Dividendenbesteuerung: Europa- und verfassungsrechtliche Vorgaben im Vergleich der Körperschaftsteuersysteme Deutschlands und Spaniens 9783504382896

Die Dividendenbesteuerung und damit verbunden die Ausgestaltung des Körperschaftsteuersystems sind seit jeher Gegenstand

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Dividendenbesteuerung: Europa- und verfassungsrechtliche Vorgaben im Vergleich der Körperschaftsteuersysteme Deutschlands und Spaniens
 9783504382896

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Englisch Dividendenbesteuerung

Rechtsordnung und Steuerwesen Band 34 Schriftenreihe begründet von Brigitte Knobbe-Keuk herausgegeben von Wolfgang Schön und Rainer Hüttemann

Dividendenbesteuerung Europa- und verfassungsrechtliche Vorgaben Im Vergleich der Körperschaftsteuersysteme Deutschlands und Spaniens

von

Dr: jur: joachim Englisch

2005

Verlag

Dr.OftoSchmidt Köln

.

Meiner Mutter

Geleitwort Zu dieser Schriftenreihe Seit Brigitte Knobbe-Keuk im Jahre 1986 diese Schriftenreihe in der Nachfolge von Werner Flume begründet hat, sind mehr als 30 Bände erschienen, in deren thematischen Mittelpunkt die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Steuerrecht und der allgemeinen Rechtsordnung gestellt ist. Die Entwicklung der Reihe hat gezeigt, dass die vielfältigen Verflechtungen des Steuerrechts mit anderen Rechtsgebieten den gewählten Zuschnitt eindrucksvoll gerechtfertigt haben. Die publizierten Arbeiten nehmen Bezüge zum allgemeinen Zivilrecht, zum Gesellschaftsrecht, zum Bilanzrecht und zu den Wirtschaftswissenschaften ebenso in den Blick wie die Rahmenbedingungen des Verfassungsrechts, des Europarechts und des Internationalen Rechts. Strafrechtliche Zusammenhänge unserer Steuerrechtsordnung werden ebenso beleuchtet wie verfahrensrechtliche Implikationen der Besteuerungspraxis. Der Erkenntnis der Begründerin der Schriftenreihe, dass in den juristischen Fragestellungen aus dem Bereich des Steuerwesens Fragestellungen aus den Teilgebieten der allgemeinen Rechtsordnung zusammentreffen, muss besonders Nachdruck in einer Zeit verliehen werden, in der die innere Stabilität unserer Besteuerungsordnung in hohem Maße gefährdet ist und der Wunsch, aus der eigenen Systematik des Steuerrechts heraus feste Leitlinien für Rechtspolitik und Rechtsanwendung zu gewinnen, hinter den fiskalischen Zwängen der öffentlichen Hand und dem Gestaltungswillen der Steuerpolitik immer weiter zurücktritt. Die Verankerung des Steuerrechts in der allgemeinen Rechtsordnung dient daher auch den Anliegen der Rechtssicherheit und Rationalität unseres Steuerrechts. Darüber hinaus kann durch die Anlehnung an die der Privatautonomie verpflichtete Zivilrechtsordnung sowie durch die Verwirklichung verfassungsrechtlicher und europarechtlicher Freiheitsgewährungen dem Steuerwesen ein Stück rechtsstaatlicher Liberalität zurückgegeben werden. Die Herausgeber wünschen daher, dass die Schriftenreihe in ihrer Gesamtheit einen Beitrag zur Kultur unserer Steuerrechtsordnung zu leisten vermag. München und Osnabrück, im März 2004 Wolfgang Schön

Rainer Hüttemann

VII

Geleitwort

Zu dieser Schrift Im Zentrum der Dividendenbesteuerung steht die Frage, ob und in welcher Weise eine Körperschaftsteuerbelastung auf ausgeschüttete Gewinne bei der Einkommensbesteuerung der Anteilseigner steuermindernd zu berücksichtigen ist. Dabei sind vielfältige Lösungsansätze denkbar: Volle Doppelbelastung, niedrigerer Ausschüttungssteuersatz, Teil- oder Vollanrechnungssysteme, Halbsatz- oder Halbeinkünfteverfahren. Joachim Englisch hat den 2001 vollzogenen Systemwechsel im deutschen Körperschaftsteuerrecht zum Anlass genommen, um die verschiedenen Systeme der Dividendenbesteuerung einer eingehenden Untersuchung zu unterziehen. Dabei stellt er dem deutschen Halbeinkünfteverfahren in rechtsvergleichender Perspektive das spanische Vollanrechnungssystem als alternatives Entlastungsmodell gegenüber und arbeitet die verfassungsrechtlichen, völkerrechtlichen und europarechtlichen Vorgaben heraus, an denen eine Dividendenbesteuerung zu messen ist. So leitet Englisch z. B. aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip ein Gebot der steuerlichen Einmalbelastung ausgeschütteter Dividenden ab. Ferner sei ein Körperschaftsteuersystem nur dann international verteilungsgerecht, wenn es den bevorrechtigten Zugriff des Quellenstaates auf die ausgeschütteten Gewinne wahrt. Und schließlich müssten aus europarechtlichen Gründen auch beschränkt steuerpflichtige Dividendenbezieher in einen Entlastungsmechanismus mit einbezogen werden. Wie Englisch in seiner anschließenden sorgfältigen Analyse darlegt, werden weder das deutsche noch das spanische Körperschaftsteuerrecht allen diesen Anforderungen in gleicher Hinsicht gerecht. Daher entwickelt er einen eigenen Lösungsvorschlag und plädiert für eine Kombination aus pauschalem Teilanrechnungsverfahren und Teileinnahmeverfahren. Mit seiner umfassenden Analyse hat Englisch nicht nur einen wichtigen und weiterführenden Beitrag zum Problem der Dividendenbesteuerung geleistet, sondern auch das Bewusstsein für die unterschiedlichen Anforderungen des Verfassungs-, Völker- und Europarechts geschärft, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung seines nationalen Körperschaftsteuerrechts beachten muss. München und Bonn, im Januar 2005 Wolfgang Schön

VIII

Rainer Hüttemann

Vorwort Die vorliegende Arbeit befasst sich mit Grundfragen der Dividendenbesteuerung, die anhand der Körperschaftsteuersysteme Deutschlands und Spaniens veranschaulicht werden. Anlass zu einer vertieften Untersuchung bot Anfang 2001 der gerade vollzogene Wechsel des deutschen Körperschaftsteuersystems vom Vollanrechnungsverfahren hin zum so genannten Halbeinkünfteverfahren. Diese Umstellung stieß national wie international auf ein erhebliches und durchaus geteiltes Echo. Die Kritiker des Systemwechsels verwiesen insbesondere auf das spanische Verfahren der pauschalen Körperschaftsteueranrechnung als vermeintlich überlegene Lösung. Vor diesem Hintergrund unternimmt es die Arbeit, nach einer rechtsvergleichenden Analyse die Stärken und Schwächen der verschiedenen Lösungsansätze kritisch zu würdigen und eigene Verbesserungsvorschläge zu entwickeln. Dabei wird berücksichtigt, dass ein System der Dividendenbesteuerung nicht nur national verfassungsrechtlichen, sondern auch europarechtlichen Vorgaben und den aus den Grundsätzen internationaler Verteilungsgerechtigkeit abzuleitenden Anforderungen genügen muss. Die Arbeit ist im Wintersemester 2003/2004 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation angenommen worden. Für die Drucklegung wurden alle zum 1.1.2004 in Deutschland und Spanien in Kraft getretenen Gesetzesänderungen berücksichtigt. Neuere Entwicklungen in Rechtsprechung und Literatur konnten bis September 2004 berücksichtigt werden. Hervorzuheben sind hier insbesondere die Entscheidungen des EuGH zum österreichischen Halbsatzverfahren und zum finnischen Anrechnungsverfahren sowie der Vorlagebeschluss des FG Köln zur Europarechtskonformität des abgeschafften deutschen Anrechnungsverfahrens. Ohne vielfältige Hilfe und Unterstützung wäre diese Arbeit nicht zustande gekommen. Danken möchte ich an erster Stelle meinem verehrten akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Joachim Lang. Er hat mir nicht nur durch die Einstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Steuerrecht optimale Arbeitsbedingungen für die Erstellung der Dissertation ermöglicht, sondern mich auch in persönlich schwierigen Zeiten mit seinem Verständnis begleitet. Einen besseren Doktorvater kann man sich nicht wünschen. Herrn Prof. Dr. Klaus Tipke, dessen „Steuerrechtsordnung“ die Arbeit ganz erheblich befruchtet hat, danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Bedanken möchte ich mich auch bei meinen ehemaligen und gegenwärtigen Institutskollegen Prof. Dr. Johanna Hey, Thomas Keß, Alexander LüdtkeHandjery, Beate Plum und Dr. Georg Roderburg für so manche gewinnbringende Diskussion und die Unterstützung in der Schlussphase der Dissertation. Mein Dank gilt ferner den spanischen Professoren Juan Manuel

IX

Vorwort

Barquero Estevan, Andrés García Martínez, Pedro Herrera Molina und insbesondere Diego Marín-Barnuevo Fabo, die mir die Recherche an allen drei Universitäten Madrids ermöglicht und durch eine Vielzahl von Gesprächen das spanische Steuersystem näher gebracht haben. Den Herren Professoren Dr. Wolfgang Schön und Dr. Rainer Hüttemann danke ich für die Aufnahme in die vorliegende Schriftenreihe, der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e. V. für einen großzügigen Druckkostenzuschuss. Insbesondere in den letzten, kräftezehrenden Monaten der Dissertation stand mir meine Freundin Julia Pelzer mit Rat und Tat zur Seite, wofür ich ihr ganz herzlich danke. Dank gebührt schließlich meinen Eltern für die materielle und immaterielle Förderung, die ich von ihnen stets erfahren durfte. Köln, im September 2004

X

Joachim Englisch

Inhaltsübersicht Geleitwort ............................................................................................... VII Vorwort ................................................................................................... IX Inhaltsverzeichnis ................................................................................... XIII Einleitung ................................................................................................ 1 1. Kapitel: Systeme der Dividendenbesteuerung in Deutschland und Spanien ...........................................................................................

7

2. Kapitel: Verfassungsrechtliche, völkerrechtliche und europarechtliche Beurteilungsmaßstäbe ............................................

95

3. Kapitel: Kritische Würdigung der nationalen Systeme der Dividendenbesteuerung ................................................................. 317 Ausblick ................................................................................................. 533 Zusammenfassung der Ergebnisse ...................................................... 537 Literaturverzeichnis ................................................................................ 543 Rechtsprechungsverzeichnis ................................................................... 597 Stichwortverzeichnis .............................................................................. 607

XI

Inhaltsverzeichnis Geleitwort ............................................................................................... VII Vorwort ...................................................................................................

IX

Inhaltsübersicht .......................................................................................

XI

Einleitung ................................................................................................

1

1. Kapitel: Systeme der Dividendenbesteuerung in Deutschland und Spanien ............................................................

7

A. I. 1. 2. 3. II. 1. 2. 3.

Geschichtliche Entwicklung der Dividendenbesteuerung in Deutschland und Spanien ................................................... Deutschland ................................................................................... Entwicklung bis zur Körperschaftsteuerreform 1977: Unterschiedliche Entlastungsmechanismen .................................. Die Körperschaftsteuerreform 1977: Installation des Anrechnungsverfahrens ....................................... Die Unternehmenssteuerreform 2000: Übergang zum Halbeinkünfteverfahren ........................................ Spanien .......................................................................................... Entwicklung bis zur Körperschaftsteuerreform 1977: Entlastung nur innerhalb der Körperschaftssphäre ....................... Die Körperschaftsteuerreform 1977: System der Steuerermäßigung ....................................................... Die Steuerreformen der Jahre 1994 und 1995: Übergang zum Anrechnungsverfahren ..........................................

7 7 7 9 10 11 11 13 15

B.

Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen .....

17

I. 1.

Reiner Binnensachverhalt .............................................................. Beteiligung im Privatvermögen ..................................................... a) Deutschland .............................................................................. b) Spanien ..................................................................................... Beteiligung im Betriebsvermögen ................................................. a) Deutschland .............................................................................. b) Spanien .....................................................................................

17 17 17 22 25 25 28

2.

XIII

Inhaltsverzeichnis

II. 1.

Auslandsdividenden ...................................................................... Beteiligung im Privatvermögen ..................................................... a) Deutschland .............................................................................. b) Spanien ..................................................................................... Beteiligung im Betriebsvermögen ................................................. a) Deutschland .............................................................................. b) Spanien ..................................................................................... Exkurs: Hinzurechnungsbesteuerung ............................................ a) Deutschland .............................................................................. b) Spanien .....................................................................................

29 29 29 31 34 34 36 37 38 40

Dividenden an Nichtansässige ....................................................... Beteiligung im Privatvermögen ..................................................... a) Deutschland .............................................................................. b) Spanien ..................................................................................... Beteiligung im Betriebsvermögen ................................................. a) Deutschland .............................................................................. b) Spanien .....................................................................................

43 44 44 45 47 47 48

C.

Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften ...............

51

I. 1. 2.

Reiner Binnensachverhalt .............................................................. Deutschland ................................................................................... Spanien ..........................................................................................

51 51 57

II. 1. 2.

Auslandsdividenden ...................................................................... Deutschland ................................................................................... Spanien ..........................................................................................

60 60 67

III. 1. 2.

Dividenden an Nichtansässige ....................................................... Deutschland ................................................................................... Spanien ..........................................................................................

72 72 76

D.

Die Dividendenbesteuerung bei Personengesellschaften im Überblick ...............................................................................

78

I. II.

Deutschland ................................................................................... Spanien ..........................................................................................

78 81

E.

Exkurs: Die Organschaft .........................................................

84

2.

3.

III. 1.

2.

XIV

Inhaltsverzeichnis

F.

Einordnung der Körperschaftsteuersysteme in Deutschland und Spanien ...................................................

86

I. 1. 2.

Typologie relevanter Körperschaftsteuersysteme ......................... Klassisches System ........................................................................ Systeme der Integration bei Ausschüttung .................................... a) Entlastung des Anteilseigners ................................................... aa) Anrechnungssysteme ......................................................... bb) Freistellungssysteme .......................................................... cc) Shareholder-Relief-Verfahren ........................................... b) Entlastung der ausschüttenden Kapitalgesellschaft ..................

87 87 87 87 88 88 89 89

II. III.

Deutschland ................................................................................... Spanien ..........................................................................................

90 91

2. Kapitel: Verfassungsrechtliche, völkerrechtliche und europarechtliche Beurteilungsmaßstäbe .......................................

95

A.

Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts ......................

96

I.

Auf die Dividendenbesteuerung einwirkende Grundrechte und Verfassungsprinzipien ............................................................ Das Übermaßverbot ....................................................................... Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG – Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ........... a) Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit als fundamentaler Vergleichsmaßstab .................................................................... aa) Grundaussage des Leistungsfähigkeitsprinzips ................. bb) Dividenden als Indikator wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ............................................................................. cc) Die Besteuerung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit von Kapitalgesellschaften und das Verhältnis zur Leistungsfähigkeit ihrer Anteilseigner .............................................. (i) Die eigene Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft ................................................................. (1) Ablehnende Ansichten .......................................... (2) Befürwortende Ansichten ..................................... (3) Eigene Stellungnahme .......................................... (ii) Die Anwendung des Leistungsfähigkeitsprinzips bei der Besteuerung der Kapitalgesellschaft ....................

1. 2.

96 96 98 100 104 106

110 111 111 113 116 117

XV

Inhaltsverzeichnis

3.

4. 5. II. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

7.

XVI

(iii) Das Verhältnis der Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft zu der ihrer Anteilseigner ............ (1) Wirtschaftliche Doppelbelastung durch ein Nebeneinander von Ertragssteuern auf den Gesellschaftsgewinn und Dividendeneinkünfte ... (2) Keine Rechtfertigung der wirtschaftlichen Doppelbelastung ................................................... (3) Gebot der Einmalbelastung .................................. dd) Leistungsfähigkeit von Steuerausländern .......................... b) Durchbrechungen des Leistungsfähigkeitsprinzips .................. aa) Fiskalische Ergiebigkeit .................................................... bb) Vereinfachungszwecke ...................................................... cc) Missbrauchsbekämpfung ................................................... Das Grundrecht auf Eigentum, Art. 14 Abs. 1 GG – Eigentumsschonende Besteuerung ................................................................. a) Steuererhebung als Eingriff in den Schutzbereich ................... aa) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ........ bb) Die im Schrifttum vertretenen Standpunkte ...................... cc) Eigene Ansicht: Fortentwicklung des gegenstandsorientierten Ansatzes ......................................................... b) Grenzen der Einschränkungsmöglichkeiten – Verbot konfiskatorischer Besteuerung und Halbteilungsgrundsatz ..... aa) Erdrosselnde bzw. konfiskatorische Wirkung ................... bb) Halbteilungsgrundsatz ....................................................... Das Grundrecht der Berufsfreiheit, Art. 12 GG ............................ Die Vereinigungsfreiheit, Art. 9 GG ............................................. Für die Dividendenbesteuerung maßgebliche Subprinzipien ........ Universalitätsprinzip ...................................................................... Prinzip der Individualbesteuerung ................................................. Totalitätsprinzip ............................................................................. Welteinkommensprinzip ............................................................... Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung ........................... Nettoprinzip ................................................................................... a) Objektives Nettoprinzip ............................................................ b) Subjektives Nettoprinzip .......................................................... Periodizitätsprinzip: Kapital- oder konsumorientierte Besteuerung ................................................................................... a) Kapitalorientierte Besteuerung keine verfassungskräftige Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips ...........................

119

121 124 130 131 134 135 135 140 141 142 142 144 150 152 152 154 157 160 162 163 164 166 167 174 177 177 179 182 184

Inhaltsverzeichnis

8.

b) Auch kein verfassungsrechtliches Gebot konsumorientierter Besteuerung .............................................................................. 188 c) Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ....................................... 192 Konsequente Umsetzung der Subprinzipien ................................. 194

B.

Grundsätze internationaler Verteilungsgerechtigkeit ...... 196

I. II. 1.

Interpersonale und internationale Steuergerechtigkeit .................. International gerechte Dividendenbesteuerung ............................. Die Abkommensregelungen als Konkretisierung international gerechter Dividendenbesteuerung ................................................. Das Vorrecht des Quellenstaates ................................................... a) Keine Zuweisung von Verantwortlichkeiten für die Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbelastung ........................ b) Beurteilungsmaßstäbe für die Verteilungswirkungen der Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbelastung ........................

2.

196 198 199 200 203 205

C.

Europarechtliche Vorgaben .................................................... 212

I. II.

Die überragende Bedeutung der Beschränkungsverbote .............. Die relevanten Beschränkungsverbote: Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit .................................................................. Sachlicher Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit ........ Sachlicher Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit ......... Konkurrenzverhältnis von Kapitalverkehrs- und Niederlassungsfreiheit ............................................................................................ Subsidiarität sonstiger Bestimmungen ..........................................

1. 2. 3. 4. III. 1. 2.

212 215 216 217 219 223

Persönlicher und räumlicher Anwendungsbereich der Beschränkungsverbote ................................................................... 223 Niederlassungsfreiheit ................................................................... 224 Kapitalverkehrsfreiheit .................................................................. 225

IV. Adressaten der Beschränkungsverbote .......................................... 227 V. 1. 2.

Der Gewährleistungsgehalt der Beschränkungsverbote ................ Historische Entwicklung durch den EuGH ................................... Die Dogmatik der Grundfreiheiten nach dem heutigen Stand des Gemeinschaftsrechts ............................................................... a) Das Verbot der Diskriminierung des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs ..................................................................

230 230 235 235

XVII

Inhaltsverzeichnis

3.

4. VI. 1. 2. 3. 4.

b) Das Verbot nichtdiskriminierender Beschränkungen des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs ............................. c) Ergebnis: Gleichheitsrechte, keine Freiheitsrechte .................. Steuerrechtliche Implikationen: Gebot der Gleichheit im tatsächlichen Belastungserfolg ...................................................... a) Nichtdiskriminierende Beschränkungen – Verantwortlichkeit für die Beseitigung .................................................................... aa) Verfahrensrechtliche Doppelregulierungen ....................... bb) Verbot der Doppelbesteuerung .......................................... b) Schwerpunkt der Diskriminierungsprüfung: Vergleichbarkeit von transnationalem und Binnensachverhalt ............................ aa) Unterscheidung nach beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen ................................................................ bb) Unterscheidung nach inländischen und ausländischen Erträgen .............................................................................. cc) Mangelnde Vergleichbarkeit bei abkommensrechtlicher Verlagerung von Verantwortlichkeiten? ........................... Rechtsformwahlrecht nach Art. 43 S. 2 EGV ............................... Rechtfertigung von Beschränkungen ............................................ Die „rule of reason“ ....................................................................... Die Bedeutung der Steuerklauseln des Art. 58 EGV .................... Die Schranken-Schranke der Verhältnismäßigkeit ....................... Steuerrechtlich bedeutsame Rechtfertigungsgründe ..................... a) Rein budgetäre Interessen ......................................................... b) Übereinstimmung mit den Vorgaben eines Doppelbesteuerungsabkommens .......................................................... c) Fehlende Reziprozität von Steuervorteilen ............................... d) Wirksame steuerliche Kontrolle ............................................... e) Wirksame Durchsetzung des Steueranspruchs ......................... f) Missbrauchs- und Hinterziehungsbekämpfung ........................ g) Vorteilsausgleich und Kohärenz ............................................... aa) Die Rechtsprechung des EuGH ......................................... bb) Eigene Ansicht: Begrenztes Saldierungsverbot ................. (i) Individueller Vorteilsausgleich nur im betroffenen Mitgliedstaat ............................................................... (ii) Eingeschränkter Typisierungsspielraum der Mitgliedstaaten ........................................................... (iii) Fazit ............................................................................ cc) Das Verhältnis zu Doppelbesteuerungsabkommen ...........

XVIII

241 247 250 251 251 251 262 262 268 268 272 273 273 279 283 286 287 287 289 290 293 294 295 295 297 297 302 306 308

Inhaltsverzeichnis

VII. Zusammenwirken von nationalem Gleichheitssatz und EG-rechtlichen Beschränkungsverboten ....................................... 311 VIII. Die Vorgaben der Mutter-Tochter-Richtlinie ................................ 312

3. Kapitel: Kritische Würdigung der nationalen Systeme der Dividendenbesteuerung ............................................................. 317 A.

Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen ..... 318

I. 1.

Der Entlastungsmechanismus ........................................................ Das abgeschaffte deutsche Vollanrechnungsverfahren ................. a) Optimale Umsetzung des Gebots der Einmalbelastung ........... b) Unmöglichkeit einer zwischenstaatlich gerechten und zugleich europarechtskonformen Ausgestaltung des Anrechnungsverfahrens ............................................................ aa) Europarechtliche Beurteilung des Ausschlusses der Steuerausländer .................................................................. (i) Grundfreiheitsrelevante Ungleichbehandlung ............ (ii) Vergleichbarkeit der Sachverhalte .............................. (1) Unterschiedliche Erfassung steuerlicher Leistungsfähigkeit ................................................ (2) Beeinträchtigung des Vorrechts des Quellenstaates .................................................................... (3) Ausstehende Harmonisierung der Körperschaftsteuersysteme ........................................................ (4) Zwischenfazit ....................................................... (iii) Rechtfertigung des Ausschlusses? .............................. (1) Anwendbarkeit des Kohärenzgedankens .............. (2) Mangelnde Kohärenz wegen unzureichender Vorteilskompensation ........................................... (3) Keine Rechtfertigung wegen drohender Aufkommensverluste ............................................ bb) Europarechtliche Beurteilung des Ausschlusses der ausländischen Dividenden ................................................. (i) Grundfreiheitsrelevante Ungleichbehandlung ............ (ii) Kohärenz als Rechtfertigungsgrund ........................... (iii) Verhältnismäßigkeit des Ausschlusses ....................... (iv) Mittelbarer Dividendenbezug ..................................... cc) Schlussfolgerungen für ein europarechtskonformes Vollanrechnungsverfahren ................................................. dd) Konflikt mit den Vorstellungen interstaatlicher Verteilungsgerechtigkeit ....................................................

318 318 318

324 325 325 326 326 329 331 332 332 332 335 338 341 341 344 353 355 356 360 XIX

Inhaltsverzeichnis

2.

3.

4.

XX

c) Sonstige Schwächen des Anrechnungsverfahrens .................... aa) Kompliziertheit des Anrechnungsverfahrens .................... bb) Missbrauchsanfälligkeit des Anrechnungsverfahrens ....... Das Halbeinkünfteverfahren .......................................................... a) Europarechtskonformität .......................................................... b) Einfache Handhabbarkeit bei unverminderter Gestaltungsanfälligkeit ................................................................................ c) Vereinbarkeit mit den Grundsätzen interstaatlicher Verteilungsgerechtigkeit ........................................................... d) Überschreiten des Typisierungsspielraums bei der Herstellung steuerlicher Einmalbelastung der Dividenden ...... aa) Überhöhte Sockelbelastung mit der Folge durchgängiger Mehrbelastung ................................................................... bb) Keine hinreichende Nachteilskompensation ..................... (i) Thesaurierungsvorteil der Kapitalgesellschaft ........... (ii) Ausweichen in Leistungsvergütungen ........................ (iii) Geringere Durchschnittsbelastung sonstiger Einkünfte .................................................................... cc) Möglicher Verstoß gegen das subjektive Nettoprinzip ..... e) Wertende Gesamtbetrachtung ................................................... Das spanische Anrechnungsverfahren ........................................... a) Annäherung an die steuerliche Einmalbelastung der Dividenden ................................................................................ aa) Realitätsgerechte Typisierung körperschaftsteuerlicher Vorbelastung ...................................................................... bb) Systemwidrigkeit der fehlenden Erstattung bei überschießendem Anrechnungsguthaben .......................... b) Einfache Handhabbarkeit ......................................................... c) Europarechtskonformität .......................................................... aa) Ausschluss der Steuerausländer ......................................... bb) Ausschluss der ausländischen Dividenden ........................ d) Keine Übereinstimmung mit den Grundsätzen internationaler Verteilungsgerechtigkeit bei europarechtskonformer Ausgestaltung ........................................................................... e) Zwischenfazit ............................................................................ f) Exkurs: Die spanische Betriebsstättenbesteuerung .................. Eigener Lösungsvorschlag: Kombination aus pauschaler Anrechnung und Teileinkünfteverfahren ...................................... a) Näherungsweise Gewährleistung steuerlicher Einmalbelastung der Dividenden ......................................................... b) Einfache Handhabbarkeit ......................................................... c) Europarechtskonformität ..........................................................

366 366 367 368 368 370 371 373 373 378 378 380 381 383 385 387 388 388 394 396 396 397 398

400 400 401 403 404 411 413

Inhaltsverzeichnis

5. II. 1.

2. 3.

III.

d) Übereinstimmung mit den Grundsätzen internationaler Verteilungsgerechtigkeit ........................................................... 413 e) Ergänzung durch ein Auszahlungsabzugsverfahren bei personenbezogenen Kapitalgesellschaften ............................... 419 Ergebnis ......................................................................................... 422 Die Behandlung von Beteiligungsaufwendungen ......................... Das Halbabzugsverbot im Halbeinkünfteverfahren ...................... a) Vereinbarkeit mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip .................. b) Vereinbarkeit mit Europarecht ................................................. Das spanische Konzept abzugsfähiger Ausgaben ......................... Folgerungen für das Kombinationsmodell .................................... a) Im Grundsatz voller Abzug der Beteiligungsaufwendungen ... b) Besonderheiten bei grenzüberschreitender Ausschüttung ........ aa) Auslandsdividenden ........................................................... (i) Verfassungsrechtliche Würdigung ............................. (ii) Europarechtliche Würdigung ...................................... bb) Dividenden an beschränkt Steuerpflichtige ....................... (i) Verfassungsrechtliche Würdigung ............................. (ii) Europarechtliche Würdigung ......................................

423 423 423 427 428 430 430 430 430 431 433 435 435 437

Die Gewerbesteuerbelastung von „Streubesitzdividenden“ in Deutschland ............................................................................... 440

IV. Der Quellensteuerabzug ................................................................ 1. Die Sicherungswirkung im Binnensachverhalt ............................. a) Die deutsche Kapitalertragsteuer .............................................. b) Parallelen des spanischen Quellensteuerabzugs ....................... c) Folgerungen für das Kombinationsmodell ............................... 2. Keine Veranlagung von beschränkt Steuerpflichtigen .................. a) Die Abgeltungswirkung der deutschen Kapitalertragsteuer ..... aa) Vereinbarkeit mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip ........... (i) Ungleichbehandlung trotz vergleichbarer Situation ... (1) Persönliche Verhältnisse ...................................... (2) Erwerbsaufwendungen ......................................... (3) Entlastungsmechanismus ...................................... (4) Zwischenergebnis ................................................. (ii) Rechtfertigung der Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips ........................................................ (1) Sicherung der Steuererhebung .............................. (2) Vorteilskompensation ........................................... (3) Vereinfachungszwecke ......................................... (4) Ergebnis ................................................................

444 444 444 446 447 448 448 448 449 449 451 453 454 454 455 456 459 459 XXI

Inhaltsverzeichnis

3.

bb) Vereinbarkeit mit der Eigentumsgewährleistung .............. cc) Vereinbarkeit mit Europarecht .......................................... (i) Diskriminierung .......................................................... (ii) Rechtfertigung ............................................................ (iii) Ergebnis ...................................................................... b) Kritik der spanischen Quellensteuer ......................................... c) Eigener Lösungsvorschlag ........................................................ Die Anrechnung ausländischer Quellensteuer bei Auslandsdividenden in Deutschland und Spanien ....................................... a) Ungleichbehandlung ausländischer und inländischer Quellensteuern .......................................................................... b) Vereinbarkeit mit DBA, Europarecht und Verfassungsrecht ...

460 460 461 462 463 464 465 467 467 468

B.

Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften ............... 475

I. 1.

Der Entlastungsmechanismus ........................................................ Das deutsche Freistellungssystem ................................................. a) Neues Freistellungssystem als zwingende Folge des Halbeinkünfteverfahrens? ......................................................... b) Neues Freistellungssystem als überlegene Alternative zum Anrechnungsverfahren .............................................................. aa) Schwächen des Anrechnungsverfahrens auf Körperschaftsebene ....................................................................... (i) Wettbewerbsfähige Steuersätze erzwingen die Einbeziehung von Auslandssachverhalten ................. (1) Dividenden an Steuerausländer ............................ (2) Auslandsdividenden ............................................. (3) Zwischenergebnis ................................................. (ii) Mangelnde Kompatibilität mit den Grundsätzen internationaler Verteilungsgerechtigkeit .................... (iii) Kompliziertheit ........................................................... (iv) Missbrauchsgefahr ...................................................... (v) Ergebnis ...................................................................... bb) Überlegenheit des Freistellungssystems ............................ (i) Europarechtskonformität ............................................ (ii) Perfekte Anpassung an internationale Schachtelprivilegien und sonstige Abkommensbestimmungen . (iii) Verwaltungsvereinfachung ......................................... (iv) Größere Rechtsformneutralität für ausländische Investoren ................................................................... (v) Nur geringe Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip ......................................................................... (vi) Abwägung und Fazit ...................................................

XXII

475 475 475 477 477 477 478 483 486 486 489 490 490 491 491 492 493 494 494 496

Inhaltsverzeichnis

2.

II. 1.

2.

Das spanische Freistellungssystem ............................................... a) Freistellung durch Ermäßigung der Steuerschuld bei Inlandsdividenden ..................................................................... b) Freistellung oder Anrechnung bei Auslandsdividenden ........... c) Fazit .......................................................................................... Die Behandlung von Beteiligungsaufwendungen ......................... Die deutschen Abzugsverbote ....................................................... a) Die Rechtslage bis einschließlich 2003 .................................... aa) Verfassungswidrigkeit des allgemeinen Abzugsverbots bei Inlandsbeteiligungen .................................................... bb) Europarechtswidrigkeit des speziellen Abzugsverbot bei Auslandsdividenden ..................................................... b) Die Rechtslage ab 2004 ............................................................ c) Fazit .......................................................................................... Der Abzug von Beteiligungsaufwendungen in Spanien ...............

Die Gewerbesteuerbelastung von „Streubesitzdividenden“ in Deutschland ............................................................................... IV. Der Quellensteuerabzug ................................................................ 1. Die Sicherungswirkung im Binnensachverhalt ............................. a) Die deutsche Kapitalertragsteuer .............................................. b) Der spanische Quellenabzug .................................................... 2. Das Erhebungsverfahren bei beschränkt Steuerpflichtigen .......... a) Abgeltende Kapitalertragsteuer im deutschen Freistellungssystem ....................................................................................... b) Bruttoquellenbesteuerung im spanischen Freistellungssystem 3. Die Anrechnung ausländischer Quellensteuer bei Auslandsdividenden ..................................................................................... a) Im deutschen Freistellungssystem ............................................ b) Im spanischen Freistellungssystem ..........................................

498 498 501 504 505 505 505 505 507 511 514 517

III.

520 521 521 521 523 525 525 528 530 530 532

Ausblick ................................................................................................ 533 Zusammenfassung der Ergebnisse ................................................. 537

XXIII

Inhaltsverzeichnis

Literaturverzeichnis ................................................................................ 543 Rechtsprechungsverzeichnis ................................................................... I. Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes ......................... II. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts .......................... III. Entscheidung des spanischen Verfassungsgerichts (TC) .............. IV. Entscheidungen des Bundesfinanzhofes ....................................... V. Entscheidungen der Finanzgerichte ............................................... IV. Entscheidung des Bundesgerichtshofs ..........................................

597 597 601 603 604 605 605

Stichwortverzeichnis .............................................................................. 607

XXIV

Einleitung Die Dividendenbesteuerung und damit verbunden die Ausgestaltung des Körperschaftsteuersystems ist seit Jahrzehnten Gegenstand heftiger Diskussionen in den Steuerwissenschaften. Speziell innerhalb des Staatenverbundes der Europäischen Gemeinschaften hat dies zu einem steten Wandel an gemeinschaftsrechtlich vorgeschlagenen1 wie auch insbesondere an nationalstaatlich praktizierten Konzepten geführt. Nach dem Krieg dominierte in den heutigen Mitgliedstaaten noch die klassische Form der Besteuerung von Dividenden unabhängig von der vorherigen Besteuerung des in ihnen verkörperten Gewinns bei der ausschüttenden Gesellschaft; ausnahmsweise gewährte Entlastungen speziell im Konzern wurden überwiegend als wirtschaftspolitisch motivierte Privilegien verstanden. Seit den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts war dann ausgehend von Frankreich europaweit eine Hinwendung zum körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren zu beobachten, das im Grundsatz auf eine vollständige Revision der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung der Dividende beim Anteilseigner hinauslief. Allerdings wurde eine Anrechnung in allen relevanten Steuerrechtsordnungen prinzipiell nur dann gewährt, wenn sowohl der Gesellschafter als ________________________ 1

Die Europäische Kommission hat bis dato immerhin 4 Studien zu den europäischen Körperschaftsteuersystemen in Auftrag gegeben und zwei Richtlinienvorschläge erarbeitet. Der sogenannte Neumark-Bericht von 1962 sprach sich für ein System des gespaltenen Steuersatzes, der Segré-Bericht von 1966 für die Ausdehnung von Anrechnungssystemen auf Steuerausländer, und die Van den Tempel-Studie 1970 für eine klassische, d. h. separate Besteuerung von Unternehmensgewinn und Dividende aus. Der erste eigene Richtlinienentwurf von 1975 präferierte dann aber ein europaweit einheitliches Teilanrechnungssystem, musste aber infolge mangelnder Harmonisierungsbereitschaft der Mitgliedstaaten 1990 wieder zurückgezogen werden. Stattdessen wurde in diesem Jahr die deutlich weniger weitreichende Mutter-Tochter-Richtlinie verabschiedet, die sich auf die Besteuerung von Dividenden zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten beschränkte. Der gleichfalls 1990 eingesetzte sogenannte Ruding-Ausschuss konnte sich bis 1992 nicht auf ein einheitliches Körperschaftsteuersystem einigen, enthielt aber in einem Anhang den Vorschlag von A. Rädler und J. Blumenberg eines klassischen Systems mit „shareholder relief“, d. h. pauschaler Minderbelastung der Dividende. Ausführlich zur historischen Entwicklung der Harmonisierungsbemühungen U. Ilhi/K. Malmer/P. Schonewille/ I. Tuominen, CDFI LXXXVIIIa, S. 71 (74 ff.); E. Sanz Gadea, Impuestos 2001, S. 161 (204 ff.); J. Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 67 ff. Nachdem bisher fast alle Vorschläge gescheitert sind, richten sich die jüngsten Anstrengungen der Kommission nicht mehr auf die Ausgestaltung des Körperschaftsteuersystems bzw. der Dividendenbesteuerung, sondern auf die Harmonisierung der körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage, vgl. die Mitteilung der Kommission vom 23.5.2001 (KOM (2001) 260 endg.), S. 17 ff. u. S. 408.

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Einleitung

auch die Gesellschaft gebietsansässig waren2. Die darin aufscheinende protektionistische Haltung kontrastierte augenfällig mit der verbindlichen Absichtserklärung nach Art. 2 und 3 EG-Vertrag, einen Gemeinsamen Markt bzw. seit 1992 einen Binnenmarkt ohne Hindernisse für den Wirtschaftsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten zu schaffen3. Infolgedessen gerieten diese Körperschaftsteuersysteme unter starken Druck, seit der Europäische Gerichtshof (EuGH) von Mitte der achtziger Jahre an solche Hindernisse verstärkt auch in beschränkenden steuerlichen Bestimmungen der Mitgliedstaaten sah. Im Gefolge dieser Rechtsprechung wandte sich eine ganze Reihe von Mitgliedstaaten wieder von ihren Anrechnungsverfahren ab und kehrte vordergründig zu einem klassischen System definitiver Vorbelastung der Dividende als vermeintlich europatauglicher Alternative zurück4. Die zunehmende Globalisierung der Wirtschaft und die damit einhergehende hohe Mobilität von Kapital und Investitionen erlaubten es im Wettbewerb der Steuersysteme aber nicht, die Dividenden zusätzlich einer ungemilderten progressiven Belastung bei natürlichen Personen oder gar einer zusätzlichen Belastung im Konzern zu unterwerfen; dies würde außerdem ökonomische Verzerrungen und Ausweichreaktionen provozieren5. Die Abkehr vom Anrechnungsverfahren ging darum regelmäßig einher mit der Einführung schedularer Systeme der Dividendenbesteuerung mit „shareholder relief“6. Mit der durch das Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (StSenkG) eingeleiteten Unternehmenssteuerreform hat auch die Bundesrepublik Deutschland diesen Weg eingeschlagen und anstelle des seit 1977 geltenden Vollanrechnungsverfahrens das sogenannte ________________________ 2 3 4 5

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2

Vgl. J. M. Almudí Cid/F. Serrano Antón, QF 2002/18, S. 11 (18); E. Sanz Gadea, Impuestos 2001, S. 161 (169 f. u. 191). S.-O. Lodin in: Lindencrona/Lodin/Wiman, Liber Amicorum Leif Mutén, S. 199 (200). Siehe dazu z. B. J. Juusela, ec tax review 2003, S. 61 f.; U. Ilhi/K. Malmer/P. Schonewille/I. Tuominen, CDFI LXXXVIIIa, S. 71 (73). Selbst in den wirtschaftlich traditionell stark binnenorientierten USA wird aufgrund dessen von der Administration um Präsident Bush inzwischen eine Abwandlung des klassischen Systems in ein solches der Dividendenfreistellung erwogen, vgl. Handelsblatt v. 5.12.2002 und H. J. Schlunk, Tax Law Review 2003, S. 329 (332, Fn. 5). Angesichts des durch den Irak-Krieg sprunghaft gestiegenen Finanzbedarfs des Bundes muss die Realisierung dieses politisch ohnehin umstrittenen Vorhabens aber als sehr ungewiß eingestuft werden. Vgl. die Übersicht in der Mitteilung der EU-Kommission zur Besteuerung von Dividenden im Binnenmarkt v. 19.12.2003, KOM(2003) 810 endg., unter 2.4.; C. J. Taylor, Bulletin I. F. D. 2003, S. 135; S.-O. Lodin, ET 2001, S. 166 (169). Es handelt sich hierbei um einen weltweit zu beobachtenden Trend, der in der EU lediglich besonders stark ausfällt, vgl. R. J. Vann, CDFI Volume LXXXVIIIa (2003), S. 21 (23 f. u. 30).

Einleitung

Halbeinkünfteverfahren nach dem Vorbild des österreichischen Halbsatzverfahrens7 etabliert. Demgegenüber hat Spanien entgegen dem allgemeinen Trend erst 1995 ein körperschaftsteuerliches Anrechnungsverfahren eingeführt. Nachdem inzwischen auch Portugal sowie Italien ihre Anrechnungsverfahren aufgegeben haben8 und Finnland9 sowie Frankreich10 entsprechendes für die nahe Zukunft planen, wird das spanische Anrechnungsverfahren neben dem maltesischen bald das Einzige innerhalb der EU sein. Schon im Vorfeld der Verabschiedung des Steuersenkungsgesetzes stießen die beabsichtigte Abschaffung des Anrechnungsverfahrens wie auch das Halbeinkünfteverfahren als dessen geplante Alternative auf erhebliche Kritik sowohl in der Fachwelt11 als auch seitens der Oppositionsparteien12. Diese Kritik ist seither keinesfalls verstummt, und in Teilbereichen rudert der ________________________ 7 Das Halbeinkünfteverfahren basiert auf einem Vorschlag der vom Bundesminister der

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Finanzen nach der Bundestagswahl 1998 eingesetzten Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung, die sich u. a. vom österreichischen Doppelhalbsatz inspirieren ließ, vgl. Brühler Empfehlungen, S. 51. Siehe hierzu auch C. Staringer, ÖStZ 2000, S. 26 (32). Portugal hat sich ebenfalls für ein Halbeinkünfteverfahren entschieden, vgl. R. Borges, ec tax review 2003, S. 118 (121). Italien praktiziert von 2004 an eine Kombination aus Teileinkünfteverfahren bei wesentlichen und Abgeltungsbesteuerung bei unwesentlichen Beteiligungen, vgl. S. Mayr/R. Frei, IWB Fach 5 (Italien), Gruppe 2, S. 525 (526 f.); E. Lobis, IStR 21/2003, Länderbericht S. 2; R. Russo, ET 2003, S. 304; siehe auch B. Romani/O. Strnad/C. Grabbe, IStR 2004, S. 155 (156). Vgl. J. Juusela, ec tax review 2003, S. 61 f.; H. Liede/L. Hintsanen, ET 2003, S. 31 (35). Inzwischen hat der finnische Gesetzgeber mit Wirkung ab 1.1.2005 das Anrechnungsverfahren aufgehoben und durch ein klassisches System mit shareholder relief ersetzt; näher dazu M. Helminen, ET 2004, S. 396. Vgl. die Mitteilung der EU-Kommission zur Besteuerung von Dividenden im Binnenmarkt v. 19.12.2003, KOM(2003) 810 endg., unter 2.2.2. Inzwischen hat der französische Gesetzgeber mit Wirkung ab 1.1.2005 das Anrechnungsverfahren aufgehoben und durch ein Halbeinkünfteverfahren nach deutschem Vorbild ersetzt, vgl. J. Viegener, IWB Gruppe 2 (Frankreich), S. 1377 f. Vgl. nur den beispiellosen Aufruf von fast 80 Steuerwissenschaftlern in BB 2000, S. 1269 f. zur Verteidigung des Anrechnungsverfahrens „gegen unbedachte Reformen“. Vgl. z. B. die ablehnenden Stellungnahmen von F. Merz MdB, dem seinerzeitigen finanzpolitischen Sprecher und zwischenzeitlichem Vorsitzenden der Unionsfraktion im Bundestag, in GmbHR im Blickpunkt, Heft 14/99 und Heft 18/02, nachzulesen unter www.gmbhr.de/frueher/14_99/blickp1499.htm bzw. www.gmbhr.de/heft/18_02/ blickpunkt.htm. Der Beschluss des CDU-Bundesvorstandes vom 3.11.2003 „Ein modernes Einkommensteuerrecht für Deutschland“ spricht sich im zehnten Leitsatz konsequenterweise für die Rückkehr zu einem vereinfachten Anrechnungsverfahren aus. Anders allerdings das „Konzept 21“ des Bayerischen Staatsministers der Finanzen K. Faltlhauser, welches aus Gründen der Rechtskontinuität am Halbeinkünfteverfahren festhalten will, vgl. S. 62.

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Einleitung

Gesetzgeber bereits wieder zurück13. Dies lässt, wenn schon nicht hoffen14, so doch erwarten, dass dem Halbeinkünfteverfahren keine ebenso lange Lebensdauer wie dem immerhin 24 Jahre praktizierten Anrechnungsverfahren beschieden sein wird. In Spanien wiederum glaubt man zu erkennen, angesichts der aus dortiger Sicht nicht nachvollziehbaren, strikten Rechtsprechung des EuGH seien die Tage des spanischen Anrechnungsverfahrens gezählt15. Die ganz unterschiedlichen Ausgangspositionen in beiden Ländern einerseits und die möglicherweise konvergierenden Entwicklungstendenzen hin zu einer Kompromißlösung andererseits lassen es als reizvoll erscheinen, die jeweiligen Systeme der Dividendenbesteuerung rechtsvergleichend zu analysieren. Denn gerade das Empfinden von Unzulänglichkeiten der eigenen, innerstaatlichen Rechtsnorm drängt zu der Untersuchung, ob eine ausländische Rechtsordnung vielleicht Besseres zustande gebracht hat16. In jedem Fall ist eine solche Rechtsvergleichung geeignet, den Vorrat möglicher Lösungen zu erweitern und zu bereichern17. So wird gerade das spanische Anrechnungsverfahren von prominenten deutschen Steuerrechtlern als vorzugswürdige Alternative zum Halbeinkünfteverfahren genannt18. Ein Vergleich zwischen der deutschen und der spanischen Lösung liegt aber auch deshalb nahe, weil die Maßstäbe für die Konstruktion eines Körperschaftsteuersystems in beiden Rechtsordnungen im Ausgangspunkt ähnlich oder gar identisch sind: In Spanien wie in Deutschland hat sich die Besteuerung, auch von Dividenden, unter verfassungsrechtlichen Aspekten primär am Leistungsfähigkeitsprinzip auszurichten; für Spanien verlangt die Verfassung das in Art. 31 Abs. 1 sogar ausdrücklich. Die europarechtlichen Vorgaben sind für Spanien wie Deutschland als Mitgliedstaaten der EU gleichermaßen verbindlich, und auch die abkommensrechtlichen Verpflichtungen aus DBA ähneln sich bei der Dividendenbesteuerung in hohem Maße. ________________________ 13 Nachdem das Halbeinkünfteverfahren noch vor Inkrafttreten für den kurzfristigen

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Eigenhandel von Banken und Finanzdienstleistern rückwirkend über die §§ 3 Nr. 40 S. 5 f. EStG, 8b VII KStG wieder beseitigt wurde, wird mit der Ausdehnung dieser Bereichsaufnahme auf Lebens- und Krankenversicherer in § 8b VIII KStG n. F. vom 1.1.2004 an eine weitere, quantitativ ganz erhebliche Lücke in den Anwendungsbereich des neuen Körperschaftsteuersystems geschlagen. So J. Hey, DStJG Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 5 (23). C. de Pablo Varona, La tributación del socio, S. 460; ders., RDFHP 2001, S. 51 (136). Ähnlich skeptisch J. M. Almudí Cid/F. Serrano Antón, QF 2002/19, S. 7 (18). K. Zweigert/H. Kötz, Rechtsvergleichung, S. 29. K. Zweigert/H. Kötz, Rechtsvergleichung, S. 14; L.-J. Constantinesco, Rechtsvergleichung, Band II, S. 372. J. Hey in: DStJG Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 5 (17 f.); dies., DStJG 24, S. 155 (197 f.). Gl. A. ist auch J. Lang in: Rose, Integriertes Steuer- und Sozialsystem, S. 137; ähnlich ders., DStJG 24, S. 49 (95 f.).

Einleitung

Eine rechtsvergleichende Untersuchung der verschiedenen Formen der Dividendenbesteuerung kann angesichts dessen grundsätzlich für beide Rechtsordnungen befruchtend sein. Indes verlangen die im Detail bestehenden Unterschiede vor allem der verfassungsrechtlichen Vorgaben die eindeutige Wahl nur eines Standpunkts zur Bewertung der jeweiligen Besteuerungsstrukturen. Dieser muss sich an der Zielsetzung der rechtsvergleichenden Arbeit ausrichten19. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist in erster Linie eine kritische Würdigung des deutschen Systems der Dividendenbesteuerung. Der Rechtsvergleich mit Spanien soll vor allem eine Beurteilung erlauben, ob das spanische System und die dortige wissenschaftliche Diskussion auch Reformideen für das hiesige Modell inspirieren könnten. Beurteilungskriterium für die verschiedenen Konzepte ist darum neben den weitestgehend einheitlichen europa- und völkerrechtlichen Vorgaben das deutsche Verfassungsrecht. Allerdings kann auch hier der Rechtsvergleich durchaus zu Kritik anregen und vermag überkommene Gerechtigkeitsvorstellungen mindestens zu relativieren. Gegenstand der Arbeit ist damit die Besteuerung von Dividenden in Deutschland und Spanien. Dabei sollen unter Dividenden in Anlehnung an § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG offene Gewinnausschüttungen aus Kapitalgesellschaftsanteilen verstanden werden20. Untersucht werden sowohl die materiell-rechtlichen wie auch die verfahrensrechtlichen Aspekte der Besteuerung, zumal der Übergang zwischen beiden gerade in der Besteuerung grenzüberschreitend gezahlter Dividenden fließend ist. Andere Gesichtspunkte hingegen mussten ausgeklammert werden: Zwar ist integraler Bestandteil eines Körperschaftsteuersystems die Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen21. Auch verschwimmen die Grenzen zwischen Eigen- und Fremdkapital mit der Zunahme hybrider Finanzierungsmodelle zunehmend22, so dass mindestens unter steuerlichen Neutralitätsaspekten auch insofern eine Gleichbelastung der jeweiligen Vergütungsformen – Dividende bzw. Zins – anzustreben wäre. Die Behandlung auch dieser Aspekte hätte den Rahmen der Untersuchung jedoch gesprengt; hinsichtlich der Veräußerungsgewinne kann außerdem auf ________________________ 19 L.-J. Constantinesco, Rechtsvergleichung, Band II, S. 324 f. 20 Die Untersuchung beschränkt sich außerdem auf Bardividenden; Sachdividenden wer-

den nicht erörtert. 21 Wird die Veräußerungsgewinnbesteuerung nicht auf die Dividendenbesteuerung abge-

stimmt, so drohen steuerliche Verzerrungen, die zu steueroptimierenden Gestaltungsmodellen herausfordern. Vgl. dazu näher G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 10; N. Dautzenberg, Unternehmensbesteuerung, S. 594 f. 22 T. Rumble/R. Wood, Intertax 2003, S. 409 (410); E. Sanz Gadea, Impuestos 2001, S. 161 (214); vgl. auch C. Jänisch/K. Moran/N. Waibel, DB 2002, S. 2451 ff.

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Einleitung

die vorzügliche Monographie von G. Roderburg23 verwiesen werden. Da sich die Eigenschaften eines Körperschaftsteuersystems vor allem durch die Besteuerung der natürlichen Personen einerseits und innerhalb der Körperschaftssphäre andererseits charakterisieren lassen, werden auch die Besonderheiten bei an transparente Personengesellschaften ausgezahlten Dividenden nur gestreift. Im Vordergrund der Überprüfung der Systeme der Dividendenbesteuerung steht deren Eignung für die Behandlung transnationaler Beteiligungsverhältnisse. Hier treten nach wie vor die größten Verwerfungen auf, und von diesen „Systemrändern“ aus entwickelt sich zugleich der stärkste Veränderungsdruck, forciert vor allem durch die Rechtsprechung des EuGH. Außerdem bedeutet das dort anzutreffende Spannungsfeld an internationalen wie innerstaatlichen Gerechtigkeitsvorstellungen die größte Herausforderung an die Konzeption eines konsistenten Körperschaftsteuersystems24. Die Arbeit unternimmt es, Stärken und Schwächen des geltenden deutschen Halbeinkünfteverfahrens in der Bewältigung dieser Konfliktlage zu analysieren. Sie stellt dem eine Würdigung des spanischen sowie auch des vormaligen deutschen Anrechnungsverfahrens gegenüber und gewinnt auf diese Weise Ansatzpunkte für eine Weiterentwicklung des bestehenden Systems. Um dem eher am Zustand des geltenden Rechts denn an seiner Bewertung interessierten Leser einen kompakten Überblick zu gewähren, beginnt die Arbeit nach einem kurzen geschichtlichen Abriss mit einer umfassenden Darstellung der Dividendenbesteuerungssysteme in Deutschland und Spanien. Die Unterteilung nach charakteristischen Fallgruppen nationaler wie internationaler Gewinnausschüttungen zielt darauf ab, Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Systeme deutlich hervortreten zu lassen. Im Anschluss werden die verfassungsrechtlichen, europarechtlichen und die sich aus den Wertungen des internationalen Steuerrechts ergebenden Anforderungen an die Ausgestaltung eines deutschen Körperschaftsteuersystems erarbeitet. Anhand dieser Maßstäbe werden die gegenwärtigen deutschen und spanischen Modelle kritisch gewürdigt und Verbesserungsmöglichkeiten aufgezeigt.

________________________ 23 G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, Diss. Köln 2003, demnächst veröffent-

licht. 24 In diesem Sinne auch C. de Pablo Varona, RDFHP 2001, S. 51 (59) m. w. N.; M.

Lucas Durán, La tributación de los dividendos internacionales, S. 287.

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1. Kapitel Systeme der Dividendenbesteuerung in Deutschland und Spanien A. Geschichtliche Entwicklung der Dividendenbesteuerung in Deutschland und Spanien I. Deutschland 1. Entwicklung bis zur Körperschaftsteuerreform 1977: Unterschiedliche Entlastungsmechanismen Die Besteuerung der Kapitalgesellschaften als eigenständige Steuersubjekte begann in den deutschen Partikularstaaten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Es existierten allerdings noch keine eigenständigen Körperschaftsteuergesetze. Stattdessen wurde die subjektive Steuerpflicht nach dem Einkommensteuergesetz auf einzelne oder alle Kapitalgesellschaften ausgedehnt1. Dessen ungeachtet ergab sich mit Einführung ihrer selbständigen Besteuerung das Problem, dass ausgeschüttete Gewinne grundsätzlich zweifach steuerlich erfasst wurden, nämlich zum einen bei der ausschüttenden Gesellschaft selbst, zum anderen beim Dividendenempfänger. Die meisten Partikularrechte suchten dem durch verschiedene Maßnahmen entgegenzuwirken: Im Vordergrund stand die pauschale steuerliche Freistellung eines Teils des Reinertrages der Kapitalgesellschaft. Teilweise wurden aber stattdessen auch die Gesellschafter von der Versteuerung ihrer Dividendenbezüge freigestellt2. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde 1920 eine Reichskörperschaftsteuer für das gesamte Reich aus der Taufe gehoben, die neben der ebenfalls verabschiedeten Reichseinkommensteuer an die Stelle der früheren Einkommensteuergesetze der Länder trat. Von erheblicher Bedeutung für die Dividendenbesteuerung war die damit verbundene Einführung des sogenannten Schachtelprivilegs für Dividenden von einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft. Ab einer bestimmten, im weiteren Verlauf der Entwicklung variierenden Beteiligungshöhe wurden Gewinnausschüttungen in________________________ 1

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Näher dazu B. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., S. 558 f.; A. Kennerknecht, KStG 1934, 12. Aufl., Einleitung S. 15. Einen guten geschichtlichen Überblick gibt auch die Begründung zum Entwurf eines Dritten Steuerreformgesetzes, BT-Drs. 7/1470, S. 323 f. Zu den Einzelheiten siehe insbesondere C. A. L. Rasenack, Körperschaftsteuer, S. 49 bis 71; A. Kennerknecht, KStG 1934, 12. Aufl., Einleitung S. 15 ff.

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Geschichtliche Entwicklung der Dividendenbesteuerung in Deutschland und Spanien

nerhalb der Körperschaftsteuersphäre bei der empfangenden Gesellschaft freigestellt. Dieses Schachtelprivileg bildete bis 1977, abgesehen von kurzen Unterbrechungen, ein konstituierendes Element des deutschen Körperschaftsteuerrechts3. Ansonsten aber wurde an dem Ziel einer Abmilderung der Doppelbelastung ausgeschütteter Gewinne bei Gesellschaft und Gesellschafter nur noch sehr eingeschränkt festgehalten: Zunächst erschöpfte sich die Entlastung darin, dass die zur Erfassung besonderer Rentabilität gedachte Zuschlagsteuer auf Ausschüttungen nicht erhoben wurde, soweit das Dividendenvolumen 3 % des Grund- oder Stammkapitals nicht überstieg. Von 1922 an konnten Dividendenbezieher stattdessen einen bestimmten Prozentsatz der um die Kapitalertragsteuer gekürzten Gewinnanteile auf ihre Einkommen- oder Körperschaftsteuer anrechnen. Dieser Prozentsatz war allerdings degressiv gestaffelt und verminderte sich mit steigendem Gesamteinkommen4. Mit Inkrafttreten des neuen Körperschaftsteuergesetzes vom 10.8.1925 verzichtete der Gesetzgeber schließlich auf jegliche Entlastung ausgeschütteter Gewinne, soweit sie von natürlichen Personen bezogen wurden. Dividenden hatten die volle Körperschaftsteuer zu tragen und waren auch beim Anteilseigner regulär als Teil des steuerpflichtigen Einkommens zu versteuern5. Als aber nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg die Steuersätze deutlich angehoben werden mussten, verschärften sich die Auswirkungen der Doppelbelastung ausgeschütteter Gewinne erheblich. Der Gesetzgeber reagierte auf diese Entwicklung 1953, indem er sie durch einen im Vergleich zum Normaltarif deutlich niedrigeren Ausschüttungssteuersatz bei der dividendenzahlenden Gesellschaft abmilderte6.

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Näher dazu C. A. L. Rasenack, Körperschaftsteuer, S. 91 f. Vgl. A. Kennerknecht, KStG 1934, 12. Aufl., Einleitung S. 17 f.; R. Evers, Körperschaftsteuergesetz 1925, 2. Aufl., Einleitung S. 4. Eine Ausnahme galt nur für die kleine personenbezogene GmbH und deren Gesellschafter: Hier wurden die Gewinne bis zu bestimmten Einkommensgrenzen mit einem niedrigen Sondertarif bei der Gesellschaft vorbelastet, und der Gesellschafter konnte 10 % der Dividende auf seine Einkommensteuerschuld anrechnen. Näher dazu R. Evers, Körperschaftsteuergesetz 1925, 2. Aufl., Einleitung S. 40 ff. Der allgemeine Körperschaftsteuersatz belief sich auf 60 %, wohingegen Ausschüttungen einem ermäßigten Satz von nominal 30 % unterlagen. Im Jahre 1958 ermäßigten sich die Steuersätze auf 51 % respektive 15 %. Vgl. H.-J. Pezzer in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 11 Rz. 2; B. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., S. 560 f.

Deutschland

2. Die Körperschaftsteuerreform 1977: Installation des Anrechnungsverfahrens Durch das Körperschaftsteuergesetz 1977, das zum 1.1.1977 in Kraft getreten ist, erfuhr das System der Dividendenbesteuerung eine grundlegende Änderung. Zwar blieb es auf Ebene der ausschüttenden Körperschaft bei einem gespaltenen Steuersatz. Flankierend trat aber nunmehr ein Anrechnungsverfahren beim Anteilseigner hinzu, und zwar unabhängig davon, ob es sich bei diesem um eine natürliche oder eine juristische Person handelte: Kam es zur Dividendenausschüttung, so wurde zunächst auf den dafür verwendeten Gewinn bei der ausschüttenden Körperschaft die Ausschüttungsbelastung von zuletzt 30 % KSt hergestellt, § 27 Abs. 1 KStG 20007. Je nachdem, welcher Tarifbelastung die Gewinne zuvor unterlegen hatten, minderte oder erhöhte sich die auf der Ausschüttung lastende Körperschaftsteuer, um das Belastungsniveau von 30 % zu erreichen. Da dieser Vorgang die Kenntnis davon voraussetzte, wie hoch besagte Tarifbelastung zuvor war, mussten sämtliche noch nicht ausgeschütteten Gewinne, aufgegliedert nach ihrer körperschaftsteuerlichen Vorbelastung, in einer jährlich fortzuführenden statistischen Nebenrechnung (der sogenannten Eigenkapitalgliederung) erfasst werden, § 30 KStG 20008. Die körperschaftsteuerliche Vorbelastung wurde durch Anrechnung auf die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer des Dividendenbeziehers, gegebenenfalls auch durch Erstattung, wieder rückgängig gemacht, § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG 20009. Der Anrechnungsbetrag wiederum wurde den Dividendeneinkünften hinzugerechnet, § 20 Abs. 1 Nr. 1 u. 3 EStG 2000. Letztlich wurden die ausgeschütteten Gewinne dadurch nach dem für den Anteilseigner geltenden individuellen Einkommensteuersatz bzw. Körperschaftsteuersatz belastet10. Die anlässlich der Ausschüttung erhobene Kapitalertragsteuer wurde gleichfalls auf die Steuerschuld des Dividendenbeziehers angerechnet, § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG 2000. Ein überschießendes Anrechnungsguthaben wurde erstattet. Da das Anrechnungsverfahren auch innerhalb der Körperschaftsteuersphäre ange________________________ 7 KStG in der Fassung der Bekanntmachung vom 22.4.1999 (BGBl. I 1999, S. 817),

zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 14.7.2000 (BGBl. I 2000, S. 1034). 8 Das für Ausschüttungen verwendbare Eigenkapital, § 29 Abs. 2 KStG 2000, wurde

aufgeteilt in ungemildert, d. h. zuletzt mit 40 % KSt belastete Eigenkapitalanteile (EK 40), mit 30 % belastete Eigenkapitalanteile (EK 30), und unbelastete Eigenkapitalanteile (EK 0). Ermäßigt belastete Eigenkapitalanteile wurden gegebenenfalls durch Aufteilung je zwei dieser EK-Positionen zugeordnet, § 32 KStG 2000. 9 EStG in der Fassung der Bekanntmachung vom 16.4.1997 (BGBl. I 1997, S. 821), zuletzt geändert durch Steuerbereinigungsgesetz 1999 v. 22.12.1999 (BGBl. I 2000, S. 13). 10 Auf die nicht ausgeglichene Vorbelastung mit Gewerbesteuer wird an späterer Stelle noch näher einzugehen sein.

9

Geschichtliche Entwicklung der Dividendenbesteuerung in Deutschland und Spanien

wendet wurde, entfiel das bis dato zur Vermeidung einer Doppelbelastung ausgeschütteter Gewinne üblicherweise praktizierte Schachtelprivileg. Die vorstehenden Ausführungen trafen uneingeschränkt allerdings nur in Konstellationen ohne jeglichen Auslandsbezug zu. Dividenden ausländischer Herkunft wie auch an Steuerausländer ausgeschüttete Inlandsdividenden waren nämlich grundsätzlich vom Anwendungsbereich des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens ausgeschlossen. Hinsichtlich der Auslandsdividenden wurde eine Doppelbelastung nur innerhalb der Körperschaftsteuersphäre unter den Voraussetzungen diverser Schachtelprivilegien ganz oder teilweise vermieden. Im Wesentlichen sind hier zu nennen die abkommensrechtlichen Schachtelfreistellungen und die unilateralen Schachtelprivilegien nach den §§ 8b und 26 Abs. 2 bis 5 KStG 200011. Im Übrigen wurde die Vorbelastung der Dividende im Ausland beim Anteilseigner nicht berücksichtigt12. Nichtansässige wurden prinzipiell nur über den ermäßigten Ausschüttungssteuersatz entlastet. Ein Anrechnungsguthaben erhielten sie nur dann, wenn die Dividendeneinkünfte einer von ihnen unterhaltenen inländischen Betriebsstätte zuzuordnen waren.

3. Die Unternehmenssteuerreform 2000: Übergang zum Halbeinkünfteverfahren Nach dem Regierungswechsel 1998 beschloss die Regierungskoalition eine „grundlegende Reform der Unternehmensbesteuerung“13. Zu diesem Zwecke wurde eine Sachverständigenkommission eingesetzt, deren Arbeit in den sogenannten Brühler Empfehlungen mündete14. Auf deren Basis wurde das Steuersenkungsgesetz vom 23.10.200015 verabschiedet, welches eine grundlegende und bis heute fortgeltende Neugestaltung der Dividendenbesteuerung beinhaltete16. Der Körperschaftsteuersatz beträgt unabhängig von der ________________________ 11 Dazu näher G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 188 ff.; H. Schaumburg,

Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 15.120 ff. und 16.556 ff. 12 Ausnahmen konnten allenfalls abkommensrechtlich vereinbart werden; prominentes

13 14 15 16

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Beispiel hierfür ist die Gewährung einer Körperschaftsteuergutschrift (avoir fiscal) an deutsche Anteilseigner für aus Frankreich bezogene Dividenden. Dazu näher P. Bullinger, IStR 2001, S. 46 ff.; J. Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 15. Koalitionsvereinbarung vom 20.10.1998, S. 16 (zitiert nach J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 8 Rz. 71. Brühler Empfehlungen zur Reform der Unternehmensbesteuerung, BMF Schriftenreihe Heft 66. BGBl. I 2000, S. 1433, im Folgenden: StSenkG 2000. Zum Inkrafttreten der einzelnen Regelungen vgl. J. Intemann in: Herrmann/Heuer/ Raupach, Steuerreform I, § 3 Nr. 40 EStG (Stand: 04/01), Rz. 133 i. V. m. Rz. 11 sowie K. Korn/M. Strahl in: Korn, EStG, Aktuelles (Stand: 1/01), Rz. 6).

Spanien

Gewinnverwendung einheitlich 25 %, § 23 I KStG17. Hinzu kommt auf Ebene der den Gewinn erwirtschaftenden Körperschaft noch die Belastung mit Gewerbesteuer, deren genaue Höhe vom gemeindlichen Hebesatz abhängt18, sowie mit dem Solidaritätszuschlag. Beim Anteilseigner wurde das Anrechnungsverfahren abgeschafft. Für natürlichen Personen wurde es durch das sogenannte Halbeinkünfteverfahren ersetzt. Bei Körperschaften werden Dividendeneinkünfte im Grundsatz gänzlich von der Besteuerung freigestellt. Auf die Einzelheiten wird sogleich im Anschluss an die Historie der spanischen Dividendenbesteuerung eingegangen werden. Von Bedeutung ist noch, dass im Zuge der Unternehmenssteuerreform Personenunternehmern über § 35 EStG n. F. die Möglichkeit eingeräumt wurde, die Gewerbesteuer pauschal auf ihre Einkommensteuer anzurechnen19. Demgegenüber ist Dividendenbeziehern eine solche Anrechnung von auf den ausgeschütteten Gewinnen lastender Gewerbesteuer verwehrt.

II. Spanien 1.

Entwicklung bis zur Körperschaftsteuerreform 1977: Entlastung nur innerhalb der Körperschaftssphäre

Im 19. Jahrhundert existierte in Spanien noch keine Steuer auf das Einkommen von natürlichen Personen oder Körperschaften. Vielmehr wurden die verschiedenen Produktionsfaktoren objektbezogen besteuert. Die Erwerbstätigkeit, welcher von bzw. vermittels einer Körperschaft nachgegangen wurde, bildete die Basis für eine ertragsunabhängige Industrie- und Han________________________ 17 Für das Jahr 2003 ist er zur Bewältigung der Folgen der Flutkatastrophe in 2002 auf

26,5 % erhöht worden; ab 2004 gilt wieder der bisherige Steuersatz, § 34 Abs. 11a EStG. 18 Bis zum 31.12.2003 variierte der Gewerbesteuerhebesatz bundesweit zwischen 0 % und 900 % (Handelsblatt v. 7.11.2002). Vom Erhebungszeitraum 2004 an ist nach § 16 IV 2 GewStG n. F. ein Mindesthebesatz von 200 % vorgeschrieben. Der gewogene Durchschnitt betrug im Jahre 2000 in den alten Bundesländern 392 %, in den neuen Bundesländern 352 % (Statistisches Jahrbuch 2002, S. 534). Es ist davon auszugehen, dass er sich in den alten Bundesländern inzwischen um 400 % eingependelt hat. Der Gewerbesteuerhebesatz wird auf die sogenannte Steuermesszahl von 5 % angewendet, §§ 11 I Nr. 2, 16 I GewStG. Damit ergäbe sich für den Durchschnittswert an sich eine Belastung von 20 %. Da die Gewerbesteuer aber ihre eigene Bemessungsgrundlage mindert, beläuft sich die auf den Gewerbeertrag bezogene Belastung letztlich auf durchschnittliche 16,67 % (vgl. dazu auch J. Pelka, StuW 2000, S. 389 (391). Die Auswirkungen auf die steuerliche Belastung der Dividende werden an späterer Stelle noch genauer nachvollzogen werden. 19 Zu den näheren Einzelheiten des Anrechnungsverfahrens ausführlich und instruktiv J. Hey, FR 2001, S. 870 ff.; M. Jachmann, DStJG 25, S. 195 (214 ff.).

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Geschichtliche Entwicklung der Dividendenbesteuerung in Deutschland und Spanien

delsteuer (Subsidio Industrial y de Comercio)20. Die Steuerreform des Jahres 1900 überführte die Industrie- und Handelssteuer in die sogenannte Abgabe auf die Erträge des beweglichen Kapitals (Contribución sobre las Utilidades de la Riqueza Mobiliaria), deren dritte Tarifgruppe die Besteuerung der Körperschaften regelte21. Damit erhielt diese über die Orientierung an der Rechtsform des Unternehmens schon einen personenbezogenen Charakter22. Die Bemessungsgrundlage war allerdings bis zum Jahre 1920 nach wie vor im Wesentlichen ertragsunabhängig konzipiert, zumal ab 1910 eine Mindestbesteuerung abhängig vom Nennkapital eingeführt wurde23. Erst von 1920 an richtete sich die Besteuerung am Nettoertrag der Körperschaft aus24. Die bei der juristischen Person steuerbaren Gewinne waren einem progressiven Tarif unterworfen, wobei der Anstieg der Progression sich an der Rentabilität des eingesetzten Kapitals orientierte25. Für innerhalb der Körperschaftssphäre ausgeschüttete Dividenden wurde von 1922 an eine Ermäßigung der Steuerschuld der empfangenden Gesellschaft in Höhe von 80 % der auf die Dividende entfallenden tarifären Steuer vorgesehen26. Bemerkenswert ist insbesondere, dass dieser Abzug an keine Mindestbeteiligung geknüpft war. Gewinnausschüttungen an natürliche Personen hingegen wurden in der zweiten Tarifgruppe voll und ohne Anrecht auf Entlastung besteuert27. Lediglich der Steuersatz lag geringfügig niedriger als in den sonstigen Schedulen28. In der Besteuerungspraxis wurden Steuern auf Dividenden von natürlichen Personen freilich regelmäßig hinterzogen, was durch ein großzügiges Bankgeheimnis erleichtert wurde. Faktisch konnte der steuerunehrliche Anteilseigner damit die Freistellung der Dividenden für ________________________ 20 Vgl. dazu J. J. Ferreiro Lapatza in: Albi Ibañez/García Ariznavarreta, Sistema fiscal

21

22 23 24 25 26 27 28

12

español, 14. ed., S. 24; A. Cayón Galiardo, Impuestos, S. 36 u. 255; P. Alvarez Barbeito, Los rendimientos del capital, S. 33; E.-A. Schnieder, Körperschaftsteuer, S. 25 f. Ohne wesentliche inhaltliche Änderungen wurde der Subsidio industrial y de comercio von 1845 an in eine „Contribución Industrial“ umgewandelt. Vgl. A. Cayón Galiardo, Impuestos, S. 37 u. 255 f. Allerdings waren noch bis 1907 die industriell tätigen Aktiengesellschaften vom persönlichen Anwendungsbereich ausgeschlossen, vgl. J. J. Ferreiro Lapatza in: Albi Ibañez/García Ariznavarreta, Sistema fiscal español, 14. ed., S. 27. J. J. Perulles Bassas/F. X. Santalo Sors, Praxis Fiscal: Impuesto sobre Sociedades, Abschnitt 13000, Seite (IV), zitiert nach E.-A. Schnieder, Körperschaftsteuer, S. 26. Dazu C. Checa González u. a., LIS, S. 376. J. J. Ferreiro Lapatza in: Albi Ibañez/García Ariznavarreta, Sistema fiscal español, 14. ed., S. 29. J. Arias Velasco, Rev. Técnica Tributaria 1995, S. 13 (16 f.). J. R. Ruiz García, La deducción de dividendos, S. 73 f. J. J. Ferreiro Lapatza in: Albi Ibañez/García Ariznavarreta, Sistema fiscal español, 14. ed., S. 27. J. R. Ruiz García, La deducción por dividendos, S. 100.

Spanien

sich beanspruchen29. Im Jahre 1932 wurde ergänzend zu den bisherigen Produktsteuern eine allgemeine persönliche Einkommensteuer der natürlichen Person (Contribución General sobre la renta) geschaffen, welche die verschiedenen objektbezogenen Schedulen in einer Bemessungsgrundlage zusammenfasste und einer zusätzlichen Steuer unterwarf30. Zum eigenständigen Steuersubjekt wurden die Körperschaften erst 1957, als die Allgemeine Steuer auf das Einkommen der Gesellschaften und sonstigen juristischen Personen eingeführt wurde (Impuesto General sobre la Renta de las Sociedades y demás Entidades Jurídicas)31. In den Folgejahren differenzierte der spanische Gesetzgeber den Grad der Entlastung von Dividenden im Kapitalgesellschaftsverbund sehr stark aus: Regulär wurde nur noch eine Steuerermäßigung in Höhe von 33 % (später 42 %) der auf Gewinnausschüttungen bei der Obergesellschaft entfallenden Körperschaftsteuer gewährt. Versicherungen, Banken, Sparkassen und ähnliche Finanzdienstleister kamen in den Genuß einer Ermäßigung von 80 %. Schließlich waren Dividenden von aktiv unternehmerisch tätigen Tochtergesellschaften im Konzern gänzlich freigestellt32. Die an natürliche Personen ausgeschütteten Dividenden wurden weiterhin schedular und außerdem als Teil einer schedulenübergreifenden Einkommensteuer besteuert. Nach wie vor erfuhren sie im Vergleich zu anderen Einkunftsarten keine nennenswerte Sonderbehandlung, so dass anders als auf Körperschaftsebene die Steuern der Gesellschaft und des Gesellschafters fast ungemildert auf den ausgeschütteten Gewinnen lasteten.

2. Die Körperschaftsteuerreform 1977: System der Steuerermäßigung Der spanische Gesetzgeber entschied sich erst im Zuge der Körperschaftsteuerreform 1977 dazu, gebietsansässigen natürlichen Personen einen Abzug von 15 % der Bruttodividende auf ihre Steuerschuld zu gewähren33. Diese Steuerermäßigung war freilich an die aufwendig zu ermittelnde und streitträchtige Voraussetzung geknüpft, dass die Gewinne auch tatsächlich der Besteuerung bei der ausschüttenden Gesellschaft unterlegen hatten und diese nicht in den Genuss von Steuervergünstigungen gekommen war34. Die ________________________ 29 P. Alvarez Barbeito, Los rendimientos del capital, S. 44 ff. 30 P. Alvarez Barbeito, Los rendimientos del capital, S. 35. 31 J. J. Ferreiro Lapatza in: Albi Ibañez/García Ariznavarreta, Sistema fiscal español,

14. ed., S. 31. 32 J. R. Ruiz García, La deducción por dividendos, S. 77 ff. 33 P. Alvarez Barbeito, Los rendimientos del capital, S. 88; T. Cordón Ezquerro, Cronica

Tributaria 1996, S. 11 (25); J. R. Ruiz García, La deducción por dividendos, S. 103. 34 E. Sanz Gadea, RCT 1995, S. 133 (175).

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Geschichtliche Entwicklung der Dividendenbesteuerung in Deutschland und Spanien

insgesamt eher unvollkommene Berücksichtigung der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung der Dividende wurde ergänzt um ein System optionaler Fiskaltransparenz: Körperschaftsteuerpflichtige Gesellschaften mit kleinem Gesellschafterkreis und vergleichsweise geringem Gesellschaftskapital konnten die einkommensteuerliche Zurechnung sämtlicher Gewinne unabhängig von ihrer Verwendung bei den Gesellschaftern beantragen. Diese wurden dann nur einmal besteuert; Ausschüttungen waren einkommensteuerfrei35. Innerhalb der Körperschaftssphäre wurde außerdem das System der Steuerermäßigung modifiziert und vereinheitlicht: Ab einem Beteiligungsumfang von 25 % waren von einer Körperschaft zur anderen durchgereichte Gewinne völlig körperschaftsteuerfrei gestellt. Gleiches galt für an Investmentfonds und -gesellschaften ausgeschüttete Dividenden. Bei Nicht-Schachteldividenden ermäßigte sich die Steuerschuld um einen Betrag in Höhe von 50 % der auf die Dividende entfallenden Körperschaftsteuer36. Dabei wurde zunächst auf die effektive Körperschaftsteuerbelastung bei der ausschüttenden Gesellschaft abgestellt. Von 1982 an war aus Vereinfachungsgründen stattdessen die Körperschaftsteuer maßgeblich, welche bei Anwendung des für die empfangende Gesellschaft geltenden Steuersatzes auf die Nettodividende entfallen würde37. Dieses System der Entlastung auf Körperschaftsebene lieferte die Grundkonzeption des heute geltenden Rechts. Wie in Deutschland auch waren die diversen Mechanismen zur Berücksichtigung der Dividendenvorbelastung auf Inlandskonstellationen beschränkt. Lediglich innerhalb der Körperschaftssphäre war in Art. 24 Abs. 5 LIS die Möglichkeit vorgesehen, bei qualifizierten Beteiligungen auch die auf den ausgeschütteten Gewinnen lastende ausländische Körperschaftsteuer indirekt auf die Steuerschuld der Muttergesellschaft anzurechnen38. Schon 1985 wurde die optionale Fiskaltransparenz wieder abgeschafft. Außerdem reduzierte sich der Abzug von der Steuerschuld auf 10 % der Bruttodividende; daran wurde auch bei der Neufassung des Einkommensteuergesetzes 1991 festgehalten39.

________________________ 35 Näher J. Arias Velasco, Rev. Técnica Tributaria 1995, S. 13 (19). 36 J. R. Ruiz García, La deducción por dividendos, S. 81 ff.; J. Arias Velasco, Rev.

Técnica Tributaria 1995, S. 13 (20). 37 J. R. Ruiz García, La deducción por dividendos, S. 88 u. 160. 38 Vgl. E. Sanz Gadea, RCT 1995, S. 133 (138 f.). 39 T. Cordón Ezquerro, Cronica Tributaria 1996, S. 11 (25); M. Gordillo/I. Núñez/

E. Jiménez/F. Rey, El Impuesto sobre la Renta, S. 425; J. R. Ruiz García, La deducción por dividendos, S. 103 f.

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Spanien

3. Die Steuerreformen der Jahre 1994 und 1995: Übergang zum Anrechnungsverfahren Der relativ geringe Abzug wurde in der Literatur allerdings durchgängig als nicht ausreichend kritisiert40. Der spanische Gesetzgeber öffnete sich gegenüber diesen Bedenken schließlich durch Gesetz vom 30.12.1994 und stellte den Entlastungsmechanismus ab 1995 um: Statt einer bloßen Ermäßigung der Steuerschuld erhielten natürliche Personen ein Anrechnungsguthaben in Höhe des noch heute geltenden Betrags von 40 % der Bruttodividende. Die Inanspruchnahme dieses Anrechnungsverfahrens hing auch nicht mehr von der effektiven Besteuerung der ausgeschütteten Gewinne ab. Anders als im vorherigen System des bloßen Abzugs von der Steuerschuld sollte nunmehr eine umfassende Entlastung von der Körperschaftsteuer bewirkt werden. Im Gegenzug war das Anrechnungsguthaben von nun an Teil der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage. Seine endgültige Ausgestaltung erfuhr das Körperschaftsteuersystem durch das neue Körperschaftsteuergesetz (Ley del impuesto sobre sociedades41) vom 27.12.1995. Es bestimmte den proportionalen Einheitstarif neu mit regulär 35 %, Art. 26 Abs. 1 LIS42. Die Vorbelastung der Dividende mit Körperschaftsteuer beläuft sich seitdem auf 35 % des für die Ausschüttung verwendeten Gewinns, Art. 28 Abs. 1 LIS43. Körperschaften können die bei ________________________ 40 Vgl. E. Sanz Gadea, RCT 1995, S. 133 (163 ff.); T. Cordón Ezquerro, Cronica

Tributaria 1996, S. 11 (25) m. w. N.; A. Barrado Muñoz, RDFHP 1995, S. 101 (121 f.); J. Ramallo Massanet in: Orón Moratal, Los nuevos Impuestos, Art. 66, S. 470. Vgl. auch die zahlreichen Nachweise bei J. R. Ruiz García, La deducción por dividendos, S. 103 (Fn. 165). 41 Im Folgenden: LIS. Die LIS ist durch Real Decreto Legislativo vom 5.3.2004 neu durchnumeriert und von Buchstabenartikeln befreit worden. Zum Teil stimmen die im Text zitierten Artikel, die sich an der neuen Zählweise orientieren, darum nicht mehr mit der zum 1.1.2004 geltenden Numerierung überein. In diesen Fällen wird bei erstmaliger Nennung eines Artikels in einer Fußnote auf die frühere Zählweise hingewiesen. 42 Art. 26 Abs. 1 LIS a. F. Hinsichtlich des Steuersatzes gibt es eine Reihe von vor allem sozialstaatlich und wirtschaftspolitisch motivierten Ausnahmen für bestimmte Branchen und Gesellschaftsformen, namentlich Genossenschaften, in Art. 28 Abs. 2 bis 8 LIS. Daneben existiert ein spezieller Steuersatz für kleine Kapitalgesellschaften (empresas de reducida dimensíon) in Höhe von 30 % auf Gewinne bis zu 90.151,81 Euro, Art. 114 LIS (Art. 127bis LIS a. F.). Diese Besonderheiten sollen im Folgenden jedoch außer Betracht bleiben; es wird ein Nominalsteuersatz von 35 % Körperschaftsteuer unterstellt. 43 Die Bemessungsgrundlage der spanischen Körperschaftsteuer hat nach Art. 10 Abs. 3 LIS den nach handelsrechtlichen Vorschriften ermittelten Gewinn zum Ausgangspunkt, der durch spezifisch steuerrechtliche Vorschriften insbesondere zur Bewertung zu modifizieren ist.

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Geschichtliche Entwicklung der Dividendenbesteuerung in Deutschland und Spanien

ihnen anfallende Steuer auf Dividenden, die sie von anderen Körperschaften empfangen, zur Hälfte wieder von ihrer Steuerschuld abziehen. Im Falle einer Schachtelbeteiligung von mindestens 5 % ist ein vollständiger Abzug möglich44. Die spanische Gewerbesteuer wird ertragsunabhängig erhoben und ist der Höhe nach vernachlässigbar, so dass sie für die Vorbelastung der Dividende praktisch keine Rolle spielt45.

________________________ 44 A. Barrado Muñoz, RDFHP 1995, S. 101 (121). 45 Die spanische Gewerbesteuer ist wie die deutsche eine Realsteuer, Art. 79 Abs. 1 LHL

(Ley reguladora de Haciendas Locales, span. Gemeindefiskalgesetz). Ihre Bemessungsgrundlage orientiert sich an typischen, die Wirtschaftskraft eines Betriebes indizierenden Merkmalen, Art. 85 i. V. m. Art. 86 Abs. 1 LHL. Im einzelnen wird sie branchenabhängig in verschiedenen Rechtsverordnungen spezifiziert. Die Gemeinden können die Höhe der Steuer durch die Festsetzung bestimmter Hebesätze beeinflussen, Art. 85 i. V. m. Art. 88 f. LHL.

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Reiner Binnensachverhalt

B. Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen Die Besteuerung von an natürliche Personen ausgeschütteten Dividenden variiert sowohl in Spanien als auch in Deutschland je nach dem, ob sich der Vorgang auf den Binnenbereich der nationalen Rechtsordnung beschränkt oder aber grenzüberschreitenden Charakter hat. Des Weiteren ist im deutschen, teilweise auch im spanischen Rechtskreis zwischen der betrieblichen oder privaten Zuordnung der dividendenvermittelnden Beteiligung zu unterscheiden.

I. Reiner Binnensachverhalt 1. Beteiligung im Privatvermögen a) Deutschland Wird die Beteiligung an der ausschüttenden Gesellschaft im Privatvermögen gehalten, so gelten die Grundsätze des sogenannten Halbeinkünfteverfahrens: Die Dividendeneinnahmen sind zur Hälfte einkommensteuerfrei, § 3 Nr. 40 S. 1 lit. d EStG. Dies gilt ohne jegliche Einschränkungen hinsichtlich der Beteiligungshöhe oder -dauer46. Mit der hälftigen Steuerbefreiung der Dividenden korrespondiert ein hälftiges Abzugsverbot für die mit dem Dividendenbezug zusammenhängenden Werbungskosten nach § 3c Abs. 2 S. 1 EStG. Einkommensteuerlich wird der Vorbelastung der Dividende also dadurch Rechnung getragen, dass Dividendeneinkünfte nur noch zur Hälfte in die Bemessungsgrundlage eingehen. Dabei unterliegt die Steuerbefreiung keinem Progressionsvorbehalt nach § 32b EStG47. Das in § 3c Abs. 2 S. 1 EStG enthaltene Abzugsverbot stellt im Übrigen nur noch auf einen wirtschaftlichen Zusammenhang mit den bezogenen Dividenden ab. Ein solcher ist gegeben, wenn die Betriebsausgaben durch den Erwerb der Beteiligung oder deren Verwaltung veranlasst sind48. Anders als das Abzugsverbot des § 3c Abs. 1 EStG enthält § 3c Abs. 2 EStG nicht mehr das Kriterium des unmittelbaren Zusammenhangs von Betriebsausgaben und

________________________

46 Die ursprünglich im StSenkG 2000 vorgesehene Behaltefrist von einem Jahr wurde

noch vor Inkrafttreten der Unternehmenssteuerreform durch das Gesetz zur Änderung des InvZulG 1999 v. 20.12.2000 (BGBl. I, 1850; BStBl. I 2001, S. 28) wieder abgeschafft. 47 Ein solcher Vorbehalt war zwar im Gesetzesentwurf zum StSenkG 2000 noch vorgesehen (BT-Drucks. 14/2683, S. 6), wurde aber in den Beratungen des Finanzausschusses als „nicht notwendig“ verworfen (BT-Drucks. 14/3366, S. 151). 48 Vgl. BFH v. 29.5.1996 – I R 15/94, BStBl. II 1997, 58 (59).

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

steuerfreien Einnahmen. Nach dem Gesetzeswortlaut und dem Willen des Gesetzgebers49 spielt darum der zeitliche und betragsmäßige Anfall der steuerfreien Dividenden für die Anwendung des hälftigen Ausgabenabzugsverbots keine Rolle. Die dem Steuerpflichtigen erwachsenen Ausgaben sind also auch dann nicht abziehbar, wenn in einem Veranlagungszeitraum keine oder unter den Ausgaben liegende Dividenden vereinnahmt wurden50. Das soeben beschriebene Halbeinkünfteverfahren basiert auf einem nahezu identischen Vorschlag der Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung. Die Brühler Empfehlungen sprachen sich zwar für eine hälftige Freistellung der Nettodividende, das heißt des ausgeschütteten Gewinns abzüglich der Werbungskosten, aus51. Es spielt aber im Ergebnis keine Rolle, ob Dividendenbezüge und dazugehörige Aufwendungen wie im Halbeinkünfteverfahren jeweils hälftig angesetzt werden oder ob zunächst der Saldo aus beiden Größen ermittelt und die daraus resultierende Nettodividende hälftig freigestellt wird. ________________________ 49 Vgl. Begründung im Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen

für ein StSenkG, BT-Drs. 14/2683, S. 113. 50 Das hälftige Abzugsverbot greift jedoch nicht ein, wenn während der gesamten Halte-

dauer der Anteile keine Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen i. S. v. § 3 Nr. 40 EStG erzielt wurden. Es genügt m. a. W. nicht, dass in dem Veranlagungszeitraum des Anfalls der Ausgaben die abstrakte Möglichkeit bestand, irgendwann einmal steuerfreie Erträge zu erzielen (Ebenso G. Strunk in: Korn, EStG, § 3c (Stand: 01/01), Rz. 25; U. Clausen in: Oppenhoff & Rädler, Steuersenkungsgesetz, S. 58; M. Riotte in: Erle/Sauter, Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 66; wohl auch W. Ritter, IStR 2001, S. 430 (431). A. A. sind die OFD Frankfurt a. M. (Verfügung v. 19.4.2004, DB 2004, S. 1177) sowie A. Nacke in: Herrmann/Heuer/Raupach, Steuerreform I, § 3c (Stand: 04/01), Rz. 26; O. Hötzel in: Schaumburg/Rödder, Unternehmenssteuerreform 2001, S. 251; W. Heinicke in: Schmidt, EStG, 22. Aufl., § 3c Rz. 37; G. Erhard in: Blümich, EStG/KStG/GewSt, § 3c (Stand: 02/01), Rz. 42; G. Crezelius, DB 2001, 221 (227). Der Wortlaut des § 3c Abs. 2 EStG, wonach das Abzugsverbot „unabhängig davon [ist], in welchem Veranlagungszeitraum die Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen anfallen“, macht bereits deutlich, dass letztere zumindest einmal in der Zukunft tatsächlich bezogen werden müssen. Dafür spricht weiter die systematische Stellung der Norm im 2. Kapitel des II. Abschnitts des EStG, das sich mit steuerfreien Einnahmen befasst. Ein von deren Anfall völlig unabhängiges Abzugsverbot wäre hier deplaziert. Der von der Gegenmeinung ins Feld geführte vermeintliche Grundgedanke des § 3c Abs. 2 EStG, nur die Hälfte aller Verluste solle steuerlich berücksichtigt werden (so A. Nacke a. a. O., Rz. 26), ist eine bloße Unterstellung, die weder vom Gesetz noch von den Gesetzesmaterialien gedeckt wird. Die mit der hier vertretenen Auslegung des § 3c Abs. 2 EStG einhergehenden verfahrensrechtlichen Schwierigkeiten (vgl. hierzu G. Strunk a. a. O., Rz. 25; ähnlich A. Nacke a. a. O., Rz. 26) rechtfertigen keine andere Beurteilung. 51 Brühler Empfehlungen, S. 52.

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Reiner Binnensachverhalt

Für den kurzfristigen Eigenhandel von Kreditinstituten und Finanzdienstleistern gilt das Halbeinkünfteverfahren gemäß § 3 Nr. 40 S. 5 u. 6 EStG nicht. Die Dividenden werden hier regulär versteuert und erfahren keinerlei Entlastung. Dieses Sonderregime findet sein körperschaftsteuerliches Pendant in § 8b Abs. 7 KStG; auch hier werden die Dividenden nicht in das noch zu erörternde Freistellungssystem einbezogen, sondern müssen voll versteuert werden. Vom 1.1.2004 an gilt Entsprechendes für die Besteuerung von Dividenden, welche Kranken- und Lebensversicherungsunternehmen aus Anteilen beziehen, die den Kapitalanlagen zuzurechnen sind, § 8b VIII KStG n. F.52. Diese einkommen- wie körperschaftsteuerliche Sonderbehandlung erklärt sich aus dem Bestreben der betroffenen Steuerpflichtigen, Veräußerungsgewinne und vor allem Veräußerungsverluste entgegen der Systematik des Halbeinkünfteverfahrens steuerlich voll zu erfassen; die ebenfalls uneingeschränkte Besteuerung der Dividenden ist nur die vom Gesetzgeber für notwendig erachtete Konsequenz hieraus. Da nicht systematische, sondern wirtschaftspolitische Aspekte zur Schaffung dieses Sonderregimes geführt haben53, soll es aus den weiteren Überlegungen ausgeklammert bleiben54. Das Halbeinkünfteverfahren ist in seiner Entlastungswirkung regressiv, das heißt, es entlastet Dividendenbezieher mit hohem persönlichen Einkommensteuersatz überproportional55. Betrachtet man nur die Vorbelastung der Di________________________ 52 Eingefügt durch das Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregie-

rung zur Vermittlungsempfehlung zum StVergAbG („Korb II-Gesetz“), BGBl. I 2003, S. 2840. 53 Ausführlich zur Entstehungsgeschichte und zum Zweck des § 8b VII KStG G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 317; E. Dötsch/A. Pung in: Dötsch/Eversberg/ Jost/Witt, KSt, § 8b KStG nF (Stand 06/03), Rz. 132; H.-J. Watermeyer in: Herrmann/Heuer/Raupach, Steuerreform II, § 8b KStG (Stand: 04/01), Rz. 121. 54 Speziell die Dividendenbesteuerung wird von E. Bogenschütz/F. Tibo, DB 2001, S. 8 (9) und von H.-J. Watermeyer in: Herrmann/Heuer/Raupach, Steuerreform II, § 8b KStG (Stand: 04/01), Rz. 121, zu Recht kritisch gesehen, da sie unabhängig von der – unsystematischen – Veräußerungsgewinnbesteuerung zu beurteilen ist und auf eine nicht gerechtfertigte Doppelbelastung hinausläuft. Gl. A. ist M. Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 214 f., der allerdings die Suspendierung der Veräußerungsgewinnbesteuerung auf Basis einer fragwürdigen Differenzierung zwischen sicheren und unsicheren Gewinnerwartungen als systemgerecht einstuft. Vgl. auch die umfangreichen Literaturnachweise bei E. Dötsch/A. Pung in: Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, KSt, § 8b KStG nF (Stand 06/03), vor Rz. 130. 55 Vgl. dazu auch J. Hey in: DStJG Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 5 (10); dies., DStJG 24, S. 155 (195); dies., BB 1999, S. 1192 (1195); D. Löhr, StuW 2000, S. 33 (39); P. Bareis, StuW 2000, S. 133 (137 f.); I. v. Lishaut, FR 1999, S. 938 (939); A. Nacke in: Herrmann/Heuer/Raupach, Steuerreform I, § 3 Nr. 40 EStG (Stand: 04/01), Rz. 36.

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

vidende mit Körperschaftsteuer56, so nähert sich das Entlastungsvolumen mit steigendem individuellen Einkommensteuersatz immer stärker einer vollständigen Entlastung an. Bei einem Satz von etwa 40 % wird die Körperschaftsteuervorbelastung vollumfänglich kompensiert, und bei darüber hinausgehenden Steuersätzen schlägt die Entlastungswirkung in eine Überkompensation um57. Im Übrigen wird für die steuerbare Hälfte der Dividendeneinkünfte nach wie vor der Sparer-Freibetrag nach § 20 Abs. 4 S. 1 EStG gewährt. Dieser beträgt vom Veranlagungszeitraum 2004 an noch 1.370 Euro, bei zusammen veranlagten Ehegatten nach § 20 Abs. 4 S. 2 EStG 2.740 Euro. Der Sparerfreibetrag bleibt damit – von Rundungen im Zusammenhang mit der EuroUmstellung abgesehen – trotz der nur hälftigen Erfassung der Dividendeneinkünfte gegenüber dem Anrechnungsverfahren im Wesentlichen unverändert58. Daraus wird teilweise gefolgert, dass sich unter dem Halbeinkünfteverfahren faktisch seine Wirkung verdoppele59. Dies ist aber unzutreffend: Es gelangen zwar Dividenden in doppelter Höhe des Sparerfreibetrages noch in dessen Anwendungsbereich. Das bedeutet aber nicht, dass dieser auch die doppelte Entlastungswirkung entfaltet: Denn die Hälfte der Divi-

________________________ 56 Ob die von der Literatur ganz überwiegend praktizierte Ausblendung der Gewer-

besteuervorbelastung angemessen ist, wird noch zu untersuchen sein. 57 Formelhaft dargestellt bei P. Bareis, StuW 2000, S. 133 (135). Tabellarisch ergibt sich

folgendes Bild: Gewinn KapGes.

0%

10 %

20 %

30 %

40 %

50 %

100,00

100,00

100,00

100,00

100,00

100,00

Vorbelastung

25,00

25,00

25,00

25,00

25,00

25,00

Bruttodividende

75,00

75,00

75,00

75,00

75,00

75,00

davon 1/2

37,50

37,50

37,50

37,50

37,50

37,50

0,00

3,75

7,50

11,25

15,00

18,75

25,00

28,75

32,50

36,25

40,00

43,75

ESt Gesamtbelastung Fiktive ESt auf den Gewinn Differenz

0,00

10,00

20,00

30,00

40,00

50,00

25,00

18,75

12,50

6,25

0,00

-6,25

58 Bis einschließlich VZ 2003 entsprach er betragsmäßig exakt dem im Rahmen des

Anrechnungsverfahrens zur Anwendung gelangenden Freibetrag. Die Kürzung ab dem VZ 2004 erklärt sich aus dem mit der sog. Peer/Steinbrück-Liste verfolgten Bestreben nach einem stufenweisen Abbau von Subventionen einschließlich der Steuervergünstigungen; umgesetzt wurde dieses Bestreben im Vermittlungsverfahren zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 (BGBl. I 2003, S. 3076 ff.). 59 S. Grotherr, BB 2000, S. 849 (852); J. Intemann in: Herrmann/Heuer/Raupach, Steuerreform I, § 3 Nr. 40 (Stand: 04/01), Rz. 131.

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Reiner Binnensachverhalt

denden ist eben schon nach § 3 Nr. 40 S. 1 lit. d steuerbefreit, ohne dass der Freibetrag hierfür eine Rolle spielen würde60. Zur Belastung mit Einkommensteuer tritt gegenwärtig noch die mit dem Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls mit Kirchensteuer hinzu. Obwohl es sich jeweils um Zuschlagsteuern zur Einkommensteuer handelt, schlägt das Halbeinkünfteverfahren nur auf die Bemessungsgrundlage des Solidaritätszuschlags durch. Die Kirchensteuer hingegen wird auf Grundlage der ungekürzten Dividendeneinkünfte erhoben61. Die Einkommensteuer auf die Dividenden wird zunächst im Wege des Quellenabzugs durch die Kapitalertragsteuer erhoben. Diese beläuft sich nach §§ 34 Abs. 1 S. 3, 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG auf 20 % der ungekürzten Bruttodividende. Zwar unterliegen an sich nach § 3 EStG steuerfreie Einnahmen nicht dem Steuerabzug62. Das hätte zur Konsequenz, dass der Kapitalertragsteuerabzug nur von dem nach § 3 Nr. 40 S. 1 lit. d EStG hälftig gekürzten Kapitalertrag vorzunehmen wäre. Jedoch ordnet § 43 Abs. 1 S. 3 EStG für Dividenden im Sinne von §§ 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausdrücklich an, dass der Steuerabzug von sämtlichen Kapitalerträgen ________________________ 60 Da der Sparerfreibetrag eine absolute Größe ist, ist seine maximale Entlastungswir-

kung notwendig allein vom individuellen Steuersatz des Dividendenbeziehers abhängig und ansonsten unveränderbar. Im Extremfall kann unter dem Halbeinkünfteverfahren sogar eine geringere Entlastungswirkung eintreten: Bei Dividendeneinkünften bis unter 3.100 € bzw. 6.200 € kann der Sparer-Freibetrag dort wegen der hälftigen Freistellung nämlich nicht voll zum Tragen kommen, wohingegen er im Anrechnungsverfahren schon bei Dividendeneinkünften von 1.550 € bzw. 3.100 € seine volle Entlastungswirkung entfaltete. 61 Der Grund hierfür ist die Neuregelung des § 51a II EStG. Dieser sieht eigentlich vor, dass in der Bemessungsgrundlage sämtlicher Zuschlagsteuern die Wirkungen des Halbeinkünfteverfahrens zu eliminieren sind. Zu diesem Zweck ist das zu versteuernde Einkommen um die nach § 3 Nr. 40 EStG steuerfreien Beträge zu erhöhen und um die nach § 3c II EStG nicht abziehbaren Beträge zu mindern. Tatsächlich wird diese Regelung in der einzigen bundesgesetzlichen Zuschlagsteuer aber wieder rückgängig gemacht: Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 SolZG ist Bemessungsgrundlage für die Jahresveranlagung des Solidaritätszuschlags die Einkommensteuer, wie sie nach dem EStG zu bemessen ist. Damit gelangt die Neufassung des § 51a II EStG, welcher allgemein die Bemessungsgrundlage der Zuschlagsteuern zu regeln vorgibt, nicht zur Anwendung. Bedeutung hat sie damit nur für die Kirchensteuer. Zwar steht die Gesetzgebungskompetenz für die Kirchensteuern den Ländern zu. Diese nehmen jedoch regelmäßig auf die Regelungen des EStG betreffend die Zuschlagsteuern Bezug. Diese unter Kompetenzgesichtspunkten verfassungsrechtlich bedenklichen Auswirkungen der Neufassung des § 51a II EStG gerade und nur auf die Kirchensteuer war dem Bundesgesetzgeber bewusst und von ihm gewollt (vgl. BT-Drs. 14/3762 u. 14/4546). Kritisch auch W. Drenseck in: Schmidt, EStG, 23. Aufl., § 51a Rz. 1. 62 BFH v. 27.7.1988 – I R 28/87, BStBl. II 1989, S. 449.

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

ungeachtet des § 3 Nr. 40 EStG vorzunehmen ist. Zusätzlich ist gem. §§ 3 Abs. 1 Nr. 5, 4 SolZG der Solidaritätszuschlag in Höhe von 5,5 % der zu erhebenden Kapitalertragsteuer einzubehalten. Insgesamt ergibt sich damit ein Steuerabzug von 21,1 %63. Die Kapitalertragsteuer wird nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG in vollem Umfang auf die Einkommensteuer angerechnet, auch soweit sie auf den nach § 3 Nr. 40 S. 1 lit. d EStG steuerfreien Teil entfällt. Ein überschießender Betrag wird erstattet. b) Spanien In Spanien zählen die Dividenden wie in Deutschland auch zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (Rendimientos del Capital). Sie sind dort aber in voller Höhe steuerbar, Art. 23 Abs. 1 lit. a Nr. 1 der Ley del Impuesto sobre la renta de las personas físicas (LIRPF)64. Dementsprechend sind auch die damit zusammenhängenden Erwerbsausgaben in voller Höhe anzusetzen. Dies gilt allerdings nur insoweit, als sie in Art. 24 abs. 1 lit. a LIRPF für abzugsfähig (gastos deducibles, Art. 15 Abs. 3 Nr. 1 LIRPF) erklärt werden. Denn das spanische Einkommensteuerrecht kennt anders als das deutsche keinen allgemein definierten Werbungskostenbegriff. Die abzugsfähigen Ausgaben werden vielmehr grundsätzlich je nach Einkunftsart enumerativ aufgeführt. Bei von natürlichen Personen bezogenen Dividenden sind nur Verwaltungs- und Depotkosten für die betreffenden Aktien bzw. Gesellschaftsanteile abzugsfähig65. Insbesondere ein eventueller Finanzierungsaufwand unterliegt somit einem Abzugsverbot66. Ausdrücklich in Ansehnung der „wirtschaftlichen Doppelbesteuerung“ von Dividenden bei der ausschüttenden Körperschaft und beim Dividendenbezieher sieht Art. 80 lit. a LIRPF67 vor, dass letzterem ein Abzug von der tariflichen Einkommensteuer gewährt wird. Unterliegt die ausschüttende ________________________ 63 H.-G. Reuter/M. Klein, IStR 2003, S. 634 (635). 64 Spanisches Einkommensteuergesetz. Die LIS ist durch Real Decreto Legislativo vom

5.3.2004 neu durchnumeriert und von Buchstabenartikeln befreit worden. Zum Teil stimmen die im Text zitierten Artikel, die sich an der neuen Zählweise orientieren, darum nicht mehr mit der zum 1.1.2004 geltenden Numerierung überein. In diesen Fällen wird bei erstmaliger Nennung eines Artikels in einer Fußnote auf die frühere Zählweise hingewiesen. 65 I. Pérez Royo, Manual del IRPF, 3. ed., S. 202 f. 66 Die im Wesentlichen inhaltsgleiche Vorgängerregelung des LIRPF 1991 ist vom spanischen Verfassungsgericht (Tribunal Constitucional) für verfassungsgemäß erklärt worden. Insbesondere sah das Verfassungsgericht die darin liegende Durchbrechung des in Art. 31 Abs. 1 der spanischen Verfassung (Constitución Española, CE) festgeschriebenen Leistungsfähigkeitsprinzips als gerechtfertigt an. Hierauf wird an späterer Stelle noch näher einzugehen sein. 67 Art. 65 lit a LIRPF a. F.

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Kapitalgesellschaft dem Regelsteuersatz von 35 %, so beläuft sich der Abzug gemäß Art. 81 Abs. 1 u. 2 LIRPF68 auf 40 % der Bruttodividende. Dementsprechend erhöhen sich die steuerbaren Dividendeneinkünfte nach Art. 23 Abs. 1 lit. b LIRPF um den Faktor 1,4. Es soll also einerseits der zur Ausschüttung gelangende Gewinn beim Anteilseigner in voller Höhe, das heißt so besteuert werden, als sei er nicht durch Körperschaftsteuer geschmälert, sondern unmittelbar von ihm selbst erwirtschaftet worden. Andererseits reduziert diese Vorbelastung seine eigene Steuerschuld, wird also bis zu deren Höhe angerechnet69. Dabei nimmt das Gesetz typisierend an, der zur Ausschüttung gelangte Gewinn sei effektiv mit circa 28,57 % Körperschaftsteuer vorbelastet70. Dieser Wert stimmt fast genau mit der statistisch ermittelten durchschnittlichen Körperschaftsteuervorbelastung des Jahres 1992 überein71. Durch die unwiderlegbare gesetzliche Vermutung soll näherungsweise eine vollständige Anrechnung der Körperschaftsteuer beim Anteilseigner gewährleistet sein72. Die Unterstellung einer Vorbelastung in Höhe von 28,57 % will einerseits dem Umstand Rechnung tragen, dass die effektiv zu entrichtende Körperschaftsteuer regelmäßig den Nominalsatz von 35 % unterschreitet, weil das LIS zahlreiche Steuervergünstigungen und Abzüge von der Körperschaftsteuerschuld vorsieht73. Zum anderen soll der administrative Aufwand, der mit einer exakten Ermittlung der effektiven Körperschaftsteuervorbelastung in jedem Einzelfall verbunden wäre, vermieden werden74. Zu einer vollständigen Entlastung des Dividendenbezugs von Körperschaftsteuer kommt es jedoch nur, wenn der Effektivsteuersatz tatsächlich bei ge________________________ 68 Art. 66 Abs. 1 u. 2 LIRPF a. F. 69 I. Pérez Royo, Manual del IRPF, 3. ed., S. 571. 70 Vgl. Informe al Anteproyecto de Ley del Impuesto sobre la Renta de las Personas

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Físicas v. 20.4.1998, Congreso de los Diputados, Doc. n° 142, S. 982. Dieser gesetzliche Anrechnungsmechanismus basiert auf dem entsprechenden, empirisch fundierten Vorschlag einer Arbeitsgruppe um E. Fuentes Quintana, Informe sobre la Reforma del Impuesto de Sociedades, Madrid 1992. Vgl. dazu auch C. de Pablo Varona, RDFHP 2002, S. 51 (53, Fn. 5); dens., Inf. Fiscal 2001, S. 85 (87); dens., La tributación del socio, S. 380 f.; M. L. González-Cuéllar Serrano, Deducción por doble imposición interna, S. 68; I. Pérez Royo, Manual del IRPF, 3. ed., S. 183 u. 571.; E. Sanz Gadea, RCT 1995, S. 133 (177); J. de Grado Trabanca in: Landwell, Comentarios a la LIRPF, Art. 66, S. 353; M. Gordillo/I. Núñez/E. Jiménez/F. Rey, El Impuesto sobre la Renta, S. 426. T. Cordón Ezquerro, Cronica Tributaria 1996, S. 11 (28). C. de Pablo Varona, Inf. Fiscal 2001, S. 85 (110 f.). M. Gordillo u. a., El impuesto sobre la renta, S. 426. Vgl. dazu M. L. González-Cuéllar Serrano, Deducción por doble imposición interna, S. 66.

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

nau 28,57 % liegt75. Kommt die ausschüttende Kapitalgesellschaft hingegen nicht in den Genuss von Steuervergünstigungen und Abzügen bei der Festlegung der Steuerschuld, wird die wirtschaftliche Mehrbelastung der Dividende nicht vollständig vermieden: Einschließlich der Vorbelastung auf Körperschaftsteuerebene beläuft sich dann die Gesamtsteuerlast je nach dem Grenzsteuersatz des Dividendenbeziehers auf 9 bis 49,95 % des ausschüttungsfähigen Gewinns76. Dem steht eine reguläre Einkommensteuerbelastung sonstiger Einkünfte von 0 bis 45 % gegenüber77. Dies zeigt zugleich, dass sich mit zunehmendem Grenzsteuersatz das System auch bei einer höheren effektiven Körperschaftsteuervorbelastung immer stärker an eine vollständige Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbelastung annähert. Das Verfahren wirkt damit in diesen Fällen regressiv78. Eine Überkompensation tritt hingegen in denjenigen Fällen ein, in welchen die steuerlichen Abzüge die steuerliche Vorbelastung der Dividende unter 28,57 % drücken79. Dazu kann es insbesondere kommen, wenn die spanische Gesellschaft im Ausland erzielte und relativ niedrig besteuerte Gewinne an eine natürliche Person ausschüttet. Denn das Entlastungsverfahren wird in vollem Umfang auch insoweit praktiziert, als in Spanien – etwa aufgrund von DBA-Bestimmungen – auf die Auslandsgewinne keine Körperschaftsteuer erhoben worden ist. In diesen Fällen wohnt dem Mechanismus dann eine progressive Entlastungstendenz inne80. ________________________ 75 (100 – 28,57) x 0,4 • 28,57. T. Cordón Ezquerro, Cronica Tributaria 1996, S. 11 (30);

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A. Barrado Muñoz, RDFHP 1995, S. 101 (127); C. de Pablo Varona, La tributación del socio, S. 436. Dabei soll zunächst außer Betracht bleiben, dass die endgültige Belastung im Bereich der unteren individuellen Steuersätze noch höher liegen kann, insoweit der Abzug nach Art. 65 LIRPF mangels hinreichender Einkommensteuerschuld nicht durchgeführt werden kann. J. Palacios/V. Bootello, ET 2003, S. 58 (59). Der progressive Stufentarif verläuft zwar von 15 % bis zu 45 %, jedoch sieht Art. 41 LIRPF (Art. 40 LIRPF a. F.) noch persönliche und familiäre Grundfreibeträge vor. Gewinne aus der Veräußerung mehrjährig gehaltener Wirtschaftsgüter werden einer niedrigen Schedulenbesteuerung unterworfen, vgl. Art. 67, 77 LIRPF (Art. 53, 63 LIRPF a. F.). So auch – mit umfangreichen Belastungsvergleichen – J. Ramallo Massanet in: Orón Moratal, Los nuevos impuestos, S. 472; M. L. González-Cuéllar Serrano, Deducción por doble imposición interna, S. 79 f. B. Tomé Muguruza, Cronica Tributaria 1994, S. 109 (114). Sind Dividenden z. B. tatsächlich nur mit 20 % Körperschaftsteuer vorbelastet, so würde bei einem persönlichen Grenzsteuersatz von 0 % an sich eine Überkompensation in Höhe von 12 % des Gewinns eintreten, sofern der Abzugsbetrag in Höhe von 32 % des Gewinns (Bruttodividende (80 %) • 0,4) sich steuerlich auswirken würde. Demgegenüber beliefe sie sich im Bereich des Spitzensteuersatzes auf nur 6,6 %

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Zu beachten ist allerdings, dass eine Körperschaftsteuervergütung nicht vorgesehen ist81. Liegen die Nettodividenden unter ca. 33.000 Euro, müssen also weitere positive Einkünfte hinzutreten, um den Abzugsbetrag voll ausschöpfen zu können82. Kann er mangels hinreichend hoher individueller Steuerschuld nicht ausgenutzt werden, besteht nur die Möglichkeit, ihn bis zu 4 Jahre vorzutragen, Art. 81 Abs. 3 LIRPF. Insbesondere Dividendenbezieher mit geringem persönlichen Grenzsteuersatz werden darum allenfalls mit zeitlicher Verzögerung oder gar nicht von der Körperschaftsteuer entlastet. Die Bruttodividende unterliegt einer Quellensteuer (retención) in Höhe von 18 %, Art. 70 Abs. 1 lit. b, 83 Abs. 1, 86 Abs. 1 RIRPF83. Diese wird bei der späteren Einkommensteuerveranlagung von der tariflichen Einkommensteuer in Abzug gebracht, Art. 80 lit. b LIRPF. Soweit die Quellensteuer die spätere Einkommensteuerschuld übersteigt, wird sie dem Steuerpflichtigen zurückerstattet, Art. 105 Abs. 2 LIRPF84.

2. Beteiligung im Betriebsvermögen a) Deutschland Das Halbeinkünfteverfahren wird auf Dividendeneinkünfte auch dann angewendet, wenn sich die Beteiligung im Betriebsvermögen befindet. Dies wird durch § 3 Nr. 40 S. 1 lit. d, S. 2 EStG i. V. m. § 20 Abs. 3 EStG ausdrücklich klargestellt85. Das hälftige Abzugsverbot für korrespondierende Betriebsausgaben hat hier zur Folge, dass die angefallenen Ausgaben außerbilanziell wieder hinzuzurechnen sind86. Auch im Hinblick auf die Belastung mit Kapitalertragsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer gelten die obigen Ausführungen zur Beteiligung im Privatvermögen entsprechend. Abweichungen ergeben sich hinsichtlich des Sparer-Freibetrages, der im Rahmen betrieblicher Dividendeneinkünfte nicht gewährt wird. ________________________

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(38,4 % statt 45 % Gesamtbelastung). Diese progressive Tendenz wird freilich durch die Beschränkung des Abzugs auf die vorhandene Einkommensteuerschuld wieder vereitelt, dazu sogleich oben im Text. I. Pérez Royo, Manual del IRPF, 3. ed., S. 572. Vgl. die Berechnungen bei C. de Pablo Varona, La tributación del socio, S. 387. Reglamento del impuesto sobre la renta de las personas físicas, span. Einkommensteuerdurchführungsverordnung. Art. 85 Abs. 2 LIRPF a. F. Vgl. dazu auch die Begründung zum StSenkG 2000, BT-Drs. 14/2683, S. 113. W. Heinicke in: Schmidt, EStG, 22. Aufl., § 3c Rz. 19.

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

Von Bedeutung sind darüber hinaus vor allem die Belastungsunterschiede, die sich aus einer eventuellen Gewerbesteuerpflicht des Betriebes, dem die Beteiligung zuzuordnen ist, ergeben können87. Bei der Ermittlung des Gewerbeertrages verweist § 7 GewStG auf die Vorschriften des EStG. Steuerfreie Einnahmen im Sinne des § 3 EStG gehen danach prinzipiell in die Ermittlung des Gewerbeertrages nicht ein. Deshalb bewirkt § 3 Nr. 40 lit. d EStG an sich, dass die hälftige Steuerbefreiung der Dividende grundsätzlich auch für die Gewerbesteuer gilt88. Korrespondierend dazu schlägt auch das hälftige Abzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG auf den Gewerbeertrag durch89. Tatsächlich wird jedoch über ein System von Kürzungen und Hinzurechnungen erreicht, dass die Dividende entweder gänzlich aus dem Gewerbeertrag ausscheidet oder aber in voller Höhe der Gewerbesteuer unterliegt: Inländische Dividenden werden ganz aus der Bemessungsgrundlage der GewSt ausgeschieden, wenn die Voraussetzungen des Schachtelprivilegs des § 9 Nr. 2a GewStG erfüllt sind. Voraussetzung hierfür ist im Wesentlichen eine Beteiligung von mindestens 10 % am Grund- bzw. Stammkapital der ausschüttenden Gesellschaft90. Die mit der Beteiligung zusammenhängenden Betriebsausgaben können nichtsdestotrotz auch gewerbesteuerlich noch zur Hälfte in Abzug gebracht werden; der nach § 9 Nr. 2a begünstigte Dividendenbezug verringert also sogar die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer91. ________________________ 87 Gemäß § 2 Abs. 1 GewStG sind inländische gewerbliche Unternehmen im Sinne des

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Einkommensteuergesetzes gewerbesteuerpflichtig. Dies sind solche Personen oder Personenzusammenschlüsse, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach den §§ 2 Abs. 1 Nr. 2, 15 EStG erzielen. So auch M. Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 326; T. Töben, FR 2002, S. 361 (364); W. Neyer, GmbHR 2002, S. 153; C. J. Ritzer/I. Stangl, Inf 2002, S. 131 (133) m. w. N. Dieser Auffassung war im Übrigen auch der Gesetzgeber, vgl. BT-Drs. 14/2683, S. 113. Ein Betriebsausgabenabzugsverbot führt regelmäßig zu einem höheren Gewerbeertrag (BFH v. 16.5.1990 – I R 80/87, BStBl. II 1990, S. 920). Denn es ist Teil der einkommensteuerlichen Gewinnermittlung und darum über § 7 GewStG auch für die Ermittlung des Gewerbeertrags maßgeblich. Dieser ist darum um die hälftigen, nach § 3c Abs. 2 EStG nicht abziehbaren Finanzierungs- und Verwaltungsaufwendungen zu erhöhen. Davon ging im Übrigen auch der Gesetzgeber aus, vgl. die Begründung im Entwurf des StSenkG 2000, BT-Drs. 14/2683, S. 113). Daneben muss die Beteiligung schon zum 1.1. des Jahres der Gewinnausschüttung bestanden haben. Näher dazu E. Dötsch/A. Pung, DB 2003, S. 1016 (1018). Wie hier D. Gosch in: Blümich, EStG, § 9 GewStG (Stand: 9/00), Rz. 184; S. Grotherr in: Grotherr/Herfort/Strunk, Internationales Steuerrecht, S. 209 (zu § 9 Nr. 7 GewStG); E. Meyer-Scharenberg in: Meyer-Scharenberg/Popp/Woring, Gewerbesteuer, § 9 Nr. 2a Rz. 15; W. Killinger, BB 1999, 500 (502 f.); V. Sarrazin, FR 1984, 499 (501); a. A. sind die Finanzverwaltung (vgl. GewStR 1998, Abschn. 61 Abs. 1 S. 12) und G. Güroff in: Glanegger/Güroff, GewStG, 5. Aufl., § 9 Nr. 2a Rz. 8;

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Bei den nicht begünstigten Dividenden, d. h. insbesondere solchen aus Streubesitzbeteiligungen, wird hingegen umgekehrt der nach § 3 Nr. 40 EStG außer Ansatz bleibende Teil der inländischen Dividendenbezüge dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzugerechnet. Dies wird mittels der durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz92 neu eingefügten Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 5 GewStG erreicht. Damit unterliegen Dividenden nicht nur hälftig, sondern zur Gänze der Gewerbesteuer, wenn sie nicht die Schachtelvoraussetzungen des § 9 Nr. 2a GewStG erfüllen93. Dafür wer________________________ H.-W. Stäuber in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 9 Nr. 2a (Stand: 11/92), Rz. 44; H. Krabbe, DB 1994, 242 (245) und (zu § 9 Nr. 7 GewStG) R. Odenthal in: Flick/ Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, GewStG § 9 Nr. 7 (Stand: 2/95), Rz. 10). Für eine Hinzurechnung zum Gewerbeertrag fehlt es an einer rechtlichen Grundlage. § 9 Nr. 2a GewStG selbst lässt sich ein solches Hinzurechnungsgebot nicht entnehmen, denn dieser betrifft vom Wortlaut wie von der Systematik her nur eine Gewinnkürzung. Aber auch eine analoge Anwendung des § 3c Abs. 1 EStG oder die Heranziehung eines daraus möglicherweise zu entnehmenden allgemeinen Rechtsgrundsatzes (so W. Heinicke in Schmidt, EStG, 22. Aufl., § 3c Rz. 1) ist ausgeschlossen. Denn es fehlt – unabhängig von der Frage der Zulässigkeit steuerverschärfender Analogie – an einer Regelungslücke i. S. e. planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes (vgl. hierzu K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., S. 375). Das Gewerbesteuerrecht ist nicht lückenhaft, weil es mit den Hinzurechnungsvorschriften gemäß § 8 GewStG eigenständige Abzugsverbote aufstellt. Gerade dessen Nr. 10 und Nr. 12 zeigen, dass sich der Gesetzgeber der Problematik einer überschießenden Begünstigung im Zusammenhang mit den gewerbesteuerlichen Kürzungen um bestimmte Gewinnanteile wohl bewusst war (vgl. Begründung im Entwurf eines StReformG 1990, BT-Drs. 11/2157, S. 175; Begründung im Entwurf eines StÄndG 1992, BT-Drs. 12/1108, S. 69). 92 Vom 20.12.2001, BGBl. I 2001, 3858; im Folgenden: UntStFG. 93 Hierüber besteht im Ergebnis trotz der sprachlich missglückten Fassung des § 8 Nr. 5 GewStG zu Recht Einigkeit im Schrifttum. Allerdings sieht die Vorschrift vor, die nach § 3 Nr. 40 EStG steuerfreien Dividenden dem Gewerbeertrag hinzuzurechnen, „soweit sie nicht die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a oder 7 erfüllen“. Versteht man dies nicht nur als Verweis auf die dort enthaltenen Schachtelvoraussetzungen, sondern auf sämtliche Erfordernisse der jeweiligen Bestimmung, so dürfte nie von einer Hinzurechnung abgesehen werden. Denn die nach § 3 Nr. 40 EStG steuerfreien Gewinnanteile sind ja gerade nicht wie in § 9 Nr. 2a und 7 GewStG verlangt wird bei der Ermittlung des Gewerbeertrages nach § 7 GewStG angesetzt worden. Ansonsten bedürfte es ja auch gar keiner Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG. Indes würde ein solch weites Verständnis der Inbezugnahme der Nr. 2 und 7a des § 9 GewStG dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers widersprechen, wonach die Gewerbesteuerpflicht nur bei Dividenden aus Streubesitzanteilen eintreten sollte (vgl. die Plenarerklärung von MdB J. Poß, Plenarprotokoll 14/209 v. 14.12.2001, S. 20702). Objektivierbar wird dieser Wille vor allem durch den Umstand, dass der Verweis in § 8 Nr. 5 GewStG sonst überhaupt keinen Sinn hätte. Es kann also für die Ausnahme von der Hinzurechnung nur darauf ankommen, ob die Schachtelvoraussetzungen des § 9 Nr. 2a oder 7 GewStG gegeben sind. So auch U. Prinz/S. Simon, DStR 2002, S. 149 (151);

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

den die nach § 3c Abs. 2 EStG nicht abziehbaren Betriebsausgaben vom Gewerbeertrag in Abzug gebracht, wenn die mit ihnen wirtschaftlich zusammenhängenden Streubesitzdividenden der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG unterliegen. In diesem Fall wird kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung eine „überschießende Benachteiligung“ vermieden94. Die unterschiedliche Behandlung in Abhängigkeit vom Beteiligungsumfang relativiert sich freilich durch die Gewerbesteueranrechnung nach § 35 EStG95. Sie wird indes dadurch nicht bedeutungslos, weil diese pauschalierte Form der Anrechnung in einer Vielzahl von Konstellationen keine vollständige Kompensation bewirkt96. Ein Anrechnungsüberhang ist gerade bei hinzugerechneten Dividendeneinkünften zu befürchten, weil die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 40 lit. d EStG dazu führt, dass der gewerbesteuerlichen Belastung insoweit keine anteilige Einkommensteuerlast gegenübersteht, auf die angerechnet werden könnte97. b) Spanien Anders als das deutsche Einkommensteuerrecht in § 20 Abs. 3 EStG kennt das spanische LIRPF keine generelle Subsidiaritätsklausel der Einkünfte aus Kapitalvermögen. Die Abgrenzung zwischen ihnen und den Einkünften aus unternehmerischer Tätigkeit (rendimientos de actividades económicas) richtet sich vielmehr danach, ob die Quellen, aus denen die Einkünfte fließen, steuerlich notwendig dem Betriebsvermögen (elementos patrimoniales afectos) zuzurechnen sind. Im Hinblick auf Aktien hat der spanische Gesetzgeber in Art. 27 Abs. 1 lit. c LIRPF ausdrücklich entschieden, dass diese ________________________

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T. Rödder, Wpg 2002, S. 625 (626); J. Watermeyer, GmbH-StB 2002, S. 200 (201); W. Haas, DB 2002, S. 549 (550). Diese faktische Kürzung des Gewerbeertrages um die nach § 3c Abs. 2 EStG einkommensteuerlich nicht berücksichtigungsfähigen Betriebsausgaben ist jedoch betragsmäßig auf die Höhe der angefallenen Dividenden begrenzt. Denn § 8 Nr. 5 GewStG spricht von einer Hinzurechnung von Dividenden nach Abzug entsprechender Betriebsausgaben. Er schließt damit seinem Wortlaut nach aus, dass Betriebsausgaben auch ohne Dividendenanfall oder über deren Umfang hinaus als „negative Dividenden“ abgezogen werden könnten. Darauf weisen auch C. J. Ritzer u. I. Stangl hin (Inf 2002, S. 131 (134)). Im Übrigen mindert die Gewerbesteuer auf Nicht-Schachteldividenden nach wie vor als Betriebsausgabe die darauf entfallende Einkommensteuer; § 3c EStG greift insoweit nicht ein. Dazu näher W. Kessler/I. Kahl, DB 2002, S. 1017 ff.; H. J. Watermeyer, GmbH-StB 2002, S. 200 (203) m. w. N. auch zur Gegenansicht. Vgl. dazu insbes. J. Hey, FR 2001, S. 870 (871 ff.); M. Jachmann, DStJG 25, S. 195 (222 ff. u. 226 ff.). Vgl. P. Glanegger in: Schmidt, EStG, 22. Aufl., § 35 Rz. 16. Auf die Gefahr von Anrechnungsüberhängen durch die Inkongruenz von einkommensteuerlicher und gewerbesteuerlicher Bemessungsgrundlage weist auch J. Hey hin (FR 2001, S. 870 (873)).

Auslandsdividenden

niemals den Charakter von Betriebsvermögensgegenständen aufweisen. Er reagierte damit auf Zweifel zur Zurechnungsfähigkeit, die unter Geltung der Vorgängerversion des LIRPF 1991 laut geworden waren98. Die vorherige Rechtsunsicherheit resultierte vor allem daraus, dass eine Zuordnung zu den unternehmerischen Einkünften – wie in Deutschland auch – vom Gesetzeswortlaut gedeckt war, die auch bei betrieblichen Beteiligungen für sachgerecht erachtete Berücksichtigung der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung der Dividenden aber von der Zuordnung zu den Einkünften aus Kapitalvermögen abhing99. Nunmehr werden auch die handelsrechtlich dem Betrieb zugeordneten Beteiligungen an Kapitalgesellschaften steuerrechtlich dem Privatvermögen des Unternehmers zugerechnet. Dividendenzahlungen führen damit immer zu Einkünften aus Kapitalvermögen, sie können nicht Einkünfte aus unternehmerischer Tätigkeit sein100. Für sie gilt darum auch keine Sonderbehandlung, es kann vielmehr vollumfänglich auf das Subkapitel zur Besteuerung von Dividenden aus Anteilen im Privatvermögen verwiesen werden.

II. Auslandsdividenden 1.

Beteiligung im Privatvermögen

a)

Deutschland

Das Halbeinkünfteverfahren der §§ 3 Nr. 40 S. 1 lit. d, 3c Abs. 2 EStG gilt grundsätzlich auch für von ausländischen Gesellschaften gezahlte Dividenden. Denn es bezieht sich auf Bezüge im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, die auch eine ausländische Gesellschaft vermitteln kann101. Voraussetzung ________________________ 98 C. M. López Espadafor, QF 1999, S. 9 f. Außerdem weist P. Alvarez Barbeito, Los

rendimientos del capital, 2. ed., S. 280, darauf hin, dass so auch „betriebliche“ Dividenden der allgemeinen Quellensteuerregelung unterstellt werden konnten, die an die Klassifizierung als Einkünfte aus Kapitalvermögen anknüpft. 99 C. M. López Espadafor, QF 1999, S. 9 (13 ff.). 100 Vgl. auch P. Alvarez Barbeito, Los rendimientos del capital, 2. ed., S. 277; A. Cayón Galiardo in: Orón Moratal, Los nuevos Impuestos, S. 215. 101 BFH v. 16.12.1992 – I R 32/92, BStBl. II 1993, S. 399. Dem steht insbesondere auch nicht § 20 I Nr. 1 S. 3 EStG entgegen. Dort wird zwar für die Frage der Abgrenzung von Gewinnausschüttung und Einlagenrückgewähr allein von unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften gesprochen. Damit ist jedoch keine Aussage darüber verbunden, dass § 20 I Nr. 1 EStG insgesamt nur auf unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften anzuwenden wäre. Das ergibt sich zum einen daraus, dass § 20 I Nr. 1 S. 3 EStG auf § 27 KStG verweist, der aber selbst nur für unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften gilt. Hieraus erklärt sich, dass in der Verweisungsnorm des § 20 I Nr. 1 S. 3 EStG dieses Abgrenzungskriterium nur für solche Körperschaften genannt werden konnte (ebenso J. Intemann in: Herrmann/Heuer/Raupach, Steuer-

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

ist lediglich, dass die ausländische Gesellschaft mit einer inländischen Körperschaft i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG vergleichbar ist. Es kann dann auch der Sparerfreibetrag von bis zu 1.370 € bzw. 2.740 € bei Zusammenveranlagung nach § 20 Abs. 4 EStG beansprucht werden. Wie bei der Inlandsdividende auch tritt zur Einkommensteuerbelastung beim Anteilseigner noch die mit Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer hinzu. Bemerkenswert ist die unmodifizierte Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens auf Auslandsdividenden insbesondere deshalb, weil diese regelmäßig auf Ebene der ausschüttenden Gesellschaft einer anderen ertragsteuerlichen Vorbelastung als Inlandsdividenden unterlegen haben werden. Die genaue Höhe hängt vom Besteuerungsregime des Sitzstaates der ausschüttenden Kapitalgesellschaft ab. Da Deutschland zumindest europaweit nach wie vor zu den relativ hoch besteuernden Staaten zählt102, wird sie häufig niedriger sein. Eine Korrektur des Anteils der freigestellten Dividendeneinkünfte findet indes nicht statt. Lediglich bei sogenannten passiven Einkünften, die von einer in einem Niedrigsteuerland beheimateten Kapitalgesellschaft erwirtschaftet werden, wird der im Vergleich zum Inlandssachverhalt geringeren Vorbelastung unter Umständen durch die Hinzurechnungsbesteuerung nach dem AStG Rechnung getragen103. Ausländische Quellensteuer auf Dividenden ist grundsätzlich nach § 34c EStG anrechenbar. Die Anrechnung der ausländischen Steuer ist nicht – wie dies der Gesetzesentwurf der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN noch vorsah104 – auf die Hälfte begrenzt. Der Finanzausschusses hielt dies für nicht sachgerecht, da auch die deutsche Kapitalertragsteuer nach § 36 EStG in vollem Umfang angerechnet werde105. Die Vorschrift gewährt allerdings nur einen sogenannten ordinary credit, das heißt die ausländische Quellensteuer wird maximal in Höhe der deutschen Einkommensteuer angerechnet, die im Halbeinkünfteverfahren auf die Dividendeneinkünfte entfällt. Außerdem findet keine länderübergreifende Anrechnung ausländischer

________________________

102 103 104 105

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reform I,, § 3 Nr. 40 (Stand: 04/01), Rz. 124; T. Rödder in: Schaumburg/Rödder, Unternehmenssteuerreform 2001, S. 544 zu § 8b KStG). Zum anderen war es erklärtes Ziel des Gesetzgebers, Dividenden von ausländischen Gesellschaften in das Halbeinkünfteverfahren einzubeziehen, um dieses europatauglich auszugestalten (vgl. BT-Drs. 14/2683, S. 95). Vergleiche die Übersichten bei C. Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 367 ff. Näheres dazu unten 3. Vgl. BT-Drs. 14/2683, S. 6. Siehe dazu die Ausführungen im Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf des StSenkG, BT-Drs. 14/3366, S. 119.

Auslandsdividenden

Einkommensteuer statt, sondern die Anrechnungsbeträge werden im Wege der per-country-limitation segmentiert und können nur je gesondert auf inländische Einkommensteuer angerechnet werden. Schließlich mindert sich die Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer, auch soweit sie den Dividendeneinkünften zuzurechnen ist, noch um Sonderausgaben und andere persönliche Lasten, so dass auch der Anrechnungshöchstbetrag um einen entsprechenden Faktor geringer ist106. Das Bestehen eines DBA mit dem Land, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, ist regelmäßig ohne Belang für die Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens. Denn die Art. 10 Abs. 1 OECD-MA 2000 nachgebildeten Dividendenartikel weisen regelmäßig das Besteuerungsrecht dem Staat zu, in dem der Dividendenempfänger ansässig ist. Folglich hat regelmäßig Deutschland als Staat der Ansässigkeit des unbeschränkt Steuerpflichtigen das Besteuerungsrecht für die von diesem bezogenen ausländischen Dividenden. Entsprechend Art. 10 Abs. 2, 23 B Abs. 1 lit. a OECDMA muss lediglich eine eventuell erhobene ausländische Quellensteuer auf die inländische Steuerschuld angerechnet werden; dies ist grundsätzlich über § 34c EStG gewährleistet. b) Spanien Dividenden, die eine natürliche Person direkt aus dem Ausland bezieht, unterliegen anders als in Deutschland der ungemilderten Einkommensteuer. Eine Anrechnung in Höhe von 40 % der empfangenen Bruttodividende, wie sie bei Inlandsdividenden praktiziert wird, ist nicht vorgesehen107. Allerdings werden Auslandsdividenden in Art. 81 LIRPF nicht explizit vom Anwendungsbereich des Anrechnungsverfahrens ausgeschlossen. Die Vorschrift begrenzt den Entlastungsmechanismus generell auf Einkünfte im Sinne des Art. 23 Abs. 1 LIRPF, der in lit. a Nr. 1 nur „Dividenden“ ohne weitere Einschränkungen nach ihrer Herkunft benennt. Die Höhe der gewährten Anrechnung korrespondiert aber mit der in Art. 23 Abs 1 lit. b LIRPF vorgesehenen Erhöhung der Bemessungsgrundlage um den Anrechnungsbetrag – diese Vorschrift wiederum ist auf Beteiligungen an spanischen Körperschaftsteuersubjekten beschränkt. Man wird darum aus dem inneren Zusammenhang der beiden Normen schließen müssen, dass sie sich lediglich auf inländische Dividenden beziehen108. Dies ist im übrigen im spanischen Schrifttum gänzlich unbestritten; die Begrenzung des Art. 81 LIRPF auf die

________________________ 106 Vgl. auch J. M. Mössner in: Haarmann, Die beschränkte Steuerpflicht, S. 110 (124). 107 J. López Rodríguez, Cronica Tributaria 2000, S. 151 (156 f.). 108 Ähnlich B. Pérez Bernabeu, QF 2003/07, S. 31 (33).

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

Integration von – inländischer – LIS und LIRPF wird meist schlicht vorausgesetzt109. Unilateral gewährt das spanische Einkommensteuerrecht lediglich die Anrechnung ausländischer Kapitalertragsteuern im Wege des ordinary credit110, vergleichbar der in § 34c EStG enthaltenen Regelung. Art. 82 Abs. 1 lit. a LIRPF sieht für ausländische Einkommensbestandteile generell vor, dass ausländische Ertragsteuern, mit denen im Inland steuerbare Einkünfte belegt worden sind, auf die spanische Einkommensteuerschuld anrechenbar sind. Dies gilt somit auch für Dividendeneinkünfte. Die Anrechnung ist nach Art. 82 Abs. 1 lit. b LIRPF aber begrenzt auf den Steuerbetrag, der bei Anwendung des gemäß Art. 82 Abs. 2 LIRPF ermittelten Durchschnittssteuersatzes des Steuerpflichtigen auf diese Einkommensbestandteile entfallen würde111. Wie in Deutschland auch mindern darum persönliche Abzüge und Steuervergünstigungen den Anrechnungshöchstbetrag112. Dafür kennt das spanische System der Anrechnung ausländischer Steuern auf das Einkommen keine per-country-limitation113. Natürliche Personen können allerdings in gewissem Maße eine pauschale Anrechnung auch ausländischer Körperschaftsteuer erreichen, wenn sie zum Zwecke des Dividendenbezugs eine inländische Gesellschaft zwischenschalten. Das liegt daran, dass die Pauschalanrechnung nach Art. 81 LIRPF nicht voraussetzt, dass die ausgeschütteten Dividenden mit inländischer Körperschaftsteuer vorbelastet sind114. Bleibt bei der gebietsansässigen Gesellschaft der Bezug von Auslandsdividenden gemäß Art. 21 Abs. 1 LIS steuerfrei115, so bedeutet das dem Anteilseigner anlässlich der späteren Weiterleitung der Dividende gewährte Anrechnungsguthaben nach Art. 80 lit. a ________________________ 109 Vgl. z. B. P. Molina Gómez-Arnau, CDFI LXXXVIIIa, S. 809 (819); J. Ramallo

110 111

112 113 114 115

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Massanet in: Orón Moratal, Los nuevos impuestos, Art. 66, S. 470 ff.; J. de Grado Trabanca in: Landwell, Comentarios a la LIRPF, Art. 66, S. 352 ff. u. Art. 67, S. 358; L. M. Cazorla Prieto in: Yebra Martul-Ortega/García Novoa/López Díaz (Hrsg.), Estudios del IRPF, S. 353; I. Pérez Royo, Manual del IRPF, 3. ed., S. 184 ff. I. Pérez Royo, Manual del IRPF, 3. ed., S. 572; M. Lucas Durán, Fiscalidad internacional, S. 168; ders. in: Serrano Antón, Fiscalidad internacional, S. 345. Nicht in die Ermittlung des Durchschnittssteuersatzes einbezogen werden Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften (ganancias y perdidas patrimoniales), soweit diese dem Sondersteuersatz nach Art. 53 u. 63 LIRPF unterliegen. Vgl. J. Ramallo Massanet in: Orón Moratal, Los nuevos Impuestos, Art. 67 LIRPF, S. 476. I. Pérez Royo, Manual del IRPF, 3. ed., S. 572 f. J. de Grado Trabanca in: Landwell, Comentarios a la LIRPF, Art. 67, S. 357. C. de Pablo Varona, RDFHP 2002, S. 51 (114 f.). Dazu näher unter C.II.2; vor der Neubekanntmachung des LIS handelte es sich um Art. 20bis LIS.

Auslandsdividenden

LIRPF im Ergebnis eine Entlastung von ausländischer Körperschaftsteuer116. Ist bei der ausschüttenden Gesellschaft nicht Art. 21 Abs. 1 LIS, sondern der indirekte Anrechnungsmechanismus des Art. 32 Abs. 1 LIS einschlägig117, so wird eine vollständige oder mindestens teilweise Entlastung von ausländischer Körperschaftsteuer schon auf Ebene der Gesellschaft hergestellt118. Ähnlich wie auch in Deutschland wirken sich die von Spanien abgeschlossenen DBA bei im Privatvermögen gehaltenen Beteiligungen kaum auf die Besteuerung von Auslandsdividenden aus. Nach dem Vorbild des Art. 10 Abs. 2, 23 B Abs. 1 lit. a OECD-MA ist regelmäßig vorgesehen, dass Spanien ausländische Quellensteuer auf die inländische Steuerschuld anrechnen muss119. Diese Bestimmungen werden über Art. 96 Abs. 1 der spanischen Verfassung mit ihrer Ratifizierung Teil des innerstaatlichen Rechts und gehen den Vorschriften des LIRPF im Rang vor, vgl. Art. 96 Abs. 1 S. 2 CE, Art. 5 LIRPF120. Das gilt auch dann, wenn sie ausnahmsweise, etwa wegen einer per-country-limitation, für den Steuerpflichtigen ungünstiger sind als Art. 82 Abs. 1 lit. a LIRPF121. ________________________ 116 Vgl. C. de Pablo Varona, La tributación del socio, S. 379 Fn. 70; ders., Inf. Fiscal

2001, S. 85 (124 f.). 117 Dazu näher unter C.II.2; vor der Neubekanntmachung des LIS handelte es sich um

Art. 31 LIS. 118 T. Cordón Ezquerro, Cronica Tributaria 1996, S. 11 (31); E. Sanz Gadea, RCT 1995,

S. 133 (189). Die Belastung mit ausländischer Körperschaftsteuer wird bei Geltung des Art. 30 Abs. 1 LIS sogar dann rückgängig gemacht, wenn der inländischen Zwischengesellschaft nach den Grundsätzen der internen Fiskaltransparenz ausnahmsweise keine steuerliche Abschirmwirkung zuerkannt wird, Art. 72 LIRPF, 75 ff. LIS. In diesem Fall wird zwar die nach körperschaftsteuerlichen Maßstäben ermittelte Bemessungsgrundlage unmittelbar den Gesellschaftern zugerechnet, Art. 72 Abs. 1 LIRPF, 75 Abs. 2 u. 3 LIS. Die nach dem LIS gewährten Abzüge von der Steuerschuld können aber auch von Gesellschaftern beansprucht werden, so auch die Anrechnung nach Art. 30 Abs. 1 LIS, vgl. Art. 73 lit. a LIRPF, 75 Abs. 4 lit. a LIS. Einzig bei gleichzeitiger Geltung des Art. 20bis Abs. 1 LIS und der Art. 75 ff. LIS, d. h. im Falle der Anwendung der Freistellungsmethode bei einer der Fiskaltransparenz unterliegenden Gesellschaft, läuft deren Zwischenschaltung ins Leere: Infolge der mit der unmittelbaren Zurechnung der Gewinne korrespondierenden Steuerfreiheit der Dividenden, Art. 75 Abs. 5 S. 4 LIS, kann das einkommensteuerliche Anrechnungsverfahren nicht greifen, so dass die ausländische Belastung bestehen bleibt. 119 J. R. Medina Cepero, Tribuna Fiscal 2001, S. 61 (63 f.). 120 G. Casado Ollero in: Orón Moratal, Los nuevos Impuestos, Art. 5 LIRPF, S. 42. 121 Vgl. J. Ramallo Massanet in: Orón Moratal, Los nuevos Impuestos, Art. 67 LIRPF, S. 475; I. Pérez Royo, Manual del IRPF, 3. ed., S. 572. Die Gegenauffassung von J. de Grado Trabanca in: Landwell, Comentarios a la LIRPF, Art. 67, S. 357, wonach dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zwischen der Anwendung inter- und innerstaatlichen Rechts zustehe, ist abzulehnen. Sie ist insbesondere nicht mit Art. 96

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

Darüber hinaus kennt auch Spanien eine Regime der Hinzurechnungsbesteuerung bei bestimmten, als „passiv“ zu qualifizierenden Einkünften122, die von einer in einem Niedrigsteuerland beheimateten Kapitalgesellschaft erwirtschaftet werden, die sogenannte „Internationale Fiskaltransparenz“ (transparencia fiscal internacional) des Art. 92 LIRPF123. Die Voraussetzungen dieser Fiskaltransparenz sind freilich wesentlich enger gefasst als die der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung124.

2. Beteiligung im Betriebsvermögen a) Deutschland Das nationale Einkommensteuerrecht und das Recht der Zuschlagsteuern sieht für im Betriebsvermögen gehaltene Auslandsbeteiligungen keine Sonderbehandlung der Dividenden vor, sieht man von der Versagung des Sparer-Freibetrages ab. Abweichungen zur Einkommensbesteuerung nichtbetrieblicher Dividenden können sich aber aus dem zwischenstaatlichen Abkommensrecht ergeben: Denn regelmäßig enthalten die von Deutschland abgeschlossenen DBA in ihrem Dividendenartikel nach dem Vorbild des Art. 10 Abs. 4 OECD-MA 2000 einen sog. Betriebsstättenvorbehalt: Danach sind Dividendeneinkünfte, die in einer ausländischen Betriebsstätte des unbeschränkt Steuerpflichtigen anfallen, nach den Regeln über Unternehmensgewinne zu behandeln125. Für diese sehen die deutschen DBA in Anlehnung an Art. 7 Abs. 1 S. 2 OECD-MA üblicherweise vor, dass der Quellenstaat das Besteuerungsrecht erhält. Die gebotene Vermeidung von Doppelbesteuerung wird in der Abkommenspraxis regelmäßig durch die Freistellungsmethode gewährleistet. Das führt dazu, dass einer ausländischen Betriebs-

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Abs. 1 S. 2 CE vereinbar, wonach Abweichungen von Abkommensbestimmungen grundsätzlich nur in den im Abkommen selbst vorgesehenen Fällen möglich sind. Zur Begrifflichkeit vgl. Florentino Carreño in: Cuatrecasas, Comentarios al IS, Cap. 31, S. 2054. Art. 75 LIRPF a. F. Näher dazu unten 3. Zur Zuordnung von Beteiligungseinkünften zur ausländischen Betriebsstätte eines Steuerpflichtigen werden unterschiedliche Ansätze vertreten, siehe näher C. Nowotny, Betriebsstättengewinnermittlung, S. 143 ff.; H.-J. Kleineidam, IStR 2004, S. 1 (4) sowie die Beiträge zur Podiumsdiskussion auf dem 49. Fachkongress der Steuerberater, StbJb 1997/98, S. 493 (503 ff.). Vgl. auch die unklare Verwaltungsanweisung des BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, S. 1076, Tz. 2.4: „Die Anteile an einer Kapitalgesellschaft sind der Betriebsstätte zuzurechnen, wenn und soweit sie ihr dienen.“ Eine gewisse Präzisierung erfährt dieses Kriterium durch die Entscheidung des BFH v. 17.12.2003, BFH/NV 2004, S. 771 (772).

Auslandsdividenden

stätte zuzurechnende Dividendenbezüge bei Bestehen eines DBA mit dem Betriebsstättenstaat grundsätzlich nicht der Besteuerung nach §§ 15 Abs. 1, 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 EStG unterliegen126. Insbesondere das Halbeinkünfteverfahren der §§ 3 Nr. 40 S. 1 lit. d, 3c Abs. 2 EStG kann dann nicht zur Anwendung gelangen. Hinsichtlich der Gewerbesteuer gilt grundsätzlich das oben zu inländischen Dividenden Gesagte. Ausländische Dividenden sind unter den Voraussetzungen des internationalen Schachtelprivilegs des § 9 Nr. 7 GewStG gänzlich gewerbesteuerfrei. Wie auch beim auf den Binnenkontext zugeschnittenen Pendant des § 9 Nr. 2a GewStG ist vor allem eine zu Beginn des Erhebungszeitraums bestehende Beteiligung in Höhe von mindestens 10 % erforderlich. Daneben enthält die Vorschrift noch eine Aktivitätsklausel hinsichtlich der Ertragsquellen der ausschüttenden Gesellschaft. Greift § 9 Nr. 7 GewStG nicht ein, werden die Auslandsdividenden wegen der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG grundsätzlich in vollem Umfang, wenngleich nach Abzug aller damit zusammenhängenden Betriebsausgaben, der Gewerbesteuer unterworfen. Etwas anderes gilt nur, wenn sie über eine ausländische Betriebsstätte des Steuerpflichtigen bezogen werden. Dann sind die Dividendeneinkünfte nämlich unabhängig vom Vorliegen der Schachtelvoraussetzungen des § 9 Nr. 7 GewStG nach § 9 Nr. 3 S. 1 GewStG aus dem

________________________ 126 Abweichend von obigem Grundsatz kommt eine Besteuerung von Dividendenein-

künften einer ausländischen Betriebsstätte auch bei Bestehen eines DBA in Betracht, wenn dieses eine sogenannte Aktivitätsklausel für die freigestellten Einkünfte vorsieht, der Dividendenbezüge unter Umständen nicht unterfallen. Näher dazu BFH v. 7.8.2002 – I R 10/01, BStBl. II 2002, S. 848; G. Strunk/B. Kaminski, IStR 2003, S. 181 (184 ff.); N. Krawitz/D. Büttgen-Pöhland/C. Hick, FR 2003, S. 109 ff. Außerdem sind im Sinne des § 8 Abs. 3 AStG niedrig vorbelastete Auslandsdividenden nicht freigestellt, soweit sich die ausgeschütteten Gewinne aus „passiven“ Einkünften im Sinne des § 8 Abs. 1 AStG speisen. Dies gilt seit der Neufassung des § 20 Abs. 2 AStG durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz (StVergAbG, BGBl. I 2003, S. 660) für alle Arten von Dividendeneinkünften; die Begrenzung auf Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter i. S. d. § 10 Abs. 6 AStG a. F. wurde fallengelassen. Generell a. A. ist F. Wassermeyer in: Debatin/Wassermeyer, MA Art. 7 Rz. 160. Er meint, Art. 10 IV OECD-MA schlage nur auf den Quellenstaat durch, weshalb für den Ansässigkeitsstaat weiterhin nur zur Anrechnung verpflichtende Dividendeneinkünfte vorlägen. Dies überzeugt aber nicht, weil Art. 10 IV OECD-MA nur einen Rückverweis beinhaltet und Art. 7 VII OECD-MA verdeutlicht, dass es sich in diesen Fällen für beide Staaten verbindlich von vornherein um Unternehmensgewinne handelt.

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

Gewerbeertrag herauszukürzen127. Das gilt auch für den zuvor nach § 8 Nr. 5 GewStG hinzugerechneten Teil128. b) Spanien Das spanische LIRPF erlaubt auch bei Auslandsbeteiligungen keine einkommensteuerliche Zuordnung zum Betriebsvermögen. Die entsprechende Ausnahmebestimmung des Art. 27 Abs. 1 lit. c LIRPF gilt unabhängig davon, ob die betroffenen Anteile an einer auslands- oder inlandsansässigen Gesellschaft gehalten werden. Nichtsdestotrotz können sich bei Auslandsdividenden aufgrund zwischenstaatlicher DBA auch in Spanien Abweichungen zu privat gehaltenen Beteiligungen ergeben. Denn in den von Spanien abgeschlossenen DBA ist im Unterschied zur internen Rechtsordnung regelmäßig die Möglichkeit vorgesehen, dass die Beteiligung an der ausschüttenden Gesellschaft im Betriebsvermögen gehalten wird. Die spanische Abkommenspraxis orientiert sich am OECD-MA, und hat darum auch den Betriebsstättenvorbehalt nach Art. 10 Abs. 4 OECD-MA regelmäßig in die DBA inkorporiert129. Ist die dividendenvermittelnde Beteiligung also Teil des Betriebsvermögens einer im Ansässigkeitsstaat der ausschüttenden Gesellschaft belegenen Betriebsstätte, so sind die Dividenden in Spanien üblicherweise von der Besteuerung freigestellt. Ihre ertragsteuerliche Belastung richtet sich dann allein nach dem ausländischen Regime der Dividendenbesteuerung. Die steuerliche Be________________________ 127 Bei den hier interessierenden ausländischen Dividendenbezügen kann der Streit,

inwieweit Gewinne aus ausländischer Tätigkeit überhaupt der Gewerbesteuer unterliegen (bejahend etwa BFH v. 2.12.1992 – I R 165/90, BStBl. II 1993, S. 577 (580) und V. Sarrazin in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 9 Nr. 3 (Stand: 06/97), Rz. 5; ablehnend z. B. G. Güroff in: Glanegger/Güroff, GewStG, 5. Aufl., § 2 Rz. 6; M. Popp in: Meyer-Scharenberg/Popp/Woring, GewSt, 2. Aufl., § 2 Rz. 733) dahingestellt bleiben. Durch das Schachtelprivileg § 9 Nr. 7 GewStG gibt der Gesetzgeber im Umkehrschluss unzweifelhaft zu erkennen, dass er Auslandsdividenden grundsätzlich als gewerbesteuerbar ansieht. Dies wird auch aus der Vorschrift des § 8 Nr. 5 GewStG ersichtlich, die ausdrücklich auch von § 8b V KStG erfasste Dividenden der Hinzurechnung unterwirft; die Vorschrift des § 8b V KStG gelangt aber nur bei Auslandsdividenden zur Anwendung. 128 Würde das GewStG eine solche Kürzung des Gewerbeertrages nicht in § 9 Nr. 3 explizit vorsehen, so würde das Gleiche regelmäßig aus der Freistellungsregelung für Betriebsstättengewinne in den von Deutschland abgeschlossenen DBA folgen, die üblicherweise die Gewerbesteuer in ihren Anwendungsbereich mit einbeziehen. Im Übrigen gilt § 9 Nr. 3 GewStG auch im Anwendungsbereich des § 20 II AStG, d. h. wenn die abkommensrechtliche Freistellung der Betriebsstätteneinkünfte durchbrochen wird (vgl. S. Grotherr, IWB F 3, G 1, S. 1935 (1946)). 129 Vgl. z. B. die jeweiligen Art. 10 Abs. 4 der DBA mit Deutschland, den USA und Japan.

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Auslandsdividenden

handlung von betrieblichen Beteiligungen nähert sich damit bei Auslandsdividenden etwas stärker an die deutsche Rechtslage an.

3. Exkurs: Hinzurechnungsbesteuerung Sowohl in Deutschland als auch in Spanien wird unter bestimmten Umständen die steuerliche Abschirmwirkung einer ausländischen Kapitalgesellschaft durchbrochen. Die Kapitalgesellschaft wird dann transparent besteuert. Die von ihr erwirtschafteten Gewinne werden dem inländischen Gesellschafter einkommensteuerlich unmittelbar zugerechnet, das heißt seinem persönlichen Einkommen hinzugerechnet, soweit sie auf seine Beteiligung an der Gesellschaft entfallen. Zumindest vom konzeptionellen Ansatz her hat das weiter zur Folge, dass Dividenden aus solchen Beteiligungen bei ihrer Ausschüttung nicht mehr besteuert werden, weil die ausgeschütteten Gewinne dem Gesellschafter ja schon zuvor unmittelbar zugerechnet wurden. Ursprünglich war diese Art der „Fiskaltransparenz“ bzw. Hinzurechnungsbesteuerung in Deutschland wie in Spanien zur Verhinderung der Steuerflucht konzipiert, die durch Verlagerung von Einkünften in Niedrigsteuerländer bei Zwischenschaltung von Kapitalgesellschaften eintrat130. In Deutschland soll sie nach dem Willen des Gesetzgebers inzwischen auch sicherstellen, dass nur hinreichend vorbelastete ausländische Gewinnen in den Genuss des Halbeinkünfteverfahrens bzw. der Dividendenfreistellung nach § 8b Abs. 1 KStG131 gelangen132. Dementsprechend ist ihr Anwendungs________________________ 130 Für Deutschland vgl. die Leitsätze der Bundesregierung v. 17.12.1970 zum Außen-

steuerreformgesetz, zitiert nach F. Wassermeyer in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 7 AStG (Stand: 10/02), S. 13 sowie die Regierungsbegründung zum Gesetzentwurf für das Außensteuergesetz, BT-Drs. VI/2883, S. 18 ff.; Für Spanien vgl. die Begründung (exposición de motivos) der Ley 42/1994 v. 30.12.1994, BOE v. 31.12.1994; ferner A. Serrano Gutiérrez, Transparencia Fiscal, Rz. 4755; M. A. Caamaño Anido in: Yebra Martul-Ortega u. a., Estudios del IRPF, S. 600; F. Carreño in: Cuatrecasas, Comentarios al IS, S. 2061; G. Núñez Pérez in: Orón Moratal, Los nuevos impuestos, Art. 75 LIRPF, S. 532; S. Barrenechea Elorrieta in: Landwell, Commentarios a la LIRPF, Art. 75, S. 386. 131 Dazu näher unten C.I.1. 132 Vgl. die Begründung zum StSenkG 2000, BT-Drs. 14/2683, S. 132: „Durch die Unternehmenssteuerreform wird der Körperschaftsteuersatz für einbehaltene Gewinne auf 25 % gesenkt. Gewinnausschüttungen werden innerhalb der Unternehmenskette durch ein Dividendenprivileg steuerfrei gestellt und nur beim Letztempfänger (natürliche Person) dem Halbeinkünfteverfahren unterworfen. Dieses Verfahren setzt voraus, dass die an den Letztempfänger ausgeschütteten Dividenden auf der Ebene der ausschüttenden Gesellschaften einer ausreichenden Vorbelastung unterlegen haben. Dies muss auch für Einkünfte aus passivem Erwerb gelten, die die ausschüttende Gesellschaft von ausländischen Beteiligungsgesellschaften bezieht, die Zwi-

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

bereich in Deutschland durch die Unternehmenssteuerreform deutlich erweitert worden. Da die Hinzurechnungsbesteuerung als solche nicht Gegenstand dieser Arbeit ist, soll sie im Folgenden nur in ihren jeweiligen Grundzügen skizziert werden, um ein vollständiges Bild der Dividendenbesteuerung zu geben. a) Deutschland Eine Hinzurechnungsbesteuerung des Gewinns einer ausländischen Gesellschaft kommt grundsätzlich nur unter zwei Voraussetzungen in Betracht: Zum einen müssen an der Gesellschaft unbeschränkt Steuerpflichtige133 zu mehr als der Hälfte beteiligt sein, § 7 Abs. 1 u. 2 AStG134. Wann im einzelnen von einer solchen Mehrheitsbeteiligung auszugehen ist, ist in den Abs. 2 bis 5 des § 7 AStG geregelt. Zum anderen muss die Gesellschaft für die hinzuzurechnenden Einkünfte Zwischengesellschaft im Sinne von § 8 Abs. 1 AStG sein. Das ist der Fall, soweit sie sogenannte Einkünfte aus passivem Erwerb erzielt, die einer niedrigen Besteuerung unterliegen135. Welche Einkünfte als solche aus passivem Erwerb anzusehen sind, kann im Umkehrschluß der Aufzählung der sogenannten Einkünfte aus aktivem Erwerb in § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 9 AStG entnommen werden. Überwiegend handelt es sich um Einkünfte, die dem Bereich der Vermögensverwaltung zuzuordnen sind; ein „roter Faden“ kann der Aufzählung aber nicht eindeutig entnommen werden136. Eine niedrige Besteuerung ist nach § 8 Abs. 3 AStG anzu________________________

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schengesellschaften im Sinne des AStG sind und die in ihrem Sitzstaat niedrig besteuert werden. Die [Gesetzes-]Änderung verschärft daher die bestehenden Vorschriften der Hinzurechnungsbesteuerung für die Einkünfte aus passivem Erwerb“. Diese auf Kapitalgesellschaften als Anteilseigner zugeschnittene Begründung passt ohne weiteres auch auf die direkte Beteiligung der natürlichen Person an der ausländischen Zwischengesellschaft. Ggf. zusammen mit erweitert beschränkt Steuerpflichtigen im Sinne von § 2 AStG. Erzielt die ausländische Gesellschaft Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter im Sinne von § 7 Abs. 6a AStG (im Wesentlichen solche aus dem Halten oder der Verwaltung von Wertpapieren, Forderungen oder ähnlichen Vermögenswerten), so unterliegen diese vorbehaltlich einer Bagatellgrenze schon dann der Hinzurechnungsbesteuerung, wenn ein unbeschränkt Steuerpflichtiger zu mindestens 1 % an der Zwischengesellschaft beteiligt ist, § 7 Abs. 6 S. 1 AStG. Wenn die Zwischengesellschaft ausschließlich oder fast ausschließlich Bruttoerträge aus Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter erzielt, § 7 Abs. 6 S. 3 AStG, führen sogar Splitterbeteiligungen unter 1 % grundsätzlich zur Hinzurechnung. Machen die Einkünfte aus passivem Erwerb nicht mehr als 10 % des Bruttoertrages aus, so werden sie gemäß § 9 AStG nur hinzugerechnet, wenn sie die Freigrenze von 62.000 Euro überschreiten. Kritisch F. Wassermeyer in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 8 AStG (Stand: 11/02), Rz. 21 u. 40.

Auslandsdividenden

nehmen, wenn die Einkünfte der ausländischen Gesellschaft einer Belastung durch Ertragsteuern von weniger als 25 v. H. unterliegen. Ausgehend von einem einheitlichen Einkünftebegriff ist diese Belastung auf der Basis einer nach den Vorschriften des EStG ermittelten Bemessungsgrundlage zu berechnen137. Die Hinzurechnungsbesteuerung bewirkt, dass der Gewinn der ausländischen Gesellschaft gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 AStG unmittelbar dem inländischen Anteilseigner zugerechnet wird. Diese Ausschüttungsfiktion führt nach § 10 Abs. 2 S. 1 AStG bei im Privatvermögen gehaltenen Gesellschaftsanteilen zu Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Bei einer im Betriebsvermögen gehaltenen Beteiligung wird der Hinzurechnungsbetrag gemäß § 20 Abs. 3 EStG den Einkünften aus Gewerbebetrieb zugeordnet. Über § 7 GewStG ist er damit zusätzlich gewerbesteuerpflichtig138. Der Hinzurechnungsbetrag gilt unmittelbar nach Ablauf des maßgeblichen Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft als beim Anteilseigner zugeflossen. Von ihm abgezogen werden die zu Lasten der ausländischen Gesellschaft erhobenen Ertrag- und Vermögensteuern, soweit sie auf den Gewinn bzw. das zu dessen Erzielung eingesetzte Vermögen entfallen, § 10 Abs. 1 S. 1 AStG. Allerdings können dem Steuerpflichtigen auf seinen Antrag hin gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 AStG die ausländischen Ertrag- und Vermögensteuern auf die Einkommensteuer, die auf den Hinzurechnungsbetrag entfällt, angerechnet werden. Dann wird der Abzug der ausländischen Steuern von der Bemessungsgrundlage wieder rückgängig gemacht, und es wird der Gewinn vor ausländischen Steuern hinzugerechnet, § 12 Abs. 1 S. 2 AStG. In jedem Fall darf das Halbeinkünfteverfahren gemäß § 10 Abs. 2 S. 3 AStG auf den Hinzurechnungsbetrag nicht angewandt werden. Dieser ist vielmehr beim inländischen Anteilseigner in Höhe des den Sparerfreibetrag überschreitenden Teils voll der Einkommensteuer unterworfen. Letztlich wird damit im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung bei entsprechender Option des Steuerpflichtigen eine Art internationales Vollanrechnungsverfahren praktiziert. Schüttet die ausländische Gesellschaft den von ihr erwirtschafteten Gewinn an den Anteilseigner aus, so findet die vorherige Hinzurechnung zu dessen Einkünften nach § 3 Nr. 41 lit. a EStG Berücksichtigung. Danach bleiben ________________________ 137 F. Wassermeyer in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 8 AStG

(Stand: 11/02), Rz. 395 f. mit Nachweisen auch zur Gegenauffassung. 138 Kürzungen nach § 9 Nr. 7 GewStG oder analog zu § 9 Nr. 3 GewStG scheiden aus.

Das Gesetz geht vielmehr ausweislich des § 21 Abs. 7 S. 4 Nr. 2 AStG davon aus, dass der Hinzurechnungsbetrag gewerbesteuerpflichtig ist (zu Unrecht zweifelnd T. Rödder/A. Schumacher, DStR 2002, 105 (112)).

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

die Gewinnausschüttungen steuerfrei, wenn sie im Kalenderjahr des Bezugs oder in den vorangegangenen sieben Kalenderjahren139 der Hinzurechnungsbesteuerung nach § 10 Abs. 2 AStG unterlegen haben140. Kehrseite dieser Steuerbefreiung ist allerdings, dass das Gesetz in § 3 Nr. 41 lit. a zugleich die entsprechende Anwendung des Abzugsverbotes nach § 3c Abs. 2 EStG anordnet141. Die Steuerbefreiung der tatsächlich bezogenen Dividende würde an sich dazu führen, dass anlässlich der Ausschüttung erhobene ausländische Quellensteuern vom Anteilseigner nicht nach § 34c Abs. 1 EStG auf die deutsche Einkommensteuerschuld angerechnet werden könnten. Dieses Ergebnis wird durch § 12 Abs. 3 AStG teilweise vermieden. Danach können ausländische Steuern auf nach § 3 Nr. 41 EStG steuerbefreite Einkünfte in entsprechender Anwendung des § 34c Abs. 1 und 2 EStG angerechnet oder abgezogen werden, wenn das beantragt wird142. b) Spanien Das spanische System der internationalen Fiskaltransparenz ist erst verhältnismäßig spät, nämlich 1995, Teil der nationalen Steuerrechtsordnung geworden. Für die Besteuerung natürlicher Personen ist es in Art. 92 LIRPF geregelt; die Parallelregelung für Körperschaften in Art. 107 LIS143 ist fast inhaltsgleich144. Dabei orientierte sich der spanische Gesetzgeber ausdrücklich an vergleichbaren Regelungen im europäischen Ausland145. Die internationale Fiskaltransparenz Spaniens ist darum in der Konzeption der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung sehr ähnlich, der Anwendungsbereich ist freilich deutlich enger gefasst: Das spanische Steuerrecht verlangt, dass an der ausländischen Gesellschaft unbeschränkt Steuerpflichtige mindestens zur Hälfte beteiligt oder dass sie sonst zu deren Kontrolle befähigt sind, Art. 92 Abs. 1 lit. a LIRPF146. Die Vorschrift stimmt insoweit praktisch mit § 7 Abs. 1 AStG überein. Darüber ________________________ 139 Zu Recht kritisch zur siebenjährigen Präklusionsfrist: M. Desens, Halbeinkünftever-

fahren, S. 203 f. m. w. N. 140 Über § 7 GewStG wirkt sich die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 41 EStG bei gewerbli-

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chen Beteiligungen auch auf die Gewerbesteuer aus, so dass die Ausschüttung auch gewerbesteuerfrei bleibt. Eine Hinzurechnung bei Streubesitzdividenden nach § 8 Nr. 5 GewStG findet nicht statt, § 8 Nr. 5 S. 2 GewStG. Zu Recht kritisch M. Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 320. Dies allerdings nicht im Zeitpunkt des Dividendenbezugs, sondern rückwirkend im Veranlagungszeitraum des Anfalls der zugrundeliegenden Zwischeneinkünfte. Art. 121 LIS a. F. A. Serrano Gutiérrez, Transparencia Fiscal, Rz. 4755. Vgl. die Begründung (exposición de motivos) der Ley 42/1994, BOE v. 31.12.1994. Dazu näher J. Calderón González, QF 2001/18, S. 11 (25).

Auslandsdividenden

hinaus müssen diejenigen unbeschränkt Steuerpflichtigen, die 50 % oder mehr des Gesellschaftskapitals auf sich vereinen, eine miteinander durch Verwandtschaft oder Schwägerschaft verbundene Gruppe bilden147. Auch in Spanien greift die Hinzurechnungsbesteuerung ferner nur, soweit die Zwischengesellschaft sogenannte passive Einkünfte erzielt, die einer niedrigen Besteuerung unterliegen148. Der Kreis der passiven Einkünfte wird in Art. 92 Abs. 2 LIRPF vergleichbar der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung abgegrenzt: Im Wesentlichen handelt es sich um Einkünfte, die dem Bereich der Vermögensverwaltung zuzuordnen sind149. Eine niedrige Besteuerung wird ebenfalls an der effektiven Belastung der Gesellschaftsgewinne festgemacht, anders als in Deutschland aber explizit mit dem nationalen Recht verknüpft: Es müssen 75 % der Belastung unterschritten werden, die sich nach dem spanischen Körperschaftsteuergesetz ergeben hätte, Art. 92 Abs. 1 lit. b LIRPF150. Besonders hervorzuheben ist schließlich, dass die internationale Fiskaltransparenz wegen europarechtlicher Bedenken seit dem 1.1.2004 grundsätzlich keine Anwendung mehr findet, wenn die Zwischengesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässig ist, Art. 92 Abs. 13 LIRPF bzw. Art. 107 Abs. 15 LIS151. ________________________ 147 Dem wird der Fall gleichgeachtet, dass eine unbeschränkt steuerpflichtige natürliche

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Person zusammen mit einer ihr im Sinne des Art. 16 Abs. 2 LIS nahestehenden Gesellschaft und gegebenenfalls weiteren Verwandten 50 % der Anteile auf sich vereinigen. Näher dazu M. A. Caamaño Anido in: Yebra Martul-Ortega u. a., Estudios del IRPF, S. 603 f. A. Serrano Gutiérrez, Transparencia Fiscal, Rz. 4757 f. Darüber hinaus werden zum Zwecke des Unterbindens zirkulärer Gestaltungen, die auf die Minderung der spanischen Bemessungsgrundlage durch Berechnung von Entgelten für Dienstleistungen abzielen, auch bestimmte aktive Einkünfte aus Dienstleistungen hinzugerechnet, Art. 75 Abs. 2 lit. c LIRPF. A. Serrano Gutiérrez, Transparencia Fiscal, Rz. 4758; M. A. Caamaño Anido in: Yebra Martul-Ortega u. a., Estudios del IRPF, S. 600. Der genaue Berechnungsmodus ist vergleichsweise kompliziert, weil es einerseits der Bestimmung der effektiven Belastung (nur) der zugerechneten Einkünfte im Ausland und andererseits der Berechnung der fiktiven Inlandsbelastung ausgehend von den spanischen Vorschriften zur Bemessungsgrundlage, Freibeträgen etc. bedarf. Außerdem müssen die Berechnungen nach h. M. separat für jede Art von passiven Einkünften durchgeführt werden. Näher M. A. Caamaño Anido in: Yebra MartulOrtega u. a., Estudios del IRPF, S. 606 ff. u. 615. Eine im Hinblick auf den wahrscheinlichen Ausgang des beim EuGH zur britischen Hinzurechnungsbesteuerung (CFC legislation) anhängigen Verfahrens, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), vorausschauende Regelung, die dem deutschen Gesetzgeber zur Nachahmung zu empfehlen wäre. Eine vergleichbare Klausel wurde in Spanien nach der Lankhorst-Hohorst-Entscheidung des EuGH (v. 12.12.2002, Rs. C-324/00, Slg. 2002, I-11779) auch in Art. 20 LIS betreffend die dortige thin capitalization-rule eingefügt, womit der spanische Gesetzgeber den Steuerpflichtigen wie der Steuer-

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

Liegen die Voraussetzungen der Fiskaltransparenz vor, werden die Gewinne der Zwischengesellschaft unmittelbar dem in Spanien ansässigen Anteilseigner im Umfang seiner Beteiligung zugerechnet152. Der Gewinn berechnet sich insofern nach den Vorschriften des spanischen Körperschaftsteuerrechts, Art. 92 Abs. 6 LIRPF153. Allerdings werden die Hinzurechnungsbeträge für die drei im Gesetz vorgesehenen Arten passiver Einkünfte gesondert ermittelt; ein Verlustausgleich zwischen diesen Einkünften ist ausgeschlossen154. Die Anteilseigner können von dem ihnen zugerechneten Betrag gemäß Art. 92 Abs. 3 S. 4 LIRPF die anteilige Körperschaftsteuer abziehen, welche die Zwischengesellschaft entrichten musste155. Der Hinzurechnungsbetrag gilt grundsätzlich wie in Deutschland unmittelbar nach Ablauf des maßgeblichen Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft als beim Gesellschafter zugeflossen, Art. 92 Abs. 5 LIRPF156. Er wird keiner bestimmten Einkunftsart, sondern der Summe der Einkünfte im Sinne des Art. 38 LIRPF zugeordnet. Schüttet die ausländische Zwischengesellschaft den von ihr erwirtschafteten Gewinn an den Anteilseigner aus, so bleiben die Gewinnausschüttungen wie in Deutschland steuerfrei, wenn sie im Kalenderjahr des Bezugs dem Regime der Fiskaltransparenz unterworfen waren, Art. 92 Abs. 7 LIRPF. Wird ________________________

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verwaltung die Schrecken eines reformierten § 8a KStG erspart hat. Freilich greift die Bereichsausnahme insoweit zu kurz, als dass auch die nicht unionsangehörigen EWR-Mitglieder einzubeziehen wären; auch dürfte selbst eine solche Beschränkung im Hinblick auf die räumlich unbegrenzte Geltung der Kapitalverkehrsfreiheit des EGV nicht unangefochten sein. Eine eingehende Erörterung dieser Probleme würde hier indes zu weit gehen. Abgesehen wird hiervon nur, wenn die relative Bagatellfreigrenze des Art. 75 Abs. 3 S. 1 LIRPF nicht überschritten wird, wonach die passiven Einkünfte mindestens 15 % der Gesamteinkünfte oder 4 % des Gesamtumsatzes betragen müssen, vgl. J. A.Rodriguez Ondarza/J. J. Rubio Guerrero, CT 2000, S. 123 (132 f.). J. Calderón González, QF 2001/18, S. 11 (28). Dies folgt aus Art. 75 Abs. 2 lit. a, b und d LIRPF. Näher hierzu J. Calderón González, QF 2001/18, S. 11 (28); J. A. Rodriguez Ondarza/J. J. Rubio Guerrero, CT 2000, S. 123 (127). Demgegenüber besteht für inländische Gesellschaften, denen nach Art. 121 LIS die Erträge von Zwischengesellschaften zugerechnet werden, diese Möglichkeit nicht, vgl. A. Serrano Gutiérrez, Transparencia Fiscal, Rz. 4910. Das liegt darin begründet, dass bei ihnen die Körperschaftsteuer der Zwischengesellschaft auf die spanische Körperschaftsteuer angerechnet werden kann, soweit beide auf den hinzugerechneten Gewinn entfallen (J. Calderón González, QF 2001/18, S. 11 (29)). Sind bis zur Genehmigung der Jahresabschlüsse nicht mehr als 6 Monate seit Ablauf des Wirtschaftsjahres der Zwischengesellschaft vergangen, kann der Steuerpflichtige stattdessen auch die Zurechnung zum Zeitpunkt der Genehmigung beantragen. Vgl. J. Calderón Gonzalez, QF 2001/18, S. 11 (28); M. A. Caamaño Anido in: Yebra Martul-Ortega u. a., Estudios del IRPF, S. 616 f.

Dividenden an Nichtansässige

aus Rücklagen ausgeschüttet, so kommt es darauf an, ob der ausgeschüttete Teil zuvor nach Art. 92 LIRPF zugerechnet wurde157. Zeitliche Restriktionen für die Steuerfreiheit der Dividenden existieren anders als in Deutschland nicht. Anlässlich der Dividendenausschüttung erhobene ausländische Quellensteuern werden durch die Spezialregelung des Art. 92 Abs. 8 für anrechenbar erklärt, obwohl die Dividenden steuerfrei bleiben, um internationale Doppelbesteuerung zu vermeiden158. Es gelten dafür im Wesentlichen die gleichen Restriktionen wie beim regulären Dividendenbezug, insbesondere ist der Anrechnungshöchstbetrag auf die Belastung begrenzt, die bei einer Besteuerung der Dividenden in Spanien entstünde159.

III. Dividenden an Nichtansässige Die Besteuerung von Steuerausländern ist in Deutschland und Spanien unabhängig von der jeweiligen Einkunftsart durch einen unterschiedlichen Grundansatz geprägt: Die deutsche Steuerrechtsordnung integriert die Vorschriften über die Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger in die jeweiligen Einzelsteuergesetze. Dies hat im Bereich des Ertragsteuerrechts zunächst zur Folge, dass es sich jedenfalls im Ansatz um rechtsformabhängige Regeln handelt, je nachdem ob der Steuerausländer eine körperschaftsteuerpflichtige Gesellschaft oder eine natürliche Person ist160. Spanien hingegen hat die Besteuerung Nichtansässiger in einem eigenen Steuergesetz, der Ley del impuesto sobre la renta de no residentes y normas tributarias (LIRNR)161, geregelt. Es gilt rechtsformunabhängig gleichermaßen für nichtansässige natürliche wie auch juristische Personen, Art. 5 lit. a ________________________ 157 Art. 75 Abs. 7 S. 2 LIRPF bedient sich insoweit einer Verwendungsfiktion, wonach

die zuletzt zugeführten Gewinne als zuerst verwendet gelten. 158 Die inländische Besteuerung der Dividenden ist durch die Fiskaltransparenz ja be-

reits vorweggenommen worden, vgl. M. A. Caamaño Anido in: Yebra Martul-Ortega u. a., Estudios del IRPF, S. 618. 159 Anders als nach § 12 Abs. 3 AStG sieht Art. 75 Abs. 8 LIRPF die Anrechung im Zeitpunkt des Dividendenbezugs vor. 160 Bei Personengesellschaften kommt es wegen deren ertragsteuerlicher Transparenz stattdessen auf die Steuerrechtssubjektivität der Gesellschafter an. 161 Gesetz über die Einkommensbesteuerung von Nichtansässigen. Die LIRNR ist durch Real Decreto Legislativo vom 5.3.2004 neu durchnumeriert und von Buchstabenartikeln befreit worden. Zum Teil stimmen die im Text zitierten Artikel, die sich an der neuen Zählweise orientieren, darum nicht mehr mit der zum 1.1.2004 geltenden Numerierung überein. In diesen Fällen wird bei erstmaliger Nennung eines Artikels in einer Fußnote auf die frühere Zählweise hingewiesen.

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

LIRNR. Die Erfassung und Behandlung der Einkünfte richtet sich entscheidend danach aus, ob sie über eine inländische Betriebsstätte oder unmittelbar, d. h. ohne eine solche Niederlassung bezogen wurden, Art. 15 LIRNR162. Innerhalb der Einzelsteuergesetze spielt die letztgenannte Unterscheidung allerdings auch in Deutschland eine wichtige Rolle. Gemeinsam ist beiden Steuerrechtsordnungen außerdem, dass nur enumerativ aufgelistete inländischen Einkünfte des Steuerausländers steuerbar sind, § 1 Abs. 4 EStG bzw. Art. 12 Abs. 1 LIRNR163.

1. Beteiligung im Privatvermögen a) Deutschland Die Dividende, die eine inländische Körperschaft an eine im Ausland ansässige natürliche Person ausschüttet, gehört zu den inländischen Kapitaleinkünften nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 lit. a EStG164. Der Steuerausländer ist darum mit seinen Dividendeneinkünften beschränkt steuerpflichtig nach § 1 Abs. 4 EStG. Das Halbeinkünfteverfahren gilt an sich auch für an beschränkt Steuerpflichtige ausgeschüttete Dividenden, wie sich im Umkehrschluß zu § 50 EStG ergibt. Sieht nämlich das Gesetz keine ausdrückliche Ausnahme vor, so können auch Nichtansässige die Steuerbefreiungen nach § 3 EStG beanspruchen165. Dennoch kommt der Entlastungsmechanismus des § 3 Nr. 40 S. 1 lit. d EStG bei von Steuerausländern privat bezogenen Dividenden nicht zur Anwendung. Denn in diesen Fällen wird keine Veranlagung zur Einkommensteuer durchgeführt, in deren Rahmen er sich auswirken könnte166. Die deutsche Einkommensteuer auf privat bezogene Dividenden gilt nämlich bei Nichtansässigen durch den nach § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG vorzunehmenden Kapitalertragsteuerabzug als abgegolten, § 50 Abs. 5 S. 1 EStG. Die Dividenden werden dadurch abschließend in Höhe der Kapitalertragsteuer belastet. Diese beläuft sich nach § 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG wie im Binnensachverhalt auf 20 v. H. der Bruttodividende. Die Vorschrift des § 43 Abs. 1 S. 3 EStG ordnet zudem für Dividenden im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG unabhängig von der Ansässigkeit des Beziehers an, dass der Steuerabzug von sämtlichen Kapitalerträgen einschließlich des nach § 3 ________________________ 162 163 164 165

Art. 14 LIRNR a. F. Art. 11 Abs. 1 LIRNR a. F. T. H. Fock, RIW 2001, S. 108 (111). BFH v. 27.7.1988 – I R 28/87, BStBl. II 1989, 449; zustimmend T. H. Fock, RIW 2001, S. 108 (110). 166 T. H. Fock, RIW 2001, S. 108 (112); A. Nacke/J. Intemann in: Herrmann/Heuer/ Raupach, Steuerreform I, § 3 Nr. 40 (Stand: 04/01), Rz. 59.

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Dividenden an Nichtansässige

Nr. 40 EStG steuerbefreiten Teils vorzunehmen ist. Zusätzlich ist gemäß den §§ 3 Abs. 1 Nr. 5, 4 SolZG der Solidaritätszuschlag in Höhe von 5,5 % der zu erhebenden Kapitalertragsteuer einzubehalten. Auch insoweit tritt mangels nachfolgender Veranlagung eine definitive Steuerbelastung ein167. Dagegen kann auch nicht vorgebracht werden, der steuerfreie Teil der Dividenden unterliege nicht der beschränkten Steuerpflicht, so dass die Abgeltungswirkung ins Leere gehe168. Denn die Abgeltung der Einkommensteuer bezieht sich gemäß § 50 Abs. 5 S. 1 EStG nur generell auf Einkünfte, die dem Steuerabzug unterliegen, und nicht auf einzelne Einkünftebestandteile. Die von Deutschland abgeschlossenen DBA stellen die Konzeption der Besteuerung von privaten Beteiligungen Nichtansässiger normalerweise nicht grundsätzlich in Frage. Existiert mit dem Staat, in dem der Steuerausländer ansässig ist, ein DBA, so hat Deutschland in der Regel weiter ein Besteuerungsrecht. Denn der regelmäßig für den Dividendenartikel als Vorbild gewählte Art. 10 Abs. 1 OECD-MA sieht für den Fall des Bezugs von Dividenden durch Steuerausländer vor, dass das Besteuerungsrecht des Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, bestehen bleibt. Die definitive Belastung mit Kapitalertragsteuer wird üblicherweise durch die DBA lediglich abgemildert: In Anlehnung an Art. 10 Abs. 2 S. 1 lit. b OECD-MA wird das deutsche Quellenbesteuerungsrecht in der Regel auf 15 % des Bruttobetrages der Dividende beschränkt169. Auch dann verbleibt es aber bei der Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer170. Der Nichtansässige kann lediglich die Erstattung des gemessen am Abkommensrecht überhöhten Teils der Quellensteuer nach § 50d Abs. 1 S. 2 EStG verlangen. b) Spanien Von einem Steuerausländer bezogene Dividenden aus Anteilen an spanischen Kapitalgesellschaften sind in Spanien steuerbar nach Art. 13 Abs. 1 lit. f LIRNR171. Handelt es sich beim Dividendenempfänger um eine natürliche Person, welche die Anteile im Privatvermögen hält, so können die Dividenden von vornherein nicht über eine inländische Betriebsstätte bezogen werden. Daher richtet sich ihre Besteuerung gemäß Art. 15 Abs. 2 LIRNR nach den Vorschriften über die Besteuerung von Nichtansässigen ohne Betriebsstätte: ________________________ 167 168 169 170

K. Lindberg in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 3 SolzG (Stand: 02/03), Rz. 15. So aber R. Eckert, IStR 2003, S. 406 (409). Vgl. die Übersicht bei W. Tischbirek in: Vogel, DBA, 5. Aufl., Art. 10 Rz. 87. A. Nacke/J. Intemann in: Herrmann/Heuer/Raupach, Steuerreform I, § 3 Nr. 40 (Stand: 04/01), Rz. 59. 171 Art. 12 Abs. 1 lit d LIRNR a. F.; vgl. im Übrigen T. Cordón Ezquerro, Manual de Fiscalidad Internacional, S. 218.

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

Hinsichtlich der Ermittlung der Bemessungsgrundlage verweist dort Art. 24 Abs. 1 LIRNR172 auf die Vorschriften des Einkommensteuerrechts. Nicht berücksichtigt werden dürfen aber die dort vorgesehenen Abzüge von der Bemessungsgrundlage (reducciones), wozu auch die abzugsfähigen Erwerbsaufwendungen zählen173. Die Anwendung der Multiplikatoren des Art. 24 Abs. 1 lit. b LIRPF ist ebenfalls explizit ausgeschlossen. Denn diese bilden bei Ansässigen Teil des Verfahrens zur Anrechnung der auf den ausgeschütteten Gewinn entfallenden Körperschaftsteuer. Eine solche Entlastung sieht das LINRN für Nichtansässige aber nicht vor, vgl. Art. 26 LIRNR174. Die körperschaftsteuerliche Vorbelastung bleibt für sie ungemildert bestehen. Basis der Einkommensbesteuerung beim Nichtansässigen ist demnach wie in Deutschland auch die Bruttodividende175. Das spanische Steuerrecht zeichnet sich lediglich dadurch aus, dies schon materiell-rechtlich anzuordnen, wohingegen dies im EStG durch eine Verfahrensvorschrift erreicht wird. Die Bruttodividende wird seit dem 1.1.2003 mit einem Satz von 15 % statt bisher 18 % besteuert, Art. 25 Abs. 1 lit. g, a’ LIRNR176. Dadurch trägt der spanische Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, dass sein Besteuerungsrecht abkommensrechtlich ohnehin regelmäßig auf diese Höhe begrenzt ist177. Die entsprechende Steuerschuld wird durch einen von der ausschüttenden Gesellschaft zu praktizierenden Steuerabzug in gleicher Höhe beglichen, Art. 31 Abs. 1 lit. a, Abs. 2 LIRNR178. Eine Veranlagung findet infolgedessen üblicherweise nicht statt, Art. 28 Abs. 3 LIRNR, obschon sie nicht wie in Deutschland explizit ausgeschlossen wird. Das Bestehen eines an das OECD-MA angelehnten DBA hindert Spanien regelmäßig nicht daran, die von inländischen Kapitalgesellschaften ausgeschütteten Dividenden zu besteuern. Insbesondere der zur Anwendung gelangende Quellensteuersatz wird sich entsprechend der spanischen Abkommenspraxis nur selten auf unter 15 v. H. des Bruttobetrages der Dividende reduzieren179. Insoweit kann auf die Ausführungen zur Besteuerung von ________________________ 172 Art. 23 Abs. 1 LIRNR a. F. 173 Vgl. F. A. García Prats in: Orón Moratal, Los nuevos Impuestos, Art. 23 LIRNR,

S. 853. 174 Art. 25 LIRNR a. F. 175 T. Cordón Ezquerro, Manual de Fiscalidad Internacional, S. 220; M. Lucas Durán,

Fiscalidad internacional, S. 166. 176 J. Palacios/V. Bootello, ET 2003, S. 58 (60). Vormals Art. 24 Abs. 1 lit. g LIRNR a. F. 177 Dazu sogleich unten im Text. 178 M. Lucas Durán, Dividendos internacionales, S. 321. Vormals Art. 30 Abs. 1 u. 2

LIRNR a. F. 179 Allgemein M. Lucas Durán, Dividendos internacionales, S. 317. Speziell zu den

abkommensrechtlich vereinbarten Quellensteuersätzen vgl. auch die Übersicht bei T. Cordón Ezquerro, Manual de Fiscalidad Internacional, S. 235 f.

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Dividenden an Nichtansässige

Steuerausländern in Deutschland verwiesen werden. Sieht das konkrete DBA eine Beschränkung des Steuersatzes oder sogar das Absehen von der Dividendenbesteuerung vor, so gilt dies gemäß Art. 31 Abs. 2 und 4 LIRNR auch für den von der Kapitalgesellschaft vorzunehmenden Steuerabzug.

2. Beteiligung im Betriebsvermögen a) Deutschland Wie schon oben erwähnt, gilt das Halbeinkünfteverfahren des § 3 Nr. 40 EStG grundsätzlich auch für nichtansässige Dividendenbezieher. Zur Anwendung gelangt es jedoch nur, wenn die geschuldete Einkommensteuer nicht schon nach § 50 Abs. 5 S. 1 EStG durch die Kapitalertragsteuer als abgegolten gilt. Das ist nur dann der Fall, wenn die Beteiligung zum Betriebsvermögen einer inländischen Betriebsstätte des Steuerausländers gehört, § 50 Abs. 5 S. 2 EStG. Die Dividenden werden dann genau so besteuert wie bei einem Steuerinländer180. Anderenfalls, das heißt ohne zwischengeschaltete Betriebsstätte, wird die Kapitalertragsteuer definitiv. Dividenden auf betrieblich gehaltene Beteiligungen werden damit wie privat bezogene grundsätzlich in Höhe von 20 % der Bruttodividende nebst Solidaritätszuschlag belastet181. Gewerbesteuerpflichtig sind die Dividendeneinkünfte wegen der Beschränkung des Steuerobjekts auf inländische Gewerbebetriebe in § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG nicht. Diese nach innerstaatlichem Recht vorgesehene Besteuerung wird durch die von Deutschland abgeschlossenen DBA üblicherweise kaum eingeschränkt. Gehört die Beteiligung zu einer inländischen Betriebsstätte, hat sich Deutschland in der Regel ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht entsprechend den Art. 10 Abs. 4, 7 Abs. 1 OECD-MA vorbehalten. Ansonsten wird das deutsche Quellenbesteuerungsrecht zwar meist begrenzt, jedoch höchst selten über 15 % des Bruttobetrages der Dividende hinaus182. Insbesondere bleibt es bei der Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer; das Halbeinkünfteverfahren ist dem Nichtansässigen ohne Betriebsstätte auch abkommensrechtlich nicht eröffnet.

________________________ 180 Insbesondere sind Dividenden aus Streubesitzbeteiligungen im gewerblichen Betrieb

auch gewerbesteuerpflichtig, §§ 2, 7 u. 8 Nr. 5 GewStG. Die Ausnahme nach § 2 Abs. 6 GewStG wird schon wegen ihrer Beschränkung auf Nicht-DBA-Staaten praktisch kaum bedeutsam. 181 Siehe dazu oben 1.a). 182 Vgl. die Übersicht bei W. Tischbirek in: Vogel, DBA, 5. Aufl., Art. 10 Rz. 87.

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

b) Spanien Aus dem LIRNR geht auf den ersten Blick nicht eindeutig hervor, ob anders als im für Ansässige geltenden Einkommensteuerrecht des LIRPF bei der Besteuerung von nichtansässigen natürlichen Personen eine betriebliche Widmung von Kapitalgesellschaftsbeteiligungen anerkannt wird. Dagegen könnte sprechen, dass Art. 24 Abs. 1 LIRNR für die Besteuerung von Einkünften, die nicht über eine Betriebsstätte bezogen werden, auf die einkommensteuerlichen Regeln zur Bestimmung der Bemessungsgrundlage verweist. Zu diesen Regeln gehört auch die Bestimmung des Art. 27 Abs. 1 lit. c LIRPF, wonach Aktien und sonstige Beteiligungen an Kapitalgesellschaften nicht zum Betriebsvermögen zählen können. Dies könnte zu dem Schluss verleiten, dass auch bei Nichtansässigen Anteile an solchen Gesellschaften nicht dem Betriebsvermögen zugerechnet werden dürfen und darum auch nicht der Betriebsstättenbesteuerung des 3. Kapitels des LIRNR unterliegen können. Richtigerweise wird man zu differenzieren haben. Eine Zuordnung zum Betriebsvermögen scheidet analog Art. 27 Abs. 1 lit. c LIRPF nur aus, wenn die dividendenvermittelnde Beteiligung keiner inländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist. Denn die Verweisungsnorm des Art. 24 LIRPF ist schon ihrer systematischen Stellung nach auf das 4. Kapitel des LIRNR betreffend die Besteuerung von Einkünften ohne Betriebsstättenzuordnung beschränkt. Allgemeine Vorschriften zur Qualifikation aller Arten steuerbarer Einkünfte von Nichtansässigen sind hingegen im 2. Kapitel des Gesetzes enthalten. Auch unter teleologischen Aspekten macht die Beschränkung dieses Verweises auf die Fälle fehlender inländischer Betriebsstätte Sinn: Die Bezugnahme auf die Normen des Einkommensteuerrechts anstelle eines Verweises auf das Körperschaftsteuerrecht erklärt sich nämlich aus dem Wunsch des Gesetzgebers, an die in Doppelbesteuerungsabkommen übliche Einkünftequalifikation anzuknüpfen183. Da das LIS keine Einkunftsarten kennt, lag es nahe, für die Qualifizierung auf das LIRPF zu verweisen. Die Vorschrift des Art. 27 Abs. 1 lit. c LIRPF harmoniert hier mit dem System der Abkommensvorschriften, weil auch in den DBA Dividenden aus betrieblichen Beteiligungen genauso behandelt werden wie solche aus privat gehaltenen Anteilen, wenn sie keiner inländischen Betriebsstätte dienen. Demgegenüber ist die Bemessungsgrundlage für Betriebsstätteneinkünfte gemäß Art. 18 Abs. 1 LIRNR grundsätzlich nach den Vorschriften des Körperschaftsteuerrechts zu ermitteln. Das gilt einheitlich für steuerjuristische wie für natürliche Personen184. Sie ist damit auch einkunftsartenunabhängig zu be________________________ 183 Vgl. Á. Sánchez-Herrero Clemente in: Landwell, Comentarios a la LIRPF, Art. 23

LIRNR, S. 590 f. 184 C. M. López Espadafor, QF 1999, S. 9 (18).

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Dividenden an Nichtansässige

stimmen und orientiert sich analog Art. 10 Abs. 3 LIS am handelsbilanziellen Gewinn und damit auch an der bilanzrechtlichen Zuordnung der Wirtschaftsgüter. Auch Art. 15 Abs. 1 LIRNR sieht vor, dass alle der Betriebsstätte zuzuordnenden Einkünfte ohne Ausnahmen in Spanien steuerbar sind. Damit können auch Einkünfte aus Dividendenbezügen den speziellen Regeln des LIRNR zur Betriebsstättenbesteuerung unterfallen185. Auch das passt ins System der spanischen Abkommensvorschriften, die regelmäßig für alle aus unternehmerischer oder vermögensverwaltender Tätigkeit resultierenden Einkünfte einen Betriebsstättenvorbehalt vorsehen, also einheitlich dem Artikel betreffend unternehmerische Einkünfte zuweisen186. Ist die Beteiligung keiner inländischen Betriebsstätte zuzuordnen, wird die Dividende wie bei privaten Anteilen in Höhe von 15 % des Bruttobetrages besteuert, Art. 25 Abs. 1 lit. g, a’ LIRNR. Das Verfahren zur Ermäßigung der Steuerschuld um die pauschalierte Körperschaftsteuer ist ausgeschlossen, und die Steuer wird durch Abzug bei der ausschüttenden Gesellschaft erhoben. Einer inländischen Betriebsstätte zuzurechnende Dividenden hingegen werden wie schon gesagt nach den Vorschriften des Körperschaftsteuerrechts besteuert. Dies hat vor allem zur Folge, dass über den Verweis in Art. 19 Abs. 4 lit. a LIRNR auf Art. 30 LIS187 die dortigen Abzugs- bzw. Freistellungsregeln zur Anwendung gelangen188. Bei Schachtelbeteiligungen ab 5 % des Gesellschaftskapitals sind Dividenden vollständig von der Besteuerung ausgenommen, bei darunter liegenden Streubesitzanteilen zur Hälfte steuerbefreit189. Erwerbsaufwendungen im Zusammenhang mit dem Dividendenbezug sind abziehbar. Die einbehaltene Kapitalertragsteuer wird auf die Körperschaftsteuerschuld angerechnet und gegebenenfalls erstattet, Art. 19 Abs. 4 lit. b, Abs. 6 LIRNR. Außerdem kann auch die Steuerbefreiung für Auslandsdividenden nach Art. 21 LIS beansprucht werden190. Damit ist das spanische Besteuerungsverfahren im Ergebnis dem deutschen stärker als im Binnenkontext angenähert: Denn hier wie dort wird bei Betriebsstättendividenden von Steuerausländern die Vorbelastung mit Körperschaftsteuer durch eine mindestens partielle Steuerbefreiung der Dividenden berücksich________________________ 185 186 187 188

So i. E. auch C. M. López Espadafor, QF 1999, S. 9 (19). Vgl. J. R. Medina Cepero, Tribuna Fiscal 2001, S. 61 (67). Art. 28 LIS a. F. C. M. López Espadafor, QF 1999, S. 9 (18); C. Checa González u. a., LIS, Art. 28, S. 366. 189 Näher dazu unten C.I.2. 190 Die Auffassung von B. Pérez Bernabeu, QF 2003/07, S. 31 (32 f.), dies gelte nur für Betriebsstätten juristischer Personen, ist vom Gesetzestext nicht gedeckt und widerspricht dem Konzept des LIRNR einer rechtsformneutralen Besteuerung der Steuerausländer.

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

tigt. In der Methodik weicht die spanische Regelung der Betriebsstättenbesteuerung allerdings erheblich von der deutschen Vorgehensweise ab, die deutlich rechtsformabhängiger ausgestaltet ist und eine Gleichbehandlung mit den jeweils vergleichbaren inlandsansässigen Steuersubjekten anstrebt.

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Reiner Binnensachverhalt

C. Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften Auch die Besteuerung von Dividenden, die an Körperschaften, namentlich Gesellschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit, ausgeschüttet werden, hängt sowohl in Spanien als auch in Deutschland von einem eventuellen Auslandsbezug des Vorgangs ab. Anders als bei natürlichen Personen kommt es allerdings nicht auf die Unterscheidung zwischen der betrieblichen oder privaten Zuordnung der dividendenvermittelnden Beteiligung an, weil das Halten einer Beteiligung durch eine Körperschaft stets betrieblich veranlasst ist. Der Kreis der Körperschaftsteuersubjekte ist dabei im spanischen Steuerrecht weiter gefasst als im deutschen. Zwar sind im Wesentlichen wie auch nach den Nr. 1 bis 4 des § 1 Abs. 1 KStG juristische Personen des privaten Rechts steuerpflichtig, Art. 7 Abs. 1 lit. a LIS. Zu diesen zählen gemäß Art. 118 ff. des Codigo Civil191 aber anders als in Deutschland auch sämtliche Personenhandelsgesellschaften, insbesondere offene Handelsgesellschaften (sociedades colectivas) und Kommanditgesellschaften (sociedades comanditarias)192. Die Besteuerung von Dividenden bei Körperschaftsteuersubjekten deckt sich damit in weit größerem Umfang als in Deutschland mit der Besteuerung betrieblich gehaltener Beteiligungen193.

I. Reiner Binnensachverhalt 1. Deutschland Bezieht eine unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft Inlandsdividenden, so bleiben diese für die Zwecke der steuerlichen Einkommensermittlung gemäß § 8b Abs. 1 KStG i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG außer Betracht. Die Dividende kann mit anderen Worten körperschaftsteuerfrei vereinnahmt werden. Das Gesetz knüpft diese Steuerbefreiung an keine weiteren Voraussetzungen, insbesondere nicht an den Umfang oder die Dauer der Beteiligung. Der Sinn und Zweck des § 8b Abs. 1 KStG liegt nach dem Willen des ________________________ 191 Bürgerliches Gesetzbuch Spaniens. 192 Auch den „BGB-Gesellschaften“ (sociedades civiles) kann unter bestimmten Bedin-

gungen Rechtspersönlichkeit innewohnen, wie im einzelnen in Art. 1.669 CC geregelt ist. Sie werden jedoch in Art. 7 Abs. 1 lit. a LIS ausdrücklich vom persönlichen Anwendungsbereich des LIS ausgenommen. 193 Wählt man als Ausgangspunkt die Wertung des Art. 27 Abs. 1 lit. c LIRPF, wonach Aktien bei Einkommensteuersubjekten nicht Teil des Betriebsvermögens sein können, handelt es sich bei den Ansässigen in steuerlicher Hinsicht sogar um deckungsgleiche Regelungsbereiche.

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Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

Gesetzgebers darin, eine wirtschaftliche Doppelbelastung des von der Körperschaft bezogenen Gewinns zu vermeiden194. Denn dieser wurde ja bereits dort, wo er originär erwirtschaftet wurde, mit 25 % Körperschaftsteuer definitiv belastet. Die Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbelastung wurde technisch in Form einer Steuerbefreiung realisiert. Nach allgemeinen Grundsätzen bestünde damit für alle laufenden Betriebsausgaben im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Dividendenbezug ein Abzugsverbot nach den §§ 8 Abs. 1 KStG, 3c Abs. 1 EStG. Die Spezialvorschrift des § 8b Abs. 3 KStG gilt nur für Wertminderungen der Beteiligung, verdrängt das allgemeine Abzugsverbot also bei laufenden Beteiligungsaufwendungen nicht195. Dessen Anwendbarkeit hat auch der Gesetzgeber gesehen und ausdrücklich gebilligt196. a) Bis zum Ende des Veranlagungszeitraums 2003 galt dementsprechend für alle Betriebsausgaben in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der dividendenvermittelnden Beteiligung, also insbesondere für Verwaltungs- und Finanzierungskosten, ein generelles Abzugsverbot. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH stehen Betriebsausgaben allerdings nur insoweit in einem unmittelbaren Zusammenhang mit steuerbefreiten Dividenden, als solche im gleichen Veranlagungszeitraum vereinnahmt bzw. verbucht werden197. Diese Rechtsprechung ist vom Gesetzgeber spätestens im Zusammenhang mit den Beratungen des StEntlG 1999 gebilligt worden198. ________________________

194 Vgl. die Begründung zum Entwurf des StSenkG 2000, BT-Drs. 14/2683, S. 120. 195 N. Herzig, DB 2003, S. 1459 (1463); H. J. Watermeyer, GmbH-StB 2003, S. 194

(196) m. w. N. Die Neufassung des § 8b III KStG mit Wirkung vom 1.1.2004 durch das Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz („Korb II-Gesetz“), BGBl. I 2003, S. 2840, bestätigt diese Interpretation. 196 Vgl. die Begründung zum Entwurf des StSenkG 2000, BT-Drs. 14/2683, S. 124. Bestätigt wird dies im Nachgang durch die Begründung zum Entwurf des sog. „Korb II-Gesetzes“, BT-Drs. 15/1518, S. 16. Für eine Orientierung an der früheren Rechtsprechung auch M. Schlagheck, StBp 2003, S. 119 m. w. N. 197 BFH v. 29.5.1996 – I R 167/94, BStBl. II 1997, S. 60 (62 f.); BFH v. 29.5.1996 – I R 21/95, BStBl. II 1997, S. 64 (66 ff.); BFH v. 5.12.1984, I R 62/80, BStBl. II 1985, S. 311 (312); BFH v. 21.2.1973 – I R 26/72, BStBl. II 1973, S. 508 (509); BFH v. 21.4.1971 – I R 97/68, BStBl. II 1971, S. 694 (696); BFH v. 25.10.1966, I 26/64 –, BStBl. III 1967, S. 92 (94). 198 Vgl. die Begründung zur damals beabsichtigten Neufassung des § 3c EStG im Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drs. 14/23, 168: „Die gesetzliche Neuregelung ist erforderlich, weil die geltende Gesetzesfassung nicht verhindert, dass durch Gewinnthesaurierung und zeitlich später folgende Realisierung (z. B. durch Ausschüttungen) der Zusammenhang von Ausgaben mit steuerfreien Zuflüssen gebrochen wird und Ausgaben somit abziehbar sind, auch wenn sie wirtschaftlich durch die steuerbefreite Tätigkeit veranlasst sind.“

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Reiner Binnensachverhalt

Sie war darum auch der Rechtslage nach dem Inkrafttreten der Unternehmenssteuerreform zugrunde zu legen199. Sofern also in einem Veranlagungszeitraum keine Dividenden vereinnahmt bzw. verbucht wurden, waren die im Zusammenhang mit der Beteiligung stehenden Ausgaben in unbeschränkter Höhe abzugsfähig200. Fielen Dividendenzahlungen an, so waren die Ausgaben bis zum Betrag der Dividenden vom steuerlichen Abzug ausgeschlossen; ein darüber hinausgehender Ausgabenbetrag blieb abziehbar201. Insofern war das Abzugsverbot für Körperschaften weniger streng als das im Halbeinkünfteverfahren nach § 3c Abs. 2 EStG praktizierte. b) Mit Wirkung vom Veranlagungszeitraum 2004 hat sich das Bild deutlich gewandelt. Für Betriebsausgaben im Zusammenhang mit Inlandsdividenden gilt nunmehr ein pauschales Abzugsverbot. Zu diesem Zwecke wurde die bis dato auf Auslandsbeteiligungen begrenzte Sonderregelung des § 8b Abs. 5 EStG auf jegliche Art von Dividendenbezügen unabhängig von ihrer Herkunft ausgedehnt202. In der Konsequenz werden innerhalb der Körperschaftssphäre bezogene Dividenden bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nunmehr zu 5 % der Besteuerung unterworfen. Dafür sind aber andererseits alle damit zusammenhängenden Aufwendungen voll abziehbar. ________________________ 199 M. Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 263; N. Herzig, DB 2003, S. 1459 (1463 f.). 200 S. Beinert/R. Mikus, DB 2002, S. 1467; K. Altendorf, NWB Fach 4, S. 4419 (4420). 201 Die in der Literatur teilweise vertretene Gegenauffassung, wonach das Abzugsverbot

des § 3c EStG im Rahmen des § 8b Abs. 1 KStG auch eingreife, wenn in dem betreffenden Veranlagungszeitraum keine steuerfreien Einnahmen zuflössen (so G. Haep in: Herrmann/Heuer/Raupach, Steuerreform I, § 3c Rz. 12 u. 14; J. Schiffers, GmbHR 2000, 205 (207); M. Häger/P. Forst, EStB 2001, 154 f.), ist abzulehnen. Die Argumentation von Schiffers (a. a. O., S. 207), über § 3c Abs. 1, 2. Hs EStG sei § 3c Abs. 2 EStG auch im Falle der völligen Steuerbefreiung der Dividende nach § 8b Abs. 1 KStG anwendbar, ist unzutreffend. Der sachliche Anwendungsbereich des § 3c Abs. 2 EStG beschränkt sich dem Wortlaut nach auf Aufwendungen, die mit dem Halbeinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 EStG unterliegenden Einnahmen zusammenhängen. Nur damit lässt sich auch erklären, warum § 3c Abs. 2 EStG bloß ein hälftiges Abzugsverbot statuiert. Ausschließlich auf diese Anwendungen bezieht sich auch der Verweis in § 3c Abs. 1, 2. Hs. EStG, weil sie ansonsten einem vollständigen Abzugsverbot nach § 3c Abs. 1 EStG unterlägen. Aber auch die Behauptung, die Motivation der früheren, engen Auslegung des Unmittelbarkeitskriteriums durch den BFH (s. o.), dem Begünstigungscharakter des § 8b KStG a. F. Rechnung tragen zu wollen (G. Haep a. a. O., M. Häger/P. Forst a. a. O.), sei nunmehr entfallen und darum eine weitere Auslegung geboten, geht fehl. Mindestens der unterschiedliche Wortlaut der Absätze 1 und 2 des § 3c EStG verdeutlicht, dass der Gesetzgeber außerhalb der in § 3c Abs. 2 EStG geregelten Fälle an der strengen Rechtsprechungsinterpretation des alten § 3c EStG festhalten wollte. 202 Vgl. die Neufassung des § 8b V KStG durch das Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz („Korb II-Gesetz“), BGBl. I 2003, S. 2840.

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Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

Die von der bisherigen Rechtslage deutlich abweichenden Besteuerungsfolgen ergeben sich aus der Fiktion des § 8b Abs. 5 KStG, wonach 5 % der von der Körperschaft bezogenen Dividende als Ausgaben gelten, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen. Ein entsprechender Betrag muss darum außerbilanziell dem Gewinn wieder hinzugerechnet werden mit der Folge einer KSt-Belastung von 25 %. Letztlich sind damit 5 % der Bruttodividende regulär zu versteuern. Andererseits unterfallen die bereits handelsbilanziell erfassten, tatsächlich mit dem Dividendenbezug unmittelbar wirtschaftlich zusammenhängenden Betriebsausgaben nicht mehr dem Abzugsverbot des § 3c Abs. 1 EStG. Dies wird durch die Neufassung des § 8b Abs. 5 S. 2 KStG nunmehr ausdrücklich klargestellt. Bemessungsgrundlage für den nach § 8b Abs. 5 KStG anzuwendenden Prozentsatz ist die steuerfreie Dividende vor Abzug von Kapitalertragsteuer203. In dividendenlosen Jahren gelangt § 8b Abs. 5 KStG nicht zur Anwendung. Dann fehlt es an einer abschließenden gesetzlichen Fiktion von Betriebsausgaben, so dass in diesen Jahren § 3c Abs. 1 EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG auf die tatsächlich angefallenen Betriebsausgaben anwendbar ist204. In der gegenwärtigen Fassung des § 3c Abs. 1 EStG hat dies freilich keine Auswirkungen. Denn in dividendenlosen Jahren fehlt es am unmittelbaren Zusammenhang der wirtschaftlich der Beteiligung zuzuordnenden Betriebsausgaben mit steuerfreien Einnahmen (s. o.). c) Kehrseite der Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 KStG ist neben dem eingeschränkten Betriebsausgabenabzug außerdem das Verbot ausschüttungsbedingter Teilwertabschreibungen gemäß § 8b Abs. 3 KStG. Danach sind Gewinnminderungen im Zusammenhang mit den in § 8b Abs. 2 KStG genannten, dividendenvermittelnden Anteilen bei der Gewinnermittlung nicht zu berücksichtigen. Dies gilt auch dann, wenn der Teilwert der Beteiligung infolge der Ausschüttung offener Reserven nachhaltig gesunken ist205. Die ________________________ 203 T. Menck in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 8b KStG (Stand: 04/04), Rz. 60 h;

G. Haep in: Herrmann/Heuer/Raupach, Steuerreform II, § 8b KStG (Stand: 04/01), Rz. 91 m. w. N.; G. Frotscher in: Frotscher/Maas, KStG, § 8b (Stand: 02/03), Rz. 92. Dies entspricht auch der allgemeinen Ansicht zur Vorgängernorm des § 8b VII KStG i. d. F. des StSenkG 1999 bzw. des StBereinG 1999 (vgl. H. Krabbe, IStR 1999, S. 365 (366) und S. Grotherr, NWB F.3, G. 3, S. 1291 (1311)). Dies folgt schon aus dem Wortlaut des § 8b Abs. 5 KStG, der über die Verweisungskette der §§ 8b Abs. 1 KStG, 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG die ungeschmälerte Dividende zum Ausgangspunkt der Berechnung macht. 204 M. Kröner/S. Köhler, IStR 1999, S. 268 (271); a. A. T. Menck in: Blümich, EStG/ KStG/GewStG, § 8b KStG (Stand: 04/04), Rz. 60 f., der vom „Sinn und Zweck“ des § 8b Abs. 5 her argumentiert. 205 S. Steinhoff in: Erle/Sauter, Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 217.

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Reiner Binnensachverhalt

abschreibungsbedingte Gewinnminderung ist für steuerliche Zwecke außerbilanziell wieder hinzuzurechnen206. Die nach § 8b Abs. 1 KStG steuerfreien Dividenden scheiden im Übrigen auch aus der Bemessungsgrundlage des Solidaritätszuschlags aus. Denn nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 SolZG ist Bemessungsgrundlage für die Jahresveranlagung die festgesetzte Körperschaftsteuer, die ja bereits der Steuerfreiheit der Dividenden Rechnung trägt. In gewerbesteuerlicher Hinsicht ergibt sich bei Körperschaftsteuersubjekten ein ähnliches Bild wie bei natürlichen Personen als Anteilseignern: Je nach dem ob es sich um Streubesitzdividenden oder aber privilegierte Schachteldividenden handelt, unterliegt die bezogene Dividende entweder zur Gänze der Gewerbesteuer oder aber scheidet völlig aus dem Gewerbeertrag aus. Auszugehen ist dabei von dem Grundsatz, dass § 7 GewStG für die Ermittlung des Gewerbeertrages von Körperschaften auf die Vorschriften des KStG verweist. Zu diesen Vorschriften zählt auch § 8b Abs. 1 KStG, der entgegen des nicht ganz präzis gefassten Wortlauts tatsächlich die Einkünfteermittlung betrifft. Er greift bereits auf Ebene der Gewinnermittlung ein, weil er auf den einzelnen Geschäftsvorfall anzuwenden ist207. Nach § 8b Abs. 1 KStG körperschaftsteuerfreie Dividenden gehen darum prinzipiell nicht in den Gewerbeertrag ein208. Für Schachteldividenden i. S. v. § 9 Nr. 2a GewStG bleibt es auch dabei, ohne dass es freilich noch eines Rückgriffs auf diese Vorschrift bedürfte. Die Streubesitzdividenden hingegen sind der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG unterworfen. Die Vorschrift gilt ausdrücklich auch für nach § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz bleibende Dividenden, bei denen die Voraussetzungen des Schachtelprivilegs des § 9 Nr. 2a GewStG nicht erfüllt sind209. ________________________ 206 G. Frotscher in: Frotscher/Maas, KStG, § 8b (Stand: 02/03), Rz. 59; H.-J. Water-

meyer in: Herrmann/Heuer/Raupach, Steuerreform I, § 8b KStG (Stand: 04/01), Rz. 52. 207 BFH v. 6.7.2000 – I B 34/00, IStR 2000, S. 681 mit zust. Anm. zu § 8b KStG a. F.; BFH v. 2.4.1997 – X R 6/95, BStBl. II 1998, S. 25 zu § 9 I KStG a. F.; M. Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 127; N. Herzig, DB 2003, S. 1459 (1460); T. Töben, FR 2002, S. 361 (365); H.-J. Watermeyer in: Herrmann/Heuer/Raupach, Steuerreform II, § 8b KStG (Stand: 04/01), Rz. 12; W. Kessler/T. Teufel, IStR 2000, 545 (546 f.). 208 C. J. Ritzer/I. Stangl, Inf 2002, S. 131 (133) m. w. N. Dies war auch die Vorstellung des Gesetzgebers, vgl. die Begründung zum Entwurf des StSenkG 2000, BT-Drs. 14/2683, S. 124. Bestätigt wird dies nunmehr auch durch die Aufnahme der „nach § 8b I KStG außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile“ in die Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 5 GewStG, vgl. H.-J. Watermeyer, GmbH-StB 2002, S. 108 (109). 209 Aus den gleichen Erwägungen wie bei der Anwendung des § 8 Nr. 5 GewStG auf die Betriebe natürlicher Personen (siehe oben B.I.2.a) greift die Rückausnahme für Schachteldividenden durch Verweis auf § 9 Nr. 2a GewStG, obwohl diese Vorschrift

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Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

Die mit den Dividenden jeweils zusammenhängenden tatsächlichen Betriebsausgaben sind auch gewerbesteuerlich voll abziehbar: Da sie körperschaftsteuerlich keinem Abzugsverbot unterliegen, mindern sie über § 7 GewStG den Gewerbeertrag210. Problematisch ist hingegen, wie sich das pauschale Abzugsverbot des § 8b Abs. 5 S. 1 KStG gewerbesteuerlich verhält. Eindeutig geregelt ist dies nur für der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG unterliegende Streubesitzdividenden; die Vorschrift des § 8b Abs. 5 KStG wird dort für die Zwecke der Hinzurechnung suspendiert211. Strittig sind hingegen die Auswirkungen im Grundfall der Gewerbesteuerfreiheit von Dividenden nach § 8b Abs. 1 KStG in Verbindung mit § 7 GewStG. Richtigerweise wird man den nach § 8b Abs. 5 KStG faktisch körperschaftsteuerpflichtigen Teil der Dividende in die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage mit einzubeziehen haben. Denn er gehört zur körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage und geht damit über § 7 GewStG auch in den Gewerbeertrag ein212. ________________________ bei nach § 7 GewStG i. V. m. § 8b I KStG steuerbefreiten Dividenden eigentlich nicht zur Anwendung gelangen kann. Es genügt aber, wenn die dort normierten Schachtelvoraussetzungen vorliegen. 210 Dauerschuldzinsen werden ihm allerdings nach § 8 Nr. 1 GewStG wieder hälftig hinzugerechnet. 211 Die nicht pauschalierten, tatsächlichen Betriebsausgaben mindern ohnehin schon über § 7 GewStG den Gewerbeertrag. 212 Gl. A. sind B. Kaminski/G. Strunk, BB 2004, S. 689 (692); M. Clemens/L. Rehfeld, Inf 2004, S. 505 (506); H.-J. Watermeyer in: Herrmann/Heuer/Raupach, Jahresband 2004, § 8b KStG, Rz. J 03-27; A. Bergemann, DStR 2000, S. 1410 (1413). U. Eckert/C. Kneip/I. Rieke, INF 1999, S. 225 (227) zu § 8b VII KStG i. d. F. des StEntlG 1999; ohne nähere Begründung auch M. Kröner/S. Köhler, IStR 1999, S. 268 (270); S. Grotherr, IWB F. 3, G. 3, S. 1291 (1308), ders., BB 2001, S. 597 (602)). Die Gegenmeinung hält die Fiktion des § 8b Abs. 5 KStG für einen Fremdkörper im Recht der Gewerbesteuer, dessen Anwendung mittels § 7 GewStG sich kaum bewerkstelligen lasse (D. Gosch, StBp 2001, S. 80 (82), wohl unter Aufgabe seiner zuvor in: Blümich, EStG, § 9 GewStG (Stand: 9/00), Rz. 184 vertretenen Ansicht; zweifelnd PwC, Unternehmenssteuerreform 2001, S. 144). Teilweise wird dies dahingehend eingeschränkt, dass jedenfalls das Schachtelprivileg des § 9 Nr. 7 GewStG dem § 8b V KStG vorgehe (L. Lenz in: Erle/Sauter, Reform der Unternehmensbesteuerung, S. 21 unter Verweis auf das BMF-Schreiben v. 10.1.2000, IV D 3 – S 1300 – 217/99, BStBl. I 2000, S. 71, nach dem § 8b Abs. 7 KStG i. d. F. des StBereinG 1999 „im Rahmen“ des § 9 Nr. 7 GewStG keine Anwendung findet); gleiches hätte dann wohl für § 9 Nr. 2a GewStG zu gelten. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass es im Rahmen der Verweisungsnorm des § 7 GewStG keine Rolle spielt, ob nichtabziehbare Aufwendungen tatsächlich entstanden oder lediglich fingiert wurden. Auch eine Kürzung des Gewerbeertrages um den über § 8b V KStG miteinbezogenen Dividendenanteil nach § 9 Nr. 2a, 7 GewStG im Falle von Schachtelbeteiligungen kommt nicht in Betracht. Eine Anwendung des § 9 Nr. 2a bzw. Nr. 7 GewStG muss schon an dessen Wortlaut scheitern, der nur „Ge-

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Reiner Binnensachverhalt

Obwohl die Dividenden nach § 8b Abs. 1 KStG steuerfrei sind, ordnet § 43 Abs. 1 S. 3 EStG ausdrücklich an, dass auch sie dem Steuerabzug nach § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG unterliegen. Die Kapitalertragsteuer beläuft sich nach § 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG auf 20 v. H. der Bruttodividende. Zusätzlich ist gem. §§ 3 Abs. 1 Nr. 5, 4 SolZG der Solidaritätszuschlag in Höhe von 5,5 % der zu erhebenden Kapitalertragsteuer einzubehalten. Bei der Muttergesellschaft wird die Kapitalertragsteuer nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG in vollem Umfang auf die KSt-Schuld angerechnet.

2. Spanien Von einer spanischen Gesellschaft bezogene Dividenden sind bei einer ebenfalls inlandsansässigen Körperschaft grundsätzlich Teil des steuerpflichtigen Gewinns. Denn für die Einkommensberechnung ist wie schon gesagt das Handelsbilanzergebnis maßgeblich, welches durch Dividendenbezüge erhöht wird. Anders als in Deutschland sind die Dividenden nicht ausdrücklich steuerbefreit. Die Vorschriften zur Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung setzten vielmehr erst nach Ermittlung der tariflichen Körperschaftsteuer an. Gemäß Art. 30 LIS ist ausdrücklich zu diesem Zweck ein Abzug von der tariflichen Körperschaftsteuerschuld vorzunehmen. Dieser beträgt grundsätzlich 50 % der Steuer, welche die Muttergesellschaft auf die Bruttodividende zu entrichten hätte, Art. 30 Abs. 1 LIS213. Hervorzuheben ist, dass es nicht auf die anteilige Belastung der Dividende mit von der Muttergesellschaft tatsächlich entrichteter Körperschaftsteuer ankommt. Die Körperschaftsteuerschuld ermäßigt sich vielmehr um eine hypothetische Steuerlast, die auf die Bruttodividende bei Anwendung des einschlägigen Körperschaftsteuersatzes entfallen würde. Bei unmittelbaren oder mittelbaren Schachtelbeteiligungen von mindestens 5 % wird die theoretisch auf die Bruttodividende entfallende Körperschaftsteuer gemäß Art. 30 Abs. 2 LIS sogar in voller Höhe abgezogen. Die Beteiligung muss dafür allerdings in der fraglichen Höhe schon mindestens ein Jahr vor Fälligkeit der Gewinnausschüttung bestanden haben. ________________________ winne“ freistellt und nicht hinzugerechnete Aufwendungen, mag es sich auch um gesetzlich umklassifizierte Gewinnanteile handeln (V. Schmidt/A. Kieker, NWB 2003, Fach 5, S. 1523 (1524); ähnlich S. Grotherr, BB 2001, S. 597 (602)). Im Übrigen würde der mit § 8b Abs. 5 KStG ebenfalls angestrebte Vereinfachungszweck hinfällig werden, wenn für die Zwecke des § 9 Nr. 2a bzw. Nr. 7 GewStG doch wieder eine genaue Zuordnung der Betriebsausgaben erforderlich würde (vgl. G. Haep in: Herrmann/Heuer/Raupach, Steuerreform II, § 8b KStG (Stand: 04/01), Rz. 90). 213 Vgl. dazu auch M. Llansó in: Cuatrecasas, Comentarios al IS, S. 1036 f.

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Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

In ihren Belastungseffekten kommt diese Methode der Freistellung nach § 8b Abs. 1 KStG sehr nahe: Denn es wird nicht etwa die von der Tochtergesellschaft entrichtete Körperschaftsteuer angerechnet, sondern die bei der Anwendung des für die Muttergesellschaft geltenden Steuersatzes auf die Bruttodividende entfallende Körperschaftsteuer wieder abgezogen. Der Abzugsbetrag entspricht damit mindestens der tatsächlichen Belastung der Dividendenbezüge, so dass diese faktisch rückgängig gemacht wird214. Der vordergründige Unterschied zur unmittelbaren Freistellung durch Steuerbefreiung der von der Mutter bezogenen Dividenden liegt darin, dass diese zunächst in die Bemessungsgrundlage eingehen und daher auch mit anderen, negativen Einkünften saldiert werden können. Letztlich führt das aber nicht zu einer weitergehenden Entlastung als die Freistellung, weil die Ermäßigung nach Art. 30 LIS eine Körperschaftsteuerschuld mindestens in Höhe des Abzugsbetrages voraussetzt. Soweit dies nicht der Fall ist, kann der Abzugsbetrag nur gemäß Art. 30 Abs. 6 LIS bis zu 7 Jahre vorgetragen werden, er wird jedoch nicht erstattet. Schließlich ist die vollständige Entlastung in Spanien anders als in Deutschland als Schachtelprivileg ausgestaltet; nicht privilegierte Dividenden erfahren nur eine hälftige Entlastung. Die Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbelastung vollzieht sich im spanischen Körperschaftsteuersystem dessen ungeachtet formal nicht durch eine Steuerbefreiung der Dividenden. Mit dem Bezug der Dividenden zusammenhängende Betriebsausgaben sind darum ohne weiteres in vollem Umfang abzugsfähig. Die entgegenstehenden Bestimmungen in der Vorgängerversion des Gesetzes wurden aufgegeben215. Anders als im deutschen Körperschaftsteuersystem führt die in Art. 30 LIS vorgesehene Entlastungsregelung nicht zu einer Versagung der ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibung. Der Gesetzgeber ist hier vielmehr umgekehrt vorgegangen und schließt den nach Art. 30 Abs. 1 bzw. 2 LIS gewährten Abzug von Körperschaftsteuer aus, soweit der Dividendenbezug zu einer Teilwertabschreibung (depreciación en el valor) führt, Art. 30 Abs. 4 lit. e S. 1 LIS. In diesem Fall wird die steuerliche Belastung der Dividende auf Ebene der empfangenden Körperschaft bereits durch den gewinnmindernden Effekt der Teilwertabschreibung kompensiert. Die Teilwert-

________________________ 214 Werden die Dividendenbezüge wegen Verrechnung mit anderweitigen Verlusten

nicht oder nicht vollständig der Besteuerung unterworfen, so ist der Abzugsbetrag höher als die tatsächliche Steuerbelastung. 215 Vgl. Llansó in: Cuatrecasas, Comentarios al impuesto sobre sociedades, Cap. 17, S. 1035.

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Reiner Binnensachverhalt

abschreibung genießt also Vorrang vor der Entlastung durch Steuerermäßigung216. Art. 30 Abs. 4 lit. d LIS enthält noch eine Vorschrift zur Vermeidung missbräuchlicher Inanspruchnahme der Steuerabzüge. Danach werden diese nicht gewährt, soweit die Beteiligung an der ausschüttenden Gesellschaft erst 2 Monate vor dem Dividendenbezug erworben wurde und binnen des gleichen Zeitraums eine entsprechende Beteiligung wieder veräußert wird. Die Dividende, die an Körperschaftsteuersubjekte ausgeschüttet wird, unterliegt prinzipiell wie bei der Ausschüttung an natürliche Personen einer Quellenbesteuerung, Art. 56 Abs. 1 lit. a RIS217. Sie beläuft sich ebenfalls auf 18 % der Bruttodividende, Art. 60 Abs. 1; 62 Abs. 1, 63 RIS. Diese Quellensteuer wird bei der späteren Körperschaftsteuerveranlagung von der tariflichen Einkommensteuer in Abzug gebracht, Art. 46 S. 1 lit. a LIS218. Soweit die Quellensteuer die spätere Körperschaftsteuerschuld übersteigt, wird sie dem Steuerpflichtigen erstattet, Art. 46 S. 2; 139 LIS. Dieses Verfahren gelangt allerdings nicht zur Anwendung bei Dividenden, die dem Schachtelprivileg des Art. 30 Abs. 2 LIS unterfallen, das heißt die letztlich vom Empfänger nicht zu versteuern sind. Sie werden nach den Art. 140 Nr. 4 lit. d LIS; 57 lit. p RIS von der Quellenbesteuerung ausgenommen, sofern der ausschüttenden Gesellschaft das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 30 Abs. 2 LIS nachgewiesen wird. ________________________ 216 Allerdings gestattet das Gesetz in einem Ausnahmefall trotz fehlender wirtschaftli-

cher Doppelbelastung der Dividende infolge Teilwertabschreibung den Steuerabzug. Wenn ein der Abschreibung entsprechender Betrag beim vorherigen Anteilseigner anlässlich der Veräußerung der Beteiligung ohne Abzugsmöglichkeit steuerpflichtig war, ist insoweit bereits eine Doppelbelastung eingetreten: Versteuert wurden die – ggf. erst nach der Veräußerung aufgedeckten – Gewinne auf Ebene der ausschüttenden Gesellschaft und auf Ebene des Veräußerers in Gestalt des steuerbaren höheren Veräußerungserlöses. Darum wird die beim Veräußerer eingetretene Doppelbelastung in einem solchen Fall nachträglich beim Erwerber durch Gewährung eines Steuerabzugs neben der Teilwertabschreibung – welche nur die eigene Doppelbelastung vermeidet – ausgeglichen (vgl. Llansó in: Cuatrecasas, Comentarios al impuesto sobre sociedades, Cap. 17, S. 1126 f.). Dies ist im Einzelnen in den Buchstaben a und b des Art. 28 Abs. 4 lit. e S. 3 LIS geregelt. War der Veräußerer eine natürliche Person, so ist der Steuerabzug anlässlich des Dividendenempfangs des Erwerbers auf die Höhe derjenigen steuerlichen Belastung begrenzt, welche sich bei Anwendung des für Veräußerungsgewinne geltenden speziellen Einkommensteuersatzes auf die Dividende ergäbe. 217 Reglamento del Impuesto sobre Sociedades, span. Körperschaftsteuerdurchführungsverordnung. 218 Art. 39 S. 1 lit. a LIS a. F.

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Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

II. Auslandsdividenden 1.

Deutschland

Es wurde bereits angedeutet, dass die Besteuerung von Auslandsdividenden bis zum Veranlagungszeitraum 2004 im materiellen Ergebnis signifikant von der des Bezugs inländischer Dividenden abwich. Die ausländischen Dividenden wurden bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise bereits mit Inkrafttreten der Unternehmensteuerreform 2001 zu 5 % der Besteuerung unterworfen. Dafür waren aber andererseits alle damit zusammenhängenden Aufwendungen voll abziehbar. Verantwortlich hierfür war die nunmehr auch auf Dividenden aus Inlandsbeteiligungen erstreckte Fiktion nichtabziehbarer Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 5 KStG. Hinsichtlich der ab 1.1.2004 geltenden Rechtslage kann zur Herleitung dieser Besteuerungsfolgen auf die Ausführungen zur Besteuerung von Inlandsdividenden verwiesen werden. Für die davor liegenden Veranlagungszeiträume ergibt sich nach hier vertretener Ansicht nichts anderes. Unbestritten ist, dass die Vorschrift die Höhe der nichtabziehbaren Betriebsausgaben auch vor der Einfügung des § 8b Abs. 5 S. 2 KStG abschließend regelte219. Die bereits handelsbilanziell erfassten, tatsächlich mit dem Dividendenbezug unmittelbar wirtschaftlich zusammenhängenden Betriebsausgaben waren darum nicht mehr vom allgemeinen Abzugsverbot des § 3c Abs. 1 EStG tangiert und minderten den steuerlichen Gewinn in voller Höhe220. Einzig für die Veranlagungszeiträume 2001 und 2002 sind die oben geschilderten Rechtsfolgen im Hinblick auf die abweichende Regelungstechnik der Vorschrift ganz vereinzelt in Frage gestellt worden: Während § 8b Abs. 5 ________________________ 219 Ausführlich dazu G. Frotscher in: Frotscher/Maas, KStG, § 8b (Stand: 02/03),

Rz. 88 ff. 220 Vgl. H.-J. Watermeyer in: Herrmann/Heuer/Raupach, Steuerreform II, § 8b KStG

(Stand: 04/01), Rz. 90 m. w. N., S. Grotherr, BB 2001, S. 597 (602), M. Häger/ P. Forst, EStB 2001, S. 154; T. Keß, Steuerwarte 2001, S. 259 (262); A. Bergemann, DStR 2000, S. 1410 (1413). Ähnlich M. Kröner/S. Köhler, IStR 1999, S. 268 (270), H. Krabbe, IStR 1999, S. 365 (366), H. Schmid/G. T. Wiese, IStR 1999, S. 583 (584); dies., BB 1999, S. 878 (879), O. Thömmes/T. Scheipers, DStR 1999, S. 609 (611): § 8b VII KStG i. d. F. des StEntlG 1999 „lex specialis“ gegenüber § 3c EStG; gl. A. D. Pieske-Kontny, StBp 2001, S. 358, B.-K. Köster, FR 2000, S. 1263 (1268); E. Dötsch/A. Pung, DB 2000, S. 61 f., J. Fischer-Zernin, IWB F. 3, Gr. 2, S. 889 f., S. Grotherr, IWB F. 3, G. 3, S. 1291 (1308) zu § 8b VII KStG i. d. F. des StBereinG 1999. Vgl. auch die Begründung des Finanzausschusses zum Entwurf eines StEntlG 1999, BT-Drs. 14/443, S. 36: „Im übrigen unterliegen die Betriebsausgaben keinem Abzugsverbot“. Siehe ferner die gleichlautende Verwaltungsauffassung zur Vorgängerregelung des § 8b VI KStG, BMF v. 10.1.2000, IV D 3 – S 1300 – 217/99, BStBl. I 2000, S. 71.

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Auslandsdividenden

KSt seit der Neufassung durch das UntStFG221 explizit ein Abzugsverbot für die pauschal fingierten Betriebsausgaben statuiert, stellte die Vorgängerregelung lediglich fest, es handele sich insoweit um Betriebseinnahmen, die mit den steuerfreien Dividendeneinnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Es wurde dazu die Ansicht vertreten, dass die Fiktion, wonach ein Teil der Einnahmen Betriebsausgaben darstelle, zunächst zu einer Reduzierung des Gewinns aus dem Dividendenbezug führe. Die zusätzliche Fiktion, dass diese Betriebsausgaben nach § 3c Abs. 1 EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG nicht abziehbar seien, neutralisiere lediglich die erste Fiktion in ihren steuerlichen Auswirkungen222. Diese Ansicht legte jedoch § 8b Abs. 5 KStG i. d. F. des StSenkG in einer nicht vertretbaren Weise aus. Soweit der mögliche Wortsinn und der Bedeutungszusammenhang des Gesetzes Raum für verschiedene Auslegungen lassen, ist diejenige Auslegung vorzuziehen, die der Regelungsabsicht des Gesetzgebers und dem Zweck der betreffenden Norm am ehesten gerecht wird223. Der Gesetzgeber hat jedoch von Beginn der Reform an sehr deutlich gemacht, dass § 8b Abs. 5 KStG eine pauschale Besteuerung von 5 % der Auslandsdividende zur Folge haben sollte224. ________________________ 221 Gesetz zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts v. 24.12.2002, BGBl. I

2002, S. 3858 ff. 222 R. Füger/R. Rieger, IStR 1999, S. 257 (260); T. Scheipers, DStR 2000, S. 89 (92 f.). 223 K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., S. 344. 224 In der Begründung zum Entwurf des StSenkG 2000 der Fraktionen SPD und Bünd-

nis 90/Die Grünen heißt es zu § 8b Abs. 5, dass es hinsichtlich der dort angesprochenen Aufwendungen bei der „bisherigen Regelung“ bleibe. Damit wird ersichtlich Bezug auf die steuertechnisch identische Vorgängerregelung des § 8b Abs. 7 KStG i. d. F. des StBereinG 1999 genommen. Zu dieser wird aber in der Gesetzesbegründung festgestellt (Begründung des Gesetzesentwurfs eines StBereinG 1999 der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drs. 14/1514, S. 33), dass dadurch „im Ergebnis … zur pauschalen Abgeltung des Betriebsausgabenabzugsverbots stets 5 v. H. der Dividenden besteuert“ würden. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte die gesetzliche Fiktion in § 8b Abs. 5 KStG, bei einem Teil der Dividenden handele es sich um Betriebsausgaben, also nicht in einem ersten Schritt zu einer Verminderung des Gewinns um diese Betriebsausgaben führen. Der Gesetzgeber verband vielmehr mit § 8b Abs. 5 KStG implizit die Unterstellung, es seien Betriebsausgaben in Höhe von 5 v. H. der Dividendeneinnahmen angefallen und bilanziell bereits berücksichtigt. Einer solchen Auslegung steht auch der Wortlaut des § 8b Abs. 5 KStG nicht entgegen. Die Vorschrift nimmt sprachlich nicht eindeutig dazu Stellung, ob die dort erwähnten Betriebsausgaben als schon bilanziert oder als noch gewinnmindernd zu berücksichtigen fingiert werden (a. A. T. Scheipers, DStR 2000, S. 89 (93)). Damit muss sie letztlich dem Willen des Gesetzgebers gemäß so wie hier vertreten interpretiert werden, um zu einer pauschalen Besteuerung von 5 % der bezogenen Dividende zu kommen (i. E. gl. A. Haep in: HHR-Reform, § 8b KStG Rz. 90; a. A. N. Herzig, Wpg. 2001, S. 253 (255)).

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Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

Durch die Steuerbefreiung der Auslandsdividenden nach § 8b Abs. 1 KStG sind die in den von Deutschland abgeschlossenen DBA nahezu durchweg enthaltenen Schachtelprivilegien für qualifizierte Beteiligungen für Körperschaftsteuerzwecke bedeutungslos geworden225. Die Freistellung ist jetzt schon nach innerstaatlichem Recht vorgesehen, so dass die Schrankenwirkung der DBA ins Leere geht226. Auch die Vorschrift des § 8b Abs. 5 KStG lässt für ihre Anwendbarkeit dahingestellt, ob die Steuerbefreiung der Dividenden nach Abs. 1 oder durch Abkommensrecht eintritt227. Allerdings wird § 8b Abs. 5 in der Literatur überwiegend als unzulässige Umgehung bzw. Bruch der abkommensrechtlichen Schachtelbefreiung angesehen. Denn materiell werde dadurch eine Steuerpflicht in Höhe von 5 % der Dividende statuiert228. Wiewohl dies bei wirtschaftlicher Betrachtung zutreffend ist, kann wegen der Gesetzestechnik und Zielsetzung des § 8b Abs. 5 KStG dennoch kein Verstoß gegen Abkommensrecht festgestellt werden. Die Vorschrift ist in ihrem Anwendungsbereich lex specialis zu § 3c EStG229. Sie pauschaliert bzw. fingiert Betriebsausgaben, hinsichtlich derer sie unterstellt, dass sie zuvor in entsprechender Höhe das handelsbilanzielle Ergebnis gemindert haben. Es soll auf diese Weise eine unwiderlegbar vermutete Schmälerung der körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage wieder ausgeglichen werden. Die Vorschrift zielt damit nicht darauf ab, Dividendeneinkünfte zu besteuern, sondern diese Einkünfte vollständig, d. h. auch hinsichtlich der Betriebsausgaben, aus der Besteuerung auszunehmen230. Sie ________________________ 225 Der Methodenartikel deutscher DBA sieht fast immer vor, dass Dividenden, die

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227 228

229 230

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deutsche Kapitalgesellschaften von einer ausländischen Tochtergesellschaft beziehen, in Deutschland von der Besteuerung freigestellt werden, wenn die inländische Muttergesellschaft an der ausländischen Tochter wesentlich beteiligt ist. Die Wesentlichkeitsgrenze liegt in älteren Abkommen bei 25 %, in der jüngeren Abkommenspraxis gilt das Schachtelprivileg zumeist schon ab einer Beteiligung von 10 %. Vgl. dazu die Übersicht bei K. Vogel in: Vogel, DBA, 5. Aufl., Art. 23 Rz. 98; C. Djanani/R. Herbener, CDFI LXXXVIIIa, S. 399 (423). Es kann für die Zwecke der Körperschaftsteuer darum auch dahingestellt bleiben, ob die abkommensrechtliche Freistellung der innerstaatlichen vorgeht, oder ob sie mangels entgegenstehenden innerstaatlichen Rechts nicht mehr zur Anwendung gelangt. (Zur Prüfungsfolge vgl. H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 16.44 und H. Debatin, DB 1986, S. 510 einerseits; K. Vogel, DB 1986, S. 507 andererseits.) G. Frotscher in: Frotscher/Maas, KStG, § 8b (Stand: 02/03), Rz. 85. G. Frotscher in: Frotscher/Maas, KStG, § 8b (Stand: 02/03), Rz. 93; G. Haep in: Herrmann/Heuer/Raupach, Steuerreform II, § 8b KStG (Stand: 04/01), Rz. 93; gl. A. zur Vorgängerregelung des § 8b Abs. 7 KStG a. F. M. Kröhner/S. Köhler, IStR 1999, S. 268 (270); H. Schaumburg, JbFStR 1999/2000, S. 129 (136). M. Kröner/S. Köhler, IStR 1999, S. 268 (271). So auch T. Menck in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 8b KStG (Stand: 04/04), Rz. 60 g.

Auslandsdividenden

widerspricht darum nicht dem Geist des Schachtelprivilegs, das zur Berücksichtigung von Betriebsausgaben in der Regel keine Aussage trifft231. Es kann darum auch dahinstehen, ob ein ansonsten anzunehmender „treaty override“ überhaupt zur Nichtanwendbarkeit des § 8b Abs. 5 KStG auf Schachtelbeteiligungen führen würde232. Hinsichtlich der Gewerbesteuer gilt grundsätzlich das oben zu inländischen Dividenden Gesagte. Nach § 8b Abs. 1 KStG körperschaftsteuerfreie Dividenden gehen an sich nach § 7 GewStG auch nicht in den Gewerbeertrag ein. Streubesitzdividenden und Dividenden aus sonstigen, nicht dem internationalen Schachtelprivileg des § 9 Nr. 7 GewStG unterfallenden Beteiligungen werden dem Gewerbeertrag nach § 8 Nr. 5 GewStG aber wieder hinzugerechnet233. Diese Hinzurechnung wird allerdings bei Auslandsdividenden, die über eine ausländische Betriebsstätte bezogen werden, über § 9 Nr. 3 GewStG wieder rückgängig gemacht. Damit sind letztlich cum grano salis nur solche Auslandsdividenden gewerbesteuerpflichtig, die aus einer im Inland direkt gehaltenen Portfolioinvestition zufließen234. ________________________ 231 Gl. A. H. Krabbe, IStR 2000, S. 55; T. Menck in: Blümich: EStG/KStG/GewStG,

§ 8b a. F. KStG (Stand: 02/01), Rz. 40. 232 Ablehnend G. Frotscher in: Frotscher/Maas, KStG, § 8b (Stand: 02/03), Rz. 93;

G. Haep in: Herrmann/Heuer/Raupach, Steuerreform II, § 8b KStG (Stand: 04/01), Rz. 93; bejahend T. Keß, Steuerwarte 2001, S. 259 (262); M. Kröhner/S. Köhler, IStR 1999, S. 268 (270) und H. Schaumburg, JbFStR 1999/2000, S. 129 (136) unter Hinweis auf die formellen Anforderungen an eine Abkommensdurchbrechung durch nationales Recht. 233 In der Regel werden Konflikte mit abkommensrechtlichen Schachtelprivilegien hieraus nicht resultieren, weil diese regelmäßig einen Beteiligungsumfang von mindestens 10 %, überwiegend sogar von 25 % vorsehen. Dies entspricht aber dem Prozentsatz, den das innerstaatliche Schachtelprivileg des § 9 Nr. 7 GewStG verlangt, dessen Anwendbarkeit die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG ausdrücklich ausschließt. Anders als T. Rödder/A. Schumacher (DStR 2002, S. 105 (109)) meinen, ist § 8 Nr. 5 GewStG darum auch nicht „leerläufig“, wenn die Befreiung der Dividenden im Körperschaftsteuerrecht nicht wie vorausgesetzt aus § 8b I KStG, sondern aus Abkommensrecht resultiert. Denn dann wäre die Vorschrift ohnehin in der Regel nicht anwendbar. Die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG kollidiert im Wesentlichen nur in den Fällen mit einem abkommensrechtlichen Schachtelprivileg, wenn die zeitlichen Anwendungsvoraussetzungen des § 9 Nr. 7 GewStG nicht gegeben sind. Anders als das unilaterale Schachtelprivileg verlangen nämlich die bilateralen Schachtelprivilegien üblicherweise den notwendigen Beteiligungsumfang nur auf einen Stichtag und nicht für den ganzen Erhebungszeitraum (vgl. dazu K. Vogel in: Vogel, DBA, 5. Aufl., Art. 23 Rz. 105). In diesen Fällen muss eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG unterbleiben, weil sie abkommenswidrig wäre und nicht ersichtlich ist, dass § 8 Nr. 5 GewStG insofern ein treaty override beabsichtigt. 234 Eine genaue Aufschlüsselung nach allen denkbaren Fallgruppen findet sich etwa bei V. Schmidt/A. Kieker, NWB 2003, Fach 5, S. 1523 ff.

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Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

Die nach § 8b Abs. 1 KStG steuerfreien Auslandsdividenden scheiden im Übrigen wie Inlandsdividenden aus der Bemessungsgrundlage des Solidaritätszuschlags aus. Eine eventuell erhobene ausländische Kapitalertragsteuer kann nicht nach § 26 Abs. 1 KStG angerechnet werden235. Denn der Anrechnungshöchstbetrag ist auf die deutsche Steuer beschränkt, welche auf die ausländischen Einkünfte entfällt. Da auch die Auslandsdividende nach § 8b Abs. 1 KStG steuerbefreit ist, beträgt die deutsche Steuerlast aber Null. Folgt man der engen Auslegung, dass nur im Inland steuerbare Einkünfte eine ausländische „Entsprechung“ haben können, scheitert die Anwendung des § 26 Abs. 1 KStG außerdem an der Gleichheit des Abgabentatbestandes236. Mangels Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Steueranrechnung nach § 26 Abs. 1 KStG würde dann auch ein wahlweiser Abzug der ausländischen Quellensteuer von der inländischen Bemessungsgrundlage nach § 26 Abs. 6 S. 1 KStG in Verbindung mit § 34c Abs. 2 EStG ausscheiden237. Indes kann diese Ansicht nicht überzeugen, weil § 34c EStG nur eine „pro-Land-Identität“ der Steuer erfordert, nicht hingegen eine „EinkünfteIdentität“238. Der Steuerabzug nach §§ 26 Abs. 6 KStG, 34c Abs. 2 EStG ist folglich zuzulassen239. Demgegenüber kommt ein Steuerabzug gemäß den §§ 26 Abs. 6 S. 1 KStG, 34c Abs. 3 EStG nicht in Betracht240. ________________________ 235 M. Geurts in: Ernst & Young, KStG, § 26 (Stand: 02/03), Rz. 4.4; PwC, Unterneh-

menssteuerreform 2001, S. 143. 236 Befürwortend etwa E. Wied in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 34c EStG (Stand.

05/03), Rz. 35. 237 M. Geurts in: Ernst & Young, KStG, § 26 (Stand: 02/03), Rz. 142. Nicht gefolgt wer-

den kann im Übrigen der Auffassung von J. P. Müller-Dott in: Flick/Wassermeyer/ Baumhoff, Außensteuerrecht, § 26 KStG (Stand: 11/01), Rz. 243, wonach der Steuerabzug bereits an dem Abzugsverbot des § 8 I KStG i. V. m. § 3c I EStG scheitere. Zwar wird die ausländische Steuer im Rahmen des § 34c II EStG auf Ebene der Einkünfteermittlung abgezogen, aber nicht „als Werbungskosten oder Betriebsausgaben“. 238 H. Flick/F. Wassermeyer/J. Lüdicke in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 34c EStG (Stand: 01/87), Rz. 76; W. Jütte in: Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, KStG, § 26 (Stand: 12/97), Rz. 127. 239 Gl. A. M. Desens, IStR 2003, S. 613 (615). 240 Es kann dabei dahinstehen, ob Dividendeneinkünfte überhaupt der deutschen Einkommensteuer „unterliegen“, wie § 34c III EStG voraussetzt (Für ein enges Verständnis im Sinne einer inländischen Steuerpflichtigkeit der Einkünfte sprechen sich H. Krabbe, BB 1980, S. 1146 (1148) und J. Täske in: Blümich, EStG/KStG/GewSt, § 26 KStG (Stand: 11/99), Rz. 77 aus. Dagegen halten es M. Geurts in: Ernst & Young, KStG, § 26 (Stand: 02/03), Rz. 163 sowie H. Flick/F. Wassermeyer/ J. Lüdicke in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 34c EStG (Stand:

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Auslandsdividenden

Allerdings vertritt eine starke Meinungsgruppe im Schrifttum die Auffassung, bei Auslandsdividenden sei von einer effektiven inländischen Steuerbarkeit in Höhe von 5 % auszugehen, so dass insoweit auch eine Anrechnung ausländischer Quellensteuer nach § 26 Abs. 1 KStG möglich sei. Diese Ansicht stützt sich darauf, dass § 8b Abs. 5 KStG nicht abziehbare Betriebsausgaben in Höhe von 5 % der Bruttodividende fingiert, so dass die Dividenden effektiv mit deutscher Körperschaftsteuer belastet würden241. Auch hier erlaubt es die gesetzestechnische Ausgestaltung des § 8b Abs. 5 KStG aber nicht, die an den Dividendenbezug anknüpfende ausländische Quellensteuer auf diese Steuerbelastung anzurechnen242. Es wurde bereits dargelegt, dass § 8b Abs. 5 KStG nicht darauf abzielt, Dividendeneinkünfte zu besteuern, sondern diese Einkünfte vollständig, d. h. auch hinsichtlich der Betriebsausgaben, aus der Besteuerung auszunehmen. Erreicht wird dies allerdings nur in den Fällen, in denen letztere exakt 5 % der Bruttodividende betragen. Dies liegt aber in der Natur einer typisierenden Fiktion, die auch im Rahmen des § 26 Abs. 1 KStG Beachtung finden muss. Das Gesetz geht davon aus, dass die ausländischen Dividendeneinkünfte im Inland typischerweise keine Steuerfolgen zeitigen, so dass auf sie auch keine deutsche Körperschaftsteuer entfällt. Anderenfalls müsste für die Zwecke des § 26 Abs. 1 KStG doch wieder eine genaue Zuordnung von Betriebsausgaben zu Dividendeneinkünften vorgenommen werden, um den Anrechnungshöchstbetrag ermitteln zu können. Denn „besteuert“ würde im Inland jedenfalls nur der Saldo aus fingierten und tatsächlichen, voll abzugsfähigen Betriebsausgaben. Dies würde aber den Vereinfachungszweck des § 8b Abs. 5 KStG konterkarieren und spricht entscheidend gegen seine Berücksichtigung im

________________________ 01/87), Rz. 175 für ausreichend, wenn die Einkünfte dem Grunde nach der Einkommensteuer im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG „unterliegen“, mögen sie auch steuerbefreit sein.). Denn jedenfalls ist die Anwendung des § 34c I EStG bzw. des § 26 I KStG nicht wie erforderlich aus den in § 34c III EStG abschließend aufgeführten Gründen, sondern mangels eines hinreichenden Anrechnungshöchstbetrages ausgeschlossen. Im Verhältnis zu Quellenstaaten, mit denen ein DBA abgeschlossen wurde, kann die Vorschrift ohnehin nicht angewendet werden, § 26 VI 1 KStG in Verbindung mit § 34c VI 1 u. 2 EStG. A. A. zur Anwendbarkeit des § 34c III EStG sind wohl H. Kussmaul/S. Beckmann, DB 2001, S. 608 (613), allerdings unter unklarer Verweisung auf „§ 26 Abs. 3 i. V. m. Abs. 6 KStG“. 241 A. Schnitger, IStR 2003, S. 298 (301); J. P. Müller-Dott in: Flick/Wassermeyer/ Baumhoff, Außensteuerrecht, § 26 KStG (Stand: 11/01), Rz. 62.9; M. Geurts in: Ernst & Young, KStG, § 26 (Stand: 02/03), Rz. 2.1. 242 Gl. A. H. Kußmaul/S. Beckmann, DB 2001, S. 608 (613); M. Kröner/S. Köhler, IStR 1999, S. 268 (272).

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Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

Rahmen des Anrechnungshöchstbetrages nach § 26 Abs. 1 KStG243. Im Übrigen lässt sich auch an der Abschaffung der Vorschriften zur indirekten Anrechnung nach § 26 Abs. 2 bis 5 KStG erkennen, dass der Gesetzgeber nach der Umstellung des Körperschaftsteuersystems keine Notwendigkeit mehr für eine Anrechnung ausländischer Steuern sah. Auch von Körperschaftsteuersubjekten gehaltene ausländische Beteiligungen können der Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 ff. AStG unterliegen. Der Anwendungsbereich ist ausweislich der weiten Formulierung in § 7 Abs. 1 AStG, der nur von „unbeschränkt Steuerpflichtigen“ spricht, nicht auf natürliche Personen beschränkt244. Der Hinzurechnungsbetrag wird wie auch bei gewerblichen Beteiligungen natürlicher Personen zusätzlich mit Gewerbesteuer belastet. Wird der hinzugerechnete Gewinn der ausländischen Beteiligung später tatsächlich an das inländische Körperschaftsteuersubjekt ausgeschüttet, ist die Dividende nicht wie bei natürlichen Personen nach § 3 Nr. 41 lit a EStG, sondern nach § 8b Abs. 1 KStG steuerbefreit245. ________________________ 243 Dies konzediert auch A. Schnitger, IStR 2003, S. 298 (301) für den Fall, dass die

tatsächlich entstandenen und voll abziehbaren Aufwendungen über 5 % der Bruttodividende hinausgehen. Auf die tatsächliche Höhe kann es aber gerade wegen der Fiktionswirkung nicht ankommen; die gesetzliche Vermutung muss auch im Rahmen des § 26 Abs. 1 KStG Beachtung finden. 244 Bis zum Inkrafttreten des StVergAbG 2003 konnte ein nach § 10 Abs. 1 AStG anzusetzender Hinzurechnungsbetrag häufig aufgrund des DBA-Vorbehaltes nach § 10 Abs. 5 AStG a. F. letztlich doch nicht mit Körperschaftsteuer belegt werden; die Hinzurechnungsbesteuerung wurde durch Betriebsstättenklauseln und eventuelle Schachtelprivilegien in den DBA verhindert. Nunmehr ist jedoch § 10 Abs. 5 AStG a. F. ersatzlos aufgehoben worden und der DBA-Schutz entfallen (T. Rödder/A. Schumacher, DStR 2003, S. 805 (817); K. Sieker, IStR 2003, S. 78 (79); A. Schnitger, IStR 2003, S. 73 (77); G. T. Wiese/T. Klass, GmbHR 2003, S. 557 (560). Zweifelnd F. Roser, EStB 2003, S. 183 (185)). 245 Zum einen sind die Vorschriften des KStG, darunter § 8b Abs. 1, systematisch wie auch nach dem Willen des Gesetzgebers (Regierungsbegründung zum 3. StReformG, BT-Drs. 7/1470, S. 341) grundsätzlich als speziellere Normen vorrangig vor den Normen des EStG anzuwenden, auf die § 8 Abs. 1 KStG ebenfalls verweist. Die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 41 lit. a EStG kommt darum nicht mehr zum Zuge, wenn die Bezüge, die unzweifelhaft § 8b Abs. 1 KStG unterfallen, bereits nach dieser Vorschrift von der Besteuerung ausgenommen sind. Zum anderen lässt sich aber auch den Übergangsvorschriften zum AStG, namentlich dem § 21 Abs. 7 S. 7 AStG, wie auch den Gesetzesmaterialien zum UntStFG (Regierungsbegründung, BT-Drs. 14/6882, S. 31) entnehmen, dass § 3 Nr. 41 lit. a EStG nur das bei natürlichen Personen ansonsten greifende Halbeinkünfteverfahren ersetzen soll. Bei Körperschaftsteuersubjekten gehen Gesetz und Gesetzgeber offensichtlich auch hinsichtlich Dividenden aus bereits hinzurechnungsbesteuerten Gewinnen von einer Spezialität nicht des § 3 Nr. 41 lit. a EStG, sondern des § 8b Abs. 1 KStG aus.

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Auslandsdividenden

2. Spanien Auch Auslandsdividenden erhöhen in Spanien prinzipiell über den Handelsbilanzgewinn die Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer und sind damit dem Grunde nach steuerbar, Art. 10 Abs. 2 u. 3 LIS. Gleiches gilt für ein eventuelles ausländisches Körperschaftsteuerguthaben, das damit als Teil der Dividendeneinkünfte angesehen würde246. Steuerbefreiung als Schachtelprivileg Dividenden aus ausländischen Schachtelbeteiligungen sind jedoch unter bestimmten Voraussetzungen durch Art. 21 Abs. 1 LIS steuerfrei gestellt. Die Rechtslage ist dann ähnlich der in Deutschland, jedoch ist die Freistellung anders als dort auf privilegierte Beteiligungen beschränkt. Für die Steuerfreiheit der Dividenden ist zunächst erforderlich, dass die Beteiligung am Nennkapital der ausländischen Gesellschaft zumindest 5 % beträgt, wobei auch mittelbare Beteiligungen in die Berechnung einfließen. Ferner verlangt Art. 21 Abs. 1 lit. a LIS, dass die Beteiligungsdauer bis zur Fälligkeit der Dividende zumindest ein Jahr betrug oder dass diese Beteiligungsdauer im Nachhinein noch erreicht wird247. Des Weiteren muss die Tochtergesellschaft im Ausland einer der spanischen Körperschaftsteuer vergleichbaren Steuer unterlegen haben. Dies wird im Einzelnen in Art. 21 Abs. 1 lit. b LIS näher spezifiziert und im Übrigen im Verhältnis zu Staaten, mit denen Spanien ein DBA mit Auskunftsklausel abgeschlossen hat, unwiderlegbar vermutet248. Schließlich sieht Art. 21 Abs. 1 lit. c LIS noch eine Aktivitätsklausel vor, die auf die Regeln zur internationalen Fiskaltransparenz Bezug nimmt und die im gedanklichen Ansatz der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung gleicht249. ________________________

246 247

248 249

Der Unterschied wirkt sich in verschiedener Hinsicht auf die Steuerbelastung dieser Dividenden und damit zusammenhängender Ausgaben aus, was hier nicht näher erörtert werden kann. Vgl. dazu T. Rödder/A. Schumacher, DStR 2002, S. 105 (112 f.). M. Lucas Durán, Dividendos internacionales, S. 340 f. Letzteres bedeutete bis zum 31.12.2003 eine Erleichterung im Vergleich zum nationalen Schachtelprivileg des Art. 30 Abs. 2 LIS, die auf die Rechtsprechung des EuGH (v. 17.10.1996, Rs. C-283/94, C-291/94 u. C-292/94 (Denkavit u. a.), Slg. 1996, I-5063, Rz. 32) zur Mutter-Tochter-Richtlinie zurückgeht (vgl. C. Checa Gonzáles u. a., Comentarios a la LIS, S. 299). Vom VZ 2004 an hat der spanische Gesetzgeber diese Inländerdiskriminierung beseitigt und die Möglichkeit einer nachträglichen Erfüllung der Mindestbeteiligungsdauer auch für Inlandsdividenden eingeräumt. Bis zum 31.12.2003 handelte es sich lediglich um eine widerlegbare Vermutung. Erforderlich ist danach, dass die Einkünfte der ausländischen Tochter im betreffenden Wirtschaftsjahr zu mindestens 85 % aus unternehmerischen Tätigkeiten im Ausland stammen, die nicht zu den in Art. 121 Abs. 2 LIS aufgezählten ‚passiven’ Ein-

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Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

Das Gesetz nennt schließlich noch eine Reihe von Ausschlusstatbeständen, die zur Versagung der Steuerfreiheit der Dividenden führen. Es handelt sich hierbei im Wesentlichen, aber nicht nur um Vorschriften zur Vermeidung missbräuchlicher Inanspruchnahme250. Schließlich stellt Art. 21 Abs. 3 lit. c LIS klar, dass nicht gleichzeitig die Steuerbefreiung nach Art. 21 Abs. 1 LIS und die sogleich noch darzustellende Steueranrechnung nach Art. 31 f. LIS beansprucht werden dürfen. Wählt die steuerpflichtige Körperschaft das letztgenannte Besteuerungsregime, was Art. 21 Abs. 3 lit. c LIS ausdrücklich anheim stellt251, so ist die steuerliche Freistellung der Dividenden nach Art. 21 Abs. 1 LIS ausgeschlossen. Sind Dividenden nach Art. 21 Abs. 1 LIS steuerfrei, so kann die empfangende Körperschaft regelmäßig eine mit dem Dividendenbezug einhergehende Wertminderung steuerlich nicht geltend machen. Die steuerliche Berücksichtigung einer Teilwertabschreibung wird durch den Ende 2000 neu eingefügten Abs. 4 des Art. 21 LIS ausgeschlossen252. Demgegenüber hatte sich die Vorgängernorm des Art. 21 Abs. 1 LIS a. E. noch an die Regelung zur Entlastung von Dividenden inländischer Herkunft angelehnt. Das spanische Körperschaftsteuerrecht kennt kein allgemeines Abzugsverbot für mit steuerbefreiten Einnahmen zusammenhängende Betriebsausgaben. Da Art. 21 Abs. 1 LIS ein solches Abzugsverbot auch nicht speziell für steuerfreie Dividenden vorsieht, können damit zusammenhängende Betriebsausgaben grundsätzlich unbegrenzt abgezogen werden253. ________________________

250

251 252 253

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künften führen. Den ‚aktiven’ Einkünften gleichgestellt ist der Bezug von Dividenden aus Unterbeteiligungen, die wiederum selbst alle Schachtelbeteiligungserfordernisse des Art. 21 Abs. 1 LIS erfüllen. So entfällt nach Art. 21 Abs. 1 lit. b LIS insbesondere die Steuerfreiheit von Dividenden derjenigen ausländischen Tochtergesellschaften, deren Sitz sich in einem durch Verordnung (Real Decreto 1080/1991, vom 5.7.1991) festgelegten Steuerparadies befindet (näher zum Erfordernis „aktiver“ Einkünfte J. Sarasa Pérez, Impuestos, La Ley 2001, S. 373 (379)). Ausgenommen sind auch Dividenden von Tochtergesellschaften, die vor allem deshalb im Ausland tätig werden, um das dortige, günstige Besteuerungsregime auszunutzen, Art. 21 Abs. 3 lit. b LIS. Dies wird vermutet, wenn Aktivitäten innerhalb eines Konzerns von einer inländischen auf eine ausländische Konzerngesellschaft ausgelagert werden. Außerdem gelangt Art. 21 LIS gemäß dessen Abs. 3 lit. a nicht zur Anwendung, wenn die empfangende Körperschaft den Regeln der nationalen Fiskaltransparenz gemäß den Art. 75 ff. LIS unterliegt (Das letztgenannte Besteuerungsregime negiert die steuerliche Abschirmwirkung der inländischen juristischen Person in als für eine Steuerumgehung typisch erachteten Konstellationen; in Deutschland muss hierfür auf die Generalklausel des § 42 Abs. 1 AO rekurriert werden). Dazu B. Pérez Bernabeu, QF 2003/07, S. 31 (32); J. Sarasa Pérez, Impuestos, La Ley 2001, S. 373 (377). J. Sarasa Pérez, Impuestos, La Ley 2001, S. 373 (379). E. Sanz Gadea, Impuestos, La Ley 2001, S. 161 (175).

Auslandsdividenden

Alternative: Limitiertes Anrechnungsverfahren Gelangt das Schachtelprivileg des Art. 21 Abs. 1 LIS nicht zur Anwendung, werden die aus dem Ausland bezogenen Dividenden in Spanien voll versteuert. Die ausländischen Steuern können jedoch nach Maßgabe der Art. 31 und 32 LIS254 auf die spanische Körperschaftsteuerschuld angerechnet werden255. Dabei ist über die direkte Anrechnung der vom inländischen Körperschaftsteuersubjekt zu tragenden Quellensteuer auf die Dividende hinaus unter gewissen Umständen auch eine indirekte Anrechnung der von der ausländischen Gesellschaft entrichteten Ertragsteuern möglich: Nach Art. 31 Abs. 1 LIS wird die anlässlich des Dividendenbezugs im Ausland effektiv erhobene Quellensteuer angerechnet, wenn die Dividenden in die Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer eingegangen sind. Dies gilt allerdings nur insoweit, als sie den Körperschaftsteuerbetrag nicht übersteigt, der auf eine in Spanien ausgeschüttete Dividende gleicher Höhe entfallen würde256. Strittig ist, ob Art. 31 Abs. 1 lit. b LIS dabei so zu verstehen ist, dass der ausländischen Steuer die spanische Steuer auf die Nettodividende nach Abzug damit zusammenhängender Betriebsausgaben gegenüberzustellen ist, oder ob die Berechnung des maximalen Anrechnungsbetrages von der Bruttodividende auszugehen hat257. Zutreffend dürfte es sein, auf die Nettodividende abzustellen. Denn nach dem Gesetz soll es auf die Steuerschuld (cuota íntegra) ankommen soll, die auf das ausländische Einkommen (renta) entfallen würde; der Einkommensbegriff wird aber in Spanien wie in Deutschland auch jedenfalls bei Ansässigen regelmäßig im Sinne einer Nettogröße gebraucht258. Beim Bezug verschiedener ausländischer Dividenden findet eine länderbezogene Berechnung des maximalen Anrechnungsbetrages statt (per-country-limitation)259. ________________________ 254 Art. 29 u. 30 LIS a. F. 255 B. Pérez Bernabeu, QF 2003/07, S. 31 (32). 256 Hätte im Übrigen nach einem DBA im Ausland nur eine geringere als die tatsächlich

erhobene Quellensteuer einbehalten werden dürfen, so ist nur der nach dem DBA zulässige Betrag anrechenbar. 257 Für eine Berechnung auf Basis der Nettodividende F. Carreño in: Cuatrecasas, Comentarios al IS, Cap. 18 S. 1176; für eine Berechnung auf Basis der Bruttodividende M. Lucas Durán, Dividendos internacionales, S. 345. 258 Sehr deutlich macht dies etwa Art. 15 III Nr. 1 S. 2 LIRPF, wo es heißt: „Los rendimientos netos se obtendrán por diferencia entre los ingresos computables y los gastos deducibles …“. 259 Eine Ausnahme gilt bei über ausländische Betriebsstätten vereinnahmten Dividenden, hinsichtlich derer eine isolierte Betrachtung vorgenommen wird, Art. 31 Abs. 3 LIS. Die praktische Bedeutung dieser Ausnahme beschränkt sich auf das Verhältnis zu Nicht-DBA-Staaten, weil Betriebsstätteneinkünfte aufgrund abkommensrechtlicher Vorschriften regelmäßig freigestellt sind und darum nicht in das Anrechnungsverfahren nach Art. 31 Abs. 1 LIS einbezogen werden.

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Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

Kommt es zur Anrechnung nach Art. 31 Abs. 1 LIS, so erhöht sich die Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer gemäß Art. 31 Abs. 2 LIS um die ausländische Quellensteuer. Damit soll eine doppelte Begünstigung durch deren Anrechenbarkeit einerseits und ihre gewinnmindernde handelsbilanzielle Wirkung, die nach Art. 10 Abs. 2 u. 3 LIS prinzipiell auf die steuerliche Bemessungsgrundlage durchschlagen würde, vermieden werden. Eine Erstattung ausländischer Quellensteuern für den Fall, dass der anrechnungsfähige Betrag die insgesamt im Inland zu entrichtende Körperschaftsteuer übersteigt, ist nicht vorgesehen. Die anrechenbare ausländische Steuer kann dann aber gemäß Art. 31 Abs. 4 LIS in die nächsten 10 Veranlagungszeiträume vorgetragen werden. Daneben kommt nach Art. 32 Abs. 1 LIS bei Dividenden aus Schachtelbeteiligungen eine Anrechnung auch der von der ausländischen Tochtergesellschaft gezahlten Ertragsteuern in Betracht260. Voraussetzung für die Anrechnung ist, dass das inländische Körperschaftsteuersubjekt unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 5 % an der ausländischen Gesellschaft beteiligt ist. Diese Beteiligungsdauer muss bis zur Fälligkeit der Dividende oder im nachhinein mindestens ein Jahr betragen. Insoweit gleichen sich die Anforderungen für die Freistellung nach Art. 21 Abs. 1 LIS und die indirekte Anrechnung nach Art. 32 Abs. 1 LIS. Die letztgenannte Vorschrift enthält aber darüber hinaus keine Aktivitätsklausel und auch keine sonstigen Einschränkungen der Anwendbarkeit261. Liegen die Schachtelvoraussetzungen vor, werden die ausländischen Ertragsteuern angerechnet, soweit sie auf den für die Ausschüttung verwandten Gewinn entfallen und die damit korrespondierenden Dividenden in die Bemessungsgrundlage der empfangenden Körperschaft eingegangen sind. Der anrechnungsfähige Betrag ist der Höhe nach freilich auf die Steuerlast beschränkt, die sich bei Anwendung des spanischen Körperschaftsteuersatzes auf den ausgeschütteten Gewinn ergäbe, Art. 32 Abs. 3 LIS. Außerdem wird ________________________ 260 Die Begrenzung dieser indirekten Anrechnung auf qualifizierte Beteiligungen erklärt

C. de Pablo Varona, RDFHP 2002, S. 51 (116, Fn. 157) damit, dass bei bloßen Portfoliobeteiligungen die beteiligte Gesellschaft regelmäßig keine Kenntnis von der Höhe der Vorbelastung der Dividende mit ausländischer Körperschaftsteuer hat bzw. erlangen kann. 261 Im Übrigen gestattet Art. 32 Abs. 2 LIS auch die Anrechnung von Ertragsteuern, die auf den von Enkel- und Urenkelgesellschaften erzielten Gewinn entfallen, wenn dieser letztlich durch die Kette zur Ausschüttung an die inländische Muttergesellschaft gelangt. Das Gesetz trägt also einem bis zu dreistufigen Konzernaufbau im Ausland Rechnung. Allerdings werden für die jeweiligen Schachtelbeteiligungen von 5 % hier nur die von der übergeordneten Gesellschaft unmittelbar gehaltenen Anteile berücksichtigt. Hinsichtlich der Haltedauer gilt das Gleiche wie für Tochtergesellschaften der ersten Ebene.

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Auslandsdividenden

von dem Höchstbetrag gemäß dieser Vorschrift zuvor noch der Betrag ausländischer Quellensteuern abgezogen, der nach Art. 31 LIS anrechenbar ist. Damit wird der in der Vorschrift zur Vermeidung juristischer Doppelbesteuerung enthaltene „ordinary credit“ auf die Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbelastung ausgedehnt262. Schließlich erhöht der Anrechnungsbetrag die Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer, um eine Doppelbegünstigung auszuschließen263. Soweit die Anrechnung mangels hinreichender Körperschaftsteuerschuld der Muttergesellschaft ins Leere geht, kann der Anrechnungsbetrag nach Art. 32 Abs. 4 LIS 10 Jahre vorgetragen werden. Eine Erstattung kommt hingegen nicht in Betracht. Hinsichtlich der prinzipiellen steuerlichen Unbeachtlichkeit von durch den Dividendenbezug verursachten Wertminderungen gilt das oben zu Art. 21 Abs. 4 Gesagte. Art. 32 Abs. 5 LIS erlaubt allerdings eine Teilwertabschreibung insoweit, als die zur Ausschüttung verwendeten Erträge bereits zuvor anlässlich eines Veräußerungsgeschäftes in Spanien besteuert worden sind. Verhältnis zu DBA Anders als Deutschland hat Spanien in seine DBA keine Freistellungsregelung für Schachteldividenden aufgenommen264. Insoweit die Beteiligung die Voraussetzung für die unilaterale Freistellung der Dividenden nach Art. 21 LIS erfüllt, kann der Steuerpflichtige diese Vorschrift als die regelmäßig vorteilhaftere Regelung in Anspruch nehmen. Ansonsten verbleibt es beim Anrechnungsverfahren nach Art. 31 f. LIS. Das spanische System der Besteuerung von Auslandsdividenden bei Körperschaften ähnelt letztlich in hohem Maße dem Rechtszustand, wie er im deutschen Körperschaftsteuerrecht vor der Unternehmensteuerreform 2000 existierte. Auch das deutsche KStG kannte damals die Dividendenfreistellung nur als Schachtelprivileg nach § 8b Abs. 5 KStG. Subsidiär, nicht aber kumulativ265 kam die direkte und indirekte Anrechnung nach § 26 Abs. 1 u. 2 KStG in Betracht, und zwar ebenfalls beschränkt auf einen „ordinary credit“. Auch nach dem damaligen deutschen Körperschaftsteuerrecht hatte die direkte Anrechnung eigener ausländischer Quellensteuern der Muttergesellschaft, welche voraussetzungslos gewährt wurde, Vorrang vor der indirekten ________________________ 262 T. M. Guirao/V. H. Carrillo/G. R. Chaqués in: Ernst & Young, LIS, Arts. 29 a 30

bis, S. 432. 263 F. Carreno in: Cuatrecasas, Comentarios al IS, Cap. 18, S. 1186; T. M. Guirao/V. H.

Carrillo/G. R. Chaqués in: Ernst & Young, LIS, Arts. 29 a 30 bis, S. 430. 264 Eine Ausnahme bildet das DBA Spanien-Brasilien. Vgl. M. Lucas Durán, Dividen-

dos internacionales, S. 339. 265 Dazu W. Jütte in: Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, KStG, § 26 (Stand: 05/00), Rz. 440.

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Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

Anrechnung von Ertragsteuern der Tochtergesellschaft, die wie Art. 32 LIS als Schachtelprivileg konzipiert war. Denn gemäß § 26 Abs. 2 S. 6 KStG a. F. griff die indirekte Anrechung wie in Spanien nur, soweit der Anrechnungshöchstbetrag durch die direkte Anrechnung noch nicht verbraucht war266. Unterschiede bestehen vor allem insofern, als dass die Mindestbeteiligung in Spanien nur 5 % statt wie im KStG a. F. 10 % beträgt. Außerdem knüpft die unilaterale Schachtelfreistellung nicht wie § 8b Abs. 5 a. F. an eine DBA-Freistellungsklausel an, und es besteht für die indirekte Anrechnung anders als nach § 26 Abs. 2 KStG a. F. auch kein Aktivitätsvorbehalt. Für Auslandsdividenden gelten in Spanien auch bei Körperschaftsteuersubjekten die Regeln der internationalen Fiskaltransparenz, soweit die Dividenden von einer ausländischen Zwischengesellschaft erwirtschaftet wurden, die niedrig besteuerte passive Einkünfte erzielte. Anders als in Deutschland ist diese Form der Hinzurechnungsbesteuerung steuerartenabhängig, das heißt für Körperschaften im Körperschaftsteuergesetz, genauer in Art. 107 LIS geregelt. Da diese Vorschrift im Wesentlichen inhaltsgleich zu ihrem einkommensteuerlichen Pendant ist, kann auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden267. Die einzige Abweichung von Belang besteht darin, dass auf Körperschaftsebene wie auch beim regulären Dividendenbezug die auf dem Hinzurechnungsbetrag lastende ausländische Körperschaftsteuer auf die korrespondierende spanische Körperschaftsteuer angerechnet werden kann268.

III. Dividenden an Nichtansässige 1.

Deutschland

Körperschaften mit Geschäftsleitung und Sitz im Ausland sind nach § 2 KStG mit ihren inländischen Einkünften beschränkt steuerpflichtig. Zu den inländischen Einkünften zählen prinzipiell auch von inlandsansässigen Kapitalgesellschaften bezogene Dividenden. Werden die Dividenden über eine inländische Betriebsstätte bezogen, sind sie schon nach den §§ 8 Abs. 1 KStG, 49 Abs. 1 Nr. 2a EStG steuerbar269. Ansonsten handelt es sich aufgrund der nach §§ 8 Abs. 1 KStG, 49 Abs. 2 EStG gebotenen isolierenden ________________________ 266 267 268 269

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W. Jütte in: Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, KStG, § 26 (Stand: 05/00), Rz. 437. Siehe oben B.II.3.b. J. Calderón González, QF 2001/18, S. 11 (29). Regelmäßig handelt es sich bei den Dividendeneinkünften um gewerbliche Einkünfte im Sinne des deutschen KStG und EStG, wenn das auslandsansässige Körperschaftsteuersubjekt nach dem Handelsrecht seines Sitzstaates buchführungspflichtig ist, § 8 Abs. 2 KStG analog (zur analogen Anwendung des § 8 Abs. 2 KStG vgl. M. Streck, KStG, 5. Aufl., § 8 Rz. 25).

Dividenden an Nichtansässige

Betrachtungsweise um steuerbare inländische Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 lit. a EStG. In jedem Fall sind jedoch die Dividenden wie bei inländischen Steuersubjekten von einer Belastung mit Körperschaftsteuer durch § 8b Abs. 1 KStG freigestellt. Diese Vorschrift ist sowohl auf unbeschränkt steuerpflichtige wie auch auf beschränkt steuerpflichtige Körperschaften anwendbar270. Sie enthält auch keine Beschränkung auf Anteile, die von einer inländischen Betriebsstätte gehalten werden. Der diesbezügliche Vorbehalt im Regierungsentwurf271 wurde in den Beratungen des Finanzausschusses gestrichen272. Jedenfalls im Hinblick auf die materielle Rechtslage ist damit eine Einschränkung des deutschen Besteuerungsrechts durch die Dividendenartikel der DBA bedeutungslos geworden. Sowohl die reguläre Begrenzung auf 15 % der Bruttodividende wie auch das für Schachtelbeteiligungen häufig vorgesehene niedrigere Quellensteuerrecht in Höhe von nur 10 oder 5 % der Bruttodividende273 entfalten mangels eines kollidierenden nationalen Besteuerungsanspruchs keine Schrankenwirkung. Darüber hinaus wird durch § 8b Abs. 1 KStG auch die Mutter-Tochter-Richtlinie274 voll umgesetzt, nach deren Art. 5 Abs. 1 die von der Tochtergesellschaft ausgeschütteten Dividenden nicht quellenbesteuert werden dürfen. Nach hier vertretener Auffassung bleibt es bei der Steuerfreiheit nach § 8b Abs. 1 KStG anders als bei natürlichen Personen auch trotz des Kapitalertragsteuerabzugs. Vorab ist dazu festzustellen, dass der Dividendenbezug wie auch bei unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaftssubjekten trotz der Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 KStG prinzipiell der Kapitalertragsteuer unterliegt, §§ 8 Abs. 1 KStG, 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 3 EStG. Diese beläuft sich auf 20 % des Bruttobetrags der Dividende. Hinzu kommt ________________________ 270 271 272 273 274

T. H. Fock, RIW 2001, S. 108 (113). BT-Drs. 14/2683, S. 78 f. BT-Drs. 14/3366, S. 59. Siehe dazu die Übersicht bei W. Tischbirek in: Vogel, DBA, 5. Aufl., Art. 10 Rz. 87. Richtlinie (EWG) Nr. 90/435, ABl. EG Nr. L 225 S. 6. Begünstigt sind an sich Schachtelbeteiligungen von mindestens 25 %. Die verfahrensrechtlichen Regelungen der §§ 43b, 50d EStG, welche die Quellensteuerfreiheit näher ausgestalten, lassen unter Umständen schon eine Beteiligung von 10 % einer im EU-Ausland ansässigen Muttergesellschaft an einer inländischen Tochter genügen. Diesen gleichgestellt werden in § 50d II S. 1, 2. Hs. EStG Schachtelbeteiligungen einer ausländischen Mutter von mindestens 10 %, wenn diese in einem (Nicht-EG) DBA-Vertragsstaat ansässig ist und das DBA eine niedrigere Quellensteuer als in § 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG vorgesehen verlangt bzw. ein Absehen von deren Erhebung vorschreibt (vgl. W. Heinicke in: Schmidt, EStG, 22. Aufl., § 50d Rz. 14; D. Gosch in: Kirchhof, EStG, 3. Aufl., § 50d Rz. 23; S. Grotherr, IWB Fach 3, Gr. 2, S. 977 (986 ff.)).

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Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

die Belastung mit dem Solidaritätszuschlag gemäß §§ 3 Abs. 1 Nr. 5, 4 SolZG in Höhe von 5,5 % der zu erhebenden Kapitalertragsteuer. Umstritten ist nun, ob die Kapitalertragsteuer wieder zu erstatten bzw. auf die sonstige Körperschaftsteuerschuld der ausländischen Mutter anzurechnen ist. Nur dann käme es im Belastungsergebnis zu der durch § 8b Abs. 1 KStG vorgegebenen steuerlichen Freistellung der Dividende. Dies ist im Ausgangspunkt insofern problematisch, als dass die Kapitalertragsteuer grundsätzlich abgeltende Wirkung für die ihr unterliegenden Einkünfte der beschränkt steuerpflichtigen Körperschaft hat, § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG. Eine Ausnahme besteht nach dem Gesetzestext nur in den Fällen, in denen die Dividende über eine inländische Betriebsstätte bezogen wird, der die entsprechende Beteiligung zuzuordnen ist. Hier wird eine Veranlagung durchgeführt, in deren Rahmen § 8b Abs. 1 KStG anzuwenden ist. Beim Bezug über eine Betriebsstätte kommt es deshalb im Ergebnis zu einer Erstattung der auf die Dividende erhobenen Kapitalertragsteuer im Wege ihrer Anrechnung auf die Steuer auf das übrige Betriebsstättenergebnis, § 8 Abs. 1 KStG i. V. m. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG. Ansonsten, das heißt bei einer unmittelbar im Betriebsvermögen der ausländischen Mutter gehaltenen Beteiligung, würde eine Veranlagung bei abgeltender Wirkung der Kapitalertragsteuer hinsichtlich der bezogenen Dividenden nicht stattfinden. Man könnte darum annehmen, dass es trotz der materiell-rechtlichen Steuerfreiheit der Dividende nach § 8b Abs. 1 KStG zu einer Definitivbelastung mit Kapitalertragsteuer käme275. Dies ist vom Wortlaut des § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG her aber nicht vorgegeben und stünde überdies im Widerspruch zur Konzeption dieser Vorschrift: Indem § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG die Körperschaftsteuer auf die dem Steuerabzug unterliegenden Einkünfte für abgegolten erklärt, setzt er nämlich deren materielle Steuerpflicht gerade voraus. Sind die betroffenen Einkünfte nicht körperschaftsteuerpflichtig so können sie auch keiner Abgeltung zugänglich sein276. ________________________ 275 So das BMF-Schreiben vom 28.4.2003, IV A2 – S 2750a – 7/03, BStBl. I 2003,

S. 292 (293, Rz. 11); zustimmend H.-G. Reuter/M. Klein, IStR 2003, S. 634 f. Im Ergebnis gl. A. sind G. Strunk/O. Theobald, IWB Gruppe 2, S. 1101 (1105); T. Keß, Steuerwarte 2001, S. 259 (264); wohl auch T. H. Fock, RIW 2001, S. 108 (113). 276 Gl. A. N. Dautzenberg, BB 2001, S. 2137 (2138). N. Herzig, DB 2003, S. 1459 (1461) und T. Rödder/A. Schumacher, DStR 2003, S. 909 (910 f.) halten eine Abgeltungswirkung mindestens für „zweifelhaft“. Vgl. auch BFH v. 19.12.1984 – I R 31/82, BFHE 143, S. 416 (418 f.): Der BFH ging jedenfalls dann, wenn die Abgeltungsbestimmung nicht erkennbar auch eine materielle Steuerpflicht begründen will, von der Rechtsgrundlosigkeit der Zahlung der Abzugsbeträge aus. Dass dem § 32 I Nr. 2 KStG eine solche Intention innewohnt, kann aber schon deshalb nicht sicher festgestellt werden, weil von ihm nicht nur steuerbefreite Dividenden, sondern auch

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Dividenden an Nichtansässige

Durch die Verwendung der Formulierung, wonach die Körperschaftsteuer „abgegolten ist“, nicht nur wie in § 50 Abs. 5 S. 1 EStG „als abgegolten gilt“, wird die Notwendigkeit einer Körperschaftsteuerpflicht der quellenbesteuerten Einkünfte gegenüber dem Einkommensteuerrecht noch deutlicher gemacht. Daran fehlt es aber – anders als bei den nur hälftigen Steuerfreiheit von an natürliche Personen ausgeschütteten Dividenden – bei den nach § 8b Abs. 1 KStG steuerfreien Dividenden277. Allerdings ist eine gleichwohl erhobene Kapitalertragsteuer jedenfalls nach der neueren Rechtsprechung des BFH nicht ohne rechtlichen Grund gezahlt worden und folglich nicht nach § 37 Abs. 2 AO zu erstatten278, weil die Anmeldung der Kapitalertragsteuer den Rechtsgrund für ihre Abführung auch im Verhältnis zum eigentlichen Steuerpflichtigen bildet279. Diese Anmeldung ist vom Steuerpflichtigen auch nicht angreifbar, weil § 43 Abs. 1 S. 3 EStG den Abzug ja ausdrücklich trotz der materiellen Steuerfreiheit anordnet, so dass die entsprechende Anmeldung der Kapitalertragsteuer rechtmäßig ist280. Im Schrifttum ist angesichts dessen erwogen worden, dem Steuerausländer einen Erstattungsanspruch analog § 50d Abs. 1 S. 2 ff. EStG zuzuerkennen281. Einer solchen Analogie bedarf es aber nicht: Kann nämlich die Abgeltungswirkung nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG mangels abgeltungsfähiger Körperschaftsteuer nicht greifen, so sind die Dividendeneinkünfte schlicht wie in den sonstigen Fällen des Steuerabzugs zu veranlagen, und die Kapitalertragsteuer ist nach §§ 8 Abs. 1 KStG, 36 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 EStG zu erstatten. ________________________

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andere Kapitalerträge erfasst werden. Gegen eine materiell-rechtliche Wirkung spricht auch die systematische Stellung im Teil über das Veranlagungsverfahren. Im Ergebnis gl. A. R. Eckert, IStR 2003, S. 406 (408). Allerdings wird im Schrifttum teilweise vertreten, dass es sich bei § 8b Abs. 1 KStG um eine Vorschrift betreffend die Einkommensermittlung handele, welche die Steuerpflicht der Dividendeneinkünfte noch unberührt lasse (G. Frotscher in: Frotscher/Maas, KStG, § 8b (Stand: 02/03) Rz. 29; PwC, Unternehmenssteuerreform 2001, S. 173). Dieser Einwand geht jedoch fehl: § 8b Abs. 1 KStG betrifft entgegen des nicht ganz präzis gefassten Wortlauts tatsächlich die Einkünfteermittlung (siehe dazu oben C.I.1. und die Begründung im Entwurf zum StSenkG 2000, BT-Drs. 14/2683, S. 124). So aber A. H.-J. Watermeyer in: Herrmann/Heuer/Raupach, Steuerreform II, § 8b KStG (Stand: 04/01), Rz. 15; N. Neu, GmbH-StB 2000, S. 303 (304); wohl auch K. Lindberg in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 44b EStG (Stand: 02/01), Rz. 21. BFH v. 17.5.1995 – I B 183/94, BStBl. II 1995, S. 781 (782); zustimmend R. Eckert, IStR 2003, S. 406 (407); H.-G. Reuter/M. Klein, IStR 2003, S. 634 (635); vgl. auch H. Hahn, DStZ 2003, S. 489 (495). Vgl. dazu BFH v. 25.11.2002 – 1 V 4030/01, BFHE 201, S. 114 (115); R. Eckert, IStR 2003, S. 406 (407); a. A. wohl H.-G. Reuter/M. Klein, IStR 2003, S. 634 (635). R. Eckert, IStR 2003, S. 406 (410).

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Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

Auch die Vorschriften der §§ 43b, 50d Abs. 1 EStG hindern eine solche Sichtweise nicht. Danach kann die ausländische Muttergesellschaft, die nach der Mutter-Tochter-Richtlinie oder in gleichgestellten Anwendungsfällen begünstigt ist, die einbehaltene Kapitalertragsteuer erstattet verlangen. Es wird darauf hingewiesen, dass es dieser Sonderregelung nicht bedurft hätte, wenn schon generell ein Erstattungsanspruch in Betracht käme282. Man kann den wesentlichen Regelungsgehalt der Vorschrift aber auch darin sehen, dass trotz der Vorgabe in Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie, wonach Ausschüttungen der Tochtergesellschaft von der Quellensteuer zu befreien sind, zunächst Kapitalertragsteuer erhoben werden darf283 und erst nachfolgend wieder erstattet wird. Dafür spricht auch, dass nach dem Wortlaut des § 50d Abs. 1 S. 3 EStG ein Erstattungsanspruch „unberührt“ bleibt, also nicht eigens kreiert, sondern als gegeben vorausgesetzt wird. Die gewerbesteuerliche Belastung der von einer auslandsansässigen Körperschaft bezogenen Dividende entspricht derjenigen im Binnensachverhalt284, wenn die Beteiligung einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist. Ansonsten besteht wegen der Beschränkung des Steuerobjekts auf inländische Gewerbebetriebe in § 2 Abs. 1 S. 1 GewStG keine Gewerbesteuerpflicht.

2. Spanien Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass in Spanien die Besteuerung Nichtansässiger rechtsformübergreifend in einem eigenständigen Gesetz geregelt ist. Für die Besteuerung von Dividenden, die auslandsansässige Körperschaften bezogen haben, gilt darum im Grundsatz nichts anderes als für an beschränkt steuerpflichtige natürliche Personen ausgeschüttete Dividenden285. Insbesondere sind von inländischen Gesellschaften ausgeschüttete Dividenden beschränkt steuerpflichtig. Für die Besteuerungsmodalitäten kommt es wie in Deutschland entscheidend darauf an, ob die Dividenden über eine inländische Betriebsstätte bezogen wurden: Ist dies der Fall, so wird wie im deutschen Körperschaftsteuersystem nicht von der Besteuerung von an Steuerinländer ausgeschütteten Dividenden ab________________________ 282 N. Dautzenberg, BB 2001, S. 2137 (2139). 283 Hiervon ist nur auf Antrag abzusehen, §§ 8 I KStG, 43b I u. II, 50d III 1, 1. Hs.

EStG. Ansonsten ziehen die Freistellung nach der Mutter-Tochter-Richtlinie wie im Übrigen auch DBA-Beschränkungen der Quellenbesteuerung von Dividenden nur die Erstattung der gleichwohl zu erhebenden Kapitalertragsteuer nach sich, § 50d Abs. 1 EStG. Soweit das DBA ohnehin ein solch zweiteiliges Verfahren vorsieht, ergibt sich der Erstattungsanspruch schon aus der entsprechenden Abkommensregelung. 284 Siehe dazu oben C.I.1. 285 Siehe dazu eingehend oben B.III.2.b.

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Dividenden an Nichtansässige

gewichen. Sie sind über die Steuerermäßigung nach Art. 19 Abs. 4 lit. a LIRNR, 30 Abs. 1 und 2 LIS faktisch entweder zur Gänze oder zumindest hälftig steuerfrei. Erwerbsaufwendungen im Zusammenhang mit der Beteiligung sind abziehbar. Die einbehaltene Kapitalertragsteuer wird auf die Körperschaftsteuerschuld angerechnet und gegebenenfalls erstattet, Art. 19 Abs. 4 lit. b, Abs. 6 LIRNR. Ist die Beteiligung an der inländischen Tochtergesellschaft nicht mit der geschäftlichen Tätigkeit einer inländischen Betriebsstätte in Verbindung zu bringen, so wird auf Dividendenausschüttungen grundsätzlich eine definitive fünfzehnprozentige Steuer im Wege des Quellenabzugs erhoben, Art. 25 Abs. 1 lit. g; 31 LIRNR. Der Steuersatz wird auf die Bruttodividende angewendet, Beteiligungsaufwendungen bleiben unberücksichtigt, Art. 24 Abs. 1 LIRNR. Ausnahmen bestehen nur insoweit, wie die Mutter-Tochter-Richtlinie sie verlangt: Ist die ausländische, aber EU-ansässige Muttergesellschaft für die Dauer mindestens einen Jahres zu 25 % oder mehr an der inländischen Tochter beteiligt, so sind die Dividenden nach Art. 14 Abs. 1 lit. g LIRNR steuerfrei, und Quellensteuern werden nicht einbehalten286. Wenn man der hier vertretenen Ansicht folgt, wonach die Abgeltungswirkung des § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG die Erstattung einbehaltener Kapitalertragsteuer in Deutschland nicht hindert, ergeben sich somit große Unterschiede zur hiesigen Rechtslage: Das deutsche Körperschaftsteuerrecht erhält die Steuerfreiheit der Dividenden auch bei auslandsansässigen Gesellschaften aufrecht, wohingegen Spanien grundsätzlich eine definitive Quellensteuer erhebt. Abgemildert, jedoch nicht aufgehoben wird diese Quellenbesteuerung durch die Dividendenartikel der spanischen DBA, soweit sie für Schachtelbeteiligungen das Quellensteuerrecht auf unter 15 % begrenzen287. In diesem Fall ist schon der Quellensteuerabzug nach Art. 31 Abs. 2 LIRNR entsprechend zu vermindern. Wird dies versäumt, kann die Muttergesellschaft die zuviel einbehaltene Quellensteuer erstattet verlangen, Art. 20 RIRNR288.

________________________ 286 M. Lucas Durán, Dividendos internacionales, S. 311; ders., Fiscalidad internacional,

S. 166. 287 Siehe dazu die Übersicht bei Übersicht bei T. Cordón Ezquerro, Manual de Fiscali-

dad Internacional, S. 235 f. 288 Reglamento del Impuesto de la Renta de No Residentes, spanische Durchführungs-

verordnung zum LIRNR.

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Die Dividendenbesteuerung bei Personengesellschaften im Überblick

D. Die Dividendenbesteuerung bei Personengesellschaften im Überblick Die Besteuerung von Dividenden, die an steuerlich transparente Personengesellschaften ausgeschüttet werden, ist grundsätzlich nicht Gegenstand dieser Arbeit. Um ein vollständiges Bild des Systems der nationalen Dividendenbesteuerung zu vermitteln, soll hierauf dennoch überblicksartig und beschränkt auf die Grundkonzeption im Binnensachverhalt eingegangen werden.

I. Deutschland Die im Sinne des EStG unternehmerisch tätige Personengesellschaft wird einkommensteuerlich als transparente Mitunternehmerschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG behandelt289. Ihre fehlende Abschirmwirkung hat zur Folge, dass bei ihr zwar ein steuerlicher Gewinn zu ermitteln, dieser jedoch den beteiligten Mitunternehmern zur eigentlichen Besteuerung zuzurechnen ist, § 15 I Nr. 2 EStG. Nach zivilrechtlichen Maßstäben von der Mitunternehmerschaft bezogene Dividenden werden letztlich entsprechend dem Gewinnverteilungsschlüssel auf die einzelnen Mitunternehmer aufgeteilt. Sie erfahren darum in Höhe des jeweiligen Anteils dieselbe Behandlung, wie sie einer unmittelbar von dem jeweiligen Gesellschafter bzw. Mitunternehmer bezogene Dividende zuteil werden würde. Die gleichen Grundsätze gelten auch für die vermögensverwaltende Personengesellschaft, insbesondere die BGB-Gesellschaft, obwohl sich hierzu keine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung findet. Auch hier folgt aber aus der gemeinschaftlichen Einkünfteerzielung von steuerlich je individuell zu betrachtenden Gesellschaftern eine zweistufige Betrachtungsweise290. Soweit eine von der Mitunternehmerschaft empfangene Dividende einer natürlichen Person zuzurechnen ist, greift also das Halbeinkünfteverfahren nach den §§ 3 Nr. 40 lit. d, 3c Abs. 2 EStG. Soweit Dividendenbezüge auf den Gewinnanteil einer Körperschaft aus der Mitunternehmerschaft entfallen, gilt für sie die steuerliche Freistellung nach § 8b Abs. 1 KStG mit den ________________________ 289 Die Vorschrift gilt unmittelbar nur, wenn die Personengesellschaft Einkünfte aus

Gewerbebetrieb erzielt. Bei Einkünften aus selbständiger Arbeit ist sie über die Verweisungsnorm des § 18 IV 2 EStG, bei solchen aus Land- und Forstwirtschaft über § 13 VII EStG entsprechend anwendbar. 290 F. Krüger, Die vermögensverwaltende Personengesellschaft im Ertragsteuerrecht, S. 152 f.; J. Lang in: FS Schmidt, S. 291 (304 f.).

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Deutschland

Einschränkungen nach § 8b Abs. 5 KStG, was durch § 8b Abs. 6 S. 1 KStG sogar ausdrücklich klargestellt wird291. In gewerbesteuerlicher Hinsicht ist die Mitunternehmerschaft intransparent, das heißt sie ist gemäß § 2 Abs. 1 GewStG mit ihrem Gewerbebetrieb selbst Steuerobjekt. Damit stellt sich die Frage, ob bei der Ermittlung des Gewerbeertrages der Mitunternehmerschaft die Steuerbefreiungen der §§ 3 Nr. 40 lit. d EStG, 8b Abs. 1 KStG, und zwar differenziert nach einkommensteuerpflichtigen und körperschaftsteuerpflichtigen Mitunternehmern, zu berücksichtigen sind. Dies ist jedenfalls im Hinblick auf § 8b Abs. 1 KStG umstritten, denn dann würde der Gewerbeertrag der Mitunternehmerschaft partiell von der Gesellschafterstruktur abhängen292. Diese Problematik und der daran anknüpfende Streit wurden freilich hinsichtlich der Dividendenzahlungen mit der Verabschiedung des UntStFG infolge des dadurch neu eingefügten § 8 Nr. 5 GewStG wesentlich entschärft293: Hinsichtlich der gewerbesteuerlichen Erfassung der Dividende wirkt sich die Frage nicht mehr aus. Bei Streubesitzdividenden gehen die Dividenden entweder – bei fehlender Anwendbarkeit der §§ 3 Nr. 40 lit d EStG, 8b Abs. 1 KStG – direkt über § 7 GewStG in den Gewerbeertrag ein, oder aber – im Falle ihrer Berücksichtigung – über die Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 5 GewStG. Schachteldividenden i. S. v. § 9 Nr. 2a GewStG wiederum sind jedenfalls nach dieser Vorschrift aus dem Gewerbeertrag zu eliminieren, soweit dies nicht schon über eine Anwendung der §§ 3 Nr. 40 lit d EStG, 8b Abs. 1 KStG im Rahmen des § 7 GewStG geschehen sein sollte. Nach wie vor von Bedeutung kann die Auswirkung dieser Befreiungsvorschriften im Rahmen des § 7 GewStG nur noch für die Frage der Betriebs-

________________________ 291 Auch wenn § 3c Abs. 1 EStG dort nicht ausdrücklich erwähnt wird, besteht doch

kein Zweifel, dass auch dieses, vor dem VZ 2003 noch relevante Abzugsverbot über die Verweisungsnorm des § 8 Abs. 1 KStG Anwendung fand, vgl. A. W.-D. Hoffmann, DB 2000, S. 1931 (1935). 292 Vgl. E. Bogenschütz/A. Striegel, DB 2000, S. 2547 (2548 ff.), J. Dieterlen/ M. Schaden, BB 2000, S. 2492 (2496), W.-D. Hoffmann, DB 2000, S. 1931 (1935); T. Rödder/A. Schumacher, DStR 2000, S. 1453 (1454); I. van Lishaut/G. Förster, GmbHR 2000, S. 1121 (1123); A. Bergemann, DStR 2000, S. 1410 (1414). Siehe auch das BMF-Schreiben vom 28.4.2003, IV A2 – S 2750a – 7/03, BStBl. I 2003, S. 292 (298, Rz. 57). 293 Für Veräußerungsgewinne stellt sich die Problematik dagegen in unverminderter Schärfe, da es an einer den §§ 9 Nr. 2a, 7 GewStG vergleichbaren Befreiungsvorschrift fehlt, vgl. dazu die Entscheidung des FG Düsseldorf v. 12.1.2004 – 17 V 5799/03 A (G), EFG 2004, S. 849 f.

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Die Dividendenbesteuerung bei Personengesellschaften im Überblick

ausgaben sein294. Die Entscheidung muss dann zugunsten einer gewerbesteuerlichen Berücksichtigung der §§ 3 Nr. 40 lit. d EStG, 8b Abs. 1 KStG auch bei Mitunternehmerschaften ausfallen. Zwar ist die Personengesellschaft einkommensteuerlich hinsichtlich der Einkommensermittlung ein eigenständiges Steuerrechtssubjekt295. Unternehmer sind aber letztlich nur die einzelnen Gesellschafter bzw. Mitunternehmer, wie sich aus § 15 I Nr. 2 EStG ergibt. Darum wirken sich letztlich alle Umstände und Merkmale, die in der Person der einzelnen Mitunternehmer verwirklicht sind, einkommensteuerlich auf den Gewinn der Mitunternehmerschaft aus296. Diese Wertung hat nun aber § 2 Abs. 1 S. 2 GewStG auch für die Gewerbesteuer übernommen. Danach ist unter einem Gewerbetreibenden ein gewerblicher Unternehmer i. S. d. EStG zu verstehen, womit u. a. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG in Bezug genommen wird297. Dann können aber bei der Bestimmung dessen, was bei einer Mitunternehmerschaft als Gewinn die Besteuerungsgrundlage der Gewerbesteuer bildet, keine anderen Grundsätze anzuwenden sein als bei der Einkommensteuer298. Es muss darum auch der Gewerbeertrag personenbezogen ermittelt werden299. Dies wird u. a. anhand der gewerbesteuerlichen Berücksichtigung von einkommensteuerlichen Sonder- und Ergänzungs________________________ 294 Plädiert man für die Relevanz der Steuerbefreiungen nach §§ 3 Nr. 40 lit. d EStG, 8b

295 296

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Abs. 1 KStG auch bei der Gewinnermittlung der Personengesellschaft, so führt dies zur Erhöhung des Gewerbeertrages um die mit den Dividenden zusammenhängenden und nach Maßgabe des § 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b Abs. 5 KStG nicht abziehbaren Betriebsausgaben. Diese Erhöhung würde bei Streubesitzanteilen gegebenenfalls nur partiell, nämlich bis zum Betrag der bezogenen Dividende, nach § 8 Nr. 5 GewStG rückgängig gemacht und bliebe bei Schachtelbeteiligungen unverändert. Bleibt die Steuerbefreiungen nach §§ 3 Nr. 40 lit d EStG, 8b Abs. 1 KStG hingegen bei Mitunternehmerschaften im Rahmen des § 7 GewStG unberücksichtigt, so gelten auch die Abzugsverbote des § 3c Abs. 1 EStG bzw. § 8b Abs. 5 KStG nicht, d. h. alle Betriebsausgaben wären gewerbesteuerlich voll zu berücksichtigen. Hieran würde sich weder bei Streubesitzanteilen i. S. v. § 8 Nr. 5 GewStG noch – nach hier vertretener Auffassung, s. o. B.I.2.a. – bei Schachtelbeteiligungen i. S. v. § 9 Nr. 2a GewStG etwas ändern. BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, S. 617 (621); L. Schmidt in: Schmidt, EStG, 22. Aufl., § 15 Rz. 407. Vgl. R. Pinkernell, Einkünftezurechnung bei Personengesellschaften, S. 191; die h. M. berücksichtigt dies im Wege additiver Gewinnermittlung nach Steuerbilanz und Sonderbilanzen, vgl. J. Selder in: Glanegger/Güroff, GewStG, 5. Aufl., § 7 Rz. 100. Vgl. hierzu BFH v. 24.3.1999 – I R 114/97, BFH/NV 1999, S. 1270 (1272); BFH v. 14.12.1989 – IV R 117/88, BStBl. II 1990, S. 436 (437 f.). BFH v. 26.1.1968 – VI R 129/66, BStBl. II 1968, S. 369 (370). Ebenso FG Düsseldorf v. 12.1.2004 – 17 V 5799/03 A (G), EFG 2004, S. 849 (850); T. Töben, FR 2002, S. 361 (367); E. Bogenschütz/A. Striegel, DB 2000, S. 2547 (2551).

Spanien

bilanzen deutlich300. Demnach müssen auch die personenbezogenen Steuerbefreiungen der §§ 3 Nr. 40 lit d EStG, 8b Abs. 1 KStG bei der Mitunternehmerschaft im Rahmen des § 7 GewStG Beachtung finden301.

II. Spanien In Spanien kann hinsichtlich der Besteuerung von an Personengesellschaften ausgeschütteten Dividenden im Wesentlichen auf die Ausführungen zur Besteuerung bei Körperschaftsteuersubjekten verwiesen werden. Denn wie bereits erwähnt sind die Personenhandelsgesellschaften infolge ihrer eigenen Rechtspersönlichkeit der Körperschaftsteuer unterworfen und werden darum nicht wie in Deutschland transparent besteuert. Für sie gelten vielmehr die oben für Kapitalgesellschaften geschilderten Grundsätze der Dividendenbesteuerung, insbesondere die Abzugs- bzw. Freistellungsregelung nach Art. 30 LIS. Lediglich die sociedades civiles, das heißt das spanische Pendant zu den deutschen BGB-Gesellschaften, werden unabhängig von ihrer etwaigen zivilrechtlichen Rechtspersönlichkeit302 nicht als eigenständige Steuersubjekte der Körperschaftsteuer oder Einkommensteuer anerkannt303. Die von ihnen erzielten Einkünfte werden vielmehr nach Art. 10 Abs. 1 LIRPF, 6 Abs. 1 LIS ihren Gesellschaftern, das heißt den an ihnen beteiligten natürlichen Personen oder Gesellschaften zugerechnet304. Das Gesetz lässt allerdings offen, ob es sich hierbei um ein einstufiges oder aber um ein zweistufiges Verfahren handelt, das heißt ob alle Einnahmen und Ausgaben unmittelbar und anteilig den Gesellschaftern zugerechnet werden oder aber ob zunächst die (Netto-)Einkünfte auf Gesellschaftsebene ermittelt und dann die anteiligen Einkünfte in die einkommen- oder körperschaftsteuerliche Bemessungs________________________

300 Vgl. insoweit BFH v. 24.3.1999 – I R 114/97, BFH/NV 1999, S. 1270 (1272); BFH

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v. 3.5.1993 – GrS 3/92 BStBl. II 1993, S. 616 (621 ff.); BFH v. 25.4.1985 – IV R 83/83, DB 1985, S. 1819 (1820). Gl. A. M. Engel, DB 2003, S. 1811 (1815); H. J. Watermeyer, GmbH-StB 2002, S. 200 (203); ders. in: Herrmann/Heuer/Raupach, Steuerreform II, § 8b KStG (Stand: 04/01), Rz. 14. Auch den „BGB-Gesellschaften“ (sociedades civiles) kann unter bestimmten Bedingungen Rechtspersönlichkeit innewohnen, wie im einzelnen in Art. 1.669 CC geregelt ist. Ausführlich und kritisch zu den Gründen für diese Sonderstellung C. García Novoa in: Yebra Martul Ortega u. a., Estudios del IRPF, S. 118 f. Ausschlaggebend für die transparente Besteuerung auch der rechtlich eigenständigen sociedades civiles war im Wesentlichen, dass die Kriterien für das Erlangen eigener Rechtspersönlichkeit bei ihnen nicht gänzlich geklärt und vor allem nicht einfach und eindeutig überprüfbar sind. A. Agulló Agüero in: Orón Moratal, Los nuevos impuestos, Art. 11, S. 94.

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Die Dividendenbesteuerung bei Personengesellschaften im Überblick

grundlage der Gesellschafter eingestellt werden305. Die Einkommensteuerdurchführungsverordnung (RIRPF) lässt aber in Art. 29 u. 37, betreffend die vereinfachte Gewinnermittlung bei nach Art. 10 LIRPF transparenten Gesellschaften, eine Präferenz für die zweistufige Einkünfteermittlung erkennen. Dem folgt die ganz herrschende Lehre vor allem aus Gründen der damit verbundenen Verfahrensvereinfachung306. Während die steuerliche Behandlung der BGB-Gesellschaft somit im Grundsatz stark an das Konzept der deutschen Mitunternehmerschaft erinnert, ergeben sich bei näherer Betrachtung Unterschiede, die zum Teil für die Dividendenbesteuerung wenigstens theoretisch Probleme aufwerfen: So erfolgt einerseits die Einkünftequalifikation abschließend aus Sicht der transparenten Gesellschaft. Eine Umklassifizierung in Abhängigkeit von der Zuordnung der Gesellschaftsbeteiligung beim Gesellschafter findet anders als in Deutschland nicht statt. Art. 10 Abs. 2 LIRPF bestimmt, dass die zugerechneten Einnahmen für jeden Gesellschafter die Einkünftezuordnung beibehalten, die sich aus der von der Gesellschaft entfalteten Aktivität ergibt. Art. 6 LIS verzichtet zwar wegen des synthetischen Einkommensbegriffs im Körperschaftsteuerrecht auf eine solch ausdrückliche Anordnung307. Insoweit die Rechtsnatur der Einkünfte aber auch dort von Bedeutung ist, gilt gleichwohl der Rechtsgedanke des Art. 10 Abs. 2 LIRPF308. Andererseits soll die Gesellschafterzusammensetzung aber auch auf der ersten Stufe, das heißt bei der Einkünfteermittlung auf Gesellschaftsebene, nach Auffassung jedenfalls der ganz überwiegenden Kommentarliteratur keine Rolle spielen. Vielmehr seien die Einkünfte einheitlich nach den Maßstäben des LIRPF zu ermitteln309. Für Gewinnausschüttungen bedeutet das zunächst einmal, dass sie auch bei Erzielung über eine transparente Gesellschaft ein Anrecht auf die jeweiligen Mechanismen zur Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung vermitteln. Denn auch nach der Zurechnung behalten sie ihren Charakter als Dividendeneinkünfte. Es können daher je nach der Rechtssubjektivität des Ge________________________ 305 Kritisch hierzu A. B. López Mesa in: Landwell, Comentarios a la LIRPF, Art. 10

S. 75 f. 306 I. Pérez Royo, Manual del IRPF, S. 66; C. Checa González u. a., LIS, Art. 6, S. 38;

J. I. Rivas Alonso in: Ernst & Young, LIS, Art. 6 S. 48; A. Agulló Agüero in: Orón Moratal, Los nuevos impuestos, Art. 11, S. 94. 307 Kritisch wegen der insbesondere verfahrensrechtlich weiterhin bestehenden Notwendigkeit nach einer Einkünftedifferenzierung C. Checa González u. a., LIS, Art. 6, S. 35. 308 M. Capdevila in: Cuatrecasas, LIS, S. 36. 309 C. Checa González u. a., LIS, Art. 6, S. 38; I. Pérez Royo, Manual del IRPF, S. 66; A. Agulló Agüero in: Orón Moratal, Los nuevos impuestos, Art. 11, S. 94; zweifelnd A. B. López Mesa in: Landwell, Comentarios a la LIRPF, Art. 10 S. 76.

82

Spanien

sellschafters die Steuerabzüge nach Art. 81 LIRPF bzw. Art. 30 LIS beansprucht werden310. Als problematisch erweist sich dagegen die vermeintlich gebotene einheitliche Einkünfteermittlung nach den Vorschriften des LIRPF. Sind nämlich an der transparenten Gesellschaft ein oder mehrere Körperschaftsteuersubjekte beteiligt, ergeben sich Verwerfungen sowohl auf der Einnahmen- wie auch auf der Abzugsseite: Zum einen gälten dann entgegen der allgemeinen Systematik auch für Kapitalgesellschaften die strengen Abzugsbeschränkungen des Art. 24 LIRPF. Zum anderen müssten auch die auf sie entfallenden anteiligen Dividendenbezüge um die in Art. 23 Abs. 1 lit. b genannten Faktoren erhöht werden, obwohl diese Vorschrift Teil des einkommensteuerlichen Anrechnungsverfahrens nach Art. 81 LIRPF ist und bei Körperschaftsteuersubjekten zu einer übermäßigen Belastung führen würde. Um Systembrüche311 zu vermeiden, wird man entgegen der herrschenden spanischen Lehre vertreten müssen, dass zumindest insoweit die Besonderheiten der Gewinnermittlung nach LIS auf Ebene der transparenten Gesellschaft Berücksichtigung finden müssen. Der Verwaltungsaufwand wird dadurch nicht wesentlich erhöht, denn in der Praxis dürften die meisten Gesellschaften, an denen Körperschaftsteuersubjekte beteiligt sind, ohnehin als Personenhandelsgesellschaften einzustufen sein312.

________________________ 310 Speziell im Einkommensteuerrecht ist die mangelnde Möglichkeit zur Umqualifizie-

rung von Dividendeneinkünften ohnehin belanglos, weil Gesellschaftsanteile stets zwingend dem Privatvermögen zuzuordnen sind (siehe oben B.I.2.b.). 311 Und einen Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip (dazu im nächsten Kapitel). 312 Vgl. C. García Novoa in: Yebra Martul Ortega u. a., Estudios del IRPF, S. 118 f.

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Exkurs: Die Organschaft

E. Exkurs: Die Organschaft Exkurs: Die Organschaft

Sowohl Deutschland als auch Spanien kennen für die direkten Steuern ein spezielles Konzernsteuerrecht. Dessen Wesensmerkmal besteht jeweils darin, die zivilrechtliche Eigenständigkeit der abhängigen Gesellschaft zugunsten einer stärker wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu negieren und dadurch in weitergehendem Umfang als das allgemeine Besteuerungsregime Gewinn- und Verlustverrechnungsmöglichkeiten zu schaffen. Das deutsche Steuerrecht bedient sich dazu des Instituts der Organschaft, dem in Spanien die sogenannte konsolidierte Besteuerung (régimen de consolidación fiscal) der Art. 64 ff. LIS entspricht. Für die Dividendenbesteuerung ist dies insofern von Belang, als Gewinnabführungen im steuerlichen Konzern anders behandelt werden als reguläre Gewinnausschüttungen. Das Konzernsteuerrecht steht außerhalb des regulären Körperschaftsteuersystems und weist in hohem Maße Besonderheiten auf, die es als Gegenstand einer eigenständigen monographischen Abhandlung geeignet erscheinen lasssen. Es erscheint darum angemessen, es hier nur in seinen jeweiligen Grundzügen zu skizzieren: In Deutschland ist eine körperschaftsteuerliche Organschaft gemäß §§ 14 Abs. 1, 17 KStG dadurch charakterisiert, dass sich eine Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland durch einen Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 Abs. 1 AktG verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an ein anderes gewerbliches Unternehmen abzuführen. Auf die Gewinnabführung an den Organträger findet weder das Halbeinkünfteverfahren noch die Befreiungsvorschrift des § 8b Abs. 1 KStG Anwendung. Denn bei den an den Organträger abzuführenden und ihm steuerlich zuzurechnenden Beträgen handelt es sich nicht um Dividenden oder sonstige Bezüge im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Vielmehr hat der Organträger die zugerechneten Gewinne als eigenes Einkommen zu versteuern, wohingegen eine Besteuerung auf der Ebene der Organgesellschaft nicht stattfindet313. In Spanien geht die Besteuerung der im Konzern verbundenen Gesellschaften noch weiter als im Recht der Organschaft nach §§ 14 ff. KStG. Gelangt das System der Gruppenbesteuerung nach Art. 64 ff. LIS zur Anwendung, so wird eine konsolidierte Bemessungsgrundlage für sämtliche in eine steuerliche Unternehmensgruppe einzubeziehenden Gesellschaften ermittelt, und der Konzern wird als solcher zum Steuersubjekt, Art. 65 Abs. 1, 71 Abs. 1 LIS. ________________________ 313 W. Neyer, GmbHR 2002, S. 102 (103); J. Intemann in: Herrmann/Heuer/Raupach,

Steuerreform I, § 3 Nr. 40 EStG (Stand: 04/01), Rz. 136.

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Exkurs: Die Organschaft

Die Begründung einer körperschaftsteuerlichen Organschaft gewinnt in Deutschland seit der Unternehmenssteuerreform 2000 an Attraktivität: Zunächst ermöglicht sie die Verrechnung von Verlusten im Organkreis, die ansonsten im neuen Körperschaftsteuersystem in weiterem Umfang als unter dem früheren Anrechnungsverfahren ausgeschlossen wird. Andererseits erlaubt die Organschaft auch die volle steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Beteiligung, speziell Finanzierungsaufwendungen314.

________________________ 314 Vgl. Abschn. 58 Abs. 1 KStR und die ganz h.Lit., vgl. A. Pupeter, GmbHR 2002,

S. 768 (770 f.); H. Schnittger/F. Schmitz-Herscheidt, FR 2002, S. 1163 (1171); T. Rödder/A. Schumacher, DStR 2002, S. 1163 (1165); S. Beinert/R. Mikus, DB 2002, S. 1467 (1471); M. Schaden/M. Franz, GmbHR 2002, S. 880 (882); M. Köplin/L. Klein/F. Lüpges, FR 2002, S. 921 (924); M. Häger/P. Forst, EStB 2001, S. 154 (156); U. Prinz, FR 2000, S. 1255 (1261); T. Utescher/K. Blaufus, DStR 2000, S. 1581 (1585); N. Jakobs/H.-J. Wittmann, GmbHR 2000, S. 1015 (1016); B. Fenzl/C. Hagen, FR 2000, 289 (294); G. Haep in: Herrmann/Heuer/ Raupach, § 3c EStG (Stand: 04/01), Rz. 14 m. w. N.; G. Frotscher in: Frotscher/Maas, KStG, § 8b (Stand: 07/01), Rz. 99 u. § 14 (Stand: 04/01), Rz. 247; W. Danelsing in: Blümich, EStG, § 14 KStG (Stand: 02/01), Rz. 182; D. Birk/C. Jahndorf in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 3c EStG (Stand: 10/00), Rz. 104; G. Witt in: Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, KStG, § 14 (Stand: 02/97), Rz. 140; W. Walter in: Ernst & Young, KStG, § 14 (Stand: 10/99), Rz. 956. Anderer Ansicht ist nur J. Thiel, DB 2002, S. 1340 (1341 f.); früher auch W. Winter in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 14 KStG (Stand: 04/82), Rz. 96 und zu § 7a KStG a. F. L. Schmidt, JbFStR 1970/71, S. 179 (190).

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Einordnung der Körperschaftsteuersysteme in Deutschland und Spanien

F. Einordnung der Körperschaftsteuersysteme in Deutschland und Spanien Die Dividendenbesteuerung prägt das Verständnis des nationalen Körperschaftsteuersystems. Aus Sicht des Anteilseigners bestimmt das Körperschaftsteuersystem vor allem die Belastung von Gewinnausschüttungen, insbesondere im Verhältnis zu anderen Einkünften315. Dem steht nicht entgegen, dass auch die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen als Element des Körperschaftsteuersystems aufgefasst wird. Bei wirtschaftlicher Betrachtung handelt es sich bei der Veräußerung einer Kapitalgesellschaftsbeteiligung um nichts anderes als eine Totalausschüttung gegenwärtiger wie zukünftiger Gewinne, die der Dividendenvereinnahmung gleichzuachten ist316. Um die gegenwärtigen Methoden der Dividendenbesteuerung in Deutschland und Spanien einem kritischen Vergleich unterziehen und in ihrer Beurteilung von Einzelmerkmalen abstrahieren zu können, ist als Abschluss des darstellenden Teils ihre Einordnung in die gängige Einteilung der Körperschaftsteuersysteme hilfreich. Wie noch zu zeigen sein wird, lassen sich ihnen bestimmte Stärken und Schwächen attribuieren, die für die verfassungs- und europarechtliche Beurteilung von Bedeutung sind. Im Folgenden sollen darum die für die Entwicklung und heutige Praxis beider Länder relevanten Systeme zunächst abstrakt anhand ihrer typischen Wesensmerkmale vorgestellt und alsdann zugeordnet werden. Bei der Beschreibung wird dabei allgemein auf das Verhältnis von Kapitalgesellschaft und Anteilseigner abgestellt, obschon das Körperschaftsteuersystem herkömmlicherweise über das Verhältnis zwischen Einkommensteuer und Körperschaftsteuer definiert wird317. Im Hinblick auf den die Körperschaftssphäre einschließenden Untersuchungsgegenstand erscheint eine Verengung des Blickwinkels auf die natürliche Person als Anteilseigner aber nicht zweckmäßig und erst recht nicht zwingend.

________________________ 315 Dazu J. Hey in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. KSt (Stand: 09/99),

Rz. 9. 316 Dazu näher G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 10; N. Dautzenberg,

Unternehmensbesteuerung, S. 594 f. 317 Vgl. dazu J. Hey in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. KSt (Stand: 09/99),

Rz. 9; Ruding-Report, S. 54.

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Typologie relevanter Körperschaftsteuersysteme

I. Typologie relevanter Körperschaftsteuersysteme 1. Klassisches System In klassischen Körperschaftsteuersystem wird die Körperschaftsteuer unabhängig von der Thesaurierung oder Ausschüttung der Erträge definitiv. Beim Anteilseigner bleibt die Vorbelastung der Dividende mit Körperschaftsteuer und gegebenenfalls weiteren Ertragsteuern unberücksichtigt. Eine Entlastung findet mithin weder auf der Ebene der ausschüttenden Kapitalgesellschaft noch im Rahmen der Besteuerung des Dividendenempfängers statt318.

2. Systeme der Integration bei Ausschüttung Im Gegensatz zum klassischen System stehen Systeme, welche die Besteuerung von Gesellschaft und Gesellschafter anlässlich der Dividendenausschüttung integrieren. Anders als im klassischen System soll eine von ihren Vertretern angenommene Doppelbelastung der zur Ausschüttung verwendeten Unternehmensgewinne auf Gesellschafts- und Gesellschafterebene ganz oder teilweise vermieden werden. Hierbei kommt sowohl eine Entlastung der ausschüttenden Kapitalgesellschaft, als auch eine solche des Anteilseigners oder eine Kombination aus beiden Varianten in Betracht. Theoretisch existiert als weitere Alternative das Konzept der Teilhabersteuer bzw. „full integration“, das eine Integration auch für thesaurierte Gewinne anstrebt. Weil es weder in Deutschland noch Spanien jemals Eingang in die Besteuerungspraxis gefunden hat, soll darauf aber nicht näher eingegangen werden319. a) Entlastung des Anteilseigners Auf Ebene des Anteilseigners kann die Vorbelastung der Dividende grundsätzlich entweder durch Anrechnung der auf ihr lastenden Körperschaftsteuer oder durch steuerliche Freistellung berücksichtigt werden, wobei jeweils verschiedene Varianten denkbar sind: ________________________ 318 Vgl. z. B. Ruding-Report, S. 54; Bericht des Finanzausschusses zum Ruding-Bericht

v. 18.3.1996, BT-Drs. 13/4138, S. XII; L. G. M. Stevens, ec tax review 2002, S. 104 (108); J. M. Almudí Cid/F. Serrano Antón, QF 2002/18, S. 11 (16 f.); S.-O. Lodin, ET 1996, S. 258 (260); T. Cordón Ezquerro, Cronica Tributaria 1996, S. 11 (18); J. Hey in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. KSt (Stand: 09/99), Rz. 10. 319 Vgl. dazu J. Englisch, DStZ 1997, S. 778 (781 f.); R. Elschen, Besteuerung von Unternehmungsgewinnen, S. 103 ff.; U. Schreiber, Rechtsformabhängige Unternehmensbesteuerung?, S. 132 ff.; W. Engel/W. Stützel in: Recktenwald, Finanzpolitik, S. 390 ff. Die einzelnen Ausprägungen werden sehr anschaulich beschrieben von T. Cordón Ezquerro, Cronica Tributaria 1996, S. 11 (19 ff.).

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Einordnung der Körperschaftsteuersysteme in Deutschland und Spanien

aa) Anrechnungssysteme In Systemen mit Anrechnungsverfahren wird die Körperschaftsteuer, die bei der Gesellschaft auf die ausgeschütteten Gewinne erhoben wurde, beim Anteilseigner auf dessen Steuerschuld angerechnet. Gleichzeitig ist das Anrechnungsguthaben in der Regel zusätzlich zur eigentlichen Dividende Bestandteil der Dividendeneinkünfte320. Übersteigt das anrechenbare Guthaben die Steuerschuld, so muss der überschießende Teil erstattet werden, soll dem Regelungszweck des Verfahrens entsprechend der ausgeschüttete Gewinn im Ergebnis nur mit Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer entsprechend den persönlichen Verhältnissen des Anteilseigners belegt werden321. Die Anrechnungssysteme lassen sich weiter untergliedern in Vollanrechnungsverfahren und Teilanrechnungsverfahren. In ersteren wird die gesamte auf der Dividende lastende Körperschaftsteuer angerechnet, bei letzteren hingegen liegt die Anrechnungsquote unter 100 %322. In beiden Varianten kann darüber hinaus die Vorbelastung mit Körperschaftsteuer entweder exakt ermittelt werden oder aber pauschal bzw. typisiert zugrundegelegt werden323. bb) Freistellungssysteme Im Freistellungssystem werden die aus dem versteuerten Gewinn der Kapitalgesellschaft gezahlten Dividenden auf der Ebene des Anteilseigners von der Besteuerung freigestellt. Die Unternehmensgewinne bleiben daher auch bei Ausschüttung nur mit der Körperschaftsteuer belastet, welche die sie erzielende Gesellschaft zu entrichten hatte324. Die Freistellung kann auch nur hinsichtlich eines Teils der Dividendenbezüge gewährt werden; deren Doppelbelastung wird dann nur teilweise vermieden. ________________________ 320 C. de Pablo Varona, La tributación del socio, S. 324 ff.; A. Bustos Gisbert/F. Pedraja

321 322

323

324

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Chaparro, HPE 1999, S. 55 (66); T. Cordón Ezquerro, Cronica Tributaria 1996, S. 11 (23). A. Barrado Muñoz, RDFHP 1995, S. 101 (113). Vgl. z. B. Ruding-Report, S. 54; Bericht des Finanzausschusses zum Ruding-Bericht v. 18.3.1996, BT-Drs. 13/4138, S. XIII; Á. de la Cueva González-Cotera, Estudios Financieros 2000, S. 49 (60); O. H. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 5. Aufl., S. 119; J. Hey in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. KSt (Stand: 09/99), Rz10. T. Cordón Ezquerro, Cronica Tributaria 1996, S. 11 (23 f.). R. J. Vann, CDFI LXXXVIIIa, S. 21 (30) unterscheidet terminologisch zwischen „imputation systems“ (exakte Anrechnung) und „tax credit systems“ (pauschale Anrechnung); ebenso K. Ståhl, ec tax review 1997, S. 227 f. Vgl. z. B. Bericht des Finanzausschusses zum Ruding-Bericht v. 18.3.1996, BT-Drs. 13/4138, S. XVI; C. de Pablo Varona, La tributación del socio, S. 319; T. Cordón Ezquerro, Cronica Tributaria 1996, S. 11 (23); J. Hey in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. KSt (Stand: 09/99), Rz. 10.

Typologie relevanter Körperschaftsteuersysteme

cc) Shareholder-Relief-Verfahren Neben den beiden Grundformen der Anteilseignerentlastung hat der sogenannte Ruding-Bericht des von der EU-Kommission eingesetzten unabhängigen Sachverständigenausschusses zur Unternehmensbesteuerung auch den Begriff der klassischen Systeme mit shareholder relief etabliert325. Der Ausschuss verstand darunter Systeme, die vom Ansatz her klassisch konzipiert sind, aber dem Anteilseigner eine gewisse Entlastung gewähren, die betragsmäßig nicht exakt mit der auf die Dividende entfallenden Körperschaftsteuervorbelastung korrespondiert. Dies sind im Wesentlichen Systeme, in denen für Dividenden eine reduzierte Bemessungsgrundlage oder ein reduzierter Steuersatz zur Anwendung gelangen326. Der Begriff wird allerdings in der Literatur wenig trennscharf verwendet327, soll aber im Folgenden wie soeben definiert verstanden werden. Damit handelt es sich bei den shareholder-relief-Verfahren eigentlich um spezielle Ausprägungen der Freistellungsmethode. Denn sowohl über eine verminderte Bemessungsgrundlage wie auch über einen ermäßigten Steuersatz wird im wirtschaftlichen Ergebnis erreicht, dass ein Teil der Dividende beim Anteilseigner steuerfrei gestellt wird. b) Entlastung der ausschüttenden Kapitalgesellschaft Die ausgeschütteten Erträge können schließlich auch bei der ausschüttenden Gesellschaft durch ein Dividendenabzugssystem steuerlich entlastet werden: Dann werden die Gewinnausschüttungen wie Zinszahlungen bei ihr von der steuerlichen Bemessungsgrundlage abgezogen und beim Anteilseigner regulär wie andere Einkünfte besteuert. Bei der Ausschüttung zuvor thesaurierter Gewinne wird der Gesellschaft die darauf lastende Körperschaftsteuer erstattet328. Die Körperschaftsteuer wandelt sich damit in eine Steuer nur auf einbehaltene Gewinne329. ________________________ 325 Ruding-Report, S. 54. 326 O. H. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 5. Aufl., S. 119; A. Barrado

Muñoz, RDFHP 1995, S. 101 (112). Vgl. auch Á. de la Cueva González-Cotera, Estudios Financieros 2000, S. 49 (65 f.) und A. Bustos Gisbert/F. Pedraja Chaparro, HPE 1999, S. 55 (68), die diese Art von Entlastungsverfahren als schedulare Verfahren beschreiben. 327 Vgl. den Überblick bei J. Hey in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. KSt (Stand: 09/99), Rz. 10. Insbesondere würden an sich auch Systeme der pauschalen oder teilweisen Anrechnung der Körperschaftsteuer beim Anteilseigner unter die weite Definition des Ruding-Berichts fallen. Dieser selbst hat sie allerdings ausdrücklich gesondert und neben den shareholder-relief-Verfahren aufgeführt, vgl. Ruding-Report, S. 54. 328 Vgl. z. B. Ruding-Report, S. 54; C. de Pablo Varona, La tributación del socio, S. 313 f.; J. Hey in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. KSt (Stand: 09/99), Rz. 10. 329 T. Cordón Ezquerro, Cronica Tributaria 1996, S. 11 (21).

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Einordnung der Körperschaftsteuersysteme in Deutschland und Spanien

Eine Sonderform das Dividendenabzugssystems ist das Verfahren des gespaltenen Steuersatzes: Hier unterliegen Ausschüttungen einem niedrigeren Steuersatz als thesaurierte Gewinne, was vom Belastungseffekt her einem teilweisen Abzug von der Bemessungsgrundlage bzw. einer teilweisen Erstattung zuvor gezahlter Körperschaftsteuer entspricht330.

II. Deutschland Bei dem 1977 eingeführten und bis zum Jahre 2000 beibehaltenen Körperschaftsteuersystem handelte es sich um eine Mischform, die Entlastung sowohl auf Anteilseigner- als auch auf Gesellschaftsebene vorsah331: Zum einen existierte stets ein gespaltener Körperschaftsteuersatz für thesaurierte und ausgeschüttete Gewinne, so dass letztere geringer belastet bzw. nachträglich entlastet wurden. Zum anderen wurde beim Anteilseigner ein Vollanrechnungsverfahren praktiziert, in welchem über die Gliederung des verwendbaren Eigenkapitals die Vorbelastung mit Körperschaftsteuer exakt ermittelt und im Grundsatz vollständig ausgeglichen wurde. Bemerkenswert ist, dass das Entlastungsverfahren unabhängig von der Rechtsform des Anteilseigners, das heißt für natürliche wie juristische Personen gleichermaßen vorgesehen war. In den Genuss beider Entlastungskomponenten kamen freilich nur ansässige Anteilseigner mit ihren inländischen Dividenden. Auslandsdividenden wurden im Prinzip ebenso wenig wie Dividenden an Steuerausländer in das Anrechnungsverfahren einbezogen, das damit fast rein binnenorientiert war332. Steuerausländern blieb lediglich eine gewisse Entlastung durch den gespaltenen Steuersatz und unter Umständen durch die Abgeltungswirkung der relativ moderaten Quellensteuer. Auslandsdividenden hingegen wurden grundsätzlich klassisch besteuert.

________________________ 330 Vgl. z. B. Ruding-Report, S. 54; J. M. Almudí Cid/F. Serrano Antón, QF 2002/18,

S. 11 (17); A. Bustos Gisbert/F. Pedraja Chaparro, HPE 1999, S. 55 (65); S.-O. Lodin, ET 1996, S. 258 (261); T. Cordón Ezquerro, Cronica Tributaria 1996, S. 11 (22); A. Barrado Muñoz, RDFHP 1995, S. 101 (111); C. de Pablo Varona, La tributación del socio, S. 317; J. Hey in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. KSt (Stand: 09/99), Rz. 10. 331 O. H. Jacobs in: FS Meyding, S. 209 (210). 332 Eine Ausnahme galt nur für Dividenden aus Beteiligungen, die einer inländischen Betriebsstätte des Ausländers zuzuordnen waren. Im Verhältnis der Besteuerung von Mutter- und Tochtergesellschaften waren zudem in der Körperschaftssphäre diverse bilaterale und unilaterale Schachtelprivilegien vorgesehen, die aber nicht an die natürliche Person als Anteilseigner der inländischen Mutter durchgereicht wurden (vgl. dazu auch J. Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 15 f.).

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Spanien

Das mit der Unternehmensteuerreform 2000 etablierte Körperschaftsteuersystem ist ein klassisches System mit shareholder relief333. Die Körperschaftsteuer bleibt auch bei Ausschüttung einer Dividende definitiv334. Dieser Vorbelastung wird auf Ebene der natürlichen Person als Anteilseigner durch hälftige Freistellung der Dividendeneinkünfte Rechnung getragen. Es kommt damit zu einer Entlastung der Dividende, die allenfalls zufällig der Vorbelastung mit Körperschaftsteuer entspricht, in der Regel diese aber nicht voll kompensiert335. Ergänzt wird das Halbeinkünfteverfahren durch ein Freistellungssystem innerhalb der Körperschaftssphäre336. Anders als im vorangegangenen Körperschaftsteuersystem werden Auslandsdividenden voll in die jeweiligen Entlastungsverfahren einbezogen. Steuerausländer werden hingegen nach wie vor klassisch besteuert, wenn sie die Dividenden nicht über eine inländische Betriebsstätte beziehen337; die entsprechende Verwaltungspraxis ist im Falle auslandsansässiger Körperschaften als Anteilseigner allerdings gesetzeswidrig338. Die klassische Besteuerung wird im Inland insofern abgemildert, als dass die Quellensteuersätze auf die Dividende insbesondere im Geltungsbereich eines DBA relativ moderat ausfallen.

III. Spanien Von 1957 an bis zum Jahre 1995 war das Körperschaftsteuersystem in Spanien als Teilanrechnungsverfahren sui generis zu charakterisieren. Anders als im typischen Anrechnungsverfahren erhöhte der Anrechnungsbetrag nicht die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage. Auch angesichts des geringen Anrechnungsbetrages entsprach es in seinen Wirkungen eher einem klassischen System der wirtschaftlichen Doppelbelastung mit einem gewissen shareholder-relief339. Insbesondere seit 1985 trat dieser Wesenszug der spanischen Integrationsmethode hervor, als nur noch 10 % der Bruttodividende auf die Steuerschuld angerechnet werden durften. Dies bedeutete von ________________________ 333 G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 29; J. Hey, DStJG Sonderband Un-

334 335 336 337 338 339

ternehmenssteuerreform, S. 5 (7); H. Zitzelsberger, IStR 2001, S. 527; B. Lieber in: Herrmann/Heuer/Raupach, Steuerreform II, § 10 AStG (Stand: 04/01), Rz. 18. S.-O. Lodin, ET 2001, S. 166 (168), spricht von einem „semi-klassischen“ System. Unzutreffend ist darum die Bezeichnung als „pauschales Anrechnungsverfahren“. So aber H.-J. v. Beckerath in: Kirchhof, EStG, 3. Aufl., § 20 Rz. 41. Erst recht gilt dies, bezieht man die Gewerbesteuer in den Belastungsvergleich ein; siehe dazu im 3. Kapitel, A.I.1.a. G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 30 f. Eine Ausnahme gilt nur im Anwendungsbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie bzw. der §§ 43b, 50d EStG, wo die Freistellungsmethode praktiziert wird. Siehe dazu oben unter C.III.1. So auch die Einschätzung von B. Tomé Muguruza, Cronica Tributaria 1994, S. 109 (111).

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Einordnung der Körperschaftsteuersysteme in Deutschland und Spanien

den wirtschaftlichen Folgen her letztlich bloß eine Reduktion des auf die Dividendeneinkünfte anwendbaren Grenzsteuersatzes um 10 %340. Auf Körperschaftsebene allerdings wurde ein Freistellungssystem praktiziert, das je nach Beteiligungsumfang eine Kumulation von Körperschaftsteuer auf ausgeschüttete Gewinne vollständig oder aber zumindest teilweise verhinderte. Mit dem neuen Körperschaftsteuergesetz 1995 hat sich der Charakter des Anrechnungsverfahrens gewandelt: Es handelt sich nicht mehr um ein – überdies unvollständiges – Teilanrechnungsverfahren. Vielmehr soll die durchschnittliche effektive Vorbelastung der ausgeschütteten Gewinne mit Körperschaftsteuer im Wege der Anrechnung vollständig ausgeglichen werden341. Spanien praktiziert damit gegenwärtig ein System der pauschalen Vollanrechnung342. Die avisierte völlige Entlastung von Körperschaftsteuer wird in einem solchen pauschalen System nur zufällig gewährleistet, weshalb es in seinen Belastungswirkungen im Einzelfall auch einer Teilanrechnung ebenso wie einer „Überanrechnung“ entsprechen kann. Dies liegt jedoch in der Natur eines pauschalen Entlastungsmechanismus und ändert nichts an der gesetzlichen Konzeption als Vollanrechnungsverfahren343. Im Gegensatz zum deutschen System wird ein Anrechnungsüberhang allerdings nicht erstattet, sondern kann nur vorgetragen werden. Das Anrechnungsverfahren gilt anders als in Deutschland nicht für körperschaftsteuerpflichtige Anteilseigner: Freilich erscheint auch hier der Entlastungsmechanismus im Gewande der Anrechnung auf die Steuerschuld. Da aber eine nur hypothetische, nach dem Körperschaftsteuersatz der Muttergesellschaft auf die Bruttodividende entfallende Körperschaftsteuer angerechnet und eine Erstattung ausgeschlossen wird, handelt es sich von den Belastungswirkungen her um ein Freistellungssystem344. Dabei wird die Freistellung im Wesentlichen abhängig vom Beteiligungsumfang entweder zur Gänze oder aber nur hälftig gewährt. Wie das frühere deutsche Vollanrechnungsverfahren ist auch das spanische streng binnenorientiert. Von natürlichen Personen direkt bezogene Auslands________________________ 340 C. de Pablo Varona, La tributación del socio, S. 337. 341 Vgl. M. L. González-Cuéllar Serrano, Deducción por doble imposición, S. 112; C. de

Pablo Varona, Inf. Fiscal 2001, S. 85 (87). 342 J. Arias Velasco, Rev. Técnica Tributaria 1995, S. 13 (18 f.); A. Barrado Muñoz,

RDFHP 1995, S. 101 (125). 343 Es ist darum nicht zutreffend, das System wie C. de Pablo Varona als Teilanrech-

nungsverfahren einzustufen (RDFHP 2002, S. 51 (53, Fn. 3)). Vgl. aber auch dessen frühere Einordnung in Inf. Fischal 2001, S. 85 (87 u. 110: „imputación estimativa“, d. h. Pauschalanrechnungsverfahren). 344 A. Serrano Gutiérrez, Transparencia Fiscal, Rz. 4818T; M. Guirao/V. H. Carrillo/ G. R. Chaqués in: Ernst & Young, LIS, Art. 28, S. 383.

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Spanien

dividenden werden klassisch besteuert. Für Körperschaftsteuersubjekte als Dividendenempfänger gilt im Grundsatz dasselbe, sofern nicht die Schachtelfreistellung nach Art. 21 LIS oder die indirekte Anrechnung nach Art. 32 LIS anwendbar sind. Ist letzteres der Fall, so kommt die Entlastung freilich anders als im deutschen Vollanrechnungsverfahren auch den natürlichen Personen als Anteilseignern zugute. Denn das pauschale Anrechnungsguthaben fragt nicht nach der tatsächlichen effektiven Vorbelastung der ausgeschütteten Gewinne. Beschränkt Steuerpflichtige kommen selbst dann nicht in den Genuss des Anrechnungsverfahrens, wenn sie die Dividenden über eine spanische Betriebsstätte beziehen: Das LIRNR verweist für diese Fälle auf das Entlastungssystem des LIS, die Dividenden werden also ganz oder teilweise freigestellt. Ansonsten werden die Steuerausländer klassisch besteuert; eine – angesichts der Veranlagung im Ansässigkeitsstaat unter Umständen nur vorläufige – Milderung der Doppelbelastung wird nur über reduzierte Quellensteuersätze gewährleistet345.

________________________ 345 Auch in Spanien besteht hier eine Ausnahme im Anwendungsbereich der Mutter-

Tochter-Richtlinie, innerhalb dessen die Dividenden an die ausländische Muttergesellschaft quellensteuerfrei bleiben.

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2. Kapitel Verfassungsrechtliche, völkerrechtliche und europarechtliche Beurteilungsmaßstäbe Ein System der Dividendenbesteuerung weist insbesondere in den heutigen offenen Volkswirtschaften zwangsläufig sowohl nationale wie supranationale Bezüge auf1. Es muss sich darum nicht nur an den Vorgaben nationalen Verfassungsrechts orientieren, sondern ebenso den einschlägigen völkerrechtlichen Anforderungen genügen. Die Mitgliedschaft Deutschlands und Spaniens in der Europäischen Union (EU) verlangt, dass speziell auch die Maßgaben des Europarechts zu beachten sind. Innerhalb dieser Blöcke fächern sich die für die Dividendenbesteuerung maßgeblichen Prinzipien weiter auf und geraten teilweise auch in Konflikt miteinander. Insgesamt ergibt sich damit ein Bündel an Besteuerungsprinzipien, die der jeweilige nationale Gesetzgeber im Wege eines verhältnismäßigen Ausgleichs optimieren muss2. Inwieweit ihm dies gelungen ist, wird im 3. Kapitel zu untersuchen sein.

________________________ 1 2

M. Lucas Durán, Fiscalidad internacional, S. 135. Allgemein zur Besteuerung grenzüberschreitender Transaktionen L. Hinnekens, ET 2001, S. 206. Zum Charakter der Prinzipien als Optimierungsgebote vgl. J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 4 Rz. 12; F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S. 41.

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Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts

A. Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts Das nationale Verfassungsrecht Deutschlands wie Spaniens enthält eine Reihe von grundlegenden Wertentscheidungen, die für die Dividendenbesteuerung von Bedeutung sind. Da die Arbeit auf die in Deutschland praktizierte Dividendenbesteuerung fokussiert und der Institutionenvergleich mit dem spanischen Recht vor allem Optimierungsmöglichkeiten des deutschen Systems ausloten soll, werden nachfolgend nur die Vorgaben des deutschen Verfassungsrechts eingehend erörtert. Um die weitgehenden Parallelen, aber auch die Unterschiede in der Dogmatik des spanischen Verfassungsrechts speziell im Hinblick auf das dortige Verständnis von Steuergerechtigkeit aufzuzeigen, finden sich an geeigneter Stelle dessen ungeachtet auch rechtsvergleichende Hinweise. In Deutschland erweist sich insbesondere das im allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG enthaltene Postulat der Steuergerechtigkeit von entscheidender Bedeutung für eine verfassungskonforme Ausgestaltung des Systems der Dividendenbesteuerung. Daneben sind aber auch das Eigentumsgrundrecht nach Art. 14 Abs. 1 GG, das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG und die Vereinigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 GG auf ihre Implikationen für die Dividendenbesteuerung hin zu untersuchen. Darüber hinaus setzt generell das Übermaßverbot dem staatlichen Besteuerungszugriff auch auf Dividenden Grenzen; es verlangt vom Gesetzgeber den verhältnismäßigen Ausgleich aller auf die Dividendenbesteuerung einwirkender Belange.

I. Auf die Dividendenbesteuerung einwirkende Grundrechte und Verfassungsprinzipien 1. Das Übermaßverbot Das Übermaßverbot oder auch Verhältnismäßigkeitsprinzip ist im Rechtsstaatsprinzip und in den Grundrechten verankert3. Aufgrund dieser Herleitung gilt es gemäß den Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG für jegliche staatliche Maßnahme, somit auch für die Besteuerung von Dividenden. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip verlangt Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit bzw. Proportionalität der zu beurteilenden Maßnahme in Bezug auf den mit ihr verfolgten Zweck4. Besondere Bedeutung erlangt es im Zusammenhang ________________________ 3 4

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J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 4 Rz. 209 m. w. N. M. Sachs in: Sachs, GG, 3. Aufl., Art. 20 Rz. 149; K. Stern in: Stern, Staatsrecht III/2, § 84 S. 775.

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mit den Freiheitsgrundrechten des Grundgesetzes, da es regelmäßig die zentrale Hürde für Beschränkungen derselben konstituiert und zur Abwägung zwischen der Grundrechtsbeeinträchtigung einerseits und dem verfolgten Gemeinwohlzweck andererseits zwingt5. Im Bereich der Besteuerung allerdings vermag es Beschränkungen der einschlägigen Freiheitsrechte kaum zu begrenzen, worauf noch einzugehen sein wird. In der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht wird das Verhältnismäßigkeitsprinzip freilich auch im Rahmen des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG entfaltet, und zwar ergänzend zur traditionellen Interpretation als Willkürverbot6. Nach der sogenannten „neuen Formel“ des Bundesverfassungsgerichts soll Art. 3 Abs. 1 GG vor allem dann verletzt sein, „wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten“7. Der Verstoß gegen den Gleichheitssatz wird damit als ein Problem verfassungsrechtlicher Abwägung formuliert, wie es dem Verhältnismäßigkeitsprinzip innewohnt8. Dies gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob es sich bei den Normadressaten um natürliche oder juristische Personen handelt9. Damit sind die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips jedenfalls im Wesentlichen auch bei Art. 3 Abs. 1 GG berührenden Ungleichbehandlungen einzuhalten10. Entsprechen diese Ungleichbehandlungen freilich den Vorgaben eines anerkannten Gerechtigkeitsideals, welches als Vergleichsmaßstab im Rahmen des Gleichheitssatzes herangezogen wird, so bedarf es insoweit keiner weiteren Verhältnismäßigkeitsprüfung11. Denn dem Gerechtigkeitsideal ist die beschriebene Abwägung bereits immanent. Nur wenn dieses Ideal durchbro________________________ 5 Vgl. M. Sachs in: Sachs, GG, 3. Aufl., Vor Art. 1 Rz. 135; K. Stern in: Stern, Staats-

recht III/2, § 84 S. 789. 6 Vgl. dazu BVerfG v. 12.10.1951 – 1 BvR 201/51, BVerfGE 1, S. 14 (52); v.

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7.10.1980 – 1 BvL 50/79 u. a., BVerfGE 55, S. 72 (89 f.); v. 17.10.1990 – 1 BvR 283/85, BVerfGE 83, S. 1 (23). Erstmals BVerfG v. 7.10.1980 – 1 BvL 50/79 u. a., BVerfGE 55, S. 72 (88); danach st. Rspr., vgl. BVerfG v. 30.5.1990 – 1 BvL 2/83 u. a., BVerfGE 82, S. 126 (146); v. 24.4.1991 – 1 BvR 1341/90, BVerfGE 84, S. 133 (157); v. 8.10.1996 – 1 BvL 15/91, BVerfGE 95, S. 39 (45) m. w. N. So auch L. Osterloh in: Sachs, GG, 3. Aufl., Art. 3 Rz. 14. Näher H. Krüger/M. Sachs in: Sachs, GG, 3. Aufl., Art. 19 Rz. 71. Im Einzelnen besteht in der Lehre keine vollständige Übereinstimmung darüber, inwieweit die allgemeinen Grundsätze des Übermaßverbotes ohne Modifikationen auf die Prüfung des hinreichenden Grundes für eine Ungleichbehandlung übertragen werden können. Einen Überblick über den Meinungsstand verschafft S. Huster, Rechte und Ziele, S. 61 ff. u. 176 ff. Vgl. W. Heun in: Dreier, GG, Art. 3 Rz. 25.

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chen bzw. von ihm abgewichen wird, bedarf es insoweit einer Abwägung zwischen dessen Beeinträchtigung einerseits und dem mit der Abweichung verfolgten Zweck andererseits12. Ungleichbehandlungen wie auch Gleichbehandlungen sind im Steuerrecht prinzipiell an dem fundamentalen, als sach“gerecht“ anerkannten Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu messen, wie sogleich zu zeigen sein wird. Das der neueren Rechtsprechung zu entnehmende Verhältnismäßigkeitsgebot gewinnt damit eigenständige Bedeutung nicht bereits für jede Ungleichbehandlung. Es ist vielmehr nur insoweit zu entfalten, als Abweichungen vom Leistungsfähigkeitsprinzip, die verschiedene Gruppen von Steuerpflichtigen unterschiedlich behandeln, nach Art und Gewicht erforderlich und angemessen sein müssen. In der Rechtsprechung des spanischen Verfassungsgerichts, dessen Rechtsprechungstradition freilich auf der noch jungen spanischen Verfassung von 197813 gründet, ist der Gleichheitssatz seit jeher als ein Verbot unverhältnismäßiger Differenzierung aufgefasst worden. Eine rechtliche Ungleichbehandlung soll nur dann nicht diskriminierend wirkend, wenn für sie ein objektiver, sachgerechter Grund besteht, und die mit der unterschiedlichen Behandlung verfolgten Ziele in einem angemessenen Verhältnis zur dadurch bewirkten Ungleichbehandlung stehen14. Auch hier scheint ein verfassungsmäßiges Gebot der Abwägung zwischen dem Ausmaß der Ungleichbehandlung und der damit verfolgten Zielsetzung auf. Freilich wird dem Gesetzgeber vom spanischen Verfassungsgericht insoweit ein sehr weiter Entscheidungsspielraum eingeräumt15.

2. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG – Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Es wurde bereits herausgestellt, dass der in Art. 3 Abs. 1 GG normierte allgemeine Gleichheitssatz von zentraler Bedeutung für die Dividendenbesteuerung ist. Für das Steuerrecht wird ihm die verfassungsrechtliche Veranke________________________ 12 W. Heun in: Dreier, GG, Art. 3 Rz. 25; R. Beiser, ÖStZ 2000, S. 413 (414). Es bedarf

dazu nicht der Konstruktion eines Eingriffs in den durch das Leistungsfähigkeitsprinzip umrissenen Schutzbereich des Art. 3 Abs. 1 GG (so aber S. Huster, Rechte und Ziele, S. 374). 13 Constitución Española v. 27.12.1978, im Folgenden: CE. 14 Tribunal Constitucional (TC) v. 10.11.1988, 209/1988. Siehe auch TC v. 15.2.2001, 47/2001; v. 2.6.1998, 117/1998; v. 22.3.1999, 46/1999; v. 22.7.1996, 134/1996; v. 14.7.1994, 214/1994; v. 26.4.1990, 76/1990. Zustimmend etwa D. Marín BarnuevoFabo, La protección del mínimo existencial, S. 20. 15 TC v. 10.11.1988, 209/1988.

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rung des Postulats der Steuergerechtigkeit entnommen. Gerechte Besteuerung setzt notwendig gleichmäßige Besteuerung voraus16. Die Austeilung steuerlicher Lasten hat sich darum vor allem an Art. 3 Abs. 1 GG zu orientieren17. Für die Dividendenbesteuerung ist damit die Frage verbunden, ob sie sich sowohl dem Grunde nach als auch in ihrer konkreten Ausgestaltung in ein System gleichmäßiger Besteuerung einfügt. Dass sich in Art. 3 Abs. 1 GG letztlich ein Gerechtigkeitsideal verkörpert, hat keineswegs nur theoretischen Erkenntniswert. Denn der Gleichheitssatz kann nicht allein auf den schon aus dem Verfassungstext folgenden Aspekt formeller Gleichbehandlung reduziert werden. Er bedarf vielmehr auch und gerade im Steuerrecht der Ausfüllung durch ein materielles Gerechtigkeitsprinzip18. Verfassungsdogmatisch stellt sich damit die Frage nach der Bestimmung des sogenannten tertium comparationis, das heißt des relevanten Vergleichsmaßstabes19. Dieser ist – zumindest für das Steuerrecht – durch die Verfassung nicht generell vorgegeben. Seine Festsetzung ist damit aber nicht etwa ins Belieben des Gesetzgebers oder des diesen kontrollierenden Verfassungsgerichts gestellt. Es muss vielmehr derjenige Maßstab ermittelt werden, der sachgerecht, also der zu regelnden Materie angemessen ist20.

________________________ 16 BVerfG v. 17.1.1957 – 1 BvL 4/54, BVerfGE 6, S. 55 (70); J. Lang, Bemessungs-

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grundlage, S. 115 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen; ders. in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 4 Rz. 70; K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 284 m. w. N.; S. Senn, Besteuerungsgrundsätze, S. 105; A. Klein, Steuermoral und Steuerrecht, S. 102; K. Engisch, Gerechtigkeit, S. 170; H.-W. Kruse, Steuerrecht, Bd. I Allgemeiner Teil, S. 43; vgl. auch C. Perelman, Über die Gerechtigkeit, S. 22. H.-J. Pezzer, DStJG 20, S. 5 (6); M. Jachmann, DStJG 23, S. 9 (11). F. Klein, Gleichheitssatz und Steuerrecht, S. 20. K. Tipke in: Direito Tributário, S. 361 (362); StRO I, 2. Aufl., S. 312 ff. m. w. N.; ders., Steuergerechtigkeit, S. 54; G. Laule, Der Gleichheitssatz, S. 12; H.-G. Ruppe, Steuerliche Doppelbelastung, S. 156 f.; K. Hesse, AöR 77, S. 167 (173 f.). Das Verständnis von Gerechtigkeit als Gleichbehandlung nach einem vorgegebenen Maß ist jedoch letztlich überpositiver Natur. Schon Aristoteles sah die Notwendigkeit, im Rahmen der iustitia distributiva, d. h. der austeilenden Gerechtigkeit in einem Überund Unterordnungsverhältnis, zu dem auch das Steuerrechtsverhältnis zählt (hierzu G. Radbruch, Rechtsphilosophie, 4. Aufl., S. 125; K. Tipke, Steuergerechtigkeit, S. 10 f.), nach der „Würdigkeit“ des Betroffenen zuzuteilen (vgl. hierzu die Nachweise bei K. Engisch, Gerechtigkeit, S. 149). Ulpian prägte für diese Idee den Begriff des „suum cuique tribuendi“ (Digesten I, 1, 10). Die Wert(ungs)gebundenheit ist dem ethischen und damit dem um ethische Fundierung bemühten juristischen Gleichheitsverständnis immanent, worauf auch G. Dürig hinweist (in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. I (Stand: 10/96), Rz. 4). K. Tipke, Besteuerungsmoral und Steuermoral, S. 14; ders., StRO I, 2. Aufl., S. 273 u. 317; ders. StuW 1988, S. 262 (268).

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Diese Frage wiederum kann nur auf Grundlage einer von der Rechtsgemeinschaft anerkannten materiellen Gerechtigkeitswertung beantwortet werden21. a) Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit als fundamentaler Vergleichsmaßstab (1) Als eine solche allgemein anerkannte Gerechtigkeitswertung konnte sich weltweit, insbesondere auch im deutschen Rechtskreis das Prinzip der Besteuerung nach Maßgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit durchsetzen22. Auch das Bundesverfassungsgericht hält es inzwischen für ein grundsätzliches Gebot der Steuergerechtigkeit, die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten23. In einigen europäischen Rechtsordnungen, namentlich in Spanien, wird das Leistungsfähigkeitsprinzip sogar von der Verfassung als relevanter Vergleichsmaßstab vorgegeben24. In Spanien hat sich die Dogmatik des Leistungsfähigkeitsprinzips in der Verfassungswirklichkeit allerdings in eine wenig überzeugende Richtung entwickelt. Dies ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass der allgemeine Gleichheitssatz der spanischen Verfassung in Art. 14 positiviert ist und damit den Grundrechten- und freiheiten zugeordnet wird, die nach Art. 53 Abs. 2 CE zum Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde gemacht werden ________________________ 21 R. Zippelius, Recht und Gerechtigkeit, S. 321; J. Lang in:. Tipke/Lang, Steuerrecht,

17. Aufl., § 4 Rz. 10 u. 76; ders., Bemessungsgrundlage, S. 124; K. Hesse, AöR 77, S. 167 (174, 198). 22 K. Tipke in: Direito Tributário, S. 361 (362); ders., StRO I, 2. Aufl., S. 482 u. 485 f.; ders., Steuergerechtigkeit, S. 57 f. m. w. N.; ders. in: FS Wacke, S. 211 (214) m. w. N.; ders., StuW 1988, S. 262 (269 f.); J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 4 Rz. 83; ders., Bemessungsgrundlage, S. 124; R. Seer, StuW 1996, S. 323 (327); D. Birk, StuW 2000, S. 328 (329); ders., 14. ÖJT III/2, S. 53 (59 f.); W. R. Walz, Steuergerechtigkeit, S. 155 ff.; M. Reich, ASA 53, S. 5 (6); P. Kirchhof in: Isensee/Kirchhof, HdbStR IV, § 88 Rz. 114 m. w. N.; K. Vogel, DStZ/A 1975, S. 409 (410); BFH v. 9.8.2001 – III R 50/00, S. 1835 (1837). P. Kirchhof reichert den verfassungsrechtlichen Geltungsgrund des Leistungsfähigkeitsprinzips außerdem um die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG an, vgl. StuW 1985, S. 319 (323). 23 BVerfG v. 22.2.1984 – 1 BvL 10/80, BVerfGE 66, 214 (223) m. w. N. 24 Art. 31 Abs. 1 der spanischen Verfassung lautet: „Todos contribuirán al sostenimiento de los gastos públicos de acuerdo con su capacidad económica [Hervorhebung d. Verf.] mediante un sistema tributario justo inspirado en los principios de igualdad y progresividad que, en ningún caso, tendrá alcance confiscatorio.“ Dies lässt sich übersetzen als „Alle tragen zur Bestreitung der öffentlichen Ausgaben nach Maßgabe ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mittels eines gerechten Besteuerungssystems bei, das sich an den Prinzipien der Gleichheit und Progressivität orientiert und keinesfalls konfiskatorische Wirkung entfalten darf.“ Hinsichtlich der Bestimmungen in den Verfassungen von Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Ungarn, Liechtenstein, der Schweiz und der Türkei wird auf die Nachweise bei K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 488 ff. verwiesen.

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können. Demgegenüber steht Art. 31 Abs. 1 CE, der eine Besteuerung entsprechend der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verbürgt, außerhalb des Grundrechtekatalogs, dessen Verletzung mittels einer Verfassungsbeschwerde gerügt werden kann. Das spanische Verfassungsgericht hat sich darum in seiner Rechtsprechung bemüht, eine vermeintlich erforderliche Balance zwischen der materiell-rechtlichen Erkenntnis, dass es sich beim Leistungsfähigkeitsprinzip um eine Ausprägung gleichheitsgerechter Besteuerung handelt, und der verfassungsprozessualen Trennung dieser beiden Grundsätze zu finden25. So hat das Verfassungsgericht zwar festgestellt, dass Art. 31 Abs. 1 CE als einen der Fundamentalgrundsätze gerechter Besteuerung die gleichmäßige Austeilung der steuerlichen Lasten benenne26, und dass dem Leistungsfähigkeitsprinzip insoweit die Funktion des tertium comparationis zukomme27. Auch wird gelegentlich der materielle Gerechtigkeitsgehalt des Leistungsfähigkeitsprinzips betont28. Das Verfassungsgericht hat aber auch schon frühzeitig darauf hingewiesen, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip des Art. 31 Abs. 1 CE nicht als bloße Ausprägung der Steuergerechtigkeit verstanden werden dürfe. Denn darüber hinaus verpflichte es auch jeden Bürger, zur Deckung des staatlichen Fiskalbedarfs nach Maßgabe seiner jeweiligen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beizutragen, und halte den Staat dazu an, Quellen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit auszuschöpfen29. Hierauf aufbauend verfocht das Verfassungsgericht ein Konzept gleichheitsgerechter ________________________ 25 Instruktiv TC v. 22.3.1999, 36/1999. Anders als das Bundesverfassungsgericht be-

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schränkt das spanische Verfassungsgericht seinen Prüfungsmaßstab in der Verfassungsbeschwerde außerdem auf die einschlägigen Grundrechtsartikel und nimmt keine umfassende Würdigung der gerügten Vorschrift am Maßstab der gesamten Verfassung vor, vgl. TC a. a. O. TC v. 21.1.1986, 8/1986: „La igualdad es un valor preeminente en el ordenamiento jurídico español … Este valor tiene numerosas manifestaciones específicas y concretas en el propio texto constitucional y, entre ellas, el principio de igualdad que ha de inspirar el sistema tributario, establecido en el artículo 31, número 1, de la Constitución.“ Ähnlich TC v. 20.2.1989, 45/1989. TC v. 10.11.1988, 209/1988: „… el legislador ha de ordenar la tributación sobre la renta en atención a la capacidad económica que muestren los sujetos pasivos del impuesto, al ser la capacidad, en este ámbito, medida de la igualdad (art. 31.1).“ TC v. 28.10.1997, 182/1997. TC v. 20.7.1981, 27/1981: „A diferencia de otras Constituciones, la española, pues, alude expresamente al principio de la capacidad contributiva y, además, lo hace sin agotar en ella –como lo hiciera cierta doctrina– el principio de justicia en materia contributiva. Capacidad económica, a efectos de contribuir a los gastos públicos, tanto significa como la incorporación de una exigencia lógica que obliga a buscar la riqueza allí donde la riqueza se encuentra.“ Bestätigt durch TC v. 12.12.1992, 221/1992; TC v. 28.10.1997, 182/1997. Ähnlich A. Rodríguez Bereijo, REDC 36/1992, S. 18 (43).

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Besteuerung, das nicht „ohne Weiteres“ auf den allgemeinen Gleichheitssatz zurückführbar sein sollte30. Das Postulat der Steuergerechtigkeit wurde nicht mehr aus ihm abgeleitet, sondern ihm zur Seite gestellt31. Teilweise wurde das Verhältnis zwischen Art. 14 CE und den allgemeinen Besteuerungsgrundsätzen nach Art. 31 Abs. 1 CE dahingehend interpretiert, dass letztere den allgemeinen Gleichheitssatz bereichsspezifisch „konkretisieren und modifizieren“ würden32. Schließlich etablierte das Verfassungsgericht die kaum nachvollziehbare und wenig trennscharfe Abgrenzung, wonach der allgemeine Gleichheitssatz vor steuerlichen Diskriminierungen schütze, die an subjektive Merkmale anknüpfen, wohingegen das Gleichheitsprinzip des Art. 31 Abs. 1 CE in seiner Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips auf objektiven Kriterien basierende Diskriminierungen verbiete33. Man wird das Leistungsfähigkeitsprinzip in der spanischen Verfassungswirklichkeit darum gegenwärtig nicht als umfassendes Fundamentalprinzip gleichmäßiger Besteuerung begreifen dürfen, obschon die spanische Literatur dies teilweise ________________________ 30 Wegweisend TC v. 15.2.1993, 54/1993: „La igualdad que se reclama en el artículo 31

de la Constitución Española va íntimamente enlazada al concepto de capacidad económica y al principio de progresividad, por lo que no puede ser, a estos efectos, reconducida, sin más, a los términos del artículo 14 de la Constitución Española.“ 31 TC v. 21.12.1995, 198/1995. 32 TC v. 22.7.1996, 134/1996: „… en la materia tributaria es la propia Constitución la que ha concretado y modulado el alcance de su artículo 14 en un precepto (art. 31.1) …“ Die Überlegung, dass die Besteuerungsgrundsätze des Art. 31.1 der Verfassung auch eine „modulierende“, abändernde Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatz beinhalten, rechtfertigt sich aus der Sicht des Verfassungsgerichts vor allem aus der dort erwähnten Progressivität der Besteuerung. Denn diese wird nicht etwa als Ausfluss der Steuergleichheit, sondern als aus Umverteilungsgründen motivierte Durchbrechung dieser Prinzips eingeordnet (so schon TC v. 20.7.1981, 27/1981; ähnlich P. M. Herrera Molina, Capacidad Económica, S. 127). Hier nähert sich das span. Verfassungsgericht übrigens stark den Erkenntnissen führender deutscher Steuerrechtswissenschaftler an (z. B. K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 403 ff.; J. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 165: „sozialstaatlich relativierte Gleichheit“; P. Kirchhof in: Kirchhof/Söhn, EStG, § 2 Rz. A 602; ders., Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 28 f.; M. Jachmann, Nachhaltige Entwicklung, S. 61 f.; anders BVerfG v. 24.6.1958 – 2 BvF 1/57, BVerfGE 8, 51 (68 f.)). Auf Bedenken stoßen muss aber die Schlussfolgerung, sämtliche in Art. 31.1 aufgeführten Grundsätze einschließlich des Leistungsfähigkeitsprinzips seien nicht ohne Weiteres aus dem Gleichheitssatz abzuleiten. 33 TC v. 22.3.1999, 36/1999: „… la posible inconstitucionalidad que la recurrente imputa al art. 38.2.2 de la Ley 5/1990, por su eventual contradicción con el principio de igualdad, no residiría realmente en una discriminación contraria al art. 14 C. E. por estar basada en una diferenciación de índole subjetiva, sino en una desigualdad fundada en elementos objetivos, que es la contemplada en el art. 31.1 C.E…“ Ebenso nachfolgend TC v. 8.11.1999, 200/1999; v. 17.2.2000, 46/2000; v. 7.5.2001, 111/2001.

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durchaus fordert34. Diese Entwicklung zeigt, dass die fehlende Erwähnung des Leistungsfähigkeitsprinzips im deutschen Verfassungstext durchaus nicht als Mangel empfunden werden muss, sondern im Gegenteil gerade die Chance für eine dogmatisch folgerichtige Entfaltung bietet, die flexibel dem Wandel wissenschaftlicher Erkenntnisse und gesellschaftlicher Gerechtigkeitswertungen angepasst werden kann. (2) Das Leistungsfähigkeitsprinzip entspricht nicht nur den gegenwärtigen Gerechtigkeitsvorstellungen, sondern liefert auch einen sachlich angemessenen Maßstab zur Austeilung der staatlichen Steuerlasten. Es trägt insbesondere dem Umstand Rechnung, dass Steuern nicht für eine konkrete staatliche Gegenleistung erhoben werden, und ihre Bemessung damit nur an Umstände anknüpfen kann, die allgemein die Fähigkeit zur Bestreitung der staatlichen Lasten indizieren. Hierin gründet auch die Überlegenheit des Leistungsfähigkeitsprinzips gegenüber dem Äquivalenzprinzip jedenfalls bei den Personensteuern35. Die vereinzelten Kritiker des Leistungsfähigkeitsprinzips können denn auch keinen anderen, besser geeigneten Maßstab zur steuerlichen Lastenausteilung benennen. Sie bieten an Stelle einer prinzipiengelei________________________ 34 Vgl. P. M. Herrera Molina, Capacidad Económica, S. 88; C. Palao Taboada in:

Homenaje al prof. Federico de Castro, S. 400 (423 f.). Eher skeptisch gegenüber der Einordnung als Fundamentalprinzip der Besteuerung hingegen E. Lejeune Vlacárcel in: Amatucci, Tratado de Derecho Tributario, Cap. VII, S. 221 ff.; D. Marín Barnuevo-Fabo, La protección del mínimo existencial, S. 22. 35 Nach dem Äquivalenzprinzip soll die Steuer durch die Vorteile, welche der einzelne von den Leistungen des Gemeinwesens hat, bzw. durch die Kosten, die er dem Gemeinwesen verursacht, determiniert werden (zur ideengeschichtlichen Entwicklung v. a. in der Finanzwissenschaft vgl. den historischen Abriss bei B. Hansjürgens, Äquivalenzprinzip und Staatsfinanzierung, S. 44 ff. sowie bei K. H. Ossenbühl, Die gerechte Steuerlast, S. 22 ff.). Es wird heute ganz überwiegend als Rechtfertigung jedenfalls der Ertragsteuern abgelehnt, weil es nicht möglich ist, Kosten oder Nutzen staatlicher Leistungen individuell zuzurechnen. Darüber hinaus ist es nur schwer mit dem Demokratieprinzip zu vereinbaren, weil es das Parlament bei seinen Budgetentscheidungen beschränkt, wenn die Ausgaben an der Zahlungsfähigkeit der Begünstigten ausgerichtet werden (müssen), dazu näher J. M. Barquero Estevan, La función del tributo, S. 146. Vor allem aber entspricht das Äquivalenzprinzip in einem modernen sozialstaatlichen Gemeinwesen auch nicht den herrschenden Gerechtigkeitsvorstellungen, soweit Fiskalzwecksteuern betroffen sind (ablehnend z. B. J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 4 Rz. 87; ders., Bemessungsgrundlage, S. 100 ff.; R. Seer, FR 1999, S. 1280 (1289); H.-J. Pezzer in: FS Tipke, S. 419 (426); W. Kruse, BB 1996, 717 (718); speziell im Hinblick auf Unternehmensteuern J. Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 260 ff.; D. Schneider, StuW 1975, 97 (107). Differenzierend K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 476 ff. m. w. N). Letzteres gilt natürlich in besonderem Maße auch für das dritte theoretisch in Betracht kommende Steuerverteilungsprinzip, die Kopfsteuer. Sie bedarf darum keiner näheren Erörterung.

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teten Steuerrechtsordnung nur eine Einzelfallprüfung an36. Wer so argumentiert, verabschiedet sich freilich von dem ethischen Postulat der Steuergerechtigkeit und ignoriert damit die verfassungsrechtliche Notwendigkeit, eine gleichmäßige steuerliche Lastenausteilung zu gewährleisten. Die Alternative zum Leistungsfähigkeitsprinzip als Fundamentalprinzip gerechter Besteuerung wäre fundamentale Prinzipienlosigkeit37 – diese kann aber dem Verfassungsauftrag des Art. 3 I GG nicht gerecht werden. Allerdings ist das Leistungsfähigkeitsprinzip als oberstes Fundamentalprinzip notwendigerweise konkretisierungsbedürftig. Es ist Aufgabe von Wissenschaft, Gesetzgebung und Rechtsprechung, es durch ein System von abgeleiteten Subprinzipien zu einer Steuerrechtsordnung fortzuentwickeln38. Konkretisierungshilfen sind dabei insbesondere die Einzelaussagen des Grundgesetzes39. Ausgangspunkt und Endpunkt einer jeden Gleichheitsprüfung bleibt aber immer das Leistungsfähigkeitsprinzip und die in ihm zum Ausdruck kommende Gerechtigkeitswertung40. aa) Grundaussage des Leistungsfähigkeitsprinzips Das Leistungsfähigkeitsprinzip war im Verlauf der Jahrhunderte einem Wandel hinsichtlich seiner Stoßrichtung und damit verbunden hinsichtlich seines Aussagegehalts unterworfen41. Inzwischen kann aber als Grundkonsens gel________________________ 36 Vgl. W. Gassner/M. Lang, ÖStZ 2000, 643 (644); dies., 14. ÖJT Band III/1, S. 64.

Weitere Nachweise bei J. Lang in: Tipke/Lang, § 4 Rz. 83 Fn 34. 37 J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 4 Rz. 83. 38 So auch J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 4 Rz. 83; ders. in: FS Kruse,

S. 313 (316 ff.); K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 492 ff.; ders., StuW 1971, S. 2 ff.; D. Birk, StuW 2000, S. 328 (329); R. Beiser, ÖStZ 2000, S. 413 (414); K. Vogel, DStZ/A 1975, S. 409 (410 f.). Allgemein zur Notwendigkeit und Möglichkeit der Konkretisierung fundamentaler rechtsethischer Prinzipien F. Bydlinski, Fundamentale Rechtsgrundsätze, S. 12 ff.; C.-W. Canaris, Systemdenken, S. 52 ff. 39 P. Kirchhof, StuW 1985, S. 319 (327). 40 Die Rückbesinnung auf derartige grundlegende Gerechtigkeitsmaßstäbe ist in einer Rechtsordnung generell unentbehrlich, vgl. F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S. 64 f. 41 Bei den ersten neuzeitlichen Erwähnungen des Gedankens einer Besteuerung nach der jeweiligen Leistungsfähigkeit waren noch deutliche Anklänge an das Äquivalenzprinzip erkennbar (vgl. A. Smith, Wealth of Nations, S. 703 f.; J. H. G. von Justi, Steuern und Abgaben, 1762, S. 26 f.) Das staatsrechtliche Schrifttum der Aufklärung entwickelte diesen Ansatz in Richtung einer reinen Orientierung an den persönlichen Fähigkeiten zur Entrichtung der Steuern fort (Nachweise bei D. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 11 ff.). Die soziale Bewegung des 19. Jahrhunderts sah im Leistungsfähigkeitsprinzip eine Möglichkeit, die Steuerprogression zu rechtfertigen (vgl. K. Frantz, Die soziale Steuerreform, 1881, S. 126 f.). Diese Überlegungen fanden Eingang in die Finanzwissenschaft, welche sie durch die sogenannte Opfertheorie zu un-

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ten, dass es verlangt die Besteuerung derart auszugestalten, dass bei gleichem Umfang der als Indikator wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit gewählten Größe eine gleiche Steuerbelastung gewährleistet ist, ein höheres Maß an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit hingegen auch zu einer höheren Steuerlast führt42. Das Leistungsfähigkeitsprinzip existiert damit in den beiden Ausprägungen der horizontalen und der vertikalen Steuergerechtigkeit43. Diese Grundaussage wird ihm im auch in Spanien unbestritten beigelegt44. Ungeachtet der Notwendigkeit der weiteren Konkretisierung dieser Fundamentalaussage ist schon hier darauf hinzuweisen, dass die rechtliche Dogmatisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips auf ein Steuersystem abzielt, in dem wirtschaftlich gleiche Sachverhalte mit gleicher Belastungswirkung besteuert werden45. Entscheidend ist somit die gerechte Verteilung der effektiv zu tragenden Lasten unabhängig von deren tatbestandstechnischer Aus-

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termauern suchte (Erste Ansätze finden sich bei A. Wagner, Finanzwissenschaft, 2. Teil 2. Halbb., S. 443. Präziser fassten sich dann vor allem A. Schäffle, Die Steuern AT, S. 278 f. und B. Fuisting, Grundzüge der Steuerlehre, S. 203). Der Opfertheorie schlossen sich in der Folge eine Vielzahl von Finanzwissenschaftlern an; hierzu wird auf den historischen Abriß von D. Pohmer/G. Jurke, FA 42 (1984), S. 445 ff. verwiesen. Diese finanzwissenschaftliche Interpretation des Leistungsfähigkeitsprinzips wurde im 20. Jahrhundert dann wiederum in der Steuerrechtswissenschaft rezipiert (vgl. z. B. H. H. Mösbauer, DStR 1975, S. 679 (684, Fn. 124)). Andererseits stieß die Opfertheorie von Beginn an sowohl in der Finanzwissenschaft als auch in der Rechtswissenschaft auf deutliche Kritik (vgl. z. B. K. D. Schneider, StuW 1979, S. 38; W. R. Walz, Steuergerechtigkeit, S. 163 Fn 23). Schließlich kam noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zunächst in der angelsächsischen, dann auch in der deutschen Finanzwissenschaft der Gedanke auf, Leistungsfähigkeit könne sachgerecht nur als Konsumleistungsfähigkeit verstanden werden. (vgl. I. Fisher, Income, in: Econometrica Bd. 5 (1937), S. 42 ff.; zur Diskussion in Deutschland vgl. die Nachweise bei J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 4 Rz. 110, Fn 83)). In die steuerrechtliche Diskussion ist dieser Ansatz erst vor kurzem eingeflossen (vgl. J. Lang in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 4 Rz. 114 ff.; ders. in: FS Kruse, S. 313 (327 ff.)). Statt aller: K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 481; R. Lobo Torres in: Direito Tributário, S. 429 (446 f.). Vgl. K. Holmes, The Concept of Income, S. 19; D. Birk in: Tipke/Bozza, Besteuerung von Einkommen, S. 103 (104). Anders die Terminologie bei K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 481, der beide Begriffe auf den Belastungsvergleich von Steuerpflichtigen mit unterschiedlicher Leistungsfähigkeit bezieht. TC v. 17.2.2000, 46/2000, m. w. N. BVerfG v. 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, S. 239 (269); J. Lang in: Rose, Integriertes Steuer- und Sozialsystem, S. 83 (86); K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 481; P. Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 37; F. Kirchhof, StuW 2002, S. 185 (189); grundlegend D. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 70 f., 156 und 163 f.

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gestaltung. Diese Erkenntnis ist in der spanischen verfassungsrechtlichen Judikatur sogar besonders deutlich herausgearbeitet worden46. bb) Dividenden als Indikator wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit Die fundamentale Gerechtigkeitswertung des Leistungsfähigkeitsprinzips bedarf allerdings noch der Ergänzung dahingehend, welche Maßgröße als Indikator der jeweils in Verhältnis zu setzenden Leistungsfähigkeit zu wählen ist. Es ist insoweit hoch umstritten, welcher Indikator der „richtige“ in dem Sinne ist, dass er eine gerechte Lastenverteilung gewährleistet. Als Indikatoren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit kommen im Wesentlichen das Einkommen, hier verstanden im Sinne von Vermögenszuwachs, das Vermögen, der Konsum oder darauf bezogene Potentialgrößen in Betracht47. Es darf natürlich nicht verkannt werden, dass letztlich jeder dieser Indikatoren durch jede Steuer belastet wird48. Dennoch ist die Entscheidung für eine dieser Maßgrößen als gerechtes tertium comparationis im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG von großer Bedeutung, da die Gleichbehandlung hinsichtlich einer von ihnen sich an den übrigen gemessen regelmäßig als Ungleichbehandlung darstellen wird. Die Besteuerung von Dividenden bedeutet unzweifelhaft eine Besteuerung nach Maßstab des Vermögenszuwachses bzw. der Einkommensleistungsfähigkeit. Dies wäre nur dann von vornherein leistungsfähigkeitswidrig, wenn allein die Konsumleistungsfähigkeit zum Maßstab gleichmäßiger Steuerlastverteilung gemacht werden dürfte49. Eine Bemessung wirtschaftlicher ________________________ 46 TC v. 20.2.1989, 45/1989: „… la carga tributaria a que cada sujeto ha de hacer frente

en función de su capacidad económica, la definición de ésta y el método para determinarla han de ser establecidos mediante normas que efectivamente den a todos los sujetos un trato igual.“ [Hervorhebung durch den Verf.] 47 Vgl. J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 4 Rz. 95, der freilich die Potentialgrößen unerwähnt lässt; D. Schneider, Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl., S. 29 f. 48 Vgl. näher J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 4 Rz. 95; ders. in: FS Kruse, S. 313 (327); M. Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 33 m. w. N. 49 Davon abgesehen lassen sich Überlegungen, potentielles Einkommen oder potentielles Vermögen zum Indikator wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zu machen, ohne weiteres ausscheiden. Dies wäre mit den Grundwertungen einer freiheitlich verfassten Gesellschaft nicht vereinbar, die auch die Freiheit beinhaltet, das Maß des Einsatzes seiner Erwerbskräfte selbst zu bestimmen. (K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 498; D. Schneider, Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl., S. 36 f.; P. Bareis, StuW 2002, S. 135 (140)); P. Kirchhof, StuW 1985, S. 319 (324 f.); D. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 167.). Speziell der Gedanke einer „Sollertragssteuer“, welcher der Vermögensteuer attribuiert wird, lässt sich nur vor dem Hintergrund einer typsierend als real angenommenen Leistungsfähigkeit rechtfertigen, vgl. BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BverfGE 93, S. 121 (137); großzügiger wohl das spanische Verfassungsgericht, vgl. TC v. 7.6.1993, 186/1993: „… basta que la capacidad económica exista, como

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Leistungsfähigkeit ausschließlich an den konsumtiven Ausgaben der Individuen wird aber soweit ersichtlich in der Steuerrechtswissenschaft nicht vertreten. Seitens einiger Steuerjuristen wird allenfalls eine Konsumorientierung der Besteuerung propagiert50. Tatsächlich wird dadurch aber keine Konsumleistungsfähigkeit, sondern nach wie vor die finanzielle Leistungsfähigkeit nach Maßgabe des Vermögenszuwachses als tertium comparationis gewählt51. Diese soll allerdings nicht mehr periodisch bestimmt werden, sondern gemessen an den finanziellen Möglichkeiten, welche das Individuum lebenszeitlich in einer Welt ohne Steuern hätte52. Denn in einer solchen Welt könnte sich jeglicher nicht konsumierter Vermögenszuwachs ohne steuerliche ________________________ riqueza o renta real o potencial en la generalidad de los supuestos contemplados por el legislador al crear el impuesto …“ Die Vermögensleistungsfähigkeit wiederum wird von ihren Vertretern nur als komplementärer Leistungsfähigkeitsindikator verstanden, nicht aber als vorrangiger oder gar ausschließlicher (vgl. D. Birk, DStJG 22, S. 7 (15 f.); ders., 14. ÖJT III/2, S. 53 (56); H. Weber-Grellet, BB 1996, S. 1415 (1416); D. Schneider, Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl., S. 38 f.). 50 J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 4 Rz. 114 ff.; ders. in: FS Kruse, S. 313 (327 ff.); ders., DStJG 24, S. 49 (78); ders., Entwurf eines Steuergesetzbuchs, BMF-Schriftenreihe 49, S. 124 ff.; ders., StuW 1990, S. 107 (113 ff.).; ders., StuW 1989, S. 3 (9 ff.); ders. in: Rose, Taxing Consumption, S. 273 (295 f.; hier wird der Leistungsfähigkeitsbegriff freilich noch stellenweise ambivalent verwendet, vgl. S. 303); ders. in: Smekal/Sendlhofer/Winner, Einkommen versus Konsum, S. 143 (152 ff.). 51 Vgl. auch C. Dorenkamp, StuW 2000, S. 121 (125 ff.), der von Lebenseinkommen als der Summe von „Lebenskonsum und Lebensendvermögen“ spricht; ders., DStJG Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 61 (65 ff.). 52 Die Erfassung des lebensendlichen Vermögenszuwachses korrespondiert dabei mit einer konsumorientierten Besteuerung in Form einer nachgelagerten bzw. sparbereinigten Besteuerung, die einer Cash-Flow-Steuer entspricht. Investitionen scheiden aus der steuerlichen Bemessungsgrundlage aus, und nur für konsumtive Zwecke verwandte Zu- bzw. Rückflüsse werden besteuert. Bei der – zumindest im ökonomischen Modell vollkommener Kapitalmärkte – prinzipiell gleichwertigen Konsumorientierung in Form einer zinsbereinigten Steuer, die erstmals investiv verwendetes Arbeitseinkommen besteuert, dann aber den Kapitalertrag prinzipiell steuerfrei lässt, wird das lebenszeitliche Element durch die Investitionsbesteuerung quasi vorweggenommen. Diese antizipiert den durch die Erträge ermöglichten Konsum, weshalb insoweit auch von einem Individual-Tax-Prepayment (ITP)-Modell die Rede ist. Hier wäre im Sinne einer lebenszeitlichen Begrenzung freilich zudem zu verlangen, dass das vom Erben weiter investiv verwendete Vermögen nach dem Erbfall erneut einer einmaligen Besteuerung unterliegt, um bei ihm eine erneute Vorwegnahme seines lebenszeitlich aus den korrespondierenden Erträgen fließenden Konsums zu gewährleisten. Einen guten Einblick in die beiden Besteuerungsmodelle verschaffen auch M. Rose in: Krause-Junk (Hrsg.), Steuersysteme der Zukunft, S. 247 (248 f.) und J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 4 Rz. 117 f.

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Belastungen weiterverzinsen, und die gesamte finanzielle Leistungsfähigkeit ergäbe sich aus der Summe von lebenszeitlichem Konsum und bei Lebensende noch nicht für Konsumzwecke verbrauchten Vermögenszuwächsen. Es erscheint darum zutreffender, insoweit von einer Orientierung an der lebenszeitlichen Einkommensleistungsfähigkeit zu sprechen53. Von dem sogenannten kapitalorientierten, ursprünglichen Leistungsfähigkeitsindikator Einkommen unterscheidet sich dieses Leistungsfähigkeitsverständnis nur im Hinblick auf den Zeitpunkt des Besteuerungszugriffs54; hierauf wird später noch zurückzukommen sein. Die Maßgröße „Vermögenszuwachs“ ist in beiden Fällen identisch und wird nur in ihrem zeitlichen Aspekt verschieden konkretisiert55. Die einhellige Ablehnung einer ausschließlichen Besteuerung nach der Konsumleistungsfähigkeit überrascht nicht, wenn man sich vor Augen hält, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip Ausdruck einer von der Rechtsgemeinschaft anerkannten materiellen Gerechtigkeitswertung ist. Es darf davon ausgegangen werden, dass eine Orientierung steuerlicher Leistungsfähigkeit ausschließlich am Konsum anders als noch im 17. Jahrhundert die Akzisebesteuerung56 im modernen Industrie- und Wohlfahrtstaat nicht akzeptiert würde. Ein Steuersystem, welches Vermögenszuwächse wie Vermögensbestand für die Frage steuerlicher Leistungsfähigkeit unberücksichtigt lässt, ist nach heutigem Verständnis nicht (leistungsfähigkeits-)gerecht. Es verbleiben damit zwei für die Dividendenbesteuerung maßgebliche Leistungsfähigkeitsindikatoren: Zum einen die objektive Befähigung, aus dem gegebenen Vermögenszuwachs Steuerzahlungen zu erbringen (im folgenden in allen Varianten zusammengefasst unter dem Oberbegriff: Solvenztheorie), nach den gegensätzlichen sogenannten Opfertheorien aber als das sub________________________ 53 Vgl. auch J. Lang in: FS Kruse, S. 313 (330): „lebenszeitliche Leistungsfähigkeit“. 54 So auch deutlich J. Lang in: Rose, Integriertes Steuer- und Sozialsystem, S. 83 (96 f.);

ders. in: Tipke/Lang, 17. Aufl., § 4 Rz. 121; ders., DStJG 24, S. 49 (77). Allerdings spricht J. Lang dennoch von einer Erfassung der Konsumleistungsfähigkeit und beruft sich insoweit auf den Vergleich mit dem Haig-Simons-Schanz-Konzept. Im Übrigen darf der materielle Aspekt des Leistungsfähigkeitsindikators nicht mit dem technischen Aspekt seiner Erfassung verwechselt werden, die in einem „konsumorientierten“ System teilweise durch die periodische Besteuerung der konsumtiv verwendeten Vermögenszuwächse realisiert werden kann (s. dazu näher unten II.7.). 55 So auch deutlich C. Dorenkamp, Nachgelagerte Besteuerung, S. 19, 29 u. 174: „… die nachgelagerte Besteuerung stellt nicht auf den Leistungsfähigkeitsindikator Konsum ab, sondern bedient sich der Abzugsfähigkeit der Ersparnisbildung lediglich als Erhebungstechnik zur gleichmäßigen Belastung des einkommensteuerpflichtigen … Lebenseinkommens … Die nachgelagerte Besteuerung unterscheidet sich von der traditionellen Einkommensteuer ausschließlich hinsichtlich des Zeitpunkts, in dem auf investierte Reinvermögensmehrungen zugegriffen wird.“ 56 Vgl. dazu die Nachweise bei C. A. L. Rasenack in: FS Quaritsch, S. 363 (365).

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jektive Potential zur Befriedigung privater Bedürfnisse, ausgedrückt durch den subjektiven Nutzenwert des Vermögenszuwachses57. Die Besteuerung von Dividenden ist tatsächlich nach beiden Maßgrößen gerechtfertigt. Bei näherer Betrachtung basiert nämlich auch für die Opfertheorien steuerliche Leistungsfähigkeit auf der objektiven Fähigkeit, aus einem Vermögenszuwachs Steuern zahlen zu können58. Damit stimmen die beiden Theorien hinsichtlich des Anknüpfungspunktes für das relevante tertium comparationis überein: Grundlage steuerlicher Lastenausteilung soll grundsätzlich die Veränderung der persönlichen Vermögensverhältnisse des Steuerpflichtigen, d. h. das Einkommen sein. Dabei ist die Besteuerung nach beiden Auffassungen so auszugestalten, dass bei gleichem Einkommen eine gleiche Steuerbelastung gewährleistet ist, ein höheres Einkommen hingegen auch zu einer höheren Steuerlast führt59. Den Opfertheorien kommt eigen________________________ 57 Vgl. H. Haller, Die Steuern, 3. Aufl., S. 15. 58 Vgl. die Formulierung bei H. Haller, Die Steuern, 3. Aufl., S. 76/81: „Das Einkom-

men ist … die Bezugsgröße der Bedürfnisbefriedigung … die Bedürfnisbefriedigungszuwächse können immer nur relativ angegeben werden, unter Bezugnahme auf eine Basisgröße des Einkommens bzw. Einkommenszuwachses.“ Im Übrigen erkennen umgekehrt auch die Vertreter der steuerrechtlichen Solvenztheorie an, dass auf eine subjektive Komponente der Determinierung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit nicht verzichtet werden kann: Denn jedenfalls der „indisponible“ Privatbedarf des Steuerpflichtigen ist dem Steuerzugriff aufgrund der für den Steuerjuristen verbindlichen Vorgabe der Art. 1 Abs. 1, 20 Abs. 1 GG entzogen. Dies spiegelt sich wider in der gängigen Differenzierung nach objektiver und subjektiver Leistungsfähigkeit, auf welche die Anhänger der Solvenztheorie zur Beschreibung dieses Phänomens zurückgreifen (vgl. M. Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 11; dies., DStJG 23, S. 9 (12); näher dazu unten II.6.). 59 Auch nach den Opfertheorien müssen identische Einkommens- bzw. Vermögensverhältnisse verschiedener Steuerpflichtiger grundsätzlich zu einer identischen Steuerbelastung führen. Bei einer einheitlichen Nutzenfunktion, welche im Rahmen dieser Theorien durchgängig vereinfachend unterstellt wird (vgl. H. Haller, Die Steuern, 3. Aufl., S. 79.), kann nämlich insoweit auch nur ein jeweils identischer Gesamtnutzen beider Steuersubjekte angenommen werden, bzw. es führen betragsmäßig identische Veränderungen auch zu einer identischen Veränderung des Grenznutzens. Und bei unterschiedlichen Einkommens- bzw. Vermögensverhältnissen wird auch unter Geltung der Opfertheorie stets der Einkommensstärkere auch steuerlich stärker zu belasten sein. Angesprochen ist dabei die in absoluten Zahlen höhere Belastung des Einkommens- bzw. Vermögensstärkeren; relativ gesehen könnte sich zumindest nach der Theorie des absolut gleichen Opfers oder der des proportional gleichen Opfers hingegen durchaus auch ein degressiver Tarifverlauf ergeben, d. h. eine relativ stärkere steuerliche Belastung des weniger Vermögenden bzw. Verdiendenden (vgl. K. Schmidt, Die Steuerprogression, S. 23 ff.). Diese letzte Variante ist aber aus steuerjuristischer Sicht ohnehin nicht in die Betrachtung mit einzubeziehen, weil unterstellt werden darf, dass eine solche Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips nicht mehr den allgemein anerkannten Grundsätzen materiell gerechter Besteuerung zugerechnet werden kann.

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ständige Bedeutung praktisch nur noch für die Frage zu, ob sich der konkrete Tarifverlauf wissenschaftlich bestimmen lässt, was jedoch im Rahmen dieser Arbeit dahingestellt bleiben kann60. Von diesem Ausgangspunkt versteht es sich, dass alle Arten von Vermögenszuwächsen im Grundsatz gleichermaßen steuerliche Leistungsfähigkeit indizieren61. Das Bundesverfassungsgericht leitet daraus für das geltende Einkommensteuerrecht den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Einkunftsarten ab62. Auch das spanische Verfassungsgericht nimmt diesen Grundsatz zum Ausgangspunkt seiner Betrachtungen, räumt dem Gesetzgeber dann freilich einen sehr großzügigen Spielraum für abweichende Festlegungen ein63. Für die Dividendenbesteuerung lassen sich an dieser Stelle zunächst folgende Konsequenzen ziehen: Zum einen darf der Gesetzgeber den Dividendenbezug im Rahmen der Besteuerung von Einkommen zum Anknüpfungspunkt einer steuerlichen Belastung machen, weil er einen Vermögenszuwachs vermittelt und darum prinzipiell steuerliche Leistungsfähigkeit indiziert. Zum anderen dürfen Dividenden prinzipiell nicht stärker oder aber geringer belastet werden als andere steuerbare Vermögenszuwächse bzw. Einkünfte. cc) Die Besteuerung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit von Kapitalgesellschaften und das Verhältnis zur Leistungsfähigkeit ihrer Anteilseigner Dividenden speisen sich aus den Gewinnen, welche die ausschüttende Kapitalgesellschaft erwirtschaftet hat. Diese Gewinne werden bei ihr vor allem mit Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer vorbelastet, bevor sie an die An________________________ 60 Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass die Opfertheorie wegen der Unmöglichkeit,

eine individuelle Nutzenfunktion genau zu bestimmen, gerade ihrer theoretisch einzigen eigenständigen Funktion, nämlich der Bestimmung des Tarifverlaufs, de facto nicht gerecht werden kann. Tatsächlich wird man den konkreten Tarifverlauf damit als rein politische Entscheidung anzusehen haben, vgl. J. Lang, The Influence of Tax Principles on the Taxation of Income from Capital, Vortrag auf dem EATLP-Kongress 2003, noch unveröffentl. 61 Zu den notwendigen Einschränkungen des Einkommensbegriffs siehe unten II.3. 62 BVerfG v. 30.9.1998 – 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, S. 88 (95); v. 10.4.1997 – 2 BvL 77/92, BVerGE 96, S. 1 (6); v. 8.10.1991 – 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, S. 348 (363 f.). Vgl. dazu auch BFH v. 24.2.1999 – X R 171/96, BStBl. II 1999, S. 450 (458); K. Tipke in: Tipke/Bozza, Besteuerung von Einkommen, S. 9 (19); R. Seer, StbJb 2000/01, S. 15 (24 f.). 63 TC v. 17.2.2000, 46/2000: „… el legislador puede someter a tributación de forma distinta a diferentes clases de rendimientos gravados en el Impuesto, en atención a su naturaleza, por simples razones de política financiera o de técnica tributaria, o, con más razón, cuando se encuentre ante la necesidad de evitar que se produzcan posibles actuaciones elusivas de los sujetos …“ Strenger M. Lucas Durán, Dividendos internacionales, S. 294.

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teilseigner ausgeschüttet werden. Dies ist nur zu rechtfertigen, wenn die juristische Person überhaupt Steuersubjekt sein kann und darf, also über eine eigenständige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verfügt. Daran knüpft zugleich die Frage an, ob sie wie natürliche Personen leistungsfähigkeitsgerecht besteuert werden muss, was im Rahmen des Untersuchungsgegenstandes vor allem für den Dividendenbezug im Kapitalgesellschaftskonzern von Bedeutung ist. Schließlich ist zu klären, wie sich eine etwaige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der ausschüttenden Gesellschaft zu der ihrer Gesellschafter verhält. (i) Die eigene Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft Der Streit inwieweit juristischen Personen, namentlich Kapitalgesellschaften, eigene steuerliche Leistungsfähigkeit zukommt, ist so alt wie die Körperschaftsteuer selbst: (1) Ablehnende Ansichten Die Gegner einer solchen Sichtweise berufen sich vor allem darauf, dass Kapitalgesellschaften trotz ihrer rechtlichen Verselbständigung im wirtschaftlichen Eigentum der Anteilseigner stünden. Die von der Kapitalgesellschaft erzielten Vermögenszuwächse müssten darum aus steuerlicher Sicht unmittelbar den Gesellschaftern zugeordnet werden und könnten nur bei diesen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erzeugen64. Dem Einwand ist zuzugeben, dass dem Steuerrecht die Rechtskonstruktion des wirtschaftlichen Eigentums nicht fremd ist und § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO die Zurechnung von Wirtschaftsgütern abweichend von der zivilrechtlichen Eigentumslage vorsieht. Voraussetzung hierfür ist, dass ein anderer als der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über das Wirtschaftsgut ausübt und den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Allerdings bezieht sich diese Vorschrift nicht auf organisatorische Gebilde, wie sie eine Gesellschaft als Ganze darstellt, sondern nur auf einzelne Wirtschaftsgüter. Da es aber auch im streng zivilrechtlichen Sinne kein Eigentum an der Kapitalgesellschaft als solcher gibt, wird man das Postulat wirtschaftlichen Eigentums der Anteilseigner als unpräzise Umschreibung der Vorstellung verstehen dürfen, die Anteilseigner seien wirtschaftliche Eigentümer der zivilrechtlich der Gesellschaft zugeordneten Vermögensgegenstände einschließlich der von ihr erwirtschafteten Erträge. Diese Vorstellung ________________________ 64 Gutachten der Steuerreformkommission 1971, BMF-Schriftenreihe Heft 17, Teil IV

(KSt), Tz 52 u. 75; C. Meichssner, Kapitalgesellschaftsgewinne, S. 129 u. 133 f., der allerdings Leistungsfähigkeit und Wettbewerbsneutralität in wenig überzeugender Weise miteinander verquickt, vgl. S. 85 f.

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ist jedoch gemessen an § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO nicht haltbar. Dies ist offensichtlich in den Fällen, in denen bei heterogenem Gesellschafterkreis die unternehmenspolitischen Entscheidungen von externen Managern getroffen werden und die Gesellschafterinteressen häufig gegenläufiger Natur sind. Hier wird die tatsächliche Herrschaft über die Wirtschaftsgüter der Gesellschaft von der Geschäftsleitung und nicht von den Gesellschaftern ausgeübt65. Aber auch in den Konstellationen, in denen bei relativ homogenem Gesellschafterkreis Gesellschaftergeschäftsführer die Geschicke des Unternehmens bestimmen, ja selbst im Extremfall einer Ein-Mann-GmbH kann eine Zurechnung von Rechtspositionen der Gesellschaft bei den Gesellschaftern, d. h. der Durchgriff durch die GmbH nach den Regeln des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO nicht stattfinden. Entscheidend dagegen spricht, dass es den Gesellschaftern regelmäßig nicht darauf ankommt, die Gesellschaft wirtschaftlich von der Einwirkung auf ihre Wirtschaftsgüter auszuschließen. Vielmehr werden sie regelmäßig gerade daran interessiert sein, die betreffenden Wirtschaftsgüter dauerhaft in der Einfluss- und Vermögenssphäre der Gesellschaft zu belassen, um von deren haftungsrechtlicher Struktur zu profitieren. Eine Rückführung der Wirtschaftsgüter ist auch nur eingeschränkt, nämlich unter Beachtung der Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 30 GmbHG, 57 AktG möglich; bei Ausschüttungen können zusätzlich die gesetzlichen Ausschüttungsverbote der §§ 269 S. 2, 274 Abs. 3 S. 2 HGB greifen66. Nun stellt freilich § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO nur eine einfachgesetzliche Definition wirtschaftlichen Eigentums dar, der bei der im Verfassungskontext zu verortenden Frage nach der Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaften keine unmittelbare Geltung zukommt und auf die sich die Verfechter der Theorie des wirtschaftlichen Eigentums auch nicht berufen67. Der in ihr zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke gibt jedoch zutreffend die Mindestanforderungen wieder, die man an eine wirtschaftliche Zurechnung entgegen den zivilrechtlichen Vorgaben zu stellen haben wird: Nur wenn die Verhältnisse so ausgestaltet sind, dass der eigentliche Inhalt des Eigentumsrechts bei einem anderen als dem zivilrechtlichen Eigentümer liegt dergestalt, dass das rechtliche Eigentum nur noch als „leere Hülse“68 erscheint, ist auch die ________________________ 65 So auch J. Hennrichs, StuW 2002, S. 201 (205); J. Hey, Unternehmensbesteuerung,

S. 251 m. w. N.; B. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., S. 566; W. Flume, DB 1971, S. 692 (693). 66 In diese Richtung argumentiert auch J. Hennrichs, StuW 2002, S. 201 (205) und führt den Nachweis, dass selbst bei einer Einmann-GmbH Eigenbelange der Gesellschaft anzuerkennen sind, auf welche der Gesellschafter Rücksicht nehmen muss. 67 Diese beziehen sich vielmehr auf die Begründung zum Aktiengesetz, BT-Drs. IV/171, S. 29 ff., wo die Formulierung vom „wirtschaftlichen Eigentum der Anteilseigner“ ohne nähere Konkretisierung gebraucht wird. 68 BFH v. 20.1.1999 – I R 69/97, DStR 1999, S. 973 (975).

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steuerliche Zurechnung an diesen „wirtschaftlichen“ Eigentümer gerechtfertigt. Dies ist aus den geschilderten Gründen beim Vermögen der Kapitalgesellschaft nicht der Fall. Daneben wird gegen eine eigenständige steuerliche Leistungsfähigkeit der juristischen Personen noch vorgetragen, dass sie der Rechtfertigung der Besteuerung widerspreche. Diese könne nämlich nur gerechtfertigt werden als Verteilung der Gemeinlasten auf die staatliche Allgemeinheit. Der Staat wiederum konstituiere sich durch seine Staatsbürger, d. h. – ausschließlich – durch natürliche Personen. Juristische Personen kämen als eigenständige Träger staatlicher Lasten darum nicht in Betracht69. Diesem Einwand ist zuzugeben, dass in letzter Konsequenz auch die von einer juristischen Person entrichteten Steuern von natürlichen Personen getragen werden, da die Steuern den für Ausschüttungen zur Verfügung stehenden Betrag oder im Falle der Liquidation den Liquidationserlös mindern. Das schließt jedoch die prinzipielle Eignung der juristischen Person als Anknüpfungsobjekt des staatlichen Besteuerungszugriffs nicht aus. Auch ihr können zunächst steuerliche Lasten auferlegt werden, und seien sie auch nur vorübergehend von ihnen selbst zu tragen. (2) Befürwortende Ansichten Die Befürworter einer eigenständigen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaften begründeten ihre Ansicht ursprünglich mit den wirtschaftlichen Vorteilen, die mit dieser Rechtsform verbunden sein sollen. In diesem Zusammenhang wurden insbesondere genannt die beschränkte Haftung, welche eine erhöhte Spekulationstätigkeit mit entsprechend höheren Gewinnen ermögliche, die erhöhte Kreditfähigkeit, die dauerhafte Organisation sowie die besseren Möglichkeiten zur Beschaffung von Eigenkapital70. Eine solche Argumentation kann freilich bei näherer Betrachtung keinen Bestand haben71. Es kann dabei dahinstehen, ob sich solche spezifischen Vorteile überhaupt empirisch nachweisen lassen und ob ihnen nicht möglicher________________________ 69 W. R. Walz, Gutachten F, F42 f.; ähnlich S. Bach, StuW 1991, S. 116 (127 f.);

W. Flume, StbJb 1973/74, S. 53 (67 f.). Einen differenzierteren Standpunkt nahm W. R. Walz ein in: Steuergerechtigkeit, S. 370. 70 Vgl. W. Maas, Die Besteuerung der juristischen Person, S. 3 u. 52 ff.; J. V. Bredt, Leistungsfähigkeit, S. 114 f.; H. Debatin, AG 1959, S. 314 ff. Ebenso die Begründung zum KStG 1920, Drs. der Deutschen Nationalversammlung, Nr. 1976, S. 12. Distanziert, aber grds. zustimmend H. G. Ruppe, Steuerliche Doppelbelastung., S. 136. 71 Ablehnend auch schon BVerfG v. 24.1.1962 – 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, S. 331 (352); für den spanischen Rechtskreis T. Cordón Ezquerro, Cronica Tributaria 1996, S. 11 (12).

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weise auch strukturelle Nachteile gegenüberstehen72. Entscheidend gegen ihre Berücksichtigung als leistungsfähigkeitsbegründend spricht, dass es sich um bloße Potentiale handelt. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im oben definierten Sinne bemisst sich aber in Ist-Größen. Abzustellen ist mit anderen Worten auf den tatsächlich erzielten Vermögenszuwachs, und nicht auf die bloße Möglichkeit, dessen Höhe positiv zu beeinflussen73. Die genannten Faktoren können erst mittelbar berücksichtigt werden, wenn sie sich in tatsächlichen Erträgen niederschlagen74. Dann aber stellt sich nach wie vor die Frage, ob diese Erträge eine eigenständige Leistungsfähigkeit der juristischen Person begründen75. Als klassisches Argument für die eigenständige steuerliche Leistungsfähigkeit der juristischen Person wird darüber hinaus der Hinweis auf die Einheit der Rechtsordnung bemüht. Das Steuerrecht dürfe sich nicht über die Entscheidung des Zivilrechts hinwegsetzen, die juristischen Personen mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit auszustatten. Darum müsse es ihnen auch eine eigene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zuerkennen76. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass das Steuerrecht nicht Folgerecht des Zivilrechts in dem Sinne ist, dass es dessen Maßstäbe unbesehen übernehmen müsste. Das hier in Rede stehende Leistungsfähigkeitsprinzip zielt auf die Abschöpfung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit. Es muss darum jede zivilrechtliche Konstruktion daraufhin überprüft werden, zu welchen wirtschaftlichen Sachverhalten sie führt. Die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit der juristischen Person führt nicht automatisch zur Bejahung eigenständiger steuerlicher Leistungsfähigkeit77. Insbesondere in der jüngeren rechtswissenschaftlichen Diskussion wird die Annahme einer eigenen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der juristischen Person gelegentlich unter Rückgriff auf Art. 19 Abs. 3 GG gerechtfertigt78. ________________________ 72 Insoweit sehr skeptisch sind J. Hennrichs, StuW 2002, S. 201 (209); H.-J. Pezzer in:

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74 75 76 77 78

Tipke/Bozza, Besteuerung von Einkommen, S. 235 (240); ders. in: FS Tipke, S. 419 (422 f.). Siehe dazu schon oben unter bb.; vgl. außerdem D. Birk/R. Wernsmann, JZ 2001, S. 218 (221); K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 497 f.; M. Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 30 (Fn. 131). A. Bustos Gisbert/F. Pedraja Chaparro, HPE 1999, S. 55 (56). Vgl. auch M. Jachmann, DStJG 23, S. 9 (20); H.-J. Pezzer: FS K. Tipke, S. 419 (423); ders., DStJG 20, S. 5 (10); K. Tipke, StRO II, S. 737. Statt aller D. Birk, StuW 2000, S. 328 (333); allgemein W. Eckhardt, Einheit der Rechtsordnung, StbJb 1961/62, S. 77 ff. Ähnlich auch J. Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 246. J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 4 Rz. 90; ders., DStJG 24, S. 49 (58 f.); M. Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 19; dies., DStJG 23, S. 9 (18).

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Da die – inländische – juristische Person Grundrechtsträgerin sei, gälte der allgemeine Gleichheitssatz auch für sie, so dass auch sie als Zuordnungssubjekt steuerlicher Leistungsfähigkeit in Betracht komme. Teilweise wird diese Aussage ergänzt um die Feststellung, Ertrag und Ertragserzielung seien der juristischen Person zuzurechnen, da sie es sei, welche bei ihrer Erwirtschaftung von den Freiheitsrechten der Art. 12 I und 14 I GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG Gebrauch mache. Darum sei sie in gleicher Weise objektiv leistungsfähig wie natürliche Personen, die Erträge unter Inanspruchnahme dieser Grundfreiheiten erzielen79. Diese Argumentation nähert sich einigen maßgeblichen Gesichtspunkten an, freilich ohne sie direkt zu benennen und klar zuzuordnen. Zunächst hilft Art. 19 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG für sich genommen noch nicht weiter. Hieraus könnte eine eigenständige Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft nur abgeleitet werden, wenn die Vorschrift eine Gleichbehandlung auch mit natürlichen Personen und damit logisch zwingend die Anwendung gleicher Maßstäbe für steuerliche Leistungsfähigkeit verlangen würde. Nun ist aber anerkannt, dass Art. 19 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG nicht grundsätzlich vor einer Differenzierung zwischen natürlichen und juristischen Personen schützen kann80. Es bedarf vielmehr stets einer gesonderten Bewertung und Entscheidung, inwieweit die Übernahme des für natürliche Personen geltenden Wertmaßstabes der jeweiligen Regelungsmaterie angemessen und sachgerecht ist. Diesbezüglich ist es nun in der Tat von Bedeutung, dass die Rechtsordnung den juristischen Personen eine eigene wirtschaftliche Handlungsfähigkeit zuerkennt und die hierbei erzielten Erträge ihnen selbst zuordnet. Dies legt nahe, dass diese Vermögenszuwächse auch bei ihnen selbst zu versteuern sind. Wer insoweit auf das Gebrauchmachen von Berufs- und Eigentümerfreiheit rekurriert, übersieht freilich, dass sich diese Rechtsfolge primär aus dem einfachen Recht ergibt81, so dass es auf die abstrakte Frage der Wahrnehmung von Freiheitsgrundrechten nicht mehr ankommt82.

________________________ 79 M. Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 19 ff. 80 Vgl. BVerfG v. 3.7.1973 – 1 BvR 153/69, BVerfGE 35, S. 348 (357 f.); BVerfG

v. 13.1.1976 – 1 BvR 631/69 u. 24/70, BVerfGE 41, S. 126 (183); P. M. Huber in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz, 4. Aufl., Art. 19 Abs. 3 Rz. 334; H. Krüger/M. Sachs in: Sachs, Grundgesetz, 3. Aufl., Art. 19 Rz. 71. 81 Bei Kapitalgesellschaften namentlich aus den §§ 1 I, 278 I AktG, 13 I GmbHG. 82 Dies gilt umso mehr, als dass der Anwendungsbereich jedenfalls des Art. 12 Abs. 1 GG hinsichtlich der juristischen Personen gerade maßgeblich von der einfachgesetzlichen Ausgestaltung ihres Typus abhängt, vgl. W. Rüfner in: Isensee/Kirchhof, HdbStR V, 2. Aufl., § 116 Rz. 48 ff.

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(3) Eigene Stellungnahme Richtigerweise ist von der Feststellung auszugehen, dass Steuern in letzter Konsequenz immer nur aus dem Vermögensbestand geleistet werden können83. Gilt als Indikator wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit der Vermögenszuwachs oder leitet er sich zumindest aus diesem ab, so darf der Gesetzgeber konsequenterweise denjenigen zum Steuersubjekt machen, in dessen Vermögensbestand sich der Zuwachs auswirkt. Denn diese Person verwirklicht den steuerwürdigen Tatbestand, ist zur Steuerentrichtung in der Lage, und ihr gegenüber kann der Steueranspruch durchgesetzt werden. Nun ist aber das hervorstechende Charakteristikum der juristischen Person ihre eigene Vermögensrechtsfähigkeit84. Es ist darum sachgerecht, wenn nicht sogar geboten, die juristische Person zum Steuersubjekt hinsichtlich der von ihr erwirtschafteten Zuwächse im Gesellschaftsvermögen zu erklären85. Insoweit kommt der Besteuerung der juristischen Person eine Komplementärfunktion für die Besteuerung von Vermögenszuwächsen zu, die bei natürlichen Personen nicht zeitnah erfasst werden können86. Damit bleibt festzuhalten, dass die Kapitalgesellschaft Träger eigener wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ist und ihre Gewinne aus Sicht der Anteilseigner steuerlich vorbelastet werden dürfen87. Es sei ergänzend darauf hingewiesen, dass allein anhand des in diesem Zusammenhang gelegentlich bemühten Grundsatzes der Wettbewerbsneutralität88 dieses Ergebnis nicht schlüssig hergeleitet werden kann: Sofern man die in Art. 3 Abs. 1, 12 Abs. 1 verankerte Wettbewerbsneutralität überhaupt auf die Steuern vom Ertrag anwenden will89, verlangt sie doch lediglich die steuerliche Erfassung auch der von juristischen Personen erwirtschafteten Erträge. Damit ist aber noch nichts darüber ausgesagt, bei wem diese zu erfassen sind.

________________________ 83 K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 326 u. 501; StRO II, S. 518. 84 Einprägsam formuliert bei Hopt/Reinhardt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., S. 22: „Juris-

tische Person sein heißt: vermögensrechtsfähig sein.“ 85 So auch S. Sieker, DStJG 25, Diskussionsbeitrag S. 191 f.; J. Hennrichs, StuW 2002,

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S. 201 (205).; K. Tipke, NJW 1980, S. 1079 (1081); H.-J. Pezzer in: FS Tipke, S. 419 (424). Vgl. auch J. Lang, DStJG 24, S. 49 (62); R. A. Musgrave/P. B. Musgrave, Public Finance, 3. ed., S. 400. Gl. A. P. Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch, S. 207; H.-J. Pezzer in: Tipke/Bozza, Besteuerung von Einkommen, S. 235 (241); D. Birk, 14. ÖJT III/2, S. 53 (59). Vgl. H.-G. Ruppe, Steuerliche Doppelbelastung, S. 112; J. Lang, Steuergesetzbuch, B.IV., Rz. 489. Dagegen etwa P. Kirchhof in: Isensee/Kirchhof, HdbStR IV, § 88 Rz. 124.

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(ii) Die Anwendung des Leistungsfähigkeitsprinzips bei der Besteuerung der Kapitalgesellschaft Da die Kapitalgesellschaft mit ihren Gewinnen über eine eigene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verfügt, die Objekt der Besteuerung sein kann, läge es nahe, das Leistungsfähigkeitsprinzip im oben dargelegten Sinne auch für ihre Besteuerung zu entfalten. Dennoch wird von einer gewichtigen Meinungsgruppe im Schrifttum vertreten, dieses für natürliche Personen entwickelte Prinzip könne bei juristischen Personen keine Anwendung finden. Denn diese würden ihr Vermögen nicht selbst zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse nutzen. Speziell Kapitalgesellschaften seien vielmehr nur ein von natürlichen Personen eingesetztes Mittel zum Erwerb von Einkommen und Vermögen, das letztlich auch nur von diesen zur Bedürfnisbefriedigung eingesetzt werde. Das Leistungsfähigkeitsprinzip knüpfe aber an den Grad der Entbehrlichkeit von Mitteln für den privaten Ge- bzw. Verbrauch an90. Diese Ansicht argumentiert, teilweise stillschweigend, aus einem opfertheoretischen Verständnis des Leistungsfähigkeitsprinzips heraus. Dass die Anwendung dieses Maßstabes bei der juristischen Person ausscheiden muss, ist unbestreitbar. Juristische Personen haben keine eigenen Konsumbedürfnisse, die Grundlage eines steuerinduzierten Konsumopfers sein könnten. Daraus abzuleiten, für juristische Personen gelte das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht, hieße jedoch das Kind mit dem Bade auszuschütten. Es wurde bereits dargelegt, dass auch die Opfertheorie91 verlangt, bei gleich hohem Vermögenszuwachs eine gleiche Steuerbelastung herzustellen, und ein höheres Maß an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit auch steuerlich stärker zu belasten. Die Opfertheorie glaubt lediglich darüber hinaus auch noch Aussagen zum Tarifverlauf aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip herleiten zu können. Insoweit geht die Opfertheorie lediglich einen Schritt weiter als die Solvenztheorie; nur zu diesem Zweck rechnet sie den Vermögenszuwachs in Bedürfnisbefriedigungspotential um. Da dies bei juristischen Personen jedoch nicht möglich ist, kann die Konsequenz nur darin liegen, dann eben auf ________________________ 90 M. Reich, Die wirtschaftliche Doppelbelastung, S. 32 u. 34; H. G. Ruppe, Steuerliche

Doppelbelastung, S. 131 f.; Gutachten der Steuerreformkommission 1971, BMF Schriftenreihe Heft 17, S. 306; J. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 107 Fn 354; F. Neumark, Steuerpolitik, S. 131 ff.; W. Flume, StbJb 1973/74, S. 53 (67 ff.); D. Schneider, StuW 1975, S. 97 (101), insoweit deutlicher als ders. in: Unternehmensbesteuerung, 6. Aufl., S. 159 f. Ähnlich A. Graß, Unternehmensformneutrale Besteuerung, S. 54 f.; B. Knobbe-Keuk, Sitzungsbericht O zum 53. Deutschen Juristentag in Berlin, S. 40 (41); dies., DB 1989, S. 1303 (1306); G. Wöhe, Steuerlehre I/1, S. 198; R. A. Musgrave/ P. B. Musgrave, Public Finance, 3. edition, S. 401. 91 Und zwar unter der – praktisch allein denkbaren – Prämisse einer geschätzten, für alle Steuerpflichtigen allgemein gültigen Nutzenfunktion, s. o.

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der ersten Stufe der Bestimmung des Inhalts steuerlicher Leistungsfähigkeit zu verharren – sofern man nicht ohnehin der Solvenztheorie folgen will92. Denn unbestreitbar wohnt schon dem grundlegenden Bekenntnis zu horizontaler und vertikaler Steuergleichheit im Hinblick auf den Vermögenszuwachs ein hoher Gerechtigkeitswert inne, der grundsätzlich für die Besteuerung auch der juristischen Personen fruchtbar gemacht werden kann. Wer sich prinzipiell für eine Lastenausteilung am Maßstab wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ausspricht, darf für den Bereich der Besteuerung juristischer Personen nicht a priori Prinzipienlosigkeit predigen, nur weil das Prinzip – vermeintlich – auf seine Kernaussage zurückgeführt werden muss93. Entscheidend für eine Anwendung des Leistungsfähigkeitsprinzips auch bei der Besteuerung von Kapitalgesellschaften spricht im Übrigen, dass Art. 3 Abs. 1 GG über Art. 19 Abs. 3 GG auch Anwendung auf juristische Personen findet94. Damit steht fest, dass es zumindest im Verhältnis zwischen diesen untereinander eines Vergleichsmaßstabes bedarf, um Art. 3 Abs. 1 GG für die gleichmäßige Verteilung der Steuerlasten unter ihnen zu operationalisieren95. Als sach-gerechtes tertium comparationis kommt auch insoweit nur das Leistungsfähigkeitsprinzip in Betracht, mangels einer privaten Kon________________________ 92 Ähnlich argumentieren J. Lang in: FS Schneider, S. 399 (416); E. Sanz Gadea, Im-

puestos 2001, S. 161 (219). 93 In der Tendenz ähnlich K. Tipke, StRO II. S. 734. 94 Vgl. dazu auch BVerfG v. 20.7.1954 – 1 BVR 459/52 u. a. –, BVerfGE 4, S. 7 (12);

H. Dreier in: Dreier, Grundgesetz Kommentar, Art. 19 III Rz. 24; P. M. Huber in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz, 4. Aufl., Art. 19 Abs. 3 Rz. 334; G. Dürig in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1 (Stand: 10/96), Rz. 289. 95 So zutreffend J. Lang, Entwurf eines Steuergesetzbuchs, S. 134; J. Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 119. Damit ist noch keine Aussage dazu getroffen, dass auch im Verhältnis der Kapitalgesellschaften zu den natürlichen Personen stets identische Besteuerungsmaßstäbe angelegt werden müssten. Richtigerweise ist hier zu differenzieren: Die Maßgröße objektiver Leistungsfähigkeit, d. h. der Vermögenszuwachs als solcher, ist Grundlage für die Anwendung des Leistungsfähigkeitsprinzips in beiden Vergleichsgruppen. Demnach ist auch prinzipiell zu verlangen, dass sich die Ermittlung dieser Maßgröße, d. h. des erzielten Ertrages, nach einheitlichen Vorschriften bestimmt. Dafür spricht auch, dass die juristische Person typischerweise nur Mittel zur kollektiven Ertragserzielung durch natürliche Personen als (letzte) Gesellschafter ist. Über diese – rein objektive – Funktion als tertium comparationis geht der Anwendungsbereich des Leistungsfähigkeitsprinzips im Verhältnis zwischen natürlichen Personen einerseits und juristischen Personen andererseits dann aber auch nicht hinaus. Speziell ein sozialstaatlich motiviertes, langsames Ansteigen der Tarifbelastung ist bei juristischen Personen nicht in Betracht zu ziehen, da die Geltung des Sozialstaatsprinzips des Art. 20 Abs. 1 GG auf natürliche Personen beschränkt ist und auf einen Ausgleich nur unter diesen abzielt (vgl. BVerfG v. 3.7.1973 – 1 BvR 153/69 –, BVerfGE 35, 348 (355 f.); R. Gröschner in: Dreier, Grundgesetz, Art. 20 Rz. 34; ähnlich R. Herzog in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 20, Abschn. VIII Rz. 36).

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sumsphäre der juristischen Person freilich in einer rein objektiven Ausprägung96: Ein solcher Vergleichsmaßstab ist im übrigen notwendige Bedingung für die Gewährleistung einer wettbewerbsneutralen Besteuerung der juristischen Personen untereinander97. (iii) Das Verhältnis der Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft zu der ihrer Anteilseigner An der Schnittstelle der Dividendenzahlung muss schließlich entschieden werden, wie sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Gesellschaft, verkörpert in den von ihr erwirtschafteten Gewinnen, zu der ihrer Anteilseigner verhält, an welche die Gewinne leistungsfähigkeitsbegründend ausgeschüttet werden. Allerdings würde eine zweifache Erfassung dieser Gewinne keine Doppelbesteuerung im engeren Sinne, das heißt keine sogenannte juristische Doppelbesteuerung bedeuten. Diese soll hier als Besteuerung des gleichen Steuerobjekts beim gleichen Steuersubjekt durch vergleichbare Steuern verstanden werden98. Sieht man die Kapitalgesellschaft richtig als eigenständiges Steuersubjekt an, so mangelt es nämlich jedenfalls an der notwendigen Subjektidentität99. Dennoch wirft der Umstand, dass die Gewinnausschüttung des Anteilseigners aus Gewinnen der Kapitalgesellschaft gespeist wird, die Frage auf, ob in der steuerlichen Erfassung bei beiden Steuersubjekten nicht eine wirtschaftliche Doppelbelastung bzw. Doppelbesteuerung liegt, und ob diese gegebenenfalls zu rechtfertigen ist. Dabei soll unter wirtschaftlicher Doppelbelastung eine Besteuerung desselben Besteue________________________ 96 Siehe dazu schon oben unter (a).; ähnlich M. Jachmann, DStJG 25, Diskussionsbeitrag

S. 190 f. 97 Vgl. J. Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 119; K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 325.

Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob aus Gründen der Rechtsform- und Wettbewerbsneutralität jegliche unternehmerische Betätigung im Sinne einer selbständigen, nachhaltigen und auf Gewinnerzielung gerichteten Tätigkeit unabhängig von der Rechtsform, in der sie sich vollzieht, einer allgemeinen Unternehmensteuer zu unterwerfen ist, die von der Besteuerung des nicht investiv verwendeten Einkommens der natürlichen Person abgeschichtet wird. Vgl. hierzu näher J. Lang, DStJG 24, S. 49 (60, 87 ff.); dens., Brühler Empfehlungen, Anhang 1, S. 19 ff.; J. Hey, DStJG 24, S. 155 (218 ff.); K. Tipke, StRO II, S. 1030 ff.; J. Englisch, DStZ 1997, S. 778 (783 ff.). 98 Die Beschränkung der Definition auf die Zwecke dieser Arbeit ist notwendig, weil der Begriff der Doppelbesteuerung schillernd und kein feststehender Rechtsbegriff ist, vgl. H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 12.2; F. Wassermeyer in: Debatin/Wassermeyer, DBA, Vor Art. 1 (Stand: 09/00), Rz. 1. Das hier zugrundegelegte Verständnis weicht insbesondere insofern von dem des Kommentars zum OECD-MA ab, als dort in der Einleitung (Rz. 01) zusätzlich Periodenidentität verlangt wird. Wie hier z. B. A. Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem, S. 198 f.; J. Hey in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. KSt (Stand: 09/99), Rz. 9. 99 So auch G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 91.

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rungssubstrats durch vergleichbare Steuern bei unterschiedlichen Steuersubjekten verstanden werden100. Hierzu werden im Schrifttum seit jeher unterschiedliche Auffassungen vertreten: Befürworter des klassischen Körperschaftssystems bzw. der sogenannten Separationstheorie101 plädieren dafür, Kapitalgesellschaft und Anteilseigner unabhängig voneinander zu besteuern, weil sie eine solche Doppelbelastung für nicht gegeben oder zumindest für gerechtfertigt erachten102. Die Gegenauffassung bzw. Integrationstheorie leitet aus dem Umstand wirtschaftlicher Doppelbelastung die Notwendigkeit einer Integration von Körperschaftsteuer der ausschüttenden Gesellschaft und der Besteuerung des Einkommens des Dividendenbeziehers ab103. Der Gesetzgeber steht eher den Argumenten der klassischen Linie nahe104, nimmt im Ergebnis aber meist einen pragmatischen Standpunkt ein105. ________________________ 100 Vgl. K. Vogel, DStZ 1997, S. 269 (276); J. M. Mössner, DStJG 8, S. 135 (139);

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J. Hey in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. KSt (Stand: 09/99), Rz. 9. A. Barrado Muñoz, RDFHP 1995, S. 101 (103) spricht stattdessen von „sukzessiver Besteuerung“, was jedoch den Charakter des zweifachen Zugriffs auf dasselbe Besteuerungssubstrat nicht hinreichend hervortreten lässt. Zu den Begrifflichkeiten vgl. H.-H. Francke, Vorlesungsskript Finanzwissenschaft II, Universität Freiburg WS 2002/2003. Zu den Anhängern einer klassischen Besteuerung zählen z. B. K. Tipke, StRO I, S. 1037 f.; die Expertenkommission für die Motion Piller in: Eidgenössisches Finanz- und Zolldepartement (Hrsg.), Zum Problem der gleichmäßigen Besteuerung der Erwerbsunternehmungen, S. 28 ff.; P. F. Drucker, The Concept of the Corporation, S. 31 (zitiert nach J. Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 249); wohl auch K. Schredelsekr, FA 31 (1972/73), S. 27 (29 ff.). Einschränkend, aber grds. ebenfalls befürwortend H. G. Ruppe, Steuerliche Doppelbelastung, S. 136 u. 226. Der Separationstheorie steht aus zivilrechtlicher Sicht wenig überraschend auch der BGH nahe, vgl. zuletzt BGH v. 2.6.2003 – II ZR 85/02, HFR 2004, S. 176. Statt aller: J. Lang, Entwurf eines Steuergesetzbuches, S. 134. Vgl. die Begründung zum Entwurf eines Körperschaftsteuergesetzes, Drs. der Deutschen Nationalversammlung, 1920, Nr. 1976, S. 14: „Jedenfalls liegt eine doppelte Besteuerung in dem Sinne nicht vor, dass dasselbe Subjekt zweimal besteuert wird. Nur in dieser Art könnte aber die doppelte Besteuerung einen besonderen Angriffspunkt bieten; denn im übrigen ist die mehrfache Besteuerung desselben wirtschaftlichen Gutes nichts Ungewöhnliches.“ Vgl. ferner die Begründung zum Entwurf einen Dritten Steuerreformgesetzes, BT-Drs. 7/1470, S. 326: „Die Bundesregierung folgt damit nicht der in der Finanzwissenschaft umstrittenen Auffassung, eine mehrmalige Belastung der von juristischen Personen ausgeschütteten Gewinne sei nicht zu rechtfertigen. Sie lehnt im Gegenteil diese Ansicht ab.“ Bezeichnend sind die Ausführungen in der Begründung zum Entwurf einen Dritten Steuerreformgesetzes, BT-Drs. 7/1470, S. 326: „Im Rahmen der verfassungsmäßigen Grenzen kann die politische Entscheidung darüber, bei welcher Steuer und in welchem Umfang die Doppelbelastung juristischer Personen und ihrer Anteilseigner aufrechterhalten, gemildert oder beseitigt wird, ausschließlich von Zweckmäßigkeitser-

Auf die Dividendenbesteuerung einwirkende Grundrechte und Verfassungsprinzipien

(1) Wirtschaftliche Doppelbelastung durch ein Nebeneinander von Ertragssteuern auf den Gesellschaftsgewinn und Dividendeneinkünfte Ob die Dividendeneinkünfte des Anteilseigners der Entlastung von Ertragsteuern bedürfen, die bei der ausschüttenden Gesellschaft erhoben wurden, kann in der Tat erst sinnvoll beurteilt werden, wenn feststeht, dass eine solche Vorbelastung überhaupt besteht. Es muss mit anderen Worten zunächst geklärt werden, ob ein Nebeneinander dieser beiden Steuern überhaupt eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung hervorruft106. In diesem Zusammenhang werden sowohl tatsächliche wie normative Zweifel geäußert: (a) Eine Doppelbelastung von Gesellschaft und Anteilseignern wird zunächst insbesondere von manchen Ökonomen unter Hinweis auf die angebliche Überwälzung der Körperschaftsteuer geleugnet: Die Kapitalgesellschaft sei zwar Steuerschuldner, aber nicht Steuerträger, weil die Körperschaftsteuer und sonstige Ertragsteuern durch höhere Preise auf Konsumenten bzw. durch niedrigere Löhne auf Arbeitnehmer überwälzt würde. Tatsächlich seien die von der Gesellschaft ausgeschütteten Gewinne darum wirtschaftlich betrachtet unbelastet, weshalb die Besteuerung der Dividende beim Anteilseigner keine Doppelbelastung bedeute107. Diesem Ansatz ist darin zuzustimmen, dass die Vorbelastung der Dividende mit Körperschaftsteuer und gegebenenfalls anderen Ertragsteuern vernachlässigt werden könnte, wenn diese vollständig überwälzt würden. Denn das Leistungsfähigkeitsprinzip verlangt gerade die gleich hohe tatsächliche Belastung von Dividenden und sonstigen Einkünften, nicht hingegen eine formalrechtliche Gleichbehandlung. Gleichwohl kann die Schlussfolgerung der Überwälzungstheoretiker, es bestehe keine Doppelbelastung, im Ergebnis nicht überzeugen: Denn bisher konnte die vollständige oder überwiegende Überwälzung der Körperschaftsteuer empirisch noch nicht zuverlässig belegt werden108. Es existieren hierzu speziell im US-amerikanischen Schrifttum eine Vielzahl weit auseinandergehender Studien, die zu keiner einheitlichen Schlussfolgerung kommen109. Darüber hinaus ist festzustellen, dass

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wägungen abhängen.“ Ganz ähnlich argumentiert C. A. L. Rasenack, Körperschaftsteuer, S. 241 bis 244, der den Standpunkt des Gesetzgebers ausdrücklich billigt. Auf diese in der Literatur oft übersehene Notwendigkeit weisen zu Recht hin J. Hey in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. KSt (Stand: 09/99), Rz. 18 f.; H.-J. Pezzer, DStJG 20, S. 5 (10 f.); K. Schredelseker, FA 31 (1972/73), S. 27 (Fn. 1). M. Rose, StVj 1990, S. 1 (8); M. Kryzaniak/R. Musgrave, The shifting of the Corporation Income Tax, Baltimore, 1963 (zitiert nach K. Tipke, StRO I, S. 730). Vgl. H. Zitzelsberger, Grundlagen der Gewerbesteuer, S. 144; T. Cordón Ezquerro, Cronica Tributaria 1996, S. 11 (13) m. w. N. Vgl. dazu die Nachweise bei K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 730 f.; J. Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 242 ff.; vgl. auch H. Zimmermann, StuW 1993, S. 231 (232).

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auch andere Ertragsteuern überwälzt werden können110, ja selbst die Einkommensteuer des Arbeitnehmers in gewissem Umfang auf den Arbeitgeber – und von diesem möglicherweise wiederum auf den Konsumenten – überwälzt wird111. Wenn und solange zuverlässige empirische Daten zum jeweiligen Ausmaß der Überwälzung nicht vorliegen, muss ein Steuerbelastungsvergleich aber von der gesetzgeberisch gewollten Destinatarinzidenz ausgehen. Für die Körperschaftsteuer ist damit ebenso wie für die Einkommensteuer davon auszugehen, dass das jeweilige Steuersubjekt die Steuer tragen soll112 und in vergleichbarem Ausmaß auch trägt. Die Austeilung der Steuerlasten, insbesondere die Ausgestaltung des Körperschaftsteuersystems, wäre sonst keiner verfassungsrechtlichen Überprüfung mehr zugänglich; dies aber wäre mit dem Gerechtigkeitspostulat des Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren. (b) Eine Doppelbelastung ausgeschütteter Gewinne mit Ertragsteuern auf Ebene der Gesellschaft und beim Anteilseigner wird aber auch aus normativen Erwägungen heraus bezweifelt. Nach der Lehre vom „Unternehmen an sich“113 ist die Kapitalgesellschaft nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich von ihren Gesellschaftern verselbständigt. Zumindest die großen Publikumsgesellschaften hätten sich inzwischen weitestgehend von den Interessen ihrer Gesellschafter emanzipiert. Es könne insoweit keine Rede mehr davon sein, dass sie für natürliche Personen lediglich Instrument zur kollektiven Ertragserzielung seien. Dem typischen Aktionär einer Publikums-AG etwa komme es nicht darauf an, über die Organisationsform der juristischen Person Erträge zu erzielen, sondern er wolle primär an den Wertsteigerungen seines verbrieften Anteilsrechts partizipieren und diese ________________________

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Das Bestreben v. a. internationaler Konzerne, die Konzernsteuerquote durch optimale Gestaltung von Produktions-, Vertriebs- und Finanzierungsstrukturen möglichst niedrig zu halten, spricht eher gegen die Annahme vollständiger Überwälzbarkeit. J. E. Stiglitz und B. Schönfelder, Finanzwissenschaft, 2. Aufl., S. 436 f., kommen zu der Erkenntnis, dass auf Märkten mit Wettbewerb alle Steuern mehr oder minder überwälzt werden können, in Abhängigkeit der Elastizität von Angebot und Nachfrage. Ein Beispiel dafür bietet die Steuerfreiheit der Zuschläge für Sonntags-, Feiertagsoder Nachtarbeit nach § 3b EStG, die vom Gesetzgeber ausdrücklich auch deshalb für gerechtfertigt angesehen wird, weil sie den Mittelaufwand des Arbeitgebers verringert (vgl. die Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Steuerreformgesetzes 1990, BT-Drs. 11/2226, S. 7; siehe auch U. Stache in: Bordewin/Brandt, EStG, § 3b (Stand: 08/97), Rz. 12; H.-J. v. Beckerath in: Kirchhof/Söhn, EStG, § 3b (Stand: 04/00), Rz. A 130). Diese Argumentation trägt nur, wenn man davon ausgeht, dass die reguläre Einkommensbesteuerung unweigerlich zu einer Erhöhung der Bruttozuschläge führen, also gerade nicht – vollständig – vom Arbeitnehmer getragen würde. Vgl. auch W. Schön, RIW 2004, S. 50 (58); H. Zimmermann, StuW 1993, S. 231 (232); A. Bustos Gisbert/F. Pedraja Chaparro, HPE 1999, S. 55 (57). Begründet von F. Haussmann, Vom Aktienwesen, S. 27 ff.

Auf die Dividendenbesteuerung einwirkende Grundrechte und Verfassungsprinzipien

durch Weiterverkauf realisieren. Infolge ihrer Verselbständigung komme darum zumindest großen Gesellschaften eine eigenständige, zusätzliche Leistungsfähigkeit im Verhältnis zu ihren Gesellschaftern zu114. Die schweizerische Expertenkommission für die Motion Piller hat dazu 1955 festgestellt: „Wenn in der Steuergesetzgebung diese nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich selbständigen juristischen Personen als selbständige Steuersubjekte mit einer eigenen, vom Mitglied der Körperschaft unabhängigen steuerlichen Leistungsfähigkeit behandelt werden, so ist das nicht bloß eine unvermeidliche Notlösung, sondern eine gerechte und gebotene Ordnung, die der wirklichen wirtschaftlichen Struktur Rechnung trägt.“115 Teilweise wurde und wird hieraus noch weitergehend gefolgert, dass der Gewinn der Kapitalgesellschaft und die Dividendeneinkünfte des Anteilseigners generell nicht identisch seien116. Die Weiterleitung des Gewinns an den Anteilseigner begründe bei diesem neues Einkommen und damit eine neue Leistungsfähigkeit117. Dem ist schon entgegenzuhalten, dass die These von der wirtschaftlichen Verselbständigung der Kapitalgesellschaft bei der Vielzahl personenbezogener Gesellschaften nicht der Rechtswirklichkeit entspricht118. Doch auch die große Publikumsgesellschaft besteht nicht um ihrer selbst willen. Auch sie dient letztlich nur dem Ziel der an ihr beteiligten Individuen, mittels der Beteiligung an ihr Erträge zu erzielen119. Denn bei lebenszeitlicher Betrachtung der Gesellschaft fließen alle von ihr zunächst in ihrer Vermögenssphäre angesammelten Erträge schlussendlich und bestimmungsgemäß an natürliche Personen zurück120. Infolge der regelmäßig langen Lebensdauer großer ________________________

114 H.-J. Pezzer, DStJG 25, S. 37 (45 f.); W. R. Walz, Steuergerechtigkeit, S. 369 f.;

115

116 117 118

119 120

H. G. Ruppe, Steuerliche Doppelbelastung, S. 102 ff. m. w. N.; ähnlich J. Lang, DStJG 24, S. 49 (98 f.). Widersprüchlich H. P. Ries, Die Problematik der Doppelbelastung, der zunächst aufgrund der Verselbständigung der Publikumsgesellschaft bei dieser eine eigene, Doppelbelastungen rechtfertigende Leistungsfähigkeit annimmt (S. 44 f. u. 81), dann aber die Vermeidung dieser Doppelbelastung unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten für geboten hält (S. 86). Expertenkommission für die Motion Piller in: Eidgenössisches Finanz- und Zolldepartement (Hrsg.), Zum Problem der gleichmäßigen Besteuerung der Erwerbsunternehmungen, S. 29 (bezogen auf Publikumsaktiengesellschaften). W. Flume, StbJb 1973/74, S. 53 (67 f.); P. F. Drucker, The Concept of the Corporation, S. 31 (zitiert nach J. Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 249). So die Argumentation in der Begründung zum KStG 1920, Drs. der Deutschen Nationalversammlung, Nr. 1976, S. 14. G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 95; R. Elschen, Besteuerung von Unternehmungsgewinnen, 2. Aufl., S. 131 m. w. N.; K. K. Schwochert, GmbHR 1987, S. 311 (314). M. Jachmann, DStJG 23, S. 9 (16). Vgl. speziell zu großen Publikumsgesellschaften R. J. Vann, CDFI Volume LXXXVIIIa (2003), S. 21 (33); R. A. Musgrave/P. B. Musgrave, Public Finance, 3. ed., S. 401.

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Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts

Publikumsgesellschaften nimmt der einzelne Anteilseigner zwar die Verteilung der von ihr schon erwirtschafteten und noch zu erwartenden Erträge häufig durch die Weiterveräußerung seines Anteils wertmäßig vorweg. Auch dann hängt der Kaufpreis aber regelmäßig entscheidend davon ab, welche Vermögenszuwächse die Gesellschaft schon erzielt hat und welche sie voraussichtlich noch erzielen wird. Auch wird selbstverständlich implizit vorausgesetzt, dass diese Zuwächse früher oder später sämtlich in die unmittelbare Verfügungsmacht der Anteilsinhaber übergehen sollen. Sonst würden nicht nur keine Wertveränderungen der Beteiligung eintreten, sie hätte vielmehr überhaupt keinen Wert121. Damit kommt es aber allen Beteiligten auch bei der Publikumsgesellschaft letztlich auf die Ausschüttung der Gewinne an den individuellen Gesellschafter an; es handelt sich bei beiden um dasselbe Besteuerungssubstrat122. (2) Keine Rechtfertigung der wirtschaftlichen Doppelbelastung Die damit anzunehmende wirtschaftliche Doppelbelastung der Dividendeneinkünfte durch die Besteuerung von Gesellschaft und Anteilseigner wird teilweise als gerechtfertigt angesehen: (a) In erster Linie wird darauf hingewiesen, dass die Kapitalgesellschaft eine im Verhältnis zum Anteilseigner besondere Leistungsfähigkeit aufweise. Insbesondere ihre beschränkte Haftung, die Fungibilität ihrer Anteile, ihr dauerhafter Bestand und die damit verbundene höhere Kreditfähigkeit sowie die Möglichkeit der Kapitalanhäufung böten ihr Vorteile, welche eine zusätzliche Leistungsfähigkeit bewirken würden123. Mit dieser Argumentation wird von den Vertretern dieser Ansicht überwiegend schon die eigene, nicht nur die besondere Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft zu begründen versucht. Es kann darum an dieser Stelle im Wesentlichen auf die Einwände, die schon oben geäußert wurden, verwiesen werden: Weder können die behaupteten Vorteile verallgemeinernd festgestellt werden, noch begründen sie schon für sich genommen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit124. Insoweit sie sich aber in Gewinnen materialisieren, genügt bereits eine Einmalbelastung, um einer etwaigen höheren ________________________

121 J. Laitenberger/A. Tschöpel, Wpg 2003, S. 1357 (1367). 122 Ähnlich D. Schneider, StuW 1975, S. 97 (101 f.). 123 Vgl. z. B. die Expertenkommission für die Motion Piller in: Eidgenössisches Finanz-

und Zolldepartement (Hrsg.), Zum Problem der gleichmäßigen Besteuerung der Erwerbsunternehmungen, S. 29 und die Begründung zum Entwurf eines Körperschaftsteuergesetzes, Drs. der Deutschen Nationalversammlung, 1920, Nr. 1976, S. 15. Ähnlich argumentieren H. Weber, JZ 1980, S. 545 (549); W. Maas, Die Besteuerung der juristischen Person, S. 3 u. 52 ff. 124 Siehe die Kritik oben unter (i), namentlich K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 737. Vgl. auch M. Greif, Körperschaftsteuerreform, S. 127.

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Leistungsfähigkeit Rechnung zu tragen. Denn die Anwendung des Körperschaftsteuertarifs oder alternativ des Einkommensteuertarifs bei Ausschüttungen an natürliche Personen gewährleistet eo ipso, dass ein höherer Gewinn auch vergleichsweise höher belastet wird125. Eine Doppelbelastung ist hingegen im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung der Einkunftsarten nicht gerechtfertigt: Hohe Vermögenszuwächse bzw. Einkünfte, wie sie auch im nichtkörperschaftlichen Bereich, ja sogar bei Arbeitnehmern denkbar sind126, lassen sich immer auf irgendwelche begünstigenden Umstände zurückführen. Es ist nicht ersichtlich und wird auch nicht begründet, warum sie gerade bei ausgeschütteten Kapitalgesellschaftsgewinnen anders als bei sonstigen Einkünften eine Mehrbelastung rechtfertigen sollten. Es ist gleichheitsrechtlich nicht zu beanstanden, hohe Leistungsfähigkeit auch hoch zu belasten – indes muss dies gleichmäßig und unabhängig von den nichtmonetären Faktoren ihrer Erwirtschaftung geschehen, weil in den Vergleichsmaßstab einer leistungsfähigkeits„gerechten“ Einkommensbesteuerung nur monetäre Größen eingehen können127. (b) Speziell von K. Tipke wird auch eine äquivalenztheoretische Rechtfertigung für die Doppelbelastung bemüht: Der Staat sorge für die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen, die einen geordneten Wirtschaftsprozess erst ermöglichten. Er biete rechtlichen Schutz und stelle die notwendige Infrastruktur bereit. Hiervon profitierten insbesondere Unternehmen, und zwar auch die mit eigener Rechtspersönlichkeit versehenen Kapitalgesellschaften. Deren Besteuerung erfahre damit eine selbständige Rechtfertigung128. Zugleich folge aus dieser von den Personalsteuern abweichenden, äquivalenztheoretischen Rechtfertigung der Körperschaftsteuer als partieller Unternehmenssteuer ihre mangelnde Vergleichbarkeit mit der Einkommensteuer129. Die Zusatzbelastung von einkommensteuerbaren Dividenden mit Körperschaftsteuer sei darum hinzunehmen, weil auf anderen Erwägungen beruhend. Gleichheitsrechtlich problematisch sei lediglich, dass lediglich die Körperschaften und nicht alle Unternehmen einer Sonderbelastung unterlägen130. ________________________ 125 G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 96 m. w. N. 126 Es sei hier nur auf die Spitzengehälter angestellter Profi-Fussballer oder Top-

Manager verwiesen. 127 J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 9 Rz. 94; D. Birk/R. Wernsmann,

JZ 2001, S. 218 (221). 128 K. Tipke, StRO II, S. 1028 f. u. 1037 f. 129 K. Tipke, StRO II, S. 736, 829, 843, 849 u. 1037; vgl. auch dens. in: Tipke/Bozza,

Besteuerung von Einkommen, S. 9 (25). Zustimmend, wenngleich beschränkt auf die Gewerbesteuer B. Lieber in: Herrmann/Heuer/Raupach, Steuerreform II, § 10 AStG (Stand: 04/01), Rz. 18. 130 K. Tipke, StRO II, S. 737 f.

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Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts

Letztlich kann diese, auf den ersten Blick plausible äquivalenztheoretische Rechtfertigung für eine Doppel- und damit Mehrbelastung ausgeschütteter Gewinne nicht überzeugen. Zunächst vermag die Sonderbelastung von Körperschaften oder auch Unternehmen nicht befriedigend zu erklären, weil die staatlichen Rahmenbedingung jedem Marktteilnehmer zugute kommen131. Jeder, der Vermögenszuwächse bzw. Einkommen erwirtschaftet, genießt und nutzt zu diesem Zwecke die staatliche Rechtsordnung und mindestens mittelbar die staatliche Infrastruktur132. Quantitative Aussagen dergestalt, dass dies bei Unternehmen in höherem Maße der Fall sei als etwa bei abhängig Beschäftigten, lassen sich kaum treffen. Hinsichtlich der vom Staat zur Verfügung gestellten Rechtsordnung lässt sich das kaum vertreten, weil gerade auch Arbeitnehmer umfassend rechtlich abgesichert sind und zu ihrem Schutz sogar eine eigene Gerichtsbarkeit geschaffen worden ist. Was die Nutzung der Infrastruktur angeht, so mag diese bei der selbständigen Erwerbstätigkeit stärker beansprucht werden als bei der unselbständigen, obschon hier je nach Branche erhebliche Unterschiede bestehen. Zu einem erheblichen Teil wird diese intensivere Nutzung aber bereits durch Gebühren abgegolten133. Außerdem darf nicht übersehen werden, dass diese Infrastruktur überwiegend schon um der privaten Bedürfnisbefriedigung aller Einwohner vorgehalten werden muss134. Es ist nach alledem nicht einzusehen, warum dann gerade Unternehmensgewinne einer höheren Steuerbelastung als andere Arten von Vermögenszuwachs ausgesetzt sein sollten. Hinzu kommt des Weiteren, dass bei Bestimmung des Äquivalenzverhältnisses nicht einseitig vorgegangen werden dürfte. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Betriebe „als Garant von Produktivität und Arbeitsplätzen … in besonderer Weise gemeinwohlgebunden und gemeinwohlverpflichtet“135. Unter diesem Gesichtspunkt sah sich der Gesetzgeber zur gegenwärtigen Besserstellung von Betriebsvermögen im Erbschaftsteuerrecht verpflichtet136. Wenn aber eine Schonung des Betriebsvermögens zum Zwecke der Sicherung einer der Gesellschaft insgesamt zugute kommenden Produktivkraft des Betriebes erbschaftsteuerlich angezeigt wäre, ________________________ 131 Vgl. P. Kirchhof, StuW 2002, S. 3 (4 f.). 132 So auch H.-J. Pezzer in: Tipke/Bozza, Besteuerung von Einkommen, S. 235 (242). 133 Zu denken wäre hier etwa an die demnächst zu erwartende LKW-Maut für den

Schwerlastverkehr auf Autobahnen, an Sondernutzungsgebühren für die Sondernutzung von an sich dem Gemeingebrauch vorbehaltenen Flächen, Marktgebühren etc. 134 Die private Nutzung der Infrastruktur könnte man freilich noch als durch die Umsatzsteuer abgegolten ansehen, welche nach der Gesetzesintention nur Verbraucher, nicht aber Unternehmen zu tragen haben. 135 BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, S. 165 (175). 136 Vgl. die §§ 13a, 19a, 28 ErbStG und die Begründung zum Entwurf des Jahressteuergesetzes 1997, BT-Drs. 13/4839, S. 67 f.

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Auf die Dividendenbesteuerung einwirkende Grundrechte und Verfassungsprinzipien

so liesse sich kaum konsistent argumentieren, dass ihm im Rahmen der laufenden Besteuerung Sonderlasten auferlegt werden müssten. Es soll hier allerdings nicht verkannt werden, dass gegen den Erbschaftsteuerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts von prominenter Seite erhebliche Einwände vorgetragen worden sind137. In der Tat kann man eine steuerliche Privilegierung von Betrieben mit guten Gründen skeptisch sehen. In jedem Fall schärft die Problematik aber den Blick dafür, dass Unternehmen nicht nur vom Staat profitieren, sondern ihn auch von der Versorgung derjenigen entlasten, die ohne die Existenz unternehmerischen Engagements auf staatliche Leistungen angewiesen wären, und überdies die Basis aller Wertschöpfung schaffen, an welcher der Staat partizipieren kann138. Sieht man von einer gesonderten steuerlichen Würdigung der positiven Faktoren ab, so sollten auch vermeintliche durch Unternehmen verursachte Sonderlasten für die Bemessung ihrer Steuerlast außer Betracht bleiben. Es zeigt sich damit letztlich auch an dieser Stelle, dass zumindest Ertragsteuern insgesamt am Leistungsfähigkeitsprinzip, nicht hingegen am Äquivalenzprinzip auszurichten sind, weil die Steuer eben eine Leistung des Pflichtigen ohne näher bestimmbare Gegenleistung ist139. ________________________ 137 Vgl. K. Tipke, StRO II, 2. Aufl., S. 900 ff.; W. Schön, DStJG 22, Diskussionsbeitrag

S. 64 ff.; R. Seer, DStJG 22, S. 191 (210 f.); J. P. Meincke, DStR 1996, S. 1305 (1309). 138 K. Tipke argumentiert, nicht nur das Unternehmen, sondern auch jeder Arbeitnehmer trage zur Produktion bei, und eine Sonderentlastung sei in beiden Fällen gleichermaßen unangemessen (StRO II, 2. Aufl., S. 903). Bei dieser Sichtweise müssten aber auch die angeblichen Sonderlasten, welche Unternehmen verursachen sollen, gleichmäßig diesem und den Arbeitnehmern sowie ggf. weiteren „stakeholdern“ zugerechnet werden, so dass sich aus diesem Grund auch eine Sonderbelastung nur der Unternehmen verbietet. 139 Siehe dazu oben unter a). Gewisse Bedenken ergeben sich darum auch gegenüber dem Ansatz von K. Tipke, zwischen der Rechtfertigung der Unternehmensteuer an sich einerseits und ihrer Bemessungsgrundlage andererseits zu unterscheiden (zweifelnd auch J. Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 354). Während erstere sich nach Auffassung von K. Tipke aus dem Äquivalenzprinzip ergibt (vgl. StRO I, 2. Aufl., S. 233 f. und StRO II, S. 1028 f.), soll sich letztere am Leistungsfähigkeitsprinzip, genauer an der Unternehmensleistungsfähigkeit ausrichten (vgl. StRO II, S. 841 ff. u. 1030 ff.). Wohl ist es zutreffend, zwischen der Rechtfertigung der Steuererhebung als solcher im freiheitlich verfassten Staat auf der einen Seite und der Ausgestaltung einzelner Steuern und ihrer Bemessungsgrundlagen auf der anderen Seite zu unterscheiden (so auch K. Vogel in: GS Martens, S. 265 (273 f.)). Ist jedoch eine Einzelsteuer – ausnahmsweise – unter Äquivalenzgesichtspunkten gerechtfertigt, so wird sich auch ihre Bemessungsgrundlage daran zu orientieren haben, wie das auch bei den unzweifelhaft am Äquivalenzprinzip ausgerichteten Gebühren und Beiträgen der Fall ist (vgl. z. B. § 6 III und § 8 VI KAG NW). Für die Mineralölsteuer etwa wird dies auch von K. Tipke selbst angenommen (StRO II, S. 1002 f.,

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Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts

Damit ist aber von einer Vergleichbarkeit der Steuern auf den Unternehmensertrag, speziell der Körperschaftsteuer, und der Steuern auf das Einkommen natürlicher Personen auszugehen. Denn beide Steuern knüpfen an den Vermögenszuwachs an und richten ihre Bemessungsgrundlage daran aus. Es spielt dabei keine Rolle, dass die Körperschaftsteuer nur die objektive Leistungsfähigkeit und die Einkommensteuer weitergehend auch die subjektive Leistungsfähigkeit des jeweiligen Steuersubjekts erfasst140. Denn die objektive Leistungsfähigkeit, die sich in den Unternehmensgewinnen verkörpert, ist Teilelement auch der von der Einkommensteuer erfassten Leistungsfähigkeit, so dass sie vollumfänglich in dieser mit aufgeht. (c) Zugunsten einer Doppelbelastung werden schließlich auch schlicht die Ergiebigkeit und vermeintliche Unmerklichkeit einer eigenständigen Körperschaftsteuer auf den Gewinn der Kapitalgesellschaft angeführt141. Jedoch verlangt der Gleichheitssatz die gleichmäßige Verteilung der Ertragsteuerlasten nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip, er erlaubt kein Fiskalrittertum, das sich allein am Steuerwiderstand und an der Aufkommenswirkung orientiert. Um es mit den Worten K. Tipkes zu formulieren: „Um rationale Rechtfertigungsgründe handelt es sich … nicht.“ (d) Es findet sich nach alledem keine Rechtfertigung für eine Doppelbelastung ausgeschütteter Gewinne mit Ertragsteuern der ausschüttenden Gesellschaft und des Anteilseigners142. Die Kapitalgesellschaft ist zwar selbst leistungsfähig. Ihre Leistungsfähigkeit kann aber nicht unabhängig von der ihrer Anteilseigner gesehen werden, oder genauer: Deren Leistungsfähigkeit ist nur ein Widerhall der Leistungsfähigkeit der Gesellschaft, vermittels derer die Dividenden erwirtschaftet werden. Diese Betrachtungsweise rechtfertigt sich auch aus der Überlegung, dass es sich bei der Frage nach einer gerechten Besteuerung letztlich nur um die Frage der Verteilung der Steuerlast auf die mit dem Staat rechtlich oder wirtschaftlich verbundenen Individuen handeln kann143. Unter Gerechtigkeitsaspekten muss also die maßgebliche ________________________

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128

und StRO III, S. 1070). Bemisst sich eine Steuer hingegen nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, so kann sie umgekehrt auch nur als Leistungsfähigkeitssteuer gerechtfertigt werden. Etwas anderes könnte man nur annehmen, wenn man die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen ausnahmsweise als hinreichend genauen Indikator auch für die von ihm verursachten Kosten bzw. für die von ihm empfangenen Nutzen erachtet, welche durch die Steuer abgegolten werden sollen (sehr skeptisch insoweit L. G. M. Stevens, ec tax review 2002, S. 104.). Anders K. Tipke, StRO II, S. 829 u. 849. Nachweise bei K. Tipke, StRO II, S. 728; vgl. auch C. B. Blankart, Öffentliche Finanzen, S. 231. Gl. A. aus Sicht der spanischen Verfassungsrechtsordnung E. Sanz Gadea, Impuestos 2001, S. 161 (169). Vgl. K. H. Ossenbühl, Die gerechte Steuerlast, S. 7 ff.

Auf die Dividendenbesteuerung einwirkende Grundrechte und Verfassungsprinzipien

Sichtweise für steuerliche Belastungswirkungen letztlich die der natürlichen Personen sein144. Aus der Sicht der natürlichen Person als Gesellschafterin aber handelt es sich bei ihrer Gesellschaft stets nur um eine besonders organisierte Form der – typischerweise kollektiven – Erzielung von Erträgen145. Alle von einer juristischen Person zunächst in deren Vermögenssphäre angesammelten Erträge werden denn auch früher oder später – spätestens bei der Liquidation der Gesellschaft – an ihre Gesellschafter ausgekehrt, und gelangen damit letztlich – ggf. über mehrere Ebenen – stets in die Verfügungsmacht natürlicher Personen146. Es handelt sich dabei nicht um einen nunmehr vom Anteilseigner originär erwirtschafteten Vermögenszuwachs, der bei ihm erneut objektive Leistungsfähigkeit begründen würde147. Vielmehr liegt darin – jedenfalls aus dessen maßgeblicher Sicht – die bestimmungsgemäße und von vornherein geplante Überführung eines schon mittels der juristischen Person realisierten Vermögenszuwachses aus deren Vermögenssphäre in die Vermögenssphäre des Gesellschafters. J. Hey spricht davon, dass sich bei der Gewinnausschüttung lediglich der „personale Anknüpfungspunkt“ der im Unternehmensgewinn ausgedrückten Leistungsfähigkeit ändere148. Die Weiterleitung des von der juristischen Person erzielten Ertrags an ihre Gesellschafter, insbesondere in Form offener Gewinnausschüttungen, stellt darum nicht lediglich eine steuerlich irrelevante Einkommensverwendung ________________________ 144 F. Kirchhof, StuW 2002, S. 185 (188); A. Bustos Gisbert/F. Pedraja Chaparro, HPE

1999, S. 55 (69 f.); ähnlich J. Lang in: FS Schneider, S. 401 (416). 145 Diese Sichtweise hat sich auch das BVerfG in der jüngeren sog. „Schwarzwald-

klinik-Entscheidung“ zu eigen gemacht (v. 10.11.1999 – 2 BvR 2861/93, BVerfGE 101, S. 151 (156 f.)). Danach ist die Rechtsform, in der eine Leistung von einem Unternehmer erbracht wird, kein maßgeblicher Differenzierungsgrund für eine Umsatzsteuerbefreiung. Der umsatzsteuerliche Belastungsgrund ziele vielmehr auf die Erfassung jeden Unternehmers unabhängig davon, ob dieser in der Rechtsform einer juristischen Person, einer Personengesellschaft oder als freiberuflich Tätiger Umsätze erbringe. Die hierin zum Ausdruck kommende Wertung, wonach die Unternehmensbesteuerung in ihren Belastungswirkungen letztlich aus der Sicht der hinter der Rechtsform stehenden natürlichen Person zu beurteilen ist, kann auf das Ertragsteuerrecht übertragen werden. Differenzierungen sind damit nur gestattet, sofern sie auf Unterschieden in der Art und Weise gründen, in der die Rechtsform der natürlichen Person Leistungsfähigkeit vermittelt. Vgl. dazu auch H.-J. Pezzer, DStJG 25, S. 37 (48 f.); P. Bareis, BB 2003, S. 2315. 146 So auch F. Neumark, Steuerpolitik, S. 131 ff.; M. Reich, Die wirtschaftliche Doppelbelastung, S. 32; R. A. Musgrave/P. B. Musgrave, Public Finance, 3. ed., S. 401; ähnlich R. Borkowsky, ASA 49, S. 635. 147 So auch P. Kirchhof, DStR, Beihefter 5 zu Heft 37/2003, S. 10; ders., Einkommensteuergesetzbuch, S. 207. 148 J. Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 256.

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Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts

der Gesellschaft dar149. Es handelt sich vielmehr um einen steuerlich beachtlichen Transfer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit150. Dieser Transfer führt zu einer Verminderung der Leistungsfähigkeit der Gesellschaft und zu einer damit korrespondierenden Erhöhung der objektiven Leistungsfähigkeit ihrer Gesellschafter151. Der juristischen Person kommt mit anderen Worten keine eigenständige Leistungsfähigkeit dergestalt zu, dass die Vorbelastung der von ihr erwirtschafteten Erträge bei ihren Gesellschaftern ignoriert werden bzw. in ihren Belastungswirkungen auch nach einer Ausschüttung bestehen bleiben könnte. In diesem Sinne ist die Leistungsfähigkeit der juristischen Person nur temporärer Natur, nämlich zeitlich begrenzt bis zur Durchreichung des von ihr erzielten Ertrags an die Gesellschafter152. Bisher wurde freilich nur festgestellt, dass die Gewinnausschüttung von einer juristische Person an eine natürliche Person als Anteilseignerin einen steuerlich beachtlichen Vermögenstransfer bedeutet. Gleiches muss aber auch im Hinblick auf die Ausschüttung von Gewinnen an eine beteiligte juristische Person im Konzern gelten. Der Vermögenszuwachs wird insoweit aus der entscheidenden Sicht der hinter dem Konzern stehenden Individuen nur bestimmungsgemäß durchgereicht, um letztlich an sie verteilt zu werden. Es wird insoweit auf den verschiedenen Beteiligungsebenen nicht jedes Mal erneut objektive Leistungsfähigkeit generiert, sondern die zunächst originär erwirtschaftete objektive Leistungsfähigkeit wird nur weitertransferiert153. (3) Gebot der Einmalbelastung Aus den vorstehenden Ausführungen lässt sich das sogenannte Gebot der steuerlichen Einmalbelastung ausgeschütteter Dividenden folgern154. Danach darf der transferierte Vermögenszuwachs im Ergebnis nur einmal, und zwar nach Maßgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Anteilseigners, ________________________ 149 Zur dieser Konsequenz der sog. klassischen Betrachtungsweise vgl. H.-J. Pezzer,

DStJG 20, S. 5 (10 f.); ders. in: FS K. Tipke, S. 419 (426). 150 G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 99. 151 G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 98 f., weist richtig darauf hin, dass

ein solcher Transfer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit auch ansonsten dem Einkommensteuerrecht nicht fremd ist. Als Beispiel hierfür lässt sich insbesondere das Realsplitting bei Geschiedenen nach den §§ 10 I Nr. 1, 22 Nr. 1a EStG anführen. 152 So ausdrücklich A. Uelner, DStJG 20, Diskussionsbeitrag S. 72. T. Siegel, DStJG 25, Diskussionsbeitrag S. 191, und J. Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 254 ff. sprechen von „vorläufiger“ Leistungsfähigkeit (ebenso in: DStJG Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 88); zustimmend J. Hennrichs, StuW 2002, S. 201 (205); sinngemäß auch E. Schipporeit, StuW 1980, S. 190 (196). 153 So auch deutlich G. Frotscher in: Frotscher/Maas, KStG, § 8b (Stand: 02/03), Rz. 3. 154 Siehe dazu auch G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 129 f.; R. Maiterth/ H. Müller, BB 1999, S. 2639 (2642 ff.); dies., BB 2002, S. 598 (599).

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Auf die Dividendenbesteuerung einwirkende Grundrechte und Verfassungsprinzipien

besteuert werden155. Wächst die Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft den Anteilseignern mit und im Umfang der Ausschüttung zu, so kann es für die leistungsfähigkeitsgerechte Steuerbelastung nämlich nur noch auf deren individuelle Verhältnisse ankommen156. Da alle Arten von Vermögenszuwächsen für eine am Ertrag bzw. Einkommen orientierten Steuer prinzipiell gleichermaßen leistungsfähigkeitsbegründend sind157, darf die Dividende in der Gesamtbetrachtung von Gesellschafts- und Gesellschafterbesteuerung nicht höher, aber auch nicht geringer belastet werden als andere Arten von Einkünften. Im Verhältnis von Gesellschaft und Gesellschafter bedeutet dies eine Einmalbelastung; präziser aber wäre von der Gleichbelastung im Verhältnis zu anderen Einkünften und Einkünftebeziehern zu sprechen. Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist ein materielles, kein formal-technisches Prinzip; ihm kommt es auf die Herstellung von Belastungsgleichheit, nicht von Tatbestandsgleichheit an. Aus ihm lassen sich darum nicht ohne weiteres konkrete Vorgaben dazu ableiten, auf welche Weise die Einmal- bzw. Gleichbelastung sicherzustellen ist. Insbesondere kann nicht a priori angenommen werden, dass anlässlich der Ausschüttung die vorausgegangene Besteuerung auf Ebene der Körperschaft „neutralisiert“ und der Anteilseigner erneut besteuert werden müsste158. Wie im ersten Kapitel der Arbeit gezeigt wurde, werden tatsächlich unterschiedliche Methoden zur Vermeidung der Doppelbelastung erörtert und auch praktiziert159. Inwieweit sie ihr Ziel erreichen, muss jeweils gesondert geprüft werden. dd) Leistungsfähigkeit von Steuerausländern Von inlandsansässigen Gesellschaften ausgeschüttete Dividenden werden zu einem nicht unerheblichen Teil von nicht in Deutschland ansässigen Anteilseignern bezogen, die zumeist nicht die deutsche Staatsangehörigkeit haben. Damit stellt sich die Frage, ob auch für sie das Leistungsfähigkeitsprinzip gilt. Dies ist von Bedeutung im Hinblick auf das Gebot steuerlicher Gleichbehandlung zum einen im Verhältnis zu inlandsansässigen Dividendenempfängern, zum anderen im Hinblick auf die auslandsansässigen Bezieher sonstiger Einkünfte160. Das Leistungsfähigkeitsprinzip konkretisiert das Gebot der Steuergerechtigkeit, es ist Vergleichsmaßstab für die gleichmäßige Austeilung der Steuerlasten. Sein Geltungsanspruch ist verfassungsrechtlich auf das Grundrecht ________________________ 155 156 157 158 159 160

Im Ergebnis ebenso J. Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 249 Fn 45. Hierauf wird an späterer Stelle noch näher einzugehen sein, siehe unten II.2. Siehe dazu oben unter bb). So aber G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 98. Siehe 1. Kap., F. Deutlich J. Hey, IWB Fach 3, Gruppe 2, S. 2003 (2007).

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Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts

des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführen, der „allen Menschen“ die Gleichbehandlung vor dem Gesetz garantiert. Es handelt sich um ein Menschenrecht, das anders als die sogenannten „Deutschenrechte“ keine Beschränkung des Anwendungsbereiches auf Personen deutscher Staatsangehörigkeit oder gar Ansässigkeit vorsieht. Es können sich darum auch ausländische natürliche Personen auf dieses Grundrecht berufen und eine steuerliche Gleichbehandlung am Maßstab des Leistungsfähigkeitsprinzips verlangen161. Das bedeutet zwar nicht, dass beschränkt steuerpflichtige natürliche Personen steuerlich in jeder Hinsicht ebenso behandelt werden müssten, wie unbeschränkt steuerpflichtige162. Die ausländische Staatsangehörigkeit oder Ansässigkeit darf bei der Anwendung des Leistungsfähigkeitsprinzips aber nur insoweit berücksichtigt werden, als es um sachliche, auf der geregelten Materie beruhende Rechtfertigungsgründe für eine Differenzierung geht163. Anders stellt sich die Lage bei den ausländischen juristischen Personen, namentlich bei auslandsansässigen Kapitalgesellschaften dar. Juristischen Personen ist die Berufung auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nur über Art. 19 Abs. 3 GG eröffnet. Dieser beschränkt die Erweiterung der Schutzwirkung der Grundrechte jedoch auf inländische juristischen Personen164. Ausländische juristische Personen hingegen haben keinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gleichbehandlung165. Insbesondere genießen ________________________ 161 BVerfG v. 12.10.1976 – 1 BvR 2328/73, BVerfGE 43, S. 1 (6); BFH v. 20.4.1988 –

162 163 164

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I R 219/82, BStBl. II 1990, S. 701 (704); v. 10.10.1973 – I R 162/71, BStBl. II 1974, S. 30 (31); v. 16.8.1963 – VI 96/62 U, BStBl. III 1963, S. 486 (487); J. Hey in: Gassner, Die beschränkte Steuerpflicht, S. 15 (31); H.-W. Arndt, StuW 1990, S. 364 (365 f.); F. Wassermeyer, DStJG 8, S. 49 (55); K. Vogel in: FS Klein, S. 361 (370); E. Wied in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 50 EStG (Stand: 08/01), Rz. 14. BFH v. 10.10.1973 – I R 162/71 –, BStBl. II 1974, S. 30 (31); v. 16.8.1963 – VI 96/62 U –, BStBl. III 1963, S. 486 (487). H. v. Mettenheim, RIW/AWD 1978, S. 511 (514 f.); vgl. auch W. Schön, IStR 1995, S. 119 (123). Näher dazu J. Hey in: Gassner, Die beschränkte Steuerpflicht, S. 15 (32). So die ständige Rechtsprechung des BVerfG und die ganz h. Lit., vgl. BVerfG v. 1.3.1967 – 1 BvR 46/66, BVerfGE 21, S. 207 (208 f.); v. 19.3.1968 – 1 BvR 554/65, BVerfGE 23, S. 229 (236); v. 14.11.1985 – 1 BvR 585/85, Inf 1986, S. 312; G. Dürig in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 3 Rz. 30; A. v. Mutius in: Bonner Kommentar, GG, Art. 19 Abs. 3 (Stand: 04/75), Rz. 50. Die früher vereinzelt geäußerten Gegenauffassungen sind damit als überholt anzusehen; sie widersprechen auch der Entstehungsgeschichte und dem Sinn und Zweck des Art. 19 Abs. 3 GG (näher und mit weiteren Nachweisen A. v. Mutius a. a. O.). H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 4.12. Die von K. Vogel, DStJG 12, S. 123 (140 f.) vertretene Gegenauffassung, ein Anspruch auf Gleichbehandlung sei aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip abzuleiten, hat sich zu Recht nicht durchgesetzt. Ein Gleichbehandlungsanspruch auch der ausländischen juristischen Person darf nicht entgegen der konkret entgegenstehenden Grundgesetzbestimmung aus allgemeinen staatstragenden Prinzipien abgeleitet werden, zumal für

Auf die Dividendenbesteuerung einwirkende Grundrechte und Verfassungsprinzipien

sie keinen Schutz vor gleichheitswidriger, nicht leistungsfähigkeitsgerechter Auferlegung von Steuerlasten166. Dabei kann für die Zwecke dieser Arbeit dahingestellt bleiben, ob Art. 19 Abs. 3 GG für die Ausländereigenschaft auf das formale Kriterium des registermäßigen Sitzes oder aber auf den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung abstellt167. Denn die deutsche Körperschaftsteuerpflicht ist nach § 2 Nr. 1 KStG nur beschränkt, wenn die Kapitalgesellschaft weder Sitz noch Geschäftsleitung im Inland hat. Darum sind beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften in jedem Fall dem Anwendungsbereich des Leistungsfähigkeitsprinzips entzogen. Eine Ausnahme ist allerdings im Hinblick auf in Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft ansässige juristische Personen zu machen. Denn diese können sich auf das allgemeine Diskriminierungsverbot nach Art. 12 EGV berufen168, wonach im Anwendungsbereich des EGV jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten ist. In den Anwendungsbereich des EGV fallen nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH dabei auch nationale Vorschriften, welche die Klagemöglichkeiten EG-ansässiger juristischer Personen beschränken, sofern die zugrundeliegende Klage im Zusammenhang mit der Ausübung von gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten steht169. Art. 19 Abs. 3 beschränkt den Zugang zur Verfassungsbeschwerde auf inländische juristische Personen, indem es nur diese für prinzipiell grundrechtsfähig erklärt. Darin liegt eine verbotene Diskriminierung, soweit sich der sachliche Anwendungsbereich der Grundrechte mit ________________________

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die Beschränkung bei der Beratung der Verfassung eine Reihe plausibler Gründe vorgetragen wurden (eingehend dazu A. v. Mutius in: Bonner Kommentar, GG, Art. 19 Abs. 3 (Stand: 04/75), Rz. 50; ablehnend auch Gosch, Anm. zu BFH v. 24.1.2001, DStR 2001, S. 617). Diskutabel erscheint es allenfalls, diesen Bestimmungen ein Willkürverbot als äußerste Schranke der Ausübung von Staatsgewalt auch im Verhältnis zu ausländischen juristischen Personen zu entnehmen; dies ist aber weit entfernt vom Gebot der folgerichtigen Entfaltung des Leistungsfähigkeitsprinzips, wie es in dieser Arbeit entwickelt wird. Sehr deutlich BFH v. 24.1.2001 – I R 81/99 –, BStBl. II 2001, S. 290 m. w. N. Letzteres ist inzwischen ganz h. M. im staatsrechtlichen Schrifttum, vgl. z. B. G. Dürig in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 3 Rz. 31; A. v. Mutius in: Bonner Kommentar, GG, Art. 19 Abs. 3 (Stand: 04/75), Rz. 54. Vgl. hierzu EuGH v. 26.9.1996, Rs C-43/95 (Data Delecta), Slg. 1996, I-4661, Rz. 10 ff.; A. v.Bogdandy in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 6 (Stand: 1994), Rz. 32; M. Zuleeg in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Art. 6 Rz. 15; M. Holoubek in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 12 Rz. 17; H. Dreier in: Dreier, GG, Art. 19 III Rz. 14. EuGH v. 2.10.1997, Rs C-122/96 (Saldanha), Slg. 1997, I-5325, Rz. 16 f.; EuGH v. 20.3.1997, Rs. C-323/95 (Hayes), Slg. 1997, I-1711, Rz. 17; EuGH v. 26.9.1996, Rs C-43/95 (Data Delecta), Slg. 1996, I-4661, Rz. 15; zustimmend M. Holoubek in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 12 Rz. 29.

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Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts

den Grundfreiheiten des EGV überschneidet170. Dies ist im Hinblick auf die Besteuerung bzgl. des Art. 3 Abs. 1 GG anzunehmen, weil eine gleichheitssatzwidrige Besteuerung regelmäßig die Ausübung der speziellen Grundfreiheiten der Art. 43 (Niederlassungsfreiheit) und 49 EGV (Dienstleistungsfreiheit) i. V. m. Art. 48 und 55 EGV durch die juristische Person berührt. Darum muss jedenfalls insoweit der im EG-Ausland ansässigen juristischen Person die Berufung auf Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG ermöglicht werden, was die Anwendung des Leistungsfähigkeitsprinzips auch bei ihr zur Folge hat. Bewerkstelligen lässt sich dies durch eine europarechtskonforme Auslegung des Art. 19 Abs. 3 GG171 dahingehend, dass der Begriff „inländisch“ eine teleologische Reduktion auf „nicht EG-ansässig“ erfährt. Eine teleologische Reduktion ist möglich, wenn eine nach ihrem insoweit eindeutigen Wortsinn zu weit gefasste Regel auf den ihr nach dem Regelungszweck oder dem Sinnzusammenhang zukommenden Anwendungsbereich zurückgeführt wird. Die Einschränkung kann insbesondere im Hinblick auf den insoweit vorrangigen Zweck einer anderen Norm, der anderenfalls nicht erreicht würde, geboten sein172. Allerdings wird man in diesem Fall zusätzlich verlangen müssen, dass der inhaltlich vorrangigen Bestimmung normenhierarchisch auch ein gleicher oder übergeordneter Rang im Verhältnis zur einschränkend ausgelegten Norm zukommt. Durch die Zustimmungsgesetze zum EGV und zu dem diesen modifizierenden EUV hat der deutsche Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass dem Grundsatz der Gleichbehandlung EG-ansässiger Gesellschaften Vorrang vor der Beschränkung des Art. 19 Abs. 3 GG zukommen soll. Er handelte dabei materiell als verfassungsändernder Gesetzgeber, ohne dass er dabei an die Formvorschriften des Art. 79 I 1 GG gebunden war173. Dies gilt jedenfalls seit der Einfügung des Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG. Sein in den Zustimmungsgesetzen zum Ausdruck gekommener Wille muss darum bei der Interpretation des Art. 19 Abs. 3 GG Berücksichtigung finden. b) Durchbrechungen des Leistungsfähigkeitsprinzips Das Leistungsfähigkeitsprinzip gibt als fundamentaler, sachangemessener Gerechtigkeitsmaßstab das tertium comparationis für die Operationalisierung des Gleichheitsgrundsatzes im Steuerrecht vor. Etwaige Ungleichheiten in der Belastungswirkung sind darum primär daran zu messen, ob sie die ________________________ 170 Ähnlich H. Dreier in: Dreier, GG, Art. 19 III Rz. 14. 171 M. Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 21; P. M. Huber in: v. Mangoldt/Klein/Starck,

Bonner Grundgesetz, Art. 19 Abs. 3 Rz. 324; H. Dreier in: Dreier, GG, Art. 19 III Rz. 14; allgemein M. Zuleeg, DÖV 1973, S. 361 (364 f.). 172 Vgl. K. Larenz, Methodenlehre, 6. Aufl., S. 391 f. 173 So auch H. Dreier in: Dreier, GG, Art. 19 III Rz. 14.

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Folge unterschiedlicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit der Betroffenen sind. Ist dies nicht der Fall, so liegt eine rechtfertigungsbedürftige Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips vor. Gleiches gilt, wenn trotz unterschiedlicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit identische Belastungswirkungen eintreten. Durchbrechungen des Leistungsfähigkeitsprinzips sind nicht per se unzulässig174. Sie bedürfen jedoch eines rechtfertigenden Grundes in Gestalt schutzwürdiger anderer Zwecke; diese müssen selbst auf einem sachgerechten Prinzip basieren175. Die rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung bzw. Gleichbehandlung muss ferner den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbotes genügen, und das heißt: durch den Normzweck aufgewogen werden und ein geeignetes und erforderliches Mittel sein, um diesen zu erreichen176. Wenngleich eine Vielzahl möglicher Rechtfertigungsgründe denkbar ist, soll hier nur auf diejenigen näher eingegangen werden, die im Rahmen dieser Arbeit von Bedeutung sind: aa) Fiskalische Ergiebigkeit Die fiskalische Vorteilhaftigkeit einer bestimmten Regelung ist nicht geeignet, eine Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips zu rechtfertigen. Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist gerade darauf angelegt, die mit dem staatlichen Finanzbedarf einhergehenden Lasten gleichmäßig nach der jeweiligen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auf die der Hoheitsgewalt des Staates unterworfenen Rechtssubjekte aufzuteilen. Auch ein eventueller Mehrbedarf muss nach diesen Grundsätzen gedeckt, darf nicht durch punktuelle Überbelastungen Einzelner befriedigt werden177. Der Fiskalbedarf und die damit einhergehende Notwendigkeit steuerlicher Belastung sind spiritus rector des Gerechtigkeitsmaßstabes der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und können darum nicht von außen als Rechtfertigungsgrund zu dessen Durchbrechung herangetragen werden. bb) Vereinfachungszwecke Das Steuerrecht ist Massenfallrecht. Sein Vollzug ist gekennzeichnet durch die Notwendigkeit, Millionen von Steuerfälle mit begrenzten personellen Ressourcen auf Seiten der Finanzbehörden bewältigen zu müssen. Es ist darum im Grundsatz unbestritten, dass Vereinfachungszwecke eine Einschränkung des Leistungsfähigkeitsprinzips erlauben178.

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So auch K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 329. K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 329. Siehe dazu oben unter I.; vgl. ferner R. Zippelius, Recht und Gerechtigkeit, S. 320. Ganz ähnlich auch K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 329. J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 4 Rz. 130; M. Jachmann in: FS Offerhaus, S. 1071 (1084); jeweils m. w. N.

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Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts

Näherer Betrachtung bedarf dies freilich nur dann, wenn in der Vereinfachung überhaupt eine Abweichung von der leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung liegt. Gleichheitssatz und Vereinfachungszwecke müssen sich ausgehend von der existierenden Besteuerungswirklichkeit nicht zwingend konträr, sie können sich vielmehr auch komplementär zueinander verhalten. Eine konsequente Umsetzung der die Steuerrechtsordnung tragenden Prinzipien, und zwar insbesondere des Leistungsfähigkeitsprinzips, wirkt vereinfachend179. Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit kann es nur innerhalb eines in seiner strukturellen Einfachheit durchschaubaren Steuersystems geben180. Allerdings wird auch systematisches Recht kompliziert, wenn das System bis in die letzten Verästelungen entfaltet und der normativen Einzelfallgerechtigkeit ein absoluter Stellenwert eingeräumt würde. Dem entgegenwirkende Vereinfachungszwecknormen können die Vermeidung von Vollzugsdefiziten in der Besteuerungswirklichkeit gewährleisten. Denn der Gleichheitssatz verlangt in seiner steuerspezifischen Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips nicht nur und auch nicht primär Gleichheit im Belastungsgrund, sondern vor allem auch eine Gleichheit im Belastungserfolg. Die steuerliche Lastengleichheit fordert mithin, dass das materielle Steuergesetz die Gewähr seiner regelmäßigen Durchsetzbarkeit so weit wie möglich in sich selbst trägt181. Dennoch bedeuten entsprechende Typisierungen prinzipientheoretisch eine Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips182. Denn die begrenzten Verwaltungs- bzw. Vollzugskapazitäten, denen sie Rechnung tragen sollen, sind keine absoluten, unveränderlichen Größen, die dem Gedanken der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit quasi immanent wären. Vielmehr bedarf es des verhältnismäßigen Ausgleichs zwischen der nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip an sich gebotenen Einzelfallgerechtigkeit im Belastungserfolg einerseits und der Praktikabilität und ressourcenschonenden Handhabbarkeit der gesetzlichen Regelung andererseits183. ________________________ 179 K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 348; J. Lang in: FS Meyding, S. 33 (36 ff.). 180 J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 4 Rz. 131; K. H. Friauf, DStJG 21,

S. 85 (86). 181 BVerfG v. 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89 – BVerfGE 84, 239 (271). Ebenso M. Jach-

mann, StuW 1998, S. 193 (203); Einzelvortrag P. Kirchhof nach R. Seer, Symposion der DStJG, StuW 1995, S. 184 (188). 182 So auch deutlich M. Jachmann, StuW 1998, S. 193 (205); dies. in: FS Offerhaus, S. 1071 (1085); dies., Wider das Steuerchaos, S. 35; K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 354; J. Isensee, StuW 1994, S. 3 (10). Grundsätzlich gl. A. D. Birk in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO (Stand: 11/97), Rz. 492. 183 Vgl. auch P. Locher in: FS Höhn, S. 189 (196 f.). Abzulehnen ist darum die von P. Kirchhof gelegentlich geäußerte Auffassung, Generalisierungen und Typisierun-

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Die Erforderlichkeit einer solchen Gewichtung und Abwägung erkennt auch das Bundesverfassungsgericht an, wenngleich es den entscheidenden Ausgangspunkt einer Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips regelmäßig nicht hinreichend deutlich herausstellt184. So muss nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung für die Vereinfachung ein erkennbares Bedürfnis bestehen185. Ferner müssen die steuerlichen Vorteile einer Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit ihr notwendig verbundenen Ungleichheit in der steuerlichen Belastung stehen186. Im Rahmen dieser Abwägung sei zum einen das Ausmaß der Beeinträchtigung der nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip gebotenen Einzelfallgerechtigkeit von Bedeutung: Die nicht leistungsfähigkeits„gerechten“ unterschiedlichen Belastungswirkungen dürfen nur geringfügig sein oder lediglich in atypischen Fällen auftreten187. Im übrigen dürfe selbst von nicht besonders intensiven Abweichungen vom sachbereichsspezifischen Gerechtigkeitsmaßstab nur

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gen würden keine Abweichungen vom Gleichheitssatz bedingen, weil sich der Gesetzgeber von vornherein nicht am Einzelfall orientieren müsse, sondern das vergröberte Allgemeinbild zum Ausgangspunkt leistungsfähigkeitsgerechter Besteuerung machen dürfe (besonders deutlich in FS Meyding, S. 3 (9 f.) sowie in: Isensee/ Kirchhof, HdBStR V, § 124 Rz. 295). Indem Kirchhof derart das Spannungsverhältnis zwischen Einzelfallgerechtigkeit und Verallgemeinerung leugnet, vermag er nicht mehr überzeugend zu erklären, woraus sich die auch von ihm befürworteten Grenzen der Generalisierung abzuleiten hätten, die sich ja doch nur aus einer Abwägung mit anderen Prinzipien ergeben können. Im Übrigen hat der Gesetzgeber zwar bei der Wahl des Leistungsfähigkeitsindikators – nicht mehr unbedingt bei der Wahl des Steuergutes – einen relativ weiten Ermessensspielraum. Dann aber muss er die einmal getroffene Belastungsentscheidung konsequent umsetzen und hat sich dabei prinzipiell an dem Gerechtigkeitsmaßstab der Verteilung nach der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit festhalten zu lassen. Abweichungen davon durch Verallgemeinerungen werden regelmäßig notwendig sein, bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung und Abwägung. Vgl. z. B. BVerfG v. 10.4.1997 – 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, S. 1 (6 ff.). Eindeutig demgegenüber BVerfG v. 20.12.1966 – 1 BvR 320/57 u. a., BVerfGE 21, S. 12 (27). Vgl. BVerfG v. 28.1.1970 – 1 BvL 4/67, BVerfGE 27, S. 375 (387 f.); BVerfG v. 11.5.1988 – 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, S. 214 (227); generell für typisierende Regelungen zur Ordnung von Massenerscheinungen BVerfG v. 6.11.1985 – 1 BvL 47/83, BVerfGE 71, S. 146 (157). BVerfG v. 20.12.1966 – 1 BvR 320/57 u. a., BVerfGE 21, S. 12 (27); BVerfG v. 6.12.1983 – 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, S. 325 (354 f.). BVerfG v. 24.1.1962 – 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, S. 331 (341); BVerfG v. 20.12.1966 – 1 BvR 320/57 u. a. –, BVerfGE 21, S. 12 (27); generell für typisierende Regelungen zur Ordnung von Massenerscheinungen BVerfG v. 31.5.1990 – 2 BvL 12/88 u. a., BVerGE 82, S. 159 (186).

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ein relativ kleiner Personenkreis betroffen sein188. Auf der anderen Seite sei für die Gewichtung der Typisierungsvorteile vor allem von Bedeutung, wie sich der personelle und finanzielle Aufwand der Steuererhebung zur Höhe der Steuereinnahmen verhalte189. Aber auch der mit der Vereinfachung eventuell verbundene Gewinn an Rechtsklarheit sei in die Abwägung einzustellen190. Das spanische Verfassungsgericht zeigt sich bei Typisierungen zur Gewährleistungen eines einfachen Gesetzesvollzugs deutlich großzügiger. Ausgehend davon, dass es sich beim Steuerrecht um Massenfallrecht handele, erkennt es ein Bedürfnis an, dieses Rechtsgebiet überschaubar und frei von übermäßiger Komplexität zu halten. Auch die Notwendigkeit eines effizienten, personal- und kostengünstigen Gesetzesvollzugs spielt insoweit eine Rolle. Das Ausmäß und die Qualität möglicher Typisierung bleiben jedoch vage; eine klare Grenzlinie hat das spanische Verfassungsgericht nur da gezogen, wo die Typisierung nicht nur im Einzelfall zur Besteuerung ohne jeglichen Bezug zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit führen könnte191. Ausgehend von dem bisher entwickelten Konzept von Steuergerechtigkeit verdienen die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts hier weitaus eher Zustimmung, die sie im deutschen Schrifttum nahezu durchweg auch erhalten192. Sie erlauben Vereinfachungen vor allem dort, wo einem unwesentlichen Gewinn an Einzelfallgerechtigkeit ein erhebliches Maß an personeller und finanzieller Mehrbelastung der Finanzbehörden gegenüber stünde. Damit eröffnet sich dem Gesetzgeber einerseits immer noch ein weites An________________________ 188 Diese generell für die Massenverwaltung getroffenen Aussagen des BVerfG v.

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8.2.1983 – 1 BvL 28/79, BVerfGE 63, S. 119 (128); BVerfG v. 8.10.1991 – 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, S. 348 (360); BVerfG v. 17.11.1992 – 1 BvL 8/87, BVerfGE 87, S. 234 (255) lassen sich auf die Steuererhebung übertragen, vgl. dazu auch K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 351. BVerfG v. 28.1.1970 – 1 BvL 4/67, BVerfGE 27, S. 375 (388); BVerfG v. 10.4.1997 – 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, S. 1 (7). BVerfG v. 10.4.1997 – 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, S. 1 (7). TC v. 14.7.1994, 214/1994: „En particular, para evitar la complejidad del procedimiento tributario … así como … excesivos costes de gestión, el legislador puede recurrir a una técnica en la que no se exija una cuantificación exacta de los gastos producidos y, en su lugar, opere una deducción global o deducciones a tanto alzado, con ciertas deducciones complementarias. Técnica que puede ser apropiada en el ordenamiento tributario, por «regular actos y relaciones en masa» con participación de los ciudadanos en la gestión y aplicación de los tributos …“ Vgl. z. B. J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 4 Rz. 132; K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 355 f.; M. Jachmann in: FS Offerhaus, S. 1071 (1086); J. Isensee, StuW 1994, S. 3 (10); D. Birk in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO (Stand: 11/97), Rz. 493. Vgl. auch den Überblick bei K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 352 ff.

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wendungsfeld, er bleibt aber andererseits auf Konstellationen beschränkt, in denen die Abweichungen vom Leistungsfähigkeitsprinzip qualitativ und quantitativ geringfügig sind. Dies ist sachgerecht, weil das Praktikabilitätsprinzip als Zweckmäßigkeitsprinzip nicht die gleiche Wertigkeit hat wie das ethisch begründete Leistungsfähigkeitsprinzip193. Eine erhebliche Einbuße an Lastenverteilungsgerechtigkeit vermögen Vereinfachungszwecke allein selbst dann nicht zu rechtfertigen, wenn bei einer leistungsfähigkeitsadäquaten Ausdifferenzierung Vollzugsdefizite nur mit erheblichem Aufwand vermieden werden könnten. Dem Gesetzgeber bleibt dann nur die Wahl, die hierfür erforderlichen Mittel bereitzustellen, die Vereinfachungsnormen selbst differenzierter zu fassen oder aber auf die Besteuerung der in Rede stehenden Art von Vorgängen ganz zu verzichten, wie dies etwa mit der Zurücknahme der Reinvermögenszugangstheorie auf die Markteinkommenstheorie geschehen ist194. Ergänzend zu den geschilderten Rechtsansichten des Bundesverfassungsgerichts ist noch festzustellen, dass Vereinfachungen auch freiheitsrechtlich geboten sein können, was ihnen in der Abwägung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip deutlich stärkeres Gewicht verleihen kann. In Betracht kommt insoweit insbesondere das aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung195. Im Übrigen hat M. Jachmann zu Recht darauf hingewiesen, dass es lediglich einen graduellen, keinen qualitativen Unterschied bedeutet, ob ein Steuergesetz einen zunächst ausdifferenzierten Tatbestand in nachhinein durch Typisierungen oder Pauschalierungen vereinfacht oder ob schon das Grundkonzept einer Steuer die Leistungsfähigkeit vereinfacht zu erfassen versucht196. ________________________ 193 J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 4 Rz. 130; W. Schön, StuW 2002,

S. 23 (26); H. G. Ruppe, DStJG 21, S. 29 (30). 194 Zu beachten ist freilich, dass die Beschränkung auf die steuerliche Erfassung nur des

Markteinkommens auch freiheitsrechtlich begründet ist. In Betracht kommt bei den hier in Rede stehenden Vollzugsdefiziten vor allem der mit der Sachaufklärung ggf. verbundene Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, siehe dazu sogleich oben im Text. Denn die Gefahr eines unzureichenden Gesetzesvollzugs allein vermag eine gravierende Beeinträchtigung des Leistungsfähigkeitsprinzips durch die Herausnahme von nach dem allgemeinen Belastungsgrund der jeweiligen Steuer als leistungsfähigkeitserhöhend zu berücksichtigenden Faktoren ebenso wenig zu rechtfertigen wie eine Beeinträchtigung durch Vereinfachungszwecknormen. 195 P. Kirchhof in: FS Tipke, S. 27 (42 ff.); M. Jachmann, StuW 1998, S. 193 (203). 196 M. Jachmann, StuW 1998, S. 193 (205); dies. in: FS Offerhaus, S. 1071 (1085). A. A. ist wohl P. Kirchhof, der nur die Detailvereinfachungen des Belastungsprinzips und seiner tatbestandlichen Ausprägungen einer Prüfung anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unterziehen will, vgl. DStJG 21, S. 9 (22 f.). Diese Ansicht ist

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Ergänzend ist hinzuzufügen, dass dies auch für die vereinfachende Ausgestaltung einzelner Elemente des steuerlichen Belastungsgrundes gilt, namentlich hinsichtlich der Konzeption der Dividendenbesteuerung im Rahmen der Steuern auf den Ertrag bzw. auf das Einkommen. Stets müssen Vereinfachungszwecke und Leistungsfähigkeitsprinzip in Ausgleich gebracht werden, so dass insbesondere die zur Typisierung ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts universelle Richtschnur auch in den übrigen Fällen ist. Durch die Konstruktion des Körperschaftsteuersystems hervorgerufene Abweichungen vom Gebot der Einmalbelastung der Dividende lassen sich unter Vereinfachungsgesichtspunkten darum nur rechtfertigen, wenn diese Abweichungen bei der Mehrzahl von Anteilseignern auf ein vernachlässigbares Ausmaß beschränkt bleiben und grobe Belastungsdifferenzen die Ausnahme bilden. cc) Missbrauchsbekämpfung In engen Grenzen können auch Gesichtspunkte der Missbrauchsbekämpfung eine zur Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips führende Typisierung rechtfertigen. Entsprechende, im Verhältnis zu § 42 AO stärker verallgemeinernde Regelungen stehen aber unter einem strengen Verhältnismäßigkeitsvorbehalt: Sie sind nur insoweit erforderlich und angemessen, als sie sich auf typische, missbrauchsträchtige Konstellationen beschränken197. Greifen sie hingegen so weit aus, dass nicht nur ausnahmsweise auch Fallgestaltungen erfasst werden, in denen ein Missbrauch nicht zu befürchten ist, so verletzten sie die Besteuerungsgleichheit. Denn die Missbrauchsbekämpfung soll letztlich die Besteuerung nach der tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sicherstellen198. Sie darf darum nicht dazu führen, dass infolge zu stark vergröbernder Regelungen nachhaltig und in einer Vielzahl von Fällen vom Leistungsfähigkeitsprinzip abgewichen wird. Eine Umstellung des Systems der Dividendenbesteuerung von einem exakten Verfahren der Einmalbesteuerung hin zu einer nur pauschalen Orientierung an diesem Grundsatz wird darum regelmäßig nicht unter Mißbrauchsaspekten allein zu rechtfertigen sein. Denn eine solche Systemumstellung betrifft notwendig alle Anteilseigner und ist nicht auf mißbrauchsverdächti________________________ abzulehnen, weil der Gesetzgeber jede Stufe der Ausgestaltung des steuerlichen Tatbestandes konsequent am Leistungsfähigkeitsprinzip ausrichten muss und es durchbrechende Vereinfachungen darum stets der Rechtfertigung bedürfen. 197 Vgl. BVerfG v. 6.11.1985 – 1 BvL 47/83, BVerfGE 71, S. 146 (157). Siehe dazu auch BVerfG v. 24.1.1962 – 1 BvL 32/5, BVerfGE 13, S. 290 (316 f.); v. 24.1.1962 – 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, S. 331 (344 f.). 198 K. Tipke, StRO III, S. 1332; H. W. Kruse/K.-D. Drüen in: Tipke/Kruse, AO, § 42 (Stand: 02/02), Rz. 15.

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ge Gestaltungen beschränkt. Man wird den Gesichtspunkt der Missbrauchsbekämpfung darum allenfalls ergänzend neben anderen heranziehen können. Auch in Spanien wird der Aspekt der Mißbrauchsbekämpfung regelmäßig nur ergänzend herangezogen, um eine Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips zu rechtfertigen199. Dabei hat auch das spanische Verfassungsgericht gesetzliche Typisierungen nur insoweit zugelassen, als sie tatsächlich mißbrauchsverdächtige Verhaltensweisen betreffen. Der typisierte Mißbrauchsverdacht muß sich auf Sachverhaltskonstellationen gründen, die ihn bei objektiver Betrachtungsweise nahelegen200. Insgesamt kann hier eine starke Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konstatiert werden.

3. Das Grundrecht auf Eigentum, Art. 14 Abs. 1 GG – Eigentumsschonende Besteuerung Obschon das Postulat der Steuergerechtigkeit regelmäßig mit der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gleichgesetzt wird, setzt eine gerechte Besteuerung doch auch die Wahrung freiheitsrechtlicher Vorgaben voraus201. Das Steuerrecht ist Teil der freiheitlich verfassten Rechtsordnung nach dem Grundgesetz202. Auch im Steuerrecht gilt, dass Gleichheit und Freiheit sich ergänzen und stützen203. Für die Dividendenbesteuerung kann insbesondere das Grundrecht auf Eigentum nach Art. 14 Abs. 1 GG eine Rolle spielen. Zum einen beruht der Dividendenbezug maßgeblich auf dem Einsatz von Sach- oder Geldkapital des Anteilseigners, zum anderen führt er auch zu einer Erhöhung von dessen Vermögen, das vom Eigentumsschutz erfasst sein könnte. Die freiheitsrechtliche Struktur des Art. 14 Abs. 1 GG ist auch geeignet, den Schutz durch das Leistungsfähigkeitsprinzip zu verstärken und zu ergänzen204: Der Gleichheitssatz verlangt zwar die gleichmäßige Austeilung aller steuerlichen Lasten nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Er kann damit jedoch keinen absoluten, sondern nur relativen Schutz vor der Besteuerung bieten: Solange auch andere Steuerpflichtige mit vergleichbarer Leistungsfähigkeit dieselbe Steuerlast tragen müssen, kann deren Höhe ________________________ 199 200 201 202 203 204

Vgl. z. B. das Urteil des TC v. 14.7.1994, 214/1994. TC v. 19.7.2000, 194/2000. Zutreffend G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 102. J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 1 Rz. 5. P. Kirchhof in: HdBStR V, § 124 Rz. 103. Wer wie D. Birk eine integrierte Betrachtung der Leistungsfähigkeit von Gesellschaft und Gesellschafter ablehnt, muss sich in Teilaspekten wie der wirtschaftlichen Doppelbelastung der Dividende sogar ausschließlich auf die Eigentumsfreiheit stützten, vgl. D. Birk, StuW 2000, S. 328 (333 f.).

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gleichheitsrechtlich nicht angegriffen werden; auch können zulässige Differenzierungskriterien eine abweichende Besteuerung erlauben. Demgegenüber verfügt Art. 14 Abs. 1 GG über einen absolut definierten Schutzbereich, der Eingriffe unabhängig von der Behandlung sonstiger Grundrechtsträger unter Rechtfertigungsvorbehalt stellt205. Die Doppelbelastung von Dividenden, wie sie bei integrierter Betrachtungsweise in einem klassisch ausgerichteten Körperschaftsteuersystem besteht, könnte dann auch aus freiheitsrechtlicher Warte als unverhältnismäßig einzustufen sein. Die Reichweite des Eigentumsgrundrechts nach Art. 14 GG im Gefüge der Steuerrechtsordnung ist freilich seit langem hoch umstritten. Die Diskussion war zunächst gekennzeichnet durch eine sehr restriktive Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die sich auf ein nicht näher begründetes Konfiskationsverbot beschränkte. Nach zum Teil heftiger Kritik im Schrifttum leitete der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 1995 eine Wende in der Interpretation des Art. 14 GG ein. Er entnahm der Bestimmung nunmehr eine konkret quantifizierbare absolute Besteuerungsgrenze, den sog. Halbteilungsgrundsatz. Dieses Ergebnis wie auch seine Herleitung werden in Rechtsprechung und Literatur ebenfalls kontrovers erörtert. a) Steuererhebung als Eingriff in den Schutzbereich Die Untersuchung der steuerrechtlichen Implikationen des Art. 14 GG muss wie bei jedem anderen Freiheitsgrundrecht beim sachlichen Schutzbereich ansetzen. Nur soweit das Grundrecht auf Eigentum durch die Besteuerung überhaupt berührt bzw. tangiert wird, besteht die Notwendigkeit, auf die daraus abzuleitenden Besteuerungsgrenzen einzugehen. aa) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht vertrat in einer ersten Entscheidung zur Vereinbarkeit einer staatlich auferlegten Abgabe mit Art. 14 GG die Auffassung, dass die Besteuerung die Frage der Eigentumsgarantie überhaupt nicht aufwerfe. Denn öffentlich-rechtliche Geldleistungspflichten beträfen lediglich das Vermögen als Ganzes. Dieses sei jedoch nicht vom Schutzbereich des Art. 14 GG erfasst206. In nachfolgenden Entscheidungen ließ das Gericht dann freilich erkennen, dass es doch gewisse äußerste Grenzen der Besteuerung aus Art. 14 GG abzuleiten gedachte. Eine Verletzung der Eigentumsgarantie sollte demnach vorliegen, wenn die Geldleistungspflicht den Betroffenen übermäßig belaste ________________________ 205 Vgl. dazu auch C. D. Classen, EWS 1995, S. 97 (98). 206 BVerfG v. 20.7.1954 – 1 BvR 459/52 u. a., BVerfGE 4, S. 7 (17).

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und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtige207. Dies könne freilich erst bei Erreichen einer konfiskatorischen Besteuerung angenommen werden, was das Bundesverfassungsgericht nicht näher spezifizierte und im Übrigen auch in keiner Entscheidung positiv feststellte. Eine vorsichtige Neuorientierung deutete sich alsdann in einer Entscheidung des zweiten Senats zum Grundfreibetrag an. In den Entscheidungsgründen findet sich die generell gehaltene Formulierung, wonach „Steuergesetze in die allgemeine Handlungsfreiheit gerade in deren Ausprägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen … Bereich (Art. 14 Abs. 1 … GG) eingreifen208. Diese Hinwendung zu einem handlungsbezogenen Verständnis des Schutzbereichs der Eigentumsgarantie, das seine Basis in der Disposition des Einzelnen über sein gesamtes Vermögen haben sollte, wurde dann endgültig im Beschluss zur Vermögensteuer vollzogen. Der zweite Senat effektuiert Art. 14 GG im Bereich der Besteuerung, indem er dessen Anwendungsbereich auf den Schutz der Verfügungsgewalt und Nutzungsbefugnis über ein Vermögen als vermögensrechtliche Ausprägung der allgemeinen Handlungsfreiheit erstreckt. Die Besteuerung greife stets in diese wirtschaftliche Handlungsfreiheit des Individuums ein209. Diese dogmatische Fortentwicklung der Eigentumsgarantie ist allerdings vom ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts nicht aufgegriffen worden. Er hält vielmehr daran fest, dass das Vermögen nicht zum Eigentum im Sinne von Art. 14 Abs. 1 GG zähle und folglich die Eigentumsgarantie nicht vor der staatlichen Auferlegung von Geldleistungspflichten schütze. Denn diese seien nicht mittels eines bestimmten Eigentumsobjektes zu erfüllen, sondern würden aus dem fluktuierenden Vermögen bestritten. Es gelte lediglich die in ständiger Rechtsprechung anerkannte Ausnahme für Abgaben mit erdrosselnder Wirkung210. Auch der Bundesfinanzhof steht dem Halbteilungsgrundsatz skeptisch gegenüber211. Da sich alle bislang vom Bundesverfassungsgericht vertretenen Positionen einer der auch im Schrifttum vertretenen Auffassungen zuordnen lassen, soll die Auseinandersetzung mit ihnen erst dort im jeweiligen Zusammenhang erfolgen. ________________________ 207 BVerfG v. 24.7.1962 – 2 BvL 15, 16/61, BVerfGE 14, S. 221 (241); BVerfG

208 209 210 211

v. 24.9.1965 – 1 BvR 228/65, BVerfGE 19, S. 119 (128 f.); BVerfG v. 9.3.1971 – 2 BvR 326/69, BVerfGE 30, S. 250 (271 f.); BVerfG v. 28.11.1984 – 1 BvR 1157/82, BVerfGE 68, S. 287 (310 f.). BVerfG v. 25.9.1992 – 2 BvL 5/91 u. a., BVerfGE 87, S. 153 (169). BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, S. 121 (137). BVerfG v. 8.4.1997 – 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, 267 (300). Vgl. BFH v. 18.9.2003 – X R 2/00, BFH/NV 2004, S. 141 (142); BFH v. 11.8.1999 – XI R 77/97, BStBl. II 1999, S. 771 (773 f.).

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Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts

Das spanische Verfassungsgericht muss keine besonderen Anstrengungen unternehmen, um das Verhältnis der Besteuerung zum Eigentumsgrundrecht („derecho de propiedad“) zu klären, weil der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff des Art. 33 CE auch vermögensbezogen verstanden wird. So wird in den Urteilen denn auch nur lapidar festgestellt, die Besteuerung berühre die Eigentümerfreiheit. Als Bestandteil der auch in der spanischen Verfassung ausdrücklich vorgesehenen Sozialbindung des Eigentums sieht das Verfassungsgericht dies allerdings auch als ohne Weiteres gerechtfertigt an212. So werden aus dem Eigentumsgrundrecht insbesondere keine irgendwie gearteten Besteuerungsschranken abgeleitet; es spielt praktisch nur für die Begründung des steuerlichen Gesetzesvorbehalts eine Rolle213. Dies mag letztlich auch damit zusammenhängen, dass ein Verbot konfiskatorischer Besteuerung schon den Besteuerungsgrundsätzen des Art. 31 Abs. 1 CE explizit zu entnehmen ist. Einen Halbteilungsgrundsatz aus der Verfassung abzuleiten, fiele dem spanischen Verfassungsgericht wohl kaum ein, denn der Gedanke solidarischer Lastentragung steht in seiner Judikatur gegenüber freiheitsrechtlichen Erwägungen klar im Vordergrund. Auch in der Literatur wird eine absolute Besteuerungsgrenze nach deutschem Vorbild nur ganz vereinzelt diskutiert214. bb) Die im Schrifttum vertretenen Standpunkte Im Schrifttum ist der Streit, ob durch die Besteuerung in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG eingegriffen wird, nach dem Vermögensteuerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts neu aufgeflammt. Zuvor war die Problematik vor allem zu Beginn der 80er Jahre im Zusammenhang mit der Staatsrechtslehrertagung 1980 intensiv diskutiert worden, welche sich unter anderem mit der Thematik „Besteuerung und Eigentum“ befasst hatte. Eine deutliche Mehrheit im Schrifttum spricht sich inzwischen dafür aus, den Grundrechtsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG im Steuerrecht umfassend zu aktivieren, freilich mit unterschiedlicher Begründung. Insgesamt lassen sich heute im Wesentlichen sechs verschiedene Standpunkte zu dieser Frage ausmachen:

________________________ 212 TC v. 15.11.2000, 273/2000: „… en el mencionado art. 31.1 CE se consagra un

auténtico mandato jurídico, del que se deriva un deber constitucional para los ciudadanos de contribuir, a través de los impuestos, al sostenimiento o financiación de los gastos públicos, un deber que, por otro lado, enlaza sin tensión dialéctica alguna con la función social de la propiedad (art. 33.2 CE).“ Ähnlich TC v. 28.10.1997, 182/1997. 213 Vgl. TC v. 28.10.1997, 182/1997. 214 P. M. Herrera Molina, Impuestos 1996/14, S. 78 ff.

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(1) Ein Teil der Lehre geht davon aus, dass Art. 14 Abs. 1 GG schon deshalb auch das Vermögen als solches schütze, weil sich nur so ein effektiver Grundrechtsschutz gegenüber exzessiver Besteuerung erreichen ließe215. Die Argumentation dieser Auffassung ist im Kern verfassungspolitischer, nicht jedoch verfassungsrechtlicher Natur. Sie ist in den Worten J. Wielands „von der Erwartung geprägt, wo ein Wille zu einem bestimmten Ergebnis sei, müsse sich auch ein verfassungsrechtlicher Weg finden lassen.“216 Die Wirkkraft eines Grundrechts kann indes nur innerhalb der anerkannten Auslegungscanones, nicht aber freischwebend nach ideologischen oder politischen Wünschbarkeiten entwickelt werden217. (2) Dogmatisch fundierter gelangt ein Teil der Lehre zum grundrechtlichen Schutz des Vermögens durch Art. 14 GG, indem er der Eigentumsgarantie zugleich eine Vermögenswertgarantie entnimmt. Als Inbegriff der in den einzelnen Vermögensgegenständen verkörperten Tauschwerte stehe dann aber letztlich das Vermögen insgesamt gegenüber der Belastung mit einer Abgabe unter dem Schutz der grundrechtlichen Gewährleistung des Art. 14 GG218. Art. 14 Abs. 1 GG garantiert jedoch nach richtigem Verständnis nur den Bestand, nicht den Tauschwert eines vermögenswerten Rechts219. Denn der durch Art. 14 Abs. 1 GG unzweifelhaft geschützte rechtliche Bestand eines konkreten Eigentumsgegenstandes schafft nur eine notwendige Voraussetzung für die Attribuierung eines Vermögenswertes, determiniert diesen je-

________________________ 215 B. Schmidt-Bleibtreu/H.-J. Schäfer, DÖV 1980, S. 489 (494); ähnlich F. Kirchhof,

216 217

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219

StuW 2002, S. 185 (191); R. Herzog in: FS RFH-BFH, S. 105 (110): Jedes andere Ergebnis wäre als atavistisch zu bezeichnen. J. Wieland, DStJG 24, S. 29 (33). BVerfG v. 13.10.1971 – 1 BvR 280/66, BVerfGE 32, S. 54 (70 f.); BVerfG v. 25.2.1975 – 1 BvF 1/74 u. a., BVerfGE 39, S. 1 (37 f.); C. Starck in: Isensee/ Kirchhof, HdbStR VII, § 164 Rz. 35; H. D. Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., Einl. Rz. 7. R. Wendt, Die Gebühr, S. 96 ff. u. 155; ders., NJW 1980, S. 2111 (2113 f.); ders. in: Sachs, GG, 3. Aufl., Art. 14 Rz. 38. Ähnlich H. H. v. Arnim, VVDStRl 39 (1981), S. 287 (300 ff.), der den Schutz des Tauschwertes aus dem allgemein anerkannten Schutz von Geld und Geldforderungen im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 GG herleitet. Ursprünglich neigte auch K. H. Friauf dieser Auffassung zu, vgl. z. B. DÖV 1980, S. 480 (488) m. w. N. Später ist bei ihm freilich eine Annäherung an den unter unter (3) beschriebenen eingriffsorientierten Ansatz zu beobachten, vgl. DStJG 12, S. 3 (23). B.-O. Bryde in: v. Münch/Kunig, GG, 5. Aufl., Art. 14 Rz. 24 m. w. N.; J. Wieland in: Dreier, GG, Art. 14 Rz. 49; H.-J. Papier in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 (Stand: 05/94), Rz. 160. Vgl. auch BVerfG v. 21.1.1969 – 1 BvR 346, 598/68, HFR 1969, S. 347.

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doch nicht220. Der Tauschwert eines vermögenswerten Gegenstandes wird vielmehr maßgeblich mitbeeinflusst durch die subjektive Wertschätzung der jeweiligen potentiellen Anbieter und Nachfrager, welche wiederum von den individuellen, faktischen Gebrauchsmöglichkeiten und gegebenenfalls Erwerbschancen abhängt221. (3) Unter starker Betonung des freiheitsrechtlichen Elements der Eigentumsgarantie plädiert der von P. Kirchhof begründete handlungsorientierte Ansatz für einen Schutz des Vermögens vor Besteuerung durch Art. 14 GG. Danach soll Eigentum im Sinne von Art. 14 Abs. 1 GG nicht ein einzelnes Wirtschaftsgut definieren, sondern vielmehr den Handlungsspielraum des Eigentümers umgrenzen. Dieser sei maßgeblich gekennzeichnet durch die von Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit des privatnützigen Erwerbens, Habens, Nutzens, Verbrauchens, Verwaltens und Veräußerns. Grundlage der so verstandenen Eigentümerfreiheit sei das Gesamtvermögen222. Indes geht die Schlussfolgerung aus dem freiheitsrechtlichen Gehalt der Eigentumsgarantie, diese sei letztlich nur eine spezielle Ausprägung der allgemeinen Handlungsfreiheit im vermögensrechtlichen Bereich, zu weit. Tatsächlich ergänzt die Eigentumsgewährleistung als objektbezogenes Grundrecht die persönlichkeitsbezogene Handlungsfreiheit, wie sie durch Art. 2 Abs. 1 GG und gegebenenfalls auch durch Art. 12 GG verbürgt wird223. Die mit der Eigentumsgarantie verbundene Freiheit ist aber anders als die allgemeine Handlungsfreiheit nicht Ausfluss der Persönlichkeit ihres Trägers, sondern normgeprägte und -geleitete Freiheit. Sie ist notwendig an den Bestand einzelner, von der einfachgesetzlichen Rechtsordnung anerkannter Rechtspositionen und an deren rechtliche Zuordnung gebunden224. Nur diese kann sie in ihrer konkreten Ausgestaltung schützen, nicht jedoch den Vermögensbestand an sich. (4) Die wohl herrschende Variante zur Einbeziehung der Besteuerung in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie argumentiert von den Folgen des steuerlichen Eingriffs her. Um den Anspruch des Fiskus zu befriedigen, müsse der Einzelne ihm zugeordnete, jeweils unter dem Schutz der Eigentumsgarantie stehende konkrete Rechtspositionen aufgeben bzw. übertra________________________ 220 Vgl. H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 483 (491); P. Kirchhof in: Isensee/Kirch-

hof, HdBStR IV, 2. Aufl., § 88 Rz. 89; ders. in: FS Leisner, S. 635 (646). 221 So auch U. Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, S. 188 f. 222 P. Kirchhof, VVDStRL 39 (1980), S. 213 (233 ff. u. 282); K. Vogel/C. Waldhoff in:

Bonner Kommentar, Vorbem. z. Art. 104a – 115 (Stand: 12/97), Rz. 543 f. 223 Vgl. auch BVerfG v. 16.3.1971 – 1 BvR 52/66 u. a., BVerfGE 30, S. 292 (334). 224 Vgl. BVerfG v. 31.10.1984 – 1 BvR 35/82 u. a., BVerfGE 68, S. 193 (222). Ebenso

D. Birk in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 (Stand: 11/98), Rz. 593.

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gen225. Das Steuerrecht instrumentalisiere den Steuerschuldner gleichsam, damit der Staat sich eines Teils von dessen vermögenswerter Rechtspositionen bemächtigen könne. Seine diesbezügliche Wahlfreiheit sei darum auch nicht geeignet, den Eingriffscharakter der Besteuerung in Frage zu stellen226. Diese Sichtweise vermengt aber zu Unrecht den eigentumsrechtlichen Gewährleistungsgehalt des Art. 14 GG mit dem Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit (auch) auf wirtschaftlichem Gebiet, der durch Art. 2 Abs. 1 GG sichergestellt wird. Kennzeichen des verfassungsrechtlich geschützten Eigentums ist seine Privatnützigkeit, d. h. seine Zuordnung zu einem Rechtsträger, in dessen Hand es „von Nutzen“ sein soll, und die grundsätzliche Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand227. Insofern spielt es aber durchaus eine Rolle, ob der Staat zielgerichtet auf eine konkrete Rechtsposition zugreift und in seine Vermögenssphäre überführt oder aber ihre Auswahl in das Belieben des Betroffenen stellt. Denn im erstgenannten Fall wird das grundlegende Kernelement der Eigentumsgarantie, nämlich die Zuordnung des Vermögensrechts zu privatnützigen Zwecken und die dazugehörige Verfügungsbefugnis des Rechtsinhabers, durch die staatliche Maßnahme aufgehoben. Die Steuerschuld als Wertsummenschuld hingegen beseitigt nicht die eigentumsrechtliche Zuordnung eines bestimmten subjektiven Vermögensrechts zum Steuerschuldner und stellt dessen grundsätzliche Verfügungsbefugnis über jeden einzelnen seiner Eigentumsgegenstände nicht in Frage228, sondern lässt sie gerade unangetastet. (5) Nur einen eingeschränkten Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 1 GG im Hinblick auf steuerrechtliche Bestimmungen sehen die Vertreter der hier als gegenstandsbezogen bezeichneten Betrachtungsweise. Sie stellen darauf ________________________ 225 R. Seer, DStJG 23, S. 87 (99); ders., FR 1999, S. 1280 (1283); ihm zustimmend

K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 449. Ebenso B. Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, S. 309 f. 226 K. H. Friauf, DStJG 12, S. 3 (23); O. Depenheuer in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bonner GG, 4. Aufl., Art. 14 Rz. 89 u. 173. Ähnlich P. Kirchhof in: Kirchhof/Söhn, EStG, § 2 A 161 ff. 227 BVerfG v. 7.7.1971 – 1 BvR 765/66, BVerfGE 31, S. 229 (240); BVerfG v. 8.7.1976 – 1 BvL 19/75 u. a., BVerfGE 42, S. 263 (294); BVerfG v. 1.3.1979 – 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, S. 290 (339); BVerfG v. 28.2.1980 – 1 BvL 17/77, BVerfGE 53, S. 257 (290); BVerfG v. 22.11.1994 – BvR 3 51/91, BVerfGE 91, S. 294 (308); R. Wendt in: Sachs, GG, 3. Aufl., Art. 14 Rz. 5; W. Leisner in: Isensee/Kirchhof, HdBStR VI, § 149 Rz. 3. 228 Siehe oben unter (2). Demgemäß bedarf auch der Streit, ob auch bei Aufnahme eines Darlehens zur Begleichung der Steuerschuld letztlich doch wieder eine – dergestalt erworbene – Vermögensposition aufgegeben wird (vgl. dazu M. Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 36, einerseits; K. H. Friauf, DStJG 12, S. 3 (23 Fn 69) andererseits), keiner Entscheidung.

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ab, dass zum Gehalt des Eigentums unter anderem auch die Innehabung und Nutzung der geschützten Rechtspositionen gehöre. Soweit steuerliche Pflichten an die Verwirklichung dieser Gewährleistungsgehalte anknüpften und zu ihrer steuerlichen Belastung führten, wirkten sie in diese grundrechtliche Rechtsstellungsgarantie ein, indem sie Dispositions- und Nutzungsmöglichkeiten faktisch beschränkten229. Einkommen und Erträge unterfielen dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG im Ergebnis somit immer, aber auch nur dann, wenn sie das Ergebnis und die Frucht einer Eigentumsnutzung seien230. Dieser Ansicht ist zuzugeben, dass es nach dem inzwischen erreichten Stand der Grundrechtsdogmatik fast einhellig anerkannt ist, dass in den grundrechtlichen Schutzbereich auch mittelbar, insbesondere nicht-intentional durch staatliche Maßnahmen eingegriffen werden kann231. Des weiteren ist unbestritten, dass die Eigentumsgarantie auch den Schutz der Nutzungs- und Gebrauchsmöglichkeiten umfasst, welche das einfache Gesetzesrecht den jeweiligen Eigentumsgegenständen zuweist232. Dazu zählt insbesondere auch ihr ertragbringender Einsatz233. Dennoch greift die Argumentation der vorgenannten Ansicht zu kurz. Sie übersieht, dass es im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 GG nicht maßgeblich sein kann, ob die Besteuerung mittelbar auf den Erwerb bestimmter Renditeobjekte bzw. die Vornahme gewisser Investitionen Einfluss nimmt. Denn der Erwerb des Eigentums spielt sich gleichsam noch im Vorfeld der Eigentumsgarantie ab, eröffnet erst den Zugang zu ihr und wird durch die subjektiv-rechtliche Dimension des Art. 14 GG folg________________________ 229 H.-J. Papier in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 (Stand: 05/94), Rz. 170; W.-R. Schenke

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in: FS Armbruster, S. 177 (190); H. D. Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., Art. 14 Rz. 16. Grundsätzlich zustimmend auch M. Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 372, der freilich das Konzept letztlich mit der – m. E. rein verfassungspolitischen – Begründung für zu kurz gegriffen hält, dass es Einkommen ausklammere, das nicht die Frucht einer Eigentumsnutzung sei. Ähnlich auch D. Birk in: Hübschmann/Hepp/ Spitaler, AO/FGO, § 4 AO (Stand: 11/98), Rz. 602 f., der aber in den Auswirkungen auf die Nutzung einen unmittelbaren Eingriff des Steuerrechts sieht. H.-J. Papier in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 (Stand: 05/94), Rz. 171 f. Im Ergebnis ebenso M. Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 37 ff. M. Jachmann nimmt jedoch schon einen direkten Eingriff in die Eigentumsgarantie an, weil ihrer Auffassung nach die Besteuerung direkt auf die Eigentumsnutzung abzielt. Enger H. D. Jarass in: Jarass/ Pieroth, GG, 6. Aufl., Art. 14 Rz. 16, der eine „hohe Belastungswirkung“ verlangt, um die Eingriffsqualität zu bejahen. Statt aller M. Sachs in: Sachs, GG, 3. Aufl., Vor Art. 1 Rz. 83 u. 86; ders. in: Stern, Staatsrecht III/2, S. 179; B. Pieroth/B. Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Rz. 239 f. m. w. N. BVerfG v. 9.1.1991 – 1 BvR 929/89, BVerfGE 83, S. 201 (209); R. Wendt in: Sachs, GG, 3. Aufl., Art. 14 Rz. 41; B. Pieroth/B. Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Rz. 914. BVerfG v. 14.2.1989 – 1 BvR 308/88 u. a., BVerfGE 79, S. 292 (304); M. Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 37.

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lich noch nicht geschützt234. Hält man sich dies vor Augen, so wird jedenfalls die – hier in Rede stehende – Besteuerung des Ertrags aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften unter dem Aspekt des Ob und Wie der Nutzung von Eigentumsgegenständen nicht generell den Grundrechtsschutz des Art. 14 GG aktivieren. Denn ist die Beteiligung einmal erworben, so ergeben sich in der Regel keine Alternativen hinsichtlich der Art des Einsatzes zur ertragbringenden Nutzung, auf welche die Besteuerung erheblichen Einfluss nehmen würde. Diese wirkt sich vielmehr aufgrund der absoluten Höhe der Belastung wie auch aufgrund vielfältiger Belastungsunterschiede bei der Besteuerung alternativer Anlagemöglichkeiten regelmäßig entscheidend darauf aus, ob und gegebenenfalls welche Kapitalgesellschaftsbeteiligung angeschafft wird. Insoweit ist jedoch die Eigentumsgarantie noch nicht betroffen, sondern es liegt nur ein mittelbarer Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit vor. (6) Kein Vermögensschutz – traditioneller Standpunkt Eine Mindermeinung im Schrifttum neigt nach wie vor der Auffassung zu, Art. 14 GG werde durch die Besteuerung prinzipiell überhaupt nicht tangiert. Gerechtfertigt wird diese restriktive Haltung vor allem damit, dass die Verfassung der steuerlichen Belastung nicht abwehrend, sondern lediglich ordnend gegenüberstehe. Die Freiheitsrechte als genuine Abwehrrecht vermöchten darum keinen Schutz vor übermäßiger Besteuerung zu bieten235. Im Ergebnis entspricht dieser traditionelle Ansatz der noch heute vom ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts eingenommenen Haltung zum Verhältnis der Eigentumsgarantie zur Besteuerung. Die Vertreter des herkömmlichen Standpunktes betonen zwar zu Recht, dass die durch die Institutsgarantie des Art. 14 GG abgesicherte, freiheitlich und privatnützig verfasste Eigentumsordnung als notwendiges Pendant den Steuerstaat mit sich bringt. Gebietet das Verfassungsrecht, die zur Wertschöpfung geeigneten Vermögenswerte grundsätzlich privaten Eigentümern zuzuordnen, so kann der Staat seinen Finanzbedarf nicht anders als durch ________________________ 234 R. Wendt in: Sachs, GG, 3. Aufl., Art. 14 Rz. 43; H.-J. Papier in: Maunz/Dürig, GG,

Art. 14 (Stand: 5/94), Rz. 223; H. D. Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., Art. 14 Rz. 19; J. Wieland in: Dreier, GG, Art. 14 Rz. 151. Es überzeugt aus diesem Grunde auch nicht, das Gebot steuerlicher Rechtsformneutralität – auch – aus Art. 14 Abs. 1 GG herzuleiten (so aber z. B. S. Sieker, DStJG 25, S. 145 (155); J. Hey, DStJG 24, S. 155 (171 f.); A. Kraft, Rechtsformabhängige Besteuerung, S. 17). Eine rechtsformabhängige Besteuerung wirkt sich nicht auf die Nutzung und den Gebrauch einer konkreten Unternehmensbeteiligung aus, sondern kann allenfalls die Frage ihres Erwerbs tangieren. Näher dazu J. Englisch, StuW 2003, S. 237 (248). 235 Exemplarisch D. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 166 Fn 51; ähnlich J. Wieland, DStJG 24, S. 29 (33) u. Diskussionsbeitrag S. 135.

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Partizipation an den von diesen Eigentümern erzielten Erträgen mittels Abgaben, vornehmlich mittels Steuern befriedigen236. Wollte man daraus aber schließen, dass damit einhergehende Grundrechtseinschränkungen von vornherein aus dem Anwendungsbereich der einschlägigen Freiheitsrechte ausgenommen sind, so würde man deren Gewährleistungsgehalt völlig aushöhlen und den Staat weitestgehend vom Zwang zur verhältnismäßigen Abwägung der betroffenen Belange entbinden. cc) Eigene Ansicht: Fortentwicklung des gegenstandsorientierten Ansatzes Zusammenfassend ist zunächst festzustellen, dass keiner der im Schrifttum vertretenen Ansätze zur Frage, inwieweit die Besteuerung in die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG eingreift, ganz zu überzeugen vermag. Gleiches gilt darüber hinaus auch für die neuere Rechtsprechung des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts, die wesentlich durch die eigentumsdogmatischen Ansichten von P. Kirchhof als Berichterstatter geprägt wurde. Ihr ist im Wesentlichen dieselbe Kritik entgegenzuhalten wie dessen handlungsorientiertem Ansatz. Als richtungsweisend kann dennoch der gegenstandsorientierte Ansatz bezeichnet werden. Zum einen achtet er konsequent die Eigenart des Art. 14 Abs. 1 GG, nur den Schutz einzelner, konkret-individueller Rechtspositionen zu gewährleisten. Zum anderen basiert er auf der zutreffenden Erkenntnis, dass die maßgebliche Einwirkung der Besteuerung im Bereich der Eigentumsgarantie nicht in der durch sie begründeten Notwendigkeit liegt, einzelne Eigentumspositionen auf den Fiskus zu übertragen, sondern in deren Ausgreifen auf den nutzbringenden Einsatz einzelner Eigentumsgegenstände. Freilich greift es zu kurz, auf die vermeintlich durch die Besteuerung verminderten Nutzungs- und Dispositionsmöglichkeiten abzustellen, da entsprechende Auswirkungen jedenfalls bei der Dividendenbesteuerung nicht eintreten werden: Hat der Gesellschafter seine Beteiligung an der Gesellschaft einmal erworben, so kann er Erträge daraus im Wesentlichen nur daduch erzielen, dass er Dividenden bezieht. Die Weiterveräußerung des Anteils als mögliche alternative Form der Gewinnrealisation kann schon nicht mehr dem nutzbringenden Einsatz der geschützten Rechtsposition zugerechnet werden; vielmehr wird diese gerade aufgegeben. Von entscheidender Bedeutung ist aber ein weiterer Aspekt der Eigentumsgarantie in ihrer speziellen Ausprägung der Gewährleistung einer Nutzung ________________________ 236 J. Beil, Der Belastungsgrund des steuerstaatlichen Synallagmas, S. 115 ff. m. w. N.

Dies wird auch von den Gegnern des traditionellen Ansatzes durchweg anerkannt, vgl. K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 442; P. Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), S. 213 (215 f.); R. Wendt, NJW 1980, S. 2111.

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von Eigentumsgegenständen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben: Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und im Übrigen auch der einhelligen Ansicht im Schrifttum, dass die Eigentumsgarantie den Gebrauch des Schutzobjekts gerade zum privaten Nutzen und zum eigenen Vorteil des Berechtigten absichern will237. Die Privatnützigkeit des Eigentums und seiner Verwendung konstituiert ein Kernelement des objektiv-rechtlichen Gehalts des Art. 14 GG, das auch auf die subjektivrechtliche Gewährleistung ausstrahlt238. Dabei garantiert Art. 14 GG im Grundsatz den ausschließlich privatnützigen Gebrauch. Die Sozialpflichtklausel des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG, wonach der Gebrauch des Eigentums zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll, bedarf der Effektuierung im Wege der Schrankenbestimmung des Eigentums239. Sie konstituiert dieses hingegen nicht mit in dem Sinne, dass auch die Fremdnützigkeit des Eigentumsgebrauchs schon in der Bestandsgarantie selbst mit angelegt wäre240. Insoweit die durch die Innehabung, die Bewirtschaftung oder den Gebrauch eines Eigentumsgegenstandes erzielten Erträge besteuert werden, ist die ausschließliche Privatnützigkeit dieser der Eigentumsgarantie unterfallenden Vorgänge bzw. Zustände beeinträchtigt. Dadurch ist die Eigentumsfreiheit in ihrem Schutzbereich betroffen. Die Ertragsbesteuerung erreicht auch Eingriffsqualität. Sie bezweckt, den ertragbringenden Einsatz der Eigentumsposition neben privaten auch Gemeinwohlzwecken, nämlich der Finanzierung ________________________ 237 BVerfG v. 7.7.1971 – 1 BvR 765/66, BVerfGE 31, S. 229 (240); BVerfG v.

12.6.1979 – 1 BvL 19/76, BVerfGE 52, S. 1 (30); BVerfG v. 9.1.1991 – 1 BvR 929/89, NJW 1991, S. 1807; BVerfG v. 22.11.1994 – BvR 3 51/91, BVerfGE 91, S. 294 (307); BVerfG v. 26.5.1993 – 1 BvR 208/93, BVerfGE 89, S. 1 (6 f.); BVerfG v. 8.4.1997 – 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, S. 267 (300); W. Leisner in: Isensee/ Kirchhof, HdBStR VI, § 149 Rz. 44; R. Wendt in: Sachs, GG, 3. Aufl., Art. 14 Rz. 5 u. 23; H.-J. Papier in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 (Stand: 05/94); Rz. 172; O. Depenheuer in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bonner GG, 4. Aufl., Art. 14 Rz. 12; H. D. Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., Art. 14 Rz. 8; B. Schmidt-Bleibtreu in: SchmidtBleibtreu/Klein, GG, 9. Aufl., Art. 14 Rz. 1a. 238 BVerfG v. 7.7.1971 – 1 BvR 765/66 –, BVerfGE 31, S. 229 (240); BVerfG v. 9.1.1991 – 1 BvR 929/89 –, NJW 1991, S. 1807; J. Wieland in: Dreier, GG, Art. 14 Rz. 24. 239 W. Leisner in: Isensee/Kirchhof, HdBStR VI, § 149 Rz. 133 ff.; H.-J. Papier in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rz. 299; R. Wendt in: Sachs, GG, 2. Aufl., Art. 14 Rz. 72. 240 Soweit eine Mindermeinung vertritt, Art. 14 Abs. 2 könnten verfassungsunmittelbare Pflichten des Eigentümers entnommen werden (vgl. z. B. O. Kimminich in: Bonner Kommentar, GG, Art. 14, Rz. 154; B.-O.Bryde in: v. Münch/Kunig, GG, 5. Aufl., Art. 14 Rz. 69), welche u. U. als immanente Bestandteile seines Eigentumsrechts bezeichnet werden könnten, bezieht sich dies ersichtlich nur auf die Art und Weise des Gebrauchs, nicht jedoch auf den monetären Nutzen daraus. Eine nähere Befassung mit dieser Ansicht erübrigt sich somit.

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Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts

öffentlicher Aufgaben zugute kommen zu lassen241. Mit der Entscheidung für die Steuerbelastung solcher Erträge erreicht der Gesetzgeber, dass die gewinnbringende Nutzung des Eigentums von vornherein keine „Privatveranstaltung“ mehr ist, sondern zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dient. Der Staat partizipiert auf diese Weise an dem Erfolg privaten Wirtschaftens242. Diese Beeinträchtigung der im Grundsatz durch Art. 14 Abs. 1 GG garantierten ausschließlichen Privatnützigkeit des Eigentumsgebrauchs ist, wenn nicht schon im engeren Sinne intentional, doch von einer Evidenz und Intensität, die nach modernem Verständnis Eingriffswirkung erreicht. Insbesondere die Besteuerung von Dividenden knüpft an die Erträge an, welche dem Inhaber der Beteiligung aufgrund seiner Rechtsstellung als Anteilseigner zufließen. Da diese vom Schutz der Eigentumsgarantie erfasst ist243, bedeutet die Dividendenbesteuerung einen Eingriff in Art. 14 GG. Sie muss daher auch im Hinblick auf dieses Grundrecht gerechtfertigt werden. b)

Grenzen der Einschränkungsmöglichkeiten – Verbot konfiskatorischer Besteuerung und Halbteilungsgrundsatz

aa) Erdrosselnde bzw. konfiskatorische Wirkung Die durch die Besteuerung bewirkte Beschränkung der Eigentumsfreiheit unterliegt wie andere Schrankenziehungen den allgemeinen rechtsstaatlichen Eingriffsbegrenzungen. Unter diesen kommt dem Verhältnismäßigkeitsprinzip und dem in ihm zum Ausdruck kommenden Gebot der gerechten Abwägung und des ausgewogenen Vergleichs zwischen individuellen und öffentlichen Belangen regelmäßig besondere Bedeutung zu244. Gegenüber der Besteuerung durch Fiskalzwecknormen erweist sich diese Schranken-Schranke freilich nach nahezu einhelliger Ansicht als relativ stumpfes Schwert245. Dies liegt darin begründet, dass bezogen auf den Eingriffszweck der Einnahmeerzielung jeder Steuereingriff im allgemeinen verhältnismäßig ist. So ist er im Hinblick auf jene Zweckrichtung geeignet und ________________________

241 Vgl. K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 232. 242 Treffend H.-J. Papier, DVBl. 1980, S. 787 (788): „[Der Steuereingriff] setzt die

Grundrechtsbetätigungen der Bürger voraus und bewirkt eine Partizipation des Staates an ihren Leistungen und Erträgen.“ Vgl. auch P. Kirchhof, StuW 2002, S. 3 (4); K. Vogel/C. Waldhoff, Grundlagen des Finanzverfassungsrechts, Rz. 335. 243 Vgl. BVerfG v. 7.8.1962 – 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, S. 263 (276 f.); BVerfG v. 1.3.1979 – 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, S. 290 (341 f.). 244 H.-J. Papier in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 (Stand: 05/94), Rz. 175. 245 Prononciert K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 418: „Vor der Steuer versagt das Übermaßverbot.“ Dies gilt allerdings insoweit nicht, als mit dem einschlägigen steuerlichen Tatbestand auch außerfiskalische Zwecke verfolgt werden sollen. Wenn diese als Rechtfertigung für eine zusätzliche Belastung dienen sollen, ist sehr wohl eine Abwägung zwischen ihnen und den Eigentümerinteressen möglich und geboten.

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Auf die Dividendenbesteuerung einwirkende Grundrechte und Verfassungsprinzipien

erforderlich, insbesondere gibt es kein den Pflichtigen weniger belastendes, aber gleich wirksames Eingriffsmittel246. Darüber hinaus wird sich regelmäßig auch nicht feststellen lassen, dass die steuerliche Belastung im Hinblick auf den staatlichen Finanzbedarf disproportional sei: Denn bei der Festlegung der Ausgabenpolitik des Staates und dem daraus resultierenden Finanzbedarf ist dem Parlament ein weiter, ins politische Ermessen gestellter und darum grundsätzlich der gerichtlichen Überprüfung nicht zugänglicher Gestaltungsspielraum eingeräumt247. Dies hat zur Folge, dass regelmäßig die vom Parlament implizit vorgenommene Gewichtung von Eigentümer- und Allgemeinwohlbelangen als ausgewogen hingenommen werden muss248. Die vereinzelt vertretene Gegenauffassung, wonach die Belastung mit Abgaben nur dann verhältnismäßig sei, wenn die am wenigsten dringliche Aufgabe noch die Erhebung der am schwersten belastenden Steuer rechtfertige249, hat sich zu Recht nicht durchsetzen können. Sie würde zu einer Verlagerung von Kernkompetenzen des Parlaments, namentlich dem Setzen (ausgaben-)politischer Prioritäten, auf die hierzu nicht berufene Judikative führen250. Eine äußerste Grenze bildet das Verhältnismäßigkeitsprinzip nur in den Extremfällen einer völligen oder nahezu völligen Wegbesteuerung der Nutzungserträge. Wird die Rentabilität bestimmter Gruppen von Eigentums________________________ 246 M. Strahl, KÖSDI 2003, S. 13833 (13834); R. Herzog in: FS RFH-BFH, S. 105

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(109); D. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 189; ders. in: Hübschmann/Hepp/ Spitaler, AO/FGO, § 4 AO (Stand: 11/97), Rz. 537; B.-O. Bryde in: v. Münch/Kunig, GG, 5. Aufl., Art. 14 Rz. 66, Stichwort Steuer- und Abgabenrecht; K. Vogel in: Isensee/Kirchhof, HdBStR IV, 2. Aufl., § 87 Rz. 71; H.-J. Papier in: Maunz/Dürig, Art. 14 (Stand: 05/94), Rz. 176. Grundsätzlich gl. A. M. Lehner, Einkommensteuerrecht, S. 404 f. m. w. N. Ein Einschätzungsspielraum besteht im Übrigen auch hinsichtlich der künftigen Aufkommensentwicklung. Ohnehin hat sich in der Vergangenheit wiederholt gezeigt, dass modelltheoretisch vorhergesagte umgekehrte Aufkommenswirkungen von Steuersenkungen oder -erhöhungen (z. B. der sogenannte Laffer-Effekt) angesichts der Vielzahl der auf die Volkswirtschaft einwirkenden Faktoren höchst unsicher sind. Der singulär von M. Beker, DStZ 2004, S. 32 (34) vertretene Ansatz, wonach eine Steuer dann unverhältnismäßig sei, wenn sie nicht mehr zur Maximierung der Staatseinnahmen beitrage, dürfte darum allenfalls in Extremfällen verfassungsrechtlich handhabbar sein. Hier wird dann aber regelmäßig im Ergebnis kein großer Unterschied zum Verbot erdrosselnder Besteuerung bestehen. Vgl. auch G. F. Schuppert in: FS Zeidler, Bd. 1, S. 691 (702 ff.); H.-J. Papier in: Maunz/Dürig, Art. 14 (Stand: 05/94), Rz. 176; K. Vogel in: Isensee/Kirchhof, HdBStR IV, 2. Aufl., § 87 Rz. 71. So H. H. v. Arnim, VVDStRL 39 (1981), S. 286 (310 ff.). So überzeugend J. Wieland, DStJG 24, S. 29 (34). Ablehnend auch H.-J. Papier in: Maunz/Dürig, Art. 14 (Stand: 05/94), Rz. 178 f.: Der Ansatz gehöre in die „Traumfabrik des Staatsrechts“.

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Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts

positionen durch die Besteuerung derart beschnitten, dass ihre gewinnbringende Nutzung ökonomisch sinnlos wird, so ist der Steuereingriff unangemessen und verfassungswidrig251. Diesen Tatbestand fassen die „Traditionalisten“ im Bundesverfassungsgericht und Schrifttum unter den Begriff der „erdrosselnden“ bzw. „konfiskatorischen“ Besteuerung. Dieses Kriterium weist naturgemäß eine gewisse Unschärfe auf, welche der Präzisierung im jeweiligen Einzelfall bedarf. Maßgebliche Anhaltspunkte liefern der Vergleich mit anderen Renditeobjekten252, ein eventuell bereits eingetretenes Substitutionsverhalten der Steuerpflichtigen, die absolute Höhe der Steuerlast sowie gegebenenfalls die aus der Gesetzesbegründung ersichtliche Intention der gesetzlichen Bestimmungen. In Spanien wird das Verbot konfiskatorischer Besteuerung wie schon erwähnt in Art. 31.1 CE ausdrücklich festgeschrieben. Ähnlich wie in Deutschland ist es verfassungsgerichtlich bisher aber noch nicht effektuiert worden. bb) Halbteilungsgrundsatz Aus der Schwäche des Verhältnismäßigkeitsprinzips heraus erklärt sich der Versuch des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts, eine absolute Belastungsobergrenze mit einer spezifisch eigentumsdogmatischen Begründung zu etablieren. Im Zusammenhang mit der eingangs des Kapitels beschriebenen Neuorientierung hinsichtlich des Schutzbereichs der Eigentumsgarantie stellt der Zweite Senat fest: „Nach Art. 14 Abs. 2 GG dient der Eigentumsgebrauch zugleich dem privaten Nutzen und dem Wohl der Allgemeinheit … Die Vermögensteuer darf deshalb zu den übrigen Steuern auf den Ertrag nur hinzutreten, soweit die steuerliche Gesamtbelastung des Sollertrages bei typisierender Betrachtung … in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand verbleibt …“253 Wenn dieser sogenannte Halbteilungsgrundsatz tatsächlich aus der Eigentumsgarantie abzuleiten wäre, so wäre er ein weiteres Bollwerk gegen die wirtschaftliche Doppelbelastung von Dividenden: Denn die unabgestimmte Besteuerung des Unternehmensgewinns auf Gesellschafts- wie auf Gesellschafterebene kann im klassischen Körperschaftsteuersystem bei hohen individuellen Einkommensteuersätzen zu Gesamtbelastungen von deutlich über 50 % führen. Ausgehend von der gebotenen integrierten Betrachtungsweise der beiden Besteuerungsebenen wäre dies folglich nicht nur gleichheitsrechtlich, sondern überdies auch freiheitsrechtlich zu beanstanden. ________________________ 251 M. Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 42; dies., Verfassungsrechtliche Grenzen der

Besteuerung, S. 56 f.; H.-J. Papier in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 (Stand: 05/94), Rz. 172 u. 175. 252 Vgl. hierzu H.-J. Papier in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 (Stand: 05/94), Rz. 172. 253 BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, S. 121 (138).

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Der Halbteilungsgrundsatz wurde in der Entscheidung des Zweiten Senats maßgeblich aus der Formulierung „zugleich“ in der Sozialbindungsklausel des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG hergeleitet. In der Literatur ist er im Ergebnis überwiegend auf Zustimmung gestoßen, zumeist mit demselben Hinweis auf den Wortlaut des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG und die darin vermeintlich zum Ausdruck kommende Wertentscheidung des Verfassungsrechts254. Teilweise sieht das Schrifttum eine weitere Stütze für das Postulat einer maximal hälftigen Partizipation des Staates an den Erträgen privaten Wirtschaftens im Subsidiaritätsgrundsatz. Der hieraus abzuleitenden Erstverantwortung des Bürgers für seine Existenzsicherung entspreche für den gegenläufigen Steuereingriff des Staates spiegelbildlich die grundlegende Wertung, dass der Bürger primär eigennützig arbeiten und erwerben dürfe. Nur so könne er seiner Erstverantwortung genügen; anderenfalls würde die primäre Verantwortung für sich selbst an die Allgemeinheit abgetreten255. Schließlich wird für den Halbteilungsgrundsatz auch noch angeführt, dass eine darüber hinausgehende Besteuerung den Wesensgehalt der Eigentumsgarantie, nämlich die Privatnützigkeit des Eigentums, antasten würde256. Letztlich kann die Ableitung einer absoluten Belastungsobergrenze aus der Eigentumsgarantie aber jedenfalls insoweit nicht überzeugen, als diese bereits in der Nähe einer hälftigen Teilung angesiedelt wird. Zunächst ist die Berufung auf den Wortlaut des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG ersichtlich von verfassungspolitischem Wunschdenken geprägt: Diese Bestimmung ist vor einem ganz anderen Hintergrund als der ihr zugedachten steuerrechtlichen Funktion in die Eigentumsgarantie mit aufgenommen worden. Bei den nicht-monetären Nutzungsbeschränkungen, auf die sie eigentlich zugeschnitten ist, wird aber wohl kaum eine hälftige Aufteilung, wie sie für das Steuerrecht postuliert wird, in Betracht kommen257. Eindeutig kann dem ________________________ 254 Vgl. z. B. P. Kirchhof, StBJb 1994/95, S. 5 (8); dens. in: FS Münchener Juristische

Gesellschaft, S. 243 (247); dens. bereits in Gutachten F zum 57. DJT (1988), S. 82 und in VVDStRL 39 (1981), S. 213 (272); W. Leisner, NJW 1995, S. 2591 (2594); O. Depenheuer in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl., Art. 14 Rz. 389. Aus reinen Plausibilitätsgründen bejahen den Halbteilungsgrundsatz K. Vogel, NJW 1996, S. 1257 (1258); ders./C. Waldhoff in: Bonner GG, Vorbem. z. Art. 104a – 115 (Stand: 12/97), Rz. 546. 255 R. Seer, DStJG 23, S. 87 (106); ders., FR 1999, S. 1280 (1286); M. Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 48 ff.; H. Butzer, StuW 1999, S. 227 (241); ders., Freiheitsrechtliche Grenzen, S. 82. 256 H. Butzer, StuW 1999, S. 227 (239) unter Berufung auf K.-G. Loritz in: Dichmann/ Fels, Gesellschaftliche und ökonomische Funktionen des Privateigentums, 1993, S. 114 (129 f.). 257 So überzeugend und unter Einbeziehung ausländischer Verfassungsordnungen auch K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 452 f.; vgl. auch bereits dens., GmbHR 1996, S. 8 (12).

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Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts

Wort „zugleich“ nur ein Nebeneinander entnommen werden258. Insofern kann darin keine verfassungsrechtliche Wertung im Sinne des Halbteilungsgrundsatzes gesehen werden259. Im Übrigen hätte eine solche Interpretation, konsequent am Wortlaut des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG orientiert zur Folge, dass alle Bürger unabhängig von ihrer Einkommenshöhe die Hälfte ihrer jeweiligen Erträge an den Fiskus abzuführen hätten. Denn es heißt dort nicht „höchstens zugleich“. Dies wäre aber mit dem Sozialstaatsprinzip kaum zu vereinbaren260. Doch auch der Subsidiaritätsgrundsatz ist nicht geeignet, eine hälftige Teilung als Belastungsobergrenze zu rechtfertigen261. Das Subsidiaritätsprinzip hat im Wesentlichen zum Inhalt, die Verantwortung Dritter oder des Gemeinwesens erst dann eingreifen zu lassen, wenn oder soweit der einzelne den betreffenden Zweck nicht selbst verwirklichen kann262. Die Befürworter des Halbteilungsgrundsatzes sehen den maßgeblichen Zweck im Hinblick auf die Eigentumsgarantie zu Recht darin, dass der Mensch unter Einsatz seines Eigentums für sich selbst und seine Familie primär selbst sorgen müsse und dürfe. Nicht nachvollziehbar ist jedoch die Schlussfolgerung, eine über die hälftige Teilung hinausgehende Besteuerung vereitele diese Wahrnehmung der Erstverantwortung des einzelnen. Denn das Leistungsfähigkeitsprinzip in Verbindung mit dem Demokratieprinzip dürfte immerhin verbürgen, dass über 50 % hinausgehende ertragsteuerliche Belastungen regelmäßig nur Erträge betreffen, die bereits ganz erheblich über den zur Deckung des Existenznotwendigen erforderlichen Bedarf hinausgehen. Das Existenzminimum selbst ist ohnehin aufgrund des Art. 1 Abs. 1 GG steuerlich unantastbar263. Es ist darum nicht ersichtlich, inwieweit eine solche Besteuerung die Fähigkeit des einzelnen, aus eigener Kraft durch Nutzung seines Eigentums für sich selbst und seine Angehörigen ohne Zuhilfenahme staatlicher Mittel zu sorgen, in Frage stellen könnte. Der Schluss vom Primat der individuellen Selbstverantwortung auf den Vorrang der Privatnützigkeit des Eigentumsgebrauchs trägt nicht. Schließlich liegt in einer über die hälftige Teilung hinausgehenden Besteuerung auch kein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 2 GG, wonach kein Grundrecht ________________________

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Ausführlich und ablehnend ebenfalls D. Birk in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/ FGO, § 4 AO (Stand: 11/98), Rz. 628. Äußerst kritisch schließlich J. Eschenbach, DStZ 1997, S. 413 (414). M. Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 48. So auch J. Lang, NJW 2000, S. 457 (459). So auch K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 453; F. Kirchhof, StuW 2002, S. 185 (192 f.). Gl. A. K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 451 f.; P. Fischer, FR 1999, S. 1292 (1293). Ausführlich J. Isensee in: Isensee/Kirchhof, HdBStR III, 2. Aufl., § 57 Rz. 165 ff. S. unten II.6.b.

Auf die Dividendenbesteuerung einwirkende Grundrechte und Verfassungsprinzipien

in seinem Wesensgehalt angetastet werden darf. Allerdings zählt die prinzipielle Privatnützigkeit auch des geldwerten Ertrags der Eigentumsnutzung zum Wesen der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG264. Angetastet wird dieser Wesensgehalt jedoch nur, wenn die Privatnützigkeit faktisch aufgehoben wird, was erst bei Steuerbelastungen deutlich über 80 % angenommen werden dürfte. Das bloße Überwiegen der Fremdnützigkeit genügt hingegen nicht, da dem Eigentümer dann dennoch ein relevanter Kernbestand privater Verwendung des Ertrags erhalten bleibt265. Es bleibt somit dabei, dass eine absolute Besteuerungsgrenze nicht Art. 14 GG selbst entnommen werden kann. Erst wenn die Steuerlast den Eigentumsgebrauch erdrosselt bzw. als ökonomisch sinnlos erscheinen lässt, kann eine Verletzung des Art. 14 GG angenommen werden266.

4. Das Grundrecht der Berufsfreiheit, Art. 12 GG Nicht in gleichem Maße im Blickpunkt der aktuellen steuerverfassungsrechtlichen Diskussion wie Art. 14 GG, jedoch gleichermaßen umstritten ist die Bedeutung der Berufsfreiheit des Art. 12 GG als Besteuerungsschranke. Für die Dividendenbesteuerung könnte sie auf den ersten Blick vor allem bei unternehmerischen Beteiligungen relevant werden, die zur Stützung oder Verwirklichung der betrieblichen Geschäftsziele des Anteilseigners erworben bzw. gehalten werden. Auch bei Art. 12 GG lässt sich eine Kluft zwischen einer nach wie vor restriktiven Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht einerseits und eine auf Effektuierung des freiheitsrechtlichen Gehalts des Grundrechts drängenden Lehre andererseits feststellen. So ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts der Schutzbereich der Berufsfreiheit durch die Erhebung von Abgaben erst dann betroffen, wenn diese in engem Zusammenhang mit der Berufsausübung stehen und eine objektiv berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen lassen267. Bei allgemeinen Steuergesetzen soll es regelmäßig ________________________ 264 S. oben unter a) bb) (4). 265 Vgl. auch W. Rüfner, in: Die staatliche Einwirkung auf die Wirtschaft, S. 647 (651):

Die Privatnützigkeit als Wesensmerkmal des Art. 14 GG ist durch eine Ertragsteuer erst dann in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise angetastet, wenn jene das Einkommen vollständig oder fast vollständig entzöge. Vgl. ferner P. Selmer, Steuerinterventionismus, S. 321 ff.; D. Birk in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO (Stand: 11/98), Rz. 608 u. 615. 266 Im Ergebnis gl. A. ist D. Birk in: Tipke/Bozza, Besteuerung von Einkommen, S. 103 (107). 267 BVerfG v. 30.10.1961 – 1 BvR 833/59, BVerfGE 13, S. 181 (186); BVerfG v. 22.5.1963 – 1 BvR 78/56, BVerfGE 16, S. 147 (162); BVerfG v. 5.3.1974 – 1 BvL 27/72, BVerfGE 37 S. 1 (17); BVerfG v. 11.10.1977 – 1 BvR 343/73, BVerfGE 47,

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daran fehlen, weil sie nicht an einen bestimmten Beruf, sondern an generelle Merkmale wie Gewinn oder Ertrag anknüpften268. Demgegenüber brandmarkt ein großer Teil des wissenschaftlichen Schrifttums diese Grundsätze als von der allgemeinen Grundrechtsdogmatik überholt. Der Schutz vor mittelbaren Eingriffen in die Berufsfreiheit setze wesentlich früher an. Für die Eröffnung des Schutzbereichs genüge, dass die Besteuerung den der Schaffung einer Lebensgrundlage dienenden Mittelerwerb aus beruflicher Tätigkeit nicht unerheblich beeinträchtige269. Ein in diese Richtung zielender Paradigmenwechsel deutet sich neuerdings auch in der Rechtsprechung des zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts an270. Eine nähere Befassung mit diesem Streit und den gegebenenfalls zu beachtenden Grenzen der Einschränkungsmöglichkeiten des Art. 12 Abs. 1 GG durch die Besteuerung erübrigt sich jedoch im Rahmen dieser Arbeit, die auf die Untersuchung der Besteuerung von Dividenden beschränkt ist. Im Bereich der Ertragsbesteuerung bedarf es nämlich der Abgrenzung zwischen der Eigentumsgarantie einerseits und dem Schutzbereich des Art. 12 GG andererseits, wenn auch nicht im Sinne strikter Alternativität, da grundsätzlich beide durch die Beeinträchtigung des privatnützigen Erwerbs betroffen sind. Diese Abgrenzung ist unter Orientierung an der sozialen Funktion der jeweiligen Ertragserzielung vorzunehmen271. Dominiert der Einsatz oder die Nutzung eines Eigentumsgegenstandes, so ist Art. 14 GG als speziellere Gewährleistung anzusehen, wohingegen bei maßgeblich durch den persönlichen Einsatz als Unternehmer oder Arbeitnehmer erwirtschafteten Erträgen Art. 12 GG der Vorrang zukommt. Lediglich wenn die eigene Arbeits________________________

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271

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S. 1 (21); BVerfG v. 19.6.1985 – 1 BvL 57/79, BVerfGE 70, S. 191 (214); BVerfG v. 7.5.1998 – 2 BvR 1876/91 u. a., BVerfGE 98, S. 83 (97); BVerfG v. 7.5.1998 – 2 BvR 1991/95 u. a., BVerfGE 98, S. 106 (117). BVerfG v. 11.10.1977 – 1 BvR 343/73 –, BVerfGE 47, S. 1 (21). Zustimmend J. Wieland in: Dreier, GG, Art. 12 Rz. 79. Vgl. H. Weber/G. Crezelius in: GS Klein, S. 542 (549 f.); R. Scholz in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 12 Rz. 415; K. H. Friauf, DStJG 12, S. 3 (25 f.); M. Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 39; R. Seer, DStJG 23, S. 87 (93 f.); K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 434; F. Kirchhof, StuW 2002, S. 185 (194); K. Vogel/C. Waldhoff in: Bonner Kommentar, GG, Vorbem. z. Art. 104a – 115 (Stand: 12/97), Rz. 563; G. Manssen in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl., Art. 12 Abs. 1, Rz. 74. Differenzierend H. Hohmann, DÖV 2000, S. 406 (408 ff.). BVerfG v. 25.9.1992 – 2 BvL 5/91 u. a., BVerfGE 87, S. 153 (169); BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, S. 121 (137): Die Steuergesetze griffen „in die allgemeine Handlungsfreiheit gerade in deren Ausprägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und im beruflichen Bereich (Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG)“ ein. So auch M. Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 38 f.; ähnlich F. Kirchhof, StuW 2002, S. 185 (194).

Auf die Dividendenbesteuerung einwirkende Grundrechte und Verfassungsprinzipien

leistung als Unternehmer und der Einsatz von eigenen Eigentumspositionen in etwa gleichrangig zur Ertragserzielung beitragen, sind Art. 14 GG und Art. 12 GG nebeneinander anzuwenden272. Beim Dividendenbezug führt die rechtliche Eigenständigkeit der ausschüttenden Körperschaft gemäß Art. 19 Abs. 3 GG dazu, dass sie selbst und nicht ihr Gesellschafter bzw. Anteilseigner dem Schutz der Berufsfreiheit für die selbständig ausgeübte Tätigkeit unterfällt. Das gilt selbst dann, wenn letzterer als Alleingesellschafter im Unternehmen tätig ist; in diesen Fällen tritt dann lediglich zusätzlich noch der Schutz der insofern unselbständigen Tätigkeit des Gesellschafters neben den der Gesellschaft273. Daraus folgt, dass der Bezug von Dividenden als Gewinnausschüttungen unter keinen Umständen als Ertrag eigener unternehmerischer Tätigkeit durch Art. 12 GG geschützt ist. Er beruht vielmehr maßgeblich auf dem Halten von Anteilen an körperschaftlich verfassten Unternehmen, d. h. die Erträge fließen aus einer eigentumsrechtlich verfestigten Rechtsposition zu. Ein eventuell mit der Stellung als Anteilseigner verbundener persönlicher Einsatz etwa auf Gesellschafterversammlungen o. Ä. tritt demgegenüber in den Hintergrund. Damit verdrängt der – nach den obigen Feststellungen durch die Ertragsbesteuerung ausgelöste – Schutz des Art. 14 GG die Berufsfreiheit hinsichtlich der Dividendenerträge. Einen eigenständigen Anwendungsbereich kann die Berufsfreiheit für die Dividendenbesteuerung allenfalls noch mittelbar haben, insoweit das Körperschaftsteuersystem die Freiheit der Rechtsformwahl tangiert. Die Freiheit der Berufsausübung umgreift nämlich auch die privatautonome Wahl der Rechtsform und Organisation, in welcher die berufliche Tätigkeit ausgeübt werden soll274. Eine unterschiedliche Besteuerung der verschiedenen von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellten Rechtsformen beeinflusst diese Wahl und greift insoweit mittelbar in die Berufsfreiheit ein275. Dem Art. 12 Abs. 1 GG lässt sich darum auch ein Gebot der Rechtsformneutralität der ________________________ 272 Vgl. H.-J. Papier in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 (Stand: 05/94), Rz. 220; M. Jachmann,

Steuergesetzgebung, S. 36 ff.; R. Seer, DStJG 23, S. 87 (95). 273 Vgl. dazu VGH Baden-Württemberg v. 6.10.1998 – 9 S 2652/96, nicht veröffentl. 274 BVerfG v. 15.3.1967 – 1 BvR 575/62, BVerfGE 21, S. 227 (232); M. Jachmann,

Steuergesetzgebung, S. 62 f. m. w. N.; P. J. Tettinger in: Sachs, GG, 3. Aufl., Art. 12 Rz. 57. 275 Auch wenn die rechtsformabhängige Besteuerung der Unternehmen nicht auf eine Beeinflussung der Rechtsformwahl abzielt (nach eigener Aussage des Gesetzgebers ist dieser vielmehr um Rechtsformneutralität der Besteuerung bemüht, vgl. die Begründung zum Entwurf des StSenkG 2000, BT-Drs. 14/2683, S. 94), sind die Auswirkungen auf das Verhalten der betroffenen Steuerpflichtigen doch in einem Maße vorhersehbar, das die Eingriffsqualität der Besteuerungsunterschiede begründet (vgl. dazu D. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 216).

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Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts

Besteuerung entnehmen276, welches durch eine von der Besteuerung sonstiger Unternehmenserträgen abweichende Dividendenbesteuerung tangiert sein kann277. Hierauf wird jedoch im Rahmen dieser Arbeit nicht näher eingegangen werden278.

5. Die Vereinigungsfreiheit, Art. 9 GG Auch die Vereinigungsfreiheit des Art. 9 GG ist vor allem in ihrer negativen Ausprägung in jüngster Zeit als weitere freiheitsrechtliche Grundlage des Gebots rechtsformneutraler Besteuerung in die Diskussion eingebracht worden279. Dieser mögliche Schutzaspekt soll hier ebenfalls nicht weiter erörtert werden. Von Bedeutung könnte die Vereinigungsfreiheit für den Untersuchungsgegenstand allenfalls dann sein, wenn die Dividendenbesteuerung als – gegebenenfalls mittelbarer – Eingriff in das Recht, eine Kapitalgesellschaft zu bilden und diesen gesellschaftlichen Zusammenschluss beizubehalten, verstanden werden könnte. Indes wird dies soweit ersichtlich zu Recht nicht vertreten280. Dabei kann hier dahingestellt bleiben, ob wirtschaftliche Vereinigungen, namentlich Kapitalgesellschaften, überhaupt in den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 1 GG einbezogen sind281. Es fehlt jedenfalls an einer Betrof________________________ 276 S. Sieker, DStJG 25, S. 145 (155); J. Hey, DStJG 24, S. 155 (171 ff.); A. Kraft,

Rechtsformabhängige Besteuerung, S. 17; M. Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 62 f. 277 W. Schön, Stbg 2000, S. 1 (6). 278 Eine Untersuchung der Rechtsformneutralität der Besteuerung würde den Rahmen

der Arbeit überschreiten. Es sei an dieser Stelle nur auf die Überlegungen von S. Sieker, DStJG 25, S. 145 ff.; J. Pelka, StuW 2000, S. 389 ff., und von J. Hey, DStJG 24, S. 155 ff. verwiesen. 279 P. Kirchhof, StuW 2000, S. 221 (230 f.); ders. StuW 2002, S. 3 (11); ders., DStJG 24, S. 9 (19). Zustimmend J. Hennrichs, StuW 2002, S. 201 (202, Fn. 6); F. Kirchhof, StuW 2002, S. 185 (194 f.); ablehnend A. Kraft, Rechtsformabhängige Besteuerung, S. 18; S. Sieker, DStJG 25, S. 145 (156 ff.); R. Seer, StbJb 2000/01, S. 15 (23 f.); J. Pelka, StuW 2000, S. 289 (392 f.); J. Hey, DStJG 24, S. 155 (172 f.). 280 Vgl. auch P. Kirchhof, StuW 2000, S. 221 (231): Die Modifikation (und wohl auch Ausgestaltung) der Besteuerung im Rahmen einer bestimmten Organisationsform, etwa der Dividendenbesteuerung, bewirkt aus deren Binnenperspektive auch seiner Auffassung nach keinen Eingriff in die Vereinigungsfreiheit. 281 Eine ablehnende Haltung ließ zumindest bei der Aktiengesellschaft bisher vor allem das Bundesverfassungsgericht erkennen, vgl. die Entscheidungen v. 20.7.1954 – 1 BvR 459 /52 u. a., BVerfGE 4, S. 7 (26) und v. 7.8.1962 – 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, S. 263 (273 ff.); offengelassen von BVerfG v. 1.3.1979 – 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, S. 290 (355 f.). Im staatsrechtlichen Schrifttum wird die Frage hingegen überwiegend bejaht, vgl. z. B. D. Merten in: Isensee/Kirchhof, HdBStR VI, § 144 Rz. 39 ff.; W. Löwer in: v. Münch/Kunig, GG, 5. Aufl., Art. 9 Rz. 31 m. w. N.

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Auf die Dividendenbesteuerung einwirkende Grundrechte und Verfassungsprinzipien

fenheit des Schutzbereichs insoweit, als dass sich die Dividendenbesteuerung auf das nach Art. 9 Abs. 1 GG geschützte Verhalten nicht auswirkt: Denn das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit schützt grundsätzlich nur den organisatorischen Gehalt der Gesellschaftsbetätigung. Er gewährleistet die Gründung, den Beitritt, das Verbleiben in wie auch das Fernbleiben von der Gesellschaft und darüber hinaus auch die interne Meinungsbildung und Organisationsautonomie282. Demgegenüber sind Außenaktivitäten, die den Gesellschaftszweck realisieren, jedenfalls dann nicht vom Schutzbereich des Art. 9 Abs. 1 GG erfasst, wenn die Gesellschaft insoweit wie jedermann im Rechtsverkehr tätig wird283. Zwar lassen sich interne Betätigungsfreiheit und gesellschaftsexterne Zweckverwirklichung nicht immer streng trennen, und insofern schützt Art. 9 Abs. 1 GG auch einen „Kernbereich“ der Vereinstätigkeit284. Dieser Schutz muss aber dort seine Grenze finden, wo der Außenkontakt nicht mehr vereinigungssichernde und vereinigungsbezogene Ziele, sondern Erwerbszwecke verfolgt. In dieser Beziehung genießt die Vereinigung keinen über den Rechtsschutz des Individuums hinausreichenden Grundrechtsschutz285. Andernfalls würde die in Art. 19 Abs. 3 GG zum Ausdruck kommende Wertung, wonach juristische Personen nur unter engeren Voraussetzungen als natürliche Personen den Grundrechtsschutz der Art. 12 und 14 GG beanspruchen können, über die Anwendung des Art. 9 Abs. 1 GG in ihr Gegenteil verkehrt, weil dieses Grundrecht wegen der verminderten Einschränkungsmöglichkeiten noch stärkeren Schutz vor staatlichen Eingriffen bietet als die Art. 12 und 14 GG286. Die Gegenauffassung, welche auch jegliche externe Vereinsbetätigung dem Schutz des Art. 9 Abs. 1 GG

________________________

282 283

284 285 286

auch zur Gegenauffassung; H. Bauer in: Dreier, GG, Art. 9 Rz. 38; differenzierend R. Scholz in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 (Stand: 02/99), Rz. 93. Problematisch ist jedenfalls die Einbeziehung der Ein-Mann-Gesellschaften in den Schutzbereich des Art. 9 GG. H. Bauer in: Dreier, GG, Art. 9 Rz. 39. BVerfG v. 14.5.1985 – 1 BvR 449/82 u. a., BVerfGE 70, S. 1 (25); v. 12.10.1995 – 1 BVR 1938/93, NJW 1996, S. 1203; W. Höfling in: Sachs, GG, 3. Aufl., Art. 9 Rz. 20; H. Bauer in: Dreier, GG, Art. 9 Rz. 40; A. Rinken in: Alternativkommentar, GG, Art. 9 Abs. 1, Rz. 54; W. Löwer in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 9 Rz. 16; M. Kemper in: v. Mangold/Klein/Starck, GG, Art. 9 Abs. 1 Rz. 28 f. m. w. N.; D. Merten in: Isensee/Kirchhof, HdBStR IV, § 144 Rz. 50. Vgl. BVerfG v. 24.2.1971 – 1 BvR 438/68 u. a., BVerfGE 30, S. 227 (241); v. 15.6.1989 – 2 BvL 4/87, BVerfGE 80, S. 244 (253). S. Sieker, DStJG 25, S. 145 (156); M. Kemper in: v. Mangold/Klein/Starck, GG, Art. 9 Rz. 28 f. Ähnlich D. Merten in: Isensee/Kirchhof, HdBStR IV, § 144 Rz. 50.

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Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts

unterstellen will287, sieht diesen Widerspruch ebenfalls und muss ihm durch die Konstruktion ungeschriebener, mit Art. 12 und 14 GG korrespondierender Schrankenvorbehalte Rechnung tragen. Diese Lösung ist nicht nur überflüssig288; sie ist auch dogmatisch fragwürdig und überdehnt ohne Not den Gewährleistungsgehalt der Vereinigungsfreiheit. Die Besteuerung des Ertrags der Gesellschaft, einmal bei dieser und nach Ausschüttung auch beim Gesellschafter, knüpft an ein allgemeines Erwerbshandeln im Rechtsverkehr an. Die Gesellschaft beteiligt sich insoweit wie jedermann am Wirtschaftsverkehr. Die Steuerpflicht greift gerade nicht in den Bestand der Gesellschaft oder den kollektiven Willensbildungsprozeß ein289. Sie tangiert aus Sicht des Gesellschafters darum grundsätzlich nur seine Eigentümer-, nicht aber auch seine Vereinigungsfreiheit. Art. 9 Abs. 1 könnte durch die Dividendenbesteuerung mithin allenfalls in Extremfällen verletzt sein, wenn sie konfiskatorische Züge annähme und eine Fortführung bestehender Kapitalgesellschaften faktisch unmöglich machen würde290.

II. Für die Dividendenbesteuerung maßgebliche Subprinzipien Bei den zuvor erörterten Grundrechten und Verfassungsmaßstäben handelt es sich um systemtragende Prinzipien des Steuerrechts. Es entspricht ihrem Rang und ihrer Natur, dass sie näherer Konkretisierung und Begrenzung bedürfen. Nur so werden sie operabel und erlauben eine umfassende Beurteilung gesetzgeberischer Entscheidungen. Das gilt in besonderem Maße für das Leistungsfähigkeitsprinzip als dem Fundamentalprinzip der Steuergerechtigkeit291. Dabei kann dieser oberste Grundsatz nicht für das gesamte Steuerrecht einheitlich durch stets dieselben Subprinzipien konkretisiert ________________________ 287 Stellv. für andere: R. Scholz in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 (Stand: 02/99), Rz. 86;

288 289 290 291

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I. v. Münch in: Bonner Kommentar, GG, Art. 9 (Stand: 06/66), Rz. 47; ähnlich früher auch das BVerfG, vgl. die Entscheidung v. 1.7.1980 – 1 BvR 247/75, BVerfGE 54, S. 237 (251). A. Rinken in: Alternativkommentar, GG, Art. 9 Abs. 1, Rz. 54. J. Hey, DStJG 24, S. 155 (173). J. Hey, DStJG 24, S. 155 (173); H. Weber, JZ 1980, S. 545 (547); ders., Besteuerung der selbständigen Unternehmen, S. 55 ff. Zur Konkretisierungsbedürftigkeit oberster Wertungsgrundsätze vgl. allgemein F. Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S. 35 f.; C.-W. Canaris, Systemdenken, S. 57 f.; speziell zum Leistungsfähigkeitsprinzip siehe J. Lang in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 4 Rz. 83; ders., DStJG 24, S. 49 (56 f.); ders., Bemessungsgrundlage, S. 100; D. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 52 ff.; P. Kirchhof, StuW 1985, 319 (327); J. Beil, Belastungsgrund, S. 73.

Für die Dividendenbesteuerung maßgebliche Subprinzipien

werden. Diese sind vielmehr bereichsspezifisch auszuformen und je nach Steuergut und direkter oder indirekter Belastungswirkung zu differenzieren292. Für die Zwecke dieser Arbeit sollen sie darum auch nur im Hinblick auf die Dividendenbesteuerung detailliert werden. Die Weiterentwicklung des Leistungsfähigkeitsprinzips und der übrigen systemtragenden Prinzipien zu einem auf ihnen basierenden, steuergruppenspezifischen Wertesystem ist in erster Linie verfassungsgeleitet durch verfassungskräftige Subprinzipien vorzunehmen293. Denn die Verfassung stellt selbst eine verbindliche Wertordnung dar, deren Wertungen bei der Ausdifferenzierung dem einfachen Recht zugrundeliegender Prinzipien zu beachten sind. Allerdings wäre es verfehlt anzunehmen, die Verfassung gebe das gesamte System leistungsfähigkeitsgerechter, eigentumsschonender und verhältnismäßiger Besteuerung bereits bis ins Detail vor. Dafür ist das Grundgesetz zu „offen“ angelegt in dem Sinne, dass es die Abwägung zwischen den von ihm benannten, oftmals widerstreitenden Grundwerten dem Gesetzgeber überlässt. Dieser ist aufgerufen und befugt, insoweit einen Ausgleich zu schaffen, wobei er sich freilich an den Sachgesetzlichkeiten der zu regelnden Materie orientieren muss294. Dabei kann er ordnungsstiftende einfachgesetzliche Prinzipien etablieren, die zwar keinen Verfassungsrang aufweisen, aber bei der folgerichtigen Ausgestaltung des Steuersystems beachtet werden müssen295. Das Leistungsfähigkeitsprinzip und die weiteren oben erörterten Grundwertungen lassen sich anhand der Verfassung und des geltenden Rechts im Bereich der Dividendenbesteuerung gegenwärtig durch folgende Prinzipien konkretisieren:

1. Universalitätsprinzip Der Gleichheitssatz verlangt, dass alle natürlichen Personen ohne Ausnahme zur Zahlung von Steuern nach Maßgabe ihrer persönlichen Leistungsfähigkeit herangezogen werden. Dieses Universalitätsprinzip ist eine elementare Bedingung gleichmäßiger Lastenausteilung im Bereich der Besteuerung erzielter Vermögenszuwächse, so dass es verfassungsrechtlich fundiert ist296. Seinen einfachgesetzlichen Niederschlag findet dieser Grundsatz in § 1 EStG. In der spanischen Parallelvorschrift des Art. 1 LIRPF findet er als ________________________ 292 Vgl. J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 4 Rz. 14. 293 Ebenso J. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 125 f. u. 132; ähnlich R. Zippelius, Recht

und Gerechtigkeit, S. 323 f. 294 So auch K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 325. 295 J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 4 Rz. 15. 296 J. Lang, DStJG 24, S. 49 (61); ders., Bemessungsgrundlage, S. 115 f. u. 167 f.

163

Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts

„principio de generalidad“ ausdrückliche Erwähnung297. Eine Begrenzung erfährt dieser Grundsatz lediglich durch das völkerrechtliche Verbot, die Steuerpflicht auf Personen auszudehnen, die keine persönliche oder tatsächliche Verbindung zum steuererhebenden Staat aufweisen298. Dem entspricht die Eingrenzung der beschränkten Einkommensteuerpflicht auf bestimmte inlandsradizierte Einkünfte durch §§ 1 Abs. 4; 49 EStG. Das Universalitätsprinzip gilt in gleicher Weise für Kapitalgesellschaften, wenn man diesen richtigerweise eine vorläufige steuerliche Leistungsfähigkeit zuerkennt. Dies ist jedenfalls in den Fällen anzunehmen, in denen an den Gewinnen zumindest mittelbar auch natürliche Personen partizipieren sollen. Da diese selbst dem Universalitätsprinzip unterliegen, muss es dann auch auf Gesellschaftsebene Wirkungskraft entfalten. Denn wie bereits dargelegt wurde, ändert sich mit der Erfassung der Gewinne zunächst auf Ebene der Kapitalgesellschaft lediglich der personale Anknüpfungspunkt der Besteuerung, um eine zeitnahe Erfassung der Vermögenszuwächse zu gewährleisten. Ausschlaggebend bleibt aber die Perspektive der natürlichen Personen als – ggf. mittelbare – Anteilseigner, die auch hinsichtlich des Besteuerungszugriffs auf durch Kapitalgesellschaften erwirtschaftete Vermögenszuwächse gleichbehandelt werden müssen. Darüber hinaus gebietet der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität die subjektive Steuerpflicht prinzipiell aller Kapitalgesellschaften. Auch hier gilt freilich wieder die oben genannte völkerrechtliche Einschränkung.

2. Prinzip der Individualbesteuerung Träger des Grundrechts des Art. 3 Abs. 1 GG ist primär das Individuum. Das folgt schon daraus, dass das Gebot der Gleichbehandlung aller Menschen vor dem Gesetz unmittelbare Ausprägung der jedem Einzelnen kraft seines individuellen Menschseins zukommenden Menschenwürde ist299. Der Einzelne kann verlangen, im Verhältnis zu anderen in einer vergleichbaren Lage gleich, in einer verschiedenartigen Situation ungleich behandelt zu werden. Ist Maßstab für die Rechtfertigung einer Gleich- bzw. Ungleichbehandlung das Leistungsfähigkeitsprinzip, so wird demzufolge stets auf die

________________________ 297 Auch in Spanien wird das Universalitätsprinzip darüber hinaus als vefassungsrecht-

lich in Art. 31.1 CE fundiert angesehen, vgl. TC v. 10.11.1988, 209/1988. 298 Vgl. O. H. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 5. Aufl., S. 8 m. w. N.;

B. Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, S. 37; F. Wassermeyer, DStJG 8, S. 49 (53); H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 3.14 m. w. N. 299 Vgl. K. Stern, Staatsrecht Bd. III/1, S. 36 f.

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Für die Dividendenbesteuerung maßgebliche Subprinzipien

individuelle Leistungsfähigkeit der natürlichen Person abzustellen sein300. Basis der steuerlichen Bemessungsgrundlage muss mithin der beim jeweiligen individuellen Steuersubjekt eingetretene Vermögenszuwachs sein301. Das Prinzip der Individualbesteuerung genießt auch in der Rechtsprechung des spanischen Verfassungsgerichts hohen Rang302. Da auch jede einzelne Kapitalgesellschaft über Art. 19 Abs. 3 GG im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG grundrechtsberechtigt ist, muss auch für sie im Prinzip eine individuelle Besteuerung durchgeführt werden303. Denn damit ist der Belastungsmaßstab, die – wenn auch vorübergehende- Leistungsfähigkeit der Gesellschaft, wiederum im Verhältnis der einzelnen Grundrechtsträger zueinander zu effektuieren. Allerdings ist die Individualbesteuerung der Kapitalgesellschaft nicht über die Verankerung in der Menschenwürde gleichsam a priori vorgegeben. Eine Kapitalgesellschaft kann sich im Unternehmensverbund derart der Fähigkeit begeben, Vermögenszuwächse ________________________ 300 So auch R. W. Könemann, Individualbesteuerung, S. 30 u. 34. Einen anderen Ansatz

wählt P. Kirchhof, der ausgehend von Art. 14 Abs. 1 GG das Einkommen als ökonomische Grundlage individueller Freiheit betrachtet und darum ein Anknüpfen der Steuerbarkeit an die individuellen Einkommensverhältnisse fordert. Vgl. dazu die Ausführungen in StuW 2002, S. 3 (4 ff.) und StuW 1985, S. 319 (327). 301 Der Aussage, das Prinzip der Individualbesteuerung stehe grundsätzlich auch der steuerlichen Berücksichtigung des Transfers von Vermögenszuwächsen (bzw konkret: Einkünften) entgegen, die das transferierende Individuum erwirtschaftet habe (so J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 9 Rz. 22), kann hingegen nur bedingt zugestimmt werden. Richtig daran ist, dass der Indikator „Vermögenszuwachs“ aus Punktgrößen einzelner Vermögensmehrungen resultiert, die sich mit ihrer Verwirklichung unmittelbar auf die individuelle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (nur) desjenigen Individuums auswirken, dessen Vermögen betroffen ist. Damit steht aber noch nicht fest, ob die mit der Weiterleitung verbundene Vermögensminderung (die ggf. auch in einer Abkürzung des Zahlungsweges liegen kann) nicht auch wieder die individuelle Leistungsfähigkeit des Betroffenen mindert. Erst recht lässt sich anhand des Grundsatzes der Individualbesteuerung keine Aussage darüber treffen, ob der transferierte Vermögenszuwachs beim Empfänger die individuelle Leistungsfähigkeit erhöht. Die erste Frage betrifft vielmehr die steuerliche Relevanz von Vermögensminderungen, die zweite die sachgerechte Eingrenzung der aggregierten Größe „Vermögenszuwachs“. Angesprochen sind damit Nettoprinzip und Markteinkommensprinzip, s. u. 302 TC v. 20.2.1989, 45/1989: „La sujeción conjunta al impuesto de los miembros de la unidad familiar no puede transformar el Impuesto sobre las Personas Físicas en un impuesto de grupo porque esta transformación infringe el derecho fundamental de cada uno de tales miembros, como sujetos pasivos del impuesto a contribuir, de acuerdo con su propia capacidad económica, en la misma cuantía en que habrían de hacerlo, si manteniendo esa misma capacidad, tributasen separadamente.“ [Hervorhebung durch den Verf.] 303 Eine Ausnahme gilt nur für nicht EU-ansässige Kapitalgesellschaften, auf die Art. 19 III GG nicht anwendbar ist, vgl. oben I.2.a) dd).

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Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts

über eine bloß formale Zuordnung hinaus als eigene erscheinen zu lassen, dass diese vielmehr wirtschaftlich als von der dahinterstehenden natürlichen oder juristischen Person erzielt anzusehen sind. Es ist vertretbar, ihr dann eine individuelle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht mehr zuzusprechen. In diesem Fall ist zu gewährleisten, dass die erzielten Erträge bei der sie beherrschenden Person individuell versteuert werden.

3. Totalitätsprinzip Komplementär zu Universalitätsprinzip und Individualbesteuerung als subjektbezogenen Postulaten verlangt das Totalitätsprinzip in objektiver Hinsicht die Einbeziehung sämtlicher Vermögenszuwächse eines Individuums in die Bemessung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit304. Die Entscheidung für einen bestimmten Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit bedingt im Ausgangspunkt dessen vollständige Erfassung, um eine sichere Vergleichsgrundlage zu haben. In seiner ungemilderten Form entspricht das Totalitätsprinzip darum der steuerlichen Reinvermögenszugangstheorie305. Das geltende Recht der direkten Besteuerung, namentlich § 15 Abs. 2 S. 1 EStG, lässt freilich erkennen, dass als steuerliche Leistungsfähigkeit indizierend prinzipiell nur am Markt realisierte und wertbestätigte Vermögenszuwächse angesehen werden. Diese Ausprägung der sogenannten Markteinkommenstheorie306 bedeutet eine sachgerechte und wohlbegründete Zurücknahme des Totalitätsprinzips. Anders als der nicht realisierte Wertzuwachs ist der am Markt wertbestätigte Vermögenszuwachs ein sicherer, eindeutig bezifferbarer Indikator wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit307 und gewähr________________________ 304 Vgl. J. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 169. J. Beiser, ÖStZ 2000, S. 413 (415)

spricht vom „Prinzip der sachlichen Universalität“. K. Tipke rechnet das Totalitätsprinzip als Subprinzip dem Universalitätsprinzip zu, vgl. StuW 1971, S. 2 (7). 305 Dies unter der weiteren Prämisse des Abzugs erwerbssichernder Aufwendungen, siehe dazu unten II.6.a. Ähnlich J. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 169; J. Beil, Belastungsgrund, S. 108 m. w. N. 306 Die Markteinkommenstheorie wurde erstmals von Roscher, System der Volkswirtschaft Bd. 1, 1883, § 144, postuliert. Seiner Auffassung nach umfasste der Einkommensbegriff nur Einnahmen, „die aus einer wirtschaftlichen Thätigkeit herrühren“ (zitiert nach J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 16. Aufl., § 8 Rz. 30, Fn. 32). In die deutsche steuerjuristische Diskussion wurde sie von H. G. Ruppe auf der 1. Jahrestagung der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft eingeführt. Ruppe sah die „Teilnahme am Marktgeschehen“ als das verbindende Element der meisten Einkunftsquellen an (DStJG 1, S. 7 (19)). Eine umfassende dogmatische Ausgestaltung erfuhr die Markteinkommenstheorie dann v. a. durch J. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 232 ff. 307 J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 8 Rz. 33.

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Für die Dividendenbesteuerung maßgebliche Subprinzipien

leistet die notwendige Liquidität zur Begleichung der Steuerschuld308. Schließlich lässt sich die Markteinkommenstheorie auch unter dem Aspekt der Rechtsanwendungsgleichheit rechtfertigen309. Inwieweit sie auch verfassungsrechtlich fundiert ist, soll hier dahingestellt bleiben310. Dividendeneinkünfte wie auch der Gewinn, aus dem sie sich speisen, sind jedenfalls am Markt erwirtschaftete Vermögenszuwächse. Sie müssen darum einer leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung zugeführt und dürfen prinzipiell nicht steuerfrei gestellt werden.

4. Welteinkommensprinzip Stark umstritten ist, ob das Totalitätsprinzip nicht nur in sachlicher, sondern auch in territorialer Hinsicht weiter einzuschränken ist. Bei Steuerausländern ist dies zwar klar zu bejahen, weil schon völkerrechtliche Grundsätze den Zugriff auf die ohne sachlichen oder persönlichen Bezug zum besteuernden Staat erwirtschafteten ausländischen Vermögenszuwächse verbieten311, eine territoriale Beschränkung somit zwingend vorgegeben ist. Bei Steuerinländern aber steht dem Ideal einer Besteuerung der weltweit erwirtschafteten Leistungsfähigkeit, im Bereich der Ertragsteuern als Welteinkommensprinzip bezeichnet, die Idee einer Begrenzung auf im Inland erzielte Leistungsfähigkeit, das sogenannte Quellenprinzip, gegenüber. Für die Dividendenbesteuerung ist damit zunächst die Frage verbunden, ob Auslands________________________ 308 Zwar kann man am Markt realisierte Vermögenszuwächse nicht ohne weiteres Geld-

vermögenszuwächsen gleichsetzen. Regelmäßig wird aber der Marktvorgang auf Seiten des den Vermögenszuwachs realisierenden Steuerpflichtigen zu einem Zuwachs mindestens an relativ leicht liquidierbaren Vermögenspositionen führen. 309 Vgl. statt aller K. Tipke, StuW 2002, S. 148 (157 u. 174). 310 Für die Charakterisierung als lediglich einfachgesetzliches Strukturprinzip J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 8 Rz. 31 m. w. N.; K. Tipke, StRO II, S. 566 ff. u. 589; H. Söhn in: FS Tipke, S. 343 (349 ff.) m. w. N.; J. Beil, Belastungsgrund, S. 105 ff. Für die verfassungsrechtliche Fundierung aus Art. 14 Abs. 1 GG spricht sich vor allem P. Kirchhof aus, vgl. DStR, Beihefter 5 zu Heft 37/2003, S. 1 u. 5; StuW 2000, S. 3 (4 f.); dens., DStJG 24, S. 9 (14 f.). P. Kirchhof rechtfertigt die Einkommensteuer und damit das Markteinkommensprinzip im wesentlichen äquivalenztheoretisch, indem er die Inanspruchnahme des staatlich bereitgestellten Marktes zur Erwirtschaftung von Vermögenszuwächsen als Belastungsgrund ansieht. Dazu sei an dieser Stelle lediglich angemerkt, dass die Kirchhof’sche Rechtfertigung der Markteinkommenstheorie schwerlich mit dem geltenden Welteinkommensprinzip vereinbar ist (so auch J. Beil, Belastungsgrund, S. 101), an dem aber auch P. Kirchhof festhalten will (vgl. P. Kirchhof u. a., Karlsruher Entwurf, § 1 Abs. 1). 311 O. H. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 5. Aufl., S. 8 m. w. N.; B. Weiser, Rechtsprechung und Rechtssetzung auf dem Gebiet der direkten Besteuerung, S. 55 m. w. N.; B. Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, S. 37; F. Wassermeyer, DStJG 8, S. 49 (53).

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Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts

dividenden überhaupt in die Besteuerung mit einbezogen werden dürfen. Bejahendenfalls müssen sich daran Überlegungen anschließen, ob sie der Gesetzgeber dann dennoch abweichend von Inlandsdividenden behandeln darf312. aa) Nach wohl überwiegender Ansicht soll im Grundsatz eine Besteuerung nach der weltweiten Leistungsfähigkeit ohne jegliche Differenzierung nach der Herkunft der Einkünfte geboten sein313. Unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten könne es keinen Unterschied machen, ob Vermögenszuwächse im Ausland oder im Inland erzielt worden seien. In beiden Fällen sei der Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit in gleicher Weise berührt, so dass sich eine Herausnahme von Erträgen bzw. Differenzierung in Abhängigkeit von ihrer Herkunft verbiete314. Eng damit verbunden ist die Argumentation aus dem „Wesen“ von Einkommen- und Körperschaftsteuer als einer Personensteuer. Diese richte sich an der persönlichen, individuellen Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuersubjekts aus und nicht handlungsbezogen an der Art oder aber dem Ort der steuerbaren Tätigkeit315. Ergänzend ziehen die Vertreter des Welteinkommensprinzips schließlich äquivalenz- bzw. nutzentheoretische Gesichtspunkte heran: Da der Steuerinländer seinen Lebensmittelpunkt im räumlichen Bereich des besteuernden Staates habe, nehme er auch in weit stärkerem Maße inländische staatliche Leistungen in Anspruch. ________________________ 312 Demgegenüber ist unbestritten, dass ein Zugriff auf die noch nicht ausgeschütteten,

im Ausland thesaurierten Gewinne der nichtansässigen Gesellschaft grundsätzlich auszuscheiden hat. Dies ergibt sich aus der Anerkennung auch ausländischer juristischer Personen als ertragsteuerlich selbständige Steuersubjekte. Völkerrechtlich zwingend wäre eine solche Sichtweise hingegen nicht, wie sich anhand der allgemein verbreiteten CFC-Gesetzgebung, speziell in Deutschland anhand der Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 ff. AStG zeigen lässt. Insofern lässt sich in diesem Umstand mit K. Vogel eine selbständige, nicht weiter diskutierte Eingrenzung der Welteinkommensbesteuerung begreifen (DStJG 8, S. 3 (8 f.)). 313 BFH v. 14.4.1993 – I R 29/92, BFHE 170, 454 (457 f.); G. Frotscher in: FS Fischer, S. 549 (560); H. Debatin, BB 1960, S. 1015; ders., FR 1969, S. 277 (278 f.); O. Bühler, Prinzipien, S. 165; O. Gandenberger, DStJG 8, S. 133; T. Menck in: Vogel, ausländische Einkünfte, S. 28 ff.; T. Stapperfend in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, vor §§ 1, 1a EStG (Stand: 7/97), Rz. 31; wohl auch O. H. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 27 ff., insbes. S. 32 f. (anders noch die Vorauflage, S. 22 ff.). So ursprünglich auch J. Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 142 f., welche das Quellenprinzip als – allerdings u. U. gerechtfertigte – Abweichung vom optimal durch das Welteinkommensprinzip verwirklichten Leistungsfähigkeitsprinzip begriff. Deutlich anderer Ansicht jedoch inzwischen in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. KSt (Stand: 09/99), Rz. 51. 314 H. Debatin, FR 1969, S. 277 (278); ähnlich T. Menck in: Vogel, ausländische Einkünfte, S. 28 (33). 315 H. Debatin, FR 1969, S. 277 (278); ähnlich J. Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 142 f.

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Für die Dividendenbesteuerung maßgebliche Subprinzipien

Damit korrespondiere die volle Einbeziehung sämtlicher, auch ausländischer Leistungsfähigkeitselemente in die Bemessungsgrundlage316. bb) Die Gegenauffassung hält hingegen auch eine Orientierung am Quellenprinzip für leistungsfähigkeitsgerecht317. Sie begründet dies hauptsächlich damit, dass sich aus den im Ausland geltenden, unterschiedlichen Rahmenund Standortbedingungen auch eine unterschiedliche steuerliche Leistungsfähigkeit ableiten lasse. Damit aber fehle es an der Vergleichbarkeit mit im Inland erzielten Vermögenszuwächsen318. Im übrigen könne dadurch auch die Wettbewerbsneutralität im Verhältnis zu den ausländischen Wettbewerbern des Steuerpflichtigen bzw. Kapitalimportneutralität gewährleistet werden319. Daneben werden für die Vereinbarkeit des Quellenprinzips mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip, ja seine prinzipielle Vorzugswürdigkeit auch äquivalenztheoretische Argumente ins Feld geführt: Der im Ausland tätige Investor nutze die dort mit staatlicher Unterstützung ausgebildeten Arbeitskräfte, die staatlichen Infrastrukturleistungen, die fremde Rechtsordnung und den Markt des ausländischen Quellenstaates320. Schließlich wird gelegentlich auch vertreten, die territoriale Beschränkung des staatlichen Steueranspruchs trage dazu bei, Doppelbesteuerungskonflikte mit anderen Staaten weitestgehend zu vermeiden321. cc) Aufbauend auf den Überlegungen der Gegenauffassung wird diese teilweise dahingehend weiterentwickelt, dass letztlich ein Nebeneinander beider Prinzipien geboten sei, wie es auch in der Rechtspraxis der entwickelten Industriestaaten anzutreffen sei: Das Quellenprinzip sei vorzuziehen, wenn eine feste wirtschaftliche Verknüpfung mit dem (ausländischen) Tätigkeitsstaat vorliege und Wettbewerbsinteressen eine ausschlaggebende Bedeutung ________________________ 316 BFH v. 14.4.1993 – I R 29/92 –, BFHE 170, 454 (457 f.); H. Debatin, FR 1969,

S. 277 (279). 317 K. Tipke in: Tipke/Bozza, Besteuerung von Einkommen, S. 9 (25 f.); ders. in: Lan-

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desreferate, S. 211 (219); H. Schaumburg in: FS Tipke, S. 125 (130 f.); ders., Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 5.68 f.; J. Beil, Belastungsgrund, S. 75; W. Schön, IStR 1995, S. 119 (122); K. Vogel, DStJG 8, S. 3 (23 ff.); ders. in: FS Klein, S. 361 (368 f.). Tendenziell gl. A. H. Flick in: ausländische Einkünfte, S. 93 (98). H. Schaumburg in: FS Tipke, S. 125 (130); ders., Internationales Steuerrecht, Rz. 5.68; K. Vogel, DStJG 8, S. 3 (26); ders. in: FS Klein, S. 361 (374); J. Beil, Belastungsgrund, S. 76. H. Schaumburg in: FS Tipke, S. 125 (130); ders., Internationales Steuerrecht, Rz. 5.68; K. Vogel, in: FS Klein, S. 361 (374). K. Vogel, DStJG 8, 3 (27); ders., Intertax 1988, S. 393 (398). Ebenso J. Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 163, die mit dieser Überlegung allerdings wohl eine im Quellenprinzip gesehene Durchbrechung des Gebots der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit rechtfertigen will. K. Vogel in: FS Klein, S. 361 (375); ähnlich H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 5.70.

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Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts

zukomme. Demgegenüber sei bei bloßer Kapitalanlage bzw. Portfolioinvestition im Ausland die Verwirklichung des Welteinkommensprinzips angezeigt322. Zur Entscheidung dieser Kontroverse ist es von Bedeutung, zwischen der prinzipiellen territorialen Ausrichtung des Leistungsfähigkeitsprinzips einerseits und der eventuellen Zurücknahme dieses Prinzips im Wege der Harmonisierung mit anderen Besteuerungsprinzipien andererseits zu differenzieren. Im Grundsatz wird man zunächst die Notwendigkeit bejahen müssen, die Besteuerung der inlandsansässigen Steuerpflichtigen am Welteinkommen auszurichten. Mindestens unglücklich ist in dieser Hinsicht zwar die Argumentation aus dem „Wesen“ der Einkommen- bzw. Ertragsteuern heraus. Denn auch bei Anwendung des Quellenprinzips bleibt der Charakter als eine direkte, an der individuellen Leistungsfähigkeit ausgerichtete Personalsteuer erhalten323. Ansonsten ließe es sich auch nicht rechtfertigen, mit dem Bundesverfassungsgericht eine im Grundsatz leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung auch für quellenbesteuerte Nichtansässige zu verlangen324. Wohl aber trifft es zu, dass ausgehend von einem weiten Leistungsfähigkeitsindikator „Vermögenszuwachs“ dessen Herkunft an sich keine Rolle spielen kann. Die individuelle Gesamtleistungsfähigkeit des Steuersubjekts, auf deren gleichmäßige Abschöpfung die Ertragsbesteuerung gerichtet ist, bemisst sich nach der Summe aus inlands- und auslandsradizierten Vermögenszuwächsen. Gleichwohl kann im Ergebnis die Zurücknahme auf die Besteuerung nur der inländischen Einkunftsteile gerechtfertigt sein, wenn dies der Verwirklichung von gegenläufigen Zwecken, namentlich der Vermeidung einer übermäßigen, weil doppelten Besteuerung durch Zurücknahme nationaler Besteuerungsansprüche, dient. Dabei kommt es hier noch nicht auf die Existenz einer entsprechenden verfassungsrechtlichen Verpflichtung an, weil unbestritten ist, dass der Gesetzgeber entsprechende Ziele zumindest aus wirtschafts- und wettbewerbspolitischen Gründen legitimer Weise verfolgen darf 325. Unter diesem Blickwinkel erscheint es dann aber als möglich, die an ________________________ 322 J. Hey, IWB, Fach 3, Gruppe 1, S. 2003 (2006); dies. in: Herrmann/Heuer/Raupach,

EStG/KStG, Einf. KSt, Rz. 51; V. Kluge, Das Internationale Steuerrecht, 4. Aufl., S. 63. Ursprünglich gl. A. auch W. Scheffler, Besteuerung, 1. Aufl., S. 30 f., der diese Auffassung jedoch inzwischen revidiert hat, vgl. W. Scheffler, Besteuerung, 2. Aufl., S. 69 ff. Inzwischen eher kritisch auch O. H. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 5. Aufl., S. 29 ff. 323 So auch H. W. Endriss, FR 1968, S. 338 (340); K. Vogel, DStJG 8, S. 3 (26); J. Beil, Belastungsgrund, S. 77. 324 Siehe dazu oben I.2.a.dd. Vgl. auch A. Paula Dourado, A tributação dos rendimentos de capitais, S. 147 u. 156 f. 325 Siehe dazu sogleich unter 5.

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Für die Dividendenbesteuerung maßgebliche Subprinzipien

sich aus weltweiten Vermögenszuwächsen aggregierte Leistungsfähigkeit letztlich nur quellenorientiert, das heißt beschränkt auf ihre inlandsradizierten Komponenten abzuschöpfen. Für die Aufrechterhaltung der Besteuerung nach dem Welteinkommensprinzip im Ansässigkeitsstaat spricht zwar die Gewährleistung von Kapitalexportneutralität, also die Herstellung von Wettbewerbsgleichheit im Verhältnis zu den übrigen inlandsansässigen Steuerpflichtigen. Auch mag unter äquivalenztheoretischen Gesichtspunkten angeführt werden können, dass die inländischen staatlichen Leistungen der Daseinsvorsorge auch vom Auslandsinvestor beansprucht werden. Demgegenüber streitet aber für das Quellenprinzip der Gedanke der Kapitalimportneutralität. Sieht der Gesetzgeber in vertretbarer Weise den im Ausland investierenden Steuerpflichtigen primär als im Wettbewerb mit den dort ansässigen, konkurrierenden Investoren an, so darf dem durch ein Ausscheiden der aus der Investition resultierenden Auslandseinkünfte aus der inländischen Bemessungsgrundlage Rechnung tragen. In äquivalenztheoretischer Hinsicht wiederum darf nicht übersehen werden, dass Leistungen der Daseinsvorsorge auch durch indirekte Steuern auf die Einkommensverwendung abgedeckt werden, die aufkommensmäßig ständig an Gewicht gewinnen326. Im Ergebnis wird man darum H. Schaumburg beipflichten müssen, der konstatiert: „… neben dem Welteinkommensprinzip [ist] auch das Territorialitätsprinzip eine Konkretisierungsmöglichkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips … Der Gesetzgeber kann sich für das Welteinkommensprinzip oder für das Territorialitätsprinzip, aber auch für das Welteinkommensprinzip und das Territorialitätsprinzip entscheiden, beide Prinzipien also miteinander kombinieren.“327 Dem Gesetzgeber kommt ein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum im Hinblick auf die Frage zu, ob er nach dem Welteinkommens- oder nach dem Quellenprinzip besteuert. Orientierungspunkt muss dabei vornehmlich das Maß der wirtschaftlichen und rechtlichen Einbindung der in Rede stehenden Auslandsaktivität in die ausländische Rechtsund Wirtschaftsordnung sein328. Eine genaue Festlegung ist insoweit nicht angezeigt, wohl aber eine klare Abstufung, hinsichtlich derer sich der Gesetzgeber nicht in Wertungswidersprüche verstricken darf. Er ist darum prinzipiell weder gehindert, Auslandsdividenden in die Besteuerung mit einzubeziehen, noch sie im Inland steuerfrei zu stellen. Sowohl im Hinblick auf die Behandlung der dividendenvermittelnden Beteiligungen untereinander als auch im Vergleich zu sonstigen Auslandseinkünften muss er dabei aber eine konsistente Grundwertung erkennen lassen. ________________________ 326 So auch K. Vogel, DStJG 8, S. 3 (27); ders. in: FS Klein, S. 361 (374). 327 H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 5.68 f. 328 So auch J. Hey in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. KStG, Rz. 51 a. E.

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Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts

Noch nicht beantwortet ist damit die Frage, ob bei der Umsetzung des Welteinkommensprinzips zwischen inländischen und ausländischen Vermögenszuwächsen differenziert, ob insbesondere die Auslandsdividende anders als die Inlandsdividende besteuert werden darf. Ist Indikator der individuellen Leistungsfähigkeit das Welteinkommen, so sind alle Einkommensbestandteile im Grundsatz gleichwertig und vermitteln gleichermaßen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit329. Eine Differenzierung dürfte nur vorgenommen werden, wenn hierfür sachliche Gründe bestehen, die eine unterschiedliche Behandlung nahe legen oder mindestens vertretbar erscheinen lassen. Nicht stichhaltig wäre der Verweis darauf, dass Auslandsinvestments aufwendiger und risikoreicher seien und die hieraus resultierenden Erträge schon aus diesem Grunde zu unterschiedlich zu bewertenden Leistungsfähigkeiten führten330. Denn soweit sich die genannten Umstände überhaupt nachweisen lassen, beeinflussen sie lediglich die Möglichkeiten, Vermögenszuwächse zu erzielen. Wie schon festgestellt wurde, ist die Leistungsfähigkeit aber als Ist-Größe zu verstehen, d. h. abzustellen ist auf den tatsächlich erzielten Vermögenszuwachs und nicht auf die diesen beeinflussenden Faktoren. Aus demselben Grund ist auch die These nicht haltbar, Inlands- und Auslandserträge müssten deshalb unterschiedlich behandelt werden, weil ihnen unterschiedliche Rahmen- und Standortbedingungen zugrunde lägen331. Eine unterschiedliche Qualität der jeweiligen Vermögenszuwächse könnte aber insofern angenommen werden, als dass sie von der ausländischen Steuerrechtsordnung, innerhalb deren Geltungsbereich sie erzielt wurden, regelmäßig abweichend von den hiesigen Maßstäben als besteuerungswürdig angesehen werden. Sobald der Steuerpflichtige Erträge mit Auslandsbezug erwirbt, unterliegen diese einer mindestens zweifachen steuerlichen Würdigung durch den Tätigkeits- wie durch den Ansässigkeitsstaat. Die in ihnen zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit, an der sich die Ertragsbesteuerung weltweit orientiert332, wird dabei regelmäßig unterschiedlich eingeschätzt. Eine Berücksichtigung der abweichenden Wertung durch den ausländischen Quellenstaat im Inland liegt in der Tendenz der im Grundgesetz angelegten ________________________ 329 J. M. Mössner in: Tipke/Bozza, Besteuerung von Einkommen, S. 253 (259). 330 Vgl. K. Vogel, DStJG 8, S. 3 (26), der hiermit seine Präferenz für das Quellenprinzip

begründet; in diese Richtung, wenngleich im Hinblick auf die Vergleichbarkeit im Rahmen der europarechtlichen Diskriminierungsverbote, auch N. Herzig in: GS Knobbe-Keuk, S. 627 (636). 331 H. Schaumburg in: FS Tipke, S. 125 (130); ders., Internationales Steuerrecht, Rz. 5.68; K. Vogel, DStJG 8, S. 3 (26); ders. in: FS Klein, S. 361 (374); J. Beil, Belastungsgrund, S. 76. 332 Siehe nur die Nachweise bei K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 485 f.

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Für die Dividendenbesteuerung maßgebliche Subprinzipien

„offenen Staatlichkeit“333 bzw. „Entscheidung zu Gunsten einer internationalen Zusammenarbeit“334, wie sie insbesondere in den Art. 1 Abs. 2 und 23 bis 25 GG zum Ausdruck kommt. Das Grundgesetz fordert unter anderem auch die Achtung vor fremden Rechtsordnungen und Rechtsanschauungen335. Es muss darum bei der Auslegung einer jeden Verfassungsnorm geprüft werden, ob sie bei Sachverhalten mit mehr oder weniger intensiver Auslandsbeziehung eine Differenzierung zulässt oder sogar verlangt336. Freilich ist der hier in Rede stehende Art. 3 I GG anders als die Freiheitsrechte des Grundgesetzes in seinem sachlichen Anwendungsbereich nicht beschränkt, so dass die Zulässigkeit einer solchen Differenzierung nur bereichsspezifisch beurteilt werden kann. Für den Bereich der Steuergerechtigkeit und das in ihm angelegte Leistungsfähigkeitsprinzip ist sie anzunehmen. Eine Unterscheidung danach, welche Steuerwürdigkeit der jeweilige Tätigkeitsstaat den in seinem räumlichen Geltungsbereich erwirtschafteten Vermögenszuwächsen beimisst, ist zulässig337. Für eine Respektierung dieser Steuerwürdigkeitsentscheidung sprechen vor allem die Auswirkungen der Steuerbelastung auf die Wettbewerbssituation des Steuerpflichtigen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Steuerpflichtige mit seiner Tätigkeit im Inland überwiegend zu inländischen, im Ausland überwiegend zu den dort ansässigen Konkurrenten in Wettbewerb tritt. Auch in diesem Zusammenhang kann auf das Maß der wirtschaftlichen und rechtlichen Einbindung der in Rede stehenden Auslandsaktivität in die ausländische Rechts- und Wirtschaftsordnung abgestellt werden. Je nach dessen Ausmaß kann es eine vertretbare gesetzgeberische Entscheidung sein, die Leistungsfähigkeit nach den jeweiligen Maßstäben zu messen, welche auch für das Gros der Wettbewerber gelten. Der Gesetzgeber hat nach alledem nicht nur eine gewisse Entscheidungsfreiheit dahingehend, ob er Auslandsdividenden in die Bemessungsgrund________________________ 333 Regierungsbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgeset-

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zes, BT-Drs. 12/3338, S. 4; ebenso R. Streinz in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl., Art. 24 Rz. 6 m. w. N.; C. D. Classen in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz, Art. 24 Rz. 2; G. Burmester, JZ 1993, S. 698 (702); R. Weber-Fas, Staatsverträge, S. 41 ff. BVerfG v. 22.3.1983 – 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, S. 343 (379 f.); K. Vogel in: FS Klein, S. 361 (375) m. w. N. BVerfG v. 1.7.1964 – 1 BvR 93/64, BVerfGE 18, S. 112 (121); BVerfG v. 4.5.1971 – 1 BvR 636/68, BVerfGE 31, S. 58 (75 f.); zustimmend J. Isensee in: Isensee/ Kirchhof, HdBStR V, § 115 Rz. 79. BVerfG v. 4.5.1971 – 1 BvR 636/68, BVerfGE 31, S. 58 (75 f.); J. Isensee in: Isensee/Kirchhof, HdBStR V, § 115 Rz. 80. Für den spanischen Rechtskreis skeptisch, jedoch ohne nähere Begründung, E. Sanz Gadea, Impuestos 2001, S. 161 (220).

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Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts

lage der inländischen Ertragsteuern mit einbezieht. Er darf in den soeben umrissenen Grenzen darüber hinaus auch eine eventuelle Besteuerung dieser Dividenden an der steuerlichen Behandlung orientieren, welche sie im Ausland erfahren, selbst wenn dies zu Abweichungen im Verhältnis zur Besteuerung von Inlandsdividenden führt. Dies ist insbesondere im Hinblick auf die Berücksichtigung der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung der Dividende von Bedeutung.

5. Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung In engem Zusammenhang mit dem Aspekt der territorialen Reichweite des Leistungsfähigkeitsprinzips steht die Frage, inwieweit sich aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG eine Verpflichtung zur Vermeidung von internationaler Doppelbesteuerung ergibt. Akzeptiert man auch die Welteinkommensbesteuerung als leistungsfähigkeitsgerecht, was sich im Übrigen in ihrer weltweiten Verbreitung und Anwendung ausdrückt, muss man sich auch der Problematik internationaler Doppelbesteuerung zuwenden. Denn diese resultiert ganz überwiegend aus dem gleichzeitigen Zugriff sowohl des das Inlandseinkommen der Steuerausländer besteuernden Quellenstaates als auch des das Welteinkommen der Steuerinländer besteuernden Ansässigkeitsstaates auf ein grenzüberschreitend erwirtschaftetes Besteuerungssubstrat. Unter internationaler Doppelbesteuerung soll hierbei in Anlehnung an den Musterkommentar zum OECD-MA „die Erhebung vergleichbarer Steuern in zwei oder mehreren Staaten von demselben Steuerpflichtigen für denselben Steuergegenstand“ verstanden werden338. Zur Frage, welche Schlussfolgerungen aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip im Hinblick auf das Phänomen der internationalen Doppelbesteuerung zu ziehen sind, werden im Wesentlichen drei Ansichten vertreten: aa) Die früher herrschende Meinung ging davon aus, dass weder dem Art. 3 Abs. 1 GG noch sonstigem Verfassungsrecht eine Verpflichtung zur Beseitigung der internationalen Doppelbesteuerung entnommen werden könne. Deren Vermeidung insbesondere durch Doppelbesteuerungsabkommen ließe sich nur als rechtlich nicht gebotene Klugheitsregel einordnen339. bb) Konträr dazu wird die Auffassung vertreten, dass die internationale Doppelbesteuerung mit dem Postulat der Steuergerechtigkeit nicht zu ver________________________ 338 Vgl. Tz 1 der Einleitung des Musterkommentars zum OECD-MA. Das hier zugrun-

degelegte Verständnis weicht allerdings insofern von dem des Musterkommentars ab, als dort in der Einleitung (Rz. 01) zusätzlich Periodenidentität verlangt wird. Wie hier z. B. A. Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem, S. 198 f.; J. Hey in: Herrmann/ Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. KSt (Stand: 09/99), Rz. 9. 339 BFH v. 14.2.1975 – VI R 210/72, BStBl. II 1975, S. 497 (498); B. Lornsen, Unilaterale Maßnahmen, S. 45; ähnlich D. Birk, DStJG 19, S. 63 (67).

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Für die Dividendenbesteuerung maßgebliche Subprinzipien

einbaren sei. Die gleichmäßige Behandlung aller Steuerpflichtigen am Maßstab wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit müsse sich an der steuerlichen Gesamtbelastung im In- und Ausland orientieren340. cc) Noch weitergehend steht schließlich H. Schaumburg auf dem Standpunkt, aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip ergebe sich auch bereits die Zuweisung der Verantwortlichkeit für die Beseitigung von Doppelbesteuerung. Dabei geht er davon aus, dass ausländische Steuern, die zusätzlich zu den vom Wohnsitzstaat erhobenen zu zahlen sind, die subjektive Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen belasten. Als unvermeidbare Belastungen minderten sie das für die Steuerzahlung im Inland zur Verfügung stehende disponible Einkommen. Um die gebotene horizontale Steuergerechtigkeit im Verhältnis zu rein inländischen Einkünften zu gewährleisten, welche die gleiche Steuerbelastung gleich hoher – disponibler – Einkommen gebiete, müsse darum in erster Linie der Wohnsitzstaat Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ergreifen341. Insofern sei die Vermeidung der Doppelbesteuerung die Kehrseite der Besteuerung des Welteinkommens. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt vom deutschen Gesetzgeber grundsätzlich, die Steuerpflichtigen gleichmäßig gemäß ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu besteuern. Steuerpflichtige, deren Leistungsfähigkeit am Maßstab des gesetzlich vorgegebenen Indikators als gleich zu beurteilen ist, müssen nach dem Prinzip horizontaler Steuergerechtigkeit grundsätzlich gleich besteuert werden. Bei abweichender steuerlicher Leistungsfähigkeit muss die Steuerlast entsprechend höher oder niedriger ausfallen. Neben dieses letztgenannte, dem vertikalen Leistungsfähigkeitsprinzip immanente Differenzierungsgebot kann aber in grenzüberschreitenden Konstellationen auch ein die horizontale Ausprägung erfassendes, „externes“ Differenzierungsgebot treten. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass dieselbe Leistungsfähigkeit beim rein binnenwirtschaftlich agierenden Steuerpflichtigen nur einmal, beim transnational tätigen aber regelmäßig doppelt abgeschöpft wird. Die Steuerbelastung in Deutschland würde damit mitursächlich für eine Gesamtbelastung, die einer leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung gerade nicht mehr entspricht. Über die Herleitung aus Art. 3 Abs. 1 GG hinaus handelt es sich zudem beim Leistungsfähigkeitsprinzip um ein universelles Prinzip steuerlicher Ge________________________ 340 G. Frotscher, Internationales Steuerrecht, S. 15 f.; K. Tipke in: Tipke/Bozza, Be-

steuerung von Einkommen, S. 9 (25); ders., Steuergerechtigkeit, S. 120; ders., AWD 1972, S. 589 (590); H. Flick, FR 1961, S. 171 (172). Gl. A. für das spanische Steuerrecht J. M. Almudí Cid/F. Serrano Antón, QF 2002/18, S. 11 (13 f.); J. Sarasa Pérez, Impuestos, La Ley 2001, S. 373 (374). 341 H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 14.10 f. Im Ergebnis gl. A. sind J. M. Almudí Cid/F. Serrano Antón, QF 2002/18, S. 11 (15).

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Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts

rechtigkeit, welches auch in ausländischen Steuerrechtsordnungen als Richtschnur dient342. Die juristische Doppelbesteuerung, die sich beim Zusammentreffen von Welteinkommens- und Quellenstaatsprinzip im Falle grenzüberschreitender Ertragserzielung ergibt, führt darum auch gemessen an den Maßstäben der anderen beteiligten Rechtsordnung zu einer ungerechtfertigten Überbelastung343. Selbst wenn man also die ausländischen Gerechtigkeitsvorstellungen in grenzüberschreitenden Sachverhalten als Maßstab für den inländischen Steuerzugriff akzeptieren wollte, so darf auch aus dieser Perspektive die Steuerlast nicht noch durch die inländische Besteuerung erhöht werden. Es kommt letztlich nicht darauf an, welche Steuerwürdigkeit jeder der beiden Staaten jeweils in der erfassten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erblickt: Denn genau diese wird ja schon durch nur einen von ihnen abgeschöpft; eine im anderen Staat noch hinzutretende Steuerlast muss konsequenterweise übermäßig sein344. Es stellt sich damit die Folgefrage, welcher der beteiligten Hoheitsträger diese sich in der Gesamtbetrachtung bei ungemilderter Doppelbesteuerung ergebende übermäßige Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen berücksichtigen und infolgedessen seinen eigenen Besteuerungsanspruch ganz oder teilweise zurückstellen muss. Die Überlegung, dies müsse regelmäßig der Wohnsitzstaat sein, weil er das zur Doppelbesteuerung führende Welteinkommensprinzip praktiziere, dürfte zu kurz gegriffen sein. Da praktisch alle Staaten diesen Grundsatz als leistungsfähigkeitsgerechte Alternative zum Quellenstaatsprinzip akzeptieren, wäre es wertungswidersprüchlich, wollte man ihn über den Umweg der automatischen Zuteilung des Besteuerungssubstrats zum Quellenstaat faktisch aushöhlen. Tatsächlich kann die Zuweisung einer Verantwortlichkeit zur Beseitigung der Doppelbesteuerung nur von Einzelfall zu Einzelfall gefunden werden. Im Übrigen ist die entscheidende dogmatische Frage nicht, inwieweit der Steuerpflichtige im Ansässigkeitsstaat – noch – leistungsfähig ist. Denn mit Erzielen der Erträge ist er ohne weiteres leistungsfähig, und zwar aufgrund der simultanen Anwendung von Quellenstaats- und Wohnsitzprinzip auch gleichzeitig in beiden beteiligten Staaten345. ________________________ 342 Siehe dazu oben unter I.2.a. Vgl. zur Herleitbarkeit aus den Verfassungen der EU-

Mitgliedstaaten (mit Ausnahme Großbritanniens) C. Peters/M. Snellaars, ec tax review 2001, S. 13. 343 Speziell für den Quellenstaat vgl. M. Lucas Durán, Dividendos internacionales, S. 293. 344 Vgl. H.-J. Kleineidam in: FS Flick, S. 857 (862): „Gerechtigkeit für den Steuerpflichtigen … beinhaltet die Forderung, eine ‚gleichmäßige Behandlung aller Steuerpflichtigen bei Berücksichtigung der steuerlichen Gesamtbelastung im In- und Ausland’ zu gewährleisten“; das Zitat bezieht sich auf H. Flick, FR 1961, S. 171 (172). 345 Darum erscheint es auch verfehlt, die ausländische Steuerbelastung lediglich als Minderung der – subjektiven – Leistungsfähigkeit zu begreifen: Dann wäre der Wohnsitzstaat nämlich nicht gehindert, auf die Differenz zwischen ursprünglichem

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Für die Dividendenbesteuerung maßgebliche Subprinzipien

Das Leistungsfähigkeitsprinzip gebietet somit zwar die Beseitigung der internationalen Doppelbesteuerung. Es liefert aber keinen konkreten Maßstab für die gerechte Aufteilung des Steueraufkommens auf die betroffenen Staaten. Diese Frage der „inter-nations-equity“ bzw. „inter-country-equity“ muss vielmehr nach den Gerechtigkeitswertungen entschieden werden, die sich im internationalen Steuerrecht herausgebildet haben346.

6. Nettoprinzip Das Markteinkommensprinzip leistet auf der Einnahmenseite eine Beschränkung der leistungsfähigkeitserhöhenden Faktoren. Korrespondierend dazu bedarf es jedoch noch eines Maßstabes dafür, welche Vermögensabgänge als leistungsfähigkeitsmindernd anzuerkennen sind. Denn ein Abstellen bloß auf den Zuwachs an – am Markt erwirtschafteten – Einnahmen würde außer acht lassen, dass es regelmäßig bestimmter Aufwendungen bedurfte, um den Zuwachs zu realisieren. Auch darf der staatliche Steuereingriff nicht so weit gehen, dass er dem Einzelnen die Existenzgrundlage nimmt und ihm dadurch ein menschenwürdiges Dasein unmöglich macht. Die infolgedessen notwendige Anerkennung leistungsfähigkeitsmindernder Umstände gewährleistet das sogenannte Nettoprinzip, welches die relevanten Aufwendungen weiter in objektiv notwendige und subjektiv notwendige unterteilt: a) Objektives Nettoprinzip Das objektive Nettoprinzip gebietet die steuerliche Erfassung nur der Reinvermögenszuwächse. Die durch die Erzielung von Einkommen am Markt veranlassten Erwerbsaufwendungen sind als leistungsfähigkeitsmindernd zum Abzug zuzulassen. Dieser Grundsatz hat sich inzwischen der steuerjuristischen Diskussion allgemein durchgesetzt347. Nach anfänglichem Zögern hat sich inzwischen auch das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich zum ________________________ Ertrag und ausländischen Steuern, die in dieser Logik die verbleibende Leistungsfähigkeit verkörpern würde, erneut steuerlich zuzugreifen. Insgesamt ergäbe sich dann aber nach wie vor gemessen an der Besteuerung der Steuerinländer eine übermäßige steuerliche Belastung. 346 Siehe unten B. 347 BFH v. 17.12.2002 – VI R 137/01 –, DB 2003, S. 127 (129); Beschluss des 57. Deutschen Juristentages, Mainz 1988, Sitzungsbericht N, S. 214; W. Jakob, Einkommensteuer, 3. Aufl., S. 11 Rz. 21; P. Kirchhof, StuW 2002, S. 3 (5); J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 9 Rz. 54; ders., Bemessungsgrundlage, S. 183 ff. m. w. N.; K. Tipke, StRO II, S. 591 m. w. N.; ders., StuW 1974, S. 84; ders., StuW 1971, S. 7 (14 f.); G. Söffing, StbJb 1988/89, S. 121 (123 ff.); W. R. Walz, Steuergerechtigkeit, S. 112; H. Söhn, DStJG 3, S. 13 (18); K. H. Friauf, StuW 1973, S. 97 (103 ff.).

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Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts

objektiven Nettoprinzip bekannt348. Im geltenden Einkommensteuerrecht kommt es in § 2 Abs. 2 EStG zum Ausdruck, der die Einkünfte durchgängig als Nettogrößen definiert. Über die §§ 8 I KStG, 7 GewStG wirkt sich dies auch auf Körperschaft- und Gewerbesteuer aus. Das spanische Verfassungsgericht zählt das objektive Nettoprinzip zu den elementaren Ausprägungen der verfassungsrechtlich vorgegebenen Steuergerechtigkeit und leitet es unmittelbar aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip ab349. Dieses eindeutige Bekenntnis hat es allerdings nicht daran gehindert, in einem Umfang Durchbrechungen zuzulassen, wie sie das Bundesverfassungsgericht wohl nur schwerlich akzeptieren würde350. Dies ist symptomatisch für die generelle Herangehensweise des spanischen Verfassungsgerichts, einerseits dem Leistungsfähigkeitsprinzip und seinen Subprinzipien scharfe und durchaus weitreichende Konturen zu verleihen, aber andererseits dem Gesetzgeber einen ganz erheblichen Spielraum für die Verfolgung damit kollidierender Interessen einzuräumen. Das objektive Nettoprinzip ist als eine verfassungsrechtlich gebotene Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips zu bezeichnen351. Denn die Wahl des Indikators Einkommen bzw. Ertrag basiert auf der Überlegung, dass es für die steuerliche Leistungsfähigkeit auf die Fähigkeit, aus neu erwirtschafteten Vermögenszuflüssen Steuern zu zahlen, ankommen soll. Diese Fähigkeit besteht bei wertender Betrachtung aber nur insoweit, als nicht wiederum durch die ertragbringende Tätigkeit der Abgang von Vermögenswerten veranlasst war. Zumindest insoweit die Vermögensminderung oder das sie auslösende Ereignis notwendig waren, um Vermögensmehrungen zu erzielen, standen sie nicht zur Disposition des Steuerpflichtigen. Damit aber standen sie ihm auch zu keinem Zeitpunkt für die Steuerzahlung zur Verfügung, da ja überhaupt erst im Zusammenhang mit ihnen leistungsfähigkeitserhöhende Umstände eingetreten sind. Sie vermindern also notwendig die Fähigkeit, aus den erwirtschafteten Erträgen Steuern zu entrichten, und müssen darum abzugsfähig sein352. ________________________ 348 Vgl. BVerfG v. 7.11.1972 – 1 BvR 338/68, BVerfGE 34, S. 103 (115) einerseits,

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BVerfG v. 11.11.1998 – 2 BvL 10/95, BStBl. II 1999, S. 502 (505) andererseits. Weitere Nachweise bei J. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 183 Fn. 733. TC v. 12.5.1994, 146/1994: „… su finalidad es que el impuesto recaiga sobre las rentas netas, expresivas de la capacidad económica del sujeto pasivo; su fundamento se encuentra, por ello, en la más plena realización de la justicia tributaria …“ Siehe dazu etwa unten im 3. Kapitel, A.II.2. So auch J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 9 Rz. 14; J. Isensee, Sitzungsbericht N zum 57. Deutschen Juristentag, Mainz 1988, S. 46; D. Birk, StuW 2000, S. 328 (331); im Ergebnis ebenso J. Schulze-Osterloh, DStJG 23, S. 67 (69); W. Schön, StuW 1995, S. 366 (368 f.). H. Söhn, DStJG 3, S. 13 (18).

Für die Dividendenbesteuerung maßgebliche Subprinzipien

Der entscheidende Gesichtspunkt liegt nun darin, dass in einer freiheitlich verfassten Wirtschaftsordnung nicht der Staat, sondern das einzelne Individuum darüber entscheidet, welche Aufwendungen und Tätigkeiten es im Rahmen seiner erwerbswirtschaftlichen Betätigung als notwendig ansieht. Aufgrund dieser „Einschätzungsprärogative“ des Einzelnen muss der Steuergesetzgeber grundsätzlich alle Vermögensminderungen als indisponibel anerkennen, die in einem Veranlassungszusammenhang mit einer auf Ertragserzielung gerichteten Tätigkeit stehen. Das objektive Nettoprinzip ist darum umfassend ausgestaltet. Darüber hinaus stellt es aber auch eine Klugheitsregel dar, wie K. Tipke zu Recht bemerkt353. Die Nichtabziehbarkeit erwerbswirtschaftlicher Aufwendungen würde insbesondere im unternehmerischen Bereich zu einem Erlahmen der Investitionstätigkeit führen. Für die Dividendenbesteuerung hat dies zur Folge, dass grundsätzlich alle Aufwendungen des Anteilseigners im Zusammenhang mit der Anschaffung und dem Halten der dividendenvermittelnden Beteiligung zum Abzug zuzulassen sind. Das gilt insbesondere für eventuelle Finanzierungs- und Verwaltungskosten. b) Subjektives Nettoprinzip Nach dem sogenannten subjektiven bzw. privaten Nettoprinzip begründet der für zwangsläufige persönliche Aufwendungen erforderliche und demnach für die Steuerzahlung nicht verfügbare Teil des Markteinkommens keine steuerliche Leistungsfähigkeit. Tatbestandstechnisch ist er darum aus der Bemessungsgrundlage wieder auszuscheiden354. Dem subjektiven Nettoprinzip geht es also darum, für die Steuerzahlung indisponible Vermögenszuwächse von Besteuerung freizuhalten, damit sie der Steuerpflichtige ungeschmälert zur Deckung seines existenziellen Konsums verwenden kann355. ________________________ 353 K. Tipke, StRO II, S. 592. 354 Vgl. J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 4 Rz. 113. 355 Ähnlich M. Strahl, KÖSDI 2003, S. 13833 (13834). Es wäre daher an sich zutreffen-

der, von einem subjektiven Verschonungsprinzip zu sprechen. Demgegenüber setzt das objektive Nettoprinzip bei der Vermögensminderung an und misst dieser leistungsfähigkeitsmindernde Wirkung zu, so dass originäre Leistungsfähigkeit nur im Umfang des Saldos aus Vermögensminderung und -mehrung angenommen werden kann. Dies erklärt, warum nur das objektive, nicht aber auch das subjektive Nettoprinzip zu steuerlichen Verlusten führen kann. In den Beschlüssen des BVerfG werden diese Unterschiede nicht hinreichend deutlich, wenn einerseits die Rede davon ist, es sei das „nicht disponible Einkommen von der Besteuerung auszunehmen“ bzw. „außer Betracht zu lassen“, andererseits aber festgestellt wird, durch unvermeidbare Aufwendungen werde die Leistungsfähigkeit „gemindert“. Vgl. BVerfG v. 29.5.1990 – 1 BvL 20/86 u. a., BVerfGE 82, S. 60 (87); BVerfG v. 10.11.1998 – 2 BvR 1057/91 u. a., BVerfGE 99, S. 216 (233).

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Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts

Konkret wird hieraus die Forderung abgeleitet, das für die Deckung des mit dem Sozialhilferecht abgestimmten Existenzminimums und eventueller zivilrechtlicher Unterhaltsverpflichtungen erforderliche Markteinkommen steuerlich unangetastet zu lassen. Die verfassungsrechtliche Wirkkraft des subjektiven Nettoprinzips ist unter Steuerjuristen inzwischen allgemein anerkannt356. Auch das Bundesverfassungsgericht bekennt sich zur Notwendigkeit, zwangsläufige persönliche Aufwendungen steuerlich zu berücksichtigen357. Die Achtung der Würde des Einzelnen als oberstes Verfassungsgebot verlangt, dem Steuerpflichtigen mindestens so viel zu belassen, dass dieser sich selbst die wirtschaftlichen Grundvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins schaffen kann358. In Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 I GG folgt daraus das Gebot, den existenznotwendigen Mindestbedarf im Steuerrecht an den entsprechenden sozialhilferechtlichen Bestimmungen zu orientieren359. Diese Forderung ist letztlich auch Ausdruck des freiheitlichen Menschenbildes des Grundgesetzes und des damit verbundenen Subsidiaritätsprinzips, wonach ________________________ 356 Vgl. v. a. den Beschluss des 57. Deutschen Juristentages: „Der Einkommensteuer

unterliegt nur der Teil des Erwerbseinkommens, der für den Steuerpflichtigen disponibel ist. Die unvermeidbaren Aufwendungen für die eigene Existenzsicherung und den Unterhalt der Familienangehörigen müssen deshalb von der Besteuerung freigestellt sein.“ (57. Deutscher Juristentag, Mainz 1988, Sitzungsbericht N, S. 214); Aus dem Schrifttum statt aller D. Birk in: FS Kruse, S. 339 (340). Vgl. ferner die umfangreichen Schrifttumsnachweise bei K. Tipke, StRO II, S. 675 Rn. 382 und bei J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 9 Vor Rz. 68. Für die Schweiz vgl. M. Reich, ASA 53, S. 5 (13) m. w. N. 357 BVerfG v. 3.11.1982 – 1 BvR 620/78 u. a., BVerfGE 61, S. 319 (344); BVerfG v. 22.2.1984 – 10 BvL 10/80, BVerfGE 66, S. 214 (223). 358 BVerfG v. 29.5.1990 – 1 BvL 20/86 u. a., BVerfGE 82, S. 60 (85); BVerfG v. 10.11.1998 – 2 BvR 1057/91 u. a., BVerfGE 99, 216 (233); K. Vogel in: FS BVerfG, Bd. II, S. 527 (532). Ein abweichendes Verständnis des subjektiven Nettoprinzip vertritt P. Kirchhof, vgl. z. B. DStJG 21, Diskussionsbeiträge, S. 78 u. 80: Existenzsichernder wie auch erwerbssichernder Aufwand seien gleichermaßen conditio, um erwerben zu können. Dieser Ansicht ist zunächst entgegenzuhalten, dass das von Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG geschützte sozio-kulturelle Existenzminimum nicht in vollem Umfang Voraussetzung für die physische Fähigkeit zur Erbringung von Arbeitsleistungen ist. Vor allem aber führt P. Kirchhofs Ansatz zu einer nicht realitätsgerechten Verkehrung von privater und beruflicher Veranlassung, welche den primär existentiellen und nicht erwerbsorientierten Charakter der Aufwendungen zur Befriedigung elementarer Bedürfnisse negiert. 359 BVerfG v. 29.5.1990 – 1 BvL 20/86 u. a., BVerfGE 82, S. 60 (94); BVerfG v. 25.9.1992 – 2 BvL 5/91 u. a., BVerfGE 87, S. 153 (171); J. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 194 ff.; W. Lingemann, Familienbesteuerung, S. 108 ff.

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Für die Dividendenbesteuerung maßgebliche Subprinzipien

der individuellen Selbstversorgung Vorrang vor staatlicher Hilfe einzuräumen ist. Es würde in der Tat einen gravierenden Verstoß gegen diesen Grundsatz bedeuten, dem Einzelnen erst das individuell Erwirtschaftete zu nehmen, um dann einen dadurch entstehenden existenziellen Mangel durch staatliche Unterstützung wieder auszugleichen360. Das subjektive Nettoprinzip genießt auch in Spanien den Rang eines verfassungskräftigen Subprinzips des Leistungsfähigkeitsprinzips. Es gewährleistet dort im Einkommensteuerrecht sowohl die Steuerfreiheit des Existenzminimums („mínimo exento“) als auch Abzüge für besondere persönliche Belastungen und familiäre Unterhaltsverpflichtungen („deducciones personales o familiares“)361. Wie generell, so lässt das spanische Verfassungsgericht auch in diesem Bereich, insbesondere hinsichtlich „außergewöhnlicher“ Belastungen, in stärkerem Maße Typisierungen zu als dies das Bundesverfassungsgericht tut. Darüber hinaus ist der Grundsatz des Vorrangs der Selbsthilfe in Spanien verfassungsgerichtlich – wohl nicht notwendig verfassungsrechtlich – nicht anerkannt362. Dennoch darf der Umstand, dass das ________________________ 360 So auch dezidiert H. Butzer, StuW 1999, S. 227 (239 ff., insbes. 241 links oben);

K. H. Friauf, DStJG 12, S. 3 (30 f.); J. Lang, Steuergesetzbuch, B.IV., Rz. 551; ders., StuW 1983, S. 269 (272). Ebenso M. Lehner, DStR 1992, S. 1641 (1643) unter besonderer Hervorhebung des freiheitsrechtlichen Aspekts. Weitere Nachweise finden sich bei K. H. Friauf aaO., Fn 103. Plakativ P. Kirchhof in Kirchhof/Söhn, EStG, § 2 Rz. A 669: „Für den Staatsbürger ist die selbständig erworbene DM qualitativ mehr wert als die vom Staat gewährte DM.“ Abzulehnen ist damit die von H.-J. Czub geäußerte Ansicht, der Steuereingriff in das Existenzminimum sei dann zulässig, wenn er durch die Sozialhilfe wieder ausgeglichen werde (in: Verfassungsrechtliche Gewährleistungen, S. 140). 361 TC v. 14.7.1994, 214/1994: „También … podrán beneficiarse del mínimo exento y de las deducciones personales o familiares establecidas para acomodar la deuda tributaria a la capacidad económica del sujeto pasivo.“ Allerdings sind Unterhaltsleistungen nur innerhalb des (intakten) Familienverbundes typisierend abziehbar, so dass auch für Spanien ein Wertungswiderspruch zwischen den zwingenden Unterhaltspflichten des Zivilrechts und ihrer steuerlichen Behandlung als bloße Einkommensverwendung zu konstatieren ist, vgl. TC v. 15.1.2001, 1/2001: „Como se ha señalado, el de alimentar a los hijos habidos dentro o fuera del matrimonio es un deber constitucional de todos los padres. Aunque, desde luego, no existiría ningún inconveniente constitucional, el legislador tributario no ha previsto deducción alguna en el IRPF por razón de la renta consumida en cumplir con el citado deber.“ [Hervorhebung durch den Verf.] 362 TC v. 14.7.1994, 214/1994: „Puede sostenerse, como opción de política legislativa, que la reducción de la carga tributaria a satisfacer por el sujeto pasivo en función de su menor capacidad económica goza de preferencia frente al otorgamiento de prestaciones sociales; pero desde un enfoque constitucional, debe reconocerse al legislador la libertad de utilizar los medios que crea más adecuados en función de las circunstancias de cada caso.“

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Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts

Existenzminimum in Spanien mit unter 3.000 Euro nicht einmal die Hälfte des in Deutschland vorgesehenen Betrags erreicht, als klares Indiz dafür gewertet werden, dass der existentielle Mindestbedarf deutlich weniger großzügig definiert wird als hierzulande. Ein System der Dividendenbesteuerung muss das subjektive Nettoprinzip respektieren. Es darf nicht dazu führen, dass Dividendeneinkünfte, die zur Abdeckung des existenznotwendigen Bedarfs des Steuerpflichtigen benötigt werden, steuerlich belastet werden. Dem Gesetzgeber ist insofern aufgrund der engen Anbindung dieses Subprinzips an den Menschenwürdegrundsatz als obersten Verfassungswert auch nur ein geringer Gestaltungs- oder Typisierungsspielraum zuzuerkennen.

7. Periodizitätsprinzip: Kapital- oder konsumorientierte Besteuerung Dem geltenden Recht der Ertragsteuern liegt klar erkennbar das Periodizitätsprinzip zugrunde363. Sowohl die Einkommensteuer als auch Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer sind als Jahressteuern ausgestaltet, §§ 25 Abs. 1 EStG, 7 Abs. 3 S. 1 KStG, 14 S. 2 GewStG. Das Periodizitätsprinzip ist darauf ausgelegt, den gesamten in der Periode erwirtschafteten Vermögenszuwachs – freilich konkretisiert durch Markteinkommens- und Nettoprinzip – zu erfassen, vgl. §§ 2 Abs. 7 S. 1 EStG, 7 Abs. 1 KStG, 7 S. 1 GewStG364. Diese Verbindung aus zeitlichem Element und Bemessungsgrundlage führt dazu, dass nicht die lebenszeitliche Leistungsfähigkeit, verstanden als das zunächst ohne steuerliche Belastungen erwirtschaftete Lebenseinkommen365, sondern prinzipiell die hier sogenannte Periodenleistungsfähigkeit zur Grundlage der Besteuerung gemacht wird. Sobald das Steuersubjekt investiert, weichen lebenszeitliche Leistungsfähigkeit und die lebenszeitliche Summe der periodisch erfassten Vermögenszuwächse voneinander ab: Bei periodischer Besteuerung aller Vermögenszuwächse steht dem Individuum im Vergleich zur bis zum Lebensende aufgeschobenen Besteuerung ein geringerer Investitionsbetrag zur Verfügung, da er zuvor um die darauf lastende Steuer gemindert wird. Dadurch fällt die erzielbare Rendite relativ geringer aus, und die weitere Vermögensakkumulation durch Wiederanlage wird

________________________ 363 So z. B. auch K.-D. Drüen, Periodengewinn, S. 23 f.; K. Tipke, StRO II, S. 688. 364 Allerdings wird das Prinzip gelegentlich durchbrochen bzw. in seinen Folgen abge-

mildert, insbesondere durch den überperiodischen Verlustabzug, § 10d EStG. 365 Zu diesem Verständnis vgl. auch C. Dorenkamp, StuW 2000, S. 121 (125).

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Für die Dividendenbesteuerung maßgebliche Subprinzipien

zudem durch die jeweilige periodische Renditebesteuerung in den Folgejahren nochmals erheblich verlangsamt366. Für den Steuerpflichtigen bedeutet es darum einen erheblichen Unterschied, ob als Leistungsfähigkeitsindikator die periodischen oder aber die lebenszeitlichen Vermögenszuwächse herangezogen werden, oder mit anderen Worten: Ob der steuerliche Zugriff periodisch oder erst am Lebensende einsetzt. Da dies wie beschrieben allerdings nur im Hinblick auf investiv verwendete Ertragsbestandteile gilt, ist eine periodische Besteuerung der konsumierten Vermögenszuwächse mit der lebenszeitlichen Perspektive vereinbar. Daher rührt die gängige Bezeichnung lebenszeitlich angelegter Besteuerungsmodelle als „konsumorientiert“ im Gegensatz zur „kapitalorientierten“ periodischen Besteuerung auch investierten Einkommens. Dass damit keine Besteuerung nach der Konsumleistungsfähigkeit verbunden ist, wurde bereits aufgezeigt. Ausgehend vom Untersuchungsgegenstand der Arbeit stellt sich im Zusammenhang mit dem Periodizitätsprinzip damit insbesondere die Frage, ob die kapitalorientierte Erfassung der Periodenleistungsfähigkeit im oben genannten Sinne verfassungsrechtlich gebotene Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips ist, im Ermessen des Gesetzgebers steht oder aber möglicherweise sogar als verfassungswidrig einzustufen ist367. Dies ist insofern von Bedeutung, als dass ein lebenszeitlich bzw. konsumorientiertes Leistungsfähigkeitsprinzip aufgrund seiner Ausrichtung auf die natürliche Person mit einer Besteuerung von Kapitalgesellschaften grundsätzlich unvereinbar ist: Diese weist keine Sphäre privaten Konsums auf und fällt auch aus Sicht natürlicher Personen als Anteilseigner in den Bereich investiv verwendeten Vermögens368. Eine körperschaftsteuerliche Vorbelastung von Dividenden wäre also in einem System der Besteuerung nach der lebenszeitlichen Leistungsfähigkeit ein Fremdkörper369. Ausscheiden müsste ebenso die Erfassung von ausgeschütteten Dividenden aus unternehmerisch gebundenen Beteiligungen, die ja investiv verhaftet bleiben. ________________________ 366 Einen guten Einblick in die unterschiedlichen Vermögensentwicklungen gibt die

Tabelle 1 bei C. Dorenkamp, DStJG Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 61 (65, Spalten: Traditionelle ESt/Nachgelagerte ESt). Vgl. auch C. Dorenkamp, StuW 2000, S. 121 (125). 367 Demgegenüber kommt der Frage, inwieweit das Periodizitätsprinzip möglicherweise zu ungerechtfertigten interperiodischen Progressionsverzerrungen oder Verlustausgleichsbeschränkungen führt, für den Untersuchungsgegenstand keine besondere Bedeutung zu, so dass sie im Folgenden nicht näher erörtert wird. 368 U. Niehus, DStZ 2000, S. 697 (699). 369 So auch T. Cordón Ezquerro, Cronica Tributaria 1996, S. 11 (15); G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 100 f.; vgl. auch J. Lang, GmbHR 2000, S. 453 (456).

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Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts

a) Kapitalorientierte Besteuerung keine verfassungskräftige Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips Für die verfassungsrechtliche Verankerung der periodischen Erfassung sämtlicher Vermögenszuwächse wird vorgebracht, dass sich dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG auch das Gebot der Belastungsgleichheit in der Zeit entnehmen lasse. Diese zeitliche Belastungsgleichheit müsse sich an dem Gedanken gegenwartsnaher Steuerzahlungen orientieren, um den gegenwärtigen Finanzbedarf des Staates zu decken370. Zudem verfüge auch der Steuerpflichtige nur zeitgebunden über finanzielle Leistungsfähigkeit, setze er seinen Vermögenszuwachs doch nur zur gegenwärtigen Bedarfsdeckung ein371. Deshalb könne die Leistungsfähigkeit nur nach der jeweils gegenwärtigen Situation des Steuerpflichtigen bemessen werden372. Lediglich die konkrete Festlegung der Besteuerungsperiode sei eher technischer Natur373. Diese Auffassung liefert bereits selbst ein erstes Argument für ihre Widerlegung. Wenn die Bestimmung des konkreten Steuerabschnitts „technischer Natur“, d. h. letztlich willkürlich ist374, kann auch nur schwerlich von einer verfassungsfundierten Ableitung des Prinzips als solchem ausgegangen werden. Sind auch mehrjährige Perioden denkbar, ohne dass sich eine genaue Begrenzung ausmachen ließe, so verschwimmt der vermeintlich verfassungskräftige, nicht lediglich einfachgesetzlich vorgefundene Gehalt des Periodizitätsprinzips im Ungewissen. Die abschnittsweise Besteuerung erscheint dann kaum noch als Gegensatz, sondern eher als graduelle Annäherung an bzw. Abweichung von einer lebenszeitlichen Orientierung. Ein greifbarer Inhalt käme dem Abschnittsprinzip allenfalls noch insoweit zu, als dass danach eine Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse des Steuerpflichtigen, namentlich dessen Lebensspanne, bei der Festlegung der Besteuerungsperiode auszuschliessen, der Zeitpunkt vielmehr einseitig am periodischen Finanzbedarf des Staates zu orientieren sei. Davon abgesehen ist zwar auch das staatliche Fiskalinteresse ein bei der Rechtssetzung berücksichtigungsfähiges Rechtsgut von Verfassungsrang375. ________________________ 370 BVerfG v. 10.4.1997 – 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, S. 1 (7); P. Kirchhof, DStR, Bei-

371 372 373 374 375

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hefter 5 zu Heft 37/2003, S. 2; ders. StuW 2002, 3 (9); ders. in: Kirchhof/Neumann, Freiheit, Gleichheit, Effizienz, S. 13 (19). In dem von ihm herausgegebenen Kompaktkommentar spricht P. Kirchhof sogar von einer Zentralanforderung materieller Steuergerechtigkeit (in: Kichhof, EStG, 3. Aufl., § 2 Rz. 17). P. Kirchhof in: Kirchhof/Söhn, EStG, § 2 Rz. A 136; ders., StuW 1985, S. 319 (329); M. Lehner, JZ 2002, S. 772 (773 f.). A. Liesenfeld, DStR 2002, S. 1833 (1836). P. Kirchhof in: Kirchhof, EStG, § 2 Rz. 17; ähnlich W. Schick, Verlustrücktrag, S. 15 f. So auch K. Tipke, StRO II, S. 669. Vgl. K.-D. Drüen, Periodengewinn, S. 94 f. m. w. N.

Für die Dividendenbesteuerung maßgebliche Subprinzipien

Doch selbst wenn man es als ausreichende Rechtfertigung für eine periodische Besteuerung ansehen wollte, so determiniert es doch nicht die periodische Erfassung auch der investierten Ertragsbestandteile. Denn die notwendige laufende Finanzierung der Staatsausgaben lässt sich – von einer Übergangsphase abgesehen – auch in einem System lebenszeitlich angelegter Besteuerung verwirklichen376. An die Stelle der Erfassung aller Vermögenszuwächse der Periode im Sinne einer umfassenden Periodenleistungsfähigkeit träte dann die periodische Erfassung der konsumtiv verwendeten Erträge nebst eventuell in der Periode abzurechnenden, noch unkonsumierten Lebensendvermögenszuwächsen. Von der Notwendigkeit einer Abschnittsbesteuerung377 auf eine bestimmte Bemessungsgrundlage zu schließen, erweist sich damit als ungerechtfertigt378. Der Gesichtspunkt der gegenwartsnahen Steuerzahlung zur gegenwärtigen Deckung des Staatsbedarfs ist demnach ungeeignet, die Besteuerung nach der kapitalorientierten Periodenleistungsfähigkeit verfassungsrechtlich zu fundieren. Angesichts dessen erweist sich der Begriff der „Belastungsgleichheit in der Zeit“ als eine bloße Leerformel, die nur die Selbstverständlichkeit wiedergibt, dass ein Vergleich von Stromgrößen wie der des Vermögenszuwachses bzw. des Einkommens notwendigerweise zeitbezogen ist379. Über die Größen, die im zeitlichen Verlauf zueinander in Beziehung zu setzen sind, ist damit noch nichts ausgesagt380. ________________________ 376 So auch J. Lang, DStJG 24, S. 49 (64). 377 Die wohl nicht von der Hand zu weisen ist, vgl. dazu auch C. Dorenkamp, Nachge-

lagerte Besteuerung, S. 127 f. 378 Kritisch hierzu auch K.-D. Drüen, Periodengewinn, S. 88 f., Fn 466; C. Dorenkamp,

Nachgelagerte Besteuerung, S. 128: „Es ist Aufgabe des Steuersatzes, den gegenwärtigen Finanzbedarf der öffentlichen Haushalte mit einer sachangemessenen Bemessungsgrundlage abzustimmen.“ 379 Insoweit zutreffend auch W. Schick, Verlustrücktrag, S. 14. 380 Von daher besteht auch kein Konflikt zwischen der Forderung, nur zeitlich abgeschlossene oder zumindest überschaubare Sachverhalte wertend miteinander in Beziehung zu setzen, und einer lebenszeitlich orientierten Besteuerung, welche den Periodenkonsum und das Lebensendvermögen für steuerwürdig erklärt (a. A. wohl C. Dorenkamp, Nachgelagerte Besteuerung, S. 125 f.). Der Periodenkonsum beinhaltet schon rein begrifflich die Beschränkung auf einen bestimmten Besteuerungszeitraum, der überschaubar und für alle Steuerpflichtige identisch ausgestaltet werden kann. Das im Todeszeitpunkt noch unversteuerte Lebensendvermögen wiederum ist zwar u. U. über die gesamte Lebensdauer hinweg angespart worden. Seine steuerliche Behandlung unterliegt zeitlicher Vergleichbarkeit aber insofern, als alle in dem – regelmäßig überschaubaren – Zeitraum der Gültigkeit der einschlägigen Steuernormen erfassten Besteuerungsfälle nach einheitlichen Grundsätzen behandelt werden. So ist denn soweit ersichtlich auch die gegenwärtige Erbschaftsbesteuerung noch nie unter dem Gesichtspunkt mangelnder Vergleichbarkeit in der Zeit verfassungsrechtlich in Frage gestellt worden.

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Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts

Eher abwegig ist auch die Vorstellung, die finanzielle Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen sei periodisch begrenzt. Zum einen lässt sich eine solche Aussage doch wohl kaum treffen, wenn man zugleich die vermeintlich die Leistungsfähigkeit begrenzende Besteuerungsperiode als nicht näher konkretisierbar bezeichnet. Zum anderen bleiben jedenfalls die investiv verwendeten Vermögenszuwächse im Vermögen des Pflichtigen dauerhaft gespeichert; insoweit werden sie auch nicht zur gegenwärtigen Bedarfsdeckung benötigt381. Die Annahme bloß gegenwartsnaher Leistungsfähigkeit basiert letztlich auf einer ungerechtfertigten Gleichsetzung von Ertrag bzw. Einkommen und Liquidität382. Schlicht lebensfremd ist schließlich die Unterstellung, der Steuerpflichtige setze Vermögenszuwächse nur zur gegenwärtigen Bedarfsdeckung, d. h. zum Konsum ein383. Nun wird freilich gelegentlich auch darauf hingewiesen, dass das Rechtsstaatsprinzip verlange, die zueinander in Beziehung zu setzenden Besteuerungszeiträume zeitlich überschaubar zu halten384. Dieser verfassungsrechtliche Aspekt abschnittsbezogener Besteuerung ist sicherlich gegeben. Das Rechtsstaatsprinzip verlangt in seiner Ausformung des Gebots der Rechtssicherheit, die Gesetze so auszugestalten, dass staatliches Handeln berechenbar und voraussehbar wird385. Eine so verstandene Verlässlichkeit der Rechtsordnung erlaubt es dem Einzelnen, staatliche Einwirkungen zuverlässig abzuschätzen und sich in seinen Dispositionen darauf einzurichten386. Die Erfüllung dieses Postulats kann im Steuerrecht nicht auf die Gewährung von Vertrauensschutz im Hinblick auf den Fortbestand geltender Regelungen verengt werden. Der Steuerpflichtige muss vielmehr auch absehen können, in welchem Ausmaß sein Vermögen mit staatlichen Steueransprüchen belas________________________ 381 Deutlich widersprechen dieser Annahme auch J. Lang, DStJG 24, S. 49 (65);

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C. Dorenkamp, Nachgelagerte Besteuerung, S. 124; ders., DStJG Sonderband Unternehmensbesteuerung, S. 61 (67 f.); K.-D. Drüen, Periodengewinn, S. 89 f., Fn 475; O. Zugmaier in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 2 EStG (Stand: 07/01), Rz. 901. F. W. Wagner, StuW 1992, S. 2 (9). So C. Dorenkamp, Nachgelagerte Besteuerung, S. 124 unter Berufung auf A. Raupach/ M. Schenking in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 2 EStG Rz. 601 [sic]. W. Schick, Verlustrücktrag, S. 13 u. 15. Diesen Aspekt erkennen auch R v. Groll in: Kirchhof/Söhn, EStG, § 10d Rz. A 11 und J. Lang, Bemessungsgrundlage, S. 188. BVerfG v. 12.11.1958 – 2 BvL 4/56 u. a., BVerfGE 8, S. 274 (325); K.-P. Sommermann in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz, 4. Aufl., Art. 20 Abs. 3 Rz. 78; R. Herzog in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20, VII., Rz. 62. Ähnlich J. Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 186 f. Vgl. auch BFH v. 11.2.1998 – I R 81/97, BStBl. II 1998, S. 485 (486): Der Grundsatz der Periodizität wird dort als „Ausdruck der Rechtssicherheit“ bezeichnet. Vgl. BVerfG v. 20.4.1982 – 2 BvL 26/81, BVerfGE 60, S. 253 (268); ähnlich Schmidt-Aßmann in: Isensee/Kirchhof, HdBStR I, § 24 Rz. 81.

Für die Dividendenbesteuerung maßgebliche Subprinzipien

tet ist387. Eine erst am Lebensende einsetzende Erfassung jeglicher Vermögenszuwächse könnte dies nicht gewährleisten, weil der Bürger nur schwer einen Überblick über die Gesamtheit seiner lebenszeitlichen Erträge behalten könnte. Das Rechtsstaatsprinzip gebietet damit aber nur insoweit eine periodische Besteuerung, als ansonsten das Ausmaß der steuerlichen Belastung für den Einzelnen nicht mehr überschaubar wäre. Diese Feststellung kann aber nicht gleichgesetzt werden mit der Forderung nach kapitalorientierter Besteuerung gemäß der Periodenleistungsfähigkeit im oben genannten Sinne388. Denn wie schon mehrfach betont wurde, ist die periodische Besteuerung der konsumtiv verwendeten Vermögenszuwächse mit einer Orientierung an der lebenszeitlichen Leistungsfähigkeit vereinbar. Hinsichtlich der übrigen Erträge aber dürfte in einem solchen System keine Ungewissheit über die latente steuerliche Belastung aufkommen, da sie gesondert zu erfassen wären389 und die latente Steuerlast somit immer messbar bliebe390. ________________________ 387 So auch K.-D. Drüen, Periodengewinn, S. 92 f. Ähnlich und damit im Ansatz zutref-

fend P. Kirchhof, StuW 2002, 3 (9): „Der Steuerstaat darf dem Pflichtigen nicht gegenwärtig ein individualnütziges Einkommen vortäuschen, das latent bereits dem Staat gehört …“ Vgl. auch J. Hey, die aus verfahrensrechtlicher Perspektive davon spricht, es sei „ein Gebot der Rechtssicherheit, dass der Steuerpflichtige (möglichst bald) verbindlich erfährt, in welcher Höhe er in Anspruch genommen wird.“ (in: Steuerplanungssicherheit, S. 195 f.). 388 Dies übersieht P. Kirchhof, DStR, Beihefter 5 zu Heft 37/2003, S. 8. 389 Vgl. z. B. den Vorschlag von J. Lang, im Bereich der privaten Vermögensanlage sog. qualifizierte, gesondert geführte Konten einzurichten, welche alle nicht unternehmerischen Investitionen ausweisen (in: Steuergesetzbuch, §§ 123, 832 f.). 390 Erst recht gilt dies, wenn die konsumorientierte Erfassung der lebenszeitlichen Leistungsfähigkeit nicht durch eine Cash-flow-Besteuerung, sondern mittels der Hilfskonstruktion zinsbereinigter Steuern auf den Ertrag realisiert wird. Denn diese ist auf die periodische Erfassung sämtlicher Vermögenszuwächse mit Ausnahme der durch Investitionen erwirtschafteten marktüblichen Rendite angelegt. Da letztere dauerhaft steuerfrei bleibt, ist in diesem System die periodische Steuerbelastung sogar die endgültige. Dazu näher M. Rose in: Krause-Junk (Hrsg.), Steuersysteme der Zukunft, S. 247 (248 f.) und J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 4 Rz. 117 f. K.-D. Drüen, Periodengewinn, S. 92 f. u. 95, äußert sich skeptisch zur Vereinbarkeit einer lebenszeitlich orientierten Besteuerung mit dem Dispositionsschutz des Einzelnen und staatlicher budgetärer Planungssicherheit. Ihm stehen dabei jedoch die Modelle eines interperiodischen Durchschnittstarifs vor Augen, bei denen sich die zukünftige Einkommensentwicklung noch auf bereits abgeschlossene Steuerabschnitte auswirken kann. Diese Modelle intendieren jedoch nicht wirklich eine lebenszeitliche Bemessung von Leistungsfähigkeit im oben definierten Sinne, weil sie sich nicht gegen die Verminderung des Investivkapitals durch aus lebenszeitlicher Sicht verfrühte Besteuerung wenden. Sie sollen hier darum nicht weiter verfolgt werden.

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Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die periodische Erfassung sämtlicher Vermögenszuwächse kein verfassungsrechtlich ableitbares Leistungsfähigkeitselement ist. b) Auch kein verfassungsrechtliches Gebot konsumorientierter Besteuerung Eine weitergehende Auffassung sieht darüber hinaus die konsumorientierte Besteuerung als überlegene Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips an391. Das wirft die Frage auf, ob es nicht in Wahrheit die verfassungsrechtlich einzig zulässige Besteuerungsvariante ist. Die Vertreter einer konsumorientierten Besteuerung sind der Auffassung, unter Neutralitäts- wie Leistungsfähigkeitsaspekten sei es an sich zutreffender, Belastungsvergleiche nicht periodisch, sondern überperiodisch durchzuführen. Darauf aufbauend kritisieren sie zunächst, eine kapitalorientierte Periodenbesteuerung ignoriere das Problem inflationsbedingter Scheinerträge und führe in Verbindung mit einem progressiven Steuersatz zur Mehrbelastung eines in nur kurzer Zeit erwirtschafteten Lebenseinkommens392. Maßgeblich fußt diese Ansicht freilich weiter auf der Prämisse, dass nur das zunächst ohne steuerliche Belastungen erwirtschaftete Lebenseinkommen sachgerechter Maßstab der Bemessung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit sei393. Auch könne nur so die intertemporale Neutralität der Besteuerung gegenüber Gegenwarts- und Zukunftskonsum gewährleistet werden. Denn die Rendite auf das investierte Kapital führe dazu, dass das investierende Individuum den Nutzen des dadurch ermöglichten höheren Zukunftskonsums dem Nutzen des sofortigen Konsums gleichachte. Werde sie durch verfrühten steuerlichen Zugriff beschnitten, so werde zugleich die Konsumentscheidung verzerrt394. Hierzu ist zunächst festzustellen, dass die Besteuerung inflationärer Scheingewinne in erster Linie dem Nominalwertprinzip anzulasten ist, welches der geltenden Ertragbesteuerung zugrunde liegt. Soweit dies verfassungsrecht________________________ 391 J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 4 Rz. 120 u. § 8 Rz. 33; ders.,

DStJG 24, S. 49 (66); C. Dorenkamp, Nachgelagerte Besteuerung, S. 117 f. u. 132 f. 392 J. Lang in: Tipke/Bozza, Besteuerung von Einkommen, S. 123 (138 f.). 393 C. Dorenkamp, Nachgelagerte Besteuerung, S. 130 f.; J. Lang in: Rose, Integriertes

Steuer- und Sozialsystem, S. 83 (142 u. 144); ders. in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 4 Rz. 119; ders. in: FS Kruse, S. 313 (330 f.). 394 So J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 4 Rz. 119; ders. in: FS Kruse, S. 313 (334); ders., DStJG 24, S. 439 (78). Allerdings deutet er den ökonomischen Hintergrund der von ihm postulierten intertemporalen Neutralität nur an. Aus den vielfältigen Verweisungen a. a. O. auf das einschlägige finanzwissenschaftliche Schrifttum ergibt sich aber mit hinreichender Klarheit, dass die oben skizzierte Nutzenfunktion gemeint ist, vgl. nur M. Rose in: Rose (Ed.), Heidelberg Congress, S. 3 (22).

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Für die Dividendenbesteuerung maßgebliche Subprinzipien

lich geboten ist395, ließe es sich mittels einer entsprechenden Indexierung durch ein Realwertprinzip ersetzen. Diese Problematik erzwingt somit nicht eine Ausrichtung an der lebenszeitlichen Leistungsfähigkeit im oben genannten Sinne396. Erst recht gilt dies für die interperiodischen Auswirkungen des progressiven Steuersatzes bei periodisch schwankender Höhe des Leistungsfähigkeitsindikators. Denn die dadurch auftretenden Belastungsverzerrungen treten unabhängig davon ein, ob der gesamte Vermögenszuwachs einer Periode oder nur der für Konsumzwecke verwendete dem steuerlichen Zugriff unterliegen. Beide Größen können im Zeitverlauf schwanken und so eine höhere Durchschnittsbelastung als bei gleichmäßiger Belastung provozieren397. Je nach Ausgestaltung der lebensendlichen Besteuerung können diese Verzerrungen im lebenszeitlichen System sogar noch vertieft werden. Schließlich ist zwar nach allgemeiner Ansicht die konsumorientierte Besteuerung nach der lebenszeitlichen Leistungsfähigkeit stärker als der kapitalorientierte Ansatz auf die Wahrung von Entscheidungsneutralität im Hinblick auf die zeitlichen Konsumpräferenzen der Individuen ausgerichtet. Diese Neutralitätseigenschaft wird aber bereits dadurch erheblich relativiert, dass die entsprechenden individuellen Konsumpräferenzen während der Lebensdauer einem ständigen Wandel unterworfen sind und auch vom Indi________________________ 395 Ablehnend BVG v. 19.12.1978 – 1 BvR 335/76 u. a., BVerfGE 50, S. 57 (77 ff.);

befürwortend z. B. J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 9 Rz. 564; K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 512 ff.; K. Vogel, NJW 1979, S. 1158 f. Das spanische Verfassungsgericht legt in dieser Frage eine deutlich geringere Scheu an den Tag, sich zum Realwertcharakter des Leistungsfähigkeitsprinzips zu bekennen, als sein deutsches Pendant, vgl. die Grundsatzentscheidung des TC v. 11.12.1992, 221/1992: „La Sala proponente de la cuestión de inconstitucionalidad entiende que el Pleno respecto al principio de capacidad económica, recogido en el artículo 31.1 de la Constitución Española, exige «depurar» o separar la parte del incremento de valor que, por deberse exclusivamente a la inflación, tiene un carácter meramente nominal o ficticio.“ Es wird dem Gesetzgeber allerdings ein weites Ermessen zur Berücksichtigung gegenläufiger Wertungen eingeräumt; strenger P. M. Herrera Molina, Capacidad Económica, S. 134 ff. 396 Damit soll nicht verkannt werden, dass eine lebenszeitlich orientierte Besteuerung die Inflationsbereinigung von Erträgen wesentlich einfacher leisten könnte als die herkömmlich diskutierten Methoden, vgl. D. Dorenkamp, Nachgelagerte Besteuerung, S. 274; J. Lang, The Influence of Tax Principles, Vortrag gehalten auf dem EATLP-Kongress 2003, noch unveröffentlicht. 397 Die Ausführungen beziehen sich auf die Methode der nachgelagerten Cash-FlowBesteuerung, die den Gedanken einer lebenszeitlich angelegten Leistungsfähigkeitsbemessung am deutlichsten widerspiegelt. Erst recht zutreffend sind sie bei der ebenfalls lebenszeitlich orientierten Methode der Zinsbereinigung, die ja im Ansatz sämtliche periodischen Vermögenszuwächse besteuern will und nur die Normalverzinsung von Investitionen steuerfrei stellt.

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Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts

viduum selbst nicht sicher vorherbestimmt werden können398. In der Finanzwissenschaft wird außerdem darauf hingewiesen, dass unter der Prämisse des Erhalts des Fiskalaufkommens eine Steuerbefreiung von Ersparnissen bzw. Zinsen zur Erhöhung der Steuersätze auf das – konsumierte -Arbeitseinkommen zwingen würde399. Das hätte wiederum eine Vertiefung der steuerinduzierten Verzerrung der Entscheidungspräferenzen hinsichtlich Arbeit und Freizeit zur Folge400. Da finanzwissenschaftlich nicht klar bestimmt werden kann, welcher Nachteil zu stärkeren Effizienzverlusten führt401, lässt sich auch unter Neutralitätsaspekten eine klare Präferenz für eine konsumorientierte Besteuerung noch nicht belegen. Die Feststellung, dass nur der zunächst ohne steuerliche Belastungen erwirtschaftete lebenszeitliche Vermögenszuwachs sachgerechter Maßstab der Bemessung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit sei, erweist sich somit als eine rein juristische Wertung402. Obschon diese Wertung jedenfalls vertretbar ist, fragt sich, ob sie unter Gerechtigkeits- und speziell Leistungsfähigkeitsaspekten im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG die einzig annehmbare ist. Unter Gerechtigkeitsaspekten kann hier eingewandt werden, dass diese Auffassung letztlich vom Staat verlangt, dem Steuerpflichtigen bis zum Konsum bzw. bis zum Ableben eine steuerfreie Vermögensakkumulation zu ermöglichen403. Andererseits ist der moderne Staat mangels Entfaltung ins Gewicht ________________________ 398 Vgl. näher D. Schneider, Steuerlast und Steuerwirkung, S. 271 ff. 399 Dies gilt jedenfalls dann, wenn man durch den Wechsel zu einem „sparfreund-

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licheren“ System lebenszeitlich orientierter Besteuerung möglicherweise hervorgerufene Wachstumseffekte außer Acht lässt. Tatsächlich lassen sich solche Effekte in der Regel nicht genau vorherbestimmen, vgl. auch J. Lang u. a., Kölner Entwurf, Begründung S. 52. Vgl. P. Bareis, StuW 2002, S. 135 (137); U. Niehus, DStZ 2000, S. 697 (699); S. Homburg, Allgemeine Steuerlehre, 2. Aufl., S. 184 ff.; C. A. L. Rasenack in: FS Quaritsch, S. 363 (381). So mit ausführlicher Analyse S. Homburg, Allgemeine Steuerlehre, 2. Aufl., S. 187 f.; gl. A. ist der Wissenschaftliche Beirat beim BMF, Kapitaleinkommensbesteuerung, S. 78. So auch C. Dorenkamp, Nachgelagerte Besteuerung, S. 89 u. S. 96 ff. m. w. N. Das gilt bei wirtschaftlicher Betrachtung auch für die zinsbereinigte Besteuerung, die zwar die Besteuerung von investiertem Einkommen erlaubt, dann aber die Steuerfreistellung der marktüblichen Verzinsung der Investition vorsieht. Da sie unter den Modellbedingungen eines vollkommenen Kapitalmarktes mit der nachgelagerten Besteuerung belastungsäquivalent ist, wird auch hier der Staat im Ergebnis so gestellt, als habe er mit dem Steuerzugriff bis zum Ableben des Pflichtigen gewartet (vgl. C. Dorenkamp, Nachgelagerte Besteuerung, S. 76 ff.; Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, Kapitaleinkommensbesteuerung, S. 76). Die gegenteilige, rein technische Sicht von M. J. M. Neumann in: Schick, Veranlagung – Abgeltung – Steuerfreiheit, S. 31 (32) widerspricht dem Konzept der Zinsbereinigung als einer auf Belastungsäquivalenz angelegten Alternative zur nachgelagerten bzw. Cash-flow-Besteuerung.

Für die Dividendenbesteuerung maßgebliche Subprinzipien

fallender eigener wirtschaftlicher Betätigung auf ökonomische Teilhabe am Erfolg des Wirtschaftens seiner Bürger angewiesen404. Diese Teilhabe ermöglicht überhaupt erst die Schaffung von Rahmenbedingungen, die unmittelbar oder mittelbar den Steuerpflichtigen in die Lage versetzen, eigenes Vermögen zu erwirtschaften. Diese Rahmenbedingungen nutzt das Individuum permanent und nicht nur im Falle seines Konsums oder seines Versterbens405. Wenngleich nicht zwingend geboten, so wäre es darum doch auch gut begründbar, den Staat in kürzer als die Lebenszeit des Einzelnen bemessenen Abschnitten an dessen vollem wirtschaftlichen Erfolg partizipieren zu lassen406. Nichts anderes kann im Hinblick auf das Leistungsfähigkeitsprinzip als speziell steuerlicher Gerechtigkeitswertung gelten: Versteht man Leistungsfähigkeit wie eingangs dieses Kapitels konkretisiert als die Fähigkeit, aus Vermögenszuwächsen Steuern zu entrichten, so ergibt sich auch daraus keine zwingende Festlegung auf eine lebenszeitliche Bemessung. Denn grundsätzlich kann der Einzelne aus jedwedem Zuwachs an Vermögen, unabhängig von dessen Quelle oder Verwendung, steuerliche Lasten bestreiten407. Schließlich darf nicht übersehen werden, dass eine Orientierung an der lebenszeitlichen Leistungsfähigkeit erhebliche umverteilungspolitische Auswirkungen hat und in hohem Maße antiegalitär wirkt. Denn die damit implizit oder explizit verbundene Steuerfreistellung der Verzinsung investierten Kapitals erlaubt weitaus stärker als das gegenwärtige System die Bildung großer Vermögen408. Dass eine solche Entwicklung hinzunehmen verfassungsrechtlich unbedingt geboten sein soll, kann vor dem Hintergrund des Sozialstaatsprinzips des Art. 20 Abs. 1 GG nur schwerlich nachvollzogen werden. Dieses räumt dem Gesetzgeber gerade hinsichtlich der Maßnahmen

________________________ 404 K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., 2000, S. 230 u. 442; P. Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), 405 406 407 408

S. 213 (215 f.); R. Wendt, NJW 1980, S. 2111. Insoweit zutreffend S. Sieker, DStJG 25, S. 145 (168). Gl. A. W. Schön, StuW 2002, S. 23 (35). So auch K. Tipke, StRO II, S. 572; R. Wendt, StuW 1992, S. 66 (71). J. Lang spricht in seinem Entwurf eines Steuergesetzbuches, S. 126, von „gesellschaftlich fatalen Zuständen“, zu denen Extremorientierungen des Steuerrechts (bzgl. der Kapital- oder Konsumorientierung) führen würden. In seinem Vortrag auf dem Heidelberger Konsumsteuerkongress 1989 warnte er vor „sozialen Spannungen“, welche eine steuerliche Freistellung der Investitionsverzinsung mit sich bringen könnte (abgedruckt in: Rose (Ed.), Taxing Consumption, S. 273 (303)). Vgl. auch die Nachweise aus der US-amerikanischen Literatur bei J. Lang in: Rose, Integriertes Steuer- und Sozialsystem, S. 83 (90, Fn 29).

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Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts

des sozialen Ausgleichs einen weiten Gestaltungsspielraum ein409, der durch eine solche Festlegung empfindlich beschnitten würde410. Zusammenfassend ist festzustellen, dass auch eine Ausrichtung an der lebenszeitlichen Leistungsfähigkeit im eingangs genannten Sinne verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten ist. c) Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers Die obigen Darlegungen führen zwanglos zu der Erkenntnis, dass dem Gesetzgeber hinsichtlich der näheren zeitlichen Ausformung des Leistungsfähigkeitsindikators ein Gestaltungsspielraum zusteht411. Die Entscheidung über den richtigen Zeitpunkt der Besteuerung investierten Markteinkommens ist der Wertung des Gesetzgebers überlassen412. Die wohl überwiegende Ansicht in der steuerrechtlichen Literatur, wonach das Abschnittsprinzip ein bloß technisches Prinzip sei, das mit der materiellen Gerechtigkeitswertung des Leistungsfähigkeitsprinzips in Konflikt stehe413, bedarf darum einer präzisierenden Eingrenzung: In der Tat hat die Zerlegung des Lebens- bzw. Totaleinkommens nach Zeitabschnitten etwas Willkürliches an sich414. Insoweit diese willkürliche Unterteilung dazu führt, dass leistungsfähigkeitsmindernde Umstände nicht berücksichtigt werden können, muss sie durchbrochen werden. Das betrifft vor allem die folgerichtige Umsetzung des objektiven Nettoprinzips durch einen überperiodischen Verlustabzug. Das Leistungsfähigkeitsprinzip gebietet die vollständige Erfassung mindestens sämtlicher sich auf die objektive Leistungsfähig________________________ 409 Vgl. K.-P. Sommermann in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz, Art. 20

Abs. 1, Rz. 109. 410 Das gilt umso mehr, wenn man zugleich – und mit gutem Grund – eine Vermögen-

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steuer als nicht leistungsfähigkeitsgerecht ablehnt, vgl. J. Lang in: Tipke/Lang, § 13 Rz. 74 f. Sehr kritisch auch E. Sanz Gadea, Impuestos 2001, S. 161 (210) unter Berufung auf R. Musgrave und K. Tipke. So auch K. Tipke, StRO II, S. 572 f.; C. Dorenkamp, StuW 2000, S. 121 (127); ders., DStJG Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 61 (69 u. 98); U. Niehus, DStZ 2000, S. 697 (700). J. Lang,. Steuergesetzbuch, Rz. 458 u. 479; ders., StuW 1990, S. 107 (117); ders. in: Rose (Ed.), Taxing Consumption, S. 273 (290); ders., StuW 1989, S. 3 (13). Aus finanzwissenschaftlicher Sicht z. B. R. Schwinger, StuW 1994, S. 39 (45); S. Homburg, Allgemeine Steuerlehre, 2. Aufl., S. 238. C. Dorenkamp, Nachgelagerte Besteuerung, S. 97 f. K. Tipke, StuW 2002, S. 148 (165) m. w. N.; StRO II, S. 671; ders., StuW 1971, S. 2 (16); ähnlich ders., StuW 1992, S. 103 (111); J. Lang, StuW 1976, S. 76 (81); R. Seer, StuW 1996, S. 323 (335); R. Beiser, ÖStZ 2000, S. 413 (417); D. Feddersen, DStZ 1985, S. 443 (447); K. H. Friauf, DStJG 12, S. 3 (12 f. u. 16 ff.). Jüngst hat sich auch der BFH entsprechend geäußert, vgl. Urteil v. 11.2.1998 – I R 81/97, BStBl. II 1998, S. 485 (486). K. Tipke, StRO II, S. 669.

Für die Dividendenbesteuerung maßgebliche Subprinzipien

keit auswirkender Umstände auf die Lebenszeit des Steuerpflichtigen. Ansonsten würden Einkommen bzw. Erträge steuerlich belastet, die tatsächlich gar nicht entstanden sind. Insofern ist das Lebenseinkommen die verfassungsrechtlich gebotene Bemessungsgrundlage415. Beschränkungen bedürfen der Rechtfertigung, etwa im Hinblick auf die nötige Praktikabilität der Steuererhebung416. Anders hingegen ist die Frage zu beurteilen, ob das Lebenseinkommen vor Steuern, das heißt das in einer Welt ohne Steuern akkumulierbare Lebenseinkommen als Bemessungsgrundlage angesetzt werden muss. Dies kann der Verfassung und dem Leistungsfähigkeitsprinzip nicht entnommen werden. Insofern kommt dem Gesetzgeber ein weites Ermessen zu, das ihm insbesondere auch Zwischenlösungen erlaubt. So dürfen investierte Einkommen voll vorgelagert, voll nachgelagert oder aber auch nur partiell nachgelagert417 besteuert werden. Es muss allein die gleichmäßige Behandlung aller Arten von Investitionen beachtet werden418; Ausnahmen bedürfen der Rechtfertigung vor dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Eine solche Sichtweise steht auch im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Als es über zeitliche Restriktionen bei der Berücksichtigung leistungsfähigkeitsmindernder Umstände, namentlich die interperiodische Verrechenbarkeit von Verlusten zu entscheiden hatte, konstatierte es ein „Spannungsverhältnis“ zwischen dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung und dem Grundsatz des „abschnittsübergreifenden Nettoprinzips als Ausfluss des Leistungsfähigkeitsprinzips.“419 Demgegenüber hat es sich nicht generell gegen die periodische Erhebung der Einkommensteuer auch auf investierte Einkommen gewandt, allerdings auch keine diesbezügliche Festlegung erkennen lassen420. ________________________

415 Bezeichnenderweise ist es auch dieser Aspekt – nebst den durch die Progression

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hervorgerufenen interperiodischen Verzerrungen –, den die meisten Vertreter einer lebenszeitlichen bzw. überperiodischen Orientierung der Bemessungsgrundlage als Begründung anführen, vgl. K. Tipke, StuW 2002, S. 148 (165 f.); ders., StRO II, S. 669; D. Birk, StuW 2000, S. 328 (331); R. Beiser, ÖStZ 2000, S. 413 (417 f.); S. Grotherr, BB 1998, S. 2337 (2341 f.); J. Thiel, StbJb 1997/98, S. 309 (328 f.); G. Felix, Stbg 1996, S. 433 (438). Vgl. K. Tipke, StuW 2002, S. 148 (166); ders., Steuerrechtsordnung Bd. II, S. 669; ders., StuW 1971, S. 2 (16); O. Zugmaier in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 2 EStG (Stand: 07/01), Rz. 901. Diesen Begriff hat C. Dorenkamp geprägt, vgl. StuW 2000, S. 121 (128 f.); ders., DStJG Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 61 (77). In der partiell nachgelagerten Besteuerung wird gespartes Periodeneinkommen nicht vollumfänglich bis zu seiner konsumtiven Verwendung von der Besteuerung freigestellt, sondern einem (i. d. R. Proportional-)Steuersatz unterworfen, der den Einkommensteuerspitzensatz unterschreitet. Insofern zutreffend U. Niehus, DStZ 2000, S. 697 (700 f.). BVerfG v. 2.7.1991 – 1 BvR 1600/89, HFR 1992, S. 423 (424). Vgl. BVerfG v. 25.9.1992 – 2 BvL 5/91 u. a., BVerfGE 87, S. 153 (179).

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Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts

Für die Dividendenbesteuerung bedeuteten die vorstehenden Erkenntnisse, dass die Vorbelastung mit Ertragsteuern auf Ebene der ausschüttenden Kapitalgesellschaft verfassungsrechtlich zulässig ist. Gleiches gilt für die Besteuerung von Dividendeneinkünften, die in einer betrieblichen, das heißt dem Bereich investiver Verwendung von Einkommen zuzuordnenden Sphäre anfallen. Schließlich ist auch nicht per se zu beanstanden, dass die Gewinne, aus welchen sich die Dividenden speisen, einer niedrigeren Belastung unterliegen als konsumtiv verwendete Einkommensbestandteile, die dem Einkommensteuerspitzensatz unterfallen. Es handelt sich dabei um eine partiell nachgelagerte Besteuerung421, die allenfalls im Vergleich zu anderen Formen der Investitionsbesteuerung gleichheitsrechtliche Bedenken aufwirft, die hier jedoch nicht näher beleuchtet werden können.

8. Konsequente Umsetzung der Subprinzipien Die Rückkoppelung sämtlicher hier erörterten Subprinzipien an das Fundamentalprinzip leistungsfähigkeitsgerechter Besteuerung und damit an den Gleichheitssatz verlangt in jedem Fall, dass die einmal getroffene Entscheidung zugunsten eines bestimmten Subprinzips folgerichtig umgesetzt und durchgehalten wird422. Denn Abweichungen vom Unterprinzip implizieren ein Abgehen vom Grundsatz leistungsfähigkeitsgerechter Besteuerung und sind damit rechtfertigungsbedürftig. Insofern ist Systemgerechtigkeit nichts anderes als auf konsequent durchgeführten, sachgerechten Regeln beruhende Gerechtigkeit423. Das Bundesverfassungsgericht lässt diesen Gesichtspunkt in der Formulierung aufscheinen, der Gesetzgeber habe „die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umzusetzen.“424 Darüber hinaus trägt das Gebot wertungsmäßiger Konsequenz auch optimal dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Grundsatz der Rechtssicherheit Rech________________________ 421 J. Lang in: Rose, Integriertes Steuer- und Sozialsystem, S. 83 (115); C. Dorenkamp,

DStJG Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 61 (77). 422 K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 327; ders., in: FS Wacke, S. 211 (214); J. Lang in:

Tipke/Lang, 17. Aufl., § 4 Rz. 83; ders., Bemessungsgrundlage, S. 128; M. Jachmann, DStJG 23, S. 9 (13 f.); dies., Steuergesetzgebung, S. 23 f. u. 26; dies., StuW 1998, S. 193 (198 f.) m. w. N.; D. Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 159 f.; P. Kirchhof, StuW 1985, S. 319 (321); ders., StuW 1984, S. 297 (301 f.); J. Beil, Belastungsgrund, S. 70; J. Petersen, bewegliches System, S. 37; R. Zippelius, Recht und Gerechtigkeit, S. 325 f.; C.-W. Canaris, Systemdenken, S. 16; P. Kirchhof in: Isensee/ Kirchhof, HdBStR V, § 124 Rz. 222 ff.; L. Osterloh in: Sachs, GG, 3. Aufl., Art. 3 Rz. 98. 423 K. Tipke, Steuergerechtigkeit, S. 49; B. Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, S. 24. 424 BVerfG v. 6.3.2002 – 2 BvL 17/99, HFR 2002, S. 331 (336) m. w. N.

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Für die Dividendenbesteuerung maßgebliche Subprinzipien

nung425. Gerade im hochkomplexen Steuerrecht, das nahezu alle Lebensbereiche erfasst, kann nur ein prinzipienbasiertes Normengefüge Bestimmtheit und Vorhersehbarkeit des Rechts gewährleisten. Allerdings kann von einer Bindung des Gesetzgebers an die von ihm selbst aufgestellten Prinzipien nur solange die Rede sein, als er erkennbar an diesen Prinzipien festhalten will. Er ist mit anderen Worten nicht gehindert, die von ihm selbst geschaffenen Subprinzipien auszuwechseln oder zu modifizieren, soweit die Verfassung Raum für gesetzgeberische Wertungen lässt. Ein prinzipiengeleitetes System ist demnach offen für gewandelte Wertungsvorstellungen426.

________________________ 425 C.-W. Canaris, Systemdenken, S. 17 f. 426 Vgl. C.-W. Canaris, Systemdenken, S. 63 f.

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Grundsätze internationaler Verteilungsgerechtigkeit

B. Grundsätze internationaler Verteilungsgerechtigkeit Bei der Beurteilung der Körperschaftsteuersysteme Deutschlands und Spaniens spielen auch die Grundsätze internationaler Verteilungsgerechtigkeit eine wichtige Rolle. Wie noch nachzuweisen sein wird, geben diese Grundsätze gewisse Rahmenbedingungen für eine zwischenstaatliche Verteilung des Steueraufkommens aus den ausgeschütteten Gewinnen vor. Bestimmte Körperschaftsteuersysteme können von ihrer Struktur und Funktionsweise her diesen Anforderungen unter den Bedingungen der geltenden Doppelbesteuerungsabkommen nicht genügen, wenn sie auf grenzüberschreitend ausgeschüttete Dividenden angewendet werden.

I. Interpersonale und internationale Steuergerechtigkeit Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die internationale Doppelbesteuerung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip unvereinbar ist. Damit stellt sich bei grenzüberschreitenden Sachverhalten die Anschlussfrage, inwieweit jeder der betroffenen Staaten unter völkerrechtlichen oder sonstigen Gesichtspunkten verpflichtet ist, in der Abschöpfung des Steuergutes dem jeweils anderen den Vorrang einzuräumen und auf diese Weise eine in der Gesamtbelastung leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung herbeizuführen427. Die Herstellung der von Verfassung wegen gebotenen interpersonal gerechten Besteuerung erzwingt also notwendig eine Befassung mit der Frage der interstaatlich gerechten Zuweisung der Besteuerungsrechte: Darf nämlich der Vermögenszuwachs des grenzüberschreitend agierenden Steuerpflichtigen unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten letztlich nur einmal steuerlich abgeschöpft werden, so ist dies notwendig mit einem – ggf. teilweisen – Besteuerungsverzicht eines oder beider betroffenen Staaten verbunden428. ________________________ 427 Ähnlich H. Flick, FR 1961, S. 171 (172): „Gerechtigkeit für den Steuerpflichtigen

bedeutet, dass die Staaten sich Beschränkungen in der Ausmessung ihrer Steuerpflicht auferlegen müssen …“ (Hervorhebung durch Verf.). 428 Deutlich K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 522: „Wenn gleichmäßige Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit erreicht werden soll, müssen die betroffenen Staaten sich die Bemessungsgrundlage ‚Welteinkommen’ teilen, damit Doppel- oder Mehrfachbelastung vermieden wird. Doppel- oder Mehrfachbelastung ist keine gleichmäßige Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.“ Ähnlich H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 4.11 m. w. N. Noch weitergehender R. A. Musgrave/ P. B. Musgrave in: Tax Policy in the Global Economy, S. 159 (164 f.): Interstaatliche

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Interpersonale und internationale Steuergerechtigkeit

Es liegt dabei in der Natur der Sache, dass die endgültige Belastung nur den Steuerwürdigkeitsidealen eines der involvierten Staaten Rechnung tragen kann. Das ist abhängig davon, ob der höher besteuernde Staat sein Besteuerungsrecht gänzlich verliert oder aber ob es ihm vollständig oder doch zumindest insoweit verbleibt, dass er die ausländische Belastung auf sein inländisches Steuerniveau aufstocken kann. Angesichts der bereits beschriebenen offenen Staatlichkeit des Grundgesetzes ist der deutsche Gesetzgeber in der Entscheidung dieser Frage unter verfassungsrechtlichen Aspekten frei. Es besteht weder ein Anspruch des Steuerpflichtigen noch eine Verpflichtung des Staates zur Herstellung gerade des deutschen Belastungsniveaus. Die Entscheidung, welcher der betroffenen Staaten ganz oder teilweise auf die Geltendmachung seiner Besteuerungsrechte verzichten muss, muss sich ebenfalls an Gerechtigkeitswertungen ausrichten. Auch im internationalen Kontext besteht zu einer prinzipiengebundenen Austeilung der Besteuerungsrechte, die mit dem Gerechtigkeitsverständnis der jeweiligen Beteiligten vereinbar ist, keine akzeptable Alternative. Es gälte sonst stets das „Recht des Stärkeren“, oder aber es würde die Doppelbesteuerung nicht wie geboten vermieden werden. Darum ist es berechtigt, insoweit von Grundsätzen materialer, interstaatlicher Verteilungsgerechtigkeit bzw. „inter-nationsequity“ oder „inter-country-equity“ zu sprechen429. Davon zu unterscheiden ist die Frage nach der wirtschaftlichen Effizienz interstaatlicher Verteilungsregeln430; diese kann unter juristischen Gesichtspunkten nur insoweit eine Rolle spielen, als die maßgeblichen Gerechtigkeitserwägungen ihre Berücksichtigung zulassen. Diese sollen darum zunächst herausgearbeitet werden.

________________________ Gerechtigkeit (inter-nation equity) betreffe die Frage der Partizipation der involvierten Volkswirtschaften an der Wertschöpfung des Steuerpflichtigen, und hänge darum vom Maß der Ausübung des Besteuerungsrechts des Quellenstaates ab, wohingegen die interpersonale Gerechtigkeit (inter-individual equity) durch die steuerlich Reaktion des Wohnsitzstaates auf die Besteuerung im Quellenstaat bestimmt werde. Für die Zwecke dieser Arbeit erscheint es aber angezeigt, die Frage der interstaatlichen Gerechtigkeit als eine der Aufteilung bzw. Beschränkung der Besteuerungsbefugnisse zu verstehen. Denn dies steht verfassungstheoretisch wie auch verfassungspraktisch für die an der Aushandlung der DBA beteiligten Regierungen im Vordergrund. 429 Vgl. J. Hey, IWB Fach 3, Gruppe 1, S. 2003 (2005); K. Ståhl, ec tax review 1997, S. 227 (233); K. Vogel, Intertax 1988, S. 393 (398); B. Weiser, Rechtsprechung und Rechtssetzung auf dem Gebiet der direkten Besteuerung, S. 55. Ähnlich G. Burmester, StuW 1993, S. 221 (228 f.). Grundlegend R. A. und P. B. Musgrave in: Essays in Honor of Carl S. Shoup, S. 63 ff. (nach: P. B. Musgrave, Tax Policy in the Global Economy, S. 159 ff.). 430 Vgl. dazu K. Vogel in: Vogel/Lehner, DBA, 4. Aufl., Einl. Rz. 24 f.

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Grundsätze internationaler Verteilungsgerechtigkeit

II. International gerechte Dividendenbesteuerung Die Grundsätze interstaatlicher Verteilungsgerechtigkeit weisen im Vergleich zu den Prinzipien der innerstaatlichen Lastenausteilungsgerechtigkeit zwei wesentliche Unterschiede auf: Zum einen orientiert sich die Zuteilung von Besteuerungsrechten hauptsächlich an äquivalenztheoretischen Aspekten, wohingegen der Gesichtspunkt der „Leistungsfähigkeit“ der betroffenen Staaten, das heißt im Kontext der Aufkommensverteilung: ihrer fiskalischen Bedürftigkeit, kaum eine Rolle spielt. Nach den im internationalen Steuerrecht vorherrschenden Gerechtigkeitsvorstellungen soll einem Staat tendenziell in dem Maße ein Besteuerungsrecht zustehen, in dem er durch sein Rechts- und Wirtschaftssystem zur Erwirtschaftung des Steuergutes beiträgt431. Zum anderen besteht hinsichtlich der Frage, wie das Äquivalenzprinzip zum Zwecke der Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung näher zu konkretisieren ist, nicht in dem Maße Klarheit, wie dies bei der Herausbildung von Subprinzipien zur näheren Bestimmung interpersonaler Besteuerungsgerechtigkeit der Fall ist. Es ist umstritten, wie die jeweiligen Beiträge von Ansässigkeitsstaat und Tätigkeitsstaat zur Einkünfteerzielung des Steuerpflichtigen zu gewichten sind. Allgemein verbindliche Rechtsregeln für die Aufteilung finden sich weder im Völkerrecht noch im internationalen Steuerrecht432. In der wissenschaftlichen Diskussion wurden allerdings ursprünglich die Leistungen des Ansässigkeitsstaates stärker betont, es stand also die Person des Steuerpflichtigen und dessen Einbindung in die Rechts- und Wirtschaftsordnung seines Heimatlandes im Vordergrund433. Demgegenüber werden in jüngerer Zeit die Infrastrukturleistungen des Quellenstaates hervorgehoben, um dessen bevorzugte Berücksichtigung zu rechtfertigen434. Eine ausführliche Diskussion der Problematik ist für das Thema dieser Arbeit nicht notwendig. Denn für die Frage, inwieweit sich ein nationales Regime der Dividendenbesteuerung mit den Grundsätzen internationaler Verteilungsgerechtigkeit verträgt, darf und muss nur auf die Gerechtigkeitswertungen abgestellt werden, welche sich zwischen dem jeweiligen Staat und der übrigen Staatengemeinschaft im Hinblick auf diesen spezifischen Teilbereich herausgebildet haben. ________________________ 431 B. Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung,

S. 111. 432 J. Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 162; A. Spitaler, Doppelbesteuerungsproblem,

2. Aufl., S. 414 f. 433 So z. B. G. von Schanz, FA 9 (1892), S. 365 ff. 434 So z. B. J. Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 163 m. w. N.; G. Burmester, JZ 1993,

S. 698 (700).

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International gerechte Dividendenbesteuerung

1. Die Abkommensregelungen als Konkretisierung international gerechter Dividendenbesteuerung Anders als Effizienzerwägungen sind Gerechtigkeitswertungen niemals absoluter Natur. Sie sind vielmehr an den Interessen und am Wertekonsens der Gruppen ausgerichtet, welche die soziale Ordnung des Gemeinwesens tragen. Da jeder souveräne Staat den Rahmen seiner sozialen Ordnung verkörpert, wird er auch eigene Gerechtigkeitsvorstellungen entwickeln und durchzusetzen versuchen435. Im Bereich der internationalen Doppelbesteuerung besteht nun die Besonderheit, dass regelmäßig die Vorstellungen zumindest zweier Staaten hinsichtlich der gerechten Aufkommensverteilung miteinander in Deckung zu bringen sind. Insoweit eine solche Übereinstimmung aber hergestellt werden kann, ist dadurch grundsätzlich eine hinreichende Konkretisierung der Maßstäbe zwischenstaatlicher Verteilungsgerechtigkeit gewährleistet. Insbesondere die prinzipiengeleitete Reziprozität der Abmachungen bürgt regelmäßig für ihren Gerechtigkeitsgehalt436. Den Kriterien, welche abstrakt zu deren Bestimmung herangezogen werden, namentlich äquivalenztheoretischen Überlegungen, kommt mithin vor allem die Bedeutung eines Plausibilitätsmaßstabes zu437: Es ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass die konkret praktizierte Aufteilung eines Steuergutes anhand dieser Kriterien begründbar ist und sich folgerichtig in die Verteilungsregeln bezüglich der übrigen Steuergüter einfügt, um ihr einen Gerechtigkeitswert zuzusprechen. Zur Bestimmung der aus bilateraler Sicht maßgeblichen Gerechtigkeitswertungen für die Aufteilung ausgeschütteter Unternehmensgewinne ist darum primär auf die in den jeweiligen DBA verankerten Verteilungsregeln abzustellen. Als spezielle völkerrechtliche Normen spezifizieren sie den Maßstab der Gerechtigkeit und des angemessenen Interessenausgleichs in den internationalen Beziehungen bereichsspezifisch438. Die DBA sollen nämlich nicht nur zugunsten der abkommensberechtigten Steuerpflichtigen Doppelbesteuerung vermeiden, sondern zugleich eine gerechte Verteilung der Steuergüter unter den Vertragsstaaten herbeiführen. Die konkret ausgehandelte Aufteilung spiegelt darum das gemeinsame Verständnis der beteiligten Staaten von ________________________ 435 H.-J. Kleineidam in: FS Flick, S. 857 (863). 436 S. Wesche, Gegenseitigkeit und Recht, S. 282 m. w. N. Vgl. dazu auch J. Rawls,

A Theory of Justice, S. 501. 437 Vgl. B. Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteue-

rung, S. 112 f. Ähnlicher Ansicht ist wohl auch K. Tipke in: Tipke/Bozza, Besteuerung von Einkommen, S. 9 (26). 438 Zu dieser allgemeinen Funktion des Völkerrechts vgl. C. Tomuschat in: Isensee/ Kirchhof, HdBStR VII, § 172 Rz. 3.

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Grundsätze internationaler Verteilungsgerechtigkeit

zwischenstaatlicher Verteilungsgerechtigkeit wider439. Speziell die von Deutschland vereinbarten DBA orientieren sich bei der Besteuerung von Unternehmensgewinnen, die als Dividenden ausgeschüttet werden, eng am OECD-Musterabkommen440; gleiches gilt für Spanien. Infolgedessen können die relevanten Maßstäbe abkommensübergreifend anhand von dessen Regelungen, speziell in den Art. 7 und 10, gewonnen werden.

2. Das Vorrecht des Quellenstaates Aus der Gesamtschau dieser beiden Bestimmungen lässt sich das allgemein angenommene sogenannte Vorrecht des Quellenstaates hinsichtlich der Besteuerung ausgeschütteter Unternehmensgewinne herleiten441. Von entscheidender Bedeutung ist dabei, dass die Verteilungsregeln des OECD-MA von der Geltung eines Systems klassischer Dividendenbesteuerung ohne Abmilderung der wirtschaftlichen Doppelbelastung ausgehen442: Aufgrund der international anerkannten Abschirmwirkung der Kapitalgesellschaft, auf deren wirtschaftliche Aktivitäten die Erwirtschaftung des ausgeschütteten Gewinns zurückzuführen ist, kann der Sitzstaat dieser Gesellschaft das Körperschaftsteueraufkommen im Verhältnis zum Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters zunächst ungeteilt vereinnahmen, Art. 7 Abs. 1 OECD-MA. Eine Aufkommensteilung wird insoweit nur im Verhältnis zum Staat einer aus________________________

439 H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 16.37 u. 16.188; K. Tipke,

StRO I, 2. Aufl., S. 240. Vgl. auch K. Vogel in: Vogel, DBA, 4. Aufl., Einl. Rz. 26. Ähnlich T. Menck in: Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 2. Aufl., Rz. A 29. A. A. ist Y. Brauner, Tax Law Review 2003, S. 259 (279): „The source rules are a set of arbitrary rules that were carefully crafted to support a specific compromise.“ Auch Brauner konzediert aber, dass jedenfalls im Bereich der Dividendenbesteuerung weltweit eine starke Übereinstimmung über die Aufkommensaufteilung besteht (a. a. O., S. 281); es überzeugt nicht, angesichts dessen von willkürlichen Maßstäben zu sprechen. 440 Vgl. dazu die Übersicht bei Tischbirek in: Vogel, DBA, 4. Aufl., Art. 10 Rz. 67: Der in Art. 10 Abs. 2 lit. a OECD-MA vorgesehene maximale Quellensteuersatz von 15 % hat ganz überwiegend in die von Deutschland abgeschlossenen DBA Eingang gefunden. 441 Dazu z. B. J. Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 163; dies. in: Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG/KStG, Einf. KSt Rz. 52; M. Mössner/D. Kellersmann, DStZ 1999, S. 505 (513 f.); H. G. Raber, DB 1999, S. 2596 (2597); N. Bozza-Bodden, Körperschaftsteuersystem, S. 313; A. J. Rädler in: Herzig, Harmonisierung der Körperschaftsteuersysteme, S. 1 (9); R. L. Doernberg, intertax 1995, S. 3 (5 f.); G. Burmester, JZ 1993, S. 698 (703). 442 J. Hey, IWB Fach 3, Gruppe 1, S. 2003 (2008); dies., Unternehmensbesteuerung, S. 165 m. w. N;.C. de Pablo Varona, RDFHP 2002, S. 51 (57 u. 61); ders., La tributación del socio, S. 449; M. Lucas Durán, Dividendos internacionales, S. 120; J. H. Ault, Tax Law Review 1992, S. 565 (569); F. Wassermeyer in: Debatin/ Wassermeyer, DBA, Art. 10 MA (Stand: 06/01), Rz. 12.

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International gerechte Dividendenbesteuerung

ländischen Betriebsstätte praktiziert. Die nachfolgende Besteuerung der Dividenden soll nach dem Verständnis des OECD-MA die Besteuerung der dafür verwendeten Gewinne bei der ausschüttenden Gesellschaft unberührt lassen, Art. 10 Abs. 2 S. 3 OECD-MA. Die Körperschaftsteuer und sonstige Steuern, welche der Sitzstaat dadurch eingenommen hat, sollen ihm also endgültig zugewiesen werden443. Darüber hinaus wird ihm das Recht gewährt, auch die Dividende, und zwar regelmäßig in Höhe von maximal 15 % des Bruttobetrages, zu besteuern444. Nach der Konzeption des OECD-MA, die den deutschen DBA im Wesentlichen zugrunde liegt, soll der Sitzstaat der ausschüttenden Gesellschaft also Unternehmensgewinne zunächst auf Ebene der Gesellschaft besteuern dürfen, und im Anschluss zusätzlich in begrenztem Maße auf den ausgeschütteten Gewinn nach Unternehmenssteuern zugreifen dürfen. Der Wohnsitzstaat darf nur die Dividende besteuern und muss die ausländische Quellensteuer auf seine Steuer anrechnen. Diese Rechte begünstigen den Quellenstaat in zweierlei Hinsicht: Einerseits wird der Quellenstaat üblicherweise steuerlich mehr an den ausgeschütteten Unternehmensgewinnen partizipieren als der Wohnsitzstaat445. Er kann dies jedenfalls, wenn er das Körperschaftsteueraufkommen hoch genug ausgestaltet, das ja ihm allein zusteht und das zugleich die Bemessungsgrundlage der aufzuteilenden Steuer auf die Dividende verringert. Andererseits ist gewährleistet, dass ihm seine im Binnenkontext bestehenden Besteuerungsrechte auch bei grenzüberschreitender Ausschüttung noch im Wesentlichen erhalten bleiben. Er vermag zwar häufig seinen im klassi________________________ 443 C. de Pablo Varona, RDFHP 2002, S. 51 (57). 444 Zum Kompromißcharakter dieser Lösung M. Lucas Durán, Dividendos internacio-

nales, S. 292 u. 295. 445 Eine überwiegende steuerliche Abschöpfung durch den Wohnsitzstaat kann sich nur

einstellen, wenn die Körperschaftsteuerbelastung im Quellenstaat sehr niedrig ist, der vom Wohnsitzstaat praktizierte Steuersatz auf die Dividende sehr hoch ausfällt und schließlich die Beteiligungsaufwendungen nur gering ausfallen oder im Wohnsitzstaat steuerlich nicht abziehbar sind. Sie dürfte darum die Ausnahme darstellen. Dies lässt sich am Beispiel einer Körperschaftsteuer(vor)belastung von 15 %, einer Steuer auf die Dividendeneinkünfte im Wohnsitzstaat von durchschnittlich 50 % und abziehbaren Beteiligungsaufwendungen von 5 % der Bruttodividende verdeutlichen. Selbst in dieser eher untypischen, selten anzutreffenden Konstellation von zugunsten des Wohnsitzstaates wirkenden Faktoren ist das Steueraufkommen des Quellenstaates noch leicht höher: Er erhält bei einem Gewinn von 100 zunächst 15 an Körperschaftsteuer und weitere 12,75 an Steuer auf die Dividendeneinkünfte (entsprechend 15 % der Bruttodividende von 85; dabei ist unterstellt, dass sein Besteuerungsanspruch diese Grenze ausschöpft oder die Quellensteuer abgeltend erhoben wird), insgesamt also 27,75. Demgegenüber besteuert der Wohnsitzstaat die Dividendeneinkünfte von 80,75 zu 50 % mit 40,375, muss aber 12,75 anrechnen, so dass ihm nur 27,625 verbleiben.

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Grundsätze internationaler Verteilungsgerechtigkeit

schen System bestehenden Steueranspruch nicht vollständig durchzusetzen. Beträgt die nach dem maßgeblichen Steuertarif gebotene Belastung der Dividende mehr als 15 % ihres Bruttobetrages, sieht er sich abkommensrechtlich an der Erhebung des überschießenden Teils gehindert. Ihm wird aber schon vorab das Körperschaftsteueraufkommen zugewiesen. Zusammen mit der fünfzehnprozentigen Quellensteuer wird ihm damit regelmäßig ermöglicht, zumindest den überwiegenden Teil seiner im klassischen System intern bestehenden Steueransprüche auch grenzüberschreitend zu realisieren. Eine genauere Aussage kann nicht mit Anspruch auf Allgemeingültigkeit getroffen werden, weil die exakte Quote vom Belastungsniveau auf Ebene der Kapitalgesellschaft und von dem beim konkreten Anteilseigner zur Anwendung gelangenden Einkommensteuertarif abhängt. Beide Faktoren variieren zum einen infolge im Zeitverlauf eintretender Tarifänderungen, zum anderen je nach der Person des Dividendenbeziehers446. Ein Vorrecht ist aber jedenfalls dann als gewahrt anzusehen, wenn es zur mehr als hälftigen Durchsetzung dieser Besteuerungsansprüche berechtigt. Nach alledem ist es zutreffend von einem Vorrecht des Quellenstaates zu sprechen, wenn dieser wie im OECD-MA vorausgesetzt klassisch besteuert. Praktizieren nun allerdings beide Abkommensstaaten oder auch nur einer von ihnen nicht die klassische Dividendenbesteuerung, sondern suchen sie die wirtschaftliche Doppelbelastung der ausgeschütteten Gewinne durch eine Form der Integration von Einkommensteuer und Körperschaftsteuer zu vermeiden, entspricht ihr Besteuerungssystem nicht mehr den Prämissen des ________________________

446 Im Belastungsbeispiel aus der vorstehenden Fußnote kann der Steueranspruch je

nach dem individuellen durchschnittlichen Einkommensteuersatz des Dividendenbeziehers nur knapp überwiegend, ganz überwiegend oder aber vollständig durchgesetzt werden, wenn man eine Grenze bei 50 % zieht: ESt-Satz

10 %

20 %

30 %

40 %

50 %

Gewinn

100,00

100,00

100,00

100,00

100,00

KSt

15,00

15,00

15,00

15,00

15,00

Bruttodividende

85,00

85,00

85,00

85,00

85,00

Nettodividende

80,75

80,75

80,75

80,75

80,75

8,08

16,15

24,23

32,30

40,38

23,08

31,15

39,23

47,30

55,38

23,08

27,75

27,75

27,75

27,75

100 %

89 %

71 %

59 %

> 50 %

ESt Gesamtbelastung Aufkommen im Auslandsfall Quote

Je höher die Körperschaftsteuerbelastung und je niedriger der Einkommensteuerspitzensatz liegen, desto stärker kann der Quellenstaat seinen im Binnenkontext bestehenden Steueranspruch auch grenzüberschreitend realisieren. Berücksichtigt man, dass das Ausgangsbeispiel insofern bereits sehr ungünstige Verhältnisse widerspiegelt, wird man regelmäßig zu einer durchgängig mehr als 50 % betragenden Realisationsquote kommen.

202

International gerechte Dividendenbesteuerung

Abkommensrechts. In diesem Zusammenhang treten zwei Problemstellungen auf, die nicht immer hinreichend klar unterschieden werden: a) Keine Zuweisung von Verantwortlichkeiten für die Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbelastung Zum einen stellt sich die Frage, welcher der vom grenzüberschreitenden Dividendenbezug betroffenen Staaten für die Entlastung der im Quellenstaat nur beschränkt steuerpflichtigen Dividendenbezieher Sorge zu tragen hat. Anders formuliert geht es darum, ob der Quellenstaat die beschränkt Steuerpflichtigen in sein Entlastungssystem einbeziehen muss oder ob er für sie an einer klassischen Form der Dividendenbesteuerung festhalten darf und die Entlastung gegebenenfalls durch ihren Ansässigkeitsstaat zu erfolgen hat. Es existieren für diesen Fall keine konkreten Empfehlungen oder Musterbestimmungen für DBA; nur in einigen vereinzelten DBA wird er zwischenstaatlich geregelt447. Die OECD hat zwar Untersuchungen anstellen lassen448, die aber weder in das OECD-MA noch in die Abkommenspraxis Eingang gefunden haben. In der wissenschaftlichen Diskussion sucht man die Problematik überwiegend aus den allgemeinen Grundsätzen des internationalen Steuerrechts heraus zu lösen. Teilweise wird dafür plädiert, der Quellenstaat bzw. Sitzstaat der Gesellschaft müsse die ausländischen Investoren entlasten449. Als Argument wird vornehmlich angeführt, der Wohnsitzstaat des Anteilseigners habe die Körperschaftsteuer und sonstige auf Gesellschaftsebene erhobene Steuern nicht vereinnahmt, darum müsse er auch keinen Ausgleich dafür gewähren450. Demgegenüber tritt eine starke Meinungsgruppe dafür ein, den Ansässigkeitsstaat des Auslandsinvestors auf dessen Entlastung von im Ausland entrichteter Körperschaftsteuer zu verpflichten451. Hierfür wird vor allem der ________________________ 447 Einen Überblick verschafft T. Menck in: Mössner, Steuerrecht international tätiger

Unternehmen, 2. Aufl., Rz. A 71. 448 OECD, Taxing Profits in a Global Economy, Paris 1991; vgl. auch den Musterkom-

mentar zum OECD-MA, Art. 10 Rz. 40 ff. 449 Vgl. T. Menck in: Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 2. Aufl.,

Rz. A 71; G. Saß in: Herzig, Harmonisierung der Körperschaftsteuersysteme, S. 21 f.; ders. DB 1993, S. 113 (117); W. Reiss, DStJG 20, Diskussionsbeitrag S. 74 f.; J. Brinkmann, Unternehmensbesteuerung, S. 117 f. 450 So auch B. Knobbe-Keuk in: FS Klein, S. 347 (352); H. Merkert in: FS Flick, S. 57 (62). 451 Vgl. J. Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 167; dies. in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. KSt (Stand: 09/99), Rz. 217 m. w. N.; H.-H. Krebühl in: FS Fischer, S. 137 (143); O. Thömmes in: Herzig, Körperschaftsteuerguthaben, S. 13 (35); N. Herzig, StuW 1990, S. 22 (30); wohl auch W. Schön in: GS Knobbe-Keuk, S. 743 (775).

203

Grundsätze internationaler Verteilungsgerechtigkeit

Grundsatz der Bevorrechtigung des Quellenstaates angeführt. Auch die Empfehlungen des von der Europäischen Kommission eingesetzten sogenannten Ruding-Ausschusses452 gehen in diese Richtung. Der Ausschuss hatte sich dafür ausgesprochen, grundsätzlich dem Wohnsitzstaat die Aufgabe der Entlastung zuzuweisen. Dabei sollte die von diesem auch im Inlandssachverhalt angewendete Methode maßgeblich sein. Demgegenüber würde eine Entlastung durch den Quellenstaat nach Ansicht der Ausschussmitglieder dessen steuerlicher Bevorrechtigung widersprechen453. Tatsächlich aber kann die Frage, welcher Staat sein Entlastungssystem auf grenzüberschreitende Dividendenzahlungen auszudehnen hat, nicht anhand der Kriterien zwischenstaatlicher Verteilungsgerechtigkeit entschieden werden. Das folgt schon daraus, dass die Gewährung oder der Verzicht auf die Ausdehnung des Entlastungsmechanismus auf Steuerausländer die Aufteilung des Steuergutes nicht präjudiziert454. Werden auch beschränkt Steuerpflichtige durch den Quellenstaat entlastet, so steht zwar fest, dass sich das zur Verteilung anstehende Steueraufkommen insgesamt vermindern wird, weil die wirtschaftliche Doppelbelastung dann auch bei ihnen entfällt bzw. abgemildert wird. Wie dieses reduzierte Aufkommen gerecht aufzuteilen ist, ist damit aber noch nicht entschieden: Denkbar wäre sowohl eine ausschließliche Zuweisung der Besteuerungsrecht an den Quellenstaat über eine abkommensrechtlich zu vereinbarende Freistellung der Dividenden im Ansässigkeitsstaat als auch die umgekehrte Aufteilung allein zugunsten des Ansässigkeitsstaates wie schließlich auch jede Form von Zwischenlösung. Auch im Hinblick auf die eine mögliche Entlastung durch den Ansässigkeits- statt durch den Quellenstaat gilt letztlich nichts anderes. Zwar könnte hier anders als in der zuvor erörterten Konstellation nicht schon durch bloße Verzichts- bzw. Kollisionsregeln in den DBA vollständig auf die Verteilung Einfluss genommen werden: Denn dem Quellenstaat verbliebe in jedem Fall das Aufkommen an Körperschaftsteuer, das infolge der international anerkannten Abschirmwirkung der Kapitalgesellschaft schon keinem kollidierenden Besteuerungsanspruch des Ansässigkeitsstaates unterläge. Es könnte aber über ein internationales Steuerclearing bzw. einen internationalen Fiskalausgleich im Ergebnis auch das Körperschaftsteueraufkommen wieder ganz oder teilweise auf den Ansässigkeitsstaat übergeleitet werden. Ob ein Verfahren der Integration von Gesellschafts- und Gesellschafterbesteuerung auf beschränkt steuerpflichtige Anteilseigner auszudehnen ist, oder ob der ________________________ 452 Veröffentlicht als Report of the committee of independent experts on company

taxation, Brüssel 1992 [i. F.: Ruding-Report]. 453 Ruding-Report, S. 208. 454 Sehr deutlich C. de Pablo Varona, RDFHP 2002, S. 51 (67 u. 92); C. E. McLure, The

Journal of Corporate Taxation 1980, S. 137 (153).

204

International gerechte Dividendenbesteuerung

Wohnsitzstaat insoweit entlasten muss, beurteilt sich somit nicht nach den Kriterien des internationalen Steuerrechts. Diese Entscheidung ist vielmehr anhand von nationalen verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Vorgaben sowie gegebenenfalls auch nach europarechtlichen Maßstäben zu treffen. b) Beurteilungsmaßstäbe für die Verteilungswirkungen der Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbelastung Bereits vorgezeichnet ist damit aber der zweite Aspekt der Problematik, der anders als der erste die Grundsätze zwischenstaatlicher Verteilungsgerechtigkeit unmittelbar berührt: Werden auch grenzüberschreitende Dividenden in einen Mechanismus zur Abmilderung bzw. Vermeidung der Doppelbelastung einbezogen, so ist zu entscheiden, ob die daraus resultierenden Verteilungswirkungen den Grundsätzen internationaler Verteilungsgerechtigkeit genügen. Ob und inwieweit die internationale Verteilung des durch Entlastung reduzierten Steueraufkommens aus den ausgeschütteten Unternehmensgewinnen gerecht ist, muss primär unter Zuhilfenahme der bestehenden Abkommensbestimmungen festgestellt werden. Sie enthalten die Gerechtigkeitswertungen, die bei der Aufteilung der Besteuerungsrechte an Dividenden zu beachten sind. Das gilt ungeachtet dessen, dass sie auf das klassische System der Dividendenbesteuerung zugeschnittenen sind. Denn indem die Abkommenspartner dem OECD-Muster gefolgt sind, haben sie implizit zum Ausdruck gebracht, eine bestimmte vom klassischen System ausgehende Aufteilung, namentlich das Vorrecht des Quellenstaates, als gerecht anzusehen. Diese Wertung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass das aufzuteilende Steueraufkommen durch Maßnahmen der Integration von direkten Unternehmenssteuern einerseits und Steuern auf die Dividende andererseits verringert. Die Körperschaftsteuersysteme sind darum im internationalen Kontext an den bestehenden DBA zu messen; dabei ist zu prüfen, inwieweit sie sich in das von diesen vorausgesetzte Verteilungsschema einfügen. Zwar wäre es die theoretisch überlegene Lösung, die einzelnen DBA länderspezifisch den Verteilungswirkungen des Entlastungsmechanismus anzupassen455. Dieser Ansatz soll hier aber nicht weiter verfolgt werden. Denn mindestens kurzund mittelfristig gelingt es dem die Entlastung gewährenden Staat in der Regel nicht, eine von den üblichen Bestimmungen der Art. 7 Abs. 1, 10 Abs. 1 OECD-MA abweichende Regelung in seinen DBA durchzusetzen. Es recht gilt dies, wenn es dazu der Änderung bereits bestehender DBA bedarf. Ein________________________ 455 Dazu statt aller H. J. Ault, Tax Law Review 1992, S. 565 ff.; C. de Pablo Varona,

RDFHP 2002, S. 51 (65 u. 94 ff.).

205

Grundsätze internationaler Verteilungsgerechtigkeit

mal abgeschlossen, erweisen sich DBA als in hohem Maße gegenüber nachfolgenden Änderungen resistent, an deren Einfügung nur einer der beteiligten Staaten ein Interesse hat. Zu Recht konstatiert darum T. Menck: „Da sie kaum abänderbar sind, muss sich zunehmend nationales Recht an DBA, nicht umgekehrt, anpassen.“456 Prägnant stellt auch J. R. Vann fest: „A country must find solutions that are generally treaty consistent and which can exist in a world of different systems.“457 Speziell hinsichtlich der Quellensteuersätze wird zwar in der wissenschaftlichen Literatur gelegentlich zu Recht gefordert, dass sie nicht auf der Basis der Reziprozität, sondern auf Basis des jeweiligen nationalen Steuerrechts im DBA verankert werden müssten458. Maßgeblich müsste mit anderen Worten eine effektive Reziprozität sein, die durchaus unterschiedliche nominale Quellensteuersätze erfordern kann459. Bei der Festlegung von Quellensteuersätzen auf Dividendeneinkünfte wäre es dann geboten, dem unterschiedlichen Ausmaß an Verzicht auf eine definitive Körperschaftsteuer Rechnung zu tragen460. In der Abkommenspraxis ist es aber nahezu durch________________________ 456 T. Menck in: Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 2. Aufl., Rz.

A 28. 457 R. J. Vann, CDFI LXXXVIIIa, S. 21 (67). 458 Vgl. z. B. R. A. Musgrave/P. B. Musgrave in: Tax Policy in the Global Economy,

S. 159 (173 f.). Auch das – in der internationalen Abkommenspraxis der entwickelten Staaten aber bedeutungslose – UN-Musterabkommen 2001 geht davon aus und spricht in Art. 10 Abs. 2 betreffend die Quellensteuersätze auf Dividenden keine konkrete Empfehlung aus, sondern stellt sie den Verhandlungen zwischen den jeweiligen vertragsschließenden Staaten anheim. 459 C. de Pablo Varona, RDFHP 2002, S. 51 (89, Fn. 102) m. w. N. aus dem internationalen Schrifttum; R. L. Doernberg, intertax 1995, S. 3 (6); K. van Raad, intertax 1995, S. 15 (19 f.). 460 Der offizielle Kommentar zum OECD-Musterabkommen 1963 sah dies sogar in der Kommentierung zu Art. 10 ausdrücklich vor (Rz. 48): „Die in Absatz 2 des Artikels vorgeschlagene Lösung geht davon aus, daß der Zweck eines Doppelbesteuerungsabkommens nicht in der Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung besteht, die sich dadurch ergibt, daß ein Staat nicht nur die gesamten gewerblichen Gewinne einer Gesellschaft bei dieser selbst, sondern darüber hinaus auch die in Form von Dividenden ausgeschütteten Gewinne bei den Aktionären besteuert. Wenn ein Staat diese Doppelbesteuerung dadurch mildert oder vermeidet, daß er die Gesellschaft mit dem auszuschüttenden Teil des Gewinns nur niedrig oder gar nicht besteuert (weil er die Gewinnausschüttungen bei den in seinem Gebiet ansässigen Aktionären voll zur Steuer heranzieht), so muß er berechtigt sein, die von den nichtansässigen Aktionären bezogenen Dividenden nach einem Satz zu besteuern, der über den in Absatz 2 genannten Sätzen liegt. Die Erhebung einer höheren Steuer an der Quelle wäre somit ein Ausgleich dafür, daß der ausgeschüttete Gewinn bei der Gesellschaft nicht oder nur zu einem ermäßigten Satz besteuert worden ist …“ Im Kommentar zum revidierten OECD-Musterabkommen 1977 waren so weitgehende Aussagen hingegen nicht mehr anzutreffen. Der Fokus lag deutlich stärker auf dem

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International gerechte Dividendenbesteuerung

weg so, dass Quellensteuersätze streng gegenseitig zugestanden werden und regelmäßig keiner der Vertragspartner bereit ist, davon zugunsten der anderen Seite abzuweichen461. Das drückt sich etwa auch darin aus, dass der Steuerausschuss der OECD 1991 das Prinzip effektiver Reziprozität als Grundlage internationaler Abkommenspraxis ausdrücklich abgelehnt hat462. Selbst innerhalb des Staatenverbundes der EU-Mitgliedstaaten wäre mit einer großzügigeren Haltung nicht zu rechnen: Insbesondere das Scheitern des Richtlinienvorschlags des Rates zur Harmonisierung der Körperschaftsteuersysteme463 hat gezeigt, dass die Mitgliedstaaten zu Zugeständnissen bezüglich ihrer Fiskalhoheit auch im Hinblick auf die Beseitigung der wirtschaftlichen Doppelbelastung von Dividenden nicht bereit sind. Wenngleich damit von den bestehenden Vorgaben des OECD-MA auszugehen ist, so können diese doch nur einen groben Rahmen vorgeben, innerhalb dessen jede Art der Aufteilung ausgeschütteter Gewinne als noch verteilungsgerecht einzustufen ist. Das liegt darin begründet, dass die konkrete Aufteilungswirkung der für die Dividendenbesteuerung maßgeblichen Bestimmungen immer von den im Einzelfall anzutreffenden Steuerbelastungsverhältnissen in beiden Staaten abhängt. Als Anhaltspunkte für eine zwischenstaatlich gerechte Aufkommensverteilung bei Anwendung eines Entlastungsmechanismus lassen sich nach alledem zwei Kriterien herauskristallisieren: aa) Erstens muss auch unter Geltung eines Entlastungsmechanismus der den Art. 7 Abs. 1, 10 Abs. 1 OECD-MA zu entnehmende bevorrechtigte Zugriff des Quellenstaates gewahrt bleiben. Dabei bedarf es zur Grenzziehung, ab wann das fiskalische Vorrecht des Quellenstaates an den ausgeschütteten Unternehmensgewinnen verletzt ist, einer wertenden Betrachtungsweise. In der Literatur wird zu dieser Frage vereinzelt vertreten, dies wäre schon dann

________________________

Prinzip nomineller Reziprozität; eine Abänderung wurde nicht mehr empfohlen, sondern allenfalls als Möglichkeit vage erörtert (vgl. die Kommentierung zu Art. 10, Rz. 39 ff.). 461 Vgl. T. Menck in: Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 2. Aufl., Rz. A 28; M. Lucas Durán, Dividendos internacionales, S. 297; R. A. Musgrave/ P. B. Musgrave in: Tax Policy in the Global Economy, S. 159 (163); K. Ståhl, ec tax review 1997, S. 227 (234). Besonders anschaulich werden die entsprechenden Probleme bei der Aushandlung der Quellensteuersätze von H. J. Ault anhand der Verhandlungen zum Abschluss des deutsch-amerikanischen DBA geschildert (Tax Law Review 1992, S. 565 (583 f.)). 462 OECD, Taxing Profits in a Global Economy, S. 37 ff. 463 Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Körperschaftsteuersysteme und der Regelungen der Quellensteuer auf Dividenden v. 1.8.1975, BT-Drs. 7/3981, zurückgezogen in der Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an das Parlament und an den Rat über Leitlinien zur Unternehmensbesteuerung v. 18.5.1990, BR-Drs. 360/90, S. 10.

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Grundsätze internationaler Verteilungsgerechtigkeit

der Fall, wenn ihm das Körperschaftsteueraufkommen nicht mehr ungeschmälert zustünde464. Diese Meinung versteht das Vorrecht des Quellenstaates in einem absoluten Sinne, will also den Verteilungsgrundsatz des Art. 7 Abs. 1 OECD-MA unmodifiziert auch auf Systeme der Unternehmensbesteuerung anwenden, in denen Einkommen- und Körperschaftsteuer integriert sind. Begründet wird das vor allem damit, dass der Quellenstaat die staatlichen Leistungen zur Verfügung stelle, die zur Erwirtschaftung der Kapitalgesellschaftsgewinne erforderlich seien. Ihm müsse darum letztlich auch das Körperschaftsaufkommen ungeteilt zur Verfügung stehen. Diese Argumentation übersieht aber, dass dem Quellenstaat damit im grenzüberschreitenden Sachverhalt potentiell mehr zugestanden wird, als er nach seinen eigenen Wertungen im Binnensachverhalt erhalten darf. Wenn etwa die körperschaftsteuerliche Vorbelastung einer von einem unbeschränkt Steuerpflichtigen bezogenen Dividende dessen persönliche Steuerschuld übersteigt und er über ein Anrechnungsverfahren die Differenz erstattet erhält, muss sich der Quellenstaat bei seinen eigenen Ansässigen im Ergebnis mit weniger als dem Körperschaftsteueraufkommen begnügen. Die Grundsätze zwischenstaatlicher Verteilungsgerechtigkeit sollen nun aber nur dazu dienen, eine als leistungsfähigkeitsgerecht empfundene steuerliche Partizipation an den Unternehmensgewinnen im grenzüberschreitenden Sachverhalt gerecht aufzuteilen. Ihr Aussagegehalt wird pervertiert, wenn sie – und sei es mittelbar – als Argument für die Auferlegung zusätzlicher Steuerlasten gerade im internationalen Kontext herangezogen werden. Das Postulat, dem Quellenstaat müsse jedenfalls das ungeschmälerte Körperschaftsteueraufkommen verbleiben, trägt darum der Reduzierung des Gesamtaufkommens aus der Besteuerung von ausgeschütteten Gesellschaftsgewinnen unter Geltung eines Entlastungssystems nicht angemessen Rechnung. Zur Bewertung, wann das Vorrecht des Quellenstaates noch als gewahrt anzusehen ist, kann nicht isoliert auf Art. 7 Abs. 1 OECD-MA abgestellt werden, weil das Wesen eines Entlastungssystems gerade in der integrierten Betrachtung von Unternehmensgewinnen und Dividende besteht. Die Verteilungswirkungen der Art. 7 Abs. 1, 10 Abs. 1 OECD-MA müssen vielmehr einer Gesamtschau unterworfen und die daraus ableitbaren Grundsätze auf die Installation eines Entlastungssystems übertragen werden: Diese integrierte Betrachtung muss dazu führen, den Grundsatz des Vorrechts des Quellenstaates bei Anwendung eines Entlastungsverfahrens stärker qualitativ und weniger quantitativ zu interpretieren. Dem Aspekt einer in absoluten Zahlen höheren Partizipation des Quellenstaates am gesamten Steueraufkommen in beiden Ländern darf außerhalb des Kontextes eines ________________________ 464 J. Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 167; ähnlich dies. in: Herrmann/Heuer/Raupach,

EStG/KStG, Einf. KSt (Stand: 09/99), Rz. 217.

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International gerechte Dividendenbesteuerung

klassischen Systems keine große Bedeutung mehr zukommen. Denn es liegt in der Natur der Sache, dass ein etwa im Quellenstaat praktiziertes Entlastungsverfahren dessen Steueraufkommen im Vergleich zu dem im klassischen System schon ohne das Hinzutreten abkommensrechtlicher Beschränkungen mindert. Deswegen wird tendenziell auch sein Anteil am Gesamtsteueraufkommen in beiden Ländern vermindert sein, ohne dass dieser Umstand allein bereits als Verstoß gegen das Vorrecht des Quellenstaates gewertet werden könnte. Es muss für die Wahrung des Vorrechts des Quellenstaates vielmehr maßgeblich darauf ankommen, ob es diesem nach wie vor möglich ist, zumindest den überwiegenden Teil seiner im Binnenkontext bestehenden Steueransprüche auch noch bei grenzüberschreitendem Dividendenbezug zu realisieren. Das derart modifizierte Vorrecht des Quellenstaates besteht folglich darin, dass er das in den ausgeschütteten Unternehmensgewinne verkörperte Steuergut insgesamt so weit abschöpfen darf, dass er seine im reinen Binnensachverhalt uneingeschränkt bestehenden Steueransprüche auch im grenzüberschreitenden Kontext immer noch mehr als hälftig realisieren kann. Wollte man anders entscheiden, insbesondere zusätzlich die Beibehaltung des im klassischen System bestehenden Aufteilungsverhältnisses fordern, so müsste dies notwendigerweise zu einem über die Anrechnung der tatsächlich erhobenen Quellensteuern hinausgehenden Aufkommensverzicht des Wohnsitzstaates führen465. Er hätte entweder den Dividendenbezieher ebenfalls proportional weniger zu belasten, was diesen in der Gesamtbetrachtung aber gegenüber einem rein innerstaatlich investierenden Anteilseigner privilegieren würde466. Oder aber es müsste ein Teil der Steuereinnahmen des Wohnsitzstaates über ein Clearingverfahren an den Quellenstaat zurückgeleitet werden, was entsprechend aufwendig wäre. Gegen beide Varianten spricht letztlich entscheidend, dass damit dem Ansässigkeitsstaat ein Verständnis von gerechter Dividendenbesteuerung aufoktroyiert würde, das er meist nicht teilen wird. Wird dort etwa für Inlandsdividenden eine Form ________________________

465 Da durch die Beseitigung der wirtschaftlichen Doppelbelastung im Quellenstaat

dessen Steueraufkommen im Vergleich zur klassischen Besteuerung sinkt, kann das im klassischen System bestehende zwischenstaatliche Aufteilungsverhältnis nur beibehalten werden, wenn auch der Ansässigkeitsstaat entsprechend weniger Steueraufkommen erhält. Dies entspricht dem von R. L. Doernberg verfolgten Konzept einer Verteilung der Kosten der Integration anhand der prozentualen Aufkommenspartizipation der Staaten, wie sie hypothetisch bei je klassischer Besteuerung bestünde, vgl. intertax 1995, S. 3 (7 ff.). 466 Der Anteilseigner erhielte im Quellenstaat bereits die vollständige Befreiung von wirtschaftlicher Doppelbelastung und über die Anrechnung von Quellensteuern im Wohnsitzstaat würde auch die juristische Doppelbesteuerung vermieden; ein noch weitergehender Aufkommensverzicht des Ansässigkeitsstaates müsste ihn also notwendigerweise besser stellen als den reinen Binneninvestor.

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Grundsätze internationaler Verteilungsgerechtigkeit

klassischer oder die wirtschaftliche Doppelbelastung nur geringfügig abmildernder Dividendenbesteuerung praktiziert, stünde dies in einem deutlichen Gegensatz zur Entlastung von Auslandsdividenden nach den weitergehenden Maßstäben des Sitzstaates der Gesellschaft. Dieser Gesichtspunkt lässt sich im Übrigen auch gegen die Annahme anführen, es müsse stets der Wohnsitzstaat die fiskalischen Kosten der Integration tragen467. Auch für den Wohnsitzstaat lassen sich aus den geltenden DBA bestimmte Anhaltspunkte für die äußersten Grenzen der noch als verteilungsgerecht anzusehenden Ausdehnung eines Entlastungsmechanismus auf Auslandsdividenden entnehmen. Hierzu geben die Methodenartikel Aufschluss, die sich jedenfalls in den deutschen und spanischen DBA regelmäßig an Art. 23A und 23B des OECD-MA orientieren. Danach praktiziert der Wohnsitzstaat in denjenigen Fällen, in denen er kein alleiniges Besteuerungsrecht hat, entweder die Freistellungsmethode oder die Anrechnungsmethode, letztere jedoch beschränkt auf die Gewährung eines ordinary credit. Dies bedeutet, dass die Maßnahmen zur Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung im Ansässigkeitsstaat nie über einen Verzicht auf die eigene Steuererhebung hinausgehen. Als nicht mehr verteilungsgerecht wird es also in der Abkommenspraxis angesehen, darüber hinaus ausländische Steuern, die im Ansässigkeitsstaat nicht vereinnahmt wurden, zu erstatten. Diese Wertung muss auch gelten, wenn es um die Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung insbesondere durch die indirekte Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer geht. bb) Zweitens wird man verlangen müssen, dass keiner der betroffenen Staaten durch die Einführung eines auch grenzüberschreitend wirksamen Entlastungsmechanismus mehr an Aufkommenseinbußen hinnehmen muss, als es den Kosten der Integration von Körperschaftsteuer und Einkommensteuer entspricht. Entscheidet sich der Quellenstaat für die Ausdehnung des Entlastungsverfahrens auf Steuerausländer bzw. ist er dazu verpflichtet, so darf dies allenfalls dazu führen, dass er die mit der Entlastung verbundenen Fiskaleinbußen im Verhältnis zum Wohnsitzstaat allein tragen muss. Gehen seine Aufkommensverluste aber darüber hinaus, kommt es nicht nur zu einer Verringerung, sondern darüber hinaus zu einer Verschiebung des den beteiligten Staaten zugewiesenen Anteils an den Besteuerungsquellen. Dies stünde im Widerspruch zu den in den DBA vorgesehenen Zuweisungsnormen ________________________ 467 Diese Kritik ließe sich nur durch die Beschränkung der Integration ausländischer

Körperschaftsteuer auf das jeweils niedrigste Entlastungsniveau der beteiligten Staaten (reciprocal minimum relief criterion) entkräften, dazu J. Hey in: Herrmann/ Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. KStG (Stand: 09/99), Rz. 217 m. w. N. Dann aber bleibt es dabei, dass sich das Aufteilungsverhältnis im Vergleich zum klassischen System verändert.

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International gerechte Dividendenbesteuerung

und würde folglich eine an deren Maßstab gemessen ungerechte Verteilung indizieren. Dieses Kriterium ist durch einen Vergleich von Aufkommenswirkungen bei Geltung eines klassischen Systems gegenüber denjenigen bei Anwendung des praktizierten Entlastungsmechanismus eindeutig handhabbar.

211

Europarechtliche Vorgaben

C. Europarechtliche Vorgaben I. Die überragende Bedeutung der Beschränkungsverbote Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union468 (EU) haben sich unter anderem die Schaffung eines Raumes ohne Binnengrenzen innerhalb der Union zum Ziel gesetzt, Art. 2 EUV. Grundlage der EU sind die Europäischen Gemeinschaften, Art. 1 Abs. 3 EUV, in deren Rahmen dieses Ziel umzusetzen ist. Dies sind im Einzelnen die „Europäische Gemeinschaft“469 (EG), die „Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl“470 (EGKS) und die „Europäische Atomgemeinschaft“471 (EAG). Speziell die EG soll gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. c, 14 Abs. 2 EGV darauf hinwirken, einen Binnenmarkt zu schaffen, der durch die Beseitigung der Hindernisse für den freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr der Mitgliedstaaten gekennzeichnet ist. Zu den diese Konzeption eines einheitlichen Wirtschaftsraumes beeinträchtigenden Hindernissen kann je nach nationaler Ausgestaltung des Steuersystems auch die steuerliche Behandlung des Gebrauchmachens von den genannten Freiheiten zählen. Der EGV bietet darum auf primärrechtlicher Ebene eine Grundlage auch für die Harmonisierung des Steuerrechts der Mitgliedstaaten, was für die indirekten Steuern ausdrückliche Erwähnung in Art. 93 EGV gefunden hat. Die Harmonisierung der direkten Steuern lässt sich nach dem Vorgesagten auf die Generalklausel des Art. 94 EGV i. V. m. Art. 95 II EGV stützen472. Zur Erfüllung ihres Harmonisierungsauftrages bedient sich die EG der sekundärrechtlichen Handlungsformen der Richtlinie und der Verordnung, Art. 249 EGV. Im Gegensatz zu den indirekten Steuern ist die Harmonisierung der direkten Steuern durch sekundäres Gemeinschaftsrecht in der EU bisher nur ansatzweise und punktuell entwickelt. Im Wesentlichen beschränkt sie sich auf das Maßnahmenpaket vom 23.7.1990, durch welches die Fusionsrichtlinie, die ________________________ 468 Konstituiert durch den Vertrag über die Europäische Union (EUV) v. 7.2.1992. 469 Konstituiert durch den Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemein-

schaft (EGWV) v. 25.3.1957, umbenannt in „Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft“ (EGV) durch den EUV v. 7.2.1992. 470 Konstituiert durch den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) v. 18.4.1951. Die Vertragsdauer des EGKSV war gemäß dessen Art. 97 auf 50 Jahre beschränkt, so dass mit Auslaufen des Vertrages in 2002 der Montansektor ebenfalls in den Anwendungsbereich des EGV überführt worden ist, vgl. M. Herdegen, Europarecht, 4. Aufl., § 4 Rz. 42. 471 Konstituiert durch den Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (EAG) v. 25.3.1957. 472 Vgl. M. Lehner in: FS Offerhaus, S. 117 (118) m. w. N.

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Die überragende Bedeutung der Beschränkungsverbote

Mutter-Tochter-Richtlinie473 und die Schiedsverfahrenskonvention verabschiedet wurden. Die Gründe für diese bloß rudimentäre Entwicklung dürften in der besonderen Sensibilität der Materie der direkten Steuern liegen, die eng mit den Eigenarten der jeweiligen nationalen Rechts- und Gesellschaftsordnung und den divergierenden Gerechtigkeitsvorstellungen verbunden ist474. Dies erschwert in erheblichem Maße die Konsensfindung unter den Mitgliedstaaten, welche der einstimmigen Ratsentscheidung nach Art. 94, 95 Abs. 2 EGV vorausgehen muss475. Angesichts dessen verwundert es nicht, dass die Herausbildung von Vorgaben des europäischen Rechts für die Ausgestaltung der nationalen Steuerrechtsordnungen ihre wesentlichen Impulse weniger durch Rechtsakte der EG als vielmehr durch die primärrechtlichen Abkommensregelungen des EGV erhielt476. Dies ist entscheidend auf die Rechtsprechung des EuGH zu den europarechtlichen Grundfreiheiten im Allgemeinen und ihren Implikationen für das nationale Steuerrecht im Besonderen zurückzuführen477. Insbesondere für die Besteuerung grenzüberschreitend bezogener Dividenden lassen sich dem EGV eine Reihe von Vorgaben entnehmen. Ausgangspunkt aller weiteren Überlegungen ist dabei die vom EuGH entwickelte, in ständiger Rechtsprechung bestätigte und inzwischen einhellig anerkannte These der unmittelbaren und vorrangigen Geltung des primären Gemeinschaftsrechts gegenüber nationalen Bestimmungen. Dies bedeutet zum einen, dass speziell die in Art. 14 Abs. 2 EGV aufgeführten und in den Art. 23 ff. EGV näher spezifizierten Grundfreiheiten auch ohne sekundärrechtliche Ausgestaltung als Maßstab für die Beurteilung der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit von Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten herange________________________ 473 Siehe dazu VIII. 474 Vgl. J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 2 Rz. 53. 475 Deutlich wird dies etwa auch daran, dass die Steuerpolitik einer der wenigen Berei-

che ist, für den auch im Entwurf einer europäischen Verfassung nach wie vor das Einstimmigkeitserfordernis vorgesehen ist, vgl. Handelsblatt vom 10.7.2003, S. 1. 476 S. v. Thiel, TFO 2001/78, S. 13. H. P. A. M. v. Arendonk, Ars aequi 2001, S. 358 (360 ff.) schreibt dazu: „De regelgeving op het terrein von de directe belastingen is zeer beperkt in omvang en de resultaten zijn dan ook zeer bedroevend … In plaats van de regelgeving is de jurisprudentie van het Hof van Justitie in de afgelopen jaren van meer betekenis geweest.“ 477 Vor dem Hintergrund des Legalitätsprinzips kritisch zum judicial activism des EuGH äußert sich H. P. A. M. v. Arendonk, Ars aequi 2001, S. 358 (367). Freilich wird der EuGH dazu durch die anhaltende Untätigkeit der Mitgliedstaaten herausgefordert. Überdies liegt die Schwäche der EuGH-Rechtsprechung nicht so sehr in ihrer mangelnden Verortung im geschriebenen Gemeinschaftsrecht als vielmehr in ihrer mangelnden dogmatischen Stringenz, wie noch zu zeigen sein wird.

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Europarechtliche Vorgaben

zogen werden können478. Daraus ergibt sich, dass die Befugnis zur Ausgestaltung der Systeme direkter Steuern auf den Ertrag zwar nach wie vor in die von sekundärrechtlichen Vorgaben nahezu uneingeschränkte Kompetenz der Mitgliedstaaten fällt. Sie müssen jedoch ihre Befugnisse unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben und sich darin unmittelbar an den Grundfreiheiten des EGV messen lassen479. Im Kollisionsfalle setzt sich das Gemeinschaftsrecht aufgrund seines Anwendungsvorrangs uneingeschränkt gegen die betroffenen einzelstaatlichen Steuervorschriften durch480. Dabei ________________________ 478 Ständige Rspr. des EuGH; vgl. zur Warenverkehrsfreiheit EuGH v. 3.7.1974, Rs.

192/73 (Van Zuylen), Slg. 1974, 731, Rz. 2/5; zur Arbeitnehmerfreizügigkeit EuGH v. 4.12.1974, Rs. 41/74 (van Duyn), Slg. 1974, 1337, Rz. 5/7; zur Niederlassungsfreiheit EuGH v. 21.06.1974, Rs. 2/74 (Reyners), Slg. 1974, 631, Rz. 24/28 ff.; zur Dienstleistungsfreiheit EuGH v. 3.12.1974, Rs. 33/74 (van Binsbergen), Slg. 1974, 1299, Rz. 27; zur Kapitalverkehrsfreiheit EuGH v. 23.2.1995, Rs. C-358/93 u. a. (Bordessa u. a.), Slg. 1995, I-361, Rz. 35 (noch zur Kapitalverkehrsrichtlinie i. V. m. Art. 67 Abs. 1 EGV a. F.) sowie EuGH v. 14.12.1995, Rs C-163/94 u. a. (Sanz de Lera u. a.), Slg. 1995, I-4821, Rz. 48 (zu Art. 56 Abs. 1 EGV (Art. 73b Abs. 1 EGV a. F.)). Zustimmend m. w. N. etwa T. Oppermann, Europarecht, 2. Aufl., Rz. 630; D. Ehlers, Jura 2001, S. 266 (267); R. Wernsmann, EuR 1999, S. 754 (755); P.-C. Müller-Graff in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV-Kommentar, Vorbem. zu den Art. 30 bis 37, Rz. 12. 479 Ständige Rspr. des EuGH, vgl. EuGH v. 14.2.1995, Rs. C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 21; EuGH v. 14.9.1999, Rs. C-391/97 (Gschwind), Slg. 1999, I 5451, Rz. 20; EuGH v. 21.9.1999, Rs. C-307/97 (Saint-Gobain ZN), Slg. 1999, I 6181, Rz. 58; EuGH v. 13.4.2000, Rs. C-251/98 (Baars), Slg. 2000, I-2787, Rz. 17; EuGH v. 26.6.2003, Rs. C-422/01 (Skandia), EWS 2003, S. 379, Rz. 25. Zustimmend etwa S. van Thiel/C. Achilles, IStR 2003, S. 530 (531); S. van Thiel, ec tax review 2003, S. 4 (6 f.); J. M. Almudí Cid/F. Serrano Antón, QF 2002/19, S. 7 (8); J. Sedemund, IStR 2002, S. 390; E. Sanz Gadea, Impuestos 2001, S. 161 (178 f.); S. Fischer, Primäres Gemeinschaftsrecht, S. 212; H. P. A. M. v. Arendonk, Ars aequi 2001, S. 358 (362); J. Kokott in: Lehner, Grundfreiheiten, S. 1 (4); R. Wernsmann, EuR 1999, S. 754 (755); V. Kluge, Das Internationale Steuerrecht, 4. Aufl., S. 120, K 18; O. Thömmes in: GS Knobbe-Keuk, S. 795 (821); A. Steichen in: FS Debatin, S. 417 (420); E. Klein, DStJG 19, S. 7 (18). 480 Zu dem v. a. aus Art. 10 S. 2 EGV (Art. 5 S. 2 EGV a. F.) abgeleiteten Vorrang des Gemeinschaftsrechts grundlegend EuGH v. 15.7.1964, Rs. 6/64 (Costa/E. N. E. L.), Slg. 1964, 1251. Seitdem ständige Rspr., vgl. EuGH v. 7.7.1976, Rs. 118/75 (Watson u. Belmann), Slg. 1976, 1185, Rz. 16; EuGH v. 9.3.1978, Rs. 106/77 (Simmenthal II), Slg. 1978, 629, Rz. 17 f.; EuGH v. 22.6.1989, Rs. 103/88 (Fratelli Costanzo), Slg. 1989, 1839, Rz. 30 f.; EuGH v. 7.2.1991, Rs. C-184/89 (Nimz), Slg. 1991, I-297, Rz. 17 ff. Zustimmend z. B. M. Herdegen, Europarecht, 4. Aufl., Rz. 228 ff.; R. Wernsmann, EuR 1999, S. 754 (755); E. Grabitz, DStJG 11, S. 33 (43) m. w. N.; M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, 5. Aufl., Rz. 849; W. Veelken, JuS 1993, S. 265 (267) m. w. N. Dabei führt nach zutreffender Ansicht der Vorrang des Gemeinschaftsrechts nicht zur Nichtigkeit des entgegenstehenden nationalen Rechts, sondern lediglich zu dessen Unanwendbarkeit, da dies genügt, um dem in Art. 10

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Die relevanten Beschränkungsverbote: Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit

kann im Rahmen dieser Arbeit dahinstehen, ob die ungerechtfertigte Vorenthaltung steuerlicher Inländer-„Vergünstigungen“ im weitesten Sinne sogar dazu führt, dass die steuerlich vorteilhafte Regelung ohne weiteres in ihrem Anwendungsbereich auch auf den an sich davon ausgeschlossenen grenzüberschreitenden Sachverhalt ausgedehnt wird481. In jedem Falle nämlich müssen die nationalen Vorschriften zur Dividendenbesteuerung nicht nur verfassungsrechtlichen Vorgaben, sondern auch den Anforderungen der europäischen Grundfreiheiten entsprechen.

II. Die relevanten Beschränkungsverbote: Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit Die Dividendenzahlung ist die Frucht des finanziellen und gegebenenfalls auch persönlichen Engagements des Anteilseigners in einer Kapitalgesellschaft. Ihre steuerliche Behandlung berührt im Hinblick auf grenzüberschreitend im Binnenmarkt realisierte Engagements darum in erster Linie die Niederlassungsfreiheit des Art. 43 EGV oder die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 EGV. Zur Vertiefung dieses Aspekts ist genauer auf den sachlichen Anwendungsbereich dieser beiden Grundfreiheiten einzugehen. ________________________ S. 2 EGV ausgesprochenen Verbot der Gefährdung der Ziele des EGV Rechnung zu tragen. Siehe hierzu EuGH v. 7.2.1991 a. a. O., Rz. 17 u. 19; K. Eicker, ET 1998, S. 322; T. Oppermann, Europarecht, 2. Aufl., Rz. 633; D. Ehlers, Jura 2001, S. 266 (267 f.); R. Wernsmann, EuR 1999, S. 754 (755); E. Grabitz a. a. O.; W. Veelken a. a. O. 481 Die Rechtsprechung des EuGH schwieg sich bis vor kurzem zu den Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die sogleich näher zu erörternden Diskriminierungsverbote aus. Inzwischen hat der EuGH allerdings mit Allgemeinverbindlichkeitsanspruch entschieden, dass die Feststellung der gemeinschaftswidrigen Beschränkung einer Begünstigung auf den Inlandssachverhalt ohne weiteres dazu führt, dass sie auch von der benachteiligten Gruppe in Anspruch genommen werden kann (EuGH v. 26.1.1999, Rs. C-18/95 (Terhoeve), Slg. 1999, I-345, Rz. 57). Dem dürfte zuzustimmen sein. Hierfür können vor allem der aus Art. 10 S. 2 EGV abgeleitete Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts und der mit ihm eng verbundene und in Art. 10 S. 1 EGV verwurzelte Gedanke des efet util (hierzu A. Hatje in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 10 EGV Rz. 16) angeführt werden. Wenn der Anwendungsvorrang zur Nichtanwendung der mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbaren nationalen Rechtsnorm führt (s. o.), so kann dies bei diskriminierenden Regelungen nur bedeuten, dass die diskriminierende Beschränkung auf Inlandskonstellationen von Rechtsanwendern und Gerichten auszublenden ist. Denn auf andere Weise können Judikative und Exekutive (anders als der Gesetzgeber) den Gemeinschaftsrechtsverstoß nicht beseitigen, wozu sie aber verpflichtet sind. Tendenziell gl. A. sind K. Lackhoff, Niederlassungsfreiheit, S. 387 f.; D. Kellersmann/C. Treisch, Europäische Unternehmensbesteuerung, S. 175; A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 904; T. Bieg, Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, S. 91 f.

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Europarechtliche Vorgaben

1. Sachlicher Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit Der sachliche Anwendungsbereich der in Art. 56 EGV normierten Kapitalverkehrsfreiheit wird im EGV nicht näher spezifiziert. Es besteht jedoch Einigkeit darüber, dass Art. 56 EGV im Wesentlichen den Inhalt des Artikels 1 der früheren Kapitalverkehrsrichtlinie482 übernommen hat. Die in dieser Richtlinie enthaltene Nomenklatur für Vorgänge des Kapitalverkehrs behält darum nach allgemeiner Ansicht einen Hinweischarakter für den sachlichen Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit, wobei die in ihr enthaltene Aufzählung nicht erschöpfend ist483. Damit sind jedenfalls Direktinvestitionen im Sinne des Art. I.1 und I.2 der Nomenklatur zu besagter Kapitalverkehrsrichtlinie, d. h. die Gründung von und Beteiligung an Gesellschaften, von der Kapitalverkehrsfreiheit erfasst484. Darauf deutet im Übrigen auch die Bestimmung des Art. 57 Abs. 1 EGV hin, die Beschränkungen im Zusammenhang mit Direktinvestitionen ausdrücklich erwähnt. Der Erwerb börsennotierter Aktien ist zudem nochmals gesondert in Art. III.A.1 u. 2 der Nomenklatur aufgeführt. Mit solchen, dem Schutzbereich zuzuordnenden Transaktionen untrennbar verbunden ist nach Auffassung des EuGH der Bezug von Dividenden, so dass auch er der Kapitalverkehrsfreiheit unterfallen soll485. Dem ist zuzustimmen, wenngleich sich der Dividendenbezug nicht selbst als Direktinvestition darstellt. Es muss aber genügen, dass derartige Investitionen regelmäßig primär auf den Dividendenbezug gerichtet sind und darum Beein________________________ 482 Richtlinie 88/361/EWG v. 24.6.1988, ABl. EG 1988 Nr. L 178/5. 483 Vgl. EuGH v. 16.3.1999, Rs. C-222/97 (Trummer und Mayer), Slg. 1999, I-1661,

Rz. 21; EuGH v. 4.6.2002, Rs. C-367/98 (Kommission/Portugal), Slg. 2002, I-4731, Rz. 37; EuGH v. 4.6.2002, Rs. C-483/99 (Kommission/Frankreich), Slg. 2002, I-4781, Rz. 36; G. Kofler, ÖStZ 2003, S. 262 (264); P. Pülzl, ÖStZ 2002, S. 215 (216); C. Wimpissinger, SWI 2000, S. 313 (314); U. Zehetner, Kapitalertragsteuer, S. 168 m. w. N.; M. Sedlaczek, ET 2000, S. 14 (15); J. M. Mössner/D. Kellersmann, DStZ 1999, S. 505 (506); W. Schön in: GS Knobbe-Keuk, S. 743 (747); A. Glaesner in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 56 EGV Rz. 7; G. Ress/J. Ukrow in: Grabitz/ Hilf, EU-Kommentar, Art. 73b EGV Rz. 7; J. Bröhmer in: Callies/Ruffert, EUV/ EGV-Kommentar, 2. Aufl., Art. 56 Rz. 12. 484 EuGH v. 6.6.2000, Rs. C-35/98 (Verkooijen), I-4071, Rz. 27 f.; Schlussanträge von Generalanwalt Saggio, Rs C-200/98 (X und Y), Slg. 1999, I-8261 (I-8274); J. M. Mössner/D. Kellersmann, DStZ 1999, S. 505 (506); W. Schön in: GS KnobbeKeuk, S. 743 (747 f.). 485 EuGH v. 15.7.2004, Rs. C-315/02 (Lenz), IStR 2004, S. 522 ff., Rz. 20 f.; EuGH v. 6.6.2000, Rs. C-35/98 (Verkooijen), I-4071, Rz. 27 f. Zustimmend P. Dibout, Revue de Droit Fiscal 2000, S. 1365 (1368); G. Saß, FR 2000, S. 1270; U. Zehetner, Kapitalertragsteuer, S. 169. Gl. A. schon zuvor N. Herzig in: GS Knobbe-Keuk, S. 627 (635). Vgl. auch die Mitteilung der EU-Kommission zur Besteuerung von Dividenden im Binnenmarkt v. 19.12.2003, KOM(2003) 810 endg., unter 3.1.2.

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Die relevanten Beschränkungsverbote: Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit

trächtigungen desselben sich unmittelbar als Beeinträchtigung der Freiheit zur grenzüberschreitenden Investition auswirken486. Die Ausschüttung stellt die erstrebte wirtschaftliche Gegenleistung der ausschüttenden Gesellschaft für die von der Kapitalverkehrsfreiheit geschützte Zurverfügungstellung von Eigenkapital dar und steht deshalb in direktem Zusammenhang mit dem Erwerb der Anteile487. Steuerliche Beschränkungen des grenzüberschreitenden Dividendenbezugs tangieren somit die Kapitalverkehrsfreiheit.

2. Sachlicher Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit Art. 43 EGV garantiert nach S. 3 der Vorschrift das Recht, sich ohne Beschränkungen in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen, um dort eine selbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen oder auszuüben. Dazu zählt auch die Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften in einem ausländischen Mitgliedstaat, Art. 43 S. 2 EGV, sowie schließlich ferner deren Leitung, Art. 43 S. 3 EGV. Die selbständige Erwerbstätigkeit muss sich auf Dauer in einer festen Einrichtung vollziehen488, wovon freilich bei der Gründung einer Tochtergesellschaft oder einer Beteiligung an ihr stets auszugehen sein wird. Dennoch kann nicht jede Form der Beteiligung an ausländischen Gesellschaften den Schutz der Niederlassungsfreiheit für sich beanspruchen. Die in Art. 43 EGV vorausgesetzte Selbständigkeit der Erwerbstätigkeit ist nach einhelliger Auffassung erst ab einem gewissen Mindestmaß unternehmerischer Beeinflussung und Kontrolle der Beteiligungsgesellschaft anzunehmen. Dagegen sind sogenannte Portfolioinvestitionen mit bloßem Kapitalanlagecharakter allein durch die Kapitalverkehrsfreiheit geschützt489. Wie freilich die Grenze zwischen unternehmerischen Engagement und bloß passiver Kapitalanlage konkret zu ziehen ist, ist seitens des EuGH noch nicht eindeutig festgestellt worden und wird ________________________ 486 So auch Schlussanträge von Generalanwalt La Pergola, Rs. C-35/98 (Verkooijen),

I-4071 (I-4080 f.); zustimmend M. Clemens/L. Rehfeld, Inf 2004, S. 505 (507); D. Witzel, IStR 2002, S. 758 (759); A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 743; M. Gammie/G. Brannan, intertax 1995, S. 389 (399). 487 C. Staringer in: Lechner/Staringer/Tumpel, Kapitalverkehrsfreiheit, S. 93 (99); ders., ÖStZ 2000, S. 26 (27 f.); ähnlich N. Dautzenberg, StuB 2000, S. 720 (723). Vgl. auch M. Schraufl, Körperschaftsteuersysteme, S. 86: Aufspaltung wäre „künstlich“. 488 EuGH v. 25.7.1991, Rs. C-221/89 (Factortame), Slg. 1991, I-3905, Rz. 20; M. Schlag in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 43 EGV Rz. 2; J. Bröhmer in: Callies/Ruffert, EUV/EGV, 2. Aufl., Art. 43 EGV, Rz. 11. 489 Vgl. EuGH v. 13.4.2000, Rs. C-251/98 (Baars), Slg. 2000, I-2787, Rz. 20; M. Geurts, IStR 2000, S. 572 (573); W. Schön in: GS Knobbe-Keuk, S. 743 (750 f.); A. Glaesner in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 56 EGV Rz. 11; P. Troberg in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Art. 52 EGV Rz. 11; ähnlich K. Lackhoff, Niederlassungsfreiheit, S. 46.

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Europarechtliche Vorgaben

selbst innerhalb der deutschen Literatur durchaus unterschiedlich gewürdigt490. Fest stehen dürfte lediglich, dass jedenfalls eine Mehrheitsbeteiligung den Anforderungen an hinreichende unternehmerische Kontrolle und Leitung genügt. Außerdem hat der Gerichtshof in der Rs. Bosal judiziert, dass die Mutter-Tochter-Richtlinie primärrechtlich anhand der Niederlassungsfreiheit auszulegen ist. Implizit hat er damit zu erkennen gegeben, dass schon die in Art. 3 Abs. 1 lit. a dieser Richtlinie vorausgesetzte Mindestbeteiligung von damals 25 % am Nennkapital genügt, um die Niederlassungsfreiheit des Art. 43 EGV zu aktivieren491. Darüber hinaus soll diese Frage hier jedoch zunächst offen bleiben. Soweit die Niederlassungsfreiheit durch die Gründung oder Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft nicht berührt sein sollte, ist jedenfalls die Kapitalverkehrsfreiheit einschlägig492. Soweit eine dem sachlichen Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit zuzuordnende unternehmerische Beteiligung den Bezug von Dividenden durch den Anteilseigner zur Folge hat, muss diese unmittelbare und regelmäßig erstrebte Konsequenz nach den oben zur Kapitalverkehrsfreiheit formulierten Grundsätzen ebenfalls der Niederlassungsfreiheit unterfallen493. Steuerliche Beschränkungen des grenzüberschreitenden Dividendenbezugs unterfallen somit dem Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit, wenn die dividendenvermittelnde Beteiligung unternehmerischen Charakter aufweist. ________________________ 490 Für eine unternehmerische, der Niederlassungsfreiheit unterfallende Betätigung ab

einer Beteiligung von 25 % am Gesellschaftskapital entsprechend den internationalen Schachtelprivilegien und den Vorgaben der Mutter-Tochter-Richtlinie sprechen sich aus; W. Schön in: GS Knobbe-Keuk, S. 743 (751) und M. Geurts, IStR 2000, S. 572 (574). Hingegen plädieren P. Troberg (in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Art. 52 EGV, Rz. 12 Fn. 14) und M. Sedlaczek, ET 2000, S. 14 (17) für eine Orientierung u. a. an der Jahresabschlussrichtlinie vom 25.7.1978, 78/660/EWG, ABl. EG 1978 Nr. L 222, S. 11, und an der Siebenten Richtlinie zur Harmonisierung des Gesellschaftsrechts vom 13.6.1983, 83/349/EWG, ABl. EG 1983 Nr. L 193, S. 1. Danach wäre eine der Ausübung der Niederlassungsfreiheit zuzuordnende Tätigkeit schon ab einer Beteiligung von 20 % zu vermuten. Wieder anders hielt Generalanwalt Mischo in seinen Schlussanträgen in der Rs. C-251/98 (Baars), Slg. 2000, I-2787 (2797) eine Orientierung an den jeweiligen nationalen Regeln des Gesellschaftsrechts für geboten. Differenzierend auch W. C. M. Martens, Tijdschrift voor formeel belastingrecht, S. 2 (3 f.). 491 EuGH v. 18.9.2003, Rs. C-168/01 (Bosal Holding), DB 2003, S. 2097, Rz. 25. 492 Es wird sich im Folgenden zeigen lassen, dass Dogmatik und Rechtfertigungsgründe innerhalb der beiden Grundfreiheiten derart miteinander konvergieren, dass eine genaue Abgrenzung regelmäßig nicht erforderlich ist. Beide Grundfreiheiten bieten letztlich ein identisches Schutzniveau (vgl. G. Konezny/M. Züger, SWI 2000, S. 218 (219)). 493 So auch J. M. Almudí Cid/F. Serrano Antón, QF 2002/19, S. 7 (12).

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Die relevanten Beschränkungsverbote: Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit

3. Konkurrenzverhältnis von Kapitalverkehrs- und Niederlassungsfreiheit Nach dem Vorgesagten kann von etwaigen steuerlichen Beschränkungen der Ausschüttung und des Empfangs von Dividenden sowohl die Kapitalverkehrsfreiheit als auch die Niederlassungsfreiheit betroffen sein, wenn die Auslandsbeteiligung über eine bloße Kapitalanlage hinausgeht. Fraglich ist damit, in welchem Konkurrenzverhältnis diese beiden Grundfreiheiten zueinander stehen. Dazu ist zunächst festzustellen, dass zum einen die der Niederlassungsfreiheit unterfallenden wirtschaftlichen Aktivitäten gemäß Art. 43 S. 3 EGV unter dem Vorbehalt der Bestimmungen im Kapitel über den Kapitalverkehr stehen. Zum anderen statuiert Art. 58 Abs. 2 EGV, dass die Regelungen der Kapitalverkehrsfreiheit mit dem EGV vereinbare Beschränkungen des Niederlassungsrechts unberührt lassen. Die jeweiligen Vorbehalte zugunsten der konkurrierenden Grundfreiheit verdeutlichen, dass die unternehmerische Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat als Ausübung beider Grundfreiheiten verstanden werden kann, ohne dass ein lex-specialis-Verhältnis existiert494. Die Gegenauffassungen, welche teils für einen Vorrang der Kapitalverkehrsfreiheit495 teils für eine Spezialität der Niederlassungsfreiheit496 plädieren, stützten ihre Argumentation stets nur auf einen der genannten

________________________ 494 Davon geht auch der EuGH in seiner Rspr. zur Kapitalverkehrs- und Niederlassungs-

freiheit aus, vgl. EuGH v. 1.6.1999, Rs. C-302/97 (Konle), Slg. 1999, I-3099, Rz. 22 u. 55; EuGH v. 18.11.1999, Rs. C-200/98 (X und Y), Slg. 1999, I-8276, Rz. 30; EuGH v. 8.3.2001, Rs. C-397/98 u. a. (Metallgesellschaft u. a.), Slg. 2001, I-1727, Rz. 75. So im Ergebnis auch M. Clemens/L. Rehfeld, Inf 2004, S. 505 (507); W. C. M. Martens, Tijdschrift voor formeel belastingrecht 2001, S. 2 (6); C. Wimpissinger, SWI 2000, S. 313 (315); M. Sedlaczek, ET 2000, S. 14 (17); W. Schön in: GS Knobbe-Keuk, S. 729 (749). Mit Einschränkungen letztlich auch J. Bröhmer in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 2. Aufl., Art. 56 Rz. 25. Differenzierend, aber für die Dividendenbesteuerung wohl bejahend P. Dibout, Revue de Droit Fiscal 2000, S. 1365 (1367); D. Kellersmann/C. Treisch, Europäische Unternehmensbesteuerung, S. 171. 495 So N. Dautzenberg, Unternehmensbesteuerung, S. 61; T. Scherer, Doppelbesteuerung, S. 161; R. Eckhoff in: Birk, Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 19 Rz. 36; M. Schlag in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 43 EGV Rz. 11; G. Ress/J. Ukrow in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 73d EGV Rz. 16 f. 496 So Generalanwalt Alber in seinen Schlussanträgen zur Rs C-251/98 (Baars), Slg. 2000, I-2787 (I-2795); T. Stapperfend, FR 2003, S. 165 (166); J. Brinkmann, Unternehmensbesteuerung, S. 60; wohl auch C. Staringer in: Lechner/Staringer/Tumpel, Kapitalverkehrsfreiheit, S. 93 (101); P. Dibout, Revue de Droit Fiscal 2000, S. 1365 (1371).

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Europarechtliche Vorgaben

Vorbehalte und berücksichtigen darum nicht hinreichend die Wechselseitigkeit der jeweiligen Verweise497. Ein Vorrang speziell der Kapitalverkehrsfreiheit lässt sich auch nicht aus dem Umstand heraus rechtfertigen, dass der Vorbehalt des Art. 43 S. 3 EGV seinem Wortlaut nach anders als der insoweit eindeutige Art. 58 Abs. 2 EGV auch als Einschränkung des sachlichen Anwendungsbereiches der Niederlassungsfreiheit im Kollisionsfalle verstanden werden könnte. Zum einen ergibt sich aus den gleichermaßen verbindlichen ausländischen Fassungen der Vorschrift, dass der Art. 43 S. 3 EGV tatsächlich nur darauf abzielt, die Bestimmungen betreffend die Kapitalverkehrsfreiheit – und zwar wohl insbesondere die Beschränkungsmöglichkeiten des Art. 58 Abs. 1 EGV – auch neben der Niederlassungsfreiheit zur Anwendung gelangen zu lassen498. Zum anderen wäre der Schrankenvorbehalt des Art. 56 Abs. 2 EGV völlig überflüssig, wenn jegliche Kollision zwischen Kapitalverkehrsund Niederlassungsfreiheit schon durch Art. 43 S. 3 EGV ausgeschlossen würde499. Aus demselben Grund ist dann aber auch eine generelle Subsidiarität der Kapitalverkehrsfreiheit abzulehnen500. Allerdings hat der EuGH in einem ________________________ 497 Generalanwalt Alber (a. a. O., vorstehende Fn.) sieht zwar den Vorbehalt in Art. 43

EGV (Art. 52 EGV a. F.), misst ihm aber nur deklaratorische Bedeutung dahingehend zu, dass unmittelbar und spezifisch auf die Regelung von Kapitaltransfers gerichtete staatliche Maßnahmen nicht an der Niederlassungsfreiheit zu messen seien. Er vermag jedoch keine Begründung dafür anzugeben, warum der Vorbehalt in Art. 43 S. 3 EGV nur deklaratorischer, derjenige in Art. 56 Abs. 2 EGV hingegen konstitutiver Natur sein sollte. Umgekehrt wollen G. Ress/J. Ukrow in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 73d EGV Rz. 16 f., im Ergebnis dem Art. 56 Abs. 2 EGV nur deklaratorische Bedeutung beimessen, können dies aber ebenso wenig überzeugend begründen. Wenn man überhaupt einen qualitativen Unterschied zwischen den beiden Vorbehalten annehmen wollte, dann allenfalls den, dass Art. 43 S. 3 EGV eine Einschränkung des Schutzbereichs, Art. 56 Abs. 2 hingegen eine Ausdehnung der Schrankenebene bewirken könnte; dazu siehe sogleich oben. 498 Besonders aussagekräftig ist insoweit die spanische Fassung des Art. 43 S. 3 EGV, die davon spricht, die Gewährleistungen der Niederlassungsfreiheit gälten „sin perjuicio de las disposiciones del capítulo relativo a los capitales“, d. h. ohne die Anwendbarkeit der Vorschriften des Kapitels über den Kapitalverkehr zu beeinträchtigen. Auch P. Pülzl, ÖStZ 2002, S. 215 (218 f.) deutet Art. 43 S. 3 EGV in dieser Weise. 499 So auch R. Freitag, EWS 1997, S. 186 (190). 500 So aber ohne nähere Begründung C. Ohler, WM 1996, S. 1801 (1804). Vgl. auch J. Brinkmann, Unternehmensbesteuerung, S. 60, dessen Berufung auf EuGH v. 28.1.1992, Rs C-204/90 (Bachmann), Slg. 1992, I-249, Rz. 34 jedoch völlig haltlos ist. Der EuGH hatte dort nur festgestellt, dass eine durch die Beschränkung der Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit eingetretene – hypothetische – Verminderung des Kapitalflusses infolge verringerten Gebrauchmachens von diesen Frei-

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Die relevanten Beschränkungsverbote: Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit

frühen Urteil entschieden, dass nicht in jedem Fall ein in der Nomenklatur der Kapitalverkehrsrichtlinie aufgeführter Vorgang auch der Kapitalverkehrsfreiheit zugeordnet werden könne. Es müsse sich vielmehr um ein Finanzgeschäft handeln, bei dem es in erster Linie um die Anlage oder Investition des Betrages gehe. Vergütungen im Rahmen der Wahrnehmung der Dienstleistungs- oder Warenverkehrsfreiheit fielen nicht darunter501. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, es müsse generell auf den Zweck der Kapitalbewegung abgestellt werden und die Kapitalverkehrsfreiheit sei infolgedessen subsidiär, wenn die Niederlassungsfreiheit eingreife502. Denn es ist gerade Charakteristikum der Niederlassungsfreiheit im Gegensatz zu Dienstleistungs- und Warenverkehrsfreiheit, dass der damit verbundene Zahlungsverkehr regelmäßig eine Anlage- und Investitionsentscheidung im Sinne der oben genannten Rechtsprechung des EuGH widerspiegelt503. Die von manchen propagierte Trennbarkeit des einheitlichen Lebensvorgangs eines grenzüberschreitenden Beteiligungserwerbs, in eine Niederlassungsgründung und einen Anteilserwerb ist tatsächlich nicht gegeben504. Erst recht nicht überzeugen kann die Begründung, die unternehmerische Direktinvestition berühre deshalb nicht die Kapitalverkehrsfreiheit, weil diese nur die Nutzung des investierten Kapitals zur Erzielung von Erträgen aus dem Kapital, nicht aber zur Erzielung von Erträgen aus der Tätigkeit des erworbenen bzw. gegründeten Unternehmens erfasse505. Eine solche Abgrenzung ist künstlich, denn Kapitalerträge kann der Investor stets in erster Linie nur aus den Gewinnen erwarten, die aus der Tätigkeit des Beteiligungsunternehmens resultieren. Es lassen sich letztlich weder aus dem EGV noch aus der Rechtsprechung des EuGH irgendwelche Anhaltspunkte dafür gewinnen, die Kapitalverkehrsfreiheit sei bei unternehmerischer Betätigung ________________________

501 502 503

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heiten keine Beschränkung des Kapitalverkehrs darstellt. Eine Äußerung zu einer echten Konkurrenzsituation bei tatsächlich durchgeführten Zahlungsvorgängen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Niederlassungs- oder Dienstleistungsfreiheit war damit jedoch nicht verbunden, wie sich insbesondere auch deutlich aus den Schlussanträgen des Generalanwalts Mischo in dieser Sache (I-273 f.) ergibt. Wie hier W. Schön in: GS Knobbe-Keuk, S. 743 (748). EuGH v. 31.1.1984, Rs 286/82 u. a. (Luisi und Carbone), Slg. 1984, 377, Rz. 21 f. So aber M. Geurts, IStR 2000, S. 572 (573). J. Bröhmer in Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 2. Aufl., Art. 56 EGV Rz. 24, meint hingegen ein Konkurrenzverhältnis annehmen zu können, „je weniger ein Handeln vom Aspekt des Gebrauchmachens von der Personenfreizügigkeit beherrscht wird [und] desto mehr Anlage- und Investitionsgesichtspunkte im Vordergrund [stehen]“. Diese bar praktisch handhabbarer Abgrenzungskriterien aufgestellte Behauptung vermag aber nicht zu überzeugen. J. M. Mössner/D. Kellersmann, DStZ 1999, S. 505 (508). So R. Freitag, EWS 1997, S. 186 (190).

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Europarechtliche Vorgaben

schon nicht einschlägig506. Vielmehr ist ihr sachlicher Anwendungsbereich bei jeder Form von Kapitalanlage und Investition und damit auch bei an jeglichen Dividendenbezug anknüpfenden Beschränkungen betroffen. Unter Beachtung der gebotenen Gesamtschau der Vorschriften ist darum richtigerweise von einer parallelen Anwendbarkeit der Kapitalverkehrsfreiheit und der Niederlassungsfreiheit auszugehen, soweit sich ihre sachlichen Anwendungsbereiche überschneiden507. Sollte sodann die zu untersuchende nationale Maßnahme bzw. Rechtsvorschrift nur im Hinblick auf eines der beiden Beschränkungsverbote nach den dafür jeweils geltenden Maßstäben gerechtfertigt sein, so würde dies auch einen Verstoß gegen die je konkurrierende Grundfreiheit ausschließen508. Es ist also deutlich darauf hinzuweisen, dass die gleichzeitige Anwendbarkeit von Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit zumindest abstrakt nicht zu einer Verstärkung, sondern zu einer Verminderung des Schutzes des betroffenen Marktteilnehmers führt509. Dies liegt in der Natur einer gegenseitigen Reduzierung des Gewährleistungsgehalts jeder der Grundfreiheiten durch mit der je anderen Grundfreiheit vereinbare Beschränkungen. Dass sich auch der Vorbehalt des Art. 43 S. 3 EGV unter anderem auf die Beschränkungsmöglichkeiten der Kapitalverkehrsfreiheit bezieht, wurde bereits dargelegt510. Praktisch wirkt sich diese wechselseitige Inbezugnahme von Begren________________________ 506 Vgl. auch die Schlussanträge des Generalanwalts Saggio in der Rs. C-200/98 (X und

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Y), Slg. 1999, I-8261 (I-8274), der ersichtlich kein Exklusivitätsverhältnis zwischen Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit annimmt, sondern ausführt, eine Begrenzung der Niederlassungsfreiheit enthalte „zugleich eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs“, soweit der Erwerb von ausländischen Beteiligungen in Rede stehe. So auch M. Sullivan/R. Wallner/S. Wübbelsmann, IStR 2003, S. 6 (10); P. Pülzl, ÖStZ 2002, S. 215 (219); N. Dautzenberg, BB 2001, S. 2137; O. H. Jacobs in: FS Fischer, S. 85 (98). So auch P. Pülzl, ÖStZ 2002, S. 215 (219); J. M. Mössner/D. Kellersmann, DStZ 1999, S. 505 (509); N. Herzig in: GS Knobbe-Keuk, S. 627 (632); A. Glaesner in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 56 EGV Rz. 12. A. A. K. Ståhl, ec tax review 2004, S. 47 (49); M. Geurts, IStR 2000, S. 572 (573). Allerdings wird in der Literatur vereinzelt auch ein begrenzter Vorrang der für die Niederlassungsfreiheit geltenden Rechtfertigungsgründe angenommen (W. Schön in: GS Knobbe-Keuk, S. 743 (752)). Begründet wird dies vor allem damit, bei der Umwandlung des Kapitels über den Kapitalverkehr von einer ermessensabhängigen Pflicht zur Beseitigung von Hindernissen in ein umfassendes Beschränkungsverbot durch den Vertrag von Maastricht habe der bestehende „acquis communautaire“ im Sinne der Art. 2 und 3 EUV nicht beeinträchtigt werden sollen. Dies werde aber in Frage gestellt, wenn ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit nunmehr auch nach den Vorschriften über den Kapitalverkehr, speziell nach Art. 58 Abs. 2 EGV, erlaubt sein könnte, sofern sich die fragliche Maßnahme zugleich als gerechtfertigte Beschränkung des Kapitalverkehrs darstelle. Diese Argumentation überzeugt freilich schon deshalb nicht, weil der Vorbehalt des Art. 43 S. 3 EGV zugunsten des Kapitels

Persönlicher und räumlicher Anwendungsbereich der Beschränkungsverbote

zungsmöglichkeiten der je anderen Grundfreiheit aber nicht aus, weil diese Schranken – wie noch zu zeigen sein wird – nach dem inzwischen erreichten Stand der Grundfreiheitsdogmatik konvergieren.

4. Subsidiarität sonstiger Bestimmungen Neben den innerhalb ihres Anwendungsbereiches allgemein gültigen Grundfreiheiten enthält der EGV in Art. 294 noch ein bereichsspezifisches Gleichstellungsgebot hinsichtlich der Beteiligung am Kapital der in Art. 48 EGV genannten Gesellschaften. Da jedoch Art. 294 EGV ausweislich seines Wortlauts gegenüber den Grundfreiheiten subsidiär ist511, kommt ihm jedenfalls im Hinblick auf den Niederlassungs- oder der Kapitalverkehrsfreiheit erfassten grenzüberschreitenden Dividendenbezug keine Bedeutung mehr zu, seit diese Grundfreiheiten unmittelbar anwendbar geworden sind. Im Übrigen verdrängen die Beschränkungsverbote der Art. 43, 56 EGV wie auch die anderen Grundfreiheiten für ihren jeweiligen Anwendungsbereich das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV aus Gründen der Spezialität512.

III. Persönlicher und räumlicher Anwendungsbereich der Beschränkungsverbote Der persönliche Anwendungsbereich der Beschränkungsverbote betrifft die Frage, hinsichtlich welchen Personenkreises die Grundfreiheiten gewährleistet sein müssen. Damit eng verbunden ist der räumliche Geltungsbereich der Grundfreiheiten; er knüpft an die Staatsangehörigkeit bzw. den Sitz der geschützten Personen an. Speziell im Hinblick auf die hier relevanten Freiheiten der Niederlassung und des Kapitalverkehrs lassen sich folgende Feststellungen treffen: ________________________ über den Kapitalverkehr auch schon vor Inkrafttreten des Vertrages von Maastricht bestand. Demnach konnten schon zuvor Verstöße gegen die Niederlassungsfreiheit durch die damals gerade noch in größerem Maße möglichen Einschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit gerechtfertigt werden. 511 Vgl. J. Bröhmer in: Callies/Ruffert, EUV/EGV, Art. 294 EGV Rz. 1; P. Troberg in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Art. 221 EGV Rz. 2 u. 8. A. A. ohne nähere Begründung D. Ehlers, Jura 2001, S. 266 (268). 512 Ständige Rspr. des EuGH, vgl. EuGH v. 30.5.1989, Rs. 305/87 (Kommission/ Griechenland), Slg. 1989, 1461, Rz. 12 f. m. w. N.; EuGH v. 3.7.1993, RS. 330/91 (Commerzbank), Slg. 1993, I-4017, Rz. 21; EuGH v. 26.6.2003, Rs. C-422/01 (Skandia), EWS 2003, S. 379, Rz. 61 m. w. N. Zustimmend z. B. P.Farmer, ec tax review 2003, S. 75; T. Stapperfend, FR 2003, S. 165; E. Reimer, ET 2000, S. 48 (54); O. Thömmes in: GS Knobbe-Keuk, S. 795 (800).

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Europarechtliche Vorgaben

1. Niederlassungsfreiheit Das Niederlassungsrecht steht zunächst allen natürlichen Personen zu, die Staatsangehörige mindestens eines Mitgliedstaates sind, Art. 43 S. 1 EGV513. Sofern ein solcher Unionsbürger (Art. 17 Abs. 1 EGV) sich in einem anderen Mitgliedstaat nicht primär niederlassen, sondern von seinem Recht zur Gründung von Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften Gebrauch machen möchte, muss er zudem in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sein514. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. 43 S. 2 EGV. Auf die Niederlassungsfreiheit berufen können sich darüber hinaus gemäß Art. 48 EGV auch die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates gegründeten Gesellschaften mit Sitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung im Gemeinschaftsgebiet515. Dies gilt ungeachtet der missverständlichen Formulierung für alle wirtschaftlich tätigen Gesellschaften unabhängig davon, ob sie nach dem Recht ihres Sitzstaates als juristische Personen zu qualifizieren sind oder nicht516. Denn auch die nicht voll rechtsfähigen Gesellschaften nach bürgerlichem Recht sind in Art. 48 S. 2 EGV ausdrücklich erwähnt. Zwar wird ganz vereinzelt unter Hinweis auf die anderssprachigen Fassungen des Vertragstextes die Einbeziehung nur der juristischen Personen in den persönlichen Anwendungsbereich gefordert517. Dies überzeugt jedoch nicht, weil in sämtlichen Sprachfassung die Gesellschaften sowohl nach bürgerlichem Recht als auch nach Handelsrecht erwähnt sind und zumindest in einigen anderen Rechtsordnungen die GbR ebenfalls keine volle Rechtsfähigkeit hat518. Im Übrigen ist es sachgerecht, auch die nichtrechtsfähigen Gesellschaften zu berücksichtigen, da ihre Gründung und Ansässigkeit in einem der Mitgliedstaaten eine hinreichende Verbundenheit mit der Rechtsordnung derselben erkennen lässt. Schließlich kann sich um der Effektivität der Niederlassungsfreiheit willen nicht nur die von ihr Gebrauch ________________________ 513 So auch ausdrücklich EuGH v. 25.6.1992, Rs. C-147/91 (Ferrer Laderer), Slg. 1992,

514 515

516

517 518

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I-4097, Rz. 7; EuGH v. 7.7.1992, Rs. C-369/90 (Micheletti), Slg. 1992, I-4239, Rz. 9 ff.; M. Schlag in Schwarze, EU-Kommentar, Art. 43 EGV Rz. 27. So auch J. Bröhmer in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 2. Aufl., Art. 43 EGV, Rz. 18. Vgl. EuGH v. 9.3.1999, Rs. C-212/97 (Centros), Slg. 1999, I-1459, Rz. 19 f. Vgl. auch S. van Thiel/C. Achilles, IStR 2003, S. 530 (532); S. van Thiel, ec tax review 2003, S. 4 (8). S. Fischer, Primäres Gemeinschaftsrecht, S. 140; D. Ehlers, Jura 2001, S. 266 (273); A. Bleckmann, Europarecht, 6. Aufl., Rz. 1609; W. Müller-Huschke in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 48 Rz. 3; P. Troberg in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/ EGV, 5. Aufl., Art. 58 Rz. 2; R. Geiger, EUV/EGV, 3. Aufl., Art. 48 EGV Rz. 2; A. Randelzhofer in: Grabitz/Hilf, EU-Kommentar, Art. 58 EGV Rz. 3. So J. Bröhmer in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 2. Aufl., Art. 48 EGV Rz. 4. So insbesondere in Spanien, wo die Sociedad Civil nur unter bestimmten Bedingungen eine eigene Rechtspersönlichkeit aufweist.

Persönlicher und räumlicher Anwendungsbereich der Beschränkungsverbote

machende Muttergesellschaft, sondern gleichermaßen auch die „passiv“ betroffene Tochtergesellschaft auf sie berufen519. Über Art. 31 des EWR-Abkommens wirkt die Niederlassungsfreiheit schließlich auch im Verhältnis zwischen den EU-Mitgliedsstaaten einerseits und den meisten EFTA-Vertragsparteien520 andererseits521. Auch natürliche und juristische Personen, welche die Staatsangehörigkeit eines EFTA-Staates bzw. dort ihren Sitz haben, können sich darum auf die Niederlassungsfreiheit berufen. Darüber hinaus hat die Niederlassungsfreiheit zwar unmittelbare Wirkung auch im Verhältnis zu denjenigen osteuropäischen Staaten, mit denen entsprechende Assoziierungsabkommen getroffen wurden522; jedoch wird durch darin enthaltene steuerliche Vorbehaltsklauseln jedenfalls die steuerliche Ungleichbehandlung von beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen von ihrem Anwendungsbereich ausgenommen523.

2. Kapitalverkehrsfreiheit Art. 56 EGV verbietet Beschränkungen des Kapitalverkehrs sowohl zwischen den Mitgliedstaaten als auch zwischen Mitgliedstaaten und dritten Ländern. Die Vorschrift zielt somit auf die Beseitigung sämtlicher Hindernisse des zwischenstaatlichen Kapitalverkehrs im Binnenmarkt ab524 und lässt keine Eingrenzung nach persönlichen Merkmalen des die Kapitalbewegung Realisierenden erkennen. Damit sind jedenfalls sowohl natürliche Personen als auch Gesellschaften im Sinne von Art. 48 EGV, die im Gebiet eines der Mitgliedstaaten ansässig sind, vom persönlichen Anwendungsbereich des Art. 56 EGV erfasst; auf ihre Staatsangehörigkeit bzw. Gründung nach dem Recht eines Mitgliedstaates kommt es nicht an525. ________________________ 519 EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779; EuGH

520 521 522 523 524 525

v. 8.3.2001, Rs. C-397/98 u. a. (Metallgesellschaft u. a.), Slg. 2001, I-1727; zustimmend U. Prinz/A. Cordewener, GmbHR 2003, S. 80 (81). Nach dem Beitritt einiger Mitglieder zur EU sind dies noch Island, Liechtenstein und Norwegen. Das EFTA-Mitglied Schweiz ist dem EWR nicht beigetreten. H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 4.32. EuGH v. 27.9.2001, Rs. C-235/99 (Kondova), Slg. 1999, I-6427, Rz. 39. H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 4.30 Fn. 110; dies übersieht IMN, FR 2001, Heft 23, S. VI. Sofern es sich dabei um Hindernisse handelt, die den grenzüberschreitenden Kapitalverkehr in spezifischer Weise betreffen; siehe dazu näher V.2.b. Allgemeine Ansicht, vgl. J. C. W. Müller, Kapitalverkehrsfreiheit, S. 149; R. Streinz, Europarecht, 5. Aufl., Rz. 663; D. Ehlers, Jura 2001, S. 266 (273); A. Bleckmann, Europarecht, 6. Aufl., Rz. 1711; M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, 5. Aufl., Rz. 1212; G. Ress/J. Ukrow in: Grabitz/Hilf, EU-Kommentar, Art. 73b EGV Rz. 28; W. Kiemel in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Art. 73b Rz. 11.

225

Europarechtliche Vorgaben

Darüber hinaus wird in der Literatur zu Recht ganz überwiegend vertreten, dass die Kapitalverkehrsfreiheit ihren Gewährleistungsgehalt auch auf in Drittstaaten ansässige Personen und Gesellschaften erstreckt, soweit diese eine Kapitalbewegung über das Gemeinschaftsgebiet abwickeln526. Die Gegenauffassung, welche die Ansässigkeit – zumindest eines – der Beteiligten im Gemeinschaftsgebiet fordert527, trägt dem objektiv gefassten Charakter des Art. 56 EGV nicht hinreichend Rechnung. Die Vorschrift ist verkehrs-, nicht personenorientiert formuliert und befreit genaugenommen die Kapitalbewegung als solche von Beschränkungen528. Indem sie auch den Kapitalverkehr im Verhältnis zu Drittstaaten in ihren räumlichen Geltungsbereich mit einbezieht, kann in persönlicher Hinsicht die Ansässigkeit der beteiligten Personen keine Rolle mehr spielen. Im übrigen hebt sich Art. 56 EGV bzw. die wortlautgleiche Vorgängernorm des Art. 73b EGV a. F. gerade dadurch von der früheren Regelung des Kapitalverkehrs in Art. 67 EWGV ab, dass er anders als diese nicht mehr auf dieses Kriterium abstellt. Dem persönlichen Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit unterfallen im Übrigen sowohl der das Kapital Nachfragende als auch der Kapitalgeber529. Speziell bei Direktinvestitionen darf sich eine mitgliedstaatliche Regelung also weder im Hinblick auf die kapitalaufnehmende Gesellschaft noch bezüglich des Investors beschränkend auswirken. Dies bedeutet, dass die Besteuerung von grenzüberschreitend ausgeschütteten Dividenden in Deutschland und Spanien umfassend an der Kapitalverkehrsfreiheit zu messen ist530. Das gilt sowohl für Auslandsdividenden als ________________________ 526 J. C. W. Müller, Kapitalverkehrsfreiheit, S. 149; A. Bleckmann, Europarecht, 6. Aufl.,

527 528 529

530

226

Rz. 1711; M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, 5. Aufl., Rz. 1212; G. Ress/ J. Ukrow in: Grabitz/Hilf, EU-Kommentar, Art. 73b EGV Rz. 28; W. Kiemel in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Art. 73b Rz. 13. So R. Streinz, Europarecht, 5. Aufl., Rz. 663; R. Weber in: Lenz, EG-Vertrag, Art. 73b, Rz. 18 f. J. C. W. Müller, Kapitalverkehrsfreiheit, S. 149; G. Ress/J. Ukrow in: Grabitz/Hilf, EU-Kommentar, Art. 73b EGV Rz. 28. EuGH v. 14.11.1995, Rs. C-484/93 (Svensson u. Gustavsson), Slg. 1995, I-3955, Rz. 10; A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 235 f.; allgemein H. D. Jarass, EuR 2000, S. 705 (708); Ehlers, Jura 2001, S. 266 (270). Allgemein zur Besteuerung von Dividenden aus Drittstaaten sind gl. A. G. Toifl, SWI 2002, S. 458 (463) und C. Staringer, ÖStZ 2000, S. 26 (28). Skeptisch hat sich hingegen W. Schön während der Diskussion seines Vortrages auf dem 55. Fachkongress der Steuerberater 2003 in Köln (noch nicht veröffentl.) geäußert; er geht davon aus, dass der Drittstaatenbezug im Hinblick auf die historische Entwicklung der Kapitalverkehrsfreiheit eng zu verstehen sei, nur in Bezug auf die Herstellung einer Wirtschafts- und Währungsunion geschaffen wurde und darum auf steuerliche Beschränkungen keine Anwendung finden könne. Derartigen Erwägungen zum historischen Verständnis einer Vorschrift hat der EuGH aber schon bisher kaum Bedeutung

Adressaten der Beschränkungsverbote

auch für an Steuerausländer ausgeschüttete Dividenden. Denn in jedem Fall ist ein räumlicher Bezugspunkt zum jeweiligen Mitgliedstaat gegeben, sei es über den inlandsansässigen Anteilseigner oder die ausschüttende inlandsansässige Gesellschaft. Die Staatsangehörigkeit bzw. der Sitz des anderen am Ausschüttungsvorgang Beteiligten spielt damit für die Anwendbarkeit der Kapitalverkehrsfreiheit keine Rolle mehr. Es kommt insbesondere nicht darauf an, ob die Ausschüttung sich noch innerhalb der Grenzen der EU vollzieht oder aber die Gesellschaft bzw. der Gesellschafter in Drittstaaten ansässig sind531.

IV. Adressaten der Beschränkungsverbote Auf die Beachtung der grundfreiheitlichen Gewährleistungen des EGV verpflichtet ist jedenfalls der Mitgliedstaat der EG, in dessen Territorium sich der jeweilige Grundfreiheitsgebrauch auswirken soll, d. h. der sog. Bestimmungsstaat. Hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit ist das der Staat, in dem sich die Person oder Gesellschaft niederlassen bzw. eine Tochtergesellschaft oder Zweigniederlassung gründen möchte. Bei von der Kapitalverkehrsfreiheit geschützten Direktinvestitionen ist Bestimmungsstaat das Mitgliedsland, in dem das Kapital angelegt wird. Die Bindung des Bestimmungsstaates ergibt sich teilweise schon aus dem Wortlaut der Grundfreiheiten, die in Art. 28 EGV Einfuhrbeschränkungen verbieten und in Art. 43 S. 3 EGV die sekundäre Niederlassungsfreiheit „nach den Bestimmungen des Aufnahmestaates für seine eigenen Angehörigen“ gewährleisten. Darüber hinaus ist hinsichtlich aller Grundfreiheiten die Diskriminierung ausländischer Unionsbürger gegenüber den eigenen Staatsangehörigen dem Kernbereich der Beschränkungsverbote zuzuordnen532; solche Diskriminierungen werden in der Regel vom Bestimmungsstaat ausgehen. Gebunden an die Grundfreiheiten des EGV ist darüber hinaus aber auch der Herkunftsstaat, d. h. der Staat, von dem aus der grundfreiheitlich Berechtigte ________________________ zugemessen; da sie auch nicht im Wortlaut der Vorschrift aufscheinen, wird man der Auffassung von W. Schön im Ergebnis nicht folgen können. Im Ergebnis gl. A. nach wohlabgewogener Prüfung K. Ståhl, ec tax review 2004, S. 47 (54). 531 C. Staringer, ÖStZ 2000, S. 26 (28). Der Drittstaatenbezug kann allenfalls insofern eine Rolle spielen, als hierfür erweiterte Beschränkungsmöglichkeiten in den Art. 57, 59 und 60 EGV vorgesehen sind. Für die Dividendenbesteuerung ist gegenwärtig allein Art. 57 I EGV von Belang, welcher es den Mitgliedstaaten erlaubt, im Verhältnis zu Drittstaaten jene Beschränkungen des Kapitalverkehrs aufrecht zu erhalten, die zum 31.12.1993 bestanden haben. Da aber sowohl das Körperschaftsteuersystem Deutschlands wie auch Spaniens jüngeren Datums sind, soll auf diesen Aspekt nicht näher eingegangen werden. 532 Siehe dazu näher V.2.a.

227

Europarechtliche Vorgaben

die wirtschaftliche Transaktion tätigen möchte. Für die Warenverkehrsfreiheit folgt das unmittelbar aus Art. 29 EGV. Bei der Kapitalverkehrsfreiheit wird dies zumindest mittelbar durch Art. 58 Abs. 1 lit. a EGV bestätigt533, der es den Mitgliedstaaten u. a. erlaubt, steuerrechtlich nach dem unterschiedlichen Kapitalanlageort der Steuerpflichtigen zu differenzieren. Dies impliziert nämlich, dass eine solche Differenzierung an sich den Gewährleistungsgehalt der Kapitalverkehrsfreiheit berührt; sie wird aber regelmäßig nur für unbeschränkt Steuerpflichtige von Relevanz sein, weil bei gebietsfremden Steuerpflichtigen typischerweise nur Einkünfte aus inländischen Kapitalanlagen steuerbar sind. Die unbeschränkte Steuerpflicht wiederum ist dem Wohnsitzstaat des Betroffenen, also dem Herkunftsstaat zuzuordnen, ihm vor allem sind damit entsprechende Differenzierungen jedenfalls außerhalb des in Art. 58 Abs. 1 lit. a EGV vorgegebenen Rahmens grundsätzlich untersagt. Der EuGH hat in ständiger Rechtsprechung klargestellt, dass dies auch für die anderen Grundfreiheiten gilt534. Namentlich die Niederlassungsfreiheit gewährleistet nach Auffassung des EuGH auch den Schutz des unternehmerischen Investors vor Beschränkungen durch den Staat, von dem aus die Investition erfolgen soll535. Dieser Rechtsprechung ist zuzustimmen536, weil sie einer teleologischen Auslegung der Grundfreiheiten des EGV im Lichte der Bestimmungen des Art. 3 Abs. 1 lit. c, Art. 14 Abs. 2 EGV entspricht. In diesen Vorschriften ist vorgesehen, dass die EG einen Binnenmarkt ohne Hindernisse für den freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen ________________________ 533 So auch A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 226 f. 534 EuGH v. 27.9.1988, Rs. 81/87 (Daily Mail), Slg. 1988, 5483, Rz. 16; EuGH v.

7.7.1992, Rs. C-370/90 (Singh), Slg. 1992, I-4265, Rz. 21 ff.; EuGH v. 15.12.1995, Rs. C-415/93 (Bosman), Slg. 1995, I-4921, Rz. 95 – 97; EuGH v. 16.7.1998, Rs. C-264/96 (ICI), Slg. 1998, I-4695, Rz. 21; EuGH v. 18.11.1999, Rs. C-200/98 (X und Y), Slg. 1999, I-8276, Rz. 26; EuGH v. 13.4.2000, Rs. C-251/98 (Baars), Slg. 2000, I-2787, Rz. 28; EuGH v. 6.6.2000, Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071, Rz. 34; EuGH v. 14.12.2000, Rs. C-141/99 (AMID), Slg. 2000, I-11619, Rz. 21. 535 EuGH v. 27.9.1988, Rs. 81/87 (Daily Mail), Slg. 1988, 5483, Rz. 16. 536 So auch die nahezu einhellige Auffassung der Literatur, vgl. z. B. K. Lackhoff, Niederlassungsfreiheit, S. 356; S. Fischer, Primäres Gemeinschaftsrecht, S. 165 u. S. 213; M. Menhorn, SWI 2001, S. 62 (63); D. Ehlers, Jura 2001, S. 266 (273); P. Takacs, Steuerrecht, S. 371 f.; K. Lackhoff/B. Raczinski, EWS 1997, S. 109 (111); O. Thömmes, DStJG 19, S. 81 (88); H. D. Jarass in: FS Everling, S. 593 (594); ders., EuR 1995, S. 202 (215); M. Zuleeg in: FS Everling, S. 1717 (1723); B. Knobbe-Keuk, DB 1990, S. 2573 (2574); P. Troberg in: Groeben/Thiesing/ Ehlermann, EUV/EGV, ARt. 52 Rz. 65 f.; schon vor der Entscheidung Daily Mail E. Steindorff, EuR 1988, S. 19 (27 f.).

228

Adressaten der Beschränkungsverbote

und Kapital verwirklicht. Es handelt sich insoweit nicht um unverbindliche Programmsätze, sondern um verbindliche Vertragszielbestimmungen537. Soweit die Gemeinschaft von ihren Harmonisierungskompetenzen noch keinen Gebrauch gemacht hat, kommt den in den genannten Artikeln erwähnten Grundfreiheiten vom Eintritt ihrer unmittelbaren Geltung in den Mitgliedstaaten an eine Auffangfunktion zu. Sie sind es dann unmittelbar selbst, welche die Verwirklichung eines Binnenmarktes ohne Hindernisse verbürgen. Es ist darum geboten, sie so zu interpretieren, dass sie der ihnen von den Art. 3 Abs. 1 lit. c, Art. 14 Abs. 2 EGV zugedachten Funktion gerecht werden können und im Hinblick darauf „effet util“ entfalten538. Wie gerade die Rechtsstreitigkeiten, die vor den EuGH gelangt sind, zeigen, können dem Gedanken eines freien Wirtschaftsverkehrs im Binnenmarkt zuwiderlaufende Hindernisse durchaus auch vom Herkunftsstaat ausgehen. Die Marktfreiheiten können ihrer Funktion, den freien transnationalen Verkehr von Kapital, Personen, Dienstleistungen und Waren zu gewährleisten, aber nur gerecht werden, wenn sie auch solche Behinderungen durch den Ausgangsstaat verbieten539. Ansonsten wäre die Freiheitsverbürgungen in der Tat zumindest partiell „sinnentleert“540, weil der Berechtigte schon gar nicht in die Situation gelangen könnte, sie im Bestimmungsland in Anspruch zu nehmen541.

________________________ 537 Zur Verbindlichkeit der in Art. 3 Abs. 1 niedergelegten Vertragsziele vgl. EuGH v.

538

539 540 541

21.2.1973, Rs. 6/72 (Europemballage), Slg. 1973, 215, Rz. 23; J. Basedow in: FS Everling, S. 49; B. Knobbe-Keuk, DB 1990, S. 2573 (2574); M. Zuleeg in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, 5. Aufl., Art. 3 EGV Rz. 1. Zum Charakter als Kompetenznorm vgl. EuGH v. 4.10.1979, Rs. 141/78 (Frankreich/Großbritannien), Slg. 1979, 2923, Rz. 6; J. Ukrow in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 2. Aufl., Art. 3 EGV Rz. 1. Vgl. hierzu etwa EuGH v. 14.12.1962, Rs. 2 u. 3/62 (Luxemburg/Belgien), Slg. 1962, 867, 881 f.; EuGH v. 21.2.1973, Rs. 6/72 (Europemballage), Slg. 1973, 215, Rz. 23; EuGH v. 5.5.1982, Rs. 15/81 (Schul), Slg. 1982, 1409, Rz. 33; EuGH v. 25.2.1988, Rs. 299/86 (Drexl), Slg. 1988, 1213, Rz. 24; A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 203; M. T. Nuñez Sanz, Impuestos 2001, S. 1143 (1146); B. Knobbe-Keuk, DB 1990, S. 2573 (2574); M. Zuleeg in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, 5. Aufl., Art. 3 Rz. 2; ders. in: FS Everling, S. 1717 (1718 u. 1724). So auch S. Fischer, Primäres Gemeinschaftsrecht, S. 165; K. Lackhoff/B. Raczinski, EWS 1997, S. 109 (111). EuGH v. 27.9.1988, Rs. 81/87 (Daily Mail), Slg. 1988, 5483, Rz. 16. So auch K. Lackhoff, Niederlassungsfreiheit, S. 356; ähnlich für die Niederlassungsfreiheit P. Troberg in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, 5. Aufl., Art. 52 Rz. 66, der sich allerdings für eine (bloß) analoge Anwendung des Art. 43 EGV auf Beschränkungen durch den Herkunftsstaat ausspricht.

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Europarechtliche Vorgaben

Die weitergehende Frage, ob und unter welchen Umständen auch Privatpersonen durch die Grundfreiheiten verpflichtet werden, kann im Rahmen des Untersuchungsgegenstandes dahingestellt bleiben542.

V. Der Gewährleistungsgehalt der Beschränkungsverbote 1.

Historische Entwicklung durch den EuGH

Der Gewährleistungsgehalt der Beschränkungsverbote, namentlich der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit, erschließt sich nur schwer ohne die Kenntnis der historischen Entwicklung ihrer Effektuierung durch den EuGH. Darum soll der eigenen Stellungnahme ein kurzer geschichtlicher Abriss vorangestellt werden: Die in Art. 14 Abs. 2 EGV aufgeführten Grundfreiheiten hat der EuGH von je her als Diskriminierungsverbote aufgefasst. Als Diskriminierung soll in diesem Zusammenhang die Ungleichbehandlung (mindestens) zweier Vergleichsgruppen anhand bestimmter, rechtlicher Differenzierungsgesichtspunkte bezeichnet werden543. Der EuGH hat dabei als eine den Grundfreiheiten zuwiderlaufende Differenzierung – entsprechend dem Willen der Mitgliedstaaten bei Gründung der EWG544 – zunächst nur Ungleichbehandlungen angesehen, die an das Kriterium der Staatsangehörigkeit des persönlich Berechtigten anknüpfen545. Weitere Voraussetzung für die Annahme einer Diskriminierung war und ist außerdem, dass Inländer und Ausländer sich hinsichtlich des konkreten Regelungsbereiches in einer vergleichbaren Situation befinden546. Freilich würde eine streng formale Interpretation des verbotenen Diskriminierungskriteriums der ausländischen Staatsangehörigkeit zu einem sehr ________________________ 542 Vgl. dazu P.-C. Müller-Graff in: Streinz, EUV/EGV, Art. 43 EGV Rz. 37 f. m. w. N.

543

544 545

546

230

auch zur Rechtsprechung des EuGH; S. Fischer, Primäres Gemeinschaftsrecht, S. 117; H. D. Jarass, EuR 1995, S. 202 (210 f.) m. w. N. Vgl. auch H. D. Jarass, EuR 1995, S. 202 (211). Der EuGH handhabt den Diskriminierungsbegriff nicht immer ganz trennscharf, etwa wenn er auch rechtlich unterschiedslos anwendbare, aber faktisch eine Gruppe benachteiligende Regelungen (EuGH im Urteil v. 3.2.1982, Rs. 62 u. 63/81 (Seco/Evi), Slg. 1982, 223, Rz. 8 f.) bzw. die Gleichbehandlung trotz unterschiedlicher Situationen (EuGH v. 14.2.1995, Rs. C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 30) darunter fasst. Vgl. hierzu U. Everling in: FS v. d. Groeben, S. 111 (113). Vgl. EuGH v. 21.06.1974, Rs. 2/74 (Reyners), Slg. 1974, 631; EuGH v. 7.2.1979, Rs. 136/78 (Auer), Slg. 1979, 437, Rz. 16 u. 23 f.; EuGH v. 12.2.1987, Rs. 221/85 (Kommission/Belgien), Slg. 1987, 719, Rz. 5. So deutlich EuGH v. 14.2.1995, Rs. C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 30.

Der Gewährleistungsgehalt der Beschränkungsverbote

verengten Wirkbereich der Grundfreiheiten führen. Denn eine Vielzahl von nationalstaatlichen Regelungen differenziert anhand von rechtlichen Kriterien, die typischerweise vor allem ausländische Staatsangehörige betreffen, ohne jedoch dieses Merkmal ausdrücklich zu benennen. Im Steuerrecht ist es insbesondere das Merkmal der Ansässigkeit bzw. Nichtansässigkeit des Steuerpflichtigen, welches unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich zieht; die Nichtansässigkeit wird dabei typischerweise, wenn auch keinesfalls zwingend in der Person ausländischer Staatsangehöriger verwirklicht sein. Es verwundert darum nicht, dass der EuGH bereits relativ frühzeitig dazu übergegangen ist, zu den prinzipiell verbotenen Beschränkungen auch die sogenannte indirekte oder versteckte Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit zu rechnen. Darunter versteht der EuGH die Differenzierung anhand von anderen Unterscheidungsmerkmalen als dem der Staatsangehörigkeit, die jedoch tatsächlich zu einer Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit führen547. Speziell hinsichtlich des Ansässigkeitskriteriums war diese Rechtsprechung zum Teil schon im Vertragstext angelegt548. In ihren Konturen blieb sie freilich zunächst unscharf, weil der EuGH es vermied, eine genaue Festlegung dahingehend zu treffen, wann andere Kriterien als das der Staatsangehörigkeit im Ergebnis auf eine Diskriminierung nach der solchen hinauslaufen549. Der Gerichtshof hat mit anderen Worten keine eindeutigen, zahlenmäßigen Vorgaben dazu gemacht, in welchem Verhältnis der Anteil ausländischer Staatsangehöriger in der begünstigten zu dem in der benachteiligten Vergleichsgruppe stehen muss550. ________________________ 547 Für das allgemeine Diskriminierungsverbot grundlegend EuGH v. 29.10.1980, Rs.

22/80 (Boussac), Slg. 1980, 3427, Rz. 9; schon zuvor für die Arbeitnehmerfreizügigkeit EuGH v. 12.2.1974, Rs. 152/73 (Sotgiu), Slg. 1974, 153, Rz. 11; für die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit erstmals EuGH v. 5.12.1989, Rs. C-3/88 (Kommission/Italien), Slg. 1989, 4035, Rz. 8. Bei der erst zu einem späteren Zeitpunkt als die übrigen Grundfreiheiten unmittelbar anwendbar gewordene Kapitalverkehrsfreiheit ist diese Entwicklung bereits unmittelbar im Vertragstext berücksichtigt worden: So dürfen nach Art. 58 Abs. 3 EGV die expliziten Schranken des Art. 58 Abs. 2 u. 3 EGV keine „verschleierte Beschränkung“ des Kapital- und Zahlungsverkehrs darstellen. 548 Vgl. Art. 49 EGV, wonach im Hinblick auf die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs Beschränkungen verboten sind, die in einem anderen Staat ansässige Angehörige von Mitgliedstaaten betreffen. Auch hinsichtlich der Kapitalverkehrsfreiheit lässt sich im Umkehrschluss aus Art. 58 Abs. 1 lit. a EGV entnehmen, dass die dort ausnahmsweise für zulässig erklärte Unterscheidung nach der Ansässigkeit prinzipiell nach Art. 56 EGV verboten ist. 549 Kritisch S. v. Thiel, TFO 2001/78, S. 8. 550 Vgl. z. B. EuGH v. 25.7.1991, Rs. C-221/89 (Factortame), Slg. 1991, I-3905, Rz. 32: Die Begünstigten waren nach Einschätzung des EuGH „ganz überwiegend“ eigene, die nachteilig Betroffenen „meist“ ausländische Staatsangehörige. Noch unpräziser EuGH v. 14.2.1995, Rs. C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 28: Die (nach-

231

Europarechtliche Vorgaben

Eine endgültige Abkehr von dem Postulat, die Grundfreiheiten gewährleisteten nur die – unmittelbare wie mittelbare – Inländergleichbehandlung, brachte dann die Rechtsprechung zu Beschränkungen durch den Herkunftsstaat der Grundfreiheitsberechtigten551. Wie bereits oben dargelegt wurde, hat der EuGH mit überzeugenden Gründen auch den Herkunftsstaat als Adressaten bzw. Verpflichteten der Grundfreiheiten angesehen. In solchen Fällen geht es aber regelmäßig weder um eine Diskriminierung noch um eine sonstige Benachteiligung von Ausländern, sondern um die Benachteiligung des grenzüberschreitenden gegenüber dem rein binnenstaatlichen Vorgang552. Ansetzend ab diesem Differenzierungskriterium vollzog sich die Ausweitung des Beschränkungsverbotes von einem Verbot der Ausländerdiskriminierung hin zu einem Verbot der Diskriminierung grenzüberschreitenden Gebrauchmachens von den wirtschaftlichen Freiheiten des EGV553. Allerdings hat diese Rechtsprechungsentwicklung den EuGH nicht daran gehindert, im Hinblick auf Diskriminierungen durch den Bestimmungsstaat weiterhin insbesondere an der Rechtsfigur der versteckten Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit festzuhalten554. Parallel zu der Ausweitung verbotener rechtlicher Differenzierungen ging der EuGH außerdem dazu über, auch bloß tatsächliche oder „potentielle“ Behinderungen unter die Beschränkungsverbote zu fassen. Bereits zu einem ________________________

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teilig betroffenen) Gebietsfremden seien „meist“ Ausländer; EuGH v. 13.7.1993, Rs. C-330/91 (Commerzbank), Slg. 1993, I-4017, Rz. 15: „Zumeist“ seien es ausländische Gesellschaften, die einen im konkreten Fall maßgeblichen steuerlichen Sitz im Ausland hätten. Eine gewisse Vereinheitlichung und Eingrenzung in Richtung des Genügens einer potentiellen Benachteiligung könnte jetzt durch das Urteil des EuGH v. 23.5.1996, Rs. C-237/94 (O’Flynn), Slg. 1996, I-2617, Rz. 18–20, eingetreten sein: Der EuGH fasst dort seine bisherige Rechtsprechung zur versteckten Diskriminierung in einem Art. 39 EGV betreffenden Fall dahingehend zusammen, dass es genüge, wenn sich eine nationale Regelung „ihrem Wesen nach eher auf Wanderarbeitnehmer als auf inländische Arbeitnehmer auswirken kann und folglich die Gefahr besteht, dass sie Wanderarbeitnehmer besonders benachteiligt.“ [Hervorhebung nicht im Original]. Siehe oben IV. Die Bedeutung dieser Rechtsprechungsentwicklung für die Dogmatik der Beschränkungsverbote erkannte schon frühzeitig B. Knobbe-Keuk, DB 1990, S. 2573 (2574). Ihre Einschätzung wird geteilt von A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 189. Vgl. H. D. Jarass, EuR 1995, S. 202 (212). Dies hat der EuGH in einigen wenigen Urteilen auch deutlich ausgesprochen, vgl. EuGH v. 12.7.2001, Rs. C-157/99 (Smits), Slg. 2001, I-5473, Rz. 61; EuGH v. 26.6.2003, Rs. C-422/01 (Skandia), EWS 2003, S. 379, Rz. 26. Besonders deutlich etwa in der Entscheidung des EuGH v. 12.9.2002, Rs. C-431/01 (Mertens), Slg. 2002, I-7073, Rz. 32 f. Vgl. z. B. EuGH v. 11.8.1995, Rs. C-80/94 (Wielockx), Slg. 1995, I-2493, Rz. 16; EuGH v. 27.6.1996, Rs. C-107/94 (Asscher), Slg. 1996, I-3089, Rz. 36.

Der Gewährleistungsgehalt der Beschränkungsverbote

sehr frühen Zeitpunkt hatte er dies für die Warenverkehrsfreiheit des Art. 28 EGV555 und die Dienstleistungsfreiheit556 festgestellt; seine diesbezügliche Rechtsprechung blieb dann aber sehr lange auf diese speziellen Grundfreiheiten beschränkt557. Einen wirklichen Durchbruch in der dogmatischen Entwicklung der Grundfreiheiten stellte darum erst die Ausdehnung dieser Grundsätze auf die übrigen Beschränkungsverbote der Art. 39, 43 und 56 EGV dar. Der EuGH entschied, dass auch unterschiedslos auf EU-Ausländer und Einheimische anwendbare Regelungen beschränkenden Charakter aufweisen können, wenn sie im Ergebnis zu einer Unterbindung oder Behinderung des freien Personen- oder Kapitalverkehrs führen können558. Die damit bewirkte grundlegende Ausdehnung der Reichweite der Beschränkungsverbote hatte freilich zur Folge, dass sich der EuGH fortan auch mit der Frage der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit von Regelungen befassen musste, die nicht spezifisch den grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr, sondern lediglich allgemein die wirtschaftliche Betätigung einschränkten. Denn solche generellen, in der Regel ordnungs- oder sozialpolitisch motivierte Maßnahmen wie etwa das Verbot des Verkaufs am Sonntag behinderten natürlich auch den grenzüberschreitenden Fluss von Waren, Dienstleistungen, Personen oder Kapital. Die Reaktion des EuGH auf diese in ihren Ausmaßen offenbar zunächst nicht erwartete Entwicklung konnte wiederum zunächst im Geltungsbereich der Warenverkehrsfreiheit beobachtet werden. Ausdrücklich zum Zwecke ________________________ 555 EuGH v. 11.7.1974, Rs. 8/74 (Dassonville), Slg. 1974, 837, Rz. 5. 556 EuGH v. 3.12.1974, Rs. 33/74 (van Binsbergen), Slg. 1974, 1299, Rz. 10/12. Siehe

ferner EuGH v. 26.2.1991, Rs. C-154/89 (Kommission/Frankreich), Slg. 1991, I-659, Rz. 12; EuGH v. 26.2.1991, Rs. C-180/89 (Kommission/Italien), Slg. 1991, I-709, Rz. 15; EuGH v. 26.2.1991, Rs. C-198/89 (Kommission/Griechenland), Slg. 1991, I-727, Rz. 16; EuGH v. 25.7.1991, Rs. C-76/90 (Säger), Slg. 1991, I-4221, Rz. 12; EuGH v. 9.8.1994, Rs. C-43/93 (Vander Elst), Slg. 1994, I-3805, Rz. 14. 557 Die Ursache hierfür dürfte vor allem darin liegen, dass Art. 28 EGV mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen „sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung“, Art. 49 EGV generell „Beschränkungen“ verbietet, die Vorschriften also schon ihrem Wortlaut nach über ein Verbot bloß in die Form rechtlicher Ungleichbehandlung gekleideter Behinderungen hinausgehen. Zudem ließ sich bei der Dienstleistungsfreiheit argumentieren, die für feste Niederlassungen im Bestimmungsstaat konzipierten Vorschriften dürften nicht unbesehen auf das bloß vorübergehende Tätigwerden ausländischer Staatsangehöriger im Rahmen einer Dienstleistungserbringung übertragen werden (vgl. dazu EuGH v. 3.12.1974, Rs. 33/74 (van Binsbergen), Slg. 1974, 1299, Rz. 10/12). Demgegenüber stellen die Personenverkehrsfreiheiten jedenfalls nach ihrer jeweiligen Gesetzesformulierung auf eine durch rechtliche Differenzierung bewirkte Diskriminierung ab; die Kapitalverkehrsfreiheit wiederum war bis zum Inkrafttreten der Kapitalverkehrsrichtlinie nicht unmittelbar anwendbar. 558 EuGH v. 30.11.1995, Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, I-4165, Rz. 37.

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Europarechtliche Vorgaben

der Überprüfung und Klarstellung der bisherigen Rechtsprechung zur nichtdiskriminierenden Beschränkung schied der Gerichtshof solche Regelungen aus dem Bereich verbotener Handelsbehinderungen aus, die den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren. Denn in einem solchen Fall seien die betreffenden Bestimmungen nicht geeignet, den Marktzugang zu versperren oder stärker zu behindern, als sie dies für inländische Erzeugnisse tun559. Maßgeblich sollte nach dieser revidierten Sichtweise des EuGH also künftig die durch die unterschiedslose Anwendung inländischer Regelungen bewirkte faktische Schlechterstellung des grenzüberschreitenden gegenüber dem rein inländischen Wirtschaftsvorgang sein. Allerdings betraf diese Rechtsprechungskorrektur bzw. -klarstellung nur vom EuGH so genannte Verkaufsmodalitäten und wurde bisher auch noch nicht auf die übrigen Grundfreiheiten des EGV erstreckt. Es steht aber zu vermuten, dass dies bei Gelegenheit noch geschehen wird560, zumal die entscheidenden Erwägungen des EuGH in einigen Urteilen zu den übrigen Grundfreiheiten bereits angedeutet sind561. ________________________ 559 EuGH v. 24.11.1993, Rs. C-267 u. a. (Keck u. a.), Slg. 1993, I-6097, Rz. 14–17;

EuGH v. 15.12.1993, Rs. C-292/92 (Hünermund u. a.), Slg. 1993, I-6787, Rz. 21; EuGH v. 2.6.1994, Rs. C-401/92 u. a. (Punto Casa u. a.), Slg. 1994, I-2355, Rz. 12; EuGH v. 2.6.1994, Rs. C-401/92 u. a. (Tankstation), Slg. 1994, I-2199, Rz. 12. 560 Gl. A. auch A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 290 f.: Aufgrund der parallelen Struktur der Grundfreiheiten sei damit zu rechnen, dass sich die mit der Rechtsache Keck für Art. 28 EGV eingeleitete Beschränkung des Beschränkungsverbots auch bei den übrigen Grundfreiheiten auswirken werde. 561 So erachtete der EuGH im Urteil v. 3.2.1982, Rs. 62 u. 63/81 (Seco/Evi), Slg. 1982, 223, Rz. 8 f., die unterschiedslose Verpflichtung zur Zahlung des Arbeitgeberanteils an den Beiträgen zur Sozialversicherung für inländische wie für im Inland Dienstleistungen erbringende ausländische Arbeitgeber für einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit, weil sich die vordergründige Gleichbehandlung wirtschaftlich gesehen als eine zusätzliche Belastung für die in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Arbeitgeber darstelle, die dadurch im Ergebnis stärker belastet würden als die im Inland ansässigen Leistenden (Hervorhebungen nicht im Original). Allerdings hatte der EuGH hierin eine Diskriminierung gesehen, obwohl genaugenommen eine rechtliche Differenzierung gerade nicht gegeben war. Noch deutlicher klingt der Gedanke der faktischen Schlechterstellung in einer Entscheidung zur Niederlassungsfreiheit an, EuGH v. 15.5.1997, Rs. C-250/95 (Futura Participations), Slg. 1997, I-2471: Gegenstand dieses Vorlageverfahrens war u. a. die Frage, ob Luxemburg den steuerlichen Verlustvortrag durch inländische Zweigstellen ausländischer Gesellschaften u. a. davon abhängig machen durfte, dass diese Zweigstellen wie die in Luxemburg ansässigen Gesellschaften auch eine Buchhaltung nach luxemburgischen Vorschriften erstellt hatten. In den Stellungnahmen der verfahrensbeteiligten Regierungen wurde darauf hingewiesen, dass diese Anforderungen keine unzulässige rechtliche Diskriminierung darstellen würden. Der EuGH sah darin dennoch eine prinzipiell verbotene Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, weil diese

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Der Gewährleistungsgehalt der Beschränkungsverbote

Eine Beschränkung im Sinne der Art. 23, 39, 43, 49 und 56 EGV liegt schließlich nach Auffassung des EuGH ferner dann vor, wenn das nationale Recht eines Staates eine bestimmte Betätigung, welche bei grenzüberschreitendem Bezug in den sachlichen Anwendungsbereich einer der Grundfreiheiten fällt, per se ausschließt562.

2. Die Dogmatik der Grundfreiheiten nach dem heutigen Stand des Gemeinschaftsrechts Im Folgenden soll nun der heutige Stand der für die Fortentwicklung der Dogmatik der Grundfreiheiten unbestreitbar wichtigen Rechtsprechung des EuGH auf seine Vereinbarkeit mit den Vorgaben des EGV und auf seine innere Systematik hin untersucht werden, um die Beschränkungsverbote für die Zwecke des Untersuchungsgegenstandes operabel zu machen. Im Vordergrund wird dabei die vom EuGH nie ganz klar beantwortete und im Schrifttum äußerst umstrittene Frage stehen, ob die Beschränkungsverbote des EGV, speziell die für den Dividendenbezug einschlägigen Freiheiten des Kapitalverkehrs und der Niederlassung, reine Gleichheitsrechte sind oder auch einen freiheitsrechtlichen Gehalt aufweisen. Erst nach Klärung dieser Vorfragen kann auf die spezifische Bedeutung der Grundfreiheiten für das nationale Ertragsteuerrecht und speziell für die Dividendenbesteuerung eingegangen werden563. a) Das Verbot der Diskriminierung des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs Es wurde bereits dargelegt, dass die Grundfreiheiten des EGV im Lichte der Vertragszielbestimmungen der Art. 3 Abs. 1 lit. c, 14 Abs. 2 EGV auszulegen sind. Vorbehaltlose Zustimmung kann unter dieser Prämisse die ständige Rechtsprechung des EuGH finden, wonach jedenfalls Differenzierungen nach der Staatsangehörigkeit im sachlichen Anwendungsbereich der Grund________________________ Verpflichtung nur die ausländischen Gesellschaften spezifisch treffe, indem diese neben ihren eigenen Büchern zusätzlich getrennte Bücher über die Tätigkeit der Zweigniederlassung führen müssten (Rz. 25 f.; Hervorhebung nicht im Original). Zuvor hatte Generalanwalt Lenz in seinen Schlussanträgen klar die Meinung vertreten, die Regelung sei deshalb eine unzulässige Beschränkung, weil sie – nur – für die ausländischen Gesellschaften zusätzliche Kosten verursache (I-2481). Auf einer vergleichbar deutlichen Wertung des Generalanwalts Tesauro beruhte zuvor bereits das Urteil des EuGH v. 9.8.1994, Rs. C-43/93 (Vander Elst), Slg. 1994, I-3803 (I-3809 f., I-3811), ohne dass dies allerdings in der Urteilsbegründung zum Ausdruck gekommen wäre. 562 Vgl. EuGH v. 24.3.1994, Rs. C-275/92 (Schindler), Slg. 1994, I-1039, Rz. 43 f.; EuGH v. 5.6.1997, Rs. C-398/95 (SETTG), Slg. 1997, I-3091, Rz. 16–18. 563 Vgl. auch A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 2.

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Europarechtliche Vorgaben

freiheiten prinzipiell verboten sind. Zum einen geht dies teilweise schon aus dem Wortlaut der entsprechenden Vorschriften klar hervor. Hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit statuiert beispielsweise Art. 52 Abs. 2 EGV ausdrücklich, dass sie die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten „nach den Bestimmungen des Aufnahmestaates für seine eigenen Angehörigen“ umfasst. Zum anderen aber würde eine an die EU-ausländische Staatsangehörigkeit anknüpfende rechtliche Schlechterstellung im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr ein eminentes Hindernis im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit. c EGV für den freien Binnenmarkt bedeuten. Dies gilt umso mehr, als dass Art. 3 Abs. 2 EGV die Gemeinschaft ausdrücklich zur Beseitigung von Ungleichheiten u. a. im Zusammenhang mit der Verwirklichung des Binnenmarktes ermächtigt. Auch speziell für die Kapitalverkehrsfreiheit kann darum nicht zweifelhaft sein, dass eine – nachteilige – Ungleichbehandlung allein aufgrund der ausländischen Staatsangehörigkeit der den Kapitaltransfer realisierenden Person zu einer grundsätzlich verbotenen „Beschränkung“ des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 56 Abs. 1 EGV führt. Auch die Literatur ist einhellig der Auffassung, dass das grundsätzliche Verbot einer expliziten Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit den Kernbereich der Grundfreiheiten des EGV ausmacht564. Freilich genügt ein solch eng gefasstes Verbot der benachteiligenden rechtlichen Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit nicht den Anforderungen der Art. 3 Abs. 1 lit. c, 14 Abs. 2 EGV an die umfassende Verwirklichung des Binnenmarktes. Zunächst ist festzustellen, dass Art. 3 Abs. 1 lit. c EGV von einer Beseitigung der Hindernisse „zwischen den Mitgliedstaaten“ spricht. Wie schon erörtert wurde, schließt dies eine einseitige Ausrichtung der Beschränkungsverbote auf Maßnahmen nur des Bestimmungslandes des Waren-, Kapital-, Personen- oder Dienstleistungstransfers aus. Vielmehr dürfen solche Hindernisse für den grenzüberschreitenden Verkehr auch nicht vom Herkunftsstaat errichtet werden. Da aber behindernde Maßnahmen des Herkunftsstaates sich regelmäßig zum Nachteil der eigenen Staatsangehörigen auswirken, die einen grenzüberschreitenden Transfer im Binnenmarkt tätigen wollen, griffe ein bloßes Verbot der Ausländerdiskriminierung ersichtlich zu kurz. ________________________ 564 P. Farmer, ec tax review 2003, S. 75 spricht von „core economic rights“. Vgl. auch

A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 245; M. Lehner in: FS Offerhaus, S. 117 (119); M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, 5. Aufl. 1996, S. 330; T. Oppermann, Europarecht, 2. Aufl., Rz. 1588; H. D. Jarass, EuR 2000, S. 705 (709); ders., EuR 1995, S. 202 (211 ff.); ders. in: FS Everling, S. 593 (595 f.); M. Zuleeg in: FS Everling, S. 1717 (1725); W.-H. Roth, RabelsZ 54 (1990), S. 64 (83).

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Der Gewährleistungsgehalt der Beschränkungsverbote

Erforderlich ist vielmehr eine Auslegung der Beschränkungsverbote dahingehend, dass sie jegliche Art von rechtlichen Differenzierungen nach rein internen einerseits und grenzüberschreitenden Sachverhalten andererseits für unzulässig erklären. Verbotenes Differenzierungskriterium ist damit nicht nur die Staatsangehörigkeit des Betroffenen, sondern darüber hinaus der grenzüberschreitende Charakter des in Rede stehenden Wirtschaftsvorgangs565. Dabei kann es um des „effet util“ der Grundfreiheiten willen keine Rolle spielen, ob eine zu überprüfende nationale Regelung explizit an diesem Kriterium ausgerichtet ist566 oder aber nach anderweitigen Gesichtspunkten differenziert, die sich aber auf eine rechtliche Unterscheidung zwischen rein innerstaatlicher und grenzüberschreitender Tätigkeit zurückführen lassen567. Insbesondere die steuerliche Behandlung von Inlandsein________________________ 565 Für entscheidend halten dies auch U. Ilhi/K. Malmer/P. Schonewille/I. Tuominen,

CDFI LXXXVIIIa, S. 71 (83); P.Farmer, ec tax review 2003, S. 75 (77); A. Cordewener, ET 2003, S. 294 (299); E. Sanz Gadea, Impuestos 2001, S. 161 (180); S. v. Thiel, TFO 2001/78, S. 3; W. C. M. Martens, Tijdschrift voor formeel belastingrecht 2001, S. 2 (3); I. Roche Laguna, La integración europea, S. 176; S. Fischer, Primäres Gemeinschaftsrecht, S. 114 u. S. 165; C. Staringer in: Lechner/Staringer/ Tumpel, Kapitalverkehrsfreiheit, S. 93 (103); G. Konezny/M. Züger, SWI 2000, S. 218 (219); J. Schuch in: Multilateral Tax Treaties, S. 35 (39); J. M. Mössner/ D. Kellersmann, DStZ 1999, S. 505 (507) und C. D. Classen, EWS 1995, S. 97 (100); T. Kingreen, Struktur der Grundfreiheiten, S. 84 f.; ähnlich für die Niederlassungsfreiheit B. Knobbe-Keuk, DB 1990, S. 2573 (2577); für die Kapitalverkehrsfreiheit C. Wimpissinger, SWI 2000, S. 313 (315). A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 191 (vgl. auch S. 227 f.), und F.-J. Schöne, RIW 1989, S. 450 (452) sprechen von einem „essentialium negotium“ der Grundfreiheiten. Vgl. auch H. D. Jarass in: FS Everling, S. 593 (598). Der EuGH scheint sich diesem Verständnis inzwischen immerhin anzunähern, vgl. das Urteil v. 26.6.2003, Rs. C-422/01 (Skandia), EWS 2003, S. 379, Rz. 26 m. w. N. Ausdrücklich a. A. ist vor dem Hintergrund eines engen, am Wortlaut der Norm orientierten Diskriminierungsbegriffs A. Mühl, Diskriminierung, S. 89 f. 566 Vgl. z. B. EuGH v. 3.12.1974, Rs. 33/74 (van Binsbergen), Slg. 1974, 1299, Rz. 2/5 ff. In diese Kategorie einzuordnen sind insbesondere auch Be- oder Verhinderungen des Grenzübertritts als solchem, soweit dieser zur Wahrnehmung der jeweiligen Grundfreiheit erforderlich ist. Vgl. dazu EuGH v. 27.9.1988, Rs. 81/87 (Daily Mail), Slg. 1988, 5483, Rz. 16. Diese „Annexgewährleistung“ der Grundfreiheiten ist auch nicht durch die Einfügung des Art. 18 EGV obsolet geworden. Denn infolge des unmittelbaren Zusammenhangs mit der durch die Grundfreiheiten geschützten wirtschaftlichen Betätigung sind diese als gegenüber der allgemeinen Freizügigkeitsregelung des Art. 18 EGV als spezieller anzusehen, vgl. W. Kluth in: Calliess/Ruffert, EUV/ EGV, 2. Aufl., Art. 18 EGV Rz. 10; A. Hatje in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 19 EGV Rz. 12. Die Diskriminierung durch die Be- oder Verhinderung des Grenzübertritts liegt dabei darin, dass im reinen Inlandssachverhalt kein dem Grenzübertritt entsprechendes Hindernis für die wirtschaftliche Betätigung besteht (so auch H. D. Jarass, EuR 1995, S. 202 (216)). 567 Vgl. auch H. D. Jarass, EuR 1995, S. 202 (219), der von unmittelbaren und mittelbaren Beschränkungen spricht.

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Europarechtliche Vorgaben

künften beschränkt Steuerpflichtiger beruht, soweit sie von der Besteuerung inländischer Einkünfte von unbeschränkt Steuerpflichtigen abweicht, im Grunde auf einer Differenzierung nach transnationaler und rein interner Tätigkeit. Soweit die letztgenannte relativ besser gestellt ist, lässt sich dies somit als prinzipiell verbotene Diskriminierung charakterisieren. Auch für dieses erweiterte Verständnis der relevanten rechtlichen Ungleichbehandlungen behält freilich die Feststellung des Gerichtshofs, wonach diese nur bei objektiver Vergleichbarkeit der Situationen eine tatbestandliche Diskriminierung begründen, ihre Gültigkeit. Auch das Europarecht verlangt nicht, objektiv verschiedene Sachverhalte gleich zu behandeln568. Die Frage, ob eine objektiv vergleichbare Lage vorliegt, ist durch eine wertende Gegenüberstellung der – ggf. steuerlichen – Situation der von der möglicherweise diskriminierenden Norm Betroffenen und derjenigen der von ihrem Anwendungsbereich ausgeschlossenen Steuersubjekte zu beantworten569. Zur Herleitung dieser weiteren Voraussetzung bedarf es nicht des Rückgriffs auf das Verständnis der Diskriminierung im allgemeinen Sprachgebrauch und in der Terminologie des EuGH570. Sie ergibt sich vielmehr daraus, dass in diesen Fällen die Ungleichbehandlung bei wertender Betrachtung nicht auf den grenzüberschreitenden Charakter des in Rede stehenden Wirtschaftsvorgangs, sondern auf sonstige objektive Umstände zurückzuführen ist. Der Anwendungsbereich der Grundfreiheiten ist dann seinem Schutzzweck nach schon nicht eröffnet. Für das Eingreifen des Diskriminierungsverbotes kommt es auf das Ausmaß der Ungleichbehandlung auf Tatbestandsebene nicht an. Auch relativ geringfügige Beschränkungen sollen einer Rechtfertigungskontrolle durch den EuGH unterliegen; es gibt keine „de-minimis“-Klausel in den Grundfreiheiten oder den Art. 3 Abs. 1 lit. c, 14 Abs. 2 EGV571. Lediglich bei der Fra-

________________________ 568 D. Kellersmann/C. Treisch, Europäische Unternehmensbesteuerung, S. 155; M. T.

Nuñez Sanz, Impuestos 2001, S. 1143 (1155); S. v. Thiel, TFO 2001/78, S. 5; M. Luby, Editions du Juris-Classeur 2002, S. 5 (6); W. Schön in: GS Knobbe-Keuk, S. 743 (758) m. w. N. 569 Unzutreffend dürfte es hingegen sein, auf einen Normenvergleich abzustellen; so aber D. Kellersmann/C. Treisch, Europäische Unternehmensbesteuerung, S. 154. 570 Hierauf stützt O. Thömmes in: GS Knobbe-Keuk, S. 795 (811), seine diesbezüglichen Aussagen. 571 Vgl. EuGH v. 4.4.1974, Rs. 167/73 (Kommission/Frankreich), Slg. 1974, 359, Rz. 45/47. Zustimmend etwa S. Plötscher, Diskriminierung, S. 110 f.; A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 246; S. v. Thiel, TFO 2001/78, S. 10; P. Dibout, Revue de Droit Fiscal 2000, S. 1365 (1368); H. D. Jarass, EuR 1995, S. 202 (219); ders. in: FS Everling, S. 593 (602).

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ge der Rechtfertigung prinzipiell untersagter Beschränkungen kann das geringe Gewicht der Belastung mit berücksichtigt werden572. Stellt man richtig neben der Staatsangehörigkeit auch auf den grenzüberschreitenden Charakter des jeweiligen Wirtschaftsvorgangs ab, so erübrigt sich ein Festhalten an dem vom EuGH bei Regelungen des Bestimmungslandes noch heute bemühten Kriterium der versteckten bzw. indirekten Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit573. Denn das prinzipielle Verbot der Unterscheidung nach dem grenzüberschreitenden Charakter von Dienstleistung, Warenbewegung, Kapital- oder Personenverkehr gilt ohne weiteres auch hinsichtlich des Bestimmungslandes. Eine je nach Adressat des Beschränkungsverbotes abweichende Ausrichtung der Diskriminierungsprüfung ist weder geboten noch sachgerecht. In der Tat ist die Rechtsprechung des EuGH widersprüchlich, insofern sie einerseits an der Rechtsfigur der versteckten Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit festhält, zum anderen aber hinsichtlich des Herkunftsstaates jede diskriminierende Beschränkung des grenzüberschreitenden Vorgangs für unzulässig erklärt574. Die für die teleologische Auslegung der Art. 28, 39, 43, 49 und 56 EGV maßgeblichen Vorschriften der Art. 3 Abs. 1 lit. c, 14 Abs. 2 EGV erfordern vielmehr eine einheitliche Handhabung der Grundfreiheiten nach Maßgabe des letztgenannten Prüfungsmerkmals. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass weder Herkunfts- noch Bestimmungsland durch – rechtlich – diskriminierende Vorschriften Hindernisse für den Binnenmarkt schaffen. Ohnehin verträgt sich die vom EuGH vorgenommene Einordnung nur typischerweise bzw. faktisch den Ausländer benachteiligender Regelungen in den Bereich der Diskriminierungen nicht mit einem Verständnis von Diskriminierungen als rechtlich nach den relevanten Vergleichsgruppen differenzierenden Regelungen. Eine teleologische Auslegung der Grundfreiheiten, die neben der Staatsangehörigkeit auch und gerade das transnationale Element zum tertium comparationis erhebt, sprengt auch keineswegs die Grenzen des Wortlauts speziell der Vorschriften des EGV zur Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit. Letztere verbietet ganz generell „Beschränkungen“, unter die sich eine Diskriminierung aufgrund des grenzüberschreitenden Charakters des Kapitalverkehrs ohne weiteres fassen lässt. Hinsichtlich der Niederlassungs________________________ 572 So auch H. D. Jarass, EuR 2000, S. 705 (713). 573 So auch R. Seer, IWB Fach 11, Gruppe 2, S. 573 (584); A. Cordewener, Grundfrei-

heiten, S. 246 u. S. 826. Nicht erkannt wird diese Konsequenz hingegen von F. A. García Prats, Imposición directa, S. 72 u. 74 f., obwohl auch er letztlich als maßgebliche Vergleichsgruppen die grenzüberschreitend und die rein binnenwirtschaftlich tätigen Wirtschaftssubjekte ansieht. 574 Ähnlich kritisch äußert sich auch A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 198.

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freiheit erwähnt Art. 43 S. 3 zwar nur den Grundsatz der Inländergleichbehandlung. Die Formulierung, wonach die Niederlassungsfreiheit dieses Prinzip „umfasse“ lässt aber Raum für die Annahme, dass hier lediglich ein besonders relevanter Unterfall der Diskriminierung aufgrund des Grenzübertritts aufgeführt ist575. Eine abschließende Deutung wäre zwar möglich, ist aber nicht zwingend, so dass das obige Verständnis verbotener Diskriminierungen noch vom Wortlaut des Art. 43 S. 3 EGV gedeckt ist576. Für die Anwendung des Diskriminierungsverbotes ist schließlich noch von Bedeutung, dass das Vorliegen einer Diskriminierung stets ausgehend von den Regelungen nur eines Mitgliedstaates zu prüfen ist. Auch der EuGH prüft grundsätzlich streng punktuell unter expliziter Außerachtlassung der Regelungen im anderen betroffenen Mitgliedstaat577. Denn Verstöße gegen Diskriminierungsverbote kann und muss ein Staat nur insoweit korrigieren, als sie ihm zuzurechnen sind578. Er kann nur für eigenes, nicht aber für fremdes Fehlverhalten oder Unterlassen verantwortlich gemacht werden. Umgekehrt kann er sich auch nicht unter Hinweis darauf von seiner eigenen Verantwortung frei zeichnen. Dementsprechend muss speziell bei steuerlicher Diskriminierung auch der Prüfungsmaßstab auf diejenige Steuerbelastung verengt werden, die der jeweilige Mitgliedstaat dem Steuerpflichtigen auferlegt579. Untersuchungsgegenstand ist seine „Behandlung“ des Sachverhalts. Insoweit der EuGH ausnahmsweise in der Rechtsache Schumacker eine Zusammenschau der Rechtslage im Bestimmungs- und Herkunftsland praktiziert hat, um eine steuerliche Diskriminierung zu begründen580, ist ihm deshalb nicht zu folgen581. ________________________ 575 So auch B. Knobbe-Keuk, DB 1990, S. 2573 (2574); M. Zuleeg in: FS Everling,

S. 1717 (1724); W-H. Roth, RabelsZ 54 (1990), S. 64 (82). 576 So auch E. Steindorff, EuR 1988, S. 19 (21). 577 Exemplarisch EuGH v. 28.1.1992 – Rs. C-204/90 (Bachmann), Slg. 1992, 249,

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Rz. 10 f.; vgl. auch die Schlussanträge des Generalanwalts Mischo in derselben Sache, Rz. 10. Näher dazu T. Bieg, Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, S. 234. Ähnlich E. Reimer in: Lehner, Grundfreiheiten, S. 39 (50). C. Wimpissinger, SWI 2000, S. 313 (318); E. Reimer in: Lehner, Grundfreiheiten, S. 39 (50); ders. in: Direito Tributário, S. 919 (931); J. Schuch in: Multilateral Tax Treaties, S. 35 (40); in anderem Zusammenhang auch nachdrücklich A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 913. EuGH v. 14.2.1995, Rs. C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 38. Zustimmend T. Bieg, Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, S. 235 ff.; W. Schön, IStR 1995, S. 119 (121). Kritisch auch M. Lang in: Gassner, Doppelbesteuerungsabkommen, S. 25 (37); A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 908 ff. Der Bruch mit der herkömmlichen Dogmatik erklärt sich aus dem Bemühen des EuGH, eine Rückausnahme zu seiner fragwürdigen These zu konstruieren, Steuerinländer und Steuerausländer seien im Hin-

Der Gewährleistungsgehalt der Beschränkungsverbote

b) Das Verbot nichtdiskriminierender Beschränkungen des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs Wie der EuGH mehrfach betont hat, kann eine „Diskriminierung“ auch darin liegen, dass ein und dieselbe Vorschrift gleichermaßen auf unterschiedliche Situationen angewendet wird582. Allerdings soll diese Konstellation hier nicht als Diskriminierung bezeichnet werden, weil darunter nach obiger Definition eine Ungleichbehandlung anhand bestimmter Differenzierungskriterien zu verstehen ist. Zutreffend an der Aussage des EuGH ist jedoch, dass eine unzulässige Behinderung des freien Wirtschaftsverkehrs im Binnenmarkt auch in der unterschiedslosen Anwendung nationaler Vorschriften auf interne wie grenzüberschreitende Sachverhalte liegen kann. Einen Beleg hierfür liefert auch die Vorschrift des Art. 11 Abs. 1 lit. e EGV a. F., die ausdrücklich zwischen Diskriminierung und Beschränkung differenzierte. Die Diskriminierung erweist sich damit als eine spezielle Ausprägung der verbotenen Beschränkungen des freien Verkehrs von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital583. Eine unzulässige, nichtdiskriminierende Beschränkung wird allerdings nicht immer schon dann angenommen werden können, wenn eine mitgliedstaatliche Regelung dazu geeignet ist, den grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr im Vergleich zu der Situation bei ihrem gedachten Wegfall zu hemmen oder einzuschränken. Eine solch weite Auslegung würde dazu führen, dass der EuGH sich eine Prüfungskompetenz bezüglich nationaler sozial- und wirtschaftspolitischer Vorschriften aller Art anmaßen würde, welche dem freien Spiel der Marktkräfte Grenzen setzen und damit natürlich auch dem grenzüberschreitenden Verkehr gewisse Schranken auferlegen584. Es wäre der EuGH und nicht mehr die zuständigen mitgliedstaatlichen Instanzen, der letztverbindlich über die sachliche Berechtigung jeglicher sozial- und wirtschaftspolitischer Gesetzgebung der Mitgliedstaaten entscheiden dürfte und müsste. Insbesondere wäre jede Form nationaler Steuererhebung a priori

________________________ blick auf die steuerliche Notwendigkeit zur Berücksichtigung persönlicher Umstände nicht vergleichbar. Hätte der EuGH eine solche These nicht in dieser Allgemeinheit aufgestellt, sondern die Verantwortlichkeiten differenzierter zugeordnet, so hätte es einer staatenübergreifenden Gesamtschau zur Erzielung sachgerechter Ergebnisse gar nicht erst bedurft. Näher dazu unter 3.b.aa) und cc). 582 EuGH v. 17.7.1963, Rs. 13/63 (Italien/Kommission), Slg. 1963, 357 (384); EuGH v. 14.2.1995, Rs. C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 30; EuGH v. 11.8.1995, Rs. C-80/94 (Wielockx), Slg. 1995, I-2493, Rz. 17. 583 J. M. Mössner/D. Kellersmann, DStZ 1999, S. 505 (506). 584 Sehr kritisch M. Luby, Editions du Juris-Classeur 2002, S. 5 (7); T. Kingreen, Struktur der Grundfreiheiten, S. 104 f.

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Europarechtliche Vorgaben

eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung585. Würden die Vertreter eines weiten Beschränkungsbegriffs ihre Auffassung konsequent durchhalten, so würden die nationalen Steuersysteme hinweggefegt586. Damit aber käme den Grundfreiheiten eine Reichweite zu, die sich nicht mit der Kompetenzschranke des Art. 5 S. 1 EGV i. V. m. den Art. 3 Abs. 1 lit. c, 14 Abs. 2 EGV vereinbaren lässt: Die Beschränkungsverbote der Art. 23, 39, 43, 49 und 56 EGV sollen gewährleisten, dass ein Raum ohne Binnengrenzen verwirklicht wird, in dem Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital frei verkehren können, Art. 14 Abs. 2 EGV. Hindernisse für einen solchen Wirtschaftsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten sollen abgeschafft werden, Art. 3 Abs. 1 lit. c EGV. Zielvorgabe und Aufgabe der primärrechtlichen Instrumente zur Implementierung des Binnenmarktes beschränken sich also darauf, spezifisch den grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr beeinträchtigende Maßnahmen und Regelungen abzuschaffen587. Für eine weitergehende Angleichung ________________________ 585 Diese Konsequenz wurde schon 1994 klar erkannt von P. Farmer/R. Lyal, EC Tax

Law, S. 328 f. Ebenso P. Farmer, ec tax review 1998, S. 13 (29); A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 289; B. Matzka, Freiheit des Kapitalverkehrs, S. 69. Zu weitgehend ist darum die Annahme von M. Sedlaczek, ET 2000, S. 14 (19), wenn er feststellt: „It follows that also tax rules that hinder the movement of capital and payments are caught by the prohibition of all restrictions.“ 586 J. M. Mössner/D. Kellersmann, DStZ 1999, S. 505 (507) meinen zwar, es finde sich regelmäßig eine Rechtfertigung für eine durch die Steuererhebung als solche bewirkte Beschränkung. Denn wenn schon die wirksame steuerliche Kontrolle ein vom EuGH anerkannter Rechtfertigungsgrund sei, müsse dies erst recht für die Steuererhebung selbst gelten. Mössner und Kellersmann übersehen dabei aber, dass der EuGH jede Rechtfertigung, übrigens auch die der wirksamen steuerlichen Kontrolle, unter einen strikten Vorbehalt verhältnismäßiger Ausgestaltung gestellt hat (siehe dazu näher unten VI.3.). Es müsste also geprüft werden, ob die nationale Steuererhebung nicht in einer den grenzüberschreitenden Verkehr geringer beeinträchtigenden Weise ausgestaltet werden könnte. Im Bereich der Ertragsteuern könnte dies etwa durch eine Zurücknahme der Steuerpflicht auf inländische Einkünfte inlandsansässiger Steuerpflichtiger ohne Weiteres gewährleistet werden. Die damit verbundenen Einnahmeausfälle würde der EuGH nach seiner ständigen Rechtsprechung für unbeachtlich erklären. Wer dieses Ergebnis – zu Recht – für absurd hält, muss sich konsequenterweise gegen eine Interpretation der Grundfreiheiten als absolute Beschränkungsverbote wenden, mindestens auf steuerlichem Gebiet (gl. A. mit ebendieser Einschränkung M. Jachmann, BB 2003, S. 990; C. Staringer, ÖStZ 2000, S. 26 (28)). 587 So auch R. Streinz, Europarecht, 5. Aufl., Rz. 681; H. D. Jarass, EuR 1995, S. 202 (214). W.-H. Roth, RabelsZ 54 (1990), S. 64 (83); ders. in: GS Knobbe-Keuk, S. 729 (739), spricht etwas unpräziser von „spezifischen Erschwerungen für den Marktzugang“; U. Everling in: GS Knobbe-Keuk, S. 607 (625) von „Regelungen, die sich auf den Zutritt zu der Wirtschaft des Mitgliedstaates, in dem der betreffende Erwerbstätige sich betätigen will, beziehen“. Ähnlich auch J. M. Mössner/D. Kellersmann, DStZ 1999, S. 505: Im Binnenmarkt sollen sich die wesentlichen Produktionsfakto-

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Der Gewährleistungsgehalt der Beschränkungsverbote

der nationalen Rechtsordnung hat der EGV gesonderte Mechanismen bereitgestellt, welche den verbliebenen Kompetenzen der Mitgliedstaaten Rechnung tragen. Es sind dies namentlich die Harmonisierungsermächtigungen insbesondere der Art. 94 ff. EGV und das Gebot zur Koordinierung der gemeinsamen Wirtschaftspolitik nach Art. 99 EGV. Insbesondere die für Rechtsangleichungsmaßnahmen aufgestellten Mehrheitserfordernisse sowie die aus Art. 99 Abs. 4 EGV ersichtliche fehlende rechtliche Durchsetzbarkeit der Grundzüge der gemeinsamen Wirtschaftspolitik verdeutlichen, dass es gegen den politischen Willen mindestens der Mehrheit der Mitgliedstaaten keine justitiable Verpflichtung auf bestimmte gemeinschaftsweit gültige Standards einer „marktorientierten“ Wirtschaftspolitik gibt588. Diese dem EG-Vertrag selbst zu entnehmenden Wertungen dürfen nicht durch eine extensive Interpretation der Grundfreiheiten unterlaufen werden; diese sind vielmehr im Wege praktischer Konkordanz mit den übrigen Bestimmungen des EGV abzustimmen. Dementsprechend können die Grundfreiheiten, deren unmittelbare Anwendbarkeit die effektive Errichtung des Binnenmarkts ohne Hindernisse zwischen den Mitgliedstaaten gewährleisten soll, auch nur gegen sich spezifisch zu Lasten grenzüberschreitender Konstellationen auswirkende Vorschriften zur Anwendung gelangen589. Sie dürfen hingegen nicht als allgemeines Kontrollinstrument der gesamten nationalen Wirtschaftspolitik innerhalb der EG mit dem Ziel umfassender Deregulierung eingesetzt werden590. Hierin liegt es im Übrigen auch begründet, dass die Grundfreiheiten bei rein mitgliedstaatsinternen Vorgängen keine Wirkung entfalten591. ________________________

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ren „frei und ungehindert durch staatliche Grenzen bewegen können.“ Speziell für dieNiederlassungsfreiheit vgl. G. A. Frowein, Grenzüberschreitende Sitzverlegung, S. 125. In diese Richtung argumentiert auch T. Kingreen, Struktur der Grundfreiheiten, S. 91 ff. Siehe dazu vor allem die ausführliche Untersuchung von S. Feiden, „Keck“-Rechtsprechung, insbesondere das Zwischenfazit auf S. 65 ff. Unscharf hingegen A. Brigola, System der EG-Grundfreiheiten, S. 52 u. 135 f. So auch R. Streinz, Europarecht, 5. Aufl., Rz. 679 ff.; T. Kingreen, Struktur der Grundfreiheiten, S. 97 f.; U. Everling in: GS Knobbe-Keuk, S. 607 (620); H. D. Jarass, EuR 2000, S. 705 (711); ders., EuR 1995, S. 202 (217); ders. in: FS Everling, S. 593 (600). Ähnlich A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 200 f. Ständige Rspr. des EuGH, vgl. EuGH v. 7.2.1979, Rs. 115/78 (Knoors), Slg. 1979, 400, Rz. 24; EuGH v. 8.12.1987, Rs. 20/87 (Gauchard), Slg. 1987, 4879, Rz. 12; EuGH v. 16.1.1997, Rs. C-134/95 (Di Biella), Slg. 1997, I-195, Rz. 19 m. w. N. Zustimmend etwa D. Ehlers, Jura 2001, S. 266 (269); H. Matthies in: FS Everling, S. 803 (814 f.); B. Knobbe-Keuk, DB 1990, S. 2573 (2577). Speziell zur Kapitalverkehrsfreiheit vgl. auch R. Wernsmann, EuR 1999, S. 754 (758) m. w. N.; C. D. Classen, EWS 1995, S. 97 (105); H. D. Jarass, EuR 1995, S. 202 (207). Hier ergibt sich der Ausschluss rein innerstaatlicher Kapitalbewegungen schon aus der Formulierung des Art. 56 I EGV, der vom Kapitalverkehr „zwischen den Mitgliedstaaten“ spricht.

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Europarechtliche Vorgaben

Von daher ist es im Ansatz zu begrüßen, dass der EuGH bei der Warenverkehrsfreiheit solche nationalen Vorschriften, die ausländische Warenlieferungen weder rechtlich noch tatsächlich stärker belasteten als inländische, aus dem Geltungsbereich des Art. 23 EGV herausgenommen hat. In dieser Rechtsprechung scheint ein verallgemeinerungsfähiger Grundsatz auf592, der zur näheren Eingrenzung des spezifisch grenzüberschreitenden Bezugs von Beschränkungen herangezogen werden kann: Eine unterschiedslos angewendete mitgliedstaatliche Regelung stellt dann eine unzulässige Beschränkung dar, wenn sie faktisch zu einer Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Vorgangs gegenüber dem rein internen Marktgeschehen führt593. Es lassen sich im Wesentlichen drei Fallgruppen ausmachen, in denen solche spezifischen Schlechterstellungen anzutreffen sind: Regelmäßig wird dies zum einen dann der Fall sein, wenn bestimmte auf die transnationale Betätigung anwendbare Bestimmungen unter Berücksichtigung der einschlägigen Regelungen des zweiten, in den transnationalen Vorgang involvierten Mitgliedstaates Mehrbelastungen bewirken594. Denn der rein interne Wirtschaftsverkehr einerseits und der grenzüberschreitende Ver________________________ A. A. K. Lackhoff, Niederlassungsfreiheit, S. 82 ff.; ders./B. Raczinski, EWS 1997, S. 109 (112), die freilich nicht erkennen wollen, dass der in Art. 3 Abs. 1 lit. c EGV anvisierte Binnenmarkt ein solcher ohne zwischenstaatliche Hindernisse für den freien Wirtschaftsverkehr ist und die Benachteiligung von Inländern beim rein internen Wirtschaftsvorgang darum nur rechtspolitisch und ggf. unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten angreifbar, nicht aber europarechtswidrig sein kann. 592 Für eine Übertragung der „Keck“- und Folgerechtsprechung des EuGH auf andere Grundfreiheiten sprechen sich auch S. Feiden, „Keck-Rechtsprechung“, S. 65 f.; R. Wernsmann, EuR 1999, S. 754 (757) u. U. Everling in: GS Knobbe-Keuk, S. 607 (621) m. w. N. aus. Für steuerrechtliche Beschränkungen im Grundsatz ebenso P. Farmer/R. Lyal, EC Tax Law, S. 328 f. 593 So zutreffend H. D. Jarass, EuR 2000, S. 705 (710); ders. in: FS Everling, S. 593 (599); ähnlich C. Staringer in: Lechner/Staringer/Tumpel, Kapitalverkehrsfreiheit, S. 93 (103). Für das Steuerrecht S. van Thiel/C. Achilles, IStR 2003, S. 530 (534); S. van Thiel, ec tax review 2003, S. 4 (10) und wohl auch C. Stangl, SWI 2000, S. 463, der feststellt: „Steuerliche Bestimmungen sind immer dann als beschränkend anzusehen, wenn sie den Marktzutritt ins In- oder Ausland hemmen und die Besteuerung diesbezüglich nicht entscheidungsneutral wirkt.“ Bezeichnend ist auch die Wortwahl der Kommissionsmitarbeiter U. Ilhi/K. Malmer/P. Schonewille/I. Tuominen, CDFI LXXXVIIIa, S. 71 (84): „prohibition of discrimination and discriminatory restrictions“ [Hervorhebung durch den Verf.]. 594 Dies erkannte schon frühzeitig B. Knobbe-Keuk, DB 1990, S. 2573 (2575 u. 2577). Ebenso W.-H. Roth in: GS Knobbe-Keuk, S. 729 (740 f.). Auch A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 259 f., stellt auf die Beschränkung des grenzüberschreitenden Vorgangs durch „Doppelregulierungen“ ab, deutet das entsprechende Verbot freilich freiheitsrechtlich (siehe dazu unter c).

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Der Gewährleistungsgehalt der Beschränkungsverbote

kehr andererseits stellen insofern unterschiedliche Situationen dar, die prinzipiell auch eine differenzierende Behandlung gebieten, als bestimmte rechtliche Anforderungen oder Maßnahmen, denen das Wirtschaftsubjekt im Bestimmungsland unterworfen ist, auch bereits im Herkunftsland durch vergleichbare, wenn auch regelmäßig nicht identische Rechtsvorschriften gewährleistet werden. Darum muss ihre erneute Erfüllung nach den Vorgaben des Bestimmungslandes eine Mehrbelastung im grenzüberschreitenden Verkehr bedingen, welche beim rein innerstaatlichen Sachverhalt nicht auftritt. Das Kriterium der Doppelregulierung wird man dabei eng zu fassen und auf das Vorhandensein von Normen mit gleicher Intention in beiden beteiligten Staaten abzustellen haben595, um nicht über den Umweg einer weiten Interpretation der Doppelregulierung das entscheidende Merkmal der vergleichsweisen Mehrbelastung wieder auszuhebeln. Insbesondere wenn der Herkunftsstaat in einer bestimmten Hinsicht überhaupt keine Anforderungen bzw. Mindeststandards aufstellt, wird regelmässig eine Vermutung dafür sprechen, dass eine Regulierung durch den Herkunftsstaat keine verbotene spezifische Beschränkung des mitgliedstaatlichen Wirtschaftsverkehrs bewirkt. Neben Fällen der Doppelregulierung bilden eine zweite Gruppe verbotener nichtdiskriminierender Beschränkungen diejenigen mitgliedstaatlichen Bestimmungen, welche Voraussetzungen tatsächlicher Art aufstellen, deren Erfüllung typischerweise nur den grenzüberschreitend Tätigen belastet596. Dies wird man dann annehmen dürfen, wenn der überwiegende Teil der aus einem anderen Mitgliedstaat heraus agierenden Wirtschaftssubjekte den Erfordernissen nur mit zusätzlichen Anstrengungen, der überwiegende Teil der internen Marktteilnehmer hingegen ohne besondere Anstrengungen genügt. Eng mit der vorgenannten Gruppe verwandt sind schließlich drittens solche Vorschriften, die dazu führen, dass eine bestimmte wirtschaftliche Tätigkeit faktisch nur rein binnenstaatlich bzw. nicht grenzüberschreitend verwirklicht werden kann. Es kann sich dabei sowohl um Regelungen des Bestimmungslandes597 als auch des Herkunftsstaates598 handeln. Auch solche Be________________________ 595 Ähnlich EuGH v. 20.5.1992, Rs. C-106/91 (Ramrath), Slg. 1992, I-3351, Rz. 31. 596 Vgl. zu einer derartigen Konstellation EuGH v. 28.11.1989, Rs C-379/87 (Groener),

Slg. 1989, 3967, Rz. 12 ff. (Sprachkenntnisse). 597 Vgl. zu derartigen Konstellationen EuGH v. 7.7.1988, Rs. 143/87 (Stanton), Slg.

1988, 3877, Rz. 11 ff.; EuGH v. 7.7.1988, Rs. 154/87 u. a. (Wolf u. a.), Slg. 1988, 3897, Rz. 11 ff.; EuGH v. 20.5.1992, Rs. C-106/91 (Ramrath), Slg. 1992, I-3351, Rz. 20 f. 598 Vgl. EuGH v. 10.5.1995, Rs. C-384/93 (Alpine Investments), Slg. 1995, I-1141, Rz. 35 ff.

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Europarechtliche Vorgaben

schränkungen bewirken nämlich eine spezifische „Schlechterstellung“ des transnationalen Vorgangs599. Nach dem bisher Gesagten steht auch fest, dass die Frage, ob eine Diskriminierung oder eine sonstige Beschränkung vorliegt, unabhängig davon zu beantworten ist, ob die fragliche Maßnahme vom Herkunfts- oder aber vom Bestimmungsstaat ausgeht600. Insbesondere die gelegentlich anzutreffende Feststellung, für das Bestimmungsland bestehe ein bloßes Diskriminierungs-, für das Herkunftsland hingegen ein Beschränkungsverbot601, ist klar abzulehnen. Abschließend ist zu bemerken, dass eine Beschränkung im Sinne der Art. 23, 39, 43, 49 und 56 EGV entgegen der Rechtsprechung des EuGH602 nicht schon deshalb angenommen werden kann, weil das nationale Recht eines Staates eine bestimmte Betätigung, welche bei grenzüberschreitendem Bezug in den sachlichen Anwendungsbereich einer der Grundfreiheiten fällt, per se ausschließt. Es liegt dann nämlich grundsätzlich weder eine Diskriminierung des transnationalen Vorgangs vor noch lässt sich dessen spezifische Schlechterstellung im Vergleich zum reinen Inlandssachverhalt feststellen603. Gleiches gilt in den Fällen, in denen bestimmte wirtschaftspolitisch ________________________ 599 Ähnlich H. D. Jarass, EuR 2000, S. 705 (711), der solche Beschränkungen zu den

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Eingriffen in den Kernbereich der Grundfreiheiten rechnet. Darüber hinausgehend sieht H. D. Jarass aber auch solche Regelungen mit marktzutrittsverhindernder Wirkung als Beschränkungen in Form von Kernbereichseingriffen, die Inländer gleichermaßen treffen, also einen bestimmten Markt schlechthin dem Wirtschaftsverkehr entziehen. Dies ist im Hinblick auf die jüngste Entwicklung der Rechtsprechung des EuGH nachvollziehbar, aber dogmatisch nicht widerspruchsfrei begründbar. Es leuchtet im Übrigen nicht ein, wieso „gravierende Behinderungen“ des Marktzutritts eine Prüfung auch allgemeiner wirtschaftspolitischer Maßnahmen der Mitgliedstaaten ohne spezifisch grenzüberschreitenden Bezug erlauben sollen, einfache Behinderungen hingegen nicht, ganz zu schweigen von der wohl nicht willkürfrei zu handhabenden Abgrenzung zwischen diesen beiden Abstufungen. So zu Recht A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 643 u. S. 723. Vgl. z. B. J. Hey, StuW 2004, S. 193 (195); M. Lehner, IStR 2001, S. 329 (332); O. H. Jacobs in: FS Fischer, S. 85 (94); W. Weiß, EuZW 1999, S. 493 (495) auf Basis der überholten Vorstellung, maßgebliches tertium comparationis im Rahmen der Diskriminierungsprüfung sei allein die Staatsangehörigkeit. Ähnlich wohl G. Kofler, ÖStZ 2003, S. 262 (263); L. Hinnekens, ET 2001, S. 206 (210). Siehe unter 1. Der freie Wirtschaftsverkehr im Binnenmarkt ist zwar tangiert, aber nicht in einer spezifisch grenzüberschreitenden Art und Weise. Vielmehr liegt nur eine besonders gravierende Form einer allgemein wirkenden wirtschafts- bzw. sozialpolitischen Maßnahme vor, deren Beseitigung nicht mehr zu dem durch Art. 3 Abs. 1 lit. c, 14 Abs. 2 EGV festgelegten Aufgabenbereich der Grundfreiheiten gehört. An dieser Problemgruppe lässt sich im Übrigen zeigen, dass eine Unterscheidung danach, ob eine nationale Regelung den „Zugang“ zu bestimmten Tätigkeiten oder aber deren

Der Gewährleistungsgehalt der Beschränkungsverbote

motivierte Restriktionen grenzüberschreitend und intern agierende Marktteilnehmer jeweils rechtlich wie tatsächlich gleich betreffen604. c) Ergebnis: Gleichheitsrechte, keine Freiheitsrechte Die obige Systematisierung der durch die Marktfreiheiten des EGV verbotenen Beschränkungen erlaubt es nunmehr, ihre Einordnung als Freiheitsoder Gleichheitsrechte vorzunehmen, welche wiederum die Prüfungsfolge im Hinblick auf die Dividendenbesteuerung vorgibt. Freiheitsrechte zeichnen sich durch einen absolut wirkenden Schutzbereich aus605. Ein bestimmter Lebens- oder Betätigungsbereich wird von staatlicher Regulierung prinzipiell freigestellt. Jede entgegen diesem Grundsatz in den geschützten Bereich eingreifende staatliche Maßnahme bedarf der Rechtfertigung606. Gleichheitsrechte sind demgegenüber durch ihren relativen Charakter gekennzeichnet: Eine rechtliche Regelung kann nicht per se mit ihnen kollidieren, sondern nur im Vergleich mit der rechtlichen Regelung, die auf die zu bildende Vergleichsgruppe angewandt wird607. Wie schon in Bezug auf Art. 3 Abs. 1 GG dargelegt wurde608, drückt sich im Gleichbehandlungsgebot stets eine Gerechtigkeitswertung aus, die bei der Bildung der relevanten Vergleichsgruppen ansetzt. Betrachtet man die eingangs dieses Untertitels vorgenommene Systematisierung des Gewährleistungsgehaltes der Grundfreiheiten, so ergibt sich, dass ________________________

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„Ausübung“ betrifft (so z. B. A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 281 f.; W. Schroeder, JZ 1996, S. 254 (255)), zur Identifizierung verbotener, weil spezifisch grenzüberschreitender Beschränkungen nicht geeignet ist. Maßgeblich muss vielmehr sein, ob gerade der grenzüberschreitende Zugang zu einem nationalen (Teil-)Markt ver- oder behindert wird (a. A. H. D. Jarass, EuR 2000, S. 705 (711 f.)). Mit der Vorgabe insbesondere der Art. 94 ff. EGV, das Ausmaß der Deregulierung und die Gestaltung der gemeinsamen Wirtschaftspolitik der politischen, primärrechtlich nicht erzwingbaren Willensbildung der Mitgliedstaaten zu überantworten (dazu oben im Text), noch vereinbar wäre allenfalls eine Willkürprüfung anhand der Grundfreiheiten in dem Sinne, dass der betreffende Mitgliedstaat sachlich nachvollziehbare Gründe für die Maßnahme benennen muss. Deren Bewertung oder Gewichtung durch den EuGH wäre dann aber ausgeschlossen, da ansonsten die vom EGV vorausgesetzte politische Entscheidungsfreiheit der Mitgliedstaaten unterlaufen würde. Abzulehnen ist damit insbesondere die Rechtsprechung des EuGH zur Grundfreiheitswidrigkeit sogenannter „Golden Shares“, vgl. EuGH v. 13.5.2003, Rs. C-463/00 (Kommission/Spanien), ZIP 2003, S. 991; EuGH v. 13.5.2003, Rs. C-98/01 (Kommission/Großbritannien), ZIP 2003, S. 995. C. D. Classen, EWS 1995, S. 97 (98). Vgl. A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 177; K. Lackhoff, Niederlassungsfreiheit, S. 245. Vgl. A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 178; K. Lackhoff, Niederlassungsfreiheit, S. 245; C. D. Classen, EWS 1995, S. 97. Siehe oben A.I.2.

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sie nach wie vor ausschließlich als Gleichheitsrechte zu deuten sind609, so dass sie eigentlich als „Grundgleichheiten“ bezeichnet werden müssten610. Denn in ihrem Rahmen wird stets ein Vergleich der Behandlung des grenzüberschreitenden Vorgangs mit der Regelung des rein internen Sachverhalts bei sich jeweils entsprechendem wirtschaftlichen Hintergrund angestellt611. Dies gilt ersichtlich und unbestritten im Hinblick auf die Prüfung der verbotenen rechtlichen Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des grenzüberschreitenden Bezugs einer Warenbewegung, Arbeitsaufnahme, Dienstleistung, Niederlassung oder des Kapitalverkehrs. Aber auch den nichtdiskriminierenden Beschränkungen kann das relative, vergleichende Element nicht abgesprochen werden612: Auch hier wird der grenzüberschreitende Vorgang in Beziehung gesetzt zur Behandlung, welche der rein interne Wirtschaftsverkehr erfährt. Erst im Wege dieser Vergleichsprüfung ergibt sich nämlich, ob eine unterschiedslose Anwendung nationaler Regelungen auf beide Vergleichsgruppen zu einer Mehrbelastung oder sonstigen „Schlechterstellung“ derjenigen Marktteilnehmer führt, die grenzüberschreitend tätig werden und sich mit den wirtschafts- und sozialpolitischen Vorgaben mehrerer Rechtsordnungen konfrontiert sehen. Es besteht für letztgenannte Gruppe gerade kein absoluter Schutz gegenüber bestimmten beschränkenden Maßnahmen des Bestimmungsstaates, sondern nur ein relatives Benachteiligungsverbot im Hinblick auf die im Binnenverkehr des Mitgliedstaates agierenden Wirtschaftssubjekte613. Ein echtes Frei________________________ 609 So auch E. Sanz Gadea, Impuestos 2001, S. 161 (179); T. Kingreen, Struktur der

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Grundfreiheiten, S. 115 ff. Tendenziell gleicher Ansicht ist wohl M. Moritz, Diskriminierungsverbot, S. 324 ff. m. w. N., der zwischen einem gleichheitsrechtlich zu interpretierenden Beschränkungsverbot im engeren Sinne und einem freiheitsrechtlichen Liberalisierungsgebot unterscheidet, wobei letzteres einer ausdrücklichen Vereinbarung durch die demokratisch legitimierten Mitgliedstaaten bedurft hätte. Der Terminus stammt von H. D. Jarass, EuR 1995, S. 202 (216). Da die Beschränkungsverbote der Art. 23, 39, 43, 49 und 56 EGV jedoch gemeinhin als Grundfreiheiten bezeichnet werden, weicht auch die vorliegende Arbeit aus Verständnisgründen nicht von dieser Terminologie ab. So auch U. Zehetner, Kapitalverkehrsfreiheit, S. 172; C. Staringer in: Lechner/ Staringer/Tumpel, Kapitalverkehrsfreiheit, S. 93 (103). Gl. A. ursprünglich auch H. D. Jarass, EuR 1995, S. 202 (216 f.); ders. in: FS Everling, S. 593 (600). Inzwischen nimmt H. D. Jarass für einen eng begrenzten Kreis von „Kernbereichseingriffen“ auch einen absoluten, freiheitsrechtlichen Gehalt der Grundrechts an, EuR 2000, S. 705 (712). Gl. A. sind C. Peters/M. Snellaars, ec tax review 2001, S. 13 (17); D. Kellersmann/ C. Treisch, Europäische Unternehmensbesteuerung, S. 144 ff. Wie hier U. Zehetner, Kapitalverkehrsfreiheit, S. 172; M. Lang in: Lechner/Staringer/ Tumpel (Hrsg.), Kapitalverkehrsfreiheit, S. 181 (189 ff.). Ähnlich M. Clemens/ L. Rehfeld, Inf 2004, S. 505 (508). Anders D. Ehlers, Jura 2001, S. 266 (270 f.); R. Wernsmann, EuR 1999, S. 754 (756); T. Bieg, Der Gerichtshof der Europäischen

Der Gewährleistungsgehalt der Beschränkungsverbote

heitsrecht müsste aber einen solch absoluten Schutz vor marktregulierenden Vorschriften unabhängig davon gewähren, ob und inwieweit eine solche Regulierung zu Mehrbelastungen oder zu einer Verhinderung gerade nur des transnationalen Verkehrs führt614. Die Kategorie sonstiger, nichtdiskriminierender Beschränkungen fügt sich auch ohne weiteres in die allgemeine Dogmatik der Gleichheitsrechte ein. Ein Verstoß gegen ein Gleichheitsrecht kann nämlich auch dann angenommen werden, wenn wesentlich Gleiches ohne sachliche Rechtfertigung ungleich behandelt, also eine bestimmte Regelung unterschiedslos auf sich wesentlich unterscheidende Situationen angewandt wird615. Hierin drückt sich ein Teilaspekt der Gerechtigkeitswertung aus, welcher der gleichheitsrechtlichen Prüfung immanent ist. Es ist im Übrigen auch nicht richtig, dass sich derartige Probleme der ungerechtfertigten Gleichbehandlung auch stets als Probleme der Ungleichbehandlung auffassen ließen, wenn man nur die Vergleichsgruppe richtig bildete616. Denn es darf nicht übersehen werden, dass der Gleichheitssatz jeden Träger hoheitlicher Gewalt stets nur in sei________________________ Gemeinschaften, S. 94; M. Lehner in: FS Offerhaus, S. 117 (119 u. 124); C. D. Classen, EWS 1995, S. 97 (100), die teilweise den beschriebenen Zusammenhang nicht erkennen, teilweise der zu weitgehenden Rechtsprechung des EuGH folgen. A. Cordewener, Grundfreiheiten, der ebenfalls ein Verständnis der Beschränkungsverbote auch als Freiheitsrechte pflegt, hält eine relative Vergleichsprüfung nur beim Vorliegen rechtlicher Diskriminierung für notwendig und geht bei den Fällen unzulässiger Beschränkungen durch benachteiligende Inländergleichbehandlung von einem absoluten Gehalt der Grundfreiheiten aus (vgl. exemplarisch S. 253/S. 263 f.). Dabei übersieht er m. E., dass in den genannten Fallkonstellationen die Beschränkung in der unterschiedslosen Behandlung trotz unterschiedlicher Ausgangssituationen bzw. in (Mehr-)Belastungseffekten liegt, deren Feststellung jedoch ebenfalls eine Vergleichsbildung erfordert. A. A. ist schließlich auch K. Lackhoff, Niederlassungsfreiheit, S. 443 f., der einen absoluten Gehalt freilich aus seinem weiten und im Ergebnis abzulehnenden Verständnis der Grundfreiheiten als auch rein mitgliedstaatsinterne Vorgänge erfassend ableitet. 614 Bezüglich des in der Rechtsprechung des EuGH verankerten Verbots der unterschiedslosen Unterbindung einer in den sachlichen Anwendungsbereich der Grundfreiheiten fallenden Betätigung schlechthin (etwa als selbständiger Fremdenführer) könnte diesen allerdings ein solcher, absolut wirkender Gewährleistungsgehalt zugesprochen werden. Gleiches gilt für vereinzelte Urteile zu allgemein investitionshemmenden nationalen Vorschriften. Denn insoweit käme es in der Tat nicht darauf an, dass und inwiefern die Regelung auch den reinen Inlandssachverhalt betrifft. Die entsprechende Rechtsprechung des EuGH ist jedoch abzulehnen (siehe unter b), so dass es bei der Qualifizierung als reine Gleichheitsrechte verbleibt. 615 So speziell für die Grundfreiheiten des EGV auch W.-H. Roth in: GS Knobbe-Keuk, S. 729 (732). 616 So aber A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 177 f.; B. Pieroth/B. Schlink, Grundrechte, 17. Aufl., Rz. 436 m. w. N.

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Europarechtliche Vorgaben

nem Kompetenzbereich zu verpflichten vermag. Etwaige Zusatzbelastungen durch andere Hoheitsträger können dann aber nicht durch eine Variierung der Vergleichsgruppenbildung in den Anwendungsbereich des Diskriminierungsverbotes hineingezogen werden. Wohl aber können sie im Rahmen eines gleichheitssatzfundierten Differenzierungsgebotes mitberücksichtigt werden, da hier im Rahmen der Vergleichsgruppenbildung eine Unterscheidung nach nur von Maßnahmen eines Hoheitsträgers betroffenen Personen einerseits und von Maßnahmen mehrerer Hoheitsträger zugleich betroffenen Personen andererseits vorgenommen werden kann. Gerade im Hinblick auf die Anwendung der EG-rechtlichen Beschränkungsverbote ist dies von großer Bedeutung, weil es grenzüberschreitend häufig zu solchen Kumulationseffekten kommen wird, wie schon die reichhaltige Judikatur des EuGH zeigt.

3. Steuerrechtliche Implikationen: Gebot der Gleichheit im tatsächlichen Belastungserfolg Überträgt man die vorstehend entwickelte Dogmatik auf das Steuerrecht, so gebieten die Grundfreiheiten in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich, den grenzüberschreitend Tätigen im steuerlichen Belastungserfolg dem rein binnenwirtschaftlich Agierenden gleichzustellen, soweit die beiden Konstellationen objektiv vergleichbar sind617. Nur dann ist eine spezifische steuerliche Beschränkung des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs ausgeschlossen. Echte Diskriminierungen im Sinne rechtlicher Ungleichbehandlungen indizieren dabei gleichsam einen Verstoß auch gegen die gebotene Gleichheit im tatsächlichen Belastungserfolg. Sonstige, nichtdiskriminierende Beschränkungen sind schon ihrer Struktur nach durch tatsächliche Ungleichheit im Belastungserfolg gekennzeichnet. Die Parallelen zum Leistungsfähigkeitsprinzip, das ebenfalls gleichheitsrechtlich verankert ist, sind damit unübersehbar618. Die grenzüberschreitende Dimension der betroffenen Wirtschaftsvorgänge stellt freilich unterschiedliche Herausforderungen an die dogmatische Bewältigung dieser im Kern stets einheitlichen Aussagen, je nachdem, ob die ________________________ 617 Deutlich auch S. van Thiel, Free movement of persons, S. 599 f.; E. Reimer in:

Direito Tributário, S. 919 (931); M. Tumpel, SWI 2002, S. 454 (456); S. van Thiel, ec tax review 2003, S. 4 (13); ders., TFO 2001/78, S. 7; ders./C. Achilles, IStR 2003, S. 553; A. Valat, ET 2002, S. 446; J. Schuch in: Multilateral Tax Treaties, S. 35 (41): „Only the tax burden as such is the sole decisive element.“ 618 S. van Thiel/C. Achilles, IStR 2003, S. 553 (554) sprechen sogar davon, dass die Grundfreiheiten in der Ausprägung, die sie durch die Rechtsprechung des EuGH erfahren hätten, sicherstellen sollen, dass ein EU-Bürger auch grenzüberschreitend „nach seiner persönlichen Leistungsfähigkeit besteuert wird.“ Vgl. auch S. van Thiel, ec tax review 2003, S. 4 (12 f.).

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Der Gewährleistungsgehalt der Beschränkungsverbote

Ungleichheit im Belastungserfolg durch Diskriminierungen oder aber durch nichtdiskriminierende Beschränkungen bewirkt wird. Bei den letzteren spielt die Frage, inwieweit kumulierte Belastungen auch gleichartig sind, im Steuerrecht kaum eine Rolle. Denn es handelt sich regelmäßig um Zahllasten, die ohne weiteres miteinander verglichen werden können. Auch sind steuerliche Belastungsvergleiche zur Ermittlung einer Mehrbelastung grenzüberschreitender Transaktionen regelmäßig ohne weiteres möglich. Hier liegt der Schwerpunkt der Grundfreiheitsprüfung auf der Frage der Verantwortlichkeit für die Beseitigung entsprechender Mehrbelastungen, die sich ja erst aus dem Zusammenspiel der Regelung von Herkunfts- und Bestimmungsstaat ergibt. Bei Diskriminierungen hingegen stellt sich vor allem die Frage, inwieweit der grenzüberschreitende und der rein innerstaatliche Vorgang überhaupt unter steuerlichen Gesichtspunkten miteinander vergleichbar sind. Insbesondere wenn rechtlich differenzierende Besteuerungsregeln auf Unterschieden in der Möglichkeit des besteuernden Staates zur Herstellung von Belastungsgleichheit basieren, sind sie unter Umständen nicht komparabel. a)

Nichtdiskriminierende Beschränkungen – Verantwortlichkeit für die Beseitigung

aa) Verfahrensrechtliche Doppelregulierungen Nichtdiskriminierende Beschränkungen können im Steuerrecht in Form von verfahrensrechtlichen Doppelregulierungen auftreten, die zu Mehrbelastungen des transnational Wirtschaftenden führen. Als vom EuGH entschiedenes Beispiel wären verschiedene Anforderungen an die steuerliche Buchführung in den jeweiligen Mitgliedstaaten anzuführen619. Hier können die obigen Feststellungen zu Normen mit gleicher ordnungspolitischer Intention in beiden beteiligten Staaten620 ohne Weiteres auf das Steuerrecht übertragen werden. Kann die Mehrbelastung nicht gerechtfertigt werden, ist regelmäßig der Bestimmungsstaat, dessen Regulierung zu der des Herkunftsstaates hinzutritt, für die Beseitigung verantwortlich. Für den Untersuchungsgegenstand ist diese Form von Beschränkungen freilich nicht weiter von Belang. bb) Verbot der Doppelbesteuerung Darüber hinaus könnte man aber auch die Doppelbesteuerung grenzüberschreitender Transaktionen als eine nichtdiskriminierende Doppel„regulierung“ ansehen, die im internationalen Kontext selbst bei diskriminierungs________________________ 619 EuGH v. 15.5.1997, Rs. C-250/95 (Futura Participations), Slg. 1995, I-2471, Rz. 24 f. 620 Siehe oben 2.b.

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Europarechtliche Vorgaben

freier Ausformung des jeweiligen nationalen Steuertatbestandes auftritt621. Hier stellt sich dann in der Tat die Frage, inwieweit eine Besteuerung von Dividenden und den ihnen zugrundeliegenden Unternehmensgewinnen sowohl im Quellen- als auch im Tätigkeitsstaat überhaupt zulässig ist. Der EuGH selbst hat noch nicht eindeutig zu den grundfreiheitlichen Implikationen für die innergemeinschaftliche Doppelbesteuerung Stellung bezogen622. Allerdings hat er in einer frühen Entscheidung zum indirekten Abgabenrecht apodiktisch geäussert, dass der EWG-Vertrag keinerlei Vorschrift enthalte, welche die konkret in Rede stehenden Doppelbesteuerungseffekte verböte. Zwar sei die Beseitigung solcher Doppelbesteuerungseffekte im Interesse des freien Warenverkehrs zweifellos wünschenswert, sie könne jedoch nur die Folge einer Harmonisierung der nationalen Abgabensysteme nach Art. 99 [a. F.] oder gegebenenfalls nach Art. 100 EWG-Vertrag [a. F.] sein623. Der Hinweis auf Art. 100 EWG-Vertrag a. F. (Art. 94 EGV) neben der für die Harmonisierung der indirekten Steuern eigentlich einschlägigen Kompetenzzuweisung des Art. 99 EWG-Vertrag a. F. (Art. 93 EGV) lässt Raum für die Interpretation, dass der EuGH dies für den Bereich der direkten Steuern nicht anders sah. In einem späteren Urteil zum gemeinschaftlichen Mehrwertsteuerrecht hat der EuGH diesen Standpunkt jedoch nicht aufrechterhalten, sondern erklärte einen Fall der Doppelbesteuerung von Einfuhrware für gemeinschaftswidrig. Er legte dabei Art. 90 EGV so aus, dass der Bestimmungsstaat für die Beseitigung der Doppelbesteuerung verantwortlich sei624. In einigen nachfolgenden Entscheidungen wurde dann aber ausdrücklich hervorgehoben, dass diese Grundsätze auf den Bereich des harmonisierten Mehrwertsteuerrechts beschränkt seien und nicht auf Abgaben übertragen werden könnten, hinsichtlich derer die Mitgliedstaaten weiterhin souverän sind625. Namentlich für die hier interessierenden direkten Steuern sollen sie demnach nicht gelten. ________________________ 621 Hierfür plädieren insbes. W. Schön in: GS Knobbe-Keuk, S. 743 (773) sowie – ter-

622

623 624 625

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minologisch präziser – sein Schüler A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 877. Ebenso S. van Thiel, ec tax review 2003, S. 4 (10); ders., TFO 2001/78, S. 4 f., 6 u. 11; ders./C. Achilles, IStR 2003, S. 530 (534). L. Hinnekens, ET 2001, S. 206 (208) sieht die Erklärung in der Komplexität der damit verbundenen Rechtsfragen: „It is one of today´s trickiest issues concerning the scope of the prohibition of national tax practices based on the fundamental freedoms, specifically of the freedom of establishment and free movement of persons by home State tax measures.“ EuGH v. 29.6.1978, Rs. 142/77 (Statens Kontrol), Slg. 1978, 1543, Rz. 33/36. EuGH v. 5.5.1982, Rs. 15/81 (Schul I), Slg. 1982, 1409, Rz. 31 ff.; bestätigt durch EuGH v. 25.2.1988, Rs. 299/86 (Drexl), Slg. 1988, 1213, Rz. 10 ff. EuGH v. 5.12.1989, Rs. C-165/88 (ORO Amsterdam), Slg. 1989, 4081, Rz. 12, 18 u. 23; EuGH v. 27.10.1993, Rs. C-72/92 (Scharbatke), Slg. 1993, I-5509, Rz. 15.

Der Gewährleistungsgehalt der Beschränkungsverbote

Im Bereich der direkten Steuern hat der EuGH ansonsten lediglich mehrfach konstatiert, dass Art. 293 EGV, der die Mitgliedstaaten zur Beseitigung dieser Doppelbesteuerung im Verhandlungswege auffordert, kein unmittelbar wirksames Verbot der Doppelbesteuerung, sondern nur eine Vertragszielbestimmung enthält626. Solange kein entsprechendes multilaterales Abkommen geschlossen sei, sei es den Mitgliedstaaten unbenommen, sich in bilateralen Vereinbarungen zur Aufteilung der Steuerhoheit und zur Vermeidung der Doppelbesteuerung am Kriterium der Staatsangehörigkeit zu orientieren, ohne dass schon deshalb eine Beschränkung im Sinne der Grundfreiheiten angenommen werden könnte627. Dies ist freilich ohne weiteres nachvollziehbar, weil dann schon keine Doppelbelastung des grenzüberschreitenden Verkehrs mehr vorliegt. Unklar bleibt aber, ob die Mitgliedstaaten andererseits gegen die Grundfreiheiten verstoßen, insoweit sie die Doppelbesteuerung nicht – vollständig – beseitigen. Angesichts dieses Rechtssprechungsvakuums wird denn im Schrifttum teilweise auch vertreten, die Vorgaben des EG-Vertrages hinsichtlich der Beseitigung innergemeinschaftlicher Doppelbesteuerung seien auf die nicht erzwingbare Vertragszielbestimmung des Art. 293 EGV beschränkt. Eine echte Verpflichtung zur Beseitigung von Doppelbesteuerungseffekten könne dem Vertrag hingegen nicht entnommen werden628. Sie könne allenfalls auf sekundärrechtlicher Grundlage verlangt werden, die jedoch praktisch kaum vorhanden ist629. Nach der oben entwickelten Dogmatik der Grundfreiheiten kann aber letztlich kein Zweifel daran bestehen, dass die Doppelbesteuerung eine grundsätzlich verbotene Beschränkung des freien Verkehrs von Personen, Waren, Dienstleistungen oder insbesondere Kapital beinhaltet630: Erklären nämlich ________________________ 626 Vgl. EuGH v. 11.7.1985, Rs. 137/84 (Mutsch), Slg. 1985, 2681, Rz. 11; EuGH v.

12.5.1998, Rs. C-336/96 (Gilly), Slg. 1998, I-2793, Rz. 14 ff. 627 EuGH v. 12.5.1998, Rs. C-336/96 (Gilly), Slg. 1998, I-2793, Rz. 30; bestätigt durch

EuGH v. 12.12.2002, Rs. 385/00 (de Groot), IStR 2003, S. 58, Rz. 93. 628 Ausführlich J. M. Calderón Carrero, Convenios de doble imposición, S. 6 ff. Ebenso

H. Hahn, IStR 2002, S. 681 (686); J. Beil, Der Belastungsgrund des steuerstaatlichen Synallagmas, S. 57; H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 14.5 m. w. N; wohl auch A. J. Martín Jiménez/F. A. García Prats/J. M. Calderón Carrero, Bulletin I. F. D. 2001, S. 241 (242); M. Lehner, StuW 1998, S. 159 (172). 629 In Betracht kämen hier lediglich die einschlägigen Regelungen in der MutterTochter-Richtlinie, in der Fusions-Richtlinie sowie in der Richtlinie über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten, 2003/49/EG, v. 3.6.2003, ABl. EG L 157/49. 630 Vgl. die schon oben zitierten W. Schön in: GS Knobbe-Keuk, S. 743 (773); S. v. Thiel, TFO 2001/78, S. 4 f., 6 u. 11; und A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 877. Ferner J. M. Almudí Cid/F. Serrano Antón, QF 2002/18, S. 11 (16); D. Mueller, IStR

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Europarechtliche Vorgaben

sowohl der Herkunfts- wie auch der Bestimmungsstaat einen bestimmten grenzüberschreitenden Sachverhalt in demselben Zeitraum für steuerwürdig, so liegt stets eine steuerliche Mehrbelastung des transnationalen Wirtschaftsverkehrs gegenüber dem reinen Binnengeschehen vor. Denn letzteres unterliegt lediglich der Besteuerungsgewalt eines Mitgliedstaates, so dass es nicht zu vergleichbaren Kumulationswirkungen kommen kann631. Diese Erkenntnis allein genügt freilich nicht, um einem der beteiligten Mitgliedstaaten den Vorwurf zu machen, seine nationalen Steuervorschriften führten zu einer verbotenen Beschränkung des freien innergemeinschaftlichen Verkehrs, indem sie eine Doppelbesteuerung bewirkten. Dazu bedarf es der zusätzlichen Feststellung, welcher der involvierten Staaten für die Beseitigung dieser Doppelbesteuerung verantwortlich ist und damit eine Einschränkung seines Besteuerungsanspruchs hinnehmen muss632. Die Frage der Verantwortlichkeit für die in der Doppelbesteuerung begründete Beschränkung der jeweils einschlägigen Grundfreiheit stellt sich dabei schon auf der Tatbestands-, nicht erst auf der Rechtfertigungsebene633. Rechtfertigen muss sich nur derjenige Mitgliedstaat, dessen Steuerregime für die Beschränkung nicht nur kausal geworden ist, sondern dem sie unter Wertungsgesichtspunkten zuzurechnen ist. Anderenfalls gelangte man dazu, dass als Rechtfertigungsgrund das Versäumnis eines anderen Mitgliedstaates angeführt werden muss. Das stünde jedoch im Widerspruch zu der – zutreffenden – Rechtsprechung des EuGH, wonach sich ein Mitgliedstaat zur Rechtfertigung von ihm ausgehenden Beschränkungen nicht auf die Behandlung ________________________ 2002, S. 109 (111); N. Herzig, DStJG 19, S. 121 (139); im Ergebnis ebenso M. Lang in: Lechner/Staringer/Tumpel, Kapitalverkehrsfreiheit, S. 181 (193); ders., DStJG 22, S. 255 (273); ders. in: FS Rädler, S. 429 (437), freilich ausgehend von der These, die Grundfreiheiten des EGV verlangten die Anwendung der jeweils günstigsten DBARegelung eines Mitgliedstaates auf das Verhältnis zu allen anderen Mitgliedstaaten (Grundsatz der Meistbegünstigung). 631 Um die internationale Doppelbesteuerung an den EG-rechtlichen Grundfreiheiten zu messen, bedarf es darum keiner weiteren dogmatischen Konstruktionen, insbesondere nicht des Rückgriffs auf ein vermeintlich verallgemeinerungsfähiges spezielles steuerliches Diskriminierungsverbot in Art. 90 Abs. 1 EGV. Nur im Ergebnis zuzustimmen ist darum N. Dautzenberg, Unternehmensbesteuerung, S. 687 f.; dems., DB 1994, S. 1542 (1544). 632 Die Bedeutung der Zuweisung einer entsprechenden Verantwortlichkeit wird auch herausgehoben von N. Dautzenberg, Unternehmensbesteuerung, S. 689; dems., DB 1994, S. 1542 (1544); und A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 879. F. Vanistendael in: Common Market Law Review 1996, S. 255 (265) bezeichnet sie gar als „final test about the supremacy of the Treaty rules over national tax law“. Im Ergebnis ähnlich äußert sich D. Mueller, IStR 2002, S. 109 (110), der freilich die Zuweisung einer Verantwortlichkeit aus Gründen bloßer „Praktikablität“ vornehmen will. 633 A. A. ist A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 878 f.

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Der Gewährleistungsgehalt der Beschränkungsverbote

des betroffenen „free movers“ im anderen Mitgliedstaat berufen kann634. Ist die Verantwortung geklärt, so ist auch die hieraus sich ergebende Rechtsfolge eindeutig: Der rechenschaftspflichtige Mitgliedstaat muss die fragliche Steuernorm entweder rechtfertigen, oder auf ihre Anwendung verzichten635. Soweit diese Grundsätze im Schrifttum überhaupt noch geteilt werden, gehen die Meinungen, woraus sich Regeln für die Zuweisung entsprechender Verantwortlichkeiten ableiten lassen könnten, endgültig auseinander: So wird teilweise vertreten, die Grundfreiheiten selbst gäben Aufschluss darüber, wessen Besteuerungsrecht im Konfliktfalle zurückstehen müsse, jedenfalls insoweit die Niederlassungs- oder Dienstleistungsfreiheit betroffen sei: Denn beide Grundfreiheiten erklärten es zum Ideal, dass die grenzüberschreitenden Aktivitäten unter den Bedingungen des Tätigkeitsstaates für seine eigenen Angehörigen erfolgen sollten. Dies müsse auch für das Recht der direkten Steuern gelten, so dass sich die Besteuerung nach den Verhältnissen des Bestimmungslandes zu richten habe. Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sei darum der Herkunfts- bzw. Ansässigkeitsstaat berufen. Allerdings soll die Aufteilung des Steueraufkommens nach dem Maßstab des Besteuerungsniveaus im Tätigkeitsland weiter einer Regelung durch DBA vorbehalten sein636. Nach anderer Auffassung geben die Grundfreiheiten keinen generellen Anhalt dafür, wem die Beseitigung grenzüberschreitender Doppelbesteuerung obliegt. Die Frage, welcher der sich addierenden Steuernormen die verbotene Beschränkung zuzurechnen ist, sei vielmehr im Einzelfall anhand der ________________________ 634 Dies wird unter VI.4.g. noch näher auszuführen sein. Ebenso W. Schön in: GS

Knobbe-Keuk, S. 743 (762). Vgl. auch die Ausführungen des Generalanwalts Mischo in der Rs. C-307/97 (Saint Gobain ZN), Slg. 1999, I-6161, Tz. 62: „Im Übrigen kann ein Mitgliedstaat die Beschränkung einer Grundfreiheit des Vertrages nicht damit rechtfertigen, daß ein anderer Mitgliedstaat sie zu verhindern habe.“ 635 Abzulehnen ist darum die These von E. Reimer in: Lehner (Hrsg.), Grundfreiheiten, S. 39 (58 f.), wonach es in den Fällen nichtdiskriminierender Beschränkungen durch Doppelbesteuerung auf der Rechtsfolgenseite stets zwei Adressaten gäbe, weil beide Mitgliedstaaten zu ihrer Beseitigung verpflichtet seien. Diese Ansicht müsste konsequenterweise zu der – von E. Reimer aber gerade nicht vertretenen – Einsicht führen, dass nichtdiskriminierende Beschränkungen niemals grundfreiheitsrechtlich operabel sind, weil es bei ihnen immer, nicht nur in den Fällen einer Doppelbesteuerung, der Klärung der Verantwortlichkeit für ihren Eintritt bzw. ihre Beseitigung bedarf. Ausdrücklich ablehnend gegenüber einer Doppelverantwortlichkeit auch W. Schön in: GS Knobbe-Keuk, S. 743 (762). 636 N. Dautzenberg, Unternehmensbesteuerung, S. 690 f.; P. Wattel, ET 1996, S. 156 ff. Im Grundsatz ähnlich W.-H. Roth in Dauses, Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts, E. I. Rz. 80; B. Terra/P. Wattel, European Tax Law, 3rd ed., S. 159 ff.; O. H. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 5. Aufl., S. 248.

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Europarechtliche Vorgaben

sachlichen Zuordnung der Besteuerungsgrundlagen zu klären637. Primäres Kriterium hierfür sei eine von den betroffenen Mitgliedstaaten selbst vorgenommene Zuordnung in Form einer abkommensrechtlichen Aufteilung der Besteuerungshoheiten638. Werde eine bestimmte grenzüberschreitende Aktivität vom sachlichen Anwendungsbereich eines konkreten DBA erfasst, so sei die Allokation des Steuergegenstandes bereits völkerrechtlich bindend vereinbart. Diese Einigung sei europarechtlich zu respektieren639, könne dann aber auch europarechtlich durchgesetzt werden: Soweit Verstöße gegen die Abkommensregelungen zu einer grundfreiheitsbeschränkenden Doppelbesteuerung führten, sei hierfür derjenige Mitgliedstaat als verantwortlich zu identifizieren, dessen nationales Recht den Vorgaben des DBA nicht genüge640. Stellungnahme Eine Zuteilung von Besteuerungshoheiten bzw. -vorrechten unmittelbar aus den Grundfreiheiten, wie sie teilweise vertreten wird, überdehnt deren Aussagegehalt. Den Grundfreiheiten lässt sich im Hinblick auf die direkten Steuern keine immanente Anerkennung einer Erhebungspriorität beimessen641. Insbesondere lässt sich dies nicht aus den Vorgaben der Art. 43 und 49 EGV betreffend die Gleichstellung ausländischer mit inländischen Unternehmern schlussfolgern. Zunächst einmal wird der Grundsatz der Inländergleichbehandlung nur in Art. 43 EGV explizit angesprochen, in Art. 49 EGV allenfalls angedeutet, und in Art. 56 EGV kommt er überhaupt nicht im Text der Kapitalverkehrsfreiheit zum Ausdruck. Die Basis für eine Argumentation aus diesem Prinzip ist darum denkbar schmal. Vor allem aber hat sich in der Rechtsprechung des EuGH wie auch im Schrifttum inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt, dass diese expliziten Gleichstellungsgebote nur einen Ausschnitt aus einem in diesen Bestimmungen verankerten umfassenden Diskriminierungsverbot bilden642. Ebenso gut könnte darum auf die den Herkunftsstaat treffende Verpflichtung verwiesen werden, seine grenzüberschreitend tätigen Rechtssubjekte den rein inländisch agierenden gleichzu________________________ 637 W. Schön in: GS Knobbe-Keuk, S. 743 (762). 638 W. Schön in: GS Knobbe-Keuk, S. 743 (773); A. Cordewener, Grundfreiheiten,

S. 882 f. 639 Diesen Schritt geht im Übrigen auch der EuGH noch mit, vgl. EuGH v. 12.5.1998,

Rs. C-336/96 (Gilly), Slg. 1998, I-2793, Rz. 30 u. 53. 640 A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 882. 641 D. Mueller, IStR 2002, S. 109 (110); A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 880; J. Beil,

Der Belastungsgrund des steuerstaatlichen Synallagmas, S. 56 f.; J. Hey in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. KStG (Stand: 09/99), Rz. 124 m. w. N. 642 Siehe oben 2.a.

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Der Gewährleistungsgehalt der Beschränkungsverbote

stellen. Speziell der EuGH tendiert in seiner Rechtsprechung betreffend Fälle grundfreiheitsbeschränkender Doppelregulierung sogar dazu, den Standards des Ansässigkeitsstaates den Vorrang vor denen des Bestimmungsstaates einzuräumen643. Aufgrund dessen kann ein idealer Bezugspunkt aus den Grundfreiheiten selbst gerade nicht eindeutig ermittelt werden644. Schließlich ist es auch widersprüchlich, sich einerseits zur Begründung eines grundfreiheitlichen Doppelbesteuerungsverbotes auf die Entwicklung der Grundfreiheiten zu umfassenden Beschränkungsverboten zu stützen, andererseits bezüglich der Verantwortlichkeit für die Beseitigung der Doppelbesteuerung das Blickfeld auf den überkommenen Maßstab der bloßen Inländergleichbehandlung zu verengen. Nicht nachvollziehbar ist außerdem, wieso für die konkrete Aufteilung der Besteuerungshoheiten zwischen den Mitgliedstaaten zwingend ein DBA erforderlich sein soll, wenn die Rangfolge des steuerlichen Zugriffs in den Grundfreiheiten normiert wäre. Denn dann verbliebe dem Ansässigkeitsstaat auch ohne weitere Abkommensregelung als „Steuerbrosamen“ stets nur das, was vom Tisch des primär zugriffsberechtigten Quellenstaates für ihn abfiele. Lässt sich den Grundfreiheiten folglich keine allgemeine Richtschnur entnehmen, so wird man konsequenterweise der These zustimmen müssen, die Aufteilung der Besteuerungshoheiten sei im Einzelfall anhand der sachlichen Zuordnung der Besteuerungsgrundlagen zu klären. Unproblematisch ist dies nur dann, wenn die fragliche Aktivität in den sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich der wenigen sekundärrechtlichen Bestimmungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung fällt, zuvörderst in den der MutterTochter-Richtlinie. Fraglich ist, ob ansonsten die – gegenwärtig im Bereich der Ertragsbesteuerung regelmäßig vorhandenen – Bestimmungen eines DBA zwischen den betroffenen Mitgliedstaaten gleichsam als Ersatzmaßstab für die Zuweisung von EG-grundfreiheitsrechtlichen Verantwortlichkeiten herangezogen werden können. Zu diesem Zwecke müsste eine Brücke geschlagen werden können zwischen den völkerrechtlichen Verpflichtungen aus dem DBA einerseits und den Bindungen der Mitgliedstaaten an den EGV andererseits. Einen Ansatz dazu bietet die gemeinschaftsrechtliche Treuepflicht des Art. 10 EGV. Danach treffen die Mitgliedstaaten alle geeigneten Maßnahmen zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus dem EGV ergeben. Es entspricht ständiger und allgemein anerkannter Rechtsprechung des EuGH, dass diese Treuepflicht sich auch auf das Verhältnis der Mitgliedstaaten un________________________ 643 Vgl. z. B. EuGH v. 20.5.1992, Rs. C-106/91 (Ramrath), Slg. 1992, I-3351, Rz. 29. 644 In diesem Sinne auch A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 881.

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tereinander erstreckt645. Jeder Mitgliedstaat muss die Rechte und Interessen wahren, die für die anderen Mitgliedstaaten und ihre Staatsangehörigen durch das Gemeinschaftsrecht geschützt werden646. Haben sich zwei Mitgliedstaaten im Wege eines zwischenstaatlichen Abkommens über bestimmte Frage in einem in ihrer Hoheitsgewalt verbliebenem Regelungsbereich geeinigt, so muss dieses Abkommen zwar zunächst einmal gemeinschaftsrechtskonform sein, was sich aus Art. 307 EGV im Umkehrschluss ergibt647. Darüber hinaus gebietet die gemeinschaftsrechtliche Treuepflicht den Mitgliedstaaten aber, im Verhältnis zueinander die Abkommensbestimmungen so zu befolgen und auszulegen, dass keine Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht auftreten. Diese Obliegenheit trifft jeden der Mitgliedstaaten im Hinblick auf diejenigen Verpflichtungen, welche ihm abkommensrechtlich auferlegt werden648. Diese Grundsätze gelten auch und gerade für die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten zum Zwecke der Binnenmarktverwirklichung649. Damit finden sie Anwendung auch auf die zwischen einzelnen Mitgliedstaaten zur Beseitigung der innergemeinschaftlichen Doppelbesteuerung ergriffenen Maßnahmen. Wie sich jedenfalls aus Art. 293 EGV ergibt, dienen nämlich auch solche Schritte der Herstellung eines einheitlichen Binnenmarktes650. In diese Richtung geht auch die Feststellung des ________________________ 645 EuGH v. 10.7.1980, Rs. 32/79 (Kommission/Vereinigtes Königreich), Slg. 1980,

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2403, Rz. 46 ff.; EuGH v. 22.3.1983, Rs. 42/82 (Kommission/Frankreich), Slg. 1983, 1013, Rz. 36; EuGH v. 27.9.1988, Rs. 235/87 (Mateucci), Slg. 1988, 5589, Rz. 19; EuGH v. 11.6.1991, Rs. C-251/89 (Athanasopoulos u. a.), Slg. 1991, I-2797, Rz. 57. Zustimmend W. Kahl in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 2. Aufl., Art. 10 EGV Rz. 53; A. Hatje in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 10 EGV Rz. 54; A. v.Bogdandy in: Grabitz/Hilf, EU-Kommentar, Art. 5 EGV Rz. 51; M. Zuleeg in: Groeben/Thiesing/ Ehlermann, EUV/EGV, Art. 5 Rz. 12. EuGH v. 10.7.1980, Rs. 32/79 (Kommission/Vereinigtes Königreich), Slg. 1980, 2403, Rz. 46. Zustimmend M. Zuleeg in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Art. 5 Rz. 12. Vgl. auch M. Lang in: Gassner, Doppelbesteuerungsabkommen, S. 25 (32); P. Takacs, Das Steuerrecht der Europäischen Union, S. 495 f.; H. Krück in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 307 EGV Rz. 3. Vgl. EuGH v. 27.9.1988, Rs. 235/87 (Mateucci), Slg. 1988, 5589, Rz. 19. In die gleiche Richtung zielt bereits die Entscheidung des EuGH v. 10.6.1980, Rs. 32/79 (Kommission/Vereinigtes Königreich), Slg. 1980, 2403, Rz. 58: Danach soll es gemeinschaftsrechtswidrig sein, wenn ein Mitgliedstaat eine Rechtslage, die durch vorher im Rahmen eines Gemeinschaftsverfahrens abgestimmte Maßnahmen erreicht war, einseitig ändert und damit die Interessen eines anderen Mitgliedstaates ohne zwingenden Grund erheblich verletzt. W. Kahl in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 2. Aufl., Art. 10 Rz. 53. S. oben im Text, vgl. außerdem J. Bröhmer in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 2. Aufl., Art. 293 EGV Rz. 7; A. Hatje in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 293 Rz. 6.

Der Gewährleistungsgehalt der Beschränkungsverbote

EuGH, die Mitgliedstaaten seien bei Ausübung der aufgeteilten Steuerhoheit verpflichtet, den Gemeinschaftsvorschriften nachzukommen651. Schließen zwei Mitgliedstaaten ein Doppelbesteuerungsabkommen, so ist folglich jeder der beiden Hoheitsträger auch europarechtlich verpflichtet, die darin enthaltenen Vorschriften zur Vermeidung der – gemeinschaftsrechtswidrigen – Doppelbesteuerung so auszulegen und zu befolgen, dass speziell die Grundfreiheiten des EGV nicht beeinträchtigt werden652. Es spielt dabei keine Rolle, dass die Doppelbesteuerungsabkommen regelmäßig nicht mit Blick auf die Unvereinbarkeit der Doppelbesteuerung mit dem Gemeinschaftsrecht, sondern aus wirtschaftspolitischen Gründen heraus vereinbart werden. Entscheidend ist allein, dass darin objektiv auch ein Beitrag zur Herstellung des EG-Vertragszieles eines Binnenmarktes ohne Hindernisse für den grenzüberschreitenden Verkehr liegt. Damit schulden sich die Mitgliedstaaten unter dem Gesichtspunkt der gemeinschaftsrechtlichen Treuepflicht gegenseitig Unterstützung bei der Umsetzung und Durchführung dieses gemeinschaftsrelevanten Vorhabens. Weicht einer der Vertragsstaaten von den ihn verpflichtenden bzw. seine Besteuerungsgewalt beschränkenden Bestimmungen des DBA ab, so ist er gegenüber dem anderen Mitgliedstaat nicht nur nach allgemeinen völkervertraglichen Grundsätzen, sondern auch gemeinschaftsrechtlich für die Beseitigung der dadurch eingetretenen Beschränkung des freien Wirtschaftsverkehrs verantwortlich. Damit kann dann aber auch dieser Staat als derjenige identifiziert werden, dem die mit der Doppelbesteuerung der jeweils in Rede stehenden grenzüberschreitenden Aktivität verbundene Beschränkung der einschlägigen Grundfreiheit zuzurechnen ist653. ________________________ 651 EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-385/00 (de Groot), IStR 2003, S. 58, Rz. 94. Zustim-

mend G. Kofler, IStR 2003, S. 184 (186 f.). 652 So auch J. M. Calderón Carrero, Convenios de doble imposición, S. 40. 653 Dem steht nicht entgegen, dass der EuGH mit Urteil v. 14.12.2000, Rs. C-141/99

(AMID), Slg. 2000, I-11619, Rz. 18 eingangs festgestellt hat, er sei nicht befugt, „im Rahmen des Artikels 177 EG-Vertrag über die Auslegung von anderen als gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften zu entscheiden.“ Die genannte Feststellung diente lediglich der Eingrenzung des Streitgegenstandes im konkreten Verfahren (so auch H. Hahn, IStR 2001, S. 465 (466); A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 785). Dies ergibt sich zum einen aus dem in der fraglichen Passage in Bezug genommenen Urteil des EuGH v. 12.11.1998, Rs. C-162/98 (Hartmann), Slg. 1998, I-7083, Rz. 8, 9, 11 u. 12. Denn in diesem Fall wurde dem EuGH ein Abkommen zur Prüfung vorgelegt, das keinen Bezug zum Gemeinschaftsrecht aufwies; derartige Konstellationen fallen freilich in der Tat nicht unter die Jurisdiktion des Gerichtshofes. Zum anderen hat der EuGH ansonsten mehrfach DBA auf ihre Grundrechtskonformität hin untersucht und dabei auch interpretiert, vgl. z. B. EuGH v. 11.8.1995, Rs. C-80/94 (Wielockx), Slg. 1995, I-2493, Rz. 24; EuGH v. 27.6.1996, Rs. C-107/94 (Asscher), Slg. 1996, I-3089, Rz. 47; EuGH v. 12.5.1998, Rs. C-336/96 (Gilly), Slg. 1998,

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Europarechtliche Vorgaben

Zur Untermauerung dieses Befundes kann ergänzend der vom EuGH entwickelte sogenannte Anerkennungsgrundsatz654 herangezogen werden655. In dem Abschluss eines DBA und dem darin vom jeweiligen Mitglied ausgesprochenen Verzicht auf bestimmte Besteuerungsrechte kann ein Anerkenntnis gesehen werden, im entsprechenden Umfang für die Beseitigung der Doppelbesteuerung Verantwortung zu übernehmen. Allerdings wird man dieser Argumentation eine bloß unterstützende Funktion beimessen können, weil regelmäßig ein DBA nicht mit dieser Intention ratifiziert wird656. Ist das betreffende DBA an den Vorgaben des OECD-Musterabkommens ausgerichtet, so kann eine grundfreiheitswidrige Doppelbesteuerung von Dividendeneinkünften grundsätzlich nur noch daraus resultieren, dass einer oder beide der beteiligten Staaten bei der konkreten Anwendung des DBA dessen Verteilungsnormen zu seinen Gunsten fehlinterpretiert oder – etwa durch treaty overriding – schlicht missachtet657. Im Übrigen ist die konkrete Verteilung der Besteuerungsrechte an Dividendeneinkünften als solche der ________________________

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I-2793, Rz. 41 ff.; EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-385/00 (de Groot), IStR 2003, S. 58, Rz. 102. Vgl. dazu auch die eingehende Analyse von J. M. Calderón Carrero, Convenios de doble imposición, S. 14 f. Dem Umstand, dass ein Mitgliedstaat sein eigenes mögliches Verteidigungsvorbringen durch Maßnahmen, die eine abweichende Regelungs- oder Wertungsmöglichkeit erkennen lassen, selbst abschneidet, misst der EuGH regelmäßig große Bedeutung zu, vgl. z. B. die Urteile v. 28.1.1986, Rs 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273, Rz. 20; v. 29.4.1999, Rs. C-311/97 (Royal Bank of Scotland), Slg. 1999, I-2651, Rz. 31; v. 14.2.1995, Rs. C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 46. In der Literatur wurde hierfür treffend der Begriff des „Anerkennungsgrundsatzes“ geprägt, wonach der Mitgliedstaat durch sein Verhalten selbst anerkenne, dass ein von ihm vorgetragener Rechtfertigungsgrund für die in concreto gerügte Beschränkung der Grundfreiheiten tatsächlich nicht bestehe, vgl. A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 395 und passim; A. Steichen in: FS Debatin, S. 417 (444); N. Dautzenberg, BB 1992, S. 2400 (2404). Dies wird man auch für die Verantwortungszuweisung im Rahmen nichtdiskriminierender Beschränkungen annehmen können. Zu eng ist das Verständnis von S. Fischer, Primäres Gemeinschaftsrecht, S. 155 f., G. Saß, FR 1991, S. 705 (706) und T. Koblenzer, Diskriminierung, S. 129, die den Anwendungsbereich des Anerkennungsgrundsatz auf die Vergleichbarkeitsprüfung beschränken. Hierauf stellt maßgeblich ab A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 882. Den objektiv-rechtlichen Gehalt des Abkommens wiederum wird man unter dem Gesichtspunkt der „Anerkennung“ bzw. des widersprüchlichen Verhaltens nur negativ zur Entkräftung von entgegenstehendem Verteidigungsvorbringen, nicht aber positiv zur Begründung gemeinschaftsrechtlicher Einstandspflichten heranziehen können. Im Grundsatz ebenso A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 882, der diese Aussage allerdings auf alle Arten von Einkünften ausdehnt und damit die Gefahr sogenannter „schwarzer“ Einkünfte aufgrund von abkommensrechtlichen Qualifikationskonflikten übersieht.

Der Gewährleistungsgehalt der Beschränkungsverbote

Überprüfung des Gerichtshofes entzogen658, weil sie mangels gemeinschaftsrechtlicher Harmonisierung souverän von den Mitgliedstaaten vereinbart werden kann und auch nicht den freien Wirtschaftsverkehr beschränkt, solange nur tatsächlich eine Doppelbesteuerung vermieden wird659. Die Verteilungsnormen der DBA sind „neutral“660, sie können als solche keine Diskriminierung begründen661. Insbesondere kann der Steuerpflichtige nicht nach seiner Wahl Gleichbehandlung mit den Inlandsinvestoren seines Heimatlandes oder aber denen seines Anlagelandes verlangen662. Für die Beseitigung der in der „doppelregulierenden“ Doppelbesteuerung liegenden Beschränkung reicht es aus, wenn die Gleichstellung mit den Steuerpflichtigen entweder des Heimat- oder des Investitionsstaates erreicht ist. Es muss mit anderen Worten gemeinschaftsrechtlich jede Abgrenzung der Besteuerungshoheit hingenommen werden, die von der Doppelbesteuerung zur Einmalbesteuerung führt663. Sollte die Aufteilung des Steueraufkommens zwischen den betroffenen Mitgliedstaaten allerdings nicht durch ein DBA geregelt sein, so legen namentlich äquivalenz- und wettbewerbstheoretische Gründe es bei Dividenden eher nahe, dem Quellenstaat ein Vorrecht beim Besteuerungszugriff zuzuerkennen und damit korrespondierend primär den Herkunftsstaat für die Beseitigung einer etwaigen Doppelbesteuerung verantwortlich zu machen664. ________________________ 658 So auch allgemein für die Aufteilung von Einkünften durch DBA der EuGH selbst in

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den Urteilen v. 12.5.1998, Rs. C-336/96 (Gilly), Slg. 1998, I-2793, Rz. 30, 34 u. 46 ff.; v. 12.12.2002, Rs. C-385/00 (de Groot), IStR 2003, S. 58, Rz. 93. Sehr kritisch J. M. Calderón Carrero, Convenios de doble imposición, S. 35, der den EuGH aber dahingehend fehlinterpretiert, dass nur die Aufteilung der Besteuerungshoheiten, nicht aber die dafür präferierte Methode (Anrechnung oder Freistellung) der Überprüfung anhand der Grundfreiheiten entzogen sei. Da beide Fragen aufs engste zusammenhängen, wäre eine solche Aussage in der Tat fast zwingend widersprüchlich; indes kann sie der Rechtsprechung des EuGH m. E. nicht entnommen werden. S. v. Thiel, TFO 2001/78, S. 11. H. Hahn, IStR 2003, S. 64 (65) m. w. N.; S. v. Thiel, TFO 2001/78, S. 9; ders./ C. Achilles, IStR 2003, S. 553 (555); H. E. Kostense, ec tax review 2000, S. 220 (229); K. Eicker, ET 1998, S. 322 (324). Dies übersieht F. A. García Prats, Imposición directa, S. 187. O. H. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 5. Aufl., S. 248 m. w. N.; M. Tumpel, DStJG 23, S. 321 (348); K. Eicker, ET 1998, S. 322 (325). W. Schön in: GS Knobbe-Keuk, S. 743 (762, 771 u. 773). Vgl. J. Hey, Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung, S. 163 f.; B. Weiser, Rechtsprechung und Rechtsetzung auf dem Gebiet der direkten Besteuerung, S. 235 f. und passim; G. Frotscher in: FS Fischer, S. 549 (563). Tendenziell auch A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 880 u. 887. Grds. befürwortend, aber skeptisch hinsichtlich der grundfreiheitlichen Erzwingbarkeit M. Lehner, StuW 1998, S. 159 (173). Differenzierender, aber kaum praktikabel P. A. Harris, Corporate/Shareholder Income Taxation, S. 446 ff.

261

Europarechtliche Vorgaben

Da das Netz von DBA zwischen den Mitgliedstaaten der EU freilich gegenwärtig nahezu lückenlos geknüpft ist, soll darauf im Rahmen dieser Arbeit nicht näher eingegangen werden. b) Schwerpunkt der Diskriminierungsprüfung: Vergleichbarkeit von transnationalem und Binnensachverhalt Bei rechtlichen Ungleichbehandlungen, das heißt echten Diskriminierungen steht der Verantwortliche für die Beschränkung fest. Es stellt sich aber die Frage, ob in der Ungleichbehandlung überhaupt eine Diskriminierung liegt, oder ob möglicherweise grenzüberschreitender und Binnensachverhalt gar nicht vergleichbar sind. Geklärt ist insoweit lediglich, dass der grenzüberschreitende Charakter als solcher allein noch kein zulässiges Differenzierungskriterium darstellt. Im Übrigen ist hinsichtlich der steuerlichen Vergleichbarkeit von transnationalen und binnenstaatlichen Vorgängen nach der Rechtsprechung des EuGH jedenfalls vordergründig zwischen Beschränkungen durch den Herkunftsstaat und Beschränkungen durch den Bestimmungsstaat zu unterscheiden. Dem entspricht speziell für die Dividendenbesteuerung die vergleichende Betrachtung von Auslands- und Inlandsdividenden einerseits sowie von gebietsansässigen und gebietsfremden Anteilseignern andererseits. aa) Unterscheidung nach beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen Diskriminierungen durch den Bestimmungsstaat des grenzüberschreitend Erträge erzielenden Steuersubjekts knüpfen regelmäßig an die im internationalen Steuerrecht übliche Differenzierung zwischen beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht an. Ausgangspunkt der Betrachtung muss hier die sogenannte „Schumacker“-Doktrin des Gerichtshofs sein, wonach sich hinsichtlich der direkten Steuern „Gebietsansässige und Gebietsfremde in der Regel nicht in einer vergleichbaren Situation“ befinden sollen665. Diese zunächst apodiktisch anmutende Feststellung hat freilich in der Rechtsprechung des EuGH derart weitreichende Einschränkungen erfahren, dass die mangelnde objektive Vergleichbarkeit von beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen in der derzeitigen Rechtsprechungspraxis tatsächlich die Ausnahme darstellt: So lässt bereits die Urteilsbegründung der namensgebenden „Schumacker“Entscheidung erkennen, dass ausschlaggebend für die Unanwendbarkeit der ________________________ 665 EuGH v. 14.2.1995, Rs. C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 31. Zustim-

mend R. Borges, ec tax review 2003, S. 118 (122); A. P. Dourado, ec tax review 2002, S. 147 (154); M. T. Nuñez Sanz, Impuestos 2001, S. 1143 (1155); H. G. Raber, DStJG Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 103 (108 f.).

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Der Gewährleistungsgehalt der Beschränkungsverbote

Diskriminierungsverbote im Wesentlichen der Umstand sein sollte, dass die persönliche und familiäre Lage des jeweiligen Steuersubjekts regelmäßig nur in seinem Ansässigkeitsstaat berücksichtigt werde. Nur dieser könne die persönliche Steuerkraft des Betroffenen leicht und umfassend beurteilen. Außerdem würde nur das Herkunftsland eine umfassende Besteuerung nach Maßgabe der Gesamteinkünfte des Steuerpflichtigen, das heißt auf Basis des Welteinkommensprinzips durchführen666. Diese Erwägungen könnten sich jedoch allenfalls bei der Besteuerung natürlicher Personen, nicht aber bei der von juristischen Personen als tragfähig erweisen667. Denn zum einen besitzen letztere keine steuerlich beachtliche Privatsphäre, welche die Notwendigkeit persönlicher Abzüge im Rahmen der Steuererhebung durch den Sitzstaat bedingen würde668. Zum anderen spielt die Erfassung des Welteinkommens nur durch den Ansässigkeitsstaat für die objektive Vergleichbarkeit der jeweils im Inland durch transnational und binnenwirtschaftlich Tätige erzielten Gewinn- bzw. Einkommensbestandteile keine Rolle669: Anders als die Einkommensteuergesetze weisen die Körperschaftsteuergesetze der Mitgliedstaaten der EU nämlich prinzipiell einen proportionalen Tarif auf 670, so dass die jeweilige Grenzsteuerlast nicht vom Gesamtertrag der juristischen Person abhängig ist. So hat denn auch der EuGH in einer späteren Entscheidung klar zu erkennen gegeben, dass die in „Schumacker“ entwickelten Grundsätze auf natürliche Personen beschränkt sind und auf die Besteuerung juristischer Personen keine Anwendung finden. Insbesondere begründe bei diesen die Unterscheidung zwischen Welteinkommens- und Quellenprinzip kein Hindernis für eine vergleichende Betrachtung671. ________________________ 666 EuGH v. 14.2.1995, Rs. C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 32 f.; bestä-

667 668 669 670 671

tigt durch EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-285/00 (de Groot), IStR 2003, S. 58, Rz. 89 f. u. 98; v. 12.6.2003, Rs. C-234/01 (Gerritse), EWS 2003, S. 330, Rz. 43. So auch R. Seer, IWB Gruppe 11, Fach 2, S. 573 (579); M. Desens, IStR 2003, S. 613 (620). Darauf weist auch N. Dautzenberg hin, BB 2001, S. 2137 (2139). So auch A. Benecke/A. Schnitger, IStR 2003, S. 649 (654); S. v. Thiel, TFO 2001/78, S. 7. Vgl. die Übersicht bei D. Kellersmann/C. Treisch, Europäische Unternehmensbesteuerung, S. 118. EuGH v. 29.4.1999, Rs. C-311/97 (Royal Bank of Scotland), Slg. 1999, I-2651, Rz. 27 u. 29. Eine deutliche Sprache sprechen auch die vorbereitenden Schlussanträge des Generalanwalts Alber in dieser Sache, Slg. 1999, I-2651 (I-2662): „Zunächst jedoch sollte eine klare Trennung zwischen natürlichen und juristischen Personen im Hinblick auf etwaige Diskriminierungen auf dem Gebiet direkter Besteuerung vollzogen werden. Denn die bei der Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen maßgeblichen Umstände, wie der Familienstand und die persönliche Lage, gelten in der Weise nicht für juristische Personen.“

263

Europarechtliche Vorgaben

Positiv gewendet stellt ein Mitgliedstaat nach Auffassung des EuGH die nötige Vergleichbarkeit bei juristischen Personen schon dann her, wenn er die „Besteuerungsgrundlage“ für unbeschränkt wie beschränkt Steuerpflichtige grundsätzlich unterschiedslos ausgestaltet. Dadurch erkenne er selbst an, dass zwischen beiden Betätigungsformen in bezug auf die Modalitäten und Voraussetzungen der Besteuerung kein Unterschied in der objektiven Situation bestehe, der eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnte672. Speziell im Hinblick auf Dividenden genüge es, dass diese sowohl bei der beschränkt wie auch bei der unbeschränkt steuerpflichtigen juristischen Person nach den gleichen Maßstäben steuerbar seien673. Diese zutreffenden Erwägungen zur Vergleichbarkeit von Ansässigen und Nichtansässigen laufen im Ergebnis auf ein Gebot der unterschiedslosen Besteuerung nach der objektiven Leistungsfähigkeit hinaus674. Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist gerade in seiner objektiven Ausprägung trotz aller Unterschiede im Detailverständnis dem Grunde nach in allen Steuerrechtsordnungen der Mitgliedstaaten als Fundamentalprinzip der Besteuerung anerkannt und in nicht wenigen verfassungsrechtlich expressis verbis verankert675. Drückt sich nach den Wertungen eines Mitgliedstaates in einem bestimmten Sachverhalt eine besteuerungswürdige, objektive Leistungsfähigkeit aus, so muss er diese Wertung nach Grund und Umfang einheitlich für den transnationalen wie den rein innerstaatlichen Vorgang umsetzen, darf jedenfalls letzteren nicht besser stellen. Erkennt der Mitgliedstaat umgekehrt in einem bestimmten Vorgang des Wirtschaftslebens keine oder nur eine reduzierte objektive Leistungsfähigkeit, muss er sich daran auch bei grenzüberschreitenden Transaktionen festhalten lassen. Insbesondere steuerliche Entlastungen, seien diese Ausdruck des Leistungsfähigkeitsprinzips oder lenkungspolitisch motiviert, müssen prinzipiell dem beschränkt Steuerpflichtigen ebenso wie dem unbeschränkt Steuerpflichtigen zugute kommen676. Maßgeblich ist dabei stets die in den konkret zur Prüfung anstehen________________________ 672 EuGH v. 28.1.1986, Rs. 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 285, Rz. 19 f. Ähnlich

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EuGH v. 29.4.1999, Rs. C-311/97 (Royal Bank of Scotland), Slg. 1999, I-2651, Rz. 29. EuGH v. 21.9.1999, Rs. C-307/97 (Saint-Gobain ZN), Slg. 1999, I-6181, Rz. 48. Zustimmend A. J. Martín Jiménez/F. A. García Prats/J. M. Calderón Carrero, Bulletin 2001, S. 241 (243 f.). Ähnlich R. Seer, IWB Gruppe 11, Fach 2, S. 573 (588); S. van Thiel, ec tax review 2003, S. 4 (12); ders./C. Achilles, IStR 2003, S. 553 (554); A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 894. Vgl. die Übersicht bei K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 486 u. 488 f. So für Sonderabschreibungen und sachliche Steuerbefreiungen auch A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 895 f.

Der Gewährleistungsgehalt der Beschränkungsverbote

den, individuellen Normen zum Ausdruck kommende Steuerwürdigkeitsentscheidung des Gesetzgebers677. Doch auch bei natürlichen Personen hat der Gerichtshof die These von der generellen Unvergleichbarkeit beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtiger stark zurückgenommen. Bedeutsam sind im hier interessierenden Zusammenhang vor allem die Einschränkungen, die sich schon den Schlussanträgen des Generalanwalts in der Sache Schumacker sowie einigen Folgeurteilen des EuGH entnehmen lassen: Generalanwalt Léger stützte seine Auffassung, wonach Gebietsansässige und Gebietsfremde sich steuerlich nicht in der gleichen Situation befänden, ganz wesentlich auf Art. 24 Abs. 3 OECD-MA. Danach soll ein Vertragsstaat nicht verpflichtet sein, den im anderen Vertragsstaat Ansässigen die persönlichen Abzüge, Freibeträge und Steuerermäßigungen zu gewähren, die er seinen ansässigen Personen gewährt. Die damit erkennbar zum Ausdruck gebrachte Beschränkung der Schumacker-Doktrin auf Steuervorschriften, deren Anwendung die persönliche Steuerkraft oder der persönliche Status des Steuerpflichtigen zugrunde liegt, hat der Gerichtshof in der Folgezeit bestätigt. So hat er feststellt, dass davon abgesehen auch bei natürlichen Personen steuerliche Diskriminierungen im Bestimmungsland angenommen werden können, wenn keine objektiven Unterschiede zwischen den beiden Gruppen von Steuerpflichtigen bestehen678. Auch bei natürlichen Personen verlangt der EuGH somit zu Recht prinzipiell die unterschiedslose Besteuerung nach der objektiven Leistungsfähigkeit. Auch hier gilt, dass der besteuernde Mitgliedstaat konkrete, in bestimmten Normen zum Ausdruck kommende Steuerwürdigkeitsentscheidungen nicht einseitig zu Gunsten des Steuerinländers bzw. zu Lasten des Steuerausländers treffen darf. Jedenfalls insoweit es sich um Elemente der steuerlichen Bemessungsgrundlage handelt, für die der persönliche Status des Steuerpflichtigen keine spezifische Relevanz hat, ist somit grundsätzlich von einer hinreichenden Vergleichbarkeit auszugehen679. Insofern ist A. Cordewener zuzustimmen, wenn er eine aus grundfreiheitlicher Sicht einheitliche Wertung des EuGH bei natürlichen wie juristischen Personen konstatiert680. ________________________ 677 B. Knobbe-Keuk, EC Tax Review 1994, S. 74 (77); W. Schön in: GS Knobbe-Keuk,

S. 743 (760); A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 900 f. 678 EuGH v. 27.6.1996, Rs. C-107/94 (Asscher), Slg. 1996, I-3089, Rz. 42. 679 Insoweit gl. A. auch R. Seer, IWB Gruppe 11, Fach 2, S. 573 (577); ders., RIW

9/2003, Die erste Seite; G. Kofler, ÖStZ 2003, S. 262 (268); E. Burgstaller/ W. Loutoka, SWI 2003, S. 244 (246); A. Schnitger, FR 2003, S. 745 (746); ähnlich ders./A. Benecke, IStR 2003, S. 649 (654); S. v. Thiel, TFO 2001/78, S. 6 f.; W. Schön in: GS Knobbe-Keuk, S. 743 (761). 680 A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 893 f.

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Europarechtliche Vorgaben

Zu weitgehend wäre jedoch die Annahme, dies führe zu einer Vergleichbarkeit von beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen immer schon dann, wenn die jeweilige nationale Steuernorm ihrem Regelungsgehalt nach vom persönlichen Status des Steuerpflichtigen unabhängig sei681. Denn zusätzlich ist zu beachten, dass die objektive Leistungsfähigkeit auch eine territoriale Dimension aufweist: Bei Steuerausländern, die allein durch ihr Tätigwerden im Bestimmungsstaat dessen Steuerhoheit unterworfen sind, ist sie zwangsläufig auf die Quellenstaatseinkünfte des Betroffenen beschränkt. Bei Steuerinländern hingegen kann der Mitgliedstaat die objektive Leistungsfähigkeit global erfassen. Dies hat nun aber entgegen der Auffassung des Gerichtshofes in der „Schumacker“-Entscheidung nicht schon generell die mangelnde Vergleichbarkeit von beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen zur Folge, wenn sich eine der letztgenannten Personengruppe vorteilhafte steuerliche Vorschrift, insbesondere der Steuertarif, auf das Welteinkommen bezieht. Vielmehr ist insoweit, als die objektive wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Steuerinländern und -ausländern auch territorial eine Schnittmenge bildet, nach wie vor von einer hinreichenden Vergleichbarkeit des transnational wie des binnenstaatlich realisierten Sachverhalts auszugehen. Dies betrifft im Wesentlichen die im Inland realisierten Erträge, kann aber insbesondere bei der Betriebsstättenbesteuerung auch darüber hinausgehen. Insoweit der Bestimmungsstaat auf diese Erträge bei beschränkt wie unbeschränkt Steuerpflichtigen gleichermaßen Zugriff nehmen kann, muss er beide Gruppen prinzipiell auch im Belastungserfolg gleichstellen. Differenzierungen sind damit nicht ausgeschlossen; sie sind jedoch rechtfertigungsbedürftig und müssen verhältnismäßig sein682. Eine Vergleichbarkeit ist hingegen grundsätzlich nicht gegeben, wenn die günstigere Behandlung ________________________ 681 So aber A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 893. 682 So auch A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 904. Im Ergebnis zutreffend darum

auch EuGH v. 27.6.1996, Rs. C-107/94 (Asscher), Slg. 1996, I-3089, der hinsichtlich des auf inländische Einkünfte eines Steuerausländers anwendbaren Tarifs eine Vergleichbarkeit mit dem insoweit für unbeschränkt Steuerpflichtige gültigen Steuertarif annimmt. Problematisch – und unnötig – ist dort freilich die Begründung (Rz. 47 f.), welche auf die Behandlung des Steuerausländers in seinem Ansässigkeitsstaat (konkret: den dortigen Progressionsvorbehalt) abstellt und somit den sonst vom EuGH praktizierten Grundsatz der isolierenden Betrachtung nur der diskriminierenden Bestimmung des betroffenen Mitgliedstaates zugunsten einer supranationalen Gesamtschau aufgibt. In der zeitlich nachfolgenden Entscheidung des EuGH v. 29.4.1999, Rs. C-311/97 (Royal Bank of Scotland), Slg. 1999, I-2651, genügte dem EuGH dann zu Recht schon die vergleichbare Ermittlung der Besteuerungsgrundlage, d. h. der Zugriff auf räumlich wie sachlich gleichgelagerte Indikatoren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, um eine Vergleichbarkeit der Situation zu bejahen (Rz. 28 f.).

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Der Gewährleistungsgehalt der Beschränkungsverbote

der Steuerinländer gerade auf die Erfassung außerhalb der Schnittmenge liegender ausländischer Erträge durch deren Wohnsitzstaat zurückzuführen ist. Dies betrifft insbesondere die Berücksichtigung von außerhalb des Bestimmungslandes entstandenen Verlusten683. Der EuGH umschreibt diese Erkenntnis mit dem Schlagwort des „steuerlichen Territorialitätsprinzips“684. Eine hinreichende Vergleichbarkeit soll schließlich nach Auffassung des EuGH auch bei an den persönlichen Status anknüpfenden Vergünstigungen gegeben sein, wenn der Steuerausländer seine Erträge ganz überwiegend im Bestimmungsstaat erzielt, so dass steuerliche Abzüge zur Berücksichtigung seiner persönlichen Lage sich nur dort, nicht aber im Herkunftsstaat auswirken können685. Da diese Problematik den Untersuchungsgegenstand nicht näher berührt, soll hierauf nicht eingegangen werden. Insgesamt erscheint es durchaus fragwürdig, ob die „Schumacker-Doktrin“ angesichts ihrer weitreichenden Ausnahmen überhaupt noch aufrechterhalten werden kann686. ________________________ 683 Zustimmung verdient darum die Entscheidung des EuGH v. 15.5.1997, Rs. C-250/95

(Futura Participations), Slg. 1997, I-2471, Rz. 20 ff. 684 EuGH v. 18.9.2003, Rs. C-168/01 (Bosal Holding), DB 2003, S. 2097, Rz. 37 ff.;

EuGH v. 15.5.1997, Rs. C-250/95 (Futura Participations), Slg. 1997, I-2471, Rz. 22. Vgl. dazu auch die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott v. 18.3.2004 in der Rs. C-319/02 (Manninen), IStR 2004, S. 313, Rz. 42, auf die der EuGH in der nachfolgenden Entscheidung Bezug nimmt (v. 7.9.2004, Rz. 38). Zu weitgehend ist dagegen das Verständnis des Territorialitätsprinzips von L. G. M. Stevens, wonach jede Steuerbefreiung im Inland europarechtlich auch zur Rechtfertigung der Nichtberücksichtigung negativer Einkommensbestandteile führt (ec tax review 2002, S. 104 (108). Dies ist keine Frage der Vergleichbarkeit von Sachverhalten mehr, sondern eine solche der Rechtfertigung von Diskriminierungen. Näher dazu im 3. Kap., A.II.3.b.aa. 685 EuGH v. 14.2.1995, Rs. C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 36; bestätigt durch EuGH v. 11.8.1995, Rs. C-80/94 (Wielockx), Slg. 1995, I-2493, Rz. 20 u. EuGH v. 1.7.2004, Rs. C-169/03 (Wallentin), n. v., Rz. 17. Der deutsche Gesetzgeber hat diesen Vorgaben durch die fiktive unbeschränkte Steuerpflicht von Grenzpendlern in den §§ 1 III, 1a EStG Rechnung zu tragen versucht. 686 Als verfehlt abgelehnt wird die Schumacker-Doktrin insbesondere von P. Wattel in: Terra/Wattel, European Tax Law, 3rd ed., S. 53 ff.; ihm folgend z. B. A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 922 und A. Schnitger, IStR 2002, S. 478 ff. Sie nehmen eine Vergleichbarkeit von beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen hinsichtlich persönlichen Umständen geschuldeter Steuerabzüge proratarisch in jenem Maße an, wie ihre Gesamteinkünfte der Steuerhoheit des betreffenden Mitgliedstaates unterliegen (vorsichtig zustimmend A. Valat, ET 2002, S. 446 (449); grds. a. A. B. Prechtl, IStR 2003, S. 586 ff.). Die ausführliche Begründung dieses Standpunktes lässt sich zwar hören, vor allem im Hinblick auf das Vertragsziel der Beseitigung aller spezifisch an den Grenzübertritt anknüpfenden Hindernisse einerseits, und den schon oben akzentuierten Schnittmengengedanken andererseits. Insbesondere erübrigt sich bei diesem Ansatz die dogmatisch nicht haltbare „Zusammenschau“ von Regelungen des Wohnsitz- und des Tätigkeitsstaates zur Begründung der Diskriminierung des virtual

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Europarechtliche Vorgaben

bb) Unterscheidung nach inländischen und ausländischen Erträgen Wesentlich eindeutiger ist die Rechtsprechung des EuGH bei Diskriminierungen grenzüberschreitenden Engagements durch den Herkunftsstaat. Bei Ungleichbehandlungen von ausländischen und inländischen Erträgen jeweils unbeschränkt Steuerpflichtiger ist der Gerichtshof stets von einer vergleichbaren Situation ausgegangen687. Dies dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass die in der „Schumacker“-Entscheidung formulierten Bedenken durchweg nicht greifen, wenn die Diskriminierung vom Ansässigkeitsstaat ausgeht. Denn dieser berücksichtigt regelmäßig unabhängig vom Ort der Ertragserzielung einerseits die gesamten persönlichen Lebensumstände, andererseits – gleichsam als andere Seite der Medaille – den weltweit erzielten Zuwachs an steuerlicher Leistungsfähigkeit. Es ist darum in der Tat davon auszugehen, dass speziell die ertragsteuerliche Behandlung der Auslandsinvestition eines Steuerinländers im Prinzip mit derjenigen einer Inlandsinvestition grundfreiheitlich vergleichbar ist. cc) Mangelnde Vergleichbarkeit bei abkommensrechtlicher Verlagerung von Verantwortlichkeiten? In der Schumacker-Entscheidung hatte der Gerichtshof bereits angedeutet, dass die Vergleichbarkeit von grenzüberschreitender und rein binnenorientierter Wahrnehmung wirtschaftlicher Freiheiten durch die Grundsätze des internationalen Steuerrechts in Frage gestellt werden könnte. Er hat die mangelnde Vergleichbarkeit von beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen hinsichtlich der Gewährung persönlicher Abzüge nämlich unter anderem damit begründet, dass das internationale Steuerrecht davon ausgehe, es sei grundsätzlich Sache des Wohnsitzstaates, den Steuerpflichtigen unter Berücksichtigung der seine persönliche Lage und seinen Familienstand kennzeichnenden Umstände umfassend zu besteuern688. Diesen noch etwas vagen Gedankengang hat der EuGH inzwischen fortentwickelt: In der Rechtssache de Groot hat er obigen Grundsatz zunächst wiederholt und dann festgestellt, es stünde den Mitgliedstaaten frei, die Wechselbeziehung zwischen der Be________________________ resident als Rückausnahme von einer vermeintlichen Unvergleichbarkeit. Der EuGH hat es allerdings jüngst erneut explizit abgelehnt, die Verantwortung für die Berücksichtigung persönlicher Umstände auch nur anteilig dem Quellenstaat zuzuweisen, vorbehaltlich einer gemeinsamen abweichenden Regelung durch die betroffenen Staaten (EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-385/00 (de Groot), IStR 2003, S. 58, Rz. 90 ff.; dazu sogleich unten). 687 Vgl. EuGH v. 6.6.2000, Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071, Rz. 33 ff.; EuGH v. 14.12.2000, Rs. C-141/99 (AMID), Slg. 2000, I-11619, Rz. 23. 688 EuGH v. 14.2.1995, Rs. C-279/93 (Schumacker), Slg. 1995, I-225, Rz. 32; vgl. auch EuGH v. 12.6.2003, Rs. C-234/01 (Gerritse), EWS 2003, S. 330, Rz. 43. Zustimmend etwa W. Bernhard, IStR 2001, S. 647 (649 f.).

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Der Gewährleistungsgehalt der Beschränkungsverbote

rücksichtigung des Gesamteinkommens der Gebietsansässigen sowie ihrer persönlichen und familiären Gesamtsituation im Wohnsitzstaat durch bilaterale oder multilaterale Doppelbesteuerungsübereinkünfte zu ändern. Der Wohnsitzstaat könne somit im Vertragswege von seinen entsprechenden Verpflichtungen entbunden werden689. Daneben soll er auch dann von der Erfüllung seiner Verpflichtungen absehen können, wenn der Beschäftigungsstaat ohne abkommensrechtliche Verpflichtung die persönliche Umstände als steuerentlastend berücksichtige690. Es ist allerdings unklar, ob der Gerichtshof unter diesen Voraussetzungen weiterhin Binnensachverhalt und transnationaler Betätigungen als nicht vergleichbar ansieht. In seinem Urteil sind sie unter den möglichen Rechtfertigungsgründen für eine Diskriminierung aufgeführt. Andererseits soll erst eine unzureichende Berücksichtigung der persönlichen Umstände in beiden Staaten zusammen eine Ungleichbehandlung entstehen lassen691, die hinreichende Verlagerung der Verantwortlichkeit soll also scheinbar nach wie vor schon den Diskriminierungsvorwurf entfallen lassen. Übertragen auf die mitgliedstaatlichen Körperschaftsteuersysteme hätte diese Rechtsprechung zur Folge, dass die körperschaftsteuerliche Vorbelastung grenzüberschreitend ausgezahlter Dividenden allenfalls insoweit berücksichtigt werden müsste, als dies nicht schon durch einen Entlastungsmechanismus im je anderen Mitgliedstaat geschieht692. In der Literatur ist diese Entscheidung zum Teil so bewertet worden, dass der EuGH den Mitgliedstaaten eine „Gesamtverantwortung“ zur Sicherstellung einer insgesamt binnenmarktkonformen Besteuerung auferlege693 bzw. eine entsprechende „Gesamtschuld“ begründe694. Indes ist dies nicht zutreffend: Der EuGH geht vielmehr von einer klaren Verantwortungszuteilung an einen bestimmten Mitgliedstaat aus und erlaubt es ihm dann, seine Verantwortung im gegenseitigen Einvernehmen mit dem anderen betroffenen Mitgliedstaat auf diesen zu überwälzen. Gerade an dieser dogmatischen Konzeption muss auch die Entscheidungskritik ansetzen: Verantwortlich für die Beschränkung durch eine Diskriminierung ist stets derjenige Mitgliedstaat, der die diskriminierende Regelung erlassen hat bzw. praktiziert. Ist eine Ungleichbehandlung zu Lasten des grenzüberschreiten________________________ 689 EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-385/88 (de Groot), IStR 2003, S. 58, Rz. 99 mit zustim-

690 691 692 693 694

mender Anmerkung von H. Hahn, S. 66. Auch M. Tumpel, ÖStZ 2003, S. 154 (155) folgt dem EuGH in diesem Punkt. EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-385/88 (de Groot), IStR 2003, S. 58, Rz. 100. EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-385/88 (de Groot), IStR 2003, S. 58, Rz. 101. Erste Andeutungen in diese Richtung finden sich jetzt tatsächlich in der Entscheidung des EuGH v. 7.9.2004, Rs. C-319/02 (Manninen), IStR 2004, S. 680, Rz. 34. O. Thömmes, IWB Fach 11a, S. 647. O. Thömmes, IWB Fach 11, Gruppe 2, S. 547 (551 f.); ders., DB 2002, S. 2397 (2400).

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Europarechtliche Vorgaben

den Verkehrs und nach allgemeinen Grundsätzen auch die Vergleichbarkeit mit dem entsprechenden binnenstaatlichen Vorgang festgestellt, so ist kein Raum für ein Korrektiv in Form einer „abweichenden Verantwortungszuweisung“, welches die Vergleichbarkeit wieder entfallen ließe695. Der EuGH verfällt hier in eine Gesamtschau, die der Eigenart einer Diskriminierungsprüfung unangemessen ist696 und die ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Regelungen von Herkunfts- und Bestimmungsstaat begründet, das zu einer Aufweichung des Diskriminierungsverbotes führt697. Werden etwa persönliche Abzüge bei der Besteuerung der grenzüberschreitenden Tätigkeit in beiden Mitgliedstaaten gewährt698, so bildet sie einen Anreiz für jeden der beiden Mitgliedstaaten, diese jeweils diskriminierungsfreie Ausgestaltung der Besteuerung möglichst rasch zu beenden, da jeder von ihnen sich dann trotz eigener Diskriminierung noch auf die Regelung des anderen berufen könnte, solange diese beibehalten wird. Vertragsziel des EG-Vertrages ist es jedoch, Diskriminierungen des grenzüberschreitenden Verkehrs umfassend zu beseitigen. Darüber hinaus setzt sich der Gerichtshof zu seiner ständigen Rechtsprechung in Widerspruch, wonach eine nationale diskriminierende Regelung nicht durch den Hinweis auf anderweitige Vorteile des Steuerpflichtigen gerechtfertigt werden dürfe, eine grenzüberschreitend kompensierende Betrachtungsweise also auszuscheiden hat699. Schließlich erhält der von W. Schön für diese Art von Gesamtbetrachtung konstatierte „Abstimmungsbedarf“ für die Steuerrechtsordnung der Mitgliedstaaten700 wirkliche Brisanz erst bei der nun vom EuGH zugelassenen Verantwortungsverlagerung: Es stellt sich nämlich die Frage, ob die Mitgliedstaaten im Abkommenswege auch die Rechtsordnung desjenigen von ihnen für maßgeblich erklären dürfen, der Abzüge der in Rede stehenden Art diskriminierungsfrei überhaupt nicht vorsieht. Die Rechtsprechung des EuGH lässt sich zwar möglicherweise aus dem Bemühen heraus erklären, den Mitgliedstaaten eine Handhabe zur Vermeidung von Doppelbegünstigungen zu geben, die dem grenzüberschreitend agieren-

________________________

695 Kritisch auch M. Lang in: Gassner, Doppelbesteuerungsabkommen, S. 25 (35 f.). 696 Siehe dazu schon oben 2.a.; ferner C. Wimpissinger, SWI 2000, S. 313 (318). A. A.

M. Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 85 f.; T. Menck, IWB 2002, Fach 2, S. 715. 697 Kritisch zu den Folgen einer staatenübergreifenden Gesamtschau auch M. Schraufl,

Körperschaftsteuersysteme, S. 117 f.; A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 911. 698 Dies ist speziell bei Arbeitnehmern heute häufig auch schon außerhalb der Regelun-

gen zum virtual resident der Fall, vgl. z. B. § 50 Abs. 5 S. 2 Nr. 2 EStG. 699 EuGH v. 28.1.1986, Rs. 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 285, Rz. 21; EuGH

v. 21.9.1999, Rs. C-307/97 (Saint Gobain), Slg. 1999, I-6181, Rz. 54; EuGH v. 26.10.1999, Rs. C-294/97 (Eurowings), Slg. 1999, I-7447, Rz. 43 f.; EuGH v. 6.6.2000, Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071, Rz. 61. Dazu näher unten VI.4.g. 700 W. Schön, IStR 1995, S. 119 (121).

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Der Gewährleistungsgehalt der Beschränkungsverbote

den „free mover“ sonst durch die zweifache Inanspruchnahme von Abzugsposten erwachsen könnten. Tatsächlich besteht eine solche Gefahr der Doppelbegünstigung aber allenfalls bei persönlichen Abzügen. Denn objektive mit einer Einkunftsart zusammenhängende Abzüge muss ein Mitgliedstaat grundsätzlich nur berücksichtigen, wenn ihm zugleich auch ein Besteuerungsrecht für die Einkünfte insgesamt zusteht701. Da diese Besteuerungsrechte dann aber zwischen den Mitgliedstaaten aufgeteilt werden müssen, um eine grundfreiheitswidrige Doppelbesteuerung zu vermeiden702, können auch Abzüge insgesamt nur einmal in Anspruch genommen werden: Wird die Freistellungsmethode angewendet, wird sie nur der Staat gewähren, dem das Besteuerungsrecht verbleibt. Bei der Anrechnungsmethode wird die Besteuerung im Quellenstaat durch die Anrechnung im Wohnsitzstaat neutralisiert, speziell die entlastende Wirkung von Abzügen im Quellenstaat über einen entsprechend verminderten Steueranrechnungsbetrag703. Die Gesamtbelastung des Steuerpflichtigen bleibt damit unverändert; und auf eine veränderte Aufteilung des Steueraufkommens können und müssten die Mitgliedstaaten durch eine – diskriminierungsfreie – Änderung ihres nationalen Rechts oder aber der DBA reagieren. Bei den persönlichen Abzügen wiederum wird man sachgerechte Lösungen zur Vermeidung einer Doppelbegünstigung als Rechtfertigung für eventuelle Ungleichbehandlungen heranziehen können; diese müssen aber einer Verhältnismäßigkeitsprüfung unterzogen werden und dürfen darum nicht schon auf Tatbestandsebene die rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung entfallen lassen704. Die eingangs geschilderte Rechtsprechung des EuGH ist damit weder unter dogmatischen noch unter pragmatischen Gesichtspunkten zu rechtfertigen. Es ist denn auch bezeichnend, dass sie auf die entschiedenen Einzelfälle beschränkt blieb und insbesondere nicht auf andere Arten steuerlicher Abzüge übertragen wurde, die dem Steuerpflichtigen entweder im Herkunfts- oder im Tätigkeitsstaat gewährt werden können705. Es ist nach alledem weder zu________________________ 701 702 703 704

Dazu näher im 3. Kap., A.II.3.b.aa. Siehe dazu oben unter a) bb). A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 910 m. w. N. A. A. sind unter rein pragmatischen Gesichtspunkten S. van Thiel/C. Achilles, IStR 2003, S. 553 (554): „Obgleich eine solche Betrachtung der steuerlichen Behandlung grenzüberschreitenden Einkommens durch zwei verschiedene Steuerhoheiten vielleicht nicht ganz in die reine Diskriminierungs-Analyse passt, die theoretisch nur die steuerliche Behandlung in einem einzigen Mitgliedstaat betrachten sollte, ist die vom EuGH formulierte Lösung im speziellen Fall subjektiver Besteuerungselemente gerecht.“ 705 Vgl. EuGH v. 12.6.2003, Rs. C-234/01 (Gerritse), EWS 2003, S. 330 ff. In dieser Entscheidung zur diskriminierenden Nichtabziehbarkeit von Betriebsausgaben im Quellenstaat ist der EuGH mit keinem Wort darauf eingegangen, ob diese möglicherweise auch im Wohnsitzstaat abziehbar waren, was nach den in der Rechtsache

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Europarechtliche Vorgaben

treffend noch wünschenswert, die staatenübergreifende Gesamtschau bei der Dividendenbesteuerung zu praktizieren706.

4. Rechtsformwahlrecht nach Art. 43 S. 2 EGV Neben dem bisher erörterten Gewährleistungsgehalt der Beschränkungsverbote im transnationalen Wirtschaftsverkehr wird in der Literatur noch ein spezielles, aus Art. 43 S. 2 EGV abgeleitetes Gleichbehandlungsgebot diskutiert: Wie bereits ausgeführt wurde, garantiert Art. 43 S. 2 EGV im Rahmen der Niederlassungsfreiheit auch das Recht, rechtlich unselbständige Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit in einem anderen Mitgliedstaat zu gründen. Der EuGH hat aus dieser Garantie gefolgert, dem Unternehmer sei die Freiheit eingeräumt, selbst die für die Ausübung seiner Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat geeignete Rechtsform zu wählen. Wenn dem so sei, dürften aber die Mitgliedstaaten diese Wahl nicht dadurch einschränken, dass sie eine der beiden Niederlassungsformen gegenüber der anderen – insbesondere in steuerlicher Hinsicht – diskriminieren707. Dieses sog. EG-rechtliche Gleichbehandlungsgebot von Tochterkapitalgesellschaft und Betriebsstätte ist im Schrifttum ganz überwiegend positiv aufgenommen worden708; in steuerlicher Hinsicht ________________________ de Groot postulierten Grundsätzen mindestens zur Rechtfertigung der Diskriminierung hätte führen müssen [tatsächlich war eine Abzugsfähigkeit im Quellenstaat wegen Art. 9 I, II DBA Niederlande nicht gegeben]. Die entsprechenden Schlussfolgerungen zur Übertragbarkeit der de-Groot-Rechtsprechung auf Betriebsausgaben von O. Thömmes, IWB Fach 11, Gruppe 2, S. 547 (551 f.) sind darum möglicherweise etwas vorschnell getroffen worden. Auch B. Terra/P. Wattel lehnen eine solche Parallelbetrachtung ab (European Tax Law, 3rd ed., S. 161). 706 In seiner Entscheidung der Rs. Verkooijen hat der EuGH eine solche Gesamtschau der Dividendenentlastungssysteme in Herkunfts- und Bestimmungsstaat, die allerdings in das Gewand einer „Rechtfertigung wegen anderweitiger Vorteile“ gekleidet war, auch klar abgelehnt, vgl. EuGH v. 6.6.2000, Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071, Rz. 54 u. 61. Tendenziell anders aber EuGH v. 7.9.2004, Rs. C-319/02 (Manninen), IStR 2004, S. 680, Rz. 34. 707 EuGH v. 28.1.1986, Rs. 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 285, Rz. 22; EuGH v. 21.9.1999, Rs. C-307/97 (Saint Gobain), Slg. 1999, I-6181, Rz. 35 u. 43. 708 Vgl. S. Zoll, Verlustberücksichtigung, S. 295 f.; N. Dautzenberg, EWS 2001, S. 270 (271 f.); ders., Unternehmensbesteuerung, S. 60; V. Kluge, Das Internationale Steuerrecht, 4. Aufl., S. 122, K 22; S. Fischer, Primäres Gemeinschaftsrecht, S. 152 f. u. S. 215; K. Lackhoff, Niederlassungsfreiheit, S. 297 f.; J. Brinkmann, Unternehmensbesteuerung, S. 62 f.; N. Herzig in: GS Knobbe-Keuk, S. 627 (633); O. Thömmes, DStJG 19, S. 81 (86 f.); P. Troberg in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Art. 52 Rz. 22. Ausdrücklich a. A. ist O. H. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 5. Aufl., S. 236 f.

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Rechtfertigung von Beschränkungen

wird es als Postulat der Rechtsformneutralität mit weitreichenden Konsequenzen interpretiert709. Da die Problematik der Rechtsformneutralität der Besteuerung im Rahmen dieser Arbeit nicht erörtert werden soll, bedarf es keiner eingehenden Befassung mit dieser Interpretation des Art. 43 S. 2 EGV. Es sei lediglich angemerkt, dass die Grundfreiheiten nach Art. 14 Abs. 2 EGV einen Raum ohne Binnengrenzen, das heißt einen Wirtschaftsraum ohne spezifisch an den grenzüberschreitenden Verkehr geknüpfte rechtliche oder faktische Beschränkungen gewährleisten sollen. Es ist hingegen nicht ihre Aufgabe, allgemein in der nationalen Wirtschaftsordnung begründete Behinderungen der optimalen Ressourcenallokation zu beseitigen, sofern diese im Binnenkontext wie auch grenzüberschreitend unterschiedslos gelten und sich auch unterschiedslos auswirken. Jedenfalls unter teleologischen Gesichtspunkten ist darum die Herleitung des erwähnten Gleichbehandlungsgebotes aus Art. 43 S. 2 EGV abzulehnen. Es ist im Übrigen auch dem Wortlaut des Art. 43 S. 2 EGV nicht zu entnehmen710.

VI. Rechtfertigung von Beschränkungen Ist eine Diskriminierung oder sonstige Beschränkung im Sinne der Grundfreiheiten des EGV zu konstatieren, so stellt sich im Anschluss die Frage nach deren möglicher Rechtfertigung. Einige Rechtfertigungsgründe werden im EGV ausdrücklich benannt, etwa die ordre-public-Klauseln in den Art. 30, 39 Abs. 3, 46 Abs. 1 und 58 Abs. 1 lit. b EGV. Diesen und weiteren expliziten Rechtfertigungsgründen kommt jedoch für das Recht der direkten Steuern und speziell für die Dividendenbesteuerung keine Relevanz zu. Eine Ausnahme gilt lediglich für die Vorbehalte zugunsten nationaler steuerrechtlicher Bestimmungen im Kapitel über den Kapitalverkehr, Art. 58 Abs. 1 lit. a u. b EGV; hierauf wird sogleich noch einzugehen sein.

1. Die „rule of reason“ Entscheidend ist damit im Rahmen des Untersuchungsgegenstandes, inwieweit sich die Mitgliedstaaten zur Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen ________________________ 709 Vgl. S. Zoll, Verlustberücksichtigung, S. 296; N. Dautzenberg, EWS 2001, S. 270

(276 f.); ders., NWB Fach 4, S. 4353 (4354); IMN, FR 1999, S. 1144; N. Herzig in: GS Knobbe-Keuk, S. 627 (634); ders./E. Dötsch, DB 1998, S. 15 (18). 710 Gegen eine Auslegung des Art. 43 S. 2 EGV im Sinne eines Gebotes der Gleichbehandlung der dort genannten Niederlassungsformen auch O. H. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 5. Aufl., S. 236 f.; ders. in: FS Fischer, S. 85 (95); Generalanwalt Mancini in den Schlussanträgen in der Rs. 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273, 283; zustimmend A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 402.

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Europarechtliche Vorgaben

oder Beschränkungen auch auf ungeschriebene Rechtfertigungsgründe berufen können. Hierzu hat der EuGH zunächst für den Bereich der Warenverkehrsfreiheit den Grundsatz entwickelt, dass jedenfalls nichtdiskriminierende Beschränkungen durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein können711. Diese sogenannte „rule of reason“712 hat der EuGH später in ständiger Rechtsprechung auf sämtliche Grundfreiheiten ausgedehnt und in ihren Voraussetzungen präzisiert: „… [N]ationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten behindern oder weniger attraktiv machen, [müssen] vier Voraussetzungen erfüllen …: Sie müssen in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.“713 Daraus ergibt sich, dass jede beschränkende Maßnahmen nicht nur einen legitimen Zweck im Sinne zwingender Gemeinwohlerfordernisse verfolgen, sondern zusätzlich dem Kriterium der Verhältnismäßigkeit genügen muss714. Eben hieraus lässt sich auch der Charakter der rule of reason als Rechtfertigungsgrund und nicht als bloße Eingrenzung des Tatbestandes der Grundfreiheiten folgern715. Die Formulierung der rule of reason durch den EuGH deutet freilich darauf hin, eine Rechtfertigung für diskriminierende, d. h. rechtlich differenzierende Maßnahmen sei ausgeschlossen, sofern nicht die geschriebenen Rechtfertigungsgründe des EGV eingreifen. In der Tat hat der EuGH dies in einigen Urteilen auch ausdrücklich vertreten716; die herrschende Meinung im ________________________ 711 EuGH v. 20.2.1979, Rs. 120/78 (Cassis de Dijon), Slg. 1979, 649, Rz. 8. 712 Zur Begriffsbildung umfassende Nachweise bei A. Cordewener, Grundfreiheiten,

S. 61 Fn 95. 713 Grundfreiheitenübergreifend formuliert in EuGH v. 30.11.1995, Rs. C-55/94

(Gebhard), Slg. 1995, I-4165, Rz. 37. Seitdem ständige Rspr., vgl. z. B. EuGH v. 15.12.1995, Rs. C-415/93 (Bosman), Slg. 1995, I-4921, Rz. 104; EuGH v. 15.5.1997, Rs. C-250/95 (Futura Participations), Slg. 1997, I-2471, Rz. 26. 714 So ausdrücklich EuGH v. 4.6.2002, Rs. C-367/98 (Kommission/Portugal), Slg. 2002, I-4731, Rz. 37; EuGH v. 4.6.2002, Rs. C-483/99 (Kommission/Frankreich), Slg. 2002, I-4781, Rz. 36. 715 Ausführlich H. D. Jarass, EuR 2000, S. 705 (717 ff., insbes. 719). Ebenso A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 68; D. Ehlers, Jura 2001, S. 482 (483) m. w. N.; R. Sack, EWS 1994, S. 37 (46). 716 EuGH v. 17.6.1981, Rs. 113/80 (Kommission/Irland), Slg. 1981, 1625, Rz. 10 f.; EuGH v. 26.4.1988, Rs. 352/85 (Bond van Adverteerders), Slg. 1988, 2085, Rz. 32; EuGH v. 25.7.1991, Rs. C-1/90 u. a. (Aragonesa), Slg. 1991, I-4151, Rz. 13; EuGH v. 9.7.1992, Rs. C-2/90 (Kommission/Belgien), Slg. 1992, I-4431, Rz. 34; EuGH v. 29.4.1999, Rs. C-224/97 (Ciola), Slg. 1999, I-2517, Rz. 16.

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Rechtfertigung von Beschränkungen

Schrifttum hat sich dem angeschlossen717. Der EuGH hat diese Begrenzung auf nichtdiskriminierende Beschränkungen allerdings schon frühzeitig aufgeweicht, indem er gelegentlich auch die von ihm kreierte Rechtsfigur der „versteckten Diskriminierungen nach der Staatsangehörigkeit“ unter den Vorbehalt zwingender Allgemeininteressen stellte718. Noch weitergehend spricht sich eine im Vordringen befindliche Literaturströmung inzwischen für die Geltung der rule of reason für jegliche, auch diskriminierende Formen von Beschränkungen aus719. Selbst der EuGH lässt in jüngster Zeit erkennen, dass er sich in Richtung einer einheitlichen Dogmatik der Rechtfertigungsgründe unabhängig von der Natur der Beschränkung bewegt720. Von Bedeutung für die Dividendenbesteuerung ist die Frage insbesondere im Rahmen des kapitalistischen Konzerns, da etwaige Diskriminierungen beschränkt steuerpflichtiger Muttergesellschaften abhängig von deren Sitz wären, der aber bei Gesellschaften nach Art. 48 EGV ihre Staatsangehörigkeit festlegt721. Bei konsequenter Anwendung der bisherigen Rechtsprechung müsste hier eine Berufung auf die rule of reason also stets ausscheiden722. ________________________ 717 Vgl. A. Mühl, Diskriminierung, S. 240; P.Farmer, ec tax review 2003, S. 75 (76);

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M. Tumpel, ÖStZ 2003, S. 154 (155); D. Ehlers, Jura 2001, S. 482 (487); T. Koblenzer, Diskriminierung, S. 128; M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, 5. Aufl., Rz. 1139; M. Sedlaczek, ET 2000, S. 14 (22); F. A. García Prats, Imposición directa, S. 162; C. Peters/M. Snellaars, ec tax review 2001, S. 13 (17); U. Everling in: GS Knobbe-Keuk, S. 607 (619 u. 621); T. Scherer, Doppelbesteuerung, S. 115 f.; M. Zuleeg in: FS Everling, S. 1717 (1725); H. D. Jarass in: FS Everling, S. 593 (606); ders., RIW 1993, S. 1 (6); C. D. Classen, EWS 1995, S. 97 (98); B. KnobbeKeuk, DB 1990, S. 2573 (2577). Vgl. z. B. EuGH v. 5.12.1989, Rs. C-3/88 (Kommission/Italien), Slg. 1989, 4035, Rz. 8 ff.; EuGH v. 28.1.1992, Rs. C-204/90 (Bachmann), Slg. 1992, I-249, Rz. 9 u. 14 ff.; EuGH v. 14.7.1998, Rs. C-389/96 (Aher-Waggon), Slg. 1998, I-4473, Rz. 19. Zustimmend D. Ehlers, Jura 2001, S. 482 (487); W.-H. Roth in: GS Knobbe-Keuk, S. 729 (730 f.); W. Kluth in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 50 EGV Rz. 54 ff. Vgl. auch die Schlussanträge des Generalanwalts Alber v. 24.9.2002 in der Rs. C-168/01 (Bosal Holding BV), DB 2003, S. 2097, Rz. 41. W. Weiß, EuZW 1999, 493 (497); M. Novak, DB 1997, S. 2589 (2593); K. Lackhoff/B. Raczinski, EWS 1997, S. 109 (113); U. Becker in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 30 EGV Rz. 43. Besonders bemerkenswert ist, dass sich auch Generalanwalt F. G. Jacobs in seinen Schlussanträgen v. 21.3.2002 zur Rs. C-136/00 (Danner), Slg. 2002, I-8147, Rz. 40 dieser Auffassung angeschlossen hat. EuGH v. 28.4.1998, Rs. 158/96 (Kohll), Slg. 1998, I-1931, Rz. 35 ff.; EuGH v. 16.7.1998, Rs. C-264/96 (ICI), Slg. 1998, I-4695, Rz. 24 u. 28; EuGH v. 13.3.2001, Rs. C-379/98 (Preussenelektra), Slg. 2001, I-2099, Rz. 72 ff. Siehe dazu EuGH v. 13.7.1993, Rs. C-330/91 (Commerzbank), Slg. 1993, I-4017, Rz. 13 f. So konsequent die Entscheidung des EuGH v. 29.4.1999,Rs. C-311/97 (Royal Bank of Scotland), Slg. 1999, I-2651, Rz. 24, 30 u. 32. In den Entscheidungen v. 8.3.2001, Rs. C-397/98 u. a. (Metallgesellschaft u. a.), Slg. 2001, I-1727 ff. und v. 13.7.1993,

275

Europarechtliche Vorgaben

Zur Entscheidung dieser Frage muss man sich zunächst nochmals die Funktion der Grundfreiheiten im Gefüge des Vertragswerkes vergegenwärtigen. Wie sich aus der Erwähnung in den Vertragszielbestimmungen der Art. 3 Abs. 1 lit. c, 14 Abs. 2 EGV ergibt, dienen die Gewährleistungen der Art. 28 f., 39, 43, 49 und 56 EGV in erster Linie der Beseitigung von Hindernissen für den freien Binnenmarkt, also der Verfolgung wirtschaftspolitischer Ziele723. Dies ist jedoch nur eine der Aufgaben, welche der EG nach dem Willen ihrer Mitgliedstaaten obliegen. Daneben und gleichwertig soll sie nach Art. 2 EGV insbesondere den sozialen Schutz, den Umweltschutz und den sozialen Zusammenhalt fördern. Jedenfalls Konflikte zwischen diesen Rechtsgütern und den wirtschaftspolitischen Vorgaben der Grundfreiheiten wird man im Sinne praktischer Konkordanz umfassend zum Ausgleich bringen müssen724. Insofern besteht eine Parallele zu den Einschränkungsmöglichkeiten der dem Verfassungstext nach nur qualifiziert beschränkbaren Grundrechte des deutschen Grundgesetzes725. Der EuGH hat denn auch in ständiger Rechtsprechung festgestellt, dass die Gemeinschaftsorgane bei der Verfolgung der in Art. 2 EGV niedergelegten Ziele „ständig jenen Ausgleich sicherstellen [müssen], den etwaige Widersprüche zwischen diesen ________________________ Rs. C-330/91 (Commerzbank), Slg. 1993, I-4017 ff. hat der EuGH zwar der rule of reason zuzuordnende Rechtfertigungsgründe im Rahmen einer Diskriminierung auslandsansässiger Muttergesellschaften geprüft. Dies dürfte aber dem Umstand geschuldet sein, dass das betroffene englische Steuerrecht den steuerlichen Sitz der Gesellschaft allein am Kriterium der tatsächlichen Geschäftsleitung festmachte, also nur versteckt nach der Ansässigkeit i. S. v. Art. 48 EGV diskriminierte. 723 Vgl. dazu H. Kube, IStR 2003, S. 325 (332); W. C. M. Martens, Tijdschrift voor formeel belastingrecht 2001, S. 2 (3). 724 So auch S. Heselhaus, EuZW 2001, S. 645 (648); J. Ukrow in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 2. Aufl., Art. 2 EGV Rz. 30; C. Stumpf in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 2 EUV Rz. 23. Ähnlich H. Kube, IStR 2003, S. 325 (332). 725 Vgl. BVerfG v. 9.1.2001 – 1 BvR 1036/99 –, NJW 2001, S. 1267 (1268). Ähnlich den Grundfreiheiten des EGV kennt die Verfassung grundrechtliche Gewährleistungen, hinsichtlich derer explizit nur im Hinblick auf enumerativ aufgeführte Rechtfertigungsgründe eingegriffen werden darf. Zu nennen sind hier etwa die Presse- und Meinungsfreiheit, Art. 5 GG, und das Grundrecht auf Freizügigkeit, Art. 11 GG. Hier ist die Notwendigkeit anerkannt, über die geschriebenen Ausnahmetatbestände hinaus wie auch bei den dem Wortlaut nach unbeschränkbaren Grundrechten eine Beschränkung dann zuzulassen, wenn die Gewährleistung kollidierender Schutzgüter dies erfordert. Sofern diesen von Verfassungs wegen derselbe Rang zugewiesen ist wie dem einzuschränkenden Grundrecht, muss im Wege praktischer Konkordanz durch Abwägung ein optimierender Ausgleich zwischen den gegenläufigen Wertungen und Zielvorgaben gesucht werden (vgl. P. Lerche in: HdBStR V, 2. Aufl., § 122 Rz. 14 u. 23; M. Sachs in: Stern, Staatsrecht III/2, § 81 S. 571). Dies erlaubt es, den Kreis der möglichen Rechtfertigungsgründe über die geschriebenen Ausnahmen hinaus auf andere verfassungsunmittelbare Schutzgüter zu erstrecken.

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Rechtfertigung von Beschränkungen

Zielen … erforderlich machen können …“726. Keinem der Vertragsziele darf dabei ein absoluter Vorrang vor dem anderen eingeräumt werden727, sie müssen vielmehr im Wege gegenseitigen Ausgleichs optimiert werden728. Was für die Gemeinschaftsorgane gilt, muss ebenso für die Mitgliedstaaten gelten, wenn sie aufgrund eigener Kompetenzen die genannten Ziele verfolgen und dabei in Konflikt mit den Grundfreiheiten geraten. Würde man einen solchen Ausgleich im Falle von Diskriminierungen nicht zulassen und ihn auf sonstige Beschränkungen begrenzen, hätte dies eine pauschale Vorrangstellung der wirtschaftspolitischen vor den sonstigen Zielsetzungen des EGV in einem bedeutenden Teilbereich zur Folge. Das ist mit dem umfassenden Optimierungsgebot und dem Verbot einer Verabsolutierung des Ziels der Marktintegration unvereinbar. Jedenfalls insoweit die vom EuGH in der rule of reason genannten zwingenden Interessen des Gemeinwohls sich mit den in Art. 2 EGV aufgeführten Zielsetzungen decken, sind somit sowohl Diskriminierungen als auch sonstige Beschränkungen einer entsprechenden Rechtfertigung zugänglich. In steuerlicher Hinsicht können damit insbesondere diskriminierende oder beschränkende Sozialzwecknormen nicht a priori als verboten qualifiziert werden. Eine Beschränkung der ausgleichsfähigen Rechtsgüter auf die der Gemeinschaft zugewiesenen Aufgabenbereiche griffe freilich angesichts deren begrenzter Kompetenzen zu kurz. Die Mitgliedstaaten haben nur in eingeschränktem Umfang Hoheitsrechte auf die EG übertragen, die darum keine für Staaten typische Allzuständigkeit hat. Dies wird nunmehr in Art. 5 Abs. 1 EGV ausdrücklich betont und auch durch Art. 308 EGV nicht in Frage gestellt729. Neben den der Gemeinschaft zugeordneten Aufgaben verfolgen die Mitgliedstaaten selbst aus eigener Souveränität heraus eine Vielzahl weiterer politischer Zielsetzungen. Es kann nun aber nicht angenommen werden, dass die Mitgliedstaaten den Tätigkeitsbereichen, hinsichtlich derer sie hoheitliche Befugnisse auf die EG übertragen haben, einen absoluten ________________________ 726 EuGH v. 24.10.1973, Rs. 5/73 (Balkan-Import-Export), Slg. 1973, 1091, Rz. 24;

v. 20.10.1977, Rs. 29/77 (Roquette), Slg. 1977, 1835, Rz. 29/31; v. 17.10.1995, Rs. C-44/94 (Fishermen’s Organisations u. a.), Slg. 1995, I-3115, Rz. 37. 727 Vgl. die Schlussanträge des Generalanwalts Lagrange in der Rs. 13/57 (Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie u. a.), Slg. 1958, 271 (372). 728 A. Hatje in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 2 EGV Rz. 23; J. Ukrow in: Calliess/ Ruffert, EUV/EGV, 2. Aufl., Art. 2 EGV Rz. 30. Im Ergebnis ebenso, wenngleich etwas differenzierter J. Basedow in: FS Everling, S. 49 (67 f.). 729 EuGH v. 28.3.1996, Gutachten 2/94, Slg. 1996, I-1759, Rz. 29 f.; S. Schreiber in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 308 EGV Rz. 3; C. Calliess in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 2. Aufl., Art. 5 EGV Rz. 12. Vgl. auch die sog. „Maastricht-Entscheidung“ des BVerfG v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134, 2159/92 –, BVerfGE 89, S. 155 (209 ff.).

277

Europarechtliche Vorgaben

Vorrang vor den übrigen Politikfeldern eingeräumt hätten, für die sie Kompetenzen zurückbehalten haben730. Eine solche Verabsolutierung einzelner Staatsziele und -aufgaben lässt sich für den rein innerstaatlichen Bereich nicht feststellen; innerhalb seines Handlungsspielraums muss der Gesetzgeber stets widerstreitende Interessen in Ausgleich bringen. An dieser Ausgleichsbedürftigkeit ändert sich nichts, wenn er einzelne Aufgaben auf supranationale Organisationen verlagert und sich insoweit der Möglichkeit deren eigenständiger Wahrnehmung begibt731. Auch zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten gibt es darum Zielkonflikte, die nach einer Auflösung im Wege praktischer Konkordanz verlangen732. Der EuGH nimmt darum zu Recht an, dass über die Vertragsziele des EGV hinaus zwingende Interessen des Allgemeinwohls geeignet sein können, Beschränkungen der Grundfreiheiten zu rechtfertigen. Im Hinblick darauf ist es zutreffend festzustellen, dass der eingangs dieses Kapitels erwähnte Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts nicht losgelöst von dessen immanenten Schranken beurteilt werden kann und eine entsprechende Relativierung erfährt733. Ist hinsichtlich der in Art. 2 EGV genannten, unmittelbar gemeinschaftsrechtlich legitimierten Gemeinwohlinteressen ein Gleichlauf in der Rechtfertigungsprüfung unabhängig von der Art der Beschränkung anzustreben, so lässt sich nun aber kein überzeugender Grund dafür anführen, warum dies hinsichtlich sonstiger zwingender Allgemeininteressen nicht ebenfalls geboten sein sollte. Auch insoweit lassen sich Konstellationen ausmachen, in denen selbst Diskriminierungen erforderlich sein können, um anderweitigen Zielen Rechnung zu tragen, etwa der vom EuGH ausdrücklich benannten wirksamen steuerlichen Kontrolle734. Insbesondere ist die Argumentation zurückzuweisen, dass „offene“ bzw. im Sinne dieser Arbeit „echte“ Diskriminierungen besonders schwer wögen und darum nur durch ausdrückliche Schrankenregelungen gerechtfertigt werden könnten735. Zum einen konnte ________________________ 730 Gl. A. ist E. Steindorff, ZHR 148 (1984), S. 338 (344). 731 Dieser Gesichtspunkt wird angedeutet bei B. Knobbe-Keuk, DB 1990, S. 2573

732

733 734 735

278

(2577), welche einen „Zwiespalt zwischen fortbestehender Regelungskompetenz der Mitgliedstaaten und Vorrang des Gemeinschaftsrechts“ erkennt und zu dessen Auflösung auf die vom EuGH entwickelte Rechtsfigur der zwingenden Allgemeininteressen verweist. Ähnlich J. Basedow in: FS Everling, S. 49 (50 f.). Vgl. auch L. Hinnekens, ec tax review 2004, S. 65 (67): Danach dient die rule of reason einer „reasonable and equitable balance between Community interests and Member States’ public interests; in other words, between the fundamental freedoms leading to the internal market and functional tax sovereignty of Member States.“ Vgl. A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 96 f. unter Hinweis auf H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 282. EuGH v. 20.2.1979, Rs. 120/78 (Cassis de Dijon), Slg. 1979, 649, Rz. 8. So D. Ehlers, Jura 2001, S. 482 (487).

Rechtfertigung von Beschränkungen

bereits gezeigt werden, dass nichtdiskriminierende Beschränkungen im Extremfall ebenso wie Diskriminierungen zu einer gänzlichen Verhinderung grenzüberschreitender Tätigkeit führen können. Ein Stufenverhältnis lässt sich also bei generalisierender Betrachtungsweise nicht feststellen. Zum anderen kann im Zuge der Verhältnismäßigkeitsprüfung diskriminierender Regelungen ohne weiteres berücksichtigt werden, ob als Alternative eine weniger schwerwiegende, nichtdiskriminierende Beschränkung zur Sicherung der zwingenden Allgemeinwohlinteressen in Betracht kommt. Abschließend ist somit festzuhalten, dass neben den geschriebenen Rechtfertigungsgründen zur Rechtfertigung für jegliche Art von Beschränkungen der Grundfreiheiten des EGV auch die ungeschriebene rule of reason herangezogen werden kann. Damit verlieren die ausdrücklichen Rechtfertigungstatbestände des EGV auch nicht jegliche Bedeutung. Denn sie heben bestimmte nationale Zielsetzungen heraus, die ohne Wertungsmöglichkeit durch den EuGH als ausgleichsfähige Allgemeinwohlinteressen anzuerkennen sind. Bedeutungslos wird freilich die exakte Abgrenzung zwischen Diskriminierungen und sonstigen Beschränkungen für die Frage, durch welche Zwecke sie möglicherweise legitimiert werden können. Darüber hinaus gilt die rule of reason im Grundsatz einheitlich für alle Grundfreiheiten des EGV736, womit sich bei Überschneidungen auch eine genaue Abgrenzung des sachlichen Anwendungsbereiches erübrigt737.

2. Die Bedeutung der Steuerklauseln des Art. 58 EGV Gemäß Art. 58 Abs. 1 lit. a EGV berühren die Vorschriften über die Kapitalverkehrsfreiheit nicht das Recht der Mitgliedstaaten, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln. Ebenfalls nicht betroffen ist nach Art. 58 Abs. 1 lit. b EGV das Recht, unerlässliche Maßnahmen zu treffen, um Zuwiderhandlungen gegen innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften, insbesondere auf dem Gebiet des Steuerrechts, zu verhindern. Allerdings dürfen vorstehende Vorschriften und ________________________ 736 A. J. Martín Jiménez/J. M. Calderón Carrero, Imposición directa, S. 182. Zur nur

scheinbaren Sonderstellung der Kapitalverkehrsfreiheit siehe sogleich. 737 A. A. ist M. Sedlaczek, ET 2000, S. 14 (16). Er hält eine genaue Unterscheidung

nach wie vor für erforderlich, weil je nach Grundfreiheit unterschiedliche Rechtfertigungsgründe in Betracht kämen. Dies ist jedenfalls bei steuerlichen Beschränkungen aber nach dem Vorgesagten nicht ersichtlich, da es im Anwendungsbereich einer jeden Grundfreiheit der Abwägung zwischen nationalstaatlichen Interessen und den ökonomischen Zielsetzungen des EGV bedarf. Das Gewicht der jeweiligen Grundrechtsbetätigung und ihre Spezifika können allerdings im Rahmen der vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung von Bedeutung sein, begründen damit aber keine eigenständigen Rechtfertigungsgründe.

279

Europarechtliche Vorgaben

Regelungen gemäß Art. 58 Abs. 3 EGV weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellen. Die Bedeutung dieser durch den Vertrag von Maastricht eingefügten Ausnahmebestimmung, insbesondere das Verhältnis von Art. 58 Abs. 1 EGV zu Art. 58 Abs. 3 EGV, war im Schrifttum lange Zeit umstritten738. Insbesondere wurde sie teilweise dahingehend ausgelegt, dass die schon zum 31.12.1993 bestehenden körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren grundsätzlich nicht auf ihre Vereinbarkeit mit der Kapitalverkehrsfreiheit hin überprüft werden durften739. Der EuGH hat inzwischen jedoch entschieden, dass in der Steuerklausel des Art. 58 Abs. 1 lit. a EGV nur eine bereichsspezifische Festschreibung seiner schon vorher praktizierten Judikatur zu den Beschränkungsmöglichkeiten der Grundfreiheiten zu sehen sei740. Schon vor Inkrafttreten dieser Bestimmung seien nämlich steuerliche Unterscheidungen nach Wohn- oder Kapitalanlageort für mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar erklärt worden, wenn sie auf objektiv nicht vergleichbare Situationen angewandt worden oder durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt gewesen seien. Damit geht die fragliche Klausel des Art. 58 Abs. 1 lit. a EGV nach Auffassung des EuGH in ihren Wirkungen nicht über diese Rechtsprechung hinaus. Insbesondere bedürften entsprechende steuerliche Ungleichbehandlungen im Falle objektiv vergleichbarer Umstände der Rechtfertigung nach allgemeinen Grundsätzen, was durch den Vorbehalt des Art. 58 Abs. 3 EGV klargestellt sei741. Nach der Rechtsprechung des EuGH kommt Art. 58 Abs. 1 lit. a EGV damit bloß deklaratorische Bedeutung zu. Gleiches hätte für Abs. 1 lit. b der Vorschrift zu gelten742. Dem ist zuzustimmen743. Es besteht im Schrifttum immerhin weitestgehend Einigkeit darüber, dass die Einfügung des Art. 58 Abs. 1 EGV durch den ________________________

738 Zum Stand der Diskussion vor der Verkooijen-Entscheidung des EuGH siehe den

739 740 741 742 743

280

Überblick bei J. M. Mössner/D. Kellersmann, DStZ 1999, S. 505 (509 ff.) und bei W. Schön in: GS Knobbe-Keuk, S. 743 (765); weitere Nachweise bei M. Tumpel, DStJG 23, S. 321 (327, Fn 30); K. Ståhl, ec tax review 1997, S. 227 (229). P. Farmer/R. Lyal, EC Tax Law, S. 333 ff. EuGH v. 6.6.2000, Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071, Rz. 43. Vgl. nunmehr auch EuGH v. 7.9.2004 – Rs. C-319/02 (Manninen), n. v., Rz. 29. EuGH v. 6.6.2000, Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071, Rz. 44 u. 46. Vgl. auch die Mitteilung der EU-Kommission zur Besteuerung von Dividenden im Binnenmarkt v. 19.12.2003, KOM(2003) 810 endg., unter 3.1.4. Zustimmend etwa auch M. Schraufl, Körperschaftsteuersysteme, S. 99 ff. mit umfangreichen Nachweisen; H. Liede/L. Hintsanen, ET 2003, S. 31 (34); G. Toifl, SWI 2002, S. 458 (462) m. w. N.; D. Witzel, IStR 2002, S. 758 (761); P. Pülzl, ÖStZ 2002, S. 215 (218); S. v. Thiel, TFO 2001/78, S. 13; M. Sedlaczek, ET 2000, S. 14 (23 f. u. 27); N. Dautzenberg, FR 2000, S. 725 (726); ders., StuB 2000, S. 720 (725);

Rechtfertigung von Beschränkungen

Vertrag von Maastricht keinen Rückschritt gegenüber dem zu diesem Zeitpunkt erreichten Entwicklungsstand der Kapitalverkehrsfreiheit mit sich bringen sollte744. Für ein solches Verständnis spricht die Verpflichtung zur Wahrung des gemeinschaftsrechtlichen Besitzstandes nach Art. 3 EUV745. Ausgehend hiervon werden die Auffassung des Gerichtshofes und der herrschenden Lehre durch eine Reihe von Umständen gestützt: So hat der EuGH in der Tat vor der Unterzeichnung des Maastrichter Vertragswerkes in zwei Urteilen entschieden, dass eine steuerrechtliche Unterscheidung nach der Ansässigkeit des Steuerpflichtigen gemeinschaftsrechtskonform sein kann, wenn keine objektiv vergleichbare Situation vorliegt oder anerkannte Rechtfertigungsgründe eingreifen. Dies musste jedoch konkret und einzelfallbezogen festgestellt werden; per se wurden entsprechende steuerliche Bestimmungen nicht aus dem Anwendungsbereich der Grundfreiheiten ausgenommen746. Des Weiteren kennt der EGV in seiner Auslegung durch den EuGH auch sonst keine grundfreiheitlichen Ausnahmebestimmungen, die von einer Verhältnismäßigkeitsprüfung ausgenommen wären747. Sie wird letztlich auch im Fall des Art. 58 Abs. 1 lit. a EGV durch Art. 58 Abs. 3 EGV vorgeschrieben. Wenn danach die in Absatz 1 genannten „Maßnahmen“ nicht willkürlich diskriminieren dürfen, so gilt dies auch für die in lit. a genannten „Vorschriften“. Denn der Verweis bezieht sich auf den gesamten Absatz 1; im Übrigen besteht auch zwischen Art. 58 Abs. 3 und dem ausdrücklich in den Verweis mit einbezogenen Abs. 2 keine Wortlautkongruenz748. Nur diese In________________________

744 745

746 747 748

G. Saß, FR 2000, S. 1270 (1272); H. G. Ruppe in: Lechner/Staringer/Tumpel, Kapitalverkehrsfreiheit, S. 9 (26); C. Staringer in: Lechner/Staringer/Tumpel, Kapitalverkehrsfreiheit, S. 93 (107); ders., ÖStZ 2000, S. 26 (29). A. A. wohl H.-G. Reuter/ M. Klein, IStR 2003, S. 634 (636). Vgl. auch die internationalen Nachweise bei Generalanwalt La Pergola in den Schlussanträgen zur Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071 (I-4093, Fn 79). D. Witzel, IStR 2002, S. 758 (761); M. Sedlaczek, ET 2000, S. 14 (15). Zwar weisen J. M. Mössner/D. Kellersmann, DStZ 1999, S. 505 (509) zu Recht darauf hin, dass der danach beizubehaltene „acquis communautaire“ nur insoweit bestehen könne, als er im Vertrag von Maastricht tatsächlich beibehalten worden sei. Insoweit aber gerade eine durch den Vertrag eingefügte Vorschrift dahingehend Zweifel aufwirft, verlangt Art. 3 EUV, sie im Sinne der Besitzstandswahrung zu auszuräumen. Vgl. EuGH v. 28.1.1986, Rs. 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273, Rz. 19 f.; EuGH v. 28.1.1992, Rs. C-204/90 (Bachmann), Slg. 1992, I-249, Rz. 14 ff. Vgl. die Nachweise bei H. D. Jarass, EuR 2000, S. 705 (718). W. Schön in: GS Knobbe-Keuk, S. 743 (766) vermutet darum wohl zu Recht, dass der Begriff der „Maßnahmen und Verfahren“ in Art. 58 Abs. 3 EGV unbedacht aus Art. 4 Abs. 2 der Kapitalverkehrs-Richtlinie übernommen worden ist, ohne dass diese Formulierung dem breiteren Anwendungsbereich der Art. 58 Abs. 1 u. 2 EGV angepasst wurde. Im Ergebnis ebenso D. Mueller, IStR 2002, S. 109.

281

Europarechtliche Vorgaben

terpretation trägt dem umfassenden Gebot des verhältnismäßigen Ausgleichs der im EGV normierten und der von den Mitgliedstaaten verfolgten Interessen Rechnung749. Das spricht auch dafür, die in Art. 58 Abs. 3 verwandten Begriffe der „Willkür“ und „verschleierten Beschränkung“ weit zu fassen und nicht jegliche sachlich begründbare, sondern nur erforderliche und angemessene Fiskalnormen zur Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit zuzulassen. Schließlich lassen sich die bisherigen Feststellungen noch durch einen Vergleich mit Art. 30 S. 2 EGV untermauern. Auch diese Bestimmung stellt die Ausnahmen, welche Art. 30 S. 1 EGV für Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit vorsieht, unter den Vorbehalt, nicht willkürlich zu diskriminieren oder verschleiert zu beschränken. Art. 30 EGV hatte bei Verabschiedung des Maastrichter Vertrages bereits durch Rechtsprechung des EuGH eine nähere Konkretisierung erfahren. Es liegt damit unter historischen wie systematischen Gesichtspunkten nahe, die Interpretation des dortigen Willkürbegriffs auf die nahezu wortlautgleiche Vorschrift des Art. 58 Abs. 3 EGV zu übertragen750. Speziell den hier in Rede stehenden Satz 2 des Art. 30 EGV hatte der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung dahingehend ausgelegt, dass er das Prinzip der Verhältnismäßigkeit enthalte, an dem sich die Ausnahmen des Satz 1 messen lassen müssten751. Vor diesem Hintergrund wird man Art. 58 Abs. 3 EGV Vergleichbares entnehmen dürfen752. Schließlich korrespondiert ein weites Verständnis dieser Gegenausnahme mit dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz des „effet util“, wonach die gemeinschaftlichen Grundfreiheiten in größtmöglichem Umfang zur Geltung kommen müssen und Ausnahmevorschriften dementsprechend eng auszulegen sind753. Nach dem Vorgesagten kommt Art. 58 EGV für die Beurteilung der Dividendenbesteuerung keine eigenständige Bedeutung zu.

________________________ 749 So überzeugend Generalanwalt La Pergola in den Schlussanträgen zur Rs. C-35/98

(Verkooijen), Slg. 2000, I-4071 (I-4094). 750 Im Ergebnis gl. A. P. Pülzl, ÖStZ 2002, S. 215 (218); C. Staringer in: Lechner/

Staringer/Tumpel, Kapitalverkehrsfreiheit, S. 93 (107) m. w. N. 751 EuGH v. 14.7.1983, Rs. 174/82 (Sandoz), Slg. 1983, 2445, Rz. 18; EuGH

v. 10.12.1985, Rs. 247/84 (Motte), Slg. 1985, 3887, Rz. 23; EuGH v. 6.5.1986, Rs. 304/84 (Muller), Slg. 1986, 1511, Rz. 23; EuGH v. 12.3.1987, Rs. 178/84 (Reinheitsgebot), Slg. 1987, 1227, Rz. 44; EuGH v. 4.6.1992, Rs. C-13/91 u. a. (Debus), Slg. 1992, I-3617, Rz. 16. Vgl. auch W. Schön in: GS Knobbe-Keuk, S. 743 (767). 752 So auch U. Zehetner, Kapitalertragsteuer, S. 170; W. Schön in: GS Knobbe-Keuk, S. 743 (767 f.). 753 Ähnlich W. Schön in: GS Knobbe-Keuk, S. 743 (766).

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Rechtfertigung von Beschränkungen

3. Die Schranken-Schranke der Verhältnismäßigkeit Der EuGH zieht den expliziten wie den impliziten Rechtfertigungsgründen eine Grenze durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, vergleichbar dem im nationalen Kontext aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Verhältnismäßigkeitsprinzip. Insbesondere die hier bedeutsamen zwingenden Allgemeininteressen können nur geltend gemacht werden, soweit die zu ihrer Wahrung eingeführten Grundfreiheitsbeschränkungen verhältnismäßig sind754. Dies setzt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes jedenfalls voraus, dass sie „geeignet sein [müssen], die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und … nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.“755 Gelegentlich wird vom EuGH als drittes Kriterium die Angemessenheit der fraglichen Maßnahme geprüft, d. h. es werden die miteinander kollidierenden gemeinschaftsrechtlichen und nationalen Interessen gegeneinander abgewogen756. Das verfolgte Ziel muss dann „hinreichend schwerwiegend“ im Verhältnis zur Beeinträchtigung der Grundfreiheit sein757. Im Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit wird das Gebot der Verhältnismäßigkeit von Beschränkungen, soweit die Steuerklausel des Art. 58 Abs. 1 lit. b EGV eingreift, schon unmittelbar aus dem Wortlaut dieser Norm herausgelesen758. Im übrigen ergibt es sich aus dem allgemeinen Grundsatz, wonach Maßnahmen, die den Grundfreiheiten widersprechen und sich zu ihrer Rechtfertigung auf Ausnahmetatbestände berufen, mit den anerkannten gemeinschaftsrechtlichen Rechtsgrundsätzen übereinstimmen müssen. Ist nämlich der Anwendungsbereich der primärrechtlichen Grundfreiheiten einmal eröffnet, so ist die Prüfung nationaler Regelungen umfassend am Maß________________________ 754 Vgl. z. B. EuGH v. 11.5.1989, Rs. 25/88 (Wurmser), Slg. 1989, 1105, Rz. 13. 755 EuGH v. 30.11.1995, Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, I-4165, Rz. 37. Ähnlich

z. B. EuGH v. 20.5.1992, Rs. C-106/91 (Ramrath), Slg. 1992, I-3351, Rz. 31; EuGH v. 31.3.1993, Rs. C-19/92 (Kraus), Slg. 1993, I-1663, Rz. 32; EuGH v. 15.5.1997, Rs. C-250/95 (Futura Participations), Slg. 1997, I-2471, Rz. 26. 756 So z. B. in den Urteilen des EuGH v. 23.2.1983, Rs. 66/82 (Framançais), Slg. 1983, 395, Rz. 8; v. 13.11.1990, Rs. C-331/88 (Fedesa), Slg. 1990, I-4023, Rz. 13; v. 9.7.1997, Rs. C-34/95 u. a. (de Agostini), Slg. 1997, I-3843, Rz. 45; v. 23.10.1997, Rs. C-189/95 (Franzén), Slg. 1997, I-5909, Rz. 75; v. 14.7.1998, Rs. C-389/96 (Aher Waggon), Slg. 1998, I-4473, Rz. 20. 757 H. Kube, IStR 2003, S. 325 (332) verortet die dritte Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung im vom EuGH verlangten „zwingenden“ Charakter des verfolgten Allgemeinteresses. Dies könnte aber auch ein Hinweis auf die Legitimität des verfolgten Interesses oder die Erforderlichkeit der Maßnahme sein; in den vorstehend zitierten Urteilen wird jedenfalls die Voraussetzung der Angemessenheit der Maßnahme jeweils gesondert erwähnt. 758 EuGH v. 26.9.2000, Rs. C-478/98 (Eurobonds), Slg. 2000, I-7587, Rz. 40 f.

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Europarechtliche Vorgaben

stab des Gemeinschaftsrechts vorzunehmen, wobei insbesondere die allgemeinen Rechtsgrundsätze zu beachten sind759. Zu diesen allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehört neben den ungeschriebenen Gemeinschaftsgrundrechten nach ständiger Rechtsprechung des EuGH vor allem der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit760. Dies ist allgemein anerkannt, so dass hier dahinstehen kann, ob sich das gemeinschaftsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip aus allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen761, aus den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten762 oder unmittelbar aus der Gemeinschaftsrechtsordnung selbst763 herleiten lässt764. Der Inhalt des gemeinschaftsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bedarf freilich noch näherer Präzisierung. Aussagen zu den ersten beiden Prüfungsschritten lassen sich dabei relativ eindeutig treffen: Erstes Teilelement der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist die Frage, ob die nationale Bestimmung oder Maßnahme zur Verwirklichung des damit verfolgten Allgemeininteresses „geeignet“ ist. Davon ist auszugehen, wenn sie einen wirksa________________________ 759 Vgl. EuGH v. 18.6.1991, Rs. C-260/89 (ERT), Slg. 1991, I-2925, Rz. 43; EuGH v.

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8.4.1992, Rs. C-62/90 (Kommission/Deutschland), Slg. 1992, I-2575, Rz. 23; EuGH v. 26.6.1997, Rs. C-368/95 (Familiapress), Slg. 1997, I-3689, Rz. 24. Zustimmend A. Bleckmann, Europarecht, 6. Aufl., Rz. 621 f. So ausdrücklich EuGH v. 11.7.1989, Rs. 265/87 (Schräder), Slg. 1989, 2237, Rz. 21; EuGH v. 13.11.1990, Rs. C-331/88 (Fedesa), Slg. 1990, I-4023, Rz. 13; EuGH v. 16.12.1992, Rs. 210/91 (Kommission/Griechenland), Slg. 1992, I-6735, Rz. 19. Bestätigend etwa M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, 5. Aufl., Rz. 790 f.; F. A. García Prats, Imposición directa, S. 165. So z. B. H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 114. So z. B. F. Schockweiler, EuR 1995, S. 191 (200). So z. B. H. Kutscher in: Kutscher/Ress, Verhältnismäßigkeit, S. 89 (91 f.). Wie hier A. Emmerich-Fritsche, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 648 ff. Insoweit a. A. ist A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 84 f. Die dort geäußerte Auffassung, nur eine Verortung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im EG-Vertragssystem selbst gewährleiste ein breites Anwendungsfeld und sichere die gemeinschaftsweit einheitliche Auslegung, überzeugt jedoch nicht. Wird einem Rechtsgrundsatz vom Gerichtshof der Charakter eines allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Prinzips zugesprochen, so sichert bereits dieser Umstand allein die Geltung für den gesamten Bereich des Gemeinschaftsrechts, ohne dass es noch auf die konkrete Herleitung ankäme. Gleichermaßen wird die gemeinschaftsweit einheitliche Auslegung durch die in allen Mitgliedstaaten verbindliche Rechtsprechung des EuGH gewährleistet. Dieser wird sich dabei ohnehin in jedem Fall an den nationalen Rechtsordnungen orientieren. Es dürfte ohne praktische Auswirkungen sein, ob dies im Wege auxiliarer Anlehnung an mitgliedstaatliche Erkenntnisse bei der Interpretation eines originär gemeinschaftsrechtlich fundierten Grundsatzes geschieht (so A. Cordewener a. a. O.) oder umgekehrt durch Anpassung eines in den nationalen Rechtsordnungen vorgefundenen Rechtssatzes an die gemeinschaftsrechtlichen Bedürfnisse.

Rechtfertigung von Beschränkungen

men Schutz für das mit ihr verfolgte allgemeine Interesse bieten kann765, d. h. nützlich bzw. sachdienlich zur Erreichung des angestrebten Zweckes ist766. Dabei hat der EuGH in anderem Zusammenhang festgestellt, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber in Anbetracht der ihm übertragenen politischen Verantwortung über einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Ermessensspielraum verfügt. Auf der ersten Prüfungsebene sollten darum nur „offensichtlich ungeeignete“ Maßnahmen ausgeschieden werden767. Gleiches wird auch für den nationalen Gesetzgeber zu gelten haben, denn auch ihm kommt ein politisches Ermessen hinsichtlich der Verfolgung in seiner Kompetenz verbleibender Regelungsziele zu768. Ihm ist wie dem Gemeinschaftsgesetzgeber eine Einschätzungsprärogative zuzubilligen, die seiner unmittelbaren demokratischen Legitimation zur Entscheidung von gemeinschaftsrechtlich ungeregelten Sachfragen Rechnung trägt. Es ist darum richtig, dass das Merkmal der „Eignung“ nur einen Grobfilter darstellt und nur evidente Fälle der Zweckverfehlung an dieser Hürde scheitern werden769. An zweiter Stelle der Prüfungsfolge steht die Erforderlichkeit der zu untersuchenden nationalen Maßnahme. Die Erforderlichkeit kann positiv festgestellt werden, wenn es zur Erreichung der mit der Maßnahme verfolgten Ziele keine gleichermaßen geeignete Alternative gibt, welche das kollidierende Interesse, d. h. in concreto die betroffene Grundfreiheit des EGV, in geringerem Maße beeinträchtigt770. Auch auf der zweiten Prüfungsebene findet noch keine Abwägung gegenläufiger Interessen statt; nach wie vor ist allein das geltend gemachte mitgliedstaatliche Allgemeininteresse Gegenstand der Betrachtung. Es dürfen darum nur Alternativmaßnahmen in die Betrachtung einbezogen werden, die dem nationalen Regelungszweck mindestens ebenso förderlich sind wie die untersuchte Maßnahme. Insoweit ist vor allem auf die Sicherheit der Zielerreichung und die Praktikabilität der Maßnahme abzustellen771. Auf weniger geeignete Maßnahmen muss der Mitgliedstaat sich – wenn überhaupt – erst in der dritten Stufe verweisen lassen. ________________________ 765 Vgl. EuGH v. 11.5.1989, Rs. 25/88 (Wurmser), Slg. 1989, 1105, Rz. 13. In der Ver-

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fahrenssprache Französisch ist von einer „protection efficace de l' intérêt général“ die Rede. So Generalanwalt van Gerven in den Schlussanträgen der Rs. C-306/88 (Anders), Slg. 1992, I-6457 (I-6482). EuGH v. 11.7.1989, Rs. 265/87 (Schräder), Slg. 1989, 2237, Rz. 22; EuGH v. 13.11.1990, Rs. C-331/88 (Fedesa), Slg. 1990, I-4023, Rz. 14. J. Basedow in: FS Everling, S. 49 (51). Vgl. A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 87 m. w. N. Sehr skeptisch auch U. Everling in: GS Knobbe-Keuk, S. 607 (622). So auch C. Calliess in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 2. Aufl., Art. 5 EGV Rz. 46. Ähnlich M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, 5. Aufl., Rz. 897; A. EmmerichFritsche, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 211 f. A. Emmerich-Fritsche, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 212.

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Europarechtliche Vorgaben

Dies ist die Angemessenheitsprüfung bzw. die Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. In der Rechtsprechung des EuGH wird nicht immer hinreichend deutlich, dass es sich hier um einen eigenständigen Prüfungspunkt handelt; teilweise wird er mit anderen Gesichtspunkten vermengt772. Die Besonderheit des dritten Teilelements der Verhältnismäßigkeitsprüfung liegt jedoch darin, dass sie hier erstmals das Interesse an der Durchsetzung der Grundfreiheiten und die gegenläufigen Allgemeininteressen in Relation zueinander setzt, also auf eine Interessenabwägung hinausläuft: Auch eine zur Verfolgung prinzipiell schutzwürdiger nationaler Interessen geeignete und erforderliche Maßnahme bedeutet eine ungerechtfertigte Beschränkung der Grundfreiheiten, wenn das Interesse an deren Gewährleistung das nationale Regelungsinteresse überwiegt. Die in diesem Zusammenhang notwendigen Interessenbewertungen können freilich nicht abstrakt, sondern nur im konkreten Einzelfall durchgeführt werden773. Insofern ist von Bedeutung, mit welcher Intensität, Häufigkeit und Wahrscheinlichkeit die jeweiligen gemeinschaftlichen und mitgliedstaatliche Regelungsziele durch die nationale Maßnahme beeinträchtigt werden. Auch wird man die mitgliedstaatlichen Interessen im Hinblick auf Art. 6 Abs. 2 EUV umso höher gewichten müssen, je stärker sie Ausdruck der nationalen Identität und des gesellschaftlichen Selbstverständnisses sind. Gerade vom Recht der direkten Steuern wird man dies behaupten können774, wobei allerdings noch sorgfältig nach der Bedeutung des jeweils in Rede stehenden Regelungskomplexes zu differenzieren sein wird.

4. Steuerrechtlich bedeutsame Rechtfertigungsgründe Der EuGH hat sich bislang mit einer Reihe von Entscheidungen, welche die Vereinbarkeit nationaler Regelungen zu Steuern auf den Ertrag mit den Grundfreiheiten zum Gegenstand hatten, mit möglichen Rechtfertigungsgründen befasst. Diese können, soweit sie vom Gerichtshof anerkannt wurden, sämtlich als steuerspezifische Konkretisierungen des ungeschriebenen ________________________

772 Vgl. z. B. EuGH v. 11.7.1989, Rz. 265/87 (Schräder), Slg. 1989, 2237, Rz. 21; EuGH

v. 5.10.1994, Rs. C-133 u. a. (Crispoltoni), Sgl. 1994, I-4863, Rz. 41. 773 So auch A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 98. 774 Ähnlich J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 2 Rz. 53. Differenzierend

E. Klein, DStJG 19, S. 7 (28 f.), der zwischen dem Identitäts-„kern“ und der Identitäts-„schale“ unterscheidet und rechtsstaatliche Grundsätze sowie Grundrechte ersterem, sozio-kulturelle Eigenarten hingegen letzterem, seines Erachtens weniger geschützen Bereich zuordnet. Freilich bleiben seine Überlegungen zu den daraus folgenden Konsequenzen für das nationale Steuerrecht vage. Sein Ausgangspunkt ist zudem insofern problematisch, als dass speziell die Grundrechte und in Sonderheit ihre Interpretation durch Rechtsprechung und Lehre kaum von den gesellschaftlichen Eigenheiten eines Mitgliedstaates getrennt werden können.

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Rechtfertigung von Beschränkungen

Rechtfertigungsgrundes der zwingenden Allgemeininteressen aufgefasst werden. Inzwischen lässt sich eine gewisse Verfestigung dieser Rechtsprechung ausmachen, so dass in der folgenden Erörterung eine Orientierung daran angezeigt erscheint: a) Rein budgetäre Interessen Rein fiskalische Interessen der Mitgliedstaaten an einer Benachteiligung des grenzüberschreitenden gegenüber dem landesinternen Wirtschaftsverkehr werden vom EuGH in ständiger Rechtsprechung als unbeachtlich bezeichnet775. Auch die Literatur lehnt es einhellig ab, solche Erwägungen als zwingende Allgemeininteressen anzuerkennen776. Dem ist vorbehaltlos zuzustimmen. Die Gewährung der Grundfreiheiten würde faktisch entwertet, würden allein die damit verbundenen nationalen Einnahmeausfälle ausreichen, um Beschränkungen zu rechtfertigen. Denn diese sind logisch zwingende Folge einer jeden Beseitigung steuerlicher Benachteiligungen. Verbrämen die Mitgliedstaaten ihre Fiskalinteressen hinter einer vermeintlichen „Notwendigkeit, die Integrität der Besteuerungsgrundlagen zu wahren“, so kann nichts anderes gelten777. b) Übereinstimmung mit den Vorgaben eines Doppelbesteuerungsabkommens Ebenfalls als Rechtfertigungsgrund zurückgewiesen wurde der Einwand, die beschränkende Regelung entspreche den Vorgaben eines Doppelbesteuerungsabkommens778. In der Tat werden die Regelungen eines Doppelbesteuerungsabkommens innerstaatlich erst durch Transformation bzw. Adoption in nationales Recht verbindlich779. Damit aber handelt es sich auch bei ________________________ 775 Vgl. z. B. EuGH v. 28.4.1998, Rs. C-120/95 (Decker), Slg. 1998, I-1831, Rz. 39;

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EuGH v. 28.4.1998, Rs. C-158/96 (Kohll), Slg. 1998, I-1931, Rz. 41; EuGH v. 16.7.1998, Rs. C-264/96 (ICI), Slg. 1998, I-4695, Rz. 28; EuGH v. 21.9.1999, Rs. C-307/97 (Saint Gobain), Slg. 1999, I-6181, Rz. 51; EuGH v. 6.6.2000, Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071, Rz. 48; EuGH v. 8.3.2001, Rs. C-397/98 u. a. (Metallgesellschaft u. a.), Slg. 2001, I-1727, Rz. 59. Vgl. z. B. A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 936 f.; S. v. Thiel, TFO 2001/78, S. 13; S. Fischer, Primäres Gemeinschaftsrecht, S. 216 f.; N. Dautzenberg, BB 2001, S. 2137 (2139); C. Staringer in: Lechner/Staringer/Tumpel, Kapitalverkehrsfreiheit, S. 93 (114); N. Herzig in: GS Knobbe-Keuk, S. 627 (643); W. Schön in: GS KnobbeKeuk, S. 743 (769). So auch Generalanwalt Jacobs in seinen Schlussanträgen in der Rs C-136/00 (Danner), Slg. 2002, I-8147, Rz. 76 ff. EuGH v. 28.1.1986, Rs. 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273, Rz. 26. Vgl. auch die Schlussanträge des Generalanwalts Mischo in der Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst GmbH), Slg. 2002, I-11779, Rz. 80 ff. Dazu näher I. Seidl-Hohenveldern/T. Stein, Völkerrecht, 10. Aufl., Rz. 564 ff.

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Europarechtliche Vorgaben

ihnen jedenfalls dem Rang nach um nationale Rechtsvorschriften, die im Grundsatz genauso wie die originär innerstaatlichen Regelungen den Anforderungen des EG-Vertrages und speziell der Grundfreiheiten unterliegen. Darum scheidet der bloße Umstand, dass eine Regelung den Vorgaben eines DBA genügt, als Rechtfertigungsgrund für eine Beschränkung der Grundfreiheiten aus. Dies entspricht auch der fast einhelligen Ansicht im Schrifttum780. Bestätigt wird dieser Befund durch einen Umkehrschluss aus der Regelung des Art. 307 EGV, wonach vor Inkrafttreten des EG-Vertrages geschlossene Abkommen von dessen Vorschriften unberührt bleiben781. Es kann darum auch nicht darauf ankommen, dass Doppelbesteuerungsabkommen häufig auf Kompromissen zwischen gegenläufigen Interessenpositionen beruhen: Dies entbindet die Mitgliedstaaten nicht davon, die ihnen eingeräumten Besteuerungsrechte beschränkungsfrei wahrzunehmen782; sie sind daran durch das DBA auch nicht gehindert783. Die singulär von J. M. Mössner und D. Kellersmann geäußerte Behauptung, der EuGH selbst habe in der Rs. Gilly entschieden, die Grundprinzipien der zwischenstaatlichen Verteilung des Steueraufkommens seien geeignet, eine Diskriminierung auszuschließen784, beruht auf einem Mißverständnis. Die vertragliche Aufteilung des Steueraufkommens zwischen den Mitgliedstaaten ist in deren Ermessen gestellt und kann als solche keine Diskriminierung begründen785. Die Mitgliedstaaten sind jedoch nicht befugt, die durch eine solche Vereinbarung erhofften Verteilungswirkungen für den Fall, dass sie sich aufgrund einer Änderung des nationalen Steuersystems oder aus sonstigen Gründen nicht einstellen, über diskriminierende Regelungen doch noch herbeizuführen. Dies stünde im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des EuGH, wonach die Mitgliedstaaten die ihnen nach dem DBA verbleibenden Befugnisse diskriminierungsfrei ausüben müssen. Verschiebt sich die Aufkommensverteilung aufgrund von Entwicklungen, welche der Mitgliedstaat bei Abschluss des DBA nicht vorhergesehen hat, muss er auf dessen ________________________ 780 Vgl. J. M. Calderón Carrero, Convenios de doble imposición, S. 5 u. 14; P. Takacs,

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Das Steuerrecht der Europäischen Union, S. 496; C. Vedder in: Lehner/Thömmes, Europarecht und Internationales Steuerrecht, S. 1 (7 f.); M. Lang in: Gassner, Doppelbesteuerungsabkommen, S. 25 (30) m. w. N.; T. Scherer, Doppelbesteuerung, S. 110; F. A. García Prats, Imposición directa, S. 184; N. Dautzenberg, DB 1992, S. 2519 (2521); im Ergebnis auch A. P. Dourado, ec tax review 2002, S. 147 (153 f.). Vgl. auch M. Lang in: Gassner, Doppelbesteuerungsabkommen, S. 25 (32); P. Takacs, Das Steuerrecht der Europäischen Union, S. 495 f.; H. Krück in: Schwarze, EUKommentar, Art. 307 EGV Rz. 3. B. Pérez Bernabeu, QF 2003/07, S. 31 (39); M. Lang in: Gassner, Doppelbesteuerungsabkommen, S. 25 (33). P. Takacs, Das Steuerrecht der Europäischen Union, S. 496. J. M. Mössner/D. Kellersmann, DStZ 1999, S. 505 (514). Siehe oben unter 3.a.bb.

Rechtfertigung von Beschränkungen

Neuverhandlung hinwirken, statt zur Diskriminierung der erfassten Vorgänge überzugehen786. Das gilt insbesondere auch im Hinblick auf die möglichen Auswirkungen eines Wechsels des nationalen Körperschaftsteuersystems. Erörtert wird die Frage, ob dem Gegenseitigkeitsverhältnis eines „do ut des“ bei Abschluss des jeweiligen DBA rechtfertigende Bedeutung zukommen kann, denn auch überwiegend im Zusammenhang mit der sogenannten Meistbegünstigungsproblematik787: Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, inwieweit die Mitgliedstaaten im Wege einer Meistbegünstigung steuerliche Vorteile, die sie den Angehörigen eines anderen Staates in einem mit diesem abgeschlossenen DBA einräumen, auch auf die Angehörigen aller übrigen Mitgliedstaaten ausdehnen müssen788. Hierauf soll im Rahmen dieser Arbeit nicht näher eingegangen werden; tatsächlich dürfte es insoweit bereits an einer grundfreiheitsrelevanten Diskriminierung fehlen789. c) Fehlende Reziprozität von Steuervorteilen Der EuGH hat es abgelehnt, die Gewährung steuerlicher Entlastungen davon abhängig zu machen, dass ein Pendant zu dem in Rede stehenden nationalen Entlastungsmechanismus auch in dem anderen Mitgliedstaat existiert, der in den transnationalen Vorgang involviert ist. Es besteht nach Auffassung des EuGH mit anderen Worten kein Rechtfertigungsgrund fehlender Reziprozität steuerlicher Vorteile im Verhältnis der betroffenen Mitgliedstaaten untereinander. Zur Begründung führt der Gerichtshof an, die Grundfreiheiten seien unbedingt gewährleistet, und die hieraus sich ergebenden Rechte könnten ________________________ 786 Auch hier erweisen sich die Grundfreiheiten als der im Vergleich zum nationalen

(deutschen) Verfassungsrecht strengere Maßstab, da die optimale Verwirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips immerhin gegen die Wahrung der Grundsätze internationaler Verteilungsgerechtigkeit, d. h. gegen die Einhaltung bestimmter Verteilungswirkungen, abgewogen werden kann. Dies liegt letztlich darin begründet, dass das staatliche Interesse an der steuerlichen Partizipation leistungsfähigkeitsindizierender Vorgänge wohl nach innerstaatlichem Verfassungsrecht, nicht aber nach Europarecht in die Abwägung mit eingestellt werden muss. 787 Vgl. z. B. S. van Thiel, Free movement of persons, S. 496 ff.; O. H. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 5. Aufl., S. 262 ff.; O. Thömmes und C. Vedder, Diskussionsbeiträge in: Lehner/Thömmes, Europarecht und Internationales Steuerrecht, S. 64; S. v. Thiel, TFO 2001/78, S. 9 f.; F. Wassermeyer in: Mulitlateral Tax Treaties, S. 15 (22 ff.) sowie den Überblick bei J. Schuch in: Multilateral Tax Treaties, S. 35 (Fn. 1). 788 Grundlegend A. J. Rädler in: FS Debatin, S. 335 (340). 789 Näher J. Englisch, StuW 2003, S. 88 (94); A. J. Martín Jiménez/F. A. García Prats/ J. M. Calderón Carrero, Bulletin 2001, S. 241 (250); a. A. J. Schuch in: Multilateral Tax Treaties, S. 35 (43).

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Europarechtliche Vorgaben

keiner Gegenseitigkeitsbedingung unterworfen werden790. Auch diese Aussage ist in der Literatur auf Zustimmung gestoßen791. In der Tat liegt es in der Konsequenz von Wirkungsweise und Bedeutung der Grundfreiheiten, den Einwand fehlender Reziprozität zurückzuweisen. Solange es in bestimmten, für den freien Binnenmarkt im Sinne der Art. 3 Abs. 1 lit. c, 14 Abs. 2 EGV relevanten Bereichen an einer Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften fehlt, kommt den Grundfreiheiten die Aufgabe zu, Hindernisse für den zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehr zu unterbinden. Erfasst sind aber nur solche Hindernisse, die sich spezifisch grenzüberschreitend auswirken, da die bloße Existenz unterschiedlicher nationaler (Steuer-)Rechtssysteme mangels Harmonisierung gerade hinzunehmen ist. Damit ist die Prüfungsperspektive notwendig auf die diskriminierungs- und benachteiligungsfreie Ausgestaltung der jeweiligen nationalen Teilrechtsordnung verengt. Auf diese Weise wird erreicht, dass Regelungen, welche der betroffene Mitgliedstaat als (sach-)gerecht erachtet, den Wirtschaftssubjekten prinzipiell auch bei grenzüberschreitenden Vorgängen zugute kommen, ohne dass diese Regelungen durch einen Reziprozitätsvorbehalt zum allgemeinverbindlichen Maßstab für alle Mitgliedstaaten erhoben würden. Der Mitgliedstaat muss sich an seinen Wertungen festhalten lassen und diese konsequent zur Anwendung bringen; er kann nicht verlangen, dass auch die übrigen Mitgliedstaaten sich seine Wertung zu eigen machen. Dies gilt insbesondere für die nationalen Körperschaftsteuersysteme, die in unterschiedlichem Maße eine Beseitigung der wirtschaftlichen Doppelbelastung der Dividende vorsehen. d) Wirksame steuerliche Kontrolle Schon in der Entscheidung „Cassis de Dijon“, in welcher der EuGH erstmals die rule of reason postulierte, war als ein zwingendes Allgemeininteresse das der Mitgliedstaaten an einer wirksamen steuerlichen Kontrolle genannt792. An dieser Einschätzung hat der Gerichtshof in einer Reihe weiterer

________________________ 790 EuGH v. 28.1.1986, Rs. 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273, Rz. 26. Allgemein

EuGH v. 22.6.1972, Rs. 1/72 (Frilli), Slg. 1972, 457, Rz. 19; EuGH v. 25. 10. 1979, Rs. 159/78 (Kommission/Italien), Slg. 1979, 3247, Rz. 21.; EuGH v. 2.2.1989, Rs. 186/87 (Cowan), Slg. 1989, 195, Rz. 12 f. 791 Vgl. z. B. M. Schraufl, Körperschaftsteuersysteme, S. 104; H. Liede/L. Hintsanen, ET 2003, S. 31 (35); A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 399; N. Dautzenberg, BB 2001, S. 2137 (2139); S. v. Thiel, TFO 2001/78, S. 11; F. A. García Prats, Imposición directa, S. 186; O. Thömmes in: GS Knobbe-Keuk, S. 795 (822); C. Tietje, EuR 1995, S. 398 (410 f.). 792 EuGH v. 20.2.1979, Rs. 120/78 (Cassis de Dijon), Slg. 1979, 649, Rz. 8.

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Rechtfertigung von Beschränkungen

Urteile festgehalten793. Er hat aber zugleich die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit entsprechend motivierter Beschränkungen präzisiert: Unverhältnismäßig, weil in dieser Rigorosität nicht erforderlich sei es insbesondere, im grenzüberschreitenden Sachverhalt jeden Nachweis der besteuerungsrelevanten Fakten durch pauschale gesetzliche Unterstellungen abzuschneiden. Dem Steuerpflichtigen müsse vielmehr Gelegenheit gegeben werden, Belege vorzulegen, welche die erforderlichen Feststellungen ermöglichen794. Im Übrigen verwies der EuGH auch mehrfach auf die Amtshilferichtlinie, welche den Mitgliedstaaten vielfach die Einholung der etwa erforderlichen Auskünfte erlaube, was bei der Erforderlichkeit steuerlicher Kontrollmechanismen ebenfalls zu berücksichtigen sei795. Aus den Urteilen des EuGH geht hervor, dass unter Vorschriften zur wirksamen steuerlichen Kontrolle solche zu verstehen sind, welche den korrekten Gesetzesvollzug sicherstellen sollen. Die Mitgliedstaaten dürfen beschränkende Maßnahmen treffen, soweit diese sich als notwendig zur Sachverhaltsermittlung oder zur Verifizierung der Angaben und Daten des Steuerpflichtigen erweisen. Durch seine Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit staatlicher Regeln zur wirksamen Kontrolle begrenzt der EuGH freilich den Anwendungsbereich dieses Rechtfertigungsgrundes auf verfahrensrechtliche Bestimmungen. Eine materiell-rechtliche Schlechterstellung, um Beweisschwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, kommt danach nicht in Betracht796. Die Betrachtungsweise des EuGH verdient im Wesentlichen Zustimmung. Im Ausgangspunkt ist es richtig, den Mitgliedstaaten ein berechtigtes Interesse daran zuzugestehen, die steuerlich relevanten Umstände zu ermitteln ________________________ 793 EuGH v. 28.1.1992, Rs. C-204/90 (Bachmann), Slg. 1992, I-249, Rz. 18 ff.; EuGH

v. 15.5.1997, Rs. C-250/95 (Futura Participations), Slg. 1997, I-2471, Rz. 31; EuGH v. 8.7.1999, Rs. C-254/97 (Baxter), Slg. 1999, I-4809, Rz. 18; EuGH v. 28.10.1999, Rs. C-55/98 (Vestergaard), Slg. 1999, I-7641, Rz. 25; EuGH v. 26.9.2000, Rs. C-478/98 (Eurobonds), Slg. 2000, I-7587, Rz. 38; EuGH v. 26.6.2003, Rs. C-422/01 (Skandia), EWS 2003, S. 379, Rz. 42 ff. 794 Besonders deutlich herausgestellt im Urteil des EuGH v. 26.10.1995, Rs. C-151/94 (Kommission/Luxemburg), Slg. 1995, I-3685, Rz. 21. Vgl. auch EuGH v. 8.7.1999, Rs. C-254/97 (Baxter), Slg. 1999, I-4809, Rz. 19 f.; EuGH v. 28.10.1999, Rs. C-55/98 (Vestergaard), Slg. 1999, I-7641, Rz. 25 f. Zustimmend A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 940 f. 795 EuGH v. 15.5.1997, Rs. C-250/95 (Futura Participations), Slg. 1997, I-2471, Rz. 40 f.; EuGH v. 28.10.1999, Rs. C-55/98 (Vestergaard), Slg. 1999, I-7641, Rz. 26 ff.; EuGH v. 26.6.2003, Rs. C-422/01 (Skandia), EWS 2003, S. 379, Rz. 42 ff.; Kritisch I. Roche Laguna, La integración europea, S. 178. 796 Zu weitgehend ist aber die Feststellung von F. A. García Prats, der EuGH mache den Mitgliedstaaten eine Berufung auf die Notwendigkeit wirksamer steuerlicher Kontrolle praktisch völlig unmöglich (Imposición directa, S. 188).

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Europarechtliche Vorgaben

und gegebenenfalls zu verifizieren, soweit sie auf Angaben des Steuerpflichtigen beruhen. Zum einen gehört die damit bezweckte Herstellung von Rechtsanwendungsgleichheit etwa in Deutschland zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die nationalen Steuerbehörden. Danach muss im Veranlagungsverfahren neben das Deklarationsprinzip ergänzend das Verifikationsprinzip treten797. Zum anderen muss das Gemeinschaftsrecht nur insoweit auf die Fiskalinteressen der Mitgliedstaaten keine Rücksicht nehmen, als sich diese in diskriminierenden oder beschränkenden Bestimmungen des materiellen Steuerrechts niederschlagen. Ist der materielle Steueranspruch hingegen gemeinschaftskonform ausgestaltet, muss das Interesse an der Sicherung des dadurch erzielbaren Haushaltsaufkommens als schutzwürdig anerkannt werden. Ansonsten würde das völkerrechtlich verankerte Recht der Mitgliedstaaten, grenzüberschreitende Sachverhalte mit Inlandsbezug zu besteuern, faktisch ausgehöhlt und das Beschränkungsverbot in ein Privilegierungsgebot umgestaltet. Damit sind aber auch bereits die Grenzen dieses Rechtfertigungsgrundes ganz im Sinne der Judikatur des EuGH angedeutet: Er kann ein zwingendes Allgemeininteresse nur an spezifischen Verfahrensbestimmungen begründen, nicht jedoch an spezifisch am grenzüberschreitenden Vorgang ausgerichteten materiell-rechtlichen Steuernormen. Den Mitgliedstaaten stehen verschiedene Mittel zur Verfügung, um ihr Kontrollinteresse zu realisieren. Sie können sich auf den – nicht nur in der Amtshilferichtlinie verankerten – internationalen Auskunftsverkehr oder auf erhöhte Mitwirkungspflichten des betroffenen Steuerpflichtigen stützen798. Letztere werden selbst dann, wenn sie beschränkende Wirkung entfalten, gegenüber dem kategorischen Ausschluss jeglicher Nachweismöglichkeiten durch beschränkende materiell-rechtliche Regelungen stets das mildere Mittel darstellen. Erhöhte Mitwirkungspflichten kommen insbesondere dann in Betracht, wenn die den Steuerpflichtigen regelmäßig weniger belastende Einholung von Auskünften ausgeschlossen, unzureichend oder mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden ist799. ________________________ 797 Vgl. BVerfG v. 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89, BStBl. II 1991, S. 654 ff. 798 A. A. ohne nähere Begründung und im Gegensatz zu der von ihm an sich befürwor-

teten Rechtsprechung des EuGH wohl J. de Weerth, RIW 2003, S. 131 (135). 799 Ein im Vergleich zum Inlandssachverhalt deutlich erhöhter Ermittlungsaufwand kann

darum keine materiellrechtliche, sondern allenfalls eine verfahrensrechtliche Diskriminierung rechtfertigen (zweifelnd M. Jachmann, BB 2003, S. 990 (992)). Ausführlich zu diesem Stufenverhältnis A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 942 f. Andeutungsweise auch EuGH v. 28.1.1992, Rs. C-204/90 (Bachmann), Slg. 1992, I-249, Rz. 18 ff. Insbesondere werden dem Steuerpflichtigen besondere Nachweispflichten auferlegt werden dürfen, insoweit über die Amtshilferichtlinie wegen innnerstaatlicher Datenschutzbestimmungen des anderen Mitgliedstaates keine Auskünfte

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Rechtfertigung von Beschränkungen

e) Wirksame Durchsetzung des Steueranspruchs Eng verwandt mit der Frage der wirksamen steuerlichen Kontrolle im Vorfeld der Steuerfestsetzung ist das mitgliedstaatliche Interesse an der Beitreibung und Durchsetzung der entstandenen Steuerschuld. Für die Dividendenbesteuerung spielt es insbesondere bei der Beurteilung abgeltender Quellensteuern eine Rolle. Allerdings hat sich der EuGH zu diesem Rechtfertigungsgrund noch nicht ausdrücklich geäußert. Er hat jedoch in der Entscheidung „Bachmann“ implizit ein entsprechendes zwingendes Allgemeininteresse angenommen: Die Gewährung eines Steueraufschubs in Form der Steuerbefreiung von Einzahlungen und der Besteuerung späterer Auszahlungen nur an Steuerinländer wurde als gerechtfertigt angesehen, weil der Mitgliedstaat bei Steuerinländern die Steuer auf die Auszahlungen nur schwer oder gar nicht hätte einziehen können800. Allerdings waren diese Ausführungen dogmatisch in die Prüfung der Verhältnismässigkeit des vom EuGH angenommenen Vorteilsausgleichs (Kohärenz)801 eingebettet. Da jedoch die in Rede stehenden Alternativen einer vor- und nachgelagerten Besteuerung tatsächlich unterschiedliche Belastungswirkungen erzeugen, wäre es zutreffender gewesen, die Rechtfertigungsprüfung direkt an der Frage der Durchsetzbarkeit des – aufgeschobenen – Steueranspruchs anzusetzen. Dessen ungeachtet konnte jedenfalls die Eignung nur aus solchen Gründen verneint werden, die ebenfalls zu den zwingenden Allgemeininteressen rechnen, da die Verfolgung sonstiger Zwecke im Rahmen der Rechtfertigungsprüfung insgesamt keine Berücksichtigung finden darf. Die Anerkennung des Interesses der Mitgliedstaaten an der Sicherung und Durchsetzung ihrer Steueransprüche ist nur konsequent, wenn man zutreffend annimmt, dass auch die wirksame steuerliche Kontrolle zu den zwingenden Allgemeininteressen im Sinne der rule of reason zählt. Sind im Anwendungsbereich der Grundfreiheiten schon Maßnahmen zur Sachverhaltsermittlung und −überprüfung im Rahmen der Steuerfestsetzung berücksichtigungsfähig, so muss dies erst recht für Maßnahmen in den nachgelagerten Verfahrensstadien der Erhebung und Vollstreckung gelten802. Die Parallelität beider Rechtfertigungsgründe setzt sich dann freilich auch hinsichtlich ihrer Grenzen fort: Zwar hat der EuGH in der oben genannten Entscheidung eine materiell-rechtliche Diskriminierung der Steuerausländer ________________________ erlangt werden können. Die Rechtsprechungskritik von F. A. García Prats, Imposición directa, S. 188 f. berücksichtigt diesen Zusammenhang nicht und scheint darum überzogen. 800 EuGH v. 28.1.1992, Rs. C-204/90 (Bachmann), Slg. 1992, I-249, Rz. 24. 801 Siehe dazu sogleich unter g). 802 So auch A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 945.

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Europarechtliche Vorgaben

im Hinblick auf das Fehlen hinreichend sicherer internationaler Beitreibungsmöglichkeiten hingenommen. Er wies dabei darauf hin, dass nicht ausgeschlossen sei, dass die übrigen Mitgliedstaaten sich aus Gründen ihrer öffentlichen Ordnung weigern würden, fremde Steuern einzuziehen803. Diese Überlegungen dürften dem völkerrechtlichen Grundsatz geschuldet sein, wonach kein Staat verpflichtet ist, bei der Eintreibung fremder Steuern behilflich zu sein, geschweige denn Vollstreckungsmaßnahmen unmittelbar durch einen anderen Staat zu ermöglichen oder zu dulden804. Zumindest im Hinblick auf die zwischenzeitlichen sekundärrechtlichen Entwicklungen wird man jedoch materiell-rechtliche Ungleichbehandlungen unter dem Gesichtspunkt der Sicherung von Steuererhebung und -vollstreckung mittlerweile als in der Regel als unverhältnismäßig ansehen müssen. Durch Änderungsrichtlinie vom 15.6.2001805 ist der Anwendungsbereich der EG-Beitreibungsrichtlinie806 gemäß deren Art. 2 lit. g, Art. 3 n. F. in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 der Amtshilferichtlinie auf die direkten Steuern vom Ertrag ausgedehnt worden. Nach Art. 6 Abs. 1 der Beitreibungsrichtlinie n. F. sind die Mitgliedstaaten nunmehr verpflichtet, auch Forderungen im Zusammenhang mit solchen Steuern für den fremden Steuergläubiger beizutreiben807. Die früher in Art. 14 Abs. 1 lit. b enthaltene Subsidiaritätsklausel ist entfallen. Damit besteht jetzt eine sehr weitgehende Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, ihre Steueransprüche EG-weit auch in transnationalen Sachverhalten durchzusetzen. Soweit dies im Einzelfall als nicht ausreichend erscheinen mag, wird man zudem stets prüfen müssen, ob Sicherungsmaßnahmen etwa durch Steuerabzugsverfahren nicht ein im Verhältnis zur materiell-rechtlichen Ausschlussregelung milderes Mittel sind. f) Missbrauchs- und Hinterziehungsbekämpfung Ein weiteres vom EuGH anerkanntes zwingendes Allgemeininteresse stellt das Bestreben der Mitgliedstaaten dar, Steuerumgehung und Steuerhinterziehung zu unterbinden. In seiner ersten Entscheidung zum Recht der direkten Steuern hat der EuGH zwar noch kategorisch festgestellt, Art. 52 EGV lasse keine Ausnahme vom Grundprinzip der Niederlassungsfreiheit zu, um die Gefahr der Steuerflucht zu bekämpfen808. Er hat diese Einschätzung jedoch in späteren Urteilen deutlich revidiert und mehrfach die prinzipielle ________________________ 803 EuGH v. 28.1.1992, Rs. C-204/90 (Bachmann), Slg. 1992, I-249, Rz. 24. 804 Vgl. A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 944 m. w. N. 805 Richtlinie 2001/44/EG des Rates zur Änderung der Richtlinie 76/308/EWG, ABl.EG

Nr. L 175/17. 806 Richtlinie 76/308/EWG v. 15.3.1976, ABl.EG Nr. L 73 S. 18. 807 In Deutschland wurde die Richtlinie inzwischen durch die Neufassung des EG-

Beitreibungsgesetzes v. 3.5.2003 umgesetzt, BStBl. I 2003, S. 318 ff. 808 EuGH v. 28.1.1986, Rs. 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 273, Rz. 25.

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Rechtfertigung von Beschränkungen

Eignung entsprechender nationaler Zwecke als Rechtfertigungsgrund angenommen809. Die Problematik weist vor allem insofern Bezüge zur Dividendenbesteuerung auf, als sie für die Berechtigung nationaler Vorschriften betreffend controlled foreign companies (CFC), in Deutschland also für die Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 ff. AStG, von zentraler Bedeutung ist. Da diese Thematik im Rahmen des Untersuchungsgegenstandes ausgeklammert bleibt, soll hier nicht näher auf diesen möglichen Rechtfertigungsgrund eingegangen werden810. g) Vorteilsausgleich und Kohärenz aa) Die Rechtsprechung des EuGH Der EuGH lässt prinzipiell eine Saldierung von steuerlichen Benachteiligungen des grenzüberschreitenden Verkehrs mit eventuellen anderweitigen steuerlichen Privilegierungen desselben Vorgangs nicht zu. Dies erklärt sich aus dem punktuellen Ansatz des EuGH, der nur die jeweils diskriminierende bzw. beschränkende Norm in den Blick nimmt und eine Kompensation durch sonstige Bestimmungen grundsätzlich ausschließt811. Es spielt im Übrigen für den EuGH keine Rolle, ob die in Rede stehende Betätigung durch den besteuernden Mitgliedstaat oder aber durch steuerliche Vorschriften eines anderen, ebenfalls involvierten Mitgliedstaates an anderer Stelle besser gestellt wird als der reine Inlandssachverhalt. Dies gilt namentlich im Hinblick auf eine allgemein niedrigere Steuerbelastung in einem ausländischen Mitgliedstaat812. Im einen wie im anderen Fall soll ein Ausgleich zusammenhangsloser Vor- und Nachteile unzulässig sein. Von dieser streng einzelnormbezogenen Betrachtungsweise rückt der EuGH nur dann ab, wenn es sich bei den auszugleichenden begünstigenden und benachteiligenden Regelungen um Teile eines Normenkomplexes handelt, die in ihrer Gesamtheit ein kohärentes Besteuerungssystem verbürgen813. ________________________

809 EuGH v. 16.7.1998, Rs. C-264/96 (ICI), Slg. 1998, I-4695, Rz. 26; EuGH

810

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v. 26.9.2000, Rs. C-478/98 (Eurobonds), Slg. 2000, I-7587, Rz. 37 ff.; EuGH v. 8.3.2001, Rs. C 397/98 u. a. (Metallgesellschaft), Slg. 2001, I-1727, Rz. 57. Vgl. dazu auch F. A. García Prats, Imposición directa, S. 190 f. Einen guten Überblick über den Stand von Rechtsprechung und Literatur und die noch bestehenden Unschärfen dieses Rechtfertigungsgrundes gibt H. Kube, IStR 2003, S. 325 (328 ff.). EuGH v. 28.1.1986, Rs. 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 285, Rz. 21; EuGH v. 21.9.1999, Rs. C-307/97 (Saint Gobain), Slg. 1999, I-6181, Rz. 54; EuGH v. 26.10.1999, Rs. C-294/97 (Eurowings), Slg. 1999, I-7447, Rz. 43 f.; EuGH v. 6.6.2000, Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071, Rz. 61. Vgl. EuGH v. 26.10.1999, Rs. C-294/97 (Eurowings), Slg. 1999, I-7447, Rz. 43 f.; EuGH v. 26.6.2003, Rs. C-422/01 (Skandia), EWS 2003, S. 379, Rz. 52. EuGH v. 28.1.1992, Rs. C-204/90 (Bachmann), Slg. 1992, I-249, Rz. 21–23; EuGH v. 28.1.1992, Rs. C-300/90 (Kommission/Belgien), Slg. 1992, I-305, Rz. 14–16;

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Europarechtliche Vorgaben

Diese sogenannte Kohärenz des Steuersystems wird vom Gerichtshof den Rechtfertigungsgründen zugeordnet und als Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz nur in engen Grenzen anerkannt: Es muss bei dem betroffenen Steuerpflichtigen ein „unmittelbarer Zusammenhang“814 bzw. eine „strenge Wechselbeziehung“815 zwischen dem steuerlichen Nachteil und einer diesen kompensierenden steuerlichen Begünstigung bestehen. Ein solch unmittelbarer Zusammenhang war nach bisheriger Rechtsprechung des EuGH insbesondere dann auszuschließen, wenn die auszugleichenden Begünstigungen und Benachteiligungen jeweils unterschiedliche Steuersubjekte betreffen816. Speziell bei dem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft einerseits und dieser selbst andererseits handelte es sich nach Auffassung des EuGH um zwei getrennt zu betrachtende Steuerpflichtige817. Darum soll die Besteuerung des Gewinns von Kapitalgesellschaften grundsätzlich in einem bloß mittelbaren Zusammenhang mit der steuerlichen Behandlung der dem Anteilseigner zufließenden Gewinnausschüttungen stehen818. Erst in der jüngst ergangenen Manninen-Entscheidung hat der EuGH diesen strengen Standpunkt modifiziert: Wird die Einkommensteuerentlastung beim Gesellschafter exakt an die auf den ausgeschütteten Gewinnen lastende, von der Gesellschaft entrichtete Körperschaftsteuer angepasst, gegebenenfalls durch deren nachträgliche Korrektur, so soll ein kohärenter Besteuerungszusammenhang gegeben sein819. Des Weiteren hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass die Kohärenz des nationalen Besteuerungssystems durch die Regelungen in etwaigen zwischen den Mitgliedstaaten vereinbarten Doppelbesteuerungsabkommen dero________________________

814 815 816 817

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EuGH v. 11.8.1995, Rs. C-80/94 (Wielockx), Slg. 1995, I-2493, Rz. 23–25; EuGH v. 14.11.1995, Rs. C-484/93 (Svensson), Slg. 1995, I-3955, Rz. 18; EuGH v. 27.6.1996, Rs. C-107/94 (Asscher), Slg. 1996, I-3089, Rz. 55–60; EuGH v. 16.7.1998, Rs. C-264/96 (ICI), Slg. 1998, I-4695, Rz. 29; EuGH v. 26.10.1999, Rs. C-294/97 (Eurowings), Slg. 1999, I-7447, Rz. 42; EuGH v. 13.4.2000, Rs. C-251/98 (Baars), Slg. 2000, I-2787, Rz. 33–40; EuGH v. 6.6.2000, Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071, Rz. 56–58; EuGH v. 26.9.2000, Rs. C-478/98 (Eurobonds), Slg. 2000, I-7587, Rz. 33–35; EuGH v. 8.3.2001, Rs. C-397/98 u. a. (Metallgesellschaft u. a.), Slg. 2001, I-1727, Rz. 67–70. Z. B. EuGH v. 14.11.1995, Rs. C-484/93 (Svensson), Slg. 1995, I-3955, Rz. 18; EuGH v. 27.6.1996, Rs. C-107/94 (Asscher), Slg. 1996, I-3089, Rz. 58. EuGH v. 11.8.1995, Rs. C-80/94 (Wielockx), Slg. 1995, I-2493, Rz. 24. EuGH v. 26.10.1999, Rs. C-294/97 (Eurowings), Slg. 1999, I-7447, Rz. 42. 13.4.2000, Rs. C-251/98 (Baars), Slg. 2000, I-2787, Rz. 40; EuGH v. 6.6.2000, Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071, Rz. 57–58; EuGH v. 18.9.2003, Rs. C-168/01 (Bosal Holding), DB 2003, S. 2097, Rz. 30 ff.; EuGH v. 15.7.2004, Rs. C-315/02 (Lenz), IStR 2004, S. 522 ff., Rz. 36. EuGH v. 6.6.2000, Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071, Rz. 57–58. EuGH v. 7.9.2004, Rs. C-319/02 (Manninen), IStR 2004, S. 680, Rz. 45 f.

Rechtfertigung von Beschränkungen

giert werden könne. Dies betrifft Konstellationen, in denen ein Mitgliedstaat abkommensrechtlich bestimmte Besteuerungsrechte in Anspruch genommen oder auf sie verzichtet hat, obwohl dies im Widerspruch zur nach nationalem Recht vorgegebenen, kohärenten Ausgestaltung des betreffenden steuerlichen Teilsystems steht. Nach Auffassung des Gerichtshofes werde in diesen Fällen die Kohärenz nicht mehr auf Ebene der Einzelperson gewährleistet, sondern auf die Ebene bilateraler Abkommen verlagert. Darum dürfe sich in diesem Fall der Mitgliedstaat nicht auf die Notwendigkeit einer kohärenten Besteuerung berufen820. Allerdings lässt auch insofern das jüngst ergangene Urteil in der Rs. Manninen821 eine gewisse Kurskorrektur erahnen: Dort ist nämlich trotz eines einschlägigen DBA die Kohärenz des in Rede stehenden Körperschaftsteuersystems nicht mehr unter diesem Gesichtspunkt in Frage gestellt worden. Bejaht wurde die Kohärenz eines untersuchten Teilsystems steuerlicher Normen vom EuGH außer in der vorerwähnten Entscheidung bisher nur in den beiden Rechtssachen, in denen diese Rechtsfigur von ihm kreiert wurde. Hier hat der EuGH zu erkennen gegeben, dass wie bei den übrigen Rechtfertigungsgründen auch zusätzlich die Schranke der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist822. bb) Eigene Ansicht: Begrenztes Saldierungsverbot (i)

Individueller Vorteilsausgleich nur im betroffenen Mitgliedstaat

Das Kohärenzprinzip zielt ersichtlich darauf ab, Diskriminierungen an einer Stelle der Steuerrechtsordnung zuzulassen, wenn deren nachteiliger Effekt an anderer Stelle kompensiert wird. Es soll darum dem Bestreben der Mitgliedstaaten nach steuerlicher Gleichbelastung von Binnensachverhalt und grenzüberschreitendem Sachverhalt Rechnung tragen823. Eine solche saldierende Betrachtungsweise im Rahmen der Rechtfertigungsprüfung ist im Hinblick auf die betroffenen gemeinschaftsrechtlichen und nationalstaatlichen Interessen grundsätzlich geboten: Auf der einen Seite sollen die Grundfreiheiten die Verwirklichung des Binnenmarktziels der Art. 3 Abs. 1 lit. c, 14 Abs. 2 EGV gewährleisten. Der „free mover“ soll bei der Ausübung seiner wirtschaftlichen Freiheiten nicht benachteiligt werden. Dem steht andererseits das Interesse der Mitgliedstaaten an nach dem jeweiligen ________________________

820 EuGH v. 11.8.1995, Rs. C-80/94 (Wielockx), Slg. 1995, I-2493, Rz. 24; v. 15.7.2004,

Rs. C-242/03 (Weidert), n. v., Rz. 25 m. w. N. Zustimmend etwa M. T. Nuñez Sanz, Impuestos 2001, S. 1143 (1154). 821 EuGH v. 7.9.2004, Rs. C-319/02 (Manninen), IStR 2004, S. 680. 822 EuGH v. 28.1.1992, Rs. C-204/90 (Bachmann), Slg. 1992, I-249, Rz. 23–27; EuGH v. 28.1.1992, Rs. C-300/90 (Kommission/Belgien), Slg. 1992, I-305, Rz. 16–20. 823 Ähnlich, aber auf den Vergleich von Steuerinländern und Steuerausländern beschränkt J. Sedemund, DStZ 2003, S. 407 (409).

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Europarechtliche Vorgaben

Verfassungs- und Gesellschaftsverständnis belastungs-„gerechten“ Besteuerungsregeln entgegen824. Diese verlangen regelmäßig, dass der „free mover“ nicht zum „free rider“ wird, der sich durch geschickte Ausnutzung nationaler Besonderheiten der Steuersysteme und damit zusammenhängender Belastungsentscheidungen weitestgehend dem Steuerzugriff entzieht825. Dem nationalen Steuerrecht kommt es insoweit unter Gerechtigkeitsaspekten in der Regel darauf an, den transnational Tätigen nach dem Maß seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gleich dem rein intern Wirtschaftenden zu belasten826, soweit ein Besteuerungsrecht gegeben ist. Gerade die relativ komplexen, weil auf zwei Besteuerungsebenen ansetzenden Körperschaftsteuersysteme der Mitgliedstaaten erfordern dabei häufig eine einzelnormübergreifende Betrachtungsweise. Eine bedeutsame Einschränkung liegt nach der Rechtsprechung des EuGH aber darin, dass zusammenhangslose oder zumindest nicht im Verhältnis strenger Wechselwirkung stehende Steuervorteile und -nachteile keiner Gesamtbetrachtung zugänglich sein sollen. Immerhin führt dies dazu, dass der Gerichtshof regelmäßig nur einen Ausschnitt aus den insgesamt den innerund zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehr jeweils treffenden Belastungswirkungen des Steuersystems ins Visier nimmt. Diese Vorgehensweise steht damit in einem gewissen Gegensatz etwa zu der vom BVerfG eingeschlagenen, hinsichtlich der untersuchten Vergleichsgruppen die gesamten steuerlichen Belastungswirkungen einander gegenüberzustellen, selbst wenn diese in keinem inneren Zusammenhang stehen. So hat das BVerfG schon frühzeitig entschieden, dass sich „das Gewicht eines Steuernachteils nicht aus der einzelnen Norm selbst ergeben braucht, sondern möglicherweise erst im Zusammenhang des ganzen Gesetzes oder sogar einer Gruppe von Gesetzen richtig ermessen werden kann.“827. Eine Würdigung der restriktiven Recht________________________ 824 Diese Konfliktlage beschreibt ausführlich und fundiert F. A. García Prats, Imposición

directa, S. 202 f. Siehe dazu auch M. Jachmann, BB 2003, S. 990 (992); H. Kube, IStR 2003, S. 325 (330). Wenn C. Staringer in: Lechner/Staringer/Tumpel, Kapitalverkehrsfreiheit, S. 93 (111) demgegenüber auf die steuerliche Wettbewerbsneutralität abstellt, so ist dies lediglich Ausfluss des Bestrebens nach Belastungsgerechtigkeit. 825 Die Gefahr des zum „free rider“ mutierenden „free movers“ wird anschaulich beschrieben von I. Roche Laguna, La integración europea, S. 180 f. 826 J. Sedemund, IStR 2001, S. 190 (192). Damit soll nicht bestritten werden, dass es Lenkungs- oder Vereinfachungszwecke geben mag, die im Einzelfall aus nationaler Perspektive dennoch eine Begünstigung des Steuerausländers erlauben oder sogar geboten erscheinen lassen. 827 BVerfG v. 11.7.1961 – 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, S. 331 (341). Sehr weitgehend auch BVerfG v. 18.6.1975 – 1 BvR 528/72, BVerfGE 40, S. 109 (117 ff.), wonach auf eine „Gesamtschau der rechtlichen Regelung des zu beurteilenden Lebens- und Sachbereichs“ abzustellen sei. Auf dieser Linie liegt schließlich auch das Urteil des BVerfG v. 10.4.1997 – 2 BvL 77/92 –, BVerfGE 96, S. 1 (8): „Gleichheitserheblich

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Rechtfertigung von Beschränkungen

sprechungslinie hat von Text und Regelungszweck der Grundfreiheiten auszugehen. Diese legen letztlich eine differenzierte Betrachtungsweise nahe: (1) Zutreffend dürfte es in jedem Fall sein, bei (echten) Diskriminierungen von Steuerausländern ausländische Minderbelastungen nicht in eine etwaige Saldierung mit einzubeziehen828. Wie oben bereits dargelegt wurde, verpflichten die Grundfreiheiten des EGV jeden Mitgliedstaat für sich genommen auf Gleichbehandlung des grenzüberschreitenden mit dem rein innerstaatlichen Vorgang. Dementsprechend muss auch der Prüfungsmaßstab auf diejenige Steuerbelastung verengt werden, die der jeweilige Mitgliedstaat dem Steuerpflichtigen auferlegt829. Ihre tiefere Berechtigung findet diese Vorgehensweise in dem Umstand, dass das Gemeinschaftsrecht die fehlende Harmonisierung der Systeme der direkten Steuern akzeptiert, solange keine sekundärrechtlichen Vorgaben getroffen sind830. Erweisen sich einige der mitgliedstaatlichen Steuerregimes gegenüber anderen für bestimmte Steuerpflichtige als günstiger, so ist dies folglich vorerst grundsätzlich hinzunehmen831. Soweit die Mitgliedstaaten im Anwendungsbereich der Grundfreiheiten agieren, dürfen sie sich über diese Wertung nicht hinwegsetzen. Insbesondere dürfen sie die steuerliche Vorteilhaftigkeit ausländischer Steuerrechtsordnungen oder deren einzelner Subsysteme nicht zur Rechtfertigung ________________________

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ist … der durch die Gesamtregelung hergestellte Belastungserfolg. In diesem Gesamtvergleich sind insbesondere die Verschiedenheiten in den Erklärungs- und Buchführungspflichten einschließlich ihrer Kostenfolge, die jeweiligen Zeitwirkungen der Maßstäbe für Gewinn- und Überschusseinkünfte, die gesetzlichen Regelungen zur Annäherung der Belastungszeitpunkte und zum Ausgleich von Liquiditätsunterschieden, Vereinfachungen und Typisierungen für die einzelnen Einkunftsarten zu beurteilen.“ Vgl. aber andererseits die deutliche Annäherung des BFH an die Kohärenzvorstellungen des EuGH im Beschluss v. 24.2.1999 – X R 171/96, BStBl. II 1999, S. 450 (463). So auch A. Cordewener, ET 2003, S. 294 (300); G. Toifl, SWI 2002, S. 458 (465); S. v. Thiel, TFO 2001/78, S. 8; W. C. M. Martens, Tijdschrift voor formeel belastingrecht, S. 2 (4); E. Reimer in: Lehner (Hrsg.), Grundfreiheiten, S. 39 (50); J. Schuch in: Multilateral Tax Treaties, S. 35 (49); F. A. García Prats, Imposición directa, S. 176 f.; W. Kaefer, EWS 1997, S. 288; G. Saß, FR 1997, S. 523 (524). A. A. ist M. Kempermann, FR 1997, S. 275. Vgl. dazu oben V.2.a. L. Hinnekens, ET 2001, S. 206 (208) schreibt treffend: „It should be obvious that a restriction arising simply from disparities in national tax legislation is not prohibited by the freedoms so as to enable the ECJ to introduce tax discrimination by the back door.“ Eine Grenze findet diese gemeinschaftsrechtliche Toleranz gegenüber Besteuerungsdisparitäten erst beim „unfairen Steuerwettbewerb“, auch dies freilich nicht grundfreiheitsrechtlich, sondern im Rahmen des von den Mitgliedstaaten vereinbarten Code of Conduct (Business Taxation).

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Europarechtliche Vorgaben

diskriminierender Zusatzbelastungen heranziehen832. Schließlich würde ein solcher Ansatz auch zu dem nur schwer hinnehmbaren Ergebnis führen, dass je nach dem konkret zum Vergleich anstehenden ausländischen Belastungsniveau ein und dieselbe nationale Regelung teils gerechtfertigt, teils gemeinschaftsrechtswidrig wäre833. Vor diesem Hintergrund muss es auf erhebliche Bedenken stoßen, dass der EuGH diese wohlbegründeten Grundsätze jüngst mit dem Manninen-Urteil erstmals in Frage gestellt hat: In den Entscheidungsgründen gibt er zu erkennen, dass eine diskriminierende Mehrbelastung bzw. geringere Entlastung ausländischer Dividenden im Hinblick auf eine vergleichsweise niedrigere ausländische Vorbelastung hingenommen, also eine staatenübergreifende Saldierung zugelassen werden könne834. Diese Zusammenschau in- und ausländischer Belastungen ignoriert mitgliedstaatliche Steuerdisparitäten und verkennt den Charakter der Kohärenz-Prüfung als Vehikel zur Erweiterung des Blickwinkels im Vergleich inländischer Belastungswirkungen. Diese Fehlentwicklung ist umso bedauerlicher, als sie ohne jegliche Begründung und ersichtlich rein ergebnisorientiert noch hinter das zumindest im Ansatz zutreffende Kohärenzverständnis der früheren Bachmann-Entscheidung835 zurückgeht. Es wird sich im dritten Kapitel zeigen, dass sachgerechte Ergebnisse entsprechend der Eigenart der Diskriminierungsprüfung nur bei einer Beschränkung der Untersuchung auf die von einer einzigen Hoheitsgewalt ausgehenden Steuerbelastung zu erzielen sind. Bei nichtdiskriminierenden Beschränkungen stellt sich die Frage einer Vorteilskompensation nur, wenn Belastung und Vorteil unterschiedlicher Natur sind. Denn ansonsten, insbesondere bei steuerlichen Mehrbelastungen etwa im Fall der Doppelbesteuerung, müssen die ausländischen Belastungsfaktoren zur Feststellung einer Beschränkung mit einbezogen werden. Unter dieser Einschränkung ist auch bei nichtdiskriminierenden Beschränkungen eine Vorteilskompensation aus den im vorstehenden Absatz genannten Gründen unzulässig836. ________________________ 832 Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob ein evtl. niedrigeres ausländisches Belas-

833 834 835 836

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tungsniveau durch den Wohnsitzstaat durch nicht-diskriminierende Anrechnungsbestimmungen beim Steuerpflichtigen ggf. auf inländisches Niveau heraufgeschleust werden darf. Denn in diesem Falle geht es nicht um die rechtfertigende Berufung auf ausländische Steuervorteile und auch nicht um deren Abschöpfung. Es handelt sich hierbei vielmehr um die Problematik der sachgerechten Aufteilung des Besteuerungssubstrats zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten. G. Saß, FR 1997, S. 523 (524). EuGH v. 7.9.2004, Rs. C-319/02 (Manninen), IStR 2004, S. 680, Rz. 46 u. 54. EuGH v. 28.1.1992, Rs. C-204/90 (Bachmann), Slg. 1992, I-249, Rz. 23. Vgl. dazu auch A. Bleckmann, NJW 1985, S. 2856 (2859).

Rechtfertigung von Beschränkungen

(2) Demgegenüber bestehen hinsichtlich der Kompensation zwischen in der Steuerrechtsordnung ein und desselben Mitgliedstaates angesiedelten Belastungsvorteilen und -nachteilen keine derartigen Bedenken. Die Begrenzungen einer entsprechenden Saldierung hängen in diesem Kontext vielmehr entscheidend von zwei Faktoren ab: Zum einen ist zu klären, inwieweit sich die auszugleichenden Vor- und Nachteile in der Person ein und desselben Steuerpflichtigen auswirken müssen. Dies ist die Frage der sogenannten personellen Identität. Zum anderen wird es darauf ankommen, bis zu welchem Ausmaß typisierende Annahmen beim Belastungsvergleich hingenommen werden können. Heikel ist hier insbesondere, inwieweit für die Anwendbarkeit als kompensierend in Betracht zu ziehender, vorteilhafter Bestimmungen auf bloß typischerweise bei Angehörigen der benachteiligten Vergleichsgruppe anzutreffende Merkmale abgestellt werden darf. Was die personelle Identität anbelangt, so wird man einen strengen, aber materiell orientierten Ansatz wählen müssen: Einerseits ist zu verlangen, dass der beanstandete Nachteil und der ihn kompensierende Vorteil in der Person ein und desselben Steuerpflichtigen zusammenkommen837. Die Grundfreiheiten sollen die Errichtung eines freien Binnenmarktes gewährleisten. Dieser zielt auf den ungehinderten, beschränkungsfreien Austausch von Waren, Dienstleistungen, Personen und Kapital ab. Aus diesem Grunde kann die Schlechterstellung bestimmter, von ihren Grundfreiheiten Gebrauch machender Steuerpflichtige nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass andere, ebenfalls transnational Tätige gegenüber dem Inlandssachverhalt steuerlich bevorzugt würden. Denn in diesem Falle würde für die benachteiligte Gruppe die spezifisch grenzüberschreitende Beschränkung ihrer Wirtschaftstätigkeit fortbestehen, und der Binnenmarkt wäre nur partiell verwirklicht. Die Art. 3 Abs. 1 lit. c, 14 Abs. 2 EGV bezwecken aber eine umfassende Abschaffung sämtlicher – spezifisch grenzüberschreitend wirkender – Beschränkungen zum Zwecke des ungehinderten Austauschs sämtlicher angebotener Güter. Umgekehrt gilt damit auch, dass sich eine steuerliche Begünstigung der rein inlandstätigen Vergleichsgruppe nicht durch die relativ höhere Belastung anderer, nicht in den Vergleich einbezogener Steuerpflichtiger rechtfertigen lässt. Denn auch hier blieben die prinzipiell verbotenen Beschränkungen im Verhältnis zur relevanten Vergleichsgruppe bestehen. Andererseits darf bei der Prüfung des Eintritts von Be- und Entlastungswirkungen nicht rein technisch bloß auf die Steuerschuldnerschaft ein und desselben Steuerpflichtigen abgestellt werden. Der Kompensationsgedanke ________________________ 837 So auch J. Hey, AöR 2003, S. 226 (242 f.); E. Reimer in: Lehner (Hrsg.), Grundfrei-

heiten, S. 39 (69). Diese Sichtweise wird übrigens auch in einer Reihe von Urteilen des BVerfG gepflegt, vgl. die Nachweise bei J. Hey (a. a. O.), Fn 83.

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Europarechtliche Vorgaben

verträgt sich nicht mit einer solch formalistischen Sichtweise838. So wie die Grundfreiheiten den grenzüberschreitend Tätigen im Interesse des einheitlichen Binnenmarktes vor steuerlichen Mehrbelastungen abschirmen wollen, muss den Mitgliedstaaten zur Sicherung ihres auch im europarechtlichen Kontext schutzwürdigen Interesses an der Herstellung von Belastungsgleichheit über das Kohärenzprinzip die Möglichkeit zur Verhinderung steuerlicher Minderbelastungen eingeräumt werden. Kommt es damit aber entscheidend auf die Belastungswirkungen an, so muss es genügen, wenn die von einem anderen Steuersubjekt geschuldete Steuer wirtschaftlich von dem in den Vergleich einbezogenen Steuerpflichtigen zu tragen ist bzw. eine entsprechende Begünstigung wirtschaftlich ihm zugute kommt839. In ihren Schlussanträgen in der Rechtssache Maninnen hat dies erstmals auch eine Generalanwältin beim EuGH so geäußert: Ihrer Meinung nach sollte von einem restriktiven, formellen Kohärenzbegriff Abstand genommen werden und ein Nachteilsausgleich auch Steuersubjekt übergreifend zugelassen werden, wenn sich die Besteuerung „auf denselben wirtschaftlichen Vorgang bezieht.“840 Der EuGH hat sich dieser Ansicht nunmehr fast beiläufig angeschlossen841, allerdings mit sogleich noch zu erörternden Einschränkungen. (ii) Eingeschränkter Typisierungsspielraum der Mitgliedstaaten Wie sich aus der Zusammenschau mit der kurz zuvor ergangenen Entscheidung in der Rechtssache Lenz ergibt, soll eine solch Steuersubjekt und Steuerart übergreifende Sichtweise nur zulässig sein, wenn der Vorteilsausgleich exakt und bar jeder Typisierungen nachvollzogen wird842. Dies ist schon deshalb eine kaum haltbare Differenzierung, weil letztlich kein personenübergreifender Vorteilsausgleich ganz ohne typisierende Elemente auskommt und damit tatsächlich keine klare Grenze gezogen wurde. Vor allem aber erscheint diese Haltung im Lichte des dogmatischen Kerns der Kohärenzprüfung als zu restriktiv: Einerseits verlangen die Grundfreiheiten, Benachteiligungen des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs in der Gemeinschaft zu beseitigen, andererseits sucht der nationale Gesetzgeber dessen Privilegierung zu vermeiden. Diese gegensätzlichen Standpunkte werden durch den Rechtfertigungsgrund der Kohärenz im Sinne einer effektiven Gleichbelastung gleicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit unter Einbeziehung kompensierender Effekte miteinander versöhnt. Dabei wird nun ________________________ 838 J. Hey, AöR 2003, S. 226 (243). 839 Ähnlich E. Reimer in: Lehner (Hrsg.), Grundfreiheiten, S. 39 (69). 840 Generalanwältin Kokott in ihren Schlussanträgen v. 18.3.2004 in der Rs. C-319/02

(Manninen), IStR 2004, S. 313, Rz. 61. 841 EuGH v. 7.9.2004, Rs. C-319/02 (Manninen), IStR 2004, S. 680, Rz. 44 bis 46. 842 Vgl. EuGH v. 15.7.2004, Rs. C-315/02 (Lenz), IStR 2004, S. 522, Rz. 42 einerseits;

EuGH v. 7.9.2004, Rs. C-319/02 (Manninen), n. v., Rz. 46 u. 54 andererseits.

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Rechtfertigung von Beschränkungen

der nationale Gesetzgeber aus Praktikabilitätsgesichtspunkten, aber auch um Rechtsanwendungsgleichheit beim Vollzug der Steuergesetze sicherzustellen, häufig auf Typisierungen und Pauschalierungen zurückgreifen, um die jeweilige Leistungsfähigkeit zu messen. Speziell bei Mechanismen zur Vorteilskompensation kann dies dazu führen, dass die Mehrbelastung an einer Stelle nicht immer exakt der Minderbelastung an anderer Stelle entspricht. Zwischen den widerstreitenden Interessen an einem benachteiligungsfreien Zugang zum ausländischen Markt einerseits und der nur typisierenden Herstellung von Gleichheit im Belastungserfolg andererseits muss ein verhältnismäßiger Ausgleich gefunden werden. Dabei soll hier nur auf die im Rahmen dieser Arbeit interessierenden Beschränkungen durch Diskriminierung eingegangen werden. Für diese enthält der EG-Vertrag zunächst die Vorgabe, dass grundsätzlich die Benachteiligung eines jeden einzelnen von den Grundfreiheiten Gebrauch machenden Wirtschaftssubjekts zu vermeiden ist843: Dies scheint bereits im Wortlaut des generellen Diskriminierungsverbots des Art. 12 EGV auf, das „jede“ Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verbietet. Die Grundfreiheiten sind hinsichtlich diskriminierender Vorschriften in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich aber nur eine spezielle Ausprägung des allgemeinen Diskriminierungsverbots844. Im Übrigen kann und muss das Vorliegen einer rechtlichen Schlechterstellung anhand objektiver Merkmale der zu untersuchenden Vorschrift oder Maßnahme festgestellt werden. Es gibt insoweit keinen Raum für eine Gewichtung nach Art und Umfang der Diskriminierung, keine „de-minimisKlausel“845. Diskriminierungen werden im Anwendungsbereich der Grundfreiheiten unabhängig von quantitativem und qualitativem Umfang nicht geduldet. Aus dieser streng einzelfallbezogenen Orientierung auf Tatbestandsebene wird man schlussfolgern dürfen, dass Diskriminierungen prinzipiell auch im Hinblick auf jeden Einzelfall einer binnenmarktrelevanten Aktivität gerechtfertigt sein müssen846. Bestimmungen, die nur für den größten ________________________ 843 844 845 846

Gl. A. O. Thömmes, DB 2002, S. 2397 (2399). Siehe oben unter II.4. Siehe oben unter V.2.a. Im Ergebnis ebenso J. M. Almudí Cid/F. Serrano Antón, QF 2002/19, S. 7 (12); M. Tumpel, SWI 2002, S. 454 (456). A. A. ist wohl H. Kube, IStR 2003, S. 325 (332). Er hält (im Rahmen von nationalen Mißbrauchsvermeidungsvorschriften) typisierende Annahmen des nationalen Gesetzgebers für notwendig und grundfreiheitskonform, weil ansonsten der legislative Gestaltungsraum der Mitgliedstaaten übermäßig beschnitten würde. Dazu ist zu bemerken, dass die Mitgliedstaaten ohne Weiteres Typisierungen und Pauschalierungen in ihre jeweilige Steuerrechtsordnung aufnehmen können, solange diese diskriminierungsfrei ausgestaltet sind und sich nicht ausschließlich zu Lasten grenzüberschreitender wirtschaftlicher Aktivitäten auswirken können. Eine Einschränkung findet sich damit nur hinsichtlich solcher Normen, welche sich spezifisch hinsichtlich einzelner transnationaler Vorgänge

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Europarechtliche Vorgaben

Teil der eine bestimmte grenzüberschreitende Tätigkeit realisierenden Wirtschaftssubjekte Diskriminierungen kompensieren, für die verbleibende Minderheit eine Schlechterstellung aber ganz oder teilweise bestehen lassen, können darum von vornherein keine angemessene Rechtfertigung begründen. Lediglich wenn es an einer hinreichenden Kompensation nur in ganz atypischen Ausnahmefällen fehlt, die vom Gesetzgeber vernünftigerweise nicht gesondert geregelt werden können, wird man eine im Übrigen hinreichende Saldierung noch als generelle Rechtfertigung für Diskriminierungen in Betracht ziehen dürfen. Das bedeutet zugleich, dass in die Saldierung regelmäßig auf einen Steuerbelastungsvergleich beschränkt bleiben muss, weil sich sonstige Vor- und Nachteile in ihren Belastungswirkungen nicht hinreichend genau gegeneinander abwägen lassen847. Damit steht fest, dass die „Kohärenz“ der Besteuerung bzw. die Vorteilskompensation als Rechtfertigungsgrund nur trägt, wenn sie für grundsätzlich jeden „free mover“ eine Benachteiligung im Belastungserfolg vermeidet. Für jeden grenzüberschreitend Tätigen muss demzufolge ein steuerlicher Belastungsvergleich durchgeführt werden, der regelmäßig mindestens zur Gleichstellung mit den rein binnenwirtschaftlich Tätigen vergleichbarer Leistungsfähigkeit führen muss. Das schließt es aber nicht aus, bei der Ermittlung der Gesamtbelastung des nur gedachten, rein binnenwirtschaftlich tätigen Steuerpflichtigen typisierende Betrachtungen anzustellen. Das Verlangen des EuGH nach einer auch insoweit exakten Vorteilskompensation nimmt den Mitgliedstaaten hingegen jeglichen Raum für Generalisierungen. Angesichts der Tatsache, dass es sich bei dieser Vorteilskompensation an sich um einen rein internen Sachverhalte handelt, der regelmäßig auch primär auf die steuerliche Gleichbehandlung mit anderen internen Steuerfällen gerichtet ist, erscheint dies aber als unverhältnismäßige Beschneidung der den Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der direkten Steuern verbliebenen hoheitlichen Befugnisse. Das gilt umso mehr, als dass die mitgliedstaatlichen Vorstellungen, inwieweit der Einzelfallgerechtigkeit durch möglichst exakte ________________________ nachteilig auswirken können. Hier ist eine Einzelfallbetrachtung aus den genannten Gründen unumgänglich. Dem Gesetzgeber ist damit nicht jede Möglichkeit zur Erleichterung des Steuervollzugs aus der Hand genommen. Insbesondere dürften typisierende Annahmen bei Zulassung des vom Steuerpflichtigen zu erbringenden Gegenbeweises ein verhältnismäßiges Mittel zur Durchsetzung schützenswerter nationaler Besteuerungsinteressen sein (zur Grundfreiheitskonformität einer solchen Beweislastumkehr vgl. S. v. Thiel, TFO 2001/78, S. 5; siehe auch oben unter (d) zur Sicherung der wirksamen steuerlichen Kontrolle). 847 Im Ergebnis ähnlich F. A. García Prats, Imposición directa, S. 176. Da ein solcher Belastungsvergleich bei nichtdiskriminierenden Beschränkungen bereits Voraussetzung für ihre Feststellung ist, kommt bei ihnen eine Rechtfertigung aus Kohärenzgründen damit letztlich kaum noch in Betracht.

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Rechtfertigung von Beschränkungen

Saldierung der Vorzug vor der möglicherweise größeren Vollzugsgerechtigkeit durch vereinfachende Annahmen zu geben ist, in hohem Maße Ausdruck nationaler Eigenheiten und nationalen Selbstverständnisses sind848. Dem mitgliedstaatlichen Interesse an ihrer Umsetzung ist darum besonderes Gewicht beizumessen. Demgegenüber sind die vom EG-Vertrag geschützten Interessen eines jeden „free movers“ schon im Wesentlichen dadurch gewahrt, dass er über die Saldierung eine Gleichstellung im Belastungserfolg mit einem durchschnittlichen bzw. typischen binnenwirtschaftlich Tätigen gleicher Leistungsfähigkeit erfährt. Das Binnenmarktskonzept der Art. 3 Abs. 1 lit. c, 14 Abs. 2 EGV bezweckt wie schon das dadurch substituierte Vertragsziel des Gemeinsamen Marktes (Art. 2 EGV a. F.) die Herstellung gleicher oder nahezu gleicher Wettbewerbsbedingungen849. Es handelt sich um ein notwendiges und zentrales Element des Binnenmarktbegriffs, was auch durch die Vorschriften des Art. 3 Abs. 1 lit. g, 81 ff. und 87 ff. EGV verdeutlicht wird850. Der Zugang zum ausländischen Markt wird aber nicht mehr wesentlich behindert, wenn es für jeden „free mover“ über die Saldierung zu einer Gleichstellung mit den im Binnenbereich verbleibenden typischen Wettbewerbern kommt. Etwaige Abweichungen im Hinblick auf einzelne Konkurrenten bedeuten dann zumindest kein spürbares Hindernis für den freien Binnenmarkt, zu dessen Durchsetzung die Beschränkungsverbote der Art. 28 f., 39, 43, 49 und 56 EGV dienen sollen. Dies deckt sich auch mit der Sichtweise des EuGH im Anwendungsbereich der wettbewerbsrechtlichen Spezialvorschriften der Art. 81 ff. und 87 ff. EGV. In diesem Kontext vertritt der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass die von Privaten oder den Mitgliedstaaten ausgehenden Wettbewerbsbeschränkungen spürbar sein müssen, um gemeinschaftsrechtliche Relevanz zu erlangen851. Wo im Einzelnen die Grenze für mitgliedstaatliche Typisierungen zu ziehen ist, wird sich nur von Fall zu Fall im Wege einer konkreten Abwägung fixieren lassen. Immerhin erscheint es nicht abwegig, eine äußerste Grenze bei den jeweiligen verfassungsrechtlichen Grenzen der Typisierung zu ziehen: Was dem Mitgliedstaat schon nach den Maßstäben seiner eigenen Verfassung nicht gestattet ist, kann auch nicht als angemessene Rechtfertigung zur Beschränkung der Grundfreiheiten des EG-Vertrages angeführt werden852. ________________________ 848 Insoweit zutreffend H. Kube, IStR 2003, S. 325 (332). 849 E. Grabitz in: Grabitz/Hilf, EU-Kommentar, Art. 2 EGV (Stand: 5/86), Rz. 15;

K. Lackhoff, Niederlassungsfreiheit, S. 85 m. w. N. 850 Vgl. dazu EuGH v. 21.2.1973, Rs. 6/72 (Europemballage), Slg. 1973, 215, Rz. 23 ff. 851 EuGH v. 30.6.1966, Rs. 56/65 (LTM), Slg. 1966, 281, 303 f.; EuGH v. 25.11.1971,

Rs. 22/71 (Béguelin Import), Slg. 1971, 949, Rz. 16/18; EuGH v. 14.10.1987, Rs. 248/84 (Deutschland/Kommission), Slg. 1987, 4013, Rz. 18. 852 Ähnlich A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 962.

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Europarechtliche Vorgaben

Ob diese Grundsätze unmodifiziert auch bei nichtdiskriminierenden Beschränkungen angewendet werden können, soll hier dahingestellt bleiben. Die im Rahmen dieser Arbeit allein relevante nichtdiskriminierende Beschränkung in Form einer eventuellen Doppelbesteuerung von Dividenden könnte jedenfalls nicht unter Kohärenz- bzw. Saldierungsgesichtspunkten gerechtfertigt werden. (iii) Fazit Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass eine Rechtfertigung von steuerlichen Beschränkungen der Grundfreiheiten durch ihre Saldierung mit der anderweitigen steuerlichen Bevorzugung des in Rede stehenden transnationalen Vorgangs bzw. der anderweitigen steuerlichen Benachteiligung des entsprechenden Binnenverkehrs nur in engen Grenzen zulässig ist. Gleichwohl sind die Möglichkeiten hierfür größer als dies der Gerichtshof annimmt, der den geforderten Unmittelbarkeitszusammenhang beim Vorteilsausgleich nach wie vor zu technisch und restriktiv handhabt853. Insbesondere ist der Rechtfertigungsgrund der Kohärenz nicht auf die Fälle der Korrespondenz steuerlicher Abzugsposten mit der späteren Besteuerung der abgezogenen Beträge beschränkt854. Umgekehrt erlaubt freilich das Vorliegen von Kohärenz im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs immer eine Rechtfertigungsprüfung unter Saldierungsgesichtspunkten: Denn wenn der steuerliche Vor- und Nachteil wie vom Gerichtshof gefordert im Verhältnis strenger Wechselwirkung zueinander stehen, wird auch anzunehmen sein, dass eine Kompensation immer bzw. bei allen Angehörigen der relevanten Vergleichsgruppe in ein und derselben Person eintritt, abgesehen vielleicht von ganz atypischen Ausnahmefällen. Notwendige Bedingung ist eine solche Wechselwirkung hingegen nicht, jedenfalls nicht a priori und unter allen Umständen855. Im Einzelfall kann sie allerdings eine Rolle im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung spielen: Bedingen sich belastende und begünstigende Regelung nicht wechselseitig, so wird man unter Umständen festzustellen haben, dass eine Kompensation nicht notwenig ist, wenn sich das nationale Belastungsideal statt durch unsystematische Saldierungsbemühungen auch durch eine systematische Neuordnung des betroffenen Regelungsbereichs erreichen lässt und die grund________________________ 853 M. E. nicht hinreichend kritische Zustimmung findet die Rechtsprechung des EuGH

hingegen bei C. Stangl, SWI 2000, S. 463 (468 f.). 854 Zu eng darum R. Prokisch in: Lehner, Grundfreiheiten, S. 119 (128); ihm widerspre-

chend insbes. C. Stangl, SWI 2000, S. 463 (465). 855 A. A. J. Hey, AöR 2003, S. 226 (245 f.); M. Jachmann, BB 2003, S. 990 (992);

A. Schnitger, DStR 2002, S. 1197 (1201); C. Stangl, SWI 2000, S. 463 (464); N. Dautzenberg, FR 2000, S. 725 (726 f.); F. A. García Prats, Imposición directa, S. 178.

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Rechtfertigung von Beschränkungen

freiheitlichen Beschränkungen dann vermindert werden oder entfallen856. An dieser Stelle ist im Übrigen nochmals darauf hinzuweisen, dass auch im Rahmen der nach obigen Maßstäben noch zulässigen Saldierungen stets eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen ist, in der Eignung, Notwendigkeit und Angemessenheit des steuerlichen Ausgleichs zu untersuchen sind. Interpretiert man den Rechtfertigungsgrund der Kohärenz wie hier als eine speziell grundfreiheitliche Ausprägung eines zulässigen steuerlichen Vorteilsausgleichs, so überzeugt es nicht, zusätzlich zur kohärenten Besteuerung des betroffenen free movers stets auch noch eine „Makrokohärenz“ des nationalen Steuersystems zu fordern. Darunter versteht speziell A. Cordewener einen aus der Rechtsprechung des US Supreme Court entlehnten Test, ob das nationale Steuersystem, würde es auf alle Mitgliedstaaten übertragen, die Einmalbesteuerung allen Einkommens wie auch die einmalige Abzugsfähigkeit aller Erwerbsaufwendungen sicherstellen könnte857. Die Prüfung der grundfreiheitlichen Beschränkungsverbote basiert aber in steuerlicher Hinsicht auf einem Belastungsvergleich nur zwischen dem konkreten transnationalen Vorgang und seinem rein internen Pendant. Es muss genügen, wenn insoweit unter den oben geschilderten engen Grenzen für typisierende Annahmen eine Gleichbelastung dieser beiden Vergleichsgruppen festzustellen ist, um eine Beschränkung als gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Die Forderung nach einer darüber noch hinausgehenden „Makrokohärenz“ läuft im Ergebnis auf einen zusätzlichen Vergleich des in Rede stehenden grenzüberschreitenden Vorgangs mit einem hypothetischen weiteren solchen Vorgang, der sich in umgekehrter Richtung vollzieht, hinaus. Es wird mit anderen Worten der outbound- dem inbound-Vorgang gegenübergestellt und geprüft, ob die Grundwertungen des nationalen Steuerrechts in beiden Konstellationen konsequent durchgehalten sind. Tatsächlich geht es in diesen Fällen dann aber nicht mehr um die Prüfung von Beschränkungen der konkret zu untersuchenden grenzüberschreitenden Aktivität, sondern um Beschränkungen anderer, nicht in Streit stehender Aktivitäten. Dies birgt die Gefahr, dass ein an sich durchaus stringenter, auf Belastungsgleichheit abzielender Regelungsbereich allein deshalb für europarechtswidrig erklärt wird, weil in einem anderen Bereich die nach diesem Maßstab ungerechtfertigten Mehrbelastungen nicht beseitigt werden. Der fehlenden Konsistenz auf der „Makroebene“ darf deshalb nur dann Bedeutung für die Kohärenzprüfung zuerkannt werden, wenn infolgedessen eine klare Feststellung der nationalen Gerechtigkeitswertungen gar nicht erst möglich ist, nicht aber schon dann, wenn diese Wertungen lediglich in anderen Bereichen erkennbar nicht konsequent umgesetzt wurden. ________________________ 856 In diese Richtung argumentiert H. Hahn, IStR 2000, S. 436 f. 857 A. Cordewender, ET 2003, S. 102 (110 f.); ähnlich F. Snel, ET 2001, S. 403 (405 f.).

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Europarechtliche Vorgaben

cc) Das Verhältnis zu Doppelbesteuerungsabkommen An letzter Stelle der Betrachtungen zum Vorteilsausgleich und zur Kohärenz steht schließlich die Frage, inwieweit sich die Abkommenspraxis eines Mitgliedstaates auf diesen Rechtfertigungsgrund auszuwirken vermag. Der bisherige Ansatz des EuGH, die Vereinbarungen in DBA könnten im Konfliktfalle mit innerstaatlichen Bestimmungen dazu führen, dass die steuerliche Kohärenz auf die Ebene bilateraler Abkommen verlagert werde, und damit die geforderte strenge Wechselbeziehung von Belastungs- und Entlastungseffekten auf Ebene der Einzelperson aufheben, vermag nach dem Vorgesagten freilich nicht zu überzeugen. Er vermengt zu Unrecht Aspekte interpersonaler Besteuerungsgerechtigkeit mit solchen internationaler Verteilungsgerechtigkeit. Tatsächlich trägt der Rechtfertigungsgrund der Kohärenz nur dem ersten Gesichtspunkt Rechnung. Maßgeblich ist damit allein, ob die zur Rechtfertigung angeführten Kompensationseffekte zwischen den Steuerpflichtigen treffenden Belastungsvorteilen und -nachteilen eintreten. Dies kann durch Doppelbesteuerungsabkommen im Prinzip auf zweierlei Weise in Frage gestellt werden: Zum einen kann beim rein binnenwirtschaftlich Tätigen auf die an sich zur Rechtfertigung seiner Besserstellung gebotene kompensierende steuerliche Belastung verzichtet werden. Zum anderen können Doppelbesteuerungsabkommen dazu führen, dass über einzelne DBA privilegierte „free movers“ in den Genuss der Besserstellung kommen, die sonst dem Binnenvorgang vorbehalten ist, ohne dass sie zugleich dessen korrespondierende Belastung zu tragen hätten. (1) Eine ungerechtfertigte Entlastung des rein binnenwirtschaftlich Tätigen können DBA allerdings nur ausnahmsweise bewirken, weil er ja grundsätzlich mangels grenzüberschreitender Aktivitäten ihrem Anwendungsbereich gar nicht erst unterfällt. Eine Ausnahme besteht nur, wenn seine zum Ausgleich angeführten steuerlichen Mehrbelastungen zeitlich versetzt eintreten sollen und er sich dem durch Ausnutzung der DBA-Bestimmungen, d. h. durch „Flucht“ in einen späteren, gerade nicht mehr rein innerstaatlichen Vorgang entziehen kann. Liegt darin nicht nur eine vernachlässigbare Randerscheinung, so unterhöhlt diese Möglichkeit die erforderliche „Typizität“ des Zusammentreffens von steuerlichen Belastungsvor- und -nachteilen in der Person des binnenorientierten Wirtschaftssubjekts. Es wird dann der „intern“ hergestellte Zusammenhang „extern“ wieder preisgegeben858. Zumindest taugt der Saldierungsmechanismus nicht mehr als angemessene Rechtfertigung der Beschränkung von Grundfreiheiten: Dem nationalen Interesse an der kohärenten Belastung seiner Steuerinländer ist dann vom Mitglied________________________ 858 Ähnlich F. A. García Prats, Imposición directa, S. 199; vgl. auch N. Herzig/

N. Dautzenberg, DB 1997, S. 8 (11).

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staat selbst859 eine so geringe Wertigkeit eingeräumt worden, dass es gegenüber dem Ziel der Herstellung eines freien Binnenmarktes nicht mehr ins Gewicht zu fallen vermag. Damit ist im Übrigen auch die Frage beantwortet, ob es in diesen Fällen für die Entwertung des Rechtfertigungsgrundes der „Kohärenz“ bzw. Saldierung allein auf das DBA ankommt, welches zwischen dem betreffenden und dem anderen am transnationalen Sachverhalt beteiligten Mitgliedstaat besteht, oder ob auch noch sonstige DBA des erstgenannten Staates in die Beurteilung einzubeziehen sind860. Hat der Mitgliedstaat auch nur durch irgendein DBA zu erkennen gegeben, dass er im grenzüberschreitenden Verkehr das grundsätzlich schutzwürdige Allgemeininteresse an Lastengleichheit und Systemgerechtigkeit hinter fiskalische Erwägungen zurückstellt, und dadurch zugleich die notwendige Typizität der Saldierung gefährdet, so muss er sich dies generell entgegenhalten lassen. Diese Wertung kann im Bereich der Grundfreiheiten nicht ignoriert werden, unabhängig davon, im Verhältnis zu welchem Abkommenspartner sie zum Ausdruck kommt. (2) Demgegenüber wird durch die Ausdehnung einer günstigen Regelung auf grenzüberschreitend Tätige ohne Auferlegung der damit korrespondierenden Belastung in vereinzelten DBA die Kohärenz der Besteuerung bzw. die rechtfertigende Wirkung des Vorteilsausgleichs nicht generell in Frage gestellt861. Hierin liegt eine Privilegierung einzelner transnationaler Vorgänge, welche die Kohärenz der Besteuerung der binnenwirtschaftlich Tätigen unangetastet lässt. Diese aber sind die maßgebliche Vergleichsgruppe bei der Prüfung von Beschränkungen der Grundfreiheiten des EG-Vertrages, nicht hingegen transnational Tätige aus anderen Herkunftsstaaten bzw. mit anderen Zielländern. Die Grundfreiheiten zielen auf die Abschaffung der spezifischen Hindernisse für den grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr ab, sie sollen und können hingegen keine Angleichung der Rechtsverhältnisse sämtlicher Mitgliedstaaten im Verhältnis zu jeweils allen übrigen leisten. Dies bleibt der Harmonisierung durch die dafür vorgesehenen gemeinschaftsrechtlichen Instrumentarien vorbehalten. Es reicht darum im Rahmen der Grundfreiheitsprüfung aus, wenn sich der Mitgliedstaat weiter auf die ________________________ 859 Zum sogenannten Anerkennungsgrundsatz, wonach sich ein Mitgliedstaat sein eige-

nes mögliches Verteidigungsvorbringen durch Maßnahmen, die eine abweichende Regelungs- oder Wertungsmöglichkeit erkennen lassen, selbst abschneidet, siehe oben Fußnote 611. 860 Explizit aufgeworfen wird die Frage von A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 530 f. u. 971, der sich aber nur vorsichtig in Richtung einer globalen Würdigung aller DBA der Antwort annähert. 861 Zweifelnd insoweit G. Konezny/M. Züger, SWI 2000, S. 218 (221). A. A. wohl H. Liede/L. Hintsanen, ET 2003, S. 31 (35); F. A. García Prats, Imposición directa, S. 201; M. Gammie/G. Brannan, intertax 1995, S. 389 (396).

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Europarechtliche Vorgaben

bereichsspezifische Herstellung von Belastungsgleichheit bei den binnenwirtschaftlich Tätigen berufen kann. Denn dann tritt nach wie vor die typische Saldierungswirkung im Binnensachverhalt ein, welche die punktuelle Schlechterstellung des scheinbar benachteiligten „Grenzgängers“ zu rechtfertigen vermag. Nun wird allerdings vertreten, entsprechende Bestimmungen eines DBA könnten gegen die Erforderlichkeit bzw. Notwendigkeit der Wahrung des nationalen steuerlichen Belastungsideals angeführt werden. Denn dadurch widerspreche der Mitgliedstaat seinem Vorbringen, der Ausschluss eines transnationalen Vorgangs des Wirtschaftsverkehrs von einer für landesinterne Sachverhalte vorgesehenen Vergünstigung sei notwendig, um die Lastengleichheit und Systemgerechtigkeit des nationalen Rechts zu gewährleisten862. Gegen diese Argumentation lässt sich aber bereits anführen, dass das Geflecht sich in ihren Belastungswirkungen kompensierender nationaler Bestimmungen, und zwar insbesondere solcher, die in unmittelbarer Wechselbeziehung im Sinne einer „Kohärenz“ zueinander stehen, häufig das Resultat von Reformanstrengungen ist. Ihre Berücksichtigung in den von dem betreffenden Mitgliedstaates abgeschlossenen DBA wird sich, wenn überhaupt, häufig erst in langwierigen Nachverhandlungen und unterschiedlich schnell erreichen lassen. Es erschiene jedenfalls in solchen Konstellationen verfehlt, aus einzelnen entgegenstehenden DBA-Bestimmungen die fehlende Notwendigkeit auf die Verwirklichung von Lastengleichheit angelegter nationaler Bestimmungen bzw. eine Abkehr vom angestrebten Belastungsideal ableiten zu wollen. Aber auch im Übrigen darf nicht übersehen werden, dass die abkommensrechtlichen Vereinbarungen nicht primär der Durchsetzung nationaler Vorstellungen steuerlicher (Belastungs-)Gerechtigkeit, sondern vielmehr einer gerechten zwischenstaatlichen Verteilung des Steueraufkommens dienen sollen. Außerdem werden die Vertragspartner häufig abweichende Vorstellungen von Belastungsgleichheit und Systemgerechtigkeit haben, die gegebenenfalls in einen Kompromiss münden, in dem sich kein Belastungsideal voll durchsetzen konnte. Diese Umstände bringen es mit sich, dass die innerstaatlich angestrebte Systemgerechtigkeit nicht immer auch in den DBA ihren Niederschlag bzw. ihre Bestätigung finden kann. Hieraus kann aber nicht auf eine Aufgabe des Belastungsideals im rein binnenstaatlichen Kontext geschlossen werden. Nach alledem erweist es sich als vorschnell, aus dem engen Geflecht von DBA zwischen den Mitgliedstaaten zu folgern, dass dem „Kohärenz“-Argu________________________ 862 So A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 526 u. S. 970; M. Gammie/G. Brannan, inter-

tax 1995, S. 389 (396).

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Nationaler Gleichheitssatz und EG-Beschränkungsverbote

ment eigentlich keine praktische Bedeutung als Rechtfertigungsgrund mehr zukomme863. Versteht man die steuerliche Kohärenz einer Regelung wie hier im Sinne eines wenn auch begrenzten Vorteilsausgleichs zum Zwecke der Herstellung von Belastungsgleichheit, steht ihr jedenfalls bei sachgerechter Ausgestaltung der DBA noch ein beachtlicher Anwendungsbereich offen.

VII. Zusammenwirken von nationalem Gleichheitssatz und EG-rechtlichen Beschränkungsverboten Nationaler Gleichheitssatz und EG-Beschränkungsverbote

Es konnte gezeigt werden, dass die Ausgestaltung der Dividendenbesteuerung verfassungsrechtlich vor allem anhand des Gleichheitssatzes in seiner steuerspezifischen Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips zu beurteilen ist. In europarechtlicher Hinsicht treten die in der Kapitalverkehrs- und der Niederlassungsfreiheit enthaltenen Beschränkungsverbote als höherrangige Vorgaben hinzu. Tatsächlich stehen diese Prüfungsmaßstäbe jedoch nicht beziehungslos nebeneinander, sondern wirken einander ergänzend zusammen. Sowohl die europarechtlichen Beschränkungsverbote wie auch das Leistungsfähigkeitsprinzip fordern die Gleichheit im Belastungserfolg864: Die Kapitalverkehrs- und Niederlassungsfreiheit gebieten, den grenzüberschreitend Tätigen im Belastungserfolg dem rein binnenwirtschaftlich Agierenden gleichzustellen. Echte Diskriminierungen im Sinne rechtlicher Ungleichbehandlungen indizieren dabei gleichsam einen Verstoß auch gegen die gebotene Gleichheit im tatsächlichen Belastungserfolg; dieses Indiz kann freilich in engen Grenzen, nämlich durch Saldierung mit anderweitigen Belastungsvorteilen bzw. -verschonungen, entkräftet werden. Sonstige, nichtdiskriminierende Beschränkungen sind schon ihrer Struktur nach durch tatsächliche Ungleichheit im Belastungserfolg gekennzeichnet. Das Leistungsfähigkeitsprinzip wiederum verlangt eine gleichmäßige Lastenverteilung entsprechend der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Auch das Leistungsfähigkeitsprinzip ist also an der effektiven Belastung orientiert, deren maßstabsgerechte Austeilung eine den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG genügende Regelung des materiellen Steuerrechts zur Voraussetzung hat. Das Leistungsfähigkeitsprinzip weist eine vertikale und eine horizontale Ebene auf: Zum einen sind Steuerpflichtige unterschiedlicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit prinzipiell auch je nach ihrer Verschiedenheit stär-

________________________

863 So aber A. Schnitger, DStR 2002, S. 1197 (1201); O. Thömmes; IWB Fach 11a,

S. 635 (636); ders. in: GS Knobbe-Keuk, S. 795 (831: „Leerformel“); B. KnobbeKeuk, EC Tax Review 1994, S. 74 (81). 864 Zum Leistungsfähigkeitsprinzip siehe A.I.2.a.aa; zu den Grundfreiheiten siehe oben unter V.3.

311

Europarechtliche Vorgaben

ker oder geringfügiger zu besteuern. Zum anderen hat sich die Steuerlast bei vergleichbarer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit grundsätzlich zu entsprechen. Das letztgenannte, horizontal ausgerichtete Gleichheitspostulat verstärken nun die EG-rechtlichen Grundfreiheiten in räumlicher Hinsicht: Im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr dürfen die transnational agierenden Wirtschaftssubjekte prinzipiell nicht stärker belastet werden als vergleichbare andere, die rein inländisch tätig sind. Von der Vergleichbarkeit ist aber gerade dann auszugehen, wenn letztere die gleiche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aufweisen.

VIII. Die Vorgaben der Mutter-Tochter-Richtlinie Auch sekundärem Gemeinschaftsrecht kommt Anwendungsvorrang vor entgegenstehenden nationalen Bestimmungen zu865. Wie eingangs dieses Subkapitels bereits erwähnt wurde, existiert für die Besteuerung der grenzüberschreitenden Dividendenausschüttungen innerhalb der EU allerdings nur eine einzige sekundärrechtliche Vorgabe mit stark eingeschränktem Anwendungsbereich in Form der Mutter-Tochter-Richtlinie (MTR) vom 23.7.1990866. Ihr Regelungsgegenstand ist die Dividendenbesteuerung bei Ausschüttung von der Tochtergesellschaft in einem Mitgliedstaat an die Muttergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat, hinsichtlich derer eine Mehrfachbesteuerung über die Körperschaftsteuer der Tochtergesellschaft hinaus vermieden werden soll867. Um dieses Ziel zu erreichen, schreibt Art. 4 Abs. 1 MTR dem Mitgliedstaat der Muttergesellschaft vor, die Dividende entweder steuerfrei zu stellen oder aber die von der Tochtergesellschaft entrichtete Körperschaftsteuer auf die Körperschaftsteuer der Muttergesellschaft anzurechnen868. Den Mitgliedstaaten bleibt also die Wahl zwischen der Freistellungsmethode und der Methode der indirekten Steueranrechnung. Komplementär zu diesen Bestimmungen verpflichtet Art. 5 Abs. 1 MTR den Mitgliedstaat der Tochtergesellschaft, bei Ausschüttung auf einen „Steuerabzug an der Quelle“ zu verzich________________________ 865 Grundlegend EuGH v. 15.7.1964, Rs. 6/64 (Costa/E. N. E. L.), Slg. 1964, 1251; vgl.

auch J. Hellert, Der Einfluss des EG-Rechts, S. 12; R. Streinz, Europarecht, 5. Aufl., S. 70 f.; C. Koenig/A. Haratsch, Europarecht, 4. Aufl., S. 48 f. 866 Richtlinie 90/435/EWG v. 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225, S. 6, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2003/123/EG v. 22.12.2003, ABl. EG Nr. L 7, S. 41. 867 G. Saß, DB 1990, S. 2340 (2345); ähnlich A. Tsourouflis, Die Harmonisierung der Körperschaftsteuer, S. 61 f. 868 Vom 1.1.2005 an muss nach den Vorgaben der Änderungsrichtlinie 2003/123/EG auch die von Enkelgesellschaften auf nachgeordneten Beteiligungsstufen entrichtete anteilige Steuer auf den durchgeschütteten Gewinn angerechnet werden, soweit jeweils die qualifizierten Beteiligungserfordernisse der Art. 2 und 3 erfüllt sind.

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Die Vorgaben der Mutter-Tochter-Richtlinie

ten. Der Gerichtshof legt dabei das Tatbestandsmerkmal des Quellensteuerabzugs in ständiger Rechtsprechung weit aus. Nach seiner Auffassung ist darunter jede Steuer zu verstehen, deren Bemessungsgrundlage sich an der Dividende orientiert und die anlässlich ihrer Ausschüttung erhoben wird869. Dies entspricht einer teleologischen Auslegung des Art. 5 Abs. 1 MTR, weil die Richtlinie darauf abzielt, die Steuerbelastung der Dividende bis zur Weiterausschüttung durch die Muttergesellschaft auf die – reguläre – Körperschaftsteuer der Tochtergesellschaft zu begrenzen870. Ein Steuerabzug ist nach Art. 7 Abs. 2 MTR lediglich insoweit zulässig, als die Muttergesellschaft eine Steuergutschrift für die Körperschaftsteuervorbelastung der ausgeschütteten Gewinne erhält871. Die Deckelung der Quellensteuer durch die Höhe der Steuergutschrift in diesen Fällen ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Bestimmung872, wohl aber aus dem Gesamtzusammenhang der Richtlinie. Diese gestattet eine Belastung der Dividende in Höhe der bei der Tochter erhobenen Körperschaftsteuer. Wird die Vorbelastung über eine Steuergutschrift beseitigt oder vermindert, so soll es dem Quellenstaat erlaubt sein, die damit verbundenen Fiskaleinbußen durch eine kompensierende Quellensteuer bis zur Höhe der Vorbelastung wieder auszugleichen. Der subjektive Anwendungsbereich der Richtlinie beschränkte sich bis zur Neufassung durch die jüngst verabschiedete Änderungsrichtlinie gemäß Art. 2 MTR a. F. in Verbindung mit dem Anhang auf Kapitalgesellschaften, die in einem Mitgliedstaat ansässig sind und dort einer der in Art. 2 lit. c MTR a. F. aufgeführten Körperschaftsteuer unterliegen873. Nunmehr werden auch Personengesellschaften erfasst, wenn sie – wie in Spanien – nach dem ________________________ 869 EuGH v. 8.6.2000, Rs. C-375/98 (Epson Europe), Slg. 2000, I-4243, Rz. 23; EuGH

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v. 4.10.2001, Rs. C-294/99 (Athinaïki Zythopoiïa), Slg. 2001, I-6797, Rz. 28 f.; EuGH v. 25.9.2003, Rs. C-58/01 (Océ von der Grinten), noch nicht veröffentl., Rz. 50 f. Zustimmung signalisieren auch F. de Sousa da Câmara, ET 2001, S. 307 (309); B. Terra/P. Wattel, European Tax Law, 3. ed., S. 358 f.; D. Kellersmann/C. Treisch, Europäische Unternehmensbesteuerung, S. 213; D. Richter, IStR 2002, S. 726 (732). Kritisch hingegen J. de Weerth, RIW 2003, S. 131 (137). EuGH v. 25.9.2003, Rs. C-58/01 (Océ von der Grinten), noch nicht veröffentl., Rz. 87 ff. Die weiteren, in Art. 5 Abs. 2 bis 4 MTR vorgesehenen Ausnahmen laufen inwischen wegen Zeitablaufs oder einer Änderung des in Bezug genommenen Körperschaftsteuersystems leer, vgl. M. Desens, IStR 2003, S. 613 (616, Fn. 50). So hielten es etwa B. Terra/P. Wattel, European Tax Law, 3. ed., S. 355 vor der Entscheidung des EuGH in der Rs. Océ van der Grinten nur für zulässig, auf das Anrechnungsguthaben eine Quellensteuer zu erheben, nicht jedoch auf den Gesamtbetrag von Dividende und Guthaben. G. Saß, DB 1990, S. 2340 (2345); D. Kellersmann/C. Treisch, Europäische Unternehmensbesteuerung, S. 210.

313

Europarechtliche Vorgaben

Recht des betreffenden Mitgliedstaates zwingend körperschaftsteuerpflichtig sind874. Außerdem ist die Begünstigung durch die Mutter-Tochter-Richtlinie gemäß Art. 3 Abs. 1 an eine Beteiligung von nur noch 20 % an der Tochtergesellschaft geknüpft, sofern die Mitgliedstaaten nicht geringere Beteiligungserfordernisse vorsehen875. Schließlich wird durch die bis zum 1.1.2005 in nationales Recht umzusetzende Neufassung des Art. 1 Abs. 1 MTR ausdrücklich klargestellt, dass auch der Dividendenbezug über in einem Mitgliedstaat gelegene Betriebsstätten von EU-ansässigen Gesellschaften in den Anwendungsbereich einbezogen ist876. Unverändert wird den Mitgliedstaaten in Art. 3 Abs. 2 MTR die Möglichkeit eingeräumt, die Anwendung der Richtlinie von einer Mindestbehaltefrist von 2 Jahren abhängig zu machen877. Ebenfalls optional gestattet es Art. 4 Abs. 2 MTR dem Mitgliedstaat der Muttergesellschaft, Beteiligungsaufwendungen und ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibungen vom Steuerabzug auszuschließen. Dadurch soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass diese negativen Einkünftebestandteile unmittelbar mit den nach Art. 4 Abs. 1 MTR steuerfrei zu stellenden Dividendeneinkünften zusammenhängen878. Werden in diesem Zusammenhang die Aufwendungen für „Verwaltungskosten“ vom nationalen Gesetzgeber pauschal festgesetzt, darf die Pauschale 5 % der ausgeschütteten Gewinne nicht übersteigen879. Insbesondere im Zusammenhang mit den letztgenannten Bestimmungen ist schließlich das Verhältnis zwischen dem sekundären Gemeinschaftsrecht ________________________ 874 Das nationale Recht muss bis zum 1.1.2005 an diese Vorgaben angepasst werden,

vgl. Art. 2 (1) der Richtlinie 2003/123/EG. 875 Ursprünglich war die Mindestbeteiligung mit 25 % festgesetzt worden. Die Neufas-

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sung der Richtlinie vom 22.12.2003 sieht in Art. 3 (1) lit. a darüber hinaus vor, die Mindestbeteiligung sukzessive weiter abzusenken, und zwar auf 15 % ab dem 1.1.2007 und auf 10 % ab dem 1.1.2009. Dazu näher P. Bullinger, IStR 2004, S. 406 (407 f.). Der EuGH hat inzwischen klargestellt, dass bei Erfüllung dieser Frist die Quellensteuerfreiheit im Staat der Tochtergesellschaft – und damit wohl auch die Freistellung bzw. indirekte Anrechnung im Staat der Muttergesellschaft – zumindest rückwirkend gewährt werden müssen, wenn sie nicht von vornherein eingeräumt werden, EuGH v. 17.10.1996, Rs. C-283/94 u. a. (Denkavit), Slg. 1996, I-5063, Rz. 32 f. B. Terra/P. Wattel, European Tax Law, 3. ed., S. 350. Völlig überzeugend ist das allerdings nur bei Wahl der Freistellungsmethode durch den Mitgliedstaat der Muttergesellschaft. Die im Kommissionsentwurf der Änderungsrichtlinie vorgesehene Verpflichtung, der Muttergesellschaft den Nachweis niedrigerer Beteiligungsaufwendungen offenzuhalten (vgl. BR-Drs. 593/03, Rz. 20 f. der Erwägungsgründe), wurde nicht verabschiedet.

Die Vorgaben der Mutter-Tochter-Richtlinie

der Mutter-Tochter-Richtlinie und den primärrechtlichen Grundfreiheiten von Bedeutung. Festzustellen ist jedenfalls, dass die Grundrechte als gemeinschaftliches Verfassungs- bzw. Primärrecht880 schon mit Rücksicht auf den allgemeinen Stufenbau des Gemeinschaftsrechts nicht durch Richtlinienrecht verdrängt oder beschränkt werden können881. Bis vor kurzem hatte der EuGH dies im Zusammenhang mit Richtlinienermächtigungen dahingehend konkretisiert, der nationale Gesetzgeber müsse sich um eine möglichst den Grundsätzen des EGV entsprechende Umsetzung der Richtlinie bemühen, wenn ihm ein entsprechender Spielraum eingeräumt sei882. In der jüngst ergangenen Entscheidung Océ van der Grinten hat er aber zu Recht klargestellt, dass eine zu weit geratene Richtlinienvorschrift im Wege primärrechtskonformer Reduktion auf das grundfreiheitsverträgliche Maß zurückgenommen werden muss, weshalb den Mitgliedstaaten insoweit tatsächlich gar kein Gestaltungsspielraum verbleibt883. Die Mitgliedstaaten dürfen von den in der Richtlinie enthaltenen Ermächtigungen darum nur in beschränkungs- und speziell diskriminierungsfreier Weise Gebrauch machen884. Eine Verletzung der Grundfreiheiten kann also nicht unter Hinweis auf geringere Erfordernisse der Mutter-Tochter-Richtlinie gerechtfertigt werden885.

________________________ 880 Zum Charakter der primärrechtlichen Grundfreiheiten als Teil des Verfassungsrechts

der EU vgl. S. van Thiel, Free movement of persons, S. 1 m. w. N. 881 So für die Kapitalverkehrsfreiheit C. Staringer in: Lechner/Staringer/Tumpel, Kapi-

talverkehrsfreiheit, S. 93 (102). 882 EuGH v. 17.6.1999, Rs. C-166/98 (Socridis), Slg. 1999, I-3791, Rz. 19 f. Ähnlich

zur Umsetzung der gemeinschaftsrechtlich anerkannten Grundrechte innerhalb von Richtlinienbestimmungen EuGH v. 13.7.1989, Rs. 5/88 (Wachauf), Slg. 1989, 2609, Rz. 19. Zustimmend Hess. FG v. 10.12.2002 – 4 K 1044/99, EFG 2003, S. 1120 (1123); O. Thömmes, DB 2002, S. 2397 (2399); M. Tumpel in: DStJG 23, S. 321 (359); W. Schön, FR 2001, S. 381 (391); W. Kessler/A. Schmalz/W. Schmidt, DStR 2001, S. 1865 (1872) m. w. N.; H.-G. Raber, DStJG Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 103 (114). Gl. A. N. Herzig, DB 2003, S. 1459 (1467). 883 Dafür haben sich schon vor der Entscheidung ausgesprochen A. J. Martín Jiménez/ F. A. García Prats/J. M. Calderón Carrero, Bulletin 2001, S. 241 (253); F. Snel, ET 2001, S. 403 (406). T. K. Meussen spricht unter Verweis auf J. A. G. van der Geld von einer „duty of a reconciling interpretation“, ET 2004, S. 59 (60). 884 Vgl. auch J. A. G. van der Geld/N. A. A. Kleemans, ec tax review 2001, S. 72 (78); ähnlich O.-F. Graf Kerssenbrock, BB 2003, S. 2148 (2153). 885 D. Aigner, SWI 2003, S. 63 (65 f.); G. Konezny/M. Züger, SWI 2000, S. 218 (220).

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3. Kapitel Kritische Würdigung der nationalen Systeme der Dividendenbesteuerung Ausgehend von den im 2. Kapitel erarbeiteten Beurteilungsmaßstäben können nun die im 1. Kapitel vorgestellten nationalen Systeme der Dividendenbesteuerung einer kritischen Würdigung unterzogen werden. Es ist zu prüfen, inwieweit die deutschen und spanischen Modelle der Dividendenbesteuerung den Anforderungen an ein leistungsfähigkeitsgerechtes, europarechtskonformes und international verteilungsgerechtes Körperschaftsteuersystem genügen und ob sich eines von ihnen oder aber möglicherweise eine Kombination aus beiden als überlegenes Konzept erweist. Ausgangspunkt der Betrachtung ist jeweils das deutsche Recht, dessen Optimierung der Rechtsvergleich dient; daraus rechtfertigt sich wie schon gesagt auch die Fokussierung auf die deutschen verfassungsrechtlichen Vorgaben.

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

A. Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen I. Der Entlastungsmechanismus 1. Das abgeschaffte deutsche Vollanrechnungsverfahren Bis zum Inkrafttreten des Halbeinkünfteverfahrens wurde der Vorbelastung der ausgeschütteten Dividende durch das körperschaftsteuerliche Vollanrechnungsverfahren Rechnung getragen. Der Gesetzgeber hat seine Abschaffung gegen erhebliche Widerstände in der Wissenschaft1 beschlossen, weil er der Auffassung war, das Vollanrechnungsverfahren genüge nicht den Anforderungen an ein europataugliches, einfaches und gerechtes Unternehmenssteuersystem2. Um die Vorzüge und Nachteile des Halbeinkünfteverfahrens im rechten Lichte beurteilen zu können, ist es angezeigt, diese Hypothesen des Gesetzgebers zunächst zu verifizieren. Nur so lässt sich erweisen, ob es tatsächlich „im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers [stand], dieses Anrechnungsverfahren … durch ein einfacheres Verfahren zu ersetzen“3, das heißt das Halbeinkünfteverfahren einzuführen. Erst dann erscheint es sinnvoll, dieses Verfahren und nicht das abgeschaffte Vollanrechnungsverfahren dem spanischen System bei der Suche nach der überlegenen Lösung gegenüberzustellen. a) Optimale Umsetzung des Gebots der Einmalbelastung Das Vollanrechnungsverfahren wurde allgemein jedenfalls im reinen Binnensachverhalt, das heißt bei Ausschüttung unbeschränkt steuerpflichtiger Kapitalgesellschaften an unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner, als prinzipiell optimale Verwirklichung einer leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung angesehen. Denn es habe eine umfassende Verwirklichung des Gebotes der steuerlichen Einmalbelastung der Dividende gewährleistet4. ________________________ 1

2 3 4

Vgl. nur den beispiellosen Aufruf von fast 80 Steuerwissenschaftlern in BB 2000, S. 1269 f. zur Verteidigung des Anrechnungsverfahrens „gegen unbedachte Reformen“. Begründung zum Entwurf des StSenkG 2000, BT-Drs. 14/2683, S. 93 f. Begründung zum Entwurf des StSenkG 2000, BT-Drs. 14/2683, S. 95 f. Vgl. z. B. J. Lang in: Brühler Empfehlungen, Anhang Nr. 1, S. 22; H.-J. Pezzer, StuW 2000, S. 144 (146); N. Bozza-Bodden, Körperschaftsteuersystem, S. 197 f.; R. Seer, StbJb 2000/2001, S. 15 (26); C. de Pablo Varona, La tributación del socio, S. 342; H.-H. Krebühl in: FS Fischer, S. 137 (151); A. Barrado Muñoz, RDFHP 1995, S. 101 (119).

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Der Entlastungsmechanismus

Lediglich in Randbereichen hätten ausnahmsweise Verwerfungen auftreten können5. Bezogen auf natürliche Personen als Anteilseigner bedeutet das Gebot steuerlicher Einmalbelastung, dass die von der Körperschaft erwirtschafteten und in Form von Dividenden ausgeschütteten Erträge insgesamt einmal, und zwar nach dem individuellen Einkommensteuersatz des Anteilseigners belastet werden. Eine leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung der Dividende muss darum berücksichtigen, inwieweit die Erträge, aus denen sie sich speist, bereits mit von der Kapitalgesellschaft zu entrichtenden Ertragsteuern vorbelastet sind6. Diese Vorbelastung und die gegebenenfalls beim Gesellschafter zusätzlich erhobene Einkommensteuer müssen in ihren kumulierten Belastungswirkungen der auf sonstige Einkünfte des Anteilseigners durchschnittlich entfallenden Einkommensteuerlast entsprechen7. Nur in diesem Fall ist gewährleistet, dass der über die Kapitalgesellschaft erwirtschaftete, letztlich bzw. mit Ausschüttung aber dem Gesellschafter zuzurechnende Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit nach dem allgemeinen, horizontale und vertikale Steuergerechtigkeit garantierenden Maßstab des Einkommensteuertarifs gemessen wird. Ist die Dividende in höherem Maße vorbelastet als dies nach dem individuellen Durchschnittssteuersatz des Gesellschafters gerechtfertigt ist, so ist die überschießende Steuerbelastung konsequenterweise durch eine an ihn zu leistende Erstattung zu revidieren. Im deutschen System der Besteuerung von Kapitalgesellschaften kommt es dabei nicht nur auf die Vorbelastung mit Körperschaftsteuer, sondern auch auf die mit Gewerbesteuer an8. Die Gewerbesteuer ist spätestens mit der Abschaffung der in Gewerbeertrag und Gewerbekapital zweigeteilten Bemessungsgrundlage9 und der Beibehaltung allein der Komponente des Gewerbeertrags als zusätzliche Steuer auf den Unternehmensertrag zu qualifizieren10.

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5 Z. B. bei verdeckter Gewinnausschüttung und nicht hinreichendem verwendbarem

Eigenkapital; hierzu näher H. Garbe, DB 1980, S. 2475 ff. 6 So auch J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 4 Rz. 91; S. Sieker, DStJG

25, S. 145 (176); W. Haarmann, JbFAStR 2000/2001, Diskussionsbeitrag S. 156. 7 Vgl. auch M. Jachmann, DStJG 23, S. 9 (22). 8 Gl. A. P. Bareis in: Schick, Veranlagung – Abgeltung – Steuerfreiheit, S. 35 (37 f.). 9 Durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform v. 29.10.1997, BStBl.

I 1997, S. 2590. 10 So auch H. Montag in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 12 Rz. 1; M. Jachmann,

DStJG 25, S. 195 (206 f.); dies., Steuergesetzgebung, S. 112; D. Gosch, DStZ 1998, S. 327 (328); H.-W. Stäuber in: Lenski/Steinberg, GewStG, Einleitung (Stand: 04/02), S. 24; G. Güroff in: Glanegger/Güroff, GewStG, 5. Aufl., § 1 Rz. 14. H. Zitzelsberger konstatierte schon 1989 (in: Grundlagen der Gewerbesteuer, S. 143 f.): „Die Gewinnkomponente … überwiegt heute sehr deutlich. In dem Maße, wie die Gewerbesteuer sich damit einer Gewinnsteuer annähert, … gleitet [sie] in die Nähe der direkten Steuern“. Mit dem Wegfall der Gewerbekapitalsteuer hat sie diesen Status definitiv erreicht.

319

Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

Ihr gesetzlicher Realsteuercharakter, § 3 Abs. 2 AO, beruht nur noch auf den Hinzurechnungen und Kürzungen zum gewerblichen Gewinn in den §§ 8 und 9 GewStG. Zwar sucht die Gewerbesteuer ihrem – freilich nie konsequent umgesetzten11 – Belastungsideal nach als sogenannte Objektsteuer das Ergebnis unternehmerischer Tätigkeit unabhängig vom Unternehmensträger zu erfassen, § 2 GewStG. Angesichts ihrer inzwischen weitestgehend vermögenszuwachsorientierten Bemessungsgrundlage bedeutet dies aber nur, dass sie an die sich im Unternehmensertrag ausdrückende objektive Leistungsfähigkeit ohne Berücksichtigung subjektiver Faktoren anzuknüpfen sucht12. Darin ähnelt sie der Körperschaftsteuer. Eben die im Unternehmensgewinn verkörperte objektive Leistungsfähigkeit ist aber bei späterer Dividendenausschüttung auch Gegenstand des einkommensteuerlichen Zugriffs. Die Ausblendung in der Person des Anteilseigners liegender Umstände durch die Gewerbesteuer ändert damit nichts an der Inzidenz der Besteuerungsgrundlagen13. Konsequenz dieser Erkenntnisse ist, dass auch die Gewerbesteuer als Zugriff auf die in den Unternehmensgewinnen verkörperte Leistungsfähigkeit zu beurteilen ist, und ihre Steuerwirkungen darum in einen am Leistungsfähigkeitsprinzip orientierten Belastungsvergleich mit einzubeziehen sind14. Die frühere äquivalenztheoretische Fundierung der ________________________ 11 Näher dazu H. Montag in: Tipke/Lang, Steuerrecht, l7. Aufl., § 12 Rz. 3, der im Übri-

gen davon ausgeht, dass der Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer mit der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer endgültig entfallen sei. 12 M. Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 112. 13 Vgl. auch M. Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 17: „… ist es jedoch nicht von vornherein ausgeschlossen, die unternehmerische Betätigung als Objekt der Erzielung von objektiver Leistungsfähigkeit zunächst unabhängig vom Unternehmensträger zu erfassen und die durch das Unternehmen erzielten Erträge schon bei diesem steuerlich abzuschöpfen … Ergänzend wäre jedoch zu gewährleisten, dass bei der Besteuerung des Unternehmensträgers im Ergebnis auch dessen objektiver und ggf. subjektiver Leistungsfähigkeit Rechnung getragen wird. Eine gesonderte Erfassung und ggf. auch steuerliche Abschöpfung der in einem Unternehmen als wirtschaftlichem Bestand erzielten Leistungsfähigkeit kann insoweit nur ein Zwischenschritt sein.“ [Hervorhebung durch Verf.]. Ähnlich dies., DStJG 25, S. 195 (206): „Die Belastungswirkung der Gewerbesteuer korrespondiert dem Zugriff von Einkommensteuer und Körperschaftsteuer auf am Markt erzielte objektive Leistungsfähigkeit.“ Von einer „strukturellen Belastungskonkurrenz“ geht auch D. Gosch aus, DStZ 1998, S. 327 (329); ebenso P. Kirchhof in: Kirchhof/Söhn, EStG, § 2 Rz. A 178. Vgl. auch M. Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 112. 14 Ähnlich H. Montag in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 12 Rz. 1; D. Gosch, DStZ 1998, S. 327 (329). A. A. ist C. Dorenkamp, Nachgelagerte Besteuerung, S. 339 ff. Er beruft sich dabei vor allem auf die Entscheidung des BVerfG v. 10.4.1997 – 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, S. 1 (9), wonach in einen Belastungsvergleich nur verfassungsmäßige Bestimmungen mit einbezogen werden dürften. Entfalle aber die bisherige äquivalenztheoretische Rechtfertigung der Gewerbesteuer, so sei sie wegen Verstoßes gegen Art. 3 I GG verfassungswidrig und die entsprechende Vorbelastung der Divi-

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Der Entlastungsmechanismus

gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage muss als von der tatsächlichen und rechtlichen Entwicklung überholt angesehen werden15. So hat denn auch das Bundesverfassungsgericht die Gewerbesteuer schon 1975 als zusätzliche Ertragsteuer aufgefasst, die bei der vergleichenden Ermittlung ertragsteuerlicher Gesamtbelastungswirkungen mit in die Betrachtung einbezogen werden müsse16. Der Gesetzgeber hat dies inzwischen durch die pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer in § 35 EStG implizit anerkannt17. Mit der gleichen Intention war auch schon die Tarifkappung für gewerbliche Einkünfte durch § 32c EStG a. F. gerechtfertigt worden18. K. Tipke ist allerdings der Auffassung, die Gewerbesteuer werde bei günstigen Marktbedingungen auf die Abnehmer der betrieblichen Produkte und Dienstleistungen überwälzt19. Neben den von ihm geäußerten grundsätzlichen Bedenken an der Inzidenz von Unternehmenssteuern und persönlicher Einkommensteuer20 führt er diesen Umstand gegen eine Einbeziehung der ________________________

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dende folglich auszublenden. Wenngleich diese Überlegungen bei der derzeitigen Ausgestaltung der Gewerbesteuer nicht von der Hand gewiesen werden können (dazu auch näher unter III.), so wäre doch eine leistungsfähigkeitsgerechte, anrechenbare Gewerbesteuer denkbar. Sie wäre wegen der Hebesatzautonomie der Gemeinden sowie der damit verbundenen Möglichkeit der Feinsteuerung, über welche Betätigungen der gemeindeangehörigen Einwohner und Unternehmen sich die Gemeinden steuerlich finanzieren, auch nicht ohne eigenständige Existenzberechtigung. Angesichts dessen ist die Gewerbesteuer konform zu ihrem Ertragsteuercharakter in den Belastungsvergleich einzubeziehen, und zwar ohne Beachtung der wohl überwiegend leistungsfähigkeitswidrigen Hinzurechnungen und Kürzungen nach den §§ 8 f. GewStG. Speziell auf die Hinzurechnungen und Kürzungen betreffend Dividenden wird außerdem noch einzugehen sein. Ausführlich R. Wendt, BB 1987, S. 1257 (1261 ff.). Ebenso K. Tipke, StRO II, S. 838; M. Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 116; T. Keß, FR 2003, S. 959. BVerfG v. 18.6.1975 – 1 BvR 528/72 –, BVerfGE 40, S. 109 (118). Vgl. auch die Begründung zum Entwurf des StSenkG, BT-Drs. 14/2683, S. 98. Aufgrund dieser – wenngleich unvollständigen – Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer (nur) dann, wenn keine Kapitalgesellschaft zwischengeschaltet ist, kann die Einbeziehung der (Vor-)Belastung von Dividendeneinkünften mit Gewerbesteuer in den Belastungsvergleich mit anderen Einkünften auch nicht gleichsam als Nullsummenspiel angesehen und ignoriert werden. Gl. A. P. Bareis, BB 2003, S. 2315. Die gegenteilige Auffassung von H. G. Raber, DB 1999, S. 2596 (2599) berücksichtigte den § 35 EStG noch nicht und dürfte darum überholt sein. Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung zum StandOG 1993, BTDrs. F12/4487, S. 25. Der BFH hat es denn auch als gleichheitssatzwidrig angesehen, nur Einzel- und Mitunternehmer, nicht aber Dividendenbezieher von Gewerbesteuer zu entlasten, vgl. BFH v. 24.2.1999 – X R 171/96, BStBl. II 1999, S. 450 (461 ff.). K. Tipke, StRO II, S. 829 f. Hierzu sei auf die Diskussion im 2. Kapitel unter A.I.2.a.cc) (i) (2) verwiesen.

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

Gewerbesteuer in die Belastungsrechnung bei Dividendeneinkünften an21. Indes ist auch bei der Gewerbesteuer eine Überwälzung fraglich und jedenfalls vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Sie kann darum im Rahmen eines normativ angelegten Belastungsvergleichs nicht berücksichtigt werden. Es sei hier auf die schon oben geführte Diskussion zur Überwälzungsproblematik verwiesen22. Durch § 32c EStG a. F. bzw. § 35 EStG hat der Gesetzgeber auch endgültig der Fundustheorie, wonach die Gewerbesteuer durch Vermögenseinsatz „fundierte“, besonders sichere und ertragreiche Einkommen treffe und darum zusätzliche Leistungsfähigkeit erfasse, eine Absage erteilt. Diese früher vor allem von Finanzwissenschaftlern23 und in jüngerer Zeit noch vom Bundesverfassungsgericht24 gepflegte Vorstellung musste ohnehin auf Vorbehalte stoßen. Einerseits sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb nicht generell sicherer als andere Einkünfte25. Andererseits fragt das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht danach, wie mühelos oder sicher Erträge erwirtschaftet werden. Eine erhöhte Leistungsfähigkeit kann sich im Vergleich zu anderen Steuerpflichtigen stets nur aus vergleichsweise höheren Vermögenszuwächsen, nicht aber aus den näheren Umständen von deren Erzielung ergeben26. Nunmehr wird auch nach der gesetzgeberischen Konzeption der Unternehmensbesteuerung deutlich, dass Gewerbesteuer und Einkommensteuer auf dieselbe Leistungsfähigkeit in Form gewerblicher Erträge zugreifen und die Gewerbesteuer nicht etwa eine zusätzliche Leistungsfähigkeit abschöpft. Allerdings gilt § 35 EStG nur für gewerbliche Erträge, die vom Einzelunternehmer oder von Personengesellschaften erwirtschaftet werden. Die Wertung kann jedoch für mittels Kapitalgesellschaften erzielte Erträge nicht anders ausfallen. Es wurde bereits dargelegt, dass sich auch deren Leistungsfähigkeit nur nach dem tatsächlich erzielten Vermögenszuwachs bemisst, und nicht nach der Möglichkeit oder Leichtigkeit, dessen Höhe positiv zu beeinflussen. Angesichts der rechtlichen Verselbständigung der Kapitalgesellschaft kann es auf solch subjektive Faktoren bei ihr sogar noch weniger ankommen als bei natürlichen Personen27. ________________________

21 Vgl. auch K. Tipke in: Tipke/Bozza, Besteuerung von Einkommen, S. 9 (24), wo er

22 23 24 25 26 27

auf eine einheitliche Unternehmensteuer abstellt. Zustimmend B. Lieber in: Herrmann/ Heuer/Raupach, Steuerreform II, § 10 AStG (Stand: 04/01), Rz. 18; dies., FR 2002, S. 139 (140, Fn. 8). Im 2. Kapitel unter A.I.2.a.cc) (i) (1). Vgl. die Nachweise bei H. Zitzelsberger, Grundlagen der Gewerbesteuer, S. 164 Rz. 93. BVerfG v. 24.1.1962 – 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, S. 331 (348 f.); BVerfG v. 18.6.1975 – 1 BvR 528/72, BVerfGE 40, S. 109 (117). K. Tipke, StRO II, S. 829; J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 4 Rz. 106. So auch das Nds. FG v. 24.6.1998 – IV 317/91, FR 1998, S. 1041 (1049). Das hat auch das BVerfG schon frühzeitig erkannt, vgl. BVerfG v. 24.1.1962 – 1 BvR 845/58 –, BVerfGE 13, S. 331 (350).

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Der Entlastungsmechanismus

Es bleibt damit festzuhalten, dass bei natürlichen Personen als Anteilseignern die kumulierte Belastung der Dividende mit Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Einkommensteuer unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten prinzipiell genau der Steuerbelastung entsprechen müsste, welche auf anderweitige Einkünfte nach dem Einkommensteuertarif entfallen würde28. Das abgeschaffte Vollanrechnungsverfahren sorgte zunächst durch die von der Kapitalgesellschaft zu führende Gliederungsrechnung dafür, dass die körperschaftsteuerliche Vorbelastung sämtlicher für Ausschüttungszwecke zur Verfügung stehenden Unternehmensgewinne genau bekannt war. Die Herstellung einer einheitlichen Ausschüttungsbelastung, von welcher der Anteilseigner durch Anrechnung wieder entlastet wurde, beseitigte bei diesem im Ergebnis jegliche Vorbelastung der Dividende mit Körperschaftsteuer. Dafür setzten sich die einkommensteuerbaren Einnahmen aus der Bruttodividende und zusätzlich dem Anrechnungsguthaben zusammen, § 20 Abs. 1 Nr. 1 u. 3 EStG a. F. Sie entsprachen damit der Höhe nach grundsätzlich dem zur Ausschüttung verwendeten Gewinn vor Körperschaftsteuer, der damit letztlich nur beim Anteilseigner nach dem für ihn geltenden Einkommensteuersatz belastet wurde. Allerdings führte dieser Mechanismus dazu, dass Steuersatzermäßigungen oder Steuerbefreiungen, in deren Genuss die ausschüttende Gesellschaft gekommen war, nicht an den Gesellschafter weitergegeben wurden. Inwieweit dies gerechtfertigt war, soll an dieser Stelle jedoch dahingestellt bleiben. Prinzipiell jedenfalls gewährleistete das Vollanrechnungsverfahren, dass die von der Körperschaft erwirtschafteten und in Form von Dividenden ausgeschütteten Erträge insgesamt nur einmal, und zwar nach dem individuellen (Durchschnitts-)Steuersatz des Anteilseigners belastet würden. Dies gilt allerdings nur unter Außerachtlassung der gewerbesteuerlichen Vorbelastung der Dividenden, die weiter bestehen blieb. Diese nach den obigen Feststellungen schon vor Einfügung der pauschalierten Gewerbesteueranrechnung in § 35 EStG höchst fragwürdige Regelung bedürfte inzwischen endgültig einer

________________________ 28 Angedeutet wird dies auch von M. Jachmann, DStJG 25, S. 195 (230): „Schließlich

werden Einkünfte aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften im Vergleich zu den gewerblichen Einkünften aus einem Personenunternehmen insoweit anders behandelt, als keine Anrechnung der Gewerbesteuer erfolgt, obwohl diese Einkünfte wirtschaftlich durch Gewerbesteuer vorbelastet sind [insoweit Zitat der Brühler Empfehlungen, S. 93] … Aus der Perspektive der gleichmäßigen Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wäre eine ertragsteuerliche Vorbelastung ausgeschütteter Dividenden bei der Körperschaft stets zur Ertragsbesteuerung dieser Dividenden beim Anteilseigner zu addieren.“

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

Korrektur29. Eine solche könnte das abgelöste Vollanrechnungsverfahren aber theoretisch leisten, indem die Belastung mit Gewerbesteuer in die Gliederungsrechnung mit aufgenommen würde. Es ist somit festzustellen, dass das bisherige Vollanrechnungsverfahren im Grundsatz optimal geeignet war, um die Integration der Besteuerung auf Kapitalgesellschaftsebene einerseits und Anteilseignerebene andererseits leistungsfähigkeitsgerecht zu verwirklichen. Dem Postulat der Einmalbelastung exakt zum individuellen durchschnittlichen Einkommensteuersatz des Dividendenbeziehers konnte mit ihm bei jeweils unbeschränkt steuerpflichtigen Steuersubjekten vollumfänglich Rechnung getragen werden. b) Unmöglichkeit einer zwischenstaatlich gerechten und zugleich europarechtskonformen Ausgestaltung des Anrechnungsverfahrens Die Crux des deutschen Anrechnungsverfahrens und einer der Hauptgründe für seine Abschaffung lag freilich darin, dass der Entlastungsmechanismus – wie international üblich30 – auf den reinen Inlandssachverhalt beschränkt blieb. Beschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern blieb die Anrechnung der Körperschaftsteuer grundsätzlich verwehrt, §§ 50 Abs. 5 S. 1, 36 Abs. 2 Nr. 3 S. 4 lit. f EStG 2000. Anrechnungsberechtigt waren sie lediglich dann, wenn die Dividenden über eine inländische Betriebsstätte oder einen inländischen ständigen Vertreter bezogen wurden, § 50 Abs. 5 S. 2 EStG 200031. Ebenso wenig kamen die Gesellschafter ausländischer bzw. beschränkt steuerpflichtiger Kapitalgesellschaften in den Genuss des Anrechnungsverfahrens. Angerechnet werden konnte nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 S. 1 EStG nämlich nur die Körperschaftsteuer einer unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft. Infolge dieser binnenorientierten Ausrichtung ist dem Anrechnungsverfahren von verschiedenen Seiten der Vorwurf der Europarechtswidrigkeit gemacht worden32. Auch die EU-Kommission hatte es deswegen beanstandet33. ________________________ 29 Aus ausländischer Sicht, die unbefangener und vom historischen Verständnis der

30 31 32

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Gewerbesteuer nicht belastet ist, erscheint diese Schlussfolgerung ohnehin als nicht näher erörterungsbedürftig, vgl. Á. de la Cueva González-Cotera, Estudios Financieros 2000, S. 49 (69). Dazu C. de Pablo Varona, RDFHP 2002, S. 51 (54) mit zahlreichen Nachweisen aus dem internationalen Schrifttum. Vgl. auch W. Heinicke in: Schmidt, EStG, 19. Aufl., § 36 Rz. 29. Vgl. z. B. A. Wiedow, Diskussionbeitrag in: Lehner/Thömmes, Europarecht und Internationales Steuerrecht, S. 76, der nur ein klassisches System der Dividendenbesteuerung für europarechtskonform hielt. Auf Seite 3 des Schreibens der Europäischen Kommission vom 31.10.1995 (Dok. SG(95) D/13622) heißt es: „Die Kommission ist daher der Ansicht, dass die genannten deutschen einkommensteuerrechtlichen Bestimmungen [zum körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren] gegen die Artikel 67 ff. des EG-Vertrages verstoßen.“

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Der Entlastungsmechanismus

Vor allem durch diesen Umstand sah sich der Gesetzgeber veranlasst, den Anrechnungsmechanismus durch das Halbeinkünfteverfahren zu ersetzen34. Wie gezeigt werden konnte, sind die europarechtlichen Vorgaben, insbesondere diejenigen der Grundfreiheiten des EG-Vertrages, vom nationalen Gesetzgeber unbedingt einzuhalten. Es muss darum geprüft werden, inwieweit das Anrechnungsverfahren möglicherweise diesen Vorgaben widersprach, und ob es gegebenenfalls überhaupt europarechtskonform hätte ausgestaltet werden können, ohne mit anderen Fundamentalprinzipien in Konflikt zu geraten. aa) Europarechtliche Beurteilung des Ausschlusses der Steuerausländer (i)

Grundfreiheitsrelevante Ungleichbehandlung

Es wurde bereits festgestellt, dass der grenzüberschreitende Dividendenbezug in den Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 EGV fällt. Hat Beteiligung an der ausschüttenden Kapitalgesellschaft nach Umfang und Qualität unternehmerischen Charakter, so kann außerdem auch die Niederlassungsfreiheit des Art. 43 EGV tangiert sein. Beide Grundfreiheiten verbieten prinzipiell eine Ungleichbehandlung, welche an den grenzüberschreitenden Charakter des Dividendenbezugs anknüpft und diesen im Vergleich zum reinen Binnensachverhalt schlechter stellt. Eine solche Diskriminierung liegt aber unzweifelhaft vor, wenn beschränkt Steuerpflichtige anders als unbeschränkt Steuerpflichtige nicht in den Genuss des Anrechnungsverfahrens kommen35. Bei jenen bleibt die körperschaftsteuerliche Vorbelastung der Dividende ungemildert bestehen, wohingegen sie bei Letztgenannten im Zuge der einkommensteuerlichen Veranlagung vollständig beseitigt wird. Damit wird der Bezug inländischer Dividenden über die Grenze hinweg zum gesetzlichen Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Schlechterstellung gemacht.

________________________ Vgl. auch die Nachweise bei J. Hey in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. KSt (Stand: 09/99), Rz. 174; R. Seer, StbJb 2000/2001, S. 15 (27); A. Raupach, DStJG 20, S. 21 (53); sowie im Gesetzentwurf zum StSenkG, BT-Drs. 14/2683, S. 95. 34 Vgl. Gesetzentwurf zum StSenkG, BT-Drs. 14/2683, S. 95. 35 So auch M. Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 85; N. Bozza-Bodden, Körperschaftsteuersystem, S. 307; N. Herzig/N. Dautzenberg, DB 1997, S. 8 (14); vgl. auch Generalanwalt Mischo in seinen Schlussanträgen zur Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779, Tz. 50 f.

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

(ii) Vergleichbarkeit der Sachverhalte Nun wird teilweise vertreten, diese Ungleichbehandlung sei europarechtlich nicht rechtfertigungsbedürftig, weil beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtige insoweit nicht vergleichbar seien36. (1) Unterschiedliche Erfassung steuerlicher Leistungsfähigkeit Als Begründung hierfür wird hauptsächlich vorgebracht, dass der ausländische Anteilseigner im Sitzstaat der Kapitalgesellschaft lediglich einer Kapitalertragsteuer unterliege, wohingegen der unbeschränkt Steuerpflichtige die von ihm bezogene Dividende nach dem regulären Einkommensteuertarif versteuern müsse37. Eng mit dieser Argumentation verbunden ist der gelegentlich ebenfalls geäußerte Einwand, dass bei unbeschränkt Steuerpflichtigen die gesamte Leistungsfähigkeit, bei beschränkt Steuerpflichtigen hingegen nur ein Ausschnitt davon erfasst würde38. Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass der Quellenstaat bei der Besteuerung des Dividendenbezugs beschränkt Steuerpflichtiger auf dasselbe Steuergut zugreift wie beim unbeschränkt Steuerpflichtigen39. In den Divi________________________ 36 Vgl. O. H. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 5. Aufl., S. 229; N. Bozza-

Bodden, Körperschaftsteuersystem, S. 308 f.; C. Spengel/C. Jaeger/K. Müller, IStR 2000, S. 257 (259); R. Maiterth/B. Semmler, BB 2000, S. 1377 (1384); C. Jaeger, Körperschaftsteuersysteme, S. 210; W. Reiß, DStR 1999, S. 2011 (2015); C. de Pablo Varona, La tributación del socio, S. 452 Fn. 262; T. Bieg, Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, S. 330; G. J. M. E. de Bont, EC Tax Review 1995, S. 136 (141). Ebenso W. Schön in: GS Knobbe-Keuk, S. 743 (775); M. Tumpel, DStJG 23, S. 321 (355); sowie J. M. Mössner/D. Kellersmann, DStZ 1999, S. 505 (513 f.), die freilich dann eine Diskriminierung annehmen wollen, wenn auch im Heimatstaat des Anteilseigners keine Anrechnung stattfinde. Diese Aussage ist insofern problematisch, als dass zum einen die Versagung der Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer jedenfalls bei natürlichen Personen europaweit die Regel ist, zum anderen das Vorliegen einer Diskriminierung stets nur anhand der Rechtsordnung des betroffenen Mitgliedstaates diagnostiziert werden kann, worauf bereits hingewiesen wurde. 37 C. Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 275; O. H. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 5. Aufl., S. 229; ders. in: FS Fischer, S. 85 (100); C. Spengel/C. Jaeger/K. Müller, IStR 2000, 257 (259); C. Jaeger, Körperschaftsteuersysteme, S. 210; ähnlich M. Tumpel, DStJG 23, S. 321 (355); W. Schön in: GS Knobbe-Keuk, S. 743 (775). Unklar T. Bieg, Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, S. 330, der etwas obskur von der „Systembedingtheit des Anrechnungsverfahrens“ spricht. 38 J. M. Mössner/D. Kellersmann, DStZ 1999, S. 505 (513 f.). 39 Ähnlich auch M. Desens, IStR 2003, S. 613 (620); N. Herzig in: GS Knobbe-Keuk, S. 627 (636 f.). Neben der Sache liegt die Argumentation von H. G. Raber, DStJG Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 103 (107 f.), der Steuerausländer würde im Vergleich zu den in seinem Wohnsitzstaat ansässigen Inlandsinvestoren nicht benachteiligt und infolgedessen in seiner Anlageentscheidung nicht beeinflusst. Raber

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Der Entlastungsmechanismus

dendenbezügen des Steuerausländers kommt mit anderen Worten keine andere objektive Leistungsfähigkeit zum Ausdruck als in jenen des Steuerinländers. Es wurde bereits dargelegt, dass hinsichtlich der steuerlichen Behandlung von Elementen der Bemessungsgrundlage, für die der persönliche Status des Steuerpflichtigen keine spezifische Relevanz hat, nach der zutreffenden Auffassung des EuGH stets von einer hinreichenden Vergleichbarkeit auszugehen ist. Insoweit der Bestimmungsstaat auf entsprechende Erträge bei beschränkt wie unbeschränkt Steuerpflichtigen Zugriff nehmen kann, sie gleichermaßen der Besteuerung durch ihn zugänglich sind, muss er sie prinzipiell auch im Belastungserfolg gleichstellen40. Nur vordergründig kann die Gegenauffassung darauf verweisen, eine solche vergleichbare Zugriffsmöglichkeit sei nicht gegeben, weil bei beschränkt Steuerpflichtigen lediglich eine Kapitalertragsteuer mit Abgeltungswirkung erhoben würde, so dass sie letztlich gar keine Einkommensteuer schuldeten41. Sie übersieht dabei nämlich, dass es nicht in der Hand des Mitgliedstaates liegen kann, durch die Ausgestaltung seiner Besteuerungsregeln Vergleichbarkeit zu schaffen oder aber auszuschließen. Tatsächlich handelt es sich um einen Zirkelschluss, der aus der diskriminierenden Besteuerungsregel die mangelnde Vergleichbarkeit der zu untersuchenden Sachverhalte abzuleiten versucht. Richtigerweise kann es nur darauf ankommen, dass sowohl die abgeltende Kapitalertragsteuer beim Steuerausländer als auch die Veranlagung des Dividendenbezugs beim Steuerinländer auf einen vergleichbaren Leistungsfähigkeitsindikator abzielen. Die daran anknüpfende Ungleichbehandlung ist nicht Rechtfertigung ihrer selbst, sondern im Gegenteil rechtfertigungsbedürftig. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn der Mitgliedstaat rechtlich daran gehindert wäre, die im Dividendenbezug verkörperte Leistungsfähigkeit bei beiden Vergleichsgruppen gleich zu behandeln und ihm diese Verhinderung auch nicht zugerechnet werden könnte. Tatsächlich ist es aber keinem Staat schon nach allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen verwehrt, die Dividenden Nichtansässiger in gleichem Maße zu besteuern wie die von Ansässigen. Es genügt vielmehr, dass mit der Ansässigkeit der ausschüttenden Gesellschaft ein hinreichender Anknüpfungspunkt für die inländische Besteuerungsgewalt vorhanden ist. Die Intensität des Besteuerungszugriffs ________________________ verkennt, dass es für die grundfreiheitliche Beurteilung von Maßnahmen des Bestimmungsstaates auf den Vergleich zwischen den dort Ansässigen und dem grenzüberschreitend Investierenden ankommt. 40 Tendenziell gl. A. wohl Generalanwalt Mischo in seinen Schlussanträgen zur Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002, I-11779, Tz. 47 f. Vgl. auch M. Schraufl, Körperschaftsteuersysteme, S. 96 u. 139 f. 41 So aber insbesondere J. M. Mössner/D. Kellersmann, DStZ 1999, S. 505 (513).

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

unterliegt dann auch beim Steuerausländer prinzipiell keinen Beschränkungen mehr. Diese können sich allerdings völkerrechtlich aus Doppelbesteuerungsabkommen ergeben, insbesondere wenn diese sich wie im Regelfall am OECDMusterabkommen orientieren. Dessen Art. 10 Abs. 2 lit. b sieht bei natürlichen Personen eine Begrenzung des Besteuerungsrechts des Quellenstaates auf 15 % des Bruttobetrags der Dividende vor. Speziell Deutschland hat mit den anderen Mitgliedstaaten der EU regelmäßig entsprechende Vereinbarungen getroffen. Die damit einhergehende völkerrechtliche Bindung muss sich jeder Mitgliedstaat aber selbst zurechnen lassen42. Genauso wenig wie ein Mitgliedstaat durch die nähere Ausgestaltung seiner internen Steuerrechtsordnung Einfluss auf die Vergleichbarkeit von nationalem und grenzüberschreitendem Sachverhalt nehmen kann, ist ihm dies durch den Abschluss völkerrechtlicher Vereinbarungen möglich43. Ansonsten hätten es die EUMitgliedstaaten in der Hand, in die Rechtssatzform eines völkerrechtlichen Vertrages „auszuweichen“, um eine Diskriminierung im Hinblick auf europarechtliche Vorgaben zu immunisieren44. Im Übrigen dienen die DBA auch lediglich dem Zweck, eine übermäßige, nicht leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung im internationalen Kontext durch die ein- oder beidseitige Zurücknahme der Besteuerungsrechte zu verhindern. Soweit das Besteuerungsrecht dem Abkommensstaat aber weiter zusteht, muss er es nach den allgemeinen Grundsätzen diskriminierungsfrei ausgestalten45. Im Falle der Dividendenbesteuerung kommt hinzu, dass sich das OECDMusterabkommen noch am sogenannten klassischen System ungemilderter Doppelbelastung von Unternehmensertrag und Dividende orientiert46. Der niedrige Quellensteuersatz auf die Dividende rechtfertigt sich in diesem System durch den vollständigen Verbleib der Steuern auf den Unternehmensgewinn im Quellenstaat. Das OECD-MA will also nicht sich aus der Natur des Dividendenbezugs ergebenden Sachgesetzlichkeiten, sondern einem bestimmten Konzept von Gesellschafts- und Gesellschafterbesteuerung Rechnung tragen. Hat ein Mitgliedstaat jedoch aufgrund verfassungsrechtlicher oder einfachgesetzlicher Wertungen ein abweichendes Verständnis zur Integration von Unternehmens- und Anteilseignerbesteuerung, so muss er sich ________________________ 42 Ähnlich A. Cordewener, ET 2003, S. 294 (300). 43 Zweifelnd A. Benecke/A. Schnitger, IStR 2003, S. 649 (655). 44 So treffend M. Lang in: Gassner/Lang/Lechner, Doppelbesteuerungsabkommen, S. 25

(30). 45 Siehe im 2. Kap., C.V.3.a.bb.; vgl. zu dieser Differenzierung auch A. Cordewener,

Grundfreiheiten, S. 936. 46 Vgl. Art. 10 Abs. 2 S. 3 OECD-MA, dazu H. Schaumburg, Internationales Steuer-

recht, 2. Aufl., Rz. 16.324; F. Wassermeyer in: Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 10 Rz. 12.

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Der Entlastungsmechanismus

an diesem unabhängig vom transnationalen oder rein internen Charakter des Vorgangs festhalten lassen. Er kann sich nicht darauf berufen, einen völkerrechtlichen Vertrag eingegangen zu sein, der im internationalen Kontext diesen Wertungen widerspricht, und daraus die mangelnde Vergleichbarkeit der beiden Fallgruppen ableiten. (2) Beeinträchtigung des Vorrechts des Quellenstaates Schließlich wird zum Teil auch darauf hingewiesen, dass international und insbesondere auch innerhalb Europas das Recht des Quellenstaates anerkannt sei, die bei ihm ansässigen Körperschaften definitiv zu besteuern. Ob und inwieweit dann die Körperschaftsteuer bei der Besteuerung der Ausschüttung anzurechnen sei oder nicht, entscheide sich dann nach dem Steuerrecht des Wohnsitzstaates des Anlegers. Bei beschränkt Steuerpflichtigen könne darum die etwaige Versagung einer Anrechnung nicht dem Quellenstaat als diskriminierendes Verhalten zugerechnet werden47. Dieser Einwand vermag nicht zu überzeugen. Was zunächst das Recht des Quellenstaates angeht, unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften abschließend zu besteuern, so kann er sich darauf nicht mehr berufen, wenn er stattdessen für die Integration von Körperschafts- und Anteilseignerbesteuerung optiert hat. Das Europarecht verpflichtet ihn nicht a priori auf ein bestimmtes Körperschaftsteuersystem48, es zwingt ihn insbesondere nicht zu einem Abgehen vom klassischen System der Definitivbesteuerung49. Entscheidet sich ein Mitgliedstaat gleichwohl für die Integration der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung in die Steuerbelastung des Anteilseigners, so gebietet es aber prinzipiell die gleichheitskonforme Ausdehnung dieses Entlastungsmechanismus auch auf transnationale Sachverhalte50. Europarechtlich irrelevant ist letztlich auch die Überlegung, der Quellenstaat müsse eine seinen Ansässigen gewährte Anrechnung von Körperschaftsteuer den beschränkt Steuerpflichtigen deshalb nicht gewähren, weil dies Aufgabe ________________________ 47 W. Reiß, DStR 1999, S. 2011 (2015); N. Bozza-Bodden, Körperschaftsteuersystem,

S. 315; H.-H. Krebühl in: FS Fischer, S. 137 (143). 48 C. Staringer in: Lechner/Staringer/Tumpel, Kapitalverkehrsfreiheit, S. 93 (113); Wis-

senschaftlicher Beirat beim BMF, Kapitaleinkommensbesteuerung, S. 104. 49 Das klassische System wird im Gegenteil einhellig als ohne weiteres diskriminie-

rungsfrei und damit als unproblematisch mit den EG-vertraglichen Grundfreiheiten zu vereinbaren gewürdigt, vgl. z. B. C. Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 279 m. w. N.; C. Staringer in: Lechner/Staringer/Tumpel, Kapitalverkehrsfreiheit, S. 93 (113); J. Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 269 f.; B. Knobbe-Keuk in: FS Klein, S. 347 (352); G. Saß, DB 1993, S. 113 (116). 50 Ähnlich M. Desens, IStR 2003, S. 613 (621) zu vergleichbaren Erwägungen im Zusammenhang mit der Besteuerung nichtansässiger Körperschaften.

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

des Wohnsitzstaates sei51. Mit dieser Argumentation soll die Zuweisung einer Verantwortlichkeit für die Beseitigung der Ungleichbehandlung an den Quellenstaat, zumindest aber die Vergleichbarkeit von beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen in Frage gestellt werden. In beiderlei Hinsicht kann sie aber nicht durchdringen: Was die Verantwortlichkeit für die Diskriminierung, das heißt die rechtliche Schlechterstellung der Steuerausländer, betrifft, so geht sie eindeutig vom Quellenstaat aus, wenn dieser ihnen den Zugang zum bei Steuerinländern praktizierten Anrechnungsverfahren verwehrt52. Das Europarecht fragt bei der Prüfung nationaler Bestimmungen am Maßstab der Grundfreiheiten jedenfalls im Falle rechtlicher Ungleichbehandlungen auch nicht danach, inwieweit ein anderer Mitgliedstaat diese kompensieren müsste. Es muss sich vielmehr jeder Vertragsstaat für die in seiner Rechtsordnung enthaltenen Ungleichbehandlungen verantworten; er kann sich nicht durch den Verweis auf etwaige Defizite ausländischer Rechtsordnungen exkulpieren53. Anders ist dies nur bei nichtdiskriminierenden Beschränkungen, bei denen erst wertend ermittelt werden muss, wem die faktische Schlechterstellung trotz rechtlicher Gleichbehandlung zuzurechnen ist. Bei echten Diskriminierungen kann es diesbezüglich keine Zweifel geben54 – die Schlechterstellung ergibt sich hier nicht erst aus dem Zusammenspiel der Bestimmungen aller beteiligten Mitgliedstaaten, sondern eindeutig aus der nationalen Rechtsordnung, welche die Diskriminierung enthält. Es ist darum im Übrigen auch falsch, diesbezüglich von einer „ungeklärten“ Frage zu sprechen, weshalb keine der nationalen Regelungen dem Verdikt der Europarechtswidrigkeit unterliege55. ________________________ 51 Im Ergebnis gl. A. FG München v. 26.1.1998 – 15 K 3861/93, EFG 1998, S. 1076

(1078). 52 B. Knobbe-Keuk in: FS Klein, S. 347 (351 f.); dies., EC Tax Review 1992, S. 22

(30 ff.). 53 Siehe 2. Kap., C.V.2.a. und C.VI.4.g. Vgl. dazu auch O. H. Jacobs, Internationale Unter-

nehmensbesteuerung, 5. Aufl., S. 229: „Nach den relevanten Grundsätzen der EuGHRechtsprechung ist zur Beseitigung einer Diskriminierung grundsätzlich derjenige verpflichtet, der den diskriminierenden Tatbestand verwirklicht.“. Gl. A. C. Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 275. 54 A. A., aber entgegen dem grundfreiheitlich vorgezeichneten Prüfungsansatz M. Lehner, RIW 2000, S. 719 (724): „… folgt die Diskriminierung aus der Besteuerung des ausgeschütteten Gewinns im Sitzstaat des Unternehmens und im Ansässigkeitsstaat des Beziehers der Dividenden. Insoweit kann den Diskriminierungsverboten allerdings nicht entnommen werden, welcher der beiden Staaten die Hauptverantwortung für die freiheitsbeschränkenden Nachteile trägt.“ Ähnlich und darum ebenso abzulehnen J. M. Mössner/D. Kellersmann, DStZ 1999, S. 505 (513). 55 So aber O. H. Jacobs in: FS Fischer, S. 85 (96 f.).

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Der Entlastungsmechanismus

(3) Ausstehende Harmonisierung der Körperschaftsteuersysteme Gegen die Verpflichtung des Quellenstaates zur diskriminierungsfreien Ausgestaltung seines Entlastungsmechanismus kann auch nicht eingewandt werden, die mangelnde Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Entlastungsbzw. Integrationssysteme müsse so oder so zu Ungleichbehandlungen führen56. Allerdings ist es richtig, dass für Investoren in Ländern mit sogenanntem klassischen System ein steuerlicher Anreiz zu Investitionen in Staaten mit Anrechnungssystem bestehen würde, wenn diese auch ausländischen Anteilseignern die volle Anrechnung der inländischen Körperschaftsteuer gewährten57. Hier stoßen die Grundfreiheiten an ihre Grenzen; vollständige Wettbewerbsneutralität – soweit man einen diesbezüglichen Wettbewerb der Steuersysteme überhaupt für schädlich hält58 – ließe sich in der Tat nur durch eine EU-weite Harmonisierung erreichen. Indes wäre es verfehlt, hieraus die fehlende Handhabbarkeit oder Sinnhaftigkeit der gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbote ableiten zu wollen. Es handelt sich bei den verbleibenden „Ungleichbehandlungen“ nämlich um bloße Regelungsdisparitäten, die aus der Unterschiedlichkeit der gemeinschaftsweiten Steuersysteme resultieren. Sie sind keineswegs nur im Steuerrecht anzutreffen, und wie in den übrigen Bereichen auch mag man ihre wirtschaftspolitische Wünschbarkeit in Frage stellen und eine Harmonisierung befürworten. Die Anwendbarkeit der Grundfreiheiten steht aber schon deshalb nicht unter einem entsprechenden Harmonisierungsvorbehalt, weil diese die Verschiedenheit der gemeinschaftsweiten (Teil-)Rechtsordnungen hinnehmen und nur deren beschränkungsfreie Ausgestaltung verlangen59. Das ergibt sich zum Teil sogar ausdrücklich aus ihrem Wortlaut, insoweit dieser von der gebotenen rechtlichen Gleichstellung mit Inländern spricht und eine Verschiedenheit der Rechtsordnung gerade voraussetzt. Auch der EuGH betont zu Recht in nahezu jedem seiner Urteile zum direkten Steuerrecht, dass die Befugnis zur Ausgestaltung der Systeme direkter Steuern auf den Ertrag einerseits nach wie vor in die von sekundärrechtlichen Vorgaben nahezu uneingeschränkte Kompetenz der Mitgliedstaaten fällt. Diese müssen aber andererseits ihre Befugnisse unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben und sich darin unmittelbar an den Grundfreiheiten des EGV messen lassen60.

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56 M. Mössner/D. Kellersmann, DStZ 1999, S. 505 (514); N. Bozza-Bodden, Körper-

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schaftsteuersystem, S. 315. Dieses Problem wird auch von G. Saß so gesehen, der sich allerdings nicht zu den Konsequenzen für die Diskriminierungsprüfung äußert, DStJG 19, Diskussionsbeitrag, S. 47. Insoweit zutreffend H. G. Raber, DB 1999, S. 2596 (2597). Zweifelnd z. B. N. Dautzenberg, Unternehmensbesteuerung, S. 467 m. w. N. Vgl. dazu die Erwägungen im 2. Kap., C.VI.4.g.bb. Siehe 2. Kap., C.I.

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

Insofern ist es nicht vertretbar, von einem ungeklärten Verhältnis zwischen Diskriminierung und Harmonisierung zu sprechen61. Der EG-Vertrag respektiert vorbehaltlich eines Harmonisierungsgebotes62 ungleiche mitgliedstaatliche Rechtsordnungen, muss dies teilweise auch im Hinblick auf das in Art. 5 EGV verankerte Subsidiaritätsprinzip63, aber er akzeptiert nicht die Ungleichbehandlung innerhalb der jeweiligen Rechtsordnung durch ein und denselben Hoheitsträger64. Diesem allein obliegt es darum auch, für ihre Beseitigung Sorge zu tragen. (4) Zwischenfazit Nach alledem ist davon auszugehen, dass sich unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtige hinsichtlich der Gewährung des Anrechnungsguthabens in einer vergleichbaren Situation befinden. (iii) Rechtfertigung des Ausschlusses? Es stellt sich damit die Frage, ob die diesbezügliche Diskriminierung beschränkt Steuerpflichtiger gerechtfertigt werden kann. In Betracht käme zunächst die Notwendigkeit einer kohärenten Ausgestaltung des Systems der Integration von Gesellschafts- und Gesellschafterbesteuerung. So wird argumentiert, dass nur die Dividenden inländischer Anteilseigner auch der inländischen Einkommensteuer unterlägen. Ihre steuerliche Belastung im Inland sei damit auch bei Erstattung der von der ausschüttenden Kapitalgesellschaft entrichteten Körperschaftsteuer sichergestellt. Demgegenüber würden an ausländische Anteilseigner ausgezahlte Dividenden einkommensteuerlich nicht erfasst, so dass die Belastung mit Körperschaftsteuer bestehen bleiben müsse. Bei einer Gesamtschau von Körperschaft- und Einkommensteuer würden somit letztlich beide Vergleichsgruppen genau einmal belastet65. (1) Anwendbarkeit des Kohärenzgedankens Der Rechtfertigungsgrund der Kohärenz des nationalen Steuersystems müsste dann freilich eine solch integrierende Betrachtungsweise von Körperschaft und Anteilseigner überhaupt zulassen. Es wurde bereits oben66 darauf ________________________ 61 So aber M. Mössner/D. Kellersmann, DStZ 1999, S. 505 (514). 62 Und nur über dessen Umfang besteht im Hinblick auf die weitreichenden Wirkungen

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der Diskriminierungsverbote Diskussionsbedarf, vgl. die Diskussionsbeiträge in DStJG 19, S. 45 ff. Insoweit zutreffend N. Bozza-Bodden, Körperschaftsteuersystem, S. 317. Wie hier O. H. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 5. Aufl., S. 235. N. Bozza-Bodden, Körperschaftsteuersystem, S. 310 f. Im 2. Kap., C.VI.4.g.aa.

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Der Entlastungsmechanismus

hingewiesen, dass dies nach der Rechtsprechung des EuGH bis zur Manninen-Entscheidung nicht der Fall ist, weil kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung der Kapitalgesellschaft und der einkommensteuerlichen Nachbelastung des Gesellschafters bestehe67. Diese Rechtsprechung ist von Teilen der Literatur eher unreflektiert als konsequente Fortentwicklung des Erfordernisses personeller Identität von Begünstigtem und Belastetem vorweggenommen bzw. zustimmend kommentiert worden68. Mit der jüngsten Rechtsprechungsänderung dürfte diese Sichtweise freilich überwunden sein. Ausgehend vom hier zugrundegelegten Verständnis des Kohärenzgedankens als einem auf die Gewährleistung von Belastungsgleichheit abzielenden Grundsatz69 erscheint ein bloß formaltechnisches Kohärenzverständnis in der Tat als zu restriktiv: Denn die körperschaftsteuerliche Vorbelastung ist wirtschaftlich vom Anteilseigner zu tragen, weil sie den für die Ausschüttungen an ihn zur Verfügung stehenden Ertrag mindert, also de facto auf seiner Dividende lastet. Dieser Zusammenhang ließ sich gerade im deutschen Anrechnungsverfahren deutlich nachvollziehen70; im spanischen Anrechnungsverfahren wird er sogar in der Ge________________________ 67 Vgl. auch die Mitteilung der EU-Kommission zur Besteuerung von Dividenden im

Binnenmarkt v. 19.12.2003, KOM(2003) 810 endg., unter 3.2.2.1. 68 Vgl. z. B. D. Aigner, Intertax 2004, S. 148 (149); G. Kofler, ÖStZ 2004, S. 343 (347);

M. Schraufl, Körperschaftsteuersysteme, S. 111 f.; M. Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 89 f.; A. Benecke/A. Schnitger, IStR 2003, S. 649 (656); H. Liede/L. Hintsanen, ET 2003, S. 31 (35); D. Aigner, SWI 2003, S. 63 (66); C. Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 276 f.; G. Toifl/T. Polivanova-Rosenauer, ET 2003, S. 87 (89 f.); M. Sullivan/R. Wallner/S. Wübbelsmann, IStR 2003, S. 6 (12); G. Kofler, ÖStZ 2003, S. 404 (409); J. M. Almudí Cid/F. Serrano Antón, QF 2002/19, S. 7 (11 u. 16); D. Witzel, IStR 2002, S. 758 (762); M. Tumpel, ÖStZ 2002, S. 548 (551); G. Toifl, SWI 2002, S. 458 (463); O. H. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 5. Aufl., S. 230; D. Witzel, IStR 2002, S. 758 (762); P. Dibout, Revue de Droit Fiscal 2000, S. 1365 (1369); A. Lupo, ET 2000, S. 270 (274); C. Jaeger, Körperschaftsteuersysteme, S. 215 u. 244; N. Dautzenberg, StuB 2000, S. 720 (726); H. G. Raber, DStJG Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 103 (109 f.). Ebenso das FG Köln v. 24.6.2004 – 2 K 2241/02, noch n. v., unter 3.b.bb.bbb der Entscheidungsgründe. 69 Siehe dazu oben unter C.VI.4.g.bb. 70 So auch W. Schön, DB 2001, S. 940 (944); ders., FR 2001, S. 381 (389). Ebenso Generalanwältin Kokott in ihren Schlussanträgen v. 18.3.2004 in der Rs. C-319/02 (Manninen), IStR 2004, S. 313, Rz. 64 zur Kohärenz des finnischen Anrechnungsverfahrens. Verfehlt ist es demgegenüber, den Zusammenhang zwischen Körperschaftsteuervorbelastung und Anrechnungsguthaben zu leugnen, weil nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG a. F. die Steuergutschrift unabhängig von der Entrichtung der Körperschaftsteuer gewährt worden sei. Diese Argumentation im Vorlagebeschluss des FG Köln v. 24.6.2004 – 2 K 2241/02, noch n. v., unter 3.b.bb.ccc der Gründe zeugt von eben jenem unangebrachten bloß formellen Kohärenzverständnis, den eine materiell-rechtliche Betrachtung überwinden muss. Entbehrlich war im Anrechnungsverfahren

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

setzespräambel verdeutlicht71. Im ökonomischen Schrifttum ist dieser Zusammenhang erst recht als evident anerkannt, sofern man die Prämisse akzeptiert, dass die Körperschaftsteuer tatsächlich von der Körperschaft getragen wird72. A. J. Martín Jiménez und J. M. Calderón Carrero bescheinigen der bisherigen Rechtsprechung des EuGH vor diesem Hintergrund zu Recht ein „seltsames“ Verständnis hinsichtlich der Integration von Körperschaftsteuer und Einkommensteuer73. Richtigerweise ist stattdessen davon auszugehen, dass bei der Beurteilung der steuerlichen Kohärenz des Anrechnungsverfahrens die fehlende personelle Identität zwischen der belasteten Gesellschaft und dem die korrespondierende Entlastung erfahrenden Gesellschafter keine Rolle spielt74. Dies hat – wenngleich nur für exakte Entlastungsmechanis________________________

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lediglich der genaue Nachweis der Körperschaftsteuervorbelastung, weil dies erheblichen Verwaltungsaufwand provoziert hätte, vgl. Eberhardt in: Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG/KStG, § 36 EStG (Stand: 04/03), Rz. 49. Die Vorbelastung wurde aber erkennbar vom Gesetzgeber als gegeben und als durch die Ausgestaltung des KStG gesichert angesehen (vgl. BT-Drucks. 7/1470, S. 301). Siehe dazu auch J. Englisch, IStR 2004, S. 526 (527). Exposición de motivos, LIS: „… el Impuesto sobre Sociedades, en un sistema tributario que pretenda gravar la renta de manera extensiva y por una sola vez, constituye un antecedente del Impuesto sobre la Renta de las Personas Físicas. En efecto, el Impuesto sobre Sociedades implica bajo esta concepción, que decididamente incorpora la ley, una retención en la fuente respecto de las rentas del capital obtenidas por las personas físicas a través de su participación en entidades jurídicas. En este sentido … aparece con claridad la íntima relacíon existente entre ambas figuras impositivas y, por consiguiente, que la modificación de una de ellas necesariamente ha de repercutir sobre la otra.“ [„… in einem Steuersystem, das auf die umfassende und einmalige Erfassung des Einkommens abzielt, ist die Körperschaftsteuer der Einkommensteuer vorangestellt. Tatsächlich bedeutet die Körperschaftsteuer in dieser Konzeption, welche dem Gesetz ausdrücklich zugrunde liegt, eine Quellensteuer im Hinblick auf die Kapitaleinkünfte, welche natürlichen Personen über eine Beteiligung an juristischen Personen erzielen. In diesem Sinne … besteht eine deutliche, sehr enge Verbindung zwischen den beiden Besteuerungsformen und es wird klar, dass sich die Änderung einer von beiden notwendigerweise auch auf die andere auswirken muss.“ Statt aller: J. M. González-Páramo, HPE 1992, S. 135 (140). A. J. Martín Jiménez/J. M. Calderón Carrero, Imposición directa, S. 186. Kritisch auch J. López Rodríguez, Cronica Tributaria 2000, S. 151 (156). E. Sanz Gadea, Impuestos 2001, S. 161 (172) spricht von einer „enttäuschenden“ Argumentation des EuGH. So auch J. Hey, StuW 2004, S. 193 (197); R. Seer, IWB, Fach 11, Gruppe 2, S. 573 (942); C. de Pablo Varona, RDFHP 2002, S. 51 (131 f.); ders., La tributación del socio, S. 457; E. Sanz Gadea, Impuestos 2001, S. 161 (173); W. Schön, FR 2001, S. 381 (389); C. Staringer in: Lechner/Staringer/Tumpel, Kapitalverkehrsfreiheit, S. 93 (110); ders., ÖStZ 2000, S. 26 (31); M. L. González-Cuéllar Serrano, Deducción por doble imposición, S. 126 f. m. w. N. Tendenziell gl. A. H. Hahn, IStR 2000, S. 436 (437 f.); im Ergebnis ebenso N. Bozza-Bodden, Körperschaftsteuersystem, S. 312.

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Der Entlastungsmechanismus

men entsprechend einem auf die jeweilige Vorbelastung abgestimmten Vollanrechnungsverfahren – nunmehr auch der EuGH anerkannt75. Selbst wenn man die zwingende Notwendigkeit einer integrierten Betrachtungsweise anzweifeln wollte, so wäre doch aufgrund des Nebeneinanders von EG-Recht und nationaler Rechtsordnung im Bereich der direkten Steuern jedenfalls ein derartiges nationales Verständnis von Belastungsgerechtigkeit zu respektieren, soweit es nicht willkürlich ist76. Speziell der Rechtfertigungsgrund der Kohärenz soll den entsprechenden nationalen Eigenarten Rechnung tragen, weshalb sich seine Konkretisierung an der jeweiligen nationalen Rechtsordnung ausrichten muss77. Durch ein Anrechnungsverfahren gibt der betreffende Mitgliedstaat deutlich zu erkennen, dass nach seinen Gerechtigkeits- bzw. Leistungsfähigkeitsvorstellungen die steuerliche Belastung von Körperschaften und ihren Mitgliedern bzw. Gesellschaftern nicht beziehungslos nebeneinander steht, sondern integriert betrachtet werden muss. Diese Vorstellung muss in Anbetracht der fehlenden Harmonisierung der direkten Steuern europarechtlich hingenommen werden, zumal sie angesichts der Vielzahl von Mitgliedstaaten, welche für Anteilseigner Entlastungssysteme vorsehen78, auch keineswegs als willkürlich erscheint. Schon deshalb überzeugt es im Übrigen auch nicht, die Besteuerungskohärenz bei Portfolioinvestments von vornherein auszuschließen79: Gibt der Mitgliedstaat durch sein Entlastungssystem zu erkennen, dass er auch hinsichtlich solcher Beteiligungen die Körperschaftsteuervorbelastung für relevant hält und Anteilseigner- sowie Beteiligungsbesteuerung integriert betrachtet, muss dies genügen80. Somit ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die unterschiedliche Behandlung von transnationalen und Binnensachverhalten bei der Anrechnung körperschaftsteuerlicher Vorbelastung unter dem Gesichtspunkt der Kohärenz europarechtlich Bestand haben könnte. (2) Mangelnde Kohärenz wegen unzureichender Vorteilskompensation Im Hinblick auf die Dividendenbesteuerung beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtiger kann dieser Gesichtspunkt die bestehende Ungleichbehandlung letztlich aber dennoch nicht rechtfertigen. Denn das würde voraus________________________ 75 EuGH v. 7.9.2004, Rs. C-319/02 (Manninen), IStR 2004, S. 680, Rz. 44 ff. 76 Insoweit zutreffend J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 2 Rz. 57. 77 J. Sedemund, DStZ 2003, S. 407 (409); F. A. García Prats, Imposición directa, S. 194;

K. Ståhl, ec tax review 1997, S. 227 (229). 78 Vgl. dazu die Übersicht bei D. Kellersmann/C. Treisch, Europäische Unternehmens-

besteuerung, S. 120. 79 So aber F. Snel, ET 2001, S. 403 (406). 80 Ähnlich E. Sanz Gadea, Impuestos 2001, S. 161 (173).

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

setzen, dass nach der Saldierung der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung mit der dem unbeschränkt Steuerpflichtigen gewährten Begünstigung in Form des Anrechnungsguthabens dieser im – inländischen – Belastungserfolg nicht mehr besser gestellt ist als ein beschränkt Steuerpflichtiger mit gleichen Dividendeneinkünften. Nur dann nämlich wäre die grundfreiheitliche Beschränkung, welche zunächst mit der Diskriminierung letzterer verbunden ist, im Ergebnis wieder aufgehoben. Der Rechtfertigungsgrund der Kohärenz soll die steuerliche Privilegierung des ansonsten zum free rider mutierenden free movers verhindern. Er kann hingegen nicht herangezogen werden, um gleichsam über die Hintertür dessen Schlechterstellung im Belastungserfolg doch noch vor dem Verdikt der Europarechtswidrigkeit abzuschirmen. Darum ist auch die Formel von der „Einmalbesteuerung der Kapitalgesellschaftsgewinne“ als solche nicht geeignet, bereits per se die Kohärenz des Ausschlusses gebietsfremder Anteilseigner vom Anrechnungsverfahren zu begründen81: Maßgebliches Kriterium der Kohärenzprüfung ist nicht eine – je beliebige – Einmalbelastung, sondern die Gleichbelastung ansässiger und nichtansässiger Aktionäre und Gesellschafter. Eine Schlechterstellung des transnational Tätigen darf sich allenfalls noch in atypischen Konstellationen ergeben, mit denen der Gesetzgeber vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchte82. Tatsächlich bleibt sie aber auch darüber hinaus noch häufig bestehen: Für beschränkt Steuerpflichtige wird die auf den zur Ausschüttung verwendeten Gewinn entfallende Körperschaftsteuer definitiv. Ihre Dividendeneinkünfte werden darum stets mindestens in Höhe der Körperschaftsteuer83 (vor-)belastet. Dies ändert sich auch dann nicht, wenn die positiven Inlandseinkünfte des beschränkt Steuerpflichtigen sehr gering sind oder von ihm aus anderen steuerbaren Tätigkeiten erzielte Verluste die Dividendeneinkünfte übersteigen. Demgegenüber wird beim unbeschränkt Steuerpflichtigen die Belastung seiner Dividenden mit Körperschaftsteuer revidiert. Dass die Dividende in vergleichbarer Höhe mit Einkommensteuer belastet würde, ist aber keinesfalls gewährleistet. Denn im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des unbeschränkt Steuerpflichtigen wird die gesamte objektive Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen berücksichtigt; außerdem ist die Einkommensteuer progressiv ausgestaltet. Bei insgesamt niedrigen Einkünf________________________ 81 So aber H. Hahn, IStR 2000, S. 436 (438). 82 Siehe 2. Kap., C.VI.4.g.bb. A. A. sind J. M. Mössner/D. Kellersmann, DStZ 1999,

S. 505 (514), die es für ausreichend halten, wenn eine Schlechterstellung von Steuerausländern nicht generell bzw. zwingend eintritt. Das widerspricht aber dem von der Struktur der Grundfreiheiten vorgegebenen und vom EuGH praktizierten Ansatz einer strengen Einzelfallprüfung. 83 Nebst Gewerbesteuer, von der allerdings auch der inlandsansässige Anteilseigner nicht entlastet wird.

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Der Entlastungsmechanismus

ten oder bei anderweitig erzielten Verlusten kann darum die auf die Dividenden entfallende durchschnittliche Einkommensteuer84 deutlich unter dem Betrag liegen, der sich bei Anwendung des proportionalen Körperschaftsteuersatzes ergäbe. Sie liegt damit in diesen Fällen zwangsläufig unter der körperschaftsteuerlichen Sockelbelastung, welche auslandsansässige Dividendenbezieher zu tragen haben. Diese mögliche Schlechterstellung ist auch nicht etwa dadurch vorgegeben, dass nur bei unbeschränkt Steuerpflichtigen das Welteinkommensprinzip gilt. Auch der beschränkt Steuerpflichtige kann inländische Verluste oder ein insgesamt niedriges Inlandseinkommen aufweisen, so dass seine der Steuerhoheit des Quellenstaates unterworfene Leistungsfähigkeit sich nicht anders als beim Steuerinländer darstellt. Außerdem könnte sein Welteinkommen über einen Progressionsvorbehalt berücksichtigt werden; auch dann könnten sich Steuersätze unter der Körperschaftsteuer(vor)belastung ergeben85. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass auch beim beschränkt Steuerpflichtigen die Dividende regelmäßig der Einkommensteuer unterliegt. Denn anlässlich ihrer Ausschüttung wird Kapitalertragsteuer erhoben, durch die im alten – wie auch im neuen – Körperschaftsteuersystem nach § 50 V 1 EStG die Einkommensteuer als abgegolten galt. Diese Belastung wurde durch DBA regelmäßig auf 15 % der Bruttodividende begrenzt und musste zu der Körperschaftsteuervorbelastung noch hinzuaddiert werden. Die Gesamtbelastung mit Körperschaftsteuer und Quellensteuer belief sich dann auf über 36 %86. Damit erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit, dass ein inlandsansässiger Dividendenbezieher steuerlich besser gestellt wurde als ein vergleichbarer Steuerausländer mit vergleichbarer objektiver Leistungsfähigkeit, nochmals beträchtlich87. Wäre das Anrechnungsverfahren wie geboten so ausgestaltet worden, dass das Anrechnungsguthaben die Gewerbesteuer mit umfasst hätte, so hätte der Ausschluss der Steuerausländer vom Anrech________________________ 84 Auch europarechtlich ist relevanter Vergleichsmaßstab die Durchschnittsbelastung

vergleichbarer Einkünfte, nicht etwa deren Grenzbelastung, vgl. G. Kofler, ÖStZ 2003, S. 262 (268). 85 So W. Schön auf dem 55. Fachkongress der Steuerberater 2003 in Köln, noch nicht veröffentl. 86 Unter Außerachtlassung der Gewerbesteuer, welche auch der inländische Dividendenbezieher tragen musste, errechnet sich eine kumulierte Belastung von 25 v. H. Körperschaftsteuer und (75 • 0,15 =) 11,25 v. H. Quellensteuer, d. h. 36,25 v. H. Steuerlast auf den ausgeschütteten Gewinn. 87 Unter Außerachtlassung des Grundfreibetrages, welcher einem Steuerausländer im Quellenstaat nach der Rspr. des EuGH nicht hätte gewährt werden müssen (EuGH v. 12.6.2003, Rs. C-234/01 (Gerritse), EWS 2003, S. 330, Rz. 48; gl. A. R. Seer, IWB Fach 11, Gruppe 2, S. 573 (579); A. Schnitger, FR 2003, S. 745 (752)), wäre eine solche Durchschnittsbelastung bei einem veranlagten inländischen Dividendenbezieher erst ab einem Einkommen von ca. 140.000 DM erreicht worden.

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

nungsverfahren nahezu immer zu ihrer Mehrbelastung im Vergleich zum inländischen Dividendenbezieher geführt88. Insgesamt ist darum festzustellen, dass die Gewährung eines Anrechnungsguthabens nur an Steuerinländer nicht Bestandteil eines kohärenten Besteuerungssystems ist. Es ist dadurch nicht gewährleistet, dass an auslandsansässige Gesellschafter ausgeschüttete Dividenden stets dieselbe oder doch zumindest keine höhere steuerliche Gesamtbelastung erfahren wie von Steuerinländern bezogene. Die nach wie vor bestehende Möglichkeit einer Mehrbelastung der nichtansässigen Anteilseigner ist auch nicht so fernliegend, dass sie vom Gesetzgeber hätte vernachlässigt werden dürfen. (3) Keine Rechtfertigung wegen drohender Aufkommensverluste Würde man das Anrechnungsverfahren auf Nichtansässige ausdehnen, so wäre dies freilich mit nicht unerheblichen Einbußen beim Steueraufkommen verbunden. Bleiben sie nämlich ausgeschlossen, so bedeutet dies für sie letztlich eine Besteuerung nach dem sogenannten klassischen System. An die Stelle einer integrierenden Betrachtung von Kapitalgesellschaft und Gesellschafter treten zwei voneinander unabhängige Besteuerungsebenen. Das bietet dem nationalen Fiskus den Vorteil, die Ertragserzielung durch den im Inland ansässigen Unternehmensträger als eigenständigen Vorgang zu behandeln, der unabhängig von der Gesellschafterstruktur stets als rein innerstaatlich zu qualifizieren ist. Auf diese Weise entzieht er die Erhebung der ________________________ 88 Bei einem unterstellten Gewerbesteuerhebesatz von 400 % und einer Körperschaft-

steuerbelastung von 25 % lässt sich die gesamte Vorbelastung der Dividende beispielhaft wie folgt berechnen (vgl. J. Pelka, StuW 2000, S. 389 (391), die allerdings die Belastung mit SolZ ausblenden): Gewinn vor Steuern: 100,00 abzügl. GewSt. – 16,67 Gewinn nach GewSt.: 83,33 abzügl. KSt: – 20,83 abzügl. SolZ.: – 1,15 Gewinn nach Steuern: 61,35 Vorbelastung: 38,65 Die exakte Vorbelastung ist abhängig zum einen vom Gewerbesteuerhebesatz, zum anderen von der effektiven Körperschaftsteuerbelastung, die bei ausländischen Gewinnanteilen und im Falle von Steuerbefreiungen auch unterhalb von nominal 25 % liegen kann. Addiert man hierzu noch eine Quellensteuerbelastung von 15 % des ausgeschütteten Gewinns von 61,35, so beläuft sich die Gesamtbelastung des Steuerausländers auf ca. 47,85 %. Eine solche Durchschnittsbelastung wurde im Jahre 2000 bei einem maximalen Grenzsteuersatz von 51 % nur von Spitzenverdienern erreicht und ist seit der nachfolgenden Absenkung des Einkommensteuerspitzensatzes praktisch nicht mehr erreichbar.

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Der Entlastungsmechanismus

Körperschaftsteuer dem Anwendungsbereich der von ihm abgeschlossenen DBA, die im übrigen auch auf eben jene klassische Handhabung zugeschnitten sind89. Dadurch kann der nationale Fiskus zunächst festlegen, in welchem Umfang er an den Erträgen uneingeschränkt steuerlich partizipieren möchte, und muss nur den danach noch für die Ausschüttung verbleibenden Rest mit dem Fiskus des Ansässigkeitsstaates teilen, sobald er an den Anteilseigner ausgeschüttet wird. Dieses Vorteils begibt er sich, wenn er über die Gewährung eines Anrechnungsguthabens die gesamten Unternehmenserträge steuerlich gleichsam auf die Ebene des Gesellschafters herabschleust: Er kann dann insgesamt nur noch in dem Maße steuerlich Zugriff nehmen, wie die von ihm abgeschlossenen DBA das vorsehen, bei Orientierung an Art. 10 Abs. 2 S. 1 lit. b OECD-MA also in Höhe von 15 %. Indessen können die damit verbundenen Steuermindereinnahmen europarechtlich nicht ins Felde geführt werden90: Rein fiskalische Interessen der Mitgliedstaaten an einer Benachteiligung des grenzüberschreitenden gegenüber dem landesinternen Wirtschaftsverkehr können nicht zur Rechtfertigung entsprechender Diskriminierungen dienen, will man die Grundfreiheiten nicht leer laufen lassen91. Dagegen kann auch nicht der hohe Gerechtigkeitswert des Anrechnungsverfahrens im Binnensachverhalt angeführt werden92: Durch den Abschluss des EGV hat sich jeder Mitgliedstaat auch den darin verkörperten Gerechtigkeitsidealen unterworfen und muss auch sie angemessen berücksichtigen. Keine andere Bewertung ergibt sich unter dem Gesichtspunkt, dass der Verzicht auf Körperschaftsteueraufkommen durch Erstattung der Körperschaftsteuer an ausländische Anteilseigner dem Grundsatz der Bevorrechtigung des Quellenstaates zuwiderlaufen könnte93. Es handelt sich hierbei zwar um eine in der zwischenstaatlichen Abkommenspraxis dominierende und als verteilungsgerecht empfundene Übung, Unternehmensgewinne primär dort ________________________ 89 Siehe 2. Kap., B.II.2. 90 Gl. A. Generalanwalt Mischo in seinen Schlussanträgen zur Rs. C-324/00 (Lankhorst-

Hohorst), Slg. 2002, I-11779, Tz. 75 ff. Nach Einschätzung des Generalanwaltes können Steuermindereinnahmen, die durch internationale Verteilungsregelungen bei diskriminierungsfreier Ausgestaltung des Steuersystems eintreten, nicht als zwingender Grund des Allgemeininteresses angeführt werden. 91 Siehe 2. Kap., C.VI.4.a. 92 So aber N. Bozza-Bodden, Körperschaftsteuersystem, S. 312. 93 So J. Hey in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. KStG (Stand: 9/99), Rz. 217; M. Mössner/D. Kellersmann, DStZ 1999, S. 505 (513 f.); H. G. Raber, DStJG Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 103 (106); ders., DB 1999, S. 2596 (2597); N. Bozza-Bodden, Körperschaftsteuersystem, S. 313. Ähnlich A. J. Rädler in: Herzig, Harmonisierung, S. 1 (9); in diese Richtung tendierend auch W. F. Ebke/K. Deutschmann, JZ 1999, S. 1131 (1139). A. A. ist W. Reiß, DStJG 20, Diskussionsbeitrag, S. 74.

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zu besteuern, wo der sie erzielende Betrieb ansässig ist. Der Rang eines völkerrechtlich verbindlichen allgemeinen Rechtsgrundsatzes kommt dieser Übung aber nicht zu. Sie muss darum im Kollisionsfalle hinter die von den Mitgliedstaaten unbedingt zu beachtenden europarechtlichen Grundfreiheiten zurücktreten94. Davon abgesehen verhindert die Gewährung eines Anrechnungsguthabens aber auch nicht per se den bevorzugten steuerlichen Zugriff des Quellenstaates auf die Dividende bzw. den ihr zugrundeliegenden Unternehmensgewinn. In Frage gestellt wird er vielmehr erst in Verbindung mit den jedenfalls von den Mitgliedstaaten der EU regelmäßig abgeschlossenen DBA, die diesen Zugriff der Höhe nach deutlich begrenzen. Entsprechende Vereinbarungen wie gegebenenfalls auch deren Änderung liegen aber in der Verantwortung des Quellenstaates. Der Grundsatz der Bevorzugung des Quellenstaates könnte im Falle einer europarechtlich forcierten Ausdehnung des Anrechnungsverfahrens auf Steuerausländer durch die Aushandlung höherer Quellensteuersätze auf Dividenden aufrechterhalten werden. Jedenfalls können sich die Mitgliedstaaten nicht unter Berufung auf von ihnen selbst abgeschlossene DBA von ihren europarechtlichen Bindungen frei zeichnen95. Nichts anderes folgt schließlich aus dem Gilly-Urteil des EuGH96. In der Entscheidung ging es um die Frage, ob der Heimatstaat der Klägerin, die im Ausland Einkünfte erzielte, ihr die dort erhobenen Steuern vollumfänglich anrechnen und gegebenenfalls erstatten musste, um dergestalt eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Der EuGH hat anlässlich dieser Fragestellung nun aber keinesfalls allgemein judiziert, die Orientierung an üblichen zwischenstaatlichen Verteilungsregelungen würde stets eine europarechtliche Diskriminierung rechtfertigen97. Ihm ging es vielmehr darum, einen geeigneten Maßstab herauszuarbeiten, anhand dessen die Verantwortlichkeit für die Beseitigung nichtdiskriminierender Beschränkungen in Form der Doppelbesteuerung festgestellt werden kann. Diesbezüglich kann auf die grundsätzlichen Ausführungen im 2. Kapitel verwiesen werden98: Schließen zwei Mitgliedstaaten ein Doppelbesteuerungsabkommen und befolgen es auch in der Weise, dass die darin enthaltenen Vorschriften zur Vermeidung einer – ________________________ 94 Deutlich W. Schön in: GS Knobbe-Keuk, S. 743 (776): „Das ‚source country entitle-

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ment’ ist nicht gemeinschaftsrechtlich vorgeschrieben.“ Ebenso H. Schaumburg, DStJG 24, S. 225 (274). Vgl. auch dens., Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 16.45. Vgl. auch Generalanwalt Mischo in seinen Schlussanträgen zur Rs. C-324/00 (LankhorstHohorst), Slg. 2002, I-11779, Rz. 80 f. Ähnlich M. Lang in: Gassner/Lang/Lechner, Doppelbesteuerungsabkommen, S. 25 (30). EuGH v. 12.5.1998, Rs. C-336/96 (Gilly), Slg. 1998, I-2793. So aber N. Bozza-Bodden, Körperschaftsteuersystem, S. 314. 2. Kap., C.V.2.b. und C.VI.4.b.

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Der Entlastungsmechanismus

gemeinschaftsrechtswidrigen – Doppelbesteuerung führen, so kann im Hinblick auf etwa noch verbleibende Belastungsunterschiede keinem von ihnen eine Beschränkung europarechtlicher Grundfreiheiten vorgeworfen werden. Sie dürfen dabei jedwede Verteilungsregel wählen, die von der Doppel- zur Einmalbesteuerung führt. Die Verteilungsregel wird europarechtlich also akzeptiert, gerade weil sie zur Vermeidung von Beschränkungen führt. Hier aber geht es im Gegenteil darum, dass eine Verteilungsregel – vermeintlich – zur Diskriminierung führt und diese rechtfertigen soll. Derartiges lässt sich nicht, auch nicht unter Berufung auf die EuGH-Rechtsprechung, begründen99. Die Mitgliedstaaten dürfen die mit den Verteilungsregeln erstrebten Verteilungswirkungen im Falle eines Systemwechsels nicht durch Diskriminierungen herbeiführen; sie sind vielmehr europarechtlich auf eine Änderung der Abkommensbestimmungen verwiesen. Der Ausschluss der beschränkt steuerpflichtigen Dividendenbezieher vom körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren kann europarechtlich nicht gerechtfertigt werden. Das Anrechnungsverfahren hätte bei der gebotenen europarechtskonformen Ausgestaltung darum auf Steuerausländer ausgedehnt werden müssen100. bb) Europarechtliche Beurteilung des Ausschlusses der ausländischen Dividenden (i)

Grundfreiheitsrelevante Ungleichbehandlung

Neben dem diskriminierenden Ausschluss der Steuerausländer bewirkt das Anrechnungsverfahren in seiner traditionellen, binnenorientierten Ausprägung eine rechtliche Ungleichbehandlung auch insofern, als ausländische Dividenden von Steuerinländern ebenfalls keine Entlastung erfahren. Ob der unbeschränkt Steuerpflichtige in seinem Ansässigkeitsstaat in den Genuss der Anrechnung einer auf der Dividende lastenden Körperschaftsteuerschuld kommt, hängt davon ab, ob er sich an einer inländischen oder aber an einer ausländischen Kapitalgesellschaft beteiligt. Diese Diskriminierung mit umgekehrten Vorzeichen berührt nach den schon oben erörterten Grundsätzen in jedem Fall die Kapitalverkehrs- und gegebenenfalls zusätzlich die Nie________________________ 99 Deutlich auch EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-385/00 (de Groot), IStR 2003, S. 58,

Rz. 94. Gl. A. ist O. H. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 5. Aufl., S. 248; allerdings geht er in diesem Zusammenhang – zu Unrecht, s. u. – von der Verpflichtung des Wohnsitzstaates zur Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung bei der Dividendenbesteuerung aus. 100 So schon sehr weitsichtig K. Vogel, Der ausländische Aktionär, 1973, S. 66 f. Im Ergebnis gl. A. ist die EU-Kommission, vgl. deren Mitteilung zur Besteuerung von Dividenden im Binnenmarkt v. 19.12.2003, KOM(2003) 810 endg., unter 3.3.; vgl. auch M. Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 92.

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

derlassungsfreiheit des Steuerpflichtigen. Die Kommission hat bei der Androhung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegenüber der Bundesregierung maßgeblich auf die diskriminierende Wirkung der entsprechenden Regelungen abgestellt101. Außerdem wirkt sie sich auch auf die kapitalaufnehmende bzw. -suchende ausländische Kapitalgesellschaft nachteilig aus; auch hierin liegt eine Beschränkung der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeit102. Dies hat nunmehr auch der EuGH in seiner Grundsatzentscheidung zum finnischen Anrechnungssystem ausdrücklich festgehalten103. Anders als hinsichtlich der Schlechterstellung beschränkt Steuerpflichtiger geht die Literatur104 insoweit ebenfalls nahezu einhellig von einer Vergleichbarkeit der Sachverhalte aus. Dies zu Recht, denn durch den Bezug einer ausländischen Dividende wächst dem Steuerpflichtigen in gleichem Maße wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu wie beim Empfang inländischer Dividenden in gleicher Höhe. Da der Ansässigkeitsstaat nach dem Welteinkommensprinzip für sich in Anspruch nimmt, diese jeweiligen Zuwächse in einer ________________________ 101 Seite 3 des Schreibens der Europäischen Kommission vom 31.10.1995 (Dok. SG(95)

D/13622): „Die oben erwähnte deutsche Steuervorschrift [zur Anrechnung von Körperschaftsteuer nur bei inländischen Dividenden] stellt eine … Beschränkung dar und ist daher mit Artikel 67 des Vertrages und den sekundärrechtlichen Vorschriften im Sinne des Artikel 69 des Vertrages nicht vereinbar, da sie den Erwerb von Anteilen an Unternehmen anderer Mitgliedstaaten gegenüber dem Erwerb deutscher Aktien weniger attraktiv macht.“ Vgl. auch die Mitteilung der EU-Kommission zur Besteuerung von Dividenden im Binnenmarkt v. 19.12.2003, KOM(2003) 810 endg., unter 3.2.2. 102 U. Ilhi/K. Malmer/P. Schonewille/I. Tuominen, CDFI LXXXVIIIa, S. 71 (89); D. Witzel, IStR 2002, S. 758 (760); vgl. auch EuGH v. 6.6.2000, Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071, Rz. 35. 103 EuGH v. 7.9.2004 – Rs. C-319/02 (Manninen), IStR 2004, S. 680, Rz. 22 f. Vgl. auch die Entscheidung des EuGH v. 15.7.2004, Rs. C-315/02 (Lenz), IStR 2004, S. 522 ff., Rz. 20 ff. zum österreichischen Halbsatzverfahren. 104 Vgl. C. Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 276; H. Liede/ L. Hintsanen, ET 2003, S. 31 (34); C. de Pablo Varona, RDFHP 2002, S. 51 (125); D. Witzel, IStR 2002, S. 758 (760); J. M. Almudí Cid/F. Serrano Antón, QF 2002/19, S. 7 (11 u. 14); O. H. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 5. Aufl., S. 229 f.; N. Bozza-Bodden, Körperschaftsteuersystem, S. 331 f.; H. Schaumburg, DStJG 24, S. 225 (272); S. Raventós, ET 2000, S. 73 (74); C. Staringer, ÖStZ 2000, S. 26 (28); M. Tumpel, DStJG 23, S. 321 (360); C. Spengel/C. Jaeger/K. Müller, IStR 2000, S. 257 (259); C. Jaeger, Körperschaftsteuersysteme, S. 218; J. M. Mössner/ D. Kellersmann, DStZ 1999, S. 505 (515); S.-O. Lodin in: Lindencrona/Lodin/Wiman, Liber Amicorum Leif Mutén, S. 199 (204); W. Schön in: GS Knobbe-Keuk, S. 743 (775 f.); C. de Pablo Varona, La tributación del socio, S. 451; offenbar auch W. Reiß, DStR 1999, S. 2011 (2015), H. Merkert in: FS Flick, S. 57 (59 ff.) und A. J. Rädler, StuW 1996, S. 252 (254). A. A. ist soweit ersichtlich nur N. Herzig in: GS Knobbe-Keuk, S. 627 (636).

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Der Entlastungsmechanismus

einheitlichen Bemessungsgrundlage zusammenzuführen, sind sie schon nach seiner eigenen Wertung als vergleichbar einzustufen105. Der EuGH geht hier in seinen jüngsten Entscheidungen zu Dividendenentlastungssystemen allerdings einen anderen Weg, um die Vergleichbarkeit der Sachverhalte zu begründen. Es soll insoweit offenbar nicht mehr auf die vergleichbare Einbeziehung der steuerbaren Erträge in die Bemessungsgrundlage, sondern auf den spezifischen Entlastungszweck der Vorschrift und den daran gemessen vergleichbaren Entlastungsbedarf von Inlands- und Auslandsdividenden ankommen106. Offenbar will der EuGH durch diese Rechtsprechungsänderung der Instrumentalisierung der Grundfreiheiten zur Erzwingung „weißer“, letztlich unbesteuerter Einkünfte vorbeugen: So soll es an der Vergleichbarkeit der Dividendeneinkünfte fehlen, wenn im Ausland keinerlei Dividendenvorbelastung und damit auch kein Entlastungsbedarf besteht107. Die damit verbundene Gesamtschau der Steuerbelastung durch zwei verschiedene Hoheitsträger ist freilich der Eigenart einer Diskriminierungsprüfung unangemessen108, weil sie die Verantwortlichkeiten für die Beseitigung von Diskriminierungen und den Unterschied zum beschränkenden Effekt internationaler Doppelbesteuerung verwischt. Sie ist zur Erzielung adäquater Ergebnisse auch nicht erforderlich, wenn man nicht in den Fehler verfällt, sie auch auf Rechtfertigungsebene zu praktizieren. Nicht zuletzt im Hinblick darauf, dass spezielle Gesetzeszwecke oft nicht genau einzugrenzen sind – so könnte umgekehrt auch ein spezifischer Einmalbelastungszweck postuliert werden –, erscheint es vorzugswürdig, weiter auf das übergreifende Kriterium vergleichbarer objektiver Leistungsfähigkeit abzustellen. Der Einwand von N. Herzig, das vom Investor eingesetzte Kapital arbeite im Ausland unter anderen Bedingungen als im Inland, so dass die erwirtschaftete Rendite nicht vergleichbar sei109, überzeugt nicht. Es wurde bereits eingehend dargelegt, dass relevanter Vergleichsmaßstab im Recht der direkten Steuern auch aus europarechtlicher Perspektive die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist, die den steuerlichen Zugriff rechtfertigt wie auch begrenzt. Die Umstände, unter denen entsprechende Zuwächse an Leistungsfähigkeit erwirtschaftet werden, spielen demgegenüber für die Vergleichbarkeit der Sachverhalte keine Rolle. ________________________ 105 Ähnlich D. Witzel, IStR 2002, S. 758 (760); C. Jaeger, Körperschaftsteuersysteme,

S. 218; O. H. Jacobs in: FS Fischer, S. 85 (100). 106 EuGH v. 7.9.2004 – Rs. C-319/02 (Manninen), n. v., Rz. 32 ff. Vgl. auch die Ent-

scheidung des EuGH v. 15.7.2004, Rs. C-315/02 (Lenz), IStR 2004, S. 522 ff., Rz. 29 ff. 107 EuGH v. 7.9.2004 – Rs. C-319/02 (Manninen), n. v., Rz. 34. 108 Siehe dazu oben im Zweiten Kapitel unter C.V.3.b) cc). 109 N. Herzig in: GS Knobbe-Keuk, S. 627 (636).

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

(ii) Kohärenz als Rechtfertigungsgrund Der Wohnsitzstaat müsste darum ausländische Körperschaftsteuer in sein Anrechnungsverfahren mit einbeziehen, falls keine Rechtfertigungsgründe für den Ausschluss der Anrechnung geltend gemacht werden können. In der Tat plädiert eine Reihe von Autoren für diese Konsequenz aus den europarechtlichen Grundfreiheiten, da Rechtfertigungsgründe nicht ersichtlich seien110. Möglicherweise hat aber der Ausschluss ausländischer Dividenden vom national praktizierten Anrechnungsverfahren unter dem Gesichtspunkt der Kohärenz europarechtlich Bestand. Dann müsste der steuerlichen Begünstigung, welche inländische Dividenden durch die Anrechnung der auf ihnen lastenden Körperschaftsteuer erfahren, eine diese kompensierende steuerliche Belastung gegenüberstehen, welche ausländische Dividenden nicht erleiden. Insofern ließe sich anführen, dass cum grano salis nur von inländischen Kapitalgesellschaften ausgeschüttete Dividenden auch mit inländischer Körperschaftsteuer vorbelastet sind111. Der Begünstigung durch das Anrechnungsverfahren steht eine betragsmäßig exakt identische Belastung durch – inländische – Körperschaftsteuer gegenüber. Von ausländischen Kapitalgesellschaften ausgeschüttete Dividenden speisen sich hingegen prinzipiell aus Unternehmensgewinnen, die nicht der deutschen Körperschaftsteuer unterlegen haben. Dabei soll hier zunächst unberücksichtigt bleiben, dass dies speziell bei Gewinnanteilen aus im Inland unterhaltenen Betriebsstätten ausnahmsweise doch der Fall sein kann. Dementsprechend gleicht die steuerliche Mehrbelastung der ausländischen Dividende per Saldo nur die fehlende – inländische – Belastung auf Körperschaftsebene aus. Für Österreich hat C. Staringer treffend formuliert, dass es geradezu als systemimmanent erscheine, auf Auslandsdividenden den vollen Einkommensteuersatz zur Anwendung zu bringen, wenn die Gesamtbelastung ausländischer Dividenden mit inländischer Steuer jener inländischer Dividenden entsprechen solle. Bei einer integrierten Sichtweise von (inländischer) Körperschaftsteuervorbelastung und Einkommensteuerbelastung würde gar keine unterschiedliche Besteuerung von In- und Auslandsdividenden vorliegen, sondern vielmehr im Gegenteil eine Gleichbehandlung erreicht werden112. ________________________ 110 So H.-J. Krebs/A. Bödefeld, BB 2004, S. 1416 (1420); J. Heinrich, ÖStZ 2002,

S. 554 (555); O. H. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 5. Aufl., S. 231; C. Jäger, Körperschaftsteuersysteme in Europa, S. 218 f.; H. Schaumburg, DStJG 24, S. 225 (273 f.); M. Tumpel, DStJG 23, S. 321 (360 f.); A. J. Rädler, StuW 1996, S. 252 (254). 111 So auch die Argumentation des FG München v. 26.1.1998 – 15 K 3861/93, EFG 1998, S. 1076 (1079). Vgl. auch S.-O. Lodin in: Lindencrona/Lodin/Wiman, Liber Amicorum Leif Mutén, S. 199 (205). 112 C. Staringer in: Lechner/Tumpel/Staringer, Kapitalverkehrsfreiheit, S. 93 (108).

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Der Entlastungsmechanismus

Es stellt sich freilich die Frage, ob eine solch binnenbezogene Betrachtungsweise zulässig ist. Denn immerhin lastet auf der Dividende regelmäßig eine ausländische Körperschaftsteuer bzw. ihr vergleichbare Steuer. Man könnte darum der Auffassung zuneigen, dass in diesen Fällen die Auslandsdividende bei Versagung des Anrechungsguthabens letztlich doch höher belastet werde, so dass der Kohärenzgedanke nicht tragfähig sei113. Es kommt letztlich entscheidend darauf an, ob die ausländische Vorbelastung aus dem Belastungsvergleich ausgeblendet werden darf oder aber mitberücksichtigt werden muss. Die der Manninen-Entscheidung zu entnehmende Haltung des EuGH114 in dieser Frage ist ambivalent und nicht frei von dogmatischen Widersprüchen: Einerseits wird die Kohärenz eines Anrechnungsverfahrens angenommen, das im Binnenkontext einen exakten Ausgleich der Körperschaftsteuervorbelastung verbürgt. Andererseits soll diese kohärente Beziehung zwischen Vorbelastung und einkommensteuerlicher Entlastung nur dann verhältnismäßig ausgestaltet sein, wenn sie bei Auslandsdividenden die jeweilige ausländische Vorbelastung ebenfalls in Rechnung stellt. Tatsächlich schließen sich beide Alternativen jedoch aus: Entweder definiert man Kohärenz nur aus einer rein binnenbezogenen Sichtweise unter Ausblendung ausländischer Belastungswirkungen, oder aber in einer staatenübergreifenden Gesamtschau der Belastungswirkungen. Letztere muss notwendig dazu führen, dass eine Kompensation nur inländischer Steuervorbelastungen schon nicht kohärent ist, so dass es auf die Verhältnismäßigkeit nicht mehr ankommen kann. Für eine rein nationale Sichtweise spricht bereits, dass nach der Dogmatik der Grundfreiheiten jeder Mitgliedstaat sich nur für die von ihm ausgehenden Diskriminierungen verantworten muss. Es liegt daher nahe, ihm zuzugestehen, in die Kohärenzbetrachtung auch nur die von ihm ausgehenden, die Benachteiligung kompensierenden Belastungen einzustellen. Die Kohärenzprüfung erweitert lediglich das „Blickfeld“ der Grundfreiheiten um die aufs Engste mit einer diskriminierenden Mehrbelastung verbundenen Minderbelastungen an anderer Stelle. Nachdem auf Tatbestandsebene „bis ________________________ 113 So Generalanwältin Kokott in ihren Schlussanträgen v. 18.3.2004 in der Rs.

C-319/02 (Manninen), IStR 2004, S. 313, Rz. 69 ff., Generalanwalt Alber in seinen Schlussanträgen zur Rs. C-251/98 (Baars), Slg. 2000, I-2787, Rz. 39 ff. und Generalanwalt Fennelly in seinen Schlussanträgen zur Rs. C-397/98 u. a. (Metallgesellschaft u. a.), Slg. 2001, I-1727, Rz. 32. Ebenso C. Stangl, SWI 2000, S. 559 (561); C. Wimpissinger, SWI 2000, S. 313 (319); C. Staringer, ÖStZ 2000, S. 26 (30); wohl auch G. T. K. Meussen, ET 2004, S. 59 (60); M. Lang, IWB Fach 5, Gruppe 2, S. 555 (558). Unschlüssig G. Konezny/M. Züger, SWI 2000, S. 218 (221 f.). A. A. wohl C. de Pablo Varona, RDFHP 2002, S. 51 (133 f.). 114 Urteil v. 7.9.2004, C-319/02, IStR 2004, S. 680, Rz. 44 ff.

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

zum Anschlag“ in den konkreten Steuerfall „hineingezoomt“ wurde115, wird auf Rechtfertigungsebene der Fokus wieder zurückgenommen, um ein vollständiges Bild der nationalen Belastungssituation zu erhalten116. Demgegenüber wäre eine Gesamtschau von in- und ausländischen Belastungswirkungen in mehrfacher Hinsicht inkonsistent: Sie würde zum einen auch die Kompensation ausländischer Minderbelastungen erlauben und so mit dem ehernen Grundsatz brechen, dass ausländische Minderbelastungen im Inland keine Berücksichtigung finden dürfen117. Zum anderen würde sie die steuerliche Gesamtbelastung grenzüberschreitender Investitionen einseitig am Niveau des die Anrechnung gewährenden Mitgliedstaates festschreiben. Das widerspricht der wohlbegründeten Feststellung, wonach ein Steuerpflichtiger zwar diskriminierungsfreie Besteuerung, nicht aber die Herstellung einer steuerlichen Gesamtbelastung auf dem Niveau eines bestimmten der involvierten Mitgliedstaaten verlangen kann118. Letztlich würde eine Zusammenschau in- und ausländischer Belastungen mitgliedstaatliche Steuerdisparitäten ignorieren und die Unterschiede zwischen diskriminierender nationaler Mehrbelastung und beschränkender Mehrbelastung durch internationale Doppelbesteuerung verwischen. Im Fall der Besteuerung ausgeschütteter Gewinne erweist sich dann aber, dass bei Beschränkung des Vollanrechnungsverfahrens auf Inlandsdividenden deren Gesamtbelastung im Wohnsitzstaat der von Auslandsdividenden entspricht. Bei einer integrierten Betrachtung der Vorbelastung auf Körperschaftsebene und der Nachbelastung bzw. zusätzlichen steuerlichen Belastung der Dividende beim Anteilseigner richtet sich die Belastung der Inlandsdividende mit inländischen Steuern letztlich am individuellen Steuersatz des Anteilseigners aus. Durch Versagung des Anrechnungsguthabens bei gleichzeitig fehlender inländischer Vorbelastung gilt für Auslandsdividenden dasselbe. Setzte man den jeweils im Inland und im Ausland zur Ausschüttung verwendeten Gewinn zueinander in Bezug, ergäbe sich beim grenzüberschreitenden Dividendenbezug sogar eine niedrigere Inlandsbelastung. Denn Auslandsdividenden sind nur als Residualgröße, das heißt als ausgeschütteter Gewinn nach (ausländischer) Körperschaftsteuer einkommensteuerbar, wohingegen die Rückgängigmachung der körperschaftsteuer________________________ 115 So treffend E. Reimer in: Lehner, Grundfreiheiten, S. 39 (50 f.). 116 Ähnlich C. Staringer in: Lechner/Staringer/Tumpel, Kapitalverkehrsfreiheit, S. 93

(109): „Dem Kohärenzgedanken folgend stellt eine steuerliche Einzelvorschrift nur einen Teil des Gesamtsystems von Vorschriften dar, in das sie eingebettet ist. Demzufolge wäre auch nicht die Einzelvorschrift Gegenstand der Prüfung auf Gemeinschaftsrechtskonformität, sondern vielmehr das gesamte System von Vorschriften.“ Vgl. in diesem Zusammenhang auch R. Lyal, ec tax review 2003, S. 68 (74). 117 Siehe dazu oben im 2. Kapitel unter C.VI.4.g)bb) (i). 118 Siehe dazu oben im 2. Kapitel unter C.V.3.a)bb).

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Der Entlastungsmechanismus

lichen Vorbelastung im Vollanrechnungsverfahren dazu führt, dass beim Anteilseigner der ausgeschüttete Gewinn vor Körperschaftsteuer dem Einkommensteuertarif unterworfen wird. Bei wertender Betrachtung erscheint es indes sachgerechter, den Vergleich zwischen der um das Anrechnungsguthaben erhöhten Inlandsdividende einerseits und der dem Gesamtbetrag entsprechenden Auslandsdividende andererseits vorzunehmen, weil die ausländische Vorbelastung ja auch ansonsten im Belastungsvergleich keine Berücksichtigung findet. Durch den Wohnsitzstaat wird der Inhaber einer Auslandsbeteiligung nach alledem zumindest nicht schlechter gestellt als der rein national investierende Steuerpflichtige119. Zwar kann sich bei ihm unter Einschluss der ausländischen Vorbelastung in der länderübergreifenden Gesamtschau eine Mehrbelastung ergeben. Diese ist dann jedoch die Folge von Regelungsdisparitäten oder aber einer Diskriminierung im Quellenstaat, welche beide dem Ansässigkeitsstaat nicht angelastet werden können. Dehnt nämlich der Quellenstaat wie geboten120 einen etwaigen Entlastungsmechanismus diskriminierungsfrei auf Steuerausländer aus, und wird auch eine Doppelbesteuerung über DBA bzw. unilaterale Anrechnungsvorschriften vermieden, so kann sich bei Auslandsdividenden eine Schlechterstellung nur noch daraus ergeben, dass im Ausland eben kein Vollanrechnungsverfahren praktiziert wird. Dies ist jedoch gemeinschaftsrechtlich angesichts der ausstehenden Harmonisierung der Körperschaftsteuersysteme nicht zu beanstanden. Bestätigt werden diese Gedankengänge durch einen Rekurs auf den dogmatischen Kern des Kohärenzgedankens: So wie das Europarecht gewährleisten will, dass es zu keiner Mehrbelastung des transnational agierenden Wirtschaftssubjekts kommt, trägt der Kohärenzgedanke dem Interesse des betroffenen Mitgliedstaates Rechnung, Minderbelastungen bzw. Begünstigungen des free movers auszuschließen. Über die Berufung auf die Kohärenz des Steuerrechts soll eine Ungleichbehandlung zu Lasten der rein binnenorientiert tätigen Steuersubjekte vermieden werden, so wie das Europarecht eine Ungleichbehandlung zu Lasten der transnational agierenden verbietet. Der Rechtfertigungsgrund der Kohärenz findet seine Berechtigung also letztlich in dem Bemühen, den steuerlichen Gerechtigkeitsidealen des Mitgliedstaates zu entsprechen und ihnen neben den Idealen des EGV Geltung zu verschaffen121. ________________________ 119 So auch K. Ståhl, ec tax review 1997, S. 227 (231). 120 Siehe oben unter aa). 121 Zu kurz greift die Überlegung von C. Staringer in: Lechner/Staringer/Tumpel, Kapi-

talverkehrsfreiheit, S. 93 (111), die Kohärenz schütze das Interesse des Mitgliedstaates an Wettbewerbsneutralität im Hinblick auf die Steuerinländer, d. h. an Kapi-

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

Das für die Dividendenbesteuerung maßgebliche nationale Gerechtigkeitsideal ist prinzipiell in allen Mitgliedstaaten die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Es soll der Dividendenbetrag und die in ihm verkörperte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Dividendenbeziehers einer horizontal wie vertikal gleichmäßigen steuerlichen Belastung zugeführt werden. Zwischen den Mitgliedstaaten divergieren nun aber die Auffassungen darüber, welche Leistungsfähigkeit dem Anteilseigner über den Dividendenbezug vermittelt wird. In einem Staat mit Vollanrechnungsverfahren geht der nationale Gesetzgeber davon aus, dass die körperschaftsteuerliche Vorbelastung der Dividende vollumfänglich bei der Ermittlung der steuerlichen Belastbarkeit des Anteilseigners mitberücksichtigt werden muss. In einem Staat mit sogenanntem klassischen System wird die körperschaftsteuerliche Vorbelastung bei der Bemessung der steuerlichen Leistungsfähigkeit des Anteilseigners hingegen ignoriert. Dazwischen existiert eine Vielzahl weiterer Systeme der partiellen oder näherungsweisen Integration von Gesellschafts- und Gesellschafterbesteuerung122. Diese Systeme spiegeln jeweils die nationale Gerechtigkeitsvorstellung hinsichtlich der Notwendigkeit einer Berücksichtigung der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung wider123. Der Ansässigkeitsstaat darf nun legitimer Weise ein von ihm praktiziertes Vollanrechnungsverfahren auf Inlandsdividenden beschränken und bei Auslandsdividenden die Gerechtigkeitswertungen des Quellenstaates unverändert bestehen lassen; dies auch im Wissen um die Verpflichtung des Quellenstaates, sie diskriminierungsfrei auf die im Ansässigkeitsstaat wohnhaften Steuerpflichtigen zu erstrecken. In diesem Zusammenhang kann nämlich in der Tat der Grundsatz des Vorrechts des Quellenstaates für die Besteuerung der Unternehmensgewinne fruchtbar gemacht werden: Wird entsprechend dieser Übung zuvörderst der Quellenstaat als befugt angesehen, auf die Unternehmensgewinne Zugriff zu nehmen und deren Besteuerung auszugestalten, so darf auch auf dessen diesbezügliches Gerechtigkeitsideal abgestellt werden. Es müssen dann nicht notwendig die Gerechtigkeitsvorstellungen des Wohnsitzstaates auch im Auslandssachverhalt verwirklicht werden. Wie bereits ausgeführt wurde124, ist speziell das deutsche Grundge________________________ talexportneutralität. Ein solches nationales Interesse wäre nur dann zwingend, wenn es durch die Rechts- und Verfassungsordnung des Mitgliedstaates vorgegeben ist; dies kann aber nicht ohne weiteres unterstellt werden. 122 Siehe den Überblick bei C. Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 22 ff. 123 O. H. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 5. Aufl., S. 307. F. Bydlinski hat treffend festgestellt, dass „die Gerechtigkeit jenseits der Pyrenäen eine andere ist als diesseits“ (Juristische Methodenlehre, 2. Aufl., S. 385). 124 Siehe 2. Kap., A.II.4.

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Der Entlastungsmechanismus

setz offen für die Wertungen einer fremden Rechtsordnung. Jedenfalls wenn diese einen engeren Bezug zum Besteuerungssubstrat aufweist als die eigene, kann die im Ausland getroffene Steuerwürdigkeitsentscheidung akzeptiert werden. Wenn nun zuerst und primär der Quellenstaat auf die im Unternehmensgewinn bzw. Dividendenbezug verkörperte Leistungsfähigkeit zugreifen darf, so kommt darin seine besondere, größere Nähe zu dieser Ertragsform zum Ausdruck. Sie ergibt sich zum einen aus der Abschirmwirkung der eigenen Rechtspersönlichkeit der Kapitalgesellschaft, deren wirtschaftlicher Erfolg bis zur Ausschüttung von Dividenden infolgedessen zunächst überhaupt keinen Bezug zum Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters aufweist125. Sie lässt sich aber auch noch für die Ausschüttung selbst annehmen, da diese sich eben aus Erträgen speist, die im Quellenstaat vermittels der Kapitalgesellschaft erzielt wurden. Das nationale Steuerrecht in einem Staat mit Anrechnungsverfahren darf darum die zunächst im Ausland praktizierte steuerliche Behandlung der Dividende und das darin zum Ausdruck kommende Gerechtigkeitsverständnis respektieren und hinnehmen126. Es muss die Vorbelastung mit Körperschaftsteuer bei ausländischen Dividenden nicht in gleicher Weise wie bei inländischen berücksichtigen, auch sofern sie im Quellenstaat nicht oder nicht vollständig ausgeglichen wurde. Die Verantwortung für die – europarechtskonforme, d. h. diskriminierungsfreie – Berücksichtigung der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung liegt dann beim Quellenstaat, dem der bevorrechtigte Zugriff auf Unternehmensgewinne auch bei Ausschüttung als Dividenden zusteht127. Für die Kohärenz der Besteuerung bedeutet dies, dass die vollständige Entlastung nur der Inlandsdividenden nicht wertungswidersprüchlich ist und deshalb die Verengung des Blickwin________________________ 125 Abgesehen von der Möglichkeit, dass die Gesellschaft Teile ihrer Erträge aus einer

wirtschaftlichen Betätigung im Ansässigkeitsstaat eines ausländischen Gesellschafters erzielen kann; dazu siehe sogleich unten. 126 A. A. wohl K. Ståhl, ec tax review 1997, S. 227 (234). 127 Entsprechend muss eine Anrechnung umgekehrt auch dann nicht erfolgen, wenn die von der ausländischen Kapitalgesellschaft an den Inländer ausgeschütteten Gewinne ausnahmsweise doch der inländischen Körperschaftsteuer unterlegen haben, etwa weil sie über eine inländische Betriebsstätte erzielt wurden (a. A. N. Herzig/ N. Dautzenberg, DB 1997, S. 8 (14 f.)). Auch hier ist es Sache des Quellenstaates, der den engeren Bezug zur Herstellung von Belastungsgleichheit im Ausschüttungszeitpunkt aufweist, über das Scharnier zwischen Anteilseigner- und Gesellschaftsebene zu entscheiden, d. h. auch die mit aus seiner Sicht ausländischer Körperschaftsteuer belasteten Gewinne in sein System der Integration von Gesellschafts- und Gesellschafterbesteuerung einzufügen. Lässt der Quellenstaat bei unmittelbar von natürlichen Personen bezogenen Dividenden regelmäßig die Wertungen eines ausländischen Körperschaftsteuersystems bestehen, so muss er allerdings konsequenterweise die Anrechnungsmethode des Betriebsstättenstaates fortführen, vgl. unten (iv).

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

kels auf die steuerliche Behandlung der Dividenden nur durch den jeweiligen Mitgliedstaat grundsätzlich nicht zu beanstanden ist. Auf einem anderen Blatt steht die Frage, ob der Ansässigkeitsstaat mit Vollanrechnungsverfahren seinen Besteuerungsanspruch hinsichtlich der Auslandsdividenden möglicherweise zurücknehmen muss, um die Umsetzung der ausländischen Gerechtigkeitsideale nicht zu gefährden. Es wurde oben ausführlich dargelegt, dass eine Doppelbesteuerung weder unter Leistungsfähigkeitsaspekten noch vor dem Hintergrund der europarechtlichen Grundfreiheiten akzeptabel ist128. Es muss gewährleistet sein, dass die Gesamtbelastung des Steuerpflichtigen höchstens dem Steuerniveau des höherbesteuernden der involvierten Mitgliedstaaten entspricht. Übertragen auf den Bezug von Auslandsdividenden bedeutet dies, dass die kumulierte Belastung des betroffenen Anteilseigners im Quellen- und Ansässigkeitsstaat nicht über die höhere der jeweiligen Belastungen eines „Binnenanlegers“ in den beiden Staaten hinausgehen darf. Hat der Quellenstaat ein Anrechnungssystem installiert, ergibt sich insoweit kein Problem, weil mit der Anrechnung und gegebenenfalls Erstattung körperschaftsteuerlicher Vorbelastung die Entlastung im Quellenstaat schon abschließend durchgeführt ist. Sieht der Quellenstaat aber etwa ein shareholder-relief-Verfahren vor, das die Vorbelastung durch eine niedrige Einkommensteuerbelastung auszugleichen sucht, kann er aufgrund seines begrenzten Quellensteuerrechts die Entlastung nicht endgültig gewährleisten. Würde nämlich der Wohnsitzstaat diese Dividendeneinkünfte regulär versteuern und die ausländische Quellensteuer lediglich anrechnen, käme es letztlich doch wieder zu einer klassischen Besteuerung, die weder dem ausländischen noch dem inländischen Belastungsideal entspräche und eine Mehrbelastung des grenzüberschreitenden Dividendenbezugs mit sich bringen könnte129. Für den Teil der Dividendeneinkünfte, der dem Wohnsitzstaat zur Versteuerung zugewiesen ist, muss er folglich das Entlastungssystem des Quellenstaates respektieren und auf eine weitergehende eigene Besteuerung verzichten. Die Verantwortung für die Vermei________________________ 128 Siehe 2. Kap., A.II.5. und C.V.3.a.bb. 129 J. Hey, IWB Fach 3, Gruppe 1, S. 2003 (2006) und C. de Pablo Varona, RDFHP

2002, S. 51 (117) weisen darauf hin, dass die erhebliche Verminderung des Steueraufkommens im Quellenstaat durch die Erstreckung der Integration auf Nichtansässige bei der abkommensrechtlich für natürliche Personen als Dividendenbezieher regelmäßig vorgesehenen Anrechnungsmethode (dazu M. Lucas Durán, Dividendos internacionales, S. 337) im Ansässigkeitsstaat im Wesentlichen dem dortigen Fiskus, nicht aber dem Steuerpflichtigen zugute komme. Das gilt aber nur für auf der Dividendenfreistellung basierende und verwandte Körperschaftsteuersysteme; in einem Anrechnungssystem ist über das Anrechnungsguthaben im Quellenstaat gewährleistet, dass die körperschaftsteuerliche Vorbelastung per Saldo in jedem Fall rückgängig gemacht wird.

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dung dieser Art von Doppelbesteuerung beim Wohnsitzstaat zu suchen ist nur konsequent, wenn dieser sich andererseits regelmäßig die Ideale des Quellenstaates zum Maßstab für die Behandlung derjenigen Ansässigen macht, die dort investieren, und als Rechtfertigung für ihren Ausschluss vom Vollanrechnungsverfahren heranzieht. Angesichts der Verschiedenheit der Entlastungsmechanismen in den Mitgliedstaaten wären entsprechende Vorschriften sinnvollerweise direkt in den bilateralen DBA zu verankern, die ja auch die Notwendigkeit einer solchen Berücksichtigung verursachen. Da dem Quellenstaat dadurch keine Nachteile drohen, dürften entsprechende Nachverhandlungen ohne weiteres möglich sein. Wenngleich es nach dem Vorgesagten eher fernliegend ist, dass sich der Wohnsitzstaat auch bei Auslandsdividenden an seinen eigenen Gerechtigkeitsidealen orientiert, erscheint dies im Übrigen doch andererseits auch nicht ausgeschlossen. Dafür ließe sich immerhin anführen, dass das allgemein geltende Welteinkommensprinzip eine Gleichbehandlung von in- und ausländischen Einkommensbestandteilen als ebenfalls angemessen erscheinen lässt. Ist eine Werteordnung offen für die Wertungen fremder Rechtsordnungen, muss dies zudem nicht bedeuten, dass sie sich diese aufoktroyieren lassen muss, wenn sich verschiedene Gerechtigkeitsideale gegenüberstehen. Darum könnte ein für Inlandsdividenden geltendes Anrechnungsverfahren auch in kohärenter Weise auf Auslandsdividenden erstreckt werden130. Allerdings wären damit auch erhebliche Vollzugsprobleme verbunden, weil für jeden Mitgliedstaat die dortige Vorbelastung mit Körperschaftsteuer exakt ermittelt werden müsste. Im Ergebnis darf somit bei der Saldierung von Belastungsvorteilen und -nachteilen, die im Rahmen einer Kohärenzbetrachtung anzustellen ist, im nationalen Vollanrechnungsverfahren die körperschaftsteuerliche Vorbelastung ausländischer Dividenden ausgeblendet werden. Der Ansässigkeitsstaat kann sich auf die Kohärenz seines Steuerrechts im Hinblick auf die Beseitigung nur der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung von inländischen Kapitalgesellschaften ausgeschütteter Dividenden berufen. Dem steht auch nicht entgegen, dass im Rahmen der Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung regelmäßig und speziell im Falle Deutschlands schon unilateral über § 34c EStG ausländische (Quellen-)Steuer auch bei Dividendeneinkünften auf die jeweilige inländische Steuerschuld angerech________________________ 130 Von Bedeutung sind diese Überlegungen in der Praxis vor allem für Staaten mit

einem klassischen System der Dividendenbesteuerung. Denn ihnen wird man deshalb eben auch keinen Vorwurf europarechtswidriger Besteuerung machen können, wenn sie an ihrer klassischen Besteuerung auch für Auslandsdividenden aus Staaten mit Entlastungsmechanismus festhalten.

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net wird131. Diese Maßnahme dient anders als das körperschaftsteuerliche Anrechnungsverfahren nicht ausschließlich der Herstellung leistungsfähigkeitsgerechter Besteuerungsergebnisse, sondern primär der Verwirklichung von „inter-nations-equity“, das heißt interstaatlicher Verteilungsgerechtigkeit. Sie erscheint darum schon aufgrund ihrer funktionalen Verschiedenheit nicht geeignet, die Kohärenz der fehlenden Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuervorbelastung in Frage zu stellen. Darüber hinaus zielt auch die Anrechnung zur Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung nicht darauf ab, die ausländischen Belastungsmaßstäbe zu revidieren – dann nämlich müsste ein full credit statt des ordinary credit gewährt werden. Schließlich und vor allem wäre eine steuerliche Doppelbelastung durch die parallele Steuererhebung in zwei Mitgliedstaaten auch nach ausländischem Leistungsfähigkeitsverständnis als im nationalen Kontext übermäßige Besteuerung zu werten. Hierin liegt ein entscheidender Unterschied zur Körperschaftsteuervorbelastung, deren völliger oder teilweiser Fortbestand vom ausländischen Quellenstaat ersichtlich für gerechtfertigt erachtet wird, soweit er sie nicht selbst beseitigt. Die beschränkte Anrechnung ausländischer Quellensteuern steht damit nicht im Widerspruch zu der Grundwertung, das ausländische Verständnis leistungsfähigkeitsgerechter Besteuerung zu respektieren. Die Kohärenz der Besteuerung wird im Bereich der Dividendeneinkünfte schließlich auch nicht durch DBA in Frage gestellt. Denn das wäre nur dann anzunehmen, wenn die DBA dazu führen würden, dass der Zusammenhang zwischen körperschaftsteuerlicher Vorbelastung im Inland ausgeschütteter Gewinne einerseits und ihrer Entlastung in Form des Anrechnungsverfahrens andererseits zerstört würde. Nur wenn die Vorbelastung mit Körperschaftsteuer bei Inlandsdividenden infolge zwischenstaatlicher Abkommen entfallen würde, wäre die mit dem Anrechnungsverfahren verbundene Entlastung des rein binnenwirtschaftlich Tätigen nicht mehr zu rechtfertigen. Es wurde schon oben darauf hingewiesen, dass DBA einen solchen ungerechtfertigten Entlastungseffekt aber nur ausnahmsweise bewirken können, wenn die zum Ausgleich angeführten steuerlichen Mehrbelastungen zeitlich später eintreten sollen und der Steuerpflichtige sich ihnen durch „Flucht in das DBA“ entziehen kann132. Denn beim Bezug inländischer Dividenden durch Steuerinländer greifen DBA von ihrem Anwendungsbereich her an sich schon gar nicht ein. Im Vollanrechnungsverfahren geht die Belastung der ________________________ 131 Dies veranlasst J. M. Mössner/D. Kellersmann, DStZ 1999, S. 505 (516), den Aus-

schluss von Auslandsdividenen als inkohärent, aber aus Gründen der Sicherung des inländischen Steueraufkommens dennoch gerechtfertigt anzusehen. Dass letzteres aus europarechtlicher Warte nicht in Betracht kommt, wurde bereits dargelegt. 132 Siehe 2. Kap., C.VI.4.g.cc.

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ausgeschütteten Gewinne mit Körperschaftsteuer ihrer Entlastung durch Gewährung des Anrechnungsguthabens gerade umgekehrt zeitlich voraus, es handelt sich um eine „Vorbelastung“ auch im technischen Sinne. Allerdings können DBA dazu führen, dass die Belastung im Ausland erwirtschafteter Gewinne bei der ausschüttenden inlandsansässigen Gesellschaft geringer ausfällt als dies dem inländischen Körperschaftsteuerniveau entspricht oder im Extremfall sogar ganz entfällt. Das ist immer dann der Fall, wenn sie für im Ausland erzielte Gewinne die Freistellungsmethode vorsehen, so dass sich deren Besteuerung nach dem ausländischen Körperschaftsteuerregime richtet. Indes hat hier die Herstellung der Ausschüttungsbelastung bzw. die Versagung eines Anrechnungsguthabens im abgeschafften Körperschaftsteuersystem sichergestellt, dass es beim inlandsansässigen Anteilseigner zu keiner Entlastung trotz fehlender Vorbelastung gekommen ist. (iii) Verhältnismäßigkeit des Ausschlusses Der Ausschluss der Auslandsdividenden vom Anrechnungsverfahren müsste schließlich auch ein verhältnismäßiges Mittel zur Herstellung einer gleichmäßigen inländischen Gesamtbelastung sein. Die Eignung dieser Maßnahme steht nach den vorausgegangenen Überlegungen ohne Weiteres fest. Erforderlich wäre der Ausschluss, wenn es zur Herstellung der Belastungsgleichheit keine gleichermaßen geeignete Alternative gibt, welche die Kapitalverkehrsfreiheit und gegebenenfalls die Niederlassungsfreiheit in geringerem Maße beeinträchtigt. Dabei dürfen nur Alternativmaßnahmen in die Betrachtung einbezogen werden, die dem nationalen Regelungszweck mindestens ebenso förderlich sind wie die untersuchte Maßnahme133. Solche Maßnahmen sind jedoch nicht ersichtlich. Muss nach dem mitgliedstaatlichen Verständnis von Steuergerechtigkeit und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit die Steuerbelastung auf Ebene der Gesellschaft und beim Anteilseigner im Ausschüttungsfalle integriert betrachtet werden, so bedarf es der Installation eines Mechanismus, welcher bei Ausschüttung der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung der Dividende Rechnung trägt. Erachtet der Mitgliedstaat – zulässigerweise – nur die inländische Vorbelastung für relevant, so wird er den Entlastungsmechanismus notwendig auf die von inländischen Gesellschaften ausgeschütteten Dividenden begrenzen. Eine die EG-vertraglichen Grundfreiheiten beeinträchtigende Ungleichbehandlung ist dem legitimen nationalen Interesse an der Beseitigung wirtschaftlicher inländischer Doppelbelastung damit immanent, unabhängig von dem beim Anteilseigner gewählten Entlastungsmechanismus. Zudem gewährleistet das Vollanrech________________________ 133 Siehe 2. Kap., C.VI.3.

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nungsverfahren eine exakte Entlastung, so dass andere Verfahren regelmäßig ohnehin nicht gleichermaßen geeignet sind134. Unhaltbar ist demgegenüber der Ansatz des EuGH in den Rechtssachen Lenz und Manninen, wonach sich die fehlende Notwendigkeit des Ausschlusses von Auslandsdividenden daraus ergebe, dass ihre Einbeziehung die Milderung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung von Inlandsdividenden nicht beeinträchtigen würde135. Zwar würde durch ein Anrechnungsguthaben auch für Auslandsdividenden der inländische Entlastungseffekt nicht in Frage gestellt. Diese Überlegung liegt aber ersichtlich neben der Sache, denn ein Ausgleich für inländische Mehrbelastungen wird in seiner Funktion natürlich nie dadurch in Frage gestellt, dass auch grenzüberschreitende Einkünfte an der korrespondierenden Entlastungskomponente teilhaben. Wohl aber wird dann die Gleichbelastung ausländischer wie inländischer Dividenden mit inländischen Steuern verfehlt. Genau darin, d. h. in der nach nationalem Verständnis leistungsfähigkeitsgerechten Einmal- bzw. Gleichbelastung von Dividenden im Verhältnis zu anderen Einkünften liegt aber das Ziel der Anrechnungsverfahren herkömmlicher Prägung, insbesondere auch des früheren deutschen Anrechnungsverfahrens. Es wurde bereits herausgestellt, dass dieses Ziel von den Mitgliedstaaten legitimer Weise unter Betrachtung allein der von ihnen auferlegten Steuerlasten verfolgt werden darf; insofern darf eine ausländische Vorbelastung dann aber auch nicht durch das „Hintertürchen“ der Verhältnismäßigkeitsprüfung für relevant erklärt werden. Die vom EuGH an dieser Stelle praktizierte Zusammenschau inländischer wie ausländischer Vorbelastung zeugt von einem gravierenden Unverständnis der tieferen Berechtigung des Rechtfertigungsgrundes der steuerlichen Kohärenz und bedeutet einen bedauerlichen Rückschritt noch hinter die Erkenntnisse des ihn kreierenden Bachmann-Urteils136. Schließlich müsste der Ausschluss der Auslandsdividenden vom Anrechnungsverfahren auch im Verhältnis zur damit einhergehenden Beeinträchtigung der mit den Art. 43 und 56 EGV verfolgten Zwecke angemessen sein. Hierzu ist einerseits festzustellen, dass die Ungleichbehandlung von Auslandsdividenden und Inlandsdividenden keine sehr intensive Beeinträchti________________________ 134 Das übersieht die EU-Kommission geflissentlich, vgl. die Mitteilung zur Besteue-

rung von Dividenden im Binnenmarkt v. 19.12.2003, KOM(2003) 810 endg., unter 3.2.2.2. Eine Ausnahme gilt nur für das Dividendenabzugsverfahren, das die Vorbelastung schon auf Gesellschaftsebene wieder neutralisiert bzw. gar nicht erst entstehen lässt. 135 EuGH v. 7.9.2004, C-319/02 (Manninen), IStR 2004, S. 680, Rz. 45 f.; EuGH v. 15.7.2004, Rs. C-315/02 (Lenz), IstR 2004, S. 522, Rz. 38. 136 Vgl. EuGH v. 28.1.1992 – Rs. C-204/90 (Bachmann), Slg. 1992, I-249, Rz. 23; siehe dazu auch oben im 2. Kapitel unter C.VI.4.g) bb).

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gung des durch diese Grundfreiheiten geschützten Binnenmarktziels mit sich bringt. Denn durch die kohärente Vorteilskompensation werden sie im Hinblick auf den inländischen Belastungserfolg letztlich doch gleich behandelt. Etwaige Hemmnisse zur Vornahme der grenzüberschreitenden Investition in Auslandsbeteiligungen gehen bei wertender Betrachtung nicht vom Ansässigkeitsstaat, sondern vielmehr von einer restriktiveren Handhabung der Entlastung im Quellenstaat aus, wie nachgewiesen werden konnte. Auf der anderen Seite sind das Recht der nationalen Steuern vom Ertrag und die darin zum Ausdruck kommenden Gerechtigkeitsideale in hohem Maße Ausdruck der nationalen Identität und des gesellschaftlichen Selbstverständnisses des Mitgliedstaates. Der Durchsetzung von Belastungsgleichheit nach den Vorstellungen des Mitgliedstaates ist darum hohes Gewicht beizumessen. Bei der gebotenen Gesamtabwägung aller Belange ist der Ausschluss der Auslandsdividenden vom Anrechnungsverfahren darum auch als angemessene und folglich verhältnismäßige nationale Maßnahme einzustufen. (iv) Mittelbarer Dividendenbezug Die vorstehenden Ausführungen betreffen den unmittelbaren Dividendenbezug bei einer Direktinvestition durch natürliche Personen im Ausland. Sie lassen sich aber auch auf den mittelbaren Bezug ausländischer Gewinne über eine inländische Kapital- bzw. Zwischengesellschaft137 übertragen. Aus dem Vorgesagten folgt, dass der Ansässigkeitsstaat das im Anrechnungsverfahren erkennbare Belastungsideal einer Integration von Körperschaftsteuer und gegebenenfalls Gewerbesteuer der Gesellschaft und Einkommensteuer des Anteilseigners auch für inländische Dividenden grundsätzlich nur insoweit verwirklichen muss, als die Vorbelastung eine inländische ist. Denn mit ausländischer Körperschaftsteuer belastete Gewinne werden in der Regel über ausländische Tochtergesellschaften oder Betriebsstätten erwirtschaftet; anderenfalls stünde dem ausländischen Fiskus nach internationalen Grundsätzen bzw. dem Abkommensrecht, das allgemein Art. 7 Abs. 1 S. 1 OECD-MA umsetzt, schon kein Besteuerungsanspruch zu. Für Betriebsstättengewinne und solche ausländischer Tochtergesellschaften gilt aber wiederum der Grundsatz des Vorrechts des Quellenstaates, was sich aus Art. 7 Abs. 1 OECD-MA und auch aus Art. 4 Abs. 1 der Mutter-TochterRichtlinie ergibt. Deshalb können die Wertungen des Quellenstaates zur Besteuerung ausgeschütteter Unternehmensgewinne der Besteuerung im Inland auch insoweit zugrundegelegt werden. ________________________ 137 Gleiches gilt für den mittelbaren Bezug über einen inländischen Investmentfonds,

dessen Anlagevermögen als Sondervermögen ebenfalls intransparent behandelt wird, vgl. §§ 2 I InvG, 11 I 1 InvStG.

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Eine Anrechnung ausländischer Steuern ist darum nur in dem Umfang geboten, in dem auch im Ausland eine Entlastung von ausgeschütteten Unternehmensgewinnen praktiziert wird. Da der Quellenstaat die natürliche Person als nur mittelbare Anteilseignerin in diesem Fall nicht selbst durch Anwendung seines Anrechnungsverfahrens entlasten kann, muss deren Wohnsitzstaat diese Aufgabe wahrnehmen. Er muss also sicherstellen, dass eine Entlastung gewährt wird, soweit die Weiterausschüttung im Inland – gegebenenfalls im Wege der Verwendungsfiktion – auf solche Gewinnanteile entfällt. Bleibt die Besteuerung der Gewinne von Kapitalgesellschaften im Ausland hingegen definitiv, muss eine Entlastung nicht vorgenommen werden. Eine Regelung entsprechend der des § 36 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 S. 1, letzter Hs. EStG a. F., welche im Ausland vorbelastete und ins EK 01 eingestellte Gewinnanteile vom Anrechnungsverfahren ausnahm, zerstört die Kohärenz des Anrechnungsverfahrens also nur insoweit, als sie ausnahmslos auch für aus Staaten mit Systemen der Integration von Körperschaftsteuer und Einkommensteuer stammende Gewinne gilt. Ein solches Besteuerungssystem wiese neben dem Vorzug der Europarechtskonformität darüber hinaus auch den der steuerlichen Neutralität zwischen der Direktinvestition durch den unmittelbaren Erwerb einer Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft und der mittelbaren Investition im Ausland über eine inländische Zwischengesellschaft auf: Ausländische Körperschaftsteuern würden beim letztbeteiligten Anteilseigner in jedem dieser Fälle nur dann, aber unabhängig von der Investitionsform auch immer dann angerechnet, wenn der Quellenstaat dies für an seine Steuerinländer ausgeschüttete Dividenden ebenfalls vorsieht. Das gilt jedenfalls dann, wenn auch er wie geboten sein Anrechnungssystem im Fall der Direktinvestition auf Steuerausländer erstreckt. cc) Schlussfolgerungen für ein europarechtskonformes Vollanrechnungsverfahren Die vorstehend erörterten Gesichtspunkte führen zu einer in sich stimmigen Verteilung von internationalen Verantwortlichkeiten: Einerseits ist dadurch sichergestellt, dass der transnational beteiligte Gesellschafter nicht qua Europarecht in den Genuss sowohl einer Körperschaftsteuergutschrift durch das Quellenland als auch einer Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer im Wohnsitzland kommt, wenn beide beteiligten Staaten ein Anrechnungssystem vorsehen sollten. Es wäre in der Tat ein widersinniges Ergebnis, wenn beide Staaten auf das Steueraufkommen aus grenzüberschreitenden Gewinnausschüttungen generell verzichten müssten und ausgeschüttete Gewinne auf Ebene der Gesellschafter überhaupt nicht mehr besteuert wür-

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den138. Andererseits wird gewährleistet, dass es jedenfalls am Maßstab einer der beteiligten Rechtsordnungen – regelmäßig derjenigen des Ortes der Kapitalanlage – nicht zu einer Mehrbelastung der transnationalen gegenüber der rein binnenorientierten Gesellschaftsbeteiligung kommen kann: Denn zumindest der Sitzstaat der Gesellschaft muss wie dargelegt sein Entlastungssystem diskriminierungsfrei auch auf Steuerausländer erstrecken. Aus Sicht des Gesellschafters im Vergleich zu einer Unternehmensbeteiligung in seinem Heimatstaat verbleibende Belastungsunterschiede sind wertungsmäßig damit den vom EG-Recht hingenommenen Besteuerungsdisparitäten zuzuordnen, welche die mangelnde Harmonisierung der Körperschaftsteuersysteme notwendig mit sich bringt. Letztlich wird damit dem national wie europarechtlich anerkannten Grundsatz Rechnung getragen, dass die steuerliche Gleichbehandlung des transnational tätigen und des rein national agierenden Wirtschaftssubjekts nur insoweit verlangt werden kann, als dem jeweiligen Mitgliedstaat die Belastungswirkungen der Besteuerung zugerechnet werden können. Das auf „Kästchengleichheit“ in der Belastungswirkung ausbalancierte Spannungsverhältnis zwischen Grundfreiheiten und nationalen Besteuerungsidealen erlaubt dabei im Bereich der Dividendenbesteuerung sowohl die Verwirklichung von Kapitalimportneutralität als auch die von Kapitalexportneutralität, je nachdem ob sich der Wohnsitzstaat des Dividendenempfängers im Auslandssachverhalt an den fremden oder den eigenen Gerechtigkeitsidealen orientiert. Damit soll nicht in Abrede gestellt werden, dass unter wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten im Zuge der fortschreitenden Integration speziell im europäischen Binnenmarkt möglicherweise die überzeugenderen Argumente für die Herstellung von Kapitalexportneutralität sprechen würden139. Auch lässt sich international ein Trend in die Richtung beobachten, dass der Wohnsitzstaat sein Entlastungssystem auf unmittelbar wie mittelbar bezogene Auslandsdividenden erstreckt und der Quellenstaat auf sein Besteuerungsrecht ________________________ 138 Zutreffend formuliert von O. H. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung,

5. Aufl., S. 228 m. w. N.; ähnlich A. Benecke/A. Schnitger, IStR 2003, S. 649 (656); C. Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 275; E. Reimer in: Lehner, Grundfreiheiten, S. 39 (95); ders., ET 2000, S. 48 (50); V. Sarrazin, DStJG 20, S. 57 (67 f.). A. A. sind M. Schraufl, Körperschaftsteuersysteme, S. 119 f.; C. Staringer in: Lechner/Staringer/Tumpel, Kapitalverkehrsfreiheit, S. 93 (116 f.); H. Schaumburg, DStJG 24, Diskussionsbeitrag S. 286. 139 Vgl. dazu z. B. C. J. Taylor, Bulletin I. F. D. 2003, S. 135 (145); O. H. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 5. Aufl., S. 29 ff. m. w. N.; K. Ståhl, ec tax review 1997, S. 227 (232) m. w. N.

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an Dividenden fast gänzlich oder sogar völlig verzichtet140. Ein solch supranationales System der Dividendenbesteuerung liesse sich nach den bisherigen Ausführungen ohne Weiteres mit den Grundfreiheiten in Übereinstimmung bringen141. Den Mitgliedstaaten zwingend vorgeschrieben werden könnte es aber nur im Wege einer EU-weiten Harmonisierung; die „negative Integration“ durch die europäischen Grundfreiheiten gebietet nur die Gleichbehandlung am Maßstab des Sitzstaates der Gesellschaft142. Aus den Grundfreiheiten kann eben kein ideales, harmonisches europäisches Steuersystem entwickelt, sondern nur das konkret existierende System auf seine Beschränkungsfreiheit geprüft werden143. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass ein europarechtskonform ausgestaltetes Anrechnungsverfahren auch ausländischen Anteilseignern die Anrechung der auf einer im Inland ausgeschütteten Dividende lastenden Körperschaftsteuer gewähren muss. Demgegenüber ist es aus europarechtli________________________ 140 Vgl. den Überblick bei R. J. Vann, CDFI LXXXVIIIa, S. 21 (49 u. 55 f.). Allerdings

geht eine solche Entwicklung nicht notwendig mit der Herstellung von Kapitalexportneutralität einher: Wird auf Anteilseignerebene ein shareholder relief-Verfahren oder sonst ein pauschales Entlastungsverfahren unabhängig von der tatsächlichen Vorbelastung der Dividende praktiziert, bleiben die durch die unterschiedlichen nationalen Körperschaftsteuerbelastungen bestehenden Unterschiede im Nachsteuerergebnis bestehen, vgl. Vann a. a. O., S. 56 f. 141 Praktiziert der Quellenstaat allerdings für Ansässige ein Anrechnungsverfahren, wird also die Körperschaftsteuer nicht definitiv, so würde selbst der völlige Verzicht auf Quellensteuer auslandsansässige Anteilseigner potentiell schlechter stellen, so dass der Quellenstaat zusätzlich ein Anrechnungsguthaben gewähren müsste. Mit den Grundsätzen internationaler Verteilungsgerechtigkeit (dazu siehe sogleich) wäre dies nur zu vereinbaren, wenn zwischen Quellen- und Ansässigkeitsstaat ein Fiskalausgleich vereinbart würde. Dessen Realisierungschancen sind aber höchst skeptisch zu beurteilen. Es erweist sich damit, dass die genuinen, in Reinform praktizierten Anrechnungsverfahren jedenfalls im europäischen Binnenmarkt unter Geltung der Diskriminierungsverbote mit der internationalen Entwicklung praktisch nicht werden Schritt halten können. 142 Ebenso tendenziell FG München v. 26.1.1998 – 15 K 3861/93 –, EFG 1998, S. 1076 (1078 f.). Im Ergebnis gleicher Ansicht ist auch W. Schön in: GS Knobbe-Keuk, S. 743 (776). Da eine „Überkompensation“ von steuerlichen Nachteilen der Auslandsanlage vermieden werden müsse, sei eine Anrechnung im Wohnsitzstaat nur in dem Fall und in dem Umfang zu gewähren, in dem der Sitzstaat der ausschüttenden Körperschaft seinerseits den inländischen Gesellschaftern eine Körperschaftsteuergutschrift gewährt. W. Schön will damit freilich Kapitalimportneutralität durch den Wohnsitzstaat im Wege der – ggf. partiellen – Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer hergestellt wissen. Das kann vor einem europarechtlichen Hintergrund nicht überzeugen – wenn Gleichbehandlung am Maßstab des Sitzstaates der Körperschaft herzustellen ist, so kann nur der für die bisherige Ungleichbehandlungen verantwortliche Mitgliedstaat, d. h. der Sitzstaat, dazu verpflichtet sein. 143 J. M. Mössner/D. Kellersmann, DStZ 1999, S. 505 (512).

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cher Warte nicht notwendig, das Anrechnungsverfahren auch auf den Bezug ausländischer Dividenden durch Steuerinländer auszudehnen. Es kann damit festgestellt werden, dass das frühere deutsche Anrechnungsverfahren europarechtswidrig konzipiert war, aber durch die Einbeziehung auch der Steuerausländer europarechtskonform hätte ausgestaltet werden können144. Der Gesetzgeber hätte durch die notwendigen Modifikationen also ein optimal leistungsfähigkeitsgerechtes System der Integration von Körperschaftsteuer (und Gewerbesteuer) der Gesellschaft und Einkommensteuer des Anteilseigners schaffen können, ohne gegen europarechtliche Vorgaben zu verstoßen145. Damit wäre im Übrigen auch ein eventuell in der Versagung des Anrechnungsguthabens liegender Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG im Hinblick auf die Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger146 beseitigt worden. Hinsichtlich der Auslandsdividenden wiederum war die mangelnde Berücksichtigung der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung nach dem Vorgesagten nicht nur mit Europarecht, sondern auch mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbar: Der Gesetzgeber durfte die abweichenden Wertungen der Steuerrechtsordnung des Quellenstaates mit der Folge übernehmen, dass Inlands- und Auslandsdividenden insoweit nicht gleich behandelt werden mussten. ________________________ 144 So hat etwa Frankreich sein körperschaftsteuerliches Anrechnungsverfahren (den

sog. avoir fiscal) im Wege bilateraler Abkommen einseitig auf nichtansässige natürliche Personen und Streubesitzbeteiligungen gebietsfremder juristischer Personen aus immerhin 10 der 14 anderen Mitgliedstaaten ausgedehnt, vgl. P. Dibout, Revue de Droit Fiscal 2000, S. 1365 (1370); D. Richter, IStR 2002, S. 726 (731). J. Hey schreibt in diesem Zusammenhang: „Vom technischen Aspekt her muß das Anrechnungsverfahren keineswegs ausländische Anteilseigner und Auslandsinvestitionen diskriminieren.“ (in: Unternehmensbesteuerung, S. 360). 145 Das wäre selbst dann möglich gewesen, wenn man – möglicherweise nicht ganz zu Unrecht – hätte befürchten müssen, der EuGH würde eine Gleichstellung auch des Bezugs ausländischer mit dem inländischer Dividenden verlangen und die Kohärenz der Beschränkung auf von inländischen Gesellschaften bezogene Dividenden ablehnen. Dann hätte das Anrechnungsverfahren in der Praxis eben auch noch diese Konstellationen erfassen müssen. 146 Dazu näher BFH v. 4.2.1987 – I R 252/83, BStBl. II 1987, S. 682; J. M. Mössner/ D. Kellersmann, DStZ 1999, S. 505 (511); F. Wassermeyer, DStJG 8, S. 49 (69 f.); K. E. Herkenroth in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 50 (Stand: 08/02), Rz. 274 m. w. N; W. Grasnick, GmbHR 1973, S. 224 (225), der allerdings widersprüchlich argumentiert. Die Frage soll hier nicht weiter vertieft werden, da sich die Notwendigkeit einer Umgestaltung des Körperschaftsteuersystems jedenfalls klar aus europarechtlichen Gründen ergab und gesonderte Erwägungen zu Art. 3 Abs. 1 GG angesichts der Abschaffung des Anrechnungsverfahrens nur noch hypothetischen Charakter hätten.

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dd) Konflikt mit den Vorstellungen interstaatlicher Verteilungsgerechtigkeit Ein solch europataugliches Anrechnungsverfahren hätte aber möglicherweise an anderer Stelle zu Konflikten mit Grundprinzipien der Dividendenbesteuerung geführt. Denn tatsächlich bewegt sich die Besteuerung grenzüberschreitender Dividendenbezüge nicht nur im Spannungsfeld zwischen nationalem Verfassungsrecht und Europarecht. Sie ist vielmehr weiter gekennzeichnet durch die Notwendigkeit und das Bemühen der involvierten Staaten, mittels Doppelbesteuerungsabkommen das Steueraufkommen anlässlich der Gewinnausschüttung gerecht unter sich aufzuteilen147. In diesem Zusammenhang ist es nun von Bedeutung, dass das OECDMusterabkommen und in der Folge auch die von Deutschland abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen am klassischen System der Dividendenbesteuerung ausgerichtet sind, das heißt eine Definitivbesteuerung auf Körperschaftsebene ohne Entlastung auf Anteilseignerebene voraussetzen148. Das deutsche Anrechnungsverfahren in seiner zuletzt gültigen, europarechtswidrigen Fassung bewirkte für die beschränkt steuerpflichtigen Anleger im Ergebnis ein klassisches Verfahren, sieht man von den Besonderheiten der Betriebsstättenbesteuerung ab. Durch die Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer nach § 50 Abs. 5 S. 1 u. 2 EStG war eine Veranlagung und damit zusammenhängend die Anrechnung der Körperschaftsteuer ausgeschlossen. Damit fügte sich das deutsche System der Dividendenbesteuerung beim grenzüberschreitenden Sachverhalt in das abkommensrechtliche Bild der klassischen Besteuerung ein. Ohne in seiner Abkommenspraxis wesentlich vom OECD-Musterabkommen abzuweichen, konnte sich Deutschland in den von ihm abgeschlossenen DBA auf diese Weise den als verteilungsgerecht akzeptierten, überwiegenden steuerlichen Zugriff des Quellenstaates auf die ausgeschütteten Unternehmensgewinne sichern149. Infolge der Androhung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch die europäische Kommission waren die Bundesregierung und der deutsche Gesetzgeber unter Zugzwang geraten, das Anrechnungsverfahren kurz- bis mittelfristig europarechtskonform auszugestalten. Das hätte nach dem hier erläu________________________ 147 Dieses Spannungsfeld war dem Gesetzgeber bei Schaffung des Anrechnungsverfah-

rens durchaus bewußt. So spricht die Begründung zum Entwurf des Körperschaftsteuergesetzes 1977 davon, dass eine sachgerechte Belastung ausländischer Anteilseigner „die maßgebenden internationalen Aufteilungsregeln, die Wesenselemente des ausländischen Steuerrechts und die Regelung der Doppelbesteuerungsabkommen berücksichtigen“ müsse, BT-Drs. 7/1470, S. 333. 148 Siehe dazu 2. Kap., B.II.2. 149 Ausführlich W. Görlich, FR 1978, S. 367 f.

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terten Verständnis eine Ausdehnung auch auf Steuerausländer bedeutet. Diese Konsequenz aber hätte bei ansonsten gleichbleibender Rechtslage zu einer empfindlichen Störung der abkommensrechtlich austarierten Verteilungsgerechtigkeit zwischen Deutschland und dem jeweiligen EU-angehörigen Heimatstaat des Dividendenempfängers geführt150. Denn durch das Anrechnungsverfahren wird die Kapitalgesellschaft im Zeitpunkt der Ausschüttung gleichsam teilweise transparent: Der Quellenstaat gibt sein „Vorab-Steueraufkommen“ aus der Körperschaftsteuer zurück und verzichtet damit auf einen „safe haven“ ungeteilter Fiskalhoheit. Der ausgeschüttete Unternehmensgewinn wird vielmehr über die Anrechnung der Körperschaftsteuer vollständig beim Anteilseigner steuerbar, und der steuerliche Zugriff verlagert sich damit vollständig auf eine Ebene mit internationalem Bezug, die den Verteilungsregeln der DBA unterworfen ist. Deutschland als Quellenstaat hätte damit allenfalls eine Quellensteuer von 15 %, gegebenenfalls auch weniger, erheben dürfen und darauf die Körperschaftsteuervorbelastung anrechnen müssen151. Es wäre regelmäßig eine Steuererstattung zu erwarten gewesen, und letztlich wäre die beschränkte Quellensteuer, welche die DBA dem Heimatstaat der ausschüttenden Gesellschaft zugestehen, die einzig verbleibende Partizipation am Unternehmensgewinn geblieben. Im Falle Deutschlands hätte dies einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vorrechts des Quellenstaates bewirkt und darüber hinaus zu einer ungerechten Verschiebung von Steuerquellen hin zum Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers geführt. Es wurde bereits dargelegt, dass dem Quellenstaat nach den aus dem OECD-MA ersichtlichen Verteilungsregeln je-

________________________ 150 J. M. Mössner/D. Kellersmann, DStZ 1999, S. 505 (511). 151 Siehe dazu C. de Pablo Varona, RDFHP 2002, S. 51 (103 f.); J. M. Mössner/

D. Kellersmann, DStZ 1999, S. 505 (511); H. J. Ault, Tax Notes International 1992, S. 545 (546 f.). Wären die gebietsfremden Anteilseigner allerdings nicht definitiv quellenbesteuert, sondern danach noch veranlagt worden, so hätte man vordergründig auch argumentieren können, die Anrechnung der Körperschaftsteuer auf die veranlagte Einkommensteuer sei vor deren Reduzierung auf das abkommensrechtlich zulässige Maß durchzuführen. Wäre erst der Saldo aus Einkommensteuer und Körperschaftsteueranrechnung auf den üblichen Höchstbetrag von 15 % der Bruttodividende zu begrenzen, so wäre Deutschland als Quellenstaat das Körperschaftsteueraufkommen tatsächlich in ähnlichem Ausmaß wie im Binnensachverhalt verblieben. Ein solches Verständnis der maximalen Quellensteuerbelastung wäre allerdings in einigen DBA schon mit dem Wortlaut der einschlägigen Dividendenartikel nicht zu vereinbaren (vgl. z. B. Art. 9 II DBA Frankreich, Art. 6 I DBA Irland). Im Übrigen steht dem entgegen, dass die Anrechnung auf die Einkommensteuer insgesamt und nicht auf die auf Dividendeneinkünfte entfallende Einkommensteuer vorzunehmen ist, so dass kein unmittelbarer Zusammenhang zu deren Belastung besteht.

361

Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

denfalls die überwiegende Durchsetzung seiner im Binnenkontext bestehenden Steueransprüche auch beim grenzüberschreitenden Dividendenbezug möglich sein muss. Grenzüberschreitend ausgeschüttete Dividenden durften aufgrund der dem § 10 Abs. 1 OECD-MA nachgebildeten Abkommensbestimmungen aber regelmäßig höchstens mit Steuern in Höhe von 15 % der Bruttodividende belegt werden. Außerdem hätte der Quellenstaat auf diese Steuer noch das Körperschaftsteuerguthaben anrechnen und gegebenenfalls einen überschießenden Betrag erstatten müssen152. Zwar zählt dafür zur Bruttodividende im Sinne der Abkommensbestimmungen grundsätzlich auch ein etwaiges, dem Steuerausländer gewährtes Anrechnungsguthaben153. Dennoch hätte der bei Steuerinländern als leistungsfähigkeitsgerecht eingestufte Steueranspruch gegenüber Steuerausländern in vielen Fällen nicht einmal zur Hälfte durchgesetzt werden können: Bei Steuerinländern richtete sich das Aufkommen aus der Besteuerung ausgeschütteter Unternehmensgewinne nämlich letztlich allein nach deren individueller Einkommenslage154. Bei Spitzensteuersätzen von damals bis zu 53 %, die selbst bis 2005 nicht unter 42 % liegen sollen, konnte sich auch unter Berücksichtigung von Beteiligungsaufwendungen bei gutverdienenden Anteilseignern ohne weiteres ein auf die Bruttodividende nebst Anrechnungsguthaben bezogenes Steueraufkommen von deutlich über 30 % ergeben. Geht man etwa von Beteiligungsaufwendungen in Höhe von ca. 5 % der Bruttodividende aus, so ergeben sich abhängig vom individuellen durchschnittlichen ESt-Satz folgende steuerliche Konsequenzen:

________________________ 152 C. de Pablo Varona, RDFHP 2002, S. 51 (118 f.); vgl. zu dieser Konsequenz auch

K. Ståhl, ec tax review 1997, S. 227 (229 f.). 153 H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 16.340; W. Tischbirek in:

Vogel/Lehner, DBA, 4. Aufl., Art. 10 Rz. 202; ausführlich P. Böckli, StuW 1979, S. 1 (5 ff.). Das ergibt sich jedenfalls dann, wenn man der ganz herrschenden Meinung folgt, wonach für alle Dividendeneinkünfte nach dem Rechtsgedanken des Art. 10 Abs. 3 letzter Hs. OECD-MA die Einkünftequalifikation nach dem Recht des Quellenstaates vorzunehmen ist, vgl. dazu H. Schaumburg a. a. O., Rz. 16.330 m. w. N. Speziell für das DBA Belgien sind gl. A. auch A. Benecke/A. Schnitger, IStR 2003, S. 649 (657). Vgl. schließlich auch FG Köln v. 2.4.2003 – 2 K 5994/01, DstRE 18/2003, S. 1101 ff. 154 Allerdings verblieb dem deutschen Fiskus die von der Kapitalgesellschaft erhobene Gewerbesteuer. Dies soll im Folgenden jedoch außer Betracht bleiben, weil ein leistungsfähigkeitsgerechtes Anrechnungsverfahren auch insoweit eine Erstattung hätte gewähren müssen, siehe oben unter I.1.a.

362

Der Entlastungsmechanismus Steuersatz 40 %

Steuersatz 35 %

Steuersatz 30 %

(1)

Gewinn

100,0

100

100

(2)

KSt und GewSt

– 38,5

– 38,5

– 38,5

(3)

Bruttodividende

61,5

61,5

61,5

(4)

abzügl. WK/BA

– 3,0

– 3,0

– 3,0

(5)

Nettodividende

(6)

Anrechnungsbetrag

58,5

58,5

58,5

+ 38,5

+ 38,5

+ 38,5 97,0

(7)

Dividendeneinkünfte

97,0

97,0

(8)

ESt

38,8

34,0

29,1

(9)

ESt-Last bezogen auf die Bruttodiv. incl. Anrechnungsbetrag

38,8 %

34,0 %

29,1 %

Das Vorrecht des Quellenstaates hätte sich bei Erstreckung des Anrechnungsverfahrens auf beschränkt Steuerpflichtige faktisch in ein klar überwiegendes Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates umgewandelt, jedenfalls insoweit die Gruppe von Anteilseignern mit hohen Einkünften betroffen ist. Bei ihnen wäre es darüber hinaus zu einer den Verteilungsgrundsätzen der DBA widersprechenden Verschiebung von Steuerquellen gekommen155: Denn die Ausdehnung des Anrechnungsverfahrens hätte in diesen Konstellationen dazu geführt, dass der Aufkommensverlust für Deutschland als Quellenstaat die bloßen Kosten der Integration von Einkommensteuer und Körperschaftsteuer überstiegen hätte. Die Kosten der Integration berechnen sich im Beispiel aus dem vorangegangenen Absatz (ESt-Belastung mit durchschnittlich 40 %, WK/BA in Höhe von ca. 5 % der Bruttodividende) mit 23,1 Einheiten: Klassisches System

Anrechnungsverfahren

(1)

Gewinn

100,0

100,0

(2)

KSt und GewSt

– 38,5

– 38,5

(3)

Bruttodividende

61,5

61,5

(4)

abzügl. WK/BA

– 3,0

– 3,0

(5)

Nettodividende

(6)

Anrechnungsbetrag

(7)

Dividendeneinkünfte

(8)

ESt

(9)

Steueraufkommen (2)+(8)-(6):

58,5

58,5

+ 0,0

+ 38,5

58,5

97,0

– 23,4

– 38,8

61,9

38,8

Kosten der Integration

23,1

________________________ 155 Ähnlich die Begründung zum StSenkG, BT-Drs. 14/2683, S. 95.

363

Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

Dem stehen Aufkommensverluste im grenzüberschreitenden Sachverhalt von 32,7 gegenüber: Klassisches System

Anrechnungsverfahren

(1)

Gewinn

100,0

100,0

(2)

KSt und GewSt

– 38,5

– 38,5

(3)

Bruttodividende

61,5

61,5

(4)

abzügl. WK/BA

– 3,0

– 3,0

(5)

Nettodividende

(6)

Anrechnungsbetrag

58,5

58,5

+ 0,0

+ 38,5

(7)

Dividendeneinkünfte

58,5

(8)

ESt (max. 15 % aus (3) und (6))

– 9,2

– 15

(9)

Steueraufkommen (2)+(8)-(6):

47,7

15

Verlust an Steueraufk.

97,0

32,7

Die genannten Auswirkungen einer Erstreckung des Anrechnungsverfahrens auf beschränkt Steuerpflichtige hätten den von den betroffenen Staaten bei Vertragsschluss als gerecht empfundenen Grundsätzen der steuerlichen Aufteilung von ausgeschütteten Unternehmensgewinnen klar widersprochen. Es war auch nicht damit zu rechnen, dass die Bundesrepublik als der benachteiligte Vertragspartner zur Vermeidung entsprechender Ergebnisse eine Anpassung der Quellensteuersätze zu ihren Gunsten hätte durchsetzen können156. Die schon erwähnte, in der Abkommenspraxis zu beobachtende strikte Fixierung auf nominelle Reziprozität der Quellensteuersätze hätte dem entgegengestanden157. Europarechtlich hätte die zu befürchtende Aushöhlung des Vorrechts des Quellenstaates und die damit verbundene Verschiebung des Steueraufkommens indes nicht ins Felde geführt werden können158. Denn es handelt sich um grundsätzlich für unbeachtlich erklärte budgetäre Gründe; der EuGH kann auch auf die Schwierigkeiten bei der Änderung bestehender DBA kaum Rücksicht nehmen, will er keine „grundfreiheitsfreie Zone“ schaffen. Wäre das Vollanrechnungsverfahren aufgrund der Androhung eines Vertragsverletzungsverfahrens der Kommission und im Hinblick auf die – verfehlte – Rechtsprechung des EuGH auch auf Auslandsdividenden erstreckt worden, so wären auch insoweit Verstöße gegen die Grundsätze zwischenstaatlicher Verteilungsgerechtigkeit zu konstatieren gewesen: Denn dies hätte

________________________

156 Diese Einschätzung wird bzgl. der – alternativen – Lösung über ein internationales

Clearing-Verfahren von H. Schaumburg geteilt, vgl. dens. in: JbFAStR 2000/2001, S. 81. 157 Siehe dazu 2. Kap. B.II.2.b., sowie C. de Pablo Varona, RDFHP 2002, S. 51 (62 u. 104). 158 H. E. Kostense, ec tax review 2000, S. 220 (232).

364

Der Entlastungsmechanismus

bei Dividendenbeziehern mit geringem oder mittleren durchschnittlichem Einkommensteuersatz notwendig die Erstattung nicht vereinnahmter, ausländischer Körperschaftsteuer zur Folge gehabt159. Es stand damit zu erwarten, dass die europarechtskonforme Ausgestaltung des Anrechnungsverfahrens zwar die durch Art. 3 Abs. 1 GG geschützte interpersonale Gerechtigkeit verwirklichen, die interstaatliche Verteilungsgerechtigkeit aber preisgeben würde160. Diese Gefahr war geeignet, eine Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips in Gestalt der Abschaffung des Vollanrechnungsverfahrens zu rechtfertigen. Allerdings dürfen rein fiskalische Erwägungen prinzipiell nicht herangezogen werden, um eine Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip zu rechtfertigen, weil der staatliche Finanzbedarf gerade durch eine gleichmäßige Belastung aller am Maßstab der Leistungsfähigkeit befriedigt werden muss. Der Gesichtspunkt der Wahrung interstaatlicher Verteilungsgerechtigkeit stellt aber insoweit eine Besonderheit dar: Er soll nämlich gewährleisten, dass der nationale Fiskus angemessen an einer auch aus internationalem Blickwinkel leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung partizipiert. Führt eine an sich optimal leistungsfähige Besteuerung im internationalen Kontext dazu, dass die zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit verletzt wird, so bedeutet dies, dass der staatliche Finanzbedarf durch die gleichmäßige Austeilung der Steuerlasten gerade nicht angemessen befriedigt werden kann. Es muss darum eine verhältnismäßige Auflösung dieses Konflikts gestattet sein dergestalt, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip in angemessenem Umfang zugunsten des Aspekts der Herstellung interstaatlicher Verteilungsgerechtigkeit zurückgenommen wird. ________________________ 159 Für unangemessen hält dies auch S.-O. Lodin in: Lindencrona/Lodin/Wiman, Liber

Amicorum Leif Mutén, S. 199 (216). 160 Dieses Dilemma lässt sich besonders gut anhand der Geschichte des australischen

Anrechnungsverfahrens nachvollziehen: Bis zur Installierung eines klassischen Körperschaftsteuersystems im Jahre 1941 wendete Australien sein Anrechnungsverfahren unterschiedslos auf ansässige wie nichtansässige Dividendenbezieher an. Das lag wesentlich darin begründet, dass es sich in seinem Quellensteuerrecht zum damaligen Zeitpunkt noch nicht durch DBA eingeschränkt sah. Australien konnte darum den dritten Pol im geschilderten Spannungsfeld zwischen nationalen Gleichheitspostulaten, supranationaler Gleichbehandlung und zwischenstaatlicher Verteilungsgerechtigkeit ignorieren und bei Inlandsdividenden problemlos ein diskriminierungsfreies Anrechnungsverfahren verwirklichen. (Erleichtert wurde diese Entscheidung allerdings auch dadurch, dass die Erstattung überschießender Anrechnungsguthaben nicht vorgesehen war.) Bei Wiedereinführung des Anrechnungsverfahrens in 1987 bestand dann ein enges Geflecht bilateraler DBA, und das Anrechnungsguthaben wurde nur noch Ansässigen gewährt. Näher dazu C.J. Taylor, Bulletin I.F.D. 2003, S. 346 ff.

365

Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

c) Sonstige Schwächen des Anrechnungsverfahrens Dem Anrechnungsverfahren wurden darüber hinaus teilweise seine Komplexität und noch häufiger seine Missbrauchsanfälligkeit entgegengehalten. Es erscheint aber fraglich, ob auch im Hinblick auf diese Gesichtspunkte ein Abgehen von dieser optimal leistungsfähigkeitsgerechten Form der Dividendenbesteuerung gerechtfertigt gewesen wäre. aa) Kompliziertheit des Anrechnungsverfahrens Das Anrechnungsverfahren war in der vor Einführung des Halbeinkünfteverfahrens geltenden Version unbestreitbar eine vergleichsweise schwierig nachzuvollziehende Besteuerungstechnik. Dies lag vor allem an der aufwendigen Gliederungsrechnung, die durch den damals geltenden gespaltenen Steuersatz noch weiter kompliziert wurde161. Auch die genaue Unterscheidung zwischen Inlands- und Auslandssachverhalten sowie die nur schwer herzustellende Kompatibilität zur international vorherrschenden Entlastungsmethode der Dividendenfreistellung bei Schachtelbeteiligungen trugen zur Komplexität des früheren Anrechnungsverfahrens bei162. Demgegenüber führte das Anrechnungsverfahren beim Dividendenbezug über institutionelle Anleger, namentlich Investmentfonds, in Deutschland nicht wie in manchen anderen Ländern163 zu besonders komplizierten Sonderregelungen164. Die technische Komplexität des Anrechnungsverfahrens wurde insbesondere vom Gesetzgeber als Begründung dafür angeführt, zu einem einfacheren, wenngleich pauschaleren und damit weniger leistungsfähigkeitsgerechten System der Dividendenbesteuerung überzugehen165. Zuvor waren sie meist nur als Rechtfertigung möglicher Systemvereinfachungen innerhalb des Anrechnungsverfahrens diskutiert worden166. Wenngleich nicht a priori auszu________________________ 161 Vgl. dazu Brühler Empfehlungen, S. 45 f.; C. Djanani/R. Herbener, CDFI

162 163 164

165 166

366

LXXXVIIIa, S. 399 (431); S.-O. Lodin, ET 2001, S. 166 (168); Á. de la Cueva González-Cotera, Estudios Financieros 2000, S. 49 (63); U. Prinz, FR 1999, S. 1265 (1266); H.-H. Krebühl in: FS Fischer, S. 137 (141). G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 210 m. w. N. Siehe dazu R. J. Vann, CDFI Volume LXXXVIIIa (2003), S. 21 (34 f.). Im Binnensachverhalt wurde dem Fonds die auf den Dividenden lastende Körperschaftsteuer erstattet, da das Sondervermögen der Kapitalanlagegesellschaft nach § 38 I KAGG (jetzt § 11 I 2 InvStG) steuerfrei war, und bei Weiterleitung oder Wiederanlage erhob der Fonds seinerseits gemäß § 38a KAGG eine Ausgleichsteuer, welche dem eigenlichen Anleger dann ein Anrechnungsguthaben vermittelte. Vgl. näher J. Täske, CDFI LXXXIIb, S. 449 (458 ff.). BT-Drs. 14/2683, S. 94. Vgl. E. Maas, BB 1985, S. 45 (47); N. Herzig, GmbHR 1985, S. 37 (38). Weitergehend schon vor dem Systemwechsel J. Thiel, StbJb 1998/99, S. 71 (76); W. Flume, DB 1971, S. 692 (694).

Der Entlastungsmechanismus

schließen ist, dass auch ein Systemwechsel durch Vereinfachungszwecke gerechtfertigt sein kann, so unterliegt eine dadurch bewirkte Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips doch strengen Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit. Dies wird im Folgenden noch zu erörtern sein. bb) Missbrauchsanfälligkeit des Anrechnungsverfahrens Schließlich wurde das Anrechnungsverfahren auch noch im Hinblick auf seine vermeintliche Missbrauchsanfälligkeit kritisiert, die zu einer bloßen „Scheingerechtigkeit“ geführt habe167. Im Vordergrund stand dabei vor allem das sogenannte „Dividendenstripping“, mit dem nicht zur Anrechnung befugte, insbesondere ausländische Anteilseigner versuchten, durch Veräußerung der Beteiligung an Inländer den Wert des Anrechnungsguthabens über einen höheren Kaufpreis zu realisieren168. Zwar wurde zur Einschränkung dieser Praktiken § 50c EStG a. F. als spezielle Missbrauchsbekämpfungsnorm geschaffen. Aber auch damit ließ sich der Problematik nicht hinreichend beikommen169. Im Übrigen soll es „in Einzelfällen“ vorgekommen sein, dass mehr Körperschaftsteuerguthaben geltend gemacht wurde, als tatsächlich an Körperschaftsteuer gezahlt worden war170. Teilweise ist in der Literatur auch von „deutlichen Überzahlungen“ von Guthaben die Rede171. Ein umfassender Abgleich zwischen diesen beiden Größen war in der Praxis letztlich nicht möglich172, so dass der Umfang möglichen Missbrauchs nicht belegt werden kann. Was zunächst das Dividendenstripping angeht, so wäre diese Problematik in einem europarechtskonformen Anrechnungsverfahren freilich ohnehin ganz erheblich entschärft worden. Die gebotene Öffnung des Anrechnungsverfahrens auch für den Dividendenbezug durch beschränkt Steuerpflichtige hätte diese der Notwendigkeit enthoben, die den Inländern gewährte Entlastung über komplexe und missbrauchsverdächtige An- und Verkaufstransaktionen auch für sich zu erreichen173. Attraktiv wäre dieses Verfahren dann nur noch für den vergleichsweise kleinen Kreis nicht anrechnungsberechtigter inländischer Anteilseigner gewesen. Die Gefahr einer Geltendmachung überhöh________________________ 167 G. Müller-Gatermann, GmbHR 2000, S. 650 (651); ähnlich J. Thiel, StbJb 1998/99,

S. 71 (76). 168 Eine ausführliche Darstellung der verschiedenen Möglichkeiten des Dividenden-

strippings findet sich z. B. bei T. Elser, Steuergestaltung, S. 132 ff. 169 Vgl. Brühler Empfehlungen, S. 46; N. Herzig/E. Dötsch, DB 1998, S. 15 f.; U. Prinz,

FR 1999, S. 1265 (1267). 170 So die Begründung zum Entwurf eines StSenkG, BT-Drs. 14/2683, S. 94. 171 Brühler Empfehlungen, S. 46; H. Zitzelsberger, IStR 2001, S. 527 (529); G. Müller-

Gatermann, GmbHR 2000, S. 650 (652). 172 H. Schaumburg in: JbFAStR 2000/2001, S. 81. 173 Das übersieht M. Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 79.

367

Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

ter Körperschaftsteuerguthaben durch sogenannte Leerverkäufe oder ähnliche Praktiken schließlich kann in ihren Ausmaßen nicht genau eingeschätzt werden. Entsprechende Gestaltungen wurden aber vom Gesetzgeber selbst, der im Zweifel über die fundiertesten Informationen verfügt haben dürfte, als bloße Einzelfälle eingestuft174. Insgesamt können einem europatauglichen Anrechnungsverfahren im Hinblick auf seine Gestaltungsanfälligkeit keine überdurchschnittlichen, über die Gestaltungsanfälligkeit der meisten Normen des materiellen Steuerrechts hinausgehenden Schwächen attestiert werden. Eine etwaige Missbrauchsgefahr dürfte eine Systemumstellung kaum gerechtfertigt haben175.

2. Das Halbeinkünfteverfahren Nachdem die Stärken und Schwächen des Vollanrechnungsverfahrens nunmehr ausgeleuchtet worden sind, ist zu prüfen, ob das an seine Stelle getretene Halbeinkünfteverfahren die maßgeblichen Besteuerungsprinzipien besser miteinander zu vereinbaren vermag. Dann müsste dieses Körperschaftsteuersystem in besserer Weise geeignet sein, sich den in den DBA zum Ausdruck kommenden Grundsätzen zwischenstaatlicher Verteilungsgerechtigkeit anzupassen oder deutliche Vorzüge in punkto Gestaltungsanfälligkeit bzw. Komplexität aufweisen. Außerdem dürfte das Halbeinkünfteverfahren nicht selbst gegen die europarechtlichen Grundfreiheiten verstoßen. Schließlich ist es als bloß typisierender Entlastungsmechanismus auch auf die Vereinbarkeit mit dem verfassungsrechtlich fundierten Leistungsfähigkeitsprinzip hin zu prüfen. a) Europarechtskonformität Die durch die Dividendenbesteuerung tangierten europäischen Grundfreiheiten, nämlich die Kapitalverkehrsfreiheit und gegebenenfalls die Niederlassungsfreiheit, gebieten die Konzeption eines diskriminierungs- und beschränkungsfreien Entlastungsmechanismus. Anlässlich der Analyse der Europarechtskompatibilität des inzwischen abgeschafften deutschen Anrechnungsverfahrens konnte gezeigt werden, dass die Grundfreiheiten bei Inlandsdividenden die gleichmäßige Einbeziehung von beschränkt wie unbeschränkt Steuerpflichtigen in den Entlastungsmechanismus verlangen. Demgegenüber ist der Ausschluss ausländischer Dividenden von der für ________________________ 174 Siehe die schon oben zitierte Begründung zum Entwurf eines StSenkG, BT-Drs.

14/2683, S. 94. 175 Gl. A. ist H.-J. Pezzer in: Tipke/Lang, 17. Aufl., § 11 Rz. 4; a. A. hingegen ist

G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 211 f.

368

Der Entlastungsmechanismus

inländische Gewinnausschüttungen gewährten Entlastung zwar ebenfalls grundfreiheitswidrig, aber prinzipiell unter dem Gesichtspunkt der steuerlichen Kohärenz zu rechtfertigen176. Das Halbeinkünfteverfahren weist im Hinblick auf die Behandlung von Auslandsdividenden keinerlei europarechtliche Probleme auf, weil diese gleichermaßen in den Genuss der nur hälftigen Erfassung nach § 3 Nr. 40 lit. c EStG kommen wie inländische Dividenden177. Insoweit kann schon keine Diskriminierung im Sinne der Art. 43, 56 EGV festgestellt werden, so dass sich die Frage nach einer möglichen Rechtfertigung erst gar nicht stellt. Differenzierter ist hingegen die Besteuerung des Dividendenbezugs durch Steuerausländer zu beurteilen. Zwar unterscheidet § 3 Nr. 40 lit. c EStG selbst nicht nach der Ansässigkeit des Gesellschafters, so dass das Halbeinkünfteverfahren prinzipiell auch beschränkt Steuerpflichtigen zugute kommt. Insofern liegt in der materiell-rechtlichen Ausgestaltung des Halbeinkünfteverfahrens auch im Hinblick auf die Behandlung der transnational investierenden ausländischen Anteilseigner keine nach Art. 34, 56 EGV verbotene Diskriminierung178. Problematisch ist aber die verfahrensrechtliche Umsetzung der Dividendenbesteuerung, die bei Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer nach § 50 Abs. 5 S. 1 EStG faktisch zu einem Ausschluss des nichtansässigen Dividendenbeziehers vom Halbeinkünfteverfahren führt. Da dies an der grundsätzlichen Europatauglichkeit des Entlastungsmechanismus nichts ändert, soll dieser Aspekt aber vorerst zurückgestellt werden179.

________________________ 176 Kohärenzgesichtspunkte ließen sich lediglich dann nicht mehr zur Rechtfertigung

anführen, wenn ein bloß typisierendes Entlastungsverfahren wie das Halbeinkünfteverfahren in einer Vielzahl von Fällen tatsächlich zu einer Besserstellung der Inlandsdividende führt, weil die Körperschaftsteuervorbelastung überkompensiert würde. Hierauf braucht an dieser Stelle jedoch nicht näher eingegangen zu werden, weil das Halbeinkünfteverfahren Auslandsdividenden schon gar nicht erst diskriminiert; dazu sogleich im Text. 177 So auch M. Desens, IStR 2003, S. 613 (615); C. Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 279; D. Witzel, IStR 2002, S. 758 (763); A. Raupach, DStJG 25, S. 9 (33); H. G. Raber, DStJG Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 103 (107). 178 Vgl. auch M. Lehner, RIW 2000, S. 719 (724): „Das Halbeinkünfteverfahren soll sowohl für inländische als auch für ausländische Anteilseigner gelten und würde deshalb vor dem vergleichsorientierten, d. h. gleichheitsrechtlichen Prüfungsansatz des EuGH bestehen.“ Im Ergebnis ebenso M. Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 92 f. 179 Eingehend dazu unter IV.2.a.

369

Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

b) Einfache Handhabbarkeit bei unverminderter Gestaltungsanfälligkeit Im Hinblick auf die Gestaltungsanfälligkeit weist das Halbeinkünfteverfahren in ähnlichem Ausmaß Schwachpunkte auf wie das durch es ersetzte Anrechnungsverfahren180: Allerdings kann es nicht mehr zur unbefugten oder übermäßigen Erstattung von Körperschaftsteuer kommen. Denn die ertragsteuerliche Belastung der Kapitalgesellschaft wird nunmehr definitiv, ein Erstattungsmechanismus ist nicht länger vorgesehen. Es können aber nach wie vor Besteuerungslücken ausgenutzt werden, insbesondere weil bei von natürlichen Personen im Privatvermögen gehaltenen Beteiligungen der mit dem Dividendenbezug wirtschaftlich vergleichbare Veräußerungsvorgang außerhalb der Grenzen der §§ 17, 23 EStG nicht steuerverhaftet ist181. Ein Dividendenstripping ist damit in modifizierter Form nach wie vor möglich182. Vor allem aber tritt nunmehr die Umkehrung des früheren Effekts einer „missbräuchlichen“ Inanspruchnahme des Anrechnungsguthabens durch Steuerausländer auf: Die gemessen an der Gesetzesintention missbräuchliche Inanspruchnahme der hälftigen Steuerbefreiung der Dividende durch Steuerinländer in den Fällen, in denen die körperschaftsteuerliche Vorbelastung sehr niedrig ist bzw. gegen Null tendiert. Dies ist insbesondere bei Gewinnen der Fall, die über im Ausland niedrig besteuerte, insbesondere durch Steuerprivilegien begünstigte Gesellschaften bezogen werden183. Diesen Gestaltungen kann durch die Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 ff. AStG nur begrenzt, insbesondere nur im Fall passiver Einkünfte Rechnung getragen werden184. ________________________ 180 Skeptisch etwa auch J. Lang, GmbHR 2000, S. 457: „… auch die Steuerumgehungs-

bilanz kann negativ werden.“ 181 Vgl. im Einzelnen die beispielhafte Darstellung bei I. v. Lishaut, StuW 2000, S. 182

(192). 182 Vgl. T. Kollruss, Stbg 2002, S. 97 (99 ff.), auch zu anderen Gestaltungsvarianten.

Siehe auch M. Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 79. 183 Diese Missbrauchsgefahr sehen auch R. J. Vann, CDFI LXXXVIIIa, S. 21 (68);

G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 219 und J. Lang, GmbHR 2000, S. 453 (458). Skeptisch zur Gestaltungsanfälligkeit des Halbeinkünfteverfahrens äußern sich darüber hinaus J. Schiffers, GmbHR 2000, S. 205 (214); N. Herzig, Wpg 2000, Diskussionsbeitrag S. 81; und selbst G. Müller-Gatermann, GmbHR 2000, S. 650 (652). 184 Dies gilt umso mehr, als dass auch die Hinzurechnungsbesteuerung erhebliche europarechtliche Probleme aufwirft, weil sie die Abschirmwirkung nur von Auslandsgesellschaften allein wegen des niedrigeren ausländischen Besteuerungsniveaus durchbricht. Wie aber bereits mehrfach herausgestellt wurde, muss jeder Mitgliedstaat den durch abweichende Steuersatzniveaus innerhalb der EU hervorgerufenen Steuerwettbewerb hinnehmen und darf Minderbelastungen im EU-Ausland gerade nicht zur Rechtfertigung diskriminierender Mehrbelastungen im Inland heranziehen. Umge-

370

Der Entlastungsmechanismus

Ein unbestreitbarer Vorzug des Halbeinkünfteverfahrens liegt in seiner deutlich vereinfachten Handhabung beim Dividendenbezug185. Der Gesetzgeber hat allerdings das Kunststück vollbracht, auch dieses konzeptionell simple Verfahren durch Vorschriften zur Bekämpfung vermeintlicher und echter Missbräuche, durch die Einführung steuerlicher Sonderregimes und durch eine detailverliebte Ausgestaltung auf den Umfang einer Seite im Bundesgesetzblatt „aufzublähen“. Für den Regelfall erweist es sich dennoch als weniger komplex als das Anrechnungsverfahren, zumal in jedem Fall die Gliederungsrechnung auf Ebene der ausschüttenden Körperschaft entfällt. c) Vereinbarkeit mit den Grundsätzen interstaatlicher Verteilungsgerechtigkeit Das Halbeinkünfteverfahren enthält ein wesentliches Element des sogenannten klassischen Körperschaftsteuersystems: Die bei der Kapitalgesellschaft erhobene Steuer wird definitiv186. Sie wird weder auf die Steuerschuld des Anteilseigners angerechnet, noch der Gesellschaft selbst entsprechend den Einkommensverhältnissen ihrer Gesellschafter zurückerstattet. Damit ermöglicht es das Halbeinkünfteverfahren dem deutschen Fiskus auch international, die Körperschaftsteuer endgültig für sich zu vereinnahmen. Denn die Körperschaftsteuererhebung stellt sich als rein innerstaatlicher Vorgang dar, der steuertechnisch nicht mit dem grenzüberschreitenden Bezug der Dividende verbunden wird. Nur der verbleibende, um die Körperschaftsteuer geminderte Gewinn gelangt bei Ausschüttung an einen beschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner in ein internationales, den Verteilungsregeln der DBA unterliegendes Umfeld. Und auch hier fügt sich das Halbeinkünfteverfahren geschmeidig in das dominierende Konzept eines begrenzten Quellensteuerrechts des Sitzstaates der Körperschaft ein: In seiner gegenwärtigen Ausgestaltung, in welcher der Kapitalertragsteuer Abgeltungswirkung zu________________________ kehrt soll aber für außereuropäische Steueroasen eine Hinzurechnungsbesteuerung zur Vermeidung „unfairen“ Steuerwettbewerbs um Holdingstandorte innerhalb der EU für Staaten mit pauschalen Entlastungssystemen, insbesondere Freistellungssystemen, geradezu geboten sein (vgl. U. Ilhi/K. Malmer/P. Schonewille/I. Tuominen, CDFI LXXXVIIIa, S. 71 (82). Über den EWR-Vertrag gelten diese Grundsätze auch für die drei EFTA-Mitglieder Island, Liechtenstein und Norwegen. Von daher ist die grundsätzliche Beschränkung der Hinzurechnungsbesteuerung in § 21 III S. 2 des von P. Kirchhof vorgelegten Entwurf eines Einkommensteuergesetzbuches auf Staaten außerhalb des EWR durchaus konsequent. 185 H. Zitzelsberger, IStR 2001, S. 527 (528); allgemein zu shareholder-relief-Verfahren H.-H. Krebühl in: FS Fischer, S. 137 (153). 186 Vgl. J. Hey in: DStJG Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 5 (7): „Das Halbeinkünfteverfahren ist ein klassisches Körperschaftsteuersystem mit definitiver Körperschaftsteuer.“ Ähnlich G. Müller-Gatermann in: Herzig, Unternehmenssteuerreform, S. 37 (38).

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

kommt und eine Veranlagung nicht durchgeführt wird, läuft es für den beschränkt Steuerpflichtigen – von der Betriebsstättenbesteuerung abgesehen – ohnehin auf ein klassisches Körperschaftsteuersystem in Reinform hinaus. Angepasst an die abkommensrechtlich zulässigen Steuersätze, entspricht diese Definitivsteuer in Verbindung mit der ebenfalls definitiven Körperschaftsteuer vom Umfang her genau der Partizipation des inländischen Fiskus an den Unternehmenserträgen, die in den DBA als interstaatlich gerecht zugrundegelegt wird. Allerdings ist die Versagung der mit dem Halbeinkünfteverfahren einhergehenden typisierenden Entlastungswirkung europarechtlich problematisch, wie bereits festgestellt wurde. Aber auch die Ausdehnung des Halbeinkünfteverfahrens auf Steuerausländer würde keine wesentlichen Abweichungen in den Verteilungswirkungen nach sich ziehen. Es wäre Deutschland sogar möglich, das im Binnenkontext beanspruchte Steueraufkommen international noch weitergehend zu realisieren als im klassischen Verfahren. Denn durch den Entlastungsmechanismus der nur hälftigen Einkommenserfassung fällt die als leistungsfähigkeitsgerecht angesehene Einkommensteuerlast geringer aus als im klassischen System, so dass die Begrenzung des nationalen Besteuerungsrechts sich in geringerem Maße einschränkend auswirkt. Die Quellensteuerreduzierung wirkt gleichsam nur zur Hälfte ihres Satzes187. Bis zu einem individuellen Durchschnittsteuersatz von 30 % führt die nur hälftige Erfassung der Dividendenzuflüsse deshalb in jedem Fall dazu, dass die vorgegebenen Grenze von 15 % der Bruttodividende nicht einmal ausgeschöpft werden müsste188. Verbunden mit der immerhin noch hälftigen Berücksichtigung von Beteiligungsaufwendungen, § 3c Abs. 2 EStG, würde sich selbst bei noch höheren Steuersätzen der beim Steuerinländer geltend gemachte Steueranspruch häufig auch beim auslandsansässigen Anteilseigner noch realisieren lassen. Insgesamt ist das Halbeinkünfteverfahren nicht nur grundsätzlich europarechtskonform konzipiert189, sondern auch mit dem interstaatlichen Geflecht der DBA und den ihnen immanenten Verteilungswertungen vereinbar190. ________________________ 187 M. Lehner, IStR 2001, S. 329 (334). 188 Dabei ist es für die Quellensteuerbegrenzung unerheblich, wie Deutschland deren

Bemessungsgrundlage ausgestaltet; es kommt allein darauf an, dass die Steuer im Ergebnis nicht mehr als 15 % der Bruttodividende betragen darf, wie J. Holthaus, IStR 2003, S. 600 zu Recht feststellt. 189 Zur Europarechtswidrigkeit des Erhebungsverfahrens, namentlich der Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen, die Dividenden nicht über einen inländischen Betrieb beziehen, siehe unten IV.2.a.cc. 190 Vgl. auch die positive Würdigung durch H. Zitzelsberger, IStR 2001, S. 527, und J. Lang, GmbHR 2000, S. 453 (457).

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Der Entlastungsmechanismus

In dieser Kompatibilität mit interstaatlichen Gerechtigkeitsvorstellungen liegt sein wesentlicher Vorzug gegenüber dem Anrechnungsverfahren, was auch den Ausschlag für die Wahl dieses Entlastungsmechanismus gegeben haben dürfte191. d) Überschreiten des Typisierungsspielraums bei der Herstellung steuerlicher Einmalbelastung der Dividenden Es stellt sich damit abschließend die Frage, ob diese positive Eigenschaft des Halbeinkünfteverfahrens die damit verbundenen Abstriche bei der Gewährleistung individueller Belastungsgerechtigkeit zu rechtfertigen vermögen. Die körperschaftsteuerliche Vorbelastung der Dividende wird durch das Halbeinkünfteverfahren unzweifelhaft nur in typisierter Form berücksichtigt. Die daraus resultierenden Verzerrungen der Steuerbelastung im Vergleich zur optimal leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung im Anrechnungsverfahren bedeuten eine Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips. Sie müssten sich noch innerhalb des verfassungsrechtlich zulässigen Typisierungsspielraums bewegen192. Ausgehend von den allgemeinen Grundsätzen193 dürfte dann unter Geltung des Halbeinkünfteverfahrens eine nicht leistungsfähigkeitsgerechte, das heißt unzureichende oder übermäßige Entlastungswirkung nur in geringem Maße oder lediglich in atypischen Fällen auftreten194. Im Übrigen dürfte selbst von nicht besonders gravierenden Abweichungen nur ein relativ kleiner Personenkreis betroffen sein195. aa) Überhöhte Sockelbelastung mit der Folge durchgängiger Mehrbelastung Da die Belastung mit Körperschaftsteuer nebst Gewerbesteuer definitiv wird, bildet sie eine steuerliche Sockelbelastung der in dem zur Ausschüttung gelangenden Gewinn verkörperten Leistungsfähigkeit. Unter diese definitive Sockelbelastung sinkt die Steuerlast unabhängig von den persönlichen Einkommensverhältnissen des Anteilseigners nicht ab. Die kumulierte Vorbelastung liegt unter Annahme durchschnittlicher Gewerbesteuerhebesätze bei

________________________ 191 Vgl. G. Müller-Gatermann in: Herzig, Unternehmenssteuerreform, S. 37 (38), der

freilich insbesondere den damit verbundenen fiskalischen Vorteil betont. 192 Bejahend, jedoch ohne vertiefte Diskussion z. B. J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht,

17. Aufl., § 9 Rz. 143. 193 Siehe dazu 2. Kap., A.I.2.b.bb. 194 BVerfG v. 24.1.1962 – 1 BvR 845/58 –, BVerfGE 13, S. 331 (341); BVerfG v.

20.12.1966 – 1 BvR 320/57 u. a. –, BVerfGE 21, S. 12 (27). 195 A. Nacke in: Herrmann/Heuer/Raupach, Steuerreform I, § 3 Nr. 40 EStG (Stand:

04/01), Rz. 51.

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

circa 38,6 %196 und damit in der Nähe des künftigen ESt-Spitzensatzes von 42 %. Folglich bedingt das Halbeinkünfteverfahren für jeden Anteilseigner, dessen persönlicher durchschnittlicher Einkommensteuersatz unterhalb dieser Vorbelastung liegt, eine Mehrbelastung im Vergleich zu steuerlichen Behandlung sonstiger einkommensteuerbarer Vermögenszuwächse. Das gilt selbst dann, wenn man die einkommensteuerliche Nachbelastung zunächst außer Betracht lässt. Diese Mehrbelastung ist dem Halbeinkünfteverfahren auch systemimmanent: Sie resultiert daraus, dass es der Vorbelastung nur durch eine Reduktion der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage typisierend Rechnung zu tragen versucht, was aber in all den Fällen versagen muss, in denen schon die Vorbelastung über die sich nach dem regulären Einkommensteuertarif ergebende Belastung hinausgeht197. Insofern könnte auch eine Modifikation des Umfangs der anteiligen Dividendenfreistellung keine Abhilfe schaffen. So würde etwa selbst das von I. van Lishaut vorgeschlagene Teilsatzverfahren198 eine näherungsweise Gleichbelastung der Dividenden im Verhältnis zu anderen Einkünften erst bei einem durchschnittlichen Einkommensteuersatz oberhalb der Sockelbelastung gewährleisten. Irreführend ist auch der Hinweis der Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung, der Verlust des Anrechnungsguthabens werde durch die „faktische Verdoppelung“ des Sparer-Freibetrags in etwa wettgemacht199. Zum einen konnte nachgewiesen werden, dass der vermeintliche Verdoppelungseffekt tatsächlich keine höhere Entlastung als bisher bewirkt200. Vor allem aber kann auch der Sparer-Freibetrag nicht verhindern, dass die Vorbelastung auf Ebene der ausschüttenden Gesellschaft definitiv wird. Diese Sockelbelastung müssen die Inhaber kleiner und mittlerer Aktienvermögen anders als im Anrechnungsverfahren immer tragen, selbst wenn die Dividende bei ihnen aufgrund des Sparerfreibetrages ganz oder teilweise von Einkommensteuer freigestellt wird201. ________________________ 196 Dies entspricht einem Hebesatz von 400 %; siehe dazu oben Fußnote 85. Bei einem

197

198 199 200 201

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Gewerbesteuerhebesatz von 425 % ergibt sich eine Vorbelastung in Höhe von 39,28 % (vgl. die Berechnungen bei J. Schiffers, GmbHR 2000, S. 901 (906)). H.-H. Krebühl in: FS Fischer, S. 137 (155) bemerkt dazu: „Bei einem ShareholderRelief-System bleibt … das Besteuerungsniveau der Kapitalgesellschaft immer als Mindestbelastung erhalten, auch wenn der Anteilseigner einem niedrigeren individuellen Steuersatz unterliegt.“ I. van Lishaut, FR 1999, S. 938 (940 ff.). Brühler Empfehlungen, S. 17 f. Siehe 1. Kap., B.I.1.a. Sehr kritisch auch I. v. Lishaut, FR 1999, S. 938 (939 f.); J. Hey, BB 1999, S. 1192 (1195).

Der Entlastungsmechanismus

Insoweit dies nicht der Fall ist, tritt zu der Vorbelastung außerdem noch die Einkommensteuer auf die hälftigen Dividendeneinkünfte hinzu. Lässt man die Erwerbsaufwendungen zunächst außer Betracht, so variiert sie je nach persönlichem durchschnittlichem Einkommensteuersatz künftig zwischen 0 % und 42 % der hälftigen Bruttodividende. Bezogen auf den Gewinn, der für die Ausschüttung verwendet wird, bedeutet dies eine zusätzliche steuerliche Belastung zwischen 0 % und circa 13,6 %202. Insgesamt gelangt man damit zu einer ertragsteuerlichen Belastung der von einer Kapitalgesellschaft erwirtschafteten Gewinne zwischen circa 38,6 % und circa 52,2 %, wenn der Gewinn an natürliche Personen als Anteilseigner ausgeschüttet wird203. Demgegenüber verläuft der Einkommensteuertarif nach einer – als Freistellung des Existenzminimums eigentlich der Bemessungsgrundlage zuzuordnenden – Nullzone progressiv von 15 % bis zur oberen Proportionalzone von künftig 42 %. Unter Einschluss des Solidaritätszuschlags ergibt sich ein Spektrum von 0 % bis circa 44,3 %. Das Halbeinkünfteverfahren gewährt also in keinem einzigen Tarifbereich die unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten gebotene Entlastung. Es lässt vielmehr stets eine Mehrbelastung bestehen. Eine unzureichende Entlastung tritt damit nicht nur in atypischen Fällen, sondern regelmäßig auf. Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass es allein auf eine Entlastung von Körperschaftsteuer hin konzipiert ist und die gewerbesteuerliche Vorbelastung völlig außer Betracht lässt204.

________________________ 202 Es gelangen nach Steuern noch ca. 61,35 % des erwirtschafteten Gewinns zur Aus-

schüttung, die nur hälftig erfasst werden: (0,6135 • 0,5) • t = Z, wobei t der persönliche ESt-Durchschnittssatz ist und Z für die Zusatzbelastung gemessen am Gewinn steht. Dazu kommt noch die Belastung mit SolZ in Höhe von 5,5 % der Einkommensteuerschuld. Wählt man als relevanten Steuersatz beispielhaft den Spitzensteuersatz (den die Durchschnittsbelastung allerdings nur näherungsweise erreichen kann) und lässt man Erwerbsaufwendungen außer Betracht, so ergibt dies Folgendes: Vorbelastung: 38,65 Ausschüttung: 61,35 abzügl. ESt – 12,88 abzügl. SolZ – 0,71 Dividende nach Steuer: 47,76 Gesamtbelastung: 52,24 Einen guten Überblick für je verschiedene Gewerbesteuerhebesätze gibt die Grafik bei P. Bareis, BB 2003, S. 2315 (2316). 203 Die Belastung mit Kirchensteuer ist dabei ausgeblendet worden. 204 Treffend J. Hey, FR 2001, S. 870 (876): „Die Entlastungswirkung des Halbeinkünfteverfahrens und die Belastung durch die Gewerbesteuer sind nicht im mindesten aufeinander abgestimmt.“ Vgl. auch P. Bareis, BB 2003, S. 2315 (2316).

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

Wie eingangs dieses Kapitels zu zeigen war, muss aber auch diese ertragsteuerliche Vorbelastung mitberücksichtigt werden205. Dividendeneinkünfte sind per Saldo steuerlich bei jeder natürlichen Person als Anteilseigner stärker belastet als andere Vermögenszuwächse, obwohl sie keine höhere Leistungsfähigkeit vermitteln. Zudem handelt es sich durchweg um eine erhebliche Schlechterstellung: Selbst in der Spitze, wo reguläre Einkommensteuerbelastung und Dividendenbelastung noch am wenigsten auseinander klaffen, bedeutet der Abstand von 7,9 Prozentpunkten eine Mehrbelastung von über 15 %. Noch gravierender sind die Abweichungen in den zahlreichen Fällen, in denen die Gesellschaft während der immerhin 15 Jahre andauernden Übergangsphase mit 30 % Körperschaftsteuer vorbelastetes Altkapital ausschüttet, in denen also die Sockelbelastung mit Körperschaftsteuer nochmals höher liegt206. Die mit dem Ausgabenabzugsverbot nach § 3c Abs. 2 EStG verbundenen Mehrbelastungen sind dabei noch nicht einmal in die Betrachtung eingestellt; auf sie soll an späterer Stelle eingegangen werden207. Das Halbeinkünfteverfahren genügt damit nicht den allgemeinen Vorgaben an Typisierungen im Steuerrecht208. Es führt auch bei typisierender Betrachtung nicht zu einer Annäherung an die ertragsteuerliche Belastung sonstiger Vermögenszuwächse, sondern im Gegenteil zu einer Schedulenbesteuerung209. Darüber hinaus gestaltet sich die Mehrbelastung regressiv210: Je höher der individuelle persönliche Einkommensteuersatz ________________________ 205 Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn man die Leistungsfähigkeit von Gesell-

206 207 208 209

210

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schaft und Anteilseigner zu Unrecht getrennt beurteilt; selbst dann ist es aber widersprüchlich, nicht von der GewSt, wohl aber von KSt zu entlasten. Die Argumentation von S. Sydow (DB 1999, S. 2435 (2437) und P. Glanegger (in: Schmidt, EStG, 21. Aufl., § 35 Rz. 3), es bedürfe wegen der eigenständigen Steuersubjektsqualität der Gesellschaft keiner Gewerbesteuerentlastung beim Anteilseigner, kann darum keinesfalls überzeugen. Im Übrigen ist sie nicht mit der Anwendung des § 35 EStG auf Personengesellschafter zu vereinbaren, deren Gesellschaft nach § 5 Abs. 1 S. 3 GewStG ebenfalls eigenständiges Gewerbesteuersubjekt ist, worauf J. Hey (FR 2001, S. 870 (877)) zutreffend hinweist. Dieser Aspekt wird in der Literatur kaum erörtert; eine Ausnahme bildet der Beitrag von T. Kollruss, Stbg 2002, S. 97 (98). Siehe dazu unter II.1. So auch D. Löhr, StuW 2000, S. 33 (39); N. Krawitz, DB 2000, S. 1721 (1723); a. A. J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 9 Rz. 143. So auch C. de Pablo Varona, RDFHP 2002, S. 51 (136, bzgl. des deutschen Halbeinkünfteverfahrens); A. Nacke in: Herrmann/Heuer/Raupach, Steuerreform I, § 3 Nr. 40 EStG (Stand: 04/01), Rz. 50; J. Hey in: Herrmann/Heuer/Raupach, Einf. KStG (Stand: 09/99), Rz. 199. Vgl. dazu auch R. Seer, StBJb 2000/01, S. 15 (25); J. Hey in: DStJG Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 5 (10); dies., DStJG 24, S. 155 (195); dies., BB 1999, S. 1192 (1195); D. Löhr, StuW 2000, S. 33 (39); P. Bareis, StuW 2000, S. 133

Der Entlastungsmechanismus

liegt, das heißt je leistungsfähiger der Dividendenbezieher ist, desto geringer fällt sie im Vergleich zu seinen sonstigen Einkünften aus. Als sogenanntes Shareholder-Relief-System mit definitiver Belastung auf Kapitalgesellschaftsebene und teilweiser Dividendenfreistellung beim Anteilseigner sind diese Auswirkungen zwangsläufig, jedenfalls solange die Steuerbelastung der Gewinne bei der ausschüttenden Gesellschaft sich nicht deutlich stärker als bisher derjenigen entsprechend dem Eingangsteuersatz der Einkommensteuer annähert211: Da die Sockelbelastung immer bestehen bleibt und eine – wenngleich verminderte – Einkommensteuerbelastung hinzutritt, kann selbst eine Reduzierung des einkommensteuerbaren Teils der Dividende kaum Abhilfe schaffen: Zumindest Anteilseigner mit insgesamt eher niedrigen oder mittleren Einkommen würden stets deutlich schlechter gestellt. Das gilt selbst dann, wenn man die gewerbesteuerliche Vorbelastung auf Körperschaftsebene – fälschlich – außer Betracht ließe212. Vor diesem Hintergrund ist es nicht nachvollziehbar, wie D. Birk zu der Einschätzung gelangen kann, das Halbeinkünfteverfahren sei so ausgestaltet, „dass sich – unter Einbeziehung der Gewerbesteuer – eine vergleichbare Endbelastung des (ausgeschütteten) Unternehmensgewinns dann ergibt, wenn der Unternehmer/Anteilseigner den Spitzensteuersatz der Einkommensteuer zu zahlen hat.“213 Im übrigen wäre selbst dann der dem Gesetzgeber einzuräumende Typisierungsspielraum überschritten, denn es kann keineswegs unterstellt werden, dass auch nur die überwiegende Zahl der Dividendenbezieher eine Durchschnittsbelastung mit Einkommensteuer näherungs________________________ (137 f.); I. v. Lishaut, FR 1999, S. 938 (939). Generell zu shareholder-relief-Verfahren A. Bustos Gisbert/F. Pedraja Chaparro, HPE 1999, S. 55 (70). 211 In der Tendenz ähnlich M. Reich, Die wirtschaftliche Doppelbelastung, S. 68: „Pauschale Milderungsmaßnahmen in der Form des Dividendenabzugs oder der Satzermäßigung eignen sich deshalb nur in Kombination mit Milderungsmaßnahmen auf der Gesellschaftsebene in Form der generell tiefen Vorbelastung oder der Ausschüttungsentlastung.“ 212 Nach den Berechnungen des DAI würden dann immer noch 85 % aller Anteilseigner durch das Halbeinkünfteverfahren Mehrbelastungen ausgesetzt (zitiert nach J. Hey, DStJG 24, S. 155 (198, Fn. 182)). 213 D. Birk, StuW 2000, S. 328 (334) abweichend von seiner auf dem 14. ÖJT 2000 geäußerten Ansicht, vgl. D. Birk, 14. ÖJT III/2, S. 53 (69 f.). Ähnlich äußern sich im Übrigen auch H. Zitzelsberger, IStR 2001, S. 527 (529) und H. Schaumburg in: Schaumburg/Rödder, Unternehmenssteuerreform, S. 349; zustimmend W. Danelsing in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 35 (Stand: 01/02), Rz. 21. Die von H. Schaumburg angestellten Berechnungen geben aber kein zutreffendes Bild der Belastungswirkungen, weil sie einseitig nur Anteilseigner betrachten, die dem ESt-Spitzensatz unterliegen und darum die stärkste Entlastung erfahren (dazu sogleich oben im Text), und außerdem auf die Steuersatzverhältnisse in 2002 statt auf die deutlich ungünstigeren in 2005 abstellen.

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

weise in Höhe des Spitzensteuersatzes zu tragen hat. Nur dann aber könnte die Kombination aus Vorbelastung und hälftiger einkommensteuerlicher Erfassung noch als typisierte Gleichstellung mit unmittelbar und ausschließlich der Einkommensteuer unterliegenden Vermögenszuwächsen angesehen werden. Davon abgesehen ließen sich die bei Beziehern kleinerer oder mittlerer Einkommen auftretenden gravierenden Abweichungen von der Belastung sonstiger Einkommensbestandteile unter Typisierungsgesichtspunkten auch dann nicht rechtfertigen, wenn sie nur eine eher kleinere Zahl von Anteilseignern betreffen sollten214. bb) Keine hinreichende Nachteilskompensation (i)

Thesaurierungsvorteil der Kapitalgesellschaft

Teilweise wird freilich versucht, die Mehrbelastung durch eine erweiterte Betrachtung der Belastungsfolgen des Körperschaftsteuersystems noch als vertretbare Typisierung zu verteidigen: Regelmäßig sei es nämlich so, dass die Belastung thesaurierter Gewinne bei der Kapitalgesellschaft niedriger ausfalle als bei im Unternehmen belassenen Gewinnen des Personengesellschafters oder Einzelunternehmers. Letztere müssten häufig mit dem Spitzensteuersatz der Einkommensteuer versteuert werden, der über der Belastung auf Ebene der Kapitalgesellschaft liege. Dadurch ergebe sich in Höhe der Besteuerungsdifferenz ein Stundungseffekt zugunsten der Gesellschafter von Kapitalgesellschaften, der mit zunehmender Dauer der Thesaurierung ansteige. Dieser Thesaurierungseffekt werde durch die Mehrbelastung im Ausschüttungsfalle typisierend ausgeglichen, so dass diese entsprechend gerechtfertigt werden könne215. Auf den ersten Blick lässt sich allerdings der angesprochene Thesaurierungsvorteil der Kapitalgesellschaft nicht völlig von der Hand weisen: Bei ________________________ 214 Gänzlich verfehlt ist die Argumentation von G. Müller-Gatermann, GmbHR 2000,

S. 650 (654), wonach eine weitergehende Entlastung der Kleinaktionäre einen „Verstoß auch gegen die Grundsätze des Vollanrechnungsverfahrens darstellt, wonach die Einmalbesteuerung des in Deutschland erwirtschafteten Gewinns sichergestellt werden sollte.“ Das Anrechnungsverfahren zielte im Gegenteil darauf ab, dem Transfer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit an den Anteilseigner durch die Herstellung der nach seinen persönlichen Verhältnissen gebotenen Steuerbelastung Rechnung zu tragen. Dies schloss durchaus die Möglichkeit mit ein, dass die ausgeschütteten Gewinne letztlich keiner Besteuerung unterlagen, nicht anders übrigens als bei durch Personengesellschaften oder im Einzelunternehmen erwirtschafteten Gewinnen auch. 215 M. Reich, Die wirtschaftliche Doppelbelastung, S. 44 f. Ähnliche Überlegungen stellte abstrakt auch schon E. Höhn an (in: Die Besteuerung der Kapitalgesellschaften, S. 16), der eine vollständige Beseitigung der Doppelbelastung deshalb für ungerechtfertigt hielt.

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Der Entlastungsmechanismus

einem unterstellten Gewerbesteuerhebesatz von 400 % ergibt sich im Vergleich zum künftigen Spitzensteuersatz nebst Solidaritätszuschlag eine Belastungsdifferenz von etwa 7 Prozentpunkten216. Aber zum einen relativiert sich bei näherer Betrachtung diese Belastungsdifferenz schon wieder: Denn beim Belastungsvergleich darf nicht auf die marginale einkommensteuerliche Belastung des Einzelunternehmers bzw. Personengesellschafters abgestellt werden. Entscheidend ist vielmehr die wegen der Progressivität des Einkommensteuertarifs stets niedriger liegende Durchschnittsbelastung des reinvestierten Gewinns. Diese übersteigt künftig – sofern keine sonstigen Einkünfte vorliegen – erst ab ca. 475.000 Euro Jahresgewinn die Grenze von 40 %217, so dass sich unter Berücksichtigung des Solidaritätszuschlags für die Vielzahl von Personengesellschaftern und Einzelunternehmern mit geringerem Gewinn(-anteil) eine Belastungsdifferenz von höchstens 5 Prozentpunkten ergibt. Bei der überwiegenden Zahl der Personenunternehmer mit nochmals deutlich geringerem Jahresgewinn tritt überhaupt keine nachteilige Belastungsdifferenz auf218. Die im Thesaurierungsfall möglichen Minderbelastungen des in der Kapitalgesellschaft verbleibenden Gewinns können darum nicht zur Grundlage einer typisierenden, an der Durchschnittsnormalität orientierten Regelung gemacht werden. Zum anderen, und dies ist ein weiterer entscheidender Gesichtspunkt, ist die Gegenüberstellung von Mehrbelastung der Anteilseigner bei Ausschüttung einerseits und Entlastung bei Thesaurierung andererseits schon strukturell nicht geeignet, das Halbeinkünfteverfahren zu rechtfertigen: Denn einen Thesaurierungsvorteil haben überhaupt nur Anteilseigner, deren Durch________________________ 216 Berechnet nach den ab 2005 gültigen Steuersätzen, basierend auf den Berechnungen

bei J. Pelka, StuW 2000, S. 389 (391), jedoch ergänzt um die Belastung mit Solidaritätszuschlag: Es stehen sich dann eine Belastung von 45,7 % bei der Personengesellschaft und eine von 38,6 % bei der Kapitalgesellschaft gegenüber. 217 Ausgehend von der Tarifvorschrift in § 52 Abs. 41 Nr. 2 EStG, wobei allerdings zusätzlich zu berücksichtigen ist, dass bei einem Gewerbesteuerhebesatz von 400 % nur 83,33 % des Gewinns der Einkommensteuer unterworfen werden. Daraus resultiert zur Bestimmung eines Gewinns, der zur Durchschnittsbelastung von 40 % führt, die Gleichung: [(0,42 • 0,8333x – 7914) ./. 0,8333x] = 0,4. Nach x aufgelöst ergibt sich ein Wert von 473.892 €. Gewerbesteuerliche Anrechnungsüberhänge im Rahmen des § 35 EStG können für den Normalfall infolge des Freibetrag nach § 11 I Nr. 1 GewStG und die Staffelung der Steuermesszahl nach § 11 II Nr. 1 GewStG bei Einkünften dieser Höhe vernachlässigt werden. 218 Vgl. die Zahlenangaben bei H.-J. Pezzer, StuW 2000, S. 144 (148) und J. Hey, DStJG 24, S. 155 (197, Fn 182). Nach einer gemeinsamen Studie des Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung und der Universität Mannheim ist jedenfalls die mittelständische Personengesellschaft in aller Regel im Vergleich zur Kapitalgesellschaft steuerlich geringer belastet, vgl. O. H. Jacobs/C. Spengel/R. A. Hermann/T. Stetter, StuW 2003, S. 308 ff.

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

schnittsbelastung mit Einkommensteuer 38,5 % übersteigt. Bei diesen wächst der Thesaurierungsvorteil zudem mit zunehmender individueller Durchschnittsbelastung an. Bei der Mehrbelastung im Ausschüttungsfall verhält es sich hingegen umgekehrt: Sie fällt umso stärker aus, je niedriger der zur Anwendung gelangende individuelle Einkommensteuersatz ist. Die behauptete typisierende Kompensation durch die Mehrbelastung bei Ausschüttung verhält sich damit umgekehrt proportional zur auszugleichenden Minderbelastung bei Thesaurierung219. Eine typisierende Saldierung, die Belastungsnachteile umso größer anwachsen lässt, je geringer die Entlastungsvorteile an anderer Stelle ausfallen, ist als bloße Vereinfachung unter Leistungsfähigkeitsaspekten nicht zu rechtfertigen. (ii) Ausweichen in Leistungsvergütungen Nichts anderes gilt im Übrigen selbst dann, wenn man die Möglichkeit eines Ausweichens in Leistungsvergütungen in Betracht zieht. Allerdings werden aufgrund des bei Kapitalgesellschaften geltenden Trennungsprinzips Vertragsbeziehungen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft auch steuerlich anerkannt220. An den Anteilseigner gezahlte Entgelte können darum von der körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage der Gesellschaft abgezogen werden. Beim Gesellschafter zählen sie nicht zu den Einkünften nach § 20 I Nr. 1 EStG, sondern werden der für die erbrachte Leistung einschlägigen Einkunftsart zugeordnet. Infolgedessen unterliegen sie lediglich der regulären Einkommensteuerbelastung beim Gesellschafter, ohne mit Körperschaftsteuer definitiv vorbelastet zu sein. Befriedigt also ein Gesellschafter seinen Finanzbedarf im wesentlichen über Leistungsvergütungen und nicht über Gewinnausschüttungen, kann er die mit dem Halbeinkünfteverfahren verbundene Mehrbelastung vermeiden. Es darf aber nicht übersehen werden, dass diesen Vergütungen auch eine adäquate Gegenleistung des Gesellschafters, die sich nicht lediglich in der Gewährung von Eigenkapital erschöpft, gegenübersteht. Anderenfalls wären sie regelmäßig als verdeckte Gewinnausschüttung zu qualifizieren221; dann aber bliebe es bei der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung und der Einbeziehung ins Halbeinkünfteverfahren, vgl. §§ 8 Abs. 3 S. 2 KStG, 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, 3 Nr. 40 lit. d EStG. Bei puristischer Betrachtungsweise dürften Leistungsvergütungen darum von vornherein überhaupt nicht mit in die Analyse der Belastungswirkungen des Halbeinkünfteverfahrens einbezogen werden. Denn es handelt sich nicht um Gewinnausschüttungen, deren Belas________________________ 219 J. Hey in: DStJG Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 5 (16). 220 Vgl. H.-J. Pezzer in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 11 Rz. 38; F. Balmes in:

DStJG Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 25 (27). 221 So auch J. Hey, DStJG 24, S. 155 (196).

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Der Entlastungsmechanismus

tung allein Gegenstand der Betrachtung ist, sondern um Einkünfte aus ausserhalb des Gesellschaftsverhältnisses wurzelnden Leistungsbeziehungen. Nun soll nicht verkannt werden, dass in der Praxis Gestaltungen auftreten können, in denen ein solches Entgelt unangemessen überhöht ist und folglich eine Gewinnkomponente enthält, ohne dass dem Steuerpflichtigen eine – teilweise – Veranlassung der Vergütung nur durch das Gesellschaftsverhältnis nachgewiesen werden könnte. Dies gilt umso mehr, als bei dem im Rahmen der Prüfung einer verdeckten Gewinnausschüttung vorzunehmenden Fremdvergleich regelmäßig eine gewisse Bandbreite an angemessenen Gestaltungen zu akzeptieren sein wird und eine punktgenaue Festlegung unmöglich ist222. Die Gewinnkomponente wird aber stets nur einen mehr oder weniger großen Bruchteil der Gesamtvergütung ausmachen und diese keineswegs ganz umfassen. Leistungsvergütungen können darum nur zu einem relativ geringen Teil als Gewinnverwendung angesehen werden. Dem Halbeinkünfteverfahren unterliegende echte Gewinnausschüttungen fallen darum im Hinblick auf die Beurteilung der Gewinnbehandlung wesentlich stärker ins Gewicht. Darüber hinaus erscheint es auch verfehlt, im Rahmen einer Typisierung Umgehungshandlungen der Steuerpflichtigen bewusst mit einzukalkulieren und damit zum Regelfall zu erheben. Beide Gesichtspunkte sprechen dagegen, dass das Halbeinkünfteverfahren unter Berücksichtigung von Leistungsvergütungen eine Durchschnittsnormalität fixiert, in der sich die Abweichungen vom Leistungsfähigkeitsprinzip in engen Grenzen hielten. Weitere Aspekte kommen hinzu: Die Vereinbarung von Leistungsvergütungen wird in aller Regel bei großen, vom Gesellschafterkreis her anonymen Aktiengesellschaften von vornherein nicht möglich sein. Es handelt sich um ein Instrument, dass typischerweise nur den Anteilseignern personenbezogener Kapitalgesellschaften offen steht223. Und auch hier sind keineswegs alle Gesellschafter von ihren Fähigkeiten und Mitteln her in der Lage, eine zusätzliche Leistungsbeziehung neben dem Gesellschaftsverhältnis zu begründen. Leistungsbeziehungen sind darum nicht in einem Maße typisch, dass ihr Fehlen als atypischer Ausnahmefall angesehen werden könnte. (iii) Geringere Durchschnittsbelastung sonstiger Einkünfte Ferner ist auch die mit dem Halbeinkünfteverfahren verbundene Absenkung der Durchschnittsbelastung der sonstigen Einkünfte des Anteilseigners nicht geeignet, die bezüglich der Dividenden bestehen bleibenden Mehrbelastungen auszugleichen. Ein solcher Entlastungseffekt kann allerdings eintreten, wenn der Anteilseigner seine Dividendeneinkünfte nur hälftig zu versteuern ________________________ 222 Dies wird auch vom Gesetzgeber vorausgesetzt, vgl. § 162 Abs. 3 AO n. F. 223 Vgl. J. Hey in: DStJG Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 5 (16); dies., DStJG

24, S. 155 (196).

381

Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

hat: Die lediglich hälftige Erfassung der entsprechenden Bezüge ist nämlich nur technisches Mittel zum Ausgleich ihrer Vorbelastung auf Ebene der ausschüttenden Gesellschaft. Der Gesetzgeber will durch die Kumulation aus Vorbelastung und einkommensteuerlicher Nachbelastung näherungsweise die den individuellen Einkommensverhältnissen entsprechende Belastung herstellen, wie sie bei ausschließlicher Anwendung des Einkommensteuertarifs auf die zur Ausschüttung gelangenden Gewinne einträte. In der Substanz unterstellt er damit beim Anteilseigner einen Leistungsfähigkeitszuwachs in Höhe dieser Gewinne, was angesichts des Transfers von Leistungsfähigkeit anlässlich einer Ausschüttung auch zutreffend ist. Dann müsste sich zum Zwecke der progressiven Belastung der übrigen Einkünfte des Anteilseigners dessen Summe der Einkünfte entsprechend diesem Zuwachs vor Steuern erhöhen. Im früheren Anrechnungsverfahren sorgte die Aufstockung der Dividendeneinkünfte um den Anrechnungsbetrag dafür, im Halbeinkünfteverfahren hätte dies durch einen Progressionsvorbehalt verwirklicht werden können. Der Gesetzgeber hatte ihn im Entwurf zum StSenkG auch noch vorgesehen, den Gedanken aber im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens wieder verworfen. Infolgedessen kann die Durchschnittsbelastung sonstiger Einkünfte geringer ausfallen, als dies eigentlich geboten wäre224. Im Einzelnen ist diese Form zusätzlicher Entlastung aber von einer Reihe von Faktoren abhängig: Hat der Anteilseigner neben seinen Dividendeneinkünften keine weiteren nennenswerten Einkünfte, kommt es ohnehin nicht zu einer Minderung der Durchschnittsbelastung. Sind die Dividendenbezüge so hoch, dass auch ihre nur hälftige Erfassung schon einen Betrag erreicht, der in der Spitze in die obere Proportionalzone des Tarifs hineinreicht, tritt ebenfalls keine Entlastung ein: Alle weiteren Einkünfte unterfallen dann ebenfalls dem Spitzensteuersatz. Läge das gesamte Einkommen des Steuerpflichtigen auch im Falle eines Progressionsvorbehalts noch im Bereich der Nullzone, ergibt sich schließlich auch kein Entlastungseffekt. Lediglich im Bereich dazwischen ist er zu beobachten, fällt aber auch hier in Abhängigkeit des Verhältnisses der Dividendeneinkünfte zu den übrigen Einkünften unterschiedlich hoch aus. Letztlich gestaltet sich der Eintritt der Entlastungswirkungen rein zufällig; er kann deshalb nicht zum Ausgleich für die durch das Halbeinkünfteverfahren nicht beseitigten Belastungsüberhänge bei den Dividenden herangezogen werden. Das Halbeinkünfteverfahren ist nach alledem als ein jedenfalls unter bloßen Vereinfachungsgesichtspunkten unangemessenes, unverhältnismäßig grob typisierendes Entlastungsverfahren zu beurteilen225. Nur um seines Verein________________________ 224 So auch M. L. González-Cuéllar Serrano, La Deducción por doble Imposicíon,

S. 102 Fn. 117. 225 Gl. A. R. Seer, StbJb 2000/01, S. 15 (26).

382

Der Entlastungsmechanismus

fachungseffektes willen könnte es darum keineswegs gerechtfertigt werden. Zu einer anderen Bewertung könnte man nur gelangen, wenn man die Leistungsfähigkeit der Körperschaft als von der des Anteilseigners getrennt ansähe. Es wurde aber bereits dargelegt, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip als Gerechtigkeitspostulat letztlich auf die gleichmäßige steuerliche Belastung der Erwerbstätigkeit der Individuen ausgerichtet ist, gleich in welcher Rechtsform sie sich vollzieht. Von daher basiert die Hilfsargumentation D. Birks, wonach auf die Dividendeneinkommen als solche immer nur der persönliche Einkommensteuersatz zu entrichten sei und schon allein deshalb kein Verstoß gegen das Postulat der Steuergerechtigkeit angenommen werden könne226, auf einer abzulehnenden Prämisse. cc) Möglicher Verstoß gegen das subjektive Nettoprinzip Es tritt schließlich noch ein weiterer Gesichtspunkt hinzu: Das Halbeinkünfteverfahren birgt die Gefahr eines schwerwiegenden Verstoßes gegen das subjektive Nettoprinzip, das heißt gegen das Gebot der steuerlichen Verschonung des Existenzminimums, in sich227. Da die Sockelbelastung aus Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer – nebst Solidaritätszuschlag – stets bestehen bleibt, ruht auch auf Dividendeneinkünften, die in den Grundfreibetrag des Anteilseigners fallen, eine erhebliche steuerliche Vorbelastung. Auch die zur Abdeckung des existenznotwenigen Bedarfs erforderlichen Beträge, das heißt die für die Steuerzahlung indisponiblen Einkommensbestandteile, werden somit unter Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1, 20 Abs. 1 GG mit Steuern in beträchtlichem Ausmaß belegt. Diese Gefahr lässt sich auch nicht durch den Hinweis verharmlosen, der soziologische Typus des sogenannten „Kleinaktionärs“ dürfte sich nicht in sozial schwächeren Schichten, sondern eher im Bereich gut verdienender Einkommensbezieher finden228. Auch und gerade bei diesen Personengruppen ist es nicht gänzlich untypisch, dass Dividendeneinkünfte speziell im Alter den weit überwiegenden Anteil der steuerbaren Vermögenszuwächse bzw. Einkünfte ausmachen. Angesichts der mit der demographischen Entwicklung verbundenen Notwendigkeit eines Ausbaus der kapitalorientierten Altersvorsorge ist davon auszugehen, dass diese Tendenz sich noch verstärken wird229. In diesen Fällen kann das Halbeinkünfteverfahren die gebotene Freistellung des Existenzminimums nicht leisten, und sie kann auch nicht oder doch nicht vollständig ________________________ 226 So D. Birk, StuW 2000, S. 328 (335) abweichend von seiner auf dem 14. ÖJT 2000

geäußerten Ansicht, vgl. D. Birk, 14. ÖJT III/2, S. 53 (69 f.). 227 So auch J. Hey in: DStJG Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 5 (10); A. Nacke

in: Herrmann/Heuer/Raupach, Steuerreform I, § 3 Nr. 40 EStG (Stand: 04/01), Rz. 53. 228 So aber D. Birk, StuW 2000, S. 328 (335). 229 Nachweise zur Entwicklung der Streuung des Aktienkapitals bei J. Hey in: DStJG

Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 5 (15).

383

Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

bei anderweitigen Einkünften gewährt werden. Diese Freistellung ist aber aus der umfassenden Verpflichtung der öffentlichen Gewalt auf Achtung und Schutz der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip zwingend geboten; Typisierungen müssen sich in einem engen Rahmen halten. Es kann darum unter Typisierungsgesichtspunkten nicht hingenommen werden, dass ein Körperschaftsteuersystem diesen Grundsatz, und sei es auch nur in einer kleinen Anzahl von Fällen, in derart eklatanter Weise verletzt wie das Halbeinkünfteverfahren. Allerdings werden vereinzelt die Verzerrungen des Einkommensteuertarifs, die das Halbeinkünfteverfahren wie geschildert bewirkt, auch und gerade bei den einkommensschwachen Anteilseignern als bloße Nebensächlichkeit eingestuft. Ihr praktisches Gewicht sei gering, weil gerade die besonders benachteiligten Kleinaktionäre ihre Einkünfte überwiegend aus Kursgewinnen bezögen. Dividendenerträge seien demgegenüber zweitrangig für die Rentabilität der erworbenen Aktien230. Diese Argumentation muss schon unter dem Gesichtspunkt der überaus engen Vorgaben an typisierende Unterstellungen im Regelungsbereich des Existenzminimums auf Bedenken stoßen. Darüber hinaus wird man ihr aber auch sachlich nicht uneingeschränkt beipflichten können. In Zeiten des Börsenbooms, wie sie etwa bei der Diskussion um Für und Wider des Halbeinkünfteverfahrens unmittelbar vor seiner Einführung noch anzutreffen waren, mag es zutreffen, dass Kursgewinne gegenüber dem Dividendenbezug dominieren. Stagniert jedoch die Kursentwicklung oder entwickeln sich die Kurse gar negativ, können zumindest kurz- und mittelfristig durchaus auch die Dividenden der überwiegende oder gar einzige Quell positiver Einkünfte aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften sein. Schließlich würde auch mit der – erstrebenswerten – Ablösung oder Ergänzung der Körperschaftsteuer durch eine allgemeine, dem umsatzsteuerlichen Begriff vergleichbar breit angelegte Unternehmensteuer die Zahl derjenigen, die vorbelastete „Dividenden“ beziehen und darauf auch angewiesen sind, insgesamt aber nur über geringe oder mittlere Einkommen verfügen, deutlich ansteigen231. Das Bild vom auf Kursgewinne spekulierenden Kleinaktionär passt dann erst recht nicht mehr. Gänzlich abwegig ist schließlich die Behauptung, der Grundsatz der Einmalbelastung ausgeschütteter Gewinne gebiete auch die steuerliche Belastung ________________________ 230 So v. a. J. Lang in: Rose, Integriertes Steuer- und Sozialsystem, S. 83 (133); ders.,

DStJG 24, S. 49 (98 f.); ders., GmbHR 2000, S. 453 (457 f.). 231 In diesem Sinne auch J. Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 358 f. Würde allerdings

für diesen Personenkreis, d. h. für Anteilseigner von personenbezogenen Kapitalgesellschaften, eine Auszahlungsabzugsverfahren nach den Vorstellungen von J. Lang (in: Brühler Empfehlungen, Anhang 1, S. 40 ff.) installiert, so relativieren sich diese Bedenken wieder, weil sie dann im Wesentlichen körperschaftsteuerlich unbelastete Leistungsvergütungen beziehen würden.

384

Der Entlastungsmechanismus

von an Kleinaktionäre ausgeschütteten Gewinnen232. Diese Argumentation verkennt, dass sich die Einmalbelastung an der individuellen Leistungsfähigkeit des Dividendenbeziehers auszurichten hat und demzufolge im Extremfall auch Null betragen kann. Schließlich muss auch berücksichtigt werden, dass die Komplexität des Anrechnungsverfahrens die Funktionalität in der Praxis kaum beeinträchtigte. Es handelte sich im Gegenteil sogar um einen Regelungsbereich mit besonders geringer Streitanfälligkeit233. Zum einen war es systemkonsequent ausgestaltet234, zum anderen trug die Verwaltung der Komplexität durch ausgefeilte Gliederungsformulare Rechnung. Da die betroffenen Körperschaften zur Ermittlung ihrer Steuerschuld ohnehin regelmäßig die Hilfe eines Steuerberaters oder spezieller Fachabteilungen beanspruchten, konnte der maßgebliche Adressatenkreis das Anrechnungsverfahren trotz dessen Abstraktheit hinreichend sicher handhaben. Damit steht fest, dass das Halbeinkünfteverfahren zu Verstößen gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip führt, die nur durch die mit der Systemumstellung erzielten Gewinn an Vereinfachung der Steuerberechnung bei Gesellschaft und Anteilseigner nicht zu rechtfertigen sind235. In der Beeinträchtigung des Leistungsfähigkeitsprinzips liegt daher der entscheidende Mangel des Halbeinkünfteverfahrens. e) Wertende Gesamtbetrachtung Nun kann es allerdings für die Gesamtbewertung nicht nur und auch nicht in erster Linie darauf ankommen, inwieweit durch das neue Entlastungssystem steuertechnische Vereinfachungen gegenüber dem Anrechnungsverfahren erzielt werden konnten. Denn durch das Halbeinkünfteverfahren suchte der Gesetzgeber die hochkomplexe Aufgabe zu lösen, die Zielvorstellungen eines europatauglichen, international verteilungsgerechten wie auch leistungsfähigkeitskonformen Körperschaftsteuersystems miteinander zu vereinbaren. Diese teilweise divergierenden Ziele wie auch einen eventuellen Vereinfachungseffekt hatte der Gesetzgeber untereinander abzuwägen236. Seinen

________________________

232 So aber H. Zitzelsberger, IStR 2001, S. 527 (529). 233 H.-J. Pezzer in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 11 Rz. 4; ders. StuW 2000,

S. 144 (145); S. Homburg, Stbg 2001, S. 8 (11); G. Müller-Gatermann, GmbHR 2000, S. 650 (651); N. Herzig, GmbHR 1985, S. 37 (38). 234 Vgl. A. Raupach, DStJG 20, S. 21 (56): „… das Körperschaftsteuer-Anrechnungsverfahren … [ist] … eines der wenigen, wenn nicht überhaupt einzigen Gesetzgebungswerke im Ertragsteuerrecht der Nachkriegszeit, das eine umfassende geistige Durchdringung aufweist.“ 235 So im Ergebnis auch H.-J. Pezzer in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 11 Rz. 4. 236 Vgl. zu der Notwendigkeit derartig komplexer Entscheidungsvorgänge und der Aufgabe des Gesetzgebers, den Konflikt zwischen Gerechtigkeitsvorstellungen und anderen Gestaltungszielen zu einem möglichst optimalen Ausgleich zu bringen, D. Birk, StuW 2000, S. 328 (330).

385

Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

Typisierungsspielraum hat der Gesetzgeber mithin nur dann nicht eingehalten, wenn die Abweichungen vom Leistungsfähigkeitsprinzip auch unter Würdigung der sonstigen Vorzüge des Halbeinkünfteverfahrens237 als unverhältnismäßig erscheinen. Insofern darf das Phänomen der Typisierung nicht schlicht mit Vereinfachungszwecken gleichgesetzt werden; diese können, müssen aber nicht einzige Motivation einer Typisierung sein. Widerstreitende systemtragende Prinzipien können durchaus eine weitergehende Zurückdrängung des Leistungsfähigkeitsgedankens rechtfertigen als dies reine Praktikabilitätserwägungen vermöchten. Denn der Grundsatz der Steuervereinfachung ist nur als technisch-ökonomisches Zweckmäßigkeitsprinzip einzustufen, das dem Leistungsfähigkeitsprinzip im Bereich der Steuererhebung zur Durchsetzung verhelfen und ihm somit letztlich untergeordnet ist238. Demgegenüber kommt den sonstigen Fundamentalprinzipien der (Dividenden-)Besteuerung in der Abwägung größeres Gewicht zu239. Freilich darf auch ihre Verwirklichung nicht durch eine übermäßige Einbuße an Belastungsgerechtigkeit gegenüber dem Steuerpflichtigen erkauft werden. In Betracht käme insbesondere, dass die Verstöße gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip im Hinblick auf die Überlegenheit hinsichtlich der international gerechten Fiskalaufteilung der Unternehmensgewinne noch hinnehmbar sind. Es kollidieren insoweit das Leistungsfähigkeitsprinzip einerseits und das Prinzip internationaler Verteilungsgerechtigkeit andererseits. Beide Grundsätze beinhalten fundamentale Gerechtigkeitsaussagen, von denen keine a priori hinter die andere zurückzutreten hätte. Ihre unterschiedlichen Vorgaben müssen darum je angemessen verwirklicht und in einen verhältnismäßigen Ausgleich zueinander gebracht werden240. Dem Gesetzgeber kommt dabei grundsätzlich eine Einschätzungsprärogative hinsichtlich der ________________________ 237 Gl. A. H.-J. Pezzer, StuW 2000, S. 144 (147). 238 Vgl. J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 4 Rz. 130; H. G. Ruppe, DStJG

21, S. 29 (30). 239 Tendenziell a. A. J. Hey, DStJG 24, S. 155 (197 f.), welche die Kriterien für den bei

Typisierungen regelmäßig anzutreffenden Konflikt des Leistungsfähigkeitsprinzips mit Vereinfachungszielen wohl auch auf die Kollision mit anderen Prinzipien übertragen will. Dies kann aber dann nicht überzeugen, wenn es sich bei letzteren um mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip auf einer Ebene liegende Fundamentalprinzipien der Besteuerung handelt. 240 Vgl. D. Birk; StuW 2000, S. 328 (330); G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 169. A. A. ist K. Ståhl, ec tax review 1997, S. 227 (234), die interpersonaler Gerechtigkeit den Vorzug vor zwischenstaatlicher Verteilungsgerechtigkeit geben will. Ein solch abstraktes Vorrangverhältnis trägt dem berechtigten Interesse des Staates, an einer möglichst gerechten Besteuerung auch angemessen zu partizipieren, aber nicht hinreichend Rechnung.

386

Der Entlastungsmechanismus

Gewichtung der widerstreitenden Belange zu241. Nach den bisher erarbeiteten Erkenntnissen kann nicht festgestellt werden, dass die mit dem Halbeinkünfteverfahren erreichte Optimierung des Prinzips internationaler Verteilungsgerechtigkeit zu Lasten des Grundsatzes gerechter Lastenausteilung diesen Spielraum überschreiten würde. Der Gesetzgeber war sowohl abstrakt wie auch infolge des von der Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens ganz unmittelbar gezwungen, jedwedes Verfahren zur Berücksichtigung der steuerlichen Vorbelastung der Dividende europarechtskonform auszugestalten242. Die Beibehaltung des Vollanrechnungsverfahrens hätte unter Umständen zu massiven Verstößen gegen die Grundsätze interstaatlicher Verteilungsgerechtigkeit geführt. Der Gesetzgeber war von Verfassungs wegen nicht gehindert, diesem Aspekt Vorrang vor der optimalen Umsetzung des Leistungsfähigkeitsprinzips einzuräumen. Dessen Beeinträchtigung durch das Halbeinkünfteverfahren ist zwar erheblich; es wird aber nicht völlig preisgegeben. Angesichts der überlegenen Anpassung an die abkommensrechtlichen Maßstäbe zur internationalen Verteilung des Steueraufkommens bringt das Halbeinkünfteverfahren darum grundsätzlich einen Ausgleich der widerstreitenden Prinzipien mit sich, den der Gesetzgeber vertretbarer Weise noch als verhältnismäßig ansehen durfte. Insofern ist J. Lang zuzustimmen, wenn er feststellt, die Verzerrungen der Steuerbelastung bewegten sich noch innerhalb des verfassungsrechtlich zulässigen Typisierungsspielraums243. Diese Ausführungen stehen allerdings unter dem Vorbehalt, dass keine weniger einschneidende, das heißt das Leistungsfähigkeitsprinzip in geringerem Maße beeinträchtigende Alternative zur Verfügung gestanden hatte. Bei gleicher Eignung eines solchen Entlastungssystems im Hinblick auf die Grundsätze der Einfachheit, Europarechtskonformität und der internationalen Aufteilung der Unternehmensgewinne wäre das Halbeinkünfteverfahren schon als nicht erforderlich zu verwerfen, ohne dass es noch auf eine Abwägung im engeren Sinne ankäme. Nicht zuletzt im Hinblick darauf soll nunmehr das spanische Entlastungsverfahren einer kritischen Würdigung unterzogen werden.

3. Das spanische Anrechnungsverfahren Das in Spanien praktizierte Anrechnungsverfahren wird von Teilen der deutschen Literatur als weniger verzerrend, gleichwohl europarechtskonform, ________________________ 241 H.-J. Pezzer, StuW 2000, S. 144 (147). 242 Auf diese in die Abwägung einzustellende Konfliktlage weist auch H. G. Raber, DB

1999, S. 2596 (2599) hin. 243 J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 9 Rz. 143. Ebenso M. Desens, Halb-

einkünfteverfahren, S. 107 f. u. S. 370.

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

einfach und ergiebig eingestuft, so dass es insgesamt gegenüber dem Halbeinkünfteverfahren vorzugswürdig sei244. Es soll im Folgenden untersucht werden, ob es tatsächlich diese Eigenschaften aufweist und damit das gegenüber dem Halbeinkünfteverfahren „bessere“ Körperschaftsteuersystem wäre. a)

Annäherung an die steuerliche Einmalbelastung der Dividenden

aa) Realitätsgerechte Typisierung körperschaftsteuerlicher Vorbelastung Beim spanischen Entlastungssystem handelt es sich um ein Verfahren der pauschalen Vollanrechnung. Die Annäherung an eine optimal leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung der an die Anteilseigner ausgeschütteten Unternehmensgewinne hängt vor allem von der möglichst realitätsnahen Festlegung der unterstellten effektiven Körperschaftsteuervorbelastung ab. Dies gilt umso mehr, als dass bei einer tatsächlich höheren Effektivbelastung als der gesetzlich unterstellten der Entlastungsmechanismus regressiv wirkt: Je geringere Einkünfte der Anteilseigner im Jahr des Dividendenbezugs erzielt, desto höher fällt die trotz Anrechnung verbleibende Vorbelastung aus245. In Spanien besteht zwischen dem Nominalsteuersatz von 35 % und der angenommenen effektiven Belastung von 28,57 % ein Unterschied von immerhin 6,43 Prozentpunkten. Eine Abweichung in einer solchen Größenordnung bringt es mit sich, dass die Unterschiede zwischen pauschaler und im jeweiligen Einzelfall tatsächlich aufgetretener Belastung nicht ganz unerheblich sein können; die Typisierung ist also relativ stark vergrö________________________ 244 J. Hey in: DStJG Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 5 (17 f.); dies., DStJG

24, S. 155 (197 f.). Gl. A. ist auch J. Lang in: Rose, Integriertes Steuer- und Sozialsystem, S. 137; ähnlich ders., DStJG 24, S. 49 (95 f.). 245 C. de Pablo Varona, La tributación del socio, S. 438 Fn. 219; F. A. Vega Borrego, Cronica Tributaria 2002, S. 89 (90, Fn. 6); vgl. dazu die Berechnungen von J. Ramallo Massanet in: Orón Moratal, Los nuevos Impuestos, S. 472 für den Fall, dass die Effektivbelastung mit der nominellen Belastung übereinstimmt: Steuersatz Gewinn

40 %

32 %

24 %

16 %

8%

0%

100,00

100,00

100,00

100,00

100,00

100,00

KSt (IS)

35,00

35,00

35,00

35,00

35,00

35,00

35,00

Dividende

65,00

65,00

65,00

65,00

65,00

65,00

65,00

Einkünfte

91,00

91,00

91,00

91,00

91,00

91,00

91,00

ESt (IRPF)

43,68

36,40

29,12

21,84

14,56

7,28

0,00

– 26,00

– 26,00

– 26,00

– 26,00

– 26,00

– 26,00

– 26,00

Rest ESt:

17,68

10,40

3,12

– 4,16

– 11,44

– 18,72

– 26,00

ESt u. KSt

52,68

45,40

38,12

30,84

23,56

16,28

9,00

richtig wäre

48,00

40,00

32,00

24,00

16,00

8,00

0,00

4,68

5,40

6,12

6,84

7,56

8,28

9,00

Anrechnung

Übermaß:

388

48 % 100,00

Der Entlastungsmechanismus

bernd246. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass in Spanien in erheblichem Umfang wirtschaftslenkende Steuervergünstigungen in Form von Abzügen von der Körperschaftsteuerschuld in Anspruch genommen werden können. Dadurch kann die endgültige Körperschaftsteuerschuld wesentlich niedriger ausfallen als die nach dem Tarif zu berechnende, was durch einen starken Abschlag beim pauschal unterstellten Effektivsteuersatz berücksichtigt wird. Eine stattdessen ebenfalls denkbare „Ergänzungsbesteuerung“ zur Herstellung einer einheitlichen Ausschüttungsbelastung entsprechend dem nominellen Körperschaftsteuersatz wurde vor allem wegen dessen Komplexität verworfen247. Bei einer Übertragung dieses Entlastungsverfahrens in das deutsche Umfeld der Unternehmensbesteuerung könnte die Typisierung hingegen wesentlich stärker an der Nominalbelastung orientiert werden. Denn hier sind wirtschaftslenkende Abzüge von der Steuerschuld gegenwärtig nicht vorgesehen. Steuervergünstigungen sind vielmehr regelmäßig in die Bemessungsgrundlage integriert, insbesondere in Form von Sonderabschreibungen. Da diese Vergünstigungen nach dem sogenannten umgekehrten Maßgeblichkeitsprinzip der §§ 8 I KStG, 5 I 2 EStG steuerlich nur in Anspruch genommen werden können, wenn sie auch handelsbilanziell berücksichtigt werden, wirken sie sich auf die Steuerbelastung des ausgeschütteten Gewinns nicht aus. Denn der handelsbilanziell zu ermittelnde, ausschüttbare Gewinn mindert sich im Umfang der Vergünstigung, und der für die Ausschüttung verbleibende Gewinn ist regulär mit Körperschaftsteuer vorbelastet. Abweichungen zwischen der nominalen und der effektiven Körperschaftsteuerlast ausgeschütteter Gewinne ergeben sich im deutschen Körperschaftsteuersystem darum nur aus Vorschriften über objektive Steuerbefreiungen in der Bemessungsgrundlage. Im wesentlichen sind das die Dividendenfreistellung nach § 8b Abs. 1 KStG, die Veräußerungsgewinnfreistellung nach § 8b Abs. 2 KStG, sowie Befreiungen ausländischer Erträge aufgrund von DBA. Bei diesen Befreiungen müsste aber genau geprüft werden, ob nicht auch die befreiten Gewinnbestandteile ein Anrechnungsguthaben vermitteln sollen248. Die Steuerfreiheit von Dividenden in § 8b Abs. 1 KStG soll der definitiven Vorbelastung der weitergeleiteten Gewinne auf Ebene der Tochtergesell________________________ 246 Kritisch C. de Pablo Varona, Inf. Fiscal 2001, S. 85 (87 f.); B. Tomé Muguruza,

Cronica Tributaria 1994, S. 109 (114); J. Arias Velasco, Rev. Técnica Tributaria 1995, S. 13 (25). Ebenso, wenngleich abgeschwächt T. Cordón Ezquerro, Cronica Tributaria 1996, S. 11 (30); E. Sanz Gadea, RCT 1995, S. 133 (178). 247 C. de Pablo Varona, Inf. Fiscal 2001, S. 85 (115). 248 Ähnlich auch C. de Pablo Varona, La tributación del socio, S. 378 Fn. 67; M. L. González-Cuéllar Serrano, Deducción por doble imposición, S. 68, 73 u. 77. Differenzierend auch T. Cordón Ezquerro, Cronica Tributaria 1996, S. 11 (29).

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

schaft – oder ggf. auf einer noch tiefer gestuften Beteiligungsebene – Rechnung tragen249. Die entsprechenden Gewinne sind darum tatsächlich mit Körperschaftsteuer vorbelastet, wenngleich nicht auf Ebene der an die natürliche Person ausschüttenden Gesellschaft, sondern auf einer vorgelagerten Ebene innerhalb der Körperschaftsteuersphäre. Sie müssen darum auch ein Anrechnungsguthaben vermitteln und dürften folglich bei der Festlegung des pauschalen Anrechnungssatzes vom Gesetzgeber nicht mindernd berücksichtigt werden250. Gute Gründe sprechen dafür, das sogenannte „Veräußerungsprivileg“ des § 8b Abs. 2 KStG ebenfalls vollumfänglich als Fiskalzwecknorm anzusehen, die einer körperschaftsteuerlichen Vorbelastung auch der Veräußerungsgewinne Rechnung trägt: Veräußert eine Kapitalgesellschaft einen Anteil an einer anderen Kapitalgesellschaft, so wird ein Erwerber regelmäßig nur bereit sein, den Barwert der von ihm erwarteten Gewinnausschüttungen und sonstigen Erträge nach Steuern zu vergüten. Infolge des Wegfalls des Anrechnungsverfahrens werden ihm die bei der Tochtergesellschaft anfallenden Steuern anders als im früheren System nicht mehr erstattet. Ein Ausgleich durch eine ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibung ist wegen deren steuerlicher Unbeachtlichkeit gemäß § 8b Abs. 3 KStG n. F. ebenfalls nicht möglich. Ein rational handelnder Erwerber wird darum tendenziell nur einen um die Steuerlast bei der Tochtergesellschaft geminderten Betrag für deren schon thesaurierten und für die noch zu erwartenden Gewinne entrichten. Dieser „Vorbelastung durch Überwälzung“ trägt die Befreiungsvorschrift des § 8b Abs. 2 KStG Rechnung, um eine nochmalige steuerliche Belastung des Veräußerungsgewinns beim Veräußerer zu verhindern251. Jedenfalls war dies einer der wesentlichen vom Gesetzgeber für die Einführung des § 8b Abs. 2 KStG angeführten Gründe252. Will er nicht widersprüchlich handeln, müsste er auch für die nach § 8b Abs. 2 KStG freigestellten Gewin________________________ 249 Es ist allgemein anerkannt, dass es sich bei § 8b Abs. 1 KStG i. d. F. des Steuersen-

kungsgesetzes um eine entsprechende Fiskalzwecknorm handelt, vgl. G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 30 f.; G. Frotscher in: Frotscher/Maas, § 8b KStG, Rz. 3; J. Hey in: DStJG Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 5 (7). So im Übrigen auch die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 14/2683, S. 120. 250 Ebenso für das spanische Pauschalanrechnungsverfahren C. de Pablo Varona, Inf. Fiscal 2001, S. 85 (122). Die Problematik würde sich gänzlich erübrigen, wenn auch innerhalb der Köperschaftsteuersphäre wieder ein Anrechnungsverfahren etabliert würde. Das Beispiel Spaniens zeigt aber, dass dies nicht zwingend erforderlich ist; dort wird über die Anrechnung der von der dividendenempfangenden Körperschaft entrichteten Körperschaftsteuer auf die Dividende ohne Erstattungsmöglichkeit letztlich ebenfalls ein Freistellungsystem praktiziert. 251 Ausführlich zu diesen Zusammenhängen G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 250 ff. 252 Vgl. BT-Drs. 14/2683, S. 120 f.

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Der Entlastungsmechanismus

ne ein Anrechnungsguthaben gewähren, da sie ebenfalls vorbelastet sind. Auch das Veräußerungs„privileg“ müsste darum bei der Ermittlung der effektiven Körperschaftsteuervorbelastung bzw. der Bestimmung des pauschalen Anrechnungssatzes außer Betracht bleiben. Es verblieben im deutschen Körperschaftsteuersystem damit einzig die Befreiungen von ausländischen Einkünften als Ansatzpunkt für einen gegenüber dem nominellen Körperschaftsteuersatz reduzierten, typisierten Anrechnungssatz als Grundlage eines pauschalen Anrechnungsguthabens. Hier ist eine differenzierte Sichtweise geboten: Stammen die Gewinne aus Staaten mit Anrechnungssystem, so muss die Vorbelastung mit ausländischer Körperschaftsteuer im Inland ausgeglichen werden. Nur dann ist die Kohärenz der Besteuerung, nämlich die konsequente Ausrichtung an den Belastungsidealen des Staates der unternehmerischen Gewinnschöpfung, gewahrt253. Entsprechende Auslandsgewinne dürfen folglich bei der typisierenden Berechnung des Anrechnungsguthabens mit berücksichtigt werden. Und selbst hinsichtlich der ausländischen Gewinnbestandteile aus Staaten ohne Anrechnungssystem ließe es sich vertreten, ein Anrechnungsguthaben zu gewähren. Denn auch diese Befreiungen sind regelmäßig einer anderweitigen Vorbelastung der entsprechenden Gewinne, nämlich mit ausländischer Körperschaftsteuer, geschuldet254. Allerdings würde dann im Ergebnis ausländische Körperschaftsteuer vom inländischen Anteilseigner in Anrechnung gebracht werden können, ohne dass seine ausländischen Mitgesellschafter diese Möglichkeit hätten. Es wurde bereits ausgeführt, dass dies an sich weder unter Leistungsfähigkeitsaspekten noch europarechtlich zwingend geboten ist. Insoweit stünde es also im Ermessen des Gesetzgebers, der fehlenden – inländischen – Vorbelastung des durchschnittlich auf ausgeschüttete Gewinne entfallenden Anteils nach DBA freigestellter Einkünfte bei der Pauschalierung Rechnung zu tragen255. Im Ergebnis könnte sich also auch nach den Verhältnissen in Deutschland der für die pauschale Anrechnung typisierend unterstellte effektive Körper________________________ 253 Siehe dazu oben unter 1.b.bb) (ii). 254 Für eine Anrechnung auch ausländischer Körperschaftsteuer, der Höhe nach aller-

dings begrenzt auf die entsprechende deutsche Körperschaftsteuer, die auf die Einkünfte entfallen wäre, sprechen sich etwa aus: J. Lang, Entwurf eines Steuergesetzbuches, S. 190; J. Hey, DStJG 24, S. 155 (188); R. Maiterth/B. Semmler, BB 2000, S. 1377 (1385 f.). 255 Dabei weist M. L. González-Cuéllar Serrano zutreffend auf den Abstimmungsbedarf mit der Behandlung des unmittelbar im Ausland investierenden Anteilseigners hin: Würde bei der mittelbaren Beteiligung über eine inländische Muttergesellschaft ein Anrechnungsguthaben gewährt, müsste dies aus Gründen der Gleichbehandlung auch bei der unmittelbaren Beteiligung an einer im Ausland ansässigen Gesellschaft geschehen (in: Deducción por doble imposición, S. 82).

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schaftsteuersatz von dem nominalen unterscheiden. Dem Gesetzgeber kann hier im Übrigen keine punktgenaue Berechnung abverlangt werden; es ist ihm ein gewisser Schätzungsrahmen zuzugestehen. Die Abweichung würde aber jedenfalls eher gering ausfallen, weil sie im Wesentlichen einem einzigen Umstand geschuldet wäre, nämlich der fehlenden inländischen Vorbelastung ausländischer Gewinne aus Staaten ohne Anrechnungssystem. Für diese Einschätzung spricht auch, dass der deutsche Gesetzgeber selbst bei den Regelungen zur Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 ff. AStG in der Fassung des Steuersenkungsgesetzes, die allerdings nicht in Kraft getreten sind, von einer effektiven Vorbelastung inländischer Dividenden in Höhe von 38 v. H. ausgegangen ist256. Denn der Hinzurechnungsbetrag sollte nach § 10 Abs. 2 AStG i. d. F. des Steuersenkungsgesetzes gerade in dieser Höhe besteuert werden, um für die Zwecke des Halbeinkünfteverfahrens eine der inländischen Vorbelastung vergleichbare Belastung herzustellen257. Diese Belastung entspricht aber näherungsweise der kumulierten nominalen Durchschnittsbelastung ausgeschütteter Gewinne bei der ausschüttenden inländischen Körperschaft. Infolgedessen dürfte sich auch die Diskrepanz zwischen tatsächlicher und gesetzlich zugrunde gelegter effektiver inländischer Körperschaftsteuerlast im Regelfall in Grenzen halten und atypische, gravierendere Abweichungen nur zugunsten der Steuerpflichtigen auftreten: Schüttet eine Gesellschaft Gewinne aus, in denen keine ausländischen Einkünfte enthalten sind, ist die pauschale Anrechnung zwar gemessen an einer optimal leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung zu gering. Infolge der zu erwartenden nur geringfügigen Unterschreitung des nominalen Körperschaftsteuersatzes trägt sie der Vorbelastung aber noch im Wesentlichen Rechnung. Die verbleibenden Abweichungen liegen noch im Rahmen des dem Gesetzgeber zuzubilligenden Typisierungsspielraums258. Es kann darum auch akzeptiert werden, dass in dieser Konstellation der schon oben geschilderte regressive Entlastungseffekt auftritt. Entfallen auf den ausgeschütteten Gewinn ausländische Einkünfte der Gesellschaft in durchschnittlichem Umfang, ist die pauschale An________________________ 256 So auch ausdrücklich H. Zitzelsberger, IStR 2001, S. 527 (530); ebenso R. Maiterth,

SteuerStud 2002, S. 490; L. Jesse in: Schaumburg/Piltz, Holdinggesellschaften, S. 109 (151). 257 So der Finanzausschuss in der Beschlussempfehlung zum StSenkG 2000, BT-Drs. 3366, S. 127. Allerdings ging der Finanzausschuss zunächst von einer inländischen Vorbelastung der Dividenden nur mit Körperschaftsteuer aus. Diese Einschätzung ist im Vermittlungsausschuss jedoch revidiert worden; die Vorbelastung wurde unter zutreffender Einbeziehung der Gewerbesteuer auf 38 v. H. festgesetzt, vgl. BT-Drs. 14/3760, S. 11. 258 Vgl. dazu J. Lang, DStJG 24, S. 49 (95).

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Der Entlastungsmechanismus

rechnung leistungsfähigkeitsgerecht. Deutlich auseinander klaffen können tatsächliche effektive Belastung und Anrechnungsguthaben nur dann, wenn sich die Gewinne größtenteils aus im Inland steuerbefreiten ausländischen Einkünften der Gesellschaft speisen259. Die darin liegende „Begünstigung“ der Anteilseigner solcher Gesellschaften lässt sich aber auch noch gut mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbaren, denn dieses gebietet die Anrechnung im Ausland nicht anrechenbarer Körperschaftsteuer zwar nicht, steht ihr aber auch nicht entgegen260. Bei Änderungen des Körperschaftsteuer- oder Gewerbesteuersatzes müsste das pauschale Anrechnungsguthaben entsprechend angepasst werden. Hier können allerdings Verwerfungen auftreten, wenn sich die Pauschalanrechnung ohne Übergangsregelung an den neuen Verhältnissen orientiert: Denn die ausgeschütteten Dividenden speisen sich häufig aus in den Vorjahreszeiträumen erwirtschafteten Gewinnen, so dass sich abweichende (durchschnittliche) Vorbelastungen ergeben. Soweit die Modifizierung des Steuersatzes gering ausfällt, kann dies hingenommen werden, weil es sich ohnehin nur um eine pauschalierte Anrechnung handelt. Bei deutlichen Veränderungen müsste der Gesetzgeber zumindest eine Übergangsphase vorsehen, in welcher der pauschale Anrechnungsbetrag sukzessive den neuen Verhältnis-

________________________ 259 Kritisch dazu C. de Pablo Varona, La tributación del socio, S. 432; E. Sanz Gadea,

Impuestos 2001, S. 161 (221). 260 Allerdings würde dieser Begünstigungseffekt die Direktinvestitionen natürlicher

Personen in Staaten ohne Anrechnungssystem zu Gunsten mittelbarer Investitionen über inländische Zwischengesellschaften zurückdrängen. Denn während der Anteilseigner bei der Direktinvestition weder im Quellen- noch im Wohnsitzstaat ein Anrechnungsguthaben erhält, weil er in beiden Staaten entsprechend den Grundsätzen des Quellenstaates behandelt wird, kommt ihm bei der mittelbaren Investition das pauschale Anrechnungsguthaben zugute, weil hier nicht das konkrete Auslandsengagement der ausschüttenden Gesellschaft berücksichtigt wird, sondern nur ein typisiertes Auslandsengagement aller Kapitalgesellschaften mit Sitz im Inland. C. de Pablo Varona, La tributación del socio, S. 431, sieht hierin nicht ganz zu Unrecht eine problematische Ungleichbehandlung von Direktinvestitionen und mittelbaren Investitionen. Sie liesse sich m. E. allerdings noch durch den Vereinfachungszweck, welcher mit der Pauschalanrechnung verbunden ist, rechtfertigen. Zur Begrenzung der daraus resultierenden Verzerrungen könnte nichtsdestotrotz eine Kürzung des Anrechnungsguthabens bei vom Anteilseigner beherrschten Kapitalgesellschaften, die überwiegend Gewinne aus Beteiligungen in Staaten ohne Anrechnungssystem erzielen, oder die Erhebung einer Ergänzungssteuer bei der ausschüttenden Körperschaft vorgesehen werden (in diesem Sinne hatte sich die spanische Generaldirektion für Steuern 1994 geäußert, DGT, Integración, S. 25 f.). Entfallen würde die Problematik, dehnte man die Pauschalanrechnung wie das Halbeinkünfteverfahren auch auf Auslandsdividenden aus.

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sen angepasst wird261. Insgesamt erscheint diese Problematik durchaus beherrschbar; eine näherungsweise leistungsfähigkeitsgerechte Entlastung des Dividendenbeziehers ist auch bei Änderungen des Besteuerungsniveaus auf Körperschaftsebene möglich. Im Übrigen schneidet das Halbeinkünfteverfahren in diesem Punkt keinesfalls besser ab: Da es ebenfalls typisierend eine bestimmte körperschaftsteuerliche Vorbelastung unterstellt, sieht es sich bei deren Änderung demselben Anpassungsdruck ausgesetzt262. Damit ist eine pauschale Anrechnung nach spanischem Vorbild geeignet, die körperschaftsteuerliche Vorbelastung der Dividenden im Wesentlichen rückgängig zu machen. Die ausgeschüttete Dividende wird in Spanien um die Anrechnungspauschale erhöht und dann nach dem individuellen Steuersatz des Beziehers versteuert. Damit wird der auf Unternehmensebene erwirtschaftete Gewinn nach Ausschüttung näherungsweise nach den Verhältnisses des Anteilseigners leistungsfähigkeitsgerecht versteuert. Anders als im Halbeinkünfteverfahren gilt dies grundsätzlich auch bei einem niedrigen persönlichen Einkommensteuersatz und selbst dann, wenn die Dividendeneinkünfte ganz oder teilweise in das Existenzminimum des Steuerpflichtigen fallen und insoweit steuerlich zu verschonen sind. Eine Pauschalanrechnung ist darum deutlich stärker an eine leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung angenähert als das Halbeinkünfteverfahren. bb) Systemwidrigkeit der fehlenden Erstattung bei überschießendem Anrechnungsguthaben Problematisch ist allerdings der im spanischen Steuerrecht vorgesehene Ausschluss einer Erstattung des Anrechnungsguthabens, soweit es die individuelle Steuerschuld des Gesellschafters übersteigt. Dadurch werden die positiven Eigenschaften des pauschalen Anrechnungsverfahrens gerade im Bereich niedriger Steuersätze wieder größtenteils entwertet: Kann der Steuerpflichtige das Anrechnungsguthaben nicht mit der auf die Dividenden oder auf sonstige Einkünfte entfallenden Einkommensteuerschuld verrechnen, muss er insoweit die körperschaftsteuerliche Sockelbelastung letztlich

________________________ 261 Denkbar wäre auch, die bis zur Steuersatzänderung bereits versteuerten Gewinne

gesondert zu erfassen und anlässlich ihrer Ausschüttung – die gegebenenfalls über eine Verwendungsfiktion zu bestimmen wäre – noch das alte Anrechnungsguthaben zu gewähren. Mit dieser Vorgehensweise wäre allerdings ein erheblicher verwaltungstechnischer Mehraufwand verbunden, welcher die Vorzüge der Pauschalanrechnung im Hinblick auf ihre Praktikabilität (siehe dazu sogleich unter b) wieder teilweise in Frage stellen würde. 262 Vgl. dazu J. Hey, DStJG Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 5 (8); C. Dorenkamp, DStJG Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 61 (77).

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Der Entlastungsmechanismus

doch tragen263. Denn er erhält nur eine um die Körperschaftsteuer geminderte Dividende, und diese, an seinen individuellen Verhältnissen gemessen übermäßige steuerliche Vorbelastung bleibt ganz oder teilweise bestehen. Die Mehrbelastung fällt dabei umso höher aus, je weniger steuerbare Einkünfte der Steuerpflichtige erzielt, so dass die Dividendenbesteuerung regressive Züge erhält. Die in Spanien eingeräumte Möglichkeit eines vierjährigen Vortrags der nicht ausgenutzten Anrechnungsguthabens kann diese negativen Wirkungen nur abschwächen, keinesfalls aber ausräumen. Dies gilt umso mehr, als dass bei vielen Steuerpflichtigen nicht mit erheblichen Einkommensschwankungen in den verschiedenen Veranlagungszeiträumen zu rechnen ist, so dass sich bei ihnen das Guthaben auch in späteren Perioden nicht auswirkt. In der Literatur wird die fehlende Vergütung eines überschießenden Anrechnungsguthabens vereinzelt damit gerechtfertigt, dass dadurch in einem klassischen Körperschaftsteuersystem das Prinzip definitiver Vorbelastung der Dividende beachtet würde. Im Hinblick darauf wird sogar eine Begrenzung der Anrechnung auf denjenigen Teil der Einkommensteuerschuld gefordert, der auf die Dividendeneinkünfte entfällt264. Dies erscheint aber widersprüchlich: Ein Anrechnungsverfahren basiert ja gerade auf einem integrierten Verständnis der Leistungsfähigkeit von Gesellschaft und Gesellschafter; darin folgt es juristisch der ökonomischen Erkenntnis, wonach das Unternehmen nur Mittel zur Einkünfteerzielung des Anteilseigners ist. Es ist auch bereits dargelegt worden, dass nur ein solches Verständnis dem Leistungsfähigkeitstransfer zwischen Gesellschaft und Gesellschafter gerecht wird. Dann ist das „Prinzip definitiver Vorbelastung der Dividende“ aber ein solches ohne materiellen Gehalt, das hinter einer leistungsfähigkeitsgerechten Anrechnung und gegebenenfalls Vergütung der Körperschaftsteuer zurückzutreten hätte. Es ist im Übrigen nicht ersichtlich, warum die definitive Vorbelastung bei den Dividendenbeziehern, deren Einkommensteuerschuld aufgrund hoher Dividendeneinkünfte zur Verrechnung des Anrechnungsguthabens ausreicht, wirtschaftlich letztlich doch voll ausgeglichen würde, während dies den Beziehern geringer Dividendeneinkünfte verwehrt wäre. Die Verweigerung einer Erstattung die Steuerschuld überschießender Anrechnungsguthaben ist darum mit der Logik eines Anrechnungsverfahrens, das auf die Beseitigung der – und sei es pauschalierten – körperschaftsteuerlichen Vorbelastung der Dividende abzielt, nicht zu vereinbaren265. Sie führt gerade bei Beziehern geringer Einkommen zu erheblichen Brüchen mit ________________________ 263 Sehr kritisch C. de Pablo Varona, La tributación del socio, S. 386 f. m. w. N. aus dem

US-amerikanischen Schrifttum. 264 J. Lang, DStJG 24, S. 49 (96). 265 So auch I. Pérez Royo, Manual del IRPF, 3. ed., S. 572.

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dem Gebot leistungsfähigkeitsgerechter Besteuerung266. Insoweit kann das spanische Anrechnungsverfahren nicht als empfehlenswert angesehen werden. Es handelt sich dabei aber nicht um eine systemimmanente, sondern im Gegenteil um eine systemwidrige Konsequenz: Eine Erstattungsmöglichkeit nach dem Beispiel des abgeschafften deutschen Anrechnungsverfahrens könnte ohne weiteres vorgesehen werden. b) Einfache Handhabbarkeit Das spanische Pauschalanrechnungsverfahren ist einfach zu handhaben267. Durch den Verzicht auf die genaue Bestimmung der jeweiligen Dividendenvorbelastung wird eine Eigenkapitalgliederung entbehrlich. Da Thesaurierungs- und Ausschüttungsbelastung identisch sind, muss bei der ausschüttenden Körperschaft auch kein kompliziertes Verfahren zur Anpassung der abweichenden Belastungsniveaus durchgeführt werden. Im Vergleich zum früheren deutschen Anrechnungsverfahren mit seinem gespaltenen Steuersatz ist dies ebenfalls eine deutliche Vereinfachung. Insgesamt weist die Pauschalanrechnung im Hinblick auf die Praktikabilität der Besteuerung damit ähnlich positive Eigenschaften auf wie das Halbeinkünfteverfahren. c) Europarechtskonformität In europarechtlicher Hinsicht muss das spanische Pauschalanrechnungsverfahren freilich in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung auf ähnliche Bedenken stoßen wie das abgeschaffte deutsche Anrechnungsverfahren. Beschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern wird keine pauschale Anrechnung der in Spanien entrichteten Körperschaftsteuer gewährt. Art. 26 LIRNR, welcher den Bereich der Steueranrechnung bei ihnen abschließend regelt, sieht keinen Mechanismus zur Milderung der Doppelbelastung von Dividenden vor. Ein shareholder-relief wird Steuerausländern lediglich dann gewährt, wenn sie die Beteiligung an der ausschüttenden Gesellschaft über eine inländische Betriebsstätte halten268. Aus der Systematik des Anrechnungsmechanismus des LIRPF ergibt sich ferner die Konsequenz, dass auch für Auslandsdividenden, die von unbeschränkt Steuerpflichtigen bezogen werden, keine Anrechnung der – ausländischen – Körperschaftsteuer begehrt werden kann. Das spanische Pauschalanrechnungsverfahren ähnelt in seiner Struktur inso________________________ 266 Einen Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip konstatieren auch M. L.

González-Cuéllar Serrano, Deducción por doble imposición, S. 215 und C. de Pablo Varona, La tributación del socio, S. 387. 267 So auch M. L. González-Cuéllar Serrano, Deducción por doble imposición, S. 136; T. Cordón Ezquerro, Cronica Tributaria 1996, S. 11 (28); E. Sanz Gadea, RCT 1995, S. 133 (181); A. Barrado Muñoz, RDFHP 1995, S. 101 (125); B. Tomé Muguruza, Cronica Tributaria 1994, S. 109 (114). 268 Dazu näher unter f).

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Der Entlastungsmechanismus

weit dem früheren deutschen Entlastungsmechanismus; es bleibt im Regelfall auf den reinen Inlandssachverhalt beschränkt. aa) Ausschluss der Steuerausländer Im Hinblick auf den Ausschluss beschränkt Steuerpflichtiger unterfällt es darum nach den schon zum deutschen Anrechnungsverfahren erörterten Grundsätzen dem Verdikt der Europarechtswidrigkeit: Der spanische Gesetzgeber misst dem Dividendenbezug des beschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners dieselbe objektive Leistungsfähigkeit zu wie dem des Steuerinländers. Das ergibt sich aus dem Generalverweis des Art. 24 Abs. 1 LIRNR, der zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage von beschränkt Steuerpflichtigen auf die Vorschriften des LIRPF verweist. Da auf dasselbe Besteuerungsgut sowohl beim beschränkt wie beim unbeschränkt Steuerpflichtigen zugegriffen wird, stellt das Gesetz selbst die notwendige Vergleichbarkeit her269. Der Umstand, dass die Besteuerung in zwei formal selbständigen Gesetzen geregelt ist, kann angesichts dieser materiellen Verweisungsnorm keine Rolle spielen. Die Vergleichbarkeit wird auch nicht etwa dadurch beseitigt, dass gemäß Art. 24 Abs. 1, letzter Hs. LIRNR die Multiplikatoren des Art. 23 Abs. 1 LIRPF zur Bestimmung der steuerbaren Dividendeneinkünfte bei beschränkt Steuerpflichtigen nicht heranzuziehen sind: Denn diese, der Bemessungsgrundlage zugeordnete Bestimmung ist ja gerade Teil des Anrechnungsverfahrens, hinsichtlich dessen die Vergleichsgruppen unterschiedlich behandelt werden. Eine Rechtfertigung für diese Diskriminierung ist ebenso wenig wie beim Vorgänger des deutschen Halbeinkünfteverfahrens ersichtlich. Die mit einer Erstreckung der Pauschalanrechnung auf beschränkt Steuerpflichtige verbundenen fiskalischen Einbußen können europarechtlich nicht ins Feld geführt werden; sie gelten gleichsam als im EGV angelegter „Preis“ der Gleichbehandlung. Auch eine Berufung auf die Kohärenz der Dividendenbesteuerung kommt nicht in Betracht: Der Belastungsnachteil, nämlich die körperschaftsteuerliche Vorbelastung der Dividenden, tritt bei Steuerausländern und -inländern gleichermaßen auf. Auch führt die niedrige Proportionalsteuer auf Dividenden bei beschränkt Steuerpflichtigen von nur 15 % der ________________________ 269 Vgl. dazu im Einzelnen die Ausführungen oben unter 1.b.aa) (ii). Die Argumentation

von E. Sanz Gadea, RCT 1995, S. 133 (183), der nicht Gebietsansässige werde durch die unterschiedliche Besteuerung nicht an einer Investitition in Deutschland gehindert, so dass keine Beschränkung der Grundfreiheiten vorliege, fällt hinter den schon damals erreichten Stand der Dogmatik der Grundfreiheiten zurück. Es kommt nicht auf die Verhinderung, sondern die diskriminierende Behinderung der grenzüberschreitenden Kapitalanlage an; die Grundfreiheiten kennen keine de-minimis-Regelung, sondern es sind auch Diskriminierungen unterhalb der Schwelle der faktischen Unmöglichkeit untersagt.

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

Bruttodividende nicht zu einer mit dem Pauschalanrechnungsverfahren gleichwertigen Entlastung, so dass im Ergebnis Belastungsgleichheit gewahrt wäre. Denn zusätzlich wird beim Steuerausländer die nicht anrechenbare Körperschaftsteuer definitiv, so dass sich unabhängig von den sonstigen Einkommensverhältnissen bei einer effektiven Körperschaftsteuerbelastung in Höhe der für die Zwecke des Anrechnungsverfahrens unterstellten 28,57 % stets eine Gesamtbelastung von 39,28 % ergibt. Ein entsprechender Marginalsteuersatz wird von unbeschränkt Steuerpflichtigen erst in der fünften und vorletzten Tarifstufe des spanischen Einkommensteuertarifs erreicht bzw. überschritten. Für alle übrigen Steuerinländer in vergleichbarer Situation, d. h. mit durchschnittlich vorbelasteter Dividende, bedeutet das Pauschalanrechnungsverfahren infolge der Entlastung von Körperschaftssteuer eine Besserstellung gegenüber den beschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern270. Der Ausschluss letzterer kann darum nicht unter dem Aspekt einer anderweitigen generellen Bevorzugung, und erst recht nicht durch das Ziel der Herstellung von Belastungsgleichheit gerechtfertigt werden. Derartige Rechtfertigungsversuche werden denn auch soweit ersichtlich nicht unternommen. Mithin müsste auch in Spanien das Pauschalanrechnungsverfahren auf beschränkt Steuerpflichtige ausgeweitet werden. bb) Ausschluss der ausländischen Dividenden Daneben bedeutet auch der Ausschluss der von Steuerinländern bezogenen Auslandsdividenden aus dem Pauschalanrechnungsverfahren eine grundfreiheitsrelevante Ungleichbehandlung. Es liegt allerdings nahe, dass sie ähnlich wie beim früheren deutschen Vollanrechnungsverfahren unter Kohärenzgesichtspunkten gerechtfertigt werden kann. Es wurde im dortigen Zusammenhang bereits dargelegt, dass der Wohnsitzstaat des Anteilseigners sein Entlastungsverfahren auf Inlandsdividenden beschränken darf, wenn deren inländische Gesamtbelastung unter Berücksichtigung der Körperschaftsteuervorbelastung derjenigen von Auslandsdividenden entspricht. Die ausländische Körperschaftsteuervorbelastung darf aus dem Belastungsvergleich ________________________ 270 Allerdings kann der Anrechnungsbetrag mit sinkendem Grenzsteuersatz, d. h. mit

sinkendem steuerbaren Einkommen in immer geringerem Maße ausgenutzt werden, weil ein überschießendes Anrechnungsguthaben nicht erstattet wird. Die Gesamtbelastung der Dividende verbleibt aber dennoch stets deutlich unter 40 %. Davon abgesehen wurde oben bereits nachgewiesen, dass die fehlende Erstattungsmöglichkeit systemwidrig und mindestens nach deutschen Maßstäben auch leistungsfähigkeitswidrig ist; würde sie abgeschafft, wären kleine und mittlere inlandsansässige Anleger aber schon deshalb stets gegenüber Steuerausländern bevorzugt, weil bei ihnen keine Sockelbelastung bestehen bliebe.

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ausgeblendet werden; das entspricht sowohl der generellen Dogmatik der Grundfreiheitsprüfung als auch dem Kerngedanken des Kohärenzarguments. Nun besteht im spanischen Anrechnungsverfahren allerdings die Besonderheit, dass die inländische Vorbelastung durch den Anrechnungsbetrag nur pauschal ausgeglichen wird. Wie oben näher ausgeführt271, kann dies angesichts der relativ starken Differenz zwischen dem nominalen Körperschaftsteuersatz und der für das Anrechnungsverfahren unterstellten Effektivbelastung im Einzelfall sowohl zu einer unzureichenden Entlastung als auch zu einer Überkompensation führen. Während der Fall der unzureichenden Entlastung unter Kohärenzaspekten unbedenklich ist, weil er bei integrierter Betrachtung zu einer Mehrbelastung der Inlandsdividende im Vergleich zur Auslandsdividende führt, könnte man den umgekehrten Fall der Überkompensation als problematisch erachten. Denn hier müssten die Bezieher der entsprechenden Inlandsdividenden eine steuerliche Gesamtbelastung tragen, die unter derjenigen einer vergleichbaren Auslandsdividende läge. Indes ist das inländische Besteuerungssystem schon dann als kohärent anzusehen, wenn es bei einem gebietsansässigen Dividendenbezieher die steuerliche Begünstigung gegenüber dem grenzüberschreitend agierenden „free mover“ mit gleich hohen Dividendenbezügen und auch ansonsten vergleichbarer objektiver Leistungsfähigkeit durch eine kompensierende Mehrbelastung typischerweise ausgleicht272. Diese typisierende Gleichstellung im Belastungserfolg ist im spanischen Körperschaftsteuersystem für jeglichen Anteilseigner mit Auslandsengagement gegeben: Denn unabhängig von der jeweiligen Stufe im Einkommensteuertarif entspricht die Entlastung durch den Anrechnungsbetrag, die eine vergleichbare Inlandsdividende erfährt, höchstens der durchschnittlichen Körperschaftsteuervorbelastung. Im Falle eines Anrechnungsüberhanges liegt sie wegen der mangelnden Erstattungsmöglichkeit sogar darunter. Die vom spanischen Gesetzgeber als durchschnittlich angenommene effektive Vorbelastung wiederum stützt sich auf empirische Untersuchungen eines Kreises von Wissenschaftlern273; sie gibt die typischen Verhältnisse damit so realitätsgerecht wie möglich wieder274. Die mögliche Besserstellung einzelner Bezieher von Inlandsdividenden bedeutet keine spürbare Beeinträchtigung für die Inhaber ausländischer Beteiligungen bzw. für ausländische Gesellschaften, die Investoren aus dem Inland anzuziehen versuchen. Das spanische Pauschalanrechnungsverfahren beinhaltet mithin eine insgesamt verhältnismäßige Vorteilskompensation, so dass der Aus________________________ 271 272 273 274

Siehe unter a) aa). Vgl. dazu 2. Kap., VI.4.g.bb. Siehe 1. Kap., B.I.1.b. Man wird allerdings verlangen müssen, dass in regelmäßigen Abständen erneut entsprechende Erhebungen durchgeführt werden und der Anrechnungsbetrag im Bedarfsfalle angepasst wird.

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schluss von Auslandsdividenden wegen der Kohärenz der Besteuerung von Inlandsdividenden gerechtfertigt ist275. d) Keine Übereinstimmung mit den Grundsätzen internationaler Verteilungsgerechtigkeit bei europarechtskonformer Ausgestaltung Angesichts der gerade erörterten europarechtlichen Vorgaben zeichnet sich aber auch für das spanische Pauschalanrechnungsverfahren das Konfliktfeld ab, das letztlich zur Abschaffung des deutschen Vollanrechnungsverfahrens geführt hat: Einerseits zwingt das Europarecht zur Anrechnung von Körperschaftsteuer und damit im wirtschaftlichen Ergebnis zur Erfassung des gesamten zur Ausschüttung gelangenden Gewinns vor Steuern beim beschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner. Diese Verlagerung der Besteuerung hin zur Ebene des Dividendenbeziehers verleiht der Körperschaftsteuer materiell in der Tat den Charakter einer anrechenbaren Quellensteuer. Andererseits wird dadurch beim beschränkt Steuerpflichtigen im Fall der Ausschüttung der gesamte Unternehmensgewinn dem völkerrechtlich abgesicherten Zugriff auch des ausländischen Fiskus ausgeliefert. Da die DBA hierauf nicht ausgerichtet sind, vielmehr einen Vorabzugriff des Sitzstaates der ausschüttenden Gesellschaft in Form einer definitiven Körperschaftsteuer zugrundelegen, wird das allgemein akzeptierte Vorrecht des Quellenstaates an den Unternehmensgewinnen ausgehöhlt: Infolge der begrenzten Quellensteuersätze wäre nunmehr entgegen dieser allgemein akzeptierten Ausprägung interstaatlicher Verteilungsgerechtigkeit faktisch ganz überwiegend der Wohnsitzstaat des Anteilseigners fiskalischer Nutznießer der in den Unternehmensgewinnen zum Ausdruck kommenden steuerlichen Leistungsfähigkeit. Entsprechend den Ausführungen zum abgeschafften deutschen Vollanrechnungsverfahren käme es entgegen dem in den DBA angelegten Gerechtigkeitsgedanken zu einer Verlagerung in der Zuweisung des Steuergutes276. e) Zwischenfazit Das spanische Pauschalanrechnungsverfahren ist dem Halbeinkünfteverfahren im Hinblick auf die Herstellung von Belastungsgleichheit klar überlegen. Es gewährleistet eine deutlich stärker an der individuellen Leistungsfähigkeit des Anteilseigners ausgerichtete Besteuerung der Dividendenbe________________________ 275 A. A. sind auf Basis einer engen, an der Rechtsprechung des EuGH orientierten In-

terpretation des Kohärenzprinzips J. M. Almudí Cid/F. Serrano Antón, QF 2002/19, S. 7 (15 f.). 276 Siehe dazu im Einzelnen oben unter 1.b.dd. Die dort angestellten Berechnungen ließen sich auf den Fall eines pauschalen Vollanrechnungsverfahrens übertragen, wenn – wovon hier ausgegangen werden soll – die nominale und die pauschal unterstellte effektive Vorbelastung mit Körperschaftsteuer nicht wesentlich divergieren.

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züge. Wegen der Typisierungen im Hinblick auf die unterstellte Vorbelastung der Dividende fällt die Entlastung zwar nicht ganz so exakt aus wie bei einem mit einer Gliederungsrechnung operierenden Vollanrechnungsverfahren. Die damit verbundene Vergröberung wird aber durch ein deutliches Maß an Vereinfachung und Praktikabilität aufgewogen. Infolge der strukturellen Identität mit dem deutschen Anrechnungsverfahren ist ihm jedoch auch dessen größte Schwäche zu attestieren: Die Rigidität der die Dividendenbesteuerung betreffenden Abkommensbestimmungen der DBA verhindert es, die Pauschalanrechnung europarechtskonform auszugestalten, ohne mit den anerkannten Grundsätzen internationaler Verteilungsgerechtigkeit zu brechen. Ein Pauschalanrechungsverfahren nach spanischem Vorbild wäre somit leistungsfähigkeitsgerechter als das Halbeinkünfteverfahren. Es wäre darüber hinaus deutlich einfacher zu handhaben als ein Anrechnungsverfahren mit exakter Ermittlung der Vorbelastung der Dividende. Das Verfahren wäre aber im Hinblick auf die Vereinbarkeit der Grundsätze der Europarechtskonformität und der internationalen Aufteilung der Unternehmensgewinne nicht gleichermaßen geeignet wie das Halbeinkünfteverfahren. Es lässt sich darum nicht feststellen, dass das spanische Verfahren der pauschalen Vollanrechnung der gegenüber dem Halbeinkünfteverfahren „bessere“ bzw. vorzugswürdige Entlastungsmechanismus wäre. f) Exkurs: Die spanische Betriebsstättenbesteuerung Bei der Besteuerung von Dividendeneinkünften, die der inländischen Betriebsstätte eines Nichtansässigen zuzuordnen sind, verfolgt das spanische Steuerrecht ohnehin einen dem Halbeinkünfteverfahren näherstehenden dividend-relief Ansatz: Die Betriebsstätte wird in den Besteuerungsfolgen der inländischen Körperschaft gleichgestellt, und zwar auch dann, wenn der dahinterstehende Unternehmer eine natürliche Person ist. Für die Dividendenbesteuerung bedeutet dies, dass über den Verweis in Art. 19 Abs. 4 lit. a LIRNR auf Art. 30 LIS die dortigen Freistellungsregeln zur Anwendung gelangen. Bei Schachtelbeteiligungen ab 5 % des Gesellschaftskapitals sind Dividenden vollständig von der Besteuerung ausgenommen, bei darunter liegenden Streubesitzanteilen wie im Halbeinkünfteverfahren zur Hälfte. Gesetzestechnisch wird diese Freistellung über einen Abzug in Höhe der auf die Dividendeneinkünfte entfallenden Steuer von der Steuerschuld bewerkstelligt. Die Erwerbsaufwendungen sind damit ohne weiteres abziehbar, zumal das spanische Steuerrecht kein allgemeines Abzugsverbot vergleichbar dem § 3c EStG kennt. Europarechtlich dürfte dieses Besteuerungsregime nicht zu beanstanden sein. Der spanische Gesetzgeber hat sich dazu entschieden, die Betriebs-

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stättenbesteuerung an der Besteuerung inländischer Körperschaften auszurichten, und diese Gleichstellung zumindest bei der Dividendenbesteuerung auch konsequent durchgehalten. Eine Diskriminierung auslandansässiger natürlicher Anteilseigner könnte allenfalls insoweit angenommen werden, als dass natürliche Personen im Inlandssachverhalt mit ihren Dividendeneinkünften abweichenden Besteuerungsfolgen, insbesondere dem abgestuften Einkommensteuertarif, unterliegen. Dies kann sich – allerdings nur bei Streubesitzdividenden und insgesamt geringem Einkommen – theoretisch als günstiger erweisen. Diese Ungleichbehandlung kann aber nur dann als Diskriminierung gewertet werden, wenn beide Gruppen von Dividendenbeziehern miteinander vergleichbar sind. Davon ist jedoch nicht auszugehen, weil nach der Steuerrechtsordnung Spaniens Beteiligungen Gebietsansässiger niemals einem Betriebsvermögen zugeordnet werden, wohingegen das LIRNR diese Möglichkeit bei nichtansässigen Dividendenbeziehern anerkennt. Ein Mitgliedstaat stellt aber hinsichtlich der Erfassung objektiver Leistungsfähigkeit die nötige Vergleichbarkeit insbesondere dadurch her, dass er die „Besteuerungsgrundlage“ für unbeschränkt wie beschränkt Steuerpflichtige zumindest im Ansatz unterschiedslos ausgestaltet277. Weil es keinen unmittelbar vergleichbaren innerstaatlichen Sachverhalt gibt, durfte sich der spanische Gesetzgeber bei der Besteuerung betrieblich gehaltener Beteiligungen an demjenigen Regelungsgefüge orientieren, das dieser Konstellation möglichst nahe kommt. Es ist darum nicht zu beanstanden, dass er sich insoweit an dem Besteuerungsregime für von Körperschaften betrieblich gehaltene Anteile orientiert und darauf aufbauend die Besteuerungsgrundlage unterschiedslos ausgestaltet hat. Dies gilt umso mehr, als dass auch im Einkommensteuerrecht der Gewinn aus Gewerbebetrieb gemäß Art. 26 Abs. 1 LIRPF grundsätzlich nach den Regeln des Körperschaftsteuerrechts bestimmt wird. Ausgehend von dieser Vergleichsbasis ist eine Diskriminierung nicht feststellbar. Als Vorbild für den deutschen Rechtskreis bietet sich diese Besteuerungsvariante der von Nichtansässigen bezogenen Dividenden aber schon deshalb nicht an, weil das deutsche Einkommensteuerrecht auch bei Ansässigen die Einordnung von Dividenden als betriebliche Einkünfte erlaubt. Damit muss sich verfassungs- wie europarechtlich der Belastungsvergleich an deren Behandlung ausrichten. Eine Gleichstellung mit von Körperschaften bezogenen Dividenden kommt für die Dividendeneinkünfte nichtansässiger natürli________________________ 277 EuGH v. 28.1.1986, Rs. 270/83 (avoir fiscal), Slg. 1986, 285, Rz. 19 f. Ähnlich

EuGH v. 29.4.1999, Rs. C-311/97 (Royal Bank of Scotland), Slg. 1999, I-2651, Rz. 29; EuGH v. 21.9.1999, Rs. C-307/97 (Saint-Gobain ZN), Slg. 1999, I-6181, Rz. 48.

402

Der Entlastungsmechanismus

cher Personen deshalb nicht in Betracht, auch nicht beschränkt auf Betriebsstätteneinkünfte278.

4. Eigener Lösungsvorschlag: Kombination aus pauschaler Anrechnung und Teileinkünfteverfahren Die bisherigen Betrachtungen haben ergeben, dass sowohl die verschiedenen Formen von Anrechnungsverfahren als auch das Halbeinkünfteverfahren als Variante eines klassischen Besteuerungssystems mit shareholderrelief erhebliche Nachteile aufweisen. Das Halbeinkünfteverfahren führt insbesondere bei niedrigen individuellen Einkommensteuersätzen der Dividendenbezieher zu gravierenden Verstößen gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip. Die Anrechnungsverfahren haben umgekehrt gerade bei hohen individuellen Einkommensteuersätzen im internationalen Kontext große Fiskaleinbußen des Quellenstaates zur Folge, die nicht mit den Prinzipien internationaler Verteilungsgerechtigkeit zu vereinbaren sind. Andererseits liegen auf diesen Feldern jeweils auch die besonderen Stärken des je anderen Entlastungsmechanismus. Es liegt darum nahe, eine Kombination aus beiden Verfahren daraufhin zu untersuchen, ob sie nicht in besserer Weise als die ________________________ 278 Europarechtlich ergibt sich eine Diskriminierung beschränkt Steuerpflichtiger

allerdings wohl nur, wenn im Binnensachverhalt ein Anrechnungsverfahren praktiziert würde: Dann würde die Freistellungsmethode bei beschränkt Steuerpflichtigen die körperschaftsteuerliche und gewerbesteuerliche Vorbelastung immer bestehen lassen, wohingegen das Anrechnungsverfahren eine Belastung mit dem individuellen Einkommensteuersatz sicherstellen würde. Das dürfte bei einem Spitzensteuersatz von „nur“ 42 % selbst unter Außerachtlassen des Steuerausländern u. U. nicht zu gewährenden Grundfreibetrages zu einer Durchschnittsbelastung mit Einkommensteuer führen, die nur bei gebietsansässigen Spitzenverdienern bei oder über der Vorbelastung von ca. 38 % liegt. Damit wären beschränkt Steuerpflichtige nicht nur im Einzelfall schlechter gestellt, d. h. diskriminiert. Im Vergleich zum Halbeinkünfteverfahren würde die vollständige Dividendenfreistellung entsprechend § 8b KStG dagegen nur noch in den atypischen und deshalb jedenfalls unter Kohärenzgesichtspunkten vernachlässigbaren Fällen zu einer Schlechterstellung führen, in denen die Betriebsausgaben die Einnahmen übersteigen und wegen § 3c EStG nur im Halbeinkünfteverfahren zumindest hälftig berücksichtigt werden könnten. Würde man von einem Abzugsverbot – systematisch richtig (dazu unten II.1.a.) absehen, wäre eine Schlechterstellung der Nichtansässigen gänzlich ausgeschlossen. Dann ergäbe sich aber die verfassungsrechtliche Problematik, dass betrieblich bezogene Dividenden ohne erkennbaren rechtfertigenden Grund bei Steuerausländern steuerlich besser gestellt würden als bei unbeschränkt Steuerpflichtigen. Insbesondere könnte zur Rechtfertigung auch nicht auf die Nachbelastung im Ausland verwiesen werden, weil die über eine Betriebsstätte bezogenen Dividenden im Wohnsitzstaat regelmäßig infolge einer Art. 10 Abs. 4, 7 Abs. 1, 23A Abs. 1 OECD-MA entsprechenden Abkommensregelung steuerfrei gestellt werden.

403

Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

jeweilige Reinform in der Lage ist, die bei der Dividendenbesteuerung auftretende Prinzipienkollision zu bewältigen. Schließlich kann im Rechtsvergleich auch die Kombination von Teilen verschiedener nationaler Lösungen eine neue, allen existenten überlegene Lösung nahe legen279. Eine solche Kombination würde einen schrittweisen Übergang von einer stark anrechnungsdominierten Entlastung bei niedrigen Durchschnittssteuersätzen der Dividendenbezieher hin zu einer stetig ausgeprägteren Definitivbesteuerung auf Körperschaftsebene unter Gewährung eines shareholderrelief bei hohen Durchschnittssteuersätzen bedeuten. Zu diesem Zweck wären abhängig von der individuellen Durchschnittsbelastung der Dividenden Besteuerungsabschnitte zu bilden, die etwa mit einem Vollanrechnungsverfahren beginnen könnten, dann eine Teilanrechnung mit gleichzeitig praktiziertem Teileinnahmeverfahren vorsähen und ihren Abschluss in einem reinen Teileinnahmeverfahren fänden. Um eine einfache Handhabbarkeit zu gewährleisten, sollte dabei nach spanischem Vorbild auf eine genaue Ermittlung der Vorbelastung der Dividende verzichtet und eine bloß pauschales Anrechnungsguthaben gewährt werden. Kernbestandteil des Systems wäre letztlich eine abgestufte pauschale Teilanrechnung, die um Elemente eines Teileinnahmeverfahrens ergänzt wird. Es liegt nahe und wird im Folgenden noch zu verifizieren sein, dass ein solches System einerseits gegenüber dem allzu groben Halbeinkünfteverfahren gerade bei Dividendenempfängern mit niedrigen Einkommen deutlich leistungsfähigkeitsgerechter und in vergleichbarer Weise einfach strukturiert wäre. Durch die bloße Teilanrechnung bzw. den Wegfall jeglicher Anrechnung bekäme die Dividendenbesteuerung im Bereich hoher individueller Steuersätze andererseits ansatzweise klassische Züge, was eine gegenüber dem Vollanrechnungsverfahren bessere Kompatibilität von europarechtskonformer Ausgestaltung und den Grundsätzen internationaler Verteilungsgerechtigkeit erwarten lässt. Wäre eine solche Form der Dividendenbesteuerung damit dem Halbeinkünfteverfahren in einem ganz entscheidenden Punkt überlegen und in allen anderen im Wesentlichen ebenbürtig, so erwiese es sich als eindeutig überlegene Methode der Berücksichtigung der steuerlichen Vorbelastung der Dividenden. a) Näherungsweise Gewährleistung steuerlicher Einmalbelastung der Dividenden Eine pauschale Teilanrechnung weicht in zweierlei Hinsicht von einer optimal leistungsfähigkeitsgerechten Dividendenbesteuerung ab: Zum einen wird die effektive Vorbelastung mit Körperschaftsteuer und gegebenenfalls ________________________ 279 K. Zweigert/H. Kötz, Rechtsvergleichung, Bd. I, S. 47.

404

Der Entlastungsmechanismus

Gewerbesteuer nicht exakt ermittelt, sondern pauschal unterstellt. Zum anderen wird diese nur näherungsweise bestimmte effektive Vorbelastung nicht vollständig, sondern nur zu einem vom Gesetzgeber im Einzelnen festzulegenden Prozentsatz berücksichtigt. Diese „Unzulänglichkeit“ wird durch die nur teilweise einkommensteuerliche Erfassung der verbleibenden Dividende bei zusätzlicher Installation eines Teileinnahmeverfahrens zwar in der Tendenz, aber regelmäßig nicht exakt kompensiert. Trotzdem erweist sich diese Art der Dividendenbesteuerung gegenüber dem reinen Halbeinkünfteverfahren über alle Stufen des Einkommensteuertarifs hinweg als leistungsfähigkeitsgerechter, wenn Anrechnungsguthaben und Teileinnahme-Bruchteile hinreichend aufeinander abgestimmt sind. Auszugehen ist dabei von dem Befund, dass der typisierend unterstellte effektive Körperschaftsteuersatz sich nach den deutschen Besteuerungsverhältnissen nur unmaßgeblich von dem nominalen unterscheiden dürfte. Infolgedessen dürften atypische, gravierendere Abweichungen zwischen unterstellter und tatsächlicher Körperschaftsteuerlast nur zugunsten der Steuerpflichtigen auftreten. Die Abweichungen wiederum wären der Steuerfreiheit von Auslandsdividenden nach § 8b Abs. 1 KStG geschuldet. Da diese aber letztlich ebenfalls mit Körperschaftsteuer vorbelastet sind, wäre dies im Hinblick auf die anzustrebende Gleichbelastung im Verhältnis zu sonstigen Einkünften noch zu rechtfertigen280. Im Übrigen können solche vereinzelten, dem Steuerpflichtigen zugute kommenden Abweichungen natürlich auch im Halbeinkünfteverfahren auftreten. Auch dieser Entlastungsmechanismus unterstellt ausweislich der Gesetzesbegründung eine gewisse Vorbelastung der Dividenden281, die bei aus ausländischen Aktivitäten gespeisten Gewinnen tatsächlich deutlich niedriger ausfallen kann. Sollte der Gesetzgeber die bei Auslandseinkünften der Gesellschaft in Einzelfällen denkbare „Überintegration“ inländischer Körperschaftsteuer, die infolge der Freistellung auch der Auslandsdividenden tatsächlich gar nicht angefallen ist, unter Aufkommensgesichtspunkten als problematisch erachten, so könnte er sich auch für eine exakte (Teil-)Anrechnung mit Ergänzungssteuer entscheiden282. Das bedeutet keinesfalls zwingend die Rückkehr zur komplexen körperschaftsteuerlichen Gliederungsrechnung: In einer einfacheren Variante würde die Aufzeichnung entrichteter Körperschaftsteuer genügen, aufgrund derer die maximal mögliche Ausschüttung vorbelasteter ________________________ 280 Siehe dazu oben unter 3.a.aa. 281 Vgl. Begründung zum Entwurf des StSenkG, BT-Drs. 14/2683, S. 94. 282 Dies war auch der Vorschlag der Expertengruppe zur Reform des spanischen Kör-

perschaftsteuerrechts, vgl. E. Fuentes Quintana u. a., Informe para la reforma del Impuesto de Sociedades, S. 161 f. Ähnlich, wenngleich weniger präzise die zuständige Generaldirektion für Steuern, DGT, Integración, S. 25 f.

405

Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

Gewinne berechnet würde. Darüber hinausgehende Ausschüttungen würden ergänzend in Höhe des Körperschaftsteuersatzes belastet und würden dann ebenfalls ein Anrechnungsguthaben vermitteln283. Auf diese Weise würden auch Änderungen des inländischen Körperschaftsteuersatzes schon im System aufgefangen284. Völlig unkompliziert wäre allerdings auch dieses Verfahren nicht: Es bedürfte nämlich der Erfassung einer Reihe weiterer Größen, wie etwa der nichtabzugsfähigen Betriebsausgaben, um zu einer korrekten Berechnung des Volumens vorbelasteter Ausschüttungen zu gelangen285. Bei Geltung eines Freistellungssystems innerhalb von Beteiligungsketten würde sich der Verwaltungsaufwand weiter erhöhen286. Der Gesetzgeber hätte also den Vorteil einer exakteren Bestimmung der Vorbelastung gegen die – im Vergleich zum abgeschafften Vollanrechnungsverfahren allerdings reduzierte – höhere Komplexität des Entlastungsmechanismus abzuwägen287. Da jedenfalls gegenwärtig der Fokus auf der einfachen Handhabung des Verfahrens zu liegen scheint, soll im Folgenden von einer Entscheidung für eine pauschale Bestimmung der Vorbelastung ausgegangen werden. Der eigentliche Vergleich zwischen der hier vorgeschlagenen Kombinationslösung und einem reinen Halbeinkünfteverfahren kann nach dem Vorgesagten auf die Entlastungswirkungen durch das Teilanrechnungsguthaben ________________________ 283 Vgl. z. B. J. Lang, Entwurf eines Steuergesetzbuches, S. 188 ff.; C. de Pablo Varona,

284 285

286

287

406

Inf. Fiscal 2001, S. 85 (115 u. 129 f.); ders., La tributación del socio, S. 329 f. Das System unterstellt, dass die zuerst ausgeschütteten Dividenden aus im Inland versteuerten Gewinnen gespeist werden. Vgl. C. J. Taylor, Bulletin I. F. D. 2003, S. 346 (353). Näher E. Sanz Gadea, RCT 1995, S. 133 (186); B. Tomé Muguruza, Cronica Tributaria 1994, S. 109 (117). Skeptisch zur einfachen Ausgestaltung auch T. Cordón Ezquerro, Cronica Tributaria 1996, S. 11 (28). B. Tomé Muguruza, Cronica Tributaria 1994, S. 109 (118). Das gilt jedenfalls dann, wenn die Freistellung erst bei der Ausschüttung an natürliche Personen rückgängig gemacht werden soll, was in der Logik eines körperschaftsteuerlichen Freistellungsverfahrens läge. Denn dann dürfte bei Ausschüttungen innerhalb der Körperschaftssphäre keine Ergänzungssteuer erhoben werden, was eine Differenzierung nach dem Dividendenempfänger notwendig machen würde. Außerdem müsste die Obergesellschaft davon in Kenntnis gesetzt werden, inwieweit der ausgeschüttete Gewinn vorbelastet ist. Das gilt erst recht für die vom US-amerikanischen treasury department erwogene Variante eines „excludable distributions account“, der die unbelastet ausgeschütteten Gewinne erst beim Anteilseigner (über eine Versagung der Dividendenfreistellung) nachbelasten will. Das von J. Hey, Unternehmensbesteuerung, S. 209 ff., näher beschriebene Modell ist damit komplex und in seiner Funktionsweise zudem abhängig von einem hinreichend hohen Einkommensteuersatz des Dividendenbeziehers, so dass es hier nicht weiter vertieft werden soll.

Der Entlastungsmechanismus

einerseits und die nur hälftige Dividendenerfassung andererseits fokussieren. Hier kann nun jegliches Anrechnungsverfahrens einen entscheidenden strukturellen Vorteil ausspielen: Die steuerliche Vorbelastung auf Ebene der Gesellschaft wird in einem solchen System anders als im Halbeinkünfteverfahren nicht bzw. nicht vollständig definitiv. Das genaue Ausmaß an definitiver Vorbelastung bestimmt sich nach der Höhe des Anrechnungsguthabens und vermindert sich in dem Maße, in dem sich dieses der effektiven Vorbelastung annähert. Die Besteuerung richtet sich also stärker an den individuellen Einkommensverhältnissen der Dividendenbezieher aus. Insbesondere bei Beziehern niederer oder mittlerer Einkommen werden sich in einem Teilanrechnungsverfahren darum geringere Gesamtbelastungswirkungen einstellen als im Halbeinkünfteverfahren. Dies gilt bis zu demjenigen individuellen Einkommensteuersatz, bei dem trotz verminderter definitiver Vorbelastung die volle einkommensteuerliche Erfassung der Dividende nebst Anrechnungsguthaben eine insgesamt höhere Belastung erzeugt als ihre hälftige Erfassung bei insgesamt definitiver Körperschaftsteuervorbelastung. Dieser Punkt kann jedoch im Kombinationsmodell durch die zusätzliche Anwendung eines Teileinnahmeverfahrens beliebig hinausgeschoben bzw. vermieden werden. Hält man sich vor Augen, dass das Halbeinkünfteverfahren nach den bisher getroffenen Feststellungen bei einer in der Nähe der nominalen Steuerlast angesiedelten effektiven Vorbelastung stets zu einer übermäßigen Besteuerung der Dividende führt, sind obige Feststellungen gleichbedeutend mit einer stärker am Leistungsfähigkeitsprinzip ausgerichteten Besteuerung im Teilanrechnungsverfahren. Dies gilt ganz besonders bei niedrigen individuellen Einkommensteuersätzen des Dividendenbeziehers, der sich im Halbeinkünfteverfahren stets mit einer Sockelbelastung der Dividende von jedenfalls nominell ca. 38,5 % konfrontiert sieht; die effektive Belastung wird dem in der Regel zumindest näherungsweise entsprechen. In einem Teilanrechnungsverfahren wird diese Sockelbelastung hingegen teilweise bzw. in der hier vorgeschlagenen Variante einer Vollanrechnung in niedrigen Steuersatzregionen sogar vollständig revidiert, ohne dass es zu einer ins Gewicht fallenden einkommensteuerlichen Nachbelastung kommt. Ein Teilanrechnungssystem kann darüber hinaus aber auch bis in den Bereich des einkommensteuerlichen Spitzensatzes hinein so ausgestaltet werden, dass sich gegenüber dem Halbeinkünfteverfahren stets leistungsfähigkeitsgerechtere Ergebnisse einstellen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Vorbelastung der Dividende mit Ertragsteuern und damit die strukturellen Schwächen eines solchen Verfahrens wie im gegenwärtigen deutschen Steuerrecht relativ hoch ausfallen. Als besonders überlegen erweist es sich das abgestufte Teilanrechnungssystem schließlich, wenn der Anteilseigner neben seinen Divi-

407

Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

dendeneinkünften Verluste aus anderen Einkunftsquellen hat: Da der Durchschnittssteuersatz dann niedrig liegen wird, fällt der Anrechnungsbetrag hoch aus, was einerseits die Sockelbelastung der Dividende leistungsfähigkeitsgerecht vermindert bzw. aufhebt, zum anderen auch eine bessere Verlustverrechnung ermöglicht, weil sich die verrechenbare Bruttodividende noch um das Anrechnungsguthaben erhöht. Die vorstehenden Ausführungen lassen sich ohne Weiteres anhand einer Modellrechnung verifizieren. Dies soll im Folgenden für den Fall einer typisierend angenommen und der Pauschalanrechnung zugrunde liegenden effektiven steuerlichen Vorbelastung der Dividende von 37 % des für die Ausschüttung verwendeten Gewinns demonstriert werden. Das pauschale Anrechnungsguthaben soll in 4 Stufen schrittweise reduziert werden. Dabei sollen Dividendenbezieher bis zu einem durchschnittlichen individuellen Einkommensteuersatz von 20 % (ohne Berücksichtigung des Anrechnungsguthabens) in den Genuss einer pauschalen Vollanrechnung kommen, bei einer einkommensteuerlichen Durchschnittsbelastung bis zu 28 % vermindert sich das Guthaben um 17 Prozentpunkte, bei darüber hinaus gehender Durchschnittsbelastung bis 35 % um 27 Prozentpunkte. Bei einer Durchschnittsbelastung über 35 % wird kein Anrechnungsguthaben mehr gewährt. Zusätzlich wird in der zweiten Stufe ein Halbeinnahmeverfahren, in der dritten Stufe ein Dritteleinnahmeverfahren und in der letzten Stufe ein Vierteleinnahmeverfahren praktiziert. Die Auswirkungen von Solidaritätszuschlag, Sparerfreibetrag und Werbungskostenabzug sollen zunächst ausgeblendet bleiben. Es ergeben sich sodann folgende Belastungswirkungen: ESt-Satz (durchschnittl.) Unternehmensgewinn

0%

20 %

21 %

Halbeink.

Teilanr.

Halbeink.

Teilanr.

Halbeink.

Teilanr.

100,00

100,00

100,00

100,00

100,00

100,00

KSt/GewSt-Belastung

37,00

37,00

37,00

37,00

37,00

37,00

Dividende vor ESt

63,00

63,00

63,00

63,00

63,00

63,00

Dividendeneinkünfte incl. Anrechnungsguthaben

63,00

100,00

63,00

100,00

63,00

83,00

ESt-Belastung Dividende nach ESt incl. Anrechnungsguthaben

0,00

0,00

6,30

20,00

6,62

8,72

63,00

100,00

56,70

80,00

56,38

74,29

Steuerl. Gesamtbelastung

37,00

0,00

43,30

20,00

43,62

25,72

Differenz zur leistungsfähigkeitsgerechten Belast.

37,00

0,00

23,30

0,00

22,62

4,72

408

Der Entlastungsmechanismus ESt-Satz (durchschnittl.) Unternehmensgewinn

24 %

28 %

29 %

Halbeink.

Teilanr.

Halbeink.

Teilanr.

Halbeink.

Teilanr.

100,00

100,00

100,00

100,00

100,00

100,00

KSt/GewSt-Belastung

37,00

37,00

37,00

37,00

37,00

37,00

Dividende vor ESt

63,00

63,00

63,00

63,00

63,00

63,00

Dividendeneinkünfte incl. Anrechnungsguthaben

63,00

83,00

63,00

83,00

63,00

73,00

ESt-Belastung

7,56

9,96

8,82

11,62

9,14

7,06

55,44

73,04

54,18

71,38

53,86

65,94

Steuerl. Gesamtbelastung

44,56

26,96

45,82

28,62

46,14

34,06

Differenz zur leistungsfähigkeitsgerechten Belast.

20,56

2,96

17,82

0,62

17,14

5,06

Dividende nach ESt incl. Anrechnungsguthaben

ESt-Satz (durchschnittl.) Unternehmensgewinn

35 %

36 %

42 %

Halbeink.

Teilanr.

Halbeink.

Teilanr.

Halbeink.

Teilanr.

100,00

100,00

100,00

100,00

100,00

100,00

KSt/GewSt-Belastung

37,00

37,00

37,00

37,00

37,00

37,00

Dividende vor ESt

63,00

63,00

63,00

63,00

63,00

63,00

Dividendeneinkünfte incl. Anrechnungsguthaben

63,00

73,00

63,00

63,00

63,00

63,00

ESt-Belastung

11,03

8,52

11,34

5,67

13,23

6,62

Dividende nach ESt incl. Anrechnungsguthaben

51,97

64,48

51,66

57,33

49,77

56,39

Steuerl. Gesamtbelastung

48,03

35,52

48,34

42,67

50,23

43,62

Differenz zur leistungsfähigkeitsgerechten Belast.

13,03

0,52

12,34

6,67

8,23

1,62

Die Modellrechnung veranschaulicht, dass die Abweichungen von der optimal leistungsfähigkeitsgerechten Dividendenbesteuerung im Kombinationsmodell durchweg geringer ausfallen als im Halbeinkünfteverfahren, wenn Anrechnungsbetrag nebst Teileinnahmekomponente hinreichend bemessen werden. Das hier vorgeschlagene abgestufte Teilanrechnungsverfahren weist darüber hinaus den Vorzug auf, dass sich die Entlastungswirkung nicht in dem Maße regressiv gestaltet wie im Halbeinkünfteverfahren: Je niedriger der individuelle durchschnittliche Einkommensteuersatz liegt, desto stärker fällt tendenziell die Entlastung von Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer aus. Dies gilt jedenfalls bei einem Vergleich zwischen der ersten und den übrigen Anrechnungsstufen; innerhalb einer Anrechnungsstufe treten noch geringfügige regressive Effekte auf. Über die in niedrigen Steuersatzbereichen gewährte pauschale Vollanrechnung lässt sich außerdem die Steuerfreiheit des Existenzminimums jeden-

409

Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

falls bei Steuerpflichtigen mit geringem Einkommen mindestens typisierend gewährleisten. Liegt die effektive Vorbelastung der Dividende unter derjenigen, die der Gesetzgeber als durchschnittlich zugrundelegt, oder entspricht sie ihr, ist das Existenzminimum vollständig freigestellt, auch soweit es auf Dividendeneinkünfte entfällt. Lediglich wenn die effektive Vorbelastung die pauschal unterstellte überschreitet, verbleibt es bei einer Definitivbelastung in Höhe der Differenz. Diese wird aber regelmäßig vernachlässigbar sein, weil die effektive Vorbelastung maximal die Höhe der Nominalbelastung entsprechend den Körperschaft- und Gewerbesteuersätzen erreichen kann. Die vom Gesetzgeber gewählte Durchschnittsbelastung dürfte die Nominalbelastung aber nicht wesentlich unterschreiten288. In der Freistellung des Existenzminimums speziell in den Fällen, in denen das gesamte Einkommen nicht erheblich darüber hinausgeht, liegt ein weiterer entscheidender Vorteil gegenüber dem Halbeinkünfteverfahren, welches in eklatanter Weise gegen diese hochrangige verfassungsrechtliche Vorgabe verstößt. Das gilt im Übrigen auch im Verhältnis zu jeder anderen Form von reinem Teileinkünfteverfahren, weil ein solches unabhängig vom gewählten Bruchteil für die Steuerbarkeit der Dividendeneinkünfte stets die Vorbelastung in voller Höhe definitiv werden lässt. Eine darüber hinausgehende vollständige Freistellung der ins Existenzminimum fallenden Dividendeneinkünfte auch bei Beziehern umfangreicher Gewinnausschüttungen ließe sich ebenfalls erreichen. Notwendig wäre sie allerdings nur in den Fällen, in denen neben den Dividendeneinkünften keine weiteren wesentlichen Einkünfte bezogen werden. Wollte man auch diese Fälle mitberücksichtigen, müsste die Staffelung der Anrechnungsstufen als Teilmengenstaffelung ausgestaltet werden, in der die Vollanrechnung für die untere Belastungsstufe stets erhalten bleibt. Zwingend erscheint dies aber nicht, weil auch bei einem vollständigen Übergang zur bloßen Teilanrechnung bei höherer Durchschnittsbelastung die Abweichungen von der optimal leistungsfähigkeitsgerechten Dividendenbesteuerung verhältnismäßig moderat ausfallen. Damit wird auch der Schutz des Existenzminimums noch im wesentlichen gewahrt, jedenfalls in deutlich größerem Maße als unter Geltung des Halbeinkünfteverfahrens. Gegen eine Teilmengenstaffelung spricht vor allem die damit verbundene zu große Annäherung an ein System pauschaler Vollanrechnung. Es hat sich gezeigt, dass dies zu Problemen bei der europarechtsverträglichen und zugleich zwischenstaatlich verteilungsgerechten Konzeption des Besteuerungssystems führt; dies wird im Folgenden noch vertieft zu untersuchen sein.

________________________ 288 Siehe dazu oben 3.a.aa.

410

Der Entlastungsmechanismus

Voraussetzung für die positiven, d. h. einer leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung angenäherten Wirkungen der pauschalen Teilanrechnung ist im Übrigen natürlich, dass ein die persönliche Einkommensteuerschuld übersteigendes Anrechnungsguthaben erstattet wird. Insoweit sollten sich die Regelungen zur pauschalen Anrechnung an die Systematik des abgeschafften deutschen Vollanrechnungsverfahrens anlehnen. b) Einfache Handhabbarkeit Ein pauschales Teilanrechnungsverfahren in Kombination mit einem Teileinnahmeverfahren wäre in vergleichbarer Weise einfach zu handhaben wie ein Pauschalanrechungsverfahren und ein Halbeinkünfteverfahren je für sich. Insbesondere wird auch hier eine Eigenkapitalgliederung entbehrlich. Allerdings könnte ein Kombinationsmodell für den Steuerpflichtigen eine etwas geringere Transparenz aufweisen als die jeweiligen Reinformen seiner Komponenten. Diese Gefahr darf aber nicht überbewertet werden, weil die Grundidee des Verfahrens dieselbe ist wie diejenige der anderen Entlastungsverfahren, nämlich beim Anteilseigner eine Gesamtbelastung der Dividende zu erreichen, welche näherungsweise der Steuerbelastung anderer Einkünfte entspricht. Die konkrete Umsetzung fällt hingegen auch im Halbeinkünfteverfahren und im Pauschalanrechnungsverfahren so komplex aus, dass mit einem Kombinationsmodell kein erheblicher Verlust an Transparenz verbunden ist289. Allerdings müsste die Durchschnittsbelastung der Dividendeneinkünfte mit Einkommensteuer ermittelt werden, wenn man eine Anrechnungsstaffelung von ihr abhängig macht. Dies erfordert aber keinen besonderen Rechenaufwand, erst recht nicht in einem EDV-gestützten Verfahren. Insgesamt wiese damit auch ein gestuftes Teilanrechnungsverfahren ähnlich gute Eigenschaften im Hinblick auf die Praktikabilität der Besteuerung auf wie das Halbeinkünfteverfahren. Darüber hinaus ist damit zu rechnen, dass die hier vorgeschlagene Kombinationslösung im Zuge des international zu beobachtenden Trends hin zu einer partiell nachgelagerten Besteuerung von Unternehmensgewinnen noch deutlich vereinfacht werden kann. Der Wettbewerb der Steuersysteme erzwingt eine zunehmende Absenkung der Körperschaftsteuersätze bzw. der steuerlichen Belastung von Kapitalgesellschaften. Besonders gut beobachten lässt sich dies am Beispiel Irlands, das seinen Körperschaftsteuersatz binnen ________________________ 289 Der steuerliche Laie dürfte erhebliche Schwierigkeiten haben, durch einen Blick ins

EStG den systematischen Zusammenhang zwischen den §§ 3 Nr. 40 lit. d, 3c II und 20 I Nr. 1 zu entdecken und dann auch noch die Wirkungsweise des Halbeinkünfteverfahrens zu verstehen.

411

Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

5 Jahren von 32 % auf gegenwärtig 12,5 % reduziert hat290. Auch in Deutschland lässt sich diese Tendenz feststellen, mit ihrer Fortsetzung ist zu rechnen291. Je niedriger die Vorbelastung der Dividende ausfällt, desto geringer wird aber das Bedürfnis nach einer differenzierten Abstufung der Anrechnung bei der einkommensteuerlichen Endbelastung. In einem Niedrigsteuersystem für Unternehmensgewinne wäre die steuerliche Gesamtbelastung der Dividende ohnehin wesentlich durch die Einkommensteuer determiniert. Es dürfte dann genügen, die Bezieher geringer Einkünfte zur Sicherung des steuerlichen Existenzminimums in den Genuss eines pauschalen Teil- oder Vollanrechnungssystem kommen zu lassen und nur eine weitere Stufe mit Teileinnahmeverfahren und gegebenenfalls geringfügiger Teilanrechnung vorzusehen292.

________________________ 290 Vgl. die Angaben bei D. Kischel, IWB Fach 5 Gruppe 2, S. 77 (83). Auch die ost-

europäischen Beitrittskandidaten zur EU planen eine deutliche Senkung ihrer ohnehin schon relativ niedrigen Körperschaftsteuersätze (vgl. O. H. Jacobs/C. Spengel/ M. Finkenzeller/M. Roche, Company Taxation in the New EU Member States, S. 39 f.; IStR-Länderbericht 15/2003, S. 4), was den Druck auf das Nachbarland Deutschland weiter erhöhen dürfte. 291 Diese Einschätzung wird geteilt von J. Lang in: Rose, Integriertes Steuer- und Sozialsystem, S. 83 (115 u. 134); ähnlich ders., DStJG 24, S. 49 (90); ders., GmbHR 2000, S. 454 (455). 292 J. Lang bemerkt dazu in Rose, Integriertes Steuer- und Sozialsystem, S. 83 (116): „Bei dem irischen Niveau von 12,5 Prozent wird es jedoch keinerlei Integration der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung in die Einkommensteuer mehr geben. Die Steuerstaaten werden wie Irland ganz zum klassischen System der Doppelbelastung zurückkehren.“ Dazu ist festzustellen, dass dies ein realpolitisch durchaus fundierter Befund sein mag. Leistungsfähigkeitsgerecht wäre eine solche Besteuerung gleichwohl nicht, weil gerade bei Steuerpflichtigen, die im Wesentlichen nur Dividendeneinkünfte beziehen, auch durch eine vergleichsweise niedrige Vorbelastung das steuerliche Existenzminimum angetastet wäre. Insoweit J. Lang eine solche mögliche Entwicklung gleichwohl billigt (a. a. O. S. 137, ebenso DStJG 24, S. 49 (97)), geschieht dies vor dem Hintergrund einer Neuordnung des Katalogs der Körperschaftsteuersubjekte, der nach seiner Vorstellung im Wesentlichen nur noch Publikumsgesellschaften umfassen sollte. Bei einer solchen Entwicklung stieße der Wegfall jeglichen shareholder-reliefs in der Tat auf geringere Bedenken; gänzlich entfallen würde seine Notwendigkeit dennoch nicht. C. Dorenkamp, DStJG Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 61 (77), hält bei einem Körperschaftsteuersatz von 11 % und einem Einkommensteuerspitzensatz von 40 % ein Vierfünftelverfahren für angemessen. Dies könnte sich unter Umständen für eine zweite Stufe innerhalb eines Kombinationsverfahrens empfehlen; auf eine erste Stufe mit Anrechnungselementen sollte jedoch im Hinblick auf die gebotene Freistellung des Existenzminimums nicht verzichtet werden.

412

Der Entlastungsmechanismus

c) Europarechtskonformität Basierend auf den zum spanischen Pauschalanrechungsverfahren angestellten Erwägungen müsste ein pauschales Teilanrechnungsverfahren mit Teileinnahmekomponente auch auf von beschränkt Steuerpflichtigen bezogene Dividenden ausgeweitet werden293. Anderenfalls wären die Kapitalverkehrsfreiheit und je nach Beteiligungshöhe auch die Niederlassungsfreiheit durch die Diskriminierung der Steuerausländer verletzt. Demgegenüber müssten Auslandsdividenden nach hier vertretener Auffassung nicht mit einbezogen werden, weil ihr Ausschluss unter Kohärenzgesichtspunkten gerechtfertigt werden könnte294. Zwar stellt auch das Kombinationsmodell einen Belastungsausgleich bei Inlandsdividenden nur näherungsweise bzw. typisierend her. Entsprechend den Ausführungen zum spanischen Teilanrechnungsverfahren ist dies aber als ausreichend anzusehen, wenn die der Anrechnungspauschale zugrunde liegende effektive Körperschaftsteuervorbelastung vom Gesetzgeber realistisch angesetzt wird. Es ist dann bei der konkreten Ausgestaltung der Anrechnungsstufen nur darauf zu achten, dass ausgehend von dieser Typisierung tendenziell eher eine geringe Mehrbelastung des Dividendenbeziehers bestehen bleibt und eine Überkompensation möglichst vermieden wird. Dadurch kann der Vorwurf vermieden werden, die Inlandsdividende würde auch bei typisierender Betrachtung besser gestellt als Auslandsdividenden eines jeweils vergleichbaren Anteilseigners. d) Übereinstimmung mit den Grundsätzen internationaler Verteilungsgerechtigkeit Zu prüfen bleibt damit noch, ob sich das hier vorgeschlagene abgestufte Teilanrechnungssystem in Verbindung mit dem Teileinnahmeverfahren als „klassischem“ Element mit den Grundsätzen internationaler Verteilungsgerechtigkeit verträgt. Auch ein Teilanrechnungssystem führt tendenziell zu einer Verlagerung der Besteuerung hin zur Ebene des Dividendenbeziehers, das heißt aus der abgeschirmten Kapitalgesellschaft heraus in ein steuerliches Umfeld, das auch dem Zugriff eines ausländischen Fiskus offen steht.

________________________ 293 Siehe dazu oben unter 3.c. 294 Unter wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten mag eine solche Ausdehnung auf

Dividenden aus Staaten, die keine Anrechnung vorsehen oder diese – europarechtswidrig – den beschränkt Steuerpflichtigen vorenthalten, gleichwohl wünschenswert sein. Anderenfalls träte der schon im Rahmen der Würdigung des spanischen Pauschal-Vollanrechnungsverfahrens beschriebene Effekt auf, dass Direktinvestitionen in solchen Staaten verstärkt über inländische Zwischengesellschaften abgewickelt würden, um vermittels dieser zumindest in den Genuß einer pauschalen Teilanrechnung zu kommen.

413

Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

Anders als in einem Vollanrechnungssystem wird aber ein Teil der Steuern, mit denen das Unternehmen belegt wurde, definitiv und verbleibt damit endgültig dem Sitzstaat der Gesellschaft. Eine zunehmende Abschmelzung des Anrechnungsguthabens mit zunehmendem Durchschnittssteuersatz erlaubt dabei die flexible Anpassung an den durch die geltenden DBA limitierten steuerlichen Zugriff des Quellenstaates auf die Dividende: Durch die übliche Begrenzung auf 15 % der Bruttodividende wird der Aufkommensverlust des Quellenstaates im reinen Anrechnungssystem umso größer und sein bevorrechtigter Zugriff auf ausgeschüttete Unternehmensgewinne umso gefährdeter, je weiter der nach nationalem Maßstab angemessene Steuersatz entsprechend der persönlichen Leistungsfähigkeit des Dividendenbeziehers diese Grenze überschreitet. Dem wird im abgestuften Teilanrechnungsverfahren entgegengewirkt, indem mit zunehmendem persönlichen Steuersatz auch die Definitivbelastung auf Gesellschaftsebene ansteigt und nur noch ein verminderter Teil der Gewinne als Dividende zwischen zwei Staaten aufgeteilt werden muss. Entscheidend ist nunmehr, ob ein dem Halbeinkünfteverfahren unter Leistungsfähigkeitsaspekten durchgängig überlegenes Kombinationsverfahren mit abgestuften Anrechnungsguthaben infolge dieser Effekte auch den beiden Kriterien internationaler Verteilungsgerechtigkeit genügt, die beim grenzüberschreitenden Dividendenbezug Anwendung finden. Das Kombinationsverfahren müsste dem Gesetzgeber dann hinreichend Spielraum bieten, seine deutlich stärker leistungsfähigkeitsorientierten Besteuerungsansprüche auch im internationalen Kontext noch überwiegend durchsetzen zu können. Außerdem dürften die Aufkommensverluste, die sich durch die Implementierung des Entlastungsmechanismus bei den Steuerausländern im Vergleich zu deren klassischer Besteuerung ergeben, nicht über die Kosten der Integration hinausgehen. In der Tat lässt sich nachweisen, dass das Kombinationsmodell diese Flexibilität ermöglicht. Es erlaubt zugleich eine Annäherung an eine leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung wie auch eine europarechtskonforme, d. h. diskriminierungsfreie Ausgestaltung ohne Verletzung des Vorrechts des Quellenstaates. Beispielhaft soll dies anhand des Modellsystems demonstriert werden, das bereits oben unter Gliederungspunkt a) konstruiert wurde. Es konnte gezeigt werden, dass in diesem Modell näherungsweise leistungsfähigkeitsgerechte Ergebnisse eintreten, welche die diesbezüglichen Mängel des Halbeinkünfteverfahrens ausmerzen. Nunmehr kann das Modell auf seine Aufkommenswirkungen im internationalen Umfeld untersucht werden. Unterstellt wird dabei eine Begrenzung des Quellensteuerrechts auf Dividenden im Sitzstaat der Gesellschaft (Quellenstaat) auf 15 % der Bruttodividende inklusive Anrechnungsguthaben, wie es den üblichen Abkommensregelungen entspricht.

414

Der Entlastungsmechanismus ESt-Satz (durchschnittl.)

15 %

20 %

21 %

24 %

28 %

0,00

0,00

17,00

17,00

17,00

ESt (bis max. 15 % der Bruttodividendeneinkünfte)

15,00

15,00

8,72

9,96

11,62

Aufkommen bei grenzüberschreitender Ausschüttung

15,00

15,00

25,72

26,96

28,62

Aufkommen bei Binnenausschüttung295

15,00

20,00

25,72

26,96

28,62

Definitive KSt und GewSt

Minderaufkommen

0,00

-5,00

0,00

0,00

0,00

in % des Aufkommens bei Binnenausschüttung

0

25

0

0

0

ESt-Satz (durchschnittl.)

29 %

35 %

36 %

42 %

Definitive KSt und GewSt

27,00

27,00

37,00

37,00

7,06

8,52

5,67

6,62

Aufkommen bei grenzüberschreitender Ausschüttung

34,06

35,52

42,67

43,62

Aufkommen bei Binnenausschüttung296

34,06

35,52

42,67

43,62

Minderaufkommen

0,00

0,00

0,00

0,00

in % des Aufkommens bei Binnenausschüttung

0

0

0

0

ESt (bis max. 15 % der Bruttodividendeneinkünfte)

Tab. 1: Wahrung des Vorrechts des Quellenstaates im Sinne mindestens hälftiger Realisierung der Besteuerungsansprüche

In dem hier beispielhaft gewählten Modell eines abgestuften Teilanrechnungssystems kann der Quellenstaat seine nach Binnenmaßstäben gegebenen Besteuerungsansprüche in allen Anrechnungsstufen außer der ersten auch beim grenzüberschreitenden Dividendenbezug vollumfänglich durchsetzen. Er muss das nach seinen Wertungen leistungsfähigkeitsgerechte Steueraufkommen insoweit überhaupt nicht mit dem Wohnsitzstaat teilen; dieser partizipiert nur noch insoweit am Steuergut Dividende, als sein eigener Besteuerungsanspruch über den des Quellenstaates hinausgeht297. In der ersten Stufe, die als pauschales Vollanrechnungssystem ausgestaltet ist, muss er maximal auf ein Viertel dieses Besteuerungsanspruchs verzichten, kann also immer noch mindestens 75 % davon realisieren. Damit ist eine mindestens hälftige Durchsetzung nicht nur erreicht, sondern deutlich überschritten. ________________________ 295 Siehe dazu die Berechnungen in der Tabelle oben unter a). 296 Siehe dazu die Berechnungen in der Tabelle oben unter a). 297 Hat sich der Wohnsitzstaat dazu entschieden, Entlastung nach den Maßstäben des

Quellenstaates zu gewähren, muss er außerdem das hier vorgeschlagene Teileinkünfteverfahren selbst auch anwenden, so dass es allenfalls noch zu einer sehr geringen Nachbelastung kommen kann (siehe dazu oben unter 1.b.bb) (ii)).

415

Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

Der Grundsatz des Vorrechts des Quellenstaates ist insoweit vollumfänglich gewährt. Das Modellsystem passt sich sehr gut in das bestehende Geflecht der Abkommensbestimmungen ein. Selbst bei einer abkommensrechtlichen Reduzierung der Quellensteuersätze, der sich im Zuge der internationalen Entwicklung298 möglicherweise auch Deutschland nicht entziehen könnte, wäre ab der zweiten Stufe ein qualitativ verstandenes Vorrecht des Quellenstaates gewahrt. ESt-Satz (durchschnittl.)

15 %

20 %

21 %

24 %

28 %

Definitivbelastung im klassischen System (Binnensachv.)

37,00

37,00

37,00

37,00

37,00

9,45

12,60

13,23

15,12

17,64

Steueraufkommen im klassischen System (Binnensachv.)

46,45

49,60

50,23

52,12

54,64

Steueraufkommen bei Teilanrechnung (Binnensachv.)299

15,00

20,00

25,72

26,96

28,62

Kosten der Integration

31,45

29,60

24,52

25,16

26,02

Steueraufkommen im klassischen System (Auslands-SV)

46,45

46,45

46,45

46,45

46,45

Steueraufkommen bei Teilanrechnung (Auslands-SV)300

15,00

15,00

25,72

26,96

28,62

Aufkommensminderung im Auslands-SV

31,45

31,45

20,74

19,49

17,83

ESt-Belastung im klassischen System (Binnensachv.)

ESt-Satz (durchschnittl.)

29 %

35 %

36 %

42 %

Definitivbelastung im klassischen System (Binnensachv.)

37,00

37,00

37,00

37,00

ESt-Belastung im klassischen System (Binnensachv.)

18,27

22,05

22,68

26,46

Steueraufkommen im klassischen System (Binnensachv.)

55,27

59,05

59,68

63,46

Steueraufkommen bei Teilanrechnung (Binnensachv.)

34,06

35,52

42,67

43,62

Kosten der Integration

21,21

23,53

17,01

19,85

Steueraufkommen im klassischen System (Auslands-SV)

46,45

46,45

46,45

46,45

Steueraufkommen bei Teilanrechnung (Auslands-SV)

34,06

35,52

42,67

43,62

Aufkommensminderung im Auslands-SV

12,39

10,93

3,78

2,84

Tab. 2: Kein Aufkommensverlust über die Kosten der Integration hinaus

________________________

298 Dazu R. J. Vann, CDFI LXXXVIIIa, S. 21 (55 f.). 299 Siehe dazu die Berechnungen in der Tabelle oben unter a). 300 Siehe dazu die Berechnungen in der vorangegangenen Tabelle.

416

Der Entlastungsmechanismus

Die Berechnungen in Tabelle 2 zeigen, dass das gewählte Besteuerungsmodell auch dem zweiten Kriterium zur Konkretisierung einer international verteilungsgerechten Dividendenbesteuerung im Wesentlichen genügt. Die Aufkommensminderung, die beim grenzüberschreitenden Dividendenbezug in dem modellhaft gewählten Teilanrechnungssystem im Vergleich zu einem klassischen Besteuerungssystem für Steuerausländer eintritt, unterschreitet die Kosten der Integration von Besteuerung auf Gesellschafts- und Gesellschafterebene jedenfalls in den oberen drei Stufen. Das bedeutet, dass der Quellenstaat durch die Entscheidung für die Einbeziehung der Steuerausländer in den Entlastungsmechanismus allenfalls die Aufkommensverluste hinnehmen muss, die ihm durch diese Entscheidung auch im Binnensachverhalt erwachsen. Es kommt zu einer bloßen Verringerung seines originären Steueranspruchs, nicht hingegen zu einer darüber hinausgehenden Änderung in der internationalen Aufteilung desselben entgegen den Gerechtigkeitswertungen, wie sie den DBA bzw. dem OECD-MA zu entnehmen sind. Dabei lässt sich bei steigenden Durchschnittssteuersätzen eine zunehmend geringere Aufkommensminderung beobachten. Einzig im oberen Bereich der ersten, pauschalen Vollanrechnungsstufe, überschreiten die durch das Entlastungssystem bewirkten Aufkommensminderungen geringfügig die Kosten der Integration. Die Differenz macht aber maximal ca. 6 % dieser Kosten aus und erscheint damit vernachlässigbar. Im Übrigen könnte auch bei Durchschnittsteuersätzen bis 20 % eine vollständige Einhaltung dieses Kriteriums erreicht werden, wenn man den Übergang zur Teilanrechnung schon ab einer Durchschnittsbelastung von 15 % vollziehen würde. Dies würde allerdings zu geringen Einbußen im Hinblick auf die Annäherung an eine optimal leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung führen, die aber im Vergleich zum Halbeinkünfteverfahren als marginal einzustufen wären. Ein System, welches eine pauschale Teilanrechnung in mehreren Abstufungen mit einem Teileinnahmeverfahren kombiniert, wahrt also auch in einer europarechtskonformen Ausgestaltung das Vorrecht des Quellenstaates bei der Besteuerung von ausgeschütteten Unternehmensgewinnen. Das Kombinationsmodell erlaubt es dem Quellenstaat, seine Besteuerungsansprüche auch bei grenzüberschreitenden Dividendenzahlungen ganz überwiegend durchzusetzen. Aufkommensverluste im Vergleich zu einer klassischen Dividendenbesteuerung für Steuerausländer treten zwar ein, gehen aber nicht oder kaum über die Kosten der Integration hinaus, die dem Quellenstaat eben durch die Einführung eines Entlastungsmechanismus auch im Binnenkontext entstehen. Das System kann somit deutlich leistungsfähigkeitsgerechter als das Halbeinkünfteverfahren ausgestaltet und doch in vergleichbarer Weise nahezu optimal an die bestehenden, eigentlich auf eine klassische

417

Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

Form der Dividendenbesteuerung zugeschnittenen Abkommensregelungen angepasst werden. Es ist allerdings naheliegend, dass der EuGH – zu Unrecht – verlangen könnte, eine für Inlandsdividenden vorgesehene Entlastung in Form pauschaler Teilanrechnung auch auf Auslandsdividenden zu erstrecken. Eine solche Ausdehnung mag darüber hinaus in einem System pauschaler Entlastung auch aus Gründen der Gleichstellung des unmittelbaren und des mittelbaren Dividendenbezugs als wünschenswert erscheinen: Wie schon für das spanische Pauschalanrechnungsverfahren geschildert, wird nämlich in einem solchen System der mittelbar über eine inländische Kapitalgesellschaft oder über einen als steuerlich intransparent behandelten Investmentfond beteiligte Anleger bei Weiterausschüttung letztlich auch von ausländischer Körperschaftsteuer entlastet. Sollte aus den vorgenannten Gründen das Kombinationsverfahren auch für Auslandsdividenden gelten, müsste freilich in den unteren Stufen unter Umständen Körperschaftsteuer erstattet werden, die nicht im Inland, sondern vom Quellenstaat vereinnahmt wurde. Eine solche, über den bloßen Besteuerungsverzicht hinausgehende Erstattung ausländischer Steuern im Ansässigkeitsstaat liefe den international als gerecht anerkannten Verteilungsgrundsätzen zuwider301. Um die Ausmaße dieses Verstoßes zu minimieren, sollte die Verrechnung des Anrechnungsguthabens mit nicht auf Dividendeneinkünften lastender Einkommensteuer und die Erstattung eines überschießenden pauschalen Anrechnungsguthabens eingeschränkt werden302. Die Einschränkung ist dabei so zu wählen, dass sie diskriminierungsfrei für ansässige wie nichtansässige Dividendenbezieher gilt. Dabei würde es sich anbieten, sie von einer bestimmte nominalen Vorbelastung der steuerpflichtigen Gewinne bei der ausschüttenden Gesellschaft abhängig zu machen. Die geforderte Vorbelastung wäre dabei so zu wählen, dass sie bei oder leicht unterhalb der nach deutschen Verhältnissen eintretenden Vorbelastung liegt303. Dies lässt sich gut begründen, orientiert sich doch die Höhe des pauschalen Anrechnungsguthabens maßgeblich an eben dieser Vorbelastung. Solange das deutsche Unternehmensteuerniveau in der EU noch relativ hoch liegt, wird so nur vergleichsweise selten eine Erstattung auch bei Auslandsdividenden gewährt ________________________ 301 Siehe dazu 2. Kap., B.II.2.b. 302 Die Verrechnung eines Anrechnungsguthabens für ausländische Körperschaftsteuer-

vorbelastung mit Einkommensteuer, welche nicht auf die ausgeschütteten Dividenden entfällt, kommt für den Fiskus des Wohnsitzstaates einer Erstattung der ausländischen Steuer gleich, vgl. R. J. Vann, CDFI LXXXVIIIa, S. 21 (48). 303 Dabei sollte für die Vorbelastung mit Gewerbesteuer ein Hebesatz von 200 % zugrunde gelegt werden. Dies wird von 2004 an voraussichtlich der Mindesthebesatz sein, den keine Gemeinde mehr unterschreiten kann, vgl. den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform der Gewerbesteuer, BT-Drs. 15/1517, S. 8.

418

Der Entlastungsmechanismus

werden müssen, zumal die Problematik ohnehin nur Dividendenbezieher mit niedrigem Gesamteinkommen betrifft. Sollte sich die Unternehmensbesteuerung in Deutschland im Zuge des internationalen Steuerwettbewerbs deutlich stärker in Richtung einer partiell nachgelagerten Besteuerung mit niedrigen Unternehmensteuersätzen entwickeln, würden sich zwar in zunehmendem Maße auch Auslandsdividenden für eine Erstattung qualifizieren. Die eventuelle Erstattung ausländischer Körperschaftsteuer würde gleichwohl keine großen Ausmaße erreichen, weil parallel zu dieser Entwicklung auch das pauschale Anrechnungsguthaben stark reduziert werden könnte. e) Ergänzung durch ein Auszahlungsabzugsverfahren bei personenbezogenen Kapitalgesellschaften Bei personenbezogenen Kapitalgesellschaften bietet es sich außerdem an, das Kombinationsmodell um ein Auszahlungsabzugsverfahren auf Gesellschaftsebene zu ergänzen. Darunter soll in Anlehnung an J. Lang ein Verfahren verstanden werden, in dem aus dem laufenden, an sich steuerpflichtigen Gewinn bestrittene Auszahlungen an die Gesellschafter von der körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage abgezogen werden können. Es spielt dabei keine Rolle, ob diese an sich als Gewinnausschüttungen oder als Leistungsvergütungen zu qualifizieren wären. Die Auszahlungen wären unmittelbar beim Gesellschafter einheitlich als gewerbliche Einkünfte zu versteuern304. Hinsichtlich der Gewerbesteuer wären diese Einkünfte entsprechend § 9 Nr. 2 GewStG aus dem Gewerbeertrag herauszukürzen, so dass eine Gewerbesteuerbelastung nur auf Ebene der Kapitalgesellschaft anfiele. Auf diese Weise würden die Gewinne in derjenigen Kommune besteuert, in der sie über die Kapitalgesellschaft originär erwirtschaftet werden, und zugleich ihre doppelte gewerbesteuerliche Erfassung vermieden305. Entsprechend § 35 Abs. 1 Nr. 2 GewStG muss dem Gesellschafter außerdem die Anrechnung der Gewerbesteuer auf seine persönliche Einkommensteuerschuld ermöglicht werden. Insgesamt würde die personenbezogene Kapitalgesellschaft im Ergebnis hinsichtlich des unmittelbar „entnommenen“ Gewinns steuerlich transparent behandelt306. Bei thesaurierten Gewinnen verbliebe es aus Gründen der Gleichbehandlung mit Gewinnausschüttungen von Publikumskapitalgesellschaften307 bei der Geltung des Kombinationsmodells. Für dieses Besteuerungsregime sollten sich in persönlicher Hinsicht bei den Kapitalgesellschaften nur Gesellschaften mit begrenzter Haf________________________ 304 305 306 307

Vgl. J. Lang in: Brühler Empfehlungen, Anhang 1, S. 40 ff. Dazu noch eingehend unter III. Vgl. J. Lang, DStJG 24, S. 49 (112). Dazu J. Lang, DStJG 24, S. 49 (112); J. Hey in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/ KStG, Einf. KSt (Stand: 09/99), Rz. 206; D. Schulze zur Wiesche, FR 1999, S. 698 (701).

419

Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

tung qualifizieren, an denen ausschließlich natürliche Personen beteiligt sind und deren Gesellschafterkreis überschaubar ist308. Das Auszahlungsabzugsverfahren optimiert das Kombinationsmodell vor allem im Hinblick auf die Erfordernisse leistungsfähigkeitsgerechter und praktikabler Besteuerung. Es gewährleistet eine Einmalbelastung der ausgezahlten Gewinne exakt am Maßstab der individuellen Leistungsfähigkeit des Gesellschafters. Denn durch die Abzugsfähigkeit der Auszahlungen auf Gesellschaftsebene entfällt jegliche körperschaftsteuerliche Vorbelastung, und es kommt allein und unmittelbar zur Belastung mit Einkommensteuer beim Gesellschafter. Diese optimal leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung erfordert überdies keinerlei zusätzlichen Erfassungsaufwand bei der auszahlenden Gesellschaft; anders als beim abgeschafften Vollanrechnungsverfahren bedarf es nämlich wegen der Begrenzung auf Auszahlungen aus dem laufenden Gewinn keiner gesonderten Gliederungsrechnung309. Zudem erübrigt sich die schwierige und in der Praxis äußerst streitträchtige Abgrenzung zwischen Leistungsvergütungen und verdeckten Gewinnausschüttungen310. Durch die Begrenzung des persönlichen Anwendungsbereichs auf Gesellschaften mit begrenzter Haftung lässt sich schließlich eine europarechtskonforme wie auch international verteilungsgerechte Ausgestaltung sicherstellen. Das Auszahlungsabzugsverfahren bedeutet einen Verzicht auf jegliches Körperschaftsteueraufkommen hinsichtlich der ausgezahlten Gewinne. Würde dieser Verzicht von der Ansässigkeit des Gesellschafters abhängig gemacht werden, so wäre die grenzüberschreitende Investition bzw. Niederlassung gegenüber dem Binnensachverhalt benachteiligt. Dies würde eine Diskriminierung im Sinne der Art. 43, 56 Abs. 1 EGV bedeuten, weil das Auszahlungsabzugsverfahren bei der körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage ansetzt und darum ohne Weiteres von einer hinreichenden Vergleichbarkeit beider Konstellationen auszugehen ist311. Eine Rechtfertigung für diese Diskriminierung wäre entsprechend den Ausführungen zur europarechtskonformen Konzeption des Anrechnungsverfahrens nicht ersichtlich. Insbesondere ein Vorteilsausgleich nach den Kriterien der steuerlichen Kohärenz käme letztlich nicht in Betracht: Zwar müssten hier entsprechend der Konzeption des Auszahlungsabzugsverfahrens für jede Vergleichsgruppe die kumulierten Belastungswirkungen aus der – inländischen – Besteuerung bei der Gesellschafter und dem Gesellschafter ins Blickfeld genommen werden. Wären Steuerausländer von diesem Verfahren ________________________ 308 J. Lang zieht die Grenze bei 100 Anteilseignern, vgl. Brühler Empfehlungen, An-

hang 1, S. 38. 309 J. Lang in: Brühler Empfehlungen, Anhang 1, S. 43. 310 J. Hey in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. KSt (Stand: 09/99), Rz. 206. 311 Vgl. dazu 2. Kap., C.V.3.b.aa.

420

Der Entlastungsmechanismus

ausgeschlossen, käme bei ihnen stattdessen die Kombination aus pauschaler Teilanrechnung und Teileinnahmeverfahren zur Anwendung. Es wurde oben festgestellt, dass dies im Verhältnis zu einer optimal leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung tendenziell zu leichten Mehrbelastungen führt. Im Gegensatz dazu verbürgt das Auszahlungsabzugsverfahren in seinem Anwendungsbereich eine exakt leistungsfähigkeitsgerechte und damit eine vergleichsweise niedrigere Besteuerung. Ein Kombinationsmodell kann und sollte auch so konzipiert werden, dass der für Inländer geltende Besteuerungsanspruch auch bei Steuerausländern trotz der Quellensteuerbeschränkungen regelmäßig voll realisierbar ist. Daraus lässt sich folgern, dass die inländische Steuerbelastung der Dividende im Kombinationsmodell auch beim Nichtansässigen regelmäßig unter derjenigen im Auszahlungsabzugsverfahren liegen muss. Eine hinreichende Vorteilskompensation wird somit durch die alternative Anwendung des Kombinationsmodells nicht gewährleistet. Das Auszahlungsabzugsverfahren müsste darum auch auf Steuerausländer erstreckt werden. Damit würde sich auch im internationalen Kontext die Besteuerung auf die Ebene des Gesellschafters verlagern. Indes wäre hiermit anders als im früheren Anrechnungsverfahren in aller Regel kein über die auch im Binnensachverhalt anfallenden Kosten der Integration hinausgehender Aufkommensverlust für den deutschen Fiskus verbunden. Die Einkommensteuer auf die Auszahlungen könnte vielmehr auch bei den Nichtansässigen in vollem Umfang und ohne abkommensrechtliche Einschränkungen erhoben werden. Das gilt jedenfalls insoweit, wie jene zivilrechtlich als Gewinnausschüttungen zu qualifizieren wären. Damit würden die Grundsätze internationaler Verteilungsgerechtigkeit in jedem Falle gewahrt. Begründet ist dies in der Begrenzung des persönlichen Anwendungsbereichs auf die personenbezogene GmbH. Denn Einkünfte aus einer GmbH-Beteiligung gelten nach dem Vorbild des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA abkommensrechtlich üblicherweise nur dann als „Dividenden“, wenn sie nach dem Recht des Quellenstaates den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind. Dazu würden aber nur diejenigen Gewinnausschüttungen der GmbH zählen, die wie Dividenden aus Aktien nach den Regeln des Kombinationsmodells zu besteuern wären312. Das beträfe nur die thesaurierten Gewinne. Dem Auszahlungsabzugsverfahren unterfallende Gewinnausschüttungen würden hingegen gänzlich andersartige Besteuerungsfolgen nach sich ziehen und wären Dividenden aus Aktien nach dem maßgeblichen nationalen Recht nicht mehr gleichgestellt313. Sie generieren dann vielmehr innerstaatlich voll steuerbare gewerbliche Einkünfte und wären abkommensrechtlich den Art. 7 Abs. 1 ________________________ 312 Vgl. auch H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 16.340. 313 J. Lang in: Brühler Empfehlungen, Anhang 1, S. 42.

421

Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

OECD-MA entsprechenden Vorschriften betreffend Unternehmensgewinne zuzuordnen314. Die Gewinnausschüttungen dürften damit im Quellenstaat einschränkungslos besteuert werden; der Wohnsitzstaat des Gesellschafters würde sie demgegenüber entsprechend Art. 23A Abs. 1 OECD-MA regelmäßig steuerfrei stellen. Allerdings müsste aufgrund der Subsidiaritätsklausel des Art. 7 Abs. 7 OECD-MA bzw. der ihm nachgebildeten DBA-Bestimmungen im internationalen Kontext häufig auch bei Geltung des Auszahlungsabzugsverfahrens weiter zwischen Gewinnausschüttungen und sonstigen Leistungsvergütungen differenziert werden: Denn sind die steuerlich als Unternehmensgewinne deklarierten Zahlungen nach zivilrechtlicher Betrachtung Vergütungen der Gesellschaft, für die spezielle Abkommensbestimmungen existieren, so sind diese grundsätzlich vorrangig anzuwenden315.

5. Ergebnis Ein Kombinationsmodell aus pauschalem Teilanrechnungsverfahren und Teileinnahmeverfahren vermag die bei der Dividendenbesteuerung anzutreffende Prinzipienkollision eindeutig besser aufzulösen als das vom Gesetzgeber gewählte Halbeinkünfteverfahren. Es ist praktisch fast ebenso einfach zu handhaben wie dieses und entspricht auch bei europarechtskonformer Ausgestaltung den Grundsätzen internationaler Verteilungsgerechtigkeit. Wie das Halbeinkünfteverfahren fügt es sich gut in das bestehende Doppelbesteuerungsrecht ein. Bei der Kombinationslösung muss dafür aber nicht der Preis einer gerade bei niedrigen Steuersätzen eklatanten Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzips und einer Besteuerung des Existenzminimums gezahlt werden. Das Kombinationsmodell vereint auf diese Weise die besten ________________________ 314 Vgl. A. Hemmelrath in: Vogel/Lehner, DBA, 4. Aufl., Art. 7 Rz. 37 i. V. m. Rz. 40:

Wird der Unternehmensgewinn nicht bei der Gesellschaft, sondern beim Gesellschafter besteuert, so ist „Unternehmen“ im Sinne des Art. 7 I OECD-MA der Anteil des Gesellschafters am Unternehmen der Gesellschaft. Das gilt auch für Gesellschafter von Kapitalgesellschaften. 315 So D. J. Piltz in: Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 7 MA (Stand: 05/00), Rz. 108 ff. m. w. N. zu den Sondervergütungen im Sinne von § 15 I Nr. 2 EStG. Für Auszahlungen im Auszahlungsabzugsverfahren kann nichts anderes gelten. Allerdings wird das Verhältnis zwischen Unternehmensgewinnen und speziellen Vergütungen in vielen Abkommen sehr detailliert und durchaus unterschiedlich geregelt, so dass für die Zuordnung der Auszahlungen eine genaue Einzelfallanalyse ausgehend vom konkreten DBA erforderlich ist, vgl. die Übersicht bei A. Hemmelrath in: Vogel/Lehner, DBA, 4. Aufl., Art. 7 Rz. 58 ff.; siehe etwa auch BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, S. 444 (446) einerseits; BFH v. 14.7.1993 – I R 71/92, BStBl. II 1994, S. 91 (92 f.) andererseits.

422

Die Behandlung von Beteiligungsaufwendungen

Besteuerungseigenschaften eines pauschalen Anrechnungsverfahrens mit denen eines Teileinnahmeverfahrens. Die gravierenden Verstöße des Halbeinkünfteverfahrens gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip sind im Lichte des hier favorisierten Alternativmodells folglich nicht notwendig, um Europarechtskonformität, zwischenstaatliche Verteilungsgerechtigkeit und Praktikabilität der Besteuerung zu gewährleisten. Es handelt sich damit um eine unangemessene Form der Dividendenbesteuerung, die durch die Kombinationslösung ersetzt werden sollte. Bei personenbezogenen Kapitalgesellschaften sollte außerdem ergänzend ein Auszahlungsabzugsverfahren praktiziert werden.

II. Die Behandlung von Beteiligungsaufwendungen Zu klären ist ferner, wie sich die Behandlung von Beteiligungsaufwendungen im Halbeinkünfteverfahren und im spanischen Pauschalanrechnungsverfahren zu verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben verhält. Als problematisch erscheint hier insbesondere das Halbeinkünfteverfahren, weil es Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Dividendenbezug nur hälftig zum Abzug zulässt, § 3c Abs. 2 EStG. Diese Frage ist auch für das hier favorisierte Kombinationsmodell von Bedeutung, weil es Elemente eines Teileinnahmeverfahrens enthält. Ist der nur hälftige Abzug im Halbeinkünfteverfahren nicht zu beanstanden oder gar geboten, so würde dies bei der Kombinationslösung konsequenterweise eine Ausgestaltung als Teileinkünfteverfahren erlauben bzw. erfordern. Ferner ist der spanische Ansatz des allerdings unlimitierten Abzugs nur enumerativ aufgeführter Arten von Aufwendungen einer kritischen Würdigung zu unterziehen.

1. Das Halbabzugsverbot im Halbeinkünfteverfahren a) Vereinbarkeit mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip Das Halbabzugsverbot ist in der Vorschrift des § 3c EStG verortet. Dessen ratio legis ist die Vermeidung der Inanspruchnahme übermäßiger Steuervorteile bei steuerbefreiten Einnahmen316. Die Vorschrift bestätigt den allgemei________________________ 316 BFH v. 9.11.1976 – VI R 139/74, BStBl. II 1977, S. 207 (208); v. 4.3.1977 – VI R

213/75, BStBl. II 1977, S. 507 (508); v. 14.11.1986 – VI R 209/82, BStBl. II 1989, S. 351 (353); O. Hötzel in: Schaumburg/Rödder, Unternehmenssteuerreform 2001, S. 249; M. Riotte in: Erle/Sauter, Unternehmensbesteuerung, S. 65; S. Eilers/ H.-G. Wienands, GmbHR 2000, S. 957 (962); Freshfields/Bruckhaus/Deringer, NJW-Beilage 51/2000, S. 30; T. Rödder/A. Schumacher, DStR 2002, S. 1163; W. Heinicke in Schmidt, EStG, 17. Aufl., § 3c Rz. 1; S. Ludes in: Bordewin/Brandt,

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

nen Rechtsgrundsatz, wonach die Steuerfreiheit bereits eine Begünstigung darstellt, die nicht noch zusätzlich durch den Abzug der mit den Einnahmen unmittelbar zusammenhängenden Aufwendungen verdoppelt werden soll317. § 3c EStG bedeutet nur eine gesetzliche Konkretisierung dieses Grundsatzes318 und ist damit jedenfalls im Grundsatz deklaratorischer Natur319. Die der Vorschrift zugrundeliegende Wertung ergibt sich bereits aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip in seiner Ausprägung des objektiven Nettoprinzips320; sie ist somit verfassungsrechtlich abgesichert. Das objektive Nettoprinzip verlangt die Berücksichtigung derjenigen Aufwendungen, die für die Gewinnung von Einnahmen erforderlich sind. Immer, aber auch nur dann, wenn die betreffenden Einnahmen steuerfrei gestellt sind, ist die Abzugsfähigkeit aber unter diesem Aspekt nicht mehr geboten, sie wäre ein „ungerechtfertigtes superfluum“321. Denn es tritt durch sie gerade keine Minderung der objektiven Leistungsfähigkeit ein, weil die Einnahmen, auf die sich die Ausgaben beziehen, gar nicht in die Bestimmung der Leistungsfähigkeit eingehen322. Das hälftige Abzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG im Rahmen des Halbeinkünfteverfahrens wäre nach Systematik und Teleologie dieses Paragraphen somit nur gerechtfertigt, wenn die korrespondierende hälftige Freistellung der Dividendeneinnahmen einen steuerlichen Vorteil des Anteilseigners bedeuten würde. Vor allem aber könnte es nur dann vor dem objektiven Nettoprinzip Bestand haben, das grundsätzlich den vollen Abzug aller erwerbswirtschaftlich veranlassten Aufwendungen fordert. In der Tat versucht die ________________________

317 318 319

320

321 322

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EStG, § 3c (Stand: 05/00), Rz. 2; D. Birk/C. Jahndorf in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 3c EStG (Stand: 10/00), Rz. 20; G. Erhard in: Blümich, EStG/KStG, § 3c EStG (Stand: 10/02), Rz. 6. G. Frotscher in: FS Fischer, S. 549 (550); W. Heinicke in Schmidt, EStG, 17. Aufl., § 3c Rz. 1. Vgl. D. Birk/C. Jahndorf in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 3c EStG (Stand: 10/00), Rz. 21. So auch die Einschätzung des Bundesrates in der Stellungnahme zum StÄndG 1958, BR-Drs. 41/58, S. 52: „[§ 3c EStG] … bringt somit kein materiell neues Recht, sondern dient lediglich der Klarstellung“. Ebenso S. Ludes in: Bordewin/Brandt, EStG, § 3c (Stand: 05/00), Rz. 2. A. A. ist H.-J. v. Beckerath in: Kirchhof/Söhn, EStG, § 3c (Stand: 10/88), Rz. A 14; J. P. Meincke in: Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 3c (Stand: 01/92), Rz. 4 f. So auch G. Erhard in: Blümich, EStG/KStG, § 3c EStG (Stand: 10/02), Rz. 6; D. Birk/ C. Jahndorf in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 3c EStG (Stand: 10/00), Rz. 5, 21 u. 81; H. G. Ruppe, DStJG 3, S. 103 (128); H.-J. v. Beckerath in: Kirchhof/ Söhn, EStG, § 3c (Stand: 10/88), Rz. A 7 u. A 14. H. G. Ruppe, DStJG 3, S. 103 (128). D. Birk/C. Jahndorf in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 3c EStG (Stand: 10/00), Rz. 5.

Die Behandlung von Beteiligungsaufwendungen

Bundesregierung § 3c Abs. 2 unter eben diesem Gesichtspunkt der Vermeidung doppelter Steuervorteile zu rechtfertigen. Für den Anteilseigner bedeute die hälftige Dividendenfreistellung einen steuerlichen Vorteil, der das Halbabzugsverbot nach sich ziehe323. Zwar werde durch die Freistellung die körperschaftsteuerliche Vorbelastung der Dividende typisierend berücksichtigt; dies ändere aber nichts am Charakter eines Steuervorteils, weil wegen des definitiven Charakters der Körperschaftsteuer klar zwischen den Besteuerungsebenen der Körperschaft und des Anteilseigners als natürlicher Person zu unterscheiden sei324. Diese Sichtweise steht im Widerspruch zur Konzeption des Halbeinkünfteverfahrens und vermag nicht zu überzeugen325. Das Halbeinkünfteverfahren ist ein Entlastungsmechanismus, welcher der Körperschaftsteuervorbelastung näherungsweise Rechnung tragen soll. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll sich durch den nur hälftigen Ansatz der Dividende „eine Belastung der ausgeschütteten Gewinne [ergeben], die der steuerlichen Belastung bei anderen Einkunftsarten angenähert ist.“326 Durch das Halbeinkünfteverfahren wird – näherungsweise – der Leistungsfähigkeitstransfer zwischen Körperschaft und Anteilseigner nachvollzogen, der eine integrierte Betrachtungsweise beider Besteuerungsebenen verlangt. Das entspricht nicht nur dem historischen Willen des Gesetzgebers, sondern auch den verfassungsrechtlichen Vorgaben an die Dividendenbesteuerung. Im Übrigen hat selbst die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren zum Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz mehrfach die Ansicht geäußert, die Dividenden seien im Halbeinkünfteverfahren nicht im eigentlichen Sinne „steuerfrei“, weil sie bereits einer Gewinnbesteuerung bei der ausschüttenden Gesellschaft unterlegen haben327. Aus einer integrativen Perspektive heraus handelt es sich bei der hälftigen Steuerfreiheit von Dividenden nach § 3 Nr. 40 lit. d EStG also nur um ein „technisches Vehikel“ zur Berücksichtigung der Definitivsteuerbelastung ________________________ 323 Bericht der Bundesregierung zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts,

324

325 326 327

Beilage zu FR 11/2001, S. 22. Ähnlich technisch argumentiert V. Sarrazin, DStJG 25, Diskussionsbeitrag S. 59. Für eine solche, nach Sphären getrennte Betrachtungsweise hat sich auch der Bundesrat im Zusammenhang mit dem Abzugsverbot nach § 8 I KStG i. V. m. § 3c I EStG für Aufwendungen im Zusammenhang mit nach § 8b I KStG steuerbefreiten Dividenden ausgesprochen, vgl. BT-Drs. 14/7084, S. 3. H.-J. Pezzer, DStJG 25, S. 37 (54 f.) hält sie für „willkürlich“; N. Herzig, DB 2003, S. 1459 konstatiert einen „offenkundigen Wertungswiderspruch“. Begründung zum Entwurf des StSenkG 2000, BT-Drs. 14/2683, S. 94. Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines UntStFG, BR-Drs. 638/01, S. 57 und die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 14/7084, S. 8.

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

auf Kapitalgesellschaftsebene328, die Steuerbefreiung ist rein formaler Natur. Tatsächlich liegt darin kein Steuervorteil, denn unter Berücksichtigung dieser Vorbelastung sind die Dividenden im Zusammenspiel mit ihrer hälftigen einkommensteuerlichen Erfassung näherungsweise voll versteuert329. Materiell betrachtet liegen keine „steuerfreien“, sondern vielmehr vorweg besteuerte Einnahmen vor330. Damit aber ist der Halbabzug nach § 3c Abs. 2 EStG „abwegig“331: Weil die Dividenden nicht effektiv entlastet werden, sondern die zur Ausschüttung gelangenden Unternehmensgewinne insgesamt voll versteuert werden sollen, darf von einem vollen Abzug damit zusammenhängender Aufwendungen nicht abgesehen werden332. Aus der Systematik des Halbeinkünfteverfahrens heraus wäre das nur dann gerechtfertigt, wenn diese Beteiligungsaufwendungen auch schon körperschaftsteuerlich eine „Vorentlastungsfunktion“ entfaltet hätten333; das ist wegen der Abschirmwirkung der Kapitalgesellschaft aber nicht der Fall.

________________________ 328 T. Utescher/K. Blaufus, DStR 2000, S. 1581 (1582); H.-J. Pezzer, DStJG 25, S. 37

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330 331 332 333

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(54 f.); gl. A. T. Rödder/A. Schumacher, DStR 2002, S. 1163; dies., DStR 2000, S. 353 (357) zum Abzugsverbot nach § 8 I KStG i. V. m. § 3c I EStG für Aufwendungen im Zusammenhang mit nach § 8b I KStG steuerbefreiten Dividenden. So auch die praktisch einhellige Auffassung in der Literatur, vgl. P. Bareis in: Schick, Veranlagung – Abgeltung – Steuerfreiheit, S. 35 (38); ders., BB 2003, S. 2315 (2316 f.); J. Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 9 Rz. 143; G. Rosenbach, Wpg-Sonderheft 2003, S. S3 (S5); H.-J. Pezzer, DStJG 25, S. 59; T. Rödder/ A. Schumacher, DStR 2002, S. 1163; N. Herzig, Wpg 2001, S. 253 (254); W. Ritter, IStR 2001, S. 430 (431); G. Frotscher, DStR 2001, S. 2045 (2050); W. Schön, FR 2001, S. 381 (387); ders., StBJb 2001/2002, S. 53 (55); G. Crezelius, DB 2001, S. 221 (227); H.-J. Pezzer, StuW 2000, S. 144 (150); O. Hötzel in: Schaumburg/ Rödder, Unternehmenssteuerreform 2001, S. 249; M. Riotte in: Erle/Sauter, Unternehmensbesteuerung, S. 65; N. Krawitz, DB 2000, S. 1721 (1723); Freshfields/ Bruckhaus/Deringer, NJW-Beilage 51/2000, S. 30; S. Bischof/J. Börner, StuB 2000, S. 1125 (1131); A. Nacke/J. Intemann in: Herrmann/Heuer/Raupach, Steuerreform I, § 3 Nr. 40 EStG (Stand: 04/01), Rz. 38; C. Haep/A. Nacke in: Herrmann/Heuer/ Raupach, Steuerreform I, § 3c EStG (Stand: 04/01), Rz. 3; H.-J. von Beckerath in: Kirchhof, EStG, 3. Aufl., § 3c Rz. 29. Gl. A. zum Abzugsverbot nach § 8 I KStG i. V. m. § 3c I EStG für Aufwendungen im Zusammenhang mit nach § 8b I KStG steuerbefreiten Dividenden J. Schiffers, GmbHR 2000, S. 205 (207); M. Günkel/ B. Fenzl/C. Hagen, DStR 2000, S. 445 (448). T. Utescher/K. Blaufus, DStR 2000, S. 1581 (1582). J. Sigloch, StuW 2000, S. 160 (166). Die Notwendigkeit einer effektiven Entlastung betont auch W. Schön, StuW 2000, S. 151 (154). Darauf weisen insbesondere J. Lang, DStJG 24, S. 49 (95) und J. Hundsdoerfer, BB 2001, S. 2242 (2245) hin.

Die Behandlung von Beteiligungsaufwendungen

Das in § 3c Abs. 2 EStG normierte Halbabzugsverbot verstößt somit gegen das objektive Nettoprinzip334. Es verletzt darüber hinaus das Gebot einer folgerichtigen Konzeption des Steuerrechts335: Wenn Gesetzgeber wie Bundesregierung erkennbar davon ausgehen, die körperschaftsteuerliche Vorbelastung müsse der Einkommensteuerbelastung der Dividende hinzugerechnet werden, so muss dieser „Vollversteuerung“ auch der volle Aufwendungsabzug gegenübergestellt werden336. Daneben ist das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG auch in seiner Ausprägung des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller Einkunftsarten verletzt337: Es ist nicht ersichtlich, warum mit den letztlich voll steuerbaren Dividenden zusammenhängende Ausgaben nur hälftig, durch die Erzielung anderer steuerbarer Einkünfte veranlasste Aufwendungen hingegen voll abgezogen werden dürfen. Schließlich ist das Halbabzugsverbot auch nicht finanzierungsneutral338. Finanziert die Gesellschaft ihre Geschäftstätigkeit selbst fremd, statt dass der Anteilseigner ein Darlehen aufnimmt und es ihr als Eigenkapital zur Verfügung stellt, so wirken sich die Aufwendungen nämlich voll steuermindernd aus. b) Vereinbarkeit mit Europarecht In europarechtlicher Hinsicht erweist sich das Halbabzugsverbot hingegen als unproblematisch. Allerdings wurde die vor der Systemumstellung praktizierte Anwendung des § 3c EStG ausschließlich auf nach dem früheren Schachtelprivileg des § 8b KStG a. F. steuerfreie ausländische Dividenden als europarechtswidrig eingestuft339. Anders als diese Vorschrift differen________________________ 334 Gl. A. K. E. M. Beck, Die Besteuerung von Beteiligungen, S. 137; J. Lang in: Tipke/

335

336

337 338 339

Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 9 Rz. 143; H.-J. Pezzer, DStJG 25, S. 37 (54 f.); J. Hey, DStJG 24, S. 155 (196 f.); W. Schön, FR 2001, S. 381 (388); W. Ritter, IStR 2001, S. 430 (432); H.-J. Pezzer, StuW 2000, S. 150; A. Nacke/J. Intemann, Herrmann/Heuer/Raupach, Steuerreform I, § 3 Nr. 40 (Stand: 04/01), Rz. 38. So auch J. Intemann, NWB, Fach 3, S. 12603 (12604); G. Frotscher, DStR 2001, S. 2045 (2050); N. Neu, GmbH-StB 2001, S. 110 (114); A. Nacke/J. Intemann, Herrmann/Heuer/Raupach, Steuerreform I, § 3 Nr. 40 (Stand: 04/01), Rz. 38. W. Schön sieht darin gar „das eigentliche systematische Problem des Halbeinkünfteverfahrens“, StbJb 2001/2002, S. 53 (54). Vgl. auch den Antrag der CDU/CSU-Fraktion zur steuerlichen Gleichstellung des Mittelstandes v. 13.3.2001, BT-Drs. 14/5551, S. 4: „Die Versagung des hälftigen Abzugs leuchtet nicht ein, da das Halbeinkünfteverfahren die Besteuerung nur auf zwei Ebenen verlagert … Es ist daher systematisch zwingend geboten, den vollen Abzug der Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben zuzulassen.“ In diese Richtung argumentieren auch W. Kessler/A. Schmalz/W. Schmidt, DStR 2001, S. 1865 (1871) auf Basis der umfassenden Dividendenfreistellung nach § 8b I KStG. Gl. A. W. Schön, FR 2001, S. 381 (387); G. Frotscher, DStR 2001, S. 2045 (2050). So auch W. Schön, StuW 2000, S. 151 (154). Hessisches FG v. 10.12.2002 – 4 K 1044/99, IStR 2003, S. 209.

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

ziert § 3c Abs. 2 EStG aber nicht zwischen Auslands- und Inlandsbeteiligungen und auch nicht zwischen unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtigen Dividendenbeziehern. Eine Diskriminierung liegt infolgedessen gegenwärtig nicht vor340. Die vereinzelt geäußerte Gegenauffassung, wonach eine versteckte Diskriminierung darin zu erblicken sei, dass Unternehmen im Ausland häufiger als im Inland als Kapitalgesellschaften organisiert seien und darum häufiger von einem Abzugsverbot betroffen seien341, vermag nicht zu überzeugen: Bei denjenigen Unternehmen, die sich um eine Kapitalaufnahme aus dem Ausland bemühen, wird es sich regelmäßig um größere Körperschaften mit anonymer bzw. gestreuter Anteilseignerstruktur handeln, die auch in Deutschland regelmäßig als Kapitalgesellschaft konzipiert sind. Es lässt sich vor diesem Hintergrund nicht feststellen, dass überwiegend grenzüberschreitende Investitionen durch das Abzugsverbot benachteiligt würden.

2. Das spanische Konzept abzugsfähiger Ausgaben Das spanische Konzept der enumerativen Auflistung abzugsfähiger Beteiligungsaufwendungen und insbesondere das damit verbundene Abzugsverbot für Finanzierungsaufwendungen sind nicht mit dem objektiven Nettoprinzip zu vereinbaren. Das gilt selbst aus spanischer Warte, denn auch dort ist das objektive Nettoprinzip als verfassungskräftige Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips anerkannt342. Allerdings hat das spanische Verfassungsgericht den durch Art. 24 Abs. 1 LIRPF unzweifelhaft begründeten Verstoß gegen das Nettoprinzip im Ergebnis für gerechtfertigt erachtet343. Das Verfassungsgericht stützte sich dabei im Wesentlichen auf zwei Erwägungen: Zum einen habe der spanische Gesetzgeber verhindern wollen, dass Aufwendungen abgezogen werden können, die nicht der Einnahmenerzielung, sondern der Erlangung eines beherrschenden Einflusses auf die Gesellschaft dienen. Zum anderen sei legitimer Zweck speziell des Abzugsverbotes für Finanzierungsaufwendungen die Vermeidung rein spekulativer Kapitalanlage, die nicht auf die Erzielung von Dividendeneinkünften, sondern von Veräußerungsgewinnen gerichtet sei. ________________________ 340 Auch W. Schön problematisiert die Europarechtswidrigkeit des § 3c Abs. 2 EStG nur

vor dem Hintergrund einer hypothetischen Abschaffung der Vorschrift für Inlandsbeteiligungen wegen Verstoßes gegen das objektive Nettoprinzip, vgl. FR 2001, S. 381 (388 f.). 341 K. E. M. Beck, Besteuerung von Beteiligungen, S. 173 f. 342 P. M. Herrera Molina, Capacidad económica, S. 275; R. Falcón y Tella, REDF 1994, S. 804 (808); C. de Pablo Varona, La tributación del socio, S. 465. 343 Urteil des Tribunal Constitucional v. 14.7.1994, Az. 214/1994.

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Die Behandlung von Beteiligungsaufwendungen

Diese Argumentation ist indes im spanischen Schrifttum zu Recht auf heftige Kritik gestoßen344. Keiner der beiden Begründungsansätze des spanischen Verfassungsgerichts vermag zu überzeugen. Was die Kreditaufnahme zum Zwecke des Erwerbs einer Mehrheitsbeteiligung und der damit verbundenen beherrschenden Stellung anbelangt, so ignoriert das Verfassungsgericht geflissentlich, dass eine solche Akquisition kein Selbstzweck ist. In aller Regel ist sie letztlich auf die Generierung von Dividendeneinkünften beim Erwerber gerichtet; dieser Kausalitätszusammenhang ist der im Sinne des Veranlassungsprinzips entscheidende. Darum müssen die dergestalt im Zusammenhang mit der Erzielung steuerbarer Einnahmen stehenden Aufwendungen abziehbar sein345. Und zur Verhinderung spekulativer Entwicklungen ist ein generelles Abzugsverbot für Finanzierungsaufwendungen schon ungeeignet, jedenfalls nicht erforderlich. Das zeigt sich schon daran, dass Aktienspekulationen ebenso durch Eigenkapital finanziert werden können und das Abzugsverbot dann leer läuft346. Außerdem kann der spekulative Investor eine inländische Kapitalgesellschaft zum Zwecke des fremdfinanzierten Aktienerwerbs zwischenschalten. Diese kann nach den Regeln des spanischen Körperschaftsteuerrechts auch die Finanzierungsaufwendungen in Abzug bringen; die dahinterstehende natürliche Person profitiert davon selbst dann, wenn ihr die Einkünfte der Körperschaft nach den Regeln der Fiskaltransparenz unmittelbar zugerechnet werden347. Schließlich hätte sich der Spekulation jedenfalls schon dadurch begegnen lassen, dass der Abzug der Fremdfinanzierungsaufwendungen auf die Höhe der Dividendenzahlungen begrenzt worden wäre348. Nach alledem ist das Abzugsverbot für Finanzierungsaufwendungen im Hinblick auf eine etwa angestrebte Abwehr spekulativer Entwicklungen unverhältnismässig. Im Übrigen ist auch für den ausdrücklichen Ausschluss der Aufwendungen für die professionelle Anlageverwaltung vor dem Hintergrund des objektiven Nettoprinzips keine Rechtfertigung ersichtlich349.

________________________ 344 P. M. Herrera Molina, Capacidad económica, S. 275 ff.; R. Falcón y Tella, REDF

345 346 347 348 349

1994, S. 804 (808); C. de Pablo Varona, La tributación del socio, S. 466. Vgl. auch G. Alarcón Garcia in: Tipke/Bozza, Besteuerung von Einkommen, S. 153 (168). Ähnlich P. M. Herrera Molina, Capacidad económica, S. 275. P. M. Herrera Molina, Capacidad económica, S. 276. C. de Pablo Varona, La tributación del socio, S. 468 f. P. M. Herrera Molina, Capacidad económica, S. 276 f. I. Pérez Royo, Manual del IRPF, S. 203; C. de Pablo Varona, La tributación del socio, S. 467.

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

3. Folgerungen für das Kombinationsmodell a) Im Grundsatz voller Abzug der Beteiligungsaufwendungen Überträgt man die vorstehenden Erkenntnisse des Rechtsvergleichs auf das als vorzugswürdig erachtete Kombinationsmodell, bedeutet dies zunächst, dass die in den oberen Steuersatzregionen hinzutretenden Elemente eines Teileinnahmeverfahrens nicht als Teileinkünfteverfahren konzipiert werden dürfen. Denn auch die Kombination aus Teilanrechnung und nur teilweiser Steuerbarkeit der Dividende berücksichtigt in vollem Umfang die Vorbelastung der Dividende mit Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer. Die Teileinnahmekomponente bedeutet darum kein Steuerprivileg, sondern trägt nur der Vorversteuerung der Dividende auf Ebene der ausschüttenden Gesellschaft Rechnung. Dies muss jedenfalls im Binnenkontext, das heißt bei Ausschüttung einer inländischen Körperschaft an eine unbeschränkt steuerpflichtige Person gelten. Infolgedessen müssen alle durch den Erwerb und die Verwaltung der Beteiligung veranlassten Aufwendungen steuerlich abziehbar sein. b) Besonderheiten bei grenzüberschreitender Ausschüttung W. Schön hat allerdings die Frage aufgeworfen, ob bei der Besteuerung von Auslandsdividenden nicht doch an einer Beschränkung der Abziehbarkeit von Beteiligungsaufwendungen festgehalten werden dürfte350. Er hält es für denkbar, dass die Aufwendungen eher bei der ausländischen Tochter berücksichtigt werden müssten351. Darüber hinaus erscheint auch diskussionswürdig, ob beschränkt Steuerpflichtigen ein Abzug solcher Aufwendungen zugestanden werden muss, sie also auch insoweit den Steuerinländern gleichgestellt werden müssen. Auf Basis der bisherigen Überlegungen ist zu der Problematik folgendes anzumerken: aa) Auslandsdividenden Hinsichtlich der Auslandsdividenden ist zunächst festzustellen, dass die Problematik eine verfassungsrechtliche wie auch eine europarechtliche Dimension aufweist352.

________________________ 350 W. Schön, FR 2001, S. 381 (388 ff.). 351 Insbesondere könnte dies nach seiner Auffassung eine mögliche Entwicklung der

Rechtsprechung des EuGH sein, vgl. FR 2001, S. 381 (389 f.). Diese Einschätzung dürfte allerdings mit dem Urteil des EuGH v. 18.9.2003, Rs. C-168/01 (Bosal Holding), DB 2003, S. 2097 ff., überholt sein. 352 Dies stellt auch W. Schön, FR 2001, S. 381 (388) deutlich heraus.

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Die Behandlung von Beteiligungsaufwendungen

(i) Verfassungsrechtliche Würdigung In verfassungsrechtlicher Hinsicht wird die Frage nach der Vereinbarkeit mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip aufgeworfen, das in allen Mitgliedstaaten Richtschnur der Besteuerung von Einkommen ist. Zumindest prinzipiell erkennen alle mitgliedschaftlichen Systeme der Besteuerung von Einkommen auch die Notwendigkeit an, erwerbswirtschaftliche Aufwendungen abzuziehen, verwirklichen also im Grundsatz das objektive Nettoprinzip353. Uneingeschränkt gilt das jedenfalls für den deutschen Rechtskreis. Dividendenbezüge und damit zusammenhängende Aufwendungen lassen sich darum nicht als getrennte Größen betrachten. Beansprucht ein Mitgliedstaat die steuerliche Erfassung der in den Dividenden verkörperten Leistungsfähigkeit für sich, muss er auch dem objektiven Nettoprinzip Rechnung tragen354. Dies impliziert allerdings auch, dass dies dann nicht verlangt werden kann, wenn der deutsche Fiskus an der objektiven Leistungsfähigkeit, die sich in den grenzüberschreitend ausgeschütteten Unternehmensgewinnen manifestiert, von vornherein nicht partizipiert. Denn das Abzugsgebot ist nur die Kehrseite der Steuerbarkeit der damit korrespondierenden Vermögenszuflüsse355. Daraus folgt, dass jeder Mitgliedstaat diesem Besteuerungsideal nur Rechnung tragen muss, wenn er an dem relevanten Einnahmenzufluss steuerlich partizipiert. Dies gilt jedenfalls insoweit, als die Dividendeneinkünfte insgesamt positiv bleiben356. Irrelevant ist hingegen der Ort, an dem die Erwerbsaufwendungen anfallen. Denn beim Aufwendungsabzug handelt es sich nicht um ein an die Person des Steuerpflichtigen und dessen Wohnort anknüpfendes subjektives Besteuerungsmerkmal, sondern um ein unmittelbar mit der Einkünfteerzielung verbundenes Element objektiver Leistungsfähigkeit. Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ist die Frage nach der Anwendung des objektiven Nettoprinzips eng mit der Frage verknüpft, ________________________ 353 Vgl. die National Reports zum Kongress der EATLP 2003 in Köln, noch nicht veröf-

fentl. 354 Inwieweit er hiervon absehen kann, wenn er dies generell und nicht nur bei Sachver-

halten mit grenzüberschreitendem Bezug tut, etwa bei einer einheitlichen Abgeltungssteuer für Ansässige und Nichtansässige, soll an dieser Stelle noch nicht erörtert werden. Siehe dazu näher unter IV.2.c. 355 In diese Richtung argumentiert auch das Hessische FG v. 10.12.2002 – 4 K 1044/99 –, IStR 2003, S. 209 (211). 356 Es soll an dieser Stelle nicht auf die weitreichende Frage eingegangen werden, ob die Nichtberücksichtigung steuerlicher Verluste aus Einkünften, die durch DBA in Deutschland von der Einkommensteuer freigestellt sind, mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbar ist. Vgl. dazu näher K. Vogel, IStR 2003, S. 316; W. Kessler/ C. P. Schmitt/G. Janson, IStR 2003, S. 307 (308); H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 5.103; E. Lechner, Doppelbesteuerungsabkommen, S. 85 (89 f.); J. F. Avery Jones, ET 2001, S. 251 einerseits; H. Hahn, IStR 2002, S. 681 (684) andererseits.

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

inwieweit der nationale Besteuerungsanspruch zurückgenommen werden muss, um eine internationale Doppelbesteuerung zu vermeiden. Damit kommt es für die Pflicht zur Berücksichtigung von Erwerbsaufwendungen zuvörderst auf die zwischen den Mitgliedstaaten abgeschlossenen DBA an. Zwar treffen diese regelmäßig keine ausdrücklichen Vorgaben, welcher der vertragsschließenden Staaten Aufwendungen steuerlich zum Abzug zulassen muss. Sie regeln aber die Verteilung des Steueraufkommens und geben damit vor, in welchem Ausmaß die jeweiligen Vertragsstaaten an Unternehmensgewinnen und Dividenden partizipieren. Mittelbar geben sie darum Aufschluss darüber, inwieweit Wohnsitz- und Quellenstaat auch die Verantwortung für die Berücksichtigung der damit zusammenhängenden Aufwendungen zukommt. Im Einzelnen muss zwischen zwei verschiedenen Konstellationen unterschieden werden: (1) Bezieht der im Quellenstaat beschränkt Steuerpflichtige die Dividenden über eine dort gelegene Betriebsstätte, zu der die entsprechende Gesellschaftsbeteiligung gehört, gelten über die den Art. 10 Abs. 4, 7 Abs. 1 S. 2 OECD-MA nachgebildeten Abkommensbestimmungen üblicherweise die Grundsätze der Betriebsstättenbesteuerung. In aller Regel bedeutet dies, dass die Freistellungsmethode entsprechend Art. 23A OECD-MA angewendet wird. Die Dividenden werden also abschließend im Quellenstaat besteuert, im Ansässigkeitsstaat hingegen freigestellt. Im Ergebnis partizipiert damit allein der Quellenstaat an den ausgeschütteten Unternehmensgewinnen. Darum muss auch er und nicht der Wohnsitzstaat die Beteiligungsaufwendungen zum Abzug zulassen. Das entspricht auch der allgemeinen Abkommenspraxis, wonach nicht die Betriebsstätteneinnahmen, sondern die Betriebsstätteneinkünfte im Wohnsitzstaat aus der Bemessungsgrundlage ausgenommen werden357. Über ein Betriebsstätte bezogene ausländische (positive) Dividendeneinkünfte sind darum mit inländischen Dividendeneinkünften unter Leistungsfähigkeitsaspekten nicht vergleichbar358. Die Versagung des Abzugs mit dem Dividendenbezug korrespondierender Betriebsausgaben verstößt nicht gegen das objektive Nettoprinzip, weil schon die sich in den Dividendeneinkünften ausdrückende Leistungsfähigkeit im Inland überhaupt nicht erfasst wird. ________________________ 357 Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die DBA so zu interpretieren sind, dass

negative Betriebsstätteneinkünfte und damit im Extremfall auch negative Dividendeneinkünfte im Wohnsitzstaat zum Verlustausgleich oder -abzug zugelassen werden müssen. Diese Fragestellung weist deutlich über die Problematik der Dividendenbesteuerung hinaus und soll darum an dieser Stelle nicht erörtert werden. Vgl. dazu A. Cordewener, Grundfreiheiten, S. 631 f. m. w. N.; H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 5.100 ff. m. w. N. 358 A. A. G. Frotscher in: FS Fischer, S. 549 (560).

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Die Behandlung von Beteiligungsaufwendungen

(2) Ist der Dividendenempfänger hingegen eine natürliche Person, an die unmittelbar und ohne eine zwischengeschaltete Betriebsstätte ausgeschüttet wird, so ist der Steuerzugriff zwischen Wohnsitz- und Quellenstaat regelmäßig aufgeteilt: Dem Quellenstaat verbleibt abkommensrechtlich die vorab erhobene Körperschaftsteuer; einkommensteuerlich darf er an der dergestalt vorbelasteten Dividende aber nur noch bis zu maximal 15 Prozent des Bruttobetrags partizipieren. Der Wohnsitzstaat muss die ausländische Einkommensteuer anrechnen, darf die Dividende dann aber ohne weitere Beschränkungen selbst der Einkommensteuer unterwerfen. Sowohl Quellenals auch Wohnsitzstaat üben ihr Besteuerungsrecht nebeneinander aus und vermeiden eine Doppelbesteuerung nur über die Anrechnung der Steuern des Quellenstaates im Wohnsitzstaat. Man kommt somit zu dem Ergebnis, dass beide Staaten gleichermassen einen Bezug zu den Aufwendungen aufweisen359. Daraus folgt, dass jeder der beiden Hoheitsträger im Bereich seiner ihm verbliebenen Steuerhoheit auf die Einhaltung des objektiven Nettoprinzips achten muss. Insoweit er auf die in den Dividenden verkörperte objektive Leistungsfähigkeit Zugriff nehmen darf, muss er Erwerbsaufwendungen wie im reinen Binnensachverhalt von den Bruttoerträgen in Abzug bringen. (ii) Europarechtliche Würdigung In europarechtlicher Hinsicht würde die gänzliche oder teilweise Versagung eines Abzugs für Beteiligungsaufwendungen im Gegensatz zu ihrer steuerlichen Anerkennung bei Inlandsbeteiligungen unzweifelhaft eine Ungleichbehandlung des grenzüberschreitenden Verkehrs bedeuten360. Man könnte nun erwägen, hierin keinen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit und gegebenenfalls die Niederlassungsfreiheit zu sehen, sofern und solange Auslandsdividenden nicht steuerbar und infolgedessen mit Inlandsdividenden möglicherweise nicht vergleichbar sind. Dies würde aber nicht dem Prüfungsansatz der Grundfreiheiten entsprechen, die Vergleichbarkeit isoliert nur bezüglich der konkret benachteiligenden Einzelnorm zu prüfen. Es wurde bereits dargelegt, dass bei die Bemessungsgrundlage betreffenden Regelungen eine Steuerwürdigkeitsentscheidung nach Grund und Umfang einheitlich für den transnationalen wie den rein innerstaatlichen Vorgang umgesetzt werden muss361. Die fehlende Steuerbarkeit der Auslandsdividende stellt darum die Vergleichbarkeit noch nicht in Frage, solange vergleichbare Inlandsdividenden Teil der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage ________________________ 359 So W. Schön, FR 2001, S. 381 (389). 360 Im Ergebnis gl. A. Hessische FG v. 10.12.2002 – 4 K 1044/99, IStR 2003, S. 209

(212). 361 Siehe dazu 2. Kap., C.V.3.b.bb.

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

sind362. Im Hinblick auf die Beteiligungsaufwendungen erweist sich die Ungleichbehandlung zudem als nachteilig, so dass insofern eine grundfreiheitlich relevante Diskriminierung gegeben ist. Regelmäßig wird diese Diskriminierung (nur) bei völliger Freistellung der Auslandsdividende aber durch die Kohärenz der inländischen Besteuerung gerechtfertigt sein. Denn wie schon erwähnt wurde, stehen über das objektive Nettoprinzip die steuerliche Erfassung der Dividenden und der Abzug von eventuellen Beteiligungsaufwendungen in unmittelbarem systematischen Zusammenhang. Dem Nachteil der mangelnden Abzugsfähigkeit steht bei über DBA freigestellten Auslandsdividenden der kompensierende Vorteil gegenüber, diese im Inland nicht versteuern zu müssen. Diese Vorteilskompensation fällt in der Person des Dividendenbeziehers zusammen und ist auch von einer strengen Wechselwirkung gekennzeichnet, so dass sogar die strengen Anforderungen des EuGH an den Rechtfertigungsgrund der Kohärenz gewahrt sind. Grundsätzlich wäre die Nichtberücksichtigung der Beteiligungsaufwendungen im Inland bei solchen Dividenden somit gerechtfertigt. Der Vollständigkeit halber sei allerdings darauf hingewiesen, dass die Saldierungswirkung zugunsten der Auslandseinkünfte nur solange greift, wie die Dividendeneinkünfte nicht negativ werden. Denn in diesen Fällen ist die Steuerbarkeit der Inlandsdividenden wegen der Verlustausgleichs- und Verlustabzugsmöglichkeiten tatsächlich gegenüber der Dividendenfreistellung per Saldo vorteilhafter. Es spricht daher einiges dafür, dass die Nichtberücksichtigung von Verlusten aus freigestellten Einkünften nicht mehr über die Kohärenz der Besteuerung gerechtfertigt ist und ein Abzugsverbot folglich durch eine Verlustverrechnungsmöglichkeit etwa nach dem Vorbild des § 2 Abs. 3 EStG a. F. flankiert werden müsste. Diese Frage soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit jedoch nicht weiter vertieft werden363. ________________________ 362 Anderenfalls müsste man zu dem Ergebnis gelangen, dass in der Besteuerung nur der

Auslandsdividenden keine Diskriminierung liegen könne, weil mangels Steuerbarkeit der Inlandsdividenden keine Vergleichbarkeit gegeben sei. Diese Konstellation kann bei körperschaftsteuerlichen Schachtelprivilegien durchaus auch praktisch relevant werden, siehe dazu auch unten, B.I.2.b. Soweit ersichtlich, wird in diesen Fällen die Vergleichbarkeit der Sachverhalte aber nie angezweifelt. Dies zu Recht, denn die objektive Steuerwürdigkeitsentscheidung muss bei grenzüberschreitendem und Binnensachverhalt einheitlich ausfallen; eine rechtfertigungsbedürftige Diskriminierung des grenzüberschreitenden Dividendenbezugs liegt bei einer Ungleichbehandlung nur dann nicht vor, wenn sie zu Lasten des Inlandssachverhaltes geht. 363 Die herrschende Meinung im Schrifttum hält eine fehlende Verlustverrechnungsmöglichkeit für europarechtswidrig, so etwa K. Vogel, IStR 2003, S. 316; A. Cordewener, IStR 2003, S. 413 (416) m. w. N.; J. M. Calderón Carrero, Convenios de doble imposición, S. 40 (Fn. 181) m. w. N.; W. Kessler/C. P. Schmitt/G. Janson, IStR 2001,

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Die Behandlung von Beteiligungsaufwendungen

Damit ergibt sich unter europarechtlichen Aspekten ein ähnliches Bild wie bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung: Sind die Dividendeneinkünfte im Wohnsitzstaat freigestellt, wie es regelmäßig beim Bezug über eine ausländische Betriebsstätte der Fall ist, so müssen Betriebsausgaben in Form von Beteiligungsaufwendungen dort nicht zum Abzug zugelassen werden. Ihre Nichtberücksichtigung ist unter Kohärenzgesichtspunkten grundsätzlich gerechtfertigt. Ist dem Wohnsitzstaat hingegen ein Besteuerungsrecht zugeteilt worden und macht er hiervon auch Gebrauch, wie dies auch bei allen anderen Arten von natürlichen Personen bezogener Auslandsdividenden der Fall ist, muss er die zugehörigen Erwerbsaufwendungen zum Abzug zulassen. bb) Dividenden an beschränkt Steuerpflichtige Auch bei an beschränkt Steuerpflichtige ausgeschütteten Dividenden stellt sich die Frage, inwieweit Beteiligungsaufwendungen zum Abzug zugelassen werden müssten. Dabei sollen hier verfahrenstechnische Besonderheiten und Rechtfertigungsmöglichkeiten, namentlich die Zulässigkeit der gegenwärtig noch anzutreffende Steuererhebung im Wege einer abgeltenden Bruttoquellensteuer, zunächst ausgeblendet bleiben; hierauf wird später noch gesondert einzugehen sein364. (i) Verfassungsrechtliche Würdigung Aus den zu Auslandsdividenden angestellten Erwägungen heraus ergibt sich, dass im Kombinationsmodell prinzipiell ein voller Abzug der Beteiligungsaufwendungen auch bei beschränkt Steuerpflichtigen zugelassen werden muss. Denn an den Inlandsdividenden steht Deutschland sowohl beim Bezug über eine inländische Betriebsstätte des Steuerausländers als auch in allen übrigen Fällen regelmäßig ein Besteuerungsrecht zu. In Form des § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. a, Nr. 5 lit. a macht der deutsche Gesetzgeber von seinem Besteuerungsrecht auch Gebrauch. Erfasst er damit aber die in den Dividenden verkörperte objektive Leistungsfähigkeit im Ansatz in gleicher Weise wie bei Steuerinländern, muss er wie bei diesen unmittelbar mit dem Dividendenbezug zusammenhängende Erwerbsausgaben zum Abzug zulassen365.

________________________

S. 729 (735 f.); dies., IStR 2003, S. 307 (309); M. Menhorn, SWI 2001, S. 62 (64 ff.); W. Ritter, IStR 2001, S. 430 (434); M. Tumpel, SWI 2001, S. 55 ff.; ders., DStJG 23, S. 321 (348 f. u. 362); E. Lechner in: Gassner/Lang/Lechner, Doppelbesteuerung, S. 85 (97 f.); B. Weiser, Rechtsprechung und Rechtsetzung auf dem Gebiet der direkten Besteuerung, S. 224; H.-G. Raber, DStJG Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 103 (116 ff.). Dieser Ansicht hat sich jüngst auch der BFH angeschlossen, vgl. Beschluss v. 13.11.2002 – I R 13/02, IStR 2003, S. 314 (315). A. A. sind z. B. H. Hahn, IStR 2002, S. 681 (687); O. H. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 5. Aufl., S. 251. 364 Siehe dazu unter IV.2.a. 365 Im Ergebnis gl. A. ist M. Tumpel, DStJG 23, S. 321 (343).

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

(1) Diese These wird allerdings vor allem mit dem Argument in Frage gestellt, dass die Besteuerung nur bei Ansässigen an die volle Leistungsfähigkeit anknüpfe. Bei Nichtansässigen könne hingegen eine territoriale Leistungsfähigkeit sogar dann bestehen, wenn sie bei weltweiter Betrachtung gar nicht leistungsfähig im Sinne einer Gesamtleistungsfähigkeit seien. Der Maßstab von Leistungsfähigkeit bei beschränkt Steuerpflichtigen sei darum ersichtlich ein anderer als bei unbeschränkt Steuerpflichtigen. Es bestehe darum keine einheitliche Vergleichsgrundlage, weshalb Abzüge, die Steuerinländern im Hinblick auf eine verminderte Leistungsfähigkeit zugestanden würden, den Steuerausländern nicht gewährt werden müssten366. Zutreffend sind diese Überlegungen insoweit, als dass die Messung der Leistungsfähigkeit bei beschränkt Steuerpflichtigen in der Tat territorial begrenzt ist. Dieser Umstand darf aber nicht dazu verleiten, pauschal jegliche Vergleichbarkeit in der Ermittlung der Leistungsfähigkeit von Ansässigen und Nichtansässigen zu negieren. Das stünde auch im Widerspruch zu der grundsätzlichen und inzwischen praktisch einhellig anerkannten Feststellung, dass beide Gruppen von Steuerpflichtigen nach dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG Anspruch auf eine leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung haben367. Kerngedanke des objektiven Nettoprinzips ist die Einsicht, dass leistungsfähigkeitsbegründende Vermögenszuwächse regelmäßig erst durch bestimmte, der Erzielung dieser Erträge dienende Aufwendungen ermöglicht werden. Dieser untrennbare Zusammenhang zwischen steuerbaren Vermögenszuwächsen und Erwerbsausgaben führt zu dem Schluss, dass letztere steuerlich durch entsprechende Abzüge zu berücksichtigen sind. Denn die Aufwendungen vermindern notwendig die Fähigkeit, aus den erwirtschafteten Erträgen Steuern zu entrichten. Diese Überlegungen gelten aber unabhängig davon, ob sämtliche Vermögenszuwächse eines Steuerpflichtigen oder nur bestimmte inländische Vermögenszuwächse erfasst werden. Der erforderliche unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang zwischen der jeweiligen steuerbaren Einnahmegröße und den dadurch veranlassten Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben kann sowohl bei einer territorial wie bei einer weltweit konzipierten Leistungsfähigkeit angetroffen werden. Es ist darum zutreffend, wenn H. Schaumburg bemerkt: „Ausgaben …, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit Einnahmen im Quellenstaat stehen, mindern … die Leistungsfähigkeit auch im Quellenstaat und müssen daher berücksichtigt werden.“368 ________________________ 366 BFH v. 10.10.1973 – I R 162/71, BStBl. II 1974, S. 30 (32) unter Bezugnahme auf

BFH v. 16.8.1963 – VI 96/62 U, BStBl. III 1963, S. 486 (487); M. Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern, S. 85 f. 367 Siehe dazu 2. Kap., A.I.2.a.dd. 368 H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 5.135.

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Die Behandlung von Beteiligungsaufwendungen

Von einer Vergleichbarkeit der Sachverhalte geht letztlich auch der Gesetzgeber aus, wenn er bei beschränkt Steuerpflichtigen in den §§ 1 Abs. 4, 49 Abs. 1 EStG stets bestimmte „Einkünfte“ und nicht etwa nur Einnahmen der Besteuerung unterstellt. Die räumlich unterschiedliche Maßgröße wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit bei Steuerinländern und Steuerausländern ist darum kein tragfähiger Grund, bei letzteren Erwerbsaufwendungen generell außer acht zu lassen. (2) Vereinzelt wird die fehlende Vergleichbarkeit auch damit begründet, dass nicht der Quellenstaat, sondern der Wohnsitzstaat die steuerlichen Voraussetzungen für den Abzug von Erwerbsaufwendungen schaffen müsse369. Jedenfalls bei Erwerbsaufwendungen gehen solche Überlegungen aber fehl: Anders als die vom subjektiven Nettoprinzip umfassten persönlichen Abzüge knüpfen die Erwerbsaufwendungen nicht notwendig erst an die Gesamtleistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen an. Sie können vielmehr einzelnen Einkunftsarten und innerhalb derselben auch noch den steuerbaren inländischen Tätigkeiten zugeordnet werden370. Dies gibt der Gesetzgeber selbst zu erkennen, indem er in § 50 Abs. 1 S. 1 EStG anordnet, dass (veranlagte) beschränkt Steuerpflichtige Betriebsausgaben oder Werbungskosten nur insoweit abziehen dürfen, als sie mit inländischen Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Es entbehrt darum einer sachlichen Grundlage, für die Berücksichtigung von Erwerbsaufwendungen auf die Welteinkommensbesteuerung durch den Wohnsitzstaat des Nichtansässigen zu verweisen. Der Quellenstaat kann darum die vergleichbare Notwendigkeit der Berücksichtigung von Erwerbsaufwendungen bei Ansässigen und Nichtansässigen nicht unter Verweis auf eine vermeintliche Verantwortlichkeit des Wohnsitzstaates in Frage stellen371. Vorbehaltlich verfahrensrechtlicher Aspekte gebietet das objektive Nettoprinzip im Kombinationsmodell darum den vollen Abzug der mit dem inländischen Dividendenbezug zusammenhängenden Erwerbsaufwendungen bei beschränkt Steuerpflichtigen. (ii) Europarechtliche Würdigung In europarechtlicher Hinsicht würde es eine prinzipiell nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung bedeuten, beschränkt Steuerpflichtigen anders als ansässigen Dividendenbeziehern den Abzug korrespondierender Beteiligungsaufwendungen zu verwehren. Ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrs________________________ 369 So wohl C. Goez, Quellenbesteuerung, S. 171. 370 Ähnlich M. Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern, S. 79. 371 Im Ergebnis gl. A. H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 5.135.

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freiheit und gegebenenfalls die Niederlassungsfreiheit könnte nur dann ausgeschlossen werden, wenn beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtige insofern nicht miteinander vergleichbar wären. Es konnte aber gezeigt werden, dass auch bei natürlichen Personen beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtige jedenfalls hinsichtlich derjenigen Elemente der steuerlichen Bemessungsgrundlage im Sinne der Art. 43, 56 Abs. 1 EGV vergleichbar sind, für die der persönliche Status des Steuerpflichtigen keine spezifische Relevanz hat. Eine Einschränkung ist lediglich dahingehend vorzunehmen, dass die objektive wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Steuerinländern und -ausländern auch territorial eine Schnittmenge bilden muss372. Schon im Zusammenhang mit der Europarechtskonformität des Anrechnungsverfahrens wurde nachgewiesen, dass ansässige und nichtansässige Steuerpflichtige bezüglich der Notwendigkeit einer Integration von Körperschaftsteuer (nebst Gewerbesteuer) und Einkommensteuer nach diesen Maßstäben miteinander vergleichbar sind373. Gleiches gilt im Hinblick auf die Berücksichtigung von Erwerbsaufwendungen374. Das dahinterstehende objektive Nettoprinzip ist ein entscheidendes Element der Bemessung objektiver Leistungsfähigkeit, für dessen Anwendung die persönlichen Lebensumstände des Steuerpflichtigen keine Rolle spielen375. Der notwendige Inlandsbezug der Erwerbsaufwendungen liegt darin, dass sie mit im Inland erwirtschafteten Dividendenerträgen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen und damit die negative Komponente der steuerbaren inländischen Dividendeneinkünfte bilden. Es besteht insoweit kein Unterschied zur Bestimmung der im Bezug von Inlandsdividenden durch einen Steuerinländer zum Ausdruck kommenden Leistungsfähigkeit. Allerdings wird die Vergleichbarkeit von Erwerbsaufwendungen des beschränkt und des unbeschränkt Steuerpflichtigen im Schrifttum teilweise mit der Behauptung in Frage gestellt, dass wie bei persönlichen Abzügen der Wohnsitzstaat die Aufgabe habe, Erwerbsaufwendungen bei grenzüberschreitenden Dividendenbezügen zu berücksichtigen376, bzw. die Zuweisung der ________________________ 372 Siehe dazu 2. Kap., C.V.3.b.aa. 373 Siehe dazu oben unter I.1.b.aa) (ii). 374 Anderer Ansicht ist K. E. Herkenroth in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG,

§ 50 EStG (Stand: 08/02), Rz. 219. Er stützt seine Auffassung auf eine Generalisierung der Schumacker-Entscheidung des EuGH dahingehend, dass beschränkt Steuerpflichtige und unbeschränkt Steuerpflichtige auf dem Gebiet der direkten Steuern generell nicht vergleichbar seien. Es wurde nachgewiesen, dass eine solch undifferenzierte Feststellung weder dem Anliegen der Grundfreiheiten Rechnung trägt noch der Rechtsprechung des EuGH entnommen werden kann. 375 So auch R. Seer, RIW 9/2003, Die erste Seite. 376 D. Mueller, IStR 2002, S. 109 (113), ähnlich K. Ståhl, ec tax review 1997, S. 227 (230).

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Die Behandlung von Beteiligungsaufwendungen

entsprechenden Verantwortung ungeklärt sei377. Insoweit kann zunächst auf die Erörterungen zum nationalen Gleichheitssatz verwiesen werden: Die behauptete Verantwortlichkeit des Wohnsitzstaates für die Gewährleistung einer Nettobesteuerung des Dividendenbeziehers ist weder in der internationalen Besteuerungspraxis verwirklicht, noch lässt sie sich aus sachlichen Erwägungen heraus überzeugend herleiten. Insofern abgeschwächt nur auf die fehlende eindeutige Zuweisung einer Verantwortlichkeit an den Quellenstaat abgestellt wird, muss an ein Kernelement der Prüfung des europarechtlichen Diskriminierungsverbotes erinnert werden: Anders als bei nichtdiskriminierenden Beschränkungen ist die Verantwortlichkeit für die Beseitigung einer Diskriminierung im Grundsatz immer klar zugewiesen, nämlich prinzipiell demjenigen Staat, dessen Hoheitsgewalt die diskriminierende Vorschrift zuzurechnen ist. Er kann sich nicht auf vermeintliche Versäumnisse des anderen am grenzüberschreitenden Verkehr beteiligten Hoheitsträgers berufen. Auch der EuGH hat festgestellt, dass sich beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtige hinsichtlich des Betriebsausgabenabzugs in einer vergleichbaren Situation befinden, soweit Betriebsausgaben unmittelbar mit einer Tätigkeit zusammenhängen, aus der im betreffenden Mitgliedstaat zu versteuernde Einkünfte erzielt werden. Eine Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung sei nicht ersichtlich378. Zwar bezogen sich seine Ausführungen auf die Künstlerbesteuerung; sie sind aber ohne Weiteres auch auf andere Einkünfte beschränkt Steuerpflichtiger übertragbar, die einer Bruttobesteuerung unterliegen379. Das impliziert insbesondere auch eine Abrücken von der in der Rechtsache de Groot geäußerten These, ein Mitgliedstaat dürfe von einer aus Gleichbehandlungsgründen an sich gebotenen Berücksichtigung leistungsfähigkeitsmindernder Faktoren Abstand nehmen, wenn diese bereits in einem anderen Mitgliedstaat berücksichtigt würden380. Jedenfalls wäre eine solche Rechtfertigung entschieden abzulehnen, weil jeder Mitgliedstaat ohne Rücksicht auf das Verhalten des anderen vom grenzüberschreitenden Vorgang betroffenen Mitgliedstaates etwaige von ihm ausgehende steuerliche Diskriminierungen beseitigen muss und auch die Gefahr einer Doppelbegünstigung nicht besteht381. Es kommt für die Verpflichtung zur Einräumung des Erwerbsausgabenabzugs beim Dividendenbezug durch

________________________ 377 K. E. Herkenroth in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 50 EStG (Stand: 378 379 380 381

08/02), Rz. 219, S. E 131. EuGH v. 12.6.2003, Rs. C-234/01 (Gerritse), EWS 2003, S. 330, Rz. 27 ff. E. Burgstaller/W. Loutoka, SWI 2003, S. 244 (248). EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-385/00 (de Groot), IStR 2003, S. 58, Rz. 100. Siehe dazu eingehend im 2. Kap., C.V.3.b.cc.

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

Steuerausländer folglich nicht darauf an, ob deren Wohnsitzstaat bei Auslandsdividenden seinerseits einen Betriebsausgabenabzug gewährt382. Vorbehaltlich eventueller verfahrenstechnischer Erfordernisse gebietet darum auch das Europarecht in Gestalt der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit den vollen Abzug von Beteiligungsaufwendungen bei beschränkt Steuerpflichtigen.

III. Die Gewerbesteuerbelastung von „Streubesitzdividenden“ in Deutschland Eine Besonderheit nur des deutschen Rechts ist die Belastung bestimmter im Betrieb erwirtschafteter Dividendeneinkünfte mit einer zusätzlichen an den Ertrag anknüpfenden Steuer, der Gewerbesteuer. Nach § 8 Nr. 5 GewStG werden die im einkommensteuerlichen Halbeinkünfteverfahren steuerfreien Dividendeneinkünfte, die damit auch nur zur Hälfte in den Gewerbeertrag eingehen, diesem wieder hinzugerechnet. Eine Ausnahme gilt nur für Dividenden aus Beteiligungen, welche den Anforderungen der Nr. 2a bzw. 7 des § 9 GewStG an Haltedauer, Beteiligungsumfang und sonstigen Erfordernissen genügen oder über DBA-Schachtelprivilegien gewerbesteuerfrei sind. In vollem Umfang gewerbesteuerpflichtig sind damit insbesondere Dividenden aus „Streubesitzbeteiligungen“ bei unter 10 % Beteiligungsumfang an der ausschüttenden Kapitalgesellschaft. Andererseits sind die von § 8 Nr. 5 GewStG ausgenommenen Dividendeneinkünfte zur Gänze und nicht lediglich hälftig gewerbesteuerfrei. Es stellt sich die Frage, inwieweit diese Sonderregelungen für die Besteuerung „gewerblicher“ Dividenden mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu vereinbaren sind. Schon eingangs dieses Kapitels wurde herausgestellt, dass die Gewerbesteuer jedenfalls in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung eine Sondersteuer auf den Ertrag darstellt, die am Leistungsfähigkeitsprinzip zu messen ist383. Angesichts dessen bedeutet die zusätzliche Besteuerung von „Streubesitzdividenden“ eine rechtfertigungsbedürftige Sonderbelastung der Erträge gewerblicher Beteiligungen. Eine solche Rechtfertigung kann jedoch nicht gelingen: 1. Zunächst ist die Erhebung der Gewerbesteuer schon insgesamt kaum zu rechtfertigen, solange sie nicht im Grundsatz vollständig auf die Einkommensteuer angerechnet wird. Eine hinreichende Anrechnung gewährleistet ________________________ 382 A. A. ist O. Thömmes, IWB Fach 11, Gruppe 2, S. 547 (551 f.); ders., IWB Fach 11a,

S. 647 (648). 383 Siehe oben I.1.a.

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Die Gewerbesteuerbelastung von „Streubesitzdividenden“ in Deutschland

§ 35 EStG aber selbst bei typisierender Betrachtung noch nicht384. Diese grundlegende Kritik soll und kann im Rahmen dieser Arbeit nicht vertieft begründet werden. Es sei nur kurz angemerkt, dass eine eigenständige, nicht hinreichend kompensierte Gewerbesteuer neben der Einkommensteuer weder unter Äquivalenz- noch unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten zu rechtfertigen ist385. Der Äquivalenzgedanke trägt wie schon erwähnt nicht, weil die Gemeindeleistungen einerseits und der Ertrag des Betriebs als Ausgangspunkt für die Bemessungsgrundlage der Gewerbeertragsteuer andererseits keine Kosten- oder Nutzenäquivalenz erkennen lassen, zumal eine solche über die Gewerbesteuerumlage ohnehin in Frage gestellt würde386. Da den Unternehmenserträgen im Verhältnis zu anderen Einkünften aber auch keine besondere, gesteigerte Leistungsfähigkeit innewohnt, ist eine Doppelbelastung nur der gewerblichen Einkünfte mit Einkommen- und Gewerbesteuer auch mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip nicht kompatibel387. Zwar wird man wohl keine exakte Anrechnung der Gewerbesteuer verlangen müssen, um die gemeindliche Hebesatzautonomie und die damit verbundene Möglichkeit zur Standortpolitik nicht zu unterlaufen; insofern mag eine pau-

________________________ 384 Dazu näher J. Hey, FR 2001, S. 870 (872 f.). 385 Eine Rechtfertigung allein aus der Erwähnung der Gewerbesteuer in der Finanzver-

fassung ableiten zu wollen (vgl. z. B. BVerfG v. 25.10.1977 – 1 BvR 15/75, BverfGE 46, S. 224 (236); BFH v. 18.9.2003 – X R 2/00, BFH/NV 2004, S. 141 (142 f.) m. w. N.), kann nicht überzeugen, da eine bloße Kompetenznorm, und sei sie auch verfassungsrechtlicher Natur, nichts über den Gerechtigkeitsgehalt einer Steuer auszusagen vermag (ausführlich K. Tipke, StRO I, 2. Aufl., S. 300 ff. m. w. N.). Die Annahme eines wie auch immer gearteten Vorrangverhältnisses zwischen Art. 3 I GG und Art. 105 f. GG verbietet sich zwar in der Tat angesichts des Grundsatzes der Einheit der Verfassung. Indes bedarf es dessen auch nicht, wenn man die Grundrechte zutreffend als Maßstab für den Gerechtigkeitsgehalt einer Steuer heranzieht und die Aussage der Kompetenznormen sachangemessen (nur) darin sieht, welcher Körperschaft Gesetzgebungs- und Ertragshoheit für die – nach dem jeweiligen Stand gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Entwicklung – als gerecht zu beurteilenden Steuern zukommen soll. 386 Es sei hier nur verwiesen auf die fundierte Kritik von K. Tipke, StRO II, S. 830 bis 838, die hervorragende Entscheidungsbegründung im Beschluss des Nds. FG v. 24.6.1998 – IV 317/91, FR 1998, S. 1041 (1048) sowie auf die Feststellungen im Gutachten der Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des BMF Heft 17, Teil VIII (GemSt), Rz. 144 ff. 387 Siehe dazu R. Wendt, FR 1993, S. 1 (7). Insofern besteht ein Unterschied zur Erhebung der Gewerbesteuer neben der Körperschaftsteuer bei Kapitalgesellschaften: Da bei diesen wegen § 8 Abs. 2 KStG alle Einkünfte als gewerblich gelten, kann eine Ungleichbehandlung zwischen originär gewerblich tätigen und anderen Steuersubjekten nicht eintreten.

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

schale Anrechnung der exakten Kompensation sogar überlegen sein388. Indes hängt gegenwärtig das Ausmaß der Kompensation der Gewerbesteuerbelastung durch § 35 EStG nicht nur vom gemeindlichen Gewerbesteuerhebesatz, sondern in hohem Maße auch vom persönlichen Einkommensteuersatz sowie von weiteren Faktoren ab389. Die dadurch induzierten Abweichungen von der an sich gebotenen Entlastung sind nicht nur sachwidrig, sie wären auch vermeidbar und sind somit unverhältnismäßig, folglich auch unter Typisierungsgesichtspunkten nicht mehr zu rechtfertigen390. 2. Doch selbst wenn man die Gewerbesteuer als solche nicht in Frage stellen wollte, verstößt die gewerbesteuerliche Erfassung der „Streubesitzdividenden“ im Sinne von § 8 Nr. 5 GewStG gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG und das darin enthaltene Gebot der Folgerichtigkeit leistungsfähigkeitsgerechter Besteuerung. Da die Gewerbesteuer inzwischen zu einer Sondersteuer auf den Ertrag mutiert ist, darf sie die darin verkörperte Leistungsfähigkeit nach den allgemeinen Grundsätzen nur einmal erfassen. Tatsächlich kommt es durch die Besteuerung des Gewinns aus einer Streubesitzbeteiligung sowohl bei der ausschüttenden Gesellschaft als auch beim dividendenberechtigten Betrieb zu einer prinzipiell unzulässigen Doppelbelastung391. Bei gewerblichen Personengesellschaften, deren Betrieb Gewer________________________ 388 Darauf weist H. Pasch, DB 1993, S. 2293 (2298) m. E. zu Recht hin; gl. A. sind

J. Hey, FR 2001, S. 870 (878); R. Seer, StbJb 2000/01, S. 15 (29 f.); H.-H. Krebühl in: FS Fischer, S. 137 (146). A. A. sind R. Wendt, FR 1993, S. 1 (7 f.) und M. Jachmann, DStJG 25, S. 195 (224 f.); dies., Steuergesetzgebung, S. 113; dies., BB 2000, S. 1432 (1435), welche einen unauflösbaren Konflikt mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an hinreichende Typisierungsgerechtigkeit sehen, käme es hebesatzabhängig zu erheblichen Über- oder Unterkompensationen. Dazu ist zu bemerken, dass diese hebesatzbedingten Unterschiede wegen der Ungleichbehandlung im Verhältnis zu den anderen Einkunftsarten wohl nicht schon infolge der verfassungsrechtlich akzeptierten Gemeindeautonomie und der dadurch bedingten territorialen Abschottung der Ausübung von Steuersetzungsgewalt gegenüber dem Gleichheitssatz bzw. dem Leistungsfähigkeitsprinzip immunisiert wären (so aber wohl J. Hey, FR 2001, S. 870 (878). Als erkennbarer Bestandteil gemeindlicher Ansiedlungspolitik dürften sie aber als staatliche Lenkungsmaßnahme jedenfalls in moderatem Rahmen, d. h. bei Festlegung von Mindest- und Höchstsätzen, hinreichend gerechtfertigt sein (a. A. M. Jachmann a. a. O.). Gegen eine volle Anrechnung spricht sich schließlich auch E. Bahrs aus, weil dies den Charakter der Gewerbesteuer als objektiver Betriebssteuer in Frage stellen und ihr den Charakter einer Vorauszahlung auf die Einkommensteuer geben würde (KStZ 2001, S. 81). Indes könnte die Gewerbesteuer unter Leistungsfähigkeitsaspekten überhaupt nur insoweit als objektive Betriebssteuer gerechtfertigt werden, als sie nur einbehaltene Gewinne erfassen würde. 389 Näher M. Jachmann, DStJG 25, S. 195 (226 ff.); J. Hey, FR 2001, S. 870 (872 ff.). 390 Kritisch W. Reiß, StuW 2000, S. 399 (412); J. Hey, FR 2001, S. 870 (875). 391 P. Bareis, BB 2003, S. 2315 (2321); T. Töben, FR 2002, S. 361 (362 f.); ähnlich Lenski/Steinberg, GewStG, § 9 Nr. 2a (Stand: 06/03), Rz. 11.

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Die Gewerbesteuerbelastung von „Streubesitzdividenden“ in Deutschland

besteuerobjekt ist und die nach § 5 Abs. 1 S. 3 GewStG selbst Gewerbesteuerschuldner sind, wird eine Doppelbelastung durch die Kürzung der Gewinnanteile der Gesellschafter nach § 9 Nr. 2 GewStG vermieden. Konsequenterweise hätte eine solche Freistellung auch für Gewinnanteile von Kapitalgesellschaften vorgesehen werden müssen, denn auch hier wird Leistungsfähigkeit lediglich von einer Besteuerungsebene auf eine andere transferiert. Die gewerbesteuerliche Doppelbelastung über § 8 Nr. 5 GewStG ist auch nicht durch den gelegentlich angeführten Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer gerechtfertigt392. Allerdings knüpft die Gewerbesteuer an den Betrieb als Steuergegenstand und nicht an die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betriebsinhabers an, weshalb sie von ihrem ursprünglichen Gedanken her Gewerbeertrag und Gewerbekapital ohne Rücksicht auf die persönlichen Umstände und Beziehungen des Betriebsinhabers zum Betrieb erfassen sollte393. Dieser auf das Äquivalenzprinzip zurückzuführende Charakter der Gewerbesteuer394 ist ohnehin nie in Reinform verwirklicht worden395. Unter den gewandelten rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen, die eine äquivalenztheoretische Rechtfertigung der Gewerbesteuer nicht mehr erlauben, kann die Gewerbesteuer in verfassungsrechtlich zulässiger Weise nur noch insoweit Objektsteuer sein, als dass sie lediglich an die im betrieblichen Ertrag verkörperte objektive Leistungsfähigkeit anknüpft396. Damit ist eine gewerbesteuerliche Doppelbelastung von Gewinnen aber gerade nicht zu vereinbaren. Davon abgesehen wäre eine vollständige Kürzung bzw. Frei________________________ 392 So aber der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Entwurf des UntStFG, BT-Drs.

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14/7084, S. 4. Die Bundesregierung hat sich in ihrer Gegenäußerung ablehnend eingelassen, a. a. O., S. 8. Kritisch auch U. Prinz/S. Simon, DStR 2002, S. 149 (150); T. Töben, FR 2002, S. 361 (363). BVerfG v. 25.10.1977 – 1 BvR 15/75, BVerfGE 46, S. 224 (237); v. 13.5.1969 – 1 BvR 25/65, BStBl. II 1969, S. 424 (426); BFH v. 24.10.1990 – X R 64/89, BStBl. II 1991, S. 358 (359); G. Güroff in: Glanegger/Güroff, GewStG, 5. Aufl., § 1 Rz. 14; Lenski/Steinberg, GewStG, § 1 (Stand: 11/88), Rz. 5; D. v. Twickel in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 7 GewStG (Stand: 10/02), Rz. 22. Zur historischen Fundierung des Objektsteuergedankens im Äquivalenzprinzip vgl. BVerfG v. 13.5.1969 – 1 BvR 25/65 –, BStBl. II 1969, S. 424 (426). Ähnlich auch H. Schnädter, Wertungen des Gewerbesteuerrechts, S. 264, der wegen der zahlreichen Durchbrechungen allerdings nicht von einem Objektsteuerprinzip sprechen will. Das Verständnis des Objektsteuerprinzips als eines Subprinzips des Äquivalenzgedankens entsprach auch der Vorstellung des historischen Gesetzgebers bei Verabschiedung des Gewerbesteuerrahmengesetzes vom 1.12.1930, vgl. RT-Drs. 4/568, S. 62. Vgl. BFH v. 24.10.1990 – X R 64/89 –, BStBl. II 1991, S. 358 (359 f.). Auch das BVerfG erachtete schon 1977 das Objektsteuerprinzip für nicht mehr aus dem Äquivalenzprinzip ableitbar, gab freilich auch keine andere Begründung für seine – vermeintliche – Fortgeltung, vgl. BVerfG v. 25.10.1977 – 1 BvR 15/75 –, BVerfGE 46, S. 224 (236 f.).

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

stellung von Dividenden entsprechend dem Vorbild des § 9 Nr. 2 GewStG gerade unabhängig von der Rechtsform und persönlichen Verhältnissen des Betriebsinhabers zu gewähren, so dass bei sachgerechter Ausgestaltung ohnehin kein Konflikt mit dem Objektsteuerprinzip entstanden wäre397. Die Hinzurechnungsnorm des § 8 Nr. 5 GewStG verstößt gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip. Will der Gesetzgeber an der Gewerbesteuer festhalten398, so muss er nicht nur die Anrechnung auf die Einkommensteuer optimieren, sondern § 8 Nr. 5 GewStG abschaffen und die Kürzung des Gewerbeertrages nach § 9 Nr. 2a GewStG auf alle Gewinnanteile unabhängig von Haltedauer und Beteiligungsumfang erstrecken.

IV. Der Quellensteuerabzug 1.

Die Sicherungswirkung im Binnensachverhalt

Bevor auf die Spezifika grenzüberschreitender Dividendenausschüttungen eingegangen wird, soll in einem ersten Schritt untersucht werden, ob der Einbehalt von Quellensteuern bei Kapitalerträgen nicht schon als solcher, d. h. insbesondere auch im reinen Binnensachverhalt, verfassungsrechtliche Probleme aufwirft. a) Die deutsche Kapitalertragsteuer (1) Der deutsche Quellenabzug stellt eine besondere Erhebungsform der Einkommensteuer auf Dividendeneinkünfte dar. Er wird bei Ausschüttungen unbeschränkt steuerpflichtiger Körperschaften an unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner bei deren Einkommensteuerveranlagung quasi als Vorauszahlung auf die Steuerschuld berücksichtigt. Ihm kommt im Binnensachverhalt darum vor allem die Funktion als Instrument zur Sicherung des Steueranspruchs zu399. Zwar ist diese besondere Erhebungsform für den Abzugsverpflichteten mit erhöhtem Verwaltungsaufwand und für den Steuerpflichtigen mit Zins- und Liquiditätsnachteilen verbunden400. Angesichts der gravierenden Erhebungsdefizite, die sonst bei der Besteuerung an natürliche Personen ausgeschütteter Dividenden drohen, ist ein Quellenabzug aber im ________________________ 397 So auch M. Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 329. 398 Das Beharrungsvermögen der Gewerbesteuer hat sich zuletzt am Scheitern der Re-

formbestrebungen gezeigt, die Gewerbesteuer unter Einbeziehung der Freiberufler zu einer „Gemeindewirtschaftsteuer“ auszubauen, vgl. den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform der Gewerbesteuer, BR-Drs. 561/03. 399 Vgl. C. Goez, Quellenbesteuerung, S. 124 f. 400 Vgl. C. Goez, Quellenbesteuerung, S. 126 ff.; J. Hey in: FS Kruse, S. 269 (281); W. Drenseck, StuW 2000, S. 452 (454).

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Der Quellensteuerabzug

Grundsatz trotz der damit verbundenen Nachteile verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden401. (2) Seine konkrete Ausgestaltung seit Einführung des Halbeinkünfteverfahrens weist allerdings eine Besonderheit auf, die verfassungsrechtlich angreifbar ist: Die Kapitalertragsteuer bemisst sich nämlich gemäß § 43 Abs. 1 S. 3 EStG nach der ungekürzten Bruttodividende, obwohl diese später in der Veranlagung zur Hälfte einkommensteuerfrei gestellt wird. Dies führt zu einer Übersicherung im Zeitpunkt des Quellensteuerabzugs, die auch nicht durch die spätere Anrechnung bzw. Erstattung der gesamten einbehaltenen Kapitalertragsteuer gem. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG wieder kompensiert werden kann402. Wie schon gesagt bedeutet der Quellensteuerabzug bei Dividendeneinkünften gegenüber nicht quellensteuerpflichtigen Einkünften eine Schlechterstellung durch die damit verbundenen Zins- und Liquiditätsnachteile, die vor dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nur gerechtfertigt werden kann, soweit bei diesen Einkünften ein besonderes fiskalisches Sicherungsbedürfnis besteht. Dieses Bedürfnis hat sich dabei grundsätzlich an der in der Veranlagung zu erwartenden Steuerschuld auszurichten403. Dem Gesetzgeber ist zwar insoweit ein Einschätzungsspielraum zuzugestehen; er darf bei der Bemessung der Höhe der Sicherung typisierende Annahmen treffen. Dies gilt umso mehr, als dass der abzugsverpflichteten Kapitalgesellschaft komplizierte Berechnungen unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse des Anteilseigners oft nicht möglich und jedenfalls regelmäßig nicht zumutbar sind404. Auch wird man angesichts der Notwendigkeit, der Steuerhinterziehung effektiv vorzubeugen, einen großzügigen Maßstab anzulegen haben. Eine Grenze ist in Anlehnung an die allgemeinen Grundsätzen für typisierende, die Einzelfallgerechtigkeit beeinträchtigende Regelungen aber jedenfals dort zu ziehen, wo die Bemessung des Quellensteuerabzug die Ausnahme zum Regelfall erhebt405. Ein Quellensteuersatz von 20 % auf die Bruttodividende korrespondiert mit einem durchschnittlichen Einkommensteuersatz von mindestens 40 % im ________________________ 401 Vgl. BVerfG v. 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89 –, BVerfGE 84, S. 239 (282 f.) zur

402 403 404 405

Quellenbesteuerung von Zinsen; ähnlich C. Goez, Quellenbesteuerung, S. 181 f.; vgl. auch D. Birk/E. Kulosa, FR 1999, S. 433 (434). Im Übrigen würde eine eingehende Diskussion des Quellenbesteuerungsverfahrens als solchem den Rahmen dieser Dissertation sprengen; insoweit kann auf die Arbeiten von C. Goez, a. a. O., und J. Hey in: FS Kruse, S. 269 ff. verwiesen werden. So auch J. Hey in: FS Kruse, S. 269 (282). J. Hey in: FS Kruse, S. 269 (281). Vgl. auch C. Goez, Quellenbesteuerung, S. 158 f. Siehe 2. Kap., A.I.2.b.bb.

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

späteren Veranlagungsverfahren, weil dort die Dividende nur hälftig in die Bemessungsgrundlage eingestellt wird406. Tatsächlich sind in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem Dividendenbezug regelmäßig auch Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben entstanden, die in der Veranlagung nach § 3c Abs. 2 EStG immerhin hälftig abgezogen werden können. Eine Belastung von 20 % der vollen Bruttodividende würde in der späteren Einkommensteuerveranlagung darum typischerweise erst bei einem noch deutlich über 40 % liegenden durchschnittlichen Einkommensteuersatz erreicht407. Erst recht gilt dies, wenn man berücksichtigt, dass auch der mit der Kapitalertragsteuer abgezogene Solidaritätszuschlag auf Basis der Bruttodividende und nicht wie bei der späteren Veranlagung auf Basis der hälftigen Nettodividende erhoben wird, also ebenfalls überhöht ist408. Eine Durchschnittsbelastung von klar über 40 % trifft aber schon gegenwärtig nur eine kleine Gruppe von Spitzenverdienern, die weite Teile ihres Einkommens nach dem Spitzensteuersatz versteuern und die nicht die Mehrheit der Dividendenempfänger repräsentieren409. Von 2005 an wird diese Durchschnittsbelastung infolge der Senkung des Spitzensteuersatzes zudem überhaupt nicht mehr anzutreffen sein. Gemessen an dem – ohnehin überhöhten410 – materiellen Steueranspruch nach dem Halbeinkünfteverfahren bewirkt die gegenwärtige Kapitalertragsteuer also regelmäßig eine Übersicherung des Fiskus411. Sie führt damit zu einer unverhältnismäßigen, weil in diesem Ausmaß nicht erforderlichen Benachteiligung von Dividendeneinkünften gegenüber anderen Einkunftsarten. b) Parallelen des spanischen Quellensteuerabzugs Das spanische System des Quellensteuerabzugs weist weitgehende Parallelen mit der deutschen Kapitalertragsteuer auf. Eine Vorbildwirkung kann es damit nicht entfalten: ________________________ 406 Vgl. auch T. H. Fock, RIW 2001, S. 108 (111). 407 Beispielsweise würde bei Verwaltungs- und Finanzierungskosten von nur 5 % der

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Bruttodividende eine Belastung mit Einkommensteuer entsprechend 20 % der Bruttodividende im Halbeinkünfteverfahren erst ab einem durchschnittlichen Einkommensteuersatz von ca. 42,1 % eintreten, der ab 2005 gar nicht mehr erreichbar ist. Im Beispiel aus der vorherigen Fußnote ergibt sich unter Berücksichtigung des Solidaritätszuschlags eine Quellensteuerbelastung von 21,1 %; dem entspricht bei 5 % Erwerbsaufwendungen ein durchschnittlicher Einkommensteuersatz von 44,4 %. Diese Zusammenhänge werden von M. Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 131 f., nicht berücksichtigt, der eine Kapitalertragsteuer von 20 % darum für „folgerichtig“ hält. Vgl. die empirischen Daten bei J. Hey in: FS Kruse, S. 269 (282, Fn. 79). Dazu oben unter I.2.d.aa. Im Ergebnis gl. A. J. Hey in: FS Kruse, S. 269 (282); ähnlich R. Eckert, IStR 2003, S. 406 (409).

Der Quellensteuerabzug

An inländische Anteilseigner ausgeschüttete Dividenden werden mit Quellensteuer in Höhe von 18 % der Bruttodividende belastet. Bei einer vom spanischen Gesetzgeber typisierend unterstellten körperschaftsteuerlichen Vorbelastung von 28,57 % führt dies zu einer kumulierten Steuerlast von 41,44 % auf die ausgeschütteten Unternehmenserträge. Die Vorbelastung ist dabei wegen der Gewährung eines entsprechenden Anrechnungsguthabens in der späteren Veranlagung mit in den Belastungsvergleich einzustellen. Bei einem Spitzensteuersatz von 45 % wird eine solche Durchschnittsbelastung mit Einkommensteuer bei Veranlagung dann aber kaum je erreicht werden412. Unter Berücksichtigung von Erwerbsaufwendungen, die allerdings nach spanischem Recht nur sehr eingeschränkt abziehbar sind, wird regelmäßig eine Übersicherung des Fiskus eintreten, wie sie auch im deutschen Recht beobachtet werden kann. Vereinzelt wird diese Übersicherung in der spanischen Literatur allerdings unter dem Gesichtspunkt der Bekämpfung der Steuerhinterziehung als gerechtfertigt angesehen413. Das kann aber jedenfalls insofern nicht überzeugen, als dass ein aus diesen Gründen überhöhter Quellensteuereinbehalt ohne Möglichkeit für den Steuerpflichtigen, seinen geringeren individuellen Steuersatz nachzuweisen, als unverhältnismäßig erscheint. Selbst wenn man im Hinblick auf diesen Zweck einer hohen Quellensteuer den Vorzug gegenüber einem System von Kontrollmitteilungen einräumt – insofern mag dem Gesetzgeber tatsächlich eine Abwägungsprärogative zukommen –, so muss sie dann doch im Einzelfall auf das angemessene Maß reduziert werden können. Die technischen Voraussetzungen dafür dürfen im Informationszeitalter als gegeben angesehen werden414. c) Folgerungen für das Kombinationsmodell Für das hier als Alternative zum Halbeinkünfteverfahren vorgeschlagene Kombinationsmodell wäre bei Anwendung dieser Maßstäbe unter den gegenwärtigen Steuersatzverhältnissen von einem Quellensteuerabzug abzusehen. Angesichts der Tatsache, dass eine pauschal unterstellte effektive Dividendenvorbelastung von ca. 37 % bereits in der Nähe des einkommensteuerlichen Spitzensatzes liegt und das Kombinationsmodell eine Ausrichtung der Gesamtbelastung am Einkommensteuertarif gewährleisten soll, würde auch eine nur geringfügige zusätzliche Quellensteuer zu einer Übersiche________________________ 412 C. de Pablo Varona, La tributación del socio, S. 439. 413 C. de Pablo Varona, La tributación del socio, S. 439. 414 Der Kölner Entwurf eines Einkommensteuergesetzes von J. Lang u. a. sieht in § 45

konsequenterweise individuelle Abzugsbescheinigungen vor, aufgrund derer der allgemeine Quellensteuersatz im Einzelfall zu modifizieren ist. Auch M. Lucas Durán, Dividendos internacionales, S. 322, hält (im Kontext der spanischen Besteuerung nichtansässiger Dividendenbezieher) eine solche Vorgehensweise für vorzugswürdig.

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

rung des nationalen Fiskus führen. Denn eine durchschnittliche Belastung der Dividendeneinkünfte von 37 % würde selbst ohne Berücksichtigung von Erwerbsaufwendungen nur von einer relativ kleinen Gruppe der Bezieher hoher Einkommen erreicht werden. Da im Kombinationsmodell Erwerbsaufwendungen des Anteilseigners außerdem voll abziehbar sind, wird sich bei Veranlagung eine Einkommensteuerbelastung von über 37 %, bezogen auf den ausgeschütteten Unternehmensgewinn, nur ausnahmsweise ergeben. Dieser Ausnahmefall dürfte aber nicht über eine Bruttoquellenbesteuerung, und sei sie noch so moderat, zum Regelfall erhoben werden. Die Einführung einer Quellensteuer wäre im Kombinationsmodell erst dann gerechtfertigt, wenn die Dividendenvorbelastung in Zukunft den Einkommensteuerspitzensatz wesentlich deutlicher als bisher unterschreiten sollte. Selbst dann wäre aber unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit der Regelung zu erwägen, dem Dividendenbezieher die Möglichkeit einzuräumen, den Quellensteuersatz etwa durch eine Steuerabzugsbescheinigung415 seinen individuellen Verhältnissen anzupassen.

2. Keine Veranlagung von beschränkt Steuerpflichtigen a) Die Abgeltungswirkung der deutschen Kapitalertragsteuer Bei Steuerausländern gilt die Einkommensteuer auf Dividendeneinkünfte durch den Kapitalertragsteuerabzug als abgegolten, § 50 Abs. 5 S. 1 EStG. Etwas anderes gilt nur, wenn die Einkünfte Betriebseinnahmen eines inländischen Betriebes sind. Hält also der ausländische Anteilseigner die dividendenvermittelnde Beteiligung im Privatvermögen oder zwar im Betriebsvermögen, aber nicht in dem eines inländischen Betriebes, so werden seine Dividendeneinkünfte nicht mehr veranlagt. Weder kommt er in den Genuss des Halbeinkünfteverfahrens, noch werden seine Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben steuermindernd berücksichtigt. Auch seine persönlichen Verhältnisse finden keinen Eingang in die Bemessung der Steuerbelastung. Statt dessen tritt zu der Vorbelastung mit Körperschaft- und Gewerbesteuer eine definitive Quellensteuer von 20 % der Bruttodividende nebst Solidaritätszuschlag hinzu; diese Quellensteuerbelastung reduziert sich bei Bestehen eines DBA regelmäßig auf 15 %. aa) Vereinbarkeit mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip Beschränkt Steuerpflichtige mit Dividendeneinkünften, die nicht über einen inländischen Betrieb bezogen werden, erfahren zunächst im Verhältnis zu unbeschränkt Steuerpflichtigen eine ungleiche Behandlung. Sie werden darüber hinaus auch im Vergleich mit anderen beschränkt Steuerpflichtigen, de________________________ 415 So § 45 des Kölner Entwurfs von J. Lang u. a.

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Der Quellensteuerabzug

ren inländische Einkünfte veranlagt werden, ungleich besteuert. Das trifft insbesondere im Hinblick auf Steuerausländer zu, welche die dividendenberechtigende Beteiligung in einem inländischen Betrieb halten. Diese Unterschiede erscheinen mit Blick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, auf den sich auch beschränkt Steuerpflichtige berufen können416, bedenklich. Sollte sich erweisen, dass die Dividendeneinkünfte unabhängig von der Person des Empfängers vergleichbare objektive Leistungsfähigkeit vermitteln und auch ein einheitlicher Vergleichsmaßstab subjektiver Leistungsfähigkeit besteht, so bedürften die Differenzierungen einer besonderen Rechtfertigung. (i) Ungleichbehandlung trotz vergleichbarer Situation Es kommt damit zunächst entscheidend darauf an, ob und gegebenenfalls inwieweit sich unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtige einerseits, veranlagte und nicht veranlagte beschränkt Steuerpflichtige andererseits in einer vergleichbaren Situation befinden. (1) Persönliche Verhältnisse Die abgeltende Wirkung der Kapitalertragsteuer nach § 50 Abs. 5 S. 1 EStG führt dazu, dass sich bei den davon betroffenen Dividendenbezieher solche persönliche Umstände nicht steuermindernd auswirken können, die bei veranlagten Steuerpflichtigen als Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen Berücksichtigung finden. Nicht veranlagte Steuerausländer kommen darüber hinaus nicht in den Genuss des Grundfreibetrages, der bei den übrigen Steuerpflichtigen die Freistellung des Existenzminimums gewährleistet, oder des Ehegattensplittings. Das bedeutet, dass bei ihnen das subjektive Nettoprinzip keine Anwendung findet. Tatsächlich ist dessen Beachtung aber zumindest im Verhältnis zu unbeschränkt Steuerpflichtigen auch nicht in vergleichbarer Weise verfassungsrechtlich geboten. Denn während letztere mit ihrem gesamten, weltweit erzielten Einkommen steuerpflichtig sind, werden bei beschränkt Steuerpflichtigen im Quellenstaat nur ganz bestimmte inländische Einkünfte einkommensteuerlich erfasst. Dem subjektiven Nettoprinzip unterfallende zwangsläufige Privataufwendungen sind aber in hohem Maße personenbezogen und stellen darum grundsätzlich auf die Gesamtleistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ab417. Art. 3 Abs. 1 GG zwingt nicht dazu, sie auch im Zusammenhang mit einzelnen Einkunftsarten zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber darf sich auf den Standpunkt stellen, dass die Verantwortung für ihre steuerliche Beachtung bei demjenigen Hoheitsträger liegt, der völkerrecht________________________ 416 Siehe dazu 2. Kap., A.I.2.a.dd. 417 J. Hey, IWB Fach 3, Gruppe 1, S. 2003 (2014); H. Schaumburg, Internationales

Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 5.138.

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lich wie auch der internationalen Besteuerungspraxis entsprechend zur Erfassung der Gesamtleistungsfähigkeit berechtigt ist, das heißt beim Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen418. Denn er kann steuerlich Zugriff auf die gesamten, weltweit erzielten Vermögenszuwächse nehmen. Der Quellenstaat, in dem der Dividendenbezieher lediglich beschränkt steuerpflichtig ist, muss darum grundsätzlich keine Verantwortung für die Berücksichtigung persönlicher Abzüge übernehmen419; dies obliegt ihm nur hinsichtlich der ansässigen, unbeschränkt Steuerpflichtigen. Sind die Quelleneinkünfte im Wohnsitzstaat steuerlich freigestellt, kann es sogar zu einer Doppelberücksichtigung dem subjektiven Nettoprinzip unterfallender Umstände kommen, was bei der gebotenen überstaatlichen Beurteilung420 mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip nicht vereinbar wäre421. Das mit der Abgeltungswirkung verbundene Abgehen vom subjektiven Nettoprinzip bedeutet darum im Vergleich zur steuerlichen Behandlung von Ansässigen keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG422. Im Verhältnis zu beschränkt Steuerpflichtigen, deren Einkünfte veranlagt werden, liegt hinsichtlich der steuerlichen Berücksichtigung persönlicher Umstände schon keine Ungleichbehandlung vor. Denn auch diese können ________________________ 418 BFH v. 20.4.1988 – I R 219/82, BStBl. II 1990, S. 701 (704); M. Engelschalk, Die

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Besteuerung von Steuerausländern, S. 79; E. Wied in: Blümich, EStG/KStG/GewSt, § 50 EStG (Stand: 08/01), Rz. 14; ähnlich schon BVerfG v. 24.9.1965 – 1 BvR 228/65, BVerfGE 19, S. 119 (124). BVerfG v. 12.10.1976 – 1 BvR 2328/73, BVerfGE 43, S. 1 (10). Ob dies auch dann gilt, wenn der Nichtansässige ausnahmsweise sein gesamtes oder nahezu gesamtes Einkommen im Quellenstaat erzielt und dieses infolge DBA im Wohnsitzstaat freizustellen ist, so dass im Wohnsitzstaat gewährte persönliche Abzüge ins Leere gehen, kann hier dahinstehen (bejahend z. B. BFH v. 20.4.1988 – I R 219/82 –, BStBl. II 1990, S. 701 (704 f.); ähnlich BVerfG a. a. O.) Zum einen hat der Wohnsitzstaat bei Dividendeneinkünften regelmäßig ein noch hinreichendes Besteuerungsrecht, vgl. Art. 10 OECD-MA, zum anderen sieht § 1 III EStG für diese Fälle die Option zur unbeschränkten Steuerpflicht vor. Siehe dazu 2. Kap., A.II.5. So auch H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 5.138. Ohne dass dies hier eingehend untersucht werden könnte, scheint darum ein Mindeststeuersatz für beschränkt Steuerpflichtige, wie in gegenwärtig § 50 Abs. 3 S. 2 EStG vorsieht, jedenfalls dann mit verfassungsrechtlichen und auch europarechtlichen Vorgaben vereinbar, wenn er den Eingangssteuersatz des Einkommensteuertarifs oberhalb der Nullzone nicht überschreitet. Er führt dann nämlich im Ergebnis nur zur Nichtanwendung des Grundfreibetrags, welcher das persönliche Existenzminimum berücksichtigt. Vgl. dazu näher K. E. Herkenroth in: Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG/KStG, § 50 EStG (Stand: 08/02), Rz. 172 f. sowie die Schlussanträge des Generalanwalts Léger in der Rs. C-234/01 (Gerritse), IStR 2003, S. 269, Rz. 21 ff.

Der Quellensteuerabzug

nach § 50 Abs. 1 S. 4 EStG keine Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen geltend machen, und die – vom EuGH im Grundsatz gebilligte423 – Mindestbesteuerung nach § 50 Abs. 3 S. 2 verhindert die Inanspruchnahme des Grundfreibetrags. Das Ehegattensplitting nach § 26 Abs. 1 EStG setzt ohnehin die unbeschränkte Steuerpflicht ausdrücklich voraus. Eine eng umgrenzte Ausnahme gilt lediglich für nichtansässige Arbeitnehmer, die keinem Lohnsteuerabzug unterliegen oder nach § 50 Abs. 5 S. 2 Nr. 2 EStG für die Veranlagung optieren können; sie können die Sonderausgabenpauschalen des § 10c EStG geltend machen und unterliegen keiner Mindestbesteuerung, § 50 Abs. 1 S. 5, Abs. 3 S. 2, 2. Hs. EStG. Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass die Bezieher von Dividendeneinkünften eine gleichermaßen günstige Behandlung erfahren müssten. Nach dem Vorgesagten stellen diese Vorschriften vielmehr eine ungerechtfertigte Privilegierung der betreffenden Arbeitnehmer dar424. (2) Erwerbsaufwendungen Durch die Abgeltungswirkung wird aber auch das objektive Nettoprinzip für die davon betroffenen beschränkt Steuerpflichtigen suspendiert. Die abgeltende Kapitalertragsteuer bemisst sich nach der Bruttodividende. Sie führt damit zu einer Bruttobesteuerung unabhängig von etwaigen Werbungskosten oder Betriebsausgaben des Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit dem Dividendenbezug. Es wurde bereits dargelegt, dass beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtige im Hinblick auf den Abzug von einkünftebezogenen Erwerbsaufwendungen anders als bei persönlichen Abzügen grundsätzlich miteinander vergleichbar sind425. Vor allem im älteren Schrifttum und in einer frühen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird allerdings unter anderem gerade aus der abgeltenden Abzugsbesteuerung gefolgert, die beschränkte Steuerpflicht weise objektsteuerartige Bezüge auf. Sie sei darum auch hinsichtlich des Abzugs von Erwerbsaufwendungen letztlich doch nicht mit der Steuerpflicht von ________________________ 423 EuGH v. 12.6.2003, Rs. C-234/01 (Gerritse), EWS 2003, S. 330, Rz. 55. Der dem

Verfahren zugeordnete Generalanwalt Léger hatte in seinen Schlussanträgen ebenfalls keinen Verstoß gegen die Grundfreiheiten oder sonstige Vorschriften des EGV feststellen können, vgl. IStR 2003, S. 269 (270 f.). 424 Verfassungsrechtliche Bedenken äußert auch K. E. Herkenroth in: Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG/KStG, § 50 EStG (Stand: 08/02), Rz. 82. Er hält allerdings ebenso wie E. Wied in: Blümich, EStG/KStG/GewSt, § 50 (Stand: 08/01), Rz. 33 die Abziehbarkeit der Vorsorgepauschale für berechtigt, weil das Arbeitsentgelt regelmäßig mit Sozialversicherungsbeiträgen belastet sei. Hierin könnte ein rechtfertigender Grund für die Differenzierung liegen, was allerdings fraglich erscheint, soweit auch dieser Umstand im Wohnsitzstaat berücksichtigt werden könnte und müsste. 425 Siehe 2. Kap., C.V.3.b.aa.

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Ansässigen zu vergleichen426. Überzeugen kann diese Argumentation indes nicht; sie ist darum auch zu Recht in der jüngeren wissenschaftlichen Diskussion nicht mehr anzutreffen. Nicht nur ist sie in gewisser Hinsicht zirkelschlüssig, wenn sie aus dem vermeintlich objektsteuerartigen Charakter der beschränkten Steuerpflicht solche Differenzierungen rechtfertigt, die diesen Charakter erst begründen sollen427. Sie übersieht vor allem auch, dass Erwerbsaufwendungen in einem objektiven Verhältnis zu den steuerbaren Einnahmen stehen, indem sie maßgeblich durch deren Erzielung veranlasst werden. Selbst wenn man der Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger im Hinblick auf die fehlende Einbeziehung persönlicher Umstände eine stärker objektivierte Ausprägung zuerkennt, so steht dies folglich dem Abzug von Werbungskosten oder Betriebsausgaben nicht entgegen428. Die abgeltende Wirkung der Kapitalertragsteuer bedeutet darum insoweit einen rechtfertigungsbedürftigen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, als sie dem beschränkt Steuerpflichtigen den Abzug von Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben abschneidet429. Sie führt wie schon geschildert auch zu einer Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der beschränkt Steuerpflichtigen, denen je nach Art und Modalitäten der erzielten Einkünfte eine auf Nettobasis durchgeführte Veranlagung offen steht oder aber, wie bei der Erhebung einer abgeltenden Kapitalertragsteuer, verwehrt wird. T. Menck hat es unternommen, diese Unterschiede mit verschiedenen Ausprägungen von Territorialität bei der beschränkten Steuerpflicht zu erklären: Die Sachverhalte seien nicht vergleichbar, weil bei veranlagten Einkünften typischerweise die Quelle der Einkünfte in das inländische Staatsgebiet eingegliedert sei, d. h. auch die Erwerbsaufwendungen dort anfielen. Demgegenüber erfassten die Abgeltungssteuern Einkünfte, bei denen das inländische Territorium üblicherweise lediglich die Quelle der Einnahmen bildete430. Tatsächlich haben diese Überlegungen aber nicht nur bei der Ausgestaltung der Abgeltungswirkung durch den deutschen Gesetzgeber soweit ersichtlich ________________________ 426 BVerfG v. 24.9.1965 – 1 BvR 228/65, BVerfGE 19, S. 119 (124); H. Debatin, BB

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1960, S. 1015 (1016); ähnlich, wenngleich abgeschwächt ders., FR 1969, S. 277 (279). Vgl. zum Schrifttum vor Geltung des Grundgesetzes die Nachweise bei M. Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern, S. 83. Kritisch dazu J. M. Mössner in: Die beschränkte Steuerpflicht, S. 110 (121). Gl. A. M. Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern, S. 84 f. So auch FG Hamburg v. 4.3.1997 – II 95/94, IStR 1997, S. 342 (344); J. Hey, IWB Fach 3, Gruppe 1, S. 2003 (2014); dies. in: FS Kruse, S. 269 (281); H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 5.132. T. Menck in: Engelschalk/Flick, Steuern auf ausländische Einkünfte, S. 29 (32).

Der Quellensteuerabzug

keine Rolle gespielt431. Sie lassen sich darüber hinaus entgegen der Auffassung Mencks auch nicht aus der Systematik der beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte ableiten: Das lässt sich insbesondere an der Unterscheidung zwischen lohnsteuerpflichtigen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit einerseits und Einkünften aus selbständiger Arbeit andererseits demonstrieren: Erstere unterliegen anders als die letztgenannten regelmäßig einer abgeltenden Bruttobesteuerung, § 50 Abs. 5 S. 1 EStG, ohne dass hier selbst bei typisierender Betrachtungsweise Anhaltspunkte dafür bestünden, dass dem Steuerpflichtigen Aufwendungen primär in seinem Wohnsitzstaat entstünden. Das läge vielmehr umgekehrt eher bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit nahe. Auch im Übrigen lassen sich typisierende Aussagen insoweit kaum empirisch fundieren432. Es ist darum von einer Vergleichbarkeit der Steuerpflichtigen auch innerhalb der Gruppe der Nichtansässigen auszugehen. Deshalb liegt in der Bruttobesteuerung von Dividendeneinkünften auch insoweit ein rechtfertigungsbedürftiger Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. (3) Entlastungsmechanismus Schließlich hat die Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer zur Folge, dass das Halbeinkünfteverfahren bei den davon betroffenen nichtansässigen Dividendenbeziehern keine Anwendung findet. Auch hierin liegt ersichtlich eine Ungleichbehandlung gegenüber unbeschränkt Steuerpflichtigen wie auch gegenüber veranlagten Steuerausländern, die ihre Beteiligung einem inländischen Betrieb zugeordnet haben. Wie das objektive Nettoprinzip dient auch das Halbeinkünfteverfahren als shareholder-relief-Methode der zutreffenden Bemessung objektiver Leistungsfähigkeit des Dividendenempfängers. Sieht man in der Dividendenausschüttung richtigerweise einen Leistungsfähigkeitstransfer von der Kapitalgesellschaft auf den Anteilseigner, so erweist es sich als Instrument zur Bestimmung der nach der Vorbelastung mit Körperschaft- und Gewerbesteuer in der Dividende noch verkörperten wirtschaftlichen (Rest-)Leistungsfähigkeit. Das Halbeinkünfteverfahren knüpft damit nicht etwa an die Gesamtleistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen an, sondern ist unmittelbar mit seinen inländischen Dividendeneinkünften verbunden. Dies gilt sowohl bei ansässigen wie bei nichtansässigen Dividendenbeziehern. In der Konsequenz ist zwischen beiden Gruppen von Steuerpflichtigen aus den gleichen Gründen, wie sie schon oben zu den Erwerbsaufwendungen diskutiert wurden, ________________________ 431 Zur historischen Entwicklung vgl. M. Engelschalk, Die Besteuerung von Steueraus-

ländern, S. 51 ff. 432 Näher M. Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern, S. 50 f.; ablehnend

auch K. E. Herkenroth in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 50 EStG (Stand: 08/02), Rz. 218.

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von einer Vergleichbarkeit der steuerlichen Ausgangslage hinsichtlich der Anwendung dieses Entlastungsmechanismus auszugehen. Insbesondere stellt das Halbeinkünfteverfahren bei einem integrierten Verständnis der Besteuerung von Gesellschaft und Gesellschafter keine bloße Steuervergünstigung dar, hinsichtlich derer dem Gesetzgeber ein Ermessensspielraum für die Gewährung auch an Steuerausländer einzuräumen wäre433. (4) Zwischenergebnis Die Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer bei bestimmten nichtansässigen Dividendenbeziehern führt insoweit zu einem Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und das Leistungsfähigkeitsprinzip, als dass Erwerbsaufwendungen des Steuerpflichtigen dadurch unberücksichtigt bleiben und ihm auch der Entlastungsmechanismus des Halbeinkünfteverfahrens verwehrt wird. Demgegenüber bedeutet die mit der Abgeltungswirkung einhergehende Außerachtlassung persönlicher Umstände bzw. des subjektiven Nettoprinzips keinen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot, weil es insoweit von vornherein an der Vergleichbarkeit unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtiger fehlt. (ii) Rechtfertigung der Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips Fraglich ist, ob die geschilderten Durchbrechungen verschiedener objektiver Ausprägungen des Leistungsfähigkeitsprinzips aus besonderen sachlichen Erwägungen heraus gerechtfertigt werden können. Da die Problematik sowohl bezüglich des Abzugs von Beteiligungsaufwendungen als auch bezüglich des Entlastungsverfahrens bereits jeweils für sich unter materiell-rechtlichen Gesichtspunkten gewürdigt wurde434, sind hier nur noch die speziell mit der übergreifenden verfahrensrechtlichen Abgeltungswirkung zusammenhängenden Aspekte zu beleuchten. ________________________ 433 Das Verständnis eines Integrationsmechanismus als Steuerprivileg bzw. „soziale

Begünstigung“ speziell für Kleinaktionäre hat in früheren Stellungnahmen zum körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren als Rechtfertigung für den Ausschluss der beschränkt Steuerpflichtigen gedient (vgl. K. Manke, StbJb 1977/78, S. 269 (281); W. Grasnick, StuW 1973, S. 131 (134)). Diese Argumentation ist zwar in sich schlüssig, denn Steuervergünstigungen lassen sich in vertretbarer, wenn wohl auch nicht zwingender Weise der Gesamtleistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zuordnen, welche aber regelmäßig nur im Wohnsitzstaat erfasst wird. Die Prämisse, dass es sich bei der Integration von Körperschaftsteuer und Einkommensteuer um eine im Ermessen des Gesetzgebers liegende Sozialzwecknorm handelt, kann aber ausgehend von dem hier zugrunde gelegten Verständnis der Leistungsfähigkeit von Kapitalgesellschaften nicht geteilt werden. 434 Siehe dazu oben unter II.3.b.bb. und I.2.a.

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(1) Sicherung der Steuererhebung Das Bundesverfassungsgericht nannte als eine Rechtfertigung für die Bruttobesteuerung in Form einer abgeltenden Quellensteuer die Notwendigkeit der wirksamen Steuererhebung bei ins Ausland fließenden Kapitalerträgen435. Dem ist entgegenzuhalten, dass diese Erwägungen lediglich geeignet sind, ein Quellenabzugsverfahren als Alternative zur Entrichtung der Steuer durch den Steuerpflichtigen selbst zu rechtfertigen. Davon zu unterscheiden ist aber die Abgeltungswirkung einer solchen Quellensteuer; erst sie bedingt eine definitive Bruttobesteuerung des Steuerausländers. Eine solche steht in keinem Zusammenhang mehr mit der effektiven Durchsetzung des nationalen Besteuerungsanspruchs. Dem Sicherungsbedürfnis des inländischen Fiskus könnte vielmehr ohne weiteres auch durch eine hinreichend bemessene Kapitalertragsteuer mit anschließender Einkommensteuerveranlagung Rechnung getragen werden436. Das ist im Übrigen auch das Konzept, welches bei unbeschränkt Steuerpflichtigen verfolgt wird: Bei ihnen wird zur Vermeidung der Steuerhinterziehung ebenfalls eine Kapitalertragsteuer erhoben, jedoch ohne abgeltenden Charakter. Als einziger Differenzierungsgrund ließe sich anführen, dass bei Steuerausländern die Beachtung des objektiven Nettoprinzips der Steuerhinterziehung insoweit Vorschub leisten könnte, als dass eine Kontrolle ausländischer Nachweise von Erwerbsausgaben nur verhältnismäßig schwer durchführbar ist437. Insofern liegt aber die Darlegungs- und Beweislast ohnehin beim ausländischen Steuerpflichtigen438. Es muss darüber hinaus auch zulässig sein, strenge Anforderungen an die entsprechenden Nachweise zu stellen, so dass diesen Bedenken hinreichend Rechnung getragen werden kann439. Der völli________________________ 435 BVerfG v. 24.9.1965 – 1 BvR 228/65 –, BVerfGE 19, S. 119 (124). Zustimmend

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wohl Grützner, IWB, Fach 3, Deutschland, Gruppe 3, S. 769 (zitiert nach H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 5.133 Fn. 293). So auch die treffende Kritik von M. Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern, S. 78; und H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 5.133; ders. in: FS Tipke, S. 125 (136). Tatsächlich scheint dies in einigen Staaten, welche bei bestimmten grenzüberschreitend bezogenen Einkünften generell eine Quellenbesteuerung mit anschließender Veranlagung praktizieren, zu einer sehr restriktiven Handhabung bei der Anerkennung im Ausland angefallener Erwerbsausgaben zu führen. Vgl. die Nachweise bei M. Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern, S. 138 f. Darauf weist W. Schön in: GS Knobbe-Keuk, S. 743 (772) zu Recht hin. Bei Wohnsitzstaaten, mit denen kein zuverlässiger Auskunftsverkehr der Finanzverwaltungen besteht, namentlich solchen außerhalb der EU (für die insoweit die Amtshilferichtlinie gilt), könnte der Abzug von Erwerbsaufwendungen ab einer bestimmten Größenordnung z. B. vom Testat einer staatlich dafür zugelassenen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft abhängig gemacht werden.

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ge Ausschluss jeglicher Abzugsmöglichkeit ist demgegenüber unverhältnismäßig. Insgesamt rechtfertigt das Interesse an einer wirksamen Steuererhebung weder die Suspendierung des objektiven Nettoprinzips noch gar die Nichtanwendung des Halbeinkünfteverfahrens. (2) Vorteilskompensation Teilweise wird zur Rechtfertigung der mit der Bruttobesteuerung einhergehenden Nachteile auf anderweitige Vorteile verwiesen, welche die Schlechterstellung des beschränkt Steuerpflichtigen kompensieren würden. Insbesondere verbleibe es für diese Personengruppe bei einer proportionalen Belastung mit Quellensteuern, wohingegen veranlagte unbeschränkt Steuerpflichtige im Einzelfall einer höheren progressiven Besteuerung unterliegen könnten440. Eine solche Argumentation könnte aber nur durchdringen, wenn eine Vorteilskompensation typischerweise dazu führt, dass der nichtveranlagte beschränkt Steuerpflichtige zumindest nicht schlechter gestellt ist als der unbeschränkt Steuerpflichtige. Dabei ist nicht von dem Fall auszugehen, den der Gesetzgeber als typisch unterstellt441, sondern von den realen Verhältnissen der von der fraglichen Norm Betroffenen. Reichen die kompensatorischen Effekte bei einer größeren Zahl von Steuerpflichtigen nicht aus, um die Nachteile aufzuwiegen, so scheidet eine Rechtfertigung unter diesem Gesichtspunkt aus. Denn der Gesetzgeber darf zwar bei einem Belastungsvergleich mit bestimmten Nachteilen korrespondierende Vorteile berücksichtigen, muss dabei aber die verfassungsrechtlich gezogenen Grenzen für generalisierende Annahmen beachten442. Bedenken bestehen hier insbesondere deshalb, weil der Quellensteuersatz auf den vollen Bruttobetrag der Dividende angewendet wird, obwohl diese nur zur Hälfte einkommensteuerbar ist, so dass er sich in seinen Wirkungen ________________________ 440 BVerfG v. 24.9.1965 – 1 BvR 228/65, BVerfGE 19, S. 119 (124); tendenziell ebenso

BVerfG v. 12.10.1976 – 1 BvR 2328/73, BVerfGE 43, S. 1 (10 f., bzgl. Erwerbsaufwendungen); BFH v. 4.2.1987 – I R 252/83, BStBl. II 1987, S. 682 (684; zur Kompensation für den Ausschluss vom Entlastungsverfahren, d. h. vom damaligen Anrechnungsverfahren). Gl. A. F. Wassermeyer, DStJG 8, S. 49 (65); M. Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern, S. 94. Zweifelnd („kann nur im Einzelfall beurteilt werden“) BFH v. 2.2.1994 – I B 143/93, BFH/NV 1994, S. 864 (866); ebenso („ernstlich zweifelhaft“) FG Berlin v. 28.5.2001 – 9 K 9312/99, EFG 2001, S. 978 (980). 441 So aber M. Desens, IStR 2003, S. 613 (620 f.). 442 Siehe dazu 2. Kap., A.I.2.b.bb. Speziell zur Abgeltungswirkung von Quellensteuern vgl. auch M. Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern, S. 94.

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praktisch verdoppelt. Es konnte oben nachgewiesen werden, dass dann eine Kapitalertragsteuer in Höhe von 20 % nebst Solidaritätszuschlag selbst bei nur verhältnismäßig geringfügigen Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben zu Belastungen führt, die jedenfalls ab 2005 bei veranlagten Steuerpflichtigen unter Geltung des Halbeinkünfteverfahrens sogar im Bereich des Spitzensteuersatzes nicht mehr eintreten können. Bei höheren Erwerbsaufwendungen verstärkt sich diese Tendenz zur Höherbesteuerung als Folge der sogenannten „Kostenprogression“, wie sie durch die Nichtberücksichtigung der Erwerbsausgaben eintritt443. Von den eher seltenen Fällen abgesehen, in denen der beschränkt Steuerpflichtige praktisch ohne Erwerbsaufwendungen Dividendeneinkünfte bezieht, die bei Veranlagung einer durchschnittlichen Belastung von über 40 % Einkommensteuer unterliegen würden444, wirkt sich die abgeltende Kapitalertragsteuer damit auch in einer saldierenden Gesamtbetrachtung stets ungünstiger als eine Veranlagung aus445. Weil damit eine Typengerechtigkeit generell verfehlt wird und nicht nur im Einzelfall Härten auftreten, kommt auch eine Rechtfertigung durch die Erlassmöglichkeit nach § 227 AO nicht in Betracht446. Damit wäre eine Rechtfertigung unter Saldierungsgesichtspunkten an sich auszuscheiden. Allerdings kann die Quellensteuerbelastung bei Bestehen eines DBA mit dem Wohnsitzstaat des Dividendenbeziehers regelmäßig über ein Erstattungsverfahren nach § 50d Abs. 1 EStG auf 15 % der Bruttodividende reduziert werden447. Eine äquivalente Steuerbelastung der Dividendeneinkünfte ________________________ 443 Dazu näher T. Menck in: Engelschalk/Flick, Steuern auf ausländische Einkünfte,

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S. 28 (31), der diesen Effekt als „gegen alle steuerliche Vernunft“ verstoßend geißelt. Vgl. auch M. Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern, S. 12 ff. Diese krassen Ausnahmefälle, in denen Spitzenverdiener praktisch ohne Erwerbsaufwendungen, insbesondere Finanzierungs-, Depot- und Vermögensverwaltungskosten, Dividendeneinkünfte erzielen, zum maßgeblichen Normalfall zu erklären (so M. Desens, IStR 2003, S. 613 (620 f.), kann schon verfassungsrechtlich, erst recht aber europarechtlich (dazu sogleich) nicht überzeugen. M. Lehner, IStR 2001, S. 329 (334), der die Problematik des Betriebsausgabenabzugs ausblendet, bemerkt treffend: „Aus der Sicht der Inländergleichbehandlung erscheint diese Konsequenz des so europafreundlich gepriesenen Halbeinkünfteverfahrens sehr problematisch. Zwar wird bei einem persönlichen Steuersatz von 40 % Belastungsgleichheit zwischen einem inländischen und einem ausländischen Anteilseigner hergestellt. Dieser Steuersatz liegt jedoch so nah bei unserem Spitzensteuersatz, dass er auch aus Gründen notwendiger Pauschalierung meines Erachtens nicht gerechtfertigt werden kann.“ Im Ergebnis gl. A. ist K. E. Herkenroth in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 50 EStG (Stand: 08/02), Rz. 218. Inwieweit die Reduzierung der Quellensteuerbelastung auf die abkommensrechtlich zulässige Höhe über ein Erstattungsverfahren an Stelle eines sofort verminderten Steuerabzugs europarechtskonform ist, soll an dieser Stelle nicht erörtert werden. In-

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wird im Veranlagungsfalle schon bei mittleren bis leicht überdurchschnittlichen marginalen Steuersätzen erreicht, sofern die Erwerbsaufwendungen nicht atypisch hoch liegen448. Auf den ersten Blick könnte man die Quellensteuer in DBA-Fällen darum noch als eine, wenn auch grob typisierende Annäherung an diejenige durchschnittliche Belastung eines ausländischen Dividendenbeziehers erachten, die er auch bei Veranlagung zu tragen hätte. Tatsächlich können diese Erwägungen jedoch aus mehreren Gründen nicht durchschlagen. Erstens kann es nicht auf die marginale Steuerlast, sondern nur auf die durchschnittliche Belastung der Dividendeneinkünfte ankommen. Eine Steuerschuld von 15 % der Bruttodividende wird sich dann aber im Halbeinkünfteverfahren erst bei Einkommen ergeben, die sich in der Marginalbelastung dem Spitzensteuersatz annähern, wobei dies im Einzelnen von der Höhe der Erwerbsaufwendungen abhängt. Zweitens werden im Halbeinkünfteverfahren Werbungskosten und Betriebsausgaben verfassungswidrig nur zur Hälfte berücksichtigt449. Würde dies wie verfassungsrechtlich geboten zugunsten ihrer vollen Berücksichtigung aufgegeben, so würde schon bei relativ geringen Erwerbsaufwendungen eine Belastung entsprechend 15 % der Bruttodividende bei Veranlagung kaum noch eintreten können450. Und schließlich kann eine verfassungswidrige Typisierung, das heißt konkret die abgeltende Kapitalertragsteuer in Höhe von 20 %, nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass sie in einer Reihe von Fällen durch speziellere Bestimmungen auf ein – scheinbar – zulässiges Maß zurückgeführt wird. Der Gesichtspunkt der Vorteilskompensation vermag die Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer somit ebenfalls nicht zu rechtfertigen451. Dies gilt jedenfalls solange, als der Steuersatz nicht deutlich reduziert oder aber dem Gedanken des Halbeinkünfteverfahrens entsprechend nur noch auf die hälftige Bruttodividende bezogen wird. ________________________

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soweit sei auf die Ausführungen bei U. Zehetner, Kapitalertragsteuer, S. 174 ff. verwiesen, der die entsprechende Annahme des BFH (v. 21.5.1997 – I R 79/96, BFH/NV 1997, S. 760 (761)) überzeugend widerlegt. So würde eine Einkommensteuerbelastung entsprechend 15 % der Bruttodividende im Halbeinkünfteverfahren bei Erwerbsaufwendungen in Höhe von 5 % dieses Betrages bei einem marginalen Steuersatz von 31,6 % erreicht, bei Erwerbsaufwendungen in Höhe von 20 % der Bruttodividende immerhin auch schon bei 37,5 %. Siehe dazu oben unter II.1.a. Schon bei Erwerbsaufwendungen von 15 % der Bruttodividende müsste im Halbeinnahmeverfahren ein Steuersatz von über 42 % Anwendung finden, um eine dem Quellensteuerabzug äquivalente Belastungswirkung zu erreichen, was ab 2005 nicht mehr möglich ist. Im Ergebnis gl. A. sind J. Hey, IWB Fach 3, Gruppe 1, S. 2003 (2014); V. Kluge, Das Internationale Steuerrecht, 4. Aufl., S. 182.

Der Quellensteuerabzug

(3) Vereinfachungszwecke Schließlich wurde in der Vergangenheit vereinzelt darauf hingewiesen, dass eine Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse der beschränkt Steuerpflichtigen verwaltungstechnisch nahezu unmöglich sei. Als Alternative zu einer Pauschalversteuerung käme darum nur eine generelle Freistellung der beschränkt Steuerpflichtigen von der Versteuerung inländischer Einkünfte in Betracht, was zu einer generell ungerechten Lösung statt einer nur im Einzelfall ungerechten Typisierung führe452. Diese Überlegungen sind schon der Sache nach kaum haltbar. Zum einen müssten nach dem Vorgesagten ja nicht jegliche individuelle Verhältnisse des beschränkt Steuerpflichtigen berücksichtigt werden. Ausreichend wäre vielmehr, den Nachweis der individuellen Werbungskosten und Betriebsausgaben zuzulassen. Der damit einhergehende Verwaltungsaufwand dürfte noch überschaubar sein. Die Anwendung des für Dividendeneinkünfte geltenden einkommensteuerlichen Entlastungsmechanismus, gegenwärtig des Halbeinkünfteverfahrens, bedeutet angesichts der EDV-technischen Abwicklung der Steuerbescheide ohnehin praktisch keinen Mehraufwand. Zum anderen ist nicht erkennbar, wieso die zusätzliche Beanspruchung der Verwaltung bei bestimmten Einkünften beschränkt Steuerpflichtiger deren Bruttobesteuerung rechtfertigen sollte, hingegen bei anderen Einkünften von Nichtansässigen sowie generell bei der Veranlagung von Steuerinländern ohne weiteres in Kauf genommen wird. Konsequenterweise müsste man mit dieser Argumentation für eine durchgängige Bruttobesteuerung aller Steuerpflichtigen plädieren453. Von diesen grundsätzlichen Einwänden abgesehen könnten Gründe der Verwaltungsvereinfachung nur solche Typisierungen rechtfertigen, die sich an den mutmaßlichen durchschnittlichen Verhältnissen aller Betroffenen orientieren454. Wie im vorherigen Abschnitt dargelegt wurde, genügt die gegenwärtige Ausgestaltung der Kapitalertragsteuer diesen Anforderungen aber gerade nicht. (4) Ergebnis Die Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer nach § 50 Abs. 5 S. 1 EStG verletzt jedenfalls in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. ________________________ 452 H. v. Mettenheim, RIW 1978, S. 511 (512 f.). Ähnlich zum Zweck der abgeltenden

Bruttobesteuerung BFH v. 9.6.1993 – I B 12/93, BFH/NV 1993, S. 726 (727). 453 So zu Recht kritisch H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 5.134;

ähnlich K. E. Herkenroth in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 50 EStG (Stand: 08/02), Rz. 218. 454 Das gesteht auch H. v. Mettenheim zu, vgl. RIW 1978, S. 511 (513).

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

bb) Vereinbarkeit mit der Eigentumsgewährleistung H. Schaumburg sieht überdies in Einzelfällen eine Verletzung der Eigentumsgarantie durch die Bruttobesteuerung gegeben. Denn diese könne zu einer konfiskatorisch wirkenden Besteuerung führen455. Damit dürften die Fälle angesprochen sein, in denen bei besonders hohen Erwerbsaufwendungen die Quellensteuer praktisch den gesamten Nettoertrag wegbesteuert oder gar eine Besteuerung darüber hinaus eintritt. Diese Möglichkeit ist zwar gerade bei Dividendeneinkünften nicht von der Hand zu weisen. Denn sie sind beim beschränkt Steuerpflichtigen unter Einbeziehung der Vorbelastung mit Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer schon unabhängig von der Suspendierung des objektiven Nettoprinzips in hohem Maße steuerlich belastet. Die zusätzliche Nichtberücksichtigung von Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben kann darum bei ungewöhnlicher Höhe derselben konfiskatorische Effekte zeitigen456. Eine Verletzung der Eigentumsgarantie ist aber dennoch nicht anzunehmen, weil es sich bei diesen krassen Effekten der Kostenprogression um untypische Konstellationen handeln dürfte. In solchen Einzelfällen erlaubt und erfordert es die Billigkeitsvorschrift des § 227 AO, dem beschränkt Steuerpflichtigen die abgeführte Kapitalertragsteuer ganz oder teilweise zu erstatten, so dass eine konfiskatorische Besteuerung vermieden wird457. cc) Vereinbarkeit mit Europarecht Neben der verfassungsrechtlichen Dimension wirft die Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer auch europarechtliche Probleme auf. Es wurde bereits ausgeführt, dass der grenzüberschreitende Dividendenbezug jedenfalls der Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 Abs. 1 EGV und gegebenenfalls, abhängig von der Beteiligungsquote, auch der Niederlassungsfreiheit des Art. 43 EGV unterfällt. Seine von der Besteuerung inländischer Anteils________________________ 455 H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 5.137. 456 Bei einer unterstellten effektiven Vorbelastung von 37 % des Gewinns, der vor

Steuern für die Ausschüttung zur Verfügung stünde, führt schon eine Quellensteuer von 20 % auf die Bruttodividende zu einer zusätzlichen steuerlichen Belastung von 12,6 %, bezogen auf den ausschüttbaren Gewinn vor Steuern. Die Gesamtbelastung liegt damit schon nahe 50 %. Sind durch die Beteiligung Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben von z. B. 60 % der Bruttodividende veranlasst, was insbesondere bei fremdfinanziertem Erwerb der Fall sein kann, verbleiben dem Steuerpflichtigen nur 20 % der Nettodividende. Bei einer integrierten Betrachtung der Besteuerung von Gesellschaft und Gesellschafter, d. h. bezogen auf den ausschüttbaren Gewinn der Kapitalgesellschaft vor Steuern, sind dies gerade einmal 12,6 % des erwirtschafteten Vermögenszuwachses, die der Anteilseigner nach Steuern vereinnahmt. 457 In diese Richtung argumentiert auch das BVerfG im Beschluß v. 12.10.1976 – 1 BvR 2328/73 –, BVerfGE 43, S. 1 (12).

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Der Quellensteuerabzug

eigner abweichende verfahrensrechtliche Behandlung in den Fällen, in denen die betreffende Beteiligung nicht im Vermögen eines inländischen Betriebs gehalten wird, könnte sich als verbotene Diskriminierung erweisen. (i) Diskriminierung Eine Diskriminierung im hier verstandenen Sinne läge vor, wenn der grenzüberschreitende Dividendenbezug durch die Abgeltungswirkung gegenüber der rein inländischen Ausschüttung rechtlich schlechter gestellt wird und eine hinreichende Vergleichbarkeit der Sachverhalte gegeben ist. Die Abgeltungswirkung sperrt den Zugang zur Einkommensteuerveranlagung der Dividendeneinkünfte des nichtansässigen Anteilseigners. Sie schneidet ihm daher die Möglichkeit zur Inanspruchnahme des als Steuerentlastung konzipierten Halbeinkünfteverfahrens und zum Abzug von Beteiligungsaufwendungen ab. In diesen Wirkungen liegt eine den beschränkt Steuerpflichtigen benachteiligende Ungleichbehandlung. Außerdem sperrt die Abgeltungswirkung die Möglichkeit eines Verlustausgleichs mit anderen inländischen Einkünften des ausländischen Dividendenempfängers. Auch insoweit ist eine Benachteiligung zu konstatieren458. Diese Benachteiligungen können mindestens auf Tatbestandsebene nicht schon dadurch in Frage gestellt werden, dass wegen des einheitlichen Abgeltungssteuersatzes im Ergebnis eine Schlechterstellung gegenüber dem „typischen Fall“ eines inländischen Dividendenbeziehers nicht eintrete459. Ein solcher Vorteilsausgleich kann wenn überhaupt erst auf der Rechtfertigungsebene berücksichtigt werden. Wie schon erläutert wurde, sind unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtige im Rahmen der Art. 43, 56 Abs. 1 EGV außerdem sowohl hinsichtlich der verschiedenen Ausprägungen des objektiven Nettoprinzips, das heißt hinsichtlich der Beteiligungsaufwendungen und des Verlustausgleichs, als auch hinsichtlich der Notwendigkeit der Entlastung von inländischer Körperschaftsteuer miteinander vergleichbar460. Damit bedeutet die Abgeltungswirkung eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit und gegebenenfalls der Niederlassungsfreiheit461. ________________________ 458 W. Haarmann/S. Fuhrmann, IStR 2003, S. 558 (559); A. Schnitger, FR 2003, S. 745

(749). Allerdings treten solche Verlustverrechnungskonstellationen in den hier relevanten Fällen grenzüberschreitenden Dividendenbezugs ohne inländische Betriebsstätte eher selten auf; vgl. dazu näher unter B.I.1.b.aa) (i) (1). 459 So aber M. Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 207 f.; ders., IStR 2003, S. 613 (620). 460 Siehe oben II.3.b.bb) (ii) und I.1.b.aa) (ii). 461 Im Ergebnis gl. A. sind A. Schnitger, FR 2003, S. 745 (748); S. v. Thiel, TFO 2001/78, S. 9; M. Tumpel, DStJG 23, S. 321 (343). Kritisch auch W. Ritter, IStR 2001, S. 430 (433).

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

(ii) Rechtfertigung Eine europarechtlich durchschlagende Rechtfertigung hierfür ist nicht ersichtlich. Vereinzelt wird in der Literatur zwar zu bedenken gegeben, dass der Quellenstaat statt der Kapitalertragsteuer auch eine höhere Körperschaftsteuer hätte wählen können. Die Kapitalertragsteuer sei somit aus Sicht des Gesellschafters bei Ausschüttung eine wirtschaftlich gleichwertige Alternative zu einem entsprechend höheren Körperschaftsteuersatz. Wenn aber der ausländische Anteilseigner nicht verlangen könne, am inländischen System der Entlastung von körperschaftsteuerlicher Vorbelastung teilzuhaben, könne er auch keine Einwendungen gegen eine abgeltende Kapitalertragsteuer erheben462. Diese in sich recht schlüssige Argumentation basiert freilich auf der Prämisse, dass ein Ausschluss der beschränkt Steuerpflichtigen vom Integrationsmechanismus der Dividendenbesteuerung nicht gegen die europäischen Grundfreiheiten verstößt. Es konnte gezeigt werden, dass hierin aber eine verbotene Diskriminierung zu sehen ist. Damit liefert die These von der wirtschaftlichen Austauschbarkeit von höherer Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer gerade im Gegenteil ein Argument für die diskriminierende Wirkung der Abgeltungswirkung. Auch Gründe der Kohärenz des Besteuerungssystems können nicht zu ihrer Verteidigung angeführt werden. Wie schon gesagt sind die Anforderungen an typisierende Annahmen im Rahmen eines solchen, europarechtlichen Vorteilsausgleichs wesentlich strenger als die deutschen verfassungsrechtlichen Vorgaben an einen Vorteilsausgleich. Es konnte aber festgestellt werden, dass die Nachteile durch den bei der Veranlagung des Dividendenempfängers möglicherweise zum Tragen kommenden höheren Einkommensteuersatz die Vorteile aus der Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens und der Effektuierung des objektiven Nettoprinzips selbst nach verfassungsrechtlichen Maßstäben nicht mit hinreichender Typizität aufwiegen463. Erst recht kann darum keine europarechtliche Kohärenz zwischen diesen Belastungsvorteilen und -nachteilen angenommen werden464. ________________________ 462 So J. M. Mössner/D. Kellersmann, DStZ 1999, S. 505 (514). 463 Siehe oben unter aa) (ii). 464 Generalanwalt Léger hat in der Rs. C-234/01 (Gerritse), IStR 2003, S. 269, Rz. 41 ff.

eine solche Rechtfertigung selbst für den Fall abgelehnt, in denen (bei der Künstlerbesteuerung nach § 50a Abs. 4 EStG) dem niedrigen Quellensteuersatz von 25 % bei Veranlagung nur der Vorteil des Betriebsausgabenabzugs gegenüberstand. Gleicher Ansicht sind H. Grams, IStR 2003, S. 267 und D. Molenaar, ET 2002, S. 149. Bei Dividendeneinkünften kommt die Gewährung bzw. Versagung des Entlastungsmechanismus noch hinzu, vgl. D. Kellersmann/C. Treisch, Europäische Unternehmensbesteuerung, S. 189; ähnlich M. Lehner, IStR 2001, S. 329 (334). A. A. ist auf Basis

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Der Quellensteuerabzug

Schließlich lassen sich auch keine Aspekte der Verwaltungsraison anführen, um die Bruttobesteuerung der Dividendeneinkünfte im Quellenstaat zu rechtfertigen465. Dies müsste jedenfalls an der mangelnden Verhältnismäßigkeit eines generellen Abzugsverbotes scheitern. Der EuGH hatte schon mehrfach Gelegenheit, sich mit derartigen Einwänden auseinander zu setzen, und hat hier zu Recht stets klar Stellung bezogen: Die EG-Amtshilferichtlinie und gegebenenfalls erhöhte Nachweispflichten stellen hinreichende Maßnahmen dar, um Angaben des Steuerpflichtigen zu den relevanten Abzugsposten wirksam zu kontrollieren. Die pauschale Versagung jeglichen Abzugs von Erwerbsaufwendungen ist demgegenüber zu weitgehend. Im Übrigen kann der Umstand, dass Nachweismöglichkeiten einen erhöhten Verwaltungsaufwand bedingen könnten, europarechtlich nicht als Rechtfertigung angeführt werden, weil die Grundfreiheiten sonst weitgehend unterlaufen würden466. (iii) Ergebnis Die Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer nach § 50 Abs. 5 S. 1 EStG verstößt bei Dividendeneinkünften gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 Abs. 1 EGV467 und gegebenenfalls zusätzlich gegen die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EGV. ________________________ deutlich zu grober Typisierungen und unter Außerachtlassung des Solidaritätszuschlags sowie der Effekte einer mit der Abgeltung verbundenen Suspendierung des Nettoprinzips M. Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 207 f.; ders., IStR 2003, S. 613 (620 f.). Desens übersieht vor allem, dass der EuGH stets vom konkreten Einzelfall ausgeht, und dabei ansässige wie nichtansässige Steuerpflichtige mit vergleichbarer individueller Leistungsfähigkeit einander gegenüberstellt, so dass „Abweichungen vom typischen Fall“ für den Belastungsvergleich durchaus relevant sind. 465 So auch M. Tumpel, DStJG 23, S. 321 (343); W. Schön in: GS Knobbe-Keuk, S. 743 (772). Erst recht ausscheiden müssen Gründe der Sicherung der Vollstreckung des Steueranspruchs, denn nach materiellem Recht bestünde dieser ja nur in Höhe der Nettoeinkünfte (im Ergebnis gl. A. D. Kellersmann/C. Treisch, Europäische Unternehmensbesteuerung, S. 188). 466 Siehe dazu 2. Kap., C.VI.4.d.; speziell für die Veranlagung quellenbesteuerter Gebietsfremder auch H. Heinemann, IWB Fach 11a, S. 659 (660). 467 Gl. A. O. H. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 5. Aufl., S. 219. Differenzierend A. Schnitger, FR 2003, S. 745 (748). Schnitger nimmt an, dass hinsichtlich des Verlustausgleichs eine Vergleichbarkeit der Situation insoweit nicht angenommen werden könne, als bestimmte Einkünfte im Quellenstaat uneingeschränkt, andere hingegen aufgrund von DBA nur eingeschränkt besteuert werden könnten. Dies überzeugt jedoch schon deshalb nicht, weil die abkommensrechtlichen Quellensteuerbeschränkungen etwa bei Dividendenzahlungen dem Quellenstaat kein bestimmtes „Mindeststeueraufkommen“ sichern sollen, sondern im Gegenteil nur auf die Begrenzung seiner nach nationalem Recht gegebenen Steueransprüche abzielen. Dieses nationale Recht muss der Quellenstaat aber ungeachtet der Aufteilung der

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

b) Kritik der spanischen Quellensteuer Wird die Dividende von einem Steuerausländer ohne inländische Betriebsstätte bezogen, greift in Spanien wie in Deutschland eine Bruttobesteuerung ohne Entlastung von Körperschaftsteuer Platz. Anders als in Deutschland bedient sich der spanische Gesetzgeber dazu allerdings keines verfahrensrechtlichen Vehikels, sondern hat dies im materiellen Recht normiert, genauer in Art. 24 Abs. 1 LIRNR. Dies bedeutet aber inhaltlich keinen Unterschied. Da der zu praktizierende Steuerabzug von 15 % dem Quellensteuersatz entspricht, der regelmäßig in den DBA festgeschrieben ist, können die Betrachtungen zur Abgeltungswirkung der deutschen Kapitalertragsteuer darum im Wesentlichen auf das spanische Recht übertragen werden: Insoweit die Vorschriften des LIRNR die Anwendung des Anrechnungsverfahrens und den Abzug von Erwerbsaufwendungen verhindern, sind sie mindestens als europarechtswidrig diskriminierend einzustufen. Aus ähnlichen Gründen wie bei der deutschen Kapitalertragsteuer scheidet insbesondere eine Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt der Vorteilskompensation bzw. Kohärenz aus: Die vom Steuerausländer zu tragende durchschnittliche steuerliche Gesamtbelastung von knapp 40 % der von der Gesellschaft zur Ausschüttung verwendeten Gewinne wird bei Steuerinländern unter Geltung des Pauschalanrechnungsverfahrens häufig und nicht nur in atypischen Fällen unterschritten werden. Erst recht gilt dies, wenn man wie geboten in den Belastungsvergleich mit einbezieht, dass nur letztere ihre Erwerbsaufwendungen, wenn auch eingeschränkt, abziehen können. Bei der Besteuerung von einer inländischen Betriebsstätte der natürlichen Person zuzuordnenden Dividendeneinkünften wird einbehaltene Kapitalertragsteuer zwar auf die Einkommensteuerschuld angerechnet und gegebenenfalls erstattet, Art. 19 Abs. 4 lit. b, Abs. 6 LIRNR. Das liegt aber in der Besonderheit begründet, dass die über eine Betriebsstätte bezogenen Dividenden bei Nichtansässigen dem für Körperschaften geltenden Besteuerungsregime, das heißt der Freistellungsmethode des Art. 30 LIS unterworfen werden. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass dieses System der Betriebsstättenbesteuerung in Deutschland europarechtlichen beziehungsweise verfassungsrechtlichen Bedenken unterläge468. ________________________ Steuerhoheiten grds. diskriminierungsfrei ausgestalten, also auch einen Verlustausgleich einheitlich gewähren, soweit er ein Besteuerungsrecht bei beschränkt wie unbeschränkt Steuerpflichtigen einheitlich beansprucht. Das ist hinsichtlich aller für steuerbar erklärten inländischen Einkünfte der Fall. Ein Spielraum verbleibt dem Quellenstaat wohl nur insoweit, als dass es in seinem Ermessen liegt, welche Einkünfte er noch als inlandsradiziert ansieht und welche nicht (vgl. dazu J. Hey, IWB Fach 3, Gruppe 1, S. 2003 (2007). 468 Oben unter I.3.f.

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Der Quellensteuerabzug

Insgesamt liefert das spanische System der Quellenbesteuerung wegen seiner zu starken Affinität zum deutschen Steuerverfahrensrecht keine wesentlichen Impulse für dessen Optimierung. c) Eigener Lösungsvorschlag Es wurde schon festgestellt, dass für das hier präferierte Kombinationsmodell bei der Integration von Gesellschafts- und Gesellschafterbesteuerung ein Quellensteuerabzug bei an Steuerinländer ausgeschütteten Dividenden nicht vorgenommen werden dürfte. Dies gilt jedenfalls solange, wie die kumulierte Vorbelastung der Dividende mit Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer nicht deutlich unter den Spitzensatz der Einkommensteuer sinkt. Aus Gleichheitsgründen müsste dann auch bei Nichtansässigen von der Erhebung einer Kapitalertragsteuer abgesehen werden. Dies ist auch europarechtlich geboten, weil in einer Quellenbesteuerung nur der Steuerausländer auch dann, wenn ihr bloß eine Vorauszahlungsfunktion zukäme, eine Diskriminierung läge, die zu Zins- und Liquiditätsnachteilen führen würde469. Unterstellt man angesichts des internationalen Steuerwettbewerbs eine fallende Entwicklung der steuerlichen Belastung von Kapitalgesellschaften erwirtschafteter Gewinne, welche die Erhebung von Quellensteuern erlauben würde, dürfte ihr bei beschränkt Steuerpflichtigen dennoch grundsätzlich keine Abgeltungswirkung mehr beigemessen werden. Das gälte wegen der damit einhergehenden Suspendierung des objektiven Nettoprinzips selbst bei deutlich reduzierten Quellensteuersätzen. Denn auch dann würden Nichtansässige mit hohen Erwerbsaufwendungen infolge der negativen Kostenprogression steuerlich schlechter gestellt als Ansässige, die im Kombinationsmodell den vollen Werbungskosten- bzw. Betriebsausgabenabzug erhielten. Es kann auch nicht angenommen werden, dass es sich insoweit um so atypische Benachteiligungen handelt, dass sie der Gesetzgeber vernünftigerweise nicht in seine Überlegungen mit einstellen müsste. Das wäre aber Voraussetzung dafür, um den strengen Anforderungen an typisierende Saldierungen im Rahmen einer europarechtlichen Kohärenzprüfung zu genügen. Die aus der Abgeltungswirkung resultierenden möglichen Nachteile gegenüber einem Veranlagungsverfahren könnten damit europarechtlich nicht durch den niedrigen Quellensteuersatz aufgewogen und gerechtfertigt werden.

________________________ 469 Dieser Aspekt wurde vom EuGH deutlich herausgestellt durch Urteil vom 8.3.2001,

Rs. C-397/98 u. a. (Metallgesellschaft), Slg. 2001, I-1727, Rz. 44.

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

Man würde damit sowohl im nationalen wie im internationalen Kontext zu einer sehr moderaten Quellensteuer mit Vorauszahlungscharakter gelangen470. Fraglich ist, ob der Kapitalertragsteuer im Hinblick auf gewisse Verifikationsprobleme bei Erwerbsaufwendungen im Zusammenhang mit einem grenzüberschreitenden Dividendenbezug nach Wahl des beschränkt Steuerpflichtigen auch abgeltende Wirkung zuerkannt werden könnte. Dies ließe sich durch eine Verbindung der Abgeltungswirkung mit einer Option zur Veranlagung erreichen471. Europarechtlich wäre dies unproblematisch, weil der grenzüberschreitende Bezug von Dividenden im Belastungsvergleich damit allenfalls besser, nicht aber schlechter als der rein inländische abschneiden kann, wenn die Abgeltungswirkung sich im Einzelfall als günstiger erweist als eine Steuerveranlagung472. Im Hinblick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG wäre diese mögliche Besserstellung der Steuerausländer aber nur im Hinblick auf die angestrebte Verwaltungsvereinfachung bei der Verifikation der Nachweise für Erwerbsaufwendungen zu rechtfertigen. Dafür wäre zu verlangen, dass die abgeltende Kapitalertragsteuer bei typisierender Betrachtung eine Steuerbelastung in der Nähe der bei Veranlagung zu erwartenden gewährleistet und nur bei hohen Erwerbsaufwendungen mit einem Veranlagungsantrag zu rechnen ist. Denn es muss einerseits ein nennenswerter Vereinfachungseffekt eintreten, andererseits dürfen die Nichtansässigen durch die Abgeltungswirkung nicht systematisch bevorzugt werden. Im Kombinationsmo________________________ 470 Solange dieser einheitlich auf interne wie grenzüberschreitende Konstellationen

angewendet wird, kann darin nicht schon wegen des mit jedem anrechenbaren Quellensteuerabzug verbundenen Liquiditätsnachteils eine Beschränkung der Niederlassungs- bzw. Kapitalverkehrsfreiheit erblickt werden; denn dies bedeutet weder eine Diskriminierung noch eine faktische Schlechterstellung des transnationalen Vorgangs. Die a. A. von G. Kofler, ÖStZ 2003, S. 262 (269) beruht wohl auf dem – abzulehnenden – Verständnis der Grundfreiheiten als absolut wirkende Freiheitsrechte. Tatsächlich steht der Steuerausländer einer übermäßigen Quellenbesteuerung aber auch ohne europarechtliche Handhabe nicht wehrlos gegenüber, denn er kann immer noch deren verfassungswidrige Ausgestaltung rügen. 471 Eine solche Antragsveranlagung forderte auch die Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung, Brühler Empfehlungen, S. 54 f.; ferner A. Schnitger, FR 2003, S. 745 (756); H.-G. Reuter/M. Klein, IStR 2003, S. 634 (636); H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 5.137; K. E. Herkenroth in: Herrmann/ Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 50 (Stand: 08/02), Rz. 218 a. E. Im Fall von Dividendeneinkünften hält auch M. Engelschalk dies für einen gangbaren Weg, die Abgeltungswirkung zumindest teilweise aufrecht zu erhalten (in: Die Besteuerung von Steuerausländern, S. 142). Befürwortend vor dem Hintergrund des österreichischen Systems der Dividendenbesteuerung auch E. Burgstaller/W. Loutoka, SWI 2003, S. 244 (249). 472 Im Ergebnis ähnlich D. Kellersmann/C. Treisch, Europäische Unternehmensbesteuerung, S. 116.

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Der Quellensteuerabzug

dell werden die Rahmenbedingungen für eine solche Annahme aber regelmäßig nicht gegeben sein. Denn auch bei gesunkener Vorbelastung würde schon eine geringfügige Kapitalertragsteuer zu einer steuerlichen Gesamtbelastung der Ausschüttung führen, welche im Veranlagungsfalle nur bei mittleren bis hohen Dividendeneinkünften und gleichzeitig niedrigen Erwerbsaufwendungen erreicht würde. Viele beschränkt Steuerpflichtigen würden darum anzunehmenderweise für die Veranlagung optieren, so dass ein bedeutender Vereinfachungseffekt nicht zu erwarten wäre. Die Ungleichbehandlung der unbeschränkt Steuerpflichtigen wäre dann nicht zu rechtfertigen. Eine abgeltende Quellensteuer mit Option zur Veranlagung könnte darum wegen Art. 3 Abs. 1 GG wohl nur unterschiedslos für den nationalen wie den internationalen Kontext vorgesehen werden. Inwieweit dies sinnvoll und mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Einkunftsarten zu vereinbaren wäre, soll hier nicht weiter vertieft werden. Bedenken bestehen insoweit, als dass im Kombinationsmodell wegen der pauschalen Teilanrechnung ein großer Deklarationsanreiz besteht, so dass einerseits kaum Verifikationsprobleme bestehen. Andererseits ist aus den schon geschilderten Gründen mit einer häufigen Ausübung der Option und damit einem nur geringen Vereinfachungseffekt auch beim rein inländischen Dividendenbezug zu rechnen. Die über die Wahlmöglichkeit erreichbare Besserstellung der Dividendeneinkünfte gegenüber anderen Einkünften wäre somit nur schwer zu rechtfertigen.

3. Die Anrechnung ausländischer Quellensteuer bei Auslandsdividenden in Deutschland und Spanien a) Ungleichbehandlung ausländischer und inländischer Quellensteuern Regelmäßig ist die ausländische Quellensteuer auf Dividenden, die von in Deutschland oder Spanien ansässigen natürlichen Personen bezogen werden, eine besondere Erhebungsform der dortigen Einkommensteuer. Diese Quellensteuer wird in Deutschland nach § 34c EStG auf die deutsche Einkommensteuer angerechnet. Wie im ersten Kapitel geschildert, gewährt § 34c EStG aber nur einen ordinary credit mit per-country-limitation. Außerdem mindert sich der Anrechnungshöchstbetrag um persönliche Abzüge und gegebenenfalls beim Vorliegen inländischer Verluste473. Das spanische Verfahren der Quellensteueranrechnung nach Art. 82 LIRPF stimmt im Wesentlichen mit der deutschen Vorgehensweise überein. Die einzige nennenswerte Abweichung besteht darin, dass in Spanien die Anrech________________________ 473 Siehe 1. Kap., B.II.1.a.

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

nung länderübergreifend durchgeführt wird, also keine per-country-limitation stattfindet. Beim Bezug von Auslandsdividenden kann all dies in vielen Fällen dazu führen, dass die ausländische Kapitalertragsteuer bzw. Quellensteuer nicht vollständig angerechnet wird. Meist wird diese nämlich entsprechend den abkommensrechtlichen Vorgaben 15 % der ausgeschütteten Bruttodividende betragen. In Deutschland ist diese Bruttodividende wegen dem auch auf Auslandsdividenden anwendbaren Halbeinkünfteverfahren aber gemäß § 3 Nr. 40 lit. d EStG nur zur Hälfte einkommensteuerbar. Außerdem werden damit zusammenhängende Erwerbsaufwendungen steuermindernd berücksichtigt, wenn auch nach § 3c Abs. 2 EStG nur zur Hälfte. Bezogen auf die Bruttodividende, wird der Betrag deutscher Einkommensteuer darum bei Steuerpflichtigen mit geringem bis mittlerem Einkommen – das sich insbesondere auch bei Beziehern hoher Dividendenzahlungen durch anderweitige Verluste ergeben kann –, oder aber bei hohen Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben weniger als 15 % ausmachen474. Das hat dann aber zur Folge, dass die ausländische Quellensteuer nicht mehr vollständig angerechnet wird. Auch in Spanien kann dieser Fall eintreten, wenngleich dies wegen der ungemilderten Besteuerung von Auslandsdividenden weniger wahrscheinlich ist. Demgegenüber kommt es bei inländischer Kapitalertragsteuer auf Inlandsdividenden stets zu einer vollständigen Anrechnung und gegebenenfalls Erstattung, § 36 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 EStG bzw. Art. 80 lit. b; 105 Abs. 2 LIRPF. b) Vereinbarkeit mit DBA, Europarecht und Verfassungsrecht Abkommensrechtlich ist diese Ungleichbehandlung regelmäßig nicht zu beanstanden, weil die DBA üblicherweise im Methodenartikel zur Anrechnungsmethode entsprechend Art. 23B Abs. 1 OECD-MA einen ordinary credit mit per-country-limitation vorsehen475. Es stellt sich aber die Frage, inwieweit mindestens europarechtlich eine Pflicht des nationalen Fiskus zur vollständigen Anrechnung der auf Auslandsdividenden lastenden ausländischen Kapitalertragsteuer entsprechend

________________________

474 So würde eine Einkommensteuerbelastung entsprechend 15 % der Bruttodividende

im Halbeinkünfteverfahren bei Erwerbsaufwendungen in Höhe von nur 5 % dieses Betrages erst bei einem durchschnittlichen Steuersatz von 31,6 % erreicht. Um eine solche Durchschnittsbelastung mit Einkommensteuer zu erreichen, muss das Gesamteinkommen des Steuerpflichtigen bei ca. 75.000 Euro liegen. 475 Auch abkommensrechtlich zweifelhaft ist allerdings die Zulässigkeit der Inverhältnissetzung von ausländischen Einkünften zur Summe der Einkünfte anstatt zum steuerpflichtigen Einkommen zur Bestimmung des Anrechnungshöchstbetrages in § 34c Abs. 1 EStG. Darauf soll hier nicht näher eingegangen werden; weiterführende Überlegungen finden sich etwa bei J. M. Mössner, DStJG 8, S. 135 (162 f.).

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Der Quellensteuerabzug

den Regelungen für Inlandsdividenden besteht. Es ist unzweifelhaft, dass eine unvollständige Anrechnung ausländischer Quellensteuer gegenüber der uneingeschränkten Anrechnung und gegebenenfalls Erstattung inländischer Quellensteuer auf Dividenden eine Ungleichbehandlung im Sinne der Grundfreiheiten der Art. 43, 56 Abs. 1 EGV bedeutet. Durch die Erfassung des gesamten Welteinkommens, das heißt der grundsätzlich unterschiedslosen Einbeziehung ausländischer wie inländischer Dividendeneinkünfte in die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage des unbeschränkt Steuerpflichtigen wird auch die nötige Vergleichbarkeit zwischen beiden Formen des Dividendenbezugs geschaffen. Die mögliche Schlechterstellung von Auslandsdividenden ist darum als Diskriminierung des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs und gegebenenfalls der Niederlassungsfreiheit zu bewerten476. Im Hinblick auf eine mögliche europarechtliche Rechtfertigung kann sich die Untersuchung an die Überlegungen zur Erstreckung des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens auf Auslandsdividenden anlehnen. Aus den dort erörterten Gründen wird man die unvollständige Anrechnung ausländischer Quellensteuern wegen der Kohärenz des inländischen Besteuerungssystems als gerechtfertigt anzusehen haben: Denn die Anrechnung und Erstattung inländischer Quellensteuer setzt den vorherigen entsprechenden Steuerabzug im Inland voraus. Der Vorteil der vollständigen Entlastung von inländischer Quellensteuer korrespondiert ausnahmslos und unmittelbar, das heißt dem Grunde wie der Höhe nach mit einer für den Bezieher von Inlandsdividenden nachteiligen inländischen Steuerbelastung477. Der wechselseitige Zusammenhang tritt hier sogar noch stärker hervor als bei der Anrechung auf der Dividende lastender Körperschaftsteuer, weil Schuldner der Quellensteuer wie der Einkommensteuer der Dividendenempfänger, das heißt ein und dasselbe Steuersubjekt ist. Die Anrechnung nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG bzw. Art. 80 lit. b LIRPF erklärt sich daraus, dass die inländische Quellensteuer nur eine besondere Form der Erhebung von Einkommensteuer auf die Dividendeneinkünfte ist. ________________________ 476 FG Köln v. 11.7.2002 – 7 K 8572/98, FR 2002, S. 1235 (1236); insoweit noch

zutreffend auch C. Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 283; D. Mueller, IStR 2002, S. 109 (111); IMN, FR 2002, S. 1237 (1238). 477 Einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Erhebung einer inländischen Quellensteuer und ihrer Anrechnung bei der inländischen Einkommensteuerveranlagung im Sinne der Kohärenzrechtsprechung des EuGH schien auch Generalanwalt La Pergola in seinen ersten Schlussanträgen zur Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, I-4071, Rz. 27 zu erkennen, als er noch (irrtümlich) davon ausging, die im niederländischen Einkommensteuerrecht vorgesehenen Entlastungen beim Dividendenbezug dienten dem Ausgleich einer Quellensteuervorbelastung. Vgl. dazu auch A. Lupo, ET 2000, S. 270 (273).

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Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

Demgegenüber ist die ausländische Quellensteuer regelmäßig eine definitive Steuer, die der Quellenstaat als seinen Anteil am Gesamtsteueraufkommen beansprucht. Sie muss darum der inländischen Quellensteuer im Rahmen der Vorschriften zur Quellensteueranrechnung nicht gleichgestellt werden478. Das zeigt sich auch daran, dass die fehlende oder eingeschränkte Anrechnung ausländischer Quellensteuer schon gar keinen Diskriminierungsvorwurf auslösen könnte, wenn Inlandsdividenden erst im Rahmen einer Veranlagung ohne vorherigen Steuerabzug besteuert würden. Es wäre lediglich das weitergehend in den Grundfreiheiten enthaltene Beschränkungsverbot in Gestalt des Verbots der Doppelbesteuerung zu beachten. Im Ergebnis darf es nun aber keinen Unterschied machen, ob die Einkommensteuer im Wohnsitzstaat nur im Wege der Steuerveranlagung erhoben wird oder aber schon vorab durch Steuerabzug an der Quelle. Die besondere Erhebungsform der Quellensteuer schafft zwar wegen der damit im Binnenkontext notwendigen Steueranrechnung einen Entlastungstatbestand, von dem nur Inlandsdividenden „profitieren“ und der damit die Frage nach seiner Rechtfertigung bei ansonsten unterschiedsloser Erfassung von Inlands- und Auslandsdividenden aufwirft. Die Rechtfertigung aus Gründen der Kohärenz des inländischen Erhebungsverfahrens kann aber nach dem Vorgesagten nicht bestritten werden. Es kann auch nicht ernstlich zweifelhaft sein, dass die Beschränkung der Anrechnung nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG bzw. Art. 80 lit. b LIRPF im Grundsatz verhältnismäßig ist479: Jedenfalls insofern der Gesetzgeber den Quellenabzug aus Gründen der Sicherung des Steueraufkommens für notwendig erachten darf480, kann er darauf nicht verzichten und muss dementsprechend auch eine Anrechnungsmöglichkeit für diese vorwegerhobene Einkommensteuer im Rahmen der endgültigen Einkommensteuerveranlagung vorsehen. Da aber nur inländischer Quellensteuer eine solche Funktion als vorläufiger Steuer zukommt, ist auch der Ausschluss ausländischer Quellensteuer von der Anrechnung zwingend.

________________________ 478 FG Köln v. 11.7.2002 – 7 K 8572/98, FR 2002, S. 1235 (1237). Gl. A. W. Schön in

seinem Vortrag v. 7.10.2003 auf dem 55. Fachkongress der Steuerberater 2003 in Köln (noch nicht veröffentl.), der allerdings aus diesen Gründen schon die Vergleichbarkeit von inländischer und ausländischer Quellensteuer bestreitet. Dies erscheint ebenfalls vertretbar, wenn man die Quellensteuer als solche zum Ausgangspunkt des Vergleichs macht; der hier gewählte Ansatz geht demgegenüber von einem Belastungsvergleich der Dividendeneinkünfte aus, was für den Prüfungsansatz im Rahmen der Grundfreiheiten eher dem Regelfall entspricht. 479 A. A. IMN, FR 2002, S. 1237 (1238). 480 Bedenken können sich an dieser Stelle allenfalls daraus ergeben, dass sowohl in Spanien wie in Deutschland der Quellenabzug im Hinblick auf diesen Zweck gegenwärtig überhöht erscheint.

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Der Quellensteuerabzug

Es kommt hinzu, dass ein EU-angehöriger Quellenstaat, wie gezeigt werden konnte, seine Quellensteuer auf von Steuerausländern bezogene Dividenden ohnehin regelmäßig schon selbst anrechnen muss. Denn zum Zwecke der Berücksichtigung von Erwerbsaufwendungen und der Anwendung eines eventuellen Integrationsmechanismus muss er grundsätzlich eine Veranlagung durchführen, in deren Rahmen die Kapitalertragsteuer anzurechnen wäre. Daran würde sich noch deutlicher als bisher zeigen, dass die ausländische Quellensteuer Teil der dortigen Einkommensteuererhebung ist und ihre mangelnde Gleichsetzung mit inländischer Quellensteuer keine ungerechtfertigte Diskriminierung bedeuten kann. Die Kohärenz der Besteuerung wird auch nicht in Frage gestellt, wenn die beteiligten Staaten in einem Doppelbesteuerungsabkommen ausdrücklich eine Anrechnungspflicht des Wohnsitzstaates in Form eines ordinary credit normiert haben und im Übrigen auch unilateral eine solche begrenzte Anrechnung gewährt wird, so dass letztlich auch ausländische Quellensteuer angerechnet wird, nur eben nicht immer vollständig. Denn diese Maßnahmen zielen nicht auf eine Entlastung von ausländischer Quellensteuer als solcher ab, sondern auf die Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung von Einkommen481. Sie erfüllen damit eine andere Funktion als die Anrechnung nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 bzw. Art. 80 lit. b LIRPF, so dass sie die Kohärenz der Anrechnung nur inländischer Quellensteuer nicht in Frage stellen können482. Die Vorschriften des § 34c EStG und Art. 82 LIRPF können darum nur für sich genommen, unter dem Blickwinkel der hinreichenden Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung, einer kritischen Würdigung anhand der Grundfreiheiten unterzogen werden. Denn diese verbieten auch die grenzüberschreitende Doppelbesteuerung von Dividenden. Auf den ersten Blick scheint es dabei so, als ob es nur dann, wenn die inländische durchschnittlich auf die Dividende entfallende Einkommensteuer höher ist als die ausländische (Quellen-)Steuerbelastung, die Doppelbesteuerung vollständig vermieden würde. Denn nur dann ist der Anrechnungshöchstbetrag ausreichend, um die Belastung mit ausländischen Steuern vollständig auszugleichen. Tatsächlich darf aber nicht übersehen werden, dass die Grundfreiheiten keinen Anspruch darauf vermitteln, dass sich die steuerliche Belastung einer grenzüberschreitenden Transaktion am Niveau eines ________________________ 481 Für deren Beseitigung hat der Wohnsitzstaat regelmäßig durch eine Art. 23A OECD-

MA nachgebildete Abkommensvorschrift die Verantwortung übernommen. Vgl. dazu auch W. Schön in: GS Knobbe-Keuk, S. 743 (773). 482 Diese Unterschiede übersehen C. Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 283, H. Schaumburg, StuW 2000, S. 369 (375 f.) und F. Wassermeyer, IStR 2001, S. 113 (117).

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bestimmten der beiden involvierten Mitgliedstaaten ausrichtet483. Es kann im Hinblick auf die Art. 43 und 56 Abs. 1 EGV darum grundsätzlich nicht beanstandet werden, wenn sich die ausländische Belastung als die höhere erweist und bei Geltung der Anrechnungsmethode mit ordinary credit im Inland auch nicht auf inländisches Niveau zurückgeführt wird484. Eine grundfreiheitswidrige Doppelbesteuerung wäre erst dann zu identifizieren, wenn die in- und ausländische Gesamtbelastung des grenzüberschreitenden Dividendenbezugs über die höhere der jeweils im reinen Binnenkontext für die entsprechenden Einkünfte entstehenden Belastungen hinausginge. Aus dieser Feststellung ergibt sich unmittelbar, dass die speziell in Deutschland praktizierte per-country-limitation nicht grundfreiheitswidrig ist, weil Maßstab der grundfreiheitlichen Prüfung ohnehin ein Belastungsvergleich im Kontext nur der beiden betroffenen Mitgliedstaaten ist. Auch die Berücksichtigung der dem objektiven Nettoprinzip geschuldeten Abzüge bei Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrages kann jedenfalls dem Wohnsitzstaat nicht zum Vorwurf gereichen, denn diese würden ja auch bei Inlandsdividenden deren Einkommensteuerbelastung in vergleichbarer Weise vermindern. Gleiches gilt speziell in Deutschland im Hinblick auf die Einbeziehung des Halbeinkünfteverfahrens in den Berechnungsmodus. Zu einer Mehrbelastung des transnationalen Dividendenbezuges kann es durch diese Faktoren nur kommen, wenn der Quellenstaat dem Dividendenbezieher diese Abzüge und Entlastungen verweigert. Ist dies europarechtlich gerechtfertigt, wird dort insbesondere die übliche abgeltende Bruttoquellenbesteuerung diskriminierungsfrei für ansässige wie gebietsfremde Dividendenbezieher praktiziert, so muss die daraus resultierende Mehrbelastung im Vergleich zur Inlandsdividende hingenommen werden. Es besteht keine Notwendigkeit für den inländischen Fiskus, diese Belastungsentscheidung über eine unbegrenzte Anrechnung der ausländischen Abgeltungssteuer im Rahmen der inländischen Veranlagung zu revidieren. Er kann die ausländische Wertung, Dividenden seien mit einem – regelmäßig niedrigen – Steuerabzug vom Bruttobetrag gerecht besteuert, bestehen lassen und von einer Besteuerung nach eigenen Gerechtigkeitsmaßstäben absehen. Wird die Bruttobesteuerung im Quellenstaat hingegen nicht diskriminierungsfrei praktiziert, muss der Dividendenbezieher dort gegen seine Schlechterstellung vorgehen. Erst recht Ausdruck ausländischer Gerechtigkeitswertungen und bloße Regelungsdisparität ist ein eventuell höherer Steuersatz. Auch er muss darum nicht über einen full credit kompensiert werden. Als einzig problematisch erweist sich damit, dass sich der Anrechnungshöchstbetrag auch um die an________________________ 483 Siehe dazu die Ausführungen im 2. Kapitel unter C.V.3.a.bb. 484 So auch M. Desens, IStR 2003, S. 613 (615).

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Der Quellensteuerabzug

teiligen, dem subjektiven Nettoprinzip geschuldeten persönlichen Abzüge mindert485. Damit wird unterstellt, dass der Quellenstaat entsprechende Abzüge bereits vorgenommen hat oder aber entsprechend seinen Gerechtigkeitswertungen auch den Gebietsansässigen nicht gewährt. Tatsächlich ist dies aber regelmäßig nicht der Fall und im Gefolge der Rechtsprechung des EuGH in den Rs. Schumacker und de Groot, wonach grundsätzlich der Wohnsitzstaat für persönliche Abzüge zuständig sei486, auch nicht zu erwarten. Jedenfalls solang der EuGH an dieser Rechtsprechung festhält, kann die Kürzung des Anrechnungshöchstbetrages um persönliche Abzüge eine Doppelbesteuerung bestehen lassen, zu deren Beseitigung nach ebendieser Rechtsprechung der Ansässigkeitsstaat aber verpflichtet wäre487. Zulässig ist hingegen, dass die Anrechnungsmethode mit ordinary credit – wie im Übrigen auch die Freistellungsmethode – bei verrechenbaren inländischen Verlusten des Dividendenbeziehers eine ausländische Steuerbelastung bestehen lässt, obwohl sie nicht der weltweiten Gesamtleistungsfähigkeit des Dividendenbeziehers entspricht. Dies ist nämlich kein Doppelbesteuerungsproblem: Im Inland wird der Steuerpflichtige dann nicht – bzw. mit einem Steuersatz von Null – besteuert, so dass nur die Steuerbelastung im Quellenstaat bestehen bleibt. Dort wiederum entspricht die Ausblendung der Verluste im Quellenstaat dem völkerrechtlich fundierten steuerlichen Territorialitätsprinzip488. Immerhin zeigt diese Fallkonstellation, dass möglicherweise das Territorialitätsprinzip unter Grundfreiheitsaspekten dahingehend eingegrenzt werden muss, dass die Einkünfte des Nichtansässigen im Quellenstaat zumindest auf Antrag nur unter Progressionsvorbehalt seiner weltweit erzielten Einkünfte besteuert werden dürfen489; diese Frage soll hier aber nicht weiter vertieft werden.

________________________ 485 Diese Problematik wird ausführlich behandelt von M. Menhorn, IStR 2002, S. 15

(16 ff.). 486 Siehe dazu 2. Kap., C.V.3.b.aa. 487 So auch M. Menhorn, IStR 2002, S. 15 (17); zustimmend J. de Weerth, RIW 2003,

S. 131 (135). Auch A. Schnitger, IStR 2002, S. 478 ff., und E. Wied in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 34c EStG (Stand: 05/03), Rz. 11 stellen die Verpflichtung zur Berücksichtigung bei der Steueranrechnung im Wohnsitzstaat nur zusammen mit der grundsätzlichen Entscheidung des EuGH zu den persönlichen Abzügen in Frage. Vgl. auch J. M. Mössner, DStJG 8, S. 135 (162 f.). 488 Siehe dazu 2. Kap., C.V.3.b.aa. 489 W. Schön hielt dies in seinem Vortrag auf dem 55. Fachkongress der Steuerberater 2003 in Köln (noch nicht veröffentl.) für eine notwendige Schlussfolgerung aus der Entscheidung des EuGH in der Rs. Gerritse (EuGH v. 12.6.2003, Rs. C-234/01 (Gerritse), EWS 2003, S. 330), die seines Erachtens künftig regelmäßig eine optionale Veranlagung des beschränkt Steuerpflichtigen erfordern wird.

473

Die Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen

Europarechtlich besteht damit grundsätzlich keine Verpflichtung zur vollständigen Anrechnung der auf Auslandsdividenden lastenden ausländischen Quellensteuer entsprechend der Anrechnung inländischer Quellensteuer490. Aus dem Vorgesagten folgt zugleich, dass dies auch verfassungsrechtlich nicht geboten ist491: Die vom Gesetzgeber genutzte Möglichkeit, ausländische Maßstäbe einer gerechten Ausgestaltung des Quellensteuerabzugs, insbesondere dessen eventuelle Abgeltungswirkung, zu respektieren, sowie die unterschiedliche Funktion der Anrechnung inländischer und ausländischer Quellensteuer führen dazu, dass Auslandsdividenden hinsichtlich der Anrechnung von Quellensteuer nicht mit Inlandsdividenden vergleichbar sind.

________________________ 490 Im Ergebnis gl. A. E. Wied in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 34c EStG (Stand:

05/03), Rz. 11; B. Weiser, Rechtsprechung und Rechtsetzung auf dem Gebiet der direkten Besteuerung, S. 224; W. Ritter, IStR 2001, S. 430 (433). 491 So auch FG Köln v. 11.7.2002 – 7 K 8572/98, FR 2002, S. 1235 (1237). Zustimmend E. Wied in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 34c EStG (Stand: 05/03), Rz. 11. A. A. ist D. Gosch in: Kirchhof, EStG, 3. Aufl., § 34c Rz. 39.

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Der Entlastungsmechanismus

B. Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften I. Der Entlastungsmechanismus Auch bei Weiterleitung des von einer Kapitalgesellschaft erwirtschafteten Gewinns an eine andere Kapitalgesellschaft muss dem Prinzip der steuerlichen Einmalbelastung Rechnung getragen werden. Wie bei einer natürlichen Person als Gesellschafterin darf die Vorbelastung der Dividende mit Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer nicht unberücksichtigt bleiben. Das entspricht nicht nur den Geboten wirtschaftlicher Vernunft in einem wirtschaftlichen Umfeld, in dem Konzernstrukturen unverzichtbar sind. Eine Mehrfachbelastung verbietet sich auch im Hinblick auf das Fundamentalprinzip der leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die in ausgeschütteten Unternehmensgewinnen verkörpert ist, nimmt nicht allein dadurch zu, dass sie von der Tochtergesellschaft auf die Muttergesellschaft übertragen wird und damit erst über mehrere Stufen bei einer natürlichen Person als Anteilseigner angelangt. Vielmehr liegt in der Ausschüttung im Konzern bzw. an eine andere Kapitalgesellschaft ebenfalls ein bloßer Transfer von Leistungsfähigkeit auf ein anderes Steuersubjekt492. Nur diese Betrachtung stellt sicher, dass aus der maßgeblichen Sicht der natürlichen Person als bestimmungsgemäßer Empfängerin jeglicher von Kapitalgesellschaften erzielter Vermögenszuwächse deren Besteuerung nicht allein aufgrund der Organisation der Erwerbstätigkeit von der sonstiger Vermögenszuwächse abweicht.

1. Das deutsche Freistellungssystem a) Neues Freistellungssystem als zwingende Folge des Halbeinkünfteverfahrens? Das abgeschaffte körperschaftsteuerliche Vollanrechnungsverfahrens genügte dem Postulat der Einmalbelastung im Grundsatz optimal. Es fand auch auf der Körperschaftsteuerebene bzw. im Konzern Anwendung. Über die Eigenkapitalgliederung konnte die Vorbelastung der Dividende mit Körperschaftsteuer genau ermittelt werden. Der entsprechende Betrag wurde der Muttergesellschaft auf ihre eigene Steuerschuld angerechnet bzw. erstattet, soweit er diese überstieg. Die Dividende selbst war steuerbar, wobei sich die steuerbaren Einkünfte um das Anrechnungsguthaben erhöhten. Damit wurden die durchgeleiteten Gewinne nicht nur bei der Kapitalgesellschaft, die sie operativ erwirtschaftetet hatte, sondern auf jeder Beteiligungsstufe erneut ________________________ 492 So auch G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 225; vgl. ferner die Nach-

weise im 2. Kapitel unter A.I.2.a.cc) (iii) (2).

475

Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

versteuert und gleichzeitig die Besteuerung auf der vorangegangenen Ebene rückgängig gemacht. Es blieb bei der Einmalbelastung bis zur Ausschüttung an die natürliche Person, bei der das Anrechnungsverfahren dann die endgültige Belastung nach den individuellen persönlichen Verhältnissen gewährleistete. Ausgeblendet war auch in der Körperschaftssphäre lediglich die gewerbesteuerliche Vorbelastung, die aber in das Anrechnungsverfahren hätte integriert werden können. Der Gesetzgeber hat sich mit der Unternehmenssteuerreform dazu entschlossen, das Anrechnungsverfahren nicht nur für natürliche Personen als Anteilseigner, sondern insgesamt abzuschaffen. Um eine Einmalbelastung bis hin zur Ausschüttung an die natürliche Person näherungsweise sicherzustellen, hat das Steuersenkungsgesetz auf Körperschaftsteuerebene ein Freistellungssystem installiert. Das alte Schachtelprivileg des § 8b Abs. 1 KStG a. F., das nur für bestimmte durchgeschüttete Auslandsdividenden galt, wurde dazu voraussetzungslos auf jede Art von Dividenden ausgedehnt, die von einer Kapitalgesellschaft bezogen werden. Durch die Steuerbefreiung der Dividenden sollen nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers Mehrfachbelastungen in Beteiligungsketten vermieden werden. Auf diese Weise sei gewährleistet, dass die Körperschaftsteuerbelastung bis zur Ausschüttung an eine natürliche Person unverändert bleibe und im Zusammenspiel mit dem Halbeinkünfteverfahren auch bei dieser nur eine Einmalbelastung eintritt493. Der Entlastungsmechanismus wie auch dessen Rechtfertigung stützen sich auf entsprechende Erwägungen der vom BMF eingesetzten Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung494. Auch das Schrifttum beurteilt die Freistellungsregelung in § 8b Abs. 1 KStG nach der Unternehmenssteuerreform einhellig als systematisch folgerichtige Maßnahme zur Vermeidung von Doppel- und Mehrfachbelastungen bei gestuften Beteiligungsverhältnissen495. ________________________ 493 Vgl. den Entwurf eines StSenkG, BT-Drs. 14/2683, S. 120. 494 Brühler Empfehlungen, S. 52. 495 So z. B. P. Bareis, BB 2003, S. 2315 (2317); A. Raupach, DStJG 25, S. 9 (16);

J. Lang, DStJG 24, S. 49 (91 f.); J. Hey, DStJG Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 20; H. Kussmaul/S. Beckmann, DB 2001, S. 608 (612); G. Crezelius, DB 2001, S. 221 (224); D. Birk, StuW 2000, S. 328 (335); B.-K. Köster, FR 2000, S. 1263; I. van Lishaut, StuW 2000, S. 182 (186); T. Rödder/A. Schumacher, DStR 2000, S. 353 (354); T. Eisgruber, DStR 2000, S. 1493 (1494); E. Dötsch/A. Pung, Beilage 4 zu DB 2000, S. 3; dies. in: Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, KStG, § 8b KStG nF, Rz. 6; G. Frotscher in: Frotscher/Maas, KStG, § 8b (Stand: 02/03), Rz. 3 f.; T. Menck in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 8b KStG (Stand: 03/02), Rz. 20; H.-J. Watermeyer in: Herrmann/Heuer/Raupach, Steuerreform II, § 8b (Stand: 04/01), Rz. 10.

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Der Entlastungsmechanismus

Das neue Freistellungssystem stellt darum anders als das vorangegangene Schachtelprivileg nach § 8b Abs. 1 KStG a. F. keine Steuervergünstigung dar. Es handelt sich vielmehr um eine Fiskalzwecknorm, die an Stelle des früheren Anrechnungsverfahrens eine leistungsfähigkeitsgerechte Einmalbesteuerung innerhalb der Körperschaftsteuersphäre gewährleisten soll496. Vielfach wird diese Systemumstellung als notwendige Folge der Abschaffung des Anrechnungsverfahrens für natürliche Personen angesehen und entsprechend gerechtfertigt497. Denn damit sei das Körperschaftsteuersystem insgesamt zu einem klassischen System umgestaltet worden, so dass auch eine Neureglung für die Weitergabe von Gewinnen an andere Körperschaften erforderlich geworden sei. Systematisch zwingend erscheint dies indes nicht. Es wäre durchaus denkbar gewesen, innerhalb der Körperschaftssphäre ein Anrechnungssystem fortzuführen, um dort eine optimal leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung sicherzustellen. An der Schnittstelle zur natürlichen Person hätte dann das Halbeinkünfteverfahren als vergröbernder shareholder relief einsetzen können, so dass es nur insoweit zu einer Definitivbelastung mit Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer gekommen wäre. Anrechnungsverfahren innerhalb von Beteiligungsketten und Halbeinkünfteverfahren bei Ausschüttung an natürliche Personen als Anteilseigner wären kompatibel gewesen. Es ist darum für die Körperschaftsebene gesondert zu prüfen, ob auch hier die Aufgabe des Anrechnungsverfahrens gerechtfertigt war, und ob das Freistellungssystem eine angemessene, verfassungskonforme Alternative darstellt. b)

Neues Freistellungssystem als überlegene Alternative zum Anrechnungsverfahren

aa) Schwächen des Anrechnungsverfahrens auf Körperschaftsebene (i)

Wettbewerbsfähige Steuersätze erzwingen die Einbeziehung von Auslandssachverhalten

Es wurde schon zur Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen festgestellt, dass das Anrechnungsverfahren national abgeschottet, in den Worten ________________________ 496 Ausführlich hierzu G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 193 ff., insbes.

S. 206 f.; ebenso N. Herzig, DB 2003, S. 1459 (1460); J.Haun/H. Winkler, GmbHR 2002, S. 192 (193); J. Lang, DStJG 24, S. 49 (92); G. Frotscher in: Frotscher/Maas, KStG, § 8b (Stand: 02/03), Rz. 4. 497 W. Schön, StuW 2000, S. 151 (158); J. Hey, DStJG Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 5 (20); dies. in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. KStG (Stand: 09/99), Rz. 199; B.-K. Köster, FR 2000, S. 1263; G. Frotscher in: Frotscher/ Maas, KStG, § 8b (Stand: 02/03), Rz. 3; E. Dötsch/A. Pung in: Dötsch/Eversberg/ Jost/Witt, KStG, § 8b KStG nF, Rz. 6.

477

Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

von B. Knobbe-Keuk „isolationistisch“498 war. Das gilt nahezu ohne Abstriche auch für seine Wirkungsweise innerhalb der Körperschaftssphäre. Eine durchgängig leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung konnte es nur im reinen Binnensachverhalt ohne Auslandsberührung gewährleisten. Auslandsdividenden wurden grundsätzlich mit ausländischer Körperschaftsteuer vor- und mit inländischer Körperschaftsteuer nach-, also letztlich doppelt belastet499. Sie wurden nicht von der ausländischen Körperschaftsteuervorbelastung durch Gewährung eines Anrechnungsguthabens entlastet, wie es eigentlich in der Konsequenz des Anrechnungsverfahrens gelegen hätte. Eine Ausnahme bestand nur in engen Grenzen für qualifizierte Schachtelbeteiligungen im Sinne des § 26 Abs. 2 KStG a. F.; selbst dann war die Beseitigung der Doppelbelastung aber nur vorläufig und wurde bei Weiterausschüttung an natürliche Personen rückgängig gemacht500. Bei beschränkt steuerpflichtigen Muttergesellschaften wiederum wurde das Anrechnungsverfahren nur angewendet, wenn die Beteiligung an der inländischen Tochtergesellschaft in einer inländischen Betriebsstätte gehalten wurde. Ansonsten war die Anrechnung und gegebenenfalls Vergütung inländischer Körperschaftsteuer wegen der Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer auf Dividenden ausgeschlossen, §§ 50 Abs. 1 Nr. 2, 51 KStG a. F. Angesichts des prinzipiellen Ausschlusses grenzüberschreitender Dividendenausschüttungen warf das Anrechnungsverfahren innerhalb der Körperschaftssphäre ähnliche europarechtliche Probleme auf wie bei natürlichen Personen501: (1) Dividenden an Steuerausländer Eine diskriminierende Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit und gegebenenfalls der Niederlassungsfreiheit beschränkt steuerpflichtiger Muttergesellschaften trat hier sogar noch deutlicher zu Tage: Bei der grundfreiheitlich vorgegebenen isolierten Betrachtungsweise liegt in der Nichtgewährung eines Anrechnungsguthabens eine klare Schlechterstellung, die allein an den grenzüberschreitenden Charakter des Dividendenbezugs anknüpft. Vor allem aber ist auch die Vergleichbarkeit von Binnen- und Auslandssachverhalt bei juristischen Personen als Dividendenempfängern offensichtlich: Denn hinsichtlich der Besteuerung juristischer Personen hat der EuGH stets ________________________ 498 B. Knobbe-Keuk in: FS Klein, S. 347 (351). 499 Etwas anderes galt bei Streubesitzdividenden regelmäßig nur dann, wenn die Beteili-

gung an der Tochtergesellschaft einer im Quellenstaat belegenen Betriebsstätte der Muttergesellschaft zuzuordnen war, da insoweit dann ebenfalls die Freistellungsmethode eingriff, vgl. Art. 10 IV, 7 I OECD-MA. 500 Näher H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 15.153 ff. 501 Siehe dazu unter A.I.1.b.aa) und bb).

478

Der Entlastungsmechanismus

klar zu erkennen gegeben, dass schon mit der Wahl eines einheitlichen Besteuerungsobjektes die notwendige Vergleichbarkeit vom Mitgliedstaat grundsätzlich selbst hergestellt wird. Persönliche Umstände spielen insoweit keine Rolle, so dass insbesondere auch die Unterscheidung zwischen Welteinkommens- und Quellenprinzip kein Hindernis für eine vergleichende Betrachtung begründet502. Zwar hat der EuGH bisher noch nicht explizit dazu Stellung genommen, ob diese Vergleichbarkeit möglicherweise durch unterschiedliche Verfahrensregeln, hier also durch die abgeltende Bruttobesteuerung im Wege des Kapitalertragsteuerabzugs, in Frage gestellt werden könnte503. Dies kommt aber ebenso wenig in Betracht wie bei der Besteuerung natürlicher Personen: Denn die Ausgestaltung des Besteuerungsverfahrens ändert nichts an der Grundwertung, wonach sich im einem bestimmten Sachverhalt eine besteuerungswürdige, objektive Leistungsfähigkeit ausdrückt, die binnenorientiert wie auch grenzüberschreitend in die Besteuerung einbezogen wird. Dann muss sie steuerlich aber prinzipiell auch unterschiedslos belastet werden. Käme es auf die unterschiedliche verfahrenstechnische oder eine damit verbundene materiell-rechtliche Ausgestaltung der Besteuerung an, so würde ansonsten auch gerade die kritische Ungleichbehandlung selbst zu ihrer eigenen Rechtfertigung bemüht. Im Übrigen kann auf die Ausführungen zur Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen verwiesen werden504. Fraglich könnte allenfalls sein, ob die Ungleichbehandlung bei Ausschüttung an eine andere Kapitalgesellschaft durch die Kohärenz der Besteuerung gerechtfertigt sein konnte. Denn bei unbeschränkt steuerpflichtigen Muttergesellschaften war die Gewährung des Anrechnungsguthabens an die Körperschaftsteuerveranlagung und damit an eine erneute Belastung mit dem regulären Körperschaftsteuersatz geknüpft. Demgegenüber unterlagen nichtansässige Muttergesellschaften mit ihren Dividendenbezügen nur einer abgeltenden Quellensteuer, die allerdings je nach Art der Beteiligung unterschiedlich hoch ausfiel: Bei Schachtelbeteiligungen505 war sie aufgrund von Abkommensbestimmungen regelmäßig auf Sätze zwischen 5 % bis 15 % ________________________ 502 EuGH v. 29.4.1999, Rs. C-311/97 (Royal Bank of Scotland), Slg. 1999, I-2651,

Rz. 27 u. 29. Vgl. dazu auch die eingehende Darstellung im 2. Kap., C.V.3.b.aa. 503 Die Argumentation in den Entscheidungen vom 29.4.1999, Rs. C-311/97 (Royal

Bank of Scotland), Slg. 1999, I-2651, Rz. 27 u. 29 sowie vom 21.9.1999, Rs. C-307/97 (Saint-Gobain ZN), Slg. 1999, I-6181, Rz. 48 ist insoweit sehr vorsichtig tastend: Vergleichbarkeit sei jedenfalls bei Gleichartigkeit der „Faktoren“ zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlage anzunehmen. Speziell für Dividenden wurde dies bei der Betriebsstättenbesteuerung bejaht, die allerdings auch keinen unterschiedlichen Verfahrensregelungen unterliegt. 504 Oben unter A.I.1.b.aa) (ii). 505 Meist ab einer Beteiligungsquote von 10 %.

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Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

der Bruttodividende beschränkt506. Bei Schachtelbeteiligungen im Sinne des Art. 3 der EG-rechtlichen Mutter-Tochter-Richtlinie507 kam es sogar gemäß den §§ 44d, 50d EStG zu gar keiner Belastung mit Kapitalertragsteuer. Streubesitzdividenden hingegen wurden unter Berücksichtigung zwischenstaatlicher DBA regelmäßig mit 15 % Kapitalertragsteuer auf die Bruttodividende belastet508. Tatsächlich konnte sich Deutschland unter den bis zur Unternehmenssteuerreform 2000 geltenden Steuersatzverhältnissen bei Saldierung der jeweiligen Belastungsvorteile und -nachteile wohl auf die Kohärenz seines Besteuerungssystems berufen: Denn es war im Saldo typischerweise sichergestellt, dass grenzüberschreitende Gewinnausschüttungen innerhalb der Körperschaftssphäre zumindest nicht stärker belastet wurden als solche an inländische Muttergesellschaften. Dies gilt jedenfalls dann, wenn man die mit der Abgeltungswirkung verbundene Nichtberücksichtigung von Beteiligungsaufwendungen beschränkt steuerpflichtiger Anteilseigner zunächst außer Betracht lässt509. Dieses Ergebnis ist vor allem im gespaltenen Körperschaftsteuersatz begründet: Unabhängig von der Ansässigkeit der Gesellschafter stellte die ausschüttende Gesellschaft stets eine Ausschüttungsbelastung von zuletzt 30 % her, § 27 Abs. 1 KStG a. F. War eine inländische Kapitalgesellschaft Empfängerin der Dividende, so unterlag diese nebst dem Anrechnungsguthaben der regulären Thesaurierungsbelastung von 40 %, § 23 Abs. 1 KStG a. F. Angerechnet wurde aber nur die Vorbelastung anlässlich der Ausschüttung in Höhe von 30 %. Das führte dazu, dass die für die Ausschüttung verwendeten Gewinne im Binnensachverhalt insgesamt wieder einer Belastung von 40 % zugeführt wurden510. Demgegenüber blieb es bei Ausschüttung an eine auslandsansässige Muttergesellschaft bei der Ausschüttungsbelastung von 30 %. Zu dieser konnte allenfalls noch Kapitalertragsteuer hinzutreten, die jedoch aufgrund der abkommensrechtlichen Be________________________ 506 Vgl. die Übersicht bei W. Tischbirek in: Vogel/Lehner, DBA, 4. Aufl., Art. 10 Rz. 67.

507 508 509

510

480

Eine Ausnahme bildet Griechenland, das einen Quellensteuersatz von 25 % erlaubte, so dass insoweit keine Beschränkung des deutschen Besteuerungsanspruchs nach § 43a I Nr. 1 EStG a. F. eintrat. Richtlinie (EWG) Nr. 90/435 v. 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225 S. 6). Vgl. die Übersicht bei W. Tischbirek in: Vogel/Lehner, DBA, 4. Aufl., Art. 10 Rz. 67. Dies erscheint deshalb geboten, weil die hier interessierende Frage der Beschränkung des Anrechnungsverfahrens unabhängig von der Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer hätte geregelt werden können. Denkbar wäre es beispielsweise gewesen, ausländische, beschränkt körperschaftsteuerpflichtige Gesellschaften mit ihren Dividendeneinkünften zu veranlagen, ihnen aber dennoch keinen Zugang zum Anrechnungsverfahren zu eröffnen. Dabei sollen hier die Fälle außer Betracht gelassen werden, in denen das Anrechnungsverfahren auch im Binnensachverhalt nicht zur Anwendung kam, namentlich bei beschränkt steuerpflichtigen Steuerinländern im Sinne des § 2 Nr. 2 KStG.

Der Entlastungsmechanismus

schränkungen regelmäßig maximal 15 % der Bruttodividende ausmachte, bei Schachteldividenden auch häufig weniger oder gar Null. Bezogen auf die zur Ausschüttung verwendeten Gewinne, stellte sich eine inländische Steuerbelastung von 40,5 % bis lediglich 30 % ein. Sie lag damit grundsätzlich sehr dicht bei oder sogar unter der Belastung inlandsansässiger körperschaftsteuerpflichtiger Anteilseigner. Ausnahmen konnten sich nur ergeben, wenn die dividendenbeziehende Gesellschaft anderweitig Verluste erwirtschaftete, die mit den Dividendeneinkünften hätten verrechnet werden können. In diesem Fall konnte die auf die Dividenden einschließlich des Anrechnungsguthabens entfallende Körperschaftssteuer bis auf Null herabsinken, während gleichzeitig die Vorbelastung über die Anrechnung vollständig rückgängig gemacht wurde. Demgegenüber wäre es bei dieser Vorbelastung bei auslandsansässigen Gesellschaften selbst dann geblieben, wenn von der abgeltenden Wirkung der Kapitalertragsteuer abgesehen und eine Verlustverrechnung zugelassen worden wäre511. Es darf aber nicht übersehen werden, dass solche Verlustverrechnungskonstellationen in den hier relevanten Fällen grenzüberschreitenden Dividendenbezugs eher selten auftraten: Denn aufgrund des Quellenprinzips hätten bei ausländischen Gesellschaften ohnehin nur inländische Verluste verrechnet werden können; da der Quellenstaat insgesamt nur Zugriff auf die inlandsradizierte objektive Leistungsfähigkeit des Nichtansässigen hat und nimmt, ist dies auch europarechtlich nicht zu beanstanden. Solche inländischen Verluste entstehen regelmäßig erst bei einer festeren geschäftlichen Beziehung zum Inland und nicht lediglich bei Finanzinvestitionen, sie werden darum typischerweise von Gesellschaften mit einer inländischen Betriebsstätte erzielt. Diese aber waren im Rahmen der Betriebsstättenveranlagung wie eine unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft in das Anrechnungsverfahren einbezogen. Die Fälle, in denen eine Verrechnung der Dividende mit inländischen Verlusten auch bei nicht mit einer Betriebsstätte vertretenen ausländischen Gesellschaften möglich gewesen wäre, und der Ausschluss vom Anrechnungsverfahren folglich zu ihrer steuerlichen Schlechterstellung führen konnte, dürften darum Ausnahmecharakter gehabt haben. Deshalb durfte sie der Gesetzgeber wohl auch nach den strengen Maßstäben der europarechtlichen Kohärenzprüfung als atypisch werten und unberücksichtigt lassen. Für den Regelfall ergaben sich bei isolierter Betrachtung nur des Anrechnungsverfahrens, d. h. unter Außerachtlassung der mit der Abgeltungswirkung verbundenen Bruttobesteuerung, annähernd gleiche Belastungsergebnisse für national wie international ausgeschüttete ________________________ 511 Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Versagung des Anrechnungsverfah-

rens unabhängig von der Frage der separat zu prüfenden Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer zu beurteilen ist.

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Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

Dividenden; gegebenenfalls wurden letztere durch DBA oder die MutterTochter-Richtlinie sogar deutlich besser gestellt. Diese näherungsweise Gleichheit im Belastungserfolg genügte, um die Kohärenz der Besteuerung zu wahren512. Diese Besteuerungskohärenz basierte allerdings entscheidend auf einer nicht unerheblichen Differenz zwischen Ausschüttungs- und Thesaurierungsbelastung mit Körperschaftsteuer. Der internationale Steuerwettbewerb um ausländische Investitionen ließ jedoch zur Jahrtausendwende eine deutliche Tarifsenkung auch für thesaurierte Gewinne unumgänglich erscheinen, damit Deutschland im Standortwettbewerb nicht weiter zurückfallen würde513. Die Bundesregierung beurteilte die tarifäre Belastung einbehaltener Gewinne in 1999 vor diesem Hintergrund als deutlich zu hoch514. Dementsprechend beinhaltete der Auftrag an die Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung, auf deren Vorarbeiten die Abschaffung des Anrechnungsverfahrens maßgeblich zurückgeht, die Belastung der Unternehmenseinkünfte mit höchsten 35 % sicherzustellen515. Durch das Steuersenkungsgesetz vom 23.10.2000 schließlich wurde der Körperschaftsteuersatz von 2001 an deutlich und einheitlich auf nur noch 25 % gesenkt, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu stärken und Auslandsinvestitionen anzuziehen516. Bei Geltung eines niedrigen und damit notwendigerweise einheitlichen Körperschaftsteuersatzes für thesaurierte wie ausgeschüttete Gewinne ließ sich die Kohärenz der Besteuerung im Sinne einer saldierenden Belastungsgleichheit zwischen inländischen und ausländischen Muttergesellschaften aber nicht mehr herstellen. Unterstellt man den letztlich auch vom Gesetzgeber eingeführten Einheitssteuersatz von 25 % für die Anwendung des Anrechnungsverfahrens bei unbeschränkt steuerpflichtigen Muttergesellschaften, so wären die nichtansässigen Muttergesellschaften in einer Vielzahl von Fällen steuerlich schlechter gestellt worden: Im Binnensachverhalt führt ein Einheitstarif dazu, dass bei der dividendenempfangenden Gesellschaft Anrechnungsguthaben und Dividende in der Summe mit demselben Steuersatz belastet werden, wie der zur Ausschüttung verwendete und eben dieser ________________________ 512 Ganz geringfügige Abweichungen schaden insoweit nicht, vgl. die Schlussanträge

513

514 515 516

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des Generalanwaltes Léger v. 13.3.2003 in der Rs. C-234/01 (Gerritse), IStR 2003, S. 269, Rz. 36. Vgl. zur teilweise dramatischen Absenkung der Körperschaftsteuersätze im internationalen Umfeld den Überblick bei R. J. Vann, CDFI Volume LXXXVIIIa (2003), S. 21 (25 ff.). Vgl. Brühler Empfehlungen, S. 14. Vgl. Brühler Empfehlungen, S. 11. Vgl. die Begründung im Entwurf des StSenk, BT-Drs. 14/2683, S. 95.

Der Entlastungsmechanismus

Summe entsprechende Gewinn. Dessen Vorbelastung wiederum wird über die Gewährung des Anrechnungsguthabens wieder rückgängig gemacht517. Die Steuerbelastung der Dividende bei der inländischen Mutter entspricht darum maximal der Vorbelastung der Dividende mit von der Tochtergesellschaft entrichteter Körperschaftsteuer518. Demgegenüber macht diese Vorbelastung im grenzüberschreitenden Sachverhalt selbst im günstigsten Fall, das heißt im Anwendungsbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie, die Minimalbelastung mit inländischer Körperschaftsteuer aus. Denn für ausländische Muttergesellschaften wird diese Vorbelastung definitiv, wenn das Anrechnungsverfahren nicht greift. In allen anderen Konstellationen, d. h. insbesondere bei Beteiligungen unter 25 %, liegt die Gesamtbelastung im grenzüberschreitenden Sachverhalt auf jeden Fall höher, da dann noch die abkommensrechtlich zulässige Belastung mit Kapitalertragsteuer hinzutritt. Typischerweise hätte sich bei einem einheitlichen Körperschaftsteuersatz durch die Körperschaftsteuerveranlagung keine Zusatzbelastung mehr ergeben, welche die Entlastungswirkung des Vollanrechnungsverfahrens bei unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Anteilseignern wieder kompensiert oder gar überkompensiert hätte. Die grenzüberschreitend ausgeschütteten Dividenden hätten vielmehr jedenfalls bei Beteiligungen unter 25 % stets eine höhere steuerliche Gesamtbelastung erfahren. Die im Ausschluss vom Anrechnungsverfahren liegende Diskriminierung hätte darum auch unter Kohärenzgesichtspunkten nicht mehr gerechtfertigt werden können. Mit Einführung des einheitlichen Körperschaftsteuersatzes von 25 % hätte darum das Anrechnungsverfahren auf ausländische Muttergesellschaften ausgedehnt werden müssen, um europarechtskonform zu sein. (2) Auslandsdividenden Diskriminiert wurde die grenzüberschreitende Gewinnausschüttung auch insofern, als dass Körperschaftsteuer grundsätzlich nur bei Ausschüttungen inländischer Tochtergesellschaften angerechnet wurde. Transnationaler und Binnensachverhalt sind hier ohne Weiteres vergleichbar, insoweit bei der unbeschränkt steuerpflichtigen Muttergesellschaft Inlands- wie Auslands-

________________________ 517 Dabei sollen hier die Fälle außer Betracht gelassen werden, in denen das Anrech-

nungsverfahren auch im Binnensachverhalt nicht zur Anwendung kam, namentlich bei beschränkt steuerpflichtigen Steuerinländern im Sinne des § 2 Nr. 2 KStG. 518 Eine niedrigere Belastung konnte sich durch die Verrechnung der Dividendeneinkünfte mit anderweitigen Verlusten ergeben, ferner durch den Abzug von Beteiligungsaufwendungen, dessen Versagung für nichtansässige Gesellschaften hier allerdings noch ausgeklammert bleiben soll.

483

Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

dividenden grundsätzlich gleichermaßen in die körperschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage einbezogen wurden519. Fraglich ist, ob diese Ungleichbehandlung aus denselben Gründen wie bei natürlichen Personen durch die Kohärenz der Besteuerung gerechtfertigt war. Das Besteuerungssystem war nämlich insofern kohärent, als dass die Entlastung von Inlandsdividenden unmittelbar mit deren Belastung durch inländische Körperschaftsteuer korrespondierte. Demgegenüber musste die Vorbelastung von Dividenden ausländischer Herkunft nicht gleichermaßen berücksichtigt werden. Denn auch im Rahmen der Körperschaftsteuersphäre gilt, dass das nationale Steuerrecht in einem Staat mit Anrechnungsverfahren die Art der Besteuerung von Dividenden im Ausland und das darin zum Ausdruck kommende Gerechtigkeitsverständnis respektieren und hinnehmen darf. Es darf sich auf den Standpunkt stellen, dass die Verantwortung für die – europarechtskonforme, d. h. diskriminierungsfreie – Berücksichtigung der körperschaftsteuerlichen Vorbelastung beim Quellenstaat liegt520. Allerdings könnte die Kohärenz der Besteuerung durch das Dividendenprivileg nach § 26 Abs. 2 und 5 KStG a. F. in Frage gestellt worden sein521. Denn die EG-rechtlich zu respektierende Verengung der Betrachtung auf inländische Vorbelastung ist nur kohärent, wenn sie konsequent durchgehalten wird. Wird hingegen teilweise die ausländische Vorbelastung der inländischen gleichgestellt, gibt der Gesetzgeber implizit zu erkennen, dass der Ausschluss der Auslandsdividenden vom Anrechnungsverfahren zur Wahrung der Besteuerungskohärenz zumindest nicht erforderlich und folglich unverhältnismäßig ist. Durch § 26 Abs. 2 und 5 KStG a. F. konnte bei qualifiziertem Beteiligungsverhältnis eine auf den ausgeschütteten Gewinn der ausländischen Tochter- oder Enkelgesellschaft erhobene Steuer auf die inländische Körperschaftsteuer angerechnet werden. Insoweit ist eine Gleichstellung erfolgt, welche die Berufung auf die Besteuerungskohärenz in den übrigen, nicht privilegierten Fallkonstellationen ausschließt. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass die indirekte Anrechnung wegen der Dominanz vorrangiger abkommensrechtlicher Schachtelprivilegien zuletzt kaum noch praktische Bedeutung hatte522; es genügt, dass der Gesetzgeber durch ihre Regelung die Gleichwertigkeit von inländischer und ausländischer Vorbelastung zum Ausdruck gebracht hat. ________________________ 519 Auch im Anwendungsbereich internationaler Schachtelprivilegien, die zur Freistel-

lung der Auslandsdividenden führten, entfiel die Vergleichbarkeit im Hinblick auf die Versagung des Anrechnungsguthabens bzw. dessen Vergütung nicht, vgl. dazu 2. Kap., C.V.3.b.aa. und oben unter A.II.3.b.aa) (ii). 520 Siehe dazu eingehend oben unter A.I.b.bb) (ii). 521 Als zumindest problematisch erachteten dies auch J. M. Mössner/D. Kellersmann, DStZ 1999, S. 505 (511 f.). 522 Vgl. H. Cattelaens in: Dötsch u. a., Körperschaftsteuer, 13. Aufl., Rz. 913.

484

Der Entlastungsmechanismus

Allerdings bestand ein Unterschied zur Anrechnung inländischer Körperschaftsteuervorbelastung insoweit, als dass die ausländische Ertragsteuer, mit der die jeweilige Dividende belastet war, nebst einer eventuellen ausländischen Quellensteuer nur bis zur Höhe der inländischen Körperschaftsteuerbelastung angerechnet und bei Anrechnungsüberhängen nicht erstattet wurde. Auch war diese sogenannte indirekte Anrechnung in ihren Wirkungen nur vorübergehender Natur: Wurde die Dividende nämlich an natürliche Personen weitergeleitet, so wurde durch die Versagung eines Anrechnungsguthabens für die ausländische Körperschaftsteuer dieselbe inländische Dividendenbelastung hergestellt, wie dies ohne Anwendung des § 26 Abs. 2 u. 5 der Fall gewesen wäre523. Das zeigt aber nur, dass aus Sicht des deutschen Gesetzgebers bei der Anrechnung ausländischer Ertragsteuervorbelastung gewisse Restriktionen einzuhalten waren. Ein völliger Ausschluss von der Anrechnung wurde demgegenüber offenbar bei qualifizierten Schachtelbeteiligungen nicht für erforderlich gehalten. Es gibt keinen unter Leistungsfähigkeitsaspekten überzeugenden Grund dafür, warum diese Wertung bei sonstigen Anteilen anders ausfallen sollte. Da aber über den Rechtfertigungsgrund der steuerlichen Kohärenz nur das Ziel der Belastungsgerechtigkeit, also Leistungsfähigkeitsaspekte Berücksichtigung finden können, führt dies zur Unverhältnismäßigkeit der Begrenzung des Anrechnungsverfahrens auf Inlandsdividenden. Der Vorwurf des Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit und die Niederlassungsfreiheit durch den Ausschluss der Auslandsdividenden hätte allerdings durch die Abschaffung der ohnehin nahezu bedeutungslosen indirekten Anrechnung nach § 26 Abs. 2 u. 5 KStG leicht vermieden werden können. Für diesen Fall wäre dann zu beachten gewesen, dass unter dem Gesichtspunkt der grundfreiheitlich gebotenen Vermeidung von Doppelbesteuerung etwaige für Steuerausländer geltende Entlastungsmechanismen des Quellenstaates auch bei der inländischen Besteuerung der Dividende respektiert werden524. Dies galt vor allem im Hinblick auf die im europäischen Ausland häufig praktizierten Schachtelprivilegien zur Vermeidung von Mehrfachbelastungen im Konzern. Zumindest wenn diese im Quellenstaat diskriminierungsfrei auf Nichtansässige erstreckt wurden, durfte diese Entlastung nicht ________________________ 523 Vgl. H. Stegmüller in: Dötsch u. a., Körperschaftsteuer, 13. Aufl., Rz. 1979 f.;

H. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Rz. 15.154. Zu diesem Ergebnis gelangt letztlich auch J. P. Müller-Dott in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 26 KStG (Stand: 11/01), Rz. 281 u. 348. Er übersieht allerdings, dass dies nicht aus der Herstellung der Ausschüttungsbelastung bei der ausschüttenden Gesellschaft folgt, von der tatsächlich gemäß § 40 Nr. 1 KStG a. F. abzusehen war, sondern aus der Versagung des Anrechnungsguthabens. 524 Dazu näher oben unter A.I.1.b.bb) (ii).

485

Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

durch die anschließende volle Besteuerung im Inland wieder rückgängig gemacht werden. Das entspricht auch den Wertungen der Mutter-TochterRichtlinie: Dort wird das Verbot der Dividendenbesteuerung im Quellenstaat, Art. 5 Abs. 1, durch ein Verbot der Nachversteuerung im Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft abgesichert, Art. 4 Abs. 1, 1. Spiegelstrich. Ein Besteuerungsrecht wird dem Ansässigkeitsstaat eben nur dann zugesprochen, wenn er auch die ausländische Körperschaftsteuer anrechnet, Art. 4 Abs. 1, 2. Spiegelstrich. Der deutsche Gesetzgeber ist diesen Anforderungen durch die abkommensrechtlichen Schachtelprivilegien in Verbindung mit § 8b Abs. 5 KStG a. F. im Wesentlichen nachgekommen. Soweit einzelne Mitgliedstaaten als Quellenstaaten noch weitergehende Schachtelprivilegien gewährten, hätte es allerdings konsequenterweise eines korrespondierenden Besteuerungsverzichts des deutschen Fiskus bedurft, der am geeignetsten im jeweiligen DBA zu verankern gewesen wäre. (3) Zwischenergebnis Die Europarechtskonformität des deutschen Anrechnungsverfahrens verhielt sich im Zeitpunkt des Systemwechsels auf Körperschaftsebene gerade umgekehrt zur Beurteilung bei natürlichen Personen: Die Diskriminierung von Auslandsdividenden war grundfreiheitswidrig; hätte allerdings bei Abschaffung des § 26 Abs. 2 u. 5 KStG a. F. gerechtfertigt werden können. Demgegenüber war die mangelnde Anrechnungsberechtigung von an beschränkt Steuerpflichtige ausgeschütteten Dividenden durch die Kohärenz des Besteuerungssystems gedeckt. Der Preis hierfür war jedoch die Spreizung von Ausschüttungs- und Thesaurierungssteuersatz, der das Körperschaftsteuersystem im internationalen Steuerwettbewerb starr und unflexibel machte. Eine deutliche Tarifabsenkung, die steuerpolitisch allgemein gewünscht wurde, hätte sich nur bei Ausdehnung des Anrechnungsverfahrens auf beschränkt steuerpflichtige Muttergesellschaften verwirklichen lassen. (ii) Mangelnde Kompatibilität mit den Grundsätzen internationaler Verteilungsgerechtigkeit Eine solche Ausweitung des Anwendungsbereiches hätte dann aber wie bei natürlichen Personen auch zu erheblichen Friktionen mit den Grundsätzen internationaler Verteilungsgerechtigkeit geführt. Deutschland als Quellenstaat hätte seinen in den DBA angelegten bevorrechtigten steuerlichen Zugriff auf die ausgeschütteten Unternehmensgewinne nicht mehr realisieren können. Denn die Einführung des Anrechnungsverfahrens für ausländische Körperschaften hätte die Aufgabe des „safe havens“ ungeteilter Fiskalhoheit für die Gewinnbesteuerung auf Ebene der Tochtergesellschaft bedeutet. Durch die Anrechnung wäre sie faktisch rückgängig gemacht worden, und es wären allein die durch DBA stark eingeschränkten Quellenbesteuerungs486

Der Entlastungsmechanismus

rechte für die Besteuerung der Muttergesellschaft verblieben525. Dies hätte aber nicht ausgereicht, um im Vergleich zum Binnenkontext wenigstens noch zu einer überwiegenden Realisation des nationalen Besteuerungsanspruchs zu gelangen, wie es dem genannten Vorrecht des Quellenstaates entspräche526. Dies lässt sich anhand eines Berechnungsbeispiels demonstrieren: Geht man etwa von Beteiligungsaufwendungen in Höhe von ca. 5 % der Bruttodividende aus, so hätten sich im Binnenkontext bei einem Körperschaftsteuersatz von 25 % folgende Konsequenzen ergeben: Mit GewStAnrechnung

Ohne GewStAnrechnung/ Streubesitz

Ohne GewStAnrechnung/ Schachtelprivileg

(1)

Gewinn

100,0

100,0

100,0

(2)

GewSt bei der Tochter

– 18,0

– 18,0

– 18,0

(3)

KSt bei der Tochter

– 20,5

– 20,5

– 20,5

(4)

Bruttodividende

61,5

61,5

61,5

(5)

abzügl. BA

– 3,0

– 3,0

– 3,0

(6)

Nettodividende

(7)

Anrechnungsbetrag

(8)

Dividendeneinkünfte

(9)

KSt und GewSt bei der Mutter

(10) Gesamtbetrag inländischer Steuern

58,5

58,5

58,5

+ 38,5

+20,5

+20,5

97,0

79,0

79,0

– 37,3

– 30,4

– 19,8

37,3

48,4

37,7

Die obigen Berechnungen gehen in der ersten Variante davon aus, dass bei Anrechnung auch der Gewerbesteuer das Schachtelprivileg nach § 9 Nr. 2a GewStG entfallen wäre, weil die nötige Entlastung schon durch die Anrechnung erreicht wäre. Dementsprechend wird hier nicht weiter nach Streubesitzdividenden und Schachteldividenden differenziert. Der Steuerlast im reinen Binnensachverhalt stünden bei grenzüberschreitender Dividendenausschüttung und Ausdehnung des Anrechnungsverfahrens auf beschränkt steuerpflichtige Körperschaften folgendes inländisches Steueraufkommen gegenüber: ________________________ 525 Demgegenüber hätte das Quellensteuerverbot nach Art. 5 I MTR keine weitergehen-

de Einschränkung der deutschen Besteuerungsrechte mit sich gebracht. Denn der EuGH hat durch Urteil v. 25.9.2003, Rs. C-58/01 (Océ von der Grinten), noch nicht veröffentl., zutreffend entschieden, dass die Ausnahmevorschrift des Art. 7 II MTR bei Gewährung eines Anrechnungsguthabens an nichtansässige Muttergesellschaften einen Quellensteuerabzug bis zur Höhe dieses Guthabens gestattet. 526 Zu diesem Kriterium siehe 2. Kap., B.II.2.b.

487

Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften Mit GewStAnrechnung

Ohne GewStAnrechnung/ Streubesitz

Ohne GewStAnrechnung/ Schachtelprivileg

(1)

Gewinn

100,0

100,0

100,0

(2)

GewSt bei der Tochter

– 18,0

– 18,0

– 18,0

(3)

KSt bei der Tochter

– 20,5

– 20,5

– 20,5

(4)

Bruttodividende

61,5

61,5

61,5

(5)

abzügl. BA

– 3,0

– 3,0

– 3,0

(6)

Nettodividende

(7)

Anrechnungsbetrag

58,5

58,5

58,5

+ 38,5

+20,5

+20,5

(8)

Dividendeneinkünfte

97,0

79,0

79,0

(9)

KSt und GewSt (max. 15 % aus (4) und (7))

– 15,0

– 12,3

– 12,3

(10) Gesamtbetrag inländischer Steuern

15,0

30,3

30,3

Es wird erkennbar, dass das Vorrecht des Quellenstaates im Sinne einer überwiegenden Realisation des im Binnensachverhalt beanspruchten Steueraufkommens auch beim grenzüberschreitenden Dividendenbezug nur gewährleistet wäre, wenn die Gewerbesteuer nicht in das Anrechnungsverfahren einbezogen würde. Dann verbliebe nämlich dem Quellenstaat ein nahezu hälftiger Teil des Aufkommens aus der Besteuerung der Tochtergesellschaft, die insoweit weiter intransparent besteuert würde und damit dem Zugriff des Wohnsitzstaates entzogen wäre. Es wurde bereits dargelegt, dass die Anrechnung auch der Gewerbesteuer jedenfalls aufgrund ihrer jüngeren Ausgestaltung verfassungsrechtlich geboten ist. Geht man hiervon aus, so ist das Vorrecht des Quellenstaates bei Ausdehnung des Anrechnungsverfahrens auf Steuerausländer in jedem Fall verletzt; erst recht gilt dies, wenn bei Schachtelbeteiligungen die Quellensteuersätze noch auf unter 15 % beschränkt werden. Der Verstoß gegen den Grundsatz des Vorrechts des Quellenstaates wäre damit auf Körperschaftsebene insgesamt noch gravierender ausgefallen als bei der Besteuerung natürlicher Personen. In jedem Fall wären außerdem die Aufkommenseinbußen so groß gewesen, dass sie die bloßen fiskalischen Kosten der Anrechnung überstiegen hätten. Auch die damit verbundene Verschiebung von Steuerquellen hin zum Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft hätte den durch DBA konkretisierten Grundsätzen internationaler Verteilungsgerechtigkeit widersprochen527. Die Kosten der Integration berechnen sich im vorstehend gewählten Beispiel (Anrechnung auch der Gewerbesteuer; Betriebsausgaben in Höhe von ca. 5 % der Bruttodividende) mit 23,7 Einheiten: ________________________ 527 Dazu näher im 2. Kapitel unter B.II.2.b.

488

Der Entlastungsmechanismus Klassisches System

Anrechnungsverfahren

(1)

Gewinn

100,0

100,0

(2)

KSt und GewSt

– 38,5

– 38,5

(3)

Bruttodividende

61,5

61,5

(4)

abzügl. WK/BA

– 3,0

– 3,0

(5)

Nettodividende

(6)

Anrechnungsbetrag

(7)

Dividendeneinkünfte

(8)

KSt und GewSt

(9)

Steueraufkommen (2)+(8)–(6):

58,5

58,5

+ 0,0

+ 38,5

58,5

97,0

– 22,5

– 38,8

61,0

37,3

Kosten der Integration

23,7

Dem stehen Aufkommensverluste im grenzüberschreitenden Sachverhalt von 32,7 gegenüber: Klassisches System

Anrechnungsverfahren

(1)

Gewinn

100,0

100,0

(2)

KSt und GewSt

– 38,5

– 38,5

(3)

Bruttodividende

61,5

61,5

(4)

abzügl. WK/BA

– 3,0

– 3,0

(5)

Nettodividende

(6)

Anrechnungsbetrag

58,5

58,5

+ 0,0

+ 38,5

(7)

Dividendeneinkünfte

58,5

(8)

KSt und GewSt (max. 15 % aus (3) und (6))

– 9,2

– 15

(9)

Steueraufkommen (2)+(8)–(6):

47,7

15

Verlust an Steueraufk.

97,0

32,7

Die Differenz zwischen den Kosten der Integration und den mit der Erstreckung des Anrechnungsverfahrens verbundenen Fiskaleinbußen wird noch größer, wenn bei Schachtelbeteiligungen der Quellensteuersatz auf unter 15 % beschränkt ist. Auch auf Körperschaftsebene hätte das Anrechnungsverfahren jedenfalls bei international wettbewerbsfähigen Steuersätzen nicht zugleich den Anforderungen der europarechtlichen Beschränkungsverbote und der Grundsätze internationaler Verteilungsgerechtigkeit genügen können. (iii) Kompliziertheit Die Beibehaltung des Anrechnungssystems in der Körperschaftssphäre hätte auch die Fortführung der aufwendigen Gliederungsrechnung bedingt. Das hätte auch für Kapitalgesellschaften gegolten, deren Anteilseigner allein natürliche Personen sind. Denn selbst wenn die Gesellschaft hiervon Kenntnis 489

Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

gehabt hätte, so hätte sie doch mit einer Veränderung des Gesellschafterkreises jederzeit rechnen und darum eine Gliederungsrechnung gleichsam „auf Verdacht“ führen müssen. Nicht nur wäre es damit bei der als Nachteil zu wertenden Komplexität des Anrechnungsverfahrens528 auf Körperschaftsebene geblieben. Weitergehend wäre dadurch auch ein wesentlicher Vorzug des Halbeinkünfteverfahrens – wie auch des hier präferierten Kombinationsmodells –, nämlich dessen steuertechnischer Vereinfachungseffekt, konterkariert worden. Insoweit besteht also tatsächlich ein gewisser Zusammenhang mit der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens und der Abschaffung des Anrechnungssystems. (iv) Missbrauchsgefahr Was die dem Anrechnungsverfahren vorgeworfene Missbrauchsgefahr anbelangt, so kann diesbezüglich auf die Ausführungen im Zusammenhang mit der Dividendenbesteuerung bei natürlichen Personen verwiesen werden529. Auch innerhalb der Körperschaftsteuersphäre hätte sich insbesondere das Problem des Dividendenstripping mit der Ausdehnung des Anrechnungsverfahrens auf auslandsansässige Muttergesellschaften überwiegend erledigt. Lediglich bei beschränkt steuerpflichtigen inländischen Anteilseignern hätte weiter ein Anreiz zum Missbrauch bestanden, wenn sie weiterhin kein Anrechnungsguthaben erhalten hätten. Dies dürfte es aber nicht rechtfertigen, von einer erheblichen Missbrauchsanfälligkeit des Anrechnungsverfahrens im Vergleich zu anderen Steuerrechtsnormen auszugehen. (v) Ergebnis Auch auf Körperschaftsebene war es unter den veränderten internationalen Rahmenbedingungen nicht möglich, allen auf die Dividendenbesteuerung einwirkenden Besteuerungsprinzipien durch ein Anrechnungsverfahren zu genügen. Eine optimal leistungsfähigkeitsgerechte, die gewerbesteuerliche Vorbelastung mit berücksichtigende Anrechnung hätte notwendigerweise auch Steuerausländern zugebilligt werden müssen, um nicht am Verdikt der Europarechtswidrigkeit zu scheitern. Sie wäre dann aber in Konflikt mit den Prinzipien zwischenstaatlicher Verteilungsgerechtigkeit gekommen. Insbesondere vor dem Hintergrund des Systemwechsels bei natürlichen Personen hin zum Halbeinkünfteverfahren bedeutete außerdem die Komplexität eines Vollanrechnungsverfahrens einen nicht unerheblichen Nachteil. Nach alledem erscheint es durchaus denkbar, dass das mit dem Steuersenkungsgesetz eingeführte Freistellungsverfahren eine vorzugswürdige oder doch zumin________________________ 528 Vgl. dazu eingehend A. Raupach in: GS Knobbe-Keuk, S. 675 (688 f.) sowie die

Nachweise oben unter A.I.1.c.aa. 529 Siehe oben A.I.1.c.bb.

490

Der Entlastungsmechanismus

dest vertretbare Alternative zum Anrechnungsverfahren auf Körperschaftsebene darstellte. bb) Überlegenheit des Freistellungssystems (i)

Europarechtskonformität

Der Gesetzgeber ging davon aus, mit der Implementierung des Freistellungssystems den „EG-rechtlichen Anforderungen an ein modernes Körperschaftsteuersystem Rechnung getragen“ zu haben530. Auch in der Literatur wird § 8b Abs. 1 KStG in seiner neuen Fassung attestiert, weder eine Diskriminierung noch sonst eine Beschränkung im Sinne der Grundfreiheiten des EGV zu bewirken531. In der Tat differenziert die Vorschrift weder nach der Herkunft der Dividenden noch nach der Ansässigkeit der dividendenbeziehenden Körperschaft532. Ähnlich wie das Halbeinkünfteverfahren ist das Freistellungsverfahren darum materiell-rechtlich diskriminierungsfrei ausgestaltet. Das Verfahren als solches bietet damit keinen Ansatzpunkt für einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit bzw. die Niederlassungsfreiheit des EGV533. ________________________ 530 Begründung zum Gesetzentwurf des StSenkG, BT-Drs. 14/2683, S. 120. 531 G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 220; O. Thömmes, DB 2001, S. 775

(776). 532 Dabei soll hier außer Betracht bleiben, dass Auslandsdividenden nur dann in den

Genuß der Freistellung gelangen, wenn sie sich nicht aus niedrig besteuerten passiven Einkünften im Sinne der §§ 7 ff. AStG speisen. Ansonsten greift die außensteuerliche Hinzurechnungsbesteuerung ein, auf die im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht näher eingegangen werden soll. 533 Allerdings hat nach den Bekundungen von W. Ritter, IStR 2001, S. 430 (432) und M. Werra, IStR 2001, S. 438, die sogenannte Verhaltenskodex-Arbeitsgruppe der EU („Primarolo-Gruppe“) die Freistellung nach § 8b Abs. 1 KStG mit 14:1 Stimmen als „unfair“ bewertet. Grundlage dieser Bewertung war der EU-Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung v. 1.12.1997 (ABl. EG Nr. C 2/1 v. 6.1.1998). Bemängelt wurde vor allem, dass es zu einer Freistellung von Auslandsdividenden unabhängig von deren effektiver Körperschaftsteuervorbelastung komme. Indes führt dieses Verdikt nicht zur Europarechtswidrigkeit der Regelung. Denn der Verhaltenskodex stellt lediglich eine politische Absichtserklärung der Mitgliedstaaten dar, ist jedoch keine rechtsverbindliche Quelle des EG-Rechts (O. Thömmes a. a. O.; ders., IStR 2001, S. 441; M. Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 188 f.; ders., IStR 2003, S. 613 (614)). Davon abgesehen ist die Stellungnahme der Primarolo-Gruppe ohnehin höchst zweifelhaft, denn bei § 8b Abs. 1 KStG handelt es sich um ein Element des allgemeinen Körperschaftsteuersystems und nicht um ein Holding„privileg“ (dazu ausführlich O. Thömmes, DB 2001, S. 775 (777 ff.; M. Werra, IStR 2001, S. 438 (439 f.)). Nur am Rande sei schließlich auf den offensichtlichen Widerspruch zwischen der Expertengruppe Verhaltenskodex, die eine ausreichende Vorbelastung der Dividende fordert, und der Rechtsprechung des EuGH, der eben diese Vorbelastung unter Kohärenzgesichtspunkten für irrelevant erklärt, hingewiesen.

491

Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

Die Freistellung auch der Auslandsdividenden fügt zudem die Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 der Mutter-Tochter-Richtlinie stimmig in das Gesamtsystem der Dividendenbesteuerung ein. Die demnach gebotene Freistellung von Schachteldividenden geht in der allgemeinen Dividendenfreistellung auf, so dass schwierige Abstimmungsprobleme zwischen den Vorgaben des europäischem Sekundärrechts einerseits und dem nationalen Verfassungsrecht andererseits vermieden werden. Bedenken könnten sich allenfalls aus der Vorschrift des § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG ergeben, wonach der trotz der Steuerfreiheit der Dividende zu erhebenden Kapitalertragsteuer bei beschränkt steuerpflichtigen Muttergesellschaften Abgeltungswirkung zukommt. Diese verfahrensrechtliche Regelung stellt aber unabhängig davon, wie ihr Verhältnis zu § 8b Abs. 1 KStG zu beurteilen ist534, die Europarechtstauglichkeit der Freistellungsmethode als solcher nicht in Frage. Der verfahrensrechtliche Aspekt soll darum vorerst zurückgestellt werden. (ii) Perfekte Anpassung an internationale Schachtelprivilegien und sonstige Abkommensbestimmungen Anders als beim Anrechnungsverfahren müssen für die EG-rechtskonforme Ausgestaltung des Freistellungssystems nicht die Grundsätze internationaler Verteilungsgerechtigkeit preisgegeben werden. Was Auslandsdividenden anbelangt, so führt § 8b Abs. 1 KStG die Schachtelprivilegien des internationalen Steuerrechts nahtlos fort und erweitert diese lediglich auf alle Arten ausländischer Dividenden, namentlich auch der aus Streubesitzbeteiligungen. Dem Freistellungssystem wird insoweit zu Recht eine gute Anpassung an die allgemein vorherrschenden internationalen Verteilungsgrundsätze bescheinigt535. Denn der völlige Verzicht auf die Besteuerung der Dividende im Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft entspricht bei Schachtelbeteiligungen internationalen Gepflogenheiten536. Zwar lässt sich für Streubesitzdividenden eine solche Entwicklung international noch nicht feststellen. Aber auch deren Freistellung widerspricht nicht erkennbar den in den DBA angelegten Verteilungsgrundsätzen: Da die den Art. 7 und 10 OECD-MA nachempfundenen Regelungen generell ein Vorrecht des Quellenstaates ________________________ 534 Dazu im 1. Kapitel unter C.III.1. 535 G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 198; J. Lang, DStJG 24, S. 49 (93 f.);

G. Crezelius, DB 2001, S. 221 (224); I. van Lishaut, StuW 2000, S. 182 (186); S.-O. Lodin, ET 1996, S. 258 (260); ähnlich positiv H. Kussmaul/S. Beckmann, DB 2001, S. 608 (612). 536 Vgl. die umfassende Untersuchung für den kontinentaleuroäischen Rechtsraum bei W. Kessler, Die Euro-Holding, S. 101, 121 und passim. Siehe dazu ferner F. Hundt, DB 1993, S. 2048 (2050 ff.); S. Eilers/H.-G. Wienands in: Flick/Wassermeyer/ Baumhoff, Außensteuerrecht, § 8b KStG (Stand: 09/98), Rz. 46 ff.

492

Der Entlastungsmechanismus

statuieren, ist es gut vertretbar, es zunächst bei der Abschöpfung dieser Steuerquelle allein durch ihn zu belassen537. Dafür spricht auch, dass die ausgeschütteten Gewinne maßgeblich unter den wirtschaftlichen Bedingungen des Quellenstaates und unter Nutzung von dessen Infrastruktur erzielt wurden. Doch auch bei Ausschüttung an nichtansässige Muttergesellschaften passt sich das Freistellungssystem hervorragend an die auf ein klassisches Körperschaftsteuersystem zugeschnittenen DBA-Bestimmungen an. Denn im Kern ist es selbst eine Variante des klassischen Körperschaftsteuersystems, in dem die Körperschaftsteuer auf Ebene der die operativen Gewinne erwirtschaftenden Gesellschaft definitiv wird. Formal bleibt damit auch steuerrechtlich die eigene Rechtspersönlichkeit der juristischen Person gewahrt. Dadurch schirmt das Freistellungssystem deren Gewinne wirkungsvoll vor dem Zugriff des ausländischen Fiskus ab, soweit sie nicht Auslandsaktivitäten zuzuordnen sind. Dies ergibt sich nicht nur aus den Art. 7 Abs. 1 OECD-MA nachgebildeten Abkommensbestimmungen, sondern entspricht allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen zur Reichweite des Besteuerungsrechts der Staaten. Durch die Freistellung verzichtet der Quellenstaat lediglich auf die zusätzliche Besteuerung der ausgeschütteten und schon vorbelasteten Dividende538. Gerade darin liegt aber ein weiterer Vorteil dieses Verfahrens, weil der Besteuerungsanspruch so durch die abkommensrechtlichen Beschränkungen des Quellensteuerrechts von vornherein nicht beschnitten werden kann. Sie laufen gleichsam ins Leere. Insgesamt kann der Quellenstaat darum seinen Besteuerungsanspruch unabhängig von der Höhe des Körperschaftsteuersatzes ungeschmälert auch bei grenzüberschreitender Ausschüttung erhalten. (iii) Verwaltungsvereinfachung Mit dem Freistellungssystem ist im Vergleich zum Anrechnungsverfahren auch eine erhebliche Verwaltungsvereinfachung verbunden539. Die Notwendigkeit einer komplizierten Eigenkapitalgliederung entfällt. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der Abschaffung des Anrechnungsverfahrens ________________________ 537 Dafür plädieren etwa G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 197; J. Lang,

DStJG 24, S. 49 (93). Zu einer gewissen inländischen Nachbelastung kann es dann bei der Weiterausschüttung an natürliche Personen kommen; so geschieht dies auch im geltenden Halbeinkünfteverfahren. 538 Dabei soll an dieser Stelle davon abgesehen werden, dass nicht einmal dies im geltenden Recht der Fall ist, weil die Kapitalertragsteuer nach wie vor erhoben und nach geltender Verwaltungspraxis trotz der materiell-rechtlichen Freistellung der Dividenden nicht erstattet wird. 539 S.-O. Lodin, ET 1996, S. 258 (260); G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 229.

493

Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

bei natürlichen Personen zu begrüßen. Die Vorzüge des Halbeinkünfteverfahrens werden durch das Freistellungssystem auf Körperschaftsebene nahtlos fortgeführt. (iv) Größere Rechtsformneutralität für ausländische Investoren Schließlich gewährleistet die Freistellungsmethode im Vergleich zum Anrechnungsverfahren eine größere Rechtsformneutralität für ausländische Investoren selbst dann, wenn beide Verfahren europarechtskonform ausgestaltet würden. Sowohl eine inländische Betriebsstätte als auch eine inländische Tochtergesellschaft würden mit ihren Gewinnen ausschließlich der Körperschaftsteuer von 25 % nebst Gewerbesteuer und Solidaritätszuschlag unterliegen. Bei Weiterleitung der Gewinne in den Ansässigkeitsstaat der ausländischen Gesellschaft würde sich keine Veränderung in der inländischen Steuerbelastung ergeben540. Im Anrechnungsverfahren hingegen wäre Belastungsgleichheit nur gewährleistet, bis die Gewinne an den ausländischen Investor durchgereicht würden. Dann nämlich würde bei einer rechtlich selbständigen Tochtergesellschaft infolge der europarechtlich gebotenen Gewährung eines Anrechnungsguthabens die Steuerlast auf den abkommensrechtlich zulässigen Quellensteuersatz für Dividenden reduziert. Demgegenüber bliebe die steuerliche Belastung bei Weiterleitung von Betriebsstättengewinnen unverändert hoch. (v) Nur geringe Abweichung vom Leistungsfähigkeitsprinzip Als kritisch könnte sich damit allein eine mögliche Abweichung von einer optimal leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung erweisen. Das System der Dividendenbesteuerung muss auf Körperschaftsebene zweierlei leisten: Nach dem Prinzip der Individualbesteuerung muss einerseits grundsätzlich bei jedem Körperschaftsteuersubjekt dessen Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit besteuert werden. Andererseits muss beachtet werden, dass die Leistungsfähigkeit der Körperschaft temporärer Natur ist und mit der Ausschüttung an den Dividendenempfänger transferiert wird. Es muss darum insgesamt der Grundsatz der Einmalbelastung ausgeschütteter Gewinne gewahrt bleiben. ________________________ 540 Die Gleichbehandlung der Gewinne dürfte sich darüber hinaus auch im Ansässig-

keitsstaat der ausländischen Gesellschaft fortsetzen, weil sie regelmäßig in beiden Fällen dort steuerfrei gestellt wären: Für die Betriebsstättengewinne ergäbe sich dies aus der im internationalen Steuerrecht allgemein üblichen abkommensrechtlichen Vereinbarung der Freistellungsmethode im Ansässigkeitsstaat. Gewinnausschüttungen ausländischer Tochtergesellschaften wiederum werden regelmäßig einem unilateralen Schachtelprivileg unterfallen, da bei unternehmerischem Engagement der ausländischen Gesellschaft, das die Rechtsformwahl überhaupt erst eröffnet, die nationalen Schachtelvoraussetzungen regelmäßig erfüllt sein dürften.

494

Der Entlastungsmechanismus

Letztere Eigenschaft kann dem Freistellungssystem bescheinigt werden: Die Gewinne werden ausschließlich auf Ebene derjenigen Kapitalgesellschaft besteuert, die sie operativ erwirtschaftet. Eine erneute steuerliche Erfassung bei nachfolgenden Gesellschaften in der Beteiligungskette wird durch die Steuerbefreiung der Dividenden vermieden. Innerhalb der Körperschaftssphäre verbleibt es darum bei einer einmaligen und abschließenden Belastung der Unternehmensgewinne. Zum Teil wird dies schon als hinreichende Rechtfertigung der Freistellungsmethode auch unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten angesehen541. Es darf aber nicht übersehen werden, dass sich diese Einmalbelastung im Freistellungssystem notwendigerweise einzig nach den steuerlichen Verhältnissen der „aktiven“ Kapitalgesellschaft an der Spitze der Beteiligungskette richtet. Dabei bleibt es auch, wenn die Gewinne über Dividendenausschüttungen nach unten durchgereicht werden. Allerdings unterliegen Körperschaften anders als natürliche Personen einem einheitlichen Proportionalsteuersatz. Dies könnte zu der Annahme verleiten, dass damit faktisch auch die Körperschaftsteuerbelastung der Gewinne stets dieselbe ist, so dass auf ihre ständig neue Veranlagung auf jeder Beteiligungsstufe verzichtet werden könnte. Denn die Belastungswirkungen wichen dann nicht von denen des optimal leistungsfähigkeitsgerechten Anrechnungsverfahrens ab, das über das Anrechnungsguthaben jeweils den gesamten Gewinn vor Körperschaftsteuern bei der dividendenbeziehenden Kapitalgesellschaft erneut der Besteuerung unterwarf542. Diese Betrachtung greift indessen zu kurz. Dem Einwand, dass Beteiligungsaufwendungen der jeweiligen Muttergesellschaft nur bei Veranlagung der Dividende die Steuerlast noch nachträglich senken könnten, ließe sich zwar entgegentreten. Denn diese Aufwendungen könnten auch im Freistellungssystem zum Abzug zugelassen werden, selbst wenn die Dividende selbst nicht mehr steuerbar ist543. Gut vertretbar ist es auch noch, abweichende Vorbelastungen aufgrund einer Gewinnerzielung im Ausland als Konsequenz der größeren Berechtigung des Quellenstaates zur gerechten Bemessung der Steuerlast nach seinen Maßstäben zu akzeptieren544. Es wurde schon darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber angesichts der Offenheit des Grundgesetzes für die Wertungen ausländischer Rechtsordnungen jeden________________________ 541 So J. Lang, DStJG 24, S. 49 (92). 542 So G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 226; G. Frotscher in: Frotscher/

Maas, KStG, § 8b (Stand: 2/03), Rz. 3. 543 Zur Notwendigkeit einer solchen Regelung entgegen dem geltenden Recht siehe

unten II.1.a. 544 G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 227 f.; J. Lang, DStJG 24, S. 49

(93 f.).

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Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

falls bei der Dividendenbesteuerung verfassungsrechtlich nicht gehalten ist, diese Wertungen durch Anwendung inländischer Maßstäbe nachträglich zu korrigieren. Gravierende Abweichungen von einer Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit bringt die Freistellungsmethode aber hinsichtlich der Verlustverrechnungsmöglichkeiten mit sich: Schreibt die Muttergesellschaft Verluste, so würde dies unter Leistungsfähigkeitsaspekten gebieten, bei ihr auf eine Besteuerung der ausgeschütteten Unternehmensgewinne zu verzichten, soweit sie durch die Verluste aufgezehrt werden. Im Anrechnungsverfahren war dies gewährleistet, weil die Muttergesellschaft ihre Dividendeneinnahmen mit den Verlusten verrechnen und sich gleichzeitig die von der Tochtergesellschaft gezahlte Körperschaftsteuer erstatten lassen konnte. Demgegenüber bleibt es im Freistellungsverfahren bei der Definitivbelastung mit Körperschaftsteuer auf Ebene der Tochtergesellschaft, obwohl die in den Gewinnen verkörperte Leistungsfähigkeit mit der Ausschüttung auf die Mutter überwechselt und dort wegen kompensierender Verluste eigentlich keine steuerliche Belastung rechtfertigen würde545. Diese Beeinträchtigung des Individualsteuerprinzips lässt sich auch nicht als Konsequenz einer „quellentheoretischen“ Ausgestaltung des neuen Körperschaftsteuersystems mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip versöhnen546. Zwar weist jenes tatsächlich einen quellensteuerartigen Charakter auf, indem es über die Definitivbesteuerung bei der Tochtergesellschaft die jeweiligen Beteiligungsebenen voneinander separiert. Diese einfachgesetzliche Systematik kann aber nicht schon als solche die verfassungsrechtlichen Vorgaben an eine sachgerechte Berücksichtigung des Transfers wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit anlässlich der Dividendenausschüttung verdrängen547, an denen sich im Übrigen letztlich auch der Gesetzgeber orientieren wollte. (vi) Abwägung und Fazit Auf den ersten Blick stellt sich das Verhältnis der widerstreitenden Prinzipien, mit welchem sich der Gesetzgeber bei der Wahl zwischen Anrechnungsverfahren und Freistellungsmethode auf Körperschaftsebene konfrontiert sah, nicht wesentlich anders als beim Halbeinkünfteverfahren dar: Bei der nicht zur Disposition stehenden europarechtskonformen Ausgestaltung des Systems der Dividendenbesteuerung musste er zwischen einer optimal leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung im Anrechnungsverfahren einerseits und einer international verteilungsgerechten sowie einfachen Besteue________________________ 545 Kritisch dazu S. Eilers/H.-G. Wienands, GmbHR 2000, S. 957 (960); I. van Lishaut,

StuW 2000, S. 182 (186). 546 So aber J. Lang, DStJG 24, S. 49 (91 ff.). 547 Ablehnend auch G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 200.

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Der Entlastungsmechanismus

rung im Freistellungssystem andererseits entscheiden. Die Parallelität der Problemstellung verwundert nicht, handelt es sich doch auch beim Halbeinkünfteverfahren um ein im Ansatz klassisches System mit Elementen teilweiser Freistellung. Bei näherer Betrachtung ergibt sich allerdings, dass es dem Gesetzgeber auf Körperschaftsebene weitaus eher als bei den natürlichen Personen gelungen ist, einen verhältnismäßigen Ausgleich der verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Vorgaben zu finden. Das Freistellungssystem ist darum als angemessene, wenn nicht sogar vorzugswürdige Alternative zum Vollanrechnungsverfahren zu beurteilen548: Auf der einen Seite genügt es vollumfänglich sowohl den europarechtlichen Grundfreiheiten als auch dem Vorrecht des Quellenstaates an der Besteuerung der Unternehmensgewinne. Es ist – vorbehaltlich der noch zu erörternden verfahrensrechtlichen Konzeption – diskriminierungsfrei und führt dennoch im grenzüberschreitenden Kontext zu keinen besonderen Aufkommensverlusten. Darüber hinaus lässt es sich in der Besteuerungspraxis im Gegensatz zum Vollanrechnungsverfahren einfach handhaben. Schließlich führt es auch zu einem hohen Maß an Rechtsformneutralität für ausländische Körperschaften mit Investitionsabsichten im Inland. Demgegenüber erweist sich der Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip als von eher geringerem Gewicht: Im Idealfall, das heißt wenn es sich bei der Muttergesellschaft nicht um eine Verlustgesellschaft handelt, ergeben sich in der Belastungswirkung keine Abweichungen von einer optimal leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung. Der Verstoß gegen das Prinzip der Individualbesteuerung ist dann rein formeller Art, materiell ergeben sich keine Abweichungen549. Existieren Verluste, die – nur – mit Dividendeneinkünften verrechnet werden können, so lässt sich dies bei Mehrheitsbeteiligungen häufig durch Begründung einer körperschaftsteuerlichen Organschaft nach den §§ 14 ff. KStG auch im Freistellungssystem doch noch erreichen. Insoweit wird nämlich die Abgrenzungssystematik des Freistellungssystems durchbrochen und durch eine integrierte Besteuerung von Mutter- und Tochtergesellschaft ersetzt550. Die noch verbleibenden Fälle sind nun allerdings nicht von so marginaler Bedeutung, dass die hier zu beobachtende Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzips schon durch den bloßen Vereinfachungseffekt des Freistellungssystems gerechtfertigt wäre. Das würde voraussetzen, dass es sich um atypische Konstellationen handelt, die nur wenig Praxisrelevanz aufweisen. ________________________ 548 Im Ergebnis gl. A. G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 224. 549 G. Roderburg, Anteilsveräußerungsgewinne, S. 228 f. 550 J. Lang, DStJG 24, S. 49 (93); F. Lang, Besteuerung von Körperschaften, S. 69;

S. Eilers/H.-G. Wienands, GmbHR 2000, S. 957 (960); I. van Lishaut, StuW 2000, S. 182 (186).

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Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

Gerade im Konzern ist es aber nicht gänzlich untypisch, wenn eine Gesellschaft innerhalb der Beteiligungskette erhebliche, nur mit Dividendenzahlungen verrechenbare Verluste aufweist551. Angesichts der geschilderten Vorzüge des Freistellungsverfahrens, durch die es sich deutlich vom Anrechnungsverfahren abhebt, wird man es aber als gut vertretbar ansehen können, dass der Gesetzgeber diesen Aspekt in der Abwägung hintangestellt hat. Dies gilt umso mehr, als dass Verluste der Muttergesellschaft regelmäßig auch im Freistellungssystem nicht endgültig verloren gehen, denn sie können nach §§ 8 Abs. 1 KStG, 10d Abs. 2 EStG unbegrenzt vorgetragen werden. Beim Wechsel vom Anrechnungsverfahren hin zum Freistellungssystem hat sich der Gesetzgeber darum noch innerhalb des ihm verfassungsrechtlich zuzubilligenden Entscheidungsspielraums bewegt.

2. Das spanische Freistellungssystem Auch der spanische Gesetzgeber hat sich grundsätzlich für ein Freistellungssystem entschieden, um innerhalb der Körperschaftssphäre eine Mehrfachbelastung von weitergeleiteten Gewinnen zu vermeiden. Zu würdigen sind an dieser Stelle aber zwei Unterschiede, die sich im Vergleich zum deutschen System ergeben: a) Freistellung durch Ermäßigung der Steuerschuld bei Inlandsdividenden Erstens wird die Freistellung in Spanien bei der Ausschüttung inländischer Dividenden steuertechnisch nicht durch eine Steuerbefreiung der Dividenden bewirkt. Vielmehr wird bei der Muttergesellschaft die Körperschaftsteuerschuld um einen Betrag, welcher der auf die Bruttodividende entfallenden Körperschaftsteuer entsprechen würde, ermäßigt. Ein Vorzug gegenüber der deutschen Methode der direkten Freistellung kann darin nicht gesehen werden. Allerdings erlaubt es diese Vorgehensweise, die Dividendeneinkünfte in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen und gegebenenfalls mit anderweitigen operativen Verlusten der Muttergesellschaft zu verrechnen. Das Manko des deutschen Verfahrens, das eine der________________________ 551 Das gilt insbesondere für Lebens- und Krankenversicherer, bei denen die Über-

schussbeteiligung der Versicherten abzugsfähige Betriebsausgaben generiert, welche in hinreichendem Maße nur durch Verrechnung mit den korrespondierenden Überschüssen, d. h. Dividenden und Veräußerungsgewinnen, steuerlich verwertbar sind. Dass dies im Freistellungssystem gerade nicht möglich ist, hat inzwischen dazu geführt, dass die Regierungskoalition für diese Unternehmen eine Bereichsausnahme plant, vgl. Handelsblatt v. 14.10.2003, S. 2.

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Der Entlastungsmechanismus

artige Nutzung anderweitig nicht verrechenbarer Verluste nicht erlaubt, wird im Ergebnis aber nicht überwunden: Zwar hängt die Steuerermäßigung nicht von der effektiven Steuerbelastung der Dividendeneinkünfte ab, so dass deren Verrechnung nicht schadet. Denn für die Ermäßigung kommt es nur auf die hypothetische Körperschaftsteuerbelastung an, welche die Bruttodividende bei isolierter Veranlagung zu tragen hätte. Wohl aber fehlt es in den Fällen, in denen anderweitige Verluste der Muttergesellschaft nur mit Dividendeneinnahmen verrechnet werden können, an einer hinreichenden Steuerschuld, bezüglich derer sich die Ermäßigung auswirken könnte. Sie kann insoweit nicht mehr stattfinden, so dass es trotz fehlender Leistungsfähigkeit der Muttergesellschaft bei der (Vor-)Belastung der Dividende bleibt. Auch die Möglichkeit, den Ermäßigungsbetrag in spätere Veranlagungszeiträume vorzutragen, ändert nichts an der Gleichwertigkeit beider Methoden. Denn wenn später eine für die Ermäßigung ausreichende Steuerschuld entsteht, bedeutet dies, dass in entsprechendem Umfang steuerbare positive Einkünfte vorliegen müssen. Im deutschen Freistellungssystem würden diese Einkünfte aber durch die noch nicht über eine Verrechnung mit den Dividendeneinnahmen verbrauchten, vortragsfähigen Verluste gemindert. Auf diesem Wege käme es dann ebenfalls zu einer Reduzierung der Steuerschuld552. Im Hinblick auf die Anforderungen des Leistungsfähigkeitsprinzips weist das spanische „indirekte“ Freistellungssystem daher dieselben Schwächen auf wie sein deutsches Pendant. Da sich der Ermäßigungsbetrag nach einer hypothetischen und nicht etwa nach der tatsächlich auf die Dividenden entfallenden Körperschaftsteuerlast bemisst, ist die Entlastung im Idealfall hinreichender Steuerschuld andererseits auch ebenso sichergestellt wie bei der deutschen Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 KStG. Es ergeben sich somit insgesamt unter Leistungsfähigkeitsaspekten keine Unterschiede. In der spanischen Literatur wird dem Ermäßigungsverfahren allerdings zusätzlich vorgeworfen nicht zu berücksichtigen, dass bei der Muttergesellschaft ein niedrigerer Körperschaftsteuersatz zur Anwendung gelangen könnte, als dies bei der Tochter der Fall sei. Es bliebe dann die höhere Belastung entsprechend dem Steuersatzniveau der Tochtergesellschaft bestehen. Insoweit würde die Erwerbstätigkeit über eine rechtlich selbständige Untergesellschaft gegenüber der unmittelbaren wirtschaftlichen Betätigung benachtei________________________ 552 Darüber hinaus können die Verluste im deutschen Körperschaftsteuerrecht unbe-

grenzt vorgetragen werden, wohingegen der Vortrag des Ermäßigungsguthabens auf 7 Jahre begrenzt ist. Danach wird die Mehrfachbelastung der Dividende im spanischen System definitiv. Ein Vergleich muss hier allerdings auch berücksichtigen, dass nach dem spanischen Steuerrecht auch der Verlustvortrag zeitlich limitiert ist und nach 10 Jahren verfällt, Art. 23 I LIS.

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Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

ligt553. Indes träfe diese Kritik gleichermaßen auf die deutsche Variante der Freistellung durch Steuerbefreiung zu. Sie wird hier nur nicht relevant, weil das deutsche Körperschaftsteuersystem anders als das spanische keine Sondersteuersätze kennt. Eine zusätzlicher und jedenfalls nach dem hier zugrundegelegten Verständnis der Freistellung als Fiskalzwecknorm nicht zu rechtfertigender Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip findet sich im spanischen Recht nur insofern, als dass die hundertprozentige Ermäßigung an die Schachtelvoraussetzungen des Art. 30 Abs. 2 LIS gebunden ist. Bei Beteiligungen, die diese qualifizierten Kriterien nicht erfüllen, insbesondere Streubesitzbeteiligungen, kann nur eine hälftige Ermäßigung in Anspruch genommen werden. Die damit eintretende Mehrfachbelastung der ausgeschütteten Gewinne verstößt gegen den Gleichheitssatz554. Ein System, das wie das spanische auf der steuerlichen Einmalbelastung der Kapitalgesellschaftsgewinne basiert555, darf nicht bei mehrstufigen Streubesitzbeteiligungen kaskadenartige Mehrbelastungen in Kauf nehmen556. Außerdem provoziert dies Gestaltungen und verletzt dadurch die betroffene Gesellschaft in ihrer wirtschaftlichen Handlungsfreiheit. Die unvollständige Freistellung von Streubesitzdividenden ist dem spanischen System allerdings nicht immanent; sie könnte durch die Abschaffung der Schachtelvoraussetzungen des Art. 30 Abs. 2 LIS beseitigt werden. Eine grundsätzliche Systemkritik kann daran nicht geknüpft werden. Durch die Notwendigkeit, den Ermäßigungsbetrag bei nicht hinreichender Steuerschuld für spätere Veranlagungszeiträume vorzumerken, ergibt sich aber ein höherer Verwaltungsaufwand als im deutschen Freistellungssystem. Unter diesem Aspekt erweist sich die spanische Variante der Freistellung im Vergleich zur Steuerbefreiung als grundsätzlich weniger geeignet. Europarechtlich bedenklich ist der materiell-rechtliche Ausschluss der beschränkt Steuerpflichtigen vom Freistellungsverfahren, wenn diese die Dividende nicht über eine inländische Betriebsstätte bezogen haben. Hierauf soll jedoch erst im Zusammenhang mit der Abgeltungswirkung der deutschen Kapitalertragsteuer bei Steuerausländern eingegangen werden, welche über eine verfahrensrechtliche Regelung dieselbe Problematik aufwirft. Bei ________________________ 553 T. M. Guirao/V. H. Carrillo/G. R. Chaqués in: Ernst & Young, LIS, Art. 28, S. 384. 554 T. M. Guirao/V. H. Carrillo/G. R. Chaqués in: Ernst & Young, LIS, Art. 28, S. 393

weisen darauf hin, dass jedenfalls eine Anpassung an Art. 16 LIS hätte erfolgen müssen, der ein verbundenes Unternehmen bei börsennotierten Aktiengesellschaften schon ab einer Mindestbeteiligung von 1 % annimmt. 555 Dazu M. Llansó in: Cuatrecasas, LIS, S. 1027. 556 Kritisch auch M. Llansó in: Cuatrecasas, LIS, S. 1037.

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Der Entlastungsmechanismus

Ausdehnung des Ermäßigungsverfahrens auch auf die grenzüberschreitende Ausschüttung an Steuerausländer würde es sich jedenfalls vergleichsweise geschmeidig an die den DBA zu entnehmenden Grundsätze internationaler Verteilungsgerechtigkeit anpassen wie das deutsche System: Die Steuerermäßigung müsste richtigerweise in die Beurteilung der Dividendenbesteuerung im Sinne der Abkommensbestimmungen mit einbezogen werden. Denn sie knüpft unmittelbar an den Dividendenbezug an und bewirkt auch nicht die Anrechnung von Steuern der Tochtergesellschaft, sondern die Freistellung der Dividende bei der Muttergesellschaft. Dann ergäbe sich aber letztlich stets eine Quellensteuerbelastung von Null, so dass etwaige Quellensteuerbeschränkungen der DBA gar nicht erst eingriffen. Das Aufkommen an Körperschaftsteuer, das auch in Spanien einzig aus der Besteuerung der Gewinne bei der Tochtergesellschaft resultiert, bliebe dem inländischen Fiskus ungeschmälert erhalten. Insgesamt ist in einer ersten Zwischenbilanz festzuhalten, dass sich das spanische Verfahren der Freistellung inländischer Dividenden grundsätzlich in seinen Auswirkungen von der Regelung des § 8b Abs. 1 KStG kaum unterscheidet und allenfalls etwas komplexer wirkt. Deutlich nachteilig ist in seiner konkreten Konzeption nur die Abstufung der Freistellung nach den Beteiligungsverhältnissen, die aber nicht systemimmanent ist557. b) Freistellung oder Anrechnung bei Auslandsdividenden Das spanische Freistellungsverfahren weicht zweitens insofern von der deutschen Regelung ab, als dass der unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft beim Bezug von Auslandsdividenden ein Wahlrecht eingeräumt wird: Es besteht die Möglichkeit, statt für die Steuerbefreiung der Dividende für die Anrechnung ausländischer Vorbelastung mit Körperschaftsteuer sowie Quellensteuer zu optieren. Beide Entlastungsmechanismen sind überdies anders als im deutschen Recht als Schachtelprivilegien ausgestaltet, wobei eine Freistellung zusätzlich die Erfüllung von Aktivitätsklauseln und eine hinreichende Vorbelastung der Gewinne voraussetzt. Vor allem europarechtlich sind die damit verbundenen Abweichungen von der steuerlichen Behandlung der Inlandsdividenden nicht haltbar. Auf den ersten Blick mag sich die Regelung zwar sogar als Privilegierung von Auslandsinvestitionen darstellen, weil wie bei der Beteiligung an inländischen Gesellschaften auch die Freistellungsmethode vorgesehen ist und der Muttergesellschaft zusätzlich eine Option zum Anrechnungsverfahren eingeräumt wird. Eine Besserstellung träte aber tatsächlich nur ein, wenn beide Verfahren in Reinform verwirklicht wären. Eine im niedrig besteuernden ________________________ 557 Kritisch insoweit auch J. Arias Velasco, Rev. Técnica Tributaria 1995, S. 13 (22).

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Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

Ausland investierende Gesellschaft würde sich dann für die Freistellung, eine Verlustgesellschaft für die Anrechnung entscheiden. Tatsächlich diskriminiert die konkrete Ausgestaltung der Entlastungsmechanismen die Auslandsdividenden und beeinträchtigt infolgedessen die Kapitalverkehrsfreiheit und gegebenenfalls die Niederlassungsfreiheit des EGV. In diesem Zusammenhang ist zunächst festzustellen, dass das Anrechnungsverfahren nach Art. 32 LIS in seinen Wirkungen nur ausnahmsweise über die alternative Freistellung nach Art. 21 LIS hinausgehen kann558. Zum einen werden die ausländische Körperschaftsteuervorbelastung und eine eventuelle ausländische Quellensteuer nur im Wege eines „ordinary credit“ angerechnet, also nur insoweit, als sie gemeinsam eine hypothetische inländische Körperschaftsteuerbelastung der für die Ausschüttung verwendeten Gewinne nicht übersteigen. Das Verfahren ähnelt damit dem nach § 26 Abs. 1 u. 2 KStG a. F. Ist die Gesamtsteuerbelastung im Quellenstaat höher als die Körperschaftsteuerbelastung in Spanien, kann sie also nicht über das Anrechnungsverfahren auf spanisches Niveau herabgeschleust werden. Ist sie niedriger, ist ohnehin das Freistellungsverfahren vorteilhafter559. Außerdem wird ein Anrechnungsguthaben an ausländischer Körperschaftsteuervorbelastung nicht erstattet, wenn die inländische Steuerschuld geringer ist und es folglich nicht ausgeschöpft werden kann. Damit bleibt bei Verlustgesellschaften auch im Anrechnungsverfahren die – ausländische – Vorbelastung der Dividende mit bei der Tochtergesellschaft erhobener Körperschaftsteuer bestehen. Insgesamt dürfte dem Wahlrecht nach Art. 21 Abs. 3 lit. c LIS darum kaum praktische Bedeutung zukommen560; das Anrechnungsverfahren nach Art. 32 LIS ist damit als Auffangtatbestand für die Konstellationen anzusehen, welche die strengeren Voraussetzungen des Art. 21 LIS nicht erfüllen. Im Rahmen der Diskriminierungsprüfung nach den Art. 43, 56 Abs. 1 EGV sind darum maßgeblich die Freistellung der Auslandsdividenden durch Steuerbefreiung nach Art. 21 LIS einerseits und der Inlandsdividenden durch Anrechnung nach Art. 30 LIS andererseits miteinander zu vergleichen. Wie schon gezeigt werden konnte, sind beide Verfahren in ihren Entlastungswirkungen gleichwertige Alternativen. Eine Schlechterstellung der Auslandsdividenden ist aber insoweit zu konstatieren, als dass bei Inlands________________________ 558 J. Sarasa Pérez, Impuestos, La Ley 2001, S. 373 (384 f.). 559 J. Sarasa Pérez, Impuestos, La Ley 2001, S. 373 (391). Der Autor weist auch nach,

dass sich eine ausnahmsweise Besserstellung nach dem Anrechnungsverfahren nur bei inländischen Verlustvorträgen, die zu verfallen drohen, wegen der dann bestehenden Verrechnungsmöglichkeiten ergeben kann. 560 Vgl. auch N. Herzig/T. Wagner, IStR 2003, S. 222 (223), welche der Auffassung sind, dass betriebswirtschaftliche Vorteilhaftigkeitsüberlegungen regelmäßig dazu führen dürften, das Wahlrecht zugunsten der Freistellungsmethode auszuüben.

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Der Entlastungsmechanismus

dividenden eine Streubesitzbeteiligung immerhin noch zur hälftigen Freistellung berechtigt, wohingegen bei entsprechenden Auslandsdividenden keinerlei Entlastungsmechanismus eingreift561. Da sowohl Inlands- wie Auslandsdividenden grundsätzlich zunächst einmal als Teil des steuerbilanziellen Gewinns in die steuerliche Bemessungsgrundlage der Muttergesellschaft einbezogen werden, sind sie auch im Lichte der Grundfreiheiten miteinander vergleichbar. Damit liegt in der Verkürzung des Anwendungsbereichs der Freistellungsmethode bei Auslandsdividenden eine Diskriminierung der grenzüberschreitenden Dividendenausschüttung562. Fraglich ist, ob sich Spanien zur Rechtfertigung dieser Diskriminierung auf die Kohärenz seines Steuersystems berufen könnte. Ausgangspunkt der Betrachtung könnte der schon mehrfach herangezogene Gesichtspunkt sein, dass nur die Inlandsdividenden mit inländischer Körperschaftsteuer vorbelastet sind. Aufgrund bevorrechtigter Besteuerung der ausgeschütteten Unternehmenseinkünfte durch den Quellenstaat müsste Spanien als Ansässigkeitsstaat auch nicht zwingend die ausländische Vorbelastung einer inländischen gleich erachten, sondern dürfte es bei den dort als gerecht und ausreichend empfundenen Maßnahmen zur Beseitigung der Doppelbelastung belassen563. Ebenfalls festgestellt wurde aber, dass eine solche, EG-rechtlich zu respektierende Sichtweise aber nur kohärent wäre, wenn sie konsequent durchgehalten würde. Gerade das ist aber im spanischen Körperschaftsteuersystem nicht der Fall: Bei Schachtelbeteiligungen nämlich wird eine Freistellung wie im Inlandssachverhalt gewährt, also gerade der eigene Gerechtigkeitsmaßstab an die Stelle des ausländischen gesetzt. Durch die Freistellung der Schachteldividenden erkennt der spanische Gesetzgeber selbst an, dass aus seiner Sicht auch bei Auslandsdividenden auf dieselbe Weise wie bei Inlandsdividenden die körperschaftsteuerliche Vorbelastung berücksichtigt werden kann. Damit ist es mindestens unverhältnismäßig, weil nach der eigenen Wertung des LIS nicht erforderlich, wenn ein Teil der Dividenden entgegen dieser Einsicht vom Freistellungsverfahren ausgenommen wird. Die spanischen Regelungen zur Besteuerung von Auslandsdividenden ________________________ 561 Die sonstigen, im Vergleich zur Inlandsdividende erhöhten Voraussetzungen insbe-

sondere hinsichtlich der Aktivitäten der Tochtergesellschaft sind ersichtlich Missbrauchsvermeidungsnormen, die in ihrer Konzeption den Voraussetzungen für die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 ff. AStG ähneln. Auf ihre Berechtigung und Europarechtskonformität soll im Rahmen dieser Arbeit nicht näher eingegangen werden. 562 Gl. A. im Hinblick auf die parallele Problematik in Österreich ist D. Aigner, SWI 2003, S. 63 (65). 563 Siehe dazu eingehend oben unter A.I.1.b.bb) (ii).

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Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

sind darum aus ähnlichen Gründen grundfreiheitswidrig wie diejenigen im abgeschafften deutschen Vollanrechnungsverfahren564. Eine weitere Schwäche speziell des limitierten spanischen Anrechnungsverfahrens liegt in der technischen Umsetzung einer grenzüberschreitenden Anrechnung. Denn sie setzt die Kenntnis der genauen Höhe der Vorbelastung voraus. Genaue Angaben dazu wird der Quellenstaat aber selbst bei entsprechender Kooperationsbereitschaft häufig nicht liefern können, wenn er nicht selbst ein Anrechnungsverfahren als Entlastungsmechanismus installiert hat565. Auch der Steuerpflichtige selbst wird hierzu häufig nicht ohne Weiteres Nachweise vorlegen können. Das Verfahren verursacht damit nicht nur hohen Verwaltungsaufwand, sondern ist ohne enge Kooperation der betroffenen Fisci kaum umzusetzen566. Unter dem Aspekt internationaler Verteilungsgerechtigkeit hingegen werfen Freistellungs- wie Anrechnungsverfahren keine besonderen Probleme auf. In ihren Wirkungen können beide maximal zu einem Besteuerungsverzicht des Ansässigkeitsstaates führen; eine Erstattung ausländischer Steuern ist hingegen ausgeschlossen. Dies gilt insbesondere auch für das Anrechnungsverfahren, das insofern übrigens mit den Vorschlägen prominenter deutscher Steuerrechtswissenschaftler übereinstimmt567. Ein solcher bloßer Besteuerungsverzicht des Ansässigkeitsstaates, jedenfalls bis zur Weiterausschüttung an natürliche Personen, ist angesichts des ohnehin bestehenden steuerlichen Vorrechts des Quellenstaates an den ausgeschütteten Gewinnen gut vertretbar, wie schon oben zum deutschen Freistellungssystem festgestellt wurde. c) Fazit Die spanische Variante einer Freistellung durch Steuerermäßigung ist im Grundsatz der deutschen Methode der Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 KStG gleichwertig. Sie erweist sich als verwaltungstechnisch etwas aufwendiger, löst aber ansonsten die Konflikte im Spannungsfeld von Leistungsfähigkeitsprinzip, europarechtlichen Diskriminierungsverboten und Grundsätzen zwischenstaatlicher Verteilungsgerechtigkeit in ebenso vertretbarer Weise. Verfehlt ist nur ihre Konzeption als abgestuftes Schachtelprivileg.

________________________

564 Siehe dazu oben unter 1.b.aa) (i) (2). 565 A. Deidda/C. Grabbe, Intertax 2002, S. 307 (311); skeptisch auch J. Hey in: Herr-

mann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. KStG (Stand: 09/99), Rz. 217. 566 Die spanische Kommentarliteratur schweigt sich zur praktischen Handhabung der

Norm aus; dies könnte auch ihrer geringen praktischen Bedeutung nach Einführung der Freistellungsmethode des Art. 20bis LIS geschuldet sein. 567 J. Hey in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. KStG (Stand: 09/99), Rz. 217; W. Reiß, DStR 1999, S. 2011 (2015); ähnlich, wenngleich noch differenzierter W. Schön in: GS Knobbe-Keuk, S. 743 (776).

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Die Behandlung von Beteiligungsaufwendungen

Nicht zu überzeugen vermag hingegen die Behandlung von Auslandsdividenden im spanischen Körperschaftsteuerrecht. Es ist europarechtlich nicht vertretbar, diese bei Schachtelbeteiligungen wie Inlandsdividenden, ansonsten aber höher zu besteuern. Das neben dem Freistellungssystem vorgesehene limitierte Anrechnungsverfahren birgt zudem erhebliche verwaltungstechnische Schwierigkeiten.

II. Die Behandlung von Beteiligungsaufwendungen 1.

Die deutschen Abzugsverbote

Wenngleich das deutsche Freistellungssystem als solches ein geeigneter Entlastungsmechanismus auf Körperschaftsebene ist, stößt es doch in Einzelaspekten auf verfassungsrechtliche wie europarechtliche Bedenken. Am häufigsten diskutiert werden die mit der Freistellung korrespondierenden Abzugsverbote. Dabei bestand bis zum 31.12.2003 die Besonderheit, dass hinsichtlich der Inlandsdividenden über § 8 Abs. 1 KStG das allgemeine Abzugsverbot nach § 3c Abs. 1 EStG zur Anwendung gelangte, wohingegen bei Auslandsdividenden das spezielle Abzugsverbot nach § 8b Abs. 5 KStG a. F. griff. Vom Veranlagungszeitraum 2004 an sind die Besteuerungsfolgen durch die Ausdehnung des räumlichen Anwendungsbereichs der Spezialregelung nach § 8b Abs. 5 KStG einander angeglichen worden, um die europarechtlichen Einwände zu entkräften. Im Hinblick auf diese Entwicklung erscheint es angezeigt, zunächst die frühere Rechtslage kritisch zu analysieren und im Anschluss zu untersuchen, inwieweit die Neuregelung etwaige Bedenken zerstreuen kann. a)

Die Rechtslage bis einschließlich 2003

aa) Verfassungswidrigkeit des allgemeinen Abzugsverbots bei Inlandsbeteiligungen Das bei Inlandsbeteiligungen bis zur Neuregelung durch das „Korb II-Gesetz“ eingreifende allgemeine Abzugsverbot nach § 8 Abs. 1 KStG in Verbindung mit § 3c Abs. 1 EStG war verfassungsrechtlich aus denselben Gründen zu beanstanden wie das Abzugsverbot nach § 3c Abs. 2 EStG im Halbeinkünfteverfahren568. Die Vorschrift des § 3c Abs. 1 EStG soll die doppelte Inanspruchnahme eines Steuervorteils durch Inanspruchnahme einer Befreiungsnorm und den Abzug damit korrespondierender Aufwendungen verhindern. Sie ist insoweit spiegelbildlicher Ausdruck des objektiven Nettoprinzips. Vor diesem Hintergrund war ihre Anwendung auf nach § 8b Abs. 1 KStG steuerfrei gestellte Dividendeneinkünfte nicht berechtigt. ________________________ 568 Siehe dazu oben unter A.II.1.a.

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Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

Diese Steuerbefreiung bewirkt keinen Steuervorteil im Sinne einer Steuerverschonung, sondern verhindert kumulierende Mehrfachbelastungen in Beteiligungsketten569. Die Dividenden sind und bleiben bei der Muttergesellschaft mit Körperschaftsteuer (vor-)belastet570, sie sind nicht in dem von § 3c Abs. 1 EStG vorausgesetzten Sinne „steuerfrei“571. Ungeachtet der verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Ausgestaltung des Körperschaftsteuersystems ist es jedenfalls auf Körperschaftsebene auch aus Sicht der gesetzgeberischen Konzeption des Freistellungsverfahrens nicht zutreffend, von einer „strikten Trennung zwischen Körperschaft und Anteilseigner“ in der Besteuerung auszugehen572, denn eine solche Trennung würde die kaskadenartige Mehrbelastung durchgeschütteter Gewinne hinnehmen und gerade nicht vollständig beseitigen. Die Freistellung von Dividendenbezügen nach § 8b I KStG ist ersichtlich allein der Vorbelastung des ausgeschütteten Gewinns auf Ebene der Tochtergesellschaft geschuldet; diese Vorbelastung darf darum auch für die Frage der Abziehbarkeit von korrespondierenden Betriebsausgaben nicht ignoriert werden.Das Abzugsverbot für mit den Dividenden unmittelbar zusammenhängende Aufwendungen, insbesondere Finanzierungs- und Verwaltungsaufwendungen, verstieß darum gegen das objektive Nettoprinzip. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 3c Abs. 1 EStG durch teleologische Reduktion in den Fällen nach § 8b Abs. 1 KStG steuerbefreiter Dividenden war nicht möglich573. Dem stand der klar erkennbare Wille des Ge________________________ 569 An dieser dogmatischen Einordnung hält auch die Bundesregierung unverändert fest,

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vgl. BMF-Schreiben vom 28.4.2003, IV A2 – S 2750a – 7/03, BStBl. I 2003, S. 292 (293, Rz. 1). So ausdrücklich die Gesetzesbegründung zur Einführung der Freistellungsregelung durch das StSenkG, BT-Drs. 14/2683, S. 120. So auch die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines UntStFG, BR-Drs. 638/01, S. 57; zustimmend R. Maiterth/H. Wirth, DStR 2004, S. 433 (436); T. Rödder/A. Schumacher, DStR 2001, S. 1634 (1640); T. Sauter/ R. Heurung/M. Oblau, BB 2001, S. 2448 (2449); W. Kessler/A. Schmalz/W. Schmidt, DStR 2001, S. 1865 (1871). So aber M. Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 278. Unklar ist auch, weshalb Desens aus gleichheitsrechtlicher Sicht eine strikte Separationstheorie vertritt, aus freiheitsrechtlicher Sicht dann aber auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise umschwenkt (a. a. O., S. 280). Bei rechtlich getrennter Betrachtung kann sich durch die Besteuerung der Körperschaft kein freiheitsrechtlich zu beanstandene übermäßige Besteuerung des Anteilseigners ergeben: Denn die Besteuerung der Körperschaft knüpft an deren Eigentumsnutzung an und greift in deren Vermögenssphäre ein, wohingegen sich das Eigentum des Anteilseigners nur auf die Beteiligung als solche bezieht. Gl. A. G. Haep in: Herrmann/Heuer/Raupach, Steuerrefom I, § 3c EStG (Stand: 04/01), Rz. 13 (S. E 14); für § 8b I KStG a. F. auch BFH v. 29.5.1996 – I R 15/94, BStBl. II 1997, S. 57 (59); Hess. FG v. 10.12.2002 – 4 K 1044/99, EFG 2003, S. 1120 (1122). A. A. wohl P. Bareis, BB 2003, S. 2315 (2321); T. Rödder/A. Schu-

Die Behandlung von Beteiligungsaufwendungen

setzgebers entgegen, der nicht durch verfassungskonforme Auslegung überspielt werden durfte574. Der Gesetzgeber hat mehrfach seinen Willen bekundet, dass die Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 KStG die Anwendbarkeit des Abzugsverbotes gemäß § 3c Abs. 1 EStG zur Folge haben sollte575. Objektiviert war dieser Wille auch im Gesetzestext selbst, denn das Verhältnis des § 8b Abs. 1 KStG zu § 3c Abs. 1 EStG ließ sich ohne weiteres mit dem Zusammenspielen von Dividendenbefreiung nach § 3 Nr. 40 S. 1 lit. d EStG einerseits und § 3c Abs. 2 EStG andererseits bei natürlichen Personen vergleichen576: Auch bei ihnen hat der Gesetzgeber trotz der wirtschaftlichen Vorbelastung der Dividende aus der technischen Steuerfreiheit die Konsequenz eines – hälftigen – Abzugsverbotes gezogen. Es bleibt darum nur, die Verfassungswidrigkeit der damaligen Rechtslage festzustellen. bb) Europarechtswidrigkeit des speziellen Abzugsverbot bei Auslandsdividenden Für Auslandsbeteiligungen galt schon von Beginn der Unternehmenssteuerreform das spezielle Abzugsverbot des § 8b Abs. 5 KStG a. F. Angesichts der damit bis zum Veranlagungszeitraum 2003 verbundenden Abweichung von der Behandlung der Aufwendungen auf inländische Beteiligungen nach § 8b Abs. 1 KStG i. V. m. § 3c Abs. 1 EStG drängte sich die Frage nach der europarechtlichen Zulässigkeit dieser Sonderbehandlung auf. ________________________ macher, DStR 2002, S. 1163 und S. Eilers/H.-G. Wienands, GmbHR 2000, S. 957 (962), die im Hinblick auf die wirtschaftliche Belastung der nach § 8b Abs. 1 KStG freigestellten Dividenden den § 3c Abs. 1 EStG für unanwendbar halten. Dezidiert a. A. auch K. E. M. Beck, Besteuerung von Beteiligungen, S. 213 f. 574 BVerfG v. 30.6.1964 – 1 BvL 16/62, BVerfGE 18, S. 97 (111); BVerfG v. 26.4.1994 – 1 BvR 1299/89 u. a., BVerfGE 90, S. 263 (275). Vgl. auch BFH v. 24.2.1999 – X R 171/96, BStBl. II 1999, S. 450 (452). Ähnlich übrigens auch das spanische Verfassungsgericht, vgl. TC v. 19.7.2000, 194/2000: „Cabe, desde luego, distorsionando la letra del precepto y obviando las consecuencias absurdas a las que conduce, hacer una distinta interpretación; ello, sin embargo, supondría una reconstrucción de la norma misma no explicitada debidamente en el texto legal impugnado y, por ende, la creación de una norma nueva, con la consiguiente asunción por el Tribunal Constitucional de una función de legislador positivo que constitucionalmente no le corresponde.“ 575 Vgl. die Begründung zum Entwurf des StSenkG 2000, BT-Drs. 14/2683, S. 124 sowie die Stellungnahme des Bundesrates zum UntStFG, BT-Drs. 14/7084, S. 2 f., der die von der Bundesregierung ein Jahr nach Verabschiedung des StSenkG 2002 gewünschte ausdrückliche Ausnahme vom Abzugsverbot verhinderte. 576 K. E. M. Beck hält diesen Vergleich wegen der von ihr – zu Recht – angenommenen Verfassungswidrigkeit des § 3c Abs. 2 für unzulässig, da eine nichtige Vorschrift nicht zur Auslegung des Willens des Gesetzgebers herangezogen werden dürfte. Dies dürfte indes die Anforderungen an die Feststellung eines der verfassungskonformen Auslegung entgegenstehenden gesetzgeberischen Willens überspannen.

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Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

Mit den sekundärrechtlichen Vorgaben der Mutter-Tochter-Richtlinie war und ist diese Art pauschalen Abzugsverbots zu vereinbaren, seit der Prozentsatz von 15 % auf 5 % gesenkt wurde. Artikel 4 Abs. 2 der Richtlinie erlaubt es den Mitgliedstaaten, die mit einer steuerfrei gestellten Auslandsbeteiligung zusammenhängenden Verwaltungskosten pauschal mit 5 % der von der Tochtergesellschaft ausgeschütteten Gewinne festzusetzen. In § 8b Abs. 5 werden sämtliche Beteiligungsaufwendungen mit 5 % der Bruttodividende pauschaliert, so dass die in der Richtlinie vorgesehene Begrenzung für Verwaltungskosten jedenfalls eingehalten ist577. Die sekundärrechtlichen Vorgaben entbinden nun allerdings nicht von der Beachtung des primären, höherrangigen Vertragsrechts, wie es in den Bestimmungen des EGV niedergelegt ist578. Von den Ermächtigungen der Richtlinie darf vielmehr nur in diskriminierungsfreier Weise Gebrauch gemacht werden579. Art. 4 Abs. 2 der Mutter-Tochter-Richtlinie verpflichtet den Mitgliedstaat nicht, Verwaltungskosten im Zusammenhang mit Auslandsbeteiligungen pauschal mit 5 % zu fingieren und in entsprechender Höhe für nicht abziehbar zu erklären. Die Vorschrift lässt den Mitgliedstaaten vielmehr auch die Wahl, sämtliche Kosten, jedoch in tatsächlich entstandener Höhe, für nicht abziehbar zu erklären oder aber von einem Aufwendungsabzugsverbot ganz abzusehen. Es muss darum geprüft werden, ob der deutsche Gesetzgeber seinen Spielraum diskriminierungsfrei genutzt hatte. Erweist sich das im Zusammenhang mit Auslandsdividenden greifende Abzugsverbot als gegenüber der bis 2003 geltenden Regelung für Inlandsbeteiligungen nachteilig, könnte dies eine nach Art. 43, 56 Abs. 1 EGV unzulässige Diskriminierung bedeuten. Tatsächlich hingen die Auswirkungen des § 8b Abs. 5 KStG a. F. im Vergleich zum allgemeinen Abzugsverbot davon ab, wie hoch der tatsächliche Beteiligungsaufwand im konkreten Einzelfall lagen: Eine Gleichbehandlung trat nur ein, wenn er ungefähr mit den im Rahmen des § 8b Abs. 5 KStG fingierten 5 % der Bruttodividende zu veran________________________ 577 Gl. A. O.-F. Graf Kerssenbrock, BB 2003, S. 2148 (2153); O. Thömmes, IStR 2001,

S. 441 (442); G. Frotscher in: Frotscher/Maas, KStG, § 8b (Stand: 02/03), Rz. 81; T. Scheipers, DStR 2000, S. 89 (93). Es kommt darum nicht mehr darauf an, ob in dem Begriff der „Verwaltungskosten“ auch Finanzierungsaufwendungen enthalten sind oder nicht, und ob in letztgenanntem Falle deren zusätzliche Pauschalierung überhaupt zulässig wäre, vgl. auch H. Schaumburg, JbFAStR 1999/2000, S. 131 (134). 578 G. T. K. Meussen, ET 2004, S. 59 (60) mit Nachweisen zur Gegenauffassung eines niederländischen Autors; ebenso P. Essers/F. Elsweier, ec tax review 2003, S. 82 (88); O. H. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 5. Aufl., S. 239. A. A. wohl M. Lehner, IStR 2001, S. 329 (335). 579 Siehe dazu 2. Kap., C.VIII. und W. Schön, StbJb 2001/2002, S. 53 (56).

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Die Behandlung von Beteiligungsaufwendungen

schlagen war. Fielen höhere Aufwendungen an, erwies sich die Regelung für Auslandsdividenden als günstiger, weil sie den unbegrenzten Abzug der tatsächlich angefallenen Aufwendungen gestattete. Waren diese hingegen niedriger als die Aufwandspauschale, wurde der Auslandsinvestor benachteiligt580. Damit erwies sich die Regelung des § 8b Abs. 5 KStG a. F. für die grenzüberschreitende Dividendenausschüttung als potentiell nachteilig581. Eine potentiell grundfreiheitswidrige Vorschrift darf nach der Auffassung des EuGH dann keine Anwendung finden, wenn sich die Diskriminierung im konkreten Fall materialisiert und nicht gerechtfertigt werden kann582. Die herrschende Meinung im Schrifttum nimmt denn auch an, dass die Vorschrift in diesen Fällen eine unzulässige Diskriminierung im Sinne der Kapitalverkehrs- und Niederlassungsfreiheit begründet hat583. Tatsächlich ist hier zu unterscheiden zwischen der grundsätzlichen Entscheidung für ein Abzugsverbot einerseits und der Pauschalierung nichtabziehbarer Betriebsausgaben andererseits. Ein Abzugsverbot für mit Auslandsdividenden zusammenhängende Aufwendungen ist jedenfalls dann mit den Grundfreiheiten vereinbar, wenn es auch für Inlandsdividenden besteht, so ________________________

580 O.-F. Graf Kerssenbrock, BB 2003, S. 2148 (2151); O. H. Jacobs, Internationale

Unternehmensbesteuerung, 5. Aufl., S. 238 f.; H. G. Raber, DStJG Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 103 (113). Vgl. dazu auch W. Schön, FR 2001, S. 381 (390), der damit seine auf der 51. Steuerrechtlichen Jahresarbeitstagung der Fachanwälte für Steuerrecht geäußerte Auffassung, es handele sich bei § 8b V KStG um einen bloßen Fall der Inländerdiskriminierung (vgl. JbFAStR 2000/2001, S. 154), revidiert hat. 581 Vereinzelt wird eine Benachteiligung auch darin gesehen, dass das Abzugsverbot nach §§ 8 I KStG, 3c I EStG durch „Ballooning“ und andere Strategien umgangen werden könnte, wohingegen § 8b V KStG keine solchen Umgehungsmöglichkeiten eröffne (L. Schmidt/J. Hageböke, IStR 2002, S. 150 (154)). Das ist jedoch in dieser Generalität nicht zutreffend, weil sich auch bei der Auslandsbeteiligung Vermeidungsstrategien finden lassen, etwa die Gewinnrealisierung durch Beteiligungsveräußerung statt Ausschüttung, vgl. G. Frotscher in: Frotscher/Maas, KStG, § 8b (Stand: 02/03), Rz. 87; N. Herzig/N. Dautzenberg, DB 2001, S. 12 (17). Tatsächlich kommt es darauf aber nicht an, weil es genügt, dass sich bei geringen Aufwendungen § 8b V ungünstiger auswirken kann, mag er auch in einer Vielzahl anderer Fälle begünstigend wirken. Das übersehen auch S. Eilers/R. Schmidt, FR 2001, S. 8 (20). 582 Vgl. EuGH v. 12.6.2003, Rs. C-234/01 (Gerritse), EWS 2003, S. 330, Rz. 54. Eine typisierende Betrachtung der Benachteiligungswirkungen ist wegen der strengen Einzelfallausrichtung der Grundfreiheiten unzulässig (so auch ausdrücklich im Zusammenhang mit § 8b V KStG O. Thömmes, IStR 2001, S. 441 (442)). Dies übersieht H.-G. Raber, DStJG Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 103 (113 f.). 583 M. Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 286; O.-F. Graf Kerssenbrock, BB 2003, S. 2148 (2153); T. Carlé, KÖSDI 2003, S. 17 (19); W. Schön in: FR 2001, S. 381 (391); T. Rödder/A. Schumacher, DStR 2001, S. 1634 (1640); W. Kessler/A. Schmalz/ W. Schmidt, DStR 2001, S. 1865 (1872); H. Kußmaul/S. Beckmann, DB 2001, S. 608 (614); N. Dautzenberg, StuB 2000, S. 863 (865).

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Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

dass die Maßnahme nicht diskriminierend ist584. Dies traf damals wie heute im deutschen Körperschaftsteuerrecht zu, so dass das Abzugsverbot nach § 8b Abs. 5 KStG als solches grundsätzlich nicht zu beanstanden war. Problematisch war hingegen die zugleich in § 8b Abs. 5 KStG a. F. enthaltene Fiktion der Höhe nichtabziehbarer Betriebsausgaben. Nur aus dieser Fiktion konnte die Benachteiligung gegenüber dem Bezug von Inlandsdividenden resultieren. Insoweit ist auch nicht erkennbar, dass die entsprechenden Aufwendungen der betroffenen Steuerpflichtigen nicht denen des Anteilseigners einer inländischen Beteiligung vergleichbar wären. Sie wurden vielmehr einheitlich einem Abzugsverbot unterstellt und mussten darum grundsätzlich in gleicher Weise behandelt werden. Der Einwand von G. Haep, im Inlandssachverhalt könnte die wiederholte Anwendung des § 8b Abs. 5 KStG a. F. zu einem „Kaskadeneffekt“ an Belastungen führen, der nicht mit der einmaligen Belastung anlässlich des Grenzübertritts vergleichbar sei585, ist schon im Ansatz verfehlt: Die Schutzrichtung der Kapitalfreiheit und der Niederlassungsfreiheit gebietet es, Inlands- und Auslandsbeteiligungen aus der Sicht des einzelnen Steuerpflichtigen, d. h. der betroffenen Muttergesellschaft zu vergleichen, die zwischen beiden Investitionsformen die Wahl hat. Im Übrigen ist weder gewährleistet, dass bei Inlandsbeteiligungen auch nur überwiegend eine mehrstufige Beteiligungsschachtelung anzutreffen ist, noch dürfte dies einen Unterschied machen, wenn die Pauschalierung tatsächlich sachgerecht und angemessen wäre. Die potentiell diskriminierende Fiktion nichtabziehbarer Betriebsausgaben könnte allenfalls durch die Notwendigkeit einer wirksamen steuerlichen Kontrolle gerechtfertigt gewesen sein. Das wäre der Fall, wenn im grenzüberschreitenden Verkehr die Kontrolle der steuerlich relevanten Umstände, das heißt in concreto der erklärten Beteiligungsaufwendungen, eine solche Maßnahme erfordert hätte. Doch zum einen hat der EuGH es unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten regelmäßig und zu Recht abgelehnt, aus diesen Erwägungen heraus jeglichen Einzelnachweis abzuschneiden586. Die Pauschalierung wäre unter diesem Gesichtspunkt also schon deshalb unverhältnismäßig gewesen, weil sie auch als widerlegbare Vermutung statt als Fiktion hätte ausgestaltet werden können. Die damit verbundene Beweis________________________ 584 Für diese Fallkonstellationen ist W. Schön, FR 2001, S. 381 (391) zuzustimmen,

wenn er konstatiert, dass ein Abzugsverbot für Auslandsbeteiligungen nur eingeführt werden dürfe, wenn ein gleichartiges Abzugsverbot auch bei Inlandsbeteiligungen existiere. Insgesamt geht diese Feststellung in ihrer Generalität aber deutlich zu weit, wie gezeigt werden konnte. 585 G. Haep in: Herrmann/Heuer/Raupach, Steuerreform II, § 8b KStG (Stand: 04/01), Rz. 93. 586 Siehe dazu 2. Kap., C.VI.4.d.

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Die Behandlung von Beteiligungsaufwendungen

lastumkehr hätte genügt, um dem ungerechtfertigten Abzug tatsächlich nicht durch die Beteiligung veranlasster Aufwendungen entgegenzuwirken587. Vor allem aber ist bei der Besteuerung von Steuerinländern mit ihren Auslandsdividenden auch nicht ersichtlich, warum hier besondere Schwierigkeiten bestünden, die Aufwandsnachweise zu überprüfen. Denn auch bei Auslandsbeteiligungen wird es sich regelmäßig um im Inland angefallene Verwaltungs- und Finanzierungsaufwendungen handeln. Die generellen Schwierigkeiten bei der Aufwandszuordnung588 schließlich ergeben sich bei Inlands- wie Auslandsdividenden gleichermaßen589. Letztlich hat der Gesetzgeber auch durch die Neufassung des § 8b Abs. 5 KStG anerkannt, dass für eine gesonderte Behandlung von Aufwendungen für Auslandsbeteiligungen kein Bedürfnis besteht. Die Pauschalierung bzw. Fiktion nichtabziehbarer Betriebsausgaben in § 8b Abs. 5 KStG a. F. war somit europarechtswidrig. b) Die Rechtslage ab 2004 Wohl im Hinblick auf die im Schrifttum anhaltende Kritik an der Differenzierung und unter dem Eindruck der Bosal-Entscheidung des EuGH590 hat sich der Gesetzgeber entschlossen, das spezielle Abzugsverbot des § 8b Abs. 5 KStG auf alle Arten des Dividendenbezugs innerhalb der Körperschaftssphäre anzuwenden. aa) Damit entfällt in der Tat der Vorwurf einer europarechtswidrigen Schlechterstellung des Bezugs von ausländischen Dividendenerträgen gegenüber inländischen Gewinnausschüttungen. Eine Diskriminierung im Sinne rechtlicher Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Dividendenbezugs scheidet nunmehr offensichtlich aus591. In der Neuregelung liegt aber auch keine nichtdiskriminierende Beschränkung des Erwerbs bzw. der Gründung von Auslandsbeteiligungen, weil es an einer spezifischen Benachteiligung des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs fehlt. Die Neuregelung wirkt sich vielmehr für Inlands- wie Auslandsbeteiligungen unterschiedslos aus, so dass mit der hier vertretenen gleichheitsrechtlichen Interpretation der Grundfreiheiten eine Beschränkung des grenzüberschreitenden ________________________ 587 O.-F. Graf Kerssenbrock, BB 2003, S. 2148 (2154). 588 Siehe dazu näher A. Nacke in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Steuerreform

I, § 3c (Stand: 04/01), Rz. 25; G. Frotscher in: Frotscher/Maas, KStG, § 8b (Stand: 02/03), Rz. 83. 589 Darauf weist auch O.-F. Graf Kerssenbrock, BB 2003, S. 2148 (2154) hin. 590 EuGH v. 18.9.2003, Rs. C-168/01 (Bosal Holding), DB 2003, S. 2097 ff. 591 Ebenso W. Schön, IStR 2004, S. 289 (299); B. Kaminski/G. Strunk, BB 2004, S. 689 (690); O.-F. Graf Kerssenbrock, BB 2003, S. 2148 (2156); A. Schnitger, FR 2003, S. 1149 (1152).

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Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

Wirtschaftsverkehrs im Sinne der Art. 43; 56 EGV nicht festgestellt werden kann. Allerdings wird vereinzelt eine faktische Schlechterstellung der Beteiligung an ausländischen Gesellschaften darin gesehen, dass die 5 %-Hinzurechnung nur im Binnenkontext durch Gestaltung vermieden werden könne: Nur für Inlandsbeteiligungen bestehe nämlich die Möglichkeit, eine Organschaft zu begründen oder eine ertragsteuerneutrale Verschmelzung durchzuführen, durch die der Anfall von Dividendenbezügen im Sinne von § 8b Abs. 5 KStG umgangen werden könne592. Indes gehen die darin etwa liegenden Beschränkungen nicht von dieser Vorschrift, sondern von den Regelungen des Organschafts- bzw. Umwandlungsteuerrechts aus593. bb) Nach wie vor aber verstößt die Vorschrift des § 8b Abs. 5 KStG gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip in seiner Ausprägung des objektiven Nettoprinzips594. Dieser schon vor der Neufassung bestehende Mangel wird durch die bloße Ausdehnung ihres sachlichen Anwendungsbereiches nicht behoben, sondern im Gegenteil verschärft: Zunächst bleiben die Bedenken gegen ein Abzugsverbot jedenfalls bei Inlandsdividenden schon dem Grunde nach bestehen. Es wurde bereits ausführlich dargelegt, dass es nicht sachgerecht ist, die Steuerbefreiung von Dividenden als Steuervergünstigung zu begreifen und korrespondierende Aufwendungen mit einem Abzugsverbot zu belegen. An dieser Einschätzung hat sich durch den Austausch eines exakten durch ein pauschaliertes Abzugsverbot nichts geändert595. Durch die Pauschalierung von Betriebsausgaben rückt der damit verbundene „Kaskadeneffekt“ von ungerechtfertigten Zusatzbelastungen bei mehrstufigen Konzernen im Gegenteil noch stärker ins Bewußtsein596. Darüber hinaus ist speziell die Typisierung der Höhe der Erwerbsaufwendungen, die nicht abgezogen werden dürfen, unverhältnismäßig und damit ________________________ 592 A. Körner, BB 2003, S. 2436 (2440); ähnlich im Hinblick auf die Möglichkeit zur

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Begründung einer ertragsteuerlichen Organschaft auch P. Bullinger, IStR 2004, S. 406 (411). A. A. wohl K. E. M. Beck, Besteuerung von Beteiligungen, die aus den Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen des § 3c EStG die Europarechtswidrigkeit der Organschaft ableitet. Dies heißt jedoch, Ursache und Wirkung zu vertauschen. Allgemein stellt dies auch H.-H. Krebühl, DStR 2001, S. 1730 (1740) fest; ähnlich W. Schön, JbFAStR 2000/2001, Diskussionsbeitrag S. 153. Beide Ansichten differenzieren aber nicht weiter danach, inwieweit die Erwerbsaufwendungen möglicherweise im Quellenstaat abzuziehen sind bzw. abzuziehen wären. So auch R. Maiterth/H. Wirth, DStR 2004, S. 433 (436). Vgl. B. Kaminski/G. Strunk, BB 2004, S. 689 (691). Es überzeugt demgegenüber nicht, nur den Kaskadeneffekt durch die Pauschalierung, nicht aber in dem durch ein allgemeines Abzugsverbot bewirkten und meist weitergehenden Kaskadeneffekt als „Systembruch“ zu bezeichnen; so aber M. Desens, Halbeinkünfteverfahren, S. 289 f.

Die Behandlung von Beteiligungsaufwendungen

verfassungswidrig597. Es wurde bereits dargelegt, dass gesetzliche Typisierungen zu Vereinfachungszwecken zwar grundsätzlich zulässig, aber einer genauen Verhältnismäßigkeitsprüfung zu unterziehen sind. Als Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips sind sie nur angemessen, wenn die gesetzlich festgeschriebene „Durchschnittsnormalität“ in der Regel nur geringfügig von den tatsächlichen Verhältnissen abweicht und die Vorschrift größere Härten lediglich in atypischen Fällen bewirkt598. Diesen Anforderungen genügt § 8b Abs. 5 KStG gleich in zweierlei Hinsicht nicht: Zum einen sind die Beteiligungsaufwendungen ein Besteuerungsfaktor, der einer Typisierung kaum zugänglich ist, jedenfalls keiner so groben und undifferenzierten wie der des § 8b Abs. 5 KStG. Es gibt kein Leitbild eines typischen Unternehmens mit Beteiligungsbesitz599. Dies gilt insbesondere, wenn nicht nur Verwaltungskosten, sondern Finanzierungsaufwendungen fiktiv angesetzt werden, denn insoweit lassen sich überhaupt keine allgemeingültigen Aussagen treffen600. Mit den Verhältnissen vertraute Berater weisen darauf hin, dass es eine Reihe von Gesellschaften gibt, die ihre ausländischen Beteiligungen vollumfänglich selbst finanzieren601. Andererseits kann der Fremdfinanzierungsanteil aber auch bis zu 100 % ausmachen. Schon aufgrund dieser großen Spannweite möglicher Verhältnisse im Einzelfall ist jede Pauschalierung – auch eine solche von 5 % – nicht realitätsgerecht602. Zweitens ist die Pauschalierung auch methodisch angreifbar, speziell insoweit sie Verwaltungskosten mit einschließt. Der im Gesetz unterstellte proportionale Zusammenhang zwischen der Höhe der Dividendenausschüttung und der Höhe der Aufwendungen existiert insoweit nicht603. Eine hoch profitable Beteiligung wird nicht allein aufgrund ihrer Ertragsstärke höhere Verwaltungskosten verursachen als eine gering rentierliche. Auch hinsichtlich der Finanzierungsaufwendungen besteht nur ein loser Zusammenhang ________________________ 597 Ebenso K. E. M. Beck, Besteuerung von Beteiligungsaufwendungen, S. 226 f. 598 Siehe dazu 2. Kap., A.I.2.b.bb. 599 So treffend H. Schaumburg, StuW 2000, S. 369 (376); a. A. wohl M. Desens, Halb-

einkünfteverfahren, S. 291. 600 L. Schmidt/J. Hageböke, IStR 2002, S. 150 (153). 601 Vgl. dazu W. Haarmann, JbFAStR 2000/2001, Diskussionsbeitrag S. 152;

O. Thömmes/T. Scheipers, DStR 1999, S. 609 (612); H. Schaumburg, JbFAStR 1999/2000, S. 131 (137). 602 W. Schön, FR 2001, S. 381 (391); T. Scheipers, DStR 2000, S. 89 (93). Insoweit zustimmend G. Haep in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 8b KStG (Stand: 04/01), Rz. 93, der § 8b V KStG im Ergebnis dennoch als verhältnismäßige Typisierung ansieht, was freilich nicht überzeugt (dazu sogleich). 603 L. Schmidt/J. Hagböke, IStR 2002, S. 150 (153); W. Schön, FR 2001, S. 381 (391); O. Thömmes/T. Scheipers, DStR 1999, S. 609 (612).

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jedenfalls dann, wenn der Fremdfinanzierungsanteil nicht überwiegt604. Die Höhe der Dividende ist damit kein geeigneter Indikator für den Beteiligungsaufwand605. Aus diesem Grunde lässt sich zur Rechtfertigung der Typisierung auch nicht anführen, dass die Vorschrift allenfalls zu erheblichen Begünstigungseffekten, nicht aber zu übermäßigen Härten führen könne606: Denn mindestens bei voll eigenfinanzierten Beteiligungen kann infolge der verfehlten Anknüpfung an den Dividendenbezug die Diskrepanz zwischen unter Leistungsfähigkeitsaspekten gebotener und tatsächlicher Belastung auch in absoluten Zahlen ganz erhebliche Ausmaße annehmen. c) Fazit Das bis zum Veranlagungszeitraum 2003 bei Inlandsbeteiligungen zur Anwendung gelangende allgemeine Abzugsverbot für mit dem Bezug von Dividenden unmittelbar wirtschaftlich zusammenhängenden Aufwendungen nach §§ 8 Abs. 1 KStG, 3c Abs. 1 EStG verstieß gegen das objektive Nettoprinzip. Eine verfassungskonforme Reduktion des § 3c Abs. 1 EStG mit dem Ziel des Ausschlusses von Dividendeneinkünften aus dem Anwendungsbereich war gegen den erklärten Willen des Gesetzgebers nicht möglich. Zur Herbeiführung einer verfassungsmäßigen Rechtslage hätte es darum eigentlich einer Bereichsausnahme vom Abzugsverbot bedurft, wie die Bundesregierung sie schon im Entwurf des Unternehmensteuerfortentwicklungsgesetzes angestrebt hatte607. Stattdessen hat der Gesetzgeber die Aufwendungen für Inlandsbeteiligungen vom Veranlagungszeitraum 2004 an der bis dahin auf Auslandsbeteiligungen beschränkten Spezialvorschrift des § 8b Abs. 5 KStG unterstellt. Damit hat er zwar den Vorwurf der europarechtswidrigen potentiellen Benachteilung des Bezugs ausländischer Dividenden entkräftet. Denn mit der Ausdehnung des pauschalen Abzugsverbots auf sämtliche Fälle der Dividendenfreistellung wurde die der Vorschrift innewohnende diskriminierende Wirkung beseitigt. Die Fiktion des § 8b Abs. 5 KStG verletzt aber auch in ihrer neuen Fassung das objektive Nettoprinzip, und die Auswirkungen dieses Verstoßes werden dadurch noch erheblich ausgeweitet608. ________________________ 604 G. Frotscher in: Frotscher/Maas, KStG, § 8b (Stand: 02/03), Rz. 82. 605 O.-F. Graf Kerssenbrock, BB 2003, S. 2148 (2152). 606 So aber G. Haep in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 8b KStG (Stand:

04/01), Rz. 93; in der Tendenz ähnlich G. Frotscher in: Frotscher/Maas, KStG, § 8b (Stand: 02/03), Rz. 83. 607 Im Entwurf vorgesehen als Neufassung des § 8b Abs. 5 S. 1 KStG, vgl. BR-Drs. 638/01, S. 10. 608 Speziell bei innerstaatlichen Konzernstrukturen kommt es dadurch in der Tat zu kaskadenartigen Mehrbelastungen, vgl. M. Rogall, DB 2003, S. 2185; O-F. Graf Kerssenbrock, BB 2003, S. 2148 (2157).

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Die Behandlung von Beteiligungsaufwendungen

Im Grundsatz sachgerecht ist demgegenüber das in § 8b Abs. 5 KStG bisher gesondert statuierte Abzugsverbot für Beteiligungsaufwendungen bei ausländischen Beteiligungen; es müsste sich lediglich an den tatsächlichen Aufwendungen orientieren609. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz oder die europäischen Grundfreiheiten wäre selbst dann nicht zu konstatieren, wenn das Abzugsverbot für durch Inlandsbeteiligungen veranlasste Aufwendungen wie geboten aufgehoben würde610. Es ist bereits im Zusammenhang mit dem Abzugsverbot im Halbeinkünfteverfahren darauf hingewiesen worden, dass der Ansässigkeitsstaat Betriebsausgaben nicht zum Abzug zulassen muss, wenn er durch ein Freistellungssystem auf die Besteuerung der Dividende verzichtet611. Dem Nachteil der mangelnden Abzugsfähigkeit steht bei über DBA freigestellten Auslandsdividenden der kompensierende Vorteil gegenüber, diese im Inland nicht versteuern zu müssen. Zwar sind bei technischer Betrachtung auch die Inlandsdividenden nach § 8b Abs. 1 KStG steuerfrei, so dass man meinen könnte, mit dem Betriebsausgabenabzug korrespondiere auch im Inlandssachverhalt keine Steuerbelastung. Tatsächlich sind die Inlandsdividenden aber mit inländischer Körperschaftsteuer vorbelastet, wohingegen das bei Auslandsdividenden nicht zutrifft612. Da im Rahmen der Kohärenzprüfung auch eine steuerliche Vorbelastung mitberück________________________ 609 Gl. A. aus ökonomischer Sicht sind R. Maiterth/H. Wirth, DStR 2004, S. 433 (437). 610 A. A. sind insoweit K. E. M. Beck, Besteuerung von Beteiligungen, S. 225; W. Schön,

FR 2001, S. 381 (391) und O.-F. Graf Kerssenbrock, BB 2003, S. 2148 (2151). 611 So auch N. Herzig/N. Dautzenberg, DB 2000, S. 12 (16) Gl. A. ist I. van Lishaut,

StuW 2000, S. 182 (194 f.), der allerdings nicht erkennen lässt, ob er den Abzug der mit den Dividenden zusammenhängenden Aufwendungen im Quellenstaat für geboten hält. Vorsichtig bejahend auch W. Schön, JbFAStR 2000/2001, Diskussionsbeitrag S. 158; in diese Richtung argumentiert schließlich auch der BFH im Urteil v. 29.5.1996 – I R 21/95, BStBl. II 1997, S. 63 (68, rechte Sp.). A. A. ist J. Hey, StuW 2004, S. 193 (200 f.). 612 O.-F. Graf Kerssenbrock, BB 2003, S. 2148 (2151) meint allerdings, über die einheitliche Freistellung nach § 8b I KStG gebe der Gesetzgeber zu erkennen, dass die ausländische Vorbelastung der inländischen gleichzuachten sei. Träfe dies zu, könnte Deutschland sich hinsichtlich der Beteiligungsaufwendungen in der Tat nicht mehr auf die Kohärenz seines Besteuerungssystems berufen, um solche für Auslandsbeteiligungen vom Abzug auszuschließen. Eine solche Interpretation des § 8b I KStG ist jedoch nicht zwingend; er lässt sich auch als unilaterale Maßnahme zur Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung grenzüberschreitender Dividenden durch Einführung einer Freistellungsmethode interpretieren. Dafür spricht insbesondere, dass eine etwa im Quellenstaat erhobene Quellensteuer auf die Dividende von der deutschen Muttergesellschaft nicht auf ihre Körperschaftsteuerschuld angerechnet werden kann. Dies wäre aber erforderlich, hätte der Gesetzgeber nicht nur die internationale Doppelbesteuerung, sondern darüber hinaus auch die wirtschaftliche Doppelbelastung der Dividende nach deutschen Maßstäben, d. h. wie bei den gänzlich unbelasteten Inlandsdividenden verwirklichen wollen.

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Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

sichtigt werden darf 613, wäre bei der – zulässigen – Verengung der Betrachtung auf die inländische Steuerbelastung der notwendige Vorteilsausgleich gegeben614. Schließlich ist der Zusammenhang zwischen der Abziehbarkeit von Beteiligungsaufwendungen der Muttergesellschaft und der Möglichkeit zur Besteuerung von Gewinnen der Tochtergesellschaft auch nicht zu vage, wie der EuGH meint615. Allerdings müssen die der Abzugsmöglichkeit im Inland gegenüberstehenden inländischen Gewinne nicht notwendig tatsächlich erzielt werden, und auch ansonsten sind Ob und Wann der Auskehrung der vorbelasteten Gewinne an die Muttergesellschaft unbestimmt. Reicht es aber nach der nationalen Systematik abziehbarer Aufwendungen aus, dass sie gemäß dem Veranlassungsprinzip auf die Erlangung solcher Gewinnausschüttungen gerichtet sind, muss diese Wertung auch europarechtlich beachtet werden. In der mangelnden Berücksichtigung von Beteiligungsaufwendungen läge dann auch keine nichtdiskriminierende Beschränkung des grenzüberschreitenden Dividendenbezugs. Das wäre nur dann der Fall, wenn auch der Quellenstaat die entsprechenden Aufwendungen zu Recht nicht zum Abzug zuließe und damit eine spezifische Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Dividendenflusses verbunden wäre. Eine solche spezifische Schlechterstellung liegt insbesondere dann nicht vor, wenn Beteiligungsaufwendungen im Quellenstaat diskriminierungsfrei nicht oder nur eingeschränkt zum Abzug zugelassen werden; der free mover hat nämlich keinen Anspruch auf die Behandlung am Maßstab der für im Binnenkontext günstigeren nationalen Rechtsordnung und muss Regelungsdisparitäten hinnehmen616. Versagt der Quellenstaat den Abzug und liegt darin eine ungerechtfertigte Diskriminierung des grenzüberschreitenden Dividendenbezugs, so ist für die Annahme einer nichtdiskriminierenden Beschränkung ebenfalls kein Raum mehr; der Steuerpflichtige muss sich dann gegen die Ungleichbehandlung im Quellenstaat wenden. Es verblieben damit allenfalls die Fälle, in denen der Quellenstaat anders als im Binnensachverhalt Dividenden an Steuerausländer nicht besteuert, weil er entweder nach Art. 5 Abs. 1 der Mutter-Tochter-Richtlinie am Quellenabzug gehindert ist oder unilateral auf die Besteuerung der entsprechenden Dividenden verzichtet. In diesen Fällen kann der Quellenstaat die Nichtberücksichtigung der Beteiligungsaufwendungen mit dem Kohärenzgedanken rechtfertigen, weil er nur im grenzüberschreitenden Kontext von seinem Besteuerungsrecht keinen Gebrauch machen darf bzw. macht ________________________ 613 Siehe dazu oben unter A.I.1.b.bb) (ii). 614 Im Ergebnis wohl ebenso R. Maiterth/H. Wirth, DStR 2004, S. 433 (437). Etwas

anderes könnte allenfalls bei die Bruttodividende übersteigenden Beteiligungsaufwendungen gelten, siehe dazu oben unter A.II.3.b.aa) (ii). 615 EuGH v. 18.9.2003, Rs. C-168/01 (Bosal Holding), DB 2003, S. 2097, Rz. 35. 616 Siehe dazu 2. Kap., C.V.3.a.bb.

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Die Behandlung von Beteiligungsaufwendungen

und dadurch die fehlende Abziehbarkeit der Aufwendungen kompensiert617. Obwohl dann an sich beide Mitgliedstaaten den Abzug entsprechender Erwerbsaufwendungen gewähren, wird der grenzüberschreitend investierende Steuerpflichtige davon jeweils in gerechtfertigter Weise ausgeschlossen. Bei Vorliegen einer solchen Konstellation ist der grenzüberschreitende Dividendenbezug dann aber auch am Maßstab keiner der beiden Rechtsordnungen insgesamt stärker belastet als im jeweiligen Binnenkontext, so dass auch hier letztlich eine nichtdiskriminierende Beschränkung nicht vorliegt.

2. Der Abzug von Beteiligungsaufwendungen in Spanien Die spanische Variante eines Freistellungssystems durch Ermäßigung der Steuerschuld kann ihre Trumpfkarte zweifellos beim Abzug von Beteiligungsaufwendungen ausspielen: Da die Dividendeneinkünfte formal nicht steuerbefreit sind, sondern in die Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer eingehen, können auch Beteiligungsaufwendungen zwanglos abgezogen werden. Das Nettoprinzip wird im Binnenkontext, das heißt beim Bezug von Inlandsdividenden durch inlandsansässige Gesellschaften, vollumfänglich verwirklicht, ohne dass es dazu einer besonderen Ausnahmeregelung bedürfte. Übertragen auf die Situation in Deutschland, das anders als Spanien mit § 3c EStG ein allgemeines Abzugsverbot für mit steuerfreien Einnahmen zusammenhängende Aufwendungen kennt, würde dies die Diskussion darüber ersparen, inwieweit freigestellte Dividendeneinkünfte tatsächlich „steuerfrei“ im Sinne des § 3c EStG sind. Trotz dieses Vorteils der steuerpolitischen „Vermittelbarkeit“ eines Aufwendungsabzugs erscheint es nicht angezeigt, die spanische Freistellungsmethode im deutschen Körperschaftsteuerrecht zu implementieren. Zum einen ist sie in der verwaltungstechnischen Handhabung aufwendiger, wie schon oben festzustellen war. Zum anderen könnte sich die Auseinandersetzung leicht auf die Frage verschieben, warum sich der Ermäßigungsbetrag an der hypothetischen Belastung der Bruttodividende statt an derjenigen der Nettodividende zu orientieren ________________________ 617 Es genügt aber nicht, dass der Quellenstaat Dividenden an inländische Muttergesell-

schaften nur formal besteuert und im wirtschaftlichen Ergebnis doch wieder von der Steuer freistellt, etwa weil er im Binnenkontext ein Anrechnungsverfahren praktiziert. Dann kann er sich nicht auf die Kohärenz der inländischen Besteuerung berufen, weil dem Vorteil des Aufwendungsabzugs im Ergebnis kein Belastungsnachteil gegenübersteht. Er muss sich dann mit anderen Worten an seiner Wertung festhalten lassen, dass die Vorbelastung der Dividende mit Körperschaftsteuer der Tochtergesellschaft letztlich einer (Vorab-)Besteuerung bei der Muttergesellschaft gleichzuachten ist, welche dann auch den Abzug negativer Einkünftekomponenten, d. h. der Beteiligungsaufwendungen verlangt. Vgl. dazu auch das Hess. FG v. 10.12.2002 – 4 K 1044/99, EFG 2003, S. 1120 (1123).

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Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

hätte618. Auch dies leuchtet nicht auf den ersten Blick ein, ist aber notwendige Voraussetzung dafür, dass sich der Aufwendungsabzug auch endgültig in einer Reduktion der Steuerschuld auswirkt. Ansonsten würde das ihm innewohnende Steuerminderungspotential durch die geringere Ermäßigung der Steuerschuld wieder neutralisiert. Auch beim Bezug von Auslandsdividenden können korrespondierende Beteiligungsaufwendungen in vollem Umfang abgezogen werden. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die echte Freistellung nach Art. 21 LIS oder die limitierte Anrechnung nach Art. 31 f. LIS zur Anwendung gelangt. Insbesondere gibt es auch im Freistellungsverfahren weder ein spezielles Abzugsverbot vergleichbar dem § 8b Abs. 5 KStG, noch wird nach allgemeinen Bestimmungen das maßgebliche Handelsbilanzergebnis korrigiert. Inlands- und Auslandsdividenden werden im Hinblick auf den Abzug von Beteiligungsaufwendungen gleich behandelt. Insoweit weist die Besteuerung von Dividenden ausländischer Herkunft keine europarechtlichen Probleme auf. Demgegenüber besteht ein Abzugsverbot für nichtansässige Gesellschaften nach Art. 24 Abs. 1 LIRNR, wenn die dividendenvermittelnde Beteiligung keiner inländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist. Weil das spanische Recht anders als die deutsche Regelung kein einheitliches Abzugsverbot für Inlandsdividenden vorsieht, ist hiermit eine Benachteiligung des grenzüberschreitenden Dividendenbezugs verbunden. Gebietsansässige wie gebietsfremde Dividendenbezieher sind hinsichtlich des Betriebsausgabenabzugs auch miteinander vergleichbar, weil es sich um ein objektives Element der Bemessungsgrundlage handelt, für das persönliche Umstände keine Rolle spielen. Wird die durch Dividenden vermittelte objektive Leistungsfähigkeit dem Grunde nach gleichermaßen erfasst, muss das auch für objektiv leistungsfähigkeitsmindernde Umstände gelten. Durch die Versagung des Betriebsausgabenabzugs werden auslandsansässige Muttergesellschaften folglich diskriminiert. Eine tragfähige Rechtfertigung hierfür ist nicht ersichtlich. Unter dem Gesichtspunkt steuerlicher Kohärenz könnte man zwar versucht sein einzuwenden, dem Abzugsverbot stehe der Vorteil eines niedrigen Proportionalsteuersatzes von 15 % gegenüber. Inlandsansässige Kapitalgesellschaften müssen ihre Dividenden hingegen mit nominal 35 % Körperschaftsteuer versteuern. Indes muss eine solche Vorteilskompensation europarechtlich aus zwei ________________________ 618 In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass das LIS bis zum Jahre 1995 einen

Abzug tatsächlich nur auf Basis der Steuer auf die Nettodividende, das heißt nach Beteiligungsaufwendungen, gewährte (vgl. M. Llansó in: Cuatrecasas, LIS, S. 1035 f.; C. Checa González u. a., LIS, Art. 28, S. 396).

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Die Behandlung von Beteiligungsaufwendungen

Gründen scheitern: Zunächst wäre ein kompensierender Vergleich nur der jeweils zur Anwendung gelangenden Steuersätze unvollständig, weil inlandsansässige Körperschaften für ihre Dividendeneinkünfte außerdem den Steuerabzug nach Art. 30 LIS erhalten. Bei Streubesitzdividenden halbiert sich dadurch faktisch der für Dividendeneinkünfte geltende Steuersatz auf 17,5 %619. Bei Dividenden aus Schachtelbeteiligungen von mindestens 5 %, welche auch die weiteren Voraussetzungen des Art. 30 Abs. 2 LIS erfüllen, sind die Dividenden im Ergebnis sogar steuerfrei gestellt. In den letztgenannten Fällen, d. h. bei von einer gebietsfremden Muttergesellschaft gehaltenen Schachtelbeteiligungen muss eine Vorteilskompensation also von vornherein ausscheiden. Doch auch bei den Streubesitzdividenden kann die marginale Minderbelastung letztlich nicht saldierend ins Feld geführt werden: Denn Beteiligungsaufwendungen sind insbesondere infolge unterschiedlicher Finanzierungsstrukturen nicht typisierbar620, können also auch nicht „typischerweise“ über einen niedrigeren Steuersatz kompensiert werden. Dies gilt umso mehr, wenn die effektive Steuersatzdifferenz tatsächlich nur 2,5 Prozentpunkte beträgt. Schon bei eher geringen Finanzierungs- und Verwaltungskosten können sich aufgrund der mit einem Abzugsverbot verbundenen Kostenprogression621 ohne Weiteres Effektivbelastungen von über 17,5 % einstellen622. Auch der Rechtfertigungsgrund der wirksamen steuerlichen Kontrolle vermag ein pauschales Abzugsverbot nicht zu legitimieren: Nach der ständigen und im Grundsatz zutreffenden Rechtsprechung des EuGH vermögen Gründe der Verwaltungsraison allenfalls besondere verfahrensrechtliche Anforderungen, nicht aber materiell-rechtliche Diskriminierungen zu rechtfertigen. Die durch die EG-Amtshilferichtlinie eingeräumten Auskunftsbefugnisse und die gegebenenfalls an den Abzug auslandsradizierter Aufwendungen zu stellenden erhöhten Nachweispflichten wären hinreichend, um Angaben der gebietsfremden Muttergesellschaft zu den relevanten Abzugsposten wirksam zu kontrollieren. Die pauschale Versagung jeglichen Abzugs von Erwerbsaufwendungen ist demgegenüber unverhältnismäßig.

________________________ 619 620 621 622

Vgl. M. Llansó in: Cuatrecasas, LIS. S. 1037. Siehe oben unter 1.b.bb. Siehe oben unter A.IV.2.a.aa) (ii). Die Grenze verläuft bei Beteiligungsaufwendungen in Höhe von ca. 15 % der Bruttodividende. Da Aufwendungen und Dividendenertrag allenfalls schwach miteinander korrelieren, insbesondere Verwaltungskosten eher fix sind, kann dieses Verhältnis gerade in ertragsarmen Veranlagungszeiträumen leicht überschritten werden.

519

Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

III. Die Gewerbesteuerbelastung von „Streubesitzdividenden“ in Deutschland Auch von Kapitalgesellschaften bezogene Streubesitzdividenden werden in Deutschland wie bei natürlichen Personen über die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG mit Gewerbesteuer belastet. Dies kontrastiert deutlich mit ihrer körperschaftsteuerlichen Freistellung nach § 8b Abs. 1 KStG und wirft die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit dieser Zusatzbelastung auf Kapitalgesellschaftsebene auf. Tatsächlich ist die Hinzurechnung körperschaftsteuerbefreiter Dividenden für Zwecke der Bemessung des Gewerbeertrages bei Kapitalgesellschaften aus ähnlichen Gründen systemwidrig und inkonsequent wie bei natürlichen Personen623. Allerdings stellt sich bei Kapitalgesellschaften nicht das Problem der Zusatzbelastung im Verhältnis zu anderen Einkünften, weil hier über § 8 Abs. 2 KStG alle Einkünfte als gewerblich gelten. Der Gewerbesteuer kommt vielmehr gegenwärtig eine Komplementärfunktion zur Körperschaftsteuer zu, die ihre Erhebung nicht schon generell als ungerechtfertigte Mehrbelastung erscheinen lässt624. Gerade diese „Ergänzungsfunktion“ gebietet aber, dass die Gewerbesteuer grundsätzlich die Wertungen des Körperschaftsteuerrechts nachvollzieht. Wenn dort zur Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbelastungen in Beteiligungsketten Dividenden für steuerfrei erklärt werden, darf die Gewerbesteuer dies nicht konterkarieren. Auch sie darf die in den ausgeschütteten Gewinnen verkörperte Leistungsfähigkeit nur einmal erfassen; das ist aber schon auf Ebene der ausschüttenden Gesellschaft geschehen. Durch die Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG kommt es darum auch bei Kapitalgesellschaften zu einer prinzipiell unzulässigen Doppelbelastung. Eine Rechtfertigung dafür ist ebenso wenig ersichtlich wie bei der Parallelproblematik in der Besteuerung von an natürliche Personen ausgeschütteter Dividenden625. Die Hinzurechnungsnorm des § 8 Nr. 5 ________________________ 623 Siehe dazu oben unter A.III. 624 Vgl. auch P. Bareis, BB 2003, S. 2315. Die zusätzliche Gewerbesteuerbelastung soll

der näherungsweisen Gleichbelastung von Kapitalgesellschaften und Personenunternehmen dienen. Denn die Gewinne letzterer sind überwiegend mit Einkommensteuer von mehr als 25 % belastet, so dass die Besteuerung einbehaltener Gewinne von Kapitalgesellschaften mit „nur“ 25 % Körperschaftsteuer eine relative Begünstigung bedeuten würde. Dies erklärt auch, warum es für Kapitalgesellschaften keinen mit § 35 EStG vergleichbaren Anrechnungsmechanismus gibt. Letztlich ist es allerdings verfehlt, die Gewerbesteuer „als Ausgleichsmasse zur Nivellierung der Rechtsformunterschiede“ (so treffend J. Hey, FR 2001, S. 870 (871)) zu mißbrauchen, statt den einzig konsequenten Schritt zu einer rechtsformneutralen Unternehmenssteuer zu wagen, die rechtsformübergreifend zwischen einbehaltenen und ausgeschütteten bzw. entnommenen Gewinnen unterscheidet. 625 Siehe ausführlich oben unter A.III.

520

Der Quellensteuerabzug

GewStG verstößt damit auch bezüglich gemäß § 8b Abs. 1 KStG steuerfreier Dividenden gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip und den Grundsatz der folgerichtigen Ausgestaltung einmal getroffener Belastungsentscheidungen.

IV. Der Quellensteuerabzug 1.

Die Sicherungswirkung im Binnensachverhalt

a)

Die deutsche Kapitalertragsteuer

Der Kapitalertragsteuerabzug auf Dividenden, die an inländische Körperschaftsteuersubjekte ausgeschüttet werden, ist nach § 43 Abs. 1 S. 3 EStG ungeachtet der Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 KStG vorzunehmen. Es handelt sich damit um einen Fall der „Steuerabzugspflicht ohne Steuerpflicht“626. Wie schon ausgeführt wurde, können die mit dem Steuerabzug verbundenen Zins- und Liquiditätsnachteile gegenüber den im Veranlagungswege besteuerten Einkünften grundsätzlich nur im Hinblick auf ein staatliches Sicherungsinteresse gerechtfertigt werden627. Von einem solchen Sicherungsbedürfnis kann keine Rede sein, wenn schon dem Grunde nach kein zu sichernder Steueranspruch besteht. Die Kapitalertragsteuerpflicht auf nach § 8b Abs. 1 KStG steuerbefreite Dividenden dient auf den ersten Blick darum gar nicht dem typischen Zweck einer Quellensteuer. Sie wäre darum grundsätzlich unverhältnismässig628, ohne dass es auf eine nähere Abwägung zwischen staatlichem Sicherungsbedürfnis und den Vermögensinteressen der betroffenen Körperschaften ankäme629. Nun wird allerdings darauf hingewiesen, der Gesetzgeber habe den Kapitalertragsteuereinbehalt angeordnet, weil insbesondere Publikumsgesellschaften mit anonymem Anteilseignerbestand nicht danach differenzieren können, ob ihre Ausschüttung beim Empfänger zu steuerpflichtigen Einnahmen führt oder nicht630. Der Quellensteuerabzug auf steuerbefreite Dividenden darf nach dieser Sichtweise nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss im Zusammenhang mit dem Quellensteuerabzug im Halbeinkünfteverfahren für natürliche Personen beurteilt werden. In der Tat sieht § 8b Abs. 1 KStG ________________________ 626 627 628 629

So treffend J. Hey in: FS Kruse, S. 269 (283); ähnlich F. Jacob, IStR 2001, S. 306. Siehe dazu oben unter A.IV.1.a. So auch J. Hey in: FS Kruse, S. 269 (284). Noch weitergehend verneinen D. Birk und E. Kulosa, FR 1999, S. 433 (434) in solchen Fällen schon die Gesetzgebungskompetenz für den Steuerabzug, weil es sich nicht um Steuern im verfassungsrechtlichen Sinne handele. Ähnlich M. Desens, IStR 2003, S. 613 (621); vgl. auch dens., Halbeinkünfteverfahren, S. 130 f. 630 R. Eckert, IStR 2003, S. 406 (409); F. Jacob, IStR 2001, S. 6 f.; E. Dötsch/A. Pung in: Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, KStG, § 8b (Stand: 03/02), Rz. 6 ohne weitere Nachweise; die Gesetzesmaterialen geben über eine solche Absicht keinen Aufschluss.

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Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

die Steuerbefreiung auch bei Streubesitzanteilen vor, hinsichtlich derer die ausschüttende Gesellschaft den jeweiligen Inhaber häufig nicht oder nur mit ganz erheblichem Aufwand identifizieren kann. Es lässt sich darum nicht ganz von der Hand weisen, dass ein gewisses Bedürfnis für eine einheitliche Handhabung des Quellensteuerabzugs bestand unabhängig davon, ob der Anteilseigner dem Halbeinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 lit. d EStG oder der Freistellungsregelung nach § 8b Abs. 1 KStG unterfällt631. Letztlich kann die Erhebung einer Kapitalertragsteuer auf die nach § 8b Abs. 1 KStG steuerbefreiten Dividenden aber dennoch nicht gerechtfertigt werden. Zunächst einmal besteht die technische Notwendigkeit einer einheitlichen Handhabung des Kapitalertragsteuerabzugs schon nach der eigenen Wertung des Gesetzgebers jedenfalls nicht bei Beteiligungen von mindestens einem Zehntel am Nennkapital632. Wie sich aus den §§ 43b, 50d Abs. 2 EStG ergibt, hält der Gesetzgeber ab einer solchen Beteiligungshöhe die Freistellung vom Steuerabzugsverfahren offensichtlich für administrierbar. Unter dieser Voraussetzung muss er aber mangels Sicherungsbedürfnisses allgemein und nicht nur im Rahmen der engen Prämissen dieser Vorschriften vom Kapitalertragsteuerabzug Abstand nehmen633. Vorstellbar wäre es darüber hinaus, auch bei geringeren oder gar bei jeglicher Beteiligungshöhe der ausschüttenden Kapitalgesellschaft Mitteilung zu machen, dass in entsprechender Höhe ein Kapitalertragsteuerabzug wegen Anwendbarkeit des § 8b Abs. 1 KStG zu unterlassen sei634. Angesichts des damit verbundenen erheblichen Vollzugsaufwands für Verwaltung und Abzugsverpflichteten lag es aber im Ermessen des Gesetzgebers, von solchen Mechanismen bei Streubesitzanteilen absehen. Selbst dann hätte sich die Höhe des Quellensteuerabzugs aber maximal an den Erfordernissen der Besteuerung von natürlichen Personen als Anteils-

________________________

631 Insofern ist die Rechtslage eben auch eine andere als die vor der Einführung des

Vollanrechnungssystems, als bei Schachteldividenden gemäß § 9 Abs. 2 KStG 1976 vom Kapitalertragsteuerabzug abgesehen wurde. Schachtelbeteiligungen waren nämlich nur solche von mindestens 25 %, deren Inhaber der Gesellschaft regelmäßig wohl bekannt waren. Dies übersieht J. Hey in: FS Kruse, S. 269 (283), wenn sie dem neuen Recht pauschal vorwirft, hinter die Ausgestaltung des damaligen Schachtelprivilegs zurückzufallen. 632 Darauf weist auch F. Jacob hin, IStR 2001, S. 6 (7). 633 Den gegenwärtigen Wertungswiderspruch kritisiert auch J. Hey, DStJG Sonderband Unternehmenssteuerreform, S. 5 (23). C. Schild/F. Eisele, DStZ 2003, S. 443 (444) sehen darin eine verfassungsrechtlich bedenkliche Ungleichbehandlung. 634 Im Kölner Entwurf von J. Lang u. a. ist für natürliche Personen mit einem Durchschnittssteuersatz von Null die Ausstellung einer Nichtabzugsbescheinigung vorgesehen, welche jeglicher auszahlenden Stelle von Kapitaleinkünften vorgelegt werden kann. Es ist nicht ersichtlich, warum dies nicht auch bei Kapitalgesellschaften als Einkünftebeziehern sollte praktiziert werden können.

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Der Quellensteuerabzug

eignern zu orientieren. Es wurde aber bereits festgestellt, dass schon im Halbeinkünfteverfahren jedenfalls unter den gegenwärtigen Steuersatzverhältnissen der geltende Kapitalertragsteuerabzug unverhältnismäßig ist. Gleiches gälte, würde stattdessen das hier präferierte Kombinationsmodell eingeführt635. Darüber hinaus müsste im Rahmen der Typisierung der bei Veranlagung zu erwartenden Steuerschuld, an der sich wiederum die Höhe des Quellensteuersatzes auszurichten hätte636, die einheitliche Anwendung auf einkommensteuerpflichtige wie körperschaftsteuerpflichtige Anteilseigner konsequent durchgehalten werden. Es müsste also bei der Festsetzung der Kapitalertragsteuer berücksichtigt werden, dass auch Anteilseigner von ihr betroffen sind, bei denen Dividenden überhaupt nicht steuerbar sind. Es erscheint schon fraglich, ob eine typisierende Zusammenfassung so unterschiedlicher Sachverhalte wie der hälftigen Belastung im Halbeinkünfteverfahren und der Steuerfreistellung nach § 8b KStG überhaupt noch zulässig ist. Man wird dies wohl im Hinblick darauf bejahen können, dass auch im Halbeinkünfteverfahren abhängig von den individuellen Einkommensverhältnissen des Anteilseigners Fälle einer faktischen Steuerfreiheit auftreten können. Die als durchschnittlich zu unterstellende Dividendenbelastung müsste aber jedenfalls erheblich niedriger angesetzt werden als bei einer isolierten Betrachtung nur der Besteuerung bei natürlichen Personen. Damit wäre bei den geltenden Steuersatzverhältnissen ein über die Vorbelastung hinausgehender Kapitalertragsteuerabzug aber erst recht ausgeschlossen. Der Kapitalertragsteuerabzug bei nach § 8b Abs. 1 KStG steuerfreien Dividenden verstößt darum mangels eines schutzwürdigen staatlichen Sicherungsbedürfnisses gegen den Gleichheitssatz. b) Der spanische Quellenabzug Als deutlich angemessener erweist sich demgegenüber die Ausgestaltung des Quellensteuerabzugs auf an Körperschaftsteuersubjekte ausgeschüttete Dividenden in Spanien. Das spanische LIS demonstriert, dass jedenfalls bei steuerfreien Schachteldividenden ein Quellensteuerabzug mit vertretbarem Aufwand für den Steuerpflichtigen und den Abzugsverpflichteten vermieden werden kann. Dividenden, die dem Schachtelprivileg des Art. 30 Abs. 2 LIS unterfallen, das heißt die letztlich vom Empfänger nicht zu versteuern sind, werden dort nämlich von der Quellenbesteuerung ausgenommen. Erforderlich dafür ist lediglich, dass der ausschüttenden Gesellschaft das Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen nachgewiesen wird. Steuerfreie Dividenden werden darum in Spanien konsequenterweise auch von Quellensteuer frei________________________ 635 Siehe dazu oben unter A.I.4. 636 Siehe dazu oben unter A.IV.1.a.

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Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

gestellt637. Dass sich dort offenbar eine Freistellung vom Steuerabzugsverfahren schon ab einer Beteiligung von 5 % am Nennkapital als administrierbar erweist, sollte Vorbild auch für das deutsche Steuerabzugsverfahren sein. Bei Streubesitzdividenden wird Quellensteuer in Höhe von 18 % der Bruttodividende einbehalten. Dieser Prozentsatz entspricht demjenigen, der bei Ausschüttungen an natürliche Personen anzuwenden ist, so dass sich für die ausschüttende Gesellschaft eine je nach Gesellschafter- bzw. Aktionärsstruktur aufwendige bis unmögliche Differenzierung nach der Rechtspersönlichkeit des Dividendenempfängers erübrigt. Die Höhe der Quellensteuer erweist sich dabei als dem berechtigten Sicherungsbedürfnis des Fiskus noch angemessen: Streubesitzdividenden sind bei Kapitalgesellschaften dem Grunde nach steuerbar, berechtigen aber nach Art. 30 LIS zu einem hälftigen Abzug der auf die Bruttodividende entfallenden Steuer. Wie schon erwähnt, halbiert sich dadurch der für Dividendenbezüge geltende Steuersatz von regulär 35 % faktisch auf nur noch 17,5 %. Ausgehend nur von den steuerbaren Bezügen wird man einen Quellensteuereinbehalt von 18 % darum im Grundsatz noch als vertretbar erachten dürfen. Diese positive Bewertung des spanischen Quellensteuerabzugs bei körperschaftsteuerpflichtigen Anteilseignern muss bei Streubesitzdividenden allerdings zwei Einschränkungen erfahren: Zum einen erleichtert es die immerhin noch hälftige Besteuerung der Dividendeneinnahmen anders als in Deutschland, den Quellensteuersatz an die materielle Steuerpflicht anzupassen. Tatsächlich ist die Unterscheidung in der Steuerpflicht nach dem Ausmaß der Beteiligung (Schachtel- oder Streubesitzdividenden) unter Leistungsfähigkeitsaspekten aber nicht zu rechtfertigen638. Würden auch Streubesitzdividenden wie geboten gänzlich steuerbefreit, sähe sich der spanische Gesetzgeber bei ihnen mit ähnlichen Problemen konfrontiert wie der deutsche. Zum anderen können spanische Körperschaften anders als natürliche Personen Beteiligungsaufwendungen uneingeschränkt abziehen. Dadurch kann die effektive Steuerbelastung der Dividendeneinkünfte deutlich unter 17,5 % liegen. Damit kann sich ein Quellensteuereinbehalt von 18 % im Einzelfall doch als deutlich überhöht erweisen. Um hier zumindest noch annähernd Typengerechtigkeit zu verwirklichen, wäre wie bei natürlichen Personen auch eine generelle Verminderung des Quellensteuersatzes gefordert. Letztlich lassen sich Beteiligungsaufwendungen freilich kaum sachgerecht typi________________________ 637 Auch M. Llansó in: Cuatrecasas, LIS, S. 1038 bewertet diesen Aspekt positiv als

„logische“ Konsequenz der materiellen Steuerfreiheit. 638 Siehe dazu oben unter I.2.a.

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Der Quellensteuerabzug

sieren. Als optimal dürfte darum auch bei spanischen Kapitalgesellschaften ein Verfahren einzustufen sein, dass zwar im Grundsatz von eher konservativen Schätzungen ausgeht, dem Steuerpflichtigen aber den Nachweis günstigerer Verhältnisse erlaubt. So könnte etwa ein regulärer Quellensteuersatz von 15 % dem Sicherungsbedürfnis des Fiskus genügen; durch eine Abzugsbescheinigung der dividendenberechtigten Kapitalgesellschaft könnte er dann an deren individuelle Besteuerungssituation angepasst werden. Auch in Spanien wird man dies aber wegen des nicht unerheblichen Vollzugsaufwands eines solch zweigleisigen Verfahrens (noch) nicht als einzig verhältnismäßige Lösung ansehen können.

2. Das Erhebungsverfahren bei beschränkt Steuerpflichtigen a) Abgeltende Kapitalertragsteuer im deutschen Freistellungssystem Entsprechend der Regelung für natürliche Personen gilt die Körperschaftsteuer bei beschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften durch den Kapitalertragsteuerabzug als abgegolten, wenn sie nicht über eine inländische Betriebsstätte bezogen werden, § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG. Bei zutreffendem Verständnis dieser Vorschrift wird man allerdings nicht umhinkommen, der auslandsansässigen Kapitalgesellschaft bei Dividendeneinkünften einen Anspruch auf Erstattung der einbehaltenen Steuer in einem Veranlagungsverfahren zuzuerkennen639. Damit bliebe es im Ergebnis bei der Steuerfreiheit des Dividendenbezugs, und es ließen sich nur die im vorstehenden Absatz erörterten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Quellensteuerabzug auch bei Ausschüttungen an auslandsansässige Kapitalgesellschaften anführen. Zu weitgehend ist hingegen die in der Literatur vereinzelt anzutreffende Feststellung, bei dieser Gruppe von Dividendenempfängern sei die Erhebung von Kapitalertragsteuer selbst bei einem nachgeschalteten Erstattungsverfahren zudem stets europarechtswidrig, weil damit Liquiditätsnachteile verbunden wären640. Diese Argumentation übersieht, dass solche Nachteile nur dann eine Beschränkung im Sinne der EG-rechtlichen Grundfreiheiten begründen können, wenn sie eine spezifische Schlechterstellung gerade der grenzüberschreitenden Dividendenzahlung bewirken. Betrifft der Liquiditätsnachteil durch die Erhebung von Kapitalertragsteuer jedoch inlandsansässige wie auslandsansässige Muttergesellschaften gleichermaßen, kann weder eine Diskriminierung noch eine sonstige Beschränkung konstatiert

________________________ 639 Siehe dazu 1. Kap., C.III.1. 640 So N. Dautzenberg, BB 2001, S. 2137 (2141).

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werden641. Letztere könnte sich allenfalls aus der Kumulation mit Steuern des Ansässigkeitsstaates auf die Dividende ergeben; insofern ist aber kein Liquiditäts-, sondern ein Doppelbesteuerungsnachteil angesprochen, der regelmäßig über eine abkommensrechtlich statuierte Anrechnungspflicht vermieden wird. Europarechtswidrig könnte der Einbehalt von Kapitalertragsteuer mit Erstattungsmöglichkeit vielmehr erst dann werden, wenn im Binnenkontext gänzlich auf den Quellensteuerabzug verzichtet würde. Es kann nun allerdings nicht ignoriert werden, dass die Finanzverwaltung unter Billigung von Teilen der Literatur gegenwärtig anders verfährt642 und damit entgegen der materiellen Wertung des § 8b Abs. 1 KStG eine Bruttobesteuerung der Dividende in Höhe der Kapitalertragsteuer vornimmt. Diese Belastung reduziert sich zwar gegebenenfalls noch, sofern aufgrund von DBA-Bestimmungen nachträglich eine teilweise Erstattung verlangt werden kann643. Außer im Anwendungsbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie bleibt es aber stets bei einer steuerlichen Belastung der Dividende644. Die hierin liegende Abweichung von der Steuerfreistellung im Binnensachverhalt ist europarechtswidrig und verstößt darüber hinaus auch gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG: Die Besteuerung der Dividenden bedeutet im Vergleich zur Steuerfreistellung beim Dividendenbezug durch Steuerinländer eine Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs bzw. der grenzüberschreitend gegründeten Niederlassung. Es wurde bereits ausgeführt, dass die Dividenden bei beschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften in vergleichbarer Weise wie bei ihren inländischen Wettbewerbern objektive Leistungsfähigkeit begründen645. Die unterschiedliche territoriale Reichweite der Steuer________________________ 641 P. Bulinger, IStR 2004, S. 406 (410), weist allerdings darauf hin, dass bei inländi-

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schen Anteilseignern die Kapitalertragsteuer bei der Bemessung der Körperschaftsteuervorauszahlungen berücksichtigt würde, so dass der Liquiditätsnachteil (nur) bei ihnen wieder neutralisiert würde. Dem ist jedoch zu entgegnen, dass es insoweit an der Vergleichbarkeit der Sachverhalte fehlt, weil die Vorauszahlungen auf sonstige Einkünfte der inländischen Anteilseigner entfallen, mit denen diese zusätzlich veranlagt werden. Dies wird bei beschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Anteilseignern ohne inländische Betriebsstätte regelmäßig nicht der Fall sein, so dass diese von vornherein keinem zusätzlichen Liquiditätsabfluss durch Vorauszahlungen ausgesetzt werden. Letztlich bleibt die Liquiditätsbelastung, die auf den Kapitalertragsteuereinbehalt zurückzuführen ist, in beiden Konstellationen dieselbe. Vgl. BMF-Schreiben vom 28.4.2003, IV A2 – S 2750a – 7/03, BStBl. I 2003, S. 292 (293, Rz. 11). § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG schließt eine solche Erstattung nach einhelliger Ansicht nicht aus, vgl. N. Dautzenberg, BB 2001, S. 2137 (2139); M. Streck, KStG, 5. Aufl., § 50 Rz. 4 (entspricht § 32 KStG n. F.). Vgl. auch S. Eilers/R. Schmidt, FR 2001, S. 8 (17). Siehe dazu oben unter I.1.b.aa) (i) (1).

Der Quellensteuerabzug

pflicht ist für die Dividendenfreistellung kein hinreichendes Differenzierungskriterium, weil sie sich bei den hier interessierenden Inlandsdividenden vollständig überschneidet. Beide Gruppen von Steuerpflichtigen sind darum in verfassungsrechtlicher wie europarechtlicher Hinsicht miteinander vergleichbar. Die Benachteiligung der Steuerausländer indiziert einen Verstoß gegen den nationalen Gleichheitssatz und die Diskriminierungsverbote des Art. 56 Abs. 1 EGV646 sowie möglicherweise des Art. 43 EGV647. Rechtfertigungsgründe für die angesprochene Diskriminierung sind nicht ersichtlich. In europarechtlicher Hinsicht scheidet insbesondere eine Berufung auf das Kohärenzprinzip aus648. Denn es ist nicht ersichtlich, wodurch die mit der Zusatzbelastung mit Kapitalertragsteuer verbundene Schlechterstellung kompensiert werden sollte. Auch Vereinfachungszwecke lassen sich weder im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG noch hinsichtlich der EG-vertraglichen Grundfreiheiten zur Rechtfertigung anführen649: Selbst wenn man ein Absehen vom Kapitalertragsteuerabzug im Hinblick auf die Anonymität der Anteilseignerstruktur als unpraktikabel ansähe, könnte ohne weiteres eine nachfolgende Erstattung anlässlich einer Veranlagung durchgeführt werden. Hiermit sind beim Bezug steuerfreier Einkünfte wohl kaum unangemessene verwaltungstechnische Schwierigkeiten verbunden. Dies erkennt der deutsche Gesetzgeber selbst an, indem er ein solches Verfahren beim Dividendenbezug durch inlandsansässige Gesellschaften praktiziert. Zutreffend weist N. Dautzenberg darauf hin, dass auch drohende Einnahmeausfälle oder die fehlende Reziprozität eines Verzichts auf die Erhebung von Kapitalertragsteuer die Diskriminierung der auslandsansässigen Gesellschaften nicht rechtfertigen können650. Die Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer ist nach alledem schon deshalb gleichheitssatz- und europarechtswid________________________ 646 So auch M. Clemens/L. Rehfeld, Inf 2004, S. 505 (508); M. Desens, IStR 2003,

S. 613 (621). 647 Die Niederlassungsfreiheit kann nur berührt sein, wenn man davon ausgeht, dass

auch eine Beteiligung von unter 20 % am Nennkapital der inländischen Gesellschaft schon unternehmerisches Engagement begründen und den Schutzbereich des Art. 43 EGV erschließen kann. Zieht man die Beteiligungsgrenze hingegen bei 20 %, so wird bei Niederlassungen aufgrund der Bestimmungen der Mutter-Tochter-Richtlinie nie eine Quellensteuer erhoben, so dass eine Ungleichbehandlung insoweit nicht eintreten kann (so M. Desens, IStR 2003, S. 613 (620, Fn. 107)). 648 Im Ergebnis ebenso M. Clemens/L. Rehfeld, Inf 2004, S. 505 (509). 649 Im europarechtlichen Kontext bezeichnet N. Dautzenberg einen solchen Rechtfertigungsversuch sogar als „der Lächerlichkeit ungewöhnlich nahe“, BB 2001, S. 2137 (2140). 650 N. Dautzenberg, BB 2001, S. 2137 (2140); die Begründung hierfür ist im 2. Kapitel unter VI.4. lit. a) und c) bereits ausführlich erörtert worden.

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Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

rig, weil sie die beschränkt steuerpflichtigen Muttergesellschaften vom Freistellungssystem ausnimmt651. Es kommt deshalb auch nicht mehr darauf an, inwieweit die mit der Abgeltungswirkung verbundene Besteuerung auf Bruttobasis mit verfassungs- und europarechtlichen Maßstäben zu vereinbaren ist. Ergänzend sei dennoch darauf hingewiesen, dass europarechtlich solange keine Handhabe bestand, als auch im Binnensachverhalt über § 8 Abs. 1 KStG in Verbindung mit § 3c EStG ein Abzugsverbot für mit der Beteiligung zusammenhängende Erwerbsaufwendungen galt. Es fehlte dann an einer Diskriminierung im Sinne der europarechtlichen Grundfreiheiten. Demgegenüber kann sich die Abgeltungswirkung seit der Neufassung das § 8b Abs. 5 KStG auch hinsichtlich der Beteiligungsaufwendungen als nachhaltig erweisen. Jedenfalls ist die Abziehbarkeit von Beteiligungsaufwendungen aus denselben verfassungsrechtlichen Erwägungen heraus geboten, wie sie oben im Hinblick auf die den Steuerinländern entstehenden Aufwendungen angestellt wurden. Es wurde bereits für natürliche Personen als Dividendenbezieher nachgewiesen, dass das objektive Nettoprinzip bei ansässigen wie nichtansässigen Beziehern von Inlandsdividenden gleichermaßen zur Geltung kommen muss652; für Kapitalgesellschaften als Anteilseigner kann nichts anderes gelten. b) Bruttoquellenbesteuerung im spanischen Freistellungssystem In Spanien wird bei einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnenden Dividendeneinkünften die einbehaltene Kapitalertragsteuer auf die Körperschaftsteuerschuld angerechnet und gegebenenfalls erstattet. Insofern wird wie im deutschen Körperschaftsteuersystem nicht von der Behandlung der an Steuerinländer ausgeschütteten Dividenden abgewichen. Ist die Beteiligung an der inländischen Tochtergesellschaft nicht mit der geschäftlichen Tätigkeit einer inländischen Betriebsstätte in Verbindung zu bringen, so wird auf Dividendenausschüttungen grundsätzlich eine definitive fünfzehnprozentige Steuer im Wege des Quellenabzugs erhoben. Der Steuersatz wird auf die Bruttodividende angewendet, Beteiligungsaufwendungen bleiben unberücksichtigt. Das spanische System der Dividendenbesteuerung bei auslandsansässigen Gesellschaften weist damit weitgehende Parallelen zur deutschen Rechtslage auf. Angesichts der Unterschiede in der Konzeption des in Binnenkontext geltenden Freistellungssystems muss die Kritik allerdings etwas differenzierter ausfallen, je nachdem ob es sich um Schachtelbeteiligungen oder sonstige Anteile handelt. ________________________ 651 So auch H.-G. Reuter/M. Klein, IStR 2003, S. 634 (635); M. Desens, IStR 2003,

S. 613 (621). 652 Siehe oben unter A.II.3.b.bb) (i) und A.IV.2.a.aa) (i).

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Der Quellensteuerabzug

aa) Würden die Dividenden im Binnenkontext nach Art. 30 Abs. 2 LIS vollständig freigestellt, weil sie die dort genannten Schachtelvoraussetzungen erfüllen, so bedeutet die Quellensteuer von 15 % der Bruttodividende eine klare Schlechterstellung der grenzüberschreitenden Ausschüttung. Das gilt auch dann noch, wenn der Quellensteuereinbehalt nach Art. 31 Abs. 2 LIRNR in Verbindung mit einem spanischen DBA auf einen niedrigeren Prozentsatz zu reduzieren wäre. Lediglich im Anwendungsbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie wird wie im Inlandssachverhalt auch eine vollständige Freistellung praktiziert, Art. 14 Abs. 1 lit. g LIRNR. Die ansonsten bestehende Ungleichbehandlung der Schachteldividenden verstößt aus den schon zur deutschen Rechtslage erörterten Gründen gegen die Kapitalverkehrsfreiheit und gegebenenfalls die Niederlassungsfreiheit des EGV. Außerdem bedeutet die Suspendierung des Nettoprinzips einen Verstoß gegen die Art. 43, 56 Abs. 1 EGV. Da inlandsansässige Gesellschaften ihre Beteiligungsaufwendungen grundsätzlich vollumfänglich von der Bemessungsgrundlage abziehen können, liegt eine Diskriminierung des grenzüberschreitenden Dividendenbezugs vor. Auch ist hinsichtlich der Beteiligungsaufwendungen von der europarechtlichen Vergleichbarkeit mit dem Dividendenbezug durch Steuerinländer auszugehen. Dies wurde schon für natürliche Personen nachgewiesen653 und muss erst recht für Kapitalgesellschaften gelten, wo der EuGH die Vergleichbarkeit von unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtigen nie in Frage gestellt hat. Eine Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung ist nicht ersichtlich; insbesondere lässt sich für eine Vorteilskompensation angesichts der Steuerfreiheit der Schachteldividenden nach Art. 30 Abs. 2 LIS kein Ansatzpunkt finden. bb) Nicht ganz so eindeutig fällt hingegen die Beurteilung derjenigen Beteiligungen aus, die auch bei einer Ausschüttung an inlandsansässige Gesellschaften nicht zur vollständigen Steuerfreistellung berechtigen würden, sondern bei denen Dividenden nur gemäß Art. 30 Abs. 1 LIS hälftig freizustellen wären. Bei einem Körperschaftsteuersatz von regulär 35 % bedeutet dies eine Steuerbelastung von 17,5 % bezogen auf die Gesamtdividende. Lässt man die Regelungen zur Abziehbarkeit von Beteiligungsaufwendungen zunächst außer Betracht, so sind Inlandsdividenden damit stets höher belastet als vergleichbare ins Ausland ausgeschüttete Dividenden. Eine Diskriminierung im Sinne der EG-vertraglichen Grundfreiheiten kann daher im bloßen Ausschluss vom Freistellungsmechanismus bei solchen „Streubesitz“-Dividenden nicht gesehen werden. Auf Bedenken stößt hier vielmehr die bei Steuerausländern belastungsverschärfend hinzukommende Besteuerung auf Bruttobasis, die wie schon oben ________________________ 653 Siehe oben unter A.II.3.b.bb) (ii).

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Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

festgestellt europarechtswidrig ist. Würde hier Abhilfe geschaffen und auch nichtansässigen Muttergesellschaften die Möglichkeit zum Abzug von Beteiligungsaufwendungen eingeräumt, wäre der Quellensteuerabzug europarechtlich nicht zu beanstanden. Verfahrensrechtlich müssten im Übrigen keine Änderungen vorgenommen werden: Art. 28 Abs. 3 LIRNR verwehrt schon jetzt dem abzugsbesteuerten Nichtansässigen eine Veranlagung nicht, sondern nimmt ihn nur im Hinblick auf die gegenwärtige Übereinstimmung von materiell-rechtlicher Steuerbelastung und Quellensteuerbelastung von der Pflicht zur Veranlagung aus.

3. Die Anrechnung ausländischer Quellensteuer bei Auslandsdividenden a) Im deutschen Freistellungssystem Im darstellenden Teil der Arbeit ist eingehend erörtert worden, dass eine inländische Kapitalgesellschaft ausländische Quellensteuern, die auf von ihr bezogene Auslandsdividenden entfallen, nicht auf ihre inländische Körperschaftsteuerschuld anrechnen kann654. Dies bedeutet im unmittelbaren Vergleich zum Bezug von Inlandsdividenden unzweifelhaft eine Schlechterstellung, weil in diesen Fällen deutsche Kapitalertragsteuer in voller Höhe auf die Körperschaftsteuerschuld angerechnet und gegebenenfalls erstattet wird. Mit den von Deutschland abgeschlossenen DBA ist diese Ungleichbehandlung regelmäßig zu vereinbaren, weil sie üblicherweise einen Art. 23B Abs. 1 OECD-MA nachgebildeten Anrechnungshöchstbetrag vorsehen, der sich an der inländischen Belastung der quellenbesteuerten Einkünfte ausrichtet. An einer solchen Belastung fehlt es aber gerade bei den nach § 8b Abs. 1 KStG steuerbefreiten Auslandsdividenden. Für Schachteldividenden ist abkommensrechtlich ohnehin häufig die Freistellungsmethode ohne jegliche Form von Anrechnung vorgesehen. Die rechtliche Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Dividendenbezugs berührt jedoch die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 Abs. 1 EGV und gegebenenfalls auch die Niederlassungsfreiheit des Art. 43 EGV. Da inländische wie ausländische Dividendeneinkünfte gleichermaßen dem Grunde nach körperschaftsteuerbare Leistungsfähigkeit vermitteln, die lediglich nach § 8b Abs. 1 KStG jeweils steuerfrei gestellt wird, ist auch die nötige Vergleichbarkeit zwischen ihnen gegeben. Somit ist zunächst eine rechtfertigungsbedürftige Diskriminierung im Sinne der EG-vertraglichen Grundfreiheiten festzustellen655. ________________________ 654 Siehe dazu 1. Kap., C.II.1. 655 So auch H. Kußmaul/S. Beckmann, DB 2001, S. 608 (614).

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Der Quellensteuerabzug

Ähnlich wie bei beschränkt steuerpflichtigen natürlichen Personen ist diese Diskriminierung aber durch den Rechtfertigungsgrund der steuerlichen Kohärenz abgedeckt: Auch hier korrespondiert Anrechnung und Erstattung von deutscher Kapitalertragsteuer nach Grund und Höhe unmittelbar mit der vorherigen Belastung im Inland. Demgegenüber wird auf Auslandsdividenden keine deutsche Kapitalertragsteuer erhoben. Die ausländische Kapitalertragsteuer darf im Rahmen kohärenter Besteuerung ignoriert werden. Sie ist Element der Dividendenbesteuerung im Quellenstaat und wird dort entweder definitiv, so dass sie keine bloße Vorauszahlung ist, oder aber sie wird schon im Quellenstaat auf die dortige Steuerschuld angerechnet. Die Vorbelastung mit ausländischer Quellensteuer soll und muss darum nicht in vergleichbarer Weise ausgeglichen werden wie die mit deutscher Kapitalertragsteuer656. Auch zeigt sich anhand der gedachten Situation, dass im Inland auf den Quellensteuerabzug verzichtet würde – was angesichts der Steuerfreiheit der Dividenden an sich geboten wäre657 – und damit trotz insgesamt unveränderter Steuerbelastung von Null die Ungleichbehandlung bei der Anrechnung entfiele, dass letztere keine ungerechtfertigte Beschränkung der Grundfreiheiten sein kann. Die vordergründige Diskriminierung resultiert nur aus einer in sich abgestimmten Konstruktion der inländischen Steuererhebung. Der Quellenstaat ist im Übrigen europarechtlich grundsätzlich verpflichtet, sein für inlandsansässige Muttergesellschaften geltendes Besteuerungsregime, insbesondere einen etwaigen Integrationsmechanismus, auch auf beschränkt steuerpflichtige Gesellschaften auszudehnen658. Er wird damit ohnehin häufig selbst die Kapitalertragsteuer anrechnen oder erstatten müssen, wenn er nicht einheitlich eine Abgeltungswirkung vorsieht. Es besteht für Deutschland als Ansässigkeitsstaat keine Notwendigkeit, seine Gerechtigkeitsmaßstäbe an die Stelle der ausländischen Wertungen zu setzen, wenn letztere universell auf alle dort ausgeschütteten Dividenden angewendet werden müssen. Eine allein vorwerfbare grundfreiheitswidrige Doppelbesteuerung wird durch die Freistellung der Dividenden vermieden; die darüber hinausgehende Anrechnung ausländischer Quellensteuer kann also auch unter diesem Aspekt nicht gefordert werden. Europarechtlich besteht damit keine Verpflichtung zur Anrechnung der auf Auslandsdividenden lastenden ausländischen Quellensteuer659. Aus dem Vor________________________ 656 657 658 659

A. A. C. Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, S. 283. Siehe dazu oben unter 1.a. Siehe dazu oben I.1.b.aa) (i). A. A. sind ohne nähere Prüfung der Rechtfertigungsmöglichkeiten D. Kellersmann/ C. Treisch, Europäische Unternehmensbesteuerung, S. 116; H. Kußmaul/S. Beckmann, DB 2001, S. 608 (614).

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Die Dividendenbesteuerung bei Körperschaften

gesagten folgt zugleich, dass dies auch verfassungsrechtlich nicht geboten ist: Die vom Gesetzgeber genutzte Möglichkeit, ausländische Besteuerungsmaßstäbe zu respektieren und die unterschiedliche Funktion der Anrechnung inländischer und ausländischer Quellensteuer660 führen dazu, dass Auslandsdividenden hinsichtlich der Anrechnung von Kapitalertragsteuer nicht mit Inlandsdividenden vergleichbar sind. b) Im spanischen Freistellungssystem Ähnlich fällt grundsätzlich die Beurteilung des spanischen Freistellungssystems aus, in dem über Art. 21 Abs. 3 lit. c LIS ebenfalls die Anrechnung ausländischer Kapitalertragsteuer ausgeschlossen ist. Wie zu zeigen war, liegt dies durchaus in der Konsequenz eines Freistellungssystems, das EGrechtlich vertretbar Kapitalimportneutralität verwirklicht. Das spanische Freistellungssystem ist damit in sich kohärent. Insoweit das Freistellungssystem nicht zur Anwendung gelangt, vielmehr bei einem Teil der Auslandsdividenden, vor allem solchen aus Streubesitz, doch ausländische Kapitalertragsteuer angerechnet wird und dafür die Einkünfte im Inland nachbelastet werden, kann auf die Ausführungen zur Anrechnung ausländischer Quellensteuer bei natürlichen Personen verwiesen werden661. Auch insoweit ist die Unterscheidung zwischen Inlandsdividenden, bei denen inländische Quellensteuer vollständig angerechnet wird, und der nur eingeschränkten Anrechenbarkeit von ausländischer Quellensteuer auf Auslandsdividenden kohärent: Denn mit der Anrechnung werden jeweils unterschiedliche Ziele verfolgt. Die Anrechnung inländischer Quellensteuer ist konsistenter Bestandteil des inländischen Erhebungsverfahrens und damit notwendig darauf beschränkt, wohingegen die Anrechnung ausländischer (Quellen-)Steuer der Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung dient.

________________________ 660 Inländische Quellensteuer ist eine besondere Erhebungsform der Einkommensteuer

und deshalb bei Veranlagung auf selbige anzurechnen, wohingegen die Anrechnung ausländischer Quellensteuer dem doppelten Zugriff zweier Steuergläubiger auf dasselbe Steuergut geschuldet ist und die daraus resultierende Doppelbesteuerung vermeiden will. Siehe dazu näher oben unter A.IV.3.b. 661 Siehe dazu oben unter A.IV.3.b.

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Zusammenfassung der Ergebnisse I. Das in Deutschland mit der Unternehmensteuerreform 2000 etablierte Körperschaftsteuersystem ist ein klassisches System mit shareholder relief. Die Körperschaftsteuer bleibt auch bei Ausschüttung einer Dividende definitiv. Dieser Vorbelastung wird auf Ebene der natürlichen Person als Anteilseigner durch hälftige Freistellung der Dividendeneinkünfte Rechnung getragen. Es kommt damit zu einer Entlastung der Dividende, die allenfalls zufällig der Vorbelastung mit Körperschaftsteuer entspricht, in der Regel diese aber nicht voll kompensiert. Ergänzt wird das Halbeinkünfteverfahren durch ein Freistellungssystem innerhalb der Körperschaftssphäre. Anders als im vorangegangenen Körperschaftsteuersystem werden Auslandsdividenden voll in die jeweiligen Entlastungsverfahren einbezogen. Steuerausländer werden hingegen nach wie vor klassisch besteuert, wenn sie die Dividenden nicht über eine inländische Betriebsstätte beziehen. Spanien praktiziert gegenwärtig bei natürlichen Personen als Dividendenempfängern ein System der pauschalen Vollanrechnung. Die avisierte völlige Entlastung von Körperschaftsteuer wird in einem solchen pauschalen System nur gewährleistet, wenn die effektive Vorbelastung der Dividenden mit der typisierend zugrundegelegten Vorbelastung übereinstimmt. Deshalb kann das Verfahren in seinen Belastungswirkungen im Einzelfall auch einer Teilanrechnung ebenso wie einer „Überanrechnung“ entsprechen. Das Anrechnungsverfahren gilt anders als das frühere Vollanrechnungsverfahren in Deutschland nicht für körperschaftsteuerpflichtige Anteilseigner: Freilich erscheint auch hier der Entlastungsmechanismus im Gewande der Anrechnung auf die Steuerschuld. Da aber eine nur hypothetische, nach dem Körperschaftsteuersatz der Muttergesellschaft auf die Bruttodividende entfallende Körperschaftsteuer angerechnet und eine Erstattung ausgeschlossen wird, handelt es sich von den Belastungswirkungen her um ein Freistellungssystem. Dabei wird die Freistellung im wesentlichen abhängig vom Beteiligungsumfang entweder zur Gänze oder aber nur hälftig gewährt. Wie das frühere deutsche Vollanrechnungsverfahren ist auch das spanische im Grundsatz streng binnenorientiert. II. Jedes Körperschaftsteuersystem hat sich sowohl an den Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts als auch an den einschlägigen völkerrechtlichen Anforderungen zu orientieren. In verfassungsrechtlicher Hinsicht ist in Deutschland der in Art. 3 Abs. 1 GG normierte allgemeine Gleichheitssatz von zentraler Bedeutung für die Dividendenbesteuerung. In seiner steuer537

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spezifischen Ausprägung des Prinzips der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verlangt er, wirtschaftlich gleiche Sachverhalte mit gleicher Belastungswirkung zu besteuern. Für Dividendenbezüge als Indikator wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit hat das zur Folge, dass sie prinzipiell nicht stärker oder aber geringer belastet werden dürfen als andere steuerbare Vermögenszuwächse bzw. Einkünfte. Dabei besteht die Besonderheit, dass sich die Dividenden aus Gewinnen speisen, die zuvor schon bei der ausschüttenden Gesellschaft mit Ertragsteuern belastet worden sind. Dieser Gesellschaft kommt jedoch keine eigenständige Leistungsfähigkeit dergestalt zu, dass die Vorbelastung der von ihr erwirtschafteten Erträge bei ihren Gesellschaftern ignoriert werden könnte. Ihre Leistungsfähigkeit ist vielmehr nur temporärer Natur, weil sie bei Ausschüttung des von ihr erzielten Ertrags an die Anteilseigner transferiert wird. Daraus lässt sich das Gebot der steuerlichen Einmalbelastung ausgeschütteter Dividenden folgern: Bei integrierter Betrachtung von Gesellschafts- und Gesellschafterbesteuerung dürfen sie nicht höher, aber auch nicht geringer belastet werden als andere Arten von Einkünften. Ein Körperschaftsteuersystem muss diesen Zusammenhang mindestens typisierend berücksichtigen. Dabei sind auch die im Bereich der Dividendenbesteuerung relevanten Subprinzipien des Leistungsfähigkeitsprinzips zu beachten. Von besonderer Bedeutung ist insofern das Erfordernis einer an der individuellen Leistungsfähigkeit des Dividendenbeziehers ansetzenden Besteuerung unter Wahrung des objektiven wie subjektiven Nettoprinzips: Mit dem Dividendenbezug zusammenhängende Aufwendungen müssen grundsätzlich steuerlich zum Abzug zugelassen werden, und die Dividendeneinkünfte sind insoweit steuerfrei zu stellen, als sie das Existenzminimum des Steuerpflichtigen abdecken. Im internationalen Kontext ist darüber hinaus erforderlich, eine Doppelbesteuerung der grenzüberschreitend ausgeschütteten Dividenden zu vermeiden. Dies bedeutet, dass die Dividendeneinkünfte allenfalls mit Ertragsteuern nach den Maßstäben des höherbesteuernden der involvierten Staaten belastet werden dürfen. Dessen Steuerwürdigkeitsentscheidung darf speziell bei Auslandsdividenden allerdings auch insoweit hingenommen werden, als er nach seinen Gerechtigkeitswertungen ein geringeres Maß an Integration von Körperschaftsteuer und Einkommensteuer vorsieht. Was im Übrigen die Frage der kapitalorientierten oder konsumorientierten Besteuerung der Dividende betrifft, so kommt dem Gesetzgeber ein weites Ermessen zu. III. Die aus der internationalen Abkommenspraxis ersichtlichen Grundsätze internationaler Verteilungsgerechtigkeit geben gewisse Rahmenbedingungen für eine zwischenstaatliche Verteilung des Steueraufkommens aus den ausgeschütteten Gewinnen vor. Sie wirken darum auf die Wahl des Körper538

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schaftsteuersystems ein, wenn man realistischerweise davon ausgeht, dass die von diesen Systemen ausgehenden Verteilungswirkungen nur bedingt und allenfalls langfristig bei Neuverhandlungen von Doppelbesteuerungsabkommen berücksichtigt werden können. Dabei erweist es sich als besondere Herausforderung an die Konzeption eines leistungsfähigkeitsgerechten, integrierten Körperschaftsteuersystems, dass die Verteilungsregeln des OECD-Musterabkommens von der Geltung eines Systems klassischer Dividendenbesteuerung ohne Abmilderung der wirtschaftlichen Doppelbelastung ausgehen. Dieser Konzeption folgen im Wesentlichen auch die deutschen und spanischen DBA. International verteilungsgerecht ist ein Körperschaftsteuersystem insbesondere nur dann, wenn es den bevorrechtigte Zugriff des Quellenstaates auf die ausgeschütteten Gewinne wahrt, der Art. 7 Abs. 1, 10 Abs. 1 des Musterabkommens zu entnehmen ist. Außerdem sollte ein Körperschaftsteuersystem im internationalen Kontext nicht zu Aufkommenseinbußen führen, welche die Kosten der Integration von Körperschaftsteuer und Einkommensteuer übersteigen. IV. Die Mitgliedschaft Deutschlands und Spaniens in der Europäischen Union verlangt schließlich, dass ein nationales Körperschaftsteuersystem auch den Anforderungen des primären und sekundären Gemeinschaftsrechts genügen muss. Eine gemeinschaftsweite Harmonisierung der Körperschaftsteuersysteme steht noch aus; für den Bereich der Dividendenbesteuerung liefert allein die Mutter-Tochter-Richtlinie sekundärrechtliche Besteuerungsvorgaben. Angesichts dessen verwundert es nicht, dass die Herausbildung von Vorgaben des europäischen Rechts für die Ausgestaltung der nationalen Steuerrechtsordnungen ihre wesentlichen Impulse vor allem durch die Rechtsprechung des EuGH zu den primärrechtlichen sogenannten Grundfreiheiten im Allgemeinen und deren Implikationen für das nationale Steuerrecht im Besonderen erhält. Für die Dividendenbesteuerung sind namentlich die Niederlassungsfreiheit des Art. 43 EGV und die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 Abs. 1 EGV von Belang; ihnen kommt unmittelbare und vorrangige Geltung gegenüber nationalen Bestimmungen zu. Die dort ausgesprochenen Beschränkungsverbote untersagen jegliche Art von Diskriminierung nach rein internen einerseits und grenzüberschreitenden Sachverhalten andererseits. Allerdings begründet eine daran anknüpfende Ungleichbehandlung nur bei objektiver Vergleichbarkeit der Situationen eine tatbestandliche Diskriminierung. Verboten sind außerdem nichtdiskriminierende Beschränkungen durch mitgliedstaatliche Regelungen, die zwar nicht rechtlich, aber tatsächlich zu einer Mehrbelastung spezifisch des grenzüberschreitenden Vorgangs gegenüber dem rein internen Marktgeschehen führen. An diese Vor-

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gaben sind dabei sowohl der Herkunftsstaat als auch der Bestimmungsstaat des betroffenen Marktteilnehmers gebunden. Im Bereich des nationalen Ertragsteuerrechts verlangen die Grundfreiheiten folglich in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich, den grenzüberschreitend Tätigen im steuerlichen Belastungserfolg dem rein binnenwirtschaftlich Agierenden gleichzustellen, soweit die beiden Konstellationen objektiv vergleichbar sind. Richtet ein Mitgliedstaat sein System der Ertragsbesteuerung am Leistungsfähigkeitsprinzip aus, so kommt es für die Frage der objektiven Vergleichbarkeit entscheidend darauf an, ob der jeweilige internationale Sachverhalt in gleicher Weise zu einem Zu- oder Abfluss von Leistungsfähigkeit führt wie sein internes Pendant. Damit sind insbesondere unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Dividendenbezieher im Hinblick auf ihre Besteuerung grundsätzlich miteinander vergleichbar. Außerdem lässt sich den Grundfreiheiten ein Verbot der internationalen Doppelbesteuerung von Dividendeneinkünften entnehmen. Zur Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen oder Beschränkungen können sich die Mitgliedstaaten nach der ungeschriebenen „rule of reason“ auf zwingende Gründe des Allgemeininteresses berufen. Für die nationalen Körperschaftsteuersysteme ist insofern einerseits von besonderer Bedeutung, dass drohende Aufkommensverluste bei europarechtskonformer Ausgestaltung nicht als schutzwürdiges Allgemeininteresse einzustufen sind. Andererseits erlaubt der Rechtfertigungsgrund der steuerlichen Kohärenz eine einzelnormübergreifende Belastungsanalyse, die nach richtigem Verständnis die integrierte Betrachtung von Gesellschafts- und Gesellschafterbesteuerung nachzuvollziehen vermag. V. Das abgeschaffte deutsche Vollanrechnungsverfahren war für natürliche Personen im Grundsatz optimal leistungsfähigkeitsgerecht, wobei jedenfalls nach heutigen Maßstäben auch die von der ausschüttenden Gesellschaft entrichtete Gewerbesteuer hätte angerechnet werden müssen. Allerdings war es europarechtswidrig konzipiert; dieser Mangel hätte aber durch die Einbeziehung auch der Steuerausländer behoben werden können. Der Gesetzgeber hätte auf diese Weise ein verfassungskonformes wie auch europataugliches Körperschaftsteuersystem schaffen können. Es stand aber zu erwarten, dass die europarechtskonforme Ausgestaltung des Anrechnungsverfahrens zwar die durch Art. 3 Abs. 1 GG geschützte interpersonale Gerechtigkeit verwirklichen, die interstaatliche Verteilungsgerechtigkeit aber preisgeben würde. Außerdem litt das Anrechnungsverfahren unter einer relativ hohen Komplexität und einer gewissen Missbrauchsanfälligkeit. Das Halbeinkünfteverfahren zeigt umgekehrt gerade in diesen Bereichen seine größten Stärken: Es ist jedenfalls im Prinzip mit den europarechtlichen

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Grundfreiheiten vereinbar und passt sich zugleich hervorragend an die abkommensrechtlichen Bestimmungen zur Dividendenbesteuerung und die in ihnen zum Ausdruck kommenden Verteilungsgrundsätze an. Dafür nimmt das Halbeinkünfteverfahren Verstöße gegen den Grundsatz leistungsfähiger Besteuerung in Kauf, die auch unter Typisierungsgesichtspunkten nicht mehr zu rechtfertigen sind. Dies ist systembedingt vor allem darauf zurückzuführen, dass die Sockelbelastung aus gewerbesteuerlicher und körperschaftsteuerlicher Vorbelastung der Dividende unabhängig von den persönlichen Verhältnissen des Anteilseigners stets bestehen bleibt. Das spanische Pauschalanrechnungsverfahren ist dem Halbeinkünfteverfahren im Hinblick auf die Herstellung von Belastungsgleichheit klar überlegen. Es gewährleistet eine deutlich stärker an der individuellen Leistungsfähigkeit des Anteilseigners ausgerichtete Besteuerung der Dividendenbezüge. Wegen der Typisierungen im Hinblick auf die unterstellte Vorbelastung der Dividende fällt die Entlastung zwar nicht ganz so exakt aus wie bei einem mit einer Gliederungsrechnung operierenden Vollanrechnungsverfahren. Die damit verbundene Vergröberung wird aber durch ein deutliches Maß an Vereinfachung und Praktikabilität aufgewogen. Infolge der strukturellen Identität mit dem deutschen Anrechnungsverfahren ist ihm jedoch auch dessen größte Schwäche zu attestieren: Die Rigidität der die Dividendenbesteuerung betreffenden Abkommensbestimmungen der DBA verhindert es, die Pauschalanrechnung europarechtskonform auszugestalten, ohne mit den anerkannten Grundsätzen internationaler Verteilungsgerechtigkeit zu brechen. Das Spannungsfeld zwischen verfassungsrechtlichen Anforderungen, Grundsätzen internationaler Verteilungsgerechtigkeit und europarechtlichen Grundfreiheiten vermag am besten ein Kombinationsmodell aus pauschalem Teilanrechnungsverfahren und Teileinnahmeverfahren aufzulösen. Bei personenbezogenen Kapitalgesellschaften sollte außerdem ergänzend ein Auszahlungsabzugsverfahren praktiziert werden. Ein solches Verfahren ist praktisch fast ebenso einfach zu handhaben wie das Halbeinkünfteverfahren und entspricht auch bei europarechtskonformer Ausgestaltung den Grundsätzen internationaler Verteilungsgerechtigkeit. Wie das Halbeinkünfteverfahren fügt es sich gut in das bestehende Doppelbesteuerungsrecht ein. Bei der Kombinationslösung muss dafür aber nicht der Preis einer gerade bei niedrigen Steuersätzen eklatanten Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzips und einer Besteuerung des Existenzminimums gezahlt werden. Das Kombinationsmodell vereint auf diese Weise die besten Besteuerungseigenschaften eines pauschalen Anrechnungsverfahrens mit denen eines Teileinnahmeverfahrens. Für an Körperschaftsteuersubjekte ausgeschüttete Dividenden erweist sich hingegen das vom deutschen wie auch grundsätzlich vom spanischen Ge-

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Zusammenfassung der Ergebnisse

setzgeber installierte Freistellungsverfahren als gute Wahl. Auf der einen Seite genügt es vollumfänglich sowohl den europarechtlichen Grundfreiheiten als auch dem Vorrecht des Quellenstaates an der Besteuerung der Unternehmensgewinne. Es ist im Prinzip diskriminierungsfrei und führt dennoch im grenzüberschreitenden Kontext zu keinen besonderen Aufkommensverlusten. Darüber hinaus lässt es sich in der Besteuerungspraxis im Gegensatz zum Vollanrechnungsverfahren einfach handhaben. Schließlich führt es auch zu einem hohen Maß an Rechtsformneutralität für ausländische Körperschaften mit Investitionsabsichten im Inland. Demgegenüber sind die mit der Freistellungsmethode einhergehenden Verstöße gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip von eher geringerem Gewicht. VI. Die jeweiligen Körperschaftsteuersysteme Deutschlands und Spaniens weisen darüber hinaus eine Reihe von nicht systemimmanenten Schwächen auf: Die Abzugsverbote für Beteiligungsaufwendungen nach §§ 3c EStG, 8b Abs. 5 KStG verstoßen gegen das objektive Nettoprinzip und den Grundsatz der Gleichbehandlung der Einkunftsarten. Sie missachten darüber hinaus das Gebot einer folgerichtigen Konzeption des Steuerrechts. Das pauschalierte Abzugsverbot nach § 8b Abs. 5 KStG war bis zum 31.12.2003 darüber hinaus auch europarechtswidrig. Die Regelungen zum eingeschränkten Abzug nur bestimmter Beteiligungsaufwendungen im spanischen Einkommensteuerrecht stehen ebenfalls im Widerspruch zum objektiven Nettoprinzip. Die nur in Deutschland bedeutsame gewerbesteuerliche Hinzurechnung teilweise einkommensteuerfreier Dividenden für die Zwecke der Bemessung des Gewerbeertrages führt zu unsystematischen Doppelbelastungen. Dies betrifft in noch stärkerem Maße die nach § 8b Abs. 1 KStG gänzlich steuerfrei gestellten Dividenden. Der in Deutschland und Spanien praktizierte Quellensteuerabzug auf Dividendeneinkünfte ist gemessen am berechtigten Sicherungsbedürfnis des Fiskus deutlich überhöht. Dies gilt in besonderem Maße für den deutschen Kapitalertragsteuerabzug, der die gänzliche oder mindestens teilweise Steuerfreiheit der Dividenden beim Anteilseigner ignoriert. Vor allem aber ist es sowohl verfassungs- als auch europarechtswidrig, nichtansässige Dividendenbezieher ohne inländische Betriebsstätte abschließend an der Quelle zu besteuern und ihnen ein Veranlagungsverfahren zu verwehren. Demgegenüber ist die eingeschränkte Anrechnung ausländischer Quellensteuern nur im Wege des ordinary credit grundsätzlich nicht zu beanstanden.

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596

Rechtsprechungsverzeichnis I. Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes Entscheidungsdatum

Rechtssache

Fundstelle

14.12.1962

Rs. 2 u. 3/62 (Luxemburg/Belgien)

Slg. 1962, 867

17.7.1963

Rs. 13/63 (Italien/Kommission)

Slg. 1963, 357

15.7.1964

Rs. 6/64 (Costa/E. N. E. L.)

Slg. 1964, 1251

30.6.1966

Rs. 56/65 (LTM)

Slg. 1966, 281

25.11.1971

Rs. 22/71 (Béguelin Import)

Slg. 1971, 949

22.6.1972

Rs. 1/72 (Frilli)

Slg. 1972, 457

21.2.1973

Rs. 6/72 (Europemballage)

Slg. 1973, 215

24.10.1973

Rs. 5/73 (Balkan-Import-Export)

Slg. 1973, 1091

12.2.1974

Rs. 152/73 (Sotgiu)

Slg. 1974, 153

4.4.1974

Rs. 167/73 (Kommission/Frankreich)

Slg. 1974, 359

21.6.1974

Rs. 2/74 (Reyners)

Slg. 1974, 631

3.7.1974

Rs. 192/73 (Van Zuylen)

Slg. 1974, 731

3.7.1974

Rs. 9/74 (Casagrande)

Slg. 1974, 773

11.7.1974

Rs. 8/74 (Dassonville)

Slg. 1974, 837

3.12.1974

Rs. 33/74 (van Binsbergen)

Slg. 1974, 1299

4.12.1974

Rs. 41/74 (van Duyn)

Slg. 1974, 1337

7.7.1976

Rs. 118/75 (Watson u. Belmann)

Slg. 1976, 1185

20.10.1977

Rs. 29/77 (Roquette)

Slg. 1977, 1835

9.3.1978

Rs. 106/77 (Simmenthal II)

Slg. 1978, 629

29.6.1978

Rs. 142/77 (Statens Kontrol)

Slg. 1978, 1543

7.2.1979

Rs. 115/78 (Knoors)

Slg. 1979, 400

7.2.1979

Rs. 136/78 (Auer)

Slg. 1979, 437

20.2.1979

Rs. 120/78 (Cassis de Dijon)

Slg. 1979, 649

4.10.1979

Rs. 141/78 (Frankreich/Großbritannien)

Slg. 1979, 2923

10.7.1980

Rs. 32/79 (Kommission/Großbritannien)

Slg. 1980, 2403

29.10.1980

Rs. 22/80 (Boussac)

Slg. 1980, 3427

17.6.1981

Rs. 113/80 (Kommission/Irland)

Slg. 1981, 1625

3.2.1982

Rs. 62 u. 63/81 (Seco/Evi)

Slg. 1982, 223

5.5.1982

Rs. 15/81 (Schul)

Slg. 1982, 1409

23.2.1983

Rs. 66/82 (Framançais)

Slg. 1983, 395

22.3.1983

Rs. 42/82 (Kommission/Frankreich)

Slg. 1983, 1013

14.7.1983

Rs. 174/82 (Sandoz)

Slg. 1983, 2445

31.1.1984

Rs 286/82 u. a. (Luisi und Carbone)

Slg. 1984, 377

11.7.1985

Rs. 137/84 (Mutsch)

Slg. 1985, 2681

597

Rechtsprechungsverzeichnis Entscheidungsdatum

Rechtssache

Fundstelle

10.12.1985

Rs. 247/84 (Motte)

Slg. 1985, 3887

28.1.1986

Rs 270/83 (avoir fiscal)

Slg. 1986, 273

6.5.1986

Rs. 304/84 (Muller)

Slg. 1986, 1511

8.12.1987

Rs. 20/87 (Gauchard)

Slg. 1987, 4879

12.2.1987

Rs. 221/85 (Kommission/Belgien)

Slg. 1987, 719

12.3.1987

Rs. 178/84 (Reinheitsgebot)

Slg. 1987, 1227

14.10.1987

Rs. 248/84 (Deutschland/Kommission)

Slg. 1987, 4013

25.2.1988

Rs. 299/86 (Drexl)

Slg. 1988, 1213

26.4.1988

Rs. 352/85 (Bond van Adverteerders)

Slg. 1988, 2085

7.7.1988

Rs. 143/87 (Stanton)

Slg. 1988, 3877

7.7.1988

Rs. 154/87 u. a. (Wolf u. a.)

Slg. 1988, 3897

27.9.1988

Rs. 81/87 (Daily Mail)

Slg. 1988, 5483

27.9.1988

Rs. 235/87 (Mateucci)

Slg. 1988, 5589

2.2.1989

Rs. 186/87 (Cowan)

Slg. 1989, 195

11.5.1989

Rs. 25/88 (Wurmser)

Slg. 1989, 1105

30.5.1989

Rs. 305/87 (Kommission/Griechenland)

Slg. 1989, 1461

22.6.1989

Rs. 103/88 (Fratelli Costanzo)

Slg. 1989, 1839

11.7.1989

Rs. 265/87 (Schräder)

Slg. 1989, 2237

13.7.1989

Rs. 5/88 (Wachauf)

Slg. 1989, 2609

28.11.1989

Rs C-379/87 (Groener)

Slg. 1989, 3967

5.12.1989

Rs. C-3/88 (Kommission/Italien)

Slg. 1989, 4035

5.12.1989

Rs. C-165/88 (ORO Amsterdam)

Slg. 1989, 4081

13.11.1990

Rs. C-331/88 (Fedesa)

Slg. 1990, I-4023

7.2.1991

Rs. C-184/89 (Nimz)

Slg. 1991, I-297

26.2.1991

Rs. C-154/89 (Kommission/Frankreich)

Slg. 1991, I-659

26.2.1991

Rs. C-180/89 (Kommission/Italien)

Slg. 1991, I-709

26.2.1991

Rs. C-198/89 (Kommission/Griechenland)

Slg. 1991, I-727

11.6.1991

Rs. C-251/89 (Athanasopoulos u. a.)

Slg. 1991, I-2797

18.6.1991

Rs. C-260/89 (ERT)

Slg. 1991, I-2925

25.7.1991

Rs. C-221/89 (Factortame)

Slg. 1991, I-3905

25.7.1991

Rs. C-1/90 u. a. (Aragonesa)

Slg. 1991, I-4151

25.7.1991

Rs. C-76/90 (Säger)

Slg. 1991, I-4221

28.1.1992

Rs C-204/90 (Bachmann)

Slg. 1992, I-249

28.1.1992

Rs. C-300/90 (Kommission/Belgien)

Slg. 1992, I-305

8.4.1992

Rs. C-62/90 (Kommission/Deutschland)

Slg. 1992, I-2575

20.5.1992

Rs. C-106/91 (Ramrath)

Slg. 1992, I-3351

4.6.1992

Rs. C-13/91 u. a. (Debus)

Slg. 1992, I-3617

25.6.1992

Rs. C-147/91 (Ferrer Laderer)

Slg. 1992, I-4097

7.7.1992

Rs. C-369/90 (Micheletti)

Slg. 1992, I-4239

598

Rechtsprechungsverzeichnis Entscheidungsdatum

Rechtssache

Fundstelle

7.7.1992

Rs. C-370/90 (Singh)

Slg. 1992, I-4265

9.7.1992

Rs. C-2/90 (Kommission/Belgien)

Slg. 1992, I-4431

31.3.1993

Rs. C-19/92 (Kraus)

Slg. 1993, I-1663

3.7.1993

Rs. 330/91 (Commerzbank)

Slg. 1993, I-4017

27.10.1993

Rs. C-72/92 (Scharbatke)

Slg. 1993, I-5509

24.11.1993

Rs. C-267 u. a. (Keck u. a.)

Slg. 1993, I-6097

15.12.1993

Rs. C-292/92 (Hünermund u. a.)

Slg. 1993, I-6787

24.3.1994

Rs. C-275/92 (Schindler)

Slg. 1994, I-1039

2.6.1994

Rs. C-401/92 u. a. (Punto Casa u. a.)

Slg. 1994, I-2355

2.6.1994

Rs. C-401/92 u. a. (Tankstation)

Slg. 1994, I-2199

9.8.1994

Rs. C-43/93 (Vander Elst)

Slg. 1994, I-3805

5.10.1994

Rs. C-133 u. a. (Crispoltoni)

Sgl. 1994, I-4863

14.2.1995

Rs. C-279/93 (Schumacker)

Slg. 1995, I-225

23.2.1995

Rs. C-358/93 u. a. (Bordessa u. a.)

Slg. 1995, I-361

10.5.1995

Rs. C-384/93 (Alpine Investments)

Slg. 1995, I-1141

11.8.1995

Rs. C-80/94 (Wielockx)

Slg. 1995, I-2493

17.10.1995

Rs. C-44/94 (Fishermen’s Organisations u. a.)

Slg. 1995, I-3115

26.10.1995

Rs. C-151/94 (Kommission/Luxemburg)

Slg. 1995, I-3685

14.11.1995

Rs. C-484/93 (Svensson u. Gustavsson)

Slg. 1995, I-3955

30.11.1995

Rs. C-55/94 (Gebhard)

Slg. 1995, I-4165

14.12.1995

Rs C-163/94 u. a. (Sanz de Lera u. a.)

Slg. 1995, I-4821

15.12.1995

Rs. C-415/93 (Bosman)

Slg. 1995, I-4921

23.5.1996

Rs. C-237/94 (O’Flynn)

Slg. 1996, I-2617

27.6.1996

Rs. C-107/94 (Asscher)

Slg. 1996, I-3089

26.9.1996

Rs C-43/95 (Data Delecta)

Slg. 1996, I-4661

17.10.1996

Rs. C-283/94 u. a. (Denkavit u. a.)

Slg. 1996, I-5063

16.1.1997

Rs. C-134/95 (Di Biella)

Slg. 1997, I-195

20.3.1997

Rs. C-323/95 (Hayes)

Slg. 1997, I-1711

15.5.1997

Rs. C-250/95 (Futura Participations u. Singer)

Slg. 1997, I-2471

5.6.1997

Rs. C-398/95 (SETTG)

Slg. 1997, I-3091

26.6.1997

Rs. C-368/95 (Familiapress)

Slg. 1997, I-3689

9.7.1997

Rs. C-34/95 u. a. (de Agostini)

Slg. 1997, I-3843

2.10.1997

Rs C-122/96 (Saldanha)

Slg. 1997, I-5325

23.10.1997

Rs. C-189/95 (Franzén)

Slg. 1997, I-5909

28.4.1998

Rs. C-120/95 (Decker)

Slg. 1998, I-1831

28.4.1998

Rs. 158/96 (Kohll)

Slg. 1998, I-1931

12.5.1998

Rs. C-336/96 (Gilly)

Slg. 1998, I-2793

14.7.1998

Rs. C-389/96 (Aher-Waggon)

Slg. 1998, I-4473

16.7.1998

Rs. C-264/96 (ICI)

Slg. 1998, I-4695

599

Rechtsprechungsverzeichnis Entscheidungsdatum

Rechtssache

Fundstelle

12.11.1998

Rs. C-162/98 (Hartmann)

Slg. 1998, I-7083

26.1.1999

Rs. C-18/95 (Terhoeve)

Slg. 1999, I-345

9.3.1999

Rs. C-212/97 (Centros)

Slg. 1999, I-1459

16.3.1999

Rs. C-222/97 (Trummer und Mayer)

Slg. 1999, I-1661

29.4.1999

Rs. C-224/97 (Ciola)

Slg. 1999, I-2517

29.4.1999

Rs. C-311/97 (Royal Bank of Scotland)

Slg. 1999, I-2651

1.6.1999

Rs. C-302/97 (Konle)

Slg. 1999, I-3099

17.6.1999

Rs. C-166/98 (Socridis)

Slg. 1999, I-3791

8.7.1999

Rs. C-254/97 (Baxter)

Slg. 1999, I-4809

14.9.1999

Rs. C-391/97 (Gschwind)

Slg. 1999, I-5451

21.9.1999

Rs. C-307/97 (Saint-Gobain ZN)

Slg. 1999, I-6181

26.10.1999

Rs. C-294/97 (Eurowings)

Slg. 1999, I-7447

28.10.1999

Rs. C-55/98 (Vestergaard)

Slg. 1999, I-7641

18.11.1999

Rs. C-200/98 (X und Y)

Slg. 1999, I-8276

13.4.2000

Rs. C-251/98 (Baars)

Slg. 2000, I-2787

6.6.2000

Rs. C-35/98 (Verkooijen)

Slg. 2000, I-4071

8.6.2000

Rs. C-375/98 (Epson Europe)

Slg. 2000, I-4243

26.9.2000

Rs. C-478/98 (Eurobonds)

Slg. 2000, I-7587

14.12.2000

Rs. C-141/99 (AMID)

Slg. 2000, I-11619

13.3.2001

Rs. C-379/98 (Preussenelektra)

Slg. 2001, I-2099

12.7.2001

Rs. C-157/99 (Smits)

Slg. 2001, I-5473

27.9.2001

Rs. C-235/99 (Kondova)

Slg. 1999, I-6427

4.10.2001

Rs. C-294/99 (Athinaïki Zythopoiïa)

Slg. 2001, I-6797

4.6.2002

Rs. C-367/98 (Kommission/Portugal)

Slg. 2002, I-4731

4.6.2002

Rs. C-483/99 (Kommission/Frankreich)

Slg. 2002, I-4781

12.12.2002

Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst)

Slg. 2002, I-11779

12.12.2002

Rs. C-385/00 (de Groot)

Slg. 2002, I-11819

13.5.2003

Rs. C-463/00 (Kommission/Spanien)

ZIP 2003, S. 991

13.5.2003

Rs. C-98/01 (Kommission/Großbritannien)

ZIP 2003, S. 995

12.6.2003

Rs. C-234/01 (Gerritse)

EWS 2003, S. 330

26.6.2003

Rs. C-422/01 (Skandia)

EWS 2003, S. 379

18.9.2003

Rs. C-168/01 (Bosal Holding)

DB 2003, S. 2097

25.9.2003

Rs. C-58/01 (Océ von der Grinten)

IStR 2003, S. 777

1.7.2004

Rs. C-169/03 (Wallentin)

IStR 2004, S. 688

15.7.2004

Rs. C-242/03 (Weidert)

IStR 2004, S. 686

15.7.2004

Rs. C-315/02 (Lenz)

IStR 2004, S. 522

7.9.2004

Rs. C-319/02 (Manninen)

IStR 2004, S. 680

600

Rechtsprechungsverzeichnis

II. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Entscheidungsdatum

Aktenzeichen

Fundstelle

12.10.1951

1 BvR 201/50

BVerfGE 1, S. 14

20.7.1954

1 BVR 459/52 u. a.

BVerfGE 4, S. 7

17.1.1957

1 BvL 4/54

BVerfGE 6, S. 55

24.6.1958

2 BvF 1/57

BVerfGE 8, 51

12.11.1958

2 BvL 4/56 u. a.

BVerfGE 8, S. 274

11.7.1961

1 BvR 845/58

BVerfGE 13, S. 331

30.10.1961

1 BvR 833/59

BVerfGE 13, S. 181

24.1.1962

1 BvL 32/5

BVerfGE 13, S. 290

24.1.1962

1 BvR 845/58

BVerfGE 13, S. 331

24.7.1962

2 BvL 15, 16/61

BVerfGE 14, S. 221

7.8.1962

1 BvL 16/60

BVerfGE 14, S. 263

22.5.1963

1 BvR 78/56

BVerfGE 16, S. 147

30.6.1964

1 BvL 16/62

BVerfGE 18, S. 97

1.7.1964

1 BvR 93/64

BVerfGE 18, S. 112

24.9.1965

1 BvR 228/65

BVerfGE 19, S. 119

20.12.1966

1 BvR 320/57 u. a.

BVerfGE 21, S. 12

1.3.1967

1 BvR 46/66

BVerfGE 21, S. 207

15.3.1967

1 BvR 575/62

BVerfGE 21, S. 227

19.3.1968

1 BvR 554/65

BVerfGE 23, S. 229

21.1.1969

1 BvR 346, 598/68

HFR 1969, S. 347

13.5.1969

1 BvR 25/65

BStBl. II 1969, S. 424

28.1.1970

1 BvL 4/67

BVerfGE 27, S. 375

24.2.1971

1 BvR 438/68 u. a.

BVerfGE 30, S. 227

9.3.1971

2 BvR 326/69

BVerfGE 30, S. 250

16.3.1971

1 BvR 52/66 u. a.

BVerfGE 30, S. 292

4.5.1971

1 BvR 636/68

BVerfGE 31, S. 58

7.7.1971

1 BvR 765/66

BVerfGE 31, S. 229

13.10.1971

1 BvR 280/66

BVerfGE 32, S. 54

7.11.1972

1 BvR 338/68

BVerfGE 34, S. 103

3.7.1973

1 BvR 153/69

BVerfGE 35, S. 348

5.3.1974

1 BvL 27/72

BVerfGE 37 S. 1

25.2.1975

1 BvF 1/74 u. a.

BVerfGE 39, S. 1

18.6.1975

1 BvR 528/72

BVerfGE 40, S. 109

13.1.1976

1 BvR 631/69 u. 24/70

BVerfGE 41, S. 126

8.7.1976

1 BvL 19/75 u. a.

BVerfGE 42, S. 263

12.10.1976

1 BvR 2328/73

BVerfGE 43, S. 1

11.10.1977

1 BvR 343/73

BVerfGE 47, S. 1

601

Rechtsprechungsverzeichnis Entscheidungsdatum

Aktenzeichen

Fundstelle

25.10.1977

1 BvR 15/75

BVerfGE 46, S. 224

19.12.1978

1 BvR 335/76 u. a.

BVerfGE 50, S. 57

1.3.1979

1 BvR 532/77 u. a.

BVerfGE 50, S. 290

12.6.1979

1 BvL 19/76

BVerfGE 52, S. 1

28.2.1980

1 BvL 17/77

BVerfGE 53, S. 257

1.7.1980

1 BvR 247/75

BVerfGE 54, S. 237

7.10.1980

1 BvL 50/79 u. a.

BVerfGE 55, S. 72

20.4.1982

2 BvL 26/81

BVerfGE 60, S. 253

3.11.1982

1 BvR 620/78 u. a.

BVerfGE 61, S. 319

8.2.1983

1 BvL 28/79

BVerfGE 63, S. 119

22.3.1983

2 BvR 475/78

BVerfGE 63, S. 343

6.12.1983

2 BvR 1275/79

BVerfGE 65, S. 325

22.2.1984

1 BvL 10/80

BVerfGE 66, 214

31.10.1984

1 BvR 35/82 u. a.

BVerfGE 68, S. 193

28.11.1984

1 BvR 1157/82

BVerfGE 68, S. 287

14.5.1985

1 BvR 449/82 u. a.

BVerfGE 70, S. 1

19.6.1985

1 BvL 57/79

BVerfGE 70, S. 191

6.11.1985

1 BvL 47/83

BVerfGE 71, S. 146

14.11.1985

1 BvR 585/85

Inf 1986, S. 312

11.5.1988

1 BvR 520/83

BVerfGE 78, S. 214

14.2.1989

1 BvR 308/88 u. a.

BVerfGE 79, S. 292

15.6.1989

2 BvL 4/87

BVerfGE 80, S. 244

29.5.1990

1 BvL 20/86 u. a.

BVerfGE 82, S. 60

30.5.1990

1 BvL 2/83 u. a.

BVerfGE 82, S. 126

31.5.1990

2 BvL 12/88 u. a.

BVerGE 82, S. 159

17.10.1990

1 BvR 283/85

BVerfGE 83, S. 1

9.1.1991

1 BvR 929/89

BVerfGE 83, S. 201

24.4.1991

1 BvR 1341/90

BVerfGE 84, S. 133

27.6.1991

2 BvR 1493/89

BVerfGE 84, S. 239

2.7.1991

1 BvR 1600/89

HFR 1992, S. 423

8.10.1991

1 BvL 50/86

BVerfGE 84, S. 348

25.9.1992

2 BvL 5/91 u. a.

BVerfGE 87, S. 153

17.11.1992

1 BvL 8/87

BVerfGE 87, S. 234

26.5.1993

1 BvR 208/93

BVerfGE 89, S. 1

12.10.1993

2 BvR 2134, 2159/92

BVerfGE 89, S. 155

26.4.1994

1 BvR 1299/89 u. a.

BVerfGE 90, S. 263

22.11.1994

BvR 3 51/91

BVerfGE 91, S. 294

22.6.1995

2 BvL 37/91

BVerfGE 93, S. 121

22.6.1995

2 BvR 552/91

BVerfGE 93, S. 165

602

Rechtsprechungsverzeichnis Entscheidungsdatum

Aktenzeichen

Fundstelle

12.10.1995

1 BvR 1938/93

NJW 1996, S. 1203

8.10.1996

1 BvL 15/91

BVerfGE 95, S. 39

8.4.1997

1 BvR 48/94

BVerfGE 95, 267

10.4.1997

2 BvL 77/92

BVerGE 96, S. 1

7.5.1998

2 BvR 1876/91 u. a.

BVerfGE 98, S. 83

7.5.1998

2 BvR 1991/95 u. a.

BVerfGE 98, S. 106

30.9.1998

2 BvR 1818/91

BVerfGE 99, S. 88

10.11.1998

2 BvR 1057/91 u. a.

BVerfGE 99, S. 216

11.11.1998

2 BvL 10/95

BStBl. II 1999, S. 502

10.11.1999

2 BvR 2861/93

BVerfGE 101, S. 151

9.1.2001

1 BvR 1036/99

NJW 2001, S. 1267

6.3.2002

2 BvL 17/99

HFR 2002, S. 331

III. Entscheidung des spanischen Verfassungsgerichts (TC) Tribunal Constitucional v. 20.7.1981

Az. 27/1981

Tribunal Constitucional v. 21.1.1986

Az. 8/1986

Tribunal Constitucional v. 10.11.1988,

Az. 209/1988

Tribunal Constitucional v. 20.2.1989

Az. 45/1989

Tribunal Constitucional v. 26.4.1990,

Az. 76/1990

Tribunal Constitucional v. 11.12.1992

Az. 221/1992

Tribunal Constitucional v. 15.2.1993

Az. 54/1993

Tribunal Constitucional v. 7.6.1993

Az. 186/1993

Tribunal Constitucional v. 12.5.1994

Az. 146/1994

Tribunal Constitucional v. 14.7.1994,

Az. 214/1994

Tribunal Constitucional v. 21.12.1995

Az. 198/1995

Tribunal Constitucional v. 22.7.1996,

Az. 134/1996

Tribunal Constitucional v. 28.10.1997

Az.182/1997

Tribunal Constitucional v. 2.6.1998,

Az. 117/1998

Tribunal Constitucional v. 22.3.1999

Az. 36/1999

Tribunal Constitucional v. 8.11.1999

Az. 200/1999

Tribunal Constitucional v. 17.2.2000

Az. 46/2000

Tribunal Constitucional v. 19.7.2000

Az. 194/2000

Tribunal Constitucional v. 15.11.2000

Az. 273/2000

Tribunal Constitucional v. 15.1.2001

Az. 1/2001

Tribunal Constitucional v. 15.2.2001

Az. 47/2001

Tribunal Constitucional v. 7.5.2001

Az. 111/2001

603

Rechtsprechungsverzeichnis

IV. Entscheidungen des Bundesfinanzhofes Entscheidungsdatum

Aktenzeichen

Fundstelle

16.8.1963

VI 96/62 U

BStBl. III 1963, S. 486

25.10.1966

I 26/64

BStBl. III 1967, S. 92

26.1.1968

VI R 129/66

BStBl. II 1968, S. 369

21.4.1971

I R 97/68

BStBl. II 1971, S. 694

21.2.1973

I R 26/72

BStBl. II 1973, S. 508

10.10.1973

I R 162/71

BStBl. II 1974, S. 30

14.2.1975

VI R 210/72

BStBl. II 1975, S. 49

9.11.1976

VI R 139/74

BStBl. II 1977, S. 207

4.3.1977

VI R 213/75

BStBl. II 1977, S. 507

5.12.1984

I R 62/80

BStBl. II 1985, S. 311

19.12.1984

I R 31/82

BFHE 143, S. 416

25.4.1985

IV R 83/83

DB 1985, S. 1819

14.11.1986

VI R 209/82

BStBl. II 1989, S. 351

4.2.1987

I R 252/83

BStBl. II 1987, S. 682

20.4.1988

I R 219/82

BStBl. II 1990, S. 701

27.7.1988

I R 28/87

BStBl. II 1989, S. 449

20.4.1988

I R 219/82

BStBl. II 1990, S. 701

14.12.1989

IV R 117/88

BStBl. II 1990, S. 436

16.5.1990

I R 80/87

BStBl. II 1990, S. 920

24.10.1990

X R 64/89

BStBl. II 1991, S. 358

27.2.1991

I R 15/89

BStBl. II 1991, S. 444

2.12.1992

I R 165/90

BStBl. II 1993, S. 577

16.12.1992

I R 32/92

BStBl. II 1993, S. 399

14.4.1993

I R 29/92

BFHE 170, 454

3.5.1993

GrS 3/92

BStBl. II 1993, S. 616

9.6.1993

I B 12/93

BFH/NV 1993, S. 726

14.7.1993

I R 71/92

BStBl. II 1994, S. 91

2.2.1994

I B 143/93

BFH/NV 1994, S. 864

17.5.1995

I B 183/94

BStBl. II 1995, S. 781

3.7.1995

GrS 1/93

BStBl. II 1995, S. 617

29.5.1996

I R 15/94

BStBl. II 1997, S. 57

29.5.1996

I R 167/94

BStBl. II 1997, S. 60

29.5.1996

I R 21/95

BStBl. II 1997, S. 63

2.4.1997

X R 6/95

BStBl. II 1998, S. 25

21.5.1997

I R 79/96

BFH/NV 1997, S. 760

11.2.1998

I R 81/97

BStBl. II 1998, S. 485

20.1.1999

I R 69/97

DStR 1999, S. 973

604

Rechtsprechungsverzeichnis Entscheidungsdatum

Aktenzeichen

Fundstelle

24.2.1999

X R 171/96

BStBl. II 1999, S. 450

24.3.1999

I R 114/97

BFH/NV 1999, S. 1270

11.8.1999

XI R 77/97

BStBl. II 1999, S. 771

6.7.2000

I B 34/00

IStR 2000, S. 681

24.1.2001

I R 81/99

BStBl. II 2001, S. 290

9.8.2001

III R 50/00

DStR 2001, S. 1835

13.11.2002

I R 9/02

BStBl. II 2003, S. 489

13.11.2002

I R 13/02

IStR 2003, S. 314

25.11.2002

1 V 4030/01

BFHE 201, S. 114

18.9.2003

X R 2/00

BFH/NV 2004, S. 141

17.12.2003

I R 47/02

BFH/NV 2004, S. 771

V. Entscheidungen der Finanzgerichte Gericht

Datum

Aktenzeichen

Fundstelle

FG Hamburg

4.3.1997

II 95/94

IStR 1997, S. 342

FG München

26.1.1998

15 K 3861/93

EFG 1998, S. 1076

Nds. FG

24.6.1998

IV 317/91

FR 1998, S. 1041

FG Berlin

28.5.2001

9 K 9312/99

EFG 2001, S. 978

FG Köln

11.7.2002

7 K 8572/98

FR 2002, S. 1235

Hessisches FG

10.12.2002

4 K 1044/99

EFG 2003, S. 1120 DStRE 2003, S. 1101

FG Köln

2.4.2003

2 K 5994/01

FG Düsseldorf

12.1.2004

17 V 5799/03 A (G)

EFG 2004, S. 849

FG Köln

26.6.2004

2 K 2241/02

IStR 2004, S. 580

IV. Entscheidung des Bundesgerichtshofs Entscheidungsdatum

Aktenzeichen

Fundstelle

2.6.2003

II ZR 85/02

HFR 2004, S. 176

605

Stichwortverzeichnis Abgeltungsteuer 45, 75, 293, 327, 448 ff., 525 ff. – Europarechtskonformität 449 ff., 526 ff. – und Nettoprinzip 449 ff., 526 ff. – und Option 466 f. Abschirmwirkung – und Hinzurechnungsbesteuerung 37 – und Vorrecht des Quellenstaates 200, 204, 349 Amtshilfe-Richtlinie 291 f., 463, 519 Anerkennungsgrundsatz 260 Anrechnungsmethode – Anrechnungshöchstbetrag 31, 467 f. – Europarechtskonformität 468 ff., 530 ff. – im Halbeinkünfteverfahren 30, 64 ff. – in Spanien 32, 388 f. Anrechnungsverfahren – allgemein 88 – deutsches Körperschaftsteuersystem 9 f., 90 – Diskriminierung der Steuerausländer 47, 325 ff., 397 f., 478 ff. – Diskriminierung von Auslandsdividenden 341 ff., 398 ff., 483 ff. – Erstattung von Anrechnungsguthaben 319, 394 ff., 411 – Europarechtskonformität 280 ff., 324 ff., 356 ff., 396 ff., 413 – und Gewerbesteuer 319 ff., 440 ff. – indirekte Anrechnung 32 f., 69 ff., 313

– und internationale Verteilungsgerechtigkeit 205 ff., 360 ff., 400, 413 ff., 486 ff. – Kohärenz 332 ff., S. 344 ff., 398 f., 479 ff., 484 ff. – Komplexität 366 f., 385, 396, 411 f., 489 f. – leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung 318 f., 359, 388 ff., 404 ff., 475 f. – Missbrauch 367 f., 490 – pauschale Anrechnung 32 f., 88, 92, 388 ff., 404 ff. – spanisches Körperschaftsteuersystem 15 f., 22 ff., 92 f., 388 f. – Teilanrechnung 406 ff. – Vollanrechnung 39, 88 Äquivalenzprinzip 103, 127, 198, 443 Ausschüttungsbelastung 9, 323, 389, 396, 480 Auszahlungsabzugsverfahren 419 ff. Beitreibungsrichtlinie 294 Berufsfreiheit 157 ff. Beschränkte Steuerpflicht – und Abgeltungsteuer 448 ff. – und Diskriminierungsverbot 262 ff. – und Leistungsfähigkeitsprinzip 131 ff. Beschränkungsverbote, europarechtliche – Adressaten 227 ff., 246 – Auslegung 235 f., 238 f., 241 ff. – und Doppelbesteuerung 251 ff. – und Doppelregulierung 244 f., 251

607

Stichwortverzeichnis

– gleichheitsrechtliche Struktur 247 ff. – Verantwortungszuweisung 251, 254 ff., 350 f. – Verhältnis zum Diskriminierungsverbot 236, 241 Beteiligungsaufwendungen 17 f., 22, 25 f., 36, 40, 52 ff., 58, 68, 77, 315, 423 ff., 505 ff. – Pauschalierung 512 ff. Betriebsstättenbesteuerung 34 ff., 36 f., 47, 48 ff., 63, 74, 76 f., 314, 401 ff., 432 Binnenmarkt – und Grundfreiheitsauslegung 228 f., 236, 239, 242 f., 273, 290, 297 f., 301 f., 305 – als verbindliches Vertragsziel 212, 229 Brühler Empfehlungen 10, 18, 476 Clearingverfahren 204, 209 f. Deregulierung 243 Differenzierungsgebot 175, 241, 250 Direktinvestition 216, 221, 226, 356 Diskriminierung – Begriff 230, 239, 241 – von Inländern (umgekehrte) 243 – mittelbare bzw. indirekte 231, 239, 275 – potentielle 232 f., 509 – Verantwortlichkeit 240, 268 ff., 330, 439 Diskriminierungsverbot, europarechtliches – Adressat 227 ff., 239, 246 – de minimis-Regelung 238, 303 – gleichheitsrechtliche Struktur 247 f.

608

– bei juristischen Personen 263 ff. – Rechtfertigungsmöglichkeit 274 ff. – Vergleichbarkeitsprüfung 230, 238, 262 ff., 268 ff., 326 ff., 343 Disparitäten 261, 290, 299, 331, 347, 357, 472 Dividendenabzugssystem 89 f. Dividendenbegriff 5 Dividendenstripping 367, 370, 490 Doppelbelastung, wirtschaftliche 119 f., 121 ff. Doppelbesteuerung, internationale – Begriff 119, 174 – EG-rechtliche Vorgaben 251 ff. – und Gleichheitssatz 174 ff. Doppelbesteuerungsabkommen – Dividendenbesteuerung 31, 34 f., 45, 47, 71 – und Gemeinschaftsrecht 257 ff., 287 ff., 328 f., 340 f. – und inter-nations equity 199 f. Drittstaaten 226 f. Eigenkapitalgliederung 9, 323, 366, 371, 396, 405 f., 411 Eigentumsgarantie 141 ff. Einheit der Rechtsordnung 114 Einmalbelastung, Grundsatz der 130 f., 319, 384 f. Ergänzungssteuer 389, 405 f. EWR-Abkommen 225 Finanzierungsneutralität 427 Fiskalbedarf 135, 152 f., 287, 338 f., 365 Fiskaltransparenz – internationale 34, 37, 40 ff., 72 – nationale 14 Folgerichtigkeit, Gebot der 194 f., 427 „free rider„ 298

Stichwortverzeichnis

Freistellungssystem – Auslandsdividenden 60 ff., 67 f. – Diskriminierung der Steuerausländer 73 ff. – Europarechtskonformität 491, 501 ff. – Fiskalcharakter 51 f., 477 – Funktionsweise 51 f., 88, 476 – und Gewerbesteuer 55 f., 63, 520 f. – internationale Verteilungsgerechtigkeit 492 f., 504 – leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung 494 ff. – und Nettoprinzip 505 ff., 511 ff. – Praktikabilität 493 f. – in Spanien 57 f., 92, 498 ff. – Verhältnis zum Halbeinkünfteverfahren 477, 490, 493 f. Full integration 87 Fundustheorie 322 Gesamtschau, staatenübergreifende 232, 269 ff., 300, 343, 346, 354 Gesamtschuld der Mitgliedstaaten 268 Gleichmäßigkeit der Besteuerung 99, 136, 311 f. Globalisierung 2, 535 Grundfreiheiten, europarechtliche – gleichheitsrechtliche Struktur 247 ff. – Konvergenz 223, 279 – als Spezialvorschriften 223 – und direkte Steuern 250 ff. – unmittelbare Anwendbarkeit 213 f. – Verhältnis zum Leistungsfähigkeitsprinzip 250, 264 f., 311 f. – Verhältnis zum Sekundärrecht 314 f., 534 – Vorrang 214 f., 278 Gruppenbesteuerung 84

Halbeinkünfteverfahren – Auslandsdividenden 29 ff. – Ausnahmen 19 – Diskriminierung der Steuerausländer 44 ff., 448 ff. – Europarechtskonformität 368 f. – Funktionsweise 17 f. – und Gewerbesteuer 26 ff., 35 f., 440 ff. – internationale Verteilungsgerechtigkeit 371 ff. – und Kirchensteuer 21 – leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung 373 ff. – und Nettoprinzip 383 ff., 423 ff. – bei Personengesellschaften 78 ff. – regressive Entlastungswirkung 19 f., 376 f. – als shareholder relief 91, 377 – Sockelbelastung 373 f., 376 Halbsatzverfahren 3 Halbteilungsgrundsatz 144, 154 ff. Harmonisierung – und Grundfreiheiten 213 f., 229, 243, 252, 331 f. – positive Integration 212 f., 358 Hinzurechnungsbesteuerung 30, 37 ff., 66, 72, 295, 370 f. Individualbesteuerung 164 ff. Inländerbehandlung, Gebot der 227, 239 f., 255 ff. Integrationstheorie 87, 120 Inter-nations equity: siehe Verteilungsgerechtigkeit Investmentfonds 14, 366 Inzidenz – der Gewerbesteuer 320 ff. – der Körperschaftsteuer 121 f. – Destinatarinzidenz 122 609

Stichwortverzeichnis

Juristische Person – im Verfassungsrecht 115 f., 118 f., 132 ff. – und EG-Grundfreiheiten 224 ff., 263 ff. Kapitalertragsteuer 21 f., 44 f., 57, 73 ff., 444 ff. – siehe auch: Quellensteuer Kapitalexportneutralität 171, 357 Kapitalimportneutralität 171, 357 Kapitalverkehrsfreiheit 216 f., 225 ff. – Verhältnis zur Niederlassungsfreiheit 219 ff. Klassisches System 87, 200 f. Kombinationsmodell 403 ff., 465 ff., 533 Konfiskatorische Besteuerung 152 ff., 460 Konkordanz, praktische 95, 276 ff. Konsumorientierung 107 f., 182 f., 188 ff. Kontrolle, steuerliche 290 ff., 455 ff., 463 Körperschaftsteuersatz 10 f., 15, 263, 393 f., 411 f., 480 ff. Körperschaftsteuersubjekt 7, 13, 51 Körperschaftsteuersysteme 86 ff. Kosten der Integration 210 f. Leistungsfähigkeit – bei Auslandseinkünften 172 ff. – Indikatoren 106 ff. – Ist-Größe 114 – von Körperschaften 111 ff., 122 ff., 130, 165 f. – lebenszeitliche 182 f., 190 ff. – und „neue Formel„ 98 – objektive 128 – von Steuerausländern 131 ff., 326 f., 436 610

– subjektive 128 – vorläufige 129 f. Leistungsfähigkeitsprinzip – Aussagegehalt 104 ff. – und Gleichheitssatz 100 ff. – Fundamentalprinzip 100, 104, 162 f., 264 – im KSt-Recht 117 ff., 132 ff. Leistungsvergütung 380 f. Markteinkommen 166 f. Marktzugang 234, 247, 305 Meistbegünstigung 289 Missbrauchsvermeidung 37, 59, 140 f., 294 f. Mitwirkungspflichten 292, 455 Mutter-Tochter-Richtlinie 312 ff., 492, 508 Nettoprinzip – und Abzugsverbote 423 ff., 431 ff., 435 ff., 505 ff., 512 ff. – objektives 177 ff. – subjektives 179 ff. Niederlassungsfreiheit 217 f., 224 f. Organschaft 84 f., 497 Periodizitätsprinzip 182 ff., 192 f. Personenbezogene Kapitalgesellschaften 123, 419 f. Personengesellschaften – Dividendenbesteuerung 78 ff., 313 f. – Grundfreiheitsberechtigung 224 Portfolioinvestition 217 Praktikabilität 136, 193 Prinzipienoptimierung 276 f., 286, 385 ff., 496 ff. Progressionsvorbehalt 17, 382 Publikumsgesellschaften 122 ff.

Stichwortverzeichnis

Quellenprinzip 167 ff. Quellenstaat, Vorrecht 200 ff., 204, 207 ff., 329 f., 339 f., 348 Quellensteuer – Abgeltungswirkung: siehe Abgeltungsteuer – Anrechnung ausländischer 30 f., 32, 64 ff., 69 f., 351 f., 467 ff., 530 ff. – und Belastungsgleichheit 445, 522 f. – in Deutschland 21 f., 44 f., 57, 73 ff. – Europarechtskonformität 311 f. – Liquiditätsnachteile 444 f., 525 ff. – Sicherungswirkung 444 ff., 521 f. – in Spanien 25, 46, 59 Rechtsformneutralität 43 f., 159 f., 272 f., 494 Rechtsvergleich 4 f., 404 Reciprocal minimum relief 210 Reinvermögenszugangstheorie 166 Reziprozität – in DBA 199, 206 f. – und Grundfreiheiten 289 f. Ruding-Committee 1 „rule of reason“ 273 ff. Schachtelprivileg – deutsche KSt 7 f., 62, 486 – Gewerbesteuer 26, 35, 440, 524 – spanische KSt 67, 70, 500 Schedulensteuer 376 Separationstheorie 120 Shareholder relief 2, 89 Sozialstaatsprinzip 180, 191 f., 276 Sparerfreibetrag, Verdoppelung 20 f., 374 Staatsangehörigkeit 224 f., 230 f., 235 f., 275

Steuerabzugsbescheinigung 448 Steuerklausel im EGV 279 ff. Steuerumgehung: siehe Missbrauchsvermeidung Steuerwettbewerb 2, 411 f., 482 Streubesitzdividenden 440, 524 Subsidiaritätsprinzip – europarechtlich 242, 332 – national 156, 180 f. Teileinnahmeverfahren 404 Teilwertabschreibung 54 f., 58 f., 68, 71 Territorialitätsprinzip 266 f., 473 Thesaurierungsvorteil 378 ff. Totalitätsprinzip 166 f. treaty override 62 f., 260 Treuepflicht, gemeinschaftsrechtliche 257 ff. Typisierung – im Europarecht 303 ff. – im Verfassungsrecht 135 ff., 381 Überintegration 24, 405 Überwälzung: siehe Inzidenz Universalitätsprinzip 163 f. Unternehmenssteuerreform 2 Veräußerungsgewinne 86, 390 f. Verdeckte Gewinnausschüttung 380 f., 420 Vereinigungsfreiheit 160 ff. Verhältnismäßigkeitsprinzip – europarechtliches 274, 281, 283 ff. – verfassungsrechtliches 96 ff. Verlustverrechnung 192, 407 f., 434, 481, 496, 498 f. Verteilungsgerechtigkeit, internationale 197 ff. – und Körperschaftsteuersysteme 202 ff. 611

Stichwortverzeichnis

virtual resident 267 Vorteilsausgleich 254 f., 270, 295 ff.

612

Welteinkommensprinzip 167 ff. Wettbewerbsneutralität 116, 119, 169, 171, 331 Wirtschaftliches Eigentum 111 ff.