Chemie - Basiswissen: Basiswissen [1. Aufl.] 978-3-662-40782-0;978-3-662-41266-4

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German Pages LVIII, 1708 [1734] Year 1994

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Chemie - Basiswissen: Basiswissen [1. Aufl.]
 978-3-662-40782-0;978-3-662-41266-4

Table of contents :
Front Matter ....Pages i-xlviii
Anorganische Chemie (Hans Peter Latscha, Helmut Alfons Klein)....Pages 1-466
Organische Chemie (Hans Peter Latscha, Helmut Alfons Klein)....Pages 467-1101
Analytische Chemie (Hans Peter Latscha, Helmut Alfons Klein)....Pages 1103-1632
Back Matter ....Pages 1633-1710

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Springer-Lehrbuch

Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH

Hans Peter Latscha Helmut Alfons Klein

CHEMIE Basiswissen

Anorganische Chemie Organische Chemie Analytische Chemie

Springer

Professor Dr. Hans Peter Latscha Anorganisch-Chemisches Institut der Universität Heidelberg Im Neuenheimer Feld 270, D-69120 Heidelberg Dr. Helmut Alfons Klein Bundesministerium für Arbeit und Sozialforschung U.-Abt. Arbeitsschutz/Arbeitsmedizin Rochusstraße 1, D-53123 Bonn

ISBN 978-3-662-40782-0

ISBN 978-3-662-41266-4 (eBook)

DOI 10.1007/978-3-662-41266-4

Sonderausgabe für Weltbild-Verlag GmbH, Augsburg Additional material to this book can be downloaded from http://extras.springer.com Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielniltigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfa.Jtigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. ©Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1994 Ursprünglich erschienen bei Springer-Verlag Berlin Beideiberg 1994 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daß solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für die Richtigkeit und Unbedenklichkeit der Angaben über den Umgang mit Chemikalien in Versuchsbeschreibungen und Synthesevorschriften übernimmt der Verlag keine Haftung. Derartige Informationen sind den Laboratoriumsvorschriften und den Hinweisen der Chemikalien- und Laborgerätehersteller und -vertreiber zu entnehmen. Einbandgestaltung: Erich Kirchner, Heidelberg Gesamtherstellung;: J. Ebner, Graphische Betriebe GmbH & Coc KG, Ulm 52/3120 Gedruckt auf säurefreiem Papier

INHALT

Anorganische Chemie 190 Abbildungen, 37 Tabellen

1- 499

Organische Chemie 125 Abbildungen, 62 Tabellen und 700 Formeln

1-661

Analytische Chemie 151 Abbildungen, 35 Tabellen

1-538

Anhang

Anorganische Chemie 190 Abbildungen 37 Tabellen

Vorwort zur sechsten Auflage

Die gute Aufnahme, die unsere Lehrbücher beim Leser finden, ermutigt uns, auch für die sechste Auflage dieses Buches das gewählte Konzept grundsätzlich beizubeh<en. Das Lehrbuch "Chemie Basiswissen, Teil I" besteht aus zwei Abschnitten. Der erste Abschnitt enthält die Grundlagen der Allgemeinen Chemie, der zweite Abschnitt befaßt sich mit der Anorganischen Chemie, d. h. den Elementen und ihren Verbindungen. Beide Abschnitte sind so geschrieben, daß sie unabhängig voneinander benutzt werden können. Das Buch soll vor allem für Chemiestudenten, Physiker, Geowissenschaftler, · Studenten der Ingenieurwissenschaften und Lehramtskandidaten eine Hilfe bei der Erarbeitung chemischer Grundkenntnisse sein. In Aufbau, Stoffauswahl und Umfang haben wir versucht, den Wünschen dieser Gruppen weitgehend zu entsprechen. Mit einem Literaturverzeichnis geben wir den Lesern die Möglichkeit, sich über den Rahmen dieses Basistextes hinaus zu informieren. Heidelberg, im Januar 1994

H. P. LATSCHA H.A.KLEIN

Inhaltsverzeichnis

Allgemeine Chemie 1.

2. 2.1.

Chemische Elemente und chemische Grundgesetze

2

Verbreitung der Elemente Chemische Grundgesetze

4

Aufbau der Atome

6

Atomkern .

6 8

3

Kernregeln Atommasse Massendefekt Isotopieeffekte Trennung von Isotopen Radioaktive Strahlung Beispiele für natürliche und künstliche Isotope Radioaktive Aktivität . . Radioaktive Zerfallsreihen Radioaktives Gleichgewicht . . . . . . . Beispiele für Anwendungsmöglichkeiten von Isotopen Aktivierungsanalyse . . . . . . .

2.2.

3.

Elektronenhülle . . . . . . . . .

9

9 10 10

11 13 14 14 15 15 18

19

Bohrsches Modell vom Wasserstoffatom . Atomspektren . . . . . . . . . Verbesserungen des Bohrsehen Modells . Wellenmechanisches Atommodell des Wasserstoffatoms Elektronenspin . . . . . . . . . Graphische Darstellung der Atomorbitale Mehrelektronenatome . . . .

20 22

Periodensystem der Elemente

35 42

. . . . . . . . . . . . .

Einteilung der Elemente auf Grund ähnlicher Elektronenkonfiguration

23 24

26 27

32

Valenzelektronenzahl und Oxidationsstufen Periodizität einiger Eigenschaften .

44

45

Moleküle, chemische Verbindungen, Reaktionsgleichungen und Stöchiometrie

51

Reaktionsgleichungen . Konzentrationsmaße Stöchiometrische Rechnungen

52 54 63

5.

Chemische Bindung .

66

5.1.

Ionische (polare, heteropolare) Bindungen, Ionenbeziehung . Gitterenergie . . . . . . . . . . . . . . . Übergang von der ionischen zur kovalenten Bindung . Übergang von der ionischen zur metallischen Bindung . Eigenschaften ionisch gebauter Substanzen

66 68 72

Atombindung (kovalente oder homöopolare Bindung)

76

4.

5.2.

5. 2.1. MO-Theorie der kovalenten Bindung 5. 2. 2. VB-Theorie der kovalenten Bindung. Mehifachbindungen, ungesättigte Verbindungen Energie von Hybridorbitalen Bindigkeit . Oktettregel Doppelbindungsregel . Radikale Bindungsenergie und Bindungslänge 5. 2. 3. Elektronenpaar- Abstoßungsmodel/ 5.3.

Metallische Bindung Metallgitter Mechanische Eigenschaften der Metalle . Legierungen Mischkristalle Unbegrenzte Mischbarkeit Überstrukturphasen Eutektische Legierungen . Mischungslücke Intermetallische Verbindungen oder intermetallische Phasen .

5.4.

Zwischenmolekulare Bindungskräfte Dipol-Dipol-Wechselwirkungen Wasserstoffbrückenbindungen . Dipol-Induzierte Dipol-Wechselwirkungen . Ionen-Dipol-Wechselwirkungen Van der Waalssche Bindung .

75 75

77 81 86 90 90

91 91 92 92 93

98 101 102 103 104 104 105 106 108 108 114 114 114 115 116 116

6.

Komplexverbindungen

Nomenklatur von Komplexen

118 120 122 123 127 129 129 133 134 134 134 135 135 138 143 144 148 150

7.

Zustandsformen der Materie

152

7.1.

Fester Zustand Kristallirre Stoffe . Kristallsysteme Raumgruppen; Bravais-Gitter Kristallklassen Eigenschaften von kristallirren Stoffen Gittertypen

152 152 153 153 154 155 156

7.2.

Gasförmiger Zustand Gasgesetze . Das Verhalten realer Gase. Zustandsgleichung realer Gase Kritische Daten eines Gases . Diffussion von Gasen .

157 158 162 163 164 165

7.3.

Flüssiger Zustand Dampfdruck einer Flüssigkeit Siedepunkt. Gefrierpunkt . Durchschnittsgeschwindigkeit von Atomen und Molekülen

166 167 168 169 169

8.

Mehrstoffsysteme/Lösungen

171 171 171 172

Chelateffekt n:-Komplexe Carbonyle.

Koordinationszahl und räumlicher Bau von Komplexen Isomerieerscheinungen bei Komplexverbindungen Stereoisomerie Koordinations-Isomerie Hydratisomerie . Bindungsisomerie, Salzisomerie Ionisationsisomerie oder Dissoziationsisomerie

Bindung in Kompieyen . VB-Theorie der Komplexbindung . Kristallfeld-Ligandenfeld-Theorie Jahn-Teller-Effekt MO-Theorie der Bindung in Komplexen . Komplexbildungsreaktionen .

Definition des Begriffs Phase Zustandsdiagramme Gibbssche Phasenregel

Lösungen . . . . . . . . . Eigenschaften von Lösungsmitteln.

Echte Lösungen . Lösungsvorgänge Löslichkeit Chemische Reaktionen bei Lösungsvorgängen.

Verhalten und Eigenschaften von Lösungen . I. Lösungen von nichtflüchtigen Substanzen Lösungsgleichgewichte Elektrolytlösungen li. Lösungenflüchtiger Substanzen Ideale Lösungen Nichtideale Lösungen Mischungslücke

Kolloide Lösungen, kolloiddisperse Systeme Isoelektrischer Punkt . . . . . . .

9.

Redox-Systeme . . Oxidationszahl Reduktion und Oxidation . Normalpotentiale von Redoxpaaren Normalpotential und Reaktionsrichtung Nemstsche Gleichung . . . . . .

Praktische Anwendung von galvanischen Elementen Elektrochemische Bestimmung von pH-Werten

10.

11.

174 174 177 177 179

180 181 181 185 187 192 192 194 195 196 198 199 199 201

203 208 210

Spezielle Redoxreaktionen . . . . . .

214 216 218

Säure-Base-systeme . .

220

Brönstedsäuren und-basenund der Begriff des pH-Wertes Säuren- und Basenstärke . . . . . . . . . . . Mehrwertige Säuren . . . . . . . . . . . . Protolysereaktionen beim Lösen von' Salzen in Wasser Neutralisationsreaktionen. . . . . . . . . . . Titrationskurven . . . . . . . . . . . . . . pH -Abhängigkeit von Säuren- und Basen-Gieichgewichten . Messung von pH-Werten . . . . . . . . . . Säure-Base-Reaktionen in nichtwäßrigen Systemen . Elektronentheorie der Säuren und Basen nach Lewis Supersäuren . . . . .. . . . . . . . . . Prinzip der "harten" und "weichen" Säuren und Basen

220 224 228 231 232 234 236 240 241 242 243 244

Energetik chemischer Reaktionen (Grundlagen der Thermodynamik).

245

I.

245

Hauptsatz der Thermodynamik .

12.

13.

Anwendung des I. Hauptsatzes auf chemische Reaktionen Hess'scher Satz der konstanten Wärmesummen . I!. Hauptsatz der Thermodynamik . . Statistische Deutung der Entropie Gibbs-Helmholtzsche Gleichung . Zusammenhang zwischen .::1 G und EMK

248 249 250 252 254 256

Kinetik chemischer Reaktionen

258

Reaktionsgeschwindigkeit Reaktionsordnung . . . . . Halbwertszeit . . . . . . . Konzentration-Zeit-Diagramme . Molekularität einer Reaktion. . Pseudo-Ordnung und Pseudo-Molekularität. Arrhenius-Gleichung . . . . . . . . Katalysatoren . . . . . . . . . . . Darstellung von Reaktionsabläufen durch Energieprofile Parallelreaktionen Kettenreaktionen

258 259 261 262 263 265 266 267 269 270

Chemisches Gleichgewicht . . . . . . . .

272

Formulierung des MWG flir einfache Reaktionen Gekoppelte Reaktionen . . . . . Aktivitäten . . . . . . . . . . Beeinflussung von Gleichgewichtslagen Das Löslichkeitsprodukt FlitdJgleichgewicht . . . . . . .

274 275 275 276 278 279

264

Spezielle Anorganische Chemie A) Hauptgruppenelemente Wasserstoff . . . . . .

282 282

Alkalimetalle (Li, Na, K, Rb, Cs, Fr) Lithium Natrium . . . . Kalium . . . . Rubidium, Cäsium Francium . . . .

285 285 288 290 291 292

Erdalkalimetalle (Be, Mg, Ca, Sr, Ba, Ra) Beryllium. Magnesium Calcium . Strontium. Barium Radium .

293 293 295 297 300 300 301

Borgroppe (B, Al, Ga, In, TI) . Bor . . . . . . . . . Aluminium . . . . . . Gallium - Indium - Thallium .

302 302 314

Kohlenstoffgroppe (C, Si, Ge, Sn, Pb). Kohlenstoff Silicium Zinn . . Blei

315 315 323 330 332

Stickstoffgroppe (N, P, As, Sb, Bi) . Stickstoff . Phosphor. Selen . . Arsen . . Antimon . Bismut (früher Wismut) .

335 335 347 369 356 358

Chalkogene (0, s;se, Te, Po) Sauerstoff . Selen . Schwefel . Tellur . .

363 363 369 369 380

Halogene (F, Cl, Br, I, At) Fluor Chlor Brom Iod . Photographischer Prozeß Interhalogenverbindungen Pseudohalogene - Pseudohalogenide Allgemeine Verfahren zur Reindarstellung von Metallen

381 381 384 388 390 393 393 395 397 401

B) Nebengruppenelemente . .

403

I.

Nebengroppe (Cu, Ag, Au) .

412

II.

Nebengroppe (Zn, Cd, Hg)

419

Edelgase (He, Ne, Ar, Kr, Xe, Rn) .

310

360

.

Ill.

Nebengruppe (Sc, Y, La, Ac)

424

IV.

Nebengruppe (Ti, Zr, HO

426

V.

Nebengruppe (V, Nb, Ta)

430

VI.

Nebengruppe (Cr, Mo, W)

VII.

Nebengruppe (Mn, Tc, R!l)

436 445

VIII. Nebengruppe . Eisenmetalle (Fe, Co, Ni) Platinmetalle (Ru, Os, Rh, Ir, Pd, Pt)

450 450 459

0

Lanthanoide

462

Actinoide

-l65

Anhang Edelsteine Düngemittel

467 467 468

0

0

Literaturauswahl und Quellennachweis Abbildungsnachweis Sachverzeichnis Formoelregister

0

0

473 477 479 489

Organische Chemie I25 Abbildungen 62 Tabellen und 700 Fonnein

Vorwort zur dritten Auflage

Die "Organische Chemie" ist der zweite Band der Reihe "Chemie Basiswissen". Für die dritte Auflage wurden Aktualisierungen und Druckfehlerkorrekturen vorgenommen. Das Konzept eines dreibändigen Grundwerks der klassischen anorganischen, organischen und analytischen Chemie für die ersten Studienjahre hat sich grundsätzlich bewährt. Im Rahmen eines einführenden Kurzlehrbuchs wird erfolgreich versucht, den Anforderungen der Zielgruppen gerecht zu werden. Im Text finden sich auch Querverweise auf die anderen beiden Bände "Anorganische Chemie" - Basiswissen I und "Analytische Chemie"- Chemie- Basiswissen III. Die Einzelbände sind so aufgebaut, daß sie unabhängig voneinander benutzt werden können. Danken möchten wir vielen Lesern und Kollegen für konstruktive und anregende Kritik, nützliche Hinweise und Korrekturvorschläge, die wir weitestgehend berücksichtigt haben. Heidelberg, Januar 1993

H. P. Latscha H.A. Klein

Inhaltsverzeichnis

Teil I

Grundwissen der organischen Chemie

1

Chemische Bindung in organischen Verbindungen . . . . . Einleitung . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen der chemischen Bindung . WellenmechanischesAtommodell des Wasserstoff-Atoms, Atomorbitale Mehrelektronen-Atome . . . . . . . Die Atombindung (kovalente oder homöopolare Bindung) MO-Theorie der kovalenten Bindung . VB-Theorie der kovalenten Bindung Moleküle mit Einfachbindungen . Moleküle mit Mehrfachbindungen

1.1

1.2 1.2.1 1.2.2 1.3

1.3.1 1.3.2

1.3.2.1 1.3.2.2 2

2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.3.1 2.2.3.2 2.2.4 2.2.5

2.2.6 2.2.7

Einteilung und Reaktionsverhalten organischer Verbindungen . . . . . . . . . . . . Systematik organischer Verbindungen . . . . . . Grundbegriffe organisch-chemischer Reaktionen . Reaktionen zwischen ionischen Substanzen Reaktionen von Substanzen mit kovalenter Bindung . Substituenten-Effekte Induktive Effekte . Mesomere Effekte . . Zwischenstufen: Carbokationen, Carbanionen, Radikale Übergangszustände . . . Lösungsmittel-Einflüsse Harnmett-Beziehung ..

3 3 3 3 7 9

9

12 12 16

20 20 22

22 23 24

25 26 28 29

31 31

Kohlenwasserstoffe 3

3.1 3.1.1

3.1.2 3.1.3

3.1.4 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.2.1 3.2.2.2 4

4.1 4.2 4.3 4.4 5

5.1 5.2 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.3.4.1 5.3.4.2 6

6.1 6.2 6.3

Gesättigte Kohlenwasserstoffe (Alkane) Offenkettige Alkane . . . . . . . . . Vorkommen, Gewinnung und Verwendung der Alkane . . . . . . . . . . . . . . . . Darstellung von Alkanen . . . . . . . . . Eigenschaften und chemische Reaktionen Bau der Moleküle, Stereochemie der Alkane . Cyclische Alkane . . . . . Darstellung von Cycloalkanen Stereochemie der Cycloalkane Substituierte Cyclohexane Das Steran-Gerüst . . . . . . Die radikalisehe Substitutions-Reaktion (SR) . Darstellung von Radikalen . . . . . . . . Struktur und Stabilität . . . . . . . . . Selektivität bei Substitutions-Reaktionen . Beispiele für Radikalreaktionen Ungesättigte Kohlenwasserstoffe I.Aikene . . . . . . . . . . . Nomenklatur und Struktur . . . Vorkommen und Darstellung von Alkeneil Chemische Reaktionen . . . Hydrierungen . . . . . . . . . . . . .. Elektrophile.Additionsreaktionen . . Elektrophile Nachweis- und Additionsreaktionen . Nucleophile und radikalisehe Additionsreaktionen . . . . . . . Nucleophile Additionsreaktionen . Radikalische Additionsreaktionen Ungesättigte Kohlenwasserstoffe II. Konjugierte Alkene, Diene und Polyene Diels-Alder-Reaktion . . . . . . . Valenztautomerie . . . . . . . . . Elektronenstrukturen von Alkenen nach der MO-Theorie . . . . . . .

34 34 38 38 39

41 43 44

45 48 50

55 55

56 57 57

60 60 62 63 63

64 66 68 68 69

71 73

74 75

7

8 8.1

8.2 8.3 9 9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 9.5.1 9.5.2 9.5.3 9.5.4 9.5.5 9.5.6 9.5.7

9.5.8 9.6

10

Ungesättigte Kohlenwasserstoffe III. Alkine . . . . . . . . . . . Elektrophile Additionen an Alkene . Die Addition von Halogenen an Alkene Die Addition von Halogenwasserstoffen (Markownikow-Regel) . . . . . . . . . Die Addition von Wasser (Hydratisierung)

86 86

Aromatische Kohlenwasserstoffe (Arene) Chemische Bindung in aromatischen Systemen . Elektronenstrukturen cyclisch-konjugierter Systeme nach der MO-Theorie . . . . . Beispiele für aromatische Verbindungen; Nomenklatur . . . . . . . . . . . . . . Vorkommen, Darstellung und Verwendung . Elektrophile Substitutions-Reaktionen aromatischer Verbindungen . Nitrierung Sulfonierung Halogenierung Ozonisierung Hydrierung .. Alkylierung nach Friedel-Crafts Acylierung nach Friedel-Crafts . Folgereaktionen der Friedel-Crafts-Alkylierung Nucleophile Substitutions-Reaktionen . . . . .

92 92

Die aromatische Substitution . . . . . Die elektrophile aromatische Substitution (SE) Allgemeiner Reaktionsmechanismus Mehrfachsubstitutionen . . . . . . Substitutionsregeln . . . . . . . . . Wirkung von Substituenten auf die Orientierung bei der Substitution . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.2.3 Auswirkung von Substituenten auf die Reaktivität bei der Substitution . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.2.4 Wirkung von Halogen-Atomen als Substituenten bei der SE-Reaktion . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.2.5 Sterische Effekte bei der Substitution . . . . . Die nucleophile aromatische Substitution (SN, Ar) 10.2

10.1 10.1.1 10.1.2 10.1.2.1 10.1.2.2

80

89 90

94 96

99 100 101 102 104 105 105 106 106 107 108 110 110 110 112 112 113 117 117 119 119

10.2.1 10.2.2 10.2.3

Monomolekulare nucleophile Substitution am Aromaten- SN 1,Ar . . . . . . . . 120 Bimolekulare nucleophile Substitution 120 am Aromaten- SN2,Ar . . . . . Weitere nucleophile aromatische Substitutionsreaktionen . . . . . . . . . . . . . . 122

Verbindung mit einfachen funktionellen Groppen 11 11.1 11.2 11.3 11.4 11.4.1 11.4.2 11.4.3 11.4.4 11.4.5

u 12.1 12.2 12.3 12.4 12.4.1 12.4.2 12.4.3 12.4.4 12.4.5

13

13.1 13.2

Halogen-Verbindungen . . Chemische Eigenschaften . Verwendung . . . . . . . Darstellungsmethoden . . Substitutions-Reaktionen von Halogen-Verbindungen . Reaktionen mit N-Nucleophilen (N-Alkylierung und N-Arylierung) . . . . . . . Reaktionen mit S-Nucleophilen (S-Alkylierung) Reaktionen mit 0-Nucleophilen (0-Alkylierung und 0-Arylierung) . . . . . . Reaktion mit Hydrid-Ionen . . . . . . . . . . Reaktion mit C-Nucleophilen (C-Alkylierung) Die nucleopblle Substitution am gesättigten C-Atom (SN) SN 1-Reaktion (Racemisierung) SN2-Reaktion (Inversion) . . . SwReaktionen mit Retention . Das Verhältnis SN 1/SN2 und die Möglichkeiten der Beeinflussung einer Sw Reaktion . Konstitution des organischen Restes R Die Art der Abgangsgruppe Das angreifende Nucleophil Y Lösungsmitteleffekte . . Ambidente Nucleophile . . . Die Eliminierungs-Reaktionen (El, E2) 1,1- oder a-Eliminierung 1,2- oder ß-Eliminierung . . . . . . . .

126 126 127 127 128 129

130 130 131 131 135 135 137 138 139 139 140 141 142 143 144 144 145

13.2.1 13.2.2 13.2.3 13.3 13.4 13.5 13.5.1 13.5.1.1

145 Eliminierung nach einem EI-Mechanismus .. Eliminierung nach einem ElcH-Mechanismus 146 Eliminierung nach einem E2-Mechanismus . . 146 Das Verhältnis von Eliminierung zu Substitution 147 Isomerenbildung bei Eliminierungen . . . . . . 149 Beispiele für wichtige Eliminierungs-Reaktionen . 151 anti-Eliminierungen . . . . . . . . . . . . . . . 151 Dehalogenierung von 1,2-Dihalogen151 Verbindungen . . . . . . . . . 151 13.5.1.2 Biochemische Dehydrierungen 152 Syn-Eliminierungen 13.5.2

14

Sauerstoff-Verbindungen I. Alkohole (Aikanole) 14.1 Beispiele und Nomenklatur . Synthese einfacher Alkohole 14.2 Mehrwertige Alkohole: Beispiele und Synthesen 14.3 Reaktionen mit Alkoholen . . . . . . . . . . . 14.4 14.4.1 Reaktionen von Alkoholen in Gegenwart von Säuren 14.4.1.1 Eliminierungen . . . . . . 14.4.1.2 Substitutionen . . . . . . Esterbildung unter Spaltung der C-O-Bindung 14.4.2 Esterbildung unter Spaltung der 0-H-Bindung 14.4.3 Darstellung von Halogen-Verbindungen 14.4.4 Reaktionen von Diolen . . . . . . 14.5 Redox-Reaktionen . . . . . . . . 14.6 Berechnung von Oxidationszahlen 14.6.1 in der organischen Chemie . . . .

15 15.1 15.2 15.3 15.4

16 16.1 16.2 16.3

154 154 155 157 158 159 159 160 160 161 162 162 163 164

SauerstotTverbindungen: II. Ether Eigenschaften und Reaktionen Ether-Synthesen . . . . Ether-Spaltung . . . . . U mlagerungsreaktionen

167 167 168 170

SauerstotTverbindungen: 111. Phenole Darstellung von Phenolen Eigenschaften von Phenolen Reaktionen mit Phenolen . .

172 172

171

174 175

17

Schwefel-Verbindungen .

17.1 17.1.1 17.1.2 17.1.3 17.2 17.2.1 17.3 17.3.1

Thiole . . . . Darstellung . Vorkommen Reaktionen . Thioether (Sulfide) Reaktionen . . . . Sulfonsäuren . . . Verwendung von Sulfonsäuren

18

Stickstoff-Verbindungen: I. Amine

18.1 18.2 18.3 18.4 18.5

Darstellung von Aminen . . . . . Eigenschaften der Amine . . . . . Reaktionen von Aminen mit HN0 2 Oxidation von Aminen . . . . . . . Trennung und Identifizierung von Aminen

19

Stickstoff-Verbindungen II. Nitro-Verbindungen .

19.1 19.2 19.3 19.4

Nomenklatur und Darstellung Chemische Eigenschaften . . . Reduktion von Nitro-Verbindungeq Technische Verwendung von Nitro-Verbindungen . . . . . .

20

Stickstoff-Verbindungen: III. Azo· und Diazo· Verbindungen; Diazonium-Salze . . . . . . .

20.1 20.1.1 20.1.2 20.1.3 20.1.4 20.2

Substitutions-Reaktionen mit Diazoniumsalzen Azokupplung (elektrophile Substitution) . . . . Diazo-Spaltung (nucleophile Substitution) .. . Sandmeyer-Reaktion (radikalische Substitution) Reduktion von Diazonium-Salzen Diazo-Verbindungen . . . . . . . . . . . . . .

180 180 181 181 181 182 183 184 185 188 189 193 196 198 199

202 202 203

204 206

207

207 207

209 210 210 211

Verbindungen mit ungesättigten funktioneBen Gruppen 21

Die Carbonyl-Gmppe Aldehyde und Ketone

21.1 21.2

Eigenschaften . . . . . . . Darstellung von Aldehyden und Ketonen

. .

219 221 221 222

21.3 21.3.1 21.3.2 21.3.3 21.3.4 21.4

226 226 227 228 229

21.8.3.1 21.8.3.2 21.8.3.3 21.8.3.4 21.8.4 21.8.4.1 21.8.4.2 21.8.4.3

Redox-Reaktionen mit Aldehyden und Ketonen Reduktion zu Alkoholen . . . . . Reduktion zu Kohlenwasserstoffen Oxidationsreaktionen . . . . . . . Disproportionierungen . . . . . . Einfache Additions-Reaktionen mit Aldehyden und Ketonen . . . . . . . . . Reaktion mit 0-Nucleophilen Reaktion mit N-Nucleophilen Addition von Natriumhydrogensulfit Addition von HCN . . . . . . . . . Addition von Grignard-Verbindungen Reaktionen spezieller Aldehyde . . . Formaldehyd, Acetaldehyd und Benzaldehyd Aromatische Aldehyde . . Diketone . . . . . . . . . 1,2-Diketone (a-Diketone) 1,3-Diketone (ß- Diketone) Ungesättigte Carbonyl-Verbindungen Reaktionen mit C-H-acidenVerbindungen (Carbanionen I) . . . . . . . . . . . . . Bildung und Eigenschaften von Carbanionen . Die Aldol-Reaktion . . . . . . . . . . . . . . Synthetisch wichtige Reaktionen mit Carbanionen Mannich-Reaktion .. Perkin-Reaktion . . . Knoevenagel-Reaktion Michael-Reaktion . . . Synthese von Halogencarbonyl-Verbindungen Basenkatalysierte a-Halogenierung . Säurekatalysierte a- Halogenierung Haloform-Reaktion .

22

Chinone

258

23 23.1 23.1.1 23.2 23.3

Carbonsäuren . Eigenschaften von Carbonsäuren . . . . . Substituenteneinflüsse auf die Säurestärke Darstellung von Carbonsäuren Reaktionen von Carbonsäuren . . . .. . .

262 263 264 266 268

21.4.1 21.4.2 21.4.3 21.4.4 21.4.5 21.5 21.5.1 21.5.2 21.6 21.6.1 21.6.2 21.7 21.8 21.8.1 21.8.2 21.8.3

230 231 232 235 235 235 236 236 238 241 241 242 244 24.6 246 248 251 251 252 252 253 254 254 256 257

23.4 23.4.1 23.4.2 23.4.3 23.4.4 23.5 23.5.1 23.5.1.1 23.5.1.2 23.5.2 23.5.2.1 23.5.2.2 23.5.2.3

Dicarbonsäuren . Synthesebeispiele . Reaktionen von Dicarbonsäuren Spezielle Dicarbonsäuren . Cyclisierung von Dicarbonsäure-Estern zu carbocyclischen Ringsystemen . Hydroxy- und Oxo-Carbonsäuren Hydroxy-Carbonsäuren . Darstellung von Hydroxy-carbonsäuren und -estern Reaktionen von Hydroxy-Carbonsäuren Oxocarbonsäuren (Ketocarbonsäuren) Darstellung von 2-0xocarbonsäuren ( a- Ketocarbonsäuren) 3-0xocarbonsäuren (ß- Ketocarbonsäuren) Keto-Enoi-Tautomerie (Oxo-Enoi-Tautomerie) .

24

Derivate der Carbonsäuren .

24.1 24.1.1

Reaktionen mit Carbonsäure-Derivaten Einfache Umsetzungen von CarbonsäureDerivaten mit Nucleophilen Darstellung von Carbonsäure-Derivaten Carbonsäureanhydride Carbonsäurehalogenide . Carbonsäureamide Carbonsäureester . Knüpfung von C-C-Bindungen mit Estern über Carbanionen Claisen-Reaktion zur Darstellung von ß-Oxocarbonsäureestern (1,3-Ketoestern, ß-Ketoestern) Die Knoevenagei-Reaktion . Reaktionen mit.1,3-Dicarbonyi-Verbindungen Reaktionen mit Carbanionen aus 1,3-Dicarbonyi-Verbindungen Abbaureaktionen von 1,3-Dicarbonyi-Verbindungen . Synthesen mit Dicarbonsäure-Estern Reaktionen mit Malonsäure-Diethylester . Claisen-Reaktionen mit Dicarbonsäure-Estern

24.2 24.2.1 24.2.2 24.2.3 24.2.4 24.3 24.3.1

24.3.2 24.3.3 24.3.3.1 24.3.3.2 24.3.4 24.3.4.1 24.3.4.2

271 271 273 274 275 276 279 279 280 284 284 285 287 289 291 292 295 295 295 296 298 303

304 306 306 307 308 309 310 311

25 25.1 25.2 25.2.1 25.2.2 25.2.3 25.2.4 25.2.5 25.3 25.4

Kohlensäure und ihre Derivate Darstellung einiger Kohlensäure-Derivate Harnstoff Synthese von Harnstoff . Eigenschaften und Nachweis Verwendung von Harnstoff Synthesen mit Harnstoff Derivate des Harnstoffs . Cyansäure und ihre Derivate Schwefel-analoge Verbindungen der Kohlensäure

313 314 315 315 316 317 318 319 320

324 324 325

26.4.2.3 26.4.2.4 26.4.3 26.4.4 26.4.5 26.4.6 26.4.7

Element-organische Verbindungen Bindung und Reaktivität Synthetisch äquivalente Gruppen . Eigenschaften von element-organischen Verbindungen . Beispiele für element-organische Verbindungen (angeordnet nach dem Periodensystem) I. Gruppe: Lithium II. Gruppe: Magnesium . Addition an Verbindungen mit aktivem Wasserstoff .. Addition an Verbindungen mit polaren Mehrfachbindungen Addition an Verbindungen mit C=C-Bindungen Substitutionsreaktion III. Gruppe: Aluminium, Bor. IV Gruppe: Blei, Zinn, Silicium V Gruppe: Phosphor I. Nebengruppe: Kupfer II. Nebengruppe: Zink, Cadmium, Quecksilber

27 27.1 27.2 27.3 27.3.1 27.3.1.1 27.3.2 27.3.2.1

Heterocyclen Nomenklatur Heteroaliphaten Heteroaromaten Fünfgliedrige Ringe . Reaktivität Sechsgliedrige Ringe Reaktivität

337 337 338 339 339 340 343 343

26 26.1 26.2 26.3 26.4 26.4.1 26.4.2 26.4.2.1 26.4.2.2

322

326 326 326 326 327 327 328 329 329 331 333 335 336

27.3.3 27.4 27.5 27.6 27.7

28

Tautomerie der Heteroaromaten . . . . . Darstellung von Heterocyclen als Beispiel für eine chemische Syntheseplanung Synthesen von Heterocyclen über Dicarbonyl-Verbindungen . . . . . . . . . Weitere Synthesen für heterocyclische Fünfringe Synthese von sechsgliedrigen Heterocyclen .

344 346 347 349 350

28.1 28.1.1 28.1.2 28.1.3 28.1.3.1 28.1.4 28.2 28.2.1 28.2.1.1 28.2.1.2 28.2.1.3 28.2.2 28.2.2.1 28.2.2.2 28.2.3 28.2.3.1 28.2.3.2 28.2.3.3 28.2.4 28.2.5 28.2.6 28.2.7 28.2.8

Wichtige organisch-chemische Reaktionsmechanismen. Ein Überblick Reaktive Zwischenstufen Carbenium-Ionen . Carbanionen . . . . Carbene . . . . . . Singulett-Sauerstoff . Radikale . . . . . . Reaktionstypen . . . Additionsreaktionen Elektrophile Addition Nucleophile Addition . Radikalische Addition Eliminierungs-Reaktionen E1-Reaktion . . . . . . E2-Reaktion . . . . . . Substitutions-Reaktionen Nucleophile Substitution Elektrophile Substitution Radikalische Substitution . Radikalreaktionen Umlagerungen . . . . . . Redox-Reaktionen . . . . Heterolytische Fragmentierung . Phasentransfer-Katalyse und Kronenether

373 373 374

29 29.1 29.2 29.3 29.3.1 29.3.2 29.3.3

Orbital-Symmetrie und Mehrzentrenreaktionen Chemische Bindung und Orbital-Symmetrie Elektrocyclische Reaktionen Cycloadditionen . . . . . Die Diels-Alder-Reaktion [2rr + 2rr]-Cycloadditionen Antarafacial-suprafacial

378 378 380 383 383 385 386

356 356 356 358 359 360 361 362 362 362 364 364 365 365 365 367 367 368 368 371 372

29.4 29.4.1 29.4.2

Sigmatrope Reaktionen . . . Wasserstoff-Verschiebungen Kohlenstoff-Verschiebungen

387 389 391

30 30.1 30.2 30.3 30.3.1 30.3.2 30.3.3 30.4 30.4.1 30.4.2 30.4.3 30.5 30.6 30.6.1

393 393 396 399 400 401 404 405 405 407 408 410 411

30.6.4 30.6.5

Stereochemie . . . . . . . . Enantiomere-Diastereomere Molekülchiralität . . . . . . . . Nomenklatur der Stereochemie . Fischer-Projektion . . . . . . . R-S-Nomenklatur (Cahn-Ingold-Prelog-System) D, L-Nomenklatur . . . . . . . . . . . . . . . Beispiele zur Stereochemie . . . . . . . . . . . Verbindungen mit mehreren chiralen C-Atomen Verbindungen mit gleichen Chiralitäts-Zentren . Chirale Verbindungen ohne chirale C-Atome . Trennung von Racematen (Racemat-Spaltung) Stereochemie bei chemischen Reaktionen . . Inversion, Retention und Racemisierung bei Reaktionen an einem Chiralitäts-Zentrum Spezifität und Selektivität bei chemischen Reaktionen . . . . . . . Enantioselektive Synthese (Asymmetrische Synthese) Diastereoselektive Synthese Prochiralität

31

Photochemie

418

Teil II

Chemie von Naturstoffen und Biochemie

32 32.1 32.2 32.3

Chemie und Biochemie . . Einführung und Überblick Biokatalysatoren . . . Stoffwechselvorgänge .

425 425 429 432

33 33.1 33.2 33.2.1 33.3

. . . . . Kohlenhydrate . . . . . . . . . Monosaccharide: Struktur und Stereochemie . Spezielles Beispiel für Aldosen: Die Glucose Reaktionen und Eigenschaften . . Beispiel für Ketosen: Die Fructose . . . . .

435 435 437 439 441

30.6.2 30.6.3

412 412 413 414 416

33.4 33.5 33.6 33.7 33.7.1 33.7.2 33.8 33.8.1 33.8.1.1 33.8.1.2 33.8.1.3 33.8.2 33.8.2.1 33.8.2.2 33.8.2.3

Acetal-Bildung bei Zuckern . . . . . . . . Charakterisierung von Zuckern durch Derivate Reaktionen an Zuckern . Disaccharide . . . . . . . Allgemeine Beschreibung Beispiele für Disaccharide Oligo- und Polysaccharide (Glykane) . Makromoleküle aus Glucose Cellulose Stärke . . . . . . . . . . . . Glykogen . . . . . . . . . . Makromoleküle mit Aminozuckern . Chitin . . . . . . . . . . . . . . . Proteoglycane . . . . . . . . . . . . Weitere Polysaccharide mit anderen Zuckern .

442 443 444 445 445 446 449 449 449 450 452 453 453 454 455

34

Aminosäuren . . . . . Einteilung und Struktur . . Aminosäuren als Ampholyte Chemische Reaktionen von Aminosäuren Synthesen von Aminosäuren Peptide . . . .. Hydrolyse von Peptiden Peptid-Synthesen Proteine . . . . . . . . . Struktur der Proteine . . Beispiele und Einteilung der Eiweißstoffe Eigenschaften der Proteine . . . . . . .

457 457 459 461 462 464 465 467 469 469 475 477

34.1 34.2 34.3 34.4 34.5 34.5.1 34.5.2 34.6 34.6.1 34.6.2 34.6.3

35 35.1 35.1.2 35.1.3 35.1.4 35.2 35.2.1 35.2.2 35.2.3 35.2.4

Biochemisch wichtige Ester (Lipide, Nucleotide) . 479 Überblick über die Lipid-Gruppe . 479 Wachse . . . . . . 480 Fettsäuren und Fette . . . . . 481 Komplexe Lipide . . . . . . . 483 Nucleotide und Nucleinsäuren 487 Nucleotide . . . . . . . . . . 487 Energiespeicherung mit Phosphorsäureverbindungen 488 Nucleotide in Nucleinsäuren 491 Nucleinsäuren 494

35.2.4.1 Aufbau der DNA 35.2.4.2 Aufbau der RNA

495 498

36 36.1 36.2

Terpene und Carotinoide Biogenese von Terpenen Beispiele für Terpene

500 500 502

37

Steroide .

506

38

Alkaloide

510

39

Natürliche Farbstoffe

514

Teil 111 Augewandte Chemie 40 40.1 40.1.1 40.1.2 40.1.3 40.1.3.1 40.1.3.2 40.1.3.3 40.2 40.3 40.3.1 40.3.2 40.4 40.5 40.6

Organische Grundstoffchemie Erdöl . . . . . . . Vorkommen und Gewinnung Erdölprodukte . . . . . . Verfahren der Erdöl-Veredelung Cracken . . . ... Synthesegas-Erzeugung durch Erdölspaltung . Gewinnung von Aromaten Erdgas . . . . . . . . . Kohle . . . . . . . . . Vorkommen und Gewinnung Kohleveredelung . . Acetylen-Chemie . . . . . . Die Oxo-Synthese (Hydroformylierung) Wichtige organische Chemikalien .

519 519 519 521 521 521 522 522 524 524 524 524 525 526 528

41 41.1 41.1.1 41.1.2 41.1.2.1 41.1.2.2 41.1.2.3 41.1.2.4 41.1.3

Kunststoffe . . Darstellung . . Reaktionstypen Polymerisation Radikalische Polymerisation Elektrophile (kationische) Polymerisation Nucleophile ( anionische) Polymerisation . Polyinsertion (Koordinative Polymerisation) Polykondensation . . . . . . . . .

537 537 537 538 539 539 540 540 541

41.1.4 41.1.5 41.2 41.2.1 41.2.2 41.3 41.4 41.4.1 41.4.2 41.4.3 41.5 41.6 41.7 41.7.1 41.7.2 41.7.2.1 41.7.2.2 41.7.2.3 41.7.2.4 41.7.3 41.7.4

Polyaddition . . . . Metathese-Reaktion Polymer-Technologie Durchführung von Polymerisationen Verarbeitung von Kunststoffen . . . Charakterisierung von Makromolekülen Strukturen von Makromolekülen . . . . Polymere aus gleichen Monomeren . . . Polymere mit verschiedenen Monomeren Polymere mit Chiralitätszentren . . . . Reaktionen an Polymeren . . . . . . . . Gebrauchseigenschaften von Polymeren Beispiele zu den einzelnen Kunststoffarten . Bekannte Polymerisate . . Bekannte Polykondensate Formaldehydharze Polyester . . . . . . . Polyamide . . . . . . Polysiloxane (Silicone) Bekannte Polyaddukte Halbsynthetische Kunststoffe .

542 542 543 543 543 544 546 546 547 548 549 551 553 553 554 554 555 555 556 556 557

42 42.1

Farbstoffe . . . . . . . . . . .

559

42.2 42.3

43 43.1 43.2 43.2.1 43.2.2

Theorie der Farbe und Konstitution der Farbmittel . . . . . . Einteilung der Farbstoffe nach dem Färbeverfahren . Einteilung der Farbstoffe nach dem Chromophoren .

Chemie wichtiger Haushaltsprodukte .

Tenside . . . . . . . . . . . . . . . . Düngemittel . . . . . . . . . . . . . Handelsdünger aus natürlichen Vorkommen Handelsdünger aus industrieller Herstellung ("Kunstdünger") . . 43.2.2.1 Organische Dünger . 43.2.2.2 Mineraldünger Biozide .. 43.3 43.3.1 Insektizide . .

559 561 563

568 568 571 571 572 572 572 574 575

Fungizide .. Herbizide .. Vorratsschutz Neuere Entwicklungen Chitin-Synthese-Inhibitoren und Antijuvenilhormone . . 43.3.5.2 Pheromone . . . . . . . . . Natürlich vorkommende Insektizide 43.3.6 Wesentliche Bestandteile 43.4 wichtiger Haushaltsprodukte Holz- und Möbelbehandlung 43.4.1 Behandlung von Textilien . . 43.4.2 Körperpflegemittel und Luftverbesserer 43.4.3 Gebrauchsgegenstände für Haushalt und Hobby 43.4.4 Pflanzenschutz und Schädlingsbekämpfung; 43.4.5 Düngemittel . . . . . . . . . . . . . Reinigungs- und Putzmittel für Küche, 43.4.6 Sanitär und Haushalt . . . . . . . . . . . . . . .

43.3.2 43.3.3 43.3.4 43.3.5 43.3.5.1

577 578 579 579 579 580 582 583 584 587 591 594

600 602

Teil IV Methodenregister und Nomenklatur 613

44.5 44.6 44.7

Methodenregister . . . . . . . . . . . . . . . Substitution eines H-Atoms durch eine funktionelle Gruppe . . . . . . . . Ersatz funktioneller Gruppen durch H-Atome Umwandlung funktioneller Gruppen ineinander Kettenverlängerungsund Kettenverzweigungsreaktionen Spaltung von C-C-Bindungen Oxidationsreaktionen . Reduktionsreaktionen . . . .

45

Zur Nomenklatur organischer Verbindungen .

627

46

Literaturnachweis und Literaturauswahl an Lehrbüchern . . . . . . .

633

47

TabeDenverzeichnis

637

48

Sachverzeichnis . .

639

44 44.1

44.2 44.3 44.4

613 614 614 619 621 622 624

Analytische Chemie 151 Abbildungen 35 Tabellen

Vorwort zur zweiten Auflage

Dieses Buch ist der dritte Band der Reihe "Chemie Basiswissen". Er basiert auf dem Buch "Pharmazeutische Analytik" (SpringerVerlag) von Latscha, Klein und Kessel; er enthält die Grundlagen der analytischen Chemie. Dabei erschien es uns sinnvoll, einige erprobte ~estimmungsmethoden aus den Arzneibüchern zu übernehmen, da diese Chemikern häufig unbekannt sind. Ausführlich behandelt werden die klassischen Methoden der qualitativen und quantitativen Analyse, der qualitative Nachweis der Elemente und funktioneller Gruppen in organischen Verbindungen, chromatographische und elektrochemische Methoden. Den elektrochemischen Methoden wurde besondere Aufmerksamkeit gewidmet, weil sie für Forschung und Betrieb zunehmend an Bedeutung gewinnen. Skizziert werden außerdem die Grundlagen der optischen Analysemethoden, der kernmagnetischen Resonanzspektroskopie (NMR), der Infrarot (IR)- und Ultraviolett (UV)-Spektroskopie, der Massenspektroskopie (MS) und anderer moderner Analysemethoden. Das Buch wurde so angelegt, daß es zur Prüfungsvorbereitung und als begleitender Lehrtext für Praktika von - Studenten der Chemie - Studierenden des höheren Lehramtes - Studenten mit Chemie als Nebenfach benutzt werden kann. Heidelberg, im Februar 1990

H. P. LATSCHA H.A. KLEIN

Inhaltsverzeichnis

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

Vorsichtsmaßnahmen und Unfallverhütung im chemischen Labor . . . . . . . . . . . . . . .

3

1

Qualitative Analyse .

11

1.1

Anorganische Verbindungen Allgemeine Einführung . . . Vorproben . . . . . . . . . Nachweis wichtiger Elementar-Substanzen Schnelltests . . . . . . . . . Untersuchung von Anionen . Untersuchung von Kationen Lösliche Gruppe . . . . . . Ammoniumcarbonat-Gruppe (NH 4) 2C0 4 -Gruppe Ammoniumsulfid-Gruppe (NH 4) 2S-Gruppe Schwefelwasserstoff-Gruppe (H 2S-Gruppe).

11 11

1.1.1 1.1.2

1.1.3 1.1.4 1.1.5 1.1.6

1.1.6.1 1.1.6.2 1.1.6.3 1.1.6.4

22 33 35 37

70 72

77 81

106

Organische Verbindungen . . . . . . . Nachweis der Elemente in organischen Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausgewählte Nachweis- und Identitätsreaktionen für funktionelle Gruppen . . . . . . . . .

135

2

Grundlagen der quantitativen Analyse

163

2.1

Analytische Geräte . . . . . . . . . Waagen . . . . . . . . . . . . . . . Volumenmeßgeräte für Flüssigkeiten

163 163 167

Konzentrationsmaße . . . . . . . . Konzentrationsangaben des SI-Systems . Berechnung der Stoffmengen bei chemischen Umsetzungen . Aktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

171 171

1.2

1.2.1 1.2.2

2.1.1 2.1.2 2.2

2.2.1 2.2.2

2.2.3

135

140

179 181

2.3

Statistische Auswertung von Analysendaten

185

3

Klassische quantitative Analyse

189

3.1 3.1.1

Grundlagen der Gravimetrie . . . Gravimetrische Grundoperationen Löslichkeit . . . . . . Komplexbildung . . . . . . . . Niederschlagsbildung , . . . . . Berechnung der Analysenwerte .

189 190 196 203 205 207

Gravimetrische Analysen mit anorganischen Fällungsreagenzien . . . . . . . . . . . .

209

Gravimetrische Analysen mit organischen Fällungsreagenzien . . . . . . .

213

3.1.2 3.1.3

3.1.4 3.1.5 3.2 3.3 3.4

Grundlagen der Maßanalyse . .

3.4.1 3.4.2 3.4.3

Maßlösungen, Urtitersubstanzen Berechnung der Analysen . Indikatoren . . . . . . .

3.5

3.5.1 3.5.2 3.5.3 3.5.4 3.5.5 3.5.6 3.5.7 3.6

3.6.1 3.6.2 3.6.3 3.6.4 3.7

3.7.1

Säure-Base-Titrationen · (Neutralisationstitrationen, Acidimetrie/Alkalimetrie)

. . . . . . . . . .

Theorie der Säuren und Basen . . . . . . . . . . Aciditäts- und Basizitätskonstante (Säuren- und Basenkonstante) . . . . . Ionenprodukt des Wassers pH-Wert . . . . . . . . . Säure-Base-Reaktionen .. "Hydrolyse" (Protolyse) von Salzen . Puffer . . . . . . . . . . . . . . .

Titrationen von Säuren und Basen in wäßrigen Lösungen . . . Titrationskurven . . . . . . . . . Endpunkte der Titrationen . . . . Titrationsmöglichkeiten (Abschätzung anhand vorgegebenerpK-Werte) . . . . . . . Anwendungsbeispiele . . . . . . . . .

Titrationen von Säuren und Basen in nichtwäßrigen Lösungen . . . . . . Physikalisch-chemische Grundlagen

215 217 221 223

230 230 233 236 238 244 245 246 251 251 258

259 260 270 270

3.7.2 3.7.3 3.7.4

Lösungsmittel und ihre Einflüsse Titration schwacher Basen . . . Titration schwacher Säuren . . .

3.8

Grundlagen der Oxidations· und Reduktionsanalysen . . .

3.8.1 3.8.2 3.8.3

Oxidation und Reduktion . . . . . Redoxreaktionen . . . . . . . . . Redoxpotentiale (Standardpotentiale und Normalpotentiale) . . . . . . . Elektroden . . . . . . . . . . .

3.8.4

3.9

Redoxtitrationen (Oxidimetrie) .

3.9.1 3.9.2 3.9.3

Titrationskurven . . . . Endpunkte der Titration Anwendungsbeispiele .

3.10

Fällungstitrationen . . .

3.10.1 3.10.2 3.10.3

Titrationskurven . . . . Endpunkte der Titrationen Anwendungsbeispiele . . .

3.11 3.11.1 3.11.2

Komplexometrische Titrationen (Chelatometrie) .

274 278 281 283 283 284 285 292 297 297 299

301 318 318 320 320 325 326

3.11.3 3.11.4 3.11.5 3.11.6

Chelatbildner . . . . . . . . . . . . . . . . . Titrationsmöglichkeiten mit Dinatriumethylendiamintetraacetat (EDTA) . Titrationsendpunkte . . . . . . . . Komplexometrische Arbeitsweisen . Titrationskurven . . . . . . . . . Anwendungsbeispiele mit EDTA .

4

Elektroanalytische Verfahren

341

4.1

Grundlagen der Potentiometrie .

4.1.1 4.1.2

Allgemeines . . . . . . . . . . Meßanordnung (für die Wendepunktmethode) und Meßelektroden . . Anwendungsbereiche . . . . . . . . Anwendungsbeispiele . . . . . . . .

341 341

4.1.3 4.1.4

4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3

Grundlagen der Elektrogravimetrie . Allgemeines . . . . . . . . . Trennungen durch Elektrolyse Instrumentelle Anordnung . .

328 329 330 332 334

342 344 344 355 355 360 362

4.2.4

Anwendungen . . . . . . .

363

4.3

Grundlagen der Coulometrie

4.3.1 4.3.2 4.3.3

365 365 366

4.3.4

Allgemeines . . . . . . . . Durchführung coulometrischer Messungen Anwendungsbereiche der potentiostatischen Coulometrie . . . . . Anwendungsbeispiele . . . . . . . . . . . .

4.4

Grundlagen der Polarographie . . . . . . .

4.4.1

Allgemeines und instrumentelle Anordnung

4.5

Grundlagen der Konduktometrie

4.5.1 4.5.2

Allgemeines . . . . . . . . Prinzipielle Anwendung . . .

4.6

Grundlagen der Voltametrie

4.6.1 4.6.2

Allgemeines . . . . . . . . Prinzipielle Anwendung . . .

401 401 403

4.7

Grundlagen der Amperometrie .

404

4.7.1 4.7.2

Allgemeines . . . . . . Prinzipielle Anwendung . . . . .

404

5

Optische und spektroskopische Analysenverfahren . . . . . . .

5.1 5.1.1

Einfache optische Analysenmetboden

5.1.2 5.1.3

5.1.4

5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.2.5 5.2.6 5.2.7

370 374 376 376 391 391 397

407 411

Refraktometrie . . . . . . Polarimetrie . . . . . . . Fluoreszenzspektroskopie Nephelometrie . . . . . .

411 411 414 416 417

Molekülspektroskopische Metboden

417

Gemeinsame Grundlagen von Atom- und Molekülspektren . . . . . . . . . . . . . Absorptionsspektroskopie im ultravioletten und sichtbaren Bereich . . . Absorptionsphotometrie . . . . . . . . Kolorimetrie . . . . . . . . . . . . . . Infrarot-Absorptionsspektroskopie und Raman-Spektroskopie . . . . . . . . . Raman-Spektroskopie . . . . . . . . . Kernresonanzspektroskopie (NMR, nuclear magnetic resonance) . . . . . . . . . . . .

417 423 431 432 433 440 441

5.2.8

Elektronenspinresonanz-Spektroskopie (ESR)

5.3

Atom· und Ionenspektroskopie; Röntgenstrukturanalyse

5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.3.5 5.3.6 5.3.7 5.3.8

Flammenphotometrie . . . . . . Emissions-Spektroskopie . . . . Atomabsorptionsspektroskopie (AAS) . Röntgenfluoreszenzspektroskopie . . . Elektronenstrahl-Mikroanalyse (Mikrosonde) Photoelektronenspektroskopie (PE und ESCA) Massenspektroskopie (MS) . . . . . . . . . Röntgenstrukturanalyse . . . . . . . . . .

454 454 455 456 457 458 458 459 462

5.4

Stmkturbestimmung mit spektroskopischen Methoden . . . . . . . . . . . . . . . .

463

5.4.1 5.4.2 5.4.3

Aufgabenstellung und Analysenplanung Auswertung von Spektren . Praktische Anwendungen . . . . . . . .

466

6

Gmridlagen der chromatographischen Analysenverfahren . . . . . . . . . . .

473

Prinzip und Mechanismen der Chromatographie; Kenngrößen . . . . . . . . . . . .

473

6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6

453

463 465

Papierchromatographie (PC) . . . .

483

Dünnschichtchromatographie (DC) .

486 489 493

Säulenchromatographie (SC) . . . . Gaschromatographie (GC) . . . . . Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC) . . . . . . . . .

497 498

6.7 6.8

Ionenaustauscher (IEC) . . . . . . .

6.9

Affinitätschromatographie . . . . .

503 507

7

Reinigung und Trennung von Verbindungen

509

7.1

Charakterisierung von Verbindungen durch Schmelz- und Siedepunkt . . . . . . . .

7.2

Trennung und Reinigung von Lösungen . . .

Gelchromatographie (Gelpermeationschromatographie) .

509 510

7.3 7.4 7.5

Reinigung von festen Stoffen ..... Extraktion Trennungaufgrund kinetischer Effekte

515 516 518

8

Literaturnachweis und weiterführende Literatur . . . . . . .

525

9

Abbildungsnachweis

531

10

Sachverzeichnis . . .

532

•••

0

••••

0

• • • • •

Allgemeine Chemie

1. Chemische Elemente und chemische Grundgesetze

Die Chemie ist eine naturwissenschaftli che Disziplin. Sie befaßt sich mit der Zusammensetzung, Charakterisierung und Umwandlung von Materie. Unter Materie wollen wir dabei alles verstehen, was Raum einnimmt und Masse besitzt. Die übliche Einteilung der Materie zeigt Abb. 1.

MATERIE

I

HETEROGENE GEMISCHE (variable Zusammensetzung)

durch physikalische Umwandlung in

HOMOGENE GEMISCHE (LÖSUNGEN) (variable Zusammensetzung)

HOMOGENE SlOFFE

I

durch physikalische Umwandlung in

I

REINE STOFFE (definierte Zusammensetzung)

durch chemische VERBINDUNGEN - - - - - • ELEMENTE Umwandlung in

Abb. 1. Einteilung der Materie

Die chemischen Elemente (Abb. 1) sind Grundstoffe, die mit chemischen Methoden nicht weiter zerlegt werden können. Die Elemente lassen sich unterteilen in MetaZZe (z.B. Eisen, Aluminium), NiahtmetaZZe (z.B. Kohlenstoff, Wasserstoff, Schwefel) und sog. HaZbmetaZZe (z.B. Arsen, Antimon), die weder ausgeprägte Metalle noch Nichtmetalle sind.

3

Zur Zeit sind 109 chemische Elemente bekannt. Davon zählen 20 zu den Nichtmetallen und 7 zu den Halbmetallen, die restlichen sind Metalle. Bei 20°C sind von 92 natürlich vorkommenden Elementen 11 Elemente gasförmig (Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Chlor, Fluor und die 6 Edelgase), 2 flüssig (Quecksilber und Brom) und 79 fest. Die Elemente werden durch die Anfangsbuchstaben ihrer latinisierten Namen gekennzeichnet. Beispiele: Wasserstoff H (Hydrogenium), Sauerstoff 0 (Oxygenium), Gold Au (Aurum). Verbreitung der Elemente Die Elemente sind auf der Erde sehr unterschiedlich verbreit~t. Einige findet man häufig, oft jedoch nur in geringer Konzentration. Andere Elemente sind weniger häufig, treten aber in höherer Konzentration auf (Anreicherung in Lagerstätten) • Eine Ubersicht über die Häufigkeit der Elemente auf der Erde und im menschlichen Körper zeigt Tabelle 1. Tabelle 1 Elemente

in Luft, Meeren und zugänglichen Teilen der festen Erdrinde in Gewichts %

Sauerstoff Silicium

49,4

Summe:

~

2,4

Summe:

1,9 97,7 0,9 0,58 0,19 0,12 0,08 0,03

Wasserstoff Titan Chlor Phosphor Kohlenstoff Stickstoff Summe: alle übrigen Elemente Summe:

in Gewichts 65,0 0,002

75,2

7,5 4,7 3,4 2,6

Aluminium Eisen Calcium Natrium Kalium Magnesium

im menschlichen Körper

99,6

~ 100

0,001 0,010 2,01 o, 109 0,265 0,036

o, 16 1 '16

18,0 3,0 99,753 0,24 100

%

4

Chemische Grundgesetze

Schon recht früh versuchte man eine Antwort auf die Frage zu finden, in welchen Volumen- oder Gewichtsverhältnissen sich Elemente bei einer chemischen Umsetzung (Reaktion) vereinigen. Die quantitative Auswertung von Gasreaktionen und Reaktionen von Metallen mit Sauerstoff ergab, daß bei chemischen Umsetzungen die Masse der Ausgangsstoffe (Edukte) gleich der Masse der Produkte ist, daß also die Gesamtmasse der Reaktionspartner im Rahmen der Meßgenauigkeit erhalten bleibt. Bei einer chemischen Reaktion ist die Masse der Produkte

g~eich

der Masse der Edukte.

Dieses Gesetz von der Erhaltung der Masse wurde 1785 von Lavoisier ausgesprochen. Die Einsteinsehe Beziehung E = m • c 2 zeigt, daß das Gesetz ein Grenzfall des Prinzips von der Erhaltung der Energie ist. Weitere Versuchsergebnisse sind das Gesetz der multiplen Proportionen

(Da~ton,

(Proust,

1803) und das Gesetz der konstanten Proportionen

1799).

Gesetz der konstanten Proportionen: Chemische sich in einem konstanten

E~emente

vereinigen

Massenverhältnis.

Wasserstoffgas und Sauerstoffgas vereinigen sich bei Zündung stets in einem Massenverhältnis von 1 : 7,936, unabhängig von der Menge der beiden Gase. Gesetz der multiplen Proportionen: Die Massenverhältnisse von zwei

E~ementen,

die sich zu verschiedenen chemischen Substanzen

vereinigen, stehen zueinander im

Verhä~tnis

einfacher ganzer

Zah~en.

Beispiel: Die Elemente Stickstoff und Sauerstoff bilden miteinander verschiedene Produkte (NO, N0 2 ; N2 o, N2 o 3 ; N2o 5 ). Die Massenverhältnisse von Stickstoff und Sauerstoff verhalten sich in diesen Substanzen wie 1: 1,14; 1: 2,28; 1: 0,57; 1: 1,71; 1: 2,85; d.h. wie 1 : 1 ; 1 : 2; 2 : 1 ; 2 : 3; 2 : 5. Auskunft über Volumenänderungen gasförmiger Reaktionspartner bei chemischen Reaktionen gibt das chemische Volumengesetz von GayLussac (1808): Das

Vo~umenverhä~tnis

betei~igter

Stoffe

gasförmiger, an einer chemischen Umsetzung

~äßt

sich bei gegebener Temperatur und gegebenem

Druck durch einfache ganze

Zah~en

wiedergeben.

5 Ein einfaches Beispiel liefert hierfür die Elektrolyse von Wasser (Wasserzersetzung). Es ~

entstehen~

Volumenteile Wasserstoff auf

Volumenteil Sauerstoff. Entspre chend bildet sich aus zwei Volu-

menteilen Wasserstoff und einem Volumenteil Sauersto ff Wasser (Knallgasreaktion). Ein weiteres aus Experimenten abgeleitetes Gesetz wurde von Avogadr o (1811) aufgestellt:

Glei ch e Vol umina "ideale r" Gase enthalten bei Jleichem Dr uck un d glei cher Tempe r a tur glei c h viele Teilchen . (Zur Definition eines idealen Gases s. S. 158.) Wenden wir dieses Gesetz auf die Umsetzung von Wasserstoff mit Chlor zu Chlorwasserstoff an, so folgt daraus, daß die Elemente Wasserstoff und Chlor aus zwei Teilchen bestehen müssen, denn aus je einem Volumenteil Wasserstoff und Chlor bilden sich zwei Volumenteile Chlorwasserstoff (Abb. 2).

1 Volumen

1 Volumen

+ Chlor

Wasserstoff

-

2 Volumina

Chlorwasserstoff

Abb. 2

Auch Elemente wie Fluor, Chlor, Brom, Iod, Wass e rstoff, Saue rstoff, Stickstoff oder z.B . Schwefel bestehen aus me hr als einem Teilchen. Eine einfache und plausible Erklärung dieser Gesetzmäßigkeiten war mit der 1808 von J . Dalton veröffentlichten Atomhypothese möglich. Danach sind die chemischen Eleme nte aus kleinsten, chemisch nicht weiter zerle gbaren Teilen, den sog.



aufgebaut.

2. Aufbau der Atome

zu Beginn des 20. Jahrhunderts war aus Experimenten bekannt, daß mindestens zwei Arten·von Teilchen bestehen, aus negativ geladenen Elektronen und positiv geladenen Protonen. über ihre Anordnung im Atom informierten Versuche von Lenard (1903), Rutherford (1911) u.a. Danach befindet sich im Zentrum eines Atoms der Atom~· Er enthält den größten Teil der Masse (99,95 - 99,98 %) und die gesamte positive Ladung des Atoms. Den Kern umgibt die Atomhülle. Sie besteht aus Elektronen = Elektronenhülle und macht das Gesamtvolumen des Atoms aus. ~aus

Der Durchmesser des Wasserstoffatoms beträgt ungefähr 1o- 10 m (= 10- 8 cm = 0,1 nm = 100 pm = 1 g). Der Durchmesser eines Atomkerns liegt bei 1o- 12 cm, d.h. er ist um ein Zehntausendstel kleiner. Die Dichte des Atomkerns hat etwa den Wert 10 14 g/cm 3 •

2.1. Atomkern Nach der Entdeckung der Radioaktivität (Becquerel 1896) fand man, daß aus den Atomen eines Elements (z.B. Radium) Atome anderer Elemente (z.B. Blei und Helium) entstehen können. Daraus schloß man, daß die Atomkerne aus gleichen Teilchen aufgebaut sind. Tatsächlich bestehen die Kerne aller Atome aus den gleichen Kernbausteinen = Nucleonen, den· Protonen und den Neutronen (Tabelle 2). (Diese vereinfachte Darstellung genügt für unsere Zwecke.)

7

Tabelle 2. Wichtige Elementarteilchen (subatomare Teilchen) Ladung

Relative Masse

Ruhemasse

10- 4

Elektron

-1

(-e)

+1

(+e)

0,0005 u; me 1 ,0072 u; mp

9' 110

Proton Neutron

0

(n)

1,0086 u; mn

1 '675

(elektrisch neutral)

1 '673

10-31 kg 10-27 kg 10-27 kg

Aus den Massen von Elektron und Proton sieht man, daß das Elektron nur den 1/1837 Teil der Masse des Protons besitzt. tung von u

(Uber die Bedeu-

s. S. 9 und S. 53.)

Die Ladung eines Elektrons wird auch "elektrische Elementarladung" (e 0 ) genannt. Sie beträgt: e 0 = 1,6022 • 10-19 A • s (1 A • s = 1 C). Jedes chemische Element ist durch die Anzahl der Protonen im Kern seiner Atome charakterisiert. Die Protonenzahl heißt auch Kernladungszahl. Diese Zahl ist gleich der Ordnungszahl, nach der die Elemente im Periodensystem (s.

s.

35)

angeordnet sind. Die Anzahl der Protonen nimmt von Element zu Element jeweils um 1 zu. Ein chemisches Element besteht also aus Atomen gleicher Kernladung. Da ein Atom elektrisch neutral ist, ist die Zahl seiner Protonen gleich der Zahl seiner Elektronen. Es wurde bereits erwähnt, daß der Atomkern praktisch die gesamte Atommasse in sich vereinigt und nur aus Protonen und Neutronen besteht. Die Summe aus der Zahl der Protonen und Neutronen wird Massenzahl genannt. Sie ist stets ganzzahlig. Massenzahl

Protonenzahl + Neutronenzahl

Die Massenzahl entspricht in den meisten Fällen nur ungefähr der Atommasse. Chlor z.B. hat die Atommasse 35,45. Genauere Untersuchungen ergaben, daß Chlor in der Natur mit zwei Atomarten (Nucliden) vorkommt, die 18 bzw. 20 Neutronen neben jeweils 17 Protonen im Kern enthalten. Derartige Atome mit unterschiedlicher Massenzahl, aber gleicher Protonenzahl, heißen Isotope des betreffenden Elements. Nur 20 der natürlich vorkommenden Elemente sind sog. Reinelemente, z.B. F, Na, Al, P. Die übrigen Elemente sind Isotopengemische, sog. Mischelemente.

8

Die Isotope eines Elements haben chemisch die gleichen Eigenschaften. Wir ersehen daraus, daß ein Element nicht durch seine Massenzahl, sondern durch seine Kernladungszahl charakterisiert werden muß. Sie ist bei allen Atomen eines Elements gleich, während die Anzahl der Neutronen variieren kann. Es ist daher notwendig, zur Kennzeichnung der Nuclide und speziell der Isotope eine besondere Schreibweise zu verwenden. Die vollständige Kennzeichnung eines Nuclids und damit eines Elements ist auf folgende Weise möglich: Massenzahl (Nucleonenzahl)

Ladungszahl ,..IE_l_e-me_n_t_s_y_mb_o_l-.1

Ordnungszahl Beispiel: 16 o 2e besagt: doppelt negativ geladenes, aus Sauerstoff der 8 Kernladungszahl 8 und der Masse 16 aufgebautes Ion.

Kernregeln Die Aston-Regel lautet: Elemente mit ungerader Kernladungszahl haben höchstens zwei Isotope. Die Mattauah-Regel sagt aus: Es gibt keine stabilen Isobare (vgl. unten) von Elementen mit unmittelbar benachbarter Kernladungszahl. 87 87 Z.B. ist 38 sr stabil, aber 37 Rb ein ß-Strahler. Einige Begriffe aus der Atomphysik Nualid: Atomart, definiert durch Kernladungszahl und Massenzahl. Beispiel: ~ H Isotope: Nuclide gleicher Kernladungszahl und verschiedener Massenzahl. Beispiel: ~H, ~H, ~H Isobare: Nuclide gleicher Massenzahl und verschiedener Kernladungs. 97 97 zahl. Beisp1el: 40 zr, 42 Mo Reinelement Misahelement dungszahl.

besteht aus einer einzigen Nuclidgattung. besteht aus verschiedenen Nucliden gleicher Kernla-

9

Atommasse Die Atommasse ist die Masse eines Atoms in der gesetzlichen atomphysikalischen Einheit: atomare Masseneinheit; Kurzzeichen: u. Eine atomare Masseneinheit u ist 1/12 der Masse des Kohlenstoffisotops der Masse 12 ( 1 ~c, s. S. 53). In Gramm ausgedrückt ist = 1,66053.10 24 g = 1,66053 ·10- 27 kg.

u

Die Atommasse eines Elements errechnet sich aus den Atommassen der Isotope unter Berücksichtigung der natürlichen Isotopenhäufigkeit. Beispiele: Die Atommasse von Wasserstoff ist: AH = 1,0079 u bzw. 1,0079 · 1,6605

10- 24 g.

Die Atommasse von Chlor ist: ACl = 35,453 u bzw. 35,453 · 1,6605

1o- 24 g.

In der Chemie rechnet man ausschließlich mit Atommassen, die in atomaren Einheiten u ausgedrückt sind und läßt die Einheit meist weg. Man rechnet also mit den Zahlenwerten 1,0079 für Wasserstoff (H), 15,999 für Sauerstoff (0), 12,011 für Kohlenstoff (C) usw. Diese Zahlenwerte sind identisch mit den (dimensionslosen) relativen Atommassen. Die absoluten Atommassen sind identisch mit den in Gramm ausgedrückten Atommassen (z.B. ist 1,0079 · 1,6605 1o- 24 g die absolute Atommasse von Wasserstoff) .

Massendefekt In einem Atomkern werden die Nucleonen durch sog. Kernkräfte zusammengehalten. Starken Kernkräften entsprechen hohe nucleare Bindungsenergien zwischen Protonen und Neutronen. Ermitteln läßt sich die Bindungsenergie aus dem sog. Massendefekt. Massendefekt heißt die Differenz zwischen der tatsächlichen Masse eines Atomkerns und der Summe der Massen seiner Bausteine.

Bei der Kombination von Nucleonen zu einem (stabilen) Kern wird Energie frei (exothermer Vorgang). Dieser nuclearen Bindungsenergie entspricht nach dem Äquivalenzprinzip von Einstein (E = m · c 2 ) ein entsprechender Massenverlust, der Massendefekt. Beispiel: Der Heliumkern besteht aus 2 Protonen und 2 Neutronen. Addiert man die Massen der Nucleonen, erhält man für die berechnete

10

Kernmasse 4,0338 u. Der Wert für die experimentell gefundene Kernmasse ist 4,0030 u. Die Differenz - der Massendefekt - ist 0,0308 u. Dies entspricht einer nuclearen Bindungsenergie von E = m • c 2 0,0308 • 1,6 • 1o- 27 • 9 • 10 16 kg • m2 • s- 2 = 4,4 • 10- 12 J = 28,5 MeV. (1 MeV= 10 6 eV; 1 u = 931 MeV, c = 2,99793 • 10 8 m • s- 1 ) Beachte: Im Vergleich hierzu beträgt der Energieumsatz bei chemischen Reaktionen nur einige ev.

Isotopieeffekte Untersucht man das physikalische Verhalten isotoper Nuclide, findet man gewisse Unterschiede. Diese sind im allgemeinen recht klein, können jedoch zur Isotopentrennung genutzt werden. Unterschiede zwischen isotopen Nucliden auf Grund verschiedener Masse nennt man Isotopieeffekte. Die Isotopieeffekte sind bei den Wasserstoff-Isotopen H, D und T größer als bei den Isotopen anderer Elemente, weil das Verhältnis der Atommassen 1 : 2 : 3 ist. Die Tabellen 3 und 4 zeigen einige Beispiele für Unterschiede in

den physikalischen Eigenschaften von H2 , HD, D2 und T2 sowie von H2o (Wasser) und o 2o (schweres Wasser) .

Trennung von Isotopen Die Trennung bzw. Anreicherung von Isotopen erfolgt um so leichter,

je größer die relativen Unterschiede der Massenzahlen der Isotope sind, am leichtesten also beim Wasserstoff. Eine exakte Trennung erfolgt im Massenspektrometer. In diesem Gerät wird ein ionisierter Gasstrom dem Einfluß eines elektrischen und eines magnetischen Feldes ausgesetzt (s. HT 230). Die Ionen mit verschiedener Masse werden unterschiedlich stark abgelenkt und treffen an verschiedenen Stellen eines Detektors (z.B. Photoplatte) auf.

Quantitative Methoden zur Trennung eines Isotopengemisches sind Anreicherungsverfahren wie z.B. die fraktionierte Diffusion, Destillation oder Fällung, die Thermodiffusion im Trennrohr oder die Zentrifugation.

11

Tabelle 3. Physikalische Eigenschaften von Wasserstoff Eigenschaften

HD

H2

D2

Siedepunkt in K

20,39

22,13

23,67

Gefrierpunkt in K

13,95

16,60

18,65

Verdampfungswärme beim Siedepunkt in J•mol-1

904,39

1226,79

25,04

1394,27

Tabelle 4. Physikalische Eigenschaften von H2 o und D2 o Eigenschaften Siedepunkt in °e

H2 0 100

Gefrierpunkt in °e

0

Temperatur des Dichtemaximums in oe

3,96

Verdampfungswärme bei 25°e in kJ·mol-1 Schmelzwärme in kJ•mol- 1

D20 101,42 3,8 11 , 6

44,02

45,40

6,01

6,34

Dichte bei 2ooe in g·cm- 3

0,99823

1,10530

Kryoskopische Konstante in grad·g·mol-1

1, 859

2,050

Ionenprodukt bei 25°e in mo1 2 .1- 2

1,01 . 10-14

0,195. 1o- 14

Radioaktive Strahlung (Zerfall instabiler Isotope) Isotope werden auf Grund ihrer Eigenschaften in stabile und instabile Isotope eingeteilt. Stabile Isotope zerfallen nicht. Der größte

~ile

Kern ist 2 ~~~

Instabile Isotope (Radionuclide) sind radioaktiv, d.h. sie zerfallen in andere Nuclide und geben beim Zerfall Heliumkerne, Elektronen, Photonen usw. ab. Man nennt die Erscheinung Padioaktive

StPahZun~

oder Radioaktivität. Für uns wichtig sind folgende Strahlungsarten: a-Strahlung: Es handelt sich um Teilchen, die aus zwei Protonen und zwei Neutronen aufgebaut sind. Sie können als Helium-Atomkerne 4 2s betrachtet werden: 2 He (Ladung +2, Masse 4u). Die kinetische Energie von a-Teilchen liegt, je nach Herkunft, zwischen 5 und 11 MeV. Unmittelbar nach seiner Emittierung nimmt der ~He 281 -Kern Elektronen auf und kann als neutrales Heliumgas nachgewiesen werden.

12

Beispiel für eine Kernreaktion mit Emission von a-Teilchen: 210p 84 Mutterkern

206Pb 82

°

+

Tochterkern

4 2 He

a-Teilchen

Für solche Reaktionen gilt der 1. radioaktive Verschiebungssatz: Werden bei einer Kernreaktion a-Teilchen emittiert, wird die Massenzahl um vier und die Kernladungszahl um zwei Einheiten verringert. ß-Strahlung: ß-Strahlen bestehen aus Elektronen (Ladung -1, Hasse 0,0005 u). Energie: 0,02-4 HeV. Reichweite ca. 1,5-8,5 m in Luft. Beispiel für eine Kernreaktion mit ß-Emission (ve symbolisiert das beim ß-Zerfall emittierte Antineutrino): 14c ~ 14N 6

~

7

o + -1e

+

V

e

Für Reaktionen, bei denen ß-Strahlen aus dem Kern emittiert werden, gilt der 2. Verschiebungssatz: Durch Emission eines Elektrons aus dem Atomkern bleibt die Masse des Kerns unverändert und die Kernladungszahl wird um eine Einheit erhöht. (Zur Erklärung nimmt man die Umwandlung von einem Neutron in ein Proton an.) Beachte: Bei Kernreaktionen bleibt gewöhnlich die Elektronenhülle unberücksichtigt. Die Reaktionsgleichungen können wie üblich überprüft werden, denn die Summe der Indexzahlen muß auf beiden Seiten gleich sein. y-Strahlung: Elektromagnetische Strahlung sehr kleiner Wellenlänge (ca.

10-io cm, sehr harte RÖntgenstrahlung). Sie ist nicht geladen

und hat eine verschwindend kleine Masse (Photonenmasse) . Kinetische Energie: 0,1 - 2 MeV. y-Strahlung begleitet häufig die anderen Arten radioaktiver Strahlung. Neutronenstrahlen (n-Strahlen) : Beschießt man Atomkerne mit a-Teilchen, können Neutronen aus dem Atomkern herausgeschossen werden. Eine einfache, vielbenutzte Neutronenquelle ist die Kernreaktion

Diese führte zur Entdeckung des Neutrons durch Chadwick 1932. Die Heliumkerne stammen bei diesem Versuch aus a-strahlendem Radium 2 ~~Ra. Die gebildeten Neutronen haben eine maximale kinetische Energie von 7,8 eV.

13 Neutronen sind wichtige Reaktionspartner für viele Kernreaktionen, da sie als ungeladene Teilchen nicht von den Protonen der Kerne abgestoßen werden.

Die ZerfaZZsgesahwindigkeiten aller radioaktiven Substanzen folgen einem Gesetz erster Ordnung: Die Zerfallsgeschwindigkeit hängt von der Menge des radioaktiven Materials ab (vgl. s. 260). Sie ist für ein radioaktives Nuclid eine charakteristische Größe. zum Begriff der Halbwertszeit s. S. 261.

Beispiele für natürliche und künstliche Isotope Erläuterungen: Die Prozentzahlen geben die natürliche Häufigkeit an. In der Klammer hinter der Strahlenart ist die Energie der Strahlung angegeben. t 112 ist die Halbwertszeit. a = Jahre, d =Tage. Wasserstoff-Isotope: ~H oder H (leichter Wasserstoff), 99,9855 %.

~H

oder D (Deuterium, schwerer Wasserstoff), 0,0148 %.

~H

oder T

(Tritium), ß (0,0186 MeV), t 112 = 12,3 a. 12 13 14 . Kohlenstoff-Isotope: 6c, ß (0,156MeV), 6 c, 1,108 %; 6 c, 98,892 %; t 112 = 5730 a. 32 Phosphor-Isotope: 31 15 P, 100 %; 15 P, ß (1,71 MeV), t 112 = 14,3 d. 59 Cobalt-Isotope: 27 co, 100 %; 1,332 MeV), t 112 = 5,26 a. Iod-Isotope:

(0,314 MeV), y (1,173 MeV,

127 125 53 I, 100 %. 53 I, u.a. y (0,035 MeV), t 112 = 60 d.

129 I, ß (0,150), y (0,040), t 7 1 ~ji, ß (0,606 MeV, 112 = 1,7 · 10 a. 53 0,33 MeV, 0,25 MeV ... ), y (0,364 MeV, 0,637 MeV, 0,284 MeV ... ), t1/2 = 8,05 d .. Uran-Isotope:

238 92 u, 99,276 %,

235 92 u, 0,7196 %,

~.

~,

ß, y, t 112

y, t 112 = 7,1 · 10

8

4,51 · 10 9 a.

a.

Messung radioaktiver Strahlung: Die meisten Meßverfahren nutzen die

ionisierende Wirkung der radioaktiven Strahlung aus. Photographisahe Teahniken (Schwärzung eines Films) sind nicht sehr genau, lassen sich aber gut zu Dokumentationszwecken verwenden. SzintillationszähZer enthalten Stoffe (z.B. Zinksulfid, ZnS), welche die Energie der radioaktiven Strahlung absorbieren und in sichtbare Strahlung (Lichtblitze) umwandeln, die photoelektrisch registriert wird. Weitere Meßgeräte sind die WiZsonsahe Nebelkammer und das Geiger-MUZZer-ZähZrohr.

14

Radioaktive Aktivität Der radioaktive Zerfall eines Nuclids bedingt seine radioaktive Aktivität A. Sie ist unabhängig von der Art des Zerfalls. A ist

identisch mit der Zerfallsrate, d.i. die Häufigkeit dN/dt, mit der N Atome zerfallen: A = -dN/dt = >< •N, mit> (3 cos.2 J- 1)

v1(Y2,2 + Y2,->!)

(lf5'!4fi) sin 2 ..ll cos ')

-i//t(Y2,1-Y2,-1l

4

(Y 2, 1 + y 2 ,-1 )

- i/4(Y2,2- Y2,-2l

(/15/4/";;") sin 2-8- sin

~

(/15/4fi) sin 2 J cos

~



./

1

sp

2C.Et

AE2

.:._ ____

s

\;r.·,· l_ ::~2 :

2

p

··..:

···...

AE3

sp3

t 6 E3

s

Abb. 60. Energieniveaudiagramme für die Hybridisierungen von s- und p-Orbitalen

Bindigkeit Als Bindigkeit oder Bindungszahl bezeichnet man allgemein die Anzahl der Atombindungen, die von einem Atom betätigt werden. Im CH 4 ist das Kohlenstoffatom vierbindig. Im Ammoniak-Molekül NH 3 ist die Bindigkeit des Stickstoffatoms 3 und diejenige des Wasserstoffatoms 1. Im Ammonium-Ion NH 4$ ist das N-Atom vierbindig. Das Sauerstoffatom ist im H20-Molekül zwei- und im H3o$-Molekül dreibindig. Das Schwefelatom bildet im Schwefelwasserstoff H2 S zwei Atombindungen aus. Schwefel ist daher in diesem Molekül zweibindig. Im Chlorwasserstoff HCl ist das Chloratom einbindig. Bei Elementen ab der 3. Periode können auch d-Orbitale bei der Bindungsbildung benutzt werden. Entsprechend werden höhere Bindungszahlen erreicht: Im PF 5 ist das P-Atern fünfbindig; im SF 6 ist das S-Atom sechsbindig.

91

Oktettregel Die Ausbildung einer Bindung hat zum Ziel, einen energetisch günstigeren Zustand (geringere potentielle Energie) zu erreichen, als ihn das ungebundene Element besitzt. Ein besonders günstiger Elektronenzustand ist die Elektronenkonfiguration der Edelgase. Mit Ausnahme von Helium (1 s 2 ) haben alle Edelgase in ihrer äußersten Schale (Valenzschale) die Konfiguration n s 2 n p 6 (n = Hauptquantenzahl). Diese 8 Elektronenzustände sind die mit den Quantenzahlen 1, m und s maximal erreichbare Zahl (= Oktett) , s. s. 34 und S. 42. Die Elemente der 2. Periode haben nur s- und p-Valenzorbitale. Bei der Bindungsbildung streben sie die Edelgaskonfiguration an. Sie können das Oktett nicht überschreiten. Dieses Verhalten ist auch als Oktettregel bekannt. Beispiele:

H

10

H-N-H

H: Cl:

I H

Bei Elementen höherer Perioden können u.U. auch d-Valenzorbitale mit Elektronen besetzt werden, weshalb hier vielfach eine Oktettaufweitung beobachtet wird. Beispiele sind die Moleküle PC1 5 (10 Elektronen um das Phosphoratom)

und SF 6 (12 Elektronen um das

Schwefelatom). Doppelbindungsregel

Die "klassische Doppelbindungsregel" besagt: Elemente der höheren Perioden (Hauptquantenzahl n > 2) können keine pn-pn-Bindungen ausbilden. Die Gültigkeit der Doppelregel wurde ·seit 1964 durch zahlreiche "Ausnahmen" eingeschränkt. Es gibt Beispiele mit Si, P, As, Sb, s, Te, Sb. Als Erklärung für die Stabilität der "Ausnahmen"

Bi,

wird angeführt, daß Elemente der höheren Perioden offenbar auch pd-Hybridorbitale zur Bildung von n-Bindungen benutzen können. Hierdurch ergibt sich trotz großer Bindungsabstände eine ausreichende Uberlappung der Orbitale. Sind größere Unterschiede in der Elektronegativität vorhanden, sind polarisierte Grenzstrukturen an der Mesomerie beteiligt: El = C

~

e

e

El - C.

Beispiele s. Si-, P-Verbindungen.

92

Radikale Es gibt·auch Substanzen mit ungepaarten Elektronen, sog. Radikale. Beispiele sind das Diradikal o 2 , NO, N0 2 oder organischen Radikale wie das Triphenylmethylradikal. Auch bei chemischen Umsetzungen treten Radikale auf. So bilden sich durch Protolyse von Chlormolekülen Chloratome mit je einem ungepaarten Elektron, die mit H2 -Molekülen zu Chlorwasserstoff reagieren können (Chlorknallgasreaktion) , s. s. 270. Andere Beispiele s. Kap. 6. Substanzen mit ungepaarten Elektronen verhalten sich paramagnetisch. Sie werden von einem magnetischen Feld angezogen.

Bindungsenergie und Bindungslänge In Abb. 45 wurde gezeigt, daß bei der Kombination von H-Atomen von einer gewissen Entfernung an Energie freigesetzt wird. Beim Gleichgewichtsabstand r 0 hat die potentielle Energie Epot des Systems ein Minimum. Die bei der Bindungsbildung freigesetzte Energie heißt Bindungsenergie, der Gleichgewichtsabstand zwischen den Atomkernen der Bindungspartner Bindungslänge. Beachte: Je größer die Bindungsenergie, um so fester die Bindung. Tabelle 12 zeigt eine Zusammenstellung der Bindungslängen und Bindungsenergien von Kovalenzbindungen. Tabelle 12 Bindung Cl-Cl F-H Cl-H 0-H N-H C=O H-H NEN

c-c C=C C"C

c=c

(Benzol)

Bindungslänge (pm) 199 92 127 96 101 122 74 110 154 135 121 139

Bindungsenergie (kJ•mol-1) 242 567 431 464 389 736 436 945 346 611 835

1 nm

1000 pm 10-9 m

Mesomerie oder Resonanz Betrachtet man die Struktur des so 4 2e -Ions, stellt man fest: Das S-Atom sitzt in der Mitte eines regulären Tetraeders: die S-O-Ab-

93

stände sind gleich und kleiner, als es einem S-0-Einfachbindungsabstand entspricht. Will man nun den kurzen Bindungsabstand erklären, muß man für die S-O-Bindung teilweisen (partiellen) Doppelbindungscharakter annehmen:

-0

-0

101

I -0 o-5 -01

-

I 101

-

-0

101

0- I 10-5 =0 -

II

101

-

101 I 0=5 =0 -

I

-

101

-0

-0

101 101 0_ 11®-0 0l2®-6 10-5-01 __.. 10-5-01 usw. I

101 -0

-

I

101 -0

Die tatsächliche Elektronenverteilung (= realer Zustand) kann also durch keine Valenzstruktur allein wiedergegeben werden. Jede einzelne Valenzstruktur ist nur eine Grenzstruktur (mesomere Grenzstruktur, Resonanzstruktur). Die tatsächliche Elektronenverteilung ist eine Uberlagerung (Resonanzhybrid) aller denkbaren Grenzstrukturen. Diese Erscheinung heißt Mesomerie oder Resonanz. Beachte: Das Mesomeriezeichen ~ darf nicht mit einem Gleichgewichtszeichen verwechselt werden! Der Energieinhalt des Moleküls oder Ions ist kleiner als von jeder Grenzstruktur. Je mehr Grenzstrukturen konstruiert werden können, um so besser ist die Elektronenverteilung (Delokalisation der Elektronen) im Molekül, um so stabiler ist auch das ·Molekül. Die Stabilisierungsenergie bezogen auf die energieärmste Grenzstruktur heißt Resonanzenergie. Beispiele für Mesomerie sind u.a. folgende Moleküle und Ionen: CO, co 2 , C0 3 2EI , N0 3EI , HN0 3 , HN 3 , NEI3 . Ein bekanntes Beispiel aus der organischen Chemie ist Benzol, c 6H6 , (s. HT 211).

5.2.3 Elektronenpaar-Abstoßungsmo dell

Eine sehr einfache Vorstellung zur Deutung von Bindungswinkeln in Molekülen mit kovalenten oder vorwiegend kovalenten Bindungen ist das Elektronenpaar-Abstoßungsmo dell (VSEPR-Modell (= Valence Shell Electron Pair Repulsion)). Es betrachtet die sog. Valenzsahale eines Zentralatoms A. Diese besteht aus den bindenden Elektronenpaaren der Bindungen zwischen A und seinen Nachbaratomen L (Liganden) und eventuell vorhandenen nichtbindenden (einsamen) Elektronenpaaren E am Zentralatom.

94 Das Modell geht davon aus, daß sich die Elektronenpaare den kugelförmig gedachten Aufenthaltsraum um den Atomkern (und die Rumpfelektronen) so aufteilen, daß sie sich so weit wie möglich ausweichen (minimale Abstoßung). Für die Stärke der Abstoßung gilt folgende Reihenfolge: einsames Paar - einsames Paar Paar

>

einsames Paar - bindendes

> bindendes Paar - bindendes Paar.

Wir wollen das VSEPR-Modell an einigen Beispielen demonstrieren: ~ Besonders einfach sind die Verhältnisse bei gleichen Liganden

und bei Abwesenheit von einsamen Elektronenpaaren. Die wahrscheinlichste Lage der Elektronenpaare in der Valenzschale wird dann durch einfache geometrische Regeln bestimmt: zwei Paare drei Paare vier Paare sechs Paare

... ... ... ...

l.ineare Anordnung ( 180°)

1

gleichseitiges Dreieck ( 120°) Tetraeder (.109°28 1

1

) 1

Oktaeder (90°).

Bei fünf Paaren gibt es die quadratische Pyramide und die trigonale Bipyramide. Letztere ist im allgemeinen günstiger.

QV

Besitzt das Zentralatom bei gleichen Liganden einsame Paare, wer-

den die in a) angegebenen idealen geometrischen Anordnungen infolge unterschiedlicher Raumbeanspruchung (Abstoßung) verzerrt. Nichtbindende (einsame) Paare sind diffuser und somit größer als bindende Paare. Bei den Molekültypen AL 4E, AL 3 E 2 und AL 2E 3 liegen die E-Paare deshalb in der äquatorialen Ebene.

@)

Ist das Zentralatom mit Liganden unterschiedlicher Elektronega-

tivität verknüpft, kommen Winkeldeformationen dadurch zustande, daß die Raumbeanspruchung der bindenden Elektronenpaare mit zunehmender Elektronegativität der Liganden sinkt.

@D

Bildet das Zentralatom Mehrfachbindungen (Doppel- und Dreifachbindungen) zu Liganden aus, werden die Aufenthaltsräume der Elektronen statt mit einem mit zwei oder drei bindenden Elektronenpaaren besetzt. Mit experimentellen Befunden gut übereinstimmende Winkel erhält man bei Berücksichtigung der größeren Ausdehnung und geänderten Form mehrfach besetzter Aufenthaltsräume.

G) Ist A ein Übergangselement, müssen vor allem bei den Elektronenkonfigurationen d 7 , d 8 und d 9 im allgemeinen .starke Wechselwirkungen der d-Elektronen mit den bindenden Elektronenpaaren berücksichtigt werden. Tabelle 13 zeigt Beispiele für die geometrische Anordnung von Liganden und einsamen Elektronenpaaren um ein Zentralatom.

95

Tabelle 1 3 Aufenthaltsräume

Einsame Elektronenpaare

Molekültyp

2

0

AL 2

3

0

AL 3

AL 2 E

4

0

AL 4

AL 3 E

2

5

0

AL 2 E 2

ALS

Geometrische Anordnung der Liganden

8

@ ~ ~ ~ ~

~ -

Beispiele

linear

BeH 2

180°

co 2 HgC1 2 H- C• N

trigonal eben 120°

V-förmig

BF 3 N03e 503 c1 2 co

N0 2 502 SnC1 2 03

tetraedrisch

cH 4 , so 4 NH 4 "' OPC1 3 so 2c 1 2

trigonal pyramidal

NH3 so/ 9 H3 o"' SbCl 3

V-förmig

H20 H2S SCl2

trigonal bipyram i dal

PFs PCls SF 40

2e

96 Tabel l e 13 (Fortsetzung) Aufent haltsräume

Einsame Elektronenpaare

Holekültyp AL 4 E

2

AL 3 E 2

Beispiele

Geometrische Anordnung der Liganden

~ ~ ~ ~ ~

tetraedrisch verz e rrt

T-förmig

6

0

AL 2 E 3

AL 6

ALsE

2

AL 4E 2

~

SeF 4 Xe0 2 F 2

ClF 3 BrF 3

'

3

SF 4

linear

IC1 2 9 I

3

e

XeF 2

oktaedrisch

SF 6 PC1 69

quadratisch pyramidal

BrF 5

quadratisch eben

XeF 4

IF 5

IC1 4 9

Geometrie von Polyedern mit sieben bis zwölf Elektronenpaaren: sieben: Oktaeder mit einem zusätzlichen Punkt über der Mitte einer Dreiecksfläche (einhütiges Oktaeder); trigonales Prisma mit einem zusätzlichen Punkt über der Mitte einer Rechteckfläche (NbF 7 29 ); pentagonale Bipyramide (IF 7 ); acht: quadratisches Antiprisma ([TaF 8 ] 39 , [ReF 8 ] 39 , [Sr(H 2o) 8 ] 2 e, [Ba(H 2o) 8 J 2 e); Dodekaeder ([Mo(CN) 8 J 49 , [W(CN) 8 J 49 , [Zr(Oxalat) 4 ]4 9 ); Würfel bei Actiniden (Na 3 [PaF 8 J, Na 3 [uF 8 ], Na 3 [NbF 8 ]; neun: trigonales Prisma mit drei zusätzlichen Punkten über den Rechteckflächen ([ReH 9 ] 29 , [Sc(H 2 o) 9 ] 3 $); zehn: quadratisches Antiprisma mit zwei zusätzlichen Punkten über den quadratischen Flächen; elf: pentagonales Antiprisma mit einem zusätzlichen Punkt über der Mitte einer Fünfeckfläche; zwölf: Ikosaeder (Zwanzigflächner).

98

5.3. Metallische Bindung

Von den theoretischen Betrachtungsweisen der metallischen Bindung ist folgende besonders anschaulich: Im Metallgitter stellt jedes Metallatom je nach seiner Wertigkeit* ein oder mehrere Valenzelektronen dem Gesamtgitter zur Verfügung und wird ein Kation (Metallatomrumpf

= Atomkern

+ "innere" Elek-

tronen). Die Elektronen gehören allen Metallkationen gemeinsam; sie sind praktisch über das ganze Gitter verteilt (delokalisiert) und bewirken seinen Zusammenhalt. Diese quasi frei beweglichen Elektronen, das sog. "Elektronengas", sind der Grund für das besondere Leitver~ögen

der Metalle. Es nimmt mit zunehmender Temperatur ab,

weil die Wechselwirkung der Elektronen mit den Metallkationen zunimmt. Für einwertige Metalle ist die Elektronenkonzentration etwa 10 23 cm- 3 ! Es gibt auch eine Modellvorstellung der metallischen Bindung auf der Grundlage der MO-Theorie

(s. S. 77), Hierbei betrachtet man das

Metallgitter als ein Riesenmolekül und baut es schrittweise aus einzelnen Atomen auf, Besitzt z.B. ein Metallatom in der äußersten Schale (Valenzschale) ein s-Atomorbital und nähert sich ihm ein zweites Atom, werden aus den beiden Atomorbitalen zwei Molekülorbitale gebildet. Kommt ein drittes Atom hinzu, werden drei Molekülorbitale erhalten. Im letzten Falle sind die MO dreizentrig, denn sie erstrecken sich· über drei Kerne bzw. Atomrümpfe. Baut man das Metallgitter in der angegebenen Weise weiter auf, kommt mit jedem neuen Atom ein neues MO hinzu. Jedes MO besitzt eine bestimmte potentielle Energie (Energieniveau). Betrachtet man eine relativ große Zahl von Atomen, so wird die Aufspaltung der.Orbitale, d.h. der Abstand zwischen den einzelnen Energieniveaus, durch neu hinzukommende Atome kaum weiter vergrößert, sondern die Energieniveaus rücken näher zusammen. Sie unterscheiden sich nurmehr wenig voneinander, und man spricht von einem Energieband (Abb. 61a), Der Einbau der Elektronen in ein solches Energieband erfolgt unter Beachtung der Hundsehen Regel und des Pauli-Prinzips in der Reihen*Die Wertigkeit entspricht hier der Zahl der abgegebenen Elektronen, s. auch Oxidationszahl, s. 199

99

folge zunehmender Energie. Jedes Energieniveau {MO) kann maximal mit zwei Elektronen mit antiparallelem Spin besetzt werden.

E

--- --

( eV]

------ a

2

3

4

"'

6

Zahl der Alomt

Abb. 61a. Aufbau von einem Energieband durch wiederholte Anlager ung von Atomen mit einem s-AO

f-----..-l} ~:~~ngs· Valenz - { band

b

B c

Leitungsband

§}~:~:0~::~ Zone

.

,

Gefülltes Valenzband

d

Abb. 61b-d. Schematische Energiebänderdiagramme. {b) Überlappung eines teilweise besetzten Valenzbandes mit einem Leitungsband. {c) Uberlappung eines gefüllten Valenzbandes mit einem Leitungsband. {d) Valenz- und Leitungsband sind durch eine '"verbotene Zone'" getrennt: Isolator

In einem Metallgitter wird jedes Valenzorbital eines isolierten Atoms (z.B. 2s-, 2p-Atomorbital) zu einem Energi eband auseinandergezogen . (Die inneren Orbitale werden kaum beeinflußt, weil sie zu stark abgeschirmt sind.) Di e Bandbreite {Größenordnung eV) ist eine Funktion des Atomabstandes im Gitter und der Energie der Ausgangs orbitale . Di e Bänder sind um so breite r, j e größer ihre Energie ist. Die höheren Bänder erstreck en sich ohne Unterbrechung über den ganzen Kristall. Die Elektronen könne n daher in diesen Bändern nicht bestimmten Atomen zugeordnet werden. In ihrer Gesamtheit gehören sie dem ganzen Kristall, d.h. die Atome tausche n ihre Elektronen im raschen Wechsel aus. Das oberste elektronenführende Band heißt Valenzband . Es kann tei lweise ode r voll b ese tzt sein . Ein vollbesetztes Band le istet keinen Beitrag zur elektrischen Leitfähigkeit.

100

Ein leeres oder unvollständig besetztes Band heißt Leitfähigkeitsband oder Leitungsband (Abb. 61b-d). In einem Metall grenzen Valenzband und Leitungsband unmittelbar aneinander oder überlappen sich. Das Valenz- bzw. Leitungsband ist nicht vollständig besetzt und kann Elektronen für den Stromtransport zur Verfügung stellen. Legt man an einen Metallkristall ein elektrisches Feld an, bewegen sich die Elektronen im Leitungsband bevorzugt in eine Richtung. Verläßt ein Elektron seinen Platz, wird es durch ein benachbartes Elektron ersetzt usw. Die elektrische Leitfähigkeit der Metalle (> 10 6 n • m- 1 ) hängt von der Zahl derjenigen Elektronen ab, für die unbesetzte Elektronenzustände zur Verfügung stehen (effektive Elektronenzahl). Mit dem Elektronenwechsel direkt verbunden ist auch die Wärmeleitfähigkeit. Der metallische Glanz kommt dadurch zustande, daß die Elektronen in einem Energieband praktisch jede Wellenlänge des sichtbaren Lichts absorbieren und wieder abgeben können (hoher Extinktionskoeffizient). Bei ein~m Nichtleiter (Isolator) ist das Valenzband voll besetzt und von dem leeren Leitungsband durch eine hohe Energieschwelle = verbotene Zone getrennt. Beispiel: Diamant ist ein Isolator. Die verbotene Zone hat eine Breite von 5,3 ev. Halbleiter haben eine verbotene Zone bis zu 6E ~ 3 ev. Beispiele: Ge 0,72 ev, Si 1,12 ev, Se 2,2 ev, InSb 0,26 ev, GaSb 0,80 ev, AlSb 1,6 ev, CdS 2,5 ev. Bei Halbleitern ist das Leitungsband schwach besetzt, weil nur wenige Elektronen die verbotene Zone überspringen können. Diese Elektronen bedingen die Eigenleitung. Daneben kennt man die sog. St8rstellenleitung, die durch den Einbau von Fremdatomen in das Gitter eines Halbleiters verursacht wird (dotierter Halbleiter). Man unterscheidet zwei Fälle: 1. Elektronenleitung oder n-Leitung. Sie entsteht beim Einbau von Fremdatomen, die mehr Valenzelektronen besitzen als die Atome des Wirtsgitters. Für Germanium als Wirtsgitter sind P, As, Sb geeignete Fremdstoffe. Sie können relativ leicht ihr "überschüssiges" Elektron abgeben und zur Elektrizitätsleitung zur Verfügung stellen. 2. Defektelektronenleitung oder p-Leitung beobachtet man beim Einbau von Elektronenacceptoren. Für Germanium als Wirtsgitter eignen sich z.B. B, Al, Ga und In. Sie haben ein Valenzelektron weniger als die Atome des Wirtsgitters. Bei der Bindungsbildung entsteht daher ein Elektronendefizit oder "positives Loch" (= ionisiertes Gitteratom). Das positive Loch wird von einem Elektron eines Nachbaratoms

101

aufgefüllt. Dadurch e ntsteht e in ne ues positives Loch an anderer Stelle usw. Auf diese Weis e kommt ein el e ktrisch e r Strom zustande. Beachte : Im Gegensatz zu den Metallen nimmt bei d e n Halbleitern die Leitfähigkeit mit steigender Temperatur zu, weil me hr Elektronen den Übergang vom Valenzband ins Leitungsband schaffen.

Metallgitter Die metallische Bindung ist wi e die ionische Bindung unge r ichtet . Dies führt in festen Metallen zu einem gittermäßigen Aufbau mit hoher Koordinationszahl. 3/5 aller Metalle kristallisieren in der k ubisch - dichtes t en bzw. hexagonal - dichtesten Kugelpackung

(Abb. 62

und 63). Ein großer Teil der restlichen 2/ 5 bevorzugt das kubisc hinnen z e n trie r te

=

kubisch - raumzent r ierte Gitter (Abb. 64). Abb. 65

gibt einen überblick über die Gitter ausgewählter Metalle.

A A

c

B

8

A

A

Abb. 63. Kubisch-dichteste Kugelpackung, aufgebaut aus dichtesten Kugellagen-Ebenen der Lagenfolge ABC A. (Aus Winkler)

Abb. 62 . Hexagonal-dichteste Kugelpackung, aufgebaut aus dichtesten Kugellagen-Ebenen der Lagenfolge AB A . (Aus Winkler)

Anordnung Kubisch und hexagonal dichteste Kugelpackung Kubisch raumzentriert

Lücken

Koordinationszahl

Raumerfüllung (%)

12

74,1

8

68' 1

102

Abb. 64. Kubisch-raumzentriertes Gitter. Es sind auch die 6 übernächsten Gitterpunkte gezeigt

A1

A3

A2

A1-A3

Abb. 65. Vorkommen der kubisch (A1) und hexagonal (A3) dichtesten Kugelpackung und des kubisch-innenzentrierten Gitters (A2). Das Symbol für die jeweils stabilste Modifikation ist am größten gezeichnet. (Nach Krebs)

Mechanische Eigenschaften der Metalle/Einlagerungsstrukturen Die besonderen mechanischen Eigenschaften der Metalle ergeben sich aus dem Aufbau des Metallgitters. Es können nämlich ganze Netzebenen und Schichtpakete verschoben werden, ohne daß Änderungen im Bauprinzip oder Deformationen auftreten. In den dichtesten Kugelpackungen existieren Tetraeder- und Oktaederlücken. Die Zahl der Oktaederlücken ist gleich der Zahl der Bausteine. Die Zahl der Tetraederlücken ist doppelt so groß. Werden nun in diese Lücken (Zwischengitterplätze) größere Atome anderer Metalle oder Nichtmetalle wie

103

Kohlenstoff, Wasserstoff, Bor oder Stickstoff eingelagert, wird die Gleitfähigkeit der Schichten gehemmt bzw. verhindert. Die kleinen H-Atome sitzen in den Tetraederlücken. B-, N- und C-Atome sitzen in den größeren Oktaederlücken. Voraussetzung für die Bildung solcher Einlagerungsmischkristalle {Einlagerungsstrukturen) ist ein Radienverhältnis: rNichtmetall : rMetall

::; 0 ' 59 ·

Da nicht alle Lücken besetzt sein müssen, ist die Phasenbreite groß {s. unten). Die Substanzen heißen auch legierungsartige Hydride, Boride, Carbide, Nitride. Gebildet werden sie von Metallen der 4. bis 8. Nebengruppe, Lanthaniden und Actiniden. Ihre Darstellung gelingt durch direkte Synthese aus den Elementen bei hohen Temperaturen unter Schutzgasatmosphäre. Beispiele: TiC, TiN, VC, TaC, CrC, WC {Widia, zusammengesintert mit Cobalt), das Fe-e-system.

Eigenschaften: Verglichen mit den Metallen haben die Einlagerungsmischkristalle ähnlichen Glanz und elektrische Leitfähigkeit; sie sind jedoch härter und spröder und haben extrem hohe Schmelzpunkte:

TaC, Fp. 3780°C.

Legierungen Der Name Legierung ist eine Samrnelbezeichnung für metallische Gemische aus mindestens zwei Komponenten, von denen wenigstens eine ein Metall ist. Entsprechend der Anzahl der Komponenten unterscheidet man binäre,

ternäre, quaternäre, ... Legierungen. Der Hauptbestandteil heißt Grundmetall, die übrigen Komponenten

Zusätze. Homogene Legierungen haben an allen Stellen die gleiche Zusammensetzung, ihre Bestandteile sind ineinander löslich, s. Mischkristalle {=Feste Lösungen). Heterogene Legierungen zeigen mindestens zwei verschiedene Phasen, die z.B. durch Schleifen sichtbar gemacht werden können. Sie können dabei ein Gemenge aus den entmischten Komponenten sein, auch Mischkristalle und/oder intermetallische Verbindungen enthalten.

104

Mischkristalle sind homogene Kristalle (feste Lösungen) aus verschiedenen Komponenten. Einlagerungsmischkristalle: s. Einlagerungsstrukturen, s.

s.

103.

Substitutionsmischkristalle bilden sich mit chemisch verwandten Metallen von gleicher Kristallstruktur und ähnlichem Radius (Abweichungen bis 15 %). Mischt man der Schmelze eines Metalls ein anderes Metall zu (zulegieren), werden Atome in dem Gitter der Ausgangssubstanz durch Atome des zulegierten Metalls ersetzt (substituiert). Die Verteilung der Komponenten auf die Gitterplätze erfolgt

statistisch.

Unbegrenzte Mischbarkeit Bilden zwei Substanzen bei jedem Mengenverhältnis Mischkristalle, spricht man von unbegrenzter Mischbarkeit. Das Schmelzdiagramm (Zustandsdiagramm) für einen solchen Fall ist in Abb. 66 angegeben. Ein Beispiel ist das System Ag-Au.

~f . .....

b

E

~

liquiduskurve (Au)

T,

Soliduskurve

Fp.von A lAg)

100% ················:·-·····o% A 0% ----------------~----100% B

Abb. 66. Schmelzdiagramm eines binären Systems mit Mischkristallbildung

Erläuterung des Schmelzdiagramms Das Diagramm zeigt zwei Kurven. Die Liquiduskurve (Beginn der Erstarrung) trennt die flüssige, die Soliduskurve (Ende der Erstarrung) die feste Phase von dem Zweiphasengebiet ab. Kühlt man die

105

Schmelze ab, wird bei einer bestimmten Temperatur, z.B. T 1 , die Liquiduskurve in Punkt 1 erreicht (Erstarrungspunkt). Hier scheiden sich die ersten Mischkristalle ab. Sie sind angereichert an dem Metall mit dem höheren Schmelzpunkt, hier Au. Ihre Zusammensetzung wird durch Punkt 2 auf der Soliduskurve angegeben. Beachte: Die Punkte 1 und 2 gehören zu der gleichen Erstarrungstemperatur T 1 , d.h. flüssige und feste Phase haben bei der Erstarrungstemperatur eine unterschiedliche Zusammensetzung. Durch das Ausscheiden von Gold wird die Schmelze reicher an Silber. Da der Schmelzpunkt eines Zweikomponentensystems von der Konzentration der Schmelze abhängt, sinkt die Erstarrungstemperatur der Schmelze entlang der Liquiduskurve so weit ab, bis Punkt 3 erreicht ist. Bei genügend ~angsamer Abkuh~ung sind die bereits ausgeschiedenen Kristalle im Gleichgewicht mit der ßchmelze. Sie können aus der Schmelze so lange Ag aufnehmen, bis sie die bei der jeweiligen Temperatur stabile Zusammensetzung annehmen. Sie haben dann schließlich die gleiche Zusammensetzung wie diejenigen Kristalle, die sich bei dieser Temperatur abscheiden. Bei rasaher Abkuh~ung liegen die einzelnen Erstarrungsprodukte mehr oder weniger getrennt nebeneinander vor. Zuletzt scheidet sich reines Silber ab. Man erhält eine inhomogen erstarrte Lösun~. Technisch ausgenützt wird dies bei der Gewinnung bestimmter seltener Metalle, z.B. Silber. Dieser Prozeß ist als Seigern bekannt. Das inhomogene Erstarrungsprodukt läßt sich dadurch homogenisieren, daß man es bis kurz unter den Schmelzpunkt erwärmt (= Tempern) . Die Röntgendiagramme von Mischkristallen zeigen die gleiche Struktur wie die der einzelnen Komponenten. Ihre Gitterkonstanten liegen zwischen den Werten der Komponenten.

Uberstrukturphasen In Mischkristallen, deren Zusammensetzung (angenähert) einem einfachen stöchiometrischen Verhältnis entspricht, bildet sich bisweilen eine geordnete Verteilung der einzelnen Komponenten auf die verschiedenen Gitterplätze aus. In solchen Fällen spricht man von einer Vberstrukturphase. Ihre Existenz zeigt sich in einem sprunghaften Ansteigen der elektrischen Leitfähigkeit und Duktilität und im Röntgendiagramm durch das Auftreten zusätzlicher Interferenzlinien. Beispiele: CuAu, Cu 3Au, Al 3Ti, Al 3 Zr, FeAl, Fe 3Al.

106

Eutektische Legierungen

Eutektisc:he Legierungen sind Beispiele für Zweikomponentensyst eme ohne Mischkristall- und Verbindungsbildung. Sind die beiden Komponeqten im geschmolzenen Zustand unbegrenzt mischbar, und erfolgt beim Erstarren eine vollständige Entmischung, so erhält man ein Schmelzdiagramm, welches dem in Abb. 67 ähnlich ist. Beispiele: System Antimon-Blei, Silber-Blei, Bismut-Cadmium, Zink-Cadmium oder NH 4 Cl-Wasser.

Fp. von A

flüssige Phase (ungesättigte Lösung von A und B)

u

Fp. von B

0

c

....

(I )

:I

.

....

~

~ a. E

0

Eutektikum + A- Kristalle

~

....

( I ) Schmelze + A-Kristalle

Eutektikum

~u

( II) Schmelze+

• B-Kristalle

; '::,

B- Kristalle

1- ·-

~---'J---~---'J---~---~r----1---~0---.J.--- oo;. A 20 40 &0 80 0% _... ___ ... ___ ... ___ _. ___ .J----t----•----~----L- 100% B

100"1.

Abb. 67. Schmelzdiagramm einer Legierung A/B ohne Mischkristallund Verbindungsbildung

Erläuterung des Schmelzdiagramms von Abb. 67 Kurve G) -E zeigt die Abhängigkeit des Schmelzpunktes des Systems vom Konzentrationsverh ältnis A/B, ausgehend von 100% A. Kurve 0-E zeigt die Abhängigkeit, ausgehend von 100% B. Das Diagramm ist somit aus zwei Teildiagrammen zusammengesetzt. In jedem Kurvenpunkt herrscht Gleichgewicht zwischen flüssiger und fester Phase. Jeder Kurvenpunkt gibt die Temperatur an, bei der für das zugehörige Konzentrationsverh ältnis A/B bzw. B/A die erste Kristallausscheidun g aus der Schmelze erfolgt.

107

Aus Schmelzen der Zusammensetzung 60 - 100% A scheidet sich beim Abkühlen die reine Komponente A ab, da sonst die Schmelze für die jeweilige Temperatur übersättigt wäre. Dadurch wird die Schmelze mit der Komponente B angereichert. Aus Schmelzen der Zusammensetzung 40 - 100% B scheidet sich beim Abkühlen die reine Komponente B ab. Dadurch reichert sich die Schmelze mit der Komponente A an. Weil der Schmelzpunkt eine Funktion der Konzentration der Schmelze ist (s. Gefrierpunktserniedrigung, S. 182), sinkt die Erstarrungstemperatur auf der Kurve

G) -E

bzw. auf der Kurve

0 -E

bis zum

Punkt E hin ab. Da es sich hier nicht um ein ideales System handelt, gilt das Raoultsche Gesetz (S. 181) nur angenähert und die Kurvenzüge sind nicht gerade. Punkt E heißt eutektischer Punkt. Hier ist die Schmelze an A und B gesättigt. Bei dieser Temperatur scheiden sich gleichzeitig Kristalle von A und B in einem dichten mikrokristallinen Gemenge so lange aus, bis· alles erstarrt ist. Das vorliegende Kristallgemisch heißt

Eutektikum (=gut bearbeitbar), weil viele technisch brauchbare Legierungen eine·zusammensetzung in der Nähe des eutektischen Punktes besitzen. So hat das eutektische Gemisch des Systems Sb-Pb die Zusammensetzung: 13% Sb, 87% Pb. Das technische Hartblei besteht aus 1 5 % Sb und 85 % Pb. Im besonderen Fall einer wäßrigen Salzlösung (NH 4Cl/H 2 0) nennt man den eutektischen Punkt kryohydratischen Punkt und das Eutektikum

Kryohydrat. Die Kenntnis des eutektischen Punktes ist besonders dann von Bedeutung, wenn man den Schmelzpunkt einer Substanz herabsetzen will. Ein Beispiel hierfür ist das System

Al 2 ~/Na 3 AlF 6 , das für die elektrolytische Darstellung von Aluminium benutzt wird. Der Schmelzpunkt von Al 2 o 3 ist 2046°C. Das .eutektische Gemisch mit ~ Al 2 o 3 und

~ Na 3 AlF 6 schmilzt bei 935°C!

Im Labor und in der Technik benutzt man Eutektika auch bei Kältemischungen, Auftausalzen, bei Salzschmelzen als Heizbäder, bei "Schmelzlegierungen" als Lote und Schmelzsicherungen.

108

Mischungslücke Viel häufiger als eine unbegrenzte Mischbarkeit in geschmolzenem und festem Zustand ist der Fall, daß zwei Metalle im festen Zustand nur in einem begrenzten Bereich Mischkristalle bilden. Das Konzentrationsgebiet, in dem eine begrenzte Mischbarkeit auftritt, heißt

Mischungslücke. Ihre Größe ist stark temperaturabhängig. Beispiele mit Mischungslücken sind die Systeme Ag-Sn, Pb-Sn oder Au-Ni.

Intermetallische Verbindungen oder intermetallische Phasen Kristallarten in Legierungen, die von den Kristallen der Legierungsbestandteile und ihren Mischkristallen durch Phasengrenzen abgegrenzt sind, nennt man intermetallische Verbindungen. Da diese Substanzen vielfach keine eindeutige oder konstante stöchiometrische Zusammensetzung besitzen, bezeichnet man sie häufig auch als inter-

metallische Phasen. Zum Begriff der Phase s. S. 173. Beachte: Intermetallische Verbindungen bilden sich nicht zwischen Metallen derselben Gruppe im PSE (Tammann-Regel). Intermetallische Phasen unterscheiden sich in ihren Eigenschaften meist von ihren Bestandteilen. Sie haben einen geringeren metallischen Charakter. Daher sind sie meist spröde und besitzen ein schlechteres elektrisches Leitvermögen als die reinen Metalle. Abb. 68 zeigt das Schmelzdiagramm des Systems Magnesium-Blei. Bei 67 Gew.-% Magnesium und 33 Gew.-% Blei zeigt die Schmelzkurve ein Maximum. Der Punkt heißt dystektischer Punkt. Das Maximum der Schmelzkurve gehört zu der intermetallischen Verbindung Mg 2 Pb mit 700 Fp. von Mg -651 600

u

500 460 400

0

.!:

... L

::J

0



0.

327 "C - Fp. von Pb

300

L

E ~

Mg

t

250°C

200 20 -

40

60

80

100

Atomprozent Blei

Abb. 68. Schmelzdiagramm Magnesium-Blei.

(Nach Hofmann-Rüdorff)

109

einem Fp. von 551°C. Der dystektische Punkt liegt zwischen zwei eutektischen Punkten. Im Röntgendiagramm der erkalteten Legierung erkennt man das Vorliegen einer intermetallischen Phase am Auftreten neuer Interferenzen.

Beispiele für intermetallische Phasen a) Metallische Phasen Hume-Rothery-Phasen sind intermetallische Phasen, die in Legierungen der Elemente Cu, Ag, Au; Mn; Fe, Co, Ni, Rh, Pd, Pt mit den Elementen Be, Mg, Zn, Hg; Al, Ga, In, Tl; Si, Ge, Sn, Pb; La, Ce, Pr, Nd vorkommen. Ein schönes Beispiel für das Auftreten dieser Phasen bietet das System Cu-Zn (Messing). Abb. 69 zeigt die Stabilitätsbereiche der einzelnen - mit griechischen Buchstaben gekennzeichneten - Phasen bei Zimmertemperatur.

r

E Zweiphasengebiet

l:+'l

20 -

40

60

80

100

Gew.-%Zn

Abb. 69. Phasen und ihre Homogenitätsbereiche im System Cu-Zn bei Zimmertemperatur. Die vier hellen Zwischenräume sind Zweiphasengebiete

Beschreibung der einzelnen Phasen a-Phase: In dem kubisch-dichtesten Cu-Gitter werden Cu-Atome statistisch durch Zn-Atome ersetzt. St~uktur: kubisch-dichteste Packung. Anmerkung: kalt verformbares Hessing ist die a-Phase mit weniger als 37 Gew.-% Zn. ß-Phase: Zusammensetzung: etwa CuZn. Struktur: kubisch-raumzentriertes Gitter, in dem alle Punktlagen statistisch von Cu- und Zn-Atomen besetzt sind (CsCl-Struktur).

110

y-Phase: Zusammensetzung: etwa cu 5 zn 8 . Struktur: kompliziertes kubisches Gitter mit ~Atomen in der Elementarzelle. Im Gegensatz zur ß- und E-Phase ist die y-Phase hart und brüchig und besitzt einen höheren elektrischen Widerstand. E-Phase: Zusammensetzung: etwa Cuzn 3 . Struktur: hexagonal-dichteste Kugelpackung. n-Phase: In dem hexagonal-dichtesten Zn-Gitter kann etwas Kupfer (bis 2 %) unter t4ischkristallbildung gelöst sein. Beachte: Die Phasenbreite der Hume-Rothery-Phasen ist relativ groß. Die gleiche Reihenfolge der Phasen wird - bei anderen Zusammensetzungen - auch bei anderen Systemen beobachtet. Der Grund hierfür ist eine als Hume-Rothery-Regel bekannt gewordene Beobachtung, wonach. das Auftreten der einzelnen Phasen mit einem ganz bestimmten Verhältnis zwischen der Zahl der Valenzelektronen und der Zahl der Atome verknüpft ist. Diese Regel ist allerdings nicht streng gültig. Günstige Voraussetzungen für das Auftreten von Hume-Rothery-Phasen liegen vor, wenn sich beide Metalle bei verschiedener Kristallstruktur in den Atomabständen um nicht mehr als 15 % unterscheiden und das niedrigerwertige Metall. in einer kubisch-dichtesten Packung kristallisieren kann.

Tabelle 14. Beispiele zur Hume-Rothery-Regel Phase ß-Phase kubisch raumzentriert

CuZn, AgCd cozn 3 Cu 3Al FeAl cu 5sn

Valenzelektronen

Atome

+ 2

2 4 4 2 6

3 3 3 3 3

13 26 13 39

21 21 21 21

0 + 2 • 3

3' + 3 0 + 3

5 + 4

y-Phase 52 Atome in der Zelle

cu 5 zn 8 , Ag 5cd 8 5 Fe 5 zn 21 0 cu 9Al 4 9 cu 31 sn 8 31

E-Phase hexagonal dichteste Kugelpackung

cuzn 3 , Agcd 3 Ag 5Al 3 cu 3sn

+ 2 8 + 2 • 21 + 3 • 4 + 4 •8

1 '+ 2 3 5 + 3 • 3 3 + 4

Verhältnis 2 2 2 2 2

(=

21

14)

(=

21

12)

13 13 13 13

4

7

4

8

7

4

4

'7

4

111

Die Elemente der VIIrb-Gruppe des PSE (und La, Ce, Pr, Nd) bekommen formal die Elektronenzahl Null. Laves-Phasen haben die Zusammensetzung AB 2 . Ausschlaggebend für ihre Existenz ist das Radienverhältnis mit einem Idealwert - bei kugeligen Bausteinen- von 1,225. Die Zahl der Valenzelektronen beeinflußt die Struktur. Möglich sind drei verwandte Kristallstrukturen: ~2

(kubisch)

~2

(hexagonal)

~2

(hexagonal)

Beispiele: CaA1 2 , zrv 2 , AgBe 2 , KBi 2 Beispiele: KNa 2 , BaMg 2 , CdCu 2 , MgZn 2 , TiFe 2 Beispiele: MgNi 2 , TiCo 2 , ZrFe 2

Die Struktur dieser Phasen gleicht zwei ineinandergestellten Metallgittern. Die A-A-Abstände und die B-E-Abstände sind jeweils für sich kleiner als die .A-B-Abstände. Die KoZ der A-Atome im A-Gitter ist 4 und die KoZ der B-Atome im B-Gitter ist 6. Jedes A-Atom hat zusätzlich 12 B-Atome und jedes B-Atom zusätzlich 6 A-Atome als Nachbarn. Die Raumerfüllung der dichten Kugelpackung, die sich hierbei ergibt, liegt zwischen der hexagonal-dichtesten Packung und der des kubischraumzentrierten Gitters. b) Halbmetallische Phasen ZintL-Phasen besitzen einen beträchtlichen ionischen Bindungsanteil (z.B. die Phasen NaTl, Nain, LiAl, LiGa; Mg 2 Si, Mg 2 Sn; LiAg, LiTl, MgTl, MgAg. Bei normaler Temperatur sind sie elektrische Isolatoren. Sie lösen sich bis zu einem gewissen Grad in wasserfreiem flüssigen Ammoniak, und die Lösungen zeigen Ionenleitfähigkeit. Struktur: NaTl-Gitter. Die Tl- und Na-Atome bilden für sich jeweils ein Diamantgitter. Das edlere Metall bestimmt den Gitteraufbau. Das unedlere ist kleiner und sitzt in den Lücken. Man nimmt einen Ubergang zur ionischen Bindung an: Na$Tl 6

(Natriumthallid-Struktur).

Beachte: Wird einer gegebenen Struktur eine gleiche Struktur mit

anderen Atomen überlagert, spricht man von einer Uberstruktur. ~ 2 -Gitter: .rn diesem Gitter kristallisieren Mg 2Si, Mg 2sn. Die Mg-Atome besetzen hierbei die Positionen der F 6 -ronen und die Si-

bzw. Sn-Atome die Positionen der Ca-Ionen (= Antifluorit-Gitter, s. Abb. 33). CsCl-Gitter: Bei diesen Phasen ist das Verhältnis·zwischen der Zahl der Valenzelektronen und der Zahl der Atome 3 : 2. Beispiel: LiAg. Zintl-Phasen haben eine stöchiometrische Zusammensetzung bzw. eine geringe Phasenbreite.

112

NiakeZarsenid-Phasen sind ebenfalls Phasen mit einem ionischen Bindungsanteil. Sie bilden sich bei der Kombination von Ubergangselernenten mit den Elementen Sn, As, Sb, Bi, Te, Se oder S. Beispiele: CuSn, FeSn, FeSb, FeSe, Co 3sn 2 , NiAs, NiBi,. CrSb, AuSn. Die NiAsStruktur wurde auf s. 75 besprochen.

Fe-e-system zu den wichtigsten Legierungen gehören die Eisen-Kohlenstoff-Legierungen wegen ihrer Bedeutung für die Eigenschaften des teahnisahen Eisens. In den erstarrten Legierungen lassen sich eine ganze Reihe von Bestandteilen unterscheiden. Die wichtigsten sind: -Ferrit= reines a-Fe (kubisch raurnzentriert, ferromagnetisch). - Graphit - Zementit, Fe 3 ~ Graue orthorhornbische Kristalle, etwa 270rnal härter als reines Eisen, spröde, schwer schmelzbar. Die Fe-Atome bilden Prismen, in deren Mittelpunkten die c-Atorne sitzen. - Austenit ist eine feste Lösung von Kohlenstoff in y-Fe, die nur bei hoher Temperatur beständig ist. In den Zentren und Kantenmitten der Elementarwürfel des y-Fe (kubisch flächenzentriert) werden statistisch C-Atorne eingebaut. Stabil ist das Gitter nur, wenn "lediglich ein Bruchteil der Gitterplätze durch C-Atorne besetzt sind (0- 8 % C) • - Marten'sit entsteht als (metastabiles) Umwandlungsprodukt von Austenit beim schnellen Abkühlen (Abschrecken, Härten). Es ist eine übersättigte feste Lösung von Kohlenstoff in a-Fe. Das Gitter enthält Spannungen. Durch langsames Erwärmen ("Anlassen" des Stahls) werden die Spannungen beseitigt; es entstehen teilweise Zementit und Ferrit. Die Härte und Sprödigkeit nimmt ab. - Ledeburit ist ein eutektisches Gernenge von Zementit und Austenit. - Perlit ist ein eutektisches Gernenge von Zementit und Ferrit. Beachte: Roheisen ist wegen seines C-Gehalts (bis 4 %) spröde und erweicht beim Erhitzen plötzlich. Es ist weder schmiedbar noch schweißbar.

113

Stahl (schmiedbares Eisen) hat einen C-Gehalt von 0,5- 1, 7 %. Der Kohlenstoff-Gehalt ist erforderlich, um Stahl härten zu können. Bei einem C-Gehalt < 0,5 % erhält man nichthärtbaren Stahl

= Schmiede-

eisen. Beim "Härten" erhitzt man Eisen mit einem C-Gehal t von 0, 5- 1, 7 % (= Perlit)

auf ca. 800°C. Durch das Erhitzen entsteht Austenit.

Beim "Abschrecken" erfolgt teilweise Umwandlung von y-Fe in a-Fe und Bildung einer metastabilen Phase = Martensit. Erhitzen ("Anlassen") von gehärtetem Stahl auf verschiedene Temperaturen ergibt Zwischenzustände mit bestimmter Härte und Zähigkeit ("Vergüten"). Wichtige Stahllegierungen enthalten noch Zusätze (zulegiert): V2A-Stahl (Nirosta): 71 %Fe, 20% Cr, 8% Ni, 0,2% Si, C, Mn. Schnelldrehstahl: 15-18 % W, 2-5 % Cr, 1-3 %V.

t

1600°

A

.

Schmelze

(.)

Schmelze +Zementit

._

E ._

1200°

.

1000°

...a." E

1-

Zementit + Ledeburit

Austenit

+ Ledeburit

Perlit +Zementit

Ferrit +Perlit 400°

~--~---;-L----~--~~--~

0

1 0,9

2

1!.

3

4

4,2

5%C

Kohlenstoffgehalt -

Abb. 70. Zustandsdiagramm von Eisen-Kohlenstoff-Legierungen (vereinfacht). E und D sind eutektische Punkte. Bei 768°C (Curie-Temperatur) wird a-Fe paramagnetisch

114

5.4. Zwischenmolekulare Bindungskräfte Voraussetzung für das Zustandekommen zwischenmolekularer Bindungskräfte ist eine Ladungsasymmetrie (elektrischer Dipol). Dipol-Dipol-Wechselwirkungen treten zwischen kovalenten Molekülen mit einem Dipolmoment auf. Die resultierenden Bindungsenergien betragen 4 bis 25 kJ · mol- 1 . Sie sind stark temperaturabhängig: Steigende Temperatur verursacht eine größere Molekülbewegung und somit größere Abweichungen von der optimalen Orientierung. Dipol-Dipol-Anziehungskräfte wirken in Flüssigkeiten und Feststoffen. Ihre Auswirkungen zeigen sich in der Erhöhung von Siedepunkten und/oder Schmelzpunkten. Von Bedeutung sind diese Kräfte auch beim Lösen polarer Flüssigkeiten ineinander. Ein Beispiel ist die unbegrenzte Löslichkeit von Ethanol in Wasser und umgekehrt.

Wasserstoffbrückenbindungen Dipolmoleküle können sich Zusammenlagern (assoziieren) und dadurch größere Molekülverbände bilden. Kommen hierbei positiv polarisierte Wasserstoffatome zwischen zwei negativ polarisierte F-, 0- oder N~ zu liegen, bilden sich sog. Wasserstoffbrückenbindungen aus. Beispiel: Fluorwasserstoff, HF.

eS- eS+

eS- eS+

F-H· .. ·F-H;

............

Wasserstoffbrückenbindung

Bei Zimmertemperatur liegt (HF) 3 vor. Ab 90°C existieren einzelne HF-Moleküle: Dissoziation, n ·HF (n Assoziation

2 bis 8 und höher).

Wasser und Ammoniak sind weitere Beispiele für Moleküle mit starken Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den Molekülen (intermolekulare Wasserstoffbrückenbindungen).

Ein Wassermolekül kann an bis zu vier Wasserstoffbrückenbindungen beteiligt sein: im flüssigen Wasser sind eine bis drei, im Eis

115

drei bis vier. Auch das viel größere CH 3 COOH-Molekül (Essigsäure) liegt z.B. noch im Dampfzustand dimer vor. Wasserstoffbrückenbindungen· sind im wesentlichen elektrostatischer Natur. Sie besitzen ungefähr 5 bis 10 % der Stärke ionischer Bindungen, d.h. die Bindungsenergie liegt zwischen 8 und 42 kJ. mol- 1 • Wasserstoffbrückenbindungen bedingen in Flüssigkeiten (z.B. Wasser) und Festkörpern (z.B. Eis) eine gewisse Fernordnung (Struktur). Sie beeinflussen die Eigenschaften vieler biochemisch wichtiger Moleküle, s. hierzu HT 211. Verbindungen mit Wasserstoffbrückenbindungen haben einige ungewöhnliche Eigenschaften: sie besitzen hohe Siedepunkte (Kp. von Wasser 100°C, im Gegensatz dazu ist der Kp. von CH 4 = -161,4°C), hohe

=

Schmelzpunkte, Verdampfungswärmen, Schmelzwärmen, Viscositäten, und sie zeigen eine besonders ausgeprägte gegenseitige Löslichkeit; s. auch HT 211. Wasserstoffbrückenbindungen können sich, falls die Voraussetzungen gegeben sind, auch innerhalb eines Moleküls ausbilden (intramolekulare Wasserstoffbindungen). Beispiel:

Dipol-Induzierte Dipol-Wechselwirkungen entstehen, wenn Molekülen ohne Dipolmoment wie H2 , c1 2 , o2 , CH 4 durch Annäherung eines Dipols (z.B. H2 0) eine Ladungsasymmetrie aufgezwungen wird (induziertes Dipolmoment). Zwischen Dipol und induziertem Dipol wirken Anziehungskräfte, deren Energie zwischen 0,8 und 8,5 kJ · mol- 1 liegt. Die Größe des induzierten Dipols und als Folge davon die Stärke der Anziehung ist abhängig von der Polarisierbarkeit des unpolaren Teilchens. Die Polarisierbarkeit a ist ein Maß für die Verschiebbarkeit der Elektronenwolke eines Teilchens (geladen oder ungeladen) in einem elektrischen Feld der Stärke F. Durch das Feld wird ein Dipolmoment v induziert, für das gilt: v = a • F. Die Polarisierbarkeit ist eine stoffspezifische Konstante. Moleküle mit großen, ausgedehnten Ladungswolken sind leichter und stärker polarisierbar als solche mit kleinen kompakten. Als Beispiel für das Wirken Dipol-Induzierter Dipol-Kräfte kann die Löslichkeit von unpolaren Gasen wie H2 , o 2 usw. in Wasser dienen.

116

Ionen-Dipol-Wechselwirkungen sind sehr starke Anziehungskräfte. Die freiwerdende Energie liegt in der Größenordnung von 40 bis 680 kJ · mol- 1 • Ionen-Dipol-Kräfte wirken vor allem beim Lösen von 'Salzen in polaren Lösungsmitteln. Die Auflösung von Salzen in Wasser und die damit zusammenhängenden Erscheinungen werden auf s. 173 ausführlich behandelt.

Van der Waalssche Bindung (van der Waals-Kräfte, Dispersionskräfte) Van der Waals-Kräfte nennt man zwischenmolekulare "Nahbereichskräfte". Sie beruhen ebenfalls auf dem Coulombsehen Gesetz. Da die Ladungsunterschiede relativ klein sind, ergeben sich verhältnismäßig schwache Bindungen mit einer Bindungsenergie zwischen 0,08 - 42 kJ • mol- 1 • Die Stärke der Bindung ist stark abhängig von der Polarisierbarkeit der Atome und Moleküle. Für die potentielle Energie (U) gilt in Abhängigkeit vom Abstand (r) zwischen den Teilchen:

Demzufolge ist die Reichweite der Van der Waals-Kräfte sehr klein. Van der Waals-Kräfte wirken grundsätzlich zwischen allen Atomen, Ionen und Molekülen, auch wenn sie ungeladen und unpolar sind. In den Kohlenwasserstoffen zum Beispiel ist die Ladungsverteilung im zeitlichen Mittel symmetrisch. Die Elektronen bewegen sich jedoch ständig. Hierdurch kommt es zu Abweichungen von der Durchschnittsverteilung und zur Ausbildung eines kurzlebigen Dipols. Dieser induziert im Nachbarmolekül einen weiteren Dipol, so daß sich schließlich die Moleküle gegenseitig anziehen, obwohl die induzierten Dipole ständig wechseln. Van der Waals-Kräfte sind auch dafür verantwortlich, daß inerte Gase wie z.B. Edelgase (He: Kp. -269°C, oder CH 4 : Kp. -161,4°C) verflüssigt werden können. Folgen der van der Waals-Bindung sind z.B. die Zunahme der Schmelzund Siedepunkte der Alkane mit zunehmender Molekülgröße (s. HT 211) die Bindung von Phospholipiden (s. HT 211) an Proteine (Lipoproteine in Membranen) und die hydrophoben Wechselwirkungen im Innern von Proteinmolekülen (s. HT 211). Die Kohlenwasserstoffketten kommen dabei einander so nahe, daß Wassermoleküle aus dem Zwischenbereich herausgedrängt werden. Dabei spielen Entropieeffekte (s. s. 252)

117

eine wichtige Rolle: Hydrophobe Gruppen stören infolge ihrer "Unverträglichkeit" mit hydrophilen Gruppen die durch Wasserstoffbrückenbindungen festgelegte Struktur des.Wassers. Die Entropie S des Systems nimmt zu und damit die Freie Enthalpie G ab, d.h. die Assoziation der Molekülketten wird stabilisiert. Zu s und G s. s. 254.

6. Komplexverbindungen Bindungen in Komplexen

Komplexverbindungen, Koordinationsverbindungen oder kurz Komplexe heißen Verbindungen, die ein Zentralteilchen (Atom, Ion) enthalten, das von sog. Liganden (Ionen, neutrale Moleküle) umgeben ist. Die Zahl der Liganden ist dabei größer als die Zahl der Bindungspartner, die man für das Zentralteilchen entsprechend seiner Ladung und Stellung im PSE erwartet. Durch die Komplexbildung verlieren die Komplexbausteine ihre spezifischen Eigenschaften. So kann man z.B. in der Komplexverbindung K3 [Fe(CN) 6 J weder die Fe 3e-Ionen noch die CN 9 -Ionen qualitativ nachweisen. Erst nach der Zerstörung des Komplexes, z.B. durch Kochen mit Schwefelsäure, ist es möglich. Diese Eigenschaft unterscheidet sie von den Doppelsalzen (Beispiel: Alaune, M(I)M(III) (S0 4 ) 2 • 12 H2o, s. s. 313). Bisweilen besitzen Komplexe charakteristische Farben. Die Zahl der Liganden, die das Zentralteilchen umgeben, ist die Koordinationszahl (KoZ oder KZ). Die Position, die ein Ligand in einem Komplex einnehmen kann, heißt Koordinationsstelle. Konfiguration nennt man die räumliche Anordnung der Atome in einer Verbindung. Zentralteilchen sind meist Metalle und Metallionen. Liganden können eine Vielzahl von Ionen und Molekülen sein, die einsame Elektronenpaare zur Verfügung stellen können. Besetzt ein Ligand eine Koordinationsstelle, so heißt er einzähnig, besetzt er mehrere Koordinationsstellen am gleichen Zentralteilchen, so spricht man von einem mehrzähnigen Liganden oder Chelat-Liganden. Die zugehörigen Komplexe nennt man Chelatkomplexe. Wenn zwei Zentralteilchen über Liganden verbrückt sind, spricht man von mehrkernigen Komplexen. Abb. 71 zeigt einen zweikernigen Komplex. Brückenliganden sind meistens einzähnige Liganden, die geeignete einsame Elektronenpaare besitzen. Tabelle 15 enthält eine Auswahl ein- und mehrzähniger Liganden.

119

Tabelle 15 Einzähnige Liganden eeEI 10.01 I ICENI

N02

I

e"" I lN=9,

I

e INH3, INR3' c~-CeN

I

.§.R2' OHe, H2g;

I

ROH

Rco 2 e , F e , Cl e , Br e , I e .Mehrzähnige ·Liganden (Chelat-Liganden)

-

Zweizähnige Liganden

e 0/ I

'-e 0 I

c-c II

0

II

'

/ 2 CH 2 cHiiH 2 NH

0

Oxalat-Ion

~zähniger

Ethylendiamin(en) Ligand

Diethylentriamin(dien)

~zähniger

Ligand

Anion der Ethylendiamintriessigsäure

Diacetyldioxim

AcetylacetonatIon(acace) ~zähniger

2,2'-Dipyridyl (dipy)

Ligand

Anion der Nitriletriessigsäure

-

Sechszähniger Ligand

Anion der Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA)

Die Pfeile deuten die freien Elektronenpaare an, die die Koordinationsstellen besetzen.

120

Als größere selektive Chelatliganden finden neuerdings Kronenether (macrocyclische Ether) und davon abgeleitete Substanzen Verwendung. Mit ihnen lassen sich auch Alkali- und Erdalkali-Ionen komplexieren. Ein Beispiel zeigt Abb. 73. Chelateffekt Komplexe mit Chelatliganden sind im allgemeinen stabiler als solche mit einzähnigen Liganden. Besonders stabil sind Komplexe, in denen fünfgliedrige Ringsysteme mit Chelatliganden gebildet werden. Diese Erscheinung ist als Chelateffekt bekannt. Erklärt wird der Effekt mit einer Entropiezunahme des Systems (Komplex und Umgebung) bei der Substitution von einzähnigen Liganden durch Chelatliganden. Es ist nämlich wahrscheinlicher, daß z.B. ein Chelatligand, der bereits eine Koordinationsstelle besetzt, auch eine weitere besetzt, als daß ein einzähniger Ligand (z.B. H2 o) von einem anderen einzähnigen Liganden (z.B. NH 3 ) aus der Lösung ersetzt wird. über Entropie s.

s.

252.

Beispiele für Komplexe Beachte: Je nach der Summe der Ladungen von Zentralteilchen und Liganden sind die Komplexe entweder neutral oder geladen (Komplex-

Kation bzw. Komplex-Anion). Komplex-Ionen werden in eckige Klammern gesetzt. Die Ladung wird rechts oben an der Klammer angegeben. Man kennt auch hydrophile Komplexe (Beispiele: Aquo-Komplexe, Ammin-Komplexe) und lipophile Komplexe (Beispiel: einkernige Carbonyle, Sandwich-Verbindungen). Benutzt man zur Beschreibung der räumlichen Verhältnisse in Komplexen das von Pauling auf der Grundlage der VB-Theorie entwickelte Konzept der Hybridisierung, s. s. 82, kann man für jede räumliche Konfiguration die zugehörigen Hybrid-Orbitale am Zentralteilchen konstruieren, s. s. 89. In Abb. 71 und 72 sind die Hybrid-OrbitalTypen jeweils in Klammern gesetzt.

(vier dsp 2 -Hybrid-Orbitale, Quadrat)

Abb. 71. Beispiel für einen quadratischen Komplex

121

Ni (C0)4

(zwei sp-Hybridorbitale, lineare Anordnung)

(vier sp 3-Hybridorbitale, Tetraeder)

(vier dsp 2 -Hybridorbitale, Quadrat)

0

c

-~

-----~0 .. ~/ -~

oc::::~~- Fe~j ·-t....... _·-·-co.: c 0

Fe(C0) 5

(vier dsp 2-Hybridorbitale, Quadrat)

(sechs d 2 sp 3-Hybridorbitale, Oktaeder)

(fünf dsp 3-Hybridorbitale, trigonale Bipyramide)

Abb. 72. Beispiele für Komplexe mit einzähnigen Liganden und verschiedener Koordinationszahl

[Cu(dipy)2]e = Cu(I)-Bis(2,2'Dipyridyl)Komplexion Abb. 73 (a). Beispiele für Chelatkomplexe

122

[ 18] Krone-6 (1,4,7,10,13,16-

[Kronenether-K]e + p 9 (Dieses Salz ist in CHC1 3 löslich)

Hexaoxacyclooc~adecan)

Schmp. 39 - 40

C

Abb. 73 (bl. Beispiele für Chelatkomplexe !T-Komplexe Es gibt auch eine Vielzahl von Komplexverbindungen mit organischen Liganden wie Olefinen, Acetylenen und aromatischen Molekülen, die über ihr 1T-Elektronensystem an das Zentralteilchen gebunden sind. Beispiel: FePPocen, Fe(C 5H5 ) 2 , wurde 1951 als erster Vertreter einer großen Substanzkla.sse entdeckt. Es entsteht z.B. aus Cyclopentadien mit Fe(C0) 5 oder nach folgender Gleichung: FeC1 2 + 2 c 5H5MgBr---+ Fe(C 5H5 ) 2 • Wegen ihrer Struktur nennt man solche Verbindungen auch "Sandwich-Verbindungen".

Abb. 7•4. Bis (n-cyclopentadienyl)-eisen(II) Fe(c 5 H5 J 2

Abb. 75. Dibenzolchrom Cr(C 6H6 ) 2

Abb. 76. Dichlorodicyclopentadienplatin-Komplex

Dibenzolchrom entsteht durch eine Friedel-Crafts-Reaktion mit nach-

folgender Reduktion (s. auch HT 211):

123

s

0 2e 2 4

Es bildet dunkelbraune, diamagnetische Kristalle. Bei ca. 300°c erfolgt Zersetzung in Chrom und Benzol. Großtechnische Anwendung finden n-Komplexe als Ziegler-Natta-Katalysatoren für Polymerisationen (s. HT 211). Charge-transfer-Komplexe Charge-transfer-Komplexe (CT-Komplexe) sind Elektronen-Donor-Acceptor-Komplexe, bei denen negative Ladungen reversibel von einem Donor-Molekül zu einem Acceptormolekül übergehen. Beispiele sind Molekülverbindungen aus polycyclischen Aromaten und Iod, aus Halogenen oder Halogenverbindungen mit Pyridin, Dioxan u.a. Bei Energiezufuhr gehen die Addukte in einen elektronisch angeregten Zustand über, der ionische Anteile enthält (= Charge-transfer-Ubergang) • Da die Ubergänge häufig im sichtbaren Wellenbereich des Lichtspektrums liegen, erscheinen die Substanzen häufig farbig.

Carbonyle Komplexe von Metallen mit Kohlenmonoxid, CO, als Ligand nennt man

Carbonyle. Sie haben in der reinen und angewandten Chemie in den letzten Jahren großes Interesse gefunden. Man benutzt sie z.B. zur Darstellung reiner Metalle.

Darstellung In der Technik: Durch Reaktion der feinverteilten Metalle mit CO in einer Hochdrucksynthese. Im Labor erhält man sie oft durch Reduktion von Metallsalzen in Anwesenheit von CO. Beispiele:

Ni + 4 CO

~

Fe + 5 CO

2oo 0

c 100 bar

Na+ CO Oso 4 + 9 CO

Ni (CO) 4 Fe(CO)s

Mo(C0) 6 1oo0 c so bar

Os(CO)s + 4 co2

124

Eigensahaften Die einkernigen Carbonyle wie Ni(C0) 4 sind flüchtige Substanzen,

leichtentzündlich und giftig. Mehrkernige Carbonyle, welche mehrere Metallatome besitzen, sind leicht zersetzlieh und schwerlöslich in organischen Lösungsmitteln. Weitere Eigenschaften kann man der nachfolgenden Tabelle entnehmen. Tabelle 16. Beispiele für Carbonyle

Einkernige Carbonyle

Ru(C0) 5.;_ Fe(C0) 5.;_

Farblose Flüssigkeit, Fp. -25°c, Kp. 43°C; Bau: tetraedrisch. Eigenschaften: sehr giftig, entzündlich, zersetzt sich leicht zu Metall und CO Farblose Flüssigkeit, Fp. -22°C; Bau: trigonale Bipyramide; sehr flüchtig Gelbe Flüssigkeit, Fp. -20°C, Kp. 103°C; Bau: trigonale Bipyramide. Bestrahlung mit UV-Licht gibt Fe 2 (co) 9

Cr (CO) 6.!. Mo(CO) 6.!. W(C0)6.;_

Farblose Kristalle, sublimieren im Vakuum; oktaedrischer Bau; luftbeständig; Zersetzung: 180- 200°C

V(CO) 6.:_

Dunkelgrüne Kristalle; Zersetzungspunkt: 70°C; sublimiert im Vakuum; oktaedrisch gebaut; paramagnetisch; 35 Elektronen!

Mehrkernige Carbonyle

Co 2 (C0) 8 .;_

Gelbe Kristalle, Fp. 151°C; an der Luft langsame Oxidation Bronzefarbige Blättchen; Zersetzungspunkt 100°C; nichtflüchtig; fast unlöslich in organischen Lösungsmitteln Dunkelgrüne Kristalle; Zersetzung oberhalb 140°C; mäßig löslich Orangefarbige Kristalle, Fp. 51°C; luftempfindlich

Co 4 (CO) 12 .;_

Schwarze Kristalle; Zersetzung ab 60°c

Os 3 (C0) 12 .;_

hellgelbe Kristalle, Fp. 224°C

Mn2 (CO) 10!..

Fe 2 (CO) gl. Fe 3 (CO) 12 .;__

Reaktionen von Carbonylen Substitutionsreaktionen ermöglichen die Darstellung anderer Metallkomplexe. Geeignete Liganden sind z.B. RNC, PX 3 , PR 3 , NR 3 , NO, N2 , SR 2 , OR 2 . Beispiele: Ni(C0) 4

+

IC=N-CH 3 --+ Ni(CO) (CNCH 3 ) 3 (Ni-monocarbonyltris(methylisonitril))

125

-

Ni(PX 3 ) 4 (Beispiel für einen Phosphantrihalogenid-Komplex)

--+ 2 Fe(N0) 2 (C0) 2 (Beispiel für Metallnitrosylcarbonyle) (Das NO gibt das 1n*-Elektron (s. s. 337) an das Metall ab: + NO --+ z6 + NOe. Das NO$ geht dann mit dem Metallion z6

z

eine a-Donor-n-Acceptor-Bindung ein, vgl. Bindung in Carbonylen. Das NO gibt also drei Elektronen an das Metall ab (= Dreielektronenligand).)

Oxidationsreaktionen mit Halogenen führen zu Metallcarbonylhalogeniden. Aus diesen lassen sich Metallcarbonyl-Kationen darstellen: (X= Cl, Br, I)

Reduktionsreaktionen sind ein Syntheseweg für Carbonylmetallate mit Metallcarbonyl-Anionen, welche mit Säuren zu Carbonyl~asserstoffen weiterreagieren: (OC)nM-M(CO)n + 2 Na --+ 2 Na[M(CO)n] 'mit M

Mn, Re, Fe, Ru, Os, Co, Rh, Ir

oder

2 H3P04 [Fe(COJ 4 l e ~ H2Fe(C0) 4 . li 2Fe(C0) 4 ist eine gelbe Flüssigkeit bzw. ein farbloses Gas. Fp. -70°C; Zersetzung ab -10°C; schwache Säure. Metall-Wasserstoff-Bindungen enthalten auch die Hydrido-carbonylmetallate, z.B. [HFe(Co) 4 ] 6 • Additionsreaktionen mit Nucleophilen (s. HT 211) Carbonylen möglich. Beispiel: (CO) 5cr (CO) + ICH 3e -

..,..,o [ (CO) 5cr-C...._CH

3

sind ebenfalls mit

Je ...;,..:;:... en > NH 3 > SCN 9 > H 2o "' C2o 4 2e > Fe > OH9 > Cl 9 > Br 9 > I 9 •

Die Verhältnisse 3/5 : 2/5 bzw. 6 Dq : 4 Dq in Abb. 86 ergeben sich aus einer Forderung der Quantenmechanik, wonach z.B. in einem oktaedrischen Feld die 4 eg-Elektronen die gleiche Energie besitzen müssen wie die 6 t 2 g-Elektronen. Sind die eg- und t 2g-zustände vollbesetzt, ist die Energiedifferenz zwischen diesem System und dem System der vollbesetzten fünf entarteten Zustände im isolierten Teilchen gleich Null. Denn es gilt: + 4 • 6 Dq - 6 • 4 Dq = o. Für andere Polyeder sind die Verhältnisse analog.

140

I 2) tetraedrisches Feld

Abb. 86a. Aufspaltung der fünf entarteten d-Orbitale in einem (1) oktaedrischen und (2) tetraedrischen Feld

. ..

Cl .... c

UJ

( 1) oktraedrisches. Feld

I 2)

( 3) planar.quadratisches Feld

Abb. 86b. Aufspaltung in einem oktaedrischen (1), tetragonalen (=quadratische Bipyramide) (2) und planar-quadratischen Feld (3). Beachte: Das dz 2 kann in (3) zwischen dxy und den Orbitalen dxz und dyz liegen; es kann aber auch so weit abgesenkt werden, daß es unter diesen entarteten Orbitalen liegt

141

Bei nicht voller Besetzung der Orbitale ergeben sich jedoch zwischen beiden Systemen Energieunterschiede. Diese heißen Kristallfeld-Stabilisierungsenergie (CFSE) oder Ligandenfeld-Stabilisierungsenergie

(LFSE) . Da diese Energie beim Aufbau eines Komplexes zusätzlich zur Coulomb-Energie frei wird, sind Komplexe mit Zentralteilchen mit 1 bis 9 d-Elektronen um den Betrag dieser Energie stabiler.

Bei dem Komplexkation [Ti(H 2 o)

6 ] 3~

mit d 1 besetzt das Elektron einen

t 2 g-Zustand. Die CFSE beträgt 2/5 ~ 0 = 4 Dq, wofür experimentell etwa 96 kJ • mol- 1 gefunden wurden. Um diesen Energiebetrag ist das [Ti(H 2 ~) 6 ] 3 ~-Kation stabiler als z.B. das Kation [Sc(H 2 o) 6 ] 3 ~, welches kein d-Elektron besitzt.

Besetzung der eg- und t 2 g-Orbitale Für die Besetzung der eg- und t 2 g-Orbitale mit Elektronen gelten im oktaedrischen Feld folgende Regeln:

G)

Bei den Elektronenzahlen 1, 2, 3, 8, 9 und 10 werden die Orbi-

tale wie üblich in der Reihenfolge zunehmender Energie unter Beachtung der Hundsehen Regel besetzt. Es gibt jeweils nur einen energieärmsten Zustand.

(D

Bei der Besetzung der Orbitale mit 4, 5, 6 und 7 Elektronen wer-

den die Fälle a und b unterschieden. Fall a: Die Aufspaltungsenergie energie ESpin'

~

ist größer als die Spinpaarungs-

~ > ESpin"

Besetzungsregel: Die Orbitale werden - wie üblich - in der Reihenfolge zunehmender Energie unter Beachtung der Hundsehen Regel besetzt. Es resultiert eine Orbitalbesetzung mit einer minimalen Zahl ungepaarter Elektronen = "low spin configuration". Beispiele für low-spin-Komplexe sind: [Fe(CN) 6 J 3 e, [Co(NH 3 ) 6 ] 2 e. Fall b: Die Aufspaltungsenergie energie:

~


Purin

Heterocyclen werden (meist) weiter nach der Zahl der Ringglieder und der Heteroatome eingeteilt.

2.2 Grundbegriffe organisch-chemischer Reaktionen Man unterscheidet Reaktionen zwischen ionischen Substanzen und solchen mit kovalenter Bindung.

2.2.1

Reaktionen zwischen ionischen Substanzen

Hier tritt ein Austausch geladener Komponenten ein. Ursachen für die Bildung der neuen Substanzen sind z.B. Unterschiede in der Löslichkeit, Packungsdichte, Gitterenergie oder Entropie. Allgemeines Schema:

1.

(A"'Ba)

2.

(C"'Da)

fest fest

Lösungsmi ttel• Lösungsmittel

"'

e Asolvatisiert + Bsolvatisiert

"'

.. Da csolvatisiert + solvat1s1ert

+ (Bec•) ~ (A"'Da) + Da + c"' + B6 3. A"' fest fest solv. solv. solv. solv. + Lösungsmittel

Manchmal fällt auch nur ein schwerlösliches Reaktionsprodukt aus.

23

2.2.2 Reaktionen von Substanzen mit kovalenter Bindung Werden durch chemische Reaktionen aus kovalenten Ausgangsstoffen neue Elementkombinationen gebildet, so müssen zuvor die Bindungen zwischen den Komponenten der Ausgangsstoffe gelöst werden, z.B.

G)

A-B ~A· + B•

Bei dieser homolytischen Spaltung erhält jedes Atom ein Elektron. Es entstehen sehr reaktionsfähige Gebilde, die ihre Reaktivität dem ungepaarten Elektron verdanken und die Radikale heißen.

Bei der heterolytischen Spaltung entstehen ein positives Ion (Kation) und ein negatives Ion ~- AJ 6 bzw. BJ 9 haben ein freies Elektronenpaar und heißen Nucleophile (kernsuchend"). A• bzw. B• haben Elektronenmangel und werden Elektrophile ("elektronensuchend") genannt. Die heterolytische Spaltung ist ein Grenzfall. Meist treten nämlich keine isolierten (isolierbaren) Ionen auf, sondern die Bindungen sind nur mehr oder weniger stark polarisiert, d.h. die Bindungspartner haben eine mehr oder minder große Partialladung (s. unten!).

G)

Bei den elektrocyclischen Reaktionen, die in~molekular (=innerin~molekular (= zwischen zwei oder meh-

halb desselben Moleküls) oder

reren Molekülen) ablaufen können, werden Bindungen gleichzeitig gespalten und neu ausgebildet. Man kann sich diese Reaktionen als cyclische Elektronenverlagerungen vorstellen, bei denen gleichzeitig mehrere Bindungen verschoben werden:

A

I

9

+

C

I

0

[A··-···-C] ~--·····-b

A--c +

B-C

Zusammenfassung der Begriffe mit Beispielen Kation: positiv geladenes Ion; Ion• Anion:

negativ geladenes Ion; Ion 6

Elektrophil: Ion oder Molekül mit einer Elektronenlücke (sucht Elektronen), wie Säuren, Kationen, Halogene, z.B. H•, No 2 •, No•, BF 3 , A1Cl 3 , FeC1 3 , Br 2 (als Br•), nicht aber NH 4 •t

24

NucZeophiZ: Ion oder Molekül mit Elektronen-"Uberschuß" (sucht Kern), wie Basen, Anionen, Verbindungen mit mindestens einem freien Elektro""e, RQ -Je, R2 -Je, Hal e , H Q, nenpaar, z.B. H~ R2Q, R 3-N, R 2-2, aber auch 2 Alkene und Aromaten mit ihrem rr-Elektronensystem: R2 C=CR 2

Radikal: Atom oder Molekül mit einem oder mehreren ungepaarten Elektronen wie Cl·, Br•, I·, R-Q·, R~-Q·,

o2

(Diradikal)

0

EPZäutePungen zu den BegPiffen EZektPophiZ und NucZeophiZ Säuren sind Elektrophile, Basen dagegen Nucleophile. Folgendes Schema verdeutlicht den Zusammenhang:

elektrophiler Angriff

Nucleophil {bzw. Basel

H~® -,, J ...__

......

Elektrophil (bzw. Säure)

nucleophiler Angriff Bei der Benennung einer Reaktion geht man davon aus, welche Eigenschaften das angreifende Teilchen hat. Handelt es sich z.B. um OHe, wird man von einer nucleophilen Reaktion sprechen. Während Acidität bzw. Basizität eindeutig definiert sind und gemessen werden können, ist die Stärke eines Nucleophils auf eine bestimmte Reaktion bezogen und wird meist mit der Reaktionsgeschwindigkeit des Reagens korreliert. Sie wird außer von der Basizität auch von der Polarisierbarkeit des Moleküls, sterischen Effekten, Lösungsmitteleinflüssen u.a. bestimmt.

2.2.3 Substituenten-Effekte Der Mechanismus der Spaltung einer Bindung hängt u. a. ab vom Bindungstyp, dem Reaktionspartner und den Reaktionsbedingungen. Meist liegen keine reinen Ionen- oder Atombindungen vor, sondern es herrschen - in Abhängigkeit von der Elektronegativität der Bindungspartner - Übergänge zwischen den diskreten Erscheinungsformen der chemischen Bindung vor. überwiegt der kovalente Bindungsanteil gegenüber dem ionischen, spricht man von einer polarisierten (polaren) Atombindung. In einer solchen Bindung sind die Ladungsschwerpunkte mehr oder weniger weit voneinander entfernt, die Bindung besitzt ein

25

Dipolmoment. Zur Kennzeichnung der Ladungsschwerpunkte in einer Bindung uhd einem Molekül verwendet man meist die Symbole griechische Buchstabe

o

6~

und

oe.

Der

(delta) soll anzeigen, daß es sich nicht um

eine volle Ladung, sondern nur um einen Bruchteil einer Ladung handelt.

Tabelle 3. Polare Kohlenstoffbindungen (C-X) Bindungstyp

Dipolmoment in Debye

Bindungstyp

Dipolmoment in Debye

C-F

1 '5

C-0

0,9

c-c1

1 '6

C=O

C-Br

1 '5

C-N

2' 4 0,5

C-I

1 '3

c=N

3,6

Auch unpolare Bindungen können unter bestimmten Voraussetzungen polarisiert werden (induzierte Dipole)

(s. HT, Bd. 193).

2.2.3.1 Induktive Effekte

Mit

de~

Ladungsasymmet~ie

eine~

Bindung bzw.

i~

einem MolekUZ eng

ve~­

knüpft sind die induktiven Substituenteneffekte (I-Effekte). Hierunter versteht man elektrostatische Wechselwirkungen zwischen polaren (polarisierten) Substituenten und dem Elektronensystem des substituierten Moleküls. Bei solchen Wechselwirkungen handelt es sich um Polarisationseffekte, die meist durch o-Bindungen auf andere Bindungen bzw. Molekülteile übertragen werden. Besitzt der polare Substituent eine elektronenziehende Wirkung und verursacht er eine positive Partialladung, sagt man, er übt einen -I-Effekt aus. Wirkt der Substituent elektronenabstoßend, d. h. erzeugt er in seiner Umgebung eine negative Partialladung, dann übt er einen +I-Effekt aus.

Beispiel:

(j(j(j$

(j(j$

(j$

CH 3 -CH 2 -CH 2 -

(jE)

Cl

1- Chlorpropan

Das Chlor-Atom übt einen induktiven elektronenziehenden Effekt (-IEffekt) aus, der eine positive Partialladung arn benachbarten C-Atorn zur Folge hat. Man erkennt, daß die anderen C-C-Bindungen ebenfalls polarisiert werden. Die Wirkung nimmt allerdings mit zunehmendem Abstand vorn Substituenten sehr stark ab, was durch eine Vervielfachunq des ö-Syrnbols angedeutet wird. Bei mehreren Substituenten sind die induktiven Effekte im allgerneinen additiv.

26

Durch den I-Effekt wird hauptsächlich die Elektronenverteilung im Molekül beeinflußt. Dadurch werden im Molekül Stellen erhöhter bzw. verminderter Elektronendichte hervorgerufen. An diesen Stellen können polare Reaktionspartner angreifen. Durch Vergleich der Acidität von a-substituierten Carbonsäuren (s. Kap. 23.1.1) kann man qualitativ eine Reihenfolge für die Wirksamkeit verschiedener Substituenten festlegen (mit Hals Bezugspunkt):

-I-Effekt (elektronenziehend)

+I-Effekt (elektronenabstoßend)

Auch ungesättigte Gruppen zeigen einen -I-Effekt, der zusätzlich durch "mesomere Effekte" verstärkt werden kann.

2.2.3.2 Mesomere Effekte AZs mesomeren Effekt (M-Effekt) eines Substituenten bezeichnet man seine F~higkeit, die ELektronandichte in einem n-EZektronensystem zu ver~ndern. Im Gegensatz zum induktiven Effekt kann der mesomere Effekt über mehrere Bindungen hinweg wirksam sein, er ist stark von der Molekülgeometrie abhängig. Substituenten (meist solche mit freien Elektronenpaaren), die mit dem n-System des Moleküls in Wechselwirkung treten können und eine Erhöhung der Elektronendichte bewirken, üben einen +M-Effekt aus. Beispiele für Substituenten, die einen +M-Effekt hervorrufen können:

-Ci I

-Il, -

2_-H

I

-NH 21

-.5-H

Substituenten mit einer polarisierten Doppelbindung, die in Mesomerie mit dem n-Elektronensystem des Moleküls stehen, sind elektronenziehend. Sie verringern die Elektronendichte, d. h. sie üben einen -MEffekt aus. Er wächst mit (s. Beispiele) dem Betrag der Ladung des Substituenten (I ist ein Ion mit einem starken -M-Effekt) , - der Elektronegativität der enthaltenen Elemente (wie in II), - der Abnahme der Stabilisierung durch innere Mesomerie (wie in III) .

27

Beispiele:

6®""'Q < -c

'eH 3

~

I

][

][

Statt von mesomeren Effekten wird oft auch von Konjugationseffekten gesprochen. Damit soll angedeutet werden, daß eine Konjugation mit den n-Elektronen stattfindet, die über mehrere Bindungen hinweg wirksam sein kann. Durch Konjugation wird z.B. die Elektronendichte in einer Doppelbindung oder einem aromatischen Ring herabgesetzt, wenn sich die n-Elektronen des Substituenten mit dem ungesättiqten oder aromatischen System überlagern. Weitere Beispiele s. Kap. 10. Besonders bekannt sind die Vinyl-Gruppe CHz-CH- oder die Phenylgruppe c 6H5-. Beispiel: Im Vinylchlorid überlagert sich das nichtbindende p-AO des Cl-Atoms teilweise mit den n-Elektronen der Doppelbindung, wodurch ein delokalisiertes System entsteht.

-

e

®

CH 2 -CH=~I

MO- Modell schemo

Anwendung der Substituenteneffekte

Nützlich 1st die Kenntnis der Substituenteneffekte u. a. bei der Erklärung der Basizität aromatischer Amine (s. Kap. 18.2) oder bei voraussagen der Eintrittsstellen von neuen Substituenten bei der elektrophilen Substitution an Aromaten (s. Kap. 10). Hierbei ist allerdings zu beachten, daß einige Substituenten gegensätzliche induktive und mesomere Effekte zeigen, so daß oft nur qualitative Uberlegungen möglich sind.

2.2.4 Zwischenstufen: Carbokationen, Carbanionen, Radikale Die Kenntnis der Substituenteneffekte erlaubt es auch, Voraussagen über die Stabilität von Zwischenstufen einer Reaktion zu machen. Wichtige Zwischenstufen (Dissoziationsprodukte) sind Carbokationen, Carbanionen und Radikale. Wie aus der Reaktionskinetik bekannt ist, handelt es sich dabei um echte Zwischenprodukte, die im Energiediagramm (s. HT, Bd. 193) zum Auftreten eines Energieminimums führen.

CaPbokationen Ein CaPbonium-Ion enthält ein Kohlenstoff-Atom, das eine positive Ladung tPägt und an vieP bzw. fünf andePe Atome odeP AtomgPuppen

g~bunden ist: R 5 C~. Ein CaPbenium-Ion enthält ebenfalls ein C-Atom mit eineP positiven Ladung. Es ist jedoch nuP mit dPei weitePen Liganden vePbunden: R 3 c~. DeP ObePbegPiff füP beide GPuppen ist CaPbokation (wobei allerdings leider oft noch die Bezeichnung Carbo-

nium-Ion auch für die Carbenium-Ionen verwendet wird) ! Carbokationen sind naturgemäß sehr starke elektrophile Reagenzien und werden durch +I- und +M-Substituenten stabilisiert. Die dreibindigen Carbenium-Ionen sind eben, wobei das positive C-Atom sp 2 -hybridisiert ist und die Liganden an den Ecken eines Dreiecks angeordnet sind.

GaPbanionen

Ein Carbanion enthält ein negativ geladenes C-Atom, das an drei Liganden gebunden ist: R3cl 9 • Carbanionen sind dah~r meist starke Nucleophile und sehr starke Basen. Sie werden durch -I- und -M-Substituenten stabilisiert.

Radikale

Radikale entstehen als meist instabile Zwischenstufen bei der homolytischen Spaltung von Bindungen mit relativ niedriger Dissoziationsenergie. Das Radikal R3c· ist elektrisch neutral, so daß seine Stabilität kaum von induktiven Effekten beeinflußt wird. Dagegen können Mesomerie-Effekte Radikale so sehr stabilisieren, daß sie in Lösung einige Zeit beständig sind. Radikale sind Substanzen mit ungepaarten Elektronen. Sie sind daher paramagnetisch, d. h. sie werden von einem Magnetfeld angezogen.

29 2.2.5 Ubergangszustände Im Gegensatz zu Zwischenprodukten, die oft isoliert oder spektroskopisch untersucht werden können, sind "Ubergangszustände" hypothetische Annahmen bestimmter Molekülstrukturen. Sie sind jedoch für das Erarbeiten von Reaktionsmechanismen sehr nützlich. Bei ihrer Formulierung geht man zunächst davon aus, daß diejenigen Reaktionsschritte bevorzugt werden, welche die Elektronenzustände und die Positionen der Atome der Reaktionspartner am geringsten verändern. Das bedeutet, daß man zunächst nur jene Bindungen berücksichtigt, die bei der Reaktion verändert werden (Prinzip der geringsten Strukturänderung). Weitere Angaben über die Struktur eines "Ubergangszustandes" bol:+) erlaubt das

(Sym-

Hammond-Prinzip:

Bei einer stark exergonischen Reaktion ist der Ubergangszustand den Ausgangsstoffen ähnlich und wird bereits zu Beginn der Reaktion durchlaufen (Abb. 19). Im Falle einer stark endergonischen Reaktion ähnelt der Ubergangszustand den Produkten und wird gegen Ende der Reaktion durchlaufen (Abb. 20).

E

E

I

I

I

I

A··· B···C

7'""'

l

\

~

A···B·/··C

',

t t. G «0

A-B+C

Edukte

~-

{', G * A+ B-C

Edukte

t.G»O

-----

-----A-B+C

Produkte

\

\

A+B-C Produkte

Reaktionskoordinate Abb. 19. Stark exergonische Reaktion; Ubergangszustand wird früh erreicht: er ist eduktähnlich

Reaktionskoordinate Abb. 20. Stark endergonische Reaktion; Ubergangszustand wird spät erreicht: er ist produktähnlich

30

E (nachweisbar)

Abb. 21. Reaktion mit Zwischenprodukt

Reaktionskoordinate

Anwendungen

G)

Liegt eine Reaktion vor, die im geschwindigkeitsbestimmenden

Schritt ein instabiles, nachweisbares Zwischenprodukt bildet, so ähnelt der Obergangszustand diesem Zwischenprodukt mehr als den Edukten (Abb. 21, vgl. Kap. 10).

@ Die "Theorie des Obergangszustandes" liefert für die Geschwindigkeitskonstante k der Reaktion die sog. Eyring-Gleichung, die der Arrhenius-Gleichung (s. HT, Bd. 193) sehr ähnlich ist. Aus ihr folgt: Die Geschwindigkeitskonstante k ist um so größer, je kleiner 6G* ist. Das bedeutet, daß bei stark endergonischen Reaktionen die stabilen Produkte um so schneller gebildet werden, je kleiner 6G* ist.

k

k8 . T

h

Eyring-Gleichung

ks. T

- - - · e -65*/R·T h

-6H'f/R·T e

k 8 = Boltzmann-Konstante, h = Plancksches Wirkungsquantum, R = allgemeine Gaskonstante, T = absolute Temperatur

31 2.2.6 Lösungsmittel-Einflüsse Viele Reaktionen erfolgen zwischen polaren oder polarisierten Substanzen. Wie bei Umsetzungen mit geladenen Carbanionen oder Carbokationen spielt dabei das Lösungsmittel eine wichtige Rolle, weil es den aktivierten Komplex im Obergangszustand solvatisieren kann. Der Lösungsmitteleinfluß ist gering, wenn die Reaktanden und der aktivierte Komplex neutral und unpolar sind.

Kationen werden durah nualeophile Lösungsmittel solvat.isiert, Anionen durah elektrophile Lösungsmittel, insbesondere solahe, die Wasserstoffbrücken bilden können. 60

6@

El

6@

60

Y - H •••• I~ I ... · H - Y

Lösungsmittel lassen sich einteilen in

polar-protisahe Lösungsmittel, z.B. Wasser, Alkohole, Ammoniak, Carbonsäuren,

apolar-aprotisahe Lösungsmittel (niedrige Dielektrizitätskonstante, kleine Dipolmomente):

cs 2 ,

CC1 4 , Cyclohexan,

dipoZar-aprotisahe Lösungsmittel (hohe Dielektrizitätskonstante, große Dipolmomente): CH 3 CN, CH 3 COCH 3 , Dimethylformamid, Dimethylsulfoxid, Pyridin.

2;2.7 Hammett-BezJ.ehung Die Harnmett-Gleichung ist geeignet zur Abschätzung von Gleichgewichtskonstanten, Geschwindigkeitskonstanten und Substituenteneffekten. Sie ist weitgehend auf m- und p-substituierte Verbindungen beschränkt und nur näherungsweise gültig. Die Beziehung lautet lg

k

~

cr·p

bzw.

a.

P

k

Geschwindigkeitskonstante der Reaktion substituierter aromatischer Verbindungen

K

Gleichgewichtskonstante der Reaktion substituierter aromatischer Verbindungen

32

k 0 = Geschwindigkeitskonstante der Reaktion unsubstituierter aromatischer Verbindungen K0 = Gleichgewichtskonstante der Reaktion unsubstituierter aromatischer Verbindungen

a

Substituentenkonstante

p

Reaktionskonstante

a ist - im Vergleich zu Wasserstoff als Substituent - ein Maß für den Einfluß eines Substituenten auf die Reaktivität des Substrats. p ist ein Maß für die Empfindlichkeit der betreffenden Reaktion auf polare Substituenteneinflüsse. Großes p bedeutet, daß die Reaktion stark durch Substituenteneffekte beeinflusst wird. Theoretische Begründung für die Rammet-Beziehung: lg k ist proportional ßG* und lg K ist proportional ßG0 bei konstanter Temperatur und reversibler Reaktion. Die Harnmett-Gleichung ist somit eine lineare Freie Energie-Beziehung. Beispiel: Berechne pKs von m-Nitrophenol, pKm-N02

Aus der Harnmett-Beziehung folgt:

pKm-NO

2

Aus Tabellen entnimmt man: pKH = pKs von Phenol = 10,0. p

Reaktionskonstante für die "Dissoziation" von Phenolen = 2,11

(Reaktion Ar-OH ~

Ar-o 8 + H$)

Substituentenkonstante der rn-ständigen Nitrogruppe = +0,71 Damit ergibt sich pKm-No

2

= 10- 2,11• 0,71

10 - 1 '50

Der experimentelle Wert beträgt pKs

8,4.

8,5

Kohlenwasserstoffe

Kohlenwasserstoff-Moleküle enthalten nur Kohlenstoff und Wasserstoff. Sie werden nach Bindungsart und Struktur eingeteilt in gesättigte Kohlenwasserstoffe (Alkane oder Paraffine), ungesättigte Kohlenwasserstoffe a~omatische

(Alkene oder Olefine, Alkine) und

Kohlenwasserstoffe.

Eine weitere Gliederung erfolgt in offenkettige (acyclische) und in ringförmige (cyclische) Verbindungen.

3 Gesättigte Kohlenwasserstoffe (Alkane)

3.1 Offenkettige Alkane Das einfachste offenkettige Alkan ist das Methan, CH 4 _(Abb. 10). Durch sukzessives Hinzufügen einer CH 2 -Gruppe läßt sich daraus die homologe Verbindungsreihe der Alkane mit der Summenformel CnH 2 n+ 2 ableiten. Eine homologe Reihe ist eine Gruppe von Verbindungen, die sich um einen bestimmten, gleichbleibenden Baustein unterscheiden. Während die chemischen Eigenschaften des jeweils nächsten Gliedes der Reihe durch die zusätzliche CH 2 -Gruppe nur wenig beeinflußt werden, ändern sich die physikalischen Eigenschaften i.a. regelmäßig mit der Zahl der Kohlenstoff-Atome (Tabelle 4 und Abb. 22). Die ersten vier Glieder der Tabelle haben Trivialnamen. Die Bezeichnungen der höheren Homologen leiten sich von griechischen oder lateinischen Zahlwörtern ab, die man mit der Endung -an versieht. Durch Abspaltung eines H-Atoms von einem Alkan entsteht ein Rest R (Radikal, Gruppe), der die Endung -yl erhält (s. Tabelle 4): Alkan minus 1 H---+ Alkylgruppe, z.B. CH 3-cH 3 minus 1 H ---+ CH 3-cH 2Ethan

Ethyl-

Verschiedene Reste an einem Zentralatom erhalten einen Index, z.B. R', R" oder R1 , R2 usw.. Zur formelmäßigen Darstellung der Alkane ist die in Tabelle 4 verwendete Schreibweise zweckmäßig. Die dort aufgeführten Alkane sind unverzweigte oder

normale Kohlenwasserstoffe. Die ebenfalls übliche Bezeichnung "geradkettig" ist etwas irreführend, da Kohlenstoffketten

wegen der Bindungswinkel von etwa 109° am Kohlenstoffatom keineswegs "gerade" sind (vgl. Kap. 1.3.2.1).

35

Tabelle 4. Homologe Reihe der Alkane Sullllllenformel

Formel

Name

Eigenschaften Fp. Kp. (in °e) (in oe)

eH 4 e2H6 e3H8 e4H10 e5H12

eH 4 eH 3-cH 3 eH 3-cH 2-cH 3 eH 3-(eH 2 ) 2-cH 3 eH 3-(eH 2 ) 3-cH 3

Methan Ethan Propan Butan Pentan

-184 -171,4 -190 -135 -130

e6H14 e7H16 e8H18 e9H20 e10H22

ea 3-(eH 2 ) 4-cH 3 eH 3-(eH 2 ) 5-cH 3 eH 3-(eH 2 ) 6-cH 3 eH 3-(eH 2 ) 7-cH 3 eH 3-(eH 2 ) 8-cH 3

Hexan Heptan Octan Non an Decan

-93,5 -90 -57 -53,9 -32

+68,7 +98,4 +126 +150,6 +173

Heptadecan Eicosan

+22,5

+303

Abkürzungen: Methyl

= Me,

Ethyl

= Et,

-164 -93

-45 -0,5 +36

+37 Propyl

= Pr,

Butyl

Methyl Ethyl Propyl Butyl Pentyl (Amyl) Hexyl Heptyl Octyl Nonyl Decyl

Heptadecyl Eicosyl Bu

Hinweis: Diese Abkürzungen und auch andere nur verwenden, wenn keine Mißverständnisse auftreten können. So kann Me = Metall und Pr = Praseodym bedeuten.

Abb. 22. Schmelzpunkt, Siedepunkt und Dichte der n-Alkane bei 1 bar in Abhängigkeit von der Zahl der Kohlenstoff-Atome

36

NomenklatuP und StPuktuP Von den normalen Kohlenwasserstoffen, den n-Alkanen, unterscheiden sich die verzweigten Kohlenwasserstoffe, die in speziellen Fällen mit der Vorsilbe iso- gekennzeichnet werden. Das einfachste Beispiel ist iso-Butan. Für Pentan kann man drei verschiedene Strukturformeln angeben (unter den Formeln stehen die physikalischen Daten und die Namen gemäß den Regeln der chemischen Nomenklatur):

isomere Pentane:

Methylpropan

eH3-eH2-TH-cH3 eH 3

TH3 eH3-T-cH3 eH 3

n-Pentan

2-Methyl-butan (iso-Pentan)

2,2-Dimethylpropan (neo-Pentan)

Kp. 36 oe Fp • -1 2 9 , 7 Oe

Kp. 27,9 Fp. -158,6

°e °e

Kp. 9,5 Fp. -20

°e °e

Eine Verbindung wird nach dem längsten geradkettigen Abschnitt im Molekül benannt. Die Seitenketten werden wie Alkyl-Radikale bezeichnet und ihre Position im Molekül durch Zahlen angegeben. Manchmal findet man auch Positionsangaben mit griechischen Buchstaben. Diese geben die Lage eines e-Atoms einer Kette relativ zu einem anderen an. Man spricht von a-ständig, ß-ständig etc. Beispiel:

CH 3 1

21

3

'

5

H C-C-CH-CH-CH 3

I

H3C

I

2

3

3-Ethyl-2,2-dimethyl-pentan

CH 2 - CH 3

An diesem Beispiel lassen sich verschiedene Typen von Alkyl-Resten unterscheiden, die wie folgt benannt werden (R bedeutet einen Kohlenwasserstoff-Rest) :

37

C-Atom

Benennung

pr1 märe

Gruppen

primäres

c•

C-Atom

1i 5

Formelauszug

e

;

allgemeon:

8

Re; Re R

sekundäoe

Gruppom

sekundäres

C-Atom

c•

4

H i & C H3

~ R

tertiäre tertiäres

Gruppen C- Atom

c•

3

-

10

f

CH

R

CH 2-

CH 2 I

CH 3 quartäres

C-Atom

c•

2

H3C - $ - C H CH 3

R(iV

R R R$R R

Nomenklatur-Vereinbarungen und -Regeln hat die "International Union of Pure and Applied Chemistry"

(IUPAC) herausgegeben.

Strukturisomere nennt man MoZeküZe mit gZeieher SummenformeZ,

aber

verschiedener StrukturformeZ. Die Strukturisomerie (auch Konstitutionsisomerie genannt) beruht auf der unterschiedZiehen Anordnung der Atome und Bindungen in MoZeküZen gZeieher SummenformeZ. Ein Beispiel

sind die isomeren Pentane (s.o.) Sie unterscheiden sich im Schmelzund Siedepunkt und der Dichte, denn diese Eigenschaften hängen in hohem Maße von der Gestalt der Moleküle ab. Die Anzahl der möglichen Strukturen darf auch bei kleinen Verbindungen nicht unterschätzt werden. So sind z.B. für die Summenformel c 6 H6 (= Benzol) 217 theoretisch mögliche Formen denkbar.

38

3.1.1 Vorkommen, Gewinnung und Verwendung der Alkane Gesättigte Kohlenwasserstoffe (KW) sind in der Natur weit verbreitet, so im Erdöl (Petroleum) und im Erdgas. Die wirtschaftliche Bedeutung des Erdöls liegt darin, daß aus ihm neben Benzin, Diesel- und Heizöl sowie Asphalt und Bitumen bei der fraktionierten Destillation und der weiteren Aufarbeitunq viele wertvolle Ausgangsstoffe für die chemische und pharmazeutische Industrie gewonnen werd·en.

3.1.2 Darstellung von Alkanen Neben zahlreichen, oft recht speziellen Verfahren zur Gewinnung bzw. Darstellung von Alkanen bieten die Wurtz-Synthese und die KolbeSynthese allgemein gangbare Wege, gezielt Kohlenwasserstoffe bestimmter Kettenlänge zu erhalten.

G)

Wurtz-Synthese

Ausgehend vom Methan lassen sich zahlreiche höhere Kohlenwasserstoffe aufbauen. Beispiel: Synthese von Ethan. CH 3 I

+ 2 Na ---+ CH 3Na

+ Na!

CH 3Na + CH 3 I ---+ CH 3-cH 3 + Na! Diese Wurtz-Synthese wird in der Regel zur Darstellung höherer Kohlenwasserstoffe aus den entsprechenden Halogenalkanen angewandt. So konnten Kohlenwasserstoffe bis zur Summenformel c 70 H142 aufgebaut werden.

0

Kolbe-Synthese

Die Kolbe-Synthese eignet sich zum Aufbau komplizierter gesättigter Kohlenwasserstoffe. Dabei werden konzentrierte Lösungen von Salzen von Carbonsäuren elektrolysiert (man kann auch Gemische verschiedener Carbonsäuren einsetzen) :

39

Beispiel: Synthese von n-Butan. Dem Propionat-Anion wird an der Anode ein Elektron entzogen, wobei ein Radikal entsteht. Nach Abspaltung von co 2 kombinieren die Alkyl-Radikale zum n-Butan:

Radikal-Bildung Radikal

Propionat-Anion

Radikal-Zerfall Ethyl-Radikal

n-Butan 3.1.3 Eigenschaften und chemische Reaktionen Alkane sind ziemlich reaktionsträge und werden daher oft als Paraffi(parum affinis = wenig verwandt bzw. reaktionsfähig) bezeichnet. Der Anstieg der Schmelz- und Siedepunkte innerhalb der homologen Reihe (s. Tabelle 4) ist auf zunehmende van der Waals-Krafte zurückzuführen. Die neu hinzutretende CH 2-Gruppe wirkt sich bei den ersten Gliedern am stärksten· aus. Die Moleküle sind als ganzes unpolar und lösen sich daher gut in anderen Kohlenwasserstoffen , hingegen nicht in polaren Lösungsmitteln wie Wasser. Solche Verbindungen bezeichnet man als hydrophob (wasserabweisend) oder lipophil (fettfreundlich). Substanzen mit OH-Gruppen (z.B. Alkohole) sind dagegen hydrophil (wasser~

freundlich)

(vgl. HT, Bd. 193).

Obwohl Alkane weniger reaktionsfreudig sind als andere Verbindungen, erlauben sie doch mancherlei Reaktionen, die über Radikale als Zwischenstufen verlaufen. Beispiele: (}) Sulfochlorierung

Alkan

Alkylsulfochlorid

40 Die Sulfochloride langkettiger Alkane sind Ausgangssubstan zen für Waschmittel.

@

Halogenierung

Alk an

Halogenalkan

Die bei der Halogenierung entstehenden Halogenalkane (Alkylhalogenid e) sind wichtige Lösungsmittel und reaktionsfähige Ausgangsstoffe . Durch Chlorierung von Methan erhält man außer Chlormethan (Methylchlorid, CH 3 Cl) noch Dichlormethan (Methylenchlori d, CH cl ), Trichlormethan 2 2 (Chloroform, CHC1 3 ) und Tetrachlorkohl enstoff (CC1 ). Einige sind 4 häufig verwendete Lösungsmittel und haben narkotische Wirkungen. Chlorethan c 2 H5 Cl findet z.B. für die Zahnmedizinisch e Anaesthesierung Verwendung.

G)

Oxidation

Normalerweise verbrennen Alkane mit Luft oder 0 zu CO bzw. co . Unter 2 2 bestimmten Bedingungen lassen sich höhere Alkane (> c 25 ) mit Luftsauerstoff in Gegenwart von Katalysatoren in Gemische von Carbonsäuren überführen (Paraffin-Oxida tion). Die erhaltenen Carbonsäuren haben Kettenlängen von c 12 - c 18 und dienen zur Herstellung von Tensiden,

G)

Pyrolyse

Unter Pyrolyse versteht man die thermische Zersetzung einer Verbindung. Die technische Pyrolyse langkettiger Alkane wird als Cracken bezeichnet (bei ca. 700 - 900°C). Dabei entstehen kurzkettige Alkane, Alkene und Wasserstoff durch Dehydrierung. Die Bruchstü~ke gehen z.T. Folgereaktionen ein (Isomerisierung , Ringschlüsse u.a. schematisch:

H3 C-CH 2 -CH 2

a) H3 C-CH=CH 2 + H3 C-CH 2 -cH 3

H3 C-CH 2 -cH 2

b) isomere Hexene + H2

I~

Die Reaktion kann durch Änderung der Pyrolysetemper atur, Zugabe von Katalysatoren o.ä. nach a) oder b) gesteuert werden.

41

3.1.4 Bau der Moleküle, Stereochemie der Alkane Im Ethan sind die Kohlenstoff-Atome durch eine rotationssymmetrische cr-Bindung verbunden (s. Kap. 1). Die Rotation der CH 0 -Gruppen um die C-C-Bindung gibt verschiedene räumliche Anordnungen, die sich in ihrem Energieinhalt.unterscheiden und Konformere genannt werden (all-

gemeiner Oberbegriff: Stereoisomere, s. Kap. 30). Zur Veranschaulichung der Konformationen (s. Abb. 23)

des~

CH 3 -cH 3 verwendet man folgende zeichnerische Darstellungen:

G)

Sägebock-Projektion (saw-horse, perspektivische Sicht): H

H

I

H

\(//, C H H I

H

H\ I

H

H

\yc c I I H H

H

Ib

Io

G)

Stereo-Projektion mit Keilen und punktierten Linien (Blick von der Seite). Die Keile zeigen nach vorn, die punktierten Linien nach hinten. Die durchgezogenen Linien liegen in der Papierebene:

H

\,\,

H H

\f

H

·c~·c

I 'l \

H H

HH

1;1

I

C..Q.C

I

H

H

I

H

1Io

G) Newman-Projektion (Blick von vorne). Die durchgezogenen Linien sind Bindungen zum vorderen C-Atom, die am Kreis endenden Linien Bindungen zum hinteren C-Atom (die Linien bei IIIb müßten strenggenommen aufeinander liegen) : H H

HH

~1W0 H

lila

][b

Die Schreibweisen Ia, IIa, I!Ia sind identisch und werden als geetaffe~te (auf Lücke stehend, staggered) Stellung bezeichnet. Die Schreibweisen Ib, I!b, II!b sind ebenfalls identisch und werden als ~ ~ (verdeckt, eclipsed) Stellung bezeichnet. Neben diesen beiden extremen Konformationen gibt es unendlich viele konformere Anordnungen. Der Verlauf der potentiellen Energie bei aer gegenseitigen Umwandlung ist in Abb. 23 dargestellt. Die gestaffelte Konformation ist um 12,5 kJ/mol energieärmer als die ekliptische. Im Gitter des festen Ethans tritt daher ausschließlich die gestaffelte Konformation auf.

Abb. 23. Verlauf der potentiellen Energie bei der inneren Rotation eines Ethanmoleküls

Größere Energieunterschiede findet man beim n-Butan. Wenn man n-Butan als 1,2-disubstituiertes Ethan auffaßt (Ersatz je eines H-Atoms durch eine CH 3-Gruppe), ergeben sich verschiedene ekliptische und gestaffelte Konformationen, die man wie in Abb. 24 angegeben unterscheidet. Die Energieunterschiede, Torsionswinkel und Abkürzungen sind zusätzlich aufgeführt.

43

Konstitutionsfo rmel: CH 3-cH 2-cH 2-cH 3 .

:!:

synperiplonor + s ynclinol

:!:

+

anticlinol

ontiperiplonor -onticlinol

- s ynclinol

± synperiplonor

~

0

E

~3 60°

± sp

+SC

120° + oc

180° ± op

240°

- oc

300°

360°

-sc

± sp

Abb. 24. Potentielle Energie der Konformationen des Butans

Sterische Darstellung der antiperiplanare n Form: CH 3 H

H

I

\I.//, I H

H

CH 3

Da der Energieuntersch ied zwischen den einzelnen Formen gering ist, können sie sich (bei 20° C) leicht ineinander umwandeln. Sie stehen miteinander im Gleichgewicht und können deshalb nicht getrennt isoliert werden; man kann sie jedoch z.B. IR-spektroskop isch nachweisen.

3.2 Cyclische Alkane Die Cycloalkane sind gesättigte Kohlenwasserst offe mit ringförmig geschlossenem Kohlenstoff-Ge rüst. Sie bilden ebenfalls eine homologe Reihe. Als wichtige Vertreter seien genannt:

44

Cyclopropan

Cyclobutan

Cyclopentan

Cyclohexan

Neben der ausführlichen Strukturformel ist die vereinfachte Darstellung angegeben. Das H im Sechsring bedeutet hydriert und dient zur Unterscheidung vorn ähnlichen Benzol-Ring. Außer einfachen Ringen gibt es kondensierte Ringsysterne, die vor allem in Naturstoffen zu finden sind (z.B. Cholesterin):

CX> Decalin

Hydrindan

16

2

Sa-Gonan (Steran)

Cycloalkane haben die gleiche Summenformel wie Alkene, nämlich C2H 2n· Sie zeigen aber eine ähnliche Chemie wie die offenkettigen Alkane mit Ausnahme des Cyclopropans und des Cyclobutans, die relativ leicht Reaktionen unter Ringöffnung eingehen (Grund: Ringspannung, s.Kap. 3.2.2).

3.2.1 Darstellung von Cycloalkanen a) Cyclopropan: Umsetzung von 3-Brorn-1-chlorpropan mit Natrium nach Wurtz + 2Na ·- NaBr,-NaCL

b) cyclobutan: Reduktion von Cyclobutanon nach Wolff-Kishner (s. Kap. 21.3 .2) [JN-NH2

(Na OC2Hs)

D

45

c) Cyclopentan: Clemmensen-Reduktion von Cyclopentanon (s. Kap. 21 . 3. 2)

Q

+

0

4 H (Zn/Hg) - H2 0

0

d) Cyclohexan: Katalytische Hydrierung von Benzol. e) Zur Herstellung größerer Ringe durch intramolekulare Ringschlüsse arbeitet man bei sehr niedrigen Konzentrationen (Verdünnungsprinzip), um mögliche intermolekulare Reaktionen zurückzudrängen (Beispiele Kap. 21 . 4. 3) .

3.2.2 Stereochemie der Cycloalkane Bei den Ringverbindungen können wegen der Beweglichkeit der C-e-Bindungen verschiedene Konformationen auftreten. Am bekanntesten sind die Sesselformen und die energetisch wesentlich ungünstigere ~ form des Cyclohexans.

Anhand der Projektionsformeln der Molekülstrukturen in Abb. 25 erkennt man, daß die Sesselformen energieärmer sind, weil bei den Substituenten keine sterische

Hinde~ung

auftritt. Die H-Atome bzw. die Sub-

stituenten stehen auf Lücke (staggered). Man unterscheidet zwei Orientierungen der Substituenten. Sie können (a) stehen, dann ragen sie senkrecht zu dem gewellten Sechsring abwechselnd nach oben und unten heraus. Andererseits sind auch äquatoriale (e) Stellungen möglich, wobei sie in einem

einerseits~

flachen Winkel von der gewellten Ringebene wegweisen. Die Beweglichkeit des Molekülgerüsts erlaubt das Auftreten einer zweiten Sesselform II, bei der alle axialen in äquatoriale Substituenten übergeführt werden und umgekehrt. Beide Formen stehen bei Raurntemperatur im Gleichgewicht; ihr Nachweis gelingt nur mit spektroskopischen Methoden, z.B. mit der NMR-Spektroskopie. Deutlicher ist der Unterschied in der Beweglichkeit bei einem substituierten Cyclohexan-Ring. Hier nehmen die Substituenten mit der größeren Raumbeanspruchung vorzugsweise die äquatorialen Stellungen ein, weil die Wechselwirkungen mit den axialen H-Atomen geringer sind und der zur Verfügung stehende Raum am größten ist (Beispiel: Methylcyclohexan, Abb. s. 49).

46 0

e~

0

e

e

~ 0

Sesselform0 Q

0

Wannenform

Sesselform@ 0

Q

0

e

e

e

e

e

e

e

e

Q

Sesselform0

Q

Q

Q

Sesselform

@

Wannenform·

Abb. 25. Sessel- und Wannenform von Cyclohexan mit den verschiedenen Positionen der Liganden (perspektivische und Newman-Projektionen). Der Energieunterschied beträgt etwa 29 kJ. Die Umwandlung erfolgt über eine energiereiche Halbsesselform (6E = 46 kJ•mol-11 s.Abb. 28)

Im Gegensatz zum Sechsring sind im ~ und Vierring die Bindungswinkel deformiert. Es tritt eine Ringspannung auf, die BaeyeP-Spannung genannt wird: Alle C-Atome sollten sp 3-hybridisiert sein und Bindungswinkel von 109,5° bilden. Wegen der Winkeldeformation ist die tlberlappung der Orbitale jedoch nicht optimal. Es wird vermutet, daß die Änderung der Bindungswinkel durch Änderungen in der Hybridisierung der C-Atome zustande kommt und dadurch die Bindung einer C=C-Bindung ähnlich wird. Abb. 26a zeigt dies am Beispiel der bindenden sp 3-orbitale des Cyclopropans. Die außerhalb der Kernverbindungslinien liegenden "gekrümmten" Bindungen sind gut zu erkennen. Das neuere Walsh-Modell in Abb. 26b geht davon aus, daß die C-eBindungen des Rings durch tlberlappung dreier p-Orbitale mit je einem sp 2-0rbital entstehen. Dabei tritt auch eine antibindende Wechselwirkung auf. Damit läßt sich die hohe Reaktivität des Cyclopropans gegenüber Br 2 oder H2so 4 im Vergleich zu Cyclobutan und den anderen Cycloalkanen erklären, die keine entsprechende Reaktion zeigen.

47

Bei unsubstituierten Cycloalkanen tritt überdies - infolge von Wechselwirkungen zwischen den H-Atomen - eine Konformationsspannu ng auf, die man oft als Pitzer-Spannung bezeichnet. Sie ist besonders ausgeprägt bei Cyclopropan (Abb. 27a) mit seinem relativ starren Molekülgerüst . Cyclobutan (Abb. 27b) und Cyclopentan (Abb. 27d) versuchen diese Wechselwirkungen durch einen gewinkelten Molekülbau (Abb. 27c und 27e) zu vermindern, wobei sich die aus der Ebene herausgedrehten CH 2 -Gruppen durch ständiges Umklappen abwechseln.

-p-Orbitole

\antibindend

bJ

0 J

Abb. 26. (a) Bindende sp 3 -orbitale im Cyclopropan. des Cyclopropans

zent rosymmetri sehe Bi ndung

(b) Walsh-Modell

...... ' H..._ ,

H)~H H

H

cJ

oJ

H-- - -..H

~

H

d)

H

H

H

eJ

Abb. 27a - e . Ko nfo rmat i on sspannung bei Cy c l oa lkane n

48

3.2.2.1 Substituierte Cyclohexane Durch den Ringschluß wird bei den Cycloalkanen die freie Drehbarkeit um die c-c-Bindungsachsen aufgehoben. Disubstituierte Cycloalkane unterscheiden sich daher durch die Stellung der Substituenten am Ring. Stehen zwei Liganden auf derselben Seite der Ringebene, werden sie als cis-ständig, stehen sie auf entgegengesetzten Seiten, als trans-ständig bezeichnet. (Die Verwendung von Newman-Projektionen oder Molekülmodellen erleichtert die Zuordnung.) Da bei der gegenseitigen Umwandlung der cis-trans-Isomere Atombindungen gelöst werden müßten (hohe Energiebarriere), können beide Formen als Substanzen gefaßt werden (Decalin z.B. durch fraktionierte Destillation) • Stereoisomere können nicht nur bei bicyclischen Ringsystemen (mit zwei gemeinsamen Atomen) auftreten, sondern auch bei Spiranen (mit einem gemeinsamen Atom), vgl. Kap. 30.4.3. Beispiele:

Decalin (= Dekahydronaphthalin)

w H

Ii

H

~ ~ H

trans-Decalin, Kp. 185°C starres Ringsystem (um 8,4 kJ·mol-1 stabiler als cis-Decalin)

H

® cis-Decalin, Kp. 194°C, flexibel, beim Umklappen von I entsteht das Spiegelbild II, wobei a-Substituenten in e-Substituenten übergehen und umgekehrt

49

Monosubstituiertes Cyclohexan: Methylcyclohexan

0:1f.c•, H

H

äquatoriale Methyl-Gruppe (um 7, 5 kJ • mol-1 stabiler als die Struktur mit der axialen Methyl-Gruppe)

axiale Methyl-Gruppe +-----+ deutet die 1, 3-diaxialen Wechselwirkungen an

1,2-disubstituierte Cyclohexan-Derivate

cis

Aus der Stellung der Liganden in der cis(e-a)- bzw. der trans(a-a oder e-e)-Form ergibt sich, daß letztere stabiler ist: Im trans-

~

G)

können beide Substituenten die energetisch günstigere

äquatoriale Stellung einnehmen. 1,3-disubstituierte Cyclohexan-Derivate

Hier ist aus den gleichen Gründen von den beiden cis-Formen Form

G)

stabiler. Man beachte, daß in diesem Fall entsprechend obiger Definition die Stellungen a-a bzw. e-e als cis und a-e als trans bezeichnet werden. 1,4-disubstituierte Cyclohexan-Derivate

cis

Von den beiden cis(e-a)- und trans(a-a oder e-e)-Isomeren ist die diäquatoriale trans-Form

G)

am stabilsten.

50

Im Gegensatz zur Sesselform ist die Wannenform nicht starr, sondern flexibel und kann leicht verdrillt werden. Die resultierenden TwistFormen sind etwas stabiler als die Wannenform, aber immer noch um ~ kJ • niol- 1 energiereicher als die normalerweise ausschließlich auftretende Sesselform (Abb. 28).

ca.

"2' ca. c

WL---------:-:------:--:-:---:-----

Rea ktions koord inate

Abb. 28. Potentielle Energie verschiedener Konformationen von Cyclohexan

3.2.2.2 Das Steran-Gerüst Die beim Decalin gezeigte cis-trans-Isomerie findet man auch bei anderen kondensierten Ringsystemen. Besonders wichtig ist das Grundgerast der Steroide, das Steran (Gonan) . Das Molekül besteht aus einem hydrierten Phenanthren-Ringsystem (drei anellierte CyclohexanSechsringe A, B, C), an das ein Cyclopentan-Ring D kondensiert ist. Es handelt sich also um ein tetracyclisches Ringgerüst. In fast allen natürlichen Stereiden sind die Ringe B und C sowie C und D transverknüpft. Die Ringe A und B können sowohl trans-verknüpft (CholestanReihe) als auch cis-verknüpft (Koprostan-Reihe) sein:

{l

I

A/B trans sa-Steran, ausgewählte a- und ß-Positionen sind markiert

A/B cis Sß-Steran

3

Sa-Steran

Sß-Steran

Die Stereochemie der Substituenten bezieht sich auf die Gruppe am C-Atom 10 (hier H, oft -cH 3 ). Bindungen, die nach oben aus der Molekülebene herausragen, werden als ß-Bindungen bezeichnet. Sie werden in den vereinfachten Formeln mit durchgezogenen Valenzstrichen geschrieben. a-Bindungen zeigen nach unten, sie werden mit punktierten Linien kenntlich gemacht. Danach stehen a-Bindungen in trans-Stellung, ß-Bindungen in cis-Stellung zur Gruppe am C-10-Atom.

Beispiel: Cholesterin Cholest-5-en-3ß-ol)

(=

Cholesterol; 3ß-Hydroxy-~ 5 -cholesten;

52

Perspektivische Strukturformel:

HO

Erläuterung der stereoahemisahen Begriffe

Die Konstitution gibt die Art der Bindungen und die gegenseitige Verknüpfung der Atome eines Moleküls an (bei .gegebener Summenformel). Unterschiede in der räumlichen Anordnung werden bei Konstitutionsisomeren nicht berücksichtigt. Die Konfiguration gibt die räumliche Anordnung der Atome wieder. Nicht berücksichtigt werden hierbei Formen, die man durch Rotation der Atome um Einfachbindungen erhält. Im allgemeinen ist die Energiebarriere zwischen Konfigurationsisomeren (z.B. cis-und trans-1,2Dimethylcyclohexan) ziemlich groß. Sie wandeln sich bei Normalbedingungen gar nicht oder nur langsam ineinander um. Konformationsangaben stellen die räumliche Anordnung aller Atome eines Moleküls definierter Konfiguration dar, die durch Rotation um Einfachbindungen erzeugt werden und nicht miteinander zur Deckung gebracht werden können. Die einzelnen Konformere sind flexibel und können isoliert werden, wenn die Energieschwelle etwa 70- 80 kJ·mol- 1 (bei Raumtemperatur) übersteigt. Beispiel: Dimethylcyclohexan, cis-1,3-(CH 3 l 2C6H10

Konstitution

Konfiguration

Konformation

53 Tabelle 5. Verwendung wichtiger Alkane (E =Energie) Verbindung

Verwendung

+ 02

Methan

+ H2o + 02 + 0 2 /NH 3 + 02

Ethan

+ Cl 2 - H2

+ 02

Propan, Butan

- H2

co 2 + E

· Heizzwecke

CO + H2

H2 -Herstellung

c

Ruß als Füllmaterial

HCN

Synthese

co 2 + E

Heizzwecke

CH 3 cH 2 Cl

Chlorethan

CH 2 =CH 2

Ethen

co 2 + E

Heizzwecke

Alkene

Synthese

Pentan, Hexan

Extraktionsmittel (z.B. Speiseöle aus Früchten)

Cyclopropan

Inhalationsnarkotikum

Cyclohexan

Lösungsmittel

+ 02

Cyclohexanol, Cyclohexanon, Adipinsäure

Biochemisch interessante Alkane Cycloalkan-Ringe sind oft in Naturstoffen enthalten:

Lactobacillsäure (aus LactobaciZZus arabinosus)

Truxillsäure

Truxinsäure

(aus Erythroxylon coca)

Chrysanthenumsäure (aus Chrysanthenum cinerarifolium)

10

Menthan

54

Menthan ist der gesättigte Stamm-Kohlenwasserstoff der Terpene, einer großen Gruppe von Naturstoffen (s. Kap. 37).

"..o ®1c,Q_Ie

H3N

=0

H~OH

Coprin (aus Coprinus atramentarius [Tintling] l; N5-(1-hydroxycyclopropyl)-L-glutarnin. Antabus-artiger Wirkstoff (Antabus: Medikament gegen Alkoholmißbrauch)

4 Die radikalisehe Substitutions-Reaktion (SR)

4.1 Darstellung von Radikalen RadikaLe sind Atome, MoLeküLe oder Ionen mit ungepaarten ELektronen. Sie bilden sich u.a. bei der photochemischen oder thermischen Spaltung neutraler Moleküle: Cl-cl

.l!..:..::L.

@- c-:Q-Q.-c-@ II

II

101

Br-Br

2 Cl· ;

h·ll

2

...h..:..:L.

2 Br·

6 @0 c~~.-

101 Benzoyloxyl- Radikal

(a) Dibenzoylperoxid

2

o· ~ I

+ 2 co 2

Phenylradikal

-

6

(b) Azo-bis-isobuttersöurenitril = 2, 2'- Azodi (2-methylpropannitril l

2 -Cyano-2 -propyl- Radikal

Moleküle mit niedriger Aktivierungsenergie wie (a) mit 125 kJ • mol- 1 und (b) mit 130 kJ·mol- 1 werden oft als Initiatoren (Starter) benutzt, die beim Zerfall eine gewünschte Radikalreaktion einleiten. Auch durch Redox-Reaktionen lassen sich Radikale erzeugen. BeispieLe: -die Kolbe-Synthese von· Kohlenwasserstoffen (s. Kap. 3.1.2), - die Sandmeyer-Reaktion von Aryldiazonium-halogeniden (s. Kap. 20.1 .3)

1

- die Reaktion von Peroxiden mit Fe 2 e zur Zerstörung von Etherperoxiden:

56

4.2 Struktur und Stabilität Radikale nehmen von der Struktur her ei ne Zwischenstellung ein zwischen den Garbanionen und Carbenium-Io nen. Bei einfachen Radikalen

R3C· liegt vermutlich eine Geometrie vor, die zwischen einem flachen Tetraede r und einem planaren sp 2 -Gerüst liegt (Abb. 29). '

I ~

'

..

'o ,•

'

-~\ -~

...~

.:.,:

"

-0

-C-

l

.. ..

"'- ,

I'

' '

'

. '

'

''

'

----:

IC aCH

Acetylid- Ion

3 -Hydroxy-3- methyl-1- butin

c 6 H5 0H, H2 s, RNH 2 etc. Dementsprechend nucleophile Additionsreaktionen Ketal-Bildungen bzw. sind Acetal-

Andere Nucleophile können sein ( s. Kap. 21 • 4 • ) •

G)

Michael-Addition

Handelt es sich bei dem angreifenden Nucleophil um ein Carbanion, wird die Additionsreaktion oft Michael-Reaktion genannt. Beispiel:

R " C-CHO

+

CH2 =CH-CN f""

R/ä.._____.;

GD

zu den Michael-Reaktionen zählt man auch Additionsreaktionen mit a,ß-ungesättigten Carbonyl-Verbindung en. Die Addition von Carbanionen ; "' ist eine wichtige Methode zur Knlipfung von an das System >r=T-c=O C-e-Bindungen. Ebenso wie bei den Dienen (s. Kap. 6) besteht grundsätzlich die Möglichkeit einer 1,2-Addition an die Carbonyl-Gruppe bzw. die oiefinisehe Doppelbindung oder einer 1,4-Addition an das gesamte System. Die Angriffsmöglichkeit en sind durch Pfeile markiert (Einzelheiten s. Kap. 21 .8.3.4).

5.3.4.2 Radikalische Additionsreaktionen Bei der radikalischen Addition gilt die Markownikow-Regel nicht. So bildet sich bei der Reaktion von Propen mit HBr in Gegenwart von Peroxiden 1-Brompropan, weil Peroxide in Radikale zerfallen und im Verlauf der Radikalkette Br·-Radikale erzeugt werden. Da das stabilere, sekundäre Radikal CH 3 ~H-cH 2 Br schneller gebildet wird als das

70

primäre CH 3-cHBr-cHi , findet eine Anti-Markownikow-Addition statt (Peroxid-Effekt): 0

,o

0

0 n CH 3-c-o--o-c-cH 3

--+ 2 CH 3-c...._

CH 3COO· + HBr Br· + CH 3-cH=CH 2



Radikal

Diacetylperoxid

-

Start

--+ CH 3COOH + Br· CH 3-

+

E

Grundzustand

I

I I

~l

I I

0-----~---- -1------

I

I I

Abb. 30. Grundzustand des EthenMoleküls (Energieniveauschema)

I antiI I bindend I

411

I bindend I I

I

I

I

I

Abb. 31. Basis-AO der ~-MO (2pz-AO) im Ethen (a) sowie die delokalisierten ~-MO (b)

Ez

+

angeregter Zustand 2 1 1 (ljl1 + ljJ11jJ2)

Abb. 32. Besetzungsschema der ~-MO im Ethen

77

QD

Butadien (n-Bindungen)

Aus den vier 2pz-AO entstehen ~ n-MO, die über alle vier C-Atome delokalisiert sind. Abb. 33 gibt die Wellenfunktionen für die n-MO des Butadiens wieder (vgl. mit Abb. 31). Im Grundzustand sind

~

1 und

~2

mit je zwei Elektronen besetzt. Die

Konfiguration ist ~~~~- ~ 2 hat eine Knotenebene, d.h. es ist antisymmetrisch bezüglich einer Ebene zwischen C-2 und C-3, ~ 3 hat zwei und ~ 4 hat drei Knotenebenen. Abb. 34 zeigt das Energieniveau-Schema der n-MO von Butadien im Vergleich mit Ethen.

E

antibindend

bindend

a)

Abb. 33. (a) Basis-AO der n-MO im Butadien, Grundzustand. (b) Delokalisierte n-MO im Butadien und ihr Besetzungsschema. • = Knotenebene

78

LUMO E • Eigenwerte } Weltenfunktionen der 1t- MO

I

I

------------~-----

tp •

Ez

HOMO

+

+

E,

Butadien

+

(E 1)

Ethen

Abb. 34. Besetzungsschema der w-MO im Butadien und Ethen im Grundzustand (Vergleich)

Q)

AZlyl-Gruppe

Die Allyl-Gruppe ist ein weiteres Beispiel für ein einfaches, delokalisiertes Elektronensystem. Das Allyl-System kann aZs Kation, als Radikal oder als Anion vorliegen.



CH 2=CH-cH 2

CH 2=CH-cH 2

e CH 2=CH-CH 2

Allyl-Kation

Allyl-Radikal

Allyl-Anion

Aus den drei p-Orbitalen der C-Atome lassen sich drei MO bilden 1 bis 3 , Abb. 35). 1 umfaßt alle drei C-Atome: Allyl-Systeme werden daher durch Delokalisierung stabilisiert. 2 hat am mittleren C-Atom eine Knotenebene und besitzt die gleiche Energie wie ein isoliertes p-Orbital: es ist nichtbindend. 3 ist antibindend und besitzt zwei Knotenebenen. (Die Knotenebenen an den beiden Enden der Systeme sind in allen Abb. wie üblich nicht eingezeichnet worden.)

(w

w

w

w

w

79

E +

I I

I I

888: c- c -c 808:I

- - I!J 3

I

I

I

lI

I

I

I I

H ---:-~-9- 9---~- ---~--+ --~--*I I I

~

C-

~

V

V

I I I

I :

:~:*

1

C-

C- C

I~ I~

LCAO

Tt-MO

1

*: * I I I

1

I

I!Jz

ljl 1

antibindend

nicht bindend

bindend

I

Kation

Radikal

Anion

Abb. 35. Allyl-System. Besetzungszusta nd der TI-MO im Kation, im Radikal und im Anion

7 Ungesättigte Kohlenwasserstoffe 111. Alkine

Eine weitere homologe Reihe ungesättigter Verbindungen bilden die unverzweigten und verzweigten Alkine. Der Prototyp [ur diese Mole-

kule mit einer c:c-Drei[aahbindung ist das Ethin (Aaetylen), HC=CH (bindungstheoretische Betrachtungs. Kap. 1.3.2.2). Beachte, daß bei Alkinen zwar Konstitutionsisomere, jedoch wegen der Linearität der Dreifachbindung keine cis-trans-Isomere möglich sind. Wichtige Vertreter der Acetylen-Reihe sind: Propin (Methyl-acetylen)

CH 3-c:CH

1-Butin (Ethyl-acetylen)

c 2 H5-c:CH

2-Butin (Dimethyl-acetylen)

CH 3-c=c-cH 3

2-Methyl-3-hexin (Ethylisopropyl-acetylen)

c 2H5-c:CiH-cH 3 CH 3

5-Methyl-2-hexin (Methylisobutyl-acetylen)

CH 3 ~H-cH 2 -c:c-cH 3

CH 3 Betrachtet man die Kernabstände der beiden C-Atome bzw. der C-HBindung im Ethan, Ethen und Ethin, so erhält man folgende Werte: H

153,4 pm

'-..I/

H

H-C-C-H H/\ spl" H 110,2pm

12017pm

I

H-C:=C-H I sp 105,9 pm

Die Verkürzung des C-e-Abstandes in den Mehrfachbindungen erklärt sich durch die zusätzlichen n-Bindungen. Der C-H-Kernabstand verringert sich in dem Maße, wie der s-Anteil an der Hybridisierung des C-Atoms wächst. Mit der Verkürzung der Kernabstände ist eine Vergrößerung der Bindungsenergien verbunden, zusätzlich erhöht sich die Elektronegativität der C-Atome mit dem Hybridisierungsgrad in der Reihenfolge sp 3 -+sp 2 ~sp, was dazu führt, daß die H-Atome im Acetylen ~

sind.

81

Entsprechend lassen sich die H-Atome - im Gegensatz zu olefinischen H-Atomen - leicht durch Metallatome ersetzen, wobei Aaetylide gebildet werden. Hiervon sind besonders die Schwermetall-acetylide wie Ag 2c 2 und cu 2c 2 sehr explosiv. 9

CH':OCH

CH:CINae

Acetylen

Na-Acetylid

Das Acetylid-Ion ist ein Nucleophil und kann weiterreagieren, z.B. mit dem elektrophilen co 2 : e~

H-C•CI

+

o-c-0 v

oder mit einem Halogenalkan:

H-C•C-R

+

e

Br

Der ungesättigte Charakter der Ethine zeigt sich in zahlreichen Additionsreaktionen: 9

[Hf=CH-0R]

H2C=CH 2

ROH -OR9 H2

ClCH=CHCl

Cl 2

HI

Vinylalkohol

Cl 2CH....CHC1 2

CH 3-cHI 2 1,1-Diiodethan

Vinyliodid [CH 2=CHOH]

CH 3-cH 3

1,1,2,2-Tetrachlorethan

1,2-Dichlorethen CH 2=CHI

Vinylether

Ethan

Ethen HC:CH Ethin

H2C=CH-0R

isomerisier~

Tautomerie

CH 3--

Cl -1-

OH

-

langsam

~

schnell

OH

E> -1-

Cl

~

Diese Reaktion ist gleichzeitig eine ipso-Reaktion, da Cl und nicht etwa H durch OH ersetzt wird. Elektronenziehende Substituenten, insbesondere mit -M-Effekt, können das Carbanion-Zwischenprodukt vor allem in o- und p-Stellung stabilisieren.

Mesomere Grenzformeln der Carbanionen a) o-Chlornitrobenzol HO

HO

Cl

2 H~N0 7 I

HqO Cl NOz

;::,...

I

e

H

b) p-Chlornitrobenzol

H&O Cl NOz ~

e

Cl

oe

Ö~~·'oe ~

122

Die Nitrogruppe fördert also die nucleophile Substitution in eben den Stellungen, in denen sie die elektrophile erschwert (beachte beim Vergleich, daß bei SN2 an Aliphaten elektronenspendende Substituenten einen beschleunigenden Einfluß ausüben) . Bei Halogenaromaten hat die Art des Halogens kaum einen Einfluß auf die Geschwindigkeit, mit Ausnahme der Arylfluoride. Hingegen hat das Lösemittel oft einen entscheidenden Einfluß auf die Reaktionsgeschwindigkeit bei der SN2,Ar-Reaktion. Sehr schnell verlaufen häufig Reaktionen in aprotischen polaren Medien wie Dimethylsulfoxid, Aceton oder Acetonitril. Für nucleophile aromatische Substitutionen gilt bezüglich einer Zweitsubstitution das Umgekehrte wie für die elektrophile Substitution: Elektronenanziehende Substituenten aktivieren den Aromaten und dirigieren den Zweitsubstituenten nach ortho und para. Grund hierfür ist die Stabilisierung des als Zwischenprodukt auftretenden Carbanions durch den Mesomerieeffekt bei Addition des Nucleophils an die o- oder p-Position. Der I-Effekt der Substituenten spielt eine deutlich geringere Rolle. -M-Substituenten in o- oder p-Stellung zu einem Halogenatom erleichtern daher erheblich nucleophile Substitutionen an Halogenaromaten. So wird z.B. Pikrylchlorid (2,4,6-Trinitrochlorbenzol) durch verdünnte Natronlauge hydrolysiert, während das F-Atom im sanger-Reage.ns (2,4-Dinitrofluorbenzol) gut durch die nucleophile NH 2 -Gruppe einer Aminosäure unter Bildung eines sekundären Amins ersetzt werden kann.

10.2.3 Weitere nucleophile aromatische Substitutionsreaktionen Bekannt sind sowohl Reaktionen, bei denen zunächst ein Nucleophil addiert und danach die Abgangsgruppe abgespalten wird (AdditionsEliminierungs-Mechanismus) , als auch Reaktionen, die nach einem Eliminierung-Additions-Mechanismus verlaufen (s. Kap. 9.6). Additions-Eliminierungs-Mechanismus Beispiel: Darstellung von o-Nitrophenol.

Das Nucleophil OH 9 verdrängt einen Substituenten, hier das HydridIon, und man erhält über eine Zwischenstufe o-Nitrophenol. Daneben wird p-Nitrophenol gebildet:

123

A~ ~

+fQH 9

+

Nitrobenzol

Zwischenprodukt

Hf>

o-Nitrophenol

Mesomerie des Zwischenprodukts

[

-

-

Im Unterschied zu einer SN2-Reaktion bei Aliphaten (s. Kap. 12.2) tritt hier ein echtes Zwischenprodukt auf, d.h. die Reaktion verläuft nach einem Additions-Eliminierungs-Mechanismus.

Eliminierungs-Additions-Mechanismus Eine andere Art der nucleophilen Substitution führt über Arine als Zwischenstufe. Ein Arin oder Dehydrobenzol enthält ein aromatisches System mit einer Dreifachbindung. Ein Beispiel ist die Umsetzung von Chlorbenzol mit Natriumamid in flüssigem Ammoniak, wobei das Auftreten eines Arins durch Verwendung von 14 c-markiertem Chlorbenzol festgestellt wurde:

0.

Cl

H

-Cle,-NH 3

markiertes Chlorbenzol

o.

Dehydrobenzol (Ar in)

markiertes Anilin

Man erkennt deutlich, daß die nucleophile aromatische Substitution hier nach einem Eliminierungs-Additions-Mechanismus abläuft, wobei nach der Eliminierung von HCl das sehr reaktive 1,2-Dehydrobenzol entsteht, das danach mit NH 3 als Nucleophil reagiert. Analog verläuft die Hydrolyse von Chlorbenzol mit NaOH/H 2o zu Phenol (s. Kap. 16.1) und von o-Chlorphenol zu Brenzcatechin (o-Dihydroxybenzol).

124

Eine andere Möglichkeit zum Nachweis und zum Abfangen von Arinen, die auch von großem Interesse für Synthesen ist, bietet die DielsAlder-Additionsreaktion mit einem geeigneten Dien, z.B. Cyclopentadien.

Benzonorbornadien

Verbindungen mit einfachen funktionellen Gruppen

Unter einer funktionellen Gruppe versteht man Atomgruppen in einem MoZeküZ, die charakteristische Eigenschaften und Reaktionen zeigen und die das Verhalten des MoZeküZs wesentZieh bestimmen. In einem Molekül können gleicpzeitig mehrere gleiche oder verschiedene funk· tionelle Gruppen vorhanden sein.

11 Halogen-Verbindungen

11.1 Chemische Eigenschaften Ersetzt man in den Kohlenwasserstoffen ein oder mehrere H-Atome durch Halogen-Atome, erhält man organische Halogen-Verbindungen mit einer C-Hal-Bindung. Die Bindung ist polarisiert nach 6•c-x 69 . Dadurch ist das C-Atom einem Angriff nucleophiler Reagenzien zugänglich. Die Polarität der C-X-Bindung ist abhängig vom Halogen-Atom und von der Hybridisierung am C-Atom; sie nimmt in der Reihe sp 3 > sp 2 > sp ab. Stabilisierende Mesomerieeffekte sind zusätzlich zu berücksichtigen. Für die Reaktivität der Halogen-Verbindungen ist kennzeichnend, daß die Halogen-Atome (außer F) gut austretende Gruppen sind und die Reaktivität mit der Polarisierbarkeit ansteigt: Polarität: Polarisierbarkeit: Reaktivität:

C-F > C-cl > C-Br > C-I C-F < c-cl < C-Br < C-I C-F < C-cl < C-Br < C-I

Typische Reaktionen sind:

Q)

nucleophile Substitution am C-Atom, bei der das Halogen-Atom durch eine andere funktionelle Gruppe ersetzt wird (s. Kap. 12);

QD

Eliminie~ungs~eaktionen, d.h. Abspaltung von Halogenwasserstoff oder eines Halogen-Moleküls unter Bildung einer Doppelbindung (s. Kap. 13);

(D

Reduktion du~ch Metalle zu Organometall-Verbindungen (s. Kap. 26).

Halogen-Kohlenwasserstoffe sind meist farblose Flüssigkeiten oder Festkörper. Innerhalb homologer Reihen findet man die bekannten Regelmäßigkeiten der Siedepunkte. Halogenalkane sind in Wasser unlöslich, aber in den üblichen organischen Lösungsmitteln löslich (lipophiles Verhalten). Der qualitative Nachweis von Halogen in organischen Verbindungen gelingt mit der Beilstein-P~obe. Hierbei zersetzt man eine Substanz-

127

probe an einem glühenden Kupferdraht. Die entstehenden flüchtigen Kupferhalogenide färben die Bunsenbrennerflamme grün.

11.2 Verwendung Halogen-Verbindungen sind Ausgangssubstanzen für Synthesen, da sie meist leicht herstellbar und i.a. sehr reaktionsfähig sind. Bei der Verwendung, insbesondere als Lösemittel, ist neben der narkotischen Wirkung auch eine relativ große Toxicität zu beachten.

11.3 Darstellungsmethoden AZiphatische HaZogen-Verbindungen werden im industriellen Maßstab meist durch radikalisehe Substitutionsreaktionen hergestellt (s. Kap. 4.4). Weitere Herstellungsmöglichkeiten bieten die Umsetzung von Alkoholen mit Halogenwasserstoffen oder Phosphorhalogeniden (s. Kap. 14.4.4) und die Addition von Halogenwasserstoffen oder Halogenen an Alkene (s. Kap. 5.3.2 und 8.2). BeispieZe: ROH + HCl

:;::::::::!!:

GD

Eine besondere Reaktion ist die Oxidation von Silbercarboxylaten (Hunsdiecker-Reaktion):

(D

FZuor-Verbindungen werden meist durch Austausch von Chlor-Atomen mit Fluoriden oder HF gewonnen (Finkelstein-Reaktion): CC1 4 + SbF 3 -

CC1 2 F 2 ; Dichlordifluormethan Freon 12

Heptan

Perfluorheptan

Frigene (Freone) werden noch als Treibmittel z.B. in medizinischen Sprays oder als Kühlmittel (z.B. in Kühlschränken) verwendet.

128

Sie stehen allerdings im Verdacht, umweltschädigend zu sein, insbesondere durch negative Beeinflußung des Ozongürtels der Erde. Ihre Verwendung wird daher zukünftig stark eingeschränkt sein. Aromatische Halogen-Verbindungen können durch elektrophile Substitu-

tions-Reaktionen an Aromaten in Gegenwart eines Katalysators hergestellt werden (Kernchlorierung, s. Kap. 9.5.3). Bei aliphatisch-aromatis chen Kohlenwasserstoffen ist auch eine Seitenkettenchlorierung möglich (Radikalreaktion unter dem Einfluß von Sonnenlicht bzw. UV-Licht, s. Kap. 9.5.8).

11.4 Substitutions-Reaktionen von Halogen-Verbindungen Während die Eliminierungs-Reakt ion an Halogenalkanen zu einem Hauptprodukt, einem Alken, führt, bildet die oft als Konkurrenzreaktion auftretende nucleophile Substitution (SNLdie Möglichkeit, eine Vielzahl von Verbindungen zu synthetisieren: Y(

V+l-x -Jo

R-Y +

(X 9

Das Nucleophil Yj 9 greift am elektrophilen C-Atom des Halogenalkans an und verdrängt daraus die Abgangsgruppe X, hier ein Halogen-Anion. Einfachstes Beispiel ist die Pinkelatein-Reaktion zur Darstellung von Fluor- oder Iodalkanen oder auch zum Isotopenaustausch: R-I

Bei den folgenden, allgemein formulierten Reaktionen sei darauf hingewiesen, daß primäre Halogenalkane vorzugsweise SN-Reaktionen, tertiäre Halogenalkane oft Eliminierungen eingehen. Sekundäre Halogenalkane reagieren häufig nach beiden Mechanismen. Zur Möglichkeit der Steuerung zu einem bestimmten Produkt vgl. Kap. 12.4.

129

11 .4.1 Reaktionen mit N-Nucleophilen (N-Alkylierung und N-Arylierung)

G)

NH 3

--+R-NH; + Xe

-----=-+

$ b) R-X + RNH 2 - R 2NH 2 + Xe

--"-+

c) R-X + R2NH - R 3 NHe + Xe

3 ------. - HX

a) R-X + NH 3

- HX NH 3

- HX NH

R-NH 2

Alkylamin

R2NH

Dialkylamin

R3 N

Trialkylamin

Tetraalkylammonium-Halogenid analog: Hydrazine

Die Alkylierungsreaktion liefert, wie den Reaktionsgleichungen zu entnehmen ist, in der Regel ein Reaktionsgemisch aus verschiedenen Produkten. Relativ rein herstellbar sind die Ammonium-Verbindungen (Uberschuß an Alkylhalogenid) oder ein primäres Alkylamin (Uberschuß an Ammoniak) .

o,N -c,

OHe

R R'

Cl

)c=o

Aldehyde, Ketone

Cl

®

I

R-C-Cl

I

~

""0 R-e' 'oH

Carbonsäure

Cl

Die Reaktionen verlaufen meist über in·stabile Zwischenstufen, die oft sofort Wasser abspalten (Eliminierung; vgl. Kap. 21.18.4.2).

11.4.4 Reaktion mit Hydrid-Ionen Das He-Ion ist ein starkes Nucleophil und überführt die Halogenalkane in die entspr. Kohlenwasserstoffe: He+ R-X---+ R-H+ Xe. Zur Gewinnung von Hydrid-Ionen verwendet man meist komplexe Hydride wie Li-Al-Hydrid), wobei die Reaktion in inerten Lösungsmitteln wie wasserfreiem Ether durchgeführt werden muß. Natrium-

~ 4 _(L~-Alanat,

~ 4 ! ist weniger reaktiv und kann in schwach alkalischer wäßriger Lösung verwendet werden.

borhydrid,

11.4.5 Reaktion mit C-Nucleophilen (C-Alkylierung) Arene können bekanntlich mit Elektrophilen reagieren und besitzen wegen ihres rr-Elektronensystems nucleophile Eigenschaften. Ihre Nucleophilie gegenüber Halogenalkanen ist jedoch so gering, daß deren elektrophiler Charakter durch Katalysatoren (wie Lewis-Säuren) erhöht werden muß. Dadurch können in einer Friedel-Crafts-Alkylierung Alkylarene hergestlelt werden (s. Kap. 9.5.6 und 9.5.7).

132

Wichtiger ist die Reaktion der Halogenalkane mit starken Nucleophilen wie Carbanionen. Viele C-H-Verbindungen können durch Reaktion mit einer starken Base in das entsprechende Carbanion übergeführt werden (CH-acide Verbindungen) und dann mit Halogenalkanen weiterreagieren.

Beispiele:

-H-e-e-R

+ NaX

R-X ist hier ein primäres Halogenalkan.

(D

Es sind auch Reaktionen mit ambifunktionellen Verbindungen möglich, die von präparativem Interesse sind (s. Acetessigester- und Malonester-Synthesen, Kap. 24.3). Ein einfaches Beispiel soll die Möglichkeit der o- bzw. C-Alkylierung erläutern:

eH 3 -

~ -eH 3

0

OH 0

[

e

eH 3 -e = CH 2

eH3 - e- CH 2

I IQ.Ie

II

0

Aceton

-re

]

•CH,Ij-Ie

+CH 3 l

CH 3 - C- CH 2 - CH3

II

+

CH 3 -C-CH 2

I

0-CH 3

0

Enolether des Acetons

Butanon

( Isopropenyl- methyl-ether)

j e-Aikylierung

I

I

0-Aikylierung

I

Kunststoffe (PVC) Teflon

76,7°

-41° 12° -14° -76°

-63,5° -23° -111° -146° -138° -154° -142,5°

CHC1 3

CC1 4

CC1 2 F 2

CHF 2 Cl

c 2H5 Cl

CH 2 =CH-cl CF 2 =CF 2

Trichlormethan (Chloroform)

Tetrachlorkohlenstoff

Dichlordifluormethan

Difluorchlormethan

Chlorethan (Ethylchlorid)

Vinylchlorid

112°

c 6 H6 Cl 6

y-Hexachlorcyclohexan (Gammexan)

132°

-45°

C6 H5 Cl

Chlorbenzol

-

-

-30°

-

z.B. F 3C-cHC1Br z.B. F 2 BrC-cF 2 Br

Halone

Halothane

Tetrafluorethen

61 '2°

-97°

CH 2c1 2

Dichlormethan (Methylenchlorid)

CF 2 =CF 2

Phenol, Nitrochlorbenzol Insektizid

etc.

Feuerlöschmi ttel·

Anästhesie

-

Anästhetikum

Treibgas, (Frigen 22)

700°C

Treibmittel, Kältemittel (Frigen 12)

Fettlösungsmittel,

Extraktionsmittel, Narkosemittel

Lösungs- u. Extraktionsmittel

Methylierungsmittel Bodenbegasung

40

-94°

CH 3 Br

Brommethan (Methylbromid) 40°

Methylierungsmittel, Kältemittel

-24°

-98°

CH 3Cl

Chlormethan (Methylchlorid)

Verwendung

Kp. 0 c

Fp.°C

Formel

Name

Tabelle 10. Verwendung und Eigenschaften einiger Halogen-Kohlenwasserstoffe

"'

;;;

134

Biologisch interessante Halogen-Kohlen wasserstoffe Natürlich vorkommende Halogen-Verbind ungen sind relativ selten. Zu den wichtigen gehören FCH 2 - COOH NH-COCHCI 2

ON-o-~ CH-6H-CHOH z _ I z OH

N(Cfi"l 2

I

Fluoressigsäure (in der südafrikan. Giftpflanze DichapetaLum cymosum) Chloramphenico l (Chloromycetin) (Antibioticum) Man beachte auch die Nitro-Gruppe. Aureomycin

Chlortetracycl in R1=Cl, R2 =H

Tetramycin

R1=H, R2=0H

OH

CONH 2 OH

~}~Br

-~ Br ~N; ~ /j

Tetracyclin R1=R 2=H (Antibiotica)

6,6'-Dibromindi go (Antiker Purpur, aus Purpurschnecken )

0

HO*o*lH,

COOH

I

I

X

I

I

HN-C-H

X=H: 3,5,3'-Triiodth yronin X=I: 3,5,3' ,5'-Tetraiodthy ronin (=L-Thyroxin) (Hormone der Schilddrüse)

Bemerkung: Polychlorierte Insektizide werden zunehmend weniger verwendet wegen der Anreicherung in der Nahrungskette und wegen ihres langsamen biologischen Abbaus. Immer noch häufig verwendet wird zur Bekämpfung der Uberträgerinsek ten der Malaria das DDT:

2

c 6H5Cl

+

Chlorbenzol

CCl 3-cH(OH) 2 Chloralhydrat

Cl-c 6H4-yH-c 6H4-cl

+

CC1 3

1,1-Bis(4-chlor phenyl)2,2,2-trichlore than (DDT)

12 Die nucleophile Substitution am gesättigten C-Atom {SN)

Die nucleophile aliphatische Substitutions-Reaktion ist eine der am besten untersuchten Reaktionen der organischen Chemie. Sie ist dadurch gekennzeichnet, daß ein nucleophiler Reaktionspartner Yl einen Substituenten XI (Abgangsgruppe, nucleofuge Gruppe) verdrängt und dabei das für die C-Y-Bindung erforderliche Elektronenpaar liefert:

Yl~0

-

Y-R +XI

Eine gewisse Polarisierung der R-X-Bindung begünstigt die Reaktion. Das C-Atom, an dem die Reaktion stattfinden soll, erhält dadurch eine positive Teilladung. Im Hinblick auf den Reaktionsmechanismus können unterschieden werden: a) die monomolekulare nualeophile Substitution, die im Idealfall nach 1. Ordnung verläuft (SNlJ; b) die bimolekulare nualeophile Substitution, die im Idealfall eine Reaktion 2. Ordnung ist (SN~·

12.1 SN 1-Reaktion (Racemisierung) Die SN1-Reaktion, hier am Beispiel der alkalischen Hydrolyse von tert. Butylchlorid und 3-Chlor-2,3-dimethyl-pentan gezeigt, verläuft monomolekular: CH 3

I CH -C-Cl 3 I

langsam

CH 3

2-Chlor-2-methyl·-propan (tert. Butylchlorid)

CH 3

I CH 3 -c• I

CH 3

+

Cl 8

rasch -----+

+OH 8

CH 3

I

CH -C-OH + Cl 8 3 I CH 3

2-Methyl-2-propanol

136

Der geschwindigkeitsbestimmende Schritt ist der Ubergang des vierbindigen tetraedrischen, sp 3 -hybridisierten C-Atoms in das dreibindige, ebene Trimethylcarbenium-Ion (sp 2 -hybridisiert). Der Reaktionspartner OH 9 ist dabei nicht beteiligt. Für das Zeitgesetz ergibt sich: v ; k • ((CH 3 ) 3 CCl). Deutlicher wird dies bei der Untersuchung der Stereochemie einer chiralen Verbindung (s. Kap. 30).

6

+ OH

6 /-Cl

racemisches Gemisch

3-Chlor-2,3-dimethylpentan mit c 3 H7 ; CH(CH 3 ) 2 Abb. 46. Schema einer SN1-Reaktion

Wie Abb. 46 zeigt, befindet sich das C-Atom des Carbenium-Ions in der Mitte eines

~· gleichseitigen Dreiecks, denn das 3-Chlor2,3-dimethylpentan dissoziiert in ein Chlorid- und ein (solvatisier-

tes) Carbenium-Ion. Das nucleophile Agens OH 8 kann mit gleicher Wahrscheinlichkeit von jeder der beiden Seiten des Dreiecks herantreten. Wir erhalten zwei neue, spiegelbildlich gleiche 2,3-Dimethyl3-pentanole im Verhältnis

: 1.

~N 1-Reaktionen

verlaufen also unter

weitgehender Racemisierung. Diese ist allerdings nur selten vollständig und wird vor allem von zwei Faktoren bestimmt: a) von der Stabilität des bei der Heterolyse gebildeten CarbeniumIons, b) von der Nucleophilie des Lösungsmittels (Solvens) bei Solvolysen. Eine plausible Erklärung hierfür liefert das Dissoziationsschema:

56 R-X

1)$

®

e

( R X )solv.

6

® ~

R

6 ~ X

X solv.

solv.

I

:rr

][

137

Nach der Ionisierung von R-X bildet sich zunächst ein inneres Ionenpaar (Kontakt-Ionenpaar) I, dessen Ionen noch in engem Kontakt miteinander stehen und von einer gemeinsamen Lösungsmittelhülle (SolvatHülle) umgeben sind. Daraus entsteht ein externes Ionenpaar II, wobei sich zwischen die Ionen einige Solvens-Moleküle geschoben haben. Schließlich erhalten wir selbständige, vollkomm.en solvatisierte Ionen, III. Das Nucleophil Yl kann nun in jedem dieser Stadien angreifen. Eine vollständige Racemisierung wird man dann erwarten können, wenn R$ eine relativ große Lebensdauer hat, d.h. aufgrund seiner Struktur stabil ist, oder wenn das Lösungsmittel nur schwach nucleophil ist und die Reaktion in Stufe III einsetzt. Da dabei die entstehenden Ionen solvatisiert werden müssen, hat das Lösungsmittel auch einen großen Einfluß auf die Reaktionsgeschwindigkeit. Das Energiediagramm einer SN1-Reaktion entspricht Abb. 21, weil hierbei ein Carbenium-Ion als Zwischenprodukt auftritt. Dieses kann sich umlagern oder ein Proton abgeben und ein Olefin bilden (Eliminierung). Diese Folgereaktionen treten dabei in Konkurrenz mit der nucleophilen Substitution und liefern manchmal sogar den Hauptanteil der Reaktionsprodukte.

12.2 SN2-Reaktion (Inversion) Bei der SN2-Reaktion, hier am Beispiel von 2-Brombutan gezeigt, ~­ folgen Bindungsbildung und Lösen der Bindung gleichzeitig. Das Energiediagramm entspricht Abb. 19 bzw. 20. Der geschwindigkeitsbestimmende Schritt ist die Bildung des Ubergangszustandes I, d.h. der Angriff des Nucleophils. Bei dieser bimolekularen Reaktion sind beide Reaktionspartner beteiligt: v = k • c (OH 8 ) • c (C 4H9Br) •

Br

I

H •. C

CH(f"cH 2 CH 3 QH6

R-2-Brombutan

OH 6

r ., H

:

··,,:

/~- CH 2 CH 3

CH 3

:

r

-ere

H, /CH 2 CH 3 H3c....:,'c

I

OH

OH

I

S-2-Butanol

Abb. 47. Schema einer SN2-Reaktion

138

Der nucleophile Partner (OH 9 ) nähert sich dem Molekül von der dem Substituenten (-Br) gegenüberliegenden Seite. In dem Maße, wie die C-Er-Bindung gelockert wird, bildet sich die neue C-QH-Bindung aus. Im Ubergangszustand I befinden sich die OH- und Br-Gruppe auf einer Geraden. Ist das Halogen an ein optisch aktives C-Atom gebunden, z.B. beim 2-Brombutan (Abb. 47), so entsteht das Spiegelbild der Ausgangsverbindung. Dabei wird die Konfiguration am chiralen C-Atom umgekehrt. Man spricht daher oft von Inversion, hier speziell von Waldenscher Umkehr. Am Formelbild erkennt man deutlich, daß die drei Substituenten am zentralen C-Atom in eine zur ursprünglichen entgegengesetzten Konfiguration "umgestülpt" werden. Merkhilfe: Umklappen eines Regenschirms (im Wind). Die Inversion ist charakteristisch für eine SN2 -Reaktion. Im Gegensatz zur SN1-Reaktion läßt sich die Bildung von Olefinen und von Umlagerungsprodukten durch entsprechende Wahl der Reaktionsbedingungen vermeiden.

·12.3 SN-Reaktionen mit Retention

Q)

Bei einigen SN-Reaktionen tritt weder eine Konfigurationsumkehr noch eine Racemisierung auf: Sie verlaufen unter Erhaltung der Konfiguration am Chiralitätszentrum (Retention). Der Grund hierfür sind sog. Nachbargruppeneffekte, die vor allem bei biochemischen Reaktionen eine große Rolle spielen. Charakteristisch ist dabei, daß die Edukte ein dem Reaktionszentrum benachbartes Atom haben, das entweder eine negative Ladung oder ein einsames Elektronenpaar besitzt. Dieses Atom greift in einem ersten Schritt das Reaktionszentrum an (~ version) und wird dann im zweiten Reaktionsschritt durch das von außen angreifende ~ucleophile Agens verdrängt (2. Inversion).

Beispiel: Die Hydrolyse von a-Brompropionat mit verd. NaOH zu D-Milchsäure verläuft kinetisch wie eine Reaktion 1. Ordnung. 0

e I

~

0

\

n

101-C-Br

- /J

H3 C H

0

~

~

69/ \

r··.

6e Unv

O·····C···Br

.••

~

0

I \ /IQH

--X-0-c' ~ ~··.. H C~ H CH 3

0

e __..g

~

- e ~

I \

69 z.tnv. IQ

0···-C····OH-

6e

,....

H CH 3

\

C-OH

..-1

H3C H

139

(D

, Eine weitere Reaktion 2. Ordnung, die unter Retention verläuft ~N~ als Die hlorid. Thionylc mit Alkohole einiger ist die Reaktion I und bezeichn ete Umsetzun g verläuft vermutlic h über ein Ionenpaa r nicht über eine intramole kulare Reorgani sation:

\ .C- OH

•""J

-

SOCI 2

. \

0

0

II

...

I

1®5> II

.C-CI

.. ·jC-0-S -CI- .C IO=S-CI

·"J

~

I

12.4 Das Verhältnis SN 1/SN2 und die Möglichkeiten der Beeinflussung einer SN-Reaktion iedDie besproche nen SN1- und SN2-Mech anismen konkurrie ren untersch die jedoch es gibt Oft ion. SN-Reakt lich stark miteinan der bei jeder im Die sen. beeinflus zu SN2 zu SN1 von is Möglichk eit, das Verhältn t verknüpf der miteinan natürlich sind Faktoren rten diskutie folgenden n. besproche getrennt wegen tlichkeit Ubersich der nur und werden

12.4.1 Konstitu tion des organisch en Restes R geht Aus der Betrachtu ng des Ubergang szustande s einer SN1-Reak tion R erRestes des t +I-Effek einem bei tion Substitu die daß hervor, 09 und damit die 0 leichter t wird, weil er die Polarisie rung nach R e-x t als Bildung eines Carbenium -Ions begünsti gt. Da sowohl der +I-Effek primär lge Reihenfo auch die Stabilitä t von Carbenium -Ionen in der Br 9 > Cl 9 ), weil ihre äußeren Elektronen weniger fest gebunden werden. Mit zunehmender Größe wird die Solvation geringer (kleinere Solvationsenergie) und die kleinere Solvathülle wird bei der Reaktion leichter abgebaut. Das r 9 -Ion ist daher, obwohl die schwächere Base, ein stärkeres Nucleophil als das kleine, schwer polarisierbare F9 -Ion, das zudem starke H-Brückenbindungen ausbildet. Geht man aber zu einem dipolar-aprotischen Lösungsmittel, z.B. Aceton (s. Kap. 2.2.6), über, so wird die Nucleophilie-Skala umgekehrt und es gilt: Fe > Br 9 > r 9 ; jetzt liegt nämlich das stärker basische, wenig solvatisierte ("nackte") F9 -Ion vor. Für den Reaktionsablauf ist von Bedeutung, daß schlecht austretende Gruppen ein starkes Nucleophil erfordern. Dies wiederum begünstigt die als Nebenreaktion auftretende Eliminierung. Es ist daher oft günstiger, gut austretende Gruppen.in ein Molekül einzuführen. Darüber hinaus begünstigt eine hohe Konzentration des Nucleophils Yl die SN2-Reaktion (Zeitgesetz!): Sie wird stark beschleunigt. Umgekehrt wirkt sich eine Verminderung der Konzentration von Yl hauptsächlich auf die SN2-Reaktion aus, nicht aber auf die SN1-Reaktion.

12.4.4 Lösungsmitteleffekte Lösungsmittel solvatisieren die Reaktionspartner und den Ubergangszustand, setzen dadurch die Aktivierungsenergie der Reaktion herab und beeinflussen in starkem Ausmaß das Verhältnis SN1/SN2. Wichtige Lösungsmitteleigenschaften für SN-Reaktionen sind die Dielektrizitätskonstante (Lösungsmittelpolarität), das Solvationsvermögen und die Fähigkeit, Wasserstoff-Brückenbindungen auszubilden.

143

Da beimEN1-Mechanismus sowohl das Carbenium-Ion als auch das austretende Anion stabilisiert werden müssen, begünstigen protische Lösungsmittel wie Wasser, Alkohole und Carbonsäuren diese Reaktion. Darüber hinaus kann man auch durch Erhöhung der Polarität des Lösungsmittels SN1-Reaktionen begünstigen, weil dadurch die Ionisierung des Eduktes und damit die Geschwindigkeit der SN1-Reaktion beschleunigt werden (z.B. durch den Wechsel von 80 % Ethanol zu Wasser). laufen dagegen bevorzugt in aprotischen Lösungsmitteln ab wie Dimethylformamid, (CH 3 ) 2N-cHO, oder Dimethylsulfoxid, (CH 3 J 2SO. Deshalb ist beim Lösungsmittelwechsel (protisch -+ aprotisch) nicht nur eine Veränderung der Reaktionsgeschwindigkeit, sondern auch ein Ubergang etwa von SN1 nach SN2 möglich.

~N2-Reaktionen

12.4.5 Ambidente Nucleophile Normalerweise begünstigen hohe Konzentrationen an Nucleophilen eine SN2-Reaktion. Dies gilt vor allem für Solvolysen (z.B. Hydrolyse), bei denen das Lösungsmittel gleichzeitig als nucleophiles Reagens fungiert. Eine weitere Möglichkeit der Variation von SN1 nach SN2 bieten ambifunktionelle Nucleophile (s. Kap. 12.4.1), wie CN 8 und NO 2 8 Bei der SN2-Reaktion greift bevorzugt das Atom mit der höheren Polarisierbarkeit (geringeren Elektronendichtel an:

(D

NC 8

0

0 2N8 + R-Br -

+ R-Br -

NC· · ·R· • ·Br -

N:C-R + Br8

R-N0 2 + Br 8

Sorgt man jedoch dafür, daß die Bildung von Carbenium-Ionen begünstigt wird, erhält man eine SN1-Reaktion, bei der das Atom mit der höheren Elektronendichte angreift.

R-X +Ag • N0 2e -

AgX+ + R• + o 2Ne -

--R-Q--N=Q

Durch die Bildung von schwerlöslichem Ag-Halogenid wird die Bildung von Carbenium-Ionen gefördert und es kommt, wie auch bei der Reaktion von tertiären Halogenalkanen, zu einer SN1-Reaktion.

13 Die Eliminierungs-Reaktionen (E1, E2)

Eine Abspaltung zweier Atome oder Gruppen aus einem Molekül, ohne daß andere Gruppen an ihre Stelle treten, heißt Eliminierungs-Reaktion.

Bei einer 1,1- oder a-EZiminierung stammen beide Gruppen vom gZeiahen Atom, bei der häufigeren 1,2- oder ß-EZiminierung von benaahbarten Atomen. Eliminierungen können stattfinden: - ohne Teilnahme anderer Reaktionspartner (Beispiel: Esterpyrolyse):

H-i-{-xJ -

~

BI

H-X + >=
~ Q

1,4-Naphthohydrachinon

n OH

OH

OH

Hydrochinon

ß-Naphthol

Thymol

OH

OH

Phlcroglucin

16.1 Darstellung von Phenolen Phenole sind Bestandteil vieler pflanzlicher Farb- und Gerbstoffe sowie von ätherischen Ölen, Steroiden, Alkaloiden und Antibiotica und dienen als Inhibitoren bei Radikalreaktion en. ist eine farblose, kristalline Substanz mit charakteristischem Geruch, die sich an der Luft langsam rosa färbt. In Ethanol und Ether ist Phenol leicht löslich. Wäßrige Lösungen hingegen sind nur in niederer oder sehr hoher Konzentration homogen. Die Lös-

Phenol,

c 6 ~5~

lichkeit ist temperaturabhän gig: Oberhalb von 66°C sind Phenol und Wasser in jedem Verhältnis mischbar.

173

Neben der Gewinnung aus Steinkohlenteer gibt es andere Darstellungsverfahren und technische Synthesen.

(D

Aus Natrium-Benzolsulfonat mit Natronlauge und anschließendem

Freisetzen aus dem Phenolat mit H2 co 3 :

350° c

(D

Alkalische Hydrolyse von Chlorbenzol (Eliminierungs-Additions-

reaktion, vgl. Kap. 9.6)

@-ct. (D G)

(Cu)

2 Na OH

+

Verkochen von Diazoniumsalzen (s. Kap. 20.1.2).

Cumol-Phenol-Ver[ahren: Aus dem Propen der Crackgase und Benzol

erhält man Curnol (Friedel-Crafts-Alkylierung) und daraus durch Oxidation mit Luftsauerstoff Cumolhydroperoxid. Dieses wird mit verd. Schwefelsäure in hceton und Phenol gespalten (Hock-Verfahren):

H 3C,

H

©

+

Benzol

H2 C

~I

CH 3

c I

~

H

H 1

c

OH

© © © +

Cumol

Propen

CH 3 I H3C -C-0-0-H

/CH 3

H2 50 4

02

Curnolhydroperoxid

+

Phenol

Die Reaktion verläuft über eine Umlagerung am Sauerstoff-Atom:

-

- H20

H $ H

'o/

I HC-C-0-CH 6 s I 3 CH 3

0 II -H®

HJC-T

CH 3

+ H-O-C6HS

H C-C-CH

3

II 0

Aceton

3

174

16.2 Eigenschaften von Phenolen Das chemische verhalten wird durch die Hydroxyl-Gruppe bestimmt.

Phenole sind im Gegensatz zu den Alkoholen erheblich stärkere Säuren: c 6 H50H ("Carbolsäure"l mit pK 5 ... 9 (z.vergl. c 2H5 -oH: pKs"' 171. Phenole lösen sich daher in Alkalihydroxid-Lösungen unter Bildung von Phenolaten. Die Basizität einer NaHco 3-Lösung reicht dazu jedoch nicht aus. Die Trennung von Phenolen und Carbonsäuren gelingt durch Ausschütteln mit NaOH- bzw. NaHco 3-Lösung. Durch anschließendes Einleiten von co 2 in die wäßrige Phenolat-Lösung wird Phenol in öligen Tropfen wieder ausgeschieden (Anwendungs. (D S. 173).

@-oH

+

Na OH

Phenolat @-oH + NaHC01

Phenol Ein guter qualitativer Nachweis für Phenole ist ihre Reaktion mit FeC1 3 in Wasser oder Ethanol unter Bildung farbiger Eisensalze. Die Acidität der Phenole beruht darauf, daß das Phenolat-Anion

~

merlestabilisiert ist· (vgl. die formale Analogie zum Enolat-Anion, Kap. 21. 8. 1I : H

6 I

Dabei wird die negative Ladung des Sauerstoff-Atoms in das ~-System des Benzolrings einbezogen. Zugleich wird die Elektronendichte im Ring erhöht und der Benzolkern einer elektrophilen Substitution leichter zugänglich. Dies gilt insbesondere für den Angriff eines Elektrophils in der 2- und 4-Stellung. Im Gegensatz zum Benzol wird die Substitution an diesen Stellen begünstigt sein, d.h. Phenole bzw. Phenolate lassen sich leichter nitrieren, sulfonieren und chlorieren.

175

Elektronenanziehende Gruppen, z.B. Nitrogruppen in 2- und 4-Stellung am Aromaten erhöhen die Acidität beträchtlich. So hat 2.4.6-Trinitrophenol (Pikrinsäure) pKs = 0,8.

16.3 Reaktionen mit Phenolen

Q)

Ester-Bildung mit Säurechloriden oder Säureanhydriden

(Schotten-Baumann-Reaktion, auch möglich mit Alkoholen). Die ent-

stehende Säure kann mit Sodalösung abgefangen werden.

r8J'OH

~+

CH 3 COOH Essigsäurephenylester

(D

EtheF-BiZdung mit Halogenalkanen (Williamson-Synthese, s. Kap.

15.2):

rAy-ONa



-Na Cl

Methylphenylether (Anisol)

(D

EZektFophiZe SubstitutionsFeaktionen

a) Bei der Nitrierung wird ein Gemisch von o- und p-Nitrophenol erhalten:

©

OH

OH

OH

HN03,100C

©rNOz

und

~

NOz

o-Nitrophenol

p-Nitrophenol

b) Bei der Sulfonierung von Phenol mit konz. H2so 4 erhält man bei 20°C hauptsächlich o-Phenolsulfonsäure und bei 100°C die p-Verbindung. Die Reaktion verläuft im ersten Fall offenbar kinetisch, im zweiten Fall thermodynamisch kontrolliert (vgl. Kap. 9.5.2).

176

OH

OH

©~

~

~

p-Phenolsulfons äure

S0 3 H

OH

~S0 3 H

o-Phenolsulfons äure

c) Reimer-Tiemann -Synthese zur Darstellung von Phenolaldehyden . Bei der Einwirkung von Chloroform und Natronlauge auf Phenol entsteht Salicylaldehyd . Aus Chloroform und Natronlauge bildet sich das äußerst reaktive Dichlorearben ICC1 2 ! das als Elektrophil das Phenolat-Anion angreift. Zum Verständnis dieses Schrittes vgl. die Reaktionen anderer Enolat-Anionen (Kap. 21 .8). Durch Protonenwanderu ng entsteht Dichlormethyl- phenolat, das zu Salicylaldehyd hydrolysiert wird:

[6

a COI

-

[

ll,....

~

101

l

-0 &CHCL2

CCL 2 0

I

Q

- 2 HCL Salicylaldehyd d) Kolbe-Schmitt-R eaktion zur Darstellung von Phenolcarbonsä uren. Natriumphenola t gibt mit Kohlendioxid als Hauptprodukt Salicylsäure. Die o-Hydroxybenzo esäure wird durch Wasserdampfde stillation von dem gleichzeitig gebildeten p-Isomeren getrennt: ONa

©

OH

12s•c, 4-7 bar

~COONa Natriumsalicyl at

OH

~COOH Salicylsäure

Gl No

177

e) Kupplungsreaktionen mit Diazoniumsalzen, s. Kap. 20.1 .1

(als Elek-

trophil fungiert dabei das Diazonium-Kation) •

(D

Redoxprozesse: Viele Phenole lassen sich durch Oxidation in Chi-

none überführen.

Tabelle 13. Technisch und biologisch wichtige Phenole Verbindung

Verwendung

Hydroxybenzol (Phenol)

41

1 81

2-Methyl-hydroxy-benzol (o-Kresol)

31

191

3-Methyl-hydroxy-benzol (m-Kresol)

11

202

4-Methyl-hydroxy-benzol (p-Kresol)

34

202

1-Hydroxy-naphthalin ( a-Naph thol)

94

2-Hydroxy-naphthalin ( ß-Naphthol)

123

1,2-Dihydroxy-benzol (Brenzcatechin)

105

280

photographischer Entwickler

1,3-Dihydroxy-benzol (Resorcin)

110

295

Farbstoffindustrie, Antiseptikum

1,4-Dihydroxy-benzol (Hydrochinon)

170

246

photographischer Entwickler

1,3,5-Trihydroxy-benzol (Phloroglucin)

Farbstoffe, Kunstharze (Phenoplaste), Lacke, künstliche Gerbstoffe

Desinfektionsmittel } (Lysol)

} Farbstoffindustrie

218

Phenole sind oft in Pflanzen zu finden, z.B. als Gerb-, Farb- oder Geruchsstoffe, und werden z.T. auch daraus gewonnen, wie z.B. Pyrogallol aus Gallussäure.

OH

"'*""

OH

HO~OH

-A-lQJ

COOH

Cannabidiol (Cannabis sativa, Hanf)

Gallussäure

Pyrogallol

178

Thymol (Thyrnianöl )

Eugenol (Gewürznel ke)

Praktische Bedeutung besitzen auch viele substituie rte Phenole, z.B. als Arzneimit tel oder Herbizide.

0 II

©::"0-C-C HJ COOH

Acetylsali cylsäure (Aspirin, Antipyretic um)

2,4-D (2,4-Dichl orphenoxyes sigsäure) , ein Herbizid aus Phenol und Chloressig säure

Die bakterizid e Wirkung, insbesonde re der chlorierte n Phenole, wird in Desinfekti onsmitteln ausgenutz t, z.B. von OH

~CH, Cl

OH

OH

Ci~Cl

~CICI~ Cl

Cl

4-Chlor-3-

Hexa chlorophen

methylphen ol

(2,2'-Dihyd roxy- 3,3', 5,5', 6,6'hexachlordip henylmethon )

179

Von physiologischer und pharmazeutischer Bedeutung sind z.B.

OH

~·" HO-C-H I

R

L- Adrenalin

R

L- Noradrenalin

R = CH[CH 3 12

L- Isopropylnoradrenalin

CH 2 -NH-R

Adrenalin und Noradrenalin wirken insbesondere blutdrucksteigernd, Isopropylnoradrenalin wird therapeutisch gegen Bronchialasthma verwendet.

17 Schwefel-Verbindungen

Die einfachste Schwefel-Kohlenstoff-Verbindung ist der Schwefelkohlenstoff CS 2 • Vorn Schwefelwasserstoff H2S leiten. sich den.Alkoholen und Ethern analoge Verbindungen ab, die Thiole (Mercaptane) und die Sulfide (Thioether). Von Bedeutung sind auch Sulfoxide, Sulfone und Sulfonsäuren.

17.1 Thiole Thiole oder Thioalkohole sind Monosubstitutionsprodukte des H2S und enthalten als funktionelle Gruppe die SH-Gruppe. Eine andere Bezeichnung ist Mercaptane, da die Thiole leicht Quecksilbersalze (Mercaptide) bilden ("rnercuriurn captans").

ß._ispiele:

c 2H5 SH

CH 3-SH

C2H5-s--c2H5

c 6H5-SH

Ethanthiol Ethylmercaptan

Methanthiol Methylmercaptan

Diethylsulfid

Phenylmercaptan Thiophenol

Ebenso wie H2 s sind Thiole nicht assoziiert und zeigen einen im Vergleich zu den Alkoholen niedrigeren Siedepunkt (Abb. 51), da sie keine H-Brücken ausbilden können. Thiole sind auch viel stärker sauer als Alkohole (kleinerer pKs-Wert) und bilden gut kristallisierende Schwerrnetallsalze. Sie lassen sich an ihrem äußerst widerwärtigen Geruch leicht erkennen. So wird u.a. eine Mischung aus 75 % t-Butylrnerkaptan (TBM) und 25 % Propylrnerkaptanen zur Odorierung von Erdgas eingesetzt.

181

17.1.1 Darstellung Thiole können auf verschiedene Weise leicht hergestellt werden.

G)

Aus allen Mercaptiden wird durch Mineralsäure das Mercaptan

freigesetzt: (C 2H5 S) 2 Hg + 2 HCl---+ 2

c 2H5-SH

+ HgC1 2

Ethylmercaptan

(D

Durch Erhitzen von Halogenalkanen mit Kaliumhydrogensulfid:

+

+

Methyliodid

(D

KI

Methylmercaptan

In einer Grignard-Reaktion: R-MgX ~ R-S-MgX

R

Ar, tert. Alkyl

QD

Erhitzen von S-Alkyl-isothiuroniumsalzen (zugänglich aus Thioharnstoff und Halogenalkanen) mit Natronlauge:

-

R-Br

Thioharnstoff

NoOH

Isothiuroniumsalz

R-SH + NoBr +

Thiol

17.1.2 Vorkommen In der Natur bilden sich Thiole bei Zersetzungsprozessen (Fäulnis) von Eiweiß (S-haltige Verbindungen); sie sind für den unangenehmen Geruch bei der Verwesung organischer Substanz mitverantwortlich.

17.1.3 Reaktionen Thiole können ebenso wie Alkohole oxidiert werden, jedoch ist Ethylmercaptan leichter zu oxidieren als Ethanol. Der Angriff nicht am C-Atom wie bei den Alkoholen, sondern am S-Atom. Man Disulfide und Sulfonsäuren. Disulfide sind erheblich stabiler ihre Sauerstoff-Analogen, die Peroxide.

z.B. erfolgt erhält als

182

2 R- 5H

Ox

Thiol

R-5-5-R

+

Disulfid

BeispieLe:

Ethanthiol

Diethyldisulfid 0

II

R-5-0H

n

0

Sulfensäure

Sulfinsäure

Sulfonsäure

Ein biochemisch wichtiges Derivat des Ethylmercaptans ist die Aminosäure Cystein. Durch Dehydrierung (Oxidation) erhält man das Disulfid ~· das wieder zu Cystein reduziert werden kann. Diese RedoxReaktion ist ein wichtiger biochemischer Vorgang in der lebenden Zelle. Durch Decarboxylierung von Cystein entsteht Cysteamin, NH 2-cH 2-cH 2-sH, dessen SH-Gruppe die aktivierende Gruppe im Coenzym A ist. HzN-CH-CHz-5- 5-CHz-CH -NHz

I

I

COzH 2 H N-CH-CH -5H

z

I

z

C0 2 H Cystin

C0 2H

Cystein

Cystearnin

Durch katalytische Hydrierung ist eine Desulfurierung möglich: R'-SH + H2 R-H + H2s. Diese Reaktion ist wichtig zur Entfernung von Thiolen aus dem Erdöl (Entschwefelung, vgl. Claus-Prozeß, HT, Bd. 193).

17.2 Thioether (Sulfide) Die Thioether, analog den Ethern benannt, sind eigentlich als Sulfide aufzufassen und zu benennen. Sie Leiten sich formaL vom SchwefeLwasserstoff ab, in dem die beiden H-Atome durch ALkyL-Gruppen ersetzt sind. Man erhält Thioether durch Erhitzen von Halogenalkanen mit Alkalimercaptiden oder Kaliurnsulfid:

183

®6

Na

s -CH 1

Na I

Dirnethylsulfid

Mercaptid

+ Diethylsulfid

Q

Cl- CH 2-CH2 ~- CH2- CH 2 - Cl

Bis(2-chloreth yl)sulfid (Senfgas, Lost, Gelbkreuz)

Tetrahydrothiop hen (cyclischer Thioether, Odorierungsrnit tel für Erdgas)

17.2.1 Reaktionen Thioether können aufgrund der beiden einsamen Elektronenpaare arn S-Atorn folgende Reaktionen eingehen:

G)

Mit Halogenalkanen entstehen Trialkylsulfoni urnsalze. Der Schwefel ist hier dreibindig. Sulfoniurnsalze sind die S-analogen Verbindungen der Oxoniurnsalze: $

R'

'5' z/r

R

Thioether

Q) R

R

+

s ,,...1, R Rz R

R3 - Cl

ct 9

l

Sulfoniurnsalz R3 existieren für R1 R2 zwei Enantiornere

Halogenalkan

*

*

Mit Sauerstoff entstehen zunächst Sulfoxide, dann Sulfone:

's/'Y

Thioether

-

Oz

R

's=o

R/

Sulfoxid

-

Oz

R......._ R/

0

s""'

0!

'o\

\)

R''l

.s~

~_Q'

R

Sulfon

Sulfoxid

Ein als Lösemittel gebräuchliches Sulfoxid ist das Dirnethylsulfox id (CH 3 ) 2so (DMSO). Mit starken Basen bildet es Carbanionen.

184 Beispiel: Carbanionbildung mit Natriumhydrid

-0

101°

101

I H 3 C-~-CH 3

+

I

NaH

H3 C

§l

-?. - C H2 Na

@

@

@

Die Formel des Sulfons zeigt, daß der Schwefel nicht immer der Oktettregel gehorcht: Im Gegensatz zum Sauerstoff, der seine Außenelektronen nur auf dem s- und p-Niveau unterbringen kann, verfügt der Schwefel noch über freie d-Orbitale. Die Ausbildung einer pndn-Bindung kann zu einem pyramidalen Molekül führen.

17.3 Sulfonsäuren Die S0 0 H-Gruppe heißt SuZ[onsäure-Gruppe. Sulfonsäuren dürfen nicht mit Schwefelsäureestern verwechselt werden: In den Estern ist der

Schwefel über Sauerstoff mit Kohlenstoff verbunden (Kap. 14.4.2), in den Sulfonsäuren ist S direkt an ein C-Atom gebunden. Aromatische Sulfonsäuren entstehen durch Sulfonierung von Benzol mit

so 3

oder konz. Schwefelsäure.

0

0

+

0 ~-0H II 0

Benzolsulfonsäure

Bei Einwirkung von Chlorsulfonsäure ("Sulfochlorierung") entstehen Sulfonsäurechloride, die weiter umgesetzt werden können:

Benzolsulfochlorid

185

c 6H5-so 3e Na • + HCl Na-Benzolsulfonat c 6H5-so 2NH 2 + HCl Benzolsulfonamid c 6H5-so 2cl + ROH + NaOH

---+

C6H5-so 2-oR + NaCl + H20 Benzolsulfonsäureester

analog: H3c-c 6H4-so 2-oR= p-Toluolsulfonsäureester, Tosylate (zur Verwendung als Abgangsgruppe, s. Kap. 12.4.2).

17.3.1 Verwendung von Sulfonsäuren Die Natriumsalze alkylierter aromatischer Sulfonsäuren dienen als Tenside (vgl. Kap. 44). Einige Sulfonamide werden als Chemotherapeutica verwendet. Stammsubstanz ist das SuZfaniZamid H2N-c 6H4-so 2-NH 2 (p-Amino-benzolsulfonamid) , das als Amid der Sulfanilsäure H2N-c 6H4-so 3H (p-Amino-benzolsulfonsäure) anzusehen ist. Weitere Beispiele:

Sulfathiocarbamid

Succinoylsulfathiazol

Die antibakterielle Wirkung der Sulfonamide beruht darauf, daß sie von den Enzymen als Metaboliten anstelle der p-Amino-benzoesäure, HOOc-c 6 H4-NH 2 , eingesetzt werden. Die Wirksamkeit der verschiedenen Sulfonamide hängt u.a. von der Art des Restes R ab, der als Substituent am Amid-stickstoff sitzt. Da Sulfonamide im Organismus am Amid-stickstoff teilweise acetyliert werden, setzt man Kombinationspräparate oder entsprechend disubstituierte Verbindungen ein. von den Alkansulfonsäuren ist das Methansulfonylchlorid ("Mesylchlorid") als Hilsmittel bei Synthesen sehr beliebt, weil sich damit leicht die -so 2cH 3-Gruppe einführen läßt, die auch eine gute Abgangsgruppe darstellt:

186 +CH 3 C00°K 0 -CH 3 So 30 K®

Cyclohexanol

C6 H11 -0-C-CH 3 II

0

Cyclohexylacetat

Cyclohexylmethansulfonat

Methansulfonylchlorid ist hinsichtlich Substitutions- und Eliminierungsreaktionen einem Halogenalkan vergleichbar (vgl. Kap. 11). Einige technisch und biologisch wichtige Schwefel-Verbindungen Außer den Aminosäuren Methionin, Cystein und Cystin sind auch cyclische Sulfide von Bedeutung. 0 I HN /"-.NH

~COOH

~-

s-s 2,2-Dimethylthietan (Nerz, Iltis)

Biotin (Vit. H, als Enzym zur Ubertragung von -COOH)

Liponsäure (Fettsäurestoffwechsel)

H3c-yH-eH 2-cH 2-SH CH 3 3-Methyl-1-butanthiol Stinktier H C-cH=CH-cH -SH 2 3 (mephitis mephitis) E-2-Buten-1-thiol H3C-cH=CH-CH 2-S-S-CH 3 E-2-Butenyl-methyl-d~

sulfid

HS-CH 2 -COOH Thioglycolsäure (Bestandteil von Kaltwellenpräparaten I

0

H

~s~ 5 ;s~

(Z)-Ajoen

0

II ~s~s, 5 ~

(E)-Ajoen (E,Z)-4,5,9-Trithiadodeca1,6,11-trien-9-oxid (antithrombotisch, aus Knoblauch)

187

Saccharin (o-Sulfobenzoesäureimid)

Cyclamat (Cyclohexylamid der Schwefelsäure)

Die Süßstoffe werden in Form ihrer Salze verwendet.

18 Stickstoff-Verbindunaen I. Amine

Nomenklatur Amine können als Substitutionsprodukte des Ammoniaks aufgeiaßt wer-

Nach der Anzahl der im NH 3 -Molekül durch andere Gruppen ersetzten H-Atorne unterscheidet man primäre, sekundäre und tertiäre Amine.

den.

Die Substitutionsbezeichnungen beziehen sich auf das N-Atorn; demzufolge ist das tertiäre Butylamin ein primäres Amin. Falls der Stickstoff vier Substituenten trägt, spricht man von (quartären) AmmoniumVerbindungen. Beispiele: CH 3

Methylamin primär

Dirnethylamin sekundär

I -

CH -N-CH 3 I 3 CH 3

CH -C-NH 3 I 2 CH 3

Trimethylamin tertiär

tert. Butylamin primär CH 3

le

HO-CH -CH -N -CH OH 2 2 I 3 CH 3 Anilin

Colarnin 2-Arninoethai}ol Ethanolamin

Anunoniurnchlorid

primäre Amine

e

Cholin

quartäre Anunoniumsalze

Unter Di- und Triaminen versteht man aliphatische oder aromatische Xohlenwasserstoff-Verbindungen, die im Molekül zwei oder drei NH 2 Gruppen besitzen. Beispiele:

NH 2 Ethylendiamin

Hexamethylendiamin

2,4,6-Triaminobenzoesäure

&,"

2

m-Phenvlendiamin-

189

Cyclische Amine gehören zu dem umfangreichen Gebiet der heterocyclischen Verbindungen. Es sind ringförmige Kohlenwasserstoffe (zumeist 5- und 6-Ringe), in denen eine oder mehrere CH- bzw. CH 2 -Gruppen durch ~NH bzw. ~N~ ersetzt sind. Es gibt gesättigte, partiell ungesättigte und aromatische Systeme. Cyclische Amine und Imine sind Bestandteile vieler biochemisch wichtiger Verbindungen (Aminosäuren, Enzyme, Nucleinsäure, Farbstoffe, Alkaloide, Vitamine u.a.) und zahlreicher Arzneimittel. Auch viele kondensierte heterocyclische Systeme gehören in diese Stoffklasse: Indol, Acridin, Chinolin, Isochinolin, Purin, Pteridin, Alloxazin u.a. Große Bedeutung und weite Verbreitung haben Amine auch deshalb, weil viele Verbindungen funktionelle Gruppen besitzen, die sich formal von den Aminen ableiten, vgl. Tabelle 16.

18.1 Darstellung von Aminen

G)

oder Aminen. Diese

Umsetzung von Halogen-Verbindungen mit NH

Methode eignet sich besonders zur Gewinnung alkylierter Amine sowie von Arylarninen, deren aromatischer Kern durch elektronenziehende Substituenten aktiviert ist (vgl. Kap. 11.4.1).

Beispiele:

+ o-Nitranilin

o-Nitrochlorbenzol

~( CH 3 )~ 3 N Methylamin

Dirnethyl-

amin

Trimethylamin

Tetrarnethylammonium-

iodid

Nachteilig ist bei der Verwendung des Verfahrens zur Synthese, daß es i.a. zu einem Gemisch verschiedener Amine führt. Die Reaktionsfolge ist für die Strukturbestimmung von N-haltigen Naturstoffen (z.B. Alkaloiden) von großer Bedeutung (Methode der erschöpfenden Methylierung, Hofmann-Abbau). Mit AgOH wird ein quar-

190

täres Ammoniumhydroxid gebildet, das beim Erhitzen in ein Alken und ein tertiäres Amin übergeht (Hofmann-Eliminierung! Kap. 13.4).

BeispieZ:

0

G)OHa_H60 N

/........

H

z

0 /

/,QO~ -~0

N

........

n

+ N(CHJ)J

........

Piperidin

1,4-Pentadien

G)

Reduktion von Nitro-Verbindungen oder Säurederivaten wie Amiden, Oximen oder Nitrilen. Für aromatische Amine verwendet man vor allem die Reduktion von Nitro-Verbindungen (s. Kap. 19.3). BeispieZe:

Fe/ HCl

Nitrobenzol

Zn/ HCl

Anilin (Aminobenzol I

Ethylamin

Nitroethan

(D

GabrieZ-Reaktion: Primäre Amine entstehen bei der Hydrolyse von N-Alkyl-phthalimiden, die aus Halogenalkanen und Kaliumphthalimid zugänglich sind:

0

8 a,....coJQJ R-Cl-t K I~ 'co

Kaliumphthalimid

-=-KC'l

R-N_,., ,

COJQJ 0 CO

. .2Hz0 •

N-Alkylphthalimid

0

HOOCJQJ HOOC

-+

R-NH 2

Phthalsäure

Eine Mehrfachalkylierung wird dadurch verhindert, daß die StickstoffFunktion durch Acylierung als Phthalimid geschützt ist (Schutzgruppen-Prinzip, vgl, Kap. 35.2.2).

QJ·

Abbau von Carbonsäure-Derivaten: Primäre Amine erhält man als Endprodukte in Abbau-Reaktionen nach Hofmann: von Amiden

191

Curtius: von Aziden (z.B. aus Hydraziden)

R-C/

NH -NHz

..;:0

,_

+ HN0 2

R-e?

- 2 H2 0

"""o

N-N•NI

e e

NH-OCOR'

Lossen:

R-C/

von Hydroxamsäure-Derivaten

'o

Die gebildeten primären Amine enthalten ein C-Atom weniger als die ursprünglichen Carbonsäure-Verbindungen. Diese Reaktionen sind in ihrem Mechanismus einander sehr ähnlich. Mit dem Curtius-Abbau verwandt ist die Schmidt-Reaktion von Carbonsäuren:

R-C

~0

R-N=C=O

'oH

HzO R-NHz -=co;+

Beispiel: Beim Hofmann-Abbau von Carbonsäureamiden entsteht aus Acetamid Methylamin:

+

KOBr

Im einzelnen laufen dabei folgende Reaktionen ab:

0 + KOBr H C-C~ 3 - KOH 'NH 2 Acetamid

N-Bromacetamid

@

Methylisocyanat

nucleophile 1,2-Verschiebung OHe

~

3

Methylamin

,o

HC-N-C

'oH

Methyl-carbamidsäure

Das früher formulierte Acylnitren H 3 c~-E tritt vermutlich nicht auf. 0

Die Wanderung des CH 3 -Restes bei der Umlagerung von I erfolgt wahrscheinlich gleichzeitig mit der Abspaltung des Br 6 -Ions.

~ Amine werden auch bei der Benzidin-Umlagerung erhalten. Es handelt sich dabei um eine intramolekulare Umlagerung von 1,2-Diarylhydrazinen, die wie folgt schematisch dargestellt werden kann:

192

:j: H~.~----------~Hz] II ~ [--ljl~

0

6~G>

1,2-Diphenylhy drazin Hydrazobenzol H

H2N - - @ - - - @ - NH 2

/

G>;==v__;== \_®

H 2 N=~=NH 2

H

4,4'-Diaminobip henyl ca, 70 % (Benzidin)

+ ®

HzN H

(jp il

® =NH 2

H

2,4'-Diaminobip henyl ca. 30 % (Diphenylin) Nach der Protonierung der N-Atome bildet sich ein stark polarer übergangszustand aus. Die erste "Molekülhälfte" kann an den Positionen 2 und 4 von der di-kationischen zweiten "Hälfte" angegriffen werden. Dadurch entstehen die angegebenen beiden Produkte. Spaltung der N-N-Bindung und Knüpfung der C-C-Bindung finden bei der Umlagerung zu Benzidin gleichzeitig statt. Diese Reaktion ist ein [S,S]sigmatroper suprafacialer Prozeß (s. Kap. 29.4).

Vielseitig anwendbare Synthesemethode n sind auch die

GD (=

reduktive Aminierung von Carbonylverbind ungen "Alkylierung von Aminen") R

Red.

Imin· (nicht isoliert)

I R'- CH-NHR" Amin

193

Aus Aldehyden und Ketonen bildet sich mit Aminen und Ammoniak in einer Eintopfreaktion intermediär ein Imin (s. Kap. 21.4.2), das sofort zum Amin reduziert wird. Selektiv wirkende (wegen der

Carbonyl~

gruppe) Reduktionsmittel sind z.B. katalytisch aktivierter H2 oder NaBH 3CN, Natriumcyanoborhydrid. Eine ältere Methode ist die sog. reduktive Alkylierung von primären und sekundären Aminen nach Leuckart-Wallach. Verwendet man Formaldehyd (Eschweiler-Clarke-Reaktion) und reduziert mit Ameisensäure, werden sekundäre Amine methyliert und primäre Amine dimethyliert: CH2 0, HCOOH

Die Reaktion verläuft vermutlich über ein Imoniumkation, das sich aus Formaldehyd und dem Amin bildet. Dieses wird unter Hydridtransfer durch Ameisensäure reduziert, die selbst zu

H\.0-:,C-.._tt

.....__.... II 0

+

co 2

oxidiert wird.

® ~CH 2 =NR 2

...____.....

V

18.2 Eigenschaften der Amine Amine besitzen wie die Stammsubstanz Ammoniak polarisierte Atombindungen und können intermolekulare H-Brücken ausbilden. Die Moleküle mit einer geringen Anzahl von C-Atomen sind daher wasserlöslich. Ebenso wie bei den Alkoholen nimmt die Löslichkeit mit zunehmender Größe des Kohlenwasserstoff-Restes ab. Verglichen mit Alkoholen sind die H-Brückenbindungen zwischen Aminen schwächer. Bei cyclischen Iminen liegt statt eines sp 3 -hybridisierten N-Atoms ein sp 2 -hybridisiertes N-Atom, wie z.B. im Pyridin, vor. Bei der Verwendung von aromatischen Aminen ist ihre hohe Toxizität und Hautresorbierbarkeit zu beachten.

194

Basizittit

Eine typische Eigenschaft der Amine ist ihre Basizität. Wie Ammoniak können sie unter Bildung von Ammoniumsalzen ein Proton anlagern. Die Extraktion mit z.B. 10%iger Salzsäure ist eine oft benutzte, einfache Methode zur Trennung von Aminen und neutralen organischen Verbindungen aus organischen Phasen. CH 3 I CH 3-NI

I

+ HCL

CH 3

Trimethylamin

Trimethylammoniumchlorid

Durch Zugabe einer Base, z.B. Natriumhydroxid, läßt sich diese Reaktion umkehren, d.h. das Amin bildet sich zurück. Eine Deprotonierung von Aminen ist wegen ihrer geringen Acidität nur mit extrem starken Basen wie Alkali-Metallen oder AlkyllithiumVerbindungen möglich. Es ist wichtig, die Stärke der einzelnen Basen quantitativ erfassen zu können. Dazu dient ihr pKs-Wert (vgl. HT, Bd. 193). Kennt man diesen Wert, kann man über die bekannte Beziehung pKs + pKb = 14 auch den pKb-Wert in Wasser ausrechnen. Ferner kann man aufgrund der Gleichung pH = 7 + 1/2 pKs + 1/2 lg c den pH-Wert einer Amin-Lösung der Konzentration c berechnen. BeispieZ: 0,1 molare Lösung von Ammoniak:

pH = 7 + 1/2 (9,25 + lg 0,1) = 7 + 1/2 (9,25- 1) = 7 + 4,1 = 11,1. Liegt eine Mischung aus Ammoniak und Ammoniumchlorid vor, so läßt sich hierfür die Gleichung für Puffer anwenden (s. HT, Bd. 193). Allgernein gilt für Puffersysteme wie Amine und ihre Hydrochloride, wenn die Komponenten im Verhältnis 1: 1, also äquimolar vorliegen: pH = pKs. BeispieZ: Eine 1:1-Mischung von Anilin und Anilinhydrochlorid hat in Wasser den pH-Wert 4,58.

Mit Hilfe der pK-Werte lassen sich die Amine in eine Reihenfolge bringen (Tabelle 14). Dabei gilt: Je größer der pKs- und je kleiner der pKb-Wert ist, desto basischer ist das Amin. Hinweis: Der pKs-Wert von "Methylamin" in Tabelle 14 ist tatsächlich der pKs-Wert des Methylarnrnoniurn-Ions. Der pKs-Wert von Methylarnrnin selbst ist etwa 35!

195

Die Basizität der Amine kann in weitem Umfang durch Substituenten beeinflußt werden (vgl. Acidität der Carbonsäuren, Kap. 23.1.1). Ihre Stärke hängt davon ab, wie leicht sie ein Proton aufnehmen können. Ein aLiphatisches Amin ist stärker basisch als Ammoniak, weil die elektronenliefernden Alkyl-Gruppen die Verteilung der positiven Ladung im Ammonium-Ion begünstigen. Die Abnahme der Basizität bei tertiären Aminen im Vergleich zu sekundären und primären Aminen beruht darauf, daß im ersten Fall die Hydratisierung, die auch zur Stabilisierung des Ammonium-Ions beiträgt, erschwert ist. Der Basizitätsunterschied beruh~ demnach sowohl auf Solvationseffekten als auch auf elektronischen Effekten. Erwartungsgemäß vermindert die Einführung von Elektronenacceptoren (elektronen-ziehenden Gruppen) wie -Cl oder -No 2 die Basizität, weil dadurch die Möglichkeit zur Aufnahme eines Protons verringert wird. Deshalb ist z.B. NF 3 keine Base mehr. Das gleiche gilt für die Acylund Sulfonyl-Reste, wie man anhand der mesomeren Strukturen erkennt:

r;o1 R-C aH - 2

ö19 R-C/'NH •

colUn.

2

R-5-NH II 2 101

-

-e

101

I 19

R-S=NH

I

101

z

-

IOf H 19 R-S=NW 2 I 101

-e

Säureamide sind in Wasser nur sehr schwach basisch; monosubstituierte Sulfonamide haben etwa die gleiche Acidität wie Phenol. Aromatische Amine sind nur schwache Basen. Beim Anilin tritt das Elektronenpaar am Stickstoff mit den n-Orbitalen des Phenyl-Rings in Wechselwirkung (+M-Effekt):

I Q-6· 0



Die Resonanzstabilisierung des Moleküls wird teilweise wieder aufgehoben, wenn ein Anilinium-Ion gebildet wird:

196

@ +

G)

H$

-

@ -

pKS

4,58

[ ~.

~.]

6-6

Die geringe Basizität aromatischer Amine ist also eine Folge der größeren Resonanzstabilisierung im Vergleich zu den entsprechenden Ionen. Kleinere Änderungen sind durch die Einführung von Substituenten in den aromatischen Ring möglich: Elektronendonatoren wie -NH 2 , -QCH 3 , -cH 3 stabilisieren das Kation und erhöhen die Basizität, Elektronenacceptoren wie -~H 3 , -No 2 , -so 38 vermindern die Basizität noch stärker. Eine Basizitätsabnahme ist auch typisch für solche Basen, deren N-Atome an Mehrfachbindungen beteiligt sind. So ist Pyridin mit pKb = 8,96 eine schwächere Base als Triethylamin (pKb = 3,42), weil das einsame Elektronenpaar stärker durch das sp 2-hybridisierte N-Atom gebunden wird. Beim Pyrrol ist das Elektronenpaar in ein aromatisches 6-Elektronen-rr-System eingebaut (s. Kap. 27) und damit die Anlagerung eines Protons sehr erschwert (pKb ~ 13,6).

Tabelle 14. pK-Werte von Aminen (pKs gilt für die Reaktion: R1R2R3NH$ ~ R1R2R3N + H$)

steigende Basizität

pKb

Name

Formel

3,29 3,32 3,36 4,26 4,64 4,75 9,42

Dirnethylamin tert. Butylamin Methylamin Trimethylamin Benzylamin Ammoniak Anilin

(CH 3 ) 2NH (CH 3 ) 3CNH 2 CH 3NH 2 (CH 3 ) 3N C6H5CH 2NH 2 NH 3 c 6 H5NH 2

pKs bzw. pKa 10,71 10,68 10,64 9,74 9,36 9,25 4,58

fallende Basizität

18.3 Reaktionen von Aminen mit HN0 2 Läßt man Amine mit salpetriger Säure, HN0 2 , reagieren, so können je nach Substitutionsgrad verschiedene Verbindungen entstehen:

197

Oberblick über die Reaktionsmöglichkeiten

G)

Prim~re aromatische Amine bilden Diazoniumsalze: + HX s e Ar-NH 2 + HONO -----+ [Ar-N:N] X + 2 H20

Prim~re aLiphatische Amine (auch Aminosäuren!) bilden instabile Diazo-

niumsalze, die weiter zerfallen (van Slyke-Reaktion): R-NH 2 + HONO

+ HX

(9 Sekund~re aliphatische oder aromatische Amine bilden Nitrosamine, die meist toxisch oder carcinogen sind:

Da die NO-Gruppe wieder reduktiv abgespalten werden kann, ist es möglich, diese Reaktionsfolge bei der Reinigung sekundärer Amine einzusetzen. ~ Bei terti~ren aromatischen Aminen wird oft der Ring substituiert:

HONO

Terti~re

aLiphatische Amine werden durch HN0 2 gespalten:

Mechanismus der Reaktionen von Aminen mit HN0 2 _

Das nitrosierende Raagens bei allen Reaktionen ist das Elektrophil N2o 3 bzw. No•:

2 HNOz l

-

I

-

-N-N=O N-Nitrosoammonium-Ion

198 Das gebildete N-Nitrosoammonium-Ion kann weiterreagieren:

G)

Primäre Amine: H

I® R-N-N-O

R -N=N-OH

I

H

@

Diazonium-Ion

Diazosäure

Sekundäre Amine: H

le>

R-N-NO

I R

QD

Nitrosamin

Tertiäre aliphatische Amine:

-H® ß-Eliminierung

Immonium-Ion

18.4 Oxidation von Aminen G) Primäre Amine ergeben oft zunächst Hydroxylamine. Diese können zu Nitrose- bzw. Nitroverbindungen (A) oder zu Oximen bzw. Hydroxamsäuren (B) weiteroxidiert werden.

R1 I R2-C-NH 2 I Rl

-

Rl I R2- C-NHOH

Ox

I

Rl

R1=R2= R3

*H

Ox

Rt

2

I Ox 2 I R -C-NO - R -C-N0 2

I

Rl

I

Rl

Rl

Ox! R3 =H Rl

....._C = NOH R2_....

0 R2= H Ox

II

H I

R1 -C-NOH

(B)

(A)

199

QD Sekundäre Amine bilden N,N-Dialkyl-Hydroxylamine, die evtl. weiterreagieren können:

QD

Tertiäre Amine lassen sich zu Aminoxiden oxidieren, die bei geeigneten Edukten in einer syn-Eliminierung Alkene iiefern können (Cope-Eliminierung, Kap. 13.5.2). R

R

I

R'-NI

R'-

HzOz

I

~Q~o] ! p-Hydroxy-azobenzol

@

Kupplung

mit Aminen

Bei Aminen hängt der Reaktionsverlauf vom pH-Wert und der Art des eingesetzten Amins ab. Das elektrophile Diazonium-Ion wird zunächst am Ort der höchsten Elektronendichte angreifen. Dies kann, wie im Fall b) auch die NH 2-Gruppe sein. Folgereaktionen, wie hier eine Umlagerung, sind dann möglich. Beispiel

Ia):

Hier kuppelt das freie Amin in schwach saurem Medium.

N,N-Dimethylanilin

p-(N,N-Dimethylamino)-azobenzol

209 Beispiele (b)

und (c}: Kupplung in acetatgepuffertem Medium bzw. stark

saurem Medium -H® ~ C H -N=N-NH-C H 6 5 +H® 6 5

1,3-Diphenyltriazen HCI/H 2 0 H Cl I H20

Um Iagerung

O N = N - o N H2

p-Aminoazobenzol

Bei der Diazotierung von Anilin in acetatgepuffertem schwach saurem Medium entsteht in einer kinetisch kontrollierten Reaktion ein Triazen, das sich in ein Azobenzol umlagert. Dazu erfolgt Rückspaltung des Triazens in das Diazonium-Ion und Anilin, die beide sich thermodynamisch kontrolliert zur Azoverbindung umsetzen. Diese Reaktion ist in stärker saurem Medium auch direkt möglich.

20.1.2 Diazo-Spaltungen (nucleophile Substitution)

G)

Der Ersatz einer Diazonium-Gruppe durch ein H-Atom (formal durch

He!) gelingt am besten mit H 3 ~o 2 ; Dies ist dann erforderlich, wenn man bei einer Synthese die dirigierende Wirkung der NH 2 -Gruppe in der Ausgangsverbindung ausnutzen will.

Beispiel: m-Bromtoluol läßt sich nicht durch Bromierung von Toluol herstellen, wohl aber über p-Toluidin (p-Amino-toluol). Die Umsetzung mit Acetanhydrid, die sog. Acetylierung, dient dem Schutz der NH 2 Gruppe: CH 3

©

HNO~/.

Hz504

~ N02

Sn/HCl

~

NH 2

CH3 (CH 3 CO~O

~

+ Br 2

- H Br

NHCOCH 3

210

~,,

H 0°

J

NHCOCH 3

Q)

CH 3

CH 3

CH 3

..

~,,

NaN0 1 / HC1,o•c

~ ·"·""··'"•'

Br -H 3P0 3,-HCl,-N 2

N1E>c1°

NH1

CH 3

~Br

Durch ein Anion wie I 6 oder OH 6 wird die Diazonium-Gruppe unter

Stickstoff-Abspaltung in einer SN1-Reaktion bei höherer Temperatur substituiert: (Phenol-Verkochung) Im Falle aliphatischer Diazoniumsalze entstehen Alkohole (s. Kap. 14.2).

G)

Fluorbenzole bilden sich beim Erhitzen der Tetrafluoroborate in

einer SN1-Reaktion (Schiemann-Reaktion):

20.1.3 Sandmeyer-Reaktion (radikalische Substitution) Die Einführung von Cl-, Br-, -c=N und anderen Gruppen gelingt am besten in Gegenwart von Cu(I)-Salzen als Katalysator (Sandmeyer-Reak~,

eine Radikalsubstitution):

Ar· + CuX 2

+1

---+ ArX '+ CuX;

X

Cl, Br, CN u.a.

20.1.4 Reduktion von Diazonium-Salzen Reduziert man das Phenyldiazonium-Salz mit~· erhält man Phenylhydrazin. Dieses wird ebenso wie 2,4-Dinitrophenylhydrazin benutzt, um von Carbonyl-Verbindungen gut kristallisierende, exakt schmelzende Derivate herzustellen:

211

Phenylhydrazin

2,4-Dinitrophenylhydrazin

20.2 Diazo-Verbindungen Eines der wenigen Beispiele für die Bildung stabiler Produkte bei der Reaktion primärer Amine mit HN0 2 ist die Umsetzung von a-Aminosäure-estern (nicht der freien Aminosäuren!) mit HN0 2 • Es entstehen mesomeriestabilisie rte Diazoester. Beispiel:

-

~9. ,..U _..,. 'oR CH-C""'

'"'N=~""

Glycin-ethylester (R

Durch Folgereaktionen kann man daraus a-substituierte Essigsäureester R-CH 2-COOR erhalten. Beispiel:

Diazoessigester

N-Phenyl-glycinethy lester

Diazornethan

Die Darstellung des giftigen, aarainogenen Diazomethans, CH 2N2 , erfolgt - wegen seiner Neigung zu Explosionen - am besten in Lösung aus N-Nitroso-N-methyl- p-toluolsulfonamid:

212

N-Nitroso-N-methyl-p-toluolsulfonamid

"-Salz der p-Toluolsulfonsäure

Verwendung

Q)

Diazornethan dient wegen seiner großen Reaktivität als Methylie-

rungsmittel für C-H-acide Substanzen (Säuren, Phenole etc.) und zur Erzeugung von~ ICH 2 , weil es unter Lichteinfluß in N2 und zerfällt.

ICH 2

Methylierung: +RCOOH

~

~ - Nz

Diazornethan

R-COOCH 3

Methylester R OCH 3

Methylether (bei R=Alkyl unter BF 3 -zugabe)

Q)

Von Bedeutung ist Diazornethan auch für die Herstellung der präpa-

rativ wichtigen Diazoketone durch Umsetzung von Säurechloriden mit Diazomethan. Diazoketone können mehrere Folgereaktionen eingehen. HOH

+ CH N 2 2

[R-C-CH-~•NI-RC- ~H -:•NI] 1 II IQie

o

- N2 Kat.

ROH

R-CHcCOOH R-CH 2-COOR R- CH 2-CONH 2

Diazoketon

Als Beispiel soll der Carbonsäure-Aufbau nach Arndt-Eistert näher erläutert werden: Carbonsäuren R-cOOH, deren Rest R um eine CH 2 -Gruppe verlängert werden soll ("Homologisierung"), führt man zuerst z.B. mit soc1 2 in das Säurechlorid R-co-cl über. Dieses bildet mit Diazornethan wie angegeben ein Diazoketon, R-cü-cHN 2 . Das mesomeriestabilisierte Diazoketon ist erheblich stabiler als Diazomethan, spaltet aber in einer durch Ag 2 o katalysierten Reaktion N2 ab unter Bildung eines Ketens RCHCO:

213

0

H

II

I ® R-C-C-N""N

I Ag2 0 1., - Nz

a-v

II {).

0 [ ~C-H

l

_....H -

O=C=C

Ketocarben

'

R

Keten

Meist wird angenommen, daß zunächst ein Ketocarben entsteht, das sich unter 1,2-Alkyl-Verschiebung in ein Keten umlagert (Wol[[-Umlagerung).

l

Die Hydrolyse des Ketens liefert die homologe Carbonsäure:

n

R-CH=C=O

/.J /o,

H

H

-

[

o\ L o 0 /" :? R-CH=C....._/ ®El ---R-CH-C....._@ ,o-H I

H

,o-H I

H

-

R-CH 2 -COOH

Isonitrile (Isocyanide)

Nitrile (Cyanide)

Imine (Aldimine, Schiffsehe Basen)

e

-N•el

®

-e•NI

)c•NR

,.......e=NH

........

R-I

0 R-e;: 'NH 2

oder

CH,-l

H

'o

R-e/

R-502-eL

-50,-NH2

b) Sulfonsäureamide

-

0 R-e-' 'eL

-eO-NH 2

(Säureamide)

- H20

+ NH 3

- HCL

+ Nf.l3

+Nf.l3 - HCL

I

+AgCN -Ag I

- H20

P4 0 10

I

~

Darstellung

a) Carbonsäureamide

~

Funktionelle Gruppe

Tabelle 16. Synthesemöglichkeiten wichtiger N-haltiger Verbindungen

f.l

e

R-N•CI

(t)

R-e•N

C9 e CH3 - N !I!CI

eH 3-C•N

"'=t Nf.l

R-C/

R-502- NH 2

0 R-e"' '-Nf.l 2

1\)

.:

Aminoxide

Hydroxamsäuren 'NHOH

~0

......._® e /N-Q)

'N -QI ;;;;:

-e

H2N -OR

>N-OH

-N=e-Q'

Isocyansäureester (Isocyanate)

Hydroxylamine

-O-e•NI

Funktionelle Gruppe

Cyansäureester (Cyanate)

Tabelle 16 (Fortsetzung)

+ eOCLz, -2Hel

+CI-CN -HCI

I

R

I

R-NI

R

'

R-e"" Oe 2H5

0

+HzO

-

- H 20

+ kzOz

+NH2 0H, -e 2H50H

1ö19 IQ) R2NH ____!. R2N-H

©rNHz

©rOH

Darstellung

-6 -

I

R

R -N-01

l(il

R

0 R-e; 'NHOH

R2 NOH

©rNeO

©rO-eN

~

tn

'-c=N-NH-R

/N-NO

-N=O

-N0 2

Nitrosamine (N-Oxide)

Nitroso-Verbind ungen

Nitro-Verbindun gen

'-

/

Hydrazone (substituiert)

2

' N - NH

/

-NH-NH-

-NH-NH 2

Funktionelle Gruppe

c) asym. disubstituiert

b) sym. disubstituiert

a) monosubstituie rt

Hydrazine (3 Arten)

Tabelle 16 (Fortsetzung)

I

R

NH

C=O +

©

~NHOH

R/

R'--

eH;

CH 3,

R 2 N- NO

Pt I H 2

-

-

® + N0 2

H2 0

K 2 Cr 2 0 7

- HN0 2

+ N 2 03

H2 0

+ 4 H

- 2 RCOOH

2) Verseifun 9

1 ) Meth y lierun 9

H 2 N-NH-R

O=C-NH-NH-C= O

I

R

R-CH=N-NH 2

Darstellung

NH- NH 2

C=N-NH-R

~N0 2

~NO

'-. N-NO R/

R

CH:

CHh,

R 2 N-NH 2

CH 3 -NH-NH-CH 3

R- CH 2 -

a>

~

Azide

(Diazoniumsalze)

(aromat.)

Diazonium-Verbindungen

(aliphatisch)

Diazo-Verbindungen

(aromat.)

Azo-Verbindungen

(aliphatisch)

Azo-Verbindungen

Tabelle 16 (Fortsetzung)

-N3

®

Ci)

X

e

f:H-N!!!NI

0

Ar-N•NI

-

-N-N-

-N=N-

Funktionelle Gruppe

'No

/O.:H3

CH 3 1

~NH 2 ·HCL

2

Ar-50 -N

@N~+@Q~

CH 3-NH-NH-CH 3

Darstellung

+ Na N3 - Na I

- 2 H20

+ HNOa

· H0 2 0 ® - Ar-50 3 K

+ KOH

pH 9-10

- 2H

Oxid. mit HN0 2

.

®

e

CH 3-N 3

~N 2 Cl

CH2 N2

@N-N-@-OH

CH 3-N=N-CH 3

....~

Verbindungen mit ungesättigten funktionellen Gruppen

Die Carbonyl-Gruppe Die wichtigste funktionelle Gruppe ist die Carbonyl-Gruppe R1R2C=Q. In ihr benutzt der Kohlenstoff sp 2-Hybridorbitale. R, C und 0 liegen demzufolge in einer Ebene und haben Bindungswinkel von ~120°. Zwischen c und 0 ist zusätzlich zur cr-Bindung eine ~-Bindung ausgebildet. Der Unterschied zwischen einer C=C- und einer C=O-Bindung besteht darin, daß die Carbonyl-Gruppe polar ist, weil Sauerstoff elektronegativer als Kohlenstoff ist. Die Carbonyl-Gruppe besitzt am Kohlenstoff ein elektrophileB und am Sauerstoff ein nucleophiles Zentrum, d.h. das C-Atom ist positiv polarisiert (trägt eine positive Partialladung), das 0-Atom ist negativ polarisiert (trägt eine negative Partialladung) (Abb. 52). Orbitalmodell

elektrophi l

R

'

I

R'

I

R

\u, ae

R'

I R'

0 §I c ..... o"'"- I\$ c-o1 -

R1i3~sp-Hybrid, orDitol

C=O)

120 •

t

nucleophil

c

0

R

1t

2 Py-Orbitol

lt- Bindung

Abb. 52. Die cr-Bindungen sind durch Linien dargestellt. Die freien Elektronenpaare des Sauerstoffs sind zusätzlich eingezeichnet. Sie befinden sich.in einem sp-Hybridorbital bzw. 2py-Orbital des Sauerstoffs. R, R', C und 0 liegen in einer Ebene

Carbonyl-Verbindungen lassen sich etwa wie folgt nach steigender Reaktivität ordnen:


C-=0

G>

H

..

I

e

--C-OAIH3 Li

G>

3

>c-o

I

H

I

4 H-C-OH +·LiOH +Al(0Hl 3

I

Das mit * markierte H-Atom stammt vom LiAlH 4 (wichtig für Isotopenmarkierung mit LiAlD 4 ). C=C-Bindungen werden bei dieser Reaktionsfolge nicht hydriert. Zwei Moleküle Aldehyd oder Keton lassen sich mit metallischem Mg oder Zn zu 1,2-Diolen reduzieren, z.B. Aceton zu Pinakol.

227

Weitere Hydrid-Transfer-Reaktionen sind z.B. die Meerwein-PonndorfVerley-Reduktion, die Cannizzaro-Reaktion und die ClaisenTischtschenko-Reaktion, s.u.

@

Reduktion mit Isopropanol

Eine weitere Methode, Carbonyl-Gruppen zu reduzieren, ohne daß auch andere im Molekül gleichzeitig vorhandene reduzierbare Gruppen wie Doppelbindungen oder Nitro-Gruppen miterfaßt werden, ist die MeerweinPonndor[-VerZey-Reduktion. Aldehyde bzw. Ketone reagieren mit Isopropylalkohol in Gegenwart von Aluminiumisopropylat:

+

Al (OCH(CHJlz

h,

R ';cHOH

R'"

Das Gleichgewicht dieser Redox-Reaktion läßt sich durch Abdestillieren des Nebenproduktes Aceton vollständig nach rechts zugunsten des gebildeten Alkohols verschieben. Die Reduktion der Carbonyl-Verbindung erfolgt durch Ubertragung eines Hydrid-Ions vom a-KohlenstoffAtom einer Isopropyl-Gruppe des Al-Isopropylats an den Carbonyl-Kohlenstoff:

21.3.2 Reduktion zu Kohlenwasserstoffen Je nach Reaktionsbedingung führt die Reduktion von Ketonen zu unterschiedlichen Endprodukten. Unter bestimmten Voraussetzungen können Ketone zu Kohlenwasserstoffen reduziert werden, wobei die CarbonylGruppe in eine Methylen-Gruppe überführt wird.

228

G)

Nach Clemmensen

Die Methode nach Clemmensen reduziert mittels amalgamiertem Zink und starken Mineralsäuren Ketone, die dieses stark saure Milieu vertragen: (Zn/Hg) (HCl)

Kohlenwasserstoff

®

Nach Wol[f-Kishner>

Verbindungen, die säureinstabil sind bzw. mit Säuren in nicht gewünschter Weise reagieren, können mit ~· z.B. Hydrazin und Lauge, mit der Wol[[-Kishnero-Methode reduziert werden:

Das Keton bildet mit Hydrazin ein Hydrazen (s. Kap. 21.4), das im alkalischen Medium nach folgendem Schema abgebaut wird:

-+===

....... /C=N-NH 2

+

H 20

Hydrazen

H

h '.:\

H

~e + JiliH

-C-N=N-H

I -

-

ll!

I -cf> +

I

H

N2

le +HzO

-Cl

I

H I

--C-H -oHe 1

Carbanion

Kohlenwasserstoff

21.3.3 Oxidationsreaktionen Die meisten bisher vorgestellten Reaktionen sind mit Aldehyden und Ketonen möglich. Unterschiede zeigen beide im Verhalten gegen Oxidationsmittel: Aldehyde werden gegen lassen sich an der

zu Garbonsäuren oxidiert;

Ca~bonyl-Gruppe

nicht weiter

Ketone hinoxidieren~

229

Nachweis der Aldehydfunktion Zum Nachweis von Verbindungen mit Aldehyd-Funktio nen dient ihre reduzierende Wirkung auf Metallkornplexe . So wird bei der Fehling-Reaktion eine alkalische Kupfer(II)-tart rat-Lösung (cu 2 e/OH 8 /Weinsäure) ~otern cu 2o reduziert (cu 2 e___. Cue) und bei der Tollens-Reaktio n (Silberspiegel-P rüfung) eine ammoniakalische Silbersalzlösun g (Age/ ) zu metallischem Silber. Alkohole und Ketone geben damit keine

NH 4 eoH 9

Reaktion. Ausnahmen: Fehling-Reaktio nen mit Benzaldehyd ( ___. CannizzaroReaktion) und Isobutyraldehyd verlaufen negativ. Braune Niederschläge geben Verbindungen des Typs R-CH 2 -CHO. Ebenfalls rote Niederschläge geben Verbindungen wie R-CH-CHO und R-CH-C-R. Die Fehling-Reaktio n I I II OH OH 0 ist deshalb wegen des niedrigeren Oxidationspote ntials von cu 2 e im vergleich zu Age als Nachweisreaktio n weniger geeignet.

Oxidation von Alkoholen zu Ketonen

Die Umkehrung der Meerwein-Ponnd orf-Verley-Redu ktion ist die Oppenauer-Oxidation . Sie wird zur Darstellung spezieller Keto-Gruppen (z.B. in der Naturstoffehern ie bei Stereiden und Alkaloiden) als schonende Dehydrierungsm ethode von alkoholischen Gruppen angewandt. Für Aldehyde ist sie im allgerneinen nicht brauchbar, da Folgereaktionen wie die Aldol-Addition eintreten. Al- i sopropylat oder Al-tert. Butanolat

21.3.4 Disproportionie runqen Aldehyde ohne a-ständiges H-Atorn können in Gegenwart von starken Basen keine Aldole bilden (s. Kap. 21.8.2), sondern unterliegen der Cannizzaro-Rea ktion. Unter Disproportionie rung entsteht aus dem Aldehyd ein äquimolares Gemisch des analogen primären Alkohols und der Carbonsäure. Verwendet man statt Alkalilauge Alurniniurnalkoh olat, erhält man einen primären Alkohol und den Carbonsäureest er (ClaisenTischtschenko-R eaktion).

Neben aromatischen Aldehyden (z.B. Benzal-

230

dehyd) gehen auch einige aliphatische Aldehyde wie Formaldehyd und Trimethylacetaldehy d die Cannizzaro-Reaktion ein. Beispiele: 2 GeH 5 CHO

+

NaOH

Benzaldehyd 2 HCHO

+

C&HsCHzOH

-

Benzylalkohol

+ NaOH

CH 30H

-

Formaldehyd

Methanol

+

C6 H 5 COOeNa(f)

Na-Benzoat

e Na=O II

~/OH

~OH II

II

0

0

Ninhydrin

Triketoindan

Die Reaktion mit Alkoholen verläuft analog unter Bildung von Halbacetalen und Acetalen (bzw. Ketalen): H

aI

+

HOR

I

I

R- C-OR

I

OH

Halbacetal

232 H

H

b)

,l~/H R-C- OR + 0

(I

I

''R

/o,

I I

R-C-OR

+ H2 0

I Voll-) Acetal

OR

H $ H

Die AaetaZ-BiZdung verläuft in zwei Schritten. Zunächst bildet sich unter Addition eines Alkohols ein Halbacetal (a). Dabei lagert sich ein Proton an das 0-Atom (nucleophiles Zentrum) der Carbonyl-Gruppe an und erhöht deren Reaktionsfähigkeit. Im zweiten Schritt (b) wird die protonierte OH-Gruppe durch ein Alkohol-Molekül nucleophil substituiert (s. Kap. 12). Es bildet sich ein~ (aus Aldehyden) bzw. ~ (aus Ketonen), diebeideauch ringförmig sein können (s. Kap. 32) • Darstellung eines cyclischen Ketals mit Ethylenglykol: R o:H

j

o:R

cyclisches Halbacetal

I

'c=o

R'/

+ HO HO

J

R....__ -HzO

R'/

"",o] c, 0

cyclisches (Voll-) Acetal

Man beachte, daß Acetale - im Gegensatz zu Ethern - in der Regel durch Säuren leicht wieder in Alkohol und Aldehyd gespalten werden können, doch gegen Basen beständig sind. Die Reaktion mit Thiolen (R-SH) verläuft analog zu den Thio-acetalen bzw. Thio-ketalen. Hinweis: Die Bezeichnung Acetal wird oft sowohl für Vollacetale als auch für Ketale gebraucht.

21.4.2 Reaktion mit N-Nucleophilen

Q)

Primäre Amine

--~ C=O + H-N-R "'

I

H

I ® -C-NH -R I 2

Schiffsehe Base (Azomethin, Imin)

101

-e

®

@

Das Additionsprodukt I aus dem Amin und der Carbonyl-Gruppe ist in-

233

stabil und i.a. nicht isolierbar. Es geht unter Dehydratisierung (Wasserabspaltung) in das Endprodukt II (Azomethin) über. Der ~P.cha­ nistische Ablauf entspricht einem Additions-Eliminierung-Prozeß.

--c=u I

+

-

--c=N-H I Imin

H2 /Ni ----- -yH-NH 2 Amir.

Das Imin kann mit Reduktionsmitteln wie H2 /Ni zum orimären Amin reduziert werden (reduktive Aminierung) •

-c=O I

+

-c=u I

+

)C=O

+

H2N-oH

Hydroxylamin H2N-NH 2 Hydrazin H2N-NHlf-NH 2 0

Semicarbazid --c=O I

+

H2N-NH--c 6H5

- [i~NH-NH2] [ i:H-QH]

-

-c=N-QH I Oxim -r=N-NH 2 Hydrazon

.,....C=N-NH-cO-NH ' 2 Semicarbazon

[i:H-NH-c 6H5]

Phenylhydrazin

-

-r=N-NH--c 6 H5 Phenylhydrazen

Hinweis: Die Bezeichnung der Produkte richtet sich danach, ob die Ausgangsverbindung ein Aldehyd oder ein Keton ist, also z.B. Aldimin bzw. Ketimin, Aldoxim bzw. Ketoxim etc.

QD

Sekunda~e Amine reagieren unter Bildung eines isolierbaren Primärproduktes zu einem Enamin:

+

I

THT-QH NR 2 Primärprodukt

Enamin

234

Spaltet das Primärprodukt intramolekular kein Wasser ab, sondern reagiert mit einem weiteren Molekül Amin, so erhält man Aminale:

-

-

~(

NR 2 NR 2

Aminal Enamine stehen mit den ~ in einem tautomeren Gleichgewicht, das der Keto-Enol-Tautomerie analog ist: H

lp

-C-C

I

"""N-

"'

----

,§)

c-c

/

Imin

~NH el

'

l

Enamin

Die Amino-Gruppe ist ein Elektronen-Donor; Enamine können daher am ß-C-Atom leicht elektrophil angegriffen werden und lassen sich ebenso wie Ketone gut für Synthesen verwenden. Enamine und Ketone kann man bezüglich ihrer Reaktivität wie folgt einstufen:

L. .

>

al Iminium-Ion

' N=cL-

»

O=C,

Carbonyl-Gruppe

-

Imin

'

Die Pfeile weisen auf den Ort hoher Elektrophilie hin.

b)

' 'c=c . . . . .'Q\S ,... /

'

Enolat-Ion

>

'

~

-/

/N,

"'c=c, Enamin

>

.... '

...-,.... H .........g.

,.....c=c, Enol

Die Pfeile bei (b) weisen auf einen Ort hoher Nucleophilie hin, d.h. ein Elektrophil wird mit dem markierten Atom bevorzugt reagieren. AnwendungsbeispieZe: Synthese von 1,3-Diketonen (Kap. 21.6.2), Heterocyclen-Synthesen (Kap. 27.4).

(D

Tertiare Amine reagieren nicht, da sie keinen Wasserstoff am Stickstoff-Atom tragen.

235

21.4.3 Addition von Natriumhydrogensulfit Diese Reaktion wird zur Reinigung und Abtrennung von Carbonyl-Verbindungen verwendet. Nach Zugabe von Säuren oder Basen wird aus dem kristallinan Addukt (Bisulfit-Addukt) die Carbonyl-Verbindung wieder freigesetzt:

'c=o /

I e e -c-so 3 Na

+

'c=O

/

I

OH Addukt

21.4.4 Addition von HCN Die bereits erwähnte Addition von Cyanwasserstoff (HCN) führt zu Cyanhydrinen (a-Hydroxynitrile) • Durch Eliminierung von Wasser aus Cyanhydrinen erhält man a,ß-ungesättigte Nitrile. Beachte Kap. 21.5.2 (Acyloine). von Bedeutung ist ferner, daß Cyanhydrine als Nitrile zu a-Hydroxysäuren umgesetzt werden können (s. Kap. 23.5.1). H

H

I -CH-C=O + HCN

I

I

;;;;::::::!: -CH-C-CN

I

H I·

Ht)6.

~-CH-C-COOH

I

OH

I

I OH

Cyanhydrln

Vgl. auch die Strecker-Synthese von Aminosäuren in Kap. 33.3 sowie die Kiliani-synthese für Zucker in Kap. 32.6.

21.4.5 Addition von Grignard-Verbindungen Bei der Addition von Grignard-Verbindungen an Aldehyde entstehen sekundäre Alkohole (Formaldehyd: primäre Alkohole), während die Addition an Ketone tertiäre Alkohole liefert (s. Kap. 26.4.2.2).

236

21.5 Reaktionen spezieller Aldehyde Formaldehyd, Acetaldehyd und Benzaldehyd nehmen unter den Aldehyden eine gewisse Sonderstellung ein, die in einigen speziellen Reaktionen zum Ausdruck kommt.

21.5.1 Formaldehyd, Acetaldehyd und Benzaldehyd

(!)

Hydrat-Bildung

Während Formaldehyd (ein farbloses Gas) in wäßriger Lösung vollständig hydratisiert ist, beträgt der Hydrat-Anteil des Acetaldehyds lediglich 60 %. Durch Einführung elektronenziehender Gruppen ist eine Stabilisierung dieser Aldehyd-hydrate möglich, so daß sie isoliert werden können, z.B. Chloralhydrat (Kap. 21 .18.4.2). Hydrat des Formaldehyds

+

Q)

Polymerisation

Aliphatische Aldehyde neigen besonders bei Gegenwart von Protonen zur Polymerisation (genauer: Polykondensation; vgl. Kap. 42.1.1). Formaldehyd polymerisiert zu Paraformaldehyd, der eine lineare Kettenstruktur besitzt: H

I

HO-C-OH

I

H

monomer

H I

H I

I

I

Paraformaldehyd

HO-C-0-C- OH

H

H

dimer

polymer

Er bildet sich bereits beim Stehenlassen einer Formalinlösung (40%ige wäßrige Formaldehyd-Lösung) • Durch Zugabe von wenig Methanol wird eine Ausflockung polymerer Produkte verhindert. Ein trimeres cyclisches Produkt, das Trioxan, wird durch Zugabe verdünnter Säuren erhalten:

Trioxan (Trioxymethylen)

237

Acetaldehyd polymerisiert zu Paraldehyd und Metaldehyd:

Paraldehyd

-10 °C

Metaldehyd

Q)

(Trockenspiritus, "Esbit")

Reaktionen mit NH 3_

Besonderes Interesse verdienen die Reaktionen, die Formaldehyd und Acetaldehyd mit Ammoniak eingehen können. - Acetaldehyd reagiert mit NH 3 über ein Acetaldimin zu 2,4,6-Trimethyl-hexahydro-1,3,5-triazin:

Acetaldimin

- Formaldehyd reagiert prinzipiell ähnlich. Die Reaktion geht jedoch weiter, indem das Triazin mit Ammoniak zum Endprodukt Hexamethylentetramin (Urotropin) weiterreagiert. Dieses zersetzt sich unter Säureeinfluß wieder in den bakterizid wirkenden Formaldehyd.

Hz

c

l·lN/ 'NH

I

HzC

I

'-N/

CHz

H

Hexahydro1,3,5-triazin

Hexamethylentetramin

238

- Die Umsetzung von Benzaldehyd mit NH 3 weicht ebenfalls vom üblichen Reaktionsschema ab. Es entsteht zunächst das erwartete Benzaldimin, das sofort mit überschüssigem Benzaldehyd zu Hydrobenzamid kondensiert:

+

Hydrobenzamid

21.5.2 Aromatische Aldehyde APomatische A~dehyde besitzen in a-Ste~~ung aup CaPbony~-GPuppe keine H-Atome. Sie unterscheiden sich daher in manchen Reaktionen von aliphatischen Aldehyden.

G)

Cannizzaro-Disproportionierun g

In alkalischer Lösung gehen aromatische Aldehyde keine Aldol-Reaktion ein, sondern disproportionieren in Alkohol und Carbonsäure (Mechanismus s. Kap. 21.3.4): +

Q)

Benzainaddition und Bildung von Acyloinen

Aromatische Aldehyde reagieren in alkalischer Lösung in Gegenwart von Cyanid-Ionen zu a-Hydroxy-ketonen und nicht zu Cyanhydrinen. In saurer Lösung konkurrieren beide Reaktionen miteinander. Aus zwei Molekülen Benzaldehyd bildet sich unter dem katalytischen Einfluß von Cyanid-Ionen das Benzoin. Es liegt hier als Racemat vor. Ketonalkohole mit der Struktur R1-yH-w-R 1 werden auch als Acyloine bezeichnet.

OH 0

239 Reaktion:

OCHO

+

O b-c-o~

OHC-o

I

II

OH 0

_

Benzein (2-Hydroxy-1,2-diphenylethanon)

Mechanismus: Das Cyanid-Ion addiert sich zunächst nucleophil an den positivierten Kohlenstoff der C=O-Gruppe, und ein Proton lagert sich am Sauerstoff an. Das entstandene Carbanion reagiert mit einem zweiten Molekül Benzaldehyd unter Bildung einer C-e-Bindung. Nach Abspaltung des Cyanid-Ions und erneuter Protonen-Wanderung stabilisiert sich die Verhindung zu Benzoin:

Carbanion

Benzein

Beachte: Der nachfolgende, plausible Mechanismus ~ Katalysator

scheidet aus, weil sich die zugesetzte Base an die Carbonyl-Gruppe addieren oder, falls möglich, das Enolat bilden würde.

0 II

R-CHO

Base

~

H-C-R 0 11 ---!...~--~V~~

R-CI

e

-

7'i

0 101° II

I

R-C-CHR

240

CD

Acyloine durch Benzain - analoge Reaktion

Eine analoge Reaktion zu

(V

läßt sich auch mit aliphatischen Alde-

hyden durchführen, wenn man statt Cyanid ein Thiazolium-Salz als Katalysator einsetzt. Entscheidend ist dabei - wie im vorstehenden Fall des Benzaldehyds - die Möglichkeit zur Bildung eines mesomeriestabisierten Carbanions.

0 R'CHO

II

OH I

R'-C-C-R';

+ OCH- R'

R,R'=Aikyl

Mechanismus: Das mittels Base deprotonierte Thiazolium-Ion addiert sich nach nucleophilem Angriff an die Carbonyl-Gruppe des Aldehyds und bildet mit diesem ein resonanzstabilisiertes, maskiertes AlkanoylDieses reagiert mit einem weiteren Molekül Aldehyd unter Bildung einer C-C-Bindung. Nach Abspaltung des Thiazolium-Substituenten



wird das Hydroxyketon (Acyloin) freigesetzt:

® R

/IN'

(.)

'~Y ~ /

z_)),\jj+ s \ -

H

R'

0 II

OH I

R'C -CR' I

H

a-Hydroxyketone können durch Oxidation in a-Diketone und a-KetoAldehyde umgewandelt werden. Die vorstehende Reaktionsfolge

CD

lljit einem Thiazolium-Salz ist biochemisch von besonderem Interesse. Thiamin (Vitamin B1) enthält

einen Thiazolring und reagiert in analoger Weise als Coenzym bei der Transketolase-Reaktion (biochemische Zuckersynthese) und bei der Decarboxilierung von Brenztraubensäure (s. Kap.23.5.2.).

241

21.6 Diketone Ve~bindungen, die zwei C=O-G~uppie~ungen im MolekUZ enthalten, heißen Diketone. Je nach Stellung ihrer Carbonyl-Funktionen zueinander wer-

den 1,2-, 1,3- und 1,4-Diketone bzw. a-, ß- und y-Diketone unterschieden. Von besonderer Beaeutung ist die Reaktion von Diketonen mit Aminen. D1ese Umsetzungen ermöglichen einen guten Zugang zu Heterocyclen (s. Kap. 27).

21.6.1

1,2-Diketone (a-Diketone)

1,2-Diketone sind wichtige Ausgangssubstanzen für die präparative organische Chemie. Ihre Dioxime werden in der Analytik zum Nachweis bestimmter Metallkationen verwendet, z.B. Diacetyldioxim für Ni 2• (s. HT, Bd. 193). Die einfachsten Vertreter sind Diacetyl (Dimethylglyoxal) und Benzil.

Diacetyldioxim (Dimethylglyoxim)

Diacetyl

Herstellung von Diacetyl Neben der Oxidation mit Selendioxid (Riley-Reaktion, Kap. 21.2) lassen sich Methyl- oder Methylengruppen, die einer Carbonylgruppe direkt benachbart sind, noch auf folgende Weise oxidieren:

H3c-;-9H-CH3 0

Tautomerie

NO

H3C-i-i-CH3 Diacetyl (Butandion-2,3)

0

0

H C -C-C-CH 3

II

0

II

NOH

3

242

~c-c-{5\

O c-c-Q~ II II 0

~II

N

0

I

OH

Benzil

I~

Benzildioxim

N

I OH

Benzil kann durch Oxidation von Benzoin mit Salpetersäure leicht hergestellt werden.

Benzoin

Benzil

Benzil zeigt als charakteristische Reaktion die Benzilsäure-UmlageBeim Erhitzen entsteht unter der Einwirkung einer Base Benzil-



säure in einer anionotropen 1,2-Verschiebung (vgl. Kap. 28.2.5). Es handelt sich um einen intramolekularen Redoxvorgang (vgl. Mechanismus der Cannizzaro-Reaktion, Kap. 21.3.4):

e

0 II

0

II

Ph-C-C-Ph

-

OHe

,.--IÖIIÖ)

'-1 I HO-C-C-Ph

~

e

0 101

II

I

HO-C-C-Ph

I

Ph

0

OH

eII I 10-C-C-Ph -

I

Ph

BenzilsäureAnion

Ph

Derartige Umlagerungen lassen sich auch mit anderen 1,2-Diketonen durchführen, wobei man a-Hydroxycarbonsäuren erhalten kann.

21.6.2

1,3-Diketone (ß-Diketone)

1,3-Diketone sind als 1,3-Dicarbonyl-Verbindungen mit ihrer "eingeschlossenen" CH 2 -Gruppe vergleichsweise starke CH-Säuren (pKs-Werte um 9). Darüber hinaus stehen sie im Gleichgewicht mit ihren enolischen Formen, die gegenüber den Keto-Formen überwiegen. Der EnolAnteil beträgt z.B. bei Acetylaceton (Pentan-2,4-dion) etwa 85 %:

243

Keto-Enol-Tautomerie des Acetylacetons

Enol-Form 85 %

Keto-Form 15 %

Hierin zeigt sich ein deutlicher Unterschied zu den einfachen Ketonen, bei denen die Keto-Form thermodynamisch stabiler ist. Die Stabilisierung der Enol-Form der 1,3-Diketone beruht auf der Bildung einer intramolekularen Wasserstoff-Brückenbindung und der Ausbildung konjugierter Doppelbindungen. Enolat-Ionen von 1,3-Diketonen sind starke Nucleophile. Dies bestimmt auch ihr Reaktionsverhalten (s. Abschnitt 24.3.3). Aaety~aaeton bi~det mit einigen Metallkationen Komp~exe, so mit Eisen einen roten Komplex. Enolische Gruppen werden an dieser Rotfärbung leicht erkannt. 1,3-Diketone sind über Enamine leicht zugänglich. Beispiel:

Pyrrolidin reagiert mit Cyclohexanon zu Pyrrolidino-cyclohexen. Umsetzung mit Acetylchlorid und nachfolgende Hydrolyse gibt 2-Acetylcyclohexanon.

Q I

H

Pyrrolidin

Cyclohexanon

ein Enamin

Acetylchiarid

Q I

H

ein 1,3- Oiketon

1,5-Diketone, die für Synthesen ebenfalls von großer Bedeutung sind, lassen sich z.B. durch Michael-Reaktion leicht herstellen (s. Kap. 21.8.3.4).

244

21.7 Ungesättigte Carbonyi-Verbindungen a,ß-ungesättigte Carbonyl-Verbindungen wurden bereits bezUglieh ihrez Additionsreaktionen erwähnt (Kap. 5.3.4.1 und 21.8.3.4). Die einfachste Verbindung, das ~· ~ 2 ~, ist nur bei tiefen Temperaturen monomer. Es entsteht bei der Pyrolyse von Aceton oder durch Dehydratisierung von Essigsäure. 2 CH -C-CH 1

H 0

l

800"C/ Kat. -2 CH,

-

2 CHz=C =0

werden leicht nucleophil angegriffen und fUhren einer Acyl-Gruppe:

~

r:: R1-0H

~

~0

RzCH-C~

NHR 1

;0

RzCH -C....._

oc- R1 II

0

~

daher zum Ein-

245 Tabelle 17. Eigenschaften und Verwendung einiger Carbonyl-Verbindungen Verbindung

Formel

Methanal (Formaldehyd)

H-e HO

Ethanal (Acetaldehyd)

-92

-21

Farbstoffe, Pheno- u. Aminoplaste, Desinfektions- u. Konservierungsmittel, Polyformaldehyd: Filme, Fäden

-123

20

Ausgangsprodukt für Ethanol, Essigsäure, Acetanhydrid, Butadien

Propanal (Propionaldehyd)

CH 3-cH 2-cHO

-81

49

Butanal (Butyraldehyd)

CH 3-(CH 2 J 2-cHO

-97

75

Pentanal (Valeraldehyd}

-92

104

Propenal (Acrolein)

-88

52

-76

104

Benzaldehyd

-26

178

Propanon (Aceton, Dimethylketon)

-95

56

Butanon CH 3-co-c 2 H5 (Methylethylketon)

-86

80

3-Pentanon (Diethylketon)

-42

102

Cyclohexanon

-30

156

Acetophenon (Methylphenylketon)

20

202

Benzophenon (Diphenylketon)

48

306

-151

-56

2-Butenal ( Crotonaldehyd)

CH 3-cH=CH-cHO

Keten

Hochpolymere, Copolymerisate

Farbstoffindustrie gutes Lösungsmittel (für Acetylen, Acetatseide, Lacke), Ausgangsprodukt für Chloroform u. Methacrylsäureester

Ausgangsprodukt für Perlon, höhergliedrige Ringketone sind Riechstoffe

Darst. v. Essigsäurederivaten, Acylierungsmittel

Biologisah wiahtige Verbindungen

Wegen der Vielzahl verschiedenartiger Carbonyl-Verbindungen werden diese z.T. in anderen Kapiteln besprochen, so z.B. Citral, Anisaldehyd und Vanillin, Menthon und Zimtaldehyd. Amygdalin kommt in bitteren

246

Mandeln als Glykosid vor und liefert bei der enzymatischen Spaltung die giftige Blausäure (HCN) : H

I H5C6-T-o-c12H21010 CN

Emulsin

C6H5-cHO + HCN + c12H22011

(Gentobiose)

Diacetyl findet sich in der Butter:

Zibeton (Zibet-Katze) Z-9-Cycloheptadecenon

Muscon (Moschus moschiferus) 3-Methylcyclopentadecanon

21.8 Reaktionen mit C-H-aciden Verbindungen (Carbanionen I) 21.8.1 Bildung und Eigenschaften von Carbanionen Carbonyl-Verbindungen sind Schlüsselsubstanzen bei vielen Synthesen. Dies gilt vor allem für Verbindungen, die am a-C-Atom zur CarbonylFunktion ein H-Atom besitzen. Die elektronenziehende Wirkung des Carbonyl-0-Atoms und die daraus resultierende Positivierung des Carbonyl-C-Atoms beeinflussen die Stärke der C-H-Bindung an dem zur ~C=O-Gruppe benachbarten a-C-Atom in besonderem Maße. Dadurch ist es oft möglich, dieses H-Atom mit einer Base Bl 9 als Proton abzuspalten. Man spricht daher auch von der C-H-Acidität dieser C-H-Bindung. Es entstehen negativ geladene Ionen, Enolationen bzw.

Carbanionen

Bl

+

Rrr=o I

H H

werden können:

f

H

9

die als mesomeriestabilisierte

formuliert

B-H

+

[ R~-c=O I I H H

Carbanion

--

f

R-c=c--61] I I H H

Enolat-Ion

Beachte: Eine Verbindung R3c-cHO enthält kein a-ständiges H-Atom und kann deshalb nicht entsprechend der vorstehenden Gleichung reagieren (s. Cannizzaro-Reaktion).

247 Das Enolat-Ion ist ambident, d.h. es

h~t

zwei reaktive Zentren. Beide

sind nucleophil und können somit von Elektrophilen angegriffen werden. Andererseits kann das Enolat-Ion auch selbst als C-Nucleophil reagieren und z.B. zur c-c-verknüpfung verwendet werden. Beispiel: Aldol-Reaktion.

Die Lage des Gleichgewichts bei der Carbanion-Bildung ist abhängig 9 und des Carbanions. Eine elektronen-

von den Basizitäten der Base BI

ziehende Gruppe steigert die Acidität des betreffenden H-Atoms.

Die aktivierende Wirkung von -C=O nimmt wegen der zunehmenden Elek1

y

tronendonator-Wirkung von Y in folgender Reihe ab:

R-cH2T=O > H

R-cH2T=O > R'

R-cH2T=O > R-cH2T=O > OR' NH 2

R-cH2T=O I~

Tragen zwei Carbonyl-Verbindungen die gleiche Gruppe, so wird die sterisch weniger gehinderte Verbindung als Carbonyl-Komponente reagieren (Beispiel 3, S. 220). Auch andere elektronenziehende Substituenten wie -cN oder -N0 2 können zur Stabilisierung von a-Carbanionen beitragen. Bezüglich ihrer acidifizierenden Wirkung läßt sich folgende Reihe angeben: -No 2 > -r=o > -r=o > -cN > -cooR H

R

Beispiele:

G)

Für biochemische Reaktionen von großer Bedeutung sind· u.a. benachbarte )C=O-Gruppen, wie sie in den Ketocarbonsäuren vorliegen (s. Kap. 23.5. 2).

(D

Die in Kap. 24.3 aufgeführten Ester-Synthesen sind synthetisch

vielseitig einsetzbare Reaktionen.

(D Phosphor-Ylide, die bei der Wittig-Reaktion benutzt werden, lassen sich aus Phosphonium-Salzen leicht herstellen wegen der C-H-acidifizierenden und carbanion-stabilisierenden R 3 P~-Gruppe (s. Kap. 26.4.5).

248 21 .8.2 Die Aldol-Reaktion Die basenkatalysierte Aldol-Reaktion Bei der basenkatalysierten Reaktion zweier Aldehyde entsteht zunächst ein Alkohol, der noch eine Aldehyd-Gruppe enthält ("Aldol"). Voraussetzung ist, daß einer der Reaktionspartner (die "Methylen-Komponent e") ein acides a-H-Atom besitzt, das durch eine Base Bl 8 unter Bildung eines Carbanions abgespalten werden kann. Ketone reagieren analog. Bei Reakti.onen mit Aldehyden fungieren Ketone wegen ihrer geringeren carbonyl-Aktivität stets als Methylen-Komponente . e B-H + R--CH--cHO

Das mit einer Base gebildete Carbanion kann selbst als Nucleophil mit einer Carbonyl-Gruppe reagieren: 0

101 R

I I R -C-C-CHO I

I

I

H H

I

HO

R

I

I

R -C-C-CHO

I I H H (I l

Der nucleophile Angriff des Carbanions am Carbonyl-C-Atom hat somit

eine Verlängerung der Kohlenstoffatom-Ket te zur Folge. An diese Addi-

tion, die zu (I) führt, schließt sich oft die Abspaltung von Wasser (Dehydratisierung) an, so daß ungesättigte Carbonyl-Verbindung en (II) entstehen: HO

I

R

I

R1-C-C-CHO

I

H (I

I

H

I

( II I

Beachte: Die Reaktionsfolge, die zu (I) führt, ist auch umkehrbar ("Retro-Aldolreaktio n"), sofern keine Dehydratisierung stattfindet (Beispiel 3) • Eine Dehydratisierung ist nur möglich, wenn die MethylenKomponente zwei a-H-Atome enthält.

249

Ubersichtsschema:

101

,o

I

'

H

-c-c

+

H

-

Eine Aldol-Reaktion führt zwei Carbonyl-Verbindungen in eine ß-Hydroxycarbonyl-Verbindung I über. Anschließende Dehydratisierung kat.n eine a,ß-ungesättigte Carbonyl-Verbindung II ergeben. Bei geei9neter Schreibweise ist es ohne weiteres möglich, aus den Zwischen- oder Endprodukten die Ausgangsstoffe zu erkennen. Sie sind durch Einrahmunq gekennzeichnet. Beispiele zur Aldol-Reaktior. Beispiel

Q):

Acetaldehyd CH 3~

~ Bildung des Carbanions mit Hilfe der Base Bl 8

:

@

Nucleophiler Angriff des Carbanions am Carbonyl-Kohlenstoffatom eines zweiten Acetaldehyd-Moleki!ls (Aldol-Addition):

r'O

H

\.." e 1 ,_.o c:--.;!:...-1 c - c

I\ H3 C H

I

H

'H

-EI 101 H

I I H C-C-C-CHO -•B-H 3 I I

H H

'tr----. CH -CHO 1 +

H3 C-9

2

H

Der gebildete Hydroxyaldehyd Aldol kann dehydratisiert werden

(Aldol-Kondensation) :

;0

OH H

I

I

H C- C-C-CHO 3

El BI.

Aldol (3-Hydroxybutanal)

Acetaldehyd

(§)

OH

I

H

I

H

H C-CH-CH-C...._ J

H

Crotonaldehyd (2-Butenall

250

Der Name Aldol-Reaktion ist für diese Art von Umsetzung allgemein üblich, auch wenn statt Acetaldehyd andere Aldehyde oder gar Ketone eingesetzt werden. Beispiel

@:

~ CH 3i-cH 3 0

(Dimethylketon) Aceton

Beispiel

@:

4-Hydroxy-4-methyl-2-pentanon Diacetonalkohol CH

I

H

J

HC-C~C-C/ J

c~o

H

'o

I

CHJ

CarbonylKomponente

MethylenKomponente

Acetaldehyd

2-Methylpropanal

Mesityloxid (4-Methyl-3-penten-2-on) H

Base

I

CHJ

I

HC-C-C-C J

I

HO

I

CHJ

/H

'o

3-Hydroxy2,2-dimethyl-butanal

Aldol-Reaktionen dienen auch zur Synthese von Cyclohexan- und Cyclopentan-Derivaten in einer intramolekularen Ringschlußreaktion (Beispiel 2, Kap. 21.8.3.4). S~urekatalysierte

Aldol-Reaktion

Die Aldol-Reaktion z.B. mit Acetaldehyd kann auch säurekatalysiert ablaufen. Der Acetaldeqyd wird protoniert und reagiert dann mit der Methylen-Komponente. Diese liegt dabei in der Enol-Form vor, deren Bildung durch Protonierung an der Carbonyl-Gruppe erleichtert wird. Die C=C-Doppelbindung ist elektronenreich und kann daher elektrophil angegriffen werden. Säurekatalysierte Aldol-Reaktion von Acetaldehyd: OH

I

$0H

H

H C-C-CH -C-H J

I

.H

protonierter Enol-Form Acetaldehyd ( "Vinylalkohol")

z

J- H20

Aldol

Crotonaldehyd

251

Man erkennt, daß dabei dasselbe Endprodukt wie bei der basenkatalysierten Addition entsteht, jedoch läßt sich die säurekatalysierte Aldol-Reaktion nicht auf der Stufe des Aldols stoppen.

21.8.3 Synthetisch wichtige Reaktionen mit Carbanionen

21.8.3.1 Mannich-Reaktion Unter der Mannich-Reaktion versteht man die AminoaZkyZierung von C-H-aoiden Verbindungen. Sie ist eine ~komponenten-Reaktion, durch die man ß-Aminoketone, die sog. Mannich-Basen, erhält. Ein Reaktionsteilnehmer ist in der Regel Formaldehyd, dazu kommen als Variable die C-H-aciden Komponente, z.B. Ketone, und die Amin-Komponente (prim. und sek. Amine) • Reaktionsablauf: Aus Formaldehyd und dem Amin bildet sich ein Carbenium-Immonium-Ion, eine carbonyl-analoge Verbindung. Diese wird dann nucleophil angegriffen. Der Angriff ist hier formuliert über ein Carbanion in Schema (a) und alternativ über ein Enolat in Schema (b). Die.MannichReaktion ist stark pH-abhängig. OH I

HNR~ - - CH2 - NR~ Car benium -Immonium -Ion Folgereaktion mit einem Keton:

Base

~OH

-

211

I ~

R -C-CH 2 -CH l -NR 1l -H®

Mannich-Base

Mannich-Basen lassen sich durch Reduktion in die physiologisch wichtigen ß-Aminoalkohole oder durch Erhitzen unter Abspaltung eines sekundären Amins in ~,ß-ungesättigte Carbonyl-Verbindungen überfUhren (Fragmentierung, s. Kap. 28.2.7). Verwendet wird die Mannich-Reaktion bei der Labor- und Biosynthese vieler Naturstoffe.

252

21.8.3.2 Perkin-Reaktion Die Perkin-Synthese (nur mit aromatischen Aldehyden) dient zur Darstellung a,S-unges~ttigter aromatischer Monocarbons~uren. Der einfachste Vertreter ist die Zimtsäure. Sie wird durch Kondensation von Benzaldehyd mit Essigsäureanhydrid und Na-Acetat erhalten. Das zunächst entstehende gemischte Säureanhydrid spaltet ein Molekül Carbonsäure ab und es entsteht Zimtsäure.

21.8. 3. 3 Knoevenagel- ·Reaktion Die Knoevenagel-Reaktio n bietet eine allgemeine SynthesemBglichkeit für Alkene und Acryls~ure-Derivate. Reaktions-Schema: Nucleophiler Angriff eines Carbanions an einem Aldehyd oder Keton:

R2 H 1

I

I

I

I

R-C-C-Z

1

OH Z2

Z 1 und Z 2

= - CHO,- COR,

-COOR, -CN,-N01 , )C·•NR

Beispiel: Zur Synthese der Zimtsäure verwendet man Benzaldehyd sowie einen Malenester (Z 1=z 2= -cooR). Der entstandene Benzalmalonester wird hydrolysiert und danach zur Zimtsäure decarboxyliert (s. Kap. 24.3.4.1; vgl. Perkin-Reaktion) • ~ ,.,cooR H5 c_-c~ + H-C-H 'cooR ~o D Molonester

H H

1 1 .... cooR --=----

IQie

(!)

Hydrochinon

Semichinan

Chinon

OH

Semichinane (wie I) sind mesomeriestabilisiert. 1,4-Benzochinon wird daher als Inhibitor bei radikalischen Polymerisationen benutzt. Für das vorstehende Reaktionsschema ergibt sich das Redoxpotential aus der Nernstschen Gleichung (vgl. HT, Bd. 193) zu: E

Eo +

R • T • 2,303 2 F

c(Chinon) • c 2 (He) c(Hydrochinon)

• lg _;:...:..:.==:..:....__::....._:..::.....

Daraus kann man u.a. folgende Schlüsse ziehen: 1. Ist das Produkt der Konzentrationen von Chinon und He gleich der Konzentration von Hydrochinon, so wird E = E0 , da lg 1/1 = lg 1 = 0 ist. Das Redoxpotential des Systems ist dann so groß wie sein Normalpotential E0 • 2. Mischt man ein Hydrochinon mit seinem Chinon im Molverhältnis 1: 1, so entsteht eine Additionsverbindung, das tiefgrüne Chinhydron, ein sog. aharge-transfer-Komp~ex. Er besteht aus zwei Komponenten, dem

260

elektronenreichen Donor (hier Hydrochinon) und dem elektronenziehenden Acceptor (hier Chinon) • Die entsprechenden Komplexe nennt man daher auch Donor-Acceptor-Komplexe. Sie sind meist intensiv farbig, wobei man die Farbe dem Elektronenübergang Donor ---+ Acceptor zuschreibt. In einer gesättigten Chinhyoron-Lösung liegen die Reaktionspartner in gleicher Konzentration (also 1: 1) vor. Damit vereinfacht sich die Nernstsche Gleichung zu: Eo + R · T · 2, 3 lg c (He)

E

F

Eo _ R • T • 2,3

pH

F

Jetzt ist das Redoxpotential nur noch vom pH-Wert der Lösung abhängig. Eine Chinhydron-Elektrode kann daher zu Potentialmessungen benutzt werden. Chinone wirken als Oxidationsmittel, so z.B. Chloranil (Tetrachlorp-benzochinon) :

OH

0

CO +Ü Cl

II

Cl

II

Cl

Cl

+

CI~CI c1Vc1 OH

0

Tetrachlorp-benzochinon

1,2-Dihydronaphthalin

Naphthalin

Tetrachlorhydrochinon

Hydrochinon wird als Reduktionsmittel verwendet (z.B. als photographischer Entwickler. Die 1,4-Chinone sind auch ungesättigte Ketone, die 1,2-und 1,4Additionsreaktionen eingehen können. Außerdem sind Diels-Alder-Reaktionen möglich mit Chinon als Dienophil, z.B. 0

( +

0

II

0 -

6

II

0

1,4-Butadien

p-Benzochinon

II

CO II 0

+(

0

- ctD e

11

1

5 5a 11 1oa 4

0

I

261

Einige biologisch wichtige Chinone Chinone sind wegen ihrer Redox-Eigenschaften wichtig. Genannt seien: 0

f'YY

Cl

~ ~ 0

Vit. K 1 (Phyllochinon)

Cl

0 II

Cl

U

Cl

XX 0

Chloranil, fungizid 1 Dehydrierungsmittel

HO COOH

Muscarufin, orangerot, aus

Tocopherol I Vit. E- Reihe l I pflanzliche Öle)

Amanita muscaria (Fliegenpilz)

o=b=o U bichinon 50 I Wasserstoff- Übertröger bei der biolog. Oxidation in den Mitochondrien) OH

0

~ vu II 0

Alizarin, rot I Krappwurzel )

Juglon, gelb ( Walnun)

Toluchinon Bombardierköfer (Brachynidae)

23 Garbonsäuren

Ca~bonsäu~en sind die Oxidationsp~odukte de~ Aldehyde. Sie enthalten die Ca~boxyl-G~uppe -GOOH. Die Hybridisierung am Kohlenstoff der COOH-Gruppe ist wie bei der Carbonyl-Gruppe sp 2 • Viele schon lange be~annte Carbonsäuren tragen Trivialnamen. Nomenklaturgerecht ist es, an den Stammnamen die Endung -säure anzuhängen oder das Wort -carbonsäure an den Namen des um ein C-Atom verkürzten KohlenwasserstoffRestes anzufügen. Die Stammsubstanz kann aliphatisch, ungesättigt oder aromatisch sein. Ebenso können auch mehrere Carboxyl-Gruppen im gleichen Molekül vorhanden sein. Entsprechend unters~heidet man Mono-, Di-, Tri- und Polycarbonsäuren.

Beispiele (die Namen der Salze sind zusätzlich angegeben): H-cOOH

H3C-cOOH

CH 3-cH 2-cOOH

Ameisensäure: Formiate

Essigsäure: Acetate

Propionsäure: Propionate

n-Buttersäure Butansäure Propan-1-carbonsäure (Butyrate)

Stearinsäure Octadecansäure Heptadecan-1carbonsäure (Stearate)

6 Q COOH

Elaidinsäure trans-9-0ctadecensäure trans-8-Heptadecen-1Carbonsäure (Elaidate)

COOH

COOH

COOH

COOH

CH 2

I

p-Aminobenzoesäure

I

I

COOH

NH 2

Benzoesäure (Benzoate)

Ölsäure isomer mit cis-9-0ctadecensäure cis-8-Heptadecen1-carbonsäure (Oleate)

Oxalsäure (Oxalate)

Malonsäure (Malonate)

H..._C".....COOH

II c

H"" 'cooH

Maleinsäure (Maleate)

263

23.1 Eigenschaften von Garbonsäuren Carbonsäuren enthalten in der Carboxyl-Gru ppe je eine polare C=Ound OH-Gruppe. Sie reagieren deshalb mit Nucleophilen und Elektrophilen: Sowohl das Proton der OH-Gruppe als auch die OH-Gruppe selbst können durch andere Substituente n ersetzt werden; die Carbonyl-Gruppe kann am C-Atom nucleophil angegriffen werden. Die Carboxyl-Gruppe als Ganzes besitzt ebenfalls besondere Eigenschafte n. reagiert elektrophiliO I '\..II

o0

"c o®

R

/

"--Q-H~

reagiert sauer

Carbonsäuren können untereinande r und mit anderen geeigneten Verbindungen H-Brückenbin dungen bilden. Die ersten Glieder der Reihe der aliphatische n carbonsäuren sind daher unbeschränkt mit Wasser mischbar. Die längerkettig en Säuren werden erwartungsgem äß lipophiler und sind in Wasser schwerer löslich. Sie lösen sich besser in weniger polaren Lösungsmitte ln wie Ether, Alkohol oder Benzol. Der Geruch der Säuren verstärkt sich von intensiv stechend zu unangenehm ranzig. Die längerkettig en Säuren sind schon dickflüssig und riechen wegen ihrer geringen Flüchtigkeit (niederer Dampfdruck) kaum. Carbonsäuren haben außergewöhn lich hohe Siedepunkte und liegen sowohl im festen als auch im dampfförmige n Zustand als Dimere vor, die durch H-Brückenbindungen zusammengeh alten werden:

R-C

,....o·--H-o, '-o-H---o""'

C-R

Die erheblich größere Acidität der COOH-Gruppe im Vergleich zu den Alkoholen beruht auf der Mesomeriest abilisierung der konjugierten führt ~ (vgl. auch Phenole). Die Delokalisier ung der Elektronen energieeinem zu damit und ilung Ladungsverte n zu einer symmetrische ärmeren, stabileren Zustand.

264

23.1.1 Substituenteneinflüsse auf die Säurestärke Die Abspaltung des Protons der Hydroxyl-Gruppe wird durch den Rest R in R-cOOH beeinflußt. Dieser Einfluß läßt sich mit Hilfe induktiver und mesomerer Effekte plausibel erklären.

G)

Elektronenziehender Effekt (-I-Effekt)

Elektronenziehende Substituenten wie Halogene, -CN, -No 2 oder auch -cOOH bewirken eine Zunahme der Acidität. Ähnlich wirkt eine in Konjugation zur Carboxyl-Gruppe stehende Doppelbindung. Bei den a-Halogen-carbonsäuren x-cH 2 COOH nimmt der Substituenteneinfluß entsprechend der Elektronegativität der Substituenten in der Reihe F > Cl > Br > I deutlich ab, was an der Zunahme der zugehörigen pKs-Werte zu erkennen ist (pKs = 2,66; 2,81; 2,86; 3,12 für X= F, Cl, Br, I). Interessanterweise ergaben Messungen der Säurestärken in der Gasphase eine Umkehrung der Reihenfolge (F < Cl < Br) , wobei die Fluoressigsäure sich als die schwächste Säure erwies (s.u.).

-I-Effekt (Zunahme der Acidität) Die Stärke des -I-Effektes ist auch von der Stellung der Substituenten abhängig. Mit wachsender Entfernung von der Carboxyl-Gruppe nimmt seine Stärke rasch ab (vgl. ß-Chlorpropionsäure). Bei

meh~fache~

Substitution ist die Wirkung i.a. additiv, wie man an

den pKs-Werten der verschieden substituierten Chloressigsäuren erkennen kann. CF 3COOH erreicht schon die Stärke anorganischer Säuren. Bestimmt man die Hydrationsenthalpien der Halogen-essigsäuren und ihrer Anionen, so findet man, daß die Zunahme der Säurestärke in Wasser fast ausschließlich auf der Zunahme der Hydrationsenthalpie der Anionen in der Reihe BrCH 2 coo 9 < ClCH 2 coo 9 < FCH 2 coo 9 beruht. Die Säurestärke wird demnach offenbar vor allem von Solvationseffekten der Anionen bestimmt. Dies läßt sich auch thermodynamisch begründen und liefert eine Erklärung zu den erwähnten Messungen in der Gasphase: Die Säurekonstante des Säure-Base-Gleichgewichts ist proportional der Freien Enthalpie der Ionisation. Diese wiederum setzt sich aus

265

einem Enthalpie- und einem Entropie-Anteil zusammen. Die ~H 0 -werte der einzelnen Säuren zeigen nur kleine Unterschiede. ~G 0 wird also überwiegend vom Entropieglied bestimmt, das Solvationseffekte mitberücksichtigt (s. HT Bd. 193).

/::; G0

QD

2,303 • R •T• pK 5



Elektronendrückender Effekt (+I-Effekt)

Elektronendrückende Substituenten wie Alkyl-Gruppen bewirken eine Abnahme der Acidität (Zunahme des pKs-Wertes), weil sie die Elektronendichte am Carboxyl-C-Atom und am Hydroxyl-sauerstoff erhöhen. Alkyl-Gruppen haben allerdings keinen so starken Einfluß wie die Gruppen mit einem -I-Effekt. CH1 CH

1

,..

I

;?!l

I

'ö-H

-c- C eH,

-

+I-Effekt (Abnahme der Acidität)

0

Mesomere Effekte

Bei aromatischen Carbonsäuren treten zusätzlich mesomere Effekte auf. Benzoesäure ist zwar stärker sauer als Cyclohexancarbonsäure (pKs = 4,87), doch läßt sich die an sich schwache Acidität durch Einführung von -I- und -M-Substituenten beträchtlich steigern. Es ist hierbei allerdings zu beachten, daß das aromatische rr-Elektronensystem je nach Substituent als Elektronendonor oder -acceptor wirken kann.

Beispiel: p-Nitrobenzoesäure, pKs = 3,42

{!)

H-Brückenbildung

Ein interessanter Fall liegt bei der Salicylsäure (o-Hydroxy-benzoesäure) vor, deren Anion sich durch intramolekulare H-Brückenbindungen stabilisieren kann (pKs

=

2,97):

266

[©:;:t]e 101

Ebenso wie bei den Aminen kann man auch bei den Carbonsäuren mit Hilfe des pKs-Wertes den pH-Wert der Lösungen berechnen, sofern man die Konzentration der Säure kennt (s. HT, Bd. 193).

Beispiel: 0,1 molare Propionsäure; pKs = 4,88, c = 10- 1 . pH = 1/2 pKs - 1/2 lg c; pH = 2,44 - 1/2 (-1)

2,94

Tabelle 1 8. pKs-Werte von Carbonsäuren

"'HQ)"'

3: I

Cl)

>::

0..

H Q)

'd

.::: Q)

.....tJ'\

Formel

Name

pK

4,76 CH 3 COOH

Essigsäure

5,05 (CH 3 ) 3CCOOH

Trimethylessigsäure

4,26 CH 2 =CHCOOH

Acrylsäure

4,85 (CH 3 ) 2 CHCOOH

I soButtersäure

2181 ClCH 2 COOH

Monochloressigsäure

4,88 CH 3 CH 2 COOH

Propionsäure

1,30 Cl 2 CHCOOH

Dichloressigsäure

4,76 CH 3 COOH

Essigsäure

0,65 Cl 3 CCOOH

Trichloressigsäure

3,77 HCOOH

Ameisensäure

Propionsäure

0,23 F 3 CCOOH

Trifluoressigsäure

4,22 Q-cooH

Benzoesäure

pKS

Q)

"'Cl)"' 14,88 CH 3 CH 2 COOH

I

4,1

CH 2 ClCH 2COOH

ß-Chlorpropionsäure

2,8

CH 3 CHC1COOH

a-Chlorpropionsäure

s

Formel

Name

23.2 Darstellung von Garbonsäuren Die Darstellungsmet hode hängt oft von der zur Verfügung stehenden Allsgangsverbindung ab.

G)

Ein allgemein gangbarer Weg ist die Oxidation pPimäPeP Alkohole und Aldehyde. Sie führt ungesteuert generell zu Carbonsäuren. Als Oxidationsmitt el eignen sich z.B. Cro 3 , K2cr 2o 7 und KMno . 4

267

Oxid.

R- CH 2 0H

R-CHO

prim. Alkohol

Oxid.

Aldehyd

R-COOH Carbonsäure

Bei der Oxidation von Alkylaromaten werden aromatische Carbonsäuren erhalten:

©'COOH

Benzoesäure

Toluol

QD

Die Verseifung von Nitri~en bietet präparativ mehrere Vorteile. Nitrile sind leicht zugänglich aus Halogenalkanen und KCN (s. Kap. 11 .4.1). Die Verseifung geschieht mit Säuren- oder Basenkatalyse:

R -Cl

KCN - K Cl

R-C=N

QD

Eine präparativ wichtige Darstellungsmet hode ist die Umsetzung von Grignard-Verbin dungen mit co 2 _(s. Kap. 26.4.2.2, Carboxylierung sreaktion): R-Mg -Br

+

co 2

-

R-c

,o

verd. HCl

'oMgBr

Eine Carboxylierung sreaktion ist auch die Reaktion von Phenolat mit co 2 , vgl. die Darstellung der Salicylsäure (Kap. 16.3).

Q) Eine Methode zur Darstellung von Carbonsäuren ist auch die Ma~on­ ester-Synthese. Sie bietet eine allgemeine Möglichkeit, eine C-Kette um zwei C-Atome zu verlängern oder sie zu verzweigen (Kap. 24.3.4.1). Substituierte Carbonsäuren

QD

Die Verseifung von Cyanhydrinen (aus Aldehyden und HCN, s. Kap. liefert speziell a-Hydroxycarbo nsäuren (s. Kap. 23.5.1.1). Man erhält hierdurch eine Verlängerung der C-Kette um eine Einheit. 21.4~4)

268

~ Aminosäuren lassen sich u.a. durch die StPeckeP-Synthese herstellen (s. Kap. 33.3).

QJ

a-Halogencarbonsäuren wie a-Brom- oder Chlor-carbonsäuren werden am besten nach Hell-Volhard-Zelinsky mit Halogenen und Phosphor (rot) als Katalysator hergestellt: 2P

+

3 Br2

2 P Br3

-

R-CH=C

,....oH 'er

-

Br2

-HBr

'e r

I Br

+

Br

+

R-CH-c 70

I

R-CH -COOH

R-CH 2 COOH

Das gebildete PBr 3 führt die Säure in das Säurebromid über, dessen a-H-Atom durch ein Brom-Atom substituiert wird (Mechanismus s. Kap. 21 .8.4). Anschließend erfolgt Brom-Austausch mit einem weiteren Säuremolekül.

QD

a-substituierte carbonsäuren können allgemein durch nucleophile Substitution des Halogens in a-Halogencarbonsäuren erhalten werden.

23.3 Reaktionen von Garbonsäuren

Q)

Reduktion (Umkehr der Synthese)

R -COOH

+Li Al H 4 -H2,- Al H3

OAl( 4 ,.. R _ Cl OeL.1e e ® _•_L_i_A_l_H.:., R- COO Li I

H

+Li Al H4

269

Q)

Oxidation mit H2 Q2 zu Persäuren ® (;OH

__

R-C~IO-Q-H

I OH

(D

Abbau unter

I H

OH I ® R-C-0-0H

I

I

OHH

co 2 -Abspaltung

Decarboxylierungen sind möglich durch Erhitzen der Salze auf über 400°C mit Bleitetraacetat oder durch oxidative Decarboxylierung zu Bromiden (Hunsdiecker-Reaktion, Kap. 11.3).

R - Br

(!}

Bildung von Derivaten s. Kap. 24.

+ C0 2

+ Ag Br

270

Tabelle 19. Verwendung und Eigenschaften von Monocarbonsäuren Name

Formel

Ameisensäure

HCOOH

Essigsäure

pK 8

16 '6 -22

Propionsäure

s

Vorkommen, Verwendung

100,5

3,77

Ameisen, Erennesseln

118

4,76

Lösungsmittel, Speiseessig

1 41

4,88

Konservierungsmittel

Buttersäure

CH 3 (CH 2 ) 2COOH

-6

164

4,82

Butter, Schweiß

Isobuttersäure

(CH 3 ) 2CHCOOH

-47

155

4,85

Johannisbrot

n-Valeriansäure

CH 3 (CH 2 ) 3 COOH CH 3 (CH 2 ) 4cOOH

-34,5

187

4,81

Baldrianwurzel

Capronsäure

205

4,85

Ziege

önanthsäure

CH 3 (CH 2 ) 5 COOH

-1 '5 -11

224

4,89

Weinblüte

Caprylsäure

CH 3 (CH 2 ) 6cOOH CH 3 (CH 2 ) 8COOH

16

237

4,85

31

269

Caprinsäure Laurinsäure

Ziege Ziege

CH 3 (CH 2 ) 10COOH CH 3 (CH 2 ) 12 COOH

44

Lorbeer

54

Myristica, Muskatnuß

CH 3 (cH 2 ) 14 COOH CH 3 (cH 2 ) 16 cOOH

63

Palmöl

70

Talg

Acrylsäure

CH 2 =CHCOOH

13

Sorbinsäure

~COOH

Ölsäure

cis-Octadecen(9)-'-säure

16

Elaidinsäure

trans-Octadecen(9)-säure

44

Linolsäure

cis,cisOctadecen(9,12)-säure

-5

230 ( 16 Torr)

Linolensäure

cis,cis,cisOctadecen(9,12,15)-säure

-11

232 (16 Torr)

122

250

78

265

Myristinsäure Palmitinsäure Stearinsäure

Benzoesäure Phenylessigsäure Salicylsäure Anthranilsäure p-Aminobenzoesäure

1 41

4,26

Kunststoffe Konservierungsmittel

133

223 (10Torr)

4,22

C6H5 CH 2 COOH o-HOC 6 H4 COOH

159

3,00

o-H 2Nc 6 H4 COOH p-H 2NC 6 H4COOH

145 187

5,00 4,92

in Fetten

Konservierungsmittel

4,31 Konservierungsmittel

271

23.4 Dicarbonsäuren Dicarbonsäuren enthalten zwei Carboxyl-Gruppen im Molekül und können daher in zwei Stufen dissoziieren. Die ersten Glieder der homologen Reihe sind stärker sauer als die entsprechenden Monocarbonsäuren, da sich die beiden Carboxyl-Gruppen gegenseitig beeinflussen (-I-Effekt). Die einfachen Dicarbonsäuren haben oft Trivialnamen, die auf die Herkunft der Säure aus einem bestimmten Naturstoff hinweisen (Einzelheiten s. Tabelle 20). Die IUPAC-Nomenklatur entspricht der der Monocarbonsäuren: HOOC-cH 2-cH 2-cooH (Bernsteinsäure) = 1,2-Ethan-dicarbonsäure = Butandisäure.

23.4.1 Synthesebeispiele Die Synthese von Dicarbonsäuren erfolgt meist nach speziellen Methoden. Grundsätzlich können aber die gleichen Ve'rfahren wie bei Monocarbonsäuren angewandt werden, wobei als Ausgangsstoffe bifunktionelle Verbindungen eingesetzt werden. Oxalsäure: Durch Erhitzen von Natriurnformiat:

co"oH

INaOHI

I

-2 NaOH

- H2

COOH

von historischem Interesse ist die Synthese von Oxalsäure durch Hydrolyse von Dicyan von F. Wähler (1824). Malonsäure: Durch Hydrolyse von Cyanessigsäure, die aus Chloressig-

säure und KCN erhalten wird: KCN - KCl

Adipinsäure: Aus Phenol über Cyclohexanon durch oxidative Ringöffnung:

6 8 8 OH

H

~

Phenol

OH

0

~

~

Cyclohexanon

Kat.

CC02H C0 2H Ad i pi nsöure

272

Phthalsäure: Durch Hydrolyse von Phthalsäureanhydrid, hergestellt durch Oxidation von o-Xylol oder Naphthalin ~cH 3

0

~CH 3

II

~c,

~c/o II

0

Phthalsäureanhydrid Terephthalsäure: Durch Oxidation von p-Xylol oder von Benzoesäure mit co 2

Phthalsäure

Carbo~ylierung

Kat. I 0 2

~~ Q-cooH

co2

COOH Terephthalsäure

Tabelle 20. Eigenschaften und Verwendung von Dicarbonsäuren Trivialname

Formel

Fp,°C

pKs1

pKS2

Vorkommen und Verwendung

Oxalsäure

HOOC--cOOH

189

1 ,46

4,40

Malonsäure Bernsteinsäure Glutarsäure Adipinsäure

HOOCCH 2COOH HOOC(CH 2 ) 2COOH

135 185

2,83 4,17

Sauerklee (Oxalis), Harnsteine Leguminosen

HOOC(CH 2 ) 3COOH HOOC(CH 2 ) 4COOH

97,5 151

4,33 4,43

Maleinsäure

leis-) Z-HOOCCH=CHCOOH

130

1 ,9

5,85 5,64 } Citrat-Cyclus, Rhabarber, Zuckerrübe 5,57 5,52 Nylonherstellung, Zuckerrübe 6,5

Fumarsäure

(trans-) E-HOOCCH=CHCOOH Hooc--c=c--cooH

287

3,0

4,5

Acetylendiearbensäure Phthalsäure Terephthalsäure

179

Citrat-Cyclus Synthesen

1,2-C 6 H4 (COOH) 2

231

2,96

5,4

1,4--c 6H4 (COOH) 2

300

3,54

4,46

Weichmacher, Polymere Kunststoffe

273

•c 200

100

Abb. 53. Zusammenhang zwischen Fp. und -(CH 2 von Dicarbonsäuren

)n

5

23.4.2 Reaktionen von Dicarbonsäuren Die Dicarbonsäuren unterscheiden sich durch ihr Verhalten beim Erhitzen. 1,1-Dicarbonsäuren, wie die Malonsäure, decarboxylieren viel leichter als die Monocarbonsäuren:

1,2- und 1,3-Dicarbonsäuren liefern beim Erhitzen cyclische Anhydride:

Co

0

0

/COOH CH 2

I

I

~

CH 2 '-'cooH

I

+

H2 0

/CH 2-COOH CH 2 '-'cH 2-COOH

0 Bernsteinsäure

- anhydrid

Glutarsäure

Co II

_fL.

+ H20

\0

-anhydrid

Höhergliedrige Dicarbonsäuren mit 5 oder mehr Kohlenstoff-Atomen zwischen den Carboxyl-Gruppen geben beim Erhitzen ausschließlich polymere Anhydride. In Gegenwart von Basen werden anstelle der polymeren Anhydride cyclische Ketone erhalten. Eine 1,4-Dicarbonsäure wie Adipinsäure wird z.B. in Cyclopentanon übergeführt. Diese Reaktion eignet sich zur Darstellung fünf- und sechsgliedriger cyclischer Ketone. Unter bestimmten Voraussetzungen können Ketone mit Ringgrößen bis zu 20 Ringatomen erhalten werden.

274

Beispiel:

polymern

/CH 2-COOH CH 2

Anhydrid

b., Base

I

CH 2 "CH 2-COOH Adipinsäure

Cyc1opentanon

23.4.3 Spezielle Dicarbonsäuren Neben gesättigten Dicarbonsäuren gibt es auch ungesättigte und ~ tische Dicarbonsäuren, wovon Maleinsäure, Fumarsäure und die Benzoldicarbonsäuren besondere Bedeutung haben.

Maleinsaure und Pumaraaure sind ais-trans-Isomere. Bei der Maleinsäure sind die beiden Carboxyl-Gruppen räumlich benachbart (cis-Anordnung) und ermöglichen die Bildung eines Anhydrids im Gegensatz zur Fumarsäure: H...._C/COOH

II

H./

c,

COOH

Maleinsäure

Maleinsäureanhydrid

Maleinsäure ·und Fumarsäure können durch Erhitzen oder UV-Bestrahlung wechselseitig umgewandelt werden (Isomerisierung):

h•V

Maleinsäure (cis)

Fumarsäure (trans)

275

Fumarsäure spielt im Citronensäure-Cyclus eine wichtige Rolle. Sie entsteht dort bei der Dehydrierung von Bernsteinsäure als Zwischenprodukt. Maleinsäure wurde bisher in der Natur nicht gefunden und ist nur synthetisch zugänglich. o-Phthals~ure

(Benzol-o-dicarbons~ure)

findet zur Synthese von Farb-

stoffen Verwendung. Sie läßt sich durch Wasserabspaltung leicht in ihr Anhydrid überführen, das ebenfalls als Ausgangsverbindung für chemische Synthesen vielfache Anwendung findet:

bo

~COOH COOH

- H20

~'~, c/

'o

Phthalsäureanhydrid

Phthalsäure

Q COOH

,.

- H20 1

keine Anhydridbi ldung

COOH

Terephthalsäure

Die Benzol-p-dicarbonsaure wird auch Terephthalsaure genannt. Sie besitzt zur Darstellung von Kunststoffen (Polyesterfaser) wie Trevira, Diolen u.a. technische

Bed~utung

(s. Kap. 42.4.2.2).

23.4.4 Cyclisierungen von Dicarbonsäure-Estern zu carbocyclischen Ringsystemen

G)

Dieckmann-Reaktion

Ester von Dicarbonsäuren können die Claisen-Reaktion (s. Kap. 24.3.1) wie üblich intermolekular, in einigen Fällen aber auch intramolekular eingehen, wobei cyclische Ketoester entstehen. Dies erlaubt den Aufbau fünf- und sechsgliedriger Ringsysteme. Beispiel:

7~ 23 1V

EtO-C-C-(CH ) -C- OEt

01

0

H

NaOEt - Et OH

0

Adi pi nsäure- di elhy I es ter

2-Carbelhoxy-cyclopentanon

276

0

Acyloin-Reaktion

Ringe mit 10 bis 20 Ringgliedern sind meist nur in schlechten Ausbeuten herzustellen. Zwar ist die Ringspannung im Vergleich zu kleineren Ringen etwas geringer, es wird jedoch auch die Wahrscheinlichkeit kleiner, daß die beiden Enden des Moleküls miteinander reagieren können. Daher entstehen oft 'unerwünschte Polymere. Die Ausbeute kann durch Verdünnung der Reaktionsmischung erhöht werden. Bessere Ausbeuten liefert die sog. Acyloin-Reaktion. Sie verläuft an der Oberfläche von elementarem Natrium, wobei solvatisierte Elektronen als Nucleophil wirken. Man erhält dank der guten Abgangsgruppe 9 oc 2H5 Ausbeuten von 60 bis 95 %. Bei Reaktionen mit Monocarbonsäure-estern entstehen offenkettige Acyloine. OEt

'c

'~ _,ov

OEt

~'o'J J

N meta

~

ICH 2ln

_.....c

'c

\

,_,, -

OEt

..ung

Natriumacetessigester reagiert mit Acylhalogeniden und reaktiven Halogenverbindungen wie Allylchlorid in Pyridin zu 0-Acyl-Derivaten:

0- Acetyl- ocetessigester

@

C-A Zky·tierung

Natriumacetessigester gibt mit Alkyl- oder Acylhalogeniden C-Alkylbzw. Acyl-Derivate:

e_ _ _ _ _ _ _ HC-C-CH-COOCH l

H

0

25

e

~

H C-C-CH-COOC H + Br +No 2 s U I l 0 C3H7

+ C H -CH-Br 25

2

No®

®

C -Propyl- ocetessigester Der Reaktionsverlauf hängt von der Reaktivität der Halogenverbindung bzw. des Natriumacetessigesters und von der Polarität des Lösungsmittels ab. Die erhaltenen c-alkylierten Acetessigester können ein zweites Mal alkyliert werden. Dabei entstehen disubstituierte Acetessigester-Derivate:

®0

No OEt tt OH

Ethyl-( 2-benzyl-2-propyll3-oxo- butonoot

308

Das Verhältnis 0- zu C-Substitution hängt ab vom Lösungsmittel, den Strukturen der ß-Dicarbonyl-Verbindung sowie vom Alkylierungs- bzw. Acylierungsmittel. Natriumsalze auf der einen sowie Iod-Verbindungen auf der anderen Seite liefern bevorzugt C-alkylierte Produkte in Lösungsmitteln wie Ethanol oder Aceton.

24.3.3.2 Abbaureaktionen von 1,3-Dicarbonyl-Verbindungen

Q)

Keton-Spaltung

Unter Verseifung des Ketoesters mit verd. Laugen und nachfolgender Decarboxylierung der ß-Ketosäure (s. Kap. 23.5.2.2) entstehen Ketone:

3-Benzyl- 2- hexanon

®

Säurespaltung

Der Acyl-Rest wird mit konz. Laugen als Säure-Anion abgespalten und der verbleibende Ester verseift. Die Carboxyl-Gruppe bleibt demnach erhalten, und man erhält eine Monocarbonsäure:

~-e konz.

H C- C- C- COOC H J

I

I

0

CH 2 - C6 H 5

z s

+

lOH

1-Benzyl-pentansäure Analog erhält man aus ß-Diketonen ein Säure-Anion und ein Keton.

309 Vbersichtsschema zur Keton- und Säurespaltung am Beispiel eines monoalkylierten Acetessigesters

0 I

H3 C-C-CH-COOH

I

R

- co 2

Keton (alkyliertes Aceton)

+ verd. NaOH

0

- Na 0 Et

II

H3 C-C-CH-C00Et I

R

• konz. NaOH

1,3-Dicarbonylverbindung

R- CH 2-COOEt

• NaOH ( verd.) -Na 0 Et

Säure) (alkylierte Essigsäure)

@

Ester-Spaltung

Bei der Säurespaltung tritt in erheblichem Maß die Keton-Spaltung als Konkurrenzreaktion auf. Das läßt sich manchmal vermeiden, wenn man Alkoholat-Ionen als Basen verwendet (Esterspaltung). Die Spaltung von ß-Oxoestern mit Alkoholat-Ionen ist die Umkehrung der Claisen-Reaktion. Sie ist möglich, weil alle Teilreaktionen der Claisen-Reaktion Gleichgewichtsreaktionen sind. Aus einem ß-Oxoester erhält man folglich zwei Moleküle Ester, aus einem ß-Diketon je ein Molekül Ester und Keton: T

~ +10 Ei

EtO R2 I I

H C-C-C-COOR _..::-;...._-- H3c-cC6-COOR 3 !::'> 11 1,\2 01 R 101 R R

e-

R2 I

+ H-C-COOR I

R'

24.3.4 Synthesen mit Dicarbonsäure-Estern Meist werden Malonsäurediester eingesetzt. Diese ß-Diester bilden leicht ein mesomerie-stabilisiertes Carbanion, das u.a. bei Knoeve-

310

nage!- und Michael-Reaktionen breite Anwendung findet (Kap. 21 .8.3.3 und 21 .8.3.4). Wichtig sind auch Alkylierungs- und Abbaureaktionen, wie sie bereits be~m Acetessigester behandelt wurden (Kap. 24.3.3.1).

24.3.4.1 Reaktionen mit Malonsäure-Diethylester Aus Diethylmalonat entsteht mit Ethanolat-Ionen das Carbanion des Malonsäure-diethylesters, das im Gleichgewicht in hoher Konzentration vorliegt (pKs Ethanol ~ 16, pKs Malonat ~ 13):

_e

C2H5 QJ

+

C H2 !COO Et )2

e

+

ICH I COOEt ) 2

~

C2 H5 0H

Es greift Halogenalkane nucleophil unter Bildung von Alkylmalenestern an: (Et OOC) 2 CH-R 1

+

Xe

und kann danach ein zweites Mal alkyliert werden:

1

(Et00C) 2 CH- R

+Na OEt -Et OH

e

2

(EtOOC) C-R 1+N ® +R -X 0 2 - NaX

Meist überwiegt die hier formulierte C-Alkylierung, obwohl auch eine 0-Alkylierung möglich wäre, wie man an den Grenzstrukturen erkennt (vgl. Acetessigester, Kap. 24.3.3.1):

0

(I ~/C-OEt

R -c

'c-OEt

u

0

-6

0

101

II

I

_."C-OEt

R-e'

/C-OEt R-C

"-c-OEt (I

0

~C-OEt I

IQ.Ie

Die alkylierten Malenester lassen sich leicht zu den entsprechenden Malonsäuren hydrolysieren. Aus ihnen entsteht durch Decarboxylierung schließlich eine Mono-Carbonsäure.

311

,

R1-CH ICOOEt 12

R-CHICOOH) 2

-OEtEl

ein fache

1)+Na®OEt0 -EtOH

Monocarbonsäure

2)+R 2-X -NaX

,

H

I

R- C- COOH

-C0 2

I

Rz alkylierte Monocarbonsäure

Diese Reaktionsfolge kann dazu dienen, Cycloalkan-Derivate herzustel-

C

len:

+

H'H/

c

_......COOEt 'cooEt

C/COOEt '-.,. COOEt

24.3.4.2 Claisen-Reaktionen mit Dicarbonsäure-Estern

Q) Die intramolekulare Cyclisierung (Dieckmann-Reaktion) von Dicarbonsäure-estern liefert fünf- und sechsgliedrige Ringsysteme (s. Kap. 23.4 .3).

QD

ß-Oxoester entstehen bei der Claisen-Reaktion von Ketonen mit 1,2-Diestern (Oxalsäureestern), da die zuerst gebildeten ß-Carbonylester leicht decarbonylieren: Claisen-Reaktion:

Oxalester

2,4-Dioxopentansäureethylester

Aceton

0

0

U II Et0-C-CH 2-C-CH 3 Acetessigester

_____) -CO

312

Der Ester (hier: Acetessigester) kann durch Acylierung in eine Tricarbonyl-Verbindung (einen "a-Acyl-ß-ketoester") überführt werden. Dieser zeigt die Strukturmerkmale eines ß-Diketons und eines ß-Oxoesters. Eine anschließende Ester-Spaltung bietet die Möglichkeit, höhere ß-Oxoester zu erhalten: Aay~ierung

0~

mit

10

Benzoy~ah~orid

0~

c-c~-c + c-c&H5 ' / EtO ~ CH3 Cl~ /

Ester-Spa~tung

mit

Methy~at-Ionen

-

-HCI

+ C H -C-CH -COOEt 6

s II

2

0

2-Benzoyl-3-oxobutansäure-ethylester

Benzoylessigester

24.3.5 Mehrfunktionale Reaktionen 1,3-Dicarbonylverbindungen eignen sich auch ausgezeichnet für Domino-Reaktionen (Tandem-, Kaskaden-R). Hierunter versteht man zwei oder mehr nacheinander ablaufende Transformationen, bei denen unter Bindungsbildung oder -bruch die jeweils folgende Reaktion an den im vorhergehenden Schritt gebildeten Funktionalitäten erfolgt. Vorbild hierfür sind biochemische Reaktionen, bei denen in einer Folge von Reaktionsschritten ohne Ansammlung der Zwischenprodukte enzymatisch mehrere Bindungen gebildet oder gelöst werden. Beispiele:Tandem-Knoevenagel/Allylsilan-Cyclisierung für R Tandem Knoevenagel/En-Reaktion für R = H.

ZnBr-)20'C

·R

trans : cis >99 : 1

Knoevenagei-R Cyclisierung

Bei Naturstoffsynthesen beliebt sind Tandem-Knoevenagel/Diels-AlderReaktionen, die bei Hetero-Diels-Alder-Reaktionen zu substituierten Heterocyclen führen.

314

CI-C-OH

I 0

-

C0 1

+ HCI

H 2N - C- 0 H

-

I

C0 2 + N H 3

0

Carbamidsäure (Carbaminsäure)

Chlorameisensäure RO-C-OH

H 0

-

C02 + ROH

Kohlensäure-alkylester

25.1 Darstellung einiger Kohlensäure-Derivate Die meisten KohLensäure-Derivate Lassen sich direkt oder indirekt aus dem äußerst giftigen SäurechLorid Phosgen hersteLLen, das aus Kohlenmonoxid und Chlor leicht zugänglich ist: Aktivkohle CO

+

CL 2

2oooc

Cl-C-Cl

I

0 Phosgen

Phosgen reagiert als Säurechlorid mit Carbonsäuren, Wasser, Ammoniak und Alkoholen: RCOOH R - C -Cl + C02 + H Cl I 0

Cl- C-OH

I

---~ C0 2

+ H Cl

0

HN-C-NH 2 +

CI-C -Cl

I

2

I 0

2HCI

0

Harnstoff

Phosgen ROH

CI-C-OR

I

ROH - - - RO-C-OR

u

0

0

KohlensOured i a lkylester

ChlorkohlensOurealkylester

I.__N_H:..l..,..,~ H2N- c- OR I 0

Carbamid söure- alkylaster Urethan

25 Kohlensäure und ihre Derivate

Die Chemie der Kohlensäure und ihrer Derivate ist von großer Bedeutung. Viele Verbindungen lassen sich strukturell auf die Kohlensäure zurückführen. Die Kohlensäure kann sowohl als einfachste Hydroxysäure wie auch als Hydrat des Kohlendioxids aufgefaßt werden. Sie ist instabil und zer-

co 2 co 2 -Druck

fällt leicht in bei hohem

und H2 o. In wäßriger Lösung existiert sie auch nur in relativ geringer Konzentration im Gleich-

gewicht neben physikalisch gelöstem

co 2 :

HO-C- OH

II

0 Die Kohlensäure ist bifunktionell, deshalb beslt•en auch

l~re

Deri-

vate zwei funktionelle Gruppen, die gleich oder verschieden sein können. Beispiele:

Cl-C-Cl

0

HN-C-NH 2

II

2

C2 H5 0 - C- 0 C2 H5

II

0

0

Phosgen

Harnstoff

Carbonylchlorid

(Kohlensäurediamid)

(Kohlensäuredichlorid) H2 N-C-OC 2 H5

I

0

Urethan (Carbamidsäureethylester)

C2 H50 -G-Cl

II

0

H2 N-C-NH 2

0

NH

Guanidin

0

Kohlensäurediethylester

Chlorameisensäureethylester,

(Diethylcarbonat)

Chlorkohlensäureethylester

H N-C- NH 2

I

s

2

Thioharnstoff (Derivat der Thiokohlensäure)

C6H11 -N

= C= N -C 6 H11

Dicyclohexylcarbodiimid (DCC) (Derivat von Kohlendioxid)

Kohlensäure-Derivate, die eine OB-Gruppe enthalten, sind instabil und zersetzen sich:

315 Auf diese Weise können die präparativ wichtigen Kohlensäureester und Harnstoff leicht dargestellt werden. Für Peptid-Synthesen von besonderer Bedeutung ist z.B. Benzoyl-oxycarbonylchlorid (s. Kap. 35.2.2). Urethane werden u.a. durch Addition von Alkohol an Isocyanate erhalten. Sie entstehen auch, wenn man beim Hofmann-Abbau der Säureamide statt in wäßriger Lösung in alkoholischer Lösung arbeitet. Beispiel:

N-Methyl-carbamidsäure-ethylester

Methylisocyanat

Eine bekannte Gruppe von Insektiziden und Herbiziden sind Urethan Derivate, z.B. das Carbaryl (weitere Herstellungsmethoden s,Kap,43.3):

o6

OH

o6

0-COCI

0

a-Naphthol

H,C-NH,

Carbaryl

25.2 Harnstoff

25.2.1 Synthese von Harnstoff Eine preiswerte teahnisahe Synthesem6gZiahkeit für Harnstoff besteht in der thermischen Umwandlung von Ammoniumcarbamat, das aus NH 3 und co 2 erhältich ist. Dabei greift NH 3 nucleophil das co 2 an unter Bildung der instabilen Carbamidsäure:

O=C

_....NH 2

'oH Ammoniumcarbamat

Harnstoff

Verwendet man statt co 2 das CO, erhält man Formamid H2N-CHO. Von historischem Interesse ist die Synthese von Harnstoff aus Ammoniumcyanat durch F. Wöhler (18281.

316

Harnstoff kann auch durch Hydrolyse von Cyanamid, H2 N-c=N, hergestellt werden:

CaN-CaN

+ 2 H2 0 -Ca(0Hl 2

Calcium-

Cyanamid

Harnstoff

cyanamid

25.2.2 Eigenschaften und Nachweis Harnstoff ist das Endprodukt des Eiweißstoffwechsels und findet sich in den Ausscheidungsprodukten von Mensch und Säugetier. Als Amid reagiert Harnstoff in wäßriger Lösung neutral, mit starken Säuren entstehen jedoch beständige Salze. Die im Vergleich zu anderen Amiden höhere Basizität, die aber noch deutlich geringer ist als von Alkylaminen, beruht auf einer Mesomeriestabilisierung des Kations:

H2 N-C-NH 2

II 0

Beim Erwärmen mit Säuren oder Laugen oder in Gegenwart des in

e~n~gen

Leguminose-Arten enthaltenen Enzyms Urease hydrolysiert Harnstoff zu Ammoniak: 6,H®

H2N-C-NH 2

H20

t~,oH 9

I

NH ®

+ C0 2

NH 3

+ coze 3

NH 3

+ C0 2

'

0 Urease Harnstoff

Erhitzt man Harnstoff über den Schmelzpunkt hinaus, so wird NH 3 abgespalten, und die entstandene Isocyansäure reagiert mit einem weiteren MoZeküZ Harnstoff zu Biuret:

317

0= C=NH Isocyansäure

O==C-NH

+ HN-C-NH

I

2

H N-C-NH-C-NH

2

2

0

U

I

0

0

2

Biuret

In alkalischer Lösung gibt Biuret mit cu 2 •-ronen eine blauviolette Färbung (Biuret-Reaktion) • Es entsteht ein Kupferkomplexsalz: 0

I \

I

H

H

0

I Ie n N-C -\u:/\

C-N

H-N

Cu

~/

C-N

I

0

I

H

\_

N-C

I

H

I

N-H

2K..

N

NHz

N

~

e'~

~

N

:-. .

N

~a

:~g~i~f2 an C-4)

:j:

Angriff an C-3

Im allgemeinen ist die 2-Position bevorzugt wegen der Nähe zum elektronenziehenden N-Atom.

Beispiele für Heteroaromaten s. Tabelle 25.

27.3.3 Tautomerie der Heteroaromaten Mittels spektroskopischer Methoden sind bei Heteroaromaten häufig Tautomerie-Gleichgewichte nachweisbar. Beispiel:

In 2-0xo-4,5-dihydropyrazolen (5-Pyrazolonen) sind folgende Gleichgewichte möglich. Oft hängt vom Lösemittel ab, welche Form überwiegt.

345

o:u H

R2

N

I,

-

R

CH-Form Oxo-

J[jR2 HO

N

N

A,

Rz

- 0~H N

I, R

OH-Form Enol-

NH-Form Enon-Form

Entsprechend den Tautomerie-Gleichgewichten läßt sich ableiten, welche Derivate möglich sind.

nucleophile Substitution (N-Methylierung mi~ Methyliodid) Phenazon

elektrophile Substitution an der besonders aktivierten C-4-Stellung

4-Nitroso-phenazon

0-Methylierung mit Diazornethan

346

27.4 Darstellung von Heterocyclen als Beispiel füreine chemische Syntheseplanung Bei der PLanung einer Synthese geht man häufig zunächst von der Formel des gewünschten Produktes aus und zerlegt sie unter Zuhilfenahme bekannter Reaktionen rückschreitend in kleinere Einheiten. Erster Schritt ist dabei das Erkennen charakteristischer Strukturmerkmale im Produkt.

Betrachtet man z.B. die Kekule-Formeln von Stickstoff-Heterocyclen, so findet man, daß sie die Strukturelemente von Iminen bzw. Enaminen enthalten. Für die Synthese bedeutet das: Einfache N-Heterocyclen können oft dadurch dargestellt werden, daß man eine Carbonyl-Verbindung mit einem Amin unter Wasserabspaltung reagieren läßt. BeispieL: Pyrimidin

L?JJ ___ fo "Enamin"

~N

---- A ) H

0 NHz

H

ON I

H

H

0

NHz

A

N I

H

H

H

"Imin" Pyrimidin

Eine allgemeine Synthese für Pyrimidine ist demnach die Kombination eines Amidins mit einer 1,3-Dicarbonyl-Verbindung. Amidine erhält man durch eine Substitutionsreaktion von Aminen mit Imideestern und diese aus Nitrilen und Alkoholen: R-C•N + R'OH -+ HCI

[

R-C /OR'] Cle

~·NHz

~R-C/ - HCI

OR'

~NH

Imidoester

Amid in

Aus diesen Betrachtungen lassen sich zwei Regeln ableiten:

Q)

0

Die Struktureinheit .)c=N- im Produkt wird ersetzt durch :::c=O + H2N-, wird ersetzt durch:

Die Struktureinheit im Produkt:

-

H-N::::::::

347

Es werden also, ohne Rücksicht auf die praktische Durchführbarkeit, die Bildungsreaktionen von Iminen und Enaminen umgekehrt. Bei der Anwendung dieses Prinzips ist es manchmal erforderlich, die so erhaltenen Edukte auf ihre Brauchbar~eit für die angestrebte Synthese zu prüfen. BeispieZ: Imidazol

,, -

->

Arzneimittel

H

Oxolan

Tetrahydrofuran

Thiolan

Tetrahydrothiophen

Azolidin

Pyrrolidin

Thiazolidin

0

2

Lösungsmittel

0

0 0

im Biotin; Odorierungsmittel für Erdgas

starke Base,

H

pKb "' 3

s~

in Penicillinen

f;NH

354

Tabelle 25 a (Fortsetzung) Formel

andere Bezeichnung 1,3-Diazolidin

Imidazolidin

f[;NH N H

Hexahydropyridin

Piperidin

9

0

1

N

Vorkommen, Verwendung im Biotin

in Alkaloiden -3

Kb = 2 • 10

H

(0) 0

1,4-Dioxan

Lösungsmittel

H

Hexahydropyrazin

Piperazin

~~~ 1 1

-+

Arzneimittel

N H

Tetrahydro1,4-oxazin

Morpholin

H

~~] 1 1

0

Lösungsmittel; N-Forrnyl-morpholin als Extraktionsmittel

Tabelle 25 b. Beispiele für Heteroaromaten Die Heterocyclen in Tabelle 25 werden aus didaktischen Gründen mit Valenzstrichformeln geschrieben •. Tautomere Formen werden nicht berücksichtigt. Angegeben ist meist der Trivialnarne. Name Furfural

Formel

~CHO

Vorkommen, Derivate, Verwendung Lösungsmittel, Polymere

-+

Farbstoffe,

-+

Pyrrol

Porphin-Gerüst (Hämoglobin, Chlorophyll) , Cytochrome, Bilirubinaide

Indol

Indoxyl (3-Hydroxyindol) -+ Indigo, Tryptophan (IndolylAlanin) , Serotohin, Skatol (3-Methylindol), in Alkaloiden

Pyrazol

Arzneimittel

355

Tabelle 25 b (Fortsetzung) Vorkommen, Derivate, Verwendung

Formel

Name Imidazol

im Histidin (Imidazol-4-ylalanin) , als Dimethyl-benzimidazol im Vit. B12 , im Histamin

Thiazol

in Aneurin (Vit. B1 ), eine Cocarboxylase

Nicotinsäure

sa3 4

I

IN

.&

COOH

z

Vitamin-B-Gruppe, NAD, NADP, Pyridoxin (Vit. B6 ), Nicotin

;-

Chinolin

5

.

4

&~3 '~N:;Jz ,..

Opium-Alkaloide wie Morphin, Codein

Isochinolin 5

4H-Chromen

4

·r?'('r '~o)Jz 4

Pyrimidin

Alkaloide wie Chinin aus dem Chinabaum

5c"=:NI3 &

N~z

T

Stammverbindung der Anthocyane (4H bedeutet: C-4-Atom ist gesättigt) Aneurin (Vit. B1l, Barbitursäure, Uracil, Thymin, Cytosin (RNA bzw. DNA)

Purin

Harnsäure, Adenin, Guanin, Xanthin (2,6-Dihydroxy-purinl, Coffein (1,3,7-Trimethyl-xanthin), Theobromin (3,7-Dimethyl-xanthin) , Theophyllin (1,3-Dimethyl-xanthin)

Pteridin

Flügelpigmente von Schmetterlingen, Folsäure (Vit.-BGruppe) , Lactoflavin (Riboflavin, Vit. B2l

1,3,5-Triazin

Cyanurchlorid, Cyanursäure, Melamin

28 Wichtige organisch-chemische Reaktionsmechanismen. Ein Überblick

Die beiden folgenden Kapitel 28 und 29 enthalten eine zusammenfassende Darstellung aller bisher erwähnten Reaktionsmechanismen. Begonnen wird mit einer Beschreibung der wichtigsten Zwischenstufen, es folgen Einzeldarstellungen von Reaktionsmechanismen; zum Schluß wird auf die Woodward-Hoffmann-Regeln eingegangen, die eine einfache Interpretation elektrocyclischer Reaktionen erlauben.

28.1 Reaktive Zwischenstufen Zwischenstufen wie Carbo-Kation~n, Carbanionen, Radikale und Carbene sind bei vielen Reaktionen von großer Bedeutung.

28.1.1 Carbenium-Ionen Carbenium-Ionen haben an

einem Kohlenstoff-Atom eine positive Ladung.

Dieses C-Atom besitzt nur sechs anstatt acht Valenzelektronen. Abb. 55 zeigt, daß die drei cr-Bindungen im R3 ce tr{gonal angeordnet sind. Die Struktur des sp 2 -hybridisierten Kations entspricht der von Bortrifluorid.

Abb. 55. Carbenium-Ion-Struktur Eine Stabilisierung von Carbenium-Ionen wird durch Elektronen-Donaren als Substituenten erreicht, wobei die planare sp 2 -Anordnung der Liganden am zentralen Ce-Atom die Ladungsverteilung erleichtert. Die Stabilität von Carbenium-Ionen wird also in folgender Reihe zunehmen: CH 3 e < Alk--cH 2e

(primär) < (Alk) 2 cHe (sekundär) < (Alk) 3 ce (tertiär)

357

Beispiele für mesomeriestabilisierte Carbenium-Ionen:

®

®

CH 2 =CH -CH 2 -CH 2 -CH =CH 2

Allyl-Kation

Q -~-CJ-0 II II y Benzyl-Kation

Die Stabilisierung der Carbenium-Ionen in der angegebenen Reihenfolge kann mit dem +I-Effekt der Alkyl-Gruppen oder auch durch eine Delokalisierung von Bindungselektronen, die sog. Hyperkonjugation ("no-bond-Resonanz"), erklärt werden. Beispiel: sog. no-bond-Strukturen des Ethyl-Kations

H I

®

H-C-CH -

I

2

H

'-'e.H H~l?J'-H MO-Modell

Zur Erklarung der Hyperkonjugation nimmt man an, daß zwischen dem

leeren p-Orbital des zentralen C$-Atoms und den cr-Orbitalen der C-HBindungen eine gewisse Uberlappung stattfindet. wodurch die positive Ladung über diese Bindungen delokalisiert wird. Eine weitere Stabilisierung von Carbenium-Ionen kann durch das Lösungsmittel erfolgen: Ausbildung einer Solvathülle mit Wasser, Alkoholen, Essigsäure etc. In stark elektrophilen Lösungsmitteln wie H2 so 4 und den Supersäuren HF/SbF 5 und FS0 3 H/SbF 5 sind viele Carbenium-Ionen so beständig, daß sie spektroskopisch untersucht werden können. Erzeugung von Ca rbenium-Ionen

Carbenium-Ionen können auf verschiedene Weise gebildet werden: bei der SN1-Reaktion, beim Zerfall von Diazonium-Kationen, durch Addition eines Protons an ungesättigte Verbindungen wie Alkene, bei der Elek$ - ee trolyse von sek. und tert. Alkyl-Radikalen (R· ----+ R ) u.a. Carbenium-Ionen unterliegen dann Folgereaktionen wie Reaktionen mit einem Nucleophil (SN1), Abspaltung eines Protons (E1), Anlagerung an eine Mehrfachbindung (Addition), Umlagerungen u.a.

358

28.1.2 Carbanionen Carbanionen sind Verbindungen mit einem negativ geladenen Kohlenstoff-

Atom, an das drei Liganden gebunden sind. DiesesC-Atom in R3Ci 9

besitzt ein Elektronen-Oktett und hat in nicht-konjugierten Carbanionen eine tetraedrische Umgebung, da das freie Elektronenpaar ein sp 3 -orbital besetzt. Es invertiert rasch (10 8 - 10 4 s- 11, wobei ein sp 2 -zustand durchlaufen wird:

----Carbanionen werden von -I-Substituenten stabilisiert und durch +ISubstituenten destabilisiert. Im Gegensatz zu den tertiären AlkylKationen sind tertiäre Alkyl-Carbanionen daher weniger stabil als primäre. Einfache primäre, sekundäre oder tertiäre Alkyl-Anionen sind als freie Spezies bislang noch unbekannt. Es ist möglich, daß sie nur als Ionenpaare R9 M• oder sogar nur als polare organametallische Verbindung Bedeutung haben, wobei dem Metall-Kation durchaus eine sehr wichtige mechanistische Rolle zukommt.

Beispiele:

mesomeriestabilisierte Carbanionen

0

e

IC (CNI 3

e

(611-Elektronen)

Allyl- Anion

Benzyl- Anion

nicht mesomeriestabilisiert

359

EPzeugung von CaPbanionen Carbanionen werden meist durch Entfernung eines Atoms oder einer anderen Abgangsgruppe gebildet. Besonders beliebt ist die Abspaltung eines Protons mit starken Basen wie NaNH 2 oder c 4 H9 Li. Carbanionen sind an vielen Reaktionen beteiligt, da sie zur Knüpfung von C-e-Bindungen dienen können.

28.1 .3 Carbene Carbene enthalten ein neutrales,

tronen-Sextett.

zweibindiges C-Atom mit einem Elek-

Sie sind stark elektrophile Reagenzien, deren zentra-

les C-Atom zwei nichtbindende Elektronen besitzt: R2CI. Im sog. Sinqulett-Carben sind beide Elektronen gepaart, und das C-Atom hat sp 2 -Geometrie. Das pz-Orbital bleibt unbesetzt. Im Triplett-earben befinden sich beide Elektronen in zwei verschiedenen p-Orbitalen (-. sp Geometrie). Sie sind ungepaart, d.h.

das Triplett-

earben verhält sich wie ein Diradikal. Das energiereichere SingulettMethylen ist weniger stabil: es wird bei den meisten Darstellungsweisen zuerst gebildet (vgl. Kap. 31). CH 2 =C=O ~

Beispiele: Diazornethan CHC1 3

H0 9

ICH 2 + CO

Keten ICC1 2

(Dichlorcarben)

Die bekannteste Reaktion der Carbene, die Addition an eine C=C-Bindung, läßt sich zur Unterscheidung beider Spinzustände verwenden. Solche "Abfangreaktionen" sind typische Nachweismethoden f(ir reaktive Zwischenstufen. Die Bildung von Cyclopropanen durch Addition von Singulett-Carben verläuft stereospezifisch: cis-Alken ---+ cis-disubstituiertes, transAlken ---+ trans-disubstituiertes Cyclopropan.

P·o

H..

H

.

dc@

H~o

.I t}f .

sp2

E

H--e.

CH 2 -Singulett Abb. 56. Singulett- und Triplettearben- Struktur

180°

{;\

H--C--H 0,10nm •

360

Bei der Addition eines Triplett-Carbens entstehen dagegen aus sterisch einheitlichen Alkenen Gernische stereoisomerer Cyclopropane (nichtstereospezifische Addition). Beispiel: Addition an 2-Buten R'e: R/

H,

+

e=e

H3 e /

/H

'

eH 3

--

R nur

A·R HP

'"•

Singulettearben R, R/

e:

+

H3 e,

H/

28. 1. 3. 1

e=e

/H 'eH

3

-

)

H

'e•e

beide

H3e /

R

' eH 3

R-e- R Triplettearben

11~

nur

/H

H3e

Singulett-Sauerstoff

Ähnlich wie bei den Carbenen unterscheidet man auch bei molekularen Sauerstoff den gewöhnlichen Sauerstoff, ein Diradikal mit zwei unge_ paarten Elektronen (Gesarntspin S = 1/2 + 1/2 = 1, Spinrnultiplizität 2 S + 1 = 3) als Triplett-Sauerstoff 3o 2 von dem Singulett-Sauerstoff 1o 2 • Der energiereichere Singulett-Sauerstoff hat eine Lebensdauer von ca. 10- 4 s, und seine Elektronen sind gepaart, d.h. er ist diarnagnetisch. Meist wird er in präparativern Maßstab durch indirekte Aktivierung von 3o 2 mittels Sensibilisatoren (z.B. Farbstoffe wie Methylenblau, Eosin u.a.) hergestellt und kann dann zur selektiven Photooxidation verwendet werden. Beispiele:

(2+2)-Cycloaddition mit elektronenreichen Olefinen:

RO

'

RO /

H

H

I

c/

RO- C- 0

e

RO-

II

'

H

I I e- 0 I H

361

"En-Reaktion" mit 1o 2 , bei der im Obergangszustand das Olefin wie ein Dien angeordnet ist:

+

10

2

Bei einer En-Reaktion reagiert ein Alken mit einem H-Atom in Allylstellung ("en") mit einem Enophil. Der Ablauf ist vergleichbar einer Diels-Alder-Reaktion (Enophil entspricht dort dem Dienophil) • 28.1.4 Radikale Radikale sind Teilchen mit einem oder mehreren ungepaarten Elektronen,

die sich z.B. auch an einem Kohlenstoff-Atom befinden können: R3 C•. Radikale können auf verschiedene Weise gebildet werden, z.B. durch thermische Spaltung von Atombindungen, Photolyse und Redoxprozesse.

.

BeispieLe:

.

CH 2 =CH-CH 2 - C H 2 - CH-CH 2 Allyl-Radikal

.

Q-.0-0 o. ~H 2

II CH 2

II

II CH 2

CH 2

Benzyl-Radikal

Q [ VD c·

-

usw.

Triphenylmethyl-Radikal (10 mögliche Resonanzstrukturen)

l

Elektrisch neutrale Radikale werden durch Mesomerie-Effekte sehr stark stabilisiert, jedoch weniger durch induktive Effekte. Das Triphenylmethyl-Radikal z.B. ist in Lösung einige Zeit beständig. Die Stabilität der Alkyl-Radikale nimmt in der Reihe primär < sekundär

n

C-COOH

I

CH 2 I COOH

I

____""

..,...--

--

____""

cx-Ketoglutarsöure @)OOH

I

I I

CH 2 I

COOH

I

I COOH

I

HO-CH HC-COOH

CH 2

c.. o

@) OOH

I

HC

I

I socitronensöure

@]OOH

6ooH

HC- COOH

HO-CH I COOH

COOH

I

CH 2

I

~

-.:---

HC @]OOH

I

CH 2

I

C-COOH

@]OOH

I

----=::..

....,.-

C=O I CH 2 I CH I 2 COOH

31

Photochemie

Photochemische Reaktionen gewinnen immer mehr an Bedeutung, da sie häufig zu Produkten führen, die durch thermische Aktivierung nur schwer zugänglich sind. Durch Einstrahlung von Licht bestimmter Wellenlänge (meist durch Hg-Lampen erzeugt) können geeignete Moleküle angeregt werden. Dabei gehen Elektronen aus dem elektronischen Grundzustand durch Absorption eines Photons in einen angeregten Zustand über. Hierdurch wird die Reaktivität der Moleküle oft stark erhöht. Das eingestrahlte Licht muß eine ausreichende Energie (Wellenlänge) besitzen, um in dem Substrat Elektronen so anzuregen, daß sie von bindenden und/oder nichtbindenden Energieniveaus in anti-bindende angehoben werden. Die bei der Anregung aufgenommene Energie.läßt sich berechnen nach E = h •. V = h • c/A. Für 1 mal Quanten gilt E = NA • h • v = NA· h • c/A. Für jede Wellenlänge A hat E einen bestimmten Wert, für A = 1 m zum Beispiel E = 0,11963 J•mol- 1 • Da die Energiedifferenz für den a ... a*-Ubergang sehr groß ist, findet dieser La. nicht statt. Für den 1T ... 1r*-Ubergang benötigt man UV-Licht mit A ,.. 160 nm und für den n-> 1T*-Ubergang UV-Licht mit A ,.. 280 nm . (s. Kap. 43.1). Wichtig für die Diskussion photochemischer Reaktionen ist die sog. Multiplizität M der Elektronenzustände.

Multiplisit~t

M von eZektPonischen

Zust~nden

Mist definiert durch die Gleichung M = 2 S + 1, wobeiSdie Summe der Elektronenspins in dem betrachteten Zustand ist. Die meisten organischen Molekille liegen bei 298 K im elektronischen

Singulett-Grundzustand 5 0 vor, in dem alle Elektronen gepaart sind

(Abb. 78).

419

+ +

t

.!

.."'...c:

+

*

LLJ

Singulett Grundzustand

Singulett angeregte Zustände

angeregte Zustände

So

Sn

Tn

LUMO

HOMO

Triplett

Abb. 78. Elektronenzustände (Schema)

Im Grundzustand

s0

beträgt der Gesamtspin S

0, somit ist

M=2·0+1=1. Durch Anregung wird ein Elektron aus einem HOMO in ein höheres unbesetztes LUMO gehoben und wir erhalten einen angeregten SinguZett-

-z_u~s_t_a_n_d___sn- (n =1 1,1 2, 3 ... ) . Der niedrigste angeregte Singulettzustand ist

s 1: s

= -

2+2

= 0; M = 2 · O+ 1 = 1.

Kehrt das Elektron im LUMO sein Spinmoment um, so erhalten wir den

angeregten ersten TripZett-Zustand

S =

1

1

2 +2

= 1; M = 2 · 1 + 1 = 3. Der Triplettzustand T 1 ist energetisch günstiger als der Singulettzustand s 1 . T1 ~

Beachte: Der direkte Ubergang S 0 ---+ T 1 ist verboten. Bei vielen Molekülen findet der Ubergang s 1 ---+ T 1 , d.h. die Erzeugung von Triplett-Zuständen, nur in untergeordnetem Maße statt. In diesem Fall verwendet man zur Erhöhung der Ausbeute Photosensibili-

satoren, wie sie auch in der Photographie eingesetzt werden. Das sind Substanzen, die durch Lichtabsorption in einen angeregten Zustand übergehen. Durch Kollision mit dem Substratmolekül können sie u.U. Energie übertragen und so das Molekül in einen angeregten Zustand bringen.

Das JabZonski-Diagramm Ein Molekül kann auf verschiedene Weise aus einem angeregten elektronischen Zustand, z.B. s 2 , wieder in den Grundzustand s 0 zurückkehren.

420

Diese Möglichkeiten werden i.a. anhand eines Jablonski-Diagramms diskutiert (Abb. 79).

conversion ( 10- 1 ~ 10-10 s)

intersystem crossing ( 10_,,_ 10- 7 s)

I

Reaktion

~Produkt(e)

eines Isoi'CH!ren

Abb. 79. Jablonski-Diagramm. Strahlungslose Ubergänge: ~. Strahlungsübergänge: ---+. (Die einzelnen Energieniveaus der Elektronenzustände sind durch waagerechte Striche angedeutet)

s 2 -zustand geht zunächst durch strahlungslose Desaktivierung (internal conversion) in das niedrigste Schwingungsniveau

Das Molekül im

s 1 -zustandes über. Die Energie wird z.B. als Wärme bei der Kollision mit anderen Molekülen abgegeben.

des

~

a)

s1

1

-zustand

---+ S 0

:

aus gibt es mehrere Möglichkeiten: Dabei wird ein Photon emittiert, der Elektronenspin

bleibt erhalten. Der Vorgang heißt Fluoreszenz. b) s 1 ---+ S 0

:

Strahlungsloser Ubergang durch Abgabe von Wärme an

die Umgebung (internal oonversion). c) s 1 ---+ T 1 :

Strahlungsloser Ubergang zu einem angeregten Zustand

T 1 anderer Multiplizität unter Umkehr des Elektronenspins. Der Vorgang heißt strahlungslose Interkombination (intersystem orossing). d) Photochemie: Das Molekül im s 1 -zustand reagiert mit einem anderen Molekül oder es erfolgt strahlungslose Umwandlung in eine isomere Verbindung. Wegen der kurzen Lebensdauer des s 1 -zustandes kommen nur sehr schnelle Reaktionen in Frage. Die Ubergänge a) und b) überwiegen.

421

_; 1 -zustände haben Radikal-Charakter; ihre Energie ist niedriger als

s 1 -zustände. Sie sind Ausgangspunkt für die meisten photochemischen Reaktionen und haben eine größere Lebensdauer (10-S s) als Singulett-Zustände (lo- 7 - 10-S s). Sie können ihre Energie

die der

auf vier Wegen abgeben: a) T 1 ---+ S 0

:

Es wird ein Photon emittiert, der Elektronenspin wird Der Vorgang heißt Phosphoreszenz.

umgekehrt b) T 1 ---+ S 0

:

Strahlungsloser Ubergang durch Abgabe von Wärme an die Umgebung (intersystem crossing).

c) TriplettEnergieTransfer:

Das Molekül im T 1 -zustand überträgt seinen Elektronenspin auf ein anderes Molekül und geht selbst in einen

s 0 -zustand

über: Tl+

S~---.

S 0 + T;.

d) Photochemie: Das Molekül im T 1 -zustand reagiert durch Kollision mit einem anderen oder es wandelt sich in den T 1 -zustand bzw. S 0 -Zustand eines isomeren Moleküls um.

Energiebilanz Photochemische Reaktionen werden durch die Quantenausbeute ~ charakterisiert: Anzahl der umgewandelten Moleküle Anzahl der absorbierten Quanten Bei ~ < 1 gehen die meisten angeregten Moleküle durch interne Konversion oder Fluoreszenz in den Grundzustand über. Bei ~

geht jedes angeregte Molekül eine Folgereaktion ein.

Bei ~ >

werden durch photochemisch erzeugte Radikale Kettenreaktio-

nen ausgelöst. Beispiele:

Q) Eine photochemische Z-E-Isomerisierung ist von Bedeutung für den Sehvorgang. 11-Z-Retinal, gebunden an das Protein Opsin, ist in den Stäbchen der Retina enthalten. Durch Licht wird es zum E-isomeren Retina! isomerisiert, wodurch die Bindung an das Protein gelockert und ein Nervenimpuls ausgelöst wird:

11-Z- Retinal

11-E-Retinal

422

(D

Cyclopentadien dimerisiert thermisch quantitativ zum endo-isomeren Produkt(!) (Kap. 6.1). Photochemische Anregung unter Zusatz von Benzophenon als Sensibilisator liefert zwei weitere Produkte, darunter das exo-Isomere (II): Ph -C-Ph

u

SpinInversion

0

0

EnergieTransfer

[

[

Ph-i -Ph] 0

Ph-C- Ph]

II

0

0 -

Tr

+ So

+01) 1 (33%)

II !33%1

endo

exo

lii (33%1

Diels -Aider-Addukte

(D

BioZumineszenz. Leuchtkäfer benutzen die in enzymatischen Redoxreaktionen freigesetzte Energie zur Anregung eines Moleküls Oxyluciferin. Danach kehrt das Molekül in seinen Grundzustand zurück, wobei die Anregungsenergie als sichtbares Licht emittiert wird. Ähnlich verläuft die Oxidation von Luminol, bei der blaugrüne Chemolumineszenz auftritt. Dabei liegt das Dianion der 3-Amino-phthalsäure im elektronisch angeregten Zustand vor. Anwendung: Kaltlicht-Leuchtstäbe.

NaOH HzOz

3- Aminophthalsäurehydrazid, Luminol

Na-Salz der 3- Aminophthalsäure

Teil II

Chemie von Naturstoffen und Biochemie

Naturstoffe können sowohl aus der Sicht der Stoffchemie, d.h. als isolierte chemische Substanzen, als auch als Stoffwechselprodukte im Rahmen von Stoffwechselkreisläufen betrachtet werden. So wird z.B. Brenztraubensäure, eine Ketocarbonsäure, im Hinblick auf ihre chemischen Eigenschaften im Kap. Hydroxy- und Ketocarbonsäuren als Sonderfall einer Carbonsäure abgehandelt, ohne daß dort besonders auf ihre herausragende Bedeutung als biochemisches Zwischenprodukt in der lebenden Zelle eingegangen wird. In den nachfolgenden Kapiteln wird versucht, beiden genannten Gesichtspunkten gerecht zu werden unter besonderer Berücksichtigung biochemischer Gegebenheiten.

32 Chemie und Biochemie

32.1 Einführung und Überblick

Hauptbestandteil aller Lebewesen ist Wasser, H2o, das etwa 60 - 90 % der Masse von Pflanzen und T~eren ausmacht. Andere anorganische Substanzen sind hauptsächlich in den Knochen enthalten (z.B. Hydroxylapatit) und haben einen Massenanteil von etwa 4 %. Der Rest besteht aus einer großen Zahl organischer Substanzen mit z.T. sehr kompliziertem chemischen Aufbau, von denen viele nur in geringen Mengen im Organismus vorkommen. Von den Elementen her gesehen besteht lebende Materie zu ca. 90 % aus C, 0, Hund N. Weitere Elemente, die z.T. nur als Spurenelemente vorhanden sind, sind jedoch für den Ablauf der lebensnotwendigen biochemischen Reaktionen im Organismus unerläßlich. Dazu gehören z.B. in größeren Mengen Na, K, Mg, Ca, P, S und in kleineren Mengen Se, I, er, Mo, Mn, Fe, Co, Ni, Cu und Zn. Während im Organismus die meisten Reaktionen auf biochemischer Basis ablaufen, sind unter den 100 wichtigsten chemi.sch-synthetischen Verfahren der organischen Chemie nur 6 mikrobielle Produktionsverfahren zu finden. Sie dienen zur Herstellung von Ethanol, Essigsäure, Isopropanol, Aceton, Butanol und Glycerin. Bei Berücksichtigung der Produktionszahlen für andere biotechnische Erzeugnisse wie Brot, Bier, Wein, Käse, Hefe, Antibiotica etc. findet man, daß diese Verfahren 20 - 30 % der Produktion in der BRD ausmachen. Als Mikroorganismen dienen u.a. Bakterien, Pilze und Mikroalgen. Die Verfahren sind umweltfreundlich und werden z.T. sogar zum Umweltschutz (z.B. bei der Abwasserreinigung) benutzt. von besonderem Interesse sind 1abei zunehmend Verfahren der Biotechnologie. unter Biotechnologie versteht man die integrierte Anwendung von Biochemie, Mikrobiologie und Verfahrenstechnik mit dem Ziel, die technische Anwendung des Potentials der Mikroorganismen von Zellund Gewebekulturen sowie Teilen aavon zu erreichen.

426

Für die Zukunft von Bedeutung ist, daß mittels der Enzymtechnologie nachwachsende Rohstoffe (z.B. Zucker, Stärke, pflanzliche öle und Fette, Lignocellulose) technisch genutzt werden können. Tabelle 31 gibt als Beispiel einen Oberblick über die voraussichtliche EntwicklungfÜr industriell wichtige Kohlenhydrate.

Tabelle 31. Gegenwärtige technische Verfahren und für die Zukunft absehbare enzymtechnologische Verfahren zur Gewinnung und Transformation von Kohlenhydraten und ihren Derivaten (aus Nachr.Chem.Tech. Lab. 36 ( 1988), s. 617) Zucker(derivat) Gegenwärtiges (technisches) Verfahren

Enzymtechnologie

Saccharose

Extraktion von Zuckerrüben, Zuckerrohr

unwahrscheinlich

Glucose

Hydrolyse von Saccharose, Stärke (Cellulose); Chromatographie

Stärkeverflüssigung, Stärkeverzuckerung

Fructose

Säurehydrolyse Jon Saccharose, Chromatographie

Isomerisierung von Glucose, Chromatographie

Glucansäure

Fermentation von Glucose

(Glucose-Oxidase; H:z02)

Glucose-Dehydrogenase/ NAD+

Mannitol} Sorbitol

Chem. Reduktion von Invertzucker an Nickelkatalysatoren

Chem. Reduktion von Lactose } Lactitol l bzw. Maltose an Katalysatoren MaltitolJ Dihydroxyaceton Fermentation von Glycerin L-Sorbose

Fermentation von D-Sorbitol

L-Ascorbinsäure Chem. Synthese einschl. Fermentation aus Glucose

NADH-abhängige Reduktion von Fructose aussichtsreich als NAD(P)-abhängige konjugierte Redoxprozesse intrasequentieller Redoxprozeß (NAD/H) aus Glucose intrasequentieller Redoxprozeß (NADP/H) aus D-Uronsäuren

Glucose-1phosphat

ATP-abhängige Phosphorylierung von Glucose zu G-6-P; Umlagerung in G-1-P

Phosphorylase-Spaltung von Stärke, Saccharose, Lactose

Trehalose

Extraktion von Pilzen

Synthese aus G-1-P und Glucose durc.h spezifische Phosphorylase

TrehaloseFettsäureester

nicht vorhanden

Lipasen in organischer Phase

427

Die nachfolgende Ubersicht bringt Beispiele für wichtige biochemische Reaktionstypen, schematisch dargestellt als klassische Reaktionen. Man beachte dabei, daß biochemische Reaktionen meist selektiv unter milden Reaktionsbedingungen ablaufen.

G)

Hydrierungs- und Dehydrierungsreaktionen, Oxidationen

~

Hydroxyl-Derivat Hydroxysäure Hydrochinon

~

Carbonsäure

ungesättigte

~

gesättigte Verbindung

Imin Iminesäure

~

CarbonylKetosäure Chinon auch: Aldehyd

-c-cooH n NH

@

~

~Amin

Aminosäure

Kondensations- und Hydrolysereaktionen

H3Po 4 + R-QH

H20 3P-o-R

+ H20

~

-c-oR I OR

+ H2o

~-c=o

I

+ 2 ROH

lf-cOOH NH

(V

~

Glycosid (Acetal)

~

Carbonsäureester-Hydrolyse Carbonyl-

Iminesäure

~

Ketosäure

Phosphorsäure-,

Addition und ß-EZiminierung von Wasser und Ammoniak

-cH=CH-cOOH + H-R

~

-)H-cH 2-cOOH; R

R = -QH, -NH 2

428

{-CH symboLisiert das ben~QD L~sen und KnUp[en von C-e-Bindungen I 2 tigte aktivierte C-Atom) Carboxylierung (z.B. Acetyl-CoA ---+ Malonyl-CoA) Decarboxylierung (Ketosäuren) Aldol-Reaktion, Retro-Aldol-Reaktion, Acyloin-Additi.on Ester-Kondensation (---+ ß-Ketoester) und Umkehrung Von besonderem Interesse sind Polymerisationsreaktionen, die zu Biopolymeren führen. Biopolymere sind natürliche Makromoleküle, die ebenso wie syntheti~ sehe Makromoleküle (Kunststoffe, s. Kap 411 aus kleineren Bausteinen (Monomeren) aufgebaut sind. Die Polymere unterscheiden sich u.a. in der Art des Monomeren bzw. der Monomeren, aus denen sie aufgebaut sind, der Art der Bindung zwischen den Bausteinen und der Möglichkeit verschiedener Verzweigungsarten bei mehreren funktionellen Gruppen.

Eine Ubersicht über hier besprochene Verbindungen gibt Tabelle 32.

Tabelle 32. Kunststoffe und Biopolymere Beispiele für natürliche synthetische Polymere Polymere

Art der Bindungen zwischen den Monomeren

Kohlenstoff-Bindung

-t-tI I

Ester-Bindung

--w-r-

Polyethylen

Kautschuk

Polyester (Diolen)

Nucleinsäuren (DNA, RNA)

I I

Polyamid (Nylon, Perlon)

Polypeptide (Eiweiß, Wolle, Seide)

I I

Polyformaldehyd (Delrin)

Polysaccharide (Cellulose, Stärke, Glykogen)

I

0

0

Amid-Bindung

I -

--c~--cI

H

Ether-Bindung bzw. Acetal-Bindung

I I

--c-o-c-

429

32.2 Biokatalysatoren Der Grund für den spezifischen Ablauf biochemischer Reaktionen trotz vorgegebener Bedingungen (Lösungsmittel: Wasser,

pH~7,

enger Tempe-

raturbereich) ist der Einsatz wirksamer Biokatalysatoren, der Enzyme. Enzyme sind meist Proteine,

die neben dem Protein-Teil noch nicht-

proteinartige Bestandteile,

die Coenzyme enthalten.

Proteingebundene

Coenzyme werden auch als prosthetische Gruppen bezeichnet, wenn sie relativ

fest

vor allem,

gebunden sind.

Coenzyme werden häufig aus Vitaminen gebildet. Ihre Funktion besteht vor allem in der Unterstützung des Enzyms bei der Substratbindung, der Vorbereitung des Substrats auf die Umsetzung sowie in der Bindung der Intermediärprodukte. Oft sind Coenzyme auch Gruppendonatoren (z.B. für Phosphat, Zucker, Amino-Gruppe) oder Gruppenakzeptoren oder wirken als Redoxsystem (z.B. wasserstoff-übertragende Coenzyme). Einen Uberblick über wichtige Coenzyme gibt Tabelle 33,

Tabelle 33. Coenzyme und prosthetische Gruppen Coenzym bzw. prosthetische Gruppe I. Wasserstoffüberträger Nicotinamid-adenin-dinucleotid Nicotinamid-adenin-dinucleotid-phosphat Aavinmononucleotid Flavin-adenin-dinucleotid

Abkürzung

Übertragene Gruppe/Funktion

Zugehöriges Vitamin (Kennbuchstabe)

Wasserstoff

NAD+ NADP+ FMN FAD

Wasserstoff Wasserstoff Wasserstoff

Nicotinsäureamid (B) Nicotinsäureamid (B) Riboflavin (B,) Riboflavin (B2)

Adenosintriphosphat Phosphoadenylsäure-sulfat Pyridoxalphosphat

ATP PAPS PLP

PhosphorsäuretAMP-Rest Schwefelsäure-Rest Amino-Gruppe

Pyridoxin (B 6)

Cr Transfer- Coenzyme Tetrahydrofolsäure Biotin

rn.

Fonnyl-Gruppe Carboxy-Gruppen (CO,)

Folsäure (B) Biotin(H)

Il. Gruppenüberträger

Cr Transfer- Coenzyme

Thiamindiphosphat

CoA ThPP

Acetyl (Acyl) C2-Aldehyd-Gruppen

Pantothensäure (B) Thiamin (B 1)

/11. Wirkgruppen der Isomerasen und Lyasen: Pyridoxalphosphat Thiamindiphosphat B 12-Coenzym

PLP ThPP B12

Decarboxylierung Decarboxylierung Umlagerung

Pyridoxin (B6) Thiamin (B 1) Cobalamin (B12)

CoenzymA

430 Beispiele:

(D Das gruppen-übe rtragende Coenzym A ist ein Mercaptan, dessen SRGruppe mit Essigsäure einen Thioester, das Acetyl-Coenz ym A, bildet. Dies erleichtert einen nucleophilen Angriff an der Carbonyl-Gru ppe des Esters und schafft eine "aktivierte" C-H-Bindung am a-C-Atom. Cysteamin-Te il I

j:NH2

O-c17NH-CH 2-CH 2-SH I

1=Jl- Alanin-Teil lfl-Aminoprop ionsöure)

No:="'

TH2 CH2

~

~H

I

N

~ I

Adenin

d NN 0U CHJ : 0U I --1-O=oC-CH-C- CH -0-P-0-P-O -CH •.

I

OH

1 • 2 =Pantothensäure

I

CHJ

2

:

I

00



I

00

2 =Pantoinsäure- Tei 1 12,4 - Dihydroxy- 3,3- dimethylbutansä ure l

0

H

H

0

H OH

H

e

I

0-Ribose

0-P•O

I

OH

I

Coenzym A ICoA l

I

()(

R -CH -C""'S -CoA

z u 0

~

Acyi-Rest

Coen:qm A

Acetyl-Coenzy m A

(Acetyi-CoA)

Acyl- CoenzymA

Die biochemische Fettsäure-Sy nthese verläuft daher analog einer EsterKondensation nach Claisen unter Bildung eines ß-Ketosäure -esters (schematisch ): 2 CH 3 ~-S-GoA ---+ CH 3 -~-cH 2 ~-SCoA + CoASH Aceto-acetyl- Enzym-Komp lex

431

G0

Das Wasserstoff-übertragende Coenzym NAD$ bzw. NADP$ enthält als

Heterocyclen

~

(Purin-Gerüst) und Nicotinamid (ein Carbonsäure-

amid) sowie als Polyhydroxy-Verbindung

~

(einen Zucker), die als

Phosphorsäure-ester vorliegt.

Adenin

Nicotinamid

D-Ribose

D- Ribose

OH Nicotinamid Ribose

OR

Adenosin

Phosphorsäure

L---------------------~v

Nicotinamid-adenin-dinucleotid ~ für R

NADP$ für R

?!

= -P-OJ-1 ..:.

e6



1

= H,

(Phosphorsäure-Rest)

Das Pyridin-System (Kap. 26.3.2.1) übernimmt ein Hydrid-Ion, und wir erhalten NADH bzw. NADPH (vgl. auch Prochiralität, Kap. 30.6.4).

~H '-c.7

+



I R

NAD® (bzw. NADP)

(0

,/ }._Q

R

0

I H

&oo""', H

H

N

I

R +

"c=o

./

R

R NADH (bzw. NADPH)

Das zur Energieübertragung und- speicherung dienende ~ wird in

Kap. 35.2.2 besprochen, dieelektronenübertragenden Chlorophylle in Kap. 39.

432

32.3 Stoffwechselvorgänge Unter Stoffwechsel

versteht man den Auf-,

Um- und Abbau der Nahrungs-

bestandteile zur Aufrechterhaltung der Funktionen eines lebenden

Organismus. Die entsprechenden Stoffwechselvorgänge sind miteinander

verbundene Fließgleichgewichte (s. HT, Bd. 193) von meist einfachen, reversiblen Reaktionen, die durch Enzyme beeinflußt und z.B. von Hormonen gesteuert werden. Die freigesetzte Energie wird vorn Organismus gespeichert (z.B. in ATP), bei den Reaktionen verbraucht, als Wärme abgegeben oder für Muskelarbeit zur Verfügung gestellt. Bei der biochemischen Grundsynthese, die nur in Pflanzen (und einigen Bakterien) stattfinden kann, werden alle Verbindungen aus anorgani-

co 2 , H2o etc. aufgebaut. Sie beginnt mit der Photosynthese. Abb. 80 zeigt den Zusammenhang wichtiger Stoffgruppen mit

schen Stoffen wie dem Stoffwechsel.

Schlüsselsubstanzen sind: Brenztraubensäure (als Pyruvat, da die Metabolite in wäßriger Lösung dissoziiert sind), Acetyl-Coenzym A (Acetyl-CoA) und die Ketosäuren im Citrat-Cyclus. Von diesen Verbindungen ausgehend kann man die im Schema angegebenen Substanzklassen ableiten, die alle in diesem Buch besprochen werden. Zur Aufrechterhaltung des dynamischen Gleichgewichts im Organismus werden die einzelnen Substanzen nach Bedarf ineinander umgewandelt. Man hat daher den Auf-, Ab- oder Umbau der Verbindungen, die beim Stoffwechsel wichtig sind (Metabolite, Substrate), in Cyclen zusarnrnengefaßt, die in den Lehrbüchern der Biochemie ausführlich besprochen werden. Zur planmäßigen Steuerung der Stoffwechselvorgänge werden im Organismus fortlaufend Informationen benötigt, aus denen ersichtlich ist, welche Stoffe transportiert oder synthetisiert werden sollen und wie der erforderliche Energieumsatz zu regeln ist. Die Uberrnittlung der Information erfolgt vorwiegend über zwei Wege, nämlich das Nervensystem und über chemische Botenstoffe (Signalstoffe). Letztere übermitteln Signale innerhalb der Zellen, zwischen den Zellen und auch außerhalb des Organismus zwischen den Lebewesen selbst. Beispiele :

Signale im Zellinnern werden z.B. durch Diacylglycerin (Glycerindicarbonsäureester) weitergegeben, das aus den Phospholipiden der Zellwand stammt und durch Anregung der Zellmembran von außen frei gesetzt wird.

433

Kohlenhydrate Polysaccharide

1

j

Monosaccharide (Glucose-6-phosphat)

Pentosephosphatcyclus (aerob)

Ribose-5-phosphat (Nucleinsäuren)

~;:~~:··- 117~~~;~~; anaerob_

IPyruvat I

ll

aerob -+

Lactat (Muskel) Ethanol (Hefe)

aerob

Terpene Steroide

ß-Oxidation

Harnstoff-Cyclus Desaminierung

Fettsäuren

l,. , l

Transaminierung

Aminosäuren

!

Proteine

Heterocyclen (Nucleinsäuren, Alkaloide etc.) Abb. 80. Wichtige Stoffwechselvorgänge (schematisch)

:;::::::::::!!

Fette

434

Signale zwischen den Zellen werden z.B. durch Hormone übermittelt. Diese werden von bestimmten Drüsen im Organismus an den Kreislauf abgegeben und wirken dann - an anderer Stelle - als Signal und Katalysator für bestimmte Reaktionen. Viele Hormone können Peptide sein (s. Kap. 34.5) oder zu den Stereiden gehören (s. Kap. 37). Signale zwischen Lebewesen sind z.B. Pheromone, die als Duft- und Lockstoffe an die Umwelt abgegeben werden. Eine entgegengesetzte Wirkung haben Abwehrstoffe, die andere Individuen fernhalten sollen. Dazu gehören viele Terpene und Alkaloide (s. Kap. 36 und 39).

33 Kohlenhydrate

Zu diesen Naturstoffen zählen Verbindungen, die oft der Summenformel Cn(H 20)n entsprechen, z.B. die Zucker, Stärke und Cellulose; sie werden deshalb Kohlenhydrate genannt. Diese Verbindungen enthalten jedoch kein Wasser, sondern sind Polyalkohole und besitzen außer den Hydroxyl-Gruppen die das lipophobe (hydrophile) Verhalten verursachen, meist weitere funktionelle Gruppen. Zucker, die eine Aldehyd-Gruppe im Molekül enthalten, nennt man Aldosen, diejenigen mit einer Ketogruppe Ketosen. Als Desoxyhexosen

bzw. -pentosen werden Zucker bezeichnet, bei-denen an einem oder mehreren C-Atomen die OH-Gruppe durch H-Atome ersetzt wurde. Man unterteilt die Kohlenhydrate in Monosaccharide

(einfache Zucker wie Glucose),

Oligosaccharide (2 - 6 Monosaccharide miteinander verknüpft, z.B. Rohrzucker), Polysaccharide (z.B. Cellulose).

Die (unverzweigten) Monosaccharide werden weiter eingeteilt nach der Anzahl der enthaltenen C-Atome in Triosen (3 C), Tetrosen (4 C), Pentosen (5 C), Hexosen (6 C)' usw.

33.1 Monosaccharide: Struktur und Stereochemie Zur formelmäßigen Darstellung der Zucker wird oft die FisaheP-PPojektion verwendet. Die Asymmetrie-Zentren (Chiralitäts-Zentren) sind

~*

markiert. Außer der D- bzw. L-Konfiguration (in der Formel durch Einrahmung gekennzeichnet) ist die Drehrichtung für polarisiertes Licht mit (+) bzw. (-) angegeben.

436

f"

CH2 0H

I

C=O

.I

HO-C-H

IH-*~-oHI

-

CH 20H

HO-C-H

IHo.!~-H I

IH-r-oHI CHzOH

(+)-0Glycerinaldehyd Aldotriose

H-c-o

I.

CH 20H

CH 20H

1CH 0H 2

H-C-OH

H-C-OH

2 c-o

IHO-r-HI

H-C-OH

H2e--OH

I

I.

••I

CH20H

(+)-LErythrose

Enantiomerenpaar

••

IH-t-oHI CH 20H

(+)-LThreose Aldotetrose

H-c-o

I

I.

CH 20H

Dihydroxyaceton Ketotriose

(+)-DRibose Aldopentose

••

I.

HO-C-H

••

H-C-OH

I

131 141

CH 20H

$

1CH 0H 2

I.

.

I1I

CH 2 I H-i!-OH

I 31

IH-t-oHI

141

I

I 21

15)

I 61 (-)-D-2Desoxyribose Desoxyaldopentose CH 2 0H

I

I1 I

H-C-OH

c-o

121

H-C-OH

HO-C-H

131

I•

I.

I.

I.

HO-C-H

H-C-OH

141

HO-C-H

H-C-OH

151

C~OH

(+)-DGalactose

I.

I

CH20H

(-)-LMannose

I•



H-C-OH

161

CH 20H

171

I

D-Sedoheptulose (eine Heptose)

Galactose ist ein wichtiger Bestandteil der Lactose, während ~ heptulose-Phosphat ein bedeutendes Zwischenprodukt bei der Photosynthese ist. Das für die Zuordnung zur D- oder L-Reihe maßgebende C-Atom (s. Kap. 30.3.1) ist bei den einfachen Zuckern das asymmetrische C-Atom mit der höchsten Nummer. Zeigt die OH-Gruppe nach rechts, gehört der Zucker zur

D-Reih~,

I 51

CHO

CH 20H

H-c-o

I.

H-C-OH

'~

HO- -H

(+)-LFructose Ketohexose

H-c-o

HO-C-H

-t

I 21

1+1-D-Xylose

c-o CH 20H

==

IH-1-oHI

CHO

1,..

HO-C-H

(-)-DErythrose

.I HO-C-H

H-C-0

I

HO-C-H

I

H-C-OH

CH 2 0H

H-C-OH CHzOH

-

I 11

CHO

.I

1+1 L-Arabinose

H-C-OH

I.

CHO

CHO

CH 20H

CH 20H

1-1-D-Xylulose

H-c-o

{

CHO

•I H-C-OH .I

weist sie nach links,

zur L-Reihe.

437

D- und L-Form desselben Zuckers verhalten sich an allen AsymmetrieZentren wie Gegenstand und Spiegelbild. In der oben gezeigten offenen Form liegen Zucker nur zu einem geringen Teil vor. Uberwiegend existieren sie als

~

bzw. Sechsringe

mit einem Sauerstoff-Atom als Ringglied (Tetrahydrofuran- bzw. Tetrahydropyran-Ring) • Der Ringschluß verläuft unter Ausbildung eines Halbacetals, hier auch (s. Kap. 21.4.1). Dabei addiert sich bei der Glucose die OH-Gruppe am C-5-Atom intramolekular an die Carbonyl-Gruppe am

~genannt

C-1-Atom. Bei der Cyclisierung erhalten wir am C-1-Atom ein neues Asymmetrie-Zentrum. Die beiden möglichen Diastereomeren werden als ~

und

~

unterschieden, die man an der Stellung der OH-Gruppe

am C-1-Atom erkennt (Einrahmung) und oft als u- bzw. ß-Anomere bezeichnet. (gilt für die Fischer-

D-Reihe: OH-GPuppe zeigt nach Pechts: a, OH-GPuppe weist nach Zinks:

Projektion)

ß.

L-Reihe umgekehPt. Bei der gegenseitigen Umwandlung der a- in die ß-Form in Lösung

ändert sich der spezifische Drehwert spontan nach einiger Zeit (= Mutarotation),

sofern man von einem optisch reinen Anomeren aus-

gegangen ist: Zwischen u- und ß-Form stellt sich ein Gleichgewicht ein.

33.2 Spezielles Beispiel für Aldosen: Die Glucose An der D-Glucose seien die Schreibweisen demonstriert:

G)

Fischer-Projektion der D-Glucose

H,~,....o 21

2

H-C-OH

H-C-OH l

,I

H-C-OH

sl HOH C-C-H I 2 0 6

ll

I

HO-C-H

H_!C-OH ]I HO-C-H

HO-C-H

.::o:==t

41

H-C-OH sl H-C-OH

61

H2C- OH

,I

.::o:==t

H-C-OH H c.!tI

H OH 6 2

0

a: OH-Gruppe

rechts

ß: OH-Gruppe

links

438

~ Haworth-Schreibweise, Ringformeln

a: OH-Gruppe ß: OH-Gruppe

~

~

unten oben

I

t

(V

Sesselform (analog Cyclohexan), Konformationsformeln H

tt2

HO~H H H 0 HO c"

HO

H

pyranoide HalbacetalForm mit a-ständiger

~~~~~~f~~l~~o;;:

a: OH unten ß: OH ... oben

OH

H

Fp. 146°C a-D-Glucopyranose 38 %

HO ~

HO '\H

offene Aldehyd-Form (+)-D-Glucose 0,26 %

pyranoide Halbacetal-Form mit ß-ständiger OH-Gruppe ß-D-(+)-Glucose, Fp.15ooc ß-D-Glucopyranose· 62 %

Der Ubergang von aer Fischer-P~ojektion in die Sesselform läßt sich gut verstehen, wenn man bedenkt, daß ein Glucose-Molekül nicht als gerade Kette vorliegt, sondern wegen der Tetraederwinkel an den c-Atomen ringförmig vorlieg~n kann (s. Kap. 1.3.2.1):

,

CHO

,,

21

H-C-OH

,,

HO-C-H H-C-OH

sl

H-C-OH

•'

CH,OH

H

OH

a-Form (vgl. ~) ( ß-Form ar..ilog)

Durch Drehung um die Bindungsachse C-4/C-5 bringt man die OH-Gruppe am C-5-Atom in die passende Lage. Nun LSt ein Ringschluß mit der Carbonyl-Gruppe möglich. Man sieht:

439

Die in der Fischer-Projektion nach rechts weisenden Gruppen zeigen am Haworth-Ring nach unten, -cH 2 0H zeigt nach oben. Der erhaltene ebene Pyranose-Ring läßt sich nun leicht in die entsprechende Sesselkonformation knicken. ~

Atome, die am Haworth-Ring nach oben zeigen, weisen auch

be~

der Sesselkonformation nach oben.

33.2.1 Reaktionen und Eigenschaften Die Glucose ist ein Monosaccharid (d.h. sie ist nicht mit einem weiteren Zucker verknüpft). Glucose enthält sechs C-Atome (~) und eine Aldehyd-Gruppe, ist also eine Aldose. Die Aldo-hexose liegt in wäßriger Lösung überwiegend als ein Sechsring vor, dessen Grundgerüst dem

Tetrahydro~

entspricht, daher die Bezeichnung Pyranose. Wegen

der zahlreichen Hydroxyl-Gruppen ist sie wasserlöslich (hydrophil). Sie reduziert wie alle a-Hydroxy-Aldehyde und a-Hydroxy-Ketone Fehlingsche Lösung. Durch andere Oxidations-Reaktionen kann sich aus Glucose die Glucansäure bilden, wobei die Aldehyd-Gruppe zur CarbuxyGruppe oxidiert wird. Glucansäure und andere -onsäuren können durch Wasserabspaltung leicht in y- oder 6-Lactone übergehen; aus Glucose entsteht daher bei milder Oxidation das Gluconsäurelacton. Bei stärkerer Oxidation wird auch die primäre Alkohol-Gruppe oxidiert. Es entstehen Polyhdroxy-dicarbonsäuren, die -arsäuren, wie Glucarsäure (Zuckersaure), Galactarsäure (Schleimsäure) u.a. Im Unterschied zu den -onsäuren und -arsäuren liegen die -uronsäuren als cyclische Verbindungen vor. Bei ihnen ist - im Vergleich zur Stammverbindung- die primäre CH 20H-Gruppe oxidiert und die AldehydGruppe noch erhalten. Die biochemisch wichtigen Uronsäuren, wie z.B. die Glucuronsäure sind physiologisch von Bedeutung, weil die Aldehyd-Gruppe mit anderen Substanzen, wie Z·B· Phenolen reag~eren kann. Die so erhaltenen Glucuronide können über die Nieren aus dem Körper ausgeschieden werden ("Entgiftung") Durch Reduktion der Carbonyl-Gruppe entstehen -it-Alkohole, z.M. aus Glucose D-Glucit (Sorbit, Sorbitol). Neben diesen offenkettigen Polyalkoholen ("Zuckeralkohole") sind auch cyclische Polyalkohole bekannt, wie z.B. der in Phu~pholipide vorkommende myo-Inositol, ein Hexahydroxycyclohexan ("Cyclit"). Abb. 81 gibt einen

Uberbl~ck

über wichtige Derivate der Glucose.

440 COOH

t

COOH

I

H- C- OH

I

H- C- OH

I

I

HO-C-H I H- C- OH

CH 2 0 :

HO-C-H

I

H OH

H- C -OH I H - C- OH

I

H- C- OH I

COOH

0

H COOH

~

HO

I

H

CH20H

OH

~

Glucarsäure

0

H-C=O I

H- C- OH

;:o;\=o

COOH

I

HO-C-H I

H- C- OH I

HO

H- C- OH

Oxidation an C-1 und C- 6

H~

OH

COOH

~

OH Oxidation an C-6

Glucuronsäure

GlucansäureIacton

OH

I

/

6

/Oxidation \an C -1

HOÖOH l

Reduktion an C-1

2 OH

Glucose

CH 2 0H I H- C- OH I HO-C-H I

H- C- OH I H- C- OH

I

CH 2 0H Sorbit (Sorbitol)

. ~ubs 1. •lul1on

an C -2

CH 2 0H

~

0

Glucosamin

\

H~OH

rHz

;-o\ CH 2 0H

N-Acetyi-

H~OH HN...:C-CH3 II

0

Abb. 81. Wichtige Derivate der Glucose

glucosamin

441

33.3 Beispiel für Ketosen: Die Fructose Die Fructose kann zusammen mit der Glucose durch Hydrolyse von Rohrzucker erhalten werden. Fructobe ist eine Ketohexose und bildet einen Fünfring (Furanose) oaer Sechsring (Pyranose). Beachte: Bisher konnte nur die ß-D-Fructopyranose in Substanz isoliert werden. Die Fructofuranosen kommen nur als Bausteine in den Glykosiden (= Furanoside) vor. Formelmäßige Darstellung der ß-D-Fructose:

OH

ß-D-Fructopyranose

ß-D-Fructofuranose (Haworth-Formel)

Das nachfolgende Reaktionsschema zeigt, weshalb Fructose ebenso wie Glucose Fehlingsche Lösung reduziert. Aus der Ketose und der Aldose bildet sich mit den OH- Ionen des Fehling Reagenzes das "Endiolat". Durch Ansäuern erhält man die epimeren Zucker Mannose und Glucose zurück.

442

2

1CH 0H 2

1

HO-C-CH20H

•'

HO-C-H ,I H-C-OH • sl HOH C-C-H I 2 0

----

,I

HO-C-H I HO-C-H

I

H-C-OH

I

H-C-OH

I

H-C-OH I H-C-OH

CH20H

CH 20H

&I

-

He

1

H-C-OH

I

C-OH I HO-C-H

I

H-C-OH I

H-C-OH

I

CH,OH

C~OH

D-Mannose

I

H-C-OH sl H-C-OH

OHe

I

I

H-C-OH I HO-C-H

Jl HO-C-H

Fructofuranose

H-c-o

H-c-o

I

2 c-o

Endiolat

I

o:;/

-

He

D-Glucose

H-c-o I H-C-OH I HO-C-H I H-C-OH I H-C-OH

I

C~OH

D-Glucose

Ketosen lassen sich wie die Aldosen reduzieren. Aus D-Fructose entsteht ein Diastereomerenpaar, nämlich D-Sorbit und D-Mannit (C-2 ist jetzt ein Chiralitäts-Zentrum!). Bei Oxidationen werden zunächst die primären Alko:lol-Gruppen oxidiert; energische Oxidationen spalten die C-Kette.

33.4 Acetal-Bildung bei Zuckern Man bezeiahnet die VoZZaaetaZe deP ZuakeP aZs GZykoside (speziell: Glucoside, Fructoside usw.). Je nach Stellung der OH-Gruppe können sie a- oder ß-verknüpft sein. Diese Verknüpfung wird als gZykosidisahe Bindung bezeichnet.

443

a-Glucosid

ß-Glucosid

substituiertes Methyl-ß-D-glucosid

Ein Ubergang in die Aldehyd-Form ist jetzt unmöglich: Die reduzierende Wirkung entfällt, Mutarotation findet nicht mehr statt. Eine Glykosidbildung (unter H20-Abspaltung) kann erfolgen mit OH-Gruppen (z.B. von Alkoholen, Phenolen, Carbonsäuren, zuckern) und NH 2-Gruppen (z.B. von Nucleosiden, Polynucleotiden). Glykoside sind (wie alle Acetale) gegen Alkalien beständig, werden jedoch durch Säuren hydrolysiert. Poly- und Disaccharide werden von Säuren in ihre einzelnen Zucker aufgespalten, andere Glykoside in den Zucker und den Rest R (oft AgZykon genannt) • Verdünnte Säuren spalten nur den acetalischen Rest ab, bei dem abgebildeten substituierten Methylglucosid also die OCH 3-Gruppe. Die anderen vier Reste R~R 4 enthalten gewöhnliche Ether-Bindungen und können nur unter drastischeren Bedingungen entfernt werden. Umgekehrt werden bei der Umsetzung von Glucose mit Methanol und Chlorwasserstoff nur das abzw. ß-Methylglucosid gebildet. Die anderen OH-Gruppen bleiben unverändert erhalten. Eine Methylierung ist dort möglich mit CH 3 I/Ag 2o.

33.5 Charakterisierung von Zuckern durch Derivate Die oft schlecht kristallisierenden Zucker geben bei der Umsetzung mit Phenylhydrazin Osazone. Osazone kristallisieren gut, dienen der Identifizierung der Zucker und geben auch Hinweise auf ihre Konfiguration. Da bei der Reaktion das Asymmetrie-Zentrum am C-2-Atom verschwindet, geben die Diastereomere D-Glucose und D-Mannose das gleiche Osazon. Sie werden deshalb auch als EpimePe bezeichnet, weil sie sich nur in der Konfiguration eines Asymmetrie-Zentrums (C-2) unterscheiden. Der Mechanismus ist noch nicht genau bekannt.

444

Allgemeine Reaktionsgleichung:

CHO

I

CHOH

+

I

R

Phenylhydrazin

Osazon

Eine andere Methode ~ur Derivatbildung von Zuckern ist die Acetylierung mit Acetylchlorid. Glucose bildet zwei Pentaacetate, nämlich Penta-0-acetyl-ß-D-glucopyran ose und Penta-0-acetyl-a-D-glucopyran ose. Die Acetyl-Gruppen lassen sich durch Hydrolyse leicht wieder ·entfernen.

33.6 Reaktionen an Zuckern

Q)

Aufbau von Monosacchariden

Bei der KiZiani-Fischer-Synthese wird die Kette schrittweise um ein C-Atom verlängert: Man addiert HCN an die CHO-Gruppe einer Aldose (vgl, Kap. 21.4.4). Das entstandene Cyanhydrin wird zum Lacton der entsprechenden Onsäure hydrolysiert. Reduktion mit Na-Amalgam liefert ein Gemisch zweier diastereomerer epimerer Aldosen, die sich z.B. durch fraktionierte Kristallisation trennen lassen. CHO

+ HCN

I

CeN I,...H

D-Arabinose

I,...H

c

c

R

R

I'OH

R

COOH

epimere Cyanhydrine

OH OH I I R = -CH -CH-CH-CH20H

r'oH

CHO Reduktion als

D-Gluconsäure + D-Mannonsäure

Lacton

I,...H

c

I'OH

R

D-Glucose + D-Mannose

I

OH

QD

Abbau von Monosacchariden

Für den stufenweisen Abbau von Aldosen eignen sich vor allem zwei Verfahren:

445

a) Abbau naeh Ruff Die Aldose wird zur-onsäure oxidiert und deren Ca-Salz mit H2 o 2 / Fe(III)-acetat oxidativ behandelt. Infolge C0 2 -Abspaltung entsteht die nächstniedrigere Aldose, z.B. aus D-Glucose (oder D-Mannose) die D-Arabinose.

b) Abbau naeh Wohl Aus der Aldose stellt man das Aldoxirn her, das beim Erhitzen mit Acetanhydrid ein vollständig acetyliertes Onsäurenitril liefert: Die Oxirn-Gruppe wird zur Cyan-Gruppe dehydratisiert. Beim Erwärmen mit Ag 2o in einer ammoniakalischen Lösung wird HCN abgespalten und die Acetyl-Gruppen werden dabei durch Hydrolyse abgespalten. H-C=NOH

CHO

I

H-C-OH

•NH20H

I

HO-C-H

I

I

H-C-OH

I

H-C-OH

H-C-OH

I

H20

I

+ HCN

H-C-OH

I

H-C-OH

H-C-OAc

CH 20H

I

CH 20H

I

HO-C-H

H-C-OAc I

I

D-Glucose-oxirn

Ag20/ NH 3

I

I

CH 20H

D-Glucose

I

AcO-C-H

I

H-C-OH

I

~H-~-Ok

HO-C-H

H-C-OH

CHO

C•N

I

CH 20Ac

Pentaacetyl-D-gluconsäurenitril (Ac= CH3~-)

D-Arabinose

33.7 Disaccharide 33.7.1 Allgerneine Beschreibung Im Kapitel Monosaccharide wurde gezeigt, daß diese mit beliebigen Alkoholen unter H2 0-Abspaltung Glykoside bilden können. Reagieren sie hingegen mit sich selbst oder einem anderen Monosaccharid, so bilden sich Disaccharide, bei weiterer Wiederholung dieser Reaktion Oligo- und schließlich Polysaccharide. Tritt immer derselbe Monosaccharid als Baustein auf, so spricht man von Homoglykanen; handelt es sich um verschiedene Monosacchartde, nennt man sie Heteroglykane. Die zugrunde liegende Reaktionsfolge ist eine Polykondensation. Auch diese Glykoside können, wie alle Acetale, durch Säuren in ihre Bausteine zerlegt werden. Neben die säurekatalysierte Hydrolyse tritt in der Biochemie auch die enzymkatalysierte Hydrolyse zu Monoz.T. auch zu Disacchariden.

446

Allgemeines Schema für die Benennung der Disaccharide:

-osyl -ose (-osido) I: reduzierend, zeigt Mutarotation

-osyl -osid (-osido) II: nicht reduzierend

Bei reduzierenden Disacchariden wird im Namen angegeben, welche OHGruppe im Ring I eine Bindung eingeht: 4-0- ist z.B. die OH-Gruppe am C-Atom 4.

33.7.2 Beispiele für Disaccharide

CD

Nicht-:r>eduaie:r>ende Zucke:r>

Im Rohrzucker (Saccharose) ist die a-D-Glucose mit ß-D-Fructose a-ß-glykosidisch verknüpft. Dieses Disaccharid ist ein Volla~etal· und daher als a-D-Glucopyranosyl- ß-D-fructofuranosid zu bezeichnen. Die Hydrolyse ergibt die Deiden Hexosen. H

Kurzformel:

HO

Glc cx ( 1 - 2 ) (J Fru H CH 20H

a-D-Glucopyranose ß-D-Fructofuranose Rohrzucker (Saccharose) Wie man an der gekennzeichneten glykosidischen Bindung sehen kann, erfolgt die Verknüpfunq (unter Wasseraustritt) zwischen den beiden OH-~ruppen, die beim Ringschluß aus den Carbonyl-Gruppen entstanden sind. Da das Molekül somit Keine (latenten) Carbonyl-Gruppen mehr enthält, folgt, daß Rohrzucker die Fehlingsche Lösung nicht reduziert. Gleiches ~ilt für die Trehalose, a-D-Glucopyranosyl- a-D-glucopyran~sid. Besonders bemerkenswert ist hier die 1,1-Verknüpfung der beiden Glucose-Moleküle (vgl. Maltose).

447

Kurzformel:

H

HO

Glc: ocl1-

~I

otGic:

a-D-Glucopyranose a-D-Glucopyranose a,a-Trehalose

@

Reduzierende Zucker

Wird die glykosidische Bindung mit einer alkoholischen OH-Gruppe gebildet, steht die Halbacetal-Farm des zweiten Zuckers mit der offenen Form im Gleichgewicht, d.h. die Reduktion von Fehling-Lösung ist möglich (latente Carbonyl-Gruppe). Beispiele: Malzzucker (Maltose), 4-0-(a-D-Glucopyranosyl)-D-glucopyranose. Maltose ist ein Disaccharid, das ohne hydrolytische Spaltung Fehlingeehe Lösung reduzieren kann. Beachte: Cellobiese ist Glc ß (1 ~ 4) Glc.

Kurzformel:

H

Glc oc ( 1-4) Glc

HO

H H

D-Glucose Maltose (a-Form/

i

wirksame Gruppe für die Reduktion, da sie in die offene Aldehyd-Form übergehen kann

448

Das gleiche gilt für Milchzucker (Lactose), 4-0-(ß-D-Galactopyranosyl)-D-glucopyranose. Kurzformel:

Gal

H

D-Galactose

~

{1-4) Glc

D-Glucose

Milchzucker (ß-Form)

Tabelle 34. Beispiele für Monosaccharide und Disaccharide Vorkommen

Verbindung

Pentosen L(+)-Arabinose

160

in Araban (Kirschgummi) , Glykosiden u. Polysacchariden

D(-)-Xylose

145

in Xylan (Holzgummi), Kleie, Maiskolben, Stroh

D(-)-Ribose

95

als N-Glykosid in Nucleinsäuren u. Coenzymen

2-Desoxy-D-ribose

78

als N-Glykosid in Nucleinsäuren

Hexosen D(+)-Glucose

146

D(+)-Mannose

132

in Johannisbrot u. Polysacchariden

D(+)-Galactose

166

in Oligosacchariden, z.B. Milchzucker u. Galactanen

D(-)-Fructose

102- 104

in süßen Früchten u. Honig

D(-)-Glucosamin

·HCl: 185

im Polysaccharid Chitin

D(-)-Galactosamin

•HCl: 187

als N-Acetyl-Verbindung in Mucopolysacchariden

(n)

in Trauben u. a. süßen Früchten sowie im Honig

Disacchar>ide Saccharose

185

in Zuckerrüben u. Rohrzucker

Lactose

202

in Milch d. Säugetiere

Maltose

103

Strukturelement u. Abbauprodukt d. Stärke, z.B. in keimenden Samen

Cellobiese

225

Strukturelement u. Abbauprodukt d. Cellulose

449

33.8 Oligo- und Polysaccharide (Giykane) 33.8.1 Makromoleküle aus Glucose

Die Bedeutung der makromolekularen Struktur wird am Beispiel der Polysaccharide Cellulose, ~ und Glykogen besonders deutlich. Alle drei sind aus dem gleichen Monomeren, der D-Glucose, aufgebaut, unterscheiden sich jedoch in ihrem verschieden verzweigten Aufbau (Tabelle 35). Ein weiteres Polysaccharid, das Dextran, besteht ebenfalls aus D-Glucose und findet in der Gelchromatographie Verwendung. Wegen der gleichen Grundbausteine nennt man diese Polysaccharide auch Homoglykane.

Tabelle J5. Eigenschaften von Polysacchariden Cellulose

Stärke

Glykogen

Monomer glykosidische Verknilpfung Aufbau

D-Glucose

D-Glucose a(1 ,4) u. a (1 ,6)

D-Glucose a (1 ,4) u. a (1 ,6)

1.inear

verzweigt, helical

stark verzweigt, helical

Gestalt Löslichkeit (in Wasser) Faserbildung Kristallisation biol. Bedeutg.

linear keine

längl. gestreckt nach Kochen

kugelig gut

sehr gut gut Gerüstsubstanz (pf!anzl. Zellwand)

keine schwach Depotsubstanz. (Pflanzen)

keine keine Depotsubstanz (Vertebraten)

ß (1 1 4)

33.8.1.1 Cellulose

Cellulose besteht aus D-Gluaose-MolekULen, die an den C-Atomen 1 und 4 ß-glykosidisah verknUpft sind. Das Ergebnis ist ein gerader, einfacher Molekül-Faden ohne Verzweigungen (linear):

450

Cellulose (Ausschnitt aus einer Kette) In der Strukturformel erkennt man, daß die einzelnen Pyranose-Einheiten H-Brückenbindungen von den Hydroxyl-Gruppen am C-3-Atom zum RingSauerstoffatom ausbilden können. Auch zwischen den Molekülsträngen sind H-Brückenbindungen wirksam, so daß man die Struktur einer Faser erhält. Diese eignet sich als Gerüstsubstanz, weil sie unter normalen Bedingungen unlöslich ist. Sie kann nicht von Menschen, wohl aber von bestimmten Tieren (z.B. Kühen) verdaut werden. Cellulose ist ein wichtiger Rohstoff ("Zellstoff"), der meist aus Holz gewonnen wird. Papier wird durch Formen eines Breis aus Wasser und Zellstoff erhalten, dem Bindemittel und Füllstoffe zugesetzt werden. Die beiden anderen aus Glucose gebauten Polysaccharide Stärke und Glykogen haben einen anderen Bau. Ihre Verwendung als Reserve-Kohlenhydrate verlangt eine möglichst schnelle und direkte Verwertbarkeit im Organismus. Sie müssen daher wasserlöslich und stark verzweigt sein, um den Enzymen ungehinderten Zutritt zu den Verknüpfungspunkten zu ermöglichen.

-

33.8.1.2 Stärke ein wichtiger Bestandteil der Nahrung, besteht zu 10- 30 % aus Amylose und zu 70- 90 % aus Amylopectin. Beide sind aus D-Glucose-Einheiten zusammengesetzt, die a-glykosidisch verknüpft sind.

~,

In der Amylose sind sie a(1,4)-verknüpft, wobei die Glucose-Ketten kaum verzweigt sind. Sie ist der Stärke-Bestandteil, der mit Iod die blaue Iod-Stärke-Einschlußverbindun g gibt. Die Röntgenstrukturanalyse zeigt, daß die Ketten in Form einer ~ spiralförrnig gewunden sind, da die verbrückenden 0-Atome immer auf der gleichen Seite der Glucosebausteine liegen. Der Hauptbestandteil der Stärke, das Amylopectin, ist im Gegensatz zur Amylose stark verzweigt: a(1,4)-glykosidisch gebaute AmyloseKetten sind a(1,6)-glykosidisch miteinander verbunden.

451 H

Amylose (Sessel-Konformationen angenommen) Stärke wird industriell mit Hilfe von Enzymen über Maltose zu Glucose abgebaut, die ggf. weiter zu Ethanol vergärt werden kann (s, Kap. 14.3).

Diastase

Maltase

Glucose

452 H

H

Amylopecti n (Sessel-Ko nformation en angenommen)

33,8.1.3 Glykogen Glykogen, ein ebenfalls aus Glucose aufgebaute s Reserve-P olysacchar id,

ist ähnlich wie Amylopecti n a(1,4)- und a(1,6)-ver knüpft. Die Ver-

Abb. 82. Bildung einer Helix-stru ktur im Glyko~en-Molekül (ähnlich: Amylose, Amylopecti n) durch a(1,4)-gly kosidische Verknüpfun g von Glucose-M olekülen (a-1,6-Verk nüpfung ist nicht eingezeich net)

453

zweigung ist jedoch noch beträchtlich größer. Analog zur Amylose entsteht mit Iod eine braunfarbene Einschlußverbindung , die auf eine helicale Struktur hindeutet.

33.8.2 Makromoleküle mit Aminozuckern

-

33.8.2.1 Chitin eine zweite wichtige Gerüstsubstanz neben Cellulose, ist der Gerüststoff der Arthropoden. Die Monosaccharid-Einhe it ist in diesem Fall ein Aminozucker, das N-Acetyl-glucosamin . Glucosamin entspricht strukturmäßig der Glucose, wobei die Hydroxy-Gruppe am C-2-Atom durch eine Amino-Gruppe ersetzt wurde: (2-Amino-2-desoxy-g lucose): ~·

H

H

HO

HO OH H

OH

H

2-Amino -2-desoxy- 0-glucose.

N-Ace1yl- 2-amino-2-desoxy -0-glucose

Glucosamin

Acetylglucosamin

(ß-Anomer)

H

0 H

Chitin

Durch Acetylierung der Amino-Gruppe erhält man das Acetyl-glucosamin. Im Kettenaufbau entspricht Chitin der Cellulose: beide sind ß(1,4)verknüpft. Die erhöhte Festigkeit des Chitins ist u.a. auf die zu-

454

sätzlichen H-Brückenbindungen der Amid-Gruppen zurückzuführen. Hinzu kommt, daß je nach Bedarf das Polysaccharid mit Proteinen (in den Gelenken) oder Calciumcarbonat (im Krebspanzer) assoziiert ist. Analoges gilt für die Cellulose: sie ist z.B. im Holz in Lignin, ein anderes Biopolymer, eingebettet. 33.8.2.2 Proteoglycane N-Acetyl-glucosamin ist auch ein wichtiger Bestandteil vieler Glykosaminoglykane. Diese dienen vor allem als Gerüstsubstanz des Bindegewebes und werder. heute auch Proteoglgkane genannt. Während bei den bisher besprochenen Polysacchariden das "Rückgrat" des Polymeren aus Zuckereinheiten gebildet wird, liegt bei den Proteoglykanen eine andere Grundstruktur vor: Rückgrat ist hier eine Polypeptidkette, an die Oligosaccharid-Seitenketten angeknüpft sind. Die Seitenketten aus etwa 30- 100 Einheiten bestehen aus Urensäuren und N-Acetylhexosaminen, die sich abwechseln.

Strukturschemo.

Beispiele für eine Disaccharid- Einheit

H

,

0

I

-- c / II

0

N

II

C

. . . . . CH./ . . . . . N' , I

0 I

Xyl

I

H Chondroitinsulfot C

I

Goi

I

Goi

I

[Disaccharid lnEinheit

c:>o,s-O CH OH

.-o~o~o, H3 C-CO-NH

HO ~ 0 --· 0QOC OH .

Dermatonsulfat

455

Beim Chondroitinsulfat is.t die Peptidkette in 0-glyko.sidischer Bindung zunächst mit einem Trisaccharid aus Xylose (Xyl) und Galactose (Gal) verbunden, das mit der eigentlichen Disaccharid-Komponente verknüpft ist. Letztere besteht häufig aus N-Acetylgalaktosamin und Glucuronsäure (bzw. Iduronsäure beim Dermatansulfat); dabei sind Hydroxygruppen zusätzlich mit Schwefelsäure verestert. Tabelle 36 gibt einen Uberolick über die Heteroglykane, zu denen die vorstehend beschriebenen Proteoglykane zu rechnen sind,

Tabelle 36. Einteilung der Heteroglykane Bezeichnung

Kohlenhydrat

Nichtkohlenhydrat

Bindungstyp/Aufban

Glykoproteine

Oligosaa:harideaus2-20ver· schiedeneo Monosaccharideß

Verschiedenste Proteine

Protein mit glykosidilich verbundeneo Kohlenhydraten (18-20 MonosaccharidEinheiten)

Proteoglytaoe

Glykoaaminoglykaoe mit sich wiederbolenden Disacchariden; Molekulargewicht 2 ·lo'- 3 ·10"

Einfach aufgebaute Proteinskelette (.core protein")

Polypeptid mit glykosidilich verbundenen Polysacchariden (lineare Heteroglykaoe)

Peptidoglytaoe

Disaccharid aus N-Acetylglucas- Peptide aus 4-S Aminosäuren Disaccharid mit Oligopeptiden aminund N-AcetylmuraminsAure

Glykolipide

Oligosaccbaride Oligosaccbaride

Ceramid, Diacylglycerin Polyprenoie

Oligosatcharide mit Lipiden

33.8.2.3 Weitere Polysaccharide mit anderen Zuckern Dahlienknollen, Artischocken als Depotsubstanz), ist fast gänzlich aus ß(1,2)-verbundenen D-Fructofuranose-Molekülen aufgebaut. Es dient in der Physiologie zur Bestimmung des extrazellulären Raumes, weil es leicht in die Interstitialflüssigkeit, nicht aber in die Zellen eintritt.

~(in

AgaP-AgaP (aus Meeresalgen) besteht aus D- und L-Galactose, die meist ß(1,3)-verknüpft und teilweise mit H2so 4 verestert sind. Die Pektine (vor allem in Früchten) bilden Gele und haben ein hohes Wasserbindungsvermögen. Sie enthalten D-Galacturonsäure (a(1,4)-verknüptt), deren COOH-Gruppen z.T. als Methylester (-cOOCH 3 ) vorliegen. Sie dienen zur Herstellung von Gelees, Marmeladen etc.

456

Tabelle 37. Polysaccharide, Struktur und Vorkommen Polysaccharid

Monosaccharid-Bausteine

Verknüpfung

Vorkommen

Agar

D-Galactose, L-Galactose-6-sulfat

ß ( 1 '3) ' ß ( 1 '4) ß ( 1 '4)

rote Meeresalgen

Alginsäure

D-Mannuronsäure

Amylopectin

D-Glucose

a ( 1, 4) , a ( 1, 6)

Pflanzen

Amylose

D-Glucose

a ( 1, 4)

Pflanzen

Cellulose

D-Glucose

ß ( 1 '4)

Pflanzen

Chitin

N-Acetyl-D-Glucosamin

ß ( 1 '4)

niedere Tiere, Pilze

Chondroitinsulfat

D-Glucuronsäure, N-Acetyl-D-galactosamin4- und -6-sulfat

ß ( 1 '3)' ß ( 1 '4)

tierisches Bindegewebe

Dextran

D-Glucose

a ( 1, 4),

Bakterien

a ( 1, 6)

Braunalgen

Glykogen

D-Glucose

a ( 1, 4), a ( 1, 6)

Säugetiere

Heparin

D-Glucuronsäure-2-sulfat, D-Galactosamin-N,C-6disulfat

a ( 1, 4)

Säugetiere

Hyaluronsäure

D-Glucuronsäure, N-Acetyl-D-glucosamin

ß ( 1 '3)' ß ( 1 '4)

Bakterien, Tiere

Inulin

D-Fructose

ß (2' 1)

Compositae, Liliaceae

Mann an

D-Mannose

überw.

Pflanzen Bakterien

ß ( 1 '4)

Murein

N-Acetyl-D-glucosamin, N-Acetyl-D-muraminsäure

ß ( 1 '4)

Pektinsäure

D-Galacturonsäure

a ( 1, 4)

höhere Pflanzen

Xylan

D-Xylose

ß ( 1 '4)

Pflanzen

34 Aminosäuren

34.1 Einteilung und Struktur Die Eiweiße oder Proteine

(Po~ypeptide)

sind

hoahmo~eku~are

Natur-

stoffe (Molekülmasse > 10000) aus einer gr~ßeren Anzah~ verschiedener Amino-aarbonsäuren.

Die meisten natürlichen Aminosäuren haben L-Konfiguration und tragen die Amino-Gruppe ih a-Stellung, d.h. an dem zur Carboxyl-Gruppe benachbarten Kohlenstoff-Atom. Damit ergibt sich eine allgemeine Strukturformel, die zum besseren Verständnis nachfolgend zusammen mit dem Glycerinaldehyd wiedergegeben ist:

HN+H

COOH

2

R

L-a-Aminosäure

lHO HO ..... C:;-..H

=

CH 2 0H

(-)-L-Glycerinaldehyd

Alle 20 in Proteinen natürlich vorkommenden a-Aminosäuren (ausgenommen Glycerin) sind chiral, weil das a-C-Atom ein AsymmetrieZentrum ist (s. Stereoisomerie, Kap. 30.3.3). Sie haben alle eine S-Konfiguration. Die natürlich vorkommenden Aminosäuren werden eingeteilt in: neutrale Aminosäuren (eine Amino- und eine Carboxyl-Gruppe),~ Aminosäuren (eine Amino- und zwei Carboxyl-Gruppen) und basische Aminosäuren (zwei Amino- und eine Carboxyl-Gruppe).

458

(}) NeutraLe Aminosduren (Abkürzungen in Klammern) COOH

~OOH

CH 2

CH 2

NH 2

CH 2

COOH

COOH

COOH

H2N-C-H

HzN-C-H

H2N-C-H

H 2N-C-H

COOH

I

H2 N-C-H

H-C-CHJ

CH3

H-C-CH3

CH 2

CH3

CH 3

I

CH 2

CONHz

I

L-Isoleucin (Ile; I)

I I

H-C-OH

CHz

I

L-Leucin (Leu; L)

H2N-C-H

I

CHz

I

COOH

I

H2 N-C-H

I

I

I

COOH

I

I

I

L-Valin (Val; V)

COOH H2N-C-H

I

CH 2

I

L-Alanin (Ala; A)

ß-Alanin

I

H- C-CHJ

NH 2

Glycin (Gly; G)

I

I

CHJ

I

I

I

I

I

I

COOH

I

I

I

O

RCOOH

OH

Im Gegensatz dazu ist die

a~ka~ische

Hydrolyse bekanntlich irrever-

sibel und beginnt mit dem nucleophilen Angriff des OH 9 -Ions:

R-C-NHR'

II

+ OH

e~

OH I R-C-NHR' ~ R- COOH + INHR' -

0

e

I

e

RCOO- + H2 NR'

101

-e

Beispie~:

Ala-Gly-Phe

Alanin

Glycin

Phenylalanin

Mit Hilfe geeigneter Abbaureaktionen läßt sich die Sequenz der Peptid-Kette (Primärstruktur) ermitteln.

Die~

ist besonders wichtig für

die Analyse der natürlich vorkommenden Polypeptide. Die N-terminale Endgruppe wird mit Dinitrofluorbenzol nach Sanger bestimmt (s. Kap. 11.4.1).

467

Die chemische Sequenzanalyse (nach Edman) verwendet Phenyl-isothio-

cyanat. Dieses addiert sich an die N-terminale Aminosäure zu einem Phenyl-thioharnstoff-Derivat, aus dem z.B. durch Salzsäure ein Phenyl-thiohydantoin abgespalten wird (markiert+ ) . Die Reaktion kann fortlaufend mit dem Restpeptid wiederholt werden.

.

S=C -NH -C 6 H5

-

I

HN

\

1-1 2N -CH-CO-NH.-..

R

H2N",....

CH -CO- NH-

I

I

-

R

Pheny 1-thiocarbamyl pepti d

Phen yl-thiohydantoin

34.5.2 Peptid-Synthesen Die Synthese von Peptiden erfordert die Aktivierung der -cooH- oder -NH 2 -Gruppe. Häufig verwendet werden Säure-chloride, -azide, -anhydride oder spezielle Ester. Dabei muß die Amino-Gruppe der Aminosäure blockiert werden, meist durch N-Acylierung mit Chlorameisensäurebenzylester,

Cl~-O-CH 2 -c 6 H 5

(Cbo), oder durch tert. Butoxycarbonyl-

0

azid, N3-l-o-c(CH 3 ) 3 (Boc). 0

Das so hergestellte, aktivierte und geschützte N-Acyl-aminosäureDerivat reagiert dann mit einer zweiten Aminosäure, deren -cOOH-Gruppe durch Veresterung geschützt ist, zu einem Dipeptid: Cbo

~

R

I

;

C H -CH -0-C-NH-CH-C &5

2

II

0 N -Acylami nosäureazid

R'

0

+

'\ NJ

I

H N-CH-C- OEt 2

I 0

Aminosäureester

R

R'

I

I

Cbo- NH-CH -C- NH -CH -COO Et

II

0 Dipeptid

Die Sahutzgruppen vermindern Nebenreaktionen, und es werden eindeutige Verknüpfungen möglich. Im Dipeptid kann die Ester-Gruppe z.B.

468

wieder in ein Azid umgewandelt und erneut in einer Kondensationsreaktion eingesetzt werden. Die Cbo-Gruppe wird nach Bildung des gewünschten Peptids durch Hydrierung abgespalten und die endständige EsterGruppe durch Hydrolyse entfernt.

Beispiele für Peptide: Zahlreiche wichtige Hormone sind Oligo- oder Polypeptide. Dazu gehören Ocytocin (Oxytocin, 9 Aminosäuren) und Vasopressin (Adiuretin,

9 Aminosäuren), beide aus dem Hypophysenhinterlappen, Corticotropin (39 Aminosäuren, Hypophysenvorderlappen) und Insulin (51 Aminosäuren, Bauchspeicheldrüse).

OH

Q CHz I

Hz N - CH - CO- N H - CH -CO - NH I I CH- CHCHz

I

I

I

S I

CO I NH

CH 3

S

C~- 90 %)

Hilfsstoffe

BTX-Abtrennung aus Pyrolysebenzin und Kokereigas

Durchführung

Verfahren

Trennproblern

Tabelle 46. Verfahren zur Aromaten-Gewinnung (~enzol, !oluol, !Ylol)

~

524

40.2 Erdgas Erdgas besteht aberwiegend aus Methan. Es enthält außerdem Ethan, Propan und Butan (nasses Erdgas) sowie H2 , N2 , co 2 , H2s und He. Erdgaslager werden durch Bohrung erschlossen. Das Rohgas wird durch Trocknung, Reinigung, Entfernung von H2S etc. aufbereitet. Erdgas dient zur Energieerzeugung, zur Herstellung von Synthesegas (CH 4 + 0 2 ---.CO + 2 H2 ) und als Ausgangsprodukt für c 2H2 , HCN und Ruß.

t

40.3 Kohle 40.3.~

Vorkommen und Gewinnung

Kohle ist überwiegend aus pflanzlichem Material entstanden. Die beiden wichtigsten Arten sind Steinkohle und Braunkohle mit einem Kohlenstoffgehalt von 80- 96 % bzw. 55- 75 % (Inkohlungsgrad). Das Rohprodukt wird zerkleinert und sortiert. Der größte Teil der Kohle wird verfeuert (zu Heizzwecken oder zur Stromerzeugung).

40.3.2 Kohleveredelung Kohle kann als Rohstoffbasis zur Gewinnung von Benzol, Naphthalin, Anthracen, Acetylen und Kohlenmonoxid dienen. Von Bedeutung sind aber auch die technischen Kohlenstoffarten wie Ruß, Graphit sowie Koks. Koks dient u.a. als Reduktionsmittel zur Eisenerzeugung.

·1. Umwandlung in Aaetylen aber Calaiumaarbid

Calciumcarbid wird elektrochemisch hergestellt (für 1 kg c 2H2 werden etwa 10 kWh benötigt).

2. Kohlehydrierung

Durch katalytische Hydrierung von Stein- und Braunkohle lassen sich fast alle Produkte erhalten, die heute auf der Basis Erdöl/Erdgas hergestellt werden.

525 3. Vergasen von Kohle

Bei der vollständigen Umwandlung der Kohle in gasförmige Verbindungen handelt es sich um die Reduktion von H2o mit c. Lediglich die mineralischen Bestandteile bleiben als Asche zurück. Im allgerneinen wird Kohle vergast, indem abwechselnd Luft und Wasserdampf über den glühenden Koks geleitet werden. Man erhält Generatorgas (N 2 + CO) und Wassergas (CO+ H2 J. Verwendung der Synthesegase:

Q) @ (V

Q)

Methanol-Synthese: CO + 2 H2 -

CH 30H.

Oxo-Synthese (Hydroforrnylierung, s. Kap. 41.5). Fischer-Tropsch-Synthese für Kohlenwasserstoffe: n CO+ (2n + 1) H2 -

CnH 2 n+ 2 + n H2o.

Ammoniak-Synthese: N2 + 3 H2 ~ 2 NH 3 (s. HT, Bd. 193).

4. Entgasen oder Verkoken der Kohle Zur Koksgewinnung wird Kohle unter Luftabschluß erhitzt. Braunkohle wird meist bei 500- 600°C verschwelt, Steinkohle bei 1000- 1200°C verkokt. Man erhält: Koks, Rohgas, Verkokungswasser und Teer. Das Rohgas (54 % H2 , 27 % CH 4 , CO, co 2 , N2 u.a.) wurde früher gereinigt als Stadtgas verwendet und dient heute meist zum Beheizen der Koksöfen. Das Kokereiwasser enthält Ammoniak und Phenole, die ausgewaschen und weiterverarbeitet werden.

Der Steinkohlenteer ist ein Gemisch aus zahlreichen Kohlenwasserstoffen, wobei die Aromaten und Heteroarornaten überwiegen. Er wird wie das Rohöl destillativ aufgetrennt.

40.4 Acetylen-Chemie Acetylen (Ethin) war früher eine bedeutende Ausgangsverbindung. In den letzten Jahren ist sie weitgehend durch Produkte auf der Basis von Alkenen ersetzt worden. Sofern jedoch Steinkohle und Elektrizität preiswert zur Verfügung stehen, dürfte Acetylen als petrochernischer Grundstoff weiterhin interessant sein. Die wichtigsten Herstellungsverfahren sind:

(D

thermische Spaltung von Kohlenwasserstoffen

@ aus

Kohle und Kalk über Calciumcarbid

526

Verwendung von Acetylen Es sind nur Beispiele für heute noch durchgeführte Konkurrenzverfahren zu den Alkenen angegeben. Herstellung von 1,4-Butandiol, ein Zwischenprodukt z.B. für Tetrahydrofuran (durch Dehydratisierung) und y-Butyrolacton H2C-NH-f1-S

5

l

578

X

Maneb für M=Mn (Mangan-ethylen-bis-dithiocarbamat Zineb für M=Zn und x=1 (Zink-ethylen-bis-dithiocarbamat)

43.3. 3 Herbizide Herbizide wirken auf verschiedene Weise auf Pflanzen ein, z.B. durch Hemmung der Photosynthese, Veränderung des Zellwachstums oder als Atmungsgifte. Es gibt Totalherbizide, die jeden Pflanzenwuchs vernichten und im Boden zeitlich begrenzt oder unbegrenzt (Bodensterilisatoren) wirken sollen. Deiquat (ein Systeminsektizid) wirkt beispielsweise nur wenige Tage, während Monuran bis zu einem Jahr wirkt.

Deiquat (1,1'Ethylen-2,2'bipyridyliumdikation)

Monuran (N-(4-Chlorphenyl)-N' ,N'dimethylharnstoff)

Schon länger.bekannte Mittel sind Chlorate, Rhodanide und Borate, die als Kontaktgifte mit kurzer Wirkungsdauer fungieren. Der selektiven Unkrautbekämpfung dienen Kalkstickstoff CaCN 2 und Kainit KCl • Mgso 4 .Bekannte organische Verbindungen sind chlorierte Phenoxy-Säuren, substituierte Harnstoffe (Carbamate) und symmetrische Triazine.

579 Beispiele:

Cl

CI-Q-O-CH 2 -COOH Cl

2,4,5-T (2,4,5-Trichlor phenoxyessigsäu re

Chlorpropharo (N-(3-Chlorphe nyl)isopropylcarbarn at)

Atrazin (2-Chlor-4-ethy larnino6-isopropylarni no-s-triazin)

43. 3. 4 Vorratsschutz Zum Schutz von Nahrungsrnittel vorräten, z.B. in Getreidelägern werden vor allem Begasungsrnitte l eingesetzt, die in geeigneten Fällen auch zur Schädlingsbekäm pfung im Gartenbau geeignet sind. Bekannte Mittel sind Phosphorwasser stoff PH 3 , Blausäure HCN,Methylbrorn id cH 3 Br. Gegen Nagetiere wie Ratten werden Cumarinderivate und Thalliurnsulfat ,Tl 2 so 4 eingesetzt. 43.3.5 Neuere Entwicklungen Obwohl die biologische Schädlingsbekäm pfung zunehmend an Bedeutung gewinnt, sind Pestizide noch weithin unentbehrlich. Um die Umweltbelastung zu vermindern, sucht man daher nach Stoffen, die einen gezielteren Einsatz erlauben. Einige Beispiele sollen nachfolgend vorgestellt werden. 43. 3. 5. 1 Chitin-Synthes e-Inhibitoren und Antijuvenilhorm one Insekten verwenden im Unterschied zu höheren Tieren Chitin als Gerüstsubstanz (s. Kap. 29.1.4). Durch die mehrfachen Häutungsprozes se bei ihrer Entwicklung halten Insekten eine ständige Chitin-Produkt ion aufrecht. Ein Eingriff in diese Produktion stört die Entwicklung des Tieres und verhindert damit die Fortpflanzung der Art, z.B. durch Unreife oder frühen Tod. Eine hierfür geeignete Verbindung ist Diflubenzuron ("Dirnilin"), ein Benzoyl-pheny l-harnstoff-Der ivat. Die Substanz ist erheblich weniger toxisch als Parathion und beeinflußt auch die Chitinproduktio n bei vielen Crustaceen wie Krabben usw. nur wenig. Das natürlich vorkommende Precocen I und II blockiert das körpereigene Juvenilhormon. Am Beispiel der Landwanze (Oncopeltus fasciatus) wurde festgestellt, daß precocenbehand elte Tie.re von den nor-

580

malerweise fünf Larvenstadien bis zur Häutung zum erwachsenen Tier ein oder zwei Larvenstadien überspringen und sich dann zu sterilen Tieren häuten. F

Q--8-NH-ß-NH-o--CI F

Diflubenzuron (1-(4-Chlorphenyl)-3(2,6-difluorbenzoyl)harnstoff)

Precocen I (R Precocen II ( R Antijuvenilhormon aus Ageratum

43.3.5. 2 Pheromone Pheromone sind chemische Signalstoffe. Sie sind verantwortlich.für die Informationsübermittlung zwischen den Geschlechtern, finden Verwendung als Spur- und Markierungssubstanzen usw. Pheromone werden von einem Individuum einer bestimmten Tierart abgegeben und von einem anderen Individuum derselben Art empfangen. Meist handelt es sich um Pheromon-Mehrkomponenten-Systeme, sog. Pheromonkomplexe. Ein Tier erkennt seinen arteigenen Geruch oft an der spezifischen Zusammensetzung mehrerer definiert zusammengesetzter Komponenten. Besonders gut untersucht sind verschiedene Pheromonsysteme bei der Honigbiene. Ein und dasselbe Bienenpheromon kann dabei verschiedene Wirkungsweisen und Funktionen besitzen. Oft werden bestimmte Verhaltensfolgen auch erst durch mehrere Substanzen verursacht. Ein besonders wichtiges Sekret ist die "Königinnensubstanz". Ein Pheromonkomplex veranlaßt dabei Schwarmbienen zur Bildung stabiler Schwarmtrauben. Das Sekret hat aber auch die Funktion eines Sexuallockstoffes. So lockt es Drohnen oberhalb einer Mindestflughöhe zur Königin. Ein anderes Pheromon der Arbeitsbiene ist ihr Alarmstoff. Pheromone dienen den Bienen auch zur Markierung von Futterquellen oder zur Kennzeichnung von Nesteingängen.

581

Chemische Struktur einiger Pheromone Die Sexuallockstoffe weiblicher Falter sind vornehmlich einfach- und zweifach-ungesättigte Alkohole, ihre Ester oder Aldehyde mit Kettenlängen zwischen 10 und 20 C-Atomen. Beispiele von Sexuallockstoffen bzw. Pheromonkomponenten von weiblichen Schmetterlingen:

~OAc

Saateule

~OAc

Pflaumenwickler

~OH

Apfelwickler

~OH

Seidenspinner

Unter den Aggregations- und Sexualpheromonen der Borkenkäfer-f-inden sich Terpenalkohole, terpenoide Ketone, bicyclische Ketale. Bei anderen Käferarten sind bekannt: Phenol, Cyclobutan-, Cyclohexanderivate, ungesättigte Säuren, Alkohole, Aldehyde, Ketone.

A

l2i).... OH Tier:

dendroctonus frontalis

dendroctonus brevicomis

ips calligraphus

Verwendung von Pheromonen im Pflanzenschutz Man nutzt neuerdings im Pflanzenschutz die Möglichkeit, das Verhalten bestimmter Insektenarten durch Pheromone spezifisch zu manipulieren. Die Techniken sind dabei vielfältig. Man benutzt Leimfallen mit synthetischen Lockstoffen, Pheromonextrakten oder lebende Weibchen der Insekten. Im Waldschutz werden gegen den Borkenkäfer Pheromonfallen häufig in Kombination mit "Fangbäumen" benutzt.

582

Letztere haben die Aufgabe, als Zielbäume zu dienen, um die Käfer auf herkBmmliche Weise zu vernichten. Neben den Abfangtechniken kennt man auch die sog. verwirrungstechnik. Hierbei verwirrt man durch Uberangebot an Sexuallockstoff die männlichen Insekten und erschwert ihnen so das Auffinden der Weibchen.

43.3.6 Natürlich vorkommende Insektizide Bekannte natürliche Wirkstoffe sind: Schwefel (meist in kolloiddisperser Form), Pyrethrum (aus den BlütenkBpfen einiger Chrysanthemenarten), Alkaloide (vor allem Nikotin und Anabasin aus dem Tabak, s. Kap. 38), Rotenoide (aus Derrispflanzen) und verschiedene Extrakte aus tropischen Pflanzen wie Quassia und Ryania, die jedoch nur regional von Bedeutung sind. Einige davon wie Schwefel werden mit gutem Erfolg schon seit langem verwendet.

Rotenon (aus Derris elliptica, blockiert Elektronentransport zwischen NADH und Ubichinon)

Einige Pyrethroide R

Pyrethrin I -CH 3 Jasmolin I -CH 3 Cinerin I -CH 3

R1

-CH=CH 2 -CH 2 -cH 3 -CH 3

R

Pyrethrin II -COOCH 3 Jasmolin II -COOCH 3 Cinerin II -COOCH 3

R1

-CH=CH 2 -CH 2 -cH 3 -CH 3

583

43.4 Wesentliche Bestandteile wichtiger Haushaltsprodukte Die nachfolgende Tabelle enthält die toxikologisch relevanten Bestandteile wichtiger Haushaltschemikalien. Die Angaben zur Zusammensetzung geben die durchschnittlichen Massengehalte der Bestandteile in den marktführenden Handelsprodukten an (ein Strich - bedeutet: keine Angaben verfügbar). Dabei ist zu beachten, daß sich die Zusammensetzungen fortwährend ändern können (z.B. beim Ersatz von Phosphaten in Waschmitteln durch Zeolithe) • Bei der Nomenklatur der Stoffe wurde zum besseren Verständnis häufig die übliche technische Handelsbezeinung verwendet Produktvarianten sind durch a), b) unterschieden Weitere Einzelheiten zu einzelnen Produkten s. weiterführende Literatur (Kap. 46).

Holzbeizen

Ablaugemittel

Abbeizmittel und

43. 4. 1 Holz- und

Produktgruppe

Tabelle 55

75

Na 2 so 4 s. Kap. 42 CnH2n+2 s. Kap. 35. 1. 2

a) Natriumsulfat Farbstoffe

b) Benzin/Petroleum Wachse

(

10-25 NH 3

d) Salmiakgeist

Farbstoffe

s. Kap. 42

10

1

25

70

25

10

CH 2 Cl 2

c) Phenol

Methylenchlorid

25

-

c 6 H50H HCOOH

C6 H5 cH 2 CH 3

10 ( 10

so

5

30 ( (

50 (

Anteil %

Ameisensäure

C2 H5 0CH 2 cH 2 0H

Ethylbenzol

CH 2 Cl 2 CH 30H CH 30CH 2 CH 20H

NaOH

CH 2 c1 2 c 6 H50H

Formel

Methanol Methylcellosolve Ethylglykol tCellosolve)

b) Methylenchlorid

Ätznatron

a) Methylenchlorid Phenol

Möbelbehandlun~

Bestandteile

~

Ul CO

Fungiziden und

CnHZn+ 2 (und z.T. Aromaten)

Testbenzin (Kp. 150-180°)

Farbstoffen bei Lasuren

ggf. noch mit Alkydharzen und

Terpentin

C6H4(CH3)2 c 2 H5 0cH 2 cH 2 0H

Cellosolve (2-Ethoxyethanol)

Xylol

5

50-80

70

10-60

1- 6

s. Kap. 35.3, 43.3

Lösemitteln wie

1-40

s. Kap. 35.3, 43.3

(PAH),

Insektiziden,

c) kombinierte Produkte mit

Phenole u.a.

Kohlenwasserstoffe

polycyclische aromatische

35

b) Carbolineum (Steinkohlenteerdestillat, Kp. > 270° C)

25

NaF

Natriumfluorid

25

K2cr 2o 7

Na 2 co 3

Kaliumdichromat

10

HOC 6 H3 (N0 2 ) 2

Di~itrophenol

Natriumcarbonat

a)

Holzschutzmittel

Anteil %

Formel

Bestandteile

Produktgruppe

Tabelle 55 (Fortsetzung)

!fl

Toluol/Xylol

mittal

Siliconöl

Benzine/Petroldestillate

~

R

i~i-Ol-n

R I

CnH2n+2

HO-C 6H4 -0cH 3

Guajacol

ätherische öle

CC1 2 =CHC1

C2 H50H

cnH2n+2c6H5cH3, c 6 H4 (CH 3 ) 2 CH 3 cooc 4 H9

H.,C--D---(H 2 CH 3

CnH2n+2

Formel

Trichlorethylen

Terpentinöl

Butylacetat Ethanol (Spiritus)

flüssige Mittel

Benzin/Petroldestillate

Möbelpolituren,

Möbelreinigungs-

synthetische Harze

Dipenten

Benzin (Petroleum)

Holzveredlungsmittel

(Möbelpflegemittel)

Bestandteile

Produktgruppe

Tabelle 55 (Fortsetzung)

30

( 20

10

5

2

10

10

5

30

30-100

25-50

5-15

so

Anteil %

"'

8:

Bestandte ile

Fleckentfe rner

Textilien

Bleichmit tel für

CC1 2 =CC1 2 CC1 2 =CHC1 c 6 H5 Cl

Perchloret hylen

d) Trichloret hylen Monochlorb enzol

f) Schwerben zin (Kp.150-18 0° C) Trichloret hylen

Perchloret hylen

Trichloret hylen

CnH2n+2 CC1 2 =CHC1

CnH2n+2 CC1 2 =CHC1 CC1 2 =CC1 2

CC1 2 =CHC1

c) Trichloret hylen

e) Benzin

c 6 H5 Cl

b) Monochlor benzol

50

50

5-25

50

25-45

20-30

70-80

33-70

50-70

100

100

4

NaHS0 3

CC1 2 =CHC1

8

a) Trichloret hylen

flüssig

Fettalkoho lsulfonat Natriumhyd :r·osulfi t

84

95-100

2-6

Anteil %

R-so 36 M81 (R=c 11 -c 17 J

Na 2 so 4

c) Natriumsu lfat

anion. Tenside z.B.

Na 2 (B0 2 H2o 2 ) 2 • 6 H2 0

NaOCl

Formel

b) Natriumpe rborat

a) Natriumhy pochlorit

43, 4.2 Behandlung von Textilien

Produktgru ppe

Tabelle 55 (Fortsetzun g)

81 ....

Imprägniermittel

CH 3 COOC 5 H11

Amylacetat 10 10

CH 2 =CHC1 CC1 2 =CC1 2 CH 3 CC1 3 C6H4(CH3)2 c 6 H5 Cl CHC1 3

Perchlorethylen

Trichlorethan

Xylol

Monochlorbenzol

Chloroform

I

R

CH 3 -ccl 3 -fCF 2 -CF 2 rn

Polyfluorkohlenwasserstoffe

R

-f1i-Ot

1,1,1-Trichlorethan

Silikon

a) Benzine

CnH2n+2

(CH 3 ) 2 CHOH

Isopropanel

flüssig

CnH2n+2 CC1 2 =CC1R

Tri- oder Perchlorethylen

i) Benzin

Spray

( 1

99

5

95

15

30

40

10

10

10

50

h) Trichlorethylen

b)

R = H,Cl

30

CH 2 cl 2 5

60

CC1 2 =CHC1

g) Trichlorethylen

Fleckentferner (Forts.)

Anteil %

Methylenchlorid

Formel

Bestandteile

Produktgruppe

Tabelle 55 (Fortsetzung)

gJ

~

Imprägniermitt el (Forts.)

a) Ammoniumbifluo rid Isopropanol oder Ethanol oder

Rostfleckentfer ner

s. Kap. 43.1 KOH; NH 3

flüssig

anionische Tenside

Ätzkali oder Salmiak

reiniger

CH 3 coo 9 NH 4 81

HF

NH 4 F • HF

(CH 3 ) 2 CHOH; C 2 H5 0H;

NH 4 F • HF

Polster- und Teppich-

Ammoniumacetat

Flußsäure

b) Ammoniumbifluo rid

Oxalsäure

s. Schädlingsbekä mpfungsmittel

(COOH) 2

CnH2n+2

Benzin

Mottenschutzm ittel

CH 3 COOC 4 H9

3

7-30

( 10

( 10

10

10-25

10

30 10

CC1 2 =CC1 2

10

10

40

Anteil %

---

Butylacetat

R

-ip-orn

I

R

CnH2n+2

CH 3-ccl 3

Formel

d) Perchlorethylen

Silikon

Benzin

c) Trichlorethan

Bestandteile

Produktgruppe

Tabelle 55 (Fortsetzung)

"'

"'

reiniger (Forts.)

Waschmittel

Wäscheweichspüler

nichtionische Tenside, z.B.

Laurylsäureethanolamid

Polster- und Teppich-

1-50

5-23 0,2-2

bis c 17 (NaOOC-CH 2 J 2 N-C 2H4-N(CH 2 COONa) 2

= c 15

Stabilisator: EDTA

R Na 2 so 4

R-COOeMe

0,1-0,4 0,5-3 [C 6 H10 _xo 5 (cH 2 COONa)x]n

Avivagemittel: Seife Stellmittel: Natriumsulfat

derivate Vergrauungsinhibitoren: Carboxymethylcellu:j_ose

20-36

1-8

5-22

s. Kap. 42.1

NaB0 2 H2 o 2

Bleichmittel: Natriumperborat

Weißtöner: Stilben- und Pyrazolon-

s. Kap. 43.1 Na 5 P 3o 10 I Zeolithe

0,5

2

s. Kap. 42.1

3-8

s. Kap. 43.1

0,3

10-25

( 5

7

2

Anteil %

(CH 3 ) 2 CHOH

K4 P 2 o 7

Na 2 so 4

R-CO-N(CH 2 -cH 2 -0H)2 mit R = c 11 H23 C2 H5 0H; (CH 3 ) 2 CHOH

Formel

Komplexbildner

Tenside

nichtionische und anionische

Weißtöner

anionischeund kationische Tenside Isopropanel

anionische oder amphotere-Tenside Phosphate, z.B. Kaliumpyrophosphat

~

Natriumsulfat

Isopropanel

Alkohole, z.B. Ethanol,

Bestandteile

Produktgruppe

Tabelle 55 (Fortsetzung)

§

s. Kap. 43.1 CH 3 CHO

Tenside

Acetaldehyd (40% Lsg.)

ätherische öle anionische und nichtionische

flüssig

1 '5

5

5 (CH 3 J 2 CHOH CnH2n+2

Isopropanel

Mineralöl

0,5

2

50-90

0,5-10

20-50

CH 3 CHO

c 2 H5 0H

s. Kap. 43. 1

Acetaldehyd

Spray

ätherische öle

verbesserer

ParfUmöle

Ethanol

ParfUm, Kölnisch Wasser, Rasierwasser, Haarwasser u. dgl.:

pflanzliche Öle, z.B. Sojaöl ätherische öle, z.B. oleum pini

Tenside (meist anionische)

Geruchs- und Luft-

Duftmittel

Badezusätze

und Luftverbesserer

43.4.3 Körperpflegemittel

0, 5-1 0,2

Enzyme, proteelytische

ParfUmöle

Anteil %

Waschmittel (Forts.)

Formel

Bestandteile

Produktgruppe

Tabelle 55 (Fortsetzung)

"'~

Haarpflegemittel

1

Polyethylenglycol

synthetische Wachse

ggf. Wasserstoffperoxid

H2o2

-+H 1C-CH+,;

I

Q:::::o

(CH 3 ) 2 CHOH

Isopropanel

Polyvinyl.pyrrolidon

c 2 H5 0H

Ethanol

2

2

9-40

20-40

40

kationische Tenside

Haarfestiger

40 ( 10

b) nichtionische Tenside

15

10-70

HOfCH 2 CH 2 0l-nH

anionische Tenside

a) Paradichlorbenzol

20-60

5

1

3

95

s. Kap. 43.1

(CH 2 0) n

Anteil % ~

1,4-Cl 2 c 6 H4

WC-Desodorierung

Chlorophyll

Paraldehyd oder Paraformaldehyd

ätherische öle (CH 3 CHO) 3 ;

wäßrige Chlorophylläsung

besserer (Forts.)

(Sticks)

C6 H5 C0 8 Nae

Natriumbenzoat

Geruchs- und Luftver-

~

Formel

Bestandteile

Produktgruppe

Tabelle 55 (Fortsetzung)

..., "' "'

s. Kap. 43.1 Tenside Lösungsvermittler: Dipropylenglykol (CH 3 -CHOH-CH 2 12 0 Uberfettungsmittel: EthylenoxidR-O-CH 2 CH 2 -0H, R kondensate

(Forts.)

Säuren: Phosphorsäure

Tenside

s. Kap. 43.1

H 3 Pö 4

NaBr0 3 ; H2 o 2

2. Fixiermittel: Natriumbromat oder Wasserstoff-

peroxid

s. Kap. 43.1

0

ionische Tenside

und jeweils anionische oder nicht-

säure (sauer)

b) Monoglycolether der Thioglycol-

HS-CH 2 -~-CH 2 -cH 2 0H

HS-cH 2 -cooH + NH 3

Dauerwellen-Präparate aus 1. Wellmittel: a) Thioglycolsäure + Ammoniak

(alkalisch)

c 2 H5 0H

Ethanol

Haarwasser

Parfümöle

Haarshampoos

Haarpflegemittel

Formel

Bestandteile

Produktgruppe

Tabelle 55 (Fortsetzung)

c15-c17

1 ,5-2

) 12

4-8

40-70

Anteil %



Autozubehör

43.4.4 Gebrauchsge genstände für Haushalt und Hobby

Nagellacken tferner

Nagelpflege mittel

2

s. Kap. 35.1.2

Wachse

1 R

R

-fL-oJ-

Tenside

Silikon

30

95-100

2

(CH 2 0H) 2

10-33 20-30

c 2 H50H

90-100

Anteil %

HCHO

CH 3 COOC 2 H5

Formel

CnH2+2 s. Kap. 43.1

Kerosen

Politur (Lack)

Ethylenglyc ol

Frostschutz (Kühlwasser)

s. Batterien

Autobatterie

Formaldehyd Spiritus melissae oder lavendulae

Nagelhärter

Ethylacetat

Bestandteile

Produktgrupp e

Tabelle 55 (Fortsetzung )

~ ....

Batterien

Ethylenglycol

Umweltgefährdung durch Quecksilber und seine Verbindungen

Mangan-Batterien

c 11 -c 17

Quecksilber-Batterien; Alkali-

metall.Zink, Kohle, Elektrolyt: 15 % NH 4 Cl, 15 % ZnC1 2 , 70 % Wasser

Kohle-Zink-Batterien

konz. Schwefelsäure

H2 So4

!H 2 Nl 2 co

Harnstoff

Auto-Batterien

R-CO-N(CH 2 CH 2 0H) 2 , R = (CH 3 ) 2 CHOH

C 9 H19 -c 6 H4 -0*C 2 H4 0rnH' n=5-10

c 12 H25

diethanolamid Alkohol, z.B. Isopropanel

Nonylphenolethoxylat Emulgator, z.B. Fettsäure-

Dodecylbenzolsulfonat nichtionische Tenside, z.B.

anionische Tenside, z.B. R-C 6 H4 -so e3 Na • , R =

(CH 2 0H) 2

Shampoo (Lack)

(CH 3 ) 2 CHOH

Scheibenenteiser

Autozubehör (Forts.)

Formel

Isopropanel

Bestandteile

Produktgruppe

Tabelle 55 (Fortsetzung)

32-40

3

1-2

8-10

20-30

20

80

Anteil %

~

"'

Klebstoffe

(CH 3 -CHO) 4

c 6 H4 (COOC 8 H17 J2 (CH 3 ) 2 Co; CH 3 COOC 2 H5 ; c 2 H5 0H

Ethanol

3

Dioctylphthalat Lösemittel: Aceton, Ethylacetat,

I

-fCH2-Tt-n CN

O=C-0-CH

Cyanacrylat

Cyanacrylat-Kleber

Polyvinylalkohol-Copolymer

Polyvinylalkohol

OH I ·-fCH 2 -cHt-n

CnH2n+2

d) Paraffin mit Sägemehl

Alleskleber

(CH 3 ) 2 GHOH

C6H12N4

c) Pasten mit Isopropanel

Hexamethylentetramin

b) Metaldehyd

schaum

a) Petroldestillate in KunststoffCnH2n+2

CnH2n+2

b) Petroldestillate

Anzündtabletten,.,_ würfel ,"- pasten

c 2 H5 0H

flüssig

Grillanzünder

Formel

a) Spiritus (Sicherheitsflasche!)

Bestandteile

Produktgruppe

Tabelle 55 (Fortsetzung)

)

50

5

90

100

100

95

100

100

Anteil %

~

HCl H3 Po 4 C4 H9 0H

b) Salzsäure

c) Phosphorsäu re

Metalle

Ethanol

c 2 H5 0H

H3 Po 4

a) Phosphorsäu re

Rostentferne r für

Butanol

CnH2n+2

Paraffinöl

[C6H10-x05(C H2C02Na)x]n

Carboxymeth ylcellulose in Wasser

Nähmaschine nöl

Kühltaschen

Kühlelemente für

c 6 H4 (COOC 4 H9 ) 2 (CH 3 ) 2N-C 3H6 -NH 2

c16H12

C6H5 c 6 H5 CH 3 ; CnHn+ 2 ; CH 3 -co-C 2 H5 ;

Binder: Epoxidharz Dibutylphth alat Härter: Dimethylami nopropylamin

Zweikompone ntenkleber

Lösemittel: Toluol, Benzine, Methylethylk eton, Cyclohexan

Polystyrol

Styrol-Klebe r -fCH 2 -yHtn

CnH2n+2 c 6 H5 CH 3 CH 3 COOC 2 H5

Lösemittel: Benzine Toluol Ethylacetat

s. Kap. 41 s. Kap. 41

Neopren-Kle ber

Klebstoffe (Forts.)

Formel

Polychloropr en Phenolforma ldehydharz

Bestandteile

Produktgrupp e

Tabelle 55 (Fortsetzung )

5

5

30

33-50

94-99

100

6

10

10

30

20

30

30

( 10

( 20

Anteil %

"'"'.....

Tinten und Tuschen

Quecksilberthermom eter, z.B.

0,2 % 39,5 %

(COOHI 2

Feso 4

Eisen-(II)-sulfat

H2 so 4

C6 H5 0H; HCHO s. Kap. 43.1

C6H10°S

(CH 2 0H) 2 CHOH

s. Kap. 42

metall.Quecksilber

Formel

Oxalsäure

wie blaue Tinte, zusätzlich mit

schwarze Tinte

Schwefelsäure (30 %)

anionische Tenside

Formaldehyd

Verdickungsmittel, z.B. Zucker Konservierungsmitt el, z.B. Phenol,

Glycerin

%

0,3 %

so

8 %

Triarylmethan-F.,

Monoazo-F.

Farbstoffe: z.B.

blaue Tinte

Wasser

Kaliumhydroxid

Phenolphthalein

mit roter Anzeige: Ethanol

Kupferacetat

Badethermometer, quecksilberfrei, mit blauer Anzeige: Ethanol 50 % Ammoniakwasser 42 %

Fieberthermometer

Bestandteile

Produktgruppe

Thermometer

Tabelle 55 (Fortsetzung)

0,6

0,03

0,2

2

2

5

1-2 ml Inhalt

1 ,5-1, 7 g

Anteil %

~

Ruß

(Forts.)

Zündhölzer

schwarze Tusche

Tinten und Tuschen

und Zinkoxid

Oberallanzünde r wie vor, zusätzlich Eisenoxid

ZnO

FeO

P4S3

Schwefel Phosphorsesqui sulfid

Leim

NaCl0 3

s

K 2 cr 2 o 7

p

H2 o

c 6 H5 0H

c

Formel

Natriumchlorat

Zündholzkopf (Sicherheitszün dholz)

Bimsstein

Leim

Reibfläche: roter Phosphor, Kaliumdichroma t

farbige Tusche wie schwarze Tusche, jedoch Ruß ersetzt durch organische Farbstoffe

Lösemittel: Wasser

Phenol

Gelatine

Schellack

Bestandteile

Produktgruppe

Tabelle 55 (Fortsetzung)

10-15

1-10

2-6

30-55

5,6

1 '5

6

Anteil %

!8

Pflanzen~chutz

c 6 H4 (COOCH 3 ) 2

Ethanol oder Isopropanel

Dimethylphthalat

phenyl-N-methylcarbamat)

(3,5-Dimethyl-4-methylmercap to-

b) Mercaptodimethur

0

(CH 3 -CHO) 4 CH 3 -NH-l-o-C 6 H2 (CH 3 ) 2 (SCH 3 )

(C 2 H5 ) 2 N-CO-C 6 H 4 -cH 3 C 2 H5 0H; (CH 3 ) 2 CHOH

Diethyltoluamid

Insektenvertreibungs-

mittel (Repellents)

a) Metaldehyd

s. Kap. 43.4

Schneckenkörner

s. Kap. 43.3

PS-Schrift

Insektizide

s. Kap. 43.3

Rodentizide

s. Kap. 43.3

CH 3 -co-cH 2 -c(OH) (CH 3 ) 2

Insektizid

d) Diazinen

Diacetonalkohol

(CH(OH)-C00) 2 Sb0K

(C 5 H5 HN) 2 C=S

c) Kaliumantimonyltartrat

Piperonylbutoxid

b) Pyrethrum-Extrakt (25 %)

Zuckersirup

a) Diphenylthioharnstoff

Formel

Fungizide

u.

Bestandteile

Herbizide

Ameisenbekämpfung

Düngemittel

Schädlingsbekämpfung;

43.4. 5

Produktgruppe

Tabelle 55 (Fortsetzung)

5-6

1-2

50

25

) 50

10

1 ,6

5

Anteil %

g

a) p-Dichlorben zol

Mottenschut zmittel

Nitrate und/oder

-

s. Kap. 43.2

Mineraldüng er (N-P-K-Dünge r)

C6H10°5 KN0 3 KAl (S0 4 ) 2 • 12 H2o CC1 3CH(OH) 2

KN0 3 , NH 4 No 3 (NH 4 t 2 HP0 4

~

(0

;&90

Cl 2 c 6 H4

Formel

Hydroxychin olincitrat

Chloralhydr at

Kalialaun

Kaliumnitra t

~ Glucose

Phosphate

flüssig

Düngemittel (für

Schnittblume n)

c) Naphthalin

b) Kampfer

Bestandteile

Produktgrupp e

Tabelle 55 (Fortsetzung )

2

1, 5

8

3,6

90-94

16

23

Anteil %

~

0

"'

Allzweck reiniger

Na5P3010 NaB0 2 H2 0 2 K 2 co 3

Kaliumca rbonat

Polyphos phate

Natriump erborat

s. Kap.

43. 1

(NaOOC-CH 2 ) 2 N-C 2 H 4 -N(CH 2 COONa) 2

Enthärte r: EDTA

~ anionisch e Tenside

(H 2 N) 2 co; (CH 3 ) 2 CH-C 6 H 4 -so~Nae

Lösungsv ermittler : Alkohol; Harnstof f; Cumolsul fonat

C 2 H5 0H;

Na5P3010

Na 2 co 3 ;Na 2 sio 3 ;R-CQ0 6 Me, mit R = c 1 5 -c 17

NH 3

s. Kap. 43. 1

Polyphos phate

Natriumc arbonat oder Natriummetasili kat oder Seife

Ammoniak

Tenside

Natriumn itrat

Oberfläch en)

NaN0 3

flüssig anionisch e und nichtion ische

Al

NaC0 3

NaOH

NaOH

Formel

Soda (wasserf rei) Aluminiu mgranula t

b) Ätznatro n

a) Ätznatro n

Bestandt eile

(Univers alreinige r für

fest

(Rohrrein iger)

Abflußre iniger

Sanitär u. Haushalt

43.4.6 Reinigun gs- u. Putzmitt el f. Küche,

Produktgr uppe

Tabelle 55 (Fortsetz ung)

5

5

20-90

2

( 40

(

5

5-20

0,1-0, 4 ( 4

5-20

15

2

13

70

100

Anteil %

"'

~

K4P207 s. Kap. 43.1

Kaliumpyrophosphat

nichtionische Tenside

Bodenpflegemittel

Badewannenreiniger

HO-CH 2 -cH 2 -NH 2 Na 3 Po 4

1 4' 1 6

Wachse, Paraffin

Terpentinöl

b) Benzine (Kp. 150-180° C)

ggf. nichtionische Tenside

Wachse, Paraffin

a) Benzine (Kp. 150-180° C)

Spiritus

s. Kap. 35. 1. 2

CnH2n+2 u. z.T. Aromaten Terpene u.a.

CnH2+2 u. z.T. Aromaten s. Kap. 35. 1. 2 s. Kap. 43.1

10-35

40-90

80-100

2

20

CH 3 (CH 2 )nCOOe Na$, K$; n

b) Kern- und Schmierseife

c 2 H5 0H

20

Propylenglykol

H2 N-S0 2 -0H CH 3 -CHOH-CH 2 0H

8

pH 11,5

5

15

pH 13

10

5

-

a) Arnidosulfonsäure

mit Wasser

anionische u. nichtionische Tenside -

Natriumphosphat

Ethanolamin

Spray

mit Wasser

NaOH

flüssig

Natriumhydroxid

reiniger

20

Backofen- und Grill-

20

NaHC0 3

Anteil %

Na 2 co 3

~ Natriumcarbonat Natriumhydrogencarbonat

(Forts.)

Allzweckreiniger

Formel·

Bestandteile

Produktgruppe

Tabelle 55 (Fortsetzung)

0>

0

"'

Entkalkungsmittel

Anunoniak

(C4H 9 -o-c 2 H4 -o) 3 PO HCHO

Tributoxyethylphosphat

Formaldehyd

d) Ameisensäure

Dextrose

Phosphorsäure

c) Salzsäure

HCOOH

H3 Po 4 CHO-(CHOH) 4 -cH 2 0H

HCl

H2N-S0 2 -0H R-C 6 H4 -otcH 2 -cH 2 -otnCH 2 -cH 2 -0H

b) Arnidosulfonsäure

Alkylphenolpolyglykolether

HCOOH

a) Ameisensäure (f. Bügeleisen)

cooezn2~

-fCH 2 -yHtn

Na5P3010

Polyphosphat

C6H5

-fyH-CH 2+n

Zinkpolyacrylat

NH 3

Anunoniak

flüssig

e)

HOCH 2 CH 2 NH 2 s. Kap. 43.1

Ethanolamin

Na 2 Si0 3

anionische Tenside

d) Natriummetasilikat

NH 3

-fCH2-TH,_n ; coo 8 Mo

Polyacrylat- und Polystyrol-

emulsion

-fCH 2 -cH 2,_n

Bodenpflegemittel

Polyethylenwachs

s. Kap. 43.1

(Forts.)

Formel

Bestandteile

c) nichtionische Tenside

Produktgruppe

Tabelle 55 (Fortsetzung)

0,1

10

2

5

2

15

10

20

5

2

5

55-95

10

( 10 ( 10

(

( 10 5 (

(

Anteil %

"'~

Geschirreinige r

Zitronensäure ~-COOH

OH

H3 c-c 6 H4 -so 2 -N-ClNa

e

$

Na5P3010 (CH 3 C00) 2 N-CH 2 -cH 2 -N(CH 3C00) 2 Na 4

Emulgator, z.B. Polyphosphate Stabilisator, z.B. EDTA Desinfizentien , z.B. Na-p-Toluol-

sulfonchloramid

Alk-c 6 H4 -0tCH 2 -cH 2 -otnH' Alk = c 6 - c 12 ; n = 5-10

Alk-C 6 H 4 -so~Na$, Alk= c 11 -c 13

C6H5N3 s. Kap. 4 3. 1

Nacl 2 (NC0) 3 Na 2 B 2 o 4 (0H) 4

Na5P3010 Na 2 Sio 3 Na 2 co 3

(CHOH-COOH) 2 H2 N-S0 2 -0H s. Kap. 41.5

(HOOC-CH 2 ) 2

Formel

nichtionische Tenside, z.B. Alkylphenolpol yglykolether

benzolsulfonat

anionische Tenside, z.B. Alkyl-

Han_dspülmittel

nichtionische Tenside

Natriumperbora t Benzotriazol

Natriumcarbona t Natriumdichlor isocyanurat

Natriumtriphos phat Natriummetasil ikat

für Spülautomaten

Ionenaustausch er

c) Amidosulfonsäu re d) anionische und kationische

b) Weinsäure

a)

fest

Entkalkungsmit tel

(Forts.)

Bestandteile

Produktgruppe

Tabelle 55 (Fortsetzung)

2

10

1-20

1-22

0,3

0,5

1-2

5-13

10-35

40-65

93

100

90

Anteil %

0

"'

m

Metallputzmittel

Klarspüler für Spülautomaten

(CHOH-COOH) 2 H3 C-CH(OH)-COOH

Zitronensäure

Weinsäure

(

10

(HOOC-CH 2 ) 2 COHCOOH

Ammoniak oder Ethanolamin

10 15 10; 2

C 9 H19 -c 6 H4 -0H R-COO - M+ ; NH 3 s. Kap. 43.1 (HO-C 2 H4 ) 3 N

Nonylphenol

Seife, Ammoniak

Tenside, Triethanolamin

nichtionische oder anionische

( 10;

10-35 (CH 3 -CHOH-CH 2 ) 2 0

(

Dipropylenglycol

5 5

10

nichtionogene Tenside

Natriumcitrat

Cumolsäure

(CH 3 J 2 CH-C 6 H4 -COOH (NaOOC-CH 2 ) 2 C(OH)-C008 Na• s • Kap. 4 3 • 1. 1

Milchsäure

10-20

NH 3 ; HOCH 2 CH 2NH 2

1

CH 3 CHOHCH 2 oc 2 H5 ;cH 2 0HCH 2 0C4H 9

Ethylenglykolmonobutylether

Propylenglykolmonoethylether oder

R-O-(C 2 H4 o) 2 -so e3Na • , R = c 12H25 ethersulfat nichtionische Tenside, z.B. FettalCH 3iCH 2 tnCH 2 0iCH 2 CH 2 -otnH koholethoxylat 10

9-35

(CH 3 ) 2 CHOH

Isopropanel

Glasreiniger

anionische Tenside, z.B. Lauryl-

5

C2 H5 0H

Handspülmittel Alkohol, z.B. Ethanol

(Forts.)

Geschirreiniger

5

Anteil %

Formel

Bestandteile

Produktgruppe

Tabelle 55 (Fortsetzung)

"'

~

Schuhpflege mittel

(Sanitärrein iger)

WC-Reiniger

Metallputzm ittel (Forts.)

Produktgrupp e

Tabelle 55 (Fortsetzung )

(H 2N) 2 C=S CaC0 3 ; -

Kreide, Bimsstein

5

CnH2n+2 s. Kap. 35.1.2

c 15

Benzine

s. Kap. 43.1 R-COO - M+ , R =

bis

c 17

10-30

15-70

20-50

0,2

2

(berechnet als aktives Chlor)

NaOCl

37

15

30

1

70-95;15

< 20;

Schwimmbad-Chemikalien

Tripolyphosphate

Entkalkung

Benzalkoniumchlorid

Algenbeseitigung

e

Cl ,

Na5P3010

R = c 8 H17 bis c 18 H37

C6 H5 -cH 2 -N(CH 3 J 2 R

0

e

1.3.5-triazin-2.4.6-trion)

II

Cl ,N "-/ N'Cl

Trichlorisocyanursäure (Trichlor-

I

Cl

o""( N 'i""o

Chlorstabilisierung

Natriumhypochlorit

Calciumhypochlorit, gelegentlich

Ca(OC1) 2 ; NaOCl

s.Kap.35.1.2

Desinfektion

CH 3 (cH 2 J 12 cOOCH(CH 3 ) 2

1sopropylmyristinat

R

I

I -fSi-Ot

Wachse

Silikonöl

Isopropanel

(Forts.)

3

3

20-40

(. 20

CH 3 cooc 4 Hg (CH 3 ) 2 CHOH

Butylacetat

Schuhpflegemittel R

Anteil %

Formel

Bestandteile

Produktgruppe

Tabelle 55 (Fortsetzung)

CD

g:

Teil IV

Methodenregister und Nomenklatur

44 Methodenregister

Die Einteilung dieses Buches nach Verbindungsklassen führt dazu, daß die in Praktikum und Labor wichtigen Synthesemethoden der organischen Chemie über das Buch verstreut sind. Die folgenden Tabellen sollen daher die Darstellungsverfahren ergänzen und in einen allgemeinen Zusammenhang bringen. Auf die entsprechenden Kapitel wird verwiesen. Beachte auch die Synthese-Tabellen für N-haltige Verbindungen in Kap. 20.3 (Tabelle 16).

44.1 Substitution eines H-Atoms durch eine funktionelle Gruppe KohlenwassePstoffe sind Ausgangsprodukte für viele Derivate, deren funktionelle Gruppen sich oft schnell und selektiv umwandeln lassen. Wegen de·r vergleichsweise geringen Reaktionsfähigkeit sind oft Reaktionsbedingungen erforderlich, die zu Nebenprodukten führen. Einige Verfahren werden großtechnisch durchgeführt.

Kapitel

Verfahren Alk-H +

so 2 c1 2

(oder Cl 2 ) Peroxid Alk-cl

3.1.3; 4.4

Alk-H + Br 2 ~ Alk-Br

3.1.3;4.4

)C=C-~-H

4.4

+ NBS ___. )C=C-t-Br I I

I I Ar-H + Cl 2 ~ Ar-cl Ar-cH 2-R + Cl R-cOCH

3

RCH COOH

2

+ Br

+

B

2

2 r2

9.5.3

~ Ar-eH-R I Cl

Säure oder RCOCH Br Base 2 roter p R-cHCOOH

1

9.5.8

21 .8. 4 23.2

Br Ar-H + HN0 3 -

Ar-N0 2

9.5.1

614

Ar-H + H2 so 4 oder so 3 ___. Ar-S0 3 H Ar-H + Cl-S0 3 H ___. Ar-S0 2Cl

9.5.2

Ar-H + eN -Ar' ---+ Ar-N=N-Ar'

20. 1.1

2

17.3

44.2 Ersatz funktioneller Gruppen durch H-Atome Dieser Vorgang ist dann wichtig, wenn Produkte auf verschiedenen Wegen gewonnen werden sollen (z.B. zum Strukturbeweis durch Synthese) oder bei der Strukturaufklärung (z.B. durch Abbaureaktionen).

Kapitel

Verfahren H2/Pt >c=c< oder -c=c- - - + LiAlH4 R-Br ------+ R-H

I I

-c=O Zn/Hg,He )CH2

21.3 .2

N2 H4 ,0H 9

)C=O

)CH 2

21 .3. 2

R-cOOH Erhitzen R-H

13.5. 2

H,P0 7 Ar-Ne~ Ar-H

20.1 .2

R-SH, R-S-R oder R-S-S-R Raney-N\ R-H

47.7

2

Weitere Beispieles. Tabelle 57 u. 58, Kap. 44.7.

44.3 Umwandlung funktioneller Gruppen ineinander In der Regel geht man bei einer Synthese von Verbindungen aus, die eine oder mehrere funktionelle Gruppen tragen. Falls bei den vorgesehenen Reaktionen eine Gruppe nicht reagieren soll, wird diese durch Schutzgruppen geschützt. Nach Abspaltung der Schutzgruppe steht die funktionelle Gruppe wieder zur Verfügung. Man hat daher viele Verfahren erarbeitet, die es ermöglichen, eine funktionelle Gruppe in eine andere umzuwandeln. Wegen ihrer hohen Reaktionsfähigkeit und leichten Zugänglichkeit nehmen Halogen-Verbindungen dabei eine wichtige Stellung ein (abwandelbar durch Substitution, Eliminierung, Organometall-Verbindungen) .

615

Kapitel

Verfahren

Darstellung von Alkenen H H I I H2,Pt R-c=C-R' - - + R-c=C-R'

5.3.1

(cis)

He I I H-c-c-oH ---+ )C=C( + H2 0

13.2.1

H--c=O

Druck

ArCHO

)C=CH 2

~

ArS0 3 Na

20.1 .3 20.2

RCH(OH)CN Base

---+

NaCN !::.

~

9.5.7

11.4 .1

$ Cu 2 (CN) 2 ArN 2 · ArCN CH N RCOCl ___1.._4 RCH 2 COOH Ag20 RCOR'

7

26.4.5

AlkX +. CN 9 ---+ AlkCN

ArCHO + CH 3 No 2

26.4.2.2

21 .4. 4 ArCH=CHN0 2

ArCN

19.2 9.5.2

Kettenverlängerung um 2wei Atome

15.2 Malonester-Synthese ArCHO

CH 3 COONa (CH3CO) 20

ArCOOEt RCHO

24.3.4.1

ArCH=CHCOOH

CH 3C00Et NaOEt ArCOCH 2 COOEt

Zn RCH(OH)CH 2 C00Et BrCH2COOEt

AlkBr + Na$

~=CH

-

AlkC=CH

21.8 .3. 2

24.3.1 23.5.1.1 11.4. 5

Kettenverlängerung um drei Atome

I I I I I RMgX + )C=C-c=O ---+ RT-cH-c=O

26.4.2.3

621

Verfahren RMgX +

Kapitel

BrCH 2 CH~cH 2

RCH(COOEt) 2 +

---+

I I

>c~c--c~o

RCH 2 CH~CH 2

EtOOC Base I I I I

-

R-c-c-c-c~o

I I I EtOOC H

26.4.2.3

21.8.3.4

Verzweigungsreaktionen

Grignard-Reagens + Aldehyd, Keton, Ester oder Säurechlorid

26.4.2.2

Malenester-Synthesen

24.3.4.1

Acetessigester-Synthesen

24.3.3.1

Kupplungsreaktionen

(C-C)

RCHO ~ RCH(OH)COR; R

Ar, Alkyl

RCOOe Elektrolyse R-R

21.5. 2 3. 1. 2

Ringschlüsse

)(

+ ICCl 2

-

~/Cl

.k"'ct

1,1- Cycloaddition

28. 1. 3

1,4- Cycloaddition

6. 1 ; 29. 3. 1

C

OH OH

C

COOH

COOH

14.5

0-o

21.4. 3

Claisen-Reaktion

21.4.3

Aldol-Reaktion

21.8. 3. 4

44.5 Spaltung von C-C-Bindungen Bei Synthesen müssen oft Gruppen eingebaut werden, die dann in einem späteren Schritt wieder entfernt werden müssen. Einige mögliche Abbau-

622

reaktionen sind: Verfahren HO OH

I I

Kapitel

HI04

-c-c- - I I

>C=C(

RCOCH 3

)C=O + O=C(

o 3 /Red od. Pb(OAc)4 Br 2 /0H 9

14.5

)C=O + O=C(

14.5; 5.3.3

RCOOH

21.8. 4. 2

RCOOH - R H + C0 2

13.5. 2

RCONH 2 ~ RNH 2

1 8. 1

RC00 9 Age

Br

~ RBr

11.3

44.6 Oxidationsreaktionen In der organischen Chemie sind Oxidationsreaktionen häufig Dehydrierungsreaktionen, d.h. es wird Wasserstoff aus dem Substrat entfernt. Daneben können auch C-e-Bindungen oxidativ gespalten werden. Man beachte, daß sich bei manchen Reaktionen die Stereochemie der Reaktanden ändert. So können bei der Oxidation von sekundären Alkoholen Enantiomere "verschwinden":

Ox.

Ox.

Red.

Red.

Bekannte Oxidationsmittel sind cro 3 oder Na 2cr 2o 7 in 0,5 M H2 so 4 (Jenes Reagens) oder Cr0 3 /Pyridin in CH 2 c1 2 (Collins Reagens) . Zur Oxidation von Alkyl-Arornaten in der Seitenkette dienen u.a. HN0 3 , KMn0 4 und das Jenes Reagens. C-e-Bindungen können oxidativ gespalten werden mit Ozon, das aus einem Alken nach Aufarbeitung zwei Carbonyl-Verbindungen liefert (Ozonolyse). Andere Oxidationsmittel wie Oso 4 und KMno 4 liefern zunächst 1,2-Diole, die danach zu Carbonyl-Verbindungen gespalten werden können. Aromaten reagieren erst bei Zimmertemperatur mit Ozon, Alkene schon bei tieferen Temperaturen. Aromaten können aber auch katalytisch mit gespalten werden.

v2 o 5

unter Verwendung von Luftsauerstoff

623

Tabelle 56. Oxidationsverhalten einiger funktionel-ler Gruppen Oxidationsmittel

Edukt prim. Alkohol

R-cH20H

prim. Alkohol

R-CH20H

Oxidationsprodukt

Aldehyd

CuO (CualsKat.)

Carbonsäure

Keton sek. Alkohol

R1-cH-0H k2

~OH 1 ,4-Diphenol

p-Chinon

-~

HO

1, 2-Diphenol prim. aliphat. Amin (mit tert. C)

u

~~OH

o-Chinon

OH

R3C-NH 2

aliphat. Nitro-Verb.

KMn0 4

Amin-N-oxid

tert. Amin aromat. Amin

Ar-NO

aromat. Nitrose-Verb.

aromat. Amin

Ar-N=N-Ar

aromat. Azo-Verb.

Ar-N=N-Ar

aromat. Azo-Verb.

R-N=C=O

Isocyanat

Diarylhydrazin

Ar-NH-NH-Ar

NaOBr Pb(CH3C00)4 c1 2 ,

Isocyanid

(H 3C) 2 so

Thiol

Alk-SH

o2

Thiophenol

Ar-SH

H202

Thiol

Alk-SH

R-so 3 H

Thiophenol

Ar-SH

Ar-S0 3 H

R-S-R

R-1

oder

Alk-S-S-Alk Ar-S-S-Ar

Disulfid Sulfonsäure

0

Sulfid

Sulfid

R-S-R

'

~

R-S-R

II

0

Sulfoxid

R

Sulfon

624

0

Co II

II

0 Molein säureo nhydri d

Benzol

Weitere Beispieles. Tabelle 56 und Kap. 44. 5.

44.7 Reduktionsreaktionen Reduktion bedeutet in der organischen Chemie oft die Aufnahme von Wasserstoff. Für die Reduktion funktioneller Gruppen stehen zahlreiche Reduktionsmittel zur Verfügung, von denen einige selektiv bestimmte Gruppen reduzieren. Man beachte, daß Hydrierungen mit H2 /Kat. stereospezifisch ablaufen und dabei diastereomere Produkte entstehen. so können z. B. aus Ketonen Racemate erhalten oder cis-trans-Isomere gebildet werden:

OH

0

O!!_·H II

Ho·/!J:R

R

Red.

··H

+

Von besonderer Bedeutung im Labor sind Reduktionen mit Metallhydriden. NaBH 4 ist weniger reaktiv als LiAlH 4 ; B2 H6 reagiert auch mit nicht aktivierten C=C-Bindungen. Ein sehr selektiv wirkendes Reduktionsmit3 ) 3 J3" Es reagiert mit Estern und Säuren; mit Säurechloriden in der Kälte zum Aldehyd, in der Wärme dagegen zum tel ist Li$

6 AlH[OC(CH

primären Alkohol. Verlauf der Reduktion mit BH: in Methanol: BH

e

+

4

+

Reduktion mit LiAlH 4 : H C 3

"""

"'- "'"'(',66

C=O

H

+

Ie

Li®

H -Al- H

HC/~1 l

H

Aceton

Weitere Beispiele enthalten die Tabellen 57 und 58,

I so pro po not

625

Tabelle 57. Reduktionen mit Hydrid-Ionen Edukt

Reduktionsmittel

Produkt

NaBH4 in B2H6 in THF C2HsOH R1-CH=CH-R 2

0

Alken 0 R-e~ 'H

Trialkylboran (Hydroborierg.)

X

X

X

X

Aldehyd R1-c/J 'R2 Keton 0 R-< OH Carbonsäure 0 R-e~

'c1

0

+

R-cH 2--oH prim. Alkohol

++

+

R1-cH--oH

++

+

R-cH 2--oH prim. Alkohol

(+)

0

R-cH 2--oH prim. Alkohol

++

0 R-e 2u 2o 7 • Teilweise fällt auch MnO(OH) 2 . - Im Filtrat (Zentrifugat) befinden sich die Elemente der "Ammoniumsulfid-Gruppe im engeren Sinne" (Mangangruppe): co 2+, Ni 2+, Mn 2+, zn 2+ (neben den Alkali- und Erdalkalielementen) .

/i~ CH2 CH

CH2

I

N/

2

CH:!,CH21 'N

~/ CH 1

a) Konstitutionsformel von Urotropin

b) In die Papierebene projezierte Konstitutionsformel

Abb. 8 a u. b. Hexamethylentetramin (Urotropin)

Hydrolysentrennung ohne seltenere Elemente (Schema s. 88) Durchführung

versetzt die HCl- bzw. H2so 4-saure Lsg. der Analysensubstanz unter Rühren solange mit (NH 4 >2co 3 -Lsg., bis sich der bildende Nd. gerade nicht mehr auflöst.

~Man

. Lsg. cro 2- oder Mno - , so ist sie gelb oder violett geEnthält d~e 4 4 färbt.·Man versetzt sie in diesem Fall mit Ethanol, verdampft das überschüssige Ethanol und hat damit Mn(VII) zu Mn(II) und Cr(VI) zu Cr(III)·reduziert. - Man löst den Nd. mit einigen Tropfen verd. Salzsäure, fügt~~ hinzu und kocht auf. man das Filtrat der H2S-Fällung, so wird dieses zunächst durch Aufkochen von H2s befreit, dann zur Oxidation von Fe 2+ zu Fe 3+ mit einigen Tropfen konz. HN0 3 versetzt und erneut gekocht. Anschließend verfährt man wie oben.

~Verwendet

- Zur siedenden Lsg. läßt man eine 10 %-ige wäßr. Lsg. von Urotropin zutropfen und kocht einige Minuten. Der pH-Wert der Lsg. muß zwischen 5 und 6 liegen. -Es bildet sich ein Nd., der Fe(OH) 3 • aq (rotbraun), Al(OH) 3 • aq (weiß), Cr(OH) 3 (hellgrün), FeP0 4 (weißlich) enthalten kann. - Die Lsg. kann enthalten: co 2+, Ni 2+, Mn 2+, zn 2+, Erdalkali- und Alkali-Elemente. Aufarbeitung des Nd.: Der abgetrennte Nd. wird mehrmals mit heißem Wasser ausgewaschen und unter Erwärmen in verd. Salzsäure gelöst. Zum Nachweis von Fe 3 +, Al 3 +, cr 3 + s. s. 96, 98, 99. Weiterverarbeitung des Filtrats (Zentrifusats); Das Filtrat der Hydrolysentrennung wird - falls nötig - eingeengt, schwach ammoniakalisch gemacht und in der Hitze mit einem geringen Uberschuß an Ammoniumsulfid versetzt. Der Nd. kann enthalten: CoS/Co 2s 3 , NiS/Ni 2s 3 , Mns, Zns. - Der ~nalysengang ist von hier ab analog zu dem auf s. 81 benen Trennungsgang der Ammoniumsulfid-Gruppe.

beschrie-

Morinna' s. unten!

Alae

AI(OHh Fe(SCN)a

Feae

Fe(OHh

Nachweis als BaCr04 oder als CrOs

I

eroi 9

JI

[Al(OH)4f Cr0429

Crae Feae

Cr(OHh Fe(OH)a

Al(OHh

Feae

Crae

Alae

Ni2e

Nachwe Co(SCN

/

/+verd.HQ Feae +KSCN lachweis als Fe(SCN)a li-Diacetyldioxim

I

+ Pb02 +HN0 3 Mn049

Mn2e

Mn2e

+KSCN

+ verd. HCI

Nachweis mit Morin

I

Al(OH)a

zn2e

+CH 3COOH + BaCI2

+NH4Cl

+ einige Tropfen HNOa + 20%ige NaOH + 3%iges H202

Nachweis mit Ka[Fe(CN)6] + Diethylanilin

I

BaCr041 [Zn(OHh:f

[Zn(OHhf

[Zn(OHh:f

CrOi 9 croi 9

zn2e

zn2e

Crae

Cr(OHh ZnS

Crae

Fitrat für (NH4hS.Fällung der Mangangruppe

Co2e

Schema der Wasserstoffperoxidtrennung der (N~) 2 S-Gruppe ohne seltenere Elemente +NH4C Alae Co2e Ni2e Fe2e/Fe3e Mn2e +NH 3 +(NH4hS Al(OH)a CoS/Co2Sa NiS/Ni2Sa FeS/Fe2S3 MnS +verd. HCI Mn2e Alae CoS/Co2Sa NiS/Co2S3 Fe2e + verd. CH 3COOH Co2e Ni2e Fe(OH)a MnO(OHh + 30%iges H202 [Al(OH) 4 f

+NH4Cl

+NaOH +H202

verd. HCI

+Urotropin pH= S-6

Schema der Hydrolysentrennung der Eisengruppe ohne seltenere Elemente

m

Hydrolysentrennung mit selteneren Elementen (Schema

s.

93)

Erfaßte Metalle: Al, Cr, Fe, Ti, Be, V, W, Th, Zr, Ce, U (Ni, Co, Zn, Mn) Bei Anwesenheit der selteneren Elemente empfiehlt es sich, die Hydrolysentrennung

~

der

Mfu~oniumsulfid-Fällung

vorzunehmen.

Vorbereitung der Probenlösung

!L

Man versetzt die salz- bzw. schwefelsaure Lösung der Analysensubstanz unter Rühren solange mit (NH 4 ) 2co 3 -Lsg., bis sich ein entste-

hender Nd. gerade nicht mehr auflöst. Ist die Lösung gelb oder violett gefärbt bzw. zeigt sie eine Mischfarbe, versetzt man sie zur Reduktion von cro 4 2 - und/oder Mno 4 - mit Ethanol und verdampft das überschüssige Ethanol auf dem Wasserbad. Den Nd. löst man in einigen Tropfen verd. Salzsäure, versetzt die Lösu~ zur Oxidation von Fe 2+ zu Fe 3 + mit einigen Tropfen konz. HN0 3 und kocht kurz auf. Anschließend fügt man

~4 ~

hinzu und kocht er-

neut. man das Filtrat (Zentrifugat) der H2 S-Fällung, wird dieses zunächst durch Aufkochen von H2 s befreit. Anschließend verfährt man wie unter a) beschrieben.

~Verwendet

Beachte:

~ der Fällung mit Urotropin muß auf Fe 3+ geprüft werden.

2~ 3s. hierzu S. 82 . Wird nämlich die Anwesenheit von P0 4 , wo 4 oder vo 3 vermutet, versetzt man die Probenlösung vor der Fällung

mit Urotropin mit einer angemessenen Menge

~3~

Durchführung der Hydrolysentrennung

Zur siedenden Probenlsg. läßt man eine 10 %-ige wäßr. Lsg. von Urotropin zutropfen und kocht einige Minuten. Der pH-Wert muß dabei zwischen 5 und 6 liegen. Es bildet sich ein Nd., der folgende Zusammensetzung haben kann: Fe 2 (wo 4 ) 3 , Al(OH) 3 , Be(OH) 2 , FeV0 4 , Cr(OH) 3 , (NH 4 ) 2u 2o 7 , Zr(OH) 4 , Ti(OH) 4 , (Fe(OH) 3 , FeP0 4 ), Ce(OH) 3 , Th(OH) 4 . Be 2+ und ce 3+ werden u.U. nicht vollständig gefällt. Man kocht deshalb das Filtrat F. mit einigen Tropfen konz. der Urotropin-Fällung hinzugefügt.

~-Lsg.

Der Nd. wird

Das Filtrat (Zentrifugat) kann enthalten: Co, Ni, Zn, Mn s.S. 83. Kationen der Ammoniumcarbonat-Gruppe s.S. 79, Kationen der "Löslichen Gruppe" s.S. 72 und wird zum Nachweis dieser Gruppen benutzt.

90

Aufarbeitunq des Nd. der Urotropin-Fällunq Der abgetrennte Nd. wird mehrmals mit heißem Wasser ausgewaschen und unter Erwärmen in verd. Salzsäure gelöst. Die erkaltete Lsg. wird mehrmals

mit~

ausgeschüttelt.

1) Dieetherische Phase enthält FeC1 3 _und wird verworfen. 2) Die wäßr. Phase enthält alle übrigen Kationen sowie noch Spuren Fe. Sie wird auf dem Wasserbad weitgehend eingedampft. Man neutralisiert die Lsg. und läßt sie in eine Mischung von 30 %-iger NaOH- und 3 %-iger H2Q2;Lsg. einfließen. Der Nd. der

NaOH/H 2 ~ 2 -Fällung kann enthalten: Zro 2 • aq, Ti0 2 • aq, Fe(OH) 3 , Th(OH) 4 , Ce(OH) 4 , etwas Be(OH) 2 . Man löst den Nd. in wenig 1 M Salzsäure und fällt in der Kälte tropfenweise mit 1 M Oxalsäure-

Lsg., wobei ein Oberschuß zu vermeiden ist. Der Nd. der Oxalat-Fällung kann enthalten: ce 2 2 , Zr(c 2o 4 > 2 . Zur Aufarbeitung des Nd. s. Abschnitt: Oxalatfällung der "Seltenen Erden"

s.

91 s. auch Einzelnachweise Kap. 1.1.6.3.4.

Das Filtrat (Zentrifugat) der Oxalat-Fällunq kann enthalten: Fe 3 +,

Tio 2 +. Es wird eingeengt. Zur Komplexierung von Fe 3+ werden einige Tropfen 60 - 85 %-iger

,!! 3 ~ 4 - zugegeben. In H2 so 4 -saurer Lsg. bildet sich mit 3 %-igemE 2Q2 _organgerotes Ti(o 2 ) 2+ s.S. 101.

Das Filtrat der

NaOH/H 2 ~ 2 -Fällunq wird mit Salzsäure angesäuert. Als Reduktionsmittel wird festes Na 2 s 2o 4 (Natriumdithionit) zugesetzt,

mit~

stark alkalisch gemacht und kurz aufgekocht. Der Nd. wird

heiß abgetrennt und mit heißem

alkalischem~ 2 ~ 3 ;haltigem

Wasser

ausgewaschen. Der Nd. der

Na 2~ 2 2 4 /NaOH-Trennunq kann enthalten: V(OH) 3 ; Cr(OH) 3 , U(OH) 4 . Man löst ihn in einem Gemisch von verd. Salzsäure und verd. ~)J engt die Lsg. stark ein, fügt 2 M Salzsäure und festes~

hinzu. Durch mehrmaliges Ausethern bringt man uo 2 (SCN) 2 _in die etherische Phase. Man kann den Ether auf dem Wasserbad abdampfen, den Rückstand glühen, mit HN0 3 aufnehmen und z.B. mit K4 [Fe(CN) 6 J auf uo 2 + prüfen s.S. 105. Die wäßr. Phase wird mit NaOH-Lsg. alkalisch gemacht. Cr(OH) 3 fällt als grüner Nd. aus. Er läßt sich z.B. in schwefelsaurer Lsg. mit K2 s 2o 8 zu Cro 4 ~- aufoxidieren. Nachweis

= im

s.S.52. Zum Nachweis von vo 3 Das Filtrat der

Filtrat s.S. 102.

Na 2 ~ 2 2 4 /NaOH-Trennung wird mit wenig verd. ~ 3 : Lsg. versetzt, um verbliebenes Ti mit Fes 2 bzw. Fe(OH) 3 auszufällen.

91

Das Filtrat wird in der Siedehitze mit gesättigter

~ 2=Lsg.

ver-

setzt. Es fallen Ba 3 (P0 4 l_ 2.! BaW0 41 (Baso 4l_. . . Zum Nac h we1s von P0 4 J- s.S. 53 • Zum Nachweis von wo 4 2- s.S. 103.

Das Filtrat dieser Fällun2 kann enthalten: Al(OH) 4 - , Be(OH) 4 2Zum Nachweis von Alj+ s.S. 98. Zum Nachweis von Be 2+ s.S. 101. Anmerkung

Der Nd. der NaOH/H 2o 2 -Fällung kann auch folgendermaßen aufgetrennt werden: Man löst ihn in heißer konz. Salzsäure (20 Vol.-% konz. Salzsäure in der Lsg.!), fällt in der Hitze mit 0,5 M Na 2HP0 4 -Lsg. weißes Zr 3 (P0 4 l 2 und kocht die Mischung kurz auf. Das Filtrat wird auf etwa ein Drittel eingeengt und in kaltem Zustand in eine Mischung von konz. NH~- und 3 %-iger a 2o 2-Lsg. eingegossen. Es kann sich bilden: Ti (0 2 (orange), Ti (OH) 4_ (weiß), Fe (OH) 3 _ (braun), Th (OH) 4

C

(weiß), Ce(OH) 4_(gelb). Zum Nachweis von Th und Ce s.S. 103 und 104. Das Filtrat wird eingeengt und zur Komplexierung von Fe 3+ mit einigen Tropfen 60 - 85 %-iger H3 Po 4 versetzt. In schwefelsaurer Lsg. beobachtet man bei Anwesenheit von Ti, evtl. nach erneuter Zugabe von 3 %-igem a 2o 2 , die orange-rote Farbe von Ti(0 2 ) 2 + Oxalat-Fällung der "Seltenen Erden" Zr, Th und Seltenerdmetalle wie Ce kann man aus dem Filtrat (Zentrifugat) der a 2 s-Gruppe gesondert abscheiden. Durchführung: Durch Kochen vertreibt man das H2 s. Zur schwach salz-

sauren Probe gibt man tropfenweise 0,5 M Oxalsäure-Lsg., wobei ein Uberschuß zu vermeiden ist. Der Nd. kann enthalten: Zr(c 2o 4 > 2 , Th(c 2o 4 > 2 , ce 2 3 . Das Filtrat (Zentrifugat) enthält die restlichen Ionen des Filtrats (Zentrifugats) der

a 2s-Gruppe.

Der Nd. wird gewaschen und einige Zeit mit einer Oxalsäure-Lsg. digeriert. Zr(c 2o 4 > 2 geht als [Zr(c 2o 4 > 4 J4 - in Lsg. Mit HN0 3_wird der Komplex zerstört und Zr kann dann in der Lsg. nachgewiesen werden, s. s. 104. Der Rückstand wird in der Kälte mit konz. (NH 4 J 2c 2o 4 -Lsg. behandelt. Jetzt geht Th(c 2o 4 > 2 als [Th(c 2o 4 ) 4 J 4 - in Lösung. Im Gegensatz zu dem Zr-Komplex wird [Th(c 2o 4 ) 4 J4 - durch konz.· Salzsäure zersetzt, und Th(c 2o 4 > 2 fällt wieder aus.

92

Der Rückstand bestefit jetzt nur noch aus ce 2

N-N

/C 6 H5

I

II

ct 0

N"'~N

C=O

+

I

H-C-OH

I

-

C=O

I

H5C6...._ N

II

+

C=O

/ C6H5 NH

I

N"1~N

I

C6H5

C6H5

Triphenylformazan {rot}

farblos

1,2-Diketone bilden mit Hydroxylamin Bisoxime, die mit Ni(II)Ionen rote Chelatkomplexe geben (s.S. 214). R-C-C-R

II 0

II 0

R-C-C-R

+

II II N N I I

OH OH

Auch 1,3-Diketone bilden schwerlösliche Chelatkomplexe, z.B. mit cu 2 +-Ionen, da sie zur Enolisierung neigen:

Carbonsäuren und Derivate Carbonsäuren reagieren ebenso wie Sulfonsäuren sauer und setzen aus verdünnter

~ 2 ~o 3 ~.

hydroxid-Lsg.

co 2 _ frei. Sie lösen sich in wäßriger Alkali-

158

Charakterisiert werden sie am besten über ihre Derivate, indem man sie z.B. mit Thionylchlorid (SOC1 2 ) in die entsprechenden Säurechloride überführt, aus denen unmittelbar (Rohprodukte verwendbar) die Amide (z.B. mit NH 3 ) oder Anilide (z.B. mit c 6H5NH 2 l hergestellt werden können: 0

II

0 II R -C- Cl

SOCL 2

R-C-OH 0

n

+

R-C-Cl

R' H-N/ 'Rz

-

+

+

HCL

502

0 II R -C-NR 1 R2

I

+ HCL

Zur Identifizierung können ferner Ester verwendet werden. Hierzu dienen die Reaktionen von p-Nitrobenzylchlorid oder p-Bromphenacylbromid mit den Alkalisalzen der Säuren: R -COOH

+

Br~C-CH 2 Br ~II

-

NaOH

e ® + RCOO Na -

0

+

Br~C-CH-0-C-R 1 -~II II 0

+ NaBr

0

Carbonsäurederivate

Carbonsäure-Derivate, wie Ester, Amide, Anhydride usw. werden oft hydrolysiert und die Spaltprodukte einzeln nachgewiesen. Carbonsäureanhydride und -halogenide reagieren mit~ zu festen Aniliden und können auch so identifiziert werden (vgl. Charakterisierung der Carbonsäuren) Durchführung: 3 Tropfen der Analysensubstanz (oder 100 mg in 1 ml heißem Toluol gelöst) werden mit 5 Tropfen Anilin umgesetzt. Es wird abgekühlt und das Anilid durch Reiben mit einem Glasstab zur Kristallisation gebracht.

Carbonsäureamide sind meist alkalisch gut verseifbar. Die entstandene Carbonsäure kann aus der Reaktionslösung als p-Bromphenacyl~ nachgewiesen werden. Nitrile können alkalisch - oder noch besser - sauer vollständig hydrolysiert werden. Die entstandene Carbonsäure wird als p-Bromacylester nachgewiesen. Alternativ ist die Reduktion, z.B. mit Natrium

159 in Alkohol (Bouveault-Blanc-Reduktion) möglich, die zu Aminen führt. Diese lassen sich unmittelbar in Phenylthioharnstoffe überführen. Carbonsäureester liefern bei der Hydrolyse die entsprechenden Carbonsäuren und Alkohole, die getrennt identifiziert werden. Alternativen sind die umesterung und die Aminolyse: Setzt man einen Ester mit Benzylamin um,. so erhält man die Säure als Benzylamid-Derivat. Die Alkoholkomponente wird identifiziert, indem der Ester in einem zweiten Reaktionsansatz mit 3,5-Dinitrobenzoesäure zur Reaktion gebracht wird, wobei der Dinitrobenzoesäureester des Alkohols entsteht. Ester höherer Alkohole müssen evtl. zuvor durch Kochen mit Methanol in die Methylester übergeführt werden. In diesem Fall kann die erhaltene Reaktionslösung direkt der Aminolyse unterworfen werden:

0 II

R-C- OR'

C6 H5-CH 2- NH 2

+

COOH

0 II

R-C-OR'

+ 02N

k

-

0 II

R-C-NH -CH 2-C 6H5

+ R1-0H

Aminolyse

N0 2

-

R-COOH

N02

+

R~O-i~ O

NO

Umesterung 2

Nachweis von Carbonsäuren und ihren Derivaten mit Hydroxylamin Freie Carbonsäuren und ihre Salze werden mit~ 2 _in die Säurechloride übergeführt. Carbonsäureester werden mit Kalilauge hydrolysiert und noch in der Reaktionslsg. mit Hydroxylammoniumchlorid versetzt. Säurechloride und Säureanhydride können zum Nachweis direkt verwendet werden. Bei den Nachweisreaktionen entstehen Hydroxamsäuren, die mit Fe 3 +-Ionen rot bis violett gefärbte Komplexe bilden. (Beispiel s.S.

160).

Durchführung:

a) Carbonsäureanhydride und -chloride Diese Verbindungsklassen sind so reaktionsfähig, daß man zur Unterscheidung von den anderen Derivaten alle Reagenzien gemeinsam zugibt. Zu diesem Zweck wird eine 0,5 % ethanolische Fecl 3 -Lsg. mit wenig Salzsäure angesäuert und warm mit H2 NOH•HCl gesättigt.

160

1 Tropfen einer etherischen Lösung der Analysensubstanz wird mit 1 - 2 Tropfen des Reagenzes versetzt und langsam zur Trockne eingedampft. Nach Zugabe von etwas Wasser erhält man eine rote Lösung. b) Carbonsäureester 1 Tropfen einer etherischen Analysenlösung versetzt man mit 1 Tropfen gesättigter ethanolischer Kalilauge und 1 Tropfen gesättigter ethanolischer H3NoH+Cl--Lsg. Die Mischung wird einige Minuten zum Sieden erhitzt und nach dem Abkühlen mit 0,5 M Salzsäure angesäuert. Nach Zugabe von 1 Tropfen einer 5 % FeC1 3 -Lsg. erhält man eine rote Lösung. c) Carbonsäuren und ihre Salze 1 Tropfen(oder 50 mg)der Analysensubstanz wird mit 5 Tropfen soc1 2 versetzt und fast bis zur Trockne eingedampft. Danach werden 2 Tropfen einer ges. ethanol. H3NOH+Cl--Lsg. zugesetzt und tropfenweise mit ethanol. Kalilauge alkalisch gemacht. Nach kurzem Erwärmen wird nach dem Abkühlen mit 0,5 M Salzsäure angesäuert und 1 Tropfen 5 % Fecl 3-Lsg. zugegeben. Man erhält dunkelrote bis violette Farblösungen. Beispiel:

--

0 II

R-C-Cl

+

R-C~

0

+

HCL

1

'NHOH H I

.&00 3 R-C~ 'NHOH

0

-

R-C-Q... +

I

/-........ C-R

I _..g, /1

·Fe·

H- N-Ö/ : '-..0

-

~\

~~

\

"c/

N-H

I

R Aminosäuren Derivate zur Identifizierung erhält man am besten durch Acylieren der Aminogruppe, z.B. mit 3,5-Dinitrobenzoylchlorid. Eine weitere Möglichkeit bietet die Reaktion mit 2,4-Dinitrofluorbenzol (Sangers Reagenz, s.S. 152).

161

Die Addition an Phenylisothiocyanat wird zur Sequenzanalyse von Proteinen nach Edman verwendet. Das entstehende Hydrolyseprodukt cyclisiert zu einem Phenylthiohydantoin. Charakteristisch,, wenngleich nicht spezifisch, ist die NinhydrinReaktion. Ninhydrin (Triketohydrindenhydrat) dehydriert die Aminosäure zu einer Iminesäure und wird selbst zu einem sekundären Alkohol reduziert. Die Iminesäure zerfällt in den nächst niederen Aldehyd, co 2 und NH 3 . Letzteres kondensiert mit weiterem Ninhydrin zu einem blauvinletten Farbstoff.

0 H ~OH

VV"oH

+

R-CH-COOH

I

NH 2

-

0

II

(X)-oH

0

II 0

0

0

II

COOH

+ R-C/

~NH

+ H20

I

R-CHO

+ C02 + NH3

O)< II

2

II

II

0

II

CO=N--

Zncl 2 + Hz.

65,38

Z,02

Für 2,02 g Hz braucht man 65,38 g Zn. Für 10 g Hz braucht man X

~

X

g Zn.

10 . 65,3~.~ 326,9 g Zn.

3. Wieviel g Chlor werden benötigt, um aus SbCl 50 g SbC1 3 5 herzustellen? Rcaktion sgleichun g: Sbcl 3 + c1 2

70,9

--4

SbC1 5 .

299

70,9 g Chlor braucht man zur Darstellu ng von 299 g SbC1 . Für 5 1 g SbCl 5 braucht man 70,9/299 g und für 50 g demnach 70,9. 50

~9-=

11,85 g Chlor.

Beachte: Ganz allgemein kann man stöchiom etrische Rechnung en dadurch vereinfac hen, daß man den Stoffums atz auf 1 Mol bezieht. Als Beispiel sei die Zersetzun g von Quecksilb eroxid betracht et. Das Experiment zeigt:

Z HgO

~

Z Hg

+

02.

Schreibt man diese Gleichung für 1 mol HgO, ergibt sich: HgO --+ Hg + 1/Z o 2 . Setzen wir die Atommass en ein, so folgt: Aus 200,59 + 16 = 216,59 g HgO entstehen beim Erhitzen 200,59 g Hg und 16 g Sauersto ff. Man rechnet also meist mit der einfachst en Formel. Obwohl man weiß, daß elementa rer Schwefel als s -Molekül vorliegt, schreibt man für 8 die Verbrennu ng von Schwefel mit Sauersto ff zu Schwefel dioxid anstelle von s 8 + 8 Oz -----!> 8 SOz vereinfac ht: S + Oz ~ Berechnun g der Summenfo rmel Bei der Analyse einer Substanz ist es üblich, die Zusammen setzung nicht in g, sondern als Massenge halt der Elemente anzugeben . Beispiel: Wasser, H2o, besteht zu Z • 100/18 ~ 11,11 %aus Wasserstoff und zu 16 • 100/18 = 88,88% aus Sauersto ff.

181

Aus diesen Prozentwerten errechnet man die Bruttozusammensetzung (Summenformel, empirische Formel) für die betreffende Substanz. Beispiel: Gesucht ist die einfachste Formel einer Verbindung, die

aus 50,05 % Schwefel und 49,95 % Sauerstoff besteht. Dividiert man die Massengehalte durch die Atommassen der betreffenden Elemente, erhält man die Atomverhältnisse der unbekannten Verbindung. Diese werden nach dem Gesetz der multiplen Proportionen in ganze Zahlen umgewandelt: 50,05 32,06 :

49,95 15,99

1 '56

2.

3' 1 2

Die einfachste Formel ist so 2 . Weitere mögliche Summenformeln sind (S0 2 ) 2 , (so 2 ) 3 ..... Zur Ermittlung der richtigen Summenformel muß die Molmasse bestimmt werden (vgl. Massenspektrometrie Kap. 5.3.7).

2.2.3 Aktivität

Das Massenwirkungsgesetz gilt streng nur für ideale Verhältnisse wie verdünnte Lösungen (Konzentration

< 0,1

M) . Die formale Schreib-

weise des Massenwirkungsgesetzes kann aber auch für reale Verhältnisse, speziell für konzentrierte Lösungen, beibehalten werden, wenn man anstelle der Konzentrationen die wirksamen Konzentrationen, die sog. Aktivitäten der Komponenten einsetzt. Dies ist notwendig für Lösungen mit Konzentrationen größer als etwa 0,1 mol • 1- 1 . In diesen Lösungen beeinflussen sich die Teilchen einer Komponente gegenseitig und verlieren dadurch an Reaktionsvermögen. Auch andere in Lösung vorhandene Substanzen oder Substanzteilchen vermindern das Reaktionsvermögen, falls sie mit der betrachteten Substanz in Wechselwirkung treten können. Die dann noch vorhandene wirksame Konzentra~

heißt Aktivität a. Sie unterscheidet sich von der Konzentration

durch den Aktivitätskoeffizienten f, der die Wechselwirkungen in der Lösung berücksichtigt: Aktivität (a)

Aktivitätskoeffizient (f) •

Konzentration (c)

a = f · c für c

--+

0 wird f

---+

1.

Der Aktivitätskoeffizientfist stets

~

1. Der Aktivitätskoeffizient

korrigiert die Konzentration c einer Substanz um einen experimentell zu ermittelnden Wert (z.B. durch Anwendung des Raoultschen Gesetzes).

182

Formuliert man für die Reaktion AB ~ A + B das MWG, so muß man beim vorliegen großer Konzentrationen die Aktivitäten einsetzen: fA • CA • fB • CB fAB • CAB Ka heißt Aktivitätskonstante und stellt die thermodynamische Gleichgewichtskonstante dar. Ionenstärke Hat eine beliebige Elektrolytlösung die Konzentration c, und sind u 1 und u 2 die Ladungen der Ionen des Elektrolyten, z 1 und z 2 die Anzahl der Ionen, in die der Elektrolyt zerfällt, so ergibt sich die ionale Gesamtkonzentration zu

r

=

Sind mehrere Elektrolyte in einer Lösung vorhanden, so muß für jede Ionenart die Teilkonzentration eingesetzt werden, und man erhält:

+

+

oder

r=lciziu/. [ziui 2 ist für einen Elektrolyten eine konstante Größe, für die oft auch w gesetzt wird. Damit ergibt sich die ionale Konzentration zu: r = c • w. Anmerkung: Um die meßbare IOnenkonzentration zu erhalten, muß diese Konzentration mit dem ("wahren") Dissoziationsgrad a multipliziert werden.

ra

=a

• c • w. In echten Elektrolyten ist a

1•

Um einen Vergleich einzelner Elektrolyte zu ermöglichen, führten G. N. Lewis und R. Randall die Ionenstärke I ein. I ist die halbe Summe der Produkte aus den Ionenkonzentrationen und den Quadraten der Ionenladungen. oder

I I

1/2

Cl



c • w

183

Werte für w einiger Elektrolyte: w = 2

6

8

12

20

KCl

BaC1 2

Hgso 4

A1Cl 3

K4 [Fe(CN) 6 J

NaN0 3

Na 2co 3

Cuso 4

Na 3Po 4

Beispiele: Bei 1,1-wertigen Elektrolyten ist I gleich der Konzentration: 0,01 M NaOH: I = 1/2 (0,01 · 1 2 + 0,01 · 1 21 = 0,01. In allen übrigen Fällen ergibt sich ein größerer Wert: 0,02 M Na 2 ~ 4 ~ I = 1/2 (0,02 · 2 · 1 2 + 0,02 · 2 2 1 = 0,06. 2 M Cuso 4 _ (vollständige Dissoziation vorausgesetzt): 2 2 r = c 1 · z1 · u1 + c 2 · z2 · u2 1I

(Z1

Z2

= 11

U1

= 2 I u 2 = 2) • 16 16.

r = 2 · 1· 4 + 2 · 1· 4 odermitw:r=c·w

Aufgabe: Wie groß ist die Ionenstärke einer Lösung aus 0,5 M Na 2 so 4 und 0,02 M NaCl bei völliger Dissoziation der Salze? Lösung: w w r I

für Na 2 so 4 = 6; 2; für Na Cl 6 . 0,5 + 2. 0,02

= c1 • w1 + c2. w2 = ~ = 1,52.

3,04;

Ionenstärken 1 - molarer Salzlösungen I

Salztypus 11 1 11 2 2,2 1 14

(NaCl) (CaC1 2 ) (Mgso 4 ) (K 4 [Fe(CN) 6 J)

1/2 1/2 1/2 1/2

(1 + (4 + (4 + ( 16+

1) 2) 3 4) 4 4) =10

Mit diesen Zahlen sind die molaren Konzentrationen der Salze zu multiplizieren, wenn man die Ionenstärke der Lösung berechnen will. Beispiel:

0,20.

0,02 M K4 [Fe(CN) 6 J• I

1/2

(0,02. 4. 1 2 + 0,02. 4 2 )

184

Ionenaktivität Für Kationen und Anionen sind Einzelmessungen der Aktivitätskoeffizienten f+ und f_ in konzentrierter Lösung unmöglich. Man verwendet daher einen mittleren Aktivitätskoeffizienten f+ (Tabelle 4). Für einen starken Elektrolyten der Zusammensetzung ~Bn gilt:

Für den Zahlenwert von f+ sind die Ladung der Ionen und ihr Radius wichtig. Bei höherer LadÜng und in konzentrierter Lösung sinkt er stark ab~ s. Tabelle 4.

Tabelle 4. Mittlerer Aktivitätskoeffizient bei 25° C und verschiedenen Molalitäten Elektrolyt HCl Na Cl KCl Cuso 4 ZnS0 4

0,001

0,01

Molalität 0,1

1,00

0,966 0,965 0,961 0,735 0,705

0,904 0,905 0,903 0,408 0,390

0,796 0, 778 0,770 0,150 0,150

0,809 0,657 0,604 0,043 0,043

mol· kg- 1 !H 20)

Für Elektrolyte gleicher Ionenstärke I .(: 10- 2 und gleicher Ionenladung ist der mittlere Aktivitätskoeffizient f+ gleich groß, und es gilt: lg f+ = -A• -yf. Die Konstante A hängt von der Ionenladung u+ und u_ ab. Wird diese Abhängigkeit mitberücksichtigt, ergibt sich nach Debye und HUckel: lg f+ = -A' • U+• u_.

-(I.

A1 hat für wäßrige Lösungen bei 25°C den Wert 0,51.

Anmerkung: Für verdünnte Lösungen erhält man den individuellen Aktivitätskoeffizienten f mit der Formel: lg f

=

,

2 _r-;

-A • ui.

vi.

185

2.3 StatistischeAuswertung von Analysendaten Fehler können nach ihrer Auswirkung auf den Meßwert grundsätzlich eingeteilt werden in zufällige und systematische Fehler. Letztere liefern immer ein zu großes oder zu kleines Meßergebnis, z.B. wegen Unzulänglichkeiten im Untersuchungsverfahren, bei den Meßgeräten u.a.; sie ändern sich jeweils mit der Meßmethode. Zufällige Fehler streuen unregelmäßig um einen mittleren Wert und können mit den Methoden der mathematischen Statistik behandelt werden. Auch dann, wenn alle systematischen Fehler ausgeschaltet sind, sind alle Analysenergebnisse grundsätzlich mit einem Fehler behaftet, durch den sich das Meßergebnis x vom wahren Wert

~

unterschei-

det, weil stets nur eine begrenzte Anzahl von Messungen vorliegt (Stichprobe}. Als relativen Fehler bezeichnet man den

Quotienten~;

sein Wert

mit 100 multipliziert ergibt den prozentualen Fehler. In der Regel wird man, z.B. aus einer Reihe von n Wägungen, mehrere Meßwerte xi = x 1 , x 2 , ..• xn erhalten. Der wahrscheinlichste wert für die gesuchte Masse, d.h. die beste Annäherung an den wahren Wert

~.

ist dann derjenige Wert, für den die Abweichungen der Ein-

zelmessungen am kleinsten werden. Am besten erfüllt diese Forderung das arithmetische Mittel, d.h.

*

der Mittelwert

x=

x der

Meßwerte xi: n

(x 1 + x 2 + x 3 + ... + xn}

= li x. ni=1 l

(n

Anzahl der Meßwerte} .

x

Da die Meßwerte x 1 um den Mittelwert streuen, ist die Messung nur innerhalb bestimmter Grenzen reproduzierbar. Der wahre Wert

~

ist meist nicht bekannt, folglich ist auch die

wahre Streuung cr im allgemeinen unbekannt. Der wahrscheinlichste wert s für die wahre Streuung cr kann jedoch mit Hilfe der Gleichungen

- 2 (xi-x} n

-

1

n

[

i=1 n -

1

geschätzt werden, wobei s als Standardabweichung bezeichnet wird (manchmal auch mittlerer Fehler der Einzelmessung genannt}.

186

Die Standardabweichung des Mittelwertes Mittelwertes) Fx wird ermittelt nach: n

Li=1 (x.~

-

n • (n -

(=

mittlerer Fehler des

x> 2 1)

Man benutzt oft zur Darstellung des Ergebnisses Ex einer Messung mit einem mittleren Fehler die Form Ex = x ~ Fx und meint damit

x

von :!: Fx:_ Beispiel: Bei 25 Kohlenstoff-Bestimmungen wurden die in Tabelle 5 angegebenen Kohlenstoffwerte erhalten. Der Mittelwert beträgt x = 55,34 %, die Standardabweichungen sind s = 0,19 % und Fx = 0,038 %. Der wahre Wert ~ (theoretischer Kohlenstoffgehalt) beträgt ~ = 55,29 %.

Tabelle 5. Liste der Kohlenstoffwerte in % bei der Verbrennungsanalyse von N-(4-Methylbenzolsulfonyl)-N'-cyclopentylharnstoff Analyse Nr.

C-Gehalt %

Analyse Nr.

C-Gehalt

1 2 3 4 5 6 7 8 9

55,62 55,20 55,13 55,41 55,54 55,34 55,44 55,17 55,37

10 11 12 13 14 15 16 17 18

55,23 55,61 55,73 55,08 55,49 55,01 55,57 55,27 55,02

%

Analyse Nr.

C-Gehalt

19 20 21 22 23 24 25

55,37 55,45 55,19 55,32 55,28 55,21 55,34

%

Für das Arbeiten mit wahrscheinlichen Werten, also den Näherungsund s (und analog mit den wahren Werten ~ und o) oder Schätzwerten kann man zusätzlich einen Vertrauensbereich angeben, innerhalb dessen die genannten Werte ein gewisses Maß an Zuverlässigkeit haben.

x

Hierzu bedient man sich meist der Fehlerverteilung nach Gauß (die eine Normalverteilung der Werte voraussetzt). Die Abweichungen einer zufällig verteilten Größe von ihrem Mittelwert ~ werden dabei allgemein durch ein Verteilungsgesetz charakterisiert: y (y

1_, __ e ..('Iii

0 •

-ig12 2o

Häufigkeitsdichte, o = Streuung, o 2

Varianz).

187

Die graphische Darstellung dieses Zusammenhangs ergibt eine Glockenkurve (Abb. 17). Die Funktion ist symmetrisch um

Ihre Form ist

~-

abhängig von der Größe von o (Abb. 17 b). Beachte: Für x --+ gilt y

---+

=~

0; für x

der Kurve liegen bei x -

+

~

ergibt sich ein Maximum. Die Wendepunkte ~

=!

o, d.h. x

=

~

! o. Die Werte von o

können also direkt aus der Kurve entnommen werden: Es sind die Abszissen der Wendepunkte. y bezeichnet man auch als die Häufigkeitsdichte

(Wahrscheinlichkeitsdichte) des zugeordneten Wertes x.

l ,O

-

• X ~-J1100°C (dunkle Rotglut)

1000° c

5-6fache Menge

(1 : 1)

Na 2 co 3 ~ 2 co 3 _

5-6fache Menge

1)

Soda-Pottasche -

Aufschluß nach Smith

(3 :

NH 4 ~

Caco 3 +

(Rotglut) Ni-, Pt-Tiegel

20 min schmelzen

Soda-Pottasche -

Durchführung

Aufschluß (basischer Aufschluß)

: 1)

5-6fache Menge

8,4

farblos

Hierzu gehören weiterhin: Bromkresolgrün, Bromkresolpurpur, Bromphenolblau, Bromthymolblau, Kresolrot, Naphtholbenzein, Phenolrot, Thymolblau.

224

c) Phthaleine Beispiel: Phenolphthalein

HO~

~OH

~~

(X \I

0

~ +2H®

cII 0

farblos

rot

farbios

Hierzu gehört weiterhin: Thymolphthalein . Redoxindikatore n Redoxindikatore n sind organische Farbstoffe, die durch Oxidation bzw. Reduktion ihre Farbe verändern. Sie sind nur dann bei Redoxtitrationen nicht erforderlich, wenn die an der Hauptreaktion beteiligten Stoffe selbst Farbänderungen bewirken (Manganometrie) bzw. gefärbte Anlagerungsverb indungen bilden (Iodometrie). Beispiele:

Ferro in

60 '

,

'\ N---Fe---N 'I 'I '

I

rot

2Etl

~

~~d ' '\

I '

\I

I

N ---Fe ---N

"/

blau

Diphenylamin

Metall-Indikato ren Metall-Indikato ren sind organische Farbstoffe, die mit Metallionen Chelatkomplexe bilden und dabei eine Farbänderung erfahren.

225

Sie werden zur Endpunktsanzeige bei komplexemetrischen Titrationen eingesetzt. Beispiel: Eriochromschwarz T H20 ....-'-"----.

\II

-e

-. : : 0osö~OIN=N-Go0H I J

--

~

N0

2

-

::,...

.&

0-Me

+

-o

M•'" ~ "o,s-Q-.~\-(o

;;

0

N0

blau

2

wein rot

2

1

Dieser Indikator wird unter Zusatz von Methylorange als Eriochromschwarz-T-Mischindikator eingesetzt, da der Farbumschlag dieser Mischung besser sichtbar ist. Form 1 wird mit Methylorange grün, Form 2 wird rot. Weitere Metallindikatoren sind: Calcon, Calcein, Methylthymolblau und Xylenylorange. Einfarbige und zweifarbige Indikatoren Unter den oben aufgeführten Indikatoren kann man unabhängig von ihrem Einsatzgebiet 2 Gruppen unterscheiden: 1. Einfarbige Indikatoren (z.B. Phenolphthalein) sind nur in einer der möglichen Formen gefärbt, in der anderen Form farblos.

2. Zweifarbige Indikatoren liegen in beiden Formen gefärbt, jedoch in verschiedenen Farben vor. Umschlagsintervall Z-ur genauen Betrachtung des Indikatorumschlages von zweifarbigen Säure-Base-Indikatoren bedienen wir uns des Massenwirkungsgesetzes. Wenn wir Hin für die Indikatorsäure und In

für die korrespondie-

rende Base schreiben, gilt:

hieraus folgt nach dem MWG: [H 30+] • [In-]

[Hin]

[H 2 oJ kann als konstant angesehen werden und ist in Ks enthalten (s. Kap. 3.5.3).

226

[Hin) [In-)

umgeformt ergibt sich: [H 3o+ I und logarithmiert: pH

(I) •

Es werden die Konzentrationen verwendet. Der Einfluß des Aktivitätskoeffizienten kann hier vernachlässigt werden, da Indikatoren nur in kleinen Konzentrationen eingesetzt werden. Bei Betrachtung von Gleichung (I) sieht man, daß pH wenn [In-) = [Hin) ist (da lg 1 = o). Der Indikatorumschlag muß also beim pH

pK

~

sHin

pK

sHin

wird,

erfolgen!

Die Erfahrung zeigt aber, daß bei zweifarbigen Indikatoren der Indikatorumschlag ein pH-Intervall umfaßt. Das ergibt sich aus der Tatsache, daß eine Farbänderung für das Auge schon dann sichtbar wird, wenn das Verhältnis Hin/In- = 1/10 ist und erst dann beendet ist, wenn Hin/In- = 10/1 beträgt. Für das Umschlagsintervall ·ergibt sich also eine Breite von 2 pH-Einheiten: pH = pK + 1, da sHin lg 1/10 -1 und lg 10 = 1 ist. Abb. 22 gibt die Umschlagsintervalle einiger wichtiger Säure-BaseIndikatoren an.

--+-

ti

iu,L,L blau

I

Kresolrot

I

I

10

11

Bromthymolblau

I

Methylrot

I

I

7

8

Bromphenolblau

I

Thymolblau

I I

0

2

3

4

5

6

9

Abb •. 22. Umschlagsintervalle von Indrkatoren

12

13

14

pH

227

14. Umschlagsintervalle von Indikatoren

Tabelle Indikator

Bereitung Farbumschlag Umschlagsintervall sauer alkalisch

Dirnethylgelb Bromphenolblau Methylorange Methylrot Phenolphthalein Thymolphthalein Tashiro

4,0 2,9 3,0 - 4,6 4,4 31 1 6,3 4,2 8,2 -10,0 9,3 -10,6 6,0 4,0

-

rot gelb rot rot farblos farblos rotviolett

gelb blau gelb gelb rot blau grün

0,1 % in Wasser 0,04 % in Ethanol 0,1 % in Wasser 0,2 % in Go % Ethanol 0,1 % in 70 % Ethanol 0,1 % in 90 % Ethanol 80 ml 0,05 % Methylrot +40 ml 0,1 % Methylenblau

Völlig analog läßt sich das Umschlagsintervall von zweifarbigen Metall-Indikatoren herleiten. Das Dissoziationsgleichgewicht lautet hier: InMe

n+

Men+ + In.

Aus dem MWG ergibt sich dann analog: pMe

n+

= pKin + lg

- lg[Men+l

[In] [InMen+l

-.!..:0:~:-

(=

(II~.

Metallexponent),

Dissoziationskonstante des Metall-Indikator-Komplexes. Danach liegt der Umschlagspunkt bei pMe ~ pKin' das Umschlagsintervall liegt zwischen pMe = pKin- 1 und pMe = pKin + 1. Statt zwei pH-Einheiten umfaßt das Intervall hier also zwei pMe-Einheiten. Auch bei zweifarbigen Redoxindikatoren läßt sich eine analoge Beziehung herstellen. Aus der Nernstschen Gleichung ergibt sich: E

=

Eo + 0,059 lg n

[Ox] [Red]

(III).

E = Potential, E0

Normalpotential des Indikators, n = Anzahl der beim Redoxvorgang verschobenen Elektronen, Ox = oxidierte Form des Indikators, Red = reduzierte Form des Indikators. Für das Potential beim Umschlagspunkt gilt also E ~ E0 ; das Umschlagsintervall liegt zwischen E = E0 - 0 • 059 und E = E0 + 0,05 9 n

n



228

Aus diesen Betrachtungen wird sichtbar, daß alle ~farbigen Indikatoren ein jeweils spezifisches Umschlagsintervall haben, dessen Lage nicht konzentrationsabhängig ist. Entscheidend für die Lage des Intervalls ist je nach Indikatortyp die Dissoziationskonstante bzw. das Normalpotential des Indikators. Hierin liegt ein großer Vorzug der zweifarbigen Indikatoren. Bei ~farbigen Indikatoren ist dagegen der Umschlagspunkt von der Konzentration des Indikators abhängig. Beispiel: Phenolphthalein.

Titrieren wir eine Säure mit einer Base gegen Phenolphthalein, so ist der Umschlagspunkt dann erreicht, wenn eine bestimmte, für das Auge gerade sichtbare, Konzentration von rotgefärbten Phenolphthalein-Molekülen vorliegt. Erhöhen wir jetzt die Indikatorkonzentration in einer zweiten Titration auf die 10-fache Menge, so ist nur eine zehnfach kleinere prozentuale Umsetzung des Indikators zum gefärbten Molekül erforderlich, um die gleiche absolute Anzahl an gefärbten Teilchen und damit eine sichtbare Farbänderung zu erhalten. Das bedeutet nach Gleichung (I), daß sich der Umschlags-pR um eine Einheit erniedrigt. Wenn [In-] um eine Zehnerpotens kleiner wird, so wird der Logarithmus des Quotienten um den Betrag 1 größer, d.h. der pH fällt um eine Einheit. Indikatorbedingte Fehler Ein durch den Indikator bedingter Fehler tritt dann auf, wenn der Farbumschlag des Indikators nicht mit dem eigentlichen Äquivalenzpunkt der Titration zusammenfällt. Dieser Fehler ist um so größer, je mehr der pKs _ bzw. E0 -Wert des Indikators vom pH, pMe bzw. EWert am Äquival~A2punkt abweicht. Oft mangelt es an geeigneten Indikatoren, um diesen Fehler möglichst gering zu halten. Eine weitere Fehlerquelle liegt in der Konkurrenzreaktion des Indikators mit dem Titranten. Der Indikator verbraucht am Ende der Titration einen Teil des Titranten, um die farbverändernde Reaktion einzugehen. Dieser Fehler läßt sich durch den Einsatz kleiner Indikatorkonzentrationen sehr gering halten. Ein indikatorbedingter Fehler kann auch durch die Konzentrationsabhängigkeit des Umschlagspunktes bei einfarbigen Indikatoren entstehen (s.o.). Zweifarbige Indikatoren sind daher vorzuziehen.

229

Maßanalytische Verfahren

Die Einteilung der maßanalytischen Verfahren richtet sich nach den Reaktionstypen: Säure-Base-Titration, Redox-Titration, FällungsTitration, komplexemetrische Titration.

230

3.5 Säure-Base-Titrationen (Neutralisationstitrationen, Acidimetrie/Alkalimetrie) 3,5.1 Theorie der Säuren und Basen Die Vorstellungen über die Natur der Säuren und Basen haben sich im Laufe der Zeit zu leistungsfähigen Theorien entwickelt (s. hierzu HT 193).

-

Säure-Base-Theorie von Brönsted Säuren sind - nach Brönsted (1923) - Protonendonatoren (Protonens pender). Das sind Stoffe oder Teilchen, die H+-Ionen abgeben können, wobei ein Anion A- (= Base) zurückbleibt. Beispiele: Salzsäure, HN0 3 , H2so 4 , cH 3COOH, H2s. Außer diesen Neutralsäuren gibt es auch Kation-Säuren und Anion-Säuren, s.u. Beachte: Diese Theorie ist nicht auf Wasser als Lösungsmittel be-

schränkt (s. Kap. 3.7.) sind Protonenacceptoren. Das sind Stoffe oder Teilchen, die H+ -Ionen aufnehmen können. Beispiele: NH 3 + H+ ~ NH 4 + ; Na +~- + HCl ~ H20 + Na+ + Cl-

~

Kation-Basen und Anion-Basen s.u. ~

sind Stoffe, die in festem Zustand aus Ionen aufgebaut sind.

Beispiele: NaCl, NH 4Cl.

Eine Säure kann ihr Proton nur dann abgeben, d.h. als Säure reagieren, wenn das Proton von einer Base aufgenommen wird. Für eine Base liegen die Verhältnisse umgekehrt. Die saure oder basische Wirkung einer Substanz ist also eine Funktion des jeweiligen Reaktionspartners, denn Säure-Base-Reaktionen sind Protonenübertragungsreaktionen (Protolysen). Säuren und Basen nennt man daher auch Protolgte. Protonenaufnahme bzw. -abgabe sind reversibel, d.h. bei einer SäureBase-Reaktion stellt sich ein Gleichgewicht ein. Es heißt SäureBase-Gleichgewicht oder Protolgsengleichgewicht: HA + B ~ BH+ + A-, mit den~: HA und BH+ und den~: Bund A- Bei der Rückreaktion wirkt A- als Base und BH+ als Säure. Man bezeichnet Aals die zu HA korrespondierende (konjugierte) Base. HA ist die zu Akorrespondierende (konjugierte) Säure. HA und A- nennt man ein korrespondierendes (konjugiertes) Säure-Base-Paar. Für ein Säure-Base-Paar gilt: Je leichter eine Säure (Base) ihr Proton abgibt (aufnimmt), d.h. je stärker sie ist, um so schwächer ist ihre korrespondierende Base (Säure).

231

Die Lage des Protolysengleichgewichts wird durch die Stärke der beiden Basen (Säuren) bestimmt. Ist B stärker als A-, so liegt das Gleichgewicht auf der rechten Seite der Gleichung. Beispiel:

allgemein: + Base 2 ;;==:: Säure 2 + Base 1 •

Säure

Die konjugierten Säure-Base-Paare sind: bzw. (Säure 1/Base 1),

HCl/Cl NH 3 /NH 4

+

bzw. (Base 2/Säure 2).

Kation-Säuren entstehen durch Protolysenreaktionen beim Lösen bestimmter Salze in Wasser. Beispiele für Kation-Säuren sind das NH 4-Ion und hydratisierte, mehrfach geladene Metallkationen:

pK

3

s[Fe!H 2o1 6 1 +

2,2;

In allen Fällen handelt es sich um Kationen von Salzen, deren Anionen schwächere Basen als Wasser sind, z.B. Cl - , so 4 2- . Die Lösungen von hydratisierten Kationen reagieren um so stärker sauer, je kleiner der Radius und je höher die Ladung, d.h. je größer die Ladungsdichte des Metallions ist. Kation-Basen 2+ oder Betrachtet man die Reaktion von [Fe(OH) !H 2o1 5 1 2 [Al(OH) (H 2o) 5 ] + mit Wasser, so verhalten sich die Kationen wie eine Base. Man nennt sie daher auch Kation-Basen. Es sind also Kationen, die Protonen aufnehmen. Ein Beispiel ist auch das N2H5 +-Kation: N H + + H o ~ N H 2+ + OH 2 2 5 2 6 N2H6 2 + ist eine Kationsäure!

232

Beachte:

Anion-Säuren sind protonenabge bende Anionen wie z.B. HS0 4 H2 Po 4 + so4

2-

und

,

+ HP0 4 2- . Anion-Basen Es gibt auch Salze, deren Anionen infolge einer Protolysenre aktion mit Wasser H+-Ionen aufnehmen. Es sind sog. Anion-Basen. Die stärkste stabile Anion-Base in Wasser ist OH-. Weitere Beispiele: Cl0 4

+ H2 0

so 2 - + H2 0 4

~

-

HCl0 4 + OH ; pK

__,.

.....---- HS0 4

bClO

-

+ OH ; pKb

so4

23,0; 4 2-

12,08;

9,25;

Ampholyte Ampholyt heißt eine Substanz, die sowohl Protonen abgeben als auch aufnehmen kann. Welche Funktion ein Ampholyt ausübt, hängt vom Reaktionspartn er ab. Beispiele: Wasser (H 0), Aminosäuren (H N-R-COOH) 2 2 und Protolysenpr odukte mehrwertiger Säuren wie Hco 2 -, H Po -, HS0 3 2 4 4 usw. Reaktionsmö glichkeiten eines Ampholyten mit H o als Reaktionspa rtner: 2 Ampholyt + H2 o Ampholyt + H2 o Ampholyt + Ampholyt

b + H3 0+ (Reaktion als Säure),

s + OH ~

(Reaktion als Base) ,

s + b (Autoprotoly se) .

(s bzw. b sind Symbole für konjugierte Säure bzw. Base; s = Amph.H+ b = Amph. -).

233 3.5.2 Aciditäts- und Basizitätskonstante (Säuren- und Basenkon-

stante) Betrachten wir die Reaktion einer Säure HA mit H2Q_und wenden darauf das Massenwirkungsgesetz an, ergibt sich [H 3 0+] • [A-]

[HA]

[H 20]

K.

Solange mit verdünnten Lösungen der Säure gearbeitet wird, kann man [H 20J als konstant annehmen und in die Gleichgewichtskonstante K einbeziehen, die dann einen anderen Wert erhält:

-

K • [H 2 0J = Ks. Für die Reaktion der Base B mit

(Manchmal auch Ka, a von acid)

H 2 ~ergeben

sich analoge Beziehun-

gen: B + H20

~

[BH+] · [OH-] [B]

und

[BH+] [H 2 0]

BH+ + OH-;

K' • [H 20J

[OH [B]

-

K'

-

Kb.

Die Konstanten Ks bzw. Kb heißen Säuren- bzw. Basenkonstante. Sie sind ein Maß für die stärke einer Säure bzw. Base. Symbolisiert man den negativen dekadischen Logarithmus allgemein mit einem kleinen p, erhält man die häufig benutzten pKs- bzw. pKb-Werte: und In Wasser gilt zwischen den pKs- und pKb-Werten korrespondierender Säure-Base-Paare die Beziehung:

Tabelle

15

enthält ausgewählte Beispiele für starke und schwache

Säure-Base-Paare. Daraus geht hervor: Starke Säuren haben pKs -werte

< 0,


14.

In wäßrigen Lösungen starker Säuren und Basen reagiert die Säure oder Base praktisch vollständig mit dem Wasser, d.h.

[H 3 o+] bzw. [OH-] ist gleich der Gesamtkonzentration der Säure bzw. Base.

234

Tabelle

15 • Starke und schwache Säure-Base-Paare Säure -

-9 -3

sehr starke Säure

-1,76 1 192 Q)

1,92

k

::s

""

Ul

1,96

k

Q)

'tl

4,76 6,52

Q) .'(

k.O

.... """'

korrespondierende -

HCl0 4 Perchlorsäure H2so 4 Scqwefelsäure

Perchloration Hydrogensulfation

H 3 o~

Wasser~)

Oxoniumion~) H20

H2so 3 Schweflige Säure Hydrogensulfation H3 Po 4 Orthophosphorsäure HAc Essigsäure H2co 3 Kohlensäure

HS0 3 so 2 4

7

9,25 10,4 15,76 24

......~ .-~

es::

sehr schwache Säure

HS0 3 - Hydrogensulfition NH + Ammoniumion 4 HC0 3 Hydrogencarbonation Wasser+) Hydroxidion

Hydrogensulfition Sulfation

NH 3

CO 2 3

23 sehr schwa- 17 ehe 15,76 Base

12,08 Q)

12,08

Ul

"'

IQ

Dihydrogenphosphation Acetation Hydrogencarbonation Sulfition

Ul .... Q)

Base

Ammoniak Carbonation

12,04

k

Q)

'tl Q) .'(

k

::s

.... '"'"

9,25 7,48

Ul ....

Q) ~ .......... es::

7

4,75 3,6

sehr Hydroxidion+) starke -1,76 Oxidion Base -10

+) Mit [H 20J 55,5 mol • 1- 1 • Bei der Ableitung von Kw über die Aktivitäten ist pKs(H 20) = 14 und pKs(H 30+) = 0. Bei schwachen Säuren und Basen kommt es nur zu unvollständigen Protolysen. Es stellt sich ein Gleichgewicht ein, in dem alle beteiligten Teilchen in meßbaren Konzentrationen vorhanden sind. Mehrwertige (mehrprotonige, mehrbasige) Säuren sind Beispiele für mehrstufig dissoziierende Elektrolyte. Sie können ihre Protonen schrittweise abgeben (übertragen). Für jede einzelne Protolysenreaktion gibt es eine Säurenkonstante Ks und einen entsprechenden pKs-Wert. Der Ks-Wert der gesamten Protolysenreaktion ist gleich dem Produkt der Ks-Werte der einzelnen Schritte, und der pKs-Wert ist die~ der einzelnen pKs-werte. Beispiel: Phosphorsäure

235

[H 30+] • [H 2 Po 4 -]

K 51

1,1 • 10- 2 ; pK

[H 3P0 4 ]

H2 Po 4

+ H20

1, 96;

...... H30+ + HP0 2- ; 4

...,----

[H 30 + ] • [HP0 4 2- ]

K 52

51

6,1 • 10 -8 ; pKs

[H 2P0 4 - l

2

7,21;

.... H 0+ + P0 4 3+ ; HPO 2 - + H2o ......-4 3 [H 30+] • [P0 4 3 -J

K 53

4, 7 • 10

[HP0 4 2 -J

-13 ; pK

53

12,32.

Bei einer Lösung von H3Po 4 spielt die dritte Protolysenreaktion praktisch keine Rolle. Im Falle einer Lösung von Na 2HP0 4 ist auch pK 5 maßgebend. 3

Protolysegrad a Für die Protolysenreaktion:

gilt: a

mit c =

a

Konzentration protolysierter HA-Moleküle Konzentration der HA-Moleküle vor der Protolyse Gesamtkonzentration HA und [HA], [H 3o+l, [A-l, den Konzentrationen von HA, H3o + , A- im Gleichgewicht ergibt sich: c -

c

1!!.30 + l c

[HA]

Man gibt a entweder in Bruchteilen von 1 (z.B. 0,5) oder i·n Prozenten (z.B. 50 %) an. Das Ostwaldsehe Verdünnungsgesetz lautet für die Protolyse:

Für starke Säuren ist a

~

1 (bzw. 100 %) .

236

Für schwache Säuren ist a

«

1 und die Gleichung vereinfacht sich zu:

a Daraus ergibt sich: Der Protolysengrad einer schwachen Säure wächst mit abnehmender Konzentration c, d.h. , zunehmender Verdünnung. Beispiel: 0,1 M CH 3 COOH: a = 0,013; 0,001 M CH 3COOH

a

o, 125.

3.5.3 Ionenprodukt des Wassers Wasser,

H 2~

H2 o __:

ein Ampholyt, ist in ganz geringem Maße dissoziiert:

H+ + OH

H+-Ionen (Protonen) sind wegen ihrer hohen Ladung im Verhältnis zur Größe in wäßriger Lösung nicht existenzfähig. Sie liegen solvatisiert vor: H3o + , H5 o 2 + , H7 o 3 + , H9 o 4 + = H30+• 3 H2 0 usw. Der Einfachheit halber verwendet man nur das erste Ion .!!aO+ (= Hydronium-Ion). Man formuliert die Dissoziation von Wasser meist als Autoprotolyse: H2 o + H2 o

~

H30+ + OH- (Autoprotolyse des Wassers)

Das Massenwirkungsgesetz lautet für diese Reaktion: K

oder

K(293 K)

3,26. 1o- 18

Da die Eigendissoziation des Wassers außerordentlich gering ist, kann die Konzentration des undissoziierten Wassers als nahezu konstant angenommen und gleich der Ausgangskonzentration [H 2 o] = 55,4 mol · 1- 1 gesetzt werden. 1 Liter H2o wiegt bei 20°C 998,203 g. Dividiert man durch 18,01 g • mol- 1 , ergeben sich für [H 20J 55,4 mol • 1- 1 • Mit diesem Zahlenwert für [H 2 o] ergibt sich: 3,26 • 1o- 18 • 55,4 2 mo1 2 • 1- 2 1 • 10- 14 mol 2 • 1- 2 = Kw Die Konstante KW bezeichnet man als das Ionenprodukt des Wassers (Autoprotolysenkonstante) .

237

Für [H 30+) und [OH-) gilt: [H 30+)

=

[OH-)

= l/1o- 14

mol 2 • 1- 2

10- 7 mol • 1- 1 Anmerkungen: Der Zahlenwert von KW ist abhängig von der Temperatur. Für genaue Rechnungen muß man statt der Konzentrationen die Aktivitäten verwenden.

Mit p als Symbol für den negativen dekadischen Logarithmus erhält man pKW anstelle von Kw und damit handlichere Werte:

(bei 22° C)

14

Die Abhängigkeit des Ionenproduktes des Wassers von der Temperatur zeigt Tabelle 16.

Tabelle 16. Zahlenwerte von Kw und pKw in Abhängigkeit von der Temperatur Temperatur 0 10 20 22 25 30 50 100

0

c o, 13 0,36 0,86 1,00. 1 '27 1 ,89 5,6 74,0

Kw

pKW

10-14 10- 14 10- 14

14,89 14,45 14,07 14,00 13,90 13,73 13,25 12,13

10

-

10=14 10_14 10_14 10

Zwischen dem Ionenprodukt des Wassers (Kw) und der Säuren- und Basenkonstante eines Stoffes in Wasser besteht die Beziehung:

In Worten heißt dies: Das Produkt aus der Säurenkonstante und der Basenkonstante eines konjugierten Säure-Base-Paares ist gleich dem Ionenprodukt des Wasser, bzw. die Summe von pKs und pKb eines konjugierten Säure-Base-Paares ist gleich pKW.

238 3.5.4 pH-Wert

Auf s. 236 hatten wir bei der Autoprotolyse des Wassers gesehen, daß in Wasser die Konzentration der H3o + -Ionen gleich der Konzentration der OH - -Ionen ist: [H 3o + l = [OH - l = 10 -7 mol • 1 -1 • Wasser reagiert also bei Zimmertemperatur neutral, d.h. weder sauer noch basisch. Man kann auch allgemein sagen: Eine wäßrige Lösung reagiert dann neutral, wenn in ihr die Wasserstoffionenkonzentration [H 3o+l den

Wert 10- 7 mol • 1-

hat.

Für .den negativen dekadischen Logarithmus der Wasserstoffionenkonzentration hat man aus praktischen Gründen das Symbol ~ (von potentia hydrogenii) eingeführt. Den zugehörigen Zahlenwert bezeichnet man als den pH-Wert oder als das pH einer Lösung:

Beachte: Korrekt formuliert ist der pH-Wert der mit -1 multipli-

zierte Wert des dekadischen Logarithmus der Aktivität der Wasserstoff-Ionen: pH = -lg aH 0 +. In der Praxis rechnet man jedoch meist mit der Wasserstoffionen~onzentration [H 3o+]. Wir schließen uns in diesem Buch dem allgemeinen Brauch an. Eine neutrale Lösung hat den pH-Wert 7 (bei 22°C). In~ Lösungen überwiegen die H3o+-Ionen und es gilt:

[H 3o+l > 10- 7 mol· 1- 1 oder~· In alkalischen (basischen) Lösungen überwiegen die OH--Ionen. Hier ist: !H 3o + l < 10 -7 mol· 1 -1

oder~

Schreibt man für die Konzentration der OH--Ionen ihren negativen dekadischen Logarithmus: pOH = -lg OH-, kann man das Ionenprodukt von Wasser als Summe von pH und pOH schreiben (s.S. 237). pH + pOH

= pKW

Mit dieser Gleichung kann man über die oli=Konzentration basischer Lösungen auch ihren pH-Wert errechnen. Tabelliert ist meist nur der pH-Wert.

239

Tabelle 17. pH- und pOH-Werte von Säuren und Basen (Auswahl) pOH

pH [OH ]=10 -14 0 1 N starke Säure, z.B. 1N HCl, 1 1 0,1N starke Säure, z.B. 0,1 N HCl, [H 30+]=10- , [OH-]=10- 13 2 0,01N starke Säure, z.B. 0,01 N HCl, [H 30+]=10- 2 , [OH-]=10- 12 [H 30 + ]=100 =1,

7 Neutralpunkt, reines Wasser,

[H 30+]

-

10

-7

mol • 1

14 13 12

-1

7

-12 [OH - ]=10 -2 ,[H 3o + ]=10 -13 + -1 13 0,1N starke Base, z.B. 0,1 N NaOH, [OH ]=10 , [H 3 0 ]=10 14 1 N starke Base, z.B. 1N NaOH, [OH-] = 10°, [H 30+] = 10- 14

2

12 0,01N starke Base, z.B. 0,01N NaOH,

0 ~H

~

Berechnung von pH-Werten pH-Wert von

starken Säuren

Eine starke Säure reagiert praktisch vollständig mit H2 o, d.h. das Gleichgewicht der Protolysenreaktion liegt vollständig auf der rechten Seite:

Läßt man die Autoprotolyse von H2o unberücksichtigt, weil sie hier nicht ins Gewicht fällt, kann man sagen: [H 3o+l ist gleich der Gesamtkonzentration C der Säure. In Formeln:

[H 3o+] = C.

Der pH-Wert einer starken Säure ist gleich dem negativen dekadischen Logarithmus der Konzentration der Säure:

pH = -lg C. Beispiel: Gegeben: 0,01 M wäßrige Hel-Lösung; gesucht: pH-Wert.

240

Lösungen mehrerer starker Säuren In diesen Lösungen protolysieren die einzelnen Säuren praktisch unabhängig voneinander. c muß daher durch ~c ersetzt werden. Dies gilt auch für den Fall, daß eine mehrprotonige starke Säure in allen Stufen gleichstark protolysiert.

pH-Wert von starken Basen

Für den pOH-Wert von starken Basen gilt aus analogen Gründen wie für den pH-Wert von starken Säuren: [OH-)

und pOH

= C

=

-lg C,

wobei c die Gesamtkonzentration der starken Base ist. Der pH-Wert errechnet sich (bei 22° C) über die Gleichung pH = 14- pOH. Beispiel: Gegeben: 0,1 M NaOH; gesucht pH-Wert.

= 0,1 =

[OH-) [H 3o+)

=

10- 1 mol • 1- 1 ; pOH

1o- 13 mol• 1- 1 ;

pH

=

=

1; [OH-) • [H 30)

13.

Anmerkung: Sind in einer Lösung mehrere starke Basen enthalten,

wird c und

ersetzt.

~c

pH-Wert einer schwachen Säure

Schwache Säuren sind nur wenig protolysiert. Das Gleichgewicht der Protolysenreaktion liegt auf der linken Seite: Säure: HA+ H2 0

~

H3o+ + A-.

Aus Säure und H2 o entstehen gleichviele H3 o+- und A--Ionen, d.h. [A-1 = !H 3o+) = x. Die Konzentration der undissoziierten Säure c = [HA] ist gleich der Anfangskonzentration der Säure c minus x; denn wenn x H3 o+-Ionen gebildet werden, werden x Säuremoleküle verbraucht. Bei schwachen Säuren ist x gegenüber C vernachlässigbar, und man darf c [HA) ~ C setzen. Hiermit ergibt sich bei der Anwendung des Massenwirkungsgesetzes auf die Protolysenreaktion:

=

!H 30+) • [A -)

K

[HA)

S

[H 0+1 2 3 [HA)

!H 3o+l 2 ; !H 3 o+l pKS - lg C

[H 0+) 2 3 C - x

=~

~

(H 0+) 2 -"-3_ _ C

Logarithmieren und multiplizieren mit -1 ergibt:

2 • pH, und daraus erhält man:

241

pH

=

pKS - lg C 2

oder pH

= 1/2

pKs - 1/2 lg C

7 - 1/2 pKb - 1/2 lg C.

Beispiel:

Säure: Gegeben: 0,1 M HCN-Lösung.pK Lösung: C

= 0,1 =

sHCN

10- 1 mol· 1- 1 ; pH

=

=

9,4; gesucht: pH-Wert.

9 •4 ;

5,2.

Beachte:

Bei sehr verdünnten schwachen Säuren ist die Protolyse so groB (a ~ 0,62), daß diese Säuren wie starke Säuren behandelt werden müssen. Für sie gilt: pH

= -lg c

Analoges gilt für sehr verdünn-te schwache Basen. pH-Wert einer schwachen Base

Die Berechnung des pOH-Wertes einer schwachen Base erfolgt analog zur Berechnung des pH-Wertes einer schwachen Säure. C ist jetzt die Anfangskonzentration der Base B. Base: B + H2 0

~

BH+ + OH-.

Zur Berechnung des pH-Wertes in der Lösung einer Base verwendet man die Basenkonstante Kb: [BH+1 • [OH-1 [B1 - Kb. Kb • [B1 = [OH - 1 2 Durch Logarithmieren, Multiplikation mit -1 und Substitution von [B1 durch C ergibt sich daraus: pKb - lg C oder pOH

=

2 • pOH,

pKb - lg C 2

Den pH-Wert der Lösung der Base enthält man durch die Beziehung: pH + pOH = pKw (= 14 für 22° C):

242

pH

=

pKb - lg C

-=---:::2- - -

14 -

oder pH

=7

+

1/2 pKs

+

1/2 lg C

Beispiel:

Base: Gegeben: 0,1 M Na 2co 3-Lösung; gesucht: pH-Wert. 2Lösung: Na 2co 3 enthält das basische co 3 -Ion, das mit H2o reagiert: 22- konco3 + H20 ~ HC0 3 + OH-. Das HC0 3 -Ion ist die zu C0 3 jugierte Säure mit pKs = 10,4.

Aus pKs + pKb = 14 folgt pKb = 3,6. Damit wird pOH = 3 • 6

2 lg

0 •1 = 3•6

2 (- 1 )

= 2,3 und pH = 14 - 2,3

11 '7.

pH-Wert mehrprotoniger Säuren Mehrprotonige Säuren können - entsprechend der Zahl an abdissoziierbaren Protonen - mehrere Protolysenreaktionen eingehen. Sie verhalten sich demnach wie eine Mischung von verschiedenen Säuren. Bei genügend großem Unterschied der Ks- bzw. pKs-Werte der einzelnen Protolysenreaktionen kann man jede Reaktion für sich betrachten. In vielen Fällen ist nur die erste Protolyse von Bedeutung. In diesem Fall bestimmt diese Reaktion den pH-Wert der Lösung. Die Berechnung des pH-Wertes erfolgt entsprechend der jeweiligen Säurestärke nach einer der für Säuren angegebenen Formeln. pH-Wert eines Ampholyten Auf Seite 232 hatten wir gesehen, daß in der wäßrigen Lösung eines Ampholyten drei Protolysenreaktionen ablaufen: 1 • Ampholyt + H2o

~

[OH-] [Amphol. ] = Kb

[s] ,

2. Ampholyt + H2o

~

[b] • [H 3 o+]

[Amphol.l 3. Ampholyt + Ampholyt

~

s + b

(Autoprotolyse) •

243

Nach Gleichung (1) und (2) läßt sich ein Ampholyt auch als Zwischenprodukt bei der Protolyse einer zwei- oder mehrprotonigen Säure s auffassen. Die Protolyse erfolgt dabei in der Reihenfolge: Säure (s) ----+ Ampholyt ---+ Base (b). Entsprechend erfolgt die Kennzeichnung der Ks-Werte in der rechten Spalte: Ks 1 ist also die Säurekonstante der Reaktion: s + OH- ~ Ampholyt + H2o. Dividiert man Ks (Protolysenreaktion (2)) durch Kb (Protolysenreaktion (1)) und berücksichtigt, daß [H 3o+] • [OH-] = Kw ist, ergibt sich: pH Eine Vereinfachung dieser Gleichung ist möglich, wenn [H 3 o+] und [OH-] klein sind_im Verhältnis zu [s] und [b]. Dies ist der Fall, wenn die Gesamtkonzentration des Ampholyten groß ist. "Es überwiegt nun Reaktion (3); damit wird [s] = [b], und man erhält für diesen Sonderfall (Isoelektrischer Punkt) :

Werden Ks durch Ks 2 und Kb durch Kw/ Ks 1 ersetzt, wird daraus

und pH

1/2 (pKs 1 + pKs 2 >, für [s]

[b]


:

~

(reduzierte Form)

(oxidierte Form)

lU

Q)

N

::s

Q)

Normalpotential

* Das Normalpotential bezieht sich auf Lösungen vom pH 14 ([OH-]=1). Bei pH 7 beträgt das Potential +0,82 V. Nernstsche Gleichung Liegen die Reaktionspartner einer Zelle nicht unter Normalbedingungen vor, kann man mit einer von w. Nernst 1889 entwickelten Gleichung sowohl das Potential eines Redoxpaares (Halbzelle) als auch

die EMK einer Zelle (Redoxsystem) berechnen. a) Redoxpaar: Für die Berechnung des Potentials E eines Redoxpaares Red) lautet die Nernstsche Gleichung: -.===!= (Ox + n • e E

oder

E

Eo + R·T ln [Ox] [Red] n.F

oder E = Eo + R•T·2,303 lg n.F

[Ox] [Red]

(mit ln x

2,303 • lg X)

290

E

Eo + 0 ,OS9 lg n

[Oxl [Red)

(mit T R F

(E 0

= Normalpotential

298,15 K 8,314 J/grad • mol 96487 A · s. mol- 1 )

des Redoxpaares aus Tabelle 21 ; R

= Gaskon-

stante; T = absolute Temperatur; F = Faraday-Konstante; n = Anzahl der bei dem Redoxvorgang verschobenen Elektronen) . a 0 x bzw. aRed sind die Aktivitäten, [Ox) bzw. [Red) die Konzentrationen der oxidierten Form (Oxidationsmittel) bzw. reduzierten Form (Reduktionsmittel) des Redoxpaares. Die stöchiometrischen Koeffizienten treten als Exponenten der Aktivitäten bzw. Konzentrationen auf. Anmerkung: Der Einfachheit wegen wird anstelle der Aktivität oft

die der von von

Konzentration angegeben. Hierbei muß man jedoch beachten, daß Aktivitätskoeffizient von der Ionenstärke der Lösung und somit der Ionenladung abhängt und selbst in verdünnten Lösungen einen 1 verschiedenen Wert hat.

Beispiele:

1. Gesucht wird das PotentialE des Redoxpaares Mn 2 +/Mno 4- Aus Tabelle 21 entnimmt man E0 = +1,5 v. Die vollständige Teilreaktion für den Redoxvorgang in der Halbzelle ist:

Die Nernstsche Gleichung wäre zunächst zu schreiben als E

1 1 , 5 + 0,059 5 g

[Mno 4 - I . [H 3 o + I 8 [Mn2+) • [H20)12

Die Aktivität des Lösungsmittels in einer verdünnten Lösung ist annähernd gleich 1; mit [H 2oJ 12 = 1 erhält man: + 8 0 059 [Mn04 I . [H30 I E = 1 , 5 + - ' - - lg --.....:...--::-_::._ __

5

[Mn2+)

Man sieht, daß das Redoxpotential in diesem Beispiel stark pH-abhängig ist. pH-abhängig sind auch die Potentiale der Redoxpaare H2 /H 3o+ (Wasserstoffelektrode) und o 2 /0H- (Sauerstoffelektrode) . Uber die Potentialänderung in Abhängigkeit vom pH-Wert gibt wieder die Nernstsche Gleichung Auskunft.

291

Redoxpaar

R 2 ~ 3o

+

(Wasserstoffelektrode)

Der Aufbau der Wasserstoffelektrode ist in Abb. 35 beschrieben. Im Gegensatz zur Normalwasserstoffelektrode sind jedoch die Temperatur, die Wasserstoffionenaktivität und der Druck des R2 -Gases (pR ) frei 2

wählbar.

Für das Potential des Redoxpaares lautet die Nernstsche Gleichung: 2

R • T a R+ +---ln-2 · F p R2

E

Da das Potential der Wasserstoffelektrode pR-abhängig ist, wurde diese Elektrode früher in der pR-Meßtechnik verwendet. Beachte: Die Wasserstoffelektrode wird durch geringste Sauerstoff-

spuren vergiftet. Sie kann nicht eingesetzt werden in Lösungen, die starke Oxidations- oder Reduktionsmittel, leicht reduzierbare organische Verbindungen oder Ionen von Metallen enthalten, die ein positiveres Redoxpotential als Wasserstoff besitzen. Redoxpaar

o 2 /0R-

(Sauerstoffelektrode)

Die Sauerstoffelektrode besteht - analog zur Wasserstoffelektrode aus einem platinierten Platinblech, das von Sauerstoffgas mit einem bestimmten Druck umspült wird und in eine Lösung mit OR--Ionen ein-

o 2 + R2 o + 2 e 2 OR-. Bei Verwendung der Gleichung Kw = aR+· a 0 R- (Ionen-

taucht. Die potentialbestimmende Reaktion ist: 1/2

produkt des Wassers) kann man a 0 R- durch aR+ ausdrücken. Für das Potential des Redoxpaares ergibt sich damit: (p 0

E

Anmerkung: Aufgrund von

ist der Druck des 2 Sauerstoffs).

Uberspannungseff~kten

ist das Potential der

Sauerstoffelektrode schlecht reproduzierbar. Unter Oberspannung (: irreversible Polarisation) n versteht man i.a. die Differenz zwischen dem Potential Ve einer Elektrode bei Stromfluß und dem berechneten Redoxpotential (Gleichgewichtspotential) V0

:

n

= Ve -

V0



Die Größe von n hängt ab: von der Art und Konzen-

tration des Elektrolyten, der Art und Oberflächenbeschaffenheit des Elektrodenmaterials, der Stromdichte (Stromstärke/Elektrodenoberfläche), vom Druck, der Temperatur und von der verwendeten Meßmethode. Besonders große Werte für n beobachtet man bei der Abscheidung von Gasen und bei der kathodischen Metallabscheidung.

292

b) Redoxsystem: ox 2 + Red 1 ~ ox 1 + Red 2 • Für die EMK (ßE) eines Redoxsystems ergibt sich aus der Nernstschen Gleichung R. T. 2,303

ßE = E~ + R • T · 2, 303 lg n-F

~___;:;.._...::....:c...:....;;..;;_

n · F

[ox,l

lg - [Red 1 J

oder R • T • 2,303

ßE

n.F

lg

E~ bzw. E~ sind die Normalpoten tiale der Redoxpaare Ox /Red bzw. 2 2

ox 1;Red 1 • Beispiel:

Wie groß ist die EMK der Zelle (Redoxsystem ) Ni/Ni 2 + (0,01 M)// Cl (0,2 M)/Cl 2 (1 bar)/Pt? Lösung: In die Redoxreaktio n geht die Elektrizitäts menge 2 • F ein: Ni + Cl 2 ----+

Ni 2 + + 2 Cl-

n hat deshalb den Wert 2. Die EMK der Zelle unter Normalbeding ungen beträgt: ßE

0

-

0

0

- E (Cl-/Cl ) - E (Ni/Ni 2 +J 2

+1 ,36 -

(-0,25)

+1 ,61 V.

Daraus folgt: +1,61 + 0 ·~ 59 lg

=

1,61 + 0,10

=

1,71

0,01 • 0,2 2

v.

Hinsichtlich [Cl 2 J und [Ni] beachte die Normierungsb edingung S. 287.

3.8.4

Elektroden

3.8.4.1 Bezugselektr oden

In der Praxis benutzt man anstelle der Normalwass erstoffelektr ode andere, für die Praxis einfachere Bezugselektr oden, deren Potential auf die Normalwasse rstoffelektro de bezogen ist. Besonders bewährt haben sich Elektroden 2. Art.

293

Das sind Anordnungen, in denen die Konzentration der potentialbestimmenden Ionen durch die Anwesenheit einer schwerlöslichen, gleichionigen Verbindung festgelegt ist. Durch geeignete Wahl der Elektrodenkomponenten erhält man genau definierte, sehr konstante und gut reproduzierbare Elektrodenpotentiale. Beispiele :

Kalomelelektrode l.bb. 36 zeigt eine einfache, für den Dauergebrauch geeignete Anordnung.

Pt- Droht

(Ableitelektrode )

E1nfüll· Öffnung Pos te aus

Hg und Hg 2 Cl 2 (Kalomel)

Fritte KCl - Lsg. mit Hg 2 Cl 2

gesättigt

KCL- Kristolle

D1ophrogmo

(Asbestfoden u.ö.)

Abb . 36. Prinzipieller Aufbau einer Kalomelelektrode (GKE)

Der potentialbestimmende Vorgang ist: Hg~+ + 2 e

2 Hg.

Für das Potential dieser Elektrode gilt: E

Da die Lösung an Hg 2c1 2 gesättigt ist, ist aHg2+ gemäß dem Löslichkeitsprodukt (LpHg 2C12 = aHg~+ • a~ 1 -l von ac 1 - 2 abhängig, und es gilt daher:

294

E

R•T R ·F T ln 2 Eo + ---n' ln Lp Hg c1 - 2 a Cl 2 2

E

Eo'

- ..!L:...! ln a Cl F

mit

Eo'

oder

R• T Eo + ---n' ln Lp.

In der Praxis finden folgende Kalomelelektroden Verwendung: 0,1 NKE (mit 0,1 N KCl-Lsg), E = 0,3337 V, NKE (mit 1 N KCl-Lsg), E = 0,2807 V, GKE (gesättigt an KCl), E = 0,2415 V. (Die Potentialwerte sind gegen die Normalwasserstoffelektrode bei 25° C gemessen) • Die GKE ist die in wäßriger Lösung am meisten benutzte Bezugselektrode, weil sie leicht herzustellen ist und ein gut reproduzierbares Potential besitzt. Ein Nachteil der Kalomelelektrode ist ihre starke Temperaturabhängigkeit (wegen der unterschiedlichen Löslichkeit von KCll • Bei der NKE· beträgt die Potentialänderung ca. 1 mv pro 0 c. Beachte: In nichtwäßrigen Lösungen ist die Kalomelelektrode nur be-

schränkt einsatzfähig. Silber-Silberchlorid-Elektrode

----

Si lb erdroht

m it

AgCl überzogen

Einfüll öffnung

gesätt i gte KCl - Lösung

Di aphragma

Abb. 37. Prinzipieller Aufbau einer Silber-Silberchlorid-Elektrode

295

Die potentialbestimmende Reaktion ist: Ag+ + e ~

Ag. Für das

Potential gilt: E

Eo

Ag/Ag+

R• T l + --F- n aAg+1

0

EAg/Ag+

=

+0,81 V.

Die Aktivität der Ag+-Ionen aAg+ wird über das Löslichkeitsprodukt von AgCl durch die Aktivität der Cl--Ionen bestimmt. Anwendungsbereich: Die Ag/AgCl-Elektrode ist bis 130° c einsetzbar. s 2--haltige Lösungen vergiften die Elektrode durch Bildung von Ag 2s. Quecksilbersulfat-Elektrode Im Aufbau gleicht sie der Kalomelektrode, wenn· man Hg 2c1 2 durch Hg 2so 4 und KCl durch 0,1 N H2so 4 , 1 N H2so 4 oder gesättigte K2so 4 Lsg. ersetzt. Für das Potential der Elektrode gilt: E

+0,641

v.

Für 25° C und 1 N H2so 4 -Lsg. ist E = +0,682 V1 für die gesättigte K2so 4-Lsg. findet man bei 25°C E = +0,650 v.

3.8.4.2 MeBelektroden (Indikatorelektroden)

Meßelektroden heißen Anordnungen, die sich zur Messung von Potentialdifferenzen (= Spannungen) und Spannungsänderungen eignen. Sie müssen dem jeweiligen Problem angepaßt werden. Beispiele: Metallelektroden bestehen aus einem Metall, das in die Lösung sei-

ner Ionen eintaucht. Beispiel: Ag-Draht in einer Lösung von Ag+Ionen. Redoxelektroden sind Meßelektroden, bei denen die Elektrode als Medium für den Elektronenaustausch dient. Sie nimmt ein Potential an, das in Vorzeichen und Größe durch die Redoxreaktionen in der Umgebung der Elektrode verursacht wird. Taucht z.B. ein Platinblech in eine wäßrige Lösung mit Fe 2 +- und Fe 3 +-Ionen, so ist das Platinblech än dem Redoxvorgang Fe 2 + ~ Fe 3 + + e- unbeteiligt. Chinhydronelektrode

Ein Platinblech taucht in eine wäßrige Lösung von Chinhydron (Additionsverbindung aus Chinon und Hydrochinon im Molverhältnis 1 : 1).

296

Für die Reaktion

OH

Q

0 II

0

+

n

OH

0

erg1bt sich an dem Platinblech ein gut reproduzierbares Potential von: aChinon·

E

Da man aChinon hängig.

2

a H+

aHydrochinon aHydrochinon setzen kann, ist E nur noch pH-ab-

Die Chinhydron-Elektrode eignet sich daher als Indikatorelektrode in der pH-Meßtechnik. wasserstoffel~ktrode,

Glaselektrode s.S.

s.S. 291

348

Polarisierbare und unpolarisierbare Elektroden Polarisierbare Elektroden sind Elektroden, die bei Stromdurchgang

Veränderungen erfahren, die zur Ausbildung eines galvanischen Elements führen. Die EMK dieses Elements ist der angelegten Spannung (Klemmenspannung, Polarisierspannung) entgegengerichtet und vermindert mehr oder weniger stark den Stromfluß durch die Elektrode. Die Erscheinung heißt Polarisation. Meist unterscheidet man zwischen reversibler Polarisation (chem1sche Polarisation und Konzentrationspolarisation) und irreversibler Polarisation (s. Uberspannung).

Die chemische Polarisation oder Abscheidungspolarisation entsteht dadurch, .daß durch die Elektrolysenprodukte ein galvanisches Element aufgebaut wird. Die Konzentrationspolarisation wird durch eine Konzentrationskette hervorgerufen. Sie bildet sich, wenn durch die elektrochemischen Vorgänge in der unmittelbaren Umgebung der Elektrode Konzentrationsunterschiede auftreten. Vermindern lassen sich derartige Polarisationserscheinungen im Falle der Konzentrationspolarisation durch Erhöhung der Temperatur und Rühren.

297

Bei der chemischen Polarisation hilft oft eine Vergrößerung der Elektrodenoberfläche oder Verwendung eines hochfrequenten Wechselstroms. unpolarisierbare Elektroden zeigen keine Behinderung des Stromflusses. Bereits bei beliebig kleiner Klemmenspannung fließt ein Strom.

3.9 Redoxtitrationen (Oxidimetrie) Unter einer Redox-Titration versteht man ein maßanalytisches Verfahren, dem eine Redoxreaktion zugrundeliegt. Bei einer Redox-Titration wird ein Oxidations- oder Reduktionsmittel als Titrant verwendet. Möglich ist eine Redox-Titration immer dann, wenn die Probe oxidierende oder reduzierende Eigenschaften besitzt. Probleme können z.B. dadurch entstehen, daß sich ein Redoxgleichgewicht sehr langsam einstellt, Reaktionsverzögerungen auftreten, die nicht durch Katalyse beseitigt werden können, oder daß Sekundärreaktionen einen reversiblen Reaktionsablauf verhindern. Oxidationsmittel für die Maßanalyse sind: KMno 4 , r 2 , Ce(so 4 J 2 , KBr0 3 , K2Cr 2o 7 von diesen Substanzen werden Äquivalentlösungen hergestellt und hiermit oxidierbare Stoffe titriert. 2+ 2+ 23+ 3+ 2+ Be~sp~ele: Fe I Mn I so3 I As I Sb I Sn 0

0

Reduktionsmittel werden nur selten benutzt; statt dessen wird indirekt gearbeitet: Läßt man z.B. die zu bestimmende Substanz auf das

leicht oxidierbare KI einwirken, so wird eine dem Oxidationsmittel äquivalente Menge r 2 freigesetzt. Dieses kann mit Na 2s 2o 3-Lsg. titriert werden.

3.9.1 Titrationskurven

Berechnung von Titrationskurven Eine Berechnung von Titrationskurven ist nur bei einfachen Redoxreaktionen sinnvoll. Die Grundlage für die Berechnung ist die Nernstsche Glei~hung, s.S. 289. Mit ihr kann man für verschiedene Konzentrationsverhältnisse der Reaktionspartner die EMK des Redoxsystems berechnen.

298

Als Beispiel betrachten wir folgende einfache Redoxreaktion: a

ox 1 + n · e

ox 2 + n · e

E1

Eo +~ln 1 n·F

E2

Eo +~ln 2 n · F

K

aox2

a Red

~ a Red

1

aox2 a Red 2

1

aRed 2 ' a ox,

Bei dieser Reaktion ist ox 1 das Oxidationsmittel für Red 2 • Während der Titration wird solange Ox 1 zu der Lsg. zugegeben, bis alles Red 2 in ox 2 übergeführt ist. Ist dies der Fall, haben wir den Xquivalenzpunkt erreicht. Beachte: Bei Redoxtitrationen mißt man die Differenz des Potentials einer Meßelektrode und des Potentials einer Bezugselektrode.

Beeinflußt wird diese Potentialdifferenz (EMK) durch die Konzentrationsverhältnisse der Redoxpaare ox 1 /Red 1 und ox 2 /Red 2 . Da das Potential der Bezugselektrode konstant und sein Wert bekannt ist, kann man anstelle der Potentialdifferenz der Zelle (Meßelektrode/Bezugselektrode) das Potential an der Meßelektrode berechnen. Das Potential am Xquivalenzpunkt

Das Potential am Äquivalenzpunkt EÄ berechnet sich mit der Formel:

Für die allgemeine Reaktion gilt entsprechend: a E~

+

b E~

a

+

b

a ox 1 + b Red 2

Beachte: In der Nähe des Äquivalenzpunkts wird eine starke Poten-

tialänderung beobachtet. Diese Änderung ist um so größer, je größer der Unterschied zwischen E~ und E~ ist. Der Äquivalenzpunkt ist der Wendepunkt der Kurve beim Titrationsgrad 1.

299

Das Potential vor und nach dem

Xqu~valenzpunkt

zu Beginn der Titration wird das Potential durch das Redoxpotential der Probe bestimmt (in unserem Beispiel E 2 ), weil man annehmen darf, daß der Titrant vollständig verbraucht wird. Ab einem Konzentrationsverhältnis ox 2 : Red 2 > 10 3 wird das Potential durch den Titrant mitbestimmt. Nach dem Äquivalenzpunkt ist das Potential des Titranten potentialbestimmend. Abb. 38 zeigt die graphische Darstellung einer berechneten Titrationskurve.

1,8

Eo

1,6

Celml/Ce !Illl

1,4 ~

>

LLJ

1,2 1,0

Eo

0,8

Feln)/Fe lml

0,6 0,4 I

0,2 0

I I

--------- ...J_---------

- 0,2 - 0,4 0,5

1

Titrationsgrad

Abb. 38. Kurve der Titration von Fe 2 +- mit ce 4 +-Ionen

3.9.2 Endpunkte der Titration

Der Endpunkt bei Redoxtitrationen kann kolorimetrisch oder elektrochemisch bestimmt werden. Beispiele für kolorimetrische Endpunktsbestimmung: Manganometrie

Bei der Manganometrie reicht die Farbe des Mno 4 --Anions unmittelbar nach Uberschreitung des Äquivalenzpunkts aus, um diesen zu indizieren.

300

Iodometrie

Der Endpunkt bei iodometrischen Titrationen kann dadurch indiziert werden, daß nach Zusatz einer Stärkelösung geringste Iod-Mengen an der intensiv blauen Farbe einer Iod-Stärke-Einschlußverbindung erkannt werden können. Beispiel für potentiometrische Bestimmungs. Kap. 3.10.3. Redoxindikatoren

Bei vielen Redoxtitrationen werden sog. Redoxindikatoren verwendet .• Dies sind Substanzen, deren reduzierte Form eine andere Farbe hat als die oxidierte Form. Häufig sind die Verhältnisse dadurch komplizierter, daß die Lage des Umschlagsbereichs pH-abhängig ist. Die Auswahl des Indikators erfolgt so, daß sein Umschlagspotential möglichst nahe beim Äquivalenzpunkt liegt. Zweifarbige, reversible Redoxindikatoren Diphenylamin, s.S.

224. Der Umschlag erfolgt bei ca. E

=

+0,76 V.

Diphenylaminsulfonsäure. Sehr scharfer Umschlag von farblos nach

rotviolett bei E > +0,83 v. o-Diphenylaminocarbonsäure (N-Phenylanthranilsäure) • Umschlag von

farblos in hellrot oder hellrotviolett bei E

=

+1,08 V.

Eisen(II)-orthophenanthrolin-Ion ("Ferroin-Ion"). Das tiefrot ge-

färbte komplexe Ion (C 12 H8N2 ) und einem färbtes Komplex-Ion E = +1,20 V (Formel

besteht aus drei Molekülen Orthophenanthrolin Fe 2 •-Ion. Durch Oxidation entsteht ein blaugemit Fe 3 +. Das Umschlagspotential beträgt s.S. 224).

Weitere Beispiele sind die Triphenylmethanfarbstoffe Eriogrün, Erioglaucin und Setoglaucin. Irreversible Indikatoren wie Methylorange und Styphninsäure werden durch überschüssigen Titrant (z.B. Bro 3 -) oxidativ zerstört. Beispiele für elektrochemische Endpunktsbestimmung: s. Kap. 3.10.3.

301

3.9.3

Anwendungsbeispiele

3.9.3.1 Manganometrie Bei der Manganometrie wird eine wäßrige Lösung von Kaliumpermanganat zur Oxidation des zu titrierenden Stoffes eingesetzt. Das Redoxpotential ist pH-abhängig. Im alkalischen bis neutralen Milieu: 0,58 V

+ 3 e

Mn 7 + + 3 e

(I)

Mn 4+ •

Im stark sauren Milieu: (II)

Mn 7 + + 5 e

1, 5 V.

Titrationen mit Kaliumpermanganat werden in den meisten Fällen im stark sauren Bereich vorgenommen, da hier die Oxidationskraft am größten ist. Hinzu kommt die Einfachheit der Endpunktsbestimmung: Das Mno 4 --Ion hat im Gegensatz zum farblosen Mn 2 +-Ion eine intensiv violette Farbe, die schon bei einer Konzentration von 10- 6 mol · 1- 1 sichtbar ist. Der Titrationsendpunkt wird angezeigt durch eine bleibende Rosafärbung, hervorgerufen durch einen geringen Uberschuß von nicht reduziertem Kaliumpermanganat. Arbeitet man im alkalischen bis neutralen Milieu (Gl. I), entsteht schon während der Titration eine gefärbte Fällung von Mno 2 , die die Endpunktserkennung stört. Einstellung von 0,1 N KMno 4 -Lsg. Zur Einstellung von 0,1 N KMn0 4 -Lsg. kann man Oxalsäure als Urtitersubstanz verwenden. Vereinfacht dargestellt verläuft die Umsetzung bei der Titration nach folgender Gleichung: 10

co 2

+ 2 Mn

2+

+ 8 H2

o.

Die Titration wird bei einer Temperatur von ca. 80° C in schwefelsaurer Lösung durchgeführt.

302

Zu Beginn läuft die Reaktion langsamer ab als im weiteren Verlauf der Titration, da das entstehende Mn 2+ die Reaktion katalysiert. Für die Berechnung des Faktors ist zu beachten, daß Oxalsäure 2 mol Kristallwasser enthält. Ein anderer Urtiter ist (NH 4 12Fe (so 4 ) 2 • 6 H2o (Mohrsches Salz). Berechnungsbeispiel

Wie groß ist die Masse an Natriumoxalat, wenn bei der Titration in schwefelsaurer Lösung 72,5 ml 0,1 N KMn0 4 -Lsg. verbraucht werden? Zur Titration benutzt man die Rotfärbung durch überschüssiges KMn0 4 als Indikator. KMn0 4 ist ein Oxidationsmittel, d.h. für Oxalat gilt die Reaktionsgleichung 2 co 2 + 2 e mv

1/2 • 0,1 • 72,5 · 134 = 486 mg

Alternative Lösung mit dem Umrechnungsfaktor k O, 1 N KMn0 4 : mv

=

1 • 6, 7 • 72,5

Normierfaktor f

=

= 1,

6,7 mg/ml für

486 mg da eine exakt 0,1 N KMn0 4-Lsg. verwendet wurde.

Spezielle manganemetrische Bestimmungen Titrationsbeispiele

Wasserstoffperoxid 1 ml 0, 1 N KMnO 4 ~ 1 , 701 mg H2o 2 • Konzentrierte und verdünnte Wasserstoffperoxidlösungen können auch manganemetrisch bestimmt werden. Die Umsetzung verläuft in schwefelsaurer Lösung nach folgender Gleichung:

Beachte: H2o2 (Oxidationsstufe von Sauerstoff: -11 wird hier zu 0 2

(Oxidationsstufe von Sauerstoff: 0) oxidiert, ist also selbst das Reduktionsmittel. Die Äquivalentzahl z ist folglich 2. Wie groß ist der H2o 2-Gehalt einer unbekannten Lösung? 2,1053 g der unbekannten Lsg. werden abgewogen, im Meßkolben auf genau 100 ml aufgefüllt.

303

Ein aliquoter Teil von 20 ml wird entnommen und - nach Ansäuern mit verd. Schwefelsäure - mit 0,1 N KMn0 4-Lsg. mit f ·= 1 ,020 titriert. Verbrauch: 22,15 ml Verdünnung: 100:20 = 5 k = 1,7 mg/ml für 0,1 N KMno 4 ~

=

1,02 ·1,7 · 22,15 • 5

=

192,04 mg

H 2o 2

oder 192,04. 100 2105,3 Elementares Eisen 1 ml 0,1 N KMn0 4 G 5,585 mg Fe Fe kann man durch Schütteln mit einer heißen Cuso 4 -Lsg. lösen:

Das Gleichgewicht liegt dabei auf der rechten Seite, da E°Cu/Cu2+ größer ist als E°Fe/Fe2+. Die gelösten Fe 2 +-Ionen werden nach der Filtration der Lösung und Zugabe von Schwefelsäure manganemetrisch bestimmt:

Den Endpunkt der Titration erkennt man an der bleibenden Orangefärbung, einer Mischfarbe aus dem Gelb des Fe 3 +-Ions und dem Violett des Mn0 4 --rons. Eine Unterdrückung der Fe(III)-Färbung ist durch den Zusatz von Phosphorsäure möglich (Bildung von FeP0 4 ).

~

1 ml 0,1 N KMno 4 Q 5,585 mg Fe Die salzsaure Probenlsg. wird mit ca. 10 ml "Reinhardt/ZimmerrnannLösung" versetzt und unter Rühren mit KMn0 4 titriert.

Die Reinhardt/Zimmermann-Lösung verhindert die Oxidation von Salzsäure zu Chlor. Zusammensetzung: 100 ml reine H3Po 4 (d 1,3), 60 ml H2o, 40 ml H2so 4 (d 1 ,84) werden zu 20 g Mnso 4 • 7 H20 in 100 ml H2o gegeben.

304

wird mit SnC1 2 in der Siedehitze re d uz~ert. Ub ersc h"uss~ge s n 2 + 2+ 2+ 4+ Ionen werden in der Kälte mit HgC1 2 (Sn + 2 Hg Sn + 2 Hg~+) beseitigt. Fe + wird wie oben titriert. 0

0

Fe 2 + neben Fe 3 + Es werden nebeneinander zwei Titrationen durchgeführt. Fe 2 + wird direkt titriert. Fe 3 + wird über den Gesamtgehalt der Lösung an Fe ermittelt. Oxalat, Oxalsäure 1 ml o, 1 N KMnO 4 ~- 4,4011 mg c 2o 4 2S 4,5019 rng H2 c 2 o4 Die Probenlösung wird, falls Beimischungen stören, mit ca 2 +-Ionen versetzt. Die Ca-Fällung ist vollständig in schwach ammoniakalischer Lösung, bei Anwesenheit von NH 4 Cl und in der Siedehitze. Die Fällung wird in heißer H2 so 4 ( 1 : 1) gelöst. Es wird in der Wärme titriert. Ca-Salze 1 ml 0,1 N KMno 4 ~ 2,004 mg Ca oder 2,804 mg CaO.Calcium wird als Oxalat gefällt und dann über Oxalat indirekt bestimmt; s. Oxalat! Natriumnitrit· 1 ml 0,1 KMno 4 f; 2, 3004 mg N0 2 -, 2, 3508 mg HN0 2 Natriumnitrit kann manganametrisch titriert werden. Die Umsetzungsgleichung der Titration lautet:

Im Unterschied zum üblichen Verfahren wird hier eine bekannte Menge einer 0,1 N KMno 4 -Lsg. vorgelegt, die mit H2 so 4 (1 : 1) angesäuert ist. Die Probenlösung erhält man dadurch, daß man eine bestimmte Menge NaNo 2 abwiegt und in einem bekannten Volumen Wasser löst. Diese Lösung läßt man aus der Bürette zu der ca. 40° C warmen KMn0 4 Lsg. bis zur Entfärbung zulaufen, wobei die Bürettenspitze direkt in die Lösung eintauchen soll. Dieses umgekehrte Verfahren ist hier vorzuziehen, da in saurer Lösung flüchtige HN0 2 entsteht, die sich in der Wärme zersetzt:

305

Reaktion mit Luftsauerstoff: NO + 1/2 o2 --+

N0 2 .

Es sei darauf hingewiesen, daß die cerimetrische Bestimmung gegenüber dieser Methode genauere Ergebnisse liefert.

3.9.3.2 Cerimetrie Als oxidierendes Reagenz dienen bei der Cerimetrie ce 4 +-Ionen, die durch Elektronenaufnahme in die dreiwertigen ce 3 +-Ionen übergehen:

Das Redoxpotential ist abhängig vom Anion des Ce-Salzes. Bei pH gilt für die Normalpotentiale: Ce(S0 4 ) 2 : E0 Ce(N0 3 ) 4 : E0 Ce(Cl0 4 ) 4 :E0

1 ,44 V,

1, 61 V,

1,70 V.

Die Äquivalentlösung kann man mit Ammoniumcer(IV)-sulfat oder mit Ammoniumcer(IV)-nitrat herstellen. Die Cerimetrie bietet gegenüber der Manganometrie mehrere Vorteile. So hat die Äquivalentlösung eine höhere Titerbeständigkeit, da sie unempfindlich ist gegenüber Luftsauerstoff. ce 4 + setzt aus salzsaurer Lösung kein elementares Chlor fre_i; es entfällt auch das Problem mit den verschiedenen Wertigkeitsstufen, da nur ein Elektronenübergang von ce 4 + nach ce 3 + erfolgt. Ein Nachteil gegenüber KMn0 4 ist die Notwendigkeit eines Indikators. ce 4 + ist zwar schwach gelb und ce 3 + farblos, die Farbintensität reicht jedoch nicht zur Erkennung eines scharfen Umschlags aus. Als Indikatoren verwendet man deshalb Ferroin oder Diphenylamin. Einstellung der O,i N-Ammoniumcer(IV)-nitrat-Lösung Als Urtitersubstanz wird As 2o3 verwendet. Als Indikator dient Ferroin. Zuerst wird As 2o 3 in NaOH-Lsg. zu Natriumarsenit gelöst:

Das Arsenit (As(III) wird dann zu Arsenat (As(V))mit ce 4 + in H2 so 4 saurer Lösung oxidiert: Aso 3 - + 2 ce 4 + ~ 3

Aso 4 3- + 2 ce 3 +.

306

As(III) zeigt sowohl gegenüber ce 4 + als auch gegenüber KMn0 4 eine Oxidationsresistenz; deshalb setzt man zweckmäßigerweise bei der Einstellung gegen As 2o 3 eine geringe Menge Os0 4 als Katalysator zu. Spezielle cerimetrische Bestimmungen Eisen (II) -sulfat 1 ml 0,1 N Ce(so 4 J 2 ~ 5,585 mg Fe Eisen(II)-salze können partiell durch Luftsauerstoff zu Eisen(III)salzen oxidiert werden. Um eine Verfälschung des Titrationsergebnisses zu verhindern, ist es also erforderlich, den Luftsauerstoff vor Zugabe des Eisen(II)-salzes aus der Probenlösung zu entfernen. Man erreicht dies, indem zu einer wäßrigen H3Po 4 ;a 2 so 4 -Lösung Natriumhydrogencarbonat hinzugegeben wird. Das hierbei freiwerdende co 2 verdrängt den Luftsauerstoff weitgehend aus der Lösung. Die Titration mit Ammoniumcer(IV)-nitrat-Lösung läßt sich wie folgt beschreiben: Fe 2 + + ce 4 +--+ Fe 3+ + ce 3 +. Indikator ist Ferroin. Natriumnitrit 1 ml 0,1 N Ce(S0 4 ) 2 ~ 4,6008 mg N0 2 Aus den oben genannten Gründen (s.Kap. "Manganometrie, Natriumnitrit") wird auch hier die angesäuerte Cer(IV)-sulfat-Lösung vorgelegt und mit Natriumnitrit, das in 100 ml Wasser gelöst wurde, titriert:

Der Indikator Ferroin wird erst kurz vor dem Verschwinden der gelben Farbe des ce 4 +-Ions zugesetzt. Zinkstaub Zinkstaub enthält neben elementarem Zink Verunreinigungen durch ZnO und Spuren anderer Metalle. Da er hauptsächlich als Reduktionsmittel Verwendung findet, ist es u.U. sinnvoll, seine reduzierende Wirkung quantitativ zu erfassen und nicht etwa den oxidierten Zinkanteil mitzubestimmen. Das Zink wird in Wasser unter Zusatz von einem Uberschuß an Ammoniumeisen(III)sulfat gelöst:

307

Da E°Fe2+/Fe3+ größer ist als E0 Zn/Zn2+, löst sich der Zinkstaub unter Oxidation zu Zn und reduziert hierbei Fe 3 + zu Fe 2 +. Anschliessend wird Fe 2 + in schwefelsaurer Lösung cerimetrisch bestimmt IReaktionsgleichung s. Eisen(II)-sulfat). Als Indikator verwendet man z.B. Ferroin.

3.9.3.3 Iodometrie

Iod läßt sich leicht zu Iodid reduzieren: 2 I-, E0

= 0,535

V.

Die Reversibilität dieses Vorgangs kann man mit dem relativ niedrig liegenden Normalpotential erklären. Ist das Redoxpotential eines Stoffes niedriger als das der Iodlösung, so wird das Iod von diesem Stoff zu Iodid reduziert. Liegt das Redoxpotential des Stoffes höher als das der Iodlösung, so kann Iodid zu Iod oxidiert werden. Es sind also sowohl Oxidations- als auch Reduktionsmittel iodametrisch titrierbar. Die relativ geringe Wasserlöslichkeit des Iods wird durch Zugabe von Kaliumiodid stark erhöht, da sich das gut lösliche I 3 --Ion bildet:

Der Endpunkt muß indiziert werden, weil die gelbe Farbe von I 3 für eine genaue Erkennung des Umschlagspunktes nicht ausreicht. Als Indikator bietet sich Stärke an. Beachte: Oxidationen und Reduktionen mit I 2 bzw. I

sind Zeitreaktionen. Nach der Zugabe von I 2 bzw. KI muß die Probenlösung ca. 10 min. stehen bleiben. Gelegentlich schüttelt oder rührt man die Lsg. Wegen der Oxidation von I zu I 2 durch Sauerstoff und Licht, wird die Lösung in einem verschlossenen Schliff-Erlenmeyer im Dunkeln aufbewahrt.

308

Herstellung der Stärke-Lösung 1 g lösliche Stärke und 5 mg Hgi 2 (dient zur Konservierung der Lösung), werden mit wenig kaltem Wasser aufgeschlämmt, mit Wasser auf ca. 500 ml Volumen verdünnt und ca. 5 min. gekocht. Die kalte Lsg. wird filtriert. Für 100 ml Probenlösung nimmt man ca. 2 ml Stärke--Lösung. Betrachtung der beiden möglichen iodametrischen Titrationsverfahren a) Bestimmung von Reduktionsmitteln: Ein Reduktionsmittel reduziert Iod zu Iodid. Hierzu gibt man eine eingestellte ·Iodlösung so lange .zur Probe, bis mit Stärke eine bleibende Blaufärbung eintritt. Die bis zu diesem Punkt verbrauchte Iodmenge ist der Menge an Reduktionsmittel äquivalent. Der erste Tropfen Äquivalentlösung, der überschüssiges Iod enthält, verursacht die bleibende Iod-Stärke-Reaktion. Eine andere Methode zur Bestimmung von Reduktionsmitteln ist die indirekte Titration: Man gibt einen Oberschuß eingestellter Iodlösung zur Probenlösung und titriert den Oberschuß mit Na 2 s 2 o 3 (Formel s. Abschn. b)

zurück. Die Differenz zwischen eingesetzter

Iodlösung und verbrauchter Na 2 s 2 o 3 -Lsg. entspricht dem Iodverbrauch durch das zu bestimmende Reduktionsmittel. Beispiele: H2 S, so 3 2 -

(So 3 2 - + I 2 + H20

--+

so 4 2 - + 2 H+ + 2 I-)

b) Bestimmung von Oxidationsmitteln: Hier wird ein Oberschuß an Kaliumiodid (1-2 g KI)zur Probe gegeben. Das in der Probenlösung enthaltene Oxidationsmittel oxidiert eine ihm äquivalente Menge Iodid zu Iod. Die freigesetzte Iodmenge wird

an~chließend

mit eingestell2-

t."r Na 2 s 2 o3 -Lsg. wieder zu Iodid reduziert: I 2 + 2 s 2o 3 s 4o6 2- + 2 I - ,

---7

Auch hier erfolgt die Endpunktsanzeige durch Zugabe von Stärkelösung. Man titriert bis zum Verschwinden der blauen Färbung, bis also kein elementares Iod mehr vorhanden ist. Ein Nachteil des Verfahrens b) ist die starke pH-Abhängigkeit der 2Umsetzung von I 2 mit s 2 o 3 . Diese Reaktion läuft nur im sauren bis neutralen Milieu ab. Im stark alkalischen Milieu disproportioniert Iod in .Iodid und Hypoiodid. Da Hypoiodid ein höheres Oxidationspotential besitzt als Iod, wird in alkalischer Lösung das Thiosulfat nicht nur bis zum Tetrathionat, sondern partiell bis zum Sulfat oxidiert; deshalb ist hier keine eindeutige Umsetzung mehr gewährleistet. Für 0,1 N Iod-Lösungen liegt die untere Grenze bei pH 0,01 N Iod-Lösungen bei pH ; 6,5.

7,6, für

309

Salze, die mit Wasser OH- bilden, wie z.B. CH 3 co 2

+

CH 3 COOH + OH-) , dürfen daher nicht in nennenswerter Konzentration vorhanden sein. Einen Ausweg bietet die Titration des Iods mit arseniger Säure; dabei wird diese in alkalischer Lösung zu Arsenat oxidiert und Iod zu Iodid reduziert: 2 I

Herstellung der Maßlösungen Bereitung einer 0,1 N Iod-Lösung 20 - 25 g reines KI werden in ca. 40 ml Wasser gelöst und 12,7 12,8 g I 2 hinzugefügt. Diese Mischung wird in einem verschlossenen Meßkolben solange geschüttelt, bis alles I 2 gelöst ist. Anschliessend wird die Lösung auf 1 Liter aufgefüllt, der Faktor bestimmt und in einer braunen Flasche kalt aufbewahrt. Anmerkung: Um Fehler zu vermeiden, werden zum Ansäuern der Proben-

lösung nur verdünnte Lösungen von Salzsäure, H2 so 4 oder HN0 3 verzu I 2 beim Ansäuern auszuschlies-

wendet. Um jede Oxidation von I

sen, kann man auch mit Eisessig ansäuern. Einstellung einer 0,1 N-Iod-Lösung Häufig nimmt man die Einstellung gegen As 2 o 3 in gepufferter Lösung vor. As 2 o 3 wird in 1 N NaOH zum Arsenit (Aso 3 3 -) gelöst. Nach der Neutralisation mit Salzsäure wird eine bestimmte Menge Natriumhydrogencarbonat hinzugefügt. Das so gelöste.Arsenit wird mit 0,1 N IodLösung titriert. Hierbei oxidiert Iod Arsenit zu Arsenat, s.o. 1 ml 0,1 N Iod-Lösung~ 4,946 mg As 2o 3 Das Gleichgewicht dieser Reaktion liegt in alkalischer und fast neutraler Lösung auf der rechten Seite. Arbeitet man in stark saurer Lösung, verschiebt es sich auf die linke Seite. Gelegentlich nimmt man die Einstellung der 0,1 N Iod-Lösung auch gegen Natriumthiosulfat vor. Dieses Verfahren liefert jedoch ungenauere Ergebnisse, da Natriumthiosulfat keine Urtitersubstanz ist. Bereitung einer 0,1 N

Na 2 ~~ 3 -~ Man wiegt ungefähr 0,1 mol Na 2 s 2 o 3 • 5 H2 o (M = 248,1 83) .-. 25 g reinstes Natriumthiosulfat ab und verdünnt mit Wasser auf 1 Liter.

310

Nach etwa acht Tagen ermittelt man den genauen Titer der Lösung, die in einer braunen Flasche gegen Lichteinwirk ung geschützt werden muß. Zur Haltbarmachu ng der Lösung wird in der Literatur empfohlen, 1 g Pentanol oder 0,1 g Hg(CN) 2 pro Liter Lösung zuzusetzen. Einstellung einer 0,1 N Na 2 e 2 ~ 3 ~ Die Einstellung kann mit reinstem Iod, K2cr 2o 7 , KMn0 4 oder besser KI0 3 vorgenommen werden. KI0 3 wird in schwach saurer Lösung mit überschüssig em KI zu I 2 reduziert, das mit Na 2s 2o 3 titriert wird. I0 3 - + 5 I-+ 6 H 3 o~ ~ 3 I 2 + 9 H2o. Man wiegt ca. 0,1 g KI0 3 genau ab, löst in ca. 200 ml H2o, fügt ca. 1 g KI hinzu, säuert mit verd. HCl an und titriert mit Na 2s 2o 3-Lsg. 1 ml 0,1 Na 2s 2o 3 -Lsg. ~ 3,567 mg KI0 3 • Spezielle iodametrisch e Verfahren a) Bestimmung von Reduktionsm itteln Ascorbinsäur e In saurer Lösung wird Ascorbinsäur e (1) von Iod zu Dehydroasco rbinsäure (2) oxidiert:

0

-2 H~- 2e0

+2H~+2e0

. .,

0

~n

Ho-c;·-~o/ CH 2 0H

2

Ascorbinsäu re

Dehydroasco rbinsäure

Der Zusatz der Stärkelösung hat einen schleppenden Umschlag zur Folge, da der an Stärke gebundene Iodanteil nur schwer reduzierbar ist. Anmerkung:

Weil Ascorbinsäur e eine schwache Säure ist, kann sie auch gegen Phenolphtha lein mit Natronlauge titriert werden. b) Bestimmung von Oxidationsm itteln Reduzierbare Stoffe (Oxidationsm ittel), die iodametrisch titriert werden können, sind z.B. Mn0 4 -, Chlorate, Bromate, Iodate, Periodate, Aso 4 3- , Fe 3+ , Cu 2+ , H2o 2 , Peroxide, Perborate, Hexacyanoferrat(III).

311

Chlorate 10 ml der Chloratlösung werden in einem Schlifferlenmey er mit etwa 1 g KBr und 20 ml konz. Salzsäure vermischt und verschlossen ca. 10 min. stehen gelassen. Man fügt ca. 30 ml 0,2 N KI-Lsg. hinzu,

verdünnt und titriert das durch Br 2 freigesetzte Iod mit Na 2 s 2 o 3 • + 6 Br-

(Cl0 3

_!!3~

3 Br 2 + ••• ; Br 2 + 2 KI -

I 2 + 2 Br-).

1 ml 0,1 N Na 2 s 2o 3 -Lösung 9 2,0242 mg KCl0 3 , _ 1,391 mg Clo 3 -. Iodate

--

I Periodate

+ 5 I

H 30

3 I 2 + Wasser 4 I 2 + Wasser

Etwa 0,1 g KI0 3 (KI0 4 ) wird mit 3 g KI in ca. 200 ml Wasser gelöst und mit 20 ml 2 N HCl vermischt. 1 ml 0,1 Na 2 s 2o 3 -Lösung

~ ~

3,567 mg KI0 3 , 2,932 mg HI0 3 2,399 mg HI0 4

Weitere Beispiele s. Spezialliteratu r. Zur Wasserbestimmun g nach Karl Fischer s. Kap. 4. Formaldehyd Formaldehyd wird in alkalischer Lösung titriert, da hier das durch Disproportionie rung entstehende Hypoiodid ein höheres Redoxpotential hat als freies Iod: (I).

Das Hypoiodid oxidiert Formaldehyd zu Ameisensäure nach der Gleichchung: (II) •

Man gibt also einen Oberschuß an Iod zum Formaldehyd in alkalischer Lösung. Nach der Umsetzung (Gl. II) säuert man an, so daß durch Konproportionierun g (Umkehrung von Gl. I) aus dem überschüssigen IOund dem I wieder elementares Iod entsteht; dieses wird mit Thiosulfat gegen Stärke titriert. Weitere Reduktionsmitt el, die iodometrisch bestimmt werden können: H2 S, Sulfide, Sulfite, Na 2 s 2 o 3 , Hydrazin, As(III)-, Sb(III)-, Sn(II)-, Hg(I)-Verbindun gen.

1 ml 0,1 N Iodlösung - 3,7455 mg As, 6,088 mg Sb; 5,935 mg Sn; - 20,059 mg Hg zur As(III)-Bestimmung s.S. 309. (Titerstellung der Iodlsg.). Die Sb(III)- und Sn(II)-Bestimmung können analog zur As(III)-Bestimmung erfolgen. Hg(I)-Verbindungen werden in Gegenwart von überschüssigem KI in [Hgi 4 ] 2- übergeführt. Zweckmäßigerweise verwendet man überschüssige Iodlösung und titriert den unverbrauchten Anteil mit Na 2 s 2o 3 zurück.

3.9.3.4 Bromometrie Brom hat ein Redoxpotential von E0 Br 12 Br- = 1,07 V und kann deshalb als Oxidationsmittel wirken; au~erdem lassen sich mit Brom leicht elektrophile Substitutionen an aktivierten Aromaten durchführen. Diese beiden chemischen Reaktionen können bei definierten chemischen Umsetzungen zu Gehaltsbestimmungen herangezogen werden. Da Bromlösungen keine hohe Titerbeständigkeit haben, erzeugt man elementares Brom während der Titration, indem man zur sauren Probenlösung, die überschüssiges Brom enthält, eingestellte KBro 3 -Lsg. zutropfen läßt. Durch Konproportionierung entsteht eine äquivalente Brommenge: Bro 3 + 3 Br- + 6 H- --. 3 Br 2 + 3 H2o. Die Endpunktsbestimmung erfolgt auf zwei verschiedenen Wegen. Einmal wird eine genau bekannte überschüssige KBro 3 -Menge zugegeben (Bestimmung a) - c)), so daß nach der Reaktion überschüssiges Brom in der Probenlösung vorhanden ist. Danach gibt man Kaliumiodid zu. Aufgrund des höheren Redoxpotentials des Broms oxidiert die&es das Iodid in äquivalenter Menge zu elementarem Iod, welches mit Thiosulfat bestimmt werden kann (s. Kap. Iodometrie). Eine andere Methode ist die Endpunktsbestimmung mit einem Indikator (Bestimmung d)). Dieser wird durch überschüssiges Brom reversibel bzw. irreversibel oxidiert und erfährt hierdurch eine Farbveränderung. Der Indikator ist Ethoxychrysoidin. Eine Einstellung der 0,1 N KBro 3 -Lsg. ist nicht notwendig, da Kaliumbromat selbst eine Urtitersubstanz darstellt.

313

Bromemetrische Titrationen mit iodametrischer Endpunktsbestimmung a) Bestimmung von aromatischen Aminen Aromatische Amine lassen sich leicht mit Brom elektrophil substituieren, da durch den + M-Effekt der Aminogruppe der Aromat in ound p-Stellung aktiviert ist. Die Titration erfolgt - wie oben beschrieben - in saurer Lösung, indem man durch Konproportionierung überschüssiges Brom herstellt, das mit dem Amin reagiert. Der Uberschuß setzt dann Iod aus zugesetztem Kaliumiodid frei, das mit Thiosulfat bestimmt wird. Allgemeine Reaktionsgleichung:

-oBr

+

2 Br2 -

H2N

so,- R

+ 2H8r

Br

Diese Umsetzung gilt für: R

= -NH 2 :

Sulfanilamid

R

=

Sulfisomidin = 2,4-Dimethyl-6(sulfanilyl-amino)-pyrimidin,

R•

Sulfaguanidin

Sulfanilyl-amin,

Sulfanilyl-guanidin

bl Bestimmung von Phenolen Auch Phenole lassen sich leicht aufgrund des +M-Effektes der Hydroxylgruppe in o- und p-Stellung elektrophil substituieren.

-

Phenol S owohl die p- als auch die beiden o-Stellungen sind frei. Es entsteht also primär 2,4,6-Tribromphenol (1), das sich mit überschüssigem Brom zu 2,4,4,6-Tetrabrom-2,5-cyclohexadien (2) weiter umsetzt:

314

0

OH

OH

6

Br

y

BrABr

-3 1-lBr

- H Br

V II

Br

Br

Br

Br

2 Bei Zugabe von Kaliumiodid entsteht wieder das Produkt 11), da (2) mit Iodid Iodbromid abspaltet, welches mit Iodid zu elementarem Iod reagiert:

y

OH

0

Br

Br

II

"'"~'Q'"'

HG>

Ie

+

I Br

Br

Br

Br

+

IBr + I

-

~

I2 + Br-.

Nach Beendigung der Titration ergibt sich ein Verbrauch von 3 mol Brom. Resorcin

OH

&

1,3-Dihydroxy-benzol

OH

Durch Bromierung entsteht hier zuerst 2,4,6-Tribromresorcin (1), das sich weiter zu 2,4,4,6,6,-Pentabrom-1-cyclohexen-3,5-dion (2) umsetzt. Bei Zugabe von KI entsteht wieder (1), so daß sich der Gesamtverbrauch am Ende der Titration auf 3 mol Brom beläuft:

OH

0

'71

Br*Br

~ Br

OH

+ 2 Br 2 -2 HBr

Br'Q:U Br I Br ~0

Br

Br

2

315

3.9.3.5 Kaliumdichromat K2cr 2o7 hat ein Normalpotential von E0

= +1,36

V und ist demnach

in saurer Lösung ein starkes Oxidationsmittel:

K2 cr 2 o 7 läßt sich durch mehrmaliges Umkristallisieren aus heißem Wasser und Trqcknen bei 130° C leicht titerrein erhalten. Aus diesem Grunde ist bei der Herstellung von Äquivalentlösungen keine Faktorbestimmung erforderlich. 4,9032 g K2 cr 2o 7 werden genau eingewogen, im Meßkolben aufgelöst und auf ein Volumen von einem Liter aufgefüllt. Die so hergestellte 0,1 N K2 cr 2 o 7 -Lsg. ist unbegrenzt haltbar. Endpunkterkennung

Probleme bei der Titration mit K2cr 2o 7 macht die Erkennung des Endpunkts. Man kann sich der "Tüpfelmethode" bedienen s. hierzu s. 320. Bei der Titration von Fe 2 + tüpfelt man z.B. mit (K 4 [Fe(CNJ 6 J-freiem) K3!Fe(CN) 6 1 als "Tüpfelindikator". Fe, Fe 2 + 1 ml 0,1 N K2 cr 2o 7 ~ 5,585 mg Fe Neben der manganemetrischen Titration kann man Fg

oder Fe 2 + mit

K2 cr 26 7 bestimmen. F~

(Eisenpulver) wird in H2 so 4 zu Feso 4 gelöst und dann mit K2 cr 2 o 7 -Lösung zu Fe 3 + oxidiert. Der Endpunkt ist mit

K3[Fe(CN) 6 ] als Tüpfelindikator oder mit Diphenylamin-Schwefelsäure indizierbar (Umschlag nach tiefviolett) .

3.9.3.6 Kaliumbromat Kaliumbromat ist im sauren Milieu ein gutes Oxidationsmittel. Es wird über mehrere Stufen bis zum Bromid reduziert:

Mit Hilfe dieser Reaktion lassen sich einige Reduktionsmittel im sauren Milieu titrieren, wie Verbindungen von As(III), Sb(III), Sn(II), Cu(!), Tl(!) oder auch Hydrazin.

316

Bromat reagiert z.B. mit Arsenit: Br0 3 3 Aso 4 3-

+ 3 Aso 3

3-

-

Nach Umsetzung der gesamten Arsenmenge entsteht aus überschüssigem Bromat und dem entstandenen Bromid durch Konproportionierung elementares Brom, das wie bei bromemetrischen Bestimmungen durch einen Indikator angezeigt werden kann. Als Indikatoren eignen sich Farbstoffe wie Methylrot, Methylorange, Chinolingelb. Sie werden von dem Brom irreversibel zersetzt. Da der Zersetzungsprozeß eine gewisse Zeit erfordert, fügt man die KBro 3 Lsg. gegen Ende der Titration langsam hinzu und gibt einen weiteren Tropfen Indikator zu. Die Titration wird vorteilhaft bei 40 - 60° C durchgeführt. KBr0 3 ist eine Urtitersubstanz. Es läßt sich durch mehrmaliges Umkristallisieren aus heißem Wasser und Trocknen bei 180° C titerrein erhalten. Zur Bereitung einer 0,1 N KBro 3 -Lsg. wiegt man 2,7835 g KBro 3 ein und füllt auf einen Liter auf. .

A 3+ . 1 : _s_:

Be~sp~e

ml 0,1 N KBro 3

~ !!

Sb 3 +: 1 ml 0,1 N KBr0 3

!!!

Bi 3 +: 1 ml o, 1 N KBr0 3

!:!

;!;

3,7455 4,9455 6,088 7,288 6,966

s 1 ,553

mg mg mg mg mg

As As 2o 3 Sb Sb 2o 3 Bi

mg Bi 2o 3

3.9.3.7 Periodat mit allen vicinalen Hydroxylgruppen unter oxidativer Spaltung der dazwischenliegenden C-e-Bindungen (Malaprade-Reaktion). Primäre alkoholische Gruppen werden hierbei zu Formaldehyd, sekundäre zu Ameisensäure oxidiert. Das Periodat wird zu Iodat reduziert. Am Beispiel des Glycerins läßt sich diese Reaktion verdeutlichen:

~ 4 _reagiert

CH 2 0H

I

CHOH

+ HCOOH

I

CH 2 0H

Die Reaktion findet in saurer und neutraler Lösung statt. Der Verbrauch an Periodat, das im Uberschuß zugesetzt wird, kann auf zwei Wegen ermittelt werden:

317

a)

In saurer Lösung gibt man nach der Titration einen Uberschuß KI

hinzu, wobei I0 4

und entstandenes I0 3

mit I

zu elementarem Iod

konproportionieren:

Weiter wird ein Blindversuch mit Periodat-Lösung durchgeführt. Aus der Differenz zwischen Haupt- und Blindversuch läßt sich dann die verbrauchte Periodatmenge berechnen. Diese Methode ist relativ ungenau; deshalb gibt man meist Methode b) den Vorzug. zu I0 3 In Hco 3 --gepufferter Lösung wird nur Periodat durch I reduziert, da das Potential von Io 3 bei diesem pH für die weitere

b)

Reaktion nicht ausreicht: + 2 I

Das entstandene elementare Iod wird durch Arsenit zu Iodid reduziert: I2 + Aso 3

3-

+ 2 OH

--i>

2 I

Uberschüssiges Arsenit kann mit Iodlösung gegen Stärke titriert werden. Dieses Verfahren wendet man auch bei Sorbit und Ethylenglykol an.

3.9.3.8 Hypoiodid Hypoiodid hat ein höheres Redoxpotential als Iod und läßt sich deshalb zur oxidimetrischen Bestimmung von Stoffen einsetzen, die mit Iod nicht mehr zu oxidieren sind. Ein Beispiel ist die Titration von Formaldehyd. Hypoiodid entsteht beim Alkalischmachen von Iodlösung durch Disproportionierung. Der Uberschuß an Iod kann nach dem Ansäuern wieder mit Thiosulfat zurücktitriert werden.

(Näheres hierzu s.S.

307.)

318

3.10 Fällungstitrationen Voraussetzung für eine Fällungstitration ist ein eindeutig verlaufender Fällungsvorgang, bei dem eine schwerlösliche Verbindung entsteht. Außerdem muß der Äquivalenzpunkt mit hinreichender Genauigkeit angezeigt werden können. Uber die theoretischen Grundlagen von Fällungsreaktionen Kap. 3.1.4. Beachte: Eine Fällungstitration ist um so genauer, je größer die Anfangskonzentration der Probe und je kleiner das Löslichkeitsprodukt des Niederschlags ist.

3.10,1 Titrationskurven

Die näherungsweise Berechnung von Titrationskurven soll für die Fällung von Ag+-Ionen (Probe) mit Cl--Ionen (Titrant) gezeigt werden. Das Löslichkeitsprodukt von AgCl ist: [Ag+] • [Cl-] LpAgCl' Mit dem Metallionenexponenten pMen+ = - lg[Men+l erhält man für eine reine, an AgCl gesättigte Lösung: pAg+ = 1/2 pLpAgCl 5,0. Im

Äquivalenzpunkt gilt:-

11) [Ag+] = [Cl-] oder pAg+ = 1/2 pLp = 5. Setzt man der einen, an AgCl gesättigten Lsg. c mol· 1- 1 Cl--Ionen zu, so gilt, falls man die Cl--Ionen vernachlässigt, die nach AgCl ~ Ag + + Cl - entstehen: [Cl - ] = cC 1 - und [Ag + ] = Lp/cC 1 -. Nach Uberschreiten des Äquivalenzpunktes berechnet sich der pAg+ in grober Näherung nach der Gleichung: (2) pAg

+

= pLpAgCl

+ lg CCl-.

Fügt man der reinen, an AgCl gesättigten Lösung Ag+-Ionen der Konzentration cAg+ zu, so gilt, bei Vernachlässigung der durch Dissoziation aus AgCl entstehenden Ag+-Ionen: [Ag+] = cAg+. Vor dem Erreichen des Äquivalenzpunktes berechnen sich die pAg+Werte in grober Näherung nach der Gleichung: (3) pAg+

= -lg

cAg+.

319

Die mit diesen Gleichungen erhaltenen pAg+-Werte werden in der Nähe des Äquivalenzpunktes ungenau, weil man hier die Dissoziation des Niederschlags nicht mehr vernachlässigen dar~. Allgemeine Formel:

Betrachten wir die allgemeine Gleichung: A+ + BAB, und bezeichnet a den UberschuB und Ca die Gesamtkonze~tration einer Ionenart a in der Lösung, so gilt: Ca = a + Ionenkonzentration aus dem Gleichgewicht AB ~ A++B~. Die Konzentration der im UnterschuB in der Lösung vorhandenen Ionenart ist gleich der Löslichkeit L von AB. L errechnet sich mit der Formel: I.

mit (a + L)• L Graphische Darstellung Trägt man die mit den Gleichungen (1), (2), (3) oder (I) und (II) berechneten pMe-Werte gegen den jeweiligen Titrationsgrad (Umsetzungsgrad) in ein kartesisches Achsenkreuz ein, erhält man eine Titrationskurve, deren Form Abb. 39 entspricht. Der Wendepunkt der Kurve beim Titrationsgrad 1 ist der Äquivalenzpunkt.

®

"'

'---' ;::)

a



"l

V·· b A ml Maßlösung

-

c

V·· A

Abb. 70 a-c, Voltametrische Titrationskurven. a) Titration eines reversiblen Systems mit einem irreversiblen System, Beif;piel: Fe2+Jpe3+ mit Cr2o72-Jcr3+, b) Titration eines irreversiblen Systems mit einem reversiblen System, Beispiel: s2o32-/S4o62- mit I2/I-. c) Titration eines reversiblen Systems mit einem reversiblen System, Beispiel: Fe2+jpe3+ mit ce3+Jce4+. VÄ ist das verbrauchte Volumen der Maßlösung bis zum Äquivalenzpunkt

Titrierfehler Der Titrierfehler ist um so größer, je kleiner die Ausgangskonzentration der Probenlösung ist. Er ist um so kleiner, je kleiner die gewählte Stromstärke gegenüber der möglichen Grenzstromstärke vor Beginn der Titration ist.

4.6.2 Prinzipielle Anwendung

Die Methode ist prinzipiell auf solche Umsetzungen anwendbar, an denen wenigstens ein reversibles Ionenpaar beteiligt ist, das an einer Elektrode in einem bestimmten Spannungsbereich oxidierbar oder reduzierbar ist. Sie wird eingesetzt für Endpunktsbestimmungen bei Fällungs-, Komplexbildungs- und. Redoxtitrationen.

404

Vorteile der voltametrischen Titration Im Vergleich zur potentiometrischen Indikation ist hiermit der Endpunkt im allgemeinen besser zu erkennen. Die Meßzeit ist kürzer. Die Methode ist auf sehr verdünnte Lösungen (Mikromolbereich) anwendbar.

4.7 Grundlagen der Amperometrie 4.7.1 Allgemeines

Die Amperometrie ist ein elektrochemisches Verfahren, das fast ausschließlich zur Erkennung von Titrationsendpunkten benutzt wird. Man mißt hierbei die Größe eines Gleichstromes, der durch eine Elektrolytlösung fließt in Abhängigkeit von der Zugabe einer Maßlösung.

Den Endpunkt der Titration erkennt man daran, daß sich der Diffusionsgrenzstrom (s.S. 358) plötzlich ändert. Der Diffusionsgrenzstrom ist nämlich - bei konstanter Spannung gemessen - proportional der Konzentration der elektrochemisch wirksamen Substanz. Der Endpunkt der Titration fällt meist mit dem Äquivalenzpunkt zusammen. Man unterscheidet zwei Ausführungsformen: Die Amperometrie im engeren Sinne verwendet eine polarisierbare und eine unpolarisierbare Elektrode. In der Literatur heißt sie gelegentlich Grenzstromtitration, polaragraphische Titration oder polarametrische Titration.

Die zweite Ausführungsform arbeitet mit zwei polarisierbaren Elektroden. Sie ist bekannt als biamperometrische Titration, Polarisationsstromtitration oder Dead-$top-Methode. Amperometrische Titration mit einer polarisierbaren Elektrode

Abb. 71 zeigt die Prinzipschaltung für diese Methode.

-405

Spa nn ungsque lle

Rotierend e Pt- Elektrode

- -B ürette

ll'?"""t--

Ka lomelelektrode

(mit geringem Widerstand)

Abb. 71. Prinzipschaltung für amperemetrische Titrationen mit einer polarisierbaren Elektrode

Instrumentelle Anordnung und Vorbereitung der Messung Die Maßanordnung ist im Prinzip die g leiche, die für po laregraphische Untersuchungen benutzt wurde, vgl. s. 376. Füh rt man die Messung ohne Rühren durch, verwendet man die Quecksilber-Tropfelektrode. Für Messungen in gerührten Lösungen benutzt man u nbewegte oder rotierende Platin- oder Graphite l ektrode n a ls Arbeitse lektroden. Als unpolarisierbare Elektrode nimmt man eine Elektrode 2. Art mit einem geringen Widerstand (ohne Fritte oder eingeschmolzenen Asbestfadeoll s.s. 292. Messungen mit rotierenden Elektroden werden meist bevorzugt. Bei der Rotation der Elektrode - und evtl . zus ätz licher Rührung - er folgt eine schn e lle Durchmischung der Analysensubstanz un d der zuge setzten Re agenzlösung . Durch die Rotat ion nimmt die Di c ke d e r Diffusionsgrenzschicht ab und als Folge davon die Stromstärke zu. Es treten auch keine Störungen durch Kapazitätsströme auf . Die konstante Spannung, die man an die Elektroden anlegt, liegt im Gren zstromgebiet d e r Probe nlösung und/ode r d e s Titran ten . Man kann sie z.B . dadurch ermitteln, daß man zuerst e in Po laregramm v o n d e r Lösung der Probenlösun g an fe rtigt und die Spannung e rmittelt , die zur Erreichung des Diffusions gren zstromes für die bet re f fende e l e ktrochemisch wirk same Substanz erforderlich ist. Au s führung der Endpunktsbe s timmun g

Man legt e ine gee i gnete Spa nnung an d ie Elektroden . Nach d ef inier t er Zugabe d er Maßlösung (in ml) miß t man die j e we ilige St romstärke (in A), trägt die erha l tenen Wertepaare in ein kart e s is c h e s Ach s en kreuz ein und erhält zwe i Geraden, d eren Schnittpunkt d en Äquivalenzpunkt angibt.

406

Es können drei verschiedene Kurventypen beobachtet werden,s.Abb. 72. Kurve a) wird erhalten, wenn das Ion, das die Leitfähigkeit verursacht, durch die Titration verbraucht wird. Kurve b) entsteht, wenn das leitende Ion vom Titranten stammt und durch die Probenlösung solange verbraucht wird, bis der Äquivalenzpunkt erreicht wird. Nach dem Uberschreiten des Äquivalenzpunktes wird seine Konzentration in der Lösung größer und dementsprechend steigt die Stromstärke an. Kurve c) wird beobachtet, wenn die Probenlösung bis zum Äquivalenzpunkt für die Leitfähigkeit bzw. Stromstärke verantwortlich ist. Das Ansteigen der Kurve nach dem Äquivalenzpunkt wird durch die überschüssigen Ionen des Titranten verursacht. Wie aus Abb. 72 hervorgeht, sind die Kurven in der Umgebung des Äquivalenzpunktes mehr oder weniger stark gekrümmt. Die Krümmung ist um so stärker, je besser die ausgefällte Substanz löslich ist, oder je stärker ein während der Titration gebildeter Komplex dissoziiert. Verringern läßt sich die Krümmung manchmal dadurch, daß man die Konzentration der Maßlösung um den Faktor 10 konzentrierter macht als die Analysenlösung.

V

H

,

\

\I

~ I

Ä a

Ä ml Moßlsg.

b

ml Moßlsg.

Ä c

ml Moßlsg.

Abb. 72. a) Ein elektrochemisch aktives Teilchen wird mit einem inaktiven Reagenz titriert; b) Eine inaktive Substanz wird mit einem aktiven Reagenz titriert; c) Probenlösung und Titrant sind elektrochemisch aktiv

407

4.7.2 Prinzipielle Anwendung

Die Anwendung der Amperornetrie im engeren Sinne ist hauptsächlich auf die Endpunktsbestimmung bei Fällungs- und Komplexbildungsreaktionen beschränkt. Vorteile

Ihr Vorteil gegenüber anderen elektrochemischen Indikationsmethoden ist ihre Anwendbarkeit auf große Konzentrationsbereiche bis zur unteren Grenze von 10- 6 -rnolaren Lösungen. Im Unterschied zur Konduktometrie stören Ionensorten mit höheren Halbstufenpotentialen nicht. Sie gestattet auch die Bestimmung von Ionen, die keine polaragraphische Stufe besitzen, wie so 4 2 Nachteile

Die Nachteile der Methode liegen darin, daß sie für qualitative Nachweise ungeeignet ist und keine Simultanbestimmung erlaubt. Genauigkeit Die Grenze der Genauigkeit i s t ! 0,1 %. Amperornetrie mit zwei polarisierbaren Elektroden, biarnperornetrische Titration, Dead-stop-Titration Diese Ausführungsform der amperemetrischen Titration benutzt anstelle der einen unpolarisierbaren Elektrode.eine zweite, zur ersten meist gleichartige, polarisierbare Elektrode. Bis auf diesen Unterschied ist die Prinzipschaltung die gleiche wie die in Abb. 71 angegebene. Angepaßt an die durchzuführende Titration legt man z.B. an zwei Platin-Elektroden, die in eine gerührte Lösung eintauchen, eine Spannung im Bereich von 10 bis einigen hundert rnV und mißt die Änderung der Stromstärke während der Titration. Der Verlauf der Titrationskurve hängt von der Probenlösung und vorn Titranten ab. Da beide Elektroden polarisierbar sind, können Kathode und Anode während der Titration unterschiedlich polarisiert werden. Beispiele für

Titrationskurven

a) Findet z.B. an den Elektroden mit der Probenlösung ein reversibler Prozeß statt, d.h. Reduktion eines Teilchens an der Kathode und Reoxidation dieses Teilchens an der Anode, so fließt ein schwacher Strom. Die Elektroden sind bis zu einem gewissen Grad depolarisiert.

Wird nun durch Zugabe des Titranten (irreversibles System) das reversible System verbraucht, und werden die Elektroden dabei polarisiert, so steigt am Äquivalenzpunkt die Polarisationsspannung sprunghaft an, und die Stromstärke fällt auf einen kleinen Restwert ab. b) Wird ~in reversibles System mit einem reversiblen System titriert, fällt die Stromstärke bis zum Äquivalenzpunkt ab und steigt dann wieder an (Uberschuß des Titranten) • c) Werden Kathode und Anode während der Titration unterschiedlich polarisiert, indem z.B. ein kathodischer Depolarisator verbraucht und ein anodischer Depolarisator gebildet wird, dann steigt die Stromstärke erst an, durchläuft beim Titrationsgrad 0,5 ein Maximum und fällt am Äquivalenzpunk~ auf Null ab. d) Häufig ist auch der Fall, daß die geringe Potentialdifferenz an den Elektroden ausreicht, um diese fast vollständig zu polarisieren. In diesem Falle verhindert die Polarisationsspannung solange einen Stromfluß, bis im Endpunkt der Titration ein anodischer oder kathodischer Depolarisator (Ion, Oxidationsmittel, Reduktionsmittell vorhanden ist. Die Nähe des Endpunktes macht sich durch starke Ausschläge des Galvanometerzeigers mit jedem Tropfen Maßlösung bemerkbar. Beachte: In allen diesen Fällen haben die Absolutwerte der Strom-

stärke keinen Einfluß auf die Genauigkeit der Titration. Entscheidend ist nur die sprunghafte Änderung im Äquivalenzpunkt. Die Stromstärke liegt im

~A-Bereich.

Als Dead-stop-Titration (Tot-Punkt-Titration) bezeichnet man üblicherweise eine biamperometrische Titration bei kleiner angelegter Spannung, bei der man auf die Aufnahme einer Titrationskurve verzichtet und lediglich das sprunghafte Ansteigen oder Abfallen der Stromstärke im Äquivalenzpunkt beobachtet. Empfindlichkeit der Methode

Die Empfindlichkeit ist sehr hoch. So lassen sich z.B. noch 0,01 I 2 in 100 ml Lösung nachweisen.

~g

Anwendungen Die biamperometrische Titration erlaubt ebenso wie die amperemetrische Titration mit einer polarisierbaren Elektrode Endpunktsbestimmungen in gefärbten Flüssigkeiten, Aufschlämmungen, Emulsionen usw. Sie eignet sich auch für Titrationen in nichtwäßrigen Lösungsmitteln.

409

Anwenden läßt sie sich bei Fällungs-, Komplexbildungs- und Redoxreaktionen. Beispiele

Titration von I 2

.

m~t

s 2o 3 2- -Lsg. (I 2 + 2 s 2o 3 2-

~

2 I - + s 4 o 6 2- l.

In der Iod-Lösung (I 2 in KI-Lsg.) wird durch eine geringe Potentialdifferenz an den Elektroden ein kleiner Stromfluß bewirkt ( I 2 + 2 e ~ 2 I - ) • Durch die Zugabe von s 2o 3 2- -Lsg. ändert sich daran bis zum Äquivalenzpunkt nicht sehr viel. Es werden aber immer mehr s 2o 3 2 --Ionen zu s 4o 6 2 - irreversibel oxidiert. Dadurch wird die Kathode immer stärker polarisiert. Am Äquivalenzpunkt ist sie völlig polarisiert (weil kein reduzierbares I 2 mehr vorhanden ist) 1 dies führt zu einem plötzlichen Abfall der Stromstärke. Indizierung der Karl-Fischer-Titration Titrationen mit "Karl-Fischer-Lösungen" benutzt man zur maßanalytischen Bestimmung von Wasser. Besonders elegant gelingt die Endpunktsbestimmung bei dieser Titration mit der Dead-Stop-Methode. Die Grundlage der Karl-Fischer-Titration bildet die Reaktion von I 2 mit so 2 in Gegenwart von Wasser nach der Gleichung:

Diese Reaktion wurde bereits von Bunsen gefunden. Karl Fischer benutzte als Lösungsmittel Methanol und setzte Pyridin hinzu, um das Gleichgewicht der Redoxreaktion nach rechts zu verschieben. Dadurch wurde der Reaktionsablauf komplizierter: S0 2 + I 2 + H20 + 3 C5H5N

c 5H5N • so 3

+ CH 30H. -

~

2

c 5H5N • HI

+

C5H5N • S0·3

und

c 5H5N • HS0 4CH 3

Bestimmung primärer aromatischer Amine Die Bestimmung primärer aromatischer Amine gelingt mit einer amperemetrischen Endpunktsbestimmung. Das Amin wird in saurer Lösung unter Zusatz von KBr mit 0,1 M NaNo 2 -Lsg. diazotiert. Vor Erreichen des Äquivalenzpunktes sind nur Br--Ionen in der Lösung; es fließt kein Strom, weil keine Substanz kathodisch reduziert werden kann. Nach Oberschreiten des Äquivalenzpunktes ist in der Lösung überschüssiges NaN0 2 und Br 2 vorhanden. Diese Substanzen können kathodisch reduziert werden. An der Anode werden N0 2 - und Br- oxidiert, und jetzt fließt ein elektrischer Strom.

410

Reaktionsgleichung:

+ HN0 2 +

HCl

5. Optische und spektroskopische Analysenverfahren

Bei den bisher besprochenen qualitativen und quantitativen Analysenmethoden wurde die zu untersuchende Substanz chemischen Reaktionen unterworfen und damit in ihrer Zusammensetzung oder Struktur verändert. Im Gegensatz dazu erlauben es viele phys~kalische Analysenmethoden, eine Substanz unverändert, d.h. zerstörungsfrei zu analysieren. Benutzt werden diese Verfahren sowohl zur Identifizierung als auch zur Strukturaufklärung. Sie eigenen sich außerdem für Reinheitsprüfungen, falls sie auf Verunreinigungen einer Probe empfindlich genug reagieren. In der Regel wird ein Stoff als "rein" bezeichnet, wenn sich seine physikalischen Eigenschaften nach wiederholten Reinigungsprozessen wie Destillieren, Chromatographieren etc. nicht geändert haben. Die noch zulässigen Grenzwerte an Verunreinigungen werden dem Verwendungszweck der Substanz entsprechend gewählt.

5.1 Einfache optische Analysenmethoden 5.1.1 Refraktometrie Beschreibunq des Verfahrens Refraktometrie heißt die Messung der Brechungsindizes (Brechungszahlen, Brechungswertel zur Bestimmung der Art und Menge von Probenbestandteilen. Grundlage der Meßmethode ist das snellius'sche Brechungsgesetz (Abb. 73al. Es gibt an, wie einfallendes Licht an der Grenzfläche zweier Medien gebrochen wird. Diese Brechung n (Richtungsänderungl des Lichts ist stark temperaturabhängig und nur für eine bestimmte Farbe (Wellenlänge Al eine Materialkonstante: sin cx sin ß '

412

Lichtgeschwindigkeit im Medium

(z.B. Luft),

c2

Lichtgeschwindigkeit im Medium 2 (z.B. Flüssigkeit),

a

Einfallswinkel gegen Einfallslot,

ß

Austrittswinkel gegen Einfallslot,

T

Temperatur,

~

Meß-Wellenlänge.

Voraussetzung für eine Meßgenauigkeit von + 10- 4 ist die Temperierung des Refraktometers auf ~ 0,2° C . Temperatur T (meist 20° oder 25° C) und Wellenlänge l werden als Indizes am Brechungsindex n vern~ 0 für die Natrium-Linie bei 20° C. Bei dem meist ver-

merkt, z.B.

wendeten Abbe-Refraktometer wird durch ein Kompensationssystem auch bei Verwendung von Tages- oder Kunstlicht der Brechungsindex bei der D-Linie des Natriumlichts (1 0 = 589 nm) erhalten. Bei flüssigen Proben erfolgt die Bestimmung des Brechungsindexes durch Bestimmung des Grenzwinkels der Totalreflexion (Abb. 73b) .

a

b

Abb. 73. a) Schema zum Brechungsgesetz. b) Grenzwinkelrefraktometer n 2 Brechungszahl der Probe; n 1 Brechungszahl des Prismas vom Winkel F Fernrohr; G Sehfeld mit Grenzlinie und Fadenkreuz

Beim Ein fa ll e ine s Li c hts t rahl s von e ine m o p ti sch dichtere n Me dium mit der Brechz a hl n 1 auf d i e Gr e n zfläch e gegen e in o p ti sch dünneres Medium mit der Brechzahl n 2 (n 2 < n 1 ) wird dieser vom Einfallslot weg gebrochen. Bei einem maximalen Austrittswinkel ß = 90° tritt der gebrochene Strahl streifend z ur Grenzfl ä che aus (Abb. 73a). Der zugehö rige Gre nzwinkel ag ist dann: sin a s i n 900

n2 n1

o der

sin a

n2 n

~;

Bei dem Refraktometer nach Abbe (Prinzip Abb. 73, Ausführung Abb. 74) wird der Lichtweg umgekehrt, d.h. die aus verschiedenen Richtungen kommenden Strahlen verlaufen nach der Brechung innerhalb des in Abb. 73 a schraffierten Winkelbereichs. Die abgelenkten Lichtstrahlen werden im Okular des Refraktometers vereinigt und als HellDunkelgrenze sichtbar. Zusätzlich wird meist eine geeichte Skala eingespiegelt, auf welcher der gesuchte Brechungsindex n 2 direkt abgelesen werden kann (n 1 ist durch das Glasprisma vorgegeben, a wird über den Spiegel S in Abb. 74 gemessen). Die Eichung kann überprüft werden, z.B. mit dest. Wasser(n~ 0 = 1,333) oder anderen reinen Flüssigkeiten mit bekanntem Brechungsindex. Durchführung einer Messung

Nachdem man zuvor das Beleuchtungsprisma P 2 hochgeklappt hat, wird ein Tropfen der zu messenden Flüssigkeit auf das Meßprisma P 1 aufgebracht. Man achte darauf, die Oberfläche des Prismas nicht mit scharfkantigen Gegenständen zu zerkratzen (Glasstäbe rundschmelzen oder Plastikröhrchen verwenden). Nach Zuklappen des Prismas P 2 wird der Meßwert durch das Okular abgelesen und das Refraktometer danach gereinigt. Die richtige Temperierung des Gerätes ist gelegentlich zu überprüfen. Anwendungsbereich

Anwendung findet die Refraktometrie zur Identifizierung und Reinheitsprüfung von Stoffen, daneben auch zur Konzentrationsbestimmung von Stoffgemischen. Der Brechungsindex binärer Mischungen zeigt nämlich eine lineare Abhängigkeit von der Konzentration (Vol-%) der Komponenten (gilt nur bei vernachlässigbarer Volumenänderung!) . Meist wird man jedoch Eichkurven aufstellen; diese sind teilweise auch in Handbüchern tabelliert (z.B. für wäßrige Zuckerlösungen).

Abb. 74. Abbe-Refraktometer, Bauart Carl Zeiss. P 1 Meßprisma; P 2 Beleuchtungsprisma; S beweglicner Spiegel; K Dispersionskompensator; 0 Objektiv; St Strichkreuz

414

5.1 .2 Polarimetrie Polarimetrie nennt man die Messung der Drehung der Polarisationsebene des Lichts zur Konzentrationsbestimmung optisch aktiver Substanzen . Polarisiertes Licht

Licht kann bekanntlich als transversale elektromagnetische Welle aufgefaßt werden, deren Schwingung senkrecht zu ihrer Fortpflanzungsrichtung erfolgt. Im natürlichen Licht ist keine Schwingungsebene bevorzugt, d . h. die Wellen schwingen unabhängig voneinander in allen möglichen Richtungen. Dabei hat allerdings jeder Wellenzug einen bestimmten Polarisierungszustand: a) Schwingt der elektrische Vektor der Lichtwelle in einer Ebene, die durch die Ausbreitungsrichtung geht, so heißt die zu ihr senkrechte Ebene Polarisationsebene und das Licht linear polarisiert. Es kann aus zwei zirkular-polarisierten Wellen mit entgegengesetztem Drehsinn und gleicher Amplitude zusammengesetzt werden . b) Schwingt der elektrische Feldvektor so, daß seine Spitze auf einer Ellipse (bzw. Kreis) läuft, so heißt dieses Licht elliptisch (bzw. zirkular) polarisiert.

Aufbau eines Polarimeters

0

b

c

d

e

h

k

Abb. 75. Strahlengang (Schema) eines einfachen Polarimeters. a = Lichtquelle; b = Kondensor; c = Polarisator; d, f, i = Blenden; e Flüssigkeitsküvette ; g = Analysator; h = Fernrohrobjektiv; k Fernrohrokular In einem Polarimeter (Abb. 75) wird durch einen Polarisator linear polarisiertes Licht aus monochromatischem Licht erzeugt. Dieses tritt durch das sog. Probenrohr, eine mit der Meßlösung gefüllte Küvette, verläßt diese und gelangt durch den drehbaren Analysator in das Meßokular. Enthält die Lsg. eine optisch aktive Verbindung, z . B. D(+)-Glucose, dann wird die Schwingungsebene des polarisierten Lichts im Probenrohr um den Winkel a gedreht (Abb. 76).

415

Polarisationsebene des eingestrahlten Lichts

Probe in Lösung (chirales Medium)

Polarisationsebene nach dem Durchgang

Abb. 76. Polarimetrie

Erklärung: Das chirale Medium zerlegt linearpolarisiertes Licht in eine rechts- und eine links-polarisierte Welle mit verschiedener Ausbreitungsgeschwindigkeit. Nach dem Durchgang beträgt die Phasendifferenz der beiden Wellen 2 a . Addition ergibt wieder eine linear polarisierte Welle, deren Schwingungsebene um a gegenüber der ursprünglichen gedreht ist.

Die dadurch hervorgerufene Helligkeitsverminderung des Lichts im Okular kann durch eine entsprechende Drehung des Analysators um a kompensiert werden, womit gleichzeitig der Drehwinkel a bestimmt wird. Der Drehwinkel a ist abhängig vom Lösungsmittel, der Konzentration c, der Schichtdicke 1 (meist Küvettenlänge) der durchstrahlten Substanz, der Temperatur T und der Wellenlänge~. Die letzteren werden als Indizes am Drehwert angegeben. Für die spezifische Drehung eiher optisch aktiven Substanz gilt: [a)).T (gemessen)

[a) TA

l[dm) • c[g/ml)

l[cm) · c[g/100 mll

(gemessen) . 1000

Die spezifische Drehung ist die Drehung um a, die man bei 10 cm (= 1 dm) Schichtdicke und der Konzentration 1 g. cm- 3 Lösung erhält. (Beachte die unterschiedlichen Einheiten in den vorstehenden Gleichungen!) Als Standardwellenlänge verwendet man meist die Natrium-D-Linie und als Meßtemperatur 20° C, so daß die Angabe des Drehwinkels dann lautet: [ a)~ 0 • Wegen der Wechselwirkung der zu untersuchenden Verbindung mit dem Lösungsmittel muß nicht nur das verwendete Lösungsmittel, sondern auch die benutzte Konzentration c der Lösung angegeben werden. Man beachte, daß sich der Drehsinn in verschiedenen Lösungsmitteln umkehren kann (Solvatationseffekte!) .

416

Da eine Drehung im Uhrzeigersinn um a sowohl einer Rechtsdrehung um a (bzw. 180° + a) als auch einer Linksdrehung um 180° - a entsprechen kann, muß durch eine zweite Messung, z.B. mit halbierter Küvettenlänge oder Konzentration, der Drehsinn gesondert herausgefunden werden. In diesen Fällen erhält man bei Rechtsdrehung (+) entsprechend ~ (bzw. ~ + 90°) und bei Linksdrehung (-) analog

90°- ~ (bzw. 180°- ~). Bei einem Enantiomeren-Gemisch gibt man seine optische Reinheit p an: p

[a)

1Af

mit [a) = spez. Drehwert des Gemisches, [Al reinen Enantiomeren.

spez. Drehwert des

Die Messung des Drehwertes a bei verschiedenen Wellenlängen

l

er-

gibt - als Diagramm aufgetragen - die Kurven der sog. Optischen Rotationsdispersion (ORD). Die Abhängigkeit von l wird damit begründet, daß sich die Brechungsindizes für rechts- und links-zirkularpolarisiertes Licht verschieden stark ändern. Die ORD-Kurven von zwei Enantiomeren sind spiegelbildlich gleich.

Neben dem Brechungsindex ist auch der Extinktionskoeffizient E bezüglich rechts- oder links-polarisiertem Licht verschieden.- Die Differenz AE = Elinks - Erechts nennt man den Circular-Dichroismus (CD). Trägt man E gegen) auf, erhält man Extinktionskurven und,

für AE gegen

l,

die Kurve des Circular-Dichroismus.

5.1.3 Fluoreszenzspektroskopie

Auch die Photolumineszenz von Lösungen, die bei normaler Temperatur als Fluoreszenz in Erscheinung tritt, läßt sich zur qualitativen und quantitativen Analyse nutzen. Nach dem Gesetz von Stokes ist die ausgestrahlte Energie bei der Fluoreszenz kleiner als die absorbierte, d.h. das abgestrahlte Licht ist langwelliger als die Anregungsstrahlung. So wird bei der Bestimmung von Riboflavin Licht von 440 nm eingestrahlt und das Fluoreszenzlicht bei 565 nm gemessen. Bei der Betrachtung von Chromatogrammen (s. Kap. 6.3 und 6.2) im UV-Licht arbeitet man bei 254 nm und 365 nm.

417

5.1.4 Nephelometrie Bei der Untersuchung von kolloiden Lösungen kann der Faraday-TyndallEffekt zur Konzentrationsbestim mung benutzt werden (z.B. Proteinlösungen, Chloridbestimmung als AgCl-Suspension). Er beruht auf der Beugung des in die Lösung eingestrahlten Lichts durch die Teilchen der kolloiden Lösung. Die Intensität des Streulichts hängt u.a. ab von der Größe und Anzahl der Teilchen und kann nach verschiedenen Formeln berechnet werden. Man unterscheidet zwei Verfahren (Abb. 77): Die Turbidimetrie (Trübungsmessung) mißt die Herabsetzung der Lichtintensitä t des durch die Lösung tretenden Lichts. Diese (scheinbare) Extinktion Absorpti onsvorgang, sondern auf

beruht jedoch nicht auf einem der Lichtstreuung.

Die Tyndallometrie (Streuungsmessung) benutzt die Mes sung der Intensität des Streulichts.

- --

:·.-:.1-------

--1 ::: .·..:...

Turbi d i metri e

Nephelom etrie (Tyn da llometrie)

Abb. 77. Prinzip nephelometrischer und turbidimetrischer Messungen

5.2 Molekülspektroskopische Methoden 5 . 2.1

Gemeinsame Grundlaqen von Atom- und Molekülspektren

5.2 .1.1 Da s e lektromagnetis c h e Spek t rum Die spektroskopischen Me thoden haben sich a l s seh r h ilfreic h erwie sen für die Identifi z i e rung , Reinheitsprüfung und die Strukturaufklä run g unbe kannte r Ve rbindunge n.

418

Sie beruhen in der Regel alle auf dem gleichen Prinzip: Aus dem Gebiet des elektromagnetis chen Spektrums werden die für die Erzeugung angeregter Zustände benötigten Frequenzen ausgewählt und die zu untersuchenden Verbindungen damit bestrahlt. Das Ergebnis wird als Emissions-, Absorptions- oder Beugungsdiagram m registriert und ausgewertet.

Absorption durch: Spinänderung

b

0 0 1\/ oder

100

10 4

cm

10 6 Wellenzahl V

10" 2

10-4

10-&

m

10-& Wellenlänge ).

3·10 7

3·10 8

3·10 10

3 ·10 12

1,9. 10- 26

1,9·10-zs

1,9·10- 23

1,9 ·10" 21

Abb. 78. Gebiete des

Röntgenstrahlen

~

(~:o

10

Sichtbor u. Ultraviolett

Infrarot

Mikrowellen

7 0 ~

Elektronenanregung

und -Rotationen

ESR

NMR

Volenz-1 Rumpf-

Molekül-Schwingungen

3·10 14 Hertz 3·101' Frequenz 1,9 ·10-19 Joule 1,9·10-17 Energie

>J

E

elektromagnetis chen Spektrums

Aus Abb. 78 geht hervor, daß sichtbares Licht aus elektromagneti schen Wellen der Länge 400 - 800 nm besteht. Weißes Licht enthält alle Wellenlängen des sichtbaren Bereichs, monochromatisc hes (monofrequentes) Licht enthält dagegen nur eine einzige, bestimmte Wellenlänge. Diese entspricht einer bestimmten Farbe (Beispiel: das gelbe Licht· der Natriumdampflam pe). An das für das menschliche Auge sichtbare Licht schließt sich von etwa 800 - 100 000 nm der ~ an, den wir als Wärmestrahlung in gewissem Umfang noch registrieren können. Der Bereich von etwa 10 - 400 nm wird als Ultraviolett-St rahlung bezeichnet; er ist für einige Tiere, wie

~Bereich

z.B. Bienen, teilweise sichtbar.

419

5.2.1.2 Emission von Energie Atome und Moleküle liegen normalerweise im Grundzustand vor, d. i. der Zustand kleinster potentieller Energie. Durch Energiezufuhr können sie angeregt und damit in einen Zustand höherer Energie gebracht werden. Die dabei aufgenommene Energie wird i.a. nach einer gewissen Zeit (etwa 10- 8 sec) wieder abgegeben, wobei der Grundzustand wieder erreicht wird. Geschieht dies durch Emission von Strahlung, so nennt man das Fluoreszenz. Meist wird nicht nur eine einzige Wellenlänge, sondern ein ganzes Fluoreszenzspektrum abgestrahlt, aus dem man Rückschlüsse über die Schwingungszustände der Elektronen im Grundzustand ziehen kann. Bei einer längeren Lebensdauer der angeregten Zustände (i.a. bis zu mehreren Sekunden) spricht man von Phosphoreszenz. Der übergeordnete Begriff lautetLumineszenz. Die Anregungsenergie ist für die einzelnen Elemente verschieden groß. Man kann sie für die Außenelektronen gut abschätzen, wenn man die Ionisierungspotentiale der Atome kennt. Diese liegen z.B. bei den Alkaliund Erdalkalimetallen besonders niedrig. Man wird daher erwarten, daß diese leichter anregbar sind als z.B. die Schwermetalle. Dies kann man in der Tat auch bei den verschiedenen Anregungsverfahren beobachten. So genügt für die Alkali- und Erdalkalimetalle mit ihrem relativ linienarmen Spektrum eine (Bunsenbrenner-)Flamme bei hoher Nachweisempfindlichkeit (Flammenspektroskopie). Zur Anregung verschiedener Schwermetalle werden hingegen elektrische Funkenentladungen (Funkenspektren) oder der elektrische Lichtbogen (Bogenspektren) verwendet. Teilweise versucht man auch, mit besonders heißen Flammen eine Anregung zu erreichen (Actylen/0 2 : 3100° C,

(CN) 2 to 2 : 4400° C).

Von Atomen erhält man i.a. ein Linienspektrum mit auseinanderliegenden Linien. Moleküle liefern ein Bandenspektrum mit eng benachbarten Emissionslinien, die von den Meßgeräten nicht mehr einzeln aufgelöst werden können und nur noch als Banden registriert werden.

5.2.1 .• 3 Absorption von Energia

Bei der Aufnahme (Absorption) von Energie (z.B. Licht) können nicht nur die Elektronen angeregt werden, sondern auch Molekülschwingunggen und/oder Molekülrotationen. Auch ihre Energien sind gequantelt und tragen zur Gesamtenergie des Moleküls bei. Aus Abb. 78 ist zu ersehen, daß eine· Änderung der Elektronenenergie me;,r Energie er-

420

fordert als eine Änderung der Schwingungsenergie und diese wiederum mehr als eine Änderung der Rotationsenergie. Bei Raumtemperatur befinden sich die Moleküle normalerweise im Elektronengrundzustand. Einstrahlung von Energie führt zu einer entsprechenden Absorption. Dabei werden durch die Einstrahlung von Energie im Bereich der Radiowellen Spinänderungen von Elektronen und Nukleonen verursacht (ESR = Elektronenspinresonanz-Spektroskopie, NMR =Kernresonanzspektroskopie). Verwendet man Mikrowellen, so reicht ihre Energie aus, um Moleküle zu Rotationen um ihren Schwerpunkt anzuregen. Infrarotes Licht (IR) regt zusätzlich Molekülschwingungen an und liefert wertvolle Informationen über die Molekülstruktur. Die energiereichere Strahlung im sichtbaren (Vis-) und vor allem im uv-Bereich .führt darüber ·hinaus zur Anregung der äußeren Elektronen (Bindungselektronen, freie Elektronenpaare) von Atomen und Molekülen (Elektronenübergänge) . Die inneren Elektronen werden in erster Linie durch sehr energiereiche Strahlung (Röntgen-, Gamma-Strahlung) angeregt. Es können auch Bindungen gespalten und Atome bzw. Moleküle ionisiert werden. Elektronenübergänge in Molekülen sind nur in den optischen Spektren (wie z.B. UV) sichtbar. Spektren kann man sowohl in Absorption als auch in Emission aufnehmen. Ein bekanntes Beispiel für die Absorption von Energie ist die sog. Umkehr der Na-Linie (Resonanzabsorption): Strahlt man Glühlicht durch Natriumdampf, so findet man im kontinuierlichen Spektrum zwei dunkle Linien, die mit den Wellenlängen der Na-D-Linien (589,0 und 589,6 nm) übereinstimmen. Praktische Anwendung findet dieser Vorgang bei der Spektralanalyse z.B. von Fixstern- und Planetenatmosphären (Fraunhofersche Linien) oder bei der Atomabsorptionsspektrometrie (s. Kap. 5.3.3). Man beachte, daß die Lage der Energienieveaus statistisch schwankt und deshalb auch die Spektrallinien nicht unendlich scharf sind. Besonders stark macht sich das bei Festkörpern wie glühenden Metallen (z.B. kontinuierliches Spektrum eines schwarzen Strahlers), aber auch schon bei größeren Molekülen bemerkbar. Bei letzteren findet man häufig nur noch Absorptionsbanden, die z.B. auf Schwingungen von Molekülteilen zurückzuführen sind. Schwingungen und Rotationen werden meist schon zusammen mit den höherenergetischen Elektronenniveaus angeregt.

421

Andererseits ist es möglich, zunächst durch Energieabsorption im langwelligen Spektralbereich nur die Molekülrotationen anzuregen (z.B. mit Mikrowellen) und dann, mit abnehmender Wellenlänge und zunehmender Quantenenergie, die anderen Energiezustände (Abb. 78) • Die auf.zubringenden Energien können berechnet werden nach E h • Plancksches Wirkungsquantum, v = Frequenz, 1 Lichtgeschwindigkeit).

V

mit v = c/1 (h Wellenlänge, c

Je kleiner die Wellenlänge einer Strahlung ist, umso größer ist ihre Frequenz und Energie.

Treten Moleküle in der beschriebenen Weise mit Licht in Wechselwirkung, dann wird die Intensität der elektromagnetischen Welle, die die Energieerhöhung bewirkt hat, geschwächt: Die betreffende Welle wird absorbiert.

5.2.1.4 Gesetz der Lichtabsorption

Für die Intensität einer Absorption in den bekannten Spektralbereichen gilt das Lambert-Beersche Gesetz:

e:. c. d.

E

! =

lg

Io

y- heißt Extinktion (optische Dichte) der Probenlösung.

Eine andere Größe ist die Transmission (Durchlässigkeit) D in %: D

= l_ Io

· 100.

E ergibt sich daraus zu E

=

g

lg 1 0

I 0 und I sind die Intensitäten eines (monochromatischen)Lichtstrahls ~r und-hinter der absorbierenden Probenlösung. c ist die Konzentra-

tion der absorbierenden Substanz in mol • 1-1 , d.h. die Zahl der absorbierenden Teilchen. d ist die Weglänge des Lichtstrahls in der Lösung, d.h. der Durchmesser des Gefäßes (Küvette), das die Probenlösung enthält. d wird in cm gemessen.~ ist der molare Extinktionskoeffizient und damit eine bei der Wellenlänge A charakteristische Stoffkonstante. Für eine Substanz ist e: = 1 mol- 1 • cm- 1 • 1, wenn sie in der Konzentration 1 mol• 1- 1 und der Schichtdicke 1 cm die Intensität von Licht der Wellenlänge l auf 1/10 schwächt. Man beachte, daß das genannte Gesetz E - c) nur für verdünnte Lösungen (c < 10- 2 mol • 1- 1 ) streng gilt.

422 Bei Aufnahme einer Extinktionskurve (Abb. 79) mißt man die Durchlässigkeit bei möglichst vielen Wellenlängen (c, d sind konstant) und trägt e: bzw. lg e: als Ordinate auf. Als Abszisse gibt man A oder v oder auch häufig die Wellenzahl 'iJ = =~an (c = Lichtgeschwindigkeit.

t

Bei vorliegen eines binären Gleichgewichts zweier Komponenten (A + B) setzt sich die Extinktion aus zwei Anteilen zusammen (Abb.79): E

+

e:gesamt' cgesamt

Eine Extinktionsänderung 6E ist daher nicht mehr einer Konzentrationsänderung 6cges. proportional. Beim isosbestischen Punkt bei einer bestimmten Wellenlänge mit e:A = e:B = e:ges ändert sich e:ges bei einer Konzentrationsänderung nicht. Erhält man umgekehrt bei Variation der Konzentration einen isosbestischen Punkt, kann man auf das Vorliegen eines binären Gleichgewichts schließen (z.B. Lacton - Hydroxysäure).

a

(A+B)

UJ

UJ

250

200

-A[nm]

b

250

200

-A.[nm]

Abb. 79 a u. b. Extinktionskurven der Substanzen A, B und einer Mischung von A und B mit cA = cB

423

5.2.2 Absorptionsspektroskopie im ultravioletten und sichtbaren Bereich

5.2.2.1 Molekülanregung Die Absorptions-Spektroskopie im ultravioletten (UV)- und sichtbaren (Vis)-Bereich wird oft auch als Elektronenspektroskopie bezeichnet, da die Energieaufnahme zur Anregung von Eiektronen führt. Diese werden von ihrem Grundzustand in höhere Niveaus (angeregter Zustand) angehoben. Infolge statistischer Verteilung und bedingt durch die zusätzliche Anregung von Molekülschwingungen und -rotationen findet man diskrete Absorptionsbanden anstelle von Linien (Bandenspektren) . Allerdings führt nicht jeder energetisch mögliche Elektronenübergang zu einer Absorption. Es gelten auch hier die aus der Quantenmechanik bekannten Auswahlregeln. Somit erfolgen nur solche Ubergänge, für die gilt: 6L = + 1 (L = Quantenzahl des Bahndrehimpulses) . Wichtig ist nun, daß man auch energetisch verbotene Obergänge beobachten kann. Der Grund hierfür ist die Änderung der Symmetrie der Zustände durch Molekülschwingungen oder, z.B. bei aromatischen Verbindungen, durch Substitution.

5.2.2.2 Molekülstruktur und absorbiertes Licht Im allgemeinen wird man erwarten, daß die Art bzw. Polarisierbarkeit der Elektronensysteme einen wichtigen Einfluß auf ihre Anregbarkeit haben. So absorbieren die~-Elektronen in c-c- und C-H-Bindungen etwa bei 125 bis 140 nm. Alkane z.B. erscheinen daher für unser Auge farblos. Moleküle mit n-Systemen besitzen leichter anregbare ~-Elek­ tronen, und man beobachtet eine Verschiebung der Absorptionsbanden zum sichtbaren Teil des Spektrums. Dadurch erscheinen uns die Substanzen farbig. Derartige ungesättigte Gruppen, die die selektive Absorption beeinflussen, nennt man Chromophore. Die Anhäufung von chromophoren Gruppen führt zu einer Farbvertiefung (Bathochromie), d.h. einer Verschiebung der Absorptionsmaxima zu längeren Wellenlängen. Umgekehrt bezeichnet man die Verschiebung nach kürzeren Wellenlängen als hypsochromen Effekt. Bestimmte gesättigte Gruppen wie -NH 2 , -OH, -NHR, -OCH 3 , die meist an einen Chromophor gebunden sind, werden auch Auxochrome genannt. Sie enthalten freie Elektronenpaare (Symbol: n).

424

Auxochrome Gruppen verstärken die Absorption und weisen einen bathochromen Effekt auf, d.h. sie verändern die Wellenlänge und die Intensität des Absorptionsmaximums.

Tabelle 26. Absorption chromophorer Gruppen Art

Elektronenübergang (Symbol)

a-Elektronen

a-+

a*

Amax[nm]

135

Freie Elektronen~ H 3 c - Q.-H

H3C -

~-H

H3 C - Brl H 3 C - NH 2

H3C'C=O H 3 c" -

H3c

-

COOC 2H5

n-Elektronen (isoliert)

}

n-+

{: -n

-

n-+

a*

177 195 203 215

E

a*

n* n

n

a a*

n*

166 279

n*

207

n*

196

Lage der elektronischen Energieniveaus (schematisch)

Tabelle 26 enthält wichtige Chromophore Gruppen und die Lage ihrer Absorptionsmaxima. n bedeutet nichtbindende Elektronen, n, a bindende Elektronen, n * , a * antibindende Elektronen entsprechend der bekannten Bezeichnungsweise der MO-Theorie. Elektronenübergänge finden statt aus besetzten (bindenden oder nichtbindenden) cr-, n- oder n-Orbitalen in nichtbesetzte n * - bzw. a * -Orbitale. Die erforderliche Wellenlänge ist nach E = h • ein Maß für den Abstand der Energieniveaus. Je kurzwelliger (= energiereicher) die Strahlung ist, desto weiter liegen die Orbitale energetisch auseinander.

X

425

Tabelle 27 bringt die Extinktionskoeffizienten (E = E • c • d) für ausgewählte Verbindungen mit Angabe der Elektronenübergänge und z.T .. des langwelligen Maximums. Bei Carbonyl-Gruppen, z.B. in Aldehyden und Ketonen, können die Ubergänge n -. n und n ~ n * angeregt werden. Die Absorptionsbande ist bei a,ß-ungesättigten Carbonyl-Verbindungen infolge Konjugation in den langwelligen Bereich verschoben. Die Absorption konjugierter Doppelbindungen ist im Vergleich zur Absorption isolierter Doppelbindungen ebenfalls nach größerer Wellenlänge verschoben. Bekannte natürliche Polyene sind z.B. Retinol, Carotine, Xanthophylle etc.

*

Abb. 83 zeigt zum Vergleich einige gemessene UV-Spektren.

Tabelle 27. Beispiele für die UV-Spektroskopie Beispiel

' ,.C=O n _.. n ...... n

-

n*

Aromaten (n-+

900 16 000 15

* n*

0

):=c~ (n--+ n * )

n*)



H2C=CH 2 CH 2 =CH-CH=CH 2 CH 2 =CH-CH=CH-CH=CH 2 CH 3 -(CH=CH) 4-CH 3 CH 3-(CH=CH) 5 -cH 3 CH 3-(CH=CH) 6-cH 3 Benzol

Phenol Benzoesäure Anilin Nitrobenzol

15 21 35 76 122 146 60 7 6 11 8 10

000 000 000 000 000 000 000 400 204 200 450 600 970 600 430 000

l bzw.

l.max[nm)

Lösemittel

189 166 279

Hexan als Gas Hexan

162 217 258 310 342 380 184 203,5 254 210,5 270 230 273 230 280 252

Heptan Hexan Isooctan Hexan Hexan Hexan Hexan

Wasser Wasser Wasser Hexan

426

Die Absorption von Aromaten kann durch ihr Substitutionsmuster stark beeinflußt werden. So bewirken z.B . die freien Elektronenpaare im Phenol und Anilin im Vergleich zum Benzol eine Verschiebung in den langwelligen Bereich ("Rotverschiebung") . Ähnliches gilt für anellierte Ring, wie Abb . 82 zeigt.

5.2.2.3 Meßmethodik In Abb. 80 ist der prinzipielle Aufbau eines Spektralphotometers wiedergegeben. Das benötigte monochromatische Licht wird durch Zerlegung von polychromatischem Licht an einem Dispersionssystem wie Prismen oder Gittern erhalten, und die verschiedenen Wellenlängen werden durch Drehung des Dispersionssystems am Austrittsspalt vorbeigeführt . Als Lichtquelle dient für den UV-Bereich meist eine Wasserstoff- (evtl. Deuterium-I-Lampe, für den Vis-Bereich eine Glühlampe.

6

5

4

3

2

Abb. 80. Schema eines Spektralphotometers . 1. Netzanschluß für Lampen; 2. Leuchte mit Glüh(Vis) - und Deuteriumlampe (UV); 3. Monochromator; 4. Probenwechsler mit vier Küvetten; 5. Empfängergehäuse; 6. Anzeigegerät (digital und Schreiber)

Tabelle 28 enthält eine Reihe von üblichen Lösungsmitteln für die UV-Spektroskopie mit Angabe der unteren Grenze der Wellenlängen (für 1 cm Meßzellen) . Man man bei für

beachte, daß häufig Solvationsgffekte auftreten. So beobachtet bei Verwendung von Ethanol als Lösungsmittel die Maxima meist längerer Wellenlänge als in Hexan. Andererseits liegt z.B. lmax Aceton in Hexan bei 279 nm, in Wasser dagegen bei 264,5 nm.

427

Tabelle 28. Lösungsmittel für die UV-Spektroskopie Lösungsmittel

A.min[nm]

n-Hexan Methanol Ethanol (95 %) Cyclohexan Chloroform

201 203 204 195 237

5.2.2.4 Darstellung der Meßwerte Aus den gemessenen Extinktionswerten E werden E oder lgE berechnet. und auf der Ordinate gegen A. oder = A.- 1 aufgetragen. Auch das von einem Schreiber gezeichnete Spektrum muß mit Hilfe des LambertBeerschen Gesetzes umgezeichnet werden. Die Vorteile der Verwendung von lg E= lg E - lg d - lg c sind, daß sich schwache Banden gegenüber starken besser abheben, der zeichnerische Wiedergabebereich sehr groß ist und die Form der Kurven gleich bleibt, wenn für c andere Maßeinheiten gewählt werden (z.B. g/1 statt mol/1).

v

5.2.2.5 Auswertung und Anwendung In der Regel wird man ein Spektrum so auswerten, daß man die Intensität der Banden untersucht. Für eine qualitative Strukturanalyse wird man dann UV-Spektren von Verbindungen mit ähnlichem Chromophor heranziehen, wofür große Spektrensammlungen zur Verfügung stehen. Daneben gibt es Absorptionsregeln, die es erlauben, die Maxima mit Hilfe empirischer Werte zu berechnen. Besonders brauchbare Spektren liefern polyzyklische Aromaten, die nicht nur zur Identifizierung, sondern teilweise auch zur Isomerenanalyse herangezogen werden können. So kann man aus der Lage, der Struktur und der Intensität der Banden oft erkennen, wie groß die Ringsysteme sind oder ob sie linear oder angular anelliert sind (Abb. 81, 82). Quantitative Analysen werden photometrisch meist nur im sichtbaren Bereich durchgeführt, weil im UV-Bereich zahlreiche Verunreinigungen stören. Mit Hilfe von Eichkurven können Gehaltsbestimmungen (z.B. von Vitamin A mit SbC1 3 ~ei A. = 610 - 620 nm) oder auch Reinheitsprüfungen durchgeführt werden.

428

w c 0

o:;

.:r

c

....

w

)(

LIJ

.....01

\

200

250

300

·.

'...

350

200

300

Wellenlänge in nm -

400 Wellenlänge in nm -

Abb. 81. UV-Spektren konjugierter Polyene. 2,4,6-0ctatrien; 2,4,6,8-Decatetraen; 2,4,6,8,10-Dodecapentaen

Abb. 82. UV-Spektren polyzyklischer Arene (Naphthalin----, Anthracen ..., Tetracen-)

Beispiel:

Mit Hilfe des UV-Spektrums soll zwischen den folgenden, einfach ungesättigten Ketonen entschieden werden: 0

II

0 I

0 0

n

][

Experimentelle Daten zu den beiden Kurvenzügen 1 und 2. Einwaage: 1,47 rng in 10 rnl Ethanol; d = 1 crn; Verdünnung bei 1 =keine, bei 2

=

1:24.

429

1,0 0,8 E

0,6 0,4 0,2

350

300

250

}.. [nm]

Abb. 83. Probenspektrum

Kurve A ist das umgezeichnete Spektrum aus Abb. 83 (mit lg E lg E - lg d - lg c)

300

350

400

}..[nml-

Abb. 84. Umgezeichnetes Probenspektrum

200

430

6 5 lg E

4

1-.

J

2 1

0

\ \

\

V

200

1...---..

300

\ 400

500

A[nmlAbb. 85. Vergleichsspektrum (in Hexan) von

CHJ

/H

'c-c H/ 'cHO

Abb. 83 zeigt das Spektrum einer Substanzprobe, der eine der Strukturformeln I - III zuzuordnen ist. Das Originalspektrum wurde mit Hilfe der angegebenen experimentellen Daten umgezeichnet und hieraus die Kurve A in Abb. 84 erhalten. Das umgezeichnete Spektrum A ist von der molaren Konzentration der vermessenen Lösung unabhängig. Man erkennt deutlich ein starkes Maximum bei A = 238 nm mit &>4,2 sowie ein zweites, schwaches Maximum bei A = 315 nm mit E = 1,8. Die vorgeschlagenen Strukturformeln I - III lassen folgende Spektren erwarten: I ist ein cyclisches Keton mit konjugierten Chromophoren (Isophoron). Aus Tabellen 26 und 27 ist zu entnehmen, daß hierfür ein starkes Maximum im Bereich von 220 - 260 rum (n -+ n * ) sowie ein schwaches Maximum bei 280 - 340 (n -+ n * ) auftreten sollte.

l l ist ein cyclisches Keton mit isolierten Chromophoren. Es ist eine * sowie eine schwache im intensive Bande bei 175 - 195 nm (n -+ n) Bereich 270 - 290 nm (n ~ n*> zu erwarten.

ll! ist ein acyclisches Keton mit konjugierten Chromophoren (Mesityloxid). Es sollte eine starke Bande bei 230 - 240 nm (n -+ n * ) sowie bei 310 - 320 nm (n _. n * ) eine schwache Bande aufweisen.

Zur weiteren Aufklärung zieht man Vergleichsspektren heran, wie z.B. Abb. 85. Ein Vergleich der vorstehend gemachten Aussagen mit den Spektren Abb. 83 und 84 ergibt, daß I oder III als mögliche Strukturen in Frage kommen. Eine Unterscheidung zwischen diesen beiden Alternativen mittels UV-Spektrum allein ist nicht möglich. (In Abb. 84 zeigt Kurve'A das Spektrum der Verbindung III, Kurve B das von I).

431

Hinweis: Zur Abschätzung der Lage der Maxima werden häufig auch die

hier nicht erläuterten empirischen Rechenregeln nach Woodward verwendet.

5.2.3 Absorptionsphotometrie Die Absorptionsphotometrie ist eine gerätetechnisch vereinfachte Absorptionsspektroskopie, die zur Konzentrationsbestimmung und Reinheitskontrolle von Lösungen, aber auch zum Studium von Reaktionsabläufen benutzt wird. Zur Messung verwendet man dabei weitgehend monochromatisches Licht

mit~

Wellenlänge A , wobei A

in der Nähe

des Absorptionsmaximums liegen sollte. Die technisch aufwendigeren Geräte zur Absorptionsspektroskopie können daher auch als Photometer benutzt werden. Daneben dienen für Routineuntersuchungen häufig einfachere Geräte, die z.B. bei Verwendung von Hg-Lampen als Lichtquellen mit A = 254, 366 oder 560 nm arbeiten. Als Lichtquellen für den sichtbaren Bereich verwendet man Glühlampen. Die benötigte monochromatische Strahlung wird durch Monochromatoren oder Interferenzfilter erzeugt. Zur Lichtdispersion benutzt man Prismen oder Gitter; die verschiedenen Wellenlängen werden durch einen Austrittsspalt ausgeblendet. Als Strahlungsempfänger dienen das Auge, Photoplatten oder photoelektrische Detektoren wie Photozellen oder Photomultiplier. Bei den Meßverfahren kann man zwei Methoden unterscheiden. In den Einstrahlgeräten (Abb. 86) werden Lösung und Lösungsmittel nacheinander in den Strahlengang gebracht, bei Zweistrahlgeräten wird das Licht in zwei Bündel gleicher Intensität zerlegt und die Lösungsmittelküvette in den einen, die Probenküvette in den anderen Strahlengang eingeschaltet. Bei beiden Verfahren können eine Photozelle (Einzellenmethode) oder zwei Photozellen (Zweizellenmethode) verwendet werden, wobei das letztere Verfahren die Intensitätsschwankungen der Lichtquelle weitgehend ausgleicht. Zur Durchführung der Messung bringt man eine saubere gefüllte Küvette in den Strahlengang und läßt das Licht sowohl durch die klare (!) Probenlösung als auch durch das reine Lösemittel fallen. Man achte dabei auf gleiche Arbeitsbedingungen wie Schichtdicke oder Temperatur der Proben und fasse die Küvette nicht an den zu durchstrahlenden Flächen an. Das Gerät mißt die erhaltenen Photoströme; z.T. wird auch das Intensitätsverhältnis direkt ermittelt.

432

I

Li chttei lung Siktorblende (Meßblende)

I

Graukeil "

1 I j \ . 1l f

~- Blenden - -­ ~ - Photozellen-

Abb. 86. Schematische r Schnitt durch ein Elektrophotomete r. Einstrahlgerät nach der Zweizellenmethode. Der Graukeil dient zum Nullabgleich vor der Messung

zum Okular

Schrcht· dicke

Abb. 87. Schema des Dubosq-Kolo rimeters

Die Konzentratio n der Probenlösung ergibt sich aus dem Vergleich der gemessenen Extinktion mit einer empirischen Eichkurve. Dabei sind ohne weiteres Genauigkeite n von 0,1 % zu erreichen.

5.2.4 Kolorimetrie Die Kolorimetrie ist eine Absorptionsp hotometrie im Bereich des sichtbaren Lichts und dient zur Konzentratio nsbestimmun g der farbigen Lösung einer Substanz. Zur Messung verwendet man üblicherweis e weißes Licht anstelle von monochromati schem Licht. Als Lichtquellen dienen i.a. Glühlampen, gelegentlich mit vorgesetztem Farbfilter, um einen geeigneten Spektralbereich auszublenden .

433

Zur Durchführung werden zwei gleiche, in ihrer Schichtdicke veränderbare Küvetten benutzt. Eine enthält eine Standard-Lösung bekannter Konzentration (c 1 J, die andere eine Lösung des gleichen Stoffes unbekannter Konzentration (c 2 ). Man schickt nun Licht gleicher spektraler Zusammensetzung durch beide gefärbte Lösungen und variiert die Schichtdicke (d 2 J der Probenlsg. so lange, bis ihre gemessene Intensität gleich derjenigen der Standardlsg. (d 1 ) ist. Die Konzentrationsbestimmung erfolgt also durch Vergleich zweier gefärbter Lösungen. Die gesuchte Konzentration c 2 Eichkurve entnommen werden.

c1 • d1

------ kann berechnet oder einer d2

Das einfachste kolorimetrische Verfahren verwendet gefärbte Vergleichslösungen in Reagenzgläsern, deren Gehalt sinnvoll abgestuft ist, und mit denen man die Konzentration im Probenglas vergleicht. Gleiche Farbtiefe gilt dann als Gehaltsgleichheit. Beim Eintauchkolorimeter (Abb. 87)werden Tauchrohre verwendet, um entsprechende Schichtdickenänderungen zu erreichen. Kolorimetrische Messungen können natürlich auch mit den technisch aufwendigeren Absorptionsphotometern oder -Spektrometern durchgeführt werden. Als Strahlungsempfänger dient bei den visuellen Verfahren das menschliche Auge. Seine Empfindlichkeit ist stark wellenlängenabhängig (Maximum bei 550 nm) und auch von anderen physiologischen Faktoren beeinflußbar. Unter günstigen Bedingungen beträgt die maximal erreichbare Konzentrationsgenauigkeit + 0,5 %, i.a. jedoch 1 - 5 %.

5.2.5

Infrarot-Absorptionsspektroskopie und Raman-Spektroskopie

5.2.5.1 Molekülanregung

In einem Molekül sind die Atome nicht starr fixiert, sondern können sich um ihre Ruhelage bewegen. Die verschiedenen Schwingungen eines Moleküls sind Kombinationen von Bewegungen der Atome um ihre Ruhelage. Ihre Frequenz hängt u.a. ab von der Atommasse, der Bindungsstärke zwischen den Atomen und ihrer räumlichen Anordnung· im Molekül. Diese Eigenschwingungen können durch infrarotes Licht verstärkt werden, wenn sich während der Schwingung das Dipolmoment, also die Symmetrie der Ladungsverteilung, ändert.

434

Ein schwingendes Dipol nimmt immer dann Energie auf (Absorption) , wenn die Frequenz der Strahlung seiner Eigenfrequenz entspricht (Resonanz) . Neben den Grundschwingungen können auch Oberschwingungen angeregt werden. Verändern sich nur die Bindungswinkel, nicht aber die Atomabstände, spricht man von Deformationsschwingu ngen, im anderen Fall von Valenzschwingungen. Zusätzlich werden auch die Rotationsschwingungen der Moleküle angeregt, was eine Verbreiterung der IRAbsorptionsbanden zur Folge hat. Abb. 88 zeigt verschiedene Schwingungsmöglichkeiten einer Atomgruppe. Beim Aufzeichnen eines IR-Absorptionsspektr ums wird nacheinander kontinuierlich der Wellenlängenbereich von A = 2 - 15 ~m einge= 5000- 600 cm- 1 ). Dabei werden allerdings nicht strahlt (~ alle Atome eines Moleküls gleichmäßig, sondern verschiedene Atomgruppierungen unterschiedlich stark angeregt. Dies hat zur Folge, daß man aufgrund vieler Vergleichsspektren charakteristische Gruppenfrequenzen für bestimmte Bindungstypen (z.B. -CaC-) oder funktionelle Gruppen (z.B. ;c=O) angeben kann. Umgekehrt lassen sich diese Erfahrungswerte für die Strukturanalyse unbekannter Substanzen verwenden.

v

Streckschwingungen ("Valenzschwingungen ")

symmetrisch

y scherend ("bending")

y

asymmetrisch

Oe for motions schwingun gen

schaukelnd ("rocking")

Beugeschwingungen in der Ebene

l.

wackelnd ("wegging")

verdrehend

("twist ")

Beugeschwingungen aus der Ebene heraus

Abb. 88. Schwingungsmöglichk eiten einer Atomgruppe (+ und - deuten Schwingungen senkrecht zur Papierebene an)

435

Die für bestimmte Verbindungen charakteristischen Wellenzahlen (Gruppenfrequenzen) liegen im Bereich von = 4000 - 1250 cm- 1 (A

= 2,5

v

- 8 um). Absorptionsspektren im Gebiet von 1250- 600 cm- 1

sind für organische Moleküle meist so kompliziert, daß dieser Bereich für den Identitätsnachweis herangezogen wird (fingerprintGebiet) . Man kann aufgrund vieler Erfahrungswerte annehmen, daß zwe.i Substanzen (z. B. Naturstoff und synthetisierte Verbindung) identisch sind, wenn ihre IR-Spektren in diesem Gebiet völlig übereinstimmen. In Kombination mit der UV-Spektroskopie bietet sich für Benzolderivate die Möglichkeit, im Bereich von 900 - 700 cm- 1 Aussagen über das Substitutionsmuster am Benzol-Ring zu gewinnen, da die Frequenzen dieser Schwingungen durch die Anzahl der benachbarten H-Atome am Ring bestimmt werden.

5.2.5.2 Absorptionsbereich

Die für die Zuordnung zu einer Substanzklasse bzw. funktionellen Gruppe wichtigen Absorptionsbereiche sind in Tabelle 29 angegeben. Abb. 90 und 91 zeigen als Beispiel zwei IR-Spektren, deren Banden zugeordnet sind. Aromaten und Olefine erkennt man an der =C-H-Valenzschwingung zwischen 3000 und 3100 cm- 1 und den C-e-Valenz- sowie Gerüstschwin~ von 1200- 600 cm- 1 . Für Aromaten findet man noch ValenzSchwingungen bei 1600 cm

-1

-1

und 1500 cm . Die C=C-Valenzschwingung der Olefine liegt bei 1600- 1660 cm- 1 . Fehlen diese Banden und treten statt dessen Absorptionen zwischen 2800 - 3000 cm- 1 auf, so handelt es sich um C-H-Valenzschwingungen von Alkanen. 0-H und N-H Gruppen in Alkoholen, Phenolen und Aminen lassen sich

-=rgut

durch intensive Banden zwischen 3700 und 3100 cm

erkennen.

Carbonyl-Verbindungen fallen durch intensive Absorption im Bereich von 1900 - 1600 cm- 1 auf, wobei die Lage der Bande stark von Substituenten am Carbonyl-Kohlenstoff beeinflußt wird.

436

Tabelle 29. Charakteristische Gruppen- und Gerüstfrequenzen im IR-Gebiet Wellenzahl (cm-1)

Schwingungstyp

Verbindungen

3700 ... ~100

-0-H-Valenz. u. N-H-Valenz. frei u. assoziiert =c-H-Valenz -0-H-Valenz. (assoziiert) =C-H-Valenz. -C-H-Valenz. -C:X-Valenz. (X=C, N, 0 -C=O-Valenz. -C=O-Valenz. -C=O-Valenz.

Alkohole, Phenole, Säuren, Ketoalkohole, Hydroxyester prim. u. sek. Amine u. Amide monosubstituierte Acetylene Carbonsäuren, Chelate

-C=O-Valenz. -C=O-Valenz. -C=O-Valenz.

gesättigte Carbonsäuren gesättigte Carbonsäurealkylester gesättigte Aldehyde und Ketone, a,ß-ungesätt. u. aromat. Carbonsäureester a,ß-ungesätt. u. aromat. Aldehyde a,ß-ungesätt. u. aromat. Ketone prim., sek. u. tert. Carbonsäureamide (Arnidbande I) Olefine Aromaten prim. Säureamide, Aromaten (Amidbande II) prim. u. sek. Amine sek. Säureamide (Amidbande II) Nitroalkane I Nitroaromaten Kohlenwasserstoffe, Ester usw.

3300 ... 3270 3300 ... 2500 (sehr breit) 3100 ... 3000 3000 ... 2800 2300 ... 2100 1900 ... 1600 1850 ... 1740 1840 ... 1780 1780 ... 1720 1760 ... 1700 1750 ... 1730 1730 ... 1710 1715 ..• 1680 1690 •.• 1660 1680 ... 1630

-C=O-Valenz. -C=O-Valenz. -C=O-Valenz.

1660 ... 1600 1600 ... 1500 1 650 ... 1620

-C=C-Valenz. -C=C-Valenz. -NH 2 -Deform.

1650 ... 1580 1570 ... 1510 1560 I 1518 1480 ... 1430 1390 ... 1370 1360 ... 1030 1335 ... 1310 1290 ... 1050

-N-H-Deform. -N-H-Deform. -No 2-valenz. -CH 3 - u. -CH 2 Deform. -C-N-Valenz. -so -Valenz. -c-3-valenz

1200 ... 600

-C-e-valenz. Gerüstschwing =C-H-Deform. =C-H-Deform.

1000 ... 915 ... 900 ... 810 ... 725 ... 860 ... 780 ...

950 905 860 750 680 800 500

770 ... 770 ... 710 ... 730 ... 705 ...

135 730 690 670 550

=C-H-Deform. -C-Hal-Valenz. =C-H-Deform. =C-H-Deform. -C-S-Valenz.

Aromaten, Olefine Paraffine, Cycloparaffine Acetylene, Nitrile, Kohlenmonoxid Carbonyl-Verbindungen Carbonsäurehalogenide Carbonsäureanhydride (2 Banden)

Amide, Amine Org. Sulfonyl-Verb. Ether, Alkohole, Lactone, Ketale, Acetale, Ester Paraffine, Cycloparaffine, Ole fine, Aromaten mit Seitenketten Olefine ( trans) 1,3-disubstit. Benzole

1,4-disubstit. Benzole aromat. u. aliphat. Halogen-Verbindungen 1,2-disubstit. Benzole monosubstit. Benzole Olefine (cis) Org. Schwefel-Verb. (Mercaptane, Thioether usw.)

437

J§IJO

1200

JOOO

1000

1000

1500

3000

2>00

'100 cm.-'

8{)()

(C Alip/tql.)

Abb. 89. Ubersichtsschema zu Tabelle

29

(aus Kortüm)

cm-1

438

0 0

.s - CH 3 3C - OH

assoziiert - CH 3

3500

3000

2500

2000

15 00

1000

Wellenlänge 1n cm _, Abb. 90. IR-Spektrum von 2-Propanol, (CH 3 ) 2CHOH 0

0

·o;

@

~

01

"'

"' :g .c.

@-C H3 monosubst i· tuiert CH- Defor mot ions schw in g ungen

0

L.

"

0

CH-Vo lenzSchwingungen

3500

3000

2500

2000

1500

1000

Wellenlänge in cm "1 Abb. 91. IR-Spektrum von Methyl-phenyl - keton , c 6 H5 -co-cH 3 Detektor Austrittspolt Probenraum

Strahlungsquelle

I L -------- -------·· -- - ---

Prisma des Monochromators Abb. 92. Schema

Ein tr ittspolt ~ines

Infrarot-Spektralphotometers

439

5.2.5.3 HeBmethodik

Abb. 92 zeigt das Schema eines (Zweistrahl-)-IR-Spektrometers. Als Strahlungsquelle dient z.B. ein Nernst-Stift (Keramikstab), dessen Licht einen hohen IR-Anteil aufweist. Nach Durchlaufen der Probe wird das polychromatische Licht im Monochromator zerlegt und von einem IR-empfindlichen Detektor registriert. Das Verhältnis der Intensitäten des Meßstrahls I und des ungeschwächten Vergleichsstrahls I 0 wird ermittelt und im Meßdiagramm gegen die Wellenzahl

v

aufge-

zeichnet. Ein so erhaltenes Spektrum zeigen die Abb. 90 und 91. Mit der IR-Spektroskopie kann eine Verbindung als Gas, als Flüssigkeit, in Lösung oder im festen Zustand untersucht werden. Flüssige Substanzen werden meist zwischen Kochsalzplatten gepreßt, die im Bereich von 4000 - 667 cm- 1 für IR-Licht durchlässig sind. Feste Substanzen werden in einem Mörser mit Nujol (flüssiger Kohlenwasserstoff) , Hostaflon oder Perfluorkerosin verrieben und die Suspension als Paste zwischen NaCl-Platten gepreßt. Man kann aber auch die Verbindung mit wasserfreiem

~

verreiben und in einer Presse zu einer

durchscheinenden Pille pressen. Mit diesem Verfahren erhält man meist sehr gute Spektren, die sich ausgezeichnet als Vergleichsspektren eignen. Bei der Verwendung der bekannten Spektrensammlungen muß allerdings auf die oft unterschiedlichen Aufnahmebedingungen geachtet werden. Dazu gehören auch Aufnahmen in Lösung, wozu Lösungscc1 4 (820 - 720, 1560 - 1550 cm- 1 ) oder cs 2 (2400 2200, 1600- 1400 cm- 1 )verwendet werden. In Klammern sind die Berei-

mittel wie che

angegeben, in denen das Lösungsmittel wegen zu großer Eigenab-

sorption nicht verwendbar ist. Beim Messen ist außerdem aarauf zu achten, daß zwei Küvetten verwendet werden, von denen eine mit der Probenlösung und die andere zur Kompensation mit uem Lösungsmittel gefüllt wird. Die erforderlichen Substanzmengen liegen me1st im mgBereich, bei Mikrotechniken im

~g-Bereich.

5.2.5.4 Anwendungen und Auswertung

Bei der Strukturanalyse von Verbindungen versucht man, aus den charakteristischen Frequenzlagen der Banden z.B. die Substan?.klasse, funktionelle Gruppen oder das Substitutionsmuster (bei Aromaten) zu ermitteln. Für unbekannte Verbindungen stehen zahlreiche Spektrenkataloge zum Vergleich zur Verfügung. Für Reinheitsprüfungen ist die IR-Spektroskopie wegen der komplizierten Bandenmuster oft weniger geeignet.

~0

5.2.6 Raman-Spektroskopie

Voraussetzung für das Auftreten von IR-Absorptionsbanden sind Änderungen im Dipolmoment der absorbierenden Moleküle. Ändert sich

~ie

Polarisierbarkeit, d.h. die Deformierbarkeit des Elektronensystems im Molekül, dann treten ebenfalls Absorptionsbanden auf, die Schwingungs- (und Rotations-)-Ubergängen zugeordnet werden können. Diese Banden werden als Raman-Linien, ihre Diagramme als



Spektren bezeichnet. Ihre Entstehung läßt sich wie folgt erklären: Monochromatisches Licht trifft auf eine transparente, gasförmige, flüssige oder feste Substanz. Es wird an einzelnen Molekülen der Substanz gestreut. Das Streulicht enthält neben der Linie des eingestrahlten Primärlichts weitere Linien von kürzerer oder längerer Wellenlänge, die man auch als Antistokessehe bzw. Stokessehe Linien bezeichnet. Ein Raman-Spektrum entsteht nun, wenn die eingP.strahlten Photonen der Energie E

=

h • v 0 mit Molekülen zusammenstoßen. Diese kön-

nen die Energie h • v 1 von den Photonen übernehmen, bzw. es kann umgekehrt die gleiche Energie von angeregten Molekülen abgegeben werden. Wir erhalten dann eine Streustrahlung, die man spektral zerlegen und registrieren kann. Das Spektrum enthält die Raman-Linien,

= + v 1 gegenüber v 0 verschoben sind. Die Wellenzahlen liegen meist zwischen 4000 - 100 cm- und sind die um die Raman-Frequenz av

charakteristisch für die Schwingungen einzelner Atomgruppen.

~

einem Molekül mit Symmetriezentrum sind die Schwingungen, die symmetrisch zum Symmetriezentrum erfolgen, IR-inaktiv (= verboten) , aber Raman-aktiv. Nichtsymmetrische Schwingungen sind Raman-inaktiv und meist IR-aktiv. Dies sei am Beispiel des ~

0

~

c =

co 2 -Moleküls

~

erläutert: ~

0

0 =

c

-+ 0

asymmetrisch

Valenzschwingung

symmetrisch

verändert

Dipolmoment

unverändert

aktiv

IR-Licht

inaktiv

unverändert

Polarisierbarkeit

verändert

inaktiv

Raman

aktiv

Das Beispiel zeigt, daß sich beide spektroskopische Methoden ergänzen. Abb. 93 bringt zum Vergleich beide Spektren von Cyclohexen.

441

3500

3000

2500

2000

1500

1000

500 cm· 1

3000

2500

2000

1500

1000

500 cm- 1 0

%0

....

....

•o 'iii c

...."' .E

3500

Abb . 93. IR- und Raman-Spektrum von Cyclohexen zum Vergleich

5.2. 7 Kernresonanzspektroskopie

(NMR,

nuclear magnetic resonance)

Aus Abb. 78 ist zu ersehen, daß auch Atomkerne elektromagnetische Strahlung absorbieren können . Voraussetzung für eine Absorption ist, daß die Atomkerne ein magnetisches Moment besitzen, das durch den sog . Kernspin (ähnlich dem Elektronenspin) hervorgerufen wird . Die Kerne verhalten sich daher wie kleine Magnete, wobei

di~

Spin-

quantenzahl I von der Art und Anzahl der vorhandenen Nucleonen abhängt. Bringt man geeignete Kerne in ein homogenes Magnetfeld, so beginnen diese zu präzedieren (s. Kreiseltheorie der Physik). Das magnetische Kernmoment hat nun verschiedene Orientierungsmöglichkeiten gegen das Magnetfeld mit der magnetischen Feldstärke H0 , die durch I bestimmt werden. Für Kerne wie 1 H, 13 c, 15 N, 19 F, 31 p gilt I = 1/2, d.h. ihr magnetisches Moment kann nur die beiden gleichgrossen, aber entgegengesetzten Werte

+~

und

-~

annehmen. Das bedeutet :

Die Kerne können sich entweder parallel (I = +1 / 2) oder antiparallel (I = -1/2) zu dem äußeren Magnetfeld einstellen.

442

Diesen beiden Orientierungen entsprechen zwei Energieniveaus mit unterschiedlicher potentieller Energie. Der Besetzungsunterschied zwischen beiden Energieniveaus ist gering; der Uberschuß im tieferen Niveaus (parallele Einstellung) beträgt ca . 0,0001 %. Durch Absorption von Energiequanten geeigneter Größe lassen sich die Kerne vom tieferen in das höhere Niveau "überführen", von wo aus sie wieder auf das tiefere Niveau zurückfallen (Relaxationserscheinungen). Die Resonanzbedingung ist w0 = 2 nv 0 = Y•H 0 , mit v0 = Resonanzfrequenz, y = gyromagnetisches Verhältnis (Stoffkonstante) = 2 l~llhl . Bei einem Magnetfeld mit der magnetischen Induktion B von etwa 1 - 8 Tesla (1 Tesla = 10 4 Gauß) liegt die erforderliche Energie im Bereich der Radiofrequenzen (60 - 360 MHZ). Zur Aufnahme eines Spektrums benötigt man ein homogenes Magnetfeld, einen Radiofrequenz-Sender und -Empfänger (Abb. 94). Heute wird das Spektrometer meist bei konstantem Magnetfeld betrieben und die Senderfrequenz (z.B. für 1H 60, 90, 270 oder 360 MHz) variiert (frequency-sweep-Verfahren). Größere Geräte arbeiten mit der Puls-Fourier-Transferno-Techni k (s. Spezialliteratur).

Rad iofrequenz IR F) Sender

Regelbarer Generator

Abb. 94. Schema eines Meßgerätes für die Kernresonanz-Spektroskopie (NMR)

5.2.7.1 Chemische Verschiebung

Eine Variation der Resonanzfrequenz bzw. des Feldes ist erforderlich, da Kerne des gleichen Isotops (z.B. 1 H) in Abhängigkeit von ihrer jeweiligen chemischen Umgebung geringe Unterschiede in ihren Resonanzfrequenzen zeigen. Grund hierfür ist, daß die einzelnen

443

Kerne verschieden stark durch die sie umgebenden Elektronenhüllen gegen das angelegte Magnetfeld abgeschirmt werden. Das Elektronensystem erzeugt nämlich ein Magnetfeld mit der Feldstärke H', welches das angelegte Feld verändert. Die einzelnen Kerne absorbieren daher bei gegebener Frequenz bei verschiedenen Feldstärken H = H0 - H'. Die so hervorgerufene Änderung der Feldstärke bzw. der zugehörigen Resonanzfrequenz wird als chemische Verschiebung (chemical shift) bezeichnet. Die Unterschiede der Verschiebung sind nicht besonders groß. Sie hängen von dem untersuchten Kern ab und betragen z.B. für 1H i.a. nicht mehr als 1000 Hz (für ein 60 MHz-Gerät, d.h. B = 1,4 Tesla). Abb. 95 zeigt zur Erläuterung das Spektrum von Bromethan. Man erkennt deutlich zwei verschiedene Signal-Gruppen öA und ö 8 , die Protonen unterschiedlicher chemischer Umgebung zuzuordnen sind. Der Unterschied 6v der Resonanzfrequenzen der beiden Signale ist dabei von der Stärke des Magnetfeldes abhängig.

( upfield)

spektroskopische Beziehungen

Ho zunehmend V abnehmend

geringere

höhere

Abschirmung

Abschirmung

}

3

2

3

____j l__ 6

I

hohes Feld

tiefes Feld ldowntield)

5

4

3

2

T~J 0

Ii

}

Flächenverhä llnis Integral! inie zur Flächenermi lllung Spektrum (mit T MS -Standard) Vergleichsskala

Abb. 95. NMR-Spektrum von Bromethan, CH 3 -cH 2-Br, mit Erläuterungen Zur Auswertung der Spektren hat man daher eine Skala mit feldunabhängigen Einheiten gewählt, wobei man die chemische Verschiebung auf das Resonanzsignal einer Standardsubstanz bezieht (= willkürlicher Nullpunkt), z.B. Tetramethylsilan (TMS) bei 1H, 85 % H3Po 4 bei 31P.

444

Als Maß für die chemische

Verschiebun~

gilt dann die Differenz der

Resonanzfrequenz der Probensubstanz v und des Standards vSt' dividiert durch die jeweilige Senderfrequenz. Für Protonen ergibt sich z.B. 6 =

v - vst 60

[H

1

[MH~]

. s1onslos. Wegen

bei einer Meßfrequenz von 60 MHz. 6 ist dimen-

[Hz] [MHz]

[Hz] 106 [Hz]

wurden o-werte früher in ppm

(parts per million) angegeben.

5.2. 7.2 Interpretation der Signale

Das 1 H-NMR-Spektrum von Bromethan, CH 3 cH 2 Br (Abb. 96) enthält zwei verschiedene Signale mit den chemischen Verschiebungen 6A und oB. Das bedeutet, daß in Bromethan zwei Arten von Protonen enthaltP.n sein müssen, die verschieden stark durch das angelegte Magnetfeld beeinflußt werden. Da insgesamt aber fünf Protonen im Molekül

ent-

halten sind, können diese offenbar in zwei Gruppen von Protonen aufgeteilt werden, die untereinander gleichwertig sind. Dies steht in Einklang mit der Strukturformel, die eine Methylgruppe mit drei Prot.onen und eine davon verschiedene Methylengruppe mit zwei Protonen enthält. Man bezeichnet zwei Atome derselben Isotopenart als chemisch äquivalent, wenn sie rotationssymmetrisch zueinander sind. Können sie 1urch eine Drehspiegelachse ineinander übergeführt werden, so sind sie gegenüber achiralen Reagenzien ebenfalls chemisch äquivalent

(d~nn

sie sind enantiotop, vgl. HT 211, Kap. 30.6.4).

Zwei Protonen werden als isochron bezeichnet, wenn sie dieselbe chemische Verschiebung aufweisen. Chemisch äquivalente Protonen sind immer isochron. DiastereotopeProtonen sind nicht isochron (= anisochron). Im Beispiel Bromethan sind die Protonen der Methylgruppe rotationssymmetrisch zueinander. Sie sind chemisch äquivalent und isochron. Die Protonen der Methylengruppe können durch eine Drehspiegelachse ineinander übergeführt werden (vgl. HT 211, Kap. 30.2.). Gegenüber den achiralen Radiowellen des NMR-Gerätes sind sie ebenfalls chemisch äquivalent und isochron. Isochrone Gruppen erhalten in den Spektren gleiche Buchstaben. Beachte: Im NMR-Spektrum können auch zufällige Isochronien auftre-

ten, d.h. isochrone Protonen müssen nicht unbedingt auch chemisch äquivalent sein. Enantiomere haben in achiralen Lösemitteln identische NMR-Spektren.

445

CH 3 -cH 2 -cH 2 Br

Beispiele:

a

c

b

a

a

b

c

d

a,b

1-Bro mpropan

2-Brompropan

1,2- Dibrom-phenylethan

Abb . 96

Abb . 97

Abb. 98

400

100

200

300

0

OHz

c

CHl- CH2- CH 2 Br

a

c

b

7

8

5

6

4

2

3

Abb. 96. 1 H-NMR-Spektrum von 1-Brompropan. Die Methy lgruppe a) erscheint bei hohem Feld und ist durch die Hb-Protonen der vicinalen Methylengruppe in ein Triplett auf.gespal ten. Die Hb-Protonen treten als Multiplett auf. Am stärksten nach tiefem Feld verschoben sind die He-Pro tonen der CH 2 Br-Gruppe, die als Triplett in Erscheinung treten

I

I

100

400

~/Jab

Br

.:

I

CHl -C H-CHl

a

b

I

OHz

a

6

A. B

7

6

5

4

3

2

Ob

Abb . 9 7 . 1 H-NMR- Spektr um von 2 - Br o mpropan . Di e Absorpti o n der sech s Methy l p r o t onen Ha e r sch e i nt be i h o h em Fel d und ist durch d as Nachbarproton Hb zu e ine m Du ble tt a ufgespa l ten. Hb abs orb i ert be i nied r igerer Fe l d s tärke (induktiver Effekt des Br oms ) und is t in ein Sept ett a u fgespa lte n , wobei die be i den ä ußeren Linien me i st nur schwa c h z u sehen sind

446

3bo

4~0

,öo

2bo

d d

{

Ausschni II

wA 7

J bc

6

c

Q

H

H

@-~-~ - Br .

Br H b

o ,b

c

6

r

OHz

5

.. ~, ...;" ~ - ··

Au ssc hnit t

1 4

3

l 2

1

0

5

Abb. 98. 1H-NMR-Spektrum von 1,2Dibrom-1-phenylethan. Die diastereotopen Protonen Ha und Hb ergeben unterschiedliche Signale; sie sind durch He zu je einem Dublett aufgespalten (zufällig fallen bei 5 = 4,1 Linien der beiden Dubletts zusammen) . Das Multiplett ( "Dublett von Dubletts") von He entsteht durch zweimalige Aufspaltung durch Ha und Hb . Wären Ha und Hb magnetisch äquivalent wie im 1-Brompropan, wären Jac und Jbc gleich und He würde als Triplett auftreten. Eine (denkbare) Kopplung Jab ist im Spektrum nicht zu erkennen

5 . 2. 7 . 3 Zuordnung der Signale

Beim Vergleich der Abb. 96 und 98 wird deutlich, daß sich aus der chemischen Verschiebung Anhaltspunkte für das Vorliegen bestimmter funktioneller Gruppen sowie Strukturhinweise entnehmen lassen. So absorbieren z.B. Methylgruppen i.a. bei hohem Feld (sie sind am stärksten abgeschirmt) , während Phenylgruppen bei tieferem Feld auftreten, weil sie schwächer gegen das äußere Magnetfeld abgeschirmt wird. Einzelheiten s. Abb. 100.

447 5.2.7.4 Intensität der Signale

Die relative Anzahl äquivalenter Protonen pro Gruppe kann durch Integration der Flächen unter den Signalen' ermittelt werden, da die Intensität der Signale proportional der Zahl der H-Atome ist; s. Abb. 95.

5.2.7.5 Spin-Spin-Kopplung

Das NMR-Spektrum gibt außer über die Anzahl der Protonen und die durch die chemische Verschiebung zum Ausdruck kommende Art der Protonen (Methyl-, Phenyl- usw.) weitere Informationen. In Abb. 99 erkennt man deutlich eine Signalaufspaltung für jede der beiden Protonengruppen a und b . Die Feinaufspaltung der Signale beruht darauf, daß auf die betreffende Protonengruppe nicht nur das äußere Meßmagnetfeld, sondern auch zusätzlich das Magnetfeld der benachbarten Protonen wirkt. Dies hat eine Wechselwirkung der Protonen miteinander zur Folge, die Spin-Spin-Kopplung. Das Ausmaß der Kopplung wird durch die Spin-Spin-Kopplungskonstante ausgedrückt. Sie beträgt bei Protonen ca. 0 - 20 Hz und ist - im Gegensatz zur chemischen Verschiebung - von der Stärke H0 des Meßfeldes unabhängig.

~

400

2~0

300

::;_Job

6b .(,/Job

:::: :::: ~

I

I

I' •'

CH 3-CH 2Br Q

.I 8

.I 7

I 6

.I

5

.I 4

Abb. 99. 1 H-NMR-Spektrum von Bromethan

. :'

~. ~

:

:

0

: 0

: II:

2

0 0

0

:: l:

b

dHz

6a

..·;·,I

3

.I 3

.I

2

,I

06

448

14

13

12

11

10

I

-

-~-OB

. .

.0,...

-c;-a2-~

-c;·c:

CH 3

·-

CHl-~"' -~-SR

(-~-) 2-cti-*""

,_

-~-CH2-cr-c:

----

(~-J 2-a-cr-c:::

0,._.

CH3-o I 0

-~&2-s-• ~"'012-~-c: (-~-) 2 -01-CG-

(-~-) 2-CH-N:, -~-01 2 -N::

-c;-HH-

cH 3--s-,al-coCH3-N:

~-~-CH2-co­

-~-CH2-o CHl"'""'co-

c-~-J 2-a-s-, :C-f-012 -co-

.. ~-012-~-co-1 :c""l-CH 2-s--

:c~-at{)

0 ..

-s-c:a 2-co-• :•-a 2--co-

liiiiii

- Jcis" Bei einfachen acyclischen Olefinen ist Jcis~ 6 - 11 Hz und Jtrans ~11 - 18 Hz. Beim Cyclohexanring findet man Jaa > Jee (a = axial, e = äquatorial). Die Spektren höherer Ordnung ( A v ~ J) müssen einer exakteren Analyse unterzogen werden, wobei man oft zunächst versuchen wird, gem. den vorstehenden Regeln für Spektren erster Ordnung vorzugehen. Da die chemische Verschiebung feldabhängig. ist, lassen sich Spektren höherer Ordnung durch die Verwendung von Spektrometern mit höherer magnetischer Induktion (z.B. 7 Tesla) vereinfachen.

451 Beispiele zur Spin-Spin-Kopplung

300

400

500

100

b 200

OHz

Cl CH 2CH2CH 2 Cl

a

b

b

a

4

2

t

~

~ I

I

7

8

05

2

3

5

6

Abb. 101. 1H-NMR-Spektrum von 1,3-Dichlorpropan. ClCH 2 cH 2 cH 2 Cl b a b Die vier Protonen der beiden CH 2Cl-Gruppen sind magnetisch äquivalent und zur mittleren CH 2 -Gruppe direkt benachbart. Wir erwarten also zwei Tripletts mit e~nem Intensitätsverhältn is von 1:2:1, die exakt übereinander liegen (ob= 3,66). Die zentrale CH 2 -Gruppe erscheint bei oa= 2,1 als Quin~ett mit einem Intensitätsverhältn is von 1:4:6:4:1, da die Kopplungskonstanten gleich groß sind.

400

500

c

300 b

100

200 c,b

0 Hz

Br CH 2 CH 2CH 2Cl b

Sx vergrößert -

a

c

a

8

7

6

5

3

2

06

Abb. 102. 1H-NMR-Spektrum von 1-Brom-3-chlorpropa n . BrCH2 cH 2 cH 2cl c b a

452

Erklärung zu Abb. 102: Die CH2Cl- bzw. CH2Br-Gruppen sind magnetisch und chemisch nicht äquivalent. Sie erscheinen jeweils als Triplett bei öc = 3,66 bzw. öb = 3,54, überlappen also stark (Unterschied zu Abb. 101). Zufälligerweise sind die Kopplungskonstanten Jab und Jac gleich groß, so daß die zentrale CH 2-Gruppe wie in Abb. 101 als Qu~ntett bei 5a = 2,15 erscheint.

Protonenaustausch

Abschließend sei noch auf eine Besonderheit bei Verbindungen mit leicht abspaltbaren Protonen wie Alkoholen oder Aminen hingewiesen. Diese Protonen treten im Spektrum oft als breite Signale auf, deren Lage variiert und stark von Konzentration und Temperatur abhängig ist. Spin-Spin-Kopplung mit anderen Protonen findet man nur, wenn kein schneller intermolekularer Protonenaustausch erfolgt. Das Spektrum von handelsüblichem Ethanol (Abb. 103) zeigt daher für die CH 2-Gruppe lediglich ein Quartett infolge Kopplung mit der CH 3Gruppe, da keine Kopplung mit der OH-Gruppe stattfindet. Bei Zugabe von D2o zur Probenlsg. findet ein H/D-Austausch statt, und die Signale~icht abspaltbarer Protonen verschwinden. Dadurch wird ein übersichtlicheres Spektrum erhalten: ; H = D absorbiert im Resonanzbereich der Protonen bei Aufnahme eines 1 H-NMR-Spektrums nicht. Die H/D-Kopplung ist wesentlich kleiner (ca. 1/6) als eine H/H-Kopplung. Sie stört deshalb bei der Auswertung nicht.

2

:

1

c

3 0

!J

.A

8

:

b

7

6

5

4

3

2

06

Abb. 103. Ethanol, CH 3-cH 2-oH (stark verdünnt in cc1 4 , bei höheren a c b Konzentrationen ist Signal· b zu tieferem Feld verschoben als Signal cl

Bei Aufnahme eines Ethanol-Spektrums unter Zugabe von o 2o würde das Signal für die OH-Gruppe in Abb. 103 fehlen, bei im übrigen unveränderten Spektrum.

5.2.7.7 Messung und Anwendung

Zur Messung wird eine Lösung der Probensubstanz in einem Meßröhrchen in das Magnetfeld gebracht. Man benötigt etwa 0,5- 1 ml Lsg., die ca. 1 - 25 mg Substanz enthalten sollte (abhängig von der Stärke des Magnetfelds). Zum Ausgleich von Feldinhomogenitäten läßt man das Röhrchen während der Messung mittels einer Turbine rotieren. Die Lösungsmittel sollten im Meßbereich möglichst nicht absorbieren. Für die 1 H-NMR-Spektroskopie verwendet man daher deuterierte Lösungsmittel wie CDC1 3 , c 6D6 oder perhalogenierte Substanzen wie cc1 4 , C6F6. Die NMR-Spektroskopie ist ein äußerst wichtiges Hilfsmittel zur Strukturaufklärung unbekannter Verbindungen, für Konformationsanalysen, zur Bestimmung von Reaktionsmechanismen etc. Verschiedene Einstrahlungstechniken, wie z.B. Spin-Spin-Entkopplung vereinfachen die Spektren und erleichtern die Auswertung: Bei auf diese Weise entkoppelten Spins erscheint ein Signal nur noch als einzelner, nicht aufgespaltener Peak. In Sonderfällen hilft auch der Einbau von D statt H (Deuterierung) in das Molekül durch Synthese, wenn ein bestimmtes Signal von Interesse ist. Infolge der Entwicklung neuer Techniken, wie z.B. der Fourier-Transform-Spektroskopie für kleinste Probenmengen und kurze Meßzeiten, oder der Aufnahme von 13 c-spektren ohne Isotopenanreicherung, ist die NMR-Spektroskopie eine zunehmend wichtigere Meßmethode geworden.

5.2.8 Elektronenspinresonanz-Spektroskopie (ESR)

Die Eigenrotation von Elektronen, der Elektronenspin, hat ein magnetisches Moment zur Folge. Dieses hat in bezug .auf ein äußeres Magnetfeld mehrere energetisch verschiedene Einstellungsmöglichkeiten, denen Energieniveaus entsprechen. Bringt man ungepaarte Elektronen in ein homogenes Magnetfeld (ähnlich Abb. 94), so können sie durch Einstrahlung geeigneter Energie zur Resonanzabsorption gebracht werden.

454

Analog zur NMR-Spektroskopie werden dabei Elektronen aus energetisch tieferen in höherliegende zustände angeregt. Sie relaxieren da~ nach. Zur Anregung von Elektronen verwendet man elektromagnetische Strahlung im Mikrowellenbereich (z.B. 9,5 GHz bei B = 0,35 Tesla), denn das magnetische Moment der Elektronen ist etwa 1000 mal größer als das der Atomkerne. Ebenso wie bei der NMR-Spektroskopie treten auch hier Feinaufspaltungen der Absorptionsbanden auf, die durch gegenseitige Wechselwirkung der Elektronen mit den magnetischen Momenten benachbarter Atomkerne verursacht werden. Die Lage und Struktur der Signale gestattet oft Aussagen über die Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines ungepaarten Elektrons und seine Umgebung, z.B. in Radikalen oder Metallkomplexen. Beachte: In diamagnetischen Verbindungen kompensieren sich je zwei Elektronen so, daß nach außen hin kein magnetisches Moment beobachtet werden kann. Die ESR-Spektroskopie ist daher auf Substanzen mit ungepaarten Elektronen, wie z.B. paramagnetische Atome, Ionen oder freie Radikale, beschränkt.

5.3 Atom- und lonenspektroskopie; Röntgenstrukturanalyse Die im folgenden beschriebenen Analysenmethoden arbeiten nicht zerstörungsfrei. Im Vergleich zur klassischen Naßanalyse sind die benötigten Substanzmengen jedoch sehr gering bei hoher Genauigkeit und Empfindlichkeit der Verfahren.

5.3.1 Flammenphotometrie Die Flammenphotometrie ist eine Emissionsspektralanalyse, die sich vor allem zur Bestimmung von Elementen eignet. Die zu messende Probe wird als Lösung dosiert in eine Flamme eingesprüht. Diese regt die zu bestimmenden Atome an; ihr Emissionsspektrum wird photoelektrisch gemessen. Der Gehalt der Probe kann dann mit einer Eichkurve ermittelt werden. Für quantitative Messungen erforderlich sind eine konstante Flamme und die Einhaltung günstiger Konzentrationsbereiche für die zu bestimmenden Elemente.

455

( 0)

I.___ ___,

I

( b)

Regler- Teil

FlammenTeil

Optischer Teil

EmpfängerTeil

I I

Vorstärker- 1 Teil (

Meß-Teil

I

Abb. 104. Bauteile und mögliche Kombinationen eines Flammenphotometers

Die wesentlichen Bauelernente eines Flammenphotometers (Abb. 104) sind: ein fein regulierbarer Brenner, ein Zerstäuber, Filter bzw. Monochromator (zur Zerlegung der emittierten Strahlung), ein Empfänger (meist Photodetektor) und ein Anzeigegerät. Die Auswahl der Flamme richtet sich nach den für die einzelnen Elemente erforderlichen Anregungsenergien. Leuchtgas/Luft liefert Flammentemperaturen von ca. 1800° c, C2H2 /Luft ca. 2200° C, H2 /o 2 ca. 2800° C 0 und c 2H2 /o 2 ca. 3100 c. Das Bestimmungsverfahren ist für Alkalimetalle spezifisch; Trennungsoder Reinigungsoperationen entfallen. Die Erfassungsgrenzen betragen für Li 0,05 (1 - 10), ~ 0,002 (1 - 10), .!_ 0,05 (1 - 10), ~ 0,2 (5 - 10), ~ 0,5 (5 - 10), Ca 0,05 (5 - 10), ..§E 0,05 (5 - 10) J.Lg/rnl. In Klammern wurde jeweils der günstigste Konzentrationsbereich in J.Lg/rnl angegeben. Im allgerneinen wird man versuchen, die Eichkurve in den angegebenen Bereich zu legen, weil sie dann meist als Gerade verläuft (mit I = konst • c). Dies ist notwendig, da die Intensität I der Emissionslinien nicht allein von der Konzentration c des zu bestimmenden Elementes in der Analysenlösung abhängt.

5.3.2 Emissions-Spektroskopie Atome können außer durch Flammen auch mit Hilfe von elektrischen Entladungen angeregt werden, z.B. durch Funkenentladungen und Anregung im Lichtbogen. In neuerer Zeit werden auch Laser zur Anregung verwendet. Es sind sowohl qualitative als auch quantitative Analysen

456

möglich, wobei die Emissions-Spek troskopie besonders für Spurenanalysen geeignet ist (Gehalte von 10- 3 bis 10-G %, absolute Empfindlichkeit 0,0001 ~g je Element). Der Zustand der Probe spielt eine untergeordnete Rolle, weil z.B. mit der Funkenanregung auch schwerlösliches Probenmaterial (z.B. Metalle, Keramik) analysiert werden kann. Es können gleichzeitig mehrere Elemente nebeneinander bestimmt werden.

5.3.3 Atomabsorption sspektroskopie (AAS) Bei der AAS wird die Resonanz-Absor ption von Strahlung bestimmter Wellenlänge durch Atome benutzt, um die einzelnen Elemente quantitativ zu bestimmen. Die untersuchten Atome befinden sich hauptsächlich im Grundzustand. Das Verfahren ist daher empfindlicher als die Flammenphotom etrie. Beispiele (in Klammern sind die Nachweisgrenzen in ~g/ml = ppm angegeben für das Gerät in Abb. 105): ~ (0,1), Pb (0,03), Cd (0,005)' ~ (0,002), ~ (0,001)' .!!5!.. (0, 5).

Meßverfahren (Abb. 105): Es handelt sich im Prinzip um die Lichtabsorption durch Atome im Dampfzustand (vgl. Beispiel Na, s. 420. Die Probe wird in gelöster Form durch ein Zerstäubungssys tem z.B. in eine Flamme eingebracht und durch thermische Dissoziation atomisiert. Da die Atome in einem nicht angeregten Grundzustand vorliegen, sind sie in der Lage, diejenige Resonanzstrahlu ng zu absorbieren, die sie im Anregungszustan d selbst emittieren würden. Als Lichtquellen dienen Hohlkathodenlam pen, deren Kathode aus dem zu bestimmenden Element hergestellt wurde.

Monochromator

Gitter Detektor (Multiplier)

Hohlkathoden-Lampe

Abb. 105. Schema eines Doppelstrahl-At omabsorptions-Spektrom eters

457

Bei der Messung schickt man das von der Lampe emittierte Licht mehrfach durch die Flamme, wobei es teilweise absorbiert wird. Mit Hilfe eines Gittermonochromators trennt man dann die für die Auswertung benötigte Resonanzstrahlung von der Störstrahlung. Die Schwächung der Lichtintensität durch die Resonanzabsorption wird gemessen und über eine Eichkurve ausgewertet.

5.3.4 Röntgenfluoreszenzspektroskopie Hierbei handelt es sich um eine Emissionsspektralanalyse, bei der Röntgenstrahlung als Primärstrahlung zur Anregung der zu bestimmenden Probe benutzt wird (Abb. 106). Durch die Primärstrahlung werden aus den inneren Energieniveaus der Atome Elektronen herausgeschlagen. Die so durch Ionisation entstandenen Lücken werden durch Elektronen aufgefüllt, die von einem äußeren, energiereicheren Niveau auf das innere, energieärmere Niveau "springen". Die freiwerdende Energie wird als Energiequant· h • 11 abgestrahlt. ( Sekundäranregung,"Fluoreszenz").

Auf diese Weise erhält man ein Röntgenspektrum, das meist aus mehreren voneinander getrennten Liniengruppen besteht, die als K-, L-, M- usw. -Serie bezeichnet werden. Die Wellenlängen der charakteristischen Strahlung sind entsprechend dem Noslegsehen Gesetz von der Ordnungszahl des betreffenden Elements abhängig. Die spektrale Zusammensetzung der Strahlung wird durch Beugung an einem Kristall bestimmt, indem man diesen um einen Winkel a dreht und mit der Braggschen Gleichung n • A

=

2 d • sin a

n

d

natürliche Zahl, Abstand der Gitterebenen im Kristall

die einzelnen Wellenlängen A berechnet (Abb. 106). Die verschiedenen Elemente lassen sich dann mit Hilfe von Tabellen zuordnen. Die quantitative Bestimmung erfolgt über Eichkurven aufgrund der Messung der Strahlungsintensität geeigneter charakteristischer Linien des Spektrums. Anwendung findet die Methode zur Untersuchung von Festkörpern wie Mineralien, Gläsern oder Legierungen (Metallurgie).

458

Abb . 106 . Röntgenspektrograph. a) Röntgenröhre; bl Präparatehalter; c) Soller-Blende (Kollimator); d) Kristall; e) Detektor; fl Hilfsblende, a Glanzwinkel

5.3 . 5 Elektronenstrahl-Mikroanalyse (Mikrosonde) Bei dieser Methode werden Atome einer ebenen Probe durch einen Elektronenstrahl zum Aussenden von Röntgenfluoreszenzstrahlung angeregt. Man kann damit die räumliche Verteilung von Elementen in festen Stoffen bestimmen (zweidimensionale Flächenanalyse) und eine definierte lokale Mikroelementaranalyse vornehmen (Punktschärfe: 1 ~m).

5. 3 .6 Photoelektronenspektroskopie (PE und ESCA) Die Photoelektronenspektroskopie (PE) mißt die Energie von (Valenz-) Elektronen, die eine Substanz infolge des Photoeffekts emittiert . Dieser kann z.B. durch UV-Strahlung hervorgerufen werden. Davon zu unterscheiden ist eine Art Auger-Elektronenspektroskopie, bei der die Energie von inneren Elektronen gemessen wird, die aufgrund des Auger-Effektes (innerer Photoeffekt, s . Lehrbücher der Physik) nach vorangegangener Ionisation mit Elektronen- bzw . Röntgenstrahlen auftreten . Die gemessene Energie ist für die Bindungsverhältnisse eines bestimmten Atoms typisch, auch wenn keine Valenzelektronen analysiert werden. Die Methode wird als ~ (electron spectroscopy for chemical analysis) bezeichnet. Beide Verfahren (PE und ESCA) werden meist in Kombination betrieben und erlauben im Gegensatz zu anderen spektroskopischen Methoden, die Bestimmung der absoluten Lage von Energieniveaus . Sie dienen daher zur experimentellen Oberprüfung von theoretischen Rechnungen, Strukturuntersuchungen, Oberflächenanalysen etc. Für die Ionisation eines Stoffes ist eine bestimmte Mindestanregungsenergie notwendig. Abb . 107 zeigt die verschiedenen Möglichkeiten.

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