Die kultische Keuschheit im Altertum 2

Citation preview

Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten I. Band

ATTIS.

1903. 232 S.

Seine Mythen und sein Kult von Hugo Hepding

Ji 5.—

L'auteur a réuni tons les texts littéraires et épigraphiques relatifs à Attis, et, se fondant sur cette collection de matériaux, il expose les diverses formes du mythe, dont l'amant de Cybèle est le héros, l'histoire du culte phrygien en Asie, en Grèce et a Rome, et il insiste en particulier sur la constitution des mystères et la célébration des tauroboles. L'auteur est au courant de toutes les recherches récentes sur le sujet qu'il traite, mais il ne se borne pas à en résumer les résultats, il fait souvent des trouvailles heureuses et expose des idées personnelles avec Une clarté qu'on souhaiterait trouver toujours dans les études d'histoire religieuse. Bien que je ne partage pas certaines de ces idées (ainsi il considère encore l'inscription d'Abercius comme païenne), son'ouvrage bien conçu et bien rédigé me paraît être une excellente contribution à. l'histoire du paganisme romain. F r a n z C u m o n t in der Revue de l'instruction publique en Belgique.

n

® a ° d Musik und Musikinstrumente im alten Testament

i. Heft

II. Band 2. Heft

II. Band 3. Heft

II. Band 4> Heft

1903. 34 S. von Hugo Greßmann Ji —.75 Greßmanns kleine Schrift gehört unbestreitbar zu den besten Arbeiten, welche über das von ihm behandelte Thema erschienen sind. Lit. Zentralbl., 1904 No. 12.

De m o r t u o r u m

iudicio

1903. 77 S. Ji 1.80 scripsit Ludovicus Hühl Vorliegende Arbeit bietet eine, wie der Philologie und Religionsgeschichte, so auch der Volkskunde hochwillkommene Zusammenstellung der literarischen und monumentalen Zeugnisse des klassischen Altertums Uber die Vorstellungen von einem Gerichte, dem sich die Seelen aller Verstorbenen in der Unterwelt unterwerfen müssen. Zugleich wird, soweit dies noch möglich ist, der historische Zusammenhang und der Fortschritt in der Entwicklung dieser Vorstellungen aufgezeigt. . . . Ein äußerst dankenswerter Exkurs führt endlich noch aus, welche Rolle die Vorstellung von einem Buche des Gerichtes, das von den verschiedensten Persönlichkeiten geführt wird, bei den Alten gespielt hat. G. L e h n e r t in den Hessischen Blättern für Volkskunde, Bd. 3 Heftl.

De poetarum Komanorum doctrina magica 1904. 66 S. Ji 1.60 scripsit Ludovicus Fahz Des Verfassers Absicht ist es, die Poesie der Römer, soweit sie Zauberhandinngen schildert, durch die entsprechenden Stellen der griechischen Zauberpapyri zu erläutern. Da eine Behandlung aller hierher gehörigen Stellen den Rahmen einer Dissertation sprengen würde, hat er sich zeitlich auf die Dichter des ersten Jahrhunderts vor und des ersten Jahrhunderts nach Christo beschränkt, stofflich auf die Totenbeschwörung und den Liebeszauber. So behandelt Kap. I der Arbeit die Necromantea, Cap. II die Ars amaloria magica; Cap. III gibt nach einigen Bemerkungen über die Arbeitsweise der römischen Dichter in der Schilderung von Zauberscenen einen Kommentar zu der großen Totenbeschwörung in Lucans sechstem Buche der Pharsalia. Dabei wird der Machweis versucht, daß Lucan eine den erhaltenen Zauberpapyri ganz ähnliche Textquelle benutzt hat.

De e x t i s p i c i o scripsit

capita

tria

Georgius Blecher

accedit de Babyloniorum extispicio C a r o l i B e z o l d supplementum 1905 82 Seiten Ji 2.80 Der Verf. hat sich die Aufgabe gestellt, die Eingeweideschau der Griechen und Römer in ihrem geschichtlichen Zusammenhang zu erklären. Im ersten Kapitel werden die Zeugnisse der Alten über die Ausübung des Extispiciums zusammengestellt. Das zweite Kapitel bringt dieAnsichten der Antike über Wesen u.Wertder Eingeweideschau. Die eigenen Anschauungen des Verf. entspringen den Untersuchungen des dritten Kapitels. Babylonische, griechische, römische Extispicin sind in ihrer Entstehung unabhängig voneinander, die Eingeweideschau ist ein Völkergedanke. Hier im dritten Kapitel sind auch die antiken Darstellungen der Leberschau gesammelt, die in Abbildungen beigegeben werden. „Einige Bemerkungen zur babylonischen Leberschau" von C. B e z o l d machen den Schluß.

Die kultische Keuschheit im Altertum von

Eugen Fehrle

V

j

Gießen 1910 Verlag von Alfred Töpelmann (vormals J. Ricker)

Religionsgeschichtliche V e r s u c h e und V o r a r b e i t e n begründet von Albrecht Dieterich und Bichard Wünsch herausgegeben von

Richard Wünsch und Ludwig Deubner in Königsberg i. Pr.

YI. Band

Abschnitt I—IV wurde unter dem Titel 'Die kultische Keuschheit im Altertum, I. Teil' als Dissertation von Heidelberg 1908 veröffentlicht.

DEM ANDENKEN AN

ALBRECHT DIETERICH GEWIDMET

vir

Vorwort Der erste Teil dieses Buches erschien 1908 als Dissertation. Er wurde im letzten Bogen (von S. 54 ab) etwas erweitert. Leider war es mir infolge Krankheit und Abhaltung durch den Beruf erst jetzt möglich, die ganze Arbeit, deren größter Teil schon damals von mir im Manuskript vorgelegt war, zu vollenden. Einzelne Teile erfuhren kleine Änderungen und Zusätze, manche konnte ich infolge neuerschienener Werke kürzen. Herr Dr. phil. Theodor Wächter hatte nach Erscheinen meiner Dissertation eine Arbeit gemacht über Reinheitsvorschriften im griechischen Kult, die jetzt in diesen Versuchen und Vorarbeiten als Band I X Heft 1 erschienen ist. Darin hatte er ein Kapitel über Keuschheit, das er aber nach Vereinbarung mit mir wegließ. Ich verzichtete dafür auf die Ausführung einzelner kleinerer Kapitel, die Herr Dr. Wächter bearbeitete. Für einige Mitteilungen danke ich Herrn Dr. Wächter bestens. Herr Professor E. Wünsch in Königsberg teilte die mühsame Arbeit des Lesens der Korrekturbogen mit mir und förderte meine Arbeit durch wertvolle Hinweise. In einzelnen Teilen wurde ich durch meine Heidelberger Lehrer, die Herrn Professoren von Domaszewski und von Duhn gefördert. Heidelberger Freunde lasen mit mir Korrekturbogen. Allen, die mir geholfen haben, sei hiermit mein verbindlichster Dank ausgesprochen. Es ist mir schmerzlich, A l b r e c h t D i e t e r i c h , der diese Arbeit angeregt und den größten Teil davon noch im Manuskript gelesen hat, das vollendete Buch nicht mehr vorlegen zu können. E r hat meiner wissenschaftlichen Tätigkeit eine bestimmte Richtung gegeben und auch in Einzelheiten meine Arbeit gefördert. Heidelberg, den 10. September 1910.

E. F.

IX

Inhaltsverzeichnis Einleitung Erster Teil I. LiebesYereinigung zwischen Gott und Mensch .

Seite 1

3

Weiber, die mit einem Gott verkehren, müssen sich der Männer enthalten 3; jungfräuliche Priesterinnen im Verkehr mit einem Gott 7; Gottvereinigung, ihr Zweck und ihre Folgen 9; der Tod als Hochzeit mit dem Gott 19; jungfräuliche Mütter 20; Göttersöhne 25.

II. Befleckung durch geschlechtlichen Verkehr . .

25

Bei Griechen und Eömern 25; bei anderen Völkern 29; Wesen der religiösen Befleckung 35; Hochzeitsbräuche 40.

III. 'Ayveia

42

IT. Wirkung der Keuschheit

54

Sie verleiht Macht 54; bei Griechen und Kömern 54; in deutschem Volksglauben 59; Jungfrauen und Kinder bei Fruchtbarkeitsriten 63.

Zweiter Teil V. Die Mittler zwischen den Menschen und Göttern Priester 66; Vorbereitungen zum Priestertum 68; negative Mittel: Keuschheit, Reinigungen, Fasten, Schweigen, getrennt Wohnen, weiße Kleider, Verhüllung, frei von körperlichen Gebrechen und unbescholten sein 69; positive Mittel: Gottvereinigung durch Liebesverbindung, Essen des Gottes, Berührung mit dem Gott, Kleidung des Gottes, narkotische Mittel, Tanz, Weihen 71; Einsamkeit 72; Laie-Priester 73; griechische Priesterstellen 74; Staatspriester 75.

65

X

Inhaltsverzeichnis

VI. Keuschheitsvorschriften bei den Griechen und Körnern 1. K e u s c h h e i t d e r P r i e s t e r und

Priesterinnen.

Götter. A p o l l o n : Pythia in Delphi 75; Prophetin in Argos 77; in P a t a r a 77; Sibyllen 77; Kassandra 78; Priesterin in Epirus 79; in Theben 79; Keuschheit der P y t h i a beruht auf der Liebesvereinigung mit Apollon 79; Glaube an die aus dem Erdspalt in Delphi aufsteigende göttliche K r a f t 80; Geschichte der Weissagung in Delphi 83; Ü b e r t r a g u n g göttlicher K r a f t durch ininvoia 85; eniTivota und Liebesvereinigung bei Enthusiasmus 86; Apollon erotisch 88. Dionysos: ßaoü.iooa 89; ihre avvovaia mit D. 90. H e r a k l e s : Priesterin z u T h e s p i a i 9 0 ; Priesterin in Phokis 91; ithyphallischer Herakles 91; Verkleidung von Braut und Bräutigam 92. P a n : Priesterin in Ephesos 93. P o s e i d o n : Priesterin in Kalaureia 93. S o s i p o l i s in E l i s : Priesterin 94. Z e u s : Knabe vor Geschlechtsreife Priester in Aigion 96; Prophetinnen in Dodona 96.

Attis 97. Mithras 98. Göttinnen. A p h r o d i t e : Priesterin in Sikyon 98. A r t e m i s : Priesteriu der Knagia in Lakedaimon 98; der Hymnia in Orchomenos (Arkadien) 98; der Hekate in Aigeira 100; in Patrai 100; in Ephesos (Eunuchen) 101; in Sidyma (Lykien) 102. A t h e n e : in Tegea Knabe vor Geschlechtsreife Priester 102; Priesterin in Triteia (Achaia) 102; in Pellene 102; Knabe vor Geschlechtsreife Priester in Elateia 103. D e m e t e r (Ceres): Priesterin in Thasos 103; Priesterin der Ceres Africana 103; Hierophanten der Demeter in Keleai und Eleusis 104. G e : Priesterin in Aigeira 106; Einmal Verheiratete im Kult 106, 3; Priester 108. H e r a : Priesterin in Argos und Falerii 109. H e s t i a : Priesterinnen 109. L e u k i p p i d e n : Priesterinnen 109.

Testa 109. Große Mutter und Attis:

Galli 110. I s i s : Priesterin in Alexandreia 110. Osiris und S e r a p i s : E n t m a n n t e Priester; E n t m a n n u n g in orientalischen Kulten; Znsammenfassung 111.

Seite

75

XI

Inhaltsverzeichnis

Seite 2. K e u s c h h e i t s v o r s c h r i f t e n

für

Kultusbeamte,

die

nichtPriestersind

112

Jungfrauenchöre; Kinder vor der Geschlechtsreife 112. Apollon : Kaçvsârat. J u n g f r a u e n an den Hyakinthien in Sparta, in Theben 113; Säkularfest des Augustus 114. D i o n y s o s : Gerairen 114; Jungfrauen 114; Frauen ohne ihre Männer 115. A t h e n e : ¿^^/¡ifv^ot 116; Jungfrauen an den Panathenaeen (xavrjrf ôoot) 117; in Ilion 118; Knabe bei Panathenaeen 118. Arteniis: Jungfrauen in Sparta 119; in Athen 119; auf Samos 120; in Magnesia am Maiandros 120; in Ephesos 120. D e m e t e r (Ceres): J u n g f r a u e n in Alexandreia? 121; in Eleusis 121; J u n g f r a u e n der 'großen Gottheiten' von Andania 122; pitbes agrestis bei den Ambarvalien 122. H e r a : J u n g f r a u e n in Argos 122; in Falerii 122; in Olympia 123. H e l e n a : J u n g f r a u e n 123. I u n o R e g i n a : J u n g f r a u e n 123 ; Säkularfest des Augustus 124; zu Lanuvium 125. 3. K e u s c h h e i t s v o r s c h r i f t e n f ü r L a i e n

J u n o F e b r u a l i s 126. B o n a D e a (Fauna) und F a u n u s : Luperealien 128. P a l i k e n in Sizilien 130. A s k l e p i o s in Ptolemais 131. H e p h a i s t o s in Sizilien 131. Men Tyrannos 131. P a n in Ephesos 133. Zeus P o l i e u s in Kos 133. A p o l l o n Lairbenos in Phrygien 133. D i o n y s o s 134. D e u s H e l i o p o l i t a n u s 134. Artemis in Delos 134; in Ephesos 134. A t h e n e am Skirenfest 134 ; in Pergamon 134 ; auf Delos 135. Große Mutter und Attis 135. I s i s in Italien 135. D e m e t e r (Ceres) in Italien 137; Thesmophoros 138; in Athen 139; Weide um die Keuschheit zu erhalten 139; Weide im Kult der Hera auf Samos 142 ; der Artemis Orthia in Sparta 143; Weide Lebensrute 143; Weide bei der BovXiuov èléXaois 145; Thesmophorien in Milet 146; attische Thesmophorien 148; anßriSss 149; Erdgöttin in Attika 150; Demeter Xa/ivrrj 151 ; Grund der Keuschheit an den Thesmophorien 151 ; ciyvos 152; y.ôvvÇa (¡cvvÇa) 153; v.vétooov 153; oy.AqoSov am Skirenfest 153. Zusammenfassung der Keuschheit der Laien 154.

126

XII

Inhaltsverzeichnis

VII. Keuscliheitsfristen

Seite

155

1 und 2 Tage 155; 3 T a g e 157; 7 Tage 158; 9 T a g e 158; 10 T a g e 159; ein J a h r 159; Überblick 160; Kinder vor der Geschlechtsreife 161; lebenslängliche Keuschheit 162.

YIII. Jungfräuliche Göttinnen

162

Göttin Bao&ivos im Chersonesos (Krim) 1 6 2 ; in Neopolis (Thrakien) 163; auf Thera 163; in Halikarnass 164; in Boeotien 164; Bedeutung von naoOivos 1 6 4 ; y.ont] 1 6 5 ; Göttliche Jungfrauen (Nothelferinnen) 167. A t h e n e : ihre Feste, Hqotoi legoi 170; Procharisterien 170; Kallynterien und P l j n t e r i e n 171; Reinigen der Kultbilder 1 7 3 ; Hera auf Samos 173; Artemis Daitis 174; Große Mutter 175; Skirophorien 177; Arrhephorien 177; Oschophorien 178; Panathenaeen 179; Athene Mr,r7](t in Elis 1 8 3 ; Athene bei Hochzeit 184; Athene mit Granatapfel 184; V e r bindungen der Athene mit Göttern: Erechtheus 185; Poseidon 187; Hermes 188; Hephaistos 188; Ares Hippios 189; mit Göttinnen: Medusa 1 8 9 ; A i t h r a 192; Auge 192; Aglauriden 194; Mütterlichkeit der Athene 195; jungfräuliche Athene 195; Bauten auf der Akropolis 197; Athenebilder 199. H e r a : Braut des Zeus 2 0 1 ; Jungfrau und Mutter 201. A r t e m i s : Jungfrau und Mutter 203. H e s t i a 204. A p h r o d i t e 205; Lichtjungfrauen, Schicksalsjungfrauen, virgines caelestes, Hippolytos, Virbius 206.

IX. Kultische Keuschheit in der römischen Religion. 206 1. Die Bedeutung von castus 206. 2. Der Charakter der V e s t a und die Keuschheit in ihrem Kult 210. Wesen der Vesta 2 1 0 ; Feste, an denen sie teilnimmt: Fordicidia 211; Parentalia 211; F e s t der Ops Consiva und des Consus 211; Kult der Bona Dea 2 1 1 ; Equirria 2 1 2 ; Vesta hat den Kultnamen Mater 2 1 3 ; Priesterinnen der Vesta sind Gottesbräute 2 1 5 ; Vestalinnen keusch 218; Zaubermacht der Vestalinnen 220; Bestrafung unkeuscher Vestalinnen 221.

Dritter Teil

X. Die geschichtliche Entwicklung der kultischen Keuschheit Anhang 1: Die Myrte Anhang 2: Vergewaltigung einer Göttin . . . Register

222 239

242

243

Eugen Fehrle, Die kultische Keuschheit im Altertum

1

EINLEITUNG Eine genügende Abhandlung über die kultische Keuschheit ist mir nicht bekannt. Joh. L o m e i e r hat in seinem Buch Epimenides sive de veterum, gentium lustrationibus syntagma {erste Ausgabe Zutphaniae 1681, zweite 1700) die abstinentia a Vettere neben anderen Arten der lustratio behandelt. Die von ihm gesammelten Beispiele werden in Werken, in denen gelegentlich von geschlechtlicher Enthaltung die Rede ist, bis in unsere Zeit als Hauptbeweismaterial für kultische Keuschheit weitergeführt. 1704 erschien in Abo (Finnland) eine Dissertation von Henricus C o r e e l mit dem vielversprechenden Titel: Sacerdotes veterum, virgines. Ich erwähne sie nur, damit niemand sich die Mühe macht, das schwer zugängliche, aber vollständig wertlose Heftchen kommen zu lassen Erst 1863 ist das Thema, abgesehen von beiläufiger Behandlung, meines Wissens wieder im ganzen 2 bearbeitet worden von Otto Z ö c k l e r in einem ausführlichen Werke: Kritische Geschichte der Askese. Ein Beitrag zur Geschichte christlicher Sitte und Kultur (Frankfurt a. M. und Erlangen) 1863. Die zweite Auflage dieses Buches vom Jahre 1897 (Frankfurt a. M.) ist gänzlich neu bearbeitet und hat den Titel: Askese und Mönchtum. Zöckler hat die „ S e x u a l a s k e s e " eingereiht unter die andern Arten der äa-^aig. Seine Gründe für die Er1

Ich konnte es nur aus Abo selbst erhalten. Die Ausführungen des Barons von Eckstein: Geschichtliches über die Askesis der alten heidnischen und der alten jüdischen Welt als Einleitung einer Geschichte der Askesis des christlichen Mönchtums (Freiburg i. B., Herder 1862) können für die Wissenschaft nicht in Betracht kommen. 2

Religionsgescliichtliche Versuche u. Vorarbeiten VI.

1

2

Eugen Fehrle

klärung der asketischen Erscheinungen sind aber keineswegs hinreichend. E r sagtS. 3f.: „Wie Opfer, wie Gebete, wie Sühnoder Reinigungsbräuche (Lustrationen), so sind die Verrichtungen der Askese ein überall irgendwie vorhandenes Gemeingut menschlicher Religiosität und Sitte. Und warum dies ? Weil die sündig gewordene und Gott suchende Menschheit nicht anders kann als asketisch streben und handeln. Ihr Gewissen bezeugt ihr die Tatsache ihres Getrenntseins von Gott durch schwere Sündenschuld: daher ihr Drang zur Büßung solcher Schuld mittels strenger Selbstzucht!" Über kultische Keuschheit im Altertum kann man aus Zöcklers Buch nur sehr wenig lernen, da das Altertum von ihm nur kurz und ohne die nötige Kenntnis des Materials behandelt worden ist. Nur der Vollständigkeit wegen will ich anführen: Die Keuschheitsideen in ihrer geschichtlichen Entwicklung und praktischen Bedeutung von Dr. phil. J o s e p h M ü l l e r (Mainz, Verlag von Kirchheim 1897). Müller hat das Thema meiner Arbeit gelegentlich gestreift. Mit einer geschichtlichen Entwicklung der Keuschheitsideen aber haben seine Ausführungen sehr wenig Ähnlichkeit. Ihn hat j a auch, wie er S. 1 gesteht, weniger „das theoretische Interesse als das Bedürfnis und die Not der Gegenwart geleitet". Die geschichtliche Entwicklung hat er nur zu geben versucht, um einen sicheren Boden für „praktische Reformen" zu haben. Während diese mehr oder weniger zusammenfassenden Werke mir kaum irgendwelchen Nutzen brachten, bin ich durch Arbeiten über einzelne Teile meines Themas sehr gefördert worden. Doch seien diese bei Gelegenheit angeführt. Nur ein Buch, dem ich große Förderung für meine ganze Arbeit verdanke, will ich hier noch erwähnen: Eine Mithrasliturgie erläutert von Albrecht D i e t e r i c h (Teubner 1903). Die Auseinandersetzungen über Gottvereinigung im zweiten Teil dieses Werkes haben mich auf die, wie ich glaube, richtigen Wege geführt. Auch sonst bin ich meinem verehrten Lehrer, Herrn Professor A. Dieterich, für vielfache Anregung und Förderung; bei der Arbeit zu großem Danke verpflichtet.

Die kultische Keuschheit im Altertum

ERSTER

3

TEIL

I. Liebesvereinigung zwischen Gott und Mensch P i a t o n galt im Altertum schon früh als Solin des Apollon 1 . Die Sage wußte zu berichten, Piatons Mutter Periktione sei von Apollon begattet worden, und Ariston habe deshalb bis zur Entbindung nicht mehr mit ihr ehelichen Umgang pflegen dürfen. Diogenes Laertius III 1, 2: ZftevoiitTtog d'iv zq> t7Ciyoarpo[.tiV(O zcovog iyxt

%qovov

zijg

/.lexQi

zov

1 Die Zeugnisse hat Hermann Usener, Weihnachtsfest (1889) 70 ff. gesammelt. Ich führe hier nur an, was für meinen Zweck von Belang ist. Soeben erschien Diogenis Laertii vita Piatonis herausg. von einigen Basler Philologen in der Festschrift Iuvenes dum sumus, die das Basler klass. philol. Seminar der 49. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner dargebracht hat. Dort siud die Parallelberichte zu dieser Stelle ebenfalls ausführlich aufgezählt. Unten S. 25 komme ich noch einmal auf das hier Ausgeführte zurück. 3 Dieselben Quellen nennt in seiner Nachricht über Piatons Geburt Hieronymus Adv. lov. I 42. 1*

Eugen Fehrle

4 uTtoxe^eiog-

P l u t a r c h Quaestion.

6 Ö'OVTIO jteTtoirjxev.

conv.

V I I I 1 , 2 (Bernard. I V 3 0 5 ) erzählt mit Berufung auf Florus, dem A r i s t o n h ä t t e im S c h l a f eine S t i m m e geboten ^ %fi yvvaixl

fi^d' utpaaS-ai

Eine

ganz

Alexanders

ähnliche

voreoo)

Schoß

Geschichte

Zeus

%Q6Vv

TTjv oipiv, aig &xqißeazeqag

cpvXaxfjg öeouevojv tq> 'I'iXircm/j zGiv

iteql

TOV ydfiov, i4qiaravÖQOS o TeXf.irjaevg xvew ecprj TTJV ävS-qw-

TIOv, oi'&ev yaQ &Tioa(pqayi^ea&ai2

TÜV xevojv, xal

xveiv

nalda

•d-vfioeiärj xal XeovTcodrj TZJV cpvoiv. &cpd-rj de jtoze xal dgaxiov ¿iiü/.ievrjg %fjg ^OkvurtLCcdag 7iaQixzezat.i£vog zw awj.iazi" (.IULLGIU TOV 'PiXLincov TOV eqioza xal rag (pikorfQoavvag

Xeyovaiv,

10g ¡.iiqde (po ixäv

jtavoöpevov,

I'LZE deiaavzd

¡ua~/.a trjg yvvaixög, oiovuevov. dem

eu

noXXdxig zivag

7t äff

uayeiug

t'lze zijv ouiXiav

xoi-

xal TOVTO äftavQwaai

avirjv

dva-

EN avzij) xal

cpdq-

ojg xqeixTOVi avvovoiqg acpo-

L u k i a n läßt in den T o t e n g e s p r ä c h e n den D i o g e n e s

Alexander

das

Märchen

vom

ehelichen

Umgang

der

Olympias m i t Amnion e r z ä h l e n : man s a g e von Olympias (13, 1) dgdy.ovza dfiiktlv reyßrpai,

avzfj xal ßkerteodai

TOV de 'Inkinnov

ev ifj

e^rj7tazfja9-ai

evvfj, elza ovzco

olo/.tevov TtazeQa

ae aov

eivai3. Nach Plutarch, Alkibiades 23, hat Alkibiades ein e h e b r e c h e r i s c h e s

Verhältnis mit

Timaia,

in S p a r t a

der G a t t i n

des

K ö n i g s Agis, g e h a b t und sie von ihm den L e o t y c h i d a s geboren. Ovzcu nQO.zz6jj.Eva zavza eitiazevae 1

noXXol

Beispiele göttlicher Verehrung,

0 . Gruppe,

xazrjyoQOvv Ttqog

TOV 'Ayiv.

de TM y.Qovq) /.idkiozct, OTI oeiofiov yevof.ievov cpoßtjd-elg die P i a t o n zuteil wurde, siehe bei

Griechische Mythologie und Religionsgeschichte 1 4 8 4 , 1 (Hand-

buch der klass. Altertumswissenschaft hrg. v. I. v. Müller V 2). a

Zu atfoayi^oi

vgl. Adolf Deiümaun,

Neue Bibelstudien

(Marburg

1897) 6 5 f., und unten S. 51, 1. 3

Vgl. R . Reitzenstein, Poimandres (Leipzig 1904) 3 0 9 ff.; Adolf Ausfeld,

Der griechische Alexanderroman h r g . v. W . Kroll (Tbn. 1 9 0 7 ) 32 ff. und 127 ff.

Die kultische Keuschheit im Altertum l^éÔQa/.ie zov ovxézi

&aXâf.iov

ovvrjX-9-ev

àjté(pi]Oev

itaqa

zfjg

yvvaixôg,

avzi),

ê§ avzov

5

eïza

dexa

ovg yev6i.isvov

zov

urjvûiv

sieiûzv%iôrjv

yeyovévai1.

[irj

Beim Evangelisten Matthäus 118—25 (ed.4 Nestle) ist über J e s u s C h r i s t u s berichtet : Tov ôs 'Irjaoß Xçiozov f j yévsaig ovtojç itQiv

i)v. iivijotevd-eiarß rj awsXd-sïv

ayiov.

zrj g /Arjzçbg

avzovg

evçéd-rj êv yaavql

'Iioarjcp ôs ô àvrjo avrfjç,

ôsiy/.iaziaai,

sßovXrj&rj

Iv avzf] ysvvrftsv

ôs viôv,

xaXéaetg

zov Xaov avzov

ârto

f j 7taçd-évog

zo ovo/ja

avzov

o S-sog'.

èysçO-slg

zGtv

'Euuavor/qX, o ayyeXog

bvaq

avzov-

OVY. sy¿vwoxsv

aviwv.

zo Uvo/.ia avzov

Ix

jtvevfiazog ôs

avzov

ècpâvtj avz m

zavza

Xéyiov

Maçiav laziv zovio

ôccc zov

y.al zéÇezai

zrjv

ayiov.

ait b zov mal

avzrjv

vitvov

naqsXaßsv ëcog

zéBezai

y.ctï

ou

owasi yéyovev,

TtQoeprjzov viov,

yvvahiâ

yàç

ôè oXov

o èaziv /.isâsçf.i^vsvô/.isvov XVQÎOV,

z f f t 'Roa^fp,

'Irfîovv • avzog

y.voiov s^si,

ôs [o] 'lioaijcp

aviGi

xai

avzov

¿/.ICIQUÖIV

sv yaazçl

jtQoaéra^ev •Aal sxàXsotv

avziiv.

y.az'

Ix 7zvsv/.iazôg

zo avoua

'¿va 7tXt]Qu>&'fi zo Qïjd-èv v/io 'iôov,

e^ovaa

[ir] rpoßi>i}j]g jiaqaXaßslv

aov • zo yàç xal

àizoXvaai

xvçiov

MaoLag

OJV, y.at ftrj •d-éXiov ctvirjv

ôixatog

Xâd-ça

svOv/.irj-9-évzog, iôov äyysXog 'laiorjcp vioç Javsiô,

avz ou

Xéyovzog' xaXéaovaiv

'/.itit'

fyiwv

eTtoirjasv, zrjv szsxev

eu g

yvvaïxa vlàv

^Irpovv.

Auf dem Glauben, daß eine Frau, die des Liebesverkehres mit Gott gewürdigt worden sei, nicht mehr mit einem Menschen die awovaia eingehen dürfe, bauen nachher christliche Schriftsteller ihre Argumentationen gegen die Geschwister Jesu auf 2 . Christus hätte keine Jungfrau zu seiner Mutter auserwählt, der er so wenig Enthaltsamkeit zugetraut hätte, daß sie nach seiner Geburt noch in Liebesverkehr mit Sterblichen treten und somit ihren Leib durch menschlichen Samen beflecken würde 3 , oder: Joseph hätte sich nicht an Maria vergehen 1

Verwandte Gedanken enthält der Ion des Euripides, nur ist die Enthaltung des Mannes nicht erwähnt. Kreusa bekommt von Xuthos keine Kinder, weil sie vorher in Liebesverkehr mit Apollon gestanden ist. Vgl. bes. v. 150, 1589 f. 2 F. A. von Lehner, Die Marienverehrung in den ersten Jahrhunderten 2 (Stuttgart 188fi) 100 ff., 113; Ernst Lucius, Die Anfänge des Heiligenkults in der christlichen Kirche, nach des Verfassers Tod herausgegeben von G. Anrieh (Tübingen 1904) 430. 3 Siricii papae ad Anysiwm Thessalonicensem aliosque Illyrici epi-

6

Eugen Fehrle

können, weil er ja wußte, daß der Same des heiligen Geistes in ihr sei 1 , oder: Maria selbst hätte gefühlt, daß sie nicht mehr Mutter eines Sterblichen werden dürfe, nachdem sie Gott getragen habe 2 . Dieselbe Anschauung ist ausgesprochen in der Erzählung von der Geburt des Asklepios. Apollon begattet Koronis, sie aber gibt sich während der Schwangerschaft von Apollon (rtQood-ev ¿xeiQt7.6i.ia ¡.tr/ßeloa oißq>, Pindar Pyth. III 25 ff.) einem andern hin (ällov Kai

(piqoiaa

ovx eueiv' ovds ola

itagd-svoi

eOTttQiaig

ydinov):

d-eov

xa&aoöv'

eXd-elv iQÜTtt'Cav rvf.icpM.dcv,

Tcaufpcovojv

i'iqazo

aivrjaev

aneq^ia iayjav

vfisvaiwv,

cptkeoiaiv

stetigen

vrtoxovoitead-'

aoiöalg'

TÜJV

&Xkä TOI

¿Tceovriov

€o%€ TOiavrav v.aXkutETtlov

¿'Atxeg

¡.ttya'kav

aarav

h~jf.ia Kogiovidog.

iXO-övxoq yuq evvdad-t]

%ivov

Apollon tötet sie dafür, den kleinen Asklepios aber rettet er. Aus diesen Stellen ist ersichtlich, daß eine F r a u , d i e d e s g e s c h l e c h t l i c h e n V e r k e h r s mit e i n e m G o t t e g e scopos epist. YII 3 (Galland Bibl. vet. patrum VII 544): Sane non possumus negare de Mariae filiis iure reprehensum, meritaque vestram sanctilatem abhorruisse, quod ex eodem utero virginali, ex quo secundum carnem Christus natus est, alius partus effusus sit. Neque enim elegisset dominus Jesus nasci per virginem, si eam iudicasset tarn incontinentem fore, ut illud genitale dominici corporis, illam aulam regis aeterni concubitus liumani semine conquinaret. 1 Epiphanios Adversus haereses 78, 8 : Kai TIQÜXOV fiev ovv IXeyyti avrovg ;?YU'za'/jj\t'Li' 1. dxoXovdia, ort ZTOÜHOV fiev ytniov vneg oy8oqxovrti errj yeyovms ovx iXaße naq&evov eis xgrjoiv, äXka ftaJ.).ov q)xovofif]&r] avTot eis TO (fvXäniiv. 2 Ambrosius De institutione virginis c. V I 45: Nee fieri poterat, ut quae deum portaverat, portandum hominem arbitraretur, nee Joseph vir iustus in hanc prorupisset amentiam, ut matri domini corporeo coneubitu misceretur. 3 Vgl. das Soholion zu v. 27, ferner v. Wilamowitz, Isyllos von Epidauros, Neuntes H e f t der von Wil. und Kießling herausgegebenen Philologischen Untersuchungen (1885) 58 ff.

Die kultische Keuschheit im Altertum

7

w ü r d i g t worden ist, sich der L i e b e e i n e s M a n n e s e n t h a l t e n muß. Derselbe Gedanke zeigt sich oft im K u l t . Von der P y t h i a wurde verlangt, daß sie ein jungfräuliches Leben führe. Denn sie mußte, um weissagen zu können, evd-eog werden, d. h. den Gott in sich aufnehmen. P l u t a r c h Def. ayvov

zo

dartaig

or. cap. 5 1 :

aw^ia

o ¡x iXla

xal

zov

Tovziov evexa

ßiov

v.al avvovo

Lag

oXcog &veTtl\ii~/.%ov

ig v.al a& LY.Z ov cpvXazzovoiv zfjg

äXXoIlvd-iag.

Und wie wurde sie evd-eog? Neben Kauen von Lorbeerblättern Trinken vom Wasser der Quelle Kastalia und andern Mitteln bewirkte dies vor allem ihr Liebesverkehr mit dem Gott in Delphi 2 . Origines c. Cels. V I I 3 (vol. X X 4 Lommatzsch) berichtet von i h r :

"Ozi

jteqr/.ad-eKo/.itvy

%o zfjg KctazaXLag azo/.tiov fj rov

rcQOcpfjTig de / e r a t

l4iiöXXiovog

v.eitu v '/ o X TC oi v

TVV

ev uct

dia

yvvai-

ZOJV

ov rtXiqqutfbEiaa anocp&eyytxai

za

osfxva

xal

d-ela fiavztv/.iaza, und fährt mit Entrüstung über den teuflischen Apollon und seine unzüchtige Priesterin fort: Kai zovzo noielv ov%

ANA^

ovös ölg (llatog yaq eöo^ev

TCOV

tvy%aveiv),

aXXa zoaavzdy.ig,

IditöXXuvog iteniatevzai. Qiom. X X

rov

f] Ilv&la

za oxeh]

yvviq, ijzig,

^AitoXXtßvog,

xal

ex zoü ozöuazog

zov

za

den G o t t

Plutos 39 be-

wg q>aaiv,

öiaiqovaa

&vaöido(.ievov nvevf.ia öia zGiv yevvrjuxüv

YML ovzcug fiavlag

zoiovro

exeivr] arto

Ebenso erzählt Chrysostomos von ihr

E i n Scholiast zu Aristophanes

~Hv de

rt]> zoircodi xaziü&ev

(xvey.zozeoov vo

itqocprjtevuv

in Cor. 22), sie n e h m e öiaiqovaa

in sich auf. richtet:

boaxig

en;ixa$r]/uevr] ay.eXiq

novqqbv

lde%ezo ¡.toqlwv,

rtXrjqovuevt], xal rag zqLyag Xvovoa, v.al acpqov äitoTte/nnovaa

ecp&tyyezo qr^aza8.

Wenn

diese Berichte auch christlich entstellt sind, so zeigen sie doch die richtige Auffassung über die Art, wie die Pythia des Gottes voll wurde. Dies ist auch klar ausgesprochen in der Schrift Tieql vipovg 13, 2 : '"EvSa (es handelt sich um den Dreifuß in Vgl. J. G. Frazer The golden bough3 (London 1900) I 135. Nach Abschluß meiner Arbeit sehe ich, daß E. Bethe in einem sehr lehrreichen Aufsatz über die „dorische Knabenliebe, ihre Ethik und ihre Idee" (Ehein. Mus. L X I I 1907, 467 f.) ebenfalls auf diese Fragen zu sprechen kommt. 3 Vgl. Hemsterhuis zu dieser Stelle und E. Rohde, Psyche 2 II 60, 2. 1

2

8

Eugen Fehrle

Delphi) (Jijy^tt loriv yfjg &vcvtvelv, wg (paoiv, iyyivftova zrjg daifioviov

xa3iaza/.tevrjv

evd-eov,

ctvio9ev

nagavzixa

y.Qrß-

¿T/.IÖV

övvdutiog

LKodüv Y. Tovzo

eioi

oí itqGnoi

avd-qiojioi,

vo¡.dtovtsg

âv&qwnovç y.zr'vta

içà

d-Q^ansvoavreç'

áviozái-isvoi eivai

xazá

oqa V xai

zâtv -iïewv xai

ig

rcXr¡v sliyvrtzLov

xal áno yvvaixwv

% « äXXa vrjoïoi

g à 7t o yvvaixwv

oqví&iov

êv zotg

f.ir¡ (píXov, oóx &v ovôè



xai aXov-

JIEQ xa yévea

%Efxéveai •

*Azr>vta

ei

itoiéuv.

Auch die J u d e n halten geschlechtlichen Verkehr für verunreinigend5. David bat während des Krieges mit Saul einen Priester um Brot. Dieser hatte nur heilige Brote und wollte sie anfangs nicht herausgeben. Erst auf die Versicherung Davids, daß ihm und seinen Begleitern „schon seit gestern und vorgestern die Weiber vorenthalten seien", gab 1 Ich muß mich hier auf die Übersetzung vou P. Pierret Le livre des morts des anciens Egyptiens (Paris 1882) und auf die angeführten Zitate von Otto, Wiedemann und Gruppe verlassen. 2 Vgl. Wiedemann, Herodots zweites Buch 269. 3 Totenbuch cap. 64. Gruppe, Griech. Mythologie und Kelgesch. 857 f. 4 Walter Otto, Priester und Tempel im hellenistischen Ägypten (Tbn. 1905) I 76. 5 Schwally a. a. 0. 61 ff.; J. Benzinger, Hebräische Archäologie 2 (Grundriß der theolog. Wiss., 6. Abt. Tübingen 1907) 407.

Religionsgeschichtliche Versuche u. Vorarbeiten VI.

3

34

Eugen Fehrle

ihm der Priester Brote (Sam. I 21, 1 ff.). Als David die Frau des Uria schwanger gemacht hatte, wollte er diesen bewegen, vom Felde heim zu ihr zu gehen, um selbst nicht für die Folgen seines Verkehrs mit ihr verantwortlich gemacht zu werden. Uria aber weigerte sich, während des Krieges zu seiner Frau zu gehen (Sam. II 11, 2 ff.). Wer durch nächtliche Pollutionen befleckt ist, gilt bis zum Abend für unrein und ist nach dem Kriegsgesetz so lange aus dem Lager zu verweisen (Deut. 23, 11). Schwally bemerkt S. 63 zu diesen Vorschriften: „Das sexuelle Tabu des israelitischen Kriegers findet seine Erklärung in der Tatsache, daß der Krieg ein fortgesetzter Gottesdienst war. Deshalb mußte der-Beischlaf, der im gewöhnlichen Leben bis zum Abend verunreinigte, gänzlich verboten werden." Eine jüdische Parallele zu diesen Bestimmungen findet sich im 2. Buch Moses 19, 15. Moses spricht vor der Gesetzgebung zum Volke: „Seid bereit auf den dritten Tag und berühret kein Weib." Im Christentum ist die Ansicht ganz geläufig und mit Hunderten von Belegen aus alter und neuer Zeit zu beweisen. Die Beispiele lehren, daß die Anschauung von der V e r u n r e i n i g u n g d e s g e s c h l e c h t l i c h e n V e r k e h r s bei Völkern der verschiedensten Länder sich finde und sich bei den einzelnen Völkern selbständig gebildet habe. Es ist unmöglich, sie aus der natürlichen Verunreinigung allein zu erklären. Denn viele Erscheinungen und Bräuche blieben damit rätselhaft. Allerdings darf die äußerlich wahrnehmbare Verunreinigung auch nicht außer acht gelassen werden, sowenig wie bei der Befleckung durch Menstruation, Geburt, Mord u. a. „Mögen aber auch diese Erscheinungen den Zeremonien der Reinigung überall ihr sinnliches Substrat geben, so geschieht dies doch ursprünglich schon in der Form einer assoziativen Übertragung, nicht in der einer Identität beider Vorstellungen. Von einer solchen kann um so weniger die Rede sein, als der primitive Mensch bekanntlich von Reinlichkeitsbedürfnissen nicht sonderlich beschwert ist und daher auch jene sinnlichen Verunreinigungen als eigentliche Befleckungen nur dann empfindet, wenn sich mit ihnen zugleich die Vorstellung einer dämonischen Wirkung verbindet, die durch den Kontakt mit

35

Die kultische Keuschheit im Altertum

dem Gegenstand entstellt" Der Glaube geht auch nicht etwa von der Moral oder gesellschaftlichen Notwendigkeit aus. Denn es wird ursprünglich kein Unterschied gemacht zwischen ehelichem und außerehelichem Beischlaf. Beide gelten in gleicher Weise für verunreinigend, geradeso wie nach primitivem Denken bei andern Befleckungen nicht unterschieden wird, ob man sie sich mit oder ohne Schuld zugezogen habe, und z. B. in den erforderlichen Reinheitsvorschriften kein Unterschied gemacht wird zwischen dem, der einen überlegten Mord begeht, und dem, der „in rechtmäßigem Streit oder ohne Absicht und Vorwissen" einen Menschen umgebracht hat. Sittliche Schuld oder Nicht-Schuld des Täters bleibt ganz unbeachtet 2 . Dies erklärt sich aus der primitiven Anschauung über religiöse Befleckung 3 . Der Mensch ist überall umgeben von bösen Dämonen, die „materiell an und in ihm sitzen" und dadurch ihn verunreinigen 4 , ebenso wie die guten Geister den Menschen fördern, wenn sie „in ihm wohnen und wirken". Und reinigen in religiösem Sinne ist ursprünglich nichts anderes als „ A b w e h r g e f ä h r l i c h e r W i r k u n g e n a u s d e m R e i c h e d e r G e i s t e r " . E. Rohde 5 führt als treffenden Beleg dafür eine Stelle aus Euripides' Hippolytos an (v. 316 ff.). Die Amme fragt Phaidra: A*/vag

c

¡.lèv,

di noti,

"¿tìoag

aifiaiog

cpsQtig ;

worauf diese antwortet: XeìQeg

/.lèv ayvai,

(pgìjv

d'egei

(,daai.tà

TI.

Die Amme fragt dann: MG)V



£7TA~/.T0V

7TRA.TOVFLG

Ì%&QG)V

r i v o g ;

„kann sich also unter Befleckung des Geistes nichts anderes vorstellen als eine Bezauberung, einen von außen her, durch 1

Wilhelm AVundt, Völkerpsychologie I I 319.

2

E . Rohde, P s y c h e 2 I I 74.

4

A. Dieterich, Mithrasl. 98 ff.

5

Psyche I I 75, 2.

3

Ebd. 70ff.

Vgl. Smith, Relig. der Semiten, übers, v. Stube,

110ff.: Heiligkeit und T a b u ; Wilhelm Heitmiiller, Im Namen J e s u (Göttingen 1903,

Forschungen

zur Religion

und

Literatur

des

Alten

und

Testaments, I. Band, 2. Heft) 180, 2 4 3 f . , 2 8 0 f . 3*

Neuen

Eugen Fehrle

36

inaytoytj xivoiv daiftoviov und die verunreinigende Nähe solcher Dämonen der Phaidra gekommenen Fleck". Der Scholiast erklärt : Elw&aai yaQ ol e%9-Qoi kjtaywydcg rivag dai(.iovltov

noieladm.

Auf dieser Vorstellung von religiöser Befleckung beruht auch der Glaube, daß geschlechtlicher Verkehr verunreinige. Das Zeugen gilt dem primitiven Menschen als ein magischer Akt 1 , bei dem dämonische Gewalten mitwirken — und zwar im guten Sinne 2 — oder der selbst von Dämonen besorgt wird. Aber auch böse Dämonen drängen sich bei Ausübung des Beischlafes an die Menschen heran, um in die Frau einzugehen, wie sie ja überhaupt durch die Körperöffnungen gern in die Menschen einzudringen suchen s . Die Gegenwart der Dämonen macht die Zeugung zu einem Tabu (äyog4, sacrum5), sie ist für ihn gefährlich 6 . 1

A. Dieterich, Mutter Erde 32 f.; K. Th. Preuß, Der Ursprung der Religion und Kunst, Globus LXXXVII (1905) 415. 2 Daß die Zeugung und das Zeugungsglied etwas Dämonisches im guten Sinne an sich haben oder sind, zeigt eine Sitte der Salomo-Insnlaner. Beim Kannibalenschmause geben sie dem Häuptling den Phallos des getöteten Feindes zu essen, offenbar weil dieser Teil die meiste Zauberkraft enthält und diese dem Häuptling am ehesten zukommt, Preuß, Globus LXXXVII 415. „Der zur Keuschheit verpflichtete Brahmanenschüler, der sein Gelübde verletzt hat, opfert zur Sühne einen Esel. Der Gedanke ist, daß was von seiner männlichen Kraft verloren gegangen ist, ihm von dem geilen Esel her ersetzt werden möge. Der Opferer kleidet sich in das Eselfell; das von ihm zu genießende Stück des Opfertieres aber wird aus dessen Penis geschnitten", Hermann Oldenberg, Die Religion des Yeda (Berlin 1894) 330f. Aus demselben Grunde uriniert der Häuptling am Papuagolf bei der Pubertätsweihe in den Mund des Jünglings, der ein Mann werden soll, weil vom Phallos alle männlichen Zauberkräfte ausgehen, bei Preuß in der genannten Abhandlung Globus LXXXVI, Kap. II. Vgl. Bethe, Die dor. Knabenliebe, Rh. Mus. LXII (1907) 463 ff.; Arch. f. Rlgw. X (1907) 143 und 551 f.; Dümmler, Kleine Schriften I I 220 f. 3

Schwally, a. a. 0. 75; Dieterich, Mithrl. S8f.; Oldenberg, a. a. 0. 270f.; Ploß-Bartels, Das Weib 7 I 512, I I 94f., 190, 303; Gruppe, Griech. 4 Mythol. u. Rlgesch. 858. S. unten S. 42 ff. B Theodor Mommsen, Römisches Strafrecht (Leipzig 1899, Systemat. Hdbch der Deutschen Rechtswissenschaft hrg. v. Binding I 4) 900 ff.; G. Wissowa, Religion und Kultus der Römer 325 f. 6 In Melanesien gilt die Menstruation für unrein, weil man glaubt, das Mädchen stehe in Verbindung mit Totengeistern, Archiv f. Rlgw. X (1907) 139 u. 556; vgl. Ploß, Weib 7 I 169—185.

37

Die kultische Keuschheit im Altertum

Nur aus solchem Glauben sind die Verse 733 ff. in Hesiods Werken und Tagen zu verstehen. Aus den ersten beiden, die ich S. 26 zitierte, ist ersichtlich, daß die Z e u g u n g f ü r b e f l e c k e n d angesehen wurde. Die durch Zeugung befleckten Aidoia darf man nicht am Herde zeigen. Bai/.ibg yao xai avti]

( s c . FJ eaiia)

TWV D-eCov x « t •/.a^I^teqivGiv

d-vauov

xal

arcov-

ööjv vnodoyji erklärt Proklos zu dieser Stelle und fügt hinzu: Mi] oiiv ¿noyv/.ivovuEvov uolvveiv TTJV eatiav. Das Vergehen, sich mit entblößten Schamteilen dem Götterbild zu zeigen, wird durch die Befleckung noch gesteigert. Darum sagt auch Proklos kurz vorher richtig: Jelv oh /te/whvofievov &nb yovfjg arco'AQvmeiv rijs

tcc curia

rov ¡.loXva^iov, zai

¡.li] yv/.ivovv

syyvg

eßviag.

Die folgenden Verse lauten: Mrfi'

äno

l7i£Qfxaivtiv

öuacpr^ioio yeveijv,

tdcpov 61V

arcovoovriaavTa

äd-avaiwv

arto

dairog.

Vorhin war von Befleckung der Zeugung gesprochen, jetzt gibt der Dichter die Ermahnung, n a c h d e r B e f l e c k u n g d u r c h T e i l n a h m e an e i n e m B e g r ä b n i s n i c h t zu z e u g e n , sondern dies zu besorgen, wenn man vom Opferschmaus heimkomme; denn dort hat man einen guten Gott in sich aufgenommen. Der scheinbare "Widerspruch zwischen den vier Versen löst sich durch die primitive Anschauung vom Zeugen. Weil es als etwas Dämonisches den Menschen befleckt, gibt der Dichter die erste Mahnung v. 733 f. Andererseits aber ist der Akt, weil dämonisch, doch eine religiöse Handlung, zu der man nicht durch etwas anderes (in diesem Falle Teilnahme an einem Leichenbegängnis) befleckt kommen, darf, um den Segen der guten, fördernden Dämonen nicht zu verscherzen — und daraus erklärt sich die zweite Vorschrift v. 735 f. Auf dem Henkel einer Nikosthenesamphora1 ist ein Mädchen abgebildet, das die eine Hand zum Gebet erhebt und mit der andern die Scham bedeckt. Man kann dies in Erinnerung an die Worte des Hesiod 733 f. und seines Scho1 Wiener Vorlegeblätter 1890/91 Tafel I I : Etrusco publ. dal prof. Domenico Valeriani I I tav. CCIII.

Museo

Chiusino

Eugen Fehrle

38

Hasten und nach Analogie anderer Beispiele so auffassen, daß es im Verkehr mit der Gottheit die Scham bedeckt, weil das Zeigen derselben die Gottheit beleidigt. 0. Jahn hat in seiner Abhandlung über den bösen Blick 1 gezeigt, daß es als schwere Beleidigung gelte, jemandem die Schamteile zu zeigen. Darum soll man sie im Verkehr mit der Gottheit bedecken 2 . Nebenher geht allerdings wieder die Anschauung, daß man zu kultischen Begehungen nackt sein müsse 3 . Das Bedecken der Schamteile hat aber auch den Zweck, sie zu schützen gegen den Einfluß böser Dämonen 4 . 1

Berichte der kgl. sächsischen Ges. d. Wiss. phil.-hist. Klasse 1855. Vgl. Gruppe, Gr. Myth. u. Rlgesch. 896, 1. 2 Vgl. H. Usener, Götternamen 179f.; Friedrich Boehm De symbolis Pythagoreis (Diss. Berl. 1905) 52 f. 3 K. Weinhold, Zur Geschichte des heidnischen Ritus, Abhandl. der Berlin. Akad. 1896; W. A. Müller, Nacktheit und Entblößung in der altorientalischen und älteren griechischen Kunst (Diss. Leipzig 1906) 81 ff. 4 H. Ellis, Geschlechtstrieb und Schamgefühl, übers, v. Kötscher (Leipzig 1900) 46; S. Reinach Cultes, mythes et religions 1 166 ff. ; W. R. Paton The pharmakoi and the story of the fall, Revue arcMol. IV sér. tome IX (1907) 56 f. — Ich glaube nicht, daß S. Reinach (La sculpture en Europe av. I. infl. Gréco-Rom., Vanthropologie V 1895, 31) richtig erklärt, wenn er meint, Weiber, die, die Hände an (lie Brüste gelegt, dargestellt seien, deuten ursprünglich darauf, daß sie Milch fließen lassen, also fruchtbar seien. Diese Stellung wird eher so zu erklären sein : ursprünglich schützt sich das Weib gegen böse Dämonen, die seine Milch zum Versiegen bringen könnten und gegen den bösen Blick. Erst von diesem Gedanken aus hat man wohl das Auflegen der Hände auf die Brüste als Gestus der Fruchtbarkeit gefaßt. So ist es auch leichter zu verstehen, warum Bedecken des Schoßes und der Brüste schon früh und sehr oft verbunden sind (Georg Karo, Arch. f. Rlgw. VII 1904, 131 f.; A. Dieterich, Mutter Erde 62). Gestützt wircl diese Ansicht durch Parallelen von Naturvölkern. Vielfach herrscht dort der Glaube, durch den bösen Blick auf die Genitalien könne man Impotenz bewirken. Die Tätowierung von Frauen an der Scham und von Männern an der Eichel kann oft kaum einen anderen Zweck haben als gegen böse Dämonen zu schützen. Vgl. die von Theodor Waitz und Georg Gerland, Anthropologie der Naturvölker V 2. Abteilung (Leipzig 1870) 64 ff. und VI (1872) 29ff., von Ploß-Bartels, Das Weib 7 I 259ff., und von Preuli, Globus LXXXVII (1905) 415 ff. angeführten Beispiele. Ploß berichtet, J. S. Kubary, Das Tätowieren in Mikronesien, speziell auf den Carolinen (in Wilh. Joest, Tätowieren, Narbenzeichnen und Körperbemalen, Berlin 1887) folgend, auf den Nukuoro-Inaeln würden die Kinder aller Frauen, die an den Schamteilen nicht tätowiert sind, getötet. Dies scheint mir nur

Die kultische Keuschheit im Altertum

39

Wichtig ist eine Notiz, die ich Schwally, Semit. Kriegsalt, 67 entnehme. Der Rabbi Hanlnä bar Päpä mahnt, beim Gebet erklärbar aus dem Glauben, in die nicht tätowierte Frau hätten böse Dämonen eingehen können, und das Kind könne drum vielleicht yon einem solchen gezeugt sein. Auch die ältesten Kleidungsstücke sind wohl hauptsächlich auf dieselbe Anschauung zurückzuführen. Vgl. F. v. Lusehau, Globus LXXIX (1901) 197ff.; Hutter, ebd. LXXXVII (1905) 237; Schilling, ebd. LXXXIX (1906) 2 6 3 1 ; Smend, ebd. LXXXXII (1907) 268. Den Schmucktrieb für die wichtigste Veranlassung der primitiven Kleidung zu halten, wie W. A. Müller, Nacktheit und Entblößung 3 f. will, halte ich für verfehlt. Denn viele Anschauungen werden dadurch nicht erklärt und lassen sich nur auf religiöse Beweggründe zurückführen. Allerdings kann auch der Grund, den Ernst Große, Die Anfänge der Kunst (Freibg i. B. und Leipzig 1894) 94 nach Westermarck History of human marriage2 (London 1894) 192 anführt, in Betracht kommen, daß die primitive Schamhülle ein sexuales Reizmittel gewesen sei, weil man durch sie, während sonst der Körper nackt war, auf die Sehamteile besonders aufmerksam geworden war. Auf die Furcht vor Verzauberung ist die Tatsache zurückzuführen, die man bei Naturvölkern beobachtet hat, daß sie bei Annäherung von Fremden immer d i e Teile bedecken, von denen sie glauben, daß sie am meisten dem bösen Blick ausgesetzt seien, weil sie die schönsten sind oder aus einem anderen Grund. Dies ist bald das Gesicht, bald sind es die Brüste, bald die Schamteile, bald die pudenda posteriora. S. Ellis, a. a. 0. 58; A. Plehn, Beobachtungen in Kamerun, Zeitschrift f ü r Ethnologie XXXVI (1904) 720; Preuß, Globus LXXXVII 417. — Hier mag eine Stelle des Neuen Testamentes Platz finden, die der Erklärung große Schwierigkeiten macht. S. Otto Everling, Die paulinische Angelologie und Dämonologie (Göttingen 1888) 32 ff.; Hans Lietzmann, Handbuch zum Neuen Testament I I I 128 f. Paulus setzt den Korinthern (I 11, 2 ff.) auseinander, die Männer müßten mit unverhülltem Haupte beten, die Frauen aber während des Gottesdienstes ihr Haupt verhüllen: 'OtpcíXei f¡ yvvr¡ e^ovaíav e%etv enl rrjs xe iaatlzai. Wiegand und Schräder, Priene (Berlin 1904) 174: Eialvai eis leqov ayvov

jin] ayvög

toxi

b> eo&fjzi

rj xeleuig

rj amq>

Xtvxf],

Anthologia Palatina XIV 71: 'yjyvbg eis ze/nevos xa&aQÖv, %eve, öaiuovog tpuyjqv, vvf.i(paiov

vuuazog

eq%ov

aipdjxevos.

Wer in den Verein der ogysuiveg der Magna mater aufgenommen werden wollte, mußte sich einer öoxi/naaia unterziehen, worin u. a. (IG III 1, 23) festgestellt werden soll: Et i o r t ayvog xal evaeßrjs *-s ö ¡.li'kkojv v.u'y ieooig vo/.iovs rteol tu •9-ela iy.avwg ayiaxeiaeiv. In gleicher Bedeutung

ist das Wort gebraucht von Dionys. Hai. 'Pap. ¿gx- I 40: 'dyiovevovres de zrjv iegovQyiav 'e&eoiv cE'llrjvr/.oig. Hesych erklärt ayiazevei mit aeßexai und setzt ayiareiov gleich evoeßäv. Die den großen eleusinischen Mysterien vorangehenden kleinen nannte man nQoayvevais, weil sie eine Vorbereitung sein sollten für •die großen 2. Darum nennt sie Clemens Alex. (Strom. 5, 11) 7iqo7taqaanevri 'Ayvos

tun haben 3 : 1

ZMV /.lelkovxwv

(sc. %G)V /.teydkwv).

ist Attribut von Leuten, die mit dem Kult zu

Vgl. Erich Ziebarth, Das griechische Vereinswesen (Leipzig 1896) 141. Schol. Aristoph. Plut. 845. Vgl. Farneil Cults of the greelc states III 352. 3 Georg Kaibel Epigrammata Graeca ex lapidibus conlecta (Berlin 1878) Nr. 911. 2

49

Die kultische Keuschheit im Altertum

Tov D-eouwv ZA^IRTV cEQXOVIIOV, ayvov V7TAQ%ov

nXovtctQxog (.iv&oiv %auirß eairjoe aocpLOzirtq. W i e von Personen wird das W o r t auch gebraucht von Dingen und Orten, die zu religiösen Handlungen irgendwie in Beziehung stehen oder sich dazu eignen. Auf Grund dieser Bedeutung hat man das ähnlich klingende agnus mit ayvög in Zusammenhang gebracht 1 : Agnus dicitur a Graeco ano TOV ayvov, quod significat castum, eo qtiod sit hostia pura et immolationi apta. Der Bote in Sophokles Antigone (v. 1201) nennt das Wasser, womit der Leichnam des Haimon gewaschen wurde, ayvov IOVTQÖV. Ebenso ist das Wort bei Euripides gebraucht (Iphig. Taur. 1191): 'Ayvolg xc.d-ctQi.iolq nowid viv viipai deXtü. Im Oidip. Kol. v. 38 unterbricht der £evog den Oidipus und macht ihn darauf aufmerksam, daß er diesen Platz verlassen müsse: "E%eig yao ywQOv ov% ayvov naxtiv. Am meisten von allen religiösen Befleckungen kamen im täglichen Leben in Betracht der g e s c h l e c h t l i c h e V e r k e h r und die B e r ü h r u n g m i t T o t e n . cAyvda ist darum vor allem das Sichreinigen von diesen Verunreinigungen. Hesych gibt mit seiner Angabe: ayveveiv v.aO-ctqeveiv ano te acpQoöioiwv Y.al ano VEY.QOV richtig die wesentlich praktische Betätigung der ayveia. Vielfach ist der Begriff noch verengert, und ayveveiv ist ohne weiteres Objekt das Reinigen oder B e i n h a l t e n v o n acpQOöioia2. Plutarch, Numa 10 (Anfang) spricht von der ayveia TQiaxovraerts der Vestalinnen. Vor allem auf die Reinheit von geschlechtlichem Verkehr bezieht sich ayiaxeveiv bei Pausanias V I I I 13, 1, wo von dem Priester und der Priesterin der Artemis Hymnia in Orchomenos gesagt ist: Tomoig ov uövov %a eg tag fä^eig &).'la y.al eg za a'Ü.a ayiazeveiv Y.a&eotry.e TOV %Q6VOV TOV ßiov nävra. In der Grabschrift des Aberkios ist die Vorschrift, daß eine TCaqd-bog ayvtj den 1

Festus Epit. p. 14 M.

Mit Objekt kommt es in dieser Bedeutung ebenfalls vor, Eurip. Hippol. 1003. Hipp, sagt zu seiner Rechtfertigung: Aeyovs ya$ eis roS' 2

TjfiEgas ayvov Se/uas.

Plutarch Qu. Rom. 20: 'Ayvos dppoSioicov.

Religionsgeschiclitliche Versuche u. Vorarbeiten VI.

4

50

Engen Fehrle

„kultisch reinen Fisch" fangen müsse1. schrift steht 2 :

rald

PE

zix.Tev Ä(pwvov

ev

Auf einer Grab-

7taQ&evov

OVQSOIV

ayvrjv.

Philon 3

Bei findet sich ayvog mit und ohne Objekt, beidesmal in der Bedeutung rein von geschlechtlichem Verkehr: TIQO örj ovvodcjv ayvol

vo[ii/iiwv

ya/Liutv ayvalg

ov% fjöovrjv

&Xla

¿/.uXictv ixegag

itaqd-ivoig

yvrjoiiov

yvvaiY.bg

TtQoaeQxofie^a

Ttaiöiwv

In

aog

ayvov

y.al yfjg iaofioiQ3

äfy.

yiyveia ist der Zustand, in dem man der Gottheit am nächsten steht. "Ayvoi heißen darum auch die Seligen, die öaifioveg1. Der Chor in den Persern des Aischylos v. 628 betet zu den yßovioL öai/.ioveg ayvoi. Piaton zitiert im Kratylos 398 A den Hesiod 2 : Avzaq

erteidr] xovzo

ol uiv

öaiuoveg

yevog

ayvoi

eaO-Xoi, aXt^iy.ay.oi,

y.aza

eitiyßövioi

rpvXay.eg

b.dXvxpev,

F.IOIQ1

x.a)Jovrai,

&\ genannt werden, darf man daraus nicht schließen, daß „die Vorstellung, die Mysten sollen ayvoi sein, aus ethisch-religiösen Gründen erwachsen sei". Wobbermin argumentiert: „Der Kultgottheit selbst kommt die Beschaffenheit des ayvög zu; in der Bezeichnung der Mysten als ayvoi spiegelt sich also die Forderung, jener gleich oder ähnlich zu werden". Aber das Umgekehrte ist richtig: ayvög, bedeutet ritual rein, die ayveia ist also eine Eigenschaft, die die höchste Läuterung in sich schließt und der Gottheit am besten nahe bringt, deshalb ist sie für den Frommen besonders erstrebenswert und eine sehr hohe Tugend, und diese überträgt er auch auf seine Götter, besonders auf die, die hauptsächlich Reinigung verlangen, wie die Mysteriengottheiten von Eleusis 3 . Auch, daß ayvög als sittliches Ideal gelte, ist, für findet eine Stütze für seinen Schluß in dem Namen der Messenierin 'Ayva jcöXeiog avvs7to/.ievoig e^evXaßrjteov eazlv eig •9-eqog e/.ißaXelv xal xazdqxea&at. O-vaiwv, oXiyov efiTtqoad-ev 6iart£7tQay(xevoig zi zoiovzov (sc. avvovaiav), o-9-ev ev e%ei zo zrjv vvxza xal zov VTZVOV ev ¡.liavj d-ej.ievovg xal 7tovr\üavzag Ixavov SiaXeijtfia xal didor>]{ta xad-aqovg av&ig . . . . aviazaa&ai1. Herr Professor R. Herzog weist Herrn Dr. Wächter darauf hin, daß it-eoog hier Ernte heißt und diese Vorschrift einzureihen ist unter ähnliche Enthaltungen anderer Völker. Bei den R ö m e r n ist der Glaube mehrfach bezeugt. Plinius JVai. hist. X X I I 27: Radix (sc. tribuli) caste pureque collecta discutit strumas. Ebenda X X I I I 130: Caprifico quoque medicinae unius miracidum additur: corticem eius intumescentem puer impitbis si defracto ramo detrahat dentibus, medullam ipsam 1

Nachträglich sehe ich, daß auch Fritz Pradel, Griechische und süditalienische Gebete, Beschwörungen und Eezepte des Mittelalters (Religgsch. Versuche und Vorarbeiten III 3. Heft, Gießen 1907) 125 (377) anschließend an eine 14, 17ff. erwähnte Gebetsvorschrift darauf hinweist, daß einer Jungfrau besondere magische Macht zukomme.

56

Eugen Fehrle

adaìligatam ante solis ortum prohibere slrumas. Ebenda X X V I 9 2 : Panos sanatpanaces ex tnelle, plantago cum saie, quinquefolium, persoll[at\ae radix ut in strumis, item damasonium, verbascum cum sua radice tusum, vino aspersum folioque involutum et ita in cinere calefactum, ut imponatur calidum. Experti adßrmavere plurimum referre, si virgo imponat nuda ieiuna ieiuno et manu supina tangens dicat: Negat Apollo pestem posse crescere cui nuda virgo restinguat, atqueita retrorsa manu ter dicat totiensquedespuant ambo.

Columella (X 357) gibt folgende Anweisung zur Vertilgung des Ungeziefers in den Obstgärten: At si nulla valet medicina repellere pestem, Dardanicae veniunt artes, nudataque plantas Femina, quae iustis tum demum operata iuventae Legibus obsceno manat pudibunda cruore, Sed resoluta sinus, resoluto maesta capillo Ter circum areolas et saepem ducitur horti, Quae cum lustravit gradiens, — mirabile visu — Non aliter quam decussa pluit arbore nimbus Vel tereti mali vel tectae cortice glandis Volvitur in terram distorto corpore campe. Hieran anschließend erklärt Heinrich Schenkl 1 richtig einige bisher unverstandene Verse Martials IV 64, 11 ff.: Hinc septem dominos videre montes Et totam licet aestimare Romam 16

Et quod virgineo cruore gaudet Annae pomiferum nemus Perennae. Nach Plinius Nat. hist. XI 44 und Varrò De r. r. III 16, 6 u. a. (vgl. Plin. XI 30 f.) darf sich den Bienen nur nahen, wer purus a venereis ist, die anderen sind nicht gefeit gegen die Stiche. Colum. B. r. IX 14, 3: Maxime custodiendum est curatori, qui apes nutrii, nereis 2.

. . . uti pridie castus sit ab rebus ve-

1 Der Hain der Anna Perenna bei Martial, Mitteil. des k. deutschen Archäol. Inst., Röm. Abt. XXI (1906) 211 fi. s Vgl. Vergil. Georg. IV 228f.; Palladius I 37, 4 und IV 15, 4; ferner A. Rieß, Aberglaube 35 bei Pauly-Wissowa Realencycl. Dasselbe glaubt man in Böhmen und Posen. In Posen stellen sich Mädchen, um ihre

Die knitische Keuschheit im Altertum

57

Hauptsächlich auf dem Glauben an die Wirkung der Keuschheit beruht die Macht, die man in Rom den Vestalinnen Keuschheit zu beweisen, zu einem Bienenschwarm, s. W u t t k e , Der deutsche Volksaberglaube der Gegenwart, 3. Aufl. (Berlin 1900) bearb. von E. H. Meyer 206. Die Keuschheit der Biene wird von antiken Schriftstellern oft gerühmt. Hippolytos h a t nach Euripides (Hipp. 73 ff.) einen Kranz f ü r Artemis gepflückt auf „jungfräulicher Au", die durch keine Berührung entweiht ist, aXX' aKrioa.TOV \ fiehoaa Xeificüv ¿doivov Sti(>%£Xou. (Vgl. Pindar frg. 123.) Drum sollen auch Priesterinnen oft uehooai heißen, Schol. zu Eurip. Hipp. 73: Ka&aoajrarov yap ri £iöov f] uihooa, t.vd'ev ras iepcias fieXioaas xaiovoiv ol Tioirßcä. Vgl. Etym. Magn. 597, 39 ff. Darauf komme ich zurück bei Besprechung der griechischen Priesterinnen. Vergil Georgica IV 197ff. rühmt den Bienen nach: Illum adeo placuisse apibus mirabere morem, Quod neque concubitu indulgent nec corpora segnes In Venerem solvunt aut fetus nixibus e d u n t ; Verum ipsae e foliis natos. e suavibus herbis Ore legunt. ipsae regem parvosque Quirites Sufficiunt. Vgl. Plin. Nat. hist. XI 46; Quintilian Declamat. X I I I 16; Ambrosius Exameron V 67, Corp. scr. eccl. Lat. XXII, I rec. H. Schenkl (1896) 189 f. Weil die Bienen selbst so rein sind, hassen sie alles Unreine und Unkeusche. Plutarch Praec. coni. 44: Aoxovai (ai fieXiooai) Svo%e(>aivEiv xal /¿axeo&ai rols fierk ywaixcüv yevoperois. Geopon. XV 2 , 1 9 wird erzählt, gegen wen die Bienen ihre Angriffe richten; dabei ist a n g e f ü h r t : Kai yvvaigi Se inkQ'/ovTai, /utlXiaTa rais ijifooSiotaOjUcvaic, Vgl. Aelian Nat. an. V 11 (Hercher I 114 f.). Wenn Frauen während der Menstruation einen Bienenstock berühren, soll es vorkommen, daß die Bienen ausziehen (Plin. Nat. hist. X X V I I I 23). I n den oben angeführten Beispielen, nach denen E n t h a l t u n g von geschlechtlichem Verkehr gegen Bienenstiche schützt, hat sich die Ansicht, daß die reine Biene den unreinen Menschen erkenne und verfolge, vermischt mit dem Glauben, daß Keuschheit magischen Schutz gewähre. — Auf dieselbe Anschauung über die Keuschheit der Bienen geht ein westfälischer Brauch zurück (Zeitschrift des Vereins f ü r Volkskunde X 1900, 16). Man stellt die Neuvermählten den Bienen vor und sagt dabei die Verse h e r : Imen in, imen ut, hir is de junge brut. Imen üm, imen an, hir is de junge mann. Imekes verlat se nit, wenn se nu mal kinner kritt. Über die Biene in der Mythologie und im Glauben vgl.: Joh. Ph. Glock, Die Symbolik der Bienen, Heidelberg 1891; Gualterus Robert-Tornow De apium mellisque apud veteres significatione et symbolica et mythologica

58

Eugen Fehrle

zuschrieb. Die anderen Gründe traten im Empfinden des Volkes ganz zurück 1 . Noch einige Zeugnisse über Keuschheitsvorschriften des ausgehenden Altertums seien erwähnt. Ps. Apuleius 102, 2: Mulier ut cito pariat: coriandri seminis grana undecim ant tredecim in linteolo mundo de tela alligato puer et puella virgo ad femur sinistrum prope inguen teneat, et mox ut peractus fuerit partus, remedium cito solvat, ne intestina sequantur. Marceli. V i n 56 f. : Ad lippitudinem inter principia sedandam in chartam virginem scribi ovßaiccy. et lieto, quod in tela fuerit, còllo lippientis innecte. Incipiens lippitudo mirifice et sine dubitatione depelletur, si in charta virgine scribas et collo dolentis licio suspendas : cpvgcpaqav, et hoc praeligamen purus castus facias. Hoc etiam remedium indubitate impetus oculorum si praevenias, prohibebit, scriptum in charta virgine: QOvßgg Qvojceioag ì)é).ioq og Ttdvx* è(poQ& y.aì Ttavt" litaxovei, quod ad collimi dolentis licio suspendi clebet; sed et coeptam atque inveteratam lippitudinem sedat, si in faciendo ac suseipiendo praeligamine castimonia ab utroque servetur. In lamella aurea acu cuprea scribes OQVUJ ovQiodr] et dabis vel suspendes ex licio collo gestandum praeligamen ei qui lippiet, quod potenter et diu valebit, si observata castitate die lunae illud facias et ponas. Zauberinnen sind oft Jungfrauen. Auch auf himmlische Jungfrauen übertrug man Zauberhandlungen. Marcellus De medicamentis XXVIII 74 (ed. Helmreich) : Ad rosus tarn hominum quam iumentorum precantatio sic-: pollice sinistro et duobus minimis digitis ventrem confricans dices: ,Stabat arbor in medio mare et ibi pendebat situla piena intestinorum humanorum, tres virgines circumibant, duae alligabant, una resolvebat1. Hoc ter dices . . .2. Berlin 1893; Olck in Pauly-Wiss. Kealencycl. u. Biene; Arthur Bernard Cook The bee in Greek mythology, Journal of hell. stud. XV (1905) 1 ff.; Usener, Milch und Honig, Rhein. Mus. LVII (1902) 177 ff., bes. 179; Ernst Maaß, Griechen und Semiten auf dem Isthmos von Korinth, Berlin 1902 paasim. 1 Darauf komme ich im zweiten Teil der Arbeit ausführlich zurück. 2 Vgl. Heim Incantamenta Oraeca et Latina, Fleckeisens Jahrb. Suppl. X I X (1893) 496. Über die Macht jungfräulicher Göttinnen s. unten Abschnitt VIII.

Die kultische Keuschheit im Altertum

59

Etwas Ähnliches führt Wuttke 170 f. aus deutschem Glauben an: Gegen „ein Fell auf den Augen" spricht man: „Es fielen drei Jungfern vom Himmel auf die Erde; eine konnte segnen das Gras auf der Erde, die andere das Laub auf den Bäumen, die dritte das Fell vom Auge. Im Namen . . . " oder „Es gingen drei Jungfern über einen Berg, die erste sah die Sonne, die zweite den Mond, die dritte das Fell im Auge. Im Namen . . .". Überhaupt finden sich im deutschen Volksglauben viele Parallelen zu den antiken Stellen. Montanus, Die deutschen Volksfeste, Volksbräuche und deutscher Volksglaube (1854) erzählt S. 117: „Um Diebe oder verlorene Sachen zu entdecken, füllt man eine Flasche mit Weihwasser, gibt diese einem u n s c h u l d i g e n Knaben in die Hand, läßt diesen sich dreimal verneigen und dann sprechen: Du heiliger Engel, du schneeweißer Engel, durch meine K e u s c h h e i t und deine Heiligkeit zeige mir den Dieb, der das und das entwendet hat 1 ." Ein Zauberrezept aus der Schweiz lautet 2 : „Für die Bibernä (Pusteln) z'vertribe: Unter winkender Handbewegung zu sprechen: Bibernä, Bibernä, jag Di Bin e r e i n i M a g d , Die die Bibernä verjagt Im Namen Gottes . . ." Bei Basel soll in einer Höhle eine Jungfrau hausen, die bis zum Nabel Mensch, von da ab Schlange sei. Sie habe zu einem vorübergehenden Jüngling gesagt, sie „könne durch nichts erlöst werden, als wenn sie von einem J ü n g l i n g , d e s s e n K e u s c h h e i t r e i n und u n v e r l e t z t wäre, dreimal geküßt werde. . . . Er erzählte weiter, daß er die Jungfrau zweimal geküßt, da sie dann alle beide Mal, vor großer Freude der unverhofften Erlösung, mit so gräulichen Geberden sich erzeigt, daß er sich gefürchtet und nicht anders gemeint, sie würde ihn lebendig zerreißen; daher er zum dritten Mal sie zu küssen nicht gewagt, sondern weggegangen wäre. Hernach hat es sich begeben, daß ihn etliche in ein Schand1 2

Vgl. E. Caetani-Lovatelli Bicerche archeologiche (Rom 1903) 124. Schweizer Archiv f. Volkskunde X (1906) 103.

Engen Fehrle

60

haus mitgenommen, wo er mit einem leichtsinnigen Weibe gesündigt. Als vom Laster befleckt, hat er nie wieder den Eingang zu der Höhle finden können"1. Wenn in Württemberg junge Eheleute die T o b i a s n ä c h t e beobachten, d. h. die drei ersten Nächte der Ehe sich des Beischlafs enthalten, so können sie dadurch eine „arme Seel" erlösen 2 . Gegen eine Pferdekrankheit hilft bei den Schwaben folgendes Mittel: „Gib dem Roß am ersten Tag des Neulichts fünf Läuse in ein wenig Wachs eingemacht, am andern Tag sieben, am dritten neun Die Läuse müssen von einem Knaben sein, der noch nicht sieben Jahre alt, d. h. der noch unschuldig ist" 8. An manchen Orten des Großherzogtums Baden und fast in der ganzen Schweiz mußte ,ein unschuldiges Mädchen' die letzten drei oder neun Ähren, das Glückshämpfeli, abschneiden, sie wurden über das Kruzifix der Wohnstube gehängt, damit der Blitz nicht einschlüge. Nach einem Bericht aus dem Kanton Basel Land wurde das Glückshämpfeli „daheim hinter den Spiegel gesteckt und blieb daselbst bis zur neuen Saat im Herbst. Da aber wurden die Ähren zerrieben und die Körner unter das Saatkorn gemischt. Man glaubte, daß dadurch dies besser gedeihe" 4. „Wer auf einer Totenbahre, auf welcher lauter ehrbare Jungfrauen zu Grabe getragen werden, sechsmal nacheinander ausschlafen kann, der findet auf dem Kirchhof einen goldenen Schlüssel zur Hölle, wo ihm niemand etwas zu leide tun kann; dort kann er sich soviel Schätze holen als er will" 5 . Das „Geisterhemd" (Uhland, Ballade) von einer reinen Jungfrau in der Hölle Namen gesponnen, macht stich- und schußfest 8 . In Westfalen und an anderen Orten Deutschlands läßt 1

Grimm, Deutsche Sagen 4 9 Nr. 13. A. Birlinger, Volkstümliches aus Schwaben (Freibg i. B. 1862) II 354. * M. R. Buck, Medicin. Volksglauben und Volksaberglauben aus Schwaben (Ravensburg 1865) 70. * Wuttke, Deutscher Volksabergl.* 424; Hoffmann-Krayer, Schweiz. 6 Arch. f. Volksk. XI (1907) 261 f. Wuttke 411. 6 Vgl. H. Düntzer, Uhlands Balladen und Romanzen (Leipzig 1890) 270. 2

Die kultische Keuschheit im Altertum

61

der Jäger vor dem Weggehen eine Jungfer über das Gewehr springen, damit er gut schießt 1 . Im Mittelalter hielt man das Blut unschuldiger Kinder und reiner Jungfrauen für das beste Mittel gegen Aussatz und sonstige Krankheiten2. Dieser Glaube bildet den Kern oder wenigstens einen wesentlichen Bestandteil mancher Sagen und Dichtungen s . 1

Wuttke 453. Brüder Grimm, Der arme Heinrich von Hartmann von der Aue, hrg. und erklärt (Berlin 1815) 172 ff.; Wilhelm Wackernagel, Hartmanns Armer Heinrich mit Anmerkungen und Abhandlungen hrg. von W. Toischer (Basel 1885) 193 ff. 3 Wackernagel a. a. 0. 143 ff. Von den Heiligenlegenden, die der Hesse Hermann von Fritzlar um die Mitte des 14. Jahrhunderts verfaßte, gehört hierher die Geschichte des Heiligen Silvester: der Kaiser Constantinus wurde zur Strafe dafür, daß er ein Feind des Christentums war, plötzlich vom Aussatz befallen. „Do sante he noch allen den erzeten, di her gelangen mochte in aller der werlde, und nimant künde ime gehelfen. Do quamen wise meistere von Krichen lande und sprachen, hete her junger kinde blutes also vil, daz her dinne stunde wan an sinen hals, so solde her gesunt werden. Do liz her vahen alle di kindere, di under muter suge warn, als verre, als her si gereichen mochte mit romescher gewalt, und fürte si zu Eome unde wolde si verterben." Schließlich aber ließ er von dem grausamen Entschluß ab und wurde durch ein anderes Mittel, die christliche Taufe, geheilt. — Nach einer vom 12. Jahrhundert an weit verbreiteten Sage geben sich zwei Freunde, Amicus und Amelius, mehrere Proben großer Treue. Die schwerste bestand darin, daß Amelius seine beiden Kinder tötete, um mit ihrem Blute seinen aussätzigen Freund zu retten (Wackernagel a. a. 0. 155 ff. und 201 ff.). — Derselbe Glaube liegt der Sage vom Armen Heinrich zugrunde. Ein Hauptmotiv des Gedichtes besteht darin, daß eine Jungfrau, die sich freiwillig opfert, durch ihr Blut vom Aussatz befreien kann. Darum sagt der Arzt in Salerno zu Heinrich (Hartm. v. Aue, Armer Heinrich v. 224ff.): 8

Ir müesent haben eine maget, di vollen hibaere {od. vribaere od. erbaere) und ouch des willen waere, daz si den tot durch iuch lite. so hoert ouch anders niht dar zuo niwan der maget herzen bluot: daz waer für iuwer suht guot In Gerhart Hauptmanns Armem Heinrich I I 2 gibt Ottegebe ihrer Mutter zur Antwort: „Und Kraft des Blutes | unschuldig und freiwillig hin-

62

Eugen Fehrle

Eine große Rolle spielt die Keuschheit in der Gralsage Der Gral kann nur von einer reinen Jungfrau getragen werden, für andere Menschen ist er zu schwer 2 . Brunhilde verliert mit der Keuschheit ihre Kraft 3 . „Hey waz ir von der minne ir vil grozen krefte entweich!" In Böhmen läßt man das Yieh einen von jungen Birnbaumzweigen gemachten Kranz, den eine reine Jungfrau am Jakobitage den ganzen Tag getragen, fressen, da kann ihm kein Zauber schaden 4 . Die Bewohner des russischen Fleckens Kamenka versuchten, eine Viehseuche, die ringsum verheerend auftrat, auf folgende Weise von ihrem Dorfe fern zu halten. „Sie wählten sieben j u n g f r ä u l i c h e Mädchen, einen f l e c k e n l o s e n J ü n g l i n g und zwei fromme alte Frauen aus. Um Mitternacht vom 15. auf 16. Juni jenes Jahres (in dem die Seuche war) zogen sie feierlich um das Dorf, die alten Frauen voran mit den Heiligenbildern, dann die sieben Mädchen als Gespann vor einer Pflugschar, welche der Bursche zu lenken hatte. So wurde rings um das Dorf eine Furche gezogen, welche nach dem Volksglauben die Seuche nicht zu überschreiten vermag" B. Die alten Juden glaubten, eine nackte Jungfrau müsse die Henne zur Brut setzen, wenn die Küchlein gedeihen sollten In Nord-Indien bedeckt eine Jungfrau eine Stelle mit Kuhdünger und vergräbt einen Frosch darin, damit es regnet 7 . Wer bei den alten Indern einen Feind verfluchen wollte, mußte zuerst drei Tage sich des geschlechtlichen Verkehrs enthalten, nur dann hatte der Zauberspruch, mit dem er ihn verfluchte, Wirkung 8 . gegeben, | ist wie ein lauterer Brunn des ewigen Heils | und schon auf Erden hier so wunderkräftig, | daß selbst aussätzige Haut, damit besprengt, | rein wird lind fleckenlos". 1 Grimm in der eben erwähnten Ausg. des Armen Heinrich 180 f. 2 Adolf Birch-Hirschfeld, Die Sage vom Gral (Leipzig 1877) 249. 3 Nibelungenlied Str. 681 (Bartsch). 4 Wuttke 440. 6 Usener, Hessische Blätter für Volkskunde I (1903) 202 f. Siehe Mannhardt, Wald- u. Feldkulte I 561 ff. 6 Weinhold, Zur Geschichte des heidn. Ritus 43. 7 Ebd. 23. 8 W . Caland, Altindisches Zauberritual, Probe einer Übersetzung der wichtigsten Theile des Kausika Sütra (Amsterdam 1900) 79 A. 27.

Die knitische Keuschheit im Altertum

63

K e u s c h e J u n g f r a u e n und Kinder spielen eine große Rolle im F r u c h t b a r k e i t s z a u b e r . Mädchen werden im Frühjahr bei den Fruchtbarkeitsumzügen vor den Pflug 1 gespannt, oder vor dem ersten Pflügen muß eine Jungfrau dem Pflüger einen Kuß geben2. Um Regen zu bekommen, wird im südlichen Europa ein kleines Mädchen vollständig entkleidet, dann mit Blumen und Kräutern geschmückt oder ganz nackt umhergeführt und mit Wasser begossen3. Im Saalfeldschen umtanzten nachts Mädchen den Flachs, damit er hoch wachse, zogen sich nackt aus und wälzten sich darin4. Eine Jungfrau (oder auch eine junge Frau) muß am Tag vor der Hochzeit das Brautbett machen, „dann wird das Paar glücklich"5. In den italischen Provinzen Belluno und Treviso soll eine Jungfrau anwesend sein, während der Eber die Sau bespriugt, dann wird die Sau fruchtbarer6. In Hessen läßt man bei der Ernte die ersten Halme von einem Kind unter fünf Jahren schneiden und das erste Strohseil von einem Kind unter sieben Jahren winden 7 . Wenn in Hessen ein noch auf dem Arm getragenes Kind oder überhaupt ein Kind unter sieben Jahren die Früchte von einem jungen, zum ersten Mal tragenden Baum abpflückt, so bringt der Baum immer viel Früchte 8 . In den Fällen, wo eine Jungfrau bei Fruchtbarkeitszauber mitwirken muß, scheint die ursprüngliche Bedeutung der kultischen Keuschheit noch gelegentlich durchsichtig zu sein. Die Jungfrau muß keusch bleiben, um die Gottheit oder 1 Viele Beispiele bei E. H. Meyer, Indogermanische Pflügegebräuche, Zeitschrift des Vereins für Volkskunde XIV (1904), bes. 143f.; Mannhardt, Wald- u. Feldk. I 560; Weinhold 27; E. Hoffmann - Krayer, Schweiz. Arch. f. Volksk. XI (1907) 265. 2 E. H. Meyer, Badisches Volksleben im 19. Jahrhundert (Straßburg 3 1900) 417 f. Mannhardt I 328 f. 1 6 Ebd. 483 f. Wuttke 374. 6 Ploß-Bartels I 483, nach Bastanzi Superstizioni religiose nelle Provincie di Treviso e di Belluno, Archivio per l'antropologia e la etnologia pubi, da Mantegazza XVIII (1887) 271 ff. — Über Jungfrauen im Fruchtbarkeitszauber oder bei Fruchtbarkeitsfesten der Griechen werde ich im nächsten Teil meiner Arbeit ausführlich zu sprechen haben. 7 8 Wuttke 423. Ebenda 426 f.

64

Eugen Fehrle

das göttliche Numen oder die göttliche Kraft oder wie man es nennen mag, in sich aufnehmen zu können. Wenn sie, des Gottes voll, eine Fruchtbarkeitshandlung vornimmt oder dabei ist, wirkt sie selbst befruchtend auf die Menschen, Tiere oder Saaten, die fruchtbar gemacht werden sollen. Doch tritt der Glaube, daß bei Fruchtbarkeitsriten der unreine Zustand eines Beteiligten die Wirkung stören würde, viel mehr hervor. Häufig spielt noch ein anderer Gedanke mit: ein junger Mensch, meistens eine Jungfrau, die selbst noch in der Blüte der Jahre steht, muß eine Handlung, besonders wenn es sich um Fruchtbarkeit handelt, vornehmen, weil man glaubt, daß der Zustand des Handelnden die Handlung beeinflusse. Deshalb singen im rhodischen Schwalbenlied die Kinder, wenn sie im Frühjahr einen Sommertagszug veranstalten und Gaben sammeln (Bergk-Crusius, Anthol. lyr. 4 324f.): v

Avoif,

ov

yccQ

ävoiye

TCCV -9-VQUV

yegovzäg

eaf.iEv,

/EHDOVI'

aXXa

itaidla\

1 Vgl. A. Dieterich, Sommertag, Arch. f. K l g w . V I I I (1905) Beiheft 82 ff. — Das Vorhandensein derselben Anschauungen beweist HoffmannKrayer für schweizer. Volksglauben in seinem schon mehrfach genannten Aufsatz über „Fruchtbarkeitsriten im schweizerischen Volksbrauch" 249, 263, 267. Das Gelingen religiöser Handlungen ist nach dem Glauben vieler Völker abhängig vom Ort, von der Zeit, von den beteiligten Personen, von dem verwendeten Material. Plin. Nat. hist. X X I V 149: Dracunculus hordeo maturescente effoditur luna crescente. Dann hat die Pflanze allerlei Zauber-

kraft. Tacitus Germ. 11: Die Germanen beginnen ihre Versammlungen cum aut inchoativ luna aut impletur; nam agendis rebus hoc auspicatissimum initium credunt. Einige Beispiele führt Frazer an, Le rameau d'or I 45 ff., bes. 47.

Die kultische Keuschheit im Altertum

ZWEITER

65

TEIL

V. Die Mittler zwischen den Menschen und Göttern Wir haben gesehen, daß k u l t i s c h e K e u s c h h e i t n i e S e l b s t z w e c k ist, sondern, durch verschiedene Ursachen veranlaßt, dazu führen soll, den M e n s c h e n d e m G ö t t l i c h e n n ä h e r z u b r i n g e n und ihm ü b e r n a t ü r l i c h e G a b e n zu v e r l e i h e n , damit er für sich und andere Vorteile erwirke, die ihm im alltäglichen Leben versagt sind, aber notwendig erscheinen, um die Kämpfe des Lebens zu bestehen und die vielen feindlichen Dämonen zu bezwingen und sich das Wohlwollen der guten zu sichern. Doch sind nicht alle Menschen gleich befähigt zur Aufnahme des Göttlichen und zum Verkehr mit den Dämonen und Göttern. Wie die Griechen darüber dachten, zeigt Piaton im Symposion. Auf die Frage des Sokrates, was der Eros sei, läßt Piaton (p. 202 E f.) Diotima s a g e n : JaLj-iojv /.isyag, dt Id>xQarsg ' nai '/àq jtäv rò daif.ióviov LIST a § v lari &eov re xal -9- vrjrov. Tiva, r)v ò'èyw, òvvafxiv £%ov; 'Eoj-iYjvevov xal diaicoQ&ueùov $eoìg rà nao àvd-Qto7twv xal àv&Qibrcoig rà jtaqà d-ewv, rwv uev rag òerjoeig xal -9-vaiag, rwv òs rag ÌTCìxàitig re -/.al auoißag rwv -d-voiwv, èv fiéa(p óè ov àf.i(pOTtooJv avf.inhjQoi, wäre rò Tiav avrò avrqt ^vvóedéa-d-ai. dia rovrov -/.al FJ fiavrixì] Ttàaa %wqel xal ft rwv ÌSQSWV ré%vrj rwv re Jttql rag 9-voLag xal rag reÀeràg xal rag ènwòàg xal rrjv ;tlayeiav nàaav xal yoiqreiav. -9-eòg óè àvd-qwjcq) oi /.liyvvrai, alla òià r ovrov TV Sa a lonv ì) oblili a xal fj ó ictXexr o g ¿beoig tc Q ò g av-d- Q u> jtov g (xal TC qòg S eov g Religionsgesclrichtliehe Versuche u. Vorarbeiten VI.

5

66

Eugen Fehrle

a v •!)• Q cb 7t o i g) 1, ir. SQI R a XOIAVXA

xal eyQrjoQÖai y.al xad-evdovai • v.al o [iev o cpog öai/,iövtog avriQ, O de aM.0 %L

A

aocpog fi>v FJ TCEQI ZIYVCTQ R\ %eiQOVQyiag örj ot daiuoveg TGTI

rfolXoi

tivag

xal TCavtoöaJtoi tloiv,

ßavavoog. elg

de

OVTOL TOVTIÜV

~/.al o "Eqojg.

Damit spricht Piaton aus, was mutatis mutandis wohl für alle Religionen gilt. Und wenn es nicht dai^ioveg sind, so gibt es öaiuoviot ävÖQeg, die die Vermittlung zwischen den Menschen und Göttern besorgen 2 . Ich nenne sie im Folgenden Priester. Diese Bezeichnung scheint mir durch eine geschichtliche Betrachtung g e r e c h t f e r t i g t : E i n wesentlicher Bestandteil jeder Religion ist das Gefühl der Gebundenheit an eine höhere M a c h t 3 . Nenne ich denjenigen, der den Verkehr des Menschen mit dieser höheren Macht vollzieht, Priester, so deckt sich dieser Begriff nicht mit dem griechischen legsvg. Manche teqelg hatten nur ein Ministerium, kein sacerdotium — wenn ich diese schon an sich verständlichen Ausdrücke der katholischen Kirche auf andere Zustände übertragen darf. Nur die letzteren fallen ganz unter den Begriff Priester, wie ich ihn hier gebrauche, die ersteren höchstens zum Teil. Im allSo wird man mit F. A. Wolf wohl am besten die Lücke des Gedankens ergänzen. 2 Gunnar Landtman The origin of priesthood (Ekenaes, Finland 1905) 27 ff.; F. B. Jevons An introduction of the history of religion (London 1902) 270ff. Priesthood • Heitmüüer, Im Namen Jesu 260ff., 169f., 210; W . Windelband, Lehrbuch der Geschichte der Philosophie 4 (Tübingen 1907) 200f.; W . Wundt, Völkerpsychologie I I dritter Teil 700; A. Abt, Die Apologie des Apuleius von Madaura und die antike Zauberei, Relgesch. Vers, und Vorarb. hrg. von A. Dieterich und R. Wünsch I V 2. Heft 4 4 f . ; Archiv für Rel.-Wiss. X I (1908) 333f., vgl. ebenda I X (1906) 95ff.; Indische Studien V (1862) 190, 196, 211 ff. — Von einem Saifiovtos rn'-qo erwartet man, daß er sich durch Wunder beglaubigt: H. Weinel, Die Wirkungen des Geistes und der Geister (Freiburg i. B. 1899) 123. — Nach antikem Glauben ist für jeden Träger göttlicher Machtfülle eine Weihe nötig. Siehe Hock, Griech. Weihegebräuche 109 ff. Viel Stoff ist in allerdings wenig wissenschaftlicher Weise verarbeitet in dem zweibändigen Werke von Julius Lippert, Allgemeine Geschichte des Priesterthums, Berlin 1883. 1884. 3 L. Feuerbach, Vorlesungen über das Wesen der Religion, neu hrg. von Bolin (Stuttgart 1908) 26 ff.; W. James, Die religiöse Erfahrung in ihrer Mannigfaltigkeit, deutsch von Wobbermin (Leipzig 1807) 455ff.; G. Wissowa, Religion und Kultus der Römer 318. 1

Die kultische Keuschheit im

Altertum

67

gemeinen konnte in Griechenland jedermann selbst mit den Göttern verkehren, also sein eigener Priester sein. Ähnlich war es im ersten Christentum. Wen der Geist erfüllte, der konnte sich zu Gott erheben. Neben dem Laien standen allerdings schon bald die „höheren Geistträger" \ E t w a um das Jahr 200 ist die Entwicklung des Priestertums in der christlichen Kirche zu einem gewissen Abschluß gekommen 2 . Während Tertullian und Origenes hierin noch auf dem Boden des Urchristentums stehen d. h. das allgemeine Priestertum billigen, ist bei Cyprian der Priester schon vollständig losgelöst von dem Laien. Die Kirche behält sich jetzt das Recht vor, charismatische Gaben zu verleihen, sie regelt nun die Mittel, die zur Gottvereinigung führen 3 . Doch sprengt ursprüngliche Gewalt frommer Gemüter bald diese Fesseln und erhebt sich von dem kirchlichen Zwang zur Freiheit religiösen Eigenlebens: die mystische Kraft der neuplatonischen Philosophie „mit ihrer Ergänzung, dem religiös - asketischen Individualismus des Mönchtums" wird der priestsrlichen Autorität gefährlich 4 . Mönch und Priester, der eine unmittelbar, der andere mittelbar erleuchtet, stehen in scharfem Gegensatz einander gegenüber 6 . Die offizielle Kirche suchte die Gefahr, die ihr in dem persönlichen Enthusiasmus des Mönchtums erwachsen war, dadurch zu beseitigen, daß sie das %CCQIOUCC des Mönches wohl anerkannte, aber verordnete, daß er seine Weihe d. h. die „Gnade" zur Gotterhebung von einem Priester empfange; somit war der Mönch der kirchlichen Autorität unterstellt 6. Doch der Einfluß des Neuplatonismus 7 — von großer Bedeutung ist hier Dionysius Areopagita 8 — und die indivi1 K. Holl, Enthusiasmus und Bußgewalt beim griechischen Mönchtum (Leipzig 1898) 46f., 1 4 8 f . ; H. Weinel, Paulus (Tübingen 1904) 193ff.; Archiv f. Rel.-Wiss. X (1907) 97 f.

A. Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte (Freiburg i.B. 1886) 1346ff. A. Harnack, Das Wesen des Christentums (Leipzig 1907) 121, 131 f. 4 Scheel in Schieies Handwörterbuch „Die Religion in Geschichte und Gegenwart" I 10 f. 6 Holl a. a. 0 . 208ff., 234ff., 326ff.; A. Harnack, Das Mönchtum, seine 0 Holl a. a. 0 . 205. Ideale und seine Geschichte 7 (Gießen 1907) 32. 2

3

' Harnack, Mönchtum 18; Windelband, Lehrbuch 221 f. Koch, Pseudo-Dionysius Areopagita in seinen Beziehungen

8

zum

68

Eugen Fehrle

duelle Kraft der Mystik des Mittelalters brachten das Eecht persönlicher Gotterhebung wieder zur Geltung, und schließlich hat Luther diese Forderung durchgesetzt: die protestantische Kirche hat wieder das allgemeine Priestertum. Der Gegensatz zwischen „Amt und Geist" ist ein Hauptunterschied zwischen Katholizismus und Protestantismus. In der Antike und im Christentum versteht man unter Priester denjenigen, der die Vermittlung des Verkehrs mit der Gottheit übernimmt. Welche Menschen haben nun die Fähigkeit zum Priestertum, oder wie kann ein Mensch sich zu der Stellung eines Mittlers zwischen der Gottheit und den Menschen erheben? In den meisten Fällen sind dazu Vorbereitungen verschiedener Art nötig. Oben (35 und 42 ff.) habe ich gezeigt, daß der Verkehr mit Göttern und Dämonen gefährlich sei und unschädlich nur für den, der selbst teilhabe an göttlicher Macht oder, wie die Griechen sagen, im Zustand der ayveia sei Die Mittel, die in den Zustand bringen, sind bei den verschiedensten Völkern im wesentlichen dieselben 2 : einmal muß man sich befreien von allem, was der Aufnahme oder Annäherung des Göttlichen hinderlich sein könnte und diese Hindernisse von sich fernhalten 3 , dann selbst das Göttliche an sich heranzuziehen oder in sich aufzunehmen suchen 4 . Zu den ersten Neuplatonismus und Mysterienwesen, Forschungen zur christlichen Literaturund Dogmengeschichte I 2 S. 123ff.; Harnack, Dogmengeschichte*, Grundriß der theol. Wiss. I Y 3 (Tübingen 1905) S. 249f.; Holl a. a. 0 . 205ff.; Windelband, a. a. 0. 228; Schiele, Handwörterbuch unter Dionysius Areopagita. 1 Vgl. Archiv f. Rel.-Wiss. IX (1906) 98; ebenda XI (1908) 334; Hock, Gr. Weihegebr. 109ff.; G. Kropatscheck De amuletorum apud antiquos usucapita duo (Diss. Greifswald 1807) 12f.; H. Oldenberg, Die Religion des Yeda (Berlin 1894) 328; B. Schürer, Geschichte des jüdischen Volkes 3 II 247 f. 2 Wenn ich im Folgenden einzelne der wichtigsten Mittel um Priester zu werden aufzähle, so soll damit nicht gesagt sein, daii diese sich in der Gesamtheit überall finden. In verschiedenen Kulturen wird die Erhebung des Menschen durch v e r s c h i e d e n e der angegebenen Mittel bewirkt. E i n Volk kennt die einen, ein anderes andere. Verallgemeinern darf man nur darin, daß es überall negative und positive Mittel gibt. 3 Porphyr. De philo«, ex orac. haurienda 148 (Wolff); Oldenberg, D i e Religion des Veda 410 ff.; 485 ff.; Landtman a. a. 0 . 1 5 5 ff.; Th. Wächter, Reinheitsvorschriften im griechischen Kult, Dissertation (Tübingen 1910) 13 f.; 59 ff. 4 Oldenberg a. a. 0 . 498 ff. Ganz analoge Vorbereitungen sind bei jeder

Die kultiaehe Keuschheit im Altertum

69

Mitteln gehört, wie ich oben gezeigt habe, die kultische Keuschheit 1 , ferner Reinigungen verschiedener Art 2 , das Verbot gewisse Speisen zu essen und die Vorschrift, zeitweise überhaupt zu fasten 3 , das Gebot zu schweigen vor oder während, auch nach einer heiligen Handlung 4 , getrennt Weihe nötig. Hock, a. a. 0. passim. Vgl. Oldenberg, Religion des Veda 410 ff., 498 ff. 1 Keuschheitsvorschriften für Priester primitiver Völker sind in großer Anzahl gesammelt von Landtman, a. a. 0. 155 ff. und Post, Grundriß der ethnologischen Jurisprudenz I 19 und II 82 f. Vgl. Abt, Die Apologie des Apuleius von Madaura 36 ff. Für die christlichen Mönche ist Keuschheit Vorbedingung zur Gottvereinigung, Lucius, Anfänge des Heiligenkultes 362, 2; Frazer Le rameau cVor I 173 f. 2 Stengel, Kultusaltertümer 2 35 und 138ff.; Frazer Adonis Attis Osiris, studics in the history of oriental religion2 (London 1907) 407 ff. Für solche Reinigungen sind meistens keine tieferen Gründe zu suchen : geradeso gut, wie man reine, gute Kleider anzieht, wenn man höher stehende Personen besucht, tritt man in reinem Zustand vor die Gottheit. Porphyrius spricht 3 das einmal deutlich aus (neoï àyveias I I 45). S. o. 46, 3. 4 Schweigen ist sehr oft dem Zauberer vorgeschrieben (Deubner De incubatione 29f.; Laistner, Rätsel der Sphinx X 224ff.; M. Winternitz, Das altindische Hochzeitsrituell, Denkschriften der kais. Akad. d. Wiss. Wien, philos, histor. Kl. XL (1892) 78; A. Wuttke, Der deutsche Volksaberglaube der Gegenwart, 3. Bearbeitung von E. H. Meyer, Berlin 1900, Register unter Schweigen; Mitteilungen der Schlesischen Gesellschaft für Volkskunde hrg. v. Siebs, Bd IX Heft XVIII, (Breslau 1907) 94 ff. Der vedische Opferer muß längere Zeit vor dem Verkehr mit Gott schweigen, um gegen die Zudringlichkeit der bösen Dämonen geschützt zu sein (Oldenberg, Religion des Veda 399. 411 f. 416. 468. 487). Bei primitiven Völkern gehört Schweigen zur Vorbereitung des Priesters (Landtman a. a. 0. 121, 159, vgl. 143). Schweigen ist in diesen Fällen ein Abwehrzauber gegen Dämonen. Den ursprünglich sinnlich faßbaren Grund hat man z. T. darin gesehen, daß die Dämonen durch lautes Rufen nicht „aufgeschrieen" werden sollen (vgl. Rohde, Psyche I 244, 1). Ein anderer Grund ist wohl öfters maßgebend: man hält den Mund geschlossen, damit sie nicht eindringen können. F ü r diesen zweiten Grund sprechen die antiken Figürchen mit der Hand vor dem Mund, das èm&stvai Sc^iov SàxrvXov ¿.-ri tô arôfia (Jahn, Aberglaube des bösen Blicks bei den Alten 47 ff. ; A. Dieterich, Eine Mithrasliturgie 42 f. ; bei Clarac-Reinach Répertoire de la statuaire grecque et romaine II 481 ff. sind viele Figuren mit der Hand auf dem Mund zusammengestellt). Als K. Th. Preuß einige Huichol-Indianer photographierte, erhoben zwei davon im Moment der Aufnahme die Hand vor den Mund, „wahrscheinlich aus Furcht vor Eintritt eines Zaubers" Globus LXXXXI (1907) 185. Wenn man so die bösen Dämonen fernhält, kann man unbehindert mit den guten

70

Eugen Fehrle

vom übrigen Volke zu wohnen oder wenigstens sich vom Verkehr fern zu h a l t e n w e i ß e Kleider zu tragen 2 , das Haupt zu verhüllen 3 , frei von körperlichen Gebrechen 4 und unbeverkehren (vgl. die Literatur bei Gruppe, Gr. Myth. und Relgesch. 1476, 3). In den antiken Kulten ist bei einer heiligen Handlung meisteng allen Anwesenden Schweigen geboten (Kaibel, Elektra 171; v. Wilamowitz, Herakles I I 2 244; Sudhaus, Lautes und leises Beten, Arch. f. Rel.-Wiss. IX (1906) 189. 197 u. a.; Stengel, Kultusaltertümer 2 99, 19; Henrieus Schmidt Veteres philosophi quomodo iudicaverint de precibus Rel.gesch. Vers. u. Vorarb. IV 1908, 55 ff.). Dem ev^rjaeire entspricht bei den Römern favete Unguis oder celebrate faventes und ähnliches, das vor Beginn einer heiligen Handlung geboten wird und sich bei Dichtern häufig findet (Marquardt, Römische Altert ü m e r 2 I I I 176). Bekannt ist das Schweigen der Pythagoreer (Boehm De symbolis Pythagor. 48, 51. Vgl. R. Helm, Lucian und Menipp (Leipzig 1906) 380 und Gruppe a, a. 0 . 1479, 1. 1 Stengel, Kultusaltertümer 2 35; Wissowa, Religion und Kultus der Römer 435 f. 2 Stengel a. a. 0. 43f.; K. E. Goetz, Weiß und Schwarz bei den Römern, Festschrift zum 25jährigen Stiftungsfest des histor. philol. Vereines der Universität München (1905) 70 ff.; Wächter a. a. 0. 18; Deubner De incub. 25; Zeitschrift des Vereins für Volkskunde XIV (1904) 115ff. 3 Viel Literatur darüber gibt Hock, Gr. Weihegebräuche 128. Vgl. außerdem V. Gardthausen, Der Altar des Kaiserfriedens ara pacis Augustae 41 ff.; W. Leist, Alt-arisches ins civile (Jena 1892) I 138f.; J. Benzinger, Hebräische Archäologie 2 (Tübingen 1907) 78f. Die kultische Verhüllung kommt im Altertum sehr viel vor und wird von den Forschern verschieden erklärt. A. Dieterich weist im Pulcinella 191, 1 darauf hin, daß „die Verhüllung bei chthonischem Kult, bei Lustrationsriten der Einweihung und der Hochzeit" wohl nicht ganz verschieden seien. In der „Mutter Erde" 102 erklärt er das Verhüllen des Brautpaares als eine „Weihung an die Mutter Erde". Dieser Ansicht schließt sich Hock, Griech. Weihegebräuche 128 an und meint, unter der Verhüllung vollziehe sich die göttliche Besitzergreifung, f ü g t aber hinzu: „Durch die Verhüllung ist zugleich Garantie gegeben, daß der weihevolle Vorgang sich nicht einem profanen, menschlichen Auge darbietet, was ja den Unterirdischen besonders mißliebig ist und von ihnen mit schweren Strafen geahndet wird." Mit diesem letzteren Grunde deckt sich Marquardts (Rom. Staatsverwaltung 2 I I I 176) und Wissowas Ansicht (Rel. u. Kultus d. R. 333,1); Deubner sieht darin die eigentliche Ursache der Verhüllung (Archiv f. Rel.-Wiss. VIII Beiheft, 69 ff.). Diels (Sibyll. Blätter 122) und E. Samter (Philologus L I I I (1894) 537 und Familienfeste 35 ff., 43 ff., 47 ff. halten die Verhüllung für kathartisch. Oldenberg (Religion des Veda 401, 1) und Reitzenstein (Poimandres 230, 1) rechnen das Verhüllen zu den Vorsichtsmaßregeln, „durch welche man sich in besonders feierlichen oder gefährdeten Momenten gegenüber schädlichen Geistern zu

Die kultische Keuschheit im Altertum

71

schölten 1 zu sein — letztere Vorschrift ist eine spätere Ethisierung der vorhergehenden —, und vieles andere, das den Priester vom Profanen, Unreinen fernhalten und die Annäherung an das Göttliche ermöglichen soll -. Diese Annäherung wird durch andere Mittel vollends zustande gebracht, während die ebengenannten Vorbereitungen mehr n e g a t i v wirkten, indem sie durch Entfernung des Bösen Platz für das Gute zu machen suchten. Weil beide Arten der Vorbereitung zum selben Zwecke führen, wird ihre ursprünglich verschiedene Bedeutung vielfach verkannt 3 . Unter den p o s i t i v e n Annäherungsmitteln sind hier zunächst die typischen Arten der Gottvereinigung 1 zu nennen. Der Priester oder noch öfters die Priesterin verbindet sich mit einem Gott durch Liebesvereinigung 6 , ißt oder trinkt den Gott, um ihn in sich zu h a b e n d e r zu Weihende tritt in äußere Berührung mit einem Gott oder einer Person oder einem Gegenstand, die mit göttlicher Kraft „geladen" 7 sind, damit von ihnen etwas auf ihn sichern sucht". Ich habe es oben 39 Anm. ebenso aufgefaßt und sehe nachträglich, daß Reitzenstein a. a. 0. die von mir besprochene Paulusstelle schon so erklärt hat. — Es ist unrichtig, hierbei den einen oder anderen Grund zu sehr zu betonen: Reinigen ist Entfernen der Dämonen und daher kaum verschieden vom Fernhalten derselben. Das Fernhalten der schädlichen und das Anziehen der guten Geister geschieht oft durch dieselbe Handlung. Schließlich darf man auch nicht für alle Verhüllungen denselben Grund 4 suchen. Stengel a. a. 0. 35, 16f.; s. 36, 2; Wissowa a. a. 0. 421, 4. 1 Stengel 35, 15; Wiss. 421, 5. 2 De Jong, Das antike Mysterienwesen in religionsgeschichtlicher, ethnol. und psychol. Beleuchtung (Leiden 1909) 132 ff. 3 Dies gilt für alle Riten, in denen es sich um Entfernung schädlicher dämonischer Einwirkung oder um Erfüllung mit guter handelt. Auf die Verkennung dieser zwei Gründe gehen vielfach die abweichenden Ansichten der Forscher über Fruehtbarkeits- oder Lustrationsritus zurück. Treffliche Bemerkungen hierüber macht Heitmüller, Im Namen Jesu 277 f., 294 ff. 1 Dieterich, Mithrasliturgie 92 ff.; oben 9. 6 Oben 9ff., ferner im zweiten Teil meiner Arbeit an mehreren Stellen. Die Liebesvereinigung ist zum großen Teil der Grund, warum eine Priesterin im Dienste eines Gottes steht, während sonst in der griechischen und römischen Religion der Grundsatz gilt: Der Gott will einen Priester und die Göttin eine Priesterin. Vgl. Farneil, Arch. f. Rel.-Wiss. V I I (1904) 70 ff. 6 Dieterich a. a. 0. 95 ff. 7 Arch. f. Rel.-Wiss. VII 38f., 103ff.; ebenda XI (1908) 332ff. Die

72

Eugen Fehrle

überströme 1 , der Mensch identifiziert sich mit dem Gott dadurch, daß er sich kleidet wie der Gott 2 , man sucht durch narkotische Mittel, Tanz oder sonst Betäubung in Enthusiasmus zu kommen 3 , oder Weihen anderer Art erheben zur Gottheit 4 . Außerdem werden in niederen wie höheren Religionen andere Vorschriften beobachtet: Wer sich der Gottheit nähern will, muß sich fernhalten von allen Eindrücken der Außenwelt, in die Einsamkeit gehen und seine Gedanken nur auf das Göttliche richten, bis er völlig darin aufgeht 5 . Menschen, die so erhöht sind 6 , übernehmen die Vermittlung zwischen Menschen und Göttern auf dem ganzen Gebiete der Religion. Piaton umschließt dies im Symposion p. 203 mit den Worten: 77 /uavrixrj näoa XAL f] TWV iegeuiv t£%vrj TGJV XE Schriften des Neuen Testamentes neu übersetzt und für die Gegenwart erklärt, hrg. von J . Weiss (Göttingen 1907) s. Index unter Hand-Geistesmitteilung; 0. Weinreich, Antike Heilungswunder, Relgesch. Vers. u. Vorarb. VIII 1 (1909) 51 ff. u. a. 1 A. Dieterich, Eine Mithrasliturgie 119f.; S. Reinach Cultes, mythes 2 et religions I I I 120f. S. unten Anm. 6. 8 James, Religiöse Erfahrung 362 ff.; Landtman a. a. 0. 160 f.; De Jong a. a. 0. 146 ff. Oft sind narkotische Mittel während des Gottesdienstes verboten. Anwendung und Verbot solcher Mittel bei den Griechen werde ich später ausführlich behandeln in einer Arbeit über kultisches 4 Fasten. Hock a. a. 0 . 109 ff. 5 Nietzsche, Morgenröte § 14; Roskoff, Das Religionswesen der rohesten Naturvölker (Leipzig 1880) 156 ff.; Frazer Le rameau d'or 1137 ff.; Th. Achelis, Die Ekstase, Kulturprobleme der Gegenwart I (1902) öfters; P. Beck, Die Ekstase, Ein Beitrag zur Psychologie nnd Völkerkunde, Bad Sachsa im Harz 1906. 6 Strabon X p. 466 sagt von den Kureten: ¿Jai/iovae // noonolovt &t(ÖV rovs yovpfjrds D-eö) äXaog, y.al eyti y.VYXRO TTiQtßoXov, y.al evdov elol dgd/.ovzeg, y.al %oü &eov ädvg/ia obzoi ye • i] zoivvv tegita, yuf.ivij1 (yvvrj 2) vvug'Jevog, ndgeiot j.lövtj y.al zoorphv zolg dgd/.ovai "/.oiuCti• Xeyovzai de äoa vno zGiv 'Rneigwzwv exyovoi zov ev JeXcpolg IJud-tuvog elvai.

Priester des Apollon Ismenios in T h e b e n . 10, 4 :

Tode

Paus. IX

ye y.al ig

eue ezi yivo^ievov oida ev drßaig• zq> ATVÖXXOJVI Zctai1 ö'elvai rb ¡.tavzelov avtqov y.olXov %aza ßa&ovg, od f.iäXa evQvozo/xov, ivaq)£()eG&ai d' avtov Tcvevf.ia ev&ovoiaozi-Kov, v7teqY.ela&ai de tov arofiiov tqinoöa viprjXov, ecp* ov tt]v IIvd-'luv ¿vaßaivovaav, öe%0[ievr]v io 7tvev(.itt, ajtoS-EOTci'Cttv e/.tutTQa ze xat ä/uerga. Auch Valerius Maximus (I 8, 10) kennt ein unterirdisches Gemach, in dem göttliche Dämpfe aufsteigen. Wertvoll ist das Zeugnis der Schrift liegt vxpovg 13,2:1loXXolyaq ¿XXot q ¿(p &eorpoQoDvTac itvevftuxi rov avrbv tqöjiov, ov y.o.1 rrjv nv&iav Xoyog exei TQiJtodi nkrjOia£ovaav, ev-9-a Q^yfxä eari yf^g Itvaitvelv &g cpaaiv atfiov ev-9-eov, avzo-9-ev eyy.vf.tova r f j g öaifioviov xa-9-iorofiävrjv övväftewg Ttaqavt ixet %Qi]0[,iq)deIv x « t ' eitlnvoiav, ovtiog unb zrjg zwv &Q%uia>v /.teyaXorpviag eig rag rdiv trjXovvziov txeivovg xpv%ag log arto iegCtv az o uitüv &7t oqqoiai riveg cpiqovzm, vcp' luv In ltcv eo (iev o l xat ol /.ir] Xiav (poißaozivjA zCo eziqwv ovvev&ovoititoi (leye&ei. Lukans Bericht (Phars. V 79 ff.) Vastos telluris hiatus divinam spirare fidem ventosque bquaces exhalare solum ist weniger von Belang, weil er auch auf die Beschreibung der kumanischen Sibylle bei Vergil zurückgehen kann 2 . Sehr wertvoll sind die Nachrichten, die wir von Plutarch haben. Denn er war selbst Priester in Delphi und kann deshalb wie auch seiner ganzen Art nach als einer der glaubwürdigsten Zeugen angesehen werden. Plutarch glaubt an die göttlichen Dämpfe, durch die die Pythia v o r s e i n e r Z e i t begeistert worden sei. Def. or. Cap. 40 führt er aus, xQcioei y.al öta&eoei des Körpers könne Enthusiasmos bewirkt werden, aber auch durch Kräfte, die die Erde emporschicke: Tb öe ¡.lavziYMV Qev/.ia xat nvtüfia •d-eiörardv eozi xat ooiwzazov, ¿tv ze eavvb di' äeQog äv ie f.te-9-' vygov väfiazog avarpiQ^zai. Dann sucht er Cap. 40, 42, 43, 44 (nach Aristoteles), 46 und an anderen Stellen das nvev^ia natürlicher oder doch wenigstens würdiger zu erklären als der Volksglaube. Cap. 48 1

Nilsson folgert a. a. 0. im Anschluß an Oppe, Strabon lehne durch covrjv

Wollte man diesen literarischen Berichten glauben, so war ein Erdspalt da, aus dem die begeisternde Kraft kam. Andererseits machen die neuesten archäologischen Entdeckungen, soviel ich sehe, es ziemlich sicher, daß dies unmöglich war. Wie sind diese Widersprüche zu vereinigen? Zu beachten ist zunächst, daß keiner der literarischen Berichte früher ist als das erste vorchristliche Jahrhundert. Vorher ist ein %6 tefievog y.ai

vaog

'Aqztuidog

Gtvzjj x a t Ttavvvyjöa

TqcxXaqiag ¿¡yov ava

ETtiulrjOiv, TCÜV trog,

&eov Ttaqd-evog, eg o &7toorelXeo&aL

x a t ¿OQiriv oi "hoveg ieqwovvrjv

Ttaqa ävdqa ereile.

dh siye

ifjg

Einstens

war eine schöne Jungfrau Namens Komaitho dort Priesterin, ein Jüngling Melanippos verliebte sich in sie. Die unverständigen Eltern beider aber ließen nicht zu, daß sie sich heirateten \

"Oitov x a t tote

x a i MekäviTtnog

l^enlrtaav

ev toj tijg 3Aqrefiidog TOV eqarvog

uqöj

trjv oqn^v

Kofiai&io x a t oi juev

1 Über Iphigenia s. v. Wilamowitz Hermes X Y I I I (1883) 256f.; Usener, Götternamen 124; Wide, Lakon. Kulte 29; Farnell Cults I I 446 Anm. 2 Back De caerimoniis, in quibus hom. deor. v. fung. 4. » Griech. Feste 218ff. * E. Kohde, Grlech. Roman 2 46.

101

Die kultische Keuschheit im Altertum '¿¡.LEXIOV

zä> I£Qh> AAL eg TO ETCELZU '¿AA XAL 3-ald/.IA)

xqtfoeo&ai.

Artemis ließ wegen dieses Vergehens Hungersnot und Krankheit über das Land kommen. Das Orakel in Delphi bezeichnete die Schuldigen. Kai ixeivovg ze avzovg udvzgv/ua acpixezo •9-voai z f ) ^/qzeuiöi v.a.1 avce 7täv erog rtaq&evov xal Ttalöa, oi zo eiöog elev xalXiozoi, z f j d-eio d-vuv. Dies geschah

lange Zeit, Hungersnot und Seuche hörten auf, schließlich wurden auch die Bewohner von der Verpflichtung der Menschenopfer befreit und zwar durch Ankunft eines Dionysosbildes, das ein gewisser Eurypylos brachte. Kai oi xal ivayi'Qovoiv avct 7tüv ezog,

ejteidav

zqj Jiovvao)

zijv eoqzrjv

äyojoi.

Außer diesen Beispielen aus dem Peloponnes finde ich keine jungfräulichen Priesterinnen der Artemis auf dem griechischen Festlande. Einige sind noch überliefert aus Kleinasien, wo überhaupt der Artemiskult blühte 1 . Artemis in E p h e s o s . Paus, sagt VIII 13, 1, nachdem er von dem Priester und der Priesterin der Artemis Hymnia in Orchomenos und ihrer Keuschheit gesprochen hat: Totaüza olöa ezeqa enavzov /.al ov Ttqöaio 3Ecpeaiwv Ijcurjötvoviag zovg %f) li4qz£/.tidt loziazoqag z f j 'Ecpeoice yivoi.itvovg, -/.akov/xevovg de V7to ZOJV TtoXizöiv 'Eoofjvag S t r a b o X I V p. 6 4 1 C : 'leoiag d'evvov%ovg ei%ov, ovg exdXovv Meyaßv'Covg3 . . . xal fjyov Iv ziufj utydXjj • auvuqüa&ai de zovzoig £%qt]v naq&evovg.

Plutarch An seni resp. 795 D (Bern. Mor. V 53): Kad-oXov d^loGTteq iv 'Pd>[ii] %alg 'Eaziaai naqd-ivotg zoü %qövov diwqtarai zo uev ¡.tav&dveiv tu de öqccv za vevout.Gj.itvu zo de zqizov {¡dt] diödoxeiv, v.al TCJV IV 'Ecpioip ictoi zi]v 'Jjqzefiiv 1 Jessen in Pauly-Wissowa's Realencycl. V 2 Sp. 2753 ff.; Farn eil Oults II 480ff.; Nilsson, Gr. Feste 243ff. 8 Die Essener werden wahrscheinlich wegen ihrer Keuschheit in Verbindung gebracht mit der Biene. Etym. M. 383, 30: 'Eaafjv o ßaadevq

xara 'Erptoiovs «TU UCTuAjöoui rov an)Xiüv ßaau.i(i)-^ 03 eipT]tat eaorjf.

Vgl. oben 56 ff. und unten 104. Daß die Pythia ¡iih.aa tv

yeveoewg äqqrfzwv leqocpdvzrjg

yeveoiv.

VII 48 (hrg. v. Koetschau II199). Nach-

Doch ist dies nicht immer der Fall.

Tertullian kennt

Wenn er sie hier gemeint hätte, hätte er sie wohl auch

genannt. 1 Es gab in Eleusis auch verheiratete Priesterinnen der Demeter, s. Daremberg-Saglio Dictionnaire des ant. s. Mysteres S. 2140, Anm. 34. 2 Vgl. Schol. zu Theokrits Idyll. X V 94, Porphyr. De antro nymph. 18 ed. Nauck p. 69; oben 95 und 101, 2. * Schömann-Lipsius, Griech. Altertümer 4 I I 441. Hesych s. teoocpävTr;g• (ivOTtrywyds,

teo£V£

o T o fivoTijpia

Seixvvtov.

Die kultische Keuschheit im Altertum

105

dem Orígenes die christliche Keuschheit gepriesen hat, fahrt er fort : Kai elg uév TCOV Jtaq' 'A&r\vaLoig hqorpávrr¡g, ovóè Ttiatevó¡xevog èavrov rag ¿qatvixág oqé^eig wg xvqiog avrwv elvai óuvá¡xevog xal xqarelv aviwv tg oaov ßovlezai, xiovítaod-elg rà äqoeva (.iéqr¡ xad-aqòg slvai vouiCtrai 7100g zr¡v vevouiauévrjv jtaq' I49r¡vuioig áyiozeíav. Schol. zu Persius Sat. V 145: Cicuta Me genus ìiquoris est, quod cálorem in nobis frigoris sui vi extinguit. ideoque sacerdotes Cereris Eleusiniae, quibus usus Veneris interdicebatur, hoc ìiquoris genere ungebantur, ut a concubitu se ábstinerent. Hippolytos Refut. haeres. V 8, 164 (hrgsg. von Duncker und Schneidewin) : 'O íeqocpávrr¡g ovx ànoxexofifiévog ¡.lèv aig ó "Arng, evvovxiofiévog óè òià xuveíov xal naoav 7taqr¡rr¡^iévog zr¡v aaqxixr¡v yéveoiv, vvxrbg tv 'Elevalvi ino nollíh itvql relwv ra ¡.leyála xal aqqtjra uvazr¡qia ßocc xal xéxqaye léyiov cieqov erexe itórvta xovqov Bqi¡.tíü ßqij.iov'1. Stobaeus IV 73 (Meineke): "Enaivog yrjqwg. Tovrl ds tri ooi oacpéoreqov éS,r¡yr¡ao¡.iai, nqog ra Éyxlr¡/j.aza rov yr¡qiúg, a 7te7toír¡aai f.uxqß> nqóad-tv, ájtoxqivó(.ievog. ri yàq r¡zzov ko-9-íaiv rj ítívtov o Ttqtaßvzrjg ácpqodiaíiov re árttxóutvog, toojttqti leqo)

la

"//tüitoiciiov: ecas r)ßr\s

vni]-

yäuiov.

1 Siehe Wide, Lakon. Kulte 74 ff.; Frazer, Kommentar zu Pausanias III 13, 3 (Bd III 332f.); Nilsson, Griech. Feste 118fi. 6 Usener, Rhein. Mus. LIII (1898) 359 fi. Weitere Literatur s. bei Gruppe, Bericht über die Lit. z. antiken Mythologie 1898—1905 (Bursian, Jahresber. Supplbd 137, Leipzig 1908) 405 ff. « Nilsson 129 fi.

Religionsgeschichtliche Versuche u. Vorarbeiten VI.

8

Engen Fehrle

114

Prozession veranstaltet. Ein jugendlicher Priester, ein itaig ¿(xtpi&al^g, geht voran, %oqbg Ttaq&evtov ETtaxolovibel itqoreivwv xlüvag Ttqog ixerrjqiav rüv vf.ivwv1. Diese Prozession gehört in die Reihe der 'Sommertagszüge', die A. Dieterich im Arch. f. Rel. Wiss. VIII Beiheft 82 ff., bes. 101 f. besprochen hat. Über das Säkularfest des Augustus berichtet Zosimos II 5, 5 : rqlg

c

H(.ieqa de rqirrj

Ivviu

naldeg

¿[¿cpi&akelg, rag,

ev rS> Tiara ro ITaldriov

emcpavelg

oneq

eorlv

v/uvovg aöovoi

Ion, ein ooiog

dit"

dfucpoxiqovg

rovg

r f j re 'Ekkrjviov c

di3 OJV at vno

ävag,

'AitdXkoivog

¡.tera 7taqd-eviov rooovrwv,

Pojj.iaiovg

xal

yovtlg

leqq»

ol

jtdrveg

e%ovreg

rceqiov-

'Pwfiaiwv

rpojvrj xal

jtai-

no).eig2.

aoj'Qovzai

des Apollon in Delphi, sagt von sich: (Eurip. Ion V. 150).

vewxöqog

evväg tov

Dionysos Die yeqaqai müssen als VTCv^qixovoai xolg ieqolg (Ps. Demosthen. 59, 73) der ßaoihooa, bevor diese sich mit Dionysos vereinigt, schwören, daß sie keusch sind. Denn ihre Unreinheit könnte den leqbg yd/xog des Dionysos mit der ßaoihooa stören3. Diodor IV 3, 2 f.: Kai rovg itev Botonovg xal rovg aXXovg "EXXrjvag

xal

orqaieiag

0qQxag

a7to/.tvrjuovevovxag

xaraötl^ai

•9-eov voui'Ceiv

rag

xara

rov xqövov

äv&qdirioig

ercicpaveiag.

rtoXewv

rqiwv

ralg

öia

naqd-evutg

eva^ovoatg atrjfiaxa vuvtlv

xal -9-voia^tiv

rov

Ttaqedqeveiv

rqierrjqidag öio

roviov xal

erCov ßaxyeld v6jj.if.iov

elvai

riftwoaig

rov

naqa re

zip 3ew

-9-eov rag

rag

itoXXalg

rag

rrjv Ttaqa

rwv

'EXXrjvidaiv

toroqovfievag

xal

ovvev&ovaia^eiv

yvvalxag

xal xa&ölov

rov roig

a&qoi^eod-ai, xal

äs

'Ivdixrjv

JLOVVOIO, xal

yvvaixwv

d-vqoocpoqt.lv

/.ii/.iovj.i£vag

v.axa

noieio&ai

rq> d-eüj xal ßax%eveiv

Jiovvoov,

rrjg S-voLag

xara

rrjv ro

ov-

naqovoiav itaXaibv

(xaivddag.

Nach Euripides Bakch. v. 694 nehmen am bakchischen Treiben teil veai itaXaiai, naq&evoi r er' d'Cvyeg. Hesych S. V. JiovvoiaöegEV STtdqxrj itaqd-evoi, al ev roig Jiowoioig dq6jj.ov ¿yu)vi£o[ievai. Vgl. Paus. III 13, 7. 1

Photios Bibliotheca ed. Bekker p. 321. Vgl. Nilsson 164 ff. » Diels, Sibyll. Blätter 133 und unten 124 f. ' S. o. 11 u. 89 f .

Die kultische Keuschheit im Altertum

115

S t r a b o n I V 4, 6 p. 198 C a s . : 'Ev öe zw ¿>y.eavib q>rjaiv

elvat

vfjaov

/.iiXQav ov

Alyiqqog

rtOTCtfiov.

diovvoip te xai

jtavv oixeiv

y.azeyoj.ievag ällatg

nekayiav, öe Tavvrjv

xai

uooTioUaig

Ttjg vrjdov, zag «Je yvvalv.ag xal

TtaUv

7tQOxeif.ievrjv %fjg txßolfjg rag

zwv Safivitütv

ikaaxoftevag

zov -9-ebv tovzov

l^rjD.ay/uevaig.

ovx eTtißalveiv

avtag

itkeovaag

xoivwveiv

iov

yvvalxag reXeralg öe

lolg

avöqa

&v6qdai

enaviivai.

Bemerkenswert ist, daß bei Dionysos Frauen den Hauptdienst haben. Jungfrauen sind zugelassen. Die erwähnte Diodorstelle braucht nicht, wie angenommen worden ist, auf Ungenauigkeit zu beruhen \ Den Frauen fällt nach ihm die Aufgabe xai

zu

xazci

y.a$oXov

avatra-tata

zryv itaqovaiav

•9-void^eiv zqi v/.ivelv tov

-9-eoj xal

Jiovvaov.

ßaxyevetv

Wir

werden

uns diese Kulthandlung ebenso denken dürfen wie in Elis, wo die Frauen den Gott herbeirufen, doch offenbar, damit er sie befruchte 2 , wie die ßaaihaaa in Athen. Männer haben zu dieser F e i e r keinen Z u t r i t t 3 . yvvai^iv

eotiv

OQäv • yvvaixeg

Tb de ayalua

ev rq> vaw ¡.idvaig

yaq drj /.idvat xai zu ig

rag

Svaiag

ÖQ&aiv ev änoQQriTft). Aus mehreren Stellen in Euripides' Bakchen

ist zu schließen, daß Männer auch sonst bei dionysischen Festen ausgeschlossen waren. Pentheus glaubt, die Frauen treiben Unzucht bei den nächtlichen Begehungen 4 . Doch versichert ihm Teiresias, daß dies nicht der Fall sei 6 . Auch der Bote meldet, er habe die Frauen züchtig allein im Walde gefunden 8 . Dionysos warnt den Pentheus, als Mann sich hinzuwagen zu dem Feste der Frauen, (v. 823): Mr\ ae mdvwoiv,

i)v avrjQ ¿(pd-fig

exel.

1 Auch Euripides fügt die tia^d-ivoi S^vyes an, nachdem er die Frauen, die jungen und alten, als Hauptteilnehmerinnen zuerst genannt hat. 2 Rapp, Eh. Mus. X X V I I (1872) 10. 3 Paus. I I I 20, 3. 4 Eurip. Bakchen ed. Wecklein vv. 222 ff. 354. 453 ff. 6 v. 314 f. 8 680 ff.: 'Ooco Se \}täoovs Tpels ywatxtimv %0tj(jjv.

HvSov Se zlaüai uu>uaöiv ^laotLUEvat Ai fiev Ttpos eläxTji vcöt epetaaaai &to(pû.eï. et òè [irf, äipavarot ¡.lévovot TtQoeiòóxog avzov rt]v (p&OQav xat /ue^avrevIuévov, ¡.tvQi.iì]xeg òè zr;v ¡.lâÇav rt]v rfjg òiaxogrj&eiarjg sg ftixQcc xara&Qvipavreg, aig ¿tv evcpoQct airolg s'ir], eira èxqiéçovoiv «¿jw rod äkaovg xa&aigovreg ròv TOTCOV, yvioQÎÇezai re ino %CJV èitiXO)qIuv rò jtqayfièv xat ai naqekd-ovaaL èkéy%ovrat xaì fj re rrjv 7iaç>&eviav alayvvaaa raïg ex rov VÓ/ÀOV y.olaÇtxai ri,uiuQÌaig. 1

Vgl. o. 114.

Eugen Fehrle

126

3. Keuschheitsvorschriften für Laien Inno 1 F ü r den K u l t der I u n o F e b r u a l i s a n den F e r a l i a 2 v o r g e s c h r i e b e n (Ovid fast. I I 557ff.):

war

D u m tarnen h a e c fiunt, v i d u a e cessate p u e l l a e : E x s p e c t e t p u r o s p i n e a t a e d a dies. N e c t i b i quae cupidae m a t u r a v i d e b e r e m a t r i , Comat v i r g í n e a s h a s t a r e c u r v a comas. Conde tuas, H y m e n a e e , faces et a b i g n i b u s a t r i s A u f e r : h a b e n t alias m a e s t a sepulcra faces. B e i M a r t i a n u s Capeila I I 1 4 9 s a g t eine F r a u , sie sei sich k e i n e r Schuld gegen die I u n o F e b r u a l i s b e w u ß t : Nam Fluoniam Februalemque ac Februam mihi poscere non necesse est, cum nihil contagionis corporeae, sexu intemerata, pertulerim. B o n a D e a (Fauna) u n d F a u n n s P l u t a r c h Qu. Rom. 20 : Jià TÍ rf¡ yvvaixsía -freoi, f¡v Idyadrjv -¿alovoiv, y.oa¡.iovaai or¡y.ov ai yvvalxeg or/.oi ivQoivag ovn sia(péqovai Kaíroi itQai (piloTiuoúf.uvai xQfjo-9-ai Toig ßXaardcvovai nal áv&avoi; tcótSQOv òg ol f.iv-9-oloyovvrsg ÍOTOQOVOL avvov ¡.ilv r¡v yvvr¡ TOV /.távrewg, oìvio òè X(¡r¡oa¡j.évr¡ xQvcpa xal /.irj Xa&ovaa (¡dßöoig vito TOV àvòqbg exoláa&r] fivqoívr¡g (O&EV ¡.ivQGÍvr¡v [ikv ovx £ÍO(p¿QOVoqioig

VTiooiOQWzai. ayvog,

agnon,

ad venerem

öct/ihoig

diaia

o

te

quoque

alias

castitatem

sternunt

zolg

ed. K ü h n X I

foliorum

vocant,

Aelian De nat. anim. I X 26: 'Elavvei

fj evdqoaög

TOV TOV TOI

ayvog.

usu

esset.

eoque maxime phalangiis

excitat.

ocpetg

Vitium

odore gratior

Grr.

ärpQOJtqog

TavT*

vnoOTQuivvovoiv

d-a^ivov.

1 Vgl. Ovid Met. X 431 ff. S. 0. 137 f. Diese Verse bezieht Eohde, Kl. Schriften I I 363 auf die Thesmophorien und schließt aus ihnen, die Frauen hätten sich durch neuntägige Keuschheit auf das Thesmophorienfest vorbereiten müssen. Siehe unten Abschn. V I I , Neuntägige Keuschheit. 8 C. Bötticher, Der Baumkultus der Hellenen (Berlin 1856) 334f.; J. Murr, Die Pflanzenwelt in der griechischen Mythologie (Innsbruck 1890) 100ff.; Aigremont, Volkserotik und Pflanzenwelt (Halle a. S. 1908) I 104ff. s At veneriae die Hss., ad venerem Mayhoff nach Anderen.

140

Eugen Fehrle

Der Name Syvog wird von den Alten entweder abgeleitet von ayvog nach der Wirkung, die man von den Zweigen erwartete, oder von äyovog nach der Beschaffenheit der Pflanze und der Wirkung, die man ihr zuschrieb. Dioskorides IISQÌ vlrjg LAZQI-^g I 134 1 : Ayvog rj Jvyog. Zuerst gibt er eine Beschreibung. Dann fährt er fort : Mva^av ök

e%ei d-EQ/javTtxriv,

ßorftei

...

¿ivófiaarai

öh ayvog

yvvaìxag

eig

zàg Qaßöovg OQf.iàg

ozv7tTr/a]v • ó öh -/.agnòg

x a t XQOviag knexopevaig

avzfjg

öia zh zàg b> rolg dedfiOcpoQÌoig

vnóazQU>[.ia XQfjo&ai

avTfj.

avzrjg



evzovov

mvóf.ievog

% —aiiiatv netpvxvia

lepco "líoa;.

Am

Sel

¡iev r¡ Xvyot Feste

der H e r a

fíe iorív be-

143

Die kultische Keuschheit im Altertum

Diese Wirkung schrieb man der Weide auch tatsächlich zu. Nach Plinius Nat. hist. XXIV 61 wirkt die Weide milche r z e u g e n d : Lactis

ubertatem

faciunt

sc. duo généra

viticis.

In

verschiedener Weise fördert sie das Geschlechtsleben des Weibes : sie hilft bei krankhafter Menstruation (Plinius XXIV 59 ; Dioskorides 1134). mit Wasser, in dem der Same der Weide gekocht ist, reinigt man die Gebärmutter (Plin. XXIV 62) 1 . In religiöser Verwendung kommt die Weide noch vor bei der Artemis Orthia in Sparta2. Pausanias (III 16, 11) sagt von ihr: Eakovat de ovv. 'Oç&iav fiévov àk'kà xai AvyoàèoyLav XRJV avr-qv, OTI iv d-âi.iviù Ivyiov svçéd-rj, TteQieihqd-elaa âe f j Xvyog èfioirjae ro iïyah/xa oqd-ôv. M a g die E r k l ä r u n g der Nachricht

des Pausanias, daß die Lygoszweige das Artemisbild ÖQ&ÖV machen, unsicher bleiben — die verschiedenen Deutungen sind angeführt von Thomsen in dem in der Anm. 2 angeführten Aufsatz 410 f. — so ist das eine sicher, daß in diesem Kult die Weide als Lebensrute 8 zu Fruchtbarkeitszwecken verkränzten sich die Schmausenden mit Weidenzweigen. Athenaeas p. 671 ff. (ygl. Bötticher, Baumkultus 333 f.). 1 Allerdings wird sie auch gebraucht als medicamentum sterilitatis, Plin. XVI46; Serv. Verg. Georg. II 48; Aelian. Hist. an. 423; Schol. Nikand. Ther. 71. Vielleicht hat Asklepios von der Heilkraft des ayvoe den Beinamen 'Ayvhas. Pausan. III 14, 7: AavJ.r^iiöv §e taiLi' enixkijois o 'Ayi'i/i fis, ort i\v ayvov rq> &eq> avov. 8. Murr a. a. 0. 103. 2 Diels, Hermes XXXI (1896) 359; Preller-Robert, Griechische Mytho4 logie 309, 3; Nilsson, Griech. Feste 190 ff.; S. Reinach Cultes, mythes et rel. I 180f.; A. Thomsen, Orthia, Archiv f. Rel-Wiss. IX (1906) 406ff.; Heinz Schnabel, Kordax, Archäologische Studien zur Geschichte eines antiken Tanzes und zum Ursprung der griechischen Komödie (München 1910) 35 ff. Über den Kult der Artemis Orthia werde ich in den Erklärungen zu Alkmans Parthenion ausführlich handeln. S. o. 119, 4. 3 W. Mannhardt, Wald- und Feldkulte I 251 ff.; J. A. Dulaure, Die Zeugung in Glauben, Sitten und Bräuchen der Völker, verdeutscht und ergänzt von F. Krauß und K. Reiskel, Beiwerke zum Studium der Anthropophyteia I (Leipzig 1909) 190 ff. Weiden werden außerhalb Griechenlands auch sonst viel zu Fruchtbarkeitszwecken verwendet. Am Laubhüttenfest der Juden, einem alten Erntefest, mit dem die Erinnerung an die Wüstenwanderung Israels verknüpft wurde, waren Büschel aus Zweigen von Myrten, Weiden und Palmen von großer Bedeutung. 'Am siebten, dem großen Hosanna, nahm man zu den übrigen Gewächsen noch ein Bündel von vier Bachweidenzweigen hinzu und umging siebenmal den Brandopferaltar. Nach

144 wendet worden ist. göttin 1.

Engen Fehrle

Artemis Orthia war eine Fruchtbarkeits-

dem Gebete schlug man mit jenem aus Tier Bachweiden bestehenden Bündel so lange auf die Erde, bis alles Laub abgefallen war. Diese und andere Bräuche sollten bewirken, daß die Kegenzeit bald einträte und das kommende Jahr fruchtbar würde (Mannhardt, Wald- u. Feldkulte I 282f.; vgl. Weißenberg, Palästina in Brauch und Glauben der heutigen Juden, Globus XCII (1907) 263). Das Naturfest ist in weiterer Entwicklung gedeutet worden als Erinnerungstag eines sagenhaften Ereignisses, eine Umdeutung, die sich oft findet (Mannhardt a. a. 0. II 215ff.); F. Lundgreen, Die Benutzung der Pflanzenwelt in der alttestamentlichen Beligion, Beiheft zur Zeitschrift für alttestamentliche Wissenschaft XIV (Gießen 1908) 91 ff. — In Rußland schlägt man sich am Palmsonntag mit Weidenzweigen und sagt dazu: Nicht ich schlage, die Weide schlägt; In einer Woche der große Tag; Werde groß, wie die Weide Und gesund wie das Wasser Und reich wie die Erde. (Mannhardt I 256 f. Vgl. ebenda 261. 288. 251 f.). Dieselbe Sitte ist auch in Deutschland und sonst verbreitet. Die Peitschen, mit denen die Mädchen geschlagen werden, sind oft aus Weidenzweigen mit jungen Trieben, damit die Fruchtbarkeitswirkung um so sicherer eintritt (Mannhardt a. a. 0. 252; Dieterich, Sommertag 91). Bei Langensalza ist der Maiknabe mit Zweigen von Weiden, Birken etc. umhüllt. Von der Umhüllung bekommen die Mädchen Zweige und stecken sie ans Fenster (Mannh. 34b). Mit den Palmweidenzweigen kann man sich gegen Dämonen schützen (ebenda I 289. 270. 291). — Die Weide galt den Christen als ein Symbol des Evangeliums, denn wie die Weide gesund bleibe, wenn ihr noch so viele Zweige abgeschnitten werden, so verliere auch das Evangelium nichts durch Verbreitung (J. B. Friedreich, Die Symbolik u. Mythologie der Natur 332, nach Menzel, Christi. Symbolik II 53n). Mit der Weide als Lebensrute steht die irea (oleoixapnos (s. o. 141) im Widerspruch. Dies beruht auf den verschiedenen Beobachtungen, die man an der Weide gemacht hat. Weil man sah, daß sie ihre Früchte' verlor, dachte man sie sich im unfruchtbaren Schattenreich. Zur Lebensrute wurde die Weide benutzt, weil man beobachtete, daß sie im Frühjahr unter den frühesten Pflanzen in Blüte steht und sonst sich als ein äußerst lebenskräftiger Strauch oder Baum erweist. 1 Das Bild der Artemis in Ephesos soll aus Weidenholz gemacht sein; Plin. N. h. XVI 79: De simulacro ipso deae ambigitur. ceteri ex hebeno esse tradunt, Mucianus tertium cos. ex iis, qui proxime viso eo scripsere, vitigineum et numquam mutatum septies restituto templo; hane materiem elegisse End(o)eon. Ferner war das Bild des Dionysos in Weidenzweige eingehüllt. Horn. hymn. VII 13. Vgl. Gruppe, Griech. Mythol. u. Kelgesch.

Die kultische Keuschheit im Altertum

145

Aus der Rolle, die die Weide in der Mythologie und Medizin spielte, ist ersichtlich, daß sie auf die Fruchtbarkeit fördernd wirkte 1 . Dazu paßt auch ihre Verwendung bei der Bovlipov e^elaaig in Chaironeia, von der Plutarch Qu. symp. p. 693F erzählt: Qvaia tig öq^, töjv

sott TKXTQLOQ, rjv o fihv aq%cov ENL t f j g xoivrjg sariag ö' ä/J.ojv '¿v.aoxog erf o'ixov • ytaleZrai öe 'BovMfiov S^EKAAIG'' xai TÖJV OIXSTÜV eva zvnzovxtg ¿yvivaig qdßdoig öict SVQWV i^skavvovaiv, EJtiXeyovreg "E^ü) Bovhf.iov, eaio de nXovtov wxl cFyisiav'2. Der ÖIÄ SVQÜJV herausgetriebene Dämon hat

die Hungersnot bewirkt, er wird deshalb geschlagen und fortgejagt. In ähnlichen Fällen erfolgt das Schlagen mit denselben grünbelaubten Zweigen, die auch im Fruchtbarkeitszauber verwendet werden. Der böse Dämon wird mit den Zweigen einer fruchtbringenden Pflanze geschlagen, weil diese vor allem wirksam sind. Denn es ist cjede Kraft ein ale^is v.a.Y.ov . Auch sonst nimmt man Holz von einer arbor felix, 858, 3 und 1421. Wenn Gruppe meint, die Umhüllung mit Weidenzweigen mache wahrscheinlich, daß im Dienste des Dionysos, 'während der vermißte Gott beklagt wurde, geschlechtliche Enthaltung vorgeschrieben war', so ist dies eine Vermutung, die wohl auf die Deutung des Lygos als keuschheitbefördernde Pflanze zurückgeht, aber nicht notwendig ist. — Das Umwinden eines Götterbildes mit Zweigen kann auch darauf zurückgehen, daß man fürchtete, der Gott gehe aus dem Heiligtum weg. Vgl. Wissowa, Rel. u. Kultus d. R. 170; Weinreich, Antike Heilungswunder 146, 2. 1 Bezeichnend sind die Ausführungen Welckers über den Keuschlammstrauch, Griech. Götterlehre I 368f.: „An den Thesmophorien hatten die Frauen die Tage der Enthaltsamkeit (des ayveveiv) Lygos mit zu ihrem Lager. Allein wenn man sich der umfänglichen, aus zarten Zweigen dicht verwachsenen Lygosbüsche in unangebauten Ebenen Griechenlands, z. B. in der Nähe der Thermopylen, oder in den weiten Flußtälern Kleinasiens erinnert und bedenkt, wie wenig die Bedeutung Keuschlamm hier paßt, so darf man eher vermuten, daß diese prächtigen Büsche als Verstecke der Grotten in der anderen Sage für heimliche Zusammenkunft gleich galten und daß die züchtig andeutende Caeremonie auf die Schäferstunde zielte. Der bei den Heräen in Argos vorkommende Ausdruck lexe$va ist eine starke Stütze dieser Vermutung." s Mannhardt, Mytholog. Forschungen 129ff.; Harrison Prolegomena to the study of greek religionä 95 ff.; Nilsson, Gr. F. 466. 3 H. v. Prott, Arch. f. Rel.-Wiss. IX (1906) 93. Vgl. Preuß, Globus LXXXVI (1904) 361 und besonders Kap. IV, wo nachgewiesen ist, daß das

Religionsgeschichtliche Versuche u. Vorarbeiten VI.

10

Eugen Fehrle

146

einem fruchttragenden Baum, um sich eine günstige Wirkung oder Glück zu sichern oder überhaupt um ein religiöses Vorhaben wirksam zum Ziele zu führen 1 . Wie aber ist diese Ansicht von der die Fruchtbarkeit fördernden Weide zu vereinigen mit den Nachrichten über das Thesmophorienfest, wo ihr eine entgegengesetzte Wirkung zugeschrieben wird ? 2 . Hier hilft eine Nachricht über die Thesmophorien in Milet weiter. Stephanus von Byzanz gibt die allerdings schlecht erhaltene Notiz: Milrjrog, rtofag Ijtupavrig ev Kaqia tGiv Ycbvcov... Jidvf.iog

d'ev

Xtito

ajto

exet

Ttizvcjv,

ov^iTCooiaxolg

TMV

(pyoiv

KVOIKOVVTWV

x c a on

exel

ozi

siekeywv,

jtqwTOV

jtttvg

itq&rov eha erpv.

AeXtyi]tg

Ilirvovoa ot yaq

aito . . . .

lx«zGiv ev

'Leben Gebende' als bestes Mittel gegen das 'Tötliche' gilt. — Hier darf E r w ä h n u n g finden, daß von den Germanen die Weide benutzt wird gegen Blitz und Hagel (Pfannenschmidt, German. Erntefeste (Hannover 1878) 61). 1 W e n n das Feuer im Vestatempel in Rom erloschen ist, wird es angefacht durch Reiben von Hölzern eines fruchtbaren Baumes. Festus Epit. 106, 2 (vgl. Jordan, Tempel der Vesta 80; Wissowa, Religion und Kultus d. R. 144). Auch bei der römischen Hochzeit spielt die arbor felix eine Rolle (Preuner, Hestia-Vesta 70). Zum Zaubern ist Holz von fruchttragenden Bäumen am besten (A. Dieterich Papyr. magic. Lugd. Bat. Fleckeis. Jahrb. Suppl. X V I (1888) p. 806, V I I l f . ) . Die Germanen gebrauchen virgarn frugiferae arbori decisam zum Losen (Tacitus German. 10; vgl. Müllenhoff im Kommentar dazu). — In diesem Zusammenhang können vielleicht die Verse 1201 ff. in Sophokles' Antigone verstanden werden. Der Bote berichtet, die Leiche des Polyneikes sei gefunden worden. Aovaavrss ayvov XOVTQOV , iv veoonaoiv | 9 aXXols, o Srj 'XSXSITCTO, ] b/.tQioojiov aw . . I reroy.viag xai Tqecpovorjg \ y.aì eàv id', lovg de ausgedrückt für beide Geschlechter durch ywaixos aal avdgos, ähnlich wie in der Inschrift von Pergamon (Ditt. Syll.2 II no. 566, s. oben 134 f.) beide

Geschlechter genannt sind: dnö phv rrje ¿Sias ywaixos aal TOV ISiov av§^6s und a.710 Se dXXorpiae xai aV.OTPIOV. — 'Avil WXTOS erklärt Dittenberger ea ipsa nocte und verweist auf Hesych: avrerovs TOV avrov ezovs (Syll.2 no. 438 Anm. 26); Lebas-Foucart Inscr. II no. 352: dvr iviavrov-, Prott. Legg. sacr. p. 23. 1 2

Vgl. Arch. f. Eel.-Wiss. XII (1909) 224 ff. 8 S. oben 84, 3. S. 0. 137 f.

Die kultische Keuschheit im Altertum oi[VQav xal

xat

%eiynq B/ovxi

'Olv/.t-

%a

Xeq-

Zum Schluß Z. 52 folgt noch eine Anrufung: Zev

Nilsson, Gr. F. 258 setzt das Fest mit Unrecht unter die Artemisfeste.

Die knitische Keuschheit im Altertum

163

nal rs xat "A),u ml IlaQ&ivE Y.AL &eoi ' 0~kvy.itLOI x. Eine Widmungsinschrift aus Chersonesos, die Latyschev Inscript. ant. orae sept. Ponti Eux. vol. I V no. 84 der Schrift wegen ins vierte Jahrhundert v. Chr. setzt, lautet: [cO dew-a] Tlöaiog [¿ved^yie] IJctQ&evq}. Von einem Priester der naqd-svog ist in einer dort gefundenen Inschrift berichtet (Latyschev, ebenda I V no. 83): Bioiv hj.ua. AvzißUov Biwvog rov Zifiia ßaaikevaag VTIIQ ZOV Ttaxqbg nctQd-evip ieQtbg IOJV. Latyschev setzt die Inschrift ins vierte oder dritte vorchristliche Jahrhundert. Nicht älter als aus dem zweiten Jahrhundert ist nach Latyschev ( I Y no. 85) folgende Inschrift aus derselben Stadt: J^hog ^Arcokkä HaqMvm •/.ar ivvTtviov. Sie ist auf einer antiken Begräbnisstätte gefunden. Noch in der Römerzeit muß die Göttin naq&tvog dort verehrt worden sein, wie eine Inschrift zeigt, die nach Latyschev nicht älter sein kann (IV no. 86): ... 6 delva Zrfto[v VTCEQ rajQovQiov [TOV Mt]TGO\dd)Qov lf:[Qattv(javzog ?] IIctQd-evip. Im thrakischen Neopolis wurde nach einer Inschrift aus dem Jahre 410 v. Chr. eine Göttin naqd-ivog verehrt (Dittenberger Syll.2 no. 49, Z. 36, 48, 54). Diese ist dargestellt auf einem Relief in der Sammlung der Archäologischen Gesellschaft zu Athen 2 . Auf dem Stein wird berichtet von Verhandlungen zwischen Athen und der Stadt Neopolis. Über der Inschrift ist das Relief: Athene reicht der Stadtgöttin von Neopolis, der die Bezeichnung naqd-evog beigeschrieben ist, die Hand. Die Parthenos hat einen Kopfaufsatz 8 und führt die linke Hand nach der Brust. Aus dem Relief allein könnte man noch nicht schließen, ob das thrakische Neopolis oder das in Pellen e gemeint sei. Für das thrakische entscheidet eine Münze, auf der die Parthenos von Neopolis ebenfalls abgebildet ist 4 . Auf der Insel Thera ist eine IIaq-9-evog Aegia bekannt { I G X I I 3 n. 440) 5 . Vgl. Usener, Dreiheit, Rhein. Mus. L V I I I (1903) 18. 23. 324, 4. Eichard Schöne, Griechische Beliefs aus athenischen Sammlungen (Leipzig 1872) Tafel V I I ; siehe Schönes Erklärungen 23 f. 1

2

3 Siehe Dragendorff, Die Amtstracht der Vestalinnen, Rh. Mus. L I 4 Schöne a. a. 0. 23. (1896) 281 ff. 6 S. Usener, Ehein. Mus. L V I I I 324 Anm. 4. 11*

Eugen Fehrle

164

In einer Inschrift aus Halikarnass aus der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts v. Chr. ist neben Apollon und Athene die Göttin naqd-ivoq g e n a n n t 1 (Dittenberger Syll.2 I 11, 22). Auch in Boeotien genoß eine Göttin mit demselben Namen Verehrung (Collitz, Dialektinschriften I no. 762, aus hellenistischer Zeit): IÜ)TI]QIS %AIQ£. ITAGD-EVA YALQE. Die Beispiele zeigen, daß man in verschiedenen Gegenden Griechenlands den Begriff der TtaQ&svia in Form einer persönlichen Göttin nagd-evos verehrte. Um das Wesen dieser göttlichen Tlagd-evoi zu zeigen, muß ich auf die Bedeutung und Entwicklung des Wortes aaQ&evos kurz eingehen \ IIctQ&evos bezeichnet zunächst das junge Weib in der Blüte der J a h r e und zwar vom Mädchen, das anfängt zur Jungfrau zu erblühen, bis zur vv/.uprj3. In Sophokles' Trach. v. 1219 ff. befiehlt Herakles seinem Sohne Hyllos die Iole zu heiraten, die er otaq^svos nennt; v. 1225ff. sagt er von ihr: Mrjd' äXkog ävÖQ&v rolg «¡uolg nkevQOlg ofiov K'ud-elaav avirjv uvxl aov "Ldßoi JCOTS, 'AkV avzös, iä

avzai ötvzeqa

rprjOL öia

GaQyrft.iGivog /.irjvog,

evarrj

[iev

de (pd-Lvovzog zix jtXvvtrjqia'

zov ¿bdvaiov

zrjg siygavXov

liti

%a utv

evzog

eviavzov

ftt] nlvd-ijvai eo&fjTcts- Plutarch Alkib. 34 setzt die Plynterien a n : Oagyr-Xiojvog

sxzj]

(p&ivovzog

.

3

Über die Kallynterien ist sonst nichts überliefert, aus dem Namen kann man schließen, daß sie ein Verschönerungsfest waren. Mehr wissen wir über die Plynterien 4 . Sie waren ein Reinigungsfest, wie der Name besagt. Xenoph. Hell. I 4 , 1 2 : KaxenXevaev TOV eöovg5 aveitiivfieiov

Ig tov ITeigaiä

^jf-iega fj nXvvzr'jOia

y.azaxtxakv/.t/.iei'Ov elvai

ev zavzrj zfj r^isoa

y.al avzGj nal

zftg

'Adrjväg,

fjyev fj TtöXig,

o zivtg

oiiovitovzo

zfj rcöXei • 'A&rjvaiiov yaq

ovöevog arcovdaiov

eqyov ToX^ifjoai äv

oiiöetg

äipaa-3-ai.

Der Ursprung des Festes ist im Lexikon des Photios (s. o.) darauf zurückgeführt, daß wegen des Todes der Aglauros während eines Jahres man die Kleider nicht mehr gewaschen habe. Daß dieses a'ixiov wie soviele andere nicht als wirklich genommen zu werden braucht, liegt auf der Hand. E s hat nur Wert als Beleg für den Kultbrauch des Waschens. Außerdem könnte man daraus schließen, die Plynterien seien ursprüng1 Weitere Belege bei Mommsen, Heortologie 8 ff.; Ders., Feste der Stadt Athen 420f.; Farneil Cidts I 291 ff. und III 39. 2 A. Dieterich, Sommertag, Arch. f. Kel.-Wiss. VIII (1905) Bei3 Harrison Prol,2 heft 82 ff. 115. 4 Die Zeugnisse sind sorgfältig gesammelt von Farnell Cults I o83 f.; vgl. J. de Prott et Lud. Ziehen Leges Graecoriim, sacrae fasc. I. fasti sacri (Leipzig 1896) 5ff.; pars II p. 58ff, 6 Vgl. Petersen, Burgtempel d. Athenaia 56.

172

Eugen Fehrle

lieh der Aglauros zu Ehren gefeiert worden. Als Bestätigung hierfür könnte Hesych herangezogen werden, der dies unter nXvvrrjQia überliefert. Dasselbe Fest meint vielleicht Athenagoras Leg. I ed. Schwartz p. 1: "Ayqavlaj y.al zelezag xai fivazi]Qia 'Ad-rjvaloi äyovaiv xal IlavÖQoaii). Es wäre möglich, daß diese Nachrichten auf gute alte Quellen zurückgingen und man daraus schließen könnte, die Plynterien hätten ursprünglich der Aglauros und Pandrosos gegolten (S. u. 194). Zur Erklärung der Plynterien ist nicht viel damit gewonnen. Plutarch (Alkib. 34) erzählt über den Gang des Festes: 'Edqäzo za TTkvvzrjQLa z f j • ÖQÖIOI de ta oqyia Ilgal-ieQyidai daQyrjhwvos '¿y.zfj (p&lvovzog äitÖQQTjza röv zs ytoofiov xa&eXovreg xai zb eöog y.azctyalvipctvzsg. Ergänzt wird diese Erzählung durch die Notizen bei Hesych s. nga^ieQyiäai- oi zb söog tö dqyalov z^g 'Ad-rjväg aurpievvvvzeg, Photios Lex. (Naber I 394) S. stovzqideg' dvo XOQCCI TTSQI zb eöog zfjg S/O-qväg" iy.a'Lovvzo de aviai y.al nXvvzQideg. ovtwg 'Agiazotpdvrjg; im Etymolog. M. s. y.azaviitzr]g" fj ejtwvvuöv zivng fj ieQwavvt] 'slibrjVtjGL, o za xdza> zov nejtXov zftg l4&r)väg qv7taivo/.teva aTtorcXvvwv, und die I n s c h r i f t I G I I 1, 469, 9 f.: 'JEigtfyayov (sc. oi erprßoi) de Kai zrjv ITaXldda ^[alrjQol v.ayü&ev itaXiv ovvei]oi]yayov fiezä cpiozog ueza Ttaorjg evxoo/.uag, ferner durch Suidas 4 p. 1273 (ed. Bernhardy): Ol Nopiocpvlaxeg . . . . Kai z f j üalXddi zi]v Tto/ATiijv ey.oaf.iovv, oze KO/XI^OCZO zb £oavov eni zip d-dXaaoav, Pollux 8, 141 (p. 355 Bekker): negioyoivioai zu IEQCC eXeyov iv zotig &7to(pqdat TÖ ¿7Coq>Qd^ai, oiov UXvvvrßioig 1.

Nach all diesen Berichten ist der Gang des Festes etwa folgender: Dem alten Holzbilde der Athene wurden Schmuck und Kleidung abgenommen, dann geleitete man es, nachdem es in ein großes Tuch eingehüllt war, in feierlicher Prozession nach dem Meere. Dort wurde es gewaschen, wieder bekleidet und geschmückt und abends bei Fackelschein in seinen Tempel zurückgebracht. Das Fest wird in einigen der oben erwähnten Berichte bezeichnet als ¿/lÖQQrjza, ogyia, f.ivazr/Qia, zeXezaL Was soll die Waschung des alten Kultbildes der Athene 1

G. Hock, Griech. Weihegebräuche 26.

Die kultische Keuschheit im Altertum

173

bedeuten? Es scheint mir völlig ausgeschlossen, daß es sich nur darum handelt, das etwa durch Staub beschmutzte Bild sauber zu machen, oder um eine Reinigung, „die von dem rationalistischen Gedanken ausgeht, daß der Tempel bei der fortwährenden Benützung leicht in seiner Heiligkeit eine Einbuße erleiden könne" (Hock, Griech. Weihegebräuche 83). Schon die Ausdrücke àitÔQçiqra, 'ogyia, /.tvOTrjçia, relerai wären dadurch nicht oder höchstens z. T. erklärt. Weiter führt Hock als Grund der Reinigung von Götterbildern „die viel tiefere Idee" an, „daß die Gottheit zu gewissen Zeiten chthonischen Mächten unterliegt, fortgeht, stirbt, sich durch irgendeine Verschuldung befleckt, weshalb ihr Tempel und vor allem ihr Bildnis neu geweiht werden müssen". Auch diese Ursache der Reinigung reicht zur Erklärung der Plynterien nicht hin. Die Betrachtung anderer Reinigungen des Bildes einer Göttin wird uns eher auf richtige Wege führen. Ausführlich ist die Reinigung des H e r a b i l d e s am Feste der T o n a i a auf S a m o s erzählt (s. o. 142f.) Das alte Bild der Göttin wurde jedes Jahr zum teçoç yâjxoç ans Meer gebracht. Zum Schluß der Feier wird die Göttin, d. h. ihr Bild, im Meere gereinigt und wieder in ihr Heiligtum zurückgebracht Mit der Waschung im Meere wird die Befleckung durch das Beilager von der Göttin genommen. In Plataiai wurde das Herabild ebenfalls jedes Jahr an den Fluß gebracht, gebadet und wieder zurückgeführt. Hera ist hier deutlich bezeichnet als Braut des Zeus. Die mit dem Fest verbundenen Sitten entsprechen genau den sonst üblichen Hochzeitsbräuchen 2 . Die Waschung kann kaum etwas anderes bedeuten, als die Reinigung der Göttin nach dem Beilager mit Zeus. Das ganze Fest ist ein Frühjahrfruchtbarkeitsumzug. 1 Die Bilder waren nach griechischem Glauben von der Gottheit belebt : J. Martha Les sacerdoces athéniens, Thèse présentée à la faculté des lettres de Paris X X V (1881) 45 ff. ; De Jong De Apuleio Isiacorum mysteriorum teste (Diss. Leiden 1900) 136 ff. ; Hock, Griech. Weihegebräuche 66 ; Weinreich, Antike Heilungswunder 137 ff. 2 Paus. IX 3; Bötticher, Tektonik 2 II 556f.; Roscher, Studien zur vergleich. Mythologie der Griechen und Römer II, Juno und Hera 78 ff. ; V. Bérard De l'origine des cultes Arcadiens 145 ff.

Eugen Fehrle

174

Auf einen ähnlichen Kultbrauch wird die von Aelian erzählte Legende zurückzuführen sein, Hera habe nach dem Beilager mit Zeus im Flusse gebadet (s. o. 28 f.). Ü b e r d i e A r t e m i s D a i t i s i s t i m Etymologicum p.

252,

aitb

TOiavTrjg

re -aal xal

1 1 ff. ü b e r l i e f e r t : icprßiov

ayaXua

tsQipiv,

aXoTirjyiüJV

KXv/xevt] %orcov

TOV

^ori/.iiöog,

/.tera

TTJV S-eov

avvayovoai alag

IviavrG)

xaxiXaße, öi'

elg

ecpiq öelv

aXXa riva d'klgrjg

ablag.

xal

Janig-

xöqai

TOVTOV

xal

ov efyqvfieviaavTO

TOV %GJV V-OQÜJV xal

irjv

ßaaiXewg

xi]v ex TOV XtiuCiivog Kai

ol de

7taosihf/.av yevopevov

t f j -9eqi ¿vrl

dalrag

TWV ecpiqßMV igörtov.

xoqwv

eyovaa naidiav

ex TG>v öairog.

Tfjg -9-eov xal

dcecp&elQOVTO • XQtjauog

d-eov xal

eiQt]tai

fiiTcc

avzfj Kai

ovv

EJtereXeaav ex TOV

de xal

at /.tev oeXiva

ecpqßoi

[ifjvig

Magnum

'Ecpeoq).

rfccQayevofievr],

TOVTOV

evwyelod-ai.

veoi

iv

it-v/aziio

avsxXivav,

Xaßövisg /.irj

%ojtog

xal

itXrplov tq> Xoifiog edö&rj, v.azcx avußdvtog

TOV XOLIXOV rj TS -9-eog y.al 6 xwrog daxo Tijg daiTog Jan ig 7tqooriyoQevdT[. Dazu tritt ergänzend eine Inschrift, die K. Heberdey im Beiblatt der Jahreshefte des österreichischen archäologischen Institutes in Wien, Band VII (1904) Sp. 44 veröffentlicht und in einer Abhandlung: „Janlg. Ein Beitrag zum ephesischen Artemiskult" zusammen mit anderen Nachrichten im selben Jahrgang jener Zeitschrift Seite 210 ff. ausführlich besprochen hat. An seine Darlegungen knüpfe ich an, doch ordne ich einzelne Teile anders, so daß das Fest etwa folgenden Verlauf genommen hätte: jedes Jahr wurde das Holzbild der Artemis entkleidet und in feierlicher Prozession von Jünglingen und Jungfrauen unter Gesang an das Meer gebracht. Schmuck und Gewand trug man der Göttin nach. Am Meeresstrand wurde das Bild von Jungfrauen auf Zweige besonders von Eppich gelegt und bewirtet. Loblieder erschallten der Göttin. Alles entfernte sich, tanzte und feierte. Vielleicht blieb das Bild einige Tage an dem ihm geweihten Heiligtum am Strande, vielleicht auch nur kurze Zeit. Jedenfalls wurde es nachher wieder in seinen Tempel zurückgebracht.

7tavoa/.ievov

Mit einer einfachen Reinigung ist der Festbrauch keineswegs erklärt. Es kann sich kaum um etwas anderes handeln

Die kultische Keuschheit im Altertum

175

als um einen IBQOS yduog. Dem Wesen der ephesischen Artemis ist dies auch nicht fremd 1 . In Rom wurde nach phrygischem Vorbild jeweils im März die G r o ß e M u t t e r zusammen mit A t t i s gefeiert. Dies war ein Frühlingsfest. Attis stirbt, wird drei Tage betrauert, steht dann wieder von den Toten auf. Die Epiphanie des wiederauferstandenen Gottes gibt Anlaß zu einem Freudenfest, den Hilaria. Jetzt feiert der Gott seine Hochzeit mit der Großen Mutter. Den Schluß der Freudenfeier bildet ein kultisches Bad, die lavatio im Almo. H. Hepding, der in seinem Buch: Attis, seine Mythen und sein Kult 2 die Zeugnisse über diese Begehungen gesammelt und erklärt hat, erzählt S. 173 f. die lavatio so: „Am Morgen dieses Tages wurde das silberne Kultbild der Großen Mutter . . . . auf einem von Kühen gezogenen Wagen von dem palatinischen Heiligtum durch die Porta Capena zu dem kleinen Bach Almo gefahren . . . In dem warmen Wasser des Flüßchens wurde nun das Kultbild der Göttin von dem Archigallus gebadet, auch die Löwen, der Wagen und die übrigen sacra wurden von ihm gewaschen. Dann kehrte die Prozession wieder nach der Stadt zurück, und überall wurde der Wagen der Großen Mutter mit einem Regen von frischen Frühlingsblumen überschüttet. Die Gallen benutzten wohl die Gelegenheit zu der üblichen Geldsammlung." Über den Grund des Badens urteilt Hepding S. 216 m. E. sehr richtig: „Die übliche Deutung dieser Zeremonie als Reinigung der Göttermutter nach der Todesfeier in ihrem Heiligtum scheint mir nicht gut zu passen; denn es läßt sich nicht einsehen, warum die Göttin nach dem Freudenfest der Auferstehung des Attis erst an diesem Tage %ov Ttevd-ovg I r f f u . Für ganz verfehlt halte ich die Erklärung dieses Bades als ein Regenzauber. Es ist, glaube ich, vielmehr ursprünglich ein Lustrationsritus, wie wir ihn auch in anderen Kulten und Mythen nach dem heiligen Beilager des Götterpaares finden." 1

Zu den Sagen über das Bad der Artemis vgl. S. Eeinach Cultes III 24 ff. 2 Eeligionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten, herausg. von A. Dieterich u. E. Wünsch, I. Bd, passiin bes. 133 f. 143 ff. 172 ff. 216 f. Vgl. Frazer The golden bough3, pari IV, Adonis Attis Osiris 233 f.

176

Eugen Fehrle

Bei all diesen Festen haben wir dieselben Vorgänge Daß bei der lückenhaften Überlieferung bald dieses bald jenes fehlt, darf nicht befremden. Vieles war gewiß auch schon in antiker Zeit anders gestaltet oder weggelassen, weil man den Ritus in seiner ursprünglichen Bedeutung bald nicht mehr erkannte. Damit soll nicht gesagt sein, daß alle Riten bei allen Festen einmal in gleicher Form üblich gewesen seien. Waren ja doch auch die Hochzeitsbräuche, auf die ich diese Begehungen zurückführe, an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten verschieden. Die Hauptpunkte der Riten sind folgende: Das Bild einer Göttin wurde ohne die übliche Gewandung in feierlicher Prozession ans Meer oder an einen Fluß gebracht, dort bereitete man ihm ein Brautlager, setzte ihm ein Mahl vor, sang und tanzte, ganz wie bei Hochzeiten, ließ es auf einige Zeit allein, „während der man den Besuch des Gatten annahm" (Nilsson, Gr. F. 48), dann wurde es gebadet und heimgeführt. Nur durch einen liQog yduog erklären sich ungezwungen alle Vorgänge und der mysteriöse Charakter dieser Feste. Betrachten wir jetzt wieder die Plynterien: Mit dem Monat Thargelion, in dem sie gefeiert wurden, beginnt die OTCWQCC 2, die Zeit, in der die Früchte reifen sollen, da ist ein Segensritus sehr angebracht 3 . Ein IEQOS ydfiog wird häufig veranstaltet, um Fruchtbarkeit für Felder und Menschen zu er1 Aus den mythologischen Erzählungen, daß eine Göttin nach dem Beilager mit einem Qotte im Fluß gebadet habe, wird man auf alten Kultbrauch schließen dürfen. S. o. 28 f. — Durch das Baden eines Götterbildes werden Befleckungen verschiedenster Art von der Gottheit entfernt. Yiel Literatur darüber gibt Gruppe, Gr. Myth. und Kel.gesch. 821, 2. a J. E. Harrison Mythology and monuments of ancient Athens 30. 3 Es wäre unrichtig, gegen meine Auffassung der Plynterien geltend machen zu wollen, der Name zeige, daß sie ein Reinigungsfest waren. Denn oft haben Feste ihren Namen von einer einzelnen Begehung. Und gerade bei Fruchtbarkeitsfesten kann man in vielen Fällen beobachten, daß sie nach dem einen Teil benannt sind, der Reinigung. Diese trat von. vornherein mehr hervor als der eigentliche Fruchtbarkeitsritus, dann wurde oft letzterer bald nicht mehr verstanden und das ganze als Reinigung aufgefaßt. Diese Tatsache ist nicht nur für das Altertum geltend, sondern hat auch manche Forscher unserer Zeit dazu verführt, die Eeinigung als einzigen Zweck oder wenigstens als Hauptsache mancher Fruchtbarkeits. riten anzusehen.

177

Die kultische Keuschheit im Altertum

zwingen Würde man einen solchen yd/.ios der Athene (oder der von ihr verdrängten Aglauros) annehmen, dann könnten die Plynterien aufgefaßt werden als die Reinigung der Göttin nach der awovaia. Damit wäre auch eine Erklärung der Kallynterien ermöglicht, die allerdings auch nur Vermutung sein kann, immerhin aber so wahrscheinlich ist als die bisher gegebenen. Dem Namen nach sind die Kallynterien ein Verschönerungsfest. Wenn es sich bei den Plynterien um einen leqog yd/.tog handelt, liegt es nahe, das vorausgehende Verschönerungsfest auf die Schmückung der Braut zu beziehen 2. Im Sommer (Juni-Juli) fanden die S k i r o p h o r i e n statt 3 . An ihnen wurde eine der oben genannten heiligen Pflügungen abgehalten. In einer Flurprozession betete man um Segen für die Felder. Die Skirophorien waren ein Fest der Frauen und hatten ähnlichen Charakter wie die Thesmophorien. Sie galten ursprünglich der Athene, wie besonders E. Rohde, Kl. Sehr. I I 370 ff. gezeigt hat. Erst als der Demeterkult mehr Einfluß in Athen gewann, wurden sie der eleusinischen Mutter zugeschrieben. S. o. 170. Im selben Monat wie die Skirophorien wurden die E r r h e oder A r r h e p h o r i e n gefeiert 4 . Pausanias ( I 27, 3) gibt 1

Siehe oben 8 9 f . ; Dieterich, Mutter Erde 94f. 106; Eisler, Welten-

mantel und Himmelszelt 182. 370. 544. 552. 558, 3. 564. 605; Gruppe, Gr. Myth. und Rel.gesch. 421 f. 1111 ff.; Mannhardt, W a l d - und Feldkulte 469. 480ff. 589; Oldenberg, Religion

des Veda 445. 506f.; Curtiss,

I

Ur-

semitische Religion im Volksleben des heutigen Orients (Leipzig 1903) 119; Preuß, Globus L X X X I I I (1903) 269; ebenda L X X X V I (1904) 356ff.; PloßBartels, Das W e i b ' I 558. 2

"Ev nvi

Der Scholiast zu Kallimachos Eis

rrjs 'A&tjvns Xoveiv.

IOVTQO.

irjs IlalXaSos

v. 1 erzählt:

ijfiepq wpiOfievfl i&os tlyov at 'Apyeiai yvvalxss laußdveiv itat ro Ztiofir/Sovs aaxos xai tiyeiv

eni

io

ayaljxa

TOV "Ivayov xaxel

Damit ist ein weiteres Kultbad der Athene bezeugt.

ano-

Über Bäder

der Athene v g l . außerdem: Bergk, Kl. Sehr. I I 659; Gruppe, Griech. Myth. und Rel.gesch. 77 u. 534, 2; E. Maaß, Athen. Mitteil. X X

(1895) 352f.;

Nilsson, Griech. Feste 256. 3

Mominsen, Feste der Stadt Athen 507f.; E. Rohde, Kl. Sehr. I I

370ff.; Pfuhl De Atheniensium

pompis

sacris 92 ff.; Farnell

Culis I 292

und I I I 39 ff. 4 Mommsen, Heortologie 443ff.; Derselbe, Feste der Stadt Athen 509f.; Religionsgeschichtliche Versuche u. Vorarbeiten VI.

12

Eugen Fehrle

178

darüber einen längeren, allerdings verworrenen oder dunkel gehaltenen Bericht: naqd-svot övo rov vaov rfjg üohddog oixovaiv ctvTai

ov

isvrjs in\

rag

xscpalag onoiov —

n

eari

avzoiAceTrj

— Tag

ögGtai

sv

j4&rjväg

zavTj]

xariaaiv

/.tev

¿cptäaiv

ai

taig

ri

ocpioiv

(pegsiv,

ovre f j

cpegovoaig

ertiaia-

i f j g xa).ovi.ievrjg

avrov

TCaq9-£voi.

de alXo

jzaQayevo-

avad-sloal

öidcjoi

t'fj nöXsi

Y.OU ÖL

JVOQQW

kaßovaai

ovts

sv

aQQi]rp0Q0vg •

%f] D-eot,

roidcöe,

Uqsia

siövla

arpäg

jtaga

VV/JIL

3

didwaiv ov

'A9nqvaloi

£%ovai

de TteqLßoXog

Q6F.iEva leijtovaiv,

xai

de

öiacrav

a fj rfjg

KrjTCOig sirpQodizrjg

vov

xalovai

(.tev riva

i f j g eoQrfjg

öiöovaa jjsvaig

rtoQQü),

XQOVOV

xä9-odog xarcü

¡.tev örj ia

Y.O/.IL^OVOLV

fjSrj %b swev&sv,

ktiqag

ev

VTtoyaiog cpe-

eyy.ey.alvi.ii.ieds

ig

rrjv

Wer in diesen Dingen zu lesen versteht, sieht schon aus den Andeutungen, daß es sich um aQQrjia handelt, und Toepffer urteilt gewiß richtig, daß der Xöyog cpvaiix.bg TVEQI rf.g rwv yaqnütv yeveaswg v.al ttJs TWV ävd-QUJTtwv oitoQäg den Kern der Feier ausmache, d. h. das Fest ist eine Fruchtbarkeitsfeier. Im Anfang des Monats Pyanopsion (Oktober-November) feierten die Athener ein aus mehreren Teilen bestehendes H e r b s t f e s t , in dem man den Göttern dankte für die Gaben, die das Jahr gebracht hatte, und zugleich um neuen Segen bat 1 . Ein Teil dieses Festes waren die O s c h o p h o r i e n 2 . Sie galten dem Dionysos und der Athene Skiras. Die Festprozession, in der Rebzweige (oa%oi) mit reifen Trauben getragen wurden, ging vom Dionysosheiligtum in der Stadt zum Tempel der Athene Skiras im Phaleron 3 . ¿KQOJtohv

TtciQ&evovg

ayovaiv

&VT

avzCbv.

Harrison Journal of hell. stud. XII (1891) 351 f.; Töpffer, Attische Genealogie 121; Kohde, Kl. Schriften II 355 ff. an verschiedenen Stellen; Dümmler, Kl. Sehr. II 4 4 f . ; Frazer, Kommentar zu Paus. I 27, 3, ß d II 344f.; Farneil Cults I 289. 1 Mannhardt, Wald- und Feldkulte II 214ff. 254ft.; Stengel, Kultusaltertümer 2 201 ff.; Pfuhl De Alheniensium pompis sacris 47 ff.; A. Dieterich, Sommertag, Archiv für Rel.-Wiss. VIII (1905) Beiheft 99 ff. 2 Mommsen, Heortologie 271 f.; Preller-Robert, Gr. Myth. 4 207ff.; Farneil Cults I 291 f. 3 Verschiedene Vermutungen sind darüber laut geworden, mit welchem Hecht Athene an den Oschophorien teilnehme. Pfuhl a. a. 0. 50 hat sie zusammengestellt.

Die kultische Keuschheit im Altertum

179

Das Hauptfest der Athene, die P a n a t h e n a e e n , ist so von äußerer Pracht überstrahlt, daß man zunächst glauben möchte, es sei aus ihm wenig von altem Kult mehr ersichtlich. Und doch gibt eine genaue Prüfung der Nachrichten, die zum T e i l auf gute Quellen zurückgehen oder selbst noch bei alten zuverlässigen Schriftstellern erhalten sind, mehr Aufschluß über alten Athenekult als bei irgendeinem der bisher betrachteten Feste 1 . Das Fest hieß ursprünglich ^Athqvaia, wie wir aus der Atthis des Istros erfahren 2 , und wurde in alter Zeit von den Bauern, die um die Akropolis herum wohnten, jedes Jahr gefeiert zu Ehren ihrer Schutzgöttin, nach der sie sich benannten. Als die einzelnen attischen Gaue sich vereinigten, feierten sie das Fest zusammen und nannten es navaônqvaia, ähnlich wie die Ionier nach ihrer Vereinigung Ilaviwvia, die Ätolier Jlavairwha,

die Böotier na/.ißoi(I)tia

feierten3.

M i t dem A u f -

blühen der athenischen Polis, besonders im 6. Jahrhundert, wurde das Fest mit großer Pracht gefeiert 4 und die alten Bauernbräuche mehr zurückgedrängt. Dem eigentlichen Festtage, dem 28. Hekatombaion, ging •eine Nachtfeier (itavw%ic,) voraus 5 . Am anderen Morgen bei Sonnenaufgang 6 setzte sich die Prozession vom Dipylon aus in Bewegung und endete auf der Akropolis 7. In der Prozession 1 Albert Wellauer Étude sur la fête des Panathénées dans l'ancienne Athènes, Lausanne 1899; Pfuhl De Athen, p. s. 3 ff. ; Farnell Cuits I 294 ff. Die Zeugnisse hat Parnell a. a. 0. 394 ff. A. 6 zusammengestellt. * Harpokration (p. 234, 11 ff.) S. V. llava&rjvaia . . . ïjyaye Se rrjv ioQfr\v TiQtôros 'Eçix&àvios o 'jSyaiorov, xa&â tprjaiv 'EXXdvixos re xal AvSçox'uov, exarepos èv A 'Ard'iSos ( F H G r I p. 54 no. 65) ' TZÇO TOVTOV Si 'Adrjvaia cxaXelTO, coi SeSijXcoxev "IOTQOS èv Y rcôv 'Axnxwv (FHG I p. 419 no. 7). Vgl. Pfuhl a. a. 0. 28 A. 184. 3 Das hat Pfuhl 28ff. auseinandergesetzt. — Die Umänderung des Festes wird von Pausanias V I I I 2, 1 und Plutarch, Thes. 24, dem Theseus zugeschrieben, d. h. für geschichtliche Betrachtung: noch in spätantiker Zeit hatte sich die Erinnerung daran erhalten, daß die Umwandlung der 'Adrjvaia in navadr.vaia im Zusammenhang stand mit der Verfassungsänderung einer Epoche, für die Theseus nur der Name ist. 4 Man unterschied jetzt große und kleine Panathenäen. Erstere 5 Dittenberger Syll.2 Tvurden nur alle vier Jahre gefeiert. 634. 6 I G I I 163 v. 34. 7 Siehe besonders Pfuhl 23 ff. 12*

Eugen Fehrle

180

wurde auf einem Wagen oder später auf einer eigenartigen Maschinerie ein Schiff mitgeführt 1 . Der Peplos, der der Göttin dargebracht werden sollte, war an den Segelstangen des Schiffes ausgespannt. E r wurde der a l t e n Athene dargebracht, d. h. das a l t e Kultbild der Göttin wurde damit bekleidet 2 . In der Prozession wurde eine aiotaiüvrj8 mitgetragen, Schol. Clem. Alex. Protr. ed. Stälilin 10, 10 p. 299: 'Eouo zrjv xal

Xtyouivrjv raivlaig

eXaiag)

xat

eloeaiwvrjv

vcpaaudtojv ¿KQodgvotg

(piqaiv, ftv ouxotq Xivtcov

navxoioig

(¿¡v de

TteQiaQrCovreg

jtoXiv ifj IToXidöi

'4-d-ijvaioi ITavad-tjvaioig,

'eiQeaubvrj

cpigei

avna

xal

TceQieiXovvctg

xXadog

fifjXa3

xcu

ovnog e^rjg.

egioig

ärto t^g

uoqiag

&vfjyov sig

&kqö-

ZTttvcpr'(.iovvxfig. Ferner

trugen

Jünglinge Myrtenzweige und sehr wahrscheinlich auch Myrtenkränze 6 . Ältere Männer, die sich durch Schönheit auszeichneten, hatten Zweige und wurden deshalb d-aXXocpÖQoc genannt 6 . Jungfrauen von gutem Ruf und vornehmer Herkunft, die xavrjcpÖQoi, trugen in Körben Gerste, Schalen^ Binden u. a. mit 7 . Ein Herold betete von Staats wegen um. Glück für die Athener und seit der Schlacht bei Marathon auch für die Platäer 8 . 4

Ich habe nur einzelne Teile des Festes hervorgehoben, die mir wichtig schienen, um den r e l i g i ö s e n Inhalt der Panathenäen zu erkennen, und die mir den Hauptinhalt de& a l t e n Festes zu bilden schienen, und will in kurzen Umrissen skizzieren, wie ich diese Begehungen deute. Im Monat Hekatombaion begann das attische Jahr, denn zu dieser Zeit feierte die Göttin, die über der ganzen Polis waltete, Athene, ihren Geburtstag, und zwar am 28., am eigentlichen Festtag 9 . E s ist die Zeit, in der die reifen Belege bei Pfuhl 9 ff. * Ebenda 6. Was Mannhardt, Wald- und Feldkulte I I 257, 2 gegen die eiQtoioivq an den Panathenäen anführt und Hock, Griech. Weihegebräuche 84, A billigt, ist nicht beweisend. Gerade Mannhardt's Ausführungen (ebenda 218 ff.) lassen die Möglichkeit offen, daß die Notiz des Scholiasten indirekt auf Philochoros und damit eine der besten Quellen zurückgehe. 4 Pfuhl 18, 115. 6 Pfuhl 20, 130. S. o. 117. 6 Ebenda 19, 119. 7 Ebenda 20f. 8 Herodot VI 111. 9 W. Schmidt, Geburtstag im Altertum, Rel.gesch. Vers, und Vorarb.. VII (1909) 99 ff. 1

3

181

Die kultische Keuschheit im Altertum

Früchte heimgebracht werden. Wie es heute noch an vielen Orten geschieht, veranstalteten schon die Griechen des Altertums „Sommertagszüge", in denen man sich den Segen einer Gottheit erflehte \ „Überblickt man die Zeitangaben, die wir in den Nachrichten über diese Art der Begehungen noch finden, so wird unmittelbar klar, daß es sich entweder um das Kommen des Frühjahrs, des neuen Lebens handelt, oder aber, in den meisten Fällen, um die erste Ernte, das Einbringen der ersten Früchte, oder um die zweite Ernte. Und «benso wie in deutschem Brauch werden dann diese alten volkstümlichen Umgänge von den benachbarten großen Götterfesten angezogen und von den großen Göttern für sich in Beschlag genommen" 2. Betrachtet man die erwähnten Bräuche der Panathenäen, so kann man sich der Einsicht wohl nicht verschließen, daß sie auf einen Sommertagsumzug zurückgehen. Im einzelnen muß dabei allerdings manches nur Vermutung bleiben, der Oesamtcharakter des ursprünglichen Festes aber ist m. E. nur so zu erklären. Und wenn sich einzelne, für sich unerklärliche Begehungen nach Analogie anderer, antiker und späterer Bräuche ungezwungen angliedern lassen, so wird man auch diese Erklärungen annehmen können, ihnen jedenfalls mehr Wahrscheinlichkeit zusprechen dürfen, als den bisher gegebenen Deutungsversuchen. Auf einem Schiffe kam die Göttin übers Meer 8 und wurde im „Schiffskarren" vom Dipylon aus durch die Prozessionsstraßen nach dem Mittelpunkt der Stadt, der Akropolis geführt. Eine eiQsoHjJvrj, „ein Sommertagsstecken", der rings umhängt worden war mit Obst, äxQoöovoig ltavioLoio, ittqiaozümos, den Gaben der 'Orrchga — Hesych erklärt ÖTtwQcc ro &£Qog. &llwv

yial io i.i£T0Jti0Q0V . . . zci-ra/^örr/wg U-AQOÖQVLÜV

1

de

nal

hcl

rwv

— wurde mitgetragen: Wie der „Stecken"

A. Dieterich, Sommertag, Archiv f. Rel.-Wiss. VIII (1905) Bei2 heft 82 ff. Ebenda 102 f. 3 Vgl. ebenda 116f.; R. Wünsch, Das Frühlingsfest der Insel Malta {Leipzig 1902) 19f.; Ernst Schmidt, Kultübertragungen, Rel.gesch. Vers, und Vorarb. VIII 2. Heft 88 ff.

182

Engen Fehrle

reich umhängen ist mit den Gaben der3OrtwQa, so soll sie immer reichlich spenden. Drum sang man dazu das Sommertagslied: EigeOHovr] avua

cpiqei xal niovag

aQzovg

KVX. 1

Jünglinge trugen Myrtenzweige mit. Die Myrte wurde von den Griechen in enge Beziehung gebracht zu Aphrodite und zu Fruchtbarkeit 2 . Ältere Männer hatten grüne Zweige. Auch all dies erinnert an einen Sommertagsumzug, ebenso die Gerste, die die xavrjq>o(>oi mittrugen. Die 'Jd-rjvaia waren das Neujahrsfest der Athener. Wie in Rom mit der Geburt des Mars, der in erster Linie der Gott des Naturlebens war, das Jahr begann 8 , so auch in Athen mit dem Erscheinen der Athene. Ein Herold wünschte von Staats wegen allen Athenern Glück zum neuen Jahre (tct ¿yada yiveod-ai). Auch die anderen Gottheiten der Stadt wurden am Neujahrstage besucht.4. Diese Hauptbestandteile haben sich auch beim späteren Panathenäenfest erhalten 5 . Im ganzen lassen sich in den Berichten über das Fest noch zwei Schichten unterscheiden: nach der einen Überlieferung hielt die Göttin ihre Epiphanie über das Meer. Als man die Epiphanie nicht mehr verstand, behielt man das Schiff doch noch bei und brachte auf ihm der Göttin den Peplos als Geburtstagsgeschenk in ihr Heiligtum. Die betrachteten Feste 8 umspannen die ganze Zeit der iüQa und oTtdiqa des attischen Jahres. Sie gelten ausschließlich oder hauptsächlich der Athene. Nun ist es ja selbstverständlich, daß Athene als Stadtgöttin an den Hauptfesten der Stadt teilhat. Überblickt man aber die anderen Feste, 1

2 Dieterich, Sommertag 100. S. Anhang 1. A. v. Domaszewski, Die Festzyklen des römischen Kalenders, Arch. f. Rel-Wiss. X (1907) 338 f. = Abhandlungen zur römischen Rel. 176. 4 Pfuhl a. a. 0. 24 f. s Daß in den Panathenäen noch Reste älteren Kultbrauchs vorhanden sind, ist schon früher erkannt worden. Pfuhl 31. 6 In der Hauptsache wesensgleich mit den erwähnten Festen ist der Knlt der Athene Ti&pcovrj im attischen Demos Phlya. Athene wurde dort mit mehreren anderen Gottheiten zusammen verehrt. Der Erdkult war besonders betont. Usener, Götternamen 11; Töpffer, Att. Gen. 208 ff.; Furtwängler, Arch. Jahrbuch VI (1891) 110; Frazer, Kommentar zu Pausan. I 31, 4, Bd II 411 f. 3

Die kultische Keuschheit im Altertum

183

an denen sie nicht teilnimmt, und erwägt andererseits den ausgesprochenen Zweck ihrer Feste, Fruchtbarkeit und Segen für die Familie, für Felder und Vieh 1 zu bringen, so wird man sich der Annahme nicht verschließen können, daß ihr Wesen in irgend welcher besonderen Beziehung zu den Festen stand. Dies wird bestätigt durch andere Zeugnisse. Auf einem Weihrelief von der Akropolis 2 aus dem Anfang des 5. Jahrhunderts empfängt Athene sitzend eine Prozession, die ihr ein Mutterschwein darbringt. Eine wichtige Nachricht über Athene gibt Pausanias (V 3, 2) aus E l i s : TGJV de 'Hleiwv at yvvaly.eg, are TLÖV iv fflixla arpioLV rjQr^iüJuivrjg zrjg /cogag, ev^aa9-ai %f\ l4d-rjv& Xeyovrai xurjoai •¡iaqa.vxLv.a, STteiöav [U%&ÜJ de tsgeia 'J&rjvrjai TJ]V isQav aiyiöa

(ptQovaa novg VEoydj.tovq eiarj()%6TO1. Nicht die

Aegis ist hier die Hauptsache, wie viele Erklärer seit 0. Jahn annehmen, sondern Athene, die, vertreten durch ihre Priesterin, den Neuvermählten Segen bringt. Diese Priesterin aus dem Geschlechte der Eteobutaden m u ß t e v e r h e i r a t e t s e i n oder es gewesen sein (Plutarch, Numa 9). Natürlich kann man bei diesem Brauch auch an die übel abwehrende Wirkung der Aegis gedacht haben, aber die Hauptsache wird das wohl nicht gewesen sein. Überhaupt ist es verfehlt, die W o r t e tTjv aiyiöa

rpeoovaa so zu pressen, wie es oft geschehen

ist. Wer kann denn wissen, durch welche Mißverständnisse und Kürzungen sie in diesem Zusammenhang in das Lexikon des Zonaras kamen ? 2

Jetzt ist auch verständlich, warum Athene mit dem Granatapfel abgebildet worden ist 3 . Sie findet sich so auf älteren lassen, Mrjrrjo sei hier wie xovporp6tfoe gebraucht, ebenso wie die Ammen des Zeus in Kreta auch Mr/reges genannt wurden. In dem uinov des Pansanias ist aber zugleich überliefert, daii die Frauen von Elis zu Athene beten, um Kinder zu bekommen. Diese Bitte richtet man doch nur an eine Muttergottheit. 1 0. Jahn, Aberglaube d. bösen Blicks, Ber. d. säch. Ges. d. Wiss. 1855, 60; Brückner, Athen. Mitteil. XXXII (1907) 114. 2 Th. Bergk, Kleine philol. Schriften II 660 f. A. 41. 3 Furtwängler, Meisterwerke 213; Jahn-Michaelis Arx Athenarum 43 und XXXVI; FarneU Cults I 327.

Die kultische Keuschheit im Altertum

185

Statuetten der Akropolis \ auf einer attischen schwarzfigurigen Kanne 2 , einer Lekythos des fünften Jahrhunderts 3 , bei der Athene Nike im Niketempel zu Athen 4 und ist in einem Epigramm der Anthologia Palatina bezeugt 5 . Furtwängler urteilt darüber anschließend an die eben erwähnte Athene Nike, die er in die zweite Hälfte des fünften Jahrhunderts setzt, a. a. 0.: „Die Statue der Athene selbst zeigt sie als Friedensgöttin, nicht nur durch das uns von der Lemnia schon bekannte Motiv, daß sie den Helm auf der einen Hand trägt, sondern vor allem durch die Abwesenheit der Lanze und das Attribut des Granatapfels auf der anderen Hand. Das letztere berührt uns ganz fremdartig in dieser Zeit; es ist ein geradezu archaistisches Motiv. In der altertümlichen Kunst ist die Granate das Lieblingsattribut für alle friedlichen, Fruchtbarkeit und Gedeihen befördernden Göttinnen." In den fälschlich Aristoteles zugeschriebenen OikonomiJca (II 2, 4 p. 1347 a 4) ist berichtet, Hippias habe verordnet, bei jedem Geburts- und Todesfalle müsse man der Athene einen Scheffel Weizen und einen Obol spenden. Dümmler (Kl. Sehr. II 43) bemerkt richtig dazu: „Doch gewiß nicht ohne Gegenleistungen von ihrer Seite." Und die Gegengabe wird darin bestehen, daß sie dem Neugeborenen gutes Gedeihen schenke und als mütterliche Göttin dem Toten Segen zur Wiedergeburt 6. Das Wesen der Athene wird ferner deutlich aus den Verbindungen, die sie mit anderen Gottheiten eingegangen ist. In ganz alter Zeit wurde zusammen mit Athene auf der Burg E r e c h t h e u s v e r e h r t E r war dargestellt als Schlange 1 Archäologischer Anzeiger 1893, 140 ff.; Jahn-Michaelis a. a. 0. Tafel XXXYI. 2 A. Furtwängler, Roschers Lexikon der Mythol. I Sp. 689 Z. 39. 3 Cecil H. Smith Catalogue of the greek and etruscan vases in the british museiim (1896) Bd III 396 D 22. Dort ist viel Literatur angegeben. 4 A. Furtwängler, Meisterwerke 213. 6 6 Anthol. Palat. IX 576. Vgl. Dieterich, Mutter Erde 49. 7 Usener, Götternamen 139f. Er hat gezeigt, daß Erechtheus und Erichthonios, wie der Gott bisweilen heißt, synonyme Begriffe sind. Dies ist allerdings mehrfach, doch wie ich glaube ohne genügende Gründe bebestritten worden. S. Gruppe, Die mytholog. Literatur aus den Jahren

Eugen Fehrle

186

oder P h a l l o s w a s für den Kult oft identisch i s t 2 , in einer xloTTj. Diese war mit Myrtenzweigen überdeckt. So zeigt sie eine Vase des Brygos 3 . Usener erklärt Erechtheus als „Erdaufreißer". Man braucht Erdaufreißer nicht in speziellem Sinne auf die Befruchtung des Ackerfeldes zum Gedeihen der Saaten zu beziehen, sondern wird an die Gleichsetzung Pflug = Phallos 4 denken dürfen. Die Vereinigung des Erechtheus mit der Athene zeigen die Bauten der Akropolis am deutlichsten. Dazu treten literarische Zeugnisse. In den bekannten homerischen Versen (17 80 f. und B 546 f.) sind beide Gottheiten schon verbunden. Beiden wurden nach Herodot V 82 von den Epidauriern gemeinsam Opfer dargebracht. Vgl. dazu Herodot VIII 55. Nach Apollodor III 14, 7 und Clemens Alex. Protrept. 39 (letzterer hat Erichthonios statt Erechtheus) ist Erechtheus im Heiligtum der Athene begraben. Erichthonios soll zuerst die Panathenaeen gefeiert haben (Harpokration s. v. HavaS-rivaia). Athene und Erechtheus haben zusammen Anteil am Feste der Skirophorien (Schol. Aristoph. Ekkles. v. 18; Pausan. I 36, 4; Harpokration s. v. Ixigov). Nach Plutarch (Numa 9) hatten die Eteobutaden den Poseidonpriester und die Athenepriesterin für das Erechtheion zu stellen. Hier ist an Stelle des Erechtheus Poseidon getreten (s. u. 187 f.), der Tempel, in dem sein Priester fungierte, behielt aber den Namen Erechtheion nach dem alten Gott. Pausanias (I 26, 5) berichtet von der Akropolis: "Eon de y.a.1 otV.Tj/i« ^Eoiyß-eiov IToasiöwvog,

xaXovutvov

kq>' ob y,al Eqeyßtl

. . . .

eioel&oüoi

d-vovaiv

de

tx TOV

tiai ß011.101, ¡.lavtevuatoq.

Poseidon übernimmt selbst den Namen des Gottes, den er verd r ä n g t h a t , A p o l l o d . I I I 15, 1 : Trjv teQCüovvrjv zrjs 'J&rjväs TOV Jloasidwvos

TOV ^Eqr/ßovLov

Bovcrjg

. . Xa/.ißävei.

x«t

Poseidon-

1898—1905, 489ff. Vgl. Furtwängler, Meisterwerke 155 ff.; Y. Wilamowitz, Homer. Untersuchungen 247 ff.; besonders Frickenhaus, Athen. Mitteilungen XXXIII (1907) 171 ff. 1 J. G. Frazer Adonis Attis Osiris, studies in the history of oriental religion* (London 1907) 75; Farnell Cults I 290. 2 Gruppe, Gr. Myth. u. Rel.gesch. 866, 1. 1171, 1; E. Eisler, Weltenmantel und Himmelszelt I 123, 4; Sal. Reinach Cultes II 396 ff. » Wiener Vorlegeblätter Ser. VIII Taf. II. Vgl. Eobert, Bild und 4 Lied 87 ff. Dieterich, Mutter Erde 107 ff.

187

Die kultische Keuschheit im Altertum

priester führen ihre Familie auf Erechtheus zurück (J. Toepffer, Attische Genealogie 115). Kreusa gibt dem Ion, der nach dem Verschwinden des Erechtheus fragt, zur Antwort (Eur. Ion V. 2 8 2 ) : nkrjyal

TQiaivtjs

TCOVXLOV o(p3 &rtdileaav

.

1

Aus diesen Stellen ist klar, daß in alter Zeit Athene und Erechtheus als ein Götterpaar auf der Akropolis verehrt worden sind. Erechtheus mußte bald einem Gotte weichen, der mehr Einfluß gewann, dem P o s e i d o n 2 . E r wurde dem neuen Gotte untergeordnet und als Beiname gegeben. Gänzlich vernichten konnte allerdings Poseidon den älteren Eivalen nicht, noch in nachchristlicher Zeit existierte Erechtheus als selbständiger Gott. Auch außerhalb der Burg wurden Poseidon und Athene zusammen verehrt, z. B. auf dem Kolonos als "Irtitioo, und c l7t7tia 8 . Von den Troezeniern erzählt Pausanias (II 30, 6) : i49rjväv

Ts aeßovai

IToXiada

y.ai Z&ividda

dvo/uaCovTEg

rrp> AVTIJV,

xai Iloasiöwva ßaaiXea inixlvpiv. Viele andere Verbindungen von Poseidon und Athene haben Immerwahr, Kulte Arkadiens 63 und besonders Wide, Lakonische Kulte 37ff. zusammengestellt 4 . Der Streit zwischen Poseidon und Athene um die Herrschaft Attikas, den Kunst und Mythus so gerne darstellten, erklärt sich aus den Kultverhältnissen: Athene und Erechtheus wehrten sich anfangs gegen den Eindringling, konnten aber nicht Herr werden über ihn, Erechtheus mußte das Feld räumen und Athene den neuen Gott neben sich dulden. Daß das Verhältnis zwischen Athene und Poseidon im Glauben der Athener nie zu einer richtigen Ehe wurde, mag z. T. wenig1 Weitere Belege bei Gruppe, Griech. Mythol. und Rel.gesch. 25. Gruppe faßt das Verhältnis der beiden Götter anders auf. 2 Farneil Cults I 270ff. I V 47ff.; E . Petersen, Die Burgtempel der Athenaia 61 ff.; Usener a. a. 0 . 8 Sophokles Ödip. Kol. v. 707 und 1070 ff. mit Schol.; Pausan. I 30, 4 ; Bekker Anecd. I 3 5 0 ; vgl. die Einleitung zur Ausg. des Ödip. Kol. von Wunder, 5. Auflg. v. Wecklein 12. Nach Pausanias I 31, 6 heißt Athene auch in Acharnai 'Iimia. 1 Vgl. Usener, B,hein. Mus. L V I I I (1903) 20 u. 27 (Athene u. Poseidon vereinigt als Schwurgottheiten).

Eugen Fehrle

188

stens seine Erklärung darin haben, daß es erst in verhältnismäßig später Zeit entstand, als Athene sich mehr zur jungfräulichen Göttin umgebildet hatte und keinen Gatten mehr neben sich haben konnte. Auch sonst sind oft Götter mit Athene gepaart. Nach P a u s a n i a s I 27, 1 ytürai de sv zip va& rfjg TTohadog gl'iXov, KexQOTtog eivai leyöfitvnv &vdd-rjua, VTto ylädiov

ov avvoTtiov.

c

EQ[ifjs ¡.ivoaiviqg

Daß mit diesem Hermesbild ein Fruchtbarkeits-

kult in Verbindung stand, deuten schon die Myrtenzweige an, die es verdecken x . Man hat auch längst erkannt, daß es ein Phallos war, ähnlich wie der Hermes in Kyllene 2 . Auch die Thebaner verehrten Athene und Hermes zusammen 3 . In alter Zeit stand H e p h a i s t o s neben Athene*. Er hatte im Erechtheion einen Altar 6 und wurde sonst in Attika mit ihr vereinigt 6 . Die Sagen 7 , nach denen Hephaistos brünstig Athene verfolgt, gehen auf alte Kultgemeinschaften zurück. Man wird daraus und aus dem Wesen des Hephaistos, wie es besonders in Lemnos noch deutlich hervortritt, den Schluß ziehen müssen, daß dieser Glaube sich angliedert an 1

S. unten Anhang 1. Hock, Griech. Weihegebräuche 51 faßt diese Umhüllung als Konsekration auf. 2 Pausall. VI 26, 5: Tov 'Eouov Se TO ayaXfia, ov ol TavTQ Tiepiootög aeßovoivj ood'öv ioTiv aldoiov etil TOV ßa&pov. Vgl. Jahn, Archäologische Aufsätze 76; Frickenhaus, Athen. Mitteil. XXIII (1907) 172. — Beim Areopag wurde Hermes vereint mit Pluton und Ge verehrt (Paus. I 28, 6). Er steht auch in Verbindung mit Herse und Aglauros, Gruppe, Gr. Myth. u. Kel.gesch. 26, 7 f.; Harrison Prolegomena 291. Die phallische Natur des Hermes, der mit Ackerbau und Fruchtbarkeit in alter Zeit eng verbunden war, behielt das ganze Altertum hindurch Bedeutung. Vgl. W. H. Boscher, Hermes der Windgott (Leipzig 1878) 75ff.; L. Deubner De incubatione 20 Anm.; M. Nilsson Studio, de Dionysiis Atticis (Lund 1909) 103: P. Wendland, Die hellenistisch-römische Kultur (Handbuch zum Neuen Testament I 2, Tübingen 1907) 173; H. Usener, Der Heilige Tychon (Leipzig, Teubner 1907; 18f. u. 30: Hermes wird dem phallischen Tychon 3 gleichgesetzt und untergeordnet. Paus. IX 10, 2. 1 Belege bei Gruppe, Gr. Myth. u. Bel.gesch. 27f. und 1206, 1; E. Petersen, Die Burgtempel der Athenaia 88f.; vgl. den wichtigen Aufsatz von Fredrich, Athen Mitt. XXXI (1906) 74. Siehe auch Gruppe's Bericht über „die mythol. Literatur aus den Jahren 1898—1905" 424 f. 6 6 Paus. I 26, 5. Schol. Sophokl. Öd. Kol. v. 55 ff. 7 Gruppe, a. a. 0. 28, 1.

Die kultische Keuschheit im Altertum

189

die primitive Vorstellung vom zeugenden Lichtstrahl, der die Mutter Erde befruchtet \ In Olympia wurde Athene Hippia neben A r e s Hippios verehrt 2 . Im Tempel des Ares zu Athen war neben der Statue des Gottes die der Athene, der Aphrodite und Enyo aufgestellt 3. Auch mit Agraulos ist in Athen Ares verbunden 4 . Ein mit Ares nahe verwandter Gott, D i o m e d e s , steht der Athene nahe 6 . Diese Vereinigungen der Athene mit einem Gott wurden bisweilen als eheliche Verbindungen aufgefaßt, z. T. auch nur als Liebesvereinigung oder Liebeswerben. In den meisten Fällen wird sich kaum mehr genau entscheiden lassen, inwieweit von einer kultischen Ehe der Athene mit einem Gott gesprochen werden darf. Aber auch die Reste der Überlieferung von ihrer Liebe zu Göttern lassen sich nicht in Einklang bringen mit der Jungfräulichkeit. Man muß aus diesen Verbindungen der Athene vielmehr schließen, daß sie zu manchen Zeiten und an manchen Orten als eine weibliche Gottheit verehrt worden ist, deren Wesen die Paarung mit einem Gotte zuließ. Die Mythologie gibt weitere Hinweise auf Kultverbindungen, die Athene mit w e i b l i c h e n Gottheiten einging, und die sie verdrängte, als der Glaube ihr günstiger war als diesen. Oben trafen wir Athene verbunden mit Poseidon. Hesiod (Theog. v. 278 f.) erzählt von einem Beilager des Poseidon mit M e d u s a : T f j de

u f j naQtlt^ato

''Ev j.ia).o:/M leif.iwvi 1

nal

avd-eai

Kvavo%cdTr]g eiaqivolaiv

6

.

Vgl. Dieterich, Mutter Erde 92 f.; A. Kuhn, Mythologische Studien, hrg. v. E. Kuhn, I. Bd, Die Herabkunft des Feuers und des Göttertranks 2 4 (Gütersloh 1886) 64 ff. Paus. V 15, 6. 3 Paus. I 8, 5. Vgl. C. Wachsmuth, Die Stadt Athen im Altertum II 421. 4 V. A. Voigt, Beiträge zur Mythologie des Ares und der Athena (Diss. Leipzig 1881) 255ff.; Harrison Journal of hell. stud. XII (1891) 353f. 5 Voigt a. a. 0. 257ff.; Gruppe a. a. 0. 626, 3. 836. 1376, 1; Farneil 9 Cults I 389 f. Anm. 25 d. Vgl. Kaibel Epigr. Gr. 649, 4.

Eugen Fehrle

190

Ovid (Met. IV v. 798 ff.) berichtet, Poseidon habe die Medusa im Tempel der Athene geschändet: Hanc pelagi rector templo vitiasse Minerva« Dicitur. aversa est et castos aegide vultus Nata Iovis texit. neve hoc impune fuisset, Gorgoneum crinem turpes mutavit in hydros 1 . Nach Servius (Verg. Aen. VI v. 289) ist Athene eifersüchtig auf die schönen Haare der Medusa und verwandelt sie deshalb in Schlangen. Oft findet sich die Nachricht, Medusa sei von Athene getötet worden 2 . Daher hat Athene den Beinamen roQyocpövogs. Im Tempel der Athene Polias zu Tegea wurde nach Pausanias (VIII 47, 5)4 eine Locke der Medusa aufbewahrt, die Athene eig cpvXaxijv vfjs Jtöleag geschenkt haben soll. Hier ist die Tötung der Medusa zwar nicht erwähnt, aber vorausgesetzt. Diese Locke ist auf Münzen von Tegea abgebildet 5 . In Tegea hat demnach Athene die alte Stadtgöttin Medusa vertrieben. Nach manchen Sagen tötet Athene nicht mehr selbst die Medusa, sondern hilft nur dem Perseus dabei 6 . Hannig h a t 7 überzeugend dargelegt, daß Medusa nach der ursprünglichen Sage nur getötet worden sei, um beseitigt zu sein, und daß die Geburt des Pegasus, die später als Hauptmotiv hinzutrat, erst nachträglich beigefügt worden sei 8 . Eine wichtige Notiz gibt Euripides (Erechtheus frg. 360 v. 44 ff., Nauck T G F 2 p. 468), der als besonderes Wahrzeichen Athens in alter Zeit die Gorgo und den Ölbaum nennt. 1

Vgl. Gruppe, Gr. Myth. u. Rel.gesch. 1201, 1. Pindar Ol. 13, 63; Pyth. 12, 13 ff.; Euripides Ion y. 988 u. 1478; Diodor III 70; Euhemeros bei Hygin Astron. II 12 (ed. Bunte); Apollodor, Bibl. II 4, 3, 9 (ed. Hercher S. 48 Z. 23 ff.). Auf Kunstwerken s. Koscher, Gorgonen und Verwandtes (Leipzig 1879) 118; H. Schmidt Quaestion. archaeol. Diss. Hal. XII (1894) 142 ff. 3 Eurip. Ion v. 1478; Orphische Hymnen XXXII (31) 8 (ed. Herrn.). 4 Hannig De Pegaso (Diss. Breslau 1901) 25; Schwedler De rebus Tegeaticis, Leipzg. Studien IX (1886) 290 ff. 6 Journal of hell. stud. VII (1886) 109, Taf. V und 22 f.; Roschers Lex. 9 s. Gorgo Sp. 1697. Wilamowitz, Herakles 2 II 198; Gruppe 186, 9. 7 8 S. Anm. 4. Vgl. Farneil Cults I 282 f. 2

Die knitische Keuschheit im Altertum

191

Aus diesen Stellen 1 darf geschlossen werden, daß in Athen einst eine mütterliche Gottheit Medusa, die 'Herrin 32 zusammen mit einem männlichen Got.te verehrt worden ist. Überliefert ist dafür Poseidon. Medusa mußte in Athen wie anderswo der mächtigeren Athene weichen. Daß diese die Medusa bestrafte für den coiius mit dem Gott, den der Mythos in den Tempel der Athene verlegte, mag zum Teil in der Rivalität zwischen den beiden Göttinnen begründet sein, zum Teil legte man das der Athene bei, weil ihr Wesen sich immer mehr zur Jungfräulichkeit hin neigte s . Medusa behielt, nachdem sie aus dem Kult verdrängt war, von ihrem Charakter als chthonische Gottheit nur noch das Schreckliche. Sie wurde eingereiht unter die Schreckdämonen, die die Phantasie jedes Volkes bildet 4 , und die auch in Griechenland seit sehr alter Zeit nachweisbar sind. Sie alle benennen zu wollen, ist verkehrt. In Griechenland sind schon früh zwei Namen für solche Schreckgespenster fest geworden, Deimos und Phobos B . Fälschlich hat man oft Köpfe, sogar solche mit Bart und sonstigen Abzeichen eines männlichen Dämons, Gorgoneia genannt. Wenn man sie überhaupt benennen will, so wird der Name Phobos am richtigsten sein. Medusa nahm, als sie in die Reihe dieser Dämonen eingereiht war, genau den Typus an, den wir auf alten Darstellungen für männliche Schreckdämonen finden8. Sehr lehrreich ist eine Vase des Amasis 7, wo Athene auf dem Schild nicht wie 1 Gruppe führt 1201, 1 noch mehr an; Roscher, Die Gorgonen und 2 Verwandtes 24f.; Dümmler, Kl. Sehr. II 105; Harrison Prolegomena 187ff. 2 v. Wilamowitz, Ubers, d. griech. Tragödien II 226f. McSeovoa gleich 'herrschend' war auch sonst (z. B. Aristoph. Ritter v. 581 ff.; Plutarch, Themist. c. 10) üblich, und das Verbum /icSetv 'herrschen' ist häufig. Das Attribut avaaaa kommt vielfach der Ge und Demeter zu (Gruppe 1165, 7). 3 Daß Athene Nachfolgerin der Medusa war, darauf deutet vielleicht auch die Sage von ihrer Geburt. S. Berlin. Philol. Wochenschrift 25 (1905) 386. 4 W. Wundt, Völkerpsychologie I I 147 ff. 6 Daß Phobos auch einmal vom mächtigen Gott zum Schreckgespenst herabgesunken ist, hat Dieterich im 'Abraxas' 86 ff. gezeigt. 6 A. Höfer in Roschers Lexikon I I I 2 s. Phobos Sp. 2389 ff. ' Ebenda Sp. 2393.

Eugen Fehrle

192

gewöhnlich die Gorgo, sondern einen männlichen Schreckdämon hat. Noch andere Göttinnen wurden von Athene verdrängt. Nach alter Überlieferung 1 sind Aigeus und A i t h r a die Eltern des Theseus. Später wird oft Poseidon als Gemahl der Aithra genannt 2 . Bei Hygin {Fab. 37) ist der Widerspruch damit ausgeglichen, daß Aigeus und Poseidon in e i n e r Nacht der Aithra beiwohnten, und zwar im Tempel der Athene. Neptunus

quod

ex ea natum

esset

Aegeo

A u c h in

concessit.

Troizen

soll Poseidon die Aithra begattet haben. Pausanias (II 33, 1) erzählt, auf Weisung der Athene sei Aithra auf die Insel Sphaira

gegangen.

fiiX^fjvai.

lÖQyaato

^AITMOVQIAC, mal

tair\aa%o

de

'Ieqav

xai

TT'V twvrjv

ydf.iov

zliaßaot] /.tev

dia ¿vrl

xolg

de

evtavO-a

TOVTO sfid-qa

Ilooetdwva

evrav&a

'Ad-rpäg

IOVO/ACIOE TTJV v f ß o v V.ü.%-

IcpaiQiag

TQOtCrjviojv

Tfj 'AOr/vä

Xiyetai vaov

rtagd-evoig

avctTi&evai

jtqo

^Anaxovqiq3.

vfi

Nach diesen Nachrichten haben wir in Attika ein altes Götterpaar, Aigeus-Aithra. An Stelle der Aithra tritt Athene, Aithra wird von ihr vertrieben oder zur Dienerin gemacht, beides besagt nur, daß der Kult der Athene den der Aithra verdrängt habe. An Stelle des Aigeus tritt Poseidon. So ist auch für dieses alte Götterpaar das schon erwähnte PoseidonAthene eingetreten. Eine andere Göttin, die mit Athene in Verbindung steht, ist A u g e . Pausanias (VIII 48, 7) sagt von ihr: Ti]v de EiXeidviav

oi

•AAL ayalfta

— x a t yao

Teyeätai

— tTtovo/ndi^ovoiv

7taqadoirj

TTJV ¿t-uyarioa

&alaaaav

xaTaTtovr&oar

T exeiv

TOV na Ida,

'¿v&a

xavxrjg

Avyrjv

'exovatv

ev yovaai,

"A'keog evreiMpevog TTJV öewg

eail

avrrjv

re egyovata

ro leqöv.

vaov

wgNUVTCIIM

hcavayayovza

fjyexo neaelv

r f j g Eileidviag

ev v f j ¿yoQä

"keyovxeg

eg

y.al OVTUJ

Ich stimme

ganz dem bei, was Baur in seiner Abhandlung über Eileithyia i n The

University

of

Missouri

studies

vol.

I n. 4 ( 1 9 0 2 ) 3 2

zu

1 Hesiod Aspis v. 182 = II. A v. 2 6 5 ; vgl. v. Wilamowitz, Aristoteles und Athen I I 127, 5. 2 Overbeck, Kunstmythol. I I 336ff.; Gruppe, Gr. M. u. R. 191, 4 ; Jahn, Arch. Aufsätze 74 f. 3 v. Wilamowitz, Gotting. Nachrichten, phil. hist. Kl. 1 8 9 6 , 1 6 4 ; Wide, Lakon. Kulte 40.

193

Die kultische Keuschheit im Altertum

dieser Stelle bemerkt 1 : From, this myth we learn that Auge yovaai

was considered

parallel

to Helena

was identified Auge

a primitive

in Argos,

with

and

and finally

was represented

goddess

of childbirth

that Eileithyia

supplanted

in her cult-statue

in

in a later

her. . . . The as kneeling,

Iv

Tegea, period goddess

that is,

in

the act of childbearing2. Kurz vor der eben erwähnten Stelle erzählt Pausanias, was er früher (VIII 4, 8) schon ausführlicher dargelegt hat, Auge sei von Herakles in Tegea vergewaltigt worden. Dasselbe berichtet der Scholiast zu Kallizfjg 'Afhqväg. machos Hym. IV 70. Er nennt Auge UQELU Ausführlicher ist die Geschichte dargestellt bei Ps.-Alkidamas I 670 8 : "slXeio yaq zOi Ttyiag ßaailel &(piy.oj.ievovov xa&ai^ovTes tyJ.voav jiaxav. 1 Eur. Or. y. 1604. 1 Eur. Ion v. 1333. 5 Vgl. M. Wundt 341. 1 Ebenda 387ff.; s. auch 349ff.

|

Eugen Fehrle

230

sophen, besonders die Pythagoreer, an den Volksglauben und Mysterienkulte hat er den Dualismus zwischen Seele und Körper in seiner Lehre bis zur äußersten Konsequenz durchgeführt. Der Körper ist nur der Kerker für die Seele, aüfia arjfia. Sie muß sich aus ihm zu befreien suchen durch Reinigung und Erhebung zum Göttlichen, woher sie stammt 1 . In seinen letzten Schriften kommt Piaton immer mehr in die Bahnen trüber Mystik und Asketik und hat darin auf die Weiterentwicklung dieser Anschauungen in Moral und Religion sehr stark eingewirkt. Wie die Ethik findet auch die Mystik in Piaton einen Mittelpunkt, in dem frühere Entwicklungen zusammenlaufen, um sich mit neuer Kraft wieder auszudehnen2. Seit die Griechen ihre politische Freiheit verloren hatten, war der Trieb zur Tätigkeit, der das fünfte Jahrhundert zu solchem Glänze geführt hatte, übergegangen in eine Passivität, die auch in der Religion zur Geltung kam. Diese Zeit war der Mystik günstig. Und der größte Grieche, Piaton, wurde auch zum größten Mystiker 8 . Zugleich war bei der Passivität der Gemüter das Emporkommen einzelner Individuen leichter. Moralprediger und Mystiker fanden jetzt viel geneigtere Ohren, man gewöhnte sich immer mehr daran, statt eigener Kraft zu vertrauen sich führen zu lassen. Man schloß sich einer Kultgemeinde an und war damit der Verantwortung für sein Seelenheil enthoben, die Genossenschaft sorgte ihren Mitgliedern für ein gutes Dasein nach dem irdischen Leben. Und doch geht diese Entwicklung in den nächsten beiden Jahrhunderten noch langsam. Die Forderung aber, daß nicht nur der mit äußeren Mitteln Gereinigte, sondern wer ein reines Leben führe, in Verkehr mit den Göttern treten dürfe, kann nach Piaton als ein Gemeingut der Gebildeten betrachtet werden. In der Rede gegen Androtion i betont Demosthenes, daß 1

Phaedon p. 64ff.; Rohde, Pa.1 II 272ff., 281 f.; Windelband, Gesch. d. alten Phil. 123 ff. ; Anrieh, Mysterienwesen 17 ff. 4 Vgl. Keitzenstein, Poimandres 200 ff. ' Vgl. W. Windelband, Piaton 1 (Stuttgart 1905) 129. * § 7 8 : 'Eyco ¡lèv yàj) oì/uat delv

tòv

eis leoà

elaióvta

xal

yßQvificov

Die kultische Keuschheit im Altertum

231

nicht jeder, der einige Tage gewisse Reinheitsvorschriften befolgt habe, würdig sei, am Gottesdienst teilzunehmen, sondern nur wer ein reines Leben geführt habe. Eine Ehebrecherin darf nach der Anschauung jener Zeit kein Staatsheiligtum betreten 1 . Auch bei den Römern ist sie vom Gottesdienst ausgeschlossen2. Wer als Myste an den Weihen zu Eleusis teilhaben will, hat innerlich und äußerlich rein zu sein 8 . Auf griechischen Tempelvorschriften sind die einzelnen Arten körperlicher und seelischer Reinheitsvorschriften oft bis ins einzelne ausgeführt 4 . Cicero fordert seelische und körperliche Reinheit. Die Reinheit des Denkens aber schätzt er am höchsten. Denn äußerliche Verunreinigungen kann man durch Abwaschung oder Enthaltungen wieder gut machen, innerliche nicht 5 . Ovid warnt vor dem Glauben der früheren xal xavmv aySfiEvov xai rijs npos rovs &eovs enifieXeiae TXaonTAiTrv yivouevov ov%i n^oEiQTjuevcov rjitofüi' api&udv ayveveiv, aXXa rov ßiov tjyvevxevat. Vgl. § 73 derselben Kede. 1 (Demosth.) LIX 85f. (gegen Neaira): '-Erp' y yao &v /uotx'os alm yvvaixi, oiy. e^eoriv avrrj kl&elv eis ovSev rcöv It.otov rmv Sruoii-:/.cnj'! eis a ital Trv ^evriv xai 2 ri' dovXrjv el&elv e^ovoiav %Sooav oi voiint, y.al &eaaofjtevr\v xai ixerevoovoav eioievai' a/j.ri fiövais ravrais aitayoQevovoiv oi vouol rals yvvail'L ur) eioievai eis ra lepä TiX i)r/toTf/.r^ erp r av fiot%os aXq>t eav § eioiojoi xal TTagavoficöoi, vqnotvel nao%eiv vtzo rov ßovXofievov o iL av naaxn, Tt}.r]V &avarov} xal %8(oxev o vofios rf\v Titriüoiai' v;i!D avrSv rtä 3 evzv%6vxi. Vgl. Aischines I 19 und 183. Gellius N. A. IV 3, 3. s Nach Kelsos hei Origines cap. III 59 ed. Koetschau, griech. christl. Kirchenschriftst. Bd I S. 253: Ol fiev yao eis ras aXXas reXerds xaXovvres .looyro\-i TOVÜI raSe' ooris %etgas xa&agos xal