Die Männliche Kleidung in der Süddeutschen Renaissance [Reprint 2021 ed.] 9783112399125, 9783112399118

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Die Männliche Kleidung in der Süddeutschen Renaissance [Reprint 2021 ed.]
 9783112399125, 9783112399118

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KUNSTWISSENSCHAFTLICHE STUDIEN BAND XV

SIGRID F L A M A N D

CHRISTENSEN

DIE M Ä N N L I C H E

KLEIDUNG

I N D E R SÜDDEUTSCHEN R E N A I S S A N C E

19

3 4

DEUTSCHER K U N S T V E R L A G B E R L I N

TIL

FAR

OG

MOR

I N H A L T VORWORT

VII

EINLEITUNG

1

QUELLEN

7

KATEGORIEN DER KLEIDUNG

16

ANALYSE

20

Haar- und Barttracht

21

Kopfbedeckung

22

Kopfschmuck

29

Wams

30

H e m d , Kragen u n d Manschetten

37

Hose

39

Schaube u n d Rock

43

Mantel

51

Beinbekleidung

53

Fußbekleidung

54

Handschuhe

56

Taschentücher

57

Mummereien

57

Trauerkleidung

58

Textile Bestandteile

59

Schmuck

67

QUERSCHNITT

71

V O R W O R T Gegenstand meiner Studien war ein sachlich, landschaftlich und zeitlich eng begrenzter Ausschnitt aus der Kostümgeschichte. Da sich aus der speziellen Untersuchung das Bild einer umfassenderen historischen Entwicklung ergab, konnte ein Titel gewählt werden, der allgemeiner ist als das Stoffgebiet, dessen Bearbeitung die ursprüngliche Aufgabe gewesen war. Für die Darstellung der Verhältnisse an den Höfen und in den Städten Altbayerns ergaben ältere Veröffentlichungen und eigene archivalische Forschungen die Grundlage, bei Osterreich kamen Regestenpublikationen zu Hilfe. Leider konnten entsprechende Arbeiten über das Leben am württembergischen Hofe nicht vorausgesetzt werden. Archivalische und statistische Belege durften in dem knappen Rahmen des vorliegenden Buches nicht im vollen Umfang zum Abdruck gebracht werden. Einzelnes hoffe ich in Aufsätzen nachtragen zu können. Dies gilt z. B. für das interessante Thema der ,,Mummereien". Die Arbeit wurde am 17. 12. 1931 von der philosophischen Fakultät der Universität München als Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde angenommen. Es ist mir ein herzliches Bedürfnis hier den Dank zu bekennen, den ich meinem Lehrer an der Münchener Universität, Herrn Geheimrat Prof. Dr. Wilhelm Pinder schulde. Seine Auffassung von Kunst und Geschichte eröffnete mir ganz neue, lebensvolle Zusammenhänge. Seine Anregungen förderten auch den Gang meiner Arbeit. Bei der Sichtung des Materials verdanke ich wichtige Hinweise der liebenswürdigen Unterstützung der Herren Prof. Dr. Berliner, Direktor Dr. Buchheit, Dr. Ernst Kris, Prof. Dr. Post, Dr. Stöcklein und Geheimrat Dr. Strieder. Schließlich darf ich auch nicht unterlassen, die Namen von Frau Emmy Gratzl und Herrn C. Theodor Müller zu nennen, deren Hilfe mir die Schwierigkeiten der Abfassung in fremder Sprache erleichterte. Daß die Arbeit in vorliegender Form veröffentlicht werden kann, ermöglichte ein Druckkostenzuschuß des Ny Carlsbergfond in Kopenhagen, wofür ich größten Dank schulde. Ebenso aber auch dem Deutschen Kunstverlag für seine Mühewaltung. J s e g e r s b o r g b e i K o p e n h a g e n , 15. 12. 1933. Sigrid Flamand Christensen.

EINLEITUNG Es ist von den verschiedensten Seiten unternommen worden, das Wesen des Begriffes „Mode" aufzuklären, durch den man den fortgesetzten Erscheinungswechsel gewisser Vorgänge ergründen möchte. Versuchen wir eine Erläuterung dieses Begriffes lediglich in seiner Verbindung mit dem Brauch der menschlichen Kleidung, so erkennen wir in der Mode einen Antrieb jener steten Veränderungen, die man mit einem Wandel des „Geschmackes" zu entschuldigen pflegt. Erst das Freiwerden eines bestimmten Geschmackes, das Bewußtwerden eines Wertes macht die Kleidung zu einem Element geistiger Kultur. Die Kleidung wird Gegenstand der bildenden Phantasie. Was entsteht, ist ein Spiel von Gefallen und Mißfallen, Überlegung, Findung und Verteidigung. Gewiß vollziehen sich modische Veränderungen auch schon auf der primitiven Lebensstufe der Naturvölker, dort aber vorwiegend als Äußerungen eines geschlechtlichen oder sozialen Instinktes. Es überwiegt die unveränderte Fortdauer von Gewohnheiten, die sich aus der notwendigsten Funktion der Kleidung ergibt, dem Schutz des menschlichen Körpers gegen die Widrigkeiten des Klimas und andere Gefahren. Die Lust zu gefallen führt zu Übersteigerungen, welche ein relatives Unterscheidungsvermögen von Schön und Häßlich voraussetzen. Der Hang zur Nachahmung, die Aufnahme und Fortführung modischer Antriebe ergibt sich aus dem Spannungsverhältnis von Individuum und Gemeinschaft. Die entscheidende Abgrenzung des Wesens der großen modischen Bewegungen von dem Brauch der Primitiven wird erst in der Ausbildung individueller Bewußtseinsregungen faßbar, tritt erst dann in Erscheinung, wenn die Lebensformen Ausdruck eines bewußt gepflegten Geschmackes werden. Daraus ist ersichtlich, daß erst die zunehmende Individuation die charakteristische wellenförmige Bewegung der Mode kennt als Ausdruck der rhythmischen Veränderungen der gesamten Lebenssphäre. Die geforderten Komponenten sind zwiefach und scheinbar widersprechend: auf der einen Seite das Überindividuelle einer Bekleidungsform, allgemeingültig auch da, wo sie nur eine soziale Stellung bezeichnet — auf der anderen Seite die Absonderung des Individuellen, die erst das Moment der Fortbildung und die Bereitschaft zur Aufnahme und Nachahmung von Neuerungen schafft. In der Begegnung dieser gegensätzlichen Elemente verrät sich, wie vielfältige Tendenzen sich in der Kostümbildung einer Zeit offenbaren. Die Untersuchung der psychischen Motivierungen dieser Vorgänge kann nicht Zweck dieser Arbeit sein. Wird man auch immer das einzelne Kostümstück in einen sinnvollen Bezug zu den elementaren Strömungen der gleichzeitigen Kultur setzen können, j a vielleicht sogar in eine gewisse Abhängigkeit (wie sie ja auch für das gesamte Kunstge1

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werbe besteht), so muß doch vor allem die Eigengesetzlichkeit der Entwicklung dieser Lebensformen erkannt werden. Die Kostümbildung spiegelt so sehr den zeitlichen Fortschritt, daß selbst ältere Chronisten mitunter Bemerkungen über Gewohnheiten und Veränderungen der Kleidung verzeichnen. J a , es möchte scheinen, als werde gelegentlich — z. B. in der Limburger Chronik — schon der ursächliche Zusammenhang der Tracht mit den großen Zeitbewegungen bewußt. In den seit dem 16. Jahrhundert umfangreicheren literarischen Überlieferungen überwiegt das ethnographisch-lokale Interesse, das Beobachtungen über die Kleidung solchen über Wohnverhältnisse, Sitten oder Geräte gleichordnet. Der historischen Einstellung des 19. Jahrhunderts blieb es vorbehalten, Bekleidungsgebräuche früherer Zeiten in einer kritischen Systematik zu untersuchen. Den Antrieb dazu gab die Romantik, die sich aus der Kenntnis früherer Lebensverhältnisse einen Zustrom von künstlerischen Anregungen für die eigene Zeit versprach. So entstanden die großen Kostümwerke von Hefner-Alteneck, Racinet, J . v. Falke und Quicherat1 in der Absicht, die kulturgeschichtlichen Vorstellungen zu bereichern. Kostümgeschichte diente als Fundgrube historischer Requisiten für die modernen Künste, Bühne und Dichtung und auch als eine Art historischer Hilfswissenschaft, deren Ergebnisse der Altertumsforschung willkommen waren. Erst die von Paul Post verfaßte Arbeit über „Die französisch-niederländische Männertracht im Zeitalter der Spätgotik" (1910) forderte eine andere Einstellung der Kostümgeschichte. Nach einer erschöpfenden analytischen Bestandaufnahme untersuchte Post die Beziehung der Kostümentwicklung zum Stil der gleichzeitigen Kunst. Andere Autoren haben seitdem in ähnlicher Weise die Tracht weiterer Zeitabschnitte stilkritisch dargestellt 2 . Wurde auch mit dem Parallelismus von Kostüm und „Zeitstil" das eigentliche Kausalitätsproblem nicht gelöst, so war doch eine neue methodische Basis gefunden, welche die Kostümgeschichte durch die Erkenntnis ihrer eigenen ästhetischen Gesetzlichkeit zu einem Faktor der Kunstgeschichte machte. J . v. Hefner, Trachten des christlichen Mittelalters nach gleichzeitigen Kunstdenkmalen. Mannheim, s. a. (1840—1854). — J . H. v. Hefner-Alteneck, Trachten, Kunstwerke und Gerätschaften vom frühen Mittelalter bis Ende des 18. Jahrhunderts nach gleichzeitigen Originalen. 2. Aufl. Frankfurt a. M. 1879—1889. — A. Racinet, Le costume historique. Types principaux du vêtement et de la parure rapprochés de ceux de l'intérieur de l'habitation dans les temps et chez tous les peuples. Paris 1888. — J . v. Falke, Kostümgeschichte der Kulturvölker, Stuttgart, s. a. — J . Quicherat, Histoire du costume en France depuis des temps les plus reculés jusqu'à la fin du 18. siècle. Paris 1875. •— (Für sämtliche Nachweise siehe René Colas, Bibliographie générale du Costume et de la Mode. Paris 1933). 2 Genannt werden muß vor allem die Arbeit von Frithjof van Thienen über „Das Kostüm der Blütezeit Hollands". Berlin 1930.

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2

Es sei jedoch nicht vergessen, daß eine Aufklärung dieser Bedingtheit gleichzeitig von philosophischer Seite versucht wurde. S. R. Steinmetz handelte neuerdings 1 über die Bedeutung der Mode für die Gesellschaftswissenschaft, nachdem Studien ökonomischer und sozial-psychologischer Art schon durch Sombart, Troeltsch und Simmel 2 vorlagen. In diesen Arbeiten blieb das künstlerisch entscheidende Problem der Geschmacksbildung mit Fug unberücksichtigt. In unserem Zusammenhang kommt es aber darauf an, gerade die künstlerischen Beziehungen der Mode zu deuten, gleichviel, ob sie individuell oder kollektiv veranlagt ist: das Bemühen in Form, Farbe und Bewegung dem menschlichen Körper einen ganz bestimmten Ausdruck zu verleihen, eine Umbildung seiner gegebenen Existenz zu einer neuen Erscheinungsform. — Jacob Burckhardt hat in der „Entdeckung der Welt und des Menschen" den tiefsten Inhalt jener generellen Wendung erkannt, die wir mit dem Begriff „Renaissance" zu bezeichnen pflegen. Was sich damals vollzog, war eine Verfeinerung des Lebensgefühls, die in einem labileren Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft neue Bewußtseinswerte entstehen ließ. Aus dem Erwachen eines neuen Selbstgefühles ergab sich für das Verhalten des Menschen zu seiner Umwelt (wie es sich in der Kleidung spiegelt) ein neuartiger Antrieb. Diese Wandlung vollzog sich für die verschiedenen Kreise der europäischen Kultur nicht gleichzeitig, vielmehr ist sie selbst das Ergebnis des Zusammenwirkens und Gegeneinanderwirkens verschiedenartiger Kräfte. Es kann in diesem Zusammenhang nicht von Wert sein, die einzelnen Abstufungen der entstehenden Renaissance zu verfolgen. Wesentlich scheint es nur, unbeschadet späterer Rückschläge, die ersten Anzeichen dieser Wandlung zu erkennen, weil wir hoffen dürfen, schon aus deren Beobachtung eine Einsicht in die Gesinnung dieser neuen Epoche zu gewinnen. Der wachsende Naturalismus der niederländischen und französischen Kunst des späten 14. Jahrhunderts bemühte sich mehr und mehr das Singulare der Person aus übergeordneten Zusammenhängen herauszulösen. Die angebahnte Entwicklung führt von den französischen „imagiers" bis zum Arnolfini-Bild des Jan van Eyck. In ihm dokumentiert sich eine neue Welt des Schaubaren, erfüllt von dem geheimen Reiz der materiellen Oberfläche und zugleich schon berührt von dem Hauch der Vereinsamung des Seelischen. Diese neue Art sich betrachten zu lassen, j a sich zur Schau zu stellen, führt Inneres in Äußeres über, gibt der Erscheinung in Kleidung und Haltung einen neuen sinnlichen und geistigen Wert. 1 2

Kölner Vierteljahreshefte für Soziologie 1926. V. Jahrg. S. 362 und VI. Jahrg. S. 29. Sombart, Der moderne Kapitalismus. 1902. — Troeltsch, Volkswirtschaftliche Betrachtungen über die Mode. 1912. — Simmel, Philosophie der Mode in „Moderne Zeitfragen" Nr. 11. 1905.

1*

3

In der italienischen Kunst der gleichen Zeit erwacht eine verwandte Art der Wahrnehmung, die wohl kein Künstler deutlicher verkörpert als Pisanello. Von ihm sind Entwürfe für die Anfertigung von Stoffmustern erhalten und ebenso Skizzen von Herren und Damen, die ausgesprochene modische Aspekte wiedergeben. Nimmt man dazu die Nachricht, daß er selbst eitel gewesen sei und mit Sorgfalt seinÄußeres gepflegt habe 1 , so sind damit bereits Elemente gegeben, die eine künstlerische Geltung der Kostümformen der Renaissance herbeiführen konnten. Die Ausbreitung dieses Lebensstils fördert ein Bedürfnis gesellschaftlicher Repräsentation, deren Verherrlichung zu der vornehmsten Aufgabe der darstellenden Kunst zählte, aus deren Werke eine gesunde und volle Empfindung für das Reiche und Schöne strömt. Castiglione hat die didaktische Anweisung dieses Lebens geschrieben, wenn er in seinem „Cortigiano" eine Pflege von Körper und Kleidung verlangt, die der gesteigerten Intelligenz und dem verfeinerten Schönheitsgefühl entspricht. Die deutsche Kunst des XV. Jahrhunderts läßt eine Abwendung von den ideellen Normen mittelalterlicher Anschauung weniger erkennen. Die erste Ursache dafür wird man in der anderen Veranlagung des deutschen Volkes zu suchen haben, jenem sehr viel schwereren Menschenschlag, dessen Sinnesart nur zögernd jener geistigen Emanzipation folgte. Wohl aber vollzog sich in steigendem Maß eine Vergegenwärtigung der künstlerischen Inhalte, welche mehr und mehr das eigene Leben objektiv darstellungswürdig machte, und so eine Wechselwirkung zwischen der künstlerischen Phantasie und der menschlichen Wirklichkeit einleitete. Als Beispiel dafür sei nur auf die Illustrationen des profanen Lebens beim Meister E. S. und beim Meister des Hausbuches verwiesen oder auf die Anfänge einer profanen Porträtkunst. Gleichzeitig erfolgte der erste Einbruch in die Systematik des mittelalterlichen Denkens durch die frühesten Vorkämpfer eines deutschen Humanismus 2 . Eine ursächliche Verknüpfung zwischen diesen gleichgerichteten Strömungen in Kunst und Philosophie ist nicht zu erkennen, vielmehr vollzog sich die entscheidende Umbildung der künstlerischen Formen erst im Zusammenhang mit einer humanistischen Bildung, die unter dem Einfluß der italienischen Kultur stand. Das menschliche Schicksal dieser Wendung verkörpert am deutlichsten Dürer. Seine Briefe aus Venedig zeigen, wie er all den Schimmer einer eitlen Gesellschaft an sich rafft und darin eine neue Lebensfreude findet, die ihn nur mit Klagen an seine nordische Heimat zurückdenken läßt. In einem halb kindlich überlegenen Stolz schreibt er übermütig an Pirkheimer: „Item 1

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Georg Habich, Die Medaillen der italienischen Renaissance. Stuttgart-Berlin, s.a. (1923) S. 41. Konrad Burdach, Reformation, Renaissance, Humanismus. Berlin 1926.

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mein französischer Mantel läßt Euch grüßen und mein welscher Rock auch" 1 . Gewiß war diese Freude am eigenen Äußeren ein wesentlicher Antrieb für die Entstehung der Selbstporträts. Welche Aufmerksamkeit Dürer auf diese Dinge verwandte, verraten seine zahlreichen Kostümzeichnungen, in denen Nürnberger Trachten ebenso festgehalten sind wie venezianische oder niederländische, daneben aber auch ländliche Typen — wie „die windische Bäuerin" — oder in fast ethnographischer Weise Türken, Isländerinnen u. a. 2 Dies Interesse regte ihn sogar zu eigener Erfindung an. Einige erhaltene Skizzen sind sicher mit Recht als reine Kostümentwürfe angesprochen worden3, schreibt doch Dürer selbst in seinem niederländischen Tagebuch von einer „Viserung zur Mummerey zu den Focher" und von „z.ween Bogen voll gar schönen Mummerey für den Tomasin" 4 , die er 1521 in Antwerpen gemacht habe. So wird jetzt eine ganz bewußte Kunstform der Kleidung gefordert, Ausdruck eines neuen ästhetischen Bedürfnisses, das ebenso zur Verfeinerung der Geselligkeit, zur Pflege eines neuen Stiles des Gespräches und des Verses geführt hat. E s ist verlockend, in diesem Zusammenhang wenigstens noch den Namen Hans Burgkmair's zu nennen, der auf zwei Federzeichnungen ein getreues Abbild seines Aussehens alsBräutigam und Hochzeiter hinterließ (Bild21). Die Spanne eines Lebens wandelte die naive Freude am schmucken Gefallen zu jenem tiefen Begreifen, das im Selbstporträt (Wien, Kunsthistorisches Museum) nur das Bild der eigenen Vergänglichkeit erkennt. In der Aneignung eines bestimmten Habitus, in der Verschmelzung des singulären Ich mit einem gewollten Erscheinungsbild erfuhr der Individualismus der Renaissance seine äußere Gestaltung. — Gewiß gibt es ein relativ wahres Bild, wenn Macchiavelli noch 1508 in seinem Bericht über Deutschland die Fortdauer verhältnismäßig einfacher und genügsamer Sitten betont: „ S i e bauen nicht, sie machen für Kleider nicht Aufwand, sie verwenden auf Hausgeräte nichts; ihnen genügt, Uberfluß an Brot und Fleisch und eine geheizte Stube zu haben". 5 Eine schnelle Wandlung des Geschmackes vollzog sich aber mit dem Hervortreten einzelner Fürstenhöfe. Vor allem muß hier ein Name genannt werden, der die Physiognomie der Zeit trägt, wie kein zweiter, der des Kaisers Maximilian. Seine Heiraten verknüpften ihn mit der verschwenderischen Pracht des aussterbenden burgundischen Hofes und der vollentfalteten aristokratiechen Kultur Italiens. So vereinigten sich in ihm und dem Umkreis seines Dürers schriftlicher Nachlaß, herausgeg. von K . Lange u. F. Fuhse, Halle a. S. 1893 S. 36, Brief v. 8. 9. 1506. - Lippmann, Nr. 463—65, 187, 459, 408, 373—75. 3 Lippmann, 541—43. 4 Lange-Fuhse a. a. O. S. 148. 5 Zit. bei Dilthey, Weltanschauung und Analyse des Menschen seit Renaissance und Reformation. Gesammelte Schriften II. S. 39. 1

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Hofes die Elemente einer älteren ritterlichen Kultur mit denen des Humanismus. Im „Theuerdank" und „Weißkunig" ließ er in biographischer Form Ereignisse seines Lebens aufzeichnen aus einem Wunsche, der sich aus der gleichen naiven Selbstbetrachtung und Selbstbewunderung ergab wie die frühen Selbstporträts der gleichzeitigen Kunst. Maximilian plante große deutsche Geschichtswerke und gab für die künstlerischen Entwürfe ihrer Buchausschmückung oft selbst genaue Anweisungen, in denen auch die Kleidungen der dargestellten Personen in ihren Einzelheiten vorgeschrieben waren, nicht anders als in der monumentalen Genealogie des Innsbrucker Grabmals der größte Aufwand auf das sinnvolle Gepräge der Kostüme verschwendet ist. Die Regierung in Bayern übernahmen mit dem Beginn des zweiten Jahrzehntes die jungen Herzöge Wilhelm IV. und Ludwig, deren Hofhaltung dem großartigen Beispiel der Habsburger nacheiferte. Die überlegene Machtstellung der Habsburger befestigte die kulturelle Einheit des südlichen Deutschland, dessen Absonderung vom Norden sich nach außen mehr und mehr durch die Vertiefung des religiösen Zwiespaltes dokumentierte; um so mehr förderte die politische Konstellation den künstlerischen Austausch mit dem Süden: Italien, aber auch Spanien, dessen höfische Etikette und Kleidung in der zweiten Jahrhunderthälfte in ganz Europa tonangebend wurde. Nimmt man dazu den kulturellen Aufwand der reichsstädtischen Plutokratie von Augsburg und Nürnberg, so ergibt sich ein einigermaßen abgrenzbarer Bereich süddeutscher Landschaften, in die sich die bedeutendsten Faktoren zusammendrängen. Dieser geographische Bezirk bildet die Grundlage der nachfolgenden kostümgeschichtlichen Untersuchung. Eine äußere Grenzsetzung des gewählten Zeitabschnittes ergibt sich am sinnvollsten mit dem Ablauf der Regierungszeit Maximilians I I . (— 1572) in Österreich und Albrechts V. (— 1579) in Bayern. Die Zeit der religiösen Restauration unterstand kulturell anders gearteten Strömungen.

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QUELLEN Eine kostümgeschichtliche Untersuchung darf sich nicht nur auf die Erforschung der Originale beschränken: literarische Quellen geben Aufschluß über die Entstehung der Kleidungsformen und ihre Bewertung durch das Urteil der Zeitgenossen. Fast noch wertvoller kann es sein, aus der reproduktiven Überlieferung ein Bild zu gewinnen von der Art, wie ein Kostüm getragen wurde, von seiner Gesamterscheinung und seinem geheimen Zusammenhang mit einer bestimmten Umgebung. Die primäre Quelle, die Aussage der Originale wird für die Geschichte des deutschen Kostümes des 16. Jahrhunderts durch den geringen Bestand des Erhaltenen nur zu sehr eingeschränkt. Die Ursache dafür liegt in der natürlichen Vergänglichkeit des Materials, mehr aber noch in der zeitlichen Beschränkung seiner Schätzung durch den schnellen Wechsel der Mode. Beispiele für ein Interesse an älteren Stücken finden sich im 16. Jahrhundert selten und dann nur, soweit diese (wenn auch nur legendär) den Namen bestimmter Persönlichkeiten trugen — im Grunde also ein Vorgang, der durch ähnliche Gefühle motiviert wird, wie die Verehrung der Heiligen der Kirche eine große Zahl historischer Objekte bewahrt hat. So wird z. B. in dem Ficklerschen Inventar der herzoglich bayerischen Kunstkammer von 15981 ein ,,heubl" beschrieben, das dem jungen Herzog von Mailand Gian Galeazzo Maria Sforza Visconti (1476—94) gehört hatte, und das Albrecht V. von Prospero Visconti als Geschenk überreicht worden war2. Ein anderes Beispiel bietet die Ambraser Sammlung, aus der noch heute das Kunsthistorische Museum, Wien „ain rot atlesse altfrenkhische poret" aufbewahrt, von dem es im Inventar 1598 heißt: „Solches poret hat herzog Wilhelmb in Bayrn mit irer fürstlich durchlaucht etc. für ein cramet verspilt" 3 (Bild 2, 3). In den Kunstkammern aber waren exotische Kostüme aus Neuspanien, Tunis, Indien als Raritäten viel beliebter als Denkwürdigkeiten der eigenen Vergangenheit. In der Regel überließ man die älteren Kleidungen ihrem Schicksal. Wie rücksichtslos man dabei sogar mit Objekten verfuhr, an denen die Tradition bedeutendster Namen haftete, zeigt die Auflösung des Nachlasses Karls V. in Madrid 1562, wobei auch die Krönungsinsignien und Staatsgewänder zum Verkauf kamen. Um einen möglichst hohen Gewinn 1

München, Staatsbibliothek. Cod. germ. 2133. Nr. 333.

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Prospero Visconti in Mailand war Ratgeber und Agent der Herzöge. Er berichtet in einem Brief von 1578 diesen Vorgang. Vgl. Simonsfeld, Mailänder Briefe. München 1902. S. 408 u. 518.

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Ambraser Inventar, abgedruckt in Jahrbuch der Kunstsamml. des Allerhöchsten Kaiserhauses (abgekürzt: Jb. A . K . ) , Bd. V I I . 1887. Reg. Nr. 5556. S. CCCIX. — Die mit Seidenschnüren ausgeführten Buchstabenzeichen hat Aug. Loehr (Rechenweisen im X V I . Jahrh. Festschrift Emil von Ottenthals) gedeutet als Zeichen eines Hilfsystems für das Rechnen mit verschiedenen Münzsorten.

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zu erzielen, ließ man von den Goldschmiedearbeiten die Perlen und Steine abnehmen und einzeln verkaufen. Selbst Maximilians I. Kaisermantel mit dem Bilde Karls des Großen in Gold- und Perlenstickerei wurde aufgeteilt, der Stoff verbrannt, um aus seinem Gold- und Silbergewebe noch einen reellen Wert zu gewinnen1. Philipp II. aber erwarb aus diesem Nachlaß nur einige Juwelen, Gemälde, Bücher! Scheiden also die Originale fast ganz aus, so besitzen wir ein wertvolles Zeugnis in schriftlichen Aufzeichnungen welche — von Jahr zu Jahr fortschreitend — den Wechsel der modischen Gewohnheiten für einzelne Personen oder ständische Gruppen in Wort und Bild festhalten. Diese ,,Kleiderbücher" unterscheiden sich nach der Art ihrer Veranlassung und Führung. Am Anfang der für uns wichtigen Quellen steht das Kleiderbuch Herzog Wilhelms IV. in der Staatsbibliothek, München (Cod. germ. 1950), das in diesem Zusammenhang eine ausführlichere Würdigung erfahren soll, da es bislang für die Kostümgeschichte noch nicht verwendet wurde (Bild 22—32). Diese Handschrift enthält 102 kolorierte Federzeichnungen, die in fortlaufender chronologischer Folge einzelne Kostümzeichnungen von Männern darstellen, die sich als Glieder des Hofstaates, Trabanten, Ritter, Jäger und dergleichen zu erkennen geben. Ein paarmal freilich scheint es sogar, als trüge die Modellzeichnung Züge, die der Person des Herzogs selber ähneln. Über jeder Figur steht die Bezeichnung des Jahres, von 1508 bis 1564. Bis 1551 ist jeweils ein begleitender Text beigefügt, der die Verwendung der Kleidung mit knappen Worten meldet und das Jahr mit irgend einem aktuellen Ereignis bezeichnet. Etwa: „Als man zalt 1526 Jar gab mein genediger herr hertzog Wilhelm aus ain sollicher Sumer klaidung vnd zog sein f. g. mit den frauen zimer gen Lantzhuet vnd hatten füll guetz muetz mit jagen auch ristet sich sein fürstlich genadt mit 200 pfertten auf ain Reichs dag gen Speir wartt aber nit vil auss gericht". „Als Man zeit von Christi geburt 1530 Jar haben sich Baide mein genediger fürst und herr Hertzog Wilhelm und Lutewig gebrieder in sollicher klaidung und Rustung geschickt dem groß mechtigen kaisser Karin dem 5 des namens als sein K. M. des erstenmals auf minchen zue kumen ist —2. Es gibt mehrere lose Einzelzeichnungen, die in der gleichen Weise höfische Trachten zeigen und deren begleitender Text sie als Kleidungsanweisung für Personen kennzeichnet, die in irgend einer Verbindung mit dem Hofe standen (Bild 33). Solche illustrierte Kleidungsverordnungen sind wahrscheinlich in der Hofschneiderei (in München in der alten Veste) auf1

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Vgl. Pedro de Madrazo, Über Krönungsinsignien und Staatsgewänder Maximilians I. und Karls V. und ihr Schicksal in Spanien. Jb. A. K. 1889. Bd. IX. S. 446. Eine bildliche Darstellung dieses Einzuges gab Sebald Beham. (M. Geisberg, Der deutsche Einblatt-Holzschnitt. Nr. 292—96.)

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bewahrt worden und man hat diese dann in dem Codex zusammen kopieren lassen. In Maximilians I. Gedenkbuch von 1502 wird ein ähnlicher Vorgang mitgeteilt: „Item Maister Martin sol all mumerei so kgl. mai. je gebraucht hat, in ain buch mallen lassen". 1 Herzog Wilhelms Kleiderbuch ist als Unterlage für Kostümgeschichte gerade deshalb besonders geeignet, weil die systematisch geordneten Zeichnungen in der zweckmäßigen Einfachheit der Modelle alle extremen Divergenzen vermeiden. 2 Für diesen Einblick in die höfische Kostümordnung gibt es eine bürgerliche Parallele in dem „Klaidungsbuechlin" des Augsburgers Mathäus Schwarz (1497—1560), das sich im Museum zu Braunschweig befindet (Bild 36—41). Seine Tätigkeit als Buchhalter bei den Fuggern verleitete ihm wohl dazu, in fast autobiographischer Form Jahr für Jahr seine Kleidungen durch einen Maler aufzeichnen zu lassen, während er selbst in einem kurzen Text die nötigen Erklärungen hinzufügte. 1514 beginnt er damit, versäumt aber nicht sein Unternehmen ,,ab ovo" durchzuführen, indem er ein Bild seiner Mutter vorausschickt mit der erklärenden Unterschrift: ,,Klaitung in meiner Mutter leyb" und „Ich war verborgen im 1496 Jahr". So verfolgen wir ihn in den reizvollsten Genredarstellungen „von Kindesbeinen an", als Schuljungen, als Laufburschen bei Kunz von der Rosen, als Schreiber in Jacob Fuggers Kanzlei, als gesetzten Bürger und zuletzt als Trauernden um Anton Fuggers Tod (1560). In den Uberschriften versagt er sich auch nicht gelegentliche Mitteilungen über die Technik seiner Kleider und die Art des Stoffes. Er motiviert seine Aufzeichnungen damit, daß er sich 1 2

J b . A. K . Bd. I 1883. Reg. Nr. 230. Der Codex w u r d e wohl u m die J a h r h u n d e r t m i t t e angelegt. Bis zu dieser Zeit scheint die D u r c h f ü h r u n g einheitlich. Die künstlerisch nicht b e d e u t e n d e n Zeichnungen sind m i t größter Sorgfalt f ü r die Einzelheiten g e m a c h t , vielleicht von H a n s Ostendorfer, dem Illustrator von Wilhelms IV. Turnierbuch. Die letzten 11 Zeichnungen sind von anderer H a n d flüchtig u n d etwas gröber nachgetragen. Den A u f t r a g gab wohl der Herzog selbst, t r ä g t doch das B u c h die gleichen E i n b a n d s t e m p e l wie sein T u r n i e r b u c h u n d einige seiner Musikhandschriften(vgl. O. Hartig, Die G r ü n d u n g der Münchener H o f b i b l i o t h e k . München 1917, S. 140). Auf dem rückwärtigen Spiegel des E i n b a n d e s h a t B a r b a r a Vischerin, die W i t w e des u m 1579 gestorbenen Hofschneiders S t e f a n Vischer, die auch selbst m a n c h m a l in den H o f z a h l a m t s r e c h n u n g e n f ü r Arbeiten e n t l o h n t wird, ihren N a m e n eingezeichnet, wie den ihres Mannes u n d den des alten Meisters J a c o b s . Von dem Original der Bayer. Staatsbibl. unterscheidet sich n u r geringfügig eine wenige J a h r e spätere Kopie ebenda, Cod. germ. 1951, die selbst n a c h einer j e t z t verschollenen Kopie im Besitz des Klosters Polling angefertigt ist. D a s Pollinger E x e m p l a r ist wohl aber nicht identisch m i t einer vermutlichen Kopie, die sich vor J a h r e n im Münchener K u n s t h a n d e l b e f a n d . I n einem Codex m i t Aufzeichnungen des Münchener Glas- u n d Wappenmalers Siegmund H e b e n s t r e i t (Cod. germ. 1952 der Bayer. Staatsbibl., vgl. K u l t u r des H a n d w e r k s , 1927, S. 246: O. H a r t i g , Aus den Aufzeichnungen des Münchener Glas- und W a p p e n m a l e r s Siegmund Hebenstreit.) sind auf den ersten 13 Seiten die Illustrationen des Hofkleiderbuches mit A u s n a h m e derjenigen der J a h r e 1515—22 abgezeichnet.

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immer für „die Trachtung vnd monier der Kleydungen" interessiert habe. Die Trachten, die vor 30—40 Jahren getragen wurden, hätten ihn „ser wundert und ein seltzam Ding gedaucht: gögen der zu dieser Zeit". Daher ließ er auch das Bild eines Augsburgischen Geschlechtertanzes malen (Berlin, Kupferstichkabinett), bei dem die Tanzreihen die historische Entwicklung der Tracht seit dem späten Mittelalter zeigen. Mathäus Schwarz verkörpert den bürgerlichen Typus seiner Zeit. Seine kritische Beobachtung des Äußeren verließ ihn auch nicht bei seiner Arbeit in der Kanzlei, wo er auf den Rand seiner Akten noch Bemerkungen über das Aussehen der Personen seiner Umgebung notierte 1 . Die eigentliche Triebfeder ist der Stolz auf seine eigene Erscheinung, wie sie Amberger (1542) in einem imposanten Porträt (London, Slg. Hirsch)2 festgehalten hat. Sogar ein Bild des nackten Körpers — von vorn und hinten — fehlt nicht in dem Repertoire des Kleiderbuches und zeigt am treffendsten, zu welchen Konsequenzen diese Selbstbetrachtung bereit war. So entstand eines der anschaulichsten und ergiebigsten Dokumente der Kostümgeschichte. Sein Sohn Veit Konrad Schwarz ahmte das Kleiderbuch des Vaters nach. Er ließ 1561 die Kleider, die er bis dahin getragen hatte, aufzeichnen; jedoch wurde dieser Versuch nicht fortgeführt. Das Buch beschließen Zeichnungen von Maskerade- und Fechtkleidungen (Braunschweig, Museum)3. Eine andere Seite des zivilen Lebens eröffnet das „Memmorjbuch der Klaytung vnnd der visirung zum Himel und zum Fennlein", welches der Augsburger Ratsschreiber Paul Hector Mair 1542 angelegt hat (Augsburg Stadtbibliothek, Bibliothek Stetten 2/228).4 Darin sind nach und nach die losen Musterzeichnungen der Kleidungen aufgeklebt, welche der Rat der Stadt Augsburg für die „Provisoner" und „Einspennigen" — die städtischen Polizeiorgane — ausgegeben hat (Bild 42, 43). Der begleitende Text verzeichnet Farbe und Maße der zugeteilten Stoffe und die Namen der Empfänger. Da das Buch jedoch nur für die kurze Zeitspanne bis 1565 geführt wurde, und auch darin mehrere Jahre übergangen sind, ist sein Wert für die Wiedergabe des Wechsels der Amtstracht nur beschränkt. 5 1

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Freundliche Mitteilung von Herrn Dr. Heinz Fr. Deininger, Fuggerarchiv, Augsburg. — Ein interessantes Gebetbuch des Math. Schwarz veröffentlichte Georg Habich in den „Sitzungsberichte der bayer. Akademie der Wissenschaften", philos.-philol.-hist. Classe 1910, 8. Abhandlung. Abg. Early German Art Exhibition, Burlington Club 1906, Cat. Nr. 21. Eine kritische Edition der beiden Codices ist von Herrn Dr. Wolfgang Bruhn, Lipperheidsche Kostümbibliothek-Berlin zu erwarten. Die Bände haben schon 1786 Aufsehen erregt und wurden damals von Elias Caspar Reichard, Magdeburg, publiziert, der sich folgendermaßen äußerte: „Die Gemälde und Vorstellungen in diesen zwey Büchern sind so schön, so natürlich, so sonderbar, ich möchte fast sagen so Hogarthisch"(!) (S. 1). Eine gesonderte Behandlung dieses Manuskriptes behalte ich mir vor. Paul von Stetten, Kunst und Handwerksgeschichte der Stadt Augsburg II. 1788, berichtet S. 91 aus dem 16. Jahrhundert: „Stadtdiener, wie die der Bürgermeister und die

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Die Aussage dieser Kleiderbücher erfährt eine wertvolle Ergänzung durch die Handwerkstraditionen der Schneider. Die Organisation der Zunft hatte die Ausübung ihrer Kunst in Büchern genau festgelegt. E s wurden von jedem angehenden Meister bestimmte, gleichbleibende technische Kenntnisse gefordert — Maße, Stoffsorten usw. — die in den sogenannten Meisterstückbüchern aufgezeichnet waren zusammen mit den Schnittmustern geistlicher und weltlicher Kleidungen für die Meisterprobe 1 . Der in diesen Büchern niedergelegte Brauch war jedoch nicht von Fall zu Fall aus der Praxis gewonnen, sondern entsprach einer statutenartigen Norm. Wie lange man an diesen Erfordernissen festhielt, zeigen einige Handschriften im Museum Ferdinandeum, Innsbruck. Die früheste von 1501 trägt folgenden Titel: „Hierinnen ist die Verzaichnus der Schneider maister stuckh an der materi", und hat gehört „ J ö r g praun von Innsprugg". Der Band enthält nur einen Text (ohne Zeichnungen), der in dem „Merkbuch des H. Niedermayr d. J . in Innsbruck" von 1544—68 mit Zugabe von Schnittmusterzeichnungen wiederholt wird (Bild44—46). Noch über 100 Jahre später, bei einer Revision der Schneiderprüfung (1691), sind diese Anweisungen und Modellzeichnungen des 16. Jahrhunderts beibehalten. Ebenso bringt ein Meisterbuch der Schneiderzunft zu Schv.abach um 1700 noch die Schnitte der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Als weitere Quellenunterlage muß eine ähnliche Handschrift „Kaysserliche Freyhaitten der schneyder vnd ab Cunderfectur. . . . " Enns 1590 genannt werden, bestehend aus Text und ungewöhnlich sorgfältig gezeichneten Musterschnitten , denen die Kopie einer Kleiderordnung Rudolphs II. von 1579 folgt 2 (Bild 47, 48). Der Wert dieser Zunfttraditionen liegt vor allem in der Aufklärung des Technischen und der damals gebräuchlichen Terminologie. Gewiß besteht die Möglichkeit, daß es im 16. Jahrhundert neben der individuellen Maßanfertigung auch den kaufmännischen Vertrieb fertiger Kostüme oder Kostümteile, eventuell sogar über weite Entfernungen hin, gab 3 . Ein

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Schaarwächter, bekamen eigene (Kleider) mit der Stadtfarbe, weis und grün in breiten Streifen nach burgundischem Schnitte. Auch der Stadt Fußknechte hatten ihre Montierung, die ihnen von der Stadt gegeben worden. Als man im Jahre 1515 zu einem Römerzug 50 solche ausrüstete, kleidete man sie in lindisches und grünes Tuch nach einer Visier, die vorhin davon gemacht worden und zahlte dem Schneider um Macherlohn für ein Kleid 24 Kreutzer, für das Hauptmannskleid aber etwas mehr". So z. B . ein Fürstenkirchgangrock, Tanzrock, Hauskappe, ungarischer Rock, aber auch „Himmel", d. i. Traghimmel und Fahnen. Die Lipperheidsche Kostümbibliothek in Berlin besitzt im Original das Schneiderbuch aus Enns, in Kopie die beiden Innsbrucker Exemplare von 1568 und 1691 wie auch das Schwabacher, dessen Original in der Bibliothek der Europäischen Moden-Akademie zu Dresden liegt. Z. B . verzeichnen die Straßburger Zolltarife Barette und Hosen, die nach der Lombardei geführt werden. Hosen aus samischem Leder wurden von Lübeck nach Venedig verhandelt. (A. Schulte, Geschichte des mittelalterlichen Handels und Verkehrs. Leipzig 1900.

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ähnliches Arbeiten „auf Vorrat" ist j a längst auch für andere Zweige der künstlerischen und gewerblichen Produktion nachgewiesen. Die Einschaltung einer solchen Konfektion bleibt jedoch nur ein Faktor der sozialen Ökonomie. Die aufschlußreichsten Dokumente der Kostümgeschichte des 16. Jahrhunderts konnte Helene Diele für die Sächsische Hofhaltung vorlegen 1 . Sie publizierte eine Reihe Rechnungen der Hofschneiderei aus den Jahren 1469—1573 und ein Konzeptbuch, das der Hofgewandausteiler Hans Posner 1539—58 geführt hat, beides Verzeichnisse, in denen unter Anlage genauester Musterzeichnungen, über Preis und Maß der eingekauften Stoffe und deren Verteilung an die einzelnen Amtspersonen des Hofes Buch geführt wird. Leider existieren für die süddeutschen Höfe derartige spezifizierte Belege nicht mehr in solchem Umfang. Von der bayerischen Hofhaltung haben sich regelmäßig geführte Rechnungen erst seit dem Jahre 1531 erhalten, und auch diese besonders in den ersten Dezennien noch ziemlich lückenhaft. Unter „Hofschneiderei" werden in den Hofzahlamtsrechnungen (München, Kreisarchiv für Oberbayern) im allgemeinen nur die Stoffeinkäufe verzeichnet, seltener die Einkäufe von fertigen Stücken wie z. B. von Baretten. Die Verteilung der Kleider wird nicht aufgeführt, war es aber in dem mehrfach angeführten „nebenliegenden Verzaichnus und Schneiderey Register", das sich nur für einzelne wenige Jahrgänge erhalten hat. Darin werden die sämtlichen Hofbeamten mit Stoffzuweisungen oder Kleidern bedacht, vom fürstlichen Rat herab bis zum Jägerbuben. Ein bis in jede Kleinigkeit erschöpfendes „Claidter-Register" von 1593 mag als Beispiel für ähnliche frühere Register, die verloren gegangen sind, genannt werden 2 . Entsprechende Aufzeichnungen von bürgerlicher Lebenshaltung geben Rechenschafts- und Haushaltsbücher, für deren Anlage das Haushaltsbuch Anton Tuchers in Nürnberg von 1507—1517 das ausführlichste Beispiel ist 3 . Eine ähnliche Aussage läßt sich auch aus Selbstbiographien gewinnen, wie

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I. S. 706). — Über deutsche Männerkleider des 15. Jahrhunderts (die Zaddeltracht) und über die Ausfuhr von Handschuhen und Schuhwerk nach dem Osten: Th. v. InamaSternegg, Deutsche Wirtschaftsgeschichte 1899. III, 2. S. 112. — Vgl. auch Heinrich Bechtel, Wirtschaftsstil des deutschen Spätmittelalters. (München-Leipzig 1930.) S. 131. Zeitschrift für Historische Waffen- und Kostümkunde. NeueFolge Bd. 3. 1930. S.127.— Auch am Mittelrhein scheinen noch umfassende Aufzeichnungen über Hofkleider des 16. Jahrhunderts zu bestehen. Siehe „Curiositäten", Weimar VII 1818. I. Stück S. 57. Abgebildet werden Zeichnungen für Hofkleider; die Originale waren in dem GräflichIsenburg-Büdingischen Archiv. Verzaichnüs Aller dess Durchleuchtigisten . . . Herzog Wilhelmen in Bayern . . . Diener Besoldungen und Claidungen. München, Hauptstaatsarchiv. Fürstensachen 419. II. Herausgegeben von W. Loose: Bibliothek des literarischen Vereins Stuttgart. 134. (1877).

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z. B. aus den Aufzeichnungen des Nürnbergers Hieronymus Köler d. Älteren (1507—1573) 1 . Einen anderen Einblick in die Kostümgewohnheiten des 16. Jahrhunderts eröffnen die Garderobe-Inventare. Sie geben die Beschreibung oder wenigstens die Anzahl der Kleidungsstücke, welche im Besitz einer bestimmten Person sind oder deren Nachlaß ausmachen. 2 Als weitere Quelle sei auf die von Reichstagen, Fürsten und Städten ausgegebenen Luxusgesetze verwiesen, in denen die Kleiderordnungen naturgemäß eine wichtige Stelle einnehmen. In ein ähnliches Verhältnis zur Mode tritt die moralisierende und ironisierende Publizistik, Geiler's von Kaisersberg Predigten, Sebastian Brant's „Narrenschiff", Andreas Musculus' „Vom Hosenteufel" oder Johann Fischart's groteske „Gargantua", eine Reihe von Titeln, die sich beliebig fortsetzen ließ, Schriften wechselnd zwischen ernsthafter Warnung und beißender Verspottung der modischen Absonderlichkeiten. In einem allgemeinen Sinn kann natürlich jedes literarische Produkt der Zeit, jede lokale oder universale Chronik, Reisebeschreibung und dergleichen wichtige Beiträge zu unserem Thema liefern. 3 Eine wahre Fundgrube ist das Tagebuch eines Hofherrn bei „Herzogs Ferdinands, dritter Sohn Albrechts V. von Bayern, im Jahre 1565 unternommene(r) Reise nach Italien" 1 ). Auch die „Zimmerische Chronik" (herausgeg. von Karl August Barach, Freiburg und Tübingen 1881) ist voller Situationsbilder und wird deshalb im folgenden oft herangezogen werden müssen. Ein anderes Beispiel ist etwa Sebastian Franck, der sich in seinem „Wcltbuch-Spiegel" von 1534 als ein aufmerksamer Beobachter der Kostüme erweist, die er in seine Beschreibungen der Sitten der Völker nicht ohne Übertreibungen einflicht. Das starke ethnographische Interesse der Zeit war eifrig im Sammeln der für die einzelnen Nationen charakteristischen Trachten. Das wertvollste 1 2

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Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg. X X X Bd. 1931. S. 214. Außer den im „Jahrbuch der Kunstsammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses" veröffentlichten Habsburgischen Inventaren werden in dieser Arbeit noch folgende Archivalia herangezogen, die bislang noch nicht publiziert sind: Inuentarium vber . . . Hertzog Ott: HainrichsPfalltzgrauen etc. allerlay Claider, guldin vnd Silberin Stuck . . . . (15)54. Bayer. Staatsbibl. Cod. germ. 1966. — Inventari über die hofschneyderey (in München) 1518, und Guarderoba-Inventar des bayerischen Herzogs 1573, Geheimes Hausarchiv, München. Akt. Nr. 1712, Litr. C. und E. Fase. II. — Mehrere Garderobe-Inventare der Fugger im Fugger-Archiv zu Augsburg, so ein Protokoll von 1577, ein Erbschaftsverzeichnis von 1579, ein Inventar vom Schloß Obendorf von ca. 1590—1600. — Einzelnachweise aus diesen Quellen hoffe ich an anderem Ort veröffentlichen zu können. Charakteristisch für die zeitgenössische Berichterstattung sind vor allem die bei Kurt Enke, „Deutsche höfische Festlichkeiten um die Wende des X V . Jahrhunderts" zusammengestellten Quellen. (Dissertation München 1924). Von Freyberg, Samml. Historischer Schriften und Urkunden IV. Stuttgart-Tübingen 1834. (Siehe vor allem die Seiten 303, 317, 341).

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Zeugnis dessen ist wohl das Trachtenbuch von Christoph Weiditz 1 , der auf seinen Reisen nach Spanien und den Niederlanden 1529 und 31/32 ein umfangreiches Material gesammelt hat, das er für andere Länder durch Vorlagen ergänzte. Diese „Nationbücher" „allerlay Völker, klaidung oder Trachten" fanden eine lebhafte Aufnahme, die jedoch sofort bereit war, die aufgezeichneten Bilder und Berichte ins Romantische zu verwandeln 2 . So entstand jenes Völkchen der Leute von „America, India, Guinea, Arabia, Bambolonia", welche die Holzschnittillustrationen der Bücher und Einzelblätter füllen. In J o s t Amman's Trachtenbüchern versiegt diese humorvolle Phantasie, ohne daß seine trocken-sachliche Reproduktion dem objektiven Werte besser gerecht würde. Um die Mitte des Jahrhunderts gab Enea Vico Kupferstichserien heraus mit Kostümdarstellungen von „verschiedenen spanischen Provinzen" (Bartsch 134—203) und solchen „verschiedener Nationen" (B. 204—232), welche teilweise die Vorlage gaben für die Illustrationen des ältesten gedruckten Kostümwerkes „Recueil de la diversité des habits, qui sont de présent en usage tant en pays d'Europe, Asie, Affrique et Isles sauvages" (Paris 1562), wie für Bertelli: „Omnium fere gentium nostrae aetatis habitus, numquam ante hac aediti" (Venedig 1563) 3 . Für die Trachtenbücher des 16. Jahrhunderts ist eine Universalität kennzeichnend, die erst in der Spätzeit des Jahrhunderts einer Spezialisierung auf geschlossene Stadtgebiete weicht, deren Kostüme dann aber nach Zweck und ständischer Ordnung unterschieden dargestellt werden. Aus der Spätzeit des 16. Jahrhunderts haben sich in Bibliotheken und Museen zahlreiche „Kleiderbücher" und „Stammbücher" erhalten, die aber großenteils auf gemeinsame gedruckte Vorlagen zurückgehen und deshalb von geringem Werte sind. Auch die gedruckten Kostümbücher geben j a nur den jeweiligen singulären Zustand und kein Bild der Entwicklung. Häufen die archivalischen und literarischen Quellen auch Angabe auf Angabe, so bleibt es doch den künstlerischen Uberlieferungen überlassen, 1 2

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Herausgegeben von Theodor Hampe. Berlin-Leipzig 1927. Pfalzgxaf Ott Heinrich besaß in seiner Bibliothek „Ain gerissen illuminiertes buechlein von weibs und mansbildern, wie sie geklaidt gehn, auch sonst ihr thuen und manier sei, in allerlai lendern . . . ao 1528" (Rott, Ott Heinrich und die Kunst. 1905, S. 213) und Fickler verzeichnet im Inventar der bayerischen Kunstkammer (Bayer. Staatsbibl. Cod. germ. 2133) unter Nr. 82 „Ain Nationbuech allerlay Völckher, Klaidung oder Trachten . . . Illuminiert . . . . De anno 1553", beides Handschriften, die scheinbar einen ähnlichen Inhalt wie Weiditz' Trachtenbuch hatten. Hampe findet in dem berühmten Heldt'schen Trachtenbuch (Lipperheidsche Kostümbibl., Berlin) von 1560—80 mehrere Darstellungen von Weiditz wiederholt, was auch im Cod. iconogr. 342 (Bayer. Staatsbibliothek) der Fall ist. Vgl. H. Doege, Die Trachtenbücher des 16. Jahrhunderts. Beiträge zur Bücherkunde und Philologie, Aug. Wilmans gewidmet. Leipzig 1903.

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uns ein wahrnehmbares Bild des Lebens zu geben. Die künstlerische Erfassung des Objektes drängt zu einer gewissen Abstimmung der gegenständlichen Werte. Form und Farbe unterstehen in der Wiedergabe einem neuen Gesetz. Gleichwohl bleibt das Motivische greifbar, erst recht in einer Kunst wie der des 16. Jahrhunderts, in der gerade die Wiedergabe des Wirklichen eine hervorragende künstlerische Forderung war. Werden also die künstlerischen Darstellungen für unseren Zweck nur mit einer vorsichtigen Kritik zu verwerten sein — deren Hilfsmittel eben gerade die Quellenkunde liefert — so wird hier doch etwas ganz Besonderes faßbar: die bildhafte Präzisierung des Gegenständlichen und seine Erscheinung für das Auge der Zeitgenossen.

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KATEGORIEN

DER

KLEIDUNG

Der stärkste Antrieb zu modischer Neuerung ergab sich für die Kreise, auf die sich gemäß der gesellschaftlichen Gliederung die geistigen Bedingungen und ökonomischen Mittel konzentrierten. Das waren die regierenden Höfe und die vermögendsten Geschlechter der Reichsstädtischen Bürger. In diesem Kreis entstand die neue Mode, dort entfalteten sich die Formen der Lebenshaltung, die dann den anderen Ständen als Vorbild erschienen. Der Nachahmung waren durch Unterschiede in Bildung und Vermögen Grenzen gezogen, doch blieb der geheime Reiz sich auszuzeichnen ein ständiger Ansporn, die Trennungslinien zwischen den Ständen zu überbrücken oder zu verschieben. Diese Gefahr drohte vor allem in einer Zeit, in der sich in der Hand der großen Kaufleute mehr Geld befand als im Säckel der Fürsten. Gegen solche Bestrebungen und überhandnehmenden Luxus wurden Kleiderordnungen erlassen, ebenso wie gegen die Sittenverderbnis „unordentlicher Kleidung". Dabei folgten die landschaftlichen und kommunalen Körperschaften den entsprechenden Reichstagsbeschlüssen. Aus dem J a h r 1470 findet sich im Münchener Hauptstaatsarchiv (Staatsverwaltung Nr. 2306) eine Kleiderordnung für Männer und Weiber zu Landshut; Reichstagsberatungen über dies Thema fanden 1497 in Lindau statt. 1500 erläßt der Augsburger Reichstag bindende Beschlüsse, deren Bestimmungen auf den Reichstagen 1530 und 1548 erneuert, d. h. dem Bedürfnis der fortschreitenden sozialen und modischen Entwicklung angepaßt werden. Der nachdrücklich ausgesprochene Zweck dieser Maßnahmen war die Kennzeichnung der einzelnen Stände 1 . Die drei weltliche Stände wurden oft in mehrere „ G r a d e " eingeteilt; diese Abstufung der ständischen Gebräuche waren an der jeweiligen Distanzierung vom Hofe gemessen. Das begründet die maßgebende Bedeutung der h ö f i s c h e n Kleidung im 16. Jahrhundert. Die Tracht der niederen Volksschichten kann für die Untersuchung unseres Themas fast ganz ausscheiden, da sie nicht aus einer fortgesetzten Entwicklung gewonnen ist, sondern in älterem Brauch die Forderungen des Notwendigen erfüllt. Als Beispiel sei auf die „neue Kaiserliche Ordnung und Reformation guter Polizei im heiligen Römischen Reiche" des Augsburger Reichstages von 1530 (bzw. 1548) verwiesen, welche gegeben wurde, da durch „die Köstlichkeit der Kleidung ein überschwenglich Geld aus Teutscher 1

Vgl. H. Wopfner, Die Lage Tirols zu Ausgang des Mittelalters. S. 149. — Ausländer müßten sich bei längerer Dauer ihres Aufenthaltes den lokalen Vorschriften fügen; vgl. Hampe, Nürnberger Ratsverlässe I. 4189. 1568: „Jeronimusen de Albani von Mailanndt supplication umb nachlasung der straf von seinen ploderhosen sol man uf sein erpieten das er sich der hieigen Ordnung gemes hinfüro erzaigen woll, wilfarn".

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Nation geführt (!) . . . auch Neid, Haß und Unwillen zu Abbruch Christlicher Liebe erweckt" wurde und „damit unter den Fürsten und Graffen, Graffen und Edelmann . . . . Unterschied erkannt werden mag." 1 Da die Nachahmungen von Neuerungen am meisten zu einer Verwischung der Unterschiede verleiteten, richteten sich die Kleiderordnungen vor allem gegen modische Extreme. 1470 waren es die Schnabelschuhe 2 , 1485 die gestickten Hemdkragen 3 , 1530 die zerschnittenen Kleider, 1559 die langen Pluderhosen4, und gegen Ende des Jahrhunderts und am Anfang des 17. war besonders die große Krause („die Kräs") mit Spitzen, Gegenstand des Verbotes5. Ferner bot sich die Verschiedenheit der Stoffe am meisten an zu einer Klassifizierung ihrer Träger. Stoffe, die dem Bauer nur als Verbrämung erlaubt waren, durften Bürger zur Verfertigung des ganzen Wamses verwenden. Grafen und Herren „sollen khain gantz gülden noch silbern Stuck tragen, sondern sich zu Unterschied der Fürsten derselben enthalten"; nur als Verbrämung durften auch sie die kostbarsten Stoffe benützen 6 . Zu einer gesetzlichen Ordnung der Kleidung führten aber auch nationalökonomische Überlegungen. Die Einfuhr von kostbaren Materialien durch den Handel aus dem Ausland gefährdete das heimische Handwerk. Diese Begründung führte z. B. 1498 im Freiburger Reichstagsabschied dazu, daß den Handwerksleuten und Knechten geboten wurde, für Röcke und Mäntel nur inländische Tucharten zu verwenden. Vor allem flandrische und englische Waren bedeuteten eine gefährliche Konkurrenz 7 . Aber auch davon abgesehen galt die neue modische Kleidung als etwas Fremdländisches. Mehrmals lesen wir in der „Zimmerischen Chronik" die Warnung vor der „frömbden claidung, das ain anzaig ains unstandthaften, leichtfertigen gemueths" sei, während die noch aus dem vorausgehenden Jahrhundert überkommene Kleidungsart „altfrenkisch" genannt wird 8 . Eine Sonderstellung in der zivilen Kleidung nehmen ferner Trauerkleider ein, deren Symbolik von dem Wandel der Entwicklung nicht so 1 2 3 4

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Sammlung der Reichsabschiede. Frankfurt (E. A. Koch) 1747. S. 322. Kleiderordnung. Landshut 1470. Vgl. Gemeiner: „Regensburgische Chronik". Regensburg 1821. III. S. 679. „Mandat der langen Ploderhosen, Gewachtlnstifl, hohen hiet, fliegende Pinten der kappen die vor und hindn abhangen, vnd hartzkappen halb". München 1559. München, Hauptstaatsarchiv, Staatsverwaltung 2306. „Auffgerichte Satz und Ordnung von unnotwendiger vberflüssiger Köstlichkeit der Kleider und wie dieselbe hinfüran in dem Fürstenthumb und Landen Obern und Nidern Bayrn etc. eingezogen werden soll". 1626 München, Hauptstaatsarchiv. Staatsverwaltung 2306. Kleiderordnung aus der Polizeiordnung Ferdinands I. 1542. Publiziert von Hormayr, W i e n s Geschichte. Wien 1824. Bd. I, 5. Urkundenbuch, S. C C X X X I V . Inama-Sternegg, a. a. O. IV. S. 333 (nach Schmoller, die Straßburger Tucher- und Weberzunft. Straßburg 1879. S. 507). — H. Wopfner, a. a. 0 . S. 149. a. a. 0 . I, S. 482 und 478. 2

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sehr berührt wird. Ähnlich peripher verhalten sich die Mummereien (Fastnachtskostüme), deren Brauch speziell untersucht werden müßte. Die Analyse wird diese Abzweigungen deshalb ohne Schaden vernachlässigen dürfen. — Besondere Bestimmungen galten für die Kleidung und Kennzeichnung der Juden, denen vorgeschrieben war, daß sie „einen gelben Ring an dem Rock oder Kappen allenthalben unverborgen zu ihrer Erkenntnis öffentlich tragen" 1 . Neben die zivilen Kleidungen treten die verschiedenen einheitlichen Standes- und Amtstrachten: die fürstlichen Ornate und Ordenskleider, die Kostüme der Ratsherren, Doktoren, Studenten usw. und daneben die ausgesprochenen Beamten trachten, das sind Hofkleider und städtische Livreen. Die uniformen Standeskleidungen bewahren eine traditionelle Form, die nur in geringfügigen äußerlichen Veränderungen dem Wandel der Mode folgt. Die Beamtenkleidungen dagegen entsprechen im 16. Jahrhundert im großen und ganzen den zivilen Kostümen und werden von diesen nur durch eine bestimmte Farbgebung oder ein anderes Abzeichen unterschieden (vgl. S. 10). Eine uniforme Kleidung wurde auch des öfteren bei Festen oder anderen feierlichen Gelegenheiten einheitlich durchgeführt, wie wir es aus unzähligen literarischen Uberlieferungen erfahren. So war nach einem Bericht bei einem Einzug in Wien 1515 der bayerische Hofstaat in „eitel Leberfarb" gekleidet 2 oder in Rot beim Einzug Karls V. in München 1530. — Das sind Angaben, die auch mit den jeweiligen Musterzeichnungen im „Hofkleiderbuch" übereinstimmen. Die Verleihung der Hoftracht wurde zusammen mit dem Sold im „Bestellbrief" festgesetzt. 3 Außerdem konnte ein Abzeichen an der Schulter die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Hofe oder zur Organisation einer Stadt angeben. Dieser Brauch, der schon in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts auftauchte, war in der Frühzeit des 16. Jahrhunderts besonders beliebt, da er eine Möglichkeit bot, die allgemein üblichen Devisen öffentlich zu zeigen. So trugen z. B. Herzog Wilhelms IV. Leute seinen Leibspruch: M(ein) H(erz) G(anz) D(ein) E(igen) an der Schulter appliziert, wie er ähnlich auf der Bandinschrift seines Wappens und dem seiner Gemahlin formuliert ist (Bild 28). Meistens aber bestehen diese Abzeichen aus ornamentalen Streifen in den Wappenfarben, wie es z. B. das Augsburger „Memorjbuch der Klaytung" für die Ratsorgane vorschreibt (Bild 42, 43). 1 2

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Kleiderordnung des Augsburger Reichstages. 1530. J . Heilmann, Kriegsgeschichte von Bayern, Franken, Pfalz und Schwaben. München 1868. S. 349. Vgl. O. Hartig, Münchener Künstler und Kunstsachen II. Nr. 550 und 583. (Münchener Jahrbuch für bildende Kunst. 1930. S. 338). Auch Künstlern wurde diese Kleidung verliehen. — Paul v. Stetten bemerkt a. a. O. S. 85, daß die Augsburger Dienstleute 1455 durch eine „Raths-Erkenntniss" angewiesen wurden, ihre „Hofgewandt nicht zu verkaufen oder zu versetzen, sondern stetigs zu tragen der Stadt ze Eren als angesetzen ist."

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Daß aber die ausgegebenen Kleidungen nicht immer gern getragen wurden, läßt ein Dekret Wilhelms Y. von 1591 erkennen 1 , der seinen Musikern streng befiehlt, in ihren ,,Jars-Klaidern" in der „fürstlichen Capellen zu dienen", und wer seine „klaider verandern wurde, der soll darumben gebürlich gestrafft werden". Etwas Ähnliches erfährt man aus den Beschlüssen des Tübinger Universitätssenates, der während des ganzen 16. Jahrhunderts einen ständigen Kampf gegen die Übertretung der Kleidungsgebote durch die Studenten führt 2 . Eine schematische Uniformierung in der Art der neuzeitlichen Militärkleidung gab es aber im 16. Jahrhundert überhaupt noch nicht. Im Gegenteil: den Landsknechten war es ausdrücklich gestattet, sich zu kleiden wie sie wollten. Die Ritterrüstung indessen verlor im 16. Jahrhundert ihre sachliche Bedeutung, sie wurde mehr und mehr ein Prunkstück und erfüllte so bei gewissen Feierlichkeiten die Funktion der Kleidung. Der Vorgang, der sich damit vollzieht, folgt der umgekehrten Tendenz wie im 15. Jahrhundert, in dem, wie Paul Post gezeigt hat 3 , die Typen der zivilen Kleidung unter der Vorherrschaft der Rüstung standen. Jetzt aber nimmt die Rüstung die stofflich weichen Formen der Kleidung an, die männliche Gestalt tritt selbst in Erscheinung und nicht, mehr die abstrakte metallische Härte der Wehr. Die gepufften Ärmel z. B. wurden im Metall der Rüstung nachgeahmt, während in die metallene Oberfläche die Muster von Stoffen und Stickereien dekorativ eingraviert wurden (Bild 15, 16). E s müßte wohl möglich sein, die männliche und weibliche Kleidung in ihrer gegenseitigen Haltung abzuwägen und gewisse formale Beziehungen zu erkennen. Es überrascht vielleicht, daß sich die modischen Veränderungen des Frauenkostüms vergleichsweise langsamer vollzogen, während die Männer auch von Geiler von Kaisersberg als „nerrischer als die wiber" geschildert werden und Conrad Celtis ihnen den Eifer in der Übernahme fremder Moden vorwirft. In den Wandlungen von Form und Farbe folgen gewiß beide Kostümgattungen den gleichen Tendenzen, doch zwingt die vorausgesetzte physische und psychische Unterscheidung zu einer Sonderung der Untersuchung, die erst in ihrem Fazit den Sinn der Entsprechungen deuten könnte. Die materielle und stilistische Untersuchung erfährt daher keine Beeinträchtigung, wenn die notwendige Begrenzung des Umfanges der Arbeit zu einer Beschränkung auf die Geschichte der männlichen Kleidung im 16. Jahrhundert zwingt. 1 2

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München, Hauptstaatsarchiv. Fürstensachen. 419' und 422 d . Vgl. R. von Mohl, Sitten und Betragen des Tübinger Studierenden während des 16. Jahrhunderts. Tübingen 1871. P. Post, Die französisch-niederländische Männertracht. S. 26 u. 64.

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A N A L Y S E Um in der Bewertung des historischen Gesamtvorganges nicht zu irren, wird es nötig sein, zunächst die einzelnen Kostümteile in den Hauptmomenten ihrer Entwicklung (innerhalb des Jahrhunderts) zu beobachten. Die gewählte chronologische Systematik ist naturgemäß nur darin schematisch, daß sie das Gerüst einer zeitlichen Folge liefern will. Das Leben kennt diese Einschnitte nicht. Es wird unter bestimmten Umständen auch möglich sein, den Fortbestand einer Form über die angegebene Grenze hinaus zu verfolgen. Was abgemessen werden kann, ist eine primäre Geltung, deren Bedingtheit das vorhergehende Kapitel geliefert hat. Ein retardierendes Element kann schon aus dem Eigensinn des Einzelnen kommen, aus den graduellen Unterschieden in Elastizität und Temperament. Ein Beispiel gibt Montaigne, der 1588 schreibt: „François accoustumez â nous biguarrer (non pas moy, car ie m'habille guire que de noir ou de blanc, â l'imitation de mon père)" 1 . Es muß betont werden, daß gerade diese persönlichen Varianten im 16. Jahrhundert offenbar nicht geringer waren als im 20. Jahrhundert. Nicht anders die Verschiedenheiten in der Reaktion der einzelnen Altersstufen, wofür ein Porträt von Abraham del Hei (1565; Augsburg, Max.-Mus.) zeugt, das den 71jährigen Adolfus Occo sen. mit einem viereckigen Vollbart zeigt, wie er in den 20er Jahren getragen wurde. Soweit es möglich ist, sollen bei der Untersuchung die ursprünglichen termini technici verwendet werden. Diese sind aber so reichhaltig an Synonymen (z. T. durch die Unterschiede der einzelnen Landschaften bedingt), daß es gefährlich sein kann, zu viel Gewicht auf die verschiedenen Benennungen zu legen. Ich habe von diesen nur heute noch verständliche Bezeichnungen benützt und werde dann am Schluß jedes Abschnittes die weiteren damals gebräuchlichen Ausdrücke für das betreffende Kleidungsstück angeben. Die Männerkleidung bestand ja im 16. Jahrhundert aus den gleichen Hauptteilen wie heute. Sie werden etwa in folgender Reihe angelegt: Hemd, Wams, Hosen (durch Nesteln am Wams befestigt). Dann folgt die Schaube, die im Laufe des Jahrhunderts durch den Rock ersetzt wird, dazu als Überkleidung ein Mantel oder Umhang. Endlich die verschiedenen Arten von Kopfbedeckungen und Fußbekleidungen und Zutaten wie Handschuhe, Taschentuch usw. Die folgende Analyse wird jedoch in der Reihung der natürlichen Gewohnheit der Personalbeschreibung folgen. 1

Les essais de Michel de Montaigne. Premier Livre, Chap. X X V I : De l'usage de se vestir. Publiés par F. Strowski. Bordeaux 1906—20. Bd. I. S. 295. — Vgl. ferner über die Kleidung eines Sonderlings auf dem Augsburger Reichstag 1530 die „Zimmerische Chronik" a. a. O. II. S. 257.

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H A A R - UND B A R T T R A C H T Im späten 15. Jahrhundert unterschied sich die Haartracht von jungen und älteren Männern. Während die jüngeren ihr Haar in der Mitte gescheitelt, lang bis auf die Schultern herabhängen ließen, steckten die älteren das Haar, das sie ebenfalls ungeschnitten trugen, meist in die Haube. Dieser Unterschied herrscht auch noch im ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts. In feinen Locken fällt das lange Haar herab; die blonde Farbe war besonders beliebt und Sebastian Brant berichtet im „Narrenschiff" von Methoden, das Haar zu „gelben", während Geiler von Kaisersberg sagt, daß sie „das Haar ziern, gäl, krausschlecht und lang machen". Dieser Geschmack kam wohl von Italien 1 . Aus praktischen Gründen aber trugen Kriegsleute und Bauern ihr Haar kurz geschnitten, was sich während des ganzen Jahrhunderts nicht änderte. Im zweiten Jahrzehnt pflegt man das Haar kürzer zu schneiden2, nur bis in die Höhe des Kinns, während das Stirnhaar gerade über den Augenbrauen endet. Dieser sogenannte „Kolbenschnitt" bleibt durch mehrere Jahrzehnte hindurch beliebt, zunehmend kürzer geschnitten bis etwa am Anfang der vierziger Jahre die untere Hälfte des Ohres sichtbar wird und das Stirnhaar oft nur noch zwei Zentimeter lang ist. Der Kolbenschnitt ist für Deutschland charakteristisch; in Frankreich, wie in Italien trägt man ebenfalls das halblange Haar, aber von den Augenbrauen bis zum Ohr wird es in einem weicheren Umriß geschoren. Wenn man das Haar in der Haube eingesteckt trug, so wurde es um die Jahrhundertwende noch so gelegt, daß die Partie des Hinterkopfes größer erscheint (vielleicht war die Haube auch in irgend einer Weise ausgestopft, um die längliche Form noch deutlicher zu betonen). In den ersten zwei Jahrzehnten aber war es gebräuchlich, das Haar zusammengedreht und wulstartig über die Stirn zu legen, wodurch die Kopfform en face sehr schmal und lang, im Profil aber sehr flach wirkte. Dann kam von Spanien in den dreißiger Jahren die Mode, das Haar ganz kurz geschnitten und ungescheitelt zu tragen. Diese Frisur bleibt von der Jahrhundertmitte bis ins 17. Jahrhundert hinein die einzig herrschende, anfangs glatt nach vorn gekämmt, dann etwa von 1570 an von der Stirne weg etwas hochstehend zurückgestrichen. In den B a r t f o r m e n zeigt sich die Individualität stärker als in den Haartrachten. Man kann gleichzeitig verschiedene Formen nebeneinander beobachten. In der Frühzeit des Jahrhunderts findet man den Bart nur 1

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Vgl. Pietro Aretino, Letteri, Paris 1609. III Bl. 157. Beschreibung wie die venetianische Dame ihr Haar färbt. Paul v. Stetten, Geschichte der heil. Rom. Reichs Freyen Stadt Augsburg. Frankfurt und Leipzig 1743. S. 257.

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selten. Zu dem Kolbenschnitt bevorzugte man das glattrasierte Kinn; wurde jedoch ein Bart getragen, so war es ein kurzer, eckig geschnittener Vollbart, dessen gerader Umriß dem des Kolbenschnittes entsprach. Dieser viereckige Bart erhielt in den zwanziger Jahren eine typische Form, die ich in Frankreich, Spanien und Italien nicht wiederfinde, die dagegen über Sachsen auch nach Skandinavien gekommen ist. Man ließ den Umriß seitlich etwas schräg nach auswärts schneiden, wobei die horizontale untere Linie durch einen einwärts gegen das Kinn zielenden stumpfen Winkel oder einen entsprechenden Segmentbogen ersetzt wurde. Nur wenige Jahre, ca. 1512—1520, herrschte die Mode, das Gesicht zwar glatt zu rasieren, es aber von den Ohren unter dem Kinn weg durch einen halblang geschorenen Bartstreifen einzurahmen, gegen den der feste Umriß des Kinnes sich scharf abzeichnete 1 (Bild 49). Neben dem viereckigen Bart wurde auch noch ein abgerundet geschorener Vollbart getragen und zwar im zweiten Jahrzehnt und später nochmals um die Jahrhundertmitte. Er wurde von älteren Männern bevorzugt, jüngere trugen kleinere Lippen- und Kinnbärtchen, oft spitzig zweigeteilt, in ihrer präzisen Form dem sehr kurzen Kolbenschnitt ebenso entsprechend wie mit dem ganz kurz geschnittenen Haar übereinstimmend. Diese letztere Bartform wird besonders von 1520 an getragen und vergrößert sich gegen die Jahrhundertmitte zu einem Vollbart. Um diese Zeit kommt dann auch von Italien her der sehr lange, zweigeteilte spitze Kinnbart in Mode, etwa in der Zeit von 1545—1560 getragen. Dem folgte als neue Barttracht der ganz zugespitzte kurze Vollbart mit dem zunächst noch kleinen Lippenbart. KOPFBEDECKUNG In der Wolfenbütteler Bibliothek befindet sich zusammengebunden mit anderen Archivalien, die alle in Verbindung mit Kaiser Maximilian I. stehen, ein Teil eines Garderobeinventars, das man nach dem Schriftcharakter etwa in die Mitte des Jahrhunderts datieren würde. Diese Liste ist von besonderem Interesse, weil sie in fünf Abschnitten die verschiedensten Arten von Kopfbedeckung oder Kopfputz aufzählt. Die hier zusammengestellten Bezeichnungen2 geben eine gute Vorstellung von der unge1

2

Hans Baidung Grien, Zeichnung. Berlin. Kupferstichkabinett. Dat. 1512. — Kulmbach, Kasimir von Brandenburg, Alte Pinakothek. Dat. 1515. — Sog. Petrarca Meister, Männerporträt, Stuttgart. Herzog August Bibliothek, 21.2. Aug. 2. Kranntz — Birret — Kappen — huet — hauben. Nun folgen Varianten, wie z. B.: Widen krenntzlin, krantz von Lawbwerch , hohe frantzosische birret, nidere frantzösische birret, birret auf Ennglisch vnd portugalisch monier , swäbisch kappen, narren kapplin , Cramerische huetlin mit spitzen, doctorisch huetl, Juden huet — —, swäbisch hawben, als man die vor alt getragen hat .

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selten. Zu dem Kolbenschnitt bevorzugte man das glattrasierte Kinn; wurde jedoch ein Bart getragen, so war es ein kurzer, eckig geschnittener Vollbart, dessen gerader Umriß dem des Kolbenschnittes entsprach. Dieser viereckige Bart erhielt in den zwanziger Jahren eine typische Form, die ich in Frankreich, Spanien und Italien nicht wiederfinde, die dagegen über Sachsen auch nach Skandinavien gekommen ist. Man ließ den Umriß seitlich etwas schräg nach auswärts schneiden, wobei die horizontale untere Linie durch einen einwärts gegen das Kinn zielenden stumpfen Winkel oder einen entsprechenden Segmentbogen ersetzt wurde. Nur wenige Jahre, ca. 1512—1520, herrschte die Mode, das Gesicht zwar glatt zu rasieren, es aber von den Ohren unter dem Kinn weg durch einen halblang geschorenen Bartstreifen einzurahmen, gegen den der feste Umriß des Kinnes sich scharf abzeichnete 1 (Bild 49). Neben dem viereckigen Bart wurde auch noch ein abgerundet geschorener Vollbart getragen und zwar im zweiten Jahrzehnt und später nochmals um die Jahrhundertmitte. Er wurde von älteren Männern bevorzugt, jüngere trugen kleinere Lippen- und Kinnbärtchen, oft spitzig zweigeteilt, in ihrer präzisen Form dem sehr kurzen Kolbenschnitt ebenso entsprechend wie mit dem ganz kurz geschnittenen Haar übereinstimmend. Diese letztere Bartform wird besonders von 1520 an getragen und vergrößert sich gegen die Jahrhundertmitte zu einem Vollbart. Um diese Zeit kommt dann auch von Italien her der sehr lange, zweigeteilte spitze Kinnbart in Mode, etwa in der Zeit von 1545—1560 getragen. Dem folgte als neue Barttracht der ganz zugespitzte kurze Vollbart mit dem zunächst noch kleinen Lippenbart. KOPFBEDECKUNG In der Wolfenbütteler Bibliothek befindet sich zusammengebunden mit anderen Archivalien, die alle in Verbindung mit Kaiser Maximilian I. stehen, ein Teil eines Garderobeinventars, das man nach dem Schriftcharakter etwa in die Mitte des Jahrhunderts datieren würde. Diese Liste ist von besonderem Interesse, weil sie in fünf Abschnitten die verschiedensten Arten von Kopfbedeckung oder Kopfputz aufzählt. Die hier zusammengestellten Bezeichnungen2 geben eine gute Vorstellung von der unge1

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Hans Baidung Grien, Zeichnung. Berlin. Kupferstichkabinett. Dat. 1512. — Kulmbach, Kasimir von Brandenburg, Alte Pinakothek. Dat. 1515. — Sog. Petrarca Meister, Männerporträt, Stuttgart. Herzog August Bibliothek, 21.2. Aug. 2. Kranntz — Birret — Kappen — huet — hauben. Nun folgen Varianten, wie z. B.: Widen krenntzlin, krantz von Lawbwerch , hohe frantzosische birret, nidere frantzösische birret, birret auf Ennglisch vnd portugalisch monier , swäbisch kappen, narren kapplin , Cramerische huetlin mit spitzen, doctorisch huetl, Juden huet — —, swäbisch hawben, als man die vor alt getragen hat .

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U m 1500. M. Z a i s i n g e r

1502. H a n s H o l b e i n d. Ä.

1528. E r h a r d

Schoen

h e u r e n Menge der möglichen Unterscheidungen. E s ist jedoch nicht möglich, f ü r alle diese oft n a c h N a t i o n a l i t ä t e n geschiedenen B e n e n n u n g e n die bildliche F o r m festzustellen. Hauben Die H a u b e n waren von verschiedenartigem Material, a m h ä u f i g s t e n n e t z a r t i g aus Gold-, Silber- oder Seidenschnüren gefertigt über farbigem F u t t e r . Die Stoffalten, welche sich durch den ovalen Schnitt notwendig bilden m u ß t e n , w u r d e n nicht auf die ganze K o p f w e i t e verteilt, sondern vorne an der Stirne gesammelt u n d oft mit einem S c h m u c k s t ü c k zusammengehalten. Diese H a u b e t r u g n u r der erwachsene M a n n ; M a t t h ä u s Schwarz z. B. stellt fest, d a ß er im Alter von 26 J a h r e n diesen B r a u c h begonnen h a b e . Man e m p f a n d diese H a u b e so sehr als Zubehör des Haarschmuckes, d a ß m a n ü b e r ihr noch andere K o p f b e d e c k u n g e n , etwa das B a r e t t , t r u g . N a c h 1530 w u r d e sie nicht m e h r von Männern, sondern n u r noch von F r a u e n verwendet. Gugel oder

Kappe

E i n e schon seit J a h r h u n d e r t e n gebrauchte K o p f b e d e c k u n g war die Gugel oder K a p p e . Sie sollte B r u s t , Nacken u n d Schultern gegen die W i t t e r u n g schützen. I m 16. J a h r h u n d e r t wurde sie stets m i t einem enganliegenden K o p f t e i l gebildet, w ä h r e n d der K r a g e n an den Schultern aufgeschlitzt u n d auf der Vorder- u n d Rückseite kreisförmig oder eckig ausgeschnitten war u n d oft a m R a n d m i t F r a n s e n besetzt, die bei H o f b e a m t e n die F a r b e des Souveräns zeigten (Bild 23). D e n Kopfteil k o n n t e m a n auch herabstreifen. E r lag d a n n in F a l t e n auf den Schultern. Da diese K a p p e ein ausgesprochenes Schutzstück war, wurde sie bis tief in das J a h r h u n d e r t hinein f ü r Reisen u n d J a g d bevorzugt. Vielleicht ein R u d i m e n t dieser K a p p e ist die ganz enganliegende Mütze m i t Ohrlappen, wie sie im H o f k l e i d e r b u c h m e h r m a l s gerade dort a u f t r i t t , wo m a n eigentlich die K a p p e erwarten sollte. Diese Mütze w u r d e auch m i t 23

einer Reihe von Schlitzen a n der K a n t e verziert. Als die H a u b e nicht m e h r in Mode war u n d m a n k u r z e H a a r e t r u g , t r a t diese M ü t z e n f o r m a n deren Stelle. Gerade ältere M ä n n e r scheinen sie als H a u s k a p p e b e n u t z t zu h a b e n . Vereinzelt sieht m a n noch auf Bildern u n d Zeichnungen aus der F r ü h z e i t des 16. J a h r h u n d e r t s die Mütze, deren langes Kopfteil mit F r a n s e n an einer Kopfseite h e r a b h ä n g t . Diese Mütze w a r besonders in den 80er J a h r e n des 15. J a h r h u n d e r t s von j u n g e n M ä n n e r n beliebt. Barett und

Hut

Die auffallendste H a u p t f o r m des B a r e t t s u n d H u t e s im ersten D r i t t e l des J a h r h u n d e r t s ist die K r e m p e in ihren verschiedenen Spielarten, w ä h r e n d im zweiten Drittel durch den W a n d e l der K o p f f o r m e n charakteristische neue T y p e n entstehen. I n den letzten J a h r z e h n t e n b e t o n t m a n wieder stärker die W i r k u n g der K r e m p e . N a t ü r l i c h gibt es zwischen diesen typologischen Unterscheidungen alle möglichen Zwischenformen, die nicht einzeln genannt werden k ö n n e n . B a r e t t m i t g r o ß e r K r e m p e . U m 1500 t r u g m a n ein B a r e t t m i t großem, sich n a c h oben etwas erweiterndem K o p f , oben flach abschneidend. D e m schrägen U m r i ß des Kopfteiles folgend s t a n d die seitlich geteilte K r e m p e in die Höhe, wobei der R a n d der r ü c k w ä r t i g e n H ä l f t e auf die vordere übergriff, wenn er nicht über den N a c k e n heruntergeschlagen getragen wurde. Die eine Seite der K r e m p e w a r h ä u f i g etwas breiter als die andere. W e n n d a n n das B a r e t t a u c h noch etwas schief getragen wurde, k a m ein eleganter Schwung d u r c h die a u f w ä r t s s t r e b e n d e Linie zustande, der m i t u n t e r d u r c h eine stehende S t r a u ß f e d e r noch v e r s t ä r k t wurde. Die sichtbare Unterseite der K r e m p e w u r d e m i t kleinen S c h m u c k s t ü c k e n , Medaillen, S t e i f t e n oder Broschen geschmückt. 24

Dies Barett wurde aus den verschiedensten Stoffen — Tuch, Samt, Damast — gefertigt 1 . Die Außenseiten der Krempe konnte auch ganz mit Pelz verkleidet werden. Aus dieser Grundform hat sich in den folgenden Jahrzehnten das große Tellerbarett entwickelt. Die aufstehende Krempe wird mehr und mehr schräg niedergeschlagen und der Horizontale angenähert, während gleichzeitig der Kopfteil zunehmend flacher gebildet wird und soweit zurücktritt, daß er hinter der weit vorstehenden Krempe fast nicht mehr zur Erscheinung kommt. Auch der Besatz der Krempe macht diese Verbreiterung mit. Gegen die zwanziger Jahre wird — etwa an der Unterseite der Krempe — ein seidenes Band so befestigt, daß es in gleichmäßigen Abständen, im rhythmischen Wechscl der materiellen und farbigen Bildung, die glatte Fläche belebt. In der gleichen Absicht wird die Krempe auch mit ornamentalen Mustern bestickt oder mit verschiedenen Stoffarten staffiert. So ließ Wilhelm IV. 1526 seinem Hofgesinde zum roten Sommerkleid ein rotes Barett anfertigen mit zwei schwarzen zwickeiförmigen Besatzstücken. Auf dem Gemälde von Wertinger aus dem gleichen Jahre trägt er selbst ein ähnlich geformtes rotes Barett, das durch Streifen vom Goldbrokat radial eingeteilt war. Noch größer schien das Barett, wenn auf den ganzen Band umlaufend Straußenfedern geheftet waren. Um 1530 fand man einen gewissen Ausgleich der Ponderation dadurch, daß man nur an der höchsten Stelle des sehr schief getragenen Baretts ein paar weiche Federn über den Krempenrand herüberhängen ließ. Sonst waren es goldene, silberne oder emaillierte Schmuckstücke, welche die Krempe zierten, oft auch Anhänger, die tropfenartig an der Seite herunterhingen. Auch die Anfangsbuchstaben einer Devise oder eines Monogramms, gestickt oder in Goldschmiedearbeit appliziert, dienten diesem Zweck2. Diese großen Barette finden sich nach der Mitte der dreißiger Jahre nur noch bei den Landsknechten, dann aber in einer leicht übertreibenden Eleganz. Wenn man das Barett beinahe vertikal auf einer Seite des Kopfes anbrachte, mußte es mit einem Band um Stirn und Nacken befestigt werden, damit es nicht herunterrutschte. 3 1

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3

Inventar der Kleinodien zu Schloß Preßburg 1527: Ain schwarz samatein piret mit ainer weissen vedern. — Ain leberfarb daffentein piret mit guldin schnuern durchzogen — ain rot Scharlach piret mit guldin gefrens geschmückt. (Jb. A. K. III. 1885. Reg. Nr. 2914.) Portrait des Grafen Johannes von Montfort. Dat. 1523. Dublin, Picture Gallerie. Abgeb. Early German Art Exhibition, Burlington Club 1906. Cat. Nr. 5 vgl. Baldass, Bildnisse der Donauschule, Städel-Jb. II. p. 76. — In welcher Größe und mit welchem Luxus die Barette getragen wurden, zeigen z. B. ein paar Reliefs aus Solnhofer Stein von Hans Daucher. Bange, Die Kleinplastik der deutschen Renaissance in Holz und Stein. München 1928. Taf. 10 u. 13. Urs Graf, Zeichnung, Berlin Kupf.-Kab. Kat. Nr. 1899 Taf. 56.

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1522. A l b r e c h t D ü r e r

1513. H a n s B a i d u n g G r i e n

1525. Hans Baidung

Grien

Schließlich sei erwähnt, daß diese Barette, das große ebenso wie das kleinere und das noch zu besprechende Ohrenklappenbarett, auch zum Frauenkostüm der gleichen Zeit gehörten. G e s c h l i t z t e s B a r e t t . Nicht im mer hatte das B arett die steife Krempe ; im zweiten Jahrzehnt wurde sie von weicherem Material gebildet, oft aus zwei Stofflagen. Dadurch wurde es möglich, die alles beherrschende Mode des Aufschlitzens der Stoffe auch hier wirkungsvoll anzuwenden. Vereinzelt oder in großer Anzahl, nur teilweise oder ganz bis zum Rand des Kopfteiles reichend wurden diese Schlitze angebracht. Die gelappte Krempe konnte dann wieder durch Bänder oder Nesteln inphantasievollerWeise geformt werden, zudem die einzelnen Lappen der Krempe nochmals durch kleinere Schlitze belebt waren. Diese weiche Barettform, die in ihrer Größe dem steifen Barett oft gleich kommt, wurde besonders in den Jahren 1515—1525 getragen 1 . Neben den verschiedenen Stoffarten wurde auch Leder angewendet 2 . Oder man trug aus Wolle gestrickte Barette, die aber aussahen, als seien sie von Filz gemacht 3 (Bild 4, 1). 1

2

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Auf Zeichnungen von Dürer's niederländischer Reise u n d auf französischen P o r t r ä t zeichnungen (z. B. Le p r é s u m é J e a n Clouet, Admirai Bonnivet. Abgeb. : Dimier, Le P o r t r a i t en F r a n c e au 16. siècle, T a f . 2, 3 u n d passim) f i n d e t m a n ein B a r e t t mit steifem viereckigem gewölbtem K o p f t e i l ohne K r e m p e auf der Vorderseite, aber mit einer rückwärtigen breiten K r e m p e , die v o n einem über der Mitte des Kopfes g e k n ü p f t e n B a n d hochgehalten wird. Dieser K o p f p u t z l ä ß t sich sonst in Deutschland nicht nachweisen. I s t d a m i t vielleicht etwas wie „der nederlendische H u e t t " gemeint, der 1518 in einem I n v e n t a r von dem Kleiderbestand der Hofschneiderei Herzog Ludwigs von Bayern 1518 e r w ä h n t w i r d ? (Geheimes H a u s a r c h i v , München. Nr. 1712. Litr. C.) Ein Originalbarett v o n diesem Material (hellbraunes Wildleder) b e f i n d e t sich im Zeughaus zu Berlin (Bild 4). Ein solches, ursprünglich mit vielen Schleifen geschmückt, b e f i n d e t sich im Historischen Museum zu Bern. Vgl. J u l i e Heierli, Anzeiger f ü r schweizerische A l t e r t u m s k u n d e N. F . IV. (1902) S. 305. (Bild 1).

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K l e i n e s B a r e t t . Außer diesen zwei größeren Barettformen gibt es noch eine kleinere. Ihr Kopfteil ist leicht gewölbt und kann aus vier oder sechs Teilen zusammengesetzt sein. Die Kopf, mitte wird oft durch eine aufgeheftete kleine Kordel oder ein kurzes Stoffteil markiert. Die schmale Krempe steht aufwärts und ist ebenso geteilt wie bei den größeren Baretten, so daß man den Nacken durch Herunterschlagen der rückwärtigen Krempe schätzen kann. Ein Band oder eine Schnur war an der Außenseite durch Ösen an den Einschnitten um die Krempe gezogen. Klappte man den hinteren Krempenstreifen herunter, so wurde das Band an der Kopfmitte quer über den Scheitel gelegt. Diese Form wurde in den ersten drei Jahrzehnten getragen. Eine Abart dieses kleinen Baretts besaß keine Vorderkrempe, dagegen war die rückwärtige etwas breiter. Diese Kopfbedeckung trug man um die Jahrhundertwende und dann manchmal auch mit einer stehenden Feder an der Seite, was bei Baretten mit umlaufender Krempe nicht vorkommt (vgl. Zeichnung S. 51). Für diese beiden Barettformen wurden die üblichen Tuchsorten verwendet. B a r e t t m i t O h r e n k l a p p e n . Der Kopfteil des kleinen Baretts wurde etwas flacher gebildet und zugleich erweitert. Die Krempe der Vorderseite fällt weg, während die der Bückseite nur noch ein' schmaler Bandstreifen ist. Oberhalb der Ohren sind Klappen angeheftet und über den Kopf zusammengeknöpft oder genestelt oder aber auch durch eine überspannende Schnur zusammengehalten. Sie hatten keine praktische Bedeutung mehr, wie die kostbaren Stickereien auf einigen Beispielen dieses Typus beweisen. Man findet diese Barettform vom Beginn der zwanziger bis zur Mitte der dreißiger Jahre. K l e i n s t e s B a r e t t . Den äußersten Gegensatz zu dem großen Tellerbarett bildet eine Kopfbedeckung, wie sie z. B. Karl V. auf den Holzschnitten Jörg Breu's des Alteren vom Einritt des Kaisers in Augsburg 1530 und nochmals auf einem Porträtrelief von 1532 trägt 1 . Auf dem kurz geschorenen Haar sitzt etwas schräg ein winziges, ovales Barett, dessen 0

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K . E. Forstmann, Urkundenbuch zur Geschichte des Reichstages zu Augsburg 1530. (Halle 1833): K a r l reitet in einem goldenen spanischen Waffenrock und „auff seinem heubt ein klein spanisch hütlein gezogen".

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schmale K r e m p e n u r ganz wenig über das f l a c h e K o p f t e i l v o r r a g t , so daß die E i n s c h r ä n k u n g zwischen K r e m p e u n d Kopfteil nicht m e h r sichtbar ist. Bei einem solchen B a r e t t können Kopfteil u n d K r e m p e m i t S t e f f t e n oder K n ö p f e n z u s a m m e n g e h a l t e n werden. M a n c h m a l wird a u c h auf der Rückseite eine kleine Straußenfeder a n g e h e f t e t , die seitlich n a c h vorne hängt. U m die Mitte der vierziger J a h r e wird die F o r m dieses „ s p a n i s c h e n " Barettmodelles v e r g r ö ß e r t : das Kopfteil ist n u n faltenreich, die K r e m p e breiter, nicht versteift, sondern in persönlich beliebigem Geschmack weich zurechtgebogen. I m m e r h i n behält m a n die langen Stefte, K n ö p f e u n d Medaillen an der K r e m p e bei. S t a t t der F e d e r n werden oft feine Blumenzweige aus Goldfiligran u n d Emaille an die Seite geheftet. I n den I n v e n t a r e n liest m a n immer von B a r e t t e n aus „schwarzen s a m a t i n " . Dieser ebenso wie Seidenstoff waren das gebräuchlichste Material, w e n n m a n n i c h t billigere T u c h a r t e n vorzog 1 . D a s h o h e B a r e t t . I n den siebziger J a h r e n f i n d e t m a n eine Kopfbedeckung, die m a n wohl auch als B a r e t t bezeichnen m u ß , obgleich sie etwas höher ist als die üblichen F o r m e n . Sie e n t s t e h t aus der B a r e t t f o r m der J a h r h u n d e r t m i t t e . Auf einer sehr schmalen horizontalen K r e m p e sitzt der K o p f t e i l — a n f a n g s noch ziemlich niedrig — a m K r e m p e n r a d dicht gef a l t e t u n d d a n n n a c h oben weiter ausladend u n d flach abschließend. Später wird der U m r i ß des Kopfteiles weicher gebildet u n d auf der Oberseite etwas abgerundet. D e r h o h e H u t k o m m t auf nach der Mitte des J a h r h u n d e r t s . E r ergibt sich aus der z u n e h m e n d höher gebildeten weichen F o r m des B a r e t t k o p f teils. I m H o f k l e i d e r b u c h werden f ü r die J a h r e 1551 u n d 1552 H ü t e abgebildet m i t halbkugelförmigem Kopfteil, durch Schnüre oder Litzen r a d i a l geteilt. E s e n t s t a n d der sich oben etwas v e r j ü n g e n d e hohe H u t . E r 1

Stetten a. a. O. S. 357. 1540. „Um diese Zeit fiengen die Manns-Personen zu Augsburg an kleine leinene Barette, wie die Spanier zu tragen".

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wurde aus Filz hergestellt 1 . Oder es wurde eine versteifte Form mit Stoff überzogen 2 . Ein solcher hoher Hut forderte einen besonderen Schmuck und man legte deshalb breite Bänder, sogenannte „Pindten" in weichen Falten um ihn. Am Ende des Jahrhunderts werden die Hüte ausschließlich aus Filz angefertigt, daneben trägt man im Sommer auch Strohhüte 3 ; Barette kommen mehr und mehr aus der Mode 4 . KOPFSCHMUCK Ein Bild des Metropolitan Museum in New York 5 fesselt durch seine Darstellung; die Rückseite der Tafel zeigt ein Jünglingsporträt während auf der Vorderseite ein junges Mädchen in einem Fenster sitzend sich mit dem Binden eines Blumenkränzchens befaßt, wobei ein Schriftband die Situation deutet: „Ich pint mit vergis mein nit". Sich bei festlichen Gelegenheiten mit einem Kranz zu schmücken war eine alte Sitte. Aber auch die Frühzeit des 16. Jahrhunderts kennt diesen Brauch noch. Um 1500 trägt man noch die zarten, durchsichtig geflochtenen Kränze aus natürlichen langstieligen Blumen; später dagegen bindet man den Kranz dichter und fester, so daß sich Blüte an Blüte reiht. Vielleicht wurden diese Kränze auch aus künstlichen Blumen, Strohblumen oder Federn hergestellt. Aber auch Laubwerkkränze werden oft getragen, so z. B. vom Hofgesinde des bayerischen Herzogs (Hofkleiderbuch) oder vom Gefolge des Kaisers Maximilian im Triumphzug 6 . Die oben erwähnte Wolfenbüttler Inventarliste verzeichnet fünf verschiedene Kranzarten, die jedoch auf bildlichen Darstellungen nur zum Teil zu belegen sind. 1

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In den Inventaren wird es hervorgehoben, wenn der Filz von Biberhaar ist. Guarderobe Inv. 1573. (Geheimes Hausarchiv, München. 1712 E Fase. II). Originale Beispiele von solchen Hüten sind im Germ. Museum zu Nürnberg. Ott-Heinrich Inventar 1554. . . . ,,item ein weisser welcher Schaubhuet auss Stroh gem a c h t " . — Das Metropolitan Museum of Art, New York, besitzt einen Strohhut in Form eines Helmes mit Applikationen in Samt. Er s t a m m t aus dem Convento de Carmitas Descalzas in Granada und soll K a r l V. zugehört haben. Abg. in Bulletin of the Metropolitan Museum of Art. 1933, S. 36. Das Wort Hut bezeichnet schon frühzeitig die Kopfbedeckung schlechthin, wie eine Stelle bei Aventin beweist, wo er von einem „kleinen leinen gewunden Huet, wie die Türken t r a g e n " schreibt, was wohl ein turbanartiges Gebilde bezeichnet. (Schindler, Bayerisches Wörterbuch II. S. 1190.) F r . Winkler (Pantheon, 1930, S. 452): Hans von K u l m b a c h . — Chr. R a u c h (Die Trauts, 1907): Wolf Traut. In seinen Angaben für den Triumphzug bestimmt Kaiser Maximilian, daß u. a. die Repräsentanten für die Erbländer „Lobkrentzl a u f h a b e n " sollen. ( J b . A. K . I. 1883. S. 163).

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wurde aus Filz hergestellt 1 . Oder es wurde eine versteifte Form mit Stoff überzogen 2 . Ein solcher hoher Hut forderte einen besonderen Schmuck und man legte deshalb breite Bänder, sogenannte „Pindten" in weichen Falten um ihn. Am Ende des Jahrhunderts werden die Hüte ausschließlich aus Filz angefertigt, daneben trägt man im Sommer auch Strohhüte 3 ; Barette kommen mehr und mehr aus der Mode 4 . KOPFSCHMUCK Ein Bild des Metropolitan Museum in New York 5 fesselt durch seine Darstellung; die Rückseite der Tafel zeigt ein Jünglingsporträt während auf der Vorderseite ein junges Mädchen in einem Fenster sitzend sich mit dem Binden eines Blumenkränzchens befaßt, wobei ein Schriftband die Situation deutet: „Ich pint mit vergis mein nit". Sich bei festlichen Gelegenheiten mit einem Kranz zu schmücken war eine alte Sitte. Aber auch die Frühzeit des 16. Jahrhunderts kennt diesen Brauch noch. Um 1500 trägt man noch die zarten, durchsichtig geflochtenen Kränze aus natürlichen langstieligen Blumen; später dagegen bindet man den Kranz dichter und fester, so daß sich Blüte an Blüte reiht. Vielleicht wurden diese Kränze auch aus künstlichen Blumen, Strohblumen oder Federn hergestellt. Aber auch Laubwerkkränze werden oft getragen, so z. B. vom Hofgesinde des bayerischen Herzogs (Hofkleiderbuch) oder vom Gefolge des Kaisers Maximilian im Triumphzug 6 . Die oben erwähnte Wolfenbüttler Inventarliste verzeichnet fünf verschiedene Kranzarten, die jedoch auf bildlichen Darstellungen nur zum Teil zu belegen sind. 1

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In den Inventaren wird es hervorgehoben, wenn der Filz von Biberhaar ist. Guarderobe Inv. 1573. (Geheimes Hausarchiv, München. 1712 E Fase. II). Originale Beispiele von solchen Hüten sind im Germ. Museum zu Nürnberg. Ott-Heinrich Inventar 1554. . . . ,,item ein weisser welcher Schaubhuet auss Stroh gem a c h t " . — Das Metropolitan Museum of Art, New York, besitzt einen Strohhut in Form eines Helmes mit Applikationen in Samt. Er s t a m m t aus dem Convento de Carmitas Descalzas in Granada und soll K a r l V. zugehört haben. Abg. in Bulletin of the Metropolitan Museum of Art. 1933, S. 36. Das Wort Hut bezeichnet schon frühzeitig die Kopfbedeckung schlechthin, wie eine Stelle bei Aventin beweist, wo er von einem „kleinen leinen gewunden Huet, wie die Türken t r a g e n " schreibt, was wohl ein turbanartiges Gebilde bezeichnet. (Schindler, Bayerisches Wörterbuch II. S. 1190.) F r . Winkler (Pantheon, 1930, S. 452): Hans von K u l m b a c h . — Chr. R a u c h (Die Trauts, 1907): Wolf Traut. In seinen Angaben für den Triumphzug bestimmt Kaiser Maximilian, daß u. a. die Repräsentanten für die Erbländer „Lobkrentzl a u f h a b e n " sollen. ( J b . A. K . I. 1883. S. 163).

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Rosenkränzlein wurden auch in Gold- und Silberarbeit mit Email, Steinen und Perlen hergestellt. Ferner machte man Kränze aus gewundenen Stoffstreifen, die mit feinen Schnüren umbunden waren 1 . Im Inventar der Gegenstände des Königs von Ungarn und Böhmen von 1527 wird erwähnt, daß „Ain Kranz mit ainer schnuer von gold und silber daran ain guldinen ring mit ainer großen diemuntafl, geshaczt umb 300 hungrish guldin . . . . zu kgl. maj. notturft verseczt" sei2. Diese verschiedenen Kränze wurden alle in gleicher Weise getragen, etwas schräg und entweder unmittelbar auf dem Haar oder auch auf der Haube. Der Brauch hörte jedoch in den dreißiger Jahren auf; ein Kranz bedeutete dann eine besondere Auszeichnung, etwa einen Preis im Schießen oder bei einem anderen Wettbewerb. Ein „Ehrenkränzlein" mit dem applizierten Wappen von Regensburg und Nürnberg in Zahlperlen stammt nachweisbar von einem Schützenfest in Regensburg 15793 (Bild 20). Dieser Kranz ist in weniger kostbarer Arbeit aus Seidenfäden, Silberfiligran, Goldflitter und echten Perlen gemacht. Ähnliche, etwas spätere Kränze (um 1600) besitzen die Rathäuser von Breslau und Leipzig 4 . Außer den geschilderten Kränzen verwendete man ebenfalls nur in der ersten Hälfte des Jahrhunderts Gold- und Silberschnüre als Kopfschmuck, ebenso auch Perlenschnüre. Sie galten dem Edelmann zugleich als ein Abzeichen seines Standes 5 und wurden über das Barett gelegt. Otto Heinrich's Inventar zählt solche Schnüre in den verschiedensten Ausführungen in einem eigenen Kapitel in großer Zahl auf. WAMS Das Wams bildet zusammen mit den Hosen, die an ihm befestigt sind, das wichtigste Hauptstück der männlichen Kleidung. Wams und Hosen werden auch in den Inventaren häufig zusammengehörig aufgezählt. In dem letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts lag das Wams ganz eng und glatt um den Oberkörper, wobei man mondsichelförmige Schlitze — 1

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So trug man für gewisse Rennen und Turniere „wullin Krenczen", ausgeführt von Stoffstreifen, deren Farben denen der Ärmel gleich sind. Vgl. Hans Burgkmair d. J . Turnierbuch von 1529, Taf. 16. Herausgeg. von H. Pallmann, München 1910. Inventar des Preßburger Schlosses im J b . A. K . III 1885, Reg. 2914. Das Rathaus zu Regensburg (vgl. Otto Hupp, Kunstschätze des Regensburger Rathauses. 1910. S. 160.). Auch die zum Kranz gehörige Spanschachtel hat sich noch erhalten. •— Peter Opel hat im Codex Germ. 2019 Staatsbibl. München eine Beschreibung von dem Stahlschießen in München 1586 gegeben. Illustrationen in Kupferstich hierzu befinden sich im Cod. icon. 399. Man sieht hier, wie die Jungfrauen dem Sieger den Kranz und die dazu gehörige Schachtel auf Kissen überbringen. Abg. in „Deutsche Ausstellung für Kunst u. Kunstgewerbe", München 1876, pl. 91. Zimmerische Chronik II. S. 343.

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Rosenkränzlein wurden auch in Gold- und Silberarbeit mit Email, Steinen und Perlen hergestellt. Ferner machte man Kränze aus gewundenen Stoffstreifen, die mit feinen Schnüren umbunden waren 1 . Im Inventar der Gegenstände des Königs von Ungarn und Böhmen von 1527 wird erwähnt, daß „Ain Kranz mit ainer schnuer von gold und silber daran ain guldinen ring mit ainer großen diemuntafl, geshaczt umb 300 hungrish guldin . . . . zu kgl. maj. notturft verseczt" sei2. Diese verschiedenen Kränze wurden alle in gleicher Weise getragen, etwas schräg und entweder unmittelbar auf dem Haar oder auch auf der Haube. Der Brauch hörte jedoch in den dreißiger Jahren auf; ein Kranz bedeutete dann eine besondere Auszeichnung, etwa einen Preis im Schießen oder bei einem anderen Wettbewerb. Ein „Ehrenkränzlein" mit dem applizierten Wappen von Regensburg und Nürnberg in Zahlperlen stammt nachweisbar von einem Schützenfest in Regensburg 15793 (Bild 20). Dieser Kranz ist in weniger kostbarer Arbeit aus Seidenfäden, Silberfiligran, Goldflitter und echten Perlen gemacht. Ähnliche, etwas spätere Kränze (um 1600) besitzen die Rathäuser von Breslau und Leipzig 4 . Außer den geschilderten Kränzen verwendete man ebenfalls nur in der ersten Hälfte des Jahrhunderts Gold- und Silberschnüre als Kopfschmuck, ebenso auch Perlenschnüre. Sie galten dem Edelmann zugleich als ein Abzeichen seines Standes 5 und wurden über das Barett gelegt. Otto Heinrich's Inventar zählt solche Schnüre in den verschiedensten Ausführungen in einem eigenen Kapitel in großer Zahl auf. WAMS Das Wams bildet zusammen mit den Hosen, die an ihm befestigt sind, das wichtigste Hauptstück der männlichen Kleidung. Wams und Hosen werden auch in den Inventaren häufig zusammengehörig aufgezählt. In dem letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts lag das Wams ganz eng und glatt um den Oberkörper, wobei man mondsichelförmige Schlitze — 1

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So trug man für gewisse Rennen und Turniere „wullin Krenczen", ausgeführt von Stoffstreifen, deren Farben denen der Ärmel gleich sind. Vgl. Hans Burgkmair d. J . Turnierbuch von 1529, Taf. 16. Herausgeg. von H. Pallmann, München 1910. Inventar des Preßburger Schlosses im J b . A. K . III 1885, Reg. 2914. Das Rathaus zu Regensburg (vgl. Otto Hupp, Kunstschätze des Regensburger Rathauses. 1910. S. 160.). Auch die zum Kranz gehörige Spanschachtel hat sich noch erhalten. •— Peter Opel hat im Codex Germ. 2019 Staatsbibl. München eine Beschreibung von dem Stahlschießen in München 1586 gegeben. Illustrationen in Kupferstich hierzu befinden sich im Cod. icon. 399. Man sieht hier, wie die Jungfrauen dem Sieger den Kranz und die dazu gehörige Schachtel auf Kissen überbringen. Abg. in „Deutsche Ausstellung für Kunst u. Kunstgewerbe", München 1876, pl. 91. Zimmerische Chronik II. S. 343.

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etwa in den Achselhöhlen — angebracht hatte, um sich überhaupt bewegen zu können. Die Vorderseite war von den Schultern an dreieckig in weich gebogenem Umriß tief ausgeschnitten. Der Ausschnitt zeigte ein leinenes Hemd oder einen schönen Brustlatz. Während man seit den achtziger Jahren einen kleinen seitlich aufgeschnittenen Schoß getragen hatte, wurde das Wams um die Wende des Jahrhunderts horizontal abgeschlossen, was man auch in den folgenden Jahren beibehielt. Am ganzen Taillenbund befanden sich Nestellöcher, ebenso am Hosenbund, und die beiden Kleidungsstücke wurden so durch Nesteln miteinander verbunden. Die Nestelenden wurden meist eingesteckt, so daß nur die Schnur von Loch zu Loch sichtbar war; oft war auch ein gürtelartiges Band über den Bund so genäht, daß die Löcherreihe verdeckt wurde. Wams und Hosen lagen so eng am Körper an, daß die Nesteln bei einer starken Bewegung gelöst werden mußten. Charakteristisch dafür sind die Darstellungen der Scharfrichter und Henkersknechte auf den Heiligenmartyrien des frühen 16. Jahrhunderts. Vereinzelt kommt es später vor, daß man zwischen Wams und Hosen absichtlich in einem Zwischenraum von etwa 3—5 cm das Hemd sichtbar werden läßt 1 . Das schoßlose und spitz a u s g e s c h n i t t e n e W a m s . Dies Model! hält noch an der alten Form des Brustausschnittes bis zum zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts fest. Man schnürte den Ausschnitt oft zusammen, damit das Wams Halt bekam, wobei das dunkle Schnürband sich dann gegen das weiße Hemd stark absetzte. Die Ärmel umspannten glatt die Arme, entweder über oder unter der Schulter waren Einschiitzungen angebracht. Auch den Unterärmel schlitzte man mitunter noch vom Ellenbogen bis zum unteren Saum an der Hinternaht auf, so daß die weißen Hemdärmel heraushingen. Oder aber man vermehrte die einzelnen Puffen an den Schultern zu zweien oder dreien und schlitzte sie. Dann konnte auch der Ärmel am Ellenbogen horizontal aufgeschnitten werden. Es gibt außerdem Ärmel, bei denen der mittlere Teil ganz fehlt und der gepuffte und geschlitzte Oberärmel durch feine Bänder oder Schnüre mit dem Unterärmel verbunden ist. Das Beieinander des herausquellenden weißen Hemdärmels mit bunten, stramm anliegenden und zugleich gepufften Ärmelstreifen des Wamses ist 1

Vgl. Weiditz' Holzschnittporträt von Karl V. — Ein Jünglingsporträt in der Galerie Liechtenstein, Wien, trägt Aldegrever's Monogramm und die Jahreszahl 1540. Das Kostüm läßt die Ungültigkeit dieser späteren Aufschrift ohne weiteres erkennen, wie das Bild ja auch inzwischen den Namen Aldegrever verloren hat und von E. Buchner als Arbeit Jörg Breu's um 1525 (m. E. eher noch etwas früher!), erkannt wurde (Beiträge zur Geschichte der deutschen Kunst II S. 374). Niels von Holst's Hypothese, das Bildnis sollte den 1533 etwa 17-jährigen Georg Thenn darstellen, von dem Holzhausenmeister gemalt, muß abgelehnt werden. (Die deutsche Bildnismalerei zur Zeit des Manierismus. Straßburg 1930. S. 60).

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U m 1520.

Jörg Breu(?)

1517. H a n s B a i d u n g G r i e n

gerade i m A n f a n g des J a h r h u n d e r t s sehr beliebt. Über der H a n d erweitert sich der W a m s ä r m e l d a n n zu einer Manschette v o n kreisförmigem Schnitt. D a s s c h o ß l o s e u n d g e s c h l o s s e n e W a m s . Nach der J a h r h u n d e r t wende gibt es W a m s f o r m e n , die n u r a n der H a l s ö f f n u n g einen kleinen kreisförmigen Ausschnitt zeigen. Dies W a m s wird vorne oder seitlich zug e k n ö p f t . D a s g l a t t e Vorderteil wird, wenn es einfarbig ist, gern m i t einer oder mehreren B o r t e n aus g e m u s t e r t e m oder andersfarbigem Stoff gestreift. E i n K o m p r o m i ß zwischen dem alten, tief ausgeschnittenen W a m s t y p u s u n d dem bis zur Kehle z u g e k n ö p f t e n bildet ein W a m s , das oben a m Hals zwar m i t drei K n ö p f e n geschlossen wird, d a n n aber an der B r u s t in einem dreieckigen Ausschnitt das H e m d oder B r u s t t u c h ganz zur G e l t u n g kommen l ä ß t . E s w u r d e u m 1515 getragen (Bild 36). Ganz vereinzelt f a n d ich ein W a m s , m i t kreisrundem ziemlich h o h e m Halsausschnitt, ca. 2 Z e n t i m e t e r von d e m hohen H e m d k r a g e n r a n d entf e r n t ; der rechte Teil des B r u s t s t ü c k e s des W a m s e s greift ü b e r den linken über u n d wird d a n n a n der linken Schulter festgeheftet 1 . D a s h o r i z o n t a l a u s g e s c h n i t t e n e W a m s . Von der Mitte des zweiten J a h r z e h n t s bis zur Mitte des vierten t r u g m a n am liebsten ein W a m s , das die B r u s t nicht m e h r so s t a r k einengte. Der Stoff an der Vorderseite legte sich in dichte, regelmäßige, vertikale F a l t e n , oben a m H a l s a u s s c h n i t t mit einem schmalen B u n d begrenzt. Oder der Stoff wurde gereiht u n d m a n h e f t e t e ü b e r die hierbei sich ergebenden vertikalen F a l t e n horizontale Bandstreifen, w o d u r c h ein Wechsel von leicht gepufften u n d ganz glatten Streifen e n t s t a n d , (vgl. Zeichnung S. 27). Diese beiden W a m s f o r m e n wurden gleichzeitig getragen. Die Taille r ü c k t e in den zwanziger J a h r e n allgemein etwas höher u n d gleichzeitig w u r d e der Halsausschnitt besonders 1

Porträt des Grafen zu Montfort 1523, vgl. S. 25.

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groß. Seine Saumlinie wirkte horizontal, wenn sie auch wechselnd kreisrund oder viereckig geschnitten war. Der eckige Ausschnitt konnte sich unten auch seitlich erweitern. Bei diesen Wamsformen war der Ärmel an der Schulter glatt an einen großen Armausschnitt angepaßt, erweiterte sich am Ellenbogen, um sich gegen das Handgelenk nun wieder zu verengern und wurde hier ohne Manschette mit einem Bund abgeschlossen. Der Ärmel war ziemlich lange geschnitten, so daß sich der Stoff leicht in horizontalen Falten staute. Diese Grundform wurde in den verschiedensten Weisen durch Schlitze und Puffen geschmückt. Während die Ärmel früher nur am Oberarm ein paar Puffen trugen, teilt man jetzt den weiten Ärmel in 8—10 Puffen ein, die entweder gleich waren oder gegen das Handgelenk zu kleiner wurden. W a m s m i t R e v e r s . In den Nürnberger Schembartbüchern 1 , welche von 1449 bis in die zwanziger Jahre des 16. Jahrhunderts hinein die Modeanzüge belegen, finden wir im zweiten Jahrzehnt eine Wamsform, die mit einer größeren oder kleineren Brustklappe geschlossen wird. Sie besteht aus einem eventuell gefältelten Stoffteil, der an den Schulterpassen schurzartig mit Nesteln oder Knöpfen befestigt war. Der Rücken schließt hoch am Hals, ebenso die vorne nicht aneinander stoßenden Schulterpassen. Die vorderen am Halsausschnitt befindlichen Ecken werden umgeschlagen, so daß die gefütterten Kehrseiten Revers bilden. Auch einfach geschnittene Wämser mit hohem Kragen werden — wohl einer Mode folgend — am Hals nicht ganz geschlossen und ebenfalls umgeschlagen, so daß kleine Revers entstehen. Es scheint Sitte gewesen zu sein, oft zwei Wämser übereinander zu tragen, das eine dann wahrscheinlich ohne Ärmel. In den Inventaren und dokumentarischen Uberlieferungen finde ich indessen keine Belege dafür, daß man eine Bezeichnung wie Uber- und Unterwams zu unterscheiden hätte. Aus den bildlichen Überlieferungen, die die Tatsache für das Tragen von zwei Wämsern beweisen, können wir nur entnehmen, daß das Wams mit Revers sowohl als Uber- wie als Unterwams auftritt 2 . W a m s m i t Schoß. Wenn auch die zuletzt genannten Typen am Anfang der vierziger Jahre nicht ganz aus dem Gebrauch verschwanden, so bevorzugten man doch das Wams mit Schoß. Diese Wiederbelebung des Schoßwamses hängt noch zusammen mit der später zu besprechenden Entwicklung der Beinkleider- und Rockformen. Yorne geknöpft hatte es 1

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U. a. Exemplare in Staatsbibliothek München, Cod. Germ. 2082 und 2083 und Bayer. Nationalmuseum Bibliothek Nr. 797. Das Wams wird hier als „Leinen Leib" bezeichnet. Nicht völlig aufzuklären ist eine Art Überwams, dessen Brustausschnitt von einer beinahe vertikal fallenden und einer diagonal tief nach unten verlaufenden Bahn gebildet ist. So auf Medaillen: Peter Heinzel (1527/28) von Friedrich Hagenauer und Joachim Rehle (1529) von Christoph Weiditz. (Gg. Habich, Die deutschen Schaumünzen des XVI. Jahrhunderts. 1929. I, Nr. 371 und 510.)

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eine tiefer sitzende Taille als das schoßlose. Die Gürtellinie bleibt nicht mehr horizontal, sondern senkt sich in zunehmendem Grad und wird gegen die Körpermitte zugespitzt. Das Wams wird jetzt leicht wattiert. Zu dem besonders in den Niederlanden und Frankreich übertriebenen sogenannten „Gänsebauch" kam es in Süddeutschland nicht 1 ; man hielt an dem engsitzenden Schoßjäckchen oder Wams fest. Das Schoßwams wurde in der ganzen vorderen Länge geknöpft, vom Halsausschnitt bis zum Gürtel. Der Halsausschnitt ist in den vierziger Jahren ganz kreisrund und schließt ohne Kragen direkt am Hemdkragen an. Die ersten oberen Knöpfe ließ man gelegentlich offen. Später wurde das Wams am Hals ansteigend zugeschnitten, ein eigentlicher Kragen entstand aber erst mit den fünfziger Jahren. Um 1560 wird er so hoch, daß er den Haaransatz im Nacken erreicht und bis unter das Kinn geht. Der Schoß war nicht überall gleich breit. Am Rücken war er am schmälsten, wobei eine etwas abwärtszielende Spitze die Mitte betonte. Auf der Vorderseite wird er breiter und nach außen geschweift oder abgeschrägt, unterbrochen von der „braguette" (Schamkapsel). Die Ärmel dieses Wamses sind immer ganz eng und glatt und enden in einer kurzen Manschette, die eckig geklappt sein kann. Bei diesem Typus spielt der Besatz eine große Rolle. Ausßerdem gab man dem Stoff durch kleine Schlitze eine einheitliche Musterung. Knöpfe, Borten und Litzen als Besatz von großer Bedeutung halfen die vertikalen Linien betonen. Um die Jahrhundertmitte wurde statt des festen Wamses ein leichteres, nicht zugeknöpftes getragen. Auch dies wird hoch am Hals durch Nesteln geschlossen, an der Brust steht es offen, wodurch Hemd oder Unterwams sichtbar werden. Ob es aber mit oder ohne Schoß gebildet war, läßt das Bildmaterial nicht ersehen. Die Ärmel haben dieselbe Form wie die des Schoßwamses, und wieder werden die vertikalen Bahnen durch farbig abstechende Borten hervorgehoben. D e r G o l l e r kann als ein Wams mit Schoß, aber ohne Ärmel bezeichnet werden. Er wurde etwa seit den zwanziger Jahren über dem Wams getragen, sein Aussehen entsprach der Entwicklung des Wamses, nur ließ man ihn gern mit sehr langen vertikalen Schlitzen verzieren, die in der Höhe der Achselhöhle beginnend bis zum Gürtel reichten. Der Schulterteil wurde mit der Zeit so verbreitert, daß dadurch eine Art kleinen Flügelärmels entstand. Späterhin schnitt man den Flügelärmel eigens und nähte ihn an den 1

Ein Kleidungsstück dieses Namens wird in den Quellen nicht genannt, dagegen wird diese Benennung bei Harnischen angewendet. So spricht z. B . Arsazi Schechner in seiner Beschreibung von Kaiser Maximilians II. Einzug in München 1566 von „schöne newe Harnisch mit den Gensbeuchen", mitgeteilt von Otto Titan Hefner, in Oberbay er. Archiv für vaterländische Geschichte X I I I 1852 S. 37.

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Schulterteilen an. Schließlich b e k o m m t in den fünfziger J a h r e n der Goller leicht g e p u f f t e Ärmel, aus losen Streifen bestehend, die in einen B u n d z u s a m m e n g e f a ß t •waren. Die sehr o f t v o r k o m m e n d e n A u s d r ü c k e „zerschnitten lidern goller" 1 oder „cordovanischer lidern goller" 2 zeigen ebenso wie bildliche Darstellungen die große Beliebtheit von Wildleder zur Herstellung des Gollers (Bild 53). Dies Material eignete sich zu den langen Schlitzen besonders gut u n d ließ sich leicht mit kleineren Mustern verzieren. Aber auch S a m t 3 u n d Atlas ver-

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Neufchatel wendete m a n z u m Goller wie z. B. Mielich's P o r t r ä t von Albrecht V. beweist (Bild 57). E i n Goller erfüllte also den Zweck eines Uberwamses oder den des noch zu besprechenden Rockes. L o s e Ä r m e l . D a ß m a n gern den R u m p f t e i l des Wamses u n d die W a m s ärmel aus verschiedenen Stoffen m a c h e n ließ, zeigen viele bildliche Darstellungen wie eine Anweisung der K r a k a u e r Schneiderzunft, d a ß ,,keyn Sneider knecht noch meister zol k e y n ander J o p p e tragen wenn von einerley f ä r b e b r ü s t u n d e r m e l " 4 . Diese andersfarbigen oder aus a n d e r m Material gefertigten Ärmel waren getrennt gearbeitet u n d daher auswechselbar. Das zeigen mehrere I n v e n t a r listen u n d noch erhaltene separate Ärmelpaare 5 . Wahrscheinlich h a t m a n diese Ärmel a n ein gröberes W a m s a n g e h e f t e t , wenn m a n ein ärmelloses Kleidungsstück d a r ü b e r t r u g . Weinsberger in Köln sagt auch, wenn er Kleider ü b e r seinem W a m s trage, darf dies gut von schlechterem Stoff sein, die Ärmel aber müssen von „ S a m e t i n " etc. g e m a c h t werden 6 . F ü r gewisse R e n n e n u n d T u r n i e r e t r u g m a n an d e m rechten A r m des Armzeuges der R ü s t u n g einen S t o f f ä r m e l , der gepolstert war 7 . 1 2

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Ulrich Fugger, Inventar 1577. Vgl. Seiseneggers Beschreibung seines Porträts Karls V. in seiner Suppliek von 1535, publ. von Ernst Birk, Mitteilungen der k. k. Central-Commission I X 1864. S. 70. Ulrich Fugger. Inventar 1577 „ain samat goller gestept". Gesetze der Schneider 1434 in Krakau, vgl. „Die alten Zunft- und Verkehrsordnungen der Stadt Krakau". Balthasar Behem's Codex picturatus in den K. K. Jagellonischen Bibl. Herausgegeben von Bruno Beieher. Wien 1889. Inventar von Innsbruck 1524: Item ain par samatin swarz ermel mit 16 rösl, yedes von vier zalperlen und ainem rubin in der mitt, dazwischen 24 rösl, yedes von dreyen zalperlen" (Jb. A. K. II. 1884 Reg. Nr. 1511). — Originalstücke in Nürnberg, Germ. Mus. und München, Nat. Mus. Das Buch Weinsberg. Kölner Denkwürdigkeiten aus dem 16. Jahrhundert. Bearbeitet von Fr. Lau. B o n n 1898. Vgl. H. Pallmann, Hans Burgkmair des Jüngeren Turnierbuch von 1529. München 1910. S. 13 und Ott Heinrichs Inventar unter „Paret vnnd anders". 3*

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Die z i e r e n d e n S c h l i t z e am W a m s . Ursprünglich entstanden die Schlitze nur zu dem Zweck, die enganliegenden Kleidungsstücke tragbar zu machen. Dabei entdeckte man, wie viel materiellen Reiz man durch die Verschiedenartigkeit der ineinanderspielenden Stoffe gewann. Schon in den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts begann man nun zum Schmuck kurze Schlitze regelmäßig vertikal nebeneinander zu reihen. Indem die Schlitzung des Stoffes eine Lockerung verursachte, bildete sich zwischen den ungeschlitzten festen Stoffteilen ein Bausch, außerdem machte man Puffen durch gereihte Stoffstücke, die dann eventuell zur Verzierung noch geschlitzt werden konnten. Beide Arten von Puffen verwendete man vornehmlich an denÄrmeln, aber auch am Wams selbst1. Dann aber versuchte man aus Schlitzen eine Musterung zu geben. Sie kann z. B. aus kleinen und kleinsten Schlitzen beliebiger Länge bestehen, welche in vertikalen Reihen schräg geordnet und über die ganze Fläche so verteilt werden, daß im horizontalen Nebeneinander ein Zickzackmuster entsteht. Bei schweren Stoffen können diese Schlitze in einer langgezogenen, schrägliegenden S-form geschnitten werden und bilden dann gewellte Linienstreifen. Oft überspannte diese Musterung das ganze Wams. Die Schlitze waren zuweilen in stern- oder rosettenförmigen Figuren zusammengestellt. Das darunter getragene Kleidungsstück war in den Schlitzen sichtbar, wenn man nicht überhaupt das Unterfutter in kleinen Puffen durch die Schlitze gezogen hatte. Endlich ließ man auch den Stoff in seiner ganzen Länge an Ärmel oder Wams aufschlitzen, so daß er in lange Streifen zerfiel, die dann durch einschnürende quergelegte Bänder Puffen bildeten, wenn sie nicht durch zahlreiche kleine Nesteln oder Knöpfe wieder zusammengefügt waren. Außerdem konnten diese Streifen wiederum selbst durch kleinste Schlitze belebt werden. Diese langen Schlitze brauchten nicht immer der vertikalen Richtung des Wamses oder des Ärmels folgen, sondern konnten auch einen schrägen Lauf nehmen, der sich im Ärmel in einer serpentinartigen Bewegung ausdrückte (Bild 56). Diese verschiedenen Schlitzungsarten boten unendliche Variationsmöglichkeiten der dekorativen Musterung. Während nun die höfische Gesellschaftsschicht diese Mittel nur maßvoll gebrauchte, war die Kleidung der Landsknechte und ihrer Hauptleute unerschöpflich in übertreibenden Spielarten. 1

Vgl. eine Federzeichnung auf Pergament mit zwei Landsknechten (Bild 50), die zusammen mit mehreren Zeichnungen unter dem Titel: „Abbildungen alter Geschütze und Handfeuerwaffen" im Bayer. Kriegsarchiv, München aufbewahrt wird. Ohne Zweifel handelt es sich um ein Blatt aus dem von Jörg Kölderer illustrierten Inventar des Zeughauses zu Innsbruck von 1512—15 (Cod. icon. 222. Staatsbibl. München). (Diese Ansicht teilt auch Herr Dr. Stöcklein).

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Während des ganzen Jahrhunderts verwendete man im Kostüm vom Kopf bis zur Fußbekleidung solche Schlitze. In der Frühzeit des Jahrhunderts sind sie besonders lang und bilden so — in den 20er und 30er Jahren — den Hauptakzent der Erscheinung. In der zweiten Jahrhunderthälfte werden die Schlitze kürzer und ergeben in ihrer Verteilung auf Stoff und Bänder eine dezente Verzierung. Im 17. Jahrhundert aber sind dann wieder die langen Schlitze am Wams in Mode. HEMD, K R A G E N UND

MANSCHETTEN

Der Schnitt des Männerhemdes, das unmittelbar auf dem Körper 1 unter dem Wams getragen wurde, war in der Hauptsache wie heute. Ein Zufall überliefert uns eine genaue Wiedergabe der Hemdform durch die Abbildungen in der Handschrift des Schnitt- und Augenarztes Kaspar Stromeyr in Lindau i. B. 2 von 1559/66, die seine operativen Handlungen verzeichnen, wobei man Ober- und Unterkleidung wie auch Bettstellen, Badewannen usw. jener Zeit kennen lernt. Das Hemd war gewöhnlich von Leinen oder Seide und von weißer Farbe, doch finden sich auch noch andere Stoffe verwendet 3 . So lange das Haar bis auf die Schultern und den Nacken reichte, sah man vom Hemdrand nur den Teil am Brustausschnitt des Wamses. Die schöne Stickerei am oberen Saum ist wohl auch nur an der sichtbaren Vorderseite angebracht 4 . Oft mag dieser Teil nur als ein Brustlatz 5 auf dem eigentlichen Hemd appliziert gewesen sein. Die Ärmel wurden als Putz durch die Schlitze der rückwärtigen Naht der glatten Wamsärmel gezogen und bildeten lange weiche Bäusche, die jedoch die Schlankheit des Armes nicht beeinträchtigten. Etwas später „wie wol er nit beklaidt, allain das hemmat an hat, noch mal ist er hinaufgegangen". Zimmerische Chronik IV. S. 1 1 1 . 2 Herausgegeben von W . v . Brunn, Berlin 1925. 3 Dürers Tagebuch, August 1 5 2 0 : „Item habe 31 Stüber für ein rot willen (wollen) Hemd geben". K . Lange u. F. Fuhse a. a. O. S. 129. — Weinsberger a. a. 0 . trägt wegen der K ä l t e über seinem Leinenhemd auch ein rot wollenes. — Inventar des Schlosses Preßburg 1 5 2 7 : „Ain plab daffantes hemmat mit ainem guldin kragen und mit Golt die ermel geziget". J b . A. K . III. 1885 Reg. Nr. 2914. — In einer Teillibelle des Nachlasses Kaiser Maximilians II. von 1578 finde ich unter „Leinwatgewand": „ain rott carmesin hemet — 8 fl." J b . A. K . X I I I . 1892. Reg. Nr. 9093. — Es ist möglich, daß der Teil von irgend einem Kleidungsstück, den man auf Bildern oft am Hals zwischen Hemd und W a m s bemerkt, nicht wie bisher angenommen, ein Unterwams oder Brusttuch ist, sondern in gewissen Fällen auch ein Überhemd sein kann (Georg Pencz, Porträt. Kunsthistorisches Mus., Wien).

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Vgl. z. B. Dürers Selbstporträt in Madrid. Verbot von „gefaltenen Hemden und Brusttuch" mit Silber und Gold, ausgeschieden Fürsten, Grafen und Herren. Augsburger Reichstag 1500.

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Während des ganzen Jahrhunderts verwendete man im Kostüm vom Kopf bis zur Fußbekleidung solche Schlitze. In der Frühzeit des Jahrhunderts sind sie besonders lang und bilden so — in den 20er und 30er Jahren — den Hauptakzent der Erscheinung. In der zweiten Jahrhunderthälfte werden die Schlitze kürzer und ergeben in ihrer Verteilung auf Stoff und Bänder eine dezente Verzierung. Im 17. Jahrhundert aber sind dann wieder die langen Schlitze am Wams in Mode. HEMD, K R A G E N UND

MANSCHETTEN

Der Schnitt des Männerhemdes, das unmittelbar auf dem Körper 1 unter dem Wams getragen wurde, war in der Hauptsache wie heute. Ein Zufall überliefert uns eine genaue Wiedergabe der Hemdform durch die Abbildungen in der Handschrift des Schnitt- und Augenarztes Kaspar Stromeyr in Lindau i. B. 2 von 1559/66, die seine operativen Handlungen verzeichnen, wobei man Ober- und Unterkleidung wie auch Bettstellen, Badewannen usw. jener Zeit kennen lernt. Das Hemd war gewöhnlich von Leinen oder Seide und von weißer Farbe, doch finden sich auch noch andere Stoffe verwendet 3 . So lange das Haar bis auf die Schultern und den Nacken reichte, sah man vom Hemdrand nur den Teil am Brustausschnitt des Wamses. Die schöne Stickerei am oberen Saum ist wohl auch nur an der sichtbaren Vorderseite angebracht 4 . Oft mag dieser Teil nur als ein Brustlatz 5 auf dem eigentlichen Hemd appliziert gewesen sein. Die Ärmel wurden als Putz durch die Schlitze der rückwärtigen Naht der glatten Wamsärmel gezogen und bildeten lange weiche Bäusche, die jedoch die Schlankheit des Armes nicht beeinträchtigten. Etwas später „wie wol er nit beklaidt, allain das hemmat an hat, noch mal ist er hinaufgegangen". Zimmerische Chronik IV. S. 1 1 1 . 2 Herausgegeben von W . v . Brunn, Berlin 1925. 3 Dürers Tagebuch, August 1 5 2 0 : „Item habe 31 Stüber für ein rot willen (wollen) Hemd geben". K . Lange u. F. Fuhse a. a. O. S. 129. — Weinsberger a. a. 0 . trägt wegen der K ä l t e über seinem Leinenhemd auch ein rot wollenes. — Inventar des Schlosses Preßburg 1 5 2 7 : „Ain plab daffantes hemmat mit ainem guldin kragen und mit Golt die ermel geziget". J b . A. K . III. 1885 Reg. Nr. 2914. — In einer Teillibelle des Nachlasses Kaiser Maximilians II. von 1578 finde ich unter „Leinwatgewand": „ain rott carmesin hemet — 8 fl." J b . A. K . X I I I . 1892. Reg. Nr. 9093. — Es ist möglich, daß der Teil von irgend einem Kleidungsstück, den man auf Bildern oft am Hals zwischen Hemd und W a m s bemerkt, nicht wie bisher angenommen, ein Unterwams oder Brusttuch ist, sondern in gewissen Fällen auch ein Überhemd sein kann (Georg Pencz, Porträt. Kunsthistorisches Mus., Wien).

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Vgl. z. B. Dürers Selbstporträt in Madrid. Verbot von „gefaltenen Hemden und Brusttuch" mit Silber und Gold, ausgeschieden Fürsten, Grafen und Herren. Augsburger Reichstag 1500.

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drängten sie sich in horizontalen Puffen aus den Lücken der in Teilen aufgelösten Ärmel hervor. In dem zweiten Jahrzehnt entsteht ein eigener Hemdkragen zunächst dadurch, daß der Halsausschnitt des Hemdes den des Wamses überragt und deshalb auch mit einem Stickereistreifen rundum abgeschlossen wird. (Vgl. Zeichnung S. 32). Gleichzeitig mit dem Kürzerwerden des Haares kommt in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrzehnts der stehende Hemdkragen auf. Der Stoff des Hemdes wird am Hals in einen Bund zusammengefaßt, während der obere Stoffteil in feinen Reihfalten in beliebiger Höhe den Kragen bildet. Am obersten Rande läßt man diese Reihfalten aufspringen, wodurch sich eine Rüsche als Abschluß ergibt. Das Hemd ist vorne nur so weit aufgeschnitten, daß es über den Kopf gezogen werden kann. Entweder wird es dann durch Bänder, Knöpfe oder Haken und Ösen am Kragen geschlossen oder der Kragen steht halb offen und der Verschluß sitzt am Hemd selbst. Es gibt nur wenig bildliche Belege für einen seitlichen Verschluß wie etwa Weinsberg bemerkt, daß sein Hemd an der Seite offen sei1. Der Kragen bildete den hohen Geldwert eines Hemdes2. Seine ästhetische Bildung machte dann auch die verschiedensten Änderungen durch. Mit Stickereien wurden die feinen Falten, aus denen er gebildet war, festgehalten, am häufigsten in der Weise, daß der Kragen ganz überstickt war, aber auch so, daß die Stickerei nur in Streifen lief. Als aber später der Kragen von Wams oder Goller den Hemdkragen bis zur Rüsche verdeckte, bleibt es ungewiß, ob man nicht auf die kostbare Stickerei verzichtete. Daß auch die Stickereien in ihren Mustern eine radikale stillistische Entwicklung erfahren haben, wird später erläutert werden. Bis zu den dreißiger Jahren ist die Rüsche am Kragenrand sehr klein, wohl ca. 1/12 der ganzen Kragenhöhe, die mit ca. 6 cm ihre größte Höhe erreicht. J e nach der Person wird dies Maß wohl geschwankt haben 3 . Mit den dreißiger Jahren fängt die Rüsche an etwas breiter zu werden, in den vierziger und fünfziger Jahren erreicht sie dann eine Breite von % bis % der Kragenhöhe. Da die Rüsche aus doppeltem Stoff hergestellt wurde, 1

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Hans Burgkmair, Bildnis des Thomas Burgkmair 1520. Kupferstichsammlung, Dresden. Hermann tom Ring, Bildnis eines Architekten, Berlin, Deutsches Museum. Ulrich Fugger. Inventar 1577: „Ein Kragen an ain hemet mit goldt und blaw ussgenet 3 fl." So viele verschiedene Typen der Kxagenformen zu unterscheiden, wie de Jonge (Bijdrage tot de Kennis van de Kleederdracht in de nederlanden in de XVI e eeuw. Oud Holland, 1919, p. 129 ff.) es tut, scheint mir nicht angängig. Selbstverständlich gab es höhere und niedrigere Kragen — die letzteren besonders am Anfang des Jahrhunderts. Wenn wir diesen aber in den dreißiger Jahren noch begegnen, so ist es wahrscheinlich nur deshalb, weil man sie aus Bequemlichkeitsgründen noch trug. 38

hatte sie eine gewisse Steifheit, so daß sie in regelmäßigen röhrenartigen Falten vom Hals abstand, auch vom hohen Halskragen gestützt wurde. Dies war um 1560 Mode und darin liegt der Anfang der Krause, deren auffallende Größe besonders am Schluß des Jahrhunderts und am Beginn des folgenden das stärkste Charakteristikum des ganzen Kostüms bildete. Bis zu den 70er Jahren ist die Krause nicht breiter als 8 cm und so gebildet, daß zwei Reihen Röhren ineinander greifen, (vgl. Zeichnung S. 28.) Die breiteren Krausen blieben ohne Besatz oder Stickerei, während die schmäleren mit den jetzt aufkommenden Spitzen am Rand verziert werden konnten. Während es später Brauch wurde, die Krausen separat zu verfertigen, sind sie bis zu den 80er Jahren nichts anderes als vergrößerte Hemdkragenrüschen. Neben dem gefältelten Hemdkragen gab es einen ganz glatten einfachen Umschlagkragen, der sich vorne keilförmig öffnete (in Italien wird diese Form in den 40er Jahren so geschnitten, daß die vorderen Spitzen sehr lang werden und oft mit einer langen Quaste enden — typisch manieristisch!) (Bild 58). Dieser Umschlagkragen gewann erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts in Süddeutschland eine größere Verbreitung; vorher wurde er nur von solchen Leuten getragen, die sich viel außerhalb der süddeutschen Kultursphäre aufhielten. Da es oft störte, den hohen Kragen so nah am Kinn zu tragen, löste man den Verschluß und ließ ihn einem Aufschlag gleich über den Wamskragen fallen. Die weißen Bänder vom Hemdabschluß fielen dann nachlässig über die Brust herab. Gleichzeitig mit dem hohen Kragen bekommt auch der Ärmel am Bund eine Rüsche, die den Handrücken bis zur Hälfte bedeckte, häufiger jedoch am Frauen- als am Männergewand. Diese Rüsche ist mit Stickereien gleich wie der Kragen verziert. Ebenso wie die Halskrause wurde auch die Handrüsche gesteift getragen. Zu dem Umschlagkragen gehörten kleine umgeschlagene Manschetten. Oder aber man ließ den Ärmelsaum am Handgelenk in einem schmalen weißen Streifen sichtbar werden. HOSE Mit dem Aufkommen des kurzen Wamses am Ende des 14. Jahrhunderts ergab sich die Notwendigkeit, die unzusammenhängenden Beinlinge in feste Verbindung mit der sehr kurzen Gesäßhose zu bringen. Den vorderen Verschluß bildet ein Hosenlatz, der meist in Form eines Dreiecks geschnitten war und oben rechts und links mit Nesteln befestigt wurde. Das ergab die typische „spätgotische" Hose. Aus gewöhnlichen Stoffarten wie Barchent und Tuch, entweder einfarbig oder längsgestreift, umschloß sie den Unterkörper ganz eng und stramm von der Taille bis zur Fußspitze. Oft waren 39

hatte sie eine gewisse Steifheit, so daß sie in regelmäßigen röhrenartigen Falten vom Hals abstand, auch vom hohen Halskragen gestützt wurde. Dies war um 1560 Mode und darin liegt der Anfang der Krause, deren auffallende Größe besonders am Schluß des Jahrhunderts und am Beginn des folgenden das stärkste Charakteristikum des ganzen Kostüms bildete. Bis zu den 70er Jahren ist die Krause nicht breiter als 8 cm und so gebildet, daß zwei Reihen Röhren ineinander greifen, (vgl. Zeichnung S. 28.) Die breiteren Krausen blieben ohne Besatz oder Stickerei, während die schmäleren mit den jetzt aufkommenden Spitzen am Rand verziert werden konnten. Während es später Brauch wurde, die Krausen separat zu verfertigen, sind sie bis zu den 80er Jahren nichts anderes als vergrößerte Hemdkragenrüschen. Neben dem gefältelten Hemdkragen gab es einen ganz glatten einfachen Umschlagkragen, der sich vorne keilförmig öffnete (in Italien wird diese Form in den 40er Jahren so geschnitten, daß die vorderen Spitzen sehr lang werden und oft mit einer langen Quaste enden — typisch manieristisch!) (Bild 58). Dieser Umschlagkragen gewann erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts in Süddeutschland eine größere Verbreitung; vorher wurde er nur von solchen Leuten getragen, die sich viel außerhalb der süddeutschen Kultursphäre aufhielten. Da es oft störte, den hohen Kragen so nah am Kinn zu tragen, löste man den Verschluß und ließ ihn einem Aufschlag gleich über den Wamskragen fallen. Die weißen Bänder vom Hemdabschluß fielen dann nachlässig über die Brust herab. Gleichzeitig mit dem hohen Kragen bekommt auch der Ärmel am Bund eine Rüsche, die den Handrücken bis zur Hälfte bedeckte, häufiger jedoch am Frauen- als am Männergewand. Diese Rüsche ist mit Stickereien gleich wie der Kragen verziert. Ebenso wie die Halskrause wurde auch die Handrüsche gesteift getragen. Zu dem Umschlagkragen gehörten kleine umgeschlagene Manschetten. Oder aber man ließ den Ärmelsaum am Handgelenk in einem schmalen weißen Streifen sichtbar werden. HOSE Mit dem Aufkommen des kurzen Wamses am Ende des 14. Jahrhunderts ergab sich die Notwendigkeit, die unzusammenhängenden Beinlinge in feste Verbindung mit der sehr kurzen Gesäßhose zu bringen. Den vorderen Verschluß bildet ein Hosenlatz, der meist in Form eines Dreiecks geschnitten war und oben rechts und links mit Nesteln befestigt wurde. Das ergab die typische „spätgotische" Hose. Aus gewöhnlichen Stoffarten wie Barchent und Tuch, entweder einfarbig oder längsgestreift, umschloß sie den Unterkörper ganz eng und stramm von der Taille bis zur Fußspitze. Oft waren 39

auch die einzelnen Hosenteile in „mi-parti" unterschieden, d. h. man gab der rechten Körperhälfte durch Farbe, Stoff oder Musterung ein anderes Aussehen als der linken 1 . Um 1500 sonderte man den oberen Teil der Hose von der Taille bis zur Mitte des Oberschenkels durch besonders gemusterten Stoff. (Vgl. Zeichnung S. 51.) Diese Art einer horizontalen Unterteilung finde ich bei der Oberklasse nur für die allerersten Jahre des 15. Jahrhunderts. Die Landknechtstracht dagegen zog den Brauch ins Triviale, indem ein kurzes Gesäßteil von den Beinlingen getrennt wurde und manchmal auch die Unterschenkel nackt stehen blieben. Dieser Brauch wurde hernach von den geschlitzten Kleidern abgelöst. Man trug aber auch noch die altmodischen, separierten langen Beinlinge bis weit in das 16. Jahrhundert hinein, wenn man einen Rock anhatte, der bis zum Gesäß reichte. Ein hilfesuchender Patient ist in den Aufzeichnungen des Arztes Stromayr so dargestellt. Diese enganliegende Hose war die Grundform aller folgenden Veränderungen. Mit dem Aufkommen der (schon beim Wams) beschriebenen Schlitzung übertrug man deren verschiedene Muster auch auf die Hosen, die deshalb gefüttert werden mußten. Vor allem brachte man auch am Oberschenkel schräg gestreckte große S-förmige Schlitze an und lockerte den Stoff noch durch reihenweise dazwischengestellte kleinere Schlitze. Horizontale Reihen von kleinen Schlitzen im Wams wurden in den Hosen weitergeführt. Mit der konsequenten Ausbildung dieser Schlitzmusterung mußte das Futter mehr und mehr an Bedeutung gewinnen. Man begann wie an den Wamsärmeln sehr lange Schlitze vom Gürtel bis zu den Knien herab zu machen, die dann durch horizontale das Bein umspannende Bänder oder durch Nesteln zusammengehalten wurden. Oder man schlitzte zwar auch vertikal, aber nicht in durchgehenden Linien, sondern mit kleinen Unterbrechungen, die dann die Bänder ersetzten (Bild 52). War nun die ganze Schenkelpartie in dieser Weise zerschnitten, so wirkte das Futter wie eine glatte selbständige Hose. In den Inventaren und Beschreibungen finden wir deshalb auch immer die Stoffart des Futters angegeben. Statt die Hosen durch Schlitze elegant zu machen, konnte man sie auch mit einem „Überzug" zieren. Dieser Überzug ist wahrscheinlich nur die ursprüngliche, sehr stark geschlitzte, jetzt aber ungefütterte Hose, die über eine selbständige „Futterhose" gezogen wird. Man freute sich, daß man nun „Überzug"- und „Futterhose" beliebig zusammenstellen und dadurch eine Abwechslung in der Kleidung mit geringem Aufwand erreichen konnte. Matth. Schwarz schreibt 1523 „den weisen vberzüg mocht man vber all 1

Vgl. Der Schneider Lohn u. Ordnung in Luzern 1477. Puhl, in Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. N. F. Organ des Germ. Mus. VI. 1859. S. 54.

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hosen anlögen". (Bild 40). Wenn dieser ziemlich elegante Herr sich solche praktische Überlegungen gestattete, kann man wohl annehmen, daß sich dagegen auch die ersten Kreise nicht verschlossen. Jedes Hosenbein wird bei diesen Uberzügen in ca. 5—6 geschlitzte Bäusche aufgelöst. Zwischen ihnen kommt der Stoff der Futterhose in sichelförmigen Streifen hervor. Diese Sichelform mag dadurch entstanden sein, daß der Überzug an der Hinternaht der Hosenbeine befestigt war und dann vorne durch sein Eigengewicht abwärts gezogen wurde. Gegen diese geschlitzte Hose richtete sich die moralisierende Kritik. So wurde es z. B. in Tübingen den Studenten verboten zerschnittene Hosen zu tragen, nur am Knie waren wegen der Bewegungsmöglichkeit Schlitze erlaubt, wie auch die einfacheren Kleidungen des Hofkleiderbuches zeigen 1 . Die bis jetzt erwähnten Hosenformen stammten aus den ersten drei Jahrzehnten des Jahrhunderts. Im Ausland findet man die beschriebenen Typen mit Ausnahme von Nord- und Mittel-Italien nur selten 2 . Der Übergang von der vertikal geschlitzten Hose vollzieht sich zur „Streifenhose" oder „Pluderhose". Sie ist vom Gürtel bis zum Knie länger als bisher geschnitten und in 5—10 cm breite, vertikale Streifen geteilt. Dadurch fallen die Streifen etwas bauschig über das Knie, während der untere Teil der Hose glatt anliegt. Das Futter ist meist von anderem Stoff und anderer Farbe als die Hosen und wird so weit geschnitten, daß seine Falten zwischen den Hosenstreifen herausdringen. Die „braguette" wird mit großen Schleifen aus dem gleichenFutterstoff verziert. In höfischen Kreisen trug man eine Hose, bei der sich die Aufteilung in Streifen nur bis zur Mitte des Oberschenkels erstreckte. E s existierte indessen noch eine übertriebene Form der Streifenhose, die dann in voller Weite tief, oft beinahe bis zu den Knöcheln herunterreichte. Sie wurde hauptsächlich von den Landsknechten getragen 3 . Im ganzen muß man die Pluderhose als typisch deutsch ansehen, denn außer in Deutschland wird sie nur in den von der deutschen Kultur sehr R . v. Mohl, Geschichtliche Nachweisungen über die Sitte der Tübinger Studenten. Tübingen 1871. S. 14. - Die Fresken Pinturicchios in der Piccolomini-Kapelle des Domes zu Siena zeigen auffallend deutsch aussehende Kleidung, besonders bei den Hosen. 3 Eine Art von Hosen, bei denen aus leichtem Stoff oben an der Taille in horizontalen Puffen ein Gürtel gebildet war und dieser Stoff dann unten zwischen den Streifen am Knie in langen birnförmigen Puffen herunterhing, wurde hauptsächlich in Norddeutschland getragen. (Boehn, Die Mode des 16. J h . Taf. b. Seite 192). Zwei originale Kleidungen mit solchen Hosen werden im D o m zu Uppsala (Schweden) aufbewahrt. Sie gehörten zwei Mitgliedern der Familie Sture, die von dem König Erik X I V . in 1567 ermordet wurden. Publ. von Ossbahr, Kongl. Lifrustkammaren. Stockholm 1901 und von Ellen Lundberg, Uppsala domkyrkas Klädkammare. Svenska Slöjdföreningens Tidskrift 1910. p. 63. 1

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beeinflußten Ländern, wie der Schweiz und Skandinavien 1 , getragen. Shakespeare's Satz aus „Much ado about nothing": ,,a German from the waist downward, all slops", beweist uns deutlich, wie sehr man diese Schlitzmode als „deutsch" empfand. 2 Aber als in der Mite des 16. Jahrhunderts die spanische Etiquette größeren Einfluß auf die süddeutschen Höfe gewann, bevorzugte man eine straffere Form der Streifenhose. Ihre fünf bis sechs Streifen waren von gleichem Stoff wie das Wams und umgaben den Oberschenkel bis ca. 10 cm oberhalb des Knies. Sie waren dort mit einem schmalen Bund zusammengefaßt. Jedoch trennte man von ihnen das Strumpfteil, das entweder gestrickt oder separat genäht war und am Hosenteil angeheftet werden konnte. Neben diesen „Oberschenkelhosen" treten noch die richtigen spanischen sogenannten „Heerpauken" auf. Sie sind etwas kürzer, reichen nur bis zur Mitte des Oberschenkels und nehmen eine kugelige Form an. Sie sind ebenfalls in Streifen geteilt, das Futter hat aber keine so große Wirkung, weil die Streifen näher aneinander liegen. Die Braguette, die an der Streifenhose keineswegs an Größe abgenommen hatte und in sehr fester Form von dem gleichen Stoff wie die Streifen gebildet worden war, erscheint jetzt kleiner zwischen diesen rund wulstigen Oberschenkelteilen, deren Schwellung man durch Ausstopfen mit Roßoder Kalbshaaren oder Baumwolle erzielte 3 . Die Oberschenkelhose wurde in der Zeit nach 1560 zu dem Wams mit Schoß getragen und war gegen die siebziger Jahre besonders kurz. Auf Seiseneggers Porträt von 1532 trägt Karl V. enganliegende Hosen, aus ganz nah aneinander grenzenden vertikalen Streifen so zusammengesetzt, daß das Futter nur durch schmale Ritzen sichtbar ist (Bild 53). Die Streifen werden durch fünf in gleichmäßigen Abständen darübergelegte schmale Bänder zusammengehalten. Die Strümpfe sind in einem an den unteren Hosenrand reichenden Wulst über dem Hosenbund aufgerollt. Diese Hosenform habe ich für eine so frühe Zeit sonst nirgends gefunden. Ahnlich findet sich nach der Mitte des Jahrhunderts in der spanischen, englischen und französischen Tracht ein Kleidungsstück, das als Verbindung zwischen der außerordentlich kurzen ausgestopften Oberschenkelhose und dem oberen Abschluß der bis zum Knie gehenden Strümpfe dient. 1

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Vgl. die dänische Übersetzung von Musculus' „Hosenteufel" vom Jahre 1556, die beweist, daß „Den leppede og forkludrede Hosedjevle" in Dänemark schon damals um sich gegriffen hatte! zit. von Kelly, Shakespearian dress-notes. Burl. Mag. 1916 S. 97. In einem Brief dat. 5. Dec. 1570 (Geheimes Hausarchiv) von dem Hofschneider Steffan Vischer an den Herzog Albrecht schreibt dieser von „30 Pf. Roßhaar". Dies ist ohne Zweifel zum Ausstopfen der Hosen berechnet, wie auch die Baumwolle, die z. B. den Edlen Knaben gegeben wird.

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Kelly hat es „Canions" genannt 1 und betont mit Recht die Ähnlichkeit mit den gewöhnlichen Kniehosen, „Venetians" genannt. Diese werden am häufigsten von glattem ungemustertem Seidenstoff verfertigt; über die Seitennähte führte man zur Verzierung in Schlingen gelegte Seidenlitzen; nach 1570 kommen sie vor. — Die kurze, am unteren Saum nicht zusammengebundene Hose, die mit der Bezeichnung „galiothische" wohl gemeint ist, wird erst im letzten Jahrzehnt des Jahrhunderts getragen, jedoch niemals von besseren Kreisen. SCHAUBE

UND

ROCK

Paul Post 2 hat in den Kostümen der Männertracht um 1470 eine entscheidende Wandlung festgestellt und gezeigt, wie der früher getragene kurze Rock dem langen Ubergewand, dem Tappert oder Mantelrock weicht. In späteren Untersuchungen der Entwicklung dieses Kleidungsstückes 3 wurde die Entstehung der Schaube aus dem Mantelrock nachgewiesen. Indem man den geschlossenen Mantelrock, der über Wams und Hosen getragen wurde, in seiner ganzen vorderen Länge aufschnitt, entstand statt eines über den Kopf zu ziehenden Kleidungsstückes ein offenes, lose herabhängendes Gewand: die sogenannte Schaube. Die Schaube wird in Deutschland seit ca. 1490 getragen. Da sie sehr lang war und oft bis zu den Fußknöcheln reichte, entsprach sie mehr der Haltung des erwachsenen Mannes. Wenn jüngere Männer die Schaube trugen, dann bestimmte diese die Würde einer repräsentativen Stellung. Der Vorderund Rückenteil der Schaube erfuhr niemals größere Veränderungen. Im zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts wurden zuweilen separate Schulterstücke eingesetzt, an die sich der Stoff von Vorder- und Rückseite faltenreich anschloß. In der Zeitspanne von 1510—1530 nahm die Schaube, wenn sie nicht als ausgesprochene Amtskleidung getragen wurde, allmählich an Länge ab 4 . Meistens war die Schaube mit Pelz gefüttert, der Umschlagkragen war ebenfalls mit Pelz besetzt, was einen glatten Liegekragen voraussetzte 5 . Die Wandlungen im Schnitt veränderten hauptsächlich Kragen und Ärmel. 1

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Burlington Mag. 1918, S. 102. F. M. Kelly, What are canions? — Ich habe in Deutschland keine Bezeichnung für dies Kleidungsstück gefunden. a. a. O. S. 71. Paul Post, Zeitschr. f. histor. Waffen- u. Kostümkunde. Neue Folge I. S. 45. Die Zimmerische Chronik berichtet, daß bei einem Reichstag zu Augsburg mit Karl V. und Ferdinand ein Graf erscheint „mit märderin und andern köstlichen schauben wol gefast gewesen; die sein aber lang, groß und uf die alte manier gemacht gewesen", fielen also deswegen damals schon auf (III S. 571). Bezeichnend für die soliden Deutschen ist folgende Erzählung in der Zimmerischen Chronik: Zu dem Besitzer eines Schlosses wird gesagt: „Ewer baw sieht mich für ein

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Kelly hat es „Canions" genannt 1 und betont mit Recht die Ähnlichkeit mit den gewöhnlichen Kniehosen, „Venetians" genannt. Diese werden am häufigsten von glattem ungemustertem Seidenstoff verfertigt; über die Seitennähte führte man zur Verzierung in Schlingen gelegte Seidenlitzen; nach 1570 kommen sie vor. — Die kurze, am unteren Saum nicht zusammengebundene Hose, die mit der Bezeichnung „galiothische" wohl gemeint ist, wird erst im letzten Jahrzehnt des Jahrhunderts getragen, jedoch niemals von besseren Kreisen. SCHAUBE

UND

ROCK

Paul Post 2 hat in den Kostümen der Männertracht um 1470 eine entscheidende Wandlung festgestellt und gezeigt, wie der früher getragene kurze Rock dem langen Ubergewand, dem Tappert oder Mantelrock weicht. In späteren Untersuchungen der Entwicklung dieses Kleidungsstückes 3 wurde die Entstehung der Schaube aus dem Mantelrock nachgewiesen. Indem man den geschlossenen Mantelrock, der über Wams und Hosen getragen wurde, in seiner ganzen vorderen Länge aufschnitt, entstand statt eines über den Kopf zu ziehenden Kleidungsstückes ein offenes, lose herabhängendes Gewand: die sogenannte Schaube. Die Schaube wird in Deutschland seit ca. 1490 getragen. Da sie sehr lang war und oft bis zu den Fußknöcheln reichte, entsprach sie mehr der Haltung des erwachsenen Mannes. Wenn jüngere Männer die Schaube trugen, dann bestimmte diese die Würde einer repräsentativen Stellung. Der Vorderund Rückenteil der Schaube erfuhr niemals größere Veränderungen. Im zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts wurden zuweilen separate Schulterstücke eingesetzt, an die sich der Stoff von Vorder- und Rückseite faltenreich anschloß. In der Zeitspanne von 1510—1530 nahm die Schaube, wenn sie nicht als ausgesprochene Amtskleidung getragen wurde, allmählich an Länge ab 4 . Meistens war die Schaube mit Pelz gefüttert, der Umschlagkragen war ebenfalls mit Pelz besetzt, was einen glatten Liegekragen voraussetzte 5 . Die Wandlungen im Schnitt veränderten hauptsächlich Kragen und Ärmel. 1

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Burlington Mag. 1918, S. 102. F. M. Kelly, What are canions? — Ich habe in Deutschland keine Bezeichnung für dies Kleidungsstück gefunden. a. a. O. S. 71. Paul Post, Zeitschr. f. histor. Waffen- u. Kostümkunde. Neue Folge I. S. 45. Die Zimmerische Chronik berichtet, daß bei einem Reichstag zu Augsburg mit Karl V. und Ferdinand ein Graf erscheint „mit märderin und andern köstlichen schauben wol gefast gewesen; die sein aber lang, groß und uf die alte manier gemacht gewesen", fielen also deswegen damals schon auf (III S. 571). Bezeichnend für die soliden Deutschen ist folgende Erzählung in der Zimmerischen Chronik: Zu dem Besitzer eines Schlosses wird gesagt: „Ewer baw sieht mich für ein

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U m 1531. G e o r g P e n c z

U m die J a h r h u n d e r t w e n d e f i n d e t m a n zwei H a u p t f o r m e n f ü r d e n K r a g e n . Die erste ist der bis zur Taillenhöhe spitz zulaufende Schalkragen, dessen äußerer U m r i ß eine leicht konvexe K u r v e bildete. I n der F r ü h z e i t reicht dieser K r a g e n nie ü b e r die Schulterbreite hinaus, mit der Zeit aber wird er breiter, bis er n a c h der Mitte des zweiten J a h r z e h n t s m i t u n t e r ein so enormes A u s m a ß h a t , daß m a n c h m a l f a s t die H ä l f t e des Oberarms bedeckt wird. Eine A b a r t des Schalkragens b e s t a n d darin, d a ß der äußere U m r i ß an der Schulter konvex ansetzte, d a n n aber die Taillenhöhe in einer spitzen K o n k a v e erreichte. Die zweite K r a g e n f o r m verlief von der Taillenhöhe in gerader Linie schräg zur Schulter u n d wurde auf d e m R ü c k e n in H ö h e der Schulterb l ä t t e r horizontal abgeschnitten. S p ä t e r endet die gerade Saumlinie schon auf der Schulter, w ä h r e n d die R ü c k e n p a r t i e leicht a b g e r u n d e t wird. E i n weiteres S t a d i u m der E n t w i c k l u n g zeigt d a n n den an den Schultern breit überfallenden K r a g e n , der auf der Vorderseite am Revers in der H ö h e der Achselhöhle einen winkeligen E i n s c h n i t t h a t . I n den ersten J a h r z e h n t e n ist f ü r den K r a g e n charakteristisch, d a ß er a m Nacken hoch hinauf ging. Als sich aber f ü r H e m d u n d W a m s b e s t i m m t e K r a g e n f o r m e n ausbildeten, setzte m a n den S c h a u b e n k r a g e n tiefer an. Nicht immer h ö r t e der Kragen in Taillenhöhe auf. E r k o n n t e auch als Besatz an den ganzen vorderen S c h a u b e n r ä n d e r n entlang geführt werden. Venediger beiz an" und es folgt als Kommentar „wie cöstlich die Venedigern sich sonst in ihren claidungen gewesen, so hätten sie doch ihre marderne schauben und zobel am ruggen mertails mit schaffeien gefietert." Ähnlich war das Schloß: schöne Vorderseite, kam man hinein „so were nichs weiter verhanden, sondern man sehe darauss wie durch ain spinnenwepp" (IV. S. 151).

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Ä r m e l hatte die Schaube immer. Um die Jahrhundertwende waren sie faltenlos in den kleinen Armlöchern angebracht und sehr lang, so daß sie oft bis zum unteren Saum der Schaube, ja darüber hinaus reichten. Ein solcher Ärmel bildete natürlich viele Falten, wenn er in seiner ganzen Länge den Arm umschloß. Es waren aber im Ärmel in verschiedener Höhe horizontale oder vertikale Schlitze gemacht, durch die man den Arm hinausstrecken konnte, wobei der übrige Teil des Armes als Zierstück herunterhing. Die Offnungen im Ärmel waren eventuell auch kreuzförmig oder gezackt geschnitten. Oder aber es war die ganze Vordernaht des Ärmels offen und nur mit Knöpfen und Schlingen oder mit Schleifen zusammengebunden. Das war besonders 1515—1520 Mode. Den untersten Ärmelsaum faßte man (im 2. u. 3. Jahrzehnt) mit einem Zugband, so daß der Ärmel ein schweres, beutelartiges Aussehen bekam. Die glatte Ärmelform entsprach dem schmalen Kragen. Gleichzeitig mit dem breiteren Kragen wurde das Armloch und damit die Ärmelweite bedeutend erweitert und man findet nun Ärmel, deren Breite mehr als ein Drittel der Länge der Schaube beträgt. Die Länge der Ärmel wurde nicht verkürzt, auch die Schlitze wurden beibehalten, verschwanden aber in der Fülle der weiten Falten. Auch diese Ärmelforra war glatt, in die Schaube eingefaßt. Eine Ausnahme bildet nur eine Form, bei der der Ärmel am Rückenteil in dichte Falten gelegt war, in der Achselhöhle aber überhaupt nicht mit der Schaube verbunden war. An dieser Stelle war zu der Stoffbahn des Ärmels ein größeres dreieckiges Stück geschnitten, das lose herabhing und diese Öffnung wohl verdecken sollte. Bei Bewegung des Armes wurde sein Pelzfutter sichtbar. Noch um die Jahrhundertmitte sieht man diese Ärmelform an dem kurzen Rock. Der Name Schaube für ein männliches Kleidungsstück verschwindet mit den dreißiger Jahren aus den Urkunden und wird weiterhin nur als Bezeichnung für einen weiblichen Überrock gebraucht. 1 Wenn man später betonen will, daß es sich nicht um ein weibliches Kleidungsstück handelt, wird es ausdrücklich geschrieben, z. B. ,,1 manns schauben mit marder kelen gefuttert" 2 . Mit dem Namen verschwindet auch die Form, die nur noch als Ratsherrnkostüm und zwar bis tief ins 17. Jahrhundert hinein als Amtstracht gefordert wurde. So wurde auch im späten 16. Jahrhundert noch immer gefordert, daß die Schneidergesellen „ein Ehrenrock müssen schneiden können." Aus den Merkbüchern und Zunftbüchern der Schneider geht hervor, daß ein solcher „Ehrenrock" ein schaubenartiges Kleidungsstück gewesen ist, eine Verwendung, die auch dem Charakter des Schnittes entsprach. 1

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Als „Schlafrock" hat die Schaube lange auch noch weiter existiert. Siehe auch unter „Ungarischer Rock" S. 51. Fugger Archiv, Inventar 1546 Nr. 2, 1. 22a XVIII.

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Schon in den zwanziger Jahren bürgerte sich mehr und mehr eine kürzere Form der Schaube ein, die man nun mit dem Wort Rock bezeichnete. In den vierziger Jahren reicht diese nur noch bis in die Höhe der Oberschenkel. 1 Gleichzeitig kompliziert sich der Schnitt zugunsten weicher, fallender Stoffe. Eine differenziertere Durchbildung verdrängt mehr und mehr das schwere Pelzwerk. Der weite Rückenteil wird in der Mitte in große Falten gereiht. Die Kragenformen der Schaube — von Stoff oder Pelz — werden beibehalten, jedoch reichen ihre Enden nicht so tief auf der Brust herab, sind aber desto breiter. Während man früher den Eindruck hatte, als sei der Stoff der Schaube einfach nach außen umgeschlagen, so entwickelt sich jetzt ein Schulterkragen, dessen Selbständigkeit im Schnitt sofort deutlich wird. Er konnte entweder in Kreisform geschnitten sein oder aus einem gleichmäßig breiten Stoffstreifen bestehen, der am Halsausschnitt gereiht war. Die seitliche Kragenbreite verdeckte noch den Armelansatz. Von dieser Kragenform gibt es verschiedene Varianten. So legte man z. B. auf den Kragen einen zweiten kleineren. E s kam auch vor, daß der Rock am Hals mit einem Stehkragen endigte und trotzdem noch einen Schulterkragen besaß. Ferner konnte der Kragen in mehreren abgestuften Schichten gearbeitet werden; diese waren dann aus doppeltem Stoff und geschlitzt und stimmten so mit dem geschlitzten Barett überein. Dieser Schulterkragen war im dritten und in der ersten Hälfte des 4. Jahrzehnts in Mode; vor allem häufen sich die Beispiele für die Jahre 1521—27 2 . Daneben gibt es im 3. und 4. Jahrzehnt einen Rock, dessen Schulterstück im Hals hoch geschlossen oder vorne reversartig aufgeschlagen werden konnte. Lange, enge Ärmel verschwanden mit der Schaube. Man trug zwar am Rock noch bis ins dritte Jahrzehnt hinein die sehr breiten, glatt eingesetzten Ärmel, aber es überwiegt doch der Gebrauch der neuen bauschigen Ärmelform. In den sehr großen Armlöchern werden Ärmel mit reichen Falten eingesetzt. Sie sind etwa so lang wie der Arm und werden unten in einen Ärmelbund gefaßt, der so weit sein mußte, daß man den Ärmel bis zum Ellenbogengelenk über die Wamsärmel, die man immer zu zeigen wünschte, hinauf schieben konnte. Diese beuteiförmigen Ärmel konnten 1

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Reizvoll ist die Erzählung der Zimmerischen Chronik von dem Streit zwischen Vater und Sohn wegen der Länge des Rockes. Ein junger Freiherr soll zur Universität, der alte Herr gibt dem Hofschneider Anweisung „die gueten Seidenröcke" nicht zu klein und kurz zu machen, damit der junge in sie hinein wachsen kann. Dieser ist aber eitel und überredet den Schneider sie „kurz nach dem gemainen gebrauch und uf die newen sitten zu machen". III. S. 178. Die beste Gelegenheit zur Beobachtung bietet die fortgesetzte Folge Habsburgischer Medaillen. Vgl. Gg. Habich, a. a. O. I. 1. pl. I X . u. X X X .

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frei herunterhängen, wenn man die vorderen Nähte offen ließ und nur in Abständen durch Knopfschluß verband, so daß Öffnungen zum Durchstecken der Arme entstanden. Die Ärmel wurden vertikal gestreift und um die Rundung am Handbund mit horizontalen Bändern besetzt. Oder man versuchte eine Verquickung des engen, lang herunterhängenden Ärmels mit dem Beutelärmel. Der Bausch bedeckte dann nur noch den Oberarm, indes am Ellenbogen (mit einer Naht an der Hinterseite oder mit separaten Bandschleifen) ein schmaler glatter Unterärmel angesetzt wurde, dessen Länge sehr variabel war und der wiederum mit mehreren vertikalen oder horizontalen Schlitzen versehen sein konnte. Ein solcher Ärmel konnte in sehr verschiedener Weise getragen werden : ganz lose hängend, indem man den Arm durch den Schlitz des gebauschten Oberärmels steckte. Oder es wurde nur der Oberärmel angezogen, während der enge Unterärmel lose herabfiel (Bild 30, 29). Endlich konnte man auch diesen ganz oder teilweise, je nach Belieben anziehen. Diese Röcke mit bauschigen Ärmeln hatten oft große Pelzkragen wie Pelzfutter, das aus den Schlitzen hervorsah. Der Rock mit dem Schulterstück hatte die gleichen Ärmelformen, aber da er (wohl wegen der reichen Faltung des Stoffes) am häufigsten nicht mit Pelz gefüttert war, kommt weniger die bauschige Schwere als die reiche Bewegung der Falten zum Ausdruck. Um die Jahrhundertmitte wird der ganze Rock kleiner und schmäler geschnitten. Dementsprechend verkürzten sich die Ärmel, der Bausch am Oberärmel verringerte sich zu einem kleinen Puffen, der mit mehreren vertikalen Schlitzen verziert war. Und, ebenso wie sich der Rock aus der Schaube entwickelt hatte, entstand jetzt durch die eben beschriebenen kleinen Veränderungen die „Hartzkappe" aus dem Rock. Man schlug den Kragen am Nacken hoch und erhielt so eine Folie für den Kopf. (Vgl. Zeichnung S. 28.) Daneben gibt es eine andere Kragenform, bei der ein etwas rund geschnittener Kragen an den engen Halsausschnitt angesetzt wird. Dieser konnte ebenfalls hochgestellt werden. Dann legten sich bei geöffneter Kappe die Vorderränder der Kappe nach unten breiter ausfallend, mit dem Kragen gemeinsam um. Bei geschlossener Kappe bildete der Kragen einen kleinen Liegekragen. Weil man die ,,Hartzkappe" wie auch den Rock der vierziger Jahre gelegentlich auch mit los herabhängenden Ärmeln umhangartig trug, kann man ihn als eine Ubergangsform zwischen Rock und Mantel bezeichnen. Dies entspricht auch dem Brauch der Zeit, die den Schnitt eines solchen Kleidungsstückes als „furmaler (Formular) zu einem mandl Rock, gancz Glocken weit" beschrieb 1 (Bild 48). 1

Kaysserliche Freyhaitten der schneyder und ab Cunderfectur. Enns 1590. Lipperheidsche Kostümbibl. Nr. 3777.

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Während die obengenannten Röcke als vornehmes Oberkleid offen und loshängend über dem Wams getragen wurden, bildete sich gleichzeitig ein anderer „Rock"typus, dessen Form sich lediglich aus der Erfüllung praktischer Zwecke ergab. Diese Art Rock besaß bei einem relativ glatten Oberteil, der sich wamsartig an den Körper anschloß, einen gefalteten Schoß. Es war dies ein Kleidungsstück, das auch der Vornehme trug etwa, wenn er zu Pferd auf der Jagd war. Um diesen Rock, der entweder über Wams oder Harnisch getragen wurde, von dem oben geschilderten offenen zu unterscheiden, werde ich ihn als Schoßrock bezeichnen. Wie der Rock erfuhr auch er in der Zeit von dem ersten Jahrzehnt bis zu den siebziger Jahren die gleiche Verkürzung, wobei er anfangs bis zur Mitte der Wade und später nur noch bis zum Oberschenkel reichte. In dem ersten Jahrzehnt gibt es einen sehr einfachen Schoßrock-Typus. Der Halsausschnitt ist kreisrund und klein. Er wurde wahrscheinlich über den Kopf angelegt und war wohl meist auf der Schulter und unter der Achsel zugeknöpft. Der Rumpfteil folgt den Formen und Verzierungen des Wamses und kann wie dies geschlitzt und gepufft sein. Zwischen 1510 und 1520 bevorzugte man einen viereckigen Halsausschnitt und große gebauschte Oberärmel mit glatten Unterärmeln; doch trug man auch kurze offene Glockenärmel; unter diesen kam dann der geharnischte Arm oder ein gepuffter Wamsärmel hervor. Dem Wams mit Revers ähnlich ist ein anderer, gleichaltriger Typus des Schoßrockes, versehen mit einer Brustklappe mit geradlinigem von Achselhöhle zu Achselhöhle reichendem Abschluß und kreisrundem Halsausschnitt, an dem durch Verbrämung ein Kragen gebildet war. Diese Form darf wohl als franko-flämische Mode angesprochen werden. Wir finden sie auf den Porträtzeichnungen Dürers von seiner niederländischen Reise 1 . Mathäus Schwartz ließ sich, nachdem er 1515 die Franzosen in dem Gefolge von Franz I. bei seinem Einzug in Mailand gesehen hatte, von seinem Schneider sofort „auf französisch" kleiden (Bild 37). In der gleichen „französischen" Kleidung hielt im selben Jahr Karl I. (V.) von Kastilien und Burgund seinen Einzug in Brügge. Trug man den Schoßrock als „Reitrock", so wurde der Schoß in Falten gelegt und immer vorn, häufig auch rückwärts bis zum Gürtel aufgeschnitten. Zuweilen wurde statt dieses Schlitzes an den beiden Vorderbahnen des Schoßes ein Streifen ausgeschnitten, wobei unterhalb der Taille rechteckige Stoffstücke stehen blieben, die übereinander griffen und oft mit Knöpfen geschlossen waren (Bild 24). Der lange Schoßrock war bis in die vierziger Jahre im Gebrauch und hatte meist bauschige Oberärmel. War der Ärmelbausch nicht so groß, so 1

Hauptmann Felix Hungersberger (Lippmann 562); Männerbildnis 1521, Boston; Holzschnittporträt von Ulrich Varnbühler 1522 (B. 155).

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b e t o n t e m a n gern die Schulterp a r t i e durch Flügelärmel, die oft m i t kleinen Schlitzen verziert waren (Bild 32); aus ihnen können die schwalbennestartigen Achselklappen a m J a h r h u n d e r t e n d e e n t s t a n d e n sein. Von 1530 a n wird es üblich, einen vorne in der Mitte geöffn e t e n Schoßrock bis zum Gürtel zu k n ö p f e n . D a z u t r ä g t m a n einen K r a g e n entweder in F o r m eines schmalen Umschlagkragens, spitz gegen den Gürtel zulaufend, oder eines Liegekragens, vorne offen, mit zwei auseinanderstrebenden Spitzen. An diesen Rock k o n n t e n rücklim 1540. J ö r g B r e u d. J . w ä r t s a m Ärmelausschnitt lange schmale Zierärmel angenäht werden. Man ließ sie in einem weiten Bogen h e r u n t e r h ä n g e n u n d steckte ihre Spitzen an der R ü c k e n m i t t e in den Gürtel. Diese Art des Schoßrockes w u r d e in beliebiger Länge getragen. Der kurze T y p u s wurde bis zur J a h r h u n d e r t w e n d e b e n u t z t u n d n i m m t schließlich Züge an, die ihn mit W a m s u n d Goller in Beziehung setzen. Diese beiden h a t t e n indessen nie einen so breiten Schoß. Aus diesem gegenseitigen Austausch der S c h n i t t y p e n ergeben sich die verschiedensten Spielarten. So etwa u m 1560 ein Schoßrock m i t ganz engen kurzen Ärmeln, die k n a p p bis z u m Ellenbogen reichten. D a r u n t e r t r u g m a n wahrscheinlich lose auswechselbare W a m s ärmel. E i n e Zeichnung im H o f k l e i d e r b u c h von 1524 liefert noch eine weitere Parallele des Schoßrockes, den Kittel. Man sieht eine ganze einfache Rockform, r u n d i m Halsausschnitt, vorne an der B r u s t mit drei vertikalen Zierschlitzen, horizontaler Taillenschnürung u n d kurzem, bis zur Mitte des Oberschenkels reichenden Schoß, dazu gewöhnliche lange Ärmel. Dies Kleidungsstück wird über der R ü s t u n g getragen. Der begleitende T e x t s a g t : „ I t e m solliche k i t t i n h a b e n die paide f ü r s t e n . . . . l e r e n fürstlich g n a d e n ain Speningen g ö b e n . . . " D a im Staatsarchiv, F ü r s t e n s a c h e n 364 „Ainspeningen v o m A d l " e r w ä h n t werden, ist es klar, daß der Ausdruck „ K i t t e l " nicht n u r f ü r ein Kleidungsstück des B a u e r n gebraucht wurde, wie meist a n g e n o m m e n wird, sondern auch als einfache V a r i a n t e f ü r den Schoßrock anzusehen ist. 4

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In dem Garderobe-Inventar von 15731 wird erwähnt „Ain griens gestrickhts Leibroekel" und in Christoph Fuggers „Erbschafft" von 15792 liest man u. a. „1 schwarz seiden gestrickht hemet od. wamess". Gestrickte Leibröcke — ähnlich den heutigen „pull-over" — können auf bildlichen Darstellungen nicht erkannt werden, da sie sich in der Musterung von gewebten Arbeiten wohl nicht unterschieden. Das beweisen einige kostbare Originale, welche sich aus der Zeit um 1600 erhalten haben 3 (Bild 10). Sie sind alle in Seide gestrickt. Der einfarbige Grund zeigt regelmäßige Muster: kleine geometrische Figuren oder Blumenmotive in einer anderen Farbe oder in Gold- und Silberfäden. Die erhaltenen Stücke sind in einer einfachen Jackenform gearbeitet, mit oder ohne Ärmel und mit Schnürlöcher am vorderen Rand. Leider haben sich diese Stücke wenigstens teilweise eine spätere Veränderung gefallen lassen müssen. Trotzdem üben sie in ihrer farbigen Haltung noch einen starken Reiz aus: ein Grün oder Rot, das zart verblichen ist, wobei die goldenen und silbernen Maschen noch in ihrem ursprünglichen Glanz schimmern. Es scheint nicht unwahrscheinlich, daß die erhaltenen Beispiele italienischen Ursprungs sind. In Italien nannte man sie „vite". Wahrscheinlich darf man sich die in den genannten Inventaren erwähnten gestrickten „Leibröckell" ähnlich vorstellen. Alte Bezeichnungen Für den lose hängenden, offenen Rock der männlichen Kleidung finden sich in den Quellen nach 1540 wechselnde Bezeichnungen, wie Gestaltrock, Hilrock und Hartzkappe. Sie können heute mit bestimmten einzelnen Kleidungsstücken nicht mehr eindeutig identifiziert werden. Jedenfalls handelt es sich bei allen um die kurze Form des Rockes. Das Wort „Hartzkappe" im besonderen mag sich aus dem Brauch ergeben haben, den kurzen Rock umhangartig zu tragen. Der in Figur geschnittene Schoßrock wird „Leibrock" genannt, wahrscheinlich gleichbedeutend mit „Faltrock" oder „Paltrock". Der „Renn"- und „Reitrock" und wohl auch der „Schlittenrock" ist im vorderen und hinteren Schoßteil aufgeschlitzt. Der „Küraß"oder „Waffenrock" unterschied sich von ihm durch die Art der Schlitzung und der halblangen Ärmel 4 . 1 2 3

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Geheimes Hausarchiv München 1712 E. fase. 2. Fugger Archiv, Augsburg. Originale: Museo Stibbert, Florenz; Bayer. Nationalmuseum, München; Dr. Figdor Stiftung, Wien; Paul Ganz, L'oeuvre d'un amateur d'art. La collection de M. F. EngelGros. Genève-Paris. O. J . S. 327. Als S c h u r z kommt ein Kleidungsstück vor, das nur ein mehr oder weniger stark gefalteter Schoß ist und über dem Harnisch getragen wurde.

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1499. M a i r v o n L a n d s h u t

1500. M a t h ä u s

Zaisinger

Von den genannten Rockarten sondert sich der U n g a r i s c h e R o c k ab 1 . Man findet ihn schon im späten 15. Jahrhundert auf Gemälden an Personen, denen man ein fremdartiges Aussehen verleihen 'wollte. Dieser Rock war meistens ganz lang, reichte manchmal aber auch nur bis über die Knie. Er war am häufigsten mit Pelz gefüttert und mit reichen SchiingenVerschnürungen geschlossen, die auch an den Schlitzen von Ärmeln und dem unteren Rand wiederkehrten. Die Ärmel waren sehr oft nur halblang und glatt. In den späteren Jahren konnte der ungarische Rock kurz und lose hängend getragen werden oder auch stramm sitzend wie ein Leibrock. Beide Schnitte sind in den Schneider-Zunftbüchern zu finden. 2 Mit ungarischem Rock bezeichnete man ferner einen als Schlafrock oder „Nachtpelz" benützten bequemen langen Hausrock mit Verschnürungen. MANTEL Ein kurzer, mantelartiger Schulterumhang vertritt bei den jungen Männern am Ende des 15. und am Anfang des 16. Jahrhunderts als Uberkleidung die Rolle der Schaube 3 . Es ist das der gleiche Typus des Überschlagmantels, den man in Frankreich und den Niederlanden im dritten 1

2 3

Ob ein Unterschied zwischen dem „Rock mit polnischen Schlingen" und dem „ungarischen Rock" bestand, möchte ich bezweifeln. Man hat damit wohl nur im ganzen etwas ÖstlichFremdartiges bezeichnen wollen. Merkbuch des H. Niedermayr d. J . in Innsbruck 1544—68. Mus. Ferdinandeum, Innsbruck. So sieht man z. B. auf Holbeins d. Ae. Walther Epitaph von 1502 in der Augsburger Gemäldegalerie den männlichen Teil der Familie, je nach der Altersstufe: Schaube mit großem Pelzkragen, Schaube mit Stoffkragen, Schultermantel und Leibröckchen tragen. 4*

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1499. M a i r v o n L a n d s h u t

1500. M a t h ä u s

Zaisinger

Von den genannten Rockarten sondert sich der U n g a r i s c h e R o c k ab 1 . Man findet ihn schon im späten 15. Jahrhundert auf Gemälden an Personen, denen man ein fremdartiges Aussehen verleihen 'wollte. Dieser Rock war meistens ganz lang, reichte manchmal aber auch nur bis über die Knie. Er war am häufigsten mit Pelz gefüttert und mit reichen SchiingenVerschnürungen geschlossen, die auch an den Schlitzen von Ärmeln und dem unteren Rand wiederkehrten. Die Ärmel waren sehr oft nur halblang und glatt. In den späteren Jahren konnte der ungarische Rock kurz und lose hängend getragen werden oder auch stramm sitzend wie ein Leibrock. Beide Schnitte sind in den Schneider-Zunftbüchern zu finden. 2 Mit ungarischem Rock bezeichnete man ferner einen als Schlafrock oder „Nachtpelz" benützten bequemen langen Hausrock mit Verschnürungen. MANTEL Ein kurzer, mantelartiger Schulterumhang vertritt bei den jungen Männern am Ende des 15. und am Anfang des 16. Jahrhunderts als Uberkleidung die Rolle der Schaube 3 . Es ist das der gleiche Typus des Überschlagmantels, den man in Frankreich und den Niederlanden im dritten 1

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Ob ein Unterschied zwischen dem „Rock mit polnischen Schlingen" und dem „ungarischen Rock" bestand, möchte ich bezweifeln. Man hat damit wohl nur im ganzen etwas ÖstlichFremdartiges bezeichnen wollen. Merkbuch des H. Niedermayr d. J . in Innsbruck 1544—68. Mus. Ferdinandeum, Innsbruck. So sieht man z. B. auf Holbeins d. Ae. Walther Epitaph von 1502 in der Augsburger Gemäldegalerie den männlichen Teil der Familie, je nach der Altersstufe: Schaube mit großem Pelzkragen, Schaube mit Stoffkragen, Schultermantel und Leibröckchen tragen. 4*

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Viertel des 15. Jahrhunderts getragen hatte. An der Jahrhundertwende ist dieses Mantelmodell besonders klein, kurz und glatt, im Schnitt nur ein Drittel des Kreises umfassend, mit weitem Halsausschnitt. Es reicht knapp von Schulter zu Schulter, wurde auch immer nur über einer Schulter getragen und über der anderen dann mit einer Schnur festgehalten. Dürer trägt auf seinem Selbstbildnis von 1498 einen solchen Mantel und wahrscheinlich ist es auch ein solcher, den er „Pirkheimer grüßen läßt" 1 . Anfang des Jahrhunderts wurde der Mantel im ganzen etwas größer geschnitten und fiel dadurch in reichere Falten. Gleichzeitig mit diesem kleinen Schultermantel trug man einen anderen, der aus zwei Teilen übereinander bestand. Den Unterteil bildet ein Umhang, der drei Viertel eines Kreises umfaßt, wobei die Länge des vorderen vertikalen Saumes vom runden Halsausschnitt bis zur Hüfte reicht. Das Oberteil ist in Form einer halbierten Ellipse mit zugespitzten Enden geschnitten. Seine schmälste vertikale Ausdehnung im Rücken läßt die Kurve des unteren Saumes hervortreten, während die lang herabhängenden Spitzen der Vorderseite den Unterteil völlig verdecken. Man trug diesen Mantel über beiden Schultern und konnte außerdem noch die eine freihängende Spitze über die andere Schulter schlagen. Er ist ein eitles Kleidungsstück, das die Kavaliere am Hofe Albrechts IV. trugen, und das man wieder in Holzschnitten aus dem Kreise des Kaisers Maximilian findet. Bei der Erscheinung der Heiligen Drei Könige wird gewöhnlich der Mohr damit ausgezeichnet. Bis in die zwanziger Jahre war dieser Mantel Mode. Man wird an ihn erinnert, wenn Dürer in seinem Niederländischen Reisebuch am 16. August 1520 schreibt: „Herr Erasmus hat mir ein spanisches Mäntele geschenkt" oder im Juni 1521: „Item der Ruderigo hat mir geschenkt 6 Ellen schwarz Kuteruchtuch zu einer Kappen" 2 . Im zweiten Drittel des Jahrhunderts verdrängte scheinbar der Rock diesen Manteltyp — wenigstens läßt sich sein Vorkommen in Bildern und Quellen nicht belegen. Gegen 1560 kommt er als halblanger Schultermantel wieder auf, jetzt „Radmantel" genannt (Bild 12) 3 . Obwohl der Grundschnitt noch der gleiche war, wirkt er völlig anders, denn nun war er aus steifem Stoff gefertigt und dazu oft noch steif gefüttert. Statt sich in Falten um den Körper zu hüllen, stand er radial von ihm ab. Dazu bekam er einen Halskragen, der umgelegt oder hoch gestellt getragen wurde. 1 2 3

Briefe vom 8. und 26. September 1506. — Lange-Fuhse S. 36 und 38. Lange-Fuhse, S. 104 und 174. Vgl. W. Fries, Festschrift Hampe, Anzeiger des Germ. Museums, Nürnberg 1926. S. 3, der hier mehrere Originale veröffentlichte. — Ein Pilgermantel, getragen von dem Grafen Jacob Trapp auf seiner 1553 abgeschlossenen Jerusalemsfahrt, wird in der Rüstkammer des Schlosses Churberg (Südtirol) aufbewahrt; vgl. Abbildung bei Oswald Trapp, Die Rüstkammer. . . London 1930.

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Die kurze Hartzkappe wurde bereits analysiert. Sie muß als eine Abart des Rockes gelten, so lange sie Ärmel hat. Es gibt aber Ubergangsformen, bei denen man nicht weiß, ob man sie als Rock oder Mantel ansehen soll. In den sechziger Jahren finden wir nämlich Röcke oder „ K a p p e n " ( = Mäntel) mit lose herabhängenden nur als Zierde dienenden Ärmeln, dann aber auch solche ganz ohne Ärmel, bei denen nur noch ein dekorativer Schlitz die ursprüngliche Stelle der Ärmelöffnung bezeichnet. Der Kragen von Stoff oder Pelzwerk ist klein und hochgestellt wie bei den Hartzkappen und setzt sich nach unten in breiten Randumschlägen fort (Bild 59, 60). In Gegensatz zum Radmantel tritt ein Umhang von weichem fallendem Stoff, den ich mit der seit ca. 1560 häufig erwähnten „spanischen K a p p e " identifizieren möchte. Er kann mit einer besonderen Form des Kragens verbunden werden, wobei von diesem am Rücken ein breites Schulterstück mit zwei langen schmalen Streifen herabhängt 1 . Auch mit einer Kapuze ist er häufig versehen (Bild 61). BEINBEKLEIDUNG Das 15. Jahrhundert, kannte keine Strümpfe so wie wir sie gewohnt sind. Die Beine waren von den aus Stoff verfertigten Beinlingen, die bis zu den Hüften reichten, bedeckt. Nur arme Leute hatten an diesen statt der Füßlinge Stege. Erst als die kürzeren Hosen getragen wurden, entstanden Strümpfe, die bis über die Knie reichten und dort entweder mit den Hosen zusammengenäht oder sonst irgendwie an ihnen befestigt waren. Oder man benützte Strumpfbänder, die entweder unter den Knien mit einer Schleife an der Außenseite des Beines gebunden wurden oder kreuzweise über und unter das Knie geschlungen waren. Diese Strümpfe wurden aus Stoff in einzelnen Teilen geschnitten und zusammengenäht, und konnten natürlich nicht wie gestrickte Strümpfe das Bein elastisch umspannen 2 . Gestrickte Strümpfe kamen kurz vor der Jahrhundertmitte auf und galten als etwas sehr Elegantes und Luxuriöses 3 . 1

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Diese Streifen dienen jetzt nur als Zierde. Am Anfang des Jahrhunderts erscheinen sie ein paarmal an losen sehr dekorativen Gewändern in Schaubenform mit angenähten Kapuzen; sie waren wahrscheinlich zum Festhalten des Kapuzes am K o p f berechnet, wobei man sie um den Hals band. (Vgl. Dürer, Zeichnungen, Lippmann Nr. 19 und Hans von Kulmbach, Anbetungsbild von 1511, Deutsches Mus., Berlin). Briefe eines Leipziger Studenten (Paulus Behaim): „Dabei thu ich dir auch zu wissen, daß der Schneider kein guten bissen an meinem Kleidt gemacht hatte. E s sein mir die Stimpf allzu lang. Sie schlottern mir alle wie einem anderen bauer seine Stieffel" (zitiert von Fr. von Thienen, Das Kostüm der Blütezeit Hollands. Berlin 1930 S. 24). Eine Notiz von 1581 in den Hofzahlamtsrechnungen zeigt, wie kostspielig die Strümpfe waren: „Dietrichen Ludwig hosenstrickhern per Strickherlohn vnnd Pesserung etliche stimpff für sein f. gn. laut der zettl zalt fl. 12." — Hofzahlamtsrechnung 1574: „zalt dem Hans Baret umb 5 par seiden Stumpf 30 f l . . " (München, Kreisarchiv.)

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Die kurze Hartzkappe wurde bereits analysiert. Sie muß als eine Abart des Rockes gelten, so lange sie Ärmel hat. Es gibt aber Ubergangsformen, bei denen man nicht weiß, ob man sie als Rock oder Mantel ansehen soll. In den sechziger Jahren finden wir nämlich Röcke oder „ K a p p e n " ( = Mäntel) mit lose herabhängenden nur als Zierde dienenden Ärmeln, dann aber auch solche ganz ohne Ärmel, bei denen nur noch ein dekorativer Schlitz die ursprüngliche Stelle der Ärmelöffnung bezeichnet. Der Kragen von Stoff oder Pelzwerk ist klein und hochgestellt wie bei den Hartzkappen und setzt sich nach unten in breiten Randumschlägen fort (Bild 59, 60). In Gegensatz zum Radmantel tritt ein Umhang von weichem fallendem Stoff, den ich mit der seit ca. 1560 häufig erwähnten „spanischen K a p p e " identifizieren möchte. Er kann mit einer besonderen Form des Kragens verbunden werden, wobei von diesem am Rücken ein breites Schulterstück mit zwei langen schmalen Streifen herabhängt 1 . Auch mit einer Kapuze ist er häufig versehen (Bild 61). BEINBEKLEIDUNG Das 15. Jahrhundert, kannte keine Strümpfe so wie wir sie gewohnt sind. Die Beine waren von den aus Stoff verfertigten Beinlingen, die bis zu den Hüften reichten, bedeckt. Nur arme Leute hatten an diesen statt der Füßlinge Stege. Erst als die kürzeren Hosen getragen wurden, entstanden Strümpfe, die bis über die Knie reichten und dort entweder mit den Hosen zusammengenäht oder sonst irgendwie an ihnen befestigt waren. Oder man benützte Strumpfbänder, die entweder unter den Knien mit einer Schleife an der Außenseite des Beines gebunden wurden oder kreuzweise über und unter das Knie geschlungen waren. Diese Strümpfe wurden aus Stoff in einzelnen Teilen geschnitten und zusammengenäht, und konnten natürlich nicht wie gestrickte Strümpfe das Bein elastisch umspannen 2 . Gestrickte Strümpfe kamen kurz vor der Jahrhundertmitte auf und galten als etwas sehr Elegantes und Luxuriöses 3 . 1

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Diese Streifen dienen jetzt nur als Zierde. Am Anfang des Jahrhunderts erscheinen sie ein paarmal an losen sehr dekorativen Gewändern in Schaubenform mit angenähten Kapuzen; sie waren wahrscheinlich zum Festhalten des Kapuzes am K o p f berechnet, wobei man sie um den Hals band. (Vgl. Dürer, Zeichnungen, Lippmann Nr. 19 und Hans von Kulmbach, Anbetungsbild von 1511, Deutsches Mus., Berlin). Briefe eines Leipziger Studenten (Paulus Behaim): „Dabei thu ich dir auch zu wissen, daß der Schneider kein guten bissen an meinem Kleidt gemacht hatte. E s sein mir die Stimpf allzu lang. Sie schlottern mir alle wie einem anderen bauer seine Stieffel" (zitiert von Fr. von Thienen, Das Kostüm der Blütezeit Hollands. Berlin 1930 S. 24). Eine Notiz von 1581 in den Hofzahlamtsrechnungen zeigt, wie kostspielig die Strümpfe waren: „Dietrichen Ludwig hosenstrickhern per Strickherlohn vnnd Pesserung etliche stimpff für sein f. gn. laut der zettl zalt fl. 12." — Hofzahlamtsrechnung 1574: „zalt dem Hans Baret umb 5 par seiden Stumpf 30 f l . . " (München, Kreisarchiv.)

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Man trug jedoch noch immer genähte Strümpfe, auch nach der Wende des 16. Jahrhunderts. Diese wurden von den Zunftleuten der Hosenschneider hergestellt 1 . Zu den kurzen Hosenformen der zweiten Hälfte des Jahrhunderts gehörten die glattsitzenden, schwarzen oder weißen seidenen Strümpfe 2 . Nachdem 1589 aber die Strickmaschine erfunden worden war, trug jeder besser gekleidete Mann die gestrickten Strümpfe. Es ist schon wegen der Empfindlichkeit des Materials nicht wahrscheinlich, daß die gestrickten Strümpfe an den Hosen angenäht wurden, man befestigte sie vielmehr unsichtbar unter den Hosen. Flatternde Strumpfbänder, wie in der ersten Hälfte des Jahrhunderts, waren jetzt völlig verpöhnt, ebenso wie auch ausgestopfte Hosen. FUSSBEKLEIDUNG K. Stolle's Chronik berichtet von Erfurt ,,Anno domini MCCCCLXXX do vergingen die langen snebele an den schuhen; danach komen dy breyte scho, als die kuemuler mit ubersiegen 3 . Doch dauerte die Herrschaft der spitzen S c h u h e noch bis zur Jahrhundertwende. Man zog ihnen dann Lederschuhe vor, die vorne breit abgerundet, mit einem hohen engen Fersenteil abgeschlossen waren 4 . Absätze gab es im 15. und 16. Jahrhundert nicht. Dieser Schuh ist nur wenig ausgeschnitten, so daß das Leder den ganzen Fußrücken deckte, sich manchmal sogar spitzig etwas nach oben dehnte. Öfters war aber das Oberleder in der Mitte über dem Fußrücken ein Stück weit aufgeschnitten und legte sich in kleinen Aufschlägen nach jeder Seite. Der Schuh war festgehalten durch ein quer über den Fußrücken gespanntes Band. 1

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Vgl. Satz und Ordnung vom 13. Juli 1729 abgedruckt bei Anton Schlichthörle, Die Gewerbebefugnisse II. S. 632. Inventarium.. . Erzherzogen Matthias und Max zu Österreich 1571 (Jb. A. K. VII 1888 Reg. Nr. 5272): „Sechsundzwanzig par seiden stimpf von allerlai färben; haben irer fürstlich durchleuchten erzherzog Rudolf und Ernst auch der herr Augeri mit aus Hispania bracht". Schultz, Deutsches Leben. II. S. 329. „Herr Werner freiher zu Zimber hielt sich ganz altfrenkisch mit seinen claidern, wie es dann vor jaren in seiner jugendt der sitt war gewesen, vnd sonderlich pflag er die langen, spitzigen schuch zu tragen, die selbigen schnebel ließ er im lang machen. Nun war selbiger Zeit ain junger handtwergsmann zu Mösskürch, und wiewol die jung weit dosumal solche lange schnebel nit mer an schuchen trug, noch dann so facht in an, auch dergleichen schuch zu tragen, die er ime auch machen ließ. Die trug er vor dem alten herren, der ain merkliches misfallen darab entpfieng. Darumb ließ er denselben zu ainer hilzin schwelen füeren und mit aim bihel die schnebel ab den schuhen hauen". Denn dem Adeligen gefällt es nicht, daß „der gemain man mit köstlichkait oder form der herrschaft nachfolgt". Zimmerische Chronik I. S. 480.

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Man trug jedoch noch immer genähte Strümpfe, auch nach der Wende des 16. Jahrhunderts. Diese wurden von den Zunftleuten der Hosenschneider hergestellt 1 . Zu den kurzen Hosenformen der zweiten Hälfte des Jahrhunderts gehörten die glattsitzenden, schwarzen oder weißen seidenen Strümpfe 2 . Nachdem 1589 aber die Strickmaschine erfunden worden war, trug jeder besser gekleidete Mann die gestrickten Strümpfe. Es ist schon wegen der Empfindlichkeit des Materials nicht wahrscheinlich, daß die gestrickten Strümpfe an den Hosen angenäht wurden, man befestigte sie vielmehr unsichtbar unter den Hosen. Flatternde Strumpfbänder, wie in der ersten Hälfte des Jahrhunderts, waren jetzt völlig verpöhnt, ebenso wie auch ausgestopfte Hosen. FUSSBEKLEIDUNG K. Stolle's Chronik berichtet von Erfurt ,,Anno domini MCCCCLXXX do vergingen die langen snebele an den schuhen; danach komen dy breyte scho, als die kuemuler mit ubersiegen 3 . Doch dauerte die Herrschaft der spitzen S c h u h e noch bis zur Jahrhundertwende. Man zog ihnen dann Lederschuhe vor, die vorne breit abgerundet, mit einem hohen engen Fersenteil abgeschlossen waren 4 . Absätze gab es im 15. und 16. Jahrhundert nicht. Dieser Schuh ist nur wenig ausgeschnitten, so daß das Leder den ganzen Fußrücken deckte, sich manchmal sogar spitzig etwas nach oben dehnte. Öfters war aber das Oberleder in der Mitte über dem Fußrücken ein Stück weit aufgeschnitten und legte sich in kleinen Aufschlägen nach jeder Seite. Der Schuh war festgehalten durch ein quer über den Fußrücken gespanntes Band. 1

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Vgl. Satz und Ordnung vom 13. Juli 1729 abgedruckt bei Anton Schlichthörle, Die Gewerbebefugnisse II. S. 632. Inventarium.. . Erzherzogen Matthias und Max zu Österreich 1571 (Jb. A. K. VII 1888 Reg. Nr. 5272): „Sechsundzwanzig par seiden stimpf von allerlai färben; haben irer fürstlich durchleuchten erzherzog Rudolf und Ernst auch der herr Augeri mit aus Hispania bracht". Schultz, Deutsches Leben. II. S. 329. „Herr Werner freiher zu Zimber hielt sich ganz altfrenkisch mit seinen claidern, wie es dann vor jaren in seiner jugendt der sitt war gewesen, vnd sonderlich pflag er die langen, spitzigen schuch zu tragen, die selbigen schnebel ließ er im lang machen. Nun war selbiger Zeit ain junger handtwergsmann zu Mösskürch, und wiewol die jung weit dosumal solche lange schnebel nit mer an schuchen trug, noch dann so facht in an, auch dergleichen schuch zu tragen, die er ime auch machen ließ. Die trug er vor dem alten herren, der ain merkliches misfallen darab entpfieng. Darumb ließ er denselben zu ainer hilzin schwelen füeren und mit aim bihel die schnebel ab den schuhen hauen". Denn dem Adeligen gefällt es nicht, daß „der gemain man mit köstlichkait oder form der herrschaft nachfolgt". Zimmerische Chronik I. S. 480.

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Mit dem ersten Jahrzehnt verschwindet die Abrundung des Vorderfußes und man schließt die Schuhspitze mit einer eckig abgeschlossenen geraden Linie in voller Breite. Gleichzeitig wird das Oberleder an den Seiten schmäler. In den zwanziger Jahren entwickelt sich eine raffiniertere Form. Das vordere Sohlenteil wird bis zur halben Sohlenlänge verbreitert, man läßt die vorderen Ecken stark vortreten und rundet sie ab. Das Oberleder ist vorne nur noch wenige Centimeter hoch und verschwindet fast an den Seiten, um an der Ferse hochgeschlossen und sehr fest anliegend dem Schuh den nötigen Halt zu geben. Auch kann der Vorderteil mit einem stumpfen Segmentbogen abgeschlossen sein, um sich in einem geschwungenen, eingezogenen Umriß am Mittelfuß zu verschmälern. Die Vorderecken wurden ausgestopft, um ihre Form schön zu erhalten (Bild 18). Einen Gegensatz zu diesem,, Kuhmaulschuh" bildet eine in den dreißiger Jahren aufkommende Schuhform, die bis zur Jahrhundertwende gebraucht wurde. Der Schuh liegt eng am ganzen Fuß an, bedeckte völlig den Fußrücken und war am Knöchel tief und geradlinig ausgeschnitten, vorne endend in einer abgestumpften Spitze, in späteren Zeiten oft wirklich spitz, wie auch die vordere Hülle gegen das Fußgelenk wieder spitz verlängert werden konnte. Diese Schuhe waren von Leder, doch galt es vornehmer sie aus einem Stoff zu verfertigen, der zu dem übrigen Anzug paßte, so z. B. aus Atlas oder Samt. Dann gebrauchte man für sie wohl auch die Bezeichnung „Pantoffel". Alle diese Schuhformen wurden mit Schlitzen verziert, soweit es die Breite des vorderen Oberteiles überhaupt gestattete. Schlitze waren oft sogar an den Fersen angebracht. Im frühen 16. Jahrhundert erhielt sich auch noch der Brauch, ohne Schuhe, nur mit an den Beinlingfüßen festgenähten Sohlen zu gehen, wobei ein f e r s e n l o s e r P a n t o f f e l getragen wurde. In höfischen Kreisen finde ich diesen Brauch nach 1510 nicht mehr. Bei gewissen R e n n e n und T o u r n i e r e n wurden besondere gepolsterte Schuhe getragen, die hoch am Knöchel hinaufreichten und dort in gepufften und geschlitzten Ringen das Bein umschlossen (Bild 24, 25)1. S t i e f e l , — die man im Haus nicht trug — waren von Leder und oft so lang, daß sie über das Knie gezogen werden konnten und dort festgenestelt wurden. Oder man konnte sie unterhalb des Knies umschlagen. Der Stülp war dann oft mit Schlitzen2 verziert. An den Waden konnten sie ebenfalls geschlitzt sein, so daß die darunter liegenden Strumpfhosen sichtbar wurden. Wenn diese Stiefel stramm sitzen sollten, mußten sie — zum Anziehen — an der Innenseite der Wade einen langen Einschnitt haben, den man zusammenschnürte oder mit Schleifen verschloß. 1 2

H. Pallmann, Hans Burgkmair d. Jüngere, Turnierbuch von 1529. München 1910. p. 13. Vgl. W. Bruhn in „Berliner Museen" 1930. S. 41.

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In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts werden zum Putz des Anzugs Stiefel von hellem Leder, weiß oder gelb, getragen; sie sollten zu dem Wildleder-Goller passen und waren daher auch mit einem kleinen Schlitzmuster verziert, wie es dieser aufwies. Diese Stiefel schlössen sich auch ganz stramm um das Bein und hatten unter dem Knie eine glatte umgeschlagene Stulpe. Die seidenen Strümpfe wurden dann nur durch die Schlitzmusterung hindurch und am Knie sichtbar.

HANDSCHUHE Handschuhe aus feinem Leder oder Stoff hatten am Anfang des Jahrhunderts eine Stulpe, die sich weich am Handgelenk faltete. Als im 3. und 4. Jahrzehnt die Schlitzmusterung modern war, scheute man sich auch nicht, die Handschuhe mit Reihen kleiner Schlitze über die ganze Handoberfläche bis zu den Fingerspitzen hin zu verzieren1. Daran hielt man das ganze Jahrhundert hindurch fest, wenn man sich auch später oft allein mit einer Rosette von Schlitzen auf dem Handrücken begnügte. Die Stulpen waren kürzer, am Rand ausgezackt oder ausgebogt und konnten auch umgeschlagen werden, wodurch die andere Farbe des Futters oder der Rückseite des Leders eine abstechende Kante bildete. Auch mit Stickereien wurden die Handschuhe verziert. Wie alle feinen Lederwaren kamen auch die kostbarsten Handschuhe aus Spanien. Schon in den zwanziger Jahren trug man außerdem auch gestrickte Handschuhe (ein Beweis für den frühen Einsatz der Strickkunst). Sie bildeten ein elegantes Detail des Kostüms, ja man parfümierte sie sogar2. Auch auf den Porträts durften die Handschuhe nicht fehlen, wobei es offenbar einer vornehmen Konvention entsprach, wenn man einen Handschuh angelegt hatte und den anderen in der Hand trug. Außer den Zierhandschuhen gab es noch gröbere Handschuhe und Fäustlinge, die letzteren oft mit Unterteilungen nur für den Daumen und je zwei 1 2

Vgl. Amberger's Porträt von Karl Y. Berlin, Deutsches Mus. 1527 (Inventar des Schlosses Preßburg. Jb. A. K. III. 1885. Reg. Nr. 2914) Zwai par gestruckht handschuech, das ain mit gold ausgenät; ain gestattl, darinn vier par schmeckhet (parfürmiert) handschuech. 1547 (Inventar der Königin Anna. Jb. A. K. V. 1887 Reg. Nr. 4525) Vierzehen par Spanisch handschuech und zwai und viezig par Wallisch handschuech. 1573 (Guaderobe Inventar Geh. H. A. München 1712 E fasc. 2) ain handschuch von Seidenstuckhen Arbeit zu den Habich. Ain bar seiden gestrickhtc hanndtschuech. Vierundzwanzig bar schmöckhet Spanisch Hanndtschuech. Mer in ainer Laden funffzehen bar schlechten handtschuech. 1578 (Teillibellen des Nachlasses Kaiser Maximilians II. Jb. A. K. 1892. Reg. Nr. 9093) 2 sameten par hanschuech 12 fl.

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In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts werden zum Putz des Anzugs Stiefel von hellem Leder, weiß oder gelb, getragen; sie sollten zu dem Wildleder-Goller passen und waren daher auch mit einem kleinen Schlitzmuster verziert, wie es dieser aufwies. Diese Stiefel schlössen sich auch ganz stramm um das Bein und hatten unter dem Knie eine glatte umgeschlagene Stulpe. Die seidenen Strümpfe wurden dann nur durch die Schlitzmusterung hindurch und am Knie sichtbar.

HANDSCHUHE Handschuhe aus feinem Leder oder Stoff hatten am Anfang des Jahrhunderts eine Stulpe, die sich weich am Handgelenk faltete. Als im 3. und 4. Jahrzehnt die Schlitzmusterung modern war, scheute man sich auch nicht, die Handschuhe mit Reihen kleiner Schlitze über die ganze Handoberfläche bis zu den Fingerspitzen hin zu verzieren1. Daran hielt man das ganze Jahrhundert hindurch fest, wenn man sich auch später oft allein mit einer Rosette von Schlitzen auf dem Handrücken begnügte. Die Stulpen waren kürzer, am Rand ausgezackt oder ausgebogt und konnten auch umgeschlagen werden, wodurch die andere Farbe des Futters oder der Rückseite des Leders eine abstechende Kante bildete. Auch mit Stickereien wurden die Handschuhe verziert. Wie alle feinen Lederwaren kamen auch die kostbarsten Handschuhe aus Spanien. Schon in den zwanziger Jahren trug man außerdem auch gestrickte Handschuhe (ein Beweis für den frühen Einsatz der Strickkunst). Sie bildeten ein elegantes Detail des Kostüms, ja man parfümierte sie sogar2. Auch auf den Porträts durften die Handschuhe nicht fehlen, wobei es offenbar einer vornehmen Konvention entsprach, wenn man einen Handschuh angelegt hatte und den anderen in der Hand trug. Außer den Zierhandschuhen gab es noch gröbere Handschuhe und Fäustlinge, die letzteren oft mit Unterteilungen nur für den Daumen und je zwei 1 2

Vgl. Amberger's Porträt von Karl Y. Berlin, Deutsches Mus. 1527 (Inventar des Schlosses Preßburg. Jb. A. K. III. 1885. Reg. Nr. 2914) Zwai par gestruckht handschuech, das ain mit gold ausgenät; ain gestattl, darinn vier par schmeckhet (parfürmiert) handschuech. 1547 (Inventar der Königin Anna. Jb. A. K. V. 1887 Reg. Nr. 4525) Vierzehen par Spanisch handschuech und zwai und viezig par Wallisch handschuech. 1573 (Guaderobe Inventar Geh. H. A. München 1712 E fasc. 2) ain handschuch von Seidenstuckhen Arbeit zu den Habich. Ain bar seiden gestrickhtc hanndtschuech. Vierundzwanzig bar schmöckhet Spanisch Hanndtschuech. Mer in ainer Laden funffzehen bar schlechten handtschuech. 1578 (Teillibellen des Nachlasses Kaiser Maximilians II. Jb. A. K. 1892. Reg. Nr. 9093) 2 sameten par hanschuech 12 fl.

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Fingerpaare 1 . Diese gröberen Arten waren jedoch nur für Reise, Jagd usw. bestimmt, wobei eine besondere Art Handschuhe bei der Falkenjagd getragen wurde.

TASCHENTÜCHER Eine Zutat zu der vornehmen Toilette war das Taschentuch, welches sich vor der Jahrhundertmitte nur selten nachweisen läßt. Dieser Brauch kommt aus Italien, wie es auch die damals übliche Bezeichnung verrät, die außer Schnupftuch auch „faczelet" oder „fazenet" lautete. Trug man es nicht als Gebrauchsgegenstand, sondern als Putz des Kostüms, so war dies kleine quadratische Tüchlein aus Seide oder aus feinstem Leinen ausgeführt, immer in irgend einer Weise mit Stickereien in Gold, Silber oder Seide geschmückt und an den Ecken oft noch mit Quasten verziert. Die Arbeit war meist italienischen oder spanischen Ursprungs2.

MUMMEREIEN „Nachmals kurapt. Faßnacht., der Römischen Christen Bacchanalia" erzählt Sebastian Franck in „Weltbuch Spiegel" 1534 (S. C X X X ) , als er von christlichen Festen spricht. Und er fährt in tadelndem Tone fort, daß man zu der Zeit die merkwürdigsten Kleider trage: man sehe sogar Männer in Weibertracht. Noch 15833 verbietet ein Dekret unzüchtige Kleidungen und wildes Benehmen in der Fastnachtszeit und als besonders unzulässig galt die Maskierung in Mönch- oder Nonnenkleidern und das Tragen von Männerkleidern durch Frauen und von Frauenkleidern durch Männer. Die bekanntesten Darstellungen von Mummereien aus der Frühzeit des Jahrhunderts stehen in Verbindung mit Kaiser Maximilian I. Im „Freydal" und den Skizzen zu ihm4 werden Tanzszenen mit maskierten Männern dargestellt, wobei die Frauen ohne Masken teilnehmen. I m „Triumphzug" wünschte sich Maximilian „ain mumerey auf das lustigist beklaidet". So trägt hier dieser Teil des Zuges Leibröcke von gemusterten (goldenen) Stoffen mit gezipfelten Rändern und auf ihren großen herabhängenden Mützen sind Büsche von Federn angeheftet, während an Schultern wie 1

Das Historische Museum, Dresden, besitzt einen schwarzen Winterrock, zu dem solche aus demselben schweren Tuch genähte Fäustlinge gehören.

2 k So

befand sich im Besitz Erzherzog Ferdinands von Tirol (Inventar Innsbruck 1569.

Jb. A . K . V I I . 1889. Reg. Nr. 5170) u. a. ein Tuch „in gladten arbaith (Plattstich) und mit schwarzer seiden Welsh darein genedt" und im Nachlaß des Kaisers Maximilian I I . (Jb. A. K . X . 1892. Reg. Nr. 9093) 1578 „sechs facenet von gold und weisser Seiden; 13 facenet von weisser und schwarzer arbeit; 7 Turckhische faczenetl." 3

Bayer. Hauptstaatsarchiv, Fürstensachen 772n (81, 82).

4

C. Dodgson, A sketch for one of the mummerey in Freydal. Burl. Mag. L X . 1928. S. 120.

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Fingerpaare 1 . Diese gröberen Arten waren jedoch nur für Reise, Jagd usw. bestimmt, wobei eine besondere Art Handschuhe bei der Falkenjagd getragen wurde.

TASCHENTÜCHER Eine Zutat zu der vornehmen Toilette war das Taschentuch, welches sich vor der Jahrhundertmitte nur selten nachweisen läßt. Dieser Brauch kommt aus Italien, wie es auch die damals übliche Bezeichnung verrät, die außer Schnupftuch auch „faczelet" oder „fazenet" lautete. Trug man es nicht als Gebrauchsgegenstand, sondern als Putz des Kostüms, so war dies kleine quadratische Tüchlein aus Seide oder aus feinstem Leinen ausgeführt, immer in irgend einer Weise mit Stickereien in Gold, Silber oder Seide geschmückt und an den Ecken oft noch mit Quasten verziert. Die Arbeit war meist italienischen oder spanischen Ursprungs2.

MUMMEREIEN „Nachmals kurapt. Faßnacht., der Römischen Christen Bacchanalia" erzählt Sebastian Franck in „Weltbuch Spiegel" 1534 (S. C X X X ) , als er von christlichen Festen spricht. Und er fährt in tadelndem Tone fort, daß man zu der Zeit die merkwürdigsten Kleider trage: man sehe sogar Männer in Weibertracht. Noch 15833 verbietet ein Dekret unzüchtige Kleidungen und wildes Benehmen in der Fastnachtszeit und als besonders unzulässig galt die Maskierung in Mönch- oder Nonnenkleidern und das Tragen von Männerkleidern durch Frauen und von Frauenkleidern durch Männer. Die bekanntesten Darstellungen von Mummereien aus der Frühzeit des Jahrhunderts stehen in Verbindung mit Kaiser Maximilian I. Im „Freydal" und den Skizzen zu ihm4 werden Tanzszenen mit maskierten Männern dargestellt, wobei die Frauen ohne Masken teilnehmen. I m „Triumphzug" wünschte sich Maximilian „ain mumerey auf das lustigist beklaidet". So trägt hier dieser Teil des Zuges Leibröcke von gemusterten (goldenen) Stoffen mit gezipfelten Rändern und auf ihren großen herabhängenden Mützen sind Büsche von Federn angeheftet, während an Schultern wie 1

Das Historische Museum, Dresden, besitzt einen schwarzen Winterrock, zu dem solche aus demselben schweren Tuch genähte Fäustlinge gehören.

2 k So

befand sich im Besitz Erzherzog Ferdinands von Tirol (Inventar Innsbruck 1569.

Jb. A . K . V I I . 1889. Reg. Nr. 5170) u. a. ein Tuch „in gladten arbaith (Plattstich) und mit schwarzer seiden Welsh darein genedt" und im Nachlaß des Kaisers Maximilian I I . (Jb. A. K . X . 1892. Reg. Nr. 9093) 1578 „sechs facenet von gold und weisser Seiden; 13 facenet von weisser und schwarzer arbeit; 7 Turckhische faczenetl." 3

Bayer. Hauptstaatsarchiv, Fürstensachen 772n (81, 82).

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C. Dodgson, A sketch for one of the mummerey in Freydal. Burl. Mag. L X . 1928. S. 120.

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Fingerpaare 1 . Diese gröberen Arten waren jedoch nur für Reise, Jagd usw. bestimmt, wobei eine besondere Art Handschuhe bei der Falkenjagd getragen wurde.

TASCHENTÜCHER Eine Zutat zu der vornehmen Toilette war das Taschentuch, welches sich vor der Jahrhundertmitte nur selten nachweisen läßt. Dieser Brauch kommt aus Italien, wie es auch die damals übliche Bezeichnung verrät, die außer Schnupftuch auch „faczelet" oder „fazenet" lautete. Trug man es nicht als Gebrauchsgegenstand, sondern als Putz des Kostüms, so war dies kleine quadratische Tüchlein aus Seide oder aus feinstem Leinen ausgeführt, immer in irgend einer Weise mit Stickereien in Gold, Silber oder Seide geschmückt und an den Ecken oft noch mit Quasten verziert. Die Arbeit war meist italienischen oder spanischen Ursprungs2.

MUMMEREIEN „Nachmals kurapt. Faßnacht., der Römischen Christen Bacchanalia" erzählt Sebastian Franck in „Weltbuch Spiegel" 1534 (S. C X X X ) , als er von christlichen Festen spricht. Und er fährt in tadelndem Tone fort, daß man zu der Zeit die merkwürdigsten Kleider trage: man sehe sogar Männer in Weibertracht. Noch 15833 verbietet ein Dekret unzüchtige Kleidungen und wildes Benehmen in der Fastnachtszeit und als besonders unzulässig galt die Maskierung in Mönch- oder Nonnenkleidern und das Tragen von Männerkleidern durch Frauen und von Frauenkleidern durch Männer. Die bekanntesten Darstellungen von Mummereien aus der Frühzeit des Jahrhunderts stehen in Verbindung mit Kaiser Maximilian I. Im „Freydal" und den Skizzen zu ihm4 werden Tanzszenen mit maskierten Männern dargestellt, wobei die Frauen ohne Masken teilnehmen. I m „Triumphzug" wünschte sich Maximilian „ain mumerey auf das lustigist beklaidet". So trägt hier dieser Teil des Zuges Leibröcke von gemusterten (goldenen) Stoffen mit gezipfelten Rändern und auf ihren großen herabhängenden Mützen sind Büsche von Federn angeheftet, während an Schultern wie 1

Das Historische Museum, Dresden, besitzt einen schwarzen Winterrock, zu dem solche aus demselben schweren Tuch genähte Fäustlinge gehören.

2 k So

befand sich im Besitz Erzherzog Ferdinands von Tirol (Inventar Innsbruck 1569.

Jb. A . K . V I I . 1889. Reg. Nr. 5170) u. a. ein Tuch „in gladten arbaith (Plattstich) und mit schwarzer seiden Welsh darein genedt" und im Nachlaß des Kaisers Maximilian I I . (Jb. A. K . X . 1892. Reg. Nr. 9093) 1578 „sechs facenet von gold und weisser Seiden; 13 facenet von weisser und schwarzer arbeit; 7 Turckhische faczenetl." 3

Bayer. Hauptstaatsarchiv, Fürstensachen 772n (81, 82).

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C. Dodgson, A sketch for one of the mummerey in Freydal. Burl. Mag. L X . 1928. S. 120.

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Ärmeln meterlange Bandstreifen frei flattern. Charakteristisch für diese frühen Masken ist, daß sie — ebenso wie die Kleidungen der Nürnberger Schembartläufer (s. o.) — die Grundform der gewöhnlich getragenen Kleidung wiederholen und nur durch übertreibende Zutaten oder ungewohnte Farbgebung ins Lustig-Lächerliche ziehen. Die Gesichtsmasken scheinen aus netzartigem Stoff gefertigt und wie ein Schleier um das Antlitz gebunden zu sein. Für Karl V. werden 1521 ,,dix faulx visages"„a ung marchant du bruxelles" bezahlt 1 . In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts waren auch die Verkleidungen von einer historisierenden Tendenz. So kleidet man sich „antiquisch" oder „a Lantiqua" 2 . Wams oder Rock liegt wie ein Harnisch um den Oberkörper, darunter trägt man den antiken Lentner, die Lorica. Lange Stiefel von „gelb oder bleu Priggischer (Brügge) Atlas" 3 umschließen glatt die Beine. In den kostümierten Aufzügen, welche die Hauptattraktion der großartigen Feste bildeten, werden mythologische Figuren — von Jupiter bis Amor — in antikisierenden Gewändern mitgeführt. Aber auch das Altdeutsche kommt nicht zu kurz. Man reimte sich aus alten historischen Trachtendetails fantastische Kostüme zusammen: Eine Frau mit dem „hennin" trägt z. B. um den Hals eine Krause oder aber man schneidet einen ungarischen Rock unten in Lambrequins zu, von deren Spitzen Quasten herabhängen 4 . Für religiöse Festprozessionen wurde auch ein großer Aufwand in schönen Phantasiekostümen getrieben, besonders für die Fronleichnamsprozession5. TRAUERKLEIDUNG Die erste Seite des Hofkleiderbuches berichtet ganz kurz den Tod Herzog Albrechts des Weisen (1508). In diesem Zusammenhang heißt es: „In disen Jar hat auch mein genediger herr Hertzog Wilhelm Sein Erste Klaidung aus Lassen geöben seiner gnaden hoffgesündt vnd seiner Gnaden herr Vatternn hochloblicher gedechtnus klagt, zu Sollichen Mass wie hie Neben gemalt Stett". Die beigefügte Figur zeigt einen schwarzen Rock, der sich aber in seinem Schnitt von dem üblichen Typus nicht unterscheidet. Als 1519 Maximilian und 1534 der junge Prinz Theodo gestorben waren, 1 2

3 4

6

Haus-, Hof- und Staats-Archiv Wien. Familienurkunden 7. Febr. 1521. Aus Herzog Ferdinands im Jahre 1565 unternommener Reise nach Italien (in von Freybergs Historischen Schriften und Urkunden. IV. Stuttgart-Tübingen 1834 p. 352). Anton Fugger d. J . Inventar des Schlosses Obendorf. Fuggerarchiv 1, 2, 30. Kostümbilder von Kostümfesten, die in Innsbruck zwischen 1581—91 abgehalten wurden. Ferdinandeum Nr. 2717. Beschreibendes Verzeichnis der illuminierten Handschriften in Österreich, herausgegeben von Fr. Wickhoff. I. Bd. H. J . Hermann, Die illuminierten Handschriften in Tirol p. 95 Nr. 106. Leipzig 1905. A. Mitterwieser, Geschichte der Fronleichnamsprozession in Bayern. 1930. S. 36ff. u 43 ff.

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Ärmeln meterlange Bandstreifen frei flattern. Charakteristisch für diese frühen Masken ist, daß sie — ebenso wie die Kleidungen der Nürnberger Schembartläufer (s. o.) — die Grundform der gewöhnlich getragenen Kleidung wiederholen und nur durch übertreibende Zutaten oder ungewohnte Farbgebung ins Lustig-Lächerliche ziehen. Die Gesichtsmasken scheinen aus netzartigem Stoff gefertigt und wie ein Schleier um das Antlitz gebunden zu sein. Für Karl V. werden 1521 ,,dix faulx visages"„a ung marchant du bruxelles" bezahlt 1 . In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts waren auch die Verkleidungen von einer historisierenden Tendenz. So kleidet man sich „antiquisch" oder „a Lantiqua" 2 . Wams oder Rock liegt wie ein Harnisch um den Oberkörper, darunter trägt man den antiken Lentner, die Lorica. Lange Stiefel von „gelb oder bleu Priggischer (Brügge) Atlas" 3 umschließen glatt die Beine. In den kostümierten Aufzügen, welche die Hauptattraktion der großartigen Feste bildeten, werden mythologische Figuren — von Jupiter bis Amor — in antikisierenden Gewändern mitgeführt. Aber auch das Altdeutsche kommt nicht zu kurz. Man reimte sich aus alten historischen Trachtendetails fantastische Kostüme zusammen: Eine Frau mit dem „hennin" trägt z. B. um den Hals eine Krause oder aber man schneidet einen ungarischen Rock unten in Lambrequins zu, von deren Spitzen Quasten herabhängen 4 . Für religiöse Festprozessionen wurde auch ein großer Aufwand in schönen Phantasiekostümen getrieben, besonders für die Fronleichnamsprozession5. TRAUERKLEIDUNG Die erste Seite des Hofkleiderbuches berichtet ganz kurz den Tod Herzog Albrechts des Weisen (1508). In diesem Zusammenhang heißt es: „In disen Jar hat auch mein genediger herr Hertzog Wilhelm Sein Erste Klaidung aus Lassen geöben seiner gnaden hoffgesündt vnd seiner Gnaden herr Vatternn hochloblicher gedechtnus klagt, zu Sollichen Mass wie hie Neben gemalt Stett". Die beigefügte Figur zeigt einen schwarzen Rock, der sich aber in seinem Schnitt von dem üblichen Typus nicht unterscheidet. Als 1519 Maximilian und 1534 der junge Prinz Theodo gestorben waren, 1 2

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Haus-, Hof- und Staats-Archiv Wien. Familienurkunden 7. Febr. 1521. Aus Herzog Ferdinands im Jahre 1565 unternommener Reise nach Italien (in von Freybergs Historischen Schriften und Urkunden. IV. Stuttgart-Tübingen 1834 p. 352). Anton Fugger d. J . Inventar des Schlosses Obendorf. Fuggerarchiv 1, 2, 30. Kostümbilder von Kostümfesten, die in Innsbruck zwischen 1581—91 abgehalten wurden. Ferdinandeum Nr. 2717. Beschreibendes Verzeichnis der illuminierten Handschriften in Österreich, herausgegeben von Fr. Wickhoff. I. Bd. H. J . Hermann, Die illuminierten Handschriften in Tirol p. 95 Nr. 106. Leipzig 1905. A. Mitterwieser, Geschichte der Fronleichnamsprozession in Bayern. 1930. S. 36ff. u 43 ff.

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wurde das Hofgesind wieder in Schwarz gekleidet. Ein andermal — beim Zeremoniell für den verstorbenen Max II. — erschienen die Hofleute in „Clagmänteln", die bis zum Boden reichten. Am meisten veranschaulicht diese Gebräuche wieder ein Blatt in dem Math. Schwarzachen Kleiderbuch, das ihn nach seines Vaters Tod in ,,4 gestalt" zeigt (Bild 39). Zunächst in der Gugelkappe, danach im Mantel und schließlich im Rock, wobei alle Kostüme schwarz sind und wie ausdrücklich hier angefügt wird, „nichts von Seiden". Man wünschte matte Stoffe. Die Gugelkappe ist besonders interessant, da sie beinahe das ganze Gesicht bedeckt, während an dem Rücken ein langer Zipfel herunterhängt, den man auch um den Hals schlingen kann. Nach der Pest in Augsburg 1521 wurde, wie Stetten berichtet: ,,die bisher bey denen Trauren zu tragen gewohnliche Trauer-Mützen, so das gantze Gesicht bedecket und recht fürchterlich ausgesehen, abgeschaffet" 1 und man trug nur noch am Hute einen schwarzen Tuchstreifen mit herunterhängenden Enden.

TEXTILE

BESTANDTEILE

E s ist für das volle Verständnis der Kleidung notwendig zu untersuchen, aus welchem Material sie gemacht wurde. Für das Gesamtbild eines Gewandes spielt j a die Stoffart eine ebenso große Rolle wie der Schnitt. Die Stoffarten, die mir aus Originalstücken oder durch Dokumente bekannt wurden, sollen hier alphabetisch nacheinander kurz besprochen werden. 2 Wenn möglich, werden Herkunft samt Verwendung angegeben. Diese Liste kann aber nicht als erschöpfend gelten 3 . Die Stoffe wurden eilenweis oder in ganzen Stücken verkauft, entweder von dem „Geschlachtgewandner" in diesem Fall nur in ganzen Stücken, oder von den Tuchhändlern, die die Ware von den Erzeugern bezogen. Auch wurde für Hofhaltungen und große Haushaltungen auf Messen (besonders der Frankfurter) eingekauft. Die ausländischen Stoffe bezog man direkt oder auch durch Zwischenhändler. Hatten doch, um ein Beispiel zu nennen, die Fugger große Geschäfte mit Stoffen von überall her4 und 1 2

3

4

a. a. 0 . S. 288. Ein Beispiel der Arten und Masse der Stoffe gibt die ,,Summa der tuech und anderes", welche der Hofschneider Steffan Vischer 1571 für Hofdiencrkleidungen gebraucht hat. (Bayer. Hauptstaatsarchiv, Fürstensachen 364/1). Als Grundlage für diese Untersuchungen dienten u. a. : Otto von Falke, Kunstgeschichte der Seidenweberei. Berlin 1913. Max Dreger, Künstlerische Entwicklung der Weberei und Stickerei, Wien 1904. Hippolytte Roy, La vie, la mode et les costumes au 17 siècle. Paris 1924. Ehrenberg. Zeitalter der Fugger. Jena 1896. I. S. 133 u. 227.

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wurde das Hofgesind wieder in Schwarz gekleidet. Ein andermal — beim Zeremoniell für den verstorbenen Max II. — erschienen die Hofleute in „Clagmänteln", die bis zum Boden reichten. Am meisten veranschaulicht diese Gebräuche wieder ein Blatt in dem Math. Schwarzachen Kleiderbuch, das ihn nach seines Vaters Tod in ,,4 gestalt" zeigt (Bild 39). Zunächst in der Gugelkappe, danach im Mantel und schließlich im Rock, wobei alle Kostüme schwarz sind und wie ausdrücklich hier angefügt wird, „nichts von Seiden". Man wünschte matte Stoffe. Die Gugelkappe ist besonders interessant, da sie beinahe das ganze Gesicht bedeckt, während an dem Rücken ein langer Zipfel herunterhängt, den man auch um den Hals schlingen kann. Nach der Pest in Augsburg 1521 wurde, wie Stetten berichtet: ,,die bisher bey denen Trauren zu tragen gewohnliche Trauer-Mützen, so das gantze Gesicht bedecket und recht fürchterlich ausgesehen, abgeschaffet" 1 und man trug nur noch am Hute einen schwarzen Tuchstreifen mit herunterhängenden Enden.

TEXTILE

BESTANDTEILE

E s ist für das volle Verständnis der Kleidung notwendig zu untersuchen, aus welchem Material sie gemacht wurde. Für das Gesamtbild eines Gewandes spielt j a die Stoffart eine ebenso große Rolle wie der Schnitt. Die Stoffarten, die mir aus Originalstücken oder durch Dokumente bekannt wurden, sollen hier alphabetisch nacheinander kurz besprochen werden. 2 Wenn möglich, werden Herkunft samt Verwendung angegeben. Diese Liste kann aber nicht als erschöpfend gelten 3 . Die Stoffe wurden eilenweis oder in ganzen Stücken verkauft, entweder von dem „Geschlachtgewandner" in diesem Fall nur in ganzen Stücken, oder von den Tuchhändlern, die die Ware von den Erzeugern bezogen. Auch wurde für Hofhaltungen und große Haushaltungen auf Messen (besonders der Frankfurter) eingekauft. Die ausländischen Stoffe bezog man direkt oder auch durch Zwischenhändler. Hatten doch, um ein Beispiel zu nennen, die Fugger große Geschäfte mit Stoffen von überall her4 und 1 2

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a. a. 0 . S. 288. Ein Beispiel der Arten und Masse der Stoffe gibt die ,,Summa der tuech und anderes", welche der Hofschneider Steffan Vischer 1571 für Hofdiencrkleidungen gebraucht hat. (Bayer. Hauptstaatsarchiv, Fürstensachen 364/1). Als Grundlage für diese Untersuchungen dienten u. a. : Otto von Falke, Kunstgeschichte der Seidenweberei. Berlin 1913. Max Dreger, Künstlerische Entwicklung der Weberei und Stickerei, Wien 1904. Hippolytte Roy, La vie, la mode et les costumes au 17 siècle. Paris 1924. Ehrenberg. Zeitalter der Fugger. Jena 1896. I. S. 133 u. 227.

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ebenso unterhielten italienische Häuser Filialen in Deutschland; den „Torisani und Mitverwandten" in Nürnberg begegnet man z. B. unaufhörlich in den Hofzahlamtsrechnungen als Verkäufern von Seidenstoffen an die bayerischen Herzöge.1 Das persönliche Interesse der Fürsten am Erwerb kostbarer Stoffe war so groß, daß sie die darauf bezügliche Korrespondenz mit den Agenten selbst führten, wie z.B. Wilhelm V. von Bayern, der sich Stoffmuster und Modelle aus Mailand durch seine Agenten Prospero und Gasparo Visconti kommen ließ 2 . Die kostbaren Stoffe dienten zum eigenen Gebrauch und zu Geschenken. Da man ganz unabhängig von der Form des Kleidungsstückes schon durch die Kostbarkeit des Stoffes den Unterschied des Standes betonen konnte und wollte, war es begreiflich, daß man auf schöne und wertvolle Stoffe großes Gewicht legte. — Arras. Wollstoff, leichteres Gewebe. Ursprünglich ein niederländisches Produkt; doch wird wohl der Name wie bei vielen anderen Stoffarten häufig nur als Qualitätsbezeichnung zu betrachten sein. Wurde allgemein für Rock, Wams und Hosen gebraucht, oft mit Pelz gefüttert. Atlas. Fester Seidenstoff mit Satin- oder Atlasbindung. Besonders gewünscht war florentinischer Atlas, seltener venetianischer. „Prucgkischer" (Brügge) Atlas unterscheidet sich von dem italienischen dadurch, daß er nicht aus reiner Seide, sondern mit Zwirneinschlag gewebt wird. Die glatte und hoch glänzende Oberfläche ist ohne gewebte Musterung. Eine solche erzielt man entweder durch Einpressen von heißen Stempeln („gedruckte" Musterung) oder durch Anbringen kleiner Schnitte in regelmäßiger Musterung, der herrschenden Mode in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts folgend. Waren Kette und Einschlag von verschiedenen Farben, so kamen diese Einschnitte noch stärker zum Ausdruck durch Sichtbarwerden des aufgeschnittenen (sonst unsichtbaren) Schußfadens an den Rändern. Die Haltbarkeit des an sich sehr festen Stoffes, der für Pelzfütterung sehr geeignet war, wurde dadurch allerdings erheblich beeinträchtigt. Wegen des Kontrastes oft mit Samt verbrämt oder als Verbrämung für Tuch und Barchent gebraucht. Barchent. Baumwollstoff mit Köperbindung, seltener Baumwolle und Leinen gemeinsam. 1

2

Über Preise: vgl. Studien zur Fuggergeschichte IX. Alfr. Weitnauer, Venezianischer Handel der Fugger. München-Leipzig 1931. S. 55. Simonsfeld, Mailänder Briefe zur bayerischen und allgemeinen Geschichte des 16. Jahrhunderts. München 1902.

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Im 14. Jahrhundert übernimmt man die Barchentweberei aus Italien 1 . Hauptherstellungsorte im 16. Jahrhundert sind Augsburg und Ulm. Keine Musterung. Alle Farben, für Futter jedoch ungebleicht. Für alle einfachere Kleidung gebraucht, in geringerer Qualität als Futter. Für seine Verwendbarkeit und Beliebtheit spricht, daß das Hofkleiderbuch „mans parschan chlaider puech" genannt wird, und in der Tat findet man, daß neben Lindisch-Tuch Barchent der meist gebrauchte Stoff am Hofe der bayerischen Herzöge war. Boy (Poy). Stoff aus Wolle. Locker gewebt, wird wie Tuch für alle Kleidungsstücke gebraucht. B r o c a t , siehe Gold- und Silberstoffe. B u r c h a t (Bursat, Wursat, Burschattin, Wurschett). Wahrscheinlich halbseidener Stoff. Soll nach einer in Worstead (England) befindlichen Wollmanufaktur benannt sein. Kommt als Wamsmaterial vor. Damast. Schwerer Seidenstoff mit Muster gebildet durch Wechsel von Atlas- und Leinenbindung. Als Herstellungsland kommt für Süddeutschland in der Hauptsache Italien (Florenz, Genua, Lucca) in Betracht. Musterung ähnlich wie bei Samt (s. dort). Besonders charakteristisch ist bei Damast für Kleider ein herzförmiges großes Blattmustcr. In erster Linie Dekorationsstoff (Tapeten); hauptsächlich bei größeren Kostümteilen wie Schaube, Wams, Rock gebraucht. D r i l l i c h (Zwillich). Leinengewebe mit Körperbindung. Grobe Ware. Ist meines Wissens in der Hofschneiderei für Kleider nicht verwendet worden. Filz. Gewalkter Stoff aus Tierhaaren und Wolle. Als etwas besonderes wird „Venediger" Filz angesehen. Alle einfachen Farben. Wird für gewöhnliche Mäntel wie Regenmäntel gebraucht. Sonst in der Hauptsache für Hüte. Kurfürst Ludwig sendet Ott-Heinrich einen ,,rothen Filz zu einem Regenmantel", wofür Ott-Heinrich dankt. Gold- und Silberstoffe. In zwei Gruppen zu teilen. 1. Gewebe mit Metallfäden als Schußmaterial und farbiger seidener Kette in Leinenbindung; es entsteht so ein „glatter" ungemusterter Stoff, bei dem auch die Farbe der Seide zur Geltung kommt: drap d'or oder drap d'argent („guldines oder silbernes stück"). 1

2

Als erste Erwähnungen von Baumwolle gibt Bechtel, a. a. O. S. 172 die Jahre 1357 für Augsburg, 1367 für Basel und 1377 für Wien an. R. Salzer, Beiträge zu einer Biographie Ott-Heinrichs. Heidelberg 1886. S. 69; auch in seinem Inventar aufgeführt.

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2. Gold- und Silber-Brokat, Stoff mit „erhebten seiden" oder mit „erhebten golden und silbren pluemen" (Inventar der Königin Anna. Jb. A. K. 1887. Reg. Nr. 4525), also durch Webart hervorgerufene Musterung. Beide Sorten italienischer und spanischer Herkunft. Schon im 14. Jahrhundert wird es dem Bürger verboten silbernen Stoff aus Venedig zu tragen 1 . Verwendung bei Festgewändern der höfischen Kreise. Grobgrain. Grobes Gewebe aus Wolle oder Seide. Wird in Qualität und Brauch Burchat gleich sein. K a m e l o t t (Schamlot). Stoff aus Wolle, Seide oder Wolle mit Seide. Muß in höchst verschiedenen Qualitäten hergestellt worden sein. Als Herstellungsländer werden Frankreich („purbianisch" = Perpignan), die Niederlande und Italien (Neapel) genannt. Aber das feinste Kamelot war ursprünglich aus Kleinasien gekommen. Ungemustert, damastartig gemustert und gewässert (moiriert) in allen Farben. J e nach der Qualität für alle Kleidungsstücke und für alle Leute. Leinwand. Viele verschiedene Qualitäten. Die Leinwandweberei in Deutschland war bedeutend; feinere Leinwand jedoch wurde aus den Niederlanden eingeführt. Italienischer Herkunft wahrscheinlich das Leinen mit eingewebtem Muster aus Gold- und Silberfäden. Am häufigsten weiß, doch auch gefärbt. Grobe Sorten für Hosen, Strümpfe, unsichtbare Wämser, Leibchen, auch für Futter. — Feinere Sorten für Leibwäsche. Besonders feine wie gemusterte Sorten waren auch dem Adel für Wamse gestattet. Loden. Grober Wollstoff. Fabrikation wohl wie heute. Wahrscheinlich nicht für größere Bekleidungsstücke gebraucht. Nachweisbar z. B. für genähte Strümpfe. Besonderer Herstellungsort war Südostdeutschland. Macheier. Baumwollstoff, kommt in der Mitte des Jahrhunderts auf, wahrscheinlich italienisches Fabrikat. Wurde unter anderem für Röcke gebraucht. Rassa. Wollstoff von gleicher Qualität wie Arras. — In Italien ist „Rasso" Bezeichnung für ein leichtes geringeres Seidengewebe. Rupfen. Grobes Gewebe in Leinenbindung aus Werg. Wohl nur in den seltensten Fällen zur Kleidung gebraucht. Anwendung in Rüstkammer und Haushalt. 1

J . Baader, Nürnberger Polizeiordnungen. Stuttg. 1861. S. 65.

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Samt. Gewebe aus Seide, Wolle, Baumwolle oder Leinen. Herstellungsländer Italien mit Florenz, Genua, Venedig in erster Linie, daneben Spanien. Das Aussehen ist sehr variabel, je nach Material und Musterung. Glatte Samte aus allen Materialien hergestellt, gemusterte besonders aus Seide mit Zufügung von Gold- und Silberfäden. Musterung entweder durch rips- oder satingewebten Grund oder durch Brokatgrund auch vice versa. Musterkontur oft verstärkt durch ungeschorene Noppenlinien. E s besteht kein Unterschied zwischen Dekorations- und Kleidersamt in der Musterung bis zur Mitte des Jahrhunderts. Die Musterung zeigt Weiterentwicklung des Granatapfelmotivs in groß geschwungenen Ranken und in symmetrischer Anordnung. Seltener Rosettenformen. Nach der Jahrhundertmitte Verkleinerung der Muster, die sich in einzelne Blumenmotive auflösen. Meistens einfarbig in allen Tönen, in einzelnen Fällen mehrfarbig, wie „rosinfarb in schwarz". Nur der einfachere Samt aus Wolle und Leinen („Bubensamt") ist Bürgersleuten zur Verbrämung erlaubt. Seidensamt jeder Art als Verbrämung allermeist gebraucht, außerdem der glatte und der gemusterte Samt für Schauben, Mantel, Röcke, seltener Hosen, Handschuhe und kleine Schuhe der höfischen Kreise; der glatte Samt für Kopfbedeckung. Für Brustlätze machen ihn die symmetrischen Muster besonders geeignet. Satin. Seidengewebe wie Atlas. Sch ätter. Eine Art Leinwand von steifer Textur. Als Futter verwendet. S c h ü r l i t z . Baumwollstoff, besonders in Basel gemacht. T a f t (Daffet). Seidenstoff mit Leinenbindung. „Doppeltaft" Bezeichnung für schwere Qualität. Herstellungsland Italien; der florentinische Taft bevorzugt. Ohne Musterung. In allen Farben, häufig auch changeant. Für Kopfbedeckung, Rock, Wams und Hosen, hier besonders für durchscheinendes Futter, für Schulterumhang und Schlafröcke. Daneben als Verbrämungsmaterial und Futter für feinere Bekleidung. T o b i n (Tabin, Tabis). Gewässerter Taft. Herstellungsland Italien (Neapel und Venedig). Anwendung wie Taft. Tuch.1 Bekanntes Wollgewebe ohne Musterung. Verschiedene Qualitäten aus verschiedenen Ländern stammend. In aufsteigender Sortenfolge: 1

Dabei sei betont, daß ich nur die Tuchsorten aufführe, die ich in Archivalien und anderen Quellen erwähnt gefunden habe. Die Mannigfaltigkeit der Sorten war viel größer, wie z. B . ein Blick in den Straßburger Zolltarif (Schulte, Geschichte des mittelalterlichen Handels und Verkehrs. I. S. 702) beweist.

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S t r e i c h - oder F u t t e r t u c h . Spezieller Herstellungsort unbekannt, wohl überall hergestellt. M i t t e l t u c h und M ü n c h e n e r T u c h , in der Preislage gleich. K e r n t u c h , Märkisch-Brandenburgisches Fabrikat. W e l s c h T u c h aus Italien und L i n d i s c h T u c h aus den Niederlanden, beide im Preis gleich. F e i n t u c h , Herstellungsort unbekannt. E n g l i s c h e s Tuch. S p a n i s c h e s Tuch. Für alle Kleidungsstücke j e nach Qualität für alle Stände. Die besseren Sorten als Verbrämung z. B. auf Barchent gebraucht. Vierdratt. Dichtes Wollgewebe. Wird u. a. „den Laggeyen" zu Winterkleidung gegeben. Z e n d e l (Sendel, Zindel). Geringere Sorte von Taft. Italienische Herkunft. In sehr verschiedenen Qualitäten. Ihre Benennung gibt eine Tegernseer Notiz von 1500—1510 (cit. bei Schmeller II. S. 1133): „ P o s t z e n d e l ist der letzist und der allerschlechtist ist schier als ein spinnewept. . . ."; darauf folgt stufenweise S t a t z e n d e l , h a l b e r t u r t z e n d e l , g u e t e r t u r d z e n d e l ( = Zendeldort) bis Tobin. Verwendung wie bei Taft und Tobin. — Da Leder und Pelz wie Stoff oder in Verbindung mit ihm angewendet wurden, bringe ich kurz hier ihre gebräuchlichen Sorten und Anwendungsweisen. Leder. Einfaches dickes Leder und Wildleder für Wappenröcke und Stiefel sowie Schuhe und Barette. C o r d o v a n i s c h e s als Bezeichnung für feineres Leder wohl meist spanischer Herkunft. Daneben feines Wildleder seit der Mitte des Jahrhunderts im Gebrauch. Seine Schmiegsamkeit gestattet Anwendung bei Handschuhen, Gollern und Stiefeln, bequem für die Schlitzverzierung. Pelzsorten. H e r m e l i n war den Fürsten allein vorbehalten, als Futter wurde es vorschriftsmäßig von den Kurfürsten zu ihrer Amtstracht benutzt, außerdem war der „köstliche" Zobel ihnen vorbehalten. Als eine Seltenheit begegnet uns ein Futter aus L e o p a r d e n feil. G e m e i n e r auch „ m ä ß i g e r " Zobel, womit man wahrscheinlich M a r d e r bezeichnete, trug der Adel und der wohlhabende Bürger. Bei diesen Fellen ist der wertvollste und am meisten gewünschte Teil das hellgefärbte Kehlstück. Außerdem kommen auch Wolf, Luchs, Iltis, Fuchs, Otter und Biber in Betracht, wie die gewöhnlichen Arten: Ziege, Lamm und Hase. 64

Besatz. Mit den verschiedenen Arten von Besatz suchte man Hauptlinien oder Hauptflächen des Kostüms hervorzuheben. Der Besatz ist als schmückende Bereicherung fast immer aus kostbarerem Material als das Kleidungsstück. In Frage kommen V e r b r ä m u n g und S t r e i f e n b e s a t z , die auch zur Betonung der Schlitzkonturen in Anwendung waren, oder Verzierung der ganzen Gewandflächen durch eine Musterung aus Streifen. Karo war dabei besonders beliebt. Ferner kleine P u f f e , die in regelmäßigen Abständen entweder in Streifen oder verstreut, den Eindruck erwecken sollten, als seien sie aus Schlitzen hervorquellender Stoff, also eine Art Scheindekoration. Die aus wirklichen kleinsten Schlitzen hervortretenden Wülste werden gewiß nicht durch ein durchgehendes Untergewand gebildet worden sein, sondern sind durch einzeln zugeschnittene Besatzteile ersetzt worden. War der bisher genannte Besatz stets aus Stoffstreifen gebildet worden, so treten um die vierziger Jahre an seine Stelle fast ausschließlich schmale gewirkte B o r t e n und P o s a m e n t e n , aus jeglichem Material bis zum Metallfaden. Von diesen meist sehr schmalen Besatzarten verwendete man zu dem jeweils in Betracht kommenden Kleidungsstück eine erhebliche Menge, in so diskreter Weise, daß sie niemals auffallend wirkten. 1 Ahnliche Zwecke wie Streifen und Borten verfolgten, neben ihrer praktischen Notwendigkeit, die gereihten K n ö p f e , sowohl aus Posamentrie wie auch aus Glas, Steinen oder Goldschmiedearbeit. Hauptmerkmal der sogenannten „polnischen" und „ungarischen" Kleidungsstücke sind die horizontal angebrachten S c h l i n g e n . Stickerei. In der Obhut der Kirche hat sich eine große Anzahl liturgischer Gewänder erhalten, die uns Gelegenheit geben, die Stickerei des 16. Jahrhunderts in Farbe, Zeichnung und Technik zu bewundern. Um so geringer ist, was sich an Stickereien von weltlichen Kostümen erhalten hat. Gewiß trug man Stickereien am profanen Gewand nicht seltener. Ich möchte glauben, daß der Wunsch, die Kleidung durch kostbare Handarbeiten auszuzeichnen, stärker wurde, j e mehr die Entwicklung der Technik gemusterte Stoffarten zum Gemeingut aller machte. Die Anfänge der später so stark hervortretenden Stickerei und Spitzenverzierung reichen in das 16. Jahrhundert zurück. Besonders kunstfertige Stickereien — von Gold, Silber und Perlen — wurden von den sogenannten „Seidennahtern" ausgeführt, die zur Zunft der Maler- und Glasmaler zählten. Sie nahmen an den Höfen eine besondere 1

Vgl. die Beschreibung des Bildnis Karl V. (Bild 53), die Seisenegger in einer Supplick von 1535 an König Ferdinand gibt; veröffentlicht von Ernst Birk in Mitteilungen der K. K. Central-Commission I X . 1864, S. 70. 5

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Stellung ein und wurden oft an befreundete Hofhaltungen „ausgeliehen" 1 . Einfachere Arbeiten wurden von Frauen verfertigt. Die ersten Stickereien findet man am Anfang des Jahrhunderts auf Brusttüchern und Hemden. Ein Inventar von 154 72 erwähnt: „Neun stukh von zognen gold seidenstikherarbeit . . . . von gefögl und gewachs, ab alten Klaidungen getrennt". Sehr wahrscheinlich sind diese abgetrennten Stücke als Brusttuchverzierungen anzusehen, wie sie uns von Porträts bekannt sind. Neben diesen naturalistischen Motiven werden auch rein geometrische Muster, etwa in Perlenstickerei auf Goldgrund, ausgeführt oder Monogramme und Anfangsbuchstaben einer Devise.3 Als durch das veränderte Aussehen des Rockes und Wamses die Brusttücher aus der Kleidung verschwanden, verwendete man Stickerei zum Hemdschmuck. Dieser bestand in schmalen Borten bei Hemden mit weitem Halsausschnitt, während stehende Hemdkragen mit breiten Streifen gestickt waren. Die Technik war der modernen Smock-Stickerei ähnlich. Die Mehrzahl der Muster zeigt rein geometrische Figuren, Zickzackstreifen, Knotenwerk, Flechtebänder u. ä.; sie waren in Leinen und Seidenfäden ausgeführt, besonders gern in schwarz wie in Italien, woher diese Mode nach Frankreich und Deutschland kam. Die Sticharten waren die gebräuchlichen: Stilstich, Flechtstich, Kreuzstich, Zopfstich usw. Auch Goldfaden wurde verwendet, so hatte z. B. Schwarz ein Hemd mit „guldi getter". In wertvolleren Stickereien mit Gold und Perlen gab man zartere Muster von Tierfigürchen, Blumenmotive oder Symbole. Diese Stickereien waren wahrscheinlich nicht immer unmittelbar auf dem Hemd ausgeführt, sondern an Yorderschlitz und Hemdkragen angeheftet. Losehängende Stickereien z. B. an Manschetten wurden doppelseitig ausgeführt. Nach der Jahrhundertmitte trug man an Krause oder Rüsche einen kleinen gezackten Rand angestickt, den später die Spitze ablöste. Auch Wams, Rock, Hose und Mantel bestickte man in schmalen oder breiten Borten längs den Rändern oder Schlitzen. Man bildete dabei Knotenschlingungen und andere geometrische Muster und Blattwerkstilisierungen. Material waren Metall- oder Seidenfaden und Schnüre. Auf die Zeichnung verschwendete man sehr viel Überlegung. Es kommt etwa vor, daß man die Ätzung des Brustharnisches in der Stickerei der Streifen 1 2 3

Jb. A. K. VII. 1889. Reg. Nr. 5242. Jb. A. K. V. 1887. Reg. Nr. 4525. Eine wundervolle, zur persönlichen Auszeichnung auf einen Ärmel gestickte „Liberey" des Herrn Bernhardus von Rohrbach von 1464 ist beschrieben und abgezeichnet in: Der R e i c h s . . . Stadt Franckfurt am Mayn Chronica. 1706. (Gebh. Florran und Ach. Aug. Lersner). I S. 313. Cap. X X I I . Von der Kleidung: „Einer von Schwartzenberg trug gleichfalls auf seinem Hochzeitstag einen solchen Ermel." Vgl. das 1511 von Hans von Kulmbach gemalte Bildnis des Kasimir von Brandenburg (Bild 49) auf dessen Ärmel Mondsicheln mit Windgötter und Sternen appliziert sind.

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der Oberschenkelhose sorgfältig wiederholte. Nach der Jahrhundertmitte verwendete man aber auch eine erhöhte Stickereiart, die als Relief erscheinen sollte (Bild 13,14). Die Verschiedenartigkeit des dabei verwendeten Goldfadenmaterials gab dieser Stickerei durch die wechselnden Brechungen des Glanzes einen besonderen Reiz. Schließlich muß die „ A p p l i k a t i o n " genannt werden, deren man sich zu den einfachen Verzierungen der Beamtenkleidung bediente, um durch Muster oder Farbe die Zugehörigkeit zu einem Hof, einer Stadt oder Gilde anzuzeigen. Dazu gehören auch die üppigen Verzierungen auf den Schabracken bei Turnieren. Zu allen diesen Stickereien lieferten die Holzschnitte und Kupferstiche gedruckter Modelbücher die Vorlagen. Das früheste uns erhaltene ist 1523 erschienen (ausgegeben von Schönsperger in Augsburg) 1 . In Quentell's Modelbuch von Köln 1527 befindet sich aber ein Muster, dessen ursprüngliches Vorbild zweifellos schon ein paar Jahrzehnte vor dem Augsburger Modelbuch existierte, weil ein Brusttuch auf dem Porträt des Hans Rehm von 15052 dieses Muster schon zeigt, für das gewiß damals eine Vorlage benutzt worden war. SCHMUCK Was schon äußerlich das Bild des vornehmen Deutschen im 16. Jahrhundert von dem Porträt anderer Nationen auszeichnet, ist der reiche Schmuck. Innerhalb Deutschlands übersteigerte man die Wirkung dieser Pretiosen vornehmlich am sächsischen Hofe. In Süddeutschland vermied man die Uberfülle, vielleicht nicht ganz ohne Einwirkung des italienischen Geschmackes, dem berechnete Wirkung des Einzelnen mehr galt als Überhäufung. Dies Schmuckbedürfnis darf aber nicht in modernem Sinne verstanden werden. Wesentlicher noch als die Freude an der Schönheit des Gegenstandes war mitunter der Aberglaube, der einzelnen Stoffen eine bestimmte Kraft nachsagte. Ebenso konnten Devisen, Allegorien und religiöse Zeichen als Amulette ihren Trägern unentbehrlich sein. Bildnisse ebenso wie Kleinodien-Inventare 3 gewähren einen Einblick in die künstlerische Pflege des Schmuckes. Sie erwächst gerade in Süd1 2

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Vgl. Arthur Lötz, Bibliographie der Modelbücher. Leipzig 1933. Original im Besitz von Fürst Fugger Babenhausen. Buchner (Beiträge zur Geschichte der deutschen Kunst II. 1938 S. 402) schreibt das Bild Leonard Beck zu. Diese wurden mitunter von der Hand der angesehensten Künstler aufgenommen, wie Hans Mielich's Zeichnungen nach den Kleinodien der herzoglichen Schatzkammer (Bayerisches Nationalmuseum und Graphische Sammlung, München) und das Kleinodienbuch der Herzogin Anna (Bayerische Staatsbibliothek, Cod. iconogr. 429) beweisen. 5*

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der Oberschenkelhose sorgfältig wiederholte. Nach der Jahrhundertmitte verwendete man aber auch eine erhöhte Stickereiart, die als Relief erscheinen sollte (Bild 13,14). Die Verschiedenartigkeit des dabei verwendeten Goldfadenmaterials gab dieser Stickerei durch die wechselnden Brechungen des Glanzes einen besonderen Reiz. Schließlich muß die „ A p p l i k a t i o n " genannt werden, deren man sich zu den einfachen Verzierungen der Beamtenkleidung bediente, um durch Muster oder Farbe die Zugehörigkeit zu einem Hof, einer Stadt oder Gilde anzuzeigen. Dazu gehören auch die üppigen Verzierungen auf den Schabracken bei Turnieren. Zu allen diesen Stickereien lieferten die Holzschnitte und Kupferstiche gedruckter Modelbücher die Vorlagen. Das früheste uns erhaltene ist 1523 erschienen (ausgegeben von Schönsperger in Augsburg) 1 . In Quentell's Modelbuch von Köln 1527 befindet sich aber ein Muster, dessen ursprüngliches Vorbild zweifellos schon ein paar Jahrzehnte vor dem Augsburger Modelbuch existierte, weil ein Brusttuch auf dem Porträt des Hans Rehm von 15052 dieses Muster schon zeigt, für das gewiß damals eine Vorlage benutzt worden war. SCHMUCK Was schon äußerlich das Bild des vornehmen Deutschen im 16. Jahrhundert von dem Porträt anderer Nationen auszeichnet, ist der reiche Schmuck. Innerhalb Deutschlands übersteigerte man die Wirkung dieser Pretiosen vornehmlich am sächsischen Hofe. In Süddeutschland vermied man die Uberfülle, vielleicht nicht ganz ohne Einwirkung des italienischen Geschmackes, dem berechnete Wirkung des Einzelnen mehr galt als Überhäufung. Dies Schmuckbedürfnis darf aber nicht in modernem Sinne verstanden werden. Wesentlicher noch als die Freude an der Schönheit des Gegenstandes war mitunter der Aberglaube, der einzelnen Stoffen eine bestimmte Kraft nachsagte. Ebenso konnten Devisen, Allegorien und religiöse Zeichen als Amulette ihren Trägern unentbehrlich sein. Bildnisse ebenso wie Kleinodien-Inventare 3 gewähren einen Einblick in die künstlerische Pflege des Schmuckes. Sie erwächst gerade in Süd1 2

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Vgl. Arthur Lötz, Bibliographie der Modelbücher. Leipzig 1933. Original im Besitz von Fürst Fugger Babenhausen. Buchner (Beiträge zur Geschichte der deutschen Kunst II. 1938 S. 402) schreibt das Bild Leonard Beck zu. Diese wurden mitunter von der Hand der angesehensten Künstler aufgenommen, wie Hans Mielich's Zeichnungen nach den Kleinodien der herzoglichen Schatzkammer (Bayerisches Nationalmuseum und Graphische Sammlung, München) und das Kleinodienbuch der Herzogin Anna (Bayerische Staatsbibliothek, Cod. iconogr. 429) beweisen. 5*

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deutschland aus der Blüte einer handwerklichen Kultur, wie sie kaum für ein anderes Detail der Kleidung vorausgesetzt werden konnte. F i n g e r r i n g e trug man in der Frühzeit des Jahrhunderts mit besonderrem Aufwand, und zwar nicht nur an den sogenannten Ringfingern, sondern auch an den anderen, sogar am Daumen, und am zweiten Gliede. Der Siegelring am Zeigefinger fehlte bei einem Mann von Rang und Stand nie. Im ersten Drittel des Jahrhunderts waren die Steine mugelig oder kegelförmig zugespitzt und saßen tief in dem breiten Reif eingesetzt. Später wird der Reif dünner und schmäler gebildet, der Stein wird entweder abgeflacht — man sagt, in „Tafelform" — oder keilförmig oder pyramidal facettiert. Besaß man mehr Ringe als man an den Fingern tragen konnte oder wollte, so hängte man sie an die Halskette oder häufiger noch an die Hutschnur. Doch war dies nur im ersten Drittel des Jahrhunderts Mode. Später trug man überhaupt weniger Ringe. Die Form der schönen Hand an sich wurde Gegenstand der Bewunderung. Und nur ein kunstvoll gearbeiteter und gefaßter Ring schmückte den Ringfinger oder Zeigefinger. A r m b ä n d e r werden von Männern seltener getragen. Ein Beispiel bietet das Porträt des Grafen Ladislaus von Haag, von der Hand des Hans Mielich (1557), das an beiden Armgelenken weite Bänder zeigt in derselben Technik wie die in vielen Schlingungen umhängende Halskette (Bild 58). Bei erhaltenen Originalen ist nicht ersichtlich, ob sie einer Frau oder einem Mann als Armschmuck gedient haben. 1 H a l s k e t t e n waren im ersten Drittel des Jahrhunderts von ungewöhnlicher Schwere und Breite der Form. Aus einer älteren Überlieferung stammen noch jene Ketten, bei denen die einzelnen Glieder wie aus gedrehten und gewundenen Hobelspänen gebildet aussehen, deren Verschlingungen noch den wirren ornamentalen Naturalismus des späten 15. Jahrhunderts zu atmen scheinen. — Dann aber reihte man auch Ring an Ring, immer ineinander greifend. Diese Ketten waren ziemlich kurz und lagen schwer auf dem Schaubenkragen. Material ist edles Metall oder vergoldetes Kupfer. Dazu kam noch ein metallener Reif oder ein textiles Band, das am Hals irgend einen kostbaren Anhänger trug. Von den zwanziger bis zu den vierziger Jahren war der kostbarste Halsschmuck ein kreisförmig über die Schultern gelegtes, sehr breites Band, dessen Glieder rund oder polygonal geformt einander eng folgten, aber doch so, daß jedes Teil für sich eine geschlossene Komposition bildete, deren Mitte von einem Edelstein, einer Devise oder einem Symbol eingenommen wurde. Das anschaulichste Bild dieser kostbaren und mit größtem Geschmack durchgebildeten Objekte, die beste Vorstellung von dem unerhörten Reiz ihrer phantastischen Inhalte geben wohl die Gestalten des 1

Sächsische Fürsten scheinen in der Spätzeit des Jahrhunderts eine besondere Vorliebe für Armbänder gehabt zu haben.

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Innsbrucker Maximilian-Grabes. Die zweite Jahrhunderthälfte ändert ihr Gefühl für den Schmuck vor allem darin, daß die Fassung auf plastische Fülle der rahmenden Blätter und Blumen verzichtet und mehr zu einem linear-abstrakten Ornament strebt, das seinen eigentlichsten Ausdruck in der Emaillierung findet. Eine ähnliche Entwicklung vollzieht sich in der Gestaltung der A n h ä n ger. Wählte man in der Frühzeit des Jahrhunderts ein Motiv, das sich selbständig von seinem Träger abhob und auch in dem Religiösen oder Burlesken seines Inhaltes etwas Eigenes darstellte, so wurde der Anhänger später vielmehr Exponent eines überwiegend dekorativen Zusammenhanges, dessen Züge er in Farbe, Material und Lineament zur Schau trug. Wie ein Tropfen von allen Seiten her kleinen und kleinsten Zustrom findet, so konnte zu unterst eine Perle hängen. Auch das Nebeneinander farbiger Werte, die reine Geltung der Materialien wird einem überaus verfeinerten dekorativen System geopfert, dessen Email die disparaten Farben in einem leichten Spiel mit Grotesken und Mauresken verteilt. Am Ende des Jahrhunderts aber zieht man den Anhängern mit fazettierten Steinen feingliedrige Gebilde vor, die in einem zarten goldenen Gerüst emaillierte Figürchcn, Früchte oder Blumen verflochten zeigen. Von dieser Entwicklung sondern sich Ordensanhänger ab, Medaillen, religiöse und profane Abzeichen oder persönliche Devisen. Der eigentümliche Geschmack der Zeit liebte es aber auch, Gegenstände des persönlichen Gebrauches als Anhänger zu tragen: Uhren, Pfeifen, Toilettenbestecke, Nesteldurchzieher oder auch ins Minutiöse verkleinerte Altärchen. Als H u t s c h m u c k trägt man außer Federn und goldenen Schnüren die verschiedenartigsten Gold- und Silberappliken. Im zweiten Jahrzehnt wird es Mode an der Unterseite des Baretts goldene Knöpfe und Medaillen anzuheften oder auch kleinere lose Anhänger (Bild 17). Dazu kamen Steiften, die paarweise in einem spitzen Winkel festgenäht wurden. Die Federn trug man locker an der Seite der Kopfbedeckung. Sie konnten mit einer kostbaren Agraffe zusammengehalten werden. Manchmal aber hängte man auch an die einzelne Feder noch kleine schmückende Anhänger, deren Gewicht dann die Feder bog. Oder man trug am Barett statt der Feder ein Zweiglein aus Goldfaden, Flitter samt kleinen emaillierten Blumen und Perlen. Man findet diesen Brauch aber nur auf Bildern der vierziger Jahre. K n ö p f e aus Gold, Silber und Email werden erst im dritten Jahrzehnt als ausgesprochene Schmuckstücke verwendet. Ebenso wie Knöpfe werden Nesteln zum Verschluß von Schlitzen und Säumen benutzt und mit metallenen Spitzen ( „ S t e f f t e n " ) versehen. Knöpfe und Steiften werden über das ganze Kostüm halb zweckerfüllend, halb schmückend verteilt, 69

oft in gegenseitiger Abwechslung. Diese Nestelstefften sind zuerst nur wenige Zentimeter lang und wachsen im letzten Drittel des Jahrhunderts bis zu einer Größe von 8 Zentimetern, worin sich der ganz andere Reliefgrad dieser Applikation der Spätzeit ausdrückt. Die in den Inventaren genannte Zahl der angebrachten Knöpfe und Stefften mag im ersten Augenblick ganz unglaubhaft erscheinen — es sind oft 40—50 Paare. — Doch liegt in dieser Häufung der Dekoration ein wesentliches Charakteristikum der Zeit (Bild 57). Einen G ü r t e l hatte man für Schwert und Dolch immer getragen, doch gab es Zeiten, in denen der Gürtel von der Bekleidung mehr verdeckt wurde — und Zeiten, die ihn nach Farbe und Schmuck betonten auch dann, wenn sein eigentlicher Zweck hinfällig geworden war. So finden wir in der Frühzeit des Jahrhunderts keinen schmückenden Gürtel, wohl aber wurde er Mode, als man das Schoßwams trug. Er konnte von Metall gemacht sein, gewöhnlich aber war er von Leder, das manchmal auch mit Samt überzogen und dann mit metallenen Appliken und Schnallen geschmückt war.

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Q U E R S C H N I T T I Die analytische U n t e r s u c h u n g des Materials m u ß t e Zweck u n d F o r m jedes Kostümteils aufzuklären versuchen. Manche Einzelheiten bleiben zunächst in H e r k u n f t und E n t w i c k l u n g unklar. Gleichwohl darf erwartet werden, daß die vorläufig festgehaltenen Ergebnisse einen Gewinn f ü r die Möglichkeiten der E r k e n n t n i s des historischen Bestandes b e d e u t e n : einen Gewinn, der größer wird, j e besser es gelingt, k ü n f t i g noch die einzelnen Kostümteile ganz verständlich zu m a c h e n . Eine ganz andere A u f g a b e ist es, die S u m m e zu ziehen u n d aus dem Ineinandergreifen der Einzelheiten das Bild der äußeren Gesamterscheinung zu gewinnen. Auch d a f ü r gibt es unzweideutige Aussagen der Quellen u n d Objekte. Aber in ihrer Verwertung wird doch das subjektive E l e m e n t der I n t e r p r e t a t i o n überwiegen. E s m ü ß t e versucht werden, die Fehlerquellen, welche sich daraus ergeben, durch eine schärfere Abgrenzung der Basis zu vermindern. Sonderbildungen k ö n n e n d u r c h individuell-psychologische oder generell-soziale Motive v e r u r s a c h t sein. Schon die Gewohnheiten der einzelnen deutschen L a n d s c h a f t e n unterscheiden sich wesentlich. I m sächsischen K o s t ü m z. B. scheinen gegenüber d e m süddeutschen alle Einzelheiten übertrieben und überspitzt, der Schmuck ü b e r h ä u f t — ohne d a ß es möglich wäre, die landschaftlichen Eigentümlichkeiten bis in die Abzweigungen des Fränkischen, Schwäbischen usw. in einem formalen System klar zu legen. Andererseits ergibt gerade das Z u s a m m e n w i r k e n der verschiedenartigsten — künstlerischen u n d soziologischen — F a k t o r e n den steten Antrieb dieser Entwicklung. Dieser Vorgang ist nicht einheitlich. W a s hier versucht werden soll, ist auch nicht eine S u m m i e r u n g , die sich aus der B e t o n u n g durchgängiger Ähnlichkeiten u n d aus der M i ß a c h t u n g kontrastierender Nuancen ergäbe. Vielmehr ist das Ziel, die geheimen F ä d e n aufzudecken, die letzten E n d e s alle V a r i a n t e n des K o s t ü m s — auch die scheinbar widersprechendsten — in irgend einer Weise mit derjenigen zentralen K r a f t verknüpfen, die die Kunstgeschichte in dem W a n d e l des „ S t i l e s " zu erkennen glaubt. P a u l P o s t u n d F r i t h j o f v a n Thienen h a b e n f ü r gewisse Zeitabschnitte bereits ähnliche Untersuchungen angestellt. W e n n aber in dem ersten Fall d e m Kostümstil das Gestaltungsprinzip eines gotischen Elfenbeinkruzifixes gegenübergestellt wird oder in dem anderen B u c h die Proportionen des A m s t e r d a m e r R a t h a u s e s , so ergeben diese Vergleiche n u r Parallelen, deren Sinn sich aus dem Gemeinsamen des Zeitstiles ergibt, nicht aber die Notwendigkeit der jeweiligen einzelnen W a n d l u n g erweist. Sehr viel genauere Ergebnisse förderte A. von H e n n e b e r g ' s „ S t i l u n d Technik der 71

alten Spitzen" zutage 1 . E r kommt zu dem Schluß, daß auf seinem speziellen Gebiet der Wechsel der Gestaltung sich gegenüber den Stilepochen der großen Kunst etwas verschoben habe. Der Sinn der Kostümbildung kann also nur abschnittsweise gedeutet werden und auch dann wird sich die Bewertung auf die beweisbaren Grundtatsachen zu beschränken haben. Abschnitte haben sich schon aus den Beobachtungen der Analyse ergeben und es wird zu zeigen sein, wie Form, Farbe und Material durch ihr Zusammenwirken in diesen Zeiträumen ein Ganzes hervorbringen und wie die Gesamtheit dessen sich zur Existenz des Körpers verhält. II Der erste Eindruck des männlichen Kostüms in der Spätzeit des 15. Jahrhunderts ist der einer Knappheit, die den materiellen Aufwand auf wenige, klar umrissene Formen beschränkt. Das Kostüm fängt den Körper in eine glatte Hülle ein, umspannt ihn, so daß sich die Dynamik der kleinsten körperlichen Bewegung in fortgesetzten Veränderungen der Silhouette umsetzt. Die Konturen der einzelnen Kleidungsstücke nehmen einen schnittigen Lauf, der der Gesamterscheinung etwas Grazil-Spitze s mitteilt. Charakteristisch dafür ist der geschwungene Ausschnitt des Wamses, endend in einem spitzen Winkel am Gürtel, wodurch die Vorderseite ihre volle Breite verliert und auf eine schmale Umrahmung des andersfarbigen Brustlatzes oder vertikalgefalteten Hemdes reduziert wird. Die Horizontale der Tailleneinschnürung wird dadurch aufgehoben, die vertikalen Elemente überwiegen. Die Kürze der Bekleidung des Oberkörpers gibt den Hüften eine auffällige Betonung, aus ihnen entwickelt sich — visuell — alle körperliche Aktivität. Umso stärker ist der Unterkörper hervorgehoben. Die Beine scheinen schlank und schmal. So ergibt sich ein durchgehendes Lineament, das sich fortsetzt in der langen Spitze der Schnabelschuhe. Die eventuell getragene Haube formte den Kopf so, daß der Hinterkopf verlängert schien. Nur eine einzige aufwärtsstehende Feder schmückte das Barett. Ein Kränzet war von zarten langstieligen Blumen geflochten. Die Uberkleidungen wie die Schaube und der lange Rock waren faltenlos gebildet und von großer Länge. Horizontale Motive wie der Umschlagkragen beanspruchten in ihrer geringen Breite nur eine nebensächliche Geltung. Auch der kurze Schulterbehang, meist nur über einer Schulter getragen, lockerte die Silhouette nur wenig. Unter dieser Hülle bewahrte der Körper in seiner Knappheit und Straffheit einen Fond von Energie und Regsamkeit. Zu dieser präzisen Umreißung kommt eine unvermittelt starke Farbigkeit. Mögen die Tafeln der altdeutschen Meister diese koloristischen Kontraste nochmals übersteigern •— so bot dazu doch gewiß das Objektive 1

Berlin 1931. S. 40.

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schon den stärksten Anreiz. Rot, Gelb, Blau, Grün stehen klar und ungebrochen als Flächen oder Streifen nebeneinander, oft im „mi-parti" korrespondierend. Diese Zusammenordnung widersprechender Farben läßt die materielle Wirkung des Stoffes zurücktreten. III Es ist nun gerade in der Kostümentwicklung um 1500 sehr schön zu beobachten, wie das den Körper umspannende, ja mitunter einengende Lineament seine Selbständigkeit mehr und mehr verliert und einer elastischen Silhouette und einem Reichtum an Teilformen weicht. Ein ähnlicher Vorgang wurde in der gleichzeitigen Malerei, Graphik und Plastik schon des öfteren beschrieben. Um so bereitwilliger beobachtet das Auge diese Wandlung in der Kostümbildung, deren greifbare Realität die ästhetische Tendenz der Zeit bis in die kleinsten Nuancen zu erfüllen scheint. Die ersten Anzeichen erkennen wir am Ärmel. Schon im spätesten 15. Jahrhundert trug man die Hinternaht des Ärmels vom Ellenbogen bis zum Handgelenk aufgeschlitzt, wodurch die weichen Falten des weißen Hemdärmels hervortraten. Die Tendenz geht also zunächst darauf aus, die Vertikale des Ärmelverlaufs zu bcreichcrn. Dann überquerte man den langen Ärmelbausch mit Schnüren, ebenso wie das Hemd am Brustausschnitt. Um 1500 aber wurden diese Ärmelschlitze am ganzen Arm horizontal geteilt und mit Puffen entweder aus dem Ärmelstoff oder aus den Hemdärmeln versehen. Die Frontalansicht des Oberkörpers bekam dadurch eine lockere Breite, zu der das große Barett mit seiner schrägen Krempe gut stand. Die Mäntel werden faltenreich geschnitten und bieten so ein ganz neues Spiel der Lichter und Schatten und zugleich eine willkommene Möglichkeit die Erscheinung in einer individuellen Weise zu unterscheiden. Die ästhetische Bedeutung des Umhangmantels war darin — während des ganzen Jahrhunderts — weit größer als seine praktische Aufgabe. Immer wieder hat man ihm neuen Geschmack abgewonnen: in ruhigen, gleichmäßigen Falten herabhängend oder im eleganten, kecken Wurf über die Schultern geschlagen. Der in zwei Teilen übereinanderliegende Schultermantel mag zunächst in den vorne herunterhängenden Zipfeln noch an die schmale Vertikale der älteren Mode erinnern. Andererseits gibt seine halblange Bildung dem Oberkörper eine neue Gewichtigkeit. Vielleicht das augenfälligste Wahrzeichen dieser Veränderung zeigen die Schuhe. Die schmale und lange Schuhform des späten XV. Jahrhunderts, endend in dem spitzen Schnabel, nahm der Existenz des plastischen Körpers die materielle Stabilität, während das neue Bedürfnis nach einem statischen Gleichgewicht den Schuh kürzer und breiter schnitt. Das einfachste Körpergefühl offenbart, wie stark sich dieser Wechsel der Schuhform in der Art des 73

Stehens und Gehens auswirken mußte. Oder sollte man besser diese Kausalität umkehren und die fortgesetzten, aus dem Leben aufgefangenen Wandlungen des Körpergefühles zum innersten Antrieb des Erscheinungswechsels machen? Der Auflockerung der summarischen Flächen entspricht eine zunehmende Unterteilung der Farben. Auf einem blauen Rock faßte man z. B . die Zickzacklinien der Armelschlitze mit schwarzen Bändern oder man heftete auf ein Blaßgelb rote Streifen. Ganze Kostümstücke wurden in dieser Weise kleinteilig gemustert; besonders gerne der Schultermantel und die kurze Uberzughose. Die gesamte Farbverteilung unterstrich nochmals die horizontalen Gliederungen des Körpers. 1 IV Das charakteristische Kostümstück des zweiten Jahrzehntes ist die Schaube. Gewiß hatte man sie auch früher schon getragen, auch in derselben Länge, aber man schnitt sie nun größer und weiter, so daß dem Körper eine umfassende Hülle erstand, die den Eindruck des Großartigen und Imposanten erweckte. Der schwere Stoff legte sich in tiefen Falten, belastet noch mit Pelzfutter und Pelzbesatz. Alle glatt und s t r a m m anliegenden Formen werden aufgegeben und es ist als ob jedes Einzelstück „vergrößert" wurde. Der Leibrock mit dem langen, gefalteten Schoß wird durch eine Verbrämung oder durchgezogene Bänder am unteren Rande horizontal abgegrenzt und, wie das Wams, mit einem kleinen Halsausschnitt (rund oder viereckig) versehen. Die Betonung der horizontalen Konturen folgt einer dem Körper homogenen Proportion und schafft so einen für alle Kostümteile gleichen Wert. In der gleichen Absicht werden die Haare kürzer geschnitten („Kolbe") und die weiten Barettkrempen wagerecht getragen. Die zwanziger Jahre bringen dann die reinste Form dessen, was man später als „deutsches Renaissancekostüm" ansprach. Statt der langen Schaube liebt man nun den offenen, nur bis zu den Knien reichenden Rock, wodurch eine sinnvolle Konzentrierung der Umrißlinie im Rumpfe erfolgte. Die einzelnen Zonen des Körpers werden in Farbe und Form betont unterschieden. Ein Teil ordnet sich zum anderen, wie die Glieder einander in einer physischen Logik entsprechen. So wird der Kopf durch den weißen Hemdausschnitt des Wamses gleichsam vorbereitet, wobei die Halsketten die Stufung der Schulter noch unterstreichen. Das Gesicht wird von dem kurzen Haar und dem viereckig geschnittenen Bart gerahmt. Die radiale Reifform des Schulterkragens wiederholt sich in der Tellerform 1

Ein besonders gutes Beispiel für Form und Farben der Gesamterscheinung der Kleidung des ersten Jahrzehntes gibt das Bildnis eines jungen Mannes, ehemals in der Gall. Harrach, Wien. Die von K . Feuchtmayr in Aptstudien (Beiträge zur Geschichte der deutschen Kunst. II. Augsburg 1928. S. 125) gegebene Datierung um 1520 greift m. E. zu spät.

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des Barettes. Gewand und Gestalt bilden so ein organisches Ganzes, ein sinnvoller Ausgleich des Disparaten scheint in einem abgeklärten, gelassenen Lebensstil erfüllt. Auch in den Farben wird eine Versöhnung gesucht, eine nuancierte Harmonie, welche reine, warme Farbtöne bevorzugt. Statt des hellen Kolorits des ersten Jahrzehnts trägt man jetzt ein tiefes Rot, oft verbrämt mit einem rotschimmernden Goldbrokat, ein Dunkelbraun, oder die „Aschenfarbe", Blau und Grau. Dazu kamen hauptsächlich dunkelbraune Pelzbesätze. In diesen Konsonanzen verrät sich ein neues intensives Gefühl für die textile Substanz, das dem Stoff vollends durch Musterung ganz überraschende Reize abzugewinnen vermochte. Die Einwebung von Ranken- und Granatapfelmotiven kennzeichnet die unlösbare Verknüpfung mit der Sprache eines älteren Ornamentstiles, die jetzt in der faltenreichen Führung der Oberfläche einen neuen Ausdruck fand. Ein Rückblick auf die Kleidung des jungen Dürer eröffnet den tiefgreifenden Wandel des Schönheitsgefühles. Das Mittel der einfachsten künstlerischen Niederschrift in der Skizze zeigt selbst die veränderte Reaktion des Auges: der zarten und subtilen Silberstiftzeichnung wird der großzügige Duktus der Kohle vorgezogen. So ist die knappe Plastik der Kunst des späten 15. Jahrhunderts, in den besten Leistungen oft bis zum Agressiven gesteigert, einer Anschauung gewichen, die den malerischen Reichtum einer gesättigten Existenzform zutage fördert. Von dieser Gesamthaltung des Geschmackes sondern sich aber zugleich Richtungen ab, welche die Kostümentwicklung weitertreiben. Eine formale Möglichkeit zu solcher Variation boten die Schlitze. Im zweiten Jahrzehnt des Jahrhunderts sind sie ornamental über die Gewandflächen verteilt, an Brust, Ärmel und Oberschenkel. Im dritten Jahrzehnt aber nützt man diese Schlitzungen bis zu maßloser Übertreibung an allen Kostümteilen, so daß der Körper wie von einem lockeren Gespinst umfangen scheint. Die durchlaufenden, farbig unterschiedenen vertikalen Streifen werden von horizontalen Bändern eingeschnürt und ergeben so bei der Gewichtsverschiebung jeder Bewegung ein unaufhörlich-ruheloses Spiel der überschüssigen Hülle, die sich kontrastreich von dem andersfarbigen Futter abhebt. Noch kontrastreicher wird dieses Bild, wenn das Futter verschwenderisch durch die Ritzen herausdrängt und so jede kleinste Fläche in nicht greifbare, stoffliche und farbige Veränderungen aufgelöst wird. Atlas, Burschat, Zendel und Taft, die dünnsten und leichtesten Stoffe, sind dazu gut. Sie legen sich in tausend kleine Falten, auf denen Lichter und halbgebrochene Schatten reflektieren. Man scheute sich auch nicht, für das Futter die hernach im späten Barock wieder beliebten changierenden Stoffe zu wählen, die sich bei jeder Bewegung in neue zitternde und flimmernde Teilchen brachen und blitzschnell die Farbtöne wechselten. 75

Auch die Buntheit dieser Tracht ist anders organisiert. Helle und blasse Farben wie Gelb, Grau, Weiß und Rot stehen unvermittelt nebeneinander, dazu ein starkes Schwarz und giftiges Grün, Kombinationen, die die heftigste sinnliche Erregung auslösen. Gewiß wäre es falsch, die divergierenden Kostümgruppen, welche wir im zweiten und dritten Jahrzehnt unterschieden, auf den gemeinsamen Nenner eines einzigen künstlerischen Stiles zu beziehen. Die beiden Geschmacksrichtungen bestehen nebeneinander, sind verschiedenartige Durchgangsformen einer in den dreißiger Jahren wieder einheitlicheren Entwicklung. In der gleichzeitigen Kunst begegnen sich ähnliche widerspruchsvolle Regungen: das Streben einen neuen Formenkanon zu finden, untermischt mit manieristischen und barocken Übertreibungen, in denen eine jähe Erinnerung an spätgotisches Gefühl wieder aufflackert. Das Kostüm scheint nichts anderes als eine Demonstrierung dessen in der Wirklichkeit des sozialen Lebens. Schon die Häufung gleichströmender Falten verleiht der äußeren Erscheinung eine Belebung, die sich bis in den überquellenden Aufruhr der Landsknechtstracht steigert. Daß die Zeit sich dieser Tendenzen selbst bewußt war, zeigt der sogenannte ,,Parallelfaltenstil", der sich in Zeichnung und Plastik der zwanziger Jahre meldet 1 und nur durch den Zwang formaler Beherrschung von dem Ausbruch des leidenschaftlichen Temperamentes getrennt ist. Die Anzeichen dieser stilistischen Wendung in der Kostümbildung sind schon überraschend früh erkennbar in der Kleidung, die Matthäus Schwarz 1514 und 1516 trug. Sie entfalten sich allgemein frei noch im Laufe des zweiten Jahrzehnts. Dabei darf nicht übersehen werden, daß gerade die absurdesten Übertreibungen dieses Stiles sich auf das deutsche Kostüm beschränken und in ihrer Tendenz etwas ausgesprochen Deutsches darstellen. V Der starke, üppige Ausdruck des Kostüms im dritten Jahrzehnt verliert im folgenden an Spannung. Man sucht eine Vereinfachung der Erscheinung, ohne daß es zur Einführung technischer Neuerungen gekommen wäre. Man beschränkt sich auf eine Vereinfachung des Gegebenen, die nach den Extremen der zwanziger Jahre wie eine Rückschlag wirkt. Jedoch werden die Akzente anders verteilt. E s wird z. B . nicht mehr der ganze Ärmel in 1

Die Gruppe schwäbischer Bildwerke, die man unter dem Titel des „Parallelfaltenstiles" zusammenfaßt, zeigt einen ungewöhnlich weiten Schnitt der Oberkleidung besonders ausgeprägt in den Ärmeln, deren auffallend weicher Stoff sich in klar gezeichneten Stegen staut. Es bleibt eine offene Frage, ob diese Eigentümlichkeit durch den Stil der künstlerischen Wiedergabe zu erklären ist oder in Wirklichkeit als spezieller Brauch dieser Landschaft ausgebildet war.

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einen Bausch gehüllt, sondern nur noch der Oberarm, während der Unterarm enganliegend umkleidet ist. Durch die Ausbildung dieser Oberarmbauschen erscheint die Schulterbreite bedeutend vergrößert, ein Eindruck, der durch die Anbringung von sogenannten „Schwalbennestern" noch verstärkt wird. Gleichzeitig wird die Hüftschnürung auffälliger, alles Momente, die eine neue Zentrierung der Silhouette im Oberkörper bezeichnen. Der Halsausschnitt wird verkleinert, wie überhaupt alle Kostümteile den Körper knapper zu umspannen scheinen. An den Hosen werden vom Oberschenkel bis zu den Knien durchgehende vertikale Schlitze angebracht, durch die das andersfarbige Futter sichtbar wird, der Anfang zu der in der Jahrhundertmitte besonders in Norddeutschland maßlos reich ausgebildeten Pluderhose. Der Kopfschmuck verliert in den dreißiger Jahren an Eigenwert; man trägt nur noch wenige Federn an einem kleinen Barett. Das Haar wird zunehmend kürzer geschnitten. Das Gesamtkolorit setzt sich aus den gleichen Grundfarben zusammen wie früher, jedoch wirkt die Farbigkeit durch die Vereinfachung der Motive beruhigter. Man trägt gerne einfarbig gemusterte Stoffe (Damast, Samt oder Moire), eine grellere Buntheit kommt nur in den geschlitzten Hosen zum Ausdruck. VI Gewiß bestand während der ganzen Renaissancezeit gleichmäßig ein Wunsch nach repräsentativ-großartiger Erscheinung. Die Mehrzahl der Porträts gibt einen relativ behäbigen Typus, dessen imponierendes Äußere fast an den bestechenden Glanz deutscher Porträts der Lenbachzeit streift. Die einzelnen Leistungen lassen aber seit den dreißiger Jahren in den kleinsten Nuancen mehr und mehr eine neue Orientierung des Mode-Ideals erkennen, die das Kostümbild zunehmend einheitlicher gestaltet. Der Rock wird in den vierziger Jahren durchgehend knapper geschnitten, der Pelzbesatz, der ihm einen Ausdruck warmer Fülle verliehen hatte, wird durch einen flach anliegenden Stoffkragen mit gestickten oder gewebten Borten ersetzt. Der Armelbausch, ein letztes Rudiment der malerischen Lockerung der Silhouette wird kleiner und fester geformt. Die Schleifen, mit denen man die Schlitze gebunden hatte, werden durch längliche goldene Steiften abgelöst, deren harte Winkel die einzige Belebung der straffen Umreißung bilden. Man trägt den Rock auch ganz anders als früher, nicht mehr als üppige Hülle, sondern weit geöffnet, so daß die zurückgeschlagenen schmalen Vorderbahnen den festen Kern des Körpers rahmen. Am deutlichsten wird diese Veränderung in der proportionalen Unterteilung der Gestalt. Das Wams oder der Goller sind am Hals hoch geschlossen. Die nach unten verlaufenden Borten oder Knopfreihen heben die Schmälerung des Oberkörpers gegen die Hüften um so merklicher hervor, 77

als der verhältnismäßig tiefsitzende Gürtel an der Mitte der Vorderseite noch etwas gesenkt ist, so daß die vertikale Ausdehnung des Oberkörpers eine besondere Betonung gewinnt. An den kurzen Hosen bilden die vertikalen Streifen einen Kontrast zu den weichen, kleinteiligen Knitterungen des Futters, das zwischen den Streifen vordringt. Die glatt anliegenden Seidenstrümpfe reichen bis über die Knie. Das Ganze ordnet sich zu einem Aufriß, der eine neue Dynamik birgt. Kleine weiche Schuhe aus Stoff oder Wildleder machen den Gang leicht und geschmeidig. Die Elemente, welche hier zum Ausdruck kommen, stammen nicht aus rein deutschen Prototypen. Es ist die Übernahme der „spanischen Mode" und der Einfluß des italienischen Manierismus, die sich in dieser Geschmacksveränderung begegnen. Eine ähnliche formale und psychische Spannung spricht aus den Gemälden der Bronzino- und Salviati-Generation. Auch die psychische Parallele dieser Phase wird deutlich, wenn man den eigentümlich zaghaft-starren Blick der feingezeichneten Physiognomien der Porträts auf sich wirken läßt. Die Farbenskala bevorzugt zarte Töne. Die warmen Farben der zwanziger Jahre werden nuancierter. Das Rot wird zum blassen Lachsrot, statt Blau trägt man ein gebrochenes Lila oder Violett, dazu kommen als große Mode weißer Atlas und gelbes Wildleder — alles Farben, die mit Schwarz oder Gold kontrastiert werden. In der Kombination der Samte und Seidenstoffe zeigt sich die Vorliebe für eine glatte, nicht greifbare Oberfläche. VII Die angebahnte Entwicklung führte nach der Jahrhundertmitte zu einer Art Formalismus, der in den Hauptstücken des Kostümes individuelle Variationen sehr viel weniger zuließ als je in der ersten Hälfte. In Schnitt und Zusammenordnung von Wams, Hose und Mantel ergab sich eine Struktur, die einer abstrakten Norm gleichkam. Der Schultervorstoß verliert seine horizontale Form. Um so deutlicher akzentuieren die schmalen „Schwalbennester" die Grenze von Schulterstück und Ärmel. Diese selbst sind nicht mehr gebauscht, sondern umhüllen in einem einheitlichen Zug die Arme. Trägt man einen Goller, so ergeben sich aus den langen Schlitzen breite vertikale Streifen. Man begnügt sich aber mehr und mehr mit dem knapp anliegenden Wams, dessen elliptischer Umriß in den Hüften in den schrägen Vorstoß des versteiften schmalen Schoßes umbricht. Das Bestreben, klare, konvexe Umrisse zu gewinnen, fuhrt in der Staffierung der Hosen zu den absurdesten Gebräuchen. Durch die Ausfüllung mit Roßhaar und Baumwolle gewinnt man eine pralle Kugelform, wobei die einzelnen Streifen so dicht aneinander schließen, daß das andersfarbige Futter unsichtbar wird. Freilich trägt man gleichzeitig zum spanischen Kostüm mitunter auch die „deutsche Hose", bei 78

der die aus den Schlitzen quellenden Futterteile durch ihr Übermaß eine ähnliche Belastung der Figur erzeugen. Der kurze Mantel wird meist als ärmelloser Umhang getragen. Aber auch dann, wenn ein Ende unter der Achsel durchgezogen und über die andere Schulter geworfen wird, wirkt der Mantel in seiner schalenartigen Absonderung als räumliche Folie, vor der das scharf umrissene Volumen des Körpers steht. Am stärksten ist diese Wirkung bei dem versteift getragenen ßadmantel. Den eigentlichen Sinn erhielt dies Kostüm erst durch eine bestimmte Haltung seines Trägers, die freilich zum Teil selbst wieder die zwangsläufige Folge kostümtechnischer Eigentümlichkeiten war. Der hohe Wamskragen engt den Hals ein, wobei der Kopfansatz nochmals durch eine knappe Krause fest umrandet wird. Das Ergebnis ist also ein doppeltes: Sammlung in einigen wenigen großen Hauptformen und scharfe Abgrenzung dieser Hauptformen voneinander. Diese Unterscheidung erfolgt vornehmlich durch die farbige Gestaltung. Den Ärmeln gab man gern helle Farben (weiß, gelb, rötlich) im Gegensatz zu den dunklen Hauptfarben von Wams und Mantel. Dabei werden Farbkombinationen bevorzugt, die den Eindruck vornehmer Kühle hervorrufen, etwa ein weißer Atlas mit Silberstickerei oder Farbübergänge wie Blau-grün. Wie nie zuvor suchte man aber gerade in diesem Zeitabschnitt die ungemusterten Stoffe mit Borten von Stickereien und Spitzen zu beleben. Diese ornamentalen Bestandteile haben nie etwas WucherndWirres, sondern erstrecken sich in Bahnen, die ihnen vom Maß des Tektonischen gezogen werden. Um so bewußter ordnet man auf diese Folie einige kostbare, zarte Schmuckstücke, die selbst wieder Produkt einer fast raffiniert verfeinerten Kunst sind: wasserklare, kristallinisch geschliffene Edelsteine in sparsamer, goldener Fassung mit schwarz- und weißem Email, Pretiosen, in deren sinnlichem Reiz sich freieste Phantasie und kalte Überlegung fangen. Wenn das Kostüm des dritten Viertels des Jahrhunderts als Ausfluß der allgemeinen herrschenden „spanischen Mode" verstanden wird, so gehen deshalb doch die nationalen Elemente nicht verloren 1 . Es ist nicht anders als in der gleichzeitigen Kunst, in der eine Schicht von außen übernommener Formen von älteren, eigenen Traditionen durchwachsen wird, es ist der Weg, der vom Spätstil Hans Baidungs und des jüngeren Cranach zu dem neuen plastischen Empfinden der Frühzeit Hubert Gerhards führt, wobei in der Gegenüberstellung dieser Künstler gleichzeitig die typische Wen1

Frankreich z. B. sieht von dem Schwarz, das die spanische Etiquette forderte, fast ganz ab und fördert ein sehr buntes Kolorit des Kostümes. Auch die [extrem-ornamentale Durchbildung eines englischen Porträts von 1540 erhält von hier seine Erklärung. (Earl of Surrey in Slg. Lord Sackville, Knole — vgl. Collins Baker und Constable, Englische Malerei, Berlin 1930.)

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dung von der malerischen zur plastischen Qualität enthalten ist. Der Ausfall an monumentalen Denkmälern in der Jahrhundertmitte wird als Retardieren der Produktion erklärt. In Wahrheit liegen die primären künstlerischen Leistungen dieser Zeit auf einem anderen Gebiete, jenem der Kleinkunst. Und was sich in den Schöpfungen der beiden Jamnitzer erfüllt, ist der Durchbruch einer neuen künstlerischen Anschauung, die sich in der gleichzeitigen Umbildung des Kostüms ebenso verwirklicht. Mögen die Anzeichen für diese Wendung in der Kostümgeschichte sogar überraschend früh liegen, so ist es doch nicht möglich, diese Chronologien absolut zu messen. Die in der Zusammenfassung dieses Querschnitts gesetzten Abgrenzungen sind nur von relativer Geltung und geben nur eine Zusammenordnung der frühesten Anzeichen einer stilistischen Wandlung, so daß auch der Versuch einer „Geschichte" über eine vorsichtige Deutung dieser primären Entwicklungstendenzen nicht hinausreichen kann. In diesem Sinne könnte es unternommen werden die Fesselung der Gestalt im Kostüm des dritten Viertels des 16. Jahrhunderts der plastischen Straffung im ausgehenden 15. Jahrhundert gegenüberzustellen und man würde in der Wiederkehr einer anorganischen, unstatischen Formenwelt den rhythmischen Wechsel einer künstlerischen Auffassung erkennen, die das Begreifen des aktiven Organismus — so in der Frühzeit des 16. Jahrhunderts — zum formalen Kanon versteift und in dieser abstrakten Norm ein gesteigertes Bild der menschlichen Gestalt sucht.

Die Bilder 1—4, 8—19, 33, 36—43, 47—55, 57 und 59—60 sind hergestellt nach Aufnahmen der entsprechenden Museen, Bibliotheken und Archiven. Liebenswürdigerweise stellten zur Verfügung: Die Bilder 44—46 Herr Dr. Vinzenz Oberhammer, Innsbruck; 5—7 Herr Franz Cavallin und 61 Herr Dr. Kurt Pilz.

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2. — 3. Rotes Atlasbarett Herzogs Wilhelm IV. mit Rechenzeichen.

Um 1540. Wien, Kunsthist. Mus.

4. Barett aus gelbbraunem Wildleder. 2. Viertel des 16. Jahrh. Berlin, Zeughaus.



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2 1 . B u r g k m a i r als B r ä u t i g a m u n d H o c h z e i t e r . F e d e r z e i c h n u n g mit W a s s e r f a r b e n . 1497 und 1498. B e n e d i k t i n e r s t i f t Seitenstetter.

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44 —45. Aus dem „ M e r k h u c h des H. N i d e r m a y r d. J. in I n n s b r u c k " , 1544 - 68. Innsbruck, i'erdin.'iiultMnn. Schnittmuster für .JPralatten-Mannttl*", v Docktor Rockh" und ..aitiLMU Bürger am Knrkh".

4 7 . - 4 8 . A u s ..Kavsserlich Freyhaitten d S c h n e y d e r v n ab C u n d e r f e c t u r " . . . F u r m a l a r a i n e s R e i t r o c k h i n d e n m i t a i n e r a u f g e s e t z t e n S c h o s s " u n d . . F u r m a l a r zu a i n e m M a n d l K o c k g a n z G l o c k e n w e i t " . E n n s 159U. B e r l i n . L i p p e r h . K o s t i i m b i b l .

4 9 . H a n s von K u l m b a c h , M a r k g r a f K a s i m i r v o n B r a n d e n b u r g - K u l m b a c h . 1 5 1 1 . München, Alte Pinakothek. — Über der Haube ein Kränzchen von roten Nelken. Brusttuch gestickt mit bunter Seide und Perlen.

52. A u g s b u r g e r Meister, Bildnis. 1525. Wien, Kunsthist. .Mus. Breite Schaube in d u n k l e r w a r m e r Farbe, Hosenbein in Rot. G r ü n und W e i ß , hell gestreift.

55. Jacob Seisenegger, Karl V. 1532. Wien, Kunsthist. Mus.

5 4 . - 5 5 . Peter G ä r t n e r (zugeschrieben), Familie Herzogs W i l h e l m IV. u n d F a m i l i e des Pfalzgrafen J o h a n n II. 1531 u. 1534. M ü n c h e n , Bayer. Nat.-Museum.

56. Jacob Seisenegger, Georg Fugger. 1541. Besitz G r a f

Fugger-Oberkirchberg.

57. Hans Mielich, Herzog Albrecht V. 1556. Wien, Kunsthist. Mus.

58. Hans Mielich, G r a f Ladislaus von Hag. 1557. Besitz Fürst Lichtenstein, Schloß Eisgrub in Mähren.

59. — 60. Illustrationen aus „Hans Wagner, Kurtze doch begründte beschreibung des Herzogen Wilhelmen gehalten Hochzeitlichen Ehren Feste, München". 1568. Tanz im Tanzsaal (Ausschnitt) und Gottesdienst in der Frauenkirche.

61. Gruppe aus Jost Ammans Darstellung von Kaiser Maximilian II. Einritt in Nürnberg 1570. München. Graph. Sammlung.