Die Ursachen des Deutschenhasses: Eine Nationalpädagogische Erörterung

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Die Ursachen des Deutschenhasses: Eine Nationalpädagogische Erörterung

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1

jVlax Schelker

Die Ursachen aes Deutsdienkasses

Der Neue Geist -Verlag

/ Leipzig

I

f

DIE

URSACHEN DES

DEUTSCHENHASSES EINE

NATIONALPÄDAGOGISCHE ERÖRTERUNG VON

MAX SCHELER

LEIPZIG

DER NEUE GEIST-VERLAG

Zweite durchgesehene und vermehrte Auflage

Das

Qbersetzungsrcdit wird vorbehalten

Copyright Kurt Wolff Verlag, Leipzig

1917

Vorbemerkung

Den Gedanken dieser Schrift am

den ich

20.

November

liegt ein

Vortrag zugrunde,

191 6 in Frankfurt

am Main

auf Ersuchen des Kulturbundes Deutscher Gelehrter und

Künstler die

im

als

Glied einer Vortragsserie gehalten habe, welche

Frankfurter Ausschuß für Volksvorlesungen ver-

einigten Frankfurter Vereine zur Veranstaltung brachten.

Die Form des Vortrages wurde für die folgenden erheblich erweiterten Ausführungen beibehalten.

Vor allem war

sachen

es

meine Absicht, die Frage nach den

Ur-

dem un-

des allgemeinen Deutschenhasses aus

fruchtbaren und nur weitere Zerklüftung bewirkenden Hin

und Her

parteipolitischer Wechselvorwürfe scharf heraus-

zuheben,

um einem möglichst objektiven und wissenschaft-

lich

gegründeten Urteil über diese Ursachen die

Wege

zu

Dazu mußte vor allem der grundverschiedene Rang und das ebenso verschiedene Gewicht der mannig-

bahnen.

fachen in Betracht geprüft

kommenden Ursachenreihen genauer

und entschieden werden,

als es

Anbetracht des Fragegegenstandes, Gesamterscheinung, konnte der

d. h. einer

Weg

ein wesentlich psychologischer sein.

Themas von

selbst

bisher geschah.

In

seelischen

zu diesem Ziele nur

Daß

die

Natur des

dazu führen mußte, mehr vielfache

Irrgänge aufzudecken, welche die innere deutsche Ent-

wicklung vor

dem

Kriege gegangen war,

als

die Fülle dessen, 5

was an Größe und bleibender Bedeutung in dieser Entwicklung enthalten

wird niemanden verwundern. Diese Irr-

ist,

jedem Volke durch den

gänge in ruhiger,

und

ter Selbstbesinnung

für das deutsche

Krieg nahegeleg-

aus ihr erwachsener Selbstkritik

Gesamtbewußtsein aufzudecken, würde

schon den Beginn ihrer Heilung bedeuten. Kriegslage, in der wir dank des

Die günstige

wunderbaren Heroismus

unserer Heere stehen, erlaubt uns diese Aufdeckung, es nötigt

uns dazu das moralische, durch Verbeißen nur

wachsende Leiden, das uns der Haß tet.

und

und

Je ehrlicher es bekannt

fast einer

Welt

je tiefer dieses

berei-

Leiden

durchlitten wird, desto fruchtbarer kann es für die Seele

Deutschlands werden. Ausdrücklich ausgeschaltet wurden bei der Untersuchung der Haßursachen aus begreiflichen unserer äußeren Politik vor

dem

Gründen

die

Wirkungen

Kriege. Dies konnte

um so

leichter geschehen, als ich ihnen zur Erklärung der in Frage

stehenden Erscheinung eine nur ganz untergeordnete Be-

deutung beimessen kann. Es handelt

ausschließlich

und nicht Dinge

um

sich ja in

folgendem

die Erklärung des Hasses gegen uns

des Krieges

— welches zwei grundverschiedene

sind.

Endabsicht meiner Ausführungen einiger nationalpädagogischer

lischeHaltung, resp. auf solche

die

in der wir diesem Hasse

Haltungen, in denen wir

Die bisher merkwürdig selten Volkesaber

ist

Entwicklung

Fingerzeige auf die

see-

begegnen sollen, es

nicht sollen.

gestellte, für die Seele unseres

grundwichtige Frage nach dem

tigen Verhalten zu diesem Hasse

sittlich

rich-

— ein Verhalten, das mir

zur Zeit in weitesten Kreisen das rechte Gleichgewicht

durchaus noch nicht gefunden zu haben scheint

6

— kann

eine richtige finden,

Beantwortung nur unter der Voraussetzung

daß Erkenntnis und Verständnis der

wahren Ur-

Nur wenn dieses angemessen ist, ist es das

sachen dieses Hasses vorausgegangen sind.

Verhalten jenen Ursachen richtige. [

So

ist es

denn

die

Verknüpfung der vorhergehenden mehr

psychologischen Teile und des letzten pädagogischen Teiles dieser Schrift, welche die Einheit ihres

Gedankens aus-

macht. Berlin,

Weihnachten

1916

MAX SCHELER 1^.

nj^

f/f^i

I.

Unzureichende Erklärungsmethoden

J

dem

liegt in

s

moralischen Gesamtzustand, in den der

/Krieg die gesamte

zivilisierte

eine wenig bemerkte Paradoxie. darin,

Diese Paradoxie besteht

daß diesem Zustande zwei Eigenschaften zukommen, den ersten Augenblick auszuschließen scheinen.

die sich auf

Der und

Menschheit versetzt hat,

Krieg, der uns umtobt, stellt dar die konzentrierteste innigste Einheit des Erlebens, welche die

mannig-

fachen Teile der Menschheit (Rassen, Völker, Staaten, Nationen usw.) in aller uns bekannten Geschichte erreicht

haben. Er das

ist

das erste Ereignis der Menschengeschichte,

man ein Gesamterlebnis

darf.

„Weltgeschichte"

k\!rnstliche begriffliche

geschichten

wurde

der ganzen Menschheit nennen

— ein Wort, das bisher nur eine

Zusammenfassung einzelner Volks-

und deren Wechselwirkungen bezeichnete,

zum

in diesem Kriege

erstenmal zu einem realen

von 1789 war diesem Ereignis gegenüber nur von einer partikularen Teilnahme Geschehnis.

Selbst die Revolution

der Menschheit getragen. zeitig der haßerfüllteste

schichte

Derselbe Krieg aber

Vorgang

— der Vorgang, in dem

das Gift des Menschenhasses

am

aller

ist

gleich-

uns bekannten Ge-

sich die

Menschheit durch

tiefsten

entwürdigte und

Gesamterlebnis der Menschheit war das Erlebnis eines Gesamthasses. An dem

beschmutzte. Das erste

9

unermeßlichen über die Erde geworfenen Netzwerk von Schienen, Drähten, Wasserwegen eben derselben modernen

Kommunikationstechnik, von der die naturalistische Philosophie eine steigende Befreundung der Teile der heit erwartete

Menschheit"

und

Mensch-

die ein solches „Gesamterlebnis der

möglich gemacht hat, läuft nicht die

erst

Liebe, sondern der

Haß

entlang,

um

sein Gift in tausend-

fachen Strahlen jedes bewohnte Plätzchen der Erde durch-

Und

tränken zu lassen.

dieser

schwindenden Ausnahmen

Haß

an

:

mit ver-

er richtet sich

erster

gegen das

Stelle

deutsche Volk. Treten wir einen Augenblick heraus aus unserem eigenen nationalpolitischen Denken, ja aus unserem fühlenden

handelnden Leben überhaupt und suchen

und

vidr diese nie-

gesehene moralische Erscheinung zu betrachten und auf ihre

Ursachen hin zu erforschen. Versuchen wir

sie

zu er-

forschen, wie eine seltene unerhörte Elementarerscheinung

menschlichen Seelenlebens, etwa so wie Spinoza in seiner

Gewebe

Ethik das

schaften betrachten will „als ob es :

chen wären".

Deutsche Wesen,

und LeidenLinien, Kreise und Flä-

der menschlichen Affekte

Und erst am Schlüsse laßt uns fragen,

uns

moralisch

und

d. h. als selbstfühlende,

als

politisch

wie wir

praktische

wollende und handelnde

zu dieser Erscheinung innerlich einstellen und praktisch verhalten sollen. Eine solche Betrachtung

noch

risch

nicht, sei.

daß

Der

nicht von

politisch: sie ist sie

nicht auch für den Politiker von

Politiker soll sich in

Haß und Liebe

Liebe der Völker

als

weder histo-

hohem Wert

Überlegung und Entschluß

leiten lassen.

Aber auch der

gefleischteste sogenannte „Realpolitiker"

lo

ist

psychologisch. Das besagt

ein-

muß mit Haß und

Seelenmächten rechnen; nicht

also

,

Münzen und Wirt-

darf er nur mit Soldaten, Kanonen,

schaftswerten rechnen

— wenn

er nicht das Gegenteil eines

sogenannten Realpolitikers, nämlich ein phantastischer Narr, sein will.

mit

Auch

die Leidenschaft

ist

eine

Großmacht.

Um

dem Hasse zu rechnen, muß auch er die Ursachen dieser

befremdenden Erscheinung erwägen. Erlauben Sie mir zuerst ein paar allzu einfältige AntworEs gibt ein Häuflein

ten auf unsere Frage abzuweisen.

unter den Pazifisten die da sagen:

Du

Nichts einfacher

— nicht

frägst

als dies!

denken so

alle Pazifisten



nach der Ursache des Hasses? Diese Ursache

ist

der Kriegszu-

stand samt allem, was er an gegenseitiger Schädigung der

Könne

Völker mit sich brachte.

Haß geben ? den Haß, wo

es

denn einen Krieg ohne

Schaffe nicht der Krieg notwendig auch da die Völker selbst vor

dem

nicht daran dachten, sich zu hassen

weiter fort

?

Eintritt des Krieges

— fahren

Und

sie

— wird nicht dieser Haß zu demjenigen kleineren

Teile, der nicht durch

den Kriegsvorgang

erst

geboren

wird, sondern ihn mitherbeiführte, von oben her, von den

Leitern und Führern der Staaten, die den Krieg beschlossen, erst künstlich hervorgebracht

durch falsche irrefüh-

rende Nachrichten und Beurteilungen, welche die den Schichten von Kriegsinteressenten dienende Presse überall verbreitet

— wobei

in

unserem

mungen hinzukamen, die teils vor, teils im Kriege

Falle

noch

alle die

Hem-

der deutsche Nachrichtendienst erfuhr (Kabeldurchschneidung,

schlechte Organisation unseres internationalen Nachrichtendienstes

usw.).

„Man kennt

uns Deutsche nicht,

darum haßt man uns." Diese Methode des Nachdenkens über unsere Frage kann man beliebig weit ausspinnen. Uns kommt es hier nur auf II

ihre

Richtung

Und

an.

diese

Richtung

ist

grund ver-

so

kehrt wie nur möghch. Nicht etwa leugne ich, daß diese Methode zu einer Fülle richtiger Beobachtungen und Tatsachenbeschreibungen führen kann. Ich sage nur, daß die Tatsachen, zu denen lichen

sie

führt, erstens nicht die wesent-

Haßursachen enthalten, und zweitens, daß

die mei-

sten von ihnen überhaupt nicht Ursachen, sondern nur

ganz abgeleitete indirekte, oberflächliche Folgeerschei-

nungen des eigentlichen Hasses wirklich „nicht kennt"

— und

man

darstellen.

darum

man

kannte uns doch ganz erheblich besser,

unsere Auslandsaufklärer meinen allem

Soweit

nicht,

kennen wollte.



,

kannte

man

als

uns vor

weil man uns haßte und darum nicht

Drei Haupteinwände lassen Sie mich

— denn nicht zu lange wollen wir uns bei aufhalten — gegen diesen Gedanken formulieren.

kurz

I.

uns

und vor dem Kriege nicht kannte

dieser

Erstlich einmal sollten wir nach

These

einem Jahrhundert

Psychologie und Geisteswissenschaften

seit

Abschluß des

sogenannten „Aufklärungszeitalters", dessen Psychologie

im Menschen für unklare „verworrene" Ideen und Vorstellungen, und eben darum auch durch bloße Klärung dieser Ideen, das heißt die Gefühle, Affekte, Leidenschaften

eben durch „Aufklärung" zu verändernde,

ja sogar

zu be-

seitigende seelische Erscheinungen hielt, wirklich etwas Besseres gelernt

haben

als das,

Hasses vorausgesetzt wird

:

was bei dieser Erklärung des

daß nur

falsche Urteile, unklare

Vorstellungen des Auslandes von uns Deutschen diesen verständlich machten.

Es

ist

Haß

hier nicht der Ort, auf diese

allgemeinpsychologische Frage wissenschaftlich einzugehen.

Aber

so viel ist gewiß,

daß wir heute bestimmt wissen, daß

schon die einfachste Sinneswahrnehmung, 12

ja

Sinnesemp-

findung nicht zustande kommt, wenn nicht außer

dem nor-

malen Reizvorgang und der normalen Reizleitung auch ein Faktor des „Interesses" und einer mindestens triebhaften

Aufmerksamkeitsspannung, desgleichen eine in Fühlen,

Bewertung

Vorziehen erfolgende primitive baren Sache mitbeteiligt

ist;

der empfind-

daß wir auch wissen, daß

primäres

es

im

und Leben der emotionalen Akte und ein primäres Streben und Widerstreben, Wollen und Nichtwollen, Lieben und Hassen gibt, Seelenleben überall ein ganz

die ihrerseits alle Vorstellungs-

ders aber die

Zielrichtung

und

Sein

Urteilsbildung, beson-

gesonderten Reihen intel-

aller

lektueller Prozesse aufs stärkste lenken

und bedingen. Gilt im Zu-

das aber schon für das intelligenteste Individuum

stand größter fach da,

wo

Ruhe und

wir

es

Klarheit, so gilt es zehntausend-

mit großmächtigen seelischen

Massen-

erscheinungen zu tun haben, wie in unserem Falle. 2.

Zweitens

ist es

dieses Hasses erst

entstanden

sei.

unrichtig, daß der wesentHche

durch den Eintritt des Kriegszustandes

Nicht der Krieg hat den

in allen seinen

hervorge-

kommende Haß gegen

deutsches

Erscheinungsformen hat

zum min-

offenen Ausdruck

Wesen

Haß

glimmende und nur nicht

bracht, sondern der längst überall

zum

Kern

desten die seelischen Dispositionen und Gemütslagen bei

den Völkern geschaffen, die bei den Führern der Völker die Entschließungen

zum

Kriege

notwendig — machten.

möglich



darum

nicht

Überall bei Russen, Engländern,

Franzosen, Italienern, auch im größten Teile der jetzt neutralen

Länder waren insbesondere

Mittelstandes

die breiten Schichten des

auf Deutschland

„geladen" — wie man zu sagen der verwechselt den

Haß

und deutsches Wesen

pflegt.

selbst

Wer

das nicht sieht,

mit seiner Äußerung und 13

Abfuhr in Reden,

Schriften, in Schimpf,

schrei usw.

Der

erster Stelle

nur die Beseitigung

Verleumdung, Ge-

Eintritt des Kriegszustandes bewirkte an all

der Schranken, die der

Wege

Entfaltung und Ausdruckgabe des latenten Hasses im standen, keit

und

als

da sind die Gebote der internationalen Höflich-

Sitte in Gesellschaft, Handel, Verkehr, die schon

kaufmännisch gebotene äußere Freundlichkeit gegen den

Kunden und Verkäufer standes

usw.

Der

Eintritt des Kriegszu-

entwickelte auch wohl den Haß

Weise: erstens

so,

in dreifacher

wie überhaupt in der Anfangsphase des

Ausdrucksvorganges eines lange gestauten Affektes der Affekt zunächst selbst das Bewußtsein stärker erfüllt in der Weise,

;

dann

daß der Haß innerhalb jedes Volkes immer

neue Menschen-, Klassen- und Berufskreise

wie

ergriff, die,

etwa Bauern und Arbeiter, zunächst schon aus Teilnahmslosigkeit

am

öffentlichen

Leben und

aus Unkenntnis den

internationalen Gegensätzen ferne stehen; endlich auch in

Haß von seinem ursprünglichen besonderen Zielgegenstande im Ganzen des deutschen Wesens ich komme noch darauf, welcher Gegenstand das der Form, daß sich der

ist

— — auf immer

neue und neue deutsche Inhalte,

z.

B.

auch auf deutsche Kultur, Kunst, Wissenschaft, ReHgion

und auch von der deutschen Gegenwart ausgehend die deutsche Vergangenheit immer stärker hineinzog. Daß dann sekundär auch die Kriegshandlung selbst, insbesondere unser Einfall in Belgien und diese und jene ausbreitete,

militärische Maßregel,

nem Heere

daß vorgegebene oder auch

in kei-

vermeidbare wirkliche schuldhafte Überschrei-

tungen des Kriegsrechtes neuen Haß auslösten, das türlich nicht geleugnet werden.

Auslande von solchen Dingen

soll

na-

Aber überall wurde im

— ihr Hauptgrund

ist ja,

daß

wir im Feindesland stehen und nicht unsere Gegner weit

mehr im Tone

gung

einer fast freudig ergriffenen

Bestäti-

bestehenden Hasses und des ihm als im Tone überraschter oder

des schon

sprechenden Urteiles, setzter

hieß

Entrüstung Gebrauch gemacht. „Seht ihr

Nur in

so erklärt sich

Rede und

verbreitet wurden,

Fabeln weitaus

ent-

es jetzt,"

auch die

fast

unermeßliche

Zahl ungeheuerlichster Fabeln, die im Auslande

und Druck,

ent-

freudigem Tone, „so sind die Deut-

es fast überall in

schen" usw.



Schrift über unsere Kriegführung

und

zum

in Bild

die weitere Tatsache,

vorgetragen und verbreitet wurden.

daß diese

gutem Glauben

größten Teile in

Nur

als

Phantasieaus-

geburten und Wunschillusionen eines primär schon vor-

handenen ungeheuren

latenten Hasses

ist

dieser psycho-

logische Tatbestand überhaupt zu begreifen.

diesem Grunde heraus vermag ich in

ausbruch, besonders im

dem furchtbaren Haß-

ersten Jahre des Krieges, nicht

etwas ganz so Beklagenswertes zu sehen, schieht.

Gerade aus

als dies

meist ge-

Das psychologische Verhältnis von Haß (Emotion

und Affekt überhaupt) und Ausdruck ist verwickelter Natur. Während der Anfangsphase des Ausdrucks verstärkt der Ausdruck den Affekt, sicher ist aber auch, daß sich im Fortgang des Ausdrückens der Affekt durch seine Entladung langsam selbst verzehrt und eine gewisse Reinigung der Seele bewirkt.

Auch

das

ist

eine günstige Folge des

maß-

losen Ausdruckes von Gruppenaffekten in illusionär unter-

bauten Schimpf usw., daß dieser Illusionen

— denn

erst

durch ihn eine Korrektur

durch besonnenere Kreise möglich wird

die inneren

und nur gemütswirksamen Phantasie-

bilder des latenten Affektes sind keiner Korrektur fähig

und daß vermöge

dieses



Ausdruckes auch Gegenbewegun15

gen gegen diese Übertreibungen und Illusionen bei

allen

Solche in der feindlichen Presse mehr

Völkern eintreten.

verborgenen Gegenbewegungen konnten wir in starkem

Maße auch

bei uns gegenüber

dem

deutschen Hasse auf

England wahrnehmen — ein Haß, der im Laufe der Zeit

doch schon ganz bedeutend abgeflaut

ist^).

Analoga hierzu

finden wir aber in allen Staaten, selbst in Frankreich.

Mag

der bloße Kriegszustand und seine Vorkommnisse also auch

Haß

und zum kleineren Teile kam dem Eintritt des Kriegszustandes, gegenüber der mächtigen latenten Haßspannunggegen alles Deutsche schon lange vor dem Kriege, doch in weitgehendem Maße auch jene zweifache günstige Wirkung jeder Affektabfuhr zu. dort

und da

alten

bestätigt

neuen Haß geschaffen haben,

so

Ein dritter Irrtum, der dieser Denkweise zugrunde

3.

liegt

und den

finde,

ist

die

ich

am

häufigsten in pazifistischen Büchern

Meinung,

risch-militärischer

es läge

überhaupt im Wesen kriege-

Lebensformen von Völkern, solchen Haß

oder Dispositionen

zum Haß

zu entwickeln, wie wir ihn

jetzt auf uns gerichtet fühlen. ist

dieser

Gedanke

so

möglich. Im Prinzip

verkehrt und so irrig ist

Form wie nur

In dieser allgemeinen

das genaue Gegenteil richtig.

Ich -schrieb anderwärts*): Je

mehr der Krieg überhaupt mit dem Makel

des Ver-

brechens, der Sünde, des Massenmordes belegt wird, desto

weniger wird

man

in der äußeren

geneigt sein, sittliche Wesensunterschiede

und inneren Gestaltung der Kriegführung

zu machen. Ein Krieg zwischen Pazifisten

— er wäre der

Idee nach der unritterlichste, furchtbarste, der haßerfüllteste

und grausamste Krieg, der

sich

denken

läßt. Je

größer

die Erwartungen auf die Haager Konvention vor diesem

16

Kriege waren, desto mehr mußte die Genfer Konvention

mißachtet werden. Der gegenwärtige Krieg

darum der

ist

und unsitthchste Krieg, den die Geschichte im großen ganzen gesehen ein Krieg der stark pazifizierten, unkriegerischen und hochkapitaHsierten Völ-

furchtbarste

kennt, da er

ker Europas

ist

— ein

ihrer Heere, Dynastien

Krieg der Völker

und Regierungen

selbst, nicht



nur

nicht auch ein

,

Krieg vorwiegender Standesheere, sondern vorwiegender innerlich demokratisierter Volksheere.

Je kriegerischer das Ethos irgendwelcher

Gruppen, desto

weniger bedürfen diese Gruppen des Hasses als Antrieb, um sich im Kriege gut zu schlagen. Den typischen Bourgeois kann man daher fast definieren als einen Mann, der hassen muß, um Krieg zu führen. Das ungeheure Haßquantum, mit dem dieser Krieg geladen ist, ist ein Zeichen von zweierlei wie eng die Teile Europas schon zusammengewachsen waren und wie unkriegerisch der fortschreitende Kapitalismus und der Materialismus der Lebensführung :

den typischen Durchschnittseuropäer gemacht haben. So wild haßt

man sich nur

in der Familie.

Wie

wenig nachdauernd war dagegen der Haß Jahr

und

sieben

in

gering

dem

und wie

ein ganzes

Monate währenden Japanisch-Russischen

Krieg! Hier waren die kulturellen Berührungsflächen

Haß zu

klein.

zum

Wie kurzdauernd auch zwischen Engländern

und Buren! Überblickt man diesen Krieg, so bestätigen sich die obigen Gedanken auch nach den Kurvenzügen, mit denen die Herrschaft des kapitalistischen Geistes unter

den nach verschiedensten Gesichtspunkten faßbaren Gruppeneinheiten einerseits, der

nimmt.

dem

Haß

andrerseits wächst

Man nehme zuerst die Volkseinheit

einseitigsten Kriegerethos, Japan,

haßt

!

und ab-

Das Volk mit

am

wenigsten;

es ließ

nicht nur in diesem Kriege, sondern auch

während

des in seinen Bestand soviel tiefer eingreifenden Russisch-

Japanischen Krieges tes in

alle

Angehörigen des feindlichen Staa-

ihren Ämtern. Die Gefangenen

züglich behandelt.

Der

russische

wurden

Haß (man

gut, ja vor-

vergleiche nur

das Verhalten der Gelehrten Rußlands, welche die

vom

Ministerium gewünschte Streichung der deutschen Petenten des

,,

Aufrufes an die Kulturwelt" aus den Listen der

russischen gelehrten Gesellschaften ablehnten, mit

dem

Verhalten der meisten Gelehrten Frankreichs, Belgiens, ist weit geringer als der Haß Der Affekt hat weit mehr den Cha-

Englands, Amerikas)

Italiens,

des Westens gegen uns. rakter einer

Wut

stumpfen

als

den des Hasses. (Mit Wild-

heit gar, Zerstörungslust, selbst Grausamkeit hat ja der

„Haß" ist

er

nichts zu tun.)

Soweit russischer

Haß

vorhanden,

(beim Muschik) stärker genährt durch die Idee, daß die

Zentralmächte die osmanischen Feinde des Kreuzes unterstützen, sowie (in Handels-

Gedanken, daß

in

und

Rußlands

Industriekreisen) durch den

Innerem

das deutsche kauf-

männische Element das herrschaftsmächtige schaftsgierige

sei, als

durch unmittelbaren

und

herr-

Haß gegen uns^).

Die Kurve dürfte dann im Sinne zunehmenden Hasses weitersteigen in der Richtung Serbien, Italien, Frankreich,

England

Haß

so

(das

nur zu

stolz

und zu selbstbeherrscht ist, seinen

hemmungslos und

reich), Belgien. Diese

vs^ütend zu

Kurve aber

ist

äußern wie Frank-

im großen ganzen mit

zunehmenden kapitalistischen Industrialisierung identisch. Je unkriegerischer und pazifischer die Gruppengesinnung bei diesen Völkern war, desto weniger wurde in Gefühl und Gedanke auch Krieg und Mord unterschieden. Daß, wenn Krieg „Massenmord" ist, auch umgekehrt ganz jener

i8

konsequent der

Mord

der Franktireure mit der Erfüllung

muß,

der Soldatenpflicht gleichwertig erscheinen

hat

uns Belgien zu Beginn des Krieges genugsam gezeigt.

Innerhalb

Haß

jedes Volkes aber steigt der

derbarer Gesetzmäßigkeit mit der örtlichen

in fast

und

wun-

seelischen

Entfernung der Gruppen von Front und Frontgeist. Der zum Angriff und Nahkampf ohne Zweifel nötige Affekt des Zornmutes hat mit giftigem

Hasse

ja

nicht das mindeste zu tun. Innerhalb aller kriegführenden

Nationen hat der Haß seinen Hauptsitz unter den Zurückgebliebenen;

mehr,

und

hier wieder findet sich der

Haß um

so

weniger die Menschen bestimmte Arbeiten und

je

Pflichten haben, durch die

handlung des

sie sich in die

Krieges einfügen. Das

ist

große Gesamt-

nicht verwunder-

Tat- und Handlungsgeist spülen die Seele wie von

lich.

vom

Ohnmacht hat die bloß gefühls- und phantasie mäßige, das heißt auf die Handlung verzichtende Negation des Feindes, die wir „Haß" nennen, zur Folge. Auch unser Haß gegen England erhielt

selbst

Hasse rein; nur

durch die Unangreifbarkeit der englischen Inseln durch eine reguläre

Armee

meen

Haß im

der

ist

erst seine Schärfe.

Innerhalb der Ar-

aktiven Offizierkorps geringer

den Reservisten, im Offizierkorps überhaupt sehr ringer

als

geringer die

bei

als in

der Etappe. Es

ist

Im

Gegenteil

ist sie

und der nicht nur in ihm war

es,

wenn

Völker den

formulieren der Hauptsitz und Ursprungsnur zu

ort desjenigen Hasses, der erst durch

erst

viel ge-

ein tiefer Irrtum,

sog. „Intelligenz" der

der Völker gegeneinander

meint.

bei

den Mannschaften, an der Front überhaupt

im Kriege untätige

Haß

als

sich ableitet;

den Krieg entsprang,

und

diese Intelligenz

welche die übrigen Volksteile mit dieser

sittlich

und tathemmenden Emo-

verwerflichen, dazu Überlegungtion ansteckte.

wenn sie

Die naivste Selbsttäuschung aber

Meinung befangen

diese „Intelligenz" in der

ist es,

ist,

daß

durch ihre haßgeborenen Predigten, Gesänge usw. auch

für

den Krieg und Sieg etwas leiste, da

Durchhalten nötigen Affekte befeure. Liebe

zum

in

sie

doch

die

zum

Volk und Armee nähre und

Vaterlande und Achtung des Feindes,

dazu Angriffszorn (der mit dieser Achtung durchaus in der Seele zusammengeht),

Flamme

und

edle

Geduld nähren

den Seelen, die zum Siege

in

läßt sie prasselnd verzischen.

allem Hasse

ist

die lautlose

Feindeshaß

führt.

Denn unabtrennbar von

psychologisch einmal die Täuschung, die er

über die faktische Realität, hier die Kriegslage, bewirkt;

sodann aber die antizipatorische Phantasiebefriedigung des feindseligen Wollens, welche

naturgemäß ein Nachlassen

praktischen Ziele dieses Wollens gerichteten Willensenergie und Willensfestigkeit zur Folge hat. Wie der auf die

der

Haß

stets

ohnmachtgeboren

machtsteigernd und tathemmend

ist,

so ist er

auch ohn-

— nicht aber befeuernd,

wie kriegerische Journalisten immer wieder gegen diejeni-

gen einwenden, die

dem

gegen den Haß

die „Intelligenz" also

würde

ansteckte,

Heer mit

ihrer

befriedigung ist

sie

ihres

aussprechen.

In-

Volk und Heer mit ihrem Hasse

— gelänge

Ohnmacht und

den Siegeswillen Es

sich

es ihr

— auch Volk und

der bloßen

Phantasie-

Wollens anstecken. Sie würde damit

hemmen und

schwächen.

ein zweifelloses Verdienst vieler Pazifisten, die sich

zur Zeit besonders in der Friedenswarte äußern, den Völ-

kerhaß energisch zu bekämpfen. Aber

es ist

von dem nicht-

pazifischen — sagen wir gesinnungs-militaristischen Stand-

punkt 20

aus,

den der Schreiber dieser Zeilen einnimmt, be-

klagenswert, daß diese Arbeit gerade den Pazifisten über-

Und

lassen wird.

es ist

spricht auch keineswegs pazifische

und

dem

militärische

Denn

frage besitzen.



nicht nur beklagenswert

so

es

ent-

inneren Zusammenhang, den

Gesinnung und Moral zur Haß-

paradox

es

klingen

mag gerade :

die

überwiegend pazifische Einstellung der europäischen Völker vor

lung

ist

dem

— wie

Kriege samt der Ideologie dieser Einstel-

dies schon aus der

oben angeführten Gesetz-

mäßigkeit hervorgeht — die Hauptursache dafür, daß der

Völkerhaß in diesem Kriege so sehr

viel

größer

ist als

bei

anderen Kriegen der Geschichte. 4.

Aber auch das wäre

wenn man

aus den

ein methodischer

ökonomischen

Grundirrtum,

Interessenanspannun-

gen zwischen Mittelmächten und Ententeländern, welche die

Entstehung des Krieges

ja zweifellos stark,

wenn auch

durchaus nicht ausschließlich, nach meiner Ansicht nicht einmal primär, mitbedingten*), desgleichen aus den Span-

nungen, die den

Kampf um den Weltmarkt, um Kolonien

und außereuropäische Einflußzonen betrafen, nicht nur Entstehung des Krieges, sondern auch den Ursprung

Ha s s e

s

die

des

gegen uns erklären wollte. Zwischen der Erklärung

der Kriegsentstehung und jener des Hasses

ist

ein großer

.Unterschied.

Beide Dinge sind weitgehend voneinander

unabhängig.

Nie und nimmer verursachen Interessen-

gemeinschaften Liebe, nie und nimmer bloße Interessengegensätze Haß. Ein Mensch kann mein Interesse in beliebigem Maße fördern: darum allein liebe ich ihn nicht; ein anderer Mensch kann meinem Interesse und Fortkommen in beliebigem Maße hinderlich sein darum hasse ich ihn nicht. Im ersten Falle freue ich mich



— gewiß —

;

im zweiten

Falle gerate ich über

den Konkur21

>

renten vielleicht in äußerste Wut, Zorn, Ärger usw.; niemals aber werde und

kann

ich ihn deswegen hassen.

am

haßt uns nicht gerade dasjenige Volk

Und und

intensivsten

einheitlichsten, bei dessen Feindschaft zu uns

ökonomische

Interessengegensätze, ja Interessengegensätze überhaupt, die allergeringste Rolle spielen, Frankreich

?

Gewiß

:

ge-

spürte Interessenförderung lenkt durch dieses Spüren die

Aufmerksamkeit und den geistigen Blick leichter auf solche Eigenschaften, auf

Fördernden, die geeignet sind,

— wenn

und

Werte und Charakterzüge des sie

da sind, Liebe zu erwecken

dasselbe Spüren verhüllt vor

wußtsein zugleich leicht die eventuellen sind

— haßerweckenden

— wenn Und

Eigenschaften.

dem sie

Beda

umgekehrt

wirken Interessengegensätze gleich Fackeln licht- und schat-

tengebend auf die Erfassung der entgegengesetzten Eigenschaften.

Aber

diese

Wirkung der

Interessen

sogenannter „Auslösungs"vorgang von

Haß und

mals deren volle erklärende Ursache. Dies ders auch für

neid",

Wut

ist

gilt

nur ein

Liebe, nie-

ganz beson-

den sogenannten „englischen Konkurrenz-

Was den

steigenden englischen Ärger, die englische

über den sich in den wechselnden Verhältniszahlen

der deutschen und englischen Kohlen-Eisen-Stahlproduktions-

und Ausfuhrziffern spiegelnden

relativen Nieder-

gang der Weltbedeutung der englischen Produktion und des englischen Handels

zum Hasse

gegen uns gestaltete,

das war erst die zu diesem Zustande hinzutretende einseitige

Einstellung auf diejenigen

menschlichen Eigen-

schaften des deutschen Kaufmanns, die

der Engländer als

und gemäß ihrem kaufmännischen Ethos

„verächtlich" charakterisiert, unsere steigende

legenheit erst möglich machten:

22

gemäß der Meinung

als

Über-

da sind „servile", die

Ware verleugnende Anpassungsan den Kunden- und Massenbedarf jedes be-

nationale Eigenform der bereitschaft

liebigen Marktes, Preisunterbietung, Art der Reklame, in

Bedarf und Gewinnchancen nicht fundierte Neigung zu Betriebserweiterungen, Schleuderpreisen usw. sie

Nicht daß

wirtschaftlich zurückgedrängt wurden, sondern daß sie

— nach ihrer Meinung — vermöge

menschlicher Eigen-

schaften zurückgedrängt wurden, die

sie

verachten zu müssen

dies

glaubten,

nach ihrem Ethos erweckte

ihren

„Haß".

23

II.

Affektmenge und Hintergründe des Hasses

Um

die

Ursachen unserer Erscheinung kennenzulernen,

müssen wir

zuerst

Hintergrundsfaktoren

nur

die dieser

indirekt wirksamen

Ursachen von den direkt

wirksamen, auf das Deutschland vor

dem

Kriege unmittel-

bar bezogenen, Faktoren unterscheiden. Angesichts der ersteren aber besteht eine Vorfrage, die

man

sich

— soweit

ich sehe

— bisher überhaupt noch nicht

betrifft

Dasein und ]Möglichkeit einer so ungeheuren ne-

gestellt hat.

gativgerichteten Affektenmenge (Haßmenge)

wie

sie

Sie

überhaupt,

bei Gelegenheit dieses Krieges in die Erscheinung

getreten

ist.

Daß

sie

sich

gegen uns Deutsche richtet, davon

müssen wir bei dieser Vorfrage zunächst absehen. Es han-

um

delt sich vielmehr gleichsam

das Gehässigkeitskapital

der ganzen europäischen Seele, das in diesem Kriege erst

sekundär gegen uns

dem

flüssig

gemacht wurde, das aber vor

Einschlagen dieser Richtung und seiner Nutznießung

gegen uns,

als

fluktuierende Masse schon dagewesen sein

muß, wenn wir uns machen wollen.

ernsthaft die ganze Sache begreiflich

Von diesem Gesichtspunkt bloße

ist

aber für die

Aufstapelung dieser gelben bösartigen Affekten-

menge überhaupt ralischen

24

aus gesehen,

die tiefgehende

Verwilderung der mo-

Lebensformen des modernen Europa,

ist

der

:

durch den Krieg jedem aufgewiesene (nicht erzeugte) Jahrhunderte währende langsameNiedergang seines Ethos

im ganzen verantwortlich. Um diesen lautlosen Umschwung und Niedergang des europäischen Ethos selbst, d.h. schon der europäischen Seins

und Tuns,

Maßstäbe

menschlichen

nicht also den Niedergang seiner an diesen

Maßstäben gemessenen praktischen Moralität stehen,

müßte

voll

zu ver-

die ganze innere Geschichte dieses Ethos

hinter ihren weltgeschichtlichen Erscheinungsformen auf-

gesucht werden. Das

ist

nicht dieses Ortes.

Ich habe die-

sen Versuch mit der besonderen Absicht auf das Verständnis

der langsamen Umgestaltung des europäischen Ethos

in das

aus

Ethos des

,,

bürgerlich kapitalistischen Zeitalters"

dem fortschreitenden

Siege der Werte, die ich

,,

Ressen-

timentswerte" genannt hatte, über die echten christ-

lichen Werte anderwärts ich

muß

in extenso

unternommen; und

Sie für dieses sehr allgemeine

blem der Erscheinung, mit der wir

es

Hintergrundspro-

zu tun haben, auf

diese meine Ausführungen verweisen^). Ihre Kenntnis gibt

auch nis.

dem

hier zu

Gerade das

Sagenden

erst das letzte volle

Werden und

Verständ-

die das europäische Ethos

umformende Bedeutung der negativen Affektenmengen (als

da sind

Haß

aller Art,

Neid

usw.), die wir später

wäh-

rend dieses Krieges so völlig unerwartet und so unsagbar

verwundert emporschießen sahen,

Abhandlung

begreiflich

sollte in

gemacht werden.

oben

zitierter

Hier hebe ich

nur einen einzigen Punkt, der ein Ergebnis dieser Unter-

suchung war, nochmals hervor Überall in Kleinem wie in

Großem

lag vor

längst eine der ethischen Grundideen, die

gesamte europäische Mittelalter

als

z.

dem B.

christliche

Kriege

noch das Korpora25

tionsidee beherrschte, lag die Idee der

Solidarität

und

Gegenseitigkeit aller Individuen und aller menschlichen Untergruppen in Schuld und Verdienst, Schicksal und Wert zerbrochen am Boden. Im Wirtschaftsleben siegte im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte mehr und mehr der Geist grenzenloser Pleonexie und ungehemmter freier

Konkurrenz,

sei es

zwischen Individuen,

schen Staaten; ein Geist, der jeden mit jedem ker zu neiderregendem Vergleich zwingt,

als

sei es

um

zwi-

so stär-

steigende bür-

Gleichheit vor Verfassung und Gesetz resp. der Staaten vor dem nur formal verstandenen modernen Völker-

gerliche

recht zu diesem Vergleich einladet; der aUe „Stände" in

„Klassen" (Interessengruppen) verwandelte,

Werke und

seiner Qualität auflöste

Geldgewinn bemessen gleichzeitig ein

Im

ließ.

und

geistigen

immer dumpferer und

alle

alles

zum nach dem

Liebe

Leben

frecherer,

kleinere Völker ergreifender Nationalismus die Völker stärker voneinander

Ins Maßlose

sperrte

immer immer

und von gegenseitigem Verständnis

ab.

wuchs dazu überall die Schätzung des irdischen

sinnlichen Lebens, damit auch die Angst, es zu verlieren.

In der letzten Phase der europäischen Entwicklung vor

dem

Kriege aber übertrug sich dieser Geist der Pleonexie auf die finanzkapitalistisch geeinten

dungen, die nun

alle eine

Staaten und Staatenverbin-

merkantilistische imperialistische

Politik gleich England, zuerst

Klassen inaugurierten.

Der

im Dienste der herrschenden „kapitalistische Geist" gren-

zenloser Pleonexie wanderte gleichsam von den Individuen in die

Zentren der

staatlich organisierten Finanzkapitalien

im Kampfe um ihre außereuropäischen Einflußsphären den Staat überall mehr oder weniger unterwarfen. In jedem der europäischen Großstaaten samt Rußhinüber, die sich

26

land aber war ein freilich sehr verschieden starker revolu-

tionärer Geist und Wille der Unterschichten überall geladen von

schichten, die

doch

als

tätig



Haß, Neid, Ressentiment gegen Ober-

man herrschen und genießen sah, und die man

herrschaftswürdig schon wegen

rischen Ursprungs aus demselben Stande, aus

ihres histo-

dem

die revo-

lutionären Unterschichten sich abdifferenziert hatten, nicht

anerkennen konnte.

nun aber die weitere Frage, die ich mir im Rahmen der zitierten Abhandlung noch nicht stellte, ob die Ursprungsformen und ob die Art der Wirksamkeit dieser allEs

ist

gemeinen Faktoren der europäischen Geistesgeschichte die

Europa auf

alle Fälle als

Ganzes und solidarisch

Verantwortung vor dem Richter artet

gewesen

sind,

daß

sie

aller

ob dies nicht der Fall

ist.

Dinge

in allen Teilen

mäßig stark und gleichförmig z.

(für

Wäre

es

tätig

die

trägt), so ge-

Europas gleich-

gewesen sind oder

nicht der Fall, wären

sie

B. innerhalb der Sphäre der Mittelmächte weniger stark

und weniger einförmig, desgleichen weniger früh

tätig ge-

wesen, so ließe sich begreifen, daß die aus diesen Umbildun-

gen des Ethos und der sozialen Schichtungen len

allen Tei-

in

Europas resultierenden Haßmengen Gesamteuropas

vermöge ihrer verschiedenen Druckverteilung in den Teilen Europas von vornherein auch einen gewissen Richtungs-

und Neigungswinkel haben müssen wird, nicht

auf die Mittelmächte

— eine Tatsache,

die,

genommen

wie das Folgende zeigen

im entferntesten den gegenwärtigen Haß gegen

uns zu erklären vermöchte, die aber gleichwohl einen sehr wesentlichen

Erscheinung voll

dispositionellen Hintergrund bildet, einen Hintergrund,-

für seine

ohne den

verstanden werden kann. So aber war

es in

sie

nicht

der Tat.

27

Zum

Hintergrund hat auch der heute

dispositionellen

Haß

gegen uns tobende

der Welt einen weder ursprünglich

national noch politisch (im Geiste der Staatsverfassungen, B.

z.

Monarchie contra Parlamentarismus) verankerten,

sondern einen aus sozialgenealogischen

und

ethi-

schen Schichtengegensätzen innerhalb aller Nationen und Staaten geborenen Affekt, der sich von seinem nicht national und staatlich, sondern querschichtenmäßig geborenen Ursprungsort schließlich gegen jene Länder

und ethischen Geisteszonen nen Welthasse gegen

sie

fortsetzt, ja in

einem allgemei-

gleichsam kulminiert, die an

und sozialen Umbildungsprozessen noch am vergleichsweise wenigsten teilgenommen hatten. Um diesen moralischen

dies zu begreifen, bedarf es

nur weniger historischer Erin-

nerungen.

Der Haß gegen

die

Mittelmächte

ist

ein

Haß

der Peri-

pherie gegen die Mitte, der Außenglieder gegen das Herz

Europas nicht nur im räumlich geographischen Sinne, sondern auch vor allem im Sinne des moralischen Mittel-, Quell-

und Herzpunktes derjenigen

älteren europäischen

Institutionen, unter deren Herrschaft eines „Führers der

Europa den Rang

Menschheit" so lange innegehabt

hat.

Das Deutschland vor der Entstehung der großen geschlossenen Nationalkörper der modernen Welt war eben da-

durch der tie

Europas und

nes zu

und

stärksten

seines Einheitsgeistes,

sein beanspruchte,

fremden bis

Sitz der tiefsten

daß

es

Einheitsgaran-

Eigeheraus und ohne

daß

aus sich

es nichts

Zwang (wie ihn später Frankreichs Nationalismus

zu den Zügen Napoleons auf die ganze Welt und auch

auf uns übte), zu keinem einheitlichen Nationalstaat hinstrebte, dafür aber

28

im

Besitze der Kaiserkrone des alten

römischen Reichs seine Söhne, vor allem seinen Adel in aller

Herren Länder sandte,

um die es umgebenden Völker-

welten moralisch und politisch zu organisieren. Der dieser

Lage angem^sene „kosmopolitische" Geist sowie die mit

ihm eng

verhaftete besondere Fähigkeit, Fremdes zugleich

zu verstehen und

es

nach den

dem Fremden

selbst

einwoh-

nenden Richtlinien höchster Anlagen zu einem besonderen idealen Dasein erzieherisch umzubilden, machte mit der einzigartig organisatorischen

und

staatskonstruktiven Be-

gabung der Oberschichten deutschen Ursprungs und mit diesem so spät

erst (1870) voll

zurückgenommenen Verzicht

auf nationale Eigenmacht, erst das volle

schen Wesensanlagen

aus.

Ganze

Nichts konnte

man

der

deut-

aus dieser

ethnischen Anlagenganzheit, die mit der geographischen

europäischen Herzlage Deutschlands wie in gottgewollter

Harmonie

schien, vollständig

wegnehmen, ohne

zu gefährden. So waren die Germanen überall

und Herrschaftsgründer und Gesetzgeber

das

als

Ganze

Staaten-

aufgetreten. Die

englischen Institutionen des gemeinen Rechts sind deut-

schen (sächsischen) Ursprungs; das französische Königtum ist

deutschen Ursprungs. Vermöge der großen Bedeutung

fränkischen

und anderen deutschen Adels im Aufbau der

inneren französischen Herrschaftsverhältnisse in Verwal-

tung und Heer

bis in die

Kriege Ludwigs des XIV. hinein,

sind auch die älteren französischen Institutionen überhaupt

ursprünglich aufs stärkste durch deutsches

schen Geist mitbestimmt.

Theorie ihrer



als

Wesen und deut-

Ja, es gibt eine

gut gestützte

Nichthistoriker wage ich nicht, das

Wahrheit genau zu bestimmen

französische Revolution,

lichende Adelszersetzung



,

nach der die große

oder besser die

und

Maß

sie

erst

ermög-

die fortschreitende Unterord-

nung

des alten französischen Adels unter die königliche

Zentralgewalt, schließlich seine

Kammerdienerrolle

am

immer

kläglicher

werdende

Hofe wesentlich dar-

französischen

auf zurückgehen, daß der alte fränkische Adel in den viel-

Ludwig XIV. Ethos und seine

fachen Kriegen, die Frankreich, die besonders geführt hat,

immer

stärker ausstarb



sein

Herrschaftswürdigkeit mit ins Grab nehmend. Etwas Analoges gilt aber

auch für Rußland. Das Zarentum

nur germanisch-schwedischen Ursprungs

sches Fürstenblut

immer neu dem und vor nicht

die baltischen

nicht

— auch während

der ganzen Geschichte des russischen Reiches

geschlechtzugeflossen,

ist

ist

germani-

russischen Herrscherallzu langer Zeit

haben

Barone deutschen Ursprungs im Heer, Ver-

waltung und staatsmännischen Dienstleistungen eine kaum zu überschätzende Rolle in der Geschichte Rußlands gespielt.

Die eigentümlich dämonische Anziehungskraft,

die germanische Aktivität, Herrschaftslust die weiche, zur Organisation religiös fundierte

und

-kunst,

und

wenig befähigte, durch die

Machtscheu und „heilige Ironie"^) noch

gestützte russische Slawenseele aufeinander ausüben, die

dabei psychologisch

notwendig

eintretende Neigung des

germanischen Elementes zur Aufrichtung von Instituti-

onen von der Art und dem Typus der russischen Selbstherrschaft in jeder solchen

gleichen treffend auch in

Schranken

hervorgehoben.

Umwelt, WQ

vom

es

nicht auf seines-

Freiheitsgeiste seinesgleichen

gehalten wird, habe ich anderwärts schon

Noch

in

den Herrschafts- und Sozialver-

hältnissen des ostpreußischen Junkertums mit seiner stark

slawisch

durchsetzten

Unterschicht

gewahren wir den

schwachen Nachhall einer Erscheinung, die für die sche Geschichte

30

grundlegend geworden

ist.

Für

russi-

die

Ge-

schichte

und den Geist der Institutionen

Italiens zeigt

schon ein oberflächUcher Blick auf die Geschichte die emi-

nent konstruktive Bedeutung, welche die Züge deutscher Kaiser,

Könige und Fürsten und die

stark

germanisch durch-

setzte Bevölkerung der norditalienischen Städte für

den

inneren Herrschaftsaufbau dieses Landes gehabt haben').

Nun aber befindet sich schon seit Jahrhunderten lutionäre Geist des

dritten und des vierten nur soweit,

ditionen in sich

weit er einen

der revo-

nicht etwa des vierten Standes, sondern

aufnahm und

eigenen

als er

— nicht

fortbildete

Revolutionsgeist

und

also so-

und einen

ven Bauplan der Gesellschaft in sich ausbildete ethischen, institutionellen Spuren

dessen Tra-



,

positi-

mit den

politischen Daseins-

formen, welche die Germanen in diesen Ländern zurückgelassen haben, in stärkste

m

Gegensatz. Nimmt man

noch hinzu, daß Deutschland niemals eine ähnliche, das Ethos und die Institutionen oder doch ihren Geist umstür-

zende Revolution erlebte, wie Italien

und

zuletzt

dere keine, die

Rußland

sie

England, Frankreich,

erlebt haben,

dem Heerwesen und dem

und insbeson-

es

durch walten-

den Ethos eine so grundsätzlich veränderte,

die feudalen

Traditionen endgültig zerbrechende Stellung in Staat und Gesellschaft gab, wie dies

im Gefolge der großen west-

man es wohl begreifen, daß schichtenmäßig geborene Res-

lichen Revolutionen lag, so kann die zunächst rein sozial

sentiment-

und Haßmenge,

die innerhalb der jetzt uns

feindlichen Länder jahrhundertelang seelen-

und

staats-

umformend an der Arbeit war, sich nur logisch konsequent mit einem scheinbar „nationalen" Richtungswinkel auf uns Deutsche fortsetzt; daß sie gleichzeitig sich unterirdisch geeinigt fühlt, und daß sie ihre vorher noch mehr 31

,

i

^

getrennt wirksamen Teilprozesse wie in

Strome auf

die

einem

gewaltigen

läßt. Von dieKryptorevolu-

Mittelmächte sich ergießen

sem Standort aus gesehen reichen

sich die

tionen aller Länder, in denen Europa und Rußland seit langem leben, beben und erzittern, und damit die gesamten, durch die modernen Lebensformen überhaupt erzeugten Haßaspirationen Europas, ja der Welt, gegen uns die

Hände.

Zugleich bilden

grund für

die

sie

Aufnahme,

den dispositionellen Hinter-

Auswahl und Verstärkung

für

aller der anderen Haßreize, von denen später zu reden sein wird.

Moralgeschichtlich

national

und

soziologisch



nicht also

politisch gesehen, zugleich gesehen mit der

Blickeinstellung auf

ganze Krieg,

und

ist

Europa

als

Ganzes

ist

daher dieser

moralische Krieg gegen Vorgang von der Natur und

wenigstens der

uns überhaupt nicht zuerst ein

dem Wesen eines „Krieges", sondern etwas von der Natur und dem Wesen eines revolutionären Ausbruches, einer „Revolution": Ist die kumulative Enderscheinung der Revolution des peripheren und neubürgerlichen Europas gegen seinen eigenen geographischen und moralischen Kern, gegen sein „Herz" im Sinne räu mlich- geographischer Lage wie im Sinne der Anatomie seiner gesamten moralischen Welt und Atmosphäre. Bedarf es für die Wahrheit dieses wichtigen Satzes

so ist sie

noch einer besonderen Bestätigung,

— ich komme

später genauer darauf zurück



darin gelegen, daß die Hauptträgerschaft des Hasses gegen

uns in allen Staaten und Nationen, zugleich die Hauptträgerschaft des wahrhaft wirksamen,

wenn auch

nicht

immer bewußt eingestandenen Kriegs willens weder feudal-konservativen

Kreise

noch

die

die

Arbeiterschichten

des vierten Standes sind, sondern der

telstand,

bürgerliche Mit-

im wesentlichen der sogenannte h. dieselbe typische Menschen-

politisch also

Liberalismus, und d. schicht, die im Laufe der Geschichte der Neuzeit auch der Hauptträger dreier wesens mäßig zusammengehöriger Erscheinungen, des politischen und kulturellen Nationalismus, des ökonomischen Individualismus und des kapitalistischen

Nationalismus



Geistes gewesen

ist.

Der deutsche

gewesen

so stark er schließlich

ist,

ist

nicht aus dem Zentrum deutschen Wesens und Geistes hervorgegangen, sondern

als

von außen erzwungene Schutz-

wehr gegen den französischen Nationalismus und Imperialis-

mus der napoleonischen weit hinaus über unser

Und

Zeit*). aller

so

Erwarten

diese unsere Geschichte nach,

mächtig wirkt



bis



heute noch

daß der Nationalstaatsge-

danke, die berühmte „Politische Selbstbestimmung der

Nationen" der Trumpf der Entente gegen uns die wir mit Österreich

Der

und der Türkei zusammengehen.

kapitalistische Geist

schließlich

wurde



sein kann,

ist

Deutschlands



so

mächtig er

nicht aus deutschem Wesen

autochthon entsprungen, sondern nur im gleichen

Maße

als der Eintritt in die uns umgebende Weltwirtund der damit erst gegebene Konkurrenzzwang ihn uns im Gegensatze zu unserer älteren, nach dem Gegen-

entstanden, schaft

seitigkeitsprinzip

Und

organisierten Wirtschaft

auch der neudeutsche Imperialismus

aufnötigten®). ist

im wesent-

lichen Ansteckung durch den englischen Weltreichsgedan-

ken gewesen. Alle drei so wesentlichen Elemente des mo-

dernen Ethos überhaupt sind nicht unser deutsches Eigenprodukt,

und

alle drei

werden von denjenigen Klassen

der uns feindlichen Völker '

am

wesentHchsten getragen, 33

die uns innerhalb dieser Völker

umgekehrt

eines der

ist

am

stärksten hassen.

Grundelemente desjenigen

Und

älteren

Ethos, das durch das moderne der Zerstörung anheimfiel, die

christliche Korporations- und Gegenseitigkeits-

idee in

Verantwortung und Schuld

auch bei uns zurückging und so sehr tion

und ihren

sie



so stark sie

ihre religiöse Sank-

Gehalt auch unter uns längst

religiösen

und politisch in der Idee Bundesstaatsverfassung und als Gesinnung und Gefühl in dem deutschen Menschen als verleugnete, wenigstens formal

der deutschen

Amtsauf fassung

aller

Macht gegenwärtig.

moralische

seite dieses Krieges,

um

Hintergrund,

am

Arbeit noch

oder doch

relativ stärksten als

Um die moralische Innenum

ihren welthistorischen

die Disposition des Hasses gegen uns als

Fortsetzung der seelischen Kryptore volution Europas zu sehen, scheint es freilich eines Abstandes von den Ereignissen

und Schauplätzen

des

Krieges zu bedürfen,

den wir nur schwer gewinnen können. Chinesenaugen

scheinen

erst

die

Japaner- und

natürliche

Distanz

zu besitzen, welche den Sinn des blutigen, uns nahen, nur

als

Gemäldes voU

allzu

Chaos von Farbenflecken erscheinenden erfassen lassen.

Nicht nur das nahelie-

gende japanische „Harikiri Europas", in weit höherem

Maße

das so naive

als

kluge

und

das Gesagte

lichen bestätigende Urteil des Chinesen

geben hiervon Zeugnis^"). vor allem

als

Ku Hung Ming

im wesent-

Ku Hung Ming sieht

den Krieg

einen „Aufstand der bürgerlichen Massen"

an und blickt wenigstens in der Richtung der eben gekennzeichneten Wahrheit.

Man Frage 34

kann auf das Gesagte hin scheinbar mit Recht die stellen,

ob unsere Meinung von

dem Hintergrunde

des Hasses nicht solchen englischen, belgischen, französischen

und

russischen Sozialisten recht gäbe, die ja gleich-

diesem Kriege einen Krieg „universaler Demokra-

falls

in

tie"

gegen den Ausgangspunkt

tion" sehen,

und

aller

„europäischen Reak-

die gleichfalls ein Sichdiehändereichen

besonders der französischen und russischen Revolution be-

haupten,



massen

für

sicher nicht

ohne die Absicht, ihre Arbeiter-

den Krieg gegen uns zu gewinnen. Auch mit

einigen Elementen der oben genannten Theorien über die

Herkunft der französischen Revolution und der russischen Selbstherrschaft

und

ist ja

diese

Meinung z.

B.

von Van de Velde

seinen russischen Freunden schon unterstützt worden.

Dieser Frage diene zur Antwort das Folgende

:

Nicht die

mehr reformatorische Arbeiterbewegung, sondern die bürgerliche Revolution des dritten Standes und jene des vierten Standes nur, soweit als sie sich vom bürgerlichen Liberalismus ethisch und gedanklich noch nicht selbständig gemacht hat und soweit sich ihre Massen gleichzeitig in ökonomischer revolutionäre oder

Abhängigkeit vom

— nicht aber, soweit ziationen

bürgerlichen Kapitalismus befinden, sie

gedanklich und durch ihre Asso-

selbständig geworden

neues Bewegungselement

in

die

ist

und

ein wahrhaft

Geschichte hineinge-

tragen hat, setzt ihren Schichtenhaß auf uns Deutsche fort.

Es

ist

der alte aufgesparte

hunderte,

es ist

nicht

Haß

der

die neue

bürgerlichen Jahr-

positive Arbeiterbewe-

gung, auch nicht der neue

Haß

diesem Kriege aus seiner

Latenz hervorgetreten

sich

Ja

des vierten Standes, der in ist

und

gegen uns Deutsche gsammelt hat.

— wenn wir darauf hinsehen, was

in

diesem Ereignis

überhaupt nicht nur Krieg, sondern Revolution

ist,

so ent-

35

hüllt es

des

— abgesehen von den Tendenzen des vierten Stan-

— sogar ein eigentümliches Janusgesicht der RevoDenn so sehr das Ereignis von einer Seite aus gevom Terminus a quo her die Revolution des dritten

lution. sehen,

Standes in ihrer Fortsetzung und Vereinigung darstellt, so

dem verwunderten Blicke von der anderen Seite, dem Terminus ad quem her, als der Vorgang, in dem sich das deutsche Arbeitsvolk, in dem sich der zeigt sich das Ereignis

„Emporkömmling" und der den Völkern

bisherige

,,

Proletarier" unter

— das Volk, das eben dasjenige

ist,

in Verhältnis

zu den anderen Völkern, was das Proletariat in j e de zur übrigen Bevölkerung

m Volke

— empor und ans Licht zu kämpfen

sucht gegen die beati possidentes vorzüglich der Weststaaten. Es

ist

also

zu scheiden eine Revolution in diesem

Kriege, die gegen uns gemacht wird

und

eine andere Revo-

wir machen. Wenn der deutsche Sozialdemokrat Paul Lensch in seinem bekannten Buche von „Drei Jahre

lution,die

Weltrevolution" redete, so meint er dabei diese letztere „Revolution". seitig

Mag

er

auch diesen Gedanken

zum Verständnis des ganzen

viel

zu ein-

Krieges entwickelt haben,

wohnt ihm doch eine tiefe und beachtenswerte Teilwahrheit ein. Aber erst wenn sie zusammengeschaut ist mit der anderen Revolution, die gegen uns gemacht wird, nimmt sie ihre wahre Bedeutung an. Es ist darum auch kein Wunder, so

daß die Angst der Bourgeoisien der Weststaaten vor unse-

rem

Sozialismus, vor

sozialpolitischen

dem

Geiste, wie er in der deutschen

Gesetzgebung zuerst

er sich als politische

Größe

in der

sich darlegte, wie

glänzenden Organisation

und der sozialdemokratischen und christlichen Gewerkschaften geformt hat, kaum minder groß ist wie die Furcht vor unserem sog. Militarismus und unserer Sozialdemokratie

36

der sog. deutschen Autokratie. kanische Presse genau

besonders die ameri-

wird auch genügend Ausdrucks-

liest,

Aber

arten dieser Angst gewahren. diese

Wer

daß

es ist begreiflich,

Angst und Furcht zu äußern unzweckmäßiger

ist

für

Führung des Krieges als die ewige Rede von Militarismus und Autokratie. Darum ist auch mehr als ein bloßer

die

Zufall sich äußerlich fördernder, in dieselbe Richtung drän-

gender Machtverschiebungen darin zu sehen, wenn der erste Friedensschluß in

diesem Kriege (über seinen Inhalt,

den ich für durchaus unglücklich

halte, urteile ich nicht)

zwischen der deutschen Regierung und denjenigen revolutionären Kreisen Rußlands geschlossen

der russischen Bourgeoisie

am

worden

fernsten stehen.

die

ist,

Gewiß

sind

die Gesinnungskräfte zwischen der deutschen Regierung

und den Bolschewiki unüberbrückbar. Und dennoch dieser Tatsache, deren Folgewirkungen übrigens

ganz unabsehbarer Größe die bloß kluge

noch von

mehr zugrunde,

als

Benutzung einer Situation im feindlichen

Staate unsererseits.

Sympathie,

sind, weit

liegt

Das beweist schon

die zwischen

die

tiefgehende

deutscherund russischer Sozial-

demokratie auch vor diesem Ereignis bestanden hat und die

im Verhältnis zu den Weststaaten greifenden Unbürgerlichkeit des deutschen und

ihre letzte Ursache in der viel tiefer

russischen Proletariats hat"). Die

Kräfte und Kraftarten als die

ist

Logik

der soziologischen

eben hier weit stärker gewesen

subjektiven Gesinnungen der deutschen Regierung

und der Führer der Bolschewiki. Der durchsichtigen politischen Tendenz aber, die in jenen Reden der Van de Velde usw. liegen, dürfen wir also den Gedanken entgegensetzen, daß nach dem Kriege und vermöge der weiteren soziologischen Entfaltungen, die er her37

i

vorruft, es sich

wohl noch ereignen könnte, daß

sich das

Älteste und das Jüngste, daß sich die vom kapitalistischen Geiste noch nicht angefressenen, d. h. radikal-kon-

und

servativen Kulturelemente, daß sich der germanische

gleichzeitig christlich-kirchliche Korporationsgedanke, der

Geist unseres Gesinnungs-Militarismus

deutsche

monarchische

Staatsethos

und

das formale

und

einerseits

innerlich neugeformte Arbeiterbewegung, soweit

sie

die

nicht

durch den Geist des bürgerlichen Liberalismus angesteckt

und nur

sein etwas radikalerer Schleppträger

zu einer einzigen moralischen sen

— um nicht nur Maße

in

Macht

geworden

ist,

zusammenschlös-

unserem Staate, sondern

in

einem

ganz Europa das Zeitalter gründlich zu man nicht mit Unrecht das „bürgerlich-kapitalistische" genannt hat. Und auch darum ist die Rede vom Krieg und Haß der ,, Demokratie" gegen uns so un-

gewissen

in

bestatten, das

sinnig, da

— wie ich anderwärts^*)

zeigte

— der Geist der

verschiedenen

nationalen Demokratien ein so grundver-

schiedener

daß mit Abzug dieser Verschiedenheit und

ist,

bei gehöriger Scheidung der liberalen

von der sozialen Ar-

beiter-Demokratie so etwas wie eine einheitliche kratie"

gar nicht

übrigbleibt,

ja

im Grunde

„Demo-



nichts

übrigbleibt^^).

So wichtig aber das Gesagte uns die starke disposition überhaupt,

und auch

tung auf die Mittelmächte

als

die Völkerschaften erklärt,

die keine Revolution hatten, so

Ursachen können

wenig bürgerliche Revo-

unmittel-

des gegenwärtigen Hasses wieder.

Diese

ja nicht in so alten historischen

Span-

nungsverhältnissen beschlossen liegen, 38

Haß-

ihre vornehmliche Rich-

lution größeren Stiles, gibt das Gesagte die

baren Ursachen

ältere

als

sie

eben auf-

geführt wurden.

müssen hier

Ehe

ins

Neuere und nicht so

alte

Entwicklungen

Auge gefaßt werden.

ich diese eigentliche Ursachenfrage der unmittelbar

wirksamen Ursachen berühre,

nung und

will ich die

Größenanord-

die Träger des Hasses gegen uns, sowie Art

und

Ausdruck des Hasses etwas genauer kennzeichnen.

39

III.

Größenordnung und Träger des Hasses was Größe und Wildheit des Hasses

Esweit

ist,

verbreitete

hierin alle unsere übrigen Feinde bei

daß dann etwa

Italien,

treffen.

weitem überböten,

dann England, dann Rußland unter

unseren Hauptfeinden folge. endgültig«

betrifft, eine

Meinung, daß Frankreich und Belgien

Ich wage

es nicht, hier eine

Anordnung der Größenquanten des Hasses zu einige Warnungen vor

Aber ich möchte wenigstens

vorschnellen Urteilen über diese Frage ergehen lassen.

Ganz gewiß

ist,

daß

das,

Zeitschriftenliteratur in

was die französische Presse, was

Druck und Bild hierin geboten hat,

was die ffanzösischen Kulturträger, Akademien, Gelehrte, Künstler, Staatsmänner, Priester

und Geisthche (und zwar

ebenso protestantische wie katholische) sich an Urteilen

über uns geleistet haben verfolgen geleistet



,

— ich konnte

es

ziemlich genau

weitaus das Tollste, Maßloseste darstellt, was

wurde. Vielfach grenzt

es

an hysterisches Irresein.

Beispiele seien mir erlassen^*). Nicht aber nur

dem Grade

am stärksten, auch am einheitlichsten und gleichzeitig am einförmigsten, d. h. fast immer durch dasselbe nach

Durchschnittsbild deutschen Wesens und durch dieselben

Gründe

gestützt, erscheint dieser französische

gends scheint

gegen den

40

es

Haß. Nir-

auch so wenig stärkere Gegenbewegungen

Haß zu geben

wie in Frankreich. Aber scheiden

wir erstens

Haß und Haßausdruck,

zweitens den wirklichen

Haßausdruck und denjenigen, der zu unserer Kenntnis gelangt, scheiden wir liche

Dauer des

auch Stärke und Tiefe sowie vermut-

Hasses, so ergeben sich auch

wendungen gegen

und

dieses Urteil

manche Ein-

dies besonders

im Ver-

Während der Franzose seinen Haß und unmittelbar zu äußern pflegt, dazu ihn sofort literarisch und deklamatorisch zur Selbstschaustellung verwendet, ist es die Art des hierin vornehmeren und gleich mit England. stark, rasch

auf die Herrentugend der stolzen Selbstbeherrschung nicht

grundlos Anspruch machenden Engländers, im allgemeinen

immer

ruhiger zu werden, je

stärker der Affekt alle

mehr

er sich ärgert

und

je

Die Psychopathologen wissen, daß

ist.

sogenannte „Hysterie" dadurch charakterisiert wird,

daß der im Ausdruck symbolisch zur Schau

gestellte Affekt

immer weit stärker ist als der wirklich erlebte Affekt selbst. Eben noch in wilden Tränen schreiend, ißt der Patient wenn der Zuschauer, z. B. der Arzt, weg ist, ruhig einen



Aber ein wenig „hysterisch"

vorher verborgenen Apfel. ist

unser westlicher Nachbar überhaupt; dazu pflegen Mas-

senaffekte schon als

solche

zu nähern. Jedenfalls

gilt:

sich hysterischen

Der Franzose

seines Hasses gerne etwas hinzu,

gerne etwas wegnimmt.

daß der Franzose

Und

sich leicht

tut

Symptomen im Ausdruck

wogegen der Engländer

damit hängt eng zusammen,

aushaßt

— wogegen der Eng-

länder sich im Zeitverlaufe eher ein haßt. Dort eher wildes Augenblicksfeuer, hier stetes tiefer in die Seele

Englands zuerst

(z.

einsenkenden Kraft.

B. Burenkrieg)

gegen den

Wachstum

Krieg,

war

einer sich

Bei allen Kriegen

Meinung und eigen-

seine öffentliche

um dann immer stärker

sinniger für ihn zu werden.

immer

Nichts

z.

B.

ist

offensicht-

41

daß bei uns in Deutschland der Haß gegen Eng-

licher, als

land

seit

Anfang des Krieges

hingegen der englische

stark

Haß gegen

ring schien, fortwährend

und

abgenommen

daß

hat,

uns, der anfangs nur ge-

stetig

gewachsen

ist.

Aber

auch die Einheitlichkeit des französischen Hasses darf nicht

ohne weiteres nach den uns zugänglichen Zeugnissen bemessen werden. Es geht nicht an, in genau analoger Weise, wie wir

z.

B. aus der englischen Presse auf Englands

wirk-

liche öffentliche Meinung und auf ihre Zusammensetzung schließen dürfen, ebenso aus der französischen Presse auf die französische

wirkliche

sammensetzung zu alle

faktischen

Deutschlands,

öffentliche

Meinung und

In Frankreich sind zur Zeit

schließen.

Gegenbewegungen gegen

teils

Zu-

ihre

die

Ächtung

durch die eminent scharfe Zensur,

durch die Furcht vor Achtung

teils

seitens der

herrschenden

Der

Zentralismus

Kreise fast vollständig unterdrückt.

alte

Frankreichs reicht bis ins Geistige hinein.

In England, ja

selbst in Rußland besteht hierin eine weit größere Freiheit.

Es

können

daher starke Gegenbewegungen gegen den

gemeinen Deutschenhaß

in Frankreich da sein, die

Zeit gänzlich verborgen sind.

neu geartete Regierung Relief

der

öffentlichen

in

Denken

all-

nur zur

Sie eine politisch

Frankreich — und

das ganze

Meinung könnte mit einem

Schlage ein neues Gesicht zeigen. Ähnliches wäre in Eng-

land

als

Folge eines Regierungswechsels

geschlossen.

Denken

Sie sich

z.

B. völlig aus-

etwa die Zersetzung des fran-

zösischen Radikalismus, der sich in so vielen Zeichen jetzt offenbart, fortschreitend

Ruder kommend,

so

und

würde

eine royalistische Partei ans

bei der besonders großen Be-

deutung, die in Frankreich politische Struktursympathien

und Antipathien gegenüber den

rein nationalen Inter-

42

3

daß Friedens-

essen besitzen, es nicht ausgeschlossen sein,

oder nach

dem

Krieg Vereinbarungsneigungen mit uns in

ÄhhHches wäre

die Erscheinung träten.

undenkbar, lische

— womit ich nicht sagen

Berechnung

gleichfalls

in

will,

England ganz daß nicht eng-

zu Vereinbarungstenden-

zen führen könnte. England, der geborene „Herr der Völker", kennt keine solchen als

politischen Struktursympathien

Faktoren der Gestaltung der äußeren

fest

im Wechsel

seiner auswärtigen Politik.

darf

man

nicht erwarten



tun

immer die Auch von England freilich

,

— was heute, wie mir

daß

wiß

es z. B.

seine Interessen

ist

ihm

scheint, zu

die nüchterne Berechnung seiner

Interessen ohne weiteres stärker sein

wie sein Haß; daß

wenn

und Dog-

Starr

seiner Kabinette standen

men

viele Deutsche

Politik.

Handeln bewegen wird

ernsten Friedenswillen zeigte, dies

zu gebieten scheinen. Ge-

der Engländer auch im Kriege ein kluger Kauf-

mann; aber er nem Haß und sein Interesse.

ist

auch eigensinnig zäh und konstant

er handelt aus

Auch

in sei-

„Charakter" oft auch gegen

sein Cant, mit

dem

er seine Inter-

essen zuerst nur hinter moralischen Redefiguren versteckt,

kann so groß und

so sehr „zweite

Natur" werden, daß

er

ihn gleichsam übertölpelt und sein politisches Handeln

wahrhaft bewegt.

Ja,

es allein entscheiden, so

könnte ein Herr

vom Typus Grey

bin ich überzeugt, daß dieser nüch-

terne altenglische Staatsmann in seinen Entschlüssen die Interessen Englands allein zu Rate zöge.

Aber auch

ein

Herr Grey kann nichts Endgültiges gegen die immer ge-

Meinung Englands tun, und der Haß der englischen Mittelstandsmasse ist im Laufe der Kriegszeit in stetem Wachstum gewesen. Eines wichtiger gewordene öffentliche

freilich ist sicher

:

der englische

Haß

ist

schon vermöge der

43

gemischt nationalen Zusammensetzung des Inselstaates lange nicht so einheitlich, auch nicht so einförmig wie der französische

Haß.

sehr merkwürdig

Nicht nur bei den Iren, auch

ist

— bei den Schotten

belegtem Urteil) geringer

fens gut

im engeren

Sinne.

Der

dem

er (nach Stef-

den Engländern

:

es

Haß

italienische

englischen

Moment gemeinsam daß

lebenden deutschen Elemente

ist

bei

und

russische

gegen uns haben gegenüber sischen ein

als

— was

und

die in diesen sind,

die

franzö-

Ländern

besonders

durch ihre wirtschaftliche Überflügelung und Verdrän-

gung der Landeseinwohner das primäre Objekt des Hasses gebildet haben. Erst von ihnen aus wurde der Haß auf unser Volk

und unseren

Staat übertragen,

Deutschenhaß zum Reichshaß. Bei dem ist

— wurde

italienischen

besonders merkwürdig die Tatsache, daß er vor

Kriege

— jeder seit



Italienreisende konnte dies erfahren

weit stärker die Österreicher traf

daß aber

der

Haß dem

als

die Reichsdeutschen,

Beginn des Krieges und in seinem Verlaufe

die Sprache der

Äußerungen der

italienischen Kulturträger

gegen uns Reichsdeutsche eher noch schärfer geworden als

gegen die Österreicher.

gen, daß

man

für

Mag dies

ist

damit zusammenhän-

den Verrat und den schändlichen Treu-

bruch nachträglich eine ganz besondere Rechtfertigung suchen zu müssen meinte

das

man mehr



als

so und ungerecht behandelte doch nicht der Hauptgrund dieser seltsamen Er-

den, den ist

man

— niemand haßt

beleidigte

,

scheinung. Es dürfte darin liegen, daß der Krieg einen auf-

merksameren Vergleich des italienischen und reichsdeutschen Kulturtypus ausgelöst hat, und daß von diesem nichtstaatHchen Gesichtspunkte aus die Gegensätzlichkeit des reichsdeutschen Typus, besonders des preußischen

44

zum

.

italienischen, in der

Tat noch

tiefergehend

viel

zum

Gegensätzlichkeit des österreichischen

Eine eigentümliche Erscheinung

ist es,

ist als

italienischen.

daß die angloame-

rikanischen Länder einen schärferen Unterschied

machen

zwischen deutschem Volk und deutscher Regierung lateinischen Nationen.

die

Als bloße politische

als

die

Zweckhand-

lung (um Deutschland in sich zu trennen und eine sog. deutsche Revolution zu fördern) darf fassen

man

dies nicht auf-

— so sehr natürlich die Führer der Völker die Tat-

sache zu solcher Zweckhandlung benützen. Freilich scheint

im Laufe der letzten Monate (ich schreibe diesen Satz im August 191 8) der amerikanische Haß Dimensionen angenommen zu haben, die auch diese Unter-

andererseits

scheidung beiseitelegen. Er nicht zu unterschätzende

ist

zweifellos eine tiefgehende,

Massenbewegung geworden,

die

gutem Glauben mit sehr primitiven moralischen und religiösen Argumenten deckt und die man nicht mit Unrecht „Kreuzzugstimmung" genannt hat. Ja, es ist so weit gekommen, daß die Haltung der amerikanischen Presse und Literatur sehr häufig eine Korrektur seitens der Ententepresse Europas erfahren muß, welche die amerikasich in

nische Haltung Interessanter

als

„Übertreibung" zurückweist.

und wichtiger

Größenordnung des Hasses

bei

als

diese

Frage nach der

den Völkern wäre die Frage,

welche Volkselemente und Volks kl assen es sind, die in den Völkern und Staaten die vorzüglichen Träger des Hasses gegen uns sind, resp. nach welchen soziologischen

Einheitsbildungen (Rasse, Religion, Beruf, Stand, Klasse) der

Haß

vor allem wirksam

ist.

In extenso

noch nicht zu beantworten. Aber unseren feindlichen Nationen ein

ist

dies scheint

diese Frage

mir bei allen

gemeinsames Moment 45

zu bilden, daß überall die großen

Massen der bürgerlichen, gewerb liehen undkaufmännischen Mittelklassen die Hauptträger des Hasses sind, also weder die Arbeiterklassen, die am Hasse ziemlich genau in dem Maße beteiligt sind, als ihr

Lebensstand höher

und

ist

als sie

an

vom Bürgertum getragenen Wirtschaftsökonomisch interessiert und in den Haß mit

der Erhaltung der

organismen

hineingezogen sind (da land weniger sind ihr

Haß

land betrifft,

ist

Ländern auch

seinen Arbeiterführern

dem

wurden)

waren

und

ist

geringer),

dem

Kriege gewesen.

Bei

den Kreisen des Oberhauses

in

weitaus die maßvollsten Reden über uns gehört

ist

der

Haß noch

relativ

am geringsten.

linkssozialdemokratischen

die

streng monarchistischen sten

und Ruß-

der „Mittelstandshaß" gegen Deutschland

sprichwörtlich schon lange vor

(aus

Serbien

England, Frankreich, Belgien,

noch konserGroßgrundbesitz, hohe Finanz. Was Eng-

in diesen

vativer Adel,

sie es in Italien,

als in

und

In Italien

Elemente wie die

klerikalen Kreise die schärf-

Gegner des Hasses wie des Krieges. In Rußland waren

die hochkonservativen Kreise, der Adelsklub

wie die

noch unsere vergleichs-

radikalen Träger der Revolution

und

Industrie-

Und

selbst für

weise besten Freunde, die liberalen Handelskreise aber unsere

z. B.,

schärfster! Feinde.

wo der Haß auch klassenmäßig gesehen der einund am wenigsten zerteilteste ist, gilt, daß nicht

Frankreich, heitlichste

nur die Sozialdemokratie (sowohl die Kreise die Syndikalisten), sondern auch

wissen pflegt

— die streng

— was

am wenigsten

Jaures

beteiligen.

Es

am Deutschen haß ist

als

man weniger zu

royalistischen, kirchlichen

kulturnationalistischen Kreise sich tiv

um

und rela-

der republikanische,

auf den Ideen von 1789 fußende Nationalismus, nicht der

46

royalistische, es ist der positivistische, nicht der kulturell

Nationalgedanke, in

klassizistische

dem

sich die allgemein-

französische Revancheleidenschaf t^^) mit

dem politischen

Hasse gegen unsere monarchisch- militärischen Institutionen, gegen unsere Organisation, gegen unsere organische

und

Einheit von Staat stärkt

und

Kirche, zu

vereinigt, welche die

einem Gesamtstrome primären Träger des

französischen Hasses gegen uns sind. dierte

Haß

stens ebenso

Der

politisch fun-

aber in diesem Kriege überhaupt

ist

stark wie der national fundierte.

minde-

Und

er ist

im Fortgang dieses Krieges immer reiner und stärker zur Geltung gekommen. Der Royalismus, der Klassizismus, der den französischen Machthabern stets feindliche sogenannte esprit nouveau der französischen Jugend sind vor

dem

Kriege schon darum nicht die Hauptträger des fran-

dem Kriege sehr starke ethische und politische Struktursy mpathien zu Deutschland, besonders auch Sympathien zum Deutschen Kaiser, zur Figur Bismarcks usw. besaßen. Da sie zweitens auf Grund ihrer mehr oder weniger prinzipiellen Feindschaft zösischen Hasses gewesen, da sie vor

gegen die gegenwärtige Republik diese für unfähig ten, einen siegreichen

hiel-

Krieg gegen uns zuführen, und da

sie

drittens bei schärfster Betonung, ja Wiederauffrischung der

Revancheidee Idee nicht

sondern nur

seit

als

als

für die geistige

dem Marokkoabkommen gleichwohl diese

eine nach

nach innen wirkende erzieherische Leitidee

Erweckung des jungen Frankreich zu

nungs-militärischen teten.

außen wirkende Kriegsursache,

nationalen

Lebensformen

gesin-

betrach-

Die schärfste Kritik der gegenwärtigen Machthaber,

meist unter Ausdruck starker Achtung, ja Sympathien für die Deutschen,

ist

in Feldpostbriefen

von diesen Kreisen 47

auch während des Krieges ausgegangen, und ein RoyaUst

war

der die zweite Rede Bergsons über die deut-

es z. B.,

sche Organisation

„öden

als eines

geistlosen

Mechanismus"

An am we-

durch eine sehr treffende Kritik ad absurdum führte.

dem

Barbarengeschrei beteiligten sich diese Kreise

nigsten

da

und konnten

sie seit

und

auch konsequenterweise gar nicht,

es

Jahren die Ideen von 1789, besonders Rousseau

die demokratische Gefühlsromantik für die

aller Barbarei,

auch

in

ihrem eigenen Lande,

Wurzel

erklärt hatten.

Eine kurze Betrachtung der neutralen Länder führt zu

ganz analogen Ergebnissen. Wir haben neben den Generalstäben von Holland, der Schweiz, Schwedens

Berufssolidarität des Militärs als Stand mit

eine gewisse

dem

— hier kommt

militärisch höchstgeschätzten deutschen Generalstab

zur politischen und nationalen Einstellung hinzu relativ besten

und

in

betrifft,

Freunde

in

den kulturkonservativen Kreisen

den politischen Rechtsparteien. Was so sind es

— die

besonders die

die ersteren

Katholiken

(z.

B. der

deutschen Schweiz, Hollands, Spaniens), ferner auch die protestantischen kirchlichen Orthodoxien

(z.

B. die hollän-

dischen Calvinisten), die relativ für uns eintreten. die Rechtsparteien betrifft, so sind dieselben

Was

Länder zu

nennen und dazu Schweden. Wir besitzen aber auch innerhalb der Arbeitermassen und der Arbeiterführer in den neutralen Ländern noch einige Sympathien in weit geringerem Maße

als

— wenngleich

innerhalb dergenannten Kreise.

mittlere Mensch, der kultuSo also ist relle wie ökonomische Mittelstandstypus, z. B. in England nicht der ruhig vornehme Greytypus oder der Ramsayes überall der

typus, sondern der Lloyd George-Typus, der

gegen Deutschland wütet. 48

am

giftigsten

Meine über

die Hintergrundsursachen aufgestellte

These

wird also durch diese kurze Übersicht nur bestätigt.

Gegen

diese klassenmäßige

die rassenmäßige,

z.

B. panslawistische

zu beweisen brauche zurück.

Auch



ist



tritt

— wie ich hier nicht

stark, die religiöse fast vollständig

das tschechoslowakische

im wesentlichen Masaryk

Verwurzelung des Hasses

die erstaunliche

Heer

in

Rußland



Schöpfung des Professor

nicht aus panslawistischen Rassemotiven, son-

dern mit Unterstützung der Entente nur aus politischen, antiösterreichischen Motiven zusammengeschweißt worden.

Doch wenden wir uns jetzt unserer Hauptfrage, nach den unmittelbaren Ursachen

der Frage

zu.

49

IV.

Arten und Einteilung der unmittelbaren Ursachen

Gehen wir

an die unmittelbare Ursachenfrage heran, so

Ge-

auf den ersten Blick ersichtlich, daß sowohl die

ist

genstände, die aus der Fülle deutschenWesens im Hasse her-

man sich ferner aus unserer Gesamterscheinung herausschneidet und auf Grund deren

aus gefaßt werden, die Bilder, die

wir gehaßt werden,

sachen

als

auch die eigentlichen Stoßur-

des Haßimpulses, die Triebfedern des Hasses bei

unseren verschiedenen Gegnern

den

sind.

lischer

zum

Teil grundverschie-

Dieser Satz duldet gewiß keinen Zweifel. Eng-

Konkurrenzärger

z.

B.

und

gallische

Revancheidee

sind so verschiedene Dinge, wie französische, russische

und

englisch-amerikanische Karikaturen unseres Wesens grund-

verschieden sind.

Auf

die Differenzen dieser Bilder will

ich hier nicht eingehen, so interessant es auch wäre. so

wahr

dies alles

ist,

so erklärt

doch das bloß

Aber

zufällige, in

der Kriegskonstellation liegende Zusammenwirken so ganz verschiedener, je national lokalisierter, kausaler

und Ge-

genstandsfaktoren des Hasses eine für unsere Erscheinung

ganz wesentliche Tatsache nicht. die

einheitliche

Diese Tatsache

ist

Dynamik dieses Hasses, die doch jedem

von uns ganz unmittelbar fühlbar

ist.

Bloßes

Zusammen-

wirken ganz verschiedener Ursachen erklärt nicht die sonderbare Kraft ei nh ei t dieses giftigen, ätzenden, tödlichen

50

Windes, der uns aus der ganzen Welt, auch aus den meisten neutralen Staaten oder doch aus der Majorität ihrer Bevöl-

kerungen entgegen weht.

Und das a

was jeden von uns so

lich,

tief

11

e i n ist es

vorhergesehen traf und vielen von uns, wir ganz ehrlich sind —

als

doch eigent-

verwunderte, so völlig un-

ein für

ja allen

den Verstand

durchdringliches Mysterium erschien.

Daß

— wenn fast

un-

wir aus diesen

und jenen Gründen gehaßt werden, daß man

sich in

den

Literaturen der Völker ganz verschiedene Bilder von uns

macht (daß wir nüchterne Pedanten

für die Russen, gefähr-

Emporkömmlinge mit der „roten Feder" für die Engländer, schwerfällige und eroberungsgierige Barbaren und Dickköpfe für die Franzosen sind), das wußten wir auch vor dem Kriege. Es ist auch nicht die Stärke des Hasses, was den Hauptgegenstand unserer Verwunderung ausmachte. Es ist seine dynamische Einheit und es ist

liche

seine

Universalität.

Und

noch etwas kann durch die

auf die Verschiedenheit der nationalen Haßursachen gerichtete

das

ist

Methode

des Nachdenkens nicht erklärt werden:

das die Vernunft beleidigende

das zwischen den ganz verschiedenen

dem Haß

Mißverhältnis, Begründungen der

und der gleichwohl bestehenden dynamischen Einheit des aus

fließenden Werturteile über uns

Hasses besteht. Das logischen Frage.

wenn wir

ist

Und

einer der Springpunkte der psychodies

Mysterium

steigert sich noch,

beachten, daß sich die Begründungen der typi-

schen Haßurteile oft geradezu glatt widersprechen, der

Haß selbst aber dabei dennoch völlig einheitlich bleibt. Nehmen wir nur ein auffälliges Beispiel. Seit Jahrhunderten hat man von uns gesagt, wir seien das Volk des grenzenlosen Individualismus (Personindividualismus

wie Stam-

mesindividualismus),

untereinander kämpft, fen hat, das Volk, in

Volk,

das

wenn

dem

das

wie schicksalsmäßig

es sonst

niemand zu bekämp-

jeder (nicht nur der Professor)

Meinung und seinen besonderen Starrkopf Volk, das nur im Kriege einig und nur im Unglück

seine eigene hat, das

groß sein kann, das Volk der Hyperkritik gegen sich selbst

— das eigentlich „unsoziale" Volk. genau

so oft das gerade Gegenteil

tralisierter Bienenstaat, ein

:

Volk

Und

Wir

heute hören wir

seien ein hyperzen-

serviler

Gesinnung und

unselbständigen Denkens, das blind seinen militärischen

Führern

folgt,

ein Volk einer bloß klug ausgerechneten

und Erfindungskraft

Organisation, ohne Originalität

den Wissenschaften, dazu ohne jede

Französische Gelehrte,

B. Pierre

z.

schreiben, uns fehle die

vielmehr

Selbstkritik,

von äußerstem nationalen Größenwahn

beseelt.

Duhem und

Denkklarheit und

in

aller

Oder: andere,

gesunde

Menschenverstand, wir seien in den Wissenschaften ent-

weder mystisch, nebulos, verworren oder nur bedacht auf logische

und mathematische ,, Strenge" im Formalen. Und

es gelte

„scientia germanica ancilla scientiae gaUicae"^®).

Aus Rußland dagegen tönt nelle Wissenschaft

und

wir könnten nichts

uns überall an religiöser

es fehle

Muß man da nicht fragen

:

Wissen

Feinde, ja weiß die Welt selbst nicht, sie

uns so haßt, wie

sie

uns haßt

?

noch

je

fort-

vielleicht unsere

warum

eigentlich

Liegt derjenige Teil der

Ursachen, der ihrem Hasse gemeinsam trotz der natürlich

als ratio-

So könnte man stundenlang

mystischer Inspiration. fahren.

es,

ist

— gemeinsam

da zu tretenden besonderen

grundverschiedenen national oder politisch fundierten sachen



vielleicht für ihr eigenes

im Dunkel, daß darum 52

die

Ur-

Bewußtsein noch so sehr

Begründungen auseinander-

fallen

und

wohl aber

sich widersprechen können, ja müssen, gleich-

ihr

und

glaube,

ich

Vortrages,

Haß dynamisch

daß

es

das

ist

einheitlich bleibt

eine

neben den partikularen Ursachen des

des Hasses selbst.

Und

ist,

wie die

Ursache nur dunkel bewußt

ist,

Welt

für ihren

Gehen wir nun

Haß

ein

Dynamik

daß der Welt

ich glaube weiter,

und daß

sehr unterscheidet von den mannigfaltigen die

und ge-

Ursache des Hasses gibt, eine Ursache, die

ebenso einheitlich und gemeinsam

diese

sie sich

gar

Gründen,

die

angibt.

wenig systematisch vor und

teilen uns

die Gesamtheit der unmittelbaren Ursachen nach

stufen ihrer Wirksamkeit ein. teilen in diese all



der Hauptthesen dieses

Hasses gegen uns auch noch eine einheitliche

meinsame

Nun

?

Erstens wollen wir

einheitliche Ursache und

Rang-

sie

ein-

die sich ihr über-

ansetzenden je national partikularen Ursachen").

Zweitens wollen wir die Ursachen scheiden in solche, die I.

in

dem

wirklichen Sein

und Bestand

modernen

des

Deutschland und seinem hervorstechenden

Menschen-

typus gelegen sind, resp. in den wirklichen historischen

Entwicklungstendenzen, die zu ihm hinführten; solche, die auf

notwendigen, durch

2.

in

die unverschieb-

baren Verstehensgrenzen der nationalen Geistesanlagen selbst

bestimmten, durch Aufklärung darum nicht zu be-

seitigenden,

und darum auch

verständnissen unseres Wesens z.

Mißund unserer Einrichtungen,

nicht „schuldhaften"

B. unseres sogenannten Militarismus, beruhen. Also

um

um

Ursachen, die

in unserem wirklichen Sein liegen; aber doch

um notwen-

Mißverständnisse und

insofern nicht

dige Mißverständnisse handelt

es sich hier.

Ursachen, die auf nicht notwendigen,

teils

3.

In solche

durch uns

selbst

53

und unser Verhalten

verschuldeten,

teils

durch die uns

feindlichen Völker verschuldeten, in Zukunft zipiell

darum

aufhebbaren Mißverständnissen beruhen.

solche Ursachen —

es sind jene, die

schließlich zu sehen pflegen



,

prin4.

In

unsere Aufklärer aus-

die bloß in tatsächlichen

Irrtümern, falschen Vorstellungen über die deutsche Wirklichkeit bestehen

dienst,

und

die

durch verbesserten Nachrichten-

durch Aufklärung des Verstandes

tigen wären

(z.

B, alle die

faktisch zu besei-

Entstehung des Krieges betref-

fenden Fabeln, Zweideutigkeiten usw.). Trennen wir endlich

auch überall die wesentlich

in

politischen Gedanken-

systemen und in nationalen Gesichtswinkeln begründeten Haßursachen.

Wenden wir

uns zuerst

zum

Wichtigsten. Welches

ist

die

unseren Feinden gemeinsame Ursache, die zugleich in

unserem wirklichen Wesen, Sein und Gehaben

54

liegt

?

Die Vertreibung aus

Sie

alle

kennen jenes

tiefe

dem

Paradiese

Mysterium, das

alttestamentlichen Offenbarung steht

Geschichte von der Versuchung und sischen

mit

vom

er die

wunderbare

von der Last der Sünde gebeugten ersten

Eltern des Menschengeschlechtes aus hinausweist

Angesichtes

— —

,

hinaus

zur

Arbeit

dem

Gottesgarten

im Schweiße

Nun

hinaus zur Weltgeschichte.

gab schon lange vor

dem

Feinde so etwas wie ein Paradies, aus

Stelle die

Maße und

seit

1870 entwickelte, wie er

und

aufstellte

treiben drohte.

dem

sie

es

dem

sie

an erster

in

alle

wie er sich insbesie in

seiner Arbeit

Fernen trug, zu ver-

Dieses Paradies sah für die verschiedenen

Völker freilich inhaltlich ganz verschieden aus. für unsere östlichen

Fühlen, Beten und Schicksals; aber



Normen, welche der moderne

Menschentypus,

führende deutsche

und Tat

die

ihres

Kriege für die Gesamtheit

die neue Entwicklung Deutschlands, aus

sondere

die

Falle des paradie-

Menschen, von dem Erzengel und dem Schwerte,

dem

unserer

:

am Anfang der

Es war

Nachbarn mehr Träumen, Sinnen,

stilles

Sichbeugen unter das Joch des

auch Schnapstrinken, durch das Leben ro-

mantisch Schlendern, gesetz- und ordnungsloses derbes Genießen und dann wieder heftig Bereuen und sich prostratisch

zu Boden Werfen. Es war für die Engländer, nach alter sieg55

gewohnter Art

leicht

und

in der

Art

alter

vornehmer Kauf-

herren Kaufen und Verkaufen, stolz auf die altbewährte

Warenform, ohne Anpassung an den Kundenbedarf des Weltmarktes, ohne zu große Sorge nach Fortschritten in rationeller wissenschaftlich geleiteter res

„System"

als das,

Technik; ohne ande-

das die empirische

Bewährung der

Geschichte langsam wie von selbst geschaffen;

auch das Leben Wette,

Spiel,

breit, hell

es

war aber

und voU zu genießen

in Sport,

Landleben, Reisen; Freitag abends schon die

Wochenarbeit abzuschließen und auf den Sportplatz zu fahren,

den Sonntag absolut streng zu halten



alles dies

aber zu tun im selbstverständlichen Gefühle einer Art

und Geographie der Insel mitgegründeten Auserwähltheit zum Herrn der Meere, eines vorse-

göttlichen, in Lage

hungsmäßigen Berufes, nicht

als

Glied Europas, sondern

eine ganz Europa, ja der ganzen übrigen

Welt gleichwertige

Macht, die außereuropäischen Völker zu lenken, zu

und

politischer Schiedsrichter

zu

sein.

dies hieß für Frankreich steigender

Und

leiten

dasselbe Para-

Finanzreichtum bei

wenig Kindern, Rentnerdasein nach 20 großes Kolonialreich, Zeit und edle

beit,

als

— 3ojähriger Muße

Ar-

zu Luxus,

Form, empfindungsreichen Abenteuern mit den

Geist,

schönen Frauen, hieß

alte Gloire des

,,

Führers der Mensch-

heit" ohne neues, der neuen industriellen Arbeitswelt ent-

sprechendes Erarbeiten und Verdienen dieser Gloire

(z.

B.

auch im Besitzgefühl von Soldatenkolonien ohne wirtschaftliche

Ausbeutung und nur zum Dienst

bedarf).

Wie immer

für

den Armee-

aber das Paradies auch hieß und aus-

gemäß dem verschiedenen Ethos und Geschmack der Nationen und dem altüberlieferten Lebensstil ihrer vorbildlichen Gruppen an sich trug: sah,

56

welche besonderen Züge

es

die Völker hingen an diesem Paradies in glutvoller alter-

und

erbter Besitzesfreude es

zu

gleichzeitig mit steigender

Angst

— wenn einzufühlen versuchen —

Da erschien an ihrer aller Horizont

verlieren.

wir einen Augenblick uns in

sie

im Laufe der Entfaltung

modernen Preußen-Deutsch-

lands das Bild eines sicht



des

neuen sonderbaren Erzengels, das Ge-

so schien es ihnen

— so hart und ehern

als

der alte

göttliche

ihm der engStrahl und die

Würde

des Boten eines

des Mythos, sonst aber ganz anders. Es fehlte lische Glanz, es fehlte

stumme

Majestät,

ihm der

es fehlte

ihm

die

göttlichen gerechten Strafrichters für die Sünde, es fehlte

ihm

das Lächeln, das die götthchen Boten auch noch be-

sitzen sollen,

wenn

eines schlichten es

sie

Strafe bringen.

Er trug das Gepräge

Arbeitsmannes mit guten derben Fäusten

war ein Mann, der nach dem inneren Zeugnis seiner

nen Gesinnung nicht eines

Ruhmes

um

zu übertreffen oder

willen, nicht

Muße

um neben oder nach der um in einer, der Arbeit fol-

die Schönheit der

Welt zu verehren und zu

kontemplieren, sondern ganz nur versunken in seine still

ja

und langsam, aber mit

irgend-

auch

Arbeit zu genießen, nicht auch

genden

um

eige-

einer

Sache

von außen gesehen furcht-,

schreckenerregenden Stetigkeit, Genauigkeit und Pünkt-

lichkeit, in sich selbst

tete, arbeitete

am

und

in seine

und nochmals

— und was die Welt — aus purer Freude an

arbeitete

wenigsten begreifen konnte

grenzenloser Arbeit

Sache wie verloren, arbei-

an sich



ohne

ohne Ende. Was wird aus uns, was

empfanden

die Völker,

empfand

soll

Ziel,

ohne Zweck,

aus uns

werden

jedes Individuum,



nicht

nur das patriotische, nicht nur das politisch und national reife,

nicht nur

und Arbeiter



das gebildete, auch der einfachste ,

wenn

der geheimnisvolle

Kommis

und unfaßbare 57

Menschentypus

dieser Erscheinung allmählich

seine Men-

und Lebensmasse über uns und die Erde verbreiten und aufhängen sollte, wenn er durch die Konkurrenz, die dieser Mensch faktisch nicht beabsichtigt denn er arbeischen-

— wesentlich um der Arbeit willen — aber zu der

tet ja

,

uns Schicksals

mäßig

auf allen Gebieten,

Industrie, Wissenschaft,



im Erfolge zwingt und

Tun und Wirken

rastloses

reißt

,

wenn

Handel,

in die sein

uns gleich einem Strudel hinein-

und der Welt,

er uns

sei es

er

sage ich, durch diese

umumgängliche Konkurrenz diese Lebensmasse unwillkürlich aufdrängt

neuen Massen

?

Wie

?

sollen wir bestehen vor diesen

Uns ändern,

Dreimal nein! Wir

können

es

ihm gleichzutun suchen

?

nicht diesem neuen Soll ge-

horchen! Aber wir wollen und sollen

es

können nicht leben mit diesen Massen

— und wir wollen

und ten!

sollen leben!



Wir wollen und

Verlassen wir das Gleichnis.

auch nicht! Wir

sollen nicht

nur arbei-

Als ein paar Jahre vor

dem

Kriege einer unserer römischen Botschafter einen klugen

Franzosen frug,

warum

die

Deutschen so

Welt gehaßt würden, antwortete

er,

allseitig in

das könne

man

der

in drei

Worten sagen. Diese Worte hießen „Iis travaillent trop." Das ist des Pudels Kern und nur das, sofern es sich um :

jene gemeinsame Ursache handelt, welche der einheitlichen Sie

Dynamik

des Hasses entspricht.



werden bemerkt haben, daß ich bisher sowohl ein

Werturteil unterließ,

als

ein

Wort darüber vermied, wie

historisch zu diesem universellen

treibung der Welt aus

dem

es

Gefühl einer neuen Ver-

Paradiese durch die Deutschen

kam. Nun, wir sind an einem Punkte,

wo

es

unmöglich ge-

worden, an dieser grundsätzlichen Wertfrage vorbeizu58

gehen.

Heben wir darum

die Schranke des Spinozasatzes

den ich vorhin aussprach.

auf,

Zu

leicht dürfen wir uns diesen

sittlichen Konfhkt

fast

mit einer ganzen Welt nicht vorstellen, in unserem Wert-

Weise ihn nicht, auch in Gedanken

urteil auf zu billige

nicht, lösen wollen. Für die Tatsache, die ich anführte, gibt es ja nicht zwei, sondern hundert ganz verschiedene

mögliche Werturteile

— aber

Und

es an.

kommt

auf das

Ein wenig zu

und zu

billig

gehörte deutsche Urteil

:

Der

ständig wahr.

Aber

gibt auch ein richtiges.

primitiv

ist

zweifellos positiven

Welt beneidet uns

er bleibt tief unter der

um

diese

Größe der

dem

i

Werte zukommt, der „Tüchtigkeit"

''^'^^iJUf.

Wert rang

in

Frage steht, der

heißt; da weiter die Ausdehnung, die

im

vielseitigen

zen des Menschenlebens der Tüchtigkeit darf, gerade in

B. das viel-

erste Satz ist nicht falsch, er ist voll-

Frage, da ja eben der

und

z.

„Die Welt haßt uns wegen unse-

rer Tüchtigkeit" oder ,,die

Tüchtigkeit".

es

Gan-

zukommen

soll

Frage steht. Es gibt auch das Problem

von Maria und Martha, der Liebreichen und der Tüchtigen.

Es gibt auch das Problem

vom

rechten

Maße

in

und Genuß, Arbeit und Anschauung, Arbeit und Gebet. Der zweite Satz dagegen ist nur halb wahr, wenn nicht geradezu falsch. Wahr an ihm ist Die Welt beneidet uns um manche äußeren Erfolge unserer Arbeit, Freude

:

Tüchtigkeit,

z.

B.

um

die dinglichen

im Frieden entsprossen, Einordnung, die

Aber gerade

um

sie

um die

Gütermengen,

die ihr

rationelle Organisation

und

möglich machte in Krieg und Frieden.

die

menschlichen

Eigenschaften, die

nach der festen (gleichgültig ob falschen oder wahren)

Überzeugung der Welt

diese

Sachen und Einrichtungen 59

( flm/¥ut~i

möglich machten,

um das,

auch

also

was wir „Tüchtigkeit"

Zum

nennen, „beneidet" die Welt uns gar nicht.

Tat-

bestande des Neides gehört die positive Schätzung dessen,

worum beneidetwird, und der Wunsch, esselbstzu besitzen. Diese Schätzung und dieser Wunsch aber fehlen der Welt radikal.

Die Welt erlaubt

sich

den sonderbaren Wider-

spruch, Produkte, Ergebnisse, Folgen uns zu neiden, deren

menschliche Wurzeln und Ursachen

nur zu verachten vorgibt, sondern daß

sich der englische

vielfach verdrängt fand auf

puren Konkurrenzärger



,

gleichzeitig nicht

v^drklich verachtet.

sagte ich schon: gerade das steigerte aufs äußerste,

sie

Z. B.

den englischen Haß

Kaufmann

nicht nur

— das gebar

dem Weltmarkt

sondern daß nach englischer

Meinung diese Verdrängung eintrat durch die innere FormWaren, durch unsere im Verhältnis zu den

losigkeit unserer

Inlandspreisen

zu

viel

Waren, und durch

Auslandspreise

billigen

die allgeschmeidige

gleicher

Anpassung an den

Bedarf der Käufer, die der englische Kaufmann nach sei-

nem als

uralten Herrengefühl uns menschlich

als

„Servilität",

„emporkömmlingshafte" Selbstpreisgabe anrechnet.

freilich diese ist

zu einfache deutsche Deutung halb wahr, so

die üblichste Auslandsdeutung

selben Tatsache geradezu unsinnig

und lebten alle

Ist

so,

um

die

:

und -bewertung

der-

das Urteil, wir seien so

Welt wirtschaftlich zu erobern und

anderen Völker auszustechen. Aber so unsinnig dieses

Urteil

doch

ist:

wie sehr

begreiflich!

ist

diese

Denn eben

wiegend Zweckarbeiter

Anschauung psychologisch da

sind,

alle

anderen Völker vor-

nicht Liebesarbeiter





so müssen wenn Sie mir diese Unterscheidung erlauben sie notwendig, gemäß ihrer Denk- und Wertkategorien, unserer rastlosen Arbeit auch einen ganz bestimmten Zweck

60

,

und Plan vorspannen.

Die Form entnehmen

„Wenn

ihrem eigenen Bewußtsein:

sie

wieder

wir so arbeiteten, so

müßten wir einen ganz bestimmten Plan dabei verfolgen" Und da sagen sie nun „Welteroberung" Daß es mit dem .

.

!

„Militarismus" ganz analog steht, sehen wir noch. Also die Frage liegt weit hinaus über diese oberflächlichen beiderseitigen Urteile. Lassen Sie mich hier nur ein

paar Gedanken zu ihr äußern, die die Sache nicht erschöpfen,

aber vielleicht

zum Nachdenken

anregen: einige zu

unserer Rechtfertigung, einige zu unserer Selbstkritik.

Es

ist

wahr, daß wir die Welt aus ihren Paradiesen ver-

Es

trieben haben.

ist

wahr, daß wir nicht an erster Stelle

Enkel sind, sondern Ahnen eines noch nicht umgrenzbaren Geschlechtes

— Ahnen einer Welt der Zukunft und eines

neuen Morgenrotes.

wenn

Welthistorische

Emporkömmlinge

Sie wollen.

Emporkömmlinge, wie

freilich

alle

Men-

schen, mit denen neue Adelsgeschlechter beginnen.

schon:

sagte

Deutschlands Arbeitsvolk

ist

in

Ich

gewissem

Sinne unter den großen Völkern eben dasselbe, was das Proletariat in

jedem Volke

im Schlechten. Vor allem ist

es nötig,

ist.

Es

ist

es

im Guten wie

daß man angesichts unserer Art

zu arbeiten verschiedene Dinge unterscheide: dere Art, wie Arbeit 2.

i.

die beson-

und Freude bei uns verknüpft sind, Ordnung und Organisation Tempo unserer Arbeit, 4. ihren see-

die rationale Systematik,

unserer Arbeit,

3.

lischen Motor,

das 5.

ihr Verhältnis zur

produkte und schließlich

Ausdehnung, und

welche die Arbeit und

Berufsarbeit

dieses

Form

der Arbeits-

— das Wichtigste — Ort und

im Ganzen

speziell die

des Lebens

Fach-

und innerhalb

Ganzen zu denjenigen menschlichen Betätigungs61

formen einnimmt, die man der Arbeit entgegenzusetzen pflegt

da sind Kontemplation, Gebet und Frömmigkeit,

als

:

geistiges Schaffen,

hungen

aller

Lebensgenuß, Pflege liebevoller Bezie-

Art (Familie, Freundschaft usw.), Geselligkeit,

politisch-staatsbürgerliche Betätigung jenseits der eigent-

lichen Berufsarbeit.

Was

die zwei ersten der genannten Punkte betrifft, Ar-

beitsfreude

und Systematik und Ordnung der

verdienen

wir hier so wenig den

wo

da,

unserer Feinde, daß

er uns gleichwohl ob dieser Eigenschaften unserer

Arbeiten

trifft,

Tat nur von niedrigem, verächt-

in der

lichem Neide, Ressentiment und keit

Haß

Haß

auf unsere Tüchtig-

Dagegen

gesprochen werden kann.

steht es ganz we-

bezug auf die anderen genannten Merk-

sentlich anders in

male, die unsere Arbeit charakterisieren.



Arbeit, so

Selbsteinkehr zu

Sind wir

als

Hier haben wir

halten.

Wirtschaftsvolk

und selbst in LeEmporkömmlinge und

und

Staat

bensformen auch welthistorische

gleichsam die Jugend im europäischen Staatensystem als geistige

Menschen

sind wir wenigstens in einer Richtung

die Reifen, die Alten;

und

die, die

ihrer älteren adeligen Kultur teilen

die

uns hassen, sind trotz

Kinder gegen uns, die noch

müssen zwischen Schule und Vergnügen

noch nicht

reif

zu arbeiten und

i

genug

sind,

um m Akte i



,

Kinder,

des Sichfreuens

m Akte der Arbeit sich zu freuen.

Es gibt

nicht nur für jedes Individuum die Stunde, in der es

wie Goethe einmal sagt

^





— vertrieben wird aus dem „Para-

diese der

um ein Mann

zu

Paradies einst

sein

warmen Gefühle", vertrieben wird, und im Werke ein neues, ein geistiges

zu finden. Es gibt diese Stunde auch für Völker, sie

62

für die Welt.

Noch mehr:

es gibt diese

ja es gibt

Stunde rhyth-

wiederkehrend im Laufe der Weltgeimmer wiederkehrend, wenn sie ein Stück weiter-

misch immer schichte, schreitet.

Die Ethnologie der primitiven Völker zeigt uns,

wie schwer sich der Mensch an die regelmäßige Arbeit über-

haupt gewöhnt; wie arbeitsscheu wieviel schwerer

dann arbeiten,

so

Naturvölker sind, und

regelmäßigen dauernde Befriedigung fand. Lernt

noch der Mensch

Arbeit eine gewisse er

alle

doch

erst

in der

unter überaus strengen, auto-

ritären Zwangsformen und fast überall unter

Und

hieb äußerster Not.

dieser harte

dem Peitschen-

Lernzwang zur Ar-

— wenn auch im allgemeinen ab— historisch immer wieder und zehn-

beit wiederholt sich

nehmendem Maße fach da,

wo

in

die geschichtliche Entwicklung der Technik,

der Betriebsformen

und der

sozialen

Formen und Weisen der Arbeit neue

seelische

Umlagerungen neue

schaffen

Anpassung eintreten

und an

muß. Schon

sie

eine

das stete,

wenn auch im Maße und für die verschiedenartigen Gruppen verschieden große Wachstum der Erdbevölkerung, und voran ihrer Unterschichten (samt ihrem Lebensbedarfe) bringt das eigenartige gesellschaftspsychologische Gesetz

mit

sich,

daß ein gewisses

Quantum von Glücksgefühl

innerhalb der Menschheit ceteris paribus nur erhalten werden kann, wenn die Freuden- und Glücksquellen in immer höhere m Maße von ihrer anfänglichen Lage außer und neben der Arbeit in den Arbeitsakt und Arbeitsprozeß selbst hineinrücken. Lesen Sie jetzt in

W. Sombarts^^ neuer

Auflage seines

„Kapitalismus" das Kapitel über die Beschaffung der Arbeitskräfte in

dem

im Kapitalismus

des l6.

und

17,

Jahrhunderts,

dieser Forscher zeigt, wie schwer der Bedarf des

63

jungen aufstrebenden Kapitalismus an Arbeitskräften auch

Löhnungen zu decken

für höchste

war, wie Vagabondage,

Bettlertum usw., aber auch die gesamte ältere

religiöse

Weltanschauung, auch noch im Zustande größten Elendes der Unterschichten seiner Entfaltung widerstanden.

In

Ländern, nicht nur bei uns, fand diese schmerzvolle

allen

Anpassung

statt.

Wir Deutsche,

reif

geworden durch die

Askesis unerhörter Leiden, wie kein europäisches Volk sie

erduldet, wir

wurden auch

reif

zu einer neuen Stufe der

emotionalen Auffassung der Arbeit, zu einem neuen Geiste in ihr, einer

außer

neuen Freude in

ihr

— nicht nur neben oder

ihr.

Diese historischen Leiden, vereint mit der, harte und stetige Arbeit fordernden Naturbeschaffenheit, besonders des

nördlichen Deutschlands,

von Regierungsformen, zahl der

und

vereint mit der Herrschaft

die die weitaus überwiegende

Menschen von lenkender,

Mehr-

politischer, staatsleiten-

der Betätigung ausschloß, haben uns durch eine Art fortgesetzter Askesis des arbeitenden Willens in

dazu disponiert, in der Arbeitsbetätigung

einem Maße

selbst unsere

we-

sentlichsten Freudequellen zu suchen, wie wir dies bei kei-

nem

anderen Volke der Welt finden.

Und

durch die Jahrhunderte angesammelte sition

mußte

brechen in

in

diese besondere, seelische

Dispo-

die überströmendste Fruchtbarkeit aus-

dem AugenbUck,

da mit einer, sonst in der ge-

samten Geschichte der menschlichen Arbeit nie wieder gesehenen Schnelligkeit die technischen Arbeits- und Betriebsformen sich umstürzend veränderten". eigentliche

Sinn

aller

und

ewige, sozusagen letzte

Wenn

es

der

philosophische

werkzeuglichen technischen Fortschritte und

aller Fortschritte

64

und

der Betriebsformen

ist,

Menschenarbeit

zu sparen, oder frühere Ergebnisse von Menschenarbeit auf die

Mechanismen der Natur abzuwälzen und eben

hierdurch die Vernunft, den Geist, die Liebe, die Person

im Menschen immer sich

freier

nach eigenen, ihnen

unter steigender

und

atemlcräftiger zu

selbst

einwohnenden Gesetzen

Erhebung der Person

sphäre auszuschwingen

Übergang Europas

und zu

machen,

über die Arbeits-

betätigen, so hat sich

in das Maschinenzeitalter des

im

Hoch-

Sinn in unserem Lande ohne Zweiam allerwenigsten verwirklicht. Ja, der technische

kapitalismus dieser fel

Umschwung

in das Zeltalter der Kohle, der

vermöge der

Plötzlichkeit seines Eintritts überall den Arbeitsbedarf

zwar vor allem den Arbeitsbedarf kräfte

rade

und

qualifizierter Arbeits-

erheblich vermehrte — hat bei uns zunächst das ge-

Gegenteil

dieses Sinnes erwirkt.

Und

schenarbeit aufs äußerste gesteigert. dies bei uns

politische

eben dadurch, daß

er

Er hat die Men-

mit

er

vermochte

dem durch

die

neue

Reichsform ermöglichten Tätigwerden dieser

lange angesammelten, seelisch-moralischen Arbeitsdisposition

zusammentraf.

Jener dispositionell längst erregte

Arbeitswille des deutschen Volkes stürzte sich in der

neuen

Reichsform mit einer Kraft, mit einer Vehemenz auf das

Gefüge der neuen technischen Errungenschaften, dazu auf all

jene neuen offenen Stellen, die durch die modernen

technischen Arbeitsmethoden und standen, daß diese

Betriebsformen ent-

Neuerungen nicht gemäß jenem ihrem

ewigen Sinne auf Ersparung von Menschenarbeit hin wirkten, sondern



ceteris paribus

— wie eine freudig

fene neue Gelegenheit wirkten, ein äußerstes

von Arbeitskraft zu betätigen. Nur

ergrif-

Höchstmaß

so sind psychologisch

insbesondere zwei Erscheinungen begreiflich: Die uner-

65

hörten

Maße

und

die

Schnelligkeit der

Industrialisie-

rung Deutschlands und die Tatsache, daß diese Industrialisierung, insbesondere die

Betriebe

und

Tendenz zur Erweiterung der

die mit der Spezifizierung der Industriali-

sierung verbundene

Erweckung

neuer Bedürfnisse, weit

hinausschritt über den nationalen Lebensbedarf

und über

die Grenze, welche das Prinzip der Bedürfniserweckung

dem

(im Unterschiede von

deckung) an

dem

Prinzip der bloßen Bedürfnis-

inneren Vernunftunterschied sinnvoller

und berechtigter und

sinnloser, unberechtigter,

nur künst-

den Konsumenten durch die Pro-

lich hervorgebrachter,

duktion erst aufgezwungener Bedürfnisse zu finden hat.

Ein Führer unserer Großindustrie schrieb zwei Jahre vor

dem

wo

Kriege: ,,Da,

mertum

die

ein kühnes

Führung übernahm,

und gesundes Unternehsind aus den Elementen

Technik und Organisation Erwerbskomplexe erwachsen, die fast über das

Maß

gung hinausragen.

unserer wirtschaftlichen Berechti-

Denn

unser Wohlstand, obgleich er

sich in zwei Jahrzehnten verdoppelt

.

haben mag,

ist

jung

und nicht also gefestigt, daß wir, wie England zuvor, als Unternehmer für die Welt uns auftun dürfen. So ist denn Deutschland im Aufschwung seiner Kohlen- und EisenIndustrie, seines Maschinenbaues, seiner Schiffahrt, Chemie und Elektrizität bis an die Grenzen seiner Mittel vorgedrungen und befindet sich heute in der etwas unbeque-

men Lage eines Landwirtes, Gut für Meliorationen mehr hineingesteckt

hat."

der in sein prosperierendes als

(Walther

den Ertrag

eines Jahres

Rathenau,

Reflexionen,

Leipzig 191 2.)

Wenn )C

ich sage, daß die deutsche Industrialisierung über

den „nationalen Lebensbedarf", 66

ja

über allen sinnvollen

„Zweck" überhaupt weit hinausschritt, so beziehe ich selbstverständhch die Deckung eines Teiles dieses Lebensbedarfes durch den Erlös unserer Warenausfuhr mit in die

Rechnung ein. Denn die allzu stereotyp gewordene Wendung vieler Nationalökonomen, Volksaufklärer und eines großen Teiles unserer Presse, daß

Maß und

Schnelligkeit

und der ihr folgende Außenhandel und gleichsam schicksalsmäßige Folge un-

dieser Industrialisierung

eine notwendige seres

Bevölkerungswachstums bei gleichzeitigem

Maximum gewesen

Ziel,

ein

von Deutschen im Lande wohnhaft zu erhalten,

sei,

bedarf erstens schärfster, hier nicht zu geben-

und berührt zweitens unsere psychologische

der Kritik

Frage nur wenig. Hier sage ich über diese Erklärung nur so viel,

daß

sie als

Erklärung schon formell vermöge ihres

teleologischen Charakters völlig unzureichend

mußten denn zurückgehen, lichst viele

die Auswanderungsziffern in

als sie

zurückgegangen sind

?

Das

Warum

dem Maße Ziel,

mög-

Deutsche im Lande zu erhalten, mag gut und

löblich sein; eine Ursache dieses Zieles

logischen

ist.

ist es

möglich war, setzt

und

nicht.

zum

Daß

die Erreichung

mindesten die psycho-

Kräfte für dieses Maß der InduAuch darf man eine so allgemeine,

sonstigen

strialisierung voraus.

allüberall konstant

wirkende Regel für die Erklärung fort-

schreitender Industrialisierung nicht zur Erklärung einer

konkreten historischen Erscheinung, wie unserer deutschen Industrialisierung,

verwenden wollen. Ausdrücklich sagte

ich daher, daß auch ceteris

paribus,

d. h.

unter Voraus-

setzung der

Anwendung

nach denen

sich Industrialisierung zu beschleunigen pflegt,

aller

solchen allgemeinen Gesetze,

auf unsere deutschen Zustände, bei uns vermöge einer

besonderen 5*

seelisch-moralischen Disposition der tech-

67

nische Fortschritt nicht arbeitssparend, sondern arbeits-

steigernd

und

Maße wirksam Gleichwohl,

einem sonst ganz unvergleichhchen

dies in

war. ja

eben darum dürfen wir sagen: Soweit

diese innere seelische

Neuverknüpfung von Arbeit und

Freudenquellen, und soweit unsere besonders hervorragende, unter steter Mitleitung der Wissenschaft geordnete rationell

technische

Systematik und Ausgestaltung der

Arbeit allein in Frage

kommen, waren wir den

nen Fortschrittstendenzen, welche

in der

europäischen Entwickelung überhaupt,

ja

allgemei-

Richtung der

der ganzen Welt

im vergangenen und neuen gegenwärtigen Jahrhundert ohne Zweifel liegen und weiter liegen werden, nicht nur in höherem Maße angepaßt wie die übrigen Völker; wir waren sogar schon vor angepaßt einem allgemeinen Zustande der Dinge, der in etwa einem halben Jahrhundert das

gern oder ungern ertragene Schicksal ganz Europas sein wird.

Wir Deutsche und unser Verhalten entsprachen damit

Maße einer Lage der Menschheit, die stetem Wachstum begriffen zu einem immer größeren

nur in besonderem in

Teile satt sein will, aller

und

die

auch

um

der Verwirklichung

höheren überökonomischen Lebensziele und

um

der

Gewinnung und Auswahl der je Besten für diese Ziele aus den Massenwillen, zu immer größerem Teile auch satt ihre wenn dies möglich sein soll sein muß; die daher Freudenquellen in immer gesteigertem Maße in ihre Arbeit verlegen muß, soll sie nicht ganz elend und unglücklich werden. Auch die rationelle „wissenschaftlich" geleitete





Organisation unserer Arbeit (chemische Industrie, Elektrizitätsindustrie usw.), die uns das uns jetzt hassende Aus-

land als^eine öde Utilisierung der Wissenschaft

68

— hier darf



man sagen aus purem Neide

auslegt, entsprach

nur einem

höheren Gesamtzustande des ökonomischen Daseins und

einem höheren Stande des Ineinandergreif ens

und die

materieller Kräfte,

geistiger

einem Zustande, dem Europa und

Welt irgendwie einmal folgen muß, ob

sie es

„will"

oder nicht. Die Ausfallserscheinungen in der Stillung des Bedarfs an chemischen Industrieprodukten, welche

z.

B.

die Engländer trotz der Besitzergreifung unserer Patente jetzt

darum

nicht herzustellen vermögen, da

sie

die Patente

nicht zu lesen verstehen, sind dafür ein klares Zeugnis. Ver-

dienten wir Tadel, so könnte

es

nur der relative Mangel

gleichbedeutsamer Leistungen auf rein wissenschaftlichem

Gebiete sein

— eine

Frage, die hier zurückgestellt

sei



oder auch der im Verhältnis zu jenem Ineinandergehen von Wissenschaft und Praxis auf naturwissenschaftlich-industriellem Gebiete

mehr

als

auffällige

Dualismus, der bei

uns zwischen geisteswissenschaftlicher, theologischer und philosophischer Betätigung

und den ihnen entsprechen-

den Praktiken und Berufen

besteht^'.

Gerade da wir so spät und plötzlich

erst in die

Phase des

Hochkapitalismus, in Weltverkehr, in die Maschinentechnik usw. eintraten

— schufen

wir hiebei ohne die nach-

schleppenden Paradiesestraditionen unserer Feinde, gleich-

sam ab ovo

— und konnten uns

in allen

Dingen darum

auch eher und rascher einem Weltzustand passen, der diese

ja

muß wir den Weg

erzwingen

die uns jetzt hassen, weil sie

an-

Anpassung später und allmählich von der

ganzen Welt fordern,

Auch

seelisch

— auch von denen, zuerst beschritten.

müssen uns nachfolgen, hätten

es

auch müssen

ohne diesen Krieg, zu dem das Anhangen an ihren Paradiesen

sie

greifen hieß.

69

Angesichts dieser zwei Punkte im

können

wir also

nur sagen:

Tragisches darin,

fast eine

Ja,

Wesen unserer Arbeit

wir wissen

es!

Es

ist

etwas

ganze Welt aus ihren Paradiesen

vertreiben zu müssen; dazu noch ungewollt, nur folgend

dem Gesetze und

Schicksal eigenen Wesens.

Und vielleicht

hat das Herz auch jenes Engels des Mythos hinter seinem

ehernen Gesicht geweint,

den neuen

als er

Adam

mit

dem Schwerte

Weg der Weltgeschichte wies. Aber er gehorchte

seinem Herrn und Gott, so wie wir gehorchen der Idee und

dem

Aber nun das Wort zur I.

dem Gebote

Stande der gegenwärtigen Welt,

Stunde und der Notwendigkeit

Schon das

ungesund

Tempo

in gleichem

in

unserem Busen.

ihrer



Selbstkritik.

unserer Arbeit

Maße, ob wir

es

ist

ungesund. Es

ist

innerhalb des Zeit-

rahmens des Tages, der Woche, des Jahres oder des ganzen Lebens und bei welchen Ständen und Berufen auch immer betrachten.

Innerhalb des Tages fehlt durchschnittlich

fast überall die

die

der

dem

Aufrechterhaltung einer Lebensordnung,

für alles höhere

Sammlung,

Gott

in

Leben

so wichtigen inneren

die weiter der

Erhebung der

Akte

Seele zu

Anbetung, Gebet, Meditation, die der Erholung

und dem höheren Lebensgenuß genügend Spielraum ließe. Nirgends versteckte man leichter und durch eine kräftigere Selbsttäuschung als im modernen Deutschland seine Unfähigkeit und Unwissenheit, die Leeren sinnvoll auszufüllen,

welche der objektiv geforderte Arbeitsprozeß

läßt,

hinter einer vermeintlichen „Pflicht", weiterzuarbeiten.

Man wußte darum

nicht, wie

arbeitete

man

man

weiter

sonst die Zeit erfüllen sollte;



mulierenden Impulse wie von

bis die

durch diese

selbst bewirkte

sich ku-

Ausdehnung

der Betriebe oder bis die neuen Verpflichtungen, die

70

man

durch solche

^,

Notarbeit" eingeht, die zuerst nur

Nar-

als

erzwingt und nun zur Regel macht. Man kann so oft nicht mehr beten, betrachten, darum will man arbeiten und rechnet sich genießen einen traditionell gewordenen Mangel noch zur Tugend an. So arbeiteten wir durchschnittlich zwei Stunden am Tage länger als andere Völker. Im Rahmen der Woche hatte die Sonntagsheiligung mit immer stärkeren und stärkeren Widerständen zu kämpfen. Im Rahmen des Jahres ist selbst bei solchen Gruppen, die genug Geld und Zeit für kose dienende Mehrarbeit





Reisen, Landaufenthalte haben, die Inanspruchnahme dieser

Gunst oder doch

zeiten nicht

Ausdehnung

die zeitliche

ist

nicht mit der

ihres Lebensstandes proportional gestiegen.

auf

Muße-

konform gewesen mit dem raschen Reicher-

werden der oberen Klassen und

Der

dieser

Erhöhung

Kein Wunder

so maßlos ins Spiel gesetzte Arbeitsimpuls geht auch

dem Lande und

läßt es zu

einem

auf Reisen

tieferen

automatisch

Naturgenuß imd einer

Erfrischung nicht kommen.

und

weiter

geistigen

Darum kürzt man auch die Im Rahmen des ganzen

Zeit dafür nach Möglichkeit ab.

Lebens zeigt für die vorwiegend materielle Arbeit eine bekannte Enquete des Vereins für Sozialpolitik, wie früh (meist schon mit Beginn der 40) bei uns die Träger je höher qualifizierter Arbeit in die Schichten

mehr

qualifizierter Arbeit

weniger oder kaum

abgeworfen werden.

Und

es ist

noch nicht sehr kurze Zeit vergangen, daß man wenigstens wissenschaftlich zur Einsicht

kam

(Professor

Abbe

in

Jena

hat den Gedanken bei uns zuerst entwickelt), daß zur Be-

gründung der Forderung des elfstündigen Arbeitstages

ein

Rekurs auf. ethische und sozialpolitische Grundsätze gar nicht notwendig

ist,

sondern daß sich diese Forderung

als

71

^^^

strenge Folge schon aus

dem

Prinzip möglichst ökonomi-

Verwendung der zur Arbeit nötigen physiologischen Energie (bei gleichem Ertrage der Arbeit) ergibt. Welch ein Zustand, in dem Technik und Natur selbst moralisch sinnvollere Gebote stellen als vorgegebene Vernunft und scher

Ethik!

Von

einer strengeren praktischen

Durchführung

der aus diesem Prinzip allein schon fließenden Forderun-

gen hinsichtlich des Arbeitstempos Rede.

Was

bei uns

die reicheren Klassen betrifft, so

das Rentnerdasein mit einem

anderen Lande



Odium belastet,

am

ist

ja

Odium und

B. für

z.

schon für feinere Genuß-

dieser

unterstützen sich gegenseitig

daß

wenigsten Sinnvolles mit

formen weniger Sinn und Freigebigkeit verrät Dieses

bei uns

wie in keinem

und seinem Geld anzufangen weiß,

höhere kulturelle Aufgaben,

sonst.

noch keine

relativ berechtigt freilich dadurch,

bei uns der Rentnertypus seiner Zeit

ist

Mangel



des

als

irgendwo

Typus

und zudem

selbst

treibt ihn

unsere Steuergesetzgebung, die ganz unverhältnismäßig das

Einkommen

anstatt

Mehreinkommen und Vermögensbelastet, nach Mög-

zuwachs des überbetriebsamen Typus lichkeit aus 2.

dem Lande.

Noch weniger

als

bezüglich des Arbeitstempos

nur in der nordamerikanischen Arbeitsweise, hier

dem vorwiegenden Motor

nicht aus •i

i

— das freilich

des Pflichtgedankens,

sondern aus jenem des individuellen Emporstrebens heraus ein Gleichnis hat

— entsprach unsere Arbeitsart einem an-

gemessenen Verhältnis von Arbeit und produktes.

zur Frage,

Gehört

Form

des Arbeits-

dieser

Punkt auch nicht unmittelbar

warum wir Haß

erweckten, so doch zu der ande-

ren nicht minder berechtigten Frage,

warum

wir so wenig

Liebe und Anhang in der Welt gefunden haben. Es 72

ist ja

auch schon lange vor

dem

Kriege das auch von unseren

tieferblickenden Führern des Volkes

am

ehrlichsten zuge-

standene Übel unserer Arbeit, und zwar unserer Arbeit aller Art gewesen, daß ihren Produkten eine plastische na-

und Existenz for m im Grunde genommen fehlte; daß sie darum weder das Gefühl und die Liebe des Auslandes und seine Phantasie für sich gewann und betionale Eigen-

schäftigte,

noch durch einen faßbaren überall sichtbaren

Stempel eines eigentümlichen nationalen Wesens der Welt durch noch andere Qualitäten

nen Eigenschaften der Tüchtigkeit und

als

jene allgemei-

Solidität zu

impo-

Herr von Bethmann Hollweg hatte

nieren verstand.

in

seinem bekannten Briefe*") an Karl Lamprecht diesen

Grundmangel, dem

er die relative Erfolglosigkeit der deut-

schen ausländischen Kulturpolitik zuschreibt, vielleicht

Daß

schärfsten hervorgehoben.

wo eine plastische man umgekehrt auch

aber da,

Warenform nur wenig entwickelt ist, besonders leicht geneigt sein muß, auch handene nationale Form

je

am

nach

die etwa

noch vor-

dem wechselnden Markt-

bedarf zugunsten eines maximalen Umsatzes völlig oder fast völlig

zu verleugnen,

ja

preiszugeben



symbolisch

preiszugeben aber damit auch das Ganze der Nation, der

man

angehört



,

das

ist

leicht verständlich. Ja, es sollte

das verständige Ausland es eben

berühmte berüchtigte denbedarf"

als

rastlose

darum vermeiden, uns jene „Anpassung an den Kun-

Zeichen „servilen" Charakters anzurechnen.

Ein solches Zeichen wäre diese Anpassung nur, wenn wir

Warenform schon beund dann gleichwohl diese Form je nach Bedarf verleugnet hätten. Aber eben jene Voraussetzung, unter der man allein ein mehr ästhetisches Übel zu einem eine fester geschlossene nationale

sessen hätten

73

moralischen machen dürfte, fehlt bei uns.

Sie fehlt in

ja

eben

in

weitem Maße

weitgehendem Maße auch unserer

wissenschaftlichen Arbeit, die in Deutschland vor

dem

Kriege mehr wie je in älteren Zeiten Geschlossenheit, Kon-

punctum

zentration auf das edlere

Form

saliens

der Darlegung in'Stil

und vor allem

eine

und Ausdruck vermissen

— was nur der deutschen Sachlichkeit und Nüchternheit entspricht —

ließ.

Und

solche einer in der

hier sind wir es selber, die nicht nur

Qualitäten eines wissenschaftlichen Werkes oder

Abhandlung

für unnötig halten, sondern die sogar

Mehrheit ihrer gelehrten Vertreter dazu hinneigen,

den ästhetischen und

stilistischen

Vorzug der Schreibweise

ihm Untugend anzurechnen. Woher nun dieser sonderbare Mangel eines Volkes, das auf einer so hohen Geistesstufe wie das unsrige steht ? Außer einem wahrscheinlich konstanten Mangel nationaler Veranlagung für die Erfindung wohlgefälliger und gewinnender Formen auf den Gebieten, wo §ich Schönheit und Zweck berühren (Kant nannte sie die Gebiete der „anhäneines Forschers

als

genden Schönheit"),

moralische oder wissenschaftliche

liegt die

Ursache zweifellos darin, daß

bei uns der heimische Konsument (im Gegensatze

zum

Kunden des Auslandes) wie in keinem Lande der Erde immer mehr der Sklave des Produzenten geworden ist. Die Form der Ware bildet sich aber niemals einseitig vom Produzenten her und kann es auch gar nicht. Ihr Ursprung, ihre Geburt liegt im Akte der gegenseitigen Einigung zwischen Produzent und Konsument, d. h. in einem Zustande, wo der Konsument unter Umständen geistige Selbständigkeit

genug

Formgeschraacks

74

hat,

um

die

Berücksichtigung seines

vom Produzenten

zu erzwingen. Es

liegt

nicht an erster Stelle in

dem Fehlen eines

nationalen

geschmackes überhaupt bei uns Deutschen

weniger geschlossen und einheitlich sein

Form-

— mag er auch — sondern am ,

Fehlen eins so gearteten Zustandes, daß unsere Ware so formlos

wie

ist,

Werfen

sie ist.

Sie in Berlin

z.

B. einen

Blick selbst auf solche geschäftliche

Unternehmungen,

dem

B. Speisehäuser) oder

unmittelbaren Verbrauche

(z.

die

Gebrauche (Warenhäuser und Geschäfte) oder geradezu

dem Vergnügen, feineren oder gröberen Genüssen dienen Im letzteren Falle ist der Zustand doppelt paradox.

sollen.

Sie

werden überall das Prinzip darin verwirklicht sehen,

daß

die

Konsumenten, daß

richtungen dieser

fast

ihr

Geschmack, ihre Bedürfnis-

keinen Einfluß auf die innere Gestaltung

Unternehmungen

Ausschließlich das Prin-

besitzen.

zip des Höchstverdienstes

und

des größten Umsatzes des

Geschäftsinhabers und ferner das Prinzip der durch Re-

klame unterstützten Bedürfnisweckung (nicht der Bedürfnisdeckung) regiert bei der

Placierung

Grund ist

der Riesenräume

und der

B. der bekannten Berliner Speisegroßhäuser),

(z.

des Dargebotenen nach in welcher

Wahl

Form man

Form und Inhalt, der Vorschriften, nehmen berechtigt sei. Ein

etwas zu

für diese nicht auf Berlin beschränkte Erscheinung

ohne Zweifel die Tatsache, daß die Entfaltung der mo-

dernen europäischen Stadt, die nach die Richtung

W. Sombart

überall

von der vorwiegenden Konsumtionsstadt zur

vorwiegenden Produktionsstadt nahm,

in

keinem Lande so

sprunghaft plötzlich und einseitig geschah wie bei uns



wo

nicht gar die Städte oder doch ganze Teile ihrer schon

als

Produktionsstätten entstanden.

eines

ungeheuren Tandes und

Art, zu

dem

,,

Auch

die Verbreitung

Flitters geschmacklosester

Bedürfnisse" ausschließHch,

um

gewisse In75

dustriezweige florieren zu machen, durch maßlose Suggestivreklame hervorgerufen werden, dieser seelischen Versklavung des

Unternehmer zu

mag

Es

sein,

ist

ausschließlich aus

Konsumenten durch den

begreifen.

j

daß das auf den zweckmäßigsten Mechanis-

mus der Hervorbringung einseitig eingestellte 19. Jahrhundert überhaupt und in ganz Europa nicht sehr erfinderisch in der Herstellung neuer Formen der Waren gewesen ist, und daß auch der Form -Vorzug der außerdeutschen Ware z. B. bei Franzosen und Engländern in höherem Maße einer stärkeren Tradition aus dem 18. Jahrhundert verdankt wird, als sie bei der sprunghaften und plötzlichen Entstehung unseres Industrialismus wirksam sein konnte.

willen gibt,

rem, daß

Daß es in unserem Volke einen starken Formzum mindesten einen weit stärkeren und klare-

als er in

unserem Warentypus

also dieser

in die Erscheinung trat,

Formwille nur durch die genannte Ursache

künstlich niedergehalten wurde, das bezeugen die Be-

strebungen, die sich schließlich im deutschen

gesammelt haben, doch Freilich der letzte

und insbesondere Eigenform

stark

Grund

der Formlosigkeit unserer

:

Ware

das Fehlen einer plastischen nationalen

liegt in der tieferen

Sphäre der Satz

Werkbunde

genug^^

„Le

Ursache, die auch in dieser

style c'est

l'homme" andeutet. Wir

werden eine deutsche Warenform plastisches Gesamtideal

besitzen,

wenn wir

und Gesamtvorbild

scher Menschlichkeit besitzen werden.

Wie

diese

ein

deut-

Dinge

zusammengehören, das lehrt uns nicht nur die Strukturidentität, z. B. des Gentlemanideals

Warenform, sondern auch

und der englischen

die Tatsache, daß, so wie der

Biedermeierstil unser letzter nationaler Stil war, auch der

76

letztes menschliches

Gesamtvorbild.

Seit dieser Zeit besaßen wir keines mehr.

Nichts von der

„Biedermann" unser

Art eines volklichen idealen Personen Vorbildes, wie es der Gentleman für England, der gentil homme und der homme (resp. femme) honnete für Frankreich, der Cortegiano für Italien, bushido für Japan, der „fürstliche Mensch" für China gewesen, schwebt unserer Jugend

als

personhaft ge-

formter bildhafter Maßstab ihrer Bildung, ihres Tuns und Unterlassens vor.

Nur

sich paralysierende, ja

grundver-

schiedene halbmythische Bilder von wirklichen historischen

Individuen wie die Gestalt Luthers, Bismarcks, Goethes usw. leiten diese und jene Kreise. Als ob

geschnittenen

könnte!

Individualitäten

man

diesen scharf

zugleich

Kein nationales Gesamtideal, das

nachstreben sich aus

dem

inneren Leben des Volkes oder einer seiner herrschenden

Schichten selbst natürlich herausgebildet hätte, erspart

dem

mittleren Individuum, ganz von sich aus

gleichsam sich ein Bildungsideal zu suchen.

es

und ab ovo

Kein Wunder

denn auch, daß unsere menschliche Erscheinung wie unsere

Ware im Auslande von den Leuten des betreffenden Landes weit weniger von positiven Anschauungsmerkmalen her

als

„deutsch" wird — wie der englische und der französische Mensch und seine Ware — sondern entweder festgestellt

,

nur an einem selbst nicht sichtbaren Mangel irgendeiner be-

stimmten Form

als

,,

deutsch" kenntlich wird oder gar erst

durch eine Art logischen Ausschlußverfahrens:

Mann

oder diese

nicht

englisch,

zosen

allein

Dieser

Ware „müsse wohl" deutsch sein, da sie nicht französisch usw. sei. Was den Fran-

schon

am Deutschen

ärgere



bemerkt

Nietzsche mit gleichzeitiger feiner Charakteristik der Definitionssucht des Franzosen

und der Unbestimmtheit

des

77

I



Deutschen

ist,

Schiller erhoffte für

Deutschen"

Und

daß „man ihn nicht definieren kann".

Europa und

Welt vom „Tage des

die

in seinem viel mißverstandenen

Worte nicht

eine eigenartige positive Neuproduktion deutschen Wesens,

sondern er hoffte nur, dieser Tag werde sein

ganzen Zeit".

dem

vor

Vom

Ernte

der

deutschen politischen Nationalismus

Kriege aber urteilt ein feiner Beobachter und Di-

plomat, unter

dem

PseudoiyiTiJBiLedorffer

formlose Unsicherheit erspähend

Hunde geglichen, und wann nicht. So

die

ist es



,

er

der noch nicht weiß,

— auch hier die

habe einem jungen

wann

er bellen soll

denn auch kein Wunder, daß uns eine deutsch-



und gemeinsame Prägung eine gemeinsame Plattform des Herrentums abgeht. Es ist eine im Ausgeartete

land oft bemerkte Tatsache, daß

Erscheinung

des

Deutschen

Beruf mitwahrzunehmen

man

schon in der äußeren seinen

sofort

pflegt,

besonderen

ob der Betreffende ein

Offizier in Zivil, ein Professor, ein Oberlehrer usw. sei; so als

ob die Funktion, die der Betreffende zu erfüllen und

die Arbeit,

die er

im Zusammenhang

des Stellensystems

deutscher Arbeit zu leisten hat, in ihrer Rückwirksamkeit auf seine

ganze Substanz ihm auch

Form

selbst erst die

des Maschinenteils aufpräge, die er in der nationalen Ar-

beitsmaschine darstellt.

Sinne ein „Herr" wird

Wo

aber der Deutsche in diesem

— da neigt

er sofort dazu,

entweder

englische oder französische Herrenform anzunehmen.

Die sehr des Studiums bedürftigen nationalen Vorbild-

formen

— wie wir oben einige aufgezählt haben —

sich geschichtlich

stets

von einer Minorität

leiten

her, deren

Daseinsform die übrigen Teile des Volkes allmählich so

gewann, daß 78

sie sie

nachahmten und

als

bewegliches

Maß

empfanden

Tun und Gehaben. Die

für ihr

ratur des i8. Jahrhunderts

ist voll

der „wahre Gentleman" beträgt.

homo

englische Lite-

von Büchern, wie

sich

Zwei Menschentypen,

und der Adel sind es vor allem, die in diesem Sinne formbildend auf den Menschen gewirkt haben. der

religiosus

So hat der Calvinismus

in der anglo-amerikanischen Welt,

der Katholizismus in der lateinischen Welt auch da noch

eminent formbildend auf den Menschen gewirkt, wo die Glaubensvoraussetzungen für diese

So haben

sind. stalt

die

Form

längst gefallen

großen Ordensstifter ihre

geistige

Ge-

durch die Generationen ihrer Orden hindurch gleich-

sam durch

die Jahrhunderte getragen

hauer gewesen in seele selbst.

So

ist

englischen Gentry

dem



als

wären

edelsten Materiale der

sie

Bild-

Menschen-

das Gentlemanideal ursprünglich an der

abgenommen,

um

schließlich

letzten Ladenjüngling nach sich zu formen.

auch den

Analoges

gilt

für die japanische Bushidoform, die gleichartigen franzö-

und

sischen

italienischen Vorbilder. In

beide formgebenden Kräfte

Deutschland haben

in dieser

Richtung versagt.

Das Luthertum hat wohl eine sehr knorrige und reiche Form geprägt, aber nur in sehr begrenzten Sphären täten.

und

Lokali-

Eine allgemeine missionierende Kraft auch nur für

Deutschland, erst recht über Deutschland hinaus blieb ihm

im Gegensatze zum Calvinismus

versagt.

Einen selbstän-

digen Feudaladel, der kulturformgebend gewirkt hätte, besitzt das

moderne Deutschland darum

nicht, da der Adel

— mitgeringen Ausnahmen Schlesien und Süddeutschland — dem Staate Offizier und Beamter so energisch, einin

als

verleibt

wurde (soweit

er nicht

an seine Scholle gefesselt

und hier nur eine Art höherer Großbauer darstellt), daß die Berufsform die Menschenform erdrückte. Dazu blieb

ist

79

im

der Adel kulturell

Verhältnis

zum

französischen, russi-

im Grunde unHeroen haben sich aus

schen, englischen, italienischen Adel bei uns

fruchtbar.

dem

Fast

alle

unsere geistigen

mittleren Bürgertum emporgearbeitet.

Die

relativ in

Deutschland missionierenden Formtypen sind entweder Be1

rufstypen wie die

Form

des preußischen Offiziers oder gar

nur Klassentypen wie vor allem der Korpsstudent, aus sich der höhere tiert.

und höchste Beamtentypus

Als Berufsideal

dem

so gerne rekru-

der preußische Offizier in seiner

ist

idealen altpreußischen Gestalt eine in sich vollkommene

und

nicht nur eminent edle, sondern auch für Augen, die hinter

umlaufende Karikaturen zu dringen wissen, eine Gestalt von unaufdringlicher Schönheit, Aber niemals kann ein Berufsideal ein nationales

Seine

Menschen- und Herrenideal

Nachahmung von

häßlich

und

albern.

— wohl aber

seine

ersetzen.

selten anderer Berufe wird sofort

Nicht der preußisch-deutsche Offizier

Kopien haben im Ausland eine Fülle des

Hasses gegen uns gesät.

Und nicht minder hat diese Wirkung

gehabt das Ideal korpsstudentischer „Schneidigkeit" in der Künstlichkeit

und Gemachtheit seiner ganzen Erscheinung,

der Art seines gliederpuppenhaften Grüßens, seines Sichvorstellens usw.

Mit dem alten deutschen Burschentum,

seine kleinbürgerliche soziale

war noch

so viel schöne

das

Herkunft nie verleugnet hat,

Frommheit, Naivetät, Herzens-

wärme, Biederkeit verknüpft gewesen, daß

es seine

Trink-

und Raufexzesse darüber vergessen ließ. Eine natürhche und legere Haltung war ihm eigen. Ehrgeiz und Stellenjägerei lagen ihm ferne. Die Korpsstudentenform teilt mit dem Burschenideal

darum, da

sie

als

Form

Herkunft schon

nur eine Modifikation der Burschenform durch

reichgewordene Leute

80

die kleinbürgerliche

ist.

Es hat

als

Form keinen eigenen

Standesursprung, wenn

es

auch Individuen höherer

Stände oder vielmehr Klassen sind, die

versöhnenden genannten

Momente

es vertreten.

Die

des Burschenideals hat

mehr und mehr abgestreift und dafür eine militärartige Eckigkeit und Plötzlichkeit der Bewegungen in sich aufgenommen, die innerhalb des Militärs als Stilstrenge, als es

gleichsam ästhetisches Abbild der Armeedisziplin erträghch,

im Zivil auf den natürlich empfindenden Menschen und abstoßend wirkt. Indem es sich ferner immer mehr als Vorschule für das höhere Beamtentum und als Versicherungsanstalt für gute Karriere gestaldie aber

künstlich, komisch

tete, kam ein

unjugendliches Moment in das Ganze, das nicht

weniger abstoßend wirkt. deutsches

Menschentum

— Wird uns der Krieg und aller

seine,

Art durchknetende Wirkung

unter neuer geistiger Führerschaft ein deutsches Menschen-

und Herrenideal bringen ? Wir wissen es nicht. Aber eine Bedingung dazu ist jedenfalls, daß wir an seine Möglichkeit und Notwendigkeit glauben. Es geht

also vor allem nicht weiter an,

den bisherigen

Mangel solchen Menschenformvorbildes uns nur zu unseren Gunsten anzurechnen, sie nur auf unseren Reichtum von Stammesanlagen

oder auf unsere sogenannte volks-

mäßige „Jugend" zu schieben. Ein Reichtum an Anlagen, der nie zu einem einheitlichen, plastischen Werke führte, ein

Reichtum, der nur im Streit und Protest gegen Fremdes

und abwechselnder Nachahmung dieses Fremden sich selbst gewänne, wäre kein Reichtum gewesen, sondern Chaos; eine „Innerlichkeit", die sich dauernd nicht darzustellen wüßte, wäre keine echte ,, Innerlichkeit". Was Gott vom Chaos scheidet, ist der positive Gehalt dieser Idee. Gewiß ist es 6

wahr, daß späte Reife, wie

sie

ein Charakteristikum

8i

ist

der höchstgearteten Organismen,

dem

deutschen

Men-

großem Einzelnen wie als Volk besonders zugeteilt scheint. Aber es ist schließlich die Tat dieser deutschen Wesensprägung und die Erscheinung der Reife, die es schen

als

entscheiden, was Jugend 3.

ist,

und was nur Verkümmerung 2'^).

Aber auch mit dem eigenartigen Verhältnis von Arbeit

und Form

ist

Zug

der entscheidende

unserer Arbeitsauf-

fassung noch nicht getroffen ; insbesondere auch nicht der-

zum

jenige Zug, der in seiner praktischen Auswirkung

gemeinen Hasse der Welt auf uns führen tiefer.

schen

dem

Er besteht

Motor,

in

dem

und

er besteht in

zum Gesamtleben

schen bei uns allmählich gewonnen hatte.

langsam gestaltet hatte, voll zu verstehen,

des

Men-

Um aber diesen

deutschen Arbeitsgeist, wie er sich

ihn in seine wesentlichen

liegt

inneren seelischen und morali-

der uns zur Arbeit treibt,

Verhältnis, das die Arbeit

modernen

Er

sollte.

all-

ist es

Komponenten zu

seit

1870

notwendig,

und

zerlegen

deren geschichtliche Herkunft aufzudecken.

Eine ganz allgemeine Voraussetzung für sein Werden eine Voraussetzung, die aber fast

noch unendlich



und

viele

grundverschiedene Spielräume für die konkrete deutsche Lebensgestaltung offen läßt schen Wesens.



ist

Es handelt sich

gleichzeitig die höchsten

und

eine Urmitgift germani-

um

eine Mitgift, in der

edelsten

Tugenden wie

die

tiefsten, unausgleichbarsten Fehler dieses Wesens keimhaft

beschlossen liegen:

sowohl wie

alle

seine

Größe und Erhabenheit eben-

Arten seiner Disharmonie.

Diese Urmitgift schen Geistes, das

— zugleich dasjenige Element des deutseit

den Germanen des Tacitus

heutigen Tage das weitaus konstanteste Element, leicht das

82

einzig Konstante

bis

zum

ja viel-

in der vielgewandten Ereignis-

wie Geistesgeschichte unseres Volkes gewesen aufgeschlossene Sinn für die Idee des

Lust und Glück im Sichverlieren



ist

der

Unendlichen und Ob wir auf

in diese Idee.

und Wissenschaft, ob auf

die Philosophie

ist

die Kunst,

ob auf

die Lebenspraxis germanischen Ursprungs blicken, überall tritt

Zug

uns dieser wunderbare

entgegen,

im Sein

alles

des deutschen Geistes

Endliche, Gestaltete, Geformte ebensowohl

im Wollen, Handeln, Bilden (deutsche Gotik) als eine bloße Einschränkung einer zuvor gegebenen oder doch intendierten unendlichen Bewegung zu erleben, als Not und fast unfreiwillig übernommenen Tribut an die als

menschliche Enge. Dieser Sinn steht im äußersten Gegensatze zu

für

dem ebensowohl

Maß, Form,

griechischen

als

lateinischen Sinn

Gestalt, Grenze, Geschlossenheit der For-

men. Dilthey sagt vortrefflich schon angesichts der Ger-

manen

des Tacitus: ,,Ihr

tionale

Zwecksetzung bestimmt und begrenzt; ein Über-

maß von

Handeln

Energie, das über den

ihrem Tun."

Grundzug

Und

das

nun

ist

ist

Zweck hinausgeht,

findet sich in allen klassisch

Grundkategorie wieder, die

immer formal

ist

in

das Merkwürdige: dieser

mulierungen des germanischen Ethos;

staltungen

nicht durch eine ra-

gewordenen For-

er findet sich in einer

in ihren tausenderlei

Ausge-

dieselbe bleibt: in der Kategorie

Schon für den an den ersten

des „unendlichen Strebens".

deutschen Theoretiker des „Unendlichen", an den Cusaner anknüpfenden Leibniz,

ist

eine unendliche

Bewegung

der individuellen Vervollkommnung, nicht also ein idealer,

zu erreichender Zustand der Vollkommenheit (wie etwa die visio beatifica der katholischen

Theologie) das höchste

Gut

der Schritt der Vervollkommnung, nicht die Vollkom-

menheit. «•

Lessing will die

vom

Vater angebotene Wahr83

!

Hände

heit in die

des Vaters zurückgeben, auf daß er auch

fernerhin „ewig nach ihr streben" dürfe. Goethe macht die

Idee

immer neuer Opfergabe

AugenbHckes"

des „schönen

zugunsten dessen, der „ewig strebend sich bemüht",

morahschen Grundgedanken und zum Springpunkt Faustdramas.

Kant

(die

dem

seines

entwickelt, der alten deutschen Idee

ein preußisches Vorzeichen gebend, aus

einer zuvor

zum

dem Gedanken

Geiste gegebenen „unendlichen Pflicht"

schon Luther die moralischen Kategorien des Ver-

dienstlichen

und Erlaubten abweisen

der Unsterblichkeit

als

das Postulat

ließ)

Möglichkeitsbedingung, solcher un-

endlichen Pflicht zu genügen; und er gibt der Idee, der

Leibniz einen individualistischen Gehalt gab, eine gat-

summum bonum

tungsmäßige, vor allem auf sein irdisches

des Staates bezogene Bedeutung. Fichte, Hegel, Schopen-

hauer, Nietzsche geben derselben Kategorie gleichfalls nur

verschiedene Inhalte, verschiedene Dynamik, verschiedene

Gefühlsfärbungen und Wertprädikate. wird

sie

unendliches Streben nach

Für Fichte schon

Formung und

Bearbei-

tung, das sich erst nachträglich einen Gegenwurf, einen Stoff schafft: die Natur. Diese

unendlicher Pflicht".

und

Widerspruch

Natur

Für Hegel

ist also

nur „Material

ein

durch Kampf

ist sie

fortschreitendes,

in

der

Gattungs-

geschickte sich darlegendes unendliches Sichbewußtwerden

der göttlichen Idee. Für Schopenhauer wird

sie (hier

zu-

erst mit negativer schroff pessimistischer Betonung) das

unendliche Triebrad eines blinden Lebenswillens, der Si-

syphus gleich den ewig zurückrollenden Stein wieder emporrollen

muß.

Für Nietzsche, Schopenhauers Schüler und

Widerpart, wird

sie

zum dionysisch bejahten Willen zu end-

und grenzenloser Macht. Das 84

sind nur ein paar Beispiele,

Monographie über

die eine

die

Abwandlungen

dieser

mo-

Wesens fast beliebig endgültigen Wert und die Über den vermehren könnte. Wahrheit dieser Idee philosophisch und theologisch zu ralischen Grundkategorie deutschen

urteilen die

ist

nicht dieses Orts.

Nur

dem

gewiß

:

Sie ist

Voraussetzung der erhabensten Tugenden wie der

— dem Gesetze gemäß,

schwersten Fehler unseres Volkes

daß

soviel ist

es in

Wesen einen Tiefpunkt gibt, aus Tugenden und Fehler mit derselben Notwen-

jedem

seine

geistigen

digkeit hervorzufließen scheinen.

ge meine Voraussetzung des Arbeitsgeistee des allein folgt also

Erscheinung



ist sie

nur diese ganz all-

modernen Deutschlands. Aus

noch Nichts für es folgt

Und

auch für das Verständnis ihr

diese besondere historische

dafür sowenig, wie aus

dem

Energie-

prinzip folgt, daß ein bestimmter Stein von einem bestimm-

ten Hause 4.

Denn

''it^

fiel.

der jeweilige Gehalt, den dieses formal unend-

liehe Streben

und Wirken

sich vorspannt, hat in der

schichte unseres Volkes gar sehr selt.

und

oft plötzlich

Bleiben wir hier nur beim 19. Jahrhundert.

seines ersten Drittels vyarf sich dieses

Zonen und

Zeiten.

Während

unbegrenzte Streben

auf Denken, Dichten, Nachleben, Nachfühlen lichen in allen

Ge-

gewech-

Es

ist

alles

Mensch-

die Zeit unserer

hyperideologischen, die Spezialwissenschaften entrechten-

den spekulativen Philosophie, Fichtes, Hegels, die Zeit aber auch unserer Größten, Goethes, Schillers, Herders

und der Romantik. Es war wie ein Amoklauf gegen den Himmel. Kein Volk hat sich je so im Äther des Gedankens verloren, keines hat dabei gleichgültiger

gültiger



— ruchlos gleich-

geblickt auf seine materiell-realistische, öko-

nomische und politische Lebensbasis

als

wir damals.

Nach 85

v

Verlauf von dreißig Jahren, etwas mehr tion

— tausendfach")

ist

dies geschildert

einer Genera-

als

worden



besonders von außen gesehen, dieses selbe Volk in

schien,

,

all

seinen

Grundeinstellungen so radikal verwandelt, wie keinerlei analoges Beispiel aus der Geschichte bekannt

In der-

ist.

selben Aktionsform „Unendlichkeit des Strebens", aber

auch mit derselben einseitigen Maßlosigkeit und schen Verlorenheit in die

Sache

ekstati-

schien dieses Volk jetzt

aufzugehen in der Arbeit an seinen politischen, militärischen und ökonomischen Daseinsgrundlagen.

Furchtbarer

Spott und ätzende, über alles berechtigte

Maß liinaus-

schießende Kritik traf seitens der neuen deutschen Führer,

und Materia-

der Staatsmänner, der neuen Naturforscher listen,

der neuen Führer des Wirtschaftslebens seine ältere

hyperideologische, vorwiegend kosmopolitisch gesinnte seinsform.

Bei Hebbel sagt einmal Holofernes: „Ich haue

den heutigen Holofernes

in Stücke

und gebe ihn dem Holo-

von morgen zu essen." So ähnhch schien

fernes

Da-

Deutschland mit sich

selbst

zu tun.

Seit

es

damals

unserem glor-

reichen Siege von 1870/71 trat aber ein neues, das Ethos unseres Volkes nicht minder stark veränderndes

sieht

— wie das Ausland ganz irrtümlich beklagt — eine

Nicht etwa nur

hinzu.

und ganz

setzung

Boden

aller

starke

deutschen

zuerst groß

Stämme mit

Moment einseitig

Durch-

der auf preußischem

gewordenen Energieanspannung des

tionalen, zweckhaften, organisatorischen



und

ra-

disziplinären

bedurfte Deutschland gar bedurfte der gefährliche Individualismus und Parsehr tikularismus von Stämmen und Fürsten von ehedem und die oft zu weichliche, ja zu schlaffe Art mittel- und südWillens: Dies allein

dies



deutschen Wesens.

86

Nicht nur

dies!

Viel wichtiger war,

daß

sich

Strukturform des aufs

gekennzeichnete

diese

äußerste gespannten rationalen Willens andere inhalt-

liche Ziele

als

daß

die altpreußischen gab,

sie

sich

von

vorwiegend politischen, staatlichen Macht- und militä-

und verwaltungsmäßigen Organisationszielen (deren Vorherrschaft im älteren Preußen mit einer überaus feinen, rischen

spröden, hellen Geistigkeit in Kunst Schinkel, Schlüter usw. bis

zum



— Wissenschaft

z.

B. Baukunst:

und

Geselligkeit

Jahre 1870 einen Daseinsstil gebildet hatte) stär-

ker loslöste

und

vorwiegend mit

sich

dem neuen

Inhalt

wirtschaf tli-cher Berufs- und Facharbeit des arbeitenden Bürgertums

erfüllte.

Ich habe diesen wenig in seinem

Wesen erkannten Wandel anderwärts einmal drückt:

so ausge-

Die Form jenes bei passenden adäquaten Zielen

herrlichen heroischen unbedingten Ordnungsgeistes, Staatssinnes, jenes

Ethos unendlicher Hingabe an die Pflicht



nicht nur ohne Blinzeln nach Glück, sondern mit fast zu

gesuchter heroischer Glücksverachtung

wie ihn der große Friedrich

bis



jenes Geistes,

an sein Ende betätigt, wie

ihn Kant im kategorischen Imperativ formulierte, wurde aus der politischen, militärischen in die

und moralischen Sphäre

ökonomische und technische übertragen

:

d. h.

aber

ohne fortwährende Rückbeziehung auf Erhaltung, Glück, Behaglichkeit, Genuß des sinnlichen Menschen im Grunde keinerlei ratio ihres Daseins in eine Wertsphäre, die

hat.

Ist

schon das

Philosophie

erste, die Pflichtidee

— von der Kant

sagt,

daß

sie

der kantischen

weder ,,im Him-

mel noch auf Erden irgendwo aufgehängt" gedacht werden dürfe

— eine bei

aller

inneren

Größe

sehr bedenkliche Er-

scheinung der moralischen Welt Das zweite, ihre gefühls:

mäßige Übertragung auf die Sphäre ökonomischer Arbeit 87

"

i

Hauptmotor

als

scheinung.

Man

für sie

ist

kann und

groteske Er-

eine geradezu soll sein

Glück,

hingeben — gegebenenfalls — für seinen

ja sein

Leben

Staat, für dessen

Ehre und vor allem nach dem Worte des Evangeliums für seinen Glauben sein Heil es

und

im Sinne

des „Märtyrer", endlich auch für

— man

für höchste geistige Kulturwerte

soll

nicht für eine maximale Schuhsohlen- und Nähnadelpro-

duktion hingeben. Der Märtyrer seines ökonomischen Arbeitsimpulses

ist

nicht erhaben; er

ist

benen zum Lächerlichen und Grotesken ein Schritt. Ich sagte anderseits

:

Vom Erha-

komisch. ist

auch hier nur

Mit demselben heroischen

Pathos und mit derselben leidenschaftlichen Unbedingtheit,

mit der

stolz gelassenen Gleichgültigkeit

Wohl, Glück, mit der

lOeists Prinz

gegen Leben,

von Homburg

in die

— bewundernswert, da tut für seinen Staat und seinen König — darf man einfach nicht Sem-

Schlacht stürmt

er es

,

wenn man

meln, Würste und Nähnadeln usw. produzieren,

und als eine neue von La Mancha erscheinen

nicht entweder selber grotesk-komisch

Form und will,

Auflage des Ritters

dazu Gefahr laufen, ob der kapital-enorm-kolossalen

Wurst- oder Nähnadelleistung, mit der kein anderer Fabrikant dieser Dinge mehr konkurrieren will (nicht „kann"), allen

Wurst- und Nähnadelmachern der ganzen Erde

hassenswert zu erscheinen

mißverstanden sein wählte letzteren

— oder wenn man nicht

will als Welteroberer.

Weg — den Weg eines

ältere preußische Geistestypus

er

nach tausend Beziehungen

radikal

Das Ausland

radikalen

ständnisses deutschen Wesens. Schon an

tief

sich



so heldisch

ist

— vermöge

Mißver-

ist

und

auch der herrlich

seiner sehr

partikularen Daseinsbedingung nicht geeignet, ausschließlich für deutsches

88

Wesen

vorbildlich zu sein.

Die Voraus-

Setzungen seines Ursprunges drei: ein ziemlich armes,

als

Typus waren vor allem

nur dürftig von der Natur be-

Bewunderung wenig einladendes, aber um so mehr arbeitheischendes Land; ein einzigartig geniales^ alles um sich herum mächtig nach sich selbst und seinem dachtes, zur

Bilde formendes Herrschergeschlecht mit seinem

zum

Offi-

und Beamten langsam bezwungenen, kraftvollen, ostelbischen Grundadel und eine leichtfügsame, dienstwillige, stark slawisch durchsetzte Unterschicht, eine im Verhältnis zu anderen deutschen Volksteilen sehr weiche und zähe lauter Masse, die sich also formen und prägen ließ Dinge, die im Guten und Schlimmen nicht überall und zier



allen deutschen Stämmen zu finden sind. Ganz gewiß! Niemand kann und darf sagen, daß ohne die Führung des aus diesen Elementen gewordenen preußischen Geistes eine gesunde politisch-deutsche Einheit möglich gewesen wäre und ich kann darum Ideen, wie sie jüngst Hugo Preuß in seinem Buche „Die Deutschen und die Politik" vertreten und verbreitet hat oder gar Ideen, wie sie

auch nicht bei



W.

Fr.

muß

Förster in seinem vielbesprochenen Aufsatz

schon sagen unter beklagenswerter eigener Anstek-

kung des gegen uns gerichteten Ententeliasses hat

— ich



,

— geäußert

ich kann Ideen, die es prinzipiell in Frage ziehen,

ob die Gründung des Deutschen Reiches unter preußischer

Führung auch mit innerem

historischen

und

sittlichen

Rechte erfolgte, nur äußerst dilettantisch finden. Das aber scheint mir

wahr zu

sein,

daß die zwei Hauptkräfte, die

unser neues Reich ursprünglich und in gegenseitiger Durch-

dringung ihres Ethos und Geistes schufen und die allein es

nach der realen Lage der Dinge schaffen konnten: die

Verbindung der preußischen Machttendenzen und des 89

alten preußischen Militärethos mit

dem nach

Einheit

und

freiem Verkehr strebenden wirtschaftlichen Unternehmer-

tum

Größenklassen und seinem ökonomischen Er-

aller

iverbstrieb, nicht die

einzigen bleiben dürfen,

die dieses

Reich auch fürder erhalten, weiterbilden und vor allem nicht

Gesamtantlitz nach Seite bestimmen dürfen. Denn eben

die einzigen, die Deutschlands

der Außenwelt fürderhin aus

Verbindung

dieser

dieser

großen,

aber

sehr

ein-

seitigen Kräfte entsprang jene sinnlose unbegrenzte Arbeitshast, die ich als

Hauptursache des universalen Hasses be-

zeichnete; entsprang das Bild jener

^ 'tUiJi

Welt

sich

Maße, an denen

die

gemessen fühlte, jener Menschentypus, den die

Welt nicht ertragen wollte. Von Preußen kam

die edle,

dem neuen Gehalte nicht entsprechende Ethosform, vom deutschen Unternehmer der neue Inhalt. Daß sich dieses aber fürderhin auch ändere, dafür bürgt

aber

uns mehr

als eines.

Zuerst bürgt uns dafür die Tiefe, der

Reichtum, die Unausgetrunkenheit des deutschen Wesens

und über

Geistes.

Ich habe Ihnen schon gesagt, was uns gegen-

dem Haß

Nachbarn unsere

unserer, an ihren alten Paradiesen haftenden

zutiefst rechtfertigt:

Art der Arbeit

daß wir glauben, daß auf

— nicht Tempo usw. — besser und

dauernder die Menschen, alle Menschen nen,

um

ihre höchsten geistigen

und immer

individueller zu entwickeln;

sche uns reifer

neuen

und angepaßter

technischen,

Weltalters

Anlagen

satt

werden kön-

freier

und

freier

und daß wir Deut-

wissen an die Ansprüche des

wirtschaftlichen,

organisatorischen

— des Weltalters, das jenes vorwiegend nur

die

unteren Kräfte entbindende Weltalter der sogenannten

„Neuzeit" begraben wird. Aber das wissen nun Besten

90

— und

nicht nur unsere Forscher

alle

unsere

und Künstler,



der sogenannte „Geist"

und

gleichfalls,

daß die Aufgaben

die Leistungen, die unsere Väter seit 1870

notwendig

zu tun gezwungen waren, weder die schönsten noch die

dem

deutschen Wesen angemessensten Aufgaben und Lei-

stungen waren, die ein göttlicher Zuschauer einer einmal vollendeten Geschichte der Deutschen unter den mannigfaltigen

Aufgaben und Leistungen der Epochen

schichte gewahren dürfte.

— mehr nicht!

Herbe

Ge-

dieser

Notwendigkeit war

es

In seinem Neujahrswunsch 191 5 schrieb

der deutsche Kriegsminister von Stein:

„Unserem Volke

würden

zum Glücke

schnelle

und

leichte Siege nicht

ge-

dient haben. Die nach den Erfolgen der Feldzüge 1870/71

hervorgetretenen Auswüchse würden sich noch stärker gel-

tend gemacht haben.

Seit jener Zeit hat der gewaltige

Aufschwung einen größeren Ausschlag zur materiellen Richtung verursacht. Der Ausgleich zwischen geistigen

und

materiellen

Noch

nicht!

Kräften war noch nicht vermittelt."

Das wollen wir uns merken!

Wir können

auch hinzufügen: auch der Ausgleich zwischen Arbeit

und Freude, Genuß und Schönheit, zwischen Arbeit und Kontemplation, zwischen Arbeit und Gebet, zwischen Arbeit und Form! Und demgemäß haben wir auch eine doppelte Zusammenfassung von Arbeit, Macht und von Geist zu erhoffen und zu gewinnen. Eine historisch-zeitliche Zusammenfassung, welche die so schroff und so plötzlich nacheinander sich entfaltenden einseitigen Tendenzen des alten und des neuen Deutschlands, Goethes und Hegels einerseits, desjenigen Krupps und Ballins anderseits, sich neu durchdringen läßt die Geist sich

und

und

gleichzeitig eine soziale Synthese,

Staat, aber

auch Geist und materielle Arbeit

neu durchdringen und aneinander befruchten

\

läßt.

Nichts hat neben den realen Entwicklungen und der

im Laufe kaum

Plötzlichkeit des deutschen Geisteswechsels

Haß

einer Generation so sehr den

gründet erscheinen lassen

zwei Dinge

:

unsichtbar gewordenen,

landsauge total sehr

als

der Welt scheinbar bedie für das

Aus-

faktisch freilich

wohl innerlich bestehenden, von Troeltsch, Joel und

Fäden, die das alte, geistige Deutschland mit dem modernen techniökonomischen und politischen verknüpften. Und

.mir jüngst vielseitig geschilderten

große, schen,

an zweiter Stelle der überaus geringe Beitrag, den unser gegenwärtiges,

wirklich

vornehmes und gutes

geistiges

Deutschland zu der Bildwirkung des Gesamtantlitzes beisteuerte, das

Deutschland der Welt nach außen darbot.

Das Erstgenannte kommt

ja in

der formell etwas kindischen

Gegenüberstellung des Auslandes von Weimar-Potsdam,

Goethe- Krupp deutlich genug ist

psychologisch der

Haß

zum

des Auslandes schon vor

Kriege in ein noch anderes Gefühl gesenkt gewesen

:

Ausdruck. Überhaupt

als

Haß

dem

gleichsam ein-

Man könnte es eine Art Scheu, ja G r a u e n

nennen vor Deutschlands Unheimlichkeit und Unbestimmbarkeit.

Unheimlich und unfaßlich,

rätselhaft, ja

grauen-

erweckend erschien Franzosen und Engländern jenes Bild des Wechsels, sowohl vermöge seiner scheinbaren

Größe

wie vermöge seiner Rapidität, und dies doppelt darum, da das rohe

und nur

Auge Anfangs- und End-

für das je Auffälligste eingestellte

des Auslandes nur die oberflächlichsten

phasen dieses Wechsels sah

— nicht aber den

der deutschen Seele liegenden

kontinuierlichenProzeß,

der diese Phasen unsichtbar zusammenhielt. sich

denn auch

Deutschen 92

die

überall: Ja, was

echte

in der Tiefe

Seele, die

ist

So frug man

denn nun an diesen

wahre

— und welche von

beiden

ist

Ausland

gesamte

das

und gemacht

künstlich aufgepfropft

schon

überaus

Diese für

?

charakteristische

Fragestellung war zum Beispiel auch jene, mit der das Haupt der Academie frangaise, Emile Boutroux, seinen berühmten Vortrag vor dem Kriege an der Berliner Universität über die französische und deutsche Seele einleitete.

— wohl schon vermöge des Ortes, an dem damals sprach — entgegenkommend, uns im Fortgang Boutroux war

er

so

seiner

Darlegungen schließlich zwei gleich echte Seelen zu-

zugestehen, eine ideale

und

Nach Kriegsbeginn hat

sich aber

in Frankreich als der beste

seinen vielfachen schlossen, die

auch Boutroux

er gilt



in

Reden zu derselben Einseelentheorie ent-

galt,

England

in

als

als alter

nämlich Lord Haidane

und deutschen

Nach beiden Herren

ist

Göttinger

der beste Kenner (er hielt

legentlich seiner Berliner Mission gleichfalls eine

englischen



Kenner Deutschlands

auch derjenige Mann, der

Student und Hegelianer Deutschlands

eine realistische Arbeitsseele.

ge-

Rede über

Geist) zu der seinigen gemacht.

das sogenannte wahre

und echte

Deutschland, die einzig „echte" deutsche Seele, die Seele des Deutschlands Goethes, Beethovens, Schillers, Hegels,

Herders usw.

und

Dies Deutschland

seinen Militarismus



auf

sei

aber durch Preußen

Grund

der politisch un-

selbständigen Natur der Deutschen — von seinem wahren

Wesen sei

künstlich

und grundsätzlich abgelenkt worden und

durch die sogenannte

verführt

und

,,

Preußische Machtphilosophie"

vergiftet worden.

Boutroux

will sogar finden,

daß der deutsche Gottesgedanke dadurch grundsätzlich mitberührt worden

sei

und daß an

Stelle des hellenischen

Weisengottes, des jüdischen Rechtsgottes und des christlichen Liebesgottes, deren

Färbungen

in der älteren deut-

93

sehen Gottesidee gebunden waren, ein preußischer purer

Macht- und Kraftgott

— ein bloßer Heldengott getreten

Die übrigens sicher ehrlich gemeinte Folgerung, daß

sei.

die Vernichtung des sogenannten preußischen Militarismus

auch eine erlösende Liebestat für die Wiederherstellung der allein echten deutschen Seele

von

selbst.

Nun,

ergibt sich hieraus

sei,

ich brauche nicht zu sagen, wie unsinnig,

wie einseitig pro domo, wie cantgeleitet und hypokritisch typisch gewordene deutsche Geschichtsphilosophie

diese

unserer Hasser

Ich führe

ist.

sie

hier

nur an,

um zu

zeigen,

wie rätselhaft auch den vergleichsweise besten ausländischen

Kennern Deutschlands

dieser

rapide,

scheinbar

völlig

sprunghafte Übergang des alten und des neuen Deutschland gewesen tischen Folge,



und noch ist mit einer höchst prakdie alten vornehmen eingesessenen Firmen

ist

langsam im Weltmarkt beschränkt zu haben. Ich setze aber gleich hinzu, daß

es

auch bei uns Deut-

schen eine Art Gegentheorie dazu gibt — ich finde

sie

mehr

oder weniger ausgesprochen bei einer ganzen Reihe Historiker

und Nationalökonomen,

die gleichfalls die ihr

Politiker

und

Publizisten



schärfste Verurteilung verdient. Nach

— kurz gesagt — dichtete, dachte, schaute, fühlte das

ältere

Deutschland eigentlich nur aus

dem

äußerst banalen

— oder wie man hier gerne lebte den „Lüften der Phantasie" — weil der Deutsche kein sogenanntes Grunde

sagt,

in

,

„politisches

keinen

Heim"

hatte, weil er

wenig zu essen hatte und

großen praktisch-politischen und

Wirkspielraum besaß.

Nach

ökonomischen

dieser Auffassung gilt

eine Art Einseelentheorie, nur die umgekehrte

!

auch

Nein, das

müssen wir uns doch ganz energisch verbitten, die Großzeit deutschen Geistes auf Mangel an Nahrung und auf mäßiges

94



als seien es nicht freie, posi„Heim" zurückzuleiten Anlagen herrliche und in ihrer Kraft nie tive, spontane

wohl aber durch

versiegte,

Zeitalters vor seitige

dem

die spezifischen

Aufgaben des

Kriege und die notwendige, tragisch ein-

Energieanspannung für diese Aufgaben gewaltsam

und schmerzhaft zurückgedrängte ewige Kräfte

des deut-

schen Wesens gewesen, die in der Zeit der Klassik und Ro-

mantik sich in bewunderungswerten und die Liebe der Welt

gewinnenden Werken der Kunst und des Geistes Form gegeben haben. Goethe Zeit des Herrn



karikiert gesagt

Du Bois-Reymond

— wie jener typische Wortführer er hätte Faust das bestalltes

— wäre auch zur

nicht Physiker geworden seinerzeit so naiv meinte;

Gretchen nicht heiraten und ein wohl-

„Heim" gründen

lassen; er

wäre auch

in Berlin

geboren nicht Physiker geworden, im modernen Essen und

Hamburg

nicht eine Art Ballin

diese ausgezeichneten

und Krupp geworden, und

Herren wären auch im alten Weimar

geboren nicht Goethes geworden. Beide

von beiden — hätten nicht gewollt.

es

nicht

Also fort

dieser falschen Auslands-

und zugestanden, daß voll

genug

ist,

um

gekonnt und beide hätten es mit dem billigen Gegenspiel

und dieser

das deutsche

Maßlosigkeit

falschen Inlandstheorie

Wesen

die herbe, oft tragische

und

kraft-

Spannung

dieser

reich

— schon Luther wurde Deutschen — samt der alten germanischen

alten dualistischen Anlage

gisch für die

— nicht nur einer

in

in

der Ausbildung

immer nur

sie tra-

je

einer

dieser

Seelen fürderhin durch die Einheit deutschen Geistes

Willens zu einheitlicher Fruchtbarkeit zu bringen; sie

ja,

und

um

zur Springfeder einer höheren konkreten, vorbildlichen

und harmonischeren Daseinsform zu machen, bisher zu gelingen schien.

Und

als

es

uns

das gleiche gilt für den-

95

I

selben Gegensatz von Macht, Arbeit

und Geist

in der

anderen Dimension der sozialen Gleichzeitigkeit. Nicht nur eine uferlose, machtscheue liche Kritik

um

der Kritik willen seitens eines Teiles der

sozialdemokratischen Presse

Führerschaft jetzt



,

und verantwortlichkeitsfeind-

— daß

und

eines Teiles der damaligen

dies anders wird, das

sehen wir schon

und

nicht nur törichtes Machtgerede

unchristliches

und

Presse

vor

dem

groteskes,

Kraftgeprotze der alldeutschen Literatur

— wir kommen auf beides noch zurück — hat dem Ausland

Kriege unser

zugekehrtes Antlitz

hassenswürdig gemacht; noch weit mehr sich dies üble

als

Bild unseres Wesens dadurch

sich alles in kleine,

immer

dies

gestalten,

fester sich abschließende

verbarg, was in Deutschland wahrhaft noch Geist heit

genug besaß,

mußte daß

Kreise

und Ho-

um ohne amtlichen, künstlich gemachten

sogenannten „Imperialismus des Geistes" und ohne amtlich

abgestempelte Austauschprofessuren, welche die Wis-

Würde

gemäßen Dienst der internationalen Politik stellten, rein durch seine und seiner Werke Gehalt und Gestalt liebeerweckend auf das Auge senschaft in den ihrer

nicht

der Welt zu wirken. Das übergeschämige

Natur der deutschen Öffentlichkeit

Sichverbergen des Guten unser Bild gewirkt

als die



freilich aus

der

vielfach begreifliche



hat genau so fälschend auf

freche Aufdringlichkeit der Phrase

und der großmäuligen Worte und Gesten unserer Marktschreier aller Art. In immer engere, von der Luft schon der deutschen und darum erst recht des internationalen DaGeheimzirkel und sogenannte seins abgeschlossenere ,,

Kreise" schloß sich, ja flüchtete sich

alles

offensichtliche Erscheinung uns selbst wie

die

96

Verbindungsfäden

Gute, dessen

dem Auslande

hätte aufweisen können, die zwi-

sehen

dem

alten

und neuen Deutschland bestanden

— von

der vollendeten politischen Interesselosigkeit dieser geistig

höchststehenden Kreise Deutschlands gar nicht zu

reden. So war's

im

Dichtung, Musik.

Religiösen, so in Kunst, Philosophie,

Ich schrieb anderwärts: Verschiedene

Dinge wären notwendig,

dies

erster Stelle das öffentliche politische

dienenden Institutionen, an zweiter gestaltet werden,

i.

Stelle die

Schule so

daß nicht nur nach des Kanzlers Ver-

Bahn wird", sondern auch Dasein und Wirken Geist und Talent

sprechen „allen Tüchtigen so,

Müßten an Leben und die ihm

zu ändern:

daß das öffentliche

freie

wieder an sich zu ziehen vermöchte. Das aber kann

wenn den

politischen

Kräften neue

und

geistigen jetzt

es

nur,

noch verborgenen

Verantwortungen und

wahrhaft tätige

Mitwirkung an der Mitgestaltung des nationalen Lebens zugesichert oder von uns erkämpft werden.

2.

Muß

Haltung eifersüchtig ängstlicher Abschließung von

der aller

Öffentlichkeit seitens unserer geistig Besten, die zur Zeit

noch die Wertgebung

stolzer

„Vornehmheit" und beson-

derer Feinheit trägt, der Unwertstempel demutloser, ver-

wegener Selbstgerechtigkeit aufgedrückt werden.

noch ein heikler Punkt wähnen. Er genossen.

3.

Ist

diesem Zusammenhange zu er-

in

betrifft unsere jüdischen Volks-

und Landes-

Eine der merkwürdigsten Haßthesen unserer

Feinde — breit sind wickelt worden —

ist

sie

von Suares und Verhaeren ent-

die

Behauptung, daß das moderne

Deutschland in seiner Erscheinung ganz wesentlich be-

und einen hyperkritischen, überall Zersetzung suchenden und bewirkenden jüdischen Geist". Daß dies vom wirklichen Deutschland nicht gilt, darüber ist kein ernstes Wort zu stimmt war durch den

7

,,

preußischen Unteroffizier

97

Aber auch

sagen.

dieser so oft wiederholte

einer psychologischen Erklärung. ser

Unsinn und kein anderer

kommt man

Haben

sie

?

Dafür gibt

mehr Einfluß

Auf

?

betrifft, so

sie

Spur eines

bei uns als bei unseren

diese Frage gilt je ein Ja

haben

es keine

Von Rußland

nach dem Ziel und der Art des

vom

Wie

?

westlichen Nachbarstaaten

je

?

?

menschlich, bürgerlich

sehen.

möglichen Unsinne

Sind unsere Juden von minderer Qualität,

aus nicht.

Beweises.

gerade die-

ist es

Haben wir prozentual und durchmehr Juden wie unsere Feinde Durch-

darauf

schnittlich soviel

aller

Warum

Unsinn bedarf

sei

hier abge-

und ein Nein, nämlich

Einflusses.

Was

die Art

bei ihrer prinzipiellen Ausschaltung

und Verwaltungsberuf weniger, viel, viel weverantwortlichen Einfluß, aber sie haben sehr unverantwortlichen. Was das Ziel betrifft, so haben sie die offizielle politische verwaltungsmäßige und miliOffziers-

niger viel

auf

tärische Wirklichkeitsgestaltung weit weniger sichtbaren

Einfluß

als in

Frankreich und England, aber gleichzeitig

einen durch ihre Arbeitsverteilung

zu der

sie

und

Stellungsverteilung,

durch die überlieferte Regierungsgewohnheit ge-

nötigt sind, nämlich durch ihre überaus dichte, den Geist kapitalistischer

Überbetriebsamkeit

norddeutschen

Ur-

sprung noch befeuernde Zusammendrängung im mittleren

und höheren Kaufmannsberuf

einerseits, in

den

gei-

stigen freien Berufen der Wissenschaft, Kunst, der Presse,

des politischen Führertums, der Rechtsanwaltschaft usw. anderseits

(besonders vermöge der letztgenannten ihrer

Arbeitslagen) allerdings einen Einfluß auf die Bildgestal-

tung deutschen Wesens nach außen hin, den auch ich nicht anstehe,

weit größer und

stärker zu finden, als in irgend-

einem anderen europäischen Lande. Diese Bildgestaltung 98

ist ja

zwanzigfach stärker bestimmt

Deutschland

ist

und

geschieht,

z.

als

durch

das,

was in

B. in aller inneren Ver-

waltung, in Kunst, Wissenschaft usw., durch die Art, wie

und Geschehende genannt,

dies Seiende

öffentlich hervor-

gehoben, ausgezeichnet oder unterdrückt

und damit

für

Auslandsaugen über die Schwelle der Perzeption gehoben wird. Die Art aber, wie dies geschah,

nach denen

gesetze,

es geschieht,

und

Auswahl-

die

entsprechen nur

dem

immer noch bestehenden inneren Ghettogeiste und dem durchaus nicht unberechtigten Gefühl des inneren racheheischenden,

zum

mindesten stark auf

alle

negativen Werte

des Landes eingestellten Beleidigtsein unserer Juden pelt gefährlich durch

den berechtigten welthistorischen

Stolz des hochbegabten Volkes, dessen Gottesidee eroberte.

— dopEuropa

So ergibt sich die sonderbare Lage, daß das Ger-

manische in Deutschland

in

Heer und Verwaltung und

allen verantwortlichen Stellen steht, das jüdische

Element eifersüchtig

in der geistigen deutschen Sphäre,

fernhält,

daß aber

und zwar eben jener

Sphäre, die den Dingen für das Ausland Bild, Wort,

und Gestalt

gibt, eher das

in

nur allzu breitbeinig da-

Namen

germanische Element in seinen

besten Vertretern ängstlich herumschleicht,

ja

häufig sogar

schon traditionell zurückgestoßen von dieser Sphäre, sich

wenn

nicht überhaupt höherer geistiger, außerfachlicher

Interessen

und Anteilnahme

spruches auf öffentliche so sehr

und

begibt, so doch sich des

Teilnahme

so prinzipiell begibt,

daß

An-

an seinen Leistungen es für das

Auslands-

auge sehr wohl so erscheinen kann, daß bei plötzlicher Ausschaltung der deutschen Juden überhaupt nicht allzuviel

an „deutschem Geist" übrigbleiben würde. Die ein-

zige

dauernde Abhilfe von diesem Übel besteht nun aber



99

im geraden Gegenteil der bekannten antisemitischen Rezepte. Sie besteht in einer anderen Verteilung der Juden über das Ganze der deutschen Arbeit, die wenigstens bis

Maße

zu einem gewissen

wenn

automatisch von selbst einträte,

die Schranken fielen, welche die Juden von

höherem

Verwaltungsdienst, Offiziersberuf usw. ausschließen, und

wenn

zweitens

verantwortlicher Einfluß an

Stelle eines

übermäßigen unverantwortlichen Einflusses gesetzt wird.

Und

besteht in der schon durch die bloße Offenheit

sie

dieser Stellen, nicht erst

durch ihre wirkliche Besetzung

moralisch bewirkten Aufhebung jenes für unser gesamtes

Leben

geistiges

und

so gefährlichen Gefühls der Beleidigtheit

des „inneren Ghettos", mit deren

notwendigen psy-

chischen Folgen zu negativer hyperkritischer Einstellung.

In anderem Sinne unseres Bildes

gleichfalls die negativen

Die

stark

Züge

nicht steigernd so doch nicht herab-

— wirkte das Verhalten der deutschen

mindernd liken.

wenn

— aber

im Übernatürlichen

Katho-

verankerte, den kon-

templativen Faktoren des Lebens mehr Recht gebende,

harmonischere und kosmopolitischere Weltanschauung der

Angehörigen der katholischen Kirche hätte

denken

chend

sollte

— wie

man

— gegenüber dem Überarbeitsgeiste ausglei-

wirken können: Marienhaftere Züge hätte unser

Gesicht dadurch erhalten können. Aber die deutschen Katholiken haben sich vor

dem neuen extremen

dem

Kriege nicht nur praktisch

Arbeits-

und

ausschließlichen Er-

werbsgedanken immer stärker hingegeben sie,

wenn

dern

sie

sie



dies

mußten

— sontrotz kirchlicher Prinzipienfestigkeit, —

nicht allen Einfluß verlieren wollten

haben

sich

der Modernismus

z.

B. spielte in

Deutschland keine nennens-

werte Rolle — unbewußt auch den neudeutschen Idealen, ICO

nur allzusehr gebeugt, an denen unter

und

Verleugnung

sich

sehen

darum

sie,

daß

selbst

sie sich

selber

immer mehr, gewöhnten,

ihrer eigenen, zu messen

„ökonomisch inferior" fanden. Jetzt

Welt an diesen Maßstäben ge-

die ganze

messen, sich inferior, so inferior gefunden hat, daß

eben so maßlos haßt, wie

stimmt

sie

uns

uns haßt; und vielleicht be-

sie

diese Erkenntnis dazu, fürderhin in schärferer

sie

Weise die weicheren, liebevolleren Züge Menschenideals geltend zu machen

Wirkung auf

eine mit bilden de

als

ihres religiösen

bisher

und

so

auch

das deutsche Antlitz aus-

zuüben, nicht aber sich ausschließlich damit zu begnügen, unter der Herrschaft von

fremden 2.

dem Katholizismus wesens-

Idealen nur praktisch vorwärtszukommen"^).

Außer

dieser

Umgruppierung von Macht-Arbeit und

Geist bürgt uns für die weniger haßerregende Gestaltung

Durchdringung

des Antlitzes Deutschlands jene stärkere

Österreichs

und

des Reiches auch in Hinsicht auf das Ethos

beider Teile, Es stische

ist

ganz richtig, was

Naumann

in die pla-

Formel prägte: „Die österreichischen Völker müssen

etwas schneller gehen lernen und wir etwas langsamer."

Und

gleichzeitig

haben wir

in allen

Fragen der Lebens-

formen und der Verwaltungskunst von Österreich zu lernen.

Dazu kommt

das Wichtige, daß auf der breiteren gemein-

samen äußeren Lebensbasis Mitteleuropas

tärischen und

sekundär

erst

(zuerst der

nur die österreichischen Nationen und Völker reich



Böhmen

mili-

der wirtschaftlichen) nicht in Öster-

so wie wir es jetzt schon für Galizien sehen,



muß sondern auch die Stämme und Deutschen Reiches, samt den fremd-

bald folgen

Einzelstaaten des

dem

nationalen Annexen, sässer, eine stärkere

z.

,

B. Preußisch-Polen,

Dänen und

El-

Selbständigkeit gegen Preußen zulöi

rückgewinnen,

als

sie

bisher besaßen, eine stärkere Selb-

ständigkeit ganz besonders in Kulturfragen, in Religion, Sitte, Ethos.

Stärkerer

und auf Mitteleuropa

erweiterter

Zentralismus und kraftvollere Organisation in allen Dingen

und militärischen Lebensbasis und gleichenergische Dezentralisierung in allen die höhe-

der materiellen zeitig

ren geistigen Lebenswerte betreffenden Gesinnungen

und Betätigungen, auch Verminderung der, Individualität und Person zu stark bindenden Organisationen: das ist eine sehr allgemeine Formel, aber eine Formel, die ich

momentan

nicht genauer zu spezifizieren für tunlich halte.

Laufen die Dinge nach

ihr, so

muß

Auslandsohr fürderhin darbieten,

sowohl polyphoner

gewesen

102

ist.

als

die Musik, die wir ja

von

harmonischer werden,

selbst als sie

dem

wieder bisher

VI.

Notwendige 1.

Was

nicht schuldhafte Mißverständnisse

sind notwendige Mißverständnisse?

von Ihnen wohl bekannt, daß Immanuel EsKantmanchem von Antinomien gesprochen von gemeidaß — nen Widersprüchen dadurch scharf scheiden ist

hat, die sich

sollen,

wie Kant sagt — die menschliche Vernunft notwendig sie verfällt,

machen

wenn

will.

sie

in

über das Ansich der Dinge etwas aus-

Nicht genau desselben Ranges, aber doch ge-

wisse Analoga zu diesen theoretischen

Antinomien sind ge-

wisse ethisch-politische antinomische Mißverständnisse, in

die das moralische Werturteil ganzer Völker, sofern sie

übereinander urteilen wollen, gerät und gleichfalls not-

wendig Sinn —



in

anderem

als

bloß historisch-psychologischem

— und das ein Unterschied zu den Antinomien Kants — muß, sofern wir, wie wir mit Evigerät.

Zwar

ist

es

denz müssen, den objektiven Bestand einer an sich rechten einsichtigen Wertskala für

und Rangordnung

den Menschen darum

nunftwesen stehen,

und

und

gilt,

gilt,

für diese

da

sie

Antinomien eine Lösung be-

das einzelne Individuum

vielleicht finden.

voraussetzen, die

für alle endlichen Ver-

mag

sie

bleiben die hier gemeinten Mißverständnisse

und

damit

auch

auch suchen

Aber — für die Völker

durch

Aufklärung

und

als

Ganzer

notwendig, gegenseitige

103

Der Grund

Belehrung unlösbar.

dieser

Erscheinung

ist

einfach.

Jedes große Volk hat sein eigenes Ethos. seine eigene

D.

h. es

hat

Art und Weise, gewisse Werte anderen Werten

vorzuziehen resp. nachzusetzen

— eine Tatsache, die mit

der jeweiligen praktischen Moralität,

d. h.

der Frage, wie

weit die Völker ihrem eigenen Ethos auch praktisch ge-

horchen, noch nichts zu tun hat.

und Ruhm

bei

Daß zum

den Franzosen einen

völlig

Beispiel

anderen Stellen-

wert in der nationalgültigen Wertskala besitzt

als

bei uns



ist

aber beurteilt jedes große Volk

als

Deutschen oder bei den Engländern und Russen offensichtlich^^).

Nun

Ehre

Volk jedes andere Volk nicht nach einem über den nationalen Ethosformen der Völker stehenden Wertsystem, son-

dern eben nach seinem eigenen Ethos. Dieses Ethos bedingt aber zugleich den besonderen Charakter seines eige-

nen

Verständnisspielraums für Wertmannigfaltigund deren Differenzen überhaupt. Da sich die Völ-

keiten

ker fortwährend moralisch anklagen oder preisen, sind

Tun

also stets bei

diesem

und Ankläger

zugleich



sie

gleichsam Gesetzgeber, Richter

und so lange, als sie keine höchste irdisch- moralische und spirituelle Autorität etwa so anerkennen, wie es die europäischen Völker während des kirchlichen Universalis-

mus

dies wenigstens überall da

des Mittelalters bis zu einer gewissen wechselnden

Grenze dem Papsttum gegenüber zu tun gewillt waren.

Aber

selbst in

diesem Falle bleibt in allen konkreteren Be-

urteilungsfragen jede Nation auf die besondere Struktur-

form ihres national gebundenen Gewissens angewiesen.

Schon die

je

ästhetischen

104

besonderen unübersetzbaren ethischen und qualitativen

Werteinheiten, welche

die

Wortprägungen der Sprachen der Völker weit am objektiven Wertreich herausfaßt, bilden für die Völker eine un-

übersteigbare Grenze des vollen Verstehens.

Erlauben Sie ein paar einfach gewählte Beispiele, die zunächst nur einzelne menschliche Eigenschaften betreffen, nicht ganze, höchstzusammengesetzte Einrichtungen, wie

etwa den sogenannten deutschen Militarismus. Wir Deutsche neigen

z.

B. dazu

mut und Würde" als



,



alle

Anmut im

Betragen

„Verstellung" zu werten. Schärfer gesagt, das, was die

Franzosen nach ihrem Ethos tragen"

empfinden,

ihrerseits aber fühlen

als

den Wert

fühlen wir

eben

dies,

heit, Ehrlichkeit, Biederkeit" als

„An-

so findet schon Schiller in

französische

als

,,

,,

Anmut im

Verstellung".

BeSie

was wir deutsche „Offen-

nennen und

positiv bewerten,

Roheit, Formlosigkeit, täppische Naivetät

— Barbaren-

tum, wenn Sie wollen. Wir neigen (ohne jedes Recht) dazu, das,

was die Franzosen Ehre, Gloire nennen, für äftische zu

„Eitelkeit"

Schwulst;

sie

halten,

ihre

Rhetorik

für

künstlichen

neigen (ohne jedes Recht) dazu, das, was wir

die deutsche Treue nennen, für dumpfe Gewohnheits- und

Schicksalsgebundenheit anzusehen, unsere durchaus positiv

im Verhalten und im Trockenheit, Nüchternheit, ja im lebendigen

geschätzte sogenannte „Schlichtheit"

Vortrag für Verhalten

als

eine Art geistiger Untergeordnetheit

Dienerhaftigkeit aufzufassen. sie in

den Wissenschaften und

heit" nennen

und was

sie

cartes so gerne schon der

Wir neigen

und

dazu, das, was

in der Philosophie

„Klar-

mit ihrem größten Denker Des-

Wahrheit gleichsetzen,

als

die

ganz unsachliche Voraussetzung anzusehen, die Welt

müsse

so beschaffen sein,

daß

sie leicht

und

restlos in

Menschenverstand eingehe. Was ihnen „Wahrheit"

den

ist, ist

uns nur ein subjektives menschliches Bedürfnis.

Und

das,

was wir wieder Ehrfurcht nennen vor der Fülle der Welt

und der Feinheit des Daseinsgewebes und was uns stets behütet und nach.unserem Empfinden behüten soll, die Erkenntnis einer Sache je für erschöpft zu halten, eben das nennen sie deutsche Verworrenheit der Darstellung und Steckenbleiben im Material. Oder nehmen wir ein England betreffendes Beispiel als Vergleichspunkt. Was in Deutschland an erster Stelle moralisch litisch



— nicht rein technisch-po-

empfand das Zugeständnis des Neutrali-

urteilte,

tätsbruches seitens unseres Kanzlers in seiner ersten Rede

— sehen wir

über unseren Einmarsch in Belgien er später seine hielt



Worte zurückzunehmen

daß

Die ganze anglo-

eine „edle freie Offenheit".

als

ab,

sich für berechtigt

amerikanische Welt des Erdkreises empfand genau dieselbe

Handlung

— auch soweit

ehrlich

sie

— moralisch völhg anders.

„Nicht nur eingebrochen sind wider

alles

nismus,

Recht; nein,

es

sie

und

objektiv urteilte

Das bekannte Urteil lautete: die

Deutschen

in Belgien

haben den unverschämten Zy-

auch noch zu sagen und zuzugestehen." Wie

wenn England in Belgien einmarschiert wäre und Lord Grey nicht wie unser Kanzler

hätten wir wohl geurteilt,

— nach dem Maße seiner damaligen Sachkenntnis über die englisch-belgischen Verhandlungen und Abmachungen — es

zugestanden hätte, sondern den Völkerrechtsbruch nach

englischer Tradition geleugnet

tigen versucht hätte. krisie,

diesen cant

ein Zeichen

!

und

Wir hätten

gesagt: Seht diese

io6

Hypo-

Also dieselbe Handlung wäre nach uns

von „cant", deren Gegenteil nach englischem

Ethos ein Zeichen von „Zynismus"

Maß

juristisch zu rechtfer-

ist.

Nicht etwa auf das

der Tatsachenkenntnis der urteilenden Subjekte,



nein auf verschiedene

Ethosformen bauen sich MißverDenn alle die angeführten Bei-

ständnisse dieser Art auf. spiele

sind Mißverständnisse

— und zwar gegenseitige

Mißverständnisse. Glauben Sie nicht ohne weiteres, hier eine der beiden Parteien anders „recht"

ihrem andere



als

es

habe

eben nach

nationalen Maßstab, d. h. einem Maßstab, den die a priori ablehnt.

Wohl gibt

es ein eindeutiges

und

absolutes RechtundUnrecht — aber „Völker" sind nicht

berufen und werden nie berufen bleiben diese Mißverständnisse

sein, es ,,

zu finden. Für Völker

Vermeid-

notwendig".

außerhalb jener Maßstabgegensätze; sie beginnen erst bei dem praktischen Verhalten der Völker, dadurch sie selbst je nach ihrem Maßbare Mißverständnisse beginnen

erst

ihm bald praktisch gerecht werdend, Und gar auf klärbare Mißverständnisse haben

stab zu leben suchen,

bald nicht.

es ausschließlich

gen zu tun

nur mit einzelnen

— nie

Unter den

viel

Tat Sachen feststellun-

mit den beiden oben genannten Arten.

komplexeren „notwendigen und unver-

meidbaren" Mißverständnissen dieser Gattung führe ich

nun

als

Ursachen des Hasses politischer, nicht

naler Herkunft gegen uns vorzüglich

zwei

also natio-

an, da sie mir die

ausgezeichnetste Bedeutung zu haben scheinen das notwen:

dige Mißverständnis unseres sogenannten Militarismus

und

das gleichnotwendige Mißverständnis unserer Freiheitsidee, d. h.

Mißverständnisse dessen, was wir Freiheit und Knecht-

schaft

nennen und was

sich in unseren politischen

monar-

chischen Institutionen ausgewirkt real für uns darstellt.

Die Welt, besonders der Westen, nennt uns auf Grund dieses zweiten Mißverständnisses unseres Wesens ein „serviles"

Volk oder noch übler ein Dienervolk oder auch

in

anderer

Färbung den „Feind der Demokratie der ganzen Welt". 107

Das notwendige Mißverständnis unseres sogenannten Militarismus

2.

Hinsichtlich unseres „Militarismus"

Frage zu

stellen, die eine starke

ist

vor allem eine

Analogie hat zur falschen

Ausdeutung unserer wirtschaftlichen Überarbeit meintes eine

Mittel

der

Mißdeutung,

„wirtschaftlichen

die

ver-

als

Welteroberung",

— wie wir sahen — zu der

faktisch

übermäßigen, aber psychologisch nichtbegriffenen Arbeits-

noch hinzutrat.

hast

Frage lautet:

Diese

Wie war es und

psychologisch möglich, daß auch die vernünftigsten

ruhigsten Elemente des Auslandes fest überzeugt waren,

bestimmten Plane der miliWelteroberung umgingen Daß ferner dieser

daß wir mit einem ganz tärischen

?

„Plan" von einer verborgenen Kaste, der „Militärkaste", hinter Wissen,

Wunsch und Willen

der verantwortlichen

Staatsmänner entworfen und seine Verwirklichung durch

Herbeiführung des Krieges begonnen worden dies

und

nichts anderes

glaubten

sei

?

Denn

die Völker unseren

Rü-

stungen unterlegen zu dürfen. Wieso glaubten selbst ausgezeichnete Gelehrte in Frankreich ernstlich

um Stimmung

zu machen

nen, einige Jahre vor

dem



,

— nicht etwa

so wie der Verfasser des klei-

Kriege erschienenen Buches ,,La

guerre qui vient" wörtlich sagt, daß der Deutsche Kaiser,

wenn

er

morgens aufgestanden,

mit Karten

setzt,

reich ausfindig zu

konnte

es

um

sich täglich an einen

Tisch

die besten Einfallspunkte in Frank-

machen

?

Oder anders ausgedrückt Wie :

zu diesem geradezu rätselhaften Kontraste

kommen, daß unser Gesicht nach dem Auslande hin furchtbar,

von Angriffsenergie gleichsam gewaltig ge-

spannt, aufs äußerste bedrohlich war, während wir

io8

als

Volk,

während unsere Reichsleitung faktisch der Gesinnung und dem Willen nach tieffriedlich waren, so friedlich, daß keinem Volke der ganzen Erde, auch keinem neutralen Volk dieser Krieg so über

dem

wie

unsrigen

Und

?

alle

wie

Maßen überraschend kam kam es weiter, daß wir selber

von unserem eigenen Gesicht, von Bedrohlichkeit

und Wildheit nicht

hatten?

Wenn

Ordnung

ist,

Problem

ist.

das

seiner Furchtbarkeit,

die leiseste

Ahnung

kein psychologisches Problem

erster

dann weiß

ich nicht, was ein psychologisches

Haben

denn schon einen normalen Men-

Sie

schen gesehen, der das wilde Gesicht eines

Wütenden

hat,

der die drohende Faust fortwährend zu schütteln scheint

und der gleichzeitig, da

er dieses Gesicht macht, in

danken Vokabeln einlernt oder nachdenkt, wohin nachmittag Spazierengehen

dem

nicht einmal

weiß

dies furchtbare Gesicht

Und

soll?

er

der selbst

— ich sage nicht weiß — macht

?

Und

Ge-

heute

außerdaß er

,

doch genau

so

war

es.

Lüge, Verleumdung, Preßhetze, Angstphantasien unse-

rer

Feinde sagt

man

?

Gemach! Das

trat sekundär hinzu: die fallens

Ursache

ist

Unsinn! Das

dieses

von Gesinnung und Gesicht war

es

alles

Auseinander-

nicht. Gewiß

war der Auffassungsinhalt unserer Feinde nur „Phantasie", nämlich verglichen mit nalen

und

und

staatlichen

dem nationalen Willen, der natioGesinnung des deutschen Volkes

seiner Regierung; nicht aber

war

er Phantasie, be-

zogen auf unsere Erscheinung und auf unser Gesicht. Diese Erscheinung, dieses Gesicht löste die Angst selbst erst

aus,

die

dann

erst hinführte.

ihrerseits

Angstphantasien der Springpunkt der

zu den

Nein, das gerade

ist

Sache: Wir sahen schon wirklich so ähnlich aus, wie

es

zu

Beginn des Krieges das Ausland so plastisch mit den Worten 109

„toller

um

Hund", der schon

sich

längst auf

dem Sprunge

lens maßig ganz anders

eingestellt, als

sahen, ja sogar genau entgegengesetzt. faktisch so sels

aus — und wir ahnten

Lösung

jektiven

es

liegt also erheblich tiefer,

seiner

Ausführung bedürfte

es eines

auch nicht an erster säbelklirrenden

Lösung Stelle

Außenpolitik

wir wirklich aus-

Aber wir sahen

nur nicht. Dieses Rät-

Täuschungen des Auslandes.

Grundgedanke

Richtung einer

dieser

werden.

Solcher

bloß sub-

in

als

Hier

Zu

Und

seiner

Buches. Seine Lösung liegt in unserer

ohne Sinn

oft

(Marokkopolitik,

scharfen

Kritik

Panther),

Bülow auch unterziehen

Grund gehörte noch zu den

baren Ursachen".

nur der

sei

angedeutet.

obgleich ruhigere Tage die Politik des Fürsten in

stand,

zu beißen usw. ausdrückte. Wir waren nur wil-

,,

vermeid-

wir behaupten hier ein unver-

meidliches Mißverständnis.

Dieses Rätsels Lösung liegt im notwendigen

Mißverständnis, dem Völker eines vorwiegenden Zweckmilitarismus gegenüber einem Volke des vorwiegenden Gesinnungsmilitarismus mit Notwendigkeit verfallen müssen.

unabwendbaren

Nehmen wir die Lösung in einem Satze vorweg, so kann man sagen Ein seinem Willen nach harmloser Ritter, :





der seine Waffen in der Sonne Licht spielen läßt, wurde

verwechselt mit einem Welträuber, der auf

dem Sprunge

steht.

Um diesen Satz zu verstehen, haben wir uns den inneren Wesensunterschied dieser beiden Formen des Militarismus

Augen zu führen. Ich kann dies nicht besser tun, als ich es in meinem jüngst erschienenen Buche ,, Krieg und Aufbau", in dem Aufsatze „Über Ga-

zuerst möglichst klar vor

llo

sinnungs-

und Zweckmilitarismus" schon getan habe, und

da ich die Kenntnis dieses Buches hier nicht voraussetzen darf,

muß

es

mir verstattet

sein, das

Folgende aus diesem

Aufsatze hier zu zitieren:

Das Wort Militarismus

Man

vieldeutig.

nach mehr

ist

kann, ja

man

Stelle verstehen ein gewisses

sollte

als

einer Seite hin

darunter an erster

Ethos und eine gewisse innere

und äußere Menschenhaltung, d. h. eine im Gemüte der Menschen fest gewordene Art, gewisse Werte anderen Werten in Leben, Wählen, Handeln vorzuziehen und dies sichtbar auszudrücken: z. B. die Werte des -dv/uoeideg (Plato)

den Werten des Angenehmen und Nützlichen, Ehre

und Ruhm dem Leben, Macht dem Wohlbehagen.

Staates individuellem

dem

Vorteil, die Sache des

Solches Ethos, nach

ein ganzes Volk leben will, stellt sich

Stelle in der

dann an zweiter

Erscheinung seines Heeres und seiner Heeres-

verfassung dar; das Volk drückt sich so in seinem Heere aus

wie Freude im Lächeln, wie der Zorn im Runzeln der

und dem Schütteln der Faust. Die besonderen Zwecke, für die ein Heer im Frieden und Kriege verwandt Stirne

wird, haben mit dieser Verwurzelung dieser Art von Mili-

Denn dieser „Militarismus" Ethos eines Volkes, desselben Ethos,

tarismus noch nichts zu tun. ist

Ausdrucksgeste des

das die Fassung seiner (auch seiner politischen) allererst

Name

bestimmt; dieser „Militarismus"

für eine Einrichtung oder für ein

bestimmten Zwecken. auch etwas

ist also

Zwecke

nicht der

„Werkzeug" zu

Das Wort Militarismus kann aber

völlig anderes besagen wollen: das

Vorhanden-

sein eines möglichst starken, schlagkräftigen Heeres eifrige

und

Sorge für dessen Erhaltung und Verbesserung. Be-

deutet das

Wort

dies letztere, so

kann solcher Militarismus rri

noch Zweckbereichen, die grundverschiedenen For-

men

mögHchen Volks et hos entspringen, diensam ,, Werkzeug" für ihre Erreichung sein. Die Form

eines

oder ein des

militaristischen

dieser möglichen Beispiel

auch

Ethos

dem Ethos (und

Politik) einer regierenden

des

Menschen

und

dieses Volkes

gewordenen Klasse von

dann nur eine einzige der daraus entspringenden für

den führenden Typus

maßgebend und

vorbildlich

Religiösen, Priestern, Kaufleuten,

im Wesen unmilitärischen Dynastie Werkzeug dienen (wie die Flotte und Landmacht der

Beamten oder als

ist

Formen. Das Heer kann dann zum

einer

Karthager, die venezianischen Söldnerscharen, die neu/

englischen Heere, andrerseits die Janitscharen, die

wellschen „Erwählten").

ganz

Ein Volk kann

un militaristisch im

ersten

Crom-

also gleichzeitig

und äußerst

militari-

im zweiten Sinne sein. In einem Volke braucht also auch nicht derselbe Geist, der Heer und Heeresorganisa-

stisch

tion sich

als

zweckfreien Ausdruck schuf, auch die Gefüge

und Zwecke bestimmen oder mitbestimmen, zu denen das Heer verwandt wird.

politischer Ziele

Die historische innere Kontinuität des gesinnungsmilitaristischen Geistes des

nem Ursprung

preußischen Heerwesens

seit sei-

über Friedrich den Großen hinweg und

über die beiden großen Heeresreformen der Befreiungs-

und Wilhelms I. bis zur Gegenwart ist von B. Delbrück und anderen in eingehenden Darstellungen der deut-

kriege

schen Heeresverfassung dargelegt worden. Trotz der Ein-

führung der allgemeinen Dienstpflicht behielt der

alte

königlichen Berufs- und Standesheeres (durch die zweitgenannte Reform aufs neue befestigt und niemals, wie bei dem Heerwesen Englands und FrankGeist des

I

12

durch eine große revolutionäre Staatsumwälzung

reichs,

zum Beginn dieses Übergewicht im Ganzen des

seiner Eigenart gebrochen), bis

das entschiedene

Was ist

in solchem

Heere an

erster Stelle

zum

nicht vor allem Liebe

in

Krieges Heeres.

den Soldaten bindet,

Vaterlande oder staats-

— — die Feudalzeit zurückreichende Idee der Gefolgschaftsbürgerliche Verantwortlichkeit, sondern die alte

bis in

und Herrn. Das recht, wenn es uns in

treue gegen seinen fürstlichen Führer

Ausland hat denn auch darin

völlig

einem Sinne ein Militärvolk und einen MiUtärstaat nennt, '

in

dem

dann nicht von England, Frank-

das Gleiche auch

reich oder

Rußland gesagt werden könnte, wenn

seine rie-

senhaften Heere relativ zu Bevölkerungszahl und Reichtum der Länder noch beliebig größer wären

als sie sind.

Das

preußisch-deutsche militaristische Ethos bliebe uns auch

Wenn

dann eigentümlich.

und

„Aufklärer" des Auslandes fort

fort darauf hinweisen, es sei der

„Vorwurf des Mili-

tarismus" unberechtigt, weil doch die

Staaten

ebenso

haben wie wir

große,

selbst, ja

schlagkräftige

uns feindlichen

Heere aufgebaut

pro Kopf auf den einzelnen,

z.

B.

in Frankreich ein größerer Anteil der Rüstungslasten fällt als bei

uns,

daß weiter beim Wettrüsten

das Ausland als die

es

(z.

mehreren Fällen

B. dreijährige Dienstzeit der Franzosen)

antreibende Kraft erschien, so machen

sie sich,

ohne

zu wissen, einer Preisgabe des deutschen Ethos schuldig

— wobei ich hier die ihres Satzes nicht

sitzen

— gesetzt,

faktische

und

historische Berechtigung

genauer untersuche.

die Opfer, die jene

weder der Ehre

Diese Heere und

Länder dafür brachten, machen

teilhaftig,

sie

sie

unseren Militarismus zu be-

— noch des gleichen gegen uns wenden — gesetzt,

es sei dies eine

Vorwurfes schuldig, den «

in

Ehre

113

1

unser Militarismus im ersten Sinne

Übel.

Auch andere Argumente

sei

ein moralisches

der Aufklärer

— scheinbar

— zugunsten unseres Militarismus sind faktische Preisgabe gerade des Charakteristischen und nach unserem deutschen

Ethos „Edlen" unseres Militarismus.

sammenfassend sagen: Stelle aus

Man

darf zuerst zu-

Alle, die ihn anstatt erst

dem Zwecke

unseres Heeres

und

an zweiter

aus unserer geo-

graphischen Lage und Wirtschaft, an erster Stelle aber aus

Lebenswillens abzuleiten, umgekehrt an erster Stelle aus jenen Momenten erklären und dabei unser militaristisches Ethos nur als Folgeerscheider Eigennatur unseres

nung des

Bedarfs eines starken Heeres zwecks Schutz unse-

rer fast allseitig offenen

Grenzen, oder

um

bestimmter

machtpolitischer Zwecke willen usw. usw. verstehen wollen,

verfehlen

ihr Ziel.

Viele unserer der Aufklärung beflis-

senen Professoren und Akademiker fordern das Ausland fortgesetzt auf,

möge, es

daß

Lage einmal

ische

um

es sich

voll

doch

in unsere zentraleuropä-

hineindenken und hineinfühlen

unseren Militarismus zu verstehen.

Man

sagt:

fehlen uns die natürlichen Grenzen, welche für England

ganz und gar das Meer, für Frankreich, Italien Teil die Meeresgestade bilden.

zum großen

Eingezwängt in die Mitte

Europas, nach zwei Fronten ohne natürliche Deckung, im

Süden ohne Verbindung mit dem Meere, nur im Norden mit einem der Verbreitung deutscher Stammesart und deutschem Seehandelsbedarf längst nicht entsprechenden

Zugang zur

See,

umringt von deutschen und halbdeutschen

Kulturländern, die wie die deutsche Schweiz, Holland, die flämischen Provinzen, die baltischen Provinzen sich einst

vom

deutschen Reiche abspalteten und ein Eigenleben be-

gannen, sind wir ebenso genötigt, ein mächtiges Werkzeug

114

der Verteidigung und der freien

Bewegung

stets bereit

zu

halten, als wir durch die natürliche Zentripetalkraft deut-

scher Kulturländer, an den

Kern des deutschen

Staates

anzuschließen, fortwährend gereizt sind, durch Wiederer-

oberung des einst uns entgangenen Teiles deutscher Lande unseren alten Besitzstand wiederherzustellen. Ich verkenne

Argumente zur Erklärung der Größe und

die Kraft dieser

Sondergestaltung unserer, besonders der neudeutschen Heeresorganisation und der Größe unseres Aufwandes für sie

nicht im mindesten. Aber das, was das Ausland unseren

„Militarismus" nennt,

ist

von diesem Zwange der Not und

unseres geographisch-politischen Milieus in seinem Kerne

völlig unabhängig. Er

die natürliche

ist

allem voran der freie

Ausdruck,

Lebensform des spontanen Ethos

und Grundwillens unseres Volkes,

nicht also etwas,

was uns Lage und besondere historische Schicksale abgenötigt hätten.

Wir

taristen einfach aus also

sind

und waren an

dem Grunde,

zu leben und nicht anders!

Inseln, so

würde

erster Stelle Mili-

weil es uns wohl gefiel,

Säßen wir auf Englands

sich an dieser letzten preußisch-deutschen

Willensrichtung nicht das mindeste ändern,

— wie grund-

Flottenorganisation wäre, die dieser Umstand zur Folge gehabt hätte. Auch bei einer finanzpolitisch und wirtschaftspolitisch geforderten Weltabrüstung würden nur die Mittel kleiner diese Gesinnung zu betätigen. Sie selbst würde damit nicht aufgehoben. Auch dann wäre es uns nicht eingefallen, den

verschieden auch die Heeres- resp.

kriegerischen

Geist durch den der Hygiene dienlichen

Sport zu ersetzen, auch dann hätten wir das Grundverhältnis

von Volk und Heer niemals

meister 8*

und Werkzeugj

als ein

für beliebige"

solches

von Werk-

„Zwecke" betrachtet 115



für

Zwecke, die von einem außerkriegerischen Herr-

dem Heere äußerHch

schaftsethos

vorgespannt würden;

auch dann hätten wir nicht Geld und Söldner, Kontinen-

und fremde Völker

taldegen

schickt, als es

„edel" keit

zum

nur möglich

so lange in

ist,

um

an

den Kampf ge-

dem

eigenen

als

zu

Kriegsopfer empfundenen Blut nach Möglich-

ökonomisch zu sparen. Auch dann wären uns die

tärischen Lebensformen etwas unserem

Wesen wie

mili-

ein gutes

Kleid prall Ansitzendes gewesen und wäre uns Heer und Flotte

kein

„Werkzeug"

Ethos, dessen Ausdruck politische I

den Geist

ist

sondern

wäre das auch

Zwecksetzung leitende

Werkzeug Zweckes

gewesen,

sie sind,

Moment

dasselbe all

unsere

gewesen. Ein

im Unterschiede von einem Kunstwerk,

das

um

des

eines Volkes wahrhaft ausdrückt, nur

willen da, für das es

Militarismus aber gleicht

Werkzeug. Er hat

sich

Werkzeug

ist.

Der deutsche

mehr einem Kunstwerk

dem Gesamtleben

von außen angesetzt, sondern

ist,

als

einem

des Volkes nicht

wie gewisse kalkige Scha-

Werk wesentlich innerer organsekundär tritt daher bei uns sein Ausdruck, das Heer, in den Dienst politischer und sonstiger Zwecke. Zuerst und zunächst stellt das Heer nur die sichtbar gewordene Form eines bestimmten Wertungs- und Lebenswillens dar, eine Form, an der der

len von Meerestieren, ein

physiologischer Arbeit. Erst

gesamten moralischen Welt sichtbar, fühlbar, greifbar wird es lebt hier ein Volk, das die

Ehre dem Nutzen voransetzt,

des Ganzen allen bloßen Interessen und VorGruppen und Klassen, Kampf und Arbeit der von Behaglichkeit, Zucht der Erwerbs- und Genußgier, die Spannung der Pflicht den angenehmen Folgen ihrer Erfüllung, den Wert der Opferkraft selbst dem Werte aller die

Macht

teilen

ii6

Dinge, für die

man

opfert; ferner vitale Kraft, Gesundheit

und Leibesschönheit

aller Fülle guter, toter

dinge, das Glück in der

der

Ruhe und der

Spannung

des

Gebrauchs-

Kampfes dem Glück

erreichten Ziele.

In den Briefen Friedrichs des Großen, in denen er Freun-

den oder Verwandten seine

oft

schildert, finde ich als letztes

und

sein

seines

dasselbe: die

Staates

und

wiederkehrende Bedrängnis

maßgebendes Wertmotiv für

Heeres Durchhalten immer nur ein und

Ehre, seine Ehre als König, die Ehre seines Armee; niemals etwas wie Gewinnsucht,

seiner

Habsucht, Eroberungsgier. Es

ist

im Werden

des

modernen deutschen Reichsmilitär-

wesens nicht so sehr der „kriegerische" Geist (den

freilich

auch der sogenannte Militarismus voraussetzt), was von

Preußen ausging,

als

der Geist der Ordnung, der Pflicht-

erfüllung, der Organisation, der Pünktlichkeit, der Disziplin

Den kriegerischen Geist besitzen alle deutschen Stämme in annähernd gleichem Maße, und sicher kommt Preußen hierin kein Vorrang zu. Aber und der

Sachlichkeit.

eben

durch diese Verbindung des allgemeindeutschen

erst

kriegerischen Sinnes mit seinem preußischen, auch außer-

halb der preußischen in gleichstarkem

Armee

(Beruf, Wirtschaftsleben usw.)

und gleichursprünglichem Maße

sich aus-

wirkenden Geiste des Ordnungs-, Sach- und Pflichtgedankens konnte das militaristische Ethos eine Kraft der Eini-

gung Deutschlands werden. Dieser sich

genommen ist

in allen

kriegerische Sinn für

Zeiten der deutschen Geschichte

Grund für die Uneinigkeit Deutschlands, für die endlosen Kämpfe von Germanen wider Germanen gewesen; Grund auch für alle deutsche Unverträg-

ja

gerade der

lichkeit,

tiefste

Zanksucht, Parteizerklüftung, Unfähigkeit zur 117

Selbstorganisation.

So wenig eben beruht der Kern des

deutschen Militarismus auf dem Zwange der Not, auf Zweckmäßigkeit und der Notwendigkeit eines starken Heeres

Werkzeug „gegen gilt,

die Feinde Deutschlands",

als

daß vielmehr

daß die Deutschen schließlich immerdar miteinander

kämpften, wenn

sie

gegen andere nichts zu kämpfen hatten.

Diesem Gesinnungsmilitarismus entsprechen nun auch mehr oder weniger äußere, aber für unsere ausländische Bildwirkung sehr wichtige Folgeerscheinungen.

daß der Offizier

erst die Tatsache,

sozialen

in

Zu

aller-

Deutschland

zum

Vorbild auch der außermilitärischen Berufsstände

wurde, sein Ehrbegriff aber derjenige

ist,

an

dem

sich die

Gruppen wie an einem Höchstmaß (wenn auch heimlich und oft mit äußerem

Ehrbegriffe anderer Klassen, Berufe,

Widerspruch) messen; daß weiter die Offiziers eine

von

seiner Stellung in allen anderen

wesensverschiedene tärischen

soziale Stellung des

ist,

daß

alle

Ländern

Rangklassen nach den mili-

Rangverschiedenheiten

der

Gesellschaft

ge-

messen werden, daß durch Militäranwärtertum und Reserveoffizierseinrichtung Sitte

und unteren

Gesellschaft

und Ton der gesamten oberen vom militärischen Wesen durch-

wirkt wird, daß bei der für die

Formung

des künftigen

Typus Mensch so wichtigen Liebeswahl das „bunte Tuch" und die mit ihm verbundenen militärischen Tüchtigkeiten auf die Weiblichkeit aller Stände und Klassen die stärkste Zugkraft äußern, daß der Kaiser (der „oberste Kriegsherr")

wie die höchsten Beamten in ihrer äußeren Erscheinung bei festlichen Gelegenheiten die

dung vorziehen und tausend

Uniform anderer

Beklei-

anderes.

^ Das feindliche Ausland hat also (unter weitgehender Zustimmung der Neutralen) darin durchaus recht, wenn es ii8

den Deutschen eine besondere Art des Militarismus zu-

dem Ausland trotz seines nicht minder

spricht, eine Art, die

großen, fehlt.

größeren Aufwandes für die Heeresorganisation

ja

Bringen wir den Unterschied hier und dort auf eine

Formel, so kann

man

sagen, daß bei uns ein Gesinnungs-

militarismus die innere, auch historische

Grundlage

auch bei uns bestehenden Instrumentalmilitarismus

wogegen

bei unseren

talmilitarismus

des sei,

Gegnern das System des Instrumen-

vorherrscht,

also ein Werkzeugsverhältnis

Heer an

das

zum

erster Stelle

politischen Willen

Regierungen und solchen herrschenden Klassen

von

besitzt,

deren Ethos von Hause aus wesentlich un- und sogar antimilitaristisch,

bald

mehr

utilitarisch

und kaufmännisch

(England, Amerika), bald mehr religiös-romantisch (Ruß-

mehr durch den Gloiregedanken, schließlich den unmilitärischen Rachegedanken und den Ressentimenthaß der empfundenen Schwäche bestimmt ist. Hat das Ausland aber darin recht, so hat es gleichzeitig ganz und gar unrecht, wenn es annimmt, daß solcher Geland), bald

sinnungsmilitarismus eine dauernde

umliegenden Völker,

ja

,,

Bedrohung

der ganzen Welt"

aller

sei,

daß

mithin eine Beseitigung dieses Militarismus auch für die Sicherheit

wendig

und Wohlfahrt Europas,

sei.

Gerade

ja

der ganzen Welt not-

dieser Charakter einer fortwährend die

Nachbarn bedrohenden Macht muß vielmehr einem Heere von Hause aus fehlen, das nicht an für gewisse

Zwecke und

einer außermilitärischen

als

Werkzeug

Klasse

für die Pleonexie ist,

sondern

Ausdruck

eines be-

organisiert

das an erster Stelle nur der einfache

erster Stelle

stimmt gerichteten Wertens- und Lebenswillens Gesinnungsmilitarismus gerade

ist

es

also,

ist.

Der

der sich mit

119

größter Friedfertigkeit

des Willens zusammenfinden

kann. Dieser psychologische Zusammenhang vollständig,

daß Deutschlands

Politik in

Jahren gleichzeitig stärkste Rüstungspolitik fertigste Politik aller

erklärt erst

den letzten vierzig

und

Großstaaten gewesen

die fried-

daß uns

ist,

auch bei diesem Kriege jeder partikulare „Zweck", dessen Erreichung der Krieg dienen

sollte, in

dem Maße

fehlt,

daß im schärfsten Gegensatze zu den klaren Kriegszielen der Entente heute noch die tiefgehendsten Differenzen

über „Kriegsziele" bestehen. Der Gesinnungsmilitarismus ist

eben von Hause aus das gerade Gegenteil eines Mili-

tarismus des Eroberungsdranges.

mit den.

dem

Gerade

dieser

Drang

ist

instrumentalen Militarismus aufs engste verbun-

Die Kraft der Pleonexie einer herrschenden

Händlerklasse, Finanz - und Industriearistokratie ist ihrer inneren Natur nach im kapitalistischen Zeitalter unbegrenzt. Ist ein Heer als Werkzeug in ihrer Gewalt, so gibt es auch in dessen

ihre

Zwecke kein

inneres, kein

Schicht selbst liegendes

Maß

Anwendung

für diese

im Ethos der herrschenden

mehr, sondern

allein

nur die

äußere Kraft des Widerstandes, auf den solches Werkzeug aufstößt.

Ganz

Erörterung

anders,

vom

Staatsmannes

als

wenn

— wie

es

Clausewitz in seiner

Verhältnis des Oberfeldherrn

„Ideal" darstellt

und

des

— der Oberfeldherr und

der oberste Leiter der Politik in einer Person, nämlich

im

König, zusammenfallen, und wenn das Bildungsgesetz des politischen Willens eines Volkes

im Kriege und beim

Frie-

densschluß durch dasselbe militärische Ethos wesentlich

mitbestimmt

ist,

dessen konkreter Ausdruck Heer

resverfassung sind.

Hier

ist

das

eines Staates, der selbst wieder

120

und Hee-

Heer nicht „Werkzeug'*

den wirtschaftsmächtigsten

Individuen und Kreisen des Landes mehr oder weniger dient,

sondern

der Staat selbst

dessen oberstem Führer

kulminiert.

Staat verwandelt sich gleichsam in einen

erfüllt.

Denn

selbst ist hier

dieses

der

Ethos

ist

im Heere und

noch mehr: der

Ja

im Kriege

nur anderen Aggregatzustand

chen Wesens. Der Staat Ethos

ist es,

in das

seines

vom

Heer wie

immer

glei-

militärischen

hier keine gesonderte

Berufs moral, sondern ein integrierendes Element Staatsgeistes und Staatswillens, auch im Frieden. Sie

werden

vielleicht sagen,

daß doch auch unsere schwer

teueren Rüstungen, die Land- wie die Seerüstungen,

und

immer

überall mit strengen Zweckmäßigkeitsgründen vor

Reichstag vertreten worden sind.

worten Auch ich leugne :

des

ja nicht,

Darauf

muß

dem

ich ant-

daß die Art und das

Maß

der Ausgestaltung einer jeden, also auch unserer Armee,

von Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten abhängt. Aber historischer

Ursprung und Ausgestaltung

sind für jede hi-

storische Erscheinung grundverschiedene Dinge!

Und

auch nachträgliche Begründung der Rüstungen vor

dem

Parlament und die bei den leitenden Männern leitenden seelischen tiges

Motive

Motiv war

z.

sind gar sehr zweierlei. Ein' sehr

B.

mäch-

während unserer gesamten Rüstungs-

geschichte, besonders stark auch bei unserer maritimen

Rüstung eben dasselbe Motiv, das wesen

als

in

unserem Hochschul-

übertriebener, bei keinem Volke vorfindlicher

Fachspezialismus, in unserer Politik nach Bismarcks alter

Klage rats,

als

„Ressortpartikularismus" des Beamten, Geheim-

aber auch der höchsten Militärs, so stark in die Er-

scheinung

trat.

Eminent

Ressortpartikularismus in so

gesteigert

mußte

dem Maße

natürlich dieser

hervortreten,

als

kein

mächtig synthetischer, diese partikularen fachinteressier121

ten Kräfte zur Resultante zwingender Wille, wie Bismarck

ihn besaß, die bloße ,,Fachtüclitigkeit", auch die mihtärische, in

Schranken

Daß

Zielen zu beugen.

Fachmann

ter

um

hielt,

sie

einheitlichen poHtischen

wenn

hinterher dann,

purem Antrieb,

aus

ein

eminen-

zunächst in seiner

Sphäre etwas besonders „Tüchtiges zu leisten", wie

es bei

uns ja auch der gute Fabrikant, der gute Gelehrte, der gute Schuster

will, er

und

interessiert das,

außerdem

klug,

was er sachlich

kann

versucht



ist er

politisch

er dies natürlich besser

will, viele

Menschen zu

— für

interessieren,

man die hierzu angewandten, für seine Sache Stimmung machenden Argumente und ihre Wirkung, nicht mit den treibenden Motiven und Ursprüngen so

darf

der Erscheinung verwechseln.

Diese

Liebe zum

Unterschiede

zum

unseren Feinden

militärischen

Wesen

als

solchem

— im

unwilligen Ertragen des Heeres, wie bei

— und

dieser militärische Ressort-

und

Fachspezialismus, der die Rüstungen stark aus sich selbst



heraus nach einer in ihnen selbst liegenden, von allen Zwecken abgelösten Ordnungslogik steter „Ergänzung" gleichsam — wachsen läßt, können nun natürlich mit größter Friedfertigkeit des politischen Willens verbunden sein. Gibt es einen friedfertigeren Militaristen als -

den Feldwebel, der nach Friedensschluß jetzt wirds wieder ernst ?"

Und

doch

ist

sagt: ,,So Kerls, er Militarist

pur

Reinheit

ge-

sang, ja sogar eigentlich gleichsam der in

züchtete Fall des Gesinnungsmilitarismus.

Welt aus reinen Gesinnungsmilitaristen, genau so unmöglich, bestünde.

als

wenn

die

Bestünde die so

wäre Krieg

Welt aus lauter

Pazifisten

Aber darüber dürfen wir uns nun auch nicht

wundern, daß das Gesicht, das bei diesen, unseren Heeres122

aufbau tragenden und treibenden Potenzen für solche Völker herauskommt, die unter den Kategorien des vorwie-

genden Zweckmilitarismus bei

auch bei der

sich selbst wie

Auffassung fremder Armee-Erscheinungen denken, völlig anders aussieht, als es gemeint ist und als es diesem Friedenswillen entspricht. Und darum dürfen wir uns auch nicht wundern, daß die Völker notwendig unserem mili-

Plan der Welteroberung

tärischen Gesamtapparat einen

unterlegten; die ausgezeichneten militärischen Fachleute aber, die

gemäß

jener Ordnungslogik

und ihren Forderun-

gen nach „Ergänzungen" dachten, und die vor allem ihre

Tag

ausgezeichnete Frontwertigkeit an den als

eine politisch orientierte

nen der Welteroberung ja,

indem

sie

,,

in der

legen wollten,

Kaste" ansahen, mit Plä-

Tasche.

Sie

müssen

dies

auch unser Heerwesen unter die ihnen ge-

wohnten Zweckkategorien bringen, wobei sie sich außerdem noch auf die Begründungen stützen können, welche Träger des gesirinungsmilitärischen Geistes

in einer de-

mokratisch-utilitarisch überzweckhaften Zeit

im Parla-

die

mente

zu geben genötigt zu sein pflegen, wenn

militärische

Darum

sie

das

Budget bewilligt erhalten wollen.

beruht denn auch die Ententerede von einer ver-

borgenen „Militärkaste", die hinter den verantwortlichen Staatsmännern die politische Führung des Staates besitzen soll,

auf einer puren Fiktion

— auf einer Fiktion, die von

unseren wirklichen Verhältnissen gehalten, und mit den wirklichen Schäden unserer politischen

außerdem noch wie

eine

Führung verglichen

grausam blutige Ironie auf jeden

sachkundigen Deutschen wirkt.

Denn eben

eine höchst

einheitliche, planvolle — auf lange Sichten eingestellte poFührung — wie dieser allmächtigen und doch

litische

sie

123

verborgenen



bewundernswerten

fast



Kaste unter-

und besitzen wir überhaupt nicht. muß man wehmütig und diese These des Auslandes

gelegt wird, besaßen wir

Wie

oft

wie einen grausamen Spott empfindend denken herrlich wäre es lichkeit

:

Ach, wie

— im Verhältnis zur deutschen Wirk-

doch

— gewesen, wenn wir

diese verborgene

allmächtige, planvolle, kluge, energische

und doch

Kaste besessen

hätten oder besäßen, die uns das Ausland andichtet wir

sie

besessen hätten an Stelle dessen, was wir

!

Wenn

wirklich

besaßen: eine Unzahl sich in ihren Erfolgen gegenseitig

und auch diese wieder durchkreuzt durch kurzatmigste, auf momentane Zweck-

auslöschender

Ressortpolitiker,

mäßigkeitserfolge erpichte Interessenpolitik durch Kreise, die es verstanden haben, sich

durch

die Hintertreppe Ein-

fluß selbst auf die hohe europäische Bündnispolitik zu ver-

schaffen (Marokko, russische Handelsverträge). wirklfch,

Politik

daß eine

also planvolle

Leitung der deutschen

durch die berühmte „Kaste" Deutschland

Welt

schaft zur ganzen

Hält

Meint man

man

wirklich



fast

in

Feind-

schließlich gebracht hätte

auch im Kriege



?

die zufällige

Summierung und Durcheinanderwbeung purer Zweckfast alle bezogen auf den momentanen Bedarf der Armee sei es an Soldaten, wirtschaftlichen für das Werk eines Gütern oder sei es an Stimmung" planvollen politischen Geistes und Willens Wer solches mäßigkeitsmaßregeln,





?

glaubt, der befindet sich Deutschland gegenüber noch auf einer Stufe der geschichtlichen Erklärung, die einer Natur-

erklärung entspricht, nach der das Licht verstanden wird

als

Summe von Pfeilen, diePhöbus mit dem Bogen abschießt. Zu diesem prinzipiellen Mißverständnis unseres Militaris-

eine

mus

trat aber freilich

noch eine gewisse faktische Ver-

124

I

Schiebung der Stelle hinzu, die im jüngsten Deutschland

im Unterschiede und im

zum

zweifellosen Gegensatze nicht nur

alten Preußen, sondern auch

zum

Zeitalter Bismarcks,

Heer und Heeresgeist im Verhältnis zur politischen Leitung einerseits, zu den wirtschaftlichen Interessenkreisen

eingenommen

andererseits,

hatte.

Nachdem einmal

die

großen wirtschaftlichen Interessenkorporatiohen oder einzelne der höchsten Spitze nähertretende

und von

ihr

(im

Gegensatz zu den älteren preußischen Traditionen) willig

aufgenommene und

Wünschen gehörte

willig in ihren oft widerstreitenden

Vertreter des großen Industrie-

Handelskapitals jenen völlig

neuen

und

unverantwortlichen

Einfluß selbst auf die Lösung der höchsten Fragen der

hohen innereuropäischen Bündnispolitik erlangt hatten



einen Einfluß, der unter der (auf die Formverwandtschaften der Staaten) in europäischen Bündnisfragen noch wesentlich feudal

und

staatspolitisch gerichteten Bismarck-

schen äußeren Politikmethodik eine pure Unmöglichkeit

gewesen wäre



,

wurde zwar der wesentlich gesinnungs-

militaristische Geist unseres Heeres nicht

im mindesten be-

rührt oder gar abgeschwächt in zweckmilitaristischer Richtung.

Wohl

aber wurde die Einheit des Stiles dieses ge-

sinnnungsmilitaristischen

Geistes

und

Voraussetzungen mit der Leitung und

seiner

dem

politischen

Geiste unserer

Außenpolitik stark in Frage gezogen, wenn nicht geradezu zerstört.

Noch immer zwar

kulminierte das Heer aus-

König und Kaiser und seinem oberund unterstand ausschließlich der Armeeund obersten Kommandogewalt eines Fürsten, der von den

schließlich in seinem

sten Kriegsherrn

edelsten gesinnungsmilitaristischen Traditionen Preußens beseelt

war und

ist.

Aber

bei der

eben geschilderten prin125

zipiell

neuen Lage der Dinge,

die

dem Auslande und

seinen

politischen Bevollmächtigten natürlich nicht unbekannt

bleiben konnte, bei der

Wirkung jener unverantwortlichen,

unsichtbaren und im einzelnen in ihren Wirkungen ver-

borgen bleibenden neuen Kräfte, welche die großen wirt-

schaftlichen Interessengruppen auf eben des Staates in deren anderer Eigenschaft

dieselbe Spitze als stark selbst-

tätigen politischen Höchstleiter auch der äußeren Staatspolitik

nun auszuüben

schienen, konnte doch der Anschein

leichter wie ehemals sonst in der Geschichte

Preußen-

Deutschlands entstehen, daß das Heer sa mt dem ihm innewohnenden gesinnungsmilitaristischen Geiste gelegentlich auch bei uns als bloßes Werkzeug für Zwecke des großen Kapitals einmal verwandt werden könne. So entstand

nach außen das Bild einer gewissen trüben Vermischung

von Gesinnungs- und unterirdischem Zweckmilitarismus ein Bild, das der



wahren Sachlage nicht genau entsprach,

aber in seiner Entstehung wohl begreiflich

ist.

Da

die ge-

ahnten und in der Phantasie vergrößerten Einflüsse der

großen Interessen erstens nicht so wie in parlamentarisch regierten Staaten wesentlich

antwortung begrenzte

sichtbare und durch Ver-

waren, zweitens aber von Leu-

ten ausgingen, die zwar ausgezeichnete Fachleute in ihrem industriellen oder kaufmännischen Kreise sind, aber schon

durch die (außerhalb des Beamtentums und der Diplomatie)

uns mangelnde Tradition politischen Denkens nur

sehr

wenig Gesamtüberschau über

außerpolitischen Faktoren besaßen,

die Konstellation aller

mußte

dieses Bild viel

unheimlicher und gefahrdrohender auf das Ausland wirken, als es

unter der Voraussetzung reiner,

sinnungsmiUtärischer,

sei es

sei es (älterer)

ge-

rein zweckmilitärischer (west-

I2Ö

i

Grundverhältnisse zwischen Armee- und Staats-

licher)

leitung gewirkt hätte.

dem

Falle,

daß

Und

dies doppelt

darum, weil in

die Heeresorganisation eines Volkes wesent-

Fundamente besitzt, die gleichwohl gefahrdrohende, wie auch immer vermittelte Verwendung solcher Heeresorganisation als Werk-

lich gesinnungsmilitaristische historische

verborgene ökonomische Interessengruppen

zeug für

eine weit größere

anderen als

und dunklere Gefahr bedeutet

als in

dem

dem Heer und Heeresorganisation sich Werkzeuge einer, dem militärischen Ge-

Falle, in

zweifellose

sinnungsgeiste entfremdeten, regierenden politischen Klasse

von Kaufleuten, Industriellen, Rechtsanwälten usw. von vornherein

offensichtlich

darstellen.

Wie man von

irgendeinem politischen Parteistandpunkt über diese Ver-

mengung

urteile,

ob

man mit den

Konservativen in der

gleichen Erscheinung eine beklagenswerte Preisgabe des alten Preußengeistes gesehen hat oder

Liberalen eine erfreuliche, sogenannte

denz auf das nis

dem Westen

,,

notwendige" Ten-

eigentümliche Werkzeugsverhält-

von Heer und Staatsleitung darin

Frage ganz gleichgültig.

umgekehrt mit den

Denn

erblicke, ist für unsere

beide Teile müssen heute

zugeben, daß das Bild jener dunklen

Vermischung

die

Angst und Furcht des Auslandes jedenfalls nur steigern konnte. 3.

Das notwendige Mißverständnis unserer Freiheitsidee

Das zweite notwendig haßerregende Hauptmißverständnis trifft unsere

Art der Auffassung von Freiheit

Dienst, Volk und Staat. Sagen wir ganz kurz

und

seine all-

gemeine Wurzel: Unsere Feinde können auf Grund des 127

'

Verständnisspielraums ihres Ethos die fundamentale Tatsache nicht sehen, daß unser Freiheitsgeist oder die Idee

der Freiheit, wie wir

als

Deutsche

sie

„meinen"

— ihren

fundamentalen und ersten Ort überhaupt nicht im poli-

tischen Menschen, im Bürger hat, auch nicht tischen

und

in der

poH-

öffentlichen Sphäre also, d. h. nicht da hat,

wo

die Freiheitsidee im Westen hat, sondern ganz wo anders Im Denken und Schauen, im Gemüte, ferner in der streng sachlichen Fach arbeit, in Gewissen und Religion, in Famisie

lie

und Heim. Und

sie

vermögen ferner nicht zu sehen, daß

unser Freiheitsgeist nicht auf das

andern gleich tät,

ist,

ist,

d. h.

wo

jeder von

Blickt

man

wie unsere Feinde

die politische, öffentliche, rechtliche Sphäre ganz

einseitig hin, vergißt dabei der

und gemüthafte

Engländer seine geistige

Unfreiheit, seine Insularität, Borniertheit,

seinen Dilettantismus^und seine, die sitten

dem anderen

auf die Sphäre der menschlichen

Individualität eines jeden.

nun auf

Welt zu seinen

Insel-

verengende Maulwurfsperspektive in allen Dingen

der geistigen Kultur

und Wissenschaft,

vergißt der Fran-

zose seinen altererbten Konventionalismus

und Aberglau-

ben an den absoluten allmächtigen Staat auch Menschliche hinein servil erscheinen.



so

— Wenn

müssen wir

man

bis

unfrei, sklavisch,

und

gefühls-

demokratischste Volk der Erde sind, dasjenige Volk, in

Erbe und Familie

als

ins

gar noch die Grundtat-

sache übersieht, daß wir Deutsche das sozial-

Besitz,

dem

worin jeder

nämlich in der staatsbürgerlichen QuaH-

sondern auf das andere,

verschieden

zielt,

dem

Eingangspforten in die höhere

Gesellschaft wie bei keinem zweiten

zurücktreten und

dem das seinem Ursprünge nach demokratische Prinzip der Bildung die stärkste sozialgliedernde Macht entfaltet in

128



ja

dann verstehe

daß wir genau

ich,

wie

so,

man

uns

schimpft, erscheinen müssen: Als ein „serviles" Volk,

als

eine Art gutmütige „Herde", die sich von ihren Führern überall hinführen läßt.

einen Volkes nicht

Aber

— wie

die Fehler der

es allein

Tugenden

vernünftig

ist

des

— wieder

mit den Fehlern der Tugenden der anderen Völker zu ver-

Tugenden mit Abzug der obligaten Fehler mit den Fehlern der Tugenden des anderen und mit Abzug der Tugenden das ist, wenn auch ingleichen, sondern nur die eigenen

:

stinktiv,

Heuchelei —

freilich

wieder eine Art notwendiger

Heuchelei, gegründet in der Enge der nationalen Wertkate-

und der

gorien

.Damit schon in

geistigen Auffassungsformen der Völker.

will ich nicht sagen, daß, so

viel

geändert hat,

sie

wie die Geschichte hier

auch fürderhin auch noch

vieles

unserem Charakter ändern werde. Aber immer nur

den Grenzen des dauernden solche

Wesens

in

der Nationen können

Veränderungen gedacht werden.

— Solange Deut-

sche Deutsche bleiben, wird niemals der Geist des west-

und Parlamentarismus schen und niemal§ werden seine Abarten von

lichen Demokratismus

die unseren sein

bei uns herr-

Freiheitsidee

können; wird niemals auch der gemeinsame

^Grundglaube

dieser

in

ihren Freiheitsideen

sonst so

verschiedenen Völker in uns einkehren, daß die Wahrheit und das des

Gute vor allem und in erster Linie durch Dialoges möglichst vieler erreicht werde,

jener

Kinder

in der

Schule üben.

evangelische Satz gelten

euch

frei

:

machen

Freiheit wird euch zur 9

Form

das heißt

parlamentaristischen Streitkunst, welche englische

und amerikanische Studenten schon

wird

die

in

den Colleges,

Immer wird

ja die

für uns der

Die Wahrheit (und das Gutsein)



nie

der

umgekehrte:

Die

Wahrheit und zum Guten führen. 129

Aber mit der politischen Kampf frage Demokratie

als

Partei gegen Konservatismus hat dieser Gegensatz des

Volks et hos hier der Demokratien

und dort

Der Geist

gar nichts zu tun.

als politischer

Parteien

ist

eben national

grundverschieden (siehe hierzu auch mein Buch „Krieg

und Aufbau"). Dieser Völkern mit

dem

Parteigeist

ist

überall

und

bei allen

entgegengesetzten Geist der konservati-

ven Parteien von diesen ganz andersartigen Gegensätzen nationaler Herkunft umspannt, von denen wir eben spra-

chen. So unsinnig daher die Haßthese

überhaupt ein Krieg der

ist,

es sei

der Krieg

europäischen Demokratie" gegen

die feudalen Reste Europas,

wenn Gegensatz des Vol-

genau so unsinnig

bei uns konservative Parteileute diesen

ist es,

ke rethos und Volke rgeistes für die Begründung ihrer besonderen Parteiprogramme und gegen die demokratischpolitischen Parteien Deutschlands verwerten wollten,

dem

Haßgeschrei unserer Feinde in einer ihrer Hauptanklagen hierdurch recht gebend und neue Zufuhr spendend.

130

VII.

Abwendbare Mißverständnisse

Erst

jetzt

komme

Gang

Haßursachen

ich zu denjenigen Mißverständnissen,

die der Nurpolitiker, d. h. der die

auf den

als

historischer

Macht

fast allein

solchen Mißverständnissen, die ihrer

zu sehen pflegt

es

doch

Die strenge Logik erforderte hier Stelle

unsere

:

zu

Natur nach prak-

tisch abwendbar gewesen wären, oder die

allererster

Menschen

Dinge gemeinhin maßlos über-

schätzende Menschentypus,

kunft sind.

des

in

Zu-

freilich

an

auswärtige Politik vor dem

Kriege einer Kritik zu unterziehen. hier ausdrücklich, da dazu die

Dies unterlasse ich

Stunde noch nicht gekom-

men ist. Ich bemerke nur, daß unter den haßbewirkenden Momenten unsere Polenpolitik") und unsere Politik in den elsässischen Reichslanden, ferner unsere russische Handels-

und

Zollpolitik zuerst eine

Revue

passieren

müßten. Dann

bleiben unter anderen d«ei innerhalb dieser Ursachengat-

tung wichtigste Haßursachen zu nennen:

i.

Der Fehlschluß Menschen-

des Auslandes von einem bestimmten deutschen typus, den es

am

meisten zu sehen bekam, auf deutsches

Wesen überhaupt. 2. Die das Bild deutscher Zustände mitgestaltende Wirkung der Kritik der Sozialdemokratie an diesen Zuständen vor

wenn auch

Kriege.

3.

Die analoge,

anders gerichtete bildgestaltende Wirkung des

alldeutschen Schrifttums. 9»

dem

Ganz

unvergleichlich wichtiger

genannten Punkte

die

beiden letzt-

der erste Punkt.

ist

Der deutsche Auslandskauf mann

1.

Welch

als

ein

Typus deutscher Mensch hat nun aber im Aus-

lande nicht nur den allgemeinen

sondern wurde auch

— worauf

es

Haß vor ankommt

allem erregt,

— durch ein

grundtiefes Mißverständnis den Völkern für das deutsche

Wesen überhaupt exemplarisch? Kein Zweifel: der deutsche Kaufmann an erster Stelle, als Verkäufer und Käufer und als dauernder Gast innerhalb der fremden Völker,

an zweiter Stelle in seiner Eigenschaft

Agent, Unterhändler. Indem sich in

sie

unserer

Reisender,

als

Ware

folgten, die

Ermangelung von Siedlungskolonien und

einer geo-

graphisch geschlossene Absatzzonen suchenden Politik, an

möglichen verstreutesten Punkten geringster Resi-

allen

stenz des Weltmarktes in diesen

wenn wir nicht mit sollten

sche



,

riesigen Auswanderungsziffern

trat für das

Wesen

Markt einbohren mußte

Ausland

in



rechnen

diesem Typus das deut-

vor allem in die spürbarste Erscheinung.

Es

wäre nun natürlich absoluter Unsinn, die Individuen dieses

Typus

in ihren

schaften irgendwie

menschlichen und moralischen Eigen-

als

geringwertiger zu beurteilen

Individuen derselben Berufe bei anderen Völkern. es

als

die

Aber

gibt eine soziologische Regel, die kein Individuum zu

durchbrechen vermag und die bei beliebig veränderlichen Individualcharakteren

der

Träger des

Berufes

gültig

Berufsmoral und Standesmoral eines Berufes und Standes, dazu Selbständigkeit und Takt seiner Vertreter, ich möchte sagen auch das Maß von fühlbarer und an-

bliebe.

132

Diese Regel lautet, daß die

schaulicher Freiheit im Bilde seiner typischen

Erscheinung das „Schöne"

— so definierte Schiller bekanntlich — sichfasthaarscharfdcmMaßean-

in dem dieser Beruf und Stand im eigenen Lande mehr herrscht oder mehr dient, höher oder geringer geachtet ist, moralisch vorbildlich in allen Dingen der

gleichen,

Ehre und des Verhaltens, oder nicht vorbildlich, sondern abbildlich fungiert.

Japaner und Chinesen mögen uns

extreme Beispiele für Es

ist

dieses Gesetzes

allen Personen, die diese

Anwendung

Länder

als

dienen.

bereist haben, be-

kannt, wie grundverschieden die Berufsmoral der chine-

und japanischen Kaufleute nesische Kaufmann (besonders der sischen

läßlich, pünktlich, ehrlich gilt,

lichen Vertrag

ist.

Während

des Nordens)

der chi-

als

daß man häufig ohne

und nur auf das Wort hin

so ver-

schrift-

seine Geschäfte

mit ihm abschließen kann, bei jeder vereinbarten Unter-

handlung pünktlichst erscheint, die Ware der

Abmachung

liefert, in

trolle fordert usw., gilt

Maß und Gewicht

vom

japanischen

gefähr in allem das Gegenteil.

der Erscheinung

ist

in der Qualität

Der

wenig Kon-

Kaufmann unGrund daß man unser

soziologische

hier so offensichtlich,

Gesetz besonders leicht daran bestätigt finden kann.

Er

besteht darin, daß in Japan die Kriegerkaste der Samurai

und ihr berühmtes Buschidoethos jahrhundertelang das vorbildliche gewesen ist, der Kaufmann hingegen schon als Beruf sozial gering geschätzt, wenn nicht verachtet war, wogegen in China der Kaufmann neben dem Gelehrten und Beamten (eine erbliche Feudalaristokratie fehlte hier im wesentlichen) hochgeachtet und für Verhalten und Benehmen, für Sinn und Lebensform geradezu vorbildliche Bedeutung besaß. 133

Nun, darüber

gibt

es

wohl keinen Zweifel, daß

unserem Lande der Kaufmann nichts weniger vorbildliche Rolle spielt,

zum mindesten

Sinne wie in England und Frankreich.

Rechte läßt sich

seit

nicht Ja,

im

in

die

als

selben

mit vollem

lange schon überall innerhalb der

deutschen Kaufmannschaft die Klage vernehmen, daß der deutsche Offizier, der Beamte, die freien geistigen Berufe

Hinter wäldler Vorurteile gegen den Kaufmannsstand hegen und praktisch an unvergleichbar irgendeinem anderen den Tag legen europäischen Lande. Dazu kommt Nie wurde dieser Menschentypus außerhalb einiger freien Städte, wo er sich

häufig noch die oft sonderbarsten



:



auch sofort ganz anders /tischer

darstellt

— zu selbständiger

Verantwortung, nie wurde

er

in

dieser

poli-

herben

Schule freier Männlichkeit zu freierem Geiste erzogen so groß, so

übergroß

sogar,



doch gleichzeitig in der

neuesten deutschen Entwicklung nicht nur seine vitale

Bedeutung auch

für des deutschen Volkes Wohlfahrt, sondern

und darum ununkontrollierbarer Ein-

indirekter, sein unverantwortlicher

gemessener und

öffentlich

fluß gerade auf die außerpolitischen Akte unseres Staates

geworden war. Das besagt aber: Es bestand ein geradezu groteskes

Mißverhältnis zwischen

der

immer

größer, ja

unheimlich rasch größer werdenden Rolle, die durch eine einseitig

lands

starke

industrialistische

dem Kaufmann

für die

Entwicklung Deutsch-

Wohlfahrt des

Ganzen

zu-

gewiesen wurde, und der nachschleppenden, trägen

Wucht

und moralischer Urteilsformen über

einem

sozialer

Stande der Dinge angepaßt blieben,

wo

er

ihn, die

auch für diese

Wohlfahrt eine noch ziemlich untergeordnete Rolle gespielt hatte.

Ist es ein

Wunder, daß unserem Typus vor

dem

Kriege daher noch Eigenschaften zukamen, Eier-

schalen seiner Herkunft, seines historischen seines tropenschnellen

und

dal-militärisch

gefüge anklebten

in

einem noch

obrigkeitlichen

Staats-

stark feu-

und

Sozial-

— Eigenschaften, die besonders der eng-

und amerikanische Kaufmann,

lische

zum

Aufwuchses

Werdens und

seit

Jahrhunderten

Herrengefühl erzogen, mit den ältesten Aristokratien

der Länder verschwägert und verwandt und vorbildlicher

Gentleman

in

seinem Lande

selbst, längst

überwand

?

Aber

auch für den französischen und italienischen Kaufmann in

in

Maße

geringerem

Kaufmann

deutsche

Analoges. Ist es ein

gilt

Wunder, daß der

leicht kleinlich, schwerfällig, unfrei

seinem Benehmen, schlecht angezogen,

schwankend

zwischen oft servilem und zu rasch sich anbiederndem, oft

und der dem Verhalten und

indiskretem

zurückgestoßen auftrat

Scham entbehrenwenn dann zurückgewiesen oder

feineren seelischen



— wieder hochmütig, barsch, verschlossen

und im Verhältnis zu Berufsgenossen anderer Län-

der erst recht so erscheinen mußte ritterlich

?

Daß

er überall als

un-

gegen die Frauen galt und ermangelnd jener wich-

tigen Unterscheidungskraft zwischen den Arten der Frauen

und dem, was man den verschiedenen Ständen, Arten und nationalen Typen, der Amerikanerin, Französin usw. bieten darf

und was

nicht.

Daß

er selbst

genau wie seine Ware

keine so feste, geschlossene Eigenform darstellte wie seine

Berufsgenossen anderer Länder und deren diese nationale

seiner

Warenform,

die

Ware

sollte,

er

zu leicht für

die Massenbedürfnisse seiner Käufer wechselte

Methoden

Daß

den Stempel des Geistes

Nation trug oder doch tragen

selbst dabei preiszugeben schien,

?

und daß

er

und

sich

auch in den

des Anpreisens, der Reklame, des Unterbietens

135

jenes

Maß

berufsethischer Solidarität häufig verleugnete,

das auch über Nationen

und Ach

bei

und Staaten hinwegreichen

nein, das alles

erscheinung, wie

ist

kein

sie

dieser Berufsklasse

Wunder,

ist

eine Entwicklungs-

der rapide, plötzliche Aufschwung

und

des deutschen Handels zur Folge

haben mußte. Feudales oder

— noch kläglicher — profes-

nur lächerliches ästhetenhaftes Gekeife gegen

sorales oder

diesen

sollte

Kaufmannsvölkern auch hinwegreicht!

älteren

Typus oder gar der Versuch,

jene alten, traditio-

nellen deutschen Vorurteile gegen den Handelsstand gar

noch zu diesen

steigern, d. h. Kräfte

Typ

erst

zu steigern, die

ja

gerade

mitgeformt haben und ferner wirkend ver-

ewigen müßten, helfen hier nichts. Sie bewirken genau das Gegenteil dessen, was

sie

erstreben.

Was

helfen könnte,

wäre das Gegenteil: Überwindung der Vorurteile zuerst innerhalb unseres Vaterlandes

und

gleichzeitig Steigerung

des verantwortlichen, aber gleichzeitig haarscharf auf ihre wirkliche

Bedeutung begrenzten politischen

dieser Schicht

im Ganzen

des Staatslebens. Hintertreppen-

einfluß — erzieht nur zur Lüge und zu

allen jenen Eigen-

schaften der Servilität, die das Ausland haßt

nicht gar in unklarem des Standes eine

dem ganzen 2,

Einflusses

Da und Dort

Bedeutung

— wenn

er

einzelnen Vertretern

verleiht, die

weder ihnen noch

Berufsstande zukommt.

Sozialdemokratische Kritik und alldeutsche Literatur

Rechne ich

dieses

Mißverständnis mit realer Grundlage

zu den wenigstens in Zukunft

vermeidbaren Mißver-

ständnissen deutschen Wesens, so gehören zu den auch in

der Vergangenheit vermeidbar gewesenen Mißverständ-

136

1

nissen die



vielleicht

am häufigsten, wie

mir scheint, gegen-

wärtig in ihrer Rolle aus leicht ersichtlichen politischen

Kampfgründen weit überschätzten

Kritik unserer deutschen

der links-sozialdemokratischen

Zustände

und

in Presse, Literatur,

— Erscheinungen dem

Parlament vor

die sogenannte alldeutsche Literatur.

Kriege

Ihnen beiden

oder gar nur einer von ihnen die wichtigste kausale Rolle

Wesens

in der Bildgestaltung deutschen

für die

Außenwelt

und den Haß gegen dieses „Bild" zuzuschreiben, dies wären geradezu kindische, nur als völlig unreife politische Kampfthesen der Linken und Rechten in Deutschland begreifliche grundirrige als

Behauptungen, nichts weniger

also

objektive, wissenschaftliche Einsichten. — Dazu sind

es

nicht harmlose, sondern höchst gefährliche Irrtümer, da

Thesen und Kontrathesen nur

diese

zend

aufs äußerste

verlet-

und dazu auch neue

auf die jeweilige Gegenpartei

Spaltungen in unser Volk tragend wirken müssen. Denn warum hätte denn das Ausland aus dem unermeßlich reichen, mannigfaltigen deutschen Schrifttum gerade diese beiden

Dinge sich ausgesucht und warum wären so oft die erst

beide

so süße Rosinen gewesen,

gegebene,

also nicht

sie für

das Ausland

wenn

nicht schon

durch die beiden Erscheinungen



verursachte Haßeinstellung

die aus

den vorher-

genannten Ursachengruppen schon längst entstanden und nur Bestätigung heischend war geleitet hätte

?

Nur

haßverursachende

als



diese

haßnährende,

Faktoren

können

Auswahl nicht

diese

als

bereits

primär

beiden Er-

scheinungen überhaupt ernstlich in Frage kommen. Aber

auch diese haßnährende Wirkung



in der Kausalfolge-

ordnung eine Wirkungsart etwa fünften Ranges



soll

nicht ganz unterschätzt werden.

137

Was nun

die sozialdemokratische Kritik betrifft



die

und unmittelbarste Wirkung kam ihr wohl im Falle Zabern zu so mußte sie freilich das Relief des Bil-

schwerste



,

des der deutschen Zustände in allen den schon vorher be-

stehenden negativen Blickstellungen des Auslandes auf den

deutschen „Militarismus" und auf seine Verfassungs- und

Regierungsform noch erheblich vertiefen. Verwunderlich

und schuldhaften Ursprungs zwar, aber doch nicht ohne sehr begreifliche Anlässe dieses schuldhaften Verhaltens,

hierbei die zweifellose Tatsache, daß die Schärfe,

und Härte

dieser Kritik

dem Lebensstande

ist

Lauge

der deutschen

und der sozial-politischen Sorge des Staates im Vergleich mit dem Lebenszustand der Arbeiterklassen und der Sozialpolitik anderer Länder und deren Arbeiterklassen für sie

Kritik an den inneren Zuständen ihrer

entferntesten angemessen war.

Länder nicht im

Begreiflich aber

war

dieses

Verhalten gleichwohl durch die Gekränktheit und das

macht- und aktionsscheue Ressentiment, das

in

der sozialdemokratischen Arbeiterschichten

und noch

mehr

in ihren

viel

Führern durch den nationalen Boykott not-

— zuauch auf das katholische Zentrum mitbezogene —

wendig entstehen mußte, den ihnen weilen ja

einem Teile

die falsche

Scheidung sogenannter „nationaler" und

,,anti-

nationaler" Parteien indirekt angedeihen ließ.

oder inter-

Das ewige

Recht der Nationen besteht eben durchaus nicht im vorgegebenen Rechte, einen eigenen Staat zu bilden kontra Nationalismus satz der

ist ja

— Staat

gerade der kriegerische Gegen-

Mittelmächte zu ihren Feinden; noch weniger aber

besteht dieses Recht in der sogenannten „nationalen Arbeit" es

besteht ursprünglich ausschließlich in

kulturelle Freiheit und Selbständigkeit 138

dem Rechte in Sprache,

auf

ReH-

und

gion, Sitte usw.

ökonomisch,

erst

sehr abgeleiteterweise in

den

Interessen. Es

muß

je national lokalisierten

aber hervorgehoben werden, daß die Sozialdemokratie in ihren ernstesten Vertretern gerade dieses

der Nationen schon lange vor

dem

wahre „Recht"

Kriege wieder vor allem

hervorkehrte und anerkannte. Schon darum

man

allein durfte

der Sozialdemokratie nicht den nationalen Sinn ab-

sprechen

— auch vor dem Kriege

muß

Partei

negativ werden,

ja

nicht. Jede Kritik einer

wenn

die erste, selbstver-

ständliche Voraussetzung eines parlamentarischen Führers ist

:

Du

doch nie Minister oder doch verantwortlicher

wirst



Mitleiter des Staates

— das

Nun sich

kannst

es

gar nicht werden!

hat sich schon jetzt geändert

alles

dem

nach

Wie

ja

und wird

Kriege noch weiter ändern.

steht es als

Haßursache mit der haßnährenden Wir-

kung des alldeutschen Schrifttums

?

Daß auch

diese

Wir-

kung zur Zeit maßlos und nur aus innerpolitischen Ursachen heraus begreiflich, bei uns überschätzt wird, sagte ich schon.

war auch

nung

Nun, wie dem auch

diese

und

seiner Psyche scheint mir

Deutschen und noch mehr bei unseren Fein-

den noch selten

richtig erfaßt

paar Fingerzeige dazu seine Seele

schuldhaft verursacht

haßnährende Wirkung. Die Gesamterschei-

des Alldeutschtums

selbst bei uns

sei,

:

worden zu

sein.

Hier nur ein

Aus etwa fünf Elementen finde

zusammengesetzt und unter dem Druck

ich

dieses

Krieges schließlich zu einer seltsamen Einheit zusammen-

geschmolzen.

I.

Aus

einer altdeutsch-sein wollenden,

wag-

nerhaften Helden-Romantik, besonders grotesk in die Er-

scheinung tretend in allen religiösen und kirchlichen Fragen, in religionsgeschichtlichen Konstruktionen,

der Art Chamberlains; an den

Tag

tretend,

z.

B. nach

z.

B. auch

.

im

1^39

sogenannten „deutschen Gott".

2.

Aus der formenden

Bildwirkung, die Bismarcks Gestalt



freilich gewaltig ver-

zerrt und vergröbert — auf

„alldeutsche Verband"

viele

Deutschen ausübte. Der

entstand

Gegenreaktion zu dem, was

den „Neuen Kurs" nannte.

ja

auch historisch

man nach 3.

Aus wissenschaftlich ganz

unreifen und unentscheidbaren Rassetheorien. Interessen des großen Industriekapitals,

angenehm gie

zum

als

Bismarcks Abgang

4.

dem

Aus starken

es nicht

un-

sein konnte, eine so schöne romantische Ideolo-

Versteck und Aushängeschild seiner sehr realen,

machen zu können.

Sogar

mit

Nietzsche etwas Ähnliches zu machen, haben ja vor

dem

materiellen

Interessen

Kriege zuweilen Wortführer dieser Interessen versucht

(Armin

Tille).

ahmungstrieb

5.

Aus einem unbewußt wirkenden Nach-

des englischen Jingotums,

der

sich

mit

schärfstem Englandhasse nicht nur verträgt, sondern nach

dem

Gesetze „wer verfolgt, der folgt" sogar diesen

noch erheblich barste

speist

und

steigert.

Schon

Konglomerat von Elementen

dieses

zeigt,

Haß

sonder-

daß wir

es

im Alldeutschtum mit einer wesentlich modernen und zweitens sehr komplizierten Erscheinung zu tun haben.

Von dem

Geiste des altpreußischen Konservativismus hat

das eigentliche Alldeutschtum nach meiner

Meinung

fast

— wie

immer es auch in gewissen Dingen momentan mit ihm zusammengehen mag. Schon die starke

nichts

in sich

Nervosität der ganzen Erscheinung, ihr überstarkes un-

mehr unpreußisches, aller „Schlichtheit" entgegengesetztes Pathos, desgleichen ihre „teutsche" Religionsromantik, vor allem aber ihr Machtgerede steht zum nüchternen, schweigenden Macht willen, steht zur pathoslosen Schlichtheit und Gesundheit, steht zur luthedeutsches, noch

140

rischen Orthodoxie der Junker, die gleich Luther selbst

mit Recht nichts von „Nationalkirchen" und „Germanengöttern" hören wollen, in allerschärfstem

Gegensatz. Nun,

trotz dieser Überkompliziertheit hat das Alldeutschtum

oder haben doch einige seiner besten politischen Vertreter

— ich rede nur von der Zeit vor dem Kriege — besonders darin politisch nicht unrecht gehabt, daß es eine stark-

willige und noch mehr eine einheitlichere Leitung unserer politischen Geschicke forderte; auch haben einige

Gruppe manches richtiger vorausgesehen als Vertreter anderer politischen Gruppen: z. B. daß England im Falle eines Krieges mit Rußland und Frankreich nicht neutral bleiben werde. Solche positiveren und wertvolleren Merkmale, Tendenzen und Einsichten verdankt es dem besten seiner Elemente, dem Vorbilde Bismarcks, von dem aus seiner

es freilich

durch

alle

anderen seiner Züge,

am

meisten aber

durch seine innere Abhängigkeit von der Schwerindustrie,

den allerweitesten Abstand des Hasses,

hat.

Was

in unserer Frage, der

nun aber zum gröbsten Mißverständnis des Aus-

landes über das Alldeutschtum führte, war vor allem zweierlei:

Daß

I.

das Ausland

deutschtums

in

Bedeutung und Einfluß des

unserem Volke und Staate

dität überschätzte und daß

es

bis

zur

All-

Absur-

— was noch wichtiger

ist



nicht sah, daß noch kein einziger machtwilliger und machtkräftiger

Volk,

die.

Mann

der Weltgeschichte, erst

rfecht kein solches

eben genannten Eigenschaften dadurch vor allem

Macht fortwährend vergegenständlicht und von Macht fortwährend geredet hätten. Man sehe nur auf England! Immer will es und handelt es ,, Macht", und immer redet es von dokumentiert haben, daß

Recht.

D.

h.

man

sie die

Idee der

sah nicht, daß die gerade literarisch 141

wirksamsten Alldeutschen den Machtwillen

ja

nicht



gewollt haben, sondern daß sie diesen Willen nur im Bilde in Idee erhoben, zum theoretischen oder ästhetischen Gegenstande und Büde machten, ihn in diesem Bildrahmen verhimmelten, tionen

sei es in

Personen und Institu-

— aber ihm eben dadurch nicht in, sondern außer

politische Aktion setzten.

mentun

Das sehr charakteristische Zusam-

des Auslandes der mehrpolitischen Alldeutschen

(Bernhardi, Treitschke,

Harden

ist ja

Reventlow) mit Nietzsche und



noch etwas richtiger wäre ebenso

,

— wie

immer daß die erstgenannte Gruppe

zu verstehen

leider nicht so

es

romantische und vorzüglich literarische Erschei-

als

nung aufgefaßt würde wie unendlich töricht

ist es

die letztere

Gruppe; sondern

so

zu verstehen, daß das Ausland auch

Nietzsche und Harden noch für echte Machtnaturen zu halten neigt, die als

als

ernster Philosoph

ernst zu

Auf tümer ein,

da

nehmen

politische Kräfte,

und Dichter, der andere

seien.

die letzte

sie

als

eine

Literat,



die rein tatsächlichen als

und nicht der

und

rein aufklärbaren Irr-

Gruppe der Haßursachen gehe

ich nicht

der Natur nach unzählige sind.

142

i

VIII.

Unser Verhalten zum Hasse der Welt

Damit

komme

ich zur Schlußfrage

:

in innerlicher Einstellung von Wille

in

äußerem Wirken zu diesem Hasse

halten

?

Wie

sollen wir uns

und Gemüt und wie Welt ver-

fast einer

Ich halte diese Frage für eine Frage von

Bedeutung, und ich wun-

höchster nationalpädagogischer dere mich, daß

aller-

sie so selten gestellt

wurde.

Sehe ich auf das Ganze unseres Volkes, so war die Art, wie

es bisher innerlich

nete, nichts weniger

und äußerlich diesem Hasse begeg-

als

Sehen wir zuerst die

einheitlich.

meines Erachtens verkehrten Verhaltungsweisen etwas ge-

nauer an. Einfach und roh gesprochen fand ich etwa

gende typische, auf

je

größere und kleinere Gruppen be-

schränkte Verhaltungsweisen,

der

Wiederhasser zu ,

i.

Die

erste

Gruppe

Gruppe

ist

jene

der vor allem die Träger des ur-

sprünglich so maßlosen Englandhasses gehören.

zweite

fol-

2.

Eine

zeigte das Verhalten jenes kalten, stolzen,

mit Nüchternheit wohlvereinbaren, sich zuschließenden Trotzes, der sich unter die Devise des alten lateinischen Satzes bringen läßt: dritte satz

oderint

dum

metuant.

3.

Eine

Gruppe, welche die Ursachen des Hasses im Gegen-

zu

bloßer,

dem

hier Dargelegten hauptsächlich vor allem in

tatsächlicher

Unkenntnis

unser Sein und unsere Zustände sah,

des

Auslandes über

mußte

folgerichtig als

H3

innere

und äußere Haupthaltung jene

willens einnehmen.

4.

des

Auf klärungs-

Eine vierte Gruppe endlich



Dank ist sie klein, aber doch erheblich größer, als Presse" und Schrifttum aus begreiflichen Gründen ver-

Gott es

raten lieh

sei



ließ sich

durch den Auslandshaß geradezu inner-

„anstecken", haßte gleichsam Deutschland mit dem

Auslande mit, oder begann doch

alle

einige sogar unsere Geschichte, unser

dauernden

unsere Zustände,

Wesen und unseren

Volkscharakter unter den bösartigen Einstel-

lungen des Auslandes zu sehen und gleichsam in dieser Einstellung zu mikroskopieren.

Keine dieser Haltungen und keine der praktischen Verhaltungsweisen, die sich aus ihnen in Pohtik, Kulturschaffen usw. ergeben müßten, kann ich gutheißen

und

keine

kann ich mit gutem Gewissen zur Nachfolge empfehlen. Ja, ich

muß

sagen, daß sie mir allesamt gleich

feminin,

schwächlich und den wahren aufgewiesenen Ursachen des Hasses gegen uns ganz unangemessen erscheinen.

schäftigen wir uns mit diesen vier typischen

Be-

Gruppen etwas

näher I

.

Zuerst die Wiederhasser. Nicht solche Deutsche nenne

ich mit diesem

Namen,

die starke, mächtige

Regungen

des

Widerhasses in ihrem Herzen empfanden und noch emp-

Wie Liebe Gegenliebe unwillkürlich, und sogar nach einem mehr als empirischen Gesetze weckt, so Haß Widerhaß und beide um so mehr, je stärker und größer die Herzen und die Seelen sind. Ich nenne Wiederhasser finden.



vielmehr diejenigen, die vermittels jenes geistigen Willens, der aus

dem Zentrum

quillt, diese

einer vernünftigen Person heraus-

an die Person wie von unten heransteigenden

Regungen nicht nur zu zügeln 144 *

unterlassen, sondern sie

im

Gegenteile sogar mit Hilfe dieses geistigen Willens durch

immer neuer Phantasiebilder und haßnährenbei sich und ihrer der Gedanken zu Flammen anfeuern Unweit anstatt diesen Willen zur Erreichung des höheren Zieles zu stählen, das ihn in den praktischen Dienst Vorstellung





des Vaterlandes

Was

stellt.

ders betrifft, so sollte

dabei den Englandhaß beson-

doch schon die einfache Erkenntnis

abkühlend wirken, daß dieser I.

Dieser

Haß

Haß

zwei Eigenschaften hat

oder doch sein Stärkemaß

ist

der stets

und

im Grunde nur komisch und grotesk wirkende Haß des enttäuschten und nun um sich schlagenden Liebhabers; also eine Folge unserer überstarken inneren und äußeren Anglisierung vor dem Kriege, bei der eine weitgehende Ansteckung durch die besondere

Form

des englischen Welt-

reichgedankens nicht die kleinste Rolle spielte. (Vgl. hierzu

meine Nachweise im Text und Anhang meines Buches „Der Genius des Krieges und der Deutsche Krieg".)

2.

Er

ist

zweitens die Folge der militärischen Unangreifbarkeit der englischen Inseln

macht.

und darin

ein

Ausdruck nur der Ohn-

— Der heute Europa durchtobende Haß könnte

überhaupt nicht

sein,

wenn Europa

ja

nicht trotz alledem

eine innerlich schon stark geeinte Völkerfamilie gebildet hätte. Ich sagte schon: lie.

So haßt man

nur in der Famiwo allerhand Vor-

sich

Kein Wunder denn auch, daß da,

urteile auf unserer Seite (blutmäßige Vetternschaft, evan-

gelisch-protestantische Solidarität usw.) besonders

enge

Bande vor dem Kriege vortäuschten und vor dem Kriege durch Kongresse und Reden maßlos genährt wurden, auch der

Haß

der stärkste

ist.

Das

sollte

uns aber England gegen-

über etwas ganz anderes lehren: Nicht Wiederhaß, sondern Kritik der

Wurzeln

dieses Hasses, d. h. Kritik unse-

145

rer

früheren,

oft

servil-nachahmerischen

Befangenheit

durch englisches Wesen und darauffolgende kühl-nüchterne beobachtende

Distanznahme von England und von

eng-

lischer Kultur. 2.

Wie nun

dum

die Vertreter des „Oderint

Gerne gestehe

ich,

daß

ist.

Aber auf

alle Fälle

hat

am

meisten

Maß während des

es das kleine

von Berechtigung, das ihm zukommt, nur Krieges, also

?"

Verhalten unter

dieses seelische

den verkehrten Verhaltungsweisen noch das mir sympathische

metuant

während der jedes Herz notwendig hart zu-

sammenschließenden Aktion. Dauerverhalten auch nach das erschiene mir

darum

nur ersinnen

da

läßt,

dem

als

ja diese

das

Es

mit vielen zu einem

Kriege machen zu wollen,

Verkehrteste, was

sich

unserem Friedenswillen nicht

angemessene maßlose Furcht vor uns und die hysterischen Angstphantasien, die diese Furcht im Gefolge hatte, der

Haupt beweggrund für diesen Krieg Dieses berühmte Wort ist in einem Zeitalter

psychologische

ge-

wesen

ge-

ist.

sprochen, dessen psychologischer Kriegstypus der Aggres-

und Eroberungskrieg war, ein Typus, in dem positive Gemütsbewegungen wie „Mut" und „Übermut", Überfluß der inneren Machtfülle die inneren Motoren der kriege-

siv-

rischen Einleitungsaktion zu sein pflegten.

tiven

Emotionen den Krieg einzuleiten

Wo solche posipflegen, da hält

umgekehrt die Furcht den Gegner im Bann und

sichert

damit den Frieden. Der psychologische Typus von Kriegen,

dem dieser

Krieg eines hochindustrialisierten, innerlich

weitgehendst pazifizierten Zeitalters angehört, entgegengesetzte Typus

ist

aber der

— der Typus des Angstkrieges,

d. h. derjenige Kriegstypus, der sich

nach der Formel des

sogenannten „verfolgten Verfolgers" (persccute persecu146

4

In der Spannweite dieses

teur) seelisch einzuleiten pflegt.

letzteren

Typus werden

negativen und depressiven

die

Angst und Furcht

Affekte der

in ihrer

Steigerung ge-

radezu die einleitenden Kriegsurs^achen, und der

im Widerstande

ist

diesem Falle

in

erst die

Dem

schon eingetretenen Krieges.

Mut

Folge

entspricht ja

des

auch

genau die frühere Feststellung, daß überall die Masse des

— sicher auch die Menschenschicht des größten Lebensangstdruckes — der Träger des mittleren Bürgertums

primären Kriegswillens gegen uns,

Bewußtsein davon, gewesen

freilich

ohne deutliches

Und dem

ist.

entspricht ei

auch, daß eben diese für uns furchtbare Furcht des Auslandes vor vermeintlicher „deutscher Welthen-schaft" es

im

Kriege gewesen

Erfolge neue hat.

ist,

jedem unserer militärischen

die bei

und immer neue Feinde gegen uns gesammelt

Nicht der

Mut

unserer Feinde

— ihre Furcht

Kraft, die gegen uns arbeitet.

gefährlichste

Und

ist

die

diese

Weltfurcht, die erst das Bild des „deutschen Welteroberers" gebar

und fortwährend vor uns

herträgt, hat auch die

entsetzliche Kraft in sich, eben das zu

bewirken, was

sie

immer mehr in die schreckliche Alternative zu bringen: Entweder unterzugehen oder die „Weltherrschaft" erstreben zu müssen, die wir nie gefürchtet oder doch uns

sucht hatten. losigkeit für

Abgesehen davon

den uns treffenden

Wort Oderint dum metuant

Haß

die

gemachte Fühl-

der Welt

einschließt

deutsche Seele Künstliches.

darum

ist

— den das

— etwas

für die

Zart und weich, und nur

jener wunderbaren Kraft des großen, weltweiten

zum Volke Herders, Goethes zum Volke der „Geisteswissen-

Verstehens teilhaftig, die uns

und Leopold von Rankes, schaften" machte,

ist

unter einer rauhen Schale das deut147

sehe Herz; griechisch, ja indisch fast in der hohen Kunst,

öffnen,

seine Seele zu

um

rein das große Bild der

Welt

Wie soll es da diesen Haß nicht stark und nicht schmerzlich fühlen und wie soll es sich dauernd eine enge Römerpose geben, die seinem inneren Wesen

zu empfangen.

widerstreitet Fischkälte,

Mag

?

mag

es

es englischer

Enge, Borniertheit und

einem Volke, das fremde Völker nützlich

weiden, aber nicht »verstehen" und die Seele dieser Völker ,

nach deren eigenen Richtlinien entfalten kann und ziemen, auch darin eine Römertugend



schlecht

will,

und

ohne das erhabene Pathos des römischen Herrschaftswillens

— nachzuahmen.

Uns ziemt auch hierin nicht englische Nachahmung. Bei uns und unter der Voraussetzung unse-

würde zum seelenverbitternden und seelenverödenden Trotze, was für den Engländer nur gewöhnlicher Stolz und zugleich Natur ist. Auch das deutres

Volkscharakters

im Blute

sche wie christliche,

des Heilandes, der für alle

Menschen gestorben, gelegene Solidaritätsbewußtsein unseres Volkes mit der

Menschheit

verbietet uns

immer neuen Haß erweckende Annahme, daß der Haß fast einer Welt uns ausschließlich wegen unserer „Tüchtigkeit" treffe, und verbietet uns damit auch die innere Nachahmung jener ebenso undeutschen als römischdie nur

heidnischen Einstellung.

Lassen

Sie, lasse jeder

daß die deutsche Seele verbittere. ihji

Immer

verbitterte, der

tiefere

nach seinem Vermögen nicht zu, sich

dauernd verenge, verhärte,

der Verbitterte

ist es,

Leid tragen muß, das Leid der sich

Lassen Sie

es sich

nie der, der

den großen Schaden hat und der das

rung und Verhärtung

148

Ich bitte Sie daher geradezu:

selbst

in ihrer Verbitte-

wie verzehrenden Seele. Nein!

geradezu zu einem

Ehrenpunkte

wer-

Haß nicht

und sich durch ihn nicht in sich selber eintrotzen zu lassen; und halten Sie hinter einem hart und energisch für unser Vaterland handelnden Willen mit beiden Händen fest das hohe, den, sich durch diesen

deutsche Gut

verbittern

eines weichen, milden, selbst für das Ver-

stehen dieses Hasses noch aufgeschlossenen Herzens.

werden

Sie nicht nur

dem wahren

Dann

deutschen, sondern auch

dem christlichen Heldenideale Nachfolge leisten, d. h. dem Vorbild eines Helden, dessen Herz im schwersten Kampfe und in einem Leiden über alles Maß voll Milde, Güte und heimlicher Zartheit blieb. nicht nur etwas anderes, sondern psycho3. Aber logisch geradezu sein Gegenteil ist gegenüber diesem



eben beschriebenen, zu echter Selbstkritik bereiten, auf Verstehen

gegenseitiges

und

notwendigen zukünftigen

Kulturaustausch gerichteten inneren Verhalten dasjenige Verhalten,

Haß

das

Ansteckung durch den fremden

in

gegen uns, in einem gleichsam automatischen Mit-

hassen Deutschlands

und deutschen Wesens mit diesem

Hasse des Auslandes wurzelt.

Solches Verhalten könnte

nicht in besonnener, positiv gerichteter Selbstkritik deut-

dem

schen Wesens und deutscher Zustände, sondern nur in

unwürdigen Tschandalahasse des Selbsthasscs und der inneren Selbstpreisgabe enden. geistig souveräner

Der Verstehende

Herr; der Angesteckte

ist

ist

ein

ein niedriger,

verächtlicher Sklave des Herrn, der ihn ansteckt.

Es

muß

ehrlich gesagt werden, daß die deutsche Charakteranlage

nicht ganz dieser

Zeiten gab

Gefahr

frei ist

und

unmännlichen, es

nie ganz frei

war von der Gefahr

unwürdigen

Neigung.

Zu

allen

sogar geistig mächtige Deutsche, die dieser

verfielen.

Unter den Philosophen zum

Beispiel

149

neigte Schopenhauer ein wenig zu ihr ihr geradezu in seinen letzten,

fiel

umdunkelten Schriften.

sinn

Fremde wirkt

?

und Nietzsche

freilich

Wissen

„Chien de Nietzsche"

ver-

schon vom WahnSie,

wie das auf

ruft

zum

Beispiel

der etwas hysterisch gewordene Herr Suares in einer seiner

neuesten Schriften, auf Nietzsches letzte Kritik deutschen

Wesens hindeutend



,,du hast deine Deutschheit schließ-

lich selbst aufgefressen. ist

Ach

ja,

chien de Nietzsche, dies

deutsch." So wirkt dieses Verhalten auf

fremde Völ-

— auch Herr — sehe be-

Auch heute sehe ich viele Leute bei uns Liebknecht und seine Genossen gehören dazu

ker.

sonders viele Literaturwerke der Allerneusten sten, die dieser fielen;

und

Gefahr

jetzt schon

und Jüng-

mehr oder weniger

ich sehe wenigstens eine nicht gerade

ver-

zum

Selbsthaß fortschreitende, aber doch wenigstens der Neigung, uns selbst mit Auslandsaugen nicht nur methodisch,

sondern setzend zu betrachten,

Denk- und Fühlweise, sogar

viel

zu sehr nachgebende

bei sonst hochachtbaren

verdienstvollen politischen Schriftstellern. Fr.

W.

und

Förster,

von dem ich das befürchte, nannte ich schon. Ich könnte auch nennen das übrigens heiten einschließende tik",

viel

anerkennenswerte Wahr-

Buch „Die Deutschen und :

von Hugo Preuß. Hier zum Beispiel werden

die Poliall

unsere

Institutionen, ja unsere ganze politische Geschichte viel

zu einseitig und an den Maßstäben des westlichen parlamentaristischen Staatsideals gemessen

und

beurteilt; die

Frage aber nach den Ursachen des Hasses, mit der Preuß sein tet,

Buch beginnt, wird überaus daß die Gründe

einseitig

fast ausschließlich in

dahin beantwor-

den ganzen Geist

unserer politischen Institutionen, schließlich sogar in den

dauernden deutschen Volkscharakter verlegt werden, aus 150

1

dem sie herauswuchsen; ständlich

ist,

so

daß

es

auch nicht mehr ganz ver-

wie denn Preuß von den durch ihn vorge-

schlagenen Remeduren hoffen kann, daß

was er für ein so tiefgewurzeltes Übel

das bessern,

sie

hält.

Insbesondere

stehen unsere in den neutralen Ländern internierten deut-

schen Soldaten, auf welche die Ententeideologie täglich

Formen einwirkt, unter der Gefahr dieser Anstekkung und es ist daher ihre besondere Pflicht, dieser Gefahr in allen

moralischen Widerstand zu leisten. 4.

Unsere Nuraufklärer endlich, weiblichen und männ-

— der Typus unserer weiblichen Inteldabei eine besonders große Rolle — die

lichen Geschlechts lektualisten spielt

im Medium

trefflichen Leute, die

des stark kuhglockenhaft

und dabei unendlich geschwätzigen Friedens der deutschen Schweiz mit genau den gleichen Menschentypen

gefärbten

aus feindlichen Völkern so gerne ihre sentimentalen Klagen

austauschen und die dabei doch nur wieder ihre Dutzend eigenen, der Aufklärung gar nicht bedürftigen, über die

Ursachen des Hasses aber in tiefstem

Irrtum befangenen

Gesinnungsgenossen, nicht aber die Völker,

meinen und sagen halten?

Zuerst!



,

„aufklären", was

Haben

ist

Nun

wie

sie

von ihnen zu

Sie nichts Besseres zu

beiten, Kriegsleid abstellen usw.?



tun? Ar-

schon die hier

gegebene Unterscheidung der Arten und Rangstufen der

Ursachen des Hasses lehrt uns, daß wahrlich nicht die

Völker es sind, die in bloßem aufklärbarem Verstandesirrtum übereinander so sehr befangen sind, wie diese sogenannten edlen (besonders sich selbst so dünkenden) Menschenfreunde denken; daß sie vielmehr losen

Irrtümern befangen

es sind, die in heil-

sind schon über das

Völkern und über das Wesen

Wesen von und see-

aller geschichtlichen

151

Welt nach irgendeiner Rich-

lischen Kräfte, welche die

tung

bewegen können. Gutmeinende, nicht gute,

je

weil dazu viel zu selbstgefällige Naturen, aber ganz schlechte

Musikanten; dazu matte, halbe, dürre Herzen

daß

selbst ihre intellektuellen

— so dürre,

Irrtümer noch in diesen

ihren Herzensmängeln wurzeln ; dazu noch schlechte Christen, da sie nichts

Sünde und Also

der

zu wissen scheinen von der Macht der

Macht der Schuld.

— halten wir uns von diesen

lungen so ferne wie möglich

vier falschen Einstel-

Eine ganz andere innere und

!

äußere Verhaltungsweise tut uns not: Selbstbeherrschung unserer eigenen Haßaffekte

unbedingte Festhaltung nicht

;

nur des unerschöpflichen, positiv deutschen Wesens, das feste, glückliche, stolze, aber nicht hochmütige

bigsein an

die Unendlichkeit

Wesens; aber nüchtern kühle

und Hoheit

dieses

ja,

Gläu-

deutschen

Selbstkritik aller deutschen

Erscheinungsformen in den letzten Friedensjahren auf allen Gebieten. Das

Und

so

sei

unsere

alles

kann ich den psychologischen und pädagogischen

Teil dieser Ausführungen wir,

umspannende Grundhaltung

was die

erste

nun zusammenfassen: Hoffen

Gattung der Haßursachen

betrifft



nämlich die in der neudeutschen Wesens Wirklichkeit gelegenen Ursachen der vor

dem

— auf eine neue Zusammenfassung

Kriege zu einseitig und zu sehr nacheinander

ausgebildeten geistigen

und

praktisch-realistischen polaren

Anlagekräfte des deutschen Volkes, weiter auf eine neue

Ausbalancierung des Marthahaften und Mariahaften in uns, auch des nördlichen

und

südlichen, des Protestanti-

schen und Katholischen, der bisherigen übertriebenen Nurarbeitseinstellung mit Kontemplation, Freuenskunst, bet, Sinn für

152

Gnade, Ruhekunst und mit Sinn für

Ge-

alles das,

was sich nicht „machen"

läßt,

sondern

wachsen muß.

Be-

trachten wir den Geist der letzten vierzig Jahre nicht

als

„Höhepunkt" der deutschen Geschichte, sondern

als

einen

eine schwere tragische alter der Arbeit für

Notwendigkeit,

zensreiche, hoffentlich nicht vergebliche

weltpolitischen Daseins

Nehmen digen,

und

die das

uns mit sich brachte und

neue Zeit-

als

schmer-

Lehrzeit unseres

und Handelns.

wir zweitens die von mir so genannten „notwen-

unabwendbaren Mißverständnisse" unseres Wesens

die Mißverständnisse der diesem

Wesen entsprunge-

nen Institutionen und Lebensformen hin gisch,

d. h. objektiv

einen tra-

als

unabwendbar und subjektiv unent-

und eben darum demütig empfundenen Tribut an die menschliche Enge und die menschliche Sünde ohne den falschen Versuch zu machen, sei es unsere rüstet



Feinde zu unseren Institutionen zu bekehren oder uns den ihrigen anzupassen.

Treffen wir mit scharfer Selbstkritik die vor ihrer

Natur nach

,,

dem

Kriege

abwendbaren" Ursachen des Hasses der

Welt und wenden wir

in

Zukunft

sie

wirklich

und

ernst-

haft ab.

Klären wir emsig auf das Aufklärbare uns nicht der törichten Hoffnung hin, sentlichste

— aber geben wir es sei das hier

durch Aufklärung zu beseitigen.

We-

Suchen und

und nirgends nach Liebe, sondern lassen wir den Haß der Welt sich langsam selbst verschlingen an der Anschauung der Werke, die wir in der kommenden Friedenszeit hervorbringen und die ganz ohne solches Heischen den Haß und Neid der Welt nach der Regel Goethes entwaffnen müssen Gegen große Vorzüge sich zu erheischen wir nicht

:

halten, gibt es nur ein Mittel

— die

Liebe.

153

Im übrigen aber lernen wir wie in so vielem Leide unserer dem Hasse, der uns jetzt traf, und den

Geschichte auch in als

und

nicht schwer

tief

von uns empfunden auszugeben

uns nicht ansteht, gläubig und

fromm

in

altem deutschem

Sinne einen Hammerschlag des höchsten Herrn erkennen,

dadurch tiefsten

er

das verborgene idealische

Bildwerk unseres

Wesens, dadurch er die deutsche Seele heraus-

bildnern will aus geschichte

und

dem Chaos

einer sündenvollen

Menschen-

aus der Marmorhärte dieser Zeit.

Anmerkungen I.

Seite l6:

Dagegen muß

Frankreich in unserer

leider gesagt werden,

Armee durch

die

daß

sich der

zum großen

Haß gegen

Teile ganz un-

würdige Behandlung der deutschen Kriegsgefangenen in Frankreich bedeutend verstärkt hat. Seite i6: Mein Buch „Krieg und Aufbau" (Leipzig 1917). Seite 18: Seit

*)

dem

Brester „Frieden" sind freilich ganz neue

sachen dazu getreten, die darzulegen der *) ,

Seite 21

:

Siehe mein Buch:

Krieg" (Leipzig,

2.

„Der Genius

Tag noch

Haßur-

gekommen ist. und der Deutsche

nicht

des Krieges

Auflage 1917).

IL *)

•)

^ *)

»)

meine „Abhandlungen und Aufsätze" Band I: „Das Ressentiment im Aufbau der Moralen." Seite 30: Vergleiche in meinem Buche „Krieg und Aufbau": „Westliches und östliches Christentum."

Seite 25: Siehe hierzu

Vergleiche hierzu die Ergebnisse der Forschungen L. Woltmanns: „Die Germanen und die Renaissance in Italien." Eisenach 191 5. Seite 33: Deutschland ist zum Nationalstaat allmählich zusammengedrückt worden; es hat sich* nicht zu ihm „entwickelt". Seite 33: Vergleiche hierzu meinen Aufsatz im Märzheft des Hochlandes: „Die christliche Gemeinschaftsidee und die gegenwärtige Welt." Seite 34: Siehe Ku Hung Ming: „Der Geist des chinesischen Volkes Seite 31

:

und der Ausweg aus dem Krieg." Jena 1916. ") Seite 37 Vergleiche hierzu meinen Aufsatz „Über den Geist der Demokratien innerhalb der europäischen Nationen" in meinem Buche „Krieg :

:

und Aufbau". „Krieg und Aufbau" die Studie: „Bemerkungen zum Geiste und den ideellen Grundlagen der Demokratien

Seite 38: Vergleiche hierzu in

der großen Nationen". ") Seite 38: In obigem Aufsatz wird gezeigt, daß es die Ententeerfindung einer sogenannten „Demokratie der ganzen Welt" als einheitliches Gebilde nicht gibt.

III.

") Seite 40: Gute Beispiele gibt G. F. Steffen in seinem Buche: „Krieg und Kultur", E. Diederichs, 1914. Seite 47: Siehe meine psychologische Analyse der Revancheidee im

„Genius des Krieges". IV. »«)

Duhem „La science allemande", 1916. Über die partikularen Ursachen verweise ich den Leser auf mein Buch: „Der Genius des Krieges und der Deutsche Krieg." Seite 52

Siehe Pierre

:

:

Seite 53:

V.

W. Sombart: „Die Entstehung

") Seite 63: 2.

des Kapitalismus", I.Band,

Auflage, 1916.

Über

Seite 69:

diesen Dualismus von Geisteswissenschaften

tischer Praxis vergleiche

auch Meineckes Urteil in

und

poli-

dem Buche „Deut:

sche Freiheit." *•)

Seite 73: Brief

tung

von Bethmann Hollweg an Lamprecht, Vossische Zei191 3. Vergleiche dazu Ruedorffers „Grundzüge

Dezember

12.

der Weltpolitik".

Stuttgart,

2.

Auflage.

") Seite 76: Deutscher Werkbund. Seite 82: Für die Frage nach dem Verhältnis des Deutschen zur

Form

was für das Verhältnis der russischen Slawen zur Organisation gilt: Wir wissen noch nicht genau, was Jugend und Unreife und was Mangel der nationalen Veranlagung ist. Seite 86: Vergleiche etwa die packende Schilderung, die Albert Lange in seiner ,, Geschichte des Materialismus" von diesem Umschwung gibt. Seite loi Eingehendes findet sich über diesen Punkt in meinem Buche „Krieg und Aufbau" in dem Aufsatze: „Die soziologische Neuoriengilt also hier dasselbe,

*')

**)

:

tierung der deutschen Katholiken

und der Krieg."

VI. Seite 104: Vergleiche über

den tieferen Ursprung des gallischen Gloire-

gedankens meinen Aufsatz: „Das Nationale im Denken Frankreichs" in

dem Buche „Krieg und Aufbau". VII.

•«)

Eine vorzügliche Charakteristik unserer Polenpolitik gibt Richtung Carl Jentsch in seinem Buche: „Der Weltkrieg und die Zukunft des deutschen Volkes." Berlin 1915.

Seite

131:

in dieser

156

Zusatz zu Seite 88 Das herrschende Ethos,

seine

Formulierung

in

einem großen Teile der

sogenannten deutschen, faktisch einer einseitig preußischen Philosophie

und

— weithin —

auch unser Schulsystem unterstützen die geschilderte sie, ja geben ihr eine Art göttlicher

Arbeitsüberschätzung, rechtfertigen

— Leibniz, der noch ganz innerhalb der großen Spur davon — steht der Hauptstrom des deutschen theoreti-

Weihe. Schon

seit

Kant

bei

christlichantiken Tradition der europäischen Philosophie steht, findet sich

noch keine

schen wie moralischen Denkens unter einer so mächtigen Suggestion maßlosester

Überschätzung des konstruktiven Tätigkeitsvermögens und Tätigdaß selbst das Bewußtsein der Par-

keitsrechtes des menschlichen Geistes, tikularität

und Enge der

historischen

und volksmäßigen Wurzeln

des

Gei-

stes dieser Philosophie (nicht ihrer einzelnen Argumente) ihren V'ertretern völlig fehlt sei



so

sehr

fehlt,

daß

sie

ganz ehrlich und naiv meinen,

ein Produkt der „reinen" Vernunft selbst.

Welch

sie

beispiellose Naivetät

gehört dazu, die so klare

als tiefe Analogie zu übersehen, die schon bei Kant zwischen den einfachsten Grundelementen seiner Lehre und dem inneren

Aufbau des Preußischen Staates als einem einzigartigen, historischen Sondergebilde besteht! Was war dem heroischen Preußischen Staate zu seiner so mächtig formenden und prägenden Tätigkeit „gegeben"? Kein schon in sich gegliedertes Volk mit eigenem Gesamtbewußtscin, mit eigenem Kulturwillen, mit einheitlichen Sitten, religiösen Glaubenscinstellungen

— kurz mit allem, was zu einem Volke und was zu einem Volke gehört.

Ein Haufen sehr verschiedener Stämme ohne natürliche Verbindung mit fremde Formprägungen leicht aufnehmbaren

einer sehr dienstbereiten,

Unterschicht stark slawischer Durchsetzung war „gegeben". Alles andere, was später „Preußen" hieß, haben seine großen Fürsten, Könige, ihre Offi-

und Staatsdiener, hat der „Staat" konstruiert und erzeugt. Wai Kant dem „Verstände" und seiner nach apriorischen Formgesetzen konstruierenden und ordnenden Tätigkeit (Spontaneität) „gegeben"? Nach seinem berühmten Satze dem Grundirrtum seiner ganzen Philoziere

ist

für





daß alles, was in der Welt der gegenständlichen Erfahrung an „Verbindung, Einheit, Ordnung und Verknüpfung" aller Art enthalten lei, nicht „gegeben" sein könne, sondern vom konstruktiven Tun des Verstandes hinzugetan und hineingelegt sein müsse: Ein Chaos von Empfindungen in der Theorie und ein Chaos von Triebimpulsen innerhalb der praktischen Welt. O, wie sehr gleicht doch dieses „Chaos" dem, was dem Preußischen Staate „gegeben" war! O, wie sehr gleicht doch dieser halbvergottete, der Natur „seine Gesetze vorschreibende Verstand" mit seinen sophie

,

12 Kategorien

dem

seit altersher

Preußischen Staate selbst heute,

wo

halbvergotteten,

alles

„vorschreibenden"

— mit den Schematas seiner Bureaukratie!

Ist et

wir wissen, daß e» das von Kant supponierte zwiefache „Chaos"

gar nicht gibt, ja wesensmäßig nicht geben kann, noch erlaubt, diese

Ähn-

Credat Judaeus Apella! Wenn Kant im Gange seiner theoretischen Deduktion später den Satz, es sei der Staat das höchste irdische Gut, aus seiner praktischen Vernunftlehre ablichkeit für einen „Zufall"

leitet, bei

zu halten?

der Begründung dieser aber seine theoretische Vernunftkritik

war natürlich der historisch-psychologische Gang der EntSeine theoretische Vernunft sie ist eine Art in das Innere des Menschen verlegter, verdünnter und sublimierter Preußischer Staat, und seine Philosophie ist eine Art Universalisierung und Metaphysizierung des historischen Ursprunges und des zum Ursprung der Welt. Es gibt in Geistes des Preußischen Staates eine Art künstlerische Freude über mir wie sicher auch in Ihnen voraussetzt, so



faltung seiner Ideen der umgekehrte.

— —



und des Staates, und dieser Charakter emporwuchsen. Und gewiß macht diese Harmonie die Denkerfigur Kants nicht kleiner, sondern eher noch größer und bewundernswerter. Aber über dieser künstlerischen diese tiefe

in

dem

Harmonie

einer Philosophie, eines Charakters

diese Philosophie

Freude dürfen wir nicht übersehen, daß eben dieselbe Harrnonie auch das ist für die innere Partikularität und Enge des durch die konkreten historischen Lebensbedingungen des großen Denkers gedie es allein schon ausbundenen Geistes dieser Philosophie, eine Enge schließt, sie für ein Ergebnis „reiner Vernunft" zu halten, ja die es schon ganz und gar ausschließt, sie zum Fundament der Bildung und Erziehung des deutschen Geistes überhaupt zu machen. Was sollen Thüringer, Rheinländer, Süddeutsche mit dieser in metaphysische Ausdrücke gefaßten

sichtbarste Zeichen



Geschichte Altpreußens?

uMMHUMMiMiiiMiiMninMiiiiiiininiinNiimiiMiiMmiiiiin^^^^^^^^

Von

MAX SCHELER erschienen ferner in unserem Verlag:

DER GENIUS DES KRIEGES UND DER Auflage DEUTSCHE KRIEG. 3

Geh. M. 6.50, geb. M.

9.

Inhalts-Übersicht:

DER GENIUS DES KRIEGES - Wurzel und

Sinn des Krieges Der Krieg und das organische Leben — 2. Krieg und Geistcskultur — 3. Krieg und Ethik — Zur Metaphysik des Krieges: i. Die Realität der Nation — 2. Der Krieg und der Tod — 3. Der Krieg als Gottesgericht — Der gerechte und der ungerechte Krieg

alsWelteinrichtung:

DER DEUTSCHE KRIEG:

i.

i.

Seine Gerechtigkeit

-

2.

Der Glaube



Die geistige Einheit Europas und ihre politische Forderung — Los von England an unser höheres Recht in diesem Kriege

ANHANG: Zur cant



Psychologie des englischen Ethos und des Kategorientafel des englischen Denkens

KRIEG UND AUFBAU Geh. M. Inhalts-Ubersicht:

i.

Der Krieg

als



9.

Gesamterlebnis



2.

Über

Das Nationale im Denken Frankreichs 4. Über die Nationalidccn der großen Nationen — zum Geiste und den ideellen Grundlagen der 5. Bemerkungen Demokratien der großen Nationen — 6. Über Gesinnungs- und

östliches

und

M.

6.50, geb.

westliches Christentum

3.



Zweckmilitarismus. Eine Studie zur Psychologie des Militarismus 7.

Soziologische Neuorientierung

dem Krieg



und

die



Aufgabe dir deutschen

Das allgemein menschliche Gebot — 10. Das Versagen der Kräfte „von unten" und die Hoffnung auf neue Kräfte „von oben" 11. Potenz und neue Verantwortung 12. Neue Lage und neue Aufgaben I. Unsere Be gegnung mit den Zurückkehrenden. II. Der neue Rahmen 13. Vom Sinn des Katholiken nach

der Stunde



9.

8.

Nation und ihre Querschichtungen





:



Leides



14.

Liebe und Erkenntnis

DER NEUE GEIST-VERLAG

/

LEIPZIG

aiMiimiiimiunMniiMiiiiinniiiiujiiinnnujuiiiinMMiNiiiiinnniiiMiuiiiniiuiniiHiiiuiiMiiuuuniiMiiniiHuuiiMiuiiiiiiiiiiiiiiuiiimMii

^iiinj.iiiiMilliiiHiiiiniiiniuii^

Von

MAX SCHELER befinden sich in unserem Verlag in Vorbereitung:

VOM UMSTURZ DER WERTE (der

Abhandlungen und Aufsätze zweite durchgesehene Auflage)

ZWEI BÄNDE Inhaltsübersicht: I.:

I.





IL:



Zur Rehabilitierung der Tugend 2. Das Ressentiment im Aufbau der Moralen 3. Zum Phänomen des Tragischen 4. Zur Idee des Menschen



Die Idole der Selbsterkenntnis 2. Versuche einer 3. Die Psychologie der sogenannten Rentenhysterie und der rechte Kampf gegen das Übel 4. Zum Sinn der Frauenbewegung

I.



Philosophie des Lebens

— — Der Bourgeois — Der Bourgeois und die religiösen Mächte — Die Zukunft des Kapitalismus 6.

5.

7.

VOM EWIGEN

IM

MENSCHEN

DREI BÄNDE Inhaltsübersicht: I.

RELIGIÖSE ERNEUERUNG Reue und Wiedergeburt — Wege zur Religion — Vom Wesen der Philosophie — :

Die

christliche Liebesidee

Vom II.

VORBILDER

:

Der

Heilige

Der führende Geist. III.

und

die gegenwärtige Welt



kulturellen Wiederaufbau Europas

ORDO AMORIS:



— Der Genius — Der Held — Der Künstler

des Genusses



Der ordo Liebe und Erkenntnis und deren Lösungen

amoris, seine Verwirrungen

lllllllllllllllllllinilinillllMIIIIMIIIIIIIIIIMIIMMMIIIIMIIIIIIIIMIIIIIIIIIIHIIIHIIIIIIIIIIIlllMllllllltMIIIIIMIIIIMIIIIIIIIIIIIIIMIIIIIIItllll

i

DER NEUE GEIST-VEKLAG/ LEIPZIG

SililinnMIUMuniiiuillMiii(niiMMinnMMiniiJJMiMuninMiniiiHiiMjiiMiijniininiiijiinuniniiiiiiiiniiiiuiiiiiiiiiiiiiuiiiiiiiiiiiilllllllllllllln:

Spamenche Buchdiuckerei

in Leipsig.