20 eo quod iam perpetuo laboris sui potiretur stipendio et solutis vinculis corporis inter angelorum ministeria Christo adhaereret.21 Ambrosius stellt sich vor, dass Acholius unter die Engel aufgenommen worden ist und in direkter Nähe zum Thron Gottes steht. Wie auch in der Leichenrede für Theodosius wird das Königreich der Himmel als das himmlische, reich geschmückte Jerusalem dargestellt. Die Vollkommenheit der Existenz des Acholius als superiorum incola zeigt sich außerdem durch den Genuss des ewigen Lichts.22 Der Tote wird hier selbst zum Tröster, indem er vor Ambrosius erscheint und ihn über sein Schicksal, das ewige Leben, aufklärt. Gleichzeitig liefert er die Bestätigung der christlichen Hoffnung auf das paradiesische Jenseits. Was Acholius, und mit ihm Ambrosius, geglaubt und gepredigt hat, kann der Heilige nun durch die Erkenntnis Gottes facie ad faciem23 als wahr erweisen. Schließlich wendet sich Ambrosius von darum Gott anhängt und das Abbild des himmlischen Bildes in sich trägt, der wird von dem Schlagen der geistigen Flügel zu jenem himmlischen und vollkommenen Ort getragen und verachtet all das, was auf Erden ist, und indem er sich auf die ewigen Tugenden konzentriert, steigt er auf über die Welt.“ Vgl. den gleichen Zusammenhang in Meth. Symp. 8,1,171. Vgl. dazu Katharina Bracht, Eros as Chastity Transformation of a Myth in the Symposium of Methodius of Olympus, in: Dies. (Hg.), Methodius of Olympus. State of the Art and New Perspectives, TU 178, Berlin / Boston 2017, 38 – 62, 57. Die Vorstellung der Flügel mit der Formulierung spiritalibus alarum remigiis geht auf Vergils Beschreibung der künstlichen Flügel des Daedalus zurück, vgl. Aen. 1,301, und findet sich im Werk des Ambrosius häufig. Zur seltenen Verwendung dieser Phrase bis ins fünfte Jahrhundert und weitere Verwendung bei Ambrosius vgl. Otto Zwierlein, Petrus in Rom, UaLG 96, Berlin / New York 22010, 70 – 73. 20   Siehe dazu unter A.II.7. 21   Ep. 51,2 (15): „da er schon im Besitz des ewigen Lohns für seine Leiden ist und befreit von den Fesseln des Körpers zwischen den dienstbaren Engeln sich mit Christus vereinigt.“ Mit der Formel Christo adhaerere bezeichnet Ambrosius regelmäßig die innige Beziehung zwischen glaubenden Menschen und Christus. Sie stellt einen Rückgriff auf die Septuaginta-Formulierung προσκεῖσθαι τῷ θεῷ dar, vgl. dazu etwa Ps 72,28: ἐμοὶ δὲ τὸ προσκολλᾶσθαι τῷ θεῷ ἀγαθόν ἐστιν. – „Aber das ist meine Freude, dass ich mich zu Gott halte.“ Zum entsprechenden Gebrauch in den Hymnen vgl. Zerfass, Mysterium mirabile, 269. 22   Das ewige Licht als Teil der himmlischen Freuden findet sich auch in ob. Theod. 32.39. Zur Lichtmetaphorik bei Ambrosius vgl. Morgan, The Imagery of Light in St. Ambrose’s Theology. 23  Vgl. ep. 51,4 (15): Et haec omnia iam dudum quidem sibi comperta, sed nunc facie ad faciem manifestata videns dicit. – „Und all das hat er zwar schon vor langer Zeit erfahren, doch erst jetzt spricht er davon, nachdem er es von Angesicht zu Angesicht sieht.“ Die bei Ambrosius häufig anzutreffende Formulierung facie ad faciem nimmt 1 Kor 13,12 (πρόσωπον πρὸς πρόσωπον) bzw. Dtn 34,10 (πρόσωπον κατὰ πρόσωπον) auf. Die vollkommene cognitio Dei und damit die Erkenntnis der göttlichen Dinge ist bei ihm stets Teil der vollkommenen Seligkeit, vgl. das noch ausstehende Schicksal der Verstorbenen, die auf die Auferstehung warten in ep. 22,13 (35): Sed illa erit perfecta, quando resurgent omnes in incorruptione, honore, gloria, qui mereantur faciem dei videre. – „Aber

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dieser Jenseitsschilderung, die derjenigen für Theodosius ähnelt, ab und dem Leben des Acholius zu. 4.3 Raptus est nobis murus fidei – Klage und Lob (ep. 51,5) Ein gutes Beispiel für den von Menander empfohlenen Übergang vom Lob eines Verstorbenen zur daraus resultierenden Klage zeigt sich in ep. 51,5 (15), wo Ambrosius, ähnlich wie schon zu Beginn des Briefes, schreibt, er lasse die merita des Acholius vor dem geistigen Auge vorbeiziehen. Diese Vergegenwärtigung leitet Ambrosius dazu an, dem Vorbild nachzueifern, sodass er sich selbst vergisst.24 Mit dieser Metapher der Selbstvergessenheit beschreibt Ambrosius die Ablösung der Seele von der Welt durch die Überwindung ihrer Bedürfnisse und Leidenschaften. Dieses Vorbild, die merita des Bischofs, bildet den Übergang zur kurzen Klage: Itane ergo raptus est nobis murus fidei, gratiae et sanctitatis [. . .]?25 Ambrosius hält sich jedoch nicht lang mit einer emotionalen Klage auf, sondern entfaltet in den folgenden Kapiteln eine Lobesrede über Acholius, die diesen als „Glaubensmauer“, genauer als Mauer gegen die belagernden Barbaren, beschreibt. 4.4 Helisaei intus imitatorem degere – Acholius als neuer Elisa (ep. 51,5 – 9) Im Zentrum des Lobes steht die Rolle des Acholius bei der Abwehr der Goten. Angestoßen von den Wanderbewegungen der Hunnen drängten diese seit 376 in Thrakien über die Donau ins Reich. Zunächst sollten bestimmte Kontingente mit der Erlaubnis von Kaiser Valens den Fluss überqueren, doch verlor die römische Administration bald die Kontrolle über die einströmenden Massen. Aufgrund mehrerer Konflikte, u. a. infolge von Versorgungsengpässen und mehreren Korruptionsvorfällen römischer Beamter, kam es unter den gotischen Verbänden zu Unruhen und schließlich zu kriegsähnlichen Zuständen, die Valens 377 beseitigen wollte. Nach mehreren einzelnen Gefechten wurden die Römer 378 in der Schlacht von Adrianopel vernichtend geschlagen und Kaiser Valens kam zu Tode. Diese Schlacht sollte den Zerfall des Reiches einläuten.26 In Folge der Niederlage wurden die Balkanprovinzen Thrakien, diese (sc. die Annahme als Gotteskinder) wird vollkommen sein, wenn alle Menschen in der Unvergänglichkeit, in Ehre und Würde, die es verdienen, ‚Gottes Angesicht zu sehen‘ (Ex 33,20), auferstehen.“ Der Anblick des Antlitzes Gottes bildet auch die siebte und höchste Stufe der Seligkeit der Seele, vgl. deren Antizipation in bon. mort. 11,48. 24  Vgl. ep. 51,5 (15): Dum merita viri considero et quasi discedentem spiritu sequor et sanctorum choris deducentibus intermisceor [. . .], paene sum obitus mei. – „Während ich die Verdienste dieses Mannes betrachte, ihm im Weggehen gleichsam im Geiste folge und mich unter das Geleit der Chöre der Heiligen einreihe [. . .], da habe ich mich beinahe selbst vergessen.“ Das Vorbild des Acholius leitet folglich zur Ablösung der Seele von der Welt an. 25   Ep. 51,5 (15): „Ist also solch eine Mauer des Glaubens, der Herrlichkeit, der Heiligkeit uns genommen worden [. . .] ?“ 26  Vgl. Demandt, Geschichte der Spätantike, 94 – 99.

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Macedonien und Moesien südlich der Donau häufig Opfer von Plünderungen und Schauplatz kleinerer Schlachten. Diese Situation versuchte Gratian zu beenden, indem er Theodosius am 19. Januar 379 zum Augustus erhob und mit der Aufgabe betraute, als neuer Kaiser im Osten die Ordnung auf dem Balkan wiederherzustellen.27 Theodosius bezog im Frühjahr 379 Stellung in Thessaloniki, um von dort aus gegen gotische Truppen vorzugehen, die vor allem Macedonien und Thessalien durchzogen.28 Diese Angriffe meint Ambrosius, wenn er Acholius als „Mauer des Glaubens“ preist, die die feindlichen Truppen abgewehrt habe: (sc. murus) quem totiens ingruen­ tibus Gothorum catervis nequaquam tamen potuerunt barbarica penetrare tela, expugnare multarum gentium bellicus furor.29 Eine Belagerung Thessalonikis ist für das Jahr 379 belegt. Angesichts der vergeblichen Anstrengungen haben die Soldaten, so Ambrosius, die Niederlage eingestanden und in dem Hindernis ein Wirken Gottes erkannt. Ein imitator Helisai, gleich an Alter und an Geist beschütze die Stadt ganz ohne Waffengewalt.30 Die Parallelisierung des Acholius mit dem Propheten Elisa prägt die Lobrede im weiteren Verlauf, indem der Abwehr der Goten die biblische Erzählung vom Wunderwirken des Elisa angesichts der feindlichen Heere31 gegenübergestellt wird. Dabei übersteigen die Wunder des Acholius die des Propheten: Helisaeus quidem in Samariam captivas acies induxit Syrorum, sanctus autem Acholius precibus suis fecit, ut de partibus Macedoniae victores fugaret. [. . .] vibrabat spiritu et orationibus proelia­ batur quando in castris Syriae vox equitum et vox virtutis magnae audiebatur [. . .]. Nonne in Macedonia similia dominus per orationes sancti Acholi fecit mira aut prope maiora?32

Während das Wunder des Elisa in 2 Kön 7,6 f. darin besteht, dass das Lager der Aramäer durch Geräusche, als würden feindliche Truppen anstürmen, in Furcht versetzt wird, bricht durch die Gebete des Acholius unter den Truppen der Goten eine 27   Vgl. Theodrt. h. e. 5,5; Zos. h. n. 4,24,4. Vgl. dazu auch Leppin, Theodosius der Große, 42 – 44 und Demandt, Geschichte der Spätantike, 99. 28   Vgl. Joseph Roisman / Ian Worthington, A Companion to Ancient Macedonia. Blackwell Companions to the Ancient World, Oxford 2010, 551 und Robert M. Errington, Theodosius and the Goths, Chiron 26 (1996), 1 – 28. 29   Ep.  51,5  (15): „(sc.  eine Mauer) die trotz so vieler Angriffe der Gotenscharen durch die Geschosse der Barbaren nicht durchdrungen werden konnte, noch vom Kriegswahn vieler Völker eingenommen werden konnte.“ 30  Vgl. ep. 51,5 (15): a prudentioribus intimabatur Helisaei intus imitatorem degere, aetate supparem, non imparem spiritu. – „von Schlaueren wurde berichtet, dass in der Stadt ein Nachahmer des Elisa lebe, gleich an Alter, nicht anders im Geiste.“ Die Nennung des spiritus spielt wohl auf die Übertragung des Geistes des Elia auf Elisa an, die die Quelle der Wundertätigkeit des Propheten darstellt, vgl. 2 Kön 2 und Sir 48,13 – 15. 31   Vgl. 2 Kön 6,18. 32   Ep. 51,6 f. (15): „Elisa führte freilich die gefangene Schar der Syrer nach Samaria (2 Kön 6,18), der heilige Acholius aber schaffte es durch seine Gebete, dass die Sieger sich aus den Regionen Macedoniens zurückzogen. [. . .] Er (sc. Elisa) war im Geiste in Bewegung und er kämpfte mit Gebeten, als im Lager der Syrer die Geräusche von Pferden und einer großen Truppe (2 Kön 7,6) zu hören waren [. . .] Hat nicht in Macedonien der Herr durch die Gebete des Acholius ähnliche Taten, ja fast noch größere vollbracht?“

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Seuche aus, die diese schließlich zum Abzug bewegt. Tatsächlich scheint erst diese Pest zu einer derartigen Schwächung der Goten geführt zu haben, dass Theodosius die belagerte Stadt befreien und die Stabilisierung der Region von Thessaloniki aus betreiben konnte.33 Die Parallelisierung des Acholius mit Elisa dient vor allem der Betonung der waffen- und gewaltlosen Abwehr der Feinde. Damit illustriert Ambrosius einerseits die Zeit vor der Ankunft der Unterstützungstruppen des Theodosius, andererseits aber entwickelt er darauf aufbauend das Konzept des episcopus otiosus:34 Urgebat et proeliabatur sanctus Acholius, non gladiis sed orationibus, non telis sed meritis. An incognitum nobis est dimicare sanctos, etiam cum ferientur? Nonne otiosus erat Helisaeus?35 Die besondere Macht der Heiligen, die Acholius und auch Elisa zukommt, liegt im otium, das nicht mit einem „Nichtstun“ bzw. einem Rückzug ins Private gleichzusetzen ist, wie es das klassische Konzept nahelegen würde,36 sondern die Verteidigung der Gemeinde durch den Bischof meint. Das otium erscheint so bei Ambrosius als innere Tätigkeit, das zum „Urbild des priesterlichen Wirkens“ wird.37 Durch Gebete38 und gute Taten kann darum der Mönchsbischof Acholius die Kluft zwischen vita activa und vita contemplativa überwinden und seine episkopalen Pflichten ange33   Die Nachricht von einer Pest findet sich nur im Brief des Ambrosius. Güldenpenning /  Ifland, Der Kaiser Theodosius der Große, 67 führen den Ausbruch dieser Pest auf die morastige Gegend in der Nähe des Flusses Axius und die Sümpfe, die sich vom strymonischen Golf im Nordosten Thessalonikis hinziehen, zurück. Vgl. auch Herwig Wolfram, Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts, München 31990, 138. 34   Zum Konzept des otium negotiosum vgl. Lizzi, Vescovi e strutture ecclesiastiche, 20 – 22. Lizzi weist darauf hin, dass Ambrosius dieses Konzept auch auf sich selbst anwendet, vgl. ep. 33 (49) an Sabinus: Numquam enim minus solus sum, quam cum solus esse videor, nec minus otiosus, quam cum otiosus. – „Denn niemals war ich weniger allein als zu der Zeit, da ich allein war, nie war ich weniger ruhig als zu der Zeit, da ich ruhig war.“ Aus der Einsamkeit des Lebens zieht der Bischof die Kraft, seine Kirche zu verteidigen. 35   Ep. 51,6 f. (15): „Der heilige Acholius drängte und bekämpfte sie, nicht mit Schwertern, sondern mit Gebeten, nicht mit Waffen, sondern mit guten Taten. Oder wissen wir nicht, dass die Heiligen auch kämpfen, wenn sie nichts tun. War nicht Elisa in der Ruhe?“ Vgl. auch ep. 51,8 (15): Quasi Helisaeus inter arma inter acies, dum vixit, versatus est meritis suis componens proelia. – „Wie Elisa war er, so lange er lebte, in Waffen und Schlacht, wobei er mit seinen Taten die Schlachten zu Ende brachte.“ 36   Cicero etwa sieht in dem otium in erster Linie die freiwillige Entfernung von den Staatsgeschäften und die daraus resultierende Freiheit für philosophische Studien. Ambrosius kritisiert ein solches „äußeres“ otium in virginit. 8,46 als nutzlos und leer (inane), vgl. Kirchner, Dem Göttlichen ganz nah, 211. 37  Vgl. Kirchner, Dem Göttlichen ganz nah, 195. Als Prototyp stellt sich Ambrosius Mose vor, off. 3,1,2: Ergo Moyses et in silentio loquebatur et in otio operabatur. – „Mose sprach nämlich auch in der Stille und wirkte in der Ruhe.“ 38   Teil der Pflichten nach der Ankunft des Theodosius waren wohl auch öffentliche Gebete für dessen antigotische Aktionen und möglicherweise eine Unterrichtung des Kaisers in Glaubensdingen. Von einer solchen Katechese, in der sich der Kaiser der Orthodoxie des Acholius versichert, berichtet Sozomenos, h. e. 7,4. Der Kirchenhistoriker kann diese Szene aber auch eingefügt haben, um die Autorität des Theodosius in Fragen des Glaubens zu bewahren, vgl. McLynn, Ambrose of Milan, 109.

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sichts der Bedrohung in besonderer Weise übernehmen.39 Ambrosius benutzt das Konzept des otium in besonderer Weise für die Abwendung von der Welt und der gleichzeitigen Ausrichtung auf und Annäherung an Gott, aus denen eine von Gott gegebene größere Wirkmacht auf Erden resultiert.40 Innerhalb dieser Wirksamkeit unterscheidet Ambrosius allerdings zwischen dem otium, das sich in der monastischen Lebensweise und dem klerikalen Kontext vollzieht. Dabei gesteht Ambrosius dem Priester und besonders dem Bischof einen höheren Rang zu, da mit diesem Amt auch die Formung anderer Gläubiger einhergeht.41 In Acholius aber sieht Ambro­sius die beiden Konzepte vereinigt: die Weltabgewandtheit des kontemplativen Mönchs und die aktiv gestaltende und durch die Öffnung für die Welt besonders bewährte Vorbildwirkung des Klerikers bzw. Bischofs. Sicherlich rechtfertigt Ambrosius durch dieses Konzept auch sein eigenes Handeln, das zwischen pastoralen Aufgaben und kirchenpolitischen Herausforderungen oszillierte. Die Überhöhung des Wirkens des Bischofs erinnert an die Aufforderung an Gratian, mit geistlichen Mitteln in die Schlacht zu ziehen: Progredere plane scuto fidei saeptus et gladium spiritus habens, progredere ad victoriam superioribus promissam temporibus et divinis oraculis profetatam.42 Der Schlachtenerfolg des Gratian gegen die Goten sei, so versichert Ambrosius 378 in de fide, unabhängig von der militärischen Tugend. Das Schild des Glaubens und das Schwert des Geistes sind die 39  Vgl. Lizzi, Vescovi e strutture ecclesiastiche, 21. Die besondere Verantwortung des Bischofs Acholius für seine Gemeinde und Stadt zeigt sich auch schon in seinem Festhalten am Leben um seiner Kirche willen, vgl. ep. 51,3 (15): remorari eum diutius in carne erat ecclesiae necessarium. – „Er musste länger im Fleisch bleiben um der Kirche willen.“ Ein weiteres Beispiel für den episcopus otiosus findet Lizzi im Brief an die Gemeinde von Vercellae, ep. extra coll. 14,66 (63). Der dort gelobte Bischof Eusebius habe, ebenso wie Acholius, die Tugenden der monasterii continentia und disciplina ecclesiae in sich vereinigt. 40  Vgl. Lizzi Testa, The Late Antique Bishop, 537: „By the end of the fourth Century, however, episcopal otium had become a kind of sublime meditation that guided the man who drew superior power from his contact with the divine.“ Ambrosius führt an anderer Stelle Elisa an, der durch das, aus der solitudo resultierenden, otium Wunder bewirkt, vgl. off. 3,1,6 f.: Conferimus hoc otium cum aliorum otio. Alii enim requiescendi causa abducere animum a negotiis solent et a conventu coetuque hominum subtrahere sese [. . .]. Eliseus autem in solitudine Iordanem transitu suo dividit ut pars defluat posterior, superior autem in fontem recurrat: aut in Carmelo resoluta difficultate generandi, inopina sterilem conceptione fecundat aut resuscitat mortuos [. . .]. Quando ergo iustus solus est qui cum Deo semper est? Quando solitarius est qui numquam separatur a Christo? – „Vergleichen wir diese Ruhe mit der Ruhe der anderen. Die einen lenken gewöhnlich ihren Geist von den Aufgaben ab, um sich auszuruhen, und sie entziehen sich Menschenansammlungen [. . .]. Elisa aber teilt aufgrund seiner Einsamkeit den Jordan durch sein Durchschreiten, sodass der untere Teil abfließt, der obere aber zur Quelle zurückfließt. Oder er verschaffte der unfruchtbaren Frau auf dem Karmel, nachdem er die Schranke des Zeugens weggenommen hatte, die Fruchtbarkeit [. . .]. Wann also ist der Gerechte allein, wenn Gott mit ihm ist? Wann ist einer einsam, wenn er niemals von Christus getrennt ist?“ 41   Vgl. dazu Kirchner, Dem Göttlichen ganz nah, 207 f. mit der Diskussion von vita activa und vita contemplative in ep. extra coll. 14,71 – 74 (63). 42   Fid. 2,16,136: „Schreite umgeben vom vollständigen Schutz des Glaubensschildes und mit dem Schwert des Geistes in der Hand voran! Schreite zum Sieg, der in früheren Zeiten verheißen wurde und von göttlichen Worten geweissagt wurde.“

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wahren Schlachtenhelfer, wie die Gebete und Verdienste des Acholius. Fünf Jahre später wendet Ambrosius das Konzept des göttlichen Beistandes im Krieg auf Acholius an und vermischt somit die politischen und klerikalen Aspekte. Der Priester bzw. Bischof wird somit zum politischen Akteur mit kaiserlichen Tugenden.43 Ambrosius sieht sich selbst in solch einer Tradition des agierenden Bischofs, der ein Gegenüber des Kaisers darstellt. Während die militärisch situierten Wunder des Elisa auf die merita des Acholius angewendet werden können, wechselt Ambrosius mit Blick auf den Tod des Acholius und seinen Nachfolger das Vorbild und stellt Acholius in Parallele zum Propheten Elia: Quasi Helias usque ad caelum elevatus est, non curru quidem igneo nec equis igneis, nisi forte illa non vidimus, nec in commotione aeris, sed in voluntate et placiditate dei nostri et sanctorum angelorum laetitia, qui ad se tantum virum transisse gratulabantur.44

Acholius sei wie der Prophet in den Himmel emporgehoben worden. Ambrosius vergleicht hier den Aufstieg des Elia in einem von Pferden gezogenen Feuerwagen mit dem Flug der Seele des Acholius, die in das himmlische Reich eintritt und, als Zeichen der Heiligkeit des Verstorbenen, von den Engeln begrüßt wird.45 Die Parallelisierung von Elia und Acholius ist das Ziel von Ambrosius’ Argumentation. Er braucht die Figur des Elia, um zur abschließenden, den Brief eigentlich bestimmenden Frage der Nachfolge zu kommen. Wie Elia seinen Nachfolger Elisa kennzeichnet, so habe Acholius Anysius als Erben bestimmt, indem er diesem, möglicherweise auf dem Sterbebett, die Bischofswürde anvertraut hat. 4.5 Discipulus imitatione – Die Nachfolge des Acholius (ep. 51,9 – 14) Die Hauptintention des Briefes an die Gemeinden Macedoniens liegt in der Beeinflussung der Nachfolgeregelung durch das autoritative Eingreifen des Ambrosius: Siquidem eodem momento, quo ille adhuc elevabatur, velut quodam melotidis suae dimisso amictu sanctum Anysium, discipulum suum, induit et sui vestivit infulis sacerdotii.46 Ambrosius kombiniert an dieser Stelle zwei Episoden aus der Elia-Erzählung: die Berufung des Elisa in 1 Kön 19,19, die durch eine Zeichenhandlung erfolgt, 43  Rita Lizzi, Vescovi e strutture ecclesiastiche, 25 spricht von „una sorta di osmosi fra attributi del vescovo e doti imperiali.“ 44   Ep. 51,8 (15): „Wie Elia wurde er in den Himmel erhoben, zwar nicht auf einem feurigen Wagen und nicht von feurigen Pferden (2 Kön 2,11), außer vielleicht wir sahen es nicht, noch in einer Luftbewegung, aber nach dem Willen und durch die Sanftheit unseres Gottes und durch die Freude der Engel, die jauchzen, dass ein so bedeutender Mann zu ihnen hinübergegangen ist.“ 45   Vgl. vorher die ministeria angelorum in ep. 51,2 (15) und die angelorum caterva, die die Seele des Theodosius ins himmlische Jerusalem begleitet, ob. Theod. 56. 46   Ep. 51,9 (15): „Denn in dem Moment, als er emporgehoben wurde, legte er gleichsam seinen Fellmantel ab und zog ihn dem Anysius, seinem Schüler, an und kleidete ihn mit den Gewändern des Priesters.“ Vgl. 1 Kön 19,19 und 2 Kön 2.

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indem Elia dem Nachfolger seinen Mantel, die μηλωτή, umlegt, und das Zurücklassen des Mantels bei der Himmelfahrt des Elia in 2 Kön 2, durch dessen Wunderkraft Elisa als rechtmäßiger Nachfolger Elias erkannt werden konnte.47 Die Wahl dieses Bildes, so interpretiert Josef Fellermayr, knüpft an den monastischen Hintergrund an, den Ambrosius dem Acholius bescheinigt. Auch Antonius habe nach den Worten der vita Antonii den Bischöfen Athanasius und Serapion eine μηλωτή hinterlassen und auf diese Weise eine „personale Repräsentation“ seiner selbst in den Nachfolgern erschaffen.48 Außerdem habe der Verstorbene dem Anysius die infulae sacerdotis überreicht. Der Plural infulae bezeichnet Wollbinden, die Opfertiere an der Stirn trugen, aber auch zur offiziellen Tracht von Vestalinnen und heidnischen Priestern gehörten.49 Ambrosius nutzt, obwohl er die infulae als Abzeichen staatlicher Ämter an bestimmten Stellen eher abwertend bezeichnet,50 dieses Bild hier in Bezug auf die bischöflichen Amtszeichen, die er auch als Teil der Tracht israelitischer Priester kennt.51 Beide Zeichen, der Prophetenmantel und die Amtsbinde, haben eine stark designatorische Wirkung, die Ambrosius auf Anysius angewendet wissen will. Eingeschaltet in die Frage nach der Nachfolge ist eine Bemerkung über das enge Verhältnis zwischen Ambrosius und Acholius. Mit emotionalen Worten schildert Ambrosius ein Aufeinandertreffen mit dem macedonischen Bischof, das er als „außergewöhnliches Band“ zwischen den beiden betont.52 Es ist nicht sicher festzustellen, wann und wo dieses Aufeinandertreffen stattfand. Wahrscheinlich machte Acholius auf dem Weg von Thessaloniki nach Rom 382 in Mailand Halt und traf auf den erkrankten Ambrosius. Alternativ ist es möglich, dass Ambrosius zur Zeit des Konzils in Rom erkrankte und im Hause seiner Schwester Marcellina gepflegt wurde. 47   Vgl. Otto Schilling, Amt und Nachfolge im Alten Testament und Qumran, in: Remigius Bäumer / Heimo Dolch (Hgg.), Volk Gottes. Zum Kirchenverständnis der katholischen, evangelischen und anglikanischen Theologie. Festgabe für Josef Höfer, Freiburg i. Br. 1967, 99 – 214, 209. Mit dem Begriff der μηλωτή / melotis bezeichnet Ambrosius häufiger den Mantel des Elia, vgl. exp. Ps. 36,58 und Iac. 1,8,38. Die Vulgata verwendet dagegen das Wort pallium. 48  Vgl. Fellermayr, Tradition und Sukzession, 316 f. 49  Vgl. Siebert, Art. Infula, 998. 50   Vgl. den Rückblick auf seine eigene Biographie, off. 1,1,4: Ego enim raptus de tribunalibus atque administrationis infulis ad sacerdotium, docere uos coepi quod ipse non didici. – „Denn ich wurde vom Richterstuhl und der Amtsbinde weggerissen hin zum Priesteramt, ich habe begonnen euch zu lehren, was ich selbst nicht gelernt habe.“ 51   Vgl. die Beschreibung der Priester vor Jericho (Jos 5,13) in fid. 5,10,127: Ita bellum inmane confecit tubae clangor et infula sacerdotis. – „So haben der Klang der Posaune und die Binden des Priesters den schrecklichen Krieg beigelegt.“ Zu weiteren Zitaten bei Kirchenvätern vgl. Fellermayr, Tradition und Sukzession, 319. Das Zusammenwachsen von infula und Priesteramt zeigt, so Fellermayr, die „zunehmende Einordnung der Bischöfe in das römische Beamtensystem.“ 52  Vgl. ep. 51,10 (15): Illud tamen speciale, quo devinctus sum beatae memoriae viro, qui tribuit mihi ut eum non ignorarem. Nam cum eo veniente ad Italiam aegritudine confectus tenerer, ut non possem occurrere, ipse ad me venit et visitavit. – „Aber dieses besondere Band, durch das ich in glücklicher Erinnerung mit dem Mann verbunden bin, der mir zuteilte, dass ich ihn wohl kannte. Denn als er nach Italien kam, lag ich in schwerer Krankheit. Ich konnte ihm nicht entgegengehen, er aber kam selbst zu mir zu Besuch.“

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Die Betonung des Bandes soll die Rolle des Ambrosius als Appellationsinstanz stärken; ebenso sollen die Zuneigung und die Einmütigkeit in Fragen der Lebensführung und des Glaubens53 der Empfehlung, die Ambrosius zugunsten des Acholius ausspricht, Gewicht geben. Er tritt als Sachwalter auf, der die im Verborgenen getroffene Entscheidung54 des Acholius nachträglich bestätigt, indem er implizit mitteilt, dass er bereits von Anysius’ merita und gratia aus dem Munde des Acholius selbst gehört habe. Ausgehend von einer kurzen Klage über den Verlust des Acholius hebt Ambrosius den Nachfolger als Wiedererscheinung, als kompensatorischen Ersatz des Verstorbenen hervor: Hunc nobis quis poterit repraesentare? Sed repraesentat dominus et se ipsum in discipulo repraesentat. Repraesentant iudicia vestra.55 Ein ähnliches Konzept wie im Falle der Söhne des Theodosius wird hier in Anschlag gebracht: die gottgewirkte, fortwirkende Existenz des Verstorbenen im Nachkommen bzw. Nachfolger.56 Damit ist in beiden Fällen die reale Gegenwart gemeint, die, so hat es Fellermayr gezeigt, mit dem Begriff des heres einhergeht. Verstärkt wird der Repräsentationsgedanke durch eine Parallelisierung von Acholius und Anysius, indem beiden die Verse aus dem Segen des Mose (Dtn 33,8) in den Mund gelegt werden. Die Schilderung der Kindheit des Acholius, die seine monastische Ausrichtung, seine Glaubensstärke und ‑arbeit in der Gemeinde lobt, wird durch die Mittelstellung in diesem Vergleich auch auf Anysius angewendet.57 Explizit kennzeichnet Ambrosius die hereditas des Anysius vor allem in ep. 52 (16): Tenemus ergo te, sanctae memoriae Acholi dudum discipulum, nunc successorem heredemque eius vel honoris vel gratiae.58 53  Vgl. ep. 51,10 (15): Quo gemitu mala istius saeculi et ea quae hic acciderent deploravimus, ita ut lacrimarum profluvio vestem infunderemus, dum salutatione exoptatissima, mutuo desiderio et expetito diu fruimur, adhaeremus amplexu. – „Mit welchem Klagen beweinten wir die Übel dieser Welt und das, was hier geschieht, sodass wir mit dem Fluss unserer Tränen die Kleidung benässten, während wir durch den lang gewünschten Besuch im gegenseitigen ersehnten Verlangen lange in einer Umarmung verharrten.“ 54  Vgl. ep. 51,9 (15): Nam quasi praescius successurum sibi, etsi promissis tegebat, tamen iudiciis designabat, adiutum se eius cura labore officio memorans, ut iam declarare consortem videretur [. . .]. – „Denn wie als wenn er vorher um seinen Nachfolger gewusst hätte, hat er doch mit Beurteilungen bestimmt, auch wenn er es ihm im Geheimen versprochen hat [. . .].“ 55   Ep. 51,11 (15): „Wer könnte aber uns diesen vergegenwärtigen? Der Herr vergegenwärtigt ihn und sich selbst vergegenwärtigt er durch seinen Schüler. Eure Urteile vergegenwärtigen ihn.“ Vgl. dazu auch ep. 52,1 (16). 56  Vgl. Fellermayr, Tradition und Sukzession, 323 mit Anmerkung 257r. Zum Konzept der repraesentatio in der Leichenrede für Theodosius vgl. ob. Theod. 36. 57  Vgl. ep. 51,11 – 13 (15). Die Anwendung auf Anysius wird explizit gemacht, ep. 51,13 (15): Non alias etiam eius discipulus imitatione [. . .]. – „Nicht anders (erg. tut es) sein Schüler in der Nach­ ahmung [. . .].“ 58   Ep. 52,1 (16): „Wir kennen dich, der du lange Zeit schon der Schüler des Acholius heiligen Andenkens warst, nun als Nachfolger und Erbe seiner Ehre und Gnade.“ Fellermayr, Tradition und Sukzession, 320 f. weist auf die Klimax der Titel hin, die von discipulus ausgehend, über successor mit haeres ihren Höhepunkt finden.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Das Konzept der hereditas fidei wird hier erstmals auf das Verhältnis von Bischof und Nachfolger angewendet.59 Honor, so argumentiert Josef Fellermayr überzeugend, steht hier nicht für die moralische Größe der Ehrerbietung. Wahrscheinlicher ist die Nähe zu der Bezeichnung der staatlichen Ehrenämter als honor. Anysius ist darum der Erbe des Bischofsamtes und der damit einhergehenden Ehrbezeugungen. Im Falle der gratia ist ebenso weniger eine mit der Person des Acholius einhergehende Beliebtheit gemeint, als vielmehr die Erwählung durch die Gnade Gottes.60 Auf dreifache Weise, durch die Zeichenhandlung der Mantelübergabe, durch die Bestellung als heres und durch die von Gott gewirkte repraesentatio, legitimiert Ambrosius die Sukzession des Anysius. 4.6 Briefschluss (ep. 51,14) Ambrosius beendet sein Schreiben mit einem Gebet zu Gott, in dem er um das Wohlergehen des Anysius bittet. Ambrosius nennt den Betreffenden nicht mit Namen, doch kann aus dem Fokus auf Anysius in Kapitel 13 darauf geschlossen werden, dass im Schlusskapitel für den Nachfolger gebetet wird. Während Ambrosius etwa im Falle des Valentinian II. und des Gratian für eine besonders schnelle Auferstehung betet,61 kann er aufgrund seiner Gewissheit über den Aufenthalt des heiligen Acholius am Throne Gottes auf einen solchen Wunsch verzichten und sich ganz auf die Hinterbliebenen, im Besonderen auf Anysius, konzentrieren. Diesen Schluss nutzt Ambrosius für eine kurze, implizite exhortatio der Anwesenden: Sit honorificus inter fratres suos. Sit in eo tauri species, ut ventilet corda inimicorum et sanctorum mentes demulceat et iudicium sacerdotum tuorum in eo sicut lilium floreat.62 Es ist eine Aufforderung an die Gemeinde, Anysius zu ehren. Ambrosius illustriert das zukünftige Amt des Anysius mit dem Bild des Stieres aus Dtn 33,17, das dort als Vergleich für Josephs Haus herangezogen wird.63 Während das Bild des alttestamentlichen Zitats vor allem das Wirken des Bischofs nach außen, nämlich die heidnischen Völker abzuwehren, veranschaulicht, wendet sich Ambrosius mit den folgenden Aspekten den innerlichen Zuständen der Kirche in Thessaloniki zu: er möge als priesterliche 59

  Vgl. a. a. O., 326.  Vgl. Fellermayr, Tradition und Sukzession, 321 f. mit Hinweis auf Cyprian, der ebenso die Formulierung des sacerdotii honos (ep. 69,3) bzw. des episcopi honos (ep. 33,1) kennt. 61  Vgl. ob. Val. 80: Te quaeso, summe Deus, ut carissimos iuvenes matura resurrectione suscites et resuscites. – „Ich bitte dich, höchster Gott, dass du diese geliebten Jünglinge in einer frühen Auferstehung erweckst und auferweckst.“ 62   Ep. 51,14 (15): „Möge er geehrt sein unter seinen Brüdern. In ihm sei das Bild des Stiers (Dtn 33,17), sodass er die Herzen der Feinde beunruhigt und die Geister der Heiligen schmeichelt und das Urteil deiner Priester in ihm blühe ‚wie eine Lilie‘ (Hld 2,1).“ 63   Diese Anspielung findet sich auch in off. 2,6,85: Honorificus inter fratres: primitivus tauri decus eius [. . .]; in ipsius cornua gentes ventilabit simul usque ad extremum terrae. – „‚Geehrt ist er unter seinen Brüdern. Er hat die Schönheit des erstgeborenen Stiers [. . .]. Mit seinen Hörnern wird er die Völker stoßen bis zum Ende der Erde‘ (Dtn 33,17).“ 60

VII. Der Trostbrief zum Tod des Bischofs Acholius

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Gestalt Fürbitte einlegen, indem er die enge Verbindung mit Acholius in Anschlag bringt, und die einhellige positive Meinung der Priester auf sich vereinigen. Diese Forderung, die Ambrosius somit auch an die anwesenden Priester der Gemeinde richtet, betrifft möglicherweise die innerkirchliche Situation: Die Urteile der Priester sollen in Anysius blühen „wie Lilien“64. Eine Durchsicht der Werke des Ambrosius zeigt, dass der Bischof mit dem Bild der Lilie zwischen den Dornen, mit der in Hld 2,2 die Braut verglichen wird, stets die Kirche meint, die unter Bedrohungen leidet. Diese Bedrohung benennt Ambrosius in der Auslegung von Ps 118 konkret als Feinde der Kirche: Juden, Heiden und Häresien.65 Im Kontext von ep. 51 (15) spricht einiges dafür, dass Ambrosius mit der Erwähnung sicut lilium die spinae mitdenkt, doch spielt er nicht auf äußere Feinde, sondern auf innere Gegner an: auf Stimmen in der Gemeinde, die die Legitimation des Anysius in Frage stellen. Dieser letzte Gedanke des Briefes zeigt erneut die pragmatische Ausrichtung dieses Trostbriefes, die auf eine einheitsstiftende, den Rat des Ambrosius festigende Wirkung abzielt. 4.7 Die Antwort an Anysius (ep. 52) Im Brief 52 (16) richtet sich Ambrosius direkt an Anysius und breitet die angesprochenen Themen noch weiter aus. Gleich zu Beginn betont er, dass ihm die merita des Anysius wohl bekannt seien. Er sei, so Ambrosius, der unbestrittene Nachfolger, an dessen Autorität niemals Zweifel aufgekommen sei. Offensichtlich bemüht sich Ambrosius hier, jegliche Unsicherheiten bezüglich der Legitimität der Nachfolge des Anysius auszuräumen, indem dieser als Repräsentation des Verstorbenen erscheint: Quaeritur in te Acholius, et sicut erat in affectu tuo, ita in officiis desideratur illius virtutis, illius disciplinae effigies, illius fortitudo animi in tam senili corpore.66 In den Kapiteln 2 bis 4 widmet sich Ambrosius dem Lob des Acholius auf ähnliche Weise wie auch im Brief an die Gemeinde: Er gibt einen kurzen Abriss seiner Biographie, in der die Freiheit der Seele des Acholius, die sich zu Lebzeiten vom Körper nicht beeinflussen ließ, gelobt wird: Vidi ita illum esse in corpore ut extra corpus putarem. Vidi imaginem illius qui se sive in corpore sive extra corpus nesciens raptum ad paradisum viderat.67 Die monastische Weltabgewandtheit, die in ep. 51,11 (15) 64

  Vgl. Hld 2,2: Ως κρίνον ἐν μέσῳ ἀκανθῶν [. . .]. – „Wie eine Lilie unter den Dornen [. . .].“   Vgl. etwa exp. Ps. 118,5,7: Hanc viam ambulans ecclesia dicit: ego flos campi et lilium convallium, sicut lilium in medio spinarum. [. . .] Sed hoc lilium in medio spinarum, hoc inter Iudaeos et haereticos, hoc inter sollicitudines istius saeculi, quae mentem hominis animumque conpungunt. – „Diesen Weg beschreitet die Kirche und spricht: ‚Ich bin die Blüte des Feldes und die Lilie im Tal, wie eine Lilie unter den Dornen‘ (vgl. Hld 2,1 f.) [. . .]. Aber diese Lilie ist inmitten der Dornen, sie ist zwischen Juden und Häretikern, sie ist inmitten der Bedrängnisse dieser Welt, die Geist und Seele des Menschen stechen.“ 66   Ep. 52,1 (16): „In dir sucht man Acholius, und wie er in deiner Zuneigung war, so wünscht man sich in deinen Pflichten ein Abbild seiner Tugend, seiner Sitte und die Geisteskraft, die in dem so alten Körper wohnte.“ 67   Ep. 52,2 (16): „Ich sah ihn in solcher Weise im Körper, dass ich dachte, er sei außerhalb seines Körpers. Ich sah sein Abbild, der sich selbst sah, wie er zum Paradies enthoben wurde, ohne dass er 65

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

mit den Worten des Mosesegen aus Dtn 33,8 f. ausgeschmückt wurden, wird hier durch das ähnliche Zitat aus Mt 12,48 dargestellt. Wie Jesus weder Brüder noch Mutter kennt, sondern nur die, die das Wort Gottes hören, so kennt Acholius keine eigene Familie, sondern nur seine Gemeinde.68 Die wahre Familie zeigt sich auch hier als die Gemeinde des Bischofs. Es folgt – hier ohne die Parallelisierung mit Elisa – das Konzept des episcopus otiosus: Est enim sanctorum etiam somnus operarius secundum quod scriptum est: Ego dormio et cor meum vigilat.69 Der Schlaf der Heiligen wird, anders als zuvor, vor allem paränetisch gebraucht. Ambrosius stellt ihn als Freiheit von körperlichen Begierden und geistiger Verwirrung dar sowie positiv gewendet als Ruhe der Seele, die zur Einheit mit Christus führen soll. Diesem Schlaf, den auch Acholius geschlafen habe, solle sich Anysius angleichen, er solle zum illius discplinae effigies werden und der Weisheit des Alters folgen. Der Antwortbrief des Ambrosius an Anysius entspricht der gattungsspezifischen exhortatio, die der Trauernde vom tröstenden Verfasser zugesprochen bekommt. Ambrosius wendet den Blick nach vorn und gibt dem jungen Nachfolger Anweisungen. Gleichzeitig bemüht er sich erneut um die Bestätigung der Amtsnachfolge. So wünscht er sich in ep. 52,6 (16) den Segen Gottes für die Nachfolge und die Bewahrung des Friedens zwischen Anysius und dem Volk: Huius igitur successorem te dominus non solum honore, sed etiam moribus probet et summa fundare dignetur gratia, ut ad te quoque populi concurrant [. . .] et sit pax inter te et populum, et testamentum pacis custodias.70 Möglicherweise wendet sich Ambrosius mit diesem Wunsch, den er an Anysius richtet, implizit auch an die Gemeinde – es ist davon auszugehen, dass ein solcher Brief ebenfalls als Empfehlungsschreiben des Mailänder Bischofs vor der Gemeinde verlesen wurde – und ruft zum Schluss zu Harmonie und Frieden auf.

wusste, ob er in seinem Körper war oder außerhalb.“ Ambrosius nutzt hier das Bild der Entrückung ins Paradies, von der Paulus in 2 Kor 12,2 – 4 berichtet. In Verbindung damit steht auch das Schiff, das geistige Schätze bringt (ep. 52,3 [16]: illa navis aurum secum intelligibile vehens, vgl. 2 Chron 9,21). „Der Ausdruck intelligibile erinnert an den mundus intelligibilis“ der platonischen Philosophie, so Zelzer, Die Briefe des Ambrosius an die Kirche von Thessaloniki, 237. 68  Vgl. ep. 52,3 (16): Non novi patrem vel matrem vel fratres, nisi eos qui audiunt verbum dei et faciunt. – „Ich kenne nicht Vater, noch Mutter oder Brüder außer die, die das Wort Gottes hören und danach handeln.“ 69   Ep. 52,4 (16): „Denn auch der Schlaf der Heiligen ist wirksam, wie geschrieben steht: ‚Ich schlafe und mein Herz ist wach‘ (Hld 5,2).“ 70   Ep. 52,6 (16): „Möge Gott darum dich als seinen Nachfolger nicht nur mit Ehre, sondern auch mit dem rechten Lebenswandel segnen und möge er dich für würdig halten, in der Höchsten Gnade zu gründen, damit auch die Völker zu dir strömen [. . .]. Und Friede sei zwischen dir und dem Volk, und du sollst den Bund des Friedens bewahren.“

VII. Der Trostbrief zum Tod des Bischofs Acholius

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5. Zusammenfassung Die Trostwirkung des Briefes 51 (15) steht, trotz seiner Einordnung als Kondolenzschreiben, nicht im Vordergrund. Die Argumente entsprechen den Gattungsforderungen des Trostbriefes, stellen aber nicht das Zentrum der Argumentation dar, da Acholius als Heiliger und damit schon jetzt die himmlischen Freuden Genießender dargestellt wird. Ambrosius wendet sich außerdem nicht an eine Trauergemeinde, die einen emotionalen Schock verarbeiten muss, sondern vorrangig an religiöse Experten, Priester und Bischöfe, bei denen die philosophischen Argumente der consolatio nicht als notwendig anzusehen sind. Es ist bezeichnend, dass Ambrosius in beiden Briefen epp. 51 (15) und 52 (16) nur zurückhaltend Motive der Trauer einsetzt. Die Klage geschieht fast vollständig auf indirekte Weise, indem Ambrosius aus der langen Lobrede der Schluss zieht, dass der Verlust einer solchen „Glaubensmauer“ die Hinterbliebenen als bedauernswerte Menschen zurücklässt.71 Der Grund dafür ist einerseits die Briefsituation: Auch wenn sich der Brief 51 (15) nicht an eine Privatperson, sondern an den versammelten Klerus richtet, ist dennoch eine öffentliche Klage im Brief generell ungewöhnlich. Vielmehr steht regelmäßig die συμπάθεια im Vordergrund, die sich im Brief an die Bischöfe insofern zeigt, als sich Ambrosius stets zu der Gruppe der Hinterbliebenen zählt, sich also selbst zum Mittrauernden und Betroffenen macht. Diese συμπάθεια hat aber in diesem Falle die viel weiter reichende Bedeutung, dass Ambrosius von den macedonischen Bischöfen, und im Einzelnen von Anysius, als Appellationsinstanz angerufen wurde. Er betont mehrfach, wie eng sein Verhältnis zu Acholius gewesen sei, und wie detailliert er über die merita des Acholius und des Anysius informiert sei, was seiner Bestätigung der Entscheidung des Verstorbenen höheres Gewicht verleiht. In der historischen Situa­ tion musste Ambrosius daran gelegen sein, in der östlichen Provinz einen loyalen Bischof auf dem Stuhl zu wissen, der die Kontinuität der weiteren kirchenpolitischen Arbeit gewährleisten konnte. Nicht zuletzt stellt Ambrosius das Konzept episcopus otiosus vor, der für alle Bischöfe und Priester ein Vorbild sein soll.72 Das Briefpaar kann darum auch in die Absicht des Ambrosius eingeordnet werden, einen von ihm geprägten Episkopatsstil zu etablieren,73 wie er es vor allem in Italien versucht hat. Einen Modellbischof, der asketisch lebt und aus dieser Kraft heraus für seine 71  Vgl. ep. 51,11 (15): Discessit igitur a nobis et nos in hoc reliquit salo. Sed quod illi utile, id multis ipso barbarico furore est gravius, quia illum iste depellebat [. . .]. – „Er ging also von uns und hat uns in diesem Meer zurückgelassen. Aber was für ihn nützlich ist, ist für viele schlimmer als der Angriff der Barbaren selbst, weil dieser jenen abwehrte.“ 72  Vgl. Lizzi, Vescovi e strutture ecclesiastiche, 25. 73   Ambrosius wollte, wohl auch aufgrund seiner vornehmen Herkunft, die Bischöfe vor allem Norditaliens, die weitestgehend kurialen Hintergrund hatten, Vorbild und Lehrer sein. Beispiel für eine solche „Ausbildung“ von Bischöfen nach seinem Plan könnte das Werk de officiis sein. Vgl. dazu Brown, Der Schatz im Himmel, 209. Ein weiteres Beispiel für eine erfolgreiche Intervention ist die Einsetzung des Gaudentius von Brescia um 395, vgl. dazu Lizzi, Vescovi e strutture ecclesiastiche, 97 – 109.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Gemeinde sorgt, stellte Ambrosius auch der Gemeinde von Vercelli vor Augen, in der es im Jahr 396 zu einer lang andauernden Vakanz des Bischofsstuhls kam. In den dortigen Streitigkeiten um die Nachfolge intervenierte er mit einem langen Schreiben und empfahl einen Kandidaten, der das monastische Profil vertrat.74 Anders als in ep. 51 (15), in dem Ambrosius auf seine enge Beziehung mit Acholius und dessen Heiligkeit pocht, ruft er in ep. extra coll. 14 (63) die Freundschaft von Eusebius von Vercelli (283 – 371) und Dionysius von Mailand (um 300 – nach 351) der Gemeinde, vor der der Brief wohl ebenfalls verlesen worden ist, als gemeinsame Basis der Argumentation und als Legitimation seiner Empfehlung in Erinnerung.75 Auch in Vercelli hat wohl der Brief des Ambrosius zum Erfolg seines Favoriten, der sich gegen einen reichen Kandidaten durchsetzen konnte, geführt. Dass das Verfahren der außerordentlichen Weitergabe des Amtes auch in Macedonien Erfolg hatte, lässt sich durch mehrere Briefe nachweisen, die Anysius als Bischof von Thessaloniki erhalten hat.76 Schließlich rückt der Autor des Briefes selbst in den Vordergrund. Die Lobeshymnen über den Glauben, die virtus und die Taten angesichts politischer Bedrohungen, die Ambrosius über Acholius verfasst, fallen auf den Mailänder Bischof zurück, der sich selbst als episcopus otiosus darstellt und somit seine politischen Aktionen in seiner kirchlichen Laufbahn legitimiert. Nicht zuletzt aus diesem Grund hat wohl der Brief seine Stellung im Korpus gefunden.

74  Vgl. ep. extra coll. 14 (63). Zur Situation in Vercelli vgl. auch Dassmann, Ambrosius von Mailand, 260. 75  Vgl. ep. extra coll. 14,68 – 70 (63), besonders 70: Itaque ut Eusebius sanctus prior levavit vexillum confessionis, ita beatus Dionysius in exilii locis propiore martyribus titulo vitam exhalavit. – „Darum, wie der heilige Euseb zuerst die Standarte des Bekenntnisses aufgerichtet hat, so hat der selige Dionysius im Exil sein Leben ausgehaucht und einen höheren Titel erworben.“ 76   Vgl. die Korrespondenz mit dem römischen Bischof Siricius, Siric. ep. 4. Vgl. dazu auch Dunn, Innocent I and Anysius of Thessalonica, 124 – 148.

VIII. Der Trostbrief an Faustinus: Epistula 8 (39) 1. Einleitung Der zweite Trostbrief im Briefkorpus des Ambrosius ist anderer Natur als der panegyrische Brief zum Tod des Acholius. Nur wenig erfährt der Leser in ep. 8 (39) über die Verstorbene, die Schwester des Adressaten Faustinus. Die Aussage des Ambrosius, ihre Kinder seien nun allein zurückgelassen, lässt vermuten, dass die wohl aus dem Adelsstand stammende femina egregia eine Witwe war. Wie in den anderen Traktaten und Briefen hat Ambrosius aber auch hier alle konkreten Angaben vor der Veröffentlichung getilgt. Eine Erwähnung in ep. 38 (55) an den Priester Eusebius könnte Licht in das Dunkel der familiären Hintergründe bringen.1 Möglicherweise ist der dort genannte Faustinus, Sohn des Eusebius und Vater dreier Kinder mit Namen Ambrosia, Ambrosius und Faustinus, der gleichnamige Rezipient und trauernde Bruder aus Bologna. Diese Kinder scheinen unter der Obhut des Ambro­ sius in Mailand ausgebildet worden zu sein. Ambrosius stand also in engem Verhältnis zu der Familie. Schließlich ist zu bemerken, dass Ambrosius in ep. 8,3 (39) die zerstörten Städte in Gallia Cisalpina erwähnt, die im November 394 von starken Erdbeben getroffen worden sind. Der Brief kann darum nicht vor diesem Zeitpunkt entstanden sein.2

1

 Ambr. ep. 38,1 (55): Faustinus uterque tibi redditus est, nobis utrumque Ambrosium pignus resedit. Ipse habes quod primum in patre et quod iucundissimum est in filio minore, quia et virtutis apicem tenes et humilitatis exhibes gratiam, nos quod medium inter patrem et iuniorem filium. – „Die beiden Faustinusse sind dir wiedergebracht, die beiden Ambrosiusse bleiben uns anvertraut. Du selbst hast, was im Vater am wichtigsten ist und was im jüngsten Sohn am erfreulichsten ist, da du die höchste Tugend behältst und die Gnade der Demut zeigst. Ich habe dafür das Mittlere zwischen Vater und jüngstem Sohn.“ Vgl. McLynn, Ambrose of Milan, 66. Auf Bologna weist die Nennung der Stadt in ep. 8,4 (39) (de Bononiensi veniens) hin. Nach William Smith / Henry Wace, A Dictionary of Christian Biography, Literature, Sects and Doctrines. Bd. 2, Boston 1880, 379 handelt es sich bei dem Vater Euseb nicht um den Bischof von Bologna. 2   Zu den Erdbeben in der Region vgl. ob. Theod. 1 und Marc. Com. chron. ad annum 394: Terrae motu a mense Septembrio in Novembrium continuo inminente aliquantae Europae regiones quassatae sunt. – „Durch ein Erdbeben, das durchgängig von September bis November drohte, wurden einige Regionen Europas erschüttert.“

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

2. Zielsetzung Ep. 8 (39) widmet sich ganz der Tröstung und Ermahnung des Faustinus, der in tiefe Trauer gestürzt seine Pflichten vernachlässigt und sich in die Einsamkeit zurückgezogen hat. Der Brief stellt vor allem in der ersten Hälfte (ep. 8,1 – 4) ein im Ton drängendes, exhortatives Schreiben dar, das klassische Argumente der consolatio anklingen lässt. Dafür verwertet Ambrosius den Trostbrief fam. 4,5, den Sulpicius Severus 45 v. Chr. an seinen Freund Cicero schrieb, um diesen in der Trauer über den Tod seiner Tochter Tullia zu trösten und an seine Position und Pflichten als Staatsmann und Philosoph zu erinnern.3 Dieses berühmte Schreiben nimmt Ambro­sius zum Vorbild, bringt Zitate daraus und spielt mehrmals darauf an. Schon die enge Anlehnung an den Brief des Sulpicius muss Faustinus die Erwartungshaltung des Ambrosius aufgezeigt haben, da sicherlich auch die Antwort des Ciceros dem Rezipienten im Ohr klingen musste: Me autem non oratio tua solum et societas paene aegritudinis, sed etiam auctoritas consolatur; turpe enim esse existimo me non ita ferre casum meum, ut tu, tali sapientia praeditus, ferendum putas.4 Wie Sulpicius wendet sich Ambrosius als Freund an einen Freund und ruft diesem in Erinnerung, was er selbst wissen sollte, was aber durch allzu starke Emotionen verdeckt ist. Während dies im Fall der Vorlage die Erkenntnis der condicio humana und die allgemeine Vergänglichkeit ist, kann Ambrosius auf das darüber weit hinausgehende Argument hinweisen, auf das er im zweiten Teil des Briefes, ep. 8,5 – 8 (39), eingeht: den erlösenden Tod Christi.

3. Inhalt und Argumentation 3.1  Exhortatio (ep. 8,1 – 4) Nach einer äußerst kurz gehaltenen Mitleidsbekundung kommt Ambrosius auf das problematische Verhalten des Faustinus zu sprechen: Acerbo te doliturum dolore ob­itum germanae tuae non ignorabam; non tamen ut a nobis te ablegares, sed ut nobis te redderes.5 Faustinus hat sich in tiefer Trauer von seinen Ämtern und Pflichten ent3  Zu fam. 4,5 vgl. David R. Shackleton Bailey, Cicero, Marcus Tullius. Epistulae ad familiares, Cambridge Classical Texts and Commentaries 22, Cambridge 1980; Kassel, Untersuchungen zur griechischen und römischen Konsolationsliteratur, 98 – 103; Wilcox, Sympathetic Rivals, 246 – 249 und Schwitter, Der tröstende Freund, 380 – 383. 4  Cic. fam. 4,6: „Nicht nur deine Rede und gleichsame Gemeinsamkeit im Leid, sondern auch dein Rat haben mich getröstet. Ich glaube nämlich, dass es sich nicht gehört, dass ich mein Schicksal nicht so ertrage, wie du glaubst, dass man es tragen sollte, der du doch mit solcher Weisheit gesegnet bist.“ 5   Ep. 8,1 (39): „Wohl wusste ich, dass du in bitterem Schmerz über den Tod deiner Schwester Schmerz empfindest. Dennoch solltest du dich nicht von uns absondern, sondern dich uns zurückgeben.“

VIII. Der Trostbrief an Faustinus

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fernt und in die Einsamkeit geflüchtet. Ambrosius wählt für die Beschreibung der solitudo hier die Worte des Vergil aus Ekloge 10, in der er die Trauer des Protagonisten Gallus angesichts der Untreue seiner Geliebten Lycoris thematisiert.6 Dieses Beispiel ist nicht willkürlich gewählt: Gallus wünscht sich, so die Hintergrundgeschichte in Ekloge 10, ebenso den Rückzug in die Einsamkeit des Hirtenlebens, schlagartig kommt er aber zur Besinnung und erkennt in dem Wunsch bloßen Wahnsinn, der seine Trauer nicht beenden kann. Mit der Anspielung charakterisiert Ambrosius die Trauer des Faustinus als unverhältnismäßig und betont seine Hoffnung auf einen Gesinnungswechsel wie den des Gallus. Der Bischof appelliert an die Verantwortung des Freundes, die dieser den Kindern der verstorbenen Schwester als offensichtlich engster Verwandter schuldig ist. Es klingt hier die Mahnung des Sulpicius an Cicero an, dieser solle zu seiner normalen Geisteshaltung zurückkehren, da Tullia von dem Verhalten ihres Vaters enttäuscht wäre.7 Die Schwester des Faustinus habe sich im Tode darauf verlassen, dass ihr Bruder die Rolle als parens, praesul und auxiliator übernehme. Wie bei Acholius und Anysius bzw. Theodosius und seinen Söhnen zieht Ambrosius hier das Konzept der repraesentatio heran. Faustinus stelle die Gegenwart der Schwester dar und werde somit zum Trost für die Kinder. Dabei erweitert Ambrosius den Wirkungsradius, indem er mit et nos sich selbst und stellvertretend noch andere Gruppen miteinbezieht.8 Dass Ambrosius an dieser Stelle darauf verzichtet, die Bemerkung des Sulpicius zum sensus der toten Tullia aufzunehmen und eine direkte Aufforderung der Schwester an Faustinus aus dem Jenseits zu referieren, liegt daran, dass der Bischof sich vorstellt, dass sie im Grabe verweilt. Sie gehört seiner Theologie nach nicht zu der Gruppe der Heiligen, die bereits im Himmelreich am Throne Gottes stehen und, wie Theodosius9, auf irdische Geschehnisse einwirken können. Dennoch sei übermäßige Trauer unangebracht. Ambrosius selbst gibt in exc. Sat. 2,13 eine

6  Vgl. ep. 8,1 (39): Tu autem abiisti in secreta montium, et inter ferarum diversaris spelaea. – „Du aber hast dich in die Abgeschiedenheit der Berge zurückgezogen und ‚in der Umgebung von Höhlen des Wildes‘ hast du dich aufgehalten.“ Vgl. dazu Verg. Ecl. 10,53: certum est in silvis, inter spelaea ferarum / malle pati tenerisque meos incidere amores / arboribus. Zur 10. Ekloge vgl. Wendell Clausen, A Commentary on Virgil, Eclogues, Oxford u. a. 1994, 288 – 311. 7   Vgl. Cic. fam. 4,5,6: quod si qui etiam inferis sensus est [. . .], hoc certe illa te facere non vult. – „Und wenn die Toten noch eine Art von Bewusstsein haben [. . .], hätte sie nicht gewollt, dass du so handelst.“ 8   Ep. 8,2 (39): Illa certe vita excedens, hoc se mulcebat solatio, quod te sibi superstitem derelinqueret, parentem nepotibus, praesulem parvulis, auxiliatorem destitutis: tu ita te et nepotibus et nobis abnegas. – „Jene aber bestärkte sich im Tod mit dem Trost, dass sie dich als Verwandten zurücklässt, als Vater für die Neffen, als Beschützer der Kleinen und als Unterstützer. Du verweigerst dich so aber den Neffen und uns.“ Auch Cicero wird von Sulpicius dazu aufgerufen, an seine Mitmenschen zu denken, die er in seiner Trauer im Stich lässt, vgl. fam. 4,5,6. 9  Vgl. ob. Theod. 16: speramus, quod liberis suis apud Christum praesul adsistat. – „Wir hoffen, dass er seinen Kindern bei Christus als Fürsprecher steht, wenn der Herr menschlichen Angelegenheiten gnädig ist.“ Siehe dazu unter B.V.5.6.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Anleitung zur richtigen Trauer, die geprägt ist von pietas, pudor und der verantwortungsvollen Sorge um die Pflichten, die die Verstorbenen hinterlassen.10 Auf den exhortativen Teil folgt das erste Trostargument. Faustinus dürfe nicht darüber klagen, dass seine Schwester so plötzlich und früh verstorben sei, da der Tod allen Menschen, ja allen Dingen bevorstehe. Als untermauerndes Beispiel dient ihm der Brief des Sulpicius und dessen Illustration der allgemeinen Vergänglichkeit durch die zerstörten Städte Ägina, Megara, Piräus und Korinth. Wie stark die literarische Abhängigkeit ist, soll die folgende Gegenüberstellung der Texte zeigen: Cic. fam. 4,5,4

Ambr. ep. 8,3 (39)

Ex Asia rediens cum ab Aegina Megaram versus navigarem, coepi regiones circumcirca prospicere. Post me erat Aegina, ante me Megara, dextra Piraeus, sinistra Corinthus, quae oppida quodam tempore florentissima fuerunt, nunc prostrata et diruta ante oculos iacent. coepi egomet me cum sic cogitare: ‚hem! nos homunculi indignamur si quis nostrum interiit aut occisus est, quorum vita brevior esse debet, cum uno loco tot oppidum cadavera proiecta iacent?‘ [. . .] In unius mulierculae animula si iactura facta est, tanto opere commoveris?11

Nempe de Bononiensi veniens urbe a tergo Claternam, ipsam Bononiam, Mutinam, Rhegium derelinquebas, in dextera erat Brixillum, a fronte occurrebat Placentia, veterem nobilitatem ipso adhuc nomine sonans, ad laevam Apennini inculta miseratus, et florentissimorum quondam populorum castella considerabas, atque affectu relegebas dolenti. Tot igitur semirutarum urbium cadavera, terrarumque sub eodem conspectu exposita funera non te admonent unius, sanctae licet et admirabilis feminae, decessionem consolabiliorem habendam, praesertim cum illa in perpetuum prostrata ac diruta sint [. . .]?12

10  Vgl. exc. Sat. 2,13: Satis pie virum luget, quae servat pudorem, non deserit fidem. Haec bene defunctis officia penduntur, ut vivant in mentibus, in adfectibus perseverent. – „Diejenige Frau betrauert ihren Mann auf ausreichende Weise fromm, die ihre Keuschheit bewahrt und die Treue nicht vergisst. Die Pflichten werden den Verstorbenen gegenüber voll erfüllt, sodass sie im Geiste weiterleben und im Herzen fortdauern.“ 11  Cic. fam. 4,5,4: „Aus Asien kommend, als ich von Aegina nach Megara reiste, habe ich begonnen, die umliegenden Gegenden zu betrachten. Aegina war hinter mir, vor mir Megara, auf der rechten Seite war Piraeus, auf der linken Seite Korinth; diese alle, die einst blühendste Städte waren, liegen nun niedergestreckt und zerstört da. Ich begann bei mir Folgendes zu bedenken: ‚Ach, wir Menschen beschweren uns, wenn einer von uns gestorben oder getötet worden ist, dessen Leben doch kürzer sein muss, wenn schon an einem Ort so viele Städte wie Leichen ausgestreckt daliegen? [. . .] Kannst du dich davon so sehr erschüttern lassen, wenn der Verlust der kleinen Seele eines einzigen Mädchens geschah?“ 12   Ep. 8,3 (39): „Von Bologna kommend hattest du neulich Claterna im Rücken; Bologna, Mutina und Reggio hast du hinter dir gelassen, auf der rechten Seite war Brescello, vor dir kam Piacenza in den Blick, das noch immer die alte Würde im Namen verkündet, auf der linken Seite sahst du voller Mitleid die wüsten Gegenden des Apennin und die einst von blühendsten Völkern besiedelten Dörfer und mit schmerzlichem Gemüt hast du sie erneut an deinem inneren Auge vorbeiziehen lassen. Sind dir nicht die vielen Trümmer halbverfallener Städte und durch denselben Anblick die ausgestreckten Leichen der Länder eine Ermahnung, dass der Weggang einer einzigen Frau – auch wenn sie eine heilige und ganz bewundernswerte Frau war – als tröstlich geachtet werden muss, da ja jene Städte für immer niedergestreckt und zerstört daliegen [. . .]?“

VIII. Der Trostbrief an Faustinus

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Ambrosius wiederholt den Gedanken des Sulpicius, dass angesichts des Verfalls der Welt der Tod einer einzigen Frau, sei sie noch so heilig und bewundernswert, relativiert würde. Sowohl Tullia als auch die Schwester des Faustinus unterlägen der condicio humana, besondere Trauer angesichts des Einzelschicksals sei darum irrational. Sulpicius verdeckt sein Argument in einem Selbstgespräch, in dem er sich nicht direkt an Cicero richtet. Dadurch bleibt ein Gespräch auf Augenhöhe gewahrt. Allenfalls entsteht eine Art Wettstreit zwischen den beiden: Sulpicius fordert Cicero heraus, seinem eigenen Trost angesichts des Verfalls der Welt nachzueifern.13 Anders verhält es sich mit Ambrosius, der die Anekdote der Reise Faustinus in der direkten Ansprache in Erinnerung ruft. Auch wenn es für Faustinus eine Ehre sein muss, mit Cicero parallelisiert zu werden, muss ihm doch die gegenüber dem consolator untergeordnete Rolle des consolandus attestiert werden. Sulpicius fährt mit dem Hinweis auf das erfüllte Leben der Tullia fort, das an das Leben Ciceros gebunden war. Außerdem sei der Tod die Rettung vor größeren Übeln. Mit diesem klassischen Argument spielt Sulpicius auf die Lage Roms unter Caesar an, der sich bereits 46 v. Chr. zum Diktator für vorerst zehn Jahre ausrufen ließ.14 Ambrosius kann hier weiter gehen, indem er nicht nur auf das Leben der Schwester zurückblickt, sondern auf das ewige Leben vorausschaut. Wo die traditionelle consolatio den Trauernden mit der Einsicht in die allgemeine vanitas zurücklässt, beginnt der Trost der christlichen: Tot igitur semirutarum urbium cadavera, terrarumque sub eodem conspectu exposita funera non te admonent unius, sanctae licet et admirabilis feminae, decessionem consolabiliorem habendam, praesertim cum illa in perpetuum prostrata ac diruta sint: haec autem ad tempus quidem erepta nobis, meliorem illic vitam exigat.15

Der hoffnungslose Tod in der heidnischen Philosophie klingt hier an, da in deren Vorstellung die Toten nicht in den Genuss des ewigen Lebens kommen. Dagegen erinnert Ambrosius an die Auferstehung und das „bessere Leben“ (meliorem illic vitam) bei Gott. Adäquate Reaktionen Faustinus’ auf den Tod seiner Schwester sind darum nicht Trauer, Tränen und der Blick auf ihren frühen Tod, sondern orationes und oblationes, um ihre Seele Gott anzuvertrauen.16 13

  Vgl. dazu die Analyse des Briefes von Wilcox, Sympathetic Rivals, 246 – 248.   Zur Situation der Römischen Republik im Jahr 46 v. Chr. vgl. Klaus Bringmann, Geschichte der römischen Republik. Von den Anfängen bis Augustus, München 2002, 353 – 375. 15   Ep. 8,3 (39): „Sind dir nicht die vielen Trümmer halbverfallener Städte und die unter dem gleichen Blick die ausgestreckten Leichen der Länder eine Ermahnung, dass der Weggang einer einzigen Frau – auch wenn sie eine heilige und ganz bewundernswerte Frau war – als tröstlich geachtet werden muss, da ja jene für immer niedergestreckt und zerstört daliegen, sie aber, die uns zwar eine Weile genommen ist, dort das bessere Leben erwartet?“ 16  Vgl. ep. 8,4 (39): Itaque non tam deplorandam, quam prosequendam orationibus reor: nec moestificandam lacrimis tuis, sed magis oblationibus animam eius Domino commendandam arbitror. – „Deshalb glaube ich, solltest du sie nicht so sehr beweinen, als vielmehr Gebete darbringen. Ihre Seele darf nicht durch deine Tränen traurig gemacht werden, sondern sie muss, so meine ich, eher mit Opfern dem Herrn anvertraut werden.“ Ähnliches verspricht er selbst im Falle der Brüder Valentinian II. und 14

340

B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Die Verbindung der beiden Begriffe entstammt dem eucharistischen Kontext17 und weist darauf hin, dass Ambrosius hier die Erwähnung der Schwester im Rahmen der gottesdienstlichen Fürbittgebete vor der Konsekration fordert, von denen er in de sacramentis schreibt.18 Faustinus müsse dieser geistlichen Pflicht nachkommen, da Ambrosius ihn, wie jeden Getauften, als aktiven Teilnehmer am eucharistischen Geschehen ansieht und ihm eine priesterliche Funktion zumisst, die im Gebet und der Fürbitte besteht.19 Vor dem Hintergrund der Hoffnung auf ein Fortleben bei Gott bekommt die condicio humana eine völlig neue Deutung. Sie besteht auch für die Christin und den Christen im unvermeidlichen Tod, doch bildet sie dadurch die notwendige Voraussetzung für das ewige Leben. 3.2  Consolatio (ep. 8,5 – 8) Mit diesem Gedanken der aus dem Weiterleben der Schwester resultierenden Verantwortung des Faustinus erfährt der Brief eine Zäsur, sein Duktus ändert sich: nicht mehr der Brief fam. 4,5 oder andere traditionelle Vorlagen, sondern biblische Zitate werden als Grundlage herangezogen. Gratian in ob. Val. 78: Beati ambo, si qui meae orationes valebunt! [. . .] omnibus vos (sc. Gratianum et Valentinianum) oblationibus frequentabo. Quis prohibebit innoxios nominare, quis vetabit commendationis prosecutione complecti? – „Selig mögen beide sein, wenn meine Gebete irgendwelche Kraft haben. [. . .] Mit allen meinen Opfern werde ich euch beide oft loben. Wer wird mich daran hindern, die Unschuldigen zu rühmen, wer wird mir verbieten, sie in fortwährender Fürbitte zu umfassen?“ Vgl. zu dieser Stelle auch Zimmerl-Panagl, Die Totenreden und Epistula 25 des Ambrosius, 193. 17  Mit oblatio bezeichnet Ambrosius die Opfergabe im eucharistischen Gebet, vgl. sacr. 4,21: Dicit sacerdos: Fac nobis, inquit, hanc oblationem scriptam, rationabilem, acceptabilem, quod est figura corporis et sanguinis domini nostri Iesu Christi. – „Der Priester spricht: ‚Mache für uns dieses Opfer zu einem geschriebenen, vernünftigen und wohlgefälligen, dass das Bild des Körpers und des Blutes unseres Herrn Jesus Christus ist‘.“ Die Wandlung wiederum wird als durch das Gebet gewirktes Ereignis bezeichnet, vgl. fid. 4,10,124: sacramenta [. . .], quae per sacrae orationis mysterium in carnem transfigurantur. – „die Sakramente [. . .], die durch das Geheimnis des heiligen Gebets verwandelt werden.“ Die Verbindung wird am Ende der sechsten Katechese deutlich, vgl. sacr. 5,30: Sanctitas vestra [. . .] elaboret tenere, quod accepit, ut sit oratio vestra accepta deo, et sit oblatio sicut hostia pura, et in vobis semper suum signaculum recognoscat. – „Eure Heiligkeit [. . .] soll sich anstrengen, an dem festzuhalten, was sie empfangen hat, damit euer Gebet Gott wohlgefällt und die Gabe wie ein reines Opfer sei und er stets sein Siegel in euch erkenne.“ 18  Vgl. sacr. 4,13: Nam reliqua omnia, quae dicuntur in superioribus, a sacerdote dicuntur: laus deo, defertur oratio, petitur pro populo, pro regibus, pro ceteris. – „Denn die restlichen Dinge, die vorher gesagt werden, werden vom Priester gesprochen: Gott wird Lob dargebracht, es wird ein Gebet gesprochen, man bittet für das Volk, für die Könige, für alle übrigen.“ Zum Fürbittgebet in Präfation bei Ambrosius vgl. Hun Sik Hwang, Die Eucharistielehre des Ambrosius von Mailand. Zum eucharistischen Hochgebet seiner Schriften De sacramentis und De mysteriis, Freiburg i. Br. 2013, 83 – 86 (online veröffentl. Dissertationsschrift; URN: urn:nbn:de:bsz:25-opus-92552; letzter Zugriff: 20. November 2020). 19  Vgl. sacr. 4,3: Populus ipse quid est nisi sacerdotalis? [. . .] unusquisque unguitur in sacerdotium, unguitur in regnum. – „Was ist das Volk selbst anderes als priesterlich? [. . .] Ein jeder ist gesalbt zum Priesteramt, ein jeder ist gesalbt zum Königtum.“ Vgl. dazu Edward J. Kilmartin / Robert J. Daly, The Eucharist in the West. History and Theology, Collegeville, MN. 1998, 18 – 20.

VIII. Der Trostbrief an Faustinus

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Es folgt eine dichte Argumentation, in der Ambrosius den Zusammenhang zwischen dem Tod und der gnadenvollen Schaffung der nova creatura in Christus darstellt. Mit paulinischen Gedanken charakterisiert Ambrosius die endliche Existenz des dem Tode unterworfenen Menschen als secundum carnem, einen Zustand, den Faustinus nicht ersehnen dürfe, wie er mit dem Zitat von 2 Kor 5,16 deutlich macht. Ambrosius nutzt den Begriff der caro in seinem Werk auf unterschiedliche Weise: Das „Fleisch“ kann im Sinne der paulinischen σάρξ für die Sünde stehen als „corrupt and prideful orientation of the mind“20. An dieser Stelle aber setzt er, wie auch an anderen Stellen, caro mit corpus gleich, wenn er auf die körperliche Existenz der Schwester in Parallelität zur Inkarnation Jesu hinweist.21 In der dichotomischen Vorstellung des Ambrosius ist der Mensch im eigentlichen Sinne die Seele, der Körper gehört dagegen nur zum Menschsein. Grundsätzlich gut geschaffen, ist der Mensch von Gott aber durch den Sündenfall bestraft und der Sterblichkeit unterworfen worden.22 Die Unterscheidung zwischen dem körperlichen, „empirischen Menschen“, der von den Fallstricken der Welt abgelenkt wird, und dem „wahren Menschen“23, der göttlichen Ursprungs ist, muss sich Faustinus mit der Erkenntnis vor Augen führen, dass nur der Tod der caro den Weg zur Vollkommenheit der Seele ebnet. Dieser Tod ist Voraussetzung für das ewige Leben, indem er dem Körper den transitus zur Auferstehung bietet und die Sünde beendet. Dabei bewertet Ambrosius die caro nicht negativ: Necesse est (sc. caro) occidat, ut resurget.24 Ambrosius vertritt keinen ontologischen Dualismus. Der Körper steht zwar in einer ethischen Bewertung weit hinter der Seele zurück, doch ist er im Urzustand nicht negativ. Darum liegt Ambrosius die Garantie am Herzen, dass Seele und Körper durch die leibliche Auferstehung auch im Leben nach dem Tod bzw. im Gericht Gottes eine Einheit bilden.25 20   Smith, Christian Grace and Pagan Virtue, 22. Zur Differenzierung von caro und corpus vgl. Is. 2,3: ubi autem caro pro homine nuncupatur, peccator exprimitur, ut est illud: ego autem carnalis sum, uenundatus sub peccato [. . .]. – „Wo aber Fleisch für ‚Mensch‘ gebraucht wird, drückt es den Sünder aus, wie jener Vers heißt: ‚Ich aber bin fleischlich, verkauft unter die Sünde [. . .]‘ (Röm 7,14).“ Vgl. auch exp. Luc. 8,49. 21   Zur Identität von caro und corpus vgl. etwa exam. 6,6,39: Corporalia enim omnia processu aetatis aut aegritudinis inaequalitate marcescunt. [. . .] Non igitur caro tu es. Quid enim est caro sine animae gubernaculo, mentis uigore? Caro hodie sumitur, cras deponitur. Caro temporalis, anima diuturna. – „Alles Körperliche verwelkt nämlich durch den Fortlauf des Alters oder durch das Übel einer Krankheit. [. . .] Du bist aber nicht nur Fleisch. Was ist denn das Fleisch ohne die Lenkung durch die Seele, ohne die Kraft des Geistes? Das Fleisch zieht man heute an, morgen legt man es wieder ab. Das Fleisch ist vergänglich, die Seele von Dauer.“ 22   Zur Bewertung des Körpers in der Anthropologie des Ambrosius vgl. auch Seibel, Fleisch und Geist beim heiligen Ambrosius, passim und Volp, Die Würde des Menschen, 220 – 227. 23   A. a. O., 221. 24   Ep. 8,5 (39): „Notwendigerweise muss es (sc. das Fleisch) sterben, damit es aufersteht.“ 25   Entsprechend kann Ambrosius den Körper auch loben, vgl. exam. 6,9,54. Die regelmäßige Betonung der wahren Menschwerdung Christi spricht außerdem für die zumindest neutrale Bewertung des Körpers als von Gott Geschaffenes und darum zur menschlichen Natur unabdingbar Zugehöriges. Vgl. dazu etwa die Kommentierung des zwölfjährigen Jesus im Tempel (Lk 2,41 – 50) in exp.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Als exemplum wird Christus herangezogen, der selbst als Mensch secundum carnem erkannt werden konnte. Er habe aber, so Ambrosius, durch den Tod die carnis exuviae abgelegt26 und könne nicht mehr specie hominis erkannt werden. Den alten, äußeren Menschen hat Christus am Kreuz zurückgelassen;27 ebenso soll auch Faustinus anerkennen, dass die irdische Hülle abzustreifen ist, damit der neue Mensch, die nova creatura, durch Christus entstehen kann. Der Weg zur Auferstehung des Menschen führt dabei durch den Tod Christi zur Erlösung. Um seinen Gedanken Autorität zu verleihen, spricht Ambrosius in enger Anlehnung an Paulus, indem er fast lückenlos Zitate einflicht: Iam pro omnibus mortuus erat, et omnes in illo mortui; sed ut per ipsum renovati, et vivificati spiritu, iam non sibi, sed Christo vivant. Unde et alibi ait idem Apostolus: Vivo autem iam non ego, vivit autem in me Christus.28 Basis der Argumentation ist die Menschwerdung Christi, in der Christus die gesamte Menschheit angenommen hat.29 Schon durch die Annahme des Fleisches, so behauptet Ambrosius, sei das menschliche Geschlecht geheiligt bzw. die Sünde überwunden, da Christi Sündlosigkeit auf alle Menschen übergeht. Diese Heiligung aber geschieht mit der Taufe auf den Tod Christi, die bei Ambrosius auch als mors Luc. 2,63: nec otiose inmemor suorum secundum carnem parentum, qui secundum carnem utique sapientia dei inplebatur et gratia, post triduum repperitur in templo [. . .]. – „Nicht umsonst vergisst er seine Eltern nach dem Fleische (d. h. menschlichen), der nach dem Fleische (d. h. als Mensch) durchaus von der Weisheit Gottes und der Gnade erfüllt ist, und lässt sich nach drei Tagen im Tempel wiederfinden [. . .].“ Vgl. Seibel, Fleisch und Geist beim heiligen Ambrosius, 36 – 39. 26   Vgl. die gängige Bezeichnung des Körpers als vestimenta in Is. 8,79. Ähnliche Bezeichnungen des Körpers als exuviae finden sich in ep. 3,5 (67): Studebat autem Moyses peccati vacuam repperire animam, ut exuvias erroris deponeret et nuda culpae sine ullo sui pudore discederet. – „Mose aber bemühte sich darum, eine von der Sünde reine Seele zu finden, damit er die fehlerhafte Hülle ablegen und frei von Schuld ohne irgendwelche Scham sterben konnte.“ Vgl auch die Inschrift für Satyrus, CIL 5.617 no. 5: Haec meriti merces, ut sacri sanguinis / umor finitimas penetrans adluat exuvias. – „Dies ist der Lohn für den Verdienst, dass das Nass des Blutes des Heiligen die benachbarte Hülle durchdringt und abwäscht.“ 27  Vgl. Iac. 1,5,18: Christus surgens a mortuis veterem hominem adfixum cruci reliquit, novum resuscitavit. – „Christus hat in seiner Auferstehung von den Toten den alten Menschen, der ans Kreuz geheftet worden war, zurückgelassen, den neuen hat er auferweckt.“ 28   Ep. 8,5 (39): „Er ist für alle gestorben und alle sind tot in ihm (2 Kor 5,14) – aber (erg. nur) damit die, die durch ihn erneuert und im Geiste belebt worden sind (Eph 4,23), nicht mehr für sich selbst, sondern für Christus leben (2 Kor 5,15). Deswegen sagt der Apostel auch andernorts: ‚Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir‘ (Gal 2,20).“ 29   Vgl. etwa exp. Ps. 118,10,14: nobis est natus Christus ex virgine; [. . .] nobis carnem suscepit, immo potius nos in illa carne suscepit [. . .]. – „Für uns ist Christus von der Jungfrau geboren worden; [. . .] für uns hat er das Fleisch angenommen, ja, vielmehr uns hat er in jenem Fleisch angenommen [. . .].“ Die Folge schildert Ambrosius aus dieser Annahme auch hier: lego [. . .] homines consepultos Christo et in Christo resuscitatos. – „Ich lese [. . .], dass die Menschen mit Christus begraben sind und in Christus wieder auferstehen.“ Die Geschlechtsgemeinschaft zwischen der caro hominis und der caro Christi wird häufig durch die Brautmetaphorik symbolisiert, vgl. exp. Luc. 3,24: bonus sponsus dominus Iesus; hic novo partu naturam initiavit, huic desponsata corruptelis carnis absolvitur. – „Unser Herr Jesus ist ein guter Bräutigam; er gab unserer Natur durch eine Neugeburt einen Anfang; sie wird, da sie ihm vermählt wurde, befreit von den verderblichen Einflüssen des Fleisches.“ Vgl. dazu auch Seibel, Fleisch und Geist beim heiligen Ambrosius, 153 – 161.

VIII. Der Trostbrief an Faustinus

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mystica erscheint. Ambrosius wendet hier die in den katechetischen Schriften dargestellte Tauflehre30 auf den leiblichen Tod an, der nach der Taufe, die auch similitudo mortis genannt werden kann, die Sichtbarmachung des mystischen Taufgeschehens bewirkt: Schon zu Lebzeiten nach der Taufe, dann aber vor allem durch die mors naturalis – „die Krönung und der Schlussstein dessen, was in der Taufe begonnen hat“31 – stirbt der sündige Mensch und der neue Mensch ersteht, wobei Christus Zielpunkt ist, auf den hin das Leben ausgerichtet wird.32 Als zweites exemplum der nova creatura zieht Ambrosius Paulus selbst heran, der besonders in seiner Entwicklung vom persecutor zum doctor gentium die Wirkung der Neuschaffung des Menschen in Christo illustriert: Meritoque qui ante cognoverat secundum carnem Christum, iam operationes eius invisibiliter agnoscens, iam non carnem eius, sed potentiam scrutans, qui ante persecutor discipulos hominis, et pedissequos carnis infestis odiis urgebat, postea doctor gentium factus, veneratores maiestatis eius ad praedicationem Evangelii instruere atque informare coeperat.33

Paulus habe Christus zunächst nur secundum carnem gekannt, so wie Faustinus seine Schwester zu sehen wünscht. Die Erkenntnis der wahren Existenz Christi, die die Wahrnehmung der Werke Christi34 umfasst, erlangte Paulus erst später. 30  Vgl. sacr. 2,23: Ut, quomodo Christus mortuus est, sic et tu mortem degustes, quomodo Christus mortuus est peccato et deo vivit, ita et tu superioribus inlecebris peccatorum mortuus sis per baptismatis sacramentum, et resurrexeris per gratiam Christi. Mors ergo est, sed non in mortis corporalis veritate, sed in similitudine. – „Wie Christus gestorben ist, so sollst auch du den Tod schmecken; wie Christus der Sünde gestorben ist und Gott lebt, so wirst auch du durch das Sakrament der Taufe den vorigen Verlockungen der Sünden gestorben sein, und du bist auferstanden durch die Gnade Christi. Es ist also ein Tod, aber nicht in der Wahrheit des körperlichen Todes, sondern in der Ähnlichkeit“. Vgl. auch sacr. 4,16: posteaquam consecratus es, nova creatura esse coepisti. – „Nachdem du konsekriert worden bist, bist du eine neue Kreatur.“ 31   Seibel, Fleisch und Geist beim heiligen Ambrosius, 168. Für die Zeit zwischen Taufe und Tod ergibt sich nach Ambrosius die christliche Haltung des Sterbens im Leben: die Bewährung des Christen in den Verlockungen der Welt, vgl. bon. mort. 3,9: Itaque docet et istam mortem in hac vita positis expetendam, ut mors Christi in corpore nostro eluceat, et illam beatam, qua conrumpitur exterior ut renovetur interior homo noster et terrestris domus nostra dissolvatur, ut habitaculum nobis caeleste reseretur. – „Darum lehrt er, dass wir, solange wir uns in diesem Leben befinden, auch diesen Tod suchen müssen, damit der Tod Christi in unserem Körper leuchtet und zwar jenen seligen Tod, durch den der äußere Mensch zerstört wurde, damit unser innerer Mensch erneuert werde, und damit unser irdisches Haus vernichtet werde, dass uns eine himmlische Wohnstatt eröffnet werde.“ 32  Vgl. ep. 31,16 (44): denique novissima hora venit dominus Iesus et pro nobis mortuus est, et omnes in illo mortui sumus, ut vivamus deo. Non ergo nos qui eramus vivimus, sed vivit Christus in nobis. – „Schließlich kam zur letzten Stunde der Herr Jesus und er starb für uns und alle sind wir in ihm gestorben, damit wir für Gott leben. Wir leben nämlich nicht mehr als solche, die wir waren, sondern Christus lebt in uns.“ 33   Ep. 8,6 (39): „Und verdientermaßen hat er, der zuvor Christus nach dem Fleisch erkannte, nun aber dessen unsichtbare Werke erkennt, nun nicht mehr dessen Fleisch, sondern dessen Macht sucht, der zuvor als Verfolger der Jünger des Menschen auch die Nachfolger seines Fleisches voller Hass bedrängt hat, später ein Lehrer der Heiden geworden ist, begonnen, die Verehrer dessen Herrlichkeit zur Predigt des Evangeliums hinzuleiten und zu bilden.“ 34  Vgl. ep. 8,6 (39): Iam operationes eius invisibiliter agnoscens, iam non carnem eius, sed potentiam scrutans. – „Nun aber erkennt er dessen Werke, ohne sie zu sehen, nun sucht er nicht mehr des-

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Möglicherweise denkt Ambrosius an die Entrückung des Paulus in den dritten Himmel, die der Apostel in 2 Kor 12,2 – 4 schildert. Unter anderem in de Isaac vel anima findet sich eine Anspielung auf die Entrückung, die der vorliegenden Stelle nahe steht: Nam ea insurgens de corpore ab omnibus fit remotior atque intra semet ipsam divinum illud si qua insequi possit scrutatur et quaerit. [. . .] talis erat Paulus, qui sciebat se raptum in paradisum, sed siue extra corpus raptum sive raptum in corpore nesciebat. adsurrexerat enim anima eius de corpore et se a visceribus et vinculis carnis abduxerat atque elevaverat [. . .]. anima ergo bona contemnit visibilia et sensibilia, [. . .] ascendit ad illa aeterna et invisibilia et plena miraculis puro sensu se piae mentis adtollens.35

Paulus wird damit auf vertiefte Weise zum exemplum seiner eigenen Lehre, d. h. zu einem weiteren Beispiel des Gesinnungswandels nach Gallus und Cicero. In der Schau Gottes in 2 Kor 12,2 – 4 stellt Paulus die vom irdischen Leben befreite Seele dar, die vor Gott steht. Auf die Situation des Briefes bezogen soll dies das Schicksal der durch den Tod von weltlichen Fesseln befreiten Seele der Schwester des Faustinus darstellen. Gleichzeitig aber wird Faustinus selbst zur Abkehr von den visibilia, der Existenz der Schwester secundum carnem, aufgerufen. Er solle auf die potentia Christi und die Botschaft des Evangeliums vertrauen, die Paulus in den Vordergrund stellt: die Neuschöpfung des Menschen in Christus (2 Kor 5,17). Die nova creatura stellt sich ein, wenn der Mensch als perfectus in Christus ist, d. h. wenn er die Unvollkommenheit des Fleisches36 hinter sich lässt und seine ratio an dem Bild des inkarnierten Christus, das dem Menschen erst die Vollkommenheit Gottes vor Augen stellt, ausrichtet, um so selbst wieder imago Dei zu werden. Dieses Vollkommenheitsstreben, das in der Taufe begonnen hat, erreicht sein Ziel durch die seesen Fleisch, sondern dessen Macht.“ Die Erkenntnis der für das Auge nicht fassbaren Dinge erinnert an die platonische Philosophie. Eine solche Erkenntnis ist die besondere Eigenschaft der vom Körper befreiten Seele, die Ambrosius im Anklang an die platonischen Philosophie postuliert, vgl. exc. Sat. 2,21: Scimus tamen, quod corpori supervivat, et ea iam depositis proprii sensus repagulis expedita libero cernat obtutu, quae ante sita in corpore non videbat. – „Wir wissen aber, dass sie (sc. die Seele) den Körper überlebt, und vom Riegel der eigenen Wahrnehmung befreit mit freiem Blick erkennt, was sie vorher, als sie im Körper eingeschlossen war, nicht sah.“ 35   Is. 4,11: „Denn die Seele, die sich vom Körper erhebt, entfernt sich weiter von allen Dingen und sucht in sich selbst jenes Göttliche und fragt, ob sie diesem folgen kann. [. . .] So war es mit Paulus, der wusste, dass er ins Paradies entrückt worden ist, aber nicht wusste, ob er außerhalb oder innerhalb seines Körpers entrückt worden ist. Seine Seele nämlich hatte sich vom Körper erhoben und hatte sich von den Eingeweiden und den fleischlichen Fesseln entfernt und war emporgestiegen [. . .]. Die Seele verachtet also die sichtbaren und sinnlichen Güter, [. . .] sie steigt zu den ewigen und unsichtbaren Gütern auf, die voller Wunder sind, wobei sie sich im reinen Sinn des frommen Geistes in die Höhe schwingt.“ Die Betonung der Seele als „innerer Mensch“ und die Superiorität des wahren Menschen, der sich vom Fleisch frei machen will, stellt Ambrosius am Beispiel des Paulus, der die Worte von Röm 7 spricht, auch in Is. 2,3 dar. 36  Vgl. ep. 8,6 (39): Quoniam qui caro est, imperfectus est. – „Denn wer Fleisch ist, ist unvollkommen.“ Die Unvollkommenheit des Fleisches wird mit Gen 6,3 erklärt (Non permanebit spiritus meus in istis hominibus, quoniam carnes sunt), insofern die Sünde den Geist Gottes aus dem Körper vertreiben könne.

VIII. Der Trostbrief an Faustinus

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lenbefreiende Wirkung des leiblichen Todes. Dem Menschen wird ein neues Leben geschenkt, das aber nicht aus seiner Natur entsteht, sondern allein der Gnade Gottes zu verdanken ist.37 Ambrosius macht schließlich nochmals den Trost des besseren Lebens nach dem Tod deutlich: Quid ergo est quod moereamus, si iam ad animam dicitur: Renovabitur sicut aquilae iuventus tua? Quid est quod ingemiscamus pro mortuis, cum iam reconciliatio mundi apud Deum Patrem facta sit per Dominum Iesum?38 Angesichts der Erneuerung aller Dinge in Christus ist Trauer nicht mehr angebracht. Die ­erneuerte Seele erwartet den endgültigen Aufstieg zu Gott, angedeutet durch den Flug des Adlers.39 Diese Erneuerung ist Ausdruck der allgemeinen Versöhnung der Welt mit Gott durch Christus. Nach diesem Argumentationsgang kehrt Ambrosius wieder in die Briefsituation zurück und adressiert Faustinus direkt. Nicht umsonst greift er dabei mehrmals auf den 2. Korintherbrief zurück: Ambrosius selbst nimmt die Position des Paulus als Botschafter an Christi Statt40 ein und ruft Faustinus auf, an der Versöhnungsgewissheit, den Christi beneficia, die das Sterben Jesu am Kreuz gewährt habe, festzuhalten: Ut noveris irrevocabilia eius esse dona, ut credas, quod semper credidisti: nec nimio moerore tuam in dubium adducas sententiam.41 Durch den Tod Christi wurde der leibliche Tod, den Gott nach dem Sündenfall als remedium eingesetzt hat, um der Sünde ein Ende zu setzen, ein endgültiges, vollkommenes Geschenk, das dem Christen ein „Mehr“ gegenüber der Urstandsgnade gewährt. Geschehen konnte dies erst, so präzisiert es Ambrosius nochmals, indem Jesus selbst zu Sünde gemacht wurde und er auf diese Weise die Sündenlast des Menschen abtrug, sodass dieser die Gerechtigkeit erlangen kann. 37   Ep. 8,6 (39): Sed si quis in Christo est, nova creatura est, non naturae novitate formatus, sed gratiae. – „Wenn einer in Christus ist, ist er eine neue Kreatur, wobei er nicht durch die Neuheit der Natur geformt ist, sondern durch die Neuheit der Gnade.“ Die Gotteskindschaft, die in der nova creatura erreicht wird, betont Ambrosius auch sonst als von der Gnade Gottes abhängig. Allein Christus ist der Sohn Gottes aufgrund der Natur, die adoptio der Menschheit bleibt der Freiheit Gottes überlassen, vgl. sacr. 6,1,1: Sicut verus est dei filius dominus noster Iesus Christus, non quem­ admodum homines per gratiam, sed quasi filius dei ex substantia patris [. . .]. – „Wie unser Herr Jesus Christus der wahre Sohn Gottes ist, nicht wie die Menschen durch die Gnade, sondern gleichsam Sohn Gottes aus der Substanz des Vaters [. . .].“ 38   Ep. 8,7 (39): „Was ist der Grund, dass wir trauern, wenn man schon zur Seele sagen kann: ‚Deine Jugend wird sich erneuern wie die des Adlers‘ (Ps 102,5)? Was ist der Grund, dass wir für die Toten klagen, da bereits die Versöhnung der Welt (Röm 11,15; 2 Kor 5,18) bei Gott durch den Herrn Jesus geschehen ist?“ 39   Diese Interpretation des Psalmverses bietet Ambrosius auch in exp. Luc.  8,55 und bon. mort. 5,16. 40  Vgl. ep. 8,8 (39): Quoniam ergo Christi beneficia tenemus, cum apud omnes, tum apud te pro Christo legatione fungimur. – „Darum halten wir die Wohltaten Christi fest, da wir bei allen, besonders aber bei dir an Christi Statt bei dir stehen.“ Vgl. dazu 2 Kor 5,20. 41   Ep. 8,8 (39): „Damit du weißt, dass seine Gaben unwiderruflich gelten, damit du glaubst, was du immer geglaubt hast, und nicht durch allzu tiefe Trauer deine Meinung in Zweifel ziehst.“ Zur incredulitas lugentium vgl. Moos, Consolatio. Band 3: Testimonienband, 190 – 196.

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B. Praktische Anwendungen der consolatio mortis

Der Todesfall der Schwester darf aus Ambrosius’ Sicht nicht dazu führen, dass Faustinus an der Verheißung und dem Erlösungswerk Christi zweifelt. Die Sorge, dass übermäßige Trauer zur Schwächung des Glaubens führe, mag eine Anspielung auf 1 Thess 4,13 sein: „Wir wollen euch aber, liebe Brüder, nicht im Ungewissen lassen über die, die entschlafen sind, damit ihr nicht traurig seid wie die andern, die keine Hoffnung haben.“ Dieser Gedanke, dass der Apostel selbst die Trauer verbietet, findet breite Rezeption in der christlichen Konsolationsliteratur. Auch Cyprian sieht in dem paulinischen Gedanken die Mahnung, keine übermäßige Trauer zu zeigen, die als Zeichen des mangelnden Glaubens ausgelegt werden könnte.42 In de bono mortis findet sich der Gedanke, dass die Todesfurcht Zeichen eines schlechten Gewissens sei: der Gerechte müsse sich keine Sorgen machen, er werde in den Hafen der Ruhe eingehen, allein den Schuldigen erwarte der Schiffbruch und die Strafe für seine Handlungen im Leben.43 Der Gerechte bzw. der Weise fürchte sich dagegen nicht vor dem Tod, sondern allein vor dem Verlust seiner Tugend. Diesen Weisen, wie ihn Ambrosius etwa in de Iacob darstellt,44 soll sich Faustinus zum Vorbild nehmen. Gleichzeitig kommt hier wieder die exhortatio des Sulpicius in den Blick: Denique noli te oblivisci Ciceronem esse et eum qui aliis consueris praecipere et dare consilium [. . .]. Fac aliquando intellegamus adversam quoque te aeque ferre posse neque id maius quam debeat tibi onus videri, ne ex omnibus virtutibus haec una tibi videatur deesse.45

Wie Cicero nicht die Grundlagen der philosophischen Trostliteratur vergessen darf und von Sulpicius zur Selbsttherapie aufgerufen wird, so wird Faustinus der Zusam42

  Vgl. Cypr. mort. 20 f.: cum sciamus [. . .] occasionem dandam non esse gentilibus, ut nos merito ac iure reprehendant, quod quos vivere apud deum dicimus ut extinctos et perditos lugeamus [. . .]. Inprobat denique apostolus paulus et obiurgat et culpat, si qui contristentur excessu suorum. – „Da wir wissen, [. . .] dass wir den Heiden keine Gelegenheit geben dürfen, dass sie uns zu Recht tadeln, dass wir die, von denen wir sagen, sie lebten bei Gott, wie ausgelöscht und verloren betrauern. [. . .] Schließlich missbilligt, mahnt und tadelt auch der Apostel Paulus, wenn jemand den Tod eines der Seinen betrauert.“ Vgl. auch Hieronymus, ep. 39,6,5. Auf ähnliche Weise ermahnt Basilius eine trauernde Mutter, vgl. ep. 6. 43  Vgl. bon. mort. 8,31: suae igitur unusquisque conscientiae vulnus accuset, non mortis acerbitatem, denique iustis mors quietis est portus, nocentibus naufragium putatur. – „Jeder soll also sein eigenes verwundetes Gewissen anklagen, nicht aber die Bitterkeit des Todes; Schließlich stellt der Tod für die Gerechten den Hafen der Ruhe dar, für die Schuldigen stellt er einen Schiffbruch dar.“ 44  Vgl. Iac. 1,8,38: Illam quoque formam iusti esse quis abnuat, ut nihil metuat, nihil reformidet nisi virtutis dispendia aliorumque vanas formidines comprimat, quas habeant de periculorum sollicitudine, mortis timore, corporis infirmitate, ut doceat dissolvi corpore et cum Christo esse multo melius. – „Wer könnte leugnen, dass dies das Bild des Gerechten ist: dass er nichts fürchtet, dass er vor nichts zurückschreckt außer vor dem Verlust der Tugend, und dass er die nichtigen Ängste von anderen, die sie aus Sorge um Gefahren, aus Angst vor dem Tod und wegen der Gebrechlichkeit des Körpers hegen, unterdrückt, sodass er uns lehrt, dass es viel besser ist, vom Körper gelöst zu werden und mit Christus zu sein.“ 45  Cic. fam. 4,5,5 f.: „Vergiss schließlich nicht, dass du Cicero bist und jemand, der gewöhnlich andere unterweist und ihnen Ratschläge gibt [. . .]. Lass uns einmal erkennen, dass auch du ein Unglück mit Gleichmut ertragen kannst und es dir nicht mehr, als es nötig ist, als Last erscheint, damit es nicht den Anschein hat, als fehle dir unter allen Tugenden genau diese eine.“

VIII. Der Trostbrief an Faustinus

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menhang zwischen dem Tod des Menschen und der Erlösung durch Christus in Erinnerung gerufen. Der Tod der Schwester wird dabei als endgültige Befreiung ihrer Seele von der Welt und vollkommene Existenz in Christus charakterisiert und in dieser Interpretation dem Bruder als Trost empfohlen. Ambrosius ruft aber gleichzeitig Faustinus selbst dazu auf, den Tod im Leben zu sterben, d. h. alle weltlichen Fallstricke, in diesem Fall die Trauer, von sich zu schieben. Das heißt allerdings nicht, dass Faustinus seine Pflichten vernachlässigen dürfe.

4. Zusammenfassung Der Brief ep. 8 (39) an Faustinus ist mehr als eine Ermahnung, die geschrieben ist, um den trauernden Faustinus über den Tod seiner Schwester hinwegzutrösten. Er ist eine Trostschrift, die auf zwei Säulen steht: auf dem Trostbrief des Sulpicius an Cicero fam. 4,5 und auf den Briefen des Paulus. Ambrosius stützt den allgemeinen Trost und die Ermahnung kunstvoll auf die erste Säule der, den klassischen Argumenten entsprechenden, condicio humana der allgemeinen Vergänglichkeit. Die Relativierung des natürlichen Todes durch das Heilswerk Christi stellt dagegen eine dichte, theologisch anspruchsvolle Argumentation dar, die auf verschiedenen paulinischen Zitaten beruht. Somit ist der Brief 8 (39) ein gutes Beispiel für die Weiterentwicklung der consolatio durch die christliche Tradition. Mag auch das ­Schreiben des Sulpicius Severus auf Cicero eine tröstende Wirkung gehabt haben, so ist doch deutlich, dass die traditionelle Konsolationsliteratur mit ihren Argumenten der allgemeinen Vergänglichkeit und der Zuspruch, dass zukünftige Übel nun nicht mehr zu erleiden seien und dass überhaupt die Welt ein jammervoller Ort sei, an Grenzen stößt. Erst die christliche Aussicht auf ein ewiges Leben, das durch den Tod Jesu Christi dem Menschen eröffnet worden sei, und damit die Aussicht auf eine selige Existenz im Paradies, die mehr vermag als diffuse Jenseitsvorstellungen paganer Autoren, kann die Trauer ernst nehmen und den Angehörigen adäquaten Trost bieten. Ambrosius nimmt an dieser Stelle eine Schlüsselrolle als christlicher Autor ein, der beide Argumentationsstränge beherrscht und zusammenführt. Er ist dabei mehr als ein Kompilator. Er ist ein authentischer, der pastoralen Herausforderung des Todes ins Auge blickender Seelsorger, der je nach Situation den Zuhörern im Glauben an den christlichen Gott Zuversicht bietet. Um mit den Worten des Kommentars von Tyrell und Purcer zu sprechen: „the language (sc. of Ambrose) may, perhaps, be inferior to that of Sulpicius, but the hope is higher.“46

46   Louis Claude Purser / Robert Yelverton Tyrrell, The Correspondence of M. Tullius Cicero. Arranged According to Its Chronological Or-der, With a Revision of the Text, a Commentary, and Introductory Essays on the Life of Cicero and the Style of His Letters, Dublin 1885, CX.

Teil C

Konturen einer Theologie des Trostes Der Mensch ist ein trostsuchendes Wesen. Trost ist etwas anderes als Hilfe – sie sucht auch das Tier; aber der Trost ist das merkwürdige Erlebnis, das zwar das Leiden bestehen lässt, aber sozusagen das Leiden am Leiden aufhebt, er betrifft nicht das Übel selbst, sondern dessen Reflex in der tiefsten Instanz der Seele. Georg Simmel, Fragmente und Aufsätze aus dem Nachlass, München 1923, 17

Mit diesen Worten beschreibt der Soziologe und Philosoph Georg Simmel den Trost. Simmels Differenzierung wird bei der Betrachtung des Trostes angesichts des Todes besonders deutlich. Es gibt kein Hilfsmittel gegen die Sterblichkeit. Der Tod ist als menschliche Grundkonstante das gewisse, unaufhaltsame und darum schmerzhafte Schlusskapitel des Lebens. Einzig das Denken über den Tod kann darum verändert werden und zum eigentlichen Trost werden. Der Tod ist allerdings auch ein verbindendes, kulturübergreifendes Phänomen, das in der Trauer und Hilflosigkeit die Gemeinschaft der Menschheitsfamilie eint. Und schließlich ist der kulturell-religiöse Umgang mit dem Tod das identitätsstiftende Merkmal von Gruppen. Die Anforderungen an einen Tröster sind darum von vielfältiger Natur. Mit Ambrosius von Mailand kam in der vorliegenden Studie ein solcher Tröster in den Blick, der angesichts dieser Herausforderungen verschiedene Rollen übernimmt: Bruder, geistiger Vater, Bischof, Redner, Seelsorger, Politiker. In alldem aber ist Ambrosius Theologe, der den Tod als Faktum ernstnimmt, ihn aber in seine Theologie eingliedert, indem er ihm verschiedene theologische Trostargumente entgegenstellt. Darum soll im Folgenden der abschließende Versuch unternommen werden, die tröstenden Ansprachen des Ambrosius in eine Theologie des Trostes zu integrieren.

I. Trost als allgemein anthropologisches Bedürfnis Es ist ein großes Geheimnis des Glaubens, dass der Tod des Körpers auch vor Christus nicht halt gemacht hat. [. . .] Ich muss sterben, er musste es nicht. [. . .] Was könnte also für uns größerer Trost sein, als dass auch Christus gemäß dem Fleisch gestorben ist? Ambrosius, exc. Sat. 1,4

Ambrosius von Mailand will in seinen Trostschriften die Trauer therapieren und Furcht vor dem Tod zerstreuen. Dabei reagiert er nicht nur auf den konkreten Todesfall, bei dem die akute Tröstung notwendig ist, sondern legt mit der Theorie

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C. Konturen einer Theologie des Trostes

des Todes die Grundlage für eine alltägliche Verinnerlichung des Todestrosts. Zum Trost gehört für Ambrosius zunächst auch die Akzeptanz der Trauer in gemäßigter Weise. Schmerz darf nicht unterdrückt werden, sondern muss im Sinne der Metriopathie kontrolliert werden. Der Trost als Lebenshaltung ist die Antwort auf die allgemeine Sterblichkeit, die condicio humana. Bei Ambrosius findet diese ihre Begründung in der Einordnung des Individuums in die Heils- bzw. Unheilsgeschichte infolge des Sündenfalls. Der im Anfang gut geschaffene Mensch hat im Paradies durch die Abwendung von Gott die imago Dei verloren. Folge davon ist nicht nur die allgemeine Sündhaftigkeit des Menschen, sondern auch der körperliche Tod. Die Seele, die nach Ambrosius’ Auffassung unsterblich ist, wird von diesem Ereignis nicht betroffen, ist aber wegen der Gemeinschaft mit dem Körper in ihrer Erkenntnis- und Handlungsfähigkeit korrumpiert. Das allgemeine Schicksal des Menschen im Tod und die Unsterblichkeit der Seele sind grundlegende Trostargumente der ambrosianischen Konsolationsschriften. Mit dem Beispiel der Vergänglichkeit der Natur und der Veränderungen im Kosmos zeigt Ambrosius tröstend auf, dass der Mensch dem Plan Gottes unterworfen ist. Ein Ankämpfen gegen diese göttliche Ordnung ist unzulässig. Hinter übermäßiger Trauer würde sich entsprechend der Wunsch nach einer Sonderbehandlung verbergen. Auch der Suizid fällt, wenn er nicht von Gott selbst als Martyrium angewiesen wird, unter die Kategorie des Verstoßes gegen die Sorge Gottes im Sinne einer Fahnenflucht. Der Tod bietet dem Trauernden daher vielmehr die Gelegenheit, Gott für die geschenkte Zeit des Lebens dankbar zu sein. Als besonderes Beispiel haben sich Trauernde die Menschwerdung Christi vor Augen zu führen, in der sich ihnen tröstlich zeigt, wie die Rückkehr in die Gottesebenbildlichkeit ermöglicht wird. Das Leben und Sterben Christi ersetzt die traditionellen exempla römischer Helden, wobei die Demütigung Christi in Inkarnation und Kreuzestod diese bei weitem übertrifft und als Vorbild für jeden Menschen zu gelten hat. Die Allgemeinheit des Todes vereint zudem die Menschen. Der consolator spricht die Trauernden an, um sie aus der Isolation der Trauer zu befreien und in die Gemeinde zu stellen. Verbunden ist damit der Aufruf zur tätigen Verantwortung in Form von Gebeten und Fürbitten. Schließlich erscheinen in der Argumentation des Ambrosius die menschliche Sündhaftigkeit und Sterblichkeit selbst als Trost, indem sie als Voraussetzung für die Erlösung und Auferstehung gelten. Niemand kann auferstehen, der nicht gestorben ist. In diesem Sinne kann Ambrosius den Tod auch als „glücklichen Fall“ (felix ruina) bezeichnen, der im Zentrum seiner Erlösungslehre steht.

II. Trost angesichts der soteriologischen Dimension des Todes

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II. Trost angesichts der soteriologischen Dimension des Todes Darum lehrt Paulus, dass wir, solange wir uns in diesem Leben befinden, auch diesen Tod suchen müssen, damit der Tod Christi in unserem Körper leuchtet, und zwar jenen seligen Tod, durch den der äußere Mensch zerstört wurde, damit unser innerer Mensch erneuert werde, und damit unser irdisches Haus vernichtet werde, dass uns eine himmlische Wohnstatt eröffnet werde. Ambrosius, bon. mort. 3,9

Ambrosius rezipiert im Rahmen der dichotomischen Anthropologie seiner Trostschriften die platonische Definition des Todes als Trennung von Seele und Körper auf soteriologische Weise. Grundlage dieses erlösenden Aspekts des Todes ist erstens die Charakterisierung der irdischen Existenz als leidvoller Zustand. Der Tod stellt die Flucht aus dieser Welt und somit das Ende des Leids dar. In Verbindung mit der hamartiologischen Deutung des Lebens wird der Tod für Ambrosius zudem zum Ende des eigenen Sündigens. Damit ist der Tod der Kategorie der Übel entnommen und gewinnt eine befreiende Funktion. Zwar ist der Tod nicht von Gott geschaffen, jedoch von ihm zugelassen, um die Folgen des Sündenfalls, nämlich die Bestrafung des Menschen, zu beenden. Andernfalls, so Ambrosius, litte der Mensch unter der endlosen Folge der Sünde. Angesichts dieser Umdeutung des Todes zur gnadenhaften Zulassung Gottes als finis und remedium kann Ambrosius den Tod ein Gut nennen, das nach den Anstrengungen und Widrigkeiten des Lebens erholsame Ruhe (requies) spendet. Etwaige Strafen, die den Menschen nach dem Tod erwarten, sind Konsequenzen der Lebensführung und können daher nicht dem Tod angelastet werden. Im zweiten Schritt deutet Ambrosius den Tod als Befreiung der Seele vom Körper, was zu einer Rückkehr der Seele in den von Gott bestimmten Zustand führt. Die höheren Funktionen der Seele können sich erst entfalten, wenn diese nicht mehr durch irdische Einflüsse und körperliche Neigungen korrumpiert werden. Somit kann Ambrosius den Tod des Körpers als Grundlage der vollkommenen Existenz in Christus bezeichnen, die in Selbstvergessenheit und Ausrichtung auf Christus besteht. Die Innovation der ambrosianischen Trostargumentation liegt aber vor allem in der Erweiterung des Todesbegriffs. Ambrosius postuliert drei Gattungen des Todes: den natürlichen Tod des Körpers, den Tod der Seele durch die Sünde in Form der Abwendung von Gott und den mystischen bzw. geistlichen Tod als Sterben hinsichtlich der Welt und radikale Konzentration auf Christus durch die Taufe. Der Tod der Seele ist darunter das einzige Übel und kann nur im Sinne einer Negativfolie als Trost eingesetzt werden, indem Ambrosius den Gläubigen die Höllenstrafen, vor allem in Form der Gottesferne als Antwort auf die im Leben selbstgewählte Hinwendung zur Sünde, vor Augen führt. Ambrosius schildert in seinen Trostschriften neben der Behandlung des natürlichen Todes vor allem den mystischen Tod. Indem sich der Mensch von den irdischen Affekten frei macht und somit den Tod

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C. Konturen einer Theologie des Trostes

als Trennung von Körper und Seele innerhalb der irdischen Existenz einübt, kann der natürliche Tod relativiert und schließlich als erstrebenswert angesehen werden. Das philosophische Konzept der Einübung des Todes im Leben modifiziert Ambro­ sius, indem er die rein theoretische Betrachtung des Todes durch die tatsächliche Veränderung der Lebensform nach dem Vorbild Christi und Paulus’ ergänzt. Der mystische Tod ist nach Ambrosius in der Taufe verwirklicht, die Christus mit seinem Tod in ihrer ­sündenvergebenden Funktion geschaffen hat. Infolge des geistlichen Todes durch das Sakrament der Taufe sieht Ambrosius die Korruption der Seele durch den Körper als beendet an, sodass unter der Voraussetzung der perseverantia, also der beharrlichen Existenz in der Taufgnade in Form eines tugendhaften Lebens, die Vereinigung mit Gott vorbereitet ist. In der Taufe wird der Gläubige durch das umfassende Erlösungswerk Christi aus der Sündhaftigkeit enthoben und zur neuen Kreatur, für die der körperliche Tod nur noch die abschließende Vereinigung mit Gott darstellt. Durch die imitatio des Todes im Leben nach der Taufe kann der Gläubige allerdings diese Vereinigung antizipieren. Besonderen Trost spendet Ambrosius angesichts des Todes vor der Taufe zumindest einmal in seinem Werk durch das Konzept der Begierdentaufe. Er nimmt im Falle des vor dem Erhalt der Taufe verstorbenen Valentinian II. an, dass die sakramentale Taufe durch den Glauben, sola fide, ersetzt werden kann. Mag dieses Konzept auch eine Ausnahme sein, spricht es dennoch für die hohe Bedeutung, die Ambro­sius dem Glauben in seiner rechtfertigenden Wirkung zuspricht.

III. Trost im Tod als eschatologischer Übergang Die Tränen sollen also aufhören; den von Gott gegebenen Heilmitteln muss man gehorchen, weil es doch zwischen Gläubigen und Ungläubigen einen Unterschied geben muss. Diejenigen sollen weinen, die keine Hoffnung auf Auferstehung haben können [. . .]. Uns aber, für die der Tod nicht das Ende der Natur, sondern nur dieses Lebens ist, für die aber diese Natur ins Bessere verwandelt wird, – uns soll das Schicksal des Todes die Tränen trocknen. Ambrosius, exc. Sat. 1,70

Das Zentrum aller ambrosianischen Trostschriften ist die christliche Botschaft von der Auferstehung und dem ewigen Leben. Ambrosius entwickelt eine große Bandbreite an Bildern und Implikationen der Eschatologie, die den Gläubigen angesichts des jeweiligen Trauerfalls trösten. Zunächst liegt der Trost in der Erkenntnis, dass der körperliche Tod keine Beendigung des menschlichen Wesens, sondern einen Übergang in die jenseitige Welt darstellt. Dieser Gedanke, der der Annihilationsvorstellung philosophischer Schulen entgegenwirkt, baut auf der Anthropologie des Ambrosius auf, nach der der Mensch als ein dichotomisches Wesen aus einem sterblichen Körper und einer unsterblichen Seele angesehen wird. Im Tod verlässt die Seele den Körper und steigt in die jenseitigen Räume auf. Ambrosius nimmt für

III. Trost im Tod als eschatologischer Übergang

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den Großteil der Seelen der Gläubigen einen Warteaufenhalt im Paradies an, in dem jeder individuellen Seele der vorläufige Lohn oder die vorläufige Strafe erteilt wird. Damit stellt Ambrosius den gerechten Ausgleich des je gelebten Lebens in Aussicht. Der Trost korreliert in diesem Bereich stets mit der Lebensführung der Toten. Auf diese Weise kann Ambrosius panegyrische Elemente als Grundlage seiner eschatologischen Ausblicke nutzen und in ihrer konsolatorischen Wirkung entfalten. Innerhalb der Jenseitsschilderungen zeigt sich eine auf die jeweilige Situation abzielende Gestaltung der jenseitigen Orte. Tröstend wirkt hier neben der Hoffnung auf die paradiesischen Freuden auch die Möglichkeit der Weiterentwicklung der Seele, etwa im Falle Valentinians II., der post mortem in das Geheimnis der Eucharistie eingeführt wird, und der Aufstieg auf den Stufen der Paradiesesfreuden. Den im Grab wartenden Körper verliert Ambrosius in seinen Trostschriften keineswegs aus dem Blick. Die Auferstehung des Körpers beweist Ambrosius durch eine komplexe Argumentationsstruktur, um die von der heidnischen Umwelt abgelehnte eschatologische Wiedervereinigung von Seele und Körper als plausibles und das philosophische Konzept der Seelenwanderung übersteigendes Phänomen darzustellen. Höhepunkt des Trosts in eschatologischer Hinsicht ist das Postulat der Heiligkeit des Verstorbenen, die Ambrosius in wenigen ausgewählten Fällen postuliert. Aufgrund der Vorstellung vom sofortigen Aufstieg zum Thron Gottes ist für den Heiligen das allgemeine Gericht am Weltende kein zu fürchtendes Ereignis mehr. Er befindet sich damit bereits in der Vollkommenheit des Himmelreichs und genießt den endgültigen Lohn. Die aus dem Unterschied zwischen Paradies und Himmelreich resultierende Furcht vor dem Wartezustand überdeckt Ambrosius in den Trostschriften weitgehend mit rhetorischen Mitteln, um eine umfängliche Hoffnung generieren zu können. Diese Verschmelzung von Interim und Eschaton ist zudem Teil der Werbung für die Entscheidung zur Taufe. Erst durch den Empfang des Sakraments und der damit verbundenen vollständigen Eingliederung in den Leib der Kirche wird der impius zum iustus und kann das Leben der Heiligen antizipieren. Deutlich wird dies auch durch die Integration der Märtyrer in die Kirche. Indem Ambrosius Altar und Martyrium auch lokal verbindet, rücken die Märtyrer als Interzessoren näher an das Gemeindeleben: Angesichts der Heiligkeit mancher Verstorbenen kann Ambrosius verschiedene Konzepte der fortgeführten Wirksamkeit in Anspruch nehmen. Einerseits postuliert er eine von Gott geschaffene repraesentatio des Toten in einem Erben, andererseits folgt für ihn aus der Nähe des Heiligen zum Thron Gottes das Privileg des gemeinsamen Regierens mit Gott und die Möglichkeit der wirkenden Fürbitte. Schließlich fungiert in der Theologie des Ambrosius neben Christus auch ein naher Angehöriger als Vorausgegangener im Tod und somit Bereiter der jenseitigen Wohnung.

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C. Konturen einer Theologie des Trostes

IV. Der tröstende Prediger als politischer Akteur Deshalb glaube ich, solltest du sie nicht so sehr beweinen, als vielmehr Gebete darbringen. Ihre Seele darf nicht durch deine Tränen traurig gemacht werden, sondern sie muss, so meine ich, eher mit Opfern dem Herrn anvertraut werden. Ambrosius, ep. 8,4 (39)

Der Tod des Menschen bedeutet für Ambrosius stets auch die Reflexion des eigenen Lebens und Glaubens. Aus diesem Denken heraus entwickeln sich in den Trostschriften daher verschiedene Handlungsanweisungen, die aus der Verantwortung der zu Tröstenden gegenüber dem Toten resultieren. Ambrosius selbst sieht in der Tröstung eine priesterliche Pflicht. In der Trostrede fungiert er einerseits als positives Vorbild durch maßvolle Trauer, andererseits als Verkünder der Auferstehungsbotschaft und schließlich als Anwalt des Toten, der sich für die Übernahme der Verantwortung vonseiten der Hinterbliebenen sorgt. Tränen und übermäßige Reaktionen stellen für den Trauernden eine Verlängerung des Leides und eine Wendung gegen die Ordnung Gottes dar und können als Zweifel der Hinterbliebenen an der moralischen Integrität des Toten oder als Glaubenszweifel interpretiert werden. Ambrosius ruft darum zu gemäßigter Trauer auf, die in der Pflege der Erinnerung des Verstorbenen besteht. Dies meint zunächst die Fortführung der Beziehung zum Toten im Sinne des Haltens von Eiden und Versprechen. Durch den Glauben an die Unsterblichkeit der Seele und die Existenz der Heiligen bei Gott sowie durch den Rückgriff auf das Konzept der repraesentatio kann Ambrosius die Loyalität der Soldaten des toten Kaisers Theodosius auf dessen Söhne übertragen. Indem Ambrosius im Rahmen der Gedächtnisfeier für Theodosius die Reichsreliquien präsentiert, schafft er für diese Verantwortung die materielle Grundlage, in der Glaube und Kaisertum unzertrennlich verbunden sind. Das gleiche Prinzip der repraesentatio setzt Ambrosius ein, um die Entscheidung des Bischofs Acholius über seinen Nachfolger zu legitimieren. Ebenso kann Ambrosius durch den Glauben an das Martyrium des Kaisers Gratian die Gemeinde gegen die politischen Feinde einen und dadurch trösten, dass die Rache Gottes über die Mörder kommen wird. Mit der Darstellung der Seligkeit Valentinians II. greift Ambrosius tätig in die Deutung des Todes des Kaisers ein und ermöglicht dessen Rehabilitation. Neben dieser, im weitesten Sinn politischen, Verantwortung fordert Ambrosius von den Zuhörern die Einhaltung ihrer kirchlichen Pflichten ein. Die tätige Mithilfe der Gemeinde durch Gebete und Fürbitten stellt eine ekklesiologische Einbindung des Trosts in der Theologie des Ambrosius dar. Die Suffragien der Gemeinde erleichtern der Seele den Aufstieg durch die Himmel, bewahren sie vor den Angriffen der Dämonen und verkürzen den Aufenthalt im Reinigungsfeuer. In der Betrachtung des Todes sieht Ambrosius zudem stets ein Abbild des Lebens. Für den Gerechten stellt der Tod einen Hafen, für den Ungerechten einen Schiffbruch dar. Dementsprechend ruft Ambrosius oftmals zur Orientierung an exempla

IV. Der tröstende Prediger als politischer Akteur

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auf. Das Leben des Toten, der nun im Paradies oder im Himmelreich weilt, ist das Vorbild, dem auch die Zuhörer nacheifern sollen. Schließlich ist der Trost angesichts des Todes durch die christliche Erlösungsbotschaft Teil des missionarisch-pastoralen Wirkens des Ambrosius. Dies richtet sich auf zwei Aspekte: die heidnische Bevölkerung und die christlichen Taufanwärter. Ambrosius betrieb keine eigentliche Heidenmission, sondern baute auf das göttliche Wirken sowie das Engagement seiner Gemeinde in Form eines vorbildhaften Lebens. Dennoch wendet er sich in den Trostreden und ‑schriften stets auch an die pagane Bevölkerung. Die defizitären paganen Todes- und Jenseitsvorstellungen sind die Basis für eine missionswirksame Predigttätigkeit, in der Ambrosius die christlichen Konzepte vorstellt und Interessierte zu überzeugen versucht. Die Offenheit von Wortgottesdiensten, die allen Zuhörern offenstanden, insbesondere die Leichenreden für Satyrus, die wohl nach einer liturgischen Feier stattfanden, aber auch die Veröffentlichung der Reden und Predigten boten den paganen Interessierten die Möglichkeit, mit den Gedanken der ambrosianischen Eschatologie vertraut zu werden. Die Plausibilisierung der eschatologischen Ereignisse durch mehrfache Beweisgänge und den Rückgriff auf die traditionelle konsolatorische Literatur durchzieht darum sein gesamtes Werk und lädt Zuhörer ein, den christlichen Glauben zu übernehmen und schließlich die Taufe zu empfangen.

Anhang: Zeittafel 333 / 34 nach 340 363 nach 365 370 7. Dezember 374 375 378 9. August 378 382 / 83 31. Januar 383 Frühjahr 383 25. August 383 Winter 383 / 84 385 – 386 386 388 388 bis 391 390 15. Mai 392 August 392 22. August 392 23. Januar 393 nach 394 6. September 394 17. Januar 395 25. Februar 395 4. April 397

Geburt des Ambrosius in Trier Übersiedlung der Familie nach Rom Tod des Julian Apostata (360 – 363) Ambrosius als Jurist in Sirmium Provinzstatthalter in Mailand Weihe zum Bischof von Mailand Tod des Valentinian I. (364 – 375) Tod des Satyrus de excessu fratris Satyri liber primus und de excessu fratris Satyri liber secundus / de resurrectione Schlacht von Adrianopel Tod des Valens (364 – 378) Tod des Bischofs Acholius epistula 51 (15) an die Bischöfe Macedoniens Ausrufung des Arcadius zum Augustus im östlichen Reichsteil Usurpation des Maximus in Britannien Tod des Gratian (375 – 383) de obitu Gratiani (exp. Ps. 61,16 – 27) Mailänder Basilikenstreit Inventio der Gebeine von Gervasius und Protasius Tod des Maximus Valentinian II. unter der Aufsicht Arbogasts in Vienne, Gallien de bono mortis Massaker von Thessaloniki und Buße des Theodosius Tod des Valentinian II. (375 – 392) de obitu Valentiniani / liber de consolatione Valentiniani Erhebung des Eugenius zum Augustus Ausrufung des Honorius zum Augustus im westlichen Reichsteil epistula 8 (39) an Faustinus Schlacht am Frigidus Tod des Eugenius und des Arbogast Tod des Theodosius (379 – 395) de obitu Theodosii Tod des Ambrosius

Literaturverzeichnis I. Quellen 1. Ambrosius 1.1 Editionen Ambrosius, Opera. Pars I qua continentur libri Exameron. De paradiso. De Cain et Abel. De Noe. De Abraham. De Isaac. De bono mortis, ed. Karl Schenkl. CSEL 32,1. Prag / Wien / Leipzig 1896. Ambrosius, Opera. Pars II qua continentur libri De Iacob. De Ioseph. De patriarchis. De fuga saeculi. De interpellatione Iob et David. De apologia David. Apologia David Altera. De Helia et Ieiunio. De Nabuthae. De Tobia, ed. Karl Schenkl. CSEL 32,2. Prag / Wien / Leipzig 1897. Ambrosius, Opera. Pars IV. Expositio Evangelii secundum Lucan, ed. Karl Schenkl. CSEL 32,4. Prag / Wien / Leipzig 1902. Ambrosius, Opera. Pars V. Expositio Psalmi CXVIII, ed. Michael Petschenig. CSEL 62. Wien /  Leipzig 1913. Ambrosius, Opera. Pars VI. Explanatio Psalmorum XII, ed. Michael Petschenig, editio altera supplementis aucta; curante M. Zelzer. CSEL 64. Wien 1999. Ambrosius, Opera. Pars VII. Explanatio symboli. De sacramentis. De mysteriis. De paenitentia. De excessu fratris. De obitu Valentiniani. De obitu Theodosii, ed. Otto Faller. CSEL 73. Wien 1955. Ambrosius, Opera. Pars VIII. De fide (ad Gratianum Augustum), ed. Otto Faller. CSEL 78. Wien 1964. Ambrosius, Opera. Pars IX. De Spiritu Sancto. libri tres. De incarnationis dominicae sacramento, ed. Otto Faller. CSEL 79. Wien 1964. Ambrosius, Opera. Pars X. Epistulae et Acta Tom. I. Epistularum libri I – VI, ed. Otto Faller. CSEL 82,1. Wien 1968. Ambrosius, Opera. Pars X. Epistulae et Acta Tom. II. Epistularum libri VII – VIIII, ed. Michael Zelzer. CSEL 82,2. Wien 1990. Ambrosius, Opera. Pars X. Epistulae et Acta Tom. III. Epistularum liber decimus, Epistulae extra collectionem, Gesta concili Aquileiensis, ed. Michael Zelzer. CSEL 82,3. Wien 1982.

1.2 Übersetzungen Ambrogio, De bono mortis. Introduzione, traduzione e note da Felicita Portalupi. Turin 1961. Ambrosii De bono mortis. A Revised Text with an Introduction, Translation and Commentary by William Theodore Wiesner. PatSt 100. Washington 1970. Ambrosius, De fide (ad Gratianum). Über den Glauben (an Gratian). FC 47. Turnhout 2005. Ambrosius, De Isaac vel anima. Über Isaak oder die Seele, übs. v. Ernst Dassmann. FC 48. Turnhout 2003.

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Literaturverzeichnis

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Stellenregister 1. Bibelstellen Altes Testament Genesis 2 f. 63, 69, 92 2,16 f. 71 2,17 132, 159 5,5 72 6,3 344 22 175 28 155 3,24 41 35,4 301 37 f. 155 49,29 – 50,14 155 50 257 Exodus 14,22 – 28 42 19,18 283 Levitikus 23,3 142 Deuteronomium 30,15 71 32,11 283 33,8 f. 332 33,8 329 33,17 330 34,10 322 Josua 2 226 5,13 328 6 226 Richter 5,5 283 9,50 – 56 220 16,28 – 31 220

1. Samuel 2,20 133 25 230 31,4 – 13 220 31,4 248 2. Samuel 1 247 1,17 – 27 247 12,18 – 23 155 17,23 220 19 207 1. Könige 15,1 – 24 262 16,18 – 20 220 19,11 f. 283 19,19 327 20, 28 140 2. Könige 2 324, 327 f. 2,11 275, 327 6,14 f. 300 6,18 324 6,8 – 23 301 7,6 f. 324 13,21 172 21,19 – 32 262 1. Chroniken 10,4 – 14

220

2. Chroniken 9,21 332 Esra 7,32 98 Judit 226

380

Stellenregister

1. Makkabäer 6,43 – 46

220

2. Makkabäer 10,12 f. 14,41 – 46

220 220

Psalmen 4,5 301 14 128 14,1 200 14,2 137 15,1 285 16,3 42 18,3 57, 290 18,8 283 22,2.5 235 23 128 23,3 137, 285 27,7 170 31,9 268, 307 31,9 307 36,35 f. 57, 290 38,5 51 40,10 202 47,9 306 54,14 – 15 194 61 183 61,2 89 65,12 41, 44 72,28 322 77,25 194 86 128 86,5 123 f. 87,11 170 94,11 43 102,5 345 108,10 201 114 137 114,1 250, 283, 304 114,6 303 114,7 286 114,9 285, 304 115,1 175 116,6 76 118 66 118,109 96 118,155 58 142,2 109

Sprüche 8,27 173 16,24 87 21,1 96 Prediger 4,2 156 6,3 138 Hoheslied 1,2 84, 87 2,1 f. 330 f. 2,2 331 3,1 f. 69 4,12 f. 86 5,2 332 7,11 241 8,1 f. 241 f. 8,2 277 8,10 85 Hiob 3,3 138, 156 6,12 122 15,20 f. 207 19,25 f. 169 f. 21,32 47 29,13 93 f. Weisheit 1,13 78 f., 81, 162 2,24 81 4,7 234 f. 4,11 134 f., 199, 230 7 156 Jesus Sirach 48,13 – 15

324

Hosea 6,5 195 Sarcharja 14,20

264, 267 f.

Maleachi 3,2 f.

42

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Jesaja 9,6 123 f. 25,8 170 26,17 – 20 170 26,19 171 27,3 84 49,16 85 60,1 – 4 271 60,3 245 66,22 – 24 173 Jeremia Jer 15,10

157

Klagelieder 1,2 284 3,27 f. 281 Ezechiel 18,4 37,1 – 14

58, 72, 159 171

Daniel 12,1 – 3

170

4. Esra 92, 97 f. 5,42 101 5,53 – 55 101 7,23 – 33 98 7,81 – 87 103 7,91 – 99 103 7,96 105 7,99 105 7,100 f. 103 9,38 – 10,5 131 10,15 f. 131 10,20 – 24 128 10,33 131 Neues Testament Matthäus 5,3 193 5,7 131 5,10 221 9,18 – 25 169 9,48 56 10,28 198 10,39 87

11,17 122 12,48 332 16,19 54 16,27 201 21,1 – 11 294 22,32 53 24,20 48 25,50 172 27,5 220 27,24 f. 195 f. 27,39 191 27,52 176 27,53 170 27,7 195 28,9 114 Markus 14 155 Lukas 2,25 – 35 223 2,29 74 f. 2,41 – 50 341 6,29 237 7,11 – 17 169 7,14 f. 172 8,48 114 9,27 – 36 52 9,60 159 f. 12,20 96 13,27 57 13,28 53 15,11 – 32 300 16,19 – 31 257 16,23 110 f. 19,10 150 23,11 200 23,34 192, 232 23,42 f. 46, 111 23,46 96, 192 Johannes 3,17 302 6,39 f. 176 6,49 – 51 194 8,12 172 8,51 114 10,18 96 11 169

381

382 11,25 4, 172 11,43 172 12,6 194 13,18 194, 202 14,2 51, 136 14,6 172 14,30 82 18,8 f. 192 19,23 59 19,34 222 20,27 50 20,29 168 Apostelgeschichte 7,55 191 7,59 f. 192 17,24 298 17,28 298 Römerbrief 1,16 172 1,25 97 1,31 122 2,5 – 8 201 4,3 175 f. 5,3 f. 280 f. 5,20 136 6,2 72, 159 6,10 72 7 344 7,14 341 7,23 – 25 303 7,24 160 8,7 89 11,15 345 12,5 190 14,19 150 1. Korintherbrief 3,11 – 15 42 4,7 302 13,12 322 15 165 15,21 176 15,28 58 15,31 157 f. 15,52 49, 173 15,53 81, 148 15,55 306

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2. Korintherbrief 4,14 176 4,16 77 4,18 77, 96 5,1 77 5,14 342 5,15 132, 342 5,16 341 5,17 344 5,18 345 5,20 345 6,16 305 8,9 131 12,2 – 4 160, 332, 344 12,2 44 Galaterbrief 2,9 72 2,20 342 Epheserbrief 4,23 342 5,31 f. 87 6,12 41, 88 Philipperbrief 1,21 – 24 220 1,21 75, 161 1,23 2, 49, 199 3,20 77 4,18 133 Kolosserbrief 1,16 41 1,18 136, 149 2,9 123 2,21 f. 77 1. Thessalonicherbrief 4 128 4,13 f. 233 4,13 345 4,15 f. 48 4,15 93 4,16 f. 163 1. Timotheusbrief 1,13 270 2,7 270 3,16 132

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2. Timotheusbrief 1,4 270 2,3 – 4 54 2,3 – 5 280 f. 2,3 89 Hebräerbrief 4,3 43 9,28 192 10,1 156 10,38 300 11,1 261, 300 12,22 285 2. Petrusbrief 1,18 285 Offenbarung 3,12 285 6,1 200 6,11 200 7,9 200 8,2 49 14 141 15,3 – 4 179 15,3 f. 141 17,28 112 20,5 f. 167 20,6 49 21 52 21,12 – 25 52 21,10 285 21,24 306 21,27 52

2. Antike Autoren und Texte Ambrosius de Abraham 1,21 182 1,25 65 2,41 40 2,48 110 2,50 65 2,62 52, 284 2,64 40 apolologia David 12,59 235

de bono mortis 1,1 – 7,30 70 1,1 62, 71 1,2 70 f. 2,3 – 7 71 f., 107 2,3 f. 159 2,3 72 2,4 138 2,5 73 – 75, 135, 155 2,7 75 f., 233 3,8 76 3,9 f. 155 3,9 66, 77, 343, 351 3,10 f. 106 3,10 77, 113 3,11 78 3,12 78 4,13 – 15 78 f., 134, 161 f. 4,13 71, 78 – 80 4,14 71, 80 4,15 50, 80 f., 134, 306 5,16 62, 82, 199, 321, 345 5,17 83 5,18 84 f. 5,19 70, 86 5,20 87 5,21 87 6,22 – 7,30 88 6,22 88, 107 6,23 89 6,25 89 f., 107 7,28 91 7,29 91 8,31 91 f., 107 7,30 91 8,31 – 12,57 70 8,31 – 8,37 92 8,31 346 8,32 93 8,33 92 f. 8,36 f. 93 8,37 94 9,38 – 10,44 94 9,38 94 9,42 95 9,41 95 9,40 106 10,43 96 f. 10,44 – 47 46

383

384 10,44 88, 96 10,45 – 11,51 60 10,45 – 10,47 97 10,45 47 f., 70, 98 – 100, 170 10,46 48, 101 10,47 45, 47, 102 11,48 – 51 103 11,48 59, 103 – 106, 156 11,49 66, 90, 108 f., 285 12,52 – 54 110 12,52 f. 111 12,53 111 12,52 110, 112 12,54 156 12,55 – 57 112 12,55 52, 112 12,56 113 12,57 114 de Cain et Abel 1,19 242 1,2,8 f. 93 2,2,9 44 2,9,31 41 2,9,35 101 2,9,36 82 epistulae 1,10 (7) 305 1,20 (7) 234 2,7 (37) 225 3,5 (67) 342 6 (28) 156 7,28 (37) 98 7,38 (37) 191 8 (39) 5, 18, 123, 282, 314 8,1 – 4 336 8,3 338 f. 8,4 41, 335, 354 8,5 – 8 340 8,5 341 f. 8,6 270, 343 f. 8,7 83, 344 8,8 344 9 (79) 27 11 (29) 27 11,17 83 19 (71) 54 19,8 44, 46, 111

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19,9 (71) 54, 280, 287 21 (34) 98 22,13 (35) 52, 322 23 (36) 69 25 (53) 313 25,2 211, 232 25,5 212 30 (24) 197, 313 30,10 (24) 187 31,16 (44) 343 33 (49) 325 34,4 (45) 85 36,16 (2) 46 37,6 (47) 74 38 (55) 335 49,3 – 5 (59) 20 51 (15) 5, 18, 55, 314, 317 f. 51,1 55, 320 51,1 – 2 320 51,2 321 f., 327 51,3 – 4 321 51,3 321, 326 51,4 284, 322 51,5 – 9 323 51,5 323, 324 51,6 f. 299, 324 f. 51,8 325, 327 51,9 – 14 327 51,9 327, 329 51,10 328 f. 51,11 262, 329, 331, 333 51,13 329 51,14 318, 330 52 (16) 314, 318, 329, 331 52,1 329, 331 52,2 331 52,3 332 52,4 332 52,6 332 63,93 (73) 52 67 (80) 27 70 (56) 313 71 (56a) 313 72 (17) 313 72,8 297 73 (18) 313 74 (40) 313 75 (21) 313 76 (20) 250, 313

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76,18 202 76,7 – 9 68 76,8 68 77 (22) 30, 68, 138, 250, 313 77,12 68 77,13 29 epistuale extra collectionem 2 (61) 256 2,3 282, 299 8,1 (14) 311 9,7 (13) 319 11 (51) 314 11,11 307 14 (63) 30, 62, 334 14,66 326 14,68 – 70 334 14,7,1 40 14,71 – 74 326 Exameron 1,24 96 1,4,14 102 1,7,27 175 2,2 40 2,2,6 44 3,1,3 140 4,1,2 47 4,3,10 50 6,6,39 177, 341 6,7,42 89 6,8,49 85 6,9,54 341 de excessu fratris Satyri 1,1 – 2 233 1,1 125, 128, 131, 133, 136 1,2 98, 132 1,3 122 1,4 131 – 133, 349 1,5 130, 153 1,6 127, 136, 138 1,7 – 63 122 1,7 f. 122 1,8 120 1,9 128 1,10 123 1,11 123, 128 1,12 128

1,14 124 f., 130 1,15 121 1,17 135 1,18 134, 138 1,19 127 1,20 120 1,21 122 1,24 – 26 120 1,26 f. 154 1,27 120, 129 1,28 130 1,29 130 1,30 125, 132, 134, 199, 230 1,31 67, 125, 134 1,32 21, 126 1,34 134 1,37 126 1,42 – 62 124, 129 1,42 – 47 135 1,43 120, 135 1,47 120 1,49 119 1,50 135, 137 1,51 f. 193 1,57 124, 129 1, 60 – 67 98 1,61 128, 137 1,63 45 1,64 – 79 125 1,64 129 1,65 128, 130 1,66 – 69 128 1,67 136 1,68 131 1,70 f. 125, 140, 206 1,70 352 1,73 101 1,75 130, 134 1,78 125, 128, 136, 138 1,80 41, 128 2,1 f. 143 2,1 124, 141, 154 2,2 142 2,3 – 34 148 2,3 – 6 132, 149 2,3 101, 109, 147 f., 163 2,4 132, 149, 153 2,5 149 2,6 150 f., 163

385

386 2,7 – 20 151 2,7 151 2,9 152 2,11 46, 152 2,13 337 2,14 122, 153 f. 2,15 154 2,18 154 2,21 – 34 155 2,21 101, 155, 344 2,23 150, 155 2,24 155 2,25 155 2,27 155 2,28 155, 163 2,30 156, 170 2,32 156, 166 2,33 52, 156 2,34 157 2,35 – 49 134, 157 2,35 – 37 75, 157 2,35 77, 157 f., 161 2,36 73, 107, 158 2,37 73 2,38 – 49 160 2,38 f. 161 2,39 161, 163 2,40 303 2,41 160 2,42 f. 143 2,43 143, 161 2,46 162 2,47 78, 81 2,48 48, 93 2,50 – 89 96, 163 2,51 f. 164 2,52 40, 89, 164, 174 2,53 – 65 50, 164 2,53 – 60 152 2,53 f. 97 2,53 165 2,54 168 2,56 165, 168 2,58 168 2,59 48, 125, 165, 167 f. 2,60 168 2,62 168 2,65 48, 169 2,66 – 86 169

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2,66 166, 169, 173 2,67 170 2,68 171 2,69 170 f. 2,70 171 2,71 – 75 171 2,73 170 2,77 172 f. 2,79 172 f. 2,80 173, 294 2,81 172 f. 2,82 172 2,83 172 f. 2,84 173 2,85 170, 172 2,86 173 2,87 97 2,88 48, 164, 173 f. 2,89 – 131 175 2,89 175 f. 2,90 176 2,92 49 2,94 50, 135 2,95 – 101 177 2,101 111, 177 2,102 46, 177 2,108 f. 156 2,108 83 2,110 f. 181 2,110 49 2,115 50 2,116 49, 181 2,123 f. 163 2,126 – 128 100, 169 2,126 163, 179 2,130 48, 178 2,131 178 2,132 141, 180 2,132 f. 179 2,134 179 2,135 143, 148, 180 exhortatio virginitatis 12,80 94 12,82 24 Expositio evangelii secundum Lucam 1,60 98 2,6,59 74

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2,6,63 342 3,24 342 4,4 83 4,40 156 4,63 95 5,53 f. 193 5,60 51 5,61 49, 51, 75 6,57 114 6,78 28 6,104 f. 298 6,104 63, 302 7,4 – 5 53 7,34 f. 160 7,35 160 7,35 73 7,73 52 7,204 57 7,234 150 8,5,49 341 8,5,55 321 8,5,55 345 8,71 59 10,10,14 102 10,12 54 10,103 200 10,33 48 10,117 59 10,154 – 158 66 10,155 114 10,168 f. 50 Explanatio Psalmorum XII 1 79 1,5 50 1,38 41 1,48 79 1,51 102 1,51 43 1,51,1 143 1,54 166 1,54 43 1,54 49 1,56 42, 103 1,57 57 1,58 57 12,39,20,1 303 20,23 56 35,57 57

387

36,20 79 36,25 f. 255 36,26 42 f. 36,26,2 102 f. 36,58 328 36,64,2 108 36,82 290 37,2,4 281 37,20,3 248 37,29 230 38,11 45 38,17 40, 51 38,33,2 270 38,38 57, 204 40,39,3 114 43,54 75 43,63 230 43,71,1 162 43,8 188 47 99 47,23,2 99 48,5 297 48,8 110, 303 48,17,3 102 48,22 47 48,26 47 61,1 – 15 190 61,10 193 61,16 – 27 5, 14, 16, 18, 183 – 205, 231, 239, 245, 277 61,16 – 19 190 61,16 f. 190 61,16 199 61,17 190 f., 198 – 200 61,18 191, 201 f. 61,19 199 61,20 – 23 190 61,20 192 61,21 193 61,22 f. 193 61,23 – 25 188 61,24 232 61,26 188 f. 61,23 f. 202 61,23 194 61,24 – 26 195 61,24 195 f. 61,25 196 f. 61,26 197 f.

388 61,27 200 f., 284 f. 61,35 201 Expositio Psalmi CXVIII 3,16 43 4,2 44 4,2 86 5,7 331 7,8 88 7,8 202 8,58 40 8,58 40 8,60 173 9,3 281 10,14 342 11,14 82 14,29 96 15,26 45 15,7 52 17,27 107 184 98 19,13 166 20,13 56 20,14 42 20,22 56 20,25 74 20,29 58 20,43 51 20,47 f. 280 20,49 297 22,24 89 de fide libri V ad Gratianum Augustum 1,5,42 182 2,13,119 56, 204 2,16,136 299, 326 2,16,140 67 2,16,141 276 3,2,27 f. 47 4,1,8 93 4,2,14 41 5,8,106 58 5,8,115 123 4,10,124 340 4,12,158 162 5,10,127 328 5,12,152 53 5,13,169 58 5,13,170 89 5,14,182 58

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de fuga 3,14 300 8,45 52 de Helia et ieiunio 22,85 27, 305 de Iacob et vita beata 1,5,17 89 1,5,18 342 1,8,38 328 1,8,38 346 2,5,24 82 de incarnationis dominicae sacramento 39 – 42 47 54 – 56 233 de interpellatione Iob et David 1,8,26 50 3,7,22 290 de Ioseph 3,9 74 de Isaac vel anima 1,2 85, 107 2,3 89, 341, 344 2,3 89 3,8 – 10 87 3,8 85, 105 4,11 344 4,17 66 4,35 64, 305 5,40 – 43 66 5,42 f. 69 5,47 87 5,48 85 6,50 106 6,53 87 6,54 100 7,59 40 7,60 71 7,61 66 7,62 107 8,64 100 8,78 f. 83 8,79 39, 62, 75

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de mysteriis 1,1 64, 67 6,32 109 7,40 242 8,47 194 de Noe 26,29 201 de obitu Theodosii 1 282 f., 335 2 137, 286, 306 f. 3 143, 250, 256 f., 261, 285, 301 4 301 5 258 – 260, 262 6 261 f. 7 f. 258, 261, 299 7 287, 299 8 261, 277, 300 10 258, 300 11 259 f. 12 f. 258 14 301 15 f. 262 15 250 16 263, 288, 301 f., 337 17 – 38 257 18 283 22 302 23 280 24 303 25 289, 303 27 286, 304 28 286, 304 f. 29 285 31 284, 306 32 55, 279 33 264 34 271 35 41 36 262, 279, 294, 306, 329 36 55 37 50, 135, 284, 294, 304 38 305 39 f. 244 39 55, 57, 202 f., 245, 290, 292 40 55, 244, 264, 267, 269, 287, 291 f., 307 41 – 51 263, 293

389

41 269 43 264, 307 44 267, 308 45 f. 265 45 308 46 309 47 265, 267 f., 308 48 267, 269 f. 49 309 50 f. 271 51 f. 245 51 244, 268 – 270, 307 52 269, 271, 287, 293 53 257, 281 54 258, 309 55 276 56 327 de obitu Valentinani / liber de consolatione Valentiniani 1 208 2 210, 227, 232 3 229 5 229, 284 6 238 8 24 10 f. 281 16 211 23 212, 231, 234 25 212, 228, 232, 234 26 229 f. 27 212, 228, 231, 239 28 232 33 228, 231 f. 34 232 35 229 f. 39 229, 232, 238 41 122, 289 42 – 57 234 43 229 44 128, 240 45 207 46 75, 229, 231 48 207, 229, 307 49 212 51 234 52 235 f., 242 54 f. 240 56 236

390

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57 50, 135, 229 – 231 64 83, 321 65 239 69 f. 240 70 – 77 286 71 f. 244 f. 72 240 74 241 75 236, 241 f. 76 244 77 243 78 340 79a 206, 238, 247 80 330 de officiis 1,1,4 145, 328 1,10,31 98, 156 1,25,116 64 1,25,117 176 1,30,148 94 1,38,187 204 1,49,244 82 1,49,245 85 1,61 47 2,6,85 330 2,30,153 226 3,1,2 325 3,1,6 f. 326 3,9,61 247 de paenitentia 1,11 44 1,4,22 204 2,3 300 2,4 29 2,6 29 de paradiso par. 1,2 par. 1,5 par. 5,29 par. 6,31 par. 9,45 par. 14, 71 par. 14,70

173 44, 112 132 110 73 56 72

de sacramentis 1,2 305 1,4,12 305

2,23 343 3, 2, 15 109, 113 4,2 305 4,2,7 83 4,3 340 4,5,21 192, 340 4,5,22 194 4,5,24 194 4,6,27 133 4,6,28 75 4,13 340 4,16 343 5,5 – 7 242 5,30 340 6,1,1 344 de spiritu sancto 2,6 98 de viduis 9,55 54 11,69 291 de virginibus 1,2,8 225 1,14,85 284 2,12 54 2,4,22 – 33 225 2,4,23 f. 226 2,4,26 226 3,7,32 224 3,7,33 f. 191 f., 224 f., 236 3,7,35 233 17,108 321 de virginitate 4,15 114 8,46 325 14,85 52 Antike Autoren 1. Clemensbrief 25 166 26 169 f. Ammianus Marcellinus res gestae 21,16,20 275

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Apollonios Rhodios Argonautica 3,414 – 416 171 Ascensio Jesaiae 7 – 10 40 Athenagoras de resurrectione 17,2 165 21 f. 173 Augustinus contra Faustum Manichaeum 22,36 233 confessiones 4,11 134 5,13 23 7,13 65 7,27 302 8,2 67 8,3 23 9,31 128 contra duas epistulas Pelaginaorum 4,11,31 66 contra Iulianum 2,7,19 100 de civitate dei 1,17 222 1,17 – 27 223 1,26 222 5,26 254 de diversis quaestionibus ad Simplicianum 1,2,9 302 de peccatorum meritis et remissione 2,41,47 143 enarrationes in Psalmos 88,2,5 146 88,2,14 297 sermones 339 170 Tractatus in Iohannis evangelium 31,5 233 Aurelius Victor epitome de Caesaribus 47,4 f. 185 47,6 186 48,7 215

Basilius von Caesarea epistulae 6 346 homiliae in hexaemeron 6,3 40 homiliae variae hom. 3,3 in 89 Attende tibi Boethius de consolatione philosophiae 4,4p.30 – 32 163 Cassius Dio Historia Romana 74,5,5 283 Chronicon Paschale Anno 395 257 Cicero Cato 15,51 f. 165 23,85 179 77 134 83 76 84 148 Consolationis fragmenta 9 155 epistulae ad familiares 4,5 123, 336 4,5,4 338 4,5,5 f. 346 4,5,6 336 4,6 315 5,17,3 131 de officiis 1,95 176 3,18,1 176 paradoxa Stoicorum 4,27 85 pro Sex. Roscio Amerino 20 270 de re publica 6,14 75 16,24 273 Tusculanae disputationes 1 131 1,1 162

391

392 1,5 93 1,34,82 73 1,34,82 f. 78 1,34,83 – 35,85 154 1,38,91 91 1,39 152 1,47,114 155 1,48,115 161 1,30,74 134 1,31,75 36, 157 1,34,82 – 84 155 1,34,83 – 35,85 155 4,17,38 – 20,46 122 4,29,63 122, 141 Claudius Claudianus de consulatu Stilichonis 2,421 – 423 278 Panegyricus dictus Honorio Augusto tertium consuli 162 – 184 286 162 – 184 278 Panegyricus dictus Honorio Augusto sextum consuli 72 – 76 215 Phoenix 27 166 Clemens von Alexandria protrepticus 120 296 stromata 4 221

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de mortalitate 3 73 8 132 10 132 20 f. 154, 346 23 135 26 291 Cyrill von Jerusalem Katechesen 9,10 265 10,19 265 13,14 265 Damasi Epigrammata Nr. 306 286 Demetrios von Phaleron de elocutione 223 314 de forma epistolari 5 316 Diogenes Laertios de clarorum philosophorum vitis 9,79 166 Epikur epistula ad Menoeceum 124 f. 36 Epiktet enchiridium 5 92

Codex Theodosianus 16,1,2 319 4, 22,3 209

Epiphanius von Salamis de mensuris et ponderibus 20 212

Konzil von Braga Can. 16 223

Euseb von Caesarea historia ecclesiastica 8,12,3 – 5 224 9,9,1 – 5 299 de vita Constantini 1,27 – 32 299 1,38 299 3,42 f. 264 3,42 269 4,67 287 4,73 275

Cyprian von Karthago ad Demetrianum 3,56 – 63 101 epistulae 1,5 222 33,1 330 69,3 330 81,4 222

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Eutropius breviarium ab urbe condita 7,20.22 279 8 279 Gregor von Nazianz orationes 5,16 276 7 121, 129 7,18 133 Gregor von Nyssa de anima et resurrectione 153A 166 orationes catecheticae 33 165 Herodot historiae 2,73 166 Herodian ab excessu divi Marci 4,2,4 294 Fragmenta Hesiodea 163,3 – 4 166 Hieronymus chronicum ad annum 337 292 ad annum 367 276 epistulae 39,6,5 346 50,4,1 169 60 181 60,2,1 135 60,14 158 60,15 187 60,15,4 215 60,54,7 122 Hilarius von Poitiers Tractatus in Ps. 118 aleph 7 169 Hippolyt von Rom Commentarium in Canticum canticorum 25 69

393

Hydatius Continuatio Chronicorum Hieronymianorum 25 257 Irenaeus von Lyon adversus haereses 2,33,1 100 2,34,1 111 3,23,6 79 5,13 169 Johannes von Antiochien fragmenta 187 210 Justin der Märtyrer apologia maior 19 165 apologia minor 4 221 Lactantius De ave phoenice 59 166 de ira Dei 2,7 f. 299 divinae institutiones 3,18,6 222 6,17,25 222 Libanios orationes 18,304 288 24,40 288 Lucrez de rerum natura 3,971 133 3,978 – 1010 93 Macrobius commentarius in Ciceronis somnium Scipionis 1,10,5 – 7 82 1,10,9 – 15 93 Marcellinus Comes chronicon ad annum 390 291 ad annum 394 282, 335

394

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Menander Rhetor 413,15 – 19 37 413,21 – 21 37 414,2 – 6 37, 133 414,2 – 8 149 414,15 f. 38 414,16 f. 38 434,20 – 23 316

Pacianus de paenitentia institutione 1,1 – 5,5 304

Methodius von Olympus de cibis 13,5 79 de resurrectione 2,20 165 2,20,8 f. 165 Symposion 7,3,156 f. 55 8,1,171 322 8,2,174 55

Paulinus von Nola epistulae 31,3 – 6 265 31,5 267

Minucius Felix Octavius 11,9 93 Origenes commentarius in canticum canticorum 1,1,7 – 15 84 contra Celsum 4,98 166 dialogus cum Heraclide 25 f. 72, 159 In epistolam ad Romanos commentarius 6,6 73 de principiis 1,8,4 100 2,3,6 40 2,3,7 51 2,10,6 43 3,6,3 58 Orosius historiae adversus paganos 7,35,10 215 Ovid metamorphoses 8,233 – 235 178

Panegyrici latini 2 (12), 28,4 204 6 (7),7,3 285 7 (6) 283

Paulinus von Mailand vita Ambrosii 6 – 9 22 3,1 20 4,1 23 5,1 22 7,3 23 40 29 42 183 45 28 46 29 47 – 52 31 47 30 48 24, 127, 142 Philo von Alexandria legum allegoriai 1,12 – 2,18 69 33,105 159 quaestiones et solutiones in Genesim et in Exodum 1,64 – 77 69 1,87 – 2,82 69 Philostorgios historia ecclesiastica 11,1 210, 215 11,2 255 Platon Gorgias 493A 82 516A 93 Nomoi 867B 302 873C 219

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866D – 867A 301 Phaedros 245C – 249D 37 250A 157 Phaidon 62A – C 76 62B – C 219 62B 134 62D 75 64A 77 65A – 66C 156 65A – B 77 65C – 66B 78 67C 79 67D 36, 73, 76, 157 f., 161 70A – D 157 72C – D 169 72E – 73A 36 79D 94 83A 77 86A 90 102B – 106E 95 104D – E 95 105D 95 107D – 115A 99 113D – E 99 114B – C 99 114B 136 118 93 Politeia 410C 221 Symposion 203B 86 Theaetet 176B 83, 95 Timaios 41B 132 Plinius der Jüngere epistulae 10,3 166 Plotin enneades 1,1 65, 69 1,1,3 90 1,4,7 f. 220 1,6 113 1,6,8 – 7,2 83

1,7 65, 69 1,7,2 71 1,7,3 78, 80 1,7,16 71 1,8 71 1,9 220 3,5,9 86 3,8,11 113 4,8,3 82 5,3,17 114 Plutarch consolatio ad uxorem 7 153 moralia 773A – B 218 Rufin von Aquileia historia ecclesiastica 2,32 212 10,7 – 8 267 10,8 269 11,11 22 11,14 187 11,31 214 11,33 255, 299 Sallust de bello Iugurthino 14,24 134 Seneca consolatio ad Helviam matrem 16,1 154 consolatio ad Marciam 4,1 158 7,1 153 7,1 158 7,2 154 19,4 73 19,5 161 19,25 93 22 134 22,3 155 25 291 consolatio ad Polybium 1,1 152 1,3 153 5,1 73

395

396

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5,1 152 5,19 306 9 154 9,2 73 9,6 161 11,1 158 11,3 131 18,5 f. 154 de ira 2,19 132 epistulae morales 24,6 – 8 219 67,2 314 70,6 219 70,9 76 70,14 76 74,27 79 82,13 73 99,19 122 99,24 152 102,2 36

Sueton divus Augustus 13,2 230 divus Claudius 45 287 Galba 3,4 230 Nero 48,2 282 divus Vespasianus 23,4 272

Sidonius Apollinaris carmina 5, 354 – 357 215

Tertullian ad Martyras 4 221 adversus Praxean 27,6.10 124 de anima 32,10 100 33,3 – 10 100 55,2 111 de baptismo 16 236 16,2 222 12 152 13 166 15 173 18 – 38 169 29 171 63 87 de spectaculis 30,2 101

Siricius epistulae 4 333 Sokrates Scholastikos historia ecclesiastica 1,17 265 – 267 4,31 207 5,11 187 5,14,1 203 5,25,8 251 5,26 255 5,6,2 – 5 318 6,1,4 257 Sozomenos historia ecclesiastica 2,1 265 f. 7,4 325 7,4,3 f. 318 7,13,8 f. 187 7,22 215, 254 f. 7,29 255

Symmachus epistulae 1,63 21 relationes 3,20 278 Tacitus annales 6,28 166 15,60,2 – 15,67 219

Theodoret von Kyrrhos historia ecclesiastica 1,17 266 1,18 265 5,5 324 5,9 319

Stellenregister

Theophilus von Antiochia ad Autolycum 2,36 79 Valerius Maximus facta et dicta memorabilia 2,6,13 151 Velleius Paterculus historia Romana 2,87,3 230 2,126,1 273 Vergil Aeneis 6,417 f. 93 6,572 – 606 93 eclogae 10,53 337

georgica 1,139 f. 83 1,475 – 482 282 2,140 171 Zosimos historia nova 4,24,4 324 4,35,2 f. 185 4,35,5 185 4,35,6 187 4,45 – 47 203 4,53 211 4,53,3 210 4,53,4 244 4,54,3 f. 215 4,59 255

397

Autorenregister Biermann, Martin  130, 169, 177, 180, 257 Bojcov, Michail A.  257, 263, 271, 308 Bracht, Katharina  55, 322 Brown, Peter  11, 26, 333 Bruggisser, Philippe  7 Cameron, Alan  255, 258 Campenhausen, Hans von  8, 243 Cattaneo, Enrico  25 Chadwick, Henry  26 Colish, Marcia L.  12, 67 Consolino, Franca Ela  14, 263 Courcelle, Pierre  11, 65 – 67 Daley, Brian  39, 49 Dassmann, Ernst  4, 7, 9, 27, 59, 67, 108, 144, 211, 240 Dudden, Frederick H.  7, 37, 244 Ernesti, Jörg  8, 245, 289 Favez, Charles  35, 295 Fellermayr, Josef  14, 268, 328 – 330 Fenger, Anne-Lene  13, 162 Fischer, Joseph A.  45 Forschner, Maximilian  35, 75 Fuhrer, Therese  10 Gemeinhardt, Peter  23 Gleissner, Marianne  13, 147, 165, 235 – 237 Graumann, Thomas  9, 97 Hagen, Judith  122 Humphries, Mark  25, 61 Kassel, Rudolf  10, 17, 35, 38, 131 Kelly, Thomas A.  13, 212 f., 229 – 231, 244 Köckert, Charlotte  52 Kolb, Frank  8

Lamirande, Emilien  52 Lane Fox, Robin  10 Löx, Markus  30, 136, 213 Leppin, Hartmut  8, 22, 186, 252 f., 256, 319 Lizzi, Rita  8, 325 f. Lunn-Rockliffe, Sophie  13, 216 MacLean Kiely, Maria  12, 21, 26, 62, 97, 113 MacMullen, Ramsay  61, 299 Markschies, Christoph  10, 126 McLynn, Neil B.  7, 21, 195 Niederhuber, Johannes  10, 39, 47 f. Padberg, Lutz E. von  2 Palanque, Jean Rémy  62 Paredi, Angelo  7, 128, 188 Pasini, Cesare  7 Pietri, Charles  25 Pizzolato, Luigi Franco  67, 184 Ramelli, Illaria  58 Raschle, Christian R.  14, 183, 188 f., 195 f., 204 f. Rebillard, Éric  70 Rozynski, Franz  12, 129 Schanz, Martin  9 Schmidt, Manfred  7 Schmitt, Bernhardt  13, 209, 213, 215, 229, 231 – 233, 247 Schmitz, Josef  63, 128, 297, 305 Schwitter, Raphael  315 Solignac, Aimé  26 Stuiber, Alfred  45 Tiersch, Claudia  25, 61, 297 Trout, Dennis  7 Vogel, Manuel  5, 158 Volp, Ulrich  30, 89, 127, 142

Autorenregister

Wiesner, William Theodore  11, 62, 66, 70 Wilbrand, Wilhelm  66 Zelzer, Klaus  13, 28, 313

399

Zelzer, Michaela  5, 11, 13 f., 28, 62, 67, 143, 208, 246, 250, 313, 320 Zimmerl-Panagl, Victoria  12, 125, 127, 142, 213

Personen- und Sachregister Abraham  45 Acholius  5, 8, 18, 29, 55, 60 Adam  44, 53, 111, 177, 268, 301 Adrianopel  26, 68, 126, 158, 251, 276, 281, 323 Affekt  36, 45, 78, 83, 89, 122, 219, 301 f., 351 Allerlösung / Allversöhnung  58 f. Ambrosius der Ältere  19 – 21 Annihilation  57, 352 Anysius  5, 29, 263, 314, 317 – 320, 327 – 334, 337 Arbogast  6, 202, 209 – 218, 227 – 232, 239, 246 f., 253 – 255, 258, 297 Auferstehung  3, 18, 28, 39 f., 45, 49 f., 54, 61 Augustinus  7, 24, 26, 65 – 67, 86, 100, 102, 109, 128, 134, 143, 146, 150, 222 f., 297, 302 Auxentius  22 Basilius von Caesarea  9, 23, 40, 121, 315, 346 Begierdentaufe  207, 213, 228, 234 – 237, 246 f. Begräbnis  6, 25, 29 f. Bonifatius  1 – 3 Cicero  3, 16 f., 22, 36, 76, 93, 115, 122 f., 130 f., 139, 144, 146, 151, 154 f., 157, 161 f., 165 f., 175 f., 178, 270, 273, 286, 315, 325, 336 f., 339, 344, 346 f. competentes  30, 63 – 65, 75, 81, 83, 90, 103, 108, 114 consecratio / Konsekration  251, 272 – 279, 289 f., 293 f., 307, 310 f., 340 Constantinus II.  21 Dämonen  31, 40 f., 56, 59, 88, 97, 203, 284, 354 David  29, 74, 112 f., 151, 155, 175, 207, 235, 247 f.

decorum  18, 96, 164, 174 – 177, 179, 181 f. descensus ad inferos  47, 111 Diokletian  24 Elia  30, 93, 172, 275, 324, 327 f. Engel  30, 41, 82, 104, 179, 276, 283 f., 311, 322, 327 Epikureismus  35, 75, 78, 91 – 93, 140, 219 Erzväter  54 Eugenius  20, 48, 57, 202 – 204, 212, 215 f., 244, 252 – 256, 258 f., 261 f., 289 f., 292, 297, 299, 305 f., 311 f. Exegese  2, 9, 23, 201, 314 Faustinus  6, 314, 335 – 347 Fixsternhimmel  40 f., 286 Fürbitte  131, 213, 241, 263, 311, 331, 340, 350, 353 f. Gericht  39, 41, 43 – 50, 56, 58 – 60, 80, 93, 98 – 106, 110, 112, 152, 167, 170, 173, 201, 279, 341, 353 Gervasius  30, 68, 138 f., 250, 272, 313 Gottesdienst  25, 28, 63 – 65, 70, 90, 92, 125, 128, 131, 145, 179, 184, 189, 213, 249, 256 – 258, 271, 310, 318, 340, 355 Gottlose siehe auch impii  39, 42 f., 50, 57 – 60, 102, 201, 204, 209, 290, 309 Grab  40, 48 f., 82, 93, 127 f., 130, 138, 142, 144, 199, 238, 257, 272, 275, 337, 353 Gratian  4 f., 7, 18, 41, 60, 68, 117, 183 – 205, 206, 209, 213, 228, 231, 233, 237 – 248, 251, 257, 264, 271, 276 – 278, 281, 284 – 287, 291 f., 299, 306, 319, 324, 326, 330, 340, 354 habitacula siehe auch Warteräume  45, 99, 204, 239, 279 Hades  39, 44, 46 f., 58 f., 98 Heilige / r  8, 18, 42 f., 49 – 51, 53 – 55, 59 f., 73, 76, 102, 138, 168, 180, 190, 202, 205, 279,

Personen- und Sachregister

284, 286 f., 290, 293, 310 f., 321 f., 325, 330, 332 f., 337, 353 f. Hieronymus  9, 122, 158, 181, 187, 215, 276, 292, 297, 315 f., 346 Himmel  40, 44 – 47, 50 – 55, 88, 274, 277 himmlisches Jerusalem  52, 55, 239, 284, 286, 294, 306, 311, 322, 327 Hippolyt  9, 69 Hoheliedauslegung  9, 67, 69, 84 – 86, 241 f., 284 Hölle  39, 43, 50, 56 – 59, 102, 104, 113, 153, 163, 202 – 204, 223, 289 f., 311, 351 Homöer / homöisch  22, 68, 206, 275, 277, 292 f., 297, 309 Honoratus von Vercelli  29 – 31 Honorius  6, 209, 212, 215, 244 f., 247, 250 f., 253 – 272, 285, 291 – 293, 300, 309 – 312 Horontianus  27, 54, 69, 98 impii siehe auch Gottlose  42 – 47, 56 f., 102, 104, 201 f., 234, 290, 306 Interim siehe auch Zwischenzustand  39, 45, 48, 59 f., 101, 115, 137, 140, 240, 353 iusti siehe auch perfecti  42 f., 47, 52, 102, 279 Jerusalem  264, 266 Juden  25, 30, 63, 173, 191, 230, 296 f., 309, 313, 331 Jungfrau  19, 23, 54, 179, 191, 223 – 225, 236, 279, 322 Jungfräulichkeit  126, 166, 225, 296, 321 Kaiserhof  7, 26, 68, 184, 196, 206 f., 212, 216, 253 f., 297 f. Katechese  12, 16, 25, 62 – 65, 93, 106, 108, 114, 326, 340, 343 Kirchenbuße  8, 249, 271, 281, 304, 314 Kirchenpolitik  4, 8, 12, 15, 19, 24, 187, 250, 274, 313, 317 f., 326, 333 Königreich der Himmel / Himmelreich  51 – 57, 59 f., 137, 168, 200, 202, 204, 239 f., 245, 264, 279 f., 283 f. Kreuzauffindungslegende  14, 254, 263 f., 266, 268, 293, 307 f., 310 Kreuzesreliquie  265 f., 272, 309, 312 Liberius von Rom  23 Lufthimmel  40 f., 88, 284

401

Magnus Maximus  6, 20, 48, 57, 68, 184, 186 – 189, 195 – 205, 208 f., 237, 239, 244, 289 f., 292, 305 f., 311 Mailänder Zirkel  26 Manlius Theodorus  26 Marcellina  19, 23 f., 68, 134, 224, 249, 328 Marius Victorinus  26, 67 Märtyrer  18, 30, 53 f., 112, 116, 138 f., 162, 179, 184, 192, 200, 204, 220 f., 225, 227, 233, 237, 240, 280, 288 f., 311, 353 Märtyrertheologie  230, 236 Menander Rhetor  37 f., 121, 129 f., 133, 138 f., 142, 149, 155, 309, 316, 321, 323 Metempsychose siehe auch Seelenwanderung  36, 100, 169, 178 Millenarismus  48 f., 167 Mission  1 f., 4, 10, 15, 18, 27, 280, 296, 298, 355 Missionspredigt  299, 304 Mose  43, 86, 93, 235, 325, 329, 342 Nagelreliquie  268 – 272 Neuplatonismus  6, 9, 11, 17, 19, 23 f., 26 f., 36, 61, 65 – 67, 71, 80, 83, 100, 108, 113, 115, 140, 220 Origenes  9, 40, 43, 51, 58 f., 67, 69, 72, 82, 84 f., 159, 296 Orthopraxie  35, 310 Paradies  3, 39 – 47, 51 – 53, 59 f., 71, 88, 107, 110 f., 115, 136 f., 160, 181, 207, 235, 239 – 247, 279, 285, 307, 347, 350, 353 f. Passionsreliquie  269 f. Patriarchen siehe auch Erzväter  53, 64, 111, 177, 180, 261 Paulinus von Mailand  7, 19 f., 22 f., 28 – 31, 183 Paulinus von Nola  265 f. peccatores  42 f., 46 f., 49 f., 53 peccatores iusti  43, 45, 53, 137, 279 perfecti siehe auch iusti  42, 50, 52 f., 55, 60 Petronius Probus  7 Philo  9, 69, 159 f. Philosophie  3 f., 11, 15 – 17, 19, 22 f., 26 f., 33, 35 – 38, 61, 65 f., 71, 75 – 78, 81, 86, 88, 91, 95 – 100, 114 – 116, 125, 132, 139 f., 145 – 149, 151 – 161, 171, 173 f., 178, 181 f.,

402

Personen- und Sachregister

219 – 224, 226 f., 250, 269, 275, 295, 298, 301 f., 306, 333, 336, 339, 346, 352 f. Philostorgius  210, 215, 255 Platon  3, 36, 79, 85 f., 88, 98, 132, 136, 146, 156 – 158, 178, 219, 223, 295, 301 f. Platonismus  22, 61, 73 – 77, 82 f., 88, 90, 94 – 97, 99 f., 112, 115, 155, 158, 161, 199, 222, 227, 286, 321, 332, 344, 351 Plinius der Jüngere  14, 167, 314 f. Plotin  3, 9, 11, 24, 27, 36, 65, 67, 69, 71, 78, 80 – 83, 86, 90, 105, 108, 113 – 116, 146, 220, 223 promptuaria siehe auch Warteräume  45, 279 Propheten  53 f., 170, 172, 291 Protasius  30, 68, 138 f., 250, 272, 313 Protreptik  37, 295 f., 301, 305, 307 Prüfungsfeuer siehe auch Reinigungsfeuer  39, 41 – 44, 56, 59, 234 refrigerium interim  45, 52, 110 f. Reichsreliquie  266, 272, 291, 293, 307, 310, 354 Reinigungsfeuer siehe auch Prüfungsfeuer  41 – 44, 103, 130, 354 Reliquie  1, 14, 30, 139, 263, 265, 267 – 272, 309 sanctificatio  55, 252, 273, 279, 293, 296, 311 Satyrus  5, 19, 21, 119 – 182, 193, 229, 233, 342 Schoß Abrahams  44 f., 111 f., 177, 240 Schoß der Patriarchen  44 f., 240 Seelenwanderung siehe auch Metempsychose  37, 48, 98, 100, 140, 163, 168 f., 178 f., 353 Seelsorger  16, 60, 131, 140, 145, 208, 250, 298, 347, 349 senatorischer Bischof  8, 21 Seneca  3, 22, 36, 76, 93, 115, 131, 133, 139, 146, 149, 152 – 154, 157 f., 167, 219, 291, 315 Septuaginta  22, 193, 322 Simplician  24, 26, 29, 31 Soteris  24 Staatsreliquie  270

Stoa  35 f., 92, 71, 73 – 76, 79, 93, 121 f., 133, 139 – 141, 154, 226, 219 suffragium siehe auch Fürbitte  41 Suizid  6, 18, 56, 75 f., 152 f., 189, 203 f., 207, 214 – 231, 236 f., 243, 246 – 248, 255, 350 Sulpicius Severus  134, 336, 347 Symmachus  11, 21, 126, 278 Taufaufschub  27, 63, 75, 305 Taufe  13, 27, 30, 63, 73, 75, 83, 90 f., 107 – 110, 116, 160, 213, 222, 234 – 237, 241, 246 f. Teufel  41, 56, 82 f., 88, 202 f., 280, 308 Theodosius  4, 6, 8, 10, 41, 55, 60, 68, 117, 137, 185 – 189, 196 f., 202 f., 205, 207 – 213, 215 f., 237, 239 f., 243 – 247, 249 – 313, 318 f., 322 – 325, 329, 337, 354 Thessaloniki  5, 8, 14, 19, 55, 68, 203, 249, 271, 278, 304, 317 – 320, 324 f., 328, 330, 334 Theurgie  61 translatio  30, 138 Trier  19, 21, 68, 189, 209, 237 Unsterblichkeit  3, 11, 62, 95 – 97, 100, 107, 178, 198, 350, 354 Unterwelt  44, 46 f., 56, 93, 97, 99, 111 Valentinian I.  126, 276 f., 292 Valentinian II.  4, 6 f., 10, 18, 41, 60, 68, 117, 185, 187, 196 f., 202 f., 206 – 251, 253, 255, 257, 266, 277 f., 281, 284, 286, 289, 291 f., 330, 352 – 354 Verdammte  43, 50, 57, 60, 202 Verdienst  49, 59, 277, 292, 327 Vergil  22, 93, 166, 171, 229, 322, 337 Vergöttlichung  55, 273, 311 Victoria-Altar  11, 297, 313 Vienne  6, 209 – 213, 227 f., 239, 247 Vulgata  5, 328 Warteraum siehe auch habitacula und promptuaria  44, 99, 111, 285 Weihe  23 f., 145 Zwischenzustand siehe auch Interim  43 – 45, 48 f., 53, 58 f., 97, 102 f., 105 f., 110 f., 137, 168, 177 f.