Dem Schwaben sein Dativ: Neue Wortgeschichten von Wolf-Henning Petershagen
 9783806233285

Table of contents :
Front Cover
Titel
Impressum
Noch mehr Schwäbisch
Inhalt
Der miss- und unverstandene Schwabe
Der Schwabe – ein Hochdeutscher
Ölhäfen im Landesinnern
Von der Bühne zur Etage
Der Buckel
Der schwäbische Teppich
Das Geheimnis des Käsdrecks
Die Mucken der Schwaben
Jucken und beißen
Wenn die Nachbarin grillt
Letz
So, als wie
Als zu!
Mentalität und Verhalten
Sind Schwaben gefühlsarm?
Die Angst vor dem Erfolg
Des mueß weg!
Fuuz- und Enteklemmer
Mödele und Modene
Wie man degenmäßig wird
Die Hagebüchenen
Die Luse und die Ôômueß
Aus der Verwandtschaft
Von der Blåder zur Blås
Die Gegenschwieger
Im Reich der Doten
Tätigkeiten
G’luaget und g’loset
Trappt und dappt
Aufklaubt und ausnanderklaubt
Rumg’rudlet
Nauf-, raa-, naa- und neig’langt
Rum- und numdalgt
Nach gruebet grublet
Pfitzauf und Mädlesfitzeler
Nahrung und Nahrungsaufnahme
Das Ränftle und das Ribele
Healeskäs
Geigenknöpfle aus Mutschelmehl
Gefahr für die Hutzel!
Manche mögen’s schlunzig
Supfle, sutzle, suggle, sürfle
Mampf!
Aus der Schwabogenese
Vom Butzen zum Butzele
Der kleine Dergel
Manns- und Weibsbilder
Aus der Technik
Der alte Göppel
Der Driebel
Die Mysterien der Migge
Metaphern
Häftlesmacher und Bürstenbinder
Die Glufen und der Michel
Rotzlöffel und Rotzraahenker
Der Wasen und das Wasenluder
Das Lettegschwätz
Dem Simpel den Dippel gebohrt
Hundsliedrig
Die Rehabilitierung des Dackels
Folklore
Was heißt „Schwabe“?
Dem Schwaben sein Dativ
Die Kehrwoche – ein Mythos
Raupen im Weinberg
Die Mauke einst und jetzt
De schwäb’sche Eisebahne
Muss i denn
Warum „schwäbischer“ Gruß?
Anhang
Literatur
Register
Bildnachweis
Der Autor
Back Cover

Citation preview

Dem Schwaben sein Dativ Neue Wortgeschichten von Wolf-Henning Petershagen

Herausgegeben von der Neuen Pressegesellschaft Ulm mit ihren Partnerzeitungen: Alb Bote, Geislinger Zeitung, Haller Tagblatt, Hohenloher Tagblatt, Hohenzollerische Zeitung, Neue Württembergische Zeitung, Reutlinger Nachrichten, Rundschau, Südwest Presse, Südwest Presse Metzinger-UracherVolksblatt, Tauber-Zeitung

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / dnb.dnb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. Der Konrad Theiss Verlag ist ein Imprint der WBG. © 2016 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt   /   Neue Pressegesellschaft mbH & Co. KG, Ulm

Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Umschlaggestaltung: Stefan Schmid Design, Stuttgart, unter Verwendung einer Abbildung von fotolia /VRD Lektorat & Produktion: Verlagsbüro Wais & Partner, Stuttgart Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de isbn 978–3-8062–3293–6

Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF) 978–3-8062–3328-5 eBook (epub) 978–3-8062–3329-2

Noch mehr Schwäbisch „Dem Schwaben sein Dativ“ ist eine Auswahl von 60 bislang noch nicht in Buchform erschienenen Kapiteln der Serie „Schwäbisch für Besserwisser“, die von Mitte September 2001 bis Ende 2006 wöchentlich in der „Südwest Presse“ erschienen ist. Einen Teil der insgesamt 277 Folgen hatte der Theiss-Verlag noch vor Abschluss jener Serie in drei Bücher gepackt: „Schwäbisch für Besserwisser“ (2003), „Schwäbisch für Durchblicker (2004) und „Schwäbisch für Superschlaue“ (2006). Zwar sind aller guten Dinge drei, aber dabei muss es nicht bleiben: Die bislang ausschließlich in der Zeitung veröffentlichten Beiträge hielt der Theiss-Verlag für wert, ebenfalls in die nachhaltigere Form eines Buches übertragen zu werden – zumal sie grundlegende Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen schwäbischer Mund­art und schwäbischer Mentalität enthalten und unsinnige Behauptungen ad absurdum führen wie etwa jene, dass die Kehr­ woche eine schwäbische Stammeseigenschaft sei. Jeder, der schon einmal versucht hat, Schwäbisch in Schriftform zu bringen, weiß, dass dies zu keinem befriedigenden Ergebnis führt – es sei denn, man verwendet dafür die um die 100 Zeichen umfassende Lautschrift der Dialektologen. Aber die kann kein normaler Mensch lesen. Manche Schwäbisch-Schreiber entwickeln ihr eigenes System und versuchen, dieses konsequent durchzuhalten. Davon wurde in dieser Serie abgesehen – schon allein deswegen, weil sich die Aussprache ein und desselben schwäbischen Wortes alle paar Kilometer ändert. Im Vertrauen darauf, dass die Leser selber wissen, wann ein e wie ein ǝ klingen muss, wurde auf sol­che exotischen Zeichen verzichtet; etwa in der Grundform der Verben, in welcher der Schwabe konsequent das abschließende -n vernäselt, also singǝ sagt statt singen. Das wird oft in der Form singa wieder5

gegeben. Doch in diesem Buch wird einfach auf das -n verzichtet: Es bleibt beim -e, welches das -n aufgesogen hat: singe. Wo es dennoch geboten erscheint, etwa weil man einem na nicht ansieht, ob es nâ oder nå heißen soll, werden Nasenlaute durch ein Dächle (^) gekennzeichnet und der Laut, der zwischen a und o liegt, durch das skandinavische å. Gedacht sei an dieser Stelle des 2010 verstorbenen Mundart­ forschers Arno Ruoff, Gründer und langjähriger Leiter der Tübinger Arbeitsstelle „Sprache in Südwestdeutschland“, von dem Wikipedia schreibt: „Er galt als der beste Kenner gesprochener Sprache in Baden-Württemberg.“ Sein Expertenblick hat dankenswerterweise jedes dieser Kapitel geprüft, bevor es gedruckt wurde.

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Inhalt 5

Noch mehr Schwäbisch

11

Der miss- und unverstandene ­Schwabe

12

Der Schwabe – ein Hochdeutscher

18

Der Buckel

14

16

20

22 24 26

28

30

32 34

Ölhäfen im Landesinnern Von der Bühne zur Etage

Der schwäbische Teppich

Das Geheimnis des Käsdrecks Die Mucken der Schwaben Jucken und beißen

Wenn die Nachbarin grillt Letz

So, als wie Als zu!

37

Mentalität und Verhalten

38

Sind Schwaben gefühlsarm?

44

Fuuz- und Enteklemmer

40

42 46 48

50

52

Die Angst vor dem Erfolg Des mueß weg!

Mödele und Modene

Wie man degenmäßig wird Die Hagebüchenen

Die Luse und die Ôômueß

7

55

Aus der Verwandtschaft

56

Von der Blåder zur Blås

58

60

Die Gegenschwieger Im Reich der Doten

63 Tätigkeiten 64

G’luaget und g’loset

70

Rumg’rudlet

66

68

72 74 76 78

Aufklaubt und ausnanderklaubt Nauf-, raa-, naa- und neig’langt Rum- und numdalgt

Nach gruebet grublet

Pfitzauf und Mädlesfitzeler

81

Nahrung und Nahrungsaufnahme

82

Das Ränftle und das Ribele

88

Gefahr für die Hutzel!

84

86

90

92 94

Healeskäs

Geigenknöpfle aus Mutschelmehl Manche mögen’s schlunzig

Supfle, sutzle, suggle, sürfle Mampf!

97

Aus der Schwabogenese

98

Vom Butzen zum Butzele

100 102

8

Trappt und dappt

Der kleine Dergel

Manns- und Weibsbilder

105

Aus der Technik

106

Der alte Göppel

108 110

Der Driebel

Die Mysterien der Migge

113 Metaphern 114

Häftlesmacher und Bürstenbinder

120

Der Wasen und das Wasenluder

116 118

122 124 126 128

Die Glufen und der Michel

Rotzlöffel und Rotzraahenker Das Lettegschwätz

Dem Simpel den Dippel gebohrt Hundsliedrig

Die Rehabilitierung des Dackels

131 Folklore 132

Was heißt „Schwabe“?

138

Raupen im Weinberg

134 136 140

142 144

146

Dem Schwaben sein Dativ

Die Kehrwoche – ein Mythos Die Mauke einst und jetzt

De schwäb’sche Eisebahne Muss i denn

Warum „schwäbischer“ Gruß?

148 Anhang 149

Literatur

160

Der Autor

153

159

Register

Bildnachweis

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Der miss- und unverstandene Schwabe Das größte Missverständnis besteht darin, Schwäbisch und Hochdeutsch für Gegensätze zu halten. Es gründet unter anderem darin, dass die Schwaben über eine Reihe von Vokabeln verfügen, die im Schriftdeutschen eine andere Bedeutung haben, anders verwendet werden oder nicht existieren.

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Der Schwabe – ein Hochdeutscher „Meine Enkel schwätzet nach der Schrift!“ Diese häufig gehörte Klage aus dem Munde alter Schwaben bedeutet auf Schriftdeutsch, dass die Kinder dialektfrei sprechen. Was die schwäbische Redewendung nach der Schrift schwätzen bedeutet, ist nicht schwer zu erraten. Es ist das Gleiche wie „Schrift­ deutsch reden“. Warum haben die Schwaben – ganz entgegen ihrem sonstigen Sprachverhalten – statt dieser schlichten Form die etwas umständlichere und wortreichere gewählt? Bemerkenswert ist zu­dem, dass diese Wendung das Wort „Hochdeutsch“ ersetzt und somit vermeidet. Hat dies tiefere Gründe? Auch darüber kann man nur spekulieren und unter Zuhilfenahme einiger Viertele zu folgendem Schluss gelangen: Wenn man „Schwä­ bisch“ und „Hochdeutsch“ als Gegensatzpaar begreift, bedeutet dies zwangsläufig, dass „Schwäbisch“ das Gegenteil von „Deutsch“ und überdies von „hoch“ wäre – also „niedrig“. Ein erniedrigendes Ergebnis. Es fällt ein klein wenig, aber eben nicht sehr viel erhebender aus, wenn man statt „Hochdeutsch“ „Schrift­deutsch“ sagt. Demgegenüber lässt die Wendung nach der Schrift den Verdacht, „Schwäbisch“ stehe im Gegensatz zu „Deutsch“, gar nicht erst aufkommen. Auch in sprachwissenschaftlicher Hinsicht trifft die Formulierung nach der Schrift eher zu als das Wort „Hochdeutsch“, welches auch die Mundartforscher vermeiden und durch „Schriftdeutsch“ oder „stan­dardsprachlich“ ersetzen – aus gutem Grund. Denn streng ge­ nommen ist Schwäbisch das eigentliche Hochdeutsch! Zum Begriff „Hochdeutsch“ stellt das deutsche Wörterbuch der Brüder Grimm fest: „Zunächst hat das Wort und das dazu gehörige Substantiv ,Hochdeutschlandʻ eine rein geographische Bedeutung 12

und ist in dieser seit dem 15. Jahrhundert nachweislich gang und gäbe.“ Deutschland war grob unterteilt in Nieder- und Hochdeutschland. Wer die Hochdeutschen waren, definierte Sebastian Franck 1538 in seinem Buch „Germaniae Chronikon“: „Mitler Zeit sind die Alemani die Hochteutschen, da itz sind Schwaben, Schweitz und Beyern.“ Infolgedessen wurden auch die Mundarten dieser Gebiete als „hochteutsch“ bezeichnet. Allerdings wurde dieser Begriff daneben schon recht früh auf die Kanzleisprache angewandt. Das führte schließlich dazu, dass der Gelehrte Johann Bödiker (1641–1695) in seinen „Grundsätzen der teutschen Sprache“ für die Dialekte des höher gelegenen Teiles von Deutschland die Gesamtbezeichnung „Oberdeutsch“ prägte, die bis heute gilt. Damit ist bewiesen, dass die Schwaben im Grunde die wahren Hochdeutschen sind und es schon waren, als die Vorfahren jener, die sich heute zugutehalten, „Hochdeutsch“ zu sprechen, noch plattes Niederdeutsch von sich gaben. Ob das allerdings jene Schwaben tröstet, deren Enkel nach der Schrift schwätzen, ist eine andere Frage.

13

Ölhäfen im Landesinnern Menschen von der Waterkant reagieren immer wieder irritiert, wenn sie in süddeutschen Städten fern jeglichen schiffbaren Ge­wässers in einer Hafengasse landen.

In Köln am Rhein gibt es eine Hafengasse, die einst auf das Hafentor zuführte, vor dem die Hafenflächen gelegen waren. Auch in Ulm an der Donau und in Tübingen am Neckar gibt es jeweils eine Hafengasse. Doch die liegen mitten in der Altstadt, fern vom Flussufer, und daher wundern sich immer wieder aufs Neue fremde Menschen, wenn sie dort ein Straßenschild mit der Aufschrift „Hafengasse“ erblicken: Wo, bitte, ist denn hier ein Hafen? Das Missverständnis besteht darin, dass man im mittleren und nördlichen Deutschland nur eine Art von Hafen kennt, und das ist der Schiffslandeplatz. Im Süden aber lebt der andere Hafen ungebrochen weiter, den es schon im Althochdeutschen als hafan gegeben hat, der jedoch im Schriftdeutschen dem Topf unterlegen ist. Fischers Schwäbisches Wörterbuch gibt daran Martin Luther eine gewisse Mitschuld. Denn der verschmähte den Hafen. In seiner Bibelübersetzung ließ er die Kinder Israel den Fleischtöpfen Ägyp­tens nachweinen. Wäre er Schwabe gewesen, hätte er die Fleischhäfen bevorzugt und damit womöglich dem Hafen den Sieg über den Topf verschafft. Jedoch es hat nicht sollen sein. Schließlich muss man dankbar sein, dass seine Wiege nicht noch weiter nördlich stand, denn sonst hätten wir es heute in der Bibelstunde mit Fleischpötten zu tun. In der Schriftsprache hat der Hafen nur als Glückshafen überlebt, der nicht mit dem Hafen der Ehe zu verwechseln ist. Der Begriff erinnert an die Zeiten, als man die Lose aus einem irdenen Hafen zog. 14

Den Hafen und das Häfele gibt es aus unterschiedlichen Mate­ rialien, etwa als Blechhafen oder Keramikhafen, und zu den unter­ schiedlichsten Bestimmungen. Meist ist es der Inhalt, der zusammen mit dem Grundwort Hafen neue Begriffe bildet wie Milchhafen, Schmalzhafen oder Gsälzhafen. Auf diese Weise hatten die Schwaben vor Erfindung der Einwegflasche mehr Ölhäfen als die Saudis. Auch der Familienname Ölhafen kommt daher; er bezeichnete einen Ölhändler. Häfen enthalten nicht immer nur Versorgungs-, sondern mitunter Entsorgungsgut, etwa der Seichhafen. Er wird auch gerne als Nacht­hafen bezeichnet, was nicht auf den Inhalt, sondern auf den Einsatz-Zeitraum zielt. Dieser Begriff wird auch gerne verwendet, um Vergleiche zu ziehen. So kann man sich unter einem „G’sicht wie an Nachthafe“ alles und nichts vorstellen. Nicht mehr im Realen, sondern nur noch in der Redewendung lebt der Schleckhafen fort. „Des isch fei koi Schleckhafe“ besagt, dass eine Tätigkeit alles andere als angenehm ist. Ein Wort sucht man im Schwäbischen allerdings vergebens: den „Einhafen“, wie die korrekte Übersetzung von „Eintopf“ lauten müsste. Stattdessen behilft man sich halt mit dem Gaisburger Marsch.

15

Von der Bühne zur Etage „Die ganze Welt ist eine Bühne!“ Auch ein Schwabe wird diesem shakespeareschen Satz zustimmen – wenn auch aus anderen Grün­ den als der Rest der Welt. Die meisten Deutschen verstehen unter Bühne die Bretter, die die Welt bedeuten. Sie wundern sich daher, wenn Schwaben über altes Gerümpel befinden: „Des kommt auf d’ Bühne!“ Sperrmüll zur Weiterverwertung ins Theater? So nahe dieser Gedanke in Zeiten versiegender Kulturhaushalte liegt: Es handelt sich um ein Missverständnis, das darin besteht, dass die Schwaben mit Bühne den Dachboden meinen, auf dem sich im Lauf der Jahrzehnte ihr alter Gruscht angesammelt hat. Das so entstandene Durcheinander verleiht, wenn man das Wort Bühne im schwäbischen Sinne begreift, dem oben erwähnten Shakespeare-Zitat eine völlig neue Aussagekraft, die der originalen vielleicht sogar überlegen ist. Denn das Chaos auf dieser Welt kann einem mindestens ebenso den Nerv töten wie das vom Dichter besungene menschliche Rollenverhalten. Nun hat der Autor in seinem englischen Originaltext natürlich nicht Bühne geschrieben, sondern „stage“. Doch das ändert nichts an der Frage, warum das deutsche Wort Bühne im einen Fall einen Ort im Rampenlicht und im anderen, schwäbischen Sinne eine schlecht beleuchtete Rumpelkammer bezeichnen kann. Die gemeinsame Grundlage bilden Balken und Bretter, aus denen vor der Erfindung des Stahlbetons beide Arten von Bühnen gebaut wurden. Tatsächlich bedeutete Bühne ursprünglich „Brettergerüst, Decke“. Im Haus war es, wie das Schwäbische Wörterbuch erläutert, „die waagrechte Balken- und Bretterlage, welche den Boden eines oberen, die Decke eines unteren Stockwerks bildet“. Daraus 16

ent­ wickelte sich die Bedeutung „Dachraum über der Wohnung oder oberer Raum in Scheuer und Stall, als Aufbewahrungsort gebraucht“. Bühne im Sinne der darstellenden Künste ist wiederum eine Kurzform des Wortes „Schaubühne“. Die Schwaben haben ihrerseits Probleme mit dem Boden, der vielen Nichtschwaben die Bühne ersetzt. Denn im Schwäbischen ist der Boden nicht oben, sondern unten und wird geschätzt als elastischer Untergrund, in den man andere ung’schpitzt neischlage kann. Doch da der Boden auch aus Brettern gefügt sein kann, gilt für ihn eine ähnliche Bedeutungsvielfalt wie für die Bühne. Deshalb kann es auch im Schwäbischen einen Heu-, Frucht- oder Kornboden geben. Man kann ebenso gut Korn- oder Heustock sagen, wobei Stock das Balkenwerk bezeichnet, das ein Stockwerk bildet. Doch fasst man sich im Schwäbischen lieber kurz und sagt einfach Stock, wo andere von „Stockwerk“, „Geschoss“ oder „Etage“ reden. Die hieß übrigens im Altfranzösischen noch „estage“, woher das englische „stage“ stammt. Damit wären wir – hoffentlich etwas klüger – wieder zu Shakespeare und auf die Bühne zurückgekehrt.

17

Der Buckel Alle Schwaben haben einen Buckel. Das liegt nicht an der Inzucht, sondern daran, dass der Begriff Buckel im Schwäbischen weiter gefasst ist als im Schriftdeutschen. „Angeborene oder erworbene krankhafte Verkrümmung der Wir­ bel­säule nach hinten“, so definiert das Konversationslexikon den Buckel. Das heißt, im Schriftdeutschen steht dieser Begriff für eine anatomische Anomalie. Im Schwäbischen aber ist der Buckel normal. Außer jener krankhaften Verkrümmung bezeichnet das Wort auch eine situative Krümmung. Das zeigt die Mahnung „Mach koin so an Buckel!“, die das hochsprachliche „Halte dich gerade!“ auf den Punkt bringt, das zu den Standardsprüchen der Mütter und der Rückenschulen gehört. Doch selbst wenn der Schwabe gerade sitzt, hat er einen Buckel. Denn der ist ihm zum Synonym für Rücken geworden, egal ob der gebogen ist oder nicht. Zudem ist der schwäbische Buckel nicht nur ein anatomisches, sondern auch ein topographisches Phänomen. Denn hierzulande heißt auch der Hügel Buckel, und außer Menschen sind auch Landschaften buckelig. Wie konnte der Buckel im Schwäbischen zum Rücken werden? Eine stammesspezifische Aufweichung des Rückgrates konnte bis­ lang nicht festgestellt werden. Vielmehr kennt die Geschichte zahl­ lose aufrechte Schwaben, die, anstatt sich ihren Obrigkeiten zu beugen, diese eingeladen haben, ihnen den Buckel naufzusteigen oder naazurutschen – oder gar, sie am Buckel dort zu küssen, wo d’ Haut a Loch hat. Liefert die Wortgeschichte den Schlüssel zum Verständnis? Im Falle des Buckels ist sie umstritten. Kluges Etymologisches Wörterbuch leitet ihn vom altfranzösischen boucle (Schildbuckel) ab, das 18

von mittellateinisch buccula stammen soll, der Verkleinerungsform von bucca, der aufgeblasenen Backe. Das Mittelhochdeutsche Wörter­ buch von Benecke / Müller / Zarncke hingegen überlegt umgekehrt, ob nicht boucle von Buckel kommt. Das käme dem Wörterbuch der Brüder Grimm entgegen, das Buckel und bücken von biegen herleitet. Diese Herleitung hat etwas für sich. Denn wenn der Buckel nur einfach eine beliebige Erhebung wäre, könnte der Mensch, vor allem der weibliche, auch vorne Buckel haben. Aber das Wort Buckel definiert ausschließlich die Rückseite, die zum Buckel wird, wenn man sich bückt. Das ist zum Beispiel bei vielen körperlichen Arbeiten der Fall. Und da nach schwäbischem Selbstverständnis die Arbeitshaltung der Normalzustand zu sein hat, folgt daraus geradezu zwangsläufig, dass im Schwäbischen das Wort Buckel die Stelle des Wortes Rücken einnehmen musste. Allerdings schaffen die Schwaben sich nicht nur bucklig, sie können sich auch bucklig lachen, wo andere sich vor Lachen krüm­ men. Aber dass dadurch jemand eine bleibende Verkrümmung der Wirbelsäule erworben hätte, ist bis dato nicht bekannt. So lustig sind die Schwaben dann auch wieder nicht.

19

Der schwäbische Teppich Der Schwabe zeigt wenig Neigung, auf dem Teppich zu bleiben: Gelegentlich kriecht er drunter, und die Schwäbin legt ihn gerne auf den Tisch oder wirft ihn sich um. „Was håt denn dui für an Teppich umhänge?“ Mit dieser Frage kann frau der Trägerin eines teuren Paschmina-Schals den Triumph über ihr Luxus-Accessoire vermiesen, sofern die kein Schwäbisch kann. Denn unter Schwaben muss diese Frage nicht unbedingt eine Herabwürdigung jenes Edeltextils bedeuten. Schließlich hat schon die Urgroßmutter, wenn sie fror, ihren Teppich über die Schultern gezogen. Das heißt aber nicht, dass sie unter den Perser kroch, den sie vermutlich ohnehin nicht besaß. Vielmehr ist der Begriff Teppich im Schwäbischen etwas weiter gefasst als im Schriftdeutschen, wo er auf dem Boden zu liegen hat oder allenfalls noch an der Wand hängen darf. Der schwäbische Teppich muss nicht geknüpft, er kann auch gewoben, gestrickt oder gehäkelt sein, denn außer als Bodenbelag oder Wandbehang dient er als Decke und als Zudecke. Während man die Decke auch als Unterlage benutzen kann – etwa die Tischdecke oder die Badedecke, die ebenfalls als Teppich bezeichnet werden – ist der schwäbische Begriff „Zudecke“ ausschließlich Textilien vor­ behalten, mit denen man etwas zudeckt, etwa das Bett. Deshalb wird das Oberbett ebenfalls Teppich genannt. Wenn Fremdlinge sich darüber wundern, was die Schwaben alles als Teppich bezeichnen, kann man sie darauf hinweisen, dass auch im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm der Teppich erheblich weiter geknüpft ist als im heutigen Schriftdeutsch: „Eine Zierdecke (mit eingewebten oder eingestickten Bildern, Mustern und bun20

ten Farben) zum Behängen der Wände (Wandteppich), Bedecken des Fußbodens (Fußteppich), der Möbel, des Tisches u. s. w. (Stuhl-, Tischteppich)“, heißt es dort. Das aber bedeutet, dass der Bodenteppich nur eine von vielen Teppich-Varianten war, die im Übrigen bei der großen Mehrheit der Bevölkerung die unwichtigste Rolle gespielt haben dürfte. Denn wer konnte sich schon ein solch teures Stück leisten? Auf diesen Aspekt weist übrigens Fischer in seinem Schwäbischen Wörterbuch hin mit der Bemerkung, dass der Fußteppich dem „gemeinen Mann“ fehle. Verfolgt man die Wortgeschichte des Teppichs zurück, stößt man auf das altgriechische tapes und tapis, was schon damals neben Teppich auch „Decke“ bedeutete. Die Römer haben daraus tapete und tapetum gemacht, das war ein Teppich, um Wände, Tische, Sofas, Fußböden usw. zu bekleiden. Von tapete stammt natürlich auch die Tapete ab, die ursprünglich aus Stoff war. Die Schwaben haben daran festgehalten und haben zudem mit dem Teppich nicht nur Gegenstände, sondern auch sich selber bedeckt. Das aber bietet sprachunkundigen Ignoranten immer wieder Anlass, auf den Schwaben und ihrem Teppich herumzutrampeln.

21

Das Geheimnis des Käsdrecks Im Neuschwäbischen gibt es das merkwürdige Wort Käsdreck­ zieherei. Es lässt an einen umgestürzten Fondue-Hafen denken, hat damit aber nichts zu tun. „Dann gibt’s eine ewige Käsdreckzieherei, und am Ende profitieren nur die Anwälte davon.“ So spricht Notar Esslinger im Roman „Bienzle und die letzte Beichte“ resigniert zum Kommissar. Und in der 30. Sitzung des 13. Landtags von Baden-Württemberg am 18. Juli 2002 im Kloster Bebenhausen sagte der Abgeordnete Claus Schmiedel (SPD) während einer Rede des Umwelt- und Verkehrsministers Ulrich Müller: „Das ist doch ein Käsdreck!“ Das sind zwei praktische Anwendungsbeispiele für das schwäbi­­ sche Wort Käsdreck. Es ist insofern ungewöhnlich, als die Bestim­ mungswörter, die vor dem Grundwort Dreck stehen, üblicher­weise dessen Verursacher nennen: Kuhdreck, Spatzendreck, Maus­dreck. Ausnahme ist der Scheißdreck, dessen zwei Wortbestandteile annähernd dasselbe ausdrücken, zur Verstärkung des Ausdrucks aber kombiniert sind. So etwas nennt man ein „Hendiadyoin“ (Eins vermittelst zwei). Sollte auch der Käsdreck ein Hendiadyoin sein? Schließlich gilt der Käse – ebenso wie der Dreck – häufig als Inbegriff des Wertlosen. Zwar gibt es irgendwo in der Schwäbisch-Literatur einen Hin­ weis, wonach Käsdreck die Ablagerung an der Außenseite des Backsteinkäses sei. Aber das scheint eher der nachträgliche Ver­ such zu sein, einem bereits existierenden Wort einen Sinn zu geben. Fischers Schwäbisches Wörterbuch jedenfalls enthält nur im Nachtragsband einen Käsdreckmäurer (Spottname der Maurer), im Übrigen aber ist ihm der Käsdreck fremd, was darauf hindeuten könnte, dass dieses Wort eine Neuschöpfung ist. 22

Es gibt in solchen Fällen aber auch noch eine andere Möglichkeit, nämlich die, dass ein altes Wort nicht mehr verstanden und des­ wegen umgedeutet wird. Und das wäre in diesem Falle das Wort Gêêsdreckzieherei. Gêês ist die Mehrzahl von Gââs, und das ist die Gans. Gêêsdreck ist der Gänsedreck, und dieses Wort gilt laut Fischer als – der Inbegriff des Wertlosen. Der Grund dafür geht aus folgendem Sprichwort hervor: „Der isch minder als der Gêêsdreck, und der sel dungt it.“ Der Umstand, dass dieser Geflügelmist nicht einmal zum Dünger taugt, gibt wiederum der Wendung „de Gêêsdreck ziehe“ ihren tieferen Sinn, der laut Fischer „vergebliche Arbeit tun“ bedeutet. Fischer nennt auch den Gêêsdreckzieher, und das ist ein Mensch, „der alles in die Länge zieht“ – ohne dass etwas dabei herauskommt, so möchte man hinzufügen. Die Gêêsdreckzieherei ist bei Fischer zwar nicht erwähnt, dafür aber die Redewendung „Glaubsch du, i zieh lang de Gêêsdreck mit dir?“ (Glaubst du, ich streite lange mit dir herum?) Demnach wäre die Gêêsdreckzieherei ein langer fruchtloser Streit, von dem, wie Notar Esslinger sehr richtig zu Bienzle bemerkte, nur die Anwälte profitieren.

23

Die Mucken der Schwaben Die Schwaben haben zweifellos ihre Mucken, aber Mücken kennen sie nicht. An deren Stelle saugen einem hierzulande die Schnaken das Blut aus den Adern. Die schriftsprachliche Mücke heißt auf Schwäbisch Schnake, und die schwäbische Muck(e) entspricht in der Schriftsprache der Fliege – wobei es die Fliege auch in Teilen des Schwabenlandes gibt, wo sie Fliag, Flaig oder Fluig gesprochen wird. Sprachgeschichtlich besteht kein Unterschied zwischen Mücke und Muck. Wie in den Fällen von Brücke / Bruck, bücken / bucken, rücken / rucken etc. haben die Schwaben sich geweigert, den Schritt vom älteren u zum neueren ü mitzumachen – was man als eine ihrer sprachlichen Mucken betrachten mag. Im Althochdeutschen hieß jenes Insekt noch mugga, und erst im Mittelhochdeutschen trat die mügge neben die mugge. Die zwei Tüpfelchen auf dem u – der Schwabe bezeichnet so etwas als Muckenschiss – sind aber nicht der einzige Unterschied zwischen Mücke und Muck(e). So wird man in schwäbischen Wörterbüchern vergeblich nach dem Wort Muckenstich suchen, weil es das nicht gibt. Denn eine Muck, mag sie noch so lästig und noch so muckenfrech sein, sticht nicht. Das tun allenfalls irgendwelche wesentlich kleine­ren und schwer zu identifizierenden Mückle. Der Mückenstich hin­gegen heißt im Schwäbischen Schnakenstich. Folgerichtig müssten die Schwaben ihre Elefanten aus Schnaken produzieren, da ja die Nicht­schwaben gerne aus Mücken Elefanten machen. Doch bei ge­ nauerer Betrachtung kann es sich bei dieser schriftdeutschen Mücke nicht um einen Blutsauger handeln, sondern es muss eine gemeine Stubenfliege gemeint sein: Denn jene Redensart ist bereits im Alt­ griechischen nachzuweisen, wo das Insekt myia heißt – also Fliege. 24

Des Rätsels Lösung ist einfach: Noch im Mittelhochdeutschen bedeutete mugge oder mügge sowohl Fliege als auch Mücke. Das Wort Schnake hingegen, das auch schon im Mittelhochdeutschen als snake bekannt ist, bezeichnete ausschließlich die Stechmücke. Die Schnake hat sich offenbar in den oberdeutschen Sprachraum zurückgezogen und hier dafür gesorgt, dass als Muck nur noch die Fliege bezeichnet wird, während im übrigen Deutschland der Begriff Mücke auf die Schnake reduziert ist. Dabei haben die Schwaben deut­lich profitiert, denn mit der Muck im Sinne von Fliege lassen sich wunderbare Komposita bilden. Eines davon, der Muckenschiss, wurde bereits vorgestellt. Während jeder weiß, wie ein Muckenschiss aussieht, dürfte noch selten jemand einen Muckenseckel gesehen haben. Dennoch bildet er eine beliebte schwäbische Maßeinheit, die – vor allem in der Verkleinerungsform Muggaseggele – für eine winzige Größenordnung steht.1 Der Vollständigkeit halber sei noch angemerkt, dass Muckefuck sich weder aus dem Schwäbischen noch dem Englischen herleitet, sondern einen Kaffee-Ersatz bezeichnet.

1 Im Kapitel „1 Muggaseggl = 0,22 Millimeter“ der Serie „Schwäbisch auf Anfrage“ in der Südwest Presse vom 31. Mai 2008 wurde erstmals die genaue Länge des Muckenseckels veröffentlicht, die der Entomologe Dr. Hans-Peter Tschorsnig vom Stuttgarter Naturkundemuseum ermittelt hat.

25

Jucken und beißen Schwaben werden nicht nur von Hunden, Katzen und Flöhen ge­ bissen, sondern auch von ihren eigenen Körperteilen. Beißen die zu arg, täte man gern ins Bad jucken.

„Wenn’s vorne juckt und hinten beißt, nimm Klosterfrau Melissen­ geist.“ Diese Volksweisheit könnte schwäbischer Herkunft sein, auch wenn sie sich, schwäbisch ausgesprochen, nicht recht reimen will. Was dennoch für eine schwäbische Autorenschaft spricht, ist, dass die hiesige Gepflogenheit, jucken durch beißen zu ersetzen, der Standardsprache ebenso fremd ist wie die unpersönliche Form „es beißt“ oder die Klage: „Mi beißt’s!“ Wer oder was beißt? Antworten wie „mein Zaie“ (Zeh) oder „mei Ohrläpple“ rufen, da diese wie die meisten anderen beißenden Kör­ per­teile keine Zähne besitzen, unter Nichtschwaben Erstaunen her­ vor. Natürlich kennen die Schwaben beißen auch im klassischen Sinne des Zubeißens. Darüber hinaus aber beschreibt beißen im Schwäbischen – anders als im Schriftdeutschen – ebenso den Kau­ vorgang. Denn das Wort „kauen“ ist im Schwäbischen weniger gebräuchlich. So ermahnen die Eltern ihre Kinder, sie sollen den harten Brotriebel oder das zähe Schnitzel „fescht beiße“. Das schriftdeutsche Sprichwort „Gut gekaut ist halb verdaut“ lässt sich daher im Schwäbischen viel prägnanter (und derber) reimen: „Gut bisse isch halb g’schisse.“ Neben menschlichen oder tierischen Zähnen können Substanzen wie etwa Rauch auch im Schriftdeutschen beißen, aber eben nur, wenn sie beißenden Schmerz verursachen. Im Schwäbischen hin­ gegen beißen selbst harmlose Insektenstiche, lästige Ekzeme und wollene Strümpfe. 26

Warum beißen sie anstatt zu jucken? Das mag damit zusam­ men­hängen, dass jucken im Schwäbischen eine andere Bedeutung hat, die dem schriftdeutschen „springen, hüpfen“ entspricht. Im Kinderzimmer juckt ’s Ziefer in de Bette rum, beim Bungee-Jumping juckt ma vom Fernsehturm naa, und wer vor Freude in die Luft springt, tut an Juck oder Jucker. Dieses jucken ist keine schwäbische Erfindung, sondern wohl die ursprüngliche Bedeutung des Wortes, die sich dann im Schriftdeutschen in den Bereich der Hautreizungen zurückgezogen hat. Nicht verschwiegen werden darf eine weitere, rein schwäbische Konnotation von jucken, die Fischers Schwäbisches Wörterbuch nur in lateinischen Vokabeln (futuere, coire) sich wiederzugeben traut. Dieser Umstand verrät auch Nicht-Lateinern, welches deut­sche Wort damit vermieden wird. Wie konnte jucken einen solchen Sinn erhalten? Vielleicht durch einen anderen, den auch das Schriftdeutsche kennt, nämlich (sich) jucken im Sinne eines Sich-Reibens, um einen vorhandenen Juckreiz zu beseitigen. Aber da diese frivole Bedeutung weitgehend in Vergessenheit geraten und nur noch in den Nachschlagewerken präsent ist, braucht sie heute niemanden mehr zu jucken. Und damit juck!

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Wenn die Nachbarin grillt Beklagt sich im schwäbischen Sprachraum jemand darüber, dass die Nachbarin grillt, stellt sich die Frage, ob hier eine Geruchs- oder eine Lärmbelästigung vorliegt. Wenn schwäbische Opernfreunde nach dem Besuch der Zauber­ flöte berichten, die Königin der Nacht habe gegrillt, denken Nicht­ schwaben vermutlich an einen lustigen Regieeinfall. In Wahrheit enthält diese Feststellung die vernichtendste Kritik, die man über eine sängerische Leistung äußern kann. Denn das Verbum grillen bezeichnet ein schrilles Schreien im oberen Kopftonbereich und in jedem Fall oberhalb der Schmerzgrenze. Grillen ist eine nervtötende Lautäußerung. Es erzeugt Schweiß­ ausbrüche und Aggressionsschübe, und wenn man es so meisterhaft beherrscht wie Klein-Oskarchen in Günther Grass’ Blechtrommel, lässt es sogar Glas zerspringen. Ein Teil der angeblich typisch deutschen Kinderfeindlichkeit rührt garantiert daher, dass heutzutage viele Eltern ihre Kinder ungestört grillen lassen. Die früher geläufige Anweisung „Grill net so!“ findet kaum mehr Verwendung. Bei manchen Menschen würde sie im Übrigen ohnehin nichts mehr nützen, weil sie infolge häufigen Grillens eine grillige Stimme haben. Viele würden sie auch gar nicht mehr verstehen. Denn die Be­ deutung „kreischen, einen hohen, ‚grellen‘ Ton hervorbringen“, die Fischers Schwäbisches Wörterbuch unter dem Stichwort grillen nennt, steht in praktisch keinem der heutigen Nachschlagewerke. Dort findet man nur die Erklärung „auf dem Grill braten“. Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Eine mögliche Erklärung wäre, dass, wer sich auf einen heißen Grill setzt, vor Schmerz grillt. Aber die ist falsch und anachronistisch. Denn „Grillen“ im Sinne von 28

Rösten gibt es erst, seit der Grill den früheren Rost verdrängt hat. Der hieß lateinisch „craticulum“, und daraus hat sich der französische „gril“ entwickelt, der über den englischen Grill im 20. Jahrhundert ins Deutsche gelangt ist. Grillen im Sinne von „schrill schreien“ tun die Deutschen jedoch schon seit Jahrhunderten. Das Wort ist eine Nebenform von grellen, worin grell steckt. Allerdings ist auch grellen weithin in Vergessenheit geraten, und so grillen heute nur noch die kleinen Schwaben und die Schwäbinnen. Denn diese Art, Laute zu produzieren, ist nach allgemeinem Verständnis den Frauen und Kindern vorbehalten, also auch den Buben, die den Stimmbruch noch vor sich haben. Ähnlich nervtötend wie grillen ist gilfen. Wie grillen von grellen, kommt gilfen von gelfen, welches vermutlich von gellen abgeleitet ist. Doch während grillen ohne Worte auskommt, ist gilfen oft mit der Übermittlung einer Botschaft verbunden. Das Verbum gilfen deckt somit auch die hochfrequente Schimpfoder Klagetonebene der Schwäbin ab, die sich über etwas echauf­ fiert – beispielsweise über grillende Nachbarskinder.

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Letz Kommt den Schwaben etwas schlecht, falsch oder verkehrt vor, nennen sie es letz. Auch sie selber können ganz letz werden, wie folgende Ausführungen zeigen werden. Letz ist das Gegenteil von recht – in mehrfacher Hinsicht: So, wie das Wort „recht“ in eine Richtung weisen kann – etwa auf die rechte Seite –, so bedeutet letz ursprünglich „link“, und zwar auch und gerade im Sinne von „verkehrt“. Somit ist „dr letze Fuß“ der linke Fuß bzw. das linke Bein, und stülpt man darüber den rechten Socken, dann hat man d’ Schtrümpf letz ââ. Hat man wiederum das Hemd letz ââ, dann ist die Innenseite nach außen gekehrt, und wer sich ein jugendliches Image geben will, zieht die Baseball-Kappe letz auf. Von der Bedeutung „link(s), verkehrt, verkehrt herum“ ist es nicht mehr weit zu letz im Sinne von „falsch“: Der letze Weg ist der falsche, und wenn wer etwas „in de letze Hals“ kriegt, kann dies dazu führen, dass ihm die Luft ausgeht. Dann sieht’s ziemlich letz aus, was manchen Beobachtern ein bedauerndes „O letz!“ entlocken mag. In diesem Zusammenhang bedeutet letz „schlimm, übel“ oder „böse“, und damit sind wir bei einer weiteren Stufe der Negativa angelangt, die mit diesem Wort beschrieben werden können: Ein übler Zeitgenosse ist „a ganz letzer“. Letz kann auch ganz einfach „schlecht“ im Sinne von „minderwertig“ bedeuten. Und schließlich können mit Hilfe schwäbischer Steigerungsattribute die Superlative erdenletz und bodenletz gebildet werden. Das wirft die Frage nach dem regelmäßig gebildeten Superlativ letzescht auf: Ist der etwa identisch mit dem schriftsprachlichen „letzt“? Wäre letz damit die Grundform zu „letz(es)t“? 30

Tatsächlich gab es das Adjektiv letze oder lez bereits im Mittel­ hochdeutschen, und zwar in denselben Bedeutungen, die es heute noch im Schwäbischen hat: „verkehrt, unrichtig, unrecht, schlecht“. Im Althochdeutschen hieß es lezzi. Doch nach allem, was in den Wörterbüchern steht, geht der Superlativ „letzt“, der im Mittel- und Althochdeutschen noch „lezzist“ lautete, nicht auf lezzi oder lez zurück, sondern auf das weitgehend vergessene Eigenschaftswort „lass“, welches „müde, matt“ bedeutet. Es hat sich aus dem Mittelhochdeutschen „laz“ (langsam) entwickelt, das allerdings mit lez verwandt war. Und dass der Langsamste der Letzte ist, leuchtet ja durchaus ein. In diese Verwandtschaft gehört übrigens auch das Verbum letzen. Ursprünglich bedeutete es „abhalten, hindern“ und schließlich auch „schaden“, was noch heute in dem Kompositum „verletzen“ spürbar wird. Doch dann vollzog es einen grandiosen Bedeutungsbogen von „zu Ende bringen“ über „Abschied nehmen, Abschied feiern“ zu „essen und trinken“ und schließlich zu „sich vergnügen“. Das alles mag etwas verwirrend sein. Und diesen Zustand beschreiben die Schwaben mit der Formulierung: „Des macht oin ganz letz!“

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So, als wie Einer der beliebtesten Vorwürfe gegen die Schwaben lautet, sie seien außerstande, die Vergleichspartikel als und wie korrekt ein­ zusetzen. Ist dieser Vorwurf berechtigt? Wenn ein Schwabe sich von einem Besserwisser vorhalten lassen muss, er kenne den Unterschied zwischen wie und als nicht, wird er vielleicht antworten: „Du bisch au net viel g’scheiter wie-n-i.“ Dann folgt unweigerlich die Zurechtweisung: „Es heißt: gescheiter als ich!“ Sollte er nun reuig einräumen: „Ok, du bisch doppelt so g’scheit als i“, wird er zu hören bekommen, es heiße „doppelt so gescheit wie ich“. Fragt er dann aber, warum es im einen Fall als und im anderen wie heißt, wird er vermutlich keine gescheite Antwort bekommen, wenn er nicht gerade einen Deutschlehrer vor sich hat. Denen sei zu ihren Gunsten unterstellt, dass sie die Regel kennen, wonach ein Komparativ (gescheiter, größer, schöner) ein als nach sich zieht, während dem Positiv (gescheit, groß, schön) ein wie folgt: „gescheit wie“. Das wie drückt die Gleichheit aus, das als die Ungleichheit – mit der Ausnahme, dass Ungleichheiten, die mit so formuliert werden, beides zulassen, nämlich wie und als. Dabei fällt die Wahl meistens auf das wie: „doppelt so gescheit wie“. „Wie-n-i komme bin, isch sui gange.“ Auch in diesem Fall wird sich der Schwabe einen Rüffel einhandeln: Es heiße, wenn in der Vergangenheit erzählt werde: „Als ich gekommen bin“. Und er wird nicht so recht verstehen, warum die Schriftsprache das wie, das sie in der Vergangenheit verbietet, für die Gegenwart zulässt: „Wie ich zur Türe hereinkomme, verlässt sie den Raum“, gilt auch dem Duden als korrektes Deutsch. Welche Logik bestimmt dieses Durcheinander? Was den Positiv und den Komparativ betrifft, behauptet das Deutsche Wörterbuch der 32

Brüder Grimm mit Verweis auf das Englische und Französische, der Sprachgebrauch erfordere dafür unterschiedliche Konjunktionen: „rot wie Blut“ – „röter als Blut“; „red as blood“ – „redder than blood“; „rouge comme sang“ – „plus rouge que sang“. Im Deutschen wurde dieser Unterschied erst spät durch jene Regel zementiert, die von den Schwaben ignoriert wird – wie einst von allen Deutschen. Denn die sagten früher „rot als Blut“ und ebenso „röter als Blut“. Das Beispiel zeigt zudem, dass bei Vergleichen ursprünglich als üblich war, welches allmählich durch wie verdrängt wurde – und wird. Bei dieser Entwicklung weg vom als und hin zum wie spielen die Schwaben ganz offensichtlich eine Vorreiterrolle: Sie verwenden das wie bereits dort, wo die Schriftsprachler noch als sagen. Und dafür werden sie dann von diesen geprügelt. Doch manche Schwaben umgehen das Problem mit Hilfe des zwar als veraltet, nicht aber direkt als falsch geltenden als wie – und befinden sich damit in bester Gesellschaft. Denn wie reimte schon Dichterfürst Goethe? „Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor.“

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Als zu! Schwaben sagen mitunter wie, wo Nichtschwaben ein als für an­ gebracht halten. Dann aber verblüffen sie die andern als mit einem scheinbar völlig unmotivierten als.

Wenn der Patient auf ärztliches Befragen angibt: „I trink halt als a Viertele“, dann wird der Arzt den Wahrheitsgehalt des fast tonlos vorgebrachten Wörtchens als mit einem Blick auf die Leberwerte prü­ fen. Seine Antwort könnte dann lauten: „I glaub als, Sie trinket als vier.“ In diesem Dialog taucht das Wörtchen als auffallend oft auf, und zwar, wie weiter auffällt, an Stellen, wo es im Schriftdeutschen nicht vorkommt. Das zeigt die freie Übersetzung jenes Wortwechsels: „Ich trinke bisweilen ein Glas Wein.“ Arzt: „In mir festigt sich eher der Verdacht, Sie trinken täglich vier.“ Die Übersetzung zeigt zudem, dass jenes als jedes Mal einen anderen Sinn annimmt. Zunächst will der Patient mit einem un­ betonten als betonen, dass er „gelegentlich“ ein Glas Wein trinke. Der Sinn dieser Aussage wird ins Gegenteil verkehrt durch das betonte als des Arztes, der damit den ständigen Konsum eines ganzen Liters Trollinger diagnostiziert. Das ebenfalls betonte mittlere als in der Wendung „i glaub als“ liegt auch bedeutungsmäßig dazwischen im Sinne eines „in wachsendem Maße“. Wir haben es hier also mit dem Phänomen zu tun, dass bei der Betonung des Wörtchens als der höhere Ton eine höhere Frequenz nicht nur im akustischen, sondern auch im semantischen Sinne ausdrückt: Mit der Stärke der Betonung wandelt das als seine Be­ deutung von „gelegentlich“ zu „immer“. Und deswegen ist das als in der eingangs zitierten Patientenangabe nur sehr schwach, während der Arzt die Häufigkeitsangabe als ebenso stark akzentuiert wie die anschließende Mengenangabe „vier“. 34

Damit ist also bereits gesagt, dass dieses schwäbische als eine Frequenzmitteilung ist. Sie hat offenbar nichts zu tun mit der im schriftdeutschen häufigen Konjunktion als, die dem Vergleich dient – größer als – oder einer Zeitangabe: als es dunkel wurde. Im Schwäbischen wird sie meist durch wie ersetzt: „größer wie“ oder „wie’s dunkel wore isch“. Im Gegensatz zu diesem als wird das schwäbische Häufigkeits-als je nach Gegend auch äls gesprochen. Es scheint sich also um zwei verschiedene Wörter zu handeln. Der Umstand, dass jene Schwaben, die äls bevorzugen, auch älles statt alles und älleweil statt alleweil ­sagen, lässt vermuten, dass jenes als / äls nichts anderes ist als ein verkürztes alles / älles. Das Schwäbische Wörterbuch bestätigt dies. Und darum schreibt es jenes als völlig zurecht mit -ll- : alls / älls – was in diesem Kapitel aber unterblieben ist, weil sonst die Anfangspointe hätte entfallen müssen. Und nun zum Schluss noch ein kleiner Verständnistest: Nach dem Arztbesuch geht der Patient zum Frühschoppen, wo seine Freunde auf ihn warten. Sie schenken ihm ein, und er sagt „Als zu!“ Ist dieses als betont oder nicht?

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Mentalität und Verhalten Der schwäbische Mensch tickt mitunter etwas anders als der Rest der Welt. Das drückt sich auch in seiner Sprache aus.

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Sind Schwaben gefühlsarm? Sind Schwaben gefühlsarm? Das wird immer wieder vermutet, weil ihnen der Satz Ich liebe dich nicht oder nur unter Androhung von Liebesentzug über die Lippen geht. Selbst in den entlegensten Weltregionen muss man damit rechnen, einem Eingeborenen zu begegnen, der, auch wenn er sonst kein Wort Deutsch kann, die Formel Ich liebe Dich beherrscht. Im schwäbischen Sprachraum hingegen wird man sie kaum vernehmen; auch nicht in schwäbischer Aussprache. Theoretisch müsste die I liab’ de lauten. Doch die Reaktion, die dieser Satz bei Schwaben auslöst, ähnelt der beim Kratzen von Fingernägeln auf der Schultafel. Es ist also nicht die erwünschte. Die Aversion gegen den standardsprachlichen Liebesschwur wird oft fehlgedeutet als Unfähigkeit, Gefühle zu äußern. Dem liegt das – vor allem bei Intellektuellen – verbreitete Missverständnis zugrunde, Gefühle ließen sich nur mit Hilfe des Mundwerks ausdrücken. Dieser Irrtum hat unter anderem dazu geführt, dass während der Siebzigerjahre auch biedere Schwäbinnen und Schwaben im studentischen oder städtischen Milieu sich plötzlich genötigt fühl­ ten, anderen Menschen zur Begrüßung um den Hals zu fallen, um nicht als verstockt zu gelten. Doch ihre Körperhaltung verriet das Zwanghafte der Handlung. Das aber beweist, dass auch Schwaben über eine Körpersprache verfügen, mit der sie oft mehr verraten als ihnen lieb ist. Dennoch kommt es vor, dass Schwaben ihre Zuneigung in Worte fassen wollen. Doch selbst dann lehnen sie den Satz Ich liebe dich ab, der auch in anderen Mundarten und in der Umgangssprache überhaupt durch Umschreibungen wie Ich mag dich oder Ich hab’ dich lieb ersetzt wird. 38

Diese Formulierungen muten weniger pathetisch an. Aber drü­ cken sie deswegen weniger Emotion aus? Tatsächlich ist jenes Ich hab’ dich lieb älter als Ich liebe dich, das erst in Mode kommen konnte, nachdem das Verbum lieben am Ende des Mittelalters auch die Bedeutung des älteren „minnen“ übernahm. Wie alt das Bekenntnis Ich mag dich – oder schwäbisch: I mag de – ist, das ist schwer zu sagen. Das Wörterbuch der Brüder Grimm teilt nur mit, dieses mögen im Sinne des Ausdrucks einer Zuneigung sei „gewiss der täglichen Rede von lange her eigen“ und „in oberdeutschen Mundarten namentlich recht gewöhnlich“. Wer nun einzuwenden hat, mögen stelle den oder die Geliebte(n) auf die gleiche Stufe wie einen Zwiebelrostbraten, der nehme zur Kenntnis, dass die Wortgeschichte von lieben tatsächlich in Richtung Magen deutet: Sie könnte im Laub wurzeln; Kluges Etymologisches Wörterbuch hält einen Zusammenhang mit „der Begierde der Her­ dentiere nach frischen Laubzweigen“ für denkbar. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass niemand auf die Idee käme, das spanische te quiero eines Latin Lovers als emotional minderwertig zu betrachten. Dabei ist es die wörtliche Übersetzung von I mag de.

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Die Angst vor dem Erfolg „I hoff’ net, dass-e g’winn.“ Diesen bemerkenswerten Satz formu­ lierte ein schwäbischer Lotto-Spieler am Tag vor der Ziehung eines 26,7-Millionen-Jackpots. Zunächst ist man geneigt, den Satz für verdreht zu halten. Denn normalerweise sagt man nicht „ich hoffe nicht, dass“, sondern „ich hoffe, dass nicht“. Ein schwäbischer Lapsus Linguae? Schwäbisch ja, Lapsus nein. Hätte der Lottospieler gesagt: „I hoff, dass-e net g’winn“, hätte man ihn zu Recht für verrückt halten dürfen, denn niemand zahlt Einsatz für ein Spiel, das er nicht gewinnen will. Doch das „I hoff net, dass“ bedeutet, dass er zwar nichts dagegen gehabt hätte, 26,7 Millionen Euro zu gewinnen, dass er aber nicht aktiv darauf hoffen wollte. Für diese scheinbar irrationale Nicht-Hoffnung gibt es eine Reihe guter mentalitätsbedingter und damit schwäbischer Gründe. Einer wäre Gottesfurcht, gepaart mit Bauernschläue: Man hofft nicht auf den Hauptgewinn, um beim Herrgott, der seine Allmacht auch bei der Ziehung der Lottozahlen geltend machen kann, keinen habgierigen Eindruck zu erwecken. Ein anderer Grund wäre, dass das Nicht-Hoffen auf die anderen souverän wirken und damit hämische Reaktionen im Falle des Nicht-Gewinnens verhindern soll. Denn solche zu ertragen ist der Schwabe auch in so einem Fall nicht souverän genug. Der dritte und wohl eigentliche Grund aber ist die zutiefst schwä­bische Angst vor den möglichen Folgen eines Erfolges: Was droht einem, der 26,7 Millionen Euro gewonnen hat, nicht alles an Ungemach durch Diebe, Räuber, Erpresser, Freunde und Verwandte. Und dann die Qualen des Entscheidungsdrucks, wie man das Geld am profitabelsten anlegen oder womöglich ausgeben soll! Da muss 40

man zum Schluss kommen, dass so viel Geld nicht glücklich machen kann, selbst wenn man’s gerne gewinnen täte. Wie weit die schwäbische Angst vor den negativen Folgen des Erfolgs führen kann, beweist eines der berüchtigten Grablieder, durch die der schwäbische Pfarrer Michael von Jung (1781–1858) unsterblich geworden ist. Es heißt „Bei dem Grabe einer vortrefflichen Sängerin, die an der Kolera starb“. Darin beklagte er den Tod einer jungen Frau, die mit ihrem Gesang jedermann entzückte. Sie war in der Residenzstadt zur Sängerin am Hoftheater avanciert, als die Cholera ihr tugendhaftes Leben abrupt beendete. An diesem Punkt angelangt, gab der Pfarrer den trauernden Hin­ terbliebenen allerdings zu bedenken, dass ihr Tod auch sein Gutes gehabt haben mag. Schließlich hätte sie im Theater ihre Herzensunschuld einbüßen können, woraus Jung messerscharf schloss, „dass die Kolera sogar / für ihre Seele besser war.“ Man muss davon ausgehen, dass diese Schlussfolgerung den leidgeprüften Eltern wirklich zum Trost gereichte. Ebenso darf man annehmen, dass der Lottospieler erleichtert aufseufzte, als der Gewinn nach Nordrhein-Westfalen floss.

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Des mueß weg! Was sagt eine schwäbische Gastgeberin, wenn sie ihre Gäste ver­ anlassen will, den Kuchen ohne weitere Widerrede zu essen? Sie sagt dann: „Langet zu! Der mueß weg!“

Man stelle sich vor, bei einem Staatsbankett würde die Gattin des Bundespräsidenten der Königin von England ein Stück Kuchen auf den Teller legen und sagen: „Greifen Sie zu, Majestät, der muss gegessen werden.“ Ein Bruch der diplomatischen Beziehungen wür­­de drohen, denn die Queen müsste annehmen, man würde ihr Nahrungsmittel auftischen, deren Verfallsdatum bereits über­ schritten ist. In Schwaben ist das ganz anders. Hier wird der Satz Des mueß weg! von den Gästen als Aufforderung verstanden, sich ohne Hem­ mungen nach Herzenslust zu bedienen. Um zu begreifen, was hier vor sich geht, müssen Nichtschwaben sich mit den klassischen schwäbischen Anstandsregeln ausein­ andersetzen. Denn selbst wenn auch die sich allmählich in Wohl­ gefallen auflösen – woran ausnahmsweise nicht die Globalisierung, sondern mangelnde Erziehung schuld ist –, sind sie noch immer wirksam, etwa in der Aufforderung Des mueß weg. Die ist zu verstehen auf dem Hintergrund der alten Verhal­ tensvorschrift, erst dankend abzulehnen – und zwar drei Mal! –, wenn einem etwas angeboten wird. Sie ist am anrührendsten dokumentiert in der alten Geschichte vom kleinen Buben, der bei Nachbars Kindergeburtstag plötzlich bitterlich zu weinen anfängt. Nach dem Grund gefragt, schluchzt er, er hätte gern einen Kuchen gegessen, aber seine Mutter habe gesagt, er dürfe erst einen annehmen, wenn man ihn zum dritten Mal gefragt habe. Die Nachbarin hatte nur zweimal gefragt. 42

Diese Regel stammt aus Zeiten, als selbst der Hefezopf noch ein nicht alltäglicher Luxus war. Man teilte dem Gastgeber auf diese Art mit, dass man ihn nicht schädigen möchte, ließ dabei aber – bewusst oder unbewusst? – meist erkennen, dass man eigentlich schon wollen täte. Alle Schwaben kennen dieses Zeremoniell, und das Erstaunliche ist, dass sich noch immer viele daran halten, wenn auch oft in der reduzierten Form des geziert-zögernden Zugreifens: „Dann ben-e halt so frei!“ Denn auch, wenn sie es für ein JenseitsGschiiß halten, wollen sie schließlich zeigen, dass man weiß, was sich gehört. Dieses Getue kann der Gastgebende kategorisch unterbinden, indem er sagt: Des mueß weg! Dahinter steckt die mehr oder weniger ernst gemeinte Drohung, das Angebotene werde, wenn es nicht aufgegessen wird, im Abfall landen. Das wäre auch nach modernem schwäbischem Selbstverständnis eine Sünde, die unter allen Um­ ständen zu vermeiden ist. Und deshalb wäre es grob unhöflich, dieser Einladung nicht zu folgen. Natürlich hat auch sie ihre zwei Seiten: Wenn das Essen schmeckt, ist sie höchst willkommen. Sollte das hingegen nicht der Fall sein und will der Gastgeber das Zeug aus diesem guten Grund loswerden, sitzen die Gäste in der Falle.

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Fuuz- und Enteklemmer Sparsam zu sein ist unter Schwaben aller Ehren wert. Geizhälse hin­ gegen werden verachtet. Das manifestiert sich in despektier­lichen Vokabeln wie Fuuzklemmer.

Wenn die Schwaben immer wieder mit den Schotten verglichen werden, dann spricht daraus mangelndes Differenzierungsvermö­ gen bei der Anwendung von Stereotypen. Denn den Schwaben wird ge­meinhin das Eigenschaftswort sparsam zugeordnet, den Schotten hingegen das Adjektiv geizig – ob zu Recht oder nicht, sei hier einmal dahingestellt. Da aber zwischen sparsam und geizig ein himmelweiter Unterschied besteht, sind die Klischees vom Schwaben und vom Schotten nicht deckungsgleich. Sparsam ist, wer unnötige Ausgaben – auch für sich selber – vermeidet. Und geizig ist, wer am Geld klebt und es an sich rafft. Geiz und Habsucht sind aus einem Guss; für geizig und habgierig kennt das Lateinische ein einziges Wort: avarus. Daher kommt das französische Hauptwort l’avare (der Geizige), mit dem Molière seine 1668 verfasste Komödie überschrieben hat. Die wurde 1975 von Thaddäus Troll ins Schwäbische übertragen – unter dem genialen Titel „Der Entaklemmer”. Denn als solchen be­ zeichnen die Schwaben einen Geizhals. Was aber hat Geiz mit Enten bzw. mit klemmen zu tun? Dazu ist festzustellen, dass das Verbum klemmen im Schwäbi­schen – abweichend vom Schriftdeutschen – auch „zwicken“ bedeutet, ganz dem ursprünglichen Wortsinn entsprechend, der laut Kluges Etymologischem Wörterbuch lautete: „mit den Klauen packen, ein­ zwängen, zusammendrücken.“ Ein Entaklemmer ist also ein Mann, der mit seinen Klauen die Enten, präziser gesagt: deren Hinterteil, zusammendrückt, bevor er 44

sie ins Freie entlässt. Spürt er am Ende des Legedarms ein Ei, bedeutet das für die Ente Ausgangssperre, denn sie könnte ja sonst ihre Leibesfrucht irgendwo in der freien Landschaft deponieren, wo der Enten-Eigentümer sie nicht findet. Diese Vorsichtsmaßnahme war nicht auf Enten beschränkt. So verzeichnet Fischers Schwäbisches Wörterbuch auch den Henne­ greifer. Und den gibt es – womit die Schwaben rehabilitiert sind – ebenso in anderen deutschen Landen, wo als Hennengreifer jedoch eher ein kleinlicher Mensch bezeichnet wird. Beim Hennentaster entfernt sich die Bedeutung noch weiter vom Entenklemmer in Richtung eines Schlappschwanzes, der den Ehebruch seiner Gattin schweigend hinnimmt. Freilich dürfte nur eine absolute Minderheit der Schwaben frei­­l­aufende Enten besitzen. Es ist daher kein Wunder, dass es auch für die geflügellose Mehrheit ein entsprechendes Wort gibt, das ohne Ente, Huhn oder sonstiges Medium auskommt: der auf sich selbst konzentrierte Fuuzklemmer. Das ist einer, der nach einer verbreiteten Definition den Furz verhebt, bis zwei daraus werden. Was ihm das allerdings bringen soll, kann wohl nur ein Tiefenpsychologe beantworten.

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Mödele und Modene Verhaltensweisen, die zwar jenen, die sie ausüben, sinnvoll er­ scheinen, der Umwelt aber merkwürdig vorkommen, nennt man im Schwäbischen Mödele.

Wenn ein Schwabe beim Stammtisch die Brezel vor dem Verzehr ins Bierglas taucht, wenn er am Arbeitsplatz ständig die Bleistifte der Größe nach und sämtliche Notizzettel rechtwinklig anordnet, wenn die Schwäbin in der Speisekammer die Raviolidosen nach Verfallsdatum aufstellt, wenn sie aus allen greifbaren Apotheker­ zeitungen, Bäckerblumen, Fernsehzeitschriften und Goldenen Blät­ tern sämtliche Rezepte säuberlich ausschneidet und sammelt, um sie dann doch nie zu verwenden, dann sind das Mödele. Das Wort Mödele bezeichnet somit gewohnheitsmäßige bis ritu­ elle Verhaltensweisen, die jenen, die sie praktizieren, sinnvoll bis zwingend erscheinen, nicht aber den Mitmenschen. Denen kommen diese Manieren eher seltsam vor. Weil man meist mehrere solcher Schrullen hat, steht das Wort Mödele ebenso wie „Manieren“ über­ wiegend in der Mehrzahl. Die Sektoren Ordnung, Sparsamkeit, Ernährung und Gesundheit sind die bevorzugten Tummelplätze aller möglichen Mödele, wobei sich die Frage stellt, von welchem Punkt an eine Angewohnheit aus dem Bereich des gesellschaftlich Gebilligten in den der belächelten Mödele hinüberdriftet. Am Beispiel des Händewaschens mag sich das verdeutlichen lassen: Vor dem Essen gilt das Händewaschen nicht nur als normal, sondern als geboten. Wenn sich nun aber jemand nach jedem Händedruck, den er mit jemandem gewechselt hat, die Finger wäscht, ist das aus bakteriologischer Sicht vielleicht sinnvoll und im Einzelfall oft gut nachvollziehbar. Doch als fixe Verhaltensweise ist es den Mödele zuzurechnen, weil die anderen es nicht tun. 46

Das Wort Mödele ist die schwäbische Verkleinerungsform des französischen Lehnwortes Mode. Während dieses im Deutschen nur noch die rasch wechselnden Erscheinungsformen des Zeit­ geistes bezeichnet, bedeutet es im Schwäbischen auch noch „Ver­ haltensweise“ und „Angewohnheit“. „Was isch denn des wieder für a dumme Mode?“, fragt etwa die Mutter, wenn ihr Sprössling Ketchup und Majo über seine Spätzle verteilt. Lässt die Kombination „dumme Mode“ – die Mehrzahl lautet übrigens „dumme Modene“ – deutlich Missbilligung und Tadel er­ken­­ nen, so ist das Mödele versöhnlicher. Es erlaubt ohne Weiteres das selbstkritische Eingestehen eigener Mödele, von denen ohnehin keiner frei ist. Welche Auswirkungen haben Mödele auf das menschliche Mit­ einander? Es gibt Indizien, dass das Entwickeln von Mödele im Alter in dem Maße zunimmt, wie die Toleranz abnimmt. Für Partner­ schaften von der Ehe bis zur Senioren-WG ist es daher ratsam, die jeweiligen Mödele so aufeinander abzustimmen, dass sie mit denen des anderen nicht kollidieren. Sonst wird aus dem an sich harm­ losen Mödele ein Mordmotiv.

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Wie man degenmäßig wird Es gehört zu den aussterbenden Wörtern des Schwäbischen, das Adjektiv degenmäßig. Es hat nichts mit Hauen und Stechen zu tun, sondern eher mit Zurückstutzen. „I han em mit ’re Dienschtaufsichtsbeschwerde droht, und nå war er degemäßig!“ Auch wer mit dem Begriff degenmäßig nichts anfangen kann, entnimmt diesem Satz, dass er einen Sieg meldet, der mit der Unterwerfung des anderen vollzogen ist. Dieser andere kann ein Großmaul sein, das nunmehr sehr kleinlaut geworden ist, kann aber auch sonstwer sein, der sich gezwungen sieht, klein beizugeben. „Stets mit spöttischem Ton gebraucht über einen, der vorher großsprecherisch widerspänstig war, aber durch Gewalt oder sonst zahm geworden ist.“ So erklärt Fischers Schwäbisches Wörterbuch das Wort degenmäßig, dem es im Übrigen bescheinigt, in Württem­ berg, aber auch nur dort, allgemein verbreitet zu sein. Die Deutung ist umstritten. Zwar ist der zweite Teil klar: -mäßig bedeutet „nach Art des / der“. „Saumäßig“ ist „nach Art der Sau“. Was aber soll mit „nach Art des Degens“ gemeint sein? Unter einem Degen versteht man noch heute eine Stichwaffe, und das Degenfechten mit der 90 Zentimeter langen Klinge gehört seit 1900 zu den olympischen Disziplinen. Die Degenspitze, früher tödlich, ist längst stumpf – fast möchte man sagen: degenmäßig – gemacht worden. Aber als der Begriff degenmäßig geprägt wurde, war der Degen noch Waffe und kein Sportartikel, weshalb dieser Abstumpfungsvorgang keine Antwort bietet. Fischer liefert mehrere Erklärungen – zum Teil mit Fragezeichen: „Dem Degen gemäß, dessen Tragen Ruhe und Würde verlangt; oder ironisch: wie einer, der keinen Degen anhat? oder: dem Degen gehorchend?“ Das klingt wenig überzeugend. Kluges Etymologisches 48

Wörterbuch, das degenmäßig als „westoberdeutsch“ kennzeichnet, hält degen- für eine offenbar regionale Weiterbildung von mittel­ hochdeutsch teig (weich) und vergleicht es mit altnordisch deigr (weich, stumpf, feige“) oder mittelniederdeutsch deg (teigig). Es gab jedoch noch ein anderes Wort Degen, das „Krieger“ bedeutete und mit der Waffenbezeichnung, die wohl von französisch dague herrührt, nichts zu tun hatte. Der Mundartforscher Josef Karlmann Brechenmacher hat darauf hingewiesen, dass jener Degen, bevor er „Krieger“ wurde, erst einmal für „Knecht“ und noch früher für „Knabe“ stand. Das männliche Kind hieß im Althochdeutschen thegankind. Brechenmachers Version klingt am plausibelsten. Wer degenmäßig wurde, ist auf das Kleinformat des Buben zurückgestutzt, ist auf seinen unteren Rang in der Hackordnung verwiesen – ein (außer bei Großmäulern) unschöner Vorgang, der das Bedauern über das allmähliche Aussterben dieses Wortes relativieren mag. Allerdings: Auch wenn das Wort verschwindet – der Sachverhalt bleibt uns ­erhalten.

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Die Hagebüchenen Ältere Schwaben männlichen Geschlechts, die über ausgeprägte Ecken und Kanten verfügen und damit beständig und überall anecken, nennt man hagebüchen.

Wird von einem Mitmenschen gesagt „Des isch fei a ganz Hagebüche­ner“, so vermittelt diese Mitteilung ein Bündel unterschiedlicher Botschaften. Die erste lautet: Vorsicht! Der Umgang mit diesem Men­ schen ist nicht ganz einfach. Doch wäre es falsch, dies als Warnung vor einem Widerling zu begreifen. Daraus erhellt, dass ein Hagebüchener zwar „oige“, aber „net ôô­ recht“ ist. Seine Eigenart besteht in einer Schnörkellosigkeit, die von Menschen aus anderen Kulturkreisen gerne als derb, grob oder sau­ grob empfunden wird und die der Schwabe als „räs“ bezeichnet. Da­mit ist aber nur die Außenwirkung des Begriffs hagebüchen ab­ge­ deckt. Jene Eigenschaft umfasst zugleich ein hohes Maß an Wider­ standsfähigkeit, die aber keinesfalls als Unempfindlichkeit zu deuten ist. Spricht etwas dagegen, hagebüchen mit „knorrig“ gleichzusetzen? Antwort: Ja, die Baumart. Das Eigenschaftswort „knorrig“ wird gerne auf Eichen angewandt, also auf den Inbegriff des stolzen, großen Symbols der Kraft und der Stärke. Das Wort hagebüchen hingegen leitet sich direkt von der Hage(n) buch(e) ab, wie die Hain- oder Weißbuche im Schwäbischen heißt. Die Charakteristika jener Baumart, die übrigens nicht zu den Buchen, sondern zu den Birkengewächsen gehört, entspricht den Charakterzügen der Hagebüchenen: Ihr Holz ist das härteste unter den einheimischen Baumarten, sie wird nicht besonders groß, steht daher beständig im Schatten der anderen, woran sie sich aber gewöhnt hat. Und: Sie hält die größten Verstümmelungen aus, ist also unglaublich strapazierfähig. 50

Geradezu hanebüchen ist der Bedeutungswandel, den das Wort hanebüchen vollzogen hat. Denn das war zunächst identisch mit ­hagebüchen, so wie die Hanebuche, von der es stammt, ei­ne zusammengezogene Ableitung des alten hagene-buche war. Hane­büchen bedeutete ursprünglich ebenfalls „streng, grob“ und war vor allem im mitteldeutschen Sprachraum verbreitet, wo beispielsweise im Winter mitunter eine „hanebüchene Kälte“ herrschte. Zurück ins Schwabenland: Auf Frauen, auch wenn sie noch so zäh und strapazierfähig sind, wird das Adjektiv hagebüchen nicht angewandt. Es bleibt Männern vorbehalten, die jedoch alt genug sein müssen, um jene Charaktereigenschaft hinreichend ausgeprägt zu haben. Dieser Umstand führt gelegentlich zu Verwechslungen mit dem Hagestolz, mit dem der Hagebüchene über den Hag (Hecke, ein­ gehegtes Grundstück) tatsächlich verwandt ist. Im Übrigen aber ist der Hagestolz ein alter Junggeselle. Sein Familienstand bietet ihm jedoch sattsam Gelegenheit, seine Ecken und Kanten ungehindert zu schärfen. Und das prädestiniert ihn natürlich dazu, sich zu den Hagebüchensten der Hagebüchenen zu entwickeln.

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Die Luse und die Ôômueß Zwei Wörter können das Klischee vom Schwaben, der dem Ideal der Rastlosigkeit huldigt und den Müßiggang verabscheut, konter­ karieren: die Luse und die Ôômueß.

„Des isch dr’ vielleicht a Ôômueß!“ So lautet das Urteil über einen Menschen, der die Ôômueß im Leib hat und ständig eine Ôômueß verursacht. Die Ôômueß ist also ein Femininum, das zum Maskulinum mutieret, wenn ein Mensch von der Ôômueß befallen ist und das Wort auf ihn übergeht. Zwar wird das Grundwort -mueß in Ôômueß gleich ausgesprochen wie das Mus, das im Apfel- und dem Mehlmus steckt. Doch dieses Mus ist ein Neutrum, und daher hat die oder der Unmuß, wie man das Wort korrekt schreiben müsste, nichts mit jenen breiigen Nahrungsmitteln zu tun. Im Mittelhochdeutschen lautete es noch unmuoze, und die war das Gegenteil der muoze, die auf Neuhochdeutsch Muße lautet und nach wie vor „Ruhe, freie Zeit, Untätigkeit“ bedeutet. Diese Muße hat mit den Musen, den griechischen Göttinnen der Kunst und Wissenschaften, nichts zu tun. Vielmehr ist sie verwandt mit müssen, dem in Urzeiten einmal der Sinn von „die Möglichkeit haben“ anhaftete. Jedenfalls ist Unmuß bzw. Ôômueß das Gegenteil der Muße und bedeutet daher „Unruhe“. Und wie die Beispiele gezeigt haben, ist dieser Begriff bei den Schwaben keineswegs positiv besetzt. Das heißt nun aber nicht, dass Schwaben, welche die Ôômueß ablehnen, zur Fraktion der Müßiggänger gehörten. Vielmehr orientieren sie ihren Tätigkeitsdrang an den Worten des Predigers Salomo (3. 1), der da sagt: „Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde.“ Wer also zur unrechten Zeit Betriebsamkeit entfaltet, ist ein Ôomueß und stört nicht nur Salomo, sondern auch die Schwaben. 52

Daraus folgt umgekehrt, dass auch die Schwaben gelegentlich der Muße frönen, obwohl dieses Wort unüblich ist. An seiner Stelle wird ein Begriff verwendet, der kurioserweise Luse lautet. Ein kleiner Unterschied zur Muße besteht allerdings schon: Der Begriff Luse kann auch ein „Zuviel“ andeuten, also „zu viel Freizeit“. Daher sind es meistens die anderen, die Luse haben. In Verbindung mit der 1. Person Singular aber steht meistens ein „koi“ davor: „Dadrzu han i jetzt koi Luse!“ Woher stammt dieses rätselhafte Wort? Vom lateinischen ­„lusus“ (Zeitvertreib)? Fischers Schwäbisches Wörterbuch setzt dazu lediglich ein Fragezeichen, doch zeigt die dort ebenfalls registrierte Form Lusem (das -e- geht in Richtung -a-) eine auffallende Ähnlichkeit zu dem mittelhochdeutschen Wort lussam. Das ist die zusammenge­ zogene Form des Eigenschaftswortes lustsam und bedeutet „Anmut, Schönheit“. Der Bedeutungswandel zu Muße wäre allerdings schon gewaltig, was erklären mag, dass Fischer sich mit einem Fragezeichen begnügt hat. Aber vielleicht wird einer seiner Nachfolger dereinst diese Frage lösen. Der sollte sich die Luse nehmen, auf den Kuss der dafür zu­ ständigen Muse Kalliope zu warten.

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Aus der Verwandtschaft Der Schwabe nennt seine Verwandtschaft Blås. Zur erweiterten Blås gehören neben den Gegenschwiegern auch die Doten.

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Von der Blåder zur Blås Die Blattern sind seit 1977 ausgerottet. Doch noch immer klagt man­ cher Schwabe über Blådere. Aber die kommen meist vom Schaffen, und das ist nicht ansteckend. Von den Blattern – das ist ein anderer Name für Pocken – eine Be­ ziehung zur schwäbischen Blåder herzustellen, mag vielleicht etwas weit hergeholt erscheinen. Tatsächlich aber sind Blatter und Blåder ein und dasselbe Wort, und bedeuteten ursprünglich dasselbe: Blase. A propos Blase und „verwandt“: Um seine Anverwandten verbal herabzuwürdigen, hat der Schwabe schon früher den Begriff Blås verwandt. „De ganz Blås“ ist die ganze Verwandtschaft. Zwar ist, so stellt das Schwäbische Wörterbuch fest, das Wort Blase „der richtigen Mundart fremd“ und „durch Blater ersetzt“. Doch halbmundartlich bedeute es „schlechte Gesellschaft“. Einen Grund dafür nennt Fischer nicht. Andere Lexika bieten diverse Erklärungen an, etwa den Vergleich mit der Eiterblase. Wie daraus im Schwäbischen ein Synonym für „ungeliebte Verwandtschaft“ werden konnte, bleibt offen. Vielleicht hängt es mit dem württembergischen Erbrecht zusammen oder damit, dass die Verwandten bei ihren sonntäglichen Heimsuchungen den ganzen Hefezopf verputzt haben. Doch das sind Spekulationen. Genauer kennen wir hingegen die Geschichte der Blåder bzw. Blatter. Im Althochdeutschen hieß sie noch platara, im Mittelhochdeutschen blater. Dabei sind die Schwa­ ben geblieben – und die Engländer mit ihrer bladder, wobei die nur die Blase im anatomischen Sinn bezeichnet, also die Harn-, Gallenoder Schwimmblase respektive -blåder. Die schwäbische Blåder greift weiter. Sie entspricht vollinhaltlich der schriftdeutschen Blase und bezeichnet damit alle Arten von 56

Blasen. Da sind zunächst die, welche die Haut wirft, etwa infolge von Krankheit. Und damit sind wir wieder bei den Blattern, die ihren Namen von dem für Pocken typischen eitergefüllten Bläschen haben, das auf Schwäbisch Bläderle heißt. Auch die Haut gesunder Schwaben kann Blådere bilden, wenn sie durch äußere Einflüsse zu stark strapaziert wird, etwa durch zu enges Schuhwerk, durch das Berühren einer heißen Herdplatte oder auf die für Schwaben ehrenhafteste Weise: durchs Schaffen. Die wohl typischste schwäbische Art, Blådere zu produzieren, ist das Anrühren eines Spätzlesteigs. Erst wenn der Blådere schlägt, ist er reif zur weiteren Verarbeitung. Bis dahin hat sich die Hausfrau Blådere an die Finger gerührt. Jedoch ist festzustellen, dass die Blåder heute fast nur noch im Bereich der Fasnetsbräuche anzutreffen ist, nämlich in Gestalt der Saublåder. Ansonsten wird sie Zug um Zug von der Blase verdrängt, die dann die schwäbische Lautung Blås erhält. Dieser Entwicklung ist auch das Bläderle unterworfen. Doch Mundart-Puristen dürfen sich damit trösten, dass auch das Wort „Konfirmandebläsle“ von zweifelsfrei schwäbischem Charakter ist.

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Die Gegenschwieger Wie nennt man die Schwiegereltern seiner Kinder? Auf diese Frage wissen nur die Schwaben eine unkomplizierte und saupraktische Antwort: Das sind die Gegenschwieger.

„Unsere Gegeschwieger hent a nett’s Sach beinander.“ Wie übersetzt man so einen Satz ins Schriftdeutsche? Konzentrieren wir uns dabei auf das Wort Gegenschwieger, das der Standardsprache abhanden gekommen ist. Zwei Übersetzungen sind möglich, entweder „die Eltern unseres Schwiegersohnes / unserer Schwiegertochter“ oder „die Schwiegereltern unseres Sohnes / unserer Tochter“. Beides ist vergleichsweise umständlich. Man muss sich daher fragen, warum es das Wort Gegenschwieger im Hochdeutschen nicht mehr gibt und warum es sich allmählich auch aus dem Schwäbischen zurückzieht. Die Antwort wissen vielleicht eher die Soziologen als die Philo­ logen. Die Philologen aber können darauf verweisen, dass sich im Bereich der Gegenschwieger bereits zuvor ein Wandel vollzogen hat, der einen Verlust an Differenzierung mit sich brachte. So wurde als die Gegenschwieger früher nur die Schwiegermutter des eigenen Kindes bezeichnet. Dessen Schwiegervater war der Gegenschwäher. Heute heißt er der Gegenschwieger. Beide zusammen heißen ebenfalls Gegenschwieger. Gegen diesen Verarmungsprozess stemmte sich noch vor knapp hundert Jahren Hermann Fischer, der Verfasser des Schwäbischen Wörterbuchs: „Ein unter Gebildeten, nicht in echter Mundart, immer mehr einreißender Unfug ist es, statt Gegenschwäher Gegenschwie­ ger zu sagen“, schimpfte er. Zudem teilte er noch mit, die „gebildeteren“ Formen von Gegenschwäher und -schwieger seien Gegen­ schwiegervater und Gegenschwiegermutter. Doch die scheinen das Zeitliche endgültig gesegnet zu haben. 58

Gegenschwäher und Gegenschwieger(in) hat es früher im ­ganzen deutschen Sprachraum gegeben. Darin stecken Schwäher, der Schwie­ gervater, und seine Gattin, die Schwieger. Der Unterschied zwischen beiden reicht zurück ins Indogermanische, wo der Mann mutmaßlich swekuro hieß und die Frau swekru – fast wie im Spanischen sue­ gro und suegra. Im Laufe der deutschen Sprachgeschichte hat der Schwäher den Kürzeren gezogen und der Schwieger das Feld überlassen, die sich dann, des unleugbaren kleinen Unterschieds wegen, in eine Schwiegermutter und einen Schwiegervater spaltete. Doch im Schwäbischen haben sich Schwäher und Schwieger noch lange gehalten – unter anderem im Gegenschwäher und in der Gegenschwieger. Doch nun ist der Schwäher auch hier vollends verschwunden. Soll man darüber traurig sein? Wenn Fischer mit seiner Beobachtung Recht hatte, dass diese von ihm so bedauerte Entwicklung gerade unter den „Gebildeten“ einriss, dann könnte man den Verlust des Schwähers deuten als Symptom für das so lange herbeigesehnte Bildungswachstum. Doch so logisch das klingt, so unwahrscheinlich ist es.

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Im Reich der Doten Im Schwabenland wimmelt es von Doten, die noch recht lebendig sind. Dabei handelt es sich nicht um Wiedergänger, selbst wenn theoretisch auch die Undote denkbar ist.

„D’ Frau Maier isch mei Dot.“ Wer das Schwäbische nicht beherrscht, muss diese wertneutrale Verortung im Netz der sozialen Beziehun­ gen missverstehen als wenig schmeichelhafte Aussage über besagte Frau Maier. Ins Schriftdeutsche übersetzt, bedeutet sie jedoch: Frau Maier ist meine Patentante. Die Patentante heißt, je nach Region, Dot oder Dote. (Und da man im Schwäbischen jedes Hauptwort durch die Vorsilbe Un- ins Über­ dimensionale steigern kann, ist theoretisch auch die oben ins Spiel gebrachte Undote möglich.) Neben Dot(e) etc. existiert auch die Gotte. „D’ Frau Maier isch mei Gotte“ ist weniger missverständlich, da eine Verwechslung mit „Göttin“ sich nur in den seltensten Fällen anbietet. Der Gatte der Gotte – das ist der Mann der Dote, der natürlich nicht mit dem Patenonkel zu verwechseln ist – heißt Dotevetter. Der Patenonkel wird ebenfalls Dot, Dote oder Döte genannt. Um Irritationen zu vermeiden, gibt es daher die Präzisierungen Rock­ dot(t) für die Patin und Hosedot(t) für den Paten. Dessen Frau wiederum ist die Dotebas oder Dötebäs. Die männliche Form der Gotte ist der Got(t) oder Götte. Freilich muss man einräumen, dass sich die männlichen und weiblichen Doten und Gotten samt ihren im Ernstfall Schutzbefohlenen, den Dötle und Göttle, aus den Städten weitgehend zurückgezogen haben. Aber auf dem Lande leben sie noch fröhlich und gottgefällig weiter. Wie kommen die Schwaben dazu, ihre Taufpaten mit Bezeich­ nungen zu versehen, die an Gott oder den Tod denken lassen? Gott 60

ist tatsächlich im Spiel, denn Götte, Got(t), Göttle sind Kurzformen von Góttvater, Góttmutter, Góttkind, die auf der ersten Silbe betont sind – im Gegensatz zu Gottváter im Sinne von Gott, dem Vater. Sie sind zu verstehen als Vater, Mutter und Kind in Gott, also im spirituellen, nicht im leiblichen Sinne. Im Englischen heißen Paten und Patenkind ebenfalls godfather, godmother, godchild, und das dreiteilige Filmepos „Der Pate“ heißt im englischen Original „The Godfather“. Was liegt näher als anzunehmen, dass Dot, Döte und Dötle kind­ liche Ausspracheformen desselben Wortes sind? Drüß Dott! Doch diese Vermutung geht daneben. Denn die Doten beiderlei Geschlechts gehen zurück auf die althochdeutschen Begriffe toto (Vater, Pate) und tota (Mutter, Patin), die über das Mittelhochdeutsche ins Schwä­ bische gelangt sind. Der toto im leiblichen Sinne hat im Englischen als daddy überlebt und im Jiddischen als tate. Der Umstand, dass für das Wort „Vater“ schon im Altgriechischen die Koseformen táta und tétta üblich waren, könnte an eine direkte Verwandtschaft zwischen tata, toto und Dote denken lassen. Allerdings heißt „Vater“ auch in Quechua, der Sprache der Inkas, „taita“, und die ist mit dem Griechischen und Schwäbischen garantiert nicht verwandt oder verschwägert. Aber Kinder lallen eben überall auf der Welt gleich.

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Tätigkeiten Für das, was sie tun, benutzen die Schwaben zum Teil andere, bisweilen sehr eigenwillige Begriffe. Das gilt auch für ihre Sinneswahrnehmungen.

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G’luaget und g’loset Los! Wenn ein Schwabe auf dieses Kommando hin nur die Ohren spitzt, statt sich zu bewegen, so ist das keine Gehorsamsverweige­ rung, son­dern ein Missverständnis. Die fünf Sinne der Schwaben unterscheiden sich nicht von denen anderer Menschen, wohl aber diverse Bezeichnungen für das, was die Schwaben mit ihren Sinnen tun. Was die optische und akustische Wahrnehmung betrifft, sind die gesamtdeutschen Verben sehen und hören auch hierzulande üblich; ebenso schauen und horchen. Anders verhält es sich mit den Wörtern lugen und losen, die allerdings auch im Schwäbischen immer seltener gebraucht werden. So sind die noch vor nicht allzu langer Zeit geläufigen Imperative luag amål! und los amål! allenfalls noch in ländlichen Rückzugsgebieten zu hören. Freilich lugt das Wort lugen gelegentlich auch aus schriftdeutschen Formulierungen hervor, aber eben nur als Kompositum und nie im Sinne des aktiven Schauens, das lugen bezeichnet. Wenn es dennoch den meisten bekannt vorkommt, dann wegen seiner auffälligen Ähnlichkeit zum englischen look, mit dem es in der Tat verwandt ist. Im Altenglischen hieß es locian, im Altsächsischen lokon, und da zeigt sich deutlich die Verwandtschaft zum althochdeutschen luogen, das die Schwaben beibehalten haben. Angesichts dieser weitreichenden Verwandtschaft ist es umso erstaunlicher, dass lugen, wie das Grimm’sche Wörterbuch mitteilt, sich „von alters her im oberdeutschen, namentlich im alemannischen Sprachgebiete“ am häufigsten findet. Lugen im Sinne von „spähen“ ist noch lebendig im Wort Luginsland. So wurden früher die Wachtürme bezeichnet, und auch mancher Berg trägt diesen Namen. 64

Im Gegensatz zu lugen ist losen ein Wort, das laut Grimm „der neueren Schriftsprache gänzlich unbekannt, und von jeher nur auf oberdeutsches Gebiet eingeschränkt“ ist. Dort sei es in Schriftwerken des 16. Jahrhunderts noch häufig zu finden gewesen, habe sich dann aber ganz in die Mundarten zurückgezogen, „wo es indes noch ein kräftiges Leben führt“. Trotz der Ähnlichkeit zum sinnverwandten „lauschen“ sind die beiden Wörter nicht verwandt. Wohl aber gibt es eine Beziehung von losen sowohl zu laut als auch zum Leumund. Sie alle gehen zurück auf die indogermanische Wurzel kleu- (hören), aus der auch der altgriechische kleos (Ruhm) gesprossen ist. Der wiederum steckt in Namen wie Kleopatra oder Herakles, der sich im schwäbischen Schimpfwortkanon als Hergoless! wiederfindet. Das ungläubige Erstaunen, das dieser Erkenntnisgewinn nun hoffentlich ausgelöst hat, pflegt der Schwabe mit einem triumphierenden „Gell, da glotsch!“ zu quittieren. Warum nicht „Gell, da luagsch?“ Antwort: Weil lugen aktiv ist, glotzen hingegen reaktiv. Das mag auch erklären, warum noch nie jemand auf die Idee gekommen ist, das Fernsehgerät Luge anstatt „Glotze“ zu nennen.

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Trappt und dappt Die Schwaben kennen zwei stammesspezifische Gangarten, die zwar ähnlich lauten, die aber sehr verschiedene mentale Zustände an­ deuten: trappe und dappe.

Das Verbum „treten“ ist den Schwaben unbekannt. Sie sagen nicht „tritt ein!“, sondern „komm rei!“, worauf der so Gebetene „neigåht“ anstatt einzutreten. Das Fehlen des Wortes „treten“ im Schwäbischen ist die einfache Erklärung dafür, warum manchen Schwaben die Formel „Ich trete zurück“ fremd ist. Werden sie dennoch dazu gedrängt – schwäbisch: ’trappt – führt das eher dazu, dass sie zrucktrappet, wie „zurücktreten“ auf Schwäbisch heißt – allerdings in einem anderen, schmerzhaften Sinne. Den erkennt man daran, dass die Vergangenheit „ich habe zurückgetreten“ lautet und nicht „ich bin zurückgetreten“. Einfacher ausgedrückt: „treten“ kann im Schwäbischen mit trappe übersetzt werden, aber nur, wo es die Bedeutung von „den Fuß (energisch) auf oder in etwas setzen“ hat. Richtet sich die Bewegung gegen eine Person, kann sie auch horizontal verlaufen, etwa, wenn man sie „in de Arsch trappe“ muss. Trappe beschreibt also eine klare, zielgerichtete Bewegung – im Gegensatz zum unbeholfenen dappe. Den Unterschied zeigt folgendes Beispiel: Wenn ein Knabe in eine Drecklach (Pfütze) neitrappt, tut er dies energisch und in der vollen Absicht, andere zu beschmutzen. Wer hingegen neidappt, tut dies unabsichtlich und ist ein Bähmulle. Das Verb dappe wurzelt in der „Tappe“, was laut Grimm ein breiter, weicher Tierfuß, eine Pfote oder Tatze ist, wobei dies Hinter- wie Vorderpfote sein kann und im übertragenen Sinne Fuß wie Hand. Darum kann man auch mit den Händen drnebedappe, was für einen 66

Pianisten besonders peinlich ist. Wer dauernd drnebedappt, ist dappig. Das steht im Schwäbischen für einen Defekt in der Feinmotorik. Der tritt gerne mit zunehmendem Alter auf, wenn man alt und dappig wird. Ein Glückspilz hingegen ist, wer aus Versehen an ein günstiges Sonderangebot oder einen gut situierten Lebenspartner nââdappt. Nââdappe darf man übrigens nicht verwechseln mit ââdappe, was das schwäbische Wort für „betatschen“ ist. Es böte sich nun an, diesen Aspekt genüsslich zu vertiefen. Dann hätte man ihn ausdappt, was aber als niveaulos gilt. Wer mit den Füßen dappt, tut einen Dapper oder Däpper. Die auf Minimaldistanz reduzierte Schrittfolge, bei der ein Fuß vor den anderen gesetzt wird, nennt man in der Kindersprache „Hennadäpper“. Auf die geistige Beweglichkeit bezieht sich der Tapp oder Dapp, der von dappig abgeleitet ist. Er wurde zum Depp, was aber noch gar nicht lange her ist: Grimms Wörterbuch kennt ihn noch nicht. Die neueren Lexika bescheinigen ihm, „oberdeutscher“ Herkunft zu sein. Das heißt, der Depp hat von Süddeutschland aus seinen Triumphzug in den ganzen deutschen Sprachraum begonnen – was aber leider nicht bedeutet, dass er ausgewandert wäre.

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Aufklaubt und ausnanderklaubt Wo hent se au den aufklaubt?“ Deutlicher lässt sich eine Despek­ tierlichkeit kaum formulieren. Denn aufklauben tut man nur, was auf dem Boden herumliegt. Klauben ist mit Sicherheit kein Wort, das die Schwaben für sich ge­ pachtet haben. Es ist zumindest im gesamten süddeutschen Sprach­ raum verbreitet. Das schwäbische klaube jedoch zeichnet sich aus durch den stammestypischen Urlaut au, der durch die fast geschlos­ senen Zahnreihen gestoßen wird. Er setzt den Unterschied zum bayerischen und österreichischen klaoben, welches akustisch kaum auseinanderzuhalten ist vom (z.B. christkatholischen) Glauben. Das schwäbische au kommt besonders schön zur Geltung in der Kombination aufklaube. Deren zwiefaches au erreicht eine lautmalerische Qualität, welche die Qual erahnen lässt, die das Aufklaube vor allem Personen mit Bandscheibenschäden bereiten kann. Die Qual wird gelindert, wenn das, was aufklaubt wird, von Nutzen ist wie etwa Kartoffeln, Äpfel, Rossäpfel oder verlorene Gegenstände. Doch nicht nur nützliche Dinge werden aufklaubt, sondern auch nutzlose oder schädliche, mit dem Ziel, sie auszusondern. So quälen schwäbische Gartenbesitzer ihre Kinder gerne damit, sie Schtoiner aus den Blumenbeeten klauben zu lassen. Sie selber klauben nächtens die Nacktschnecken aus dem Salat, die für diese Mühsal mit ihrem Leben büßen müssen. Das Bild mühsamer Tätigkeit, das klauben vermittelt, steckt in seinem Grundbegriff, den das Schwäbische Wörterbuch in Über­ einstimmung mit dem Grimm’schen Wörterbuch definiert als „mit den Fingern einzeln auf-, zusammenlesen“. Grimm vermutet sogar einen Zusammenhang mit der „Klaue“, den Kluges Etymologisches Wörterbuch allerdings nicht bestätigt. 68

Ob Sammeln von Verwertbarem oder Aussonderung von Un­ nützem: Das Klauben dient den Kardinaltugenden der Sparsamkeit und Ordnungsliebe, welche die Schwaben gerne für sich geltend machen, und passt daher besonders gut zu ihnen. Ein weiteres Kompositum von klauben, das Verklauben, war im Übrigen vor der industriellen Verarbeitung von Hülsenfrüchten die Voraussetzung für den ungestörten Genuss der schwäbischen Leibspeise, der sauren Linsen. Man musste sie vor dem Einweichen von Hand verklaube, wollte man sich nicht die Zähne an den beigemengten Steinchen ausbeißen. Neben „auslesen“ kann verklaube im Schwäbischen einen weiteren Sinn annehmen, nämlich wenn die Obstwiese so bratzlet voll von Früchten liegt, dass man die schier net verklaube kann. Dem Ordnen dient neben verklaube auch zeemaklaube (zusammenklauben). Man kann auch sich selber zeemaklaube, etwa nach einem schweren Sturz vom Fahrrad. Etwas völlig anderes ist das Ausnanderklaube, das zum Ziel hat, einem anderen etwas verständlich zu machen – wie diese Wortklauberei, die damit ein Ende haben soll.

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Rumg’rudlet Ein im wahrsten Sinne rührendes schwäbisches Wort ist das Verbum rudle. Man spricht es eigentlich mit einem dunklen e nach dem u: ruedle – aber ja nicht rüdle!

Man kann etwas rudle oder in etwas rudle. Rudle kommt dem schrift­ deutschen „rühren“ relativ nahe – aber nicht ganz. So muss man zwar einen Spätzlesteig rühren, bis er Blasen schlägt, aber im Spätzlesteig rudle kann auch der verbissenste Schwabe nicht. Denn dazu ist diese Masse zu zäh. Damit steht fest, dass die Tätigkeit des Rudlens abhängig ist von der Konsistenz des zu rudlenden Materials. Es darf nicht zu fest sein. Ein Grenzfall ist beispielsweise der Kartoffelsalat. Wenn der so ist, wie er sein soll, nämlich schön schlonzig, dann kann man darin rumrudle. Andernfalls nicht, weil der Löffel stecken bleibt. Das Rudle scheint früher das Berufsbild des Metzgers geprägt zu haben, wie die folgende Liedstrophe vermuten lässt: „Mei Schatz isch a Metzger, er rudlet im Blut, / Kurasch wie a Teufel, und Geld hat er gnug.“ Im Blut der frisch geschlachteten Schweine hat der Metzger g’rudlet, um das Gerinnen zu verhindern, was allerdings seit 1960 eine Chemikalie erledigt. Der Zweck des Blut-Rudlens war die Herstellung von Blutwurst. Die Grundform rudle ist ebenso kombinierfähig wie das Verbum rühren. Will ein Schwabe zwei Substanzen miteinander vermischen, etwa seine Suppe und das hinzugefügte Maggi, dann verrudlet er sie. Man kann das Maggi auch in die Suppe neirudle – aber nicht umgekehrt. Es sei denn das Maggi befände sich bereits vor der Suppe im Teller. Während ver-, nei- und das in Fischers Schwäbischem Wörterbuch ebenfalls genannte umrudle jeweils einen bestimmten Zweck verfol70

gen – in den angeführten Beispielen führt es zum Verzehr der Sup­ pe –, hat das Kompositum rumrudle eine andere Qualität: Es ist nicht zielgerichtet. Wer in der Suppe rumrudlet, lässt indirekt erkennen, dass er keine Lust hat, sie zu essen. Kinder rudlet absichtslos in der Drecklache rum, weil ihnen das Rumrudle als solches Spaß macht. Im Dreck rumrudle kann man auch im übertragenen Sinne, wobei dahinter dann allerdings schon eine Absicht steckt – notabene eine böse. Das Wörterbuch der Brüder Grimm kennt rudeln in mehreren Bedeutungen, wovon die der Bildung von Rudeln vernachlässigbar ist. Als Nächstes nennt es rudeln im Sinne von „aufrühren“ und stellt Zusammenhänge her zum mittelhochdeutschen rüeden (lärmen) oder zu rodeln – aber nicht in der Bedeutung von Schlitten fahren, sondern von rütteln, schütteln, rühren, regen. Ferner weist Grimm auf die Identität von rudeln und rudern hin, die ins Mittelhochdeutsche zurückreicht. Diesen Zusammenhang hält Fischer aus lautgesetzlichen Gründen für den richtigen. Für diese Erklärung spricht im Übrigen zudem die Beobachtung, dass die Schwaben anfangen zum rudle, wenn ihnen das Wasser am Hals steht.

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Nauf-, raa-, naa- und neig’langt Wenn Hochsprachler meinen, die Schwaben könnten ihnen nicht das Wasser reichen, haben sie völlig Recht. Denn die Schwaben reichen einem nichts: Sie langen.

„Lang mr au amål des G’sälz raa, i lang net nauf!“ So bittet die Hausfrau ihren Mann, dem sie grad bis unter die Achsel langt. Das Beispiel zeigt, dass das Zeitwort langen im Schwäbischen die Verben „reichen“ und „greifen“ ersetzt, wobei diese beiden Begriffe nicht beliebig austauschbar sind. Denn die Frau greift ihrem Mann nicht unter die Achsel – wozu auch? –, sondern sie reicht ihm bis dorthin. Nauflange bedeutet also „hinaufreichen“ in räumlicher Hinsicht, während raalange dasselbe ist wie „herunterreichen“ (= heruntergeben). Es darf nicht verwechselt werden mit naalange, das wiederum die räumliche Ausdehnung angibt: „Mei Konfirmandeââzügle langt mr fei bloß no bis zu de Knui naa.“ Das aber ist nicht die einzige Bedeutung von naalange. So ist in Fischers Schwäbischem Wörterbuch nachzulesen, dass man naalange auch als „hinuntergreifen“ verstehen kann, und zwar „speziell einer Weibsperson unter die Röcke“. Damit ist das Ziel dieser Variante des Grapschens eindeutig definiert. Das ist hingegen nicht der Fall bei dem unschärferen nââlange (hinanlangen = hingreifen). Dessen Angriffs­ punkt bleibt unbestimmt, aber die Absicht nicht minder unsittlich. Doch täte man dem Kompositum nââlange unrecht, wollte man es auf seine obszöne Bedeutung reduzieren. Denn das nââlange zeichnet auch den schwäbischen Schaffer aus, der bekanntlich „richtig nââ­ langt“ – also: kräftig zupackt. Von einem guten Kabarettisten wiederum erwartet man, dass er „ordentlich neilangt“, was Politiker und Großkopfete ââlangt. Damit sind wir bei ââlange angelangt. Was dieses Verb ââlangt, steht es hier für das Schriftdeutsche „anbelangt“. 72

Daneben bedeutet es „anfassen“ und spielt eine wichtige Rolle in der Erziehung der Kinder, denen man beizeiten beibringt, dass sie die vielen bunten Fläschchen und Schächtelchen in Großmutters Medikamentensammlung vielleicht ââgucke, aber auf keinen Fall ââlange dürfen. Für Kinder wie Erwachsene gilt: Wer gegen die ihm aufgelegten Berührungsverbote verstößt und in irgendwelche Tabuzonen langt, muss mit der bodenständigen Drohung rechnen: „I lang dr glei oine!“ Hier entspricht lange dem schriftdeutschen „verabreichen“. Eine wichtige Rolle im schwäbischen Wortschatz spielt lange im Sinne von „ausreichen“. Die Urangst der Gastgeberin, der Kuchen „könnt’ net lange“, hat den Hefezopf geboren. Der Superlativ von „net lange“ lautet: „Des langt net rum und net num“; das seltener gehörte Gegenteil ist das klanglich beeindruckende: „Des langt lang.“ Bemerkenswert ist zudem, dass langen neben seiner räumlichen und abstrakten auch eine zeitliche Dimension hat: „Wenn-e schpring, langt’s mr no auf de Zug.“ Und sowieso langt’s jetzt langsam.

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Rum- und numdalgt „Du sollsch dei Weckle esse und net in de Finger rumdalge!“ Diese elterliche Zurechtweisung erschließt auch Nichtschwaben den Sinn des Wor­tes dalge.

Das schwäbische Verbum dalge und seine Komposita verdalge und rumdalge sowie das dazugehörige Adjektiv dalgig oder dalget haben geradezu eine lautmalerische Qualität. Sie lassen das Bild von Fingern entstehen, die ohne bestimmte Zielsetzung auf eine Masse einwirken, die durch das Rum- oder Rum- und Numdalge an Form verliert und dalgig wird. Dalge ist daher nicht ganz dasselbe wie „kneten“, denn beim Kneten kann die Knetmasse an Konsistenz gewinnen und sogar Gestalt annehmen, was bei dalge definitiv nicht der Fall ist. Dalge und verdalge kann man alles, was elastisch, aber nicht flüssig ist. Der Hund verdalgt die tote Maus und das Kleinkind die Banane. Der Nicht-mehr-Raucher dalgt die Zigarette in den feuchten Fingern, bis die Papierhülle aufweicht. Der Romeo, der am vereinbarten Treffpunkt seiner Julia harrt, dalgt den Nelkenstrauß in den Händen, bis der ganz lummelig ist. Und wenn die Julia dann endlich bei ihrem Romeo eingetroffen ist, dalgt er an ihr herum, voraus­ gesetzt, sie hat die dafür erforderliche Mindestmenge an Gewebe auf den Knochen. Sieht man vom letzten Beispiel ab, ist das Ergebnis des Dalgens ein im Grunde unerwünschtes: Das Objekt wird dalgig oder bleibt verdalgt, und diesen Zustand lehnen die Verbraucher ab. Ein dalgiges Brot etwa bietet Anlass, vom Bäcker das Geld zurückzufordern, wobei in diesem Fall der dalgige Zustand nicht durch Dalgen erzielt wurde, sondern durch zu kurzes Backen. Die Nudeln hingegen werden dalgig, wenn man sie zu lange kocht. 74

In diesen beiden Fällen sind es Teigprodukte, die dalgig gewor­ den sind. Und der Umstand, dass das Kneten des Teiges im Mittel­ hochdeutschen talgen hieß – wovon das schwäbische dalgen abzuleiten ist –, gibt Anlass zur Frage, ob dieses Wort sprachgeschichtlich mit dem Teig verwandt ist, zumal man einen teigigen Menschen als dalgeten Siech bezeichnet. Doch diese Verwandtschaft scheint nicht gegeben zu sein. Fischers Schwäbisches Wörterbuch sieht ­einen Zusammenhang mit dem Talg, der aber im Oberdeutschen unbekannt war. Möglicherweise geht dalgen zurück auf eine indogermanische Wurzel dhelg-, die „schlagen“ bedeutete. Aber das sind Vermutungen. Bemerkenswert ist hingegen, dass das Grimm’sche Wörterbuch der deutschen Sprache ein Verbum dalken aufführt, und das bedeutet „schwerfällig, ungeschickt, kindisch reden“. Das hat allerdings, auch wenn’s zunächst so aussieht, nichts mit dem englischen „talk“ (sprechen) zu tun, sondern hängt nach Grimm mit der zähen Materie zusammen, die auch Gegenstand des Dalgens ist. Demnach wäre dalken ein dalgiges Daherreden. Insofern spricht alles dafür, einen Großteil der allabendlichen Talkshows umzutaufen in Dalgshow.

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Nach gruebet grublet Wenn ein Schwabe endlich einmal seine Ruhe hat, was nicht so häufig vorkommt, dann hockt er da und gruebet. Man kann auch sagen: Dann ist er rübig.

Rübig ist wohl eines der eigenartigsten schwäbischen Eigen­schafts­ wörter. Wie hat man sich einen Menschen vorzustellen, der rübig ist? So schön wie einen Rübengeist? Oder so erdverwurzelt wie eine Rübe? Er kann beides sein – oder eins oder keins von beidem. Denn rübig hat in diesem Falle nichts mit der Rübe zu tun, sondern mit der Ruhe. Gibt der Schwabe sich ihr anheim, so ruht er dennoch nicht. Das liegt nicht an seiner angeblichen Rastlosigkeit, sondern an seiner Mundart. Und in der heißt „ruhen“ gruebe. Auch dieses Wort ruft merkwürdige Vorstellungen hervor, und das nicht nur unter Nichtschwaben. Denn wer im Schwäbischen Wörterbuch unter grube nachschlägt, findet dort die naheliegende Übersetzung „eine Grube ausgraben“. Dazu gibt es noch die Iterativbildung gruble, und die bedeutet „mit den Fingern graben, bohren, stieren“. Man kann sowohl in der Erde als auch in der Nase oder im Brotlaib gruble – wobei hier die umgekehrte Reihenfolge empfohlen sei. Der Gedanke, dass der Schwabe erst dann Ruhe findet und die Schwäbin erst dann Ruhe gibt, wenn er oder sie in der Grube liegt, entspricht zwar voll und ganz dem Schwaben-Image, nicht aber der Etymologie des Wortes gruebe. In Fischers Schwäbischem Wörter­ buch findet man es unter grue, was „ruhen, ausruhen“ bedeutet. Wenn man nun weiß, dass der Anfangsbuchstabe g- in schwäbischen Wörtern oft einem schriftdeutschen ge- entspricht, so gelangt man in diesem Fall zu geruen, dem dann nur noch das -h- fehlt, um 76

als geruhen erkannt zu werden. Dieses basiert tatsächlich auf ruhen –­ im Gegensatz zum heute noch gängigen allergnädigsten „geruhen“, das aber mit „Ruhe“ überhaupt nichts zu tun hat, sondern mit „ruchlos“ und „verrucht“ verwandt ist. Verfolgt man das andere geruhen zurück ins Mittelhochdeutsche, findet man geruowen. Und dieses -w- hat sich im Schwäbischen erhalten, wenn auch leicht verändert als -b-: geruoben – gruobe, wobei das abgeschwächte -o- heute mangels einer einheitlichen schwäbischen Rechtschreibung von den einen als -a-, von den anderen als -e- und von den Dritten gar nicht geschrieben wird: gruaba, gruebe, grube. Mit der Wortgeschichte von gruebe ist dann schließlich auch das Geheimnis des Eigenschaftsworts rübig so gut wie gelüftet: Es geht zurück auf ein früheres rüwig und ein mittelhochdeutsches riuwec. Und da es daneben die mit ge- verstärkte Form geruowec gab, muss man sich nicht wundern, wenn im Schwäbischen auch noch die Variante grübig überlebt hat, die manche grüebig, griebig oder griabig schreiben. Solche Erkenntnisse lassen sich übrigens nicht durch ein rübiges Grübeln gewinnen, sondern nur durch ruheloses Gruble in den einschlägigen Wörterbüchern.

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Pfitzauf und Mädlesfitzeler Was ist der Unterschied zwischen fatzen und fitzen beziehungsweise pfitzen? In beiden Fällen schnellt etwas, aber im Falle von fitzen und pfitzen tut’s weh.

Überdehnt man ein Gummile, wie der Gummiring auf Schwäbisch heißt, dann fatzt es. Trifft es dabei die Hautoberfläche, entsteht ein brennender Schmerz: Es fitzt oder pfitzt. Jemanden mit einem Gummile zu fitzen oder pfitzen ist ein beliebter Kindersport, der das Prädikat „pädagogisch wertvoll“ verdient, dient er doch dem Aggressionsabbau, ohne dabei krankenhausreife Opfer zu hinter­ lassen. Folgt man Fischers Schwäbischem Wörterbuch, sind fitzen und pfitzen zwei verschiedene Wörter, deren diverse Bedeutungen sich jedoch in einem Punkt berühren. So lautet die erste von fitzen „mit der Spitze einer Peitsche, Gerte oder dergleichen einen leichten, aber scharfen Schlag geben“, und bei pfitzen ist an dritter Stelle angegeben „mit der Gerte, Peitsche leicht schlagen, siehe fitzen“. In dieser Bedeutung muss die Vergangenheit von pfitzen mit „haben“ gebildet werden: „Der håt mi pfitzt.“ In seiner ursprünglichen Bedeutung „eine rasche Bewegung machen, emporschnellen, schnell entweichen“ verlangt pfitzen im Perfekt jedoch das Hilfsverb „sein“: „D’ Maus isch ins Loch neipfitzt.“ Das Beispiel zeigt, dass von pfitzen auch Komposita gebildet werden. Zum Beispiel aufpfitzen: Daraus ist der Pfitzauf abgeleitet, eine beliebte schwäbische Mehlspeise, die aufgeblasen daherkommt, aber innen hohl ist. Ursprünglich bezeichnete Pfitzauf einen pulverhaltigen Sprühteufel, der nach Entzünden kurz aufpfitzte. Die Bedeutung „stark in die Höhe gehendes Backwerk von Milch, Eiern, Mehl“ ist, Fischer zufolge, nachrangig. 78

Auch die Wortfamilie von fitzen ist eine genauere Betrachtung wert. Schließlich verdanken wir ihr so markante Wörter wie Mädles­ fitzeler und Ohrenfitzeler. Der Mädlesfitzeler ist laut Fischer einer, der „immer den Mädchen nachläuft, am liebsten in ihrer Gesellschaft ist“, während der Ohrenfitzeler dasselbe ist wie der Ohrenwuseler oder wie der Ohrwurm (forficula auricularia) im Schwäbischen sonst noch heißt. Doch was bedeutet Fitzeler eigentlich? Was tut ein Fitzeler? Ant­ wort: Er fitzelt. Das ist laut Fischer dasselbe wie fitzen, und das bedeutet unter anderem „reizen“. Demnach reizt der Ohrenfitzeler das Ohr. Das tut er, indem er in den Gehörgang eindringt. Auf welche Art und Weise der Mädlesfitzeler die Mädchen reizt, ist jenem Wort ­allerdings nicht zu entnehmen, zumindest nicht auf den ersten Blick. Und schlägt man im Wörterbuch der Brüder Grimm unter fitzen nach, wird es heikel. Denn dort ist, wenn auch mit Fragezeichen, die Möglichkeit angedeutet, dass fitzen von einem anderen Verbum abzuleiten ist, das ebenfalls mit fi- anfängt und ursprünglich einmal „reiben“ bedeutet hat. Doch aus Anstandsgründen sei darauf verzichtet, diese Spur weiter zu verfolgen.

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Nahrung und Nahrungsaufnahme Für ihre Nahrungsmittel, die Art, wie sie konsumiert werden, und ihre Konsistenz haben die Schwaben bemerkenswerte Bezeichnungen entwickelt.

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Das Ränftle und das Ribele Bloß nix umkomme lasse! Dieses eherne Gebot gilt erst recht für das täglich Brot, für dessen Anschnitt das Schwäbische eine ganze Reihe von Bezeichnungen anbietet. Schwaben schwätzen nicht überall gleich. Deutlich wird das am Brot­ anschnitt, zu dem sie alle paar Kilometer wieder anders sagen: Ränftle, Knäusle, Ribele, Ränkle und in Richtung Ostschwaben Scherzle. Bemerkenswert ist, dass diese Begriffe unterschiedliche Aspekte des Brotanschnitts zum Inhalt haben: seine Beschaffenheit, seine Form, die Art, wie er zustande kam und schließlich die Verwendung. Beginnen wir mit der Beschaffenheit. Das Brot hat einen Außen­ rand, die Rinde, die an beiden Enden überrepräsentiert ist. Zu schätzen weiß man sie, solange das Brot frisch und kross ist. Aber keiner will sie mehr haben, sobald man sich die Zähne daran ausbeißt. Statt „Rand“ sagte man früher Ranft, und ein kleiner Ranft ist ein Ränftle. Das Ränkle kommt vom Ranken. So bezeichnet der Schwabe ein großes, abgeschnittenes Stück Brot. Die ursprüngliche Bedeutung von Ranken aber ist „Krümmung“, woher auch das Verbum (empor-) ranken kommt. Die schwäbische Redewendung „Der kriegt de Ranke net“ ist gleichbedeutend mit schriftdeutsch „Der kriegt die Kurve nicht“. Das Ränkle spielt also in Anlehnung an den Ranken auf die Form des Brotes an. Dasselbe gilt für das Knäusle, den kleinen Knaus, den man mit „Knubbel“ übersetzen kann. Er heißt auch Knauz, und die k­ nauzigen Wasserwecken heißen mancherorts Knauzenwecken. Im Osten Schwa­bens kennt man das Scherzle, das nichts zu tun hat mit Scherz im Sinne von Spaß. Vielmehr ist es mit dem Schurz und mit dem englischen short (kurz) verwandt. Es hängt zusammen mit althochdeutsch skeran (abschneiden, scheren) und bezeichnet somit das Abgeschnittene. 82

Nicht so ohne Weiteres zu erklären ist das Ribele, über dem man sich den Ribel zerbrechen kann. „Letzter Rest eines Brotlaibs“ erklärt Fischer das Substantiv Ribel. Es bezeichnet auch den „auf dem Reibeisen oder sonst in kleine Flocken zerteilten Teig“, aus dem die schwäbische Hausfrau ihre Ribelesuppe zubereitet. Ferner wird ein „kleiner Besen zum Geschirrputzen“ so genannt. Schließlich gibt es den Ribelesgrind und den Moschtribel, beides Synonyme für besonders eigenwillige Ausformungen des Schwabenschädels. Was hat der Brotribel mit dem Moschtribel zu tun, der eher einer Runkelrübe gleicht? Die Frage muss offen bleiben. Woher aber kommt das Wort Ribel? Die Wörterbücher führen es auf reiben zurück, ohne zu erklären, was das eine mit dem anderen zu tun hat. Das hat jedoch der Sprachforscher Werner König herausgefunden, der eine sehr schwäbische Erklärung liefert: Die harten Brotribel, die keiner mehr essen mochte, wurden zu Bröseln zerrieben, die dann beim nächsten Backvorgang erneut verwendet wurden. Bloß nix umkomme lasse.

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Healeskäs Bibbeleskäs, Luggeleskäs, Healeskäs: Das sind drei klangvolle schwä­ bische Bezeichnungen für ein Molkereiprodukt, das in der Hochsprache „Quark“ heißt. Healeskäsbrot – diese Nahrungsmittel-Bezeichnung klingt schwäbisch, bodenständig, ergo vertrauenerweckend und preiswert. Beim Auf­ strich eines solchen Brotes – so viel ist klar – handelt es sich um eine Frischkäsezubereitung. Deren genauere Zusammensetzung werden die Healeskäsbrot-Verkäufer und -Verkäuferinnen auf Nach­ frage sicher gerne preisgeben. Schwieriger wird es bei der Frage, woraus sich das Wort Healeskäs zusammensetzt. Das wissen oft nicht einmal mehr die Eingeborenen, die den Healeskäs nach Omas Rezept angerührt haben. Der Healeskäs ist nichts anderes als zu Knollen gestockte Milch oder Quark, den manche noch mit süßer und / oder saurer Sahne und weiteren Zutaten verfeinern. Man nennt ihn auch Bibbeleskäs oder Luggeleskäs – lauter Bezeichnungen, die ebenfalls die Sinnfrage aufwerfen. Das Grundwort „Käse“ bedarf keiner weiteren Erläuterung. Was aber meinen die Bestimmungswörter Heale, Bibbele und Luggele? Am ehesten zu erraten ist das Bibbele: Aus diesem Wort piept das „Küken“. Auf Lautmalerei geht auch das Luggele zurück, was deut­ licher zum Vorschein kommt, wenn man es mit -ck- schreibt: Luckele. Wir erahnen den Ruf der schwäbischen Henne, die demnach nicht „gluck“ sagt, sondern nur luck und daher keine „Glucke“ ist, sondern, wie im Schwäbischen Wörterbuch nachzulesen, eine Luckel. Folgerichtig ist das Luckele ein kleines Huhn. Und damit erschließt sich der Sinn des Wortes Heale: Es ist das schwäbisch verkleinerte Huhn, das Hühnlein. 84

Damit ist das Rätsel allerdings nur zum Teil gelöst. Denn unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Schafskäse ein Käse ist, der aus Schafsmilch gewonnen wird, erhebt sich die Frage, was Küken, die bekanntlich keine Milch geben, mit Käse zu tun haben. Oder sollte es sich um eine analoge Bildung zu Fleischkäse handeln, also um einen Käse, der aus Küken hergestellt ist? Das ist natürlich nicht der Fall – ebenso wenig, wie das in manchen Gaststätten angebotene Seniorenschnitzel von Rentnern stammt. Vielmehr ist es für Senioren gedacht, und dasselbe gilt für den Bibbeles-, Luggeles- und Healeskäs. Damit hat man in der traditionellen Landwirtschaft die Küken gefüttert, damit sie besser gediehen. Damit wäre der Healeskäs im Grunde gegessen. Allerdings: Wo ist denn eigentlich der Hähnles- oder Göckeleskäs geblieben? So könnte man(n) im Sinne der Gleichberechtigung durchaus fragen. Nun denn, es gibt ihn nicht, und es braucht ihn nicht. Denn das Wort Huhn kann auch Gattungsbegriff sein und damit ebenso den Hahn umfassen – im Gegensatz zur Henne. Als solche wird nur das ausgewachsene Weibchen bezeichnet. Aus diesem Grund kann es kein Hennele geben – und erst recht keinen Henneleskäs.

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Geigenknöpfle aus Mutschelmehl Die schwäbische Hochzeitssuppe enthält unter anderem Geigen­ knöpfle. Die werden aus Mutschelmehl hergestellt. Diese Ingre­ dienzien stellen viele vor ein Rätsel. In einer Zeit, in der mehr Ehen geschieden als geschlossen wer­ den, ist es im Grunde kein Wunder, wenn auch schwäbische Men­ schen nicht mehr in der Lage sind, die Zubehörteile einer echt schwä­bischen Hochzeitssuppe aufzuzählen. Allerdings hat dieses Unvermögen weniger gesellschaftliche als sprachliche Ursachen: den schleichenden Verlust traditioneller Begriffe. Das beweist der Blick in den schwäbischen Hochzeitssuppenteller. Darin schwimmen üblicherweise vier Arten von Einlagen, die je nach Region unterschiedlich sein und heißen können, wobei auch der bayerische Begriff „Knödel“ toleriert wird. Die klassische Kombination besteht aus Brätknöpfle, Grießknöpfle, Backspätzle und Geigenknöpfle. Drei dieser vier Sattmacher sind im aktuellen Wortschatz präsent: die Backspätzle, die Brät- und die Grießknöpf. Was aber sind und woraus bestehen Geigenknöpfle? Die Vorstellung, dass dafür eine Geige durch den Fleischwolf gedreht wird, fällt uns schwer, ist aber so abwegig nicht. Es kommt nur darauf an, was man unter Geige versteht. Da Geigenknöpf nur in der schwäbischen, nicht aber in der ähnlich strukturierten bayerischen Hochzeitssuppe auftauchen, liegt die Vermutung nahe, dass das Wort Geige im Schwäbischen noch andere Dinge bezeichnet als jenes mitunter als quälend empfundene Streichinstrument. Tatsächlich gab es ein Gebäck, ein feines Weißbrot, dessen Form an eine Geige erinnerte und das deswegen auch so genannt wurde. Diese Geigen wurden zum Teil hartgebacken, um anschließend auf dem Reibeisen gegeigt, das heißt, zu Geigenmehl zerrieben 86

zu werden. Aus diesem Geigenmehl wurden dann die Geigenknöpfle her­gestellt. Nun mögen gestandene schwäbische Hausfrauen einwenden, dass man Geigenknöpf aus Mutschelmehl macht, was weniger gestandene schwäbische oder nichtschwäbische Hausfrauen erneut irritieren wird. Falls sie zufällig Fischers Schwäbisches Wörterbuch zur Hand haben, werden sie dort unter Mutschel die Erklärung finden „Weißbrot, in verschiedenen Arten, aber stets kleinen Stücken gebacken.“ Wie die Geige gab es wohl auch die Mutschel in unterschiedlichen Varianten – in Reutlingen gibt es sie noch, vor allem am Mutscheltag, dem Donnerstag nach Dreikönig. Doch anders als dieses Gebildbrot wurden Mutscheln anderswo ebenso wie Geigen hartgebacken, um dann zu Mutschelmehl zerrieben oder zerstoßen zu werden. Man mag nun mit Recht fragen, warum die aus Mutschelmehl gefertigten Knöpfle nach den Geigen und nicht nach den Mutscheln benannt sind. Die Frage beantwortet sich vielleicht von selber, wenn man versucht, mit einer Gosch voll Hochzeitssuppe das Wort Mutschelknöpf auszusprechen.

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Gefahr für die Hutzel! Auf die rote Liste der bedrohten Wörter muss man vielleicht bald die Hutzel setzen. Denn für das, was jenes Wort bezeichnet, ist kein Platz in einer faltenfreien Welt. „Dörrobst“ – wie arm ist doch dieser standardsprachliche Begriff im Vergleich zu Hutzel! Zwar bezeichnet man damit im Schwäbischen streng genommen nicht die ganze Palette getrockneter Früchte, sondern in erster Linie die Birne, aber so eng sieht das auch der verbissenste Schwabe nicht – spätestens nach dem Genuss von Hutzelbrot. Denn das enthält außer getrockneten Birnen ein ebenso großes Quantum an verhutzelten Zwetschgen und natürlich Rosinen. Die heißen auf Schwäbisch „Weinbeerle“ und sind, da es sich um getrocknete Trauben handelt, im Grunde gleichermaßen den Hutzeln zuzurechnen. Dasselbe gilt für die getrockneten Feigen, zumal die – obzwar keine hiesigen Gewächse – ebenfalls im schwäbischen Hutzel­brot zu Hause sind. Nun bezeichnet der Begriff Hutzel – im Gegensatz etwa zu „Obst“ – nicht die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe von Nahrungsmitteln. Vielmehr bezieht er sich auf einen äußeren Zu­ stand, der das Ergebnis eines biologischen Prozesses ist – genau genommen eines Alterungsprozesses, der im Falle des Dörrobstes künstlich herbeigeführt ist. Diesen Prozess nennt man im Schwä­ bischen verhutzle. Das aber bedeutet nicht einfach nur „austrocknen“ oder „schrumpfen“. Vielmehr ist damit auch die dabei zu beobachtende Faltenentwicklung beschrieben. Da aber beim Schrumpfen nicht nur das Obst Falten wirft, sondern auch der Mensch, wird der Begriff Hutzel im Schwäbischen auch auf Menschen, genauer gesagt, auf alte Frauen angewandt, 88

was damit zusammenhängen könnte, dass „die Hutzel“ weiblich ist. Das männliche Gegenstück ist das Hutzelmännle, das durch Eduard Mörike zwar zu literarischem Ruhm gelangt, aber keineswegs seine Wortschöpfung ist. In der Volksprosa ist allerdings die weibliche Hutzel produktiver als das Hutzelmännle. Davon zeugt eine Reihe von Redensarten wie etwa „Wenn d’ Bir (Birne) zur Hutzel worde isch, hat ma lang drââ.“ Nun ist allerdings schon seit geraumer Zeit eine ­ ganze Schönheitsindustrie damit beschäftigt, dem menschlichen Verhut­ zelungsprozess mit Cremes, Lotionen, dem Wurstgift Botox oder, wenn’s sein muss, mit Nadel, Faden und Skalpell Einhalt zu gebieten. Frauen und in steigendem Maße auch Männer wollen faltenfrei bleiben bis an ihr seliges Ende, wenn ihnen der Embalmer die ver­ blichenen Gesichtszüge glättet. Eine ähnliche Entwicklung könnte auch auf dem Lebensmittel­ sektor drohen. Nicht nur dass die Politik eine Pseudo-Ästhetisierung von Agrarprodukten betreibt, indem sie etwa die zulässige Maxi­ malkrümmung der Gurke diktiert: Auch die Verbraucher achten immer stärker auf Äußerlichkeiten, verschmähen Äpfel und Birnen, sobald die bloß die kleinste Druckstelle aufweisen. Von da ist es nur noch ein kleiner Schritt bis zur faltenfreien Hutzel – und die ist dann keine mehr.

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Manche mögen’s schlunzig Wie lieben die Schwaben ihren Kartoffelsalat? Antwort: schlunzig. Das ist erstaunlich, denn in anderen Zusammenhängen erregt dieses Wort Ekel und Abscheu. Die legendäre Sparsamkeit der Schwaben hat ihrem Kartoffelsalat einen besonderen Pfiff verliehen. Der äußert sich in einer glitschigen Gleitfähigkeit, deren Qualität heute mit dem neuschwäbischen Begriff Schlunzfaktor bewertet wird. Die traditionsverwurzelte schwä­bische Hausfrau wird das schlichter ausdrücken und sagen: „Dr Kartoffelsalat muss schlunzig sei.“ Da das u fast wie o gesprochen wird, schreibt man das Wort auch schlonzig. Wie wird ein Kartoffelsalat schlunzig? Durch Spätzlesbrühe! Es gibt Menschen, welche die klassische schwäbische Kombination von Spätzle und Kartoffelsalat anstatt mit Soße lieber mit Hohn und Spott übergießen. Die werden sich schütteln, wenn die Schwäbin, die bekanntlich nichts umkommen lässt, ihre vom Spätzlesteig mehlgesättigte Spätzlesbrühe statt in den Ausguss in den Kartoffelsalat schüttet. Was die einen ekelt, begeistert die anderen. Zitat aus ­einer Kochanleitung im Internet: „Und exakt dieses Mehl (im Spätzles­ wasser) und die darin enthaltene Stärke sind es, die den Schlunz­ faktor in ungeahnte kulinarische Höhen treiben.“ Da sich aber nicht alle Köchinnen und Köche der Mühe unterziehen wollen, neben dem Kartoffelsalat auch noch Spätzle zu produzieren, empfehlen die Ratgeber, etwas Mehl in kaltem Wasser aufzulösen und diese Mixtur in einer heißen Fleischbrühe aufzukochen, die dem Kartoffelsalat zugegeben wird. Der Umstand, dass dieses Verfahren bei manchen Menschen Appetitlosigkeit auslösen mag, korrespondiert auf ­verblüffende 90

Weise mit den Assoziationen, die das Adjektiv schlunzig auslöst. Schwäbischen Feinschmeckern lässt es das Wasser im Munde zu­sammenlaufen – aber nur in Zusammenhang mit dem Wort „Kartoffelsalat“. Denn der ist gut, wenn er schmierig und glitschig ist, womit die Bedeutung des Wortes schlunzig wiedergegeben wäre. Als weitere Synonyme nennt Fischers Schwäbisches Wörterbuch darüber hinaus „schlüpfrig, gallertartig, schleimig“. Außerhalb Schwa­­ bens bedeutet dieses Wort übrigens „schlampig“. Angesichts dieser Synonyme ist es nicht weit von den kulinarischen Höhepunkten in die Niederungen der Massenverpflegung: Ebenfalls zum Küchenschwäbisch gehört das Substantiv Schlonz, zu dem der Ehinger Philologe Hermann Wax in seiner „Etymologie des Schwäbischen“ eigene Beobachtungen beisteuert: „Der Schlonz ist ein undefinierbarer schleimiger Fraß, Suppe; ein nachlässig gekochter Fraß, so beklag(t)en sich oberschwäbische Internatsschüler (Konvikt Ehingen) in den 60er- bis 80er-Jahren über ‚den Schlonz‘, den es bisweilen zum Essen gegeben haben soll.“ So beweist auch die Wortfamilie Schlonz / schlunzig die Richtigkeit der Einstein’schen Erkenntnis, dass halt doch alles arg relativ ist.

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Supfle, sutzle, suggle, sürfle Das Repertoire der Geräusche, die bei der Aufnahme flüssiger Nahrung entstehen können, ist außerordentlich breit. Dem trägt die schwäbische Mundart Rechnung. „So, hat ma g’sugglet!?“ Jeder Schwabe, der einmal im Ungeschick eine Flüssigkeit über Gewand, Tischtuch oder Teppich verkleckert hat, kennt diese Frage. Sie ist deutlich milder als das barschere „Hasch g’sauet!“ Dass suggle als eher nachsichtig empfunden wird, liegt am Haupt­ wort Suggel, das ebenso wie Sutzel ein Schwein bezeichnet, aber eben keine ausgewachsene Sau, sondern bloß ein Säule, präziser gesagt: einen Sau-Säugling, wie man aus gutem Grund statt Suggel und Sutzel sagen darf. Denn in Suggel und Sutzel steckt saugen, das im Mittel- und Althochdeutschen noch sugen bzw. sugan hieß. Und Säugling kommt von säugen, das ebenfalls auf saugen zurückgeht. Damit verwandt ist auch das gleichbedeutende englische „to suck“. Das dazugehörige Hauptwort lautet sucker (Sauger). Es ist deswegen erwähnenswert, weil auch in Fischers Schwäbischem Wörterbuch noch ein Sucker verzeichnet ist. So nannte man das mutterlose Lämmchen, das mit der Flasche gesäugt wurde. Auch wenn das Verbum suggle vermittels des Saugschweins die Bedeutung von „besudeln“ angenommen hat, so hat sich daneben die ursprüngliche erhalten, die Fischer mit „fortwährend saugen“ wiedergibt. Für das „fortwährend“ ist das -l- verantwortlich, das aus dem alten sugen den Iterativ suggeln – schwäbisch: suggle – gebildet hat. Aus suggeln dürfte sich sutzeln und daraus zutzeln entwickelt ­haben, denen das genüssliche Schmatzen der Suckelnden, Sutzelnden und Zutzelnden anzuhören ist, egal ob sie sich an der Mutterbrust oder an der Austernbar betätigen. An letzterer wird auch gerne 92

­gesüffelt, wobei nun jeder, der den vorletzten Absatz eingesogen hat, weiß, dass auch das -l- in süffeln eine Wiederholung ausdrückt. Sie bezieht sich auf das Grundwort saufen, das ebenfalls mit saugen verwandt ist. Aus saufen wiederum hat sich supfe gebildet, das eine Art Schlür­ fen bezeichnet. Mit dem Satz „I muß bloß amol schnell de Schaum absupfe“ rechtfertigt sich der Schwabe dafür, dass er bereits vor dem obligaten Zuprosten den Mund ans Bierglas führt. Absupfle mit -ldauert wegen der Wiederholung etwas länger. Zwar sind alle diese Wörter miteinander in Sinn und Herkunft verwandt, doch drücken ihre kleinen lautmalerischen Unterschiede jeweils ein anderes Geräusch aus und damit eine andere Art der Resorption. Eine weitere Variante ist das schöne sürfle, über dessen Herkunft das Grimm’sche Wörterbuch wenig Habhaftes mitteilt, außer dass es oberdeutsch ist – und dass es das sparsame, bedächtige Trinken kennzeichnet, das Gegenteil also von saufen. So mag man mit Blick auf den Anfang dieses Kapitels zum Schluss kommen: Wer sürflet, suggelt nicht.

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Mampf! Mampf! Ohne jene lautmalende Silbe wäre der deutsche Comic entschieden ärmer. Sie wurzelt im Verbum mampfen – und das ist schwäbischen Ursprungs. Wenn Donald Duck oder einer seiner zahlreichen Verwandten sich mit Eifer und Appetit aufs Essen stürzt, betont stets der Schrift­zug Mampf! das Geräusch- und Lustvolle dieser Handlung. Mampf! ist der um ein Ausrufezeichen erweiterte Wortstamm des lautmalenden Verbs mampfen. Die – lange Zeit umstrittene – Idee, auf solch einfache Weise Laute ins Schriftbild zu rücken (Ächz! Stöhn! Grunz!), hatte die Kunsthistorikerin Dr. Erika Fuchs. Sie hat die Micky-MausHefte seit deren Erscheinen in Deutschland (1951) jahrzehntelang ins Deutsche übertragen. Infolge ihres Wirkens ist seit einem halben Jahrhundert jedem Kind im deutschen Sprachraum der Verbalstamm Mampf! und daneben natürlich auch das Verbum mampfen bestens vertraut. Umso überraschter werden ehemalige Kinder, die mit Mampf! groß geworden sind, feststellen, dass im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm mampfen nicht als Stichwort aufgeführt ist. Man findet es unter „pampfen“, wo ein Hinweis die Varianten „bampfen“ und mampfen als schwäbisch ausweist. Beide bedeuten laut Schwäbischem Wörterbuch „mit vollem Mund gierig essen und kauen“. Dasselbe gilt für mumpfen, von dem es noch die Erweiterungsformen mumpfele oder mumpfle gibt. Fischer ordnet sie dem Eigenschaftswort mumpf („schwammig, ohne Festigkeit“) zu. Davon abgeleitet ist die Mumpfel, ein wunderschönes Wort, mit dem in bestimmten Gegenden das Weiche im Brot bezeichnet wurde. Es klingt in der Tat, als spreche jemand mit dem Mund voller Brotmasse – die übrigens, wenn noch nicht ausgebacken, mumpfig ist. 94

Ähnlich unbeholfen artikuliert, wer die Lippen über die Zähne zieht oder wer keine Zähne mehr hat. Deshalb beschreibt Mumpfel auch den Mund „bei zahnlosen alten Weibern“, wie Fischer es ausdrückt. Dann existiert noch der Mumpfel, Maskulinum, und der ist verwandt mit dem Hampfel und Arfel. In allen dreien steckt das Adverb „voll“ und ein jeweils anderer Körperteil: ein Mundvoll, eine Handvoll, ein Armvoll. Von diesem Mumpfel gibt es sogar die Verkleinerung Mümpfele. Damit wäre wohl hinreichend nachgewiesen, dass mampfen im Schwäbischen über eine ansehnliche Verwandtschaft verfügt. In die gesamtdeutsche Jugendsprache vorgedrungen ist es laut Küppers Illustriertem Lexikon der Umgangssprache um 1920 und wurde 1935 von den Soldaten übernommen. Die haben es weiterverarbeitet zu Wörtern wie Mampfgeschirr, Mampfkübel etc., die auch bestehen blieben, als es nichts mehr zum Mampfen gab. Als nach dem Krieg mit dem Wirtschaftswunder die Micky Maus in die Bundesrepublik einzog, war die Zeit reif für den Lautwert Mampf! Und der ist seither in aller Munde.

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Aus der Schwabogenese Bevor der schwäbische Mensch sich zum Mannsoder Weibsbild entwickelt, durchläuft er die Stadien des Butzeles und des Dergels.

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Vom Butzen zum Butzele „Schmeiß doch endlich den Apfelbutze weg!“, mahnt die Schwäbin das Kind mit dem verdalkten Etwas in den bäbbigen Fingern. Wie würde sie das auf Hochdeutsch sagen? Bei aller Sparsamkeit sind auch die Schwaben nur selten geneigt, nach dem Apfel noch den Apfelbutzen zu verspeisen. Über die wei­ cheren Birnenbutzen lassen sie eher mit sich reden – vorausgesetzt der Gesprächspartner versteht, worum es geht. Das aber ist keines­ wegs selbstverständlich, da es den Butzen im Schriftdeutschen nicht gibt. Auch Versuche, Apfel- oder Birnenbutzen ins Englische oder Fran­zösische zu übersetzen, müssen daran scheitern, dass die einschlägigen Wörterbücher den Butzen, egal welcher Frucht, in ihrem Repertoire nicht vorsehen. Man muss daher auf das „Kerngehäuse“ ausweichen, wobei dieser Begriff den Butzen nur unzureichend beschreibt. Denn der weist neben dem Kernhaus auch die noch daran haftenden unverzehrten Fruchtfleischreste auf. Wollte man also die eingangs zitierte Aufforderung ins Schriftdeutsche übertragen, müsste es korrekt heißen: „Wirf doch endlich das Kerngehäuse mit den daran befindlichen Apfelresten weg.“ Armes Hochdeutsch! Butzen finden sich im Schwäbischen nicht nur im Kernobst, sondern auch in der Nase. „Vertrockneter Nasenschleim“, meldet Fischers Schwäbisches Wörterbuch und setzt trocken hinzu, dass derselbe im feuchten Zustand „Rotz“ heißt. Im Schwabenland wird daher nicht nur Rotz und Wasser geheult, sondern auch Rotz und Butze. Um Verwechslungen mit den Obstresten auszuschließen, heißt diese Butzen-Sorte Rotzbutze. Die brauchtümlichen Pfingst- oder Fastnachtsbutze – das sind vermummte Gestalten – haben damit wohl nichts zu tun, auch wenn 98

die Wortgeschichte dieser Art von Butz, außerhalb Schwa­ bens Butzemann genannt, nicht zweifelsfrei feststeht. Kluges Etymo­lo­ gisches Wörterbuch vermutet, dass die Apfel- und sonstigen pflanzlichen Butzen, zu denen auch die Hagebutte gehört, mit dem franzö­ sischen bouton (Knospe, Knopf; englisch: button) verwandt sein könnten. Nun liegt die Frage nahe, mit welchem dieser Butze und Butzen denn das Butzele verwandt ist, das im Schwäbischen bis vor kurzem noch die Stelle des neudeutschen „Babys“ eingenommen hat. Man findet es bei Fischer unter Butzel, was erstens „Schwein“, zweitens „unreinliche Person, besonders weibliche“, drittens „Tintenklecks“ und schließlich „Tannenzapfen“ bedeutet. Die Verkleinerung Butzele werde „schmeichelnd zu Kindern“ gesagt. Das ist insofern verwunderlich, als keine der genannten Be­ deutungen besonders schmeichelhaft ist. Am sympathischsten unter ihnen erscheint das Schwein. Dennoch werden angesichts dieses Resultats vielleicht auch überzeugte Schwabentümler ihren Protest verheben, wenn Eltern ihren Säugling anstatt Butzele lieber „Baby“ nennen.

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Der kleine Dergel Kleine Menschen, ob jung oder alt, nennt man im Schwäbischen Dergel. Das Wort ist mit dem bayerischen „Zwergel“ weder ver­ wandt noch verschwägert. Der Dergel entspricht dem norddeutschen „Knirps“, ist also so etwas Ähnliches wie ein Zwerg. Da die schwäbischen Verkleinerungsformen Dergele und „Zwergle“ ähnlich klingen, läge es nahe, Dergel und „Zwerg“ für nahe Verwandte zu halten. Aber das scheint nicht zu stimmen; zumindest bleibt die Herkunft des Wortes „Zwerg“ unklar. Wie der „Zwerg“, hat auch der Dergel zwei Gesichter. Die Be­ merkung „Was glaubt denn der kloine Dergel eigentlich?“ kann nur gegen einen Erwachsenen gerichtet sein. Sie drückt neben spontaner Empörung über die Handlung oder Äußerung eines Dritten eine tiefgehende Aversion gegen diesen aus, die sich an seinen Körpermaßen abreagiert. Zudem unterstellt sie, der Kleinwüchsige habe deswegen großspurig gehandelt oder gesprochen, um damit seine Körperkürze zu überspielen – so wie man das von Napoleon gerne behauptet. Wird also ein Erwachsener als Dergel bezeichnet, ist das meistens eine Schmähung, die auf seine physische Konstitution zielt und die Bedeutung des „Gernegroß“ annehmen kann. Wenn hingegen kleine Buben gerne groß sein wollen, ist das nicht nur akzeptiert, sondern wird mit Wohlwollen und Rührung zur Kenntnis genommen und gerne mit dem Entzückensruf quittiert: „Ja gucket no den kloina Dergel ââ!“ Die neutrale Verkleinerung das Dergele wird auch auf Mädchen angewendet. Das Bild, das der Begriff Dergel(e) im schwäbischen Hirn erzeugt, ist das eines kleinen Wesens, das auf kurzen Beinen steht oder geht oder – im Falle eines Kindes – dieses zumindest versucht. Jenes Bild 100

führt auf direktem Wege zur Herkunft des Wortes Dergel, die heute völlig in Vergessenheit geraten ist. An ihm ist jedoch im Grunde nur die Aussprache schwäbisch: Der Dergel schrieb sich ursprünglich Törkel. Anderswo hieß er Torkel, und beide wurzeln im Verbum torkeln. Den Torkel bezeichnet Fischers Schwäbisches Wörterbuch als „Mensch mit Säbelbeinen (der deshalb torkelt), kleines dickes Kind“. Und den Törkel definiert er als „kleine, dicke, schwächliche Person, besonders ein Kind, das nicht recht gehen kann“. Wenn jemand torkelt, ohne Säbelbeine zu haben, ist das möglicherweise alkoholbedingt. Im Schwäbischen lautet die Grundform torkle. Das aber kann neben „schwankend gehen“ auch noch „keltern“ bedeuten. Denn die Weinkelter heißt Torkel, was zurückgeht auf das lateinische Wort torculum (Presse). Das lateinische Wort für „die Kelter drehen“ ist torculare, und daher kommt laut Kluges Etymologischem Wörterbuch das deutsche torkeln – erst in der einen, dann in der anderen Bedeutung. Das aber bedeutet, dass wir das Wort Dergel letztendlich dem Alkohol verdanken – wie im Übrigen so manchen kleinen Dergel auch.

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Manns- und Weibsbilder „Unser Ortsvorschteher isch a g’schtandens Mannsbild. Aber sui isch a domms Weibsbild, a ei’bildets!“ Wie verschieden sind doch diese Bilder von Mann und Weib!

In die Reservate der Mundarten, auch der schwäbischen, hat sich ein Begriffspaar zurückgezogen, das in mehrfacher Hinsicht merk­ würdig ist: das Mannsbild und das Weibsbild. Merkwürdig ist auf den ersten Blick, Personen als Bilder zu be­ zeich­nen. Auf den zweiten Blick fällt auf, dass zwischen Manns- und Weibsbildern eine erhebliche moralische Schräglage besteht – zugunsten des Mannsbildes. Die wird besonders deutlich durch die Eigen­ schaftswörter, die mit Manns- oder Weibsbildern jeweils verbunden werden. Das Mannsbild ist in aller Regel „g’schtande“. In feministischen Kampfschriften mag man hin und wieder über ein „abgestandenes“ Mannsbild stolpern, aber meist sind es positive Adjektive wie „stramm“, „kräftig“, „g’schmack“ sowie das Präfix „Prachts-“, die in Verbindung mit dem Mannsbild dessen Virilität betonen. Eher auf die physische Dimension verweisen Zusätze wie Mords- oder Riesen-: „Wie’n-e den ’s letschtmol g’sähe han, war er no a Büble, und jetzt isch’r a ausg’wachsens Mannsbild.“ Wie anders lauten hingegen die Attribute, die mit dem Weibsbild gekoppelt werden: „dumm“, „blöd“, „ôôverschämt“, „liedrig“, „ei’­ bildet“, „g’schuckt“ und günstigstenfalls „ôômeeglich“. Sie zielen nicht aufs Äußere, das beim Mannsbild die tragende Rolle spielt, sondern auf den Charakter. Selbst „dumm“ würdigt hier nicht den Intellekt herab, sondern das Verhalten. Diese Wendungen als frauen­ feindlich zu bezeichnen verbietet sich insofern, als sie mindestens so oft von Frauen geäußert werden wie von Männern. 102

Wie kommt es zu diesen unterschiedlichen Bildern von Mann und Weib? Wie kam es überhaupt zu diesen seltsamen Wortbildungen? Das -bild in diesen Begriffen meint die Gestalt, die Person, vergleichbar mit dem Wort „Mannsperson“. Die Wörter Mannesbild, Frauenbild und Weibesbild zielten daher ursprünglich tatsächlich auf die äußere Gestalt, wie sich das im Mannsbild bis heute gehalten hat. Beim Weibsbild war das zunächst ebenso der Fall. Dann aber ruinierten zwei Faktoren seinen Ruf. Der eine war die Vermengung von Äußerlichkeit und Persönlichkeit, und der andere war der unaufhaltsame Abstieg des Wortes Weib. Hatte das zunächst wertgleich neben dem Mann gestanden, wurde es von der „Frau“ auf eine niedrigere soziale Stufe verdrängt. Damit haftete nun auch dem Ausdruck Weibsbild von vornherein etwas Despektierliches an, wozu eben nur noch abwertende Eigenschaftswörter passten. Das Frauenbild aber hat es verschmäht, die einst positiv besetzte Stelle des Weibsbilds einzunehmen und sich aus dem Wortschatz der Mundarten verabschiedet. Und darum kann aus einem Mädle kein „ausg’wachsens Frauebild“ werden, sondern höchstes, wenn alles gut geht, ein Bild von einer Frau.

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Aus der Technik Schwäbischer Erfindergeist hat auch eigene Termini technici hervorgebracht. Zum Beispiel den Göppel, der ohne Migge nicht betriebssicher ist.

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Der alte Göppel Ein altes Fahrrad wird im Schwäbischen gerne als „alter Göppel“ bezeichnet. Auch Fahrzeuge, die am nächsten TÜV scheitern werden, nennt man mitunter so. Warum? „Mit dem alte Göppel willsch du bei unserem Fitness-Biking mit­ mache?“ Solch ablehnende Verachtung verrät zum einen, dass mit einem alten Göppel kein Staat zu machen ist, und zum andern, dass es sich dabei um ein Zweirad (englisch: bike) handeln muss. Vergleicht man das Wort Göppel mit einem anderen beliebten Synonym für das Fahrrad, dem „Drahtesel“, so zeichnet dieser sich durch seine jedem verständliche Bildhaftigkeit aus. Was aber hat man sich unter einem Göppel vorzustellen? Den meisten werden dazu ein paar gleich oder ähnlich lautende Familiennamen von Göpel bis Goebbels einfallen. Könnte es sein, dass Göppel auf einen Personennamen und somit auf eine Person zurückgeht, etwa auf einen Fahrradkonstrukteur? Das ist definitiv nicht der Fall, denn einen solchen dieses Namens hat es nie gegeben. Gelegentlich stößt man in Heimat- oder Bauernhofmuseen auf Fotos, die einen Göpel (mit einem p), zeigen. Das war eine lange, aus dem Boden wachsende Achse, die über einen nicht minder langen Querbalken gedreht wurde durch Pferde oder Rinder, die im Kreis herum trotteten. Via Treibriemen gelangte die so erzeugte Energie in die Dreschmaschine oder in andere Geräte wie Häcksler, Schrotmühlen oder Güllepumpen. Es liegt auf der Hand, dass die Bezeichnung Göpel von diesem gleichförmig kreisenden Räderwerk auf das strampelintensive Fahr­rad übertragen wurde, wobei sie ein zweites p hinzugewann. Das dürfte der schwäbischen Aussprache des im ganzen deutschen Sprachraum 106

verbreiteten Wortes zu verdanken sein, denn im Schwäbischen wurde Göpel, wie im Schwäbischen Wörterbuch nachzulesen ist, mit kurzem e (Gepl) gesprochen. Damit ist jedoch die Herkunft dieses Begriffes noch immer ungeklärt. Um nach einem Erfinder benannt worden zu sein, ist das Wort, das schon im 16. Jahrhundert im sächsischen Bergbau nachzuweisen ist, zu alt. Umgekehrt wäre es auch falsch, die gleich oder ähnlich aussehenden Familiennamen Göpel, Göbel, Goppel, Göbbels etc. auf den Göpel zurückzuführen; sie wurzeln in alten germanischen Rufnamen wie Godebert oder Godebald. Göpel kann aus dem Slawischen stammen, wo es ähnlich klingende Vokabeln gibt, die etwas mit Bewegung zu tun haben. Vielleicht hat das Wort aber auch zu tun mit dem mittelhochdeutschen gebel, das „Schädel“ bedeutete. Dieses ist urverwandt mit dem altgriechischen kephalä (Kopf) und dem lateinischen caput (Haupt), dem wir wiederum den Chef, den Capo, das Kapitel und nicht zuletzt den Kappes verdanken, womit der Göppel einer recht bunten Verwandtschaft angehören würde. Aber beweisen lässt sich das leider nicht. Da kann man noch so lange strampeln.

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Der Driebel „Drieblet Se mal ’s Fenschter nunter und hauchet Se me ââ.“ Diese polizeiliche Aufforderung wird auch verstehen, wer das Wort drieble noch nie zuvor gehört hat.

Drieble ist eine Tätigkeit, zu der man einen Driebel braucht. Je nach­dem, was die Betätigung des Driebels bewirkt, spricht man von naufdrieble oder naadrieble beziehungsweise nunterdrieble. Der Driebel ist mithin eine Kurbel, und drieble entspricht dem Verbum kurbeln, von dem es ebenfalls die Ableitungen hinauf- und hinunterkurbeln gibt. Ein beliebtes und häufig verwendetes Bild in der Sprache der Ökonomen ist das „Ankurbeln“ der Wirtschaft. Folgerichtig müssten die Schwaben ihre Wirtschaft ââdrieble, worauf sie aber bislang verzichtet haben. Wahrscheinlich ist ihnen das Bild zu altmodisch; schließlich stammt es aus den Anfängen der Automobilistik, als es noch keine Anlasser gab und man den Motor im Schweiße seines Angesichts ââdrieble bzw. ankurbeln musste – ohne Garantie, dass er dann auch tatsächlich ansprang. Vergleicht man Kurbel und Driebel, so fällt die Gleichheit der Konstruktion auf: Beide Hauptwörter enden auf -el wie viele andere Werkzeuge, etwa Schlegel, Flegel, Schlüssel, Meißel, Griffel, Zügel, Löffel, Gabel. Es sind also „Instrumentalbildungen“. Die Kurbel kommt von der mittelhochdeutschen kurbe, der Brunnenwinde, die über die französische courbe vom lateinischen curvus (gekrümmt) abstammt. Und der schwäbische Driebel? Als Triebel finden wir ihn im Grimm’schen Wörterbuch der deutschen Sprache, unter anderem in der Bedeutung „Kurbel am Spul­rad“ – womit feststeht, dass er keine schwäbische Erfindung ist. Streicht man ihm hinten das -el weg, bleibt der Trieb, von dem er in der Tat abzuleiten ist. Schließlich dient er ja dazu, etwas anzutreiben. 108

Im Schwäbischen scheinen Driebel und driebeln jedoch erst in jüngerer Zeit so recht in Schwung gekommen zu sein. Denn das Verbum driebeln im Sinne von „kurbeln“ ist in Fischers Schwäbischem Wör­ ter­buch nicht zu finden. Mag sein, dass erst das Fortschreiten der Technik und des Lebensstandards eine Kultur des Driebelns ausgelöst hat, die vom Nauf- und Naadrieble des Autofensters bis zum Raus- und Neidrieble der Markise reichte. Allerdings könnten Technik und Lebensstandard nun das Gegen­teil bewirken. Denn im Zeitalter der elektrisch betriebenen Fensterheber und Markisen wird so gut wie nichts mehr nauf-, nunter-, naa-, neiund rausdrieblet und schon längst kein Auto mehr ââdrieblet. Doch muss man nicht unbedingt auf eine globale Energiekrise hoffen, um das Drieble vor dem Verschwinden zu retten. Im Internet ist nämlich zu beobachten, dass im Radfahrer-Jargon triebeln für „anhaltend in die Pedale treten“ steht – genauso übrigens wie „kurbeln“. So könnte, dank triebelnder Radler, das Verbum drieble den Weg aus dem Schwäbischen zurück in den gesamtdeutschen Wortschatz finden.

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Die Mysterien der Migge Es gibt ein mysteriöses Verbum, dessen sich die Schwaben stets erinnern, wenn es um ihr Beharrungsvermögen – man kann auch sagen ihre Dickköpfigkeit – geht: migge.

Als ein Bauer mit seinem Bulldog auf ebener Strecke ohne er­ sichtlichen Grund bremst und deswegen von einem anderen Ver­ kehrsteilnehmer zur Rede gestellt wird, sagt er: „Da hat mei Vadder g’migget, und da migg i au.“ Des Rätsels Lösung: Die Migge ist die „Bremse“, und das Verbum migge bedeutet „bremsen“. Wo jener Bauer scheinbar grundlos bremst, befand sich einst der Höhepunkt eines mittlerweile abgetragenen Hügels. Hier hat der Vater stets die Migge seines Fuhrwerks betätigt, damit dieses auf der Fahrt bergab nicht außer Kontrolle geriet. Ein ganz anderes Mysterium ist die Herkunft des merkwürdigen Wortes Migge, das – zumindest in der Bedeutung von „Bremse“ – wohl nur den Schwaben und Badenern bekannt ist. Es hat zahlreiche Ableger getrieben, etwa den Miggearm, den Miggebacke, -bengel, -driebel, -driller, die Miggekette und das Miggeklötzle. Die beiden Komposita auf- und zumigge rühren daher, dass zumindest die technisch ausgereiftere Migge durch eine Handkurbel betätigt wurde. Im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm findet man den Begriff Micke einmal in der Bedeutung „gabelförmige Stange“ und einmal als Richtkeil, der unter die Kanone gelegt wurde, um sie auf das Ziel zu richten. In beiden Fällen scheint das Wort aus dem Niederländischen zu kommen. Eine andere Erklärung sieht den Ursprung der schwäbisch-­ale­ mannischen Migge im französischen Wort mécanique (Mecha­nis­ mus), das, dem Badischen Wörterbuch zufolge, eingedeutscht wurde zu Meckanick, dann Mecheni(ck), Mick(e)ni(ck) und schließlich 110

Mick(e). Das Schwäbische Wörterbuch widerspricht dem zwar nicht, stellt aber fest, dass die Verkürzung von mécanique zu Micke schon sehr stark sei, und hält eine Vermischung des französischen Wortes mit der Micke im Sinne von „Gabelholz“ für denkbar. Es gibt noch ein weiteres Mysterium: Warum sagten die Schwaben Micke bzw. Migge anstatt „Bremse“? Die Suche nach der Antwort führt zu dem überraschenden Ergebnis, dass das Wort Bremse im heutigen Sinne der Fahrzeugbremse noch sehr jung ist – vermutlich jünger als die Migge. So definiert die 1824 erschienene Allgemeine Enzyklopädie der Wissenschaften und Künste die Bremse wie folgt: „So nennt man bei einigen Maschinen, vornehmlich bei Windmühlen, Bergwerksgöpeln, Tretkrahnen und ähnlichen Winden eine mechanische Vorrichtung, wodurch man die Maschine schnell bremsen, d.h. in ihrem Gange aufhalten kann.“ Erst mit der Eisenbahn ist die Bremse in den Fahrzeugsektor vorgedrungen, wo bislang der Hemm- oder Radschuh gewaltet hatte – außer eben bei den Schwaben. Die haben offenbar bereits d’ Migge neig’haut, als die anderen noch gar nicht wussten, was „bremsen“ ist.

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Metaphern Eine Metapher ist ein bildhafter Ausdruck, der einen anschaulichen Vergleich herstellt. Allerdings leidet manche schwäbische Metapher darunter, dass sie keiner (mehr) versteht.

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Häftlesmacher und Bürstenbinder Was ist eigentlich ein Häftlesmacher? Und warum wird, wer Alkohol lieber in Massen als in Maßen trinkt, ausgerechnet mit dem braven Bürstenbinder verglichen?

„Då musch aufpasse wie an Häftlesmacher.“ Dieses Sprachbild ist bemerkenswert, weil kein Mensch mehr weiß, was ein Häftlesmacher ist und worauf er seine geballte Aufmerksamkeit zu richten hat bzw. hatte. Denn der Häftlesmacher gehört einer längst ausgestorbenen Berufsgruppe an. Mit den Brunnenputzern, Scheunendreschern, Säutreibern und Bürstenbindern verbindet ihn, dass sie alle auch heute noch, da diese Tätigkeiten wenn überhaupt, dann nur noch sporadisch ausgeübt werden, uns täglich zu Vergleichen dienen, die im Grunde keine sind. Denn keiner weiß so recht, warum ein Brunnenputzer wie ein Wilder schafft, ein Scheunendrescher unmäßig frisst, ein Säutreiber Schulden hat und ein Bürstenbinder säuft. Auch das Schwäbische Wörterbuch hilft hier nicht viel weiter. Zum Säutreiber bemerkt es immerhin, dass dies ein „herumziehender Schweinehändler“ war, der „besonders aus Bayern“ ­stammte. Und neben der Redensart „Schulden wie ein Säutreiber“ dokumentiert es die gegenteilige: „Geld haben wie ein Säutreiber“. Beide Aussagen lassen nur einen Schluss zu: Der Säutreiber war unbeliebt, egal ob – oder weil? – er Geld oder Schulden hatte. „Mühevoller Beruf“ lautet der einzige Kommentar zum Brunnen­ putzer. Somit bleibt es der eigenen Phantasie überlassen, sich auszumalen, wie schweißtreibend es war, den engen Schlund eines Brunnenschachts von Schlamm und allem möglichen Bewuchs zu befreien, um das Wasser sauber zu halten. Der Scheunendrescher wird zwar auch im Schwäbischen gerne bemüht, ist aber dem 114

schwäbischen Wortschatz fremd, der statt der Scheune die Scheuer kennt. In der Scheune zu dreschen war nicht nur anstrengend und äußerst staubig, sondern auch appetitan­regend und verursachte gewiss einen gesunden Durst. Aber der bleibt in der sprichwörtlichen Redensart dem Bürstenbinder vorbehalten. Der ist völlig schuldlos in den Ruf des Säufers geraten. Der Grund ist, dass das Verbum bürsten früher auch im Sinne von „bechern“ benutzt wurde. Und so fand man es im 16. Jahrhundert witzig, einen, der heftig bürstete, als Bürstenbinder zu bezeichnen. Der Häftlesmacher fertigte nicht, wie manche meinen, Heftchen an, sondern Häftle oder hochdeutsch Haften. So hießen die kleinen Ösen, die mit den dazugehörigen Haken zum Schließen der Kleidungsstücke dienten. Ob dafür allerdings ein höheres Maß an Konzentration vonnöten war als für manchen anderen Beruf, darf bezweifelt werden. Vielleicht musste der Häftlesmacher ständig aufpassen, dass seine winzigen Produkte nicht schneller verschütt gingen als sie hergestellt waren – etwa dann, wenn der Häftlesmacher einen netten Abend mit dem Bürstenbinder verbracht hatte.

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Die Glufen und der Michel Im Prinzip nehmen die Schwaben alles sehr genau. Aber auch das hat seine Grenzen. Wer die überschreitet, wer besonders kleinlich ist, den nennen sie Glufemichel.

„Du bisch a rechter Glufemichel!“ Gegen diese Aussage würde wohl kaum jemand eine Beleidigungsklage erheben, und wenn, dann käme er damit kaum allzu weit. Zwar gibt Fischers Schwäbisches Wörterbuch als erste Bedeutung von Glufemichel „täppischer, beschränkter Mensch“ an, aber heute ist die bei Fischer sekundäre Bedeutung „kleinlicher Mensch“ in den Vordergrund getreten. Kleinlich zu sein – das heißt, bei allem besonders genau hinzuschauen und das herausgegebene Kleingeld dreimal nachzuzählen – ist jedoch im Schwabenland nicht ehrenrührig. Wie kommt das Wort Glufemichel zu jener Bedeutung? Was ist eine Glufe? Ursprünglich bezeichnete dieses nicht nur im Schwäbischen verbreitete Wort die Spange oder Fibel, die das Gewand zusammenhielt. Später reduzierte sich der Sinn im Schwäbischen auf „Steckoder Sicherheitsnadel“. Die Stecknadel aber sticht bekanntlich recht gemein, woraus sich der Sinn der Redensart „besser als a Gosch voll Glufe“ erschließt: Besser als etwas Unangenehmes. In diesem Sinne wird man auch den Glufemichel begreifen müssen: Einer, der – etwa wenn’s ums Erben geht – auch der letzten Stecknadel die ihr gebührende materielle Bedeutung beimisst, und sei die noch so gering. So viel zur Glufe. Doch was ist mit dem Michel? Ganz offensichtlich ist der Name des Erzengels Michael, der „Wer ist wie Gott?“ bedeutet, im Schwäbischen zum Synonym für einen Menschen verkommen, den man nicht unbedingt ernst nehmen muss. Und deswegen hänseln die Schwaben niemanden, sondern sie michelet. In eine ähn116

liche Richtung weist die Redensart „mit jemand ’s Michele treibe“. Das bedeutet, jemandes Gutmütigkeit, die sich an der Grenze zur Einfalt bewegen kann, über Gebühr auszunutzen. Der Michel kann also zum Trottel werden. Aber das ist kein schwäbisches, sondern ein gesamtdeutsches Phänomen, und das bereits nachweislich seit dem 16. Jahrhundert. Schon Sebastian Franck, ein früher Volkskundler, der aus Donauwörth stammte, setzte den Begriff „der teutsch Michel“ gleich mit einem groben, dummen Menschen. Wie es dazu gekommen ist, dazu gibt es zahlreiche Theorien. Eine davon weist auf das mittelhochdeutsche Eigenschaftswort michel hin, das „groß“ bedeutete. Es sei als Sammelbegriff auf die Deutschen angewandt worden – wie „der Iwan“ auf die Russen – im Sinne eines klobigen, unbeholfenen Menschen. Später verwandelte sich der deutsche Michel zum gutgläubigen, ehrlichen Biedermann, wie ihn die Regierenden schätzen. Denen könnte allerdings der schwäbische Glufemichel zum Problem werden, wenn er, außer zu kontrollieren, ob seine Frau noch alle Glufe im Nähkasten hat, auch noch im Landesrechnungshof säße.

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Rotzlöffel und Rotzraahenker Die Nasensekrete – vulgo: Rotz – dienen den Schwaben unter an­ derem dazu, zwei recht konträre Charaktere zu beschreiben, den Rotzlöffel und den Rotzraahenker.

Die unterschiedlichen Funktionen der verschiedenen Löffel-Arten sind normalerweise unschwer aus der jeweiligen Bezeichnung zu erkennen: Mit einem Suppenlöffel löffelt man die Suppe, mit einem Kaffeelöffel rührt man im Kaffee, und mit einem Schuhlöffel zieht man sich die Schuhe an. Was aber tut man mit einem Rotzlöffel? Die meisten würden ihm, wenn das nicht verboten wäre, gern eine hinter die Löffel hauen – wobei diese speziellen Löffel eine Anleihe aus der Jägersprache sind, in welcher der Begriff „Löffel“ für die Hasenohren steht. Nun ergibt die Verbindung von Rotz und Löffel keinen nachvoll­ ziehbaren Sinn, egal ob man Löffel als Essbesteck oder als Ohr­muschel begreift. Das unterscheidet jenes Schimpfwort von den anderen, die mit Rotz- gebildet werden wie etwa die „Rotznas“ oder der „Rotzbue“. Beide vergleichen den so Betitelten mit einem kleinen Kind respektive Buben, das / der noch nicht mit dem Taschentuch umgehen kann oder will, aber dennoch eine vorlaute, freche Gosch hat. Eine Steigerung in mehrfacher Hinsicht ist der Rotzaff. Damit können – im Gegensatz zum Rotzbue – auch Angehörige des weiblichen Geschlechtes bezeichnet werden, und auch hinsichtlich des Alters bietet dieses Wort einen erweiterten Spielraum. Der Rotzlöffel – so viel ist jedem klar – ist mindestens so unverschämt wie der Rotzaff. Fügt man dem Letztgenannten ein -l- hinzu, dann wird er zum Rotzlaffen, und das ist gewissermaßen der Vater des Rotzlöffels, womit dessen Geheimnis gelüftet wäre: Das deutsche Wörterbuch der Brüder Grimm lässt keinen Zweifel daran, dass 118

­dieser Löffel nichts mit dem Essgerät zu tun hat, sondern ein kleiner Laffe ist und „ein früher zumal im oberdeutschen Sprachgebiete geläufiges Scheltwort“ war. Es bedeutete „Narr“. Tatsächlich findet sich solch ein Löffel in Sebastian Brants Narrenschiff aus dem Jahr 1494. Bemerkenswert ist, dass das Wort Laffe höchstwahrscheinlich vom alt- und mittelhochdeutschen Verbum laffan (lecken) abstammt, das auch den (Ess-)Löffel hervorgebracht hat. Und Kluges Etymologisches Wörterbuch steht nicht an, den Rotzlöffel mit dem Zeitwort lecken in Verbindung zu bringen, woraus sich eine recht unappetitliche Deutung ergibt. Doch lassen wir mangels weiter­ gehender Erkenntnisse dahingestellt, ob der Rotzlöffel nun ein kleiner Rotzlaffe oder ein Rotzlecker ist. Entscheidend ist seine oberdeutsche Herkunft. Nicht nur oberdeutsch, sondern rein schwäbisch ist das Gegenteil des Rotzlöffels, und das ist der Rotzraahenker. Kein anderes Wort könnte einen trübseligen Zeitgenossen derart trefflich beschreiben. Und es ist so bildhaft, dass es keiner weiteren Erläuterung bedarf.

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Der Wasen und das Wasenluder Was bedeutet eigentlich Wasen? Diese Frage wird auf demselben gelegentlich erörtert – wenn auch lange nicht so intensiv wie die des Wasenbierpreises.

Mit dem Begriff Wasen verbindet man das Cannstatter Volksfest sowie das Volkslied „Aufm Wase graset d’Hase“. Dessen Text erweckt den Eindruck, dass sich auf dem Cannstatter Volksfestgelände sofort nach dem Einrollen der Bierzelte die Hasen für die restlichen 50 Wochen des Jahres breit machen. Dieser Eindruck kann nur entstehen, weil viele den Wasen für ein Cannstatter Lokalspezifikum halten. Das aber ist nicht der Fall. Vielmehr ist Wasen ein verbreiteter Flurname, der zurückgeht auf das althochdeutsche waso. Das war eine Erdscholle mit Pflanzenbewuchs. Daneben hatte Wasen weitere Bedeutungen. Ausgestochene Torf­ stücke etwa wurden so genannt. Ferner stand der Begriff Wasen für den fast gleichlautenden Rasen. Tatsächlich hält Kluges Etymo­ logisches Wörterbuch es für denkbar, dass beide Wörter von einem gemeinsamen Ur-Wort wrason abstammen. Wie auch immer: Als Wasen wurde eine ­ grasbewachsene Fläche bezeichnet, „die für Anbau wenig geeignet ist, so das Über­ schwemmungsgebiet beiderseits von Flüssen, z.B. am Neckar“, wie Walther Keinath in seinem Buch über württembergische Flur­namen schrieb. Daher wurde der Wasen gerne für besondere Zwecke genutzt, etwa als Weideland, Spielfläche oder Exerzierplatz. Auch die Hasen fühlten sich dort wohl, wenn man den zahlreichen Sprichwörtern glauben darf. Zumindest beweisen sie, dass das Reimpaar Hasen / Wasen fast so beliebt war wie Herz und Schmerz. An Botanik wies der Wasen die Wasenblumen, Wasenbeeren ­sowie 120

die kleine, runde, braune Wasenbirne auf, die auf Schwäbisch Wasebir heißt und nicht mit dem Wasenbier zu verwechseln ist. Eine völlig andere Bewandtnis hat es mit dem Wasenfleisch. Das hängt mit einer weiteren Sondernutzung des Wasens als Schind­ anger zusammen. Dort entsorgte der Wasenmeister, der oft auch Scharfrichter war, verendetes Vieh. In Notzeiten wurde selbst dieses Wasenfleisch – also Aas – verzehrt. Eine andere Bezeichnung für Aas war Luder. Insofern ist Wasen­ fleisch im ursprünglichen Wortsinn identisch mit dem Wasenluder, das sich in Fischers Schwäbischem Wörterbuch findet. Der übersetzt dieses längst vergessene „starke Schimpfwort“ mit „böses Weib“. Heute, im Zeitalter der Boxen-, Party- und sonstigen Luder, schreit das Wort Wasenluder geradezu nach Wiederbelebung, wenn auch nicht unbedingt im Sinne von „böses Weib“. Eine semantische Annäherung an die anderen Luder wäre unproblematisch, da „Luder“ seine Bedeutung längst weiterentwickelt hat vom Aas zum Lockmittel der Jäger bis zum verlockenden, aber sündigen Weib. Seiner Wandlung zur verruchten schwäbischen Bierzelt-Venus steht damit nichts im Wege.

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Das Lettegschwätz „So ein Lettegschwätz!“ Kürzer und deutlicher lässt sich im Schwä­ bischen die Verachtung für einen unqualifizierten Redebeitrag kaum ausdrücken. Immer mehr Menschen leiden unter Logorrhöe. Dieses vortreffliche Fremdwort lässt sich am besten mit „Sprechdurchfall“ übersetzen. Und was dabei herauskommt, ist in aller Regel ein Lettegschwätz. Dieses Wort kennzeichnet sprachliche Äußerungen, die – egal ob dünn oder zäh fließend – entweder unsinnig oder widersinnig, in jedem Falle aber überflüssig sind und zu deren seuchenartiger Verbreitung die Medien maßgeblich beitragen. So präsent daher der Begriff Lettegschwätz aus den geschilderten Ursachen ist, so wenig präsent dürfte vielen, die ihn im Munde führen, der Sinn des Wortes Letten sein. Das bedeutet ganz einfach „Lehm“. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Schwäbische zwei Ausdrücke für Lehm kennt, nämlich neben dem Letten auch den Leimen oder Leim, der nicht zu verwechseln ist mit dem gleichnamigen Klebstoff. Leim ist die Ursprungsform des Wortes Lehm, der auch im Altund Mittelhochdeutschen schon leim hieß. Man findet ihn noch in Flurnamen wie Leimgrube. Das war oder ist die Entnahmestelle für das Rohmaterial, aus dem man irdene Töpfe oder Ziegel macht. Das zeigt, dass mit Leim(en) eine verwertbare Lehmart bezeichnet wurde, während der Letten etwas ist, mit dem man nichts anfangen kann: schlicht und einfach Dreck. Das Grimm’sche Wörterbuch bestätigt dies und teilt darüber hinaus mit, dass Letten, der althochdeutsch noch letto hieß, auch „Kot“ bedeuten kann, aber wohl nicht im organischen Sinne. Damit erhebt sich für die, die es ganz genau wissen wollen, die Frage, auf welche Art von Letten der Begriff Lettengeschwätz Bezug 122

nimmt: auf den minderwertigen Lehm, mit dem nichts anzufangen ist, oder auf Straßenkot? Die Antwort ergibt sich aus der Verwendung des Wortes, das nichts und niemanden in den Schmutz zieht, sondern lediglich einen Qualitätsmangel rügt: Es geht um die Wertlosigkeit einer Rede. Deshalb dürfen wir hier den Letten im Sinne von schlechtem Lehm zugrunde legen, der zu nichts taugt – der aber auch keinen Schaden anrichtet, wenn er nicht gerade als Schlammlawine über einen hereinbricht. Allerdings leben wir in einer Zeit des Wertewandels: Was früher als wertlos galt, ist längst zum Wertstoff umgedeutet worden, wie die blühende Müllwirtschaft beweist. Deswegen wird man nicht umhinkommen, auch das Lettegschwätz neu zu bewerten. Schließlich ­beweisen tagtäglich Legionen von Schwätzern, ­deren über Nachrichten und Talkshows verbreitete Emissionen die Men­ schen bis in den Schlaf verfolgen, dass Letten und damit auch das Lettegschwätz doch große Erfolge und fette Erträge einbringen kann – vor allem, wenn der Letten noch durch eine ordentliche Portion Bockmist angereichert wird.

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Dem Simpel den Dippel gebohrt Sagt ein Schwabe zu einem anderen „Du Dippel“, so will er ihm mitteilen, dass er ihn für dumm oder zumindest extrem ungeschickt hält, nicht aber für einen Deppen. Ein Dippel ist ein Simpel. Der Simpel ist recht simpel zu erklären, er ist vom lateinischen (simplex = einfach) auch in den schwäbischen Wortschatz geraten, um Menschen besonders schlichten Gemütes zu kennzeichnen. Wenn der Simpel von simplex abstammt, dann muss, so ­könnte man kalauern, der Dippel von duplex (zweifach) kommen, zumal er sich in Fischers Schwäbischem Wörterbuch Düppel schreibt und gleichbedeutend ist mit dem Duppeler. Dann wäre der Dippel doppelt so dumm wie der Simpel, und die nächste Stufe wäre wahrscheinlich der Tripel oder Dreifach-Simpel. Aber so einfach ist die Sache nicht. So steht die Bedeutung „dummer Mensch“ bei Fischer weit hinter der ersten, die er für Düppel angibt, und die lautet „Drehkrankheit der Schafe“. Die wird übrigens ausgelöst durch den sprichwörtlichen Drehwurm (Coenurus cerebralis). Der Name Düppel für diese Krankheit ist zurückzuführen auf das Verbum düpple oder duppele (schwankend gehen), ­einer Itera­ tivbildung zu dem Verbum duppen (unsicher, ­schwankend, ängstlich gehen). Es ist also das Schwanken respektive der Schwin­del, was dieser Wortfamilie zugrunde liegt. Und daher bedeutet ­duppelig, düppelig oder dippelig „schwindelig, benommen“ oder ganz einfach „dumm“. Und düpelhirig ist laut Fischer einer, der den Düppel im Hirn hat. Bemerkenswert ist übrigens, dass im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm der Düppel zwar verzeichnet ist, auch als „Tölpel“, aber 124

ohne die Bedeutung „Drehkrankheit der Schafe“, die Fischer nennt. Daher liefern Fischer und Grimm unterschiedliche Erklärungen für die Redensart „einem den Düppel bohren“. Grimm sieht darin die analoge Bildung zu „einem den Esel bohren“, die vermutlich auf eine Handbewegung zurückgeht. Fischer hingegen übersetzt „einem den Düppel bohren“ als „ihn zu Verstand bringen“ und deutet das Bohren völlig richtig als „trepanieren“ (den Schädel aufbohren). So berichtet Hermann Wax in seiner „Etymologie des Schwäbischen“, dass schwäbische Schäfer bis 1920 noch ganz offen und später heimlich den drehkranken Schafen den Dippel gebohrt haben. In den Bereich der Erkrankungen, allerdings der menschlichen, gehört der Wochedippel. Das ist eine auch heute gelegentlich noch zu hörende schwäbische Bezeichnung für Mumps. Sie erklärt sich daraus, dass diese Kinderkrankheit ungefähr eine Woche dauert. Während der Wochedippel für die Medizin längst kein Problem mehr darstellt, ist gegen die sporadische und erst recht die permanente menschliche Dippelhaftigkeit kein Kraut gewachsen. Die Mitmenschen müssen sie ertragen. Dem vom Düppel befallenen Schaf hingegen droht die Notschlachtung.

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Hundsliedrig Schwaben haben eine etwas missverständliche Form, ihr Unwohlsein auszudrücken. Sie sagen dann nämlich, ihnen sei’s liederlich – selbst wenn sie grundsolide sind. „Mir isch’s hundsliedrig.“ Äußert ein Schwabe diese Klage, sollte man diskret nach der Nummer des Notarztes suchen. Denn liedrig – die rein schwäbische Variante des den Schwaben ebenfalls ver­ trauten liederlich – bezeichnet hier keinen akuten Anfall von Leicht­ fertigkeit, sondern ein heftiges Unwohlsein, gekennzeichnet von Kopfschmerzen, Übelkeit und Appetitlosigkeit. Während liederlich im Schriftdeutschen ­verhaltensbedingte Nega­tiv-Eigenschaften wie „sorglos“, „ausschweifend“ und „schlimm“ bezeichnet, beschreibt es im Schwäbischen auch einen p ­ hysischen Zustand. Es fällt auf, dass das Schwäbische Wörterbuch als Erst­ bedeutung von liederlich „geringfügig, unbedeutend, ohne Ansehen“ vermerkt. Erst die zweite („haltlos, unzuverlässig“) gleicht der schriftdeutschen. Die dritte ist wieder rein schwäbisch: „übel, elend, schwach“. Wenn Nichtschwaben über die erste und dritte Bedeutung irritiert sind, könnte das daran liegen, dass man beim Adjektiv liederlich mehr oder weniger bewusst das Substantiv „Lied“, und auf dem Weg über das Lied eine fröhliche Leichtigkeit des Seins assoziiert, welche Gefahr läuft, in Leichtsinn abzugleiten. Und das ist das genaue Gegenteil jenes Zustandes, den der Schwabe mit liedrig beschreibt. Diese semantische Schere lässt sich ganz einfach damit erklären, dass liederlich nichts mit dem Lied zu tun hat. Frühere Dichter und Denker, die sich den Kopf über jenes Wort zerbrochen haben, leiteten es von „Luder“ ab, da das schriftdeutsche liederlich in der Tat alle Kriterien des menschlichen Luders erfüllt, dessen 126

Ursprungsbedeutung der Tierkadaver ist. Also haben sie es lüderlich geschrieben. Doch die heutigen Sprachwissenschaftler lehnen diese Erklärung ab. Aber von irgendeinem Haupt- oder Zeitwort muss liederlich abstammen, was allein schon die schwäbische Version liederig beweist: Dessen Adjektiv-Endung -ig wurde ebenso wie das -lich in ­liederlich an ein Grundwort gefügt, das übrig bleibt, wenn man -ig und -lich streicht und lieder- lauten müsste. Das könnte ein „entrundetes“ l­üder- sein und dürfte dann doch von einem Luder abstammen, so wie „künstlich“ von „Kunst“. Als Lösung des Rätsels bietet sich ein althochdeutsches Wort an, das ludara oder ludera lautete. Das hatte nichts mit dem späteren Luder zu tun, das auf althochdeutsch „luoder“ zurückgeht. Vielmehr bedeutete es „Lumpen, Windel“. Hängt man an den Lumpen ein -ig, kommt „lumpig“ heraus, das gleichbedeutend ist mit dem schwäbischen liedrig, während das schriftdeutsche liederlich dem Adjektiv „lumpenhaft“ entspricht. Und so hat dieses Wort bewiesen: Es gibt keinen Begriff, der so liedrig wäre, dass man darüber nicht eine Abhandlung schreiben kann.

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Die Rehabilitierung des Dackels Wenn ein Schwabe sich für andere abdagglet, ohne dass es ihm gedankt wird, kommt er sich daggelhaft vor und droht: „Für ui han-e ’s letscht Mal da Daggl g’macht!“

Der Dackel ist im schwäbischen Sprachschatz prominenter vertreten als jede andere Hunderasse. Allerdings ist seltsam, dass der Dackel dabei ziemlich dumm dasteht, obwohl er keineswegs als dumm gilt. Als Daggl bezeichnet der Schwabe einen Trottel, bisweilen auch sich selber, etwa wenn er sich umsonst abdagglet oder wenn er, von der Bürokratie gehetzt, von einem Amt aufs andere dagglet. In diesen Wörtern schwingt noch eine gewisse Gutmütigkeit mit, die aber beim Grasdaggl, Halbdaggl und erst recht beim Saudaggl endet. Zwar tut man auch dem Esel Unrecht, wenn man seine Gattungsbezeichnung auf Dummköpfe überträgt. Aber angesichts des Starrsinns jenes Grautieres ist dies eher nachvollziehbar als im Falle des Dackels. Dem kann man eine Neigung zum Wadenbeißen unterstellen, nicht aber zur geistigen Trägheit. Also stellt sich die Frage, ob das Schimpfwort Daggl mit all seinen Ableitungen tatsächlich auf den Dackel zurückgeht – zumal diese Hundebezeichnung noch nicht sehr alt ist. Früher hieß diese Rasse wegen ihrer speziellen Verwendung „Dachshund“ und seit Anfang des 18. Jahrhunderts im Oberdeutschen „Dächsel“, woraus sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts der „Dackel“ bildete. Der aber hat ­sicher nichts zu tun mit dem Schimpfwort „die Dakkel“, das 1897 in Ulm bezeugt ist und eine „dumme Weibsperson“ bezeichnete. Denn im „Versuch eines Ulmischen Idiotikons“ aus dem Jahr 1787 finden wir die Adjektive dakelt und undakelt, beide im Sinne von „tölpisch“. Bemerkenswert ist ferner, dass in Fischers Schwäbischem Wör­ ter­buch als erste Bedeutung für Dackel der „Blödsinnige“ genannt 128

ist, dass mit der Verkleinerungsform Dackele schwachsinnige Kin­der bezeichnet wurden – „in mitleidigem Ton“ wohlgemerkt –, und dass das Adjektiv dackelig für „kretinhaft“ stand. Damit wird immer klarer, dass der Daggl nichts mit dem krummbeinigen Jagd­ kameraden zu tun hat. Für eine „schwächliche, ängstliche, blöde Person“ kennt das Schwäbische Wörterbuch übrigens auch den ähnlich klingenden Ausdruck Dachtel, und als Nebenform von Dackel werden auch Dattel und Dättel genannt. Wenn man davon ausgeht, dass das -(e)l am Ende dieses Wortes eine Verkleinerungsform ist, dann müsste das Grundwort dagg oder dack heißen. Tatsächlich findet sich im Wörterbuch der Tiroler Mundarten das Wort tagg, „ungeschickter Mensch, Mann, Weib“, von dem das Verb taggelen abgeleitet ist. Das bedeutet „läppisch tun“, „im Wasser, Schlamm herumfahren“, „stotternd, gebrochen reden“. Damit ist erwiesen, dass der Daggl kein Dackel ist – und umgekehrt; auch wenn weder ein Dackel noch ein Daggl diesen Erkenntnisgewinn zu ästimieren wissen wird.

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Folklore Zur Folklore gehören neben Liedern und Klischees auch Typen, Sagengestalten und Ausdrucksweisen – bis hin zur Dativbildung.

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Was heißt „Schwabe“? Es gibt verschämte Schwaben, es gibt bekennende Schwaben und bayerische Schwaben. Aber kaum einer von ihnen wird sagen können, was Schwabe bedeutet.

Die Franken müssen nicht lange nach Erklärungen für ihre Sam­ melbezeichnung suchen: Sie wurzelt mit hoher Wahrscheinlich­keit im Eigenschaftswort „frank“, das „mutig“ bedeutete. Aber was ist mit den Schwaben? Natürlich werden Böswillige sofort behaupten, dass dieser Stammesname zurückgehe auf das gleichnamige Insekt, das offiziell „Küchenschabe“ (Periplaneta orientalis) heißt. Zumindest in diesem Punkt hilft Kluges Etymologisches Lexikon weiter. Es stellt fest, dass die Küchenschabe in allen möglichen Ländern mit Namen anderer Völker bezeichnet wird, in Russland etwa als „prusak“ (Preuße) oder in Polen als „francuz“ (Franzose). Man wird also annehmen dürfen, dass nicht die Schwaben nach den Kakerlaken benannt sind, sondern umgekehrt – wobei noch anzumerken wäre, dass der Vergleich so abwegig gar nicht wäre. Schließlich ist die Küchenschabe das bislang erfolgreichste Lebe­ wesen der Erdgeschichte. Doch was Schwabe eigentlich bedeutet, erklärt Kluge nicht. Es liegt nahe, im Schwäbischen Wörterbuch nachzuschlagen, das dem Begriff Schwabe und seinen Ableitungen immerhin fünf Spalten einräumt. Zur Herkunft des Wortes hingegen steht dort nur, dass es mit dem lateinischen Suebus identisch, die Herkunft jedoch unsicher sei. Das Wörterbuch der Brüder Grimm bestätigt dies. Trotzdem liefert es einige Erklärungsversuche, etwa den von Jakob Grimm. Der vermutete einen Zusammenhang zwischen Schwabe und dem altnordischen sofa, das zwar nichts mit dem schwäbischen Schässlo 132

zu tun hat, aber dennoch „schlafen“ bedeutete. Die Konsequenz, dass Schwabe demnach für eine „Schlafmütze“ stehe, hat er allerdings abgemildert in „Friedensbringer“. An anderer Stelle wiederum schreibt Grimm, der Name Sueven sei slawisch, bezeichne – ebenso wie „Slawen“ – einen Freien und sei den Schwaben von ihren östlichen, slawischen Nachbarn zugedacht worden. Die neueste Deutung, die von Experten als durchaus ­plausibel ­erachtet wird, gibt Dieter Berger in dem von ihm verfassten DudenTaschenbuch „Geographische Namen in Deutschland“ wieder. Der Volksname, der auf Althochdeutsch Swaba lautete, gehe zurück auf Germanisch sweba und weiter auf Indogermanisch suebho-, eine Erweiterung von sue-, das auch im Lateinischen suus / sua (sein / ihr) stecke. Dieses suebho- stehe für „frei, zum eigenen Volk gehörend“, was im Übrigen ganz gut zur Bildung anderer deutscher Stammesnamen passt. So bedeutet auch „deutsch“ – von althochdeutsch „diot“ = Volk – so viel wie „zum Volk gehörig“. Dass bei den Schwaben noch ein „eigen“ hinzukommt, leuchtet ebenfalls ein. Schließlich wird niemand bestreiten wollen, dass Schwaben manchmal sehr eigen sein können.

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Dem Schwaben sein Dativ Schwaben sehen sich beständig dem Vorwurf ausgesetzt, sie könn­ ten keinen Genitiv bilden. Das stimmt zwar nicht, aber der Dativ ist ihnen in der Tat lieber. „’s Nachbers Hund hat ’s Maiers Katz verschüttlet.“ Dieser Satz enthält zwei Genitive und beweist, dass die Schwaben des Wes-Falles sehr wohl mächtig sind. Doch zugegebenermaßen bevorzugen sie in zu­ nehmendem Maße die Umschreibung mit dem Dativ (Wem-Fall), und die lautet em Nachber sei Hund. Das gibt Anlass zu zwei Fragen: 1. Warum ist das so? 2. Ist das falsch? Festzustellen ist zunächst, dass fast sämtliche Mundarten seit dem 15. Jahrhundert den Genitiv weitgehend aufgegeben haben, wie schon Adolf Bach in seiner „Geschichte der deutschen Sprache“ feststellt. Der Grund dafür wird kaum mehr festzustellen sein. Er könnte eventuell darin liegen, dass em Nachber sei Hund zwar länger, aber vielleicht bequemer auszusprechen ist als ’s Nachbers Hund. Es ist aber auch noch ein ganz anderer Grund denkbar: erhöhte Präzision – und damit das genaue Gegenteil von Schludrigkeit, die den Schwaben in diesem Fall gerne vorgeworfen wird. Und so muss die Frage lauten: Ist die Umschreibung mit dem Dativ falsch? Antwort: Was falsch ist und was richtig, ist eine Frage der Konvention. In jedem Falle aber wird man sagen können, dass die Umschreibung mit dem sein durchaus plausibel ist. Denn es geht beim Genitiv um Herkunft und damit auch um Zugehörigkeit. Das Verbum gehören aber regiert den Dativ: Wem gehört der Hund? Dem Nachbarn. Es ist sein Hund, also dem Nachbarn sein Hund. Man kann es auch anders herleiten: Bei „mein Hund“ und „dein Hund“ steht der Besitzer fest. Nicht aber bei „sein Hund“. Also muss 134

man nachfragen. Nach wem muss man fragen? Nach dem Besitzer: Wem sein Hund ist das? Dem Nachbarn sein Hund. Warum soll, wie oben behauptet, diese Dativ-Konstruktion präziser sein? Das zeigt sich, wenn man Nachbars Hund und dem Nachbarn sein Hund dekliniert und das Ergebnis vergleicht. Nachbars Hund bleibt im Nominativ, Dativ und Akkusativ immer gleich: Wer ist das? Nachbars Hund. Wem gehört der Knochen? Nachbars Hund. Wen hat Katzenbesitzerin Maier vergiftet? Nachbars Hund. Ganz anders hingegen ist es im Fall von dem Nachbarn sein Hund respektive schwäbisch em Nachber sei Hund: Des isch em Nachber sei Hund. Der Knoche g’hört em Nachber seim Hund. D’ Maiere hat em Nachber sein Hund vergiftet. Im Genitiv wird es noch krasser: Nachbars Hunds Knochen ist zwar theoretisch möglich, aber praktisch indiskutabel. Deswegen wird auch der entschiedenste Befürworter des Genitivs einen doppelten solchen vermeiden und zum Dativ greifen: der Knochen von (wem?) Nachbars Hund. Der Schwabe hingegen kann sich entspannt zurücklehnen und kon­ sequent dativisch formulieren: Em Nachber seim Hund sei Knoche.

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Die Kehrwoche – ein Mythos Ohne die Kehrwoche wäre der schwäbische Mehrparteien­ hausfrieden ständig in Gefahr. Ist es möglich, dass der Rest der Republik ohne Kehrwoche auskommt?

Bis mindestens 2005 suchte man im normalen Duden das Wort Kehrwoche ebenso vergebens wie in den anderen handelsüblichen Wörterbüchern. Man musste schon zu Dudens dickem Deutschen Universalwörterbuch oder dem achtbändigen Großen Wörterbuch der deutschen Sprache greifen, um darin die Kehrwoche zu finden, die als „süddeutsch, besonders schwäbisch“ ausgewiesen und definiert war als „Woche, in der eine Mietpartei verpflichtet ist, die Treppe (den Bürgersteig) o.ä. zu reinigen“. Fast alle schwäbischen Wörter, die bis 1936 geprägt waren, stehen im Schwäbischen Wörterbuch. Umso erstaunlicher ist, dass auch dieses keine Kehrwoche kennt, sondern lediglich einen Kehrtag. Aber der ist nicht etwa das Siebentel einer Kehrwoche, sondern die Kurzform von „Pauli Bekehrung“, die am 25. Januar gefeiert wird. Von den Mundartlexika nennt allein das Badische Wörterbuch die Kehrwoche. Wir stehen also vor dem Phänomen, dass die Nachschlagewerke ein Wort ignorieren, das, wie Kehrwochen-Schilder aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert beweisen, schon damals zumindest in Mietshäusern flächendeckend verbreitet war und das heute gerade­ zu Kultstatus besitzt: Wer im Internet unter Kehrwoche sucht, findet Tausende von Hinweisen auf Beiträge, von denen viele die Kehrwoche und den damit verbundenen Psychoterror als eine Hauptkonstituante der schwäbischen Mentalität beschreiben. Das wirft die Frage auf: Bleiben anderswo in der Republik Trep­ pen­häuser und Bürgersteige ungekehrt? Natürlich nicht. Das beweist 136

ein Blick in die deutsche Hausordnungs-Literatur, die überall – wenn auch unter Vermeidung des Wortes Kehrwoche – deren Pflichten auf die Mietparteien verteilt. Was also ist an der Kehrwoche spezifisch schwäbisch? Nichts, wie der Umstand zeigt, dass das Wort in Bayerisch-Schwaben unbekannt ist. Tatsächlich wird sie oft aus der Verordnungswut der württembergischen Obrigkeit erklärt, die den Bürgern auch das wöchentliche Gehweg-Kehren auferlegte, das auf dem Land heute noch zu beobachten ist. Doch das hat mit der Kehrwoche nichts zu tun, denn dieser Begriff impliziert einen wöchentlichen Wechsel der Kehrpflicht und der macht nur Sinn in Mietshäusern, also in einem städtischen Milieu. Wenn die Kehrwoche also als typisch württembergisches Phäno­men gilt, kann dies im Grunde nur am landesspezifischen Perfektionismus liegen, der auch das Reinigen der verborgensten Details des Treppengeländers fordert. Das sadistische Pochen auf peinlich genaue Erfüllung des Putzkatalogs ist jedoch keineswegs stammesspezifisch. Denn Tatsache ist, dass spitze Hinweise auf mangelhafte Ausführung der Kehrwoche nicht selten in einem von schwäbischen Lauten freien Hochdeutsch ertönen.

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Raupen im Weinberg Auch unter den Schwaben gibt es lokale Gruppen, die sich durch besondere Charakteristika auszeichnen. Die wohl bekanntesten sind die Tübinger Gogen.

Anrede in einer Tübinger Wahlversammlung: „Meine sehr geehrten Herren Weingärtner!“ – Ein Gog: „Des kennt mr, heut se-mr die Herren Weingärtner ond morge noh wieder d’ Sauraupe.“ Das ist ein Gogenwitz, dem Landfremde drei Informationen entnehmen können: 1. Goge sind Tübinger Weingärtner. 2. (Sau-)Raup ist eine andere Bezeichnung für Gog. 3. Gogen bzw. Raupen lassen sich nichts vormachen und teilen dies auf sehr direkte Weise mit. Warum aber heißen die Tübinger Weingärtner Gogen respektive Raupen? Darüber haben sich schon die hervorragendsten Schwa­ benforscher die Köpfe zerbrochen, aber niemand hat bisher den Anspruch erhoben, die wahre und einzig richtige Antwort gefunden zu haben. Fischer weist im Schwäbischen Wörterbuch darauf hin, dass man die Bezeichnung Raup auch von den Tübinger Weingärntern selbst höre. Hingegen komme Gog – er schreibt Gag – nur „in gebildetem, besonders studentischem Munde“ vor. Damit ist das Spannungsfeld zwischen den Intellektuellen in der Tübinger Oberstadt und den Eingeborenen in der Unterstadt, der Gogerei, angesprochen, aus dem die Gogen-Witze ihre Würze beziehen. Bei dem Wort Raup liegt es nahe, an das Ungeziefer zu denken, das auch den Weingärtnern zu schaffen macht. Dagegen spricht jedoch, dass Raup ein Schimpfwort ist – laut Fischer ein „ungeschliffener Mensch“ –, das nicht nur auf Tübinger Weingärtner angewendet wird. Man findet es auch im Bayerischen Wörterbuch mit den Entsprechungen Esel, Taugenichts, Plebejer. Als ursprüngliche 138

Bedeutung von Raup ist hier wie im Schwäbischen Wörterbuch das junge Rind angegeben. Der Begriff Gog eröffnet ein wesentlich weiteres Feld möglicher Interpretationen, wovon die verbreitetste sich auf die in der Apokalypse genannten Satans-Völker Gog und Magog bezieht. Aber so schlimm sind die Gogen auch wieder nicht. Es gibt Vermutungen, der „Gauch“ (Kuckuck) stecke dahinter oder ein „Georg“ oder das Quaken der Frösche, das in der Gegend von Tübingen „gagen“ (mit offenem o) heiße. Lässt man die Bedeutung einmal außer Acht, hält der Mundart­ forscher Arno Ruoff eine Entstehung im studentischen Milieu für naheliegend. Wegen des offenen „Oberländer-o“ denkt er an katholische Studentenkreise, „die stets in besonderem Gegensatz zur rein protestantischen Urbevölkerung standen“. Die reizvollste aller Erklärungen, die zudem einer der wichtigsten Tätigkeiten der Gogen gerecht wird, findet sich ebenfalls bei Ruoff: Als der deutsche Wortschatz erweitert wurde um die Begriffe Pädagog und Demagog, in denen das altgriechische Verb ago (ich führe) steckt, sei wohl jemand auf die Idee gekommen, den Mistbrüh führenden Weingärter als Mistagog zu bezeichnen.

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Die Mauke einst und jetzt In manchen Gegenden Schwabens hat sich ein merkwürdiges Wort erhalten. Es lautet Maukenescht und geht zurück auf die Mauke, die mancherorts Mauchet heißt.

Im Cannstatter Stadtteil Hallschlag gibt es einen Abenteuerspielplatz namens Mauganescht, und in manchen Städten des Landes finden sich auch Restaurants, die sich so schreiben – oder so ähnlich. Denn die Schreibweise dieses Wortes ist so uneinheitlich wie die Definitionen, die man dazu findet. Da man es mit der schwäbischen Schreibweise so oder so halten kann und in beiden Fällen meistens danebenliegt, sei hier der Einfachheit halber die schriftdeutsche Version Maukennest gewählt, auch wenn es dieses Wort in der Schriftsprache nicht gibt. Man sucht es vergebens in den Konversationslexika; fündig wird man hingegen bei der Mauke. Allerdings werden dort nur die Bedeutungen „Tierkrankheit“ (Fußgrind beim Pferd) und „Pflanzenkrankheit“ (Grind der Weinrebe) referiert. Das hat aber alles nichts zu tun mit der schwäbischen Mauke. Die hat einen interessanten Bedeutungswandel vollzogen, seit Fischer in seinem Schwäbischen Wörterbuch angegeben hat: „Mauke: (besonders von Kindern) heimlich angesammelter Vorrat von Obst, Nüssen und dergleichen.“ Dieselbe Bedeutung weist Fischer dem Maukennest zu, und auch in anderen Nachschlagewerken besteht kein Unterschied zwischen der Mauke und dem Maukennest. Heute rücken beide Wörter in die Nähe des Gruschts: „Des wundert mi überhaupt net, wenn du in deiner Mauke nix meh findesch!“ Wie kann ein Obstversteck zum Chaos mutieren? Das lässt sich­ nachvollziehen in Gerhard Widmanns Vokabelsammlung „Schwä­ bisch von Blatt“, wo zu Mauchet, Mauge, Mauganestle, Mauget er140

klärt wird: „heimlicher / versteckter Vorrat, z.B. Bonbons, aber auch ‚Raritäten‘ von relativem Wert, auch: großes Durcheinander, Unord­ nung.“ Das zeigt: Es geht nicht primär ums Obst, das die Kinder von heute durch Kaugummi und Gummibärchen ersetzt haben, sondern ums Versteck, in dem sich alles Mögliche anhäufen kann, das seinem Inhaber ans Herz gewachsen ist. Zu diesem Schluss führt auch die Analyse des Wortes. Zu ihm gehört das Verbum maukle (etwas heimlich tun), das schriftdeutsch maugeln heißt und mit mogeln und meucheln verwandt ist. Es hängt zusammen mit mittelhochdeutsch muchen (verstecken, verbergen) und althochdeutsch muhhen (heimlich lauern). Der Pädagoge und Mundartforscher Josef Karlmann Brechenmacher hat das Wort und seine Verwandten sogar zurückverfolgt bis nach Mykene, in dem das altgriechische Wort mychoí steckt, das „im Winkel“ heißt – in diesem Falle im Winkel von Argos. Dort stieß übrigens der Archäologe Heinrich Schliemann 1876 auf ein antikes Maukennest. Es ist in die Geschichte eingegangen als „Schatz des Agamemnon“.

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De schwäb’sche Eisebahne Eines der berühmtesten schwäbischen Lieder ist das von der schwä­ bischen Eisenbahn, das in den Liederbüchern „Auf de schwäb’sche Eisebahne“ heißt. Fragt man den gemeinen Schwaben nach dem Anfang jenes Liedes, wird er spontan antworten: „Auf dr schwäb’sche Eisebahne“. Aber in der Literatur und auf den Postkarten steht „Auf de schwäb’sche Eisebahne“, als würde ein Norddeutscher erfolglos versuchen, das schwäbische dr herauszubringen. Allerdings ist einzuräumen, dass auch „auf dr Eisebahne“ merkwürdig, da grammatisch unsinnig ist, denn der Schwabe sagt nicht „auf dr Bahne“, sondern „auf dr Bah“. Also muss es heißen „auf dr Eisebah“. Und deswegen erhebt der Dichter dieses Liedes an dessen Ende völlig zu Recht sein Glas „aufs Wohl dr schwäb’sche Eisebah“ und nicht etwa Eisebahne – wobei es zugegebenermaßen in korrektem Schwäbisch „auf dr Eisebah ihr Wohl“ oder mindestens „aufs Wohl von dr Eisebah“ heißen müsste. Aber das würde nicht ins Versmaß passen, weshalb die Schwaben in diesem Fall den Genitiv akzeptieren, mit dem sie im Übrigen eher sparsam umgehen. Dem Versmaß zuliebe schluckt auch der schwäbische Musen­ freund alle möglichen Ungereimtheiten, und das wird wohl der Grund sein, warum dieses merkwürdige „Auf de schwäb’sche Eise­bahne“ nicht hinterfragt wird. A propos Ungereimtheit: Sprach­ puristen ­mögen die Nase darüber rümpfen, dass zu „-bahne“ das Wort „fahre“ passen soll. Aber hätte der unbekannte Dichter „fahne“ statt „fahre“ eingefügt, hätte sich das zwar gereimt, jedoch keinen rechten Sinn ergeben. Zurück zum Liedanfang: Ist die Form „schwäb’sche Eisebahne“ nun eine der Metrik geschuldete dichterische Freiheit? Oder han142

delt es sich hier um eine Mehrzahl, also um „die schwäbischen Eisenbahnen“, und wenn ja, warum? Vielleicht liegt des Rätsels Lösung in der Geschichte des Liedes, dessen Ursprung unbekannt ist. Es kann erst entstanden sein, als eine Bahnlinie Stuttgart, Ulm, Biberach, Durlesbach und Mecken­ beuren (und nicht umgekehrt, wie der Reim es verlangt) miteinander verbunden hat, also nicht vor 1850. Damals wurde die 104 Kilometer lange „Südbahn“ eröffnet. So hieß der südliche Teil der „Württembergischen Hauptbahn“, die auch als „schwäbische Eisenbahn“ bezeichnet wurde und wird – aber eben in der Einzahl! Die Mehrzahl „Eisenbahnen“ jedoch finden wir im Namen der Behörde, welche diese Strecke bauen ließ. Das war – pardon: waren – die Königlich Württembergischen Staats-Eisenbahnen (Mehr­ zahl!), gegründet 1843. Hat der anonyme Dichter des respektlosen Liedtextes diesen respektablen Behördennamen verballhornt zu „de schwäb’sche Eisebahne“? Er kann uns diese Frage nicht mehr beantworten – und ebenso wenig eine andere, die nicht minder wichtig ist: Muss es im Refrain richtig „rullala“ oder „trullala“ heißen?

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Muss i denn Das bekannteste, den Schwaben zugeschriebene Lied hört man öfter an der Waterkant als im Schwäbischen. Und Elvis Presley hat ihm zu Weltruhm verholfen. „Old Bavarian folksong“ lautet eine Erklärung zum Lied Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus. So unumstößlich für den Ameri­ kaner feststeht, dass deutsche Folklore per se bayerisch ist, so klar erkennt der Deutsche an dem -le des ersten Hauptworts, dass es sich um ein schwäbisches Lied handelt. Spätestens seit Elvis Presley 1960 im Film „G.I. Blues“ Muss i denn angestimmt hat, ist es unter dem Titel „Wooden Heart“ zum bislang einzigen schwäbischen Welthit avanciert. Jawohl: schwäbisch! Denn der King of Rock ’n’ Roll, dessen Grab bei Memphis, Tennessee, heute zu den wichtigsten Pilgerstätten der USA gehört, nimmt darin neben vielen englischen auch zwei schwäbische Wörter in den Mund, nämlich „i“ und „Städtele“. Immerhin schaffte es dieses Stück im Januar 1961 auf Platz 2 der deutschen Hitparade – hinter „Ramona“ von den Blue Diamonds. Es war der Komponist Bert Kaempfert, der Muss i denn für Elvis bearbeitete. Im Zweiten Weltkrieg hatte Kaempfert im MarineMusikkorps gespielt, wo er zwangsläufig mit diesem Abschiedslied in enge Beziehung geraten sein muss. Denn dessen Intonieren beim Ablegen eines Schiffes gehört zu den festen Ritualen in der deutschen Seefahrt. Vor Presley hatten bereits die Comedian Harmonists Muss i denn interpretiert. Nach ihm tat es sein Landmann Gus Backus, wobei die B-Seite jener Platte („Da sprach der alte Häuptling der Indianer“) mehr Erfolg hatte. Backus sang sein Muss i denn auch in dem Streifen „Und du mein Schatz bleibst hier“, worin übrigens Udo Jürgens 1961 144

sein Filmdebüt feierte. Als weitere Muss-i-denn-Interpreten folgten Nana Mouskouri, Peter Alexander, Freddy Quinn und Helmut Lotti. Wem verdanken wir dieses Lied? „Schwäbisch aus dem Remsthal“ heißt es in der Sammlung „Deutscher Liederhort“, worin die Melodie als „lebendig, treuherzig, zuthulich“ klassifiziert ist. Zuerst gedruckt wurde es um 1827 in Friedrich Silchers „XII Volkslieder für Männerstimmen“. Darin folgen der originalen ersten Strophe zwei neue, die 1824 ein gewisser Heinrich Wagner hinzugedichtet hat. Allerdings weist der „Liederhort“ noch auf eine ältere Form hin, die aus dem Odenwald stammt und Muss ich denn, muss ich denn zum Dörflein hinaus lautet. Dessen zweite Strophe ist bei weitem nicht so zartfühlend wie die Worte jenes Heinrich Wagner. Sie beginnt: „Kein Bauernmädchen mag ich nicht, Schau mich nur keine an!“ Diese ältere Version wirft die Frage auf: Ist Muss i denn nun eigentlich schwäbisch oder nicht? Zunächst vielleicht nicht. Aber nachdem Heinrich Wagner dem Städtele weitere Suebismen wie Mädele, Träuble und Schätzele zur Seite gestellt hat, ist die Zugehörigkeit ­jenes Stückes zum schwäbischen Liedgut für alle Zeiten zementiert.

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Warum „schwäbischer“ Gruß? Das Eigenartige am Schwäbischen Gruß ist, dass ihn jeder unter dieser Bezeichnung kennt, dass aber niemand genau weiß, seit wann und warum er so heißt. Leck me am Arsch! Was eigentlich – außer dem me – soll an dieser Formel schwäbisch sein? Hieße es Leck me am Fiedle, läge der Fall klarer, weil dieses in der spezifisch schwäbischen Anatomie anzu­ siedeln ist. Doch schon mit dem Verbum lecken entstünde das nächste Problem. Denn an seiner Statt benutzen die Schwaben nor­ malerweise schlecken. Das bestätigt das Schwäbische Wörterbuch – mit dem Hinweis auf die Ausnahme, dass es stets „im (am) Arsch lecken“ heiße. Daraus ist zu schließen, dass die Schwaben diese Aufforderung nicht erfunden, sondern übernommen haben. Tatsächlich hat schon Luther, der nicht zu den Schwaben zählt, den Satz formuliert: „Wenn man aber nun den Teufel kennt, so kann man leichtlich zu ihm sagen: Leck mich im Arsch.“ Zu größerem literarischem Ruhm hat es der Schwäbische Gruß in Goethes Götz von Berlichingen gebracht, wobei sich der Dichterfürst aus der 1731 erschienenen „Lebensbeschreibung Herrn Götzens von Berlichingen“ bedient hatte. Es ist anzunehmen, dass die Bezeich­ nung Schwäbischer Gruß auf Götz von Berlichingen Bezug nimmt. Doch der war kein Schwabe, sondern Franke. Warum also Schwäbischer Gruß? Enzyklopädien und ­Konversa­­ti­­ons­lexika helfen nicht weiter; sie verbinden mit Schwäbisch ­alles Mög­­liche, von der Schwäbischen Alb über die Schwäbische Dichter­schule bis zur Schwäbischen Türkei, aber keinen Schwäb­ischen Gruß. Nicht einmal Fischers Schwäbisches Wörterbuch kennt ihn. Unter dem Stichwort Gruß findet man nur den englischen (Ave Maria). 146

Andere Wörterbücher führen neben dem englischen Gruß (der nichts zu tun hat mit einem britischen Gruß) noch den deutschen Gruß an, der in den Dreißiger- und Vierzigerjahren des 20. Jahrhunderts eine Zeit lang in Mode war. Doch der Schwäbische, der sich ungebrochener Beliebtheit erfreut, fehlt auch hier. Nur das „Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten“ erwähnt ihn als Ausdruck des Staunens und der Verwunderung, etwa unter Bekannten, die sich lange nicht gesehen haben: „Jetzt l. m. i. A. – wo kommst du her?“ Das aber bedeutet, dass das Wesen des Schwäbischen Grußes nicht im Vokabular steckt, sondern im situativen Gebrauch: Die Schwaben sind anscheinend die Einzigen, die ihrer freudigen Überraschung auf diese Weise Ausdruck verleihen. Eine andere Frage ist: Kann der Begriff schwäbischer Gruß nicht auch eine unverfängliche landsmannschaftliche Begrüßung bezeichnen? Antwort: Das hängt vom bestimmten oder unbestimmten Artikel ab. Der Schwäbische Gruß ist das Götz-Zitat, nicht aber ein schwäbischer Gruß oder schwäbischer Gruß ohne der oder ein. In diesem Sinne: Mit schwäbischen Grüßen!

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Anhang

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Literatur Adelung, Johann Christoph: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der Oberdeutschen. 2. Ausgabe Bd. I–IV. Leipzig 1793–1801. Bach, Adolf: Geschichte der deutschen Sprache. 9. Auflage, Wiesbaden 1970.

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Berger, Dieter: Geographische Namen in Deutschland: Herkunft und Bedeutung der Namen von Ländern, Städten, Bergen und Gewässern. (Duden-Taschenbücher; 25) Mannheim; Leipzig; Wien; Zürich 1993.

Bohnenberger, Karl: Die Mundarten Württembergs. Eine heimatkund­ liche Sprachlehre. Stuttgart 1928. Brechenmacher, Josef Karlmann: Schwäbische Sprachkunde in ausge­ führten Lehrbeispielen. Versuch einer bodenständigen Grundlegung des schaffenden Deutschunterrichts. Stuttgart 1925 (Reprint Saulgau 1987). Deutsches Fremdwörterbuch. Weitergeführt im Institut für Deutsche Sprache. Begonnen von Hans Schulz. Fortgeführt von Otto Basler. 6 Bände. Berlin, New York 1913–1983.

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König, Werner (Hg.): Dialektwörterbuch von Bayerisch-Schwaben. Vom Allgäu bis zum Ries. Bearbeitet von Brigitte Schwarz. Augsburg 2013. Lexer, Matthias: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. Zugleich als Supplement und alphabetischer Index zum Mittelhochdeutschen Wörterbuche von Benecke-Müller-Zarncke. Bd. I–III. Leipzig 1872– 1878. Oberschwäbisches Wörterbuch der Bauernsprache von mehr als zweitausend Wörtern und Wortformen. Gesammelt und mit einer Vorrede versehen von Dionys Kuen. Buchau 1844. Nach­druck Biberach 1987.

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Ruoff, Arno: Der Schwabe und sein Schwäbisch. In: Schwabenbilder. Zur Konstruktion eines Regionalcharakters. Tübingen 1997, S. 39–42. Ruoff, Arno: Sprachvarietäten in Süddeutschland. In: Varietäten des Deutschen. Hrsg. von Gerhard Stickel. Berlin, New-York 1997, S. 142–154 Schade, Oskar: Althochdeutsches Wörterbuch. 2. Auflage, Halle a. d. Saale, 1872–1882.

Schmeller, Johann Andreas: Bayerisches Wörterbuch. 2. Auflage. Bearbeitet von Georg Carl Frommann. Bd. I–II. München 1872 / 77. Nachdruck: München, Wien, Aalen 1983 und München 1985.

Schmid, Johann Christoph: Versuch eines schwäbischen Idiotikon. Berlin und Stettin 1795.

Schwäbisches Handwörterbuch. Auf der Grundlage des „Schwäbi­ schen Wörterbuchs“ von Hermann Fischer und Wilhelm Pfleiderer bearbeitet von Hermann Fischer und Hermann Taigel. 3. Auflage, erweitert von Hermann Fischer. Tübingen 1999. Schwäbisches Wörterbuch. Auf Grund der von Adelbert v. Keller begon­nenen Sammlungen und mit Unterstützung des württem­ bergischen Staates, bearbeitet von Hermann Fischer, zu Ende geführt von Wilhelm Pfleiderer. Bd. I–VI. Tübingen 1904 / 36.

151

Seibicke, Wilfried: Wie sagt man anderswo. Landschaftliche Unterschiede im deutschen Wortgebrauch. Mannheim 1972.

Schweizerisches Idiotikon (Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache); ges. unter Beihülfe aus allen Kreisen d. Schweizervolkes. Begonnen von Friedrich Staub … und fortgesetzt unter Leitung von Albert Bachmann. 15 Bände. Frauenfeld 1881–1999. Troll, Thaddäus: Der Entaklemmer. Luststück in 5 Aufzügen; das ist auf schwäbisch: L‘Avare oder Der Geizige von Molière. Hamburg 1976. Wax, Hermann: Etymologie des Schwäbischen. 2. erw. Aufl., Ulm 2005.

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Register A ââdappe 67

ââdrieble 108

ââlange 72, 73 abdaggle 128 absupfe 93

Akkusativ 135

Alemannen 13 älles 35

älleweil 35 alls 35 älls 35

als 32, 33, 34, 35 als wie 32, 33

Altenglisch 64

Altfranzösisch 18

Altgriechisch 21, 24, 61, 65, 107, 139, 141

Althochdeutsch 14, 24, 31, 49, 56, 61, 64, 82, 92, 120, 122, 127, 133, 141 Altnordisch 49, 132 Altsächsisch 64

Anstandsregeln, schwäbische 42 Apfelbutze 98 Arfel 95

aufklaube 68

aufmigge 110

Buckel 18, 19

ausdappe 67

Bühne 16, 17

aufpfitzen 78 ausnanderklaube 68, 69

B

Bach, Adolf 134 bampfen 94 Bayern 13

bucklig 18, 19 Bürstenbinder 114, 115 Butz 99

Butzel 99

Butzele 98, 99

Butzemann 99 Butzen 98, 99

beißen 26, 27

C

Bibbele 84

Cannstatt 120, 140

Berger, Dieter 133 Bibbeleskäs 84, 85 Biberach 143

Blåder 56, 57 Bläderle 57

Blås 55, 56, 57 Blatter 56

Blechhafen 15 Boden 16, 17

bodenletz 30

Bödiker, Johann 13

Brant, Sebastian 119

Brechenmacher, Josef Karlmann 49, 141 Bremse 111

Brotribel 83

Brunnenputzer 114

D

Dachtel 129

Dackel 128, 129 daggelhaft 128 Daggl 128, 129 daggle 128 dalge 74

dalget 74

dalgig 74, 75 Dapp 67

dappe 66

Däpper 67 dappig 67 Dativ 134

Dattel 129

153

Dättel 129

Eisenbahn, schwäbi­ sche 142

Gegenschwieger 58, 59

Depp 67

Englisch 16, 17, 25, 29, 33, 56, 61, 64, 82, 92, 99, 144

Geigenmehl 86

Dippel 124, 125

erdenletz 30

Degen 49

degenmäßig 48, 49 dem sein 134

Dergel 100, 101 dippelig 124

Donauwörth 117 Dote 55, 60, 61 Dotebas 60

Dotevetter 60 Dötle 60, 61

Driebel 108, 109 drieble 108, 109

drnebedappe 66 Duck, Donald 94 Düppel 124, 125 duppele 124

Duppeler 124 duppelig 124 düppelig 124 düpple 124

Durlesbach 143

E

Ehingen 91

Einstein, Albert 91

154

-el 108

Enteklemmer 44

F

Familiennamen 15, 106, 107 Fastnachtsbutz 98 fatzen 78

Fitzeler 79

fitzen 78, 79

Fliege 24, 25

Franck, Sebastian  13, 117

Französisch 47, 99, 110, 111 Fuchs, Erika 94

Fuuzklemmer 44, 45

G

Gââs 23 Gêês 23

Gêêsdreck 23

Gêêsdreckzieher 23

Gêêsdreckzieherei 23

Gegenschwäher 58, 59

Geige 86, 87

Geigenknöpfle 86, 87 Geiz 44

Genitiv 134, 135, 142 Germanisch 133 gilfen 29

Glückshafen 14 Glufe 116, 117

Glufemichel 116, 117 Göbbels 107 Göbel 107

Goethe, Johann Wolf­ gang von 33, 146 Gogen 138, 139

Gogenwitz 138 Gogerei 138

Göpel 107, 111 Goppel 107

Göppel 106, 107 Gotte 60

Gottkind 61

Göttle 60, 61

Gottmutter 61 Gottvater 61

Götz von Berlichin­ gen 146 Grasdaggl 128

griebig 77

grillen 28, 29 grillig 28

gruble 76, 77 Gruble 77 grue 76

gruebe 76, 77 grüebig 77

Gsälzhafen 15

H

Hafen 14, 15

Hafengasse 14 Häftle 115

Häftlesmacher 114, 115 Hag 51

hagebüchen 50, 51 Halbdaggl 128

Hallschlag 140 Hampfel 95

hanebüchen 51 Heale 84

Healeskäs 84, 85 Hendiadyoin 22

Hennadäpper 67 Hennegreifer 45 Herakles 65

Hergoless 65

Hochdeutsch 12, 13 Hochdeutschland  12, 13 hoffen 40

Hosedot(t) 60

hundsliedrig 126 Hutzel 88, 89

Hutzelmännle 89

I

Indogermanisch 59, 65, 75, 133 Instrumental­ bildungen 108

Iterativ 76, 92, 94, 124

J

Jiddisch 61

jucken 26, 27 Jucker 27

Jung, Michael von 41

K

Kanzleisprache 13 Käsdreck 22

Käsdreckmäurer 22

Käsdreckzieherei 22 Kehrtag 136

Kehrwoche 136, 137

Keinath, Walther 120

Keramikhafen 15 klauben 68, 69 klemmen 44

Kleopatra 65 Knäusle 82 Knauz 82

Knauzenwecken 82 knauzig 82

Komparativ 32

Konfirmandebläsle 57 König, Werner 83 Kurbel 108

L

Laffe 119 lange 72

lange, jemandem eine 73 Latein 21, 27, 53, 101, 107, 108, 124, 132, 133 laut 65

lecken 146

Leim(en) 122

Leimgrube 122

Lettegschwätz 122, 123 Letten 122, 123 letz 30, 31

Leumund 65

155

lieben 38, 39

liedrig 102, 126, 127 lose 64

luage 64

Luckel 84

lugen 64, 65 Luggele 84

Luggeleskäs 84, 85 Luginsland 64 Luse 52, 53

Luther, Martin 14

M

Mädlesfitzeler 78, 79 mampfen 94, 95

Mampfgeschirr 95 Mampfkübel 95

Mannsbild 102, 103 Mauchet 140 Mauke 140

Maukenescht 140 maukle 141

Meckenbeuren 143 Mentalität 40

Michel 116, 117 michele 116 Michele 117

Migge 110, 111

Milchhafen 15

156

Mistagog 139

Mittelhoch­ deutsch 19, 24, 25, 31, 49, 52, 53, 56, 61, 71, 75, 77, 92, 107, 108, 117, 119, 122, 141 Mittellateinisch 19 Mittelnieder­ deutsch 49

Mödele 46, 47

Modene 46, 47 mögen 38, 39

Mörike, Eduard 89 Moschtribel 83 Muck 24

muckenfrech 24

Muckenschiss 24, 25 Muckenseckel 25 mumpf 94

Mumpfel 94, 95 Mümpfele 95 mumpfen 94 mumpfig 94 Muße 52

Muss i denn 144, 145 Mutschel 87

Mutschelknöpf 87

Mutschelmehl 86, 87 Mykene 141

N nââdappe 67

naadrieble 108 naalange 72 nââlange 72

Nachthafen 15

naufdrieble 108 nauflange 72 neidappe 66

neidrieble 109 neilange 72

neipfitze 78 neirudle 70

neitrappe 66

Niederdeutsch 13

Niederdeutschland 13 Nominativ 135

nunterdrieble 108

O

Oberdeutsch 13 Odenwald 145

Ohrenfitzeler 79 Ölhafen 14, 15 Ôômueß 52

P

Pfingstbutz 98 Pfitzauf 78

pfitzen 78

rudle 70, 71

Schwäher 59

Prediger Salomo 52

rumrudle 71

Schwieger 59

Positiv 32

Presley, Elvis 144

Q

Quechua 61

R

raalange 72 Ranft 82

Ränftle 82

Ranken 82 Ränkle 82 Raup 138

rausdrieble 109 Remstal 145

Ribele 82, 83

Ribelesgrind 83 Ribelesuppe 83 Rockdot(t) 60 Rotzaff 118

Rotzbue 118

Rotzbutze 98

Rotzlöffel 118, 119 Rotznas 118

Rotzraahenker 118, 119 rübig 76, 77

rumdalge 74 Ruoff, Arno 6, 139

S

Salomo 52

Saublåder 57 Saudaggl 128 saufen 93

Säugling 92

saumäßig 48

Säutreiber 114 Scherzle 82

Scheunen­ drescher 114

schlecken 146

Schleckhafen 15 Schlonz 91

schlunzig 90, 91

Schmalzhafen 15 Schnake 24, 25

Schriftdeutsch 12 Schurz 82

Schwabe (Bedeu­ tung) 132 Schwäbischer Gruß 146

schwäb'sche Eisebah­ ne 142, 143

Schweiz 13

Seichhafen 15

Silcher, Friedrich 145 Simpel 124

Slawisch 107, 133 Spanisch 39, 59

Sparsamkeit 44

Städtele 144, 145

Standardsprache 12 Stock 17

Stockwerk 17 Stuttgart 143 Sucker 92 süffeln 93 Suggel 92 suggle 92

supf(l)e 92, 93 sürfle 92, 93 Sutzel 92 sutzle 92

T

Tapp 67

Teppich 20, 21

Tirolerisch 129 Torkel 101

157

torkle 101

V

Triebel 108

verhutzle 88

trappe 66

Troll, Thaddäus 44 Tschorsnig, Hans-­ Peter 25 Tübingen 14, 138, 139

U

Ulm 14, 128, 143 umrudle 70 Undote 60

158

verdalge 74

verklaube 69 verrudle 70

Verwandtschaft 56

W

Wasebir 121

Wasenmeister 121

Wax, Hermann 91, 125 Weibsbild 102, 103 Weinbeerle 88 Widmann, ­Gerhard 140

wie 32, 33, 34, 35

Wochedippel 125

Z

Wasen 120

zeemaklaube 69

Wasenluder 120, 121

zutzeln 92

Wasenfleisch 121

zumigge 110

Bildnachweis Alle Bilder stammen von fotolia. Die Urheber sind im Folgenden aufgeführt: S. 10 / 11: © underdogstudios

S. 36 / 37: © FotoDesignPP (Hintergrundbild); © Marty Kropp (Detailaufnahme) S. 54 / 55: © effe64 S. 62 / 63: © ksi

S. 80 / 81: © lagom

S. 96 / 97: © Ana Blazic Pavlovic

S. 104 / 105: © DutchScenery (Hintergrundbild); © kekef (Detailaufnahme) S. 112 / 113: © Gianfranco Bella S. 130 / 131: © amidala

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Der Autor Wolf-Henning Petershagen ist Historiker und Kulturwissenschaftler. Er arbeitete lange Jahre als Redakteur bei der Südwest Presse in Ulm und ist Autor zahlreicher Bücher zur schwäbischen Sprache, ­Geschichte und Kultur. Bei THEISS erschien von ihm zuletzt das dreibändige Werk „Wir Schwaben: So heißen wir. Da wohnen wir. So sprechen wir“.

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